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Kluukheiten der Pfanzen
Ein Handbuch
für Kaud- und Forstwirte, Gärkner, Gartenfteuncle und Hotaniker
von
Dr. A. B. Frank
Profeſſor an der Königl. landwirtſchaftlichen Hochſchule in Berlin
Erſter Band
Die durch anorganiſche Einflüſſe hervorgerufenen Krankheiten
Mit 54 in den Text gedruckten Holzſchnitten
Zweite Auflage
LIBRARY
FACULTY OF FORESTRY
UNIVERSITY OF TORONTO
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Bres lau e
Verlag von Eduard Trewendt
bi; 1895.
Vorwort zur erften Auflage.
Die Aufgabe des vorliegenden Buches iſt, unſre Kenntniſſe von
den Krankheiten der Pflanzen in wiſſenſchaftlicher Form darzuſtellen,
alſo ein möglichſt vollſtändiges Handbuch der Pflanzenpathologie zu
ſein nicht bloß für den Botaniker, ſondern auch für alle diejenigen,
welche ſich praktiſch mit der Kultur der Pflanzen beſchäftigen.
Für alle Völker, welche Pflanzenbau treiben, und ſomit in erſter
Linie für uns Deutſche, hat notwendig die Kenntnis der Pflanzen—
krankheiten ein in hohem Grade praktiſches Intereſſe, und der Wiſſen—
ſchaft fällt daher auf dieſem Gebiete ganz beſonders die Aufgabe zu,
helfend und fördernd für die wichtigſten unmittelbaren Bedürfniſſe
und für die allgemeine Wohlfahrt einzutreten. Es muß alſo Bücher
geben, welche die Pflanzenkrankheiten, ihre Urſachen und die Mittel,
ſie zu heilen oder zu verhüten, kennen lehren.
Von den bereits vorhandenen allgemeinen Werken über Pflanzen—
krankheiten unterſcheidet ſich das vorliegende zunächſt naturgemäß durch
neueren Datum und konnte daher vieles berückſichtigen, was ſeit der
letzten derartigen Publikation — das letzte, allgemeine Werk über
unſern Gegenſtand das Handbuch von Sorauer, iſt 1874 erſchienen —
von Pflanzenkrankheiten neu aufgetreten oder genauer bekannt geworden
iſt. Meinem Plan gemäß ſoll ſich aber das Buch von ähnlichen
andren hinſichtlich des Stoffes auch noch unterſcheiden 1. dadurch,
daß es ſich nicht auf einen beſtimmten Kreis ſogenannter Kulturpflanzen
beſchränkt, ſondern das ganze Pflanzenreich gleichmäßig in Betracht
zieht, 2. dadurch, daß es alle einzelnen Krankheitsgebiete gleichmäßig
behandelt, alſo z. B. nicht die durch paraſitiſche Pilze verurſachten
Pflanzenkrankheiten allein oder in irgend bevorzugter Weiſe zum Gegen—
ſtand nimmt, 3. durch möglichſte Vollſtändigkeit auf jedem der einzelnen
Krankheitsgebiete.
IV Vorwort
Was dieſen Plan an ſich anlangt, ſo bedarf er dem wiſſenſchaftlichen
Botaniker gegenüber nicht nur keiner Entſchuldigung, jondern iſt eigentlich
der einzig korrekte Weg für ein Handbuch der Pflanzenpathologie.
Denn da die letztere ein Wiſſensgebiet innerhalb der Botanik iſt, ſo
muß auch für ſie das Pflanzenreich ein in allen ſeinen Teilen gleich—
berechtigtes Ganze ſein, und mancher tiefere und umfaſſendere Blick
würde ihr verloren gehen, wenn ſie ſich in willkürlich gezogenen Grenzen
beſchränken wollte.
Aber auch für den Praktiker hielt ich es von der größten Wichtig—
keit, mich nicht auf unſre eigentlichen Kulturpflanzen zu beſchränken.
Es leiteten mich dabei folgende Gründe. Erſtens iſt eine genaue
Unterſcheidung von Kultur- oder Nutzpflanzen und Nichtkulturpflanzen
unmöglich, wie z. B. bei den landwirtſchaftlichen Futterpflanzen, ins—
beſondere bei den zahlreichen Arten Gräſer und Kräuter, welche den
Beſtand der Wieſen bilden und die alle hinſichtlich des Ertrages in
Betracht kommen. Vom Standpunkte des Forſtwirtes ſind beinahe
alle Holzgewächſe Nutzpflanzen. Auch vermehrt ſich die Zahl der
Kulturpflanzen immer noch; man denke an die zum Anbau als Ge—
ſpinnſtpflanze empfohlene Brenneſſel, an die von Amerika ausgehenden
Verſuche, Heidelbeer- und Preißelbeerſträucher im großen zu kultivieren ꝛc.,
und unter den Zierpflanzen nimmt in noch höherem Grade die
Zahl der Kulturſpezies ſtetig zu. Zweitens ſind bereits ſchon mehr—
fach Krankheiten, die vorher nur auf wildwachſenden Pflanzen vor—
kamen, auf nahe verwandte Kulturpflanzen übergegangen. Dies kann
jederzeit auch noch künftig geſchehen, und inſofern können auch
Krankheiten wildwachſender Pflanzen einmal eine größere Bedeutung
erlangen. Drittens kommen namentlich viele paraſitäre, anſteckende
Krankheiten auf Kulturpflanzen und gewiſſen wildwachſenden Pflanzen
zugleich vor, letztere können die erſteren anſtecken. Man muß daher
auch das Vorkommen auf dieſen kennen, um über die Krankheit genau
unterrichtet zu ſein und erfolgreiche Gegenmaßregeln zu finden. Übrigens
ſind Gelegenheiten denkbar, wo für den Praktiker auch Pflanzen, die
nicht Kulturpflanzen zu ſein brauchen, in Betracht kommen; wenn es
ſich z. B. um die Bedingungen der Vegetation überhaupt handelt, oder
wenn auf ſchädlichen Pflanzen, wie Unkräutern, Krankheiten ausbrechen,
die in dieſem Falle willkommen und befördernswert ſein können.
Endlich habe ich auch die Krankheiten ausländiſcher Pflanzen berückſichtigt,
weil unter den letzteren viele find, denen wir wichtige Naturprodukte
verdanken.
Der Inhalt des Buches entſpricht in der Hauptſache dem Stande,
den die Wiſſenſchaft bis zum gegenwärtigen Zeitpunkte erreicht hat.
; Vorwort V
Die Pflanzenpathologie verdankt ihren jetzigen fortgeſchrittenen Zuſtand
beſonders den lebhaften Forſchungen, welche den Pflanzenkrankheiten
erſt in der neueren Zeit gewidmet wurden, ſeitdem die Pflanzenphyſiologie,
die mikroſkopiſch-anatomiſchen Unterſuchungen und namentlich das
Studium der Kryptogamen, beſonders der Pilze, einen neuen Auf—
ſchwung genommen haben. Es haben denn auch hervorragende
Leiſtungen ausgezeichneter Männer uns bereits über viele Pflanzen—
krankheiten die klarſten Aufſchlüſſe gegeben. Allein die Aufgabe des
Buches ſchien mir nicht bloß zu ſein, das bis jetzt ermittelte Poſitive
vorzuführen, ſondern auch einesteils zur Erweiterung der Wiſſenſchaft
beizutragen, andernteils die noch zu erledigenden Fragen zu bezeichnen
und ſie von den ſicher erwieſenen Thatſachen abzugrenzen. In erſterer
Beziehung wird man finden, daß mehrfach neue, bisher noch nicht
oder kaum bekannte Pflanzenkrankheiten zur Kenntnis gebracht worden
find und daß auch überall da, wo die Unvollſtändigkeit unſrer Kennt—
niſſe einlud und ich Gelegenheit hatte weitere Forſchungen anzuſtellen,
dies nicht verſäumt worden iſt, ſowie daß auch allerhand Erfahrungen
über Auftreten von Krankheiten, die mir durch die Güte andrer mit—
geteilt wurden und die ich ſelbſt am hieſigen Orte ſowie auf Reiſen
machen konnte, erwähnt worden ſind. Was zweitens die kritiſche Be—
handlung anlangt, ſo habe ich es als eine der wichtigſten Aufgaben
betrachtet, Erwieſenes vom Unerwieſenen, Thatſachen von bloßen
Vermutungen oder Hypotheſen zu ſondern. Das iſt außerordentlich
notwendig gerade auf dem Gebiete der Pflanzenkrankheiten, wo mehr
als anderwärts dem Aberglauben, der Phantaſie und dem unwiſſenſchaft—
lichen Treiben der Laien Spielraum gelaſſen iſt. Die Wiſſenſchaft wird
hier beſonders bedroht durch eine Flut kleinerer Spezial-Litteratur, die
5 unter ſcheinbar wiſſenſchaftlicher Flagge mit dreiſten Prätenſionen auf—
tritt, ohne nur den Schatten eines Beweiſes für ihre Behauptungen
beizubringen, ja oft ohne nur eine Ahnung zu haben, wie man über—
haupt einen ſolchen Beweis erbringt, weil dem Betreffenden die dazu
erforderlichen Kenntniſſe abgehen. Gegen dieſen Unfug iſt das einzig
richtige Verhalten, alles Derartige mit Stillſchweigen zu übergehen.
Aber innerhalb der Wiſſenſchaft gilt es, hauptſächlich die Grenzen
zwiſchen ſicher ermittelten Thatſachen und allem noch Zweifelhaften
ſcharf zu bezeichnen und aus dem unmittelbar Beobachteten keine un—
berechtigten Schlüſſe zu ziehen. Ich habe dies überall in der der Sache
entſprechenden Weiſe zu thun geſucht. Sollte dieſer kritiſche Stand—
punkt mitunter an Skeptizismus angeſtreift ſein, ſo halte ich dies nicht
ſowohl im Intereſſe der rein wiſſenſchaftlichen Betrachtung, ſondern
auch in demjenigen des Praktikers für keinen Fehler und glaube mich
E ² A ÜV une
VI Vorwort
ſicher zu wiſſen, daß ich den Leſer auf den feſten Boden wiſſenſchaftlich
begründeter Thatſachen ſtelle. So ſchien es mir denn auch meine
Pflicht zu ſein, bei gewiſſen Krankheiten lieber kein Gegenmittel an—
zugeben oder ausdrücklich den Mangel eines ſolchen zu konſtatieren,
als welche zu nennen, die entweder gar nur auf der Einbildung des
Volkes oder vorerſt doch nur auf wiſſenſchaftlichen Hypotheſen beruhen
und deren Anwendung daher vielleicht nutzloſe Mühe und Koſten ver—
urſachen würde; oder ich habe wohl dieſem oder jenem Mittel Ausſicht
auf Erfolg verſprochen unter der ausdrücklichen Vorausſetzung, daß
gewiſſe noch unerwieſene Verhältniſſe ſich bewahrheiten ſollten. Wo
aber rationell begründete Mittel vorhanden ſind, habe ich ſie genügend
bezeichnet, und nur da, wo ſie aus der dargelegten Krankheitsgeſchichte
ſich ganz von ſelbſt ergeben, die Ergreifung der geeigneten Maßregeln
dem Urteile des Leſers überlaſſen.
Was im übrigen die Behandlung des Themas, insbeſondere die
Einteilung desſelben anlangt, ſo verweiſe ich auf das in der Ein—
leitung Geſagte und bemerke nur noch, daß ich durch ein ſehr voll—
ſtändiges Regiſter die Brauchbarkeit des Buches zu erhöhen geſucht
habe, indem ich darin nicht nur die Namen der Krankheiten ſowie der
ſchädlichen Tiere, Pilze und andern Krankheits-Urſachen, ſondern auch
die Namen der Pflanzen ſelbſt, von denen Krankheiten beſprochen ſind,
aufgenommen habe, letzteres zu dem Zwecke, um den Benutzer in den
Stand zu ſetzen, die ihm vielleicht unbekannte Krankheit einer ihm
vorliegenden Pflanze deſto leichter auffinden zu können. Über das
Ganze wird man ſich durch das Inhaltsverzeichnis und im Terte ſelbſt
durch die Kolumnentitel, durch die Überſchriften der einzelnen Abſchnitte,
Kapitel, Abſätze u. ſ. w., ſowie namentlich durch die in großer Zahl
angebrachten Marginalbemerkungen ſchnell und leicht orientieren. Die
in den Text gedruckten Holzſchnitte, die meiſt nach meinen nach der
Natur angefertigten Originalzeichnungen hergeſtellt ſind, werden zum
Verſtändnis der Sache beitragen.
Trotz des guten Willens, die vorhandene wiſſenſchaftliche Litteratur
ſo vollſtändig wie möglich zu benutzen, könnte, da der auf die Pflanzen—
krankheiten bezügliche Litteraturſchatz ungemein zerſtreut iſt und ſogar
auf entlegene Wiſſensgebiete ſich erſtreckt, einzelnes mir entgangen ſein,
und ich würde mich jedem verbunden fühlen, der mich auf Lücken auf—
merkſam machen ſollte. Selbſtverſtändlich konnten die allerneueſten
Publikationen nicht mehr berückſichtigt werden. Seit dem Jahre 1876
iſt an der Fertigſtellung des Manuffriptes gearbeitet worden. Was
in den folgenden Jahren erſchienen iſt, ließ ſich daher nicht mehr überall
zur Geltung bringen. Außer kleineren Abhandlungen in Zeitſchriften
Vorwort VII
bezieht ſich das beſonders auf Sorauer's Obſtbaumkrankheiten und
R. Hartig's Unterſuchungen aus dem forſtbotaniſchen Inſtitut zu
München. Dieſe Unterſuchungen und inzwiſchen ſelbſt gemachte Er—
fahrungen haben mich nur noch mehr in der Anſicht beſtärkt, daß der
Krebs der Bäume, über deſſen Urſache ſo viel geſchrieben und ge—
ſtritten worden iſt, eine Krankheitsform iſt, welche durch eine ganze
Reihe der verſchiedenartigſten Urſachen bewirkt werden kann. Ich würde
daher auch jetzt dieſer Anſicht einen noch viel beſtimmteren Ausdruck
geben, als es im Buche geſchehen iſt. Die Wiſſenſchaft kennt eben
keinen Stillſtand, und ihre ſtete Weiterentwickelung muß daher auch
immer nach einiger Zeit unſre Anſchauungen erweitern.
Schließlich ſage ich allen Herren, die mich durch ihre Erfahrungen
und Beobachtungen, ſowie durch Mitteilungen aller Art unterſtützt
haben, meinen beſten Dank.
Leipzig, im September 1880.
Der Derfaffer.
Vorwort zur zweiten Auflage.
Von der zweiten Auflage meines Handbuches der Pflanzenkrankheiten
erſcheint hier der erſte Band, enthaltend die durch anorganiſche Einflüſſe
hervorgerufenen Krankheiten. Der zweite Band wird die durch Pilze
und andere ſchädliche vegetabiliſche Organismen verurſachten Krankheiten
behandeln, und der dritte diejenigen, welche durch tieriſche Beſchädiger
veranlaßt werden, ſowie die auf ungenau bekannten Urſachen beruhenden.
Dieſe Trennung, welche den Hauptkategorien der natürlichen Einteilung
der Pflanzenkrankheiten entſpricht, dürfte zur Bequemlichkeit bei der
Benutzung des Buches beitragen.
Das Bedürfnis nach einem neuen, zeitgemäßen, wiſſenſchaftlichen
Werke über die Krankheiten der Pflanzen wird nicht nur von den
Praktikern, ſondern auch von den Gelehrten empfunden. Zwar ſind
ſeit der erſten Auflage meines Handbuches noch andre Werke gleichen
oder ähnlichen Charakters erſchienen, aber auch ſie ſind durch die raſch
weiter ſchreitenden Forſchungen auf dieſem Gebiete und durch das in der
jüngſten Zeit leider vielfache Auftreten neuer Krankheiten und Be—
ſchädigungen der Kulturpflanzen überholt worden. Denn in der neueren
Zeit wird den Pflanzenkrankheiten ein immer wachſendes Intereſſe
geſchenkt; faſt in allen Kulturländern wird jetzt eifrig gearbeitet, um
die Krankheiten der Kulturpflanzen zu verfolgen, genauer zu ſtudieren
VIII Vorwort
und zu unterſcheiden, und eine Menge Verſuche werden angeſtellt, um
Gegenmittel gegen die Pflanzenkrankheiten zu probieren oder ausfindig
zu machen. Aus dieſen Arbeiten entſpringt alljährlich eine Fülle von
Litteratur, und gegenwärtig vermag nur noch derjenige, welcher ſich
ſpeziell mit Pflanzenpathologie beſchäftigt, dieſe weit zerſtreuten Mit—
teilungen zu überſchauen, zu ſammeln und zu verarbeiten. Ein modernes
Handbuch der Pflanzenkrankheiten hat daher namentlich die Aufgabe,
die bis in die jüngſte Zeit reichenden litterariſchen Erſcheinungen auf
dieſem Gebiete wiſſenſchaftlich zuſammengeſtellt und kritiſch geſichtet
dem Publikum darzubieten. Freilich werde ich dieſe Aufgabe vielleicht
nicht vollkommen gelöſt haben. Es könnte ſein, daß noch Publikationen,
welche in dieſes weit ausgedehnte Gebiet einſchlagen, exiſtieren, die
nicht unter den mir zugänglich geweſenen litterariſchen Hilfsmitteln
zu finden waren. Auch konnten naturgemäß die Schriften allerjüngſten
Datums nicht mehr benutzt werden; es bezieht ſich das namentlich auf
die über das Jahr 1892 hinausreichenden Erſcheinungen, da bereits im
Jahre 1893 an den Abſchluß des Manuffriptes gegangen werden mußte.
Der Plan des Werkes iſt derſelbe geblieben. Es ſind wiederum
die bekannten Krankheiten aller Pflanzen behandelt worden, alſo nicht
bloß diejenigen der Kulturgewächſe, ſondern auch die der wildwachſenden
Pflanzen, auch nicht bloß die der einheimiſchen Vegetation, ſondern
auch die in andern Ländern bekannt gewordenen Pflanzenkrankheiten.
Selbſtverſtändlich nehmen die Kulturpflanzen die hervorragendſte Stelle
ein; es iſt dabei auf die Landwirtſchaft, die Forſtwirtſchaft und den
Gartenbau in gleichem Grade Rückſicht genommen worden. Auch ſind
nicht etwa gewiſſe Krankheitsgebiete vor andern bevorzugt worden, wie
es ja bei ſolchen Werken leicht vorkommen kann, daß je nach der Forſchungs—
richtung des Verfaſſers bald die Krankheiten, welche durch Pilze, bald
diejenigen, welche durch Tiere verurſacht werden, eine größere Be—
rückſichtigung finden; ich habe vielmehr auch in dieſer neuen Auflage
alle drei Hauptgebiete der Pflanzenkrankheiten in gleicher Vollſtändigkeit
zu bearbeiten geſucht. Der Geſamtumfang hat natürlich um etwas gegen
denjenigen der erſten Auflage zugenommen, wie das bei dem bedeutenden
Zuwachs unſres Wiſſens nicht anders zu erwarten war. Manche
Abſchnitte ſind auch von Grund aus umgearbeitet worden. Vielfach
habe ich die Illuſtrationen vermehrt, teilweiſe auch durch neue erſetzt.
Jeder Band erhält ſein eigenes Regiſter und wird daher ei ſelbſtändig
zu benutzen ſein.
Berlin, im Oktober 1894.
Der Verfaſſer.
Inhaltsverzeichnis.
Einleitung
I. Abſchnitt. Von den un des wanne
II. Abſchnitt. Von den Wunden .
1. Kapitel. Störung der Lebensthätigkeiten infofge von Bi
2. Kapitel. Die Reaktionen der Pflanze gegen Verwundungen.
Natürliche Schutzvorkehrungen, e und Wende an
den Wunden. Wundkrankheiten . Re
A. Natürliche Schutzvorkehrungen nach Benvumdungen s
I. Schutzholz und Kernholz
II. Sekretionen an Wunden.
Harzfluß, Reſinoſis der Koniferen 0
Gummifluß oder Gummoſis der Steinoöſtbaume
Gummifluß andrer ee 5
Mannafluß 3
B. Die natürlichen Se po e
I. Heilung durch Wundkork
II. Heilung durch Callus
1. Verkorkender Callus als bloßer Wundverſchluß
2. Callus an Stecklingen .
3. Bedeckung der Wunde mit Callus, aus weichem © Cambium,
Rinde und Holz regeneriert werden
4. Ueberwallung 5
5. Verwachſung von Stämmen, Zweigen und Burgeln mit
einander
6. Regeneration eines! Vegetationspunktes aus Callus
C. Reproduktionen neuer Glieder nach ehe von een
Stengeln oder Blättern .. N
I. Erſatz der Wurzeln. 5
II. Erſatz der Knoſpen und Zweige AR
Verhalten der krautartigen Pflanzen.
Verhalten der Holzpflanzen .
III.
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L.
Inhaltsverzeichnis
Erſatz der Blätter .
Verhalten der krautartigen Pflanzen a
Verhalten der Holzpflanzen . ;
Wundkrankheiten und Wundfäule
a e e eee der Wunden nicht hesiger Bilanzen
teile. .
Zerſetzungserſcheinungen des Holzes .
apitel. Die Verwundungsarten ..
A. Das Aufſpringen fleiſchiger Pflanzenteile i
Abgeſchnittene Pflanzenteile
Veredelung.
Verſtümmelung der Samen.
Verwundung der Wurzeln ..
Die Stamm- und Srocigverftfnmehungen
. Die Entrindungen der Stämme
Fremde Körper ..
Zeichen und uſchriten ;
.Das Harzen b
. Quetjchwunden
Schälen, Fegen und Nagen
Inſektenfraß in der Rinde
F
„Die Entlaubung .
Blattwunden
Verwundung der Blüten
Verwundung der Früchte .
4. Kapitel. Behandlung der Wunden
III.
Abſchnitt. Erkrankungen durch atmoſphäriſche eu f
1. Kapitel Das Licht.
I.
13
Verhinderung der Chlovophyilbildung durch Lichtmangel
Verhinderung der Kohlenſäureaſſimilation 1 1 Lichtmangel
III. Abnormitäten des Wachstums bei Lichtmangel
IV.
Mangelhafte Ausbildung der mechaniſchen 6 Gewebe bei eic
mangel 5 ;
V. Abſterben grüner Teile bei dauernder Verdumtelung
VI. Tödliche Wirkung intenſiven Sonnenlichtes
2. Kapitel. Die Temperatur
A. Tötung durch Hitze .
B. Wirkungen des Froſtes
I
II.
III.
3 8
Das Gefrieren der Frauen
1. Eisbildung ;
2. Krümmungen
3. Farbenänderungen . "De: Ders
Die Folgen des Gefrierens ..
Verſchiedene Empfindlichkeit der Pflanzen gegen Froft . 8
Lokale Beſchädigungen durch den Froſt an den Pflanzen .
Aufziehen der Saaten durch den Froſt .. 5
„Dürre, mißfarbige Blattflecke.. .
. Abfrieren der jungen Triebe und Triebſpitzen bi Holzpflanzen
4. Erfrieren der Obſtbaumblüten, weißſpitzige Roggenähren .
5. Beſchädigungen der Rinde und des Hole der e We
Froſt; Rindenbrand, Froſtkrebs ꝛc. .
2 0 —
„Froſtſchutzmittel .
3
n
nr
S
—
©
4.
Inhaltsverzeichnis
C. Störungen einzelner Lebensprozeſſe infolge der —
ihrer Temperaturgrenzen . A
Wachstum und Keimung. .
! al ar und Sefamtproduftion
. Wurzelthätigfeit . \ g
. Ergrünung A
. Süßmerden der Kartoffeln in der Kälte.
Froſtgeſchmack der Weinbeeren . .
Kapitel. Die eb ana } LE
8 R
2. Hagel N 1
8. Schneedrud, Eisanhang, Lawinen.
Kapitel. Der Sturm .
Y m
Kapitel. Der Blitzſchlag
1. Blitzſchlag in Bäume . 2
2. Blitzſchlag in Weinberge . Ä
3. Blitzſchlag in Wieſen und Aecker.
Kapitel. Das Feuer
IV. Abſchnitt. Erkrankungen durch Bodeneinflüfle .
„Kapitel. una des e mit einem eee
Medium.
. Kapitel. Ungünſtige räumliche detelniſe Be: ease
des Erdbodens
1. Ungenügendes Bibennnlunieh ;
2. Neigung der Bodenoberfläche ..
3. Zu tiefe und zu flache Lage der Saat
4. Verſchüttung und Tiefpflanzung
. Kapitel. Ungünſtige phyſikaliſche Beſchaffenheiten des Erdbodens
1. Zu große und zu geringe Feſtigkeit des Erdbodens.
2. Ungenügende Durchlüftung des Erdbodens. 5
Kapitel. Ungünſtige Zuſammenſetzung des Bodens.
A. Der Waſſermangel
1. Störung der Keimung
2. Welken
3. Sommerdürre, Verſcheinen n und None des Getreides.
4. Berziwergung . 5 s
B. Ungenügende Nährstoffzufuhr 5
I. Nährſtoffmangel
. Verbindungen als s notwendige Mährfofe
Stick
Silicium
Kalium
Calcium
Magneſium
Eiſen
SSD DDD DD e
—
XII Inhaltsverzeichnis
II. Unterbleiben der Ernährungsſymbioſe
1. Die mykorhizenbildenden Pflanzen
2. Die Wurzelanſchwellungen 1 Erlen, Clagüaclen und
„Muyricaceen
. Die Munzelknöllchen bildenden Leguminoſen'
C. W Konzentrationsverhältniſſe der Nährſtoffe
V. Abſchnitt. Erkrankungen durch . nne *
I. Der Saueritoff . Ä
II. Die Kohlenjäure 8
III. Feuchtigkeitsgehalt der Luft
IV. Die eigentlichen Gifte. ..
A. Giftige Safe. .
1. ran Säure
2. Leuchtgas ..
3. Verſchiedene andre giftige Gaſe
B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stofe
Anorganiſche Berbindungen .
Organiſche Verbindungen
Einleitung.
I. Die Lehre von den Pflanzenkrankheiten, ihre Geſchichte Die Pflanzen⸗
und Litteratur. Die Krankheiten der Pflanzen gehören ins Gebie
der Botanik; die von ihnen handelnde Wiſſenſchaft hat ſich aber mehr
und mehr zu einer ſelbſtändigen Disciplin entwickelt, welche man die
Pflanzenpathologie oder Phytopathologie nennt, ganz ebenſo
wie die Lehre von den tieriſchen und menſchlichen Krankheiten zu
einem beſonderen Wiſſensgebiete geworden iſt. Hier wie dort hat
ſich die Pathologie von der Phyſiologie, an welche ſie am nächſten
ſich anſchließt, mehr und mehr abgegrenzt, wiewohl immer die
Phyſiologie die natürliche Grundlage der Pathologie bleiben muß
und es auch keinen Pflanzenpathologen geben kann, der nicht zugleich
Pflanzenphyſiologe wäre.
Man hat in der Botanik neben der eigentlichen Pathologie auch
noch eine beſondere Disciplin unter dem Namen Teratologie ge—
ſchaffen, welche die Beſchreibung der Mißbildungen oder Bildungs—
abweichungen, deren ſo vielfache am Pflanzenkörper vorkommen, zur
Aufgabe hat und über welche ſogar eigene Werke geſchrieben worden
ſind. Da aber auch die Entſtehung abnormer Geſtalten als ein Aus—
druck krankhafter Lebenshätigkeiten angeſehen werden muß, deren ver—
ſchiedenen phyſiologiſchen Urſachen nachzuſpüren Aufgabe der Wiſſen—
ſchaft iſt, ſo werden wir auch die Bildungsabweichungen mit zur
Pathologie ziehen und ſie an den gehörigen Stellen behandeln.
Die Aufgabe der Pflanzenpathologie iſt eine dreifache. Sie ſoll
1. die einzelnen Pflanzenkrankheiten kennen und unterſcheiden, alſo
mit dem richtigen Namen bezeichnen lehren. Es handelt ſich alſo
hierbei um eine Beſchreibung der Veränderungen, welche an der kranken
Pflanze zu beobachten ſind, und beſonders der Merkmale oder ſoge—
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl, 1
pathologie, ihre
Geſchichte und
Litteratur.
Hiſtoriſches.
2 Einleitung
nannten Symptome der verſchiedenen Krankheiten. Mit Hilfe dieſer
Mittel erreichen wir alſo bei einer kranken Pflanze ungefähr das,
was der Arzt durch die ſogenannte Diagnoſe erzielt. 2. ſoll uns die
Pflanzenpathologie über die Krankheitsurſachen unterrichten. Sie kann
dieſe Aufgabe in noch befriedigenderem Maße, als zur Zeit die tieriſche
und menſchliche Pathologie erfüllen, da die allermeiſten Pflanzen—
krankheiten nach ihren Urſachen ziemlich genau aufgeklärt ſind. Dieſe
Aufgabe würde alſo der Atiologie analog ſein. Und endlich 3. ſoll
die Pflanzenpathologie die Mittel zur Bekämpfung der Pflanzen—
krankheiten uns an die Hand geben. Durch dieſe Aufgabe gewinnt
ſie erſt das hohe Intereſſe, welches der praktiſche Pflanzenbau, die
Land- und Forſtwirtſchaft, ſowie der Gartenbau an dieſer Naturwiſſen—
ſchaft nehmen. Aber ſelbſtverſtändlich iſt ſie dieſer dritten Aufgabe
erſt nach Erfüllung der beiden erſtgenannten gewachſen. Dieſer Teil
der Pathologie hat es alſo einesteils zu thun mit der Heilung ſchon
vorhandener Pflanzenkrankheiten, ſoweit von einer ſolchen die Rede
ſein kann, und würde dann der Therapie entſprechen, andererſeits hat
er für die Verhütung der Pflanzenkrankheiten zu ſorgen und wird
dann zur Prophylaxis, die in Bezug auf den praktiſchen Pflanzen—
bau meiſtens als der wichtigſte Teil der Pathologie anzuſehen iſt.
Die hiſtoriſchen Anfänge unſrer Wiſſenſchaft verlieren ſich wie die
faſt aller Naturwiſſenſchaften in das Altertum. Freilich beſchränkte
ſich damals die Kenntnis von denſelben faſt nur auf die äußerliche
Unterſcheidung der auffallendſten und charakteriſtiſchſten Krankheits—
erſcheinungen, wie denn z. B. ſchon im griechiſchen und römiſchen
Altertum der Roſt und der Brand am Getreide bekannt waren. Mit
der Erkenntnis des Weſens und der Urſachen der Pflanzenkrankheiten
konnte natürlich erſt ſeit der Zeit der Anfang gemacht werden, wo
man mit Hilfe des Mikroſkopes und der Chemie genaueren Einblick
in den Bau und in die Lebensvorgänge der Pflanzen gewinnen konnte,
alſo mit dem Ende des vorigen und dem Anfange des gegenwärtigen
Jahrhunderts. Nachdem die Grundlagen der Pflanzenphyſiologie gelegt
waren, erſchienen auch die erſten wiſſenſchaftlichen Werke über Pflanzen⸗
krankheiten, und zwar von Unger, von Wiegmann und von
Meyen in den Jahren 1833 bis 1841. Zwar tritt uns in dieſen
Werken eine ſchärfere Unterſcheidung dex einzelnen Krankheiten und
die Bemühung, dieſelben urſächlich zu erklären, entgegen; aber für
das wichtige Gebiet der durch paraſitiſche Pilze verurſachten zahlreichen
Pflanzenkrankheiten waren dieſelben noch völlig verfehlt; der namentlich
von Unger gehegte Irrtum, daß die paraſitiſchen Pilze nicht durch
eigene Keime entſtehen, ſondern aus einer abnormen Thätigkeit der
Einleitung 3
Zellen der Nährpflanzen ſelbſt hervorgehen, beherrſchte noch die da—
maligen Schriften. Eher und leichter wurden diejenigen zahlreichen
Pflanzenbeſchädigungen ihrem Weſen nach erkannt, welche durch Inſekten
veranlaßt werden, indem das Studium dieſer Tiere und ihrer Lebens—
weiſe, zunächſt beſonders dasjenige der Forſtinſekten, ſeit den vierziger
Jahren zuerſt durch Th. Hartig und Ratzeburg erfolgreich betrieben
wurde. Aber die Unkenntnis, welche noch bezüglich der Entwickelungs—
geſchichte der paraſitiſchen Pilze herrſchte, ja überhaupt die völlige
Unbekanntſchaft der meiſten dieſer nur mikroſkopiſch und ſchwieriger
auffindbaren Pflanzenfeinde hatte zur Folge, daß man die wichtigſten
infektiöſen Pflanzenkrankheiten und überhaupt alle, die nicht ſogleich
auf eine ſichtbare äußere Urſache ſich zurückführen ließen, als Folgen
ungeeigneter Ernährung anſah und aus dem Mangel eines oder des
andern Nährſtoffes im Boden erklären zu müſſen glaubte. Erſt ſeit—
dem die Erforſchung der Entwickelungsgeſchichte der Pilze, insbeſondere
der Schmarotzerpilze, durch de Bary, zunächſt durch ſein Buch „Unter—
ſuchungen über die Brandpilze, Berlin 1853“, in Angriff genommen
worden war, verbreitete ſich auch über dieſe Pflanzenkrankheiten mehr
und mehr Licht; es folgten jetzt weitere Unterſuchungen von Kühn,
von Tulasne und von de Bary, denen ſich bis in die neueſte
Zeit noch viele andere Forſcher anſchloſſen. Durch die erfolgreichen
Bemühungen ſo vieler Kräfte auf dieſem nämlichen Gebiete wurde eine
neue Periode in der Wiſſenſchaft von den Pflanzenkrankheiten eröffnet,
indem es ſich jetzt erſt herausſtellte, daß die verbreitetſten und ſchädlichſten
Krankheiten der Kulturpflanzen durch paraſitiſche Organismen, die
teils den Pilzen, teils dem Tierreiche, beſonders den Nematoden, Milben
und Inſekten, angehören, hervorgerufen werden.
Es iſt aber für die Geſchichte unſerer Wiſſenſchaft auch der Weine
bemerkenswerte Umſtand von Einfluß, daß ſich der Gegenſtand der neuer Krank—
Pflanzenpathologie ſelbſt noch fortwährend vergrößert. Immerfort
treten neue Krankheiten an den Pflanzen hervor, die vorher noch nicht
da waren oder wenigſtens unſrer Beobachtung entgangen find; jo
daß alſo auch aus dieſem Grunde ſich immer neuer Stoff der Forſchung
darbietet und die Wiſſenſchaft wenigſtens vorläufig noch gar keinen
Abſchluß finden kann. Während gewiſſe Pflanzenkrankheiten nach—
weislich ſchon im Altertum bekannt waren, läßt ſich bis in die neueſte
Zeit das Auftreten neuer Krankheiten verfolgen. Der Traubenpilz
Oidium Tuckeri iſt auf den Reben des europäiſchen Feſtlandes erſt ſeit
dem Jahre 1848 beobachtet worden. Die jetzt in allen kartoffelbauenden
Ländern heimiſche Kartoffelkrankheit, welche durch den Pilz Phytophthora
infestans verurſacht wird, iſt erſt mit dem Jahre 1845 gekommen,
1*
heiten.
Litteratur.
4 Einleitung
ohne ſeitdem wieder verſchwunden zu ſein. Die Reblaus iſt in den
ſechziger Jahren von Amerika in Europa eingewandert und hat ſich
erſt auf dem europäiſchen Weinſtocke zu einem Pflanzenfeinde erſten
Ranges und zu einer noch immer andauernden Gefahr für den Wein—
bau unſeres Erdteiles entwickelt. In den achtziger Jahren brach im
Altenlande in den Marſchgegenden der Unterelbe eine Seuche unter den
Kirſchbäumen aus, von welcher der Obſtbau bis dahin nichts wußte,
und welche die Ausſicht auf die fernere Exiſtenz des Kirſchbaumes in
jenem Obſtlande in Frage ſtellte; es war auch hier wieder ein plötzlich
zu allgemeiner epidemiſcher Entwickelung gekommener Schmarotzerpilz,
Gnomonia erythrostoma, den ich als die Urſache dieſer Kirſchbaum—
krankheit auffand. Endlich noch in den allerletzten Jahren entdeckte ich
einen neuen paraſitiſchen Pilz der Zuckerrüben, Phoma Betae, welcher
eine ſehr ſchädliche Krankheit der Rübenpflanzen und vielfach bedeutende
Rückgänge im Rübenertrage verurſacht; Pilz und Krankheit ſind auf
einmal in den Provinzen Schleſien, Pommern, Weſtpreußen, Branden—
burg, Sachſen und Hannover zur Kenntnis gekommen.
Im Folgenden zählen wir nur die allgemeinen Lehr- und Hand—
bücher, welche ſich mit dem Geſamtgebiete oder wenigſtens mit einem
Hauptgebiete der Pflanzenpathologie beſchäftigen, nach der Altersfolge
auf. Die überaus umfangreiche Spezial-Litteratur, welche in andern
Werken, beſonders aber in Fachſchriften zerſtreut iſt und meiſt nur
einzelne Pflanzenkrankheiten behandelt, iſt an den einzelnen Stellen
dieſes Werkes, wohin ſie jeweils gehört, zu finden.
Unger, Die Exantheme der Pflanzen und einige mit dieſen verwandte
Krankheiten der Gewächſe. Wien 1833.
Wiegmann, Die Krankheiten und krankhaften Mißbildungen der
Gewächſe. Braunſchweig 1839.
Meyen, Pflanzenpathologie. Lehre von dem krankhaften Leben und
Bilden der Pflanzen. Berlin 1841. f
J. Kühn, Die Krankheiten der Kulturgewächſe, ihre Urſachen und
Verhütung. Berlin 1858.
Ratzeburg, Die Forſtinſekten. Berlin 1839 — 44.
Ratzeburg, Die Waldverderbnis. Berlin 1866-68.
Willkomm, Die mikroſkopiſchen Feinde des Waldes. Dresden 1866.
Hallier, Phytopathologie. Die Krankheiten der Kulturgewächſe.
Leipzig 1868.
M. Masters, Vegetable Teratology. London 1869.
Moquin Taudon, Pflanzenteratologie. Deutſch v. Schauer.
Berlin 1842.
Kaltenbach, Die Pflanzenfeinde aus der Klaſſe der Inſekten.
Stuttgart 1874.
Nördlinger, Die kleinen Feinde der Landwirtſchaft. Stuttgart 1869.
Einleitung 5
Taſchenberg, Die der Landwirtſchaft ſchädlichen Inſekten und
Würmer. Leipzig 1865.
Sorauer, Handbuch der Pflanzenkrankheiten. Berlin 1874. —
2. Auflage 1886.
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. Breslau 1880.
R. Hartig, Wichtige Krankheiten der Waldbäume. Berlin 1874.
R. Hartig, Lehrbuch der Baumkrankheiten. Berlin 1882. —
2. Auflage 1889.
Kirchner, Die Krankheiten und Beſchädigungen unſerer landwirtſchaft—
lichen Kulturpflanzen. Stuttgart 1890.
Ritzema-Bos, Tieriſche Schädlinge und Nützlinge für Ackerbau ıc.
Berlin 1891.
Frank und Sorauer, Pflanzenſchutz. Berlin 1892.
II. Begriff der Pflanzenkrankheit. Die Bemühung, von dem
Begriff Krankheit eine ſcharfe Definition zu geben, iſt fruchtlos, weil
ja Krankheit und Geſundheit Zuſtände bezeichnen, die ohne Grenze in
einander übergehen. Immerhin verlohnt es ſich näher über die Grenzen
dieſes Begriffes nachzudenken, um ſich zu überzeugen, wie verſchwommen
nach allen Seiten hin derſelbe namentlich im Pflanzenreiche iſt.
Man muß bei der Entſcheidung, ob etwas krankhaft an einer
Pflanze iſt oder nicht, immer von den ſpezifiſchen Merkmalen der be—
treffenden Pflanze ausgehen. Denn was für die eine Pflanzenart
abnorm iſt, kann bei einer andern Art dem normalen Zuſtande ent—
ſprechen, wie z. B. das Fehlen des Chlorophylls, alſo der grünen
Farbe der Pflanze, da es ja Pflanzen giebt, bei denen Chlorophyll—
mangel zu den regelmäßigen natürlichen Merkmalen gehört. Als
Krankheit kann alſo nur eine Abweichung von den normalen
Zuſtänden der Spezies gelten. Allein die Schwierigkeit, auch in
dieſer Definitionden Begriff Pflanzenkrankheit zu begrenzen, zeigt ſich
beſonders aus folgenden Gründen:
1. Weil jeder Pflanzenteil notwendig von ſelbſt zu einer gewiſſen
Zeit abſtirbt und man alſo dieſen natürlichen Tod im Alter nicht
als eine Krankheit bezeichnen kann, doch aber nicht ſelten ganz gleiche
Erſcheinungen in Folge ſchädlicher Einwirkung eintreten können, längere
oder kürzere Zeit vor dem natürlichen Tode und ihn alſo gewiſſer—
maßen nur beſchleunigen. So tritt z. B. das Abſterben des Kartoffel—
krautes, wenn der Pilz der Kartoffelkrankheit erſcheint, bald viel, bald nur
wenig früher als im normalen Verlaufe ein, je nach der Zeit des Er—
ſcheinens des Parafiten. Kann man in dieſem Falle immer noch durch
das Auffinden des Paraſiten das etwaige Vorliegen einer Krankheit
beurteilen, ſo wird letzteres ſehr ſchwer oder unmöglich, wenn andre
als direkt ſichtbare Urſachen, z. B. Witterungs- oder Bodenverhältniſſe
die Veranlaſſung ſind.
Begriff der
Krankheit.
Der natürliche
Tod.
Verhältnis der
Glieder zum
Körper.
6 Einleitung
Bei den perennierenden Pflanzen ſollte man glauben, daß ein
natürlicher Tod aus inneren Urſachen ausgeſchloſſen iſt, weil bei dieſen
Pflanzen die Art der Vegetation eine beſtändige Verjüngung herbei—
führt. Die perennierenden Kräuter treiben aus ihren älteren Teilen
alljährlich neue Sproſſungen, welche in dem Maße als jene abſterben
an deren Stelle treten. Und auch bei den Bäumen bildet die Cambium—
ſchicht alljährlich neue Zellen, aus denen jedes Jahr ein neuer Holz—
ring und eine neue Rindelage ſich entwickelt, während in dem gleichen
Maße das ältere Holz und die ältere Rinde aus den Lebensthätigkeiten
ausſcheiden, und jedes Jahr bilden ſich neue Knoſpen, welche mit
jugendlicher Kraft die Vegetation aufnehmen, und die wir deshalb
auch als Stecklinge benutzen können, um daraus einen neuen, wieder—
um zu hohem Alter gelangenden Baum zu erziehen. Aber erfahrungs—
gemäß haben die Bäume doch keine unbegrenzte Lebensdauer. Ihr
Tod erfolgt nicht aus inneren Urſachen, ſondern regelmäßig durch
äußere, in jedem Falle nachweisbare Faktoren. Es ſind dies die
während der langen Lebensdauer unvermeidlichen verſchiedenen Ge—
fahren, denen der Baum ausgeſetzt iſt, indem Sturm, Blitz, die
Witterungseinflüſſe, Tierfraß allmählich immer mehr Verletzungen herbei—
führen, aus denen ſich nach und nach tiefer gehende Zerſetzungs—
erſcheinungen entwickeln müſſen, und zu denen früher oder ſpäter auch
paraſitäre Organismen oder Saprophyten ſich geſellen, welche am
Werke der Zerſtörung ſich beteiligen. Aus dieſen Beſchädigungen re—
ſultieren dann notwendig auch Störungen in den Funktionen der be—
ſchädigten Teile, z. B. der Wurzelthätigkeit, der Saftleitung ꝛc., und
dieſe Störungen werden ihrerſeits zu weiteren Urſachen von Erkrankungen,
die ſchließlich zum Tode führen. So iſt alſo bei den Bäumen das
natürliche Lebensende eine Folge unfehlbar ſich einſtellender Krank—
heiten, nicht aber einer eigentlichen Altersſchwäche.
2. Weil die einzelnen Teile der Pflanze meiſt nicht in demjenigen
innigen Abhängigkeitsverhältnis zum ganzen Pflanzenkörper ſtehen, wie es
zwiſchen den Gliedern und dem ganzen Körper des Tieres der Fall iſt.
Während am letzteren faſt jede Beſchädigung oder Störung eines Organs
mehr oder minder den Geſamtorganismus in Mitleidenſchaft zieht, können
wir bei der Pflanze einzelne Organe vom Körper trennen, z. B.
Zweige vom Stamm, Blätter von den Zweigen, einzelne Teile von
den Blättern, ohne daß dadurch die Lebenserſcheinungen des Ganzen
merklich geſtört werden. Am einzelnen Blatte kann alſo zwar eine
ausgeprägt pathologiſche Veränderung oder Zerſtörung eintreten; für
das ganze Individuum bleibt dieſelbe belanglos. Das letztere ſelbſt
würde erſt in dem Maße merkbar beeinflußt werden, und alſo als
Ei — P
—
Einleitung 7
krank bezeichnet werden dürfen, als die Zahl der Blätter, die ſolche
Beſchädigungen zeigen, größer wird.
3. Weil von den pathologiſchen Veränderungen nicht immer ſtreng Variationen.
die Variationen der Pflanze zu ſcheiden ſind, die größtenteils zu den
normalen Formen der Species gehören. Manche durch Kultur erzeugte
Varietäten haben indes wirklich pathologiſche Merkmale, d. h. ſolche,
mit welchen eine Unterdrückung oder Beeinträchtigung normaler Lebens—
prozeſſe verbunden iſt, z. B. der Blumenkohl, weil hier die Blüten
verkümmern, die Varietäten mit panachierten Blättern, weil hier die
Aſſimilationsthätigkeit des Blattes an den nicht grünen Teilen des
Blattes unmöglich iſt, die Varietäten mit gefüllten Blüten, weil hier
die Fortpflanzungsorgane verkümmert ſind, und Unfruchtbarkeit die
Folge iſt. Anderſeits gelten uns manche durch Kultur erzeugte Va—
rietäten ohne pathologiſche Merkmale ſo ſehr als Norm, daß wir un—
willkürlich geneigt ſind, das Zurückſchlagen auf die Zuſtände, welche
die Species in der Wildnis zeigt, die aber auch nicht pathologiſch ſind,
als abnorm und krankhaft zu betrachten, z. B. das Dünn-, Holzig- und
Zuckerarmwerden der Möhrenwurzeln, das Steinigwerden des Kern—
obſtes. Es könnte alſo vorkommen, daß man eine und dieſelbe Pflanze
bald für krank, bald für geſund erklärt, je nachdem man ſich auf den
Standpunkt des Pflanzenzüchters oder des theoretiſchen Botanikers ſtellt.
4. Weil das Vorkommen fremder Organismen an der Pflanze unterſchied der
nicht immer den Charakter eines ſchädlichen paraſitären Eingriffes, e ei
; 133 f raſitismus.
ſondern auch den einer gleichgültigen Beherbergung oder ſogar den einer
vorteilhaften Symbioſe haben kann, was namentlich von den My—
korhizen der Waldbäume und von den Pilzkammern der Leguminoſen
gilt. Es ſind nun Fälle denkbar, wo nicht ohne weiteres zu entſcheiden
iſt, ob ein in einer Nährpflanze vorkommender Pilz oder eine durch
ein Tier erzeugte Gallenbildung als etwas Pathologiſches oder als
eine gutartige, unſchädliche Symbioſe zu gelten hat. Gerade ſehr viele
durch Inſekten erzeugte Gallen find ſymbiotiſche Einrichtungen, welche
dem gallenbewohnenden Tiere eine geſicherte Entwickelung bieten und
zugleich den die Galle tragenden und ernährenden Pflanzenteil nicht
nachteilig beeinfluſſen; nur wenn in übergroßer Menge ſolche Gallen
an einem und demſelben Pflanzenteile, z. B. auf einem Blatte ſich be—
finden, können dieſelben die Ausbildung und die Funktionen des letzteren
beeinträchtigen.
III. Die allgemeinen Symptome des Todes und die be- Symptome.
ſonderen Krankheitsſymptome. Sehr oft beſtehen die Krankheiten
der Pflanzen darin, daß beſtimmte Teile derſelben, alſo da alle Teile aus
Zellen beſtehen, beſtimmte Zellen abſterben. Es gilt daher ein für
Beſchaffenheit
toter Pflanzen—
zellen.
8 Einleitung
alle Mal, ſich bekannt zu machen mit den Merkmalen, welche als
Zeichen des Todes bei den Pflanzenzellen zu betrachten ſind. Aus
den Veränderungen, welche die Zellen bei ihrem Tode erleiden, er—
klären ſich auch diejenigen, welche der ganze Pflanzenteil beim Abſterben
zu zeigen pflegt. Die Symptome des wirklich eingetretenen Todes ſind
nun bei den Pflanzenzellen und ſomit auch am ganzen Pflanzenteile
im allgemeinen immer dieſelben, gleichgültig ob es ſich um den zur
natürlichen Zeit ſich einſtellenden Tod oder um das in Folge einer
Krankheit eintretende Abſterben handelt, und auch je nach den Krank—
heitsurſachen ſind ſie nicht verſchieden.
Es läßt ſich eine Reihe von Merkmalen angeben, welche allgemein
bei den Pflanzenzellen Zeichen des Todes ſind. Beide Beſtandteile
der Zelle, das Protoplasma und die Zellhaut zeigen charakteriſtiſche
Veränderungen. Am deutlichſten ſind dieſelben an denjenigen Zellen,
die eine dünne und zarte, aus Celluloſe beſtehende Zellhaut haben
und reich an Protoplasma ſind, z. B. an den Zellen der Stengelrinde,
an denjenigen des Meſophylls der Blätter. Im lebenden Zuſtande,
wie man ihn an dieſen Zellen findet, ſogleich nachdem fie dem Blatte
entnommen und unter das Mikroſkop gebracht worden ſind, enthält
die Zelle einen Protoplasmakörper, welcher ringsum auf der jtraff
und faltenlos geſpannten Zellmembran innen aufliegt und die Form
eines Hohlſackes hat, indem nur eine verhältnismäßig dünne Schicht
von Protoplasma ſich auf der Innenſeite der Zellmembran ausbreitet.
Die von demſelben eingeſchloſſene Höhlung des Zellenraumes iſt mit
wäſſeriger, klarer Flüſſigkeit, dem Zellſafte, erfüllt. In der wandſtändigen
Protoplasmaſchicht
ſind aber noch andre
organiſirte Ein—
ſchlüſſe, welche Teile
oder Erzeugniſſe des
Protoplasmas find,
Fig. 1 zu bemerken, vor
Lebende und tote Zelle aus dem Meſophyll des Blattes allen der Zellkern
von Senecio vulgaris, 200 fach vergrößert. und die in großer
A der lebende Zuſtand: im wandſtändigen Protoplasma 9, ö
unterhalb der Zellwand der Zellkern und die zahlreichen Anzahl vorhand 5
grünen Chlorophyllkörner. B nach Eintritt des Todes: nen, durch ihre grüne
das Protoplasma ſamt den Chlorophyllkörnern ꝛc. in Farbe ausgezeichne—
der Zelle zuſammengeſchrumpft, die Zellhaut faltig. ten, ungefähr linſen—
U
förmig geſtalteten Chlorophyllkörner, welche in einer einfachen Lage neben—
einander in der wandſtändigen Protoplasmaſchicht gelagert ſind (Fig. 1A).
Nach dieſem Typus iſt auch in den meiſten andern Pflanzenzellen das
4
N
Tb
Einleitung 9
Protoplasma gebaut; nur daß bisweilen noch Protoplasmaſtränge hinzu—
kommen, welche von der wandſtändigen Schicht aus quer durch den Saft—
raum in verſchiedenen Richtungen gehen. In manchen Zellen, beſonders
in vielen Haaren, zeigt das lebende Protoplasma Strömungen, die
man ſowohl innerhalb der wandſtändigen Schicht, als auch in den
Protoplasmaſträngen beobachtet. An iſolirten Stücken von Meſophyll—
gewebe unter dem Mikroſkop tritt der Tod der Zelle bald ſchneller,
bald langſamer ein (ogl. Fig. 1). Die wandſtändige Protoplasma—
ſchicht zieht ſich von der Zellhaut zurück, der ganze Protoplasmakörper
ſchrumpft zuſammen, indem der Zellſaft, den er im Saftraume ein—
ſchloß, aus dieſem entweicht, und dafür den Raum zwiſchen der Zell—
haut und dem ſich zuſammenziehenden Protoplasma einnimmt. Das
im lebenden Zuſtande faſt klare, waſſerhelle Protoplasma erhält zu—
gleich ein trübes Ausſehen, indem zahlreiche kleine Körnchen in ſeiner
Maſſe auftreten. So ſchrumpft das ganze Protoplasma zu einem
unregelmäßigen Klumpen zuſammen, welcher bald in der Mitte des
Zellenraumes, bald mehr an einer Wand der Zelle liegt, und in welchem
von nun an keinerlei Bewegung mehr wahrzunehmen iſt. Der Zellkern
wird bei dieſer Desorganiſation undeutlich, und die Chlorophyllkörner,
die zwar zunächſt noch an ihrer grünen Farbe zu erkennen ſind, aber
ebenfalls ihre regelmäßigen ſcharfen Umriſſe etwas verlieren, werden
durch die Kontraktion des Protoplasmas regellos durch einander ge—
ſchoben und verlieren daher ebenfalls an Deutlichkeit. In dieſen Er—
ſcheinungen müſſen wir den Ausdruck einer veränderten Molekular—
ſtruktur des Protoplasmas erkennen. Letzteres hat einen Teil ſeines
Imbibitionswaſſers verloren, iſt waſſerärmer geworden, und dies
erklärt unmittelbar das geringere Volumen deſſelben. Die Anderung
der Molekularſtruktur prägt ſich auch darin aus, daß die osmotiſchen
Eigenſchaften des Protoplasmas auffallend verändert ſind: es iſt
für Flüſſigkeiten permeabler geworden, denn es läßt den Zellſaft
ausfiltriren. Beſonders auffallend iſt in dieſer Beziehung auch das
Verhalten zu gelöſten Farbſtoffen. In manchen Zellen enthält nämlich
der Zellſaft einen Farbſtoff aufgelöſt; im lebenden Zuſtande nimmt
das Protoplasma den Farbſtoff nicht in ſich auf und läßt ſeine Löſung
nicht durch ſich hindurch diffundieren. Sobald es aber getötet iſt, tritt
die farbige Löſung ungehindert aus dem Protoplasma und durch die
Zellhaut aus, und wir ſehen ſogar, daß das getötete Protoplasma
den Farbſtoff abſorbiert; der letztere ſammelt ſich in ihm an und zwar
ſo, daß dasſelbe viel tiefer gefärbt wird als die umgebende Flüſſigkeit.
Die gleiche Erſcheinung tritt ein, wenn man getötete Zellen, deren
Zellſaft keinen Farbſtoff enthält, in eine Farbſtofflöſung legt. In
Beſchaffenheit
toter
Pflanzenteile.
10 Einleitung
Folge des Waſſerverluſtes verſchwindet auch der Turgor der Zelle;
die Zellhaut iſt nicht mehr ſtraff geſpannt, ſchlaff, mehr oder weniger
faltig. Nur bei Zellen, deren Haut durch ſtarke Verdickung oder durch
einen großen Gehalt an mineraliſchen Beſtandteilen einen hohen Grad
von Feſtigkeit und Härte beſitzt, iſt natürlich im toten Zuſtande auch
keine andre Beſchaffenheit der Zellmembran zu erwarten, und man
kann dann eigentlich nur nach der Beſchaffenheit des Protoplasmas
ein Urteil über Leben oder Tod der Zelle abgeben.
Aus den Veränderungen, welche die Zellen beim Tode erleiden,
reſultiert unmittelbar die Beſchaffenheit der ganzen Pflanzenteile, deren
Zellen getötet ſind. Es erklärt ſich daher, warum die ſaftreicheren
krautartigen oder fleiſchigen Pflanzenteile beim Abſterben ſchlaff und
welk, beziehentlich ſo weich werden, daß man den Saft leicht aus
ihnen ausdrücken kann. Sehr bald treten dann noch weitere Ver—
änderungen ein, die bereits als Zerſetzungserſcheinungen der toten or—
ganiſchen Subſtanz zu betrachten find. Zu dieſen muß man ſchon die
häufigen Farbenveränderungen toter Pflanzenteile rechnen; das Braun—
oder Schwarzwerden derſelben beruht darauf, daß das tote Proto—
plasma und oft auch die Zellhaut ſich mehr oder weniger tief bräunen.
Was dies für Farbſtoffe ſind und wie ſie entſtehen, iſt keineswegs be—
friedigend erkannt; vielfach ſieht man fie für Humifikationsprodukte
an, weil ja regelmäßig bei jeder natürlichen Zerſetzung von Pflanzen—
reſten aus den vegetabiliſchen Verbindungen ſolche durch braune oder
ſchwarze Farbe ausgezeichnete Humusſtoffe entſtehen; oft mögen aber
auch Gerbſtoffe, welche in der lebenden Zelle ſchon vorhanden waren
oder bei ihrem Tode entſtehen und beim Abſterben in Protoplasma
und Zellhaut eindringen, wenn ſie mit dem Sauerſtoff der Luft in
Berührung kommen, zu ſolchen Farbenveränderungen Veranlaſſung
geben. Auf die weiteren Veränderungen, welche tote Pflanzenteile er—
leiden, hat auch die Beſchaffenheit der Umgebung, in welcher ſie ſich
befinden, einen großen Einfluß. An freier Luft und wenn die letztere
einigermaßen trocken und der Pflanzenteil ſelbſt nicht ungewöhnlich
ſaftreich iſt, tritt meiſt ein raſches Vertrocknen desſelben, gewöhnlich
unter brauner oder ſchwarzer Verfärbung ein, wie gewöhnlich an
Blättern oder krautigen Teilen überhaupt. Pflanzenteile von großem
Saftgehalte, wie die ſaftigen Früchte, gehen meiſt auch an der Luft
mehr oder weniger in eine jauchige Fäulnis über, und dieſelbe iſt be—
ſonders auch bei allen in feuchtem Erdboden befindlichen abſterbenden
Pflanzenteilen zu beobachten, um jo mehr, je ſaftreicher fie find, wie
bei Zwiebeln, Knollen, Rüben, dicken Wurzeln ꝛce. b
Einleitung 11
Außer den allgemeinen, regelmäßigen Todesſymptomen kann man SKranfheits
aber auch noch beſondere, für die einzelnen Krankheiten charakteriſtiſche
Symptome unterſcheiden. Dieſe beziehen ſich vor allem darauf, an welchen
Teilen der Pflanzen die Beſchädigungen wahrgenommen werden, in
welchem Alter dieſelben, in welchem Umfange und in welcher räum—
lichen Verteilung an denſelben ſie ſich zeigen. So reden wir alſo
von Krankheiten, die an den Wurzeln oder an andern unter—
irdiſchen Organen auftreten, oder von ſolchen der Stengel oder
der Blätter, oder der Blüte oder endlich der Früchte oder Samen.
Und an Stengeln und Blättern wiederum kann ſich die Krank—
heit bald in einer Zerſtörung der jugendlichen Zuſtände, bald in
einer Beſchädigung der erwachſenen Teile und dann wiederum in deren
Totalität oder nur an gewiſſen kleinen Stellen, als ſogenannte Flecken—
krankheiten auf Stengeln, Blättern oder Früchten äußern, wobei das
allgemeine Todesſymptom als ein Vertrocknen oder als eine Fäulnis
ſich zeigen kann. Beſondere Krankheitsſymptome ergeben ſich auch, je
nachdem das Weſen der Krankheit in der Störung dieſes oder jenes
Lebensprozeſſes beſtand. Liegt z. B. ein Einfluß vor, durch welchen
die Erzeugung des grünen Chlorophyllfarbſtoffes verhindert oder die
Zerſtörung dieſes Farbſtoffes bedingt wird, ſo iſt eine gelbe oder bleiche
Farbe anſtatt des normalen Grüns ein Symptom der Krankheit. Oder
liegt ein Einfluß vor, welcher das Wachstum und die Geſtaltbildung
eines Pflanzenteiles verändert, ſo werden aus den abnormen Geſtalts—
verhältniſſen auffallende beſondere Symptome ſich ergeben. Aber auch
von jedem dieſer beſonderen Krankheitsſymptome gilt bis zu einem
gewiſſen Grade das Nämliche, wie von den allgemeinen Todeskennzeichen:
es kann durch verſchiedene Krankheitsurſachen bedingt werden; man darf
alſo nicht ohne weiteres aus den gleichen Symptomen auf dieſelbe Urſache
ſchließen. Fäulnisprozeſſe können die Folge ſein von Tötung durch Ver—
wundung oder durch ungünſtige Temperaturverhältniſſe oder durch Er—
ſtickung bei ungenügender Zufuhr ſauerſtoffhaltiger Luft oder durch
Schmarotzerpilze, welche ſich in dem Pflanzenteile angeſiedelt hatten. Gelb—
ſucht, alſo das Unterbleiben der Chlorophyllbildung, beziehentlich die vor—
zeitige Zerſtörung des gebildeten Chlorophylls, wobei normal grüne Teile
gelb ausſehen, kann eintreten bei Lichtmangel, aber auch bei ungünſtigen
Temperaturverhältniſſen, ferner bei ungenügender Ernährung, nämlich
wenn Eiſen unter den Nährſtoffen fehlt, oder wenn in Folge von
ſtagnierender Näſſe oder Undurchläſſigkeit des Bodens für Luft die
Wurzeln erkranken, desgleichen auch oft wenn die Pflanze in Folge
von Dürre vorzeitig dahinſiecht, endlich iſt es das hauptſächliche
Symptom beim Auftreten gewiſſer Schmarotzerpilze und einiger para—
ſymptome.
Krankheits-
urſachen. —
Die nächſten
Veranlaſſungen.
12 Einleitung
ſitiſcher Tiere. Fleckenkrankheiten, d. h. gebräunte, vertrocknete Blatt—
flecken können das Zeichen verſchiedenartiger pathogener Einflüſſe ſein,
ſie rühren bald von Ernährungsanomalien, bald von Froſtwirkungen,
bald von Verletzungen durch kleine Tiere her und werden endlich durch
eine große Anzahl verſchiedenartiger Schmarotzerpilze verurſacht.
IV. Krankheitsurſachen. Wenn man die Verrichtungen der
einzelnen Organe im Dienſte der ganzen Pflanze kennt, ſo läßt ſich
auch ohne weiteres ſagen, welche Störung eintreten muß, ſobald dieſes
oder jenes Organ der Pflanze beſchädigt iſt. Sind z. B. die Wurzeln
ganz oder teilweiſe zerſtört, oder hören ſie zu funktionieren auf, weil
ſie erkrankt ſind, ſo iſt ein Welkwerden und Vertrocknen der Stengel
und Blätter zu erwarten, weil die Wurzeln für die Erwerbung der—
jenigen Waſſerquantitäten ſorgen, welche zum Erſatze des durch die
Verdunſtung der Blätter in Dampfform an die Luft abgegebenen
Waſſers der Pflanze gebraucht werden. Wenn das Syſtem der Gefäß—
bündel der Pflanze, insbeſondere der Holzkörper in ſeiner Kontinuität
innerhalb des Pflanzenkörpers unterbrochen iſt, ſo kann über die Unter—
brechungsſtelle hinaus die Beförderung des Waſſers nach oben verhindert
werden und ein Verwelken und Vertrocknen der oberhalb dieſer Stelle
befindlichen Teile eintreten, weil eben vorzugsweiſe die Gefäßröhren,
welche in den Gefäßbündeln und ſpeziell im Holzkörper vorhanden ſind,
die Bahn des aufſteigenden Waſſerſtromes darſtellen. Hat die Pflanze
die grünen Blätter in Folge von Verwundungen verloren oder ſind
dieſelben durch eine anderweitige Urſache verdorben, ſo hört von dieſer
Zeit an jede weitere Produktion der Pflanze auf, ſo lange als nicht
neue geſunde grüne Blätter gebildet ſind; die Körnerfrüchte, das Obſt
und überhaupt alle Früchte können dann keine Ausbildung weiter er—
reichen; die Holzpflanzen bleiben dann auf einem ſchwächeren Grade
der Holzbildung ſtehen; die Kartoffelpflanze gelangt dann zu keiner
weiteren Knollenbildung, die Rübenpflanze hört mit dem weiteren
Wachstum des Rübenkörpers und mit der ferneren Zuckerbildung auf.
Das erklärt ſich eben aus der Rolle, welche das grüne Blatt im Leben
der Pflanze ſpielt, welche darin beſteht, Kohlenſäure aus der Luft auf—
zunehmen und dieſelbe nebſt Waſſer unter dem Einfluſſe des Lichtes
zu kohlenſtoffhaltiger organiſcher Subſtanz zu verarbeiten; denn all'
das kohlenſtoffhaltige Material, welches zur Herſtellung jener Pflanzen—
produkte gebraucht wird, wird in den grünen Blättern aus der Kohlen—
ſäure der Luft erzeugt und von den Blättern aus nach den Verbrauchs⸗
orten hingeleitet. Bei einer Pflanze, deren Blüten verkümmert ſind,
oder welche zwar Blüten bildet, aber die Geſchlechtsorgane in denſelben
nicht zur normalen Entwickelung bringt, iſt Unfruchtbarkeit, alſo Unter-
Einleitung 13
bleiben der Samenbildung die Folge; denn wir wiſſen, daß zu letzterer
das Zuſammenwirken der Geſchlechtsorgane der Blüten, nämlich der
Samenknoſpen und des Blütenſtaubes eine notwendige Bedingung iſt.
Aber mit dieſer Aufdeckung der nächſten Veranlaſſung einer Pflanzen-
krankheit iſt das Ziel der Forſchung noch lange nicht erreicht. Dieſes
beſteht nun auch noch darin, die eigentliche Urſache aufzuſuchen, wes—
halb das betreffende Organ der Pflanze zerſtört iſt oder ſeinen Dienſt
verſagt.
Bei der Nachforſchung nach dieſen eigentlichen Krankheit s-F-ODie eigentlichen
urſachen iſt es nun durchaus logiſch, daß wir nach einem äußern
Faktor ſuchen, auf welchen die vorhandene Störung zurückzuführen iſt.
In der That läßt ſich bei den Pflanzenkrankheiten auch gewöhnlich
ein ſolcher außerhalb der Pflanze liegender ſchädlich wirkender Faktor
als die wahre Urſache leicht auffinden: bald ſtellt ſich ein ſolcher un—
zweifelhaft unter den verſchiedenen Einwirkungen heraus, denen die
Pflanze hinſichtlich der anorganiſchen Naturkräfte ausgeſetzt war, z. B.
in Bezug auf die Temperatur, oder auf die Beleuchtungsverhältniſſe
oder hinſichtlich der Beſchaffenheit des Erdbodens oder der Luft, bald
wird ein fremdes Lebeweſen, ein Paraſit aus dem Pflanzen- oder Tier—
reiche als die Krankheitsurſache beſtimmt nachgewieſen. Nun iſt in
der Regel auch von allen derartigen ſchädlichen Faktoren bekannt, daß
ſie allein hinreichen, um die Krankheit zu erklären; wir können beliebig
jede geſunde Pflanze krank machen, ſobald wir ſie einem dieſer Faktoren
ausſetzen beziehentlich ſie künſtlich mit einem der betreffenden Paraſiten
infizieren.
Aber es dürfen bei der Erklärung der Krankheitsurſachen auch
die befördernden Nebenumſtände nicht vergeſſen werden, die in
manchen Fällen an dem Eintreten der Krankheit einen weſentlichen
Anteil haben. Dieſe können nun entweder auch außerhalb der Pflanze
liegen. Viele Krankheiten, bei denen paraſitiſche Pilze die Urſache
find, werden durch Feuchtigkeit in ihrer Ausbreitung außerordentlich
begünſtigt; auf feuchtem Boden, in Lagen mit häufigen Nebelbildungen,
bei andauerndem Regenwetter werden die Pflanzen viel mehr von
den Pilzen aus den Abteilungen der Uſtilagineen, Uredinaceen,
Peronoſporaceen ꝛc. befallen als unter trockeneren Verhältniſſen, weil
die Erzeugung der Sporen dieſer Schmarotzer, ihre Keimung und das
Eindringen der Keimlinge derſelben in die Nährpflanze durch Feuchtig—
keit ſehr befördert wird. Iſt ein paraſitiſcher Pilz einmal in ſeine
Nährpflanze eingedrungen, ſo kann das inficierte Individuum, wenn
es ſich raſch und kräftig entwickelt, den Paraſiten in ſeiner Entwickelung
überflügeln und dadurch den ſchädlichen Einwirkungen des letzteren
Krankheits-
urſachen.
Befördernde
Nebenumſtände
außerhalb der
Pflanze.
Befördernde
Nebenumſtände
in der Pflanze
ſelbſt.
14 Einleitung
noch mehr oder weniger entgehen und leidlich geſund bleiben, während
umgekehrt der Paraſit die Oberhand in der Pflanze gewinnen und
die letztere überwältigen kann, wenn dieſe in ihrer Entwickelung ſehr
gehemmt wird, alſo z. B. wenn ſie in eine lange Trockenheitsperiode
kommt oder auf einem Boden wächſt, der ſchon, wenn kürzere Zeit
die Niederſchläge ausbleiben, an Waſſermangel leidet. Auch bei den
durch Inſekten verurſachten Pflanzenbeſchädigungen ſpielt die Witterung
eine ganz außerordentlich wichtige Rolle. Überhaupt hängt ſchon das
numeriſche Auftreten der Inſekten bedeutend von der Witterung ab:
in Jahren mit reichlichen Niederſchlägen und geringerer Wärme er—
ſcheinen ſie im allgemeinen nicht in großer Anzahl, während in aus—
nehmend trockenen und heißen Sommern Inſektenarten, welche ſonſt
in den betreffenden Kulturen nie beobachtet werden, großartige Be—
ſchädigungen veranlaſſen können. Dazu kommt noch, daß die Angriffe
ſolcher Inſekten, namentlich der Milben, Läuſe und Cicaden gerade
bei Trockenheit und Hitze um deswillen heftiger werden, weil ſie nicht
allein auf das Nahrungsbedürfnis, ſondern auch beſonders auf die
Begierde nach Stillung des Durſtes zurückzuführen ſind, und weil bei
ſolchen Witterungsverhältniſſen gerade die Pflanze ſelbſt Waſſermangel
leidet und in ihrer Entwickelung ſo gehemmt iſt, daß ſie wiederum
dem Paraſiten gegenüber als der ſchwächere Teil ſich erweiſt. So iſt
es denn eine ziemlich feſtſtehende Erfahrung, daß in naſſen Jahren
die Pilzkrankheiten, in trocknen Jahren die Inſektenbeſchädigungen an
unſern Kulturpflanzen vorwalten.
Es giebt aber auch krankheitbefördernde Nebenumſtände, welche
in der Pflanze ſelbſt liegen. Offenbar wird es auch auf die Beſchaffenheit
der Pflanze ankommen, ob und in welchem Grade ſie ſchädlichen Ein—
flüſſen zu trotzen vermag. Die Eigenſchaften der Zellen und der
Gewebe des Pflanzenkörpers und der Zuſtand, in welchem ſich dieſelben
je nach Entwickelungszuſtand und Alter befinden, alſo z. B. der Saft⸗
gehalt, die Dicke der Zellhäute, vielleicht auch die verſchiedenen Stoffe,
welche im Innern der Zelle enthalten ſind, dürfen nicht als gleichgültig
angeſehen werden, wenn es ſich darum handelt, wie leicht z. B. die
Pflanze dem Froſt erliegt, wie ſehr ſie Trockenheit verträgt, wie leicht
ſie von paraſitiſchen Pilzen befallen und beſchädigt wird. In dieſer
Beziehung hat uns ja auch die Erfahrung gelehrt, daß ſogar Pflanzen—
formen von ſehr naher Verwandtſchaft, wie die einzelnen Varietäten
und Sorten einer und derſelben Species beſtimmten Krankheitsurſachen
gegenüber ſehr ungleich empfindlich ſind. So kennen wir z. B. froſt⸗
harte und froſtempfindliche Sorten beſonders bei den Obſtbäumen.
So giebt es ferner z. B. gewiſſe Kartoffelſorten, welche weniger als
— a
Einleitung 15
andre von dem Pilze der Kartoffelkrankheit angegriffen werden. So
iſt es auch eine bekannte Thatſache, daß Sommerroggen überaus leicht
und ſtark vom Getreideroſt befallen wird, während gleichzeitig daneben
wachſender Winterroggen und andres Getreide völlig roſtfrei bleiben
kann. Die Reblaus iſt bekanntlich nur für den europäiſchen Weinſtock
hochgradig gefährlich, für die amerikaniſchen Rebenarten weit weniger.
Solcher Beiſpiele ließen ſich noch ſehr viele anführen. Wenn wir
auch nicht in allen dieſen Fällen ſchon jetzt genaue Rechenſchaft darüber
geben können, in welchen Momenten die ungleiche Widerſtandsfähigkeit
begründet iſt, ſo iſt doch unzweifelhaft bewieſen, daß eine ſolche
wirklich beſteht, daß man alſo in dieſem Sinne allerdings mit Recht
von einer Prädispoſition gewiſſer Pflanzen für eine Krankheit reden
kann. Will man damit nur ausſprechen, daß gewiſſe Arten oder
Varietäten und Sorten vermöge ihrer natürlichen, an und für
ſich geſunden Eigenſchaften den Angriffen gewiſſer Krankheitsurſachen
weniger leicht widerſtehen können als Pflanzen mit andern natürlichen
Eigenſchaften, ſo iſt dagegen nichts einzuwenden. Man kann auch
noch weiter gehen und ſagen, daß man die Pflanzen durch gewiſſe
Verhältniſſe, in denen man ſie wachſen läßt, verzärteln kann, ſo daß
ſie dann gewiſſen Einflüſſen weniger zu trotzen vermögen. Pflanzen,
die z. B. in geſchloſſenen Räumen mit feuchter, unbewegter Luft und
mit ſchwacher Beleuchtung gewachſen ſind, erliegen, in freie, trocknere,
bewegte Luft gebracht, ſehr leicht den ungewohnten Verhältniſſen,
während die in ſolchen von vornherein gewachſenen Individuen
derſelben Art unberührt bleiben. In ſolchem Falle liegt alſo ſchon
ein andrer krankmachender äußerer Umſtand vor und eben keine
urſprüngliche Krankheitsveranlagung. Irrig wäre es auch, wenn
man, wie es früher und vielleicht jetzt noch manchmal geſchieht, be—
haupten wollte, daß paraſitiſche Krankheitserreger nur Pflanzen
angreifen, welche ſchon aus irgend einer andern Urſache wirklich krank
ſeien. Denn es iſt von allen genauer bekannten paraſitären Pflanzen—
krankheiten feſtgeſtellt, daß es leicht gelingt, jedes beliebige geſunde
Individuum der betreffenden Species mit den Keimen des bezüglichen
Paraſiten zu inficieren und dadurch die Krankheit mit allen ihren
charakteriſtiſchen Symptomen künſtlich zu erzeugen.
Aber gewiſſe Krankheitszuſtände giebt es doch bei den Pflanzen,
wo eigentlich nur von einer innern Urſache geredet werden kann,
nämlich da, wo gewiſſe Merkmale von entſchieden pathologiſchem
Charakter vererbt werden. Es giebt Varietäten, welche durch terato—
logiſche oder auch rein pathologiſche Merkmale charakteriſiert ſind. So
z. B. ſolche mit gewiſſen Mißbildungen an den Blättern oder an den
Erhebliche
Krankheits⸗
zuſtände.
Ermittelung
der Krankheits—
urſachen.
16 Einleitung
Blüten, oder ſolche mit abnormen Farben, z. B. mit Blättern, welche
ganz oder ſtellenweiſe keine grüne Farbe beſitzen. Solche Eigenſchaften
kommen bei der Aussaat der Samen gewöhnlich wieder, find alſo
erblich, und es ſind ſo wirklich teratologiſche und pathologiſche
Raſſen entſtanden. Das Auftreten ſolcher Merkmale fällt unter den
Geſichtspunkt des Variierens; d. h. des ſpontanen Auftretens neuer
Merkmale. Es brauchen beim Variieren der Pflanzen nicht immer
nur ſolche neue Eigenſchaften aufzutreten, welche vorteilhaft für die
Lebensthätigkeiten der Pflanze ſind. Vielmehr liegt im Begriffe des
Variierens ebenſowohl das Auftreten von Eigenſchaften, die in irgend
einer Beziehung den Lebenszwecken der Pflanze nicht entſprechen. Daß
neu erworbene Merkmale vererbt werden können, iſt ebenfalls eine
bekannte Thatſache, und auch hierbei iſt die Qualität derſelben irre—
levant. Es iſt alſo nichts Befremdendes, daß auch Merkmale von
teratologiſchem oder pathologiſchem Charakter vererbbar find. Sich
ſelbſt überlaſſen werden ſolche Formen natürlich bald wieder ver—
ſchwinden; aber ebenſo ſelbſtverſtändlich iſt es, daß ſie, wenn der
Pflanzenzüchter ſie abſichtlich auswählt, ſich erhalten und zu wirklichen
Raſſen ſich ausbilden, dafern nur ihre pathologiſchen Merlmale von
einer Art oder von einem Grade ſind, daß das Leben dadurch nicht
ohne weiteres gehemmt wird.
Bei der Ermittelung der Krankheitsurſachen muß man
ſich bewußt ſein, daß jede Pflanze beſtändig unter einer großen Anzahl
verſchiedenartiger Einwirkungen ſteht, als da ſind Temperatur, Be—
leuchtungsverhältniſſe, Beſchaffenheit des Bodens und der Luft. Jeder
dieſer Faktoren kann nun unter Umſtänden einen ſchädlichen Charakter
für die Pflanze annehmen. Es iſt nun aber auch bekannt, welches
Krankheitsbild die Pflanzen darbieten, wenn in dieſen Beziehungen
ein abnormer Einfluß vorliegt. Sollten wir alſo Spmptome an der
kranken Pflanze bemerken, welche auf eine dieſer Urſachen hindeuten,
ſo wird eine nähere Unterſuchung aller einzelnen Umſtände der eben
genannten Art, unter denen die Pflanze ſich befunden hat, Aufſchluß
darüber geben, ob und welcher dieſer Faktoren die Krankheitsurſache
abgegeben hat. Natürlicherweiſe müſſen dann in der Regel alle in
derſelben Kultur beiſammenſtehenden gleichartigen Individuen gleich—
mäßig von der Krankheit betroffen ſein, da ſie ja alle den gleichen
Einwirkungen ausgeſetzt waren. Läßt ſich unter den allgemeinen
Faktoren keiner finden, auf welchen eine Krankheit zu beziehen wäre,
ſo iſt anzunehmen, daß es ſich um eine beſondere Urſache handelt,
welche direkt nur das einzelne Individuum getroffen hat, d. h. alſo
meiſtens um den Angriff eines fremden, ſchädlichen Weſens. In
Einleitung 17
ſolchen Fällen pflegen auch gewöhnlich nicht alle beiſammen wachſende
Individuen erkrankt zu ſein, ſondern nur ein kleinerer oder größerer
Bruchteil derſelben, eben je nach der Häufigkeit, in welcher ſie befallen
worden ſind. Auch in ſolchem Falle ergiebt ſich in der Regel die
Krankheitsurſache ziemlich bald, da der betreffende Paraſit ſich ge—
wöhnlich leicht an der Pflanze auffinden läßt, natürlicherweiſe nur
durch mikroſkopiſche Unterſuchung, wenn es ſich um einen mikroſkopiſchen
Pilz oder ein derartiges Tier handelt. Freilich kann man in dieſer
Beziehung auch getäuſcht werden, wenn man die Krankheit erſt in
einem Stadium zu Geſicht bekommt, wo der Krankheitserreger bereits
verſchwunden oder durch ſekundäre, erſt am toten Pflanzenkörper auf—
getretene ſogenannte Fäulnisbewohner verdrängt iſt. In dieſem
Falle bedarf es einer wiederholten Unterſuchung, zu welcher frühere
Zuſtände, insbeſondere die Anfangsſtadien der Krankheit, heran—
zuziehen ſind.
V. Die Bekämpfung der Pflanzenkrankheiten. An ein
rationelles Vorgehen gegen eine Pflanzenkrankheit kann nur dann ge—
dacht werden, wenn die Urſache derſelben aufgeklärt worden iſt, denn
andernfalls würde jedes Unternehmen dagegen nur ein blindes Umher
probieren ſein können. Der Kampf gegen die Pflanzenkrankheiten—
kann entweder auf eine Heilung einer ſchon vorhandenen Krankheit
oder auf eine Verhütung des Eintretens einer ſolchen gerichtet ſein.
Bei kurzlebigen Pflanzen, wie den meiſten landwirtſchaftlichen Kultur—
pflanzen, welche nur eine oder wenige Vegetationsperioden leben, kann
naturgemäß in der Regel von einer Heilung nicht oder nur ſelten die
Rede ſein; denn ſchädliche Temperaturverhältniſſe, ungünſtige Beſchaffen—
heit des Bodens, oder der Befall durch paraſitiſche Pilze oder ſchädliche
Tiere verderben gewöhnlich dieſe Pflanzen unrettbar, während aller—
dings bei den Bäumen und Sträuchern durch kunſtgerechte Behandlung
manches Leiden in der That wieder geheilt werden kann. Es ergiebt
ſich hieraus, daß der Kampf gegen die Pflanzenkrankheiten hauptſächlich
auf die Verhütung derſelben hinauskommt.
Welches die zweckmäßigen Verhütungsmaßregeln der Pflanzen—
krankheiten find, ergiebt ſich aus der Kenntnis der Urſache und der
Entſtehung der Krankheit. Selbſtverſtändlich werden ſich alſo dieſe
Maßregeln nach der Art der Krankheit und der Umſtände, unter denen
ſie auftritt, richten müſſen und ſind alſo für jeden Einzelfall beſonders
zu erörtern. Iſt dieſes geſchehen, ſo iſt freilich noch nicht geſagt, daß
die Mittel ſich in der Praxis auch anwenden laſſen. Sie können ent—
weder den Zwecken der Kultur überhaupt zuwider laufen, oder ſie
können eine Arbeit beanſpruchen, die ſich für Werhälmiſſe im Großen
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 2
Bekämpfung
der Pflanzen⸗
krankheiten.
Bflunzenichuß.
18 Einleitung
nicht ausführen läßt oder die mit Koſten verbunden ſein würde, welche
mit dem Gewinn, den die Kultur überhaupt abwirft, in keinem Ver—
hältniſſe ſtände. Sind die Mittel von dieſer Art, ſo laſſen ſie ſich
freilich im Großen nicht anwenden. Auch darüber wird natürlich in
jedem Einzelfalle entſchieden werden müſſen.
Überall da nun, wo es Mittel giebt, gegen deren Ausführbarkeit
nach keiner Richtung hin Gründe ſich anführen laſſen, handelt es ſich
darum, dieſelben nun wirklich zur praktiſchen Anwendung zu bringen.
Dies iſt die Aufgabe des Pflanzenſchutzes. Es handelt ſich hier
naturgemäß um gemeinnützige Zwecke, um Aufgaben, die nicht ſowohl
den Einzelnen, als vielmehr die Geſamtheit der Pflanzenbauer im
ganzen Lande angeht. Ja vielfach ſind dieſe Mittel überhaupt nur
unter der Bedingung erfolgverſprechend, daß ſie von allen Intereſſenten
gemeinſam ausgeführt werden, beſonders da, wo es ſich um anſteckende
Pflanzenkrankheiten handelt, deren Krankheitserreger für die Nachbar—
ſchaft, ja für das ganze Land gefährlich werden. Wir können gegen ſolche
Krankheiten gerade ebenſo wie gegen die ſeuchenartigen Krankheiten
der Menſchen und Tiere nur durch ſyſtematiſch gemeinſames Vorgehen
etwas ausrichten.
Somit iſt unabweislich der auf den Pflanzenbau im großen be—
zügliche Pflanzenſchutz eine Aufgabe des Staates, der Gemeinden oder
ſonſtiger Vereinigungen. Was wir von Einrichtungen in dieſer Be—
ziehung beſitzen, beſchränkt ſich bis jetzt auf folgendes.
Noch am meiſten erfreut ſich die Forſtkultur dank ihrer nach ein—
heitlichem Plane geordneten Verwaltung, in den Vorſchriften und Me—
thoden, welche der Forſtſchutz angiebt, einer Reihe von Schutzmaßregeln,
welche im gegebenen Falle zur allgemeinen Anwendung kommen, und
durch welche wenigſtens für eine Anzahl von Baumbeſchädigungen
ein planmäßiges Einſchreiten geſichert iſt.
Der Schutz, den die Landwirtſchaft und der Gartenbau gegen ge—
meingefährliche Pflanzenkrankheiten genießen, beſteht, ſoweit der Staat
oder die Gemeinden in Betracht kommen, nur aus einer Reihe für
beſtimmte Einzelfälle erlaſſener zweckmäßiger Polizeiverordnungen oder
beſtallter Kommiſſionen. Es iſt hier zu denken an die von den könig—
lich preußiſchen Regierungen ſeit längerer Zeit erlaſſenen Verordnungen
betreffend die Ausrottung der Berberitzen behufs Fernhaltung des
Getreideroſtes; ferner an die Vorſchriften zur Zerſtörung der Raupen⸗
neſter. Dazu kommen neuerdings die Polizeiverordnungen betreffend
das Abpflücken und Verbrennen der im Winter an den Kirſchbäumen
ſitzenbleibenden Blätter, worin ich das ſichere Bekämpfungsmittel gegen
die durch Gnomonia erythrostoma verurſachte Seuche aufgefunden habe,
ai
4
EEE ˙Ap er In =
—
Einleitung 19
und was in den beſonders bedrohten Gegenden, nämlich im Regierungs—
bezirk Stade und in der Provinz Schleswig-Holſtein vorgeſchrieben iſt.
Auch die Anweiſungen zur Befolgung der Maßregeln, um die Kirſchen—
fliege zu vertilgen, wie ſie von der Polizeibehörde der Stadt Guben den
Obſtbauern der dortigen Gegend gegeben werden, wären zu erwähnen.
Eine ſtaatliche Hilfe erſten Ranges aber ſind die bezüglich der Reblaus
beſtehenden, gegen die Gefahr der Einſchleppung derſelben gerichteten
Geſetze, ſowie die in den weinbauenden Ländern eingeſetzten Kom—
miſſionen zur planmäßigen Überwachung der Weinberge und zu der
von ſtaatswegen vorzunehmenden Vernichtung und Desinfektion der
von der Reblaus infizirt befundenen Kulturen.
Man ſieht aus dem Geſagten, daß von einer einheitlichen und
umfaſſenden Organiſation des Pflanzenſchutzes, wozu naturgemäß
ja nur der Staat mit ſeinen Machtbefugniſſen berufen iſt, der—
malen noch nicht entfernt die Rede ſein kann. Es iſt hier nicht der
Ort, die etwaigen Schwierigkeiten, die einer ſolchen Organiſation im
Wege ſtehen könnten, zu beleuchten, oder Vorſchläge in dieſer Beziehung
zu machen. Nur um alles Thatſächliche, was mit dieſer Frage zu—
ſammenhängt, zu regiſtrieren, iſt noch darauf hinzuweiſen, daß, je
weniger in dieſer Sache der Staat ſich ſeinen Aufgaben bisher ge—
wachſen gezeigt hat, um ſo mehr private Unternehmungen an dieſe
Aufgaben, ſo weit ihre Mittel es geſtatten, heranzutreten verſucht haben.
Für das Gebiet des Deutſchen Reiches beſitzen wir in dem von der
deutſchen Landwirtſchaftsgeſellſchaft 1890 gegründeten Sonderausſchuß
für Pflanzenſchutz ein erfolgreich wirkendes Inſtitut; derſelbe hat eine
große Anzahl von Auskunftsſtellen, welche gleichmäßig über alle Gaue
des Deutſchen Reiches verteilt ſind, eingerichtet, deren Aufgabe es iſt
auf Anfragen bezüglich vorkommender Pflanzenkrankheiten Rat zu er—
teilen. Über alle zur Kenntnis dieſer Auskunftsſtellen gekommenen
Fälle wird von dem genannten Sonderausſchuß ein regelmäßiger
Jahresbericht veröffentlicht, durch welchen eine Statiſtik über die in
Deutſchland auftretenden Pflanzenbeſchädigungen geſchaffen und ein
immer regeres allgemeines Intereſſe an den Aufgaben des Pflanzen—
ſchutzes wachgerufen wird. Die Inhaber der erwähnten Auskunfts—
ſtellen ſind wiſſenſchaftliche Autoritäten und ſachverſtändige Praktiker,
größtenteils Vorſteher derjenigen der Landwirtſchaft und dem Garten—
bau dienenden, ſtaatlichen, wiſtenſchaftlichen Inſtitute, in deren Bereich
mehr oder weniger auch das Studium der Pflanzenkrankheiten gehört,
und die daher auch ſchon an und für ſich für dieſe Intereſſen einzu—
treten haben, in ihrer von der deutſchen Landwirtſchafts-Geſellſchaft
angebahnten Vereinigung aber einen erweiterten Wirkungskreis erhalten.
2 *
Klaſſifikation
der Pflanzen-
krankheiten.
20 Einleitung
Das Nähere über die Einrichtung dieſer Auskunftsſtellen iſt in dem
oben citierten Schriftchen „Pflanzenſchutz“ zu finden. — In Frankreich
beſteht ſeit 1888 ein den gleichen Zwecken dienendes, auch zur Aus—
kunftserteilung an Landwirte berufenes Inſtitut in dem phytopatholo—
giſchen Laboratorium zu Paris. — Auch die Vereinigten Staaten
Nordamerikas beſitzen ein derartiges Staatsinſtitut: die ſeit 1888 in
Thätigkeit befindliche phytopathologiſche Abteilung des Ackerbau—
Departements zu Waſhington, welche ein Laboratorium und Verſuchs—
feld zu wiſſenſchaftlichen Arbeiten beſitzt, deren Ergebniſſe in einer be—
ſonderen Zeitſchrift, dem Journal of Mycology, herausgegeben werden,
zugleich aber auch über die aus den Kreiſen der Landwirte eingehenden
Anfragen Auskunft erteilt und durch Agenten in den verſchiedenen
Staaten die Krankheiten der Pflanzen beobachten und praktiſche Feld—
verſuche zur Bekämpfung derſelben anſtellen läßt.
VI. Klaſſifikation der Pflanzenkrankheiten. Man könnte
das Gebiet der Pflanzenkrankheiten einteilen nach den Pflanzenarten,
an denen Krankheiten vorkommen. Für gewiſſe Zwecke, z. B. behufs
einer ſchnellen Orientierung, kann es bequem ſein, eine Aufzählung der
Krankheiten je nach den einzelnen Kulturpflanzen zu beſitzen. Aber für
eine wiſſenſchaftliche Belehrung über die Natur der Pflanzenkrankheiten
wäre dieſer Weg ungeeignet, weil er viele Krankheitserſcheinungen,
welche nach ihren urſächlichen Beziehungen zuſammengehören oder auf
das nächſte verwandt ſind, auseinanderreißen und an vielen Punkten
Wiederholungen machen müßte. Eine wiſſenſchaftliche Klaſſifikation
der Pflanzenkrankheiten iſt nur nach den Krankheitsurſachen möglich.
Darum ſoll auch die Einteilung des Gegenſtandes im vorliegenden
Buche nach dieſem Prinzip geſchehen. Somit zerfällt der Inhalt dieſes
Buches in folgende Abſchnitte:
1. Von den Wirkungen des Raummangels.
2. Von den Wunden.
3. Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe.
4. Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe.
5. Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe.
6. Erkrankungen durch ſchädliche Pflanzen.
7. Erkrankungen durch ſchädliche Tiere.
8. Erkrankungen ohne nachweisbare äußere Veranlaſſung.
*
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I. Abſchnitt.
Don den Wirkungen des Raummangels.
Eine notwendige Bedingung der normalen Ausbildung der Alle Pflanzen-
Pflanzen iſt der für ſie erforderliche Raum. Bisweilen ſetzen fremde
feſte Körper den wachſenden Organen ein Hindernis entgegen, welchem
die Pflanze nicht auszuweichen und welches ſie auch nicht zu beſiegen
vermag. Da hierbei gewöhnlich das Wachstum fortdauert, ſo werden
die betreffenden Teile in den gegebenen engeren Raum eingezwängt.
Die Folge iſt eine Geſtaltsveränderung, die von der Form des Hinder—
niſſes abhängig iſt. Je nachdem das Längenwachstum oder das
Dickenwachstum eines Pflanzenteiles behindert iſt, iſt der Erfolg
verſchieden.
Wenn Pflanzenteile bei ihrem Längenwachstume einem un—
überwindlichen Hinderniſſe begegnen, ſo müſſen ſie ſich krümmen. Die
Form dieſer Krümmung ſtrebt bei ringsum gleichmäßiger ſeitlicher
Verſchiebbarkeit eine Schraubenlinie zu werden. Kommen auch ſeit—
liche Hinderniſſe ins Spiel, ſo ergeben ſich unregelmäßige Krümmungen,
die bei großer Raumbeengung zu vollſtändiger Verwickelung und
gegenſeitiger Ineinanderpreſſung führen können.
Solche Erſcheinungen kommen ganz gewöhnlich an Wurzeln vor, wenn
dieſelben aus irgend einem Grunde an ihrer Ausbreitung im Boden ge—
hindert ſind, beſonders alſo an den Wurzeln in Blumentöpfen; die
nach unten gehenden Wurzeln verſchlingen ſich hier am Boden des Topfes
derart, daß daſelbſt ein nur aus Wurzelmaſſe beſtehender, dichter Filz vor⸗
handen iſt, und das gleiche thun die an den Wänden des Topfes zujam-
mentreffenden zahlreichen Seitenwurzeln.
Wenn Stengel und Blätter unter größeren Steinen u. dergl. ſich bilden,
unter denen ſie ſich nicht hervorarbeiten können, ſo machen ſie ähnliche
Zwangskrümmungen und werden an ihrer normalen Formbildung gehindert.
Da an ſolchen Orten gewöhnlich auch dem Lichte der Zugang verwehrt iſt,
ſo wird in Folge des Etiolements das Längenwachstum abnorm vergrößert,
was die Zwangskrümmungen noch mehr befördert. Auch das fort—
teile beauchen
Raum.
Behinderung
des Längen⸗
wachstums.
22 J. Abſchnitt: Von den Wirkungen des Raummangels
währende Beſtreben ſolcher Pflanzenteile, durch negativ geotropiſche Krüm—
mungen ſich ſenkrecht zu ſtellen, wirkt unter dieſen Umſtänden in dem
gleichen Sinne.
Wenn das Hindernis beſeitigt wird, ſo können ſolche Krümmungen
nur dann wieder ausgeglichen werden, wenn die Periode des Wachstums
an den gekrümmten Stücken noch nicht vorüber iſt; an denjenigen Teilen,
die ihr Wachstum abgeſchloſſen haben, bleiben die Veränderungen dauernd,
und nur die weiter ſich bildenden Teile werden dann in normaler Richtung
entwickelt.
Behinderung des Hinderniſſe, welche in der Richtung des Dickenwachstums der
e Organe wirken, haben zur Folge, daß der Pflanzenteil je nach der
Form des fremden Körpers eingeſchnürt oder abgeplattet wird. An
Pflanzenteilen, die ein ſtarkes und langdauerndes Dickenwachstum be—
ſitzen, werden daher dieſe Erſcheinungen beſonders auffallend, und
zwar kommt dies ſowohl an ſolchen Pflanzenteilen vor, welche ihr
großes Volumen durch ein primäres Dickenwachstum erreichen ), das
alſo auf einer Vergrößerung des geſamten Grundgewebes beruht, wie
bei dicken Krautſtengeln, Knollen und großen Früchten, als auch bei
ſolchen, welche alljährlich durch ſekundäres Dickenwachstum zu—
nehmen, das alſo auf der Thätigkeit eines Cambiumringes beruht und
in einer entſprechenden Zunahme des Holzkörpers beſteht, wie bei den
Wurzeln und Stämmen der Holzflanzen. Hier wirkt natürlich das
Hindernis immer als ein Druck der Querrichtung, und die Wirkung
iſt auch in allen Fällen, mag es um ein primäres oder ſekundäres
Dickenwachstum ſich handeln, inſofern ein und dieſelbe, als in der
Richtung, in welcher das Hindernis wirkt, ſowohl die Vermehrung
der Zellen, als auch das Wachstum der wirklich gebildeten Zellen
ſchwächer wird; doch kommen dabei auch Verſchiebungen in den
Geweben zu ſtande, indem die Wachstumsrichtung mehr oder
weniger nach der Gegend der unbehinderten Ausdehnung ausweicht.
Von den vielen Fällen, wo abſichtlich oder unbeabſichtigt Pflanzenteile
an ihrem Dickenwachstum gehindert und dadurch verunſtaltet werden, ſeien
nur folgende erwähnt.
An Früchten. Großen Früchten, beſonders denen der Cucurbitaceen, kann man durch
Unterbindungen oder Kompreſſionen beliebige Geſtalten geben. Bekannt iſt
ein Gebrauch der Chineſen, welche ganz junge Kürbisfrüchte in viereckige,
inwendig mit vertieften Figuren und Schriftzügen gezeichnete Flaſchen
ſtecken; die Früchte vergrößern ſich, füllen die ganze Flaſche aus und drücken
ſich in den Wänden ab; wenn fie reif find. zerſchlägt man die Flaſche
und nimmt die künſtlich geformten Früchte heraus.
An Knollen Kartoffelknollen, Rüben und andre dickwerdende Wurzeln wachſen
und Wurzeln. manchmal, wenn ſie noch jung ſind, durch enge Löcher feſter Körper, denen
ſie zufällig im Erdboden begegnen, und erſcheinen daher ſpäter durch die—
) Vergl. mein Lehrbuch der Botanik. Leipzig 1892, I. pag. 375.
J. Abſchnitt: Von den Wirkungen des Raummangels 23
ſelben eingeſchnürt. Flaſchenhälſe, Drathſchlingen, durchlochte Holz- oder
Metallſtücke und dergleichen findet man bisweilen in dieſer Weiſe von
ſolchen Pflanzenteilen durchwachſen und mehr oder weniger in dieſelben
eingewachſen.
An Bäumen, die über felſiger Unterlage ſtehen, iſt es eine ſehr häufige
Erſcheinung, daß die jungen Wurzeln, welche zwiſchen enge Felſenſpalten
hineingewachſen ſind, mit zunehmendem Alter eine immer plattgedrücktere
Form annehmen, weil ihr fortdauerndes ſekundäres Dickenwachstum nur
in der Richtung der Spaltenfläche freien Spielraum hat. Wenn ſie ſich
viele Jahre ſo entwickelt haben, ſo kommen ſie endlich einmal beim Abbrechen
des Geſteins in den ſeltſamſten Formen, manchmal faſt bis zu Papierdünne
abgeplattet, zum Vorſchein. Solche Baumwurzeln zeigen daher auf dem
Querſchnitt in der Form des Holzkörpers die analoge Deformität (Fig. 2).
Das Mark liegt meiſt
mehr oder weniger excen—
triſch; in den beiden Rich-
tungen, wo das Geſtein
angrenzte, hat ſich nur eine
ſchmale Holzſchicht ent—
wickeln können; aber nach
den beiden andern Seiten
hin iſt der Holzkörper nach
Maßgabe ſeines Alters er—
ſtarkt und durch die ent
ſprechende Anzahl unvoll—
ſtändiger, bogenfömiger
Jahresringe gezeichnet. Die ö
Rinde ift ebenfalls an den Zwiſchen Felſenſpalten gewachſene und durch
freien Seiten meiſt unge: den Druck veränderte Eichenwurzeln im
mein mächtig entwickelt Querdurchſchnitt. 4 eine ältere Wurzel,
f 5 i „2 Mal vergrößert. B jüngere Wurzel, 3 Mal
während ihr Dickeuwachs⸗ vergrößert. m die Gegend des Markes.
tum an den andern Seiten
auf ein Minimum beſchränkt iſt. Die Peridermhaut geht lückenlos um die
ganze Oberfläche der Wurzel herum. Selbſt Abdrücke der Unebenheiten der
Steinflächen prägen ſich am Wurzelkörper aus, und wo zwei Wurzeln bei—
ſammen in einer Felsſpalte ſich entwickeln, bringen ſie aufeinander ihren Ab—
druck hervor. Bemerkenswert iſt die Gewebebildung des Holzkörpers an den
im Dickenwachstum gehemmten Seiten. Wenn auch eine Zunahme des
Holzkörpers in dieſen Richtungen abſolut unmöglich iſt, ſo iſt die dort
liegende Cambiumſchicht doch keineswegs getötet, ja nicht einmal zu völliger
Unthätigkeit gebracht. Das auffallendſte Reſultat dieſer auf das äußerſte
beſchränkten cambialen Thätigkeit iſt, daß in der ganzen Ausdehnnng,
in welcher der Druck auf die Cambiumſchicht wirkt, eine Gliederung des
Holzgewebes in Jahresringe nicht ſtattfindet, und keine weiten Gefäße, wie
ſie dem Frühjahrsholze eigentümlich ſind, gebildet werden. Beides findet
an den keinem Druck ausgeſetzten andern beiden Seiten in normaler Weiſe
ſtatt Das Holzgewebe nimmt daher an beiden unter dem Drucke ſtehenden
Seiten eine mehr homogene Beſchaffenheit an, wie aus den beiſtehenden
Abbildungen erſichtlich. Stärkere Vergrößerung eines Durchſchnittes durch
das Holz an dieſer Seite läßt genauer erkennen, wie hier die cambiale
Fig. 2.
An Baum-
ſtaͤmmen.
Wie Wunden
entſtehen.
24 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Thätigkeit verändert wird. Die Holzzellen, welche ſonſt in radialen Reihen
abgelagert werden, weichen hier dem Drucke aus, indem ſie ſich in ſehr
ſchiefer Richtung anordnen; und da ſie abwechſelnd zeitweiſe nach rechts
und links ausweichen, ſo bilden ſie oft ſehr ſpitzwinklige, zickzackförmige
Reihen, was beſonders durch die Markſtrahlen, die ſich dieſen Richtungen
anſchließen, angezeigt wird. Es kommt hinzu, daß hier vorzugsweiſe nur
engere Tracheiden und Holzparenchymzellen gebildet werden, daß dieſe
Organe kürzer als im normalen Holze ſind und gewöhnlich auch mit ihrer
Längsachſe aus der normalen longitudinalen Richtung in eine mehr oder
minder ſchiefe Richtung gedrängt werden.
Auch Stämme und Aſte von Holzpflanzen treffen manchmal auf
Hinderniſſe, die ſich bei zunehmendem Dickenwachstum in dieſelben ein—
drücken. Ein Draht, ein davorſtehender Zaun, Gitter u. dergl., oder
der Stengel einer holzigen Schlingpflanze, die den Stamm umwunden
hat, bieten hierzu nicht ſelten Veranlaſſung. Solche Hinderniſſe können
bei immer fortgehendem Dickenwachstum des Stammes endlich in denſelben
einſchneiden und wirkliche Wunden hervorbringen, von denen im nächſten
Kapitel die Rede iſt.
Auch ſchon leichterer Druck, wie er durch Umſchlingen von Bindfaden
erzeugt wird, hat nach de Vries) Verſuchen an Stämmen verſchiedener
Holzpflanzen zur Folge, daß das Cambium an dieſer Stelle deſto weniger
Zellen in jeder Radialreihe erzeugt, daß der Durchmeſſer der Holzzellen
wie der Gefäße geringer wird, und daß auch die relative Zahl der Gefäße
ſich vermindert. Dagegen war die Meinung dieſes Forſchers, daß aus dem
natürlichen Rindendruck und ſeinen Schwankungen die Bildung des Frühjahrs—
und Herbſtholzes und ſomit die Bildung der Jahresringe im Holzkörper
der Bäume ſich erkläre, eine verfehlte, wie Krabbe?) nachgewieſen hat.
II. Abſchnitt.
Von den Wunden.
Im natürlichen Verlaufe des Lebens löſen ſich von vielen Pflanzen
regelmäßig gewiſſe Teile los, wie die im Herbſte abfallenden Blätter
der Holzpflanzen und die freiwillig ſich abſtoßenden Zweige, die ſogen.
Abſprünge an den Eichen, ſowie die alljährlich abſterbenden oberirdiſchen
Triebe von den unterirdiſchen ausdauernden Organen der Stauden.
Die Bruchſtellen, die ſich hierbei bilden, ſind aber gar nicht eigentlich
als Wunden zu betrachten, denn ſchon vor der Ablöſung jener Organe
) Einfluß des Rindendruckes auf den anatomiſchen Bau des Holzes.
Flora 1875. Nr. 7.
2) Sitzungsber. d. Berliner Akad. Dezember 1882. und Abhandl. d.
Berliner Akad. 12. Juni 1883.
1. Kapitel: Störung der Lebensthätigketten infolge von Verwundung 25
wird an der Trennungsſtelle ein neues Hautgewebe in Form einer
Korkſchicht gebildet, welches alſo bereits fertig iſt, wenn die Abtrennung
erfolgt, und welches nach Entſtehung, Bau und ſchützender Wirkung
übereinſtimmt mit der Korkhaut, die ſich normal an der Oberfläche
unverletzter Stammteile findet, und mit derjenigen, die auf eigentlichen,
unfreiwillig entſtehenden Wunden nachträglich ſich zu bilden pflegt.
Die holzigen Teile der Gefäßbündel, welche bei dieſen ſpontan ein—
tretenden Verwundungen, freigelegt werden und die ja der Korkbildung
unfähig ſind, gehen auch hier an der Wundſtelle in das unten zu
erwähnende Schutzholz über, indem die Gefäße und Tracheiden durch
entſtehendes Wundgummi verſtopft werden.
Von eigentlichen Wunden kann alſo nur da die Rede ſein, wo
durch äußere Urſachen der normale Zuſammenhang der Zellgewebe
aufgehoben wird und innere lebende Gewebe blosgelegt werden.
Verwundungen können natürlich an jedem beliebigen Pflanzenteile
und in ſehr verſchiedener Weiſe eintreten. Ehe wir jedoch die einzelnen
Verwundungsarten näher betrachten, iſt es paſſend, ſich über gewiſſe
allgemeine Thatſachen aufzuklären, welche ſich auf die Folgen der
Verwundungen bei den Pflanzen überhaupt beziehen.
An der lebenden Pflanze zieht jede Verwundung gewiſſe Folgen
nach ſich, die man unter folgende Geſichtspunkte bringen kann.
1. Störung derjenigen normalen Lebensthätigkeiten, zu deren Ausübung
das durch die Verwundung verletzte oder verloren gegangene Organ
(ſei es morphologiſches Glied, ſei es Zellgewebe) beſtimmt iſt. 2. Die
an der Wundſtelle eintretenden Reaktionen, die auf den Schutz und
auf die Heilung des verlegten Organes oder auf deſſen Reproduktion
abzielen. 3. Die Zerſetzungserſcheinungen der Gewebe, welche, wenn
die rechtzeitige Heilung nicht gelingt, von der Wunde ihren Ausgang
nehmen und die man generell als Wundkrankheiten oder Wundfäule
bezeichnen kann.
1. Kapitel.
Störung der Lebensthätigkeiten infolge von Verwundung.
Wenn man weiß, welche Verrichtungen die einzelnen Teile der
Pflanze zu beſorgen haben, ſo kann man bei jeder Verwundungsart
vorher ſagen, welche Thätigkeiten der Pflanze geſtört, beziehentlich
aufgehoben werden, je nachdem die betreffenden Pflanzenteile eine
geringere oder ſtärkere Verwundung erlitten haben, beziehentlich ganz
verloren gegangen ſind. Es iſt hier an das zu erinnern, was in
der Einleitung in dieſer Beziehung geſagt worden iſt.
Folgen der
Verwundung.
Störung der
Lebensthätig⸗
keiten nach
Verwundung.
26 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Folgen der Ver⸗ Bei Verletzungen oder Verluſt der Wurzeln wird die Waſſer—
. aufnahme der Pflanze vermindert oder ganz aufgehoben, je nach der
Größe des Wurzelverluſtes; die oberirdiſchen Teile der Pflanze er—
halten alſo nicht mehr genügend Waſſer, und weil die Tranſpiration der—
ſelben fortdauert, ſo verlieren ſie alſo mehr Waſſer als ihnen neues
zugeführt wird. Die Symptome, unter denen dies an der Pflanze
zum Ausdruck kommt, ſind je nach den Eigenſchaften der Pflanzen
verſchiedene. Bei allen Gewächſen mit weichen, ſaftigen Blättern
und Stengeln tritt Welkwerden ein, welches die unmittelbare Folge
der Verminderung des Turgors der Zellen iſt, die aus der Abnahme
des Waſſergehaltes der Gewebe reſultiert. Es iſt eine gewöhnliche x
Erſcheinung der meisten krautartigen Pflanzen, daß ſie welk daſtehen,
wenn ihre Wurzeln durch Tierfraß oder in Folge des Verpflanzens
beſchädigt worden ſind. Handelt es ſich um Pflanzen mit härteren, 4
ſaftärmeren Blättern, ſo tritt ein Gelb- oder Braunwerden und 5
langſames Vertrocknen der Blätter ein; wieder andere Pflanzen a
laſſen unter ſolchen Umſtänden leicht die Blätter abfallen, jo daß
eben jede Pflanzenart hierin ihre eigenen Symptome zeigt. Am
wenigſten empfindlich ſind die Succulenten, weil dieſe wegen ihrer N
überaus ſchwachen Tranſpiration längere Zeit ohne Wurzel exiſtiren |
können und auch meiſt leicht ſich wieder bewurzeln. F
Störungen von Rinde und Holzkörper find für die Leitung der Stoffe in der |
2
*
* Pflanze von ſo großer Bedeutung, daß, wenn dieſe Gewebe an irgend
wundung von einer Stelle in Folge von Verwundung unterbrochen ſind, daraus
Rinde und Holzerhebliche Störungen für die Pflanze entſtehen können, beſonders an
den Stämmen und Zweigen der Holzpflanzen, weil hier beide Gewebe
ſo orientiert ſind, daß der Holzkörper den centralen, die Rinde den
peripheriſchen Teil ausmacht und die Rinde überdies hier eigentlich
das einzige für die Stoffwanderung auf diosmotiſchem Wege in Be—
tracht kommende Gewebe iſt. Denn die in den grünen Blättern durch
die Aſſimilationsthätigkeit unter Verwendung der atmoſphäriſchen Kohlen-
ſäure erzeugten organiſchen Pflanzenſtoffe werden in der Rinde der
Zweige und Stämme fortgeleitet und gelangen auf dieſem Wege aus
den Blättern nach allen den Teilen der Pflanze, wo Bildungsthätigkeiten
ſtattfinden, wo alſo immer neues plaſtiſches Material gebraucht wird.
Wenn nun durch eine ringförmige Verwundung die Rinde völlig
unterbrochen iſt, ſo werden die von den darüber ſtehenden Blättern
erzeugten aſſimilierten Stoffe oberhalb der Ringelwunde zurückgehalten.
Betrifft alſo den Stamm einer Holzflanze eine ſolche ringförmige Ent—
rindung, und befinden ſich unterhalb der letzteren keine blättertragenden
Zweige, ſo werden dadurch alle unterhalb der Ringelwunde befindli—
AA
7
2 *
1. Kapitel: Störung der Lebensthätigkeiten infolge von Verwundung 27
chen Partien von der Verſorgung mit aſſimilierten Nährſtoffen aus-
geſchloſſen; d. h. das Wachstum des ganzen Wurzelſyſtems und die
Holzbildung des Stammes unterhalb der Ringelwunde erhalten kein
Nahrungsmaterial mehr und kommen zum Stillſtand, und wenn es
der Pflanze nicht bald gelingt, durch den natürlichen Heilungsprozeß
der Überwallung (ſ. unten) die Wunde zu ſchließen, jo iſt immer die
natürliche Folge, daß das ganze Wurzelſyſtem abſtirbt und alſo die
Pflanze eingeht. Der Holzkörper dagegen dient außer als mechaniſches
Feſtigungsmittel im Aufbau des Baumes hauptſächlich zur Aufwärts—
leitung des Waſſers, welches die Wurzeln aus dem Erdboden auf—
genommen haben und welches den Blättern beſtändig zugeführt wird,
um den Verdunſtungsverluſt derſelben wieder zu erſetzen, zugleich aber
auch um verſchiedene mineraliſche Nährſtoffe, welche in dem Waſſer
aufgelöſt ſind, den Blättern zuzuleiten. Dieſer ſogenannte Tranſpirations—
ſtrom geht alſo ungehemmt fort, auch wenn die Rinde durch eine
Ringwunde vollſtändig unterbrochen iſt, ſofern eben nur der Holz—
körper dabei erhalten geblieben iſt. Auch bei ſtarken Entrindungen
der Stämme bleibt daher das Laub des Baumes lange friſch und
lebensthätig, und wenn es endlich Zeichen des Abſterbens erkennen
läßt, ſo iſt dies eben die Folge des inzwiſchen eingetretenen Todes
der Wurzeln, ohne deren Arbeit das Aufſteigen des Tranſpirationsſtromes
im Holzkörper nicht zu Stande gebracht wird. Es ſind denn auch
vielfach Fälle beobachtet worden, wo Bäume, deren Stämme der Rinde
vollſtändig beraubt worden, noch eine Reihe von Jahren am Leben
geblieben find, indem fie ſich jedes Jahr von neuem belaubten. !“)
Bei der von Trecul?) erwähnten Linde von Fontainebleau, welche
trotz vollſtändiger ringförmiger Entrindung des Stammes 44 Jahre
lang am Leben blieb, erklärt ſich die Erhaltung der Wurzeln durch
den Umſtand, daß der Stamm über der Erde reichlich belaubte Triebe
gebildet hatte.
Wenn umgekehrt der Holzkörper an irgend einem Punkte des
Stammes oder der Zweige ganz oder größtenteils zerſtört ift, jo hat
dies, auch wenn die Rinde unverletzt ſein ſollte, natürlicherweiſe
augenblicklich ein Aufhören des Saftſteigens nach oben und ein Vertrocknen
der darüber gelegenen Teile zur Folge; doch brechen dann eben in
der Regel die letzteren an der Wundſtelle ab.
Die grünen Blätter ſind für die mit ſolchen verſehenen Pflanzen
die unentbehrlichen Aſſimilationsorgane, in deren chlorophyllhaltigen
1) Vergl. Sorauer, Pflanzenkrankheiten, 2. Aufl. I. pag. 571 574.
2) Ann. der sc. nat. 4. ser. T. III. 1855, pag. 341.
Störung von
Lebensthätig⸗
keiten nach Ver⸗
luſt der Blätter.
28 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Zellen unter dem Einfluſſe des Lichtes Kohlenſäure, welches die Blätter
aus ihrem umgebenden Medium aufnehmen, und Waſſer zu organiſchen
Kohlenſtoffverbindungen umgewandelt werden, wodurch dasjenige
Kohlenſtoffmaterial gewonnen wird, das die Pflanze zu ihrer Ernährung
bedarf und welches in allen pflanzlichen Produkten enthalten iſt. Wenn
alſo eine Pflanze zur Zeit, wo ſie ihre Vegetation noch nicht beendigt
hat (der normale herbſtliche Abfall der Blätter gehört alſo nicht hier—
her), alle ihre grünen Blätter verliert, ſo kommt von dieſem Zeitpunkte
an jede Produktion der Pflanze ſo gut wie zum Stillſtand, wenn nicht
inzwiſchen eine Neubildung von Blättern ſtattfinden ſollte. So werden
alſo die Wurzeln und andre unterirdiſchen Organe in ihrer weiteren
Ausbildung gehindert; eine Kartoffelpflanze, die all' ihr Laub verloren
hat, läßt dann einen weſentlichen Fortgang der Knollenbildung und
eine Vermehrung des Stärkemehls in denſelben nicht mehr erwarten;
eine Rübenpflanze unter den gleichen Bedingungen keine weitere Ver—
vollkommnung des Rübenkörpers und Zunahme ihres Zuckergehaltes.
Fruchttragende Pflanzen können nach vollſtändigem Verluſte ihrer grünen
Blätter nichts Erhebliches mehr zur Produktion von Früchten und Samen
thun; es tritt alſo ſowohl bei Körnerfrüchten, bei Olfrüchten, bei
Leguminoſen ꝛc., als auch bei Obſtbäumen, beim Weinſtock ꝛc. eine
Vereitelung der Fruchtbildung ein, wenn der Blattapparat durch
irgend eine mechaniſche Veranlaſſung, ſei es durch Menſchenhand, durch
Tierfraß, durch Hagel u. dergl. zerſtört worden iſt. Aus dem gleichen
Grunde wird außerdem bei allen Holzpflanzen die Zweigbildung
des betreffenden Jahres geſtört oder geſchwächt. Der ganze Trieb
kann, wenn er ſeine Blätter verloren hat, trocken werden und abſterben;
das tritt um ſo eher ein, je jünger derſelbe zur Zeit der Entlaubung
war; daher kommt es bei Kahlfraß an Holzpflanzen, beſonders wenn
er zeitig im Frühjahr eingetreten iſt, vor, daß einzelne Zweige oder
die Spitzen derſelben vertrocknen. Je ſpäter im Sommer der Verluſt
des Laubes eintritt, deſto weniger macht ſich die Schwächung in der
Ausbildung der Triebe bemerkbar, weil dann eben die Ernährung
derſelben deſto vollſtändiger geſchehen konnte. Die Schwächung der
Zweigbildung ſpricht ſich beſonders darin aus, daß die Zweige un—
genügend erſtarken und daß die Bildung ihrer Winterknoſpen mangel-
haft ausfällt, indem wenigere und kleinere Knoſpen erzeugt werden.
Die Folge dieſer ungenügenden Ausbildung der Knoſpen und der
mangelhaften Anſammlung von Reſerveſtoffen für die neue Vegetations⸗
thätigkeit iſt, daß auch die nächſtfolgende Belaubung, mag ſie nun
noch in demſelben Jahre wieder erſcheinen oder erſt im nächſten Jahre,
noch unter den Folgen des Kahlfraßes zu leiden hat. Und ſo kann
1. Kapitel: Störung der Lebensthätigkeiten infolge von Verwundung 29
ſelbſt mehrere Jahre hintereinander die Zweig- und Laubbildung des
Baumes geſchwächt werden, beſonders aber dann wenn hintereinander
wiederholte Entlaubung eintritt, indem dann, allmähliches Ver—
trocknen und Abſterben auch der größeren Aſte eintritt, was oft
der Grund zu dauerndem Siechtum und endlichem Tode des Baumes
wird. Die Entlaubung hat aber auch einen ſchädlichen Einfluß auf
die geſamte Holzbildung des Baumes, weil dieſe ja auch durch
die Aſſimilationsthätigkeit der Blätter das nötige Nahrungsmaterial
empfängt. Der im Entlaubungsjahre zur Ausbildung kommende Holz—
jahresring in den Aſten und im Stamme fällt entſprechend ſchwach
aus. Der ſchmale Jahresring bleibt dann natürlich dauernd im Holz—
körper kenntlich; man kann alſo auf Stammquerſchnitten daraus genau
diejenigen Jahrgänge beſtimmen, in welchen der Baum während ſeines
Lebens ſolche Laubbeſchädigungen erlitten hatte. Aus Ratzeburg's!))
Beobachtungen iſt zu entnehmen, daß, wenn der Blattverluſt zeitig
im Frühlinge eintritt, z. B. beim Fraß der Forleule, auch der im
Fraßjahre gebildete Jahresring ſehr ſchmal bleibt, dagegen bei ſpät
eintretendem Fraß, z. B. nach demjenigen des Kiefernſpanners, der
Jahresring im Fraßjahre ziemlich unverändert iſt, aber der des Nach—
fraßjahres ſich tief geſunken zeigt, was ſich daraus erklärt, daß in
jedem Sommer die Ausbildung des neuen Jahresringes zuerſt, die
Erzeugung der Reſervenährſtoffe für den nächſten Frühling erſt ſpäter
erfolgt. Ratzeburg's Beobachtungen nach Nonnenfraß an der Fichte
ergeben, daß die Holzbildung der Zweige ſtets im Verhältnis zur
Bildung der Jahrestriebe ſteht, mit dieſer ſinkt und ſteigt, und daß
ſogar im Baumſtamme die Abnahme der Jahresringe ſehr ſtark und
plötzlich eintritt und auch noch in den folgenden Jahren bleibt; ſelbſt
wenn ein Zweig nur an einer Seite blättertragende Triebe behalten
hat, ſo iſt das Dickenwachstum des Jahresringes an dieſer Seite relativ
am ſtärkſten, an den übrigen geſchwächt. Als eine Eigentümlichkeit
bei den Nadelbäumen erwähnt Ratzeburg das Auftreten ungewöhnlich
weiter und zahlreicher Harzkanäle in den in Folge von Kahlfraß beſonders
ſchmal gebliebenen Jahresringen, ſo daß dieſelben bisweilen faſt die
ganze Breite eines ſolchen Jahresringes einnehmen, daher ſie auch bei
einſeitiger Beäſtung, wo der Holzring ſich ungleich ausbildet, nur an
der aſtloſen Seite auftreten ſollen. Soweit ſich nach der anatomiſch
ungenügenden Darſtellung vermuten läßt, ſcheint es ſich hierbei um
wirkliche Harzhöhlen, durch Zerſtörung von Holzzellen entſtanden (lyſigen)
zu handeln, wie ſolche nach Verwundungen häufiger zu entſtehen pflegen
1) Waldverderbnis. I. pag. 160, 174, 234.
30 II. Abſchnitt: Von den Wunden
(ſ. unten). Wenn nach Entblätterung einer Holzpflanze nochmalige
Belaubung in demſelben Sommer eintritt, ſo kann eine wirkliche Ver—
doppelung des Jahresringes ſtattfinden, eine mehrfach behauptete
und wieder beſtrittene, jedoch von Kny!) an mehreren Laubhölzern ſicher
nachgewieſenen Erſcheinung. Durch den plötzlichen Laubverluſt wird eine
Unterbrechung der Zellteilungen im Cambium bedingt, nachdem noch
einige Schichten radial zuſammengedrückter enger Holzzellen gebildet
worden ſind, worauf nach der Wiederbelaubung die Holzbildung mit
weiten Gefäßen und radial geſtreckteren Zellen beginnt, womit alſo
die anatomiſchen Verhältniſſe des Herbſt- und Frühjahrsholzes nach—
geahmt werden. Freilich iſt dieſe Verdoppelung des Jahresringes nur
in den einjährigen Zweigen ſelbſt, welche ihre Blätter eingebüßt hatten,
ſcharf ausgeprägt; ſie nimmt nach den unteren Internodien des
Zweiges hin allmählich ab, um in den mehrjährigen Zweigen zu ver—
ſchwinden.
Alle hier beſchriebenen Störungen der Lebensthätigkeiten in Folge
des Verluſtes der Blätter zeigen ſich natürlich in ihrem höchſten Grade,
wenn die Pflanze ihre ſämtlichen Blätter verloren hat; ſie ſind aber
in ſchwächerem Grade zu erwarten, wenn der Blattverluſt ein partieller
iſt, ſei es daß nur eine Anzahl von Blättern ganz verſchwunden iſt, ſei es
daß die Blätter bloß einzelne Teile oder Stücke eingebüßt haben, wie es
namentlich bei Inſektenfraß oft zu geſchehen pflegt. Es wird dies im un—
gefähren Verhältnis zur Größe des eingetretenen Defektes zu erwarten ſeiu,
gleiche Entwickelungsperiode der Pflanze und gleiche Jahreszeit voraus—
geſetzt; denn man darf annehmen, daß mit der Verminderung der Größe
der der Pflanze zur Verfügung ſtehenden Aſſimilationsfläche jede der
erwähnten Ernährungs- und Produktionsthätigkeiten proportional ver⸗
mindert wird. Bei gewiſſen Pflanzen kann jedoch ein teilweiſer Ver—
luſt der Laubblätter ſogar vorteilhaft für gewiſſe Produktionen der
Pflanze werden. Dahin gehört beſonders das Kappen der Reben,
indem man im Sommer den traubentragenden Stöcken die oberen
Laubblätter ausbricht; man erzielt mit dieſer in den Weinbauländern
allgemein üblichen Maßregel, daß die aſſimilierten Stoffe, welche
die unteren in der Nähe der Trauben ſtehenden Blätter erzeugen, ganz
für die Ausbildung der Trauben verwendet werden, während ſonſt
ein Teil von ihnen zur luxuriöſen Entwickelung des Laubapparates
verſchwendet werden würde ). |
) Verhandl des botan. Ver. der Prov. Brandenburg 1879. — Vergl.
anch die gleichſinnigen Mitteilungen Ratzeburg's 1. e. II. pag. 154, 190, 232.
2) Vergl. Cuboni, Rivista di Viticoltura ed Enologia Italiana 1885.
Heft 1.
e r
—
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 31
2. Kapitel.
Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen. Natürliche
Schutzvorkehrungen, Heilungen und Reproduktionen an den
Wunden; Wundkrankheiten.
Jede Verwundung ruft an der Wundſtelle gewiſſe Thätigkeiten
der Pflanze wach, durch welche mancherlei Veränderungen an der
Wunde ſelbſt hervorgebracht werden. Man kann alſo alle neuen
Bildungsthätigkeiten, welche ſich an einer Wunde oder in deren un—
mittelbarſter Nähe einſtellen, als die Reaktionen der lebenden Pflanze
gegen die Verwundungen generell bezeichnen. Dieſelben müſſen nun
aber je nach ihrer Art und phyſiologiſchen Bedeutung in mehrere
Kategorien unterſchieden werden. Einesteils haben ſie nämlich die
Bedeutung von unmittelbaren Schutzvorkehrungen, welche ſehr ſchnell
nach geſchehener Verletzung an der Wundſtelle eintreten zum Schutze
des durch die Verletzung bloßgelegten inneren Gewebes gegen die
durch die Berührung mit der Luft drohenden Gefahren. Andernteils
ſind es wirkliche Heilungsprozeſſe, welche für die Herſtellung eines
neuen Hautgewebes an Stelle des durch die Wunde verloren gegangenen
ſorgen. Oder aber es ſind ſogar Reproduktionen, d. h. es werden
ganze verloren gegangene Glieder durch Neubildung gleichartiger Glieder
erſetzt. Im Gegenſatz zu dieſen gutartigen Reaktionen können aber
auch ſchädliche Folgeerſcheinungen an den Wunden ſich zeigen; wenn
nämlich die Schutzvorkehrungen oder die Heilungsprozeſſe ſich verzögern,
ſo gewinnen die von der Wunde aus immer weiter in das angrenzende
lebende Gewebe fortſchreitenden Zerſetzungserſcheinungen, die man
generell als Wundfäule oder Wundkrankheiten bezeichnen kann, die
Oberhand. Wir werden zunächſt die hier kurz charakteriſierten ver—
ſchiedenen Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen einzeln näher
kennen lernen, um dann weiter unten auf Grund dieſer Kenntniſſe die
Maßregeln betreffs der Behandlung der Wunden zu beſprechen.
A. Natürliche Schutzvorkehrungen nach Verwundungen.
J. Schutzholz und Kernholz.
Die Holzpflanzen zeigen ausnahmslos die Erſcheinung, daß wenn
ihr Holzkörper an irgend einem Punkte verwundet wird, die geſamte
der Luft unmittelbar ausgeſetzte freigelegte Stelle des Holzes bis zu
einer gewiſſen, verhältnismäßig geringen Tiefe ſehr bald eine dunklere
Farbe annimmt (Fig. 3), die beſonders auf dem Durchſchnitte durch
eine ſolche Wundſtelle auffallend abſticht und ſich ſcharf abgrenzt gegen
Die Reaktionen
im allgemeinen.
Begriff des
Schutzholzes.
32 II. Abſchnitt: Von den Wunden
die unverändert helle Farbe, welche das unter der ſo veränderten
Holzſchicht liegende Splintholz beſitzt. Wie die mikroſkopiſche Prüfung
uns lehrt, hat dieſe Dunkelung ihren Grund darin, daß die Zellwände
des betreffenden Holzgewebes durch einen meiſt bräunlichen Farbſtoff
ſich gefärbt haben, hauptſächlich aber darin, daß die Lumina der
Gefäße und Tracheiden mit einer feſten Ausfüllungsmaſſe von brauner
Farbe verſtopft ſind.
Fig. 3.
Schutzholzbildung an der Wunde eines Birkenſtammes, der vor
etwa 10 Jahren die bis aufs Holz gehende Flachwunde 2 erhielt;
an dieſer Stelle iſt das bloßliegende Holz in der Partie s s in dunkles
Schutzholz übergegangen, während das übrige Holz hell geblieben iſt;
von den Rändern der Wunde her iſt die Heilung durch Ueberwallungen
1 im Gange.
Was für eine bedeutungsvolle Reaktion der Pflanze in dieſer
Veränderung des Holzes an jeder Wundſtelle liegt, iſt den Pflanzen—
phyſiologen bis in die neuere Zeit unbekannt geblieben. Auch R.
Hartig hat bei ſeinen Arbeiten über die Holzkrankheiten ) die Be—
deutung dieſer Erſcheinung völlig verkannt; er erklärt dieſe Bräunungen
als erſtes Stadium von „Zerſetzung des Holzes“ oder von „Wund—
fäule“ und iſt auch über die chemiſche Natur dieſer Ausfüllungsmaſſen
der Gefäße und Holzzellen im Irrtum; denn er ſagt, daß eine gelbe
oder bräunliche Flüſſigkeit im Innern der Organe enthalten ſei, welche
von dem Eindringen des Außenwaſſers herrühre, nach dem Austrocknen
ſich als Kruſte auf der Wandung ablagere oder als brüchige, beim
Trockenen riſſig gewordene, gelbe oder bräunliche Subſtanz das ganze
Innere faſt ausfülle und als Humuslöſung zu betrachten ſei, weil ſie
) Die Zerſetzungserſcheinungen des Holzes. Berlin 1878 und Lehrbuch
der Baumkrankheiten. Berlin 1882, pag. 140 141.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 33
aus Zerſetzungsprodukten des Zellinhaltes beſtehe, welche durch das
eindringende Außenwaſſer gelöſt und weiter in das Holz fortgeführt
werden. Die ganze Hartig'ſche Behandlung der eigentlichen
Wundfäule des Holzes, die
mit dieſen Erſcheinungen U
gar nichts zu thun hat,
wird von dieſen irrtüm—
lichen Auffaſſungen be—
herrſcht, die ich allerdings
in die erſte Auflage dieſes
Lehrbuches auf R. Har—
tig's Autorität hin auf—
nahm, weil ich damals
noch nicht ſelbſt die Sache
unterſucht hatte.
Über die in Rede
ſtehenden Veränderungen
des Holzes ſind von
Temme unter meiner
Leitung Unterſuchungen
angeſtellt worden!). Wir
haben gezeigt, daß es ſich
hier keineswegs um Zer—
ſetzungsprodukte, ſondern
um ganz beſtimmte Pflan-
zenſtoffe handelt, welche
durch eine Lebensthätigkeit
des verwundeten Holzes
regelmäßig erzeugt und
als Mittel zur Verſtopfung Bild 8 is in den Gefäß
f 1 ildung de undgummis in den Gefäßen
der Lumina der Gefäße des Holzes von Prunus avium. Nadialer
und der Zellen ſolchen Längsſchnitt durch verwundetes Holz, 5 Wochen
Holzes benutzt werden. nach der Verwundung eines einjährigen Zweiges.
Bei allen einheimiſe In die drei Gefäße a, b, e find die durch dunklen
nheimiſchen Ton markirten Gummimaſſen aus den an—
Laubhölzern beſtehen näm- grenzenden Parenchymzellen ausgetreten, teils
Re 1 Inafii 8. in Form von Tropfen, teils das Lumen des
ch d ee Ausfüllungs Gefäßes quer anfüllend und verſtopfend.
maſſen aus einer und der— 570 fach vergrößert. Nach Temme.
) Frank, Über die Gummibildung im Holze und deren phyſiologiſche
Bedeutung. Berichte der deutſch. bot. Geſellſch. 18. Juli 1884. — Temme,
Über Schutz- und Kernholz. Landwirtſch. Jahrbücher XIV, pag. 465.
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 3
Entſtehung des
Schutzholzes.
Wundgummi.
34 II. Abſchnitt: Von den Wunden
ſelben Subſtanz, die nach allen Reaktionen, die ſie aufweiſt, ſich als Gummi
charakteriſiert; denn es iſt unlöslich in Alkohol, Ather, Schwefelſäure, Kali—
lauge, dagegen wird ſie durch Kochen mit Salpeterſäure gelöſt, wobei
bekanntlich die Gummiarten in Oxalſäure und Schleimſäure übergeführt
werden. Es iſt ein in Waſſer unlösliches, ja nicht einmal zu Schleim
aufquellendes, ſondern knorpelartige Konſiſtenz behaltendes Gummi, was
gerade für die phyſiologiſche Funktion, die es hier zu leiſten hat, von
weſentlicher Bedeutung iſt. Mit verholzten Zellmembranen hat es
die Eigenſchaft gemein, aus einer Fuchſinlöſung den Farbſtoff aufzu—
ſpeichern, ſowie mit Phlorogluein und Salzſäure intenſiv rote Färbung
anzunehmen. Es iſt daraus zu ſchließen, daß mit dem Gummi noch
gewiſſe andre Stoffe gemengt ſind, was ja auch die mehr oder weniger
braune Farbe dieſer Ausfüllungen beweiſt, die von demſelben Farb—
ſtoff herzurühren ſcheint, welcher auch in den Membranen dieſes Holzes
vorhanden iſt. Für alle unterſuchten Laubhölzer übereinſtimmend iſt
auch folgende Reaktion des Ausfüllungsſtoffes: wenn man Schnitte
durch ſolches Holz etwa eine Viertelſtunde lang mit verdünnter Salz—
ſäure und chlorſaurem Kali digeriert, ſo iſt das Gummi noch nicht
aufgelöſt, aber in einen neuen, den Harzen verwandten Körper über—
geführt, welcher in Waſſer ebenfalls unlöslich, aber nun in Weingeiſt
ſehr leicht löslich iſt; erſt längeres Digerieren mit Salzſäure und
chlorſaurem Kali bringt den Körper zum Verſchwinden.
Man kann das Gummi, mit welchem hier die Lumina der Holz—
elemente ausgefüllt werden, als Wundgummi bezeichnen, denn wir
haben nachgewieſen, daß im unverletzten Holze dieſe Subſtanz noch
nicht vorhanden iſt, daß man aber willkürlich die Bildung derſelben
bei den verſchiedenſten Laubhölzern regelmäßig hervorrufen kann, ſo—
bald man den Holzkörper verwundet, und zwar ſtets in der ganzen
Ausdehnung der Wundfläche. Es tritt dies mit Sicherheit zu jeder
Jahreszeit, am raſcheſten im Frühling und Sommer ein. Schon
wenige Tage nach der Verwundung nehmen zunächſt die Membranen
des Holzes die bräunliche oder rötlichbraune Farbe an; ſehr bald ent—
ſtehen, zunächſt in den Markſtrahlzellen braune Gummikörnchen, zum
Teil durch Umwandlung der dort etwa vorhandenen Stärkemehlkörner;
etwas ſpäter erſcheint auch im Lumen der Holzzellen und der Gefäße
Gummi in Form von Tropfen, welche auf der Innenfläche der Mem⸗
bran ausſchwitzen und bei den Holzzellen das enge Lumen ſehr bald
ausfüllen, bei den weiten Gefäßen erſt bedeutend ſich vergrößern müſſen,
ehe ſie wie ein Pfropfen das Lumen derſelben völlig verſchließenz
letzteres wird aber meiſtens wirklich erreicht, und man ſieht auf Längs⸗
ſchnitten, daß in jedem einzelnen Gefäß oft nur an wenigen entfernten
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 35
Punkten oder auch nur an einer einzigen Stelle ein ſolcher Gummi—
pfropfen ſich gebildet hat, weshalb man denn auch auf einem dünnen
Querſchnitt nicht in jedem Gefäß eine Ausfüllung mit Wundgummi
antrifft. Dieſer Umſtand lehrt, daß es bei dieſer Gummibildung darauf
ankommt, das Gefäßſyſtem des Holzkörpers an der Wundſtelle luft—
dicht gegen die Außenluft zu ſchließen, was in jedem Gefäße offenbar
ſchon durch einen einzigen vollſtändigen Gummipfropfen erreicht wird.
Es leuchtet ein, daß um ein ſicher ſchließendes und haltendes luft—
dichtes Verſtopfungsmittel für die Lumina des Holzgewebes zu ſchaffen,
die Pflanze in dem Wundgummi, was deſſen phyſikaliſche Eigenſchaften
anlangt, ein vollkommen zweckentſprechendes Material bildet, da es
von zäher plaſtiſcher Beſchaffenheit und zugleich widerſtandsfähig gegen
die auflöſenden Wirkungen des Waſſers iſt.
Viele Laubhölzer bilden an den Wundſtellen noch ein andres
Verſchlußmittel für die Gefäßlumina, welches nicht ſelten mit Wund—
gummi zuſammen, manchmal auch faſt allein vorkommt, nämlich
die ſogenannten Thyllen.
Das find, wie in der Pflanzen—
anatomie!) längſt bekannt,
blaſenförmige, ziemlich dünn—
wandige Zellen, welche in das
Gefäßlumen hineingetrieben
ſind und indem ſie ſich inner—
halb des letzteren ſo lange
vergrößern (Fig. 5), bis ſie an
einander und an die Gefäß—
wand anſchließen, ebenfalls
einen luftdichten Verſchluß des
Gefäßrohres herſtellen. Es iſt
bekannt, daß die Thyllen als
Auswüchſe der an die Gefäße
angrenzenden lebenden Paren— Fig. 5.
chymzellen entſtehen, welche Bildung von Thyllen in den Gefäßen des
durch die Tüpfel der Gefäß- Holzes von Balsamea abyssinica; man ſieht,
f a daß die Tyllen blaſenförmige Ausſtülpungen
wand Hi den SR des der dem Gefäße angrenzenden Parenchym—
Gefäßes hineingetrieben wer- zellen find, a Anfangs-, b ſpäteres Stadium.
den. Es leuchtet ein, daß durch — Nach Tſchirch.
) Über Bildung der Thyllen iſt zu vergleichen: Botan. Zeitg. 1845,
pag. 225. — Reess, daſelbſt 1868, pag. 1. — Unger, Sitzungsber. der
Wiener Akad. 1867. — Böhm, daſelbſt 1867. — Moliſch, daſelbſt
1888, pag. 264.
3 *
Thyllen.
36 II. Abſchnitt: Von den Wunden
dieſes Mittel der Verſchluß mit einem Aufwand von weit weniger Material
erzielt wird, als da wo maſſige Gummipfropfen dies zu leiſten haben.
In der That werden auch Thyllen hauptſächlich in ſolchen Hölzern
gebildet, welche beſonders weite Gefäße haben, wie bei der Eiche, beim
Weinſtock u. ſ. w. N
Eigenſchaften des Für alles Holz von der hier beſchriebenen Beſchaffenheit habe ich
Schutzholzes.
mit Beziehung auf die phyſiologiſche Bedeutung, die demſelben zu—
kommt, den Namen Schutzholz eingeführt. In der That nimmt
das Holz durch die hier beſchriebenen, mikroſkopiſch ſichtbaren Ver—
änderungen gewiſſe neue phyſikaliſche Eigenſchaften an, welche dieſe
Bezeichnung mit Rückſicht auf das von dem Schutzholz bedeckte, normale
Splintholz rechtfertigt. Durch meine und Temme's Unterſuchungen
iſt feſtgeſtellt worden, daß bei der Umwandlung des Splintholzes in
Schutzholz folgende phyſikaliſche Eigenſchaften ſich ändern. 1. Das
ſpecifiſche Gewicht!) wird größer; für Splint- und Schutzholz
wurden nachſtehende Werte bei folgenden Pflanzen fefunden: Quercus
pedunculata 0,946: 1,130, Gleditschia triacanthos 0, 202: 0,657, Prunus
avium 1,512: 2,187, Pyrus malus 1,162: 1,523, Iuglans regia 1,100:
1,155. Die Bildung neuer Stoffe in den Membranen und Hohl—
räumen des Schutzholzes erklärt genügend die Vergrößerung des
ſpezifiſchen Gewichtes deſſelben. 2. Die Durchläſſigkeit für Luft
wird aufgehoben. Wenn man Cylinder aus Holz in dem Ende einer
Glasröhre befeſtigt und darin eine Waſſerſchicht auf das Holz aufſetzt,
ſo kann man, wenn man am andern Ende der Röhre die Saugpumpe
wirken läßt, an dem Ausſtrömen von Luftblaſen aus dem Holze die
Wegſamkeit des letzteren für Luft prüfen. Beſteht der Holzeylinder
ganz und gar aus Splintholz, ſo genügt ſchon eine Verminderung
des Luftdruckes um 5—8 em Queckſilberſäule um Luft durch das Holz
zu ſaugen. Beſteht dagegen das äußere Ende des Holzſtückes aus
Schutzholz, jo kommt ſelbſt bei einer Saugkraft von 40-50 em
Queckſilberſäule keine Luft hindurch; ſobald man aber, während die
Saugpumpe fortwirkt, das aus Schutzholz beſtehende Ende wegſchneidet,
ſo ſtürzt ſofort ein ununterbrochener Blaſenſtrom aus dem oberen Ende
hervor. 3. Die Durchläſſigkeit für Waſſer wird aufgehoben.
Verſucht man unter Benutzung einer Uförmigen Glasröhre, auf deren
einem Schenkel das zu prüfende cylindriſche Holzſtück aufgekittet iſt,
Waſſer mittels Queckſilberdruck durch das Holz zu preſſen, ſo beweiſt
das Austreten von Waſſertropfen auf der nach oben gekehrten ent—
gegengeſetzten Schnittfläche des Holzſtückes die wirkliche Wegſamkeit
) Über die exacte Beſtimmungsmethode, vergl. Temme 1. c. pag. 475.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 37
des letzteren für Waſſer. Verwendet man zu dem Verſuche ein nur
aus normalem Splintholz beſtehendes Stück, ſo genügt ſchon ein
ganz geringer Druck um durch ſolches Holz Waſſer hindurchzupreſſen,
wie ja längſt bekannt!) iſt. Dagegen erwieſen ſich Holzcylinder von
Zweigen von Prunus avium, Pyrus malus, Iuglans regia, die am
Ende nur von einer dünnen Schutzholzſchicht begrenzt waren (3. B.
bei Prunus avium von nur 4 mm. Dicke), vollkommen waſſerdicht,
ſelbſt wenn der Druck bis auf 23,5 em. Queckſilber geſteigert wurde,
ſo daß eher das Herausgeſchleudertwerden des das Holz haltenden
Kautſchukſtopfens zu befürchten war. Die außerordentliche Widerſtands—
fähigkeit des Schutzholzes gegen Luft- und Waſſerdurchtritt erklärt ſich
hinlänglich aus der oben beſchriebenen Verſtopfung der Lumina durch
Wundgummi und Thyllen.
Die phyſiologiſche Bedeutung dieſer veränderten phyſikaliſchen Bedeutung des
Eigenſchaften des Schutzholzes iſt unſchwer zu verſtehen und danach le N
bewährt das letztere ſeinen Namen im vollen Umfange. Wenn das
lebensthätige Splintholz vor dem Zutritt von Außenluft und Waſſer,
die doch an einer Wunde deſſelben eindringen müßten, geſchützt iſt,
ſo wird daſſelbe den zerſtörenden Einflüſſen dieſer Atmoſphärilien um
vieles länger Widerſtand leiſten. Offenbar beſitzt auch das Schutzholz
ſelbſt eine viel größere Widerſtandsfähigkeit gegen Fäulnis als das
Splintholz. Dies iſt nun beſonders deshalb von großem Nutzen,
weil die eigentliche Heilung der Wunde durch Überwallung, wie es der
Natur nach nicht anders ſein kann, erſt nach längerer Zeit ihren Ab—
ſchluß erreicht. Eine andre Bedeutung iſt folgende. Der Holzkörper
dient dem Aufſteigen des Waſſers in der Pflanze. Soweit wir bis
jetzt über die Urſachen des Saftſteigens unterrichtet ſind, nimmt das
Waſſer ſeinen Weg in den Hohlräumen der Gefäße und Tracheiden,
und das luftdichte Abgeſchloſſenſein der Luft des trachealen Syſtems
ſcheint eine der Bedingungen für das Zuſtandekommen des Saft—
ſteigens zu ſein, indem die Entſtehung einer nach oben abnehmenden
Tenſion der Binnenluft des Gefäßſyſtems mit zu den Urſachen des
Saftſteigens gehören dürfte. Von dieſem Geſichtspunkte aus er-
ſcheint alſo die luftdichte Verkittung aller in der Nähe der Wunde
gelegenen und durch die letztere geöffneten und gefährdeten Gefäße
und Tracheiden mit Gummipfropfen oder Thyllen als eine wichtige
= Schutzvorkehrung.
) Vergl. z. B. Sachs, Arbeiten des botan. Inſtit. zu Würzburg.
II. pag. 291 ff.
Kernholz.
38 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Nach dieſen Betrachtungen wird nun die Zweckmäßigkeit der
Schutzholzbildung in ihrem vollkommenen Lichte erſcheinen, wenn man
noch hinzunimmt, daß was die lokale Orientierung des Schutzholzes
anbelangt, ſtets und an jeder beliebigen Wunde der Abſchluß der
geſammten Wundfläche erzielt wird. Wie bei den ſpeziellen Ver—
wundungsarten unten noch näher beſprochen werden wird, folgt die
Schicht des Schutzholzes der geſammten Oberfläche der Holzwunde,
mag es eine Quer- oder eine Flachwunde ſein, mag die Wundfläche
eine ebene oder durch allerlei Unebenheiten unregelmäßige ſein, mag
ſie ſogar in Form von Spalten oder Höhlen in den Holzkörper ein—
greifen; und ſtets
reicht die Schutzholz—
ſchicht an den Rän—
dern der Wunde bis
an die dort unter
dem Schutze der
natürlichen Rinden—
bedeckung befindli—
chen Teile des Holz—
körpers (vergl. Fig. 6
und 7). So iſt denn
in der That der
Abſchluß des Holz—
körpers durch die
nach einer Verwun—
dung eintretende
010.19. Schutzholzbildun
Schutzholz, auf dem Querſchnitt eines Lindenſtammes, „; 0 1 0 9
der bei a eine tiefeinſpringende, durch Überwallungs— eine vo omen
wülſte noch nicht Be Wunde hat. Das durch Auch gegen
Dunkelung gekennzeichnete Schutzholz es ſpringt ver— e. 4
ſchieden tief in das helle normale Holz ein, ſchließt ane gefä ede
dasſelbe aber gegen die Wunde hin vollſtändig ab. Stellen, die nicht
Viermal verkleinert nach einem Originalſtück meiner eine offene Wunde
Inſtitutsſammlung von Temme entworfen. darſtellen grenzt ſich
U
der Holzkörper der Pflanze durch Schutzholz ab. So wenn Zweige
oder Teile der Rinde und des Splintes durch Froſt oder Hitze oder
durch paraſitäre Beſchädiger getötet worden ſind; d. h. es bilden ſich
an der Grenze des lebenden Holzes in den Gefäßen ꝛc. dieſelben Aus⸗
füllungen mit Wundgummi oder Thyllen.
Auch das Kernholz iſt, wie ich und Temme gezeigt haben,
ſowohl anatomiſch wie phyſiologiſch nichts andres als Schutzholz.
Bekanntlich gehen die inneren älteren Jahrsringe des Holzkörpers der
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 39
Bäume regelmäßig in den mit vorſtehendem Namen bezeichneten Zu—
ſtand über, ſo daß immer nur eine mehr oder minder große Zahl
der jüngſten Jahresringe als Splintholz erſcheinen. Die Bildung des
Kernholzes beginnt in einem gewiſſen vorgerückten Alter des Holz—
ſtammes, wenn der—
ſelbe innen noch
völlig unverſehrt iſt;
aber ſie iſt eben des—
halb die rechtzeitig
getroffene Vorberei—
tung für den Schutz
des Splintes gegen
innen, wenn, was
früher oder ſpäter
im höheren Alter
endlich ſicher ein—
tritt, die älteſten
inneren Partien des
Holzes zerſtört und
80 . 7.
ud Atte Schutzholz auf e eines Zwetſchenſtammes
dadurch hohl wer- der DE große Wunde hat. Die Dunkelung des
den. In allen jol- Schutzholzes hat ſichdvon dort aus bis s fortgepflanzt,
chen Teilen findet jo daß nur der halbe Splintteil b noch lebensthätig
f iſt. Zweimal verkleinert. Nach einem Originalſtück
man den Splint meiner Inſtitutsſammlung von Temme entworfen.
gegen das hohle
Stamminnere durch eine ununterbrochene Zone von Kernholz abgegrenzt.
Schon frühere Beobachter, wie Saniot), Böhme), de Bary )),
Gaunersdorferch fanden im Kernholze Ausfüllungen der Gefäße mit
einer gummi- oder harzartigen Subſtanz oder mit Thyllen, und Böhm
ſprach ſchon die Meinung aus, daß dies den Vorteil habe, daß dadurch die
größten Gefäße alsbald wieder verſchloſſen und ſo das Pflanzeninnere vor
der Einwirkung ſchädlicher äußerer Agentien geſchützt werde. Ich und
Temme haben gezeigt, daß im Kernholz genau dieſelben anatomiſchen
Veränderungen zu finden ſind, wie im Schutzholz der nämlichen
Baumſpezies; insbeſondere beſtehen die Ausfüllungsmaſſen der Lumina
aus demſelben Gummi; dieſes Kerngummi it alſo mit dem Wund—
) Botan. Zeitg. 1863, pag. 126.
2) Daſelbſt 1879, pag. 229.
3) Vergleichende Anatomie der Vegetationsorgane, pag. 524.
) Beiträge zur Kenntnis ꝛc. des Kernholzes. Sitzungsber. d. Wiener
Mad 1882. I, pag. 9.
40 II. Abſchnitt: Von den Wunden
gummi identiſch; auch dieſelben braunen oder rotbraunen Farbſtoffe treten
hier in den Membranen des Holzes auf wie in denen des Schutz—
holzes; bei gewiſſen Bäumen mögen auch Gerbſtoffe und andre Ver—
bindungen hinzutreten. Nach Moliſch!) kommt als Ausfüllungs-
maſſe der Gefäße auch manchmal kohlenſaurer Kalk vor, jo bei Ulmus,
Celtis und Fagus. Temme hat nun auch nachgewieſen, daß auch
bei der Umwandlung des Holzes in Kernholz die analogen phyſikaliſchen
Veränderungen eintreten, wie bei der Bildung des Schutzholzes. Die
Zunahme des ſpezifiſchen Gewichtes geht aus folgenden Beſtimmungen
hervor, welche das Verhältnis des ſpezifiſchen Gewichtes von Splint—
und Kernholz angeben: bei Quercus pedunculata 0,946: 1,604, bei
Gleditschia triacanthos 0,202: 1,574, bei Prunus avium 1,512: 1,677,
bei Pyrus malus 1,162: 1,648, bei Juglans regia 1,100 : 1,177. Eben⸗
jo konſtatierte er die gleiche Impermeabilität des Kernholzes gegen Luft
und Waſſer, wie beim Schutzholze. Die durchgängige Analogie, welche
zwiſchen Schutz- und Kernholz beſteht, iſt durch eine bei mir von
Praél?) ausgeführte vergleichende Unterſuchung zahlreicher Holzpflanzen
aus den verſchiedenſten Pflanzenfamilien klar geſtellt worden. Be—
kanntlich ſind die Kernhölzer vieler ausländiſcher Bäume, die ſoge—
nannten Farbhölzer, durch eigentümliche Färbungen ausgezeichnet,
während der Splint auch hier die gewöhnliche helle Holzfarbe beſitzt;
es bilden ſich hier gewiſſe Farbſtoffe, welche den Membranen des
Kernholzgewebes eingelagert ſind. Prasl hat nun für eine Reihe
ſolcher Pflanzen nachgewieſen, daß auch ihr Schutzholz, welches ſie
regelmäßig nach Verwundung bilden, genau dieſelbe Farbe wie das
Kernholz derſelben Spezies beſitzt, indem hier die gleichen Farbſtoffe
auch in den Membranen des Schutzholzes entſtehen. Dieſer Nachweis
wurde geliefert von Haematoxylon Campechianum, wo es ein tief-
roter Farbſtoff iſt, welcher im Kernholz (Campecheholz) wie im Schutz—
holz auftritt, von Caesalpinia Sappan, wo der gelbrote Farbſtoff des Kern—
holzes (Sappanholz) auch im Schutzholze zu finden tft, ferner von Maclura
aurantiaca (Gelbholz), Pistacia Lentiscus und Rhus Cotinus, wo die
gleichen gelben Farbſtoffe die Membranen von Kern- und Schutzholz
tingieren. Auch der Verſchluß der Lumina der Gefäße und Zellen des
Holzes wurde von Praél allgemein konſtatiert und auch in dieſer Be—
ziehung vollſtändige Homologie zwiſchen Schutz- und Kernholz erkannt.
Es wurde feſtgeſtellt, daß es überhaupt drei verſchiedene Mittel giebt,
um dieſen Verſchluß der Lumina zu erzielen. Erſtens die beiden ſchon
) Sitzungsber. d. Akad. d. Wiſſenſch. Wien Bd. 84. 1881.
) Vergleichende Unterſuchungen über Schutz- und Kernholz der Laub—
bäume. Pringsheim's Jahrb. f. wiſſenſch. Botanik XIX. 1888. Heft 1.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 41
erwähnten, nämlich entweder Thyllen, die in vielen Farbhölzern den
Verſchluß bilden, oder Gummi, teils allein, teils mit Thyllen zuſammen,
und dieſes nimmt dann bisweilen auch etwas von der Farbſtoffen
auf, welche die Membranen des betreffenden Schutz- und Kernholzes
tingieren. Es kann aber auch eine harzartige Subſtanz, die alſo ſchon
durch ihre Löslichkeit in Alkohol ſich von Gummi unterſcheidet, ge—
bildet und gerade ſo wie ſonſt das Gummi und an Stelle deſſelben
als Verſchlußmittel der Gefäße verwendet werden. Als ſolcher Fall
erwies ſich Guajacum officinale, deſſen Kernholz, das ſogen. Guajak—
oder Franzoſenholz, ſeine braun- bis ſchwarzgrüne Farbe einem
bräunlichen oder grünlichen Harz verdankt, mit welchem die Lumina
des Gewebes erfüllt find. Auch hier glückte es Prasl, in dem Schutz—
holz, welches ſich nach abſichtlich angebrachten Wunden an lebenden
Exemplaren dieſer Pflanze bildet, die analoge Veränderung, d. h. die
Entſtehung des nämlichen Harzes in den Gefäßen des Schutzholzes
nachzuweiſen. |
Dem letzterwähnten Falle ſchließen ſich nun auch die Koniferen
an, wo vorzugsweiſe Harz als Ausfüllungsmittel der Tracheiden an
Wundſtellen benutzt wird. Bei den Koniferen iſt das eine längſt
bekannte Erſcheinung; derartiges Holz wird hier als Kienholz be—
zeichnet. Die mikroſkopiſche Unterſuchung lehrt, daß hier die Höhlungen
aller Holzzellen mit Harz, beziehentlich Terpentinöl ausgefüllt ſind,
daß aber gleichzeitig auch die Zellmembranen mit Harz durchtränkt
ſind; dabei wird die Farbe des Holzes braun oder rot. In der
That vertritt bei den Koniferen das Kienholz die Stelle von Kern—
und Schutzholz. Es iſt bekannt, daß bei der Kiefer und deren ver—
wandten Arten und bei der Lärche regelmäßig das Kernholz, auch noch
ehe eine Verletzung eingetreten iſt, verkient. An allen Wundſtellen der
Nadelbäume verkient regelmäßig das entblößte Holz; dies iſt beſonders
nach Wildſchälen an Kiefer, Fichte, Lärche und Tanne, ſowie im Holze
der zum Zwecke der Harzgewinnung verwundeten Nadelholzſtämme be—
kannt!); ebenſo find die im Stammholze ſteckenden abgeſtorbenen
Stümpfe alter Aſte regelmäßig verkient (Kienäſte).
Die Frage der Entſtehung des Wund- und Kerngummis wurde früher
an denjenigen Holzpflanzen ſtudiert, welche die beſondere Eigentümlichkeit haben,
daß bei ihnen infolge von Verwundung eine ſo große Menge von Gummi
ſich bildet, daß daſſelbe in reichlichen Maſſen aus dem Pflanzenteile hervorquillt,
) Vergl. Mohl, Gewinnung des venetianiſchen Terpentins. Botan.
Zeitg. 1859, pag. 340; Ratzeburg, Waldverderbnis. II. pag. 36. Wigand,
Desorganiſation der Pflanzenzelle, Pringsheim's Jahrb. f. wiſſenſch. Bot.
III. pag. 165.
Kienholz.
42 II. Abſchnitt: Von den Wunden
wie beſonders beim Kirſchbaum und bei andern Amygdalaceen. Von dieſer
profuſen Gummibildung wird erſt im nächſtfolgenden Abſchnitte die Rede ſein;
aber auch bei dieſen Pflanzen kommt im Schutz- und Kernholz regelmäßig
dieſelbe Bildung von Gummi in den Gefäßen vor, die ja eben erſt ſpäter
von mir und Temme als eine allgemeine Erſcheinung bei unſern Laubhölzern
erkannt worden iſt; bei den Amygdalaceen hat ſie aber eben in Verbindung
mit der profuſen Gummoſis ſchon früheren Beobachtern vorgelegen. Da
war es zuerſt Wigand!), welcher dieſe wie andre, ähnliche Secrete ganz
und gar als nee der Membranen der betreffenden Elementar—
organe erklärte. Die genaueren Unterſuchungen, welche ſpäter von mir?) und
von Prillieuxs) hierüber angeſtellt wurden, ergaben, daß die auf der
Innenwand der Gefäße ausſchwitzenden großen Gummitropfen jedenfalls ihrer
Hauptmaſſe nach nicht für ein Umwandlungsprodukt des kleinen und dünnen
Membranenſtückes der Gefäßwand gelten können, auf welchem ſie aufſitzen,
ſondern als eine Neubildung zu betrachten ſind. Hierin haben mich die ſehr
genauen Beobachtungen des erſten Auftretens dieſer Gummiausſcheidungen
auf den Gefäßwänden, die neuerdings Temme gemacht hat, nur noch mehr
beſtärkt, und ich ſtimme darin mit Prillieux völlig überein, daß eine ihrer
chemiſchen Natur nach noch unbekannte Subjtanz, welche zur Bildung des
Gummis in den Gefäßen und Holzzellen dient, aus den angrenzenden
lebenfsähigen Zellen durch die Membran in das Lumen jener Organe diffundiert
und hier zuerſt in Form ganz kleiner Gummitröpfchen wie eine Ausſchwitzung
auf der innern Fläche der Membran auftritt; durch Zufuhr neuen Materiales
vergrößert ſich der Gummitropfen endlich bis zur Erfüllung des ganzen Durch—
meſſers des Gefäßes. Die Membran des letzteren bleibt dabei unverändert.
In der That ſind auch die Stellen der Gefäßmembran, auf welchen die
Gummitropfen ausgeſchieden werden, immer ſolche, welche an eine Markſtrahl—
zelle oder an eine Zelle des die Gefäße begleitenden Holzparenchyms angrenzen,
alſo an Zellen des Holzkörpers, welche lebensthätiges Protoplasma führen.
Die Bildung des Schutz- und Kernholzes iſt damit klar als eine Lebens—
thätigkeit des Holzes bezeichnet.
Auch die Bildung des Harzes im Kienholz dürfte vielleicht als eine Lebens—
thätigkeit des verwundeten Holzes anzuſehen ſein. Die Frage wird uns unten
bei der Entſtehung der Harzſekrete näher beſchäftigen.
Was die eigentliche Urſache der Schutz- und Kernholzbildung anlangt, ſo
ſind wir darüber ſehr wenig unterrichtet. Daß Verwundung Veranlaſſung
dazu giebt, iſt ja klar. Aber da die betreffenden Bildungen ſich auch im
Kernholze ſchon einſtellen, noch ehe eine merkliche Verwundung eingetreten iſt,
ſo müſſen auch noch andre Faktoren dabei mitſpielen. Immerhin iſt es von
Intereſſe, daß PBrael (J. c.) nachgewieſen hat, daß die Bildung des Schutz—
holzes unterbleibt oder doch ſehr verzögert wird, wenn man die gemachte
Holzwunde bei Zeiten mit einem künſtlichen Verſchlußmittel, nämlich durch
Verſchmieren mit einem luft- und waſſerdichten Kitt gegen die Außenwelt ab—
ſchließt. Im Dezember angeſtellte Schnittwunden erwieſen ſich im Frühjahr
durch Schutzholz geſchloſſen, wenn ſie nicht verfittet waren, während an ver—
) J. e. pag. 112.
2) Über die anatomiſche Bedeutung und Entſtehung der vegetab. Schleime.
Pringheims Jahrb. f. wiſſenſch. Bot. V. pag. 25.
3) La formation de la gomme ete. Ann des nat. 6. ser. Bot. T. I, pag. 176.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 43
kitteten Wunden dies unterblieben war; bei der Birke wurde daher durch den
andringenden Blutungsſaft im Frühjahr der Kitt von ſolchen Wunden auf—
gehoben, während die nicht verkitteten gleichalten Wunden keinen Blutungsſaft
austreten ließen, alſo ihre Gefäße ſchon gegen den letzteren unwegſam gemacht
hatten. Auch für die Thyllen iſt von den oben über dieſe Organe genannten
Autoren erkannt worden, daß Verwundungen die gewöhnlichſten Veranlaſſungen
zur Bildung derſelben ſind, womit freilich auch noch nichts über den urſächlichen
Zuſammenhang aufgeklärt iſt.
II. Sekretionen an Wunden.
Bei manchen, aber keineswegs bei allen Pflanzen, beobachten wir Sefretionen an
die Erſcheinung, daß nach jeder Verletzung auf oder in der Nähe 9
der Wunde eine flüſſige oder halbflüſſige Subſtanz ausgeſchieden wird,
welche die Wunde überziehlt und eben deshalb, ſowie wegen der
chemiſchen und phyſikaliſchen Eigenſchaften, die dieſe Sekrete beſitzen,
als ein natürliches Schutzmittel der Wunde, als ein Wundbalſam
funktioniert, denn dieſe Überzüge bilden in der That eine für Luft
und Waſſer nicht oder ſehr ſchwer durchdringbare Wundendecke.
Viele Pflanzen enthalten ein ſolches Sekret ſchon fertig vorgebildet, Vorgebildete
jo daß dasſelbe jederzeit bereit iſt, bei eintretender Verletzung an der Serrete.
Wunde hervorzufließen und dieſelbe einzuhüllen. Es handelt ſich hier
um die zahlreichen Pflanzen, welche ſogenannte Sekretbehälter, und
um diejenigen, welche Milchſaftgefäße beſitzen. Die Beſchreibung
dieſer normalen Organe gehört in die Pflanzenanatomie; es iſt hier
nur hervorzuheben, wie ſehr dieſelben dem Zwecke entſprechen, ein ſicheres
und taugliches Wundbedeckungsmittel zu liefern. Die Sekretbehälter
ſtellen meiſt lange Kanäle dar, welche kontinuierlich in der Längs—
richtung durch Wurzeln, Stämme und Blätter ſich erſtrecken, in den
Stämmen und Zweigen, vorzugsweiſe in der Rinde, bei manchen
Pflanzen auch im Holze ſich befinden, ſo daß bei jeder Verletzung
irgend eines Teiles der Pflanze auch einige dieſer Behälter geöffnet
werden und ihren Inhalt über die Wunde ergießen. Die Milchſaft—
gefäße ſtellen ein eigenes Gefäßſyſtem in der Pflanze dar, welches
durch zahlreiche Verzweigungen und Anaſtomoſen in ſich zuſammen—
hängt und ebenfalls vorwiegend in der Rinde der Stengel und Wur—
zeln, ſowie durch die ganze Blattmaſſe verläuft, weshalb, wenn die
Pflanze an irgend einem Punkte verletzt wird, wie bekannt ſofort
Tropfen des milchartigen Inhaltes hervorfließen. Die Art des
Sekretes in den Sekretkanälen iſt für die einzelnen Pflanzenarten
charakteriſtiſch. Bei den Koniferen iſt es allgemein ätheriſches Ol
oder Harz, eine Subſtanz, deren konſervierende und antiſeptiſche
Eigenſchaften wohlbekannt ſind und die wir deshalb auch künſtlich
Wundſekrete.
* n
44 II. Abſchnitt: Von den Wunden
mit Vorteil zum Verſchließen der Wunden der Pflanzen benutzen.
Sehr viele ausländiſche Bäume, die wiederum ganzen Pflanzenfamilien
angehören, beſitzen ähnliche Sekretionskanäle, in denen eigentümliche
ätheriſche Ole, Harze, Balſame, Gummiharze oder Milchſäfte enthalten
ſind; bei einigen Pflanzen führen ſolche Kanäle Gummi, wie bei den
Marattiaceen, Cycadeen und Sterkuliaceen. Alle dieſe Stoffe geben
einen ſehr guten Wundverſchluß, und das gleiche gilt von allen
Milchſäften, wenn ſie auf den Wunden eintrocknen. Die hier ver—
tretene Anſicht, wonach die Bedeutung aller dieſer Sekrete für die
Pflanze darin liegt, gegebenenfalls als ein natürlicher Wundbalſam
in Wirkſamkeit zu treten, zum Teil ſogar als Abſchreckungsmittel gegen
ſolche Tiere zu dienen, welche die Pflanze zu verletzen drohen, wobei
der ſtarke Geruch und die giftigen Eigenſchaften mancher dieſer Sekrete
von Bedeutung find, it zuerſt von de Vries) in beſtimmter Weiſe
ausgeſprochen worden.
Bei manchen Pflanzen wird aber ein ſolches Sekret auch erſt
gebildet als Folge der Verwundung, indem entweder die der Wunde
benachbarten, ſchon vorhandenen Gewebe desorganiſiert und in die
betreffende Sekretſubſtanz umgewandelt werden, oder indem das Cambium
der betreffenden Holzpflanzen in der Nähe der Wunde gewiſſe Gewebe—
komplexe von eigentümlichen Zellen bildet, nämlich anſtatt normalen Holz—
gewebes ein abnormes Holzparenchym, deſſen Zellen ſehr bald unter
Desorganiſation in die Sekretſubſtanz ſich umwandeln. Der Erfolg
iſt dann immer der, daß die in gewiſſer Entfernung hinter der
Wunde liegenden geſunden Gewebe durch die Sekrete, welche nicht
bloß die direkt verwundeten Gewebe imprägnieren, ſondern durch ihren
meiſt reichlichen Ausfluß auch äußerlich die Wunde bedecken, ge—
ſchützt werden. Die auf dieſe Weiſe erſt in Folge der Verwundung
ſich bildenden Sekrete kann man als eigentliche Wundſekrete bezeichnen.
Es iſt nicht immer ohne weiteres entſcheidbar, ob ein aus einer
Wunde fließendes Sekret den vorgebildeten Sekretbehältern entſtammt
oder ein ſolches echtes Wundſekret darſtellt, weil bei manchen Pflanzen
beide Arten von Sekretionen vorkommen.
Es brauchen auch nicht immer eigentliche Verwundungen zu ſein,
um die Bildung ſolcher Wundſekrete einzuleiten. Auch wenn eine
Stelle des Stammes oder ganze dünnere Zweige eines Baumes durch
irgend einen anderen ſchädlichen Einfluß, etwa durch Froſt oder
Dürre oder durch Nahrungsmangel oder durch paraſitäre Urſachen
getötet oder zum Tode geſchwächt ſind, ſo kann der noch lebende Teil
I) Landwirtſch. Jahrbücher. X., pag. 687.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 45
der Pflanze mehr oder weniger weit rückwärts von dem leidenden
Teile zu ſolchen abnormen Sekretbildungen übergehen, gleichſam um
rechtzeitig als Vorbeuge bei dem ſicher drohenden Verluſte die andern
Teile der Pflanze mit dieſem Schutzmittel zu verſorgen. Man hat
daher vielfach ſolche abnorme Secretionen als beſondere Krankheiten
angeſehen, indem man z. B. den Gummifluß als „Gummikrankheit“,
den Harzfluß als „Harzkrankheit“ bezeichnete, dabei hat man aber
die bloße Folge der Krankheit, nämlich die Reaktion der lebenden
Pflanze gegen dieſelbe, mit der Krankheit ſelbſt verwechſelt. Es muß
beſtimmt betont werden, daß alle dieſe abnormen Sekretionen keine
ſpecifiſche Krankheit vorſtellen, ſondern die Folgeerſcheinungen der aller—
verſchiedenſten Beſchädigungen und Leiden der Pflanze ſein können.
I. Harzfluß, Reſinoſis der Koniferen. Alle Verwundungen der holzigen
Teile der Koniferen ſind mit Anſammlung oder Ausfluß von Harz verbunden,
und die Gewinnung des Harzes und Terpentins beruht denn auch immer
darauf, daß man die Bäume abſichtlich verwundet. In der Pflanze entſteht
das Sekret in der Form von Terpentinöl, einer Verbindung aus der Reihe
der Kohlenwaſſerſtoffe. Durch Einwirkung des Sauerſtoffs der Luft oxydiert
es ſich allmählich zu Harz, welches alſo eine ternäre Verbindung iſt und einen
feſten Körper darſtellt. Daher ſind dieſe Sekrete eine wechſelnde Miſchung von
Terpentinöl und Harz, welche Terpentin heißt und deren größere oder
geringere Dickflüſſigkeit von dem Mengungsverhältniſſe abhängt. Aus friſchen
Wunden fließt reines Terpentinöl oder ein hauptſächlich aus ſolchem be—
ſtehender Terpentin; der Überzug, den es auf der Wunde bildet, erhärtet mit
der Zeit immer mehr zu Harz.
Das ſofort nach der Verwundung ausfließende Terpentin ſtammt natürlich
aus den durch die Wunde geöffneten normalen Harzbehältern. Von
dieſen kennen wir bei den Koniferen hauptſächlich folgende Arten.
In der primären Rinde finden ſich allgemein ſenkrechte und auf weite
Erſtreckung verlaufende Harzkanäle; dieſe ſind es, aus denen beim Durch—
ſchneiden der Rinde ſchon des einjährigen Triebes das Harz in größeren oder
kleineren Tropfen ausfließt. Bei der Weißtanne ſchwellen dieſe Kanäle an
einzelnen Stellen, beſonders da, wo mehrere zuſammentreffen, zu großen mit
Harz gefüllten Blaſen an, weshalb an der inneren Wand der letzteren die
Mündungen von zwei bis vier Harzkanälen ſich finden, die ſowohl von oben
als von unten einmünden. Da bei der Tanne die Rinde bis ins mittlere
Alter glatt und unverſehrt bleibt, ſo erhalten ſich auch die Harzkanäle und
ihre Erweiterungen ebenſo lange; ſpäter aber werden ſie infolge der Borke—
bildung mit abgeſtoßen, weshalb nur mittelwüchſige Tannen den Straßburger
Terpentin liefern, der aus jenen Harzbehältern ſtammt. Wie dieſe ſogenannten
Harzbeulen, linſenförmige mit Harz gefüllte Hohlräume in der Rinde, ent—
ſtehen, iſt bis jetzt nicht unterſucht worden. Da ſie aber nach der einſtimmigen
Ausſage Mohl's), Schacht's) und Ratze burg's) erſt an mittelwüchſigen
1) Über die Gewinnung des venetianiſchen Terpentins. Bot. Zeitg. 1859,
pag. 341.
2) Der Baum, pag. 223.
3) Waldverderbnis, II. pag. 7.
Harzfluß der
Koniferen.
Normale
Harzbehälter.
Profuſe
Harzbildung.
Neubildung von
Harz nach
Verwundung.
„
46 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Tannen ſich bilden, ſo müſſen ſie wohl aus einer Desorganiſation von Rinden—
gewebe hervorgehen, und es bleibt eben noch die Frage zu entſcheiden, ob ſie
infolge irgend einer Verwundung entſtehen; nach Ratzeburg's Bemerkung
ſollen Tannen nie Terpentin geben ohne krank zu ſein. Ferner finden ſich
normal in der Rinde vieler Koniferen kleine iſolierte kugel- oder linſenförmige
Harzlücken, die nach Mohl meiſt erſt im mehrjährigen Triebe entſtehen, ſich
auch mit der Zeit etwas vergrößern, aber wegen ihrer geringen Ausdehnung
niemals Harzfluß hervorbringen ſollen. Endlich giebt es in der Rinde auch
noch horizontale Harzkanäle, welche in radialer Richtung und unter
einander nicht im Zuſammenhange ſtehen; ſie befinden ſich in der Mitte
der in die Rinde ſich fortſetzenden breiten Markſtrahlen und ſind die
unmittelbare Verlängerung der in den größeren Holzmarkſtrahlen befindlichen
Harzkanäle. Sie kommen bei der Fichte, Lärche und Kiefer vor und ſind be—
ſonders die Urſache der Bedeckung der Schälwunden mit Harz.
Im Holze der Nadelbäume ſind die verbreitetſten harzabſondernden
Organe die vertikal verlaufenden Harzkanäle; ſie verurſachen hauptſächlich
den Harzausfluß an Querwunden des Holzes. Die weiteſten und zahlreichſten
beſitzt die Schwarzkiefer, demnächſt die gemeine Kiefer und die Lärche, viel
ſpärlicher die Fichte. Außerdem kommen im Holze, wie erwähnt, auch hori—
zontale Harzkanäle vor, welche in der Mitte der großen Markſtrahlen liegen
und wie dieſe in radialer Richtung laufen; ſie ſind den meiſten, auch die
Tanne nicht ausgenommen, eigen.
Es iſt nun aber die Frage, ob die oft ſehr bedeutenden Quantitäten von
Harz, welche die Nadelbäume nach Verwundung von ſich geben, nur aus
den ſchon vorhandenen Harzkanälen, oder teilweiſe auch aus einer erſt
infolge der Verwundung eingetretenen Neubildung von Harz ſtammen.
Mohl, dem ſich in dieſer Beziehung N. J. C. Müller) angeſchloſſen
hat, vertrat die erſtere Anſicht. Nach ſeiner Vorſtellung müſſe ſich das Harz
in den durch die Verwundung geöffneten Harzkanälen, da dieſelben ſich weit—
hin in der Pflanze erſtrecken, auch aus entfernteren Teilen des Baumes dahin
ziehen und ſich auf der Wunde anſammeln. Auch das Kienigwerden des
verwundeten oder abſterbenden Nadelholzes, von welchem oben ſchon die Rede
war, erklärt ſich Mohl aus einem Übertritt von Harz aus entfernteren Teilen
des Baumes, beſonders aus der Rinde und aus dem Splinte durch die
horizontalen Harzkanäle der Markſtrahlen, indem die Zellmembranen für Harz
durchdringbar ſind und der weichende Saftgehalt des Kernholzes oder des
durch Verwundung getöteten und vom Zufluß des Nahrungsſaftes abge—
ſchnittenen Holzes Raum für den Eintritt von Harz bietet. Den Widerſpruch,
der in der Thatſache zu liegen ſcheint, daß nach Harzentziehung das Holz
eines Baumes verkient, ſucht Mohl durch die Bemerkung zu beſeitigen, daß
bei ſo äußerſt harzreichen Bäumen durch die Operation nur ein Teil des Harzes
entzogen werde, und der überſchüſſige andre Teil trotzdem die abſterbenden
Holzſchichten infiltrieren könne.
Es iſt aber unzweifelhaft, daß bei Verwundungen ſowie auch bei andern
Leidenszuſtänden der Koniferen eine Neubildung von Harz, alſo eine Wund—
ſekretion im obigen Sinne eintritt, was durch eine ganze Reihe von Beob—
achtungen begründet wird. Hier ſind zunächſt die vielſeitigen Beobachtungen
Ratzeburg's bei Verwundungen durch Schälen, Fraß ꝛc. zu erwähnen. Leider
) Pringsheim's Jahrb. f. wiſſenſch. Botanik 1866, pag. 387.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 47
thut aber die anatomiſche Ungenauigkeit derſelben ihrer Verwertung für unſre
Frage Eintrag; es iſt hier oft nur von „Harzreichtum“ der Holzpartien die
Rede, wobei es ungewiß bleibt, ob Verkienung oder Bildung eigener Harz—
behälter gemeint iſt; und wo die letzteren ausdrücklich genannt werden, iſt
über ihre anatomiſche Natur faſt nichts Näheres zu erfahren. Sicher ſind
aber wenigſtens zwei bemerkenswerthe Thatſachen daraus zu entnehmen.
Erſtens, daß in dem alten, ſchon vorher vorhanden geweſenen Holze infolge
der Verwundung wirkliche Harzkanäle in vermehrter Anzahl und von größerer
Weite entſtehen. Nach dem Fraß des Fichtenrindenwicklers (Tortrix dorsana)
bilden ſich nicht bloß in den Überwallungsſchichten, ſondern auch in den älteren
Jahresringen viel Harzkanäle ; dieſelbe Rückwirkung auf frühere Jahresringe
wird beim Fraß der Kiefernmotte (Tinea sylvestrella) angegeben?). Auch in
der Rinde der Lärche ſoll bei den Angriffen der Rindenlaus (Chermes laricis)
eine vermehrte Bildung von Harzlücken eintreten). Zweitens fand Ratzeburg
faſt allgemein, daß die nach einer Verwundung ſich bildenden Holzſchichten
mehr Harzkanäle als im normalen Zuſtande enthalten. Dies zeigt ſich im
Holze der Überwal ER welche an den Rändern der Schälwunden entſtehen,
beſonders bei der Lärche, wo ſich bisweilen ſehr weite und auch in vertikaler
Richtung lange, mit Harz erfüllte Hohlräume bilden?) auch in der Rinde
dieſer Überwallungen fanden ſich Harzbeulen, größere, mit Harz gefüllte Räume,
ähnlich denen der Tannenrinde. Dasſelbe gilt von den Holzſchichten der Über-
wallungen, die ſich an den Fraßſtellen der Kiefernmotte, ſowie des Fichten—
rindenwicklerss) bilden, desgleichen von der Rinde der gallenartigen Holz—
anſchwellungen der Lärche, die durch den Fraß des Lärchenrindenwicklers
(Tortrix Zebeana) s) hervorgebracht werden. Auch der Verluſt dünnerer
Zweige hat für die davon betroffenen Aſte meiſtens den Erfolg, daß in den
nach der Verwundung ſich bildenden, meiſt ſchwachen Holzringen ungewöhnlich
viel Harzkanäle erſcheinen, die ſogar manchmal die ganze Breite des Jahres—
ringes einnehmen. Solches berichtet Ratzeburg) von den durch Wild ver—
biſſenen beſenförmigen Lärchen, von den durch Nonnenfraß beſchädigten Fichten—
zweigens) und von der Kiefer nach dem Fraße der Forleule?). Die Beziehung
zur Verwundung prägt ſich dabei ſogar darin aus, daß an einſeitig entäſteten
Zweigen nur in den an der entäſteten Seite liegenden ſchmalen Jahresringen
Harzreichtum eintritt. Beſonders wichtig iſt auch das Verhalten der ſonſt im
Holze harzarmen Tanne, bei welcher nach Schälen im Überwallungsringe,
ſowie in den Holzſchichten, die ſich nach dem Verbeißen durch Wild und nach
dem Fraße des Tannenwicklers (Tortrix histrionana) in den beſchädigten
Aſten bilden, in großer Anzahl wirkliche Harzkanäle auftreten ſollen 10.
) Ie. I. pag 262.
2) 1. c. I. pag. 197.
3) 1. c. II. pag. 64.
4) 1. c. II. pag. 76.
5) 1. c. I. pag. 197 und 262.
6) 1. c. II. pag. 69.
7) 1. c. II. pag. 66.
Y 1. e. I. pag. 234.
) 1. c. I. pag. 154.
20) I. 6. II. pag. 18, 26, 33.
48 IT. Abſchnitt: Von den Wunden
Wenn neue Harzkanäle in der Pflanze entſtehen, ſo kann das in ihnen
enthaltene Harz nur durch eine Neubildung entſtehen. Das geht ſchon aus
dem hervor, was wir über die Entſtehung der normalen Harzkanäle der
Koniferen wiſſen. Wie ich gezeigt habe), giebt es zwei verſchiedene Entſtehungs—
arten derſelben: ſchizogen und lyſigen. Das erſtere trifft zu für die eigentlichen
Harzkanäle, welche regelmäßig in der primären Rinde ſowie im Holze, be—
ſonders bei der Kiefer auftreten, und beruht darauf, daß gewiſſe Zellen ohne
zu verſchwinden, auseinander weichen, wobei der dadurch entſtehende Hohl—
raum ſich mit Terpentinöl füllt; die auseinander gewichenen Zellen, welche
den Kanal dauernd auskleiden, ſind die Sekretionsorgane des Terpentinöls;
ſie enthalten ſelbſt nichts von dieſem Stoffe, ſie bilden ihn alſo erſt aus
anderem ihnen zu dieſem Zwecke zugeleiteten Material und ihr Produkt nimmt
erſt beim Austritte aus dieſen Zellen ins Innere des Kanals die definitive
Form des Terpentinöls an. Bei der lyſigenen Entſtehung von Harzkanälen,
die ich in der Rinde älterer Stämme von Thuja oceidentalis nachgewieſen
habe, werden gewiſſe Zellen wirklich aufgelöſt, ſo daß nun an Stelle der ver—
ſchwundenen Zellen ein Sekretbehälter ſteht. Gruppen von Parenchymzellen
des Phloems und der Rindenſtrahlen werden reicher an protoplasmatiſchem
Inhalt, ſowie an Stärkekörnchen, zugleich treten Tröpfchen von Terpentinöl
im Inhalte auf; letzteres vermehrt ſich, während die übrigen Beſtandteile des
Zellinhaltes ſchwinden; zuletzt werden auch die Zellmembranen aufgelöſt und ſehen
dabei wie angefreſſen aus. Die Höhle kann ſich erweitern, indem dieſer Prozeß
im umgebenden Gewebe der Rinde fortſchreitet. Den gleichen Vorgang ſah
ich jtattfinden, wenn, wie es bisweilen geſchieht, die normalen Harzkanäle im
Holze der Kiefer ſich erweitern zu größeren harzführenden Höhlen; hier er—
füllen ſich die den Kanal umgebenden Holz- und Markſtrahlen mit Harz, und
darauf verſchwinden auch ihre Membranen. Ferner hat Dippel) nachgewieſen,
daß lyſigen auch die Harzgänge im Holze der Tanne entſtehen, welche wohl
ſchon im normalen Zuſtande allgemein, wenn auch nicht in großer Anzahl
vorhanden zu ſein ſcheinen. Es finden ſich hier einzelne Harzzellen, d. ſ.
parenchymatiſche mit Harz gefüllte Zellen, ferner Harzzellengruppen, d. ſ. größere
Gruppen geſtreckter harzführender Holzparenchymzellen, welche ſtets von kürzeren
ſtärkeführenden Holzparenchymzellen begleitet werden; endlich echte Harzgänge,
welche ebenfalls von ſtärkeführendem Holzparenchym umgeben ſind und ſtets
an einen Markſtrahl angrenzen. Ihre Entſtehung beruht darauf, daß anfangs
eine Gruppe ſtärkeführender Holzparenchymzellen vorhanden iſt, deren mittlere
unter Harzbildung ſich auflöſen, indem zuerſt im Inhalte an die Stelle der
im Winter vorhandenen Stärkekörnchen Harz tritt und darauf auch die Mem—
branen der harzerfüllten Zellen verſchwinden. Nach Möller?) ſollen die Harz
kanäle im Holze der Schwarzföhre lyſigen entſtehen, indem Gruppen der von
der Cambiumſchicht gebildeten Zellen unverholzt und dünnwandig bleiben und
dann in Harz ſich auflöſen; ob hier jedoch nicht eine Verwechſelung mit
ſchizogenen Harzkanälen, wie fie ja im Holze der gemeinen Kiefer ſich finden,
vorliegt? Nach Höhnelß) ſollen lyſigen in der fertigen Korkſchicht von Abies
canadensis Harzbehälter entſtehen, alſo durch Verharzung der Korkzellen. Bei
1) Beiträge zur Pflanzenphyſiologie, pag. 119-123.
2) Zur Hiſtologie der Koniferen. Bot. Zeit. 1863, Nr. 35, Taf. X.
3) Beiträge zur Anatomie der Schwarzföhre. Mitteil. aus d. forſtl.
Verſuchsweſen Oſterreichs, von Seckendorf, III, pag. 167.
5) Botan. Zeitg. 1882, Nr. 10.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 49
der lyſigenen Entſtehung von Harzbehältern ſtammt das Harz zum Teil aus
einer Umwandlung der Zellmembranen und der etwa vorhandenen Stärke,
weil eben dieſe feſten Beſtandteile der betreffenden Zellen dabei verſchwinden.
Aber es iſt unmöglich, daß dieſe das ganze Material des dabei entſtehenden
Oles oder Harzes liefern könnten, beſonders da es oft nur ſehr dünn—
wandige und ſtärkearme Zellen ſind, welche dem Harzbehälter den Urſprung
geben; es muß eben auch hier ein mehr oder minder großer Teil des Harzes
aus einem beſonders zu dieſem Zwecke zugeſtrömten Nahrungsmaterial entſtanden
ſein. In dieſer Überzeugung beſtärkt uns außerdem noch im höchſten Grade
die Erwägung, daß das Terpentinöl die kohlenſtoffreichſte Subſtanz des Baumes
iſt, daß alſo auf den Kohlenſtoffgehalt der gewöhnlichen Pflanzenſubſtanz,
aus welcher dasſelbe entſtehen könnte und entſtehen muß, alſo z. B. der Kohlen—
hydrate, berechnet, ein Gewichtsteil Terpentinöl einem viel mal größeren
Gewichtsteil irgend eines andern Pflanzenſtoffes äquivalent iſt.
Wie diejenigen Harzbehälter entſtehen, welche in den angegebenen Fällen
nach Verwundungen in größerer Anzahl ſich bilden, iſt nun zwar noch nicht
verfolgt worden. Aller Wahrſcheinlichkeit nach werden auch ſie auf lyſigene
Art gebildet. Es kann nach dem Vorhergehenden nicht zweifelhaft ſein, daß
ihre Entſtehung immer mit einer Neubildung von Harz verbunden iſt. Auch
bei jeder Verkienung des Holzes könnte eine Neubildung von Harz beteiligt
ſein, worüber jedoch nichts entſchieden iſt.
Es kommen aber auch Fälle vor, wo die Harzerzeugung durch Bildung
eines abnormen Zellgewebes eingeleitet wird, welches dann unter Auflöſung
ſeiner Zellmembranen in Harz degeneriert, ſo daß ſich mitten im unveränderten
Holze ein mit Harz erfüllter Raum bildet, deſſen Form und Größe durch die—
jenigen des Komplexes des abnormen Gewebes beſtimmt ſind. Auf dieſe Weiſe
entſtehen nämlich die ſogenannten Harzd ruſen oder Harzgallen, die keines—
wegs regelmäßig, ſondern nur ausnahmsweiſe im Holze der Koniferen ge—
funden werden. Man verſteht darunter ſehr große harzerfüllte Lücken, die beim
Zerſpalten des Holzes zum Vorſchein kommen. Sie finden ſich bis zur Größe
und Dicke eines Thalerſtückes und wohl auch noch größer und liegen innerhalb
eines einzigen Holzringes im Frühjahrsholze, fo daß das Herbſtholz desſelben
ebenſo normal iſt, wie dasjenige des nächſtälteren angrenzenden Jahresringes.
Das was im Hohlraum nicht mit Harz erfüllt iſt, wird von einem abnormen
Holzparenchym eingenommen. Dieſes iſt beſonders ringsum an den Rändern
in Menge vorhanden; es beſteht aus lauter ungefähr iſodiametriſchen aber
ganz unregelmäßig geſtalteten und völlig ordnungslos liegenden verholzten
Parenchymzellen, von denen die am weiteſten nach der Mitte der Harzgalle
gelegenen alle übergänge der Desorganiſation in Harz zeigen, d. h. ſie ſind
mit ſolchem erfüllt und ihre Membranen mehr oder weniger in der Auflöſung
begriffen. Dagegen zeigt das Holz in der nächſten Umgebung und beſonders
auch vor der Harzdruſe gegen das Herbſtholz hin, die normale Zuſammen—
ſetzung aus Holzfaſern, welche in radiale Reihen geordnet ſind. Von dieſer
Beſchaffenheit beobachtete ich die Harzgallen im Fichtenholze; Ratzeburg!)
fand fie auch bei der Tanne und auch Dippel? erwähnt die Harzgallen bei
der Tanne als eine abnorme Erſcheinung. Der Entſtehung dieſer Harzdruſen
liegt alſo eine abnorme Zellbildungsthätigkeit des Cambiums zu Grunde,
e. II. pag. 4:
7) 1. c. pag. 254.
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 4
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50 II. Abſchnitt: Von den Wunden
welche an der betreffenden Stelle ſtatt normalen Holzes größere nur aus einem
Holzparenchym beſtehende Gewebekomplexe erzeugt. Ob Harzdruſen in einer
direkten oder indirekten Beziehung zu einer ſtattgehabten Verwundung ſtehen,
darüber fehlt es an Erfahrungen. Ich fand ſie ſowohl in verkientem Holze,
als auch ringsum von normalen, nicht kienigen Holzſchichten eingeſchloſſen. —
Mit dieſer Erſcheinung nahe verwandt ſind die ſogenannten Auslöſungen
des Holzkörpers der Koniferen. Bisweilen löſt ji) an geſpaltenem Holze und
ſelbſt an Schiffsmaſten ein runder, glatter Kern vollſtändig aus dem Holze
aus. Hallier) hat nachgewieſen, daß hier ein Jahresring ringsum in eine
abnorme Bildung von Holzparenchym übergegangen und in letzterem Des—
organiſation in Harz eingetreten iſt. Ich kann dies von einem Fichtenholz
beſtätigen. Der ſechſte Jahresring zeigte hier die erſten Schichten ſeines
Frühjahrsholzes ganz aus kurzzelligem Holzparenchym beſtehend, welches unter
Harzbildung im Zerfall begriffen war. Der aus den fünf älteſten Jahresringen
beſtehende Kern löſte ſich als ein runder, auf der ganzen glatten Oberfläche
mit Harz überzogener Cylinder heraus. Auch das Rohr hatte inwendig eine
ziemlich glatte, etwas harzende Oberfläche. Der übrige Teil des Jahresringes
beſtand aus normalem Holz, ebenſo war das Herbſtholz des letzten Kernringes
normal. Über die Urſache dieſer Bildung verbreitet vielleicht der Umſtand
einiges Licht, daß der Kern einen Quirl von Aſtſtumpfen trug, welche in dem
darauf liegenden jüngeren Holze ſteckten und wie gewöhnlich verkient und von
einer Harzſchicht umhüllt waren; und es iſt eben von Bedeutung, daß der
letzte Jahresring der Aſtſtumpfe dasſelbe Alter hatte wie derjenige des Kernes,
alſo die Oberfläche des Kernes die direkte Fortſetzung derjenigen der Aſtſtumpfe
war. Die Harzbildung hat alſo mutmaßlich als die gewöhnliche Erſcheinung
am Quirl der Aſtſtumpfe begonnen, während die Bildung von Holzparenchym
und die Verharzung desſelben im Mutterſtamme nachgefolgt zu ſein und von
der Baſis der Stumpfe aus über dieſen ſich verbreitet zu haben ſcheint.
Harz und II. Harz⸗ und Gummiharz⸗Ausſcheidungen andrer Pflanzen. Auch
Gummiharzfluß die Harze und Gummiharze, die von jo vielen andern Pflanzen ausgeſchieden
der Nicht- werden und welche geſammelt und als Droguen in den Handel gebracht
Koniferen. werden, dürften in phyſiologiſcher und pathologiſcher Beziehung dem Harz der
Koniferen analog ſein. Denn auch dieſe fließen in reichlicher Meuge aus den
Pflanzen aus, ſei es von ſelbſt, ſei es nach abſichtlichen Verwundklingen.
Auch ſie ſind meiſt in regelmäßig vorhandenen Sekretionskanälen in
der Pflanze enthalten. Aber ein mehr oder weniger großer Teil des
ausfließenden Sekretes ſcheint auch hier ſeine Entſtehung der Desorgani⸗
ſation von Gewebekomplexen zu verdanken. So hatte ſchon Wigand?)
bei Unterſuchung dieſer Droguen vielfach Zellgewebsteile in denſelben gefunden,
deren Zellen mit Harz erfüllt und deren Membranen mehr oder weniger in
Harz, beziehentlich in Gummi umgewandelt erſchienen; jo beim Kopal, Epheu-
harz und Xanthorrhoea-Harz, ſowie beim Bedellium, bei der Myrrhe, dem
Weihrauch, der Asa foetida, dem Ammoniacum und dem Opopanax. Beſtimmt
nachgewieſen iſt dieſe lyſigene Entſtehungsweiſe des Harzes bei den Copaiva⸗
balſam liefernden Copaikera-Arten und beim Benzoebaum durch Tſchirchs),
welcher die Entſtehung dieſer Sekrete in der Pflanze ſelbſt unterſuchte.
) Phytopathologie, pag. 82.
2) Pringsheim's Jahrb. f. wiſſenſch. Botanik III. pag. 145— 147, 166.
) Berichte d. deutſch. botan. Geſellſch. 1888, pag. 3, und angewandte
Pflanzenanatomie. Wien und Leipzig 1889, pag. 477.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 51
III. Gummifluß oder Gummoſis der Steinobſtbäume. Was bei den Gummifluß der
Koniferen der Harzfluß, das iſt bei den Amygdalaceen, alſo beim Steinobſt, Steinobſtbäume.
als Kirſch-, Pflaumen, Aprikoſen⸗ und Pfirſichbäumen, der Gummifluß. Zwiſchen
beiden Erſcheinungen iſt faſt in allen Punkten Analogie zu finden. Bei allen
Verwundungen der holzigen Teile dieſer Bäume, zumal der Kirſchbäume, tritt
Gummifluß ein. Das Gummi ſammelt ſich als eine helle bis braune, durch—
ſichtige, bald zähflüſſige, bald mehr erhärtete Maſſe an der Oberfläche an, gewöhn—
lich unmittelbar auf oder neben einer Wundſtelle, oft aber auch in einiger Ent—
fernung von einer ſolchen, und dort hat es ſich ſelbſt einen Weg durch das
Periderm gebrochen. Bisweilen ſind der Stamm oder einzelne Aſte ganz be—
deckt mit ſolchen Gummiflüſſen. Dieſes Sekret gehört in die Reihe der Gummi—
arten, iſt alſo ein Kohlenhydrat, iſomer mit dem Zellſtoff; es iſt löslich oder
aufquellbar in Waſſer, gerinnt in Alkohol und giebt nach Behandlung mit
Salpeterſäure Schleimſäure (neben Oxalſäure).
Nachdem ſchon einige Botaniker, wie Karſt en!) und Trecul) die
Meinung ausgeſprochen hatten, daß das Kirſchgummi durch Umwandlung der
Zellmembranen des Holzes und der in den Zellen enthaltenen Stärkekörner
entſtehe, wurde eine genauere Unterſuchung dieſes Vorganges von Wigand?)
und von mir“) geliefert. Aus dieſer ergiebt ſich folgendes. In Gummoſis
kann ſowohl das Holz, als auch die Rinde und ſchließlich auch die Cambium—
ſchicht übergehen. Die größten Veränderungen finden dabei im Holze ſtatt.
Daß in ſolchem Holze die Lumina der Gefäße und Holzzellen mit Gummi Gummibilnung
erfüllt ſind, kann nicht Wunder nehmen, denn das iſt ja die gewöhnliche im Holze.
Bildung von Wundgummi, die bei allen Laubhölzern unter ſolchen Umſtänden
eintritt. Sie hat hier auch nichts mit dem Gummifluß zu thun, denn das
aus den Steinobſtgewächſen ausfließende Gummi ſtammt nicht aus dem in
den Gefäßen befindlichen Gummi, ſondern entſteht durch Umwandlung eines
vorher von dem Cambium gebildeten abnormen Holzparenchyms. Die
Cambiumſchicht erzeugt nämlich in ſolchen Fällen ſtellenweis kein normales
Holz, ſondern kleinere oder größere, lediglich aus abnormem Holzparenchym
beſtehende Gewebecomplexe, und aus dieſen entſtehen, indem ihre Zellen ſich
in Gummi umwandeln (Fig. 8), größere mit Gummi erfüllte Kanäle (Gummti-
druſen). Das gummierzeugende Holzparenchym wird abgelagert in Gruppen
von rundlichem Querſchnitt, die beiderſeits meiſt von Markſtrahlen, nach vorn
und hinten von normal zuſammengeſetzten Geweben des Holzkörpers begrenzt
ſind und gewöhnlich in einem Jahresring zu mehreren, oft in großer Zahl
tangential nebeneinander liegen. Dem unbewaffneten Auge erſcheinen ſie auf
dem Querſchnitte als dunkle Punkte, die in den Jahresringen eine dieſen
parallele Linie bilden (Fig. 10 B). Häufig ſind die centralen Zellen ſolcher
Gruppen beträchtlich größer als die umgebenden, welche infolge deſſen mehr
oder weniger flach gedrückt und peripheriſch um das Centrum gelagert ſind,
ſo daß die Gruppe oft völlig kreisrund iſt. Infolge vermehrter Zellenbildung
der Cambiumſchicht an dieſer Stelle und ſtärkeren Wachstumes der centralen
) Bot. Zeitg. 1857. pag. 319.
2) Sur la maladie de la gomme etc. Comptes rendus. 1860. pag. 621.
3) Über die Desorganiſation der Pflanzenzelle ꝛc. Pringsheim's Jahrb. f.
wiſſ. Bot. III. pag. 115 ff.
) Über die anatom. Bedeutung und die Entſtehung der veget. Schleime.
Pringsheim's Jahrb. f. wiſſ. Bot. V. pag. 25 ff.
4 *
52 II. Abſchnitt: Von den Wunden
0
5 se
(IS
Querſchnitt durch Holz des Kirſchbaumes mit Gummidruſen, von
denen bei gg zwei in ihrer Entſtehung durch Auflöſung von Holzzellen ſicht—
bar find; p mehr oder weniger mit Wundgummi erfüllte Gefäße (vergl. Seite
34); mm Markſtrahlen; bei if Frühjahrs-, bei ih Herbſtholz, den Jahresring
bildend. Nach Tſchirch.
Zellen ragt eine ſolche eben entſtandene Gruppe mit ihrer Cambiumſchicht ge—
wöhnlich bogenförmig in die Rinde vor (Fig. 9). Sehr bald nach der Bildung
ſolcher Holzparenchymgruppen tritt auch die Gummibildung im Centrum der-
ſelben unter Desorganiſation der dort ſtehenden Zellen ein und ſchreitet mehr
oder weniger weit ringsum gegen die Peripherie fort (Fig. 8 D. Die Gummi⸗
bildung ſchreitet an der einzelnen Zelle in centripetaler Richtung fort: zuerſt
wird die primäre Membran und zuletzt die inneren mit den Tüpfeln verſehenen
Schichten nach und nach von außen nach innen aufgelöſt. Man findet gleich—
zeitig Zellen in allen Stadien der Umwandlung neben einander. Im letzten
Stadium ſieht man die Zelle nur noch als dünne innerſte Membranſchicht mit
der urſprünglichen Zellhöhle, eingebettet in der homogenen Gummimaſſe.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 53
Einige der ſchon im Gummi liegenden Holzparenchymzellen zeigen, ſo lange
ſie ſelbſt noch nicht angegriffen ſind, ein Wachstum und eine Vermehrung
durch Querteilung, wodurch ſie zu kurzen, in die Gummimaſſe hineinragenden
Zellreihen auswachſen (Fig. 9), die jedoch früher oder ſpäter ebenfalls der
Desorganiſation an—
heimfallen. Oft ent⸗
ſtehen auch in dieſem B
abnormen Holzparen⸗ N
N chym Stärkekörner; 9255 886 .
dieſe werden dann N
ebenfalls mit in die RR i
Gummibildung hin⸗ MES
eingezogen. Bisweilen ,
liegen die Complexe /e
von Holzparenchym ſo EG 050
nahe nebeneinander = 11
und ihre Gummiſfizie—
rung ſchreitet ſo weit
fort, daß mehrere
Gummidruſen ſeitlich
zuſammenfließen.
Oder der Complex des
abnormen Gewebes
wird gleich in einem
längeren Streifen eines
Jahresringes angelegt
(Fig. 9). In beiden
Fällen kommen größere
gummiführende Lücken
im Holzringezu ſtande.
Fig. 9.
Durchſchnitt durch einen Teil einer ſehr großen
Gummidrufe im Holze bei der Gummikrankheit
des Kirſchbaumes. h, der Holzring des letzten Jahres,
ba Grenze des vorigen Jahresringes. cc Cambium⸗
ſchicht, nebſt dem Holzkörper über der großen Gummi⸗
druſe g bogenförmig nach außen vorſtehend; die Des—
organiſation des Gewebes iſt dort nahezu bis zur
Cambiumſchicht fortgeſchritten. bbb Rinde. g, eine
kleinere Gummidruſe im Holze. m Markſtrahl.
von normal gebautem
Holzgewebe umſchloſſen ſein, d. h. die Cambiumſchicht kann nach der
Bildung derſelben wieder normal Holzfaſern und ſomit eine regelmäßige
Herbſtholzſchicht ablagern. Dann bleiben auch dieſe Gummidruſen für
immer im Holzkörper eingeſchloſſen, und die Holzbildung kann dann im
nächſten Jahre auch wieder normal anheben. Gewöhnlich aber kehrt dann
Rs die Abnormität in den folgenden Jahren wieder und zwar in erhöhtem Grade.
RS Die Cambiumſchicht ſcheidet dann oft bis zum Schluſſe der Vegetationsperiode
1 nur dergleichen Holzparenchym an den Holzkörper ab (Fig. 9). Da dieſes nun
Dabei können aber die
abnormen Gewebe—
maſſen immer noch
>“ wie gewöhnlich der Gummibildung verfällt, jo jchreitet die letztere in dieſem
* Falle bis in die Cambiumſchicht fort.
15 Da dann gewöhnlich auch ſchon eine
5 Gummifizierung des Rindengewebes beſteht, jo ſchließt ſich jene an dieſe an,
1 und nun kann das in der großen Gummidruſe des Holzes erzeugte Gummi
ebenfalls zum Ausfluß nach außen kommen.
Der allergrößte Teil des aus den Stämmen hervorquellenden Gummi Gummibildung
ſtammt aber aus der Rinde. Es werden hierbei nicht nur die dünnwandigen in der Rinde.
Zellen, ſondern auch die dickwandigen Baſtfaſern aufgelöſt, indem die Membranen
Zerſtörung der zahlreichen, als Punkte erſcheinenden Gummidruſen, die in
54 II. Abſchnitt: Von den Wunden
allmählich in die allgemeine Gummimaſſe zerfließen; nur das Korkgewebe des
Periderms bleibt von der Gummoſis verſchont. Wo Gummiflüſſe zum Erguſſe
kommen, alſo beſonders in der Nähe von Wunden, da iſt immer die Rinde
in gewiſſer Ausdehnung in Gummientartung übergegangen. Die letztere kann
ſich von dort aus auch auf weite Strecken unter dem unverſehrten Periderm
4 y
„ z —
2 98 277
—
Fig. 10.
Aeſte des Kirſchbaumes, die unter Gummoſis ab—
ſterben, im Querſchnitte, ſchwach vergrößert. A noch
lebend, B im letzten Stadium des Lebens, wo ſich Gummi
ſchon auswendig bei g angeſammelt hat. aa aa die
Stellen, wo die Cambiumſchicht die toten Partien zu
überwallen verſuchte, jetzt auch getötet. bb die einzigen
Punkte, an denen die Cambiumſchicht und Rinde noch
nicht durch Gummoſis getötet find und dendletzten Über—
wallungsverſuch gemacht haben. Der Holzkörper in B mit
hinziehen, ohne
daß ſie ſogleich
überall nach außen
zum Durchbruche
gelangt. Außerdem
kommen auch in
den äußeren Teilen
der Rinde älterer
Stämme, nämlich
im Periderm oder
in der Borke, iſo—
lierte, ſcharf um—
ſchriebene kleinere
Gummidruſen von
oft linſenförmiger
Geſtalt vor, welche
nach einwärts
durch eine Peri—
dermſchicht von
der geſunden Rinde
abgegrenzt werden
und häufig nach
außen aufbrechen.
Cambiumſchicht. Kreiſen oder Bogenlinien angeordnet ſind. An allen
Abſterben Stellen, wo die
der Aſte. Rinde in Gummi umgewandelt iſt, desgleichen da, wo das Holz bis
an ſeine äußere Grenze dieſelbe Umwandlung erleidet, verſchwindet
ſelbſtverſtändlich auch die Cambiumſchicht, da fie mit in dieſe Ver⸗
änderungen hineingezogen wird. Die Folge davon iſt, daß in dieſer
ganzen Ausdehnung weder die Rinde noch das Holz einen Zuwachs erhält.
Der Aſt erzeugt dann eben nur noch an einem Teile ſeines Umfanges, der
bisweilen nur ein kleiner iſt, neues Holz, nämlich nur dort, wo die Cambium—
ſchicht am Leben geblieben iſt (Fig. 10). Der Holzkörper erhält auf dieſe
Weiſe ſehr unregelmäßige Form. Die unvollſtändigen Holzringe, die ſich dann
bilden, ſuchen ſich an den Rändern abzurunden, d. h. einen Überwallungswulſt
(ſ. Wundenheilung) zu erzeugen, der vom alten Periderm bedeckt bleibt, aber
ſich mit neuer Rinde und Periderm bekleidet und die verdorbene Stelle des
Holzkörpers zu überwallen ſucht. Dies gelingt aber meiſt nur wenig; und
manchmal tritt dann auch an den Überwallungsſchichten dasſelbe abnorme
Holzgewebe und die Gummoſis auf, die auch hier wieder bis zur Zerſtörung
der Cambiumſchicht führen kann. Es findet alſo einige Jahre hindurch eine
Art Kampf zwiſchen Gummoſis und Überwallung ſtatt, der aber immer mehr
zum Nachteil der letzteren ſich geſtaltet und endlich mit der gänzlichen Ver—
nichtung der Cambiumſchicht und dem Erlöſchen der Lebensthätigkeiten des
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 55
Aſtes abſchließt. In Fig. 10 ſind verſchiedene Zuſtände von Aſten, die unter
Gummoſis abſterben, dargeſtellt.
Während der Vegetationsruhe iſt das Gummi im Innern wie an der
Oberfläche der Pflanze ziemlich eingetrocknet und erfährt keine merklichen Ver—
änderungen. Während der Vegetationsperiode quellen teils an neuen Stellen
zähflüſſige Gummimaſſen aus der Rinde hervor, teils werden die alten Gummi—
erfrete von innen her durch den Saftzufluß wieder erweicht und vergrößert.
Wie die unmittelbare Beobachtung lehrt, entſteht beim Gummifluß durch Urſprung des
Umwandlung von Zellmembranen und Stärkekörnern Gummi. Wigand Gummi
hält nun dieſe in Desorganiſation übergehenden Teile für die einzige Quelle
des Gummi und kommt daher zu der Behauptung, daß durch den Gummi—
fluß dem Baume nur feſte Membranen, aber keine Säfte enzogen werden.
Dieſe Meinung, die von keinem der früheren Schriftſteller geteilt wurde, habe
ich zu entkräften geſucht, indem ich auf folgendes hinwies !). Die Maſſe der
verloren gehenden Zellmembranen ſteht weit zurück hinter derjenigen des an
ihre Stelle tretenden Gummi. Man braucht nur die an irgend einem Punkte
eines Aſtes auswendig angehäufte oft ſehr bedeutende Gummimaſſe zu ver—
gleichen mit der Ausdehnung der im Innern verflüſſigten Gewebekomplexe und
zu berückſichtigen, daß der Raum, den die letzteren einnahmen, ebenfalls ganz
mit Gummi erfüllt iſt, um ſofort überzeugt zu ſein, daß die aufgelöſten Zell—
membranen nicht hinreichend waren, um das ganze entſtandene Gummi zu
erzeugen, beſonders wenn man noch bedenkt, daß die Rinde, welche die Haupt—
maſſe des Gummi liefert, vorwiegend dünne Zellmembranen hat, und daß das
Gummi, ſowohl das an der Stelle der zerſtörten Gewebe befindliche, als auch
2 das auswendig hervorgedrungene in der Regel nur wenig weich und gequollen,
vielmehr von einer Dichtigkeit ſich erweiſt, welche derjenigen des Zellſtoffes
kaum nachſtehen kann. Somit gelangen wir zu dem Schluſſe, daß wie beim
Harzfluß, jo auch bei der Gummikrankheit außer dem Material an Zellmembranen,
welches zur Bildung des Sekretes dient, auch ein Quantum von Nahrungs—
ſtoffen zu dieſem Zwecke verbraucht wird.
Was die Veranlaſſung des Gummifluſſes und feine phyſiologiſche Be-Veranlaſſung und
deutung anlangt, jo finden wir völlige Analogie mit dem Harzfluß. In erſter Bedeutung des
Linie find es allerhand Verwundungen, welche in der Nähe der Wunde auf Gummifluſſes.
die Cambiumſchicht und auf die Rinde einen Reiz ausüben, der die ſoeben
beſchriebenen Bildungsthätigkeiten hervorruft. Sorauer? ſah an Kirſch⸗
| bäumen, von denen er im Frühjahr ſämtliche Augen entfernt hatte, Gummi—
9 fluß eintreten. Allen Verletzungen der Rinde durch Quetſchung, Reibung,
8 Schalen, ſowie den gröberen Verwundungen des Holzes durch Anhauen, Ein:
ſchneiden, Einſchlagen von Nägeln u. dergl., folgt faſt unfehlbar Gummifluß
an der Wunde; nicht minder häufig iſt die Erſcheinung an den Überwallungs—
rändern der Holzwunden; und ebenſo tritt ſie oft nach dem Pfropfen ein.
Wie bei der abnormen Harzbildung, ſo können aber auch hier außer den
Wunden noch andre ſchädliche Einflüſſe, ſofern fie eine Schwächung oder ein
allmähliches Erlöſchen der Lebensthätigkeit verurſachen, Gummoſis herbeiführen,
wie z. B. Beſchädigung der Zweige durch Froſt, oder Kränkeln derſelben in
Folge von Wurzelkrankheiten wegen ungeeigneten Bodens, u. ſ. w. Die zuerſt
von Duhamel) ausgeſprochene und dann vielfach wiederholte Anſicht, daß
e pag. 31.
) Handbuch der Pflanzenkrankheiten, pag. 192, 2. Aufl. pag. 875.
) Traité des arbres et arbustes. 1755 I. pag. 149.
r
56 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Kirſchbäume, die in eine zu kräftige Erde gepflanzt ſind, am meiſten dem
Gummifluß unterworfen ſind, iſt nicht zutreffend; in ſehr nährſtoffreichem
Boden, wenn er nur warm und locker iſt, findet kein Kränkeln und kein
Gummifluß ſtatt; wohl aber kann ein kalter, thoniger Boden dem
Wurzelleben nachteilig ſein und daher indirekt Gummifluß erzeugen. Gänz—
lich verfehlt iſt die Anſicht Oudeman's), daß der Gummifluß der
Amygdalaceen eine Pilzkrankheit ſei, verurſacht durch einen Pilz, Coryneum
Beyerinckii Oudem., den Beyerinck an kranken, mit Gummifluß behafteten
Zweigen fand und der nach Überimpfung in gemachte Längsſchnitte andrer
Zweige ſich entwickelte unter Neuauftreten von Gummifluß. Daß wenn man
Längsſchnitte in einen Zweig macht und wenn außerdem durch einen para—
ſitiſchen Pilz Gewebe zerſtört werden, die Pflanze dagegen durch Gummi—
bildung reagiert, wird nach dem Vorhergehenden nichts Auffallendes haben.
Schon eine genaue entwickelungsgeſchichtliche Betrachtung der Entſtehung des
Gummi hätte genügt, um dieſe irrige Meinung nicht aufkommen zu laſſen;
denn von der Intervention eines Pilzes iſt dabei nichts zu finden.
Wir kommen alſo zu dem Schluſſe, daß, wie ſchon oben hervorgehoben
wurde, der Gummifluß nicht eine ſpezifiſche Krankheit iſt und alſo auch nicht
eigentlich den Namen Gummikrankheit verdient, ſondern ein Symptom von
Leidenszuſtänden iſt, die ſehr verſchiedenartige Urſachen haben können. Die
phyſiologiſche Bedeutung dieſer profuſen Gummibildung werden wir aber
überall darin zu ſuchen haben, daß auch ſie ein poſitives Schutzmittel für die
noch lebenden Teile eines Baumes iſt, indem die rechtzeitige Imprägnierung
abſterbender Gewebe mit Gummi oder die Einhüllung gefährdeter Teile mit
dieſem Sekrete auf die benachbarten lebenden Gewebe konſervierend wirkt.
Und ſo kann ich mich nicht der von Sorauer?) ausgeführten Anſicht an—
ſchließen, nach welcher Gummifluß dann eintrete, wenn die plaſtiſche zu Neu—
bildungen fähige Säftemaſſe nicht Herde genug für Neubildungen vor—
findet und ſich bei reichlichem Waſſervorrate anhäuft. Das Vorhandenſein
ſolcher Bedingungen läßt ſich durch nichts nachweiſen; die Anſicht verkennt
das Weſentliche, worauf es bei der Erſcheinung ankommt, gänzlich.
Gegenmaßregeln. Da der Gummifluß nur das Symptom eines anderweiten Leidens iſt, ſo
kann ihm nur durch Verhütung des letzteren vorgebeugt werden, alſo beſonders
dadurch, daß der Baum ſich in einem für ſeine Ernährung hinreichenden und
für das Leben der Wurzeln zuträglichen Boden befindet, und daß er möglichſt
vor Verwundung behütet wird. Um den Gummifluß zu heilen, müſſen die
beſonders ſtark leidenden Aſte bis auf das geſunde Holz zurückgeſchnitten
werden. Wenn ungeeignete Bodenbeſchaffenheiten die Veranlaſſung zur
Schwächung des Baumes gegeben haben, ſo kann Umſetzen in andern Boden
die Gummikrankheit beſeitigen.
Gummi an Gummi wird auch bisweilen an den Früchten gewiſſer Amygdalaceen,
Obſtfrüchten. beſonders an den Pflaumen abgeſondert. Dasſelbe entſteht zwiſchen dem Stein
und dem Fruchtfleiſch und zwar nach Wigand)) ebenfalls unter Desorganiſation
von Zellgewebe, nämlich der Zellen des Fruchtfleiſches, die hier ebenfalls in
allen Stadien der Umwandlung angetroffen werden. Das Gummi tritt auch
) Hedwigia 1883, Nr. 8, 9 u. 11.
2) I. c. 2. Aufl. pag. 875876.
3) 1. c. pag. 142.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 57
hier an die Oberfläche hervor. Die Urſache ſind hier vielleicht auch Ver—
wundungen; doch ſcheint darüber noch nichts beobachtet worden zu ſein.
IV. Gummifluß andrer Pflanzen. Von den Gummiflüſſen andrer Gummifluß
Bäume, ſoweit fie unterſucht find, ſtimmt, wie ich gezeigt habe!), mit demjenigen von Elaeagnus.
des Steinobſtes völlig überein der Gummifluß von Elaeagnus canaden-
sis. Auch. hier quillt, beſonders an Wundſtellen, wie Abſtumpfen ꝛc., ein durchſich—
tiges, mehr oder weniger braunes, zähflüſſiges Gummi aus dem Stamme her—
vor. An dieſen Stellen zeigt ſich, daß in den jüngeren Schichten des Holzkörpers
ein in Gummi ſich desorganiſierendes, in abnormer Menge abgelagertes Holz—
parenchym aufgetreten iſt, welches in Beziehung auf ſeinen Bau und ſeine
Umwandlung in Gummi mit dem des Kirſchbaumes übereinſtimmt, und daß
endlich auch die Rinde der Umwandlung in Gummi unterliegt.
Der Gummifluß der Acacia-Arten, welcher das arabiſche Gum mmi Gummifluß der
und das Senegalgummi liefert, ſchließt ſich den vorhergehenden wahr- Kcacia-Arten.
ſcheinlich innig an. Dieſe Gummiarten kommen als tropfenförmige Aus—
ſcheidungen auf den Stämmen von Acacia vera, senegal und zahlreichen
andern Arten vor. Daß ſie kein normales Vorkommnis ſind, geht aus den
Berichten der Reiſenden hervor), nach denen dieſe Bäume in gewiſſen Gegenden
gar kein Gummi liefern. An 4 em dicken Stammſtücken von Acacia vera
kann ich keine Spur von Gummi finden. In der Handelsware kommen nicht
ſelten vollſtändige Rinde- und Borkeſtücken vor, welche auf ihrer Innenſeite mit
dicken Gummimaſſen bedeckt ſind, und auch in ihrem Innern in tangentialen
Spalten zwiſchen Borkenſchuppen Gummi enthalten, welches man ſtellenweiſe
deutlich durch die Riſſe der Borke nach außen dringen ſieht. Wigand?),
welcher ſolche Stücke unterſuchte, hat bereits ermittelt, daß auch hier eine Ge—
webe⸗Desorganiſation vorliegt, indem man darin noch die Baſtfaſern in ver—
ſchiedenen Stadien der Umwandlung in Gummi antrifft. Eine nähere Unter—
ſuchung Möller's) hat ergeben, daß das Acacia-Gummi immer durch Auf—
löſung der verſchiedenen Gewebe der Rinde entſteht.
Auch die Entſtehung des Tragantgummi, welches als eine gallerartige, Traganthgummi.
an der Luft erhärtende Maſſe in Form gewundener Fäden oder Bänder aus
den etwa zolldicken Stämmen mehrerer orientaliſcher Astragalus-Arten aus—
geſchwitzt wird, iſt als eine mit den vorigen nahe verwandte Erſcheinung zu
betrachten. Nach der Unterſuchung H. v. Mohl'ss) entſteht dasſelbe durch
Umwandlung der Zellen des Markes und der Markſtrahlen. Dieſe Zellen be—
kommen, wenn ſie ihre Umwandlung beginnen, dickere Membranen, welche
deutlich geſchichtet ſind und bei Benetzung mit Waſſer gallertartig erweichen.
Weiter umgewandelte Zellen ſchwellen im Waſſer noch mehr auf und trennen
ſich von einander los. Die quellende Membran nimmt dann durch Verſchwinden
der Schichtung ein homogenes Ausſehen an, und dieſer Prozeß geht von außen
nach innen vor ſich, ſo daß die innerſten Membranſchichten am längſten wider—
ſtehen, wenn die äußerſten Schichten ſchon zu einer gleichförmig ſchleimigen
Y 1. c. pag. 33.
) Vergl. Nees v. Eſenbeck, Handbuch der midizin.-pharmac. Botanik.
III. pag. 192.
3) I. c. pag. 143.
) Entſtehung des Akazien⸗Gummi. Sitzungsber. d. Akad. d. Wiſſenſch.
Wien. Juni 1875.
N ) Botaniſche Zeitung 1857, pag. 33 ff.
Gummifluß
58 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Gummimaſſe zerfloſſen ſind. In dem ausgeſchwitzten Tragant finden ſich in
der Regel noch Zellen in den verſchiedenſten Zerſetzungsſtadien eingeſchloſſen,
die beim Hervorfließen des Gummi mit fortgeriſſen worden ſind. Über die
Veranlaſſung dieſer Ausſcheidung ſind wir durchaus ungenügend unterrichtet.
Das, was durch die Reiſenden bekannt geworden iſt, hat H. v. Mohl (I. e.)
zuſammengeſtellt. Daraus ſcheint hervorzugehen, daß dabei Verwundungen
eine große Rolle ſpielen. Auf dem Ida in Creta und in Griechenland wird
Tragant von Astragalus ereticus Zam. und A. aristatus “ Herit., auf dem
Libanon von A. gummifer Zabill, in Perſien von A. verus 0%. abgeſondert;
und zwar ſollen ſowohl auf dem Ida wie in Perſien die Verwundungen durch
die Tritte des Viehs und der Schäfer Veranlaſſung zum Austreten des Gummi
geben, und in der Gegend von Bitlis ſei es Sitte, zu dieſem Zwecke Einſchnitte
in die Pflanze zu machen. Nach den übereinſtimmenden Berichten quillt der
Tragant in der heißen Jahreszeit, im Juli, Auguſt und September, aus der
Pflanze. Als begünſtigender Umſtand wird auch die Feuchtigkeit der Luft ge—
nannt. Auf dem Libanon ſollen wolkige Nächte und ſtarker Tau zum Aus—
treten des Gummi nötig ſein, weshalb auch die auf tiefer gelegenen Stellen
des Libanon wachſenden Sträucher wegen geringerer nächtlicher Feuchtigkeit
nur wenig Tragant liefern. Ebenſo ſoll in Griechenland auf allen trockneren
Gebirgen kein Tragant gewonnen werden, ſondern nur auf denjenigen, wo
viele kalte Regen mit großer Hitze abwechſeln.
Der Gummifluß der Pomeranzen-, Citronen- und Apfelſinen—
der Aurantiaceenbäume iſt eine in der neuern Zeit immer mehr an Ausdehnung gewinnende,
Marciume del
Fico.
„mal della gomma“ genannte Krankheitserſcheinung in den italieniſchen Kul—
turen dieſer Bäume), welche mit dem Auftreten ſchwarzer Rindenflecken an
Stamm und Aſten beginnt, die nach einiger Zeit aufplatzen und ein hellgelbes
Gummi ausfließen laſſen. Die Gummiherde können eiuen größeren Teil des
Stammumfanges einnehmen und dann ſtirbt der Baum ab. Stecklinge und
veredelte Exemplare ſollen die Krankheit häufiger zeigen als unveredelt gebliebene
Sämlinge; auch ſoll thoniger Boden, ſtarke Bewäſſerung, reichliche Düngung
das Übel vermehren. Savaſtano) will bezüglich der Entſtehung des Gummi
die vollſtändigſte Analogie mit den Amygdalaceen gefunden haben. Es iſt alſo
vielleicht auch hier die Erſcheinung nur das Anzeichen verſchiedenartiger Leidens—
zuſtände. Als Gegenmittel empfiehlt Savaſt ano hauptſächlich ſorgfältiges
Ausſchneiden aller kranken Stellen, Cauteriſieren der Wunden durch Feuer
und nachher Bedeckung der Wunden mit Pech, was wenigſtens bei Beginn
der Krankheit angewendet Erfolg haben ſoll. Reichliche Düngungen und Be—
wäſſerungen ſind zu vermeiden.
Als Marciume del Fico bezeichnen die Italiener eine Krankheit des
Feigenbaumes, die in den Wurzeln ihren Sitz hat und wenn fie den Wützel—
) Novellis, II male della gomma degli agrumi. Botan. Centralblat
1880, pag. 469. — Flühler, die Krankheit der Agrumen in Sicilien.
Biedermann's Centralbl. f. Agrikulturchemie 1874, pag. 368.
) Gommose caulinaire dans les Aurautiacees, Amygdalées, le Figuier,
l’Olivier ete. Compt. rend. Dezember 1884. — JI Marciume del Fico. An-
nuario della R. Scuola sup. d’Agricult. Portici. III. fasc. V. 1884. —
Della cura della gummosi e carie degli agrumi. Atti Comizio agrario
di Napoli. IV. 1887. — Vergl. auch Gennadius, Gummoſe der Hesperiden
Athen 1885.
3
#
PB
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 59
hals erreicht, den Tod der Pflanze zur Folge hat. Savaſtano (J. c.)
hat auch hier dieſelbe Gummibildung wie im vorigen Falle konſtatiert und
findet die Erſcheinung ſowohl infolge von Verwundung als auch ohne jede
erkennbare äußere Veranlaſſung. Es ſcheinen alſo wohl auch hier wieder ſehr
verſchiedene Krankheitsurſachen vorzuliegen.
Auch am Olbaum kommt nach Savaſtano (I. c.) eine Gummoſis an
Wurzeln und an den oberirdiſchen Axen vor.
V. Mannafluß. Die offizinelle Manna, welche in Calabrien und Sicilien
von der Manna⸗Eſche (Fraxinus Ornus) gewonnen wird, fließt von ſelbſt aus
den Bäumen aus und muß nach dem, was darüber bekannt iſt, ebenfalls als
ein infolge von Verwundung erzeugtes Produkt betrachtet werden. Nach den
von Meyen) zuſammengeſtellten Angaben ſind die Verwundungen, nach denen
die Manna abgeſchieden wird, teils abſichtlich angebrachte Einſchnitte, teils
Inſektenſtiche, beſonders der Mannaciade. Man läßt die Bäumchen etwa 8
Jahr alt werden und ſchält dann einen 3 Cm. breiten und 60 bis 70 Cm.
langen Rindenſtreifen ab, worauf ein raſch zu Manna erſtarrender Saft aus—
fließt; man benutzt denſelben Baum 10 bis 12 Jahre lang, indem man ihn
jedes Jahr anſchneidet. Darnach aber iſt der Baum erſchöpft und wird gefällt.
Bei uns zeigt die Manna⸗Eſche dieſe Sekretion ſehr ſelten Außerdem liefert
auch die Tamariske des Sinaigebirges (Tamarix gallica var. mannifera)
infolge des Stiches einer Schildlaus Manna. Bei beiden Pflanzen iſt über die
Entſtehungsweiſe der Manna nichts bekannt. Sie zeigt keinerlei Organiſation
und beſteht vorwiegend aus Mannit neben Zucker und Schleim, könnte alſo
wegen ihrer Verwandtſchaft mit den Kohlenhydraten möglicherweiſe ein Des—
organiſationsprodukt von Stärkemehl oder Celluloſe ſein.
B. Die natürlichen Heilungsprozeſſe.
Unter normalen Verhältniſſen wird an allen Wunden der Pflanzen
ein natürlicher Heilungsprozeß eingeleitet; es treten nämlich Neu—
bildungen ein, die wenigſtens das eine zur Folge haben, daß das an
der Wunde verloren gegangene Hautgewebe durch ein neues erſetzt
wird. Bei den pflanzlichen Heilungsprozeſſen iſt in erſter Linie feſt—
zuhalten, daß im allgemeinen jede einmal verwundete Zelle unfehlbar
dem Tode anheimfällt, daß von ihr alſo kein Heilungsprozeß aus—
gehen kann, ſondern daß dies immer nur von den unter der Wunde
liegenden Zellen, ſoweit ſie unverletzt geblieben und ſoweit ſie über—
haupt lebensthätig ſind, zu erwarten iſt. Die auf dieſe Weiſe zuſtande
kommenden Neubildungen ſind anatomiſch von zweierlei Art, wofür
ich die Bezeichnungen Wundkork und Callus gebrauchen will. Alle
behufs Heilung eintretenden Neubildungen laſſen ſich in der That
auf einen dieſer beiden Prozeſſe zurückführen, wobei freilich zu bemerken
iſt, daß Fälle vorkommen, wo die Grenze zwiſchen beiden Typen ver—
wiſcht iſt. Bei der Bildung des Wundkorkes iſt jedes Wachstum
ausgeſchloſſen, indem die betreffenden Zellen, allerdings unter Wieder—
) Pflanzenpatologie, pag. 226 ff.
Gummoſis
des Olbaums
Maduafluß.
Unterſcheidung
von Wundkork
und Callus.
60 II. Abſchnitt: Von den Wunden
auftritt von Zellteilungen, ſich unmittelbar in Korkzellen umwandeln.
Der Callus kommt dagegen ſtets durch ein Spitzenwachstum der be—
treffenden Zellen zuſtande, welches gegen die Wunde hin gerichtet iſt,
ſo daß dieſe Zellen zu Schläuchen oder zu Zellreihen auswachſen und
dadurch eine über die Wundfläche hervortretende Wucherung oder
Vernarbung erzeugen. Dieſes Wachstum ſtellen ſie aber bald ein,
und dann erleiden die äußeren Zellen des Callus eine Verkorkung
der Membranen, wodurch alſo wiederum ein neues Hautgewebe aus
Kork geſchaffen wird. Die inneren Zellen des Callus können in
manchen Fällen ſich in ein Meriſtem umwandeln, aus welchem dann
Heilung an
Vaucheriazellen.
Heilung an
Moosblättern.
ſogar ein neues Cambium, eine neue Rinde und neues Holz entſtehen
können, wie beſonders bei den Heilungsprozeſſen, die man als
Überwallung bezeichnet. Die hier kurz charakteriſierten Arten der
Heilungen betrachten wir in folgendem genauer.
Einfachere Heilungsprozeſſe als die vorſtehend ſkizzierten finden wir bei
den einfachſt gebauten niederen Pflanzen. Die einzige große Zelle, aus welcher
die Alge Vaucheria beſteht, macht ſogar davon eine Ausnahme, daß eine ver—
letzte Zelle ſelbſt nicht mehr heilbar iſt. An der langen ſchlauchförmigen Zelle
dieſer Pflanze wird nach Hanſtein!) nur der an die Wundſtelle (Einſchnitt,
Quetſchung u. dergl.) unmittelbar angrenzende Teil des Protoplasma's getötet;
das dahinter liegende unzerſtörte Protoplasma zieht ſich raſch zuſammen und
ſucht ſeine Wundränder wieder aneinander zu fügen, was bald ſchneller bald
langſamer gelingt, indem dieſe ſich in einer nach außen gewölbten Krümmung
vereinigen, gleichſam hinter dem Schutz der Trümmer des getöteten Teiles.
Hierauf wird die Heilung dadurch vollendet, daß ſich ein neues Zellhautſtück
ausſcheidet, welches ſeitlich an die alte Zellmembran angefügt wird. Daher
rühren die Scheidewände, die man bisweilen in dem typiſch einzelligen Schlauch
der Vaucheria antrifft. Neben dieſer Stelle kann nun der Schlauch aus—
wachſen und ſich verlängern. Die Chlorophyllkörner ziehen ſich gleich nach der
Verwundung von dort ebenfalls zurück und kehren erſt nach der Heilung wieder
in die normale Lage an der neuen Zellwand zurück.
Bei den ſehr einfach gebauten, nämlich aus einer einzigen Schicht gleich—
förmiger Zellen beſtehenden Blättern der Mooſe können die hinter einer Wunde
liegenden Zellen direkt wieder gleichartige Zellen erzeugen. K. Müller) ſah
an Mooſen, beſonders an Bryum Billardierii die Blätter in verſchiedenartiger
Weiſe, wahrſcheinlich durch ein Tier verletzt, und wie ſie auch zerriſſen ſein
mochten, immer war wieder eine Ergänzung eingetreten durch Zellen, welche
von den normalen durch etwas größere Weite und meiſt regelmäßig ſechsſeitige
Geſtalt (die normalen ſind rautenförmig ſechsſeitig) ſich unterſchieden. So bei
Verletzungen am Rande oder bei Riſſen mitten in der Blattfläche, die ſich durch
ſolche Zellen wieder ausfüllten. Bei verloren gegangener Blattſpitze entſprangen
1) ber die Lebensthätigkeit der Vaucheriazelle 2c. Niederrheiniſche Geſellſch.
f. Natur⸗ und Heilkunde in Bonn, 4. Nov. 1872. Citiert in Bot. Zeitg. 1873.
pag. 697.
2) Zur Kenntnis der Reorganiſation im Pflanzenreiche. Bot. Zeitg. 1856.
pag. 200.
RE TR
7 N e S *
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 61
die neuen Zellen aus der abgebrochenen Rippe und bildeten ſich in der nor—
malen Zellenform der Blattfläche fort, ſo daß aus ihnen zwei Blattflügel
hervorgingen, die gegeneinander ſich abrundeten, aber nicht ſich vereinigten,
weil die Rippe nicht mit regeneriert wurde.
I. Die Heilung durch Wundkork.
Kork iſt ein im normalen Aufbau der Pflanzen ſehr häufig ver— 5 en
wendetes Gewebe, welches immer die Rolle eines Hautgewebes ſpielt, i
Fig. 11.
Heilung der Wunde einer Kartoffelknolle durch Wundkork. » die
Wunde, welche tief ins Parenchym eingedrungen iſt, an ihren Rändern
zerſtörte Gewebeteile, ſtellenweiſe die alte Schale (Korkſchicht) K. Im
Gewebe unter der Wunde, in der Richtung von ce bis d Entwickelung
eines Meriſtems durch lebhafte Teilung der Parenchymzellen mittelſt
tangentialer Scheidewände, woraus die Schicht von Wundkork ſich
bildet. Dieſe ſchließt bei e an das Korkmeriſtem der Schale an. pp das
tieferliegende durch den Wundkork geſchützte Parenchym, einzelne
Zellen mit Stärkekörnern. 60 fach vergr.
d. h. an der Oberfläche von Pflanzenteilen ſich findet (Kartoffelſchale,
Periderm der Holzpflanzen ꝛc.) und wegen der chemiſchen und phyſi—
kaliſchen Eigenſchaften ſeiner (verkorkten) Zellmembranen die unter—
liegenden Gewebe vor übermäßiger Verdunſtung und vor zerſetzenden
62 II. Abſchnitt: Von den Wunden
äußeren Einflüſſen ſchützt. Der Verſchluß einer Wundfläche durch eine
Schicht von Korkgewebe leiſtet alſo auch für die verwundeten Gewebe
den eben bezeichneten Dienſt und hat ſomit im vollſten Sinne des
Wortes die Bedeutung einer Heilung. Die Bildung von Wundkork
iſt die gewöhnlichſte Heilung der Wunden bei krautartigen und paren—
chymreichen Pflanzenteilen, alſo bei fleiſchigen Wurzeln und Knollen,
bei den meiſten Kräuterſtengeln und Blattſtielen, zum Teil wohl auch
an Blattflächen, wiewohl an dieſen häufig Callus gebildet wird;
endlich heilen Succulenten, wie die Cacteenſtengel, die Blätter der
Craſſulaceen ꝛc. gewöhnlich durch Kork. Der Vorgang beſteht darin,
daß während eine oberflächliche Schicht von Zellen der Wundfläche,
die durch die Verletzung ſelbſt getroffen und getötet find, vertrocknet,
die dieſer zunächſt liegenden lebenden Zellen wiederholt durch Scheide—
wände ſich teilen, welche ſämtlich der Wundfläche parallel orientiert
ſind (Fig. 11). So bildet ſich eine der Wundfläche folgende Schicht
teilungsfähigen Zellgewebes, ein Meriſtem, deſſen Zellen in der Richtung
der Wundfläche ebenſo breit wie ihre Mutterzellen, in radialer (zur
Wunde rechtwinkliger Richtung) aber ſchmal, alſo mehr oder weniger
tafelförmig und in dieſer Richtung reihenweis geordnet ſind. Dieſe
Zellen enthalten Protoplasma und haben ſehr dünne Membranen.
In allen dieſen Beziehungen gleicht dieſes Meriſtem jedem normalen
Korkmeriſtem, und in der That geht auch aus ihm unmittelbar der
Wundkork hervor. Die nach außen gelegenen Zellen dieſes Meriſtems
verwandeln ſich nämlich in echte Korkzellen, indem ihre Membranen
verkorken, und der Zellinhalt verſchwindet, womit zugleich die Fähig—
keit der Zellteilung verloren geht. Dagegen behalten die nach innen
gelegenen Zellen des Meriſtems ihre Beſchaffenheit und Teilungs—
fähigkeit bei und ſorgen für die ſtete Erneuerung des Korkes von
innen her. Die Reſte der äußerſten abgeſtorbenen Zellen vertrocknen
dann immer mehr, werden unkenntlich, und die Wunde iſt mit Kork
bedeckt, wodurch ſie eine graue oder bräunliche, ſich trocken anfühlende
Beſchaffenheit erhält. Die beſchriebenen Veränderungen finden auf
der ganzen Ausdehnung der Wundfläche ſtatt und beginnen an allen
Punkten derſelben gleichzeitig, ſind auch an allen gleichzeitig beendigt,
ſo daß die vollſtändige Korkſchicht in der möglichſt kürzeſten Zeit her—
geſtellt iſt. Die erſten Zellteilungen findet man gewöhnlich ſchon ein
oder wenige Tage nach der Verwundung eingetreten. Die Bildung
eines lückenloſen Korkverſchluſſes an jeder beliebigen Wunde wird
durch den Umſtand ermöglicht, daß die Zellen der verſchiedenartigſten
Gewebe zu Korkmeriſtemzellen ſich umzuwandeln vermögen. Dem
Grundparenchym iſt dieſe Fähigkeit allerdings im höchſten Grade eigen,
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2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 63
gleichgültig ob es Rinde oder Mark iſt; aber wir ſehen auch in den
Zellen des Weichbaſtes, in denen der Cambiumſchicht und ſogar im
Collenchym Korkbildung eintreten, wenn die Wunde zufällig durch
dieſe Gewebe gegangen iſt. Auch Zellen der Epidermis können ſich,
wenn der Wundkork bis dahin reicht, in manchen Fällen an der Kork—
bildung beteiligen. Wenn die Wundfläche ein Holzbündel trifft, deſſen
Zellen ja ebenſo wie die echten Baſtfaſern keiner Metamorphoſe fähig
ſind, ſo greift die Korkbildung hinterwärts um das Holzbündel
herum. Immer bildet ſich alſo eine ununterbrochen unter der Wunde
hinziehende Korkſchicht, und das Wichtigſte iſt, daß dieſelbe ringsum
an das Hautgewebe. des nicht verletzten Teiles ſich anſetzt, wodurch der
Pflanzenteil wieder vollſtändig von Hautgewebe — denn als ſolches
fungiert der Wundkork — umſchloſſen wird. Iſt das alte Hautgewebe
eine Korkſchicht, ſo ſetzt ſich der Wundkork am Rande an dieſe an,
derart daß das Meriſtem dieſes in dasjenige der Korkſchicht ſich fort—
ſetzt (Fig. 11 bei c); iſt die Haut des Pflanzenteiles eine Epidermis
oder eine durch Sclerenchym verſtärkte Epidermis, ſo ſetzt ſich der
Wundkork unmittelbar an dieſe Gewebe an. Es iſt begreiflich, wie
unter ſolchen Umſtänden jede Wundfläche, und ſei ſie noch ſo groß,
durch Wundkork verheilen kann. Kartoffelknollen, die mitten durch—
geſchnitten ſind, können, wenn ſie vor zu raſchem Austrocknen geſchützt
ſind, auf ihrer ganzen Schnittfläche wieder eine Korkſchale bilden.
Jedoch iſt immer die Bildung von Wundkork an gewiſſe Bedingungen
geknüpft. Starke Trockenheit kann ſie verhindern, nämlich wenn die
Wundfläche im Verhältnis zum Volumen des Pflanzenteiles groß iſt,
weil dann der letztere zu leicht vertrocknet. Anderſeits iſt auch über—
mäßige Feuchtigkeit der Wundkorkbildung hinderlich, weil ſie tief
eingreifende Zerſetzungserſcheinungen (ſ. unten) bedingt, und zwar
auch ſchon an den kleinſten Wunden, weshalb doch im allgemeinen
trockne Luft der Wundheilung durch Kork viel günſtiger iſt, als größere
Feuchtigkeit.
II. Die Heilung durch Callus.
Callus bedeutet urſprünglich in der Gärtnerſprache den Wulſt,
mit dem ſich die Schnittfläche der Stecklinge überzieht. Mit dem
hierbei ſtattfindenden Zellbildungsprozeß ſtimmt aber im weſentlichen
derjenige bei der Heilung von Wunden vieler andrer Pflanzenteile
überein, ſo daß wir alle dieſe Heilungsgewebe hier unter der Bezeichnung
Callus zuſammenfaſſen. Das Weſen der Callusbildung beſteht allge—
mein darin, daß die zunächſt unter der Wunde gelegenen lebendigen
Zellen gegen die Wundfläche hin vorwachſen, indem die nach dieſer
Seite gekehrten Zellwände ſich in dieſer Richtung vorwölben und
Heilung
durch Callus.
Verkorkender
Callus als bloßer
Wundverſchluß.
64 II. Abſchnitt: Von den Wunden
durch ein Spitzenwachstum zu Papillen oder kurzen Schläuchen ſich
verlängern. Meiſtens erfolgen in dieſen Zellen auch Zellteilungen,
doch können dieſe auch unterbleiben, ſo daß für die Callusbildung
das Weſentliche doch immer das Vorwachſen der betreffenden Zellen
über die Wundfläche bleibt. Die etwa an der Wunde liegenden Holz,,
Sclerenchym-, Korkzellen u. dergl. bleiben unverändert; nur teilungs—
fähige Zellen ſind der Callusbildung fähig. Dies bezieht ſich nun
nicht bloß auf die noch im Zuſtande des Meriſtems befindlichen Zellen,
wie die der Vegetationspunkte und des Cambiums, ſondern auch auf
die ſchon in Dauergewebe übergegangenen, wie z. B. die Mark- und
Rindenzellen erwachſener Stengel und die Meſophyllzellen ausgebildeter
Blätter, welche im normalen Zuſtande ſich nicht mehr teilen oder ver—
größern und welche gerade bei dieſer Gelegenheit ihre immer noch
vorhandene Fähigkeit ſich zu vermehren oder zu neuen Bildungen
heranzuwachſen, beweiſen. Bezüglich der Orientierung der zu Callus
ſich umbildenden Gewebeſchicht iſt allgemein die Bemerkung zutreffend,
daß dieſelbe, mit den ſoeben bezeichneten Ausnahmen, gleichmäßig
über die ganze durch die Verwundung freigelegte Fläche ſich erſtreckt
und an den Wundrändern den Anſchluß an die unverſehrt gebliebenen
Hautgewebe erreicht. Es wird daher im günſtigſten Falle, d. h.
wenn kein der Callusbildung unfähiges Gewebe an der Wundfläche
liegt, die Wunde ſimultan mit einem neuen bildungsfähigen Gewebe
überzogen. Dieſes bildet ſich nun entweder nur zu einem neuen Haut—
gewebe aus, um die unterliegenden Teile zu ſchützen, oder aber es
wird gleichzeitig zur Bildungsſtätte neuer differenter Gewebe, welche
die verlorenen alten Gewebe wieder vollſtändig erſetzen. Wo aber eine
einigermaßen größere Fläche der Wunde aus einem der Callusbildung
unfähigen Gewebe, z. B. aus dem nackten Holzkörper beſteht, da
wird von den Rändern der Wunde aus dieſe Callusbildung mit
nachfolgender Regeneration der Gewebe verſucht durch den unten
näher zu beſprechenden Prozeß der Überwallung.
1. Verkorkender Gallus als bloßer Wundperſchluß. Die
einfachſte Form der Heilung durch Vermittelung von Callus iſt diejenige,
wo der auf der Wundfläche gebildete Callus bald zu wachſen aufhört
und ſeine Zellmembranen eine chemiſche Veränderung erleiden, infolge
deren ſie ſich wie eine Cuticula oder wie Kork verhalten. Ein ſolcher
Callus ſtellt ſich dann anatomiſch wie funktionell als ein neugebildetes
Hautgewebe dar, welches an den Wundrändern an das urſprüngliche
Hautgewebe (gewöhnlich Epidermis) ſich anſchließend, die entblößten
inneren Teile wieder vollſtändig bedeckt. Dieſer Heilungsprozeß ſtellt
ſich vorzüglich an den Wunden der Blätter, aber auch an ſolchen
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 65
parenchymatöſer Achſenorgane ein, beſonders bei jtich- oder lochförmigen
Wunden, an denen er nicht ſelten zum Wiederverſchluß der Unter—
3 brechung der Gewebe führt.
Je nach dem anatomiſchen Bau des Blattes und je nach der Art der An Monkotylen⸗
Wunde mögen hierin wieder mancherlei Modifikationen eintreten. Ich habe blättern.
| fie, wie ſchon in der erſten Auflage beſchrieben wurde, vergleichend unterſucht
8. F N = nah 24 Zara u 2 rs ne Benz, a a ln
h rt
Fig. 12.
Heilung einer Schnittwunde im Blatte von Leucojum vernum durch
Gallus. Querſchnitt des Blattes. vvvv die Wundſtellen mit abgeſtorbenen
Gewebereſten. Die Wunde war durch den zwiſchen den beiden Gewebelamellen
ff liegenden Luftraum gegangen. Dieſer ganz mit verkorkten chlorophyllloſen
Calluszellen ausgefüllt. ii der angrenzende unverſehrte Luftraum, der an feinen
Rändern die Zellen unverändert zeigt, die in dem durchſchnittenen Meſophyll
und Luftraum zu Calluszellen geworden ſind. o Ober-, u Unterſeite des
Blattes, 100 fach vergr.
i an Blättern von typiſchem Monokotyledonenbau und an ſolchen von dem ge—
wöhnlichen Bau der dicotyledonen Landpflanzen. Bei jenen handelte es ſich
um die Heilung von Stich- und Schnittwunden der Blätter. Ich
machte an Blättern von Leucojum vernum mit dem Scalpell der Länge nach
gerichtete, ſpaltenförmige Einſchnitte, desgleichen auch mittelſt einer Nadel
Durchſtiche, die beide durch die ganze Dicke des Blattes hindurchdrangen. In
der trocknen Zimmerluft blieben die Pflanzen vor Wundfäulnis bewahrt. Nach
mehreren Wochen war Heilung eingetreten, bei Stich- wie Schnittwunden mit
gleichem Erfolg; den letzteren erſieht man aus Fig. 12, welche einen Querdurch—
ſchnitt durch diejenige Stelle darſtellt, an welcher ein der Länge nach gehender
Schlitz durch das Blatt gemacht worden war. Zum Verſtändnis berückſichtige
man den dem Blatte eigenen Bau, der am rechten Rande der Figur deutlich
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 5
EE Br el ie
An knollenförmi⸗
gen Teilen.
An Dikotylen⸗
blättern.
66 II. Abſchnitt: Von den Wunden
iſt: zwiſchen dem Meſophyll der oberen und der untern Seite des Blattes be—
finden ſich große Lufträume ji, die ſeitlich von einander geſchieden find durch
eine dünne Gewebelamelle, in deren Mitte ein Fibrovaſalſtrang f verläuft. Die
Wunden gehen gewöhnlich durch die Lufträume hindurch. Man ſieht bei v
und v die Wunde in der Epidermis und dem Meſophyll mit den an den
Wundrändern haftenden Reſten der abgeſtorbenen verletzten Zellen. Der an—
fänglich hohle Luftraum zwiſchen £ und k iſt jetzt ausgefüllt mit Gallus, welcher
entſtanden iſt durch ſchlauchförmiges Auswachſen und ungemeine Vergrößerung
nicht bloß der unmittelbar hinter den verletzten Stellen des Meſophylls (hinter
») gelegenen Zellen, ſondern auch ſämmtlicher Zellen, welche die beiden Gewebe—
lamellen au den dem geöffneten Luftraum angrenzenden beiden Seiten bekleiden,
und gerade dieſe vorwiegend, wiewohl dieſe Lamellen direkt gar nicht verletzt
waren, ein Zeichen, wie weit ſich die Reaktion der Wunde im Gewebe fort—
pflanzen kann. Von beiden Seiten ſind die ſchlauchförmigen Calluszellen bis
zur Berührung gegen einander gewachſen; eine Zellenteilung iſt nicht oder
vielleicht nur ſehr unbedeutend in ihnen eingetreten. Da ſämtliche an den
Luftraum angrenzende Zellen zu Callus auswachſen und die Schläuche zum
Teil an ihren Enden noch weiter anſchwellen, ſo begreift ſich, daß der ganze
Luftraum, den die Wunde geöffnet hatte, nun wieder verſtopft, nämlich ganz
ausgefüllt iſt, indem die Callusſchläuche ſich gegen einander preſſen und ſich teil—
weiſe verſchieben; es verwachſen ſogar die auf einander treffenden Calluszellen
mit einander, wie aus der Figur erſichtlich iſt und beſonders daraus hervorgeht,
daß die beiden Hälften der durch dieſe Stelle geführten dünnen Schnitte nicht
aus einander fallen. Die zu Callus gewordenen Zellen haben ihren Inhalt
verloren, ſie führen nur wäſſrigen Saft oder Luft; auch ihre Membranen haben
ein verändertes Ausſehen angenommen, welches an Kork erinnert; in der That
bleibt bei Zuſatz von konzentrierter Schwefelſäure, in welcher ſich das ganze
normale Gewebe bis auf die höchſt dünne Cuticula auflöſt, der ganze Callus
ungelöſt.
Auch Figdor) fand, daß nach dem Durchſchneiden kuollenförmiger Pflan—
zenteile, wenn dieſelben durch einen gewiſſen Druck aneinander gedrückt werden,
Verwachſung eintritt. Es vereinigen ſich die neugebildeten Zellen in derſelben
Weiſe organiſch, wie fie in den Geweben vereinigt find; jo bei Knollen von
Cyclamen europaeum, Rüben von Brassica rapa, ſowie bei den Kartoffel-
knollen, wo jedoch das neugebildete verwachſende Gewebe beiderſeits durch eine
Korkſchicht von den intakt gebliebenen Geweben geſchieden wird. Oder die
Vereinigung wird bloß durch eine Kittbildung vollzogen, indem die durch—
ſchnittenen Zellen in eine gummiartige Maſſe verwandelt werden; dies trifft
oft an den Wurzeln von Beta vulgaris, Daucus carota, Dahlia variabilis,.
Helianthus tuberosus ein, wo jedoch auch wirkliche Verwachſung vorkommt.
Von Dikotyledonen unterſuchte ich die Heilung der Wundränder der
durch Inſektenfraß durchlöcherten Blattflächen. An Blättern von
Cornus sanguinea, die einige Zeit vorher von Inſekten an zahlreichen Stellen
durchlöchert worden waren, bemerkte man beſonders an der Oberſeite an allen
Löchern am Wundrande ringsum eine Vernarbung durch ein neu gebildetes
Gewebe, welches durch ſeine nicht grüne Farbe, höchſtens leichte Rötung von
) Studien über die Erſcheinung der Verwachſung im Pflanzenreiche.
Sitzungsber. d. Akad. d. Wiſſenſch. zu Wien, Bd. 9. IV., refer. in Botan.
Zeitg. 1891. Nr. 23.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 67
der angrenzenden alten grünen Blattmaſſe ziemlich deutlich ſich unterſchied,
4 und durch welches die Weite des Loches etwas verkleinert, ſehr kleine Löcher
. faſt verſchloſſen wurden. Hier und bei vielen andern Pflanzen bildet ſich hinter
dem Vernarbungsrande ein geröteter Saum, indem die Zellſäfte der angrenzenden
Zellen, Epidermis und Meſophyll ſich in der gewöhnlichen Weiſe durch einen
Heilung der Wundränder durch Inſektenfraß durchlöcherter Blätter von
Cornus sanguinea. Querſchnitt des Blattes. vv der quer durch das Blatt
gehende Wundrand mit Reſten toter Zellen. Dahinter der neu gebildete Callus—
wulſt, der beſonders zwiſchen x und v unter Beteiligung der Epidermis ſtark
entwickelt und entſtanden iſt unter Teilung der Meſophyllzellen nach allen
Richtungen. Am rechten Rande zeigt das Meſophyll ſeine normale Gewebeform,
o die Ober-, u die Unterſeite des Blattes. 200 fach vergr.
roten Farbſtoff färben. Fig. 13 zeigt die ſtattgehabten Veränderungen an einem
Blattdurchſchnitte bis an den Rand der Wunde, welche hier mitten durch
Meſophyll ohne Berührung eines Blattnerven gegangen war. Der rechte Rand
der Figur zeigt wieder den unveränderten normalen Bau des Blattes; die
Strecke von » bis v iſt die durchlochte Stelle des Blattes. In dem Teile von
x an erkennt man den nach der Verwundung gebildeten Calluswulſt, und es
iſt ſofort deutlich, daß hier auch die Epidermis ſich daran beteiligt hat; das
zwiſchen x und v liegende Stück Epidermis iſt neu gebildet, und zwar augen—
ſcheinlich dadurch, daß die der Wunde angrenzenden unverletzten Epidermiszellen
wie gewöhnlich durch Wände rechtwinklig zur Oberfläche ſich geteilt haben.
Auch an der Unterſeite iſt es deutlich, daß die hinter » liegenden Epidermiszellen
etwas, wiewohl weniger lebhaft, durch Wände geteilt worden ſind. In dem—
ſelben Maße iſt auch das zwiſchen den beiden Epidermen liegende Meſophyll
an der Callusbildung beteiligt. Es hat alſo auch hier ein Hervorwachſen der
Meſophyllzellen rechtwinklig zur Wundfläche ſtattgefunden, jedoch zugleich unter
5 lebhafter Zellteilung in verſchiedenen Richtungen, ſo daß der Callus hier in
einer erheblich andern Form, nämlich als kleinzelliges parenchymatöſes Gewebe
EN erſcheint. Dasſelbe iſt wiederum in der ganzen Wundfläche durch etwas dickere
Membranen und durch einen verminderten farbloſen Zellinhalt ausgezeichnet.
Auch hier zeigte es die Reaktion des Korkes. Es fällt auf, wieweit von der
Wundfläche aus rückwärts im Meſophyll die Folge der Verwundung in regerer
Zellteilung ihren Ausdruck gefunden hat, wodurch der Unterſchied des Palliſaden—
gewebes an der Oberſeite von den mehr iſodiametriſchen und weiten Zellen
5 *
An Kräuter:
ftengeln.
An Rüben.
Gallus
an Stecklingen.
68 II. Abſchnitt: Von den Wunden
in der Mitte und an der Unterſeite das Blattes (wie er bei o und u hervor—
tritt) ganz verwiſcht iſt.
Eine ähnliche Heilung durch Callus beſchreibt Waldenburg) bei
Stichwunden in Stengeln krautartiger Pflanzen. Dieſe Wunden wurden
durch Einbohren eines Dorn oder eines Stäbchens oder auch durch Hindurch—
ziehen eines Fadens dem Stengel beigebracht. An Kartoffelſtengeln hatten die
unter einer dünnen Schicht zerſtörten Gewebes zunächſt an die Wunde an—
grenzenden Parenchymzellen ſich bedeutend nach der Wundfläche hin verlängert,
hatten ihre Membranen ſtärker verdickt und durch eine größere Anzahl paralleler
dünnerer Scheidewände rechtwinklig zu jener Ausdehnungsrichtung ſich geteilt,
ſo daß das Ganze das Bild eines Korkgewebes zeigte. Bei den gleichen Ver—
wundungen andrer Stengel, wie der Gurken und Kürbifje, ſcheint der Erfolg
mehr dem oben an den Blättern von Cornus sauguinea erzielten entſprochen
zu haben, indem die gegen die Wundfläche hin wuchernden Calluszellen durch
Teilung nach verſchiedenen Richtungen hin ein kleinzelliges unregelmäßiges
Gewebe bildeten. An ebenſo verwundeten Bohnenſtengeln blieb Rinde- und
Markparenchym unthätig und der Callus bildete ſich nur aus dem Cambium.
Quetſchwunden, welche durch Quetſchung mittelſt einer Pincette an der Peri—
pherie derſelben Pflanzenſtengel hervorgebracht wurden, heilten nach Walden—
burg unter ſtarker Wucherung von Callus aus den lebendig gebliebenen
Parenchymzellen unter den durch den Druck getöteten Zellen, ſo daß ſich eine
aus feſtem Gewebe beſtehende Anſchwellung am Stengel bildete.
An den Rüben heilen die oberflächlichen Wunden, welche hier ſo häufig
durch Fraß von Erdraupen, Drahtwürmern, Engerlingen ꝛc. hervorgebracht
werden, gewöhnlich durch Callus. Die Wundfläche erhebt ſich in Form einer
parenchymatöſen Wucherung von der Beſchaffenheit des Rübengewebes, deren
äußerſte Zellen verkorken.
2. Callus an Stecklingen. Die Heilung der Schnittfläche
der Stecklinge geſchieht, wie oben erwähnt, bei manchen Pflanzen,
namentlich da, wo das parenchymatiſche Gewebe vorwaltet, durch ein—
fachen Abſchluß mittelſt einer Wundkorkſchicht, bei vielen, beſonders
bei den holzigen, aber durch Gallus. Dieſer kann, wie zuerſt Krüger?)
gezeigt hat, durch verſchiedene Gewebe der Schnittfläche, wie Cambium,
Rinde- und Holzparenchym und Mark erzeugt werden. Nach Stoll's“)
genaueren und ausgedehnteren Unterſuchungen an ſehr verſchiedenen
Pflanzenarten ſind dieſer Fähigkeit nur die eigentlichen Holzzellen,
die Baſtfaſern und die Epidermiszellen unteilhaftig, und überall iſt es
das Cambium, welches dieſes Wachstum hauptſächlich zeigt und
zuerſt damit beginnt, und bisweilen geht auch dieſe Thätigkeit vom
Cambium allein aus. Die anderen Gewebearten, welche mit an der
Callusbildung beteiligt ſein können, alſo beſonders die parenchymatiſchen
) Krankheiten des Pflanzengewebes in Folge von Reizen ꝛc. Archiv f.
pathol. Anat. XXVII. pag. 145. Taf. V.
2) Bot. Zeitg. 1860, pag. 369.
3) Über die Bildung des Gallus bei Stecklingen. Bot. Zeitg. 1874,
Nr. 46 ff.
2
*
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 69
Gewebe der Rinde und das Mark, verhalten ſich nach Stoll bei den
einzelnen Pflanzen ungleich, d. h. die eine oder andre dieſer Gewebe—
arten, die bei der einen Pflanze den Gallus mit bilden Hilft, beſitzt
bei einer andern dieſe Fähigkeit nicht. Die Neubildungen der ver—
ſchiedenen Gewebepartien vereinigen ſich unter der Schnittfläche zu
einem zuſammenhängenden Wulſt, dem Callus. Dieſer ſtimmt in der
Zellenform nicht mit den Geweben überein, aus denen er hervorge—
gangen iſt. Denn jedes der zur Callusbildung beitragenden ver—
ſchiedenen Gewebe zeigt dieſelbe Veränderung: Die Querſcheidewände
der der Schnittfläche zunächſt liegenden unverſehrten Zellen wölben ſich
vor, ſtrecken ſich weiter in die Länge, und die Zellen teilen ſich wieder—
holt durch Querwände. Auch die Holzparenchymzellen können in dieſer
Weiſe an der Bildung des Callus teilnehmen; und ſelbſt die Gefäße
vermögen es, indem in ihrem Innern Thyllen entſtehen, deren Bildung
wir ſchon oben infolge von Verwundung kennen gelernt haben, und
welche hier durch ihr Wachstum aus den angeſchnittenen Gefäßen
herausquellen. Später treten in den Zellen auch Teilungen in andern
Richtungen ein, wodurch der Callus über die Schnittfläche ſich weiter
ausdehnt und die einzelnen Callus bildenden Partien ſich berühren.
Damit iſt der Abſchluß der Schnittfläche erreicht. Im Callus tritt
aber nun eine weitere Differenzierung von Geweben ein. In den
meiſten Fällen beſchränkt ſich dieſelbe auf die Herſtellung eines kork—
bildenden Meriſtems etwa 2 bis 3 Zellſchichten unterhalb der Ober—
fläche, wodurch an der Peripherie ein Verſchluß durch Kork hergeſtellt
wird. Außerdem kann ſich auch direkt um die angeſchnittenen Holz—
und Baſtbündel eine Lage von Kork innerhalb des Callus erzeugen.
Im Callus ſelbſt bilden ſich bisweilen auch noch einige Zellen in
beſonderer Weiſe aus; ſo können zerſtreute Gruppen Sclerenchymzellen
mit ſtark verdickten, getüpfelten Membranen entſtehen, oder im Cambium
der angrenzenden Teile erſcheinen einige neue Gefäße, die nach dem
Callus hin gerichtet ſind. Eine ganz ähnliche Callusbildung fand
Magnus!) an Blattſtecklingen von Hyacinthus orientalis. In einem
Falle, bei Hibiscus reginae, beobachtete Stoll eine ſpäter eintretende,
noch weiter gehende Differenzierung im Callus, in der bereits eine
Annäherung an die folgenden Heilungsprozeſſe liegt: es bildet ſich
ein Meriſtem, welches von der Cambiumſchicht der Schnittfläche aus
unter dem Holz und dem Mark ſich hinzieht; dasſelbe ſtellt eine neue
Cambiumſchicht dar, welche nach Jahresfriſt nach oben Holzelemente
mit Markſtrahlen, nach unten Rindenelemente abſondert, ſo daß an
) Bot. Ver. d. Prov. Brandenburg, 30. März 1873.
70 II. Abſchnitt: Von den Wunden
der Schnittfläche eine Kappe entſteht, deren einzelne Gewebe mit den
gleichnamigen des Stecklings zuſammenhängen. Die Nebenwurzeln,
die der Steckling treibt, entſpringen aber nie in, ſondern dicht über
dem Callus.
Regeneration 3. Bedeckung der Wunde mit Callus, aus welchem Cam—
e bium, Rinde und Holz regeneriert werden. Wenn Stengel
aus Callus. oder Wurzeln Wunden bekommen, welche bis in das Syſtem der
Fibrovaſalbündel gehen und einen Defekt in dieſen Gewebekomplexen
zur Folge haben, ſo tritt zunächſt auch wieder, von den teilungsfähigen
Zellen der Wundfläche ausgehend, eine Bildung von Callus ein; in
dieſem aber konſtituiert ſich ein neues Cambium, durch welches dann
für die verloren gegangenen Teile des Fibrovaſalbündelſyſtems neue
regeneriert werden.
An krautartigen Dieſer Heilungsprozeß iſt nur an Pflanzen von dicotyledonem Bau be—
Sproſſen und kannt und in ſeinen Einzelheiten unterſucht worden. An geſpaltenen Stengeln
Wurzeln. krautartiger wie holziger Pflanzen iſt die Möglichkeit dieſer Heilung von Any!)
nachgewieſen worden. Derſelbe brachte an jungen Internodien unterhalb der
unverletzt bleibenden Stengelſpitze einen durchgehenden Längsſpalt an. Die
Sproſſe entwickelten ſich meiſt ungeſtört weiter; auf den Schnittflächen der
beiden Stengelhälften trat lebhafte Teilung der der Wunde zunächſt liegenden
Zellen des Markes, des Cambiums und der Rinde ein, es entſtand ein callus—
artiges Gewebe, welches gegen die andre Hälfte des Internodiums ſich vor—
wölbte. Nach einiger Zeit wurden in einer mehrere Zellſchichten unter der
Oberfläche liegenden Zone die Teilungen beſonders lebhaft; es konſtituierte ſich
hier ein Cambium, welches beiderſeits ſich dem Cambium der alten Fibrova—
ſalſtränge anfügte und von nun ab gleich dieſem Holzelemente nach innen
und Phlosmelemente nach außen abſonderte. Auf dieſe Weiſe ſchloß ſich der
durch das Aufſchlitzen geteilte Kreis der Fibrovaſalbündel in jeder Hälfte zu—
ſammen, und wurde jo verdoppelt. Die freie Seite der beiden Calluswülſte
hatte eine Korkſchicht gebildet. Magnus) beobachtete dieſelbe Regeneration
an der Schälwunde einer Möhrenwurzel. Hier war die äußere Rinde in einer
gewiſſen Ausdehnung durch eine Verletzung abgelöſt worden, und aus der
klaffenden Offnung der Wunde waren mehrere ſtarke Wülſte herausgewachſen,
die vom regenerierten Cambium der Schälwunde gebildet worden waren.
An Schälwunden Nicht weſentlich hiervon verſchieden iſt diejenige Form der Heilung der
der Holzpflanzent eigentlichen Schälwunden der Holzpflanzen, welche als Bekleidung
der Wundfläche bezeichnet wird, weil ſie in einer wirklichen Regeneration
der Rinde, die auf der Wundfläche gleichzeitig vor ſich geht, beſteht. Wenn
die Rinde ohne beſondere Vorſichtsmaßregeln abgeſchält wird, wie es alſo bei
derartigen Verwundungen gewöhnlich geſchieht, ſo tritt auf der entblößten
Splintfläche ſelbſt keinerlei Regeneration ein, die Heilung der Wunde geſchieht
dann durch die von den Wundrändern ausgehende ſogenannte Überwallung,
von welcher unten näher zu reden iſt. Aber ſchon Duhamel) war es be-
) Sitzungsber. d. Geſellſch. naturf. Freunde zu Berlin, 19. Juni 1877.
2) Sitzungsber. des bot. Ver. d. Prov. Brandenburg, 28. März 1879.
3) Physique des arbres. II. pag. 42.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 71
kannt, daß wenn man eine durch Ringelung des Stammes bloßgelegte Holz—
fläche vor dem Austrocknen ſchützt vermittelſt eines um dieſelbe gelegten Glas—
zylinders, auf derſelben an verſchiedenen Stellen Neubildungen von Gewebe
entſtehen, die ſich vereinigen und aus denen eine neue Rinde ſich bildet.
Weitere Beobachtungen hat auch ſchon Treviranus) mitgeteilt, nach denen
der Verſuch auch bei andern Arten von Bedeckung und ſogar ohne ſolche ge—
lingt. Meyen) glaubte, daß dieſe Neubildung allein von den Markſtrahlen
ausgehe und betrachtete ſie irrtümlich als eine anfangs ſtrukturloſe, gallert—
artige Maſſe, die aus den Markſtrahlzellen ausgeſchwitzt werde und ſich dann
erſt zu Zellgewebe organiſiere; auch Th. Hartig?) hielt die Markſtrahlzellen
für die einzigen hierbei thätigen Organe. Dagegen hat zuerſt Trecul) gezeigt,
und nach ihm haben es andre, wie C. Kochs), Sorauer®) und Stoll) beſtätigt,
daß die Regeneration der Rinde bei Schälwunden von dem geſammten Cam—
bium ausgeht, welches am Holze haften bleibt, daß ſie jedoch fehlſchlägt, wenn
dieſes Gewebe entweder durch den Einfluß der Atmoſphärilien verdirbt oder
mechaniſch zerſtört worden iſt. Letzteres erfolgt nicht bloß durch Abkratzen u. dgl.,
ſondern es genügt dazu ſchon ein Abwiſchen mit dem Finger oder mit einem
Tuche oder eine bloße Berührung. In allen ſolchen Fällen unterbleibt die
Neuberindung. Beſonders leicht gelingt der Verſuch, wenn zur Frühlingszeit,
wo die Rinde im Safte ſich befindet, geſchält wird, weil dann die Cambium—
zellen ſich leichter unverſehrt trennen. Regenwetter hat nach Stoll einen un—
günſtigen Einfluß, wahrſcheinlich weil durch das Regenwaſſer die Cambium—
zellen getötet werden. Der Vorgang bei dieſer Heilung beſteht nach Trecul
darin, daß ſich aus dem ſtehengebliebenen Cambium ein Callus entwickelt,
indem durch Querteilung der Cambiumzellen ein parenchymatiſches Gewebe
entſteht (Fig. 14). Dieſes nimmt an Dicke nicht unbeträchtlich zu; indem alle
äußeren Zellen desſelben in radialer Richtung ſchlauchartig vorwachſen und
ſich dabei durch tangential ſtehende Längsſcheidewände teilen. Die Anordnung
der Zellen des Callus ſtellt daher ziemlich regelmäßige radiale Zellreihen vor,
welche die Fortſetzungen derjenigen der Elementarorgane des alten Holzes ſind.
Darin liegt der Grund, warum das aus dem Callus neu ſich bildende Holzzhin—
ſichtlich der Anordnung der Holzzellen und der Markſtrahlen mit dem alten
Holze, dem es ſich auflagert, korreſpondiert. Aus Trecul's Darſtellung ſcheint
hervorzugehen, daß entweder die innerſten, dem alten Holze unmittelbar an—
grenzenden Zellen des Callus oder eine weiter nach außen liegende Zellſchicht
desſelben die Beſchaffenheit eines Cambiums annimmt, d. h. in der Teilung
durch tangentiale Längswände andauernd fortfährt, während die von dieſer
Schicht aus einwärts liegenden Zellen wenigſtens teilweiſe den Charakter von
Holzzellen, Gefäßzellen und Markſtrahlen, die nach auswärts liegenden die
Eigenſchaften des Rindengewebes annehmen. Zugleich konſtituiert ſich nahe der
) Phyſiologie der Gewächſe. II. pag. 222.
2) Pflanzenpathologie, pag. 15 ff.
2) Bot. Zeitg. 1863. pag. 286.
) Reproduction du bois et de l’ecorce. Ann. des. sc. nat. ser 3. T.
XIX. 1853, pag. 157 ff.
5) Wochenſchrift der Gärtnerei und Pflanzenkunde 1872. Nr. 31.
6) Handbuch der Pflanzenkrankheiten, 1. Aufl. pag. 160. — 2. Aufl.
pag. 561.
7) Bot. Zeitg. 1874. pag. 796.
72 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Oberfläche des Callus ein Korkmeriſtem, welches die Korkſchicht der neuen Rinde
Fig. 14.
Regeneration der Ninde an einer Schälwunde des
Holzkörpers von Robinia, im erſten Stadium nach
der Verwundung die Bildung von Callus aus dem
Cambium zeigend. A Querſchnitt durch die jüngſte
Holzſchicht, Holzzellen und einen Markſtrahl zeigend.
B die in radialen Reihen ſtehenden neugebildeten Callus—
zellen, die ſowohl aus den vor den Holzzellen, wie aus
den vor dem Markſtrahle ſtehenden Cambiumzellen her—
vorgegangen ſind. » ein vor der Verwundung ge—
bildetes und ſtehengebliebenes großes Gefäß. —
Darunter der radiale Längsſchnitt durch eine ſolche
Stelle. L Holzzellen, V ein Gefäß, 1 Cambiumzellen
durch Querteilung zu Parenchymzellen geworden, g die
aus dieſen hervorgegangenen eigentlichen Calluszellen.
Nach Trecul.
erzeugt. Wiewohl
ſämtliche Cambium—
zellen der Erzeugung
von Callus fähig ſind,
ſo zeigen doch Tre—
cul's Unterſuchungen,
daß in manchen Fällen
den an den Enden der
Markſtrahlen ſtehen—
den Zellen hierbei der
größte Anteil zukommt,
was auch nicht Wun—
der nehmen kann, da
die Markſtrahlen jeden—
falls vorwiegend die
zur Bildung des Cal—
lus beſtimmten Nähr⸗
ſtoffe zuführen. Man
ſieht oft die von den
Markſtrahlen aus—
gehenden Zellen des
Callus reichlich ver—
mehrt, förmliche Bü—
ſchel von Schläuchen
oder Zellreihen dar—
ſtellen, die ſich nach
den Seiten hin weiter
ausbreiten; daraus
erklärt ſich die Mei—
nung älterer Beob—
achter, daß die Re—
generation von den
Markſtrahlen allein
ausgehe. Wenn im
Frühjahre die Thätig—
keit der Cambium⸗
ſchicht beginnt, ſo
werden in der Regel
zuerſt die großen Ge—
fäße des Frühjahrs⸗
holzes gebildet, die
deshalb weit in die
Cambiumſchicht vor:
ragen. Wenn daher
um dieſe Zeit Schäl⸗
wunden gemacht wer—
den, ſo erfolgen oft in
den hinter den jungen
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 73
großen Gefäßen noch im cambialen Zuſtande befindlichen Zellen die Zellteilungen,
welche zur Bildung des Gallus führen. Die Folge iſt, daß jene großen Gefäße
vom alten Holze fortgerückt werden und daß man ſie, wie Trecul beobachtete,
bisweilen im Callus oder ſogar auf der Oberfläche desſelben haften findet.
Hinſichtlich der feineren Struktur des bei der Regeneration auf Schälwunden
entſtehenden neuen Holzes fehlt es an genaueren Unterſuchungen. Der in Rede
ſtehende Prozeß kommt beſonders an ſolchen Schälwunden vor, welche durch
Frevel oder ähnliche Beſchädigungen veranlaßt worden ſind; auch durch Wild
geſchälte oder von Mäuſen angenagte Stellen bekleiden ſich bisweilen ſtellenweiſe
mit regenerierter Rinde ).
Als beſonderer Fall iſt bemerkenswert die Erſcheinung, wo an durch
Frevel beſchädigten Bäumen die am Stamme hängen bleibenden und an
einer Seite mit der geſunden Rinde zuſammenhängenden Rindenlappen auf
ihrer Innenſeite Holz und Rinde reproduzieren. Duhamel glaubte, daß dieſe
Gewebe hier durch Umwandlung der Rinde entſtehen. Trecul) hat aber
gezeigt, daß die an der Innenſeite der abgelöſten Rindenſtreifen ſtehen bleibenden
Cambiumzellen oder jüngſten Phloémzellen durch Querteilungen ähnliches
parenchymatiſches Callusgewebe bilden, wie es im vorigen Falle erzeugt wird;
im Innern desſelben beginnen dann in einer gewiſſen Schicht die Zellen zu
verholzen, zum Teil zu Gefäßzellen ſich auszubilden; ſowohl nach innen wie
nach außen ſchließen ſich daran andre verholzende Elemente, und die beider—
ſeits an dieſe Holzlage angrenzenden teilungsfähigen Zellſchichten fungieren
danach augenſcheinlich als Cambiumſchichten, durch deren Thätigkeit die Holz—
lage innen und außen wächſt. Bei dieſer Verwundung hat, wie Trecul
zeigte, das neugebildete Holz die abnorme Struktur des unten zu beſprechenden
Wundholzes, d. h. es beſteht aus kurzen, parenchymatiſchen Zellen, und erſt
die fernerhin ſich bildenden Holzelemente nehmen allmählich größere Länge an
und ſpitzen ſich zu, wodurch die normale Struktur des Holzes allmählich wieder
erreicht wird. Der Erfolg iſt derſelbe, gleichgültig ob der abgelöſte Rinden—
ſtreifen mit ſeinem obern oder mit ſeinem untern Rande an der ſtehen gebliebenen
Rinde befeſtigt iſt; nur mit dem Unterſchiede, daß im erſteren Falle die ſich
bildende Holzlage ſtärker auszufallen pflegt, als im letzteren Falle, was aus
der vorwiegend abſteigenden Richtung der Bewegung der aſſimilierten Stoffe
erklärbar iſt. Hebt man dagegen einen Rindenſtreifen, welcher oben oder unten
mit der übrigen Rinde in Verbindung ſteht, vorſichtig ab, ſo bleibt nach de
Vries“) gewöhnlich das Cambium unverſehrt am Rindenſtreifen; es entſteht
zwiſchen ihm und dem alten Holze eine dünne Callusſchicht; außerhalb der—
ſelben findet man eine neugebildete Holzſchicht, auf deren Außenſeite das ur—
ſprüngliche Cambium erkennbar iſt; letzteres iſt hier alſo in normaler Thätig—
keit geblieben und deshalb hat auch das von ihm gebildete neue Holz einen
ganz normalen Bau (it kein Wundholz). Wenn aber der abgehobene Rinden—
ſtreifen bei dieſem Verſuche auf der Innenſeite mit dem Meſſer quer verletzt
und dadurch die Cambiumſchicht an dieſer Stelle getötet wird, ſo hat dies
nach de Vries denſelben Erfolg, als wenn der ganze Rindenlappen quer
durchgetrennt iſt, d. h. das über und unter dieſer Wunde an der Innenſeite
des Baſtſtreifens gebildete Holz nimmt den Charakter von Wundholz an.
5
1
K
7
r
) Ratzeburg, 1. c. II. pag. 207.
2) 1. c. pag. 257.
3) Über Wundholz. Flora 1876. pag. 104.
Regeneration
von Rinde und
Holz auf der
Innenſeite von
Rindenlappen.
74 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Überwallung. 4. Überwallung, d. h. am Wundrande beginnende
Callusbildung mit nachfolgender Differenzierung in Cam—
bium, Rinde und Holz. Das Holz ſelbſt iſt keiner Regeneration
von Gewebe fähig. Deshalb findet überall da, wo der Holzkörper
ſelbſt verwundet iſt oder wo nach Abſchälen und Abnagen der Rinde
die Cambiumſchicht zerſtört iſt, auf dem entblößten Holze keine Rege—
neration von Rinde noch irgend eine andre Neubildung ſtatt. Auf
der Wundblöße wird vielmehr das Holz trocken und dunkler, nimmt
die Beſchaffenheit des Schutzholzes an, oder geht wohl auch, wenn es
lange unbedeckt bleibt, in Fäulnis über. Auch hier geht die zur
Heilung führende Reproduktion nur von der lebendigen Cambiumſchicht
aus; dieſe befindet ſich hier rings um den Rand der Wunde, denn
jede bis aufs Holz gehende Verletzung durchſchneidet notwendig Rinde
und Cambium. Es wächſt allmählich von den Wundrändern aus
über die Holzblöße hin ein Wulſt, welcher nach außen aus Rinde,
innerlich aus Holz beſteht und zwiſchen beiden Geweben eine neue 4
Cambiumſchicht beſitzt, durch deren Bildungsthätigkeit die Wülſte
ſich immer mehr ausbreiten, bis ſie endlich die Wundfläche ganz ver—
deckt haben. Dieſe Erſcheinung, die ausnahmslos bei allen Laub- und
Nadelhölzern ſtattfinden kann, iſt unter dem Namen Überwallung |
oder Verwallung bekannt. Um ſich bei den hier ſtattfindenden 1
Vorgängen orientieren zu können, unterjcheiden wir die holzentblößenden
Wunden ihrer Richtung nach in 1. Querwunden, wenn die Richtung
der Verwundung (die Wundfläche) rechtwinklig ſteht zur Längsachſe
des Stammes, des Aſtes oder der Wurzel, mag es ſich nun bloß um
einen queren Einſchnitt oder um eine vollſtändige Querſchnitts- oder
Bruchfläche handeln, und in 2. Längswunden, wo die Wundfläche
der Stammachſe parallel liegt. Die letzteren können wieder ſein
a) Flachwunden, wenn die Wundfläche tangentiale Richtung hat.
Zu dieſen würden auch diejenigen Schälwunden gehören, bei denen
wegen Zerſtörung der Cambiumſchicht das Holz ſich nicht mit regene—
rierter Rinde bedeckt. b) Spaltwunden, wenn der Holkzkörper
radial geſprengt iſt. Im Grunde genommen können bei den Flach⸗
wunden nur die beiden longitudinalen Wundränder zu den Längs—
wunden gezählt werden, während der obere und der untere Wundrand,
je genauer ſie quer gerichtet ſind, die Bedeutung von Querwunden
haben.
Entftehung Die erſte Veränderung, welche am Wundrande eintritt und die
der Überwallung. Bildung des Überwallungswulſtes einleitet, iſt an Längs⸗ und Quer⸗
wunden gleich und nichts andres als die gewöhnliche Heilung der
Wunden parenchymatiſcher und cambialer Gewebe durch Verſchluß
rr ccc
ene ee ee
|
|
J
5
a
K
4
4
**
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 75
mittelſt Callus. Am Rande jeder Holzwunde ſind Rinde und Cambium
verletzt, und dieſe ſchmalen Wundſtellen verheilen zuerſt. Die am
Wundrande liegenden Cambiumzellen und innerſten jüngſten Phloͤm—
zellen teilen ſich durch Quer- und Längswände und bilden ſo einen
aus iſodiametriſchen Zellen beſtehenden Callus. Im ganzen älteren
Rindengewebe aber differenziert ſich nahe der Wunde ein korkbildendes
Meriſtem, welches ſich auf der einen Seite an das normale Kork—
meriſtem unter der Oberfläche des Stammes anſetzt und parallel der
Rindenwunde ſich hinzieht in den von der Cambiumſchicht gebildeten
Gallus (Fig. 15, k1 k). In letzterem differenziert ſich nun ebenfalls
nahe der Oberfläche ein korkbildendes Meriſtem, als unmittelbare
Fortſetzung jenes. Die Rindenwunde iſt daher ſehr zeitig durch eine
Korkſchicht verſchloſſen. Die letztere iſt alſo die direkte Fortſetzung der
oberflächlichen normalen Korkſchicht des Baumes, des ſogenannten
Periderms, welches daher hier in einem Bogen ſich nach der Holzblöße
wendet. An der Außenſeite desſelben haften die den anfänglichen
Wundrand bildenden Gewebepartien der Rinde und des Periderms,
welche durch die neue Korkſchicht abgeſchnitten ſind und vertrocknen.
Die innerſten Zellen des Callus, welche mit den urſprünglichen
Cambiumzellen in Berührung ſtehen, nehmen nun ebenfalls den
Charakter eines Meriſtems, nämlich des Cambiums, an. Die Teilungs—
wände desſelben orientieren ſich ſo, daß ſie der neugebildeten Korkſchicht
ungefähr parallel ſtehen. Es lenkt alſo auch die Cambiumſchicht nach
der Wunde hin um (Fig. 15 c). Aus dieſer Orientierung des Kork—
merijtems und des Cambiums am Wundrande folgt, daß die von
nun an aus dieſen Meriſtemen erzeugten Zellgewebsmafjen; als ein
Wulſt über die Holzblöße hinwuchern. Derjenige Teil des anfänglich
gebildeten Callus, welcher zwiſchen deſſen Korkmeriſtem und deſſen
Cambium übrig bleibt, nimmt die Beſchaffenheit von Rinde an.
Dieſe erſtarkt nun durch die anhebende Thätigkeit des Callus—
cambiums weiter. Ebenſo bildet das letztere nun auch nach
innen Holz. Da die Theilungswände dieſes Cambiums zur Ober—
fläche des Überwallungswulſtes tangential ſtehen, ſo liegen auch die
hier gebildeten Holzzellen in radialen Reihen, die neue Cambiumſchicht
überall annähernd rechtwinklig ſchneidend, und haben gleichgerichtete
Markſtrahlen zwiſchen ſich (vgl. Fig. 15 u). An Querwunden, ſowohl
an den oberen wie an den unteren, ſtehen dieſe Zellreihen des Über—
wallungsholzes zur Stammachſe radial, in ungefähr gleicher Richtung
wie die über oder unter ihnen ſtehenden des alten Holzes. An
Längswundrändern dagegen divergieren ſie. Denn hier bilden ſich die
der Wunde benachbarten in normaler Weiſe radial zur Stammober—
76 II. Abſchnitt: Von den Wunden
1 —
Mee T
8
Munde
—
—
Umm
11
0
U
Anfang der Ueberwallung einer Flachwunde
eines mehrjährigen Aſtes von Acer campestre.
Querſchnitt durch den Aſt. II das alte Holz
am Wundrande (rechts die Holzblöße). 1, das
nach der Verwundung gebildete Holz. u der
während dieſer Zeit entſtandene Anfang des
Ueberwallungswulſtes. e die Cambiumſchicht,
die ſich in den Ueberwallungswulſt fortſetzt.
b Rinde. b. Rinde der Ueberwallung. kk das
Korkmeriſtem der Ueberwallung, dasſelbe ſetzt
ſich bis an das urſprüngliche des Aſtes fort,
welches es bei k, erreicht. vv Wundſtelle und
abgeſtorbene Gewebeteile des Baſtes außerhalb
der neuen Korkſchicht. 60 fach vergrößert.
fläche fort, während die
nach der Holzblöße plötzlich
umgelenkte neue Cambium—
ſchicht die Holzzellreihen in
allen den Richtungen ab—
legt, die zu ihr rechtwinklig
ſtehen, ſo daß dieſelben
hier in ungefähr einem
Viertelkreisbogen divergie—
ren (vergl. Fig. 15 u). Die
Zuſammenſetzung jedes
zuerſt aus Callus hervor—
gehenden Holzgewebes iſt
aber, wie von Trecul,
ſpäter auch von de Vries
beobachtet wurde, eine ab—
normel); dieſes Wund—
holz iſt von dem vor der
Verwundung vorhandenen
normalen Holz ſcharf ab—
gegrenzt; die ſpäter fol—
genden Holzſchichten wer—
den dem normalen Holze
um ſo ähnlicher, je ſpäter
nach der Verwundung ſie
entſtehen, bis zuletzt wieder
normales Holz gebildet
wird. Dieſer Satz gilt zu-
nächſt für alles aus Callus
hervorgehende Überwal—
lungsholz ſowohl an Quer-,
wie an Längswunden. Da
der Gallus durch Duer-
teiiungen der Cambium⸗
zellen entſteht und ſeine
Zellen daher iſodiametriſch ſind, ſo haben auch die erſten daraus
hervorgehenden Holzzellen ungefähr dieſe Geſtalt, ſind kurz und
: ) Eine detaillierte Unterſuchung des Baues und der Entſtehung der
Überwallungswulſt bei Ringelwunden hat Sorauer (Pflanzenkrankheiten)
2. Aufl. I., pag. 545—556) gegeben.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 77
parenchymatiſch, nicht langgeſtreckt und zugeſpitzt, wie die normalen
Holzfaſern. Außerdem treten aber auch ſchon anfänglich in dieſem
Wundholze ähnlich wie im normalen Holze Gefäße in Gruppen
ſtehend auf; es ſind das aber nur enge, nicht normal weite Gefäße,
und ſie beſtehen aus ebenfalls kurzen Gefäßzellen. Aber bald folgen
Holzzellen, die etwas länger find und anfangen ſich zuzuſpitzen,
während andre ihre rundliche, polyedriſche Form behalten und zu
den Anfängen der Markſtrahlen werden. So folgt auf die faſerfreie
Periode bald eine durch Holzfaſern ausgezeichnete. Die Zahl der
letzteren wird dann immer größer, jo daß die Gefäßzellen, das Holz
parenchym und die Markſtrahlen auf das normale Verhältnis zurück—
gedrängt werden. Zugleich nehmen nun die Zellen der neuen
Cambiumſchicht durch wirkliches Längenwachstum allmählich wieder
eine größere Länge an, ſo daß mithin auch die von ihnen abſtammenden
Holzzellen in gleichem Maße länger werden. Nach einiger Zeit iſt
das Holz des Überwallungswulſtes wieder normal, und auch die
Abgrenzung der Jahresringe, welche hier bogenförmig, der Oberfläche
deſſelben parallel ſind, iſt deutlich ausgeprägt. So ſchiebt ſich der
Überwallungswulſt infolge ſeines jährlichen Wachstums über die
Wundfläche. Er behält ſeine convexen Ränder, die aber oft wegen
des an jedem Punkte unabhängig von der Nachbarſchaft ſtattfindenden
Wachstums keine regelmäßige Grenzlinie bilden, ſondern oft mehr
oder weniger wellenförmig oder gekerbt find. Die Überwallungen
bieten daher ganz das Bild einer zähflüſſigen Maſſe, welche ſich
langſam über eine Fläche hin ergoſſen hat. Wenn die Verwallungs—
wülſte ungeſtört ſich fortentwickeln, ſo überziehen ſie endlich die
Wundblöße ganz, indem ſie an irgend einem Punkte derſelben
zuſammentreffen. Sie vereinigen ſich dann wirklich miteinander, indem
ihre Cambiumſchichten ſich aneinander ſchließen, ſo daß der Stamm
von dieſem Zeitpunkte an wieder ein kompletes, ringsum gehendes
Cambium beſitzt, und die von dieſem Zeitpunkt an ſich bildenden
Jahresringe des Holzes gehen nun wieder als gleichmäßige Ringe
um den ganzen Stamm herum.
Außer am Überwallungsholze wird aber bei Querwunden, nicht Bildung von
bei Längswunden, auch bis zu einer gewiſſen Entfernung rückwärts Am belttguber
von der Wunde abnormes Holz von derſelben Beſchaffenheit wie in ; Won
jenem Falle gebildet, beſonders am oberen, ſchwächer am unteren
Rande von Querwunden. Es beruht dies darauf, daß die Quer—
teilung der Cambiumzellen, die als nächſte Folge der Verwundung
eintritt, vom Wundrande aus rückwärts ſich weiter erſtreckt, was an
ähnliche Erſcheinungen bei der Bildung des Gallus bei andern
Heilung von
Rinden⸗
einſchnitten.
78 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Pflanzenteilen erinnert (pag. 67). So hat de Vries z. B. am oberen
Wundrande einer Ringelwunde von Caragana arborescens bis in eine
Entfernung von 2 Gentim. über der Wunde, in Spuren ſogar noch
bis 7 Centim., die Abweichung im Baue des im erſten Jahre nach
der Verwundung erzeugten Holzes gefunden. Unmittelbar über dem
Wundrande wird kurzzelliges, parenchymatiſches Wundholz mit eng—
und kurzzelligen Gefäßzellen gebildet, ganz gleich demjenigen, welches
aus dem Callus entſteht, und in welches dieſes unmittelbar übergeht.
Mit zunehmender Entfernung von der Wunde vermindert ſich die
Querteilung der Cambiumzellen, ſo daß endlich nur zwei- und einmal
geteilte gefunden werden, und entſprechend nimmt die Abnormität
des Holzes ſchrittweiſe mit der Entfernung von der Wunde ab.
Das kurzzellige Wundholz des Wundrandes, dem die Holzfaſern und
weiten Gefäße fehlen, geht nach oben zunächſt in eine Zone über, wo
die Zellenlänge größer wird, aber Holzfaſern und weite Gefäße noch
nicht vorhanden ſind; dann folgt eine Zone, wo die Zellen zum Teil
ſich zuſpitzen und in Holzfaſern übergehen; noch weiter oben iſt durch
Häufigerwerden der weiten Gefäße und der Holzfaſern der normale
Bau erreicht. Auch hier kehrt mit der Zeit die Holzbildung zur
Norm zurück, weil in allen Entfernungen von der Querwunde die
Cambiumzellen allmählich wieder normale Länge annehmen. Bei
Längswunden, die der Achſe parallel ſind, tritt dagegen in dem un—
verletzten Teile ſeitlich der Wunde keine Querteilung der Cambiumzellen
und kein abnormer Bau des Holzes auf. Schiefe Wunden, zu denen
auch die Spiralwunden gehören, verhalten ſich nach de Vries in
dieſer Beziehung wie Querwunden: ſtets erſtreckt ſich das Wundholz
ſo weit, wie die Projektion der Wunde auf demſelben Querſchnitt,
was beſonders bei kurzen, ſchiefſtehenden Wunden hervortritt, indem
hier ſeitlich derſelben kein Wundholz gebildet wird.
Wird ein bloßer Einſchnitt gemacht, der bis ins Cambium oder
ins Holz dringt, wie es z. B. im Obſtbau bei dem ſogenannten
Schröpfen geſchieht, um den Druck, den die Rindenſchichten dem
Wachstum des Holzes entgegenſetzen, zu mindern, ſo füllt ſich die
Wunde nach de Vries bald ganz mit Callus aus, der von der
Cambiumſchicht ausgeht und dieſelben Bildungen erzeugt, wie in den
vorigen Fällen. Wundholz wird, wenn es ein quergehender oder
ſchiefer Einſchnitt iſt, in derſelben Weiſe gebildet, aber in geringer
Menge, denn ſobald die Wunde durch den Callus geſchloſſen iſt,
bildet ſich über die ganze Strecke nur noch normales Holz. Vertrocknen
aber die Schnittränder, ſo daß das Holz ſich nicht mit Callus bedecken
2 Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Berwundungen 79
kann, dann wird die Wunde durch Überwallungswülſte von beiden
Seiten geſchloſſen ).
Je nach den oben bezeichneten verſchiedenen Arten der Wunden überwallung der
richtet ſich die Form der Überwallung. Es ſei in dieſer Beziehung ii;
hier nur im allgemeinen Folgendes hervorgehoben. Bei der Über-
wallung der Flachwunden ſchiebt ſich der Überwallungswulſt zwar
von allen Rändern aus über die Wunde hin, aber meiſt von gewiſſen
Seiten her ſtärker. Wenn die Wunde ihre größte Ausdehnung in der
Längsrichtung des Stammes hat und ſelbſt wenn ſie ungefähr eine
runde Fläche darſtellt, wie bei den Aſtſchnittflächen, ſo dringen die Über—
wallungswülſte von den beiden ſeitlichen Rändern her raſcher als von
oben und unten vor, unter Bildung ſtark entwickelter Jahresringe
im Holze, ſo daß die Wunde zuletzt kurz vor dem Zuſammentreffen
der Wülſte wie eine elliptiſche Längsfurche erſcheint. Bei größeren
Flachwunden, wie beſonders bei den Schälwunden, ſchreitet die
Überwallung oft weniger gleichmäßig vor, an einzelnen Punkten viel
raſcher als an andern; beſonders zeigen die vom oberen Wundrande
herabdringenden Wülſte das ſtärkſte Wachstum, wegen der hauptſächlich
1 abwärts ſich bewegenden Wanderung der plaſtiſchen Nährſtoffe. Unter
Umſtänden kann eine Überwallung auch von der alten ſtehen gebliebenen
toten Rinde bedeckt ſtattfinden, alſo äußerlich nicht ſichtbar ſein, wie
es manchmal nach Borkenkäferfraß geſchieht oder wie oben erwähnt
bisweilen beim Gummifluß. Die alte Rinde fällt dann aber nach
nicht langer Zeit ab. Bei den überwallten Flachwunden iſt natürlich
niemals eine wirkliche Verwachſung der Überwallung mit der toten
Holzwundfläche eingetreten, ſie liegt derſelben nur mechaniſch, allerdings
innig, an, alle Vertiefungen derſelben ausfüllend, und alle etwaigen
Erhabenheiten derſelben oder fremde Körper, denen die Überwallung
begegnet, umhüllend. Auch wenn der Verſchluß der Wunde durch die
Überwallung vollſtändig geworden und äußerlich kaum noch eine An—
deutung der Wunde zu ſehen iſt, bleibt doch die einſtmalige Wunde
auf dem Durchſchnitte des Stammes kenntlich an einer dunklen Zone,
welche eben das ehemals gebildete und nun unverändert gebliebene
Schutzholz der Wundfläche vorſtellt, ſowie daran, daß die der Über-
wallung angehörigen Jahresringe bogenförmig gegen die ehemalige
Wundfläche umgelenkt erſcheinen.
Die Spaltwunden des Stammes find der Heilung durch überwallung der
Überwallung ungünſtiger, weil dieſelben in radialer Richtung tief in Spaltwunden.
den Holzkörper eindringen, und eine ſehr tiefe Spalte durch Überwallungs—
1
n u A a a
In, ie 2, 5 5 Pol nn En a Lu an
— n 2
) Sorauer, Handbuch der Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 538.
80 II. Abſchnitt: Von den Wunden
maſſe nicht ausgefüllt werden kann. Die letztere geht von beiden
Rändern der Spaltwunde aus, und im günſtigſten Falle kommen nach
einiger Zeit die beiden gegenüberſtehenden Überwallungswülſte in
Kontakt und zur Verwachſung, alſo daß immer die Spalte unter
ihnen im Holzkörper bleibt. Oder wenn die Spalte zu breit iſt und
die Überwallungen nicht ſich treffen können, ſo lenken die letzteren
ſoweit nach innen um, als ihnen nach dorthin Spielraum gelaſſen
iſt. In beiden Fällen iſt nun aber auch auf der Innenſeite der
Überwallung Rinde und thätiges Cambium vorhanden, und es findet
daher in dieſer Richtung ebenfalls jährlich Neubildung von Holz ſtatt,
wodurch mannigfaltige Wucherungen nach innen getrieben werden,
die unter Umſtänden ſogar den Hohlraum ausfüllen können.
Uberwallung der Die bemerkenswerteſten Erſcheinungen, welche die Überwallungen
Querwunden. pon Querwunden darbieten, find die Ungleichheiten derſelben an
den oberen und unteren querſtehenden Rändern der meiſten Stamm—
wunden, indem, wie bereits hervorgehoben wurde, gewöhnlich der
obere Rand allein oder ſtärker als der untere eine Überwallung bildet.
Am bekannteſten iſt dieſer Erfolg beim Ringelſchnitt. Dasſelbe
Verhältnis ſpricht ſich auch bei ſpiraligen Wunden aus, wie ſie durch
Einſchnitte bei phyſiologiſchen Verſuchen oder an Stämmen, die von
Schlingpflanzen umwunden oder von Eichhörnchen oder Hornifjen
ſpiralig geſchält ſind, vorkommen: ſolche Stämme bekommen einen
ſpiralig verlaufenden Holzwulſt, der vom oberen Rande der Wunde
ausgeht. In dieſem Überwallungswulſt biegen ſich die Holzfaſern
ſchief nach abwärts, und es bleibt dann ſelbſt an vieljährigen Wülſten
die ſchiefe Richtung der Holzfaſerung erhalten. Wenn zwiſchen zwei
Baumſtämmen Bänke angebracht ſind, die bis ins Holz derſelben ein—
geſetzt ſind, ſo breiten ſich die Überwallungen auf der oberen Fläche
der Bank aus.
Maſerholz. Maſerbildung des Holzes bei Üiberwallungen. Das
durch die Überwallungen erzeugte Holz, beſonders das in den ſtärkeren
und älteren Überwallungswülſten, hat mehr oder weniger diejenige
Struktur, welche in der Holzinduſtrie unter dem Namen Maſer,
Wimmer oder Flader bekannt und geſchätzt iſt. Dieſe Struktur
beſteht kurz darin, daß die Holzfaſern nicht den gewöhnlichen, gerad-
linigen und parallelen, ſondern einen unregelmäßig gebogenen oder
verſchlungenen Verlauf haben, indem an der Cambiumſchicht entweder
wirklich andere Körper vorhanden ſind, um welche die Holzfaſern
notwendig ſich herumbiegen müſſen, oder indem die Markſtrahlen ohne
zunächſt nachweisbare Urſache infolge von Vermehrung ihrer Zellen
bei geringer Länge eine ſo bedeutende Breite annehmen, daß ihr
eee
“ 0 1
..
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 81
Tangentialſchnitt nicht die gewöhnliche, ans Linealiſche grenzende,
lange ſchmal elliptiſche Form hat, ſondern breit oblong oder nahezu
kreisrund erſcheint, ſo daß die benachbarten Holzfaſern eben auch ge—
krümmten Verlauf bekommen müſſen.
Die neueren Schriftſteller ſind ziemlich einſtimmig der Anſicht, daß die
Maſerbildung an und für ſich nichts weiter als die unmittelbare Folge der
Anweſenheit zahlreicher Adventivknoſpen iſt. Mit aller Beſtimmtheit hat dies
zuerſt Meyen) ausgeſprochen; die gleiche Anſicht vertritt Göppert?), und
Schacht) ſieht wenigſtens vorzugsweiſe in der Bildung vieler Nebenknoſpen
die Veranlaſſung der maſexigen Beſchaffenheit des Holzes. Richtig iſt, daß
durch viele Adventivknoſpen der Verlauf der Holzfaſern beeinflußt wird und
daß Maſerholz in der That vorzugsweiſe dort entſteht, wo ſolche Knoſpen in
Menge ſich gebildet haben, was eben beſonders als Folge von Verwundungen
eintritt. Wir ſehen häufig eine Brut von Adventivknoſpen, hauptſächlich
an Laubbäumen bei der Bildung der Stockausſchläge, bei der Zucht von Kopf—
hölzern, ſowie nach Wegnahme größerer Aſte unter der Wunde, ebenſo nach
dem Pfropfen unter der Pfropfſtelle ſich entwickeln; das gleiche kann auch an
Rindenwunden eintreten, beſonders nach Ringelung der Aſte oder Stämme
am untern Wundrand. Ferner ſind auch große Überwallungswülſte, welche
Überfluß an Nahrung haben, nicht ſelten zur reichlichen Bildung von Adventiv-
knoſpen geneigt, alſo beſonders diejenigen, welche bei einſeitiger Entrindung
des Stammes am obern Wundrande ſich entwickeln. Adventivknoſpen können
ſich an Aſten, Stämmen und Wurzeln jeden Alters und au jeder Stelle bilden,
wo ein lebensthätiges Cambium ſich befindet. Sie entſtehen in der Cambium—
ſchicht, indem eine Gruppe von Zellen derſelben ſich lebhafter vermehrt und
einen kleinen Zellgewebskörper, die Anlage der Knoſpe, bildet, der ſich nach
außen von der Rinde abgrenzt, nach innen mit der Cambiumſchicht im
Zuſammenhange bleibt und durch eine Anzahl verholzter Zellen, die er bildet,
ſich mit dem Splint in Verbindung ſetzt. Wenn die Knoſpe auswächſt, ſo
durchbricht ſie die Rinde, ihre Baſis aber bleibt natürlich mit dem Splint
verwachſen. Solche Adventivknoſpen haben in der Regel kein langes Leben,
und je größer die Zahl iſt, in der ſie an einer Stelle beiſammen gebildet
werden, deſto früher pflegen ſie wieder abzuſterben; einzelne treiben ein kurzes
Zweiglein, welches aber bald zu wachſen aufhört und wieder vertrocknet, die
meiſten ſterben ſchon als Knoſpen wieder ab. Die Überreſte bleiben als kleine
holzige Stiftchen ſtehen, deren jeder alſo eine im Durchſchnitte runde oder ellip—
tiſche Unterbrechung der Cambiumſchicht bildet, ebenſo wie im größeren Maß—
ſtabe jeder Aſtſtumpf. Die Folge iſt daher, daß die neuen Holzfaſern, welche
die Cambiumſchicht bildet, dem Hindernis ausweichen müſſen, ſich beiderſeits
in ſchiefer Richtung um den kleinen Holzkörper der Knoſpe oder des Zweigleins
legen. Wenn nun dicht nebeneinander fortwährend neue Knoſpen unregelmäßig
angeordnet entſtehen, wie es in den oben genannten Fällen häufig vorkommt,
ſo wird dadurch natürlich auch der Verlauf der Holzfaſern immer unregelmäßiger.
) Pflanzenpathologie, par. 86 ff. a
2) Über die Folgen äußerer Verletzungen der Bäume, pag. 11. — Über
Maſerbildung. Breslau 1870.
3) Lehrbuch d. Anatomie u. Phyſiol. der Gewächſe, II. pag. 67. — Der
Baum, pag. 219.
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 6
82 - II. Abſchnitt: Von den Wunden
Aber dadurch allein kann ſich nur eine gröbere Maſerung bilden; es kommen
auch wirklich Fälle vor, wo die Maſerung allein durch dieſes Verhältnis
veranlaßt wird, und dieſes iſt daun immer daran zu erkennen, daß in den
Maſchen der Maſern die Holzkörper der Knoſpen oder Zweige ſtecken.
Weiter hat R. Hartig) konſtatiert, daß nicht bloß Adventivknoſpen,
ſondern auch andre Reſte früherer Gewebe, wenn ſie ſich auf der zu über—
wallenden Holzfläche befinden, in derſelben Weiſe der Überwallung lokale Hinder—
niſſe bieten können, welchen dieſelbe ausweichen und die ſie wie Inſeln um—
faſſen muß, wodurch maſeriger Verlauf der Holzfaſerung erzeugt wird. Er
hat dies bei Überwallungen bemerkt, wo der Holzkörper noch mit alter Rinde
bedeckt und durch Maxkſtrahlen und Überreſte von Rindengewebe mit dieſer
verbunden war; dieſen Überreſten muß die Überwallung ausweichen. Den gleichen
Erfolg haben auch die Unebenheiten, welche die ſplittrigen Wundflächen des
Holzes darbieten.
Aber die feine Maſerung, welche meiſtens mit jener durch mecha—
niſche Hinderniſſe erzeugten zugleich, vielfach auch ohne dieſe und nament—
lich bei den ausgezeichnetſten Maſerbildungen, den Maſerkröpfen und den Maſer—
knollen, die wir erſt an ſpäterer Stelle beſprechen werden, in der ſchönſten
Bildung ſich zeigt, finden wir auch bei R. Hartig nicht aufgeklärt. Ich finde,
daß weder die Adventivknoſpen noch andre mechaniſch ſtörende Körper allein
die Maſerbildung erklären, ſondern daß der gebogene Verlauf der Holzfaſern
auch durch eine veränderte Zuſammenſetzung des Holzes, nämlich durch eine
abnorme Vergrößerung und Formveränderung der Markſtrahlen bedingt wird.
Während im normalen Holze die ſogenannten großen Markſtrahlen in der
Tangentialfläche betrachtet eine ſehr ſchmale elliptiſche oder linealiſche Form
haben, indem ſie in der Richtung der Faſerung des Holzes ſehr lang geſtreckt
ſind, werden ſie im Maſerholz jo kurz und jo breit, daß viele im Tangential—
ſchnitte (alſo wenn man die Oberfläche des Splintes betrachtet) ziemlich kreis—
rund oder oblong erſcheinen. Der Durchmeſſer beträgt dabei das Mehrfache
der normalen Breite. Dieſe Markſtrahlcylinder ſind die Kerne der Maſermaſchen.
Um ſie herum laufen die aus Gefäßen, Holzzellen und gewöhnlichen kleinen
Markſtrahlen beſtehenden Holzſtränge, entweder in Form einer Ellipſe, indem
ſie ſich über und unter dem Markſtrahl wieder vereinigen und eine Strecke
weit parallel fortlaufen, oder in einem vollſtändig geſchloſſenen Kreiſe ringsum,
eine wirkliche Schlinge bildend (Fig. 16 B). Im letzteren Falle läuft um
dieſen Holzſtrang oft ebenfalls kreisförmig ein etwas breiter Markſtrahl, und
jo können konzentriſch mehrere mit parallelen Markſtrahlen abwechſelnde Hol-
ſtränge um einen centralen Markſtrahlcylinder geordnet ſein. Das ſind die
ſogenannten Augen der Maſer. In nächſter Nachbarſchaft ſteht wieder ein
ſolches Auge und oft ſind mehrere wieder von einem in unregelmäßig ge—
ſchlungenem Verlaufe in ſich geſchloſſenen Ringe eines Syſtems von Holz⸗
ſträngen und Markſtrahlgeweben umzogen, oder zwiſchen ihnen ſchlängeln ſich
auf weitere Strecken hin andre Holz- und Markſtrahlſtränge, die nicht in ſich
zurücklaufen (Fig. 16 4). Darin liegt die charakteriſtiſche Struktur des Maſer⸗
holzes. Am deutlichſten tritt dieſelbe hervor, wenn das Holz von der Rinde
entkleidet iſt, auf der dann ſichtbaren Oberfläche des Splintes. Da nämlich
die Endigungen der Markſtrahlmaſſen nicht bis ganz an die Oberfläche ver-
holzt ſind, ſo trocknen ſie etwas mehr zuſammen und erſcheinen auf der Splint⸗
!) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes, pag. 136. Taf. XIX. Fig. 5—8.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 83
fläche etwas vertieft, ſo daß die etwas erhabenen Holzſtränge in ihrem eigen—
tümlichen Verlaufe hervortreten, ähnlich wie die Windungen des Gehirnes.
Zum vollen Verſtändnis des Baues des Maſerholzes muß aber bemerkt werden,
daß die beſchriebene Zeichnung ſich nur darbietet bei Betrachtung von der
Oberfläche oder im tangentialen Längsſchnitt. Es ſetzt ſich nämlich an jeder
Stelle die vorhandene Anordnung der Holzgewebe auch in den ſucceſſiven un—
D
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Fig. 16-
Maſerholz der Eiche. A Stück eines Maſerkropfes von der
Splintfläche geſehen, den Verlauf der Holzſtränge zeigend, wenig
vergrößert. B Tangentialer Durchſchnitt durch eine Maſche des
Maſerholzes. Im Centrum (bei m) ein großer Markſtrahlcylinder
aus lauter lebenden, oft ſtärkeführenden Zellen beſtehend. Ringsum
ein kreisförmig geſchloſſener Holzſtrang, deſſen Zuſammenſetzung
nur am obern Rande weiter ausgeführt iſt; 1 Holzfaſern, m! kleine
Markſtrahlen, t Tracheiden, g Gefäß. 90fach vergrößert.
gleichalterigen Schichten des Holzes in derſelben Form wenigſtens eine Strecke
weit fort: wenn man etwas tiefer wieder tangential einſchneidet, ſo hat man
dasſelbe oder ein ähnliches Bild der Maſerung, wie es an der Oberfläche zu
ſehen war. Die eigentümliche Verteilung von Markſtrahlgewebe und Holz—
ſträngen wird alſo durch die Cambiumſchicht continuierlich fortgebildet, und
darum zeigt auch die darüber liegende ſecundäre Rinde in ihren Baſtfaſern
dieſelbe Maſerung wie das Holz, weil die großen Markſtrahlmaſſen ſich in
derſelben Zahl, Form und Größe auch dorthin fortſetzen. Bei der großen Ver—
änderung, die der Bau des Holzes in tangentialer Richtung erlitten hat, iſt
es um ſo bemerkenswerter, daß er in radialer Richtung nichts von ſeinen
ſonſtigen Eigentümlichkeiten eingebüßt hat. Denn auf dem Querſchnitt z. B.
durch Eichenmaſerholz unterſcheidet man deutlich die Jahresringe, welche in
ununterbrochenem Verlaufe und parallel untereinander und mit der Oberfläche
des Holzes gelagert ſind, auch überall in ihrem Frühjahrsholze durch die
weiten nadelſtichförmigen Gefäße ausgezeichnet. In den Holzſträng en finden
ſich außer den Gefäßen auch die übrigen normalen Beſtandteile des Holzes,
ſogar normale kleine Markſtrahlen. Die Holzſträuge find (bei der Eiche) auf
6 *
84 II. Abſchnitt: Von den Wunden
dem Querſchnitt an der bräunlichen, die Markſtrahlenmaſſen an der weißlichen
Farbe zu erkennen und man ſieht auf das deutlichſte beide überall in radialer
Anordnung; nur ſind wegen des tangential in allen möglichen Richtungen
ſchiefen Verlaufes beide Gewebe auch in den verſchiedenſten Richtungen durch—
ſchnitten: hier erſcheint der Markſtrahl nur als eine feine weiße Linie, dort
iſt er gerade in der Richtung ſeiner Längsachſe durchſchnitten und ſtellt einen
breiten weißen Streifen dar. Dasſelbe zeigen die Holzſtränge, und die weiten
Gefaͤße find dem entſprechend in allen Richtungen durchſchnitten: hier quer,
dort ſchief, wieder an andrer Stelle ziemlich in ihrer Längsachſe, ſo daß ſie
wie eine feine Furche auf der Schnittfläche erſcheinen. Das Maſerholz iſt alſo
in ſeinem anatomiſchen Baue dem normalen Holze in allen weſentlichen
Punkten gleich, nur mit der Ausnahme, daß die Holzſtränge, wegen der ver—
änderten Beſchaffenheit gewiſſer Markſtrahlen, in tangentialer Richtung anders
orientiert ſind. Oft iſt in ſolchem Holze nirgends eine Spur von Adventiv—
knoſpen oder alten Zweigen zu finden. Die großen Markſtrahlcylinder erweiſen
ſich deutlich als lebendiges, mit den angrenzenden Holzſträngen in organiſcher
Verbindung ſtehendes Markſtrahlgewebe, ihre Zellen ſind ſämtlich während
des Winters überaus reich mit Stärkemehl erfüllt.
Die hier vorgetragene Anſicht, daß Maſerholz auch ohne Beteiligung von
Adventivknoſpen oder ſonſtigen dem Cambium fremden Körpern, nämlich
durch eine bloße vom Cambium ausgehende veränderte Zuſammenſetzung des
Holzes, insbeſondere durch Verbreiterung der Markſtrahlen entſteht, habe ich
ſchon in der erſten Auflage dieſes Buches geltend gemacht. Unter den früheren
Schriftſtellern finde ich nur bei Schacht!) Angaben, welche das Auftreten
von Maſerholz ohne Adventivknoſpen zu beſtätigen ſcheinen; derſelbe erwähnt,
daß an mehrhundertjährigen Tannen und Kaſtanienbäumen „am glatten
Stamme“ die letzten Holzbildungen wunderſchöne Maſern zeigten.
Übergang von Nach dem Vorſtehenden iſt zu erwarten, daß es zwiſchen der normalen
normalem Holz und der maſerigen Beſchaffenheit des Holzes gar keine Grenze giebt. In der
in Maſerholz. That kann man auch alle Übergänge von der einen zu der andern verfolgen.
Wo z. B. das Holz in einen Überwallungswulſt ſich fortſetzt, werden die
Markſtrahlen ganz allmählich kürzer und breiter, und ſo bald ſie ſich etwas
häufen, kommt notwendig der Verlauf der Holzſtränge in Unordnung. Es
iſt unverkennbar, daß dies zuerſt an ſolchen Punkten beginnt, wo es der
wachſenden Holzſchicht in tangentialer Richtung an Raum gebricht und die
Holzfaſern ſich gegenſeitig drängen, alſo beſonders da, wo die Überwallung
eine Falte oder Bucht bildet; daher denn auch vorzüglich zwiſchen Adventiv—
knoſpen. Sobald ein gewiſſer Grad des ſchiefen Verlaufes der Holzfaſern
und der Erweiterung der Markſtrahlen erreicht iſt, ſcheint das Verhältnis bei
weiterem Zuwachs des Holzes ſich noch mehr zu verſtärken. Befördernd in
dieſem Sinne wirkt offenbar die Ungleichheit, mit welcher die Überwallung an
den einzelnen Punkten zu wachſen pflegt, ſowie die fortſchreitende Neigung,
Adventivknoſpen zu bilden, welche namentlich bei großer älterer Uberwallung
ſo häufig ſich zeigt.
Es iſt hiernach auch ſelbſtverſtändlich, daß gemafertes, Holz noch bei
vielen andern Gelegenheiten zu erwarten iſt, die gar nicht zu den Überwallungen,
alſo zu den Wundenheilungen gehören, und alſo auch hier nicht zu erörtern
ſind, nämlich überall da, wo die tangentiale Oberfläche der wachſenden
) Lehrbuch d. Anatomie u. Phyſtol. ꝛc. II. pag. 67.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 85
Holzſchicht keine ebene, ſondern eine ſtark gekrümmte Fläche bilden muß, alſo
vornehmlich bei den verſchiedenartigen, teils durch paraſitäre, teils durch nicht
paraſitäre Einflüſſe hervorgerufenen lokalen Anſchwellungen und Auswüchſen,
bei denen der Holzkörper beteiligt iſt und welche eben wegen der hierbei ein—
tretenden charakteriſtiſchen Holzſtruktur als Maſerknollen oder Maſerkröpfe be—
zeichnet werden. Von dieſen Mißbildungen wird erſt an verſchiedenen ſpäteren
Stellen die Rede ſein können.
5. Verwachſungen von Stämmen, Zweigen und Wurzeln Verwachſungen
miteinander. Als eine Heilung von Wunden iſt auch die organiſche e
Verwachſung zwiſchen zwei Stämmen, Zweigen oder Wurzeln einer und Wurzeln
oder verſchiedener Pflanzen zu betrachten, weil ihr ſtets eine Ver- mit einander
wundung vorausgeht. Ebenſo wie lebloſe fremde Körper in den
Bereich des Dickenwachstums eines Stammes kommen, und dann von
dieſem umwallt werden können, gehen auch Baumſtämme oder Zweige
oder Wurzeln, die durch ihre Nähe zuſammengeraten, mehr oder weniger
feſte Verwachſung mit einander ein. Dieſe findet bald der Länge
nach ſtatt, wenn die betreffenden Teile parallel ſtehen, bald in ſchiefer
Richtung, ja ſelbſt rechtwinkelig, wenn die beiden Teile ſich kreuzen.
So lange die Organe von ihrer Rinde bedeckt ſind, kann keine Ver—
wachſung ſtattfinden. Daher drücken ſie ſich unter ſolchen Umſtänden
wohl in einander ein und verurſachen die Täuſchung, als ſeien ſie
verwachſen, während ſie in Wahrheit nur ſchwach an einander haften
und mit leichter Mühe zu trennen ſind. Wenn aber die Teile ſich
berühren und einen Druck auf einander ausüben, ſo wird durch die
gegenſeitige Reibung die Rinde immer mehr vermindert, bis endlich
die beiderſeitigen Cambiumſchichten zur Vereinigung kommen, und erſt
dann kann Verwachſung eintreten. An den Rändern der Kontaft-
ſtelle tritt gewöhnlich die Rinde ſtärker hervor, ſie bildet zwei durch
eine mehr oder weniger tiefe Furche getrennte erhabene Leiſten, gleichſam
wie durch den Druck gequetſcht und herausgedrückt, was aber wohl
weniger eine mechaniſche Quetſchung, als eine ſtärkere Ernährung in
Folge der Stauung des Nahrungsſaftes ſein möchte. Da die Be—
rührung in der Regel nicht an allen Stellen gleichmäßig erfolgt, ſo
bleiben an der Kontaktfläche auch noch Rindenteile vertrocknet ſtehen.
Ebenſo kann die Cambiumſchicht an ſolchen Stellen, wo die beider—
ſeitigen Holzkörper einander gerade gegenüber ſtehen, wegen Raum—
mangel ſich nicht weiter entwickeln und ſtirbt daſelbſt ab. Daher iſt
auf Querſchnitten die Grenze zwiſchen den beiden Holzkörpern gewöhnlich
auch ſpäter an einigen Reſten alten Gewebes noch zu erkennen. Eine
fortbildungsfähige Verwachſung findet aber da ſtatt, wo an den
Rändern der Kontaktfläche die beiderſeitigen Cambiumſchichten auf
einander treffen. Hier vereinigen ſie ſich zu einer Schicht, welche nun
x us
0 4
*
* 1
- 5
86 II. Abſchnitt: Von den Wunden
die beiden Holzkörper zuſammen umgiebt. Von nun an legt ſich
jährlich ein gemeinſamer Holzring um beide. Zunächſt iſt derſelbe nicht
kreisförmig, denn wegen des Winkels, den beide Stämme an der Seite
ihrer Kontaktfläche bilden, beſchreibt er daſelbſt eine Einbuchtung, die
aber von Jahr zu Jahr ſich mehr ausgleicht. Nach langer Zeit iſt
aus beiden ein Stamm mit kreisförmigen einfachen äußeren Jahres—
ringen geworden; auf dem Durchſchnitte zeigt er ſeinen Urſprung aus
zweien an den beiden eingeſchachtelten Holzkörpern mit je beſonderen
Markceentren und Jahresringen. Es iſt hiernach leicht erklärlich, warum
Stämme mit ſtarker Borkebildung weniger leicht verwachſen als glatt—
rindige. Sehr bemerkenswert aber iſt der Einfluß der natürlichen Ver—
wandtſchaft. Nach Göppert's)) beſtimmter Behauptung, gegenüber
den mancherlei gegenteiligen Angaben?, die er als Täuſchungen be—
zeichnet, findet zwiſchen Stämmen verſchiedener Pflanzenfamilien keine
Verwachſung ſtatt und ebenſo wenig zwiſchen Stämmen zweier ver—
ſchiedener Arten, mit alleiniger Ausnahme der Fichte und Tanne.
Gelegenheit zu Verwachſungen von Stämmen und Aſten iſt beſonders
in dichten Hecken und Lauben gegeben; ferner verwachſen junge
Baumſtämme, welche dicht beiſammen ſtehen, im Laufe der Zeit nicht
ſelten miteinander. Zwiſchen Baumwurzeln im Boden finden die
häufigſten Verwachſungen und zwar in allen möglichen Richtungen
ſtatt; auch bei ihnen geſchieht die Verwachſung durch die miteinander
in Berührung kommenden beiderſeitigen Cambiumſchichten. Eine
andre Art von Wurzelverwachſung hat Franke) bei Epheu und
Hoya carnosa beſchrieben: nebeneinander befindliche Wurzeln ver—
ſchmelzen mit ihren papillenartig auswachſenden Epidermiszellen; ſpäter
entwickelt ſich die Rinde und das Cambium an der Berührungsſtelle
nicht weiter, aber am Rande verſchmelzen die Cambiumſchichten zu
einer gemeinſamen, beide Wurzeln umfaſſenden Schicht. — Von der
Verwachſung, welche an den Durchſchnitten durch einen und denſelben
Pflanzenteil eintritt, iſt oben S. 66 die Rede geweſen.
Eine reiche Zuſammenſtellung von Angaben über Verwachſungen lebender
Pflanzenteile findet man bei Moquin-Tandon). Es ſei davon hier nur
folgendes hervorgehoben. Auch krautartige Teile ſind unter ſich verwachſen
gefunden worden, ſo z. B. zwei Möhrenwurzeln, oder die Wurzel einer Möhre
und einer Runkelrübe; eine Wurzel von Silybum marianum, von einem dünnen
Grashalme durchſetzt, beſtand aus einer Haupt- und einer Nebenwurzel, welche,
nachdem ſie den Halm zwiſchen ſich gefaßt hatten, mit einander verwachſen waren;
) Über innere Vorgänge bei dem Veredeln. Kaſſel 1874, pag. 15.
2) Vergl. auch Moquin-Tandon, Pflanzen-Teratologie, pag. 277.
3) Cohn's Beiträge zur Biologie d. Pfl. III, Heft 3.
) 1. c. pag. 268 — 279.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 87
zwei Ranunkelſtengel mit einander verwachſen und zwiſchen ihnen ein Schaft
der Maastiebe hervorſproßend. In dieſen und einigen andern dort angeführten,
ihrer Glaubwürdigkeit nach zweifelhafteren Fällen iſt nichts darüber mitgeteilt,
welcher Art die Verwachſung war und ob dabei eine wirklich organiſche Ver—
einigung der beiderſeitigen Organe ſtattgefunden hatte oder ob die Erſcheinung
mehr derjenigen an die Seite zu ſtellen iſt, die bei fleiſchigen Hymenomyceten
allgemein bekannt iſt, welche fremde Körper, wie Kiefernadeln, Grashalme,
Zweigſtücke ꝛc. umwachſen und einhüllen. Ebenſo möchte, wenn Samen in
Baumhöhlen keimen und dann Stengel einer fremden Pflanze aus dem Baume
hervorwachſen und ſich immer mehr mit ihm verbinden, gewöhnlich wohl an
keine organiſche Vereinigung zu denken ſein. Die bemerkenswerteſten Fälle
des Verwachſens holziger Pflanzenteile ſind folgende. Mehrfache Bäume ent—
ſtehen entweder aus einer Verwachſung mehrerer beſonderer nahe beiſammen
ſtehender Stämme. So eine Eiche in den Ardennen („lArbre des quatre
fils d'Aymon“), deren 7 m 33 em im Umfang meſſender Stamm aus
4 dicken Stämmen zuſammengeſetzt iſt, die durch Annäherung etwa 3 Meter
lang zuſammengewachſen ſind. Sorauer) beſchreibt zwei mit den Stämmen
in mittlerer Höhe verwachſene Kiefern, deren eine dann bis zu ihren Wurzeln
abgeſtorben, von dem andern Stamme ernährt wird. Oder aus der Ver—
wachſung eines alten Stammes mit mehreren Schößlingen, wie man einen
Kaſtanienbaum auf dem Atna („Castagno di cento cavalli“) erklärt, deſſen
Stammumfang 58 Meter beträgt. Zwei Stämme können auch mittelſt eines
quergehenden Aſtes des einen Stammes mit einander verwachſen. Bei den
um Baumſtämme geſchlungenen Lianen können die Verzweigungen unter ſich,
wo ſie ſich begegnen, ſo vielfach verwachſen, daß ſie ein netzförmig durch—
brochenes Gehäuſe um den Stamm bilden. Auch Baumwurzeln hat man
unter einander zu einem großen Netz verwachſen gefunden.
Ein hieran ſich ſchließender Heilungsprozeß iſt die Verwachſung Verwachſungen
zwiſchen dem Auge oder dem Pfropfreis und dem Wildling beim Veredeln.
beim Veredeln. Auch dieſe Verwachſungen beruhen allgemein darauf,
daß die Cambiumſchichten der beiden Teile mit einander in Berührung
gebracht werden und ſich danach in organiſche Kontinuität ſetzen, was
zur notwendigen Folge hat, daß auch die dann ſich bildenden Holz-
und Rindenſchichten beider Teile im Zuſammenhange ſtehen, ſomit der
Impfling wie ein Zweig des Wildlings ſich verhält. Alle Veredelungs—
arten, die wir mit Erfolg anwenden, das Okulieren, das Pfropfen in
die Rinde, das Pfropfen in den Spalt und die Kopulation, kommen
darin überein, daß Cambium mit Cambium, Splint mit Splint und
Rinde mit Rinde zuſammentreffen. Die hierbei ſtattfindenden Vorgänge
find von Göppert?) und noch eingehender von Sorauerz) unterſucht
worden. Beim Okulieren und Pfropfen in die Rinde hebt man
die Rinde des Wildlings ab; auf dem entblößten Holzkörper desſelben
1) Pflanzenkrankheiten, 2. Aufl. I, pag. 698.
2) J. c. pag. 2. ff., ſowie bereits in der Schrift Über das Überwallen
der Tannenſtöcke. Bonn 1841, pag. 21.
3) Bot. Zeitg. 1875, pag. 202.
88 II. Abſchnitt: Von den Wunden
wird derſelbe Vorgang eingeleitet, wie bei der Neuberindung von
Schälwunden, vorausgeſetzt, daß bei der Operation nicht die Cambium—
ſchicht zerſtört worden iſt. Es entwickelt ſich aus dieſer ein paren—
chymatiſches Gewebe. Dasſelbe geſchieht auch in den Winkeln der
abgehobenen Rindenlappen und auf der Innenſeite dieſer. Dieſes Ge—
webe verholzt und beſteht dann aus dickwandigen, getüpfelten, unregel—
mäßig polyedriſchen Zellen, etwa von der Größe der Markſtrahlenzellen
und iſt gleich dieſen mit Stärkemehl verſehen. Dieſes intermediäre
Gewebe Göppert's, oder Kittgewebe Sorauer's füllt die
Zwiſchenräume zwiſchen den abgehobenen Rindenlappen und zwiſchen
dem Holze des Wildlings und des Edelreiſes aus und ſtellt die dauernde
Verbindungsſchicht zwiſchen beiden dar. Das Cambium des Edelreiſes
bildet an den Rändern der Schnittfläche normale Überwallungen, und
Rinde, Cambium und Holz der Überwallung ſetzen ſich nun mit den
gleichnamigen Geweben des Rindenlappens in Verbindung. Denn
der letztere enthält eine thätig gebliebene cambiale Schicht, welche die
Fortſetzung des Cambiumringes von dem unverletzten Teile des Wildlings
iſt; dieſelbe erzeugt nach der Bildung des intermediären Gewebes
wieder normal gebautes Holz. Auf dieſe Weiſe wird wieder ein ge—
ſchloſſener Cambiumring um den ganzen Stamm ſamt Edelreis her—
geſtellt. Über der Veredelungsſtelle ſchneidet man den Wildling ab.
Dieſe Schnittfläche verheilt durch Überwallung, die ſowohl vom Wildling
wie vom erſtarkenden Edelreis ausgeht. Bei der Kopulation erfolgt
die Heilung der ſich genau deckenden beiderſeitigen Wundflächen durch
Überwallungen, die mit einander verſchmelzen. Das Gleiche gilt vom
Pfropfen in den Spalt. In dieſen beiden Fällen drängt ſich die
Überwallung, anfänglich in Form von intermediärem Gewebe, in den
Spalt der Wundflächen ein, ohne jedoch mit dieſen zu verwachſen;
dasſelbe vertrocknet ſpäter und iſt noch in den älteſten Stämmen in
Geſtalt einer ſchwarzen Linie wahrzunehmen. An der Vereinigungs⸗
ſtelle von Edelreis und Wildling erleiden die Cambiumſchichten bei
allen Veredelungsarten eine leichte Biegung, die ſich den nächſtfolgenden
Holzlagen mitteilt und ſich durch den ganzen Stamm fortſetzt. In
älteren Stämmen erſcheinen auch Pfropfreis und Wildling durch eine
verſchiedene Färbung geſchieden. Dieſer inneren Demarkationslinie
entſpricht auch eine äußere, welche genau in der Richtung jener auf
der Außenſeite der vereinigten Stämme ſich befindet und durch ab—
weichende Rindenbildung, ſowie auch wohl durch verſchiedene Stärke
der beiden Stämme ſich kenntlich macht; denn die letzteren behalten
mit ihren übrigen Eigentümlichkeiten auch die ihnen eigene verſchiedene
Wachstumsintenſität bei. Zum Gelingen der Veredelung iſt nach
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 89
Vorſtehendem erforderlich, daß das cambiale Gewebe der beiden Teile
nicht zerſtört wird; es muß alſo jede Berührung der zum Verwachſen
beſtimmten Schnittflächen vermieden werden. Auch iſt es begreiflicher—
weiſe vorteilhaft, möglichſt kleine Schnitte zu machen und wenig
umfangreiche Zweige oder Stämme zu wählen.
6. Regeneration eines Vegetationspunktes aus Callus.
Das höchſte, was ein nach Verwundung entſtandenes Callusgewebe
zu erzeugen vermag, iſt ein neuer Vegetationspunkt, durch welchen
eine Wurzel oder ein Stengel, wenn ſie den ihrigen durch eine
Verwundung verloren haben, weiter zu wachſen fähig werden. Solcher
Fälle ſind aber nur wenige bekannt.
An den Wurzeln der Angioſpermen (beobachtet am Mais und an Legu—
minoſen; die Koniferen ſcheinen deſſen nicht fähig zu ſein) tritt nach Prantly,
wenn die Wurzelſpitze abgeſchnitten worden iſt, eine vollſtändige Regeneration
des Vegetationspunktes ein, durch den die Wurzel wieder weiter zu wachſen
fähig wird. Iſt der Schnitt ſehr nahe hinter der Spitze gemacht worden,
dort, wo die bogige Anordnung der Zellen des Vegationspunktes in die gerade
übergeht, ſo bildet ſich zunächſt aus allen Zellen der Schnittfläche in der ge—
wöhnlichen Weiſe ein Callus. Dieſer hat die Form einer Kugelſchale, weil
das Wachstum der Zellen von der Epidermis nach dem centralen Fibrovaſal—
körper hin zunimmt. Die Abſtammung des Callus aus allen Geweben zeigt
ſich hier deshalb beſonders deutlich, weil die Zellen der Wurzel in Längs—
reihen geordnet ſind und die Zellreihen des Callus die unmittelbare Fort—
ſetzung derſelben bilden. In einem zweiten Stadium differenziert ſich in
dieſem Callus eine neue Epidermis, indem von außen beginnend in jeder
Zellreihe eine Zelle in der für die Epidermiszellen charakteriſtiſchen Weiſe ſich
ausbildet und von nun an durch radiale Wände ſich teilt. Die neue Epidermis
ſtammt ſonach aus allen einzelnen Geweben des alten Wurzelkörpers. Der
außerhalb der neuen Epidermis liegende Teil des Callus fungiert als Wurzel—
haube. Die Regeneration des Vegetationspunktes errei dt nun ihre Vollſtändig—
keit dadurch, daß die unter der neuen Epidermis liegenden Zellen durch
Teilungen ſich vermehren, ſo daß nun Rinde und Fibrovaſalkörper aus ihren
gleichnamigen Geweben ebenfalls regeneriert werden. Während dieſes Heilungs—
prozeſſes geht das Längenwachstum der Wurzel ungeſtört fort, ſoweit es auf der
Streckung und Teilung derjenigen Zellen beruht, die der wachſenden Region
des Wurzelkörpers angehören, welche hierbei unverſehrt geblieben iſt. Wenn
aber die Wurzelſpitze etwas weiter hinter dem Scheitel quer abgeſchnitten wird,
ſo findet dieſe Längsſtreckung nicht ſtatt, indem die Zellen der Rinde hinter
dem Schnitt in Dauergewebe übergehen. Damit hängt es auch zuſammen,
daß in dieſem Falle die Regeneration des Vegetationspunktes in einer andern
Weiſe erfolgt. Es wächſt nämlich nur aus dem Procambium des Fibrovaſal—
körpers ein fortbildungsfähiger Callus hervor, in welchem ſich dann in der—
ſelben Weiſe ein neuer Vegetationspunkt conſtituiert; das übrige Gewebe der
Schnittfläche bildet nur unbedeutend Callus. Durch dieſelben Prozeſſe findet
) Unterſuchungen über die Regeneration des Vegetationspunktes an
Angioſpermenwurzeln, in Sachs' Arbeiten des bot. Inſt. Würzburg. Heft IV.
Regeneration
eines Vege⸗
tationspunktes
aus Callus.
90 II. Abſchnitt: Von den Wunden
auch bei längsgeſpaltenen Wurzeln Heilung ſtatt, indem beide Längshälften
zu je einer neuen vollſtändigen Wurzelſpitze werden. Wenn endlich der Quer—
ſchnitt noch weiter hinter dem Scheitel geführt iſt, ſo entſteht aus der Rinde
nur ein Callus, der die Wunde überzieht und in Dauergewebe übergeht, und
es tritt überhaupt keine Regeneration ein.
Eine ähnliche Regeneration an verwundeten Vegetationspunkten von
Stengeln iſt von Sachs!) beobachtet worden an einem jungen Köpfchen von
Helianthus annuus, deſſen breite Achſe am Scheitel verletzt worden war. In—
folge deſſen hatte ſie dort aufgehört weiter zu wachſen, aber in einer Zone
unterhalb dieſer Stelle hatte ſich gleichſam ein ringförmiger Vegetationspunkt
conſtituiert, indem hier weiter neue Deckblätter und Blüten angelegt wurden,
ſo daß ſie alſo an dem darüber liegenden Scheitel in der Richtung von oben
nach unten entſtanden, wobei zugleich die gegenſeitige Stellung von Deckblatt
und Blüte die entgegengeſetzte von der des normalen Teiles des Blütenſtandes
war (die Deckblätter ſtanden oberhalb ihrer zugehörigen Blüten).
C. Neproduktionen neuer Glieder,
nach Verluſt von Wurzeln, Stengeln oder Blättern.
Begriff der Die Pflanzen beſitzen im allgemeinen eine große Fähigkeit, ganze
Reproduttionen Flieder, wie Wurzeln, Stengel, Blätter, durch neue zu erſetzen, wenn
ihnen ſolche verloren gegangen ſind. Alle dieſe Neubildungen bezeichnen
die Praktiker mit dem Namen Reproduktionen, und es kann auch
wiſſenſchaftlich die Bezeichnung beibehalten werden. Nur darf man
ſich darunter keine eigentlichen Regenerationen vorſtellen, wie etwa bei
gewiſſen Amphibien, deren Gliedmaßen nach Verſtümmelung ſich wieder
vervollſtändigen; etwas damit Vergleichbares wären höchſtens die vorher
beſprochenen Regenerationen von Vegetationspunkten an Stelle verloren
gegangener bei Wurzeln und Stengeln. Wenn aber nach ſtärkerem
Verluſte von Wurzeln, Zweigen oder Blättern eine Bildung neuer
Wurzeln oder Sproſſen eintritt, ſo handelt es ſich immer um vollſtändig
neue Glieder, die entweder aus ſchon vorher vorhandenen Anlagen
ſich entwickeln, oder deren Anlagen infolge der Verwundung in der
Nähe der Wundſtelle gebildet werden.
I. Erſatz der Wurzeln.
Adventivwurzeln. Die meiſten Pflanzen erzeugen im Falle des Bedarfes, d. h.
beſonders bei hochgradigem oder gänzlichem Verluſte ihrer Wurzeln,
meiſt leicht neue. Man bezeichnet dieſelben als Adventivwurzeln,
weil ſie an Pflanzenteilen und an Stellen erſcheinen, wo ſonſt keine
gebildet worden ſein würden, alſo wie neu hinzugekommene Bildungen.
Auch dieſe entſtehen, wie der Regel nach die Wurzeln überhaupt,
endogen, d. h. aus einem im Innern liegenden Meriſtem und durch—
) Lehrb. d. Botanik. 4. Aufl. pag. 174. Fig. 126.
2 Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 91
q brechen alſo die oberflächlichen Gewebe. Aus welchen Gewebeſchichten
N ſich überhaupt Wurzelmeriſteme bilden können, iſt eine mehr in die
Morphologie gehörige Frage)).
Hierhin gehört zuerſt die Bewurzelung der Stecklinge. An Bewurzelung
allen Pflanzenteilen, die man als Stecklinge benutzt, ſind die erſten der Stecklinge.
Organe, welche ſich an ihnen bilden, Adventivwurzeln. Dieſelben
erſcheinen einige Zeit, nachdem der Steckling in die Erde oder in
Waſſer geſetzt worden iſt, an dem in dem feuchten Medium ſich
befindenden Ende, und zwar in mehr oder minder großer Anzahl,
oberhalb der Schnittfläche, wo ſie aus der Rinde hervorbrechen; denn
| ſie entſtehen nicht in dem Gallus, mit welchem ſich die Schnittfläche
f bedeckt (S. 68), ſondern aus dem Cambium oberhalb jener Stelle.
Dabei iſt es jedoch, wie wir durch die Verſuche Vöchting's? wiſſen,
eine ganz ſtrenge Regel, daß nur das organiſch untere Ende eines
jeden als Steckling benutzten Sproßſtückes der Wurzelbildung fähig
iſt. Denn auch wenn man abgeſchnittene Stengel mit beiden Enden
in feuchten Erdboden oder in Waſſer ſetzt, ſo bringt regelmäßig nur
das organiſch untere Ende Adventivwurzeln zur Entwicklung. Es iſt
daher für das Gelingen der Vermehrung durch Stecklinge eine wichtige
Bedingung, daß die letzteren aufrecht, d. h. mit dem organiſch unteren
Ende in den Boden geſteckt werden.
Wenn an bereits im Boden eingewurzelten Pflanzen das Wurzel- Wurzelerſatz
ſyſtem einen Verluſt erleidet, jo tritt ſowohl bei Holzpflanzen wie bei alter Pflanzen.
krautartigen Gewächſen meiſt leicht eine Reproduktion von Wurzeln
ein, welche dann etwas oberhalb der Stelle, wo die Hauptwurzel oder
eine Seitenwurzel verloren gegangen iſt, hervorkommen. Es iſt das
überall zu beobachten, mag die Wurzel durch Menſchenhand verloren
oder durch Tiere abgebiſſen oder zerfreſſen oder durch einen Krankheits—
prozeß zerſtört worden ſein. Selbſt die unteren Teile der Stengel, die
ſich in der Nähe des Bodens befinden, und beſonders die normal
unterirdiſch wachſenden Stengelorgane der perennierenden Pflanzen, bei |
Gramineen die Knoten der am oder im Boden befindlichen unteren
Halmglieder reproduziren leicht Adventivwurzeln, wenn das Wurzel—
ſyſtem der Pflanze beſchädigt worden iſt.
II. Erſatz der Knoſpen und Zweige.
I. Verhalten der krautartigen Pflanzen. Wenn einjährigeCrias der Zweige |
Pflanzen ihre Stengel verloren haben, jedoch die unteren Teile der bei Kräutern.
letzteren noch erhalten geblieben ſind, ſo ſchlagen dort die Pflanzen
) Vergl. mein Lehrbuch der Botanik II. Leipzig 1893, pag. 50.
) Über Organbildung im Pflanzenreiche. Bonn I. 1878 u. II. 1884.
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92 II. Abſchnitt: Von den Wunden
oft wieder aus, indem die Anlagen ruhender Knoſpen, die ſich in der
Achſel der unterſten Blätter befinden und ſonſt unentwickelt bleiben, in
dieſem Falle zu Seitenſproſſen ſich entwickeln. Wenn daher die Stengel
der Pflanzen durch Abweiden, Abtreten, Abfahren, Abſchneiden u.
dergl. mehr oder minder verloren gegangen ſind, treten die hier
angedeuteten Reproduktionen ein. Die damit verbundenen Erſcheinungen
ſind an einigen Pflanzen von Wollny) näher verfolgt worden.
Er beobachtete, daß wenn Sonnenblumen in ſehr jugendlichem Stadium
geköpft wurden, die Nebenachſen ſich ſehr kräftig ausbildeten, wo—
durch die Pflanzen ein buſchiges Ausſehen, aber geringere Höhe
bekamen. Die vier Wochen ſpäter entgipfelten Pflanzen zeigten eine
weſentlich geringere Entwickelung der Nebenachſen, aber oft unter
ſtärkerer Verdickung des Stengels und der Blattſtiele. Abermals vier
Wochen ſpäter geköpfte Pflanzen machten nur noch ſchwächliche oder
gar keine Nebenachſen und daher auch keine Blüten, aber oft knollen—
förmige Verdickungen in den Blattachſeln, die aus Inflorescenzanlagen
hervorgegangen waren. Jedenfalls trat bei jeder Entgipfelung die
Blütenbildung ſpäter ein und die Fruchtbildung war kümmerlich. Noch
nachteiliger für die Produktion war die Entgipfelung bei Erbſen und
Bohnen. Beim Tabak wirkte das Entgipfeln und Geizen vorteilhaft,
eben weil das Wachstum der Blätter dadurch weſentlich gefördert wird.
Wiederholt ſich die nämliche Verwundung an den neugetriebenen
Sproſſen, jo kann durch die immer erneute Entwickelung von Knſopen
an den unteren Teilen eine Vervielfältigung der Sproſſen verſchiedenen
Grades (Polycladie) zu ſtande kommen, welche mehr oder minder
an die ſogleich zu beſprechenden Beſen und ähnliche Erſcheinungen
bei den Holzpflanzen erinnert.
Auch wenn perennierende Kräuter ihre oberirdiſchen Teile verlieren,
findet gewöhnlich ein reichlicher Erſatz der Stengel ſtatt. Hier ſind
es die Knoſpen des unterirdiſchen Stockes, welche die Reproduktion
übernehmen und ſich dann oft in noch größerer Anzahl entwickeln.
Daher wird nach dem Abſchneiden der oberirdiſchen Triebe in der
Regel die ſogenannte Beſtockung dieſer Pflanzen noch größer. Der
Klee, viele perennierende Gräſer und andre Pflanzen verhalten ſich
ſo, wie man beim Abmähen oder Abweiden dieſer Pflanze beſtätigt
findet. ö
Erſatz der Zweige Verhalten der Holzflanzen. Bei dieſen Gewächſen müſſen wir
bei Holzpflanzen. bezüglich der Reproduktionserſcheinungen den Verluſt der Knoſpen
) Einfluß des Entgipfelns der Pflanzen ꝛc. Forſchungen auf d. Geb.
d. Agrikulturphyſik VIII. Heft 2. 1885. pag. 107.
F
3 | |
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 93
und der ein- und wenigjährigen Zweige von den Verwundungen des
älteren Stamm- und Zweigſyſtems abſondern, weil die Reproduktion
im erſteren Falle faſt immer nur aus normalen Seitenknoſpen
(Achſelknoſpen) erfolgt, alſo
aus ſolchen, welche bei jeder
Pflanzenart eine durch den
morphologiſchen Aufbau feſt—
beſtimmte Stellung haben,
während bei den Verwun—
dungen älterer Teile vor—
wiegend nur Adventivknoſpen,
alſo endogen in Cambium
ohne beſtimmte Zahl und
Stellung ſich bildende Knoſpen,
die Reproduktion übernehmen.
1. Reproduktionen
nach Verluſt von Knoſpen
oder jüngeren Zweigen.
Unter den hier gemeinten
Verwundungen ſind beſonders
diejenigen zu verſtehen, welche
durch den künſtlichen Schnitt,
durch das Verbeißen des
Wildes und der Weidetiere,
ſowie durch verſchiedene In—
ſekten, welche Knoſpen und
dünnere Zweige zerſtören, an
den Holzpflanzen hervorge—
bracht werden. Wenn an
Bäumen oder Sträuchern
Fig. 17.
RNüſter, Bildung von Erſatztrieben aus
ſolche Verletzungen eintreten,
ſo ſind unter der Wundſtelle
immer irgendwo normale
Achſelknoſpen ſchon vorhanden
oder es giebt daſelbſt Blätter,
welche in ihren Achſeln
nachträglich ſolche erzeugen
untern Seitenknoſpen, nach wiederholtem
Verbeißen durch Wild. aaa Hauptſproß.
bb Zweig, beide in den obern Teilen ab»
gebiſſen gleich den Erſatztrieben. Die Biß—
ſtellen liegen zum Teil in größerer Höhe,
daher in der Figur nicht dargeſtellt. Die
Erſatztriebe ſind alle aus den unterſten
Seitenknoſpen entwickelt worden, deren noch
welche bei g vorhanden find.
oder die ſonſt unentwickelt bleibenden Anlagen ſolcher zur voll—
ſtändigen Ausbildung bringen können. Dieſe Knoſpen ſind es,
welche dann zu treiben beginnen und zum Erſatz des verloren
gegangenen Sproſſes neue Triebe (Erſatztriebe) machen. Schon
Erſatztriebe
an jüngeren
Zweigen.
94 II. Abſchnitt: Von den Wunden
der Umſtand, daß es häufig mehr als eine Knoſpe iſt, die unterhalb
eines Zweigſtumpfes geweckt wird, hat eine Vermehrung der Zweige
zur Folge. Selbſtverſtändlich kann in der Gartenkunſt durch die
—
Fig. 18.
Eſche, Bildung von Erſatztrieben aus
Beiknoſpen, nach Verbeißen durch Wild,
a, ein normaler Achſelſproß, b, deſſen nor-
mal unentwickelt bleibende Beiknoſpe. Bei
aa die Achſelſproſſe gleich dem Hauptſproß
abgebiſſen, dafür die Beiknoſpen derſelben
bb zu Erſatztrieben entwickelt. Bei e eine
Sekundärknoſpe.
Willkür des Schnittes dem
entgegengearbeitet werden,
wenn der Zweig bis auf eine
Knoſpe zurückgeſchnitten wird
oder wenn man ihn gerade
A über einer kräftigen Knoſpe
gabſchneidet oder einknickt,
wodurch die letztere allein zu
üppiger Entwickelung ange—
regt wird. Wenn nun aber
an den Erſatztrieben die Ver—
ſtümmelungen ſich wieder—
holen, wie z. B. beim Hecken—
ſchnitt und ganz beſonders
beim Verbeißen des Wildes
und des Viehes, welches ge—
rade die Gewohnheit zu
haben ſcheint, die einmal
verbeizten Büſche immer wie—
der aufzuſuchen, ſo hat das
eine Vervielfältigung von
Sproſſen verſchiedenen Grades
oder eine Polycladie zur
Folge, wie dieſe Erſcheinung im
allgemeinen bezeichnet werden
kann, deren höchſte Grade wohl
auch Zweigwucherungen
oder Beſen genannt werden.
Die hierher gehörigen Poly—
cladien ſind ſämtlich daran
zu erkennen, daß immer die
Bruchſtellen der verloren ge—
gangenen Zweige oder die noch
ſtehen gebliebenen Stumpfe derſelben zu ſehen ſind. Die aus mehrmaliger
Wiederholung der Verſtümmelung hervorgegangenen zeigen eine unge—
wöhnlich große Anzahl verſchiedenalteriger, von einem Punkte oder von
nahe bei einander befindlichen Punkten entſpringende Zweige und Zweig⸗
ſtumpfe, die an ihrer Baſis immer wieder ausſchlagen. Wie nundieſe Zweig⸗
K
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 95
wucherungen entſtehen, darüber geben die morphologiſchen Verhältniſſe
der Sproſſe der verſchiedenen Holzpflanzen Aufſchluß. Zugleich verdient
auch Berückſichtigung, daß die Erſatztriebe ſelbſt bisweilen gewiſſe
morphologiſche Abnormitäten zeigen. Es ſollen im Folgenden die
wichtigſten Formen dieſer Reproduktionen kurz charakteriſiert werden.
a) Nur die normalen Achſelknoſpen der unterſten erſten Laubblätter
an der Baſis des Sproſſes werden nach deſſen Verſtümmelung zu
Erſatztrieben entwickelt. Dieſe Knoſpen ſind bei den meiſten Laub—
hölzern von den übrigen durch auffallend geringere Größe und ſchwächere
Entwickelungsfähigkeit unterſchieden, indem ſie unter gewöhnlichen
Verhältniſſen im Knoſpenzuſtand verbleiben und nicht zum Austrieb
kommen, ſogenannte ſchlafende Knoſpen. Darum findet man ſie
unter normalen Verhältniſſen meiſtens auch noch auf der Baſis des zwei—
und ſelbſt mehrjährigen Triebes, und erſt im ſpäteren Alter verſchwinden
ſie. Als Beiſpiel für dieſe Reproduktion kann die Rüſter dienen.
Nach Verbeißen durch das Wild werden hier dieſe ſchlafenden Knoſpen
geweckt und zu neuen Trieben entwickelt, wie Fig. 17 zeigt. Übrigens
gehören auch die meiſten anderen Laubhölzer zu dieſem Typus. Nach
ſtarkem und wiederholtem Verbeißen können wohl hier überall auch
einige der unter d genannten Secundärknoſpen zur Entwickelung
kommen.
b) Die Erſatztriebe werden außer aus Achſelknoſpen auch aus
Beiknoſpen (acceſſoriſchen Knoſpen) oder aus dieſen allein
gebildet. Solche Knoſpen kommen neben der eigentlichen größeren
Achſelknoſpe in den Blattachſeln vor bekanntlich bei Lonicera, wo ſie
über, bei Fraxinus excelsior ?c., wo ſie unter den Achſelknoſpen ſtehen.
An der Stellung der Erſatztriebe, die ſich hier nach Verbeißen u. dergl.
bilden, erkennt man deutlich die eben bezeichnete Herkunft derſelben
(vergl. Fig. 18).
c) Die Reproduktion geſchieht vermittelſt der von Henry Secun—
därknoſpen, von Schimper Säumaugen genannten kleinen
Knoſpen, welche bei manchen Holzpflanzen normal in der Achſel der
unterſten Schuppen der Knoſpen ſich bilden und daher an der Baſis
der letzteren entweder freiſtehend oder noch von der vorhandenen
Knoſpenſchuppe bedeckt ſichtbar ſind. So befindet ſich bei den Weiden—
arten, ſehr deutlich z. B. bei Salix purpurea, rechts und links von
der Narbe des Tragblattes eine kleine Secundärknoſpe unmittelbar
hinter den beiden verwachſenen Knoſpenſchuppen als Achſelprodukt
derſelben. Im normalen Zuſtande bleiben ſie unterdrückt, werden
aber geweckt, wenn der Zweig, an dem ſie ſtehen, oder auch wenn der
Hauptſproß über dieſem Zweige verſtümmelt wird. Fig. 19 zeigt die
96 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Reproduktion aus dieſen Knoſpen an der auf Wieſen wachſenden
Salix repens, welche von der Senſe bei der Heuernte verſtümmelt
worden iſt.
d) Knoſpen, die ihrem morphologiſchen Charakter nach ebenfalls
Secundärknoſpen genannt werden können, die aber unter normalen
Verhältniſſen gar nicht vorhanden ſind, werden erſt infolge der
Verſtümmelung angelegt und dann zur Triebbildung benutzt. Für den
Morphologen bedarf es nicht
erſt des Hinweiſes, daß dieſer
Fall vom vorigen ſich durch
keine ſcharfe Grenze trennen
läßt, da der Vegetationspunkt
9 Zi einer Achſelknoſpe jedenfalls
ſchon frühzeitig angelegt ſein
A muß; und der Unterſchied des
vorliegenden Falles würde nur
darin beſtehen, daß hier dieſe
Weide, Bild Fig. an ſatztrieb R Vegetationspunkte unter nor—
eide ung von Erſatztrieben au vorhin ;
Sekundärknoſpen. 4 Stück eines Zweiges malen Verhältniſſen auf ihrer
von Salix purpurea. a Hauptſproß, b Zweig, erſten Anlage ſtehen bleiben
= pre Sali „
en -
schnitten und zwar ſowohl der Hauptſproß a, wirklichen Knoſpen erſt durch
eee ee Solche Sen
f ER 0 | olche Secundärknoſpen ent
einer ſolchen Knoſpe getrieben hat. wickelt beſonders dieczichte nge
dem Schnitt und nach Verbeißen. Bekanntlich haben die Fichtenſproſſe unter
der Terminalknoſpe in den Achſeln der oberſten Nadeln Achſelknoſpen,
welche ungefähr einen Quirl bilden an kräftigen Sproſſen, an ſchwächeren
Trieben nur in der Ein- oder Zweizahl vorhanden ſind (Fig. 20, B)
oder ganz fehlen. Wenn die Knoſpen oder die aus ihnen hervor—
gegangenen Triebe verſtümmelt ſind, ſo erſcheinen Erſatzknoſpen aus
den Achſeln der Knoſpenſchuppen, welche die Baſis ſowohl des
Endtriebes wie der Quirltriebe umſäumen. Der aus der Geſammtheit
der Knospenſchuppen beſtehende manſchettenförmige Schuppenanſatz,
über welchem im normalen Zuſtande nur der Sproß ſelbſt ſich erhebt,
umfaßt nach Verluſt des letzteren mehrere Knoſpen, die alle entwickelungs—
fähig ſind. So kommt das abnorme Verhältnis zu ſtande, daß der
Hauptſproß einen Quirl von Seitenknoſpen über dem Schuppenanſatze
trägt, während der normale Knoſpenquirl ſtets unter demſelben ſteht.
Wenn im nächſten Jahre die aus den Erſatzknoſpen entwickelten Triebe
wieder verſtümmelt werden, ſo wird aus der Schuppenmanſchette, mit
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2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 97
der jene am Grunde beginnen, wieder eine Anzahl Knoſpen in der—
ſelben Weiſe gebildet. So kann ſchließlich der primäre Schuppenanſatz
ein ganzes Bouquet von Knoſpen und Zweigſtummeln umfaſſen.
Den Anfang zu einer ſolchen
Bildung ſtellt Fig. 20 A dar.
Bei der Entwickelung dieſer
ſecundären Knoſpen iſt auch
Gelegenheit zur Bildung eigen—
tümlicher Übergänge zwiſchen
Knoſpenſchuppen und Nadeln
gegeben. Denn die Knoſpen
treiben zuweilen gleich an—
fangs ein wenig, indem ſie
einige ganz kurze, breite,
einen oder wenige Millimeter
lange grüne Nadeln auf die
Knoſpenſchuppen folgen laſſen,
um jedoch bald wieder mit
Knoſpenſchuppenabzuſchließen.
e) In beſonderer Weiſe
verhält ſich, ihres eigentüm—
lichen morphologiſchen Auf—
baues wegen, die Kiefer. Hier
Fig. 20.
Fichte, Bildung von Erſatztrieben aus
Sekundärknoſpen nach Verbeißen durch
Wild (A). Der Haupttrieb abgebiſſen,
dafür über dem Schuppenanſatze à drei
Sekundärknoſpen bb gebildet und zu Erſatz⸗
trieben entwickelt; letztere wieder abgebiſſen,
dafür aus ihrem Schuppenanſatz b wieder
Sekundärknoſpen ggg gebildet. B normaler
Fichtenſproß, welcher unter dem Schuppen⸗
anſatz der Endknoſpe a die normalen Seiten⸗
knoſpen bb trägt.
kann jedes der Nadelzweiglein,
welche von häutigen Scheiden umhüllt je ein Nadelpaar tragen, eine
Knoſpe zwiſchen den beiden Nadeln bilden aus dem dort befindlichen
Vegetationspunkte des Zweigleins, welcher unter normalen Verhältniſſen
ruhend bleibt. Dieſe Knoſpen nennt man Scheidenknoſpen (Fig. 21).
Iſt ein Kiefernſproß verſtümmelt, ſo können aus einem oder mehreren
unter der Wunde ſtehenden Nadelzweiglein Scheidenknoſpen hervor—
kommen, welche zu neuen Trieben auszuwachſen vermögen. Wenn
z. B. durch Inſekten die Nadeln zum Teil abgefreſſen find, wird
die Bildung der Scheidenknoſpen, jo lange die Zweiglein ſelbſt
unverletzt ſind, nicht verhindert, im Gegenteil dadurch noch mehr
befördert. Auch die Seitenknoſpen, die ſich normal an den Seiten
der Kiefernſproſſen ſtellenweis finden und gleich denen, die den Quirl
unter der Endknoſpe bilden, an der Stelle von Nadelzweiglein
auftreten, aber gewöhnlich viel ſchwächer als jene des Quirls ſich
entwickeln, werden in dieſem Falle mit geweckt. Beiderlei Knoſpen
entwickeln ſich dann in typiſcher Form mit Nadelpaaren, und Zweige,
an denen ſie ſich reichlich gebildet haben, ſind dann oft dicht buſchig
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 7
Einfluß der
Jahreszeit.
Abnorme Blatt-
formen ıc. an
Erſatztrieben.
98 II. Abſchnitt: Von den Wunden
mit ihnen umkleidet. Indeſſen erreichen die Scheidentriebe, auch wenn
ſie unverletzt bleiben, kein hohes Alter; ſie bleiben immer ſchwächlich
und ſterben nach einigen Jahren wieder ab, haben alſo nur eine
proviſoriſche Bedeutung; es ſucht eine nor—
male Seitenkno ſpe den Höhentrieb zu über—
nehmen, denn es kann wahrſcheinlich nur
durch die normalen Gipfel- und quirlſtändigen
Seitenknoſpen der Höhenwuchs und eine feſte,
dauernde Beäſtung bei der Kiefer hergeſtellt
werden.
Hinſichlich der Zeit, in welcher die hier
beſchriebenen Erſatztriebe zur Entwickelung
kommen, iſt Folgendes zu bemerken. Findet
die Verletzung im Herbſt, Winter oder zeitigen
Frühjahr ſtatt, alſo zu einer Zeit, wo der
Zweig mit ſeinen Knoſpen vollſtändige Aus—
bildung erreicht hat, ſo fällt die Entfaltung
der Erſatzknoſpen in die regelmäßige früh—
jährliche Zeit des Knoſpenausſchlags. Wenn
Fig. 21. aber der diesjährige Trieb ſchon im Sommer
Kiefer, Bildung von vecſtümmelt wird, jo können ſeine an der
Scheidenknoſpen infolge Baſis ſchon vorhandenen oder noch anzu—
der Verſtümmelung des
Haupttriebes a. Zwiſchen
den beiden meiſt ab—
geſchnittenen Nadeln jedes
Nadelzweigleins eine
Knoſpe; zum Teil ſind die
Scheidenknoſpen auch ſchon
u einem mit mehreren
Nadeln beſetzten Erſatz—
triebe ausgewachſen.
Nach Ratzeburg.
legenden Erſatzknoſpen auch ſchon in dem—
ſelben Sommer, als ſogenannter Johannis—
trieb oder proleptiſch, wie dies in der Botanik
genannt wird, zum Austreiben kommen.
Für alle hierher gehörigen Polycladien,
und daher beſonders für die durch ſie be—
dingten abnormen Baum- und Strauch—
formen, von denen unten näher die Rede
iſt, iſt es charakteriſtiſch, daß die Blätter
an den Erſatztrieben meiſtens mehr oder minder kleiner ſind als die
normalen, ohne jedoch ſonſt in der typiſchen Geſtalt weſentliche
Abweichungen zu zeigen. Dies iſt ſowohl bei den Laubhölzern als
auch bei den Nadelbäumen der Fall. Unter den letzteren macht ſich
an den Erſatztrieben meiſtens eine Kurznadligkeit bemerkbar, jo bei
der Kiefer und namentlich bei der Fichte, wo die Nadeln in ihrer
Kleinheit an diejenigen der Krüppelſträucher an der Baumgrenze der
Gebirge erinnern und ſo dicht an den Zweigen ſtehen, daß dieſe wie
Bürſten ausſehen (Bürſtentriebe). Aber dieſe Verkleinerung der Blätter
und Nadeln ſteht immer mit der Kümmerlichkeit der Erſatztriebe im
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1
1
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2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 99
Zuſammenhange, und dieſe hängt wieder mit der vermehrten Anzahl,
in der dieſe Triebe gebildet werden, zuſammen; im ganzen darf man
um ſo kümmerlichere Erſatztriebe erwarten, in je größerer Zahl ſie
gebildet werden, indem die Nahrung, die ſie erhalten, ſich dann auf
deſto mehr Blätter verteilt. Daher kann auch unter Umſtänden nach Ver—
ſtümmelung das Gegenteil eintreten, wenn nämlich eine einzige, kräftige,
entwickelungsfähige, normale Knoſpe oder ein Trieb ſtehen geblieben
iſt, der dann die ganze Nahrung an ſich zieht, ſo erreicht derſelbe
leicht eine geile Entwickelung. Die Blätter eines ſolchen Triebes
werden oft ungewöhnlich groß, oder es treten noch andere teratologiſche
Erſcheinungen ein, z. B. bei der Kiefer, wo dann manche Nadelzweiglein
drei ſtatt zwei Nadeln tragen. Auch Scheidenknoſpen kommen dann
leicht hinzu; ſie ſind bei Rieſennadeln und bei Dreinadeligkeit
der Kiefer nichts ſeltenes.
2. Reproduktionen nach Verluſt des Baumſtammes oder Reproduktionen
älterer Aſte. Durch Menſchenhand oder durch elementare Ereigniſſe Sam ber
können dem Baume ſtärkere Aſte oder auch der ganze Stamm über Aſten durch
der Erde oder in gewiſſer Höhe verloren gehen. Da hierbei in der Adventivknoſpen
Regel die Wurzeln nicht geſtört werden, ſo bleibt der verſtümmelte
Baumkörper am Leben, und es regt ſich nach einiger Zeit die
Reproduktion in der Bildung zahlreicher Adventivknoſpen, welche
aus der Rinde nahe unterhalb der Wunde oder auch aus dem am
Rande derſelben bereits eingeleiteten Überwallung (S. 74) hervor—
brechen, ſo daß die Wundfläche oft ringsum mit einer Garnitur
zahlreicher Adventivknoſpen eingefaßt iſt, von denen nun ſpäter immer
eine Anzahl zu neuen Schößlingen auswächſt. Dieſe werden, wenn
ſie aus den Stöcken abgehauener Baumſtämme entſtehen, Stockaus—
ſchläge oder Wurzelausſchläge genannt. Durch dieſe Reproduktionen
wird nun das Leben der Pflanze erhalten, denn ſie können zu neuen
Stämmen, beziehentlich zu einem neuen Beaſtungsſyſtem ſich entwickeln.
Es ſind jedoch nur die Laubhölzer dieſer Reproduktionen fähig.
Wenn Koniferen derartige Verwundungen erleiden, ſo tritt keinerlei
Reproduktion ein; die Pflanze geht alſo ein, ſobald die ganze Baum—
krone verloren gegangen iſt; nur die Lärche macht hiervon eine
Ausnahme, indem ſie ähnliche Reproduktionen macht wie die Laubhölzer.
Die Stockausſchläge entwickeln ſich entweder in völlig normaler Form,
oder ſie zeigen gewiſſe Abweichungen in der Beſchaffenheit der Blätter,
wie z. B. eine ſonſt fehlende Behaarung, welche bei den Pappeln,
beſonders bei der Zitterpappel an den Blättern dieſer Ausſchläge
. Regel iſt, oder ſie bekommen infolge der überreichen Nahrungszufuhr
bisweilen wirkliche Mißbildungen, indem ſie nicht ſelten Rieſenwuchs
7 *
100 II. Abſchnitt: Von den Wunden
oder Verbänderung zeigen, worüber unten das von dieſen Mißbildungen
ſpeziell handelnde Kapitel zu vergleichen iſt.
III. Erſatz der Blätter.
Erſatz der Blatter. Auch wenn Blätter allein, ohne die Stengel, verloren gegangen
Bei Kräutern.
ſind, wie es bei ſo vielen Inſektenſchäden vorkommt, ſchafft die Pflanze
meiſt leicht dafür wieder Erſatz, beſonders dann, wenn einem Stengel
ſein ganzer Blattanhang abhanden gekommen iſt. Freilich kann ſich
an der nämlichen Stelle, wo ein ſchon erwachſenes Blatt geſeſſen hat,
kein neues bilden, ebenſowenig wie an einem Blatte ein verloren
gegangener Teil wieder nachwachſen kann. Ein Erſatz in dieſem
ſtrengſten Sinne findet nicht ſtatt; denn neue Blätter können bekannt—
lich nur aus dem embryonalen Gewebe des Vegetationspunktes der
Stengelknoſpen erzeugt werden. Das einzige, was man an dem
Blatte ſelbſt eintreten ſah, nachdem man einen Teil desſelben weg—
geſchnitten hatte, war, daß ein anderer ſtehen gebliebener Teil ſtärkeres
Wachstum zeigte; nach Göbel!) und Kronfeld) hat bei Vicia
Faba und Pisum sativum das Wegſchneiden der Laubbattſpreiten
eine Zuwachsſteigerung der Nebenblätter zur Folge; bei vielen andern
Pflanzen mit von Natur kleinen Nebenblättern trifft das nicht ein.
Wenn alſo nach Verluſt der Blätter Reproduktionen eintreten, ſo
handelt es ſich immer um die Bildung neuer blättertragender Sproſſe,
zu welchen gewiſſe ſchon vor der Verwundung vorhandene Knoſpen
auswachſen.
I. Verhalten der krautartigen Pflanzen. Bei dieſen iſt die
Art der Reproduktion verſchieden je nach der Beſchaffenheit des
Stengels, dem die Blätter verloren gegangen ſind. Beſitzt derſelbe
noch eine thätige Endknoſpe, ſo entwickelt ſich dieſe einfach weiter
und bringt neue Blätter zum Vorſchein. So bekommt auch die
Rübenpflanze nach dem Abblatten der älteren Blätter direkt aus dem
Herz, d. h. aus der dort befindlichen Endknoſpe neue Blätter. Iſt
aber keine ſolche Endknoſpe vorhanden, ſei es weil der Stengel mit
einem Blüten- oder Fruchtſtande endigt, ſei es weil ſie mit zerſtört
worden iſt, ſo übernehmen Achſelknoſpen, welche tiefer am Stengel
in den Achſeln der Blätter ſtehen und welche ſonſt meiſt unentwickelt
zu bleiben pflegen, die Reproduktion; es kommen dort alſo neue
Blättertriebe zum Vorſchein, d. h. es geſchieht im allgemeinen das
gleiche, was auch nach vollſtändigem Verluſte des ganzen Stengels
) Botan. Zeitg. 1880, Nr. 45.
2) Daſelbſt 1886, pag. 846.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 10!
zu geſchehen pflegt; denn häufig ſind es dann die unteren Teile des
Stengels, welche dieſe Erſatztriebe machen. So ſchlägt auch die
Rübenpflanze nach Zerſtörung ihres Herzens gewöhnlich durch kleine
Seitenknoſpen aus, welche an der Seite des Rübenkörpers ſich zeigen.
Übrigens kommt es auch ſehr auf den Alterszuſtand der krautartigen
Pflanze an, ob ſie überhaupt nach dem Verluſte der Blätter ſich
noch zu einer Reproduktion aufrafft. Je näher ſie nämlich dem
natürlichen Abſchluſſe ihrer Entwickelung ſich befindet zur Zeit, wo
der Blattverluſt eintritt, deſto weniger iſt ſie dazu geneigt; ſie unter—
läßt dann wohl jegliche Reproduktion und bringt nur die Reifung
ihres jeweiligen Produktes raſch zu Ende.
II. Verhalten der Holzpflanzen. Wenn die blättertragendensei Holzpflanzen
Triebe der Holzpflanzen zur Zeit, wo die Blätter von ihnen abgefreſſen
worden, noch ſehr jung ſind, ſo vertrocknet meiſt der ganze Trieb
und die weiteren Folgen ſind dieſelben, die nach Zerſtörung der
ganzen Triebe eintreten, und die ſchon oben beſprochen worden ſind.
Wenn aber entblätterte Zweige nicht abiterben, wie es bei vorgerückterer
Frühjahrs- oder Sommerzeit der Fall iſt, jo find an ihnen auch die
entwickelungsfähigen End- und Achſelknoſpen vorhanden, welche unter
normalen Verhältniſſen für das nächſte Jahr beſtimmt find, und
welche das Wiederausſchlagen des Baumes ermöglichen. Nach Verluſt
des Laubes zeigen nun die Holzpflanzen ein doppeltes Verhalten.
Entweder beſchließt der Baum, wenn ein ſolches Ereignis eintritt,
ſeine diesjährige Vegetationsperiode, um erſt im nächſten Frühlinge
wieder auszuſchlagen. Oder der Baum belaubt ſich ſchon in demſelben
Sommer, einige Wochen nach dem Kahlfraße, zum zweiten Male,
durch den ſogenannten Johannistrieb, d. h. dadurch daß eben jene
für das nächſte Jahr beſtimmten Knoſpen, welche an den durch den
Fraß entblätterten Zweigen ſitzen, proleptiſch (ein Jahr zu früh) zu
belaubten Trieben ſich entwickeln, was beſonders die in der Nähe der
Zweigſpitzen gelegenen Knoſpen thun. Der erſtere Fall findet
namentlich dann ſtatt, wenn der Blattverluſt erſt ziemlich ſpät im
Sommer erfolgt iſt, der zweite bei frühem Kahlfraße. Doch iſt immer
die neue Belaubung, mag ſie im Fraßjahr oder im Nachjahr eintreten,
ſchwächer als die verloren gegangene, was ſich daraus erklärt, daß
die Aſſimilationsthätigkeit der Pflanze eine ganze Zeit lang unter—
brochen oder ſehr mangelhaft war (ſ. S. 28).
D. Wundkrankheiten oder Wundfäule.
Mit dem vorſtehenden Namen können diejenigen Erſcheinungen Wundfäule.
an den Wunden der Pflanzen bezeichnet werden, welche das Gegenteil
IST * 4 en
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102 II. Abſchnitt: Von den Wunden
der natürlichen Schutzvorkehrungen oder der Heilungsprozeſſe ſind,
nämlich Zerſetzungserſcheinungen, denen die Gewebe von der
Wundſtelle ausgehend anheimfallen. Wenn nämlich die Wunden nicht
binnen einer gewiſſen Zeit durch die natürlichen Heilungsprozeſſe ver—
ſchloſſen werden, jo ſtirbt das Gewebe von der Wundfläche aus
allmählich ab und geht in Fäulnis über. Dies tritt natürlich am
raſcheſten an ſolchen Wunden ein, wo ſaftreiche parenchymatiſche Gewebe
entblößt worden ſind; doch iſt eben auch gerade die hier erfolgende
Bildung von Wundkork, welcher eben das Eintreten und Fortſchreiten
der Wundfäule nach innen verhindert, meiſt ſehr raſch vollendet (S. 61).
Die Wunden holziger Teile ſind ja wegen der Bildung vou Schutz—
holz (S. 32 ꝛc.), welches den Atmoſphärilien größeren Widerſtand
leiſtet, zum Teil auch durch die antiſeptiſch und konſervierend wirkenden
Harzbedeckungen (S. 44 dc.) viel mehr gegen Zerſetzungserſcheinungen
geſchützt; allein eine ſehr lange Reihe von Jahren hindurch vermag
auch das Schutzholz den Angriffen zerſtörender Agentien nicht zu
widerſtehen, da es ja, einmal gebildet, als totes Gewebe zu betrachten
iſt. Und ſo kommt gerade an Holzpflanzen bei größeren Verwundungen,
weil ja die Überwallung ein nur langſam fortſchreitender Heilungs—
prozeß iſt, oft Wundfäule zu ſtande.
Die Faktoren, welche das immer weitere Fortſchreiten der Wundfäule
bedingen, ſind in erſter Linie die ungehinderte Einwirkung des
atmoſphäriſchen Sauerſtoffes und des Niederſchlagswaſſers, demnächſt
wahrſcheinlich auch die in Waſſer löslichen Zerſetzungsprodukte der
bereits abgeſtorbenen Teile, indem dieſe ſich in den Geweben weiter
verbreiten und beim Zuſammentreffen mit den lebendigen Zellen dem
Leben dieſer nachteilig zu ſein ſcheinen. Schon das bloße Fehlen
lebender Nachbarzellen dürfte für Zellen, die völlig inneren Geweben
angehören, tödlich ſein, indem man annehmen darf, daß die natürlichen
Wechſelwirkungen, in denen ſich dieſe Zellen mit ihren Nachbarn
befinden, zu ihren Lebensbedingungen gehören. Sehr oft, beſonders
bei den Holzpflanzen, kommen auch gewiſſe ſaprophytiſche Pilze hinzu,
welchen gerade ſolche offene Wunden einen willkommenen Anſiedelungs—
punkt und gedeihliche Nahrung bieten. Größere Feuchtigkeitsverhältniſſe
begünſtigen das Auftreten dieſer Pilze in hohem Grade. Sie wirken
freilich nicht unmittelbar tödlich auf die noch lebenden Zellen; denn
als Saprophyten zehren ſie nur von den toten Gewebepartien der
Wunden, und man ſieht ſie nicht in das noch lebende Gewebe über—
greifen; aber ſie bewirken eine viel raſchere Zerſetzung der toten Wund—
partien und tragen aus dieſem Grunde zu dem raſcheren Umſichgreifen
der Wundfäule bei. Nicht unerwähnt mag übrigens bleiben, daß
8
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 103
die offenen Wunden, beſonders bei den Holzpflanzen, auch gewiſſen
paraſitiſchen Pilzen geeignete Angriffspunkte bieten, indem manche dieſer
Pilze gerade von den Wunden aus leicht in die lebenden Partien
der Bäume eindringen, weshalb die ſpezifiſchen Krankheiten, die die—
ſelben verurſachen, die aber erſt unten bei den paraſitären Krankheiten
zu beſprechen ſind, beſonders oft von den Wunden ihren Ausgang
nehmen. Selbſtverſtändlich wird durch die Vorgänge der Wundfäule
die natürliche Heilung vereitelt, weil dabei diejenigen Gewebe, von
denen die letztere ausgehen müßte, eben auch mit zerſtört werden.
Der Verlauf der Wundfäule hängt, wie aus dem Geſagten er—
hellt, von den äußeren Verhältniſſen ab. In ſehr feuchtigkeitsreicher
Luft, in welcher die Wundfläche ſtatt zu trocknen ſich feucht erhält,
werden die äußeren abgeſtorbenen Zellen der Wunde durch die Feuchtig—
keit in Fäulnis übergeführt, welche unter Fortdauer dieſer Verhältniſſe
weiter begünſtigt wird und Fortſchritte macht. In der feuchten Luft
der Glashäuſer iſt daher Wundfäule eine gewöhnliche Erſcheinung,
während wenn dieſelben Pflanzen im Freien ſtehen, ihre Wunden weit
geringere Zerſetzungserſcheinungen erleiden oder normal verheilen.
Die ſtarke Wundfäule, welche ſich an den mit dem feuchten Erdboden
in Verbindung ſtehenden Pflanzenteilen, wie Wurzeln, Stöcken und
unteren Stammteilen der Bäume zeigt, die Ausbreitung der Zer—
ſetzungserſcheinungen vorzugsweiſe von horizontalen Schnittflächen der
Stämme und Aſte aus, auf denen das Waſſer ſich ſammelt, das Aus—
faulen hohler Bäume von innen her, endlich die auffallende Häufig—
keit von Wundfäule an Bäumen geſchloſſener, feuchter Waldbeſtände,
vorzugsweiſe in den Auegegenden, gegenüber freien luftigen Standorten,
ſind lauter Thatſachen, welche das eben Geſagte in helles Licht ſtellen.
Selbſtverſtändlich können die nämlichen Zerſetzungserſcheinungen
auch von jeder andern Stelle des Pflanzenkörpers ausgehen, wo nicht
durch eine Wunde, ſondern aus einer andern Urſache abgeſtorbene
Teile oder Gewebe der Pflanzen vorhanden ſind, die der Fäulnis an—
heimfallen. Man darf daher, wo ſolche Erſcheinungen auftreten, ſie
nicht ohne weiteres als Folgen von Verwundungen erklären; dazu
bedürfte es immer des Nachweiſes einer wirklich vorhanden geweſenen
Wunde. Es geht daraus aber auch hervor, daß die Wundkrankheiten
keine ſpezifiſchen Krankheiten, ſondern nur Folgeerſcheinungen ſind, die
auch nach verſchiedenen anderen Einwirkungen ſich einſtellen können.
I. Zerſetzungserſcheinungen der Wunden nicht holziger Pflanzen⸗
teile. Die Wunden dünner, ſaftarmer Blätter zeigen, wenn ſie nicht
durch Callus verheilen, in trockenerer Luft keine eigentlichen Fäulnis—
erſcheinungen, ſondern nur ein allmählich weiter um ſich greifendes
Zerſetzungs—
erſcheinungen
nicht holziger
Teile.
104 II. Abſchnitt: Von den Wunden
einfaches Dürrwerden der Blattſubſtanz unter Braunfärbung. Eigent—
liche Wundfäule tritt aber nach Verletzung leicht ein an den volumi—
nöſeren und ſaftreicheren Pflanzenteilen, wie den dickeren Stengeln,
den fleiſchigen Wurzeln und Knollen, den Zwiebeln und beſonders den
Succulenten, zumal, wenn ſie einigermaßen größerer Feuchtigkeit aus—
geſetzt ſind. Die letztere bringt leicht Fäulnis in den abgeſtorbenen
Zellen der Wundfläche hervor, und die Löſung von Zerſetzungs—
produkten, als mehr oder minder braune, jauchige Subſtanz, verbreitet
ſich im Gewebe weiter und wirkt auf die lebendigen Zellen tödlich,
worauf dieſe unter dem Einfluß des Sauerſtoffs in die gleiche Fäul—
nis übergehen, ſo daß eben keine Bildung von Wundkork zu ſtande
kommen kann. So kann bei Rüben, Rettigen, Kartoffeln u. dergl.
nach ſtarker Verletzung, beſonders in feuchtem Boden, das Gewebe in
der Umgebung der Wundſtelle in eine weiche, breiige, faule Maſſe ſich
umwandeln. In der feuchten Luft der Glashäuſer, wo zugleich eine
gewiſſe höhere Temperatur den Prozeß befördert, gehen die meiſten
Wunden, die hier die Pflanzen durch Stoß, Quetſchung ꝛc. oft genug
erleiden, in mehr oder minder ſtarke Fäulnis über, beſonders die der
ohnedies ſaftigen Succulenten. Dieſe bekommen dadurch rings um
die Wunden faule Stellen, die mißfarbig ſind, ſich weich anfühlen
und beim Druck eine bräunliche oder trübe Jauche austreten laſſen.
Die Wundfäule verbreitet ſich in einem ſolchen Teile immer weiter.
Sie dringt z. B. an den mehrere Centimeter dicken Blättern der
Agave mexicana, von der einen Seite eines Blattes bald durch die
ganze Dicke desſelben hindurch, ſo daß mit der verwundeten und faulen
Stelle der einen Seite ein Faulfleck auf der entgegengeſetzten korre—
ſpondiert, und der Durchſchnitt durch eine ſolche läßt erkennen, daß
die Bräunung und jauchige Zerſetzung des Gewebes durch den ganzen
Querſchnitt des Blattes hindurchgeht. In derartigen Fällen iſt immer
der Ausgang der, daß man endlich ſolche Blätter ganz wegſchneiden
muß. Wie ſehr an einem ſolchen Verlaufe die große Feuchtigkeit der
Glashäuſer Schuld iſt, geht daraus hervor, daß z. B. Agave mexi-
cana wenn ſie im Sommer im Freien ſteht, ſelbſt große Wunden
leicht und gut durch Wundkork heilt.
Schorf Als eine beſondere Form von Wundfäule muß auch derjenige
oder Grind der Zuſtand der Kartoffelknollen betrachtet werden, welcher unter den
Kartoſſln. Namen Schorf, Grind, Räude oder Krätze bekannt iſt. Nach
Schacht!) nimmt dieſe Krankheit ihren Anfang von den Lenticellen
des Kartoffelknollen, die an und für ſich eine normale und allgemein
) Bericht ꝛc. über die Kartoffelpflanze und deren Krankheiten. Berlin
1855, pag. 24.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 105
vorkommende Bildung ſind: kleine, unmittelbar unter der Schale
liegende Pünktchen, Wucherungen von Kork, welche aus weiteren,
mehr iſodiametriſchen, nicht wie die Kartoffelſchale aus tafelförmig
abgeplatteten Korkzellen beſtehen. In feuchter Umgebung wachſen die
Lenticellen oft als ſchneeweiße Wärzchen aus der Schale hervor, was
auch an vielen andern Pflanzen, wenn die Teile in Waſſer oder ſonſt
ſehr feucht ſtehen, eine häufige und an ſich nicht pathologiſche Er—
ſcheinung iſt!). Aber an dieſen Stellen iſt nach Schacht das darunter
liegende Gewebe ſchlechter als durch die geſunde Schale gegen ein—
dringendes Waſſer geſchützt, und die Folge ſei, daß dieſes Gewebe
einen Zerſetzungsprozeß erleidet, durch den an dieſen Stellen die Kork—
bildung endlich aufgehoben und das Gewebe in eine ſchwarzbraune
modrige Maſſe verwandelt werde. Große Näſſe ſcheint daher nach
Schacht's Ausſpruch ſowohl die erſte Veranlaſſung zur Bildung der
Korkwarzen zu ſein, als auch den weiteren Verlauf des Übels zu be—
fördern. Ich halte das für richtig; ich habe die erſten Anfänge eben—
falls als kleine Korkwucherungen in der Schale gefunden und glaube,
daß der Schorf daraus auf folgende Weiſe ſich entwickelt. Über den
Korkwucherungen ſah ich ſehr bald die Schale zunächſt nur in einem
oder in wenigen ſehr feinen, ſtrahlig gerichteten Riſſen geborſten. Man
muß das als die Folge eines leichteren und reichlicheren Eindringens
von Waſſer durch die Korkwucherung betrachten; das unterliegende
Gewebe nimmt durch das imbibierte Waſſer ein ſtärkeres Ausdehnungs—
ſtreben an, und die entſtehende Gewebeſpannung bedingt eben jenes
zunächſt ganz lokale und geringfügige Aufſpringen. Denn auch durch
gröbere Wunden wird wegen des eindringenden Waſſers und den
dadurch hervorgerufenen Gewebeſpannungen oft ein Aufſpringen der—
artiger Pflanzenteile bewirkt. Was nun eigentlich zur Bildung des
Schorfes führt, it der Umſtand, daß unter dieſen Stellen keine
genügende Wundkorkbildung aufkommt, ſo daß die Zerſetzungs—
erſcheinungen fortſchreiten können: dieſe Stellen werden ſchwarzbraun,
modrig; in den Zellen derſelben verſchwindet das Stärkemehl, dafür
liegen gelb- oder braungefärbte Ballen desorganiſierter Subſtanz, die
nach Schacht oft von Pilzfäden durchwuchert ſind, in den Zellen.
Der Knollen bedeckt ſich alſo mit ſolchen faulen, grindartig rauhen
Stellen, die man Schorf nennt, in mehr oder minder großer Anzahl
und von verſchieden großem Umfange und kann dadurch endlich ſehr
unanſehnlich und verdorben werden, womit ſelbſtverſtändlich auch eine
) Schacht nennt dieſe Korkwarzen Pocken, ein Wort, mit dem wir
jedoch gegenwärtig eine beſtimmte andre, und zwar durch parafitiiche Pilze
verurſachte Krankheit der Kartoffellnollen bezeichnen.
106 II. Abſchnitt: Von den Wunden
entſprechende Verminderung des Stärkegehaltes verbunden iſt. Zwiſchen
dem Aufſpringen mit normaler Heilung durch Kork und der hier be—
ſchriebenen Zerſetzungserſcheinung beſteht denn auch keine ſcharfe
Grenze. Es kommen vielfach Schorfſtellen vor, wo Korkheilung und
Zerſetzung mit einander kämpfen: man ſieht oft am Rande des
Schorfes einen Wall von jungem, mit geſundem Kork überzogenem
Gewebe oder auf der Fläche des Schorfes derartige kleine Zapfen
oder Buckel, die aber auch früher oder ſpäter mit in die Zerſetzung
hineingezogen werden. Die grindartige Rauhigkeit des Schorfes rührt
hauptſächlich von dieſem Umſtande her.
Thatſache iſt, daß auf Böden, welche gemergelt worden ſind, der
Schorf beſonders ſtark ſich zeigt. Die Erklärung dafür fehlt noch.
Daß manche Autoren auch pilzliche Paraſiten als Veranlaſſer
von Schorfbildungen an den Kartoffeln angeben, wird bei den para—
ſitiſchen Pilzen erwähnt werden.
Zerketzungs⸗ II. Zerſetzungserſcheinungen des Holzes. Bei den Holzpflanzen
1 treten infolge von Verwundungen Zerſetzungserſcheinungen des Holzes
5 auf, beſonders an denjenigen größeren Wunden, die durch den natür—
lichen Heilungsprozeß nicht ſchnell genug die Wundfläche vernarben
können, alſo vornehmlich an Aſtſtumpfen, an Schnittflächen der Aſte,
an den Schälwunden u. dergl. Als allgemeine Bezeichnung für den
vollſtändig abgeſtorbenen und der Zerſetzung anheimgefallenen Zuſtand
der holzigen Teile bei den Bäumen gilt ſeit langer Zeit der Ausdruck
Brand oder Nekroſe, wegen gewiſſer Ahnlichkeiten mit dem gleich—
namigen Zuſtande tieriſcher Gewebsteile. Zu einer wiſſenſchaftlichen
Bezeichnung möchte ſich derſelbe weniger empfehlen, nicht bloß wegen
der Unbeſtimmtheit, mit der er hier angewendet wird!), ſondern vor—
züglich weil er ſchon zur Bezeichnung einer hiervon ſehr verſchiedenen
Krankheit des Getreides und andrer krautartiger Pflanzen dient.
Vielmehr können wir auch für dieſe Zerſetzungserſcheinungen in allen
ihren verſchiedenen Formen den allgemeinen Namen Wundfäule an—
wenden, zumal da eben für den Zuſtand, in welchen dadurch das
Holz übergeht, der Ausdruck faules Holz allgemein gebräuchlich iſt.
1) Der Name Brand oder Nekroſe wird von Meyen (Pflanzenpathologie
pag. 304) in dem obigen allgemeinen Sinne gebraucht. Bei den Obſtzüchtern
hat das Wort wohl meiſt auch dieſe Bedeutung, ſo daß es alſo auch mit
den unten zu erwähnenden Krebs bezeichnet. Göthe Mitteilungen über
den Krebs der Apfelbäume. Leipzig 1877) nennt Brand die offenen Krebs—
ſtellen mit freiliegendem Holzkörper, Sorauer (vergl. Juſt, Bot. Jahresb.
für 1877, pag. 856) dagegen das vom eigentlichen Krebs verſchiedene, nach
Froſtbeſchädigung in größerer Ausdehnung am Stamme eintretende Abſterben
und Vertrocknen der Rinde. N
*
4 1
1
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 107
Es wurde ſchon oben (S. 33) hervorgehoben, daß R. Hartig!)
mit den erſten Stadien der Zerſetzungserſcheinungen des Holzes einen
Prozeß verwechſelt hat, deſſen Natur von ihm ganz verkannt worden
iſt, indem er das, was ich ſpäter als Schutzholz bezeichnete, ſchon für
das erſte Stadium der Wundfäule hielt, während es das Gegenteil
davon, nämlich ein natürliches Schutzmittel iſt, um dem Eintritt der
Wundfäule möglichſt lange vorzubeugen. Von wundfaulem Holze
können wir vielleicht erſt dann reden, wenn Splintholz oder Schutz—
oder Kernholz (dem wir ja oben ah den Charakter von Schutzholz
zugeſprochen haben) anfangen ihre natürliche Härte und Konſiſtenz zu
verlieren. Das wird beſonders durch reichliche Feuchtigkeit befördert;
daher ſehen wir Wundfäule hauptſächlich von Wurzelwunden ausgehen
und überhaupt von allen Wunden, die mit dem Erdboden in Be—
rührung ſtehen, desgleichen an ſolchen Aſtwunden, auf denen Regen—
und Schneewaſſer ſich ſammeln, auch im Innern der?! Baumſtämme.
Das Holz nimmt dabei oft eine tief ſchwarzbraune Färbung an und
jedenfalls verliert es an Konſiſtenz immer mehr, indem es allmählich
mürber und zerreiblich wird. Übrigens müſſen folgende verſchiedene
Arten von Wundfäule des Holzes unterſchieden werden, deren Eintritt
je nach der Verſchiedenheit äußerer Umſtände ſich richtet.
Alle Zerſetzungserſcheinungen, bei denen das Holz eine rötliche,
bräunliche oder ſchwärzliche Farbe annimmt, werden mit dem Namen
Rotfäule oder naſſe Fäule belegt. Dieſelbe Sache bezeichnen auch
die Ausdrücke Wurzelfäule, Stockfäule, Aſtfäule, Kernfäule oder
Stammfäule und Splintfäule, indem ſie nur den Ort des Auftretens
dieſer Zeriegung andeuten. Beſchränkter Luftzutritt und reichlichere
Feuchtigkeit ſind die Hauptbedingungen für dieſe Art der Wundfäule.
Weißfäule, Trockenfäule oder Vermoderung nennt man
den Prozeß, wenn das Holz dabei hell, nämlich blaßbräunlich oder
weiß und völlig zerreiblich wird; Bedingung dieſer Zerſetzungsform
iſt ungehinderter Zutritt von Luft und geringe Feuchtigkeit, daher ſie
vorzüglich an offenen Holzwunden ſich zeigt. Sie kommt vorzüglich
bei Laubhölzern vor, z. B. häufig an Linden, Weiden, Pappeln ıc.,
wo jedoch auch überall bei größerer Feuchtigkeit und geringerem Luft—
zutritte Rotfäule eintritt.
Die Grünfäule iſt die am ſeltenſten vorkommende Zerſetzungs—
art, die ſich bisweilen an Birken-, Buchen- und Eichenholz zeigt,
welches lange Zeit am Boden geſtanden hat, beſonders an alten faulen
Stöcken, und durch intenſiv ſpangrüne Farbe ausgezeichnet iſt. Der
) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes, Berlin 1878.
Rotfäule.
Weißfäule.
Grünfäule.
Humifizierung
des Holzes.
Chemiſche
Veränderungen.
108 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Farbſtoff haftet in den Zellwandungen des Holzes und iſt auch den
Mycelfäden und den Fruchtkörpern des dabei auftretenden Pilzes
Peziza aeruginosa eigen. Die grüne Farbe durchdringt das Holz nicht
gleichmäßig; ſtellenweis iſt dieſes farblos, dem weißfaulen Holze gleich,
hier tiefer, dort blaſſer grün gefärbt. Die Erſcheinung iſt wiſſenſchaft—
lich noch nicht genügend erforſcht.
Faules Holz, beſonders rotfaules, zerbröckelt und zerfällt endlich
von ſelbſt in eine ſchwarzbraune, erdige Maſſe, ſogenannte Baumerde
oder Moder. Dieſer Prozeß beſteht in einer vollſtändigen Humifi—
zierung des Holzes, indem die organiſche Subſtanz der Zell—
membranen in Humuskörper ſich umwandelt.
Die chemiſche Veränderung, welche das rotfaule Holz erleidet, iſt
aus den chemiſchen Analyſen desſelben zu erkennen. Während geſundes
Eichenkernholz, auf aſchefreie Subſtanz berechnet, zuſammengeſetzt
iſt aus
49,24 C. 5,47 H. 45,29 O.,
ergab die Analyſe von hellbraunem faulen Eichenholze
53,6 C. 5,2 H. 41,2 O.,
von dunkelbraunem faulen Eichenholze
56,2 C. 4,9 H. 38,9 O.,
und von brauner Baumerde aus einem hohlen Baume 58,0 C. 4,9 H.
37,1 0.
Es erhellt daraus, daß bei der Rotfäule kohlenſtoffreichere Sub—
ſtanzen, Humuskörper, zurükbleiben. Der ganze Vorgang iſt ein Oxy—
dationsprozeß, bei welchem Kohlenſäure und Waſſer auf Koſten der
organiſchen Subſtanz des Holzes gebildet werden, letztere alſo ſich ab—
ſolut vermindert. Dieſes geht aus der Vergleichung des Aſchegehaltes
geſunden und faulen Holzes hervor. Geſundes Fichtenholz enthält
48,63 C. 5,80 H. 45,18 O. 0,39 Aſche.
Stark zerſetztes Fichtenholz dagegen
48,14 C. 4,96 H. 40,24 C. 6,66 Aſche ).
Dieſer große Aſchegehalt erklärt ſich eben daraus, daß von dem
Zerſetzungsprozeſſe nur die organiſche Subſtanz, nicht die Aſche—
beſtandteile betroffen werden. — Bei der Weißfäule iſt der chemiſche
Vorgang ein anderer. Weißfaules Eichenholz ergab an organiſcher
Subſtanz
48,2 C. 6,3 H. 45,5 0.
Weißfaules Holz iſt alſo ärmer an Kohlenſtoff und etwas reicher
an Sauerſtoff als gewöhnliches Holz. Die Oxydation erzeugt hier alſo
) Nach den Angaben R. Hartig's J. e.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 109
außer Kohlenſäure und Waſſer noch andere Oxydationsprodukte. Bei
unſrer mangelhaften Kenntnis der chemiſchen Verbindungen, die im
gewöhnlichen Holz vorhanden ſind, vermögen wir gegenwärtig nichts
darüber zu ſagen, in welcher Weiſe bei dieſen Veränderungen die ein—
zelnen chemiſchen Beſtandteile des Holzes ſich verhalten.
Der Zerſetzung des Holzes kann durch die holzbewohnenden In- Beförderung
ſekten Vorſchub geleiſtet werden, namentlich durch Holzweſpen under
Holzkäfer, welche in totem Holze Gänge in verſchiedenen Richtungen Infekten.
freſſen, wodurch nicht nur eine mechaniſche Zerſtörung bewirkt, ſondern
auch das Eindringen von Waſſer und Luft in die Holzmaſſe bedeutend
erleichtert wird.
Außerdem beteiligen ſich an der eigentlichen Zerſetzung oder Wun— „
fäule des Holzes außer dem Sauerſtoff ſehr häufig auch gewiſſe ſapro— . pe l
phyte Pilze, welche ſich in dem faulen Holze anſiedeln. Auch fie durch Pilze.
werden durch reichliche Feuchtigkeit begünſtigt und befördern den Fort—
gang der Zerſetzung in hohem Grade. Dieſe Begleiter der Fäule des
Holzes dürfen nicht verwechſelt werden mit den bisweilen in Holz—
pflanzen lebenden paraſitiſchen Pilzen, von denen ſie ſich jedenfalls
dadurch unterſcheiden, daß ſie nicht in das lebende, geſunde Holz hinein—
wachſen, ſondern daß dasſelbe ſchon tot ſein muß, wenn ſie ſich in
ihm anſiedeln ſollen, und daß ſie nur die Zerſetzung des vorher ab—
geſtorbenen Holzes mit vermitteln.
Die Zahl der an abgeſtorbenen holzigen Pflanzenteilen ſich anſiedelnden Die wichtigſten
ſaprophyten Pilze iſt eine ungemein große; ſie alle aufzählen, hieße eine ſaprophyten
Mykologie ſchreiben. Wir müſſen daher hier darauf verzichten, um fo mehr, Vilze der Holz⸗
weil ihr Erſcheinen eigentlich ſchon das Ende der Krankheit, den Tod be- Planen.
deutet, und die Pathologie alſo eigentlich nichts mehr mit ihnen zu thun
hat. Da ſie aber den abgeſtorbenen und noch an der lebenden Pflanze
haftenden Teilen vielfach ein eigentümliches Ausſehen verleihen, ſo mögen
hier wenigſtens die gewöhnlichen dieſer Pilzformen und ihr Verhalten kurz
angedeutet werden.
Gemeinſam iſt bei dieſen Pilzen, daß ihr Mycelium in dem Zellgewebe
der der Wundfäule anheimgefallenen Teile, alſo in der Rinde und beſonders
im Holze verbreitet iſt. Zuerſt hat Th. Hartigy im faulen Holze Pilze
gefunden, die er Nachtfaſern (Nyctomyces) nannte, und denen er eine Be—
teiligung an der Verbreitung der Fäulnis zuſchrieb. Durch Schacht),
ferner beſonders durch Willfomm?), der gewiſſe ſogleich zu nennende Pilz—
formen für echte Paraſiten und für die wahre Urſache der Rotfäule erklärte,
ſowie durch R. Hartig), der jene als bloße Saprophyten erkannte, wurde
) Verwandlung der polycotyledoniſchen Pflanzenzelle in Pilz- und
Schwammgebilde ꝛc. Berlin 1833.
2) Pringsheim's Jahrb. f. wiſſ. Botanik III.
3) Die mikroſkopiſchen Feinde des Waldes I. Dresden 1866.
) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes. Berlin 1878.
110 IT. Abſchnitt: Von den Wunden
das Auftreten dieſer Pilzmycelien im faulen Holze genauer beobachtet.
Es ſind verzweigte Pilzfäden, welche ſowohl zwiſchen den Holzzellen, als
auch innerhalb der Membranen derſelben und ſelbſt in das Junere der
Zellen hinein wachſen. In den Membranen bohren ſie Gänge, ſowohl in
der Richtung derſelben, alſo den Schichten der Membran folgend, als auch
quer durch dieſelben hindurch, aus einer Zelle in die andere wachſend.
Die Fruchtträger, an denen die Sporen gebildet werden, entwickeln dieſe
Pilze an den freien Flächen ihres Subſtrates, wo ſie an die Luft gelangen,
alſo vorwiegend an der Oberfläche der Zweige und Stämme, oder an
der Außenfläche des Holzkörpers, wenn dieſer frei liegt, oder wenn die
darüberliegende abgeſtorbene Rinde ſich von ihm abgehoben hat, oder
auch an der Innenſeite des Holzes hohler Stämme, in Spalten des Holz—
körpers u. dergl.
Nach der Verſchiedenheit der Teile des Baumes ſind auch die Pilze,
welche die Wundfäule begleiten, verſchieden. Die dünneren Zweige haben
faſt immer andre Pilze, als die ſtärkeren Aſte und der Stamm derſelben
Baumſpecies; wieder andre Pilze zeigen ſich an den tieferen, mit dem
Erdboden in Berührung ſtehenden Wunden, und auch der Holzkörper hat
ſowohl in ſeinem Junern, als an ſeinen entblößten Oberflächen gewiſſe eigen—
tümliche Saprophyten. Dazu kommt ferner, daß beſonders die an den
dünneren Zweigen auftretenden Pilze faſt bei jeder Holzpflanze von andrer
Art ſind; faſt jede hat daſelbſt ihre eigentümlichen Pilzformen.
An den dünneren ein- bis mehrjährigen Zweigen oder Zweigſtummeln,
wenn dieſelben durch irgend eine Beſchädigung, beſonders durch Abſchneiden
u. dergl. oder durch unzeitige Entlaubung getötet worden find, erſcheinen
im Herbſt und Winter nach dem Abſterben, und zwar während dieſelben
noch auf der Pflanze ſtehen, gewiſſe Scheiben- und Kernpilze. Bei der
Eiche iſt das regelmäßig Colpoma quereinum WMallr., das mit jeinen
ſtrichförmigen, geraden oder gekrümmten dunkeln Apothecien durch eine
lippenförmige Spalte der Rinde hervorbricht, gewöhnlich in Begleitung
von Spermogonien. Bei Eſchen ſind es die elliptiſchen ſchwarzen Apo—
thecien des Hysterium Fraxini Pers. Bei vielen andern Bäumen ſpielen
dieſe Rolle verſchiedene Kernpilze aus der Verwandtſchaft der Valſeen,
deren Perithecien als kleine, dunkle, durch die Rinde hervorbrechende
Puſteln oft über den ganzen dürren Zweig zerſtreut ſtehen, z. B. an
Weiden Valsa salicina /r., an Ulmen Valsa stellulata Z., an Linden
Hercospora Tiliae V., an Erlen Cryptospora suffusa 2. an Weiß⸗
buchen Diaporthe Carpini Hucbel., an Rotbuchen Quaternaria Persoonii
ul. x. Oder es treten auf den genannten Teilen ſtatt der Perithecien
die Spermogon'en ſolcher Kernpilze auf, Formen von Cytispora und
Naemaspora, ebenfalls über den größten Teil des toten Zweiges verbreitet,
in Form kleinerer aus der Rinde brechender Puſteln, welche bei Feuchtig—
keit ihre Spermatien in hellen Rauken ausſtoßen. Oder es finden ſich nur
die Pyknidenfrüchte ſolcher Pilze als ſchwarze, in der Rinde niſtende und
hervorbrechende kleine Puſten, beſonders Diplodia-Formen. Oder endlich
gewiſſe Formen des conidientragenden Stroma, welche als kleine, ſchwarze,
abfärbende Puſteln in Menge aus der Rinde hervortreten, z. B. ſehr
häufig an dünnen Lindenzweigen Exosporium Tiliae Zi», an Weiden
Trimmatostroma salicis Corda, an Birken Coryneum disciforme Sm &
Äze. etc. etc.
2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 111
An ſtärkeren Zweigen der Eiche und ebenſo auch an abgeſtorbenen
Stämmchen derſelben wächſt Colpoma quereinum nicht mehr, dafür
bricht oft Diatrypella quereina Nzschke oder Diatrype disciformis Fr.
mit ihren runden, erhabenen Polſtern durch die Rinde. Auf noch ſtärkeren
Aſten der Bäume und deren Stämmen erſcheinen dagegen vorwiegend
große Schwämme, verſchiedene Arten Telephora und Löcherpilze (Polyporus)
deren Fruchtkörper außen an den Aſten und Stämmen ſitzen und gewöhn—
lich in mehrjähriger Dauer ſich allmählich vergrößern. Sehr verbreitet ſind
auch an noch berindeten und ſtehenden toten Holzteilen die Formen von
Neetria, beſonders in dem Zuſtande des Conidienſtroma, welches die
frühere Gattung Tubereularia bildete: zahlreiche hochrote, ſtecknadelkopf—
große und größere erhabene Polſter. Dieſe kommen an allen Teilen, von
den dünnſten Zweigen bis zu ſtarken Stämmen vor.
Wunden, die mit dem Erdboden in Berührung ſtehen, alſo beſonders
die am Fuß der Baumſtämme befindlichen Wunden und vorzüglich die ab—
gehackten Stöcke haben wieder andre Pilze, beſonders größere Schwämme
aus der Abteilung der Hymenomyceten, zumal Agaricus- Arten, unter dieſen
auch noch den Agaricus melleus, welcher ſchon am lebendigen Holze als
Paraſit ſich anſiedelt. Das Mycelium derſelben iſt im faulen Holze ver—
breitet; zwiſchen Holz und Rinde entwickelt ſich dasſelbe oft zu Rhizo—
morphen (Rhizomorpha subcorticalis Pers.), die als wurzelartige runde
oder plattgedrückte und dann oft bis mehrere Centimeter breite Stränge
mit rechtwinklig abgehenden Zweigen und mit dunkelbrauner glatter Rinde
und weißem Mark zum Vorſchein kommen, wenn man die Baumrinde
ablöſt. Auch gewiſſe Kernpilze ſind für dieſe Orte charakteriſtiſch: beſonders
Xylaria⸗Arten mit ihren bis fingerlangen, ſtiel- oder ſtrauchförmigen,
ſchwarzen, oft weiß beſtäubten Fruchtkörpern, auch wohl Eutypa-Arten,
deren ſchwarze dünne Kruſten dem Holz faſt aufgewachſen ſind in oft weiter
Erſtreckung. Auf den grünfaulen Buchenſtöcken wächſt nicht ſelten der
ebenfalls grüne Buchenpilz Peziza aeruginosa. Das Mycelium auch aller
dieſer Pilze durchwuchert das faule Holz und iſt beſonders die Veranlaſſung
der feinen ſchwarzen Linien, welche oft das weißfaule Holz in unregelmäßig
gebogenem Verlaufe durchziehen. Dieſe Linien ſtellen die Rhizomorpha
intestina DC dar. An dieſen Punkten iſt das im Holze wuchernde Myce—
lium ſehr ſtark entwickelt, ſeine Fäden ſind dicht in einander verflochten zu
einer zuſammenhängenden parenchymähnlichen Gewebemaſſe, welche gleich—
mäßig die Zellhöhlen wie die Membranen der Holzzellen erfüllt, die dadurch
faſt unkenntlich werden; in dieſen Partien färben ſich an gewiſſen Stellen
die Fäden braun, und dadurch wird die ſchwarze Linie hervorgebracht.
Endlich haben auch die nackten Holzkörperwunden ihre eigentümlichen
ſaprophyten Pilzformen. An friſchen Wundflächen bedeckt ſich das ent—
blößte Holz oft bald mit den ſchwarzgrünen Räschen von Cladosporium,
d. ſ. Conidienträger von Pleospera-Arten. An älter gewordenen Holz—
wunden, ſowie an großen nicht überwallten Holzwunden im Innern hohler
Bäume erſcheinen gewöhnlich andere Formen: ſchwarze, rußartige Über—
züge, ebenfalls conidienbildende Entwickelungszuſtände von Pilzen, be—
ſonders Formen von Helminthosporium, Helicosporium, Nematogonium
ete., oder auch rauhkörnige, ſchwarze Überzüge, welche auf dem Holzkörper
entſtehen, ſowohl wenn derſelbe ſchon entblößt iſt, als auch unter der Rinde,
wenn dieſe ihn noch bedeckt ohne organiſch mit ihm zuſammenzuhängen.
u i *
4
112 II. Abſchnitt: von den Wunden
Sie beſtehen aus zahlloſen, dicht beiſammenwachſenden Perithecien einfacher
Pyrenomyceeten; ſehr häufig ſind dies Teichospora obducens ZFuckel, Mela-
nomma pulvis pyrius WVizschke, Arten von Ceratostoma u. a. Auch Hypo-
xylon-Arten bedecken oft mit ihren rötlich-ſchwarzen, polſterfoͤrmigen, aus—
gebreiteten Kruſten die Hiebfläche von Stämmen oder Aſten und andere
bloßliegende Holzteile. Für alle dieſe Pilze iſt ein mäßiger Feuchtigkeits—
grad des faulen Holzes Bedingung. Wo das letztere größerer Feuchtigkeit
ausgeſetzt iſt, die eine raſchere Zerſetzung bewirkt, erſcheinen mit Vorliebe
wieder andre Pilze, beſonders helle, weiße, gelbe, grünliche oder rötliche,
zarte, ſtaubartige Überzüge, die verſchiedene Conidienzuſtände, Formen der
alten Gattungen Torula, Sporotrichum ete. darſtellen. Auch Mycomy—
ceten lieben ſolches Holz; ſie erſcheinen an der Oberfläche desſelben mit
ihren lebhaft gefärbten, weißen, gelben oder roten ſchaumigen Plasmodien,
die ſich bald in die zierlichen, herdenweis wachſenden Sporangien um—
wandeln.
Auch in dem mehr noch innerhalb der Stämme verborgenen rotfaulen
Holze ſind immer ſaprophyte Pilze zu finden. Es ſind dies aber nur
Myceliumformen, von denen nicht ohne weiteres zu jagen iſt, zu welchen Frucht—
formen ſie ſich unter gecigneten Umſtänden entwickeln. Gewöhnlich finden ſich
im rotfaulen Holze mehrere Formen beiſammen. Es ſind dies hauptſächlich
die von Willkomm 4. c.) beſchriebenen Pilze, und zwar erſtens eine
Form, welche Xenodochus ligniperda Milk. genannt worden iſt. Die im
Holze wuchernden, zum Teil braun gefärbten Myceliumhyphen bilden, bald
an den Enden, bald in ihrer Kontinuität kettenförmig an einander ge—
reihte, dunkelbraune, kugelige, ſporenartige Zellen, die Willkomm für
Sporangienketten hielt, nach dem gegenwärtigen Standpunkte aber richtiger
Chlamydoſporen oder Gemmen (Brutzellen) des Myceliums zu nennen ſein
dürften. Eigentliche Conidien ſcheint R. Hartig!) geſehen zu haben: auf
pfriemenförmigen Hyphenäſten, die faſt immer nahe der Oberfläche des
Holzes ſich zeigten und vielleicht aus jenem Mycelium entſprangen, wurden
kleine farbloſe Sporen abgeſchnürt; doch genügt die Beſchreibung nicht,
um die Pilzform zu beſtimmen. Außerdem findet ſich im rotfaulen Holze
noch ein andrer Pilz, der aber auch im weißfaulen Holze auftritt, Staphy—
losporium violaceum Mile. oder Rhynchomyces violaceus Will.; er
trägt an ſchnabelartig verlängerten Hyphenäſten einen oder mehrere Quirle
eiförmiger, zweizelliger, dunkelblauer Conidien. Willkomm hält dieſen
und den Xenodochus für zuſammengehörig, beide für Formen einer Art;
R. Hartig (J. e.) hat dieſe Überzeugung nicht in hinreichendem Maße ge—
winnen können; im Xenodochus vermutet er einen Zuſtand von Cerato-
stoma piliferum E., deſſen kleine ſchwarze Perithecien allerdings häufig
an den Oberflächen faulen Holzes ſich finden. Möglicherweiſe könnte es
ſich aber auch um Mycelien großer Hymenomyceten handeln, da wir jetzt
durch Brefeld wiſſen, daß auch bei dieſen Pilzen enen an
Mycelien vorkommen können.
) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes, pag. 66.
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 113
3. Kapitel.
Die Verwundungsarten.
A. Das Aufſpringen fleiſchiger Pflanzenteile.
Es handelt ſich hier um Wunden, welche nicht durch den mecha—
niſchen Eingriff eines fremden Körpers, ſondern aus inneren Ur—
ſachen, alſo von ſelbſt entſtehen, nämlich durch Kräfte, welche von der
Pflanze ſelbſt erzeugt werden. Man ſieht ein ſolches Aufſpringen
nicht ſelten am Kohlrabi, an Rettigen, an Möhren und Sellerie—
wurzeln, auch bisweilen an den Kartoffeln, ſowie an manchen ſaftigen
Früchten, z. B. an Kirſchen und Pflaumen, auch an Birnen, wo dies
manchmal an der noch unerwachſenen Frucht eintritt, die dann ſich
nicht weiter entwickelt. An einem ziemlich reifen Maiskolben fand ich
zahlreiche Körner von ſelbſt aufgeſprungen und zwar in allen Stadien
der Wundbildung; das erſte Stadium war ein feiner Riß in der
äußeren Schicht des Pericarps, welches durch die raſche Vergrößerung
des Kornes, der es nicht folgen konnte, geſprengt worden war; der
höchſte Grad beſtand in einer weit klaffenden und bis tief ins En—
doſperm dringenden Wunde, durch welche das Korn ganz geſprengt
und verdorben wurde, indem ſaprophyte Pilze, Cladosporium-Mycelium,
ſich anſiedelten. Auch an krautigen Stengeln kann die Erſcheinung
ſich zeigen, wenn dieſe ungewöhnlich üppig gewachſen oder ſonſt hyper—
trophiſch und mißgebildet ſind; ſo ſah ich verbänderte Blütenſchäfte
von Taraxacum officinale nach Regenwetter von ſelbſt ſo zerſprungen,
daß ſie faſt zuſammengeknickt waren. Das Aufſpringen iſt immer eine
Folge der Ausdehnung des wachſenden Parenchyms, der die Hautſchichten
nicht in gleichem Maße zu folgen vermögen, ſo daß zwiſchen beiden Ge—
weben ſich eine hochgradige Gewebeſpannung einſtellt. Dieſen ungewöhn—
lichen Grad erreicht die letztere namentlich durch eindringendes Waſſer,
weil dann das unter der Hautſchicht liegende Parenchym reichlich
Waſſer aufſaugt und dadurch immer turgescenter und voluminöſer
wird. Daher vergrößert ſich die einmal entſtandene Wunde bei An—
weſenheit von Feuchtigkeit bedeutend, und auch jede noch ſo kleine
aus irgend welchen Urſachen entſtandene Wunde kann unter dieſen
Umſtänden zum Aufſpringen der betreffenden Pflanzenteile führen.
Darum kommt dies auch beſonders häufig nach langem Regenwetter
vor. Auch kann man durch Kulturverſuche, z. B. mit Möhren in
Frank, Die Krantheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 8
Aufſpringen
fleiſchiger
Pflanzenteile
Abgeſchnittene
Pflanzenteile
114 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Waſſer, das Aufſpringen der Wurzeln willkürlich hervorrufen Y.
Pflanzenteile, welche unterirdiſch oder nahe am Boden wachſen, ſind
häufig mit kleinen Wundſtellen verſehen, die vom Fraß der Schnecken
und andrer Tiere herrühren und ſo lange ſie noch nicht durch Wund—
kork geheilt ſind, Waſſer eindringen laſſen, wodurch ein Aufplatzen
herbeigeführt werden kann. Das Aufſpringen reifer, ſaftiger Früchte
bei andauerndem Regenwetter hat Bouſſingault) auch als Folge
des Eindringens von Waſſer nachgewieſen, indem er fand, daß,
während Blätter im Regen keine Gewichtszunahme zeigen, reife, zucker—
haltige Früchte, die in Waſſer untergetaucht werden, an Gewicht zu—
nehmen, während ſie zugleich Zucker an das umgebende Waſſer ab—
geben.
Die aufgeſprungenen Stellen von Wurzeln und Knollen können
durch Bildung von Wundkork (S. 61) heilen. Befanden ſich die
betreffenden Pflanzenteile noch in der Periode des Wachstums, ſo
können die durch Kork geſchützten aufgeſprungenen Stellen eigentümlich
auswachſen, wie es manchmal an Kartoffelknollen vorkommt.
B. Abgeſchnittene Pflanzenteile.
Die vegetabiliſchen Zellen ſind in ihrer Lebensfähigkeit viel ſelbſt—
ſtändiger und von einander unabhängiger als diejenigen des tieriſchen
Organismus. Die Abtrennung von Organen vom pflanzlichen
Körper hat daher für dieſelben weit ſeltener unmittelbar tödliche
Wirkung, als es am tieriſchen Körper der Fall iſt. Es iſt allgemein
bekannt, daß abgeſchnittene Sproſſe, ſelbſt einzelne Blüten oder
Blätter, Tage lang am Leben bleiben, zum Teil ſogar in ihrer Ent—
wickelung fortſchreiten können, wenn man dafür ſorgt, daß ſie Waſſer
aufſaugen können oder keines durch Verdunſtung verlieren, d. h. wenn
ſie in Waſſer, feuchten Sand u. dergl. geſetzt oder in einen Raum
mit feuchter Luft gebracht werden, und daß bei Pflanzen mit ſehr ge—
ringer Verdunſtung, wie bei Succulenten, ſelbſt ohne Waſſerzufuhr
und in trockener Luft abgeſchnittene Teile lange am Leben bleiben.
Der früher oder ſpäter eintretende Mangel an Nahrung wird hier
endlich die Urſache des Todes. Und wenn die Pflanze die Fähigkeit
hat, leicht Wurzeln zu bilden oder ſonſt in ihrer Weiſe ſich zu ver-
jüngen, jo können abgeſchnittene Teile, genügende Feuchtigkeit voraus⸗
geſetzt, ſogar zu neuen Pflanzenindividuen ſich entwickeln. Der ge-
wöhnlichſte derartige Fall iſt die Vermehrung der Pflanzen durch
1) Vergl. Hallier, Phytopathologie, pag. 87.
2) Annales des sc. nat. 5, ser. T. XVIII.
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 115
Stecklinge, die am leichteſten bei Holzpflanzen, aber auch bei
perennierenden und ſelbſt bei einjährigen Kräutern nicht ſelten gelingt,
und die darauf beruht, daß in der Nähe des unteren Endes des ab—
geſchnittenen Zweiges, wenn derſelbe in Waſſer oder feuchte Erde ge—
ſteckt wird, ſich Adventivwurzeln bilden, die dann den Zweig zu er—
nähren vermögen, ſo daß er als ſelbſtändige Pflanze weiter wachſen
kann. Von der Regeneration der Wurzeln an den Stecklingen iſt
ſchon oben (S. 91) die Rede geweſen. Auch aus Wurzelſtücken
laſſen ſich ſogenannte Wurzelſtecklinge erziehen, was beſonders bei
manchen Holzpflanzen und ſogar bei einigen Kräutern ausführbar iſt,
indem an den Wurzelteilen Adventivknoſpen ſich bilden, welche zu
Trieben auswachſen. Sogar Blattſtecklinge laſſen ſich von manchen
Pflanzen gewinnen, wo an abgeſchnittenen Blättern oder Blattſtücken,
die auf eine feuchte Unterlage gelegt werden, Wurzeln und Adventiv-
knoſpen ſich bilden, die ſich zu neuen Pflänzchen entwickeln. Dieſes
gelingt beſonders bei Cardamine pratensis (wo es oft ſpontan eintritt),
bei Begonia, Bryophyllum, Peperomia 2c. ), und dieſe Eigenſchaft wird
daher in der gärtneriſchen Praxis zur Vermehrung dieſer Pflanzen ange—
wendet. Hierher gehört auch die Bildung von Adventivknoſpen in Form
kleiner Zwiebeln an verwundeten Hyazinthenzwiebeln, welche Maſters ?)
erwähnt. Dieſelben bilden ſich an den Schnittflächen von der Grenze der
Zwiebelſchalen aus, wenn man der Zwiebel entweder die Baſis abſchneidet
und die Schnittfläche ſternförmig nach oben einſchneidet oder wenn
man fie von unten aushöhlt. Hildebrand) ſah ſogar an abgelöſten
Blütenknoſpen und Fruchtknoten von Opuntia-Arten ſich bewurzelnde
Sproſſe entſtehen. Die Veränderungen der Gewebe, die an der
Schnittfläche der Stecklinge eintreten, behufs der Heilung derſelben,
find im Artikel über die Wundenheilung beſprochen worden. Der
Vorgang bei der Bildung der Adventivknoſpen an den Blattſtecklingen
iſt in einigen Fällen unterſucht worden. Nach Regel) entſtehen bei
den Blattſtecklingen von Begoniaceen, nach Magnus) an Blättern
von Hyacinthus und nach Berges) an den Blättern von Bryophyllum
die Adventivknoſpen, nicht wie ſonſt endogen, ſondern exogen, d. h.
) Vergl. die Aufzählung bei Maſters, Vegetable Teratology, pag. 170.
F
5) Berichte d. deutſch. bot. Geſellſch. 1888, pag. 109.
) Die Vermehrung der Begoniaceen aus ihren Blättern. Jeuaer Zeit—
ſchrift f. Nat. 1876, pag. 477.
5) Bot. Ver. d. Prov. Brandenburg, 30. Mai 1873 u. 16. Juni 1878.
| ) Beitr. zur Entwickelungsgeſchichte von Bryophyllum calicinum.
Zürich 1877.
gr
Welken
abgeſchnittener
Sproſſe.
116 II. Abſchnitt: Von den Wunden
durch Teilung der oberflächlichen Zellen des Blattgewebes, beziehent—
lich aus der Epidermis. Ebenſo ſah Hanſen!) bei Begonia die
Knoſpen aus Epidermiszellen des durchſchnittenen Blattnerven bald nahe,
bald ferner von der Verwundungsſtelle entſtehen, indem ſich durch
wiederholte Teilung der Epidermiszelle das Meriſtem des jungen
Sproſſes entwickelt. Auch bei Peperomia entſtehen die Knoſpen nach
Beinling)) inſofern exogen, als fie unabhängig von den Gefäß—
bündeln direkt aus dem Grundparenchym des Blattes unmittelbar
unter der Schnittfläche ſich bilden und nur den Wundkork durchbrechen.
Hanſen ſah bei Achimenes und Peperomia Wurzel- und Sproß—
bildung aus oberflächlichen Zellen des Callusgewebes hervorgehen,
welches an den Schnittflächen ſich bildet. Weitere hierher gehörige
Erſcheinungen ſind die Vorkeimſproſſungen an abgeſchnittenen Blättern,
Stengeln und Früchten von Mooſen dec.
Die abgeſchnittene Sproſſe zeigen bei aller Lebensfähigkeit
häufig eine bemerkenswerte pathologiſche Erſcheinung; obgleich man
ſie ins Waſſer geſtellt hat, welken ſie. Die Urſache dieſer allbekannten
Erſcheinung iſt durch eine meiſt mit Helianthus tuberosus angeſtellte
Unterſuchung von de Vries?) etwas näher bekannt geworden. Dar—
nach tritt dieſelbe nur dann ein, wenn die Sproſſe in der Luft durch—
ſchnitten werden, und es nutzk dann nichts, wenn man dieſelben auch
noch ſo raſch ins Waſſer ſtellt. Aber die Erſcheinung unterbleibt,
wenn der Schnitt gleich unter Waſſer gemacht wird. Auch wenn man
die Verdunſtung des Sproſſes und ſomit die Waſſerſtrömung im
Stengel vermindert durch Untertauchen der Sproſſe unter Waſſer und
fie dann an der Luft abſchneidet, tritt nach 1—2 Tagen Welken ein;
wenn fie 1½ Stunden lang unter Waſſer geweſen, welken ſie erſt nach
3 Tagen; je geringer alſo die Waſſerſtrömung, deſto langſamer tritt
das Welken ein. Es geht daraus hervor, daß die Urſache des Welkens
in einer Unterbrechung der Waſſerleitung während des Abſchneidens in
der Luft liegt, und daß dieſe Unterbrechung eine Verminderung der
Leitungsfähigkeit des Stengels für Waſſer zur Folge hat. Darum
werden ſolche welke Sproſſe wieder friſch, wenn man ihnen eine An-
zahl Blätter wegnimmt, und Sproſſe, die vor dem Abſchneiden eines
Teiles der Blätter beraubt worden ſind, welken gar nicht, weil dann
eine geringere Menge Waſſer erforderlich iſt. Die Unterbrechung der
1) Flora 1879, pag. 254 u. Sitzungsber. d. phyſic.- med. Soc. zu Er⸗
langen, 14. Juni 1880.
2) Unterſuch. über d. Entſt. der advent. Wurzeln und Laubknoſpen an
Blattſtecklingen von Peperomia. Breslau 1878.
3) Arbeiten des bot. Inſt. zu Würzburg. 3. Heft, pag. 287.
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 117
Leitungsfähigkeit erſtreckt ſich nicht über den ganzen Stengel, ſondern
nur auf eine gewiſſe Strecke oberhalb der Schnittfläche. Wenn näm—
lich welke Sproſſe 5—6 em oberhalb der Schnittfläche unter Waſſer
durchſchnitten wurden, ſo wurden ſie wieder friſch, während dieſelbe
Operation in nur 1 em Entfernung dies noch nicht bewirkte. Es giebt
einige äußerliche Mittel, um die verminderte Leitungsfähigkeit wieder zu
erhöhen und alſo welke Sproſſe wieder friſch zu machen. Sachs)
fand, daß erhöhter Druck die Waſſerleitung beſchleunigt und auch die
Leitungsfähigkeit wieder normal macht: wenn der welke Sproß in den
kurzen Schenkel einer zum Teil mit Waſſer gefüllten U-förmigen Glas—
röhre feſt eingeſetzt, uud in den andern Schenkel Queckſilber gegoſſen
wird, ſo wird der Sproß in kurzer Zeit wieder turgescent. Ein andrer
in der Praxis ſeit langem mit Erfolg angewendeter Gebrauch, bei
welchem man die welken Sproſſe durch Einſetzen in warmes Waſſer
(ungefähr 35° C.) wieder friſch macht, lehrt, daß Erwärmung des
Stengels die Leitungsfähigkeit desſelben bedeutend erhöht.
C. Veredelung.
Abgeſchnittene Pflanzenteile können außer durch eigene Bewurzelung
auch durch Übertragung auf ein lebendes Individuum, wie es bei der
Veredelung geſchieht, am Leben erhalten und zu weiterer Entwickelung
befähigt werden. Aber dieſe Möglichkeit iſt bekanntlich in beſtimmte
Grenzen eingeſchloſſen, indem zwiſchen vielen Pflanzen eine ſolche Ver—
bindung ſich entweder gar nicht herſtellen läßt, oder doch, wenn ſie
geſchehen iſt, für den Impfling eine krankhafte Entwickelung und ein
zeitiges Abſterben zur Folge hat. Beſonders um dieſer letzteren Er—
ſcheinungen willen iſt die Veredelung hier zu berühren. Dagegen
haben diejenigen Veränderungen, welche bei gelungener Veredelung
am Wildling und am Impfling oft eintreten, nämlich die Übertragung
von Merkmalen des einen auf den andern, kein pathologiſches Inter—
eſſe, ſondern ſind Gegenſtand der Phyſiologie.
Im allgemeinen darf die Möglichkeit der Veredelung als auf die
Dicotyledonen beſchränkt gelten. Nach Decandolle) hat man zwar
Dracaena ferrea auf Dracaena terminalis gepfropft, aber im zweiten
Jahre vertrocknete ſie und ging zu Grunde. Holzige Pflanzen und
fleiſchige Pflanzenteile ſind am meiſten zur Veredelung geeignet. Am
beſten ſchlägt die Operation an zwiſchen Pflanzen derſelben Species.
Allein in vielen Fällen läßt ſich die Veredelung mit Erfolg auch
) Lehrbuch d. Botanik, 2. Aufl. pag. 575.
2) Physiologie vegetale II, pag. 758.
Veredelung.
118 II. Abſchnitt: Von den Wunden
zwiſchen zwei verſchiedenen Species vornehmen. Dies iſt jedoch immer
nur innerhalb einer und derſelben natürlichen Familie möglich. Alle
Arten einer Familie laſſen ſich jedoch nicht auf einander pfropfen; es
iſt dazu eine gewiſſe nähere Verwandtſchaft in anatomiſcher und
phyſiologiſcher Beziehung erforderlich. Aber niemals iſt die Pfropfung
außer der Familie gelungen; alle gegenteiligen Angaben älterer Beob—
achter haben bei exakten Wiederholungsverſuchen ſich nicht beſtätigt
und ſind als unglaubwürdig zu betrachten. Zwiſchen verſchiedenen
Species einer Familie gelingt zwar die Veredelung oft anfänglich, die
Pfropfreiſer wachſen zwar an, aber ſie wachſen oft nicht weiter oder
entwickeln ſich in den nächſtfolgenden 3—4 Jahren kümmerlich, um
dann abzuſterben, oder tragen wohl auch im erſten Jahre nach der
Operation Früchte, gehen danach äber zu Grunde. Dies gilt z. B.
von den Impfungen verſchiedener Oleaceen auf einander, nämlich von
Flieder auf Eſche, von Chionanthus auf Eſche und Flieder, von Flieder
auf Phyllirea, von Olbaum auf Eſche und von Olbaum auf Hart—
riegel). In den meiſten Fällen beobachtet man dasſelbe beim Ver—
edeln von Birnen auf Apfel und umgekehrt; doch ſind auch aus—
nahmsweiſe Beiſpiele dauernd gelungener Veredelung von Birnen auf
Apfel bekannt; ebenſo haben Pfropfungen von Süßkirſchen auf Sauer⸗
kirſchen, von Kirſchen auf Pflaumen und umgekehrt in der Regel
keinen dauernden Erfolg, obwohl gelungene Fälle dieſer Art vor—
kommen?). Nach Eblen?) ſoll Prunus cerasifera eine ſehr gute Unter—
lage zur Veredelung mit allen Sorten Pflaumen, 1 mit Aprikoſen
ſein. Nach Strasburger's“) Mitteilungen finden Verwachſungen
zwiſchen Edelreis und Unterlage ſogar innerhalb weiter Grenzen ſtatt,
nämlich in der Familie der Solanaceen zwiſchen Angehörigen ver—
ſchiedener Gattungen. Einen gewiſſen Einfluß auf die erfolgreiche
Vereinigung zwiſchen Edelreis und Unterlage übt manchmal die Art
der Veredelung aus. So ſollen verſchiedene Birnenvarietäten auf
Quitte nicht anſchlagen oder bald zu Grunde gehen, wenn ſie okuliert
werden, hingegen ſich ſehr gut entwickeln und große Fruchtbarkeit
zeigen, wenn man in den Spalt pfropft und als Edelreis eine Zweig—
ſpitze benutzt; ebenſo ſollen auf Ligustrum ovalifolium zahlreiche
Arten und Varietäten von Syringa gut anſchlagen bei Pfropfen in den
1) Vergl. Decandolle, I. c. pag. 791.
2) Vergl. beſonders Stoll in Wiener Obſt- u. Gartenzeitg. 1810,
pag. 10, Sorauer, Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl I, pag. 689 und Sahut,
Revue horticole. Paris 1885, pag. 13 ete.
2) Pomologiſche Monatshefte von Lucas 1885, pag. 41.
) Berichte d. deutſch. bot. Geſellſch. 1885, pag. XXXI V.
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 119
Spalt, bei Okulation aber ſoll es nur mit Syringa Josikea gelungen
ſein !). Es iſt auch bekannt, daß man oft erfolgreich auf Wurzeln
pfropft und daß dazu ſelbſt Wurzeln alter Obſtbäume, deren Stämme
entfernt werden müſſen, ſich gut verwenden laſſen, wobei natürlich die
Geſundheit der Wurzeln eine Bedingung iſt.
Von dem Heilungsprozeſſe bei der Veredelung, d. h. von der Ver—
wachſung des Impflings mit der Unterlage iſt oben (S. 87) die
Rede geweſen. Bisweilen hat hier die Verwundung eine ungewöhn—
liche Entwickelung von Adventivknoſpen aus dem unter der Pfropf—
ſtelle ſich bildenden Wulſt zur Folge. Moquin-Tandonz) berichtet
von einer veredelten Ulme, an welcher unterhalb der Pfropfſtelle mehr
als tauſend dicht gedrängte Zweige hervorgebrochen waren.
D. Verſtümmelung der Samen.
Es handelt ſich hier um die ſchädlichen Folgen, welche eine Ver-Berſtümmelung
letzung der Samen auf die Keimung und die weitere Entwickelung der Samen.
ausübt. Durch Bruch, ſowie durch die Verletzungen, die gewiſſe Tiere,
beſonders Samenkäfer (Bruchus-Arten) an den Samen hervorbringen,
wird erfahrungsmäßig die Keimfähigkeit der Samen beeinträchtigt.
Eine genauere Kenntnis der verſchiedenen Folgen, die aus der Ver—
wundung oder dem Verluſt beſtimmter Organe der Samen und der
Embryonen reſultieren, iſt gewonnen worden, indem man die ver—
ſchiedenartigen Organe künſtlich weggeſchnitten und den Erfolg beob—
achtet hat.
Verluſt der Rejervenähritoffbehälter. Wenn man die Be- Verluſt der
hälter der Reſervenährſtoffe wegſchneidet, alſo die Cotyledonen, ne en
l 5 . oe g i ehälter.
ziehentli das Nährgewebe oder Endoſperm, wenn in einem ſolchen
die Reſerveſtoffe aufbewahrt ſind, ſo wird dadurch zwar die Keim—
fähigkeit nicht alteriert, aber die daraus ſich entwickelnden Pflanzen
ſind Zwerge, und zwar richtet ſich die Abnahme der Größe und des
Gewichtes der produzierten Pflanze nach dem Verhältnis des ver—
lorenen Nährmaterials; die Pflanze kann unter Verzwergung bis zur
Bildung reifer Früchte gelangen oder auch ſchon vorzeitig zu Grunde
f gehen. Bonnet) hat zuerſt ſolche Verſuche mit Bohnen und Buch—
A weizen angeſtellt. Eingequellten Bohnen wurden beide Cotyledonen
e weggeſchnitten; der Rumpf des Keimes dann ſo in die Erde geſteckt,
daß die Plumula hervorragte. Die Pflanzen entwickelten ſich trotzdem,
) Nach Carrière in Revue hortic. 1876. II. pag. 208.
2) Pflanzen⸗Teratologie, pag. 379.
5 3) Nutzen der Blätter bei den Pflanzen. Deutſch von Arnold, pag. 137 ff.
120 IL Abſchnitt: Von den Wunden
aber in außerordentlicher Kleinheit; als ſie zu blühen begannen, waren
ſie nur 5,4 em hoch (gleichalterige unverletzte 49 em), ihre größten
Blättchen waren nur 3,5 em lang und 1,5 em breit; die Blüten waren
verhältnismäßig klein und in geringer Anzahl. Wenn die Operation
an den Bohnen erſt ausgeführt wurde, ſobald ſie aufgegangen waren,
war die Reduktion in der Größe etwas minder bedeutend: die erſten
Blätter waren nur 5,4 em lang, aber auch während des ganzen Wachs—
tums blieb ein Unterſchied merklich, es kamen weniger Blüten, weniger
und kleinere Früchte zur Entwickelung. Viel ſtärker war der Einfluß
des Abſchneidens der Cotyledonen an den Buchweizenpflänzchen; die
meiſten ſtarben und die davon gekommenen blieben elend. Dieſelben
waren nach drei Wochen nur 2,7 em hoch (gegen 16 em der gleich—
alterigen unverwundeten) und hatten 1 em lange und 0,6 em breite
Blätter. Zuletzt hatten fie 13,5 em Höhe erreicht, waren ohne Zweige
und die ſehr kleinen und wenigen Blüten hatten keinen Samen ge—
bracht, während die gleichalterigen unverſehrten Pflanzen 78,5 em hoch
waren und Zweige, Blüten und Körner in Menge hatten. Solche
Verſuche find neuerdings noch weiter fortgeſetzt worden, von Sachs ),
Gris?), van Tieghemz) und zuletzt von Blociszews ki). Der
letztere hat beſonders die angedeutete Abhängigkeit der erreichbaren
Größe von den in den Cotyledonen oder im Endoſperm aufgeſpeicherten
Reſerveſtoffen anſchaulich gemacht, indem er von Roggen, Hafer, Mais,
Erbſen, Lupinen, Klee und Olrettig bald nur einen ganzen Cotyledon,
bald zwei Hälften querdurchſchnittener Cotyledonen, bald die Hälfte
oder ein Vierteil des Endoſperms abtrennte und beobachtete, wie die
daraus hervorgegangenen Pflanzen in ihrem Gewichte die Mitte hielten
zwiſchen den aus ganzen Samen erhaltenen und denen, welche der
Reſerveſtoffbehälter total beraubt worden waren. Das ſchließt natür—
lich nicht aus, daß nachträglich ſolche Pflanzen unter günſtigen Um—
ſtänden ſich noch erholen und bis zu normaler Fruchtproduktion ge—
langen können, zumal wenn der Verluſt der Reſerveſtoffbehälter ein
mäßiger geweſen iſt. Es tft daher erklärlich, daß Haberlandt') bis—
weilen an Pflanzen, die aus Getreidekörnern erwachſen waren, die
) Keimungsgeſchichte der Schminkbohne. Sitzungsber. d. k. k. Akad. d.
Wiſſ. Wien 1859.
2) Ann. des sc. nat. 5 ser. T. II. pag. 107.
®) Ann. des sc. nat. 5 ser. T. XVII. pag. 205 fl.
) Landw. Jahrbücher 1876, pag. 145 fl.
5) Einfluß der Verſtümmelung der Getreidekörner auf die nachfolgende
Entwickelung der Pflanze. Wiſſenſchaftlich-praktiſche Unterſuchung I. 1875,
pag. 234.
0
b
- 3. Kapitel: Die Verwundungsarten 121
die Hälfte ihrer Reſerveſtoffe eingebüßt hatten, größere Körnermengen
gewann als an ſolchen, denen nur der vierte Teil der Reſerveſtoffe
genommen worden war.
Verluſt der Teile des Embryo. Ferner hat van Tieghem Vellſt
(l. c.) die Abhängigkeit der einzelnen Organe des Embryo von einander e
unterſucht. Die Reſultate waren bei endoſpermloſen Samen (Helian-
thus annuus) wie bei endoſpermhaltigen (Mais, Mirabilis) dieſelben:
wenn Achſenorgan, Wurzeln und Cotyledonen eines Embryo von ein—
ander getrennt und normalen Keimungsbedingungen ausgeſetzt werden,
ſo wächſt jeder dieſer Teile und vergrößert ſich, als ob er mit den
anderen zuſammenhinge, aber nach kurzer Zeit gehen ſie zu Grunde,
das Stengelchen erſt, nachdem es neue Nebenwurzeln gebildet hat.
Die Cotyledonen ergrünen, bekommen an der Schnittfläche kleine Neben—
wurzeln, endlich eine Knoſpe, die zu einem Pflänzchen auswächſt;
ſelbſt die Stücke halbierter oder gevierteilter Cotyledonen liefern unter
Vernarbung der Schnittfläche neue Pflänzchen. Dagegen konnte
Blociszewski (I. c.) an abgeſchnittenen Cotyledonen von Erbſen
und Lupinen zwar Wurzeln, aber nie vollſtändige Pflänzchen erhalten.
Erſatz des Endoſperms durch ein künſtliches. Wie ſchon Künſtliches
Gris (J. c.) beobachtete, fand auch van Tieghem, daß (bei Mirabilis) Endoſperm.
ein des Endoſperms beraubter Embryo ſich in den erſten Tagen nor—
mal zu einer Keimpflanze ausbildet; aber das weitere Wachstum unter—
bleibt, indem die Knoſpe ſich nicht weiter entwickelt. Aber er fand
auch die intereſſante Thatſache, daß für das weggenommene Endoſperm
mit Erfolg ein künſtliches ſubſtituiert werden kann. Er hüllte näm—
lich die nackten Embryonen von Mirabilis in einen Brei, der aus
ihrem eigenen mit Waſſer zerriebenen Endoſperm oder auch aus Kar—
toffelſtärke und Buchweizenmehl hergeſtellt worden war. Es bildeten
z. B. nach 12 Tagen nackte Embryonen 35 mm lange Stengel mit
unentwickelter Plumula und 15mm langen Cotyledonen, in Endoſperm—
brei eingehüllte 60 mm lange Stengel mit 20 mm lang entwickelter
Plumula und 25 mm lange Cotyledonen, während die normal ge—
\ keimten 70 mm lange Stengel mit 40 mm lang entwickelter Plumula
bekommen hatten. Es wurde auch konſtatiert, daß die Embryonen
einen Teil dieſer künſtlichen Nahrung aufnehmen, wenn auch be—
deutend weniger als aus dem natürlichen und normal anhaftenden
Endoſperm.
E. Verwundung der Wurzeln.
Jede Beſchädigung des Wurzelſyſtems iſt für die Pflanze nach- Verwundung
teilig; die ſchädlichen Folgen derſelben ſind oben (S. 26) beſchrieben der Wurzeln.
k N 7
*
7
worden. Die Veranlaſſungen zu Wurzelverwundungen ſind ſehr
mannigfaltig; letztere geſchehen teils durch den Fraß ſehr vieler Tiere,
teils und vornehmlich durch Menſchenhand beim Kulturbetriebe, näm—
lich überall, wo Pflanzen ausgehoben und verpflanzt werden.
Bei Holzpflanzen. Beim Verpflanzen der Holzgewächſe tritt naturgemäß die
gröbſte Verletzung des Wurzelſyſtems ein, weil bei der weiten und
tiefen Ausbreitung der Wurzeln dieſer Pflanzen ein Abreißen und Ab—
ſtechen ſelbſt ſtärkerer Wurzeln oft, namentlich bei älteren Pflanzen,
unvermeidlich iſt. Man nimmt ja hierbei auch gewöhnlich ſogar ein
Beſchneiden der Wurzeln vor, indem die letzteren ſo gekürzt werden,
daß ſich aus den ſtehen gebliebenen Wurzelteilen erſt wieder neue
Saugwurzeln bilden müſſen. Da nun gerade die letzteren es allein
ſind, welche der Pflanze Waſſer und Nahrung aus dem Boden zu—
führen, ſo iſt der augenblickliche Nachteil dieſer Operation begreiflich.
Bei Coniferen und Cupuliferen, wo die Saugwurzeln Mykorhizen ſind,
hat das Beſchneiden der Wurzeln außerdem die Entfernung der als Amme
bei der Ernährung des Baumes fungierenden Wurzelpilze!) zur Folge
und es könnte denkbar ſein, daß beim Verpflanzen in einen andern Boden
die betreffenden Wurzelpilze nicht vorhanden ſind und daher die Wieder—
bildung der Mykorhizen verhindert oder wenigſtens verzögert wird.
Jedes zweckloſe Beſchneiden der Wurzeln ſollte alſo vermieden werden.
Beim Ausheben der Pflanzen, ſowie beim Transport und Einpflanzen
muß die möglichſte Schonung des Wurzelballens beobachtet werden;
bei Topfpflanzen müſſen gerade die äußerſten Wurzeln, welche ſich auf
dem Boden und an den Wänden des Topfes ausbreiten, da ſie die
jüngſten und thätigſten find, geſchont werden. Nicht zu umgehen tft
das Beſchneiden der jungen Wurzeln, welche beim Ausheben gebrochen
oder geknickt ſind, und es muß dies durch einen glatten Schnitt direkt
oberhalb der beſchädigten Stelle geſchehen. Viele Holzpflanzen repro- 1
duzieren allerdings nach Zurückſchneiden der Wurzeln die Saug⸗ =
wurzeln ziemlich leicht und bilden dann einen um jo dichteren Wurzel⸗ 7
ballen, was unter Umſtänden von Vorteil ſein kann. Da natürlich
die Pflanze, jo lange fie nicht im Beſitze genügender Saugwurzeln iſt,
auch ihren Aſten nicht die erforderliche Menge von Waſſer und Nahrung
zuführen kann, ſo muß man den verſetzten Pflanzen, beſonders wenn
es ältere oder gar ſchon höhere Bäume find, einen Teil der Aſte ab-
ſchneiden, um dadurch ihren Waſſerbedarf auf ein geringeres Maß zu
reduzieren; es werden dann eben zunächſt nur wenige Knoſpen zu
neuen blättertragenden Zweigen. Es iſt ſogar möglich, erwachſene
122 II. Abſchnitt: Von den Wunden
) Vergl. mein Lehrbuch der Botanik. Leipzig 1892 I, pag. 260.
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 123
alte Bäume umzuſetzen; doch nimmt die Unſicherheit des Erfolges
mit dem Alter des Baumes raſch zu. Am gefährlichſten für die Holz—
pflanzen und daher ganz verwerflich iſt die Verpflanzung im völlig
beblätterten Zuſtande, weil dann das Mißverhältnis zwiſchen Waſſer—
verbrauch und Wurzelarbeit am größten iſt. Man verpflanzt daher
die Holzpflanzen im blattloſen Zuſtande, alſo entweder im Herbſt oder
Anfang Winter oder im zeitigen Frühjahr, möglichſt früh vor dem
Knoſpenaustrieb, um für die Neubewurzelung möglichſt viel Zeit zu
gewinnen. Für jüngere Gehölze iſt Herbſt- oder nicht zu ſpäte Früh—
jahrspflanzung gleich günſtig; für einigermaßen ältere Pflanzen hat
die Frühjahrspflanzung immer größere Gefahren als Verpflanzung im
Herbſte oder auch im Winter mit gefrorenem Wurzelballen. So haben
die vergleichenden Verſuche von Götze!) für Obſtbäume ergeben, daß
dem Verpflanzen im Herbſt mit nachfolgendem Schnitt im Frühjahre
der Vorzug gebührt. Für Waldbäume hat ſich herausgeſtellt, daß bei
der Fichte der Verluſt für die im Juni, Juli, Auguſt und September
ausgeführten Pflanzungen auf 16,3 Prozent, 16,0 Prozent, 19,2 Prozent,
und 13,7 Prozent ſich ſtellten, während er aus den Pflanzungen der
Monate April, Mai und Oktober 9,8 Prozent, 10,8 Prozent und
11,1 Prozent betrug. Bei der Kiefer ſtellte ſich der Verluſt im April
ſogar noch auf 22 Prozent. Die Laubhölzer verhalten ſich nach den—
ſelben Verſuchen bei Herbſtpflanzung viel günſtiger als die Nadelhölzer,
bei denen Frühjahrspflanzungen vor und kurz nach dem Knoſpen—
aufbruche am günſtigſten ſind ).
Beim Verpflanzen krautartiger Gewächſe zeigt ſich die Be—
ſchädigung des Wurzelſyſtems ſehr deutlich daran, daß dieſe Pflanzen
unmittelbar nach dem Umſetzen mehr oder minder ſtark welken, was
ſelbſt durch reichliches Angießen der Pflanzen nicht zu verhüten iſt;
bei trockenem Wetter gehen dadurch ſogar viele Pflanzen zu Grunde;
beim Auspflanzen der Rüben, des Kohls, des Salates ꝛc. iſt das eine
allbekannte Erſcheinung. Dieſes Welkwerden läßt ſich nur dann um—
gehen, wenn man das Endſtück, in welchem ſämtliche Wurzeln ver—
breitet ſind, im ganzen aushebt. Sobald man aber die Erde von den
Wurzeln lockert, und ſelbſt wenn man dabei mit der größten Schonung
verfährt, um keine Wurzel abzureißen, ſo wird man, ſelbſt wenn
letzteres gelungen ſein ſollte, die Pflanze dennoch nach dem Wieder—
einpflanzen zunächſt Welkungserſcheinungen zeigen ſehen. Es erklärt
ſich dies aus der hierbei unvermeidlichen Zerſtörung der eigentlich auf—
) Zeitſchrift für Pflanzenkrankheiten. II. Band 1892, pag. 182.
) Deutſche Forſt⸗Zeitung, 13. November 1892.
Bei Kräutern.
Abweiden
und Abmähen.
124 II. Abſchnitt: Von den Wunden
ſaugenden Organe der Wurzeln, nämlich der zarten Wurzelhaare, mit
denen fie in großer Zahl bekleidet find. Beim Ausheben der Pflanzen
werden dieſe entweder ganz abgeriſſen oder doch mechaniſch beſchädigt,
weil dieſelben ja mit den Bodenpartikelchen innig verwachſen ſind.
Ein in dieſer Weiſe verwundeter Wurzelkörper vermag daher unmittel—
bar nachher nicht in genügendem Grade zu funktionieren; erſt dann,
wenn die Wurzelſpitzen wieder ein neues, mit Haaren verſehenes
Stück gebildet haben oder neue Seitenwurzeln entſtanden ſind, ver—
ſchwindet mit dem Beginn erhöhter Wurzelthätigkeit der welke Zuſtand
wieder.
F. Die Stamm- und Zweigverſtümmelungen.
I. Krautartige Pflanzen kommen infolge von Abweiden
durch Tiere oder von Abmähen ſehr oft um ihren ganzen oberirdiſchen
Stengel. Bei Pflanzen von einjähriger Dauer wird dann oft derſelbe
nicht wieder erſetzt und die zurückgebliebene Wurzel ſtirbt ab. Peren—
nierende Pflanzen erſetzen dagegen das Verlorene meiſt in vermehrter
Anzahl durch Reproduktion neuer Sproſſe, von welcher S. 92 näher
die Rede war. Es iſt allbekannt, daß viele ſolcher Pflanzen einen
zwei- oder mehrfachen Schnitt gewähren. Nur iſt bezüglich der Zeit der
danach eintretenden Reproduktion und bezüglich der Fähigkeit der
Pflanze, wie oft ſie dieſe Operation aushält, folgendes zu bemerken.
Diejenigen Pflanzen, deren Entwickelungsperiode an eine beſtimmte
Jahreszeit geknüpft iſt, wie namentlich die eigentlichen Frühjahrs⸗
pflanzen, kommen durch Abſchneiden ihrer oberirdiſchen Teile um die
Vegetation eines vollen Jahres, denn ſie treiben von neuem erſt, wenn
im nächſten Frühlinge ihre natürliche Zeit gekommen iſt. Viele andre
erſetzen noch in demſelben Jahre die verlorenen Triebe ein und ſogar
mehrere Male, wie wir vom Klee und ähnlichen Pflanzen wiſſen,
welche mehrmals im Jahre geſchnitten werden können. Eine peren—
nierende Pflanze erträgt um ſo leichter einen mehrmaligen Verluſt
ihrer grünen oberirdiſchen Organe, je ſpäter die letzteren wegge—
nommen werden, alſo je länger ſie an den Pflanzen funktioniert
haben. Denn dieſe ſind nötig, um die unterirdiſchen Organe zu er⸗
nähren, mit Reſerveſtoffen zu füllen, und ſie ſo in den Stand zu
ſetzen, durch Bildung neuer Sproſſen die Pflanze zu verjüngen. Wenn
man daher beharrlich die jungen oberirdiſchen Triebe bald nach ihrem
Erſcheinen wieder wegſchneidet, jo findet keine Ernährung der unter-
irdiſchen Teile jtatt, vielmehr werden dieſelben durch die wiederholte
Bildung neuer Organe erſchöpft, und die Pflanze geht endlich aus.
Deshalb iſt dies auch ein Mittel, um Unkräuter, bei denen das Aus⸗
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 125
roden der unterirdiſchen Teile ſich ſchwer bewerkſtelligen läßt, zu ver—
tilgen. Durch geeignetes und rechtzeitiges Zurückſchneiden der Stengel
kann man ſolche Pflanzen aber auch zu längerer Lebensdauer bringen,
ſogar einjährige zu zweijährigen und ſelbſt mehrjährigen machen,
indem infolgedeſſen der untere Teil des Stengels ſich verdickt und
verholzt, wie z. B. bei der Reseda odorata.
II. Bei den Holzpflanzen kommen Verſtümmelungen von Knoſpen, Verſtümmelung
Zweigen oder ſtärkeren Aſten durch ſehr viele Veranlaſſungen zu ie
ſtande, und je nachdem reſultieren mannigfaltige Erſcheinungen. Es
ſind hier folgende Fälle zu unterſcheiden:
1. Der künſtliche Schnitt, den man an Obſt- und Zierſträuchen Der'künſtliche
zur Erziehung des Stammes und zur Regulierung der Krone und N
beſonders an denjenigen Gehölzen anwendet, die zu lebendigen Zäunen
und Hecken gezogen oder nach franzöſiſchem Geſchmack zu allerlei
Formen zugeſtutzt werden. Daran ſchließen ſich auch die Verſtümme—
lungen, die an ganz jungen Pflänzchen, z. B. in Saatkämpen, oder
an ganz niedrigen Sträuchern, durch die Sichel beim Grasmähen,
ſowie durch Zertreten, Zerfahren und ähnliche durch den Verkehr be—
dingte Zerſtörungen herbeigeführt werden. Denn in allen dieſen Fällen
werden die jüngeren Zweige der Pflanzen verſtümmelt, und überall
it die Folge die, daß die oben (S. 93 ꝛc.) beſchriebenen Reproduktionen
unter Austreiben vorhandener Knoſpen, die der Wunde zunächſt ſtehen,
eintreten. Da beim Heckenſchnitt und beim Beſchneiden der Form—
bäume auch an den neuen Trieben dieſelben Verſtümmelungen wieder—
holt werden und dieſe immer wieder Reproduktionen nach ſich ziehen,
ſo werden dieſe Pflanzen durch die Anhäufung der Knoſpen und Triebe
immer dichter.
2. Das Verbeißen durch das Wild und durch vorübergehendes Verbeißen.
Vieh. Hierbei werden die Spitzen oder auch größere Stücke der ein—
jährigen Triebe der Holzpflanzen abgezwickt und gefreſſen. An den
ſtehengebliebenen Zweigſtumpfen ſind dann häufig die Zahnſpuren der
Tiere kenntlich. Das Wild, zumal das Reh, verbeißt beſonders im
Winter bei Schnee, aus Mangel an andrer Nahrung, und geht ſowohl
die kleinſten jüngſten Pflänzchen, als auch größere Individuen an,
dieſe ſoweit als das Tier die Triebe erreichen kann. Für ganz junge
Pflänzchen ſind dieſe Verſtümmelungen oft tödlich. Wenn Wild in
Saatkämpen ein⸗ oder wenigjährige Kiefern verbeißt, jo gehen oft viele
5 derſelben ein!), während ein- bis dreijährige Fichten, denen oft nur
. 8
) Ratzeburg, Waldverderbnis I, pag. 191.
126 II. Abſchnitt: Von den Wunden
die Spitzen abgezwickt werden, durch Reproduktion ſich retten!). Die
letztere geſchieht auch beim Verbeißen überall auf dieſelbe Weiſe wie
beim künſtlichen Schnitt aus ſchon vorhandenen Knoſpen, wie S. 93 X.
beſchrieben worden iſt. Auch vom Verbeißen wird dieſelbe Pflanze oft
jahrelang wiederholt betroffen, da das Wild die Gewohnheit hat, die
einmal verbeizten Pflanzen immer wieder anzugehen. Die Dichte der
Zweigbildung, die ſich infolge der ſteten Reproduktionen einſtellt, in
Verbindung mit dem Umſtande, daß dieſer Einfluß immer nur ſoweit
an der Pflanze ſich erſtreckt, als das Tier reichen kann, bedingt ge—
wiſſe eigentümliche abnorme Strauchformen. Junge Gehölze
werden nach langjährigem Verbeißen infolge der Anhäufung vieler
kurzer Triebe zu immer gedrungeneren Strauchformen. Fichten
ſehen aus wie dichte Perrücken oder Pyramiden; doch findet ſich
leicht ein Gipfeltrieb, der vom Wild unerreicht, den Höhenwuchs aus
der Pyramide heraus übernimmt. Ganz ähnlich verhält ſich die Kiefer.
Ratzeburg?) berichtet von Kiefern, die auf einer Trift beſtändig von
Schafen verbiſſen, nur auf dem Boden hingeſtreckte Stämme, mit
kurzen, ſich erhebenden Trieben bekommen hatten und von ferne wie
grüne Raſen ausſahen. Die Lärche wird nach Ratzeburg!) durch
Verbeißen bald zu dichten, beſenförmigen Büſchen, aus denen aber
immer Langtriebe hervorkommen, von denen ſchließlich einer zum
Kronenaſte wird, der in der Mitte des Buſches ſich erhebt; oder ſie
bildet niedergeſtreckte Triebe, die wie ein großes Neſt ausſehen, aus
dem ſich endlich auch ein Höhentrieb emporarbeitet. Schon ganz junge
Lärchenpflänzchen verbiſſen, bekommen die Neigung, die Aſte, die ſie
bald nach dem Verbeißen proleptiſch treiben, horizontal auszubreiten.
Unter den Laubhölzern vertragen Eiche, Rotbuche und Hainbuche viel—
jähriges Verbeißen am beſten. Sie bilden wie auf einem Perrücken⸗
ſtocke ſtehend ein dichtes Neſt von Trieben oder werden zu dicht—
buſchigen Krüppeln mit knickigen und ſperrigen Aſten; auch hier arbeitet
ſich, wenn er verſchont bleibt, ein Gipfeltrieb heraus, wenn nicht, ſo
bleibt die Pflanze jahrelang in der Strauchform. Junge Rüſtern
werden nach mehrjährigem Biß durch ihre ungemein zahlreichen, büſchelig
ſtehenden Erſatztriebe zu wirklichen Beſen. Alle ſolche verbeizte Büſche
laſſen ſich wieder zum Höhenwuchs bringen, wenn man ſie beſchneidet,
um den Trieb nach oben zu leiten, und ſie eingattert, um die Tiere
abzuhalten. Eine Schwächung in der Bildung des Holzes, insbe—
ſondere des Jahresringes nach Verſtümmelung von Zweigen iſt ſchon
) 1. c. pag. 258.
N. F pag. 193.
) I. e. II, pag. G6.
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 127
vom theoretiſch-phyſiologiſchen Standpunkte zu erwarten, da ja dabei
ein Verluſt grüner Blätter ſtattfindet. Ratzeburg!) hat denn auch
durch Beobachtung die ſchwächere Bildung des Jahresringes nach Ver—
beißen durch Wild an den verſtümmelten Zweigen feſtgeſtellt, ſo bei
der Kiefer, der Lärche, der Tanne. ;
3. Abbiſſe und ähnliche Verſtümmelungen jüngerer Zweige
durch andre Tiere, beſonders durch Inſekten. Eichhörnchen
beißen im Herbſt und Winter an den Tannen und Fichten einjährige
Zweiglein ab, um die Blütenknoſpen derſelben auszufreſſen und laſſen
ſie dann fallen. Beſonders aber ſind es viele Inſekten, welche die
jungen Zweige der Bäume in derſelben Weiſe förmlich abſtechen,
ſo daß ſie herunterfallen oder ſie wenigſtens ſo verletzen, daß ſie ab—
ſterben und dann noch eine Zeit lang im dürren Zuſtande ſtehen
bleiben, was man bei den Nadelhölzern als Spieße bezeichnet. Auch
dieſe Verletzungen können für junge Pflänzchen tödlich werden, während
ältere wieder in derſelben Weiſe wie in den vorigen Fällen durch
Reproduktion reagieren, woraus wiederum verſchiedene abnorme Baum—
formen ſich ergeben, von welchen im ſpäteren Teile dieſes Buches bei
den betreffenden Tieren bie Rede ſein wird.
Unter Abſprüngen verſteht man die Erſcheinung, daß ganze unver—
ſehrte einjährige Triebe von den Bäumen ſich ablöſen und abfallen, ſo daß
ſie bisweilen in großer Zahl den Boden rings um den Baum bedecken.
Hieran ſind keine Tiere noch ſonſtige äußere Veranlaſſungen ſchuld, denn
es handelt ſich hier um eine normale Erſcheinung ), die mit dem herbſtlichen
Blattfall am nächſten verwandt iſt, denn wie dieſer kommen die Abſprünge
durch eine organiſche Abgliederung zu ſtande, indem ſich an der Baſis oder
unmittelbar über dem unterſten Internodium einjähriger, ſeltener mehr—
jähriger Triebe eine Trennungsſchicht aus Korkgewebe bildet, welche die
Abgliederung des noch friſchen, mit ausgebildeten Blättern verſehenen Zweiges
im Sommer oder Herbſt zur Folge hat. Am häufigſten ſind ſolche Ab—
ſprünge bei Taxodium, wo ſie eine regelmäßige Erſcheinung ſind, ferner
bei Quercus, Populus, Salix; auch bei der Fichte kommen unzweifel—
haft wirkliche Abſprünge vor, welche nicht von den Eichkätzchen bewirkt
werden und die beſonders nach Stürmen in Menge abfallen; auch bemerkt
man ſie, wenn auch minder häufig, bei vielen andern Holzgewächſen.
Dieſe von ſelbſt ſich ablöſenden Abſprünge ſind im allgemeinen ſchwächliche
Zweige, die im Verhältnis zu andern ein ſchwaches Wachstum zeigen, für
den Weiterbau des größeren Zweiges, an dem ſie ſitzen, überflüſſig ſind
und ſich daher aus dem Verbande des Ganzen löſen. Sie tragen offenbar
mit zur Erzeugung der typiſchen Baumgeſtalt mancher Gehölze bei, laſſen
aber pathologiſche Folgen wohl nicht erkennen, daher wir ſie hier nicht
weiter berückſichtigen.
1) 1. c. I, pag. 194 und II, pag. 25, 67.
2) Man vergl. Röſe und Gonnermann in Bot. Zeitg. 1865, Nr. 14,
41 und 34; ſowie Ratzeburg, Waldverderbnis, I, pag. 219.
Abbiſſe.
Abſprünge..
Gipfel- und
Aſtbruch.
Folgen für die
Ernährung.
Reproduktionen.
Kopfhölzer.
128 II. Abſchnitt: Von den Wunden
4. Gipfelbruch, Aſtbruch, Aſtung. Die hier genannten Ver—
wundungen betreffen größere alte Aſte der Bäume. Sie treten ein
teils infolge von Witterungsphänomenen, wie Blitzſchlag, Wind. und
Schneebruch, teils bei gewiſſen Kulturmethoden, nämlich beim ſoge—
nannten Ausäſten oder Aufäſten der Baumkronen und bei der
Zucht der Koſpfhölzer. Erſteres iſt entweder eine Grünäſtung, wobei
noch lebende Aſte abgeſägt, abgehackt oder abgebrochen werden, oder
eine Trockenäſtung, wenn ſie ſich auf ſchon vollkommen trockene und
tote oder dürr werdende Aſte bezieht. Zur letzteren iſt auch ein von
ſelbſt eintretender Prozeß zu rechnen: die Reinigung des Stammes
von den unteren Aſten, wenn die Bäume im geſchloſſenen Beſtande
ſtehen, indem hier infolge des Lichtmangels die Blätter derſelben ſich
und den Aſt nicht mehr genügend ernähren, ſo daß deſſen Gewebe in—
folge der Funktionsloſigkeit abſterben, der Aſt vertrocknet und von
ſelbſt abbricht oder durch Ausäſten entfernt wird.
Die Folgen, welche der Verluſt lebender Aſte für den Baum über—
haupt hat, müſſen ſelbſtverſtändlich in einer Verminderung der Er—
nährung beſtehen, die um ſo bemerkbarer ſein wird, je größer der
Verluſt an aſſimilierenden Organen iſt. Bei ſtarken Aſtungen kann
daher der Zuwachs in den unteren Baumteilen ganz aufhören und ſelbſt—
verſtändlich wird dann auch die Überwallung der Aſtwunden verzögert
aus Mangel an aſſimilierten Bildungsſtoffen. Es iſt daher ratſam,
ſtarke Aſtungen nicht auf einmal, ſondern nach längeren Ruhepauſen
vorzunehmen.
Die Reproduktionen, die nach dieſen gröberen Verwundungen ein—
treten, geſchehen, wie wir S. 99 geſehen haben, durch Adventiv—
knoſpen nahe unterhalb der Wundſtelle; jedoch verhalten ſich wegen
der ungleichen Fähigkeit, ſolche Knoſpen zu bilden, Laubbäume und
Nadelbäume hierin im allgemeinen verſchieden. |
Da die Laubhölzer unter den Wundſtellen jo alter Teile leicht eine
Brut von Adventivknoſpen erzeugen, aus denen ſich Zweige entwickeln, die
nach und nach zu neuen Aſten erſtarken, ſo beruht darauf die Zucht der Kopf-
hölzer, zu denen ſich beſonders Weiden, Pappeln und Buchen eignen.
Der Stamm wird ſeiner Spitze beraubt; unter der Schnittfläche treiben
neue Zweige aus, die man nach einer Reihe von Jahren abermals an
ihrer Baſis köpft, worauf neue Adventivknoſpen daſelbſt gebildet und ge—
weckt werden. Indem dies nun immer wiederholt wird, wächſt der kurze
Stamm mit zunehmendem Alter zu anſehnlicher Dicke heran, trägt aber
auf ſeinem durch die fortwährenden Verwundungen mehr oder minder un—
förmig erweiterten Kopfe nur verhältnismäßig dünne, einander gleichſtarke
Aſte in meiſt ungewöhnlich großer Anzahl. Die Verdickung des Kopfes
rührt auch mit von einer Art Überwallung her, die von der Baſis der
zahlreichen Lohden ausgeht und welche die alten Stumpfe einzuhüllen ſucht
ET
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 129
und immer wieder neuen Adventivknoſpen den Urſprung giebt. Die ſo er—
zeugte Holz- und Rindenmaſſe des Kopfes ſenkt ſich daher allmählich von
oben über den Stamm herab. Sie hat eine ſehr unebene Oberfläche,
Hervorragungen, die teils berindet, teils ſchon entrindet ſind. Im letzteren
Falle zeigt ſich das bloßliegende Holz als Maſerholz, wie es ſtets bei reich—
licher Adventivknoſpenbildung ſich entwickelt. Die Rinde des Kopfes iſt
grindartig grob getäfelt. Die ſchließlich ſich ergebende Baumform hängt
übrigens noch davon ab, wie lange man die Aſte bis zum Abſchlagen
ſtehen läßt und ob man ſpäterhin die Aſte ungeſtört ſich fortentwickeln
läßt oder nur dieſe dem Kopfſchnitt unterwirft. Bei denſelben Laubhölzern
wird die Neigung, unter den Wundflächen ſich durch, Adventivknoſpen zu
verjüngen, auch nach dem ſogenannten Kappen ſtarker Aſte in der normalen
und übrigens unverletzt bleibenden Krone bemerklich. Es tritt dann unter
den Schnitt- oder Bruchſtellen oft eine reiche Brut von Adventivknoſpen
auf, aus denen dicht gedrängt ſtehende Zweige hervorgehen können, wie es
beſonders an den Pappeln, Roßkaſtanien, Linden ꝛc. ſehr gewöhnlich iſt.
Bei den Nadelhölzern tritt nach allen hier genannten Verwundungen
meiſt gar keine Bildung von Adventivknoſpen und ſomit keine Erneuerung
von Aſten auf; nur ſelten kommt hier und da ein kümmerliches Zweiglein,
aus adventiver Bildung bervorgegangen, zur Entwickelung. Wenn eine
Konifere ihren Gipfeltrieb verliert, ſo iſt es einer der ſchon vorhandenen
Seitentriebe nahe der Spitze, der ſich geotropiſch aufwärts krümmend und
kräftiger wachſend allmählich an die Stelle des verlorenen Haupttriebes
tritt, wie an entgipfelten Fichten und Tannen oft zu ſehen iſt. Selten
werden wohl auch zwei oder mehr Seitentriebe zugleich in dieſer Weiſe
beeinflußt, ſo daß der Stamm ſpäter von einem gewiſſen Punkte an zwei—
gipfelig erſcheint. Schübeler) berichtet von Fichten in Norwegen, welche
geköpft worden waren und an denen darnach aus den oberſten horizontalen
Aſten zwei bis fünf regelmäßige kleine Bäume emporgewachſen waren, ſo—
wie von einer andern ſehr alten Fichte, an welcher der Stamm durch die
Mitte der Krone verfolgt werden konnte und in einer Höhe von ungefähr
2 m über dem Boden 12 Aſte aus dem Stamme hervorgewachſen waren,
von denen einzelne ſich bis 3,1 m in horizontaler Richtung ausſtreckten,
ehe ſie ſich nach oben richteten, und die alle wie beſondere Fichtenbäume
aufgewachſen waren. Wenn der Nadelholzſtamm ſeitliche Hauptäſte ver—
liert, ſo tritt auch meiſtens keine Reproduktion durch Adventivknoſpen ein;
der Stamm behält die Aſtſtumpfe oder die ſtehen gebliebenen trockenen
Spieße und gleicht die Verzweigungsfehler nicht aus. Eine Ausnahme
macht die Lärche, welche gleich einem Laubholz um dieſe Wundſtellen reich—
liche Knoſpen entwickelt. Wo man dieſem Baume durch ſogenanntes
Schneideln Hauptäſte von unten an weggnimmt, da bedeckt ſich der Schaft
wieder bürſtenförmig mit zahlreichen neuen Trieben, die um die Wund—
ſtellen hervorbrechen 2).
Wenn die Einflüſſe, welche die Bäume in dieſer Weiſe verſtümmeln, Krüppelbäume
ſich fortwährend wiederholen, dann erreichen die Verzweigungsfehler ihren der Baumgrenze:
höchſten Grad. So ſehen wir die im Vorſtehenden bezeichneten Ver—
wundungen in allen ihren Formen und Kombinationen ganz beſonders
Verhalten der
Nadelhölzer.
) Pflanzenwelt Norwegens, pag. 167.
) Vergl. Ratzeburg, Waldverderbnis II, pag. 52.
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 9
Wundfaule.
130 II. Abſchnitt: Von den Wunden
in den Krüppelformen der Bäume an der Baumgrenze auf den
Gebirgen und im Hochnorden, desgleichen an den Meeresküſten. Hier ſind
es vorwiegend die dort herrſchenden ſtarken Stürme, welche immerfort
Gipfel und Aſte brechen und dadurch die für jene Gegenden charakteriſti—
ſchen Baumgeſtalten hervorbringen. Auch Lawinenſtürze können ganz ähn—
liche Wirkungen haben. Das Nähere über die dadurch zu ſtande kommen—
den Pflanzenformen iſt im Kapitel über die Wirkungen der Luftbewegungen
und der Niederſchläge zu finden.
Sehr groß ſind bei dieſen anſehnlichen Wunden für den Baum
die Gefahren, welche die danach eintretende Wundfäule mit ſich
bringt. Das Theoretiſche über die letztere iſt bereits S. 101 erörtert
worden. Beſonderes praktiſches Intereſſe haben die Aſtwunden, weil
ſie für die Geſundheit und für den techniſchen Wert des Stammholzes
gefährlich ſind. Die Folgen dieſer Wunden ſind daher auch vielfach
erörtert worden, beſonders von Göppert!) und von R. Hartig),
denen die folgenden Angaben entlehnt ſind. Nur waren dieſe Beob—
achter über die erſten Stadien der Wundfäule im Irrtum, da ihnen
die von mir aufgeklärte Bedeutung des Schutzholzes (S. 31) noch
unbekannt war, welches ſie daher mit den Zerſetzungserſcheinungen
des Pilzes verwechſelten. Die gefährlichſten Wunden ſind die Aſt—
ſtumpfe, wie ſie infolge des natürlichen Abſterbens der unteren Aſte
im Hochwalde, infolge von Windbrüchen u. dergl. und bei regel—
widriger Aſtung, d. h. wenn der Aſt nicht dicht am Stamme abge-
nommen wird, entſtehen. Da, wo ſie bald nach ihrem Abſterben
leicht abbrechen, wie bei Kiefern, iſt dies noch nicht ſo gefährlich als da,
wo ſie lange ſtehen bleiben, denn dann verhindern ſie, daß die vom
Stamme oder von der lebend bleibenden Aſtbaſis ausgehende Über—
wallung ſich ſchließt und bieten alſo die günſtigſten Einzugspforten für
atmoſphäriſches Waſſer und ſaprophyte Pilze dar. Zunächſt liegt die
ſchwarzbraune Grenze des abgeſtorbenen Aſtholzes an der Baſis des Aſtes.
Der Aſtſtumpf wird in der Regel unter Beteiligung von Fäulnis⸗
pilzen zerſetzt, und wenn er endlich durch eigene Schwere oder durch
Schneeanhang abfällt, ſo bricht er aus der Aſthöhle heraus. Die
Vertiefung, welche er hinterläßt, wird nun nach und nach durch Über-
wallungswülſte geſchloſſen. Aber das inzwiſchen in die Höhle ein—
dringende Waſſer zerſetzt die noch zurückgebliebenen Reſte des Aſtes
und verwandelt ſie in ſchwarzbraunen Humus. Dieſe ausgefaulten
Aſthöhlen, die endlich durch die Überwallung ganz verſchloſſen und
verborgen werden können und mehr oder weniger tief in das Stamm-
holz hineinragen, vergrößern ſich zwar nach Verheilen der Wunde
) Über die Folgen äußerer Verletzungen der Bäume, pag. 59—68.
2) J. c. pag. 68, 133 ff.
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 131
nicht mehr, beeinträchtigen aber jedenfalls die Verwendbarkeit des
Holzes. Wenn das Kernholz des Aſtes der Zerſetzung länger wider—
ſteht als das Splintholz, wie es z. B. bei der Eiche nicht ſelten iſt,
ſo wird das Abfallen des Aſtſtumpfes verzögert und derſelbe wächſt
tiefer in das Innere des Baumes ein; und auch, wenn das Splint—
holz völlig verfault iſt, ſo hindert das ſtehen gebliebene Kernholz den
Verſchluß der Aſthöhle durch Überwallung, und fo kommen mit zu—
nehmender Stärke des Stammes die ausgefaulten Hohlräume immer
tiefer in den Stamm zu ſitzen und vermindern deſſen Wert um ſo
mehr. Bei den Nadelhölzern wirkt die ſtarke Verkienung der Aſt—
ſtumpfe der Zerſetzung entgegen; nichtsdeſtoweniger zeigen ſie durch
ihre mehr oder minder ſtarke Schwarzfärbung die eingetretene Wund—
fäule an, die ſich auch bei der Verarbeitung des Holzes an den ſoge—
nannten toten oder ausfallenden Aſten zeigt, indem nach der Ver—
flüchtigung des Terpentins der Aſt ſich als mürbe und locker erweiſt.
Die Schnittflächen dicht am Stamme abgeſägter ſtärkerer Aſte
find minder gefährlich. Denn durch ein Abſägen trockener Aſte
und Aſtſtumpfe, wenn es glatt an der Oberfläche des Stammes
geſchieht (Trockenäſtung), wird die Bildung der eben beſchriebenen Aſt—
höhlen bei den Laubhölzern, desgleichen die Entſtehung jener ausfallenden
Aſte bei den Nadelhölzern vermieden. Schwächere trockene Aſte fallen,
ohne irgend erheblichen Schaden zu hinterlaſſen, von ſelbſt ab. Jedoch
ſind bei allen Grünäſtungen zur Saftzeit ſowohl bei Laub- wie bei
Nadelhölzern die leicht eintretenden Rindeverletzungen oft Ausgangs—
punkte von Wundfäule. Wenn nämlich beim Abſägen des Aſtes, be—
ſonders am unteren Rande der Wunde, die Rinde ein Stück vom
Stamme mit losgelöſt wird, ſo ſtirbt in dieſer Ausdehnung die Cam—
biumſchicht ab. Indem die umgebenden Teile eine neue Holzſchicht
bilden, entſteht an jenen Stellen ein Zwiſchenraum zwiſchen Holz und
Rinde, in welchem ſich Regenwaſſer ſammelt, Fäulnispilze vegetieren
und Zerſetzungsprodukte ſich bilden, welche in das Holz, beſonders
durch die Markſtrahlen eindringen und dieſes mehr oder weniger tief
nach innen bräunen. Auf dem radialen Längsſchnitt durch den Stamm
läuft dann ein brauner Streifen im Holze von der Wunde aus ab—
wärts zwiſchen der nach der Verwundung gebildeten Splintſchicht und
dem älteren Holze. Dies erſtreckt ſich nicht nur in der Ausdehnung,
in welcher die Rinde bei der Aſtung losgelöſt worden war, ſondern
nach und nach noch tiefer, R. Hartig fand dies bei Eichen zuweilen
3—4 m weit abwärts. Nach demſelben Beobachter erfolgt die Bräunung
bei Aſtung im Frühjahr im Holze des Vorjahres, bei Sommeräſtung da-
gegen im Holze desſelben Jahres, ſo daß im letzteren Falle die danach
9 *
182 II. Abſchnitt: Von den Wunden
ſich bildende zweite Hälfte des Jahresringes normal bleibt, indem immer
nur das im Augenblicke der Verwundung bereits gebildete Holz ſich färbt.
Man kann danach leicht jede Sommeräſtung als ſolche erkennen, jedoch
Frühlings- oder Herbſtäſtung nicht unterſcheiden. Auch bei Fichten fand
R. Hartig nach Sommeräſtung dieſelbe Bräunung, und zwar von der
Schnittwunde aus durch den ganzen Baum bis nahe zu den Wurzeln
verfolgbar. Sobald durch Überwallung die Schnittflächen geſchloſſen ſind,
iſt auch für dieſe Wunden eine weitere Gefahr vorüber. Die Vollendung
der Überwallung wird nun aber am meiſten verzögert oder ganz ver—
eitelt bei den großen Wunden, die nach Gipfelbruch, nach Verluſt ſehr
ſtarker Aſte und alſo auch bei den Kopfhölzern vorhanden ſind. Hier
kommt hinzu, daß dieſe Wundflächen ungefähr horizontal ſind, ſo daß das
Regen- und Schneewaſſer leicht in ſie eindringt. Die Folge iſt, daß ſich
die Zerſetzung tief in den Stamm herab fortſetzt und raſch verläuft, daß
alſo der Stamm im Innern bis zu beträchtlicher Tiefe ausfault. Es
entſtehen auf dieſe Weiſe die hohlen Baumſtämme. Daher werden
bekanntlich die Kopfweiden gewöhnlich alle ſehr bald hohl; und auch
nach Gipfelbruch oder nach dem Kappen ſtarker Aſte kommt es oft zu
dieſem Erfolge. Der Stamm kann ſoweit ausfaulen, daß nur ein
dünner, aus dem jüngeren Holze beſtehender Mantel zurückbleibt, der
in dem Maße, als er außen durch Cambium neues Holz bildet, von
innen her ſein altes Holz durch Fäulnis verliert. Die innere Wand
des hohlen Baumes iſt mit Holz in allen Stadien der Zerſetzung
bekleidet und ſeine Höhle mehr oder weniger mit den humiſizierten
Endprodukten der Wundfäule, einer heller oder dunkler braunen
Baumerde, erfüllt. Hohlwerden tritt an Bäumen mit weichem, leicht
zerjeßbarem Holze, wie Weiden, Pappeln, Linden, eher und häufiger
ein, als an Bäumen mit härterem Holze, wie Eichen, Buchen u. dergl.
Bei Fichten bleiben oft die verkienten, daher reſiſtenten quirlförmigen
Aſte bis zu ihrer Baſis in der ausgefaulten Höhle des Stammes
ſtehen ). An den Stellen, wo die Fäulnis das Holz ganz zerſtört hat,
ſowie da, wo anderweite äußere Stammwunden hinzugetreten ſind,
wird die Höhle des Baumes nach außen geöffnet; ſchließlich kann der
Stamm ſich ſpalten oder wirklich in einzelne Teile der Länge nach
zerriſſen werden, die noch immer fortleben können, ſo lange ſie geſundes
Holz haben und mit Wurzeln in Verbindung ſtehen. Mit Hilfe
der noch thätigen Cambiumſchicht und der Überwallungen führt der
hohle Baum oft lange den Kampf zwiſchen Heilung und Zerſetzung
fort, der ſich immer mehr zu gunſten der letzteren wendet, bis der
) Göppert, I. c. pag. 13, Taf. IV. Fig. 2.
.
3 8 er r
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 133
nächſte ſtarke Sturm den Baum zu Fall bringt. Hierher gehören auch
die Folgen, welche das Wegnehmen eines Zwillingsſtammes der Fichte
(hervorgegangen aus einem doppelten Höhentrieb, wie ihn junge
Fichten nicht ſelten annehmen) für den ſtehen bleibenden Stamm
haben, indem, wenn derſelbe nicht früh genug, ſondern erſt im 20 bis
30 jährigen Alter weggenommen wird, ſeine zurückbleibende Baſis ſich
gerade wie ein Aſtſtummel verhält. Sie ſtirbt ab, wird durch Fäul—
nis zerſtört und hinterläßt am Fuße des Stammes eine offene Wunde;
von dort aus kann ſich die Wundfäule auf den Holzkörper des ſtehen—
den Stammes verbreiten und kommt erſt zum Stillſtand, wenn der
Stamm die Wunde allſeitig umwachſen und eingeſchloſſen hat.
Die Heilung der in Rede ſtehenden Wunden wird, wie erwähnt,
durch Überwallung (S. 74) angeſtrebt. Nur ſo lange, als ein
Aſt noch am Leben iſt, wächſt ſein Holzkörper in die Dicke. Da ſeine
Cambiumſchicht unmittelbar in diejenige des Stammes ſich fortſetzt,
ſo bilden auch ſeine Holzringe die Fortſetzungen derjenigen des Stammes.
Sobald aber die Cambiumſchicht des Aſtes abſtirbt, ſo wird dadurch
für diejenige des Stammes ringsum die Aſtbaſis eine Unterbrechung
bedingt, die einer Verwundung gleichbedeutend iſt; es bildet ſich eine
Überwallung, die ſich über den Aſtſtumpf zu ſchieben und ihn endlich
einzuſchließen ſucht, wobei ſie die Form einer Ellipſe annimmt, indem
die Holzfaſern der Überwallungsſchichten ſchief zur Seite um den Aſt—
ſtumpf ausbiegen. Dabei wird natürlich kein organiſcher Zuſammen—
hang zwiſchen der Überwallung und dem toten Aſtſtumpfe hergeſtellt,
auch wenn dieſer endlich ganz eingeſchloſſen werden ſollte. Die lange
Dauer aber, die bis zu dieſem Zeitpunkte vergeht, iſt der Grund, daß
oft Fäulnis eintritt, bevor ihn die Überwallung eingeſchloſſen hat; nur
Überwallung.
bei den Koniferen pflegen die Aſtſtumpfe zu verkienen und dadurch jo
konſerviert zu werden, daß man ſie gewöhnlich noch unverändert tief
im Holze eingeſchloſſen findet. Anders iſt der Erfolg, wenn die Baſis
eines abgeſtorbenen Aſtes am Leben bleibt und vom Stamme aus
ſeitlich ernährt wird. Nach R. Hartig) iſt dies gerade ein ſehr
häufiger Fall bei abgeſtorbenen Aſten. Da die Cambiumſchicht des
Stammes ſich unmittelbar in diejenige der lebenden Aſtbaſis fortſetzt,
ſo gehen auch die neuen Holzringe, die der Stamm bildet, auf die
Aſtbaſis über, und dieſe verdickt ſich ebenfalls. Hier iſt alſo das Ein—
wachſen des Aſtſtumpfes ein ganz andrer Prozeß; es tritt eine orga—
niſche Verwachſung zwiſchen dem Stammholz und dem Aſtſtumpf ein,
und der Baum ſchützt gleichſam dadurch ſein Inneres vor toten Aſten.
) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes, pag. 68, 133, Taf. XIX, Fig. 2.
Verluſt des
Stammes.
134 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Die abgeſtorbenen Aſtſtumpfe verzögern die Überwallung, weil eine um
ſo längere Zeit bis zum Schluſſe derſelben erforderlich iſt, je weiter
vom Stamme entfernt ihre Bruchſtelle ſich befindet. Dagegen erfolgt
die Überwallung am raſcheſten, wenn der Aſt hart am Stamme ab—
geſägt iſt, weil hier nur eine in der Oberfläche des Stammes ſelbſt
liegende Schnittfläche zu ſchließen iſt. Erwähnenswert iſt die Form,
in welcher die Überwallung an hohlen Bäumen eintritt. Wenn die
Höhle eines ſolchen Stammes ſich nach außen geöffnet hat, der Baum— 1
ſtamm der Länge nach ſich ſpaltet oder vom Sturm in mehrere Teile 1
zerriſſen wird, jo bildet ſich an den Rändern eine Überwallung, durch 1
welche nach und nach auch die Innenſeite des hohlen Baumes, wenigſtens 5
ſtellenweiſe ſich berindet und die einzelnen Teile dann gleichſam wie
beſondere Stämme ſich ringsum verdicken. An alten hohlen Linden iſt '
dieſe Erſcheinung bisweilen zu finden. An ſolchen Überwallungen können 1
ſich Adventivknoſpen oder Adventivwurzeln bilden, letztere beſonders N
durch die Feuchtigkeit des mit Baumerde erfüllten Innern begünſtigt. N
Der Baum treibt in ſolchem Falle Aſte und Wurzeln in die Höhlung 0
ſeines eigenen Stammes. Die Bildung derartiger Luftwurzeln iſt in 3
hohlen Weiden nicht ſelten; ferner tft fie beobachtet worden an Linden )),
Birken), Eberejchen?), von mir an einer Roßkaſtanie.
5. Stammabhieb. Es wurde ſchon oben erwähnt, daß der Ver—
luſt des Baumſtammes über der Wurzel für die Koniferen im allge—
meinen tödlich iſt, weil dieſe Bäume unfähig ſind, am Stammſtumpfe
Adventivknoſpen zu bilden, während dieſe Fähigkeit bei den Laub—
bäumen vorhanden iſt und hier die Bildung der Stock- oder Wurzel—
ausſchläge bedingt. Auf dieſer Fähigkeit der Laubhölzer beruht die
Niederholzzucht in der Forſtwirtſchaft, ſowie die Erziehung des Band—
holzes der Weide, welches aus einem der Stammſpitze beraubten
Weidenſteckling hervorſproßt. Die Nadelhölzer eignen ſich aus dem
oben angeführten Grunde hierzu nicht. Eine, wenn auch nur ſcheinbare
Ausnahme von dieſer Regel zeigt ſich bei dem Überwallen der
Tannenſtöcke, einer in Tannenbeſtänden nicht ſeltenen Erſcheinung,
die darin beſteht, daß die Schnittfläche am Rande ringsum eine Ülber-
wallungswulſt erzeugt, welche Jahrzehnte lang fortwachſen kann, ob—
gleich keine Stockausſchläge mit Blättern vorhanden ſind, welche die
aſſimilierten Nahrungsſtoffe erzeugen könnten, die zu dieſen Neu⸗
) Schacht, Anatomie und Phyſiologie der Gewächſe, II., pag. 84.
2) Vergl. die verſchiedenen derartigen Bildungen, welche in Norwegen
beobachtet worden ſind, bei Schübeler, Pflanzenwelt Norwegens, pag. 185.
3) Schübeler, I. c. pag. 344.
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 135
bildungen erforderlich find. Göpperty) hat die Erklärung hierfür
gegeben, indem er fand, daß die Wurzeln ſolcher überwallter Stöcke
ſtets mit den Wurzeln einer benachbarten noch ſtehenden Tanne ver—
wachſen ſind, daß ſolche vegetierende Stöcke mit der Fällung dieſes
zweiten Baumes zu Grunde gehen, ſowie, daß an iſoliert ſtehenden
Tannenſtöcken keine Überwallung ſich bildet, woraus hervorgeht, daß
der Stock ſich nicht ſelbſtändig ernährt, ſondern ſeine Nahrung aus
dem noch ſtehenden Baume erhält. Nach Göppert's ) weiteren Beob—
achtungen kommt die Erſcheinung auch an Fichten und Lärchen, aber
nicht an Kiefern und auch nur dann vor, wenn ſolche Stämme mit
den Wurzeln benachbarter Bäume verwachſen ſind, und es vermögen
ſogar Fichten Weißtannen und umgekehrt Tannen Fichten zu über⸗
wallen. Th. Hartig beobachtete jedoch auch an einer Lärche, welche
einzeln auf einer Waldblöße ſtand, eine Überwallung des Stockes; hier
war eine Ernährung durch andre Baumwurzeln ausgeſchloſſen; viel—
leicht giebt die durch mich bekannt gewordene, allgemein verbreitete Er—
nährung der Waldbäume durch die Wurzelpilze der Mycorhizen hierfür
eine Erklärung. Die Annahme, daß noch ſoviel Reſervematerial in
den Wurzeln vorhanden geweſen iſt, dürfte kaum zur Erklärung aus
reichend ſein. Sorauers) will es aus dem Chlorophyllgehalte der
jungen Überwallungsränder erklären.
G. Die Entrindungen der Stämme.
Um zu beurteilen, welche Folgen die verſchiedenartigen Formen Verwundungen
der Entrindungen der Stämme nach ſich ziehen, muß man ſich der Rinde.
der phyſiologiſchen Rolle bewußt ſein, welche die Rinde des Baum—
ſtammes ſpielt; auf ſie iſt S. 26 kurz hingewieſen worden. Beſonders
zur Erklärung der verſchiedenartigen Überwallungserſcheinungen, welche
ſich an den Rändern der Rindenwunden einſtellen, iſt es nötig, feſt—
zuhalten, daß die aſſimilierten Nährſtoffe, welche zu allen Neubildungen,
alſo auch zu dieſen Überwallungen gebraucht werden, in den Blättern
erzeugt und von dort aus in der Rinde herabgeleitet werden. Daher
ſehen wir in der Regel nach Ringelwunden, dem ſogenannten Ringeln
oder dem Ringſchnitt, wobei alſo die Rinde im ganzen Umfange
des Stammes bis auf das Holz ringförmig abgenommen wird, nur
am oberen Wundrande eine Überwallung ſich bilden, welche, da die
abſteigenden Nährſtoffe hier aufgehalten werden, zu einer ſtarken Wulſt
4
*
4
1) Beobachtungen über das Überwallen der Tannenſtöcke. Bonn 1842.
2) Sitzungsber. d. Geſellſch. naturf. Freunde zu Berlin. 16. April 1872.
3) Pflanzenkrankheiten, 2. Aufl. I, pag. 544.
136 II. Abſchnitt: Von den Wunden
anſchwillt, welche ſich langſam über die Ringelwunde nach unten
ſchiebt und früher oder ſpäter den unteren Wundrand erreichen kann,
womit die Verheilung der Wunde ihren Abſchluß erreicht hat. Be—
findet ſich die Ringelwunde ziemlich nahe am Boden oder ſonſt in
feuchter Umgebung, ſo werden auch leicht Adventivwurzeln an dieſem
Überwallungswulſt oder nahe über demſelben gebildet. Dagegen iſt
von derartigen Bildungsthätigkeiten am unteren Wundrande nichts zu
bemerken. Es fehlt eben hier an dem Zufluß der dazu erforderlichen
aſſimilierten Nährſtoffe; ja der ganze unter der Ringelwunde befind—
liche Teil des Stammes und das Wurzelſyſtem, und ſomit die ganze
Pflanze ſterben nach einiger Zeit ab, wenn nicht inzwiſchen die Über—
wallung den Weg für die abſteigenden Nährſtoffe wieder hergeſtellt
hat oder der Stamm unter der Wunde durch Knoſpenbildung wieder
einen Neuausſchlag bekommen hat. Indeſſen ſind die Bildungs—
thätigkeiten, welche ſich am oberen Rande einer Ringelwunde einſtellen,
nicht allein die Folgen der Unterbrechung des Nahrungszufluſſes. Sie
ſind analog den Regenerationserſcheinungen, welche am unteren
Ende abgeſchnittener Sproſſe überhaupt einzutreten pflegen; denn der
abgeringelte Stamm iſt zu vergleichen einem iſolierten Sproſſe, der ja
auch an ſeinem unteren Ende Gallus und Adventivwurzeln erzeugt.
Anderſeits entſprechen die Erſcheinungen, welche am unteren Rande
der Ringelung eintreten, oft denjenigen, welche ein verſchnittener Sproß
in der Nähe ſeiner Schnittfläche zeigt: es werden oft ziemlich bald eine
oder einige ruhende Knoſpen, die etwa in der Nähe ſich befinden, ge—
weckt und erſetzen den abgeringelten Trieb durch neue; dann wird
auch oft der abgeringelte Trieb wirklich preisgegeben, d. h. die Pflanze
verhält ſich ſo, als ob dieſer Trieb wirklich abgeſchnitten worden wäre,
es bildet ſich an der Grenze desſelben Schutzholz (S. 31); dadurch
wird natürlich die Waſſerverſorgung des über der Ringelung befind—
lichen Teiles der Pflanze vereitelt und das iſt der Grund, warum
nicht ſelten die Ringelungen nach einiger Zeit das Vertrocknen des
über der Wunde befindlichen Teiles der Pflanze zur Folge haben. —
Werden dünnere Aſte einer älteren Holzpflanze geringelt, jo find auch
unterhalb der Ringelwunde beblätterte Zweige vorhanden und es ſind
alſo die unter der Wunde befindlichen Teile des geringelten Aſtes nicht
von der Zufuhr aſſimilierter Nahrung abgeſchnitten; die Ringelung
hat hier nur den Erfolg, daß alles aſſimilierte Material, welches von
den oberhalb der Wunde ſitzenden Blättern erzeugt worden iſt, auch
dort zurückgehalten wird und dem Fruchtanſatz des geringelten Aſtes
zugute kommt. Dieſe Art des Ringſchnittes wird daher bisweilen
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3. Kapitel: Die Verwundungsarten 137
von den Gärtnern angewandt, um mehr und beſſere Früchte am Frucht—
holze zu erzielen. Auch das Einkerben des Aſtes, was in einer ein—
ſeitigen Ringelung beſteht, hat für die über der Kerbe ſtehenden Knoſpen
derartigen Erfolg. Wenn die Entrindung nur einſeitig gemacht wird, ſo
tritt, da die Kommunikation der leitenden Gewebe nicht unterbrochen iſt,
auch keine Atrophie der unteren Teile ein. Ebenſowenig iſt dies der
Fall, wenn Rindenwunden abwechſelnd rechts und links übereinander
hergeſtellt werden, oder wenn ein Rindenſtreif ſpiralig den Stamm
umlaufend abgenommen wird, weil die Wanderung der Stoffe auch
in ſchiefer Richtung ſtattfinden kann. Nur findet hier immer eine
relativ ſtärkere Ernährung des oberen Überwallungswulites ſtatt,
worin ſich wiederum die Abwärtswanderung der in den Blättern ge—
bildeten aſſimilierten Stoffe ausſpricht. Solche ſpiralige Rindenwunden
kommen auch natürlich vor, nämlich wenn ein Baumſtamm von dem
holzigen Stamme einer Schlingpflanze (3. B. Lonicera capri-
folium) umwunden iſt, weil dann infolge des Dickenwachstums des
Stammes die Schlingpflanze in die Rinde desſelben ſchließlich ein—
ſchneidet.
Wir betrachten hier die Entrindungen, welche bei: verſchiedenen
Gelegenheiten den Bäumen zuſtoßen, im einzelnen.
1. Fremde Körper. Verwundungen der Rinde können durch gremde Körper.
fremde Körper hervorgebracht werden, welche das Dickenwachstum
der Stämme andauernd behindern, indem dieſelben ſich dann in die
Rinde eindrücken und vom Holzkörper überwachſen werden; alſo wenn
Stämme von dem holzigen Stengel einer Schlingpflanze umwunden
ſind, wenn ein Draht um ſie geſchlungen war, wenn fie Stakete,
eiſerne Stäbe u. dergl. berühren. Betrifft letzteres dicke Baumſtämme,
ſo werden die fremden Körper allmählich durch Überwallung wirklich
eingeſchloſſen; jo hat man im Holze gefunden ): Früchte (Eicheln, Haſel—
nüſſe), Steine (dieſe beſonders oft in das Holz der Wurzeln einge—
preßt), Münzen, Hörner, Knochen, Kreuze, Kettenglieder, Teile von
Gartenzäunen ꝛc. Jüngere Stämmchen und Aſte können vermöge ihrer
Biegſamkeit nachgeben; aber häufig werden hier durch die vom Winde
veranlaßte fortwährende Reibung an dem fremden Körper lange offen
bleibende Wundſtellen erzeugt.
2. Zeichen und Inſchriften. Dieſe durch Menſchenhand ge—
machten Einſchnitte, welche in die Rinde der Baumſtämme bis auf
den Splint gemacht werden, haben meiſt keine beſonders ſchädlichen
— — — —
) Göppert, Folgen äußerer Verletzungen, pag. 3, und Moquin—
Tandon, Pflanzen⸗Teratologie, pag. 273.
Zeichen und
Inſchriften.
Harzen.
7 N
%
138 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Folgen, da fie nach einiger Zeit durch Überwallung bedeckt werden ),
wobei ſich dieſe oft in die Vertiefungen des Einſchnittes einſenkt.
Sie werden beim Zerſägen ſolcher Stämme nicht ſelten unter mehr
als hundert Jahresringen wohl erhalten vorgefunden, und die ſich
ablöſende Überwallung zeigt dann oft die Figur des Einſchnittes in
erhabener Form. Auf der Oberfläche der Rinde ſolcher überwallter
Stellen bleibt die Spur des Einſchnittes auch noch lange Zeit ſichtbar,
doch wird ſie wegen des zunehmenden Dickenwachstums hier fort und
fort in die Breite gezogen und dadurch unkenntlicher; bei glattrindigen
Stämmen, wie Buchen, erhält ſie ſich länger, als bei Bäumen mit
ſtarker Borkebildung.
3. Das Harzen. Verſchiedenartige Verwundungen werden zum
Zwecke der Harzgewinnung an mehreren Koniferen vorgenommen.
Aus der Fichte wird im mittleren Deutſchland, beſonders in Thüringen,
Harz gewonnen durch ſogenanntes Harzſcharren. Man nimmt in
der Bruſthöhe des Baumes an drei oder vier Seiten des Stammes
mittelſt eines hakenförmigen und geſchärften Scharreiſens, etwa 2 Finger
breite und ca. 2 m lange vertikale Streifen der Rinde bis auf das
Holz fort. In dieſen Rinnen (Lachten, Lagten oder Laachen)
ſammelt ſich der aus der Wunde hervorquellende Terpentin. Derſelbe
ſtammt aus den bei der Fichte bis ins hohe Alter beſonders reichlich
vorhandenen horizontalen Harzkanälen, welche in den Markſtrahlen
des Holzes und deren Fortſetzungen in der Rinde liegen und eben bei
jener Verwundung zahlreich geöffnet werden?). Der an der Luft durch
Oxydation zu Harz erhärtende Terpentin wird gewöhnlich ſchon im
erſten Jahre mit dem Scharreiſen herausgekratzt und dabei die Lachte
breiter gemacht, wodurch der inzwiſchen entſtandene Überwallungswulſt
abgeſchnitten, mithin neue Harzkanäle geöffnet werden und der Harz—
ausfluß im Gange erhalten wird. Das Harzſcharren wird auf dieſe
Weiſe alle zwei Jahre wiederholt und gewöhnlich lange Zeit fort—
geſetzt. Nach den Erfahrungen der Forſtleutes) ſoll das Harzen den
mittelwüchſigen und älteren Fichten unſchädlich ſein, wenn man nur
ein oder zwei Lachten macht; vermehrt man die Zahl derſelben, ſo
werden die Bäume kränklich, zeigen ſchlechten Zuwachs und Bräunung
) Vergl. Göppert, Über Inſchriften und Zeichen in lebenden Bäumen.
Breslau 1869, und Ueber die Folgen äußerer Verletzungen der Bäume. Breslau
1879, pag. 1—3.
2) v. Mohl, über die Gewinnung des venetianiſchen Terpentins. Bot.
Zeitg. 1859, pag. 342. Vergl. auch Schacht, der Baum, pag. 334.
3) Meyen, Pflanzenpathologie, pag. 238, und R. Hartig, Zerſetzungs⸗
erſcheinungen des Holzes, pag. 73.
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 139
und Zerſetzung des Holzes in der Nähe der Wunden; Borkenkäfer,
Holzweſpen und andre Inſekten greifen ſolche Stämme beſonders gern
an. Junge Bäume ſind noch empfindlicher. Die Lachten werden, da
die umgebenden Teile im Dickenwachstum fortfahren, mit den Jahren
immer tiefer, und der zuerſt freigelegte Holzſtreifen trocknet allmählich
aus und von ihm nehmen dann die Zerſetzungserſcheinungen ihren
Anfang. Das Holz ſolcher Bäume, die viele Jahre lang geharzt
worden ſind, wird am ganzen unteren Stammende gebräunt und zer—
ſetzt, und von dort kann ſich die Holzverderbnis ſogar noch beträchtlich
weiter in den Stamm hinaufziehen. Als Bauholz ſind daher geharzte
Fichtenſtämme unbrauchbar und können nur zu Brenn- und Kohlen—
holz verwendet werden. An einer ſeit 39 Jahren geharzten Fichte fand
R. Hartig!) den ganzen Holzkörper außer den jüngeren Holzlagen
am unteren Stammende gebräunt und ſtark zerſetzt, und über den an
den vier Seiten des Stammes angebrachten Lachten zog ſich die
Bräunung nach aufwärts 12 m hoch empor. Die Verſchlechterung
des Holzes durch das Harzen erhellt am deutlichſten aus der Thatſache,
daß im Thüringer Wald in vielen Beſtänden die Nutzholzausbeute,
die in nicht geharzten Beſtänden mindeſtens 70 Prozent beträgt, infolge
der langjährigen Harznutzung auf 20—30 Prozent vermindert iſt.
Von der Weißtanne wird der Straßburger Terpentin, ſowie in
Amerika von Abies balsamifera der kanadiſche Balſam, und zwar aus den
Harzbeulen, welches erweiterte Harzkanäle in der Rinde ſind, gewonnen,
indem der Terpentin nur aus den einzeln geöffneten Harzbeulen in
Gefäßen, welche oben zugeſpitzt find, aufgefangen wird?); die Harz⸗
armut des Holzes dieſer Bäume ſchließt eine andere Harzgewinnung
aus. Bei vielen andern Pinus-Arten iſt aber der Terpentingehalt vor—
herrſchend im Holze und es erklären ſich daraus die ander“ Methoden,
nach denen hier geharzt wird. Nach den Beſchreibungen von Du—
hamels) ſtimmen die Methoden der Harzgewinnung aus verſchiedenen
Arten von Pinus in Kanada, in der Provence, wo namentlich der
Terpentin von Bordeaux aus Pinus Pinaster gewonnen wird, und in
Oſterreich aus Pinus nigricans, darin überein, daß in die äußerſten
Holzſchichten eine höchſtens 8 em tiefe Kerbe (Wanne) eingehauen wird,
wobei der Terpentin aus den geöffneten Harzkanälen des Splintes von
der oberen Wundfläche aus hervorfließt, und daß man von Zeit zu
Zeit dieſe Wundfläche durch Wegnahme einer dünnen Holzſchicht wieder
. pag. 73.
) Vergl. die bei v. Mohl, 1. c. pag. 341 mitgeteilte Beſchreibung von
Duhamel.
3) v. Mohl, 1. c. pag. 343.
Quetſchwunden.
140 II. Abſchnitt: Von den Wunden
erneuert, um den Harzausfluß von neuem hervorzurufen. Wenn
große Mengen von Harz abgezapft werden, ſo ſoll dies auch hier eine
bedeutende Verſchlechterung des Holzes inſofern zur Folge haben, als
das zur Tränkung des Kernholzes beſtimmte Harz dem Baume ent—
zogen wird; doch ſoll durch eine mäßige Harzbenutzung das Kernholz
nicht notwendig arm an Harz werden. Bei der Lärche endlich, wo
der Terpentin hauptſächlich als Infiltration des Kernholzes und aus—
geſchwitzt in Spalten des Holzes auftritt, beruht die Gewinnung des
venetianiſchen Terpentins nach Duhamel und anderen Autoren, ſowie
nach v. Mohl darauf, daß man in geringer Höhe über dem Boden
Bohrlöcher bis gegen die Mitte des Baumſtammes ungefähr von der
Dicke von 8 em anbringt, in welche man dann hölzerne Rinnen ſteckt,
um den ausfließenden Terpentin aufzufangen, oder die man mit einem
Zapfen verſchließt, um ſie auszuleeren, wenn ſie ſich mit Harz gefüllt
haben. Dieſes ſammelt ſich in ihnen immer von neuem an, wenn ſie
wieder mit dem Zapfen verſchloſſen werden. Im ſüͤdlichen Tirol
macht man in jeden Stamm nur ein Bohrloch, und das ſcheint für
die Erhaltung der Bäume weniger ungünſtig zu ſein und die Güte
des Holzes weniger zu ſchädigen. Einen weſentlichen Schaden für die
Bäume will man nicht bemerkt haben, ſobald nur das Bohrloch immer
verſchloſſen gehalten wird, offenbar weil dadurch den Zerſetzungen des
Holzes mehr vorgebeugt wird. Aber im Thale Saint Martin in
Piemont werden mehrere Löcher bis in 3—4 m Höhe angebracht, was
zwar eine ungleich größere Harzausbeute liefert, aber zur Folge hat,
daß die angebohrten Stämme nicht als Bauholz taugen und gewöhn—
lich nur zum Brennen und Verkohlen benutzt werden.
4. Quetſchwunden. Bei dieſen Wunden bleibt das durch die
Quetſchung getötete Rindengewebe auf der Wunde haften und bringt
daher leicht Zerſetzungserſcheinungen hervor, weshalb dieſe Wunden
ſchwer heilen und oft ſich verſchlimmern. Solche werden erzeugt durch
das ſogenannte Anprällen, d. h. das mit dem Artrücken ausgeführte
heftige Anſchlagen an den Stamm, um das Herabfallen von Raupen
zu bewirken. Solche Wunden ſah R. Hartig) noch nach 30 Jahren
in unveränderter Größe und meiſt mit hinzugetretener Wundfäule.
Noch größere können durch den Baumſchlag entſtehen, wenn der
ſtürzende Baum an einem Nachbarſtamme herabrutſcht und dabei
deſſen Rinde quetſcht. Auch der Hagel bringt an Stämmen und
Aſten Quetſchwunden hervor, deren Größe derjenigen der Hagelkörner
entſprechen.
) 1. c. II. pag. 72.
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 141
5. Schälen, Fegen und Nagen. Als Schälen bezeichnet Entrindungen
man im allgemeinen alle Verwundungen von Baumſtämmen oder Baum- 1
wurzeln, wobei größere zuſammenhängende Stücken der Rinde von i
dem Splinte abgeriſſen werden. Solches kann erſtens durch die Hand
des Menſchen, aus Unvorſichtigkeit oder Mutwillen geſchehen und zwar
beſonders leicht zur Frühjahrszeit, wo ſich wegen des Saftreichtums
der Cambiumſchicht die Rinde mit Leichtigkeit löſt. Bei Schäl—
wunden bleiben gewöhnlich Rindenlappen am Stamme hängen.
Dieſe vertrocknen dann meiſtens bis an die Grenze der unverletzten
Rinde. Bisweilen aber iſt, beſonders an Linden, beobachtet worden,
daß, wenn der Rindenlappen wenigſtens oben oder unten noch mit
der geſunden Rinde im Zuſammenhang ſteht, derſelbe auf der Innen—
ſeite Holz bildet, welches ſich mit einem neuen Rindenüberzuge bedeckt.
Wenn die abgelöſte Rinde oben und unten noch in Verbindung mit
dem Stamme ſteht, ſo bildet ſich durch dieſen berindeten Holzüberzug
ein doppelter Stamm, oder wenn dabei die Rinde ringsum gelöſt iſt,
gleichſam ein Futteral um das alte dann oft abgeſtorbene Holz mit
einem wirklichen Zwiſchenraum zwiſchen beiden!). Auch bei Grün—
äſtung, wenn ſie zur Saftzeit ausgeführt wird, wird die Rinde wegen
ihrer um dieſe Zeit leichten Ablösbarkeit oft in Streifen mit abgeriſſen
oder losgelöſt, wenn nicht vorher von unten her in den Aſt einge—
hauen wird, um das Abreißen der Rinde zu verhüten. Schälwunden
werden auch an den unteren Teilen der Stämme und an den flach—
liegenden Wurzeln erzeugt beim Holzrücken in denjenigen Wäldern,
welche an Berghängen liegen, indem das Langholz, wenn es an die
Wege gerückt wird, die genannten Teile ſtreift und vielfach quetſcht
und entrindet. Gleicher Art ſind bei den Wurzeln die Verwundungen
durch Wagenräder und durch die Tritte der Tiere an Wegen,
auf Viehtriften und Viehlagerplätzen. Nach R. Hartig?) tritt, wenn
ſolche Wurzeln ganz frei liegen, nur auf kurze Erſtreckung unter der
Wunde Bräunung des Holzes ein, wenn ſie aber von Humus oder
Moos bedeckt ſind, infolge der Feuchtigkeit eine beſchleunigte Fäulnis
unter ſchwarzbrauner Färbung, auch oft Anſiedelung holzzerſtörender
Pilze.
Zweitens werden ſolche Entrindungen vielfach durch das Wild Schälen, vom
hervorgebracht. Hierher gehört das Schälen, welches die Hirſche Wild verurſacht.
ausführen, d. i. die mittelſt der Schneidezähne zum Zwecke des Aſens
im Winter und Frühjahr bewirkte Entfernung eines Rindenlappens,
) Ratzeburg, Waldverderbnis II, pag. 337.
2) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes. Berlin 1878, pag. 73.
142 II. Abſchnitt: Von den Wunden
welcher zuerſt unten gelöſt und dann in die Höhe gezogen wird. Das
Fegen der Hirſche und Rehböcke, wobei dieſelben an jungen Stämmen
mit dem Gehörn auf und niederfahren, um die Hautbekleidung des—
ſelben abzureiben, iſt auch eine Entrindung, wobei aber Überreſte der
halb gelöſten Rinde an den Rändern der unverletzten ſtehen bleiben
in Form von Lappen oder kleineren trockenen gekräuſelten Fetzen.
Hinſichtlich dieſer Verwundungen ſind wir hauptſächlich auf die folgen—
den Angaben Ratze—
burg's!) angewieſen.
Das Schälen geſchieht
oft in umfaſſender
Weiſe, ſo daß in
manchen Beſtänden alle
Stämme davon be—
troffen werden. Das
Wild ſchält nicht in
allen Gegenden; aber
dort, wo es einmal be—
gonnen hat (an ge—
at fällten Stämmen ſoll
Fig. 22. : R
Fichtenſtamm mit Ueberwallung von Schäl⸗ es dies zuerſt probieren),
wunden, im Querſchnitt, verkleinerk. Aus der Lage wird es ihm zur Ge—
der drei Schälwunden und aus den Jahresringen wohnheit. Die liebſte
der Ueberwallungen iſt erſichtlich, daß das Wild a £
den Stamm dreimal in mehrjährigen Zwiſchen. Holzart iſt dem Wild
räumen, das erſte Mal im halben Umfange geſchält die Fichte, die im 25“
hatte. Ratzeburg. bis 50jährigen Alter
angegriffen wird; ebenſo die Weißtanne; Kiefern werden wegen
ihrer zeitig ſich entwickelnden Borke mit 3—5, Lärchen meiſt mit 12
bis 14 Jahren geſchält. Auch Laubhölzer, wie Eſche und Eiche werden
angegangen, von letzterer peitſchen- bis armſtarke Stämme. Durch
das Fegen wird gewöhnlich die Rinde ringsum und auf eine lange
Strecke beſchädigt, während das Schälen, welches in Kopf- und Bruſt⸗
höhe geſchieht, meiſt einſeitig iſt; doch kommen auch doppelte und
dreifache Schälwunden auf gleicher Höhe und mitunter auch Ring-
ſchälung vor. Im Winter, wo die Rinde ſich nicht leicht löſt, ſind
die Wunden nicht ſo groß wie beim Schälen im Frühling und Sommer,
wo das Wild die Rinde in großen Lappen ablöſt. Oft wiederholt
ſich das Schälen in den nächſten Jahren, dann geſchieht es natürlich
y) I. c. I, pag. 201, 267. Taf. 20-22, 31-32 und II, pag. 33, 73,
168, 284. Taf. 41.
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ER:
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 143
der erſten Schälſtelle, die noch nicht geheilt iſt, gegenüber, darauf im
rechten Winkel zu den beiden vorhergehenden. Bei den Nadelhölzern
iſt die Schälwunde im erſten Jahr mit Harz bedeckt, wie überzuckert;
ſpäter bilden ſich von den Rändern aus die Überwallungen, welche
die Wundfläche nach einiger Zeit ſchließen können. Bisweilen beginnt
an dem bloßliegenden Holz der Wunde Fäulnis, die jedoch durch den
Harzüberzug meiſt verhütet wird. Aber auch die Faulſtellen können
überwallt werden. Nach R.
Hartig) tritt an den Schäl—
wunden der Fichte eine Bräunung
des Holzes, welches zur Zeit des
Schälens vorhanden war, ein,
die mehr oder weniger tief ins
Innere eindringt und ſich nach
oben und nach unten einen oder
einige Meter weit fortſetzt, wäh—
rend das nachher gebildete Holz
hell iſt. Noch im ſpäteren Alter
erkennt man daher am Quer- Fig. 23.
ſchnitt des Stammes, zu welchen . 10 75 ee 8
Zeiten Schälen ſtattgefunden Schälwunde, im Juerſchnutt, verkleinert.
Hat; eine Bräunung an der Fr zu Bellen Geensiahn Tin
Peripherie des Kernes und die iſt trotzdem nach 9 Jahren durch Über⸗
nnn gehenden ̃ ¼ .
Ueberwallung zeigen an, wie den Jahresring bildend. Nach Nabe:
groß die Wunde geweſen iſt burg.
(vergl. Fig. 22 und 23). Fand das Schälen im Winter ſtatt, jo iſt
der letztgebildete Jahresring vollſtändig; trat es im Sommer ein, ſo iſt
derſelbe an der geſchälten Stelle ſchmäler geblieben. Bei den Nadel—
hölzern, beſonders bei Kiefer, Fichte und Tanne, findet nach Ratze—
burg im Holze der Wunden eine abnorme Harzbildung ſtatt: das
Holz der über die Wundfläche ſich lagernden Überwallung verkient all—
mählich, bisweilen auch unter Auftreten großer Harzgänge, und ſelbſt
im letzten Ringe des Kernes, der vor der Verwundung normal ge—
bildet worden war, erſcheint Harz in den Markſtrahl- und Holzzellen.
Einſeitige Schälwunden heilen meiſt durch Überwallung und haben
dann für den Baum keine weitere Gefahr. Ungünſtig aber iſt die
Ringſchälung: es treten zwar oft ſtarke Überwallungen am oberen
Rande der Wunde ein, aber die Verbindung mit dem unteren Rande
I . pag. 71.
Folgen des Wild—
ſchälens.
144 II. Abſchnitt: Von den Wunden
iſt nicht herzuſtellen, und der Wipfel ſtirbt dann ab. Die Neigung
der Lärche, Adventivknoſpen zu bilden, zeigt ſich auch bei der Über—
wallung ihrer Schälſtellen; an den vielfach gewundenen und genarbten
Überwallungsmaſſen bilden ſich oft nahe der Schlußſtelle die Maſer—
knollen, die aus Adventivknoſpen hervorzugehen ſcheinen.
An Schälwunden, welche durch Wild verurſacht werden, hat
R. Hartig!) bei Fichten, abgeſehen von einigen Fällen, in denen
Paraſiten (3. B. Polyporus vaparorius) ſich angeſiedelt hatten, nur
eine von den Schälſtellen ausgehende allerdings intenſive Bräunung,
aber keine merkliche Veränderung der techniſchen Eigenſchaften des
Holzes eintreten ſehen. Die Bräunung erſtreckt ſich mehr oder weniger
tief nach innen, und auch eine gewiſſe Strecke nach oben und unten
im Stamme und giebt ſich auf dem Querſchnitte in Form von braunen
Flecken oder Streifen zu erkennen. Selbſt an einer im 25. Lebensjahre
ſtark geſchälten 115jährigen Fichte fand R. Hartig nur den 25 jährigen
Kern gebräunt bis in eine Entfernung von 3½ m, während alles
ſpäter gebildete Holz frei von Bräunung war. übereinſtimmend damit
find auch Ratzeburg's?) Erfahrungen über die Folgen des Wild—
ſchälens an der Fichte; er beobachtete, daß wenn der ſchützende Harz—
überzug durch Harzſammler von der Wundfläche abgekratzt wird, die
Rotfäule ſtärker ſich zeigt, als wenn dies nicht geſchieht. An der
Kiefer hat nach den übereinſtimmenden Angaben der genannten beiden
Schriftſteller wegen des Harzreichtums das Wildſchälen keine eigentliche
Wundfäule, nur geringe Bräunung des Schälkernes zur Folge. Nach
R. Hartigs) verhalten ſich die durch das Holzrücken entſtehenden
Schälwunden hinſichtlich der ihnen folgenden Zerſetzungserſcheinungen
den eben genannten gleich, dagegen ſind die durch Baumſchlag und
Anprällen entſtehenden eigentlichen Quetſchwunden viel gefährlicher,
weil bei ihnen die gequetſchte und abſterbende Rinde auf der Wunde
und mit der intakten Rinde im Zuſammenhange bleibt und deshalb
die letztere an der Bildung eines überwallungswulſtes verhindert.
Es bleiben infolge deſſen dieſe Wunden nicht nur ohne Überwallung
oder überwallen doch erſt ſpät, ſondern es dringt auch durch die ver—
trocknete und zerreißende Rinde Waſſer zwiſchen dieſe und das Holz
ein und veranlaßt Zerſetzungen, weshalb die Wundfäule unter Quetſch⸗
wunden weiter ſich zu verbreiten pflegt als an offenen Wunden. Dieſe
und ähnliche Verwundungen können, wenn ſie in großer Ausdehnung
Lee. Pig. 71.
2) Waldverderbnis J, pag. 267.
) 1. c. pag. 7%
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 145
oder in großer Zahl am unteren Stammende eines Baumes vor—
kommen, zu einem Ausfaulen und Hohlwerden des Stammes von
unten aus führen, wie es an vielen alten Linden zu ſehen iſt,, die
an verkehrsreichen Wegen ſtehen, wo ſie beſtändig ſolchen Verletzungen
ausgeſetzt ſind.
Unter Nagen verſteht man die durch Nagetiere hervorgebrachte
Entrindung der Baumſtämme, die beſonders im Winter bei Schnee
ſtattfindet. Hafen und Kaninchen benagen in dieſer Zeit Wald-, Obſt—
und Gartenbäume. Noch ſchädlicher aber können an Forſtgehölzen die
Mäuſe werden. Mäuſenagen findet beſonders am Laubholz, wie
Buche, Birke, Eſche ꝛc., ſtatt und zwar am Grunde des Stammes,
ſelten höher als 30 em und meiſt rings herum. Vorzugsweiſe gehen
dieſe Tiere jüngere Hölzer an; doch hat man während der Mäuſe—
plage im Herbſt 1878 in den Gegenden der Saale beobachtet, daß
die Mäuſe ſogar die Borke alter Bäume angegriffen haben. Die
Rinde jüngerer Stämme wird dabei zum größten Teil abgenagt, die
Zahnſpuren dringen bis ans Holz. Bisweilen entziehen ſich die Nage—
ſtellen im hohen Graſe dem Auge. Die Folge iſt entweder ein raſches
Abſterben des Stammes über der Wunde, wobei ſein Laub im Sommer
gelb wird. Dafür bilden ſich unter der Wunde Stockausſchläge, die
den Stamm zu erſetzen ſuchen, was immer um ſo kräftiger und
ſchneller geſchieht, je vollſtändiger der Oberſtamm abgeſtorben iſt,
daher auch das Abſchneiden desſelben ratſam iſt. Oft aber erhält ſich
auch der Stamm über der Wunde am Leben; er bildet dann am
oberen Wundrande einen Überwallungswulſt und nicht ſelten regeneriert
ſich die Rinde auf dem entblößten Holze ſtellenweiſe durch inſelartige
Granulationen (wie wir ſie bei der Wundenheilung (S. 70)
kennen gelernt haben). Aber auch dann tritt unter der Wunde Stock—
ausſchlag auf; der Oberſtamm kränkelt dann wohl Jahre lang unter
Bildung geringeren und bleicheren Laubes und geht endlich zu Grunde,
ſeltener bringt er es ſelbſt zu einem neuen Wipfel“). An einer tief
am Grunde durch Mäuſe geringelten Birke beobachtete Ratzeburg
Wurzeln, die infolge der Feuchtigkeit in dem hohen Graſe aus dem
Überwallungswulſt am oberen Wundrande entſtanden waren und dem
Boden zuſtrebten, was alſo an gleiche Reſultate bei den Ringelungs—
verſuchen erinnert. Sehr dünne Stämmchen können durch das Nagen
vollſtändig abgeſchnitten werden.
Auch durch Eichhörnchen und durch Horniſſen wird die Rinde in
verſchiedener Ausdehnung geſchält.
) Vergl. Ratzeburg 1. c. II, pag. 104 ff. 228, 285, Taf. 44.
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 10
Nagen.
Inſektenfraß in
der Rinde.
Verluſt der
Blätter.
146 II. Abſchnitt: Von den Wunden
6. Inſektenfraß in der Rinde. Eine Zerſtörung der Baum—
rinde findet natürlich auch ſtatt, wenn kleinere Tiere, wie Inſekten, in
derſelben Fraßgänge anlegen, wie es beſonders die Borkenkäfer thun.
Da jedoch hierbei die Rinde im ganzen nicht mechaniſch geſtört wird,
ſondern infolge des Aufenthaltes der paraſitiſchen Inſekten abſtirbt,
ſo ſchließen wir dieſe Beſchädigungen paſſender von den eigentlichen
Wunden aus und behandeln ſie unter den Pflanzenkrankheiten, welche
durch ſchädliche Inſekten hervorgerufen werden.
H. Die Entlaubung.
Von den vielen Gelegenheiten, bei welchen die Pflanzen abnormer
Weiſe ihre Blätter verlieren, kommen an dieſer Stelle nur diejenigen
in Betracht, wo das auf mechaniſche Weiſe, in Form einer Verwundung
geſchieht, nicht diejenigen, wo eigentümliche Krankheitsprozeſſe die
Blätter verderben.
Auf mechaniſche Weiſe gehen die Blätter den Pflanzen bisweilen
durch Menſchenhand verloren, wie bei dem Laubſtreifen, um das
Laub zum Füttern des Viehes zu verwenden, oder beim Einſammeln
der Maulbeerblätter zur Fütterung der Seidenraupen, oder der Blätter
des Theeſtrauches ꝛc.; auch das Abblatten der Rüben 2c. gehört
hierher. Ferner fallen die Blätter vieler Pflanzen dem Nahrungs—
bedürfnis einer großen Anzahl von Tieren zum Opfer, ſowohl höherer
Tiere, als beſonders zahlreicher Inſekten, wobei der Blattkörper bald
vollſtändig aufgezehrt, bald nur in verſchiedenem Grade verwundet
wird. Endlich können heftige Stürme, ſtarke Regengüſſe und vor allen
Hagelſchläge die Blätter abreißen oder verwunden in jeweils ver—
ſchiedener Form, die in den ſpäteren Kapiteln, wo von dieſen Ein—
flüſſen ſpeziell die Rede tft, genauer angegeben iſt. Die allgemeinen
phyſiologiſchen Folgen, welche der Verluſt der Blätter für die Pflanze
hat, find S. 27 erwähnt worden. Über die Reproduktionen, welche
die Pflanze nach Entlaubung zum Erſatze der Blätter einleitet, iſt
S. 100 zu vergleichen. Bei den Holzpflanzen findet der Wieder—
ausſchlag entweder noch in demſelben Jahre oder erſt im Nachjahre
ſtatt, wobei hauptſächlich die Zeit der Entlaubung, aber auch die Baum⸗
ſpezies entſcheidend ſind. Im Nachjahre findet der Wiederausſchlag
beſonders dann ſtatt, wenn die Entlaubung nicht gar zu frühzeitig im
Sommer erfolgt iſt, alſo wenn die Blätter ſchon einen Vorrat von
aſſimilierten Nährſtoffen gebildet und in den Zweig zurückgeführt und
wenn die für das nächſte Jahr beſtimmten Knoſpen ſchon eine gewiſſe Ent⸗
wickelung erreicht haben. Die Thätigkeit der Pflanze beſchränkt ſich
dann darauf, dieſe Teile noch notdürftig zur Reife zu bringen, um
*
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 147
die Entwickelungsfähigkeit derſelben für das nächſte Jahr zu ſichern.
Doch haben alle ſolche Bäume die Neigung, im Spätſommer bei
günſtigen Witterungsverhältniſſen einige ihrer Knoſpen zu treiben;
ſolche Triebe können aber im Herbſt nicht mehr ſo weit ausreifen,
um dem Winter zu trotzen. Hat dagegen die Entlaubung zeitig im
Frühjahre ſtattgefunden, ſo belaubt ſich der Baum in der oben be—
ſchriebenen Weiſe zum zweitenmale in demſelben Sommer. Relativ gut
ſetzt z. B. die Eiche nach Maikäfer- oder Eichenwicklerfraß ihren Wieder-
ausſchlag an, während bei der Buche und Linde die proleptiſche Be—
laubung nach Inſektenfraß ſehr dürftig ausfällt, indem nur kurze
Triebe mit einem Blatte oder wenigen Blättern gebildet werden).
J. Blattwunden.
Zu Verwundungen des Blattkörpers geben namentlich viele eranlaſſung zur
kleinere Inſekten Veranlaſſung, die je nach ihrer Art in verſchiedener
Weiſe die Blätter verletzen. Auch der Hagel bringt allerhand Ver—
wundungen und zwar gröberer Art an den Blättern hervor. Auch
können die Pflanzen gegenſeitig ſich Verwundungen an ihren Blättern
zufügen. Ich beobachtete einen ſolchen Fall an einem Roggenfelde, in
welchem allgemein die Blätter durch viele kleine, helle, kranke Flecken
auffielen. Letztere zeigten ausnahmslos auf ihrer Mitte eine kleine
Wunde, an welcher die Epidermis durchſtochen und das Meſophyll
verletzt war. In den meiſten Wunden zeigte das Mikroſkop einen
fremden Körper, der bei allen gleich war: ein lang kegelförmiges,
ſehr ſpitzes, ſtarres, farbloſes, dornenähnliches Körperchen; es waren
abgebrochene ſtarre Haarzellen der Grannen der Roggenähren, die bei
der Bewegung des Getreides im Winde ſich in die Blätter einge—
ſpießt hatten, dabei meiſt abgebrochen und in der Wunde ſtecken ge—
blieben waren. Stürmiſches, regneriſches Wetter hatte kurz vorher
geherrſcht.
Tödlich für die Blätter ſind ſelbſtverſtändlich ſolche Verwundungen,
welche den organiſchen Zuſammenhang derſelben mit der Pflanze er—
heblich alterieren, wenn alſo der Blattgrund oder der Blattſtiel ſo weit
angefreſſen iſt, daß die Kommunikation der Fibrovaſalſtränge geſtört
iſt. Das Blatt welkt oder verdorrt dann bald. Iſt aber dieſer Zu—
ſammenhang intakt, ſo kann das Blatt dann meiſtens einen großen
Teil ſeiner Maſſe durch Verwundung verlieren, ohne ſeine Lebensfähig—
keit einzubüßen, und man kann vielleicht im allgemeinen ſagen, daß
erſt der Verluſt von mehr als der Hälfte der Blattmaſſe tödlich wird.
) Ratzeburg, Waldverderbnis II, pag. 190—193 und 340.
10 *
Verwundung der
Blätter.
Tödliche
Blattwunden.
Berftümmelun-
gen und Stich⸗
wunden der
Blätter.
Verkrüppelung
junger Blätter
infolge von Ver⸗
wundung.
148 II. Abſchnitt: Von den Wunden
Es kommt jedoch dabei auf die Gewebe des Blattes an. Das
eben Geſagte darf wohl gelten, wenn dem Blatte ganze Stücken weg—
geſchnitten werden und das Bleibende übrigens nicht verletzt wird.
Wenn aber z. B. von dem Blatte einer Dikotyledone mit ſtarken
Rippen und Nerven das ganze Meſophyll, welches an Maſſe nur den
kleineren Teil ausmacht, z. B. durch Blattkäfer aufgefreſſen wird,
welche die Blätter oft in dieſer Weiſe jfelettieren, dann funktioniert
das Blatt nicht mehr und wir ſehen das ſtehengebliebene Rippen- und
Nervengerüſt bald vertrocknen, denn eine Regeneration des Meſophylls
iſt nicht möglich.
Dagegen vertragen die Blätter ſtarke Verſtümmelungen, bei
denen ganze Stücke von dem ſonſt unverſehrten Blattkörper abge—
ſchnitten werden oder die Blätter von großen Löchern durchlöchert werden.
Ein Wiederzuſammenwachſen der zerriſſenen Teile, eine Regeneration
des verlorenen Stückes, ein Verwachſen eines Loches findet nicht ſtatt,
etwa mit Ausnahme der kleinſten Stichſtellen, wie wir bei der Wunden-
heilung (S. 67) geſehen haben. Alle dieſe Unterbrechungen, ſelbſt
diejenigen der Mittelrippe, ſchaden nichts; die Nahrungszufuhr zu den
einzelnen Teilen kann dann noch durch die zuſammenhängende Blatt—
maſſe und durch die in derſelben ſich verbreitenden Rippen und Nerven
ſtattfinden. Noch weniger können ſchaden Stichwunden quer durch
das Blatt, wie man ſie mittelſt Nadeln erzeugen kann oder wie ſie
manche Inſekten, z. B. Rüſſelkäfer, hervorbringen und mit denen die
Blätter oft reichlich bedeckt ſind, ohne dadurch getötet zu werden. Nur
wird ſelbſtverſtändlich die Funktion ſolcher Blätter, beſonders was die
aſſimilierende Thätigkeit anlangt, im Verhältnis zu der verloren ge—
gangenen Meſophyllmaſſe Abbruch erleiden.
Etwas anders iſt der Erfolg der eben genannten Verwundungen
an jugendlichen, noch wachſenden Blättern. Das durch die Verletzung
geſtörte Gewebe des Wundrandes kann ſich nicht an der Flächen-
ausdehnung beteiligen, welche die entfernteren umliegenden Partien
infolge ihres Wachstums erfahren. Die Folge iſt, daß um die Wunde
unregelmäßige Faltungen ſich bilden oder das ganze Blatt in ſeiner
normalen Formbildung mehr oder weniger behindert wird, daß alſo
überhaupt Verkrüppelungen des Blattes eintreten.
Berluft einzelner Außer den hier genannten Blattwunden, welche quer durch die
Gewebe des
Blattes.
ganze Blattmaſſe hindurchgreifen, kommen auch ſolche vor, bei denen
nur einzelne Gewebe einer Blattſtelle verletzt werden. Es handelt ſich
hier beſonders um die Epidermis einerſeits und das Meſophyll ander⸗
ſeits. Ich habe an Blättern von Leucojum vernum von der Unter⸗
ſeite Streifen der Epidermis ohne ſonſtige Verletzung abgezogen und
3. Kapitel: Die Verwundungsarten 149
keinen ſchädlichen Einfluß danach bemerkt; ſogar das entblößte Meſo—
phyll der Wunde, deren Zellen dabei nicht verletzt werden, blieb un—
verändert grün und lebendig. Wo aber die Epidermis feſter mit dem
unterliegenden Meſophyll verwachſen iſt, läßt ſich erſtere kaum ohne
Verletzung der Zellen des letzteren entfernen, und dieſes zeigt ſich dann
an der Wunde abgeſtorben und gebräunt. So wird oft die obere
Blattſeite von gewiſſen Inſekten ſtellenweiſe angenagt oder abgeſchabt,
allerdings mehr oder minder unter Anfreſſen des Meſophylls ſelbſt,
und zeigt danach entſprechende gebräunte und abgeſtorbene Stellen,
die gewöhnlich quer durch das Blatt hindurchgehen. Anderſeits kann
auch eine Aushöhlung des Blattes ſtattfinden, indem allein das
Meſophyll unter Stehenbleiben der beiderſeitigen Epidermen aufgezehrt
wird. Dies thun die blattminierenden Inſekten, welche auf
dieſe Weiſe die Blätter bald auf größere zuſammenhängende Strecken
beutelartig aushöhlen, bald nur zierlich gewundene Gänge in ihnen
freſſen. Über dieſen Minen bleibt die unverſehrte Epidermis erhalten,
aber dieſelbe vertrocknet und dieſe Stellen erſcheinen daher tot und
bleich, weil das grüne Meſophyll fehlt. Solche Wunden ſind ſelbſt—
verſtändlich gleichbedeutend mit einer vollſtändigen Durchlöcherung der
Blattmaſſe.
K. Verwundung der Blüten.
Auch Blüten werden namentlich von gewiſſen Inſekten mechaniſchverwundung der
zerſtört. Sind Blütenknoſpen inwendig ausgefreſſen, ſo iſt natürlich Blüten.
eine Vereitelung der Befruchtung, alſo ein Unterbleiben der Frucht—
und Samenbildung die Folge, weil die Sexualorgane zerſtört find.
Die weitere Entwickelung der Blüten kann aber auch ſchon dadurch
unterdrückt werden, daß im Knoſpenzuſtande nur die zum äußeren
Schutze der Blütenteile dienenden feſteren Umhüllungen, wie die Kelch—
blätter oder die Hüllblätter köpfchenförmiger Blütenſtände, die Deck—
blätter mancher andrer Inflorescenzen, durch Inſektenfraß zerſtört
werden, wie z. B. beim Fraße des Glanzkäfers. Es giebt auch In—
ſekten, welche aus den aufgeblühten Blüten nur die inneren Teile
herausfreſſen, z. B. nur die Blumenblätter und Staubgefäße. Solche
Blüten ſind natürlich unfähig, diejenige Funktion auszuüben, welchen
die verloren gegangenen Teile vorſtehen; und ſo verſtümmelte Blüten
bringen daher gewöhnlich keine Früchte.
L. Verwundung der Früchte.
Hagel, Fraß von Vögeln, von Schnecken und vielen Inſekten bringen Verwundung der
an den Früchten, beſonders an großen und ſaftigen, Verwundungen Früchte.
hervor; doch kommt auch das ſpontane Aufſpringen des Parenchyms
Fon
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*
2
2
150 II. Abſchnitt: Von den Wunden
(ſ. oben S. 113) in Betracht. Geringere Verletzungen der Schale
haben im allgemeinen keinen nachteiligen Einfluß auf die Ausbildung
der Frucht, indem die Wunde leicht durch bräunliches Korkgewebe ver—
narbt, wie es an Pflaumen, Kirſchen, Birnen, Apfeln, Weinbeeren,
Kürbiſſen ꝛc. oft zu ſehen iſt. Auch eine tiefer in das Fleiſch dringende
Wunde heilt ſich oft aus, bedingt aber dann meiſt eine ungleichmäßige
oder unvollſtändige Ausbildung des Fruchtfleiſches und eine Miß—
geſtaltung der ganzen Form. Hierher gehört auch der Samenbruch,
den man beſonders an Weinbeeren, infolge verſchiedener Verwundungen
(vergl. das Kapitel Hagelſchlag) beobachtet. An einzelnen Beeren
ragen die Samenkerne frei über die Oberfläche der Frucht hervor; die
letztere bleibt gewöhnlich kleiner als die unverletzten, reift aber im
übrigen gut aus. Die lokale Verletzung der Epidermis und des unter—
liegenden Parenchyms geſchieht in einem frühen Stadium. Indem
nun dieſe Gewebe abſterben und dem ſich vergrößernden Samen durch
Dehnung nicht folgen können, zerreißen ſie und laſſen den Samen
hervortreten, während die übrigen Stellen der Frucht ſich normal ent
wickeln. Ahnliches ſieht man an Kirſchen, welche manchmal durch
Sperlinge an einer Seite bis auf den Kern verwundet ſind, ſo daß
dieſer ſichtbar iſt oder etwas hervorragt; um denſelben hat ſich das
Fleiſch und die Epidermis zuſammengezogen, und durch Korkbildung,
die ſich bis an den Kern fortſetzt, iſt der Abſchluß hergeſtellt. Wenn
dergleichen Früchte aber erſt im völlig reifen Zuſtand bis ins Fleiſch
verwundet werden, wie beſonders bei dem Aufſpringen der Kirſchen
und Pflaumen, ſo tritt keine auf Heilung bezügliche Veränderung
mehr ein.
4. Kapitel.
Behandlung der Wunden.
Zweck der Die kunſtgerechte Behandlung der Wunden ſoll ſowohl die etwaige
nr Wundfäule möglichſt verhüten, als auch den natürlichen Heilungs—
ehandlung. 2 15 +
prozeß befördern und beſchleunigen.
Bei nichtholzigen Bei den krautartigen und ſukkulenten Pflanzen iſt natürlich eine
Pflanzen. direkte Behandlung der Wunden unmöglich, da ein Eingriff in ſolche
Teile ſich von ſelbſt verbietet. Das Verfahren muß ſich hier mehr
auf die Prophylaxis etwaiger Wundfäule, alſo auf möglichſte Ver—
meidung übermäßiger Feuchtigkeit beſchränken, und ergiebt ſich das in
dieſer Beziehung zu Thuende von ſelbſt aus dem, was oben bei der
Wundfäule der in Rede ſtehenden Pflanzen bemerkt worden iſt.
4. Kapitel: Behandlung der Wunden 151
Wohl aber laſſen ſich für die Wunden der Holzpflanzen beſtimmte
Vorſchriften geben. Die diesbezüglichen Maßregeln können ſich zunächſt
darauf erſtrecken, daß die Wunden, die man den Pflanzen notwendig
beibringen muß, wie beim Schnitt und beim Ausäſten, ſo gemacht
werden, daß man dadurch jenen Zweck am beſten erreicht. Es genügt,
dieſe Regeln hier kurz anzudeuten, da die theoretiſche Begründung
derſelben in den vorhergehenden Artikeln zu finden iſt. Trockenäſte
müſſen rechtzeitig entfernt werden. Dünnere Trockenäſte fallen, ohne
bemerkenswerte Schäden zu hinterlaſſen, von ſelbſt ab. Die Weg—
nahme lebender Aſte darf ebenſo wie die Trockenäſtung nur zur Zeit
der Vegetationsruhe, nicht in der Saftzeit vorgenommen werden; jede
Aſtung vom Ende März bis Mitte September iſt zu verwerfen. Das
Entfernen der Aſte muß bei Trocken- wie bei Grünäſtung in der Weiſe
geſchehen, daß man die Baſis des Aſtes glatt am Stamme abſägt.
Dabei iſt es nötig, zuerſt von unten einzuſchneiden, dann durch Unter—
ſtützung des Aſtes zu verhindern, daß derſelbe ſich früher ſenkt, bis er
von oben völlig durchſchnitten iſt, und ihn dann etwas vom Baume
abzuſtoßen. Die Schnittfläche muß glatt geſägt ſein, jede ſplittrige
Wunde iſt nachteilig. Ebenſo müſſen möglichſt alle horizontalen
Schnittflächen vermieden werden. Bei der viel ventilierten Frage der
Eichenäſtung iſt auch die zuläſſige Größe der Wundfläche erörtert
worden, weil je ſpäter die Wunde durch Überwallung ſich ſchließt, die
Wundfäule deſto mehr um ſich greift. Göppert) unterſcheidet drei
Grade der Dauer des Eichenholzes nach derartigen Verwundungen:
1. Grad: Schnittfläche von 3—5 em Durchmeſſer, erforderliche Zeit
der Überwallung 4—8 Jahre, Folgen: nur Bräunung nahe der
Schnittfläche. 2: Grad: Schnittfläche von 10—15 em Durchmeſſer,
Überwallung nach 10—15 Jahren, Folgen: umfangreiche Schwärzung
des Aſtkegels bis tief in das Stammholz. 3. Grad: Schnittfläche
15—20 em, Überwallung nach 15—20 Jahren, Folgen: Steigerung
aller genannten Symptome in bedenklichem Grade, zuletzt Fäulnis,
welche jeden Gebrauch zu Nutzholzzwecken ausſchließt. R. Hartig?)
bezeichnet als äußerſtes zuläſſiges Maß bei Eichenäſtung Wundflächen—
größen von 10—12 em Durchmeſſer.
An Schälwunden iſt nur dann Hoffnung den Prozeß der Be—
kleidung mit neuer Rinde auf der ganzen Wundfläche einzuleiten,
(S. 70), wenn die Wunde zur Zeit der cambialen Thätigkeit gemacht
wurde, wo Cambium auf der Wunde zurückbleibt, und wenn
1) Über die Folgen äußerer Verletzungen der Bäume, pag. 59—67.
2) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes, pag. 142.
Behandlung
der Wunden
der Holzpflanzen.
Behandlung
der Schälwunden.
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1 h Pr N 2 *
152 II. Abſchnitt: Von den Wunden
man ſehr bald nach der Verwundung den Stamm umwickelt mit
Wachstuch oder einem ähnlichen waſſerdichten Zeug, wobei die Be—
rührung der Wundfläche möglichſt vermieden werden muß.
Unter Umſtänden kann es geraten ſein, eine Wunde noch weiter
en zu ſchneiden, wenn fie nämlich von einer Art ift, welche ihre natür-
liche Heilung ſehr erſchwert und Zerſetzungserſcheinungen begünſtigt;
ſie muß dann in eine Form gebracht werden, in welcher jene Nach—
teile vermieden ſind; über das Wie hat der ſpezielle Fall zu ent—
ſcheiden. Und um gewiſſe Fehler und chroniſche Wunden zu beſeitigen,
wie Maſerkröpfe, Krebsſtellen, Gummiflüſſe u. dergl., iſt es nötig, bis
ins geſunde Holz zu ſchneiden, um eine zwar größere, aber leichter
durch Überwallung ſich ſchließende Wunde zu erzeugen. Jedenfalls
müſſen alle toten Rindenteile, die etwa auf den Wunden zurückgeblieben
ſind, und ſolche, die mit dem Holzkörper nicht mehr in organiſchem
Zuſammenhange ſich befinden, abgeſchnitten werden, weil ſie die Wund—
fäule begünſtigen und die Überwallung erſchweren würden. Nur
ſolche Rindenteile find zu ſchonen, welche etwa auf der Rinde unver—
letzt geblieben ſind und im Zuſammenhange mit dem Wundrande
ſtehen, weil ſie dann ernährt werden und Überwallungen von ſich aus—
gehen laſſen.
Theerung und Die Wundflächen des Holzes können durch konſervierende Mittel
Baumkitt. vor Wundfäule geſchützt werden. Bei den Nadelhölzern iſt, wie ſchon
erwähnt, der Harzüberzug, mit der ſich die Wunden des Holzkörpers
bedecken, eine natürliche Wundſalbe von vorzüglichſter Wirkung. Bei
den Laubhölzern erſetzt die künſtliche Theerung mit Steinkohlentheer
den Harzüberzug der Nadelhölzer. R. Hartig“) berichtet, daß der
Theer, ſoweit er direkt vordringt, zwar die Zellen tötet, aber ſie vor
Zerſetzung ſchützt, und daß in unmittelbarſter Nachbarſchaft einer mit
Theer gefüllten Holzfaſer ſich lebendes Holzparenchym befindet, zum
Beweiſe, daß nicht eine tiefergehende nachteilige Wirkung des Theers
ſtattfindet. Die günſtigſte Zeit für die Operation iſt der Winter; der
Theer dringt dann ſofort in alle geöffneten Organe des Holzkörpers
bis auf mehrere Millimeter, in den Gefäßen der Eiche zuweilen bis
1 em tief ein. Im Frühling und Sommer dagegen dringt er, da die
hervortretende Feuchtigkeit ſtörend dazwiſchen tritt, nicht nur nicht in
die Schnittfläche ein, ſondern er haftet ſelbſt äußerlich nur ſchlecht und
erzeugt einen mangelhaften Verſchluß. Nach R. Hartig bräunen ſich
bei allen Aſtungen zur Saftzeit trotz der Theerung die Schnittflächen
2) J. c. pag. 139.
4. Kapitel: Behandlung der Wunden 153
nachträglich 1—2 em tief, während im Winter oder Spätherbſt geäſtete
und gut getheerte Flächen ſich oft bis an die 1—2 mm tief einge—
drungene Theerſchicht vollſtändig ungebräunt erhalten; ſelbſt nach
70 Jahren und bei einer Wundflächengröße von 10 em Durchmeſſer
iſt nicht die geringſte Veränderung wahrzunehmen geweſen. Schaden
können nur gewiſſe paraſitiſche Pilze bringen, wenn ſie vor der
Theerung die Wundfläche befallen haben. Außerdem ſind noch ver—
ſchiedene Arten von Baumkitt und Baumwachs in Gebrauch, deren
Wirkung immer auf dasſelbe, d. h. auf konſervierende Kraft und
Haltbarkeit hinauskommt. Gewöhnliche Rezepte dazu find: ½ Kilo
Kolophonium geſchmolzen und mit ½ Kilo Spiritus und 2 Theelöffel
Kollodium vermengt, oder einfach ½ Kilo Weißpech und ½ Kilo
Spiritus.
Die Anwendung aller dieſer künſtlichen Wundverſchlüſſe iſt indes
nur für umfangreichere Wunden nötig, bei denen wegen Verzögerung
der Vollendung der Heilung Zerſetzungserſcheinungen ohne dieſe kon—
ſervierenden Mittel unvermeidlich ſein würden. Die kleineren Wunden,
beſonders die Schnittflächen der Zweige und dünneren Aſte ſind ja
ſchon durch die an jeder Holzwunde eintretende Schutzholzbildung von
Natur genügend geſchützt für die wenigen Jahre, welche jene Wunden
offen zu ſtehen brauchen, bis der Überwallungsprozeß ſie geſchloſſen hat.
Hohle Bäume füllt man mit Steinen aus und verſchmiert die
Offnung mit Lehm oder Mörtel oder mit getheerten Holzpflöcken. Der
in manchen Gegenden herrſchende Gebrauch, die hohlen Weiden aus—
zubrennen, um der Fäule im Innern Einhalt zu thun, ſchützt wohl
für einige Zeit; aber abgeſehen von der Beſchädigung, die dadurch
leicht die lebenden Teile des Baumes erleiden, wird der Stamm
dadurch zu ſchwach, um ſtärkeren Stürmen widerſtehen zu können. An
den älteſten bekannten Linden, die wegen des enormen Umfanges ihrer
freilich ganz hohlen Stämme berühmt ſind, findet man wohl die De—
fekte des Stammes zugemauert und die ſtärkſten Aſte durch einen
Unterbau von hölzernen oder ſteinernen Pfeilern geſtützt.
Behandlung
hohler Bäume.
Beziehungen
des Lichtes zur
Pflanze.
Lichtmangel
verhindert die
Chlorophyll⸗
bildung.
154 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphaͤriſche Einflüffe
III. Abſchnitt.
Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe.
1. Kapitel.
Das Licht.
Der Einfluß des Lichtes auf die Pflanzen iſt ein ſehr vielſeitiger.
Die Phyſiologie lehrt, daß eine ganze Reihe verſchiedener Lebens—
thätigkeiten durch das Licht entweder bedingt oder doch beeinflußt wird.
Daher ſind mannigfache Störungen zu erwarten, wenn die Pflanzen
ſich unter Verhältniſſen befinden, in denen ſie entweder gar kein oder
ein zu ſchwaches Licht empfangen, oder auch, wenn ſie einem zu inten—
ſiven Lichte ausgeſetzt werden. Wir haben hier natürlich nur die—
jenigen Wirkungen des Lichtes und des Lichtmangels zu beſprechen,
welche pathologiſchen Charakters ſind; die normalen Lebensprozeſſe,
welche durch Lichtverhältniſſe bedingt werden, wie die Bewegungen
des Protoplasmas und der Chlorophyllkörper, die heliotropiſchen
Krümmungen der Pflanzenteile und die Schlafbewegungen der Blätter
ſind Gegenſtand der Pflanzenphyſiologie.
I. Verhinderung der Chlorophyllbildung durch
Lichtmangel.
Mit wenigen Ausnahmen bilden die Pflanzen ihr Chlorophyll
nur bei Einwirkung des Lichtes. Laſſen wir im Finſtern Samen
keimen oder Knollen, Zwiebeln und unterirdiſche Stöcke der Stauden
austreiben, oder die Knoſpen der Holzpflanzen ſich entfalten, ſo bleiben
alle neugebildeten Teile gelb oder ganz bleich. Man bezeichnet dieſe
Krankheit, bei welcher übrigens meiſt auch gewiſſe Abweichungen in
der Geſtalt und ſonſtigen Beſchaffenheit der Organe eintreten, von
denen unten die Rede ſein wird, als Vergeilen, Verſchnaken, Ver—
ſpillern, Etiolieren (étiolement). Dabei ſind jedoch die aus proto—
plasmatiſcher Subſtanz gebildeten Chlorophyllkörner im Protoplasma
der Zellen im farbloſen oder gelben Zuſtande vorhanden; es fehlt
ihnen nur der durch Alkohol ausziehbare eigentliche grüne Farbſtoff,
das Chlorophyll. Der gelbe Farbſtoff, den ſie enthalten, heißt Etiolin;
er geht erſt durch Lichtwirkung in das Chlorophyll über. Bringt man
etiolierte Pflanzen ans Licht, jo ergrünen fie in kurzer Zeit, voraus—
geſetzt, daß die Temperatur gewiſſe Grenzen nicht überſchritten hat
(ſiehe zweites Kapitel). Zur Chlorophyllbildung genügt ſogar ein äußerſt
—
*
*
1. Kapitel: Das Licht 155
ſchwaches Licht (etwa ſolches, bei dem man eben noch kleinen Druck
leſen kann), erſt völlige Dunkelheit verhindert ſie. Jedoch erfolgt
die Ergrünung raſcher und die Pflanzen werden dunkler grün
als im Halbdunkel, wenn die Lichtintenſität ſich mehr der Tageshelle
nähert. In direktem Sonnenlicht geſchieht die Ergrünung dagegen
etwas langſamer als im diffuſen Tageslicht !). In dieſer Wirkung
kann das Sonnenlicht auch durch Lampenlicht oder elektriſches Licht
erſetzt werden.
Die gewöhnliche Auffaſſung, daß die Erzeugung des Chlorophylls
eine direkte Lichtwirkung, ein photochemiſcher Prozeß ſei, iſt jedoch un—
berechtigt, wie ich kürzlich geltend gemacht habe?). Denn daß die
Pflanze des Lichtes nicht bedarf, um Chlorophyll zu bilden, beweiſen
die ergrünenden Finſterkeimpflänzchen der Koniferen, auf welche Sachs
zuerſt aufmerkſam gemacht hat; auch die Wedel der Farne bilden
nach Sachs in tiefſter Finſternis ihr Chlorophyll aus. Übrigens
nehmen die Koniferen hinſichtlich ihrer Fähigkeit, auch im Dunkeln
Chlorophyll zu bilden, keineswegs eine erzeptionelle Stellung im
Pflanzenreiche ein, wie man eine Zeit lang glaubte. Denn erſtens
fand ich unter einer großen Zahl von Keimpflanzen des Raps und
der Sonnenblume, welche im Dunkelzimmer meines Laboratoriums,
alſo in vollſtändiger Finſternis in einem Kaſten beiſammen gewachſen
waren, vereinzelte Individuen völlig ergrünt. Zweitens habe ich ge—
zeigt, daß auch bei den Koniferen dieſe Erſcheinung nur auf die Keim—
pflanzen beſchränkt iſt, indem die Knoſpen aller dieſer Bäume im
Dunkeln ſtets völlig etiolierte Triebe liefern. Endlich hat Wiesner ſchon
darauf aufmerkſam gemacht, daß die Keimpflanzen von Larix im Dunkeln
regelmäßig etiolieren und daß auch bei andern Koniferen im Dunkeln
vereinzelte etiolierte unter den ergrünenden Keimpflanzen vorkommen,
ſowie daß ſelbſt die letzteren weniger Chlorophyll beſitzen als die im
Lichte erwachſenen. Die richtige Auffaſſung der Sache iſt alſo die,
daß die Pflanzen in den meiſten Fällen im Finſtern die Bildung des
Chlorophylls freiwillig unterlaſſen, was eben damit im Zuſammen—
hange ſteht, daß dasſelbe ja unter dieſen Umſtänden für ſie zwecklos
iſt, weil die durch das Chlorophyll auszuübende Aſſimilation der
Kohlenſäure nur durch Mithilfe des Lichtes möglich iſt.
Dieſe Auffaſſung ſtimmt denn auch mit der andern Thatſache zu—
ſammen, daß die Wirkung des Lichtes auf die Chlorophyllbildung an
) Famintzin, Melanges biologiques. Pétersbourg 1886. T. VI, pag. 94.
) Vergl. hierüber und über das folgende oben Geſagte mein Lehrbuch
d. Botanik. I. 1892. pag. 641643.
Erklärung der
Wirkung des
Lichtes auf die
Chlorophyll⸗
bildung.
Beziehung des
Lichtes zu den
Blütenfarven.
Lichtmangel
verhindert die
Kohlenſäure⸗
aſſimilation.
156 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
der Pflanze ſtreng lokal iſt. Denn wenn an einer und derſelben
Pflanze nur ein beliebiger Teil dunkel gehalten wird, ſo beſchränkt
ſich das Etiolement auch nur auf dieſen, während alle belichteten
Teile normal ſich ausbilden. Verdunkelt man nur einen einzelnen
Sproß, oder an einem Sproſſe ein einziges Blatt, oder an einem
Blatte eine einzelne Stelle, ſo unterbleibt auch nur an dieſen Teilen
die Chlorophyllbildung.
Im Anſchluß hieran ſei noch bemerkt, daß die Färbung der
Blüten durch Lichtmangel im allgemeinen nicht beeinträchtigt wird,
wie ſchon Sachs) gelehrt hat; jedoch bleiben die purpurroten und
violetten Teile der Blumenkronen mancher Pflanzen nach Asfenajy?)
im Dunkeln blaſſer oder ganz farblos, was ich für Pulmonaria offici-
nalis beſtätigen kann. Auch die durch gerötete Zellſäfte bedingte
Rotfärbung mancher Früchte, wie das Rotbäckigwerden der 8 findet
nur am Lichte ſtatt.
II. Verhinderung der Kohlenſäureaſſimilation durch
Lichtmangel.
Die grünen Pflanzen erzeugen den Hauptteil ihrer kohlenſtoff—
haltigen organiſchen Subſtanz aus der Kohlenſäure der Luft und aus
dem Waſſer, die beide in den chlorophyllhaltigen Zellen aſſimiliert
werden, wobei der überſchüſſige Sauerſtoff der Kohlenſäure abgeſpalten
und von der Pflanze ausgeſchieden wird.
Das Produkt dieſer Aſſimilation iſt in den meiſten Fällen Stärke⸗
mehl, welches dabei in den Chlorophyllkörnern entſteht. Wie die
Pflanzenphyſiologie lehrt, iſt dieſer Prozeß ſtreng vom Lichte abhängig.
Für die grünen Pflanzen iſt daher genügende Beleuchtung eine not—
wendige Lebensbedingung und es reſultieren die auffallendſten Krank—
heitserſcheinungen, wenn die grünen Pflanzenteile vom Lichte ausge⸗
ſchloſſen oder ungenügend belichtet ſind, indem dann keine neue kohlen—
ſtoffhaltige Subſtanz produziert werden kann. Wenn man Samen der
Chlorophyllpflanzen im Dunkeln keimen läßt, ſo entwickelt ſich eine
Anzahl Wurzeln, Stengelinternodien und Blätter; aber nach einiger
Zeit ſteht die Produktion ſtill, nämlich ſobald als alle Reſervenähr⸗
ſtoffe, welche der Samen enthielt, verbraucht ſind. Wägungen zeigen
dann, daß die Trockenſubſtanz ſolcher Kümmerlinge geringer iſt als
die der Samen vor der Keimung, weil die Pflanze nicht nur keine
neue organiſche Subſtanz bilden konnte, ſondern auch durch Atmung
) Experimentalphyſiologie, pag. 17.
2) Bot. Zeitg. 1576, Nr. 1 und 2.
1. Kapitel: Das Licht 157
einen Teil derſelben verlor!). Hatte die Keimung im Lichte ſtattge—
funden und bringt man die Pflanzen am Ende der Keimung, wo die
Reſervenährſtoffe des Samens erſchöpft ſind, ins Dunkle, ſo findet
keine weitere Entwickelung ſtatt. Haben jedoch die Pflanzen ſchon
eine Zeit lang am Lichte gelebt und aſſimiliert, ſo reichen die erzeugten
Stoffe hin, um im Dunkeln neue etiolierte Organe zu bilden, ſo lange
bis jene aufgezehrt ſind, worauf die weitere Entwickelung ebenfalls
ſtillſteht. Bleiben ſolche Pflanzen noch länger im Finſtern, ſo ſterben
ſie endlich, weil ein großer Teil der organiſchen Subſtanz bei der
fortdauernden Atmung verzehrt wird. Werden ſie aber vorher wieder
ans Licht gebracht, ſo können ſie ergrünen, aſſimilieren und die Vege—
tation von neuem fortſetzen. Obiges gilt in der gleichen Weiſe auch
von denjenigen Pflanzen, welche auch in der Dunkelheit Chlorophyll
erzeugen oder dasſelbe nicht verlieren.
Diejenige geringe Helligkeit, welche zur Bildung des Chlorophylls Wirkungen der
hinreicht, genügt zur Aſſimilation nicht. Im allgemeinen iſt ſchon im EEE
diffuſen Tageslicht innerhalb eines Zimmers die Ausſcheidung von
Sauerſtoffblaſen außerordentlich gering, während ſie in direktem
Sonnenlichte ſehr lebhaft iſt; ſie ſcheint überhaupt der Lichtintenſität
nahezu proportional zu ſein?). Daher iſt ſchon in der Helligkeit
eines Zimmers die Kohlenſäureaſſimilation ſo ſchwach, daß die Pro—
duktion der meiſten Pflanzen darunter leidet. Dieſe ſchädliche Wirkung
wird in ihrer Abſtufung nach dem Helligkeitsgrade und der Be—
leuchtungsdauer ſehr anſchaulich gemacht durch folgende Reſultate der
von Sachss) mit Tropaeolum majus angeſtellten Verſuche, bei denen
die Pflanzen in Töpfen mit derſelben Gartenerde in einem und dem—
ſelben Zimmer erwuchſen. Nr. I blieben beſtändig in einem finſteren
Raum; Nr. II wurden hinter das die beiden Weſtfenſter trennende
Mauerſtück geſtellt, wo ſie nur ſchwaches Zimmerlicht erhielten; Nr. III
ſtanden täglich von morgens 6 Uhr bis mittags 1 Uhr an einem
Weſtfenſter, die übrige Zeit im finſteren Raum; Nr. IV täglich von
1 Uhr Mittag bis morgens 6 Uhr an demſelben Weſtfenſter, die
übrige Zeit im Dunkeln; Nr. V blieben beſtändig am Weſtfenſter.
4 Samen bei 110° getrocknet, ohne Hüllen = 0,394 Grammen.
U Bouſſingault, Compt. rend. 1864, pag. 883. — Sachs, a
mentalphyſiologie, pag. 20.
2) Wolkoff, Jahrb. f. wiſſ. Bot. V. pag. 1.
3) Experimentalphyſiologie, pag. 21—23.
158 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe
2 2 8 13 s 1, ae
S 5 5 588 8 s 38 8 a
Nr 2 8 8 Allgemeinzuſtand EEK 8 8 Zahl der 888 & 5
„il. 2 28 An 2 PER x » 2 5 Pi 1
2 8 der Pflanze. 8 a“ 8 — Blütenknoſpen 25 3 f
ass 8 5 88 = 838
2 18° sis 5%
cm 4
I. | 0238 Nach 25 Tagen ver: | 48 4 0 O0 o 0 +
dorben. $
II. 0,264 Nach 25 Tagen ver.“ 38 | 6 0 0 0 0
dorben. .
III. 5,220 Nach 62 Tagen noch, 58 176 wenige ver | 0 0 0 ;
am Leben. | dorbene. f
IV. 5,209 Nach 62 Tagen nocht 65 147 wenige ver | 0 0| 0 4
am Leben. dorbene. 4
v. 20,299 Nach 62 Tagen noch 1738 |265) 46 187113 1
am Leben.
In ähnlichem Grade lichtbedürftig find die meiſten unfrer land— =
wirtſchaftlichen Kulturgewächſe; fie zeigen unter den gleichen Verhält—
niſſen dieſelben krankhaften Zuſtände. Pflanzen dagegen, welche von
Natur an tief ſchattigen Standorten zu wachſen pflegen, werden durch
dieſe geringe Helligkeit noch nicht geſchädigt; ihre Aſſimilation findet
dabei noch hinreichend lebhaft ſtatt, wie ihre normale Entwickelung
unter dieſen Verhältniſſen beweiſt. Dies gilt beſonders von den im
Waldesſchatten wachſenden Mooſen und Farnkräutern. Es giebt ſogar
nahe verwandte Pflanzen, welche ungleich empfindlich gegen ſchwächere
Helligkeitsgrade ſind: z. B. verträgt die Fichte die Beſchattung durch
Hochwald leicht, die Kiefer nicht.
Künſtliches Licht. Auch künſtliches Licht ruft Aſſimilation hervor. Man hat das
konſtatiert vom Lampenlicht, Gaslicht, Magneſiumlicht, Kalklicht und
vom elektriſchen Licht. Natürlich wirken dieſe nach Maßgabe der in
ihnen vertretenen farbigen Strahlen (ſ. unten) und ihrer Intenſität,
ſo daß keine dieſer Lichtquellen dem Sonnenlichte in ihrer Wirkung
gleichkommt, und daß alle Verſuche, mit ſolchem Lichte Pflanzen zu
erziehen, mißlich ausfallen.
Wirkungen der Die einzelnen Lichtfarben ſind von ſehr ungleichen Wirkungen
Lichtfarben. auf die Aſſimilation. Die Zerſetzung der Kohlenſäure iſt im weißen
Lichte ſtärker als in irgend einem farbigen Lichte, weil in dem erſteren
die kombinierte Wirkung aller einzelnen farbigen Strahlen zum Aus⸗
druck kommt. Was die relativen Wirkungen der einzelnen Farben des
Sonnenſpektrums auf die Zerſetzung der Kohlenſäure anlangt, ſo iſt
. *
1. Kapitel: Das Licht 159
wenigſtens das eine ſicher feſtgeſtellt, daß die hellleuchtenden gelben und
roten Strahlen im Vergleich mit den blauen die weitaus größere
Wirkung haben; beide Werte verhalten ſich etwa wie 88,6 zu 7,6.
Nur in Bezug auf die Lage des Maximums ſind die einzelnen Forſcher
nicht übereinſtimmend, indem nach neueren Unterſuchungen das Mari-
mum bald ins Rot, bald zwiſchen C und D des Spektrums, alſo mehr
dem Gelb genähert, verlegt worden ift*). Praktiſch wird daraus alſo
geſchloſſen werden müſſen, daß von farbigem Licht den grünen Pflanzen
das rote und das gelbe am wenigſten ſchädlich, grünes und beſonders
blaues und violettes aber nachteiliger iſt. Indeſſen darf man nicht ver—
geſſen, daß unſre gewöhnlichen farbigen Gläſer doch meiſtens Strahlen
aller Farbengattungen hindurchgehen laſſen. Über Mittel, monochro—
matiſches Licht für phyſiologiſche Verſuche zu erzielen, muß ebenfalls
auf die Pflanzenphyſiologie verwieſen werden.
Da die chlorophyllloſen Pflanzen Kohlenſäure nicht aſſimilieren, Unſchädlichkeit
fo iſt für fie das Licht auch keine Lebensbedingung, wie die Ent? Lichtmangels
wickelung der Schimmelpilze in dunklen Räumen, das unterirdiſche
Vorkommen der Trüffeln, die Kultur der Champignons in Kellern und
Bergwerken beweiſen. Auch für die nicht grünen Teile chlorophyll—
haltiger Pflanzen iſt die unmittelbare Einwirkung des Lichtes keine
Lebensbedingung, weil ſie durch die grünen Teile ernährt werden.
Ebenſo iſt Lichtmangel unſchädlich für die grünen Pflanzen außer der
Periode der Aſſimilation. So wirkt auf die Chlorophyllpflanzen in
derjenigen Zeit des Jahres, wo ſie keine grünen Organe beſitzen
(ſommergrüne Laubhölzer), Lichtmangel nicht ſchädlich ein, ja dieſelben
können ſogar im Beſitze der chlorophyllhaltigen Teile diejenigen Monate,
wo die Aſſimilation ruht, ohne Schaden im Dunkeln zubringen. Denn
nicht bloß laubwechſelnde, ſondern auch immergrüne Gehölze werden
während der Wintermonate ohne Nachteil bedeckt und ſomit ver—
dunkelt.
Die im Vorſtehenden erörterten ſchädlichen Folgen ungenügender Be- Unterdrückung
leuchtung zeigen ſich bei den Pflanzenkulturen nicht ſelten und werden hier durch Licht-
als Unterdrückung, Verdämmung oder Erſtickung bezeichnet. Junge mangel.
Pflanzen erſticken im Unkraute, z. B. Rübenpflanzen, wenn ſie unter
wuchernden großblätterigen oder dichtſtehenden, alſo beſchattend wirkenden
Unkräutern ſtehen, ebenſo der Klee unter einer Deckfrucht, wenn dieſe dicht
ſteht, groß⸗ und reichblätterig iſt. Solche Pflanzen kümmern und gehen
bald ein ohne ihre volle Entwickelung erreicht zu haben. In ſchwächerem
Grade zeigt ſich die Erſcheinung z. B. in der kümmerlichen Entwickelung
lichtbedürftiger Pflanzen, wenn ſie als Topfgewächſe in Zimmern gezogen
) Das Nähere darüber ſiehe in meinem Lehrbuch der Botanik I. 1892,
pag. 541.
Ungenügende
160 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe
werden, ſowie wenn der Gemüſepflanzen in Gärten unter dichtbelaubten
Bäumen gebaut werden. In den Forſten iſt das Verdämmen des niedri—
geren Holzes durch höheres eine bekannte Sache. Die Stämme gehen wohl
mit den andern Individuen eine Zeit lang in die Höhe und wachſen auch
gerade, aber ſie bleiben dünner und haben nur ſchwache Zweiganſätze und
können im ſtark beſchattenden Hochwald endlich als ſchwächliche Stämmchen
unter überhandnehmender Zweigdürre zu Grunde gehen. Manche verlieren
dadurch öfters ſchon früh den Wipfel und werden, indem untere Zweige
ſich vordrängen, zu Strauchformen, wie es z. B. die Lärche thut, wenn ſie
von ihresgleichen unterdrückt wird. Auch die Holzbildung wird bei unter—
drückten Bäumen geſtört. Nach R. Hartig) bilden ſolche Pflanzen im
erſten Stadium der Unterdrückung relativ breite Herbſtholzſchichten, alſo
ſchweres Holz. Der Jahresring nimmt aber abſolut an Breite ab und ſinkt nach
unten auf eine Minimalbreite herab, während in den höheren Teilen die
Ringbreite größer iſt als unten. Nach lange anhaltender Unterdrückung
tritt dagegen das Herbſtholz im unteren Stammteile gegen das lockere
Frühjahrsholz auffallend zurück und verſchwindet faſt gänzlich, während in
den oberen Teilen das Holz relativ ſchwer iſt.
Aus der Unentbehrlichkeit einer genügend langen täglichen Dauer der
Dauer des Tages- Beleuchtung erklärt es ſich auch, warum zur Winterszeit, auch wenn für
lichts im Winter. günſtige Temperatur, z. B. in Gewächshäuſern, geſorgt wird, unſre gewöhn—
Lichtmangel
beeinflußt den
Wachstums⸗
prozeß.
lichen Sommerpflanzen nicht zu gedeihlicher Entwickelung zu bringen ſind;
die Dauer der täglichen Beleuchtung iſt dann eben zu kurz.
III. Abnormitäten des Wachstums bei Lichtmangel.
Auch auf Wachstumsprozeſſe hat die Art der Beleuchtung einen
hervorſtechenden Einfluß. Allein die einzelnen Pflanzenteile werden
durchaus nicht in gleichem Sinne hiervon beeinflußt; ein und dieſelben
Lichtverhältniſſe bringen bei den verſchiedenen Pflanzenteilen oft gerade
entgegengeſetzte Wirkungen auf das Wachstum hervor. Es war ein
irriges und vergebliches Bemühen, womit die Pflanzenphyſio—
logen eine Zeit lang nach einem allgemeinen Naturgeſetze ſuchten,
welches die Beeinfluſſung des pflanzlichen Wachstums durch die
Lichtſtrahlen ausdrücken ſollte. Ich habe kürzlich in meinem Lehr—
buche der Botanik (I, S. 389 — 397) an Stelle dieſer veralteten An⸗
ſchauung eine neue geſetzt, mit der nun erſt alle, bisher anſcheinend einander
widerſprechenden Thatſachen in der naturgemäßeſten Weiſe harmonieren.
Wir müſſen uns die Beeinfluſſungen des Wachstum durch Lichtmangel
als Reize vorſtellen, denen gegenüber die verſchiedenen Pflanzenteile
gemäß ihrer phyſiologiſchen Ungleichwertigkeit auch in ungleicher Weiſe
reagieren; die Art aber, wie ſie reagieren, ſteht meiſtens in deutlich
erkennbarer Beziehung zu ihren Funktionen und Bedürfniſſen und ſtellt
ſich alſo als eine für ſie vorteilhafte Anpaſſung heraus, wie uns ſolches
5) Bot. Zeitg. 1870, Nr. 32—33, und 1874, pag. 391.
1. Kapitel: Das Licht 161
ja ſo allgemein in vielen andern Beziehungen bei den lebenden Weſen
begegnet.
Die Feſtſtellung der verſchiedenen Beeinfluſſungen des Wachstums
wird hier unſere Hauptaufgabe ſein, um Klarheit in dieſe Ver—
hältniſſe zu bringen. Aus der folgenden Darſtellung wird der Leſer
von ſelbſt die eigentlich pathologiſchen Seiten dieſer Beziehungen heraus—
finden.
Für einige Pflanzenteile iſt das Licht eine notwendige Bedingungeigt zum Wachs⸗
des Wachſens; fie wachſen im Dunkeln gar nicht. Borodin) hat tum notwendig
gezeigt, daß die Sporen vieler Farne, diejenigen von Polytrichum
commune und die Brutknoſpen von Marchantia, denen ſich hierin nach
Leitgeb?) die Sporen von Lebermooſen anſchließen, im Dunkeln nicht
keimen. Unter den Phanerogamen ſind nach Wiesner nur die Samen
von Viscum in ihrer Keimung an die Gegenwart von Licht gebunden.
Da dieſe Sporen und Samen Reſerveſtoffe, alſo Baumaterial für das
Wachstum enthalten, ſo kann die Urſache des Nichtwachſens im Dunkeln
nicht in dem Unterbleiben der Kohlenſäureaſſimilation geſucht werden;
es dürfte vielmehr die Erſcheinung mit dem unten zu erwähnen—
den hemmenden Einfluß, den die Dunkelheit auf das Flächenwachstum
anderer chlorophyllbildender Pflanzenteile, insbeſondere der Laubblätter
der höheren Pflanzen ausübt, zu vergleichen ſei.
Bei ſehr vielen Pflanzenteilen iſt das Wachſen vom Lichte ganzeichtzumWachſen
unabhängig; bei ihnen erfolgt Wachſen im Dunkeln wie im Hellen unnötig bei der
ohne bemerkbare Unterſchiede. Hierher gehört das erſte Wachstum der E
jungen Pflanze, auf welchem die Keimung der meiſten Samen und Machen der
der Sporen der Pilze beruht. Denn es iſt allgemein bekannt, daß der Wurzeln, Blüten
Keimungsprozeß im Dunkeln wie im Lichte ftattfindet. Es liegen freilich e
Angaben einiger Beobachter vor, wonach manche Samen im Dunkeln,
5 andre wieder im Lichte beſſer oder ſchneller keimen ſollen. Doch mögen
| dabei wohl meist andre Faktoren mitgewirkt haben. Nach den Unter-
ſuchungen Nobbe'ss) und Adrianowsky's9 bleibt ſich bei den meiſten
Samen das Keimungsprozent im Dunkeln wie im Lichte ziemlich gleich,
wenn für Konſtantbleiben der Temperatur und Feuchtigkeit geſorgt
wird, nur tritt allerdings die Keimung im Dunkeln ſchneller ein. So
war am erſten Tage das Verhältnis der gekeimten Samen zwiſchen Licht
A
) Bullet de l’acad. de St. Petersbourg 1868, XIII, pag. 432.
2) Keimung der Lebermooſe in ihrer Beziehung zum Licht. Sitzungsber.
d. Akad. d. Wiſſenſch. Wien 1876. I.
3) Landwirtſch. Verſuchsſtationen 1882, pag. 347.
) Wirkung des Lichts auf Keimung der Samen. Refer. im Botan.
Centralbl. 1884, Nr. 29.
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 11
er r 1 2 —
162 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe
und Dunkel bei Cannabis 9:42, bei Brascia napus 17:62, bei Agrostis
stolonifera 5: 54, bei Avena 9:42. Es liegt alſo hierin bereits eine
Annäherung an das dritte Abhängigkeitsverhältnis vom Lichte, nämlich an
die Beſchleunigung des Wachſens durch Dunkelheit, welches wir ſogleich
kennen lernen werden. Völlige Unabhängigkeit des Wachſens von
Licht und Dunkelheit zeigt ſich ferner bei allen denjenigen Pflanzen—
teilen, welche ihrem natürlichen Vorkommen nach auf dunkle Orte an—
gewieſen ſind, alſo bei den unterirdiſchen. An den Wurzeln haben die
meiſten Beobachter keinen beſtimmten Unterſchied in der Verlängerung
finden können, wenn dieſelben im Hellen oder im Dunkeln wachſen
gelaſſen wurden; neuere Beobachter haben allerdings auch bei Wurzeln
die für viele Stengel zutreffende Beſchleunigung des Wachstums durch
Dunkelheit, freilich in viel ſchwächerem Grade, ebenfalls gefunden );
ſo betrug z. B. an den Wurzeln von Lupinus albus in 20 Tagen die
Verlängerung im Dunkeln 192,7, im Lichte 161,8 mm. Aber auch das
Wachstum der Blütenteile und der Früchte geſchieht im Hellen wie im
Dunkeln in gleicher Weiſe, vorausgeſetzt natürlich, daß die grünen
Blätter im Lichte ſich befinden, um die für Blüten- und Frucht⸗
bildung erforderlichen Kohlenſtoffverbindungen herzuſtellen; unter
ſolchen Umſtänden kommen in dunkle Umhüllungen eingeſchloſſene
Blütenknoſpen oder Fruchtanlagen zur Entwickelung ).
Dunkelheit be- Die meiſten oberirdiſchen vegetativen Organe, alſo die grünen
1 und Blätter, repräſentieren die dritte Art der Beeinfluſſung
Pflanzenteilen. des Wachſens durch das Licht: ſie wachſen zwar auch im Hellen wie
im Dunkeln, aber die Dunkelheit macht ihr Wachſen abnorm und
dieſer Zuſtand gehört mit zu den Eigenſchaften, die das Etiolement
charakteriſieren, von welchem wir oben nur erſt die auf das Unter—
bleiben der Chlorophyllbildung bezügliche Seite kennen gelernt haben;
die etiolierten Pflanzenteile zeigen auch abnorme Geſtalten, die eben
durch den veränderten Wachstumsgang bedingt ſind. Die Beein—
fluſſung des Wachſens durch die Dunkelheit iſt nun aber an den ein-
zelnen Teilen eines blättertragenden Sproſſes durchaus nicht homolog.
Um daher dieſe Beeinfluſſung genau zu präziſieren, jo betrachten wir
Pflanzen, die unter im übrigen normalen Verhältniſſen in konſtanter
Dunkelheit ihren ganzen Wachstumsprozeß durchlaufen, indem wir
) Vergl. Strehl, Unterſuchungen über das Längenwachstum der Wurzel.
Leipzig 1874; Fr. Darwin, Arbeiten des botan. Inſtituts. Würzburg 1880.
IV, pag. 521; Devaux De l’action de la lumiere sur les racines Bull.
de la soc. botan. de France 1888, pag. 305.
2) Vergl. Sachs, Bot. Zeitg. 1865, pag. 17; Vorleſungen über Pflanzen-
phyſiologie. Leipzig 1881, pag. 645.
1. Kapitel: Das Licht 163
z. B. Samen, Knollen oder Zwiebeln in einem dunklen Raume aus-
keimen oder die Knoſpen von Holzpflanzen in dunklen Umhüllungen
austreiben laſſen, und vergleichen dann die hier gewachſenen Teile
ig. 24.
Einfluß des Lichtmangels auf den Wachstumsprozeß. Phaseolus nanus, gleichalt und unter gleichen Verhält—
Schatten.
1
niſſen mit Ausnahme der Beleuchtung gewachſen.
Erklärung des
Wachstums⸗
Etiolements.
164 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
mit den gleichnamigen am Lichte gewachſenen Organen derſelben
Pflanzen. Die Veränderungen, welche wir dabei in der Wachstums—
größe der einzelnen Teile bemerken (Fig. 24), laſſen ſich dann unter
folgende für alle Pflanzen gültige Regel bringen. a) Diejenigen Teile,
welche von Natur durch ein vorherrſchendes Wachstum in die Länge
charakteriſiert ſind, alſo die Internodien der Stengel, die Blattſtiele
und die langen, linealiſch geſtalteten Blätter der meiſten Monokotylen,
erleiden im Dunkeln eine Überverlängerung. Die genannten Teile er—
reichen im Finſtern das Doppelte und mehr ihrer normalen Länge und
bleiben dabei relativ oder abſolut dünner als ſonſt. b) Die Blatt-
ſpreiten dagegen zeigen eine hochgradige Reduktion des Wachſens, in—
dem die am Lichte im allgemeinen nach allen Richtungen in die Fläche
wachſenden Blattſpreiten der Dikotylen im Dunkeln überhaupt nach keiner
Richtung hin erheblich wachſen, ſondern die Größe, welche ſie im Knoſpen—
zuſtande beſitzen, nur wenig ändern und dabei ſogar mehr oder weniger
in der gefalteten Lage verharren, die ſie in der Knoſpe beſaßen. Auch
die im Dunkeln ſich überverlängernden Blattſpreiten der Monokotylen
unterlaſſen im Dunkeln das Wachstum in die Breite gänzlich, ſie
bleiben ganz ſchmal und ebenſo mit den Rändern zuſammengerollt,
wie im Knoſpenzuſtande. Die hier beſchriebenen Wachstumsänderungen
treten in ihrem ſtärkſten Grade in vollſtändiger Finſternis hervor.
Aber auch ſchon bei ungenügender Helligkeit machen ſich dieſe Einflüſſe
in abgeſchwächtem Grade geltend, und man findet alle Übergänge in
dem geſtaltlichen Ausſehen der Pflanzen zwiſchen der Licht- und Dunkel—
pflanze, wenn man dieſelben in verſchiedenen Helligkeiten wachſen läßt,
ſo daß alſo auch an ergrünten Pflanzen dieſe Wachstumsände—
rungen nach Maßgabe der Helligkeit ſich einſtellen. Hat man ſich ein—
mal die hier charakteriſierten Symptome des Lichtmangels, alſo den
charakteriſtiſchen Habitus der Schattenpflanzen, klar gemacht,
ſo wird man an dem Ausſehen jeder Pflanze beurteilen können, ob
ſie bei günſtiger Beleuchtung erwachſen iſt oder ob ſie ſich an einem
Standorte befunden haben muß, wo ſie mehr oder weniger Mangel
an Licht gelitten hat. An den beſchriebenen Wirkungen des Lichts
auf das Wachstum ſind unter den einzelnen farbigen Strahlen die
blauen und violetten hauptſächlich beteiligt; denn in einem ſolchen
Lichte erfolgt das Wachſen ähnlich wie im gemiſchten Tageslichte,
während gelbes und rotes Licht mehr das Wachstum des Etiolements
ähnlich wie die Dunkelheit erzeugen.
Denjenigen Phyſiologen, welche ſich bemühten, ein allgemein
gültiges Geſetz zu ſuchen, nach welchem das Wachſen durch die Licht⸗
ſtrahlen beeinflußt werden ſollte, machten natürlich die im Vorſtehenden
Ä 1. Kapitel: Das Licht 165
auseinandergeſetzten, vielfach ja geradezu entgegengeſetzten Wirkungen
große Schwierigkeiten, und die allerirrigſten Vorausſetzungen wurden
gemacht, um dieſe Erſcheinungen unter einen Geſichtspunkt zu bringen.
Die Einwirkung des Lichtes ſollte zur Bildung der Celluloſe notwendig
ſein, weil gewiſſe Pflanzenteile im Dunkeln nicht wachſen, und bei den ſich
im Dunkeln überverlängernden Teilen ſollte es bald ein höherer Turgor
der Zellen, bald eine größere Beweglichkeit der Micellen des Proto—
plasmas, bald eine größere Dehnbarkeit der zu wenig verdickten
Zellhaut ſein, wodurch das abweichende Verhalten dieſer Pflanzen—
teile ſich erkläre. Ich habe die einzig naturgemäße Erklärung
dieſer Beeinfluſſungen gegeben, indem ich Licht und Dunkelheit
als Reize hinſtellte, gegen welche die Pflanzenteile gemäß ihrer
ungleichen Qualitäten und ungleichen Lebenszwecke auch ungleich
reagieren. Das Unterbleiben des Flächenwachstums der Blatt—
ſpreiten im Dunkeln fällt unter die allgemeine Regel, wonach
funktionsloſe Organe nicht entwickelt werden, indem es eine nutzloſe
Vergeudung wäre, etwas auf die Ausbildung eines Blattes zu ver—
wenden, welches ſich nicht aus der Dunkelheit befreien kann. Die
Überverlängerung der Stengelinternodien und Blattſtiele im Dunkeln
iſt ebenfalls eine vorteilhafte Anpaſſung, weil ſie ein Hilfsmittel iſt,
um die an dieſen Internodien oder Blattſtielen ſitzenden Blätter ſchließlich
doch ans Licht zu bringen, wohin ſie naturgemäß gehören; dieſes Mittel
führt gewöhnlich auch ſicher zum Ziele; denn da das Wachstum der Stengel
und Blattſtiele infolge des Geotropismus immer vertikal nach oben
gerichtet iſt, jo müſſen durch die Überverlängerung die genannten
Organe ſchließlich über die Bodenoberfläche hervortreten, auch wenn
etwa die Samen, aus denen die Triebe entſpringen, ſehr tief vom
Boden verſchüttet ſein ſollten. Alle Pflanzenteile aber, für deren
Lebensfunktionen es gleichgültig iſt, ob ſie ſich im Lichte oder im
Dunkeln befinden, wie die unterirdiſchen Organe, Blüten und Früchte
zeigen eben auch keine beſondere Beeinfluſſung ihres Wachſens durch
Lichtverhältniſſe.
IV. Mangelhafte Ausbildung der mechaniſchen Gewebe bei
Lichtmangel.
In den bei Lichtmangel ſich überverlängernden Pflanzenteilen ſindbichtmangel ver-
auch die Zellen länger als im Lichte, und zwar bis um das drei- bis Ai
fünffache, ohne dabei dickwandiger zu ſein. Im Gegenteil fällt die mechaniſchen
Verdickung der Zellmembranen in ſolch etiolierenden Pflanzenteilen Gewebe.
durchgängig ſchwächer aus, und ganz beſonders betrifft das die mecha—
niſchen Gewebe, alſo diejenigen, welche im normalen Zuſtande durch
Lagern.
166 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
ſtark verdickte Zellmembranen charakteriſiert ſind und dadurch die
mechaniſche Feſtigung der Pflanzenteile bedingen. Wie G. Kraus)
gezeigt hat, verbleiben unter dieſen Umſtänden die Holzbündel als
ſchwache iſolierte Stränge und die Libriformzellen des Holzes, die
Baſtzellen, die Zellen des Collenchyms und der Epidermis bleiben
etwa bei der halben Verdickung ihrer Membranen ſtehen. Die Folge
dieſer ungenügenden Gewebebildung iſt der auffallende Mangel an
Feſtigkeit, den man an ſolchen Teilen beobachtet; die Stengel ſind
meiſt ſo ſchwächlich, daß ſie leicht durch ihr eigenes Gewicht umſinken.
Auch dieſe Wirkung des Lichtes zeigt ſich in den verſchiedenſten
Graden der Abſtufung nach Maßgabe der verſchiedenen Helligkeit.
Auf derſelben Urſache beruht auch das Lagern der Feldfrüchte,
welches beſonders am Getreide, jedoch auch an andern lang- und
dünnſtengeligen Pflanzen, wie Wicken und dergl. vorkommt. Sämmt⸗
liche Halme legen ſich nieder; die nächſte Veranlaſſung ſind oft Wind
und Regen, welche ſie niederwerfen; in der ſpäteren Entwickelungs—
periode der Pflanze trägt auch das größere Gewicht der reifenden
Ahre bei. Das Lagern iſt nachteilig, weil es den Erntearbeiten
Schwierigkeiten bereitet, auch weil mitunter ein Verderben und Faulen
der dem Lichte entzogenen unteren Teile damit verbunden iſt. Halme,
die ein gewiſſes Alter noch nicht überſchritten haben, kehren, wenn ſie
aus der Vertikale abgelenkt worden ſind, durch geotropiſche Krümmungen
ihrer Knoten von ſelbſt wieder in lothrechte Richtung zurück. Daher
wird zeitig eintretendes Lagern gewöhnlich wieder ausgeglichen; das
Getreide ſteht nach einigen Tagen wieder auf. In der der Reife kurz
vorangehenden Periode aber, in welcher die Lebensthätigkeiten im
Halme allmählich erlöſchen, verliert auch ein Knoten nach dem andern
von unten nach oben fortſchreitend ſeine geotropiſche Krümmungs—
fähigkeit. Tritt das Lagern in dieſer Periode ein, ſo erheben die
Halme nur ihre oberſten Glieder notdürftig; noch ſpäter wird es gar
nicht mehr ausgeglichen. Die geringe Feſtigkeit des Halmes, welche
der Grund des leichten Umſinkens iſt, hielt man lange Zeit für die
Folge eines zu geringen Gehaltes an Kieſelſäure. Allein abgeſehen
davon, daß die letztere zum größten Teile in den Blättern, nur in
geringer Menge in den Internodien, in geringſter Menge in den
Knoten ihren Sitz hat, haben Analyſen nachgewieſen, daß gelagertes
Getreide an Kieſelſäure nicht ärmer als andres iſt?), und Kultur⸗
1) Pringsheim's Jahrb. f. wiſſenſch. Bot. VII.
2) Pierre, Compt. rend. LXIII.
——
—
a
1. Kapitel: Das Licht 167
verſuche haben gezeigt, daß auch bei Ausſchluß der Kieſelſäure normale,
feſte Getreidehalme erzogen werden ). Vielmehr ſtellt ſich die Weich—
heit und Schlaffheit der unteren Halmglieder als die gewöhnliche
Erſcheinung des Etiolement dar. Denn man kann nach Koch?) künſt⸗
lich durch Beſchattung der unteren Teile der Halme das Lagern her—
vorbringen und die unteren Halmglieder gelagerten Getreides zeigen
nach Koch in der That größere Länge, längere und in den Mem—
branen ſchwächer verdickte Zellen, wie es im etiolierten Zuſtande zu
ſein pflegt. Im Einklange damit ſteht die Erfahrung, daß das Lagern
häufiger iſt bei dichter Saat, wo die Pflanzen gegenſeitig ſich beſchatten,
als bei Drillkultur und weitläufiger Saat, bei außerhalb des Feldes
allein wachſenden Halmen aber gar nicht vorkommt, ferner daß das
Getreide beſonders bei üppiger Entwickelung zum Lagern disponiert
iſt, weil die zahlreicheren und größeren Blätter und die dickeren Halme
beſchattend wirken, daher auch der kräftigere Weizen öfter als andre
Getreidearten lagert, und auch guter Boden und reichliche organiſche
Düngung, beſonders Stickſtoffzufuhrs), das Übel befördern. Die Ge—
fahr des Lagerns wird durch Eggen, Walzen, ſowie durch Abweiden
(das ſogenannte Schröpfen) verhütet, weil dies die zu üppige Ent—
wickelung der Halme und Blätter hemmt. Darum ſieht man auch oft
diejenigen Weizenfelder, welche vom Hagel getroffen waren und danach
wieder Halme, jedoch in dünnerem Stande, getrieben haben, ganz
ohne Lagerung, während die daneben liegenden nicht verhagelten
Weizenfelder vollſtändig lagern können. Mit der obigen Erklärung
ſtimmt endlich auch die Erfahrung überein, daß das Lagern auf Feldern
die zwiſchen hohen Bäumen, Wald oder großen Gebäuden eingeſchloſſen
ſind, häufiger iſt als in offenen Lagen, desgleichen in gebirgigen
Gegenden auf der Thalſohle und an den Hängen häufiger als auf
den freien Höhen. Aus dem eben Geſagten ergiebt ſich von ſelbſt,
wie weit wir im ſtande ſind, das Lagern des Getreides zu verhüten.
Gegen das Lagern der Wicken, Erbſen u. dergl. empfiehlt man etwas
Mais oder auch Leindotter zwiſchen zu ſäen, damit die Pflanzen an
dieſen Stengeln emporklettern können.
) Sachs, Experimentalphyſiologie, pag. 150.
2) Abnorme Anderungen wachſender Pflanzenorgane durch Beſchattung.
Berlin 1872.
3) Vergl. Ritthauſen und Pott, Landwirtſch. Verſuchsſtationen 1873,
pag. 384, und Kreusler und Kern, Centralbl. f. Agrikulturchemie 1876, I.,
pag. 401.
Dauernde Ver—
dunkelung tötet
die grünendeile.
168 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
V. Abſterben grüner Teile bei dauernder Verdunkelung
derſelben.
Wenn man Pflanzen mit grünen Blättern in beſtändige Dunkel—
heit ſetzt oder wenn man auch nur ein Blatt allein oder einen Teil
eines ſolchen mit einer undurchſichtigen Hülle bedeckt, ſo werden die
dem Lichte entzogenen grünen Teile bald gelbfleckig und endlich ganz
gelb. Sie zeigen dieſelbe Veränderung, wie wenn ſolche Blätter dem
natürlichen Tode am Ende ihres Lebens anheimfallen, was auch unter
Gelbfärbung eintritt. Es wird nämlich dabei nicht bloß der Chloro—
phyllfarbſtoff zerſtört, ſondern auch das aus Eiweißſtoffen beſtehende
Chlorophyllkorn ſelbſt vollſtändig aufgelöſt, und es bleiben in der Zelle
kleine, fettartige, gelbe Körnchen zurück, die aus dem das Chlorophyll
begleitenden und nicht reſorbiert werdenden gelben Farbſtoff, dem
Xanthophyll, beſtehen. Die Pflanzenphyſiologen haben dieſe Thatſache
früher ſo ausgelegt, daß das Licht auch zur Erhaltung des Chloro—
phylls nötig ſei. Wie ich gezeigt habe), iſt dies ein Irrtum. Der
Lichtmangel als ſolcher wirkt nicht zerſtörend auf das Chlorophyll.
Das Verſchwinden des letzteren unter jenen Umſtänden iſt nur das
gewöhnliche Symptom des Abſterbens der Zellen. Denn die meiſten
Pflanzen geben in dauernder Dunkelheit ihre grünen Blätter, als unter
ſolchen Verhältniſſen unbrauchbare Organe, preis, d. h. ſie laſſen ſie
abſterben, ziehen aber vorher alle wieder verwendbaren Stoffe, darunter
auch die Eiweißſtoffe und das Chlorophyll, aus ihnen heraus, wie das
auch vor dem gewöhnlichen natürlichen Abſterben geſchieht. Stirbt
ein Organ in konſtanter Finſternis nicht gleich ab, wie es bei den
Blättern vieler Waſſerpflanzen, z. B. Elodea, und bei den Koniferen
der Fall iſt, ſo bleiben darin auch ebenſo lange, oft Monate lang die
Chlorophyllkörper unverändert grün. Die einzelnen Pflanzenarten ſind
hierin in verſchiedenem Grade empfindlich: die meiſten Mono- und
Dikotyledonen, beſonders die krautartigen Landpflanzen, wie haupt⸗
ſächlich Leguminoſen, Gramineen u. a. zeigen die Entfärbung ſchon,
wenn ſie ſehr ſtark beſchattet ſtehen. Viel widerſtandsfähiger find Die-
jenigen, deren natürlicher Standort im tiefen Waldesſchatten und in
düſteren Schluchten iſt, wie manche Mooſe und Farne, welche ſelbſt in
ſehr ſchwachem Lichte grün bleiben. Pflanzen mit lederartigen oder
fleiſchigen, lange dauernden, immergrünen Teilen behalten ihr Chloro—
phyll ſehr lange in der Dunkelheit, obgleich die während dieſer Zeit
etwa neu gebildeten Sproſſe etiolieren, z. B. Selaginella vier bis
1) Vergl. mein Lehrbuch d. Botanik I. Leipzig 1892, pag. 644.
1. Kapitel: Das Licht 169
fünf Monaten), Koniferen und andre immergrüne Pflanzen, die man
Winters einzuſchlagen pflegt, während des ganzen Winters. Ahnliches
zeigen die Sukkulenten; ſo blieb Cactus speciosus während dreimonat—
licher Verdunkelung grün). Endlich haben auch Waſſerpflanzen, wie
erwähnt, große Widerſtandsfähigkeit. So ſchadet die mehrmonatliche
Dunkelheit des Winters der Polarländer den Meeresalgen daſelbſt
nicht?). Elodea canadensis erhielt ich 6 Wochen lang im Dunkeln
unverändert grün mit Ausnahme der in dieſer Zeit neugebildeten
Teile, welche vollſtändig etioliert waren. Spirogyren dagegen ver—
lieren ihr Chlorophyll im Dunkeln bald!).
VI. Tödliche Wirkung intenſiven Sonnenlichtes. Beſchädigung
durch intenſives
Auch durch zu ſtarkes Licht können Pflanzenteile getötet werden. Sonnenlicht.
Bei den älteren Schriftſtellern finden ſich darüber folgende Beob—
achtungen. Schon Bonnet!) war es bekannt, daß grüne Blätter
vom intenſiven Sonnenlichte nichts zu leiden haben, wenn ſie in
natürlicher Lage, alſo mit ihrer Oberſeite demſelben ausgeſetzt ſind,
dagegen beſchädigt werden, wenn man ſie in einer Lage erhält, wo
das Licht direkt auf die Blattunterſeite fällt. Batalins) beobachtete,
daß die Chlorophyllkörner im direkten Sonnenlichte manchmal blaß—
grün, bei manchen Koniferen ſogar gelb werden, wobei die ganzen
Blätter dieſelbe Verfärbung zeigen, daß aber bei Dämpfung des Lichtes
nach einigen Tagen die rein grüne Färbung wiederkehrt. Böhms)
hat ſogar eine tiefere Störung durch ſehr intenſives Licht an den
Blättern der Feuerbohne bemerkt; dieſelben wurden dadurch zuerſt
gebleicht, dann gebräunt, endlich zerſtört, indem an den gebräunten
Stellen die Meſophyllzellen der inſolierten Blattſeiten mit einer braunen
Subſtanz erfüllt waren.
Selbſt angenommen, daß es ſich in allen dieſen Fällen um rein
Lichtwirkungen, nicht um Beſchädigungen durch Hitze handelte, bleibt
es ungewiß, inwieweit daran die beiden neuerdings ſicher feſtgeſtellten
Wirkungen hellen Lichtes auf die Chlorophyllkörper beteiligt waren.
) Sachs, Experimentalphyſiologie, pag. 15.
2) Vergl. Bot. Zeitg. 1875, pag. 771.
3) Famintzin, Melanges biologiques. Pétersbourg 1866. T. VI,
pag. 94. ;
) Nutzen der Blätter bei den Pflanzen. Überſetzung von Adolf Nürn—
berg 1762, pag. 52.
5) Botan. Zeitg. 1874. Nr. 28. Vergl. auch Askena ſy, daſelbſt 1875,
Nr. 28.
6) Landwirtſch. Verſuchsſtationen 1877, pag. 463.
170 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
Wir wiſſen erſtens, daß das Licht die Lagenverhältniſſe der Chloro—
phyllſcheiben in den Zellen beeinflußt, im allgemeinen in dem Sinne,
daß dieſe Körperchen im intenſiven Lichte die der Oberfläche des 0
Blattes parallelen Zellwände verlaſſen und an den dazu rechtwinklig a
ſtehenden ſich anſammeln, was von Böhm, Famintzin, Borodin,
mir und Stahl näher ſtudiert worden iſt. Es hat dies zur Folge,
daß die Blätter bei ſtarker Inſolation eine blaſſer grüne Farbe an—
nehmen, ſo daß man, wie Sachs zuerſt gezeigt hat, eine Art Lichtbild
an den Blättern herſtellen kann, wenn man über gewiſſe Stellen eines
von der Sonne beſchienenen Blattes dunkle Papierſtreifen legt, indem
dann dieſe Stellen dunkler grün ausſehen, als die beſonnten. Wir
müſſen bezüglich dieſer Erſcheinung hier auf die Pflanzenphyſiologie 5
verweiſen!), denn fie hat keinen pathologiſchen Charakter; ſie iſt re— 1
parabel, denn ſobald die Beleuchtung an Intenſität verliert, kehren N
die Chlorophyllſcheiben wieder in ihre normale Stellung zurück; der —
Vorgang darf als ein natürliches Schutzmittel, um die Chlorophyll— 5
ſcheiben gegen zu intenſive Beleuchtung zu ſchützen, betrachtet werden.
Zweitens kennen wir aber auch eine direkt das Chlorophyll, d. h. den
grünen Farbſtoff zerſtörende Wirkung des intenſiven Sonnenlichtes.
tanche Phyſiologen, wie namentlich Wiesner), ſind freilich der An—
ſicht, daß Chlorophyll ſtetig wieder aufgelöſt werde und daß die Neu—
bildung desſelben ein unter normalen Umſtänden neben dem andern
herlaufender Prozeß ſei, ſo daß, wenn der Neubildungsprozeß aus
irgend einem Grunde gehindert wird, Entfärbung der Pflanze ein—
treten müſſe. Dieſe Anſicht iſt jedoch nicht bewieſen, ja wegen mancher
Thatſachen ſogar unwahrſcheinlich. Nun hat aber Prings heim) *
gezeigt, daß durch konzentriertes Sonnenlicht Chlorophyll in der leben— |
den Zelle wirklich zerſtört wird, und auch, aus welchem Grunde. Ps
Wenn man chlorophyllhaltige Zellen in die im Brennpunkt einer 4
Linſe vereinigten Sonnenſtrahlen bringt, die vorher durch eine die *
Wärmeſtrahlen abſorbierende Flüſſigkeitsſchicht gegangen ſind, ſo tritt 1
in den Zellen zunächſt Siſtierung der Protoplasmabewegung, dann 15
Entfärbung des Chlorophylls und endlich der Tod ein; da nun aber 2
dieſe Wirkung nur bei Gegenwart von Sauerſtoff, nicht in indifferenten
Gaſen eintritt, jo handelt es ſich nicht um eine Tötung durch Er-
2
1) Mein Lehrbuch d. Botanik I, pag. 286.
2) Beziehungen des Lichtes zum Chlorophyll. Sitzungsber. d. Wiener
Akad. 16. April 1874, pag. 56, und die Entſtehung des Chlorophylls.
Wien 1877. f
3) Jahrb. f. wiſſenſch. Botanik 1879, pag. 326, und Monatsberichte d.
Akad. d. Wiſſenſch. Berlin 16. Juni 1881.
*
*
2
*
SR
7
2. Kapitel: Die Temperatur 171
hitzung, ſondern um eine ſpezifiſche Lichtwirkung, die in einer durch
den Sauerſtoff bewirkten Zerſtörung beſteht. Ob eine derartige Be—
ſchädigung von ſelbſt im Freien vorkommt, muß dahingeſtellt bleiben,
denn die etwa wie lichtbrechende Linſen auf den Blättern wirkenden
Tau⸗ oder Regentropfen konzentrieren zugleich die Wärmeſtrahlen
und könnten daher wohl eher verbrennend wirken. Aber es wäre
denkbar, daß manche Pflanzen- oder Pflanzenteile ſchon gegen ein
minder konzentriertes Licht empfindlich ſind, und daß ſich daraus viel—
leicht manche der eingangs erwähnten Beſchädigungen, ſowie die
Empfindlichkeit der Schattenpflanzen gegen ſehr ſonnige Standorte
erklären.
2. Kapitel.
Die Temperatur.
Der Geſundheitszuſtand der Pflanze kann geſtört werden durch
Einwirkungen der Temperatur. Dieſer Fall tritt ein: 1. wenn das
die Pflanze umgebende Medium bis zu denjenigen Temperaturgraden
ſich erwärmt oder abkühlt, welche überhaupt das Leben vernichten,
2. wenn die Temperatur innerhalb ihrer für das Pflanzenleben geeig—
neten Grenzen beträchtlich von demjenigen Grade entfernt iſt, welcher
für den normalen Verlauf der einzelnen Lebensprozeſſe der günſtigſte iſt.
A. Tötung durch Hitze.
Wenn eine tödliche hohe Temperatur auf Pflanzen einwirkt, ſo
ſterben entweder alle Organe der Pflanze oder nur gewiſſe Teile oder
es werden nur einzelne Stellen derſelben beſchädigt, je nach der
Empfindlichkeit der Teile oder der ungleichen Exponierung derſelben.
Es giebt daher verſchiedene Erſcheinungen, welche als unmittelbare
Folgen der Einwirkung zu hoher Temperatur zu betrachten ſind.
Wirkungen der
Temperatur.
Tötung durch
Hitze.
1. Befinden ſich in Vegetation begriffene Pflanzen ganz Empfindlichkeit
in einem zu ſtark erwärmten Raume, ſo iſt ihr Tod die Folge. Die
Todesſymptome zeigen ſich dann ſchneller oder langſamer, ſpäteſtens
in wenig Tagen, auch wenn die Pflanze inzwiſchen wieder in normale
Temperatur gebracht worden iſt. Sie zeigen ſich am auffallendſten an
ſaftreichen Teilen. Gewöhnlich bemerkt man ſie bei kurz andauernder
Erhitzung zuerſt an eben erwachſenen Blättern, während die jüngeren
noch unentwickelten Blätter länger, alte Blätter, Blattſtiele und Inter—
nodien noch etwas länger widerſtehen. Die Zellen verlieren ihren Turgor;
ſie laſſen Zellſaft in die Intercellulargänge austreten und ſchützen
ihn auch nicht mehr vor Verdunſtung; das Protoplasma verliert ſeine
vegetierender
Pflanzen.
172 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe
Bewegung und Organiſation, es nimmt, wenn die Zelle farbigen Saft
enthält, den Farbſtoff auf und läßt ihn aus dem Pflanzenteile, ſobald
dieſer in Waſſer gelegt wird, austreten. Aus dieſen Veränderungen
der Zellen reſultiert die bekannte Beſchaffenheit aller durch Hitze ge—
töteten ſaftreichen Pflanzenteile: ihre Schlaffheit und Weichheit, das
leichte Austreten des Saftes aus ſolchen Teilen (beſonders ſaftreichen,
wie Sukkulenten, Zwiebeln u. dergl.) bei Einwirkung von Druck, die
durchſcheinende Beſchaffenheit (infolge der Erfüllung der Intercellular—
gänge mit Saft), das raſche Welkwerden und Vertrocknen.
Der tödlich wirkende Temperaturgrad iſt für Landpflanzen ver—
ſchieden, je nachdem dieſelben in Luft oder Waſſer ſich befinden; in
erſterer höher als in letzterem. Nach Sachs!) iſt für erwachſene
Pflanzen oder Zweige von Nicotiana rustica, Cucurbita Pepo, Zea
Mais, Mimosa pudica, Tropaeolum majus, Brassica Napus, Papaver
somniferum, Phaseolus vulgaris, Tanacetum vulgare, Cannabis sativa,
Solanum tuberosum, Lupinus polyphyllus, Allium Cepa, Morus alba
in Luft eine Temperatur von 50—52 C. binnen 10—30 Minuten,
in Waſſer ſchon 45—46 C. binnen 10 Minuten tödlich; letztere auch
für die Waſſerpflanzen Ceratophyllum, Chara und Cladophora. Lemna
trisulca ſoll nach Scheltinga?) erſt bei 50— 55 C. binnen 10 Minuten
getötet werden. Nach H. de Vries) ſind für oberirdiſche Teile von
Zea Mais, Phaseolus, Brassica ꝛc. nach „ Stunde in Waſſer 43,9 bis
44,1 C. unſchädlich, aber 45,3 45,89 C. tödlich, für die Wurzeln
genannter Pflanzen in Erde nach ½ Stunde 50—522 C. und in
Waſſer 45— 47,3 C. eben noch unſchädlich; den Wurzeln von Citrus
Aurantium nach ½ Stunde 46,5 C. unſchädlich, 50 — 50,5“ C. tödlich,
für die oberirdiſchen Teile derſelben 50— 50,3 C. unſchädlich, 52,2
bis 52,5 C. tödlich; ferner belaubten Zweigen von Taxus, Saxifraga
umbrosa, Erica, Hedera, Salisburia 10 Minuten lang 48,5 C. un—
ſchädlich, 51—52° tödlich; Laub- und Lebermooſen eine halbſtündige
Erwärmung in Waſſer auf 40—46 C. unſchädlich, auf 46—47° töd⸗
lich. Bialoblockit) fand eine konſtante Bodentemperatur von 50° C.
den Wurzeln von Roggen, Gerſte und Weizen nach ein bis mehreren
Tagen immer tödlich. Gewiſſe in Thermen vegetierende Dscillarien
—
1) Experimentalphyſiologie, pag. 64—65.
2) Citiert in Juſt, Bot. Jahresb. für 1876, pag. 719.
3) Nederl. Kruidk. Arch. II. ser. I. 1871, citiert in Bot. Zeit. 1872,
pag. 781,
9 Über den Einfluß der Bodenwärme auf die Entwickelung einiger
Kulturpflanzen. Diſſertation 1872.
2. Kapitel: Die Temperatur 173
ſollen nach Cohn) daſelbſt 31—44° C., Leptothrix lamellosa ſogar
44 — 54 lebend ertragen. Andre gewöhnliche Chlorophyllalgen,
Spirogyren und Phycochromaceen wurden nach de Vries (I. e.) bei
42,8 —44,2» C. beſchädigt.
2. Trockene Samen und Pilzſporen zeigen nach Einwirkung Empfindlichkeit
von Hitze die tödliche Wirkung in dem Verluſte der Keimfähigkeit. and Sporn
Im trockenen Zuſtande widerſtehen ſie aber viel höheren Wärmegraden
als die ſaftigen Pflanzenteile. Nach Sachs?) verlieren lufttrockene
Samen ihre Keimfähigkeit infolge einſtündiger Erwärmung, und zwar
| Gerſte und Mais bei 64—65° C., Roggen und Weizen bei 67—68° C.,
| Erbſen bei 71—73° C., während im gequollenen Zuſtande Samen
| derſelben Pflanzen ſchon bei 51—52° C. dieſes Schickſal haben. Aber
noch weit höhere Grade ertragen die Samen ohne Schaden, wenn
ihnen durch allmähliche Erwärmung mit Chlorcalcium immer mehr
Waſſer entzogen worden iſt. Kraſans) hat dies für Weizenkörner
nachgewieſen, welche er in dieſer Weiſe 46 Stunden auf 50 —56 ½ C.
und jo allmählich fortſchreitend zuletzt 11 Stunden lang auf 72° er—
wärmte, wodurch ſie endlich 12 Prozent Waſſer verloren aber ihre
Keimfähigkeit behalten hatten; ſogar vierſtündige Erhitzung auf 100°
war ſolchen Körnern nicht tödlich. Juſt-) fand für jo behandelte
Samen von Trifolium pratense ſogar erſt 120° C. tödlich, während
niedere Temperaturen die Keimfähigkeit nicht vernichteten; jedoch blieben
ſolche Samen nur am Leben, wenn ihnen dann das entzogene Waſſer
ſehr langſam wieder zugeführt wurde, verloren aber die Keimfähigkeit
bei ſchneller Befeuchtung. Auch Fichtenſamen ertragen nach Veltens)
+ 80G. eine Stunde ohne Verluſt der Keimfähigkeit. Ahnliche An—
gaben finden ſich bei Höhnel®).
Auch Pilzſporen haben im trockenen Zuſtande eine große Widerſtands—
fähigkeit gegen hohe Temperaturen, während ſie im waſſerdunſtgeſättigten
Raume oder im Waſſer ſchon durch niedrigere Wärmegrade getötet werden.
Nach Paſteur“ bleiben Sporen von Penicillium glaucum in trockener
Luft bei 108° C. am Leben, verlieren vielfach bei 119 — 121“, alle raſch bei
127 - 132 ihre Keimfähigkeit, ertragen aber in Flüſſigkeit eine Erwärmung
r
) Flora 1862, pag. 338. Vergl. auch Sachs, Flora 1864, Nr. 1, und
Hoppe-Seyler, Pflüger's Archiv f. Phyſiologie 1875, pag. 118.
2) Experimentalphyſiologie, pag. 66.
3) Sitzungsber. der Wiener Akademie 1873.
) Verhandl. der Naturforſcher-Verſammlung zu Breslau 1874.
5) Sitzungsber. der Wiener Akademie Juli 1876.
6) Haberland's wiſſenſch-prakt. Unterſuchungen 1877. II, pag. 77.
) Examen de la doctrine des gen. spontandes. (Ann. Chim. 3. ser.
T. 64; auszüglich in Flora 1862, pag. 355.)
D AAA ²˙ NEEUNELNTE EHESTEN
S Zap)
* 0
174 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe
von 100° nicht lebend. Die Sporen von Peziza repanda ſollen nach
Schmitz!) im Waſſer 63,75, trocken 137,59 ertragen. Auch Payen) fand
Sporen von Oidium aurantiacum nach Erwärmung auf 120° noch keimfähig,
bei 140° aber getötet. Ebenſo ertragen nach Hoffmann?) die Sporen von
Ustilago Carbo und U. destruens im Trocknen 104 120 ohne Schaden;
im waſſerdunſtgeſättigten Raume werden die erſteren zwiſchen 58,5 und 62°,
die letzteren zwiſchen 74 und 78° binnen einer Stunde getötet. Nach Tar—
nomwsfyt) ſollen Sporen von Penicillium glaueum und Rhizopus nigri-
cans, in Luft 1— 2 Stunden auf 70—80° C. erwärmt, nur noch ſelten, auf
82— 84° echitzt aber gar nicht mehr keimen, und in Flüſſigkeit bei 54 — 55
ihre Keimfähigkeit verlieren; auch nach Schmitz ertragen die Sporen von
Penicillium im Waſſer höchſtens 61°. — Hefezellen werden nach Hoff—
manns) in Flüſſigkeit durch 60 — 74 C. noch nicht, wohl aber durch höhere
Erwärmung getötet; trockene Hefe ſoll jedoch bis 150° erhitzt werden können,
ohne die Fähigkeit, Gärung zu erregen, zu verlieren.
Ahnliches gilt auch von den Spaltpilzen. Cohn!) fand, daß eine Er-
wärmung der Flüſſigkeit 20 Minuten lang auf 100° &., desgleichen eine
einſtündige auf 60— 629 Fäulnisbakterien tötet, nicht aber eine dreiſtündige
Einwirkung von 40—50°. Nach Eidam) iſt vierzehnſtündige Erwärmung
bei 54° C. oder dreiſtündige bei 50° für Bacterium Termo tödlich. Cohn
und Paſteurs) haben gefunden, daß es bei gewiſſen Bacillenformen die
Sporenzuſtände derſelben ſind, welchen eine große Widerſtandsfähigkeit gegen
Hitze zukommt. Pa ſteur giebt die äußerſte Widerſtandsgrenze für die
Schizomyceten der Milchſäuregärung auf 105 C. an; und nach Wy manns)
ſollen Bakterien in Flüſſigkeiten ſogar die Siedehitze in einer Dauer von
15 Minuten bis 4 Stunden ohne Schaden, jedoch 5—6 Stunden lang
nicht mehr ertragen. Genügend lange Dauer der Erwärmung hat aber
ſchon bei niederen Temperaturgraden den Tod zu Folge; doch reicht manch—
mal eine drei- bis viertägige Erwärmung der Flüſſigkeit auf 70—80° C.
nicht hin, um die Bacillen zu töten. Wegen dieſer großen Widerſtands—
fähigkeit der Spaltpilze gegen Hitze beruht das ſogenannte Steriliſieren (Be-
freien von Pilzkeimen) von Flüſſigkeiten u. dergl. auf einem mehrſtündigen
Kochen oder Verweilen derſelben im Dampfſteriliſierungsapparate bei
Siedehitze.
3. Als lokale Beſchädigungen durch Sonnenbrand an
Beſchädigung erwachſenen vollkommeneren Pflanzen ſind mancherlei Erſcheinungen
Sonnenbrand. gedeutet worden, ohne daß dafür immer ein genügender Nachweis
) Verhandl. d. naturh. Vereins f. Rheinlande ꝛc. 1845.
2) Compt. rend. T. 27, pag. 4.
3) Pringsheim's Jahrb. f. wiſſ. Bot. II, pag. 267.
) Sachs, Lehrb. d. Bot. 4. Aufl., pag. 699.
5) Compt. rend. T. 63. (1866), pag. 929. — Vergl. auch die ähnlichen
Reſultate E. Schumacher's u. Wiesner's in Sitzungsber. d. Wiener
Akademie 11. Juni 1874.
6) Beiträge z. Biologie d. Pfl. 2. Heft (1872), pag. 219.
7) Verhandl. d. Naturforſcher-Verſammlung 1874.
8) Ann. de chim. et de physique 1862, 3. ser. T. 64, pag. 90.
) Hoffmann's Mykologiſche Berichte in Bot. Zeitg. 1869, pag. 227.
2. Kapitel: Die Temperatur 175
beigebracht worden wäre. Sogar Effekte, welche unzweifelhaft nicht
einmal indirekt durch ſtärkere Erwärmung veranlaßt werden, wie
verſchiedene Fleckenkrankheiten der Blätter, hat man jo erklären wollen ).
Aber es ſind hier auch alle Erſcheinungen von Sommerdürre auszu—
ſchließen, weil dieſe auf einem Mißverhältnis zwiſchen Waſſeraufnahme
und Verdunſtung beruhen, von der Temperatur als ſolcher unabhängig
ſind. Das ſogenannte Verbrennen der Blätter in Gewächshäuſern,
wobei gelbe oder braune vertrocknete Flecken, welche durch die ganze
Dicke des Blattes gehen, auftreten, findet ſtatt, wenn Waſſertropfen
auf den Blattflächen ſich befinden und dieſelben durch die Sonne ſoweit
erhitzt werden, daß eine Tötung der Blattſubſtanz ſtattfindet, wie
Neumann? beobachtete, der ſolche Flecken an den Blättern von
Dracaena und Cordyline binnen wenigen Minuten entſtehen ſah, nach—
dem ſie beſpritzt waren und von der Sonne beſchienen wurden, wobei
die Flecken unter den Tropfen ſich bildeten. Bedingung iſt eine un—
bewegte Lage des Blattes; daher ſoll es beſonders eintreten, wenn
die Gewächshäuſer geſchloſſen find, nicht wenn die Thüren geöffnet
find und die Blätter durch Luftzug bewegt werden. Sönjjon?) hat
dies experimentell beſtätigt und noch weiter beobachtet, daß auch die
im Glaſe der Gewächshäuſer befindlichen Blaſen in derſelben Weiſe
auf die Blätter wirken können, indem er das dadurch auf den Blättern
hervorgebrachte Sonnenbild in ſeinem Fortſchreiten verfolgen konnte,
womit es zuſammenhängt, daß ſolche Brennflecken gewöhnlich in regel—
mäßigen Linien ſtehen. Natürlich werden auch die an den Glasflächen
hängenden Waſſertropfen in gleichem Sinne wirken können. Der töd—
lich wirkende Temperaturgrad iſt dabei freilich nicht ermittelt worden.
Daß aber Pflanzenteile, die von intenſivem Sonnenlichte getroffen
werden, ſtärker als die umgebende Luft ſich erwärmen, hat Asfenafy‘)
an Sempervivum und Opuntia beobachtet, welche dabei 43—49, ſelbſt
51—52° C. annahmen, ohne geſchädigt zu werden, während dünnere
Blätter, z. B. von Gentiana cruciata, gleichzeitig nur bis 35° C. ſich
erwärmten. Da die erſtgenannten Grade in der Nähe derjenigen
Temperatur liegen, welche nach Sachs im Waſſer tödlich iſt, ſo wäre,
wenn die Blätter bei ſolcher Erwärmung benetzt ſind, eine Tötung
nicht undenkbar, auch wenn die Tropfen nicht gerade wie Brenngläſer
) Decandolle, Physiologie vegetale III, pag. 1113.
2) A ansonia 1860-62, pag. 320, im Auszuge in Hamburger Garten—
zeitung 1863, pag. 163.
3) Über Brandflecke auf Pflanzenblättern. Refer. in Zeitſchrift f. Pflanzen⸗
krankheiten II, 1892. pag. 358.
) Bot. Zeitg. 1875, Nr. 27.
Sonnenriſſe.
176 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
wirken ſollten. — Der durch verſchiedenartige äußere Verletzungen
verurſachte Samenbruch der Weinbeeren (ſ. Hagelſchäden) kann
nach Hoffmann!) auch durch die Sonnenſtrahlen bewirkt werden,
wenn dieſelben durch Waſſertropfen, die an der Beere hängen, wie
durch eine Linſe auf der Oberfläche der Schale im Brennpunkte ver—
einigt worden ſind und eine Tötung der getroffenen Stelle der Beere
hervorgebracht haben. Ein völliges Vertrocknen der Trauben
durch Sonnenbrand beobachtet man in Jahren mit ungewöhnlicher
Hitze im Auguſt nicht ſelten in den Weinbergen an ſolchen Trauben,
welche nicht durch Blätter geſchützt, ſondern direkt der Sonne exponiert
ſind; an denſelben ſind dann die Beeren förmlich wie Roſinen ge—
dörrt. Müller-Turgau?) fand in der That die Temperatur in der
beſonnten Weinbeere bis auf 40 C. ſteigen, wenn daneben in der
Sonne 36°, und im Schatten 24 C. beobachtet wurden. Derſelbe
hat auch nachgewieſen, daß die Wärme dabei das wirkſame iſt, indem
die gleichen Erſcheinungen auch in einem erwärmten dunkeln Blech—
kaſten zu beobachten waren. Unreife Beeren ſind empfindlicher als reife.
Durch Inſolation ſollen nach de Songhe?) Sonnenriſſe in
der Rinde der Obſtbäume entſtehen, wo die Rinde der Länge nach
aufberſtet und zu beiden Seiten des Riſſes ſich auf mehrere Centimeter
Breite vom Holze loslöſt, und zwar im Frühjahre, beſonders am
unteren Teile des Stammes, immer auf der der Sonne zugekehrten
Seite, welche den direkten Sonnenſtrahlen von 11 Uhr vormittags bis
2 Uhr nachmittags ausgeſetzt iſt. Ein Bedecken dieſer Seiten mit
Stroh ſoll das Aufreißen verhüten. Auch bei Waldbäumen iſt die Er—
ſcheinung bekannt, beſonders an Buchen, Hainbuchen, Eichen und
Ahorn‘). Über die bei der Entſtehung der Sonnenriſſe wirkſamen
Faktoren beſteht jedoch noch keine genügende Klarheit. Da die Er—
ſcheinung nur im März auftreten ſoll, jo muß, wie ſchon Caspary)
hervorhob, wohl den Spätfröſten hierbei ein gewiſſer Einfluß zuge—
ſchrieben werden, indem ſie in der ſaftreich gewordenen Cambium—
ſchicht ein Gefrieren bewirken, welches ein Abſprengen der Rinde vom
Holze zur Folge hat, worauf vermutlich die von der Saftzuleitung
ausgeſchloſſene Rinde durch die Sonnenhitze vertrocknet und berſtet.
) Bot. Zeitg. 1872, Nr. 8.
2) Der Weinbau 1883, Nr. 35.
3) Bot. Zeitg. 1857, Nr. 10.
4) Vergl. Nördlinger, Lehrbuch des Forſtſchutzes 1884, pag. 332, und
R. Hartig, Lehrbuch der Baumkrankheiten. 2. Auflage, Berlin 1889,
pag. 286.
5) Botan. Zeitg. 1857, Nr. 10.
u ”
2. Kapitel: Die Temperatur 177
Nach Caspary) ſoll jedoch auch erſt im Auguſt die Entſtehung von
Sonnenriſſen an den der Mittagsſonne ausgeſetzten Seiten bemerkt
worden ſein, was der Genannte als eine unmittelbar tödliche Wirkung
der Sonnenhitze auffaßt. Die Vermutung iſt aber auch hier nicht aus—
geſchloſſen, daß ein früher eingetretener Froſttod der Rinde erſt bemerkt
worden iſt, nachdem in der heißen Jahreszeit die Austrocknung der
toten Partien bis zum Berſten fortgeſchritten war. R. Hartig (l. e.)
hält es für wahrſcheinlich, daß die Inſolation den Rindenkörper
partiell ſo erwärmt, daß dieſer ſich ſtark ausdehnt und ſomit von
dem Holzkörper ſich ablöſen muß. Daß bei ſehr ſtarker Inſolation die
Rinde eines Baumſtammes bis zum tödlichen Temperaturgrade erwärmt
werden kann, iſt allerdings nicht undenkbar; freilich wird dann aber
auch ſtarke Tranſpiration, alſo übermäßiger Waſſerverluſt der inſolierten
Rindenpartien möglicherweiſe tödlich ſein können. Die Erſcheinung hat
offenbar auch gewiſſe Beziehung zu dem Rindenbrand, den wir unten
bei den Froſtſchäden beſprechen. Die Sonnenriſſe werden oft durch
Überwallung nach einigen Jahren wieder geſchloſſen.
B. Wirkungen des Froſtes.
I. Das Gefrieren der Pflanzen.
Ein Erſtarren der Pflanzenſäfte zu Eis iſt zu erwarten, wenn die Wirkungen des
Temperatur des umgebenden Mediums auf 0° geſunken iſt. Jedoch
muß dies nicht notwendig genau mit dieſer Temperatur zuſammen—
fallen. Denn die Pflanzenteile ſind infolge von Wärmeſtrahlung und
Verdunſtung in freier Luft gewöhnlich etwas kälter als dieſe (wie
Tau⸗ und Reifbildung auf den Pflanzen beweiſen) und können alſo,
wenn die Luft noch wenige Grade über 0° hat, ſchon unter den Ge—
frierpunkt abgekühlt ſein. Allein die Pflanzenſäfte ſind nicht reines
Waſſer, ſondern mehr oder minder konzentrierte Löſungen, und ſolche
gefrieren erſt bei einigen Graden unter 0), und wenn ſie gefrieren,
ſo ſcheiden ſie ſich in faſt reines Waſſer, welches erſtarrt, und in eine
konzentriertere Löſung, welche dies erſt bei noch ſtärkeren Kältegraden
thut. Beim Beginn des Gefrierens des Waſſers zu Eis wird zunächſt
die Temperatur des Pflanzenteiles wieder etwas höher, weil bei der
erſten Eisbildung Wärme frei wird. Übrigens iſt in trockeneren
Pflanzenteilen kein oder nur wenig Zellſaft in den Zellen vorhanden;
faſt alles Waſſer befindet ſich im imbibierten Zuſtande in der Zellhaut,
) Verhandl. d. phyſ.⸗ökon. Geſellſch. zu Königsberg 1858.
) Vergl. Nägeli, Sitzungsber. d. bair. Akad. d. Wiſſenſch. 9. Febr.
1861, und Müller-Turgau, Landwirtſch. Jahrbücher 1886, pag. 459 ff.
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 12
Froſtes.
Das Gefrieren
der Pflanzen.
9
im Protoplasma und in deſſen geformten Inhaltskörpern, und auch
von dieſem Waſſer gefriert bei beſtimmten Kältegraden nur ein Teil,
der andere wird als Imbibitionswaſſer zwiſchen den Molekülen dieſer
Organe feſtgehalten. Iſt nun aber dieſes Imbibitionswaſſer nur in
geringer Menge vorhanden, ſo kann überhaupt nur eine ſehr unbe—
deutende oder gar keine Kriſtalliſation zu Eis eintreten. Jedenfalls
laſſen auch bei den ſtrengſten Kältegraden alle trockeneren Pflanzenteile,
wie die Winterknoſpen und Zweige der Holzpflanzen und die Samen
keine Veränderung im Sinne eines Gefrierens wahrnehmen und es
ſind nur ſaftreichere Organe, wie die Stengel und Blätter der Kräuter,
das Laub der Holzpflanzen, Knollen, Zwiebeln und ſukkulente Pflanzen,
welche auffallend gefrieren. Wir betrachten zunächſt die beim Gefrieren
auftretenden Erſcheinungen.
Eisbildung in der 1. Eisbildung. Beim Gefrieren werden ſaftige Pflanzenteile
Uſtanse. infolge der in ihnen ſtattfindenden Eisbildung hart und glaſig ſpröde.
Werden die Teile plötzlich ſtarken Kältegraden ausgeſetzt, ſo erſtarren
ſie durch und durch gleichmäßig zu ſteinharten Körpern. Weſentlich
anders iſt die Eisbildung, wenn die Pflanzenteile allmählich bei ge—
ringen Kältegraden (1—4 C.) gefrieren, wie dies in unſerem Klima
im Freien bei Eintritt von Froſt gewöhnlich der Fall iſt. Hier bilden
ſich Eismaſſen zwiſchen den Zellen, wodurch die Gewebe zerklüftet
werden, während die Zellen, weil Waſſer aus ihnen ausgetreten und
dann zu Eis erſtarrt iſt, mehr oder weniger zuſammenſchrumpfen,
jedoch ſelbſt nicht gefrieren. Dieſe Bildung zuſammenhängender Eis—
maſſen in gefrierenden Pflanzen iſt den Beobachtern ſchon vor langer
Zeit aufgefallen, eingehender aber zuerſt von Caspary), ſpäter von
Prillieux? unterſucht worden. Nach dieſen und meinen Beob—
achtungen tritt dieſe Eisbildung am häufigſten und ſtärkſten an ſolchen
Pflanzen auf, welche für den Winterzuſtand nicht vorbereitet, ſondern
noch in Vegetation begriffen ſind, daher beſonders an krautartigen
Spätlingen und an exotiſchen Stauden im freien Lande, anderſeits
aber auch im Frühlinge an Pflanzen, die bereits in Saft getreten
ſind oder zu treiben begonnen haben, alſo überhaupt an ſolchen, die
reich an Saft ſind und denen ſolcher auch fortwährend durch die
Wurzelthätigkeit zugeführt wird. Übereinſtimmend iſt überall, daß die
Eismaſſe wenigſtens anfangs, meiſt für immer, innerhalb des Pflanzen-
teiles ſich befindet und aus Eiskriſtallen beſteht, welche mit einander
parallel und mehr oder minder zuſammenhängend, ſtets rechtwinklig
178 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphaͤriſche Einflüffe
) Botan. Zeitg. 1854, Nr. 38—40, wo auch die ältere Literatur zu
finden iſt.
2) Ann. des sc. nat. 5, ser. T. XII. 1869, pag. 125.
2. Kapitel: Die Temperatur 179
auf demjenigen Gewebe jtehen, aus welchem das Waſſer ausfriert.
Die Kriſtalle ſind faſt reines Waſſer, auch wo die Zellenſäfte gefärbt
ſind, farblos. An welchem Orte die Eismaſſen ſich bilden, hängt von
dem anatomiſchen Bau des Pflanzenteiles ab.
Der gewöhnlichſte Fall bei Stengeln und Blattſtielen iſt, wie
Prillieux ſchon angegeben hat, der, daß im Rindenparenchym, bald
unmittelbar unter der Epidermis bald tiefer eine mit der Oberfläche
konzentriſch liegende Eiskruſte von anſehnlicher Stärke ſich bildet, durch
welche die Epidermis und die etwa mit abgetrennten äußeren Rinden—
ſchichten wie ein weiter Sack abgehoben und nicht ſelten geſprengt
werden. Es iſt unverkennbar, daß das grüne Rindenparenchym wegen
der Anweſenheit vieler Intercellulargänge und wegen der leichten
Trennbarkeit der einzelnen Zellen für die Entſtehung dieſer intercellularen
Eismaſſen beſonders günſtig iſt. An den Punkten, wo die Epidermis
durch collenchymatiſche oder ähnliche feſte Gewebe mit dem Innern
feſter zuſammenhängt, iſt die peripheriſche Eislage unterbrochen. So
haben nach Prillieux der Stengel von Senecio crassifolius 5, die
Stengel der Labiaten 4, nämlich an den vier Seiten liegende, die
meiſten Blattſtiele 3 ſolcher Eisplatten unter der Oberfläche, nämlich
eine an der rinnenförmigen oder flachen Oberſeite, je eine an den
beiden Hälfte der konvexen Unterſeite. Dagegen bekommen die Stengel
der Scrofulariaceen eine ringförmig zuſammenhängende Eisſchicht; und
am Stengel von Borago officinalis finde ich viele ungleich große, nur
durch dünne Schichten von Rindenparenchym getrennte dicke Platten
neben einander einen ringförmigen Eismantel bildend (Fig. 25). Ich
habe mich von der Richtigkeit der Angabe Prillieux's überzeugt,
daß bei dieſem Gefrieren die Zellen dort, wo die Eisklüfte im Gewebe
ſich bilden, nur auseinanderweichen, aber nicht zerriſſen werden (vergl.
Fig. 25 und 26 C.). Die von Caspary unterſuchten Pflanzen,
welches meiſt kleine exotiſche Sträucher mit ſtark entwickeltem Holz—
körper waren (Heliotropium peruvianum, Cuphea pubiflora u. a. Arten,
Lantana abyssinica und aculeata, Manulea oppositifolia, Calceolaria
perfoliata) zeigten ihm das Eis unmittelbar auf dem Holzeylinder
aufſitzend, zwiſchen dieſem und der Rinde, die dadurch vom Holze
getrennt und verſchiedenartig geſprengt war. Auch hat derſelbe !) im
Frühjahre an einheimiſchen Bäumen bei plötzlich eintretendem Froſt
ein Gefrieren des Saftes im Cambium und ein Abſprengen der Rinde
vom Holze beobachtet. In Übereinſtimmung damit fand auch Sorauer?),
) Bot. Zeitg. 1857, pag. 153. Das Gleiche wird ſchon von Du Petit—
Thouars (Le verger francais, Paris 1817) ausgeſprochen.
2) Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 424.
12 *
180 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmofphärifche Einflüſſe
nachdem er Zweige von Obſtbäumen Ende Mai mit künſtlichen]Kälte— f
miſchungen behandelt hatte, an einzelnen Stellen Rinde und Cambium 5
vom Holze gelöſt und in das letztere radiale Spalten von dieſen Mi
Stellen aus ein-
4 dringen, auch
r | innerhalb des
/ NW 7, Rindenparen—
chyms die Zellen
in radialen
Spalten ausein—
ander gewichen.
Ein zweiter Ort
der Eisbildung
in Stengeln und
Blattſtielen, der 2
gleichfalls von f
Caspary und 5
Prillieux ſchon
genannt wird, iſt
das Mark. Wo
dieſes maſſiv iſt,
Fig. 25. bilden ſich oft |
Gefrorener Stengel von Borago officinalis, ein Stück mehrere Eis— 2
desjelben im Duerjchnitte, r Rinde mit dem Gefäßbündel⸗ partien, welche
ringe, h behaarte Oberhaut, nebſt Partien der Rinde das Geweb 3
durch mächtige, radial geſtreifte Eisplatten ee, die einen das Gewebe un
ringsum laufenden Eismantel bilden, abgehoben. Die regelmäßig der
Höhlung des Stengels auf der Innenſeite von r iſt mit Länge und der 4
3
Er
* 1
einem aus dichtſtehenden Eiskriſtallen gebildeten ſtarken
Hohlcylinder von Eis e ausgekleidet; auf den Spitzen Quere nach zer⸗
dieſer Eiskriſtalle die bis S geſchobenen geen klüften. In .
zellen mm, welche auf der Innenſeite von ur geſeſſen 4
hatten. Schwach vergrößert. hohlen Stengeln ©
füllt ſich oft die
Markhöhle mehr oder weniger mit Eis, welches in einer ringförmig 4
zuſammenhängenden Kruſte die Wand der Höhle bedeckt; jo finde ich 4
in gefrorenen Stengeln von Borago officinalis im Innern einen ſolchen
ſehr ſtarken Hohlcylinder gebildet aus dichtſtehenden Eiskriſtallen,
welche von dem Gefäßbündelringe ausgehen und radial gegen die ö
hohle Mitte gerichtet ſind, die leeren und abgeſtorbenen Zellen, mit a
welchen normal die Markhöhle ausgekleidet iſt, bis dorthin vor ſich
herſchiebend (Fig. 25m). Durch ſolche Anhäufungen von Eis im
Mark kann endlich der Holzring geſprengt werden, was Cas—
2. Kapitel: Die Temperatur
pary )) und ältere Beobachter gejehen haben.
181
Wenn im Markgewebe
noch einzelne Gefäßbündel zerſtreut ſtehen, ſo ſchießt auch um jedes
eine ringförmige Eiskruſte an, wie Sachs?) von gefrorenen Blatt—
ſtielen von Cynara Scolymus angiebt. Blatt—
ſtiele, die hauptſächlich aus zartem Parenchym
beſtehen, in welchem nur wenige und feine
Fibrovaſalſtränge verlaufen, können, während
die Epidermis abgehoben oder ſtellenweiſe
geſprengt iſt, auch innerlich ſehr tief der
Quere und der Länge nach von dem ſich
bildenden Eis zerriſſen werden. Die Ver—
wundungen können dann dadurch noch ver—
größert werden, daß die teilweiſe befreiten
Parenchymſtücke infolge der Gewebeſpannung
ſich nach außen konkav krümmen, zum Be—
weiſe, daß ſie ſelbſt dabei nicht gefroren ſind.
So bemerkte ich es an Stielen der Wurzel—
blätter von Lychnis diurna zu Ende des
Winters nach ſchwachem Nachtfroſte.
Eine andere eigentümliche Art der Bil—
dung von Eisplatten in Blattſtielen hat
v. Mohls) beſchrieben; er fand, daß im
Herbſt bei Nachtfröſten an den Blattpolſtern
der Baumblätter in der ganzen vorgebildeten
Trennungsſchicht eine Eisplatte ſich bildet,
durch welche das Blatt abgegliedert wird,
ſo daß am Morgen maſſenhafter Blattfall
eintritt.
In den gewöhnlichen dünnen Blatt—
flächen der meiſten Pflanzen iſt die Eisbildung
minder auffallend, obgleich auch dieſe Teile
bei Froſt erſtarren. Ich fand in gefrorenen
Blättern krautartiger, mono- und dikotyle—
doner Pflanzen verhältnismäßig dünne Eis—
kruſten meiſt zwiſchen der Epidermis und den
Fig. 26.
Gefrorene Blattſtiele von
Lychnis diurna, A und B
im Querſchnitte, ſchwach
vergrößert. e die Eis⸗
maſſen, durch welche die
oberflächlichen Zellſchichten
vom inneren Gewebe ab—
gehoben ſind, das letztere
auch ſtellenweiſe zerriſſen
it. O ſtärker vergrößerter
Durchſchnitt durch eine
Stelle des äußeren Teiles
des Blattſtieles, wo eine
Eisbildung beginnt; die—
ſelbe zeigt ſich deutlich
zwiſchen den Zellen, die
hier nur auseinanderge—
wichen, nicht zerriſſen ſind.
angrenzenden Meſophyllzellen, zum Teil auch zwiſchen die letzteren
eindringend, ſeltener unter der erſten Meſophyllzellenſchicht (Iris), alſo
wiederum an denjenigen der Oberfläche nächſten Orten, wo Inter—
1) Bot. Zeitg. 1854, pag. 671-674.
2) Lehrbuch d. Botanik.
2) Bot. Zeitg. 1860, pag. 15.
4. Aufl., pag. 703, Fig. 473.
182 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe
cellularräume vorhanden ſind und die Zellen am leichteſten von ein—
ander weichen. Daher tritt dies beſonders an der unteren Blattfläche
ein, wo das Schwammparenchym jene Bedingungen am meiſten erfüllt,
mit Ausuahme der Stellen über den ſtärkeren Nerven; aber es kommt
auch an der oberen Seite des Blattes zu ſtande. Übrigens erſtreckt
ſich dieſe Eisbildung wohl nie gleichmäßig über die ganze Blattfläche:
ich fand ſie immer mehr oder minder fleckenweiſe und zwar ganz regellos
lokaliſiert; offenbar bilden die Stellen, wo die Kriſtalliſation beginnt,
Anziehungspunkte für neue Flüſſigkeit, die ſich dorthin zieht von den
übrigen Teilen des Blattes her, welche dadurch ſoviel Saft verlieren,
daß an ihnen keine Eisbildung eintreten kann. Ein meiſt auffallend
hellgrünes Kolorit zeigt die Stellen an, wo Eis in der Blattfläche
abgeſchieden worden iſt.
Schutzeinrichtung Die ſoeben beſchriebenen, gar oft verderblichen Verwundungen,
winterbeſtändiger i BER 4 ER we ’ ;
ſaftreicher Blätterwelche der Froſt an im Saft befindlichen Pflanzenteilen hervorbringt,
gegen die Ver- bezogen ſich auf lauter ſolche Teile, welche nicht eigentlich für die kalte
een durch Jahreszeit beſtimmt find. Um jo bemerkenswerter iſt es, daß gerade
isbildung. g Be i a ;
die ſaftigen Teile ſolcher ſukkulenter Pflanzen, welche in dieſem Zu—
ſtande den Winter überdauern müſſen, in ihrem anatomiſchen Baue
eine Schutzeinrichtung gegen die Verwundung durch Eisbildung haben.
Offenbar muß es bei einem konzentriſchen oder überhaupt der Ober—
fläche parallel geſchichteten Baue, wie ihn die oben beſprochenen Organe
zeigen, wegen der in der gleichen Richtung ſich ausbreitenden und mit—
hin in radialer Richtung wachſenden Eiskruſten am leichteſten zu einem
Zerſprengen der darüber liegenden Gewebe kommen. Die ſaftigen
Blätter der winterbeſtändigen Roſetten der 8Sempervivum-Arten zeigen
dagegen auf dem Querſchnitte die Parenchymzellen in Reihen geordnet,
welche rechtwinkelig zur Epidermis beider Blattſeiten geſtellt ſind
und mit eben ſolchen Reihen von Intercellulargängen, die zwiſchen
ihnen ſich befinden, abwechſeln: das Meſophyll beſteht alſo aus ein—
ſchichtigen Gewebeplatten, welche in der Längsrichtung und vertikal zu
beiden Blattſeiten (median) geſtellt ſind. In gefrorenen Blättern fand
ich die einzelnen Gewebeplatten durch Vergrößerung und Vereinigung
der Intercellulargänge völlig von einander gewichen und durch dünne
Eisplatten von gleicher Richtung, welche die Zwiſchenräume ausfüllen,
getrennt; jede Gewebelamelle war zwar infolge ſtarker Schrumpfung
der Zellen dünner, jedoch in ihrer Kontinuität nicht unterbrochen und
immer mit der Epidermis feſt verbunden; durch Druck konnte man
aus dem Querſchnitte die radialen Eisplättchen hervorquetſchen. Es
kann alſo hier zu keiner Enthäutung noch zu ſonſtiger ſchädlicher Ver⸗
0 2. Kapitel: Die Temperatur 183
wundung kommen. Beim Auftauen tritt raſch der normale Zuſtand
wieder vollſtändig ein.
Die in den Geweben ausgeſchiedenen Eismaſſen beſtehen aus W
prismatiſchen Kriſtallen, welche Baſaltſäulen ähnlich vertikal auf a
dem unterliegenden Gewebe ſtehen, aber meiſt ſo dicht gedrängt und
miteinander verwachſen ſind, daß die einzelnen Individuen oft nicht
deutlich zu unterſcheiden ſind. In einer Beziehung zu den einzelnen
Zellen oder Intercellulargängen, wie Caspary glaubte, ſtehen ſie
nicht. In den Eisſäulchen ſind gewöhnlich ſehr feine, in der Richtung
der Längsachſe fadenförmig gereihte Luftblaſen eingeſchloſſen. Meiſtens
behalten die Eismaſſen dieſe faſerig kompakte Beſchaffenheit, auch
wenn ſie zu großer Stärke heranwachſen, die nicht ſelten die Dicke
des darunter liegenden Gewebes weit übertrifft. Indeſſen haben ſchon
ältere Beobachter, ſowie auch Caspary) und Prillieux), mitunter
geſehen, daß das Eis auch durch exceſſives Wachstum in radialer
Richtung ſtellenweiſe aus den Stengeln bald in Form faſt 4 em langer
kriſtalliniſcher Fäden, bald in dünnen vertikalen Eisblättern oder
Kämmen, bald als faſerige Eislocken weit hervortritt.
Eine phyſikaliſche Erklärung dieſer Erſcheinung hat erſt Sachs?) ge- Erklärungs
geben; fait gleichzeitig hat v. Mohl“) wenigſtens in der Hauptſache in verſuche.
gleichem Sinne ſich ausgeſprochen. Erſterer hat den Vorgang dem Experi—
mente zugänglich gemacht, indem er auf den Schnittflächen von Kürbis—
früchten, Rüben, Möhren, Blattſtielen bei —3 bis 6 C. ebenſolche aus
vertikal ſtehenden verwachſenen Kriſtallen beſtehende Eiskruſten auftreten
ſah und dabei die Bedingungen dieſer Eisbildungen überhaupt feſtſtellen
konnte. Als ſolche ergaben ſich: eine mäßige Kälte, bei welcher das mit
Waſſer imbibierte Zellgewebe ſelbſt noch nicht gefriert, und ein Schutz der
Flache, auf welcher das Eis ſich bildet, vor zu ſtarker Verdunſtung. Dieſe
Bedingungen ſind auch bei der Eisbildung innerhalb lebender Pflanzenteile
erfüllt. Sachs erklärt nun den Vorgang folgendermaßen. Wenn die
dünne Waſſerſchicht an der Oberfläche einer imbibierten (an Intercellular—
räume angrenzenden) Zellhaut gefriert, ſo wird eine neue Waſſerſchicht aus
der letzteren an ihre Stelle treten und nun ihrerſeits wieder erſtarren, was
ſo lange fortgeht, als die Zellhaut nicht gefroren iſt. In der That wachſen
die Kriſtalle, wie die Beobachtung lehrt, an ihrer Baſis. Wegen der thätig
bleibenden Imbibitionskräfte der Membranen wird auch von entfernteren
Stellen aus Waſſer nach den Punkten, wo die Eisbildung zuerſt begonnen
hat, hingeleitet, ſo daß die letzteren zu Anziehungspunkten für das Waſſer
der Pflanze werden; ja die ſehr mächtigen Eisablagerungen laſſen ſich nur
durch die Annahme erklären, daß während des Phänomens durch die Auf—
ſaugung der Wurzeln nach und nach noch beträchtliche Waſſermengen den
) Bot. Zeitg. 1854, pag. 665— 674; daſelbſt auch die älteren Angaben.
NI. e pag. 129.
3) Berichte d. k. ſächſ. Gef. d. Wiſſ. 1860, pag. 1 ff.
. e
184 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
Kriſtalliſationspunkten zugeführt werden, wie von Caspary und anderen!)
vor ihm bereits geltend gemacht worden iſt. Daraus erklärt ſich auch, warum
der Genannte die Erſcheinung nicht an Topfpflanzen beobachtete, offenbar
weil hier durch die Kälte auch die Wurzelthätigkeit ſiſtiert war. — Die
Erklärung des Phänomens als rein phyſikaliſcher Vorgang wird beſonders
erleichtert durch eine eigentümliche Eisbildung, die manchmal auf der Ober—
fläche des Erdbodens vorkommt und ſchon von älteren Beobachtern), be—
ſonders aber von v. Mohl), dem Sachs hierin beiſtimmt, mit der Eis—
bildung in lebenden Pflanzen identifiziert worden iſt, da ſie unter ganz
denſelben Bedingungen und in ganz gleicher Form eintritt. Rechtwinkelig
auf der Oberfläche des Bodens erheben ſich bis 5 em lange iſolierte oder
verwachſene Eisfäden. v. Mohl beobachtete dieſe Bildungen auf einem
Gebirgszuge des Schwarzwaldes, wo ſie unter dem Namen Kammeis be—
kannt ſind, im November beſonders an ſteilen Böſchungen, nach Regen—
wetter auf einem mäßig feuchten, lockeren und poröſen Boden, welcher ſelbſt
dabei nicht gefroren war. Ich ſah die Erſcheinung unter denſelben Ver—
hältniſſen ſehr ſchöͤn anfang September 1877 auf dem Kamme der Sudeten:
an zahlloſen Stellen bemerkte man bald gerade, bald lockenförmige faſerige
Eisſäulen, geſponnenem Glaſe oder Asbeſt ähnlich, auf dem Boden, teils
wegen ihrer Länge umgefallen und angehäuft, teils noch ſtehend, häufig
an ihren oberen Enden durch eine dünne Eisſchicht verbunden, in welcher —
oft etwas von der oberſten Bodenſchicht mit emporgehoben worden war;
die Baſis der Säulen iſt der jüngſte, wachſende Teil, indem das in dem
nicht gefrorenen unterliegenden Boden befindliche Waſſer ſich fortwährend
den einmal gebildeten Eiskriſtallen anſchließt und dieſe vorwärts drängt).
Krümmungen 2. Krümmungen der Blätter und biegſamer krautartiger Stengel
beim Gefrieren ſind beim Gefrieren der Pflanzen häufige Erſcheinungen. In bezug
auf die der Stengel giebt Göppert?) an, daß nach einer Temperatur 2
von — 5 C. im Frühlinge die büſchelig wachſenden Stengel der 5
Päonien, Delphinien, Adonis, Potentillen, Dielytra 2c. exentriſch mit
der Spitze nach der Erde gebogen, Raps und Kohl nur nickend, aber
blühende wie nicht blühende Stengel von Liliaceen, wie Kaiſerkronen
3 OR — —
1) Bot. Zeitg. 1854, pag. 686.
2) Bot. Zeitg. 1854, pag. 681.
Tg,
4 Die Mineralogen haben übrigens dieſe Art von Bodeneis unter den
oben angegebenen Verhältniſſen mehrfach beobachtet und Erklärungen gegeben,
die mit der obigen übereinſtimmen. Vergl. beſonders Kenngott (Sitzb. d.
Wiener Akad. 1855. XVI. Bd., pag. 157—160), welcher das durch nadel-
förmige Eiskriſtalle hervorgebrachte Abblättern des Kalkanſtriches und die
Hebung desſelben von dem Mörtelverputze einer Ziegelmauer beſchrieben hat.
In Japan iſt dieſes Bodeneis nach Dönitz unter dem Namen „Shimo⸗
bashira“ (Reifbalken) bekannt und in den deutſchen Alpen hat man mehrfach
dieſelbe Erſcheinung wahrgenommen (vergl. Koch, Über Eiskriſtalle in lockerem
Schutte, in Jahrb. f. Mineral. 1877, pag. 449 ff).
5) Ber. d. ſchleſ. Geſellſch. f. vaterl. Kult. 30. März 1873. Citiert in
Bot. Zeitg. 1873, pag. 366.
i
|
}
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2. Kapitel: Die Temperatur 185
und Hyacinthen, nicht gebogen, ſondern platt auf den Boden geſtreckt
waren. Ich ſah die Krümmungen ſowohl an Spätlingen bei den
erſten Herbſtfröſten, als auch bei Frühjahrsfröſten. Die meiſten Stengel
waren ähnlich wie im welken Zuſtande in ihrem oberen Teile in
einem weiten Bogen umgekrümmt (Silybum marianum, Sonchus olera-
ceus, Senecio vulgaris, Urtica urens, Mercurialis annua, Sinapis alba,
Poterium Sanguisorba), nicht ſelten halbkreisförmig, ſo daß die Spitze
gegen die Erde gekehrt war. Andere zeigten, wie es hier ebenfalls beim
Welken zu ſehen iſt, nur eine nickende Richtung des Blütenſtandes: To
waren die Blütenſtiele nur im oberen Teile gekrümmt und die Köpfchen
hängend bei Calendula, Chrysanthemum Parthenium, und bei Euphorbia
helioscopia waren ſowohl der Hauptſtengel als die Aſte des Blütenſtandes
allemal nur dicht unter den Hüllen umgebogen. Auch die Blätter
nehmen meiſtens eine ähnliche Richtung wie im welken Zuſtande an: ſie
ſind im allgemeinen abwärts gebogen. Göppert!)) erwähnt die ſchon
von Linné beobachtete Erſcheinung, daß Euphorbia Lathyris beim
Gefrieren die Blätter dicht am Stengel herabſchlägt. Abwärts—
krümmungen der Blätter nur mit ihrer Baſis ſah ich an den Wurzel—
blättern von Allium victorialis, die dadurch horizontal auf dem Boden
hingeſtreckt waren, und bei Sambucus nigra, wo die Blätter nur in
der Nähe des Blattpolſters ſich herabgeſchlagen hatten. Ofter krümmt
ſich das Blatt mehr oder weniger in ſeiner ganzen Länge abwärts;
bei einigermaßen langgeſtielten iſt es hauptſächlich der Blattſtiel, z. B.
bei Malva sylvestris, Ficaria ranunculoides, bei Euphorbia amygda-
loides, wie überhaupt bei den allermeiſten dikotyledonen Kräutern.
An den Blättern der Dikotyledonen, Kräutern wie Holzgewächſen,
kommen zugleich oft mannigfache unregelmäßige Verkrümmungen und
Kräuſelungen der Blattfläche vor, wobei jedoch vorherrſchend die mor—
phologiſche Oberſeite konvex wird. Oder die Blattfläche faltet ſich zu—
ſammen, ſo wie ſie in der Knoſpe liegt (Malva).
Einen Verſuch, dieſe Krümmungen zu erklären, findet man nur
bei Sachs? in der beiläufigen Bemerkung, daß, wenn die infolge
des Waſſerverluſtes bei der Eisbildung eintretende Zuſammenziehung
(welche Sachs?) wirklich durch Meſſung nachgewieſen hat) auf ver—
ſchiedenen Seiten eines Blattes oder Stengels in ungleichem Grade
erfolgt, Krümmungen eintreten müſſen. Ich halte dieſe Erklärung
allein noch nicht für ausreichend, um das in der überwiegenden Mehr—
) Wärme⸗Entwickelung in den Pflanzen, pag. 12.
2) Lehrb. d. Botanik. 4. Aufl., pag. 703. Anmerk.
3) Ber. d. kgl. ſächſ. Geſ. d. Wiſſ. 1860, pag. 19.
Urſache der
Krümmungen.
186 III. Ab ſchnitt Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
zahl der Fälle ſtattfindende Umkrümmen nach unten begreiflich zu
machen, beſonders an nicht oder kaum bilateralen Organen, wie die
meiſten Internodien. Hier kann keine andere Vorſtellung Platz greifen,
als die, daß die Abwärtskrümmung Folge einer allgemeinen Er—
ſchlaffung der Gewebe iſt infolge der Entziehung des Waſſers,
welches auskriſtalliſiert. Der Pflanzenteil welkt eben; ſtarr wird er
erſt dann, wenn ſo viel Eiskriſtalle gebildet ſind, daß ſie zu aus—
gedehnteren Kruſten ſich vereinigt haben. Mit dieſer Vorſtellung ſteht
im Einklange, daß gerade ſchwere Pflanzenteile, wie Blütenköpfe und
andere Inflorescenzen, laubreiche Stengelſpitzen, große Blattflächen,
die Krümmung am ausgeprägteſten zeigen, und zweitens vorzüglich
der Umſtand, daß der Ort der Krümmungen diejenige Stelle der
Organe iſt, an welcher am ſpäteſten das Wachstum erliſcht und die
Gewebe noch am ſaftreichſten und weichſten ſind, mithin allemal der—
ſelbe Teil, welcher auch beim Welkwerden zuerſt und am ſtärkſten ſich
krümmt, wie oben hervorgehoben wurde. Während daher viele der
Froſtkrümmungen, ſowohl in der äußeren Form der Erſcheinung, als
auch urſächlich mit dem Welken zu vergleichen ſind, tritt doch un—
zweifelhaft in anderen Fällen der von Sachs bezeichnete Faktor als
wirkſam ein, den man genauer als Veränderungen der Gewebe—
ſpannungen bezeichnen kann. Denn wenn an verſchiedenen Seiten
eines Organes den Geweben in verſchiedenem Grade Waſſer entzogen
wird, ſo müſſen, da ja bei dieſen Eisbildungen und Krümmungen
das Gewebe ſelbſt nicht gefroren und noch von einem Teile des Saftes
imbibiert iſt, die Gewebeſpannungen durch merkliche Krümmungen ſich
äußern. Wie dieſelben auch ſchon beim Zerreißen der Gewebe infolge
der Eisbildung eine Rolle ſpielen, wurde oben angedeutet. Da in
vielen Blättern die Eisbildung beſonders an der morphologiſchen
Unterſeite ſtattfindet, ſo wird in der That der ſtärkere Waſſerverluſt
dieſer Seite zu den für dieſe Organe charakteriſtiſchen konvexen
Krümmungen der Oberſeite beitragen müſſen. Und unzweifelhaft giebt
dieſer Vorgang allein den Ausſchlag bei ſolchen Richtungsänderungen,
welche in keiner Beziehung zur Schwerewirkung ſtehen. Als ſolche
hebe ich nur hervor die ſchlängeligen Krümmungen, die man bisweilen
an gefrorenen langen Blütenſtielen ſehen kann, und beſonders die Er—
ſcheinung, die ich bei demſelben Herbſtfroſte, bei welchem ich die anderen
Beobachtungen machte, an einem noch belaubten Strauche von Ptelea
trifoliata bemerkte. An den ziemlich aufrechten Zweigen hatten die
Blätter ihre Foliola lediglich durch Krümmungen der Gelenke in ſehr
verſchiedene Stellungen gebracht; an der Mehrzahl waren die Blättchen
nach oben zuſammengeſchlagen, ſo daß die morphologiſche Oberſeite
2. Kapitel: Die Temperatur 187
der Gelenke ſich verkürzt hatte; dabei waren die drei Blättchen bald
mehr gegen die Baſis des Blattes hin gewendet, bald mehr in einer
die Baſis fliehenden Richtung einander genähert; manche Blätter jedoch
zeigten die Foliola nach unten geſchlagen, alſo die Unterſeite der Ge—
lenke verkürzt. Zur Vertikale aber ſtanden dieſe Bewegungen in gar
keiner geſetzmäßigen Beziehung.
Bei ſtarken Fröſten hat man auch eine Senkung der Baumäſte Senkung der
beobachtet, am auffallendſten an Linden. Caspary )), welcher von Baumäſte bei
10 Baumarten ungefähr zollſtarke oder ſchwächere Aſte in dieſer Be— Sn
ziehung unterſuchte, kommt zu dem Schluſſe, daß gewiſſe Baumarten
ihre Aſte bei Kälte ſenken, andere erheben und beim Weichen des
Froſtes nahezu wieder in die urſprüngliche Lage zurückkehren. Da
Caspary aber von jeder Baumart meiſt nur einen einzigen Aſt unter—
ſuchte und da er bei allen Bäumen auch noch Veränderungen der
Richtung nach der Seite hin bemerkte, ſo dürfte die Erſcheinung bei
weiter ausgedehnten Unterſuchungen vielleicht mit unter dieſelben Ge—
ſichtspunkte zu bringen ſein, wie die Richtungsänderungen der vorher
beſprochenen weniger holzigen Pflanzenteile. An Cornus sanguinea
unter Hochwald ſah ich wiederholt die ein- bis dreijährigen Aſtchen
ſtark wellenförmig geſchlängelt oder umeinander gewunden und ſogar
wie eine 8 geſchlungen, und die meiſten Krümmungen zeigten ſich bei
den einzelnen am Orte wachſenden Sträuchen deutlich nach einer und
derſelben Himmelsgegend orientiert, jo daß es ſich hier vielleicht auch
um eine Froſtwirkung gehandelt hat, bei welcher die Richtung, von
welcher der kalte Luftſtrom vorwiegend gekommen war, beſtimmend auf
die Orientierung der Krümmung geweſen ſein würde.
3. Farbenänderungen beim Gefrieren treten hauptſächlich an Farben—
grünen Blättern ein. Es find aber hiermit nicht diejenigen Farben-änderungen beim
änderungen zu verwechſeln, welche ſchon eine Folge des Todes der 1
Zellen ſind, der häufig beim Wiederauftauen eintritt; vielmehr ſind
hier nur diejenigen gemeint, welche, ſobald die Wärme wiederkehrt,
verſchwinden und der normalen Färbung Platz machen. Das vorher
undurchſichtige Gewebe wird manchmal mehr oder minder glasartig
durchſcheinend, beſonders bei einigermaßen ſaftigen Teilen, wie
es ſchon Göppert?) angiebt; dies zeigt ſich am vollkommenſten dann,
wenn das Organ bei ſtarken Kältegraden durch und durch zu Eis
erſtarrt. Bei langſam eintretendem, ſchwachem Froſte, wo das Gewebe
) Report of the International Horticultural Exhibition and Botani-
cal Congress. London 1866, pag. 99.
2) Wärme⸗Entwickelung, pag. 9.
Veränderungen
beim Auftauen
gefrorener
Pflanzenteile.
188 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
nicht gefriert und nur intercellulare Eisbildung ſtattfindet, erſcheinen
mehr oder minder deutlich blaßgrüne bis weißliche Flecken in
dem dunkelgrünen Kolorit des übrigen Teiles. Dieſelben ſind
veranlaßt durch die gebildeten Eiskruſten, indem dieſe die Epidermis
abheben und die zwiſchen den Eiskriſtallen enthaltene Luft das helle
Ausſehen bedingt. Die übrigen Stellen erſcheinen dunkelgrün, weil
ſie nur aus ſaftärmer gewordenen und mehr zuſammengezogenem alſo
dichterem Gewebe beſtehen. Darum iſt dieſe Farbenzeichnung bei Dikoty—
ledonen oft allein an der Unterſeite des Blattes vorhanden und auf
das deutlichſte durch die Nervatur bedingt, indem die Adern dunkel—
grün, die nur aus Schwammparenchym gebildeten Felder weißlich er—
ſcheinen (Wurzelblätter von Borago officinalis, Dipsacus Fullonum).
Bei vielen anderen Dikotyledonen aber treten die Flecken auf beiden
Blattſeiten und in ganz regelloſer Verteilung und Größe auf, wie ich
es z. B. an Sinapis alba ſehr ausgeprägt ſah. Auch viele Mono—
kotyledonenblätter zeigen oft an beiden Seiten weißliche Flecken oder
Streifen. Wenn die Pflanzen ins Warme gebracht werden, ſo ver—
ſchwinden dieſe Zeichnungen faſt augenblicklich wieder. Im gefrorenen
Zuſtande finde ich die grünen Zellen nicht weiter verändert, als daß
ſie ſamt Inhalt ſtark geſchrumpft ſind, und daß oft ein Zuſammen—
häufen der Chlorophyllkörner zu Klumpen ſtattgefunden hat. Beim
Einbringen in die Wärme begeben ſich die Chlorophyllkörner ſchnell
wieder in die normale Lage. An den violetten Blüten von Antirhinum
Orontium und den gelben von Calendula ſah ich während des Froſtes
keine Farbenänderung.
II. Die Folgen des Gefrierens.
Das Gefrieren der Pflanzenteile iſt mit dem Erfrieren derſelben
nicht gleichbedeutend. Denn der gefrorene Zuſtand hat nicht notwendig
den Tod zur Folge. Ein gefrorener Pflanzenteil bleibt nach dem
Weichen des Froſtes entweder am Leben oder aber er erweiſt ſich
als tot.
Wenn die Pflanze das Gefrorenſein ohne Schaden überſteht, ſo
wird das intercellular gebildete Eis beim Auftauen ſogleich durch die
Imbibitionskräfte der Zellmembranen und des Protoplasmas von
den Zellen wieder aufgenommen, welche dadurch ihren normalen Turgor
nebſt allen Eigenſchaften des friſchen Zuſtandes annehmen, während
die Eisklüfte wieder auf die gewöhnliche Weite der Intercellularen ſich
zuſammenziehen. Gleichzeitig nehmen die Blätter wieder ihr gewöhn⸗
liches Kolorit an und alle Teile erlangen ungefähr ihre frühere Rich—
tung und Form wieder.
2. Kapitel: Die Temperatur 189
Wenn aber der Pflanzenteil nach dem Auftauen ſich getötet er-
weiſt, ſo zeigt er auffallende Veränderungen gegen früher. Dieſelben
bieten je nach den Pflanzenarten und nach der Beſchaffenheit des
Pflanzenteiles viele Mannigfaltigkeiten dar, ſtimmen aber alle in folgen—
den Momenten überein, welche die allgemeinen Symptome des Todes
ſind und auch denen gleichen, die nach Tötung durch Hitze (ſ. S. 171)
eintreten. Beim Tode durch Erfrieren hört die Turgescenz der
Zellhaut auf; dieſe wird ſchlaff, hält das Imbibitionswaſſer nicht
mehr feſt, läßt es in die Intercellulargänge austreten und raſch ver—
dunſten; das Protoplasma iſt desorganiſiert, mehr oder minder zu—
ſammengeſchrumpft, es hat keinen Widerſtand mehr gegen den Zell—
ſaft und die darin gelöſten Stoffe, es läßt dieſen durch ſich hindurch—
filtrieren und die gelöſten Stoffe ſich mit einander mengen, giebt auch
den Farbſtoff ab, wenn ſolcher im Zellſaft gelöſt war, ſobald man
den Pflanzenteil ins Waſſer legt!); die Chlorophyllkörner bekommen
Vacuolen oder ſchrumpfen bisweilen unter Formverzerrung?) und
werden mit dem ſich kontrahierenden Protoplasma mehr oder weniger
in Klumpen zuſammengehäuft. Dagegen iſt von einer Sprengung
der Zellen, von einer Zerreißung der Zellmembranen (den von Cas—
pary angegebenen Fall, wo das Cambium beim Gefrieren durchriſſen
werden ſoll, ausgenommen) auch in erfrorenen Pflanzenteilen nichts
zu bemerken. In den angegebenen Veränderungen finden alle be—
ſonderen Erſcheinungen ihre Erklärung, die an verſchiedenen Pflanzen—
teilen beim Tode durch Erfrieren und bei partiellen Froſtbeſchädigungen
wahrgenommen werden. Alle auch nur einigermaßen ſaftigen Pflanzen—
teile ſind ſofort nach dem Auftauen in hohem Grade ſchlaff und welk
und haben, wegen der Erfüllung der Intercellulargänge mit Flüſſig—
keit, eine eigentümliche, durchſichtige, wie gekochte Beſchaffenheit; ſie
ſind ſo weich, daß ſie, zumal voluminöſe Teile, wie Rüben, Kartoffel—
knollen, durch geringen Druck den Saft aus ſich wie aus einem
Schwamm auspreſſen laſſen. Befinden ſich die Blätter an der Luft,
ſo verlieren ſie durch Verdunſtung ihr Waſſer ungemein raſch und ſind
bald ganz dürr. Gewöhnlich übt auch der Chemismus, ſo lange das
erfrorene Blatt noch Saft enthält, raſch ſeine Wirkung aus: durch
rn
A
A * a:
Et Ä den Sauerſtoff der Luft tritt, wie an allen toten Pflanzenteilen, ein
N Humifikationsprozeß ein, welcher das Protoplasma oder die Zellhaut
x braun färbt; daher werden die Blätter unter ſolchen Umſtänden braun
2
) Sachs in Ber. d. kgl. ſächſ. Geſ. d. Wiſſ. 1899, pag. 25 — 39.
| 2) Vergl. auch G. Haberlandt, Über den Einfluß des Froſtes auf die
Chlorophyllkörner. Oſterr. Bot. Zeitſchr. 1876, Heft 8.
190 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
oder ſchwärzlich. Auch die farbigen Blütenteile, beſonders die weißen,
rötlichen oder gelben werden mehr oder weniger gebräunt. Wenn
aber das grüne Blatt ſehr ſchnell trocken wird, noch ehe die chemiſchen Zer—
ſetzungen eintreten, ſo bekommt es keine andern Farben, ſondern
nimmt nur das Fahlgrün des trockenen Heues oder Laubes an. Be—
ſonders gilt dies von den wenig ſaftigen Blättern; dieſe ſind gleich
beim Auftauen dürr und ſehen aus wie gut getrocknete Herbarien—
eremplare. Der fahlgrüne Farbenton iſt hier nur durch den trockenen
Zuſtand bedingt; denn wenn man ſolche Teile befeuchtet, werden ſie
wieder reiner grün. Nur dadurch wird in dieſem Falle das Kolorit
bisweilen etwas mißfarbiger, daß die bei der Eisbildung abgehobene
Epidermis als dünnes Häutchen loſe über dem Meſophyll ausgeſpannt
bleibt und dadurch ein eigentümliches optiſches Verhalten zeigt; ent—
fernt man die Epidermis, ſo zeigt ſich darunter das Meſophyll ebenſo
freudig grün, wie jegliches friſch getrocknete Chlorophyll, und in den
Zellen erkennt man einen gleichmäßig grünen, unregelmäßigen Klumpen,
zu welchem die Chlorophyllkörner zuſammengetrocknet ſind. Dies beob—
achtete ich an verſchiedenen erfrorenen Pflanzen mehrere Tage nach
dem erſten Froſte, binnen welcher Zeit die Kälte bis auf — 10 C.
gekommen war. Selbſt in den feucht gebliebenen und durch das Er—
frieren gebräunten Blättern von Borago officinalis fand ich nach der—
ſelben Zeit innerhalb des bräunlichen Protoplasma ziemlich deutlich
die noch grünen Chlorophyllkörner. Früher oder ſpäter werden ſie
aber hier durch den chemiſchen Prozeß zerſtört, und es wird hierbei
auch bisweilen die von Wiesner) geltend gemachte Zerſtörung des
Chlorophylls durch die in den Zellſäften aufgelöſten organiſchen Säuren
u. dergl. ſtattfinden, da das getötete Protoplasma die Undurchläſſigkeit
für jene Subſtanzen verloren hat und letztere mit dem Chlorophyll
in Berührung kommen, wie z. B. beim Sauerklee, deſſen Blätter beim
Auftauen ſogleich braun werden. Trocknet das aufgethaute erfrorene
Blatt ſehr ſchnell, jo können die beim Gefrieren auftretenden, ſonſt in
der Wärme ſogleich verſchwindenden weißlichen Flecken fixiert werden,
wie ich es an Sinapis alba bemerkte. Es bleibt dann nämlich an
dieſen Stellen, nachdem die daſelbſt vorhanden geweſenen Eiskruſten
gethaut und verdunſtet find, eine dünne Luftſchicht zwiſchen der Epi—
dermis und dem Meſophyll, ſowie zwiſchen den Meſophyllzellen ſelbſt
eingeſchloſſen; in dem dunkelgrünen übrigen Teile des Blattes iſt das
ganze Meſophyll ſamt den beiden Epidermen zu einer luftleeren, zu—
) Die natürliche Einrichtung zum Schutze des Chlorophylls. Wien
1876, pag. 6.
2
2. Kapitel: Die Temperatur 191
ſammenhängenden, feſten Maſſe zuſammengetrocknet, die nur aus den
Zellmembranen und den feſten grünen Inhaltsmaſſen der Zellen ohne
Saft beſteht. Schließlich iſt noch der Blaufärbung zu gedenken, welche
die weißen oder gelben Blüten und ſelbſt die grünen Teile der Orchi—
deengattungen Phajus und Calanthe, wie überhaupt bei ihrem Tode
ſo auch beim Erfrieren annehmen!) und welche auf der durch Ein—
wirkung des Sauerſtoffs bewirkten Bildung von Indigo beruht, welcher
in den lebenden Zellen nicht als ſolcher, ſondern als farbloſes Indican
enthalten iſt ).
Die Richtungsveränderungen, welche beim Gefrieren eintreten,
bleiben nicht nur beim Tode durch Erfrieren, ſondern nehmen zu, in—
dem das Verwelken und Vertrocknen der Teile ſchnell den höchſten
Grad erreicht. Voluminöſe, ſaftreiche Organe dagegen müſſen beſonders
in feuchter Umgebung, nach dem Erfrieren ebenſo wie nach dem Tode
aus anderen Urſachen, allmählich der Fäulnis anheimfallen, weil das
in den toten Geweben lange zurückgehaltene Waſſer die Zerſetzung der
organiſchen Verbindungen ermöglicht. Darum ſehen wir erfrorene
Zwiebeln, Kartoffeln, Rüben, Wurzeln u. dergl. in Fäulnis über—
gehen.
Der Froſttod und ſeine Urſache. Die ältere Anſicht, nach
welcher beim Gefrieren die Gefäße und Zellen der Pflanzen zerſprengt
werden, diejenigen Gewächſe aber, welche hohe Kältegrade ſchadlos er—
tragen, der Ausdehnung des in ihren Elementarorganen gebildeten
Eiſes widerſtehen?), iſt zuerſt von Du Petit-Thouars“)) verworfen,
aber erſt durch Göppert'ss) umfaſſende Unterſuchungen widerlegt
) Vergl. Göppert, Bot. Zeitg. 1871, Nr. 24, und Prillieux, Bull.
soc. bot. de France 1872, pag. 152.
2) Eine Beſchreibung des Ausſehens, beſonders der Farbenänderungen
erfrorener Pflanzen nach Familien und Gattungen hat Göppert (Wärme—
Entwickelung, pag. 16 ff. und wiederum in den Sitzungsber. d. ſchleſ. Geſ.
für vaterl. Kultur, 14. Dez. 1874; referiert in Bot. Zeitg. 1875, pag. 610)
gegeben. Ich muß darauf verweiſen, da ich in der obigen Darſtellung die
Farbenänderungen nur ſoweit zuſammengeſtellt habe, als ich für dieſelben
beſtimmte innere Veränderungen als Urſachen angeben konnte. — Es iſt ge—
wiß nicht zu leugnen, daß beim Erfrieren die einzelnen Pflanzenarten beſtimmte
für fie charakteriſtiſche Symptome in der Färbung zeigen; allein mir ſcheint,
daß dieſe nicht abſolut ſicher und unwandelbar ſind; ſie richten ſich ohne
Zweifel auch nach dem augenblicklichen allgemeinen Zuſtande des Pflanzen—
teiles und nach den jeweiligen äußeren Verhältniſſen zur Zeit, wo das Er—
frieren ſtattfindet, wie ich oben hervorgehoben habe.
3) Vergl. beſonders Senneb ier, Physiol. vegetal. T. III. Chapitre 8.
) Le verger francais. Paris 1817.
5) Wärme⸗Entwickelung, pag. 25 - 30.
Urſache des
Todes durch
Erfrieren.
192 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
worden, welcher zeigte, daß ganz allgemein in erfrorenen Pflanzenteilen
die Zellen unverletzt, die Membranen derſelben nicht zerriſſen, ſondern
nur erſchlafft find. Nägeli!) hat die Unmöglichkeit dargethan, daß
bei der Elaſticität der Zellmembran und bei der unter normalen Verhält—
niſſen kaum vollſtändigen Füllung der Zelle mit Saft eine Sprengung
infolge der Ausdehnung des gefrierenden Inhaltes eintritt, und hat ferner
den ſicheren Beweis geliefert, daß die Membranen durch Froſt getöteter
Zellen auch nicht durch die kleinſten Riſſe verletzt ſein können, indem
er ſah, wie Zellen von Spirogyra orthospira, welche durch Froſt ge—
tötet waren und alle Symptome des Todes in der Beſchaffenheit ihres
Protoplasmas zeigten, beim Einlegen in konzentrierte Löſungen von
Zucker und andere waſſerentziehende Mittel durch Diosmoſe entleert
und zuſammengedrückt wurden, was bei Vorhandenſein von Riſſen
nicht möglich geweſen wäre.
Göppert ſuchte die Urſache des Froſttodes darin, daß durch die
niedere Temperatur an ſich die Lebenskraft in der Zelle vernichtet werde
und daß es hauptſächlich auf die Energie derſelben und auf den ver—
ſchiedenen Vitalitätszuſtand der Pflanze ankomme, ob dieſelbe den
Froſt erträgt oder ihm erliegt. Allein dieſe Anſicht, wonach die niedere
Temperatur allein die Todesurſache ſein ſoll, wird doch ſchon durch
die Thatſache widerlegt, daß während die Pflanzen ſehr empfindlich
gegen das Gefrieren ſind, die trockenen Samen den höchſten
Kältegraden widerſtehen. Auch ſchließt dieſe Anſicht notwendig die
Annahme ein, daß der Tod beim Erfrieren immer ſchon während des
Gefrierens durch direkte Wirkung der Kälte, nicht erſt beim Auftauen
oder infolge des Auftauens auftritt. Göppert?) führte als Beweis
hierfür das oben erwähnte Blauwerden der Orchideenblüten beim Er—
frieren an, welches er ſchon während des Gefrierens beobachtet haben
will. Brillieur?) aber beſtreitet dies; er zeigte, daß dieſe Blüten auch
im vollſtändig gefrorenen Zuſtande noch unverändert ſind und erſt im
Momente des Auftauens die Farbenwandlung erleiden.
Sachs“) dagegen verlegt den Eintritt des Todes in den Moment
des Auftauens; er ſucht die Todesurſache in einem zu raſchen Auf—
tauen, während langſames Auftauen die Zellen nicht töte. Mit dieſer
Anſicht ſteht allerdings die bekannte Erfahrung im Einklange, daß oft
ein plötzlicher Eintritt hoher Temperatur gefrorenen Pflanzenteilen viel
1) Sitzungsber. d. k. bair. Akad. d. Wiſſ. 9. Febr. 1861.
2) Bot. Zeitg. 1871, Nr. 24.
3) Bull. soc. bot. de France 1872, pag. 152.
) Ber. d. kgl. ſächſ. Geſ. d. Wiſſ. zu Leipzig 1860, pag. 22 — 42. —
Experimentalphyſiologie, pag. 58—61.
2. Kapitel: Die Temperatur 193
ſchädlicher ift, als eine langſame Erwärmung. Sachs hat auch den
exakten Beweis geliefert, daß wenigſtens für gewiſſe Fälle ſeine Anſicht
zutreffend iſt. Er ließ eine Anzahl Stücke von Rüben oder Kürbiſſen
oder Blättern verſchiedener Kräuter vollſtändig gefrieren und fand
dann, daß dieſelben beim langſamen Auftauen, nämlich beim Einlegen
in Waſſer von 0° u. dergl., lebensfriſch blieben, dagegen desorganiſiert
wurden, wenn ſie, bei derſelben Kälte gefroren, raſch auftauten. Um
dieſe Thatſache zu erklären, geht Sachs von der Vorſtellung aus, daß
die Moleküle der Zellhaut und des Protoplasmas und diejenigen des
imbibierten Waſſers beim Gefrieren ſich trennen und in neue Lagen
verſetzt werden und daß, wenn das Schmelzen der kleinen Eiskriſtalle
in der Zellhaut und im Protoplasma ſchnell geſchieht, heftige Mole—
kularbewegungen entſtehen, welche die frühere Anordnung nicht wieder
eintreten laſſen !). Für ſaftreiche Pflanzenteile, wie Rüben und Kür—
biſſe, wenn ſie durch ſtarke Kälte durch und durch, alſo innerhalb der
Zellen gefroren ſind, wird dieſe Urſache des Froſttodes wohl zutreffend
ſein. Ungleich ſchwieriger dürfte es aber ſein, auch die Fälle, wo das
Gewebe ſelbſt nicht gefriert, ſondern nur intercellulare Eiskruſten ge—
bildet werden, mit unter dieſe Anſicht zu bringen. Sachs?) meint,
beim langſamen Auftauen ſchmelzen die Eiskriſtalle an ihrer Baſis,
wo ſie die Zelle berühren, und das flüſſig werdende Waſſer werde
ſogleich von der Zelle aufgeſogen, die dadurch ihre urſprüngliche Be—
ſchaffenheit wieder erlange; beim ſchnellen Auftauen der Eiskruſte laufe
dagegen ein Teil des ſich bildenden Waſſers in die Zwiſchenräume des
Gewebes, bevor es aufgeſogen werden könne, und die urſprünglichen
Verhältniſſe können ſich nicht wieder herſtellen. Es iſt nun aber nicht
abzuſehen, warum Waſſer aus den doch winzig kleinen Intercellulargängen
von den an dieſe angrenzenden Zellen nicht wieder ſoll aufgeſogen
werden können, wenn die Zellen eben noch am Leben, alſo turgescenz—
fähig ſind, da ja doch das Waſſer aus den Intercellulargängen nicht
nach außen abläuft. Die dauernde Erfüllung der Intercellularen mit
Saft wäre doch erſt die Folge des Verluſtes des Turgors der Zellen,
ſetzte alſo ſchon den Tod der letzteren voraus. Ich habe viele kraut—
artige Pflanzen, welche unter intercellularer Eisbildung erſtarrt waren,
raſch aus der Winterkälte ins geheizte Zimmer gebracht, und die—
jenigen, welche nicht bereits vorher tot waren, nahmen hier beim
augenblicklichen Auftauen ihre lebensfriſche Beſchaffenheit an.
Die Sachs 'ſche Theorie trifft nur für die im vorſtehenden an—
gedeuteten wenigen Fälle zu. Für die übergroße Mehrzahl der Fälle
1) Experimentalphyſiologie, pag. 61.
2) Lehrb. d. Botanik, 4. Aufl., pag. 704.
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 13
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des Froſttodes der Pflanzen iſt eine ganz andere Erklärung zutreffend,
die zuerſt von mir in der erſten Auflage dieſes Werkes (S. 193) und
kurz darauf auch von Müller-Thurgau) gegeben worden iſt. Hier—
nach wird in allen hierzu gehörigen Fällen über Leben und Tod nicht erſt
beim Auftauen entſchieden, ſondern der Erfolg iſt ſchon im gefrorenen
Zuſtande unabänderlich beſtimmt. Ich habe geltend gemacht, daß mit
dem Ausfrieren des Saftes aus den Zellen vielfach ein derartiger Waſſer—
verluſt für dieſelben verbunden iſt, daß allein dadurch der Tod der
Zelle eintreten muß. Waſſer iſt eine Lebensbedingung für alle Zellen
der von Natur ſaftreichen Organe, wie der Stengel und grünen Blätter.
Sinkt ihr Waſſergehalt unter einen gewiſſen Grad, ſo iſt dies für
ſolche Zellen unfehlbar tödlich, wie es ja allbekannt iſt, daß Stengel
und Blätter, ſobald ſie durch Waſſermangel längere Zeit bis zu einem
gewiſſen Grade abgewelkt ſind, ſicher abſterben, auch wenn man dann
für ausgiebige Waſſerzufuhr ſorgt. Genau derſelbe Zuſtand der
Waſſerentziehung findet ſtatt, wenn die Pflanzen durch intercellulare
Eisbildung gefrieren, indem dabei die Zellen oft vollſtändig zuſammen⸗
trocknen und einſchrumpfen, wie oben beſchrieben worden iſt. Die Er—
klärung des Froſttodes in den weitaus meiſten Fällen wird alſo die
ſein, daß der Tod jedesmal eintreten muß, ſobald durch das Aus—
frieren des Saftes aus den Zellen der Waſſergehalt der letzteren unter
das für ſie erträgliche Minimum geſunken iſt. Es iſt nicht ſchwer,
eine überzeugende Beſtätigung dieſer Erklärung zu finden, ſobald man
nur zur Froſtzeit die im Freien wirklich gefrorenen Blätter genauer
unterſucht. Man findet dann oft, daß ſie beziehendlich die gefrorenen
Stellen derſelben ſchon während des Froſtes völlig dürr wie Heu ſind. Da
nämlich der Saft in den Blättern ſich nach gewiſſen Stellen, wo
die Eisbildung beginnt, hinzieht und dort auskriſtalliſiert, jo verlieren
eben dadurch die Zellen ihr Waſſer bis zur Vertrocknung des Ge—
webes. Es kommt weiter hinzu, daß die aus den Geweben aus⸗
kriſtalliſierten Eiskriſtalle mit der Zeit ſchwinden, da ſie den Imbibi⸗
tionskräften der Zellen entzogen ſind und da ja das zu Eis kriſtalliſierte
Waſſer an der Luft allmählich auch verdunſtet. Auch aus dieſem
Grunde werden namentlich dünne Blätter, die längere Zeit im ge-
frorenen Zuſtande verharren, trocken wie Heu, und bleiben dies natürlich
auch bei Wiedererwärmung, da ja ein weſentlicher Teil ihres Waſſers
auf die oben angegebene Weiſe verloren worden iſt. So iſt es wohl
auch kaum zweifelhaft, daß oft die Spitzen der Bäume und Sträucher
wegen dieſer Austrocknung, in die der dauernd gefrorene Zuſtand
194 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
I) Landwirtſch. Jahrbücher 1886, pag. 459 ff.
2. Kapitel: Die Temperatur 195
ſchließlich übergeht, abſterben, daß alſo auch ihnen das Gefrorenſein
ſelbſt ſchon tödlich it‘). Vielleicht beruht auch die von Gdppert?)
gemachte Beobachtung, daß wiederholtes Auftauen und Gefrieren
tötete, während einmaliger Froſt dieſe Folge nicht hatte, darauf, daß
dabei endlich zu viel Waſſer verloren geht, da es nicht wieder erſetzt
wird. Jetzt wird es auch erklärlich, warum alle von Natur ſaftarmen
Pflanzenteile ſehr widerſtandsfähig gegen den Froſt ſind, worin die
trockenen Samen obenan ſtehen. Denn erjtens ſind eben die Zellen
ſolcher Pflanzenteile von Natur fähig, in einem äußerſt waſſerarmen
Zuſtande am Leben zu bleiben, und zweitens kann überhaupt von
einem eigentlichen Ausfrieren von Saft bei ſo waſſerarmen Teilen nicht
die Rede ſein.
III. Verſchiedene Empfindlichkeit der Pflanzen
gegen Froſt.
Die vorhergehenden Zeilen enthalten bereits die genügende Er—
klärung dafür, daß ſich in der Pflanzenwelt eine jo große Verſchieden- gegen Froſt.
heit in der Widerſtandsfähigkeit gegen Froſt bemerkbar macht. Wenn
man weiß, daß Kälte an und für ſich für das lebende Protoplasma
keine Todesurſache iſt, ſondern daß nur der mit dem Auskriſtalliſieren
von Waſſer aus dem Protoplasma notwendig verbundene Waſſer—
verluſt zur Todesurſache bei der Einwirkung des Froſtes wird, ſo hat
es keinen Sinn, mit Göppert von einer verſchiedenen Empfindlichkeit
des lebenden Protoplasmas dei den einzelnen Pflanzenarten zu reden.
Maßgebend dafür, wie leicht ein Pflanzenteil dem Froſt erliegt, wird
nur ſein, wie groß der natürliche Waſſergehalt des betreffenden Teiles
zur Zeit iſt und einen wie großen Waſſerverluſt derſelbe in dem augen—
blicklichen Zuſtande ſeines Lebens verträgt. Beſonders der letzte Punkt
wird der entſcheidende bei der Froſtempfindlichkeit ſein. Indem man
dieſes Moment ſich nicht genügend klar machte, hat man nach anderen
Bedingungen der Widerſtandsfähigkeit geſucht, ohne dabei zu einem
greifbaren Reſultate zu kommen. Hoffmann?) hat vergeblich den
Gehalt der Baumzweige an mechaniſch gebundenem Waſſer als maß—
gebend nachweiſen zu können verſucht, denn dieſer Gehalt erwies ſich
dabei nicht als Maßſtab für die Froſtempfindlichkeit. Und wenn
Sorauer) betont, daß nicht bloß das einzelne Individuum, ſondern
ſelbſt jeder Zweig einer Holzpflanze in geſtaltlicher, anatomiſcher und
) Vergl. auch Göppert, Wärmeentwickelung, pag. 60.
MI. e. pag. 131.
3) Ein negatives Reſultat, 1882.
) Pflanzenkrankheiten, 2. Aufl. I, pag. 362.
14 *
Tödliche Kälte-
grade.
Bei
Tropenpflanzen.
196 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
ſtofflicher Beziehung ſeinen beſonderen Charakter hat, der von allerhand
äußeren Faktoren mit bedingt wird, ſo iſt mit dem bloßen Hinweis
auf dieſe allbekannten Thatſachen noch in keiner Weiſe eine Beziehung
zur Widerſtandsfähigkeit gegen den Froſt erwieſen.
Die Fähigkeit, einen großen Waſſerverluſt ohne Schaden zu er—
tragen, iſt nicht näher erklärbar. Sie ändert ſich mit dem allgemeinen
Lebenszuſtande der Pflanze; ſie iſt am größten in dem Zuſtande der
natürlichen Vegetationsruhe, wo von ſelbſt die Gewebe des größten
Teiles ihres mechaniſch gebundenen Waſſers ſich entledigen; ſie wird
alſo auch allmählich ſich ſteigern, je mehr der betreffende Pflanzenteil
in dieſen Zuſtand übergeht. Von dieſem Geſichtspunkte aus ſind alle
folgenden Angaben über die verſchiedene Froſtempfindlichkeit der
Pflanzen zu erklären, ſo weit ſie überhaupt auf Beſchädigungen durch
wirkliches Gefrieren und nicht auf bloße Störungen gewiſſer Lebens—
prozeſſe wegen Wärmemangels zurückzuführen ſind.
Daß Temperaturen nahe über 0° ſchon für Pflanzen tödlich fein
ſollen, giebt Göppert!) für Pflanzen des Tropenklimas an. Er fand
verſchiedene derartige Pflanzen ſchon beſchädigt, während die Tem—
peratur nie unter Null ſank, ſich aber auch nicht über + 3° erhob,
und zwar Arten mit weicheren, krautigen Blättern ſchon nach einem
Tage, indem die Blätter ſchwarzfleckig wurden, ſich zuſammenrollten
und bald abfielen, dagegen Arten mit Blättern von feſterer Struktur
erſt nach mehreren Tagen, während Polypodium aureum und Kaktus⸗
arten gar nicht gelitten hatten. Ebenſo wurden nach Hardy?)
tropiſche Pflanzen, die ins freie Land geſetzt und durch Decken vor
Wärmeausſtrahlung geſchützt worden waren, bei +5° oder r 35,
viele bei + 1° getötet. Sachs?) hat aber mit Recht hier eingewendet,
daß dabei von einem Froſttode nicht die Rede ſein kann, ſondern daß wegen
der Kälte des Bodens (beſonders bei ins Freie geſetzten Topfpflanzen)
die Wurzelthätigkeit ſoweit ſiſtiert ſein mußte, daß die Blätter ver—
darben. De Vries) hat Blätter von Bixa Orellana und Crescentia
kurze Zeit in ſchmelzenden Schnee gelegt und keinen Schaden bemerkt.
Göppert?) ſelbſt konſtatiert, daß wenigſtens einzelne tropiſche und
ſubtropiſche Pflanzen das Erſtarren der Säfte zu Eis bei — 4°, und
dann bei — 7° einige Stunden lang ohne Schaden ertragen.
1) Wärmeentwickelung an den Pflanzen, pag. 43.
2) Bot. Zeitg. 1854, pag. 202.
3) Lehrb. d. Botanik, 4. Aufl., pag. 705.
4) Archives neerland. d. sc. exact. et nat. 1870, pag. 389.
5) Bot. Zeitg. 1874, pag. 43.
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2. Kapitel: Die Temperatur | 197
Für alle nicht der heißen Zone angehörige Pflanzen find aus-
nahmslos erſt Temperaturen unter dem Gefrierpunkt tödlich. Doch
zeigen auch dieſe Pflanzen nach dem verſchiedenen Klima ihres Vater—
landes und je nach ihrer verſchiedenen Organiſation und ihren wechſeln—
den Lebenszuſtänden ungleiche Emfindlichkeit. Nach Göppert's)
Aufzeichnungen gehen auf freiem Terrain, ohne Schutz von Bäumen ꝛc.,
ſchon bei dem geringſten Froſte viele unſerer exotiſchen Sommergewächſe
ſicher zu Grunde, und zwar bei. — 1 bis 1,5 Coleus Verschaffeltii;
bei — 1,5 erfrieren die Blätter von Cucumis sativus, Cucurbita Pepo,
Phaseolus nanus, bei — 2° 3. B. Canna indica, Georgina variabilis;
bei — 2 bis 3° Zea Mays, Chenopodium Quinoa, Solanum lycopersi-
cum, Tropaeolum majus, Ricinus communis; bei — 4° Atropa Bella-
donna, Phytolocca ete. Dagegen ertragen viele unſerer einheimiſchen
Pflanzen, z. B. Senecio vulgaris, Stellaria, Capsella bursa pastoris,
Wurzelblätter von Brassica oleracea, von Dipsacus fullonum, Semper-
vivum- und Sedum- Arten, ſelbſt ohne Schneebedeckung — 10°, wie ich
ſelbſt beobachtet habe, und Göppert hat ſolche und ähnliche noch bei
— 15° nicht geſchädigt geſehen, ja alpine Saxifragen ohne Schnee
ſelbſt — 20 bis 25° ertragen ſehen. In der Polarzone ertragen die
über den Schnee hervorragenden Stämme der Holzpflanzen und die
auf ihnen wachſenden Flechten die höchſten bis jetzt beobachteten Kälte—
grade, — 40 bis 47°. Und auch in unſeren Breiten iſt die heftigſte
Winterkälte nicht im ſtande, den meiſten Bäumen und den auf ihren
Stämmen wachſenden Mooſen, Flechten und holzigen Schwämmen,
ſowie den an ſchneefreien Felszacken unſerer höchſten Gebirge wachſen—
den Flechten Schaden zuzufügen. Alle dieſe für die Überdauerung des
Winters beſtimmten Pflanzenteile gehen vor Eintritt der kalten Jahres—
zeit jedesmal in einen für die Ertragung des Froſtes beſonders geeig—
neten Zuſtand über; derſelbe beruht hauptſächlich, wenn nicht allein,
auf einer Verminderung des Waſſergehaltes der Zellen. Man kann es
darum als einen allgemeinen Satz hinſtellen, daß Pflanzenteile mit
ſaftreichen Geweben dem Froſt am leichteſten erliegen, und ihm um ſo
beſſer widerſtehen, je ſaftärmer, relativ trockener ſie ſind. Für dieſen
alten Erfahrungsſatz giebt es eine Menge Belege. Den geringſten
Waſſergehalt unter allen Pflanzenteilen haben reife, lufttrockene Samen,
und dieſe zeigen auch die größte, vielleicht eine unbegrenzte Wider—
ſtandsfähigkeit gegen niedere Kältegrade, während ſie im waſſerhaltigen
(gequollenen) Zuſtande ſehr leicht erfrieren?). Die Winterknoſpen
) Sitzungsber. d. ſchleſ. Geſellſch. f. vaterländiſche Kultur, 14. Dez. 1874.
2) Göppert, Wärmeeutwickelung, pag. 48 ff.
Bei nicht
tropiſchen
Pflanzen.
198 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
unſrer Gehölze haben ſehr waſſerarme Gewebe, im Holze der Stämme
und Zweige iſt im Winter die Saftleitung unterdrückt, und auch die Rinde
und die nicht thätige Cambiumſchicht ſind dann faſt ſaftlos; von den
wintergrünen Blättern gilt das nämliche. Alle dieſe Teile widerſtehen
aber auch den härteſten Wintern gut. Pflanzenteile dagegen, welche
in Vegetation begriffen ſind, ſind ſaftreich. Daher werden unſre ein—
heimiſchen Kräuter, wenn ſie ſpät entwickelt ſind und noch in voller
Vegetation vom Winter überraſcht werden, durch ſtarke Fröſte getötet.
Auf dieſe Weiſe iſt es auch zu erklären, daß Obſtbäume und Wein—
ſtöcke nach kühlen Sommern und kurzen Herbſten, in denen die Pflanze
den normalen Abſchluß der Vegetation und die genügende Aus—
reifung des Holzes nicht erreichen kann, größeren Kältegraden nicht zu
trotzen vermögen; die dann eintretenden Beſchädigungen ſind alſo
weniger durch allzugroße Winterkälte als durch die Abnormität des
vorausgegangenen Sommers und Herbſtes verurſacht. Vielleicht iſt
auch der Grund, warum Gehölze ſüdlicher Länder in nördlicheren Gegen—
den im freien Lande nur unter Decke oder auch nicht einmal unter
dieſer durch den Winter zu bringen ſind, nur in dem Umſtande zu
ſuchen, daß dieſe Pflanzen überhaupt nicht die vollſtändige Ausreifung
und den winterlichen Ruhezuſtand in ihren Geweben erreichen, der zur
Ertragung des nordiſchen Winters erforderlich iſt. Etwas Ahnliches
iſt die Empfindlichkeit der Wurzeln gegen Kälte, ſelbſt bei ſolchen
Pflanzen, deren oberirdiſche Teile winterbeſtändig find. H. v. Mohl)
hat gezeigt, daß die Baumwurzeln, durch den Boden gegen die Kälte
geſchützt, während des Winters nicht wie die oberirdiſchen Teile in
Vegetationsruhe übergehen, ſondern daß ihre Cambiumſchicht bis
zu Ende des Winters ſaftreich und in zellenbildender Thätigkeit
bleibt. In Übereinſtimmung damit aber beobachtete er auch, daß die
Wurzeln außerhalb des Bodens durch Kältegrade getötet wurden,
denen die oberirdiſchen Teile leicht widerſtehen (Eſchen, Eichen ꝛc. bei
— 11 bis 13 R., Apfelbaumwurzeln ſchon bei — 5 R.). Ahnlich
verhalten ſich unterirdiſche Teile krautartiger Pflanzen, wie Wurzeln,
Wurzelſtöcke und Zwiebeln, die nur durch den Schutz des Bodens und
Schnees ſich erhalten, an der Luft aber ſchon von mäßigen Kältegraden
getötet werden?). Hier findet wohl auch das eine befriedigende Er—
klärung, was Göppert?) als eine Verzärtelung der Pflanzen in den
Gewächshäuſern bezeichnete, womit er das leichtere Erliegen derſelben
1) Bot. Zeitg. 1862, Nr. 39.
2) Göppert, Sitzber. d. ſchleſ. Geſ. f. vaterl. Kultur, 14. Dez. 1874.
3) Wärmeentwickelung, pag. 63.
2. Kapitel: Die Temperatur 199
beim Froſte im Sinn hatte; es kann dies wohl nur daher rühren,
daß die Triebe in der feuchten Luft der Gewächshäuſer ſaftreicher und
zarter ſind, indem die höhere Temperatur ſie nicht zu einem völligen
Abſchluß der Vegetation gelangen läßt. Jene Thatſache iſt übrigens
auch von Haberland) konſtatiert worden: Weizen, Gerſte,
Wicken u. a., die im Warmkaſten bei 20—24 C. gezogen worden
waren, erfroren bei — 6° C., dieſelben im Kalthauſe bei 10—12° C.
gezogen, gingen erſt bei — 9 bis — 12 C. zu Grunde. Auffallend
iſt die große Reſiſtenz vieler niederen Pflanzen; Mooſe dürften kaum
durch die Winterkälte getötet werden; Göppert hat mehrere Laub—
mooſe durch künſtliche Kältemiſchung bis auf — 36° abgekühlt, ohne
daß dieſelben Schaden litten. Selbſt ſaftige Lebermooſe, wie Pellia,
Marchantia, können an ſchneefreien Stellen hart gefrieren, ohne getötet
zu werden. Es dürfte dies wohl damit zuſammenhängen, daß Mooſe
vollſtändig eintrocknen können, ohne dadurch ihre Lebensfähigkeit zu
verlieren. Diatomaceen ſollen — 20 R. lebend ertragen?), während
Spirogyren und Konferven ſchon nach Erſtarren der Flüſſigkeit ſterben
ſollen. Doch ſah Dodel-PBort?) Ulothrix zonata ohne Schaden ein-
frieren. Nach Schumacher) ſind Hefezellen nach einer Abkühlung
mittelſt Kältemiſchung auf — 113 C. noch ſproſſungsfähig. Unter
den Pilzen ſind die perennierenden, feſteren, lederartigen und holzigen
Hymenomyceten, welche ohne Schneeſchutz an Baumſtämmen wachſen,
gegen die ſtärkſte Winterkälte unempfindlich. Die waſſerreichen fleiſchigen
Pilzformen ſind zwar minder reſiſtent; allein auch von ihnen iſt nach—
gewieſen, daß ſie ſteif gefrieren und nach dem Auftauen fortleben
können, wie dies Schmitzs) bei Agaricus fascicularis und Fries“) bei
vielen andern beobachtete, die in dieſem Entwickelungszuſtande den
ſkandinaviſchen Winter ohne Schaden überſtehen. Minder auffallend
ſcheint die große Unempfindlichkeit der Flechten, welche auf ihren Stand—
orten an Baumſtämmen und an ſchneefreien Felſen des äußerſten
Nordens und der höchſten Gebirge die ſtärkſten natürlichen Kältegrade
ertragen, denn dieſe Pflanzen ſind ja überhaupt ſehr waſſerarm und
können bekanntlich vollſtändig austrocknen und dennoch wieder auf—
leben, ſobald ihnen wiederum Waſſer zugeführt wird.
— —
) Centralbl. f. Agrikulturchemie 1., pag. 469.
2) Schumann, Schriften d. ökon.-phyſik. Societ. Königsberg 1862,
2. Heft.
3) Bot. Zeitg. 1876, Nr. 12. .
) Sitzungsber. d. k. k. Akad. d. Wiſſenſch. Wien, 11. Juni 1874.
5) Linnaea 1843, pag. 445.
6) Ann. des sc. natur. T. XII, pag. 5.
Akklimatiſation.
Aufziehen der
Saaten durch
den Froſt.
200 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
An die Betrachtung der vorerwähnten Thatſache ſchließt ſich die
Frage, ob es möglich iſt, die Froſtempfindlichkeit der Pflanzenarten zu
vermindern oder mit andern Worten: Pflanzen wärmerer Klimate bei
uns zu akklimatiſieren. An dem einzelnen Individuum iſt das
natürlich nicht möglich, ebenſo wenig an den durch Stecklinge ge—
wonnenen Pflanzen, da dieſe alle Eigenſchaften der Mutterpflanze bei—
behalten. Wohl aber iſt dieſe Möglichkeit gegeben bei der Züchtung
von Varietäten aus Samen. Denn es treten bei der geſchlechtlichen
Fortpflanzung neben den Artverſchiedenheiten auch individuelle Ver—
ſchiedenheiten auf; es variieren nicht bloß morphologiſche, ſondern
auch phyſiologiſche Eigentümlichkeiten, und unter dieſen auch die Wider—
ſtandsfähigkeit gegen Froſt!); jo ergeben ſich härtere Varietäten, welche
einer gewiſſen Kälte noch widerſtehen, welcher die andern ſchon erliegen.
Durch Ausleſe ſolcher härteren Varietäten und Weiterzüchtung der—
ſelben kann alſo innerhalb gewiſſer Grenzen eine Akklimatiſation be—
wirkt werden.
IV. Lokale Beſchädigungen durch den Froſt an den
Pflanzen.
Nicht immer wird die ganze Pflanze vom Froſte getötet, ſehr oft
beſchränken ſich die Froſtbeſchädigungen auf einzelne Stellen der im
übrigen am Leben bleibenden Pflanzenteile und man findet dann,
wenn längſt der Froſt vorüber iſt, im Sommer oder ſelbſt nach noch
längerer Zeit an der lebenden Pflanze ſchadhafte Stellen, welche auf
die Einwirkung von Winter- oder Frühjahrsfröſten zurückzuführen find.
Wir ſtellen im folgenden verſchiedene Erſcheinungen zuſammen, welche
ſich am beſten unter dieſem Geſichtspunkt vereinigen laſſen.
1. Das Aufziehen der Saaten durch den Froſt oder das
Auswintern bezeichnet eine ſeit langer Zeit bekannte und von den
Schriftſtellern erwähnte Erſcheinung?). Wenn wiederholt Froſt und Er—
wärmung ſchnell mit einander abwechſeln, ſo taut die oberſte Erdlage
auf und erfüllt ſich mit Waſſer; wenn dieſes in der Nacht wieder ge—
friert, ſo hebt es die obere Erdrinde und damit auch die in dieſer
befindliche junge Pflanze in die Höhe. Dieſe Hebung iſt wohl teils
auf die Ausdehnung des gefrierenden Waſſers überhaupt, teils auf
die oben (S. 184) erwähnte Bildung nadelförmiger, den Boden heben—
) Vergl. Noll, Landwirtſch. Jahrbücher 1885, pag. 707.
2) Vergl. Göppert, Wärmebildung, pag. 235. Treviranus, Phyſio⸗
logie der Gewächſe II., pag. 707. Kühn, Krankheiten der Kulturpflanzen,
pag. 11. Breymann, Auswintern des Weizens, des Rapſes und des Rot⸗
klees. Centralbl. f. Agrikulturchemie 1881.
EN
2. Kapitel: Die Temperatur 201
der Eiskriſtalle zurückzuführen. Wenn dann bei Tage die Erde auf—
taut, ſo ſetzt ſie ſich wieder; die Pflanzen aber können nicht wieder
zurück, und indem ſich dies mehrmals wiederholt, iſt endlich die Pflanze
mehr oder weniger herausgehoben, die Wurzeln liegen bloß und ſind
zum Teil abgeriſſen, wenn die gefrorene tiefere Bodenſchicht ihre
Spitzen zurückhielt. Das beſte Vorbeugungsmittel dürfte eine früh—
zeitige Ausſaat ſein, welche eine genügend kräftige Bewurzelung der
jungen Getreidepflanzen vor dem Winter geſtattet; ſehr poröſer und
feuchter, nicht drainierter Boden wird das Übel begünſtigen. Auf—
gezogene Saaten müſſen bald nach Weichen des Froſtes und der Näſſe
gewalzt werden, um die Pflanzen anzudrücken und die Bildung neuer
Wurzeln zu veranlaſſen.
2. Dürre, mißfarbige Blattflecken. Die exponierteſten
Stellen der jungen Blätter ſich öffnender Knoſpen erfrieren oft für ſich
allein bei Frühjahrsfröſten, während der übrige Teil des Blattes nicht
beſchädigt wird und ſich weiter ausbildet. Aus dieſem Grunde ſind
an den zeitig ausſchlagenden Holzpflanzen oft die Blattſpitzen der
erſten, älteſten Blätter dürr, braun oder ſchwärzlich, ebenſo am Ge—
treide die älteſten Blätter an der Spitze oder bis zur Mitte oder bis
zur Blattſcheide abgeſtorben, dürr, bleich oder bräunlich, im übrigen
Teile geſund und grün; und ähnliches zeigen auch die Blätter zeitiger
Kräuter. Bei Bäumen mit gefalteter Knoſpenlage bekommen die
Blätter auf den erhabenen Falten zwiſchen den Nerven in einer Reihe
ſtehende braune, trockene Stellen, endlich Löcher oder zuſammenhängende
Spalten, die bis an den Rand gehen können. So hat A. Braun)
zuerſt aufmerkſam gemacht auf die Einwirkung des Froſtes auf die
noch gefalteten Blättchen von Aesculus Hippocastanum, wodurch an
denſelben verſchiedenartige fiederſpaltige Bildungen eintreten, was man
faſt in jedem Jahre bei uns ſehen kann. An Acer campestre und
platanoides fand ich ſolche Beſchädigungen in der Blattfläche zwiſchen
den handförmigen Hauptrippen, alſo ebenfalls an den Stellen, wo
das junge Blatt gefaltet iſt, in allen Übergängen von der bloßen,
durch graue Färbung angedeuteten Verderbnis der Oberhaut bis zu
völlig dürren oder durchlöcherten Stellen, zugleich mit ebenſolchen Be—
ſchädigungen am Blattrande und anderen Stellen der Blattfläche, wo—
durch es unzweifelhaft war, daß es ſich hier um Wirkungen des Froſtes,
nicht um Verwundungen durch den Wind oder andre Einflüſſe handelte.
Bei Polygonum orientale, wo die Lamina der jungen Blätter von
beiden Rändern her eng eingerollt iſt, werden durch den Froſt die
) Monatsber. d. Akad. d. Wiſſ. Berlin 18. Juli 1861.
Dürre
Blattflecken.
Abfrieren der
Triebe bei den
Holzpflanzen.
Erfrieren der
Baumblüten.
202 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
momentan auswendig befindlichen Teile der Rollen beſchädigt; ich ſah
infolgedeſſen ſpäter am übrigens geſunden und entfalteten Blatte in
beiden Hälften der Blattfläche, ſtets gleichweit von der Mittelrippe, je
einen bis zur Blattſpitze laufenden Streifen brauner Flecken oder
Löcher. Über die Meinung anderer Beobachter, welche alle dieſe Er—
ſcheinungen für Wirkung des Windes erklärten, iſt das Kapitel über
die Luftbewegungen zu vergleichen. — Auch ſchon weiter ausgebildete
Blätter können durch Froſtwirkung an ihren Rändern vertrocknen oder
auch auf ihrer Fläche kleine graue Flecken bekommen, an welchen die
Epidermis abgeſtorben und vertrocknet, oft auch die Zellen des darunter
liegenden Meſophylls zuſammengeſchrumpft ſind und weite lufthaltige
Lücken zwiſchen ſich bilden; es ſind die Stellen, wo beim Gefrieren
Eisbildung ſtattfand (S. 181). Solche Stellen können ſich mitten im
geſunden Gewebe befinden, wie denn überhaupt an demſelben Blatte
geſunde und erfrorene Stellen mit einander abwechſeln können, was
dann den ganzen Sommer über ſtationär bleibt. Beſonders ſind an
zeitigen Frühjahrspflanzen ſpäter oft alle Übergänge zwiſchen teilweiſe
und ganz durch Froſt verdorbenen Blättern zu finden.
3. Abfrieren der jungen Triebe und Triebſpitzen bei
Holzpflanzen. Die diesjährigen jungen Triebe der Holzpflanzen
können durch Maifröſte vollſtändig verloren gehen. Der Verluſt der—
ſelben durch Froſt hat dann dieſelben Folgen wie der durch Ver—
ſtümmelung, d. h. es werden aus Knoſpen an der Baſis des erfrorenen
Triebes Erſatztriebe gebildet, deren verſchiedener morphologiſcher
Charakter bereits oben (S. 93 ff.) bei Gelegenheit der Verſtümmelung
erörtert worden iſt. Selbſtverſtändlich findet dies nur dann ſtatt, wenn
der ganze Sproß gleich nach dem Ausſchlagen durch den Froſt getötet
worden iſt, während wenn an dem ſchon weiter ausgebildeten Sproſſe
der Froſt nur das Laub getötet hat, ein proleptiſcher Ausſchlag der
Knoſpen dieſes diesjährigen Sproſſes ſtattfinden kann.
Ein Abfrieren der Zweigſpitzen tritt als regelmäßige Erſcheinung
alljährlich im Herbſte in unſerem Klima ein an denjenigen Holz-
pflanzen, für welche unſre Sommer zu kurz find, um ihre voll
ſtändige Entwickelung zu ermöglichen, ſo daß der Froſt die noch
nicht ausgereiften Triebſpitzen tötet, wie es beſonders bei Morus,
Broussonetia, Robinia bei uns, aber nicht im Süden vorkommt!)
4. Erfrieren der Obſtbaumblüten, weißſpitzige Roggen—
ähren. Da unſere Obſtbäume im Frühjahre vor der Belaubung
\
) Mohl, Bot. Zeitg. 1848, pag. 6.
2. Rapitel: Die Temperatur 203
blühen, jo find ihre Blüten durch Frühjahrsfröſte mehr gefährdet, als
die erſt ſpäter erſcheinenden Laubtriebe, und es gehört bekanntlich nicht
zu den Seltenheiten, daß die eben ſich öffnenden Blüten durch einen
Froſt zerſtört werden, während dabei alle übrigen Teile des Baumes
nicht leiden. Selbſtverſtändlich kann ſolches auch bei andern früh—
blühenden Gehölzen vorkommen.
Bisweilen ſieht man viele oder faſt alle Ahren eines Roggenfeldes Weißſpitzige
mit weißen Spitzen, indem die oberſten Blüten oder ſogar die Blüten e
in der ganzen oberen Hälfte der Ahre tot ſind und keine Körner pro—
duzieren. Es rührt dies daher, daß zur Zeit, wo die noch weiche
junge Spitze der Ahre eben aus der oberſten Blattſcheide hervorkam,
ein Froſt auftrat, durch welchen der nicht geſchützte hervorſtehende
Teil der Ahre beſchädigt wurde. Die in der Scheide verborgen ge—
weſenen und dadurch geſchützt gebliebenen Teile der Ahre kommen
ſelbſtverſtändlich hinterher unbeſchädigt zum Vorſchein. Die weißen
toten Spitzen bleiben dann natürlich dauernd ſichtbar.
5. Beſchädigung der Rinde und des Holzes der Bäume Erfrieren der
durch Froſt; Rindenbrand, Froſtkrebs ꝛc. Sehr mannigfaltig e
ſind die lokalen Beſchädigungen, welche der Froſt an den Stämmen Bäume.
und Zweigen der Holzpflanzen hervorbringt. Die krankhaften Stellen,
welche auf dieſe Weiſe an den genannten Pflanzenteilen entſtehen,
werden von den Praktikern mit verſchiedenen Namen belegt. Wir
werden im Nachfolgenden dieſe Erſcheinungen, ſo weit als es ihrer
Natur nach möglich iſt, von einander unterſcheiden und für ſich ge—
ſondert betrachten.
a) Rindenbrand oder Brand ſchlechthin bezeichnet den Zuſtand, Rindenbrand.
wo an den Stämmen oder Aſten der Bäume kleinere oder größere
Rindenpartien zuſammentrocknen, ſo daß man ſie vom Holzkörper los—
brechen kann. Sie werden eigentlich erſt im Frühling oder Sommer
bemerkbar, indem dieſe Rindenſtellen dann ihren Saft ſoweit verloren
haben, daß ſie nun abgeſtorben, gebräunt und zuſammengetrocknet er—
ſcheinen. Solche Brandſtellen umfaſſen oft einen großen, bisweilen
meterlangen, verſchieden breiten Rindenſtreifen. Aber an dünneren
Stämmchen und Aſten kommen auch kleinere Brandſtellen vor, die
ſogenannten Froſtplatten, wo in der im übrigen geſunden Rinde an
einem Punkte, bisweilen rings um eine Knoſpe herum, die Rinde einge—
ſunken und ganz glatt oder etwas faltig ausgetrocknet iſt (Fig. 27 Ja)
Nach geringfügigere Beſchädigungen der Rinde find die von Sorauer!)
. ) Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 317, und Zeitſchrift f. Pflanzen—
1 krankheiten I. 1891, pag. 137.
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204 III. Abſchuitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
als Froſtblaſen, Froſtrunzeln und Froſtſchorf bezeichneten Er—
ſcheinungen, die an jungeren Apfel- und Birnſtämmchen ſich zeigen:
kleine Erhabenheiten, die mehr oder weniger zuſammenfließen und dann
durch Längs- und Querriſſe zerklüftet ſein können, wodurch die Rinde
zu einer ſchuppig gefelderten, ſchorfartigen Maſſe wird. Es zeigen ſich
an dieſen Stellen in der äußeren primären Rinde Stellen toten ge—
bräunten Gewebes, oft mit tangentialen Spalten in der Mitte; dieſe
Stellen ſind ſpäter von Kork umwallt und dadurch vom lebenden
Rindengewebe abgegrenzt; oft hat auch eine Reaktion des lebenden
Gewebes gegen dieſe toten Stellen hin in der Weiſe ſtattgefunden, daß
ein neues Teilungsgewebe gebildet wurde, welches radiale Zellreihen
erzeugte, oder daß die Zellen radiale Streckungen gegen die tote Stelle
hin zeigen; dadurch werden die Erhabenheiten der Oberfläche und die
Zerreißungen der Korkſchicht hervorgebracht; die tieferen Lagen der
Rinde können aber dabei geſund geblieben ſein und die Stämme ſtoßen
in ſpäterem Alter den Schorf ab.
Daß der Froſt ſowohl die großen wie die kleinen Rindenbrand—
ſtellen verurſachen kann, unterliegt keinem Zweifel. Die Stämme zeigen
dieſe Beſchädigungen oft auf der Südſeite, weil hier durch die Früh—
jahrsſonne oder auch ſchon durch die Winterſonne die Lebensthätigkeit
der Rinde zuerſt geweckt wird und die Rinde in Saft tritt, ſo daß
dann Fröſte an dieſer Seite tödlich werden müſſen. Übrigens iſt es
Sorauer) gelungen, durch künſtliche Kälte an Obſtbaumzweigen
Ende Mai die gleichen lokalen Beſchädigungen, wie wir ſie als Froſt—
platten beſchrieben haben, zu erzeugen.
In der That hat auch Müller-Thurgau?) Mitte März an den
Stämmen von Prunus domestica gefunden, daß der Waſſergehalt der
Rinde auf der Südſeite 53,8 Prozent, auf der Nordſeite nur
48,5 Prozent betrug, während ein mit Schilf eingebundener Stamm
zu derſelben Zeit auf der Südſeite 51,5 Prozent, auf der Nordſeite
51,3 Prozent Waſſer enthielt. Beſtätigungen ſolcher Winterbeſchädi—
gungen der Baumſtämme an der Südſeite giebt Nördlinger).
Die Folgen des Rindenbrandes richten ſich nach der Tiefe, bis zu
welcher das Abſterben der Rinde erfolgt iſt, und natürlicherweiſe auch
nach der Ausdehnung, in welcher er an dem Stamme oder dem Aſte
aufgetreten iſt. Kleinere Froſtplatten zeigen oft nur die Außenſchichten
1) Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 430.
2) Deutſche allgem. Zeitg. f. Landwirtſch., Gartenbau und Forſtweſen.
30. Juli 1882.
3) Baumphyſiolog. Bedeutung des kalten Winters 1879/80. Illuſtrierte
Gartenzeitung 1881.
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47 a“ *
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2. Kapitel: Die Temperatur 205
der Rinde gebräunt und getötet, aber die inneren und namentlich
das Cambium unverſehrt. Dieſe ſind ungefährlich, denn hier ſetzt die
Cambiumſchicht ihre Thätigkeit in der Bildung von Holz und Rinde
normal fort, die Froſtplatte iſt nach einiger Zeit nicht mehr bemerkbar,
weil die abgeſtorbenen äußeren Rindenſchichten inzwiſchen durch die
neugebildeten nach außen gedrängt und mit in die Region der Periderm—
bildung übergegangen ſind. Einigermaßen große Brandſtellen aber
gehen bis auf das Cambium und den Splint, ſo daß auch dieſe Ge—
webe getötet ſind und daher ein bedenklicher Krankheitszuſtand vorliegt.
Selbſtverſtändlich hört dann in der ganzen Ausdehnung der Brand—
ſtelle das Dickenwachstum des Holzkörpers auf; ſo ſieht man z. B. in
unſerer Fig. 27,1 bei d eine ältere Brandſtelle in der Seitenanſicht in
Form einer Einbuchtung, weil an dieſer Stelle der Baum ſeit Jahren
keine neuen Verdickungsſchichten mehr unter der toten Rinde gebildet
hat; dafür hat er aber auf der geſunden Seite um ſo ſtärker Holz
angeſetzt und iſt deshalb tonnenförmig ausgebaucht. Bei größeren
Rindenbrandſtellen kommen in den folgenden Jahren immer tiefer in
den Stamm eindringende Zerſetzungserſcheinungen des Holzkörpers
(S. 106) hinzu, woran oft pflanzliche und tieriſche Feinde ſich be—
teiligen; beim Steinobſt ſtellt ſich oft in der Umgebung der toten
Stelle Gummifluß (S. 51) ein. Solche gefährliche Brandſtellen müſſen
bis aufs geſunde Holz ausgeſchnitten und dann mit Theer beſtrichen
werden. Wenn nicht, ſo geht die Zerſetzung des Holzkörpers immer
weiter und ſchließlich kann der ganze Stamm derart morſch werden,
daß der Sturm ihn umbricht. Iſt an den Aſten in einigermaßen
größerer Ausdehnung Rindenbrand eingetreten, ſo hat das oft den
baldigen Tod dieſer Aſte zur Folge; manchmal treiben wohl ſolche
Stämme und Aſte, die man ſchon durch den Froſt getötet wähnt, dann
doch noch Blätter und Blüten, freilich in verminderter Fülle; aber es
kommt auch vor, daß, nachdem die noch lebend gebliebenen Knoſpen
getrieben haben, doch im Sommer die Blätter ſchnell anfangen zu
welken und abzufallen und daß der Baum in demſelben Sommer oder
erſt nach mehrjährigem Siechtum eingeht. Bisweilen verheilt aber
auch eine ſolche bis aufs Cambium und auf den Splint getötete
Brandſtelle von ſelbſt durch Überwallungen (S. 74), welche ſich oft
unter der bedeckenden toten Rinde von den geſunden Rändern der
Stelle aus nach einer längeren Reihe von Jahren über den toten Teil
des Holzkörpers hinwegſchieben. Iſt dann auf dieſe Weiſe eine ſolche
Brandſtelle ganz verheilt, ſo findet man ſpäter auf dem Querſchnitte
des Stammes die betreffende Stelle wieder, indem etwas toter, dunkler
Splint und tote Rinde völlig von geſundem Holze überwachſen ſind;
206 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe e
Fig. 27.
Rindenbrand und Froſtkrebs der Obſtbäume. 1 Zweigſtück mit einer
jungen a und einer älteren Brandſtelle d. 2. Zweigſtück mit einer ge⸗
ſchloſſenen Krebsſtelle, wo die Überwallungsränder u bis zu einer Spalte
w fich ſchließen. 3. Querſchnitt durch eine große offene Krebsſtelle, Er⸗
klärung im Texte. Nach Sorauer.
2. Kapitel: Die Temperatur 207
und aus den Jahresringen des Überwallungsholzes kann man das
Jahr des ſtrengen Winters richtig ausrechnen (Buffon's und Du—
hamel's „verborgene Eisklüfte“, citiert bei Göppert, 1. c. S. 3).
b) Froſtkrebs. Was man bei den Bäumen generell Krebs Froſtkrebs.
nennt, unterſcheidet ſich vom Rindenbrand nur darin, daß an den
Rändern ſolcher toter Stellen üppige Überwallungswülſte vorhanden
ſind und zwar derart, daß bei fortgeſchrittenem Zuſtande mehrere
Überwallungswülſte ſich einander teraſſenförmig umgeben, weil nämlich
die einzelnen Überwallungswülſte meiſt nach ihrer Altersfolge immer wieder
abgeſtorben ſind und nur ein äußerſter, nämlich der, welcher augenblicklich
der jüngſte iſt, lebend vorhanden iſt. Die Urſache, daß auch die Über⸗
wallungswülſte immer wieder abſterben, iſt der in jedem Winter wieder—
kehrende Froſt, gegen den gerade die neugebildeten Überwallungswülſte
am wenigſten widerſtandsfähig find. Der Krebs charakteriſiert ſich
alſo als ein beſtändig erneuter, aber ſtets wieder fehlſchlagender Heilungs—
verſuch der Pflanze durch Überwallung und ſomit als ein oft be—
ſtändig weiter freſſendes übel. Man redet von offenem oder
brandigem Krebs, wenn eine mehr oder weniger große tote Central—
ſtelle bleibt, die von den Rändern her in der eben beſchriebenen Weiſe
terraſſenförmig umwallt iſt (Fig. 27,3); geſchloſſener Krebs heißt
derjenige, deſſen überwallungsränder die Wunde in kurzer Zeit bis
auf eine kleine Spalte ſchließen (Fig. 27,2); natürlich beſtehen zwiſchen
beiden Zuſtänden alle Übergänge. Fig. 27,3 zeigt eine große offene
Krebsſtelle im Querſchnitt; fie reicht bis auf das Mark m; ut, us,
uz ꝛc. find die Überwallungsränder der ſucceſſiven Vorjahre; nur der
diesjährige iſt mit- lebender Rinde (r) bekleidet; die anderen find alle
durch Froſtwirkungen getötet. Wenn eine Krebsſtelle endlich den ganzen
Umfang eines Stammes oder Aſtes umklammert hat, ſo ſtirbt ſelbſt—
verſtändlich der über der Krebsſtelle befindliche Teil ab.
Krebs kann durch verſchiedene Urſachen, zumal auch durch tieriſche Krebs der Obſt—
oder pilzliche Feinde, veranlaßt werden. Von den nicht durch Tem. baume.
peratureinflüſſe verurſachten Krebserſcheinungen wird daher auch erſt
an andrer Stelle dieſes Buches die Rede ein. Daß nun wirklich der
Froſt die Urſache des Krebſes ſein kann, darüber beſteht unter den
zuſtändigen Fachmännern kein Zweifel mehr. Es iſt nur in vielen
Fällen, wo von Krebs geredet wird, nicht erſichtlich, um welche
der möglichen Urſachen es ſich gehandelt haben mag. Beim Krebs der
Obſtbäume, beſonders der Apfelbäume (wo allerdings vielfach
auch die Blutlaus die Urſache iſt), haben Sorauer!) und
) Handb. d. Pflanzenkrankh. 1. Aufl., Berlin 1874, pag. 199, u. 2. Aufl.
pag. 399. Vergl. auch Tageblatt d. Naturf.⸗-Verſamml. zu Hamburg 1876.
208 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
Göthet) auch den Froſt als die Urſache feſtgeſtellt. Nach Sorauer er—
ſcheint das erſte Stadium des Froſtkrebſes als eine ſchwache Auf—
treibung, über welcher die alte Rinde geſprengt und lippenförmig ge—
ſpalten iſt; denn ſie ſtellt zwei überwallungsränder eines Spaltes dar,
welcher bis auf das junge Holz gedrungen war und dort eine braune,
tote Partie erkennen läßt. Beſonders häufig entſteht dieſe Beſchädigung
um die Knoſpen und die Baſis der Zweige, indem Rinde und Holz
hier am leichteſten durch den Froſt verwundet werden können. Darum
ſteht auch häufig in der Mitte einer offenen Krebswunde ein Zweig—
ſtumpf als kurzer, brauner Zapfen. Sorauer hat auch die Erklärung
für das leichte Gefrieren der Überwallungswülſte gegeben durch die
Beobachtung, daß in dieſen Wülſten der Holzkörper durch üppige
Jahresringbildung übermäßig verdickt iſt, wobei eine abnorm ſtarke
Wucherung von Holzparenchym zu bemerken iſt, welches hier vor den
normalen Beſtandteilen des Holzes vorwaltet und welches als be—
ſonders froſtempfindlich gelten darf. Auch in der Rinde der Krebs—
überwallungen iſt inſofern eine Abweichung zu finden, als die Hart—
baſtfaſern hier ſpärlicher als in der normalen Rinde auftreten. In
dieſem üppigen Wachstum und dieſer abnormen Struktur der Über-
wallungswülſte liegt der charakteriſtiſche Unterſchied vom Rindenbrand,
indem, wenn bei der letzteren Heilung durch Überwallung in Gang
kommt, die letztere ſchmalringig und von vorwiegend normal proſen—
chymatiſcher Struktur iſt. Die Weichheit des Gewebes der Krebs—
wucherungen zeigt ſich auch darin, daß nach Sorauer normales Holz
66,9 Prozent, Krebsholz nur 45,1 Prozent Trockenſubſtanz ergab.
Eine genügende Erklärung für die abnormen Bildungsthätigkeiten bei
dem Wachstum der Überwallungen des Froſtkrebſes iſt freilich noch
nicht gegeben worden. Ebenſo wird eine genügende Erklärung fehlen
für die Thatſache, wenn ſie ſich bewahrheitet, die von manchen Praktikern
behauptet wird, daß der Obſtbaumkrebs ſich bisweilen übertrage, indem
Edelreiſer, von einem krebsfreien Stamme entnommen, auf eine krebs—
kranke Unterlage gepfropft, ebenfalls mit Krebs behaftet werden; um—
gekehrt iſt auch behauptet worden, daß krebſige Edelreiſer die Unter—
lage anſtecken. Reiche Düngung ſoll die Dispoſition für Krebs er—
höhen. Man darf wohl mit Sorauer die Erklärung hierfür darin
finden, daß durch reichliche Gaben ſtickſtoffhaltiger Düngung die
Bildungsthätigkeit der Pflanze verlängert wird und daher die Pflanze
weniger ausgereift in den Winter kommt. Auch ſoll naſſer, kühler
1) Mitteilungen über den Krebs der Apfelbäume. Leipzig 1877, und
Froſtſchäden der Obſtbäume. Berlin 1883.
*
2. Kapitel: Die Temperatur 209
Standort den Krebs begünſtigen, vermutlich weil die Zellen ſolcher
Pflanzen ſaftreicher und dünnwandiger ſind. Auch ſoll übermäßiges
Zurückſchneiden der Obſtbäume zum Krebs geneigt machen, was
Sorauer aus einer erhöhten Produktion weichen Rindenparenchyms
bei ſolchen ſtark zurückgeſchnittenen Stämmen zu erklären ſucht.
Auch der Krebs der Rotbuche wird nach R. Hartig) durch . ee
Einwirkung des Froſtes veranlaßt. Nach dieſem Beobachter entſteht
an Buchen und andern Holzarten in Froſtlagen der Froſtkrebs durch
die Einwirkung der Mai- und Junifröſte. Es werden dadurch Zweige
getötet, und das Abſterben pflanzt ſich von der Baſis derſelben aus
weiter fort, wodurch Krebsſtellen rings um dieſelbe entſtehen. Am
Rande der Krebsſtelle bildet ſich ein Überwallungswulſt, und da die
Rinde desſelben anfänglich nur ein dünnes Periderm hat, ſo tötet ein
ſcharfer Froſt, wenn die Cambialthätigkeit bereits erwacht iſt, das
wenig geſchützte Cambium des Krebsrandes; daher vergrößert ſich die
kranke Stelle im ganzen Umfange. Außerdem nimmt Hartig an den
Buchen als Urſache des Krebſes ebenfalls Pflanzenläuſe und in einem
Falle auch Schmarotzerpilze an.
Der Krebs oder Grind des Weinſtockes tritt an den älteren Krebs
Stämmen, immer ungefähr 10—50 em vom Boden entfernt auf, in den ee
Form einer kleineren oder größeren tonnenförmigen Anſchwellung mit
perlartig unregelmäßiger Oberfläche, welche durch die der Länge nach
faſerig zerſchlitzte ältere Rinde hervortritt. Nach Göthe?) giebt ſich
dieſe Wucherung als Folge des Froſtes dadurch zu erkennen, daß an
derſelben Stelle der Holzkörper des Stammes eine längs verlaufende
Spalte und eine mehr oder weniger umfangreiche tiefe Bräunung zeigt;
die Spalten befinden ſich an der Grenze eines Jahresringes und deuten
darauf hin, daß ſie zur Zeit der Bildung des neuen Jahresringes
durch Tötung der Cambiumſchicht entſtanden ſind. Die perlartigen
Wucherungen ſind nach Göthe die von den geſunden Stellen aus ein—
geleiteten Überwallungen, deren eigentümliche Form dieſer Beobachter
als ein wirkliches Ineinanderhineinwachſen der üppigen Überwallungs⸗
wülſte erklärt. Nach Sorauers) find jedoch die Krebsknoten des
Weinſtockes keineswegs immer eigentliche Überwallungen, ſondern viel—
mehr oft unmittelbar lokale Wucherungen der Cambiumſchicht, die an
einzelnen Markſtrahlen beginnend, Komplex eparenchymatiſchen, weichen
1) Tageblatt der Naturforſcher-Verſamml. zu München 1877, pag. 207,
und Unterſuchungen aus dem forſtbot. Inſt. zu München I., pag. 135.
2) Mitteilungen über den ſchwarzen Brenner und den Grind. Berlin
und Leipzig 1878, pag. 28.
3) Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 417-420.
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 14
— . — —
Froſtſpalten.
210 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
Holzgewebes und eine entſprechende Wucherung von Rindengewebe,
welches durch die alte Rinde hervorbricht, produziert. Ahnliche Krebs—
knoten hat Sorauer (J. c.) auch an Spiraea opulifolia beobachtet.
Sind die Krebsſtellen nur geringfügig, ſo bleibt ein ſolcher Stamm
am Leben, bei ſtarker Entwickelung der Geſchwulſt ſtirbt der Stamm
oberhalb derſelben ab. Dafür, daß der Krebs am Weinſtock durch
Verletzuug der Cambiumſchicht durch Frühjahrsfröſte erzeugt wird,
ſprechen nicht nur die Erfahrungen der Weinbauern und der Umſtand,
daß er ſich nur in den ſogenannten Froſtlagen zeigt, ſondern auch ein
Verſuch Göthe's, welcher ebenſolche grindartige Wucherungen entſtehen
ſah an den Stellen, wo Reben im Frühjahre abſichtlich mit einem Eiſen
bis zur Verletzung der Cambiumſchicht geklopft worden waren.
Die Krebsſtellen ſind thunlichſt auszuſchneiden bis aufs geſunde
Holz und dann mit Theer zu beſtreichen. Als Vorbeugung gegen
Krebs wie gegen Rindenbrand wird alles das gelten dürfen, was zur
vollſtändigen Ausreifung des Stammes und der Zweige vor Beginn
des Winters beiträgt, ſowie die möglichſte Vermeidung aller der Faktoren,
welche oben als krebsbegünſtigend genannt worden ſind.
c) Beſchädigungen des Holzkörpers durch Froſt. Hierher
gehört hauptſächlich die ſeit langer Zeit unter dem Namen Froſt—
ſpalten, Froſtriſſe oder Eisklüfte bekannte Erſcheinung, die darin
beſteht, daß im Freien ſtehende Bäume in kalten Wintern der Länge
nach, bis ins Holz, oft bis aufs Mark ſich ſpalten. Nach den darüber
beſonders von Caspary) angeſtellten Beobachtungen geſchieht dies
nur bei bedeutender Kälte, mindeſtens bei — 14°, und betrifft faſt nur
ſtärkere Stämme zwiſchen 18 em und Um Dicke. Das Berſten ſoll
mit einem ſtarken Knall verbunden ſein. Die Weite der Kluft des
Froſtriſſes beträgt meiſtens mehrere Millimeter, ſeltener bis 4 cm. Im
Sommer ſchließen ſich die Froſtſpalten und beginnen durch Über-
wallungen zu heilen, pflegen jedoch im folgenden Winter oft wieder
aufzubrechen, ſobald ſtarke Kälte eintritt. Die einmal entſtandenen
Froſtriſſe ſchließen und öffnen ſich auch mit dem Wechſel von Tau:
wetter und Froſt, und die Weite des Spaltes iſt der Kälte proportional;
das Schließen erfolgt aber viel langſamer als das Offnen. Durch
Caspary's Unterſuchungen iſt es hinreichend dargethan, daß die Froſt—
ſpalten dadurch entſtehen, daß das Holz durch den Froſt in der Richtung
des Umfanges ſich ſtärker zuſammenzieht als in der Richtung des
Radius. Der Vorgang beruht auf derſelben Urſache, wie die gleichen
) Bot. Zeitg. 1855, pag. 449 500, wo auch die ältere Litteratur zu
finden; ferner Bot. Zeitg. 1857, pag. 329 — 371.
2. Kapitel: Die Temperatur 211
Erſcheinungen beim Schwinden des Holzes infolge von Austrocknung.
Denn durch das Auskriſtalliſieren des Waſſers aus den Membranen
der Holzelemente vermindern die letzteren ihr Volumen am ſtärkſten in
tangentialer Richtung, gerade ſo wie beim Austrocknen. Die Spalte
entſteht da, wo der geringſte Widerſtand iſt, alſo wo irgend eine ſchwache
Stelle des Stammes (ein künſtlicher Längsſchnitt, eine Rindenverletzung,
ein abgehauener Aſt oder ein Aſtloch, eine Krebsbildung oder eine faule
Stelle im Holze) der Spannung nachgiebt. Bei wiederholtem Auf—
ſpringen der durch Überwallung geſchloſſenen Froſtſpalten entſtehen,
weil ſich jede nächſte Jahresſchicht der Überwallung über die frühere
mit nach außen gerichteter Konvexität legt, leiſtenartige Hervorragungen,
Froſtleiſten, welche bisweilen eine bedeutende Höhe erreichen und
auf dem Querſchnitte gewöhnlich koniſch und in der Mitte von dem
Froſtriſſe durchzogen erſcheinen. Göppert)) hat dergleichen an Roß—
kaſtanien, Rotbuchen und Weißtannen beobachtet und beſchrieben. Sie
verlaufen wegen der ſpiraligen Drehung des Holzſtammes ebenfalls in
einer Spirale bisweilen bis in die Krone. Bald kommt nur eine
einzige, bald zwei gegenüberſtehende oder auch vier, bisweilen in regel—
mäßigen Abſtänden ſtehende Froſtleiſten vor, wodurch der Stamm eine
vierſeitige Form erlangen kann. Durch mehrfache Froſtriſſe kann der
Stamm innerlich zertrümmert werden. Froſtſpalten, welche lange Zeit
ſich nicht ſchließen, geben Veranlaſſung zur Fäulnis der Wundſtellen,
beſonders bei Laubhölzern, während bei Nadelbäumen die Froſtſpalte
ſich meiſt mit Harz füllt, welches konſervierend wirkt. Göppert hat
Froſtriſſe an 76 Arten von Gehölzen aus den verſchiedenſten Familien
aufnotiert. 3
Auch bloße Bräunungen im Innern des Holzkörpers
können nach Göppert's?) Beobachtungen an Obſtbäumen und nach
denen R. Hartig'ss) an Nadelbäumen durch den Froſt verurſacht
werden. Als eine Folge der Tötung des Gewebes ſtellt ſich eine ring—
förmige Bräunung in der Markröhre und bisweilen auch in dem
dieſer zunächſt liegenden Markſtrahlgewebe ein, ſo daß vom gebräunten
Ringe des Markes braune Streifen gegen die Rinde gehen. Bei dieſem
Zuſtande können Cambium und Rinde geſund fein; es werden dann
in normaler Weiſe geſunde Holzringe gebildet, und man findet nach
) über die Folgen äußerer Verletzungen der Bäume. Breslau 1873,
pag. 30— 36.
) Wärme⸗Entwickelung, pag. 31— 34 und. Folgen äußerer Verletzungen
der Bäume, pag. 23- 27. ic 8 28
) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes, pag. 65, und Lehrbuch der Baum⸗
krankheiten. 2. Aufl., Berlin 1889, pag. 262.
14*
U
Innere
Bräunungen
des
Holzkörpers.
Mondringe.
212 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
Jahren beim Durchſchneiden des Stammes im Innern die aus dem
Froſtjahre herrührenden gebräunten Stellen. Dieſelben erſcheinen in
verſchiedener Größe und Form, wobei jedoch eine Hinneigung zu radial
geſtellter windmühlflügelartiger Form nicht zu verkennen iſt, die bisweilen
mit ſolcher Regelmäßigkeit auftritt, daß ſie einem eiſernen Kreuz ähnelt,
wobei das Mark das Centrum bildet. Indeſſen giebt es nach Göppert
auch Bäume, welche ſelbſt bei tödlicher Einwirkung des Froſtes, wo
die Rinde ſtark gebräunt iſt, doch keine Farbenveränderung im Holzkörper
zeigen, jo Rhus typhina, Corchorus japonicus, Coronilla Emerus, Ro-
binia Pseudacacia, Pinus Pinsapo. Nach R. Hartig ſoll befonders
bei exotiſchen Nadelhölzern nach dieſer Tötung der Markröhre durch
den Froſt Anfang Mai der Tod durch Vertrocknen oft plötzlich ein—
treten; er führt dies darauf zurück, daß die Säfteleitungsfähigkeit in
dem vom Froſte betroffenen Holzkörper verſchwunden iſt; bei den Laub—
hölzern übernehmen in ſolchem Falle der zeitig gebildete neue Holzring
oder die nicht vom Froſt getöteten jüngſten Jahresringe die Saftleitung.
Auch Zerklüftungen des Holzkörpers in einer den Jahres—
ringen folgenden Richtung ſoll nach Sorauer's) Anſicht der
Froſt veranlaſſen können. Braune oder weiße Binden von weichem,
zunderartig mürbem Gewebe, die ringförmig um einen Teil oder auch
um den ganzen Stammumfang herumreichen, bezeichnet man als Mond—
ringe, deren Entſtehung meiſt Pilzen zugeſchrieben wird, da oft das
zerſtörte Gewebe verpilzt erſcheint. Nach Sorauer beſtehen aber dieſe
Partien ſchon von vornherein aus lauter Holzparenchym, denn auch
die Ränder der toten Stellen, wo ſie in das geſunde Gewebe über—
gehen, zeigen noch dieſen abnormen parenchymatiſchen Charakter. Es
handelt ſich alſo um die Bildung von Parenchymneſtern an Stelle
von normalem Holzgewebe, wo alſo die Cambiumſchicht innerhalb
eines Jahresringes ausſchließlich ſolches Gewebe, aus welchem die
Markſtrahlen beſtehen, gebildet hat, alſo gleichſam erweiterte und zu⸗
ſammengefloſſene Markſtrahlen. Solche Bildungen ſind früher von
Roßmäßler als „Markwiederholungen“, von Nördlinger als Marf-
flecken“ bezeichnet und ſpäter von de Bary) als ziemlich verbreitete
Erſcheinungen beſchrieben worden, nur daß man über die Urſachen
derjelben im Unklaren war Nun hat, wie unten bei den tieriſchen
Feinden erwähnt werden wird, Kienitz für gewiſſe Fälle den Fraß
von Dipterenlarven im Cambium als eine der möglichen Urſachen der
Markflecken nachgewieſen. Nach Sorauer ſoll nun auch der Froſt
) Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 382.
2) Vergleichende Anatomie. Leipzig 1877, pag. 567.
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a
i
2. Rapitel: Die Temperatur 213
Veranlaſſung fein können, und zwar dann, wenn im Frühjahr wahr-
ſcheinlich infolge einer im Cambium ſtattfindenden Eisbildung eine
Zerreißung und Lockerung in der Cambiumſchicht eintritt. Denn immer
wenn die lebende Rinde ſamt dem Cambium vom Holzkörper abge-
hoben iſt, was man nach Sorauer) ſowohl durch künſtliche mecha—
niſche Verwundung als auch durch künſtliche Kälte herbeiführen kann,
bildet das vom Holzkörper abgelöſte Cambium an dieſer Stelle auf
ſeiner Innenſeite analog wie es beim vorſichtigen Abheben der Rinde
ſamt Cambium ebenfalls gelingt (S. 70) neues Holz, was aber zu—
nächſt aus lauter Holzparenchym beſteht, um erſt nach einiger Zeit
wieder zur Produktion normalen Holzgewebes zurückzukehren. Nach
Sorauer unterliegt es nun keinem Zweifel, daß gerade ſolche Paren—
chymneſter im Holzkörper dem Froſt am leichteſten erliegen; in einem
ſolchen getöteten Gewebe können ſpäter Pilzmycelien als eine ſekundäre
Erſcheinung ſich einfinden. Vielleicht ſind auch manche Fälle der ſoge—
nannten „Kernſchäle“ auf dieſe Weiſe zu erklären; es läßt ſich hier
ein vollſtändiger Hohlcylinder von geſundem Holz von einem oft auch
geſunden centralen Holzkörper wie eine Hülſe ablöſen. Denn ſolche
Erſcheinungen erwähnt auch Göppert mit dem Hinzufügen, daß man
dabei aus der Zahl der Jahresringe das Froſtjahr ausrechnen könne.
V. Froſtſchutzmittel.
Wenn die Sachs 'ſche Theorie richtig geweſen wäre, daß der Kälte-Froſtſchutzmittel.
tod der Pflanzen ſich immer erſt beim Auftauen des gefrorenen
Pflanzenteiles entſcheidet und nur von einem zu ſchnellen Auftauen
desſelben herrührt, jo würde ein Univerſalmittel gegen die Froſt—
beſchädigungen ſein dafür zu ſorgen, daß gefrorene Pflanzenteile mög—
lichſt langſam wieder erwärmt werden. Das iſt nun aber, wie im
Vorhergehenden gezeigt worden iſt, nicht allgemein zutreffend, ſondern
thatſächlich nur auf die wenig häufigen Fälle beſchränkt, wo die Zellen
ſaftreicher Gewebe ſelbſt durch und durch gefroren ſind, während bei
dem gewöhnlichen Gefrieren, welches unter intercellularer Eisbildung
eintritt, der damit verbundene Saftverluſt der Zellen zur Todesurſache
wird, der Tod alſo ſchon während des Gefrorenſeins unabänderlich
entſchieden iſt.
Somit ſind als ſichere Froſtſchutzmittel nur diejenigen Maßregeln
zu betrachten, durch welche der Abkühlung der Pflanzenteile auf die—
jenige Temperatur unter 0°, bei welcher ihre Säfte aus den Zellen
) I. c. pag. 424.
x m a in N „
214 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
ausfrieren, verhindert wird. Daher kommen alle dieſe Mittel darin
überein, daß die Pflanze mit ſchlechten Wärmeleitern umgeben wird.
Natürliche Froſt ⸗ Dieſer Anforderung genügen erſtens die natürlichen Froſt—
ſchutzmittel. ſchutzmittel, als welche wir die Schneedecke und den Erdboden
anzuerkennen haben. Die Schneebedeckung ſchützt, weil ſie die Wärme—
ausſtrahlung des Bodens und das Eindringen der Kälte verhindert
und weil ſie verhütet, daß das etwa aus den Pflanzengeweben aus—
frierende Waſſer durch Verdunſtung verloren geht. Nach Göppert's
Beobachtungen betrug in Breslau die Temperatur unter einer 10 em
hohen Schneedecke auch nach mehrtägiger, ſehr heftiger Winterkälte
(durchſchnittlich — 12,60 nur — 3°, und ſelbſt bei — 20,5 C. Luft⸗
temperatur nur ungefähr — 6°; der darunter liegende Boden zeigte
bei 5 em Tiefe nur noch — 1 C. Der günſtige Einfluß der Schnee—
decke auf die Winterſaaten iſt ebenſo allgemein bekannt, wie der
Schaden einer heftigen Kälte ohne Schnee. Der jedes Jahr vor—
handenen mächtigen winterlichen Schneehülle im höchſten Norden ver—
dankt die Vegetation daſelbſt ihre Erhaltung in den dort herrſchenden
kalten Wintern. Unter 78° 50“ nördl. Br. fand man bei — 27,5 R.
Lufttemperatur im Schnee in einer Tiefe von 64 cm — 17°, in 1,3 m
Tiefe — 13,3» und bei 2,6 m nur — 2,6“. Ebenſo iſt unter der
tiefen Schneedecke auf den Alpen die Temperatur des Bodens im
Winter ſelten kälter als — 2°. In dieſen hohen Regionen und
Breiten erweiſt ſich der Schutz des Schnees auch in dem Umſtande,
daß hier die geſamte Vegetation ſich unter den Schnee zurückzieht,
denn an der Baumgrenze ſind die nur in der Strauchform entwickelten
Holzpflanzen Winters ganz vom Schnee bedeckt, und die etwa hervor—
ragenden Teile zeigen deutlich genug die Verkrüppelungen, die hier
außer den Stürmen wahrſcheinlich auch die Froſtwirkungen verurſachen.
Wenn die Schneebedeckung auch die Vegetationsthätigkeit hindert, ſo
konſerviert ſie doch trotz dieſes Stillſtandes das Pflanzenleben ungemein
lange; im Hochgebirge werden viele pflanzenbedeckte Stellen in manchem
Sommer gar nicht ſchneefrei; die Pflanzen können hier mehrjährigen
Winter ertragen, man findet ſie unter ihrer winterlichen Hülle zwar in
Vegetationsruhe, aber nicht getötet, und wo nur der Schnee weicht,
ſetzen ſie ihre Vegetation fort. Dahin gehören auch die Angaben
Charpentier's) u. a., wonach Cerastium alpinum und andere 4
Pflanzen Jahre lang unter Gletſchereis ſich erhielten und nach Zurüd-
gehen des Gletſchers fortlebten. Daß auch in der arktiſchen Zone
ähnliches vorkommt, laſſen manche Mitteilungen vermuten. Bei uns
) Bot. Zeitg. 1843, pag. 13.
2. Kapitel: Die Temperatur 215
iſt ſchon eine dünne Schneeſchicht und ſelbſt der Reif ein Schutzmittel
gegen Froſtſchäden. In kalten Wintern mit wenig Schnee empfiehlt
es ſich, den Schnee aus den Wegen an die empfindlicheren Pflanzen
zu werfen. Ebenſo ſchützt der Erdboden die in ihm befindlichen
Wurzeln ꝛc. Es iſt bekannt, daß auch bei ſtarker und langer Winter-
kälte der Boden bei uns kaum bis 64 cm Tiefe gefriert und die Tempe—
ratur mit der Tiefe unter der Oberfläche raſch zunimmt. Die oben
erwähnte Empfindlichkeit der Pflanzenwurzeln gegen Kälte, wenn ſie
der Luft ausgeſetzt werden, erweiſen den vom Erdboden ausgeübten
Schutz deutlich.
Die künſtlichen Froſtſchutzmittel erklären ſich in ihrer Wirkung Künſtlliche Froſt⸗
alle leicht als ſchlechte Wärmeleiter; ſo das Bedecken und Einſchlagen ane e
empfindlicher Freilandpflanzen mit verſchiedenen Deckmaterialien,
als Stroh, Schilf, Moos, Laub, Decken ꝛc., das Aufbewahren der
Kartoffeln, Rüben, Apfel u. dergl. in Haufen geſchichtet und in die
Erde eingemietet, das Bebrauſen im Freien wachſender Pflanzen mit
Waſſer am Morgen nach einem Nachtfroſte, um auf ihnen künſtlichen
Reif oder Tau zu erzeugen. Ein vorzügliches, im großen wirkendes
künſtliches Froſtſchutzmittel beſteht in dem Anzünden von Rauchfeuern,
was ſchon ſeit langer Zeit in den Weingärten Südtirols und
andern Gegenden Südeuropas üblich iſt und mehr und mehr auch
anderwärts befolgt wird. In den Weinbergen und um die Feldſtücke
werden in gewiſſen Entfernungen Haufen eines ſehr viel Rauch ent—
wickelnden Brennmaterials oder Keſſel mit Sägemehl und Mineral⸗
theer gefüllt, aufgeſtellt oder auch Gruben gemacht, in welche mit Theer
vermiſchtes Sägemehl gebracht wird; iſt Froſt zu befürchten, ſo werden
in der Nacht oder gegen Morgen die Brennmaterialien auf der Wind—
ſeite angezündet, ſo daß der Wind die Rauchwolken über das Gelände
ausbreitet !); dieſelben wirken dann wie eine Wolkendecke durch Ver—
minderung der Ausſtrahlung. Es empfiehlt ſich natürlich, ſolche Rauch—
feuer auf allen an einander grenzenden Grundſtücken als eine gemein—
ſchaftliche Maßregel zu veranſtalten.
Für die eingangs erwähnten Fälle, wo durch und durch gefrorene
ſaftige Pflanzenteile durch allmähliches Auftauen vor dem Tode ge—
ſchützt werden können, wie es bei hart gefrorenen Kartoffeln, Rüben,
Apfeln u. dergl. wirklich der Fall iſt, wird allerdings eine recht lang—
ſam bewirkte Erwärmung zu einem Schutzmittel. Wenn man Kartoffeln,
die in dieſer Weiſe gefroren ſind, in viel kaltes Waſſer legt, welches dann
ganz allmählich die Temperatur der wärmeren Luft annimmt, ſo erhält
) Vergl. Centralblatt f. Agrik.-Chemie 1887, pag. 647.
Störung der
Lebensprozeſſe
infolge der Über
ſchreitung der
Temperatur;
grenzen.
Temperatur-
grenzen der
Keimung und
des Wachstums.
216 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe
man oft die Knollen am Leben, während ſie in ſo gefrorenem Zu—
ſtande ſogleich in wärmere Luft gebracht, in der Regel getötet werden.
Selbſtverſtändlich wirken aber, um dieſe Art Froſttod zu vermeiden, |
auch alle vorgenannten natürlichen wie künſtlichen Froſtſchutzmittel eben-
falls zweckentſprechend. |
C. Störungen einzelner Lebensprozeſſe infolge der überſchreitung
ihrer Temperaturgrenzen.
Im vorhergehenden haben wir nur die an und für ſich tödlichen
Temperaturen kennen gelernt. Nun giebt es aber, wie die Pflanzen—
phyſiologie lehrt, für die meiſten Lebenserſcheinungen eine untere und
eine obere Temperaturgrenze, welche für die Pflanze nicht tödlich iſt,
wobei dieſelbe aber die betreffende Lebensthätigkeit nicht mehr ausübt.
Es treten mithin krankhafte Zuſtände ein, die ſo lange dauern, bis
die Temperatur wieder in jene Grenzen zurückgekehrt iſt. Zwiſchen
den beiden Temperaturgrenzen giebt es ein Optimum, d. h. einen be—
ſtimmten Wärmegrad, welcher für den betreffenden Lebensprozeß am
günſtigſten iſt; und je weiter die herrſchende Temperatur von jenem
Grade entfernt iſt, je mehr ſie ſich einer der beiden Temperaturgrenzen
nähert, in deſto ſchwächerem Grade findet der Prozeß ſtatt, ſo daß
auch innerhalb der Grenzen die Temperaturverhältniſſe einen ſchäd—
lichen Einfluß ausüben können. Wir kennen gegenwärtig eine ſolche
Beziehung zur Temperatur von folgenden Lebensprozeſſen.
1. Das Wachstum und die Keimung. Es iſt ein allbekannter
Erfahrungsſatz, daß das Wachſen der Pflanzen bei geringen Wärme—
graden ſich verlangſamt oder ganz ſtockt, bei größerer Wärme dagegen
rüſtig fortſchreitet, und daß in demſelben Sinne auch die Geſchwindig—⸗
keit, mit welcher die Samen aufkeimen, beeinflußt wird. Das letztere
iſt nach der erſteren Erfahrung nicht anders zu erwarten, da ja die
Keimung der Samen im Grunde nichts anderes als ein Wachſen der
Teile des Keimlings iſt. Das Geſetzmäßige in dieſer Abhängigkeit iſt
zuerſt von Sachs!) feſtgeſtellt und dann von A. de Candolle),
Köppen), de Vries), Haberlandt) und bezüglich der unteren
Temperaturgrenze von Hellriegel®) beſtätigt worden. Hiernach giebt
) Experimentalphyſiologie, pag. 54.
2) Biblioth. univers. de Genève 1865. T. XXIV, pag. 243.
3) Wärme und Pflanzenwachstum. Moskau 1870, pag. 39.
4) Materiaux pour la connaissance de l’influence de la temperature.
Archiv Neerlandaises 1870. V.
5) Landwirtſch. Verſuchsſtationen XVII, pag. 104.
6) Beiträge zu den naturwiſſenſch. Grundlagen des Ackerbaues. Braun-
ſchweig 1883, pag. 284.
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2. Kapitel: Die Temperatur 217
es eine untere und eine obere Temperaturgrenze des Wachs—
tums, d. h. es darf weder eine gewiſſe niedere noch eine gewiſſe hohe
Temperatur überſchritten ſein, wenn noch Wachſen ſtattfinden ſoll. Es
iſt dies beſonders am Keimungsprozeß ermittelt worden, indem man
die Samen zum Keimen auslegte unter verſchiedenen konſtant bleiben⸗
den Temperaturen und dabei beobachtete, ob die Keimung erfolgt oder
nicht. Man erhielt alſo dabei die Temperaturgrenzen der Keimung,
die wir nachſtehend für eine Anzahl von Pflanzen aus den Angaben
der genannten Forſcher entlehnen. Es tritt dabei die wichtige That-
ſache hervor, daß dieſe Kardinalpunkte keineswegs bei gleichen Tem—
peraturgraden liegen, ſondern daß darin ſich jede Pflanze eigentümlich
verhält, wobei es nicht undeutlich iſt, daß die aus wärmeren Ländern
ſtammenden Pflanzen ein höheres Wärmebedürfnis für ihr Wachstum
haben, als die bei uns einheimiſchen oder akklimatiſierten.
Untere Temperatur- Obere Temperatur:
grenze ° &. grenze ° C.
E alba . . 0,0 über 37,2
Lepidium sativum . 1,8 unter 37,2
Hordeum vulgare 5,0 37,7
Triticum vulgare 5,0 42,5
Zea mais e; 9,5 46,2
Phaseolus Wü PR 19 9,5 46,2
Cucurbita pedo 13,7 46,2
Cucumis sativus 18,5 über 44
Bezüglich der unteren Temperaturgrenzen haben die Beobachtungen
auch noch für viele andere Pflanzen, wie Roggen, Hafer, Zuckerrübe,
Hanf, Raps, Mohn, Lein, Rotklee, Erbſe, Saubohne, ergeben, daß ſie
ungefähr zwiſchen 4 und 5 C. liegt. Doch wollen manche Beobachter
auch bei noch niedrigeren Temperaturen Keimung geſehen haben. So
ſollen nach Ulotht) Samen von Gramineen und Gruciferen mitten
im Eis oder in mit Eis umgebenen Kiſten in Eiskellern nach längerer
Zeit gekeimt ſein. Kirchner? hat bei ähnlichen Verſuchen an
Sinapis, Secale und Triticum noch zwiſchen O und + 1° C. Verlänge-
rung durch Wachstum beobachtet. Kerner?) fand, daß Samen von
Alpenpflanzen bei dauernd ungefähr + 2 C. zur Keimung kamen
) Flora 1875, pag. 266.
) Cohn's Beiträge zur Biologie III. 1883, pag. 335.
3) Berichte des naturw. Vereins zu Innsbruck, citiert in Bot. Zeit 1873,
pag. 437.
Ungenügende
Dauer ber
Begetationd-
temperatur.
218 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
und glaubt, daß fie am Rande der Schneefelder auch bei 0° keimen
können. Die merkwürdigen Beobachtungen, welche Middendorff)
erzählt, daß unter 70° nördl. Br. unter dem Schnee hervorragende
Weidenkätzchen bei einer Temperatur von — 16 bis — 25° in der
Sonne ſich zu entwickeln begannen, während 53 em tiefer die Zweige
gefroren waren, und daß Alpenroſen an den Zweigſpitzen vollſtändig.
blühten in einer Temperatur, die nachts unter dem Gefrierpunkte,
tags zwiſchen O und + 5° ſich hielt, während der Stamm und die
Wurzeln im Eiſe gefroren waren, ſind auf die Erwärmung durch die
Sonnenſtrahlen zurückzuführen. Aber die Beobachtung, die Kerner
(I. c.) und andere vor ihm gemacht haben, daß Alpenpflanzen unter
dem Schnee zu wachſen begannen und ihre Blütenſchäfte durch die
eiſige Decke emporſchoben, ſo daß die Blüten an der Firnoberfläche
hervorragten, läßt wohl kaum eine andere Deutung zu, als daß dieſe
Prozeſſe bei 0° ſtattgefunden haben. Auch ſah ich auf den Alpen den
Firn durch die Alge des roten Schnees (Chlamidococeus nivalis) bis
wenigſtens 1 em unter der Oberfläche gefärbt. Die Wärmeſtrahlen der
Sonne und die durch die Atmung erzeugte Wärme können hier wohl
keine Wirkung äußern, da ſie ſogleich durch das Schmelzen des Schnees
verbraucht werden. In Übereinftimmung damit findet auch nach den
Beobachtungen der ſchwediſchen Polarerpedition 1872— 73 bei Spitz
bergen an der winterlichen Algenvegetation des Meeres bei dauernder
Temperatur desſelben unter 0° Wachs um des Thallus und Bildung
von Fortpflanzungszellen ſtatt ).
Selbſtverſtändlich wird aber die für das Wachſen notwendige
Wärme auch während einer genügend langen Dauer gegeben ſein
müſſen, um den Wachstumsprozeß einer jeden Pflanze in normaler
Weiſe zur Vollendung zu bringen. Wir wiſſen, daß die Entwickelungs⸗
dauer den klimatiſchen Verhältniſſen der Heimat jeder Pflanze ange-
paßt, lang bei Gewächſen der wärmeren Länder, ſehr kurz bei denen
der kalten Zone und der höheren Gebirgsregionen iſt. Höhe und
Dauer der Temperatur ſind daher mit die wichtigſten Faktoren, welche
die geographiſche Verbreitung, die Abhängigkeit der Pflanzen
vom Klima bedingen. Sie ſind die Urſache, daß jede Pflanzenart
in einer beſtimmten geographiſchen Breite gegen die Pole hin, ſowie
in einer je nach dem Breitengrad verſchiedenen Höhe über dem Meere
verſchwindet. Werden daher Pflanzen ſüdlicher oder gemäßigter Klimate
in nördlicheren Breiten oder in rauheren Gebirgsgegenden kultiviert,
) Sibiriſche Reife. I., 2. Tl.
2) Citiert in Bot. Zeitg. 1875, pag. 771.
— 3
S
„
2. Kapitel: Die Temperatur 219
ſo kann die geringere Wärmemenge und kürzere Dauer des Sommers
nicht mehr genügend ſein, um die Pflanze zur vollſtändigen Ent—
wickelung, zum Blühen und zur Fruchtreife gelangen zu laſſen, oder es
iſt ſolches nur noch in den günſtigſten, nach Süden geneigten Lagen
möglich. Die Nichterfüllung dieſer Bedingungen hat daher für ſolche
Pflanzen nachteilige Folgen in der angegebenen Beziehung. Die ein-
zelnen Pflanzen verhalten ſich bekanntlich hierin verſchieden, indem
jede ihre eigenen klimatiſchen Anſprüche hat. Dieſe für den Pflanzen-
bau, beſonders in den Gebirgen und den nördlichen Gegenden unſeres
Erdteiles tief eingreifenden Verhältniſſe können hier nicht näher erörtert
werden, da alle ſpezielleren Betrachtungen hierüber mehr der Pflanzen—
geographie und Phänologie als der Pathologie angehören. Es ſei
nur noch darauf hingewieſen, daß auch in dieſer Beziehung eine
Akklimatiſation (S. 200) von Pflanzen wärmerer Länder an ein
kälteres Klima möglich iſt, wenn es gelingt, Varietäten zu züchten,
deren untere Temperaturgrenze des Wachſens möglichſt niedrig liegt
und deren Entwickelungsdauer möglichſt kurz iſt.
Aber auch die verſchiedenen Temperaturgrade, welche zwiſchen den Beeinfluſſung
beiden Grenzwerten liegen, beeinfluſſen, wenn ſie konſtant auf die ae
Pflanze einwirken, das Wachstum und zwar erſtens hinſichtlich ſeiner
Geſchwindigkeit. Eine Vorſtellung davon geben nachſtehende von
Sachs herrührende Zahlen, welche die Wachstumsgeſchwindigkeit in
Millimetern ausdrücken, welche an Maiswurzeln in 24 Stunden bei
verſchiedenen konſtanten Temperaturen gemeſſen worden ſind.
Temperatur Wurzellänge
e 1,3 mm
26,2° C. 24,5 „
33,29 C. 39,0 „
34,0“ C. 55,0 „
38,29 C. 25,2 „
42,59 C. 37
Es iſt hieraus erſichtlich, daß auch Temperaturen, welche ſich der
oberen oder unteren Temperaturgrenze nähern, dem Wachstumsprozeß
ſchon ſehr ungünſtig ſein können. Man hat nun denjenigen Punkt,
welcher das Wachſen am meiſten beſchleunigt und bei welchem alſo
auch die Samen am ſchnellſten keimen, das ſogenannte Optimum
i der Wachstums temperatur, für viele Pflanzen feſtzuſtellen geſucht
4 und auch dieſes je nach Pflanzenarten bei verſchiedenen Temperaturen
gefunden, wie nachfolgende Zahlen zeigen. |
Beeinfluffung
der Wachstums-
größe.
Beeinfluffung
der Kohlenjäure-
Aſſtmilation.
220 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
Sinapis alba. . . 27,4
Lepidium sativum. . . 27,4
Hordeum vulgare. . 28,7
Triticum vulgare . 28,7
Lab mensch... son! 39%
Phaseolus multiflorus . 33,7
Cucurbita pepo . . . 33,7
Cucumis sativus . .. 33
Indem man nun die das Wachſen am meiſten beſchleunigende
Temperatur das Optimum nannte, iſt man vielfach in den Irrtum
verfallen, dieſen Temperaturgrad als den für den Wachstumsprozeß
der Pflanze überhaupt günſtigſten zu halten. Das iſt aber, wie ich
ſchon in der erſten Auflage dieſes Buches (S. 209) und noch beſtimmter
jüngſt!) hervorgehoben habe, keineswegs der Fall. Das durch Tem—
peratur am meiſten beſchleunigte Wachstum giebt der Pflanze krank—
hafte Geſtalten, weil auch die Wachstumsgröße der Pflanzenteile
durch die Temperatur beeinflußt wird und zwar in ganz analoger
Weiſe wie durch Licht und Dunkelheit (S. 162), indem durch Tem—
peraturen nahe dem Optimum die Geſtaltung der Pflanzenteile in ähn—
licher Weiſe krankhaft ausfällt wie bei Dunkelheit, während bei niedri-
geren Temperaturen, wo die Pflanze allerdings langſamer wächſt,
normale geſunde Pflanzengeſtalten ſich ergeben. Das krankhafte
Wachſen in der Dunkelheit, welches man Etiolement nennt, tritt alſo
in ähnlicher Form auch bei zu hoher Temperatur im Lichte auf; man
könnte alſo paſſend auch von einem Thermoetiolement reden und jenes
als Photoetiolement bezeichnen. Bei den Verſuchen von Bialoblocki)
hat ſich gezeigt, daß Roggen, Gerſte und Weizen bei konſtanter Boden-
temperatur von + 10° C. zwar langſam wachſen, aber normal ſtarke
Wurzeln, mäßig lange, aber dicke, kräftige Halme und breite Blätter
bekommen, daß aber bei Temperaturen in der Nähe des Optimums
(+ 30° C.) die Wurzeln immer feiner, die Halme ſehr dünn und
ſchwächlich, die Blätter ſehr lang und ſchmal werden, die ganze Pflanze
alſo ein krankhaftes Ausſehen annimmt.
2. Die Kohlen ſäure-Aſſimilation und die Geſamtpro duktion.
Die Energie, mit welcher die grüne Pflanze die Kohlenſäure aſſimiliert,
hängt auch von der Temperatur ab. Nach den Unterſuchungen, welche
Heinrich?) mit der Waſſerpflanze Hottonia, der ſich in dieſer Beziehung
) Frank, Lehrbuch der Botanik. I. Leipzig 1892, pag. 388.
2) Ueber den Einfluß der Bodenwärme auf die Entwickelung einiger Kultur⸗
pflanzen. Diſſertation, Leipzig 1872. | 99
3) Landwirtſch. Verſuchsſtation 1871, pag. 136.
2. Kapitel: Die Temperatur 221
wohl viele andere Pflanzen gleich verhalten dürften, angeftellt hat, liegt
das Optimum bei ungefähr 31° C.; denn bei dieſer Temperatur wurden
547—580 Sauerſtoffblaſen ausgeſchieden in der nämlichen Zeit, wo
bei 50 C. 110—200 Blaſen gezählt wurden; bei 56° C. hörte die
Abſcheidung auf. In der gleichen Zeit wurden bei 10,6—11,2° C.
nur 145— 160 Gasblaſen abgeſchieden. Aber ſelbſt bei ſehr niedrigen,
den Gefrierpunkt kaum überſchreitenden Graden findet noch etwas
Kohlenſäurezerſetzung ſtatt, wie ſchon von älteren Beobachtern erkannt
und von Kreusler!) wiederum bei Rubus beſtätigt wurde. Auch
dieſer Beobachter fand bei nahezu 50° den Prozeß noch nicht erloſchen.
Wenn man berückſichtigt, daß der Wachstumsprozeß und die Beeinflufjung
Kohlenſäure⸗Aſſimilation, ſowie noch andere im Nachſtehenden erwähnte 8 1
Lebensprozeſſe von der Temperatur abhängig ſind, ſo iſt es nicht
anders zu erwarten, als daß auch die Geſamtproduktion einer Pflanze
durch die Temperatur beeinflußt wird. Aber man wird begreifen,
daß dies der Geſamteffekt aller der verſchiedenen Beeinfluſſungen der
einzelnen Lebensthätigkeiten durch die betreffende Temperatur iſt und
alſo eine ſehr komplizierte Reſultante darſtellt, der wir durchaus nicht
den Wert eines Maßſtabes für irgend eine beſtimmte Lebensthätigkeit
zuerkennen dürfen. So zeigen uns auch die folgenden Zahlen Hell—
riegel’S?) nur, daß verſchiedene Temperaturen ſchließlich auch in der
Geſamtproduktion einer Pflanze zum Ausdrucke kommen.
Konſtante Bod Pace
onſtante Boden⸗J _. 5 5 I s
eh bs 10% 15% „20% Ben
Friſchgewicht 191,5 176,3 269,4 456,6 376 408 240,1
Trockenſubſtanz 23,9 22,8 32,4 49,5 424 470 312
Weizen:
Friſchgewicht 98,6 130,8 241,0 260,5 342,0 402,2 296,0
Trockenſubſtanz 15,8 20,8 29,5 30,8 43,9 46,9 40,3
Gerſte:
Friſchgewicht 151,9 156,0 383,4 408,5 435,2 365,0 230,5
Trockenſubſtanz 17,1 18,0 34,4 36,7 42,0 35,0 26,3
3. Die Wurzelthätigkeit, d. h. die Waſſeraufnahme durch die Störung der
Wurzeln iſt ebenfalls von der Temperatur abhängig, und wegen Wesen enn
Abhängigkeit können für manche Pflanzen krankhafte Zuſtände ent- Bart S
) Landwirtſch. Sahrbücher?1887, pag. 711.
2) Grundlagen des Ackerbaues 1883, pag. 332.
222 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
ſtehen. Nach den Beobachtungen von Sachs!) nehmen Tabak- und
Kürbispflanzen mit ihren Wurzeln aus einem feuchten Boden, wenn
derſelbe nur + 3 bis 5 C. warm iſt, ſchon nicht mehr jo viel Waſſer
auf, um einen ſchwachen Verdunſtungsverluſt zu erſetzen und werden
welk. An Topfpflanzen, beſonders an wärmebedürftigeren, die im
Winter in kalten Zimmern ſtehen, ſieht man dies häufig. Begießen
hilft hier nichts, ſondern kann ſogar ſchaden, wenn die Erde ſchon
ſehr feucht war; aber durch geeignete Erwärmung der Erde und
Wurzeln, wodurch letztere wieder zur Thätigkeit angeregt werden,
können die Pflanzen ſich wieder erholen. Bei Gewächſen, die unſerer
kälteren gemäßigten Zone angepaßt find, ſcheint die untere Temperatur-
grenze der Wurzelthätigkeit tiefer zu liegen; denn Brassica Napus und
oleracea nehmen nach Sachs auch aus einem nahezu 0° C. kalten
Boden noch genügend Waſſer auf, um einen mäßigen Verdunſtungs—
verluſt zu erſetzen. Im freien Lande dürften die krautartigen Pflanzen
ſchwerlich von dem auf dieſem Grunde beruhenden Mißverhältnis
zwiſchen Waſſeraufſaugung und Tranſpiration betroffen werden, da
zur Zeit, wo ſie vegetieren, meiſt der Froſt aus dem Boden gewichen
iſt oder ein Spätfroſt nur die oberſte Bodenſchicht ergreift. Die tief—
wurzeligen Laubbäume ſind in dieſer Beziehung durch ihre ſpäte Be—
laubung und durch die Wärme des Bodens in tieferen Schichten ge—
ſchützt. Anders iſt das Verhältnis bei den immergrünen Laub- und
Nadelbäumen. Hier tritt wirklich ein Vertrocknen der Blätter und
Nadeln ein, wenn, während der Boden noch gefroren iſt, direkte Sonne
oder warme Südwinde in den Blättern die Verdunſtung anregen. Nach
R. Hartig) ſoll dies ſogar an älteren Fichten und Tannen vorkommen,
die an ſüdlichen Beſtandesrändern und Böſchungen ſtehen, und in den
Alpen in Lagen, welche dem warmen Südwinde am meiſten exponiert ſind.
Beſonders leicht kann dieſer Fall an jungen Kiefern eintreten, deren
mehr ſeichte Wurzeln im Bereiche des Froſtes liegen; die Erſcheinung
iſt hier unter dem Namen Schütte bekannt, welche vorzugsweiſe an
jungen Kiefern, beſonders zwei- bis fünfjährigen Sämlingen, im
zeitigen Frühjahre auftritt, wobei die Nadeln ſchnell braun oder rot—
braun und dürr werden und abfallen; die Pflanzen gehen infolge
deſſen ein oder erholen ſich erſt nach längerer Zeit wieder. Es iſt
ſicher, daß Schütte verſchiedene Urſachen, insbeſondere auch pilzpara⸗
ſitäre, von denen ſpäter die Rinde ſein wird, haben kann. Aber nach
) Bot. Zeitg. 1860, pag. 124. |
2) Unterſuchungen aus dem forſtbot. Inſtitut München. I., pag. 133.
2. Kapitel: Die Temperatur 223
den vieljährigen Beobachtungen Ebermayer's 9) iſt kaum zu be-
zweifeln, daß die Schütte in den meiſten Fällen die Folge einer durch
die warme Frühjahrsſonne in den Nadeln angeregten Verdunſtung iſt,
während gleichzeitig die Wurzeln in dem noch kalten Boden noch keine
waſſeraufſaugende Thätigkeit ausüben, ſo daß die Pflanzen, die noch
nicht im Beſitze eines ſehr entwickelten Holzkörpers find, alſo ſelbſt
wenig Waſſer enthalten, alsbald den Nadeln keine genügende Feuchtig—
keit mehr zuführen können. Denn die Krankheit tritt nach jenen Beob—
achtungen beſonders in trockenen Frühjahren ein, in denen die Tage
warm, die Nächte kalt ſind; häufiger in der Ebene als in den Ge—
birgen, und beſonders ſtark an den Süd- und Weſtſeiten der Berge,
faſt nie an den Nordabhängen; ferner in freien Lagen beſonders ſtark,
dagegen nicht dort, wo benachbarter Waldbeſtand ꝛc. gegen die Mittags-
ſonne ſchützt; ebenſo entgehen die Pflanzen der Schütte, wenn ſie mit
Reiſig u. dergl. bedeckt find, ſelbſt ſchon, wenn fie unter hohen Gräſern
oder Sträuchern wachſen, wodurch die Inſolation abgehalten und auch
die Verdunſtung vermindert wird. In der That fand Ebermayer
die Temperatur des Bodens zur Zeit, wo die Schütte ſich zeigt, bis
zu 1,3 m Tiefe in der Regel noch nicht + 4“ R., während die Luft—
temperatur im Schatten nicht ſelten auf 20° ſteigt. Daher find auch
warme Regen, lange liegenbleibender Schnee, Streubedeckung und alles,
was die Abkühlung des Bodens verhindert oder vermindert, des—
gleichen Lockerung eines zu feſten und Entwäſſerung eines zu naſſen
Bodens, überhaupt alles, was die Durchwärmung des Bodens er—
leichtert, Schutzmittel gegen dieſe Beſchädigung. Ganz ähnliche Er—
ſcheinungen zeigten ſich nach Breitenlohner? auch nach dem ab—
normen Winter 1881/82 an den immergrünen Hochgebirgsſträuchern
in den Alpen, wie Pinus pumilio, Juniperus nana, Rhododendron,
Calluna vulgaris, Vaccinium und Empetrum, deren Belaubung an
den ſonnigen Berglehnen fuchsrot wurde und abſtarb, aber dort un—
verſehrt blieb, wo irgendwie Deckung gegen die Sonne gegeben war.
Der genannte Beobachter kommt ebenfalls zu dem Schluſſe, daß unter
Berückſichtigung der mangelnden Feuchtigkeit jenes Winters und der
relativen Trockenheit der Luft in höheren Gebirgsgegenden bei dieſer
Froſtwirkung die Trockenheit die Urſache des Abſterbens geweſen iſt.
) Die phyſikaliſchen Einwirkungen des Waldes auf Luft und Boden
(Reſultate der forſtl. Verſuchsſtat. in Bayern I. Aſchaffenb. 1873).
) Der Winterbrand der Holzgewächſe in den Alpen. Forſchungen auf
dem Geb. d. Agrikulturphyſik 1885, pag. 137.
Störung der
Chlorophyll»
bildung.
224 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
G. Holzner) ſucht dagegen die Urſache der Schütte der Kiefern all—
gemein in einer direkten Froſtwirkung auf die Nadeln, indem er her—
vorhebt, daß alle Umſtände, welche nach Ebermayer die Schütte ver—
hüten, zugleich vor Wärmeausſtrahlung, vor Erfrieren der Pflanzen
ſchützen. Dieſe Bemerkungen können jedoch die Ebermayer'ſche Er—
klärung nicht entkräften. Daß Kiefern oder einzelne Aſte derſelben
erfrieren können und die Nadeln dadurch abſterben, rot werden
und abfallen, iſt ja nicht beſtritten und wenn man das auch
Schütte nennen will, ſo iſt ſelbſtverſtändlich Froſtbeſchädigung mit
zu den Urſachen der Schütte zu rechnen. Eine ganz andere Er—
klärung der Schütte ſucht Sorauer? zu geben. Das Abwerfen
der Nadeln ſei nicht Folge des Vertrocknens durch Verdunſtung;
vielmehr werde wegen gefrorenen Bodens und wegen ſtarker nächt—
licher Abkühlung „die Ernährung der geweckten Baſalzone des Nadel—
büſchels geſtört,“ „das dort mobiliſierte Material fließe nicht in die
erſt ſpäter zur Thätigkeit erweckbare Nadel ab, die Nadel rötet ſich
und ſterbe ab infolge der Störung in der ſie tragenden Achſe, welche
ſich zur vorzeitigen Bildung einer Korkſchicht anſchickt und damit die
Leitung in die Nadel aufhebt.“ Ich muß geſtehen, daß dieſe lange
Kette ſupponierter Prozeſſe, von denen kein einziger bis jetzt erwieſen
iſt, mir unverſtändlich iſt. übrigens finden ſich ja in der Kiefernadel
während des Winters reichlich Reſerveſtoffe, wie eine einfache Unter—
ſuchung lehrt. Gewiß hat Sorauer recht, daß bei manchen anderen
Pflanzen infolge ſchnellen Wechſels der Vegetationsbedingungen und
wohl auch der Temperatur Blattabfall zur Unzeit eintreten kann.
Aber um alle dieſe mannigfaltigen Erſcheinungen urſächlich aufzuklären,
bedurfte es ſorgfältiger und vorſichtig-kritiſcher Unterſuchungen.
4. Zur Ergrünung der Chlorophyllkörner iſt nicht bloß
das Licht, ſondern auch eine gewiſſe Temperatur erforderlich. Die
untere Temperaturgrenze liegt nach Sachs?) für Phaseolus multiflorus,
Zea Mais und Brassica Napus oberhalb + 6 C., bei Pinus Pinea
zwiſchen + 7 und 11° C., die obere für die genannten Pflanzen etwas
oberhalb + 33° C., für Allium cepa oberhalb + 36° C. Wenn daher
die Pflanzen in Temperaturen ſich befinden, welche jenſeits dieſer
Grenzen liegen, wobei ſie ſich ja noch zu entwickeln vermögen, ſo
bleiben die neugebildeten Blätter gelb, wie beim Etiolieren im Dunkeln.
Das Unterbleiben der Chlorophyllbildung in zu ſtark erwärmten Glas⸗
1) Beobachtungen über die Schütte der Kiefer ꝛc. Freiſing 1877. Vergl.
auch Juſt, bot. Jahresber. für 1877, pag. 856.
2) Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 336.
3) Experimentalphyſiologie, pag. 55.
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2. Kapitel: Die Temperatur 225
häuſern wurde ſchon von Decandollet) beobachtet und „falſches
Etiolement“ genannt. In kühlen Frühjahren ſind ebenfalls derartige
Erſcheinungen an Kräutern wie an Holzpflanzen hin und wieder zu
beobachten. Einen Fall, wo ganze Rapsfelder infolge niederer Tem—
peratur im März und April gelb oder gelb- und grünſcheckig aus—
ſahen, beſchreibt Ritzema Bos). Auch in den Alpen ſah ich un—
mittelbar am Rande des Firns Soldanella, die vor kurzem erſt vom
Schnee frei geworden war und ſoeben ihre Blätter aus der Knoſpe
entfaltet hatte, etioliert. Dagegen muß wohl der winterlichen Algen—
vegetation der nordiſchen Meere und der Alge des roten Schnees, von
denen oben die Rede war, auch die Fähigkeit, bei 0° Chlorophyll zu
bilden, zuerkannt werden.
Das Unterbleiben der Chlorophyllbildung infolge niederer Tem—
peratur läßt ſich am beiten an unſeren zeitigen Frühjahrs-Monsokotyle—
donen beobachten. Die folgenden Angaben beziehen ſich auf Colchi-
cum speciosum, Ornithogalum pyramidale, Tulipa turcica, Agraphis
patula und campanulata, Galanthus nivalis und plicatus, Leucojum
vernum, Allium ursinum, Arum maculatum, an denen ich die Er—
ſcheinung unterſucht habe. Gewöhnlich find die jungen aus der Erde
kommenden Blätter nahe der Spitze in einer mehr oder weniger großen
Strecke gelb oder weiß gefärbt und oft an dieſen Stellen noch von
einigen grünen Streifen mehr oder weniger durchzogen: der ſpäter
aus der Erde ſich hervorſchiebende übrige Teil des Blattes kommt grün
zum Vorſchein, wenn inzwiſchen die Temperatur wieder geſtiegen iſt.
Gewiß iſt, daß oft mit ſteigender Temperatur das Gelb in Grün ſich
verwandelt, indem mit Eintritt ihrer Bedingung die Chlorophyllbildung
nachgeholt wird, und das iſt auch die bisherige gewöhnliche Annahme
in der Phyſiologie. Sehr oft aber bleibt, wie ich bereits in der
1. Auflage dieſes Buches S. 213 erwähnt habe, auch trotz der Er—
höhung der Temperatur die Gelbfärbung konſtant und erhält ſich bis
tief in den Sommer hinein, es erfolgt überhaupt keine Ergrünung
der gelben und weißen Stellen, während der übrige Teil des Blattes
normal grün und lebendig iſt. Es tritt alſo eine chroniſche partielle
Gelbſucht (ieterus) und Bleichſucht (chlorosis) ein, im Ausſehen
genau gleich den gewöhnlich totalen gleichnamigen Krankheiten, welche
die Folgen des Eiſenmangels in der Nahrung ſind. Gleich nach der
Entſtehung in den Kältetagen findet man in den gelben (icteriſchen)
Stellen die Chlorophyllkörner der Meſophyllzellen von gelbgrüner
) Physiologie vegetale III., pag. 1114.
2) Zeitſchrift f. Pflanzenkrankheiten. II. Band 1892, pag. 136.
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 15
Süßwerden der
Kartoffeln.
226 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe
Farbe, aber im übrigen, auch was ihre Verteilung in der Zelle an-
langt, unverändert. Wo dieſe Stellen in die farbloſen (chlorotiſchen)
übergehen, findet man alles ebenſo, aber die Chlorophyllkörner farb-
los, übrigens ein wenig kleiner und minder zahlreich. Die übrigen
Zellen der farbloſen Partien ſtellen das Extrem dar: das Protoplasma
enthält nur feine Körnchen, keine Chlorophyllkörner; es bildet einen
Saftraum, der oft von Plasmaſträngen durchſtrömt iſt und hat einen
wandſtändigen Zellkern. Dieſe gleichzeitig vorhandenen verſchiedenen
Zuſtände können wohl nur ſo gedeutet werden, daß die Zellen in ſehr
verſchiedenen Entwickelungsſtadien von der die Chlorophyllbildung
hemmenden kühlen Temperatur überraſcht wurden. Daß auch ſpäter
bei günſtiger Temperatur Ergrünung der bleichen Stellen nicht eintritt,
hat vielleicht ſeinen Grund darin, daß dieſe Zellen nur in demjenigen
jugendlichen Ausbildungszuſtande Chlorophyllkörner bilden können,
in welchem dies normal geſchieht, aber nicht mehr dann, wenn ſie
durch die Geſamtentwickelung der Gewebe in den Dauerzuſtand über—
gegangen ſind. Ein Widerſpruch hiermit iſt es nicht, daß durch
Dunkelheit etiolierte Pflanzenteile am Lichte faſt zu jeder ſpäteren Zeit
nachträglich ergrünen, denn durch Dunkelheit wird eben gerade die
Zelle auf jenen frühzeitigen Entwickelungsſtadien zurückgehalten, was
bei niederer Temperatur gerade gar nicht der Fall iſt. Während des
Sommers verlieren die chlorotiſchen Zellen immer mehr ihr Proto—
plasma; an die Stelle desſelben tritt wäſſerige Flüſſigkeit, endlich Luft;
die Zellen kollabieren etwas, ſterben langſam ab, wobei die bleichen
Stellen ſich oft ſchwach bräunen, auch die benachbarten Zellen teil—
weiſe mit in die Desorganiſation hineingezogen werden und die
Chlorophyllkörner derſelben ſich auflöſen.
5. Das Süßwerden der Kartoffeln in 565 Kälte. Dieſe
bekannte Erſcheinung iſt lange Zeit unerklärt geweſen. Göppert))
hielt ſie irrtümlich für einen nur in ſchon getöteten Zellen eintretenden
chemiſchen Prozeß, denn ſüß gewordene Kartoffeln ſind keineswegs
immer tot. Einhof ) ſtellte feſt, daß Kartoffeln nur dann ſüß werden,
wenn die Temperatur dem Gefrierpunkt nahe oder nur wenige Grade
unter demſelben iſt, und der Zuckergehalt ſoll ſich vermehren, wenn
fie abwechſelnd einer Temperatur von -+ 8 bis 12° und — 1 bis 2°
ausgeſetzt werden, während Kartoffeln, die bei ſtarker Kälte ſteinhart
gefrieren, keinen Zucker bilden, wodurch alſo erwieſen iſt, daß der
Zuckererzeugungsprozeß ein Lebensvorgang iſt. Aber erſt neuerdings
*) Wärmeentwickelung, pag. 38.
2) Gehlen's neues allgem. Journ. d. Chemie, Berlin 1805, pag. 473 ff.
3. Kapitel: Die Niederſchläge 227
iſt der Vorgang durch Müller-Turgaut) in befriedigender Weiſe
aufgeklärt worden. Derſelbe wies nach, daß in der Kartoffelknolle
beſtändig, auch während des Winters, eine Umwandlung von Stärke
in Zucker ſtattfindet, daß dieſer Zucker aber durch die gleichzeitig ſtatt—
findende Atmung immer wieder verbraucht wird; bei niederer Tempe—
ratur dauert nun dieſe Zuckerbildung fort, während die Atmung in
der Kälte immer geringer wird, ſo daß alſo Zucker wegen des ge—
ringeren Verbrauches angehäuft wird. Darum werden ſüß gewordene
Kartoffeln in Temperaturen über 10° Wärme, wo der Atmungs⸗
prozeß lebhafter wird, wieder entſüßt. Die ebenfalls von Müller—
Thurgau gemachte Beobachtung, daß die durch Kälte ſüß gewordenen
Kartoffeln, in einen warmen Raum gebracht, ſich viel raſcher ent—
wickeln, als nicht ſüße, erklärt ſich daher wohl aus der größeren Menge
des auf einmal disponiblen Zuckers.
6. Der Froſtgeſchmack der Weinbeeren tritt ein, wenn vor
der Traubenleſe ſtärkere Kälte geherrſcht hat; er teilt ſich auch dem
daraus bereiteten Moſt mit. Traubenſaft ſoll durch Gefrieren dieſe
Veränderung nicht erleiden. Es iſt daher nicht unwahrſcheinlich, daß
durch Diffuſſion aus den Beerenſtielen irgend welche Stoffe, welche
jene Veränderung bewirken, in die Beeren gelangen nach Tötung der
Zellen durch den Froſt !).
3. Kapitel.
Die Niederſchläge.
Froſtgeſchmack
der Weinbeeren
1. Der Regen kann erſtens eine mechaniſche Zerſtörung an Wa e
zarteren Pflanzenteilen hervorbringen. Durch heftige Platzregen werden
Blüten und kleinere Blätter wirklich abgeſchlagen. Zweitens ſchadet
der Regen aber auch, wenn er zu lange anhält. Man bemerkt dann
nicht ſelten ein Aufſpringen voluminöſer Pflanzenteile, bei denen das
eindringende Regenwaſſer eine bis zum Aufplatzen ſich ſteigernde Ge—
webeſpannung bewirkt, wobei jedoch das Vorhandenſein kleiner Wund—
ſtellen, die dem Waſſer Eingang geſtatten, eine Bedingung iſt, weshalb
wir die Erſcheinung ſchon bei den Wunden (S. 113) beſprochen haben.
Lange anhaltendes Regenwetter während der Blütezeit kann die Be—
fruchtung der Blüten vereiteln, nicht bloß, weil es die zur Beſtäubung
der Blüten notwendigen Inſekten vom Blütenbeſuche abhält, ſondern
auch, weil das Regenwaſſer, wenn es in die Blüte eindringt und die
Antheren benetzt, das Aufſpringen der letzteren und das Austreten des
) Landwirtſchaftliche Jahrbücher 1883.
2) Vergl. Dahlen, Annalen der Onologie, VI. Bd., 1. Heft.
15 *
rch Regen.
Beſchädigungen
durch Hagel.
228 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe
Pollens aus denſelben mehr oder weniger verhindert, denn das Auf—
gehen der Antherenwand kommt nur durch das Trockenwerden der—
ſelben zuſtande. Auch der Pollen ſelbſt kann durch längere Benetzung
verderben, indem die Pollenkörner infolge der dabei eintretenden
osmotiſchen Vorgänge platzen können.
2. Der Hagel. Die gröberen Hagelkörner oder Schloßen bringen
bedeutende Beſchädigungen an der Pflanzenwelt hervor. Krautartige
Pflanzen können dadurch vollſtändig zerſchlagen und getötet werden,
ſo daß alſo der ſtärkſte Grad der Hagelſchäden in einer völligen Ver—
nichtung der Kultur beſteht. Bei ſchwächeren Graden ſieht man die
verſchiedenartigſten Verwundungen. Einigermaßen ſtarke Krautſtengel
werden von dem Hagelſtück an der getroffenen Stelle oft nur entrindet
bis auf das Holz; ſie zeigen lange, weiße Flecken, welche auf den
Rändern wieder verheilen können, wobei Rötung des Wundrandes
eintritt, wenn dies überhaupt an den Wunden der betreffenden
Pflanzenart der Fall zu ſein pflegt, wie z. B. bei Rumex. Bei dünneren
Stengeln, alſo beſonders bei den Halmen, tritt aber meiſtens eine
wirkliche Knickung ein, was bei den Halmen des Getreides allbekannt
iſt; ſelbſt die dicken Halme des Schilfrohres kann der Hagel knicken.
Schwacher Hagel knickt auch die Getreidehalme nicht, ſoudern bringt
nur Schlagſtellen, die ſpäter weiß erſcheinen, hervor. Dieſelben rühren
nach Sorauer) daher, daß daſelbſt das in Streifen liegende grüne
Rindenparenchym durch Quetſchung getötet iſt, das Chlorophyll ver—
loren hat und derart zuſammengetrocknet iſt, daß Luft an ſeine Stelle
getreten iſt, welche die weiße Farbe bedingt. An den wirklichen Knick—
ſtellen der Getreidehalme ſind aber gewöhnlich alle Gewebe getötet;
dann wird das darüber befindliche Stengelſtück nicht weiter ernährt
und ſtirbt ab; bei Getreidehalmen iſt dies der gewöhnlichſte Fall.
Bei Kräuterſtengeln bleibt oft der organiſche Zuſammenhang an der
Knickſtelle erhalten, das umgekehrte Stück lebt dann fort, indem es
ſich durch negativen Geotropismus wieder mehr oder weniger aufwärts
krümmt. Pflanzen, welche ſich von den unteren Teilen des Stengels
aus durch neue Triebe beſtocken können, wie beſonders das Getreide,
regenerieren ſich gewöhnlich durch ſolche Beſtockungstriebe, wenn die
alten Halme vom Hagel zerſchlagen ſind; das Feld trägt dann nach
einiger Zeit wieder neue, nur weniger dicht ſtehende Halme. Die
Blätter werden durch den Hagel entweder ganz abgeriſſen oder ſo
durchlöchert und zerfetzt, daß ſie verloren ſind, wobei die Mittelrippe
am meiſten Widerſtand leiſtet. Die Blätter des Getreides werden ent⸗
5) Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 502.
3. Kapitel: Die Niederſchläge 229
weder der Länge nach zerriſſen oder am Grunde durchſchnitten, ſo daß
ſie herunterhängen; die Blattſcheiden werden oft herabgeſchlagen und
dadurch junge, noch eingeſchloſſen geweſene Ahren herausgebrochen.
Von den älteren Ahren werden Körner abgeſchlagen, jo daß manch—
mal die kahle Spindel ſtehen bleibt. Am Raps ſind die Schoten
voller Schlagflecken, die die Ausbildung der Frucht hindern. An den
dickeren Stengeln der Sukkulenten (Cacteen, Agaven, Aloen ꝛc.)
bringen die Hagelkörner eine ihrer Größe entſprechende Wunde oder
Quetſchung hervor, die Jahre lang als mißfarbige Stelle ſichtbar
bleibt. Wenn niedergehagelte Stengel ſpäter weiter wachſen oder
neue Triebe bilden, ſo kommen, wie nach Verwundungen überhaupt
an den neu entwickelten Teilen mitunter Bildungsabweichungen vor,
z. B. Chloranthien, wovon Hallier) ein Beiſpiel an Cicuta virosa
anführt. Auch an den Holzpflanzen bewirkt der Hagel allerlei Ver—
ſtümmelungen; unter den Bäumen iſt dann der Boden mit Blättern
Früchten und Zweigen bedeckt; vom Weinſtock und anderen Sträuchern
werden Blätter, Knoſpen, junge Triebe und Blüten abgeſchlagen. An
allen Holzpflanzen bringt der Hagel auf den Zweigen und Aſten
Quetſchwunden hervor, indem an jeder von einem Hagelſtück getroffenen
Stelle Rinde und Cambium abgeſchunden oder durch Zerquetſchung
getötet werden. Solche Wunden heilen ſchwer durch Überwallung,
indem häufiger die getöteten Gewebepartien Ausgangspunkte tiefer
ſich erſtreckender Fäulnis oder Krebsbildungen werden; Gummi- oder
Harzfluß zeigen ſich oft in der Nähe und ſolche Wunden können
ſpäter zu einem fortſchreitenden Siechtum der Zweige und Aſte Ver—
anlaſſung geben, zumal da ſich daſelbſt auch leicht verſchiedene rinden—
bewohnende paraſitiſche Pilze anſiedeln. Bei ſtarken Hagelverletzungen
der Baumzweige iſt je nach Umſtänden ein Zurückſchneiden auf das ältere
Holz oder ein Bedecken der Wunden mit den oben bei der Wunden—
behandlung erwähnten Mitteln (S. 152) angezeigt. Endlich ſehen wir
bei den Bäumen auch reifende Früchte, zumal Obſt, durch Hagel—
verwundungen ſchadhafte Stellen bekommen. Auch der Samenbruch
der Weinbeeren kann vom Hagel veranlaßt werden, indem das Fleiſch
der jungen Beere an der Stelle, wo es durch den Schlag eines Hagel—
kornes getötet iſt, ſich nicht ausbildet, ſo daß die Beere relativ kleiner
bleibt und die Samen ein Stück aus der Schale hervorbrechen. Zwar
ſah Hoffmann?) den Samenbruch durch Sonnenbrand, wenn durch
eine Linſe oder durch Waſſertropfen die Sonnenſtrahlen auf die Beere
1) Phytopathologie, pag. 51.
2) Bot. Zeitg. 1872, Nr. 8.
Schneedruck,
Eisanhaug,
Lawinen.
230 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
—
geleitet werden (ſ. Wirkungen hoher Temperatur, pag. 176), ſowie nach
Verwundungen durch Inſekten eintreten, aber Mohr) hat verſichert,
daß die am Rhein und an der Moſel allgemein bekannte Erſcheinung
vorzugsweiſe Folge des Hagelſchlags, daher auch in manchen Jahren
gar nicht zu beobachten ſei.
3. Schneedruck, Eisanhang, Lawinen. Von einem ſchäd—
lichen Einfluß des Schnees auf die Pflanzen kann nur da geredet
werden, wo derſelbe durch ſeine Maſſe mechaniſch zerſtörend wirkt.
Hierher gehört der Schneebruch, der an den Bäumen in den Forſten
durch den Schnee- und Eisanhang angerichtet wird. Am meiſten leiden
darunter diejenigen Bäume, bei denen die Form der Krone die Auf—
lagerung großer Schneemaſſen geſtattet, alſo die immergrünen Nadel—
bäume, die auch im Winter ihre Belaubung tragen, und unter dieſen
wiederum diejenigen, welche dachförmige Aſte haben, wie beſonders die
Weißtanne und die Fichte. Auf den Aſten dieſer Bäume können ſich
ſo bedeutende Maſſen von Schnee und Eis anhäufen, daß unter dieſer
Laſt dem Baume die Aſte brechen oder er ſelbſt im Gipfel oder tiefer
am Stamme gebrochen, oder auch der ganze Baum umgeworfen wird;
in manchen Jahren werden auf dieſe Weiſe arge Verheerungen in den
Wäldern angerichtet, beſonders in den Gebirgsgegenden, weil dort die
Schneefälle häufiger ſind und der einmal gefallene Schnee ſelten gleich
wieder wegtaut, daher ſich anhäuft. An den Abhängen werden die Bäume
durch den Schneedruck am leichteſten geworfen. Schneebruch in den
Aſten und Stämmen hängt natürlich auch mit dem Grade der Sprödig—
keit des Holzes zuſammen. Auch Obſtbäume haben durch Schneedruck
zu leiden, beſonders der Apfelbaum mit feinen flachen, ausgebreiteten
Aſten, wo bisweilen die Kronen förmlich auseinander geſpalten werden.
In ſolchem Falle muß man durch geeignetes Zuſammenklammern oder
Unterſtützen der eingeſpaltenen Aſte den Baum zu erhalten ſuchen.
Eis- oder Duftanhang an den Bäumen bildet ſich, wenn im
Winter die Pflanzen unter 0° abgekühlt find und ein warmer Aqua⸗
torialſtrom in den langſam weichenden Polarſtrom eindringt. In
mäßigem Grade iſt dieſe Erſcheinung unter dem Namen Rauhreif
bei uns bekannt und faſt alljährlich zu beobachten. Selten nimmt ſie
einen für die Bäume bedrohlichen Grad an, wie in dem von Breiten-
lohner?) beſchriebenen, im Januar 1879 im Wiener Walde aufge-
tretenen Falle. Der Eisanhang erhielt ſich hier 9 Tage und vermehrte
ſich ſo, daß die dünnſten Zweige bis zur Dicke eines Schiffstaues
) Bot. Zeitg. 1872, pag. 130.
2) Forſchungen auf d. Geb. d. Agrikulturphyſik, 1879, pag. 497.
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3. Kapitel: D ie Niederſchläge 231
heranwuchſen. Aus den Tannen wurden wirkliche Eispyramiden, indem
die Eisanhänge der oberen Aſte bis an die unteren Aſte reichten und an
dieſe angefroren waren. Durch die Belaſtung wurden viele Baum—
ſtämme gebrochen. In den tieferen Lagen beſtand der Anhang aus
wirklichem durchſichtigen Glatteis, auf den Höhen mehr aus einem
Gemenge von Eis und Duft. In derſelben Weiſe ſchwächte ſich der
Eisanhang von dem Waldrande aus nach dem Innern zu allmählich
zu bloßem Duftanhang ab.
In den Hochgebirgen richten die Lawinen Verwüſtungen an der
Vegetation an. Das gewöhnliche Bild, welches dieſelben hinterlaſſen,
wenn ſie auf Wald treffen, iſt das der radikalſten Verwüſtung: der
ganze im Bereich der Lawine befindliche Strich des Waldes liegt wie
niedergemäht, und aus dem Choas der wirr durch einander geſtürzten
Stämme ragen nur etwa noch einzelne in ſchiefer Richtung auf, welche
nicht gebrochen waren und am Leben ſich erhalten haben. Eigentüm—
liche Abnormitäten bilden ſich an Holzpflanzen infolge ſtetig wieder—
holter Lawinenſtürze aus, wie dies in manchen engen Alpenthälern
vorkommt, wo Lawinen immer an denſelben Stellen niedergehen und
zu ſtändigen Erſcheinungen werden. So ſieht man z. B. im Eisthal,
einem engen Seitenthale unmittelbar am Fuße des Watzmann in den
bayriſchen Alpen in der Nähe des hinteren Thalſchluſſes, der von ſteilen,
faſt kahlen Wänden gebildet wird und mit Schnee, meiſt Lawinenreſten,
erfüllt iſt, einzelne Laubbäume noch bis an den Firn herangehen; die—
ſelben haben den fortwährenden Lawinen getrotzt; aber wie ſie das
konnten, das iſt in ihrem Ausſehen ausgeprägt: vorwiegend ſind es
jüngere Bäume, deren biegſame Stämme von den Schneemaſſen nicht
gebrochen ſondern gebogen wurden, und alle ſtehen ſchief, ſämtlich mit
nach vorn, thalabwärts, geneigten Stämmen und oft im Gipfel ge—
brochen, oder nur an der thalabwärts gekehrten Seite beäſtet, weil alle
der Lawine entgegenſtehenden Aſte gebrochen wurden. Zwiſchen den—
ſelben findet man noch eine Menge Krüppelformen von Buchen u. ſ. w.,
welche, durch den Schneebruch fortwährend verſtümmelt, zu niederen,
dichtbuſchigen Sträuchern geworden ſind, welche etwa an die durch
künſtlichen Schnitt oder durch Verbeißen des Wildes entſtehenden
Strauchformen erinnern. Überdies ſind dieſe Gehölze bedeckt mit
Wunden, die mehr oder weniger durch Überwallung geheilt ſind; ſelbſt
am Laub zeigen ſich Verwundungen durch ſpäte Schneeſtürze.
1
XD
3 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
4. Kapitel.
Der Sturm.
Beſchädigungen Beſchädigungen der Blätter. Durch ſehr heftigen Wind werden
der Blätter durch i 1 r 8 1 12
den Sturm. an den Blättern, beſonders an denjenigen der Bäume, Beſchädigungen
hervorgebracht, nicht bloß inſofern als ganze Blätter oder beblätterte
Zweiglein abgebrochen werden, ſondern auch an den ſtehenbleibenden
Blättern, die dann im ganzen lebend bleiben, aber einzelne beſchädigte
Stellen zeigen. Die Verwundungen, wobei Blätter zwiſchen den Seiten—
rippen eine Reihe von Löchern zeigen, oder fiederförmig eingeriſſen ſind,
wurden von Caspary), der dies bei Roßkaſtanien, und von Magnus?),
der es an Rotbuchen bemerkte, als Folgen der Reibung der noch ge—
falteten jungen Blätter bei Sturm betrachtet. Wir haben jedoch dieſe
Erſcheinungen oben mit A. Braun als Froſtwirkungen hingeſtellt.
Caspary will das freilich beobachtet haben nach Sturm, wobei kein
Froſt herrſchte. Allerdings bringt, wie ich Anfang Juli, wo alſo von
keinem Froſt die Rede ſein konnte, beſonders an exponiert ſtehenden
Obſtbäumen beobachtete, der Sturm an völlig erwachſenen Blättern
infolge der heftigen Schläge und Reibungen, die dabei der Blattkörper
erleidet, allerhand ſchadhafte Stellen hervor, die ſpäter trocken und grau
ausſehen und vom Blattrande aus mehr oder weniger weit in die Blatt— a
fläche hineingehen, jedoch ſehr unregelmäßig verteilt ſind.
Beſchädigungen Beſchädigungen der Baumſtämme. Die Folgen heftigen
es Sturmes an den Bäumen find entweder Windfall oder Windbruch.
den Sturm. Erſterer bezeichnet das Umſtürzen des ganzen Baumes unter teilweiſer
Löſung der Wurzeln aus dem Boden, letzterer das Brechen des Baumes
in der Krone, oder in einzelnen Aſten oder tiefer am Stamme unter
Stehenbleiben der Wurzeln und wenigſtens des unteren Stammſtückes.
Die den Windfall verurſachende Entwurzelung hängt ſowohl von der
Wurzelbildung des Baumes als auch von der Beſchaffenheit des Bodens
ab. Alle Bäume, welche keine tief gehende Pfahlwurzel, ſondern eine
mehr in der oberen Bodenſchicht entwickelte Bewurzelung haben, daher
vor allen unſre Nadelbäume, erliegen unter ſonſt gleichen Umſtänden
dem Windfall viel leichter als die tiefwurzeligeren Laubbäume. Daher
bietet ſich in Nadelwäldern nach Orkanen oft ein Bild der ſchrecklichſten
Verwüſtung. Da ſtehen oft nur noch wenige Stämme aufrecht, alle
übrigen ſind in den verſchiedenſten Richtungen regellos durch einander
5) Bot. Zeitg. 1869, Nr. 13.
2) Verhandl. des Bot. Ver. d. Prov. Brandenburg XVIII. und IX.
4. Kapitel: Der Sturm 233
geſtürzt!). Auch die aus Stecklingen erzogenen Bäume werden leichter
entwurzelt, weil ſie nicht wie die Sämlinge eine Pfahlwurzel, ſondern
nur Seitenwurzeln beſitzen. Die Beſchaffenheit des Bodens iſt inſo—
fern von Einfluß, als Bäume auf flachgründigem Gebirgsboden, wo
ſie nur in einer ſehr dünnen Bodenſchicht ihre Wurzeln bilden können,
vom Sturme viel leichter geworfen werden, als die, welche ſich auf
tiefgründigem Boden bewurzelt haben. Auch erhöht jeder leichte, lockere
Boden, alſo beſonders der Sandboden, die Gefahren des Windfalles
im Vergleich zu ſchwereren, feſteren Bodenarten, und das gleiche Ver—
hältnis beſteht zwiſchen dem nicht gefrorenen und dem gefrorenen Erd—
boden. Windbruch tritt dagegen ein, wenn die Bewurzelung im Boden
jo feſt iſt, daß ſie nicht nachgiebt. Der Windbruch hängt hauptſächlich
von der Beſchaffenheit des Holzes ab; er tritt leichter ein an Bäumen,
welche ſpröde, brüchige Aſte beſitzen, als an ſolchen, deren Aſte bieg—
5 ſamer ſind, am leichteſten aber an hohlen und kernfaulen Stämmen und
Aſten. Die Bruchſtellen liegen dabei bald an der Urſprungsſtelle eines
Aſtes, bald entfernter davon; ſie ſtellen dabei ſtelbſtverſtändlich keine
glatten Flächen, ſondern Zerſplitterungen dar; bisweilen werden Streifen
von Splint und Rinde von der Bruchſtelle aus weit herab abgeſchält,
oder von der Verzweigungsſtelle aus iſt der unter derſelben befindliche
Aſt oder Stamm geſpalten. Es handelt ſich alſo hierbei meiſt um
Wunden im großen Maßſtabe und um ſolche, welche am ſchwerſten
heilen und in der Folge oft zu Krankheiten oder zu Wundfäule (pag. 106)
führen.
Windfall hat den Tod des Baumes zur Folge, ſobald die Folgen des
Wurzeln größtenteils mit ausgehoben oder abgeriſſen find. Doch ſieht i
man mitunter vom Sturm geworfene Fichten und Tannen, welche noch
genügend bewurzelt geblieben ſind, um ernährt werden zu können.
Dieſe vegetieren dann unter eigentümlichen Formen weiter. Iſt der
Baum in horizontaler Lage auf den Boden hingeſtreckt, ſo bekommen
oft eine Anzahl der an der zenithwärts gekehrten Seite des Stammes
entſpringenden und daher ungefähr vertikal ſtehenden Aſte die Fähig—
keit, unter kräftigerer Entwickelung ſenkrecht aufwärts fortzuwachſen,
wie eine Hauptaxe, und ſich mit horizontal abſtehenden Zweigen zu
bekleiden, ſo daß auf dem gefallenen Stamme eine Reihe kleiner
ſekundärer Bäumchen aufgewachſen iſt, die dann gewöhnlich am Grunde
ſelbſtändig Wurzel ſchlagen. Die ſie trennenden Stücke des Haupt—
) Über die Gegenden Deutſchlands, welche beſonders oft vom Sturm
heimgeſucht werden, vergl. Bernhardt, eitiert in Forſchungen auf d. Gebiete
d. Agrikulturphyſik 1880, pag. 527.
ER
234 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
ſtammes können dann allmählich trocken werden. Dieſelben Wuchs—
verhältniſſe ſah Middendorf) auch an einer umgeſtürzten Birke.
Die aufwärts gekehrten Seitenäſte können auch ſchon dann in dieſer
Weiſe beeinflußt werden, wenn der Baum nicht vollſtändig gefallen,
ſondern nur in ſehr ſchiefe Richtung gekommen iſt, wie z. B. bei einer
wegen dieſer Form „Harfe“ genannten Tanne, welche bei Sommerau,
unweit Zittau, zu ſehen iſt. Fichten, welche an ſchmalen Abſätzen ſteiler
Felswände gewachſen ſind, werden wegen der hier ſchwachen Befeſti—
gung der Wurzeln leicht geworfen und hängen dann bisweilen, wenn
die Wurzeln ſich nicht gelöſt haben und den Baum weiter ernähren,
köpfüber an der Felswand herunter, während der Gipfeltrieb durch
Geotropismus in faſt halbkreisförmiger Krümmung ſich aufgerichtet
hat und vertikal nach oben weiter gewachſen iſt, wie man derartige
Bilder z. B. im Bodethal im Harz antrifft. — Eine ebenfalls durch
den Wind bedingte ſehr häufige Erſcheinung iſt die ſchiefe Richtung
der Baumſtäm me, die man mehr oder weniger an den meiſten ganz
frei ſtehenden, beſonders an den Chauſſeen und Landwegen an—
gepflanzten Bäumen ſieht, welche, wie man ſich ausdrückt, „geſchoben“
ſind, d. h. in der herrſchenden Windrichtung (bei uns meiſtens von
Weſt) ſchief ſtehen. Aus derſelben Urſache erklärt ſich der ſogenannte
„Säbe lwuchs“, wobei die Baumſtämme im unteren Teile ſchief,
nach oben zu allmählich aufwärts gekrümmt erſcheinen, was durch
die negativ geotropiſchen Krümmungen der jungen Gipfeltriebe zu
ſtande kommt. Sehr ſchief gedrückte Stämme bekommen die Neigung,
auf der zenitwärts gewandten Seite reichlichere Triebe zu bilden, welche
zu üppig und ſenkrecht aufſchießenden ſogenannten Waſſerreiſern werden,
die lange Zeit unfruchtbar bleiben und die Entwickelung der frucht-
tragenden Zweige des Baumes beeinträchtigen. Einen Schutz gegen
dieſe Richtungsänderungen gewährt es, wenn der Baumpfahl ſchräg
gegen die Windrichtung geſteckt wird.
Folgen des Die Folgen des Windbru ches find im Allgemeinen ſchon oben
5 im Kapitel von den Wunden angedeutet worden. Es iſt dort die Rede
der Baumgrenze. davon, daß die Nadelhölzer den abgebrochenen Gipfel durch einen auf-
wärts wachſenden Seitentrieb zu erſetzen ſuchen, daß ſie aber mit wenig
Ausnahmen nicht die Fähigkeit beſitzen, durch Adventivknoſpen unter
den Wundſtellen den Verluſt älterer Aſte zu erſetzen, daher zu Grunde
gehen, wenn ihnen der Sturm die ganze Krone abgebrochen hat, indem
ſie aus dem Stocke keine Ausſchläge zu bilden vermögen, daß dagegen
die Laubhölzer dadurch nicht getötet werden, weil ſie Stockausſchläge
1) Pflanzenwelt Norwegens, pag. 166 u. 184.
4. Kapitel: Der Sturm 235
machen. Den bedeutendſten Einfluß auf die Baumform hat das Bor-
kommen an der Baumgrenze in den Gebirgen und im hohen Norden
ſowie an den Meeresküſten, weil bei den hier herrſchenden heftigen
Stürmen der Windbruch zu einer immer wiederkehrenden Erſcheinung
wird. Die eigentümlichen Baumformen, durch welche jene Gegenden
charakteriſiert ſind und über welche ich die nachfolgenden Beobachtungen
ſchon in der erſten Auflage dieſes Buches mitgeteilt habe, erklären ſich
in der That als Wirkungen des Sturmes, was ich ebenfalls am an—
gegebenen Orte ſchon begründet habe. Für den Krüppelwuchs der
Holzgewächſe an den Seeküſten hatte ſchon Borggreve) den mecha—
niſchen Einfluß des Windes als die einzig nachweisliche Urſache be—
zeichnet. An der Grenze der Fichte auf den Gebirgen giebt es keinen
eigentlichen Baumwuchs mehr. Die Fichten, ſelbſt die alten mit ſchenkel—
dicken Stämmen, können ſich hier nicht über einen oder wenige Meter
erheben: ihr Gipfel wird immer verbrochen, und ſo oft ſie auch einen
neuen zu machen ſuchen, ereilt dieſen dasſelbe Schickſal; faſt jede
Fichte iſt hier gipfeldürr, endigt in einen oder mehrere Spieße. Die
Beäſtung iſt an dieſen Fichten vorwiegend einſeitig, und zwar ſind die
Aſte aller Individuen nach einer und derſelben Himmelsgegend ge—
kehrt. In unſern norddeutſchen Gebirgen, wie auf dem Brocken, auf
den Kuppen des Erzgebirges und auf dem Kamme des Rieſengebirges,
iſt das die öſtliche Richtung, weil hier die herrſchenden Stürme aus
Weſten kommen und der Sturm notwendig zur Folge hat, daß die ihm
entgegenſtrebenden Aſte gebrochen werden, während er auf die an der
entgegengeſetzten Seite des Stammes befindlichen nur als Zug wirken,
und ihnen daher weniger ſchaden kann. Eine weitere Eigentümlichfeit
iſt, daß dieſe Krüppel vom Boden an beäſtet find und daß gerade
die unterſten Aſte, welche in dem Heide- und Vacciniengeſtrüpp, das
den Boden bedeckt, oder zwiſchen den umherliegenden Steinblöcken den
beſten Schutz gegen Sturm finden, auch die längſten und wohlgebil—
detſten ſind und hier oft, ſogar an den verſtümmeltſten Formen, rings
um den Stamm herum gehen. Der Schutz, den auch die Schnee—
bedeckung gegen den Windbruch gewährt, tritt hierbei ebenſo deutlich
wie im hohen Norden hervor: ſo weit ſich die Fichte unter den Schnee
zurückziehen kann, bleibt fie unverſehrt; die hervorragenden Wipfel
gehen verloren. An den exponierteſten Stellen im Gebirge verlieren
die Fichten das ganze Stämmchen bis auf einen niedrigen Stock, der
nie einen Gipfeltrieb aufbringt und an welchem nur ein oder ein paar
) Einwirkung des Sturmes auf die Baumvegetation. Abhandlung des
naturwiſſenſchaftlichen Ver. zu Bremen 1872.
236 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
nahe übereinander ſtehende Aſtquirle dicht auf dem niederen Geſtrüpp
ſich ausbreiten, ſo daß man bequem über dieſe Fichten hinwegſchreiten
kann. Im Rieſengebirge fand ich über den Schneegruben die letzten
Verſuche der Fichte in einer Gebirgshöhe, die ſchon weit über der
Baumgrenze lag (bei ungefähr 1400 m); ſie bringt es hier nur zu
kriechenden Trieben, die ſich auf dem Mooſe und über Steinblöcke hin—
breiten; über den Boden ſich zu erheben könnte ſie dort oben nicht
wagen, wo man Stürme erlebt, von denen der Bewohner des Tief—
landes keinen Begriff hat. Daß die Unmöglichkeit der Verbaumung
nicht durch klimatiſche Gründe, ſondern nur durch den Sturm bedingt
wird, erſieht man aus dem Vorkommen ſolcher Krüppelformen auch in
tieferen Lagen, wenn ſie an einem dem Sturm ſehr exponierten Stande
ſich befinden. Der Keilberg im Erzgebirge trägt auf ſeinem weſtlichen
Abhange, alſo an der Wetterſeite, lauter Krüppelfichten, die hier ſchon
bei 1180 m ſehr ausgeprägt find und in zunehmender Verkrüppelung
bis zur Kuppe, 1220 m hinauf gehen; aber wenn man auf der Oſt—
ſeite des Berges niederſteigt, treten ſchon wenige Schritte unter der
Kuppe, alſo im Schutze vor den Weſtſtürmen, die Fichten hochſtämmig
auf, und bei 1180 m befindet man ſich hier ſchon im herrlichſten ge—
ſchloſſenen Hochwalde. Ganz ähnliche Krüppelformen nimmt die
Lärche an der Baumgrenze in den Nordländern an, wie aus den Be—
ſchreibungen in Middendorff's Sibiriſchen Reiſen (pag. 601—606)
hervorgeht. Derſelbe unterſcheidet ebenfalls kriechende Formen, die auf
oder unter dem Mooſe ihr Daſein friſten, und in dieſer Form ebenfalls
noch jenſeits der Baumgrenze angetroffen wurden, und aufrechte, ge—
rade oder gebückte Formen, welche gipfeldürr und aſt- und laubarm
ſind. Von den letzteren werden als beſondere Geſtalten beſchrieben
die aſtloſen Krüppel, an denen nur Spuren mißlungener Verſuche von
Aſtbildung und dafür eine große Menge Knoſpen zu ſehen ſind, die,
wenn fie ſich belauben, kuglige Schopfe bilden, und zweitens die jpalier-
baumartigen Lärchen, bei denen die Zweige, die zum Teil der ganzen
Stammlänge gleichkommen, nach zwei Seiten hin ſtehen, an unſre
Spalierbäume erinnernd, worin ſich die herrſchende Windrichtung aus—
ſpricht. Noch eine andre Form beſchreibt Middendorff als Krüppel-
hecken, die teils im äußerſten Norden zu ſehen ſind, wo ſie mehr
zu den kriechenden Formen gehören, teils auch an der Seeküſte des
Ochotskiſchen Meeres auf 640 m hohen Bergen, wo unbändige, un⸗
abläſſig Staubregen führende Seewinde als die Urſache bezeichnet
werden. Dieſe Krüppel ſollen ein Laubgewirr von ſaftigem Grün
entwickeln, das an beſchnittene Gartenhecken erinnert, und einen herr⸗
lichen Teppich bilden, der oft nur 30 bis 60 em über der Felswand
3 4. Kapitel: Der Sturm 237
emporſteht, dieſelbe nicht ſelten dicht überziehend und verdeckend. Ganz
ähnlich beſchreibt Kihlmann) die durch den Sturm bedingten Wuchs—
formen an der Baumgrenze in Ruſſiſch Lappland. Als extremſter Fall
tritt auch hier die Bildung von Matten auf, welche nur die Höhe des
umgebenden Flechten- und Reiſerfilzes erreichen. Beſonders bildet die
Fichte, indem ihre Zweige durch Adventivwurzeln ſich bewurzeln, ſolche
Matten, welche dem Boden dicht angeſchmiegt, in der herrſchenden
Windrichtung hinkriechen, und ein hohes Alter erreichen; infolge
Abſterbens der hinterſten älteſten Partien erſcheint die Matte aus
mehreren, von einander unabhängigen Individuen zuſammengeſetzt:
Am oberen Rande ſteil abfallender Felswände bilden dann ſolche
Matten frei über den Abgrund hinausragende Vorſprünge, welche an
die Schneeſchilder oder Windſchirme der Hausdächer in den Alpen er—
| innern. Ahnliche Matten bildet dort auch der Wachholder; auch die
N Birke wächſt oft in der dem Boden angeſchmiegten Spalierform. Häufig
find auch bei dieſen Pflanzen plattgewachſene Tiſchſormen. Kihlmann
ö ſpricht es ebenfalls beſtimmt aus, daß der Einfluß des Windes und
die durchſchnittliche Tiefe der Schneedecke die beſtimmenden Faktoren
für dieſe Wuchsverhältniſſe ſind. Er konnte ſich überzeugen, daß alle
Triebe, welche über die kritiſche Schneelinie hervorragen, abſterben, und
daß dadurch der jeweilige Wuchs bedingt wird. Die tödliche Wirkung
ſieht aber Kihlmann nicht in der mechaniſchen Kraft des Windes
an ſich, ſondern hauptſächlich in der monatelang dauernden ununter—
brochenen Austrocknung der jungen Triebe zu einer Jahreszeit, die
wegen der Winterruhe der Pflanze jede Erſetzung des verdunſteten
Waſſers unmöglich macht; er ſtellt alſo die Erſcheinung in Parallele
mit den oben S. 222 beſprochenen Wirkungen der ungenügenden Tem—
peratur des Erdbodens auf die Wurzeln.
Als eine ſchädliche Wirkung des Windes find endlich noch anzu- Verwehungen
führen die Verwehungen auf leichten Bodenarten, wenn fie bei auf Sandboden.
trocknem Wetter an jungen Pflanzungen und Saaten durch den Wind
veranlaßt werden. An Stellen, welche dieſen Beſchädigungen am
ſtärkſten ausgeſetzt find, müſſen Schutzpflanzungen in Heckenform, am
beſten aus Nadelhölzern, angelegt werden.
) Pflanzenbiologiſche Studien aus Ruſſiſch Lappland. Helſingfors
1890, pag. 61 ff.
238 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe
5. Kapitel.
Der Blitzſchlag.
ee Ait, 1. Blitzſchlag in Bäume. Die Art, wie der Blitz die Bäume
vom Bige ge. trifft und beſchädigt, zeigt in den einzelnen Fällen gewiſſe Verſchieden—
troffen werden. heiten. Cohn), dem wir eine Zuſammenſtellung eigener und fremder
Beobachtungen über dieſe Phänomene verdanken, glaubte dieſe Ver—
ſchiedenheiten nur aus der Intenſität des Blitzſtrahles und nicht aus
der ſpecifiſchen Natur des Baumes erklären zu müſſen. Später hat aber
Daniel Colladon) eine Reihe von Beobachtungen mitgeteilt über
Blitzſchläge, welche im Thale des Genfer Sees hauptſächlich die ita—
lieniſchen Pappeln, Eichen, Ulmen, Birnbäume und Fichten betroffen
hatten, aus denen unzweifelhaft hervorgeht, daß für die einzelnen
Baumarten eine gewiſſe charakteriſtiſche Art beſteht, wie ſie vom Blitze
getroffen und verwundet werden, wiewohl die Blitzſchläge an einer
und derſelben Baumart immer auch in den einzelnen Fällen mancher—
lei Unterſchiede zeigen, die von der individuellen Natur des Baumes,
von äußeren Verhältniſſen und wohl auch von der Natur der elek—
triſchen Entladung abhängig ſein mögen. Nach dieſen Beobachtungen,
die übrigens mit Angaben früherer Schriftſteller übereinſtimmen, ſind
die Erſcheinungen des Blitzſchlages an den obengenannten Bäumen
von folgender Art.
Bei der italieniſchen Pappel (Populus pyramidalis Rog.) bleibt der
ganze obere Teil der Krone unverſehrt, weder an den dünnen Zweigen noch
an den Blättern iſt irgend eine Spur von Beſchädigung zu ſehen; erſt in
den tieferen Teilen, etwa in einer Höhe von 6 bis 8 m über dem Boden,
zeigt ſich, meiſt unter der Vereinigung zweier oder mehrerer großer Aſte
beginnend, die am Stamme herablaufende Verwundung. Dieſe ſtellt einen
oder zwei an verſchiedenen Seiten des Stammes ziemlich parallel, entweder
in ſenkrechter oder etwas ſpiraliger Richtung laufende Streifen von wechſelnder
Breite dar, an denen die Rinde abgeriſſen, der Splint entblößt oder auch
zum Teil abgeſchlagen iſt. An den Rändern der Wunde iſt die ſtehen—
gebliebene Rinde in einer gewiſſen Breite vom Splinte abgehoben. In der
Mitte des entblößten Holzſtreifens befindet ſich im größten Teile ſeiner
Länge eine einige Millimeter breite Spalte im Holze, in die man ein
Meſſer mehrere Centimeter tief einführen kann. Die abgeriſſenen Stücke
von Rinde und Holz findet man bis auf eine Entfernung von 30 m vom
Baume fortgeſchleudert am Boden liegen. Weder ſie noch die Wundränder
des Stammes zeigen eine Verkohlung, vielmehr beide nur eine mehr oder
minder ſtarke Zerfaſerung, wie dies auch an andern Baumarten der Fall
1) Einwirkung des Blitzes auf Bäume. Denkſchr. d. ſchleſ. Geſ. f.
vaterl. Cult. Breslau 1853.
2) Mém. de la soc. de Phys. et d’hist. nat. de Geneve. 1872, pag. 511 ff.
5. Kapitel: Der Blitzſchlag 239
iſt. Die Blitzſpur geht in geringer Höhe über dem Boden in einen bloßen
Riß in der Rinde über, der ſich im Boden verliert, oder ſie verſchwindet
gänzlich, ohne den Boden zu erreichen.
Die Eichen werden im Gipfel getroffen; die am meiſten vorſtehenden
Aſte lenken in der Regel den Blitz auf ſich, brechen oft an ihren Enden und
werden, oft ohne ihrer Rinde entkleidet zu werden, getötet; aber nahe unter
den getroffenen Aſten beginnt die Blitzſpur als ein von der Rinde entblößter
Streifen des Holzes und ſetzt ſich ohne Unterbrechung und gleichförmig
bis zum Boden fort. Ihr Gang iſt gewöhnlich der einer Spirale, die bis
13/, Umläufe beſchreiben kann. Die Mitte dieſer Wunde iſt charakteriſiert
durch eine ununterbrochene, 2—3 em breite Furche von jo regelmäßig halb»
cylindriſcher Form, als wäre ſie mittelſt eines Inſtrumentes ausgeſchnitten.
Im Grunde dieſer Rinne befindet ſich ſtellenweiſe eine ſchmale Spalte, in
welche ein Meſſer einige Centimeter tief eingeſchoben werden kann. Am
Rande der Blitzſpur iſt die Rinde vom Splint etwas abgehoben. Durch
ältere Beobachter iſt konſtatiert!), daß die erwähnten Spalten im Holze bei
den Eichen zu einem vollſtändigen Zerſpellen des Stammes führen können,
indem der Holzkörper ſenkrecht zur Oberfläche in parallele Leiſten zerſchlagen
wird; auch hat man beim Fällen vom Blitze getroffener Eichen die Jahres—
ringe von einander getrennt gefunden und endlich auch eine Spaltung
des Holzkörpers nach beiden Richtungen zugleich beobachtet, ſo daß der
Stamm wie ein beſenartiges Bündel von vielen dünnen Splittern erſchien.
Die Ulmen werden nach Daniel Colladon mehrere Meter unter
dem Gipfel getroffen; dieſer ſelbſt bleibt unverſehrt. Die Wunde läuft regel—
mäßig und ununterbrochen als ein von Rinde entblößter Holzſtreifen herab.
Die an den Eichen gefundene halbcylindriſche Furche auf der Mitte des
Streifens wurde nicht wahrgenommen.
Beim Blitzſchlag in Birnbäume hat man folgende Erſcheinungen
beobachtet?). Einmal war der Stamm zum größten Teil verſchwunden,
nur 6 mit den Wurzeln im Zuſammenhange befindliche Splitter waren
ſtehen geblieben, und rings umher lagen die abgeſchlagenen 5 großen
Aſte, welche ſelbſt faſt ganz unverletzt waren. Ein andrer Baum zeigte
gar keine Verletzung weiter als 2 d Meter unter dem Gipfel Furchen in
der Rinde der Aſte und einige vom Stamme abgelöſte Rindefetzen; auch
blieb er nach dem Blitzſchlage am Leben. An einem dritten endlich war
der ganze Stamm von den Aſten bis zur Wurzel völlig entrindet, während
die Aſte ſelbſt Rinde, Blätter und Früchte behalten hatten; zugleich war der
Baum in zwei Teile zerſpalten, deren jeder wieder mehrere Spalten hatte.
Jedesmal war der Erdboden in der Nähe des getroffenen Baumes aufgewühlt,
wobei einmal eine Wurzel ſichtbar war, die ihrer Umhüllung beraubt war.
An einer Fichte beobachtete Daniel Colladon einen Blitzſchlag, wobei
nahe am Gipfel an der vom Blitze berührten Seite die Nadeln rötliche
Flecken oder Spitzen bekommen hatten, ſonſt aber nichts weiter ſich zeigte
als eine am Stamme 8 Meter unter dem Gipfel beginnende tiefe Spalte
der Rinde, welche ½ Meter weit herablief; wenig darunter befand ſich
daneben eine zweite, und auf dieſe folgte eine dritte Spalte, welche ſpiralig
bis nahe zum Boden ſich erſtreckte.
) Vergl. Cohn, l. c. pag. 6— 7.
2) Vergl. Daniel Colladon, l. c. pag. 538543.
ihn:
240 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe
Nur zweimal beobachtete Daniel Colladon außerdem noch eine Er—
ſcheinung, welche bis dahin noch nicht bekannt war. An einer Pappel hatte
die auf der Mitte der Blitzſpur befindliche Spalte des Holzes in der ganzen
Länge beiderſeits einen etwa 4 Millimeter breiten Rand von bräunlicher
Farbe, als wie im Ofen getrocknet, und außerdem auf dem entblößten Holz—
ſtreifen beiderſeits der Spalte in verſchiedenen Höhen 7 genau kreisrunde
Flecken von 8 bis 10 Millimeter Durchmeſſer und etwas dunklerem Braun
als jene Bänder; davon lagen 4 zu zwei teilweiſe übereinander. Dieſe
Flecken zeigten nichts weiter als eine lokale ſtarke Austrocknung, als wären
| jie mit einem heißen Eiſen berührt worden. Dieſe Erſcheinung zeigte fich
auch an der erwähnten Fichte, wo 10 ſolcher Flecken ſämtlich auf der Spalte
| vorhanden waren, die der Blitz hervorgebracht hatte; dieſelben waren
| 3—5 cm im Durchmeſſer, ebenfalls fait genau kreisrund und hier die einzigen
| Stellen auf den Spalten wo die Rinde wegggeſchlagen war, jo daß fie
| dunklere freie Stellen Holzes darſtellten, welche mitten von der Spalte
| durchzogen waren. Die Urſache dieſer Erſcheinung iſt unbekannt; Daniel
Colladon vermutet, daß es die Folgen von elektriſchen Strömen ſind, welche
rechtwinkelig zur Oberfläche des Stammes aus dieſem in Form eylindriſcher
Funken herausgeſchlagen ſind.
Bahn des Blitzes Die Bahn der Blitzſpur, alſo der mehr oder minder ſpiralige Verlauf
N Spalten des Holzes und der abgelöſten Rindeſtreifen, wird von
Cohn wie von Daniel Colladon übereinſtimmend zu dem ſchiefen
Verlauf der Holzfaſern und der daraus reſultierenden ſpiralig gedrehten
Form der meiſten Stämme in Beziehung gebracht. Eine bemerkens—
werte Beſtätigung dieſer Beziehung liefert auch die von dem letzt—
genannten Beobachter gemachte Wahrnehmung, daß an Eichen, die als
Kopfholz gezogen werden, die Blitzſpur nicht eine Spirale, ſondern
eine Wellenlinie bildet, indem ſie an den knorrig gewachſenen Stämmen
immer den Knoten ausweicht. Cohn ſieht in dieſen Wunden aber
nicht die Bahn des Blitzes, ſondern nur die Stellen, an denen die Rinde
der Exploſion den geringſten Widerſtand leiſtet, und ſucht die Zer—
ſprengung dadurch zu erklären, daß er annimmt, der Hauptſtrom der
Elektricität gehe durch die Kambiumſchicht und verwandle deren
Flüſſigkeit plötzlich in Dampf, während ein Nebenſtrom durch den
Holzkörper gehe und die hier bisweilen auftretenden Spalten bedinge.
Beobachter wollen zwar beim Einſchlagen des Blitzes in Bäume eine
Rauchſäule geſehen haben; es iſt aber nicht ausgemacht, ob dieſelbe
von dem Baume oder von der gewaltſam und in feiner Zerteilung
aufgeworfenen Erde herrührte. Daniel Colladon macht dagegen
geltend, daß ja durch den Blitz viele kräftige Wirkungen von Anziehung
und Abſtoßung hervorgebracht werden, welche mit Verdunſtung von
Waſſer nichts zu ſchaffen haben. Die Beſchaffenheit der an den
Stämmen herablaufenden Wunden ſpricht dafür, daß ſie ſelbſt die
5. Kapitel: Der Blitzſchlag 241
Bahn des elektriſchen Stromes ſind. Die Beſchränkung desſelben auf
dieſe Stellen ſteht ja auch im Einklange mit der Thatſache, daß der
Blitz beim Durchſchlagen ſchlechter Leiter, zu denen auch die Baum—
ſtämme gehören, ſich plötzlich zuſammenzuziehen vermag. Auch Cas—
pary !) hebt gegen die Cohn'ſche Anſicht hervor, daß die Kambium—
ſchicht, wenn ſie ganz vom elektriſchen Funken durchzogen würde, not—
wendig auch ganz verletzt werden müßte, was nicht der Fall iſt.
Entzündet werden geſunde Bäume nie vom Blitz, wohl aber a
ſolche, welche aus trockenem und daher entzündlichem Holze beſtehen. ;
So hat Daniel Colladon zwei Blitzſchläge in hohle Kopfpappeln
beobachtet, von denen die eine ſich im Innern des Stammes entzündete,
ſo daß die Zweige zerſtört wurden, bei der andern das innere tote
Holz verkohlt, jedoch durch den Regen gelöſcht wurde und einige junge
Zweige wahrſcheinlich infolge der Verbrennung vertrocknet waren.
Ebenſo wird von Caspary (J. c.) die Entzündung durch den Blitz
3 von einer Kiefer, welche zunderartiges faules Holz enthielt, und von
Beyer?) ſowie von Buchenau?) von kernfaulen Eichen angegeben.
Gleiches iſt in den Tropen an dürren Aſten und Blattſtielen von Palmen
zu beobachten.
Die Folgen des Blitzſchlages ſind nicht notwendig tödlich. Daß Folgen des
Bäume, die vom Blitze irgend ſtärker zerſchmettert oder ihrer Rinde dnsioinge Für
ringsum entkleidet ſind, eingehen, iſt ſelbſtverſtändlich. Wo aber die Baumes.
Krone und der Stamm erhalten und die Verwundung des Kambiums
auf einen ſchmalen Streifen beſchränkt iſt, iſt die Lebensfähigkeit des
Baumes nicht vernichtet. In der That ſind auch zahlreiche Fälle be—
kannt, wo vom Blitz getroffene Bäume mit dem Leben davon gekommen
ſind. Der Wundſtreifen am Stamme heilt dann wieder, indem er von
beiden Rändern her überwallt wird. Bemerkenswert iſt, daß man in
Wäldern bisweilen ein Abſterben ganzer Baumgruppen im Umkreiſe
eines vom Blitze direkt getroffenen Baumes beobachtet hat. Baur?)
teilt 7 verſchiedene ſolche Fälle mit, die ſich alle auf Fichte, Tanne
und Kiefer beziehen. Ebenſolche Beobachtungen werden von Beling“)
und von R. Hartig) angeführt.
) Schriften d. phyſ.-ökon. Gef. zu Königsberg 1871, pag. 69 ff.
2) Verhandl. d. bot. Ver. d. Prov. Brandenburg, 28. Januar 1876.
3) Beachtenswerte Blitzſchläge in Bäume, Abhandl. des naturw. Ver.
Bremen IX. pag. 312 ff.
) Der Blitz als Waldverderber. Monatsſchr. f. Forſt u. Jagdweſen.
Jahrg. 17, Märzheft.
5) Zeitſchr. f. Forſt⸗ u. Jagdweſen. November 1873.
6) Juſt, Botan. Jahresber. 1875, pag. 956.
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 16
Häufigkeit Dem Blitzſchlag find alle Baumarten ausgeſetzt. Die Meinung
des Blitzſchlages der Alten, daß der Lorbeer gegen den Blitz geſchützt ſei, iſt durch Beob—
nach Baumarten. „„ Br
Spezifiſch un. achtungen widerlegt. Jedoch iſt nicht zu leugnen, daß gewiſſe Bäume
gleiche Dispofi- häufiger als andre vom Blitz getroffen werden, was allerdings großen—
tion der Baumetteifs aus der ungleichen Häufigkeit derſelben in den einzelnen Gegenden
und aus der ungleichen Expoſition der einzelnen Baumarten zu er—
klären iſt. Von 40 Beobachtungen von Blitzſchlägen in Bäume,
welche Cohn zuſammengeſtellt hat, kommen 14 auf Eichen, 12 auf
Pappelarten, 3 auf Birnbäume, je 2 auf Tannen, Kiefern und Buchen,
je 1 auf Erlen, Ulmen, Nußbäume, Ebereſchen, Robinien. Caspary
hat 93, und zwar 53 ſelbſtbeobachtete, 40 von andern Beobachtern
konſtatierte Fälle geſammelt, unter denen 20 Populus pyramidalis, 14
Populus monilifera, 15 Eichen betreffen. Ebenſo iſt unter den von
Daniel Colladon beſchriebenen Fällen im Thale des Genfer Sees
die italieniſche Pappel 11, die Eiche 3 mal vertreten. Der hohe,
ſchlanke Wuchs der italieniſchen Pappel und die große Anzahl, in der
dieſer Baum auf Chauſſeen und an den exponierteſten Stellen ſteht,
ebenſo die über alle andern Waldbäume hervorragende Höhe der Eichen
laſſen jene Thatſachen begreiflich erſcheinen. Nichtsdeſtoweniger ſcheint
zu der großen Häufigkeit des Blitzſchlages in Pappeln auch eine
größere ſpecifiſche Fähigkeit dieſes Baumes, den Blitz auf ſich zu lenken,
eine größere Leitungsfähigkeit desſelben, vielleicht auch die größere Ver—
breitung der Wurzeln dieſes Baumes im Boden beizutragen. Denn
Daniel Colladon erwähnt einige Fälle, wo der Blitz in eine Pappel
einſchlug, obgleich höhere Bäume in der Nähe ſtanden, die der Blitz
verſchonte; ſelbſt eine niedere Kopfpappel fand der Blitz zwiſchen be—
nachbarten höheren andern Bäumen heraus. Etwas Ahnliches bezüg⸗
lich der Eiche ſcheint aus dem von R. Hartig (J. C.) erwähnten Falle
zu folgern zu ſein, bei dem in einem gemiſchten Fichten- und Eichen⸗
beſtande nur die unterdrückten Eichen Blitzſchläge erkennen ließen,
während die vorwüchſigen Fichten verſchont geblieben waren. Nach
einer kürzlich von Jonescu geäußerten Anſicht ſollen Bäume, welche
reichlich Ol in ihren Geweben enthalten, wie die Kiefer, ſchwerer vom
Blitze getroffen werden, als Bäume, welche weniger Ol enthalten, da-
gegen reicher an Stärkemehl ſind, was der Genannte mit der größeren
Widerſtandsfähigkeit des Oles gegen das Durchſchlagen des elektriſchen
Funkens in Zuſammenhang gebracht wiſſen will.
Einfluß äußerer Unter ſonſt gleichen Umſtänden, alſo insbeſondere gegenüber Bäumen
Verhältniſſe. derſelben Species, find äußere Verhältniſſe von unverkennbarem Ein⸗
fluß. Auch in dieſer Beziehung hat Daniel Colla don, beſonders an
italieniſchen Pappeln, einige beachtenswerte Beobachtungen gemacht.
242 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
8
2
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jßù ... x SEK Eee Zr a ze
5. Kapitel: Der Blitzſchlag 243
Wenn auf gleich hohem Terrain eine Anzahl ungleich hoher Pappeln nahe
beiſammenſtand, war es immer die höchſte, in welche der Blitz ſchlug,
oder welche die ſtärkſte elektriſche Entladung empfing, während die
nächſt höhere ſchwächer getroffen wurde; bisweilen ſchlug ein einziger
Blitz auch in mehrere der höchſten Pappeln zugleich. Wo auf wellen—
förmigem Terrain gleich hohe Pappeln ſtanden, fiel die höchſtſtehende
dem Blitz zum Opfer. Vielleicht hat auch die Feuchtigkeit des Bodens
einen Einfluß. Ein von Süd nach Nord ziehendes Gewitter ſchlug in
die faſt am weiteſten nördlich ſtehende, im Verhältnis zu den übrigen
nicht höhere Pappel einer Straße, da wo dieſelbe über einen waſſer—
gefüllten Kanal führte, und die Blitzſpur verlief auch in eine dicke
Wurzel, die nach dem Kanal gerichtet war.
2. Blitzſchlag in Weinberge. Nach den von Daniel Colla—
don!) mitgeteilten Erfahrungen find mitunter Blitzſchläge in Wein—
berge vorgekommen, deren Folgen derſelbe an einem von ihm ſelbſt
beobachteten Fall beſchreibt. Die vom Blitz getroffene Stelle war ſchon
weithin als eine kreisrunde Fläche im Weinberge daran zu erkennen,
daß die auf derſelben ſtehenden Weinſtöcke, 335 an der Zahl, eine
Menge ziegelroter Flecken auf den Blättern zeigten, die in den übrigen
Teilen des Weinberges nicht zu ſehen waren. In der Mitte dieſer
Fläche waren Löcher in der Erde zu bemerken und mehrere Pfähle
umgeworfen. Die dort ſtehenden Weinſtöcke hatten am meiſten fleckige
Blätter, im übrigen aber, insbeſondere an den Stengeln, keine Ver—
letzung; auch blieben die Pflanzen am Leben. Die Blattflecken nahmen
den vierten Teil bis die Hälfte der Blattfläche ein; ſie waren anfangs
tiefer grün und wurden nach einigen Tagen ziegelrot. Eine Verän—
derung der Gewebe zeigte ſich außer an den Blättern auch an den
jüngeren und ſaftigen Teilen des Stengels, beſonders am Cambium;
ſie beſtand in einer Verfärbung in braun, rötlich oder ſchwärzlich.
Die Zellwände waren intakt, aber das Protoplasma kontrahiert und
getötet; die Stärkekörnchen erhalten; das Holz und die Gefäße un—
verſehrt. Nach Rathay?) kommt dieſe Rötung der Weinblätter nur
an den Arten mit roter Herbſtfärbung vor und iſt auch nur eine
mittelbare Folge des Blitzes, nämlich dadurch verurſacht, daß der Blitz
in den Mittelſtücken mehrerer aufeinander folgender Internodien das
Gewebe außerhalb des Cambiums tötet und ſo eine Art Ringelung
bewirkt; das Kambium bleibe lebendig und erzeuge nach außen einen
von Wundkork umhüllten Callus und nach innen einen Holzring, der
) 1. c. pag. 548—553.
) Sitzungsber. d. Akad. d. Wiſſenſch. zu Wien, 16. April 1891.
16*
Blitzſchlag
in Weinberge.
a
1
*
244 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe
vom älteren Holze durch eine dünne, gebräunte Schicht geſchieden iſt.
Die Trauben ſolcher Reben vertrocknen. 0
Blitzſchlag 3. Blitzſchlag in Wieſen und Acker. Nach den von Daniel
in Ace ind Colladon) aus älteren Notizen zuſammengeſtellten Beobachtungen
hinterließ ein Blitzſchlag in eine Wieſe ſeine Spur auf einer Fläche
von 6 m Durchmeſſer, wo die höchſten Köpfe der Diſteln getötet waren,
die niederen Teile des Raſens aber ſich unverſehrt zeigten, an zwei
Punkten war der Boden aufgewühlt, an andern der Raſen empor—
gehoben. In einem Kartoffelacker hatte der Blitz ein Loch und halb—
kreisförmige Furchen in der Erde gebildet; die Pflanzen daſelbſt waren
unverſehrt, nur an einer Stelle dieſer Fläche zeigte ſich die Baſis der
Stengel wie verbrannt, zerriſſen oder teilweiſe breiig. Auf einem vom Blitz
getroffenen Rübenacker waren die Blätter an ihrem Rande vertrocknet und
zuſammengeſchrumpft, rötlich oder violett gefärbt und ſtellenweiſe zerriſſen.
Theoretiſches. Die Theorie des Blitzſchlages in Pflanzen, ſoweit bis jetzt von einer ſolchen
die Rede ſein kann, muß alle unter den verſchiedenen Verhältniſſen beob—
achteten Erſcheinungen zu umfaſſen ſuchen. Man muß mit Daniel Colla⸗
don davon ausgehen, daß der elektriſche Strom ſich zu zerteilen oder ſich
zuſammen zu ziehen vermag, je nachdem der Körper ein guter oder ſchlechter
Leiter iſt. So durchſchlägt er die Luft in Form eines Strahles, zerteilt ſich
aber, wenn er auf eine mit Vegetation bedeckte Fläche von gewiſſer Ausdehnung
trifft, in ein Strahlenbüſchel oder in eine erweiterte Ausbreitung und berührt
zugleich eine Menge von Blättern, Zweigen u. ſ. w. Iſt dieſe Vegetations⸗
fläche von ganz gleichmäßiger Höhe und Beſchaffenheit, wie in Weinbergen,
Ackern ꝛc., ſo wird die Ausbreitung des elektriſchen Stromes eine ungefähr
kreisförmige werden müſſen, wo die Wirkung im Centrum am ſtärkſten iſt
und gegen die Peripherie ſich abſchwächt. Wo aber die Vegetationsfläche Un-
regelmäßigkeiten der Form und Erhebung zeigt, wie die Oberfläche eines
Baumes oder eines Waldes, da zerteilt ſich der elektriſche Strom über eine
große Fläche und hüllt den ganzen Wipfel eines oder mehrerer Bäume zu⸗
gleich ein. Es iſt möglich, daß in ſolchem Falle mehrere Centren der Ein—
wirkung vorhanden ſind, und wahrſcheinlich, daß die elektriſche Ausbreitung
für jeden Fall eine verſchiedene Form hat, die durch diejenige der Baum⸗ 0
wipfel beſtimmt wird. Auch wird man vermuten dürfen, daß, je gleich⸗ 2
mäßiger die elektriſche Entladung iſt und auf eine je größere Fläche ſie ſich
verteilt, deſto geringer die Wirkung auf die berührte Oberfläche ſein wird,
die ſich bis zu einem vollſtändigen Unverletztbleiben des Laubes abſchwächen
kann. Die Annahme einer ſolchen Ausbreitung des elektriſchen Stromes
über die Krone des Baumes wird auch durch den Umſtand bekräftigt, daß
derſelbe oft nicht in einer einzigen, ſondern in mehreren getrennten Bahnen a
am Stamme herabgeht. Um endlich in den Boden zu gelangen, muß er den 3
Baumſtamm der Länge nach durchſchlagen, und da dieſer ein ſchlechter 7
Leiter iſt, ſo zieht er ſich hier auf eine enge Bahn zuſammen, die er entweder 1
bis zum Boden verfolgt, oder aus welcher er ſchon vorher heraus und in u
den Boden überſpringt. f
1) 1. e. pag. 555— 556.
. 4
6. Kapitel: Das Feuer 245
6. Kapitel.
Das Feuer.
Beſchädigungen von Pflanzen durch Feuer kommen beſonders in Waldbrände.
den Forſten vor. Durch ein am Boden hinlaufendes Feuer können
die unteren Teile der Baumſtämme beſchädigt werden, ſobald die
Kambiumſchicht getötet wird. Ob dies geſchieht, hängt zunächſt von
5 der Intenſität und der Zeitdauer des Feuers ab. Von Einfluß iſt
. aber auch die Beſchaffenheit der Rinde und Borke, alſo die Baumart
und das Baumalter. In älteren Kiefernbeſtänden können die unteren
f Borketeile ſchwarz und verkohlt ſein, ohne daß die Kambiumſchicht an-
5 gegriffen iſt, weil ſie durch eine dicke, ſchlecht die Wärme leitende Borke—
f ſchicht geſchützt war; in ſolchem Falle iſt der Baum nicht beſchädigt.
Dagegen ſind dünnrindige Bäume viel empfindlicher; wenn man bei
Einſchnitten in die Rinde die letztere gebräunt ſieht, ſo iſt das ein
Zeichen, daß hier die Kambiumſchicht getötet iſt. Trotzdem können
ſolche junge Bäume, deren Rinde unten ringsherum verbrannt iſt,
zunächſt ausſchlagen und ergrünen, aber im Laufe des Sommers
ſterben ſie ab. Es können dann neue Ausſchläge aus dem Stocke
unterhalb der Brandwunde kommen; dies geſchieht nach R. Hartig
ſogar noch beſſer, wenn der Stamm ganz verbrannt war oder bald
nach dem Feuer über der Erde abgehauen worden iſt. Die gegen
Waldbrände zu ergreifenden Maßregeln, die beſonders in dem Ziehen
der Iſoliergräben beſtehen, um das Feuer zu begrenzen, ſind mehr
Gegenſtand des Forſtſchutzes.
IV. Abſchnitt.
Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe.
1. Kapitel.
Vertauſchung des Erdbodens mit einem ungeeigneten Medium.
Jeder Pflanze iſt von Natur ein beſtimmtes Element angewieſen, Das natürliche
in welchem ſie leben muß. Es giebt einesteils Waſſerpflanzen, d. ſ. i
ſolche, deren Wurzeln im Waſſer oder im Grunde des Waſſers und l
deren Blätter im Waſſer oder über dem Waſſerſpiegel ſich befinden,
und andernteils Landpflanzen, d. ſ. diejenigen, welche in der freien
Luft wachſen und mit den Wurzeln und andern tuypiſch unterirdiſchen
Organen im Erdboden ſich entwickeln.
246 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
Waſſerpflanzen Die Waſſerpflanzen kommen außerhalb des Waſſers nicht fort.
auf dem Trocknen. Die ſubmerſen Waſſerpflanzen, an die Luft gebracht, vertrocknen und
ſterben ſehr raſch. Solche mit ſchwimmenden Blättern, wie Hydro—
charis morsus ranae, die Nymphäaceen, Waſſerlinſen, vermögen nach
zurückgetretenem Waſſer auf feuchtem Boden noch einige Zeit zu vege—
tieren, wobei die erſteren ſehr kurze Blattſtiele und dem Boden faſt
anliegende, ziemlich kleine Blätter entwickeln; aber jeder ſtärkere Grad
von Entwäſſerung des Bodens tötet ſie. Eine Ausnahme machen nur
die ſogenannten amphibiſchen Pflanzen, wie z. B. Polygonum
amphibium, welches im Waſſer als echte Waſſerpflanze mit Schwimm—
blättern lebt, auf Wieſen in einer Landform mit Blättern, die dem
Aufenthalt in der Luft angepaßt ſind, wächſt.
Landpflanzen in Für die Landpflanzen kann nun ebenſo behauptet werden, daß
. ihre Wurzeln der natürliche Erdboden das allein oder doch am
beſten geeignete Medium iſt. Indeſſen kann man wohl alle Land—
pflanzen auch im Waſſer wurzelnd kultivieren, wie die ſogenannten
Waſſerkulturen beweiſen, welche in der Pflanzenphyſiologie zum
Studium der Ernährungsfragen angeſtellt werden. Jedoch ſind
Wurzeln der Landpflanzen, die im Boden ſich ausgebildet haben, nicht
ohne weiteres der Ausübung ihrer Funktion im Waſſer fähig; meiſt
ſterben ſie nach dem Umſetzen ins Waſſer ab, und es bilden ſich aus
dem oberen Teile der Wurzel neue von der (unten beſchriebenen)
Organiſation der Waſſerwurzeln, die dem veränderten Medium ange—
paßt ſind. Und ebenſo bilden ſich die Wurzeln im Waſſer kultivierter
Pflanzen beim Umſetzen in Erde erſt in der Form von Erdwurzeln
weiter, ehe wieder eine genügende Wurzelthätigkeit ſtattfindet und die
inzwiſchen welk gewordenen Pflanzen ſich wieder erholen. Darum er—
zieht man die zu den eben erwähnten Waſſerkulturen beſtimmten
Pflanzen aus Samen gleich von Anfang an ohne Erdboden, indem
man ſchon die erſten Wurzeln der Keimpflanzen in der Nährſtofflöſung
ſich entwickeln läßt. Nun iſt zwar nicht zu leugnen, daß manche
Pflanzen, vorausgeſetzt, daß in dem Waſſer die nötigen Nährſtoffe in
richtiger Menge und richtigem gegenſeitigem Verhältnis aufgelöſt ſind,
in ſolchen Waſſerkulturen ſich oft recht gut entwickeln, bis zur Bildung
zahlreicher Früchte und Samen gelangen und in jeder Beziehung ſo
geſund ausſehen, als wenn ſie im Erdboden gewachſen wären. Aber
ſehr oft tritt auch, ohne erkennbare Urſache, bei dieſen Verſuchen ſchon
frühzeitig ein Kränkeln der Pflanzen ein, an welchem ſie frühzeitig zu
Grunde gehen, und zwar weniger in Bezug auf das Wurzelſyſtem,
welches meiſt gut entwickelt erſcheint, als vielmehr in den oberirdiſchen
Teilen; ganz beſonders zeigt ſich hier oft eine über die ganze Pflanze
1. Kapitel: Vertauſchung des Erdbodens mit einem ungeeigneten Medium 247
verbreitete Gelbſucht, indem ſämtliche Blätter anſtatt grün hellgelb
gefärbt find. Bei Mais, Erbſen, Lupinen, Sonnenblumen ꝛc. kann
man oft dieſe Erfahrung machen. Die Urſache der Gelbſucht iſt in
dieſem Falle um ſo weniger aufgeklärt, als es dabei an keiner der
bekannten Bedingungen der Chlorophyllbildung (Licht, genügende
Wärme, Eiſen unter den Nährſtoffen) mangelt und ein andermal, bei
unter ganz denſelben Verhältniſſen angeſtellten Waſſerkulturen dieſelben
Pflanzen normal ergrünen.
Wenn dagegen erwachſene Pflanzen, deren Wurzeln im Erdboden
ſich entwickelt haben, in Waſſer geſetzt werden, ſo gehen ſolche Pflanzen
meiſt ziemlich bald ein, was ſich eben daraus erklärt, daß das ganze
bisherige Landwurzelſyſtem abſtirbt und nicht mehr funktioniert, die
neuen Waſſerwurzeln aber, welche die Pflanze noch mehr oder weniger
zu bilden im Stande iſt, keineswegs hinreichen für den Bedarf der
erwachſenen Pflanze. Namentlich an Bäumen kann man dies beob-
achten. Wenn ein mit Bäumen beſtandenes Terrain auf die Dauer
unter Waſſer geſetzt wird, ſo ſterben alle darauf ſtehenden Bäume mit
Sicherheit binnen kurzer Zeit ab.
Wenn Wurzeln der Landpflanzen im Waſſer ſich entwickeln, ſo Veränderungen
erleiden ſie mehr oder minder eine Geſtaltsveränderung: ſie werden den
ſehr lang, bleiben aber dünner und haben daher eine regelmäßige im Waſſer.
ſchlank fadenförmige Geſtalt, bilden auch ihre Zweige in regelmäßigerer
Anordnung und Vollſtändigkeit aus, als im Boden; und da auch alle
Wurzelzweige ſich ſtark ſtrecken und ſich in ihrer ganzen Länge wiederum
verzweigen, ſo werden aus ſolchen Wurzeln, wenn ſie lange Zeit
im Waſſer ſich entwickelt haben, große filzige Maſſen. Der ſtärkſte Grad
dieſer Bildung ſind die ſogenannten Fuchs ſchwänze, Wurzelzöpfe
oder Drainzöpfe, die ſich in Drainröhren, Waſſerleitungen und dgl.
entwickeln und oft in einer Länge von mehreren Metern und von
der cylindriſchen Form der Röhre, in der ſie ſtecken, angetroffen werden,
wobei ſie den Abdruck der Unebenheiten der Röhre erkennen laſſen.
Solche Wurzelzöpfe bildet beſonders die Weide, aber Cohn !)) hat auch
einen Wurzelzopf beobachtet, der aus den Verzweigungen eines unter—
irdiſchen Stockes von Equisetum beſtand, von dem ein 12 m langes
Stück ſich freilegen ließ. Die Waſſerwurzeln der Landpflanzen ſind
waſſerreicher, turgescenter und ſpröder, und vertrocknen außerhalb des
Waſſers ſchneller als die in der Erde gebildeten. Ihre Zellen haben
größere Länge und geringere Breite, die Bildung von Wurzelhaaren
unterbleibt bei manchen Pflanzen im Waſſer ganz, bei andern bilden
C ²˙ ˙AA ] wö ] m N
1) Verhandl. d. ſchleſ. Geſellſch. f. vaterl. Kultur, 25. Oktober 1883.
248 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüffe
ſich ſolche, doch oft in geringerer Entwickelung; auch entſtehen in der
inneren Rinde unregelmäßige Lufträume durch Trennung und
Schrumpfung der Zellen. Die Epidermis und die primäre Rinde
werden im Waſſer zeitiger desorganiſiert; und wo darunter eine Kork—
lage ſich bildet, wird dieſe an den Waſſerwurzeln oft zeitig der Länge
nach zerriſſen und endlich abgeſtoßen durch eine üppige Zellenvermehrung
der ſekundären Rinde, deren Zellen ſich radial ſtrecken und dabei luft—
haltige Intercellularräume bilden, ſo daß ſie ein weißes, ſchwammiges
Gewebe darſtellen ). In ſchwächerem Grade treten dieſe morphologiſchen
und hiſtiologiſchen Veränderungen ſchon hervor, wenn die Wurzeln in
ſehr naſſem Boden ſich entwickeln).
Schädlicher Die oberirdiſchen Teile der Landpflanzen müſſen in der Luft, ſie
1 dürfen weder unter Waſſer noch im Erdboden ſich befinden. Iſt eine
auf oberirdiſche dieſer beiden Bedingungen nicht erfüllt, jo find krankhafte Zuſtände
ee die Folge. Mer?) fand Untertauchung meiſt von ſchädlichem Einfluß
ne auf die Luftblätter der Landpflanzen (unſchädlich z. B. für Epheu⸗
blätter). Die tödliche Wirkung tritt je nach Arten ungleich ſchnell ein.
Junge Blätter leiden weniger als alte. Aber ſie bilden unter Waſſer
kein Stärkemehl im diffufen Licht, nur Spuren davon im Sonnenlichte,
und die vorhandene Stärke geht bald verloren, was mit Böhm's
Beobachtungen übereinſtimmt, wonach grüne Blätter von Landpflanzen, 5
in kohlenſäurehaltiges Waſſer getaucht, ſobald ſie wirklich benetzt ſind, 5
keinen Sauerſtoff mehr abſcheiden. Zuletzt dringt das Waſſer in die
Lufträume des Blattparenchyms ein, und die Blätter verderben. Daher 3
bleiben bei Überſchwemmungen oberirdiſche grüne Teile der Land— 1
pflanzen nicht ohne Schaden längere Zeit vom Waſſer bedeckt. Nach
den Wahrnehmungen, die Robinets) in davon betroffenen Baum⸗
ſchulen machte, litten nach zweitägiger Bedeckung mit Waſſer oder 5
ſtarben gänzlich ab die meiſten derjenigen Pflanzen, an denen ſich eine
10—12 em hohe Schlammſchicht abgeſetzt hatte, während die nicht 2
vom Schlamme bedeckten oder davon gereinigten nicht litten. Platanen, 2
Erlen, Ulmen wurden auch durch die Schlammbedeckung nicht beſchädigt, E
und Pappeln und Trauerweiden entwickelten ſogar aus der Stamm: |
) In ähnlicher Weiſe nur in weit jtärferem Grade tritt dies normal an 5 4
den Wurzeln waſſerbewohnender Onagraceen und Lythraceen, z. B. bei Jussiaea 1
auf, das ſogen. Asrenchym bildend. Vergl. mein Lehrb. d. Botanik I. pag. 166.
2) C. Perſeke, Über die Formveränderung der Wurzel in Erde und
Waſſer. Diſſertation, Leipzig 1877.
3) Bull. de la soc. bot. de France 1876, pag. 243.
5) Citiert in Wiener Obſt⸗ und Gartenzeitung 1876, pag. 37.
2. Kapitel: Ungünſtige räuml. Verhältniſſe u. Lagenverhältniſſe d. Erdbodens 249
baſis Wurzeln in den Schlamm. Dieſe Widerſtandsfähigkeit hängt
damit zuſammen, daß die betreffenden Pflanzen auch einen ſehr naſſen
Standort gut vertragen.
2. Kapitel.
Ungünſtige räumliche Verhältniſſe und Lagenverhältniſſe des Erd-
bodens.
1. Ungenügendes Bodenvolumen. Wer ſich mit vergleichenden Pflanzen in zu
Kulturverſuchen von Pflanzen in Blumentöpfen oder Vegetations-
gefäßen beſchäftigt, kennt ſehr wohl den bedeutenden Einfluß, welchen
die Größe des den Wurzeln zur Ausbreitung verfügbaren Raumes
auf die Größenverhältniſſe der oberirdiſchen Teile und auf die Pro-
duktion an Pflanzenſubſtanz ausübt. Kultiviert man eine und dieſelbe
Pflanzenart in dem gleichen Boden im freien Lande und in verſchieden
großen Blumentöpfen, ſo bemerkt man, daß die Höhe der Stengel, die
Verzweigung derſelben, die Größe der Blätter, die Zahl der Blüten
und Früchte im Vergleich mit den Freilandpflanzen um ſo mehr ab—
nimmt, je kleiner der Topf iſt. Dies zeigt ſich auch dann, wenn man
Düngung im überfluß gegeben hat, ſo daß alſo ein Mangel an dis—
poniblen Nährſtoffen daran keine Schuld haben kann. Von Hell-
riegel!) iſt dieſe Erſcheinung zum Gegenſtand beſonderen Studiums
gemacht worden. Er fand z. B. beim Klee folgende Beziehungen.
Erdinhalt der Glasgefäße Ernte⸗Trockenſubſtanz in 3 Jahren.
6% aer
ö een
eee eee eee egen
3100 „ 76,8 „
Bei Erbſen, Bohnen und andern Pflanzen fand Hellriegel, daß,
wenn die Bodenmenge ſich wie 1:2 verhält (3100 :6200 gr), die Ernte
ſich wie 1:1,6 bis 1,8 herausſtellt. Indeſſen zeigen ſich doch je nach
Pflanzen und Bodenarten Verſchiedenheiten. Ich habe in kleinen
Töpfen, welche nur ca. 1,2 Erde faßten, Erbſen zu faſt normaler Höhe
und Produktion bringen können, wenn ein guter, humusreicher Garten—
boden verwendet wurde?). Allbekannt iſt ja auch, daß Gärtner leidlich
gut entwickelte Pflanzen erziehen in ſehr kleinen Töpfen, wenn dieſe nur
mit ſehr nährkräftigem Boden gefüllt ſind. Dagegen tritt die Reduktion
in der Pflanzenentwickelung immer ſehr bedeutend hervor, wenn man
zu ſolchen Verſuchen einen weniger guten Erdboden nimmt. Selbſt
) Beiträge 3. d. naturwiſſ. Grundlagen des Ackerbaues. Braunſchweig
1873, pag. 184.
2) Die Aſſimilation freien Stickſtoffes bei den Pflanzen in ihrer Ab—
hängigkeit von Species ꝛc. Landwirtſch. Jahrb. XXI. pag. 33.
kleinen
Blumentöpfen.
Ungünftige
Neigung der
Bodenoberfläche.
250 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
noch andre Entwickelungserſcheinungen, außer der allgemeinen Re—
duktion der Größenverhältniſſe, können ſich dabei ändern. Ich habe
in Glasgefäßen von 21 Inhalt, die mit leichtem Sandboden ge—
füllt ſind und eine Düngung mit Kali und Phosphorſäure, jedoch
nicht mit Stickſtoff erhalten haben, Oenothera biennis ſchon bis ins
dritte Jahr lebend erhalten, aber nur unter Bildung einer ſich immer
wieder erneuernden Wurzelblattroſette, alſo ohne Bildung des blühenden
Stengels, während dieſe Pflanze normal zweijährig iſt und im erſten
Jahre eine Wurzelblattroſette entwickelt, im zweiten Jahre den blühenden
Stengel bringt und dann abſtirbt, ſo daß hier die Blütenbildung immer
verhindert und damit die ganze Entwickelungsdauer der Pflanze ver—
längert wird.
Um eine Erklärung für dieſen Einfluß des beſchränkten Boden—
volumens zu gewinnen, muß man zunächſt feſthalten, daß, wie ſchon
erwähnt, nach den obigen Verſuchen Mangel an NRährſtoffen nicht die
Urſache ſein kann. Dasſelbe Nährſtoffquantnm würde mehr leiſten,
wenn die Wurzeln ſich weiter ausbreiten könnten. Der Grund muß
alſo in den mechaniſchen Widerſtänden liegen, welche ſich der Ent—
wickelung eines normalen Wurzelſyſtems entgegenſtellen. Sorauer!)
will die vielen Krümmungen und Ouetſchungen, welche die Wurzeln
in kleinen Kulturgefäßen erleiden, verantwortlich machen; das iſt aber
keine befriedigende Erklärung. Die Sache liegt vielmehr offenbar ſo.
In ihrer nächſten Umgebung entwickelt die Pflanze auch in einem
engen Topfe nicht mehr Wurzelmaſſe als im fernen Lande; die weiter
hinzukommenden Wurzeln ſind auch für eine weitere Entfernung vom
Standorte der Pflanze beſtimmt; da ſie dieſe nun im engen Topfe
nicht erreichen können, ſo häufen ſie ſich da, wo der Widerſtand liegt
an; es entſteht, wie bekannt, ſchließlich ein den Boden und alle Wände
des Gefäßes überziehender Hohlſack aus verflochtener Wurzelmaſſe.
Alle dieſe Wurzeln aber ſind, da ſie ſich mit dem eigentlichen Erd—
boden gar nicht in Verwachſung befinden, auch für die Erwerbung
von Nährſtoffen faſt ganz bedeutungslos.
2. Neigung der Bodenoberfläche. Bekanntlich ſind nur
ſolche Lagen, deren Bodenoberfläche nicht über 10° zum Horizonte ges
neigt iſt, aus mechaniſchen Gründen zum ſichern Pflanzenbau zuläſſig,
da bei ſtärkeren Neigungen durch die Regengüſſe, die nicht befeſtigte
Feinerde mit der Zeit zu Thal geführt wird, falls nicht durch koſtſpielige
Terraſſierung dies zu vermeiden iſt. Die ſteilen Bodenflächen eignen
ſich nur für Wieſen und Waldvegetation, weil nur durch die Verankerung
der Wurzeln dieſer Pflanzen im Felsgeſtein eine Befeſtigung der Boden,
1) Pflanzenkrankheiten, 2. Aufl. I., pag. 45.
2. Kapitel: Ungünſtige räuml. Verhältniſſe u. Lagenverhältniſſe d. Erdbodens 251
krume erzielt wird. Wo durch vollſtändige Abholzung ſolcher Flächen
dieſe Befeſtigung verloren gegangen iſt, da iſt die Aufforſtung mit großen
Schwierigkeiten verknüpft. Daß die Lage einer geneigten Bodenfläche
auch nach den Himmelsgegenden wegen der Temperatur- und Feuchtig—
keitsverhältniſſe auf die Vegetation Einfluß hat, iſt in den Kapiteln,
wo von dieſen Faktoren die Rede iſt, erwähnt worden. Insbeſondere
f iſt bei den Einflüſſen der Temperatur darauf hingewieſen worden, daß
N die ſüdlichen und ſüdöſtlichen Abdachungen wegen ihrer größeren und
längeren Erwärmung in höheren Gebirgsregionen die einzigen, dem
Ackerbau noch zugänglichen ſein können, daß aber auch anderſeits die
ſtarken Temperaturſchwankungen und die Differenzen zwiſchen Luft—
und Bodentemperaturen, die in dieſen Lagen vorkommen, verderblich
für die Pflanzen werden können. Auch die ſtärkere Austrocknung, welcher
die nach dieſen Himmelsgegenden geneigten Bodenflächen ausgeſetzt ſind,
kann der Vegetation nachteilig werden. Es muß genügen, daß wir hier
nur kurz auf dieſe Faktoren hinweiſen, denn eine eingehende Würdi—
gung derſelben iſt mehr Gegenſtand des allgemeinen Pflanzenbaues.
3. Zu tiefe und zu flache Lage der Saat. Die Erfahrungungünſtige Tiefe
lehrt, daß in einer gewiſſen mäßigen Tiefe unter der Oberfläche des der Ausſaat.
Bodens die größte Anzahl der ausgeſäeten Samen keimt, daß dieſe Zahl
immer geringer wird, in je tieferen Lagen die Samen ausgelegt waren,
und daß in einer ungewöhnlich großen Tiefe überhaupt keine Keimung
mehr ſtattfindet, während auch wieder bei Auslage in der Nähe der
Oberfläche des Bodens ſehr oft die procentiſche Zahl der gekeimten
Samen ſich vermindert. Pflanzen, die aus ſehr großer Tiefe noch auf—
gegangen ſind, zeigen ſich auch in ihrer ganzen Entwickelung verſpätet
und ſchwächer. Um den in Rede ſtehenden Einfluß zu veranſchaulichen,
wählen wir hier aus den zahlreichen hierüber gemachten Verſuchen
einige der von Moreau gewonnenen Reſultate, die ſich auf Weizen
beziehen, von dem je 150 Körner in beſtimmten verſchiedenen Tiefen
in einem und demſelben Boden gleichzeitig ausgeſäet wurden.
F un 22.7 1 0 SEE EEE Zu
7
!! a Be meta Beat DE a a
160 mm. 5 53 682 4fach
ws - 20 174 3818 25 =
120 40 400 8000 55 >
RN » 93 992 18534 124 =
65 130 1560 34339 229 =
50 140 1590 36480 243 ⸗
40 142 1660 35825 239 =
7 137 1461 35072 234
G 64 529 10587 7
8 20 107 1600 Il»
252 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
Daraus würde ſich ergeben, daß für den Weizen unter den bei
dem Verſuche gegebenen Verhältniſſen die günſtigſte Tiefe zwiſchen 50
und 40 mm lag.
Das Unterbleiben der Keimung in ſehr großer Tiefe erklärt ſich
aus dem ungenügenden Zutritt von Sauerſtoff, welcher ein Bedürfnis
für die Keimung iſt, und aus der Anhäufung von Kohlenſäure, welche
der Keimung nachteilig iſt. Wenn in großer Tiefe noch Keimung ſtatt—
gefunden hat, ſo vermag doch das Keimpflänzchen häufig das Licht nicht
zu erreichen, man findet es bis zu irgend einer Höhe im Boden ge—
wachſen und dann abgeſtorben. Die Todesurſache kann hier eine
doppelte ſein: entweder hat es wiederum an reſpirabler Luft gefehlt,
oder die aus dem Samen ſtammenden, zum Wachstum der Keimteile
erforderlichen Reſervenährſtoffe waren erſchöpft, bevor der Stengel das
Licht erreichen und ergrünen konnte, da ohne Chlorophyll eine Selbſt—
ernährung unmöglich iſt. Bei Keimpflanzen, deren Kotyledonen über
der Erde entfaltet werden, ſtreckt ſich bekanntlich das hypokotyle Glied
ſo lange, bis jene über dem Boden erſcheinen, während bei Pflanzen
mit unterirdiſch bleibenden Kotyledonen die auf letztere folgenden
Stengelglieder dieſes Längenwachstum erleiden, um die Plumula ans
Licht zu bringen. Dieſe Stengelglieder verlängern ſich hierbei nach
Bedürfnis, denn bei flacherer Saat bleiben ſie ſehr kurz. Dieſe
Streckungen ſind als ein durch den Lichtmangel im Boden bedingtes
Etiolement zu betrachten !) und alſo offenbar ein ſehr gutes Hilfsmittel
für die Keimpflanzen, um ſich aus jener ungeeigneten Lage zu be—
freien. Allein bei ſehr tief ausgelegten Samen kann ſchließlich alles
disponible Material des Samens zu dieſem Wachstum verwendet ſein,
ohne daß das Ziel erreicht iſt. Aus der ſtarken Erſchöpfung der Re⸗
ſerveſtoffe, die damit verbunden iſt, erklärt ſich wohl auch genügend
die oft lange anhaltende Schwächlichkeit ſolcher Pflanzen, welche ſich
beim Keimen aus großer Tiefe heraufgearbeitet haben, und dürfte zu
vergleichen ſein mit der ähnlichen Erſcheinung, welche eintritt, wenn
man die Samen nach Wegſchneiden der Reſerveſtoffbehälter keimen
läßt (ſ. pag. 119). Dagegen rührt der ungünſtige Erfolg bei der
Keimung der ſehr nahe an der Bodenoberfläche liegenden Samen nur
von den ungenügenden Feuchtigkeitsverhältniſſen her, welche hier ein—
treten können. Die Keimwürzelchen an der Oberfläche des Bodens
liegender Samen bleiben nur dann am Leben, wenn ihnen ununter⸗
brochen Feuchtigkeit geboten wird, bis das tiefere Eindringen gelungen
iſt; andernfalls verwelken ſie und ſterben. Kommt nach dem erſten
) Frank in Cohn's Beitr. z. Biol. d. Pfl. II., pag 75.
2. Kapitel: Ungünſtige räuml. Verhältniſſe u. Lagenverhältniſſe d. Erdbodens 253
Verſchmachten der Wurzeln bald Feuchtigkeit, ſo kann das noch leben—
dige junge Keimſtengelchen neue Adventivwurzeln treiben, die dann
vielleicht ein beſſeres oder auch wieder dasſelbe Schickſal haben. Über⸗
haupt iſt dann die Gefahr nahe, daß der ganze Keim vertrocknet und
verdirbt, denn Samen, welche einmal zu keimen begonnen haben, ver—
tragen dann nicht diejenige Austrocknung mehr, welche für ungekeimte
ſchadlos iſt. So erklärt ſich nicht nur das häufige Fehlſchlagen der
Keimung, ſondern auch die ſchwächere Entwickelung ber Pflanze bei
ungenügend tief untergebrachter Saat.
Die vorſtehenden Erörterungen laſſen auch die alte Gärtnerregel
berechtigt erſcheinen, wonach man große Samen tief, kleine ſeicht, oder
überhaupt jeden Samen wenigſtens ſo tief als ſein größter Durch—
meſſer beträgt, unterbringen ſoll. Allein um die Gefahren einer Periode
langer Trockenheit in den oberen Bodenſchichten zu vermeiden, die
möglicherweiſe nach der Beſtellung eintreten kann, iſt es rationeller,
die Samen eher etwas zu tief als zu flach auszuſäen. Aus dem oben
Geſagten ging hervor, daß bei Vorausſetzung einer konſtanten genügen—
den Feuchtigkeit an der Oberfläche des Bodens die Ausſaat in der
oberſten Bodenſchicht das günſtigſte Reſultat liefern muß, weil ſie alle
Nachteile einer tieferen Unterbringung vermeidet, daß dagegen bei Ein—
tritt ſehr trockener Witterungsverhältniſſe dieſe nämliche Ausſaat ein
viel ſchlechteres Reſultat liefern wird, als eine größere Tiefe, bei
welcher der Schutz vor der Trockenheit den nachteiligen Einfluß der
tieferen Verſenkung noch überwiegt. Die günſtigſte Tiefe in dieſem
Sinne, welche Tietſchert!) als „rationelle Maximaltiefe“ bezeichnet
hat, iſt von dem Genannten durch vergleichende Verſuche ermittelt
worden. Selbſtverſtändlich iſt dieſelbe je nach Bodenarten ſehr ver—
ſchieden, weil dieſe hinſichtlich der Permeabilität für Luft und der
Feuchtigkeitsverhältniſſe ſich verſchieden verhalten. Sie beträgt
im Sand im kalkhaltigen Lehm im Humus im Thon
für Roggen 10,8 cm 5,4 em 8 cm 5,4 cm
für Raps 7,3 cm 5,4 cm 3,5 cm
Die Verſuche zeigten, daß bei dauernd genügender Feuchtigkeit
der oberen Bodenſchichten ſeichtere als die angegebenen Lagen günfti-
geren Erfolg hatten. Man ſieht hieraus, wie beſonders auf den
leichten Sandböden eine tiefe Ausſaat angezeigt iſt. Die flache Saat
iſt nur da angebracht, wo man die Regulierung der Feuchtigkeitsver⸗
hältniſſe in der Hand hat.
) Keimungsverſuche mit Roggen ꝛc. Halle 1872.
Regeln für
Unterbringung
der Samen.
Verſchüttung.
Zu tiefes
Pflanzen.
254 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
4. Verſchüttung und Tiefpflanzung. Pflanzenteile, welche
an der Luft zu wachſen beſtimmt ſind, dürfen im allgemeinen nicht
mit Erde bedeckt ſein, wenn ſie nicht erkranken und ſterben ſollen.
Selbſtverſtändlich iſt ſolches für kleinere, zartere Pflanzen beſonders
verderblich, aber auch für die meiſten Holzpflanzen gefährlich. Solche
Fälle treten ein z. B. an ſteilen Lagen bei Erdabwaſchungen infolge
ſtarker Regengüſſe, oder wenn mit Bäumen beſtandenes unebenes Terrain
planiert worden iſt, wobei Bodenaufſchüttungen um die Stämme vor—
genommen wurden. Die meiſten Gehölze vertragen letzteres ſchwer
und gehen danach bald oder doch nach längerem Kränkeln ein. Das—
ſelbe geſchieht, wenn Holzpflanzen beim Verſetzen zu tief eingepflanzt
werden. Ungleich weniger empfindlich dagegen ſind diejenigen Pflanzen,
an deren natürlichen Standorten ſolche Bodenveränderungen etwas
Häufiges ſind, wie die Pflanzen der Dünen und der Flußufer, als
Weiden, Pappeln, Hippophaö rhamnoides, welche auch aus völliger
Verſchüttung wieder hervorzuwachſen vermögen. Die Urſache dieſer
Beſchädigungen wird in einem Erſticken der Wurzeln infolge mangel—
haften Zutritts ſauerſtoffhaltiger Luft geſucht, weil die Wurzeln zu
tief unter der Bodenoberfläche zu liegen kommen, denn in der That
ſind gerade die meiſten der feineren Saugwurzeln der Bäume in der
oberen Bodenſchicht entwickelt. Die Widerſtandsfähigkeit der genannten
Uferpflanzen erklärt man aus der Leichtigkeit, mit welcher gerade dieſe
Pflanzen an jedem beliebigen Teile ihrer Holzaxen eine lebhafte Bil—
dung von Adventivwurzeln eintreten laſſen können; in der That bilden
fie nach Übererdung bald neue Wurzeln in dem aufgeſchütteten Boden.
Am größten iſt natürlich die Gefahr einer zu tiefen Pflanzung in
ſchwerem, dauernd waſſerreichem Boden. Wie die einzelnen Gehölz—
arten in dieſer Beziehung ungleich empfindlich ſind und demgemäß ein
tieferes oder flacheres Pflanzen erfordern, iſt von Bouſché) behandelt
worden.
3. Kapitel.
Ungünſtige phyſikaliſche Beſchaffenheiten des Erdbodens.
Der den Pflanzen 1. Zu große und zu geringe Feſtigkeit des Erdbodens.
zuſagende Feſtig
keitsgrad des
Erdbodens.
Die Wurzeln aller Landpflanzen bedürfen eines eigentlichen Erdbodens.
Denn auf nacktem Geſtein oder Mauerwerk können Pflanzenwurzeln
nur dann eindringen und ſich befeſtigen, wenn Spalten, die ſolches
ermöglichen, vorhanden ſind. Nur Flechten und Mooſe vermögen auf
nackten Steinen ſich feſtzuſetzen, indem ſie in den Unebenheiten der
1) Über das Tiefflanzen von Bäumen. Monatsſchr. d. Ver. z. Beförd.
des Gartenbaus 1880, pag. 212.
3. Kapitel: Ungünſtige phyſikaliſche Beſchaffenheiten des Erdbodens 255
Oberfläche ſich anſiedeln und mit ihren das Geſtein korrodierenden
Rhizinen in deſſen Subſtanz ſich einniſten, wodurch ſie Veranlaſſung
geben zur erſten Bildung einer dünnen Schicht von Humus und Ver—
witterungsprodukten des Geſteins, auf welchen dann immer größere
Pflanzen ſich anſiedeln können.
Aber auch im Erdboden ſelbſt kann der Zuſammenhang der Kruſtierende
einzelnen Bodengemengteile ſehr ungleich ſein und daher der Boden S
hinſichtlich ſeiner Feſtigkeit große Verſchiedenheiten zeigen, die in ihren
äußerſten Extremen ebenfalls ein mechaniſches Hindernis für die Vege—
tation darſtellen. Auf der einen Seite ſtehen hier die kruſtierenden
Böden, was ſich mehr oder weniger von allen thonreichen Bodenarten
ſagen läßt: ſie bildem beim Austrocknen, alſo an ihrer Oberfläche,
eine kompakte, ſteinharte, in Sprüngen zerklüftende Maſſe, weil alle
Gemengteile eines ſolchen Bodens durch die Thonteilchen desſelben
zuſammengekittet werden. Ein Boden in dieſem Zuſtande verhindert
das Eindringen der Wurzeln und das Hervortreten der Keime; er
kann auch vielfach Zerreißungen der im Bereiche der Kruſtenbildung
befindlichen dünnen Wurzeln zur Folge haben. Erdböden, welche im
feuchten wie im trockenen Zuſtande eine krümelige Beſchaffenheit, alſo
die der Pflanze günſtige Lockerheit behalten, laſſen dieſe Beſchädigungen
nicht befürchten. Aber die Feſtigkeit kann auch einen ſo geringen Grad
zeigen, daß nun aus einem andern Grunde die Vegetation vereitelt
wird. Es gilt dies von der lockerſten Form der Sandböden, die unter
dem Namen Flugſand in manchen Gegenden des norddeutſchen Tief—
landes und auf den Dünen am Seeſtrande bekannt iſt, weil ſie im
trockenen Zuſtande ſo vollſtändig ohne Zuſammenhang iſt, daß ſie vom
Winde fortgeweht wird, wodurch alſo an der einen Stelle die Samen—
körner aus der Erde geweht oder die jungen Pflanzen entwurzelt, an
andern Stellen Pflanzen verſandet werden. Zur Befeſtigung des Flug—
ſandes dienen bekanntlich Anſaaten von Sandgräſern, wie Elymus
arenarius, Arundo arenaria und baltica, Carex arenaria, weil dieſe
durch ihre ſchnelle Bildung von Wurzeln und Ausläufern die Ober-
fläche zuſammen halten, ſo daß Aufforſtungen mit Kiefern möglich
werden. Zur Sandbefeſtigung eignen ſich auch von Holzpflanzen
Hippophaé rhamnoides, Ulex europaeus, Robinia Pseudacacia.
2. Ungenügende Durchlüftung des Erdbodens.
Der Erdboden muß in einem gewiſſen Grade dem Luftwechſel zu- Die Pflanzen
gänglich ſein, wenn in ihm Samen keimen und Wurzeln leben ſollen, bedürfen des
weil alle lebenden Pflanzenteile Sauerſtoff zur Atmung bedürfen. In eee *
einem Boden, in welchem der von den Wurzeln verzehrte Sauerſtoff 8
256 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
nicht durch Luftzutritt wieder erſetzt wird, und die entſtandene Kohlen—
ſäure nicht entweichen kann, müſſen jene abſterben, erſticken, wie wir
es mit Rückſicht auf die Todesurſache bezeichen können. Daß Samen
darch längere Bedeckung mit Waſſer erſticken und dadurch ihre Keim—
fähigkeit verlieren, iſt aus den Verſuchen von Zöbl) erſichtlich, wo—
nach Gerſte nach 6, Roggen nach 9— 10 Tagen die Keimkraft eingebüßt
hatten, während von Rüben nach 69 tägigem Aufenthalt in Waſſer
noch faſt 50 Prozent keimten. Die Schädlichkeit des Sauerſtoffmangels
und der Anſammlung von Kohlenſäure für die Wurzeln wird durch
einen Verſuch W. Wolff's) bewieſen, nach welchem Pflanzen, die man
in kohlenſäurereichem Waſſer kultiviert, zu aſſimilieren aufhören und
welk werden, ſich aber wieder erholen, wenn ſie in deſtilliertes Waſſer
geſetzt werden. Wir ſtellen hierher eine Reihe von Krankheitserſcheinungen,
von denen einige unbeſtritten durch mangelhaften Zutritt von Sauer—
ſtoff verurſacht werden, bei andern dieſes zwar nur hypothetiſch, aber
mit größter Wahrſcheinlichkeit anzunehmen iſt. Zuvörderſt ſind aber
die Umſtände anzugeben, unter welchen eine ſolche ungenügende Durch—
lüftung des Bodens eintreten muß. Denn nicht bloß in großer Tiefe
unter der Oberfläche iſt bei jedem Boden, wie wir oben (S. 252) ge—
ſehen haben, mangelhafter Luftzutritt zu erwarten, ſondern es kann
eben auch durch phyſikaliſche Beſchaffenheiten der Erdböden dieſer Fall
eintreten. Alles, was die Poroſität des Bodens aufhebt, was das Ver—
ſchwinden der zwiſchen den Bodenteilchen befindlichen Zwiſchenräume
oder der in dieſen Poren enthaltenen Luft bedingt, hat jene Pflanzen—
beſchädigungen zur Folge. Dieſer Zuſtand wird nun hauptſächlich durch
ſtagnierende Näſſe des Bodens herbeigeführt. Das in der Erd—
krume enthaltene Waſſer iſt durch Kapillarkräfte in derſelben feſtgehalten,
indem die kleinen, feſten Teilchen, aus denen der Boden beſteht, kleine
Räume zwiſchen ſich laſſen, in welchen Flüſſigkeiten kapillar angezogen
werden, jo daß jedes Bodenpartikel von einer kleinen Waſſerhülle um⸗
geben iſt, deren Dicke je nach dem Feuchtigkeitsgrade größer oder geringer
iſt. In einem Boden, den wir als trocken oder mäßig feucht
bezeichnen, ſind die Lücken zwiſchen den Bodenteilchen nicht völlig von
Waſſer erfüllt, ſondern lufthaltig, und die Luftkanälchen ſtehen mit der
Luft über der Bodenoberfläche in Kommunikation. Wurzeln, die in
ſolchem Boden wachſen, befinden ſich ſamt ihren Wurzelhaaren im
Kontakt ſowohl mit den von Waſſerhüllen umgebenen Erdkrümchen,
1) Wie lange behalten die Pflanzenſamen im Waſſer ihre Keimfähigkeit.
Wiſſenſch. prakt. Unterſuch. v. Haberland. Bd. I.
2) Tageblatt d. 45. Naturf.⸗Verſamml. zu Leipzig 1872, pag. 209.
3. Kapitel: Ungünſtige phyſikaliſche Beſchaffenheit des Erdbodens 257
als auch mit den lufthaltigen Kapillaren. Wird dem Boden immer
mehr Waſſer zugeſetzt, ſo werden die Waſſerhüllen um die feſten
Teilchen dicker, die Kapillaren immer mehr mit Waſſer angefüllt,
und es tritt endlich der Punkt ein, wo der Boden mit
Waſſer geſättigt iſt, d. h. wo er nicht im ſtande iſt, noch weiter
zugeſetzte Flüſſigkeit durch Kapillar⸗Attraktion feſtzuhalten. Dieſen
Punkt erkennt man daran, daß die Erde (z. B. in Blumentöpfen)
unten ſoviel Waſſer abfließen läßt, als ihr oben beim langſamen Be⸗
gießen zugeſetzt wird. Im freien Lande hat der Boden dieſe letztere
Beſchaffenheit an allen dauernd feuchten Stellen, beſonders wo ſtagnie—
rende Näſſe herrſcht. In jedem Boden, deſſen Poren in dieſer Weiſe
mit Waſſer verſtopft ſind, iſt die Bewegung der Luft in hohem Grade
erſchwert. Auch von der Menge und Größe ſeiner Poren muß die
Durchläſſigkeit des Bodens für Luft abhängig ſein. Hier ſtehen auf
der einen Seite die lockeren, grobkörnigen Sandböden als diejenigen,
welche die Luftbewegung am meiſten begünſtigen, da ſie ſogar bei zeit-
weiliger Erfüllung mit Waſſer dieſes bald wieder durch ihre großen
Poren abfließen oder verdunſten laſſen. Im Gegenſatz dazu zeichnen
ſich die Lehm- und Thonböden und auch manche äußerſt feinkörnige,
dichte und feſte Sandſchichten wegen ihrer ſehr geringen Poroſität und
großen Feſtigkeit durch eine geringere Durchläſſigkeit für Luft aus, die
im feuchten Zuſtande noch mehr vermindert wird, weil die kleinen
Poren ſich durch Waſſer ſchnell erfüllen und dieſes mit großer
Kraft in ſich feſthalten. Wie in der That die Durchläſſigkeit
des Bodens für Luft mit der Dicke der Bodenſchicht ſich vermindert
und wie überaus ungleich ſie iſt nach der Bodenart, wird durch die
Verſuche vou Renk) und von Ammon) veranſchaulicht. So ging
z. B. bei 40 mm Waſſerdruck durch eine 50 em hohe Bodenſchicht in
einer Stunde Luft in Liter.
bei Quarzſand bis 0,25 mm Korngröße 16,80 1
1 8 von 0,25 0,50 mm I 41,04 1
1 1 „ 0,50 1,00 mm 5 92,24 1
5 N „ 1,002,500 mm 1 287,75 1
„ Kalkſand bis 025 mm N 4,24 1
neun, pulverförm g 1,62 1
„ „ gekrümelt, von 0,25—0,50 mm Korngröße 30,90 1
1) Jahresbericht f. Agrikulturchemie 1879, pag. 38.
2) Unterſuchungen über die Permeabilität des Bodens für Luft. For:
ſchungen auf dem Gebiete d. Agrikulturphyſik 1880. 3. Heft.
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Au 17
258 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
Daraus erklärt ſich auch, daß, wie Wollny) gezeigt hat, der
Gehalt des Bodens an freier Kohlenſäure um jo größer iſt, je feiner
pulverförmig ſeine Gemengteile ſind, ferner je mehr der Waſſergehalt
des Bodens ſteigt; auch Erhöhung der Temperatur bis zu einer ge—
wiſſen Grenze bewirkt Steigerung des Kohlenſäuregehaltes des Bodens.
Sumpfpflanzen. Nur die auf ſumpfigen Standorten wachſenden Pflanzen ertragen
die ſoeben charakteriſierte vollſtändige Sättigung des Bodens mit Waſſer
ohne Schaden, ja für ſie iſt ſogar eine ſolche Bodenbeſchaffenheit Be—
dingung, denn die auf ſolche Standorte angewieſenen Arten von
Gräſern und Halbgräſern zeigen auffallend geringe Entwickelung, ſpär—
lichere, kürzere und kümmerliche Triebe, wenn der Boden, in welchem
fie ſtehen, jenen Feuchtigkeitsgrad eingebüßt hat.
Empfindlichkeit Für alle diejenigen Landpflanzen aber, welche nicht eigentlich naſſe
r. en Standorte haben, iſt eine Überfüllung des Bodens mit Waſſer ſchäd—
Bodens. lich. Insbeſondere gilt dies von ſolchen Pflanzen, deren Wurzeln ſich
bereits in einem ziemlich trockenen Erdreich entwickelt hatten. Die in—
folgedeſſen eintretende Verderbnis der Wurzeln läßt ſich allgemein
paſſend als Wurzelfäule bezeichnen; das Kränkeln und ſchließliche
Abſterben der Pflanze infolge dieſes Wurzeltodes kann nun unter ver—
ſchiedenen Symptomen ſich zeigen und je nach den begleitenden Um—
ſtänden werden dieſe Beſchädigungen in der Praxis mit verſchiedenen
Ausdrücken bezeichnet, ſie fallen aber eben urſächlich alle unter denſelben
Geſichtspunkt.
Aus ſauern der Als Ausſauern der Saaten bezeichnet man die Erſcheinung beim
Saaten. Ackerbau, wenn der Boden durch ungewöhnlich lange und reichliche Nieder—
ſchläge oder durch ſeine Lage in Flußauen oder in der Nähe ſtagnierender
Gewäſſer bis an die Oberfläche oder auch nur in tieferen, von den Wurzeln
erreichten Schichten andauernd naß bleibt. Eine gewiſſe Zeit können aller⸗
dings die landwirtſchaftlichen Kulturpflanzen eine ſolche ſchädliche Näſſe
aushalten; bei Getreide hat man beobachtet, daß dies ſogar einige Wochen
lang möglich iſt, die Pflanzen erholen ſich dann wieder, wenn normale
Verhältniſſe wiederkehren. Es erklärt ſich dies aus den folgenden Beob—
achtungen über die Anſtrengungen der Pflanze, in ſolchem Falle in der
Nähe der Bodenoberfläche immer wieder neue Wurzeln zu erzeugen. Während
die Pflanzen bis dahin nichts Krankhaftes zeigen, werden ſie, wenn der
Boden dieſe Beſchaffenheit annimmt, in allen Teilen welk, dann ſchwarz
oder gelb, überhaupt ſo verfärbt, wie es die betreffende Spezies im ab⸗
geſtorbenen Zuſtande zu zeigen pflegt, und endlich dürr; manche Pflanzen
werfen auch vorher ihre Blätter ab. Die kranken Pflanzen laſſen ſich oft
leicht aus der Erde ziehen und man bemerkt dann, daß ihr Wurzelſyſtem
bereits abgeſtorben war und daß darin die nächſte Urſache des Welkens
und Abſterbens der oberirdiſchen Teile lag. Den Prozeß dieſer Krankheit
) Unterſuchungen über den Einfluß der phyſik. Eigenſch. des Bodens
auf deſſen Gehalt an freier Kohlenſäure. Daſelbſt 1881. 4. Heft.
3. Kapitel: Ungünſtige phyſikaliſche Beſchaffenheit des Erdbodens 259
3 verfolgte ich an einer Ausſaat von Vicia Faba und Lathyrus Ochrus,
| die ſich in der Nähe eines größeren Teiches in ziemlich niedriger Lage be-
fand, wo die Wurzeln bald die waſſerreiche Bodenſchicht erreichten. Die
krankhaften Symptome an den oberirdiſchen Teilen wurden bemerkbar, als die
Pflanzen eben erſt Blütenknoſpen zu zeigen begannen. Der Wurzelkörper iſt
dann zum größten Teil abgeſtorben; die Hauptwurzel im unteren Teile
dürr und ſchwarz oder braun, die meiſten Seitenwurzeln ebenfalls. Das
Abſterben der Gewebe beginnt in der Epidermis und ſchreitet ſucceſſiv in
die tieferen Schichten des Parenchyms fort, bei Vicia Faba unter Auftreten
eines purpurbraunen Farbſtoffes in den Zellmembranen. An den von mir
unterſuchten Wurzeln der durch Ausſauern getöteten Vicia Faba befanden
ſich eine Menge Wunden, veranlaßt durch das Aufſpringen und die ab—
normen, fſchwammigen Gewebewucherungen des Parenchyms, welche häufig
auftreten, wenn Wurzeln von Landpflanzen im Waſſer oder in ſehr naſſem
Boden wachſen. Dieſelbe Erſcheinung wird auch an holzigen Pflanzenteilen,
wenn dieſe im Waſſer ſtehen, beobachtet. Es iſt nicht unmöglich, daß auf
die Dauer auch ſchon ſolche Wunden für die Wurzel ſchädlich werden. Im
Parenchym der abgeſtorbenen Wurzelteile fand ich nicht ſelten Fäden eines
Pilzmyceliums von ungleicher Dicke, ſtellenweiſe mit Querſcheidewänden
ö und ſpärlich verzweigt, ſowohl zwiſchen den Zellen als auch quer durch den
Innenraum derſelben wachſend. Sie werden nicht in allen kranken Wurzeln
und auch dort, wo ſie vorkommen, nur zufällig an einzelnen Stellen an—
getroffen; mit fortſchreitender Fäulnis nimmt dieſes Mycelium an Ent—
wickelung zu. Es handelt ſich daher hier nicht um paraſitäre Einflüſſe,
ſondern um einen ſaprophyten Pilz, der ſich ſtellenweis an den abgeſtorbenen
Teilen anſiedelt. Da der Tod an jedem Teile der Wurzel immer erſt ein—
tritt, wenn der ſchädliche Einfluß des naſſen Bodens eine Zeit lang auf
denſelben eingewirkt hat, ſo ſind die Spitzen der Seitenwurzeln vielfach
allein noch lebendig, weiß und friſch. Dadurch iſt einigermaßen noch Auf—
ſaugung möglich, und die Holzbündel der kranken Wurzelteile geſtatten
10 wenigſtens noch eine Waſſerſtrömung, ſo daß dann die oberirdiſchen Teile
nicht ſogleich ſterben, ſondern noch eine Zeit lang lebendig erhalten werden
können. Die Blätter ſterben dann von unten an in der Folge ihres Alters
ab; die oberſten, jüngſten bleiben am längſten am Leben. Vor dem Tode
ſucht die Pflanze eine Anzahl neuer Seitenwurzeln beſonders aus dem
oberen noch ſaftigen und lebendigen Teile der Pfahlwurzel und ſelbſt aus
dem nahe der Bodenoberfläche befindlichen geſunden Stengelſtücke zu treiben;
doch auch dieſe Wurzeln verfallen dem nämlichen Schickſal, ſobald ſie tiefer
in den Boden eingedrungen ſind, was dann erneute Anſtrengungen der
Pflanzen, ſich zu bewurzeln, zur Folge hat. Bei dieſem Kampfe kann wenig⸗
ſtens eine kümmerliche Entwickelung der oberirdiſchen Teile, ſelbſt Blüten—
und geringe Fruchtbilduug ermöglicht werden.
Denſelben Einfluß auf die im Boden befindlichen Pflanzenteile kann Ausfaulen der
auch die Eiskruſte haben, die ſich bisweilen im Frühjahre auf dem Schnee Winterſaaten.
bildet infolge von Auftauen und Wiedergefrieren; ſie verurſacht ebenfalls
ein Ausfaulen der Saaten.
Hieran reiht ſich auch die bekannte Verderbnis, welche häufig Samen Faulen ausge-
erleiden, die in übermäßig feuchten Boden ausgeſäet worden ſind: anſtatt ſäeter Samen.
zu keimen, faulen ſie; große Samen, wie Bohnen u. dergl., verwandeln ſich
dabei in eine ſtinkende, jauchige Maſſe.
„ EEE IR * 2
IL.
Verſauern der
Topfgewächſe.
Wurzelfäule
der Bäume.
260 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
Das Verſauern der Topfgewächſe beruht auf derſelben Urſache.
Es tritt ein, wenn das Abzugsloch des Blumentopfes verſtopft iſt oder
das Begießen übermäßig erfolgt, beſonders bei lehmigen oder moorigen
Erden. Wegen des Sauerſtoffmangels infolge der Erfüllung der Boden—
räume mit Waſſer unterliegen die organischen Reſte der humushaltigen
Erdböden einem andern Zerſetzungsprozeſſe als bei reichlicherem Sauerſtoff—
zutritte; es entſtehen gewiſſe Humusſäuren, weshalb ein ſolcher Boden
auch einen eigentümlichen Geruch annimmt. Dieſe ſauren Humuskörper
ſind vielleicht auch direkt für die Wurzeln ſchädlich. i
Auch an Bäumen kommt nach R. Hartig) unter ähnlichen Boden⸗
verhältniſſen, wie die vorgenannten, eine Wurzelfäule vor, und zwar
hauptſächlich an Kiefern in Beſtänden der norddeutſchen Tiefebene. Die
von dieſer Krankheit befallenen Bäume zeigen oft keine Veränderung in der
Benadelung, fallen aber bei ſtarkem Wind oder Schneeanhang um und
zeigen dann nur die in die Tiefe gehende Pfahlwurzel völlig abgefault,
während die flach unter der Bodenoberfläche verlaufende Bewurzelung
geſund geblieben iſt. Die verfaulten Spitzen der Pfahlwurzel und der
tiefergehenden Seitenwurzeln bleiben im Boden ſtecken; ſoweit ſie mit
herausgezogen werden, ſind ſie völlig zerfaſert und hellgelbbraun. Die
Krone des Baumes verrät das Leiden nur durch eine etwas kürzere Trieb—
bildung der letzten Jahre. In andern Fällen aber macht ſich die Krankheit
am ſtehenden Baume durch Kränkeln der Krone, durch die Kürze der Triebe
und Nadeln bemerklich; werden ſolche Bäume ausgerodet, ſo findet man
die Pfahlwurzel an der Spitze abgefault und bis in den Stock hinauf
verharzt, wodurch die Säfteleitung aus den Seitenwurzeln in den Stamm
beeinträchtigt wird. Von der ähnlichen Beſchädigung durch gewiſſe unter-
irdiſche paraſitiſche Pilze unterſcheidet ſich die Krankheit nach R. Hartig
darin, daß die Bäume nicht vertrocknen, ſondern nach dem Abfaulen der
Wurzeln lebend umfallen, die flachſtreichenden Wurzeln aber geſund bleiben
und keine änßerlich erkennbare Mycelbildungen zeigen. Nur in den durch
die Fäulnis ſchon getöteten Kiefernwurzeln hat R. Hartig verſchiedene
ſaprophyte Pilze, unter andern auch den Xenodochus liquiperda Wzlk. ge⸗
funden, die alſo erſt ſekundär auftreten und in keiner urſächlichen Beziehung
zur Wurzelfäule ſtehen. Die Krankheit tritt mit dem 20 bis 30 jährigen
Alter auf und verbreitet ſich nicht von einem Punkte aus im Laufe der
Jahre weiter, ſoudern beginnt gleichzeitig über ganzen Beſtänden oder
größeren Plätzen in denſelben; das Umfallen erfolgt bald hier bald da und
hat ein allgemeines Lückigwerden des Beſtandes zur Folge. Aus den zahl—
reichen von R. Hartig vorgenommenen Unterſuchungen hat ſich ergeben,
daß in allen Fällen in einer gewiſſen Bodentiefe ſich eine Schicht befand,
die ſich dadurch auszeichnete, daß ſie den Luftwechſel zwar nicht völlig aus⸗
ſchloß, demſelben aber in hohem Maße hinderlich war, und daß ſie das
Eindringen der Pfahlwurzel in der Jugend geſtattet hatte, aber in einem
gewiſſen Alter des Beſtandes den Tod dieſer Wurzeln herbeiführte. Oft
trat ſtagnierende Näſſe in einer gewiſſen Bodenſchicht auf. Sehr häufig
war ein ſchwerer, thonreicher Lehmboden, der in der norddeutſchen Tiefebene
oft neſterweiſe oder über größere Flächen verbreitet mitten in tiefgründigem
Sandboden auftritt; und es zeigte ſich, daß die Wurzelfäule genau ſo weit
1) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes. Berlin 1878, pag. 75 ff.
—
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*
3. Kapitel: Ungünſtige phyſikaliſche Beſchaffenheit des Erdbodens 261
ging, wie der Lehmboden reichte, während auf dem reinen tiefgründigen
Sand die Bewurzelung völlig geſund war. Auch hat R. Hartig den ſehr
häufig auftretenden äußerſt feſten und feinkörnigen, Quarzmehl genannten
Sand, ferner dichte Steinlager von Granitfindlingen, dichten Bauſchutt und
andre undurchlaſſende Bodenſchichten bei Wurzelfäule von Kiefern vor—
gefunden. An andern Nadelbäumen, die eine weniger tief gehende Pfahl—
wurzel haben, zeigte ſich die Erſcheinung in weit geringerem Grade.
Auch bei Laubhölzern, beſonders bei Obſtbäumen, kommen auf feſtem,
undurchläſſigen Bodenarten Erkrankungen vor, die ſich meiſt dadurch be—
merkbar machen, daß die Pflanzen ſchwächliche Triebe bilden und gelbe
Blätter haben, und daß ſie nach und nach dem Abſterben verfallen. Eine
nähere Prüfung der Wurzeln zeigt dann gewöhnlich eine mehr oder minder
ſtarke Wurzelfäulnis als die nächſte Urſache des Leidens. Freilich kommen
an allerlei Laubholzgewächſen, ſowie am Weinſtock, vielfach Erſcheinungen von
Gelbſucht der Blätter vor, wohl auch verbunden mit Wurzelerkrankungen,
ohne daß man ſogleich berechtigt wäre, die Urſache in einer ungünſtigen
phyſikaliſchen Beſchaffenheit des Erdbodens zu ſuchen. Auch manche andre
Faktoren können Erkrankungen mit gleichen Symptomen veranlaſſen, und
es ſind immer die jeweils gegebenen Umſtände näher zu prüfen, um den
wirklich ſchädlichen Faktor ausfindig zu machen.
Bei Bäumen kann auch Verſumpfung des Bodens die Zufuhr Bäume leiden
ſauerſtoffhaltiger Luft zu den Wurzeln erſchweren und zu Wurzelfäule oderbei Verſumpfung
doch zu einer Störung der Wurzelthätigkeit Veranlaſſung geben, die ein des Bodens.
Kränkeln oder krüppelhaften Wuchs der Bäume zur Folge hat. Verſumpfung
muß eintreten, wo ein beſtändiger Zufluß von Waſſer ſtattfindet und wegen
der Lage des Terrains der horizontale Abfluß erſchwert und auch ein ver—
tikaler Abfluß verhindert iſt, alſo beſonders da, wo ſich aus eben dieſem
Grunde Moorſümpfe gebildet haben. Die einzelnen Baumſpezies find um-
gleich empfindlich gegen ſolche Bodenverhältniſſe. Die Erlen, Pappeln und
Weiden vertragen dies noch am beſten; die meiſten andern Gehölze leiden
darunter im höchſten Grade. Im norddeutſchen Tieflande iſt das Verhalten
der gemeinen Kiefer in dieſer Beziehung äußerſt lehrreich. Wo die Sand—
flächen, auf denen dieſer Baum ſehr gut gedeiht, unterbrochen ſind durch
breitere Mulden, in denen Fliege oder Waſſeranſammlungen zur Moor⸗
bildung Veranlaſſung geben, da ſind die Kiefern bis zum Rande des Moores
geſund und hochwüchſig, aber wie abgeſchnitten erſcheinen die gleichaltrigen
Bäume auf der Moorfläche niedrig und krüppelig; ſie bilden hier Beſtände,
die im Ausſehen etwa an die Vegetation der Sumpfkiefer (Pinus pumilio)
in den höheren Gebirgsregionen erinnern, und die auch nach vielen
Jahren dieſes Ausſehen nicht verändern und keinen bemerkbaren Zuwachs
erkennen laſſen.
Behufs Verhütung der Wurzelfäule werden alle diejenigen Maß- Verhütung der
regeln in Betracht kommen, durch welche der Faktor, der im gegebenen Wurzelfaule.
Falle die ungenügende Durchlüftung des Bodens bedingt, beſeitigt
wird. Bei den Kulturen im großen wird alſo in erſter Linie die ge—
eignete Drainage vorzunehmen ſein überall da, wo übermäßige Näſſe vor—
handen iſt. Bezüglich des vorteilhaften Einfluſſes der Drainierung feuchten
Ackerbodens auf die Entwickelung und Produktion der Kulturpflanzen
262 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
kann hier füglich auf die Lehrbücher des Pflanzenbaues verwieſen werden.
Wo es ſich um einen zu feſten, undurchläſſigen Boden handelt, wird die
geeignete Lockerung vorzunehmen ſein, die durch Umbrechen im Herbſte
und Liegenlaſſen des Bodens in rauher Furche während des Winters,
außerdem auch durch Behacken oder Aufeggen, unter Umſtänden auch
durch Kalken und Mergeln des Bodens zu erzielen iſt. Bei Topf—
kulturen wird beſonders das übermäßige Begießen zu vermeiden ſein;
man gebe den Pflanzen nur nach Bedarf Waſſer; es richtet ſich dies
nach dem größeren oder geringeren Waſſerbedarf der einzelnen Pflanzen,
der von ihrer Tranſpirationsgröße abhängig iſt; am leichteſten läßt
ſich erkennen, ob die Topfpflanze begoſſen werden muß, durch Befühlen
des Bodens, je nachdem er trocken oder feucht ſich anfühlt, und durch
Anklopfen an den Topf, indem derſelbe hohl klingt, wenn es ihm an
Waſſer fehlt, dagegen den Ton eines maſſiven Körpers giebt, wenn er
noch genügend Waſſer enthält.
4. Kapitel.
Ungünſtige Zuſammenſetzung des Bodens.
A. Der Waſſermangel.
* 0 Waſſer iſt für alle Pflanzen unentbehrlich. Den Landpflanzen
Pflanze. wird dasſelbe durch den Erdboden, der die Pflanzen trägt, unmittelbar
geliefert, und dieſer empfängt es teils durch die Niederſchläge, teils
durch ſeitlichen Zufluß, teils aus dem Untergrunde. Böden, die keinen
ſeitlichen Zufluß erhalten, trocknen beim Ausbleiben der Niederſchläge,
allmählich von der Oberfläche aus in immer tieferen Schichten aus.
In einem Boden, der bis zu einem gewiſſen Grade ausgetrocknet iſt, u
iſt daher weder eine Keimung von Samen, noch eine Erwerbung ge- *
nügenden Waſſers durch die Wurzeln möglich, ſo daß alſo der Waſſer—
verluſt, den die Pflanzen durch die Verdunſtung der Blätter an der
Luft erleidet, nicht mehr erſetzt werden kann und auch die Zufuhr von
Nährſtoffen aus dem Boden mangelhaft wird, weil die Pflanze dieſe
Stoffe nur im waſſergelöſten Zuſtande, alſo mit Hilfe von Wafjer-
erwerben kann. Es werden alſo verjchiedenartige Krankheitserſcheinungen
zu erwarten ſein, je nach der Entwickelungsperiode der Pflanze, in
welcher die Trockenheit eintritt, ſowie nach dem Grade und der Dauer
der letzteren, aber auch nach dem ſpezifiſch ſehr ungleichen Waſſer⸗
Keimung wird bedürfnis und Waſſerhaushalt der einzelnen Pflanzenarten.
durch Trocken⸗ 1. Störung der Keimung. Ohne Anweſenheit tropfbar flüſſigen
heit des Bod ens _ \ 2 ß j
geſtöort. Waſſers keimen Samen nicht; denn das in Dampfform in der Luft
4. Kapitel: Ungünftige Zuſammenſetzung des Erdbodens 263
enthaltene Waſſer genügt dazu nicht. Hat die Keimung einmal be—
| gonnen und iſt bis zum Hervortreten der erſten Keimteile fortgeſchritten,
ſo iſt eine Austrocknung der Keimpflänzchen von ſchädlichem Einfluſſe
auf die Organe derſelben und auf den weiteren Fortgang des Keim—
prozeſſes. Die aus den Samen hervorgetretenen Wurzeln ſterben dann
ab, und wenn bereits die Plumula ſich zu entwickeln begonnen hat,
ſo findet bei erneuter Waſſerzufuhr eine Wiedererweckung der Keimkraft
ſtatt. Bei Monokotyledonen bilden ſich aus dem erſten Knoten, bei
Dikotyledonen, welche durch das Austrocknen die Pfahlwurzeln verlieren,
aus dem hypokotylen Gliede raſch neue Adventivwurzeln, und die
jüngeren Blätter der Plumula entwickeln ſich. Novaczek) hat feimende
Samen wiederholt bei 15—20 C. ausgetrocknet, nachdem jedesmal
durch Waſſerzufuhr der Keimprozeß wieder begonnen hatte und neue
Wurzeln gebildet waren, und hat dies mehrere Male wiederholen müſſen,
ehe an allen Verſuchspflanzen die Entwickelungsfähigkeit aufhörte. Am
widerſtandsfähigſten gegen die Dürre zeigte ſich die Keimung des Hafers,
nächſtdem Gerſte, Weizen und Mais; eher ſtarben Raps, Lein, Klee,
Erbjen. Aus den Verſuchen von Will?) ergiebt ſich, daß die Keim—
pflanzen um fo mehr leiden, je weiter der Keimungsprozeß fortgeſchritten,
namentlich je weiter die Plumula entwickelt iſt zur Zeit, wo die Trocken—
periode eintritt; bei Erbſenſamen traten, wenn in ſehr ſpäter Periode
noch Austrocknung ſtattfand, ſogar Fäulniserſcheinungen ein, die
von den abgetrockneten Wurzeln ausgingen und oft die Keimlinge
töteten. Dieſe Erſcheinung kommt an den Saaten vor, wenn die
Samen nicht genügend tief untergebracht ſind oder ganz oberflächlich
liegen, und nach der Beſtellung andauernd trockenes Wetter herrſcht.
Man vergleiche das oben (S. 253) über die rationelle Tiefe der
Unterbringung des Saatgutes Mitgeteilte. Aus dem Geſagten erhellt
auch, daß es unvorteilhaft iſt, vorher angequollenes oder gar ſchon
ausgewachſenes und nachher wieder trocken gewordenes Saatgut zu
benutzen. |
2. Welken. Wenn eine im Boden eingewurzelte Pflanze nicht Welten. Das
jo viel Waſſer aus dem Boden aufzunehmen vermag, als fie in der- Weſen desſelben
ſelben Zeit durch Tranſpiration der außerhalb des Bodens befindlichen
| Teile Waſſer in Dampfform verliert, jo vermindert fich ihr Waſſergehalt.
4 Die Folge iſt, daß die Zellen der ſaftreicheren Gewebe ihren Turgor
7 verlieren und ſomit eine Erſchlaffung des ganzen Pflanzenteiles ein—
) Referiert in Biedermann's Centralbl. f. Agrikulturchemie 1876, I.,
ag. 344.
2) Landwirtſch. Verſuchsſtationen XXVIII. 1882. Heft 1 u. 2.
Ungleiche Nei-
gung der Pflan-
zen zum Welk⸗
werden.
264 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
tritt, welcher eben als welker Zuſtand allgemein bekannt iſt. Am auf⸗
fallendſten wird dieſe Erſchlaffung an ſolchen Pflanzenteilen, deren
meiſte Zellen ſaftreichen Inhalt, dünne, zarte Membranen haben und
zugleich ſtark tranſpirieren. Denn hier iſt der Turgor der Zellen vor—
wiegend die Urſache der Straffheit der Blätter und Internodien.
Pflanzenteile dagegen, welche aus überwiegend feſteren und härteren
Geweben (ſtark entwickelter Cuticula, kräftigem Hypoderm, vielen oder
ſtarken Fibrovaſalſträngen) beſtehen, zeigen keine ſo deutliche Erſchlaffung
bei großem Waſſerverluſte, weil die Beſchaffenheit der genannten Ge—
webe den Teilen ihre Steifheit erhält; ſolche Pflanzen können ganz
vertrocknen ohne eigentliche Welkungserſcheinungen. Langgeſtreckte Inter—
nodien ſieht man gewöhnlich in einem unmittelbar unterhalb des
oberen Endes gelegenen Stücke am ſtärkſten erſchlaffen und ſich um—
neigen, wie es Sproſſe mit gegen- oder quirlſtändiger Blattſtellung
ſowie die langen Stiele von Blüten oder Blütenköpfen häufig zeigen.
Dies hat ſeinen Grund darin, daß in der bezeichneten Region das
Wachstums am längſten andauert, die Gewebe alſo dort noch in dem
erwähnten weichen Zuſtande ſich befinden, und die härteren mechaniſchen
Gewebe nur erſt unvollſtändig ausgebildet ſind.
Bei einem und demſelben Feuchtigkeitsgehalte des Erdbodens und
der Luft zeigen die verſchiedenen Pflanzen keineswegs gleiche Empfind—
lichkeit hinſichtlich des Welkwerdens. Es kann hier nur ganz kurz auf
die in der Pflanzenphyſiologie näher behandelten Verhältniſſe ein-
gegangen werden, von welchen die Waſſererwerbung, die Aufſammlung
von Waſſer und die Waſſerabgabe der Pflanzen durch Tranſpiration
bedingt ſind. Je ſchwächer relativ das Wurzelſyſtem entwickelt iſt,
deſto ſchneller wird bei lebhafter Tranſpiration unter ſonſt gleichen Um⸗
ſtänden Welken eintreten müſſen. Daher widerſtehen diejenigen Kräuter,
die nur wenige, kurze, in der oberen Bodenſchicht entwickelte Wurzeln
beſitzen, der Bodendürre weniger lange als ſolche, welche mit einem weit
und tief im Boden ſich erſtreckenden Syſtem unterirdiſcher Organe aus⸗
gerüſtet ſind. Und Pflanzen, deren Wurzeln mechaniſch beſchädigt oder
zerſtört find (nach dem Verſetzen) oder durch irgend eine Erkrankung ge-
litten haben oder infolge andrer ungünſtiger phyſikaliſcher Einflüſſe, z. B.
wegen zu niederer Temperatur des Bodens funktionslos ſind, welken
ſogar ſchon bei günſtigen Feuchtigkeitsverhältniſſen des Bodens, woraus
ſich ergiebt, daß Welkwerden auch das Symptom vielerlei andrer
ſchädlicher Einwirkungen ſein kann, die an dieſer Stelle nicht zu erörtern
ſind. Zweitens hält die Pflanze eine Bodendürre um ſo länger aus,
einen je ſtärker entwickelten Holzkörper ſie beſitzt, weil dieſer als der
eigentliche Weg der Waſſerſtrömung in der Pflanze zugleich ein Reſer⸗ |
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 265
voir von Waſſer darſtellt, welches am größten bei den mit einem
mächtigen Holzeylinder verſehenen Bäumen tft, bei denen die Blätter
längere Zeit ihren Verdunſtungsverluſt aus dieſem erſetzen können.
Darum fieht man, wenn die Kräuter vor Trockenheit zu welken be—
ginnen, an den Sträuchern und Bäumen noch nichts davon, und es
bedarf einer längeren Dürre, ehe das Laub dieſer Pflanzen anfängt
welk zu werden. Endlich drittens iſt die Intenſität der Verdunſtung,
d. h. die Waſſermenge, welche von einem gleichen Flächenſtücke eines
Blattes, unter gleichen äußeren Bedingungen, in gleichen Zeiten
tranſpiriert wird, bei den einzelnen Pflanzenarten im höchſten Grade ver—
ſchieden. Dies hat natürlich zur Folge, daß die verſchiedeneu Pflanzenarten
einer und derſelben Trockenheit ſehr ungleich widerſtehen. Pflanzen mit
dünnen, weichen, kahlen Blättern verdunſten am raſcheſten und welken da—
her am ſchnellſten. Schwächer iſt die Tranſpiration derjenigen Pflanzen,
welche immergrüne, feſte, mit einer ſtarken Cuticula überzogene Blätter be—
ſitzen, was überhaupt für alle Pflanzenteile gilt, welche mit einem für
Waſſer ſchwer permeablen Hautgewebe ausgeſtattet ſind, wie alle mit
Korkſchicht, Periderm, Borke umhüllten Organe. Eine äußerſt langſame
Verdunſtung haben die Succulenten, wie die Cacteen und kaktusförmigen
Euphorbien, die Kraſſulaceen, Aloeen, Agaven ꝛc., die daher auch unter
allen Pflanzen der Dürre den größten Widerſtand leiſten, wodurch ſie
befähigt werden, auf dem trockenen, ſonnigen Felsboden der Hochebenen
und in der regenloſen Periode in den Steppen und Wüſten ihrer Heimat
ſich am Leben zu erhalten.
Welke Pflanzenteile können wieder trugescent werden, wenn das
richtige Verhältnis zwiſchen Waſſerauſſaugung und Tranſpiration
wieder hergeſtellt wird. Jedoch iſt ein übermäßig hoher Grad von
Welkheit nicht mehr reparabel; ein ſolcher Pflanzenteil erſchlafft viel—
mehr unaufhaltſam weiter und ſtirbt unter allmählicher Vertrocknung,
auch wenn für reichliche Waſſerzufuhr oder für Verminderung der
Tranſpiration geſorgt worden iſt. Die Pflanze kann dabei entweder
ganz zu Grunde gehen, oder ſie verliert nur die ſtärker gewelkten Teile,
alſo die ausgebildeten Blätter, während die Stengelſpitze mit den
jüngeren noch nicht völlig erwachſenen Blättern ſich erholt. Dieſe Er—
ſcheinung kann zweierlei Gründe haben. Erſtens wird die Leitungs—
fähigkeit des Holzkörpers für Waſſer vermindert oder ganz aufgehoben,
wenn derſelbe ſtärker austrocknet und eine Zeit lang wirklich aufgehört
hat Waſſer zu leiten. Zweitens iſt aber für alle lebendige Zellen ein
Waſſerverluſt, der eine gewiſſe Grenze überſchritten hat, unfehlbar
tödlich, weil Waſſer zu den Exiſtenzbedingungen der lebenden Zellen
gehört. Immerhin können die grünen Blätter eine Zeit lang ziemlichen
Folgen des
Welkens.
266 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüffe
Waſſerverluſt ohne Schaden ertragen. Nach Schröder!) blieben
Blätter von Echeveria, welche normal 94,4 Prozent Waſſer enthalten,
bei einem Waſſerverluſte bis zu 75,7 Prozent lebendig; bei Verluſt von
78,3 Prozent ſtarben ſie; Blätter von Fuchsia, welche einen Waſſergehalt
von 88,8 Prozent haben, ertrugen 35 bis 36 Prozent Waſſerverluſt ohne
rn höhere Verluſte brachten das Blatt zum Teil, ein ſolcher von
5 Prozent ganz zum Abſterben. Nur die Flechten und die meiſten
Mooſe können ohne zu ſterben, ihr ganzes Vegetationswaſſer eine Zeit
lang verlieren. Wenn die Oberfläche des Geſteins, der Baumrinde und
des Erdbodens, den dieſe Pflänzchen bewohnen, austrocknet, ſo ſchrumpfen
dieſelben zuſammen, werden dürr und ſpröde, aber leben dennoch wieder
auf, ſobald Feuchtigkeit eintritt.
Verhinderung Das Welken wird verhütet oder wieder beſeitigt, wenn genügende
a eraufſaugung durch die Wurzeln ermöglicht, aljo für ausgiebige
Bewäfjerung des Bodens geſorgt wird. Aber es kann auch bei großer
Trockenheit des Bodens ohne Zufuhr von Waſſer gehoben werden,
wenn die Verdunſtung der Pflanze vermindert oder ganz unterdrückt
wird. Daher können erſchlaffte Pflanzen allein dadurch wieder friſch
werden, daß der Feuchtigkeitsgehalt der Luft größer wird, alſo z. B.
wenn man die gewelkten Pflanzen mit einer Glasglocke bedeckt oder
in die feuchte Luft eines Gewächshauſes ſtellt, oder auch ihre Blätter
mit Waſſer beſpritzt. Auf dieſe Weiſe erklärt es ſich auch, warum
Freilandpflanzen, die am Tage wegen Trockenheit des Bodens welk
geworden ſind, in der Nacht wieder friſch werden, weil die Luft zur
Nachtzeit einen höheren Feuchtigkeitsgehalt beſitzt und weil die Tran-
ſpiration der Pflanze durch den Einfluß des Lichtes geſteigert, durch
die Dunkelheit verlangſamt wird; das Waſſer, welches die Wurzeln ja
auch aus dem trocknen Boden noch immer langſam er kann
ſich nun wieder in der Pflanze anſammeln.
Sommerbürre 3. Sommerdürre. Verſcheinen und Notreife des Getreides.
8 Wenn eine fertig oder nahezu fertig entwickelte und vollbelaubte
85 Pflanze in eine Trockenheitsperiode kommt, wobei zwar noch immer ſo
viel Feuchtigkeit von den Wurzeln geſammelt wird, um das akute
Verwelken zu verhüten, aber doch der Waſſervorrat im Boden zu gering
iſt, um die erforderliche Menge von Nährſtoffen, welche die Pflanze
beanſprucht, in fie einzuführen, jo tritt mehr eine chroniſche Krankheits— -
form auf, die ſich ganz allmählich herausbildet und durch eigentümliche
Symptome charakteriſiert iſt, die beim bloßen Verwelken nicht Zeit haben
1) über die Austrocknungsfähigkeit der Pflanzen. Unterſuch. aus d. bot.
Inſt. Tübingen II. Heft 1.
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 267
ſich auszubilden, wiewohl, wie das nicht anders zu erwarten iſt, dabei
auch Welkungserſcheinungen manchmal zeitweilig mit hinzutreten.
Dieſe mit den Eingangs genannten Namen bezeichnete Krankheit läßt
ſich als ein langſames Verhungern und Vertrocknen charakteriſieren
und äußert ſich darin, daß die Blätter, ihrer Altersfolge nach, alſo
vom unterſten beginnend nach oben fortſchreitend, eins nach dem andern
total gelb und bald vollſtändig dürr werden, wobei bisweilen zugleich.
ſtellenweiſe braune Flecken ſich bilden. Beſonders bei den Gramineen
beginnt am einzelnen Blatt die Verfärbung an der Spitze und ſchreitet
allmählich bis zur Baſis fort; man fieht alſo hier während des Auf—
tretens der Krankheit Blätter, bei denen nur die Spitze, ſolche, bei
denen ein größerer Teil der Blattfläche oder die ganze Blattfläche gelb
geworden iſt, ſowie ſolche, wo die Gelbfärbung auch bereits an der
Blattſcheide mehr oder weniger weit herab reicht, ſo zwar, daß die
Krankheit an der Spitze eines Blattes ſchon beginnt, wenn ſie an den
vorangehenden noch nicht bis zur Baſis fortgeſchritten iſt. Der Erfolg
für das Leben der ganzen Pflanze iſt ein ſehr verſchiedener. Bei den
einjährigen, zumal beim Getreide, richtet ſich das nach der Entwickelungs—
periode, in welche die Sommerdürre fällt!). Wenn die Pflanze den
Beginn des Samenanſatzes erreicht hat, ſo hindert das Abſterben der
Blätter die vollſtändige Ausreifung der Körner nicht mehr weſentlich,
die vorhandenen Nährſtoffe werden dann aus den Blättern in die
jungen Fruchtanlagen transportiert, und die Ernte iſt nicht gefährdet.
Häufig kommt aber die Krankheit ſchon früher, etwa gegen die Blüte—
zeit; der Blütenſtand bleibt dann in der oberſten Scheide ſitzen, denn
es iſt oft kaum das oberſte Blatt noch geſund und die Pflanze iſt
bald ganz gelb, ähnlich wie bei der natürlichen Reife, ſie wird not—
reif, wie man ſich ausdrückt. Da in dieſer Zeit die Pflanze noch der
Aſſimilationsorgane bedarf, ſo hat der Verluſt derſelben die Folge, daß
die Körnerbildung ganz unterbleibt oder ſehr mangelhaft geſchieht.
Sogar vor dem Sichtbarwerden des Blütenſtandes kann das Verſcheinen
ſchon den Halm töten; es wächſt dann manchmal noch ein ſeitlicher
Beſtockungstrieb auf, der aber auch bald von demſelben Schickſal er—
eilt wird. Wir haben dann den ſtärkeren Grad vor uns, der als
eigentliches Verſcheinen bezeichnet wird. Perrennierende Gräſer ver—
lieren bei ſtarker Dürre ihre oberirdiſchen Sproſſe unter den gleichen
Erſcheinungen; Grasplätze ſehen dann verdorrt aus. Aber hier halten
die perennierenden Teile lange lebensfähig aus und bringen bei
Eintritt von Feuchtigkeit wieder grüne Triebe hervor.
) Vergl. Hellriegel, Beiträge z. d. naturwiſſ. Grundlagen des Ackerbaues.
Braunſchweig 1883, pag. 498 ff.
Sommerdürre
bei Holzpflanzen
Gipfeldürre.
268 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
Auch bei dikotylen Krautpflanzen” zeigt ſich Sommerdürre unter
analoger Verfärbung der Stengel und Blätter von unten an beginnend.
Was die Praktiker beim Lein als „die Röte“ und als „Gelbſucht der
Köpfe“, beim Hopfen als „Sommerbrand“ oder „rote Lohe“ bezeichnen,
gehört hierher.
Sogar bei Holzpflanzen tritt in trockenen Sommern am Laube die
Erſcheinung der Sommerdürre auf. Es iſt jedoch für dieſe Pflanzen
der Verluſt des Laubes durch Sommerdürre nicht tödlich; Zweige und
Knoſpen bleiben am Leben und belauben ſich und blühen teilweiſe
bisweilen ſchon im Herbſt wieder, wenn die Witterung feuchter wird.
Nur eine ungewöhnlich lange Dürre zieht auch für ſolche Pflanzen den
Tod nach ſich. Aber das vorzeitige Abſterben des aſſimilierenden Laub—
körpers hat jedenfalls eine mangelhaftere Holzbildung, nämlich einen
vorzeitigen Abſchluß des neuen Holzringes und außerdem wohl auch
eine unvollſtändige Bildung von Reſervenährſtoffen in Stamm und
Zweigen zur Folge, abgeſehen von dem Subſtanzverluſte, der durch
die in voller Vegetationsthätigkeit verloren gehenden Blätter bewirkt
wird. An immergrünen Bäumen äußern ſich die Wirkungen eines ſehr
trockenen Sommers in dem Abwerfen der Blätter, und zwar der
älteren Blätter, die ja auch normal nach und nach abfallen, unter
dieſen Umſtänden aber zahlreich und verfrüht abgeworfen werden. So
thun es nach Bouché !)) die Orangenbäume, Kamellien, Lorbeer
und andre immergrüne Bäume; Thuja wirft die grünen Zweige ab.
An den Obſtbäumen haben trockene Sommer ein Abwerfen der
Früchte im unreifen Zuſtande zur Folge.
In Waldbeſtänden tritt an Bäumen, die vorher unter günſtigeren
Verhältniſſen ſich entwickelt haben, bei Verminderung des Waſſer- und
Nährſtoffgehaltes des Bodens außer der allgemeinen Wuchs—
verminderung, leicht die ſogenannte Gipfeldürre oder Zopftrocknis
ein, d. h. ein Vertrocknen des oberen Teiles der Baumkrone, während
der untere Teil ſich grün erhält. In Rotbuchenbeſtänden ſoll dies oft
ſchon im Stangenholzalter dann auftreten, wenn Streunutzung ſtattfindet,
was ſich aus der unentbehrlichen Verwertung des Laubhumus durch die in
der oberſten Bodenſchicht wachſenden Mykorhizen, von denen unten die
Rede ſein wird, erklärt. Die waſſerbedürftige Erle wird bei übertriebener
Entwäſſerung gipfeldürr. Eichen, die im Beſtandesſchluſſe erwachſen
ſind, ſollen nach Freiſtellung leicht gipfeldürr werden, was R. Hartig?)
dadurch zu erklären ſucht, daß infolge der Freiſtellung die ſtärkere Licht⸗
1) Monatsſchrift der Ver. z. Beförder. d. Gartenb. 1877, pag. 246.
2) Lehrbuch d. Baumkrankheiten 2. Aufl. Berlin 1889, pag. 241.
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4. Kapitel: Ungünftige Zuſammenſetzung des Erdbodens 269
wirkung eine ſtärkere Aſſimilation den Blätter und reichliche Bildung
von Waſſerreiſern am Schafte hervorrufen, daß anderſeits aber auch der
Humus des Bodens raſcher verzehrt werde und den Boden tiefer aus—
trockne. Bisweilen ſollen auch an Baumſtämmen infolge ſtarker
Trockenheit Riſſe im Holze, ähnlich den Froſtriſſen (S. 210), beſonders
an der Süd- und Weſtſeite eintreten, wofür Hartig!) und Nörd—
linger?) Angaben beibringen.
Über die Natur des Verſcheinens und ſeinen Zuſammenhang mit der Mikrofkopiſche
Trockenheit des Bodens ſind wir noch ungenügend unterrichtet. Die Krank- und chemiſche
heit mit der herbſtlichen Entfärbung und Entleerung der Blätter zu ver- Veränderungen
gleichen, iſt unſtatthaft, wie Krauss) bezüglich der Holzgewächſe nach- m ts
gewieſen hat. Derfelbe zeigte, daß die am Blattgrunde im Herbſt ſich $
bildende Trennungsſchicht, welche den Blattfall vorbereitet, hier nicht gebildet
wird, weshalb die durch Sommerdürre getöteten Baumblätter den ganzen
Winter am Baume hängen bleiben, ferner daß das Meſophyll zwar ebenſo
wie in den herbſtlichen Blättern keine Spur von Stärkemehl, wohl aber
noch das anſcheinend unverminderte Protoplasma in den Zellen enthält,
teils zu braunen desorganiſierten Klumpen zuſammengeballt, teils zwar
zuſammengezogen, aber noch die Chlorophyllkörner und den Zellkern erkenn—
bar enthaltend. In ſommerdürren Blättern von Gerſte und Hafer finde
ich im Meſophyll ebenfalls keine Stärke, während dieſelbe im geſunden
grünen Blatte dort reichlich vorhanden iſt; auch die Chlorophyllkörner ſind
verſchwunden, an ihrer Stelle gelbe, ölartige Kügelchen, bald große, bald
kleine und dann molekular bewegliche vorhanden, welche durch Ather auf—
5 gelöſt werden; außerdem enthalten die Zellen ihr nicht merklich vermindertes
Ir Protoplasma zu einem großen, meiſt runden, farbloſen Körper kontrahiert;
5 in manchen Zellen ſcheint die gelbe ölartige Subſtanz in dem Protoplasma—
F klumpen gelöſt zu ſein, denn dieſer ſieht gelb aus und entfärbt ſich durch
8 Ather. Die oben erwähnten braunen Flecken der Getreideblätter beruhen
5 auf einer Braunfärbung der Zellmembranen, namentlich der Außenwand
2 der Epidermiszellen, welche auf einem gewiſſen Areal dieſe Farbe annimmt;
i beſonders intenſiv erſcheinen dann gewöhnlich die Spaltöffnungszellen ge—
1 bräunt. Von der Epidermis aus kann die Färbung auch mehr oder weniger
1 tief ins innere Gewebe ſich erſtrecken, ſowohl auf die angrenzenden Zellen
8 eines Fibrovaſalſtranges, als auch auf die des Meſophylls Dieſe Bräunung
0 iſt wohl der vielfach an abgeſtorbenen Zellen zu beobachtende Beginn eines
8 Humifikationsprozeſſes. Pilze ſind, wenigſtens im Anfange der Verfärbung,
8 nicht vorhanden; aber es erſcheinen ſehr bald, wie auf allen abgeſtorbenen
ß an der Luft befindlichen vegetabiliſchen Teilen, einzelne aufgeflogene und
4 in Keimung begriffene Sporen von Cladosporium und Sporidesmium,
& aus denen ſich manchmal ſpäterhin, wenn der Tod des Blattes eingetreten
*. iſt, die bekannten ſchwarzbraunen Räschen der Konidienträger dieſer Pilze
3 entwickeln, welche hiernach in keiner kauſalen Beziehung zur Krankheit ſtehen.
Am Wurzelſyſtem iſt nichts Abnormes zu bemerken. Über die ſtofflichen
) Flora 1883, Nr. 14, pag. 224.
2) Centralblatt f. d. geſamte Forſtweſen 1878, pag. 281.
3) Botan. Zeitg. 1873, Nr. 26 u. 27.
1
270 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
Verhaͤltniſſe des ſommerdürren Blattes liegt außer dem angegebenen mikro—
ſkopiſchen Befunde nur folgende Analyſe Märker's vor, welche von Kraus
(J. e.) mitgeteilt wird, und den prozentiſchen Gehalt, auf Trockenſubſtanz
bezogen, von ſommerdürren und herbſtlichen Blättern eines und desſelben
Strauches von Syringa gegenüberſtellt.
Sommerdürre Herbſtliche Blätter
Stickſtoff 1,947 N
Phosphorſäure 0,522 0,373
Kali 2,998 3,831
Kalk 1,878 2,416
Mineralſtoffe 8,028 9,636
Dieſe Zahlen zeigen, daß man die Sommerdürre nicht mit dem herbſt—
lichen Laubfall vergleichen darf und daß dem Baume durch dieſe
Krankheit faſt doppelt ſoviel Stickſtoff und Phosphorſäure als durch die
herbſtliche Entleerung verloren geht. Dies wird dadurch erkärlich, daß beim
Eintritt der Sommerdürre die Zellen des Meſophylls im Vollbeſitze ihres
Protoplasma vom Tode ereilt werden, während bekanntlich vor dem Laub—
fall im Herbſte die Bauſtoffe des Protoplasma zum großen Teil wieder
aus dem Blatte in die Zweige zurückwandern. Ich habe aber ſchon in
der erſten Auflage dieſes Buches geltend gemacht, daß der Schluß, den
Kraus weiter aus jenen Zahlen zieht, nicht berechtigt iſt; er ſchließt näm-
lich, „daß in den ſommerdürren Blättern ſowohl das Kali als das Stärke—
mehl auswandern, ganz jo, wie vor dem herbſtlichen Blattfall“. Das
Fehlen des Stärkemehls im ſommerdürren Blatte kann, aber muß nicht
ſo erklärt werden, denn in einem kranken Blatte könnte die Stärke auch
auf andre Weiſe, z. B. durch Desorganiſation unter Mitwirkung der Atmung,
zerſtört werden; übrigens findet überhaupt keine oder nur eine beſchränkte
Bildung von Stärkemehl durch Aſſimilation in ſolchen Blättern ſtatt, die
ſchon ſeit langer Zeit ſich zu verfärben, alſo ihr Chlorophyll zu verlieren
begonnen haben. Bezüglich des Kalis aber wäre jene Behauptung doch
offenbar nur dann erwieſen, wenn man wüßte, daß in dem ſommerdürr
gewordenen Blatte überhaupt jemals mehr Kali geweſen iſt. Dafür fehlt
jeder Beweis. Ich faſſe vielmehr das Verſcheinen als Symtom einer
mangelhaften Ernährung, als Folgen eines Mindergehaltes
an gewiſſen mineraliſchen Nährſtoffen auf, was freilich erſt durch
vergleichende Aſchenanalyſen normaler Blätter derſelben Pflanze vom gleichen
Standort und in gleicher Entwickelungsperiode bewieſen werden müßte.
Die obigen Zahlen ſind, ſoweit ſie ſich überhaupt vergleichen laſſen, mit
dieſer Auffaſſung im Einklang: dieſommerdürren Blätter find ärmer
an Kali, Kalk und andern mineraliſchen Nährſtoffen, als die
geſunden. Daß Phosphorſäure und Stickſtoff in den ſommerdürren
Blättern in größerer Menge enthalten ſind als in den Herbſtblättern, kommt
daher, daß dieſe Stoffe vor dem herbſtlichen Laubfall aus den Blättern
zurückwandern. Das beweiſt aber nicht, daß nicht auch von dieſen Stoffen
in den kranken Blättern weniger vorhanden iſt als in den geſunden aus
derſelben Entwickelungsperiode Ich halte eine ungenügende Zufuhr der
mineraliſchen Nährſtoffe für die notwendige Folge mangelhafter Feuchtig-
keit des Bodens. Man würde dann die Veränderungen begreifen können,
die ſich als Symptome bei Verſcheinen einſtellen: nicht bloß die Des⸗
organiſation gewiſſer organiſierter Gebilde in den Zellen, ſondern auch die
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 271
oben beſchriebene Succeſſion, in welcher dieſelbe an den Organen ſtattfindet.
Es iſt ferner zu vermuten, daß die Bodendürre dieſen Erfolg an einer
Pflanze um ſo eher hervorbringt, ein je ſchwächeres Wurzelſyſtem dieſelbe
im Verhältnis zur Größe des oberirdiſchen Körpers beſitzt, mag dasſelbe
nun eine normale Eigentümlichkeit der Spezies oder ſelbſt wieder die
Folge eines andern ſchädlichen Einfluſſes ſein, ſowie daß Pflanzen, deren
Hauptwurzelmaſſe in den oberen, austrocknenden Bodenſchichten angelegt iſt,
leichter ſommerdürr werden, als die tiefwurzeligeren. Hiermit hängt es viel-
leicht zuſammen, daß Monokotyledonen und beſonders Sommergetreide früher
als alle andern Pflanzen dem Verſcheinen anheimfallen. Die Berückſichtigung,
daß die Krankheit durch die Kombination der angedeuteten verſchiedenartigen
Momente zu ſtande kommt, wird auch den Schlüſſel zu der Erſcheinung
liefern, daß die Sommerdürre oft nur ſtellenweiſe in einem Acker ſich zeigt.
4. Verzwergung (Nanismus). Ein ganz andrer Erfolg tritt Verzwergung.
aber ein, wenn der nämliche Grad von Bodentrockenheit, welcher an
einer bis dahin normal entwickelten Pflanze Verwelken oder Verſcheinen
hervorrufen würde, ſchon vor der Zeit der Keimung andauernd
herrſcht. In dieſem Falle kann die Pflanze ſich den ungünſtigen Ver—
hältniſſen anpaſſen, indem ſie den Plan für ihre ganze zukünftige Ent—
wickelung von vornherein danach einrichtet. Es geſchieht dies dadurch,
daß die Pflanze verzwergt, indem eine Reduktion in den Größen- und
alſo auch Maſſenverhältniſſen aller einzelnen Glieder eintritt, wobei aber,
was das Wichtigſte iſt, keine eigentlichen Krankheitserſcheinungen ſich
zeigen und die Pflanze ihre ganze Entwickelung bis zur Erreichung der
Samenreife durchmacht. Die Pflanzen erſcheinen dann alſo als Zwerge
und ſind in dieſer Beziehung einer erſtaunlichen Reduktion fähig, wie
die unten folgenden Angaben beweiſen. Vom Standpunkte des
Pflanzenbaues ſind freilich ſolche Verzwergungen der Pflanzen, wegen
der entſprechenden Verminderung der Produktion, einem Mißraten
gleich zu achten. Aber vom Standpunkte der Pflanze ſelbſt erfüllen
die Zwerge die allgemein den Pflanzen geſtellte Aufgabe: ja ſie können
unter den gegebenen Umſtänden dieſe ihre Lebensaufgabe eben nur
dadurch, daß ſie Zwerge ſind, erfüllen. Und in der Erkenntnis dieſer
Thatſache, daß es ſich um eine Anpaſſung an die gegebenen Umſtände
handelt, um die Pflanze dabei entwickelungsfähig zu machen, liegt eben,
wie ich ſchon in der erſten Auflage dieſes Buches auseinander geſetzt
habe, die einzig richtige Auffaſſung der Verzwergung infolge von
Bodentrockenheit. Die ſpärliche Feuchtigkeit, welche der Boden bietet,
und das geringe Quantum von Bodennährſtoffen, was dabei in die
Pflanze befördert werden kann, würden nicht hinreichen, um die An—
ſprüche einer mit gewöhnlichen großen Organen ausgeſtatteten Pflanze
zu decken. Indem die letztere aber verzwergt, macht ſie ſelbſt frei.
willig ihre Anſprüche ſo gering, daß denſelben unter den gegebenen
Größenverhält—
niſſe der Zwerge.
272 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
ungünſtigen Verhältniſſen noch Genüge geleiſtet werden kann und die
Erreichung der Lebensaufgabe der Pflanze, nämlich die Wiedererzeugung
keimfähiger Samen, wenn auch nur in beſchränkter Anzahl, geſichert
wird. Abgeſehen von ihrer geringen Größe erſcheint alſo dabei die
Pflanze geſund und verrichtet alle ihre Lebensfunktionen.
Die Pflanze reagiert mit großer Empfindlichkeit und Genauigkeit
auf den Trockenheitsgrad, unter welchem ſie ſich entwickelt. Unter
ſonſt gleichen Verhältniſſen iſt an einer und derſelben Spezies die
Reduktion um ſo beträchtlicher, je geringer die Waſſerzufuhr, je trockner
die Bodenſtelle iſt, auf welcher die Pflanze ihre Entwickelung beginnt.
Thatſächlich kann man auch hiernach im Freien oft alle Abſtufungen
von der normalen Größe einer Pflanze bis zu dem winzigſten In—
dividuum auffinden.
Die Verzwergung geſchieht im allgemeinen allerdings in propor—
tionalen Verkleinerungen der einzelnen Glieder, ſo daß die Zwerge
Miniaturformen der Spezies darſtellen. Jedoch gilt dieſes Geſetz
ſtreng genommen nur für die oberirdiſchen, vegetativen Organe. Das
Wurzelſyſtem einer Zwergpflanze iſt zwar abſolut kleiner, aber relativ
weit größer als im normalen Zuſtande. Wären die Wurzeln pro—
portional den oberirdiſchen Gliedern reduziert, ſo würde kaum eine
genügende Befeſtigung im Boden möglich ſein. Es macht vielmehr
den Eindruck, als ſuchte die Zwergpflanze mit den Wurzeln annähernd
tief in den Boden einzudringen wie die normale Pflanze, und durch
die relativ größere Wurzelentwickelung vor allem auch für die genügende
Sammlung von Feuchtigkeit aus dem Boden Sorge zu tragen. Ferner
werden auch die Blüten und Früchte meiſt nicht in demſelben Ber-
hältnis verkleinert, wie die vegetativen Teile; eher vermindert ſich die
Zahl der Blüten, als daß die einzelne Blüte und Frucht unter ein
gewiſſes Größenmaß ſänke, was ja ſehr wohl erklärlich iſt, indem
gerade dieſe Organe, um für ihre Aufgabe tüchtig zu bleiben, unter eine
beſtimmte Größen- und Maſſenentwickelung nicht heruntergehen dürfen.
Es kommt dabei oft zur Reduktion in der Zahl der Elemente eines
Blütenſtandes, durch welche der Gattungstypus der Pflanze ganz ver-
wiſcht werden kann. Am wenigſten folgen die Samen der Zwerge in
der Verkleinerung den übrigen Teilen nach, und dasſelbe gilt auch
von der Frucht, wenn dieſelbe einſamig iſt, wie bei den Körnern des
Getreides. Sind die Früchte typiſch vielſamig, wie z. B. die Schötchen
der Cruciferen, ſo verkleinern auch ſie ſich merklich, aber ſie bilden
weniger Samen, weil dieſe eben viel weniger in der Größe reduzierbar
ſind. Jedoch habe ich nie finden können, daß ein Zwerg nur einen
einzigen Samen angelegt hätte; bei den kleinſten Formen, die ich an⸗
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſaumenſetzung des Erdbodens 273
traf, waren wenigſtens zwei Samen vorhanden, ſo daß es ſcheint, als
ſei das Geſetz der Multiplikation der Keime durch nichts zu erſchüttern.
Die hierhergehörigen Fälle von „Zwergwuchs ſind durch ihr Vorkommen Vorkommen
auf trocknem Boden charakteriſiert. Im Freien ſindet man Zwerge beſonders von Zwergen.
auf exponierten Bodenſtellen, wo die Feuchtigkeit ſchnell abläuft und durch
die Luft verzehrt wird und wo keine Vegetationsdecke von Kräutern, Gräſern
Mooſen u. dergl. die Bodenoberfläche feucht erhält, daher namentlich auf
Wegen, auf kahlen wüſten Plätzen u. dergl. Auf leicht trocknenden Böden,
wie auf Sand und Kies, kommt die Erſcheinung häufiger als auf anderen
Bodenarten vor. Aber man trifft ſie ſelbſt auf ſchwerem, lehmigen Boden,
wenn derſelbe an der Oberfläche leicht und raſch abtrocknet, wobei er im
Innern reichlich feucht ſein kann; dies iſt beſonders an Pflanzenarten mit
kurzen, in der trocknen Bodenſchicht befindlichen Wurzeln der Fall. Auch
kann man künſtlich Zwerge erziehen, wenn man die erforderliche Boden—
beſchaffenheit herſtellt. Manche der Formen, welche in der beſchreibenden
Botanik die Bezeichnung nanus, pumilus, minimus 2c. führen ſind
Zwerge in dem hier bezeichneten Sinne. Daß man durch Wegſchneiden
der Cotyledonen und ſogar ſchon durch Auswahl der kleinſten Samen
kleinere Pflanzen erhalten kann, iſt ſchon an andrer Stelle (pag. 120)
erwähnt worden; mit der hierher gehörigen Verzwergung hat jene Er—
ſcheinung inſofern Ahnlichkeit, als bei ihr die Verminderung der für die
junge Pflanze beſtimmten Reſervenährſtoffe die Urſache der geringen Größen—
entwickelung iſt. Wir werden unten auch Mangel an Nährſtoffen als Ur—
ſache von Zwergbildung kennen lernen. Daß die künſtlich durch Stecklinge
und geeignete Verſtümmelung erzielten ſogenannten Zwergbäumchen nichts
mit den hier bezeichneten Erſcheinungen gemein haben, braucht nur an—
gedeutet zu werden.
Daß konſtante Bodendürre zwerghafte Pflanzenformen erzeugt, iſt Erzeugung von
eigentlich allgemein anerkannt. „Plantae omnes in terra sterili, exsucca, 3wergwuchs
arida, minores“ lehrte ſchon Linné. Den exakten Beweis dafür lieferte durch Kultur-
Sorauer )) durch vergleichende Kultur von Gerſtenpflanzen, welche alle in verſuche.
einem Boden von gleichen Nährſtoffmengen ſowie unter gleichen übrigen
Verhältniſſen zur eee und Entwickelung kamen und nur durch das
dem Boden zugeführte Quantum deſtillierten Waſſers ſich unterſchieden.
Die mit der Verminderung der Waſſerzufuhr abnehmende Größe der
Pflanzen zeigt ſich beſonders in den angegebenen Dimenſionen der Blatt—
fläche. Wo der Boden 60% ſeiner waſſerhaltenden Kraft an Boden—
feuchtigkeit erhielt, wurde die Blattfläche in Mittel 182,2 mm. lang und
9, mm. breit, bei 40% Waſſer im Mittel 166,27 mm. lang und 9,1
breit, bei 200% Waſſer 138,7 lang und 6,87 breit, endlich bei nur 10%
Feuchtigkeit 93,7 lang und 5,6 breit. Möller?) hat auch an Bromus
mollis gezeigt, daß der Zwergwuchs keineswegs erblich iſt, indem man aus
Samen von Zwergpflanzen Exemplare von normaler Größe unter günſtigen
Vegetationsbedingungen erhält; jedoch lieferten unter gleichen Bedingungen
die Samen normaler Pflanzen größere Exemplare als diejenigen von
Zwergpflanzen.
1) Bot. Zeitg. 1873, Nr. 10.
2) Beiträge zur Kenntnis der Verzwergung. Landwirtſch. ee 1883
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. ;
274 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
Grö ßenverhält— Das morphologiſche Geſetz der Verkleinerung beim Zwergwuchs wurde
niſſe der Teile von Moquin-Tan don) nicht genau zutreffend als eine gleichmäßige
der Zwerge. Verkleinerung ſämtlicher Teile eines Gewächſes bezeichnet. Was ich oben
in dieſer Beziehung geſagt habe, davon möge das folgende Beiſpiel mit
ſeinen Zahlen ein Bild gewähren. Ich habe die folgenden Nachweiſe bereits
in der erſten Auflage dieſes Buches gegeben.
Draba verna.
Zwergpflanze Normale Pflanze
Wurzellänge (Hauptwurzel
und Seitenwurzeln 1. und
2. Orbnunn d 600 mn 16 BE re
Zahl ee ene ee, ien BI,
Länge des Stengelss 7 „ EIN
Geſamtlänge d. Stengel
und Traubenäſte . 200 „
Dicke des Stengelss ... 015, TE RR. 0,30 „
BB Tee later n „„ er
Lange eines Blattes 16, „„ VEPAEDEE Ze
Bree „ N RO a (er gun,
Ungefähre Geſamtfläche der
Blätter in Quadrat mm. . 420, 95
Annen e een „„
Größe „ „ Rn END, N Nen;
Länge des Schötchens e „ neh Ar
Zahl d. Samen im nem Bring, u
Größe der Samen.. 04 „ „Ei 04 „
Die beiſtehende Fig. 28 Bay: eine Zwerg⸗ ‚Draba i im n b und frucht⸗
tragenden Zuſtand darſtellt, illuſtriert die vorſtehenden Zahlenangaben und
zeigt anſchaulich die relativ enorme Wurzelentwickelung. Das Gleiche gilt
von dem in Fig. 29 dargeſtellten Zwerg von Panicum sanguineum. Es ſei
bemerkt, daß die obigen Zahlen der Wurzellängen nach ſorgfältigſter Frei—
präparierung des geſamten Wurzelſyſtems gewonnen ſind.
Die geſtaltlichen Veränderungen der Zwerge erſtrecken ſich bisweilen
noch weiter als auf Größenreduktion: der morphologiſche Typus kann ſich
ändern. Statt einer Traube kann nur eine Einzelblüte vorhanden ſein,
wie bei Draba, ſtatt der Fingerähre eine dreiblütige Ahre bei Panicum
sanguineum. Die kleinſten Zwerge von Bromus mollis haben ſtatt einer
Riſpe mit vielblütigen Ahrchen ein einziges terminales, zweiblütiges Ahrchen.
Die Ahre von Plantago major kommt bis auf 3 Blüten reduziert vor.
Wo jedoch der weſentliche morphologiſche Charakter einer Inflorescenz not-
wendig auf dem Aufbau aus einer Vielzahl von Blüten beruht, ſcheint die
Zahl derſelben über die hierdurch vorgeſchriebene Grenze nicht reduzierbar 1
zu ſein. So zähle ich an Zwergen von Matricaria Chamomilla mit einem ®
einfachen, 43 mm langen, 0,25 mm dicken Stengel in dem einzigen termi-
nalen Köpfchen, deſſen Rezeptakulum nur etwa 1,5 mm im Durchmeſſer
hat, doch 5 Strahl- und ungefähr 6 Scheibenblüten. Auch die Blattform
kann ſich weſentlich ändern; ſo kommen zwergige Capsella bursa pastoris
) Pflanzenteratologie, deutſch von Schauer, pag. 74.
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 275
und Teesdalia nudicaulis ſtatt mit gefiederten, mit einfachen, ganzrandigen
Blättern vor. Bemerkenswert
iſt das Verhalten der Trichome.
Bei Draba verna ſind die
Blätter der Zwerge nur mit
wenigen Haaren in der Nähe
der Spitze verſehen, oft auch
ganz kahl, während im nor—
malen Zuſtande das ganze
Blatt mit Haaren beſetzt iſt,
wenn auch an der Baſis jpär-
licher. Die Haare der Zwerg:
blätter ſind verhältnismäßig
ſehr groß (vergl. Fig. 28 C).
Die Länge eines der ſtern—
förmigen Haare von der Baſis
derſelben bis zur Spitze eines
Sternſtrahles beträgt an
Blättern normaler Pflanzen
durchſchnittlich 0,5 wm, an
denen der kleinſten Zwerge
0,18 mm. Während alſo die
Blätter ungefähr 7 mal kürzer
und 10 mal ſchmäler, oder an
Flächenraum 70 mal kleiner
ſind, werden die Haare bei
den Zwergen noch nicht um
das Zweifache der Größe re—
duziert.
Fig. 28. |
Zwerge vonDrabaverna. A blühende Pflanze
mit dem vollſtändigen Wurzelſyſtem, einem
einblütigen Stengel und einigen Wurzel—
blättern. Wenig vergrößert. B fruchttragende
Pflanze, mit einem aufgeſprungenen mehr⸗
ſamigen Schötchen. Wenig vergrößert. O Blatt
eines Zwerges mit wenigen Haaren an der
Spitze und den vollſtändigen Fibrovaſal—
ſträngen. Vergrößert. D Blatt einer nor-
malen Pflanze, mit zahlreichen Haaren und
mit dem vollſtändig gezeichneten Syſtem der
Nerven. Viel ſchwächer vergrößert als C.
Hinſichtlich der Elemen— Größenverhält⸗
tarorgane der Zwerge iſt der wichtigſte Satz, daß die niſſe der Zellen
Verkleinerung derſelben nicht entferut in demjenigen der Zwerge.
Verhältnis geſchieht, welches der Reduktion der ganzen
Organe entſprechen würde; ſie erſcheinen wenn nicht
ganz in der normalen Größe, ſo doch uur unbedeutend
kleiner; mit andern Worten: die Kleinheit der Or—
gane kommt vorwiegend auf Rechnung der geringen
Anzahl der Zellen. — Sorauer!)) hat es ſchon früher
ausgeſprochen, daß die größeren Dimenſionen der
Blätter der Gerſte bei ſtärkerer Waſſerzufuhr teilweis
durch Vermehrung der Zellen, teilweis durch größere
Ausdehnung derſelben bedingt werden, daß mit der Breite
des Blattes die Zahl der Fibrovaſalbündel desſelben wächſt de
(vergl. Fig. 28 C u. D); ferner fand er die Epi- 0
dermiszellen bei 10% Waſſer am kürzeſten, bei 60% Fig. 29.
am längſten, das gleiche hinſichtlich der Spaltöffnun⸗ Zwerg von Pani-
gen, welche in ¼0 mm ausgedrückt bei 10% Waſſer cum sanguineum,
16,2 mm, bei 20% 16,9 mm, bei 40% 18 mm und mit den vollſtän⸗
digen Wurzeln.
N J. c. pag. 153. Wenig vergrößert.
18 *
276 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
bei 60% 19,3 lang waren; dagegen die Zahl der Spaltöffnungen auf einer
beſtimmten Fläche um ſo geringer, je mehr Waſſer die Pflanze erhielt (weil
durch die größeren Epidermiszellen die Spaltöffnungen weiter von einander
gerückt werden). Um das oben Geſagte anſchaulicher zu machen, ſtelle ich
hier die kleinſten Zwerge (ſ. oben) den normalen Pflanzen hinſichtlich der
von mir gefundenen anatomiſchen Verhältniſſe gegenüber. Die Zahlen ſind
auf Mittelwerte aus einer Anzahl Meſſungen berechnet.
I. Panicum sanguineum.
A. Blattfläche
eines mittleren Halmblattes. Meſſungen aus der unteren Hälfte der Blattfläche.
Normale Pflanze
(Blattfläche 46 mm
lang)
0,12 mm
0,022 „
0,029 „
8
75 „
0,018 „
Normale Pflanze
(Halm 400 mm
lang)
26 mm
20 15
0,038 „
Zwerg
(Blattfläche 7 mm
lang)
Länge der Epidermis zellen 0,10 mm
Breite „ an Re
Länge der Spaltöffnung „„ „ „ ar SER 5
Zahl der Spaltöffnungen in einer gr
im Geſichts fed 4,6 ü
Zahl der Nerven. 28 E
Durchmeſſer der storophullpaltigen Me-
ſophyllzellen . oe
B. Halm
zwiſchen dem oberſten Blatte und der Inflorescenz.
Zwerg
(Halm 13 mm
lang)
Zahl der Fibrovaſalſtränge s 6 mm
Zahl der Zellen im Querdurchmeſſer
des Markes . 422 5
Durchmeſſer der größten Markzellen rr 1 77
Länge der größten Markzellen . 0,081 „
II. Draba verna.
A. Blatt,
in der Mitte auf der Unterſeite ).
Zwerg
(Blatt 2 mm
lang)
Länge der Epidermis zellen. 0,033 mm
„ Spaltöffnungen . 0,018 „
Zahl der i 5 1 0, 01 Qua-
drat mm 8 5
) Die Verhältniſſe der Nervenatur ſiehe in Fig. 28.
0,114 „
Normale Pflanze
(Blatt 12 mm
lang)
0,117 mm
0,027 „
53 „
“
*
+
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7
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1
1
*
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 277
B. Stengel, in der Mitte.
Zwerg Normale Pflanze
(Stengel 12 mm lang) (Stengel 54 mm lang)
Länge der Epidermiszellen. . 0,154 mm 0,237 mm
Breite „ 5 0,009 „
Zahl der Fribrovafalſtränge N A 6 1
Zahl d. Zellen im radialen Durch—
meſſer der Rinde 3—4 „ 4—5 „
dd des Holzringes . 99812 5 4 1
Durchmeſſer der Holzzellen. . 6,009 „
Wenn man weiß, daß die unmittelbare Wirkung der mangelhaften
Bodenfeuchtigkeit in einer Reduktion der Wachstumsgröße aller Pflanzen—
teile beſteht, ſo iſt es ſelbſtverſtändlich, daß die Produktion an Pflanzen—
ſubſtanz entſprechend geringer iſt. So fand denn auch Hellriegel (J. e.)
bei Verſuchen mit vierzeiliger Gerſte folgende Produktion im Durchſchnitt
von je 3 Pflanzen.
Bodenfeuchtigkeit Trockenſubſtanz
in 17 a in Stroh
waſſerhaltenden in Ke
ji Kraft 1 in Körnern
80-60 7,394 Grm. 4,896 Grm.
60—40 5,988 „ 4,133 „
40— 20 4,842 „ 1,942 „
Die Mittel gegen den Waſſermangel im Erdboden können Mittel gegen
hier nur kurz angedeutet werden, da eine Behandlung dieſer Fragen ene ed
mehr Sache des allgemeinen Pflanzenbaues iſt. In erſter Linie ſtehen ö
Berieſelungsanlagen. Zur Erhaltung der Bodenfeuchtigkeit trägt
Bodenlockerung durch Behacken, Eggen oder Schälen bei, weil die
oberſten Bodenſchichten wegen ihrer Lockerung zwar ſchneller abtrocknen,
aber dadurch die unteren Bodenſchichten mehr ſchonen. Dieſelbe
Wirkung hat auch Bedecken des Bodens mit lockerem Material, wie
Stroh, Stalldünger, Torferde ꝛc. Auch wirkt die Humusdecke des
Bodens waſſererhaltend. Ein mit Gras oder anderen niederen Pflanzen
beſtandener Boden verliert dagegen mehr Waſſer aus ſeinen tieferen
Schichten, als im unbewachſenen Zuſtande, weil die Pflanzen durch
die ſtarke Verdunſtung das aus dem Untergrunde aufſteigende Waſſer
5 entführen. Bei forſtlichen Kulturen wird, erſt wenn die Pflanzen den
= Beſtand geſchloſſen haben, die Gefahr des übermäßigen Austrocknens
des Bodens geringer; darum werden Saatbeete durch Zäune, Be—
x ſtecken mit Reiſern und dergl. künſtlich geſchützt.
278 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
B. Ungenügende Nährſtoffzufuhr.
Näbritoffbedürf- Zu den wichtigsten Bedürfniſſen der Pflanze gehören ihre Nähr—
nis der Pflanze. ſtoffe. Wo dieſe ſämtlich oder auch teilweiſe völlig fehlen, kommt
daher keine normale Ernährung zu ſtande, die Pflanzen verkümmern
frühzeitig und kommen nicht zum natürlichen Abſchluſſe ihrer Vegetation.
Und bei ungenügender Zufuhr von Nährſtoffen bleibt die Entwickelung
und Produktion der Pflanze entſprechend hinter der Norm zurück.
Welche chemiſchen Elemente die Nährſtoffe der Pflanze ausmachen
und in welchen chemiſchen Formen dieſelben von der Pflanze bean—
ſprucht werden, iſt eine Frage der Pflanzenphyſiologie, deren Kenntnis
hier vorausgeſetzt werden muß, und über welche in den betreffenden
Lehrbüchern nachgeleſen werden kann. Hier ſind nur die ſpeziellen
Krankheitserſcheinungen hervorzuheben, welche ſich zeigen, ſobald in
dieſen Beziehungen den Bedürfniſſen der Pflanze nicht entſprochen it‘
Eine ungenügende Zufuhr von Nährſtoffen kann aus verſchiedenen
Gründen eintreten, die wir hier im einzelnen zu betrachten haben.
Erſtens ſelbſtverſtändlich dann, wenn die für die Pflanze geeigneten
Nährſtoffe ſelbſt fehlen oder in unzureichender Menge geboten ſind.
Zweitens aber auch dann, wenn die unentbehrlichen Symbioſen-Pilze,
welche bei zahlreichen Pflanzen an der Erwerbung der Nährſtoffe für
die Pflanzen helfend beteiligt ſind, im Erdboden nicht vorhanden ſind,
und wenn infolgedeſſen die Symbioſe der Pflanzenwurzeln mit dieſen
Pilzen, welche eine Bedingung der Nährſtofferwerbung iſt, nicht zu
ſtande kommen kann.
I. Nährſtoffmangel.
Die zur Er⸗ Folgende elf Elementarſtoffe machen in ihrer Geſamtheit die
yore Nahrung der Pflanze aus: Kohlenſtoff, Waſſerſtoff, Sauerſtoff, Stid-
Elementarſtoffe. Hof, Schwefel, Phosphor, Chlor, Kalium, Calcium, Magneſium,
Eiſen. Den Waſſerſtoff und den Sauerſtoff erwirbt die Pflanze in
Form von Waſſer, deſſen Bedeutung für die Pflanze ſchon im vorigen
Abſchnitt behandelt worden iſt. Kohlenſtoff und Stickſtoff werden
vielfach aus der Luft in Form von Kohlenſäure und Stickſtoffgas
aufgenommen, doch ſind für gewiſſe Pflanzen auch organiſche Kohlen⸗
jtoffverbindungen und für die meiſten Pflanzen Salpeterſäure, Ammo⸗ 1
niak oder organiſche Stickſtoffverbindungen, die alle der Erdboden 1
liefern kann, als Nährſtoffe zu betrachten. Die übrigen der auf⸗
gezählten Nährelemente können nur aus dem Erdboden erworben
werden, wo ſie als Kali-, Kalk-, Magneſia- und Eiſenſalze, und zwar
meiſt als Karbonate, Sulfate, Phosphate, Nitrate und Chloride den
Pflanzen dargeboten ſind.
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 279
Die natürlichen Erdböden enthalten wohl ohne Ausnahme wenigſtens
etwas von jeder der eben genannten Verbindungen, ſo daß hier von
keinem abſoluten Fehlen, auch nicht eines einzigen Nährſtoffelementes,
die Rede ſein kann. Aber in genügender Menge, in geeigneter Form,
um eine normale und geſunde Vegetation zu erzeugen, ſind ſie in
vielen Böden nicht vorhanden, ſo daß nur durch eine entſprechende
Düngung den Pflanzen aufgeholfen werden kann. Von welcher Art
dieſelbe ſein muß, ergiebt ſich teils aus dem Krankheitsbilde, welches
die Pflanzen auf ſolchen Böden darbieten, teils aus der Ermittelung
der chemiſchen Zuſammenſetzung des betreffenden Bodens und aus den
bekannten Anſprüchen, welche die einzelnen Kulturpflanzen hinſichtlich
der Nährſtoffe ſtellen.
Wenn die Geſamtheit der Nährſtoffe in ungenügender Folgen des
Menge vorhanden iſt, ſo hat das an den Pflanzen Verzwergung 200
und ſomit auch Verminderung der Stoffproduktion zur Folge, alſo die—
ſelbe Erſcheinung, welche auch bei chroniſchem Waſſermangel ſich
einſtellt (S. 271). Nachdem ich dies bereits in der erſten Auflage dieſes
Buches ausgeſprochen hatte, iſt der exakte Beweis dafür durch eine von
Möller) bei mir ausgeführte Unterſuchung erbracht worden, indem
nämlich die Pflanzen in Waſſerkulturen gezogen wurden, wobei ihnen
eine beliebig verdünnte Nährſtofflöſung geboten werden konnte, ſo daß
alſo die durch Waſſermangel bedingte Verzwergung vollſtändig aus—
geſchloſſen war. Solche Verſuche wurden mit Oenothera biennis an-
geſtellt, welche dabei in ganz verdünnter Nährſtofflöſung ſo zwerghaft
wurde, wie auf trockenem Boden. An Bromus mollis ließ ſich auch die
Empfindlichkeit der Pflanze hiergegen konſtatieren, indem mit Abahme der
Konzentration von 1 auf ½ und auf ¼ pro Mille die durchſchnittliche
Blattlänge ſich auf 74,5, 72,1 und 58,3 mm ſtellte, ſo daß alſo gerade
ſo wie mit Abnahme der Waſſermenge des Bodens auch mit Abnahm
des Nährſtoffvorrates im Boden eine ſchrittweiſe Verkleinerung an den
Pflanzenteilen eintritt.
Wenn nur ein einzelner der ſämtlichen Nährſtoffe in Folgen des
ungenügender Menge vorhanden iſt, ſo iſt ebenfalls Verzwergunge enen Nahr.
und alſo Verminderung der Stoffproduktion die Folge. Wenigſtens ſtöfes.
gilt dies von den wichtigſten Nährſtoffen, wie den Stickſtoffverbindungen,
der Phosphorſäure, dem Kali, dem Kalk. Da der Bedarf der Pflanzen
an dieſen Stoffen ein beſonders großer iſt, ſo kann leicht an einem
oder dem andern derſelben im Boden Mangel eintreten, der dann die
angegebene Erſcheinung zur Folge hat und die dann durch Düngung
u) Beiträge zur Kenntnis der Verzwergung. Landwirtſch. Jahrbücher 1883.
280 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
mit dem betreffenden Stoffe gehoben werden kann. Dieſe ſich ab»
ſtufende Verkleinerung der Pflanzen bei Mangel eines einzelnen Nähr—
ſtoffes zeigt z. B. unſre Fig. 30, welche Parallelkulturen von Sinapis
alba darſtellt in reinem Quarzſand, wobei in allen Kulturen ſämtliche
Bodennährſtoffe in gleicher und zureichender Menge gegeben ſind, mit
Ausnahme des Stickſtoffes, von welchem in den einzelnen Kulturen von
0 bis 0,6 gr. Calciumnitrat erhalten haben. Dementſprechend ſieht man
N NIN
ET, 223355 7
r
—
4 —
0
Fig. 30
Kulturen von Sinapis alba in reinem Quarzſand, mit gleichen Mengen 4
Nährſtofflöſungen, aber ungleicher Gabe von Stickſtoff in Form von 4
Calciumnitrat, und zwar A ſtickſtofffrei, B mit je 0,1 gr, C mit je 0,6 gr 0
Kaliumnitrat. u
4
die ſteigende Entwickelung der Pflanzen, die ſich verhält, ausgedrückt ä
im Trockengewicht der einzelnen Pflanze, wie 0,058: 0,67: 2,26. Man 2
kann die hier erläuterte Thatſache auch ſo ausdrücken, daß derjenige 8
Pflanzennährſtoff, welcher gerade im Minimum vorhanden iſt, das #
Wachstum und die Produktion der Pflanze beherrſcht, denn er bedingt, 2
daß nach Maßgabe ſeiner Mengenverhältniſſe die Entwickelung der 7
Pflanze eine Reduktion erfährt, ſo daß alſo jedesmal durch eine
Düngung mit demjenigen Nährſtoff, welcher im Minimum vorhanden
iſt, die Entwickelung und die Produktion der Pflanze gehoben werden.
Man hat dies als das Geſetz des Minimums bezeichnet.
*
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 281
Vom phyſiologiſchen Standpunkte aus iſt es wieder klar erkennbar,
daß die Verzwergung auch in dieſen Fällen eine Anpaſſung an die
gegebenen Verhältniſſe iſt, durch welche die Pflanze ſchon im Beginn
ihres Lebens ihren Entwickelungsplan ſo einrichtet, daß der im Mini—
mum gegebene Nährſtoff eben noch bis zur Bildung von Samen aus—
reicht. Es wird dadurch auch recht deutlich, wie die Nährſtoffe nun
in ihrer Geſamtheit für die Pflanze von Nutzen ſind, daß alſo auch
anderſeits eine reiche Menge von Nährſtoffen nutzlos ſein kann, ſobald
ein einziger in ungenügender Menge dargeboten iſt, indem dann die
andern auch nur ſo weit ausgenutzt werden können, als es von dem
Quantum des im Minimum vorhandenen Nährſtoffes geſtattet wird.
Bei den einzelnen Nährſtoffen kommt es aber auch auf die Geeignete Form
chemiſche Form an, in welcher fie der Pflanze dargeboten find. Im der Nährſtoffe.
allgemeinen können die Nährſtoffe in verſchiedenen chemiſchen Ver—
bindungen, entweder ſchon von vornherein im Boden vorhanden oder
durch die Düngung gegeben werden. Aber es iſt für die Pflanze nicht
gleichgültig, in welcher Form ſie ihr dargeboten werden, weil ein und
dasſelbe Nährelement in verſchiedenen chemiſchen Verbindungen un—
gleichen Nährwert beſitzt, ſo daß alſo ungünſtige Folgen eintreten
müſſen, wenn ein oder der andere Nährſtoff in einer unwirkſamen oder
nur ſchwach wirkenden Form gegeben iſt. Man muß auch wiſſen,
welche Rolle die einzelnen Nährſtoffe in der Pflanze ſpielen, um den
jeweiligen Erfolg, der bei ungenügender Zufuhr der einzelnen Nähr-
ſtoffe eintritt, richtig zu beurteilen. Wir werden nun die Nährſtoffe
in den ſoeben angedeuteten Beziehungen einzeln für ſich betrachten.
Ein tieferes Eingehen auf das Ernährungsphyſiologiſche iſt jedoch hier
nicht am Platze; es gehört dies in die Pflanzenphyſiologie, und über den
gegenwärtigen Stand dieſer Lehre kann man ſich in einem diesbezüg—
Werke!) informieren. Hier wird vielmehr die Beſchreibung der jeweils
auftretenden Krankheitserſcheinungen die Hauptaufgabe ſein.
1. Organiſche Verbindungen als notwendige Nährſtoffe. Pflanzen, welche
Die Pflanzen zerfallen hinſichtlich der Qualität ihrer Nahrung in e de
Klaſſen: ſolche, welche notwendig organiſche Verbindungen zu ihrer |
Ernährung beanſpruchen, und ſolche, welche mit anorganischen Stoffen
ſich begnügen. Von den erſteren ſoll hier die Rede fein. Es find
Pflanzen, die nicht gedeihen, wo ihnen die erforderlichen organiſchen
Verbindungen nicht geboten ſind. Zu ihnen gehören vor allen Dingen
alle chlorophyllloſen Pflanzen, weil dieſe nicht im ſtande find,
er aus Kohlenſäure ihren Bedarf an Kohlenſtoff zu entnehmen und eben
) Vergl. mein Lehrbuch der Botanik J. Leipzig 1892, pag. 512 ff.
282 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
darum auf organiſche Subſtanzen angewieſen ſind. Das Subſtrat,
welches dieſe Pflanzen bewohnen, muß alſo notwendig organiſches
Material liefern, und die Natur dieſer Subſtrate bringt es mit ſich,
daß auch die meiſten andern Nährelemente, wie Stickſtoff, Schwefel,
Kalium, Calcium, Magneſium, darin in Form organiſcher Verbindungen
enthalten ſind, ſodaß thatſächlich dieſe Pflanzen das meiſte ihrer Nahrung
in organiſcher Form aufnehmen, womit nicht geſagt ſein ſoll, daß die
letztgenannten Elemente nicht auch in Geſtalt gewiſſer anorganiſcher
Verbindungen verwertbar wären; jedoch nur dieſe, denn der Kohlen:
ſtoff iſt dieſen Pflanzen nur in organiſcher Form zugänglich. Je nach
der Art des Subſtrates, welches die hierher gehörigen Pflanzen bewohnen,
unterſcheiden wir 1) Schmarotzer oder Paraſiten, welche aus den
lebendigen Körpern andrer Pflanzen oder Tiere, auf denen ſie wachſen,
die zu ihrer Ernährung erforderlichen organiſchen Subſtauzen aufnehmen.
Dieſes gilt von den zahlreichen echten Schmarotzerpilzen, die auf be—
ſtimmten Pflanzen oder Tieren vorkommen; bei vielen derſelben iſt es
freilich ſchon gelungen, ſie auf lebloſem organiſchen Subſtrate zu er—
ziehen. Es giebt auch paraſitiſche Phanerogamen, wie die Arten von
Cuscuta, Orobanche 2c., welche nicht über den Keimpflanzenzuſtand hinaus
ſich entwickeln, wenn die für ſie erforderliche Nährpflanzenſpecies
(Flachs, Klee ꝛc.) ihnen nicht erreichbar tft. 2) Fäulnisbewohner oder
Saprophyten, welche ein lebloſes Subſtrat verlangen, in welchem
gewiſſe organiſche Verbindungen vorhanden ſein müſſen, die ihnen zur
Nahrung dienen; wie z. B. für den Hefepilz Zucker, für Schimmelpilze
Fruchtſäfte und viele ähnliche Subſtanzen, für zahlreiche andere kleine
und große Schwämme verweſende vegetabiliſche Materialien und
Pflanzenteile oder animaliſche Exkremente, wie z. B. der Champignon
nur gedeihen kann, wenn er auf einer Unterlage kultiviert wird, welche
organiſche Beſtandteile, beſonders Pferdedünger enthält. Für viele
ſaprophyte Pflanzen iſt der Humus der geeignetſte Nährboden, wo
alſo Kohlenſtoff in Form von Humuskörpern, Stickſtoff größtenteils
in Form von organiſchem Humusſtickſtoff, und wohl auch die andern
Nährelemente in Form von Humaten dargeboten find. Dieſe Sapro-
phyten werden Humusbewohner genannt. Zu ihnen gehören erſtens
viele der größeren Schwämme, beſonders die waldbewohnenden. Das
den Humusboden überall durchwuchernde Mycelium dieſer Pilze muß
ganz beſonders befähigt ſein, die humifizierten Pflanzentrümmer, aus
denen der Waldhumus beſteht, wieder für die Pflanzenernährung aus⸗
zunutzen, indem es dieſe größtenteils unlöslichen organiſchen Ver⸗
bindungen, welche durch den bloßen Verweſungsprozeß nur ſehr
langſam löslich und alſo für die Ernährung höherer Pflanzen tauglich
22
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 283
gemacht werden können ſehr raſch wieder in Pflanzennahrung umſetzen.
Durch Vermittelung dieſer humusbewohnenden Pilze können aber auch
höhere Pflanzen, nämlich die Waldbäume ſelbſt, wieder mit dem
Material, welches der Humus bietet, ernährt werden, wie dies feſt—
geſtellt worden iſt durch meine Entdeckung der allgemeinen Pilzſymbioſe
der Wurzeln der Waldbäume, der ſogenannten Mykorhizen, und durch
meinen Nachweis, daß thatſächlich dieſe Bäume durch die Pilze des
Waldbodens notwendig ernährt werden müſſen, worüber unten näheres
zu finden iſt. Solche durch Pilzhilfe mit Humus ernährt werdende
Phanerogamen gehören daher auch mit zu den Humusbewohnern.
Unter dieſen finden wir wiederum chlorophyllloſe Pflanzen, wo alſo
die Notwendigkeit der Ernährung mit Humuskohlenſtoff ſelbſtverſtändlich
iſt, wie z. B. die krautartigen Pflanzen Monotropa hypopitys, Corallo-
rhiza innata, Neottia nidus avis ꝛc. Aber auch viele chlorophyll—
haltige, wie eben die zu den Cupuliferen und Coniferen gehörigen
Waldbäume ſind der Ernährung mit Humusverbindungen durch Pilz—
hilfe ſo angepaßt, daß ſie, wie ich gezeigt habe!), auf humusloſem
Boden, auch wenn alle Pflanzennährſtoffe in anorganiſchen Ver—
bindungen gegeben ſind, nicht normal ſich entwickeln, ſondern kümmer—
lich bleiben und zeitig zu Grunde geben. Alle dieſe Pflanzen würden
alſo als obligate Humusbewohner zu betrachten ſein. Außerdem giebt
es noch viele Pflanzen, die in ihrem Vorkommen in der Natur augen—
ſcheinlich auch die humusreichen Böden bevorzugen und deren Kultur
in ſolchem Boden die beſten Reſultate liefert, obgleich dieſelben in
ihren Wurzeln in keiner Symbioſe mit Pilzen leben und daher auch
auf humusloſen Böden, ſobald nur die erforderlichen Nährſtoffe und
zwar in anorganiſcher Form gegeben ſind, zu vollkommener Ent—
wickelung gelangen. Dieſe Pflanzen dürften als fakultative Humus—
zehrer zu bezeichnen ſein, womit geſagt ſein ſoll, daß ſie Humus—
verbindungen zwar nicht notwendig beanſpruchen, aber Gebrauch davon
machen, wenn ihnen ſolche geboten ſind. Man kann nämlich die Er—
nährung dieſer Pflanzen bedeutend ſteigern, wenn man vorher durch
künſtliche Behandlungsweiſe des Humus, in welchen die Samen ein—
geſät werden ſollen, eine größere Menge der Humusverbindungen
löslich, alſo aufnehmbar für die unverpilzte Pflanzenwurzel gemacht
hat, was, wie ich gezeigt habe ), durch Behandeln des Bodens mit
heißem Waſſerdampf geſchieht. Dieſes Experiment iſt mir z. B. mit
) Frank, über die phyſiologiſche Bedeutung der Mykorhiza. Berichte
d. deutſch. botan. Geſ. 1888, pag. 248.
) Frank, Lehrbuch der Pflanzenphyſiologie. Berlin 1890 pag. 134,
und Lehrbuch der Botanik I, pag. 553.
|
Ernährung mit
Stickſtoff.
384 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
Rüben, Tabak, Hafer und andern Pflanzen in ſtets gleichem Sinne
gelungen. a
2. Der Stickſtoff. Nach der neuen Lehre, wie ſie in den letzten
Jahren don mir begründet und gegen ihre Widerſacher durch mich und
andre Forſcher bewieſen worden iſt !), ſchöpfen die Pflanzen allgemein
ihren Stickſtoffbedarf aus zwei Quellen: 1) aus den Stickſtoffver—
bindungen, welche im Subſtrate der Pflanzen zu finden ſind, ins—
beſondere alſo was den Erdboden betrifft, aus ſalpeterſauren
Salzen, Ammoniakſalzen und organiſchen Stickſtoffver—
bindungen, wie ſolche in den Düngemitteln animaliſcher Herkunft
und in dem organiſchen Humusſtickſtoff vorliegen. Von den genannten
Verbindungen iſt aber allgemein die Salperterſäure das beſte Stick—
ſtoffnahrungsmittel, die andern wirken weit ſchwächer, ja ſind als
ſolche zu einer normalen Ernährung nicht geeignet; im Erdboden
gehen ſie ja aber auch nach einiger Zeit von ſelbſt in Salpeterſäure
über, ſie werden nitrifiziert, und damit erreicht die Düngerwirkung dieſer
Verbindungen mehr oder weniger diejenige der Salpeterſäure. Nur
für die Pilze iſt die Salpeterſäure ein minder gutes Nahrungsmittel,
als Ammoniak oder beſonders als organiſche Stickſtoffverbindungen, von
denen die verſchiedenſten Arten zur Ernährung dieſer Pflanzen vor⸗
züglich geeignet find, wie insbeſondere von den Schimmel- und
Hefepilzen erwieſen iſt, während die im Humus oder auf Kot
wachſenden Schwämme anzeigen, daß in dieſen Subſtraten für ſie
beſonders geeignete organiſche Stickſtoffnahrungsmittel vorhanden ſind.
2) Aus freiem Stickſtoff der Luft. Dieſer wird jedoch von den
meiſten Pflanzen viel langſamer aſſimiliert, als die Stickſtoffverbindungen.
Die letzteren ſind alſo viel ſchneller bei der Ernährung wirkſam. Daher
iſt es auch im allgemeinen unmöglich, Pflanzen ausſchließlich mit
freiem Stickſtoff zu normaler Entwickelung zu bringen. Auf einem
Boden, der gar keine Stickſtoffverbindungen enthält, bleiben die Pflanzen,
auch wenn alle übrigen Nährſtoffe hinreichend vorhanden ſein ſollten,
ſehr kümmerlich, und die Kultur ſchlägt unter ſolchen Umſtänden ſo
gut, wie gänzlich fehl; die Pflanzenproduktion zeigt hierbei nur eine
geringe Vermehrung des Stickſtoffgehaltes gegenüber demjenigen des
ausgeſäten Samens, reſultierend aus einer nur geringfügigen Aſſi⸗
milation von freiem Luftſtickſtoff. Wenn aber eine geeignete Stickſtoff⸗
verbindung im Boden gegeben iſt, ſo tritt zunächſt eine ſchnellere und
beſſere Ernährung der Pflanze ein, und zwar in ſteigendem Grade, wenn
1) Ich verweiſe auf meine neueſte Darſtellung in Bot. Zeitg. 1893, wo
auch meine Originalarbeiten darüber citiert ſind.
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 285
man von ſehr geringen Quantitäten der Stickſtoffverbindungen ausgehend,
dieſelben allmählich ſteigert (Fig. 30, S. 280). Aber ſo gekräftigte Pflanzen
vermögen nun auch energiſcher freien Stickſtoff zu aſſimilieren, denn
man findet dann bei vergleichenden Beſtimmungen des Stickſtoffgehaltes
der Ernte und des Bodens vor und nach der Kultur, daß ein mehr
oder minder anſehnlicher Teil des Ernteſtickſtoffes aus der Luft hinzu—
gekommen ſein muß; die Stickſtoffverbindungen des Bodens erweiſen
ſich nicht vollſtändig von der Pflanze ausgenutzt, ja der Boden kann
nach der Kultur im Stickſtoffgehalte gar nicht zurückgegangen oder
ſogar wegen der zurückbleibenden Pflanzenrückſtände vermehrt ſein.
Von dieſem Satze machen nur die Leguminoſen inſofern eine Aus—
nahme, als ſie durch ein beſonderes Hilfsmittel ihre Aſſimilation des
freien Stickſtoffes jo beſchleunigen können, daß ſie damit fähig werden,
auch auf völlig ſtickſtoffloſem Boden zu normaler Entwickelung zu
gelangen, ſo daß dieſe Pflanzen die einzigen Phanerogamen zu ſein
ſcheinen, welche allen Stickſtoff, der zu einer normalen Pflanzen-
produktion gebraucht wird, allein aus dem freien Stickſtoff nehmen
und ſomit eine Stickſtoffdüngung ganz entbehren können. Dieſes
Hilfsmittel iſt die Symbioſe mit dem in den Wurzelknöllchen der
Leguminoſen lebende Spaltpilz Rhizobium Leguminosarum, von welcher
unten noch die Rede ſein wird.
3. Der Schwefel gehört zu den unentbehrlichen Nährelementen, Schwefel als
da er ein Beſtandteil der Eiweisſtoffe iſt. Alle Pflanzen bedürfen daher Nährſtoff.
einer geeigneten Schwefelverbindung als Nährſtoff; und zwar ſind
dies vorzüglich die ſchwefelſauren Salze, die ja auch in den Dünge-
mitteln Kainit, Gips, ſchwefelſaures Ammoniak enthalten ſind.
4. Der Phosphor. Da Phosphorſäure in einer innigen Be- Phoephor als
ziehung zu den Eiweisſtoffen ſteht, insbeſondere ein Beſtandteil der nee
Nucleine iſt, alſo zur Bildung der Zellkerne gebraucht wird, ſo gehört
ſelbſtverſtändlich auch ein phosphorſaures Salz zu den unentbehrlichen
Nährſtoffen, und bei Fehlen eines ſolchen bleiben alle Pflanzen bald
in ihrer Entwickelung ſtehen.
5. Das Chlor. Geringe Mengen von Chloriden find für die Chlor als Nähr—
geſunde Entwickelung der Pflanzen notwendig. Zwar haben Knop ſtoff.
und Dworzaft) jede Bedeutung des Chlors für die Ernährung der
Pflanze beſtritten, weil fie Buchweizenpflanzen in chlorfreien Nährſtoff—
löſungen bis zur Entwickelung einer Anzahl keimfähiger Samen zu
2 1) Berichte d. Verhandl. d. Sächſ. Gef. d. Wiſſenſchaften. Leipzig 1869 und
N 1875 I. — Knop, Kreislauf des Stoffes. Leipzig 1868, pag. 165 und 228.
286 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
bringen vermochten. Es haben aber Nobbe!) und Beyer?) nach—
gewieſen, daß Buchweizen, Gerſte und Hafer in chlorfreien Löſungen
entſchieden ſchlechter ſich entwickeln als in ebenſo zuſammengeſetzten,
aber mit einer Chlorverbindung verſehenen Löſung. Das gleiche iſt
auch durch eine bei mir von Ajchoff?) angeſtellte Unterſuchung für
Zea mais und Phaseolus bewieſen worden. Die Bedeutung des Chlors
für die Pflanze iſt noch unklar. Braſch und Raabe) erhielten in
Nährſtofflöſungen, die im übrigen gleich zuſammengeſetzt waren, aber
das Kalium in verſchiedenen Salzen enthielten, von Buchweizen—
pflanzen mit Chlorkalium 387, mit ſaurem phosphorſaurem Kali 184,
mit ſchwefelſaurem 147, mit ſalpeterſaurem 150 Körner, ſo daß alſo
die Chlorverbindung die vorteilhafteſte Form zu ſein ſcheint, in welcher
das Kalium der Pflanze geboten werden kann. Chlorkalium wird ja
auch als Kalidüngemittel angewendet. Bei Rüben und Kartoffeln
wird durch chlorhaltige Düngungen zwar der quantitative Ertrag ver—
mehrt, aber gleichzeitig die Qualität desſelben herabgeſetzt, indem die
Rüben an Zucker, die Kartoffeln an Stärke, alſo überhaupt die Referve-
ſtoffbehälter an Kohlehydraten ärmer werdens). Beim Tabak hat man
die Erfahrung gemacht, daß, wenn er in einem an Chloriden reichen
Boden wächſt, die Erträgaiſſe zwar auch geſteigert werden, die Blätter
aber einen hohen Grad von Unverbrennlichkeit infolge des höheren
Gehaltes an Chlorverbindungen annehmen). Bei den Salzpflanzen,
wie z. B. Salicornia, die ja nur auf kochſalzreichem Boden vorkommen,
ändert nach Batalin?) der Chlormangel nur den Habitus; dieſe
Pflanzen, ſonſt ſaftigfleiſchig und blaßgrün, durchſichtig, werden dann
dünner und ganz undurchſichtig dunkelgrün, weil die Parenchymzellen
der Stengel zwei bis viermal enger ſind, als bei den mit Chlornatrium
erzogenen Pflanzen. |
Silicium als 6. Das Silicium kommt zwar in den Pflanzenaſchen ſehr ver—
Nährſtoff. breitet und bei manchen Pflanzen in fo großer Menge vor, daß man
dieſelben als Kieſelpflanzen bezeichnet hat, indem man meinte, daß ſie
| zu ihrem Gedeihen vorwiegend Kieſelſäure im Boden beanſpruchen.
| Diejes Element gehört jedoch nicht zu den unentbehrlichen Nährſtoffen.
c e ee Te
) Landwirtſch. Verſuchsſtationen 1865, pag. 371 u. 1870, pag. 394.
2) Daſelbſt 1869, pag. 262. 5
3) Landwirtſch. Jahrbücher 1889. 2
4) Juſt, botan. Sahresber, 1876, pag. 889.
5) Litteratur ſiehe bei Mayer, Agrikulturchemie, 2. Aufl. I. pag. 255.
6) Siehe Mayer, I. c. pag. 256 257.
7) Bulletin de congres internat. de bot. et d’horticult. Petersbourg
1886, pag. 219.
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 287
Denn von einigen dieſer Kieſelpflanzen, nämlich von den Gramineen,
iſt es erwieſen, daß ſie es auch bei Ausſchluß aller Kieſelſäure zu
völlig normaler Ausbildung bringen. So gelang es Sachs) Mais—
pflanzen, und Knop) ebenfalls Mais, Weizen, Hafer und Gerſte in
ſiliciumfreien Nährſtofflöſungen zu vollſtändiger Entwickelung zu bringen,
wobei dieſelben nur Spuren von Kieſelſäure in der Aſche enthielten.
Man hat trotzdem das Silicium wenigſtens für einen der Pflanze zu
gewiſſen Zwecken nützlichen Stoff betrachten wollen. Die Meinung,
daß es die Feſtigkeit der Getreidehalme bedinge und ſein Mangel das
Lagern des Getreides verurſache. wurde oben (S. 166) als irrtümlich
bezeichnet. Die Vermutung aber, daß kieſelhaltige Zellhäute ſchwieriger
durchdringbar ſeien für Myceliumfäden, und die Kieſelſäure daher
einen Schutz gegen das Befallen durch paraſitiſche Pilze gewähre, iſt
durch nichts erwieſen; auch findet das Eindringen der Keimſchläuche
der Schmarotzerpilze gewöhnlich an jugendlichen Pflanzenteilen, wo die
Zellhäute noch nicht verkieſelt ſind, ſtatt, und übrigens dringen ſie
vielfach nicht durch die Epidermiszellen, ſondern durch die Spalt—
öffnungen in die Pflanze ein. Über die Bedeutung des Siliciums in
der Pflanze wiſſen wir, daß ſie mit als Bauſtoff der Zellmembran
verwendet wird und zwar bei den Kieſelpflanzen den weſentlichen Be—
ſtandteil der Zellhäute der Epidermiszellen bildet, und es iſt nicht zu
leugnen, daß die Oberflächen der Pflanzenteile dadurch eine gewiſſe
Härte erreichen, wodurch ihnen wohl ein Schutzmittel gegen Tierfraß
und andre äußere mechaniſche Gefahren verliehen wird. Daß
die Kieſelſäure aber vollſtändig durch die Celluloſe ſelbſt vertreten
werden kann, iſt wenigſtens für das Getreide durch die oben ange—
führten Unterſuchungen erwieſen. Kreuzhage und Wolf?) wollen
an den Haferpflanzen mit ſteigendem Gehalte der Nährlöſungen
an Kieſelſäure eine größere Zahl und ein größeres Geſamtgewicht der
Körner bekommen haben; dagegen trat in dem Geſamttrockengewicht
der Pflanze und in der Menge der aufgenommenen Aſchenbeſtandteile
nach Abzug der Kieſelſäure kein Unterſchied hervor. Ob das Silicium
für die übrigen daran noch reicheren Kieſelpflanzen, wie die Equiſe—
taceen und die Diatomaceen, jene Algen, die mit einem Kieſelpanzer
verſehen ſind, ebenfalls entbehrlich, oder ob dieſe ohne jenes Element
ſich nicht entwickeln können, iſt noch eine offene Frage.
) Experimentalphyſiologie der Pflanzen, pag. 151.
2) Kreislauf des Stoffes I., pag. 221.
3) Landwirtſchaftliche Verſuchsſtationen 1884, pag. 161.
Kalium als
Nährſtoff.
Calcium als
Nährſtoff.
288 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
7. Das Kalium gehört zu den wichtigſten und unentbehrlichſten
Nährſtoffen, doch iſt ſeine phyſiologiſche Rolle noch nicht feſtgeſtellt.
Denn in einer von Lüpke ) bei mir angeſtellten Unterſuchung wurden
an Phaseolus-Pflanzen, die in völlig kalifreier Löſung im ganzen ge—
ſund, aber infolge des Kalihungers in Zwergformen ſich entwickelten,
normale Chlorophyllbildung, Kohlenſäure-Aſſimilation, Bildung von
Aſſimilationsſtärke, Wanderung von Zucker, Aufſpeicherung und Wieder—
verbrauch von Stärkemehl in der Stärkeſcheide, Gerbſtoffbildung, alſo
die wichtigſten Stoffbildungsthätigkeiten konſtatiert, ſo daß es ſcheint,
als werde das Kalium nicht zu einer beſtimmten einzelnen Funktion,
ſondern ebenſo wie Stickſtoff, Schwefel und Phosphor in einer gewiſſen
wenn auch minimalen Menge zur Bildung des Protoplasma jeder
Zelle gebraucht. Eine von Nobbe) bei kalifreien Kulturen beob—
achtete Erſcheinung, daß nämlich in den verkrümmten, faſt fleiſchigen
Blättern die Stärke nicht auswandern konnte und ſich paſſiv anhäufte,
iſt von ſpäteren Beobachtern nicht wieder gefunden worden; ſie dürfte
auch, wie Sorauer?) betonte, eine ſekundäre Erſcheinung geweſen fein,
dadurch bedingt, daß die kranke Pflanze ein Bedürfnis zur Zuleitung
gelöſter Kohlenhydrate nicht hatte und letztere daher in Reſerveform in
den Erzeugungsherden, den Blättern, verblieben. Der Einfluß des Kali—
mangels kann ſich in zweierlei Form an der Pflanze zeigen. Ent—
weder wächſt die letztere zunächſt unter Benutzung des in den Gotyle-
donen des Samens vorhanden geweſenen Kaliums und bekommt eine
Anzahl normal entwickelter Blätter; dann ſtockt das Wachstum oder
ſetzt ſich wohl auch noch weiter fort, wobei aber die ſchon gebildeten
älteren Blätter in gleichem Maße von unten herauf eins nach dem
andern unter Gelbwerden abſterben. Es wird dadurch das wenige
Kalium dieſer Organe immer wieder disponibel und den wachſenden
oberen Teilen zur Ernährung zugeführt. Oder die Pflanze entwickelt
ſich unter Grünbleiben der Blätter in der ſchon oben erwähnten Zwerg—
form und ſchränkt dadurch ſelbſt ihr Kalibedürfnis von vornherein ein.
Wegen des allgemeinen Bedarfes der Pflanzen nach Kali kann auf
den Kulturböden leicht Kalimangel eintreten und dadurch der ange—
deutete Mißwachs verurſacht werden, dem alſo durch Düngung mit kali—
haltigen Stoffen, beſonders mit den künſtlichen Düngemitteln, wie Kainit,
Carnallit und andern Staßfurter Kaliſalzen abgeholfen werden muß.
8. Das Calcium. Ohne Vorhandenſein einer gewiſſen Menge
von Kalk, in Form von kohlenſaurem, phosphorſaurem, ſchwefelſaurem
) Landwirtſchaftliche Jahrbücher 1888.
2) Landwirtſchaftliche Verſuchsſtationen XIII., pag. 321.
3) Handbuch der Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 187.
1
8
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 289
oder ſalpeterſaurem Kalk oder von Chlorcalcium, läßt ſich keine
Phanerogame zu geſunder Entwickelung bringen. Schließt man in
künſtlichen Nährſtofflöſungen das Calcium vollſtändig aus, ſo tritt ſehr
bald nach der Keimung Erſchlaffung und Abſterben der Wurzeln ein,
welches ſchnell den Tod des ganzen Pflänzchens herbeiführt. Wo es
an Kalk im Boden fehlt, wird dem Kränkeln der Pflanzen durch
geeignete Kalkdüngung, alſo Einbringen von Mergel, kohlenſaurem Kalk
oder Gips abgeholfen.
9. Das Magneſium gehört ebenfalls zu den unentbehrlichen
Nährſtoffen; die Pflanzen entwickeln ſich nicht, wenn Talkerdeſalze gänzlich
fehlen.
10. Das Eiſen. Das Fehlen dieſes Metalles hat an allen
chlorophyllbildenden Pflanzen eine wohlcharakteriſierte Krankheit, die
Bleichſucht oder Chloroſe, zur Folge, weil das Eiſen zur Bildung
des Chlorophylls notwendig iſt. Wir reden von Bleichſucht, wenn an
einer im normalen Zuſtande grünen Pflanze bei Entwickelung im Lichte
die jungen Blätter iu hellgelber Farbe zum Vorſchein kommen und
dauernd gelb oder gelbgrün bleiben, wobei ſie jedoch im Übrigen ihre
normale Beſchaffenheit und Geſtalt annehmen. Die Zellen des Meſophylls
enthalten dann zwar in ihrem Protoplasma Chlorophyllkörner, aber an
dieſen iſt der grüne Farbſtoff nicht ausgebildet, ſie haben einen gelben
Farbenton, und auch ihre Zahl iſt geringer als in den Zellen geſunder
grüner Blätter. Bisweilen nimmt der Farbſtoff ſoweit ab, daß die
Blätter völlig weiß erſcheinen. Man hat daher, wie es ſchon Meyen!)
that, die Bezeichnung Chloroſe auf dieſen letzteren Zuſtand beſchränkt,
wo der Zellinhalt ganz wäſſerig, protoplasmaarm und farblos erſcheint,
und das erſterwähnte Ausſehen als Gelbſucht (icterus) bezeichnet.
Indeſſen ſind beide in ihrem Auftreten nicht ſtreng geſchieden und ſind
durch allmähliche Übergänge verbunden. Hiernach ſind dieſe Krankheiten
vom Etiolement (S. 154) hinlänglich unterſchieden, indem letzteres durch
Lichtmangel erzeugt wird und außer dem Unterbleiben der Chlorophyll—
bildung auch bedeutende Veränderungen in der Geſtalt und Ausbildung
der Pflanzenteile erkennen läßt. Die hier beſchriebenen Krankheiten
können durch Eiſenmangel in der Nahrung verurſacht werden. Aber
es ſind auch noch andere Einflüſſe bekannt, welche die nämlichen
Krankheitserſcheinungen hervorrufen, wie z. B. ungenügende Temperatur,
die oben erwähnte Gelbſucht, die in eiſenhaltigen Waſſerkulturen oft
eintritt, ferner die ſpontane Bleichſucht der panachierten oder ganz farb—
loſen Blätter, ſo daß alſo nicht jede Bleich- oder Gelbſucht ohne
) Pflanzenpathologie, pag. 282 ff.
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 19
Magnefiun als
Nährſtoff.
Eiſen als Nähr⸗
ſtoff.
290 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
weiteres auf Eiſenmangel zurückgeführt werden darf. Zuerſt haben
Gris, Vater und Sohn!), entdeckt, daß man gelbſüchtige Pflanzen
heilen kann, d. h. daß ihre gelben Blätter ergrünen, wenn man ſie
eine verdünnte Löſung eines Eiſenſalzes durch die Wurzeln aufnehmen
läßt. Eine Reihe ſpäterer Forſcher?) hat weiter durch Verſuche gezeigt,
daß man durch Kultur in eiſenfreien Nährſtofflöſungen die Krankheit
hervorrufen kann. Beſonders lehrreich ſind in dieſer Beziehung die
Verſuche von Sachs (J. e.). Dieſer zeigte am Mais, daß die Krankheit
erſt dann eintritt, wenn die Pflanze alle Keimteile auf Koſten der Reſerve—
ſtoffe entfaltet hat; die erſten 3—4 Blätter werden grün, weil fie das
im Samen enthaltene Eiſen empfangen; die folgenden ſind dann
nur noch im oberen Teil grün, an der Baſis bleich, endlich kommen
lauter total kranke Blätter. Einen ganz ähnlichen Eintritt der Krank—
heit beobachtete er an Kohlpflanzen und Bohnen; ich an Sonnen—
blumen und Lein. Ebenſo ſah Sachs die Gelbſucht auch an voll—
ſtändig normal erzogenen Maispflanzen von mehr als 48 em Höhe
eintreten, nachdem ſie aus der eiſenhaltigen Nährſtofflöſung in eine
eiſenfreie geſetzt worden waren; nach ſechs Tagen zeigten ſich auf den
jungen Blättern gelbweiße Längsſtreifen, die ſpäter noch ſtärker hervor—
traten, die Befruchtung der Blüten ſchlug fehl und das Trockengewicht
der Ernte betrug nur ½ von den in der Eiſenlöſung bis zu Ende
gewachſenen Pflanzen. Nach Knop?) iſt der Eiſengehalt einer Eichel
genügend, um die Entwickelung der Pflanze auf 1 bis 2 Jahre zu
unterhalten; erſt im zweiten und dritten Sommer werden, wenn man
nur eiſenfreie Löſungen der Pflanze darbietet, die Blätter gelb und
bleich. Läßt man die Nährlöſung dauernd eiſenfrei, ſo werden, wie
ich an Mais und Sonnenblumen beobachtete, die erſten mittelſt
des im Samen vorhandenen Eiſens ergrünten Blätter wieder preis—
gegeben, ſie ſterben unter Entfärbung ab; das nun wieder disponibel
gewordene Eiſen wird oft dazu verwendet, um plötzlich eins oder einige
der jüngſten chlorotiſchen Blätter ergrünen zu laſſen. Eine dauernd
eiſenfrei bleibende Pflanze geht natürlich nach einiger Zeit zu Grunde,
weil bei Mangel von Chlorophyll die Kohlenſäureaſſimilation un⸗
möglich iſt; die Analyſe zeigt dann, daß die Trockenſubſtanz der Ernte
gegen die des angewandten Samens nur unbedeutend zugenommen
hat!). Es ſcheint, daß die eigentliche Chloroſe immer einen ſehr rapiden
) Vergl. A. Gris, Ann. des sc. nat. 1857. VII. pag. 201.
) Vergl. die Litteratur bei Sachs, Experimentalphyſiologie, pag. 144.
3) Berichte d. kgl. ſächſ. Geſ. d. Wiſſ. 6. Febr. 1869.
) Sachs, 1. c. pag. 146. ff.
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 291
Verfall des Lebens nach ſich zieht, icteriſche Pflanzen aber länger aus⸗
halten können, z. B. nach Knop?) durch Eiſenmangel gelbſüchtig ge—
wordener Mais bis zur Blüte.
Was die Quantität und Qualität der Eiſenverbindungen betrifft,
durch welche die in Rede ſtehende Krankheit verhütet oder geheilt werden
kann, ſo hat ſich übereinſtimmend mit dem geringen Eiſengehalt der
meiſten Pflanzenaſchen ſchon eine relativ ſehr kleine Menge Eiſen zur
vollſtändigen Ergrünung der Pflanzen hinreichend erwieſen; nach Knop
(I. c.) reichen für ein Exemplar von Getreidepflanzen 2— 5 mgr aus,
um deſſen ganzen Bedarf an dieſem Metall zu decken. Den beſten
Dienſt leiſten Eiſenoxydſalze, die in Löſung geboten werden können, oder
fein verteiltes phosphorſaures Eiſenoxyd, welches, wenn es auf die
Wurzeln aufgeſchlemmt iſt, durch dieſe in Löſung gebracht wird. Auch
die Oxydulſalze genügen, wenn fie in ſehr verdünnten Löſungen gegeben
werden, wahrſcheinlich weil fie ſich leicht zu Oxydſalzen orydieren.
Sogar eiſenhaltige Doppeclyanüre, wie das gelbe Blutlaugenſalz, können
nach Knop, allerdings nachdem ſie von der Pflanze zerſetzt worden
ſind, das zum Ergrünen nötige Eiſen liefern, wiewohl ſie weiterhin
als Gift (ſ. unten) wirken.
II. Unterbleiben der Ernährungsſymbioſe.
Seit dem Jahre 1885 iſt durch meine Entdeckung der allgemein 9 ©.
verbreiteten Symbioſe der Wurzeln der Cupuliferen und Coniferen mit 1
Pilzen und durch die daran ſich ſchließenden weiteren Forſchungen ein
ganz neuer Faktor bei der Ernährung der Pflanzen bekannt geworden:
die Mithilfe von Pilzen bei der Erwerbung der Nahrung. Es beſteht
{ unter normalen Verhältniſſen in der Natur eine konſtante Verbindung
zwiſchen den Wurzeln der betreffenden Pflanzen und gewiſſen Pilzen,
die im Erdboden verbreitet ſind und ſich regelmäßig in beſtimmter
Weiſe auf oder in den Wurzeln dieſer Pflanzen, ſobald dieſe ſich in
dem Erdboden entwickeln, anſiedeln. Dieſe Pilze ſtehen aber zu den
Pflanzen nicht in der gewöhnlichen Beziehung von Paraſiten zu ihrem
Wirt, vielmehr beſteht hier ein gutartiges Verhältnis; die mit den
Pilzen behafteten Wurzelteile werden nicht beſchädigt, ſondern bleiben
erhalten und funktionieren für die Pflanze in zweckmäßigſter Weiſe;
| der Pilz wird geradezu zum Wohlthäter der Pflanze, zu einem Lebens:
genoſſen derſelben, ohne den ſie meiſt in einem kümmerlichen Ernährungs—
zuſtande bleiben oder ſogar ganz exiſtenzunfähig ſein würde. Dieſes
| dem Paraſitismus gerade entgegengeſetzte Verhältnis fällt alſo unte
MI. e. pag 3.
138
Mykorhiza.
*
1
92 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
den Begriff der von mir ſogenannten Symbioſe oder des von de
Bary gebrauchten Ausdruckes mutualiſtiſche Symbioſe, womit eben
ausgedrückt ſein ſoll, daß beide Symbionten wechſelſeitig ſich nützen und
am Leben erhalten, während der Paraſitismus dann als antagoniſtiſche
Symbioſe bezeichnet wird.
Da nun ausgeprägte Krankheitserſcheinungen der Pflanzen und
völliger Mißwachs die Folge ſind, wenn die Ernährungsſymbioſe bei
den betreffenden Pflanzen nicht zu ſtande kommt, alſo beſonders, wenn
die bezüglichen Symbioſepilze im Erdboden nicht oder ungenügend
vorhanden ſind, ſo müſſen dieſe Verhältniſſe auch in der Pflanzen—
pathologie beſprochen werden. Wir ſetzen jedoch hier die Kenntnis
der betreffenden biologiſchen Verhältniſſe voraus oder verweiſen in
betreff dieſer auf die Pflanzenphyſiologie“) und werden uns hier auf
die Krankheitserſcheinungen beſchränken, welche beim Unterbleiben der
Symbioſe zu beobachten ſind.
1. Die mykorhizenbildenden Pflanzen. Mit den Namen
Mykorhiza oder Pilzwurzel) habe ich diejenigen Saugwurzeln
bezeichnet, welche auf ihrer ganzen Oberfläche mit einem lückenloſen
Mantel eines aus innig verflochtenen Pilzhyphen beſtehenden Gewebes
bedeckt ſind, welcher zugleich in organiſcher Verwachſung mit der
Wurzelepidermis ſich befindet, auch über den Vegetationspunkt der
Wurzelſpitze ſich erſtreckt und daſelbſt mit der Verlängerung der
wachſenden Wurzelſpitze ſtets gleichen Schritt hält. Eine ſolche Myko—
rhiza hat keine Wurzelhaare, welche ſonſt von den unverpilzten Wurzeln
im Boden gebildet werden und die aufſaugenden Organe der Wurzeln
darſtellen. Die Mykorhiza kann eben nur durch Vermittelung ihres
Pilzmantels Waſſer und Nährſtoffe aus dem Boden zugeführt erhalten.
Von dem Pilzmantel jeder Mykorhiza erſtrecken ſich zahlloſe Pilzhyphen
in den benachbarten Humusboden, welche alſo dem Pilze und der
Wurzel Nahrungsſtoff zuführen. Der Waldhumus iſt thatſächlich von
ſolchen Pilzhyphen, die alſo zugleich die Mykorhizen bilden, völlig
durchwuchert; ſie gehören aller Wahrſcheinlichkeit nach den verſchiedenſten
waldbewohnenden Schwämmen an. Gerade die Humusbeſtandteile
ſind es, aus welchen dieſe Pilze ihre Nahrung ziehen, und welche
1) Eine eingehende Darſtellung der verſchiedenen Symbioſe-Formen nach
dem gegenwärtigen Stande der Sache iſt in meinem Lehrbuch der Botanik I.
Leipzig 1892, pag. 257 275 zu finden.
2) Über die auf Wurzelſymbioſe beruhende Ernährung gewiſſer Bäume
durch unterirdiſche Pilze. Berichte d. deutſch. bot. Geſellſch. 1885, pag. 128
u. NV
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 293
dadurch auch mittelbar den mykorhizenbildenden Phanerogamen nutz
bar gemacht werden.
Mit ſolchen Mykorhizen konſtant verſehen ſind, wie ich nach- Vorkommen der
gewieſen habe, alle wälderbildenden Cupuliferen und Coniferen, alſo Mytorhizen.
beſonders Rotbuche, Weißbuche, Eiche, Haſel, Birke, Erle, Kiefer, Fichte,
Tanne, Lärche, meiſt auch die Salicaceen, alſo die Weiden und Pappeln,
auch Linde; nicht aber Eſche, Ahorn, Ulmen. Auch ſind ſämtliche
Saugwurzeln jener Bäume als Mykorhizen ausgebildet, ſo daß im
allgemeinen unverpilzte Saugwurzeln an ihnen nicht zu finden ſind.
Dies gilt auch von allen Lebensaltern dieſer Pflanzen, indem ſchon in
den erſten Jahren die Wurzelverpilzung ſich einſtellt und dann zeit—
lebens am Baume ſich erhält.
Ebenſo habe ich gezeigt, daß die genannten Waldbäume überall Verbreitung der
mit Mykorhizen verſehen find; in allen Ländern, auf der ganzen Erde Mytochizen.
iſt dieſe Wurzelſymbioſe ein konſtantes Verhältnis; man kann im
allgemeinen ſagen, daß in allen Wäldern an jedem Baume die My—
korhizen zu finden ſind.
Die große Bedeutung der Mykorhizen für die Waldbäume habe Bedeutung der
ich durch Verſuche mit Rotbuchen und Kiefern bewieſen !), indem ich Möͤkorhizen.
Ausſaaten dieſer Pflanzen machte in Vegetationsgefäßen in einem
natürlichen Buchen- beziehentlich Kiefernwaldboden, und zwar derart,
daß immer die eine Verſuchsreihe unbehandelten Waldboden, die andre
denſelben Boden, jedoch nach ſtattgefundener Steriliſierung im Dampf—
ſteriliſierungsapparat bei 100° erhielt. Das letztere geſchah, um die
im Erdboden vorhandenen Keime der Mykorhizenpilze zu töten und
ſo die Entwickelung der Pflanze in dem gleichen Boden, jedoch ohne
Mitwirkung jener Pilze vergleichen zu können. Die Ergebniſſe fielen
bei allen Verſuchen in dem gleichen Sinne aus: die in dem nicht—
ſteriliſierten Boden wachſenden Pflanzen blieben alle am Leben und
wuchſen ſo ſchön und kräftig, wie in den Saatkämpen im Freien;
Prüfung ihrer Wurzeln ergab regelmäßig eine normal eingetretene My—
korhizenbildung; die in den ſteriliſierten Kulturen befindlichen Exemplare
dagegen verkümmerten mit derſelben Regelmäßigkeit und gingen binnen
wenig Jahren zu Grunde. Prüfung ihrer Wurzeln ergab, daß dieſe
völlig pilzfrei und nur wie diejenigen andrer Pflanzen mit Wurzel—
haaren verſehen waren. Den großen Unterſchied der Kulturen und
die hochgradige Erkrankung der nicht ſymbiotiſchen Pflanzen zeigt die
i) ber die phyſiologiſche Bedeutung der Mykorhiza. Berichte der deutſch.
bot. Geſellſch. 1888 pag. 248 und Ernährung d. Kiefer ꝛc. Daſelbſt 1892,
pag. 577; auch in „Forſtliche Blätter“ 1889.
294 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
in Fig. 31 nach einer photographiſchen Aufnahme dargeſtellte Buchen—
kultur. Die Erkrankung tritt bei Buche wie bei Kiefer an manchen
Individuen ſchon nach dem erſten, an den meiſten nach zwei bis drei
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18 91
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Jahren ein. Die Krankheitsſymptome der nicht ſymbiotiſchen Pflanzen
beſtehen darin, daß nur kümmerliche Triebe gebildet werden, an denen
nur wenig und kleine, ſo wie oft in der Farbe mehr gelbgrüne Blätter
vorhanden ſind. Bei der Buche erſcheinen die Blätter bisweilen bis
22 Ep ESRAEEER: VERENE
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 295
auf 1 em reduziert oder verkrüppelt, bei der Kiefer macht der Trieb
nur wenig Nadelbüſchel, und die Nadeln ſind auffallend kurz und
gelbgrün. Der Tod der kümmerlichen Pflänzchen iſt unfehlbar. Bei
der Buche pflegt er gewöhnlich plötzlich, und zwar meiſt gleich nach
dem Austrieb im Frühjahr einzutreten; es macht den Eindruck, als
wenn gerade in dieſer Periode höchſten Nahrungsbedürfniſſes die Er—
nährungsohnmacht der Pflanze akut zu dieſer Kataſtrophe führte. Bei
der Kiefer erfolgt mehr ein langſames Hinſiechen während des Sommers
und Herbſtes unter allmählichem Braun- und Trockenwerden der
Nadeln. Nur wenn vor dem Tode durch Zufall Keime von Myko—
rhizenpilzen von außen in die ſteriliſierte Kultur gelangt ſind und die
Mykorhizenbildung ſich vollziehen kann, jo erholt ſich der Kümmerling _
auch von dieſem Zeitpunkte an ſichtlich und wird allmählich den von
Anfang an ſymbiotiſchen Pflanzen immer ähnlicher; dies beweiſt zu—
gleich, daß der ſteriliſierte Boden nicht etwa durch das Steriliſieren
eine chemiſche Veränderung erlitten hat, die dem Pflanzenwachstum
ſchädlich iſt, ſondern daß es in der That nur auf die An- oder Ab—
weſenheit der Symbioſepilze ankommt, ob die Pflanze geſund oder
krank ſich entwickelt. Wie oben (S. 283) erwähnt, laſſen ſich ja auch
andre Pflanzen, die keine Wurzelſymbioſe beſitzen, ſehr gut in ſterili—
ſiertem Humusboden erziehen, ja noch beſſer, als wenn der letztere nicht
mit heißem Waſſerdampf behandelt worden iſt, weil durch dieſe Be—
handlung viele ungelöſte Humusſubſtanzen löslich, alſo für die Pflanzen—
ernährung verwertbar gemacht werden. Es beweiſt dies alſo um ſo
mehr, daß die von Natur auf Wurzelſymbioſe angewieſenen Bäume an
die Mithilfe der Pilze bei der Erwerbung der Nahrung jo akkommodiert
ſind, daß ſie ohne dieſelben ſich nicht genügend ernähren können. Die
vorſtehend erwähnten Verſuche ſetzen auf das klarſte die hohe Be—
deutung der Mykorhizenpilze für die Ernährung der Bäume ins Licht,
und zeigen, daß R. Hartig dieſe Bedeutung vollſtändig verkannt hat.
Denn dieſer Botaniker iſt meines Wiſſens der einzige geweſen, der
nach Bekanntwerden meiner Entdeckung der allgemeinen Pilzſymbioſe
der Waldbäume beharrlich die Anſicht vertrat, daß die Wurzelpilze
Paraſiten ſeien, welche den Baumwurzeln ſchaden, freilich ohne ſich
irgend auf genaue Unterſuchungen, geſchweige denn auf entſcheidende
Experimente ſtützen zu können.
Es iſt noch fraglich, ob manchmal die Mykorhizenpilze der Bäume
im Boden fehlen können, ſo daß aus dieſem Grunde die Baumkultur
fehlſchlägt. Thatſächlich kommen in allen in Waldkultur befindlichen
Böden die Mykorhizen zu ſtande. Dasſelbe ſcheint auch in allen
Gartenländereien der Fall zu ſein. Möglich wäre es, daß auf Böden,
Wichtigkeit der
Waldſtreu als
Pflanzen-
nahrung.
Wurzelan⸗
anſchwellungen
der Erlen ıc.
296 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
die ſtets nur als Ackerland gedient haben, und auf Odländereien,
welche aufgeforſtet werden ſollen, die betreffenden Pilze zunächſt noch
nicht oder ungenügend vorhanden ſind. Ich habe indeſſen auf einem
Bodenſtück, welches lange Zeit hindurch überhaupt keine Pflanzen ge—
tragen hatte, eingeſäete Buchen nur wenige Jahre ohne Mykorhizen
bleiben ſehen. Es ſcheinen alſo die Keime ſolcher Pilze ſchon durch
die Luft allmählich in die Erdböden verbreitet zu werden, und mit
der Zunahme des Humus und der lebenden Baumwurzeln dürften
dann die einmal eingeführten Pilzkeime zu immer ſtärkerer Mycelium—
bildung gelangen.
Es kann nicht verkannt werden, daß wegen der Ernährung durch
die humusverarbeitenden Mykorhizenpilze die Waldſtreu für die Er—
nährung der Bäume von hervorragender Bedeutung It. Sie ſtellt
das hauptſächliche Ma—
terial dar, welches durch
die Vermittelung der
Wurzelpilze dem Baume
wieder zur Nahrung nutz—
bar gemacht wird. Der
Rückgang in der Holz—
produktion bei Nutzung
der Waldſtreu erhält
hierdurch ſeine natürliche
Erklärung.
2. Die Wurzel-
anſchwellungen
bildenden Erlen,
Eläagnaceen und
Myricaceen. An den
Fig. 32. Wurzeln der genannten
Wurzelanſchwellungen der Erle. A Stück einer Holzpflanzen x kommen
wanne e de Order B Ci |ehwehungen dor, wach
größer gewordener Auswuchs. 6 Stück der Bruch⸗ PU 1 wi
fläche eines querdurchbrocheuen alten Auswuchſes, kurze, dicke und korallen—
um das Wachstum deſſelben zu zeigen. ähnlich verzweigte Aſt—
chen darſtellen, die durch
ihre reichliche und dichte Verzweigung zu voluminöſen, bei den Erlen
bis über fauſtgroßen knollenartigen Komplexen heranwachſen (Fig. 32). Von
den Wurzeln unterſcheiden ſich dieſe Organe dadurch, daß ſie keine
Wurzelhaube und auch keine Wurzelhaare beſitzen, ſondern überall von
einer Korkhaut überzogen ſind, welche auch über den an der Spitze
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 297
liegenden Vegetationspunkt ſich erſtreckt, welcher das Längenwachstum
und die Verzweigung vermittelt. Der weſentliche Charakter dieſer
Organe kann durch die Benennung Pilzkammern oder Mykodo—
matien ausgedrückt werden. Denn ſie ſind thatſächlich von einem
Pilze erzeugt und bewohnt. In der Mehrzahl der Zellen des Grund—
parenchyms dieſer Organe befindet ſich außer dem Protoplasma und
dem Zellkern ein klumpenartiger Körper, der ein äußerſt dicht ver—
ſchlungenes Fadenknäuel darſtellt, deſſen Fäden auch von Zelle zu Zelle
vorwärts dringend mit dem ganzen Organ fortwachſen. Die Pilz—
natur dieſer Gebilde wurde zuerſt von Woronin erkannt; Brunchorſt
hat den Pilz genauer unterſucht und ihm den Gattungsnamen Frankia
gegeben !). Der Pilz wird unter dem Einfluſſe der Pflanze degeneriert
| und dabei zur Anſammlung von Eiweißmaſſen in blaſenförmigen Er-
weiterungen ſeiner Fäden veranlaßt; dieſes Eiweiß wird zuletzt von
| der Pflanze ſelbſt aufgelöſt, verdaut und zu Ernährungszwecken ver-
|
.
wertet. Nach einer kürzlich von Nobbe?) mit Hippopha® rham-
noides angeſtellten Unterſuchung ſcheint auch dieſe Symbioſe für die
Pflanze von Nutzen zu ſein, denn die in ſteriliſiertem Boden ohne
Bildung dieſer Wurzelanſchwellungen gewachſenen Pflanzen blieben
bemerklich ſchwächer als die gleichaltrigen, die in dem gleichen aber
unſteriliſierten Boden die Pilzkammern entwickelt hatten.
3. Die Wurzelknöllchen bildenden Leguminoſen. Auch Wurzelknöllchen
an den Wurzeln der Leguminoſen finden ſich in der freien Natur faſt Ka
konſtant an jedem Individuum knollenförmige Organe, welche ebenfalls f
den Charakter von Pilzkammern oder Mykodomatien haben. Sie
find, wie ich gezeigt habe, keine umgewandelte Wurzeln, ſondern
eigentümliche, nur aus der Wurzelrinde hervorgehende gallenartige
Organe, welche durch die Infektion mit einem Spaltpilz, den ich Rhizo—
bium Leguminosarum genannt habe, erzeugt werden und in deren
Grundparenchymzellen dieſer Pilz zu ungeheurer Vermehrung gelangt.
Auch hier wird derſelbe größtenteils degeneriert, d. h. die Spaltpilz—
zellen wachſen unter bedeutender Anſammlung von Eiweiß zu ver—
größerten und geſtaltlich umgewandelten Gebilden, den ſogen. Bak—
teroiden heran, die zuletzt vollſtändig von der Pflanze aufgelöſt, alſo
wiederum verdaut werden, deren Subſtanz alſo die Pflanze ſich zu
Nutze macht. Die Pilzkammern, welche in den Wurzelknöllchen vor—
handen und in der erſten Entwickelungszeit der Leguminoſe vollgefüllt
1) Über näheres und über die zugehörige Litteratur vergl. mein Lehrbuch
. der Botanik I, pag. 268 und 274.
i 2) Landwirtſchaftliche Verſuchsſtationen XLI. 1892, pag. 139.
298 IV. Abſchuitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
ſind, erſchienen ſpäter gegen die Fruchtreifung hin, ganz leer (Fig. 33).
Immerhin bleibt eine große Anzahl der darin erzeugten Spaltpilze dem
degenerierenden Einfluſſe der Pflanze entzogen; ſie ändern ihre
urſprüngliche Form nicht, behalten ihre Vermehrungsfähigkeit und werden
auch nicht von der Pflanze aufgelöſt; ſie gelangen bei der Verweſung
der endlich abſterbenden Wurzelknöllchen in großer Anzahl wieder in
den Erdboden, wo ſie von nun an wieder neue Leguminoſen zu in—
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Fig. 33.
Wurzelknöllchen der gelben Lupine. A eine Wurzel mit drei verſchieden
großen Knöllchen. B ein Knöllchen im Durchſchnitt, k der Fibrovaſalſtrang der
Wurzel, ringsum in der Rinde die großen Pilzkammern, aus dem fleiſchroten
Bakteroidengewebe beſtehend. C altes Knöllchen mit ausgeleerten, hohlen
Pilzkammern. E Querſchnitt durch ein halberwachſenes Knöllchen, k Fibro—
vaſalſtrang der Wurzel, r unveränderte Wurzelrinde; das Knöllchen enthält
ein ungefähr halbmondförmiges, aus Bakteroiden führenden kleinen Zellen
beſtehendes Gewebe b, welches bei mm ſeine Wachstumspunkte hat; ſchwach
vergrößert.
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 299
fizieren vermögen !). Die Bedeutung dieſer Pilzſymbioſe für die Er—
nährung der Leguminoſe iſt zuerſt von Hellriegel?) erkannt worden,
welcher zeigte, daß in einem ſtickſtofffreien oder ſehr ſtickſtoffarmen
Boden Leguminoſen ohne dieſe Wurzelknöllchen nur ſehr kümmerlich
wachſen, während ſie in dem gleichen Boden bei Gegenwart der Pilz—
ſymbioſe normal ſich entwickeln (Fig. 34). Hellriegel zog aus ſeinen
Beobachtungen den Schluß, daß die Leguminoſen nur durch Vermittelung
dieſer in den Wurzelknöllchen lebenden Pilze den freien Stickſtoff der
Luft aſſimilieren können. Eine richtigere Auffaſſung der Bedeutung
dieſer Symbioſe iſt durch meine darüber angeſtellten Unterſuchungen be—
gründet worden?). Die Unentbehrlichkeit dieſer Symbioſe für die
Leguminoſenpflanze zeigt ſich nur auf ſtickſtoffloſen Böden. Hier ver—
hält ſich die Leguminoſe ohne ihren Symbioſepilz genau ſo wie die
Nichtleguminoſen, d. h. ſie kommt nur zu einer ſehr kümmerlichen
Entwickelung, wie bereits oben (S. 284) erwähnt worden iſt. Durch
die Symbioſe wird alſo der Leguminoſenpflanze die Ernährung mit
Stickſtoffverbindungen, welche andre Pflanzen notwendig brauchen,
erſetzt, und es wird alſo mit dieſem Hilfsmittel eine Pflanzenentwicklung
ganz und gar aus freiem Stickſtoff möglich. Auf einem Boden da—
gegen, welcher genügend Stickſtoffverbindungen enthält, iſt die Pilz—
ſymbioſe entbehrlich, die Leguminoſen wachſen, wie ich gezeigt habe,
auf einem ſolchen Boden, wenn er ſteriliſiert worden iſt und alſo keine
Wurzelknöllchen zur Entwickelung kommen, völlig normal, oft ebenſo
gut oder noch beſſer als mit Symbioſe, und man findet dann im
Ernteſtickſtoff und im Stickſtoffgehalte des Bodens eine Vermehrung
gegen den Stickſtoffgehalt im Samen und Boden vorher, die nur aus
dem freien Luftſtickſtoff ſich herleten kann, alſo wiederum ſo wie bei
den Nichtleguminoſen. Die Pflanze iſt alſo ſelbſt befähigt, freien
Stickſtoff zu aſſimilieren. Der Pilz iſt kein Spezifikum für Erwerbung
freien Stickſtoffes. Er läßt ſich auch außerhalb der Pflanze durch
künſtliche Ernährung kultivieren, aber braucht dazu notwendig gewiſſe
Stickſtoffverbindungen; beſonders Amide oder Eiweißſtoffe ernähren
ihn ſehr gut, dagegen kann er in ſtickſtofffreien Nährmedien kaum
merklich zur Entwickelung gebracht werden; dem freien Stickſtoff gegen—
über verhält er ſich alſo für ſich allein ſehr paſſiv.
) Das Detail über die oben kurz geſchilderten Verhältniſſe iſt nach dem
gegenwärtigen Stande unſres Wiſſens dargeſtellt in meinem Lehrbuch der
Botanik I. pag. 269 — 274, wo auch die zugehörige Litteratur zu finden iſt.
2) Tageblatt d. Naturforſcher-Verſammlung zu Berlin 1866, pag. 290
und Zeitſchr. des Vereins f. d. Rübenzucker-Induſtrie. November 1888.
3) Die Ernährung der Pflanze mit freiem Stickſtoff in ihrer Abhängig—
keit ꝛc. Landwirtſch. Jahrb. und Lehrbuch der Botanik I, pag. 577.
300 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe |
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Fig. 34.
Parallelkulturen von Erbſen in ſtickſtoffreiem Boden, A im ſymbiotiſchen
Zuſtande (nach Impfung des Bodens), B im nicht ſymbiotiſchen Zuſtande.
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 301
Der Symbioſepilz wirkt alſo in der Leguminoſe vorzüglich bei
fehlendem oder ungenügendem gebundenem Stickſtoff im Erdboden als ein
Reizmittel auf die Pflanze, wodurch die Ernährungs- und Wachstums—
thätigkeiten derſelben energiſcher angeregt werden. Wie ich näher gezeigt
habe, ſind es folgende Lebensthätigkeiten der Pflanze, welche dadurch be—
fördert werden; es giebt dies zugleich eine Anlyſe des Krankheits—
zuſtandes, in welchem die Leguminoſen bei Ausbleiben der Symbioſe
auf ſolchen ſtickſtoffarmen oder -loſen Böden ſich befinden. 1) Die
Aſſimilation des freien Stickſtoffes und alſo die Produktion ſtickſtoff—
haltiger Pflanzenſubſtanz. 2) Das Wachstum, indem die Stengel
höher, die Blätter zahlreicher und größer werden. 3) Die Ausbildung
des Meſophylls in den Blättern, insbeſondere die Größe der Meſophyll—
zellen, 4) die Bildung des Chlorophylls, indem in den Meſophyllzellen
die Zahl der Chlorophyllkörner ſich vermehrt, die Chlorophyllkörner
ſelbſt größer werden und reicher an Chlorophyllfarbſtoff ſind, weshalb
der ganze Farbenton der Blätter tiefer grün wird. 5) Die Aſſimilation
der Kohlenſäure, indem in den Chlorophyllkörnern reichlichere
Aſſimilationsſtärke nachweisbar iſt.
C. Ungünſtige Konzentrationsverhältniſſe der Nährſtoffe.
Die Pflanze erkrankt nicht bloß, wenn ihr zu wenig Nahrung Schädliche Kon-
zur Verfügung ſteht, ſondern ſie kann auch beſchädigt werden durch ee
ein Zuviel der Nährſtoffe oder mit andern Worten, wenn die Kon—
zentration der ihr dargebotenen Nährſtofflöſung eine zu ſtarke iſt. Wir
beobachten daher die aus dieſem Grunde eintretenden Erkrankungen
nicht bloß, wenn Pflanzen in Nährſtofflöſungen, alſo in Waſſer—
kulturen, gezogen werden, ſobald hier ungünſtige Konzentrations-
verhältniſſe gegeben ſind, ſondern auch wenn die Pflanzen, die im
Erdboden wurzeln, mit zu ſtark konzentrierten Löſungen begoſſen werden,
oder auch, was auf dasſelbe hinauskommt, wenn die Düngemittel in
8 zu ſtarken Gaben in den Boden gebracht worden ſind.
Der unmittelbare Einfluß ſtärker konzentrierter Löſungen auf
lebende Pflanzenzellen iſt, wie die Phyſiologie lehrt, der, daß der
Turgor der Zelle vermindert wird, indem die ſogenannte Plasmolyſe
eintritt, d. h. es zieht ſich das Protoplasma infolge von Waſſerverluſt
von der Innenſeite der Zellhaut zurück, weil infolge von Diosmoſe
ein Teil des wäſſrigen Zellſaftes aus der Zelle austritt. Bei ſehr
hohen Konzentrationen kann die Plasmolyſe jo ſtark werden, daß die Zelle
ſtirbt. Ein ſchwächerer Grad von Plasmolyſe wird wieder ausgeglichen,
ſobald die Einwirkung der betreffenden Löſung aufhört, d. h. wenn
die Zelle wieder in reines Waſſer oder in eine ſchwach konzentrierte
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302 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
Löſung gebracht wird. Da aber auch ſchon durch ſchwache Plasmolyſe
der Turgor der Zelle vermindert wird, ſo iſt es begreiflich, warum
dann auch das Wachstum der Zellen geringer wird, denn der turges—
cente Zuſtand der Zellen iſt eine Bedingung ihres Wachſens.
Algen und Pilze
Phanerogamen.
Zunächſt iſt von den im Waſſer lebenden Algen durch Famintzin!)
konſtatiert worden, daß Nährſtofflöſungen von höherem Konzentrationsgrade
das Wachstum derſelben beeinträchtigen und dieſe Pflänzchen beſchädigen. Spiro—
gyra entwickelte ſich in einer 0 Pprozentigen Löſung ſchon nicht mehr, während
Mougeotia, Oedogonium, Stigeoclonium nicht nur in dieſer, ſondern ſelbſt
noch in einer Löſung von 3 Prozent vollkommen geſund blieben, Protococeus
viridis, Chlorococcum infusionum und „Protonema“, ſogar üppig gediehen;
ſelbſt 5-prozentige Löſung wurde noch ertragen; die Bildung der Schwärm—
ſporen des Protococcus, die in diſtilliertem Waſſer, desgleichen in ½ pro—
zentiger Löſung ſtattfindet, wurde ſchon durch eine Löſung van 20% verhindert.
Conventz?) behandelte Cladophora mit einer Löſung von ſalpeterſaurem
Kali und mit einer ſolchen von kohlenſaurem Ammoniak in verſchiedenen
Konzentrationen, und erkannte, daß die Wirkung einer zu konzentrierten
Löſung dieſer neutralen Salze nur darauf beruht, daß dieſelben waſſer—
entziehend auf das Protoplasma einwirken, welches dadurch um ſo mehr
in Plasmolyſe gerät, je ſtärker die Konzentration iſt, daß man aber die
ſchädliche Wirkung wieder aufheben kann, wenn die Alge ſchnell wieder in
deſtilliertes Waſſer gebracht wird, widrigenfalls ſie zu Grunde geht. Die
Wirkung wurde ſchon bei 2-prozentiger Löſung bemerkbar; doch konnte
ſelbſt die Wirkung einer Löſung von 10 Prozent Salzgehalt durch ſchnelles
Einlegen in reines Waſſer repariert werden. Doch wachſen Pflanzenzellen,
die an andre Verhältniſſe gewöhnt ſind, z. B. Schimmelpilze, wie Asper-
gillus. noch in einer Zuckerlöſung von 37,2, und Pollenſchläuche in einer
ſolchen von 40 Prozent.
Die Samen der Phanerogamen werden um ſo mehr in ihrer Keim—
fähigkeit beeinträchtigt, je konzentrierter die Salzlöſungen ſind, in deuen ſie
eingequellt werden. Für die Praxis hat dieſer Umſtand in ſo fern Be—
deutung, als ſich daraus ergiebt, daß das Einquellen der Samen in eine
Nährſtofflöſung, ſowie das ſogenannte Kandieren der Samen, d. h. das
Überziehen derſelben mit einer Kruſte aus Nährſtoffbrei, indem die in
Leimlöſung eingehüllten Samen in pulverförmige Düngemittel gebracht
werden, oder die Ausſtreuung gewiſſer Düngemittel, wie Kainit und ähn—
licher Salze gleichzeitig mit der Ausſaat anſtatt längere Zeit vorher, für
die Samen, ſowie für diejenigen jungen Rüben, denen beim Verpflanzen
eine konzentrierte Doſis Nährſtoffe gegeben wird, nachteilig iſt. Näher
belegt wurde dieſe Thatſache durch die Verſuche von Tautphöus)), wo—
nach die in deſtilliertem Waſſer eingequellten Samen verſchiedener Kultur>
pflanzen am beſten keimen, während in Löſungen von Chlorkalium, ſal⸗
peterſaurem Natron, ſchwefelſaurem Kali, phosphorſaurem Kali und ſal⸗
peterſaurem Kalk die Keimfähigkeit um ſo mehr herabgedrückt wurde, je
1) Bot. Zeitg. 1871, Nr. 46.
2) Bot. Zeitg. 1874, pag. 404.
3) Biedermanns Centralblatt f. Agrikulturchemie 1876, II. pag. 117.
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7
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*
.
4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 303
mehr die Konzentration von 0,5 bis 5,0 Prozent ſtieg. Nur Chlornatrium—
löſung ſoll eine Förderung des Wachstums zur Folge gehabt haben. In
letzterer Beziehung haben die Verſuche von Jarius) ergeben, daß Salz
löſungen von 0,2 bis 0,4 Prozent (Chlorkalium, Chlornatrium, ſalpeterſaures
Kali und Natron, ſchwefelſaures Kali und Ammon, ſaurer phosphorſaurer
Kalk) günſtig und oft beſchleunigend auf die Keimung wirken, während
erſt Konzentrationen von 1 und mehr noch von 2 Prozent den Keimungsprozeß
hemmen. Ahnliches gilt auch für Kartoffeln; nach Fleiſcher) trieb ein
bedeutender Prozentſatz ſolcher Knollen, bei denen erſt unmittelbar vor dem
Legen die Düngung mit Kainit und Superphosphat erfolgt war, nicht aus.
Phanerogamen ſind bei Waſſerkulturen, wo ihre Wurzeln in eine
Löſung der Nährſtoffe eintauchen, ſchon gegen geringe Konzentrationen em—
pfindlich, indem zu einer gedeihlichen Entwickelung derſelben der Salz
gehalt ungefähr zwiſchen 0,05 bis 0,2, höchſtens bis 0,5 Prozent ſich halten
darf, aber höhere Konzentrationsgrade ſchon ſchädlich wirkens). Genauer hat
de Vries“) die Abhängigkeit des Wachſens der Wurzeln von dem Turgor
der Zellen, alſo von der Konzentration der umgebenden Löſung feſtgeſtellt.
Er fand innerhalb 24 Stunden folgende mittlere Zuwachſe der Haupt—
wurzeln von Zea mais, wenn dieſe in Salpeterlöſung geſtellt wurde: in
0,5 prozentiger Löſung S 22 mm, in 1,0 prozentiger = 16,5 mm, in 1,5 pro—
zentiger = 11,5 mm, in 2 prozentiger 7,0 mm. Daher erklärt ſich auch der
ſchädliche Einfluß von Salzlöſungen dieſer Konzentration auf die Keimung der
Samen. Für die im Erdboden wachſenden Wurzeln ſind jedoch dieſe und ſelbſt
noch ſtärkere Konzentrationen der Löſungen, womit die Pflanzen begoſſen
werden, noch ohne Nachteil, was wohl mit der Abſorption zuſammenhängen
mag, welche der Erdboden auf die im Waſſer gelöſten Stoffe ausübt. Indeſſen
tritt doch auch hier der ſchädliche Einfluß hervor, ſobald eine gewiſſe Grenze
erreicht iſt, über die es jedoch noch an genaueren Feſtſtellungen fehlt; man
ſieht dann nämlich die Pflanze entweder ſchnell abſterben oder ſich doch
kümmerlicher und zwerghaſt entwickeln. Wenn künſtliche Düngemittel z. B.
Chiliſalpeter, Kainit ꝛc. in zu großer Menge aufgeſtreut werden, beobachtet
man dieſelben Beſchädigungen. Indeſſen kommen dabei wohl auch ſchon
direkte Giftwirkungen einzelner Salze zur Geltung, worüber am ent—
ſprechenden Orte weiter unten näheres zu ſagen iſt.
maßen reichlicher Menge vorhanden iſt, wobei die Konzentrations-
verhältniſſe der Bodenlöſung überhaupt noch keine der Pflanze ſchäd—
liche zu ſein brauchen. Zum Teil hierhergehörig dürfte die allgemeine
Erſcheinung ſein, daß die einzelnen Pflanzenarten eine Vorliebe für
gewiſſe Bodenverhältniſſe und einen Widerwillen gegen andre haben,
indem von den wildwachſenden Pflanzen nach gewiſſen Düngungen
) Einwirkung von Salzlöſungen auf den Keimungsprozeß. Landw.
2) Daſelbſt 1880, pag. 765.
Verſuchsſtationen 1885, pag. 149.
3) Vergl. beſonders Knop, B. d. kgl. ſächſ. Geſ. d. Wiſſ. 1875, pag. 29 ff.
5) Landwirtſch. Jahrbücher. 1877, pag. 896.
Es kann aber auch ſchon darin ein ungünſtiger Einfluß auf die Be
; 5 ae err 9 ( zu einge keicher Stickſtoff—
Vegetation liegen, daß ein oder der andre Bodenbeſtandteil in einiger— Düngung
304 IV Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe
beſtimmte Arten mehr oder weniger zu verſchwinden und dafür andre
vorherrſchend zu werden pflegen. Namentlich ſind es ſtarke Stickſtoff—
düngungen, welche ſehr verändernd auf die Vegetation einwirken, nicht
nur weil dadurch gewiſſe Pflanzen z. B. auch manche Unkräuter, zu
Ungunſten andrer Gewächſe befördert werden können, ſondern auch
weil die Entwickelung der Pflanze ſelbſt abnorm werden kann. Denn
alle diejenigen Pflanzen, welche eine Vorliebe für Stickſtoffverbindungen
haben und für Düngungen mit ſolchen, z. B. mit Chiliſalpeter, Stall—
dung dc. ſich dankbar erweiſen, können durch ſehr reichliche Stickſtoff—
gaben in ihrer ganzen Entwickelung ſo beeinflußt werden, daß dies
unter Umſtänden für ſie gefährlich ſein kann. Reiche Stickſtoffdüngungen
haben bei dieſen Pflanzen, zu denen die meiſten der landwirtſchaftlichen
Kulturpflanzen gehören, eine üppige Entwickelung des Laubkörpers
und auch eine Verlängerung der Vegetationsperiode zur Folge. Solche
Pflanzen machen dann äußerſt kräftige Triebe mit großen, dicken,
dunkelgrünen Blättern, haben die Neigung, immer neue derartige Triebe
hervorzubringen und kommen dementſprechend viel ſpäter zum Blühen
und Fruchttragen als gleichaltrige, in der Stickſtoffnahrung knapper
gehaltene Genoſſen. Haben ſolche Pflanzen Zeit noch zum Aus—
reifen zu kommen, ſo können ſie eine reiche Ernte liefern; gar oft
aber geht über der verlängerten Vegetationsthätigkeit die der Frucht—
bildung günſtige Jahreszeit vorüber und die Folge iſt alſo, daß dieſe
Organe nur noch mangelhaft oder gar nicht zur Entwickelung kommen.
Dieſer Fall kann daher nach überreichem Stickſtoffdung eintreten z. B.
bei den Kartoffeln, wo die Knollenbildung und der Stärkegehalt da—
durch benachteiligt werden kann, bei den Rüben, wo dies eine Ver—
minderung des Zuckergehaltes zur Folge hat, beim Getreide, wo die
Körnerbildung dadurch leidet, beſonders auch bei allem Obſt, wo
Unfruchtbarkeit die Folge ſein kann. Ebenſo iſt es denkbar, daß bei
ſtarken Stickſtoffdüngungen ſo viel von dem vorhandenen Stickſtoff auf
die Ausbildung des vegetativen Apparates der Pflanze verwendet wird,
daß zu einer entſprechenden Fruchtbildung hinterher kein genügender
Stickſtoff mehr übrig iſt, während das gleiche Quantum Stickſtoff—
düngung nicht auf einmal, ſondern nach und nach während der Ent—
wickelung der Pflanze gegeben, dieſes Mißverhältnis nicht hervor—
gebracht haben würde. Selbſtverſtändlich wird dagegen in ſolchem Falle
dieſe Verſchiebung in den Lebensthätigkeiten der Pflanze willkommen
ſein, wo eine möglichſt üppige Ausbildung des Blattkörpers gerade
dem Kulturzwecke entſpricht, wie bei den Kohlarten.
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3
1
2
I. Der Sauerſtoff 305
V. Abſchnitt.
Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe.
Die Pflanzen kommen bisweilen mit ſchädlichen Stoffen in Be—
rührung, was natürlich für ſie gewiſſe nachteilige Folgen hat. Wir
können ſolche Stoffe in dieſer Beziehung dem gewöhnlichen Sprach—
gebrauch entſprechend als Gifte bezeichnen. Es gehören dann aber
dazu nicht bloß die eigentlichen Gifte, alſo Stoffe, welche nur aus—
nahmsweiſe vorhanden ſind und dann gewöhnlich ſchon in geringer
Menge ſchädlich wirken, ſondern es kann auch durch gewöhnliche Be—
ſtandteile des Bodens oder der Luft, wenn ſie in abnorm großer
Menge vorhanden ſind, eine Beſchädigung an der Pflanze hervor—
gebracht werden, gerade ſo wie ja auch auf den tieriſchen Organismus
manche Stoffe, die in geringer Menge ohne Einfluß oder ſogar von
heilſamer Wirkung ſind, in ſtärkeren Doſen den Charakter wirklicher
Gifte annehmen. Es iſt daher eben auch für die Pflanze der Begriff
des Giftes nicht ſcharf zu begrenzen. Wir behandeln hier die in
dieſer Beziehung in Betracht kommenden Stoffe einzeln.
I. Der Sauerſtoff. Dieſer allgemeine Beſtandteil der atmo—
ſphäriſchen Luft iſt ja als Unterhalter der Atmung für die Pflanzen
ebenſo unentbehrlich wie für die Tiere. In dem Miſchungsverhältniſſe,
in welchem er ſich in der Luft mit dem Stickſtoffgaſe befindet (etwa
21 zu 79) iſt er in einer der Vegetation zuſagenden Menge vorhanden.
Andert ſich dieſes Verhältnis, entweder durch Zu- oder Abnahme des
Sauerſtoffes, ſo werden verſchiedene Lebensprozeſſe der Pflanze geſtört.
Es kommt dabei jedoch nur auf den Partialdruck des atmoſphäriſchen
Sauerſtoffes an, indem nur ſolche Anderungen der Zuſammenſetzung
der Luft ſchädlich wirken, wobei der Partialdruck dieſes Gaſes eine
Erhöhung oder Erniedrigung erfährt. In der freien Natur kommen
freilich ſolche Veränderungen ſchwerlich vor; dieſelben ſind nur durch
künſtliche Verſuche erzielt und in ihren Wirkungen auf die Pflanze
ſtudiert worden.
In reinem Sauerſtoffgas von der gewöhnlichen Dichte der Luft iſt
nach Böhm) das Wachſen auf ein Minimum reduziert und die Pflanzen
gehen bald zu Grunde. So kamen die Keimlinge von Phaseolus multiflorus,
Mais, Erbſen und Linſen über die erſten Stadien der Wurzel- und Stengel-
bildung nicht hinaus, Gartenkreſſe, Flachs, Sonnenblumen blieben durch—
ſchnittlich kleiner, Roggen, Gerſte, Weizen, Hafer entwickelten jedoch die
erſten Blätter in normaler Länge. Ein 8—10 Prozent ſtickſtoffhaltiges
) Sitzb. d. Wiener Akad. 10. Juli 1873.
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 20
Gifte.
Sauerſtoff.
306 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
Sauerſtoffgas hatte ungefähr den gleichen ſchädlichen Einfluß. Böhm hat
dann weiter gezeigt, daß, wenn das reine Sauerſtoffgas durch Auspumpen
mittelſt der Luftpumpe oder durch Beimengung von Waſſerſtoff ſo verdünnt
wird, daß es unter einem Drucke ſteht, welcher dem Partialdruck des atmo—
ſphäriſchen Sauerſtoffs entſpricht oder ſelbſt kleiner iſt, das Wachstum
ebenſo intenſiv, wie in atmoſphäriſcher Luft erfolgt. Auch die Verſuche
Bert's!) lehren, daß ſowohl ein verminderter, wie ein erhöhter Luftdruck
der Atmoſphäre für die Pflanzen ſchädlich iſt und daß dabei nur der
Partialdruck des Sauerſtoffs das Wirkſame iſt. Die mit Gerſte, Roggen,
Kreſſe und Radieschen gewonnenen Reſultate ergeben, daß die Keimung
um jo langſamer vor ſich geht, je niedriger der Luftdruck iſt, daß die unterſte
Druckgrenze für Kreſſe 12 em, für Gerſte 6 em iſt, und bei 4 em über:
haupt nirgends mehr Keimung ſtattfindet, daß jedoch in einer ſehr ſauer—
ſtoffreichen Luft auch bei 4 cm Druck noch Keimung ſtattfindet und in ſolcher
Luft ebenſo raſch verlaufen kann wie in gewöhnlicher Atmoſphäre bei nor—
malem Druck, während in ſauerſtoffarmer Luft auch bei normalem Druck
die Keimung verlangſamt wird. Ein Druck von 4 oder 5 Atmoſphären
iſt für die Pflanzen ohne auffallenden Nachteil, wenn die Luft früh und
abends erneuert wird. Bei höherem Druck werden die Triebe blaß und
ſchmächtig; bei 8 Atmoſphären entwickeln ſich zwar die Wurzeln, aber nicht
die Stengel; bei 10 Atmoſphären finden nur Anfänge der Wurzelbildung
ſtatt (Gerjte). Eine entwickelte Mimosa pudica ging in gewöhnlicher Luft
bei 6 Atmoſphären Druck, aber in ſauerſtoffreicher Luft ſchon bei 2 Atmo—
ſphären raſch zu Grunde. Nach Wieler?) nimmt jedoch die Wachstums—
intenſität zunächſt mit der Verminderung der Partiärpreſſung des Sauer—
ſtoffes zu, erreicht z. B. bei Vicia Faba bei 5—6 Volumprozenten Sauerſtoff
ein Optimum und ſinkt erſt bei weiterer Verdünnung auf den Nullpunkt
herab; desgleichen ſcheint bei Steigerung der Partiärpreſſung zunächſt ein
zweites Optimum erreicht zu werden und dann erſt Hemmung des Wachs—
tums einzutreten, denn Helianthus annuus zeigte bei 95 bis 96 Volum—
prozenten Sauerſtoff größere Wachstumsintenſität als in gewöhnlicher Luft.
Der Sauerſtoffmangel bringt viele Lebensthätigkeiten der Pflanze zum
Stillſtand. Die dadurch bedingte Erſchwerung der Atmung, alſo ein Er—
ſticken, haben wir ſchon bei den zu tief unter der Bodenoberfläche befindlichen,
alſo von der Luft abgeſchloſſenen Samen und Wurzeln (S. 251) kennen
gelernt. Ebenſo wird die auf die Aufſaugung des Waſſers aus dem Boden
gerichtete Wurzelthätigkeit durch Sauerſtoffmangel gehindert (S. 256) Die
Phyſiologie lehrt auch weiter, daß viele Bewegungserſcheinungen von Pflanzen-
teilen, ſowie die Bewegungen des Protoplasmas in der Zelle bei Sauer-
ſtoffmangel gehindert werden. Läßt man einer ſolchen Pflanzenzelle nach nicht
zu langer Zeit wieder Sauerſtoff zuſtrömen, fo beginnen die ſiſtierten Lebens⸗
erſcheinungen von neuem, die Zelle iſt alſo in den irreſpirablen Gaſen zu—
nächſt in einen Zuſtand gekommen, den man Aſphyxie nennt. Prings⸗
heim!) hat gezeigt, daß die chlorophyllhaltige Zelle dabei auch in einem
S
) Compt. rend. 16. Juni 1873.
2) Unterſuchungen aus d. bot. Inſtitut zu Tübingen I. 1883, Heft 2.
Vergl. auch Jentys, daſelbſt II. 1888, pag. 419.
3) Berichte d. deutſch. botan. Geſellſch. 1887, pag. 294.
II. Die Kohlenſäure 307
Zuſtande der Ernährungsohnmacht oder Inanition ſich befindet, denn ſie
kann dann auch trotz Chlorophyll und trotz Luftzutritt nicht aſſimilieren, thut
das jedoch bei Sauerſtoffzutritt wieder.
II. Die Kohlenſäure. Die in der atmoſphäriſchen Luft ent—
haltene Kohlenſäure iſt für alle chlorophyllhaltigen Pflanzen als Kohlen—
ſtoffquelle für die Ernährung unentbehrlich. Aber wenn der Gehalt
der Luft an dieſem Gaſe das gewöhnlich in der Atmoſphäre gegebene
Maß (0,04 bis 0,06 Prozent im Freien) erheblich überſteigt, ſo werden
gewiſſe Lebensthätigkeiten der Pflanze ungünſtig beeinflußt. Es gilt
dies namentlich vom Wachstumsprozeß, von der Bildung des Chloro—
phylls und von der Kohlenſäureaſſimilation. Unter natürlichen Ver—
hältniſſen kommt freilich eine ſolche Bereicherung der Luft an Kohlen—
ſäure, um dieſe ſchädlichen Einflüſſe hervorzurufen, nicht vor, ſondern
nur in künſtlichen entſprechenden Experimenten.
Die Keimung und das Wachstum auf Koſten der Reſervenährſtoffe
werden durch einen ungewöhnlichen Kohlenſäurereichtum der Luft gehindert,
wie ſchon Sauſſure erkannte und Böhm) genauer erforſcht hat. An
Feuerbohnen, welche im Dunkeln in Luft von verſchiedenem Kohlenſäure—
gehalt ausgeſäet worden waren, war die mittlere Wurzellänge nach 12 Tagen
in gewöhnlicher Luft 13,6 em, in 2 Prozent kohlenſäurehaltiger Luft 10,5 em,
in 5 Prozent Kohlenſäure 7,9 em, in 10 Prozent 4,6 em; in Luft von
14 Prozent Kohlenſäure an war die Radicula nur unbedeutend entwickelt,
die Samen zum Teil verdorben. Eine ähnliche Abſtufung zeigte ſich in der
mittleren Stengellänge bei 0, 2, 5 und 10 Prozent Kohlenſäure. Wurden
die Pflanzen in gewöhnliche Luft geſetzt, ſo nahmen dieſelben, ſoweit ſie
nicht abgeſtorben waren, normales Wachstum an.
Nach Böhm (Je.) ſoll die Bildung des Chlorophylls verlangſamt
oder ganz gehindert werden, wenn die Luft nur wenige Prozente Kohlenſäure
enthält. Am empfindlichſten war Kreſſe, deren im Dunkeln entwickelten, alſo
vergeilten Keimpflanzen in gewöhnlicher Atmoſphäre im Lichte ſchon nach
10 ſtündiger Beleuchtung intenſiv grün werden, in einer Atmoſphäre mit
nur 2 Prozent Kohlenſäure viel langſamer, bei Gegenwart von 20 Prozent
gar nicht ergrünten. Ahnlich verhielt ſich Sonnenroſe. Viel reſiſtenter
war Lein, dem ſich Mohn ähnlich verhielt; die vergeilten Keimlinge bekamen
ſelbſt in einer Atmoſphäre mit 33 Prozent Kohlenſäure noch einen ſchwach
grünen Anflug, nicht mehr bei 50 Prozent. Getreidearten endlich zeigten
ſelbſt in einer zur Hälfte aus Kohlenſäure beſtehenden Atmoſphäre noch
Spuren einer Ergrünung. Auch bei längerem Verweilen in ſolcher Luft
trat kein Fortſchritt in der Chlorophyllbildung ein, die Pflanzen ſtarben
nach einigen Tagen. So erkrankte Keimpflanzen ergrünten aber auch nicht
mehr, wenn ſie in gewöhnliche Luft zurückverſetzt wurden, bekamen viel—
mehr braune Flecken auf den Cotyledonen und hörten auf zu wachſen.
Das Unterbleiben der Chlorophyllbildung in dieſen Fällen iſt daher wohl
auch nicht als eine direkte, ſondern erſt als eine ſekundäre Wirkung des
) Sitzungsber. d. Wiener Akad. 24. Juli 1873.
20 *
Kohlenſäure.
Keimung
und Wachstum
abhängig vom
Kohlenſäure—
gehalt der Luft.
Chlorophyll⸗
bildung
abhängig vom
Kohlenſäure—
gehalt der Luft.
Kohlenſäurereichtums zu betrachten, indem derſelbe augenſcheinlich überhaupt
ſtörend auf das Lehen einwirkt, ſchon weil dadurch die Partiärpreſſung des
Sauerſtoffes in dem für die Pflanzen ſchädlichen Grade vermindert wird
(S. 306).
Aſſimilation Auch die Aſſimilation der Kohlenſäure iſt vom Gehalte der Luft an
abhangig vom dieſem Gaſe abhängig. Schon Bouſſingault beobachtete, daß ein Kirſch—
Kohlenſaure. lorbeerblatt pro gem Blattfläche und Stunde in reinem Kohlenſäuregas
gehalt der Luft. 0,5 bis 1,5 cem, in einer bis zu 30 Prozent Kohlenſäure enthaltenden
Luft 4,0 bis 13,1 cem Kohlenſäure zerſetzte. Man muß hierbei bedenken,
daß ſich das Blatt durch die Sauerſtoffausſcheidung bei der Aſſimilation,
ſelbſt eine zum Leben geeignete Luft ſchafft. Hierbei iſt die partiäre Preſſung
der Kohlenſäure allein ſchon von Einfluß, denn Bouſſingault bemerkte,
daß wenn er dieſes Gas durch Verminderung des Druckes auf ein größeres
Volumen brachte, mit der verminderten Dichte der Kohlenſäure eine ſtärkere
Aſſimilationsthatigkeit eintrat. Godlewski!) fand an Stücken eines und
desſelben Blattes von Glyceria spectabilis, daß pro qdm Blattfläche und pro
Stunde in einer Luft von 3,9, 12,6 und 26 Prozent Kohlenſäure je 8,31,
13,56 und 11,95 cem Kohlenſäure zerſetzt werden. Das Optimum liegt
nach Godlewski für Glyceria bei 8-10, für Typha latifolia bei 5—7
Prozent Kohlenſäuregehalt der Luft. Indeſſen gilt das nur im hellen
Sonnenſchein, bei geringerer Helligkeit war ſolcher Kohlenſäurereichtum
ſchon nachteilig. In Übereinſtimmung damit fand Godlewski) auch die
Stärkebildung in den Chlorophyllkörnern bei hellem Sonnenſchein in einer
8 Prozent Kohlenſäure enthaltenden Luft beſchleunigter als in gewöhnlicher
Luft, dagegen bei großem Kohlenſäurequantum verlangſamt, während in
kohlenſäurefreier Luft im Sonnenlichte gar keine Stärke in den Chlorophyll—
körnern entſteht. Jedenfalls kann alſo eine Bereicherung der Luft mit
Kohlenſäure, wie ſie für das tieriſche Leben bereits nachteilig iſt, für die
Aſſimilation der grünen Pflanze Vorteil bringen.
Anderſeits iſt aber auch vollſtändige Entziehung der Kohlenſäure der
Luft für die Blätter ſchädlich; nach Vöchtings) treten an Blättern, welche,
ohne von der Pflanze abgeſchnitten zu ſein, in einer kohlenſäurefreien Luft
erhalten werden, in welcher ſie alſo nicht aſſimilieren können, ſehr bald
Störungen ein, die mit dem Tode enden, nämlich Gelbwerden der Blätter,
beziehentlich Abfallen derſelben, alſo analog wie bei Entziehung des
Lichtes, was alſo der allgemeinen Erfahrung entſpricht, daß Organe, welche
W ene
308 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
|
| ihre Funktion nicht erfüllen können, abgeſtoßen werden.
| Feuchtigkeits⸗ III. Der Feuchtigkeitsgehalt der Luft. Wenn ſich Pflanzen
gehalt der Luft konſtant in einer Luft befinden, welche ſehr reich an Waſſerdampf iſt,
| ſo machen ſich an denſelben verſchiedene nachteilige Folgen bemerkbar.
Einfluß auf Eine ungewöhnlich feuchte Luft, wie man ſie bei Kultur der Pflanzen
das Wachstum unter Glasglocken erzielen kann, befördert das Längenwachstum der
| a Stengel und Blätter. So fand Reinke“) an je 4 Keimpflanzen von
| Helianthus annuus, welche in feuchter Erde und im Tageslichte ſich ent-
) In Sachs' Arbeiten des bot. Inſt. zu Würzburg, III. Heft.
| ) Flora 1873, pag. 378.
| ) Bot. Zeitg. 1891, Nr. 8 u. 9.
) Bot. Zeitg 1876, pag. 138-139.
III. Der Feuchtigkeitsgehalt der Luft 309
wickelten und nur dadurch ſich unterſchieden, daß die einen an freier Luft,
die andern unter Glasglocke ſtanden, nach 4 Tagen die Länge des hypo—
kotylen Gliedes bei denen in trockener Luft 45, 50, 65, 67 mm, bei denen
in feuchter Luft 75, 77, 89, 100 mm. Ahnliche Reſultate erhielt
Sorauer)) bei vergleichenden Kulturen von Gerſte. In trockener Luft iſt
zwar die Zahl der Beſtockungstriebe etwas größer als in feuchter Luft,
aber die Halme ſind kürzer, im Mittel 11,5 gegen 13,5 em in feuchter Luft;
die Blattſcheiden ſind in feuchter Luft im Mittel 9,26 em gegen 8,18 em
lang in trockener Luft; auch die Blattfläche wird im Feuchten etwas länger
(17,9 gegen 17,7 em), aber etwas ſchmäler (6,74 gegen 7,33 mm). Auch
ergab ſich eine größere Länge der Wurzeln der in feuchter Luft gewachſenen
Pflanzen, im Mittel 26,8 em gegen 23,9 em in trockener Luft. Die Zahl
der Gefäßbündel war in den etwas ſchmäleren Blättern der Pflanzen der
feuchten Luft etwas geringer, desgleichen diejenige der Epidermiszellen,
nämlich in der ganzen Blattbreite im Mittel 233,4 in feuchter, gegen 260,5
in trockener Luft; auch die Breite der Epidermiszellen ein wenig geringer,
0,0248 mm in feuchter, gegen 0,0250 in trockener Luft. Dafür waren aber
auch entſprechend der größeren Länge der Blätter der Feuchtigkeitspflanzen
ſowohl die Epidermiszellen etwas länger, z. B. am oberſten Blatt im
Mittel 36,9 gegen 33,1 (½00 mm), als auch die Spaltöffnungen, z. B. am
oberſten Blatt im Mittel 19,5 gegen 17,0 (soo mm). Es wäre aber irrig,
das ſtärkere Wachstum in dieſem Falle als etwas Vorteilhaftes im Sinne
der Pflanzenkultur anzuſehen. Denn das Trockengewicht der Stengel und
Blätter der Feuchtigkeitspflanzen jener Verſuche war trotz des größeren
Volumens geringer als das der Trockenheitspflanzen, 0,1243 gegen 0,1642;
die feuchtere Luft produziert alſo zwar längere, aber nur waſſerreichere
oberirdiſche Organe. Die vorſtehenden Thatſachen ſcheinen erklärlich durch
die geringere Verdunſtung von Waſſer der in feuchter Luft befindlichen
Pflanze bei reichlicher Waſſerzufuhr, indem dadurch der Turgor der Zellen
erhöht wird und dieſer Druck auch ein ſtärkeres Wachtum der Zellmem—
branen, mithin eine Erweiterung des waſſerenthaltenden Innenraumes der
Zelle, oder eine Verlängerung der Zelle zur Folge hat. Auch Vesque und
Viet? fanden bei ihren Verſuchen, daß die in feuchter Luft erzogenen
Pflanzen längere Wurzeln, ſchmächtigere Stengel, Blätter mit längeren
Stielen, aber kleineren Flächen bekommen, auch daß im anatomiſchen Baue
Abweichungen eintreten, indem in feuchter Luft das Meſophyll des Blattes
weniger deutlich in Paliſſaden- und Schwammparenchym differenziert iſt
und die Gefäßbündel, namentlich die Baſtfaſern, ſchwächer entwickelt ſind,
ſo daß alſo im ganzen die Pflanze in Geſtalt und Bau ſich etwas den
etiolierten Pflanzen (S. 162) nähert. Manche Pflanzen mit grundſtändiger
Blattroſette löſen die letztere nach Wiesner?) im abſolut feuchten Raum
trotz Beleuchtung auf, d. h. ſie entwickeln geſtreckte Stengelglieder; beſonders
zeigt dies Sempervivum tectorum und Bellis perennis, während andre
Pflanzen dies nur im Dunkeln oder auch ſelbſt da nicht thun.
1) Bot. Zeitg. 1878, Nr. 1 u. 2.
2) Ann. des scienc. natur. 6. ser. T. XII. 1881, pag. 167.
3) Berichte d. deutſch. botan. Gef. 1891, pag. 46.
Einfluß auf
Ernährung und
Produktion
der Pflanze.
2
* Ei.
310 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
Der ganze Ernährungszuſtand und die Produktion der Pflanze werden
in einer konſtant ſehr feuchten Atmoſphäre vermindert. Das hängt damit
zuſammen, daß in einer mit Waſſerdampf geſättigten Luft die Pflanze auf—
hört zu tranſpirieren. Der Tranſpirations-Waſſerſtrom, welcher durch die
Pflanze geht, iſt aber das Mittel, durch welches die Nährſtoffe aus dem
Boden in die Pflanze eingeführt werden, weil ſie eben in dieſem Waſſer
aufgelöſt in die Pflanze eintreten, hier aber zurückbleiben, wenn das reine
Waſſer in Dampfform die Pflanze wieder verläßt und dadurch Raum
ſchafft für die Aufnahme einer entſprechenden Quantität neuer Nährſtoff—
löſung aus dem Boden. Schon aus den vorigen Zeilen haben wir erkannt,
daß keine der Volumenentwickelung der Pflanzenteile entſprechende höhere
Produktion von Trockenſubſtanz eintritt; die Organe ſind nur waſſerreicher
und ärmer an wirklicher Pflanzenſubſtanz. Die verminderte Produktion
mineraliſcher Beſtandteile ſowie organiſcher Pflanzenſtoffe in Folge unter—
drückter Tranſpiration hat Schlöfing) an Tabakpflanzen konſtatiert. Die—
jenigen, deren Verdunſtung gehemmt war, lieferten im Vergleich mit ſolchen,
welche unter übrigens gleichen Umſtänden ungehindert tranſpirierten, weniger
Mineralſtoffe, weniger Nikotin, Klee-, Citronen-, Apfel-, Pectinſäure, Celluloſe
und Proteinſtoffe, dagegen viel Stärkemehl. Es ſcheint daraus hervorzu—
gehen, daß die unterdrückte Tranſpiration eine Minderzufuhr mineraliſcher
Bodennährſtoffe zur Folge hat, aber nicht die Bildung von Stärkemehl aus
Kohlenſäure und Waſſer in den Blättern verhindert, alſo auch nur die
Produktion derjenigen Pflanzenſtoffe beeinflußt, zu deren Erzeugung zugleich
Beſtandteile der Bodennährſtoffe erforderlich ſind.
Eigentliche Gifte. IV. Die eigentlichen Gifte. Es handelt ſich hier um lauter
Stoffe, welche unter gewöhnlichen Verhältniſſen da, wo Pflanzen
wachſen, im Boden und in der Luft überhaupt nicht vorhanden ſind,
ſondern nur bei beſonderen Gelegenheiten mit den Pflanzen in Be—
rührung kommen. Man könnte ſie paſſend die eigentlichen Gifte
nennen, weil ſie wohl alle darin übereinkommen, daß ſie nicht ſo wie
die vorgenannten Stoffe nur indirekt, nämlich deshalb ſchädlich ſind,
weil ein Zuviel davon gewiſſe Lebensprozeſſe hindert, ſondern daß ſie
an und für ſich tödlich auf jede mit ihnen in Berührung kommende
Pflanzenzelle wirken. In der That ſind denn auch die Vergiftungs—
ſymptome bei den Pflanzen immer ziemlich dieſelben, welches Gift
auch die Urſache geweſen ſein mag; es ſind eben die allgemeinen
Todesſymptome: Kontraktion des Protoplasmas, alſo Schwinden des
Turgors der Zelle, Zerſtörung etwa vorhandenen Chlorophylls unter
Zurückbleiben des gelben Xanthophylls, häufig auch Bräunung des ge—
töteten Protoplasmas und wohl auch der Zellmembran, daher an der
ganzen Pflanze allmähliche Entfärbung, Gelbwerden oder Bräunung
mit nachfolgendem Welken oder Vertrocknen des erkrankten Teiles.
) Compt. rend. T. 69, pag. 353, und Landw. Centralbl. 1870, I. pag. 143.
IV. Die eigentlichen Gifte 311
Gelegenheit zu Vergiftungen der Pflanzen iſt natürlich bei Vergiftungen.
Kulturen im großen nur in ſolchen beſonderen Fällen geboten, wo meiſt
durch Veranlaſſung des Menſchen giftige Subſtanzen mit den Pflanzen
in Berührung kommen. In vielen Fällen geſchieht das unbeabſichtigt,
wenn nämlich gewiſſe techniſche Anlagen unvermeidlich Subſtanzen
produzieren, welche in die Luft, oder in die Gewäſſer, oder in den
Boden, oder in den Dünger gelangen und für die daſelbſt wachſenden
Pflanzen von ſchädlicher Wirkung ſind. Aber es kommt auch vor,
daß wir abſichtlich giftige Stoffe mit den Pflanzen in Berührung
bringen. Denn es gehören hierher auch die Fälle, wo gewiſſe Gifte
angewendet werden, um ſchädliche Inſekten zu töten. Gerade in der
neueren Zeit wird eine Menge inſekticider Mittel empfohlen, mit welchen
Pflanzen beſpritzt, beziehentlich beſtreut werden ſollen, um Blattläuſe,
Raupen und dergl. Pflanzenbeſchädiger, auch wohl um paraſitiſche Pilze
zu vertilgen. Es handelt ſich aber dabei meiſtens um Subſtanzen,
die, wenn ſie Inſekten töten, auch den Pflanzen ſehr ſchädlich ſind,
ſo daß alſo durch Anwendung ſolcher Mittel leicht Vegiftungen an
unſern Kulturpflanzen veranlaßt werden.
Es iſt ſeitens verſchiedener Forſcher auch über die Phyſiologie der
Giftwirkungen nachgedacht worden, d. h. man hat ſich die Frage geſtellt,
auf welchen näheren Einwirkungen der giftigen Subſtanz auf die Beſtand—
teile der lebenden Zelle die Vergiftung beruht. In dieſer Beziehung hat
namentlich Conwentz') gezeigt, daß man zwei verſchiedenartige Einwirkungs—
weiſen ſchädlicher Stoffe von vornherein zu unterſcheiden hat. Bei gewiſſen
Stoffen iſt es nur die ſchon oben behandelte ſchädliche Wirkung einer zu
hohen Konzentration (S. 303), alſo nicht die chemiſche Natur des Stoffes
ſelbſt, welche den Tod der Zellen zur Folge hat. Dahin gehören z. B. Zucker,
Glycerin, viele Salze, wie z. B. ſalpeterſaures Kali ꝛc. Einigermaßen
konzentrierte Löſungen ſolcher Stoffe wirken durch Diosmoſe waſſerentziehend
auf die Zellen, infolgedeſſen das Protoplasma ſich mehr oder weniger »
zuſammenzieht, was man als Plasmolyſe bezeichnet. Dieſer Zuſtand iſt
an ſich nicht tödlich; erreicht er keinen übermäßigen Grad und dauert
er nicht über eine gewiſſe Zeit an, d. h. wird den Zellen wieder gewöhn—
liches Waſſer zugeführt, ſo tritt der normale Zuſtand wieder ein und die
Zelle bleibt am Leben. Iſt der Waſſerverluſt durch Plasmolyſe aber ſehr
ſtark oder dauert er zu lange, ſo iſt dies für das Protoplasma tödlich;
letzteres nimmt ſeinen urſprünglichen Zuſtand nicht wieder an und ſtirbt
nun unter den erwähnten Symptomen ab. Dieſer Wirkung gegenüber
ſteht die weſentlich andere, welche durch Stoffe wie freies Alkali, freie Säuren,
ferner Blauſäure, Strychnin, Morphium ꝛc., Kampfer, Terpentinöl und
andre ätheriſche Ole, Ather, Alkohol ꝛc. hervorgebracht wird. Nach den mit
dieſen Stoffen von Conwentz an Cladophora-Zellen angeſtellten Beob—
achtungen iſt zwar äußerlich die Wirkung ebenfalls meiſtens die, daß das
Protoplasma kontrahiert und mehr oder weniger gebräunt wird, aber es
1) Bot. Zeitg. 1874, Nr. 26 n. 27.
Ark
der Giftwirkung.
Gifte
als vorteilhafte
Reizmittel.
Organismus, die Eigenſchaft eines Stimulans oder Reizmittels zugeſchrieben
ſalze. Landwirtſchaftl. Verſuchsſtationen 1887, pag. 171.
312 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
tritt hier ſelbſt bei ſofortigem Wiedereinſetzen in Waſſer nicht wieder der
normale Zuſtand, ſondern ſtets der Tod der Zelle ein. Wir haben alſo
hier Stoffe vor uns, welche durch ihre chemiſchen Eigenſchaften ſelbſt auf
das Protoplasma eine lebenvernichtende Wirkung ausüben; doch iſt uns
über die Art dieſer Vergiftung etwas Näheres nicht bekannt. Conwentz
zeigte, daß diejenigen der oben genannten giftigen Flüſſigkeiten, welche kein
Waſſer enthalten, wie Terpentinöl und Ather, augenblicklich tödlich wirken,
daß dagegen aus wäſſrigen Löſungen giftiger Stoffe das Protoplasma
anfangs Waſſer aufzunehmen vermag und die Vegetabilien ſich eine Zeit
lang völlig friſch und geſund befinden; erſt ſpäter nehmen ſie das Gift
auf, und damit tritt die tödliche Wirkung ein. So wurden an Algenfäden
durch Einlegen in eine 10 prozentige Löſung von ſalpeterſaurem Kali die
oben erwähnte an ſich nicht tödliche Kontraktion des Protoplasma hervor—
gerufen, darauf wurden ſie abgetrocknet und in Kampferwaſſer gebracht;
das Protoplasma dehnte ſich wieder völlig aus und behielt 1-2 Stunden
hindurch ſein friſches Ausſehen, daun erſt machte ſich die tödliche Wirkung
des Kampfers durch Kontraktion des Protoplasma geltend. Ganz ähnliche
Einwirkungen zeigten ſich auch bei andern der genannten Gifte in wäſſerigen
Löſungen. Dieſe Beobachtungen dürften von Wert ſein für die Beurteilung
des Verhaltens der Pflanzen manchen Giften gegenüber, beſonders des
Umſtandes, daß größere Pflanzen oft keinen bemerkbaren Schaden erleiden,
trotzdem daß ſie nachweislich nicht unerhebliche Mengen giftiger Stoffe auf—
nehmen. In dieſem Falle iſt daran zu denken, daß viele in Waſſer lösliche
Gifte durch den Tranſpirationsſtrom im Gefäßſyſtem durch den ganzen |
Pflanzenkörper aufiteigen können, wobei die gelöſten giftigen Stoffe nicht a
notwendig in lebende Zellen einzutreten brauchen. Auf dieſem Wege ge—
langen aber dieſe Stoffe in die Blätter, werden hier angeſammelt und
durch den natürlichen Blattfall wieder ausgeſchieden. Dieſem Gedanken x
hat beſonders Saumerspdorfer) Ausdruck verliehen. 5
Es liegt auf der Hand, daß man von vornherein, ohne näehre Unterſuchung 4.
von keinem der zahlreichen als Gifte erkannten Stoffe ſagen kann, um
welche der beiden im Vorangehenden charakteriſierten Einwirkungen es ſich
handelt. In dieſer Beziehung iſt daher die Lehre von den Giften noch ſehr
unvollkommen. Eine ſehr reichhaltige Zuſammenſtellung derjenigen Stoffe,
welche giftige Wirkung auf die Pflanzen ausüben, iſt zuerſt von Decan—
dolle?) gegeben worden, woran ſich in der neueren Zeit noch manche
ſpezielleren Angaben angeſchloſſen haben, die wir alle unten im einzelnen
anführen. Bei der Ermittelung der giftigen Wirkung iſt man meiſtens
jo verfahren, daß die Pflanzen mit ihren Wurzeln in ſolche Löſungen ein-
geſetzt oder damit begoſſen oder beſpritzt wurden. In gewiſſen Fällen
will man dann auch die angewandten Stoffe nach dem Verſuche in den
getöteten Pflanzen ſelbſt gefunden haben, Angaben, die jedoch nach neueren
Verſuchen zum Teil mit Vorſicht aufzunehmen ſind.
Nicht unerwähnt darf bleiben, daß man unter gewiſſen Umſtänden
manchen giftigen Stoffen analog ähnlicher. Wirkungen auf den tieriſchen
) Das Verhalten der Pflanze bei Vergiftungen, ſpeziell durch Lithium⸗
2) Physiologie vegetale III, pag. 1324 ff.
A. Giftige Gaſe 313
hat, durch welches die Pflanze angeblich zu erhöhter Lebensthätigkeit an—
geregt wurde. Hierbei ſind ſicher Irrtümer mit vorgekommen, ſo hin—
ſichtlich des Kampfers und andrer Stoffe, die allerdings für den tieriſchen
Organismus Reizmittel ſind, von manchen aber früher auch für ſolche
den Pflanzen gegenüber gehalten wurden. Letzteres iſt von Göppert!) und
beſonders von Conwentz (I. c.) widerlegt worden, wie aus den voran—
gehenden Zeilen zu entnehmen iſt. Dagegen iſt an einer ſolchen Reiz—
wirkung des Kupfervifriols auf die höheren Pflanzen jetzt nicht mehr zu
zweifeln. Schon wiederholt iſt verſichert worden, daß Samen, die mit
einer ſchwachen Kupfervitriollöſung behandelt worden ſind, beſſer und in
größerer Anzahl keimen. Dieſe Angaben mögen noch der Beſtätigung
bedürfen. Kürzlich iſt aber der Beweis erbracht worden, daß infolge des
Beſpritzens der grünen Blätter mit Kupfervitriol-Kalkbrühe die Pflanzen
in einer ganzen Reihe von Lebensthätigkeiten gekräftigt werden, worüber
unten beim Kupfer das Nähere zu finden iſt.
A. Giftige Gaſe.
1. Schweflige Säure. Dieſes Gas iſt der giftige Beſtandteil
bei der ſchädlichen Wirkung des Hüttenrauches und des Stein—
kohlenrauches auf die Vegetation. Natürlicherweiſe iſt der Hütten—
rauch an dieſem Gaſe beſonders reich, aber auch im Steinkohlenrauch
kann, wenn ſchwefelhaltige Steinkohlen gebrannt werden, ſchon ſoviel
ſchweflige Säure enthalten ſein, daß eine beſtändige Produktion ſolchen
Rauches die benachbarten Pflanzen beſchädigt. Wenn Braunkohlen
und Torf Schwefelkies enthalten, ſo iſt der Rauch dieſer Feuerungs—
materialien ebenfalls giftig. Weniger gefährlich iſt der Rauch der
Kalköfen, weil die ſchweflige Säure vom Kalk zurückgehalten wird,
ebenſo der Rauch der Ziegelöfen, da der Thon häufig alkaliſche Bei—
mengungen enthält.
In Gegenden, wo Hütten betrieben werden, iſt es eine gewöhnliche
Erſcheinung, daß Acker-, Wieſen- und Waldbeſtände, welche im Bereiche der
Ausbreitung des Hüttenrauches liegen, vernichtet werden. Der Rauch
großer Schornſteine hinterläßt, wenn er ſich in Thälern hart an eine be—
waldete Thalwand anlehut, daſelbſt oft deutliche Spuren von Zerſtörung.
Die beſtändig mit Kohlendunſt durchſetzte Luft großer Städte iſt wohl
auch die Urſache des Mißratens ſolcher Pflanzen daſelbſt, welche be—
ſonders empfindlich gegen ſchweflige Säure ſind, wie namentlich die
Coniferen. Es iſt hauptſächlich durch Stöckhardt's?, Morren'ss) und
) Einwirkung des Kampfers auf die Vegetation. Verhandl. d. Ver. z.
Beförd. d. Gartenbaues. Berlin 1829. — De acidi hydrocyanici in plantas
commentatio. Breslau 1827, pag. 45.
2) Chemiſcher Ackersmann, 1863, pag. 255; 1872, II. pag. 111. —
Tharander forſtl. Jahrbuch. XXI. 1871, pag. 218 ff.
3) Recherches experimentales pour determ. influence de certains
gaz. industriels ete. London 1866.
Schweflige
Säure.
314 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
Schröders Unterſuchungen nachgewieſen worden, daß das Wirkſame
hierbei die im Rauche enthaltene ſchweflige Säure iſt. Erſterer zeigte, daß
der Ruß, den manche für den wahren Feind hielten, unſchädlich iſt, ſelbſt -
dann, wenn die kleinen Kohlenteilchen als ſchwarzer Überzug auf den 8
Blättern ſich abſetzen, daß es ſich alſo nur um die gasförmigen Ver—
brennungsprodukte handeln kann, welche der Rauch enthält. Unter dieſen
ſind, abgeſehen vom Chlor, von welchem unten ſpeziell die Rede iſt, nach
des Genannten experimentellen Prüfungen die Dämpfe von Arſen, Zink
und Blei, an die man beim Hüttenrauch denken könnte, in den Mengen,
in welchen ſie hier vorkommen, ohne merkbaren ſchädlichen Einfluß. Da—
gegen iſt die ſchweflige Säure, welche im Rauche enthalten iſt, für die
Pflanzen eines der heftigſten Gifte, während die Verbrennungsprodukte
ſchwefelfreier Steinkohlen nachgewieſenermaßen für die Pflanzen unſchäd—
lich ſind.
Noch Stöckhardt iſt für junge Fichten ſchon eine Luft, welche nur
ein Milliontel ihres Volumes ſchweflige Säure enthält, in 60 Tagen tödlich,
für Rotbuche und Spitzahorn erſt eine ſolche mit / 1000 ſchwefliger Säure.
Ulme, Eſche und Vogelbeere ſollen noch weniger empfindlich ſein. Die
erſten Zeichen der Erkrankung traten an Kartoffeln, Klee, Hafer und ver—
ſchiedenen Gräſern unter Welkwerden und Bräunung ein, wenn dieſelben
zweimal der 2 ſtündigen Einwirkung einer Luft mit ¼0000 Volumenteil
jenes Gaſes, ebenſo wenn ſie 15 bis 20 mal einer Luft mit 60000 ſchwefliger
Säure ansgeſetzt wurden. Genaueres über die Wirkung des Gaſes iſt
durch Schröder 's Unterſuchungen ermittelt worden, welche folgende Reſul—
tate ergeben haben. Die ſchweflige Säure wird von den Blattorganen
der Laub- wie der Nadelhölzer aufgenommen und zum größeren Teile hier
fixiert; zum geringeren dringt ſie in die Blattſtiele und Zweige ein. Die
Aufnahme durch die Pflanze konnte noch in einer Luft, welche ½000 ihres
Volumens an ſchwefliger Säure enthielt, nachgewieſen werden. Auch fand
König?) bei Haferpflanzen, die durch die Einwirkung von ſchwefliger
Säure erkrankt waren, in Prozenten der Aſche an Schwefelſäure im Stroh
ein Plus von 17,22, in den Körnern ein ſolches von 6,67. Gleichſinnige
Angaben macht Frickes). Die Symptome der Vergiftung beſtehen im
allgemeinen in Welkwerden, mehr oder weniger Bräunung und endlichem
Abſterben der Blätter. Die Urſache des ſchädlichen Einfluſſes kann wenigſtens
zum Teil in der Benachteiligung der Tranſpiration und Stockung der nor—
malen Waſſercirkulation geſucht werden. Denn es wurde von Schröder
nachgewieſen, daß die von ſchwefliger Säure getroffenen Pflanzen die Fähig—
keit, normal zu tranſpirieren, verloren und daß die Störung der Wafjer-
verdunſtung um ſo größer war, je größere Mengen ſchwefliger Säure ein—
wirkten. Bei Spitzahorn und Rotbuche wurde, wenn die Blätter reichliche
Waſſerzufuhr erhielten, eine eigentümliche Nervaturzeichnung der Blätter
) Landwirtſch. Verſuchsſtationen 1872, pag. 321 ff; 1873, pag. 447 ff.
und 1879. — Schröder und Reuß, die Beſchädigungen der Vegetation
durch Rauch und die Oberharzer Hüttenrauchſchäden. Berlin 1883. — Vergl.
auch Haſenclever, Über die Beſchädigung der Vegetation durch ſaure Gaſe.
Berlin 1879.
2) Biedermann's Centralbl. 1885, pag. 418.
3) Landw. Verſuchsſtationen 1887, pag. 277.
A. Giftige Gaſe 315
beobachtet, indem das Meſophyll der unmittelbaren Umgebung der Nerven
hellgrün wurde und ſich von dem übrigen dunkleren Blattgewebe ſehr
deutlich abhob, was ſich daraus erklärte, daß die den Nerven anliegenden
Teile ſich übermäßig mit Waſſer füllen, die den Nerven weiter abliegenden
aber kein Waſſer aufzunehmen vermögen. Das Gas wird von den Blättern
nicht durch die Spaltöffnungen, ſondern gleichmäßig durch die ganze Blatt—
fläche aufgenommen und ſogar von der Oberſeite in ebenſo großen Mengen
wie von der ſpaltöffnungsreichen Unterſeite. Aber dieſelbe Menge ſchwefliger
Säure, welche von der Unterſeite eines Laubblattes abſorbiert wird, des—
organiſiert das ganze Blatt in höherem Grade, als wenn die gleiche Auf—
nahme durch die obere Fläche erfolgt, was ſich in Verbindung mit dem
oben Geſagten daraus erklärt, daß dieſe Fläche vorherrſchend diejenige iſt,
durch welche die Tranſpiration ſtattfindet. Unter ſonſt gleichen Verhältniſſen
abſorbiert die gleiche Blatttläche eines Nadelholzes weniger ſchweflige Säure
aus der Luft als die eines Laubholzes. Dem entſpricht auch, daß ein
Nadelholz bei gleicher Menge ſchwefliger Säure noch nicht ſichtbar alteriert
wird, wo ſich eine deutliche Einwirkung bei einem Laubholz bereits zeigt.
Trotzdem leiden in den Rauchgegenden die Nadelhölzer mehr als die Laub—
hölzer, was zum Teil wohl auch damit zuſammenhängt, daß ſie wegen der
längeren Dauer der Nadeln auch der ſchädlichen Einwirkung länger preis—
gegeben ſind und daß bei ihnen die Fähigkeit, einen einmal erlittenen
Schaden durch Reproduktion der Belaubung wieder auszugleichen, eine
verhältnismäßig geringere iſt. Licht befördert die ſchädliche Einwirkung
der ſchwefligen Säure, während Abweſenheit von Licht die Pflanzen zum
Teil ſchützt. Auch Waſſer, welches ſich auf den Blättern befindet, unter—
ſtützt die Schädigung; Trockenheit der Blätter ſchützt dieſelben zum Teil.
Damit ſteht die Erfahrung im Einklange, daß die Rauchſchäden bei ſtarkem
Tau, während des Regens und unmittelbar nachher größer ſind als ohne
dieſe Niederſchläge. Da die ſchweflige Säure bei Gegenwart von Waſſer
ſich leicht zu Schwefelſäure oxydiert und da auch der Schnee in den Städten,
wenn er längere Zeit auf den Bäumen lagert, viel ſchweflige Säure und
Schwefelſäure anſammelt, ſo iſt auch die Wirkung der letzteren auf die
Blattorgane von Schröder geprüft worden. Dieſelbe hat ebenfalls einen
ſchädlichen Einfluß und bringt ähnliche Erſcheinungen hervor, wie jene.
Wirken äquivalente Mengen von Schwefelſäure und ſchwefliger Säure auf
die Blätter, ſo wird der Schwefelſäuregehalt der Trockenſubſtanz bei Nadeln
und Blättern durch beide faſt in gleicher Weiſe erhöht. Die Giftwirkungen
der ſchwefligen Säure ſind dabei aber viel intenſiver als diejenigen, welche
durch die Schwefelſäure hervorgebracht werden, wonach zu vermuten iſt,
daß die Vergiftung durch ſchweflige Säure auf die chemiſchen Eigenſchaften
dieſes Gaſes ſelbſt, nicht oder nur zum Teil darauf zurückgeführt werden
muß, daß die in die Blätter eingedrungene ſchweflige Säure dort zur Bil—
dung eines ſchädlichen Übermaßes von Schwefelſäure Veranlaſſung giebt.
Man verhütet jetzt die Beſchädigungen durch den Hüttenrauch dadurch,
daß man die Schwefelgaſe entweder in Bleikammern auffängt oder durch
angefeuchteten Kalk oder durch Kanäle leitet, auf deren Sohle ſich fließendes
Waſſer bewegt, wodurch die ſchweflige Säure zu Schwefelſäurehydrat oxydiert
und dieſes abſorbiert wird.
316 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
Leuchtgas. 2. Leuchtgas. Wenn aus den Röhren von Gasleitungen Leucht—
gas in den Boden ausſtrömt, ſo können dadurch in der Nähe ſtehende
Pflanzen, alſo beſonders Bäume in Alleen und Promenaden, wo Gas—
laternen angebracht ſind, beſchädigt werden.
Kny')) hat dies zuerſt durch Verſuche nachgewieſen; er ließ vom Juli
an täglich 380, beziehentlich 418,5 Kubikfuß Leuchtgas in den Boden aus—
ſtrömen, und im September zeigte ſich der Anfang des Welk- und Gelb—
werdens der Blätter bei Evonymus europaea, Ahorn, Ulme und Linde,
Ziemlich derſelbe Erfolg wurde an einer Linde erzielt, zu welcher täglich
nur 52,5 Kubikfuß Gas ſtrömte. Im nächſten Frühjahre ließen die Pflanzen
mit Ausnahme der Linden kein Lebenszeichen mehr erkennen; ihr Holz war
dürr, der Cambiumring vertrocknet. Die Linden belaubten ſich zwar wieder,
zeigten aber ebenfalls das Cambium ſchon vertrocknet. Ahnliche Reſultate
hat Böhm?) erhalten. Stecklinge von Bruchweide, welche in Waſſer geſetzt
wurden, in welches Leuchtgas einſtrömte, trieben nur kurze Wurzeln und
ſtarben in den Knoſpen bald nach Entfaltung derſelben ab, während die
Zweige bis nach Aufzehrung der Reſervenährſtoffe, nämlich bis nach
3 Monaten friſch blieben; die Stärke war verſchwunden, in den Gefäßen
des Holzes hatten ſich Thyllen gebildet, welche ſie für Luft unwegſam machten.
Auch Topfpflanzen von Fuchsia fulgens und Salvia splendens, in deren 4
Erde Leuchtgas (25 bis 30 Gasblaſen in der Minute) geleitet wurde,
ſtarben zum Teil in 4 Monaten. Erde, welche infolge ſehr langer Durch—
leitung von Leuchtgas mit ſolchem imprägnirt iſt, wirkt giftig, auch wenn 5
keine weitere Zuleitung erfolgt; die Keimwurzeln der in ſolche Erde aus— $
gejüeten Samen von Cucurbita, Brassica oleracea. Helianthus annuus, 2
Lepidium sativum, Vicia faba und Mais blieben ſehr kurz und verfaulten 15
bald, und eine hineingeſetzte Dracaena zeigte nach 10 Tagen die Blätter 4
vertrocknet und die Wurzeln abgeſtorben. An dieſem Reſultate wurde
ſelbſt dann nichts geändert, wenn durch ſolche Erde täglich 28—29 Liter
atmoſphäriſche Luft geſaugt wurden. Über die Wirkungskraft des Leucht—
gaſes ſind noch weitere Verſuche von Späth und Meyer)) angeſtellt
worden, welche ergeben, daß Platanen, Silberpappeln, Robinien, Ahorn,
Roßkaſtanien 2c. mit Ausnahme der Linden, deren Knoſpen aber gleichwohl
ſpäter nicht austrieben, nach 4½ Monaten getötet waren, wenn täglich
0,772 ebm Gas auf eine Fläche von 14,19 qm geleitet wurden, daß ſogar
ganz geringe Mengen, wie 0,0154 bis 0,0185 ebm täglich auf 14,19 qm,
die ſelbſt durch den Geruch nicht mehr wahrgenommen werden, ſchädlich
ſind, und daß zur Zeit der Winterruhe die Zufuhr von Leuchtgas weniger
ichadet als während der Zeit des Wachstums. Welchen der zahlreichen
Beſtandteile des Leuchtgaſes die giftige Wirkung zuzuſchreiben iſt, weiß
man nicht, wahrſcheinlich ſind ſie unter den verſchiedenen ſchweren Kohlen—
waſſerſtoffen und den Verunreinigungen zu ſuchen. Offenbar handelt es
ſich um eine direkt giftige Wirkung. Kny fand die fingerdicken Wurzeln
der dem Leuchtgas ausgeſetzten Linden eigentümlich blau gefärbt und die
Färbung auf dem Querſchnitt von der Mitte gegen die Peripherie hin fort⸗
) Sitzungsber. d. Geſellſch. naturf. Freunde zu Berlin, 20. Juni 1871.
2) Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wiſſenſch., 16. Okt. 1873.
3) Landwirtſch. Verſuchsſtationen 1873, pag. 336.
A. Giftige Gaſe 317
ſchreitend, was dafür zu ſprechen ſcheint, daß das Gas mit den Nährſtoff—
löſungen am fortwachſenden Wurzelende, nicht an der Rinde der älteren
Wurzeln eingedrungen war. Daß das häufige Abſterben der Alleebäume
in großen Städten mit durch das Leuchtgas verurſacht wird, iſt hiernach
nicht zu bezweifeln. Böhm (J. c.) empfiehlt daher das ſchon anderweit vor—
geſchlagene Mittel, die Gasleitungsröhren in ziemlich weite, mit Abzügen in
die Laternenpfähle verſehene glaſierte Thonröhren oder Eiſenröhren einzulegen.
Nach Lackner) ſoll auch der Aufenthalt in einem Zimmer, in welchem
Leuchtgas verbraunt wird, für gewiſſe Pflanzen, beſonders Camellien,
Azaleen und Epheu, ſehr ſchädlich ſein, während Palmen, Dracänen und
andre Pflanzen darin nicht leiden. Es wäre feſtzuſtellen, ob es ſich hier—
bei um eine Vergiftung durch unverbranntes Leuchtgas oder durch halb—
verbrannte Kohlenwaſſerſtoffe oder durch die Bereicherung an Kohlenſäure
handelt, welche beim Brennen von Leuchtgas größer als bei jedem andern
Beleuchtungsmaterial iſt (nach Zoch?) erzeugt ein mehrſtündiges Brennen
einer einzigen Gasflamme in einem mittelgroßen Wohnraume 3 Promille
Kohlenſäure).
3. Verſchiedene andre giftige Gaſe. Es giebt noch eine
Anzahl andrer Gaſe, welche für das Pflanzenleben direkt ſchädlich
wirken. Zu dieſen darf man ſelbſtverſtändlich diejenigen nicht rechnen,
welche die Pflanzen nicht direkt angreifen, ſondern wo nur der Mangel
an Sauerſtoff die Urſache des Abſterbens iſt, welches eintritt, wenn die
Pflanzen in eine nur oder größtenteils aus dem betreffenden Gaſe be—
ſtehende Luft gebracht werden. Als ſolche indifferente (nicht giftige)
Gaſe ſind ſchon von Sauſſure das Stickſtoffgas, Waſſerſtoffgas und
Kohlenoxydgas erkannt worden. Zu dieſen gehört auch nach Borscow?)
das Stickſtoffoxydul (Luſtgas), welches in reinem Zuſtande eine direkt
ſchädliche Wirkung nicht zeigt. Auch die Kohlenſäure dürfte dahin
gehören (vergl. S. 307). Als wirklich giftige Gaſe dagegen, d. h. ſolche,
welche direkt durch ihre chemiſche Wirkung die Pflanze afficieren und
töten, ſind außer den unter 1 und 2 genannten noch folgende zu
betrachten.
a. Das Stickſtoffoxyd wirkt nach Borscow's eben citierten Mit—
teilungen, wenn es dem Stickſtoffoxydul beigemengt iſt, tödlich unter Re—
ſorption des Stärkemehls und Desorganiſation des Chlorophylls (Phaseolus
und Urtica urens).
b. Ammoniakgas. In einigermaßen größerer Menge ſind amoniaka—
liſche Gaſe den Pflanzen ſehr ſchädlich; in der gewöhnlichen Luft, ſelbſt in
der Nähe von Ställen, find ja nur unwirkſame Spuren davon vorhanden.
) Monatsſchr. d. Ver. z. Beförd. d. Gartenbaues in d. Kgl. Preuß. Staaten.
1873, pag. 22.
2) Zeitſchrift für Biologie 1867, pag. 117.
) Melanges biolog. d Bull. de l’acad. imp. d. sc. de St. Pétersbourg.
T. VI. pag. 451. — Vergl. auch Detmer, Biedermann's Centralbl. 1882,
pag. 675.
Andre giftige
Gaſe.
Stickſtoffoxyd
Ammoniakgas.
Chlor.
Salzſäure—
dämpfe.
Flußſäure—
dämpfe.
Schwefel—
waſſerſtoff und
Schwefel-
kohlenſtoff.
Vulkaniſche
Exhalationen.
318 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
te. London 1866, citiert bei Sorauer, Pflanzenkrankheiten, 1. Aufl. pag. 150.
Einen Fall, wo wahrſcheinlich kohlenſaures Ammoniak das Wirkſame war,
giebt Sorauer h) an, wonach in einem Glashauſe, bei deſſen Errichtung
die Mauern eines Pferdeſtalles teilweiſe benutzt worden waren, im Herbſt,
als mit der Heizung des Gewächshauſes begonnen wurde, die Blätter der
Pflanzen abſtarben und abfielen, und ſelbſt hartblättrige Pflanzen, wie
Aucuba, Viburnum Tinus, Dracaena 2c. ſchwarze Blätter bekamen.
0. Daß das Chlor energiſch bleichend und tödlich auf die Pflanzen
wirkt, iſt allbekannt. Und da es ſchon in ſehr kleinen Mengen giftig iſt,
ſo könnte die ſchädliche Wirkung des Steinkohlenrauches außer von ſchwefliger
Säure auch von Chlor herrühren, denn in der That enthalten Steinkohlen
neben Schwefel auch Chlor, und Meinecke) hat Chlor in den Hochofen—
gaſen nachgewieſen.
d. Salzſäuredämpfe bringen nach Königs) an den Nadeln und
Blättern der Bäume dieſelben Krankheitserſcheinungen hervor, wie die
ſchweflige Säure. In der Aſche ſolcher erkrankter Eichenblätter fand ſich
3,97 bis 4,28 Prozent Chlor, während geſunde Eichenblätter nur ca. 2 Prozent
davon enthielten. Auch Fricke h fand in den kranken Gartenpflanzen, die
in der Nähe einer chemiſchen Fabrik wuchſen, deren Gaſe Salzſäure und
Schwefelſäure enthielten, einen bedeutend höheren Gehalt an Chlor und
Schwefelſäure; z. B. beim Weinſtock in 1000 Teilen Aſche 8,27 Chlor und
10,75 Schwefelſäure gegenüber 1,92, bezw. 4,77 in geſunden Pflanzen.
e. Flußſäuredämpfe, wenn fie in die Luft gelangen, bringen nament-
lich bei feuchtem Wetter Rotwerden und Abſterben der Blätter hervor, wie
man an Fichten, Kiefern, Lärchen und Akazien in der Nähe einer Phosphorit—
fabrik beobachtete, in welcher der Fluorcalcium enthaltende Phosphorit mit
Schwefelſäure aufgeſchloſſen wurde und daher Flußſäuredämpfe entwickelt
wurden.)
f. Die Giftwirkungen des Schwefelwaſſerſtoffs und Schwefel—
kohlenſtoffs hat Morren®) unterſucht; der erſtere äußert feinen ſchäd—
lichen Einfluß ſchon in einer Beimiſchung von "zoo des Luftvolumens; er
färbt das Blatt gänzlich olivengelb; der Schwefelkohlenſtoff aber ſcheint
die Blätter auszutrocknen, ohne ihre grüne Farbe weſentlich zu ändern.
g. Über die Einwirkung der vulkaniſchen Exhalationen auf die
Pflanzenwelt ſind bei einem Ausbruch auf der Inſel Santorin nähere
Beobachtungen gemacht worden.) Die Verheerungen an den Pflanzen
zeigten ſich in großer Ausdehnung, am meiſten an den höheren Punkten
der Inſel, in geringerem Grade an den niedrigeren Orten. Die Affektionen
waren je nach Arten verſchieden: manche Pflanzen (3. B. Asphodelus
ramosus) waren ganz verwelkt und getötet; andre hatten ſchwarze Flecken
auf den Blättern, teils oberflächlich, teils in der ganzen Dicke des Blattes;
) Handbuch d. Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. 1886, I. pag. 524.
2) Dingler's Journal 1875, pag. 217.
3) Biedermann's Centralbl. 1885, pag. 418.
4) Landwirtſch. Verſuchsſtationen 1887, pag. 277.
5) Zeitſchrift f. Pflanzenkrankheiten, II. Band 1892, pag. 255.
6) Recherches experimentales pour determ. Pinfl. de certains gaz. industr.
7) Vergl. Flora 1866, Nr. 24.
B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stoffe 319
wieder andere zeigten weiße durchſichtige Flecken mit gelblichem Hofe.
Welches die wirkſamen Beſtandteile der vulkaniſchen Aushauchungen hierbei
ſind, iſt nicht ſicher ermittelt. Letztere beſtehen aus Waſſerdampf, Schwefel—
waſſerſtoff, ſchwefliger Säure, Schwefel, Kohlenſäure, Salzſäure, Borſäure,
alſo meiſt aus Stoffen, deren ſchädliche Wirkung erwieſen iſt. Doch ſcheint
unter dieſen der freien Salzſäure das meiſte zugeſchrieben werden zu müſſen;
wenigſtens ſollen bei denjenigen Ausbrüchen, wo dieſe Säure nur in geringer
Menge, dagegen viel ſchweflige Säure u. dergl. vorkam, keine ſolchen Ver—
heerungen ſtattgefunden haben. „
h. Dämpfe ätheriſcher Ole in ſtärkerer Konzentration töten die Dämpfe
Pflanzen, oft nachdem ſie braune Flecken auf den Blättern hervorgebracht ätheriſcher Ole.
haben. Ebenſo wirken Blauſäuredämpfe rapid tödlich auf die davon be—
rührten Pflanzenteile; die blauen, violetten und roten Blütenfarben ändern
ſich dabei meiſt in weiß oder bräunlich, die weißen und gelben meiſt nicht;
reizbare und periodiſch bewegliche Teile werden ſtarr. Auch von ſich ver—
flüchtigenden Theerprodukten hat man ſchädliche Wirkungen auf Pflanzen
beobachtet; ſo in Glashäuſern, wo Steinkohlentheer zum Anſtrich für das
Holzwerk benutzt worden war.)“)
B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stoffe.
Von den unzähligen Stoffen flüſſiger Form, welche den Pflanzen
ſchädlich ſind, zählen wir hier nur diejenigen auf, welche irgendwie in
der Praxis des Pflanzenbaues vorkommen, ſowie diejenigen, welche in
ihren Giftwirkungen auf die Pflanzen beſonders geprüft und unter—
ſucht worden ſind.
A. Anorganiſche Verbindungen.
1. Freie Säuren ſind, gleichgültig von welcher chemiſchen Art, ſobald Säuren.
ſie in einigermaßen größerer Menge vorhanden ſind, den Pflanzen nach—
teilig. Eine ſehr ſchwach ſaure Reaktion des Bodens oder der Nährſtoff—
löſung, wie ſolche ja ſehr häufig unter den normalen Verhältniſſen gegeben
iſt, vertragen jedoch die Wurzeln ſehr gut.
2. Alkalien. Gegen alle alkaliſch reagierenden Verbindungen, wie Alkalien.
freies Kali, Natron, Atzkalk, Ammoniak, ſowie kohlenſaures Kali, Natron
und Ammoniak ſind die Pflanzen ſehr empfindlich. So hat Ebermayer?)
gefunden, daß ſchon eine verdünnte Sodalöſung von 1,01 ſp. Gew. Gr:
krankung der Wurzeln, Gelb- und Braunwerden der Blätter und Abſterben
der Pflanzen zur Folge hat. Gelegenheiten zu Vergiftungen durch ſolche
i Stoffe ſind in der Praxis wohl denkbar. So. z. B. wenn ſtark alkaliſche
4 Aſchen zum Düngen benutzt werden. Einen andern Fall teilt Ebermeyer
(I. c.) mit, wo Obſtbäume in der Nähe einer Celluloſefabrik braune oder
ſchwarze Blätter bekamen, die in kurzer Zeit abſtarben; behufs Rückgewinnung
5 des Natrons aus der benutzten Natronlauge wird der eingedampfte Rückſtand
derſelben zur Zerſtörung der organiſchen Stoffe verbrannt, wobei viel
kohlenſaures Natron in die Umgebung gelangt.
) Gard. Chronicle 1876, I., pag. 532.
2) Centralbl. f. Agrikulturchemie 1877, II., pag. 318.
Arien.
Queckſilberſalze.
Kupferſalze.
3
20 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
3. Arſen iſt ſchon ſeit langer Zeit als ein auch für die Pflanzen
ſtarkes Gift erkannt worden. Nach den bei Decandolle und andern an—
geführten Beobachtungen bringt dasſelbe, wenn es von den Wurzeln auf—
geſogen wird, bei Bohnen und andern Kräutern eine Veränderung der
grünen Farbe in gelb oder braun hervor, die ſich zuerſt an den Blattnerven
und an dem dieſen benachbarten Meſophyll zeigt, dann ein Welkwerden der
Blätter, ſowie eine Umwandlung der Blütenfarben in braun, gelb oder
weiß, bei Campanula persieifolla in grün.!) Auch Fichten, denen man im
Boden / ooo arſeniger Säure gegeben hatte, erkrankten nach einigen
Jahren unter Vertrocknen des Gipfeltriebes und Gelbgrünwerden und all:
mählichem Vertrocknen der Nadeln von ihrer Spitze aus, wobei ſich im
Stamm und in den Nadeln nur Spuren, in den Zweigen 0,0010 Prozent
der Trockenſubſtanz arſenige Säure vorfand.?) Bei Verſuchen von Nobbe,
Bäßler und Wills) wurde arſenigſaures Kalium den Nährſtofflöſungen
zugeſetzt, in welchen Erbſen, Hafer, Mais, Buchweizen u. a. wuchſen. Das
Arſen wurde zwar nur in ſehr geringen Mengen von den Pflanzen auf—
genommen, bewirkte aber Störungen der Aufſaugungsthätigkeit der Wurzeln,
womit Tranſpirationsſtörungen, Verlangſamung des Wachstums und wohl
auch gänzliches Abſterben verbunden waren; noch eine Gabe von 1 Millionſtel
brachte merkbare Störungen hervor, und auch ſchon eine nur 10 Minuten
lange Dauer der Einwirkung des Arſens auf Wurzeln genügte, um dieſen
Erfolg zuſtande zu bringen. Dagegen wirkte nach Knopß) Arſenſäure
(in 0,05 gr pro Liter) als Kaliſalz auf Mais nicht giftig.
4. Queckſilberſalze. Speziell vom Queckſilberchlorid it konſtatiert
worden, daß, wenn eine Löſung davon den Wurzeln dargeboten wird,
Bohnenpflanzen getötet werden unter Verwelken und Dürrwerden der Blätter
und unter Gelbfärbung des Stengels. Roſen ſtarben ebenfalls ab, unter
Auftreten brauner, ſich allmählich verbreiternder Streifen längs der Blatt—
nerven.
5. Kupferverbindungen nehmen bezüglich ihrer Wirkungen auf die
Pflanzen ein beſonderes Intereſſe in Anſpruch, ſeit man dieſelben als
Gegenmittel gegen die den Pflanzen ſchädlichen Paraſiten, insbeſondere
gegen paraſitiſche Pilze anwendet. Denn da ſie in gewiſſer Konzentration
allgemein auf die Pflanzen giftig wirken, ſo thun ſie das auch gegenüber
den Pilzſporen, fo daß fie in der That für manche Pilze ein wirkſames Zer-
ſtörungsmittel ſind, worüber bei den Pilzinfektionskrankheiten näheres mit—
geteilt werden wird. Bei dieſer Verwendung von Kupferverbindungen als
Gegenmittel gegen paraſitäre Pflanzenkrankheiten können aber ſelbſtverſtänd—
lich auch die zu ſchützenden Pflanzen ſelbſt vergiftet werden. Deshalb iſt
denn auch die Wirkungsweiſe der Kupferpräparate auf die Pflanzen ſelbſt
näher unterſucht worden. Beſonders handelt es ſich um das Kupfer—
vitriol, welches man ſchon ſeit längerer Zeit als Samenbeize, vorzüglich
1) Decandolle, 1. c, pag. 1328.
2) Klien, Chemiſcher Ackersmann 1875; citiert in Juſt, bot. Jahresber.
1876, pag. 1241.
pflanzlichen Organismus. Landwirtſch. Verſuchsſtationen XXX., Heft 5 u. 6.
3) Unterſuchungen über die Giftwirkung des Arſen, Blei und Zink im
) Berichte d. kgl. ſächſ. Akad. d. Wiſſenſch., Leipzig 1885.
* 2
— — . —˖[—— . u ne
— * u ne A
B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stoffe 321
beim Weizen anwendet, um die Entwickelung des Getreidebrandes zu ver—
hüten, weil in der That die Sporen der Brandpilze in einer Löſung dieſes
Salzes nicht keimen und durch dieſelbe getötet werden. Kudelkah hat
nun genauer ermittelt, unter welchen Bedingungen auch die Weizenkörner
durch eine Kupfervitriolbeize beſchädigt werden. Für nicht gequellte, trockne
Weizenkörner iſt ein 16 ſtündiges Einbeizen in einer ½ prozentigen Kupfer⸗
vitriollöſung, welches genügt, um die an den Körnern haftenden Brand—
pilzſporen zu töten, unſchädlich. Wenn aber angequellte Weizenkörner
derſelben Behandlung unterworfen wurden, ſo ergab ſich im Keimapparat
eine Keimung von 66 Prozent gegenüber einer ſolchen von 74 Prozent,
wenn die Behandlung nur mit Waſſer vorgenommen wurde; bei Ausſaat
der im angequellten Zuſtande gekupferten Körner 3 em tief in Erde keimten
ſogar nur 24 Prozent gegenüber 54 Prozent der nicht mit Kupferſulfat be—
handelten. Schon ein zweiſtündiges Einweichen vorher gequellter Körner
hatte eine Schwächung der Keimkraft zur Folge; das Prozent der keimungs—
unfähigen Körner iſt größer bei ſtark gequelltem, kleiner bei ſchwach ge—
quelltem Weizen. Es hängt dies offenbar damit zuſammen, daß eine bereits
mit Waſſer imbibierte Samenſchale Löſungen in kürzerer Zeit eindringen
läßt, als eine ſolche im trocknen Zuſtande. Auch hat man die Erfahrung
gemacht, daß mit Maſchinen gedroſchenes Getreide etwas leichter durch
eine Kupferbeize beſchädigt wird, offenbar wegen der kleinen Verletzungen,
welche die Schale ſolcher Körner bekommt, und durch welche die Kupfer—
löſung ſchneller eindringt.
Wenn Pflanzen aus dem Boden Kupferverbindungen aufnehmen, ſo
wirkt das nach Phillips?) giftig. Ob jedoch unverletzte Pflanzen Kupfer—
ſalze aufnehmen, iſt mir zweifelhaft. Wenigſtens ließ ſich bei einer von
Otto bei mir kürzlich angeſtellten Unterſuchung in Pflanzen, die in Waſſer—
kulturen mit aufgelöſtem Kupferſulfat gezogen waren, kein Kupfer nach—
weiſen. Auch in Kartoffelknollen, welche von Pflanzen geerntet waren, die
auf dem Acker ſtark mit Kupfervitriol-Speckſtein beſtäubt worden waren,
konnten wir kein Kupfer entdecken.
Neuerdings hat ein Kupferpräparat große Bedeutung erlangt, nämlich
eine Miſchung von Kupfervitriol und Kalk, womit die grünen Blätter,
beſonders der Weinſtöcke und Kartoffeln, beſpritzt werden, um dieſe Pflanzen
vor den ihnen gefährlichen Peronoſporaceen zu ſchützen. Das Mittel wird
in naſſer Form angewendet, als ſogen. Kupfervitriolkalkbrühe, Borde—
laiſer Brühe (dowili bordelaise), indem man eine 2- bis 4prozentige
Kupfervitriollöſung in Waſſer mit Kalk verſetzt (2 bis 5 kg Vitriol und
etwa ebenſoviel gebrannten Kalk auf 100 Liter Waſſer). Ein anderes, aber
pulverförmiges Präparat, das ſogen. Sulfoſteatit oder Foſtit oder
Kupfervitriol-Speckſtein, beſteht aus pulveriſiertem Kupfervitriol,
welches nur mechaniſch mit Talkerde verdünnt iſt und als Pulver aufgeſtreut
wird. Bisher erklärte man ſich die vorteilhafte Wirkung dieſer Mittel
auf die Pflanzen dadurch, daß man annahm, daß die auf die Blätter ge⸗
langenden Pilzſporen durch die Berührung mit den Kupfermitteln getötet
) Referat in Juſt, Jahresber. 1876, pag. 880.
e TEN
2) The absorption of Metallic Oxides by plants. Bot. Centralbl. 1883,
Nr. 11, pag. 364.
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 21
ne — —u———
322 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
und dadurch die Blätter vor dem Pilzbefall geſchützt werden. Es iſt in
der That erwieſen, daß die Sporen vieler paraſitiſchen Pilze ſehr empfind—
lich gegen Kupfer ſind und durch dasſelbe in einer Konzentration und in
einer Zeitdauer getötet werden, welche für die höheren Pflanzen unſchädlich
| jind. Aber der günſtige Erfolg dieſer Mittel beruht auch noch auf etwas
anderem, nämlich darauf, daß das Kupfer in dieſem Falle auf die höheren
Pflanzen wie ein Reizmittel wirkt, durch welches ihre Lebensthätigkeiten ge—
kräftigt werden. Rumm!) hatte das zuerſt bezüglich des Weinſtockes
| behauptet, indem er namentlich eine Beförderung der Chlorophyllbildung
zu bemerken glaubte, ohne jedoch dafür genauere Nachweiſe und Meſſungen
der beeinflußten Thätigkeiten zu liefern. Durch eine demnächſt zu veröffent—
lichende Unterſuchung?) haben ich und Krüger an der Kartoffelpflanze den
Beweis erbracht, daß die Beeinfluſſung der Kupferbeſpritzung ſich auf folgende
Punkte erſtreckt: der Bau des Blattes wird dadurch zwar nicht verändert,
aber das letztere iſt meiſt ein wenig dicker und kräftiger; der Chlorophyll—
gehalt des Blattes wird ein wenig größer; die Aſſimilationsthätigkeit des
Blattes, inſofern ſie ſich in der Bildung von Stärkemehl äußert, wird be—
merkbar größer; die Tranſpiration der Pflanze wird lebhafter, die Lebens—
dauer des Blattes verlängert ſich, der Ertrag an Knollen und die Stärke—
bildung in den Knollen werden geſteigert. Da in dem Jahre, wo
dieſe Verſuche gemacht wurden (1893) die Phytophthora infestans in den
Kartoffeln nicht beobachtet wurde, ſo waren unſre Verſuche beweiſend für
die direkte Wirkung des Kupfers auf die phanerogame Pflanze.
Eine Erklärung der Wirkungsweiſe des Kupfers iſt nicht leicht zu geben. 4
Schon Rumm kam zu der Überzeugung, daß es ſich dabei um eine chemo— 14
taktiſche Reizwirkung auf die Pflanze handeln müſſe. Es iſt nämlich Rum m
nicht gelungen nachzuweiſen, daß Kupfer ins Innere der ſo beſpritzten Wein—
blätter eindringt; auch wir haben unter Benutzung empfindlicher Methoden
kein Kupfer im Innern der damit beſpritzten Kartoffelblätter finden können.
Nun iſt ja aber auch in der Bordelaiſer Brühe keine lösliche Kupferverbin-
dung vorhanden, weil ſich unlösliches blaues Kupferhydroxyd und Gips
bilden, wenn man Kalk mit Kupferſulfatlöſung zuſammenmiſcht. Darum
iſt auch bei dieſem Mittel die ätzende Wirkung, welche das Kupferſulfat
leicht auf die Pflanze ausübt, ausgeſchloſſen, während in dem Sulfoſteatit
das Kupferſulfat als ſolches vorhanden iſt und zur Wirkung kommt. Wir
konnten konſtatieren, daß von einer Kupfervitriol-Kalkbrühe, durch welche
die Sporen verſchiedener Pilze prompt getötet wurden, die abfiltrierte Flüſſig—
keit chemiſch kein gelöſtes Kupfer nachweiſen ließ, aber auch für die nämlichen
Pilzſporen durchaus unſchädlich war. Die Wirkung des Kupfers auf die
Pflanze beruht hiernach hauptſächlich auf dem Porhandenſein einer unge
löſten Kupferverbindung. Die Erſcheinung dürfte am nächſten verwandt
fein mit derjenigen, welche Nägelid) oligodynamiſche Wirkung genannt hat.
Man beobachtet dieſelbe an der Alge Spirogyra, wenn ſie in Gläſern mit
Waſſer ſich befindet, in welchem eine Kupfermünze liegt, und ſelbſt dann,
| wenn vorher eine ſolche Münze darin gelegen hatte. Nägeli erklärt die
| 1) Berichte d. deutſch. bot. Gef. 13. Februar und 27. Juli 1893.
2) Vergl. daſelbſt 20. Januar 1894.
3) Denkſchr. d. Schweizer. naturf. Gef. 1893, ref. in Bot. Zeitg. 1893, Nr. 22.
B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stoffe 323
Erſcheinung ſo, daß eine Bewegung von Kupferteilchen nach der Glaswand
hin ſtattfindet, wo dieſelben hängen bleiben, aber auch wieder ſich loslöſen
und auch an die Oberflächen andrer Körper, die ſich in der Flüſſigkeit
befinden, alſo der Algenzellen, ſich hinbewegen können. Zugleich würden
wir hiermit die ſehr ungleiche Empfindlichkeit der Pflanzenzellen gegen den
Kupferreiz erkennen. Spirogyra würde den höchſten Grad der Empfindlich—
keit darſtellen, welcher ſich ſogleich in einer tödlichen Wirkung äußert. Auch
andre Kryptogamen, jedenfalls viele Pilzſporen, ſind in dem Grade emfind—
lich, daß ſich tödliche Wirkung einſtellt, obgleich, wie ich an Ustilago Carbo
konſtatierte, die Berührung mit metalliſchem Kupfer hier noch nicht tödlich
iſt. Zu einer vorteilhaften, die Lebensthätigkeiten ſtimulierenden Beeinfluſſung
würde die Wirkung bei den Phanerogamen, oder wenigſtens bei manchen
derſelben abgeſchwächt ſein.
6. Bleiſalze, wenn ſie einigermaßen reichlich den Wurzeln geboten
werden, wirken tödlich auf die Pflanzen. Doch konnten an einer Fichte,
in deren Boden ¼000 Bleioxyd enthalten war, und die eine geringe Menge
davon in die Zweige aufgenommen hatte, keine üblen Folgen bemerkt
wurden. Nobbe, Bäßler und Will!) ſahen bei Verſuchen mit Erbſen,
Hafer ꝛc., wenn der Nährſtofflöſung 1 Prozent Blei zugeſetzt worden war,
den Tod der Pflanzen nach 41 Tagen eintreten. Bedeutend geringere Zu—
ſätze zeigten auch entſprechend ſchwächere Wirkung; die Pflanzen waren dann
manchmal von nicht vergifteten nicht zu unterſcheiden, in andern Fällen
ergab ſich aber doch eine geringere Maſſenproduktion; freilich hatte ſich aber
auch das Bleinitrat in der Löſung in unlösliches Bleiſulfat umgeſetzt.
7. Zinkſalze ſind für die Pflanzen ungleich giftiger als Bleiſalze,
denn Nobbe, Bäßler und Will (J. c.) ſahen hier ſchon nach 3 Tagen
dieſelben Pflanzenarten ſterben, wenn 1 Prozent Zink in Form von Zink—
nitrat den Nährſtofflöſungen zugeſetzt worden war. Darum ſind denn auch
die Abflußwäſſer aus Zinkblendegruben, in denen Zinkvitriol gelöſt iſt, den
Pflanzen ſehr ſchädlich. Nach König?) zeigt ſich auf Wieſen, die ſo be—
wäſſert werden, deutlich ein Rückgang der Vegetation, allerdings erſt nach
einer Reihe von Jahren, wenn ſich das im Waſſer in ſehr geringer Menge
enthaltene Zink ſtärker angehäuft hat. Nach demſelben Beobachter geht die
Vegetation da, wo Zinkerze zufällig verſchüttet wurden, ein; dabei enthielten
die Gräſer, und die verkümmerten Buchen- und Ahornſträucher bis 2,78 Pro—
zent Zink in ihrer Aſche; nur die von dieſem Schriftſteller „weiße Erzblume“
genannte Pflanze erſchien noch auf ſolchen Bodenſtellen, obgleich ſie
11 bis 15 Prozent Zinkoxyd in ihrer Aſche enthalten haben ſoll. Daß ein
gewiſſer Zinkgehalt im Erdboden von den Pflanzen vertragen wird, beweiſen
die auf Galmeiboden wachſenden Pflanzen, wo Viola lutea und Thlaspi
alpestre in einer beſonderen Form wachſen, die als varietas calaminaria
beſchrieben wird. Eingehender iſt die Zinkvergiftung der Pflanzen von
Baumann) ſtudiert worden. Danach iſt bei Anwendung von Zinkvitriol
) Landwirtſch. Verſuchsſtationen XXX., Heft 5 u. 6.
) Biedermann's Centralbl. 1879, pag. 564.
9 Das Verhalten von Zinkſalzen gegen Pflanzen und im Boden. Land—
wirtſch. Verſuchsſtationen XXXL. Heft 1, 1884.
*
Bleiſalze.
Zinkſalze.
324 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
in gelöſter Form 1 Prozent Zink für manche Pflanzen noch unſchädlich,
auch Coniferen vertragen noch dieſe Menge, während Angioſpermen ſchon
zu Grunde gingen, wenn 5 mg Zink im Liter enthalten waren. Die Zink—
vergiftung macht ſich kenntlich dadurch, daß auf den Blättern kleine Flecken
von metallglänzender oder roſtgelber Farbe erſcheinen, die ſich zuletzt über
die ganze Blattfläche ausbreiten. Bei Ausſchluß des Lichtes ſollen jedoch
die Keimpflanzen durch Zinklöſungen nicht beſchädigt werden; das gleiche
iſt auch bei Pilzvegetationen der Fall.
Eiſenſalze. 8. Eiſenſalze. Wiewohl das Eiſen zu den Nährjtoffen der Pflanze
gehört, ſo ſind doch einigermaßen größere Mengen von Eiſenſalzen ſchäd—
lich. Beſonders gilt dies von den Eiſenoxydulſalzen, wie ſchwefelſaures,
kohlenſaures Eiſenoxydul ꝛc. Wenn ſolche im Boden entſtehen, jo oxydieren
ſie ſich zwar an der Luft leicht zu Eiſenoxydhydrat, welches die bekannten
roſtfarbenen Schlammmaſſen bildet. Dieſe ſelbſt ſind weniger ſchädlich,
aber bei mangelndem Luftzutritt und bei Gegenwart ſauerſtoffbegieriger
organischer Subſtanzen werden ſie leicht wieder zu dem giftigen Drydul.
Neſſler) fand das Eiſenvitriol ſchon in 0,05 prozentiger Löſung nachteilig
für die Keimung ſowie für das Wachstum; ein Zuſatz von 0,25 gr Eiſen—
vitriol zu 1700 Liter Erde zeigte ſchädlichen Einfluß, gleichgültig ab Ammoniak
zugeſetzt wurde oder nicht. Da das Eiſenvitriol vielfach als Desinfektions-
mittel angewendet wird, ſo iſt die Gefahr einer gelegentlichen Vergiftung
der Pflanzen durch ſolches naheliegend.
Bei der Moorkultur treten nach Fleiſcher?) nicht ſelten die ſchädlichen
Wirkungen der ſowohl im Moorboden als auch im Untergrundſande ent— |
haltenen Schwefelkieſe auf die Pflanzen hervor. Das Schwefeleifen oxydiert |
ſich nämlich an der Luft und das entſtehende ſchwefelſaure Eiſenoxydul und
die freie Schwefelſäure vergiften die Pflanzen, wenn nicht ausreichend
Alkalien oder alkaliſche Erden vorhanden ſind, um die Säure zu binden.
Die einzigen Pflanzen, die auf ſolchen ſterilen Stellen der Moordämme bis—
weilen noch vorkommen, ſind Equiſetum-Arten. Das beſte Mittel zur
Beſeitigung dieſer Übelſtände iſt der gebrannte und der kohlenſaure Kalk,
zugleich mit guter Entwäſſerung.
Lithiumſalze. 9. Lithiumſalze. Wenn Pflanzen in Nährſtofflöſungen kultiviert
werden, denen in einigermaßen beträchtlicher Menge ein Lithiumſalz zugeſetzt 1
worden iſt, jo treten nach Nobbe?) intenſive Symptome akuter Vergiftung 9
ein. Bei Buchweizen zeigten ſich dieſelben ſchon bei der Keimung: ohne '
daß die geringſte meßbare Aſſimilation ſtattgefunden hatte, trat frühzeitiger
Tod ein, wobei auf den Blattflächen und deren Rändern fahle, ſpäter ein-
trocknende Flecken ſich zeigten, ähnlich denen, welche ſchweflige Säure in
Waſſertropfen gelöſt auf den Blättern hervorbringt. Gaunersdorfer)
hat das beſtätigt und gezeigt, daß das Lithium mit dem Tranſpirations⸗
ſtrom nach aufwärts geſchafft und größtenteils in den Blättern abgelagert
wird, mit denen es ſpäter aus der Pflanze ausgeſchieden wird.
Schwefelmetalle. 10. Schwefelmetalle. Dieſe ſind ſämtlich wegen ihrer ſtark redu-
zierenden Wirkung als ſehr ſchädliche Stoffe für die Pflanzen zu betrachten
) Centralbl. f. Agrikulturchemie 1877, II.; pag. 125.
2) Landwirtſch. Jahrbücher 1886, pag. 47.
3) Landwirtſch. Verſuchsſtationen XIII. 1871, pag. 374.
) Landwirtſch. Verſuchsſtationen 1887, pag. 171.
—
B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stoffe 325
Vom Calciumſulfid haben dies Fithbogen, Schiller und Förſter y
durch Verſuche dargethan. Bezüglich des Schwefeleiſens vergleiche man das
unter Eiſenſalzen Geſagte. E
11. Chlormetalle. In kleinen Mengen find die Chloride, wie Chlor:
kalium, Chlornatrium, Chlorcalcium, wichtige Nährſtoffe, weil ja das Chlor
zu den notwendigen Nährelementen gezählt werden muß, und Chlorkalium
iſt ſogar ein Düngemittel, um der Pflanze Kali zu geben; auch ſind ja in
den wichtigen Staßfurter Düngeſalzen Chlorverbindungen vorhanden.
Grade deshalb darf man nicht vergeſſen, daß den Pflanzen mit wenigen
Ausnahmen einigermaßen größere Mengen von Chlormetallen giftig ſind,
ſo daß alſo ein Zuviel von jenen Düngemitteln leicht ſchädlich werden
kann. Auch unter gewiſſen andern Umſtänden kommen Beſchädigungen der
Vegetation durch Chlornatrium vor. Eine Ausnahmeſtellung nehmen in
dieſer Beziehung die eigentlichen Salzpflanzen ein, d. h. die beſonderen
Pflanzenarten, welche nur am Meeresſtrande und an den Ufern der Salz—
ſeen wachſen, alſo in ihrem Vorkommen an das Chlornatrium gebunden
ſind. Für ſie iſt ſogar eine konzentrierte Kochſalzlöſung unſchädlich, denn
an ihrem Standort iſt der Boden oft von auskryſtalliſiertem Kochſalz über—
zogen. Batalin) hat dies beſtätigt, indem er Salsola-Arten kultivierte
unter Begießen mit faſt geſättigter Kochſalzlöſung, was dieſen Pflanzen
nichts ſchadete. Alle Nicht-Salzpflanzen ſind aber gegen Kochſalz ſehr em—
pfindlich. Nach Nepler?) wirkt dasſelbe entſchieden ſchädlich auf Keimung
und Wachstum. An Raps⸗, Klee- und Hanſſaaten zeigte ſich die nachteilige
Wirkung ſchon bei einer Konzentration von 0,5 Prozent, am Weizen bei
1 Prozent. Eine konzentrierte Löſung auf Blätter äußerlich aufgetropft
hat eine intenſiv ſchädliche Wirkung. Ich brachte ſolche Tropfen auf junge
Blätter von Acer platanoides und erwachjene Blätter von Primula offiei-
nalis; nach einer Stunde hatten die betropften Stellen ein mißfarbiges,
durchſcheinendes, welkes Ausſehen bekommen; ſie waren getötet. Später,
als die Verſuchsblätter des Ahorn erwachſen waren, zeigten ſie immer noch
die getöteten Stellen, um die ſich die Blattmaſſe faltig zuſammengezogen
hatte, weil ſie noch im Flächenwachstum fortfuhr, aber durch die angrenzen—
den toten Partien in der Ausbreitung gehindert wurde. Auf völlig er—
wachſene, alſo härtere Ahornblätter getupft hinterließ dagegen dieſelbe Koch—
ſalzlöſung keine wahrnehmbare Beſchädigung. Eine konzentrierte Salpeter—
löſung brachte dagegen weder auf jungen noch auf alten Blättern von
Acer platanoides, Primula, Sempervivum und Gräſern eine ſchädliche Wir—
kung hervor. Ich habe mit jenen Verſuchen bewieſen, daß die Beſchädi—
gungen der Pflanzen durch Seewinde an den Meeresküſten vom
Chlornatriumgehalt des durch den Sturm mitgeführten Seewaſſers herrühren
müſſen. Es iſt am Seeſtrande eine gewöhnliche Erſcheinung, die man z. B.
an der Oſtſee, auf Rügen 2c. beobachtet, daß an den dem Meere zugekehrten
Waldrändern die Blätter der Bäume ſowie der niedrigeren Pflanzen über—
ſäet ſind mit zahlloſen kleinen ſchwarzen oder braunen toten Spritzfleckchen, deren
Entſtehung nur auf die angedeutete Weiſe zu erklären iſt. Schon Focke)
) Landwirtſch. Jahrbücher XIII. 1884, Heft 4 u. 5.
2) Regels Gartenflora, 1876, pag. 136.
3) Centralbl. f. Agrikulturchemie 1877, II., pag. 318.
) Abhandl. d. naturw. Ver. zu Bremen II. 1871, pag. 412, u. III. 1872.
Chlormetalle.
Bromkalium.
Jodkalium.
Borſäureſalze.
326 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
hatte die Vermutung ausgeſprochen, daß an den Beſchädigungen der Holz—
pflanzen in den deutiſchen Küſtenprovinzen neben der mechaniſchen Gewalt
des Sturzes auch der Salzgehalt der Seewinde ſchuld ſei. Noch ſtärkere
Beſchädigung iſt zu erwarten, wenn die hinter den Dünen gelegenen Be—
ſtände durch Springfluten überflutet werden. Das haben die Verſuche von
R. Hartig und Schützey beſtätigt. Es wurden Saat- und Pflanzbeete
der Kiefer, Fichte, Akazie und Rotbuche einmal mit einem Quantum von
14 Liter Kochſalzlöſung auf 1 qm Bodenfläche begoſſen. Es ſtarben die
1 und 35jährigen Fichten ſowohl durch Oſtſeewaſſer (2,7 Prozent Kochſalz)
als auch durch Nordſeewaſſer 3,47 Prozent), 6 jährige Fichten nur durch
Nordſeewaſſer. Einjährige Akazien ſtarben größtenteils auch durch Oſtſee—
waſſer, dreißigjährige Rotbuchen bekamen nur abgeſtorbene Blattſpitzen.
Ferner kommen Vergiftungen der Pflanzen vor durch Soolleitungen,
ſobald durch Undichtigkeit derſelben in den umgebenden Boden Kochſalz—
löſung ſickert. Die hierbei eintretenden Vergiftungen ſind von Andrée?)
beſchrieben worden. Danach erkrankten am ſtärkſten die Tiefwurzler und
am ſchnellſten die Pflanzen mit großem Waſſerbedürfnis. Die Pflanzen
ſollen das Salz auf den Blättern ausgeſchieden haben, und zwar ſo reichlich,
daß der Salzgeſchmack durch die Zunge nachweisbar war. Vergiftungen
treten auch durch Zechen- und Salinenabflußwäſſer ein. Um zu
prüfen, ob bei dieſen Beſchädigungen das Chlornatrium die Urſache iſt,
und welche Wirkungen dasſelbe auf Boden und Pflanzen hervorbringt, ſind
von Storp?) Unterſuchungen angeſtellt worden. Danach wurden Fichten,
die in Töpfen kultiviert wurden, rotſpitzig und verloren die Blätter, wenn
die Konzentration der zum Begießen benutzten Löſung von Kochſalz bis zu
0,6 gr auf 1 Liter erhöht wurde. Es wurde ferner feſtgeſtellt, daß dem
Erdboden durch eine andauernde Kochſalzberieſelung, auch bei ſehr geringem
Salzgehalt, Pflanzennährſtoffe entzogen werden. Als franzöſiſches Ray- und
Timothegras in einem Boden, der vorher mit Kochſalzlöſungen ausgewaſchen
worden war, eingeſäet wurde, ſo ergab die Ernte um ſo ſchlechtere Reſultate
und ein um ſo geringeres Quantum wertvoller Pflanzenbeſtandteile, beſonders
von Phosphorſäure, Schwefelſäure und Proteinſtoffen, je konzentrierter die
Auslaugungsflüſſigkeit geweſen war, welches Reſultat jedoch möglicherweiſe
von im Boden zurückgebliebenem Kochſalz herrühren kann.
12. Bromkalium wird nach Knop) von den Pflanzen in kleinen
Mengen ertragen; dieſelben entwickeln ſich dabei teils ziemlich normal, teils
bekommen ſie ein krankes Ausſehen, bleiben klein und dürftig.
13. Jodkalium iſt nach Knop) für die Pflanzen ſchädlicher, weil
es ſich leicht zerſetzt unter Ausſcheidung von Jod; die Pflanzen blieben
dabei kümmerlich und waren nach wenig Wochen abgeſtorben.
14. Borſäureſalze. Nach Peligots) hat borſaures Kali, in ſehr
verdünnter Löſung mit den Wurzeln von Bohnen in Berührung gebracht,
ein Gelbwerden der Blätter und endlich Eingehen der Pflanzen zur Folge.
1) Lehrbuch der Baumkrankheiten. 2. Aufl. 1889, pag. 250.
2) Berichte d. deutſch. bot. Geſ. 1885, pag. 313.
3) Landwirtſchaftl. Jahrbücher 1883, pag. 811.
5) Berichte d. kgl. ſächſ. Geſellſch. d. Wiſſ., 6. Februar 1869.
») Compt. rend. 1876, T. 83, pag. 686 ff.
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4
B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stoffe 327
15. Die Cyan verbindungen wirken alle auch auf die Pflanzen
giftig. Beſonders iſt dies von der Blauſäure ſchon von Göppert)
feſtgeſtellt worden. Dieſelbe verhindert die Keimung vollſtändig. Wird ſie
von vegetierenden Pflanzen aufgenommen, ſo ändern dieſe oft ihre Farbe
in Gelb oder Braun, Stengel und Blattſtiele werden ſchlaff und die Pflanze
geht in ein bis drei Tagen zu Grunde; man findet nach Göppert in ſolchen
Pflanzen Blauſäure in den Gefäßen des Holzes, die dadurch gebräunt ſind,
und die Parenchymzellen ſind nicht mehr turgeszent. Blutlaugenſalz
konnte bei den Verſuchen Knop's (J. c.) zwar das der Pflanze zum Er—
grünen nötige Eiſen liefern, aber in allen Nährſtofflöſungen, denen dieſes
Salz in kleinen Mengen zugeſetzt worden war, gleichgültig ob daneben noch
phosphorſaures Eifenoryd vorhanden war oder nicht, blieben Maispflanzen
auf dem bis dahin erreichten Punkte des Wachstums ſtehen und kamen
keinen Schritt weiter, welche Höhe ſie auch vor dem Zuſatze des Giftes
(10 bis 80 em) hatten; ſie erhielten ſich aber gleichwohl bis zum Herbſt
am Leben, wo ſie ihr natürliches Ende erreichten. Bei ſtärkeren Gaben
machte ſich der ſchädliche Einfluß dadurch geltend, daß die Blätter vorzeitig,
mit den unteren beginnend, von den Spitzen an zu vertrocknen und einen
roſtfarbenen Ton anzunehmen anfingen. Das Blutlaugenſalz wurde aber
von der unverletzten Pflanze nicht unzerſetzt aufgenommen, wie ſchon der
Niederſchlag von Berlinerblau auf den Wurzeln bewies; nur in der Nähe
kleiner Wundſtellen der Wurzeln ließ es ſich im Gewebe als ſolches nach—
weiſen.
16. Die Rhodan verbindungen gehören ebenfalls zu den Giften.
Krauch?) ſah Gerſtenpflanzen in Waſſerkultur, zu welcher ein Zuſatz von
0,1 gr Rhodanammon pro Liter gegeben worden war, allmählich abſterben.
Nach dem Genannten finden ſich in den bei der Darſtellung des Leuchtgaſes
auftretenden Produkten, dem Gaskalk und dem Gaſometerwaſſer, thatſächlich
Rhodanverbindungen, desgl. Cyanverbindungen, Schwefelkalium, Schwefel—
ammon, ſchwefligſaure und unterſchwefligſaure Salze, was alſo die Giftigkeit
dieſer Nebenprodukte erklärt.
17. Die Beſchädigung der Vegetation durch den Aſchenregen bei
vulkaniſchen Ausbrüchen beruhen ebenfalls auf der Einwirkung giftiger
Stoffe, die jedoch im einzelnen nicht näher bekannt ſind. Die hierbei zu
beobachtenden Erſcheinungen ſind bei Gelegenheit eines Ausbruchs des
Veſuvs von Pasquale) beſchrieben worden. Im botaniſchen Garten und
in den Villen nahe von Neapel in einer Entfernung von mehr als 10 km
vom Krater wurden durch den Aſchenregen die grünen Pflanzenteile allgemein
braun, ſo daß die Wirkung einer Verbrennung oder Vertrocknung, nicht der—
jenigen des kochenden Waſſers glich; Succulenten und Pflanzen mit leder—
artigen Blättern litten weniger. Die roten oder violetten Blütenfarben von
Papaver, Rosa, Gladiolus verwandelten ſich in Blau, was eine alkaliſche
Einwirkung anzeigt; die von Viola tricolor, Convolvulus, Digitalis blieben
unverändert. Weder mechaniſche Effekte noch ſolche erhöhter Temperatur
konnten am Beobachtungsorte gefunden werden. Ohne Zweifel hat es ſich
) De acidi hydroeyaniei vi in plantas. Breslau 1827.
2) Botan. Centralbl., XII. 1882, pag. 130. 5
3) Referat in Botan. Zeitg. 1872, pag. 729.
Cyan⸗
verbindungen.
Rhodan⸗
verbindungen.
Vulkaniſcher
Aſchenregen.
Schmierſeife,
Amylalkohol.
Karbolſäure.
328 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
um chemiſche Wirkungen der Beſtandteile der vulkaniſchen Aſche gehandelt;
Pasquale ſieht das reichlich gefallene Kochſalz für die Urſache an (vergl.
das oben über Kochſalz Geſagte). Vielleicht war zum Teil auch freie Salz—
ſäure in der Aſche vorhanden, deren kräftige Wirkung in den gasförmigen
Exhalationen (ſ. pag. 318) konſtatiert iſt. Auch ſoll der Schlamm vulkaniſcher
Aſche, welcher durch Regengüſſe niedergeführt wird, bisweilen mit freier
Säure verquickt ſein und dann verheerend auf die Vegetation wirken.
B. Organiſche Verbindungen.
1. Schmierſeife und Amylalkohol. Die ſogenannten Neßler'ſchen
Rezepte zur Vertilgung ſchädlicher Inſekten ſind den Pflanzen ſelbſt ſehr
gefährlich. Es giebt drei ſolcher Präparate: a) 40 gr Schmierſeife, 60 gr
Tabakextrakt, 50 gr Amylalkohol, 200 gr Spiritus auf 1 Liter Waſſer,
b) 30 gr Schmierſeife, 2 gr Schwefelkalium, 32 gr Amylalkohol auf 1 Liter
Waſſer, e) 15 gr Schmierſeife, 29 gr Schwefelkalium auf 1 Liter Waſſer.
Nach E. Fleiſcher) töten dieſelben zwar Blattläuſe, find aber ſämtlich für
alle geprüften Pflanzen tödlich oder doch wenigſtens ſehr ſchädlich; dasſelbe
gilt auch von Schmierſeife allein, welche ſchon in 1,32 prozentiger Löſung
Blätter und jüngere Triebe tötet, in 0,66 prozentiger Löſung aber unſchäd—
lich iſt, jedoch auch für Blattläuſe.
2. Karbolſäure. Da dieſe gegenwärtig ein vielgebrauchtes Des—
infektionsmittel und ſogar zur Vertilgung pflanzenſchädlicher Paraſiten
vorgeſchlagen worden iſt, ſo hat die Frage nach ihrer Giftwirkung auf die
Pflanzen beſonderes Intereſſe. Dasſelbe gilt auch von verſchiedenen andern
neuerdings zur Bekämpfung ſchädlicher Inſekten empfohlenen Präparaten,
in denen Karbolſäure der weſentlich wirkende Beſtandteil iſt, wie das
Amylokarbol. Dieſes beſteht aus 150 gr Schmierſeife, 160 gr reinem
Fuſelöl, 9 gr hundertprocentiger Karbolſäure. Es iſt erwieſen, daß Karbol-
ſäure und alle Präparate, in denen ſolche vorhanden iſt, auf alle Pflanzen
ſehr giftig wirken. Nach Neßler? iſt Karbolſäure für Keimpflanzen töd—
lich, wenn dieſelben mit Waſſer begoſſen werden, welches 0,5 oder auch nur
0,35 gr davon auf 100 cem Waſſer enthält; und wenn der Boden, in
welchem die Keimpflanzen wurzeln, mehr als 0,1 gr Karbolſäure auf 1700 gr
Erde enthält, ſo hat dies ebenfalls tödliche Wirkung; bei größerer Feuchtig—
keit und bei geringerer Beleuchtung ſollen noch 0,5 1 ohne Schaden ertragen
werden. Die giftige Wirkung der Karbolſäure hat ſich bisweilen auch bei
der Champignonkultur gezeigt; manche Kulturen erwieſen ſich vollſtändig
zerſtört und die Erklärung dafür wurde darin gefunden, daß in den Ställen,
aus welchen der Pferdedung entnommen war, Karbolſäure zur Desinfection
angewendet worden war. Von den karbolſäurehaltigen Präparaten iſt das
Sapokarbol, eine Verſeifung der Karbolſäure, nach Fleiſcher (I. c.) zwar
in 2½ prozentiger Löſung für junge Triebe und ältere Blätter des Apfel- und
Pflaumenbaumes und des Weinſtocks ſchädlich, aber nicht in 1 prozentiger
Löſung, welche zur Tötung von Blatt- und Blutläuſen hinreicht.
Das zur Erhaltung der Baum- und Weinpfähle und andern Holz⸗
werkes empfohlene Carbolineum iſt nicht ohne Gefahr für die Pflanzen.
) Zeitſchrift f. Pflanzenkrankheiten. 1. Band 1891, pag. 325.
2) Centralblatt f. Agrikulturchemie 1877, pag. 188.
5 ren Eee
B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stoffe 329
An einem damit imprägnierten Spalier, in einem damit geſtrichenen Miſt—
beetkaſten und ebenſo behandelten Gewächshaus bekamen die Pflanzen
Brandflecken oder wurden ganz verbrannt). Auch an Reben und Pfirſichen,
deren Pfähle und Spaliere mit dieſem Mittel geſtrichen waren, hat man
dieſe Beſchädigungen bemerkt?).
3. Das Antinonnin, ein hauptſächlich gegen die Nonne und auch Antinonnin.
gegen andre Inſekten empfohlenes Mittel, iſt das Kaliumſalz des Ortho—
dinitrokreſols. Nach den Angaben der Fabrikanten ſollen gegen Löſungen
von 1:750 bis 1: 1000 die Forſtpflanzen nahezu unempfindlich fein,
während die Nonnenraupen dadurch getötet werden, und Blattläuſe ſoll man
durch Löſungen von 1:500 töten können. Ich ſah jedoch, daß an Kirſch—
baumzweigen nach Behandlung mit der letzteren Verdünnung die Blätter
abgeſtorben waren und wie verbrannt ausſahen; die Läuſe waren dabei
größtenteils, doch auch nicht alle getötet.
4. Atheriſche Oele, nicht nur als ſolche, ſondern auch ſchon in Atheriſche Ole.
Waſſer gelöſt oder ſuspendiert, wirken, wenn ſie den Wurzeln der Pflanzen
dargeboten werden, raſch tödlich. Insbeſondere gilt dies vom Petroleum,
welches ja neuerdings beſonders bei der Bekämpfung der Reblaus An—
wendung findet. Ein mit Petroleum getränkter Erdboden verliert alle
Vegetationz da indes doch das Petroleum ziemlich flüchtig iſt, ſo geht es,
beſonders unter der freien Einwirkung von Luft und Sonne, nach verhält—
nismäßig kurzer Zeit wieder verloren und der Boden bedeckt ſich ſchon im
Nachjahre wieder mit Vegetation, und zwar, wie mir zuverläſſige Beob—
achter verſichern, üppiger als vorher. Als Mittel, um ſchädliche Inſekten im
Erdboden von den Samen abzuhalten, hat man empfohlen, die Maiskörner
in Petroleum einzubeizen; nach Wilhelms) wird dadurch das Keimungs—
prozent der Körner etwas herabgedrückt und auch die Entwickelung der
Pflanze ungleichmäßiger; aber bei einer Beizdauer von 16 bis 24 Stunden
immerhin nur unbedeutend.
Auch durch Theer ſollen nach Sujt*), ſelbſt wenn der Boden ſtark
damit imprägniert iſt, Gemüſepflanzen, wie Bohnen, Kraut, weiße Rüben
und Kartoffeln, nicht leiden, ſondern üppig gedeihen.
Asphaltd ämpfe ſollen nach Alten und Jänickes) bei Gelegen—
heit der Asphaltierung einer Straße in einer benachbarten Roſengärtnerei
die Blätter der Roſen und Erdbeeren beſchädigt haben. Nur die nach oben
freiliegenden Blattſeiten bräunten ſich, ſchrumpften und fielen ab. Die
Zweige ſtarben ab oder trieben neue Zweige. Nicht alle Sorten wurden
beſchädigt. Die Bräunung beruhte darauf, daß der Inhalt der Epidermis—
zellen in eine braune, körnige Maſſe ſich verwandelte. Es ſtellte ſich heraus,
daß die Bräunung mit dem Gerbſtoff der Zellen zuſammenhing; dieſelbe
ließ ſich auch künſtlich erzeugen, wenn man die Blätter mit Waſſer benetzte,
in welches Dämpfe von Asphalt geleitet worden waren, der der trockenen
Deſtillation unterworfen wurde. Es wird daher vermutet, daß Regen die
) Vergl Juſt. Botan. Jahresber. f. 1889 II., pag. 188.
2) Zeitſchrift f. Pflanzenkrankheiten II. Band, 1892, pag. 315.
3) Diterr. Landw. Wochenblatt 1888, Nr. 9.
) Erſter Bericht über d. Thätigkeit d. Großh. bad. Pflanzenphyſiol.
Verſuchsanſtalt zu Karlsruhe im Jahre 1884.
5) Botan. Zeit. 1891, Nr. 12, u. pag. 649.
330 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe
Daͤmpfe abſorbiert habe und daß das mit den Asphaltdämpfen mitge—
riſſene Eiſen die Bräunungen der Zellen bedingte.
Verſchiedene Theerprodukte find neuerdings fabriciert und zunächſt
zur Desinfektion und antiſeptiſchen Wundbehandlung, demnächſt auch als
Gegenmittel gegen ſchädliche Inſekten empfohlen worden, haben ſich aber
doch als ſtarke Gifte für Pflanzen erwieſen. Das Pinoſol, welches in
Waſſer unlöslich iſt, aber eine gleichmäßige Emulſion damit giebt, iſt nach
E. Fleiſcher (J. c.) für Blätter und junge Triebe von Apfel- und Pflaumen—
baum, Roſen und Weinſtock in 5 prozentiger Löſung ſehr ſchädlich, in ſchwäche—
rer Löſung aber auch für Inſekten nicht ſicher wirkſam. Für das Creolin
gilt nach demſelben Autor das gleiche in etwa 1 bis 2 prozentiger Löſung.
Das Lyſol, eine Löſung von Kohlenwaſſerſtoffölen und Phenolen in Seife, iſt
in Waſſer vollkommen löslich, ſoll nach E. Fleiſcher in ½ prozentiger Löſung
Blattlaͤuſe töten, ohne den Pflanzen merklich zu ſchaden; in ſtärkerer Löſung
beſchädigt es jedoch die Pflanzen und iſt in 3prozentiger Löſung für die—
ſelben ſicher tödlich. Die Giftigkeit des Lyſols für Pflanzen iſt von Otto!)
genauer unterſucht worden. Derſelbe prüfte erſtens die Wirkungen deſſelben
im Boden auf die Pflanzen, weil bei der Verwendung des Lyſols als Des—
infektionsmittel die Gefahr einer Vergiftung des Bodens vorliegt, und fand,
daß wenn auf 8 Liter Boden 2 Liter einer 5 prozentigen wäſſerigen Lyſol—
Löſung gegoſſen wird, Phaseolus vulgaris, Zea mais, Triticum vulgare,
Avena sativa nicht mehr auf ſolchem Boden zur Entwickelung kamen, meiſt
nicht einmal Keimung, ſondern Verfaulen der Samen eintrat. Wenn
Pflanzen, die in Waſſerkulturen gezogen und gut entwickelt waren, mit den |
Wurzeln in Lyſol-Löſungen, welche nicht alkaliſch reagierten, eingeſetzt wurden, 6
jo brachte ſchon eine 0,01] prozentige Lyſol-Löſung Abſterben der Wurzelu
und Welk- und Gelbwerden der Blätter hervor. Otto ſah ferner nach Be—
ſpritzen einer von Blattläuſen befallenen Dracaena rubra mit ½ prozenti⸗
ger Lyſol-Löſung Tiere und Pflanzen unverſehrt, bei Anwendung einer ½ 5
prozentigen Löſung zwar die Läuſe verſchwunden, aber auch die Pflanze Ei
durch Braunſtreifigwerden der Blätter beſchädigt. Die auf Vieia faba
ſitzenden ſchwarzen Blattläuſe wurden ſogar durch Bebrauſen mit einer ½
prozentigen Löſung nicht getötet; nach Anwendung einer 2 prozentigen Löſung
ſtarben allerdings die meiſten Läuſe, aber auch die Pflanzen zeigten ſich da—
durch im höchſten Grade beſchädigt, indem die Blattränder, die Neben-
blätter und die Blüten wie verbrannt ausſahen und die Pflanzen eingingen.
Ebenfalls giftig auf die Pflanzenwelt wirkt nach Göppert der
Kampfer. Die Keimung ſowohl der Samen der Phanerogamen wie der
Sporen der Kryptogamen wird in einer Löſung von Kampfer in Waſſer
verhindert. Die gegenteiligen Angaben, nach denen namentlich alte Samen
ihre Keimkraft durch Kampfer wieder erhalten ſollen, ſind außer durch die
oben citierten Unterſuchungen von Conwentz beſonders durch Wilhelm?)
widerlegt worden, welcher fand, daß zwölfjährige Körner verſchiedener
Getreidearten weder beim Einweichen in Waſſer noch in Kampferlöſung
zum Keimen zu bringen waren und daß ſowohl von ſechsjährigen als auch
1) Zeitſchrift f. Pflanzenkrankheiten. UI. Band 1892, pag. 70 und 198.
2) Über die Einwirkung des Kampfers auf die Keimkraft der Samen.
Referat in Juſt, Bot. Jahresbericht f. 1876, pag. 884. Vergl. auch Burger⸗
ſtein, Landw. Verſuchsſtationen, 1888, pag. 1.
B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stoffe 331
von ganz friſchen Körnern die vor der Keimung in Kampferlöſung eingeweichten
eine Verzögerung der Keimung ſowie eine ſchwächere Entwickelung der
Keimpflanzen als ſchädliche Nachwirkung zeigten. Dagegen werden nach
Burgerſtein) welke Sproſſe in Kampferwaſſer (in der Verdünnung von
1: 1000) früher turgescent als in deſtilliertem Waſſer; erſt bei längerem
Aufenthalt der Sproſſe in der Löſung werden die Pflanzen krank.
5. Alkaloide. Die im Pflanzenkörper erzeugten Alkaloide, z. B. Alkaloide.
Morphium, Strychnin ꝛc., ſind den Pflanzen ſelbſt nachteilig, wenn die
letzteren in Löſungen dieſer Verbindungen geſetzt werden; es hat dies ein
raſches Welkwerden und Abſterben der Pflanzen zur Folge. Es iſt hier
auch zu erwähnen, daß Nikotin, nämlich ein Tabaksabſud, der als Blatt—
lausvertilgungsmittel benutzt wird, bei flüchtigem Gebrauch, der allerdings
auch gegen die Inſekten nicht viel hilft, der Pflanze nichts ſchadet, wohl
aber nachteilig auf die Blätter wirken ſoll, wenn er auf denſelben auf—
trocknet, indem er die Epidermiszellen tötet?).
6. Hydroxylamin iſt von Knopz) für höhere Pflanzen und von Hydroxylamin.
Löws) für niedere Organismen als ſtarkes Gift erkannt worden.
7. Pflanzenſäuren. Von freier Oxalſäure iſt es ebenfalls nach- Pflanzenſäuren.
gewieſen, daß Pflanzen raſch abſterben, wenn ſie in eine Löſung derſelben
geſetzt werden.
) Verhandl. d. Zool. Bot. Gef. in Wien 1884.
2) Vergl. Juſt, Botan. Jahresbericht f. 1889. II. pag. 188, und
Fleiſcher J. e.
3) Berichte der Kgl. Sächſ. Geſ. d. Wiſſ. Leipzig 1885.
Botan. Centralbl. 1885, Bd. XXI., pag. 386, u. Bd. XXII.,
pag. 103.
Aale
Abbiſſe 127.
Abblatten 146.
Abfallen der Blätter 26.
Abfrieren der Triebe 202.
Abfrieren der Zweigſpitzen 202.
Abgeſchnittene Pflanzenteile 114; A.
Sproſſe 116.
Abies 48 139, ſ. auch Fichte und
Tanne.
Abmähen 124.
Abnorme Strauchformen 126.
Abnormitäten des Wachstums 160.
Abſprünge 127.
Abſterben bei Dunkelheit 168.
Abweiden 124.
Abwerfen der Blätter 268.
Abwerfen der Früchte 268.
Acacia 57.
Kcacia-Arten, Gummifluß der 57.
Acceſſoriſche Knoſpen 95.
Acer 76 201 325, ſ. auch Ahorn.
Achimenes 116.
Achſelknoſpen 93.
Adonis 184.
Adventivknoſpen 93 99.
Adventivwurzeln 90.
Aecker, Blitzſchlag in 244.
Aesculus 201.
Aeſte, ausfallende 131; A., Kappen der
129; A., tote 131; A., Verluſt der 99.
Aeſtung 128.
Aetheriſche Oele als Gifte 319 329.
Aetiologie 2.
Aetzkalk als Gift 319.
Agaricus 111 199.
Agave 104 229 265. |
Agraphis 225.
Agrostis 162.
Ahorn 176 293 314 316 323, ſ. auch
Acer.
Akazie 318 326, ſ. auch Robinie.
Akklimatiſation 200 219.
Alkalien als Gifte 319. 4
Alkaloide als Gifte 331. 1
Allium 172 185 224 225. ’
Alnus, j. Erle. 1
Alos 229 265. h
Alpenroſen 218.
Ammoniacum 50.
Ammoniak als Gift 317 319; A. als
Nährſtoff 284.
Amphibiſche Pflanzen 246.
Amylalkohol als Gift 328.
Amylokarbol als Gift 328.
Anprällen 140
Antinonnin 329.
Antirhinum 188.
Apfel 118 150 156 215.
Apfelbaum 198 204 207 230 328 330.
Apfeifinenbäume, Gummifluß der 58.
Aprikoſenbaum 51.
Arabiſches Gummi 57.
Arien als Gift 320.
Arſenige Säure als Gift 320.
Arſenſäure als Gift 320.
Arum 225.
Arundo 255.
Asa foetida 50.
Aſchenregen 327.
Aspergillus 302.
Asphaltdämpfe als Gifte 329.
Asphodelus 318.
Regiſter 333
Asphyxie 306.
Aſtbruch 128.
Aſtfäule 107.
Aſthöhlen 130.
Astragalus 57.
Aſtſtumpfe 130.
Atmoſphäriſche Einflüſſe 154.
Atropa 197.
Aucuba 318.
Aufäſten 128.
Aufſpringen fleiſchiger Pflanzenteile 113.
een der Saaten durch den Froſt
00.
Aurantiaceen, Gummifluß der 58.
Ausäſten 128.
Ausbildung der mechaniſchen Gewebe
165.
Ausfallende Aeſte 131.
Ausfaulen der Saaten 259.
Aushöhlung des Blattes 149.
Auslöſungen des Holzkörpers 50.
Ausſaat, Tiefe der 251.
Ausſauern der Saaten 258.
Auswintern 200.
Avena 162 330.
Azaleen 317.
Bäume, Blitzſchlag in 238.
Bäume, Krüppelformen der 235.
Bäume, mehrfache 87.
Bäume, Wurzelfäule der 260.
Balſame 44.
Balſam, kanadiſcher 139.
Bandholz 134.
Baumäſte, Senkung der bei Froſt 187.
Baumerde 108.
Baumgrenze 235;
der 129.
Baumkitt 153.
Baumſchlag 140.
Baumſtämme, hohle 132.
Baumſtamm, Verluſt des 99.
Baumwachs 153.
Bdellium 50.
Bedecken 215.
Begonia 115.
Begoniaceen 115.
Behandlung der Wunden 150.
Behandlung hohler Bäume 153.
Behinderung des Dickenwachstums 22.
Behinderung des Längenwachstums 21.
Beiknoſpen 95.
Bekämpfung der Pflanzenkrankheiten 17.
Bekleidung der Wundfläche 70.
Bellis 309.
Benzosbaum 50.
Beſchädigungen durch Feuer 245.
B., Krüppelbäume
Beſchädigungen durch den Froſt 200.
Beſchädigungen durch Hagel 228.
Beſchädigungen durch Regen 227.
Beſchädigungen durch Sonnenbrand 174.
Beſchädigungen durch Sturm 232.
Beſchneiden der Wurzeln 122.
Beſen 94.
Beta 66.
Betula, ſ. Birke.
Bewegung der Chlorophyllkörner 170.
Bewurzelung der Stecklinge 91.
Bildungsabweichung 1.
Birke 107 110 134 145 234 237 293.
Birnbaum 204 238 239 242.
Birnen 113 118 150.
Bixa 196.
Blatt, Aushöhlung des 149; B., Ver—
krüppelungen des 148.
Blattflecken 201.
Blattminierende Inſekten 149.
Blattſtecklinge 115.
Blattwunden 147.
Blätter, Abwerfen der 268.
Blätter, Abfallen der 26; Braunwerden
der 26; B., Erſatz der 100; B.,
Gelbwerden der 26; B., Schnitt-
wunden der 65; B., Stichwunden der
65 148; B., Verbrennen der 175;
B., Verletzung der 147; B., Verluſt
der 27 146; B., Verſtümmelungen
der 148; B., Vertrocknen der 26.
Blauſäure als Gift 319 327.
Bleichſucht 225 289.
Bleiſalze als Gift 323.
Blitzſchlag in Aecker 244; B. in Bäu⸗
me 238; B. in Weinberge 243; B.
in Wieſen 244.
Blumentöpfe, Pflanzen in 249.
Blumentöpfe, Wurzeln in 21.
Blutlaugenſalz als Gift 327.
Blüten, Verletzung der 149.
Blütenfarben 156. N
Boden, Trockenheit des 262 271 277;
B., Verſumpfung des 261.
Bodeneinflüſſe, Erkrankungen durch 245.
Bodeneis 184.
Bodenoberfläche, Neigung der 250.
Bodenvolumen, ungenügendes 249.
Böden, kruſtierende 255.
Bohnen, 68 119 249 290 320 329 f.
auch Phaseolus.
Borago 179 188 190.
Bordelaiſer Brühe 321.
Borſäure als Gift 326.
Bouilli bordelaise 321.
Bräunungen des Holzkörpers 211.
334 Regiſter
Brand der Holzpflanzen 106 203.
Brassica 66 162 172 197 222 224 316,
ſ. auch Kohl.
Braunwerden der Blätter 26.
Brennflecken 175.
Bromkalium als Gift 326.
Bromus 274 279.
Broussonetia 202.
Bryophyllum 115.
Bryum 60.
Buche 107 111 128 132 145 147 176
231 242 323, ſ. auch Fagus.
Buchweizen 119 285 286 320 324.
Bürſtentriebe 98.
Cacteen 62 229 265.
Cactus 169 196.
Caesalpinia 40.
Calanthe 191.
Calceolaria 179.
Calcium als Nährſtoff 288.
Calciumſulfid als Gift 325.
Calendula 185 188.
Calluna 223.
Callus 59; C. an Stecklingen 68; C.
Heilung durch 63; C. verkorkender 64.
Camellia 317.
Campanula 320.
Campecheholz 40.
Cannabis 162 172.
Canna indica 197.
Capsella 197.
Caragana 78.
Carbolineum als Gift 328.
Cardamine 115.
Carex 255. ‘
Celtis 40.
Ceratophyllum 172.
Ceratostoma 112; C. piliferum 112.
Champignon 159 282 328.
Chara 172.
Chenopodium 197.
Chermes 47.
Chionanthus 118.
Chlamidococcus 218.
en als Gift 318; C. als Nährſtoff
9.
Chlorcalcium als Gift 325.
Chlorkalium als Gifte 325.
Chlormetalle als Gifte 325.
Chlornatrium als Gift 325.
Chlorococcum 302.
Chlorophyllbildung 154.
Chlorophyllkörner, Bewegung der 170;
C., Temperatureinfluß auf 224.
Chlorophylloſe Pflanzen 281.
Chlorosis 225 289.
Chrysanthemum 185.
Cicuta 229.
Citronenbäume, Gummifluß der 58.
Citrus 172.
Cladophora 172 302 311.
Cladosporium 111 269.
Colchicum 225.
Coleus 197.
Colpoma quereinum 110.
ee der Nährſtofflöſung
301.
Coniferen 122 283 291 293 324.
Convolvulus 327.
Copaivabalſam 50.
Copaifera 50
Corallorhiza 283.
Corchorus 212.
Cordyline 175.
Cornus 66 187.
Coronilla 212.
Coryneum 56; C. disciforme 110.
Corylus, ſ. Haſel 749.
Creolin als Gift 330.
Craſſulaceen 62.
Crescentia 196.
Cruciferen 217.
Cryptospora suffusa 110.
Cucumis 197 217 220.
Cucurbita 172 197 217 220 316.
Cucurbitaceen 22.
Cuphea 179.
Cupuliferen 122 283 291 293.
Cuscuta 282.
Cyanverbindungen als Gifte 327.
Cycadeen 44.
Cyclamen 66.
Cynara 181.
Cytispora 110.
Dahlia 66.
Daucus 66.
Dauer der Vegetationstemperatur 218.
Delphinium 184.
Diaporthe Carpini 110.
Diatrype disciformis 111.
Diatrypella quereina 111.
Diatomaceen 199 287.
Dickenwachstum, Behinderung des 22.
Diclytra 184.
Digitalis 327.
Diplodia 110.
Dipsacus 188 197.
Diſtel 244.
Draba 274 276.
Dracaena 117 175 316 318 330.
Drainzöpfe 247.
Druck 22.
Regiſter
Duftanhang 230.
Dunkelheit, Abſterben bei 168.
Durchlüftung des Bodens 255.
Ebereſche 134 242, ſ. auch Vogelbeer—
baum.
Echeveria 266.
Eiche 36 83 87 107 108 110 126 131
152 142 147 151 176 198 238 239
240 241 242 290 293 318.
Eichhörnchen 145.
Einflüſſe, atmoſphäriſche 154.
Einkerben 137.
Einſchlagen 215.
Eisanhang 230.
Eisbildung in der Pflanze 178.
Eiſen als Nährſtoff 289.
Eiſenſalze als Gifte 324.
Eiſenoxydulſalze als Gifte 324.
Eiſenvitriol als Gift 324.
Eisklüfte 207 210.
Elaeagnus, Gummifluß von 57.
Elaͤagnaceen, Wurzelanſchwellungen der
296.
Elektriſches Licht 155 158.
Elodea 168.
Elymus 255.
Embryo, Verluſt der Teile des 121.
Empetrum 223.
Empfindlichkeit gegen Froſt 195.
Endoſperm, Künſtliches 121.
Entgipfeln 92.
Entlaubung 29 146.
Entrindungen der Stämme 135.
Epheu 86 248 319.
Epheuharz 51.
Equiſetaceen 287.
Equisetum 247.
Erbliche Krankheitszuſtände 15.
Erbſen 120 121 167 217 247 249 263
305 320 323.
Erdbeere 329.
Erdboden, Durchlüftung des 255.
Erdboden, Feſtigkeit des 254.
Erfrieren 189.
Erfrieren der Obſtbaumblüten 202.
Erfrieren der Rinde 203.
Erica 172.
Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 245.
Erle 242 248 261 293; E., Wurzelan-
ſchwellungen der 296.
Ermittelung der Krankheitsurſache 16.
Ernährung mit Humus 283.
Ernährung mit Stickſtoff 284.
Ernährungsſymbioſe 291.
Erſatz der Blätter 100.
Erſatz der Knoſpen 91.
©
oa
[Erſatz der Wurzeln 90.
Erſatz der Zweige 91.
Erſatztriebe 93.
Erſtickung 159.
Eſche 94 110 118 142 145 198 293 314.
Etiolement 154 162.
Etiolement, falſches 225.
Etiolin 154.
Etioliren 154.
Euphorbia 185 265.
Eutypa III.
Evonymus 316.
Exosporium Tiliae 110.
Fäule, naſſe 107.
Fäulnisbewohner 282.
Fagus 40, ſ. auch Buche und Rotbuche.
Falſches Etiolement 225.
Farbenänderungen beim Gefrieren 187.
Farbiges Licht 158.
Farne 155 161 168.
Faulen der Samen 259.
Faules Holz 106.
Fegen 141.
Feigenbaum 58.
Feldfrüchte, Lagern der 166.
Feſtigkeit des Erdbodens 254.
Feuer, Beſchädigungen durch 245.
Feuchtigkeitsgehalt der Luft 308.
Feuerbohne 169 307, ſ. auch Phaseolus.
Ficaria 185.
Fichte 41 46 47 49 86 96 108 123 125
127 129 132 135 138 142 143 173
222 230 233 235 238 239 241 293
314 318 320 323 326.
Fichtenrindenwickler 47.
Fico, Marciume del 58.
Flußſäuredämpfe als Gifte 318.
Flüſſigkeiten, giftige 313.
Flachs 305, ſ. auch Lein.
. 74; F., Ueberwallung der
79. 5
Flader 80.
Flechten 197 199 254.
Flieder 118.
Flugſand 255.
Folgen des Gefrierens 188.
Forleule 47.
Formbäume 225.
Form der Nährſtoffe 181.
Foſtit 321.
Frankia 297.
Franzoſenholz 41.
Fraxinus 59 95.
Fremde Körper 137.
336 Regiſter
Froſt, Aufziehen der Saaten durch den
200.
Froſt, Beſchädigungen durch den 200.
Froſtblaſen 204.
Froſt, Empfindlichkeit gegen 195; F.,
Wirkungen des 177.
Froſtgeſchmack der Weinbeeren 227.
Froſtkrebs 207.
Froſtleiſten 211.
Froſtplatten 203.
Froſtriſſe 210
Froſtrunzeln 204.
Froſtſpalten 210.
Froſtſchorf 204.
Froſtſchutzmittel 213.
Froſtſchutzmittel, künſtliche 215.
Froſtſchutzmittel, natürliche 214.
Froſttod 191.
Fruchtbildung 28.
Früchte, Abwerfen der 268; F., Ver—
letzung der 149.
Frühlingsäſtung 132.
Fuchsſchwänze 247.
Fuchsia 266 316.
Galanthus 225.
Galmeiboden 323.
Gaſe, giftige 313.
Gaskalk 327.
Gaslicht 158.
Gaſometerwaſſer 327.
Gefrieren der Pflanzen 177.
Gefrieren, Folgen des 188.
Geizen 92.
Geköpfte Pflanzen 92.
Gelbholz 40.
Gelbſucht 225 247 261 289.
Gelbſucht der Köpfe 268.
Gelbwerden der Blätter 26.
Gentiana 175.
Georgina 197.
Gerſte 172 173 199 221 256 263 269
273 286 287 305 309 327.
Geſetz des Minimums 280.
Getreide 166 228 304 330.
Getreide, Notreife des 266.
Getreide, Verſcheinen des 266.
Gewächſe, Verpflauzen krautartiger 123.
Gewebe, intermediaͤres 88.
Gifte 305 310.
Giftige Gaſe 313.
Giftige Flüſſigkeiten 319.
Gipfelbruch 128.
Gipfeldürre 268.
Gladiolus 327.
Gleditschia 36 40 268 735.
Glyceria 308.
Gräſer 92.
Gramineen 217 287.
Grind der Kartoffel 104.
Grind des Weinſtockes 209.
Grünäſtung 131 141 151.
Grünfäule 107.
Guajacum 41.
Guajakholz 41.
Gummi, arabiſches 57.
Gummidruſen 51.
Gummifluß der Acacia-Arten 57; G.
der Apfelſinenbäume 58; G. der
Aurantiaceen 58; G. der Citronen—
bäume 58; G. der Pomeranzenbäume
58; G. der Steinobſtbäume 51; G.
von Elaeagnus 57.
Gummiharze 44.
Gummiharzfluß 50.
Gummiekrankheit 45 56.
Gummoſis der Steinobſtbäume 51.
G. des Oelbaums 59.
Gurken 68. 5
Habitus der Schattenpflanzen 164.
Haematoxylon 40.
Hafer 120 217 263 269 284 286 287
305 314 320 323, ſ. auch Avena.
Hagel 140.
Hagel, Beſchädigungen durch 228.
Hainbuche 126 176.
Hanf 217 325.
Hartriegel 118.
Harz 41 44.
Harzbeulen 45.
Harzdruſen 49.
Harzen 138.
Harzfluß der Koniferen 45; H. der
Nichtkoniferen 50.
Harzgallen 49.
Harzgewinnung 138.
Harzhöhlen 29. 5
Harzkanäle 29 45 46.
Harzkrankheit 45.
Harzſcharren 138.
Haſel 293.
Heckenſchnitt 94 125.
Hedera 172.
Hefe 199.
Heilung 17.
Heilung durch Callus 63; H. durch
Wundkork 60.
Heilungsprozeſſe, natürliche 59.
Helianthus 66 90 116 121 306 308
316,
Helicosporium 111.
Heliotropium 179.
Helligkeit 157.
2
Regiſter 337
Helminthosporium 111.
Herbſtäſtung 132.
Hercospora Tiliae 110.
Hibiscus reginae 69.
Hippopha& 254 255 297.
Hirſche 141 142.
Hitze, Tötung durch 171.
Hohle Bäume, Behandlung der 153.
Hohle Baumſtämme 132.
Holzbildung 29.
Holz, faules 106; H., Humifizierung des
108; H., Verwundung des 26.
Holzgewächſe, Verpflanzen der 122.
Holzkäfer 109.
Holzkörper, Auslöſungen des 50; H.
Bräunungen des 211.
Holzpflanzen, Schälwunden der 70.
Holzpflanzen, Verſtümmelung der 125.
Holzrücken 141.
Holzweſpen 109.
Holz, Zerſetzungserſcheinungen des 106.
Hopfen 268.
Hordeum 217 220, ſ. auch Gerſte.
Horniſſen 145.
Hottonia 220.
Hoya 86.
Hüttenrauch 313.
Humifizierung des Holzes 108.
Humusbewohner 282.
Humus, Ernährung mit 283.
Humuszehrer 283.
Hyacinthe 69 115 185.
Hydrocharis 246.
Hydroxylamin als Gift 331.
Hymenomyceten 199.
Hypoxylon 112.
Hysterium Fraxini 110.
Jahresring, Verdoppelung des 30.
Icterus 225 289.
Snanition 307.
Inſchriften 137.
Inſekten, blattminierende 149.
Intenſives Sonnenlicht 169.
Intermediäres Gewebe 88.
Jodkalium als Gift 326.
Johannistrieb 101.
Iris 181.
Juglans 36 40, j. auch Nußbaum.
Juniperus 223.
Kältegrade, tödliche 196.
Kahlfraß 101.
Kaiſerkrone 184.
Kaktus 196.
Kalium als Nährſtoff 288.
Kalk als Nährſtoff 288.
Kopal 50.
Kalklicht 158.
Kalköfen 313.
Kamellie 268.
Kampfer als Gift 330.
Kanadiſcher Balſam 139.
Kandieren der Samen 302.
Kappen der Baumäſte 129;
Reben 30.
Karbolſäure als Gift 328.
Kartoffel 22 61 68 104 189 191 215
244 286 304 314 321 329.
Kartoffel, Grind der 104; K., Krätze
der 104; K., Räude der 104; K.,
Schorf der 104; K., Süßwerden der
227
K. der
Kaſtanie 84 87.
Keimung im Dunkeln 161; K. im Hellen
161.; K., verhindert durch Trockenheit
262; K., Temperaturgrenze der 216.
Kernfäule 107.
Kerngummi 39.
Kernholz 31 38.
Kernſchäle 213.
Kiefer 41 46 47 48 87 97 123 125
126 130 135 143 222 241 242 245
260 261 293 318 326, ſ. auch Pinus.
Kiefernmotte 47.
Kienäſte 41
Kienholz 41.
Kieſelpflanzen 286.
Kieſelſäure als Nährſtoff 286.
Kirſchbaum 51 329.
Kirſchen 113 118 150.
Kirſchgummi 51.
Kittgewebe 88.
Klaſſifikation der Pflanzenkrankheiten 20.
Klee 92 120 159 249 263 314 325, ſ.
auch Trifolium.
Klima 218.
Knoſpen, acceſſoriſche 95; K., Erſatz der
913 K., ſchlafende 95.
Kochſalz als Gift 325.
Kohl 123 184 290, ſ. auch Brassica.
Köpfe, Gelbſucht der 268.
Körper, fremde 137.
Kohlenſäure 307.
Kohlenſäureaſſimilation 156.
Kohlenſäureaſſimilation, Temperaturein—
fluß auf 220.
Kohlenſäuregehalt der Luft 307.
Kohlrabi 113.
Konferven 199.
Koniferen 41 43 89 99.
Koniferen, Harzfluß der 45.
Koniferen, Reſinoſis der 45.
Konzentriertes Sonnenlicht 170.
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 22
338 Regiſter
Kopfhölzer 128.
Kopulation 88.
Krätze der Kartoffel 104.
Krankheit 5.
Krankheitsbefördernde Nebenumſtände
13
Krankheitsſymptome 7
Krankheitsurſache 12;
der 16.
Krankheitszuſtände, erbliche 15.
Kraſſulaceen 265.
Kraut 329.
Krebs 207; K.
K. der Rotbuche 209;
ſtocks 209.
Kreſſe 305 307.
Krümmungen beim Gefrieren 184.
Krüppelbäume der Baumgrenze 129.
Krüppelformen der Bäume 235.
Kruſtierende Böden 255.
Kürbis 22 68 150 183 193 222.
Künſtlicher Schnitt 125.
Künſtliche Froſtſchutzmittel 215.
Künſtliches Endoſperm 121.
Künſtliches Licht 158.
Kupfervitriolkalkbrühe 321.
Kupfervitriol-Speckſtein 321.
Kupferſalze als Gift 320.
Kupfervitriol als Gift 320.
Kurznadligkeit 98.
Laachen 138.
Labiaten 179.
Lachten 138.
Längenwachstum, Behinderung des 21.
Längswunden 74.
Lärche 41 46 47 126 129 135 160 236
293 318, ſ. auch Larix.
Lärchenrindenwickler 47.
Lagern der Feldfrüchte 166.
Lagten 138.
Lampenlicht 155 158.
Landpflanzen im Waſſer 246.
Lantana 179.
Larix 155.
Lathyrus 259.
Laubmooſe 172.
Laubſtreifen 146.
Lawinen 231.
Lebermooſe 161 172 199.
Leguminoſen 89 285; L., Wurzelknöllchen
der 297
Lein 217 263 268 290.
Lemna 172.
Lepidium 217 220 316.
Leptothrix 172.
Leucojum 65 148 225.
N., Ermittelung
der Obſtbäume 207;
K. des Wein—
Leuchtgas 316.
Licht 154.
Licht, elektriſches, 155 158.
Lichtfarben 158.
Licht, farbiges 158.
Licht, künſtliches 158.
Lichtmangel 154 156 160 165.
Liliaceen 184.
9 107 110 132 134 147 153 293
einfe 6305
Lithiumſalze als Gifte 324.
Löcherpilze 111.
Lohe, rote 268.
Lonicera 95 137.
Lorbeer 242 268.
Luft, Kohlenſäuregehalt der 307; L.,
Feuchtigkeitsgehalt der 308.
Luftwurzeln 134.
Lupine 120 121 162 172 247.
Lychnis 181.
Lyſol als Gift 330.
Maasliebe 87.
Maclura 40.
Magneſium als Nährſtoff 289.
Magneſiumlicht 158.
Mais 89 113 120 121 173 219 247
263 287 290 305 316 320 327 329
mal della gomma 58.
Malva 185.
Manna 59.
Mannaeſche 59.
Mannafluß 59.
Manulea 179. -
Marattiaceen 44.
Marchantia 161 19.
Marciume del Fico 58.
Marffleden 212.
Markwiederholungen 212.
Maſer 80.
Maſerbildung 80.
Maſerholz 80.
Matricaria 274.
Mäuſenagen 145.
Maulbeer 146.
Mechaniſche Gewebe, Ausbildung der 165.
Medium, natürliches 245; M., unge—
eignetes 245
Meeresalgen 169.
Mehrfache Bäume 87.
Melanomma pulvis pyrius 112.
Mercurialis 185.
Milchſäfte 44.
Milchſaftgefäße 43.
Mimosa 172 306.
Minimum, Geſetz des 280.
Regiſter 339
Mirabilis 121.
Mißbildung 1.
Moder 108.
Möhre 70 86 113 183.
Mohn 217.
Mondringe 212.
Monotropa 283.
Mooſe 60 168 197 199 254.
Morphium als Gift 331.
Morus 172 202.
Mougeotia 302.
Mykodomatien 297.
Mykorhizen 283 292.
en, Wurzelanſchwellungen der
Myrrhe 50.
Nachtfaſer 109.
Nadelbäume 232, ſ. auch Koniferen.
Nährſtoffbedürfnis der Pflanze 278.
2 Form der 281; N., organiſche
nängoftätng, Konzentrationsgrad der
Nährſtoffmangel 278.
Naemaspora 110.
Näſſe, ſtagnierende 256.
Nagen 141 145
Nanismus 271.
Naſſe Fäule 107.
Natürliche Froſtſchutzmittel 214.
Natürliche Heilungsprozeſſe 59.
Natürliches Medium 245.
Natürliche Schutzvorkehrungen nach Ver—
wundungen 31
Natürlicher Tod 5.
r krankheitsbefördernde
ee 157.
Neigung der Bodenoberfläche 250.
Nekroſe 106.
Nematogonium 111.
Neottia 283.
Neßler'ſche Mittel als Gifte 328.
Nicotiana 172.
Nicotin als Gift 331.
Niederholzzucht 134.
Niederſchläge 227.
Nonne 47.
Notreife des Getreides 266.
Nußbaum 242.
Nyetomyces 109.
Nymphäaceen 246.
Obſtbäume, Krebs der 207.
Obſtbaumblüten, Erfrieren der 202.
Oedogonium 302.
Oelbaum 118; O., Gummoſis des 59.
Oele 44.
Oelrettig 120.
Oenothera 250 279.
Oidium 174.
Okulieren 87.
Opopanax 50.
Optimum der Wachstumstemperatur 219.
Opuntia 115 175.
Orangenbaum 268.
Orchideen 192.
Organiſche Nährſtoffe 281.
Organiſcher Stickſtoff als Nährſtoff 284.
Ornithogalum 225.
Orobanche 282.
Paeonia 184.
Palmen 241.
Panicum 274 276.
Papaver 172 327.
Pappel 99 107 128 132
242 248 254 261 293.
Paraſiten 282.
Pathologiſche Raſſen 16.
Pellia 199.
Penicillium 173 174.
Peperomia 115.
Petroleum als Gift 329.
Peziza 174; P. aeruginosa 108 111.
Pfirſichbaum 51.
Pflanzen, amphibiſche 246.; P., chloro—
phylloſe 281; P., Gefrieren der 177;
P., geköpfte 92; Pflanze, Nährſtoff—
bedürfnis der 278.
Pflanzen in Blumentöpfen 249.
Pflanzenkrankheit 5.
Pflanzenkrankheiten, Bekämpfung der
17; P., Klaſſifikation der 20.
Pflanzenſäuren als Gifte 331.
Pflanzenſchutz 18.
Pflanzenteile, abgeſchnittene 114; P.,
Aufſpringen fleiſchiger 113.
Pflanzen unter Bäumen 160.
Pflaumen 113 118 150.
Pflaumenbaum 51 328 330.
Pfropfen in die Rinde 87.
Phajus 191.
Phaseolus 163 172 197 217 220 224
286 288 305 317 330.
Phosphor als Nährſtoff 285.
Phycochromaceen 173.
Phyllirea 118.
Bilde, . 59 55 109; P., Symbioſe
Pilztammern 297.
Pilzwurzel 292.
Pinoſol als Gift 330.
238 240 241
22*
340
Pinus 139 212 223 224, ſ. auch Kiefer.
Pistacia 40.
Pisum 100.
Plantago 274.
Plasmolyſe 301 311.
Platane 248 316.
Plattgedrückte Wurzeln 23.
Pleospora 111.
Polycladie 92 94.
Polygonum 201 246.
Polypodium 196.
Polyporus III.
Polytrichum 161.
Pomeranzenbäume, Gummifluß der 58.
Populus 127, ſ. auch Pappel.
Potentilla 184.
Poterium 185.
Primula 325.
Produktion, e auf 221.
Proleptiſch 1
Protococeus 302
Prunus 36 40 118 204.
Ptelea trifoliata 186.
Pulmonaria 156.
Pyrus 36 40.
Quaternaria Persoonii 110.
Queckſilberchlorid als Gift 320.
Queckſilberſalze als Gifte 320.
Ouerwunden, Ueberwallung der 80.
Quercus 36 40 127.
Quetſchwunden 68 140.
Radieschen 306.
Räude der Kartoffel 104.
Ranunkel 87.
Raps 155 184 217 225 229 253 263
325.
Raſſen, wach 16; R., teratolo—
giſche 16.
Rauch 313.
Rauchfeuer 215.
Rauhreif 230.
Raummangel 21.
Raygras 326.
Reaktionen gegen Verwundungen 31.
Reben, Kappen der 30.
Regen, Beſchädigungen durch 227.
Regeneration der Rinde 70; R. eines
Vegetationspunktes 89; R. von Ge—
weben an Wunden 70.
Rehböcke 142.
Reproduktionen 90.
Reseda 125.
Reſervenährſtoffbehälter, Verluſt der 119.
Reſinoſis der Koniferen 45.
Rettig 104 113.
Rhizobium Leguminosarum 285 297.
Regiſter
Rhizomorpha intestina 111; R. subeor-
ticalis 111 1
Rhizopus 174.
Rhodanverbindungen als Gifte 327.
Rhododendron 223.
Rhus 212.
Rhus cotinus 40.
Rhynchomyces violaceus 112.
Rieinus 197.
Rinde, Erfrieren der 203; R., Nege-
neration der 70; R., Verwundung
der 26.
Rindenbrand 203.
Rindendruck 24.
Rindenlaus 47.
Ringeln 135.
Ringſchnitt 135.
Robinia 72 202 212 242 255 316.
Roggen 120 147 172 173 220 221 253
256 305.
Roggenähren, weißſpitzige 203.
Roſe 320 327 329 330.
Roßkaſtanie 134 211 232 316.
Röte 268.
Rotbuche 126 211 232 293 314 326,
ſ. auch Buche und Fagus; R., Krebs
der 209.
Rote Lohe 268.
Roter Schnee 218 225.
Rotfäule 107.
Rotklee 217.
Rubus 221.
Rübe 22 68 100 101 104 123 146 159
183 189 191 193 215 244 256 284
286 302 304 329.
Rüſter 93 126.
Rumex 228.
Runkelrübe 86, ſ. auch Rübe.
Saaten, Ausfaulen der 259; S., Aus⸗
ſauern der 258.
Säbelwuchs 234.
Säumaugen 95.
Säuren als Gifte 319.
Salat 123.
Salicaceen 293.
Salicornia 286.
Salinenabflußwäſſer 326.
Salisburia 172.
Salix 95 96 127, ſ. auch Weide.
Salpeterſäure als Nährſtoff 284.
Salsola 325.
Salvia 316.
Salzlöſungen 302.
Salzpflanzen 286.
Salzſäure als Gift 318.
Sambucus 185.
A RN V
Regiſter 341
Samen, Faulen der 259; S., Kan⸗
dieren der 302; S., Verſtümmelung
der 119.
3 der Weinbeeren 150 176
Sandgräſer 255.
Sapokarbol als Gift 328.
Sappanholz 40.
Saprophyte Pilze 109.
Saprophyten 282.
Saubohne 217.
Sauerkirſchen 118.
Sauerſtoffgas 305.
Saxifraga 172 197.
Schädliche Stoffe 305.
Schälen 141.
Schälwunden 141 151; S. der Holz—
pflanzen 70.
Schattenpflanzen, Habitus der 164.
Scheidenknoſpen 97.
Schilfrohr 228.
Schlafende Knoſpen 95.
Schlammbedeckung 248.
Schlingpflanzen 137
Schmarotzer 282.
Schmierſeife als Gift 328.
Schneebruch 220.
Schneedruck 230.
Schnee, roter 218 225.
Schneiden der Wunden 152.
Schnitt 93; S., künſtlicher 125.
Schnittwunden an Blättern 65.
Schorf der Kartoffeln 104.
Schröpfen 78.
Schütte 222.
Schutzholz 31 36.
Schwamm 197.
Schwarzföhre 48.
Schwefel als Nährſtoff 285.
Schwefelkieſe 324.
Schwefelkohlenſtoff als Gift 318.
Schwefelmetalle als Gifte 324.
Schwefelwaſſerſtoff als Gift 318.
Schweflige Säure als Gift 313.
Scrophulariaceen 179.
Secale 217, ſ. auch Roggen.
Secretbehälter 43.
Secrete, vorgebildete 43.
Secretionen an Wunden 43.
Secundärknoſpen 95.
Sedum 197.
Seewinde 325.
Seitenknoſpen 93.
Selaginella 168.
Sellerie 113.
Semper vivum 175 182 197 309 325.
Senecio 179 185 197.
Senegalgummi 57.
Senkung der Baumäſte bei Froſt 187.
Silberpappel 316.
Silicium als Nährſtoff 286.
Silybum 86 185.
Sinapis 185 188 190 217 220 280.
Soda als Gift 319.
Solanaceen 118.
Solanum 172 197.
Soldanella 225.
Sommeräſtung 132.
Sommerbrand 268.
Sommerdürre 266 269.
Sonchus 185.
Sonnenblume 92 155 247 290 305.
Sonnenbrand, Beſchädigungen durch
174.
Sonnenlicht, 155 158; S., intenſives
169; S., konzentriertes 170.
Sonnenriſſe 176.
Soolleitungen 326.
Spaltpilze 174.
Spaltwunden 74;
der 79.
Spieß 54 127.
Spiraea 210.
Spirogyra 169 173 192 199 302 322.
Splintfäule 107.
Splintholz 36.
Sporidesmium 269.
Sporotrichum 112.
Sproſſe, abgeſchnittene 116.
Stagnierende Näſſe 256.
Stämme, Entrindungen der 135.
Stämme, verwachſene 87.
Stammabhieb 134.
Stammverſtümmelungen 124.
Stammfäule 107.
Staphylosporium violaceum 112.
Stecklinge 115; S., Bewurzelung der
91; S., Callus an 68.
Steinkohlenrauch als Gift 313.
Steinkohlentheer als Gift 319.
Steinobſtbäume, Gummifluß der 51;
S., Gummoſis der 51.
Stellaria 197.
Stengel, Stichwunden in 68.
Sterkuliaceen 44.
Steriliſieren 174.
Stichwunden an Blättern 65 148; S.
in Stengeln 68.
Stickſtoff als Nährſtoff 284; S., Ernähr⸗
ung mit 284; S., organiſcher, als
Nährſtoff 284.
Stickſtoffdüngung 303.
S., Ueberwallung
342 Regiſter
Stickſtofforyd als Gift 317.
Stigeoclonium 302.
Stoffe, ſchädliche 305.
Stockausſchläge 99 134.
Stockfäule 107.
Störung der Wurzelthätigkeit 221.
Straßburger Terpentin 45 139.
Strauchformen, abnorme 126.
Strychnin als Gift 331.
Sturm, Beſchädigungen durch 232.
Sulfoſtratit 321.
Succulenten 26 62.
Süßkirſchen 118.
Süßwerden der Kartoffeln 226.
Symbioſe 7; S. der Wurzeln 291;
S. mit Pilzen 283.
Symbioſepilze 292.
Symptome der Krankheiten 7.
Symptome des Todes 7.
Syringa 118 270.
Tabak 222 284 286 310.
Tabaksabſud als Gift 331.
Tamariske 59.
Tamarix 59.
Tanacetum 172.
Tanne 41 45 47 48 49 84 86 127 129
143 222 231 233 234 241 242 293,
ſ. auch Weißtanne.
Tannenſtöcke, Ueberwallen der 134.
Tannenwickler 45.
Taraxacum 113.
Taxodium 127.
Taxus 172.
Teesdalia 275.
Teichospora obducens 112.
Telephora 111.
Temperatur 171
Temperatureinfluß auf Chlorophyllbil—
dung 224; T. auf Kohlenſäureaſſi⸗
milation 220, T. auf Produktion 221;
T. auf Wachstum 216.
Temperaturgrenzen 216.
Temperaturgrenze der Keimung 216.
Temperaturgrenzen des Wachstums 216.
Teratologie 1.
Teratologiſche Raſſen 16.
Terpentin 45 138; T., Straßburger
45 139; T. von Bordeaur 139.
Terpentinöl 41 45.
Theerprodukte als Gifte 330.
Theerung 152.
Theeſtrauch 146.
Thlaspi 323.
Thuja 48 268.
Thyllen 35.
Tiefe der Ausſaat 251.
Tiefpflanzung 254.
van Verwundungen durch Tritte der
141.
Timothegras 326, ſ. auch Phleum pra-
tense.
Tinea 47.
Tod, natürlicher 5.
Tod, Symptome des 7.
Tödliche Kältegrade 196.
Tötung durch Hitze 171.
Topfgewächſe in Zimmern 159.
Topfgewächſe, Verſauern der 260.
Tortrix 47.
Torula 112.
Tote Aeſte 131.
Tragantgummi 57.
Tranſpirationsſtrom 27.
Trauben, Vertrocknen der 176.
Trauerweide 248.
Triebe, Abfrieren der 202.
Trifolium 173, ſ. auch Klee
Rotklee.
Trimmatostroma Salicis 110.
Triticum 217 220 330.
Trockenäſte 151.
Trockenäſtung 131 151.
Trockenfäule 107.
Trockenheit des Bodens 262 271 277.
Trockenheit verhindert Keimung 262.
Tropaeolum 157 172 197.
Tubercularia 111.
Tulipa 225.
Typha 308.
Ueberſchwemmung 248.
Ueberwallen der Tannenſtöcke 134.
Ueberwallung 60 74 133; U. der Quer⸗
wunden 80; U. der Flachwunden 19%
U. der Spaltwunden 79.
Ueberwallungswulſt 74.
Ulex 255.
Ulme 40 110 238 239 242 248 293
314 316.
Ulothrix 199.
Ungenügendes Bodenvolumen 249.
Ungeeignetes Medium 245.
Unterdrückung 159.
Urtica 185 317.
Ustilago 174 323.
Vaccinium 223.
Valsa salicina 110; V. e 110.
Variationen 7.
Vaucheria 60.
Vegetationspunkt, Regeneration eines 89.
Vegetationstemperatur, Dauer be 218.
Verbeißen 93 125.
Verbrennen der Blätter 175.
und
Regiſter
Verdämmung 159.
Verdoppelung des Jahresringes 30.
Veredeln, Verwachſen beim 87.
Veredelung 117.
Vergeilen 154.
Vergiftung 310.
Verhütung 17.
Verkorkender Callus 64.
Verkrüppelungen des Blattes 148.
Verletzung der Wurzeln 26.
Verluſt des Baumſtammes 99; V.
der Aeſte 99; V. der Blätter 27; V.
der Laubblätter 146; V. der Reſerve—
nährſtoffbehälter 119; V. der Teile
des Embryo 121; V. der Wurzeln 26.
Vermoderung 107.
Verpflanzen der Holzgewächſe 122.
Verpflanzen krautartiger Gewächſe 123
Verſauern der Topfgewächſe 260.
Verſcheinen des Getreides 266.
Verſchnaken 154.
Verſchüttung 254.
Verſpillern 154.
Verſtümmelung der Blätter 148; V.
0 Esolspranen 125; V. der Samen
e des Bodens 261.
Vertrocknen der Blätter 26.
Vertrocknen der Trauben 176.
Verwachſene Stämme 87.
Verwachſene Wurzeln 87.
Verwachſungen 85; V. beim Veredeln
87.
Verwallung 74.
Verwundungen der Blüten 149; V.
der Früchte 149; V. durch Tritte der
Tiere 141; V. der Wurzeln 121;
V. durch Wagenräder 1B. der
Rinde 26; V. des Holzes 26; V.
natürliche Schutzvorkehrungen nach
31; V. Reaktionen gegen?31.
Verwundungsarten 113.
Verwehungen 237.
Verzwergung 271 279.
Viburnum 318.
Vicia 100 259 306 316 330, ſ. auch
Wicke.
Viola 323 327.
Viscum 161.
Vitis, ſ. Weinſtock.
Vogelbeerbaum 314, ſ. auch Ebereſche.
Vorgebildete Sekrete 43.
Vorkeimſproſſungen 116.
Vulkaniſche Exhalationen 318.
Wachholder 237.
Wachstum, Abnormitäten des 160.
343
Wachstums-Etiolement 164.
Wachstumsgeſchwindigkeit 219.
Wachstumsgröße 220.
Wachstumstemperatur, Optimum der
219.
Wachstum, Temperatureinfluß auf 216.
Wachstum, Temperaturgrenzen des 216.
Wagenräder, Verwundungen durch 141.
Waldbrände 245.
Waldſtreu 296.
Waſſerkulturen 246.
Waſſerlinſen 246.
Waſſermangel 262.
Waſſerpflanzen auf dem Trocknen 246.
Waſſerwurzeln 246.
Weide 107 110 128 132 134 153 218
247 254 261 293, ſ. auch Salix.
Weihrauch 50.
Weinbeeren, Froſtgeſchmack der 227; W.,
Samenbruch der 150 176 229.
Weinberge, Blitzſchlag in 243.
Weinſtock 36 198 215 261 318 321
328 330; W. Grind des 209; W.,
Krebs des 209.
Weißbuche 110 293, ſ. auch Hainbuche.
Weißfäule 107.
Weißſpitzige Roggenähren 203.
Weißtanne 139 211 230, ſ. auch Tanne.
Weizen 167 172 173 199 221 251
263 287 321.
Welken 26 263.
Wicken 166 199.
Wieſen, Blitzſchlag in 244.
Wildſchälen 141.
Wimmer 80.
Windbruch 232.
Windfall 232.
Windſchub 233.
Wirkungen des Froſtes 177.
Wunden 24; W., Behandlung der 150;
W., Schneiden der 152; W. Sefre-
tionen an 43.
Wundfäule 101 106 130.
Wundfläche, Bekleidung der 70.
en 34.
Wundholz 7
Wundkork 59; W., Heilung durch 61.
Wundkrankheit 101.
Wundſekrete 44.
ume der Erle 296; W.
der Eläagnaceen 296; W. der Myri⸗
caceen 296.
Wurzelausſchläge 99 134.
e 107 258; W. der Bäume
Wurzellnöucher der Leguminoſen 297.
|
= ER ee
Wurzeln in Blumentöpfen 21; W., Be⸗
ſchneiden der 122; W., pla attge edrückte
23; W., Erſatz der 90; W., Symbioſe
der 2913 W., Verletzung der 26 1213
W., verwachſene 87; W., Verluſt
der 26.
Wurzelſtecklinge 115.
Wurzelthätigkeit, Störung der 221.
Wurzelzöpfe 247.
Nanthorrhoea-Harz 50.
Xenodochus ligniperda 112 260.
Xylaria 111. \
Zea 172 197 217 220 224 286 303
330, ſ. auch Mais.
Zechenabflußwäſſer 326.
De
Zinkſalze als Gifte 323. ei N fh
Zinkvitriol als Gifte 323. 1 2 4
Ziegelöfen 313. IM
sag
area 99.
Zopftrocknis 268.
Zuckerrübe 217, ſ. auch B.
Zweigbildung 28. ur 1 |
Zweige, Erſatz der 9.
Zweigverſtümmelungen 124. "
Zweigſpitzen, Abfrieren der , 15
Zweigwucherungen 94. Be Des:
Zwerge 119 271. A ’
Zwiebel 191. i
Druckfehler. e
Seite 112 Zeile 11 von oben ließ Myxomyeeten ſtatt We N ii 1 2 12 N
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Breslau, Eduard Trewendt's Buchdruckerei (Setzerinnenſch
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SB Frank, Albert Bernhard
601 Die Krankheiten der Pflanzen
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pflanzen, Jol. J.
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LIBRARY
FACULTY OF FORESTRY
UNIVERSITY OF TORONTO
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