Skip to main content

Full text of "Die Krankheiten der Pflanzen; ein Handbuch für Land- und Forstwirte, Gärtner, Gartenfreunde und Botaniker"

See other formats


Ian ala al 


- > Je ee 7er Tee 
u Fer — 
9 FE 


Pie 


. 
14 22 1 
3 ( F ehrt, 
2 Huren Zu Tzuhs En 4 1 ur 


SF ͤ ͤ K 


1 * 
N 


u HD 
Bed he, 


EC FRE 


. 7 — 
— — 


Ar Aa 
ner 

AH N 
An Ye 


3 =; 


7 
ul * 
at 
r 


. 
2 


5 


— 


„ 


= ER 
— 


— 27 
ex 


. 94 0 
n Bar . 
3 


ur Mi 
— 


Kluukheiten der Pfanzen 


Ein Handbuch 
für Kaud- und Forstwirte, Gärkner, Gartenfteuncle und Hotaniker 


von 


Dr. A. B. Frank 


Profeſſor an der Königl. landwirtſchaftlichen Hochſchule in Berlin 


Erſter Band 
Die durch anorganiſche Einflüſſe hervorgerufenen Krankheiten 


Mit 54 in den Text gedruckten Holzſchnitten 


Zweite Auflage 


LIBRARY 


FACULTY OF FORESTRY 
UNIVERSITY OF TORONTO 


rn $ 


Bres lau e 


Verlag von Eduard Trewendt 
bi; 1895. 


Vorwort zur erften Auflage. 


Die Aufgabe des vorliegenden Buches iſt, unſre Kenntniſſe von 
den Krankheiten der Pflanzen in wiſſenſchaftlicher Form darzuſtellen, 
alſo ein möglichſt vollſtändiges Handbuch der Pflanzenpathologie zu 
ſein nicht bloß für den Botaniker, ſondern auch für alle diejenigen, 
welche ſich praktiſch mit der Kultur der Pflanzen beſchäftigen. 

Für alle Völker, welche Pflanzenbau treiben, und ſomit in erſter 
Linie für uns Deutſche, hat notwendig die Kenntnis der Pflanzen— 
krankheiten ein in hohem Grade praktiſches Intereſſe, und der Wiſſen— 
ſchaft fällt daher auf dieſem Gebiete ganz beſonders die Aufgabe zu, 
helfend und fördernd für die wichtigſten unmittelbaren Bedürfniſſe 
und für die allgemeine Wohlfahrt einzutreten. Es muß alſo Bücher 
geben, welche die Pflanzenkrankheiten, ihre Urſachen und die Mittel, 
ſie zu heilen oder zu verhüten, kennen lehren. 

Von den bereits vorhandenen allgemeinen Werken über Pflanzen— 
krankheiten unterſcheidet ſich das vorliegende zunächſt naturgemäß durch 
neueren Datum und konnte daher vieles berückſichtigen, was ſeit der 
letzten derartigen Publikation — das letzte, allgemeine Werk über 
unſern Gegenſtand das Handbuch von Sorauer, iſt 1874 erſchienen — 
von Pflanzenkrankheiten neu aufgetreten oder genauer bekannt geworden 
iſt. Meinem Plan gemäß ſoll ſich aber das Buch von ähnlichen 
andren hinſichtlich des Stoffes auch noch unterſcheiden 1. dadurch, 
daß es ſich nicht auf einen beſtimmten Kreis ſogenannter Kulturpflanzen 
beſchränkt, ſondern das ganze Pflanzenreich gleichmäßig in Betracht 
zieht, 2. dadurch, daß es alle einzelnen Krankheitsgebiete gleichmäßig 
behandelt, alſo z. B. nicht die durch paraſitiſche Pilze verurſachten 
Pflanzenkrankheiten allein oder in irgend bevorzugter Weiſe zum Gegen— 


ſtand nimmt, 3. durch möglichſte Vollſtändigkeit auf jedem der einzelnen 
Krankheitsgebiete. 


IV Vorwort 


Was dieſen Plan an ſich anlangt, ſo bedarf er dem wiſſenſchaftlichen 
Botaniker gegenüber nicht nur keiner Entſchuldigung, jondern iſt eigentlich 
der einzig korrekte Weg für ein Handbuch der Pflanzenpathologie. 
Denn da die letztere ein Wiſſensgebiet innerhalb der Botanik iſt, ſo 
muß auch für ſie das Pflanzenreich ein in allen ſeinen Teilen gleich— 
berechtigtes Ganze ſein, und mancher tiefere und umfaſſendere Blick 
würde ihr verloren gehen, wenn ſie ſich in willkürlich gezogenen Grenzen 
beſchränken wollte. 

Aber auch für den Praktiker hielt ich es von der größten Wichtig— 
keit, mich nicht auf unſre eigentlichen Kulturpflanzen zu beſchränken. 
Es leiteten mich dabei folgende Gründe. Erſtens iſt eine genaue 
Unterſcheidung von Kultur- oder Nutzpflanzen und Nichtkulturpflanzen 
unmöglich, wie z. B. bei den landwirtſchaftlichen Futterpflanzen, ins— 
beſondere bei den zahlreichen Arten Gräſer und Kräuter, welche den 
Beſtand der Wieſen bilden und die alle hinſichtlich des Ertrages in 
Betracht kommen. Vom Standpunkte des Forſtwirtes ſind beinahe 
alle Holzgewächſe Nutzpflanzen. Auch vermehrt ſich die Zahl der 
Kulturpflanzen immer noch; man denke an die zum Anbau als Ge— 
ſpinnſtpflanze empfohlene Brenneſſel, an die von Amerika ausgehenden 
Verſuche, Heidelbeer- und Preißelbeerſträucher im großen zu kultivieren ꝛc., 
und unter den Zierpflanzen nimmt in noch höherem Grade die 
Zahl der Kulturſpezies ſtetig zu. Zweitens ſind bereits ſchon mehr— 
fach Krankheiten, die vorher nur auf wildwachſenden Pflanzen vor— 
kamen, auf nahe verwandte Kulturpflanzen übergegangen. Dies kann 
jederzeit auch noch künftig geſchehen, und inſofern können auch 
Krankheiten wildwachſender Pflanzen einmal eine größere Bedeutung 
erlangen. Drittens kommen namentlich viele paraſitäre, anſteckende 
Krankheiten auf Kulturpflanzen und gewiſſen wildwachſenden Pflanzen 
zugleich vor, letztere können die erſteren anſtecken. Man muß daher 
auch das Vorkommen auf dieſen kennen, um über die Krankheit genau 
unterrichtet zu ſein und erfolgreiche Gegenmaßregeln zu finden. Übrigens 
ſind Gelegenheiten denkbar, wo für den Praktiker auch Pflanzen, die 
nicht Kulturpflanzen zu ſein brauchen, in Betracht kommen; wenn es 
ſich z. B. um die Bedingungen der Vegetation überhaupt handelt, oder 
wenn auf ſchädlichen Pflanzen, wie Unkräutern, Krankheiten ausbrechen, 
die in dieſem Falle willkommen und befördernswert ſein können. 
Endlich habe ich auch die Krankheiten ausländiſcher Pflanzen berückſichtigt, 
weil unter den letzteren viele find, denen wir wichtige Naturprodukte 
verdanken. 

Der Inhalt des Buches entſpricht in der Hauptſache dem Stande, 
den die Wiſſenſchaft bis zum gegenwärtigen Zeitpunkte erreicht hat. 


; Vorwort V 


Die Pflanzenpathologie verdankt ihren jetzigen fortgeſchrittenen Zuſtand 
beſonders den lebhaften Forſchungen, welche den Pflanzenkrankheiten 
erſt in der neueren Zeit gewidmet wurden, ſeitdem die Pflanzenphyſiologie, 
die mikroſkopiſch-anatomiſchen Unterſuchungen und namentlich das 
Studium der Kryptogamen, beſonders der Pilze, einen neuen Auf— 
ſchwung genommen haben. Es haben denn auch hervorragende 
Leiſtungen ausgezeichneter Männer uns bereits über viele Pflanzen— 
krankheiten die klarſten Aufſchlüſſe gegeben. Allein die Aufgabe des 
Buches ſchien mir nicht bloß zu ſein, das bis jetzt ermittelte Poſitive 
vorzuführen, ſondern auch einesteils zur Erweiterung der Wiſſenſchaft 
beizutragen, andernteils die noch zu erledigenden Fragen zu bezeichnen 
und ſie von den ſicher erwieſenen Thatſachen abzugrenzen. In erſterer 
Beziehung wird man finden, daß mehrfach neue, bisher noch nicht 
oder kaum bekannte Pflanzenkrankheiten zur Kenntnis gebracht worden 
find und daß auch überall da, wo die Unvollſtändigkeit unſrer Kennt— 
niſſe einlud und ich Gelegenheit hatte weitere Forſchungen anzuſtellen, 
dies nicht verſäumt worden iſt, ſowie daß auch allerhand Erfahrungen 
über Auftreten von Krankheiten, die mir durch die Güte andrer mit— 
geteilt wurden und die ich ſelbſt am hieſigen Orte ſowie auf Reiſen 
machen konnte, erwähnt worden ſind. Was zweitens die kritiſche Be— 
handlung anlangt, ſo habe ich es als eine der wichtigſten Aufgaben 
betrachtet, Erwieſenes vom Unerwieſenen, Thatſachen von bloßen 
Vermutungen oder Hypotheſen zu ſondern. Das iſt außerordentlich 
notwendig gerade auf dem Gebiete der Pflanzenkrankheiten, wo mehr 
als anderwärts dem Aberglauben, der Phantaſie und dem unwiſſenſchaft— 
lichen Treiben der Laien Spielraum gelaſſen iſt. Die Wiſſenſchaft wird 
hier beſonders bedroht durch eine Flut kleinerer Spezial-Litteratur, die 
5 unter ſcheinbar wiſſenſchaftlicher Flagge mit dreiſten Prätenſionen auf— 
tritt, ohne nur den Schatten eines Beweiſes für ihre Behauptungen 
beizubringen, ja oft ohne nur eine Ahnung zu haben, wie man über— 
haupt einen ſolchen Beweis erbringt, weil dem Betreffenden die dazu 
erforderlichen Kenntniſſe abgehen. Gegen dieſen Unfug iſt das einzig 
richtige Verhalten, alles Derartige mit Stillſchweigen zu übergehen. 
Aber innerhalb der Wiſſenſchaft gilt es, hauptſächlich die Grenzen 
zwiſchen ſicher ermittelten Thatſachen und allem noch Zweifelhaften 
ſcharf zu bezeichnen und aus dem unmittelbar Beobachteten keine un— 
berechtigten Schlüſſe zu ziehen. Ich habe dies überall in der der Sache 
entſprechenden Weiſe zu thun geſucht. Sollte dieſer kritiſche Stand— 
punkt mitunter an Skeptizismus angeſtreift ſein, ſo halte ich dies nicht 
ſowohl im Intereſſe der rein wiſſenſchaftlichen Betrachtung, ſondern 
auch in demjenigen des Praktikers für keinen Fehler und glaube mich 


E ² A ÜV une 


VI Vorwort 


ſicher zu wiſſen, daß ich den Leſer auf den feſten Boden wiſſenſchaftlich 
begründeter Thatſachen ſtelle. So ſchien es mir denn auch meine 
Pflicht zu ſein, bei gewiſſen Krankheiten lieber kein Gegenmittel an— 
zugeben oder ausdrücklich den Mangel eines ſolchen zu konſtatieren, 
als welche zu nennen, die entweder gar nur auf der Einbildung des 
Volkes oder vorerſt doch nur auf wiſſenſchaftlichen Hypotheſen beruhen 
und deren Anwendung daher vielleicht nutzloſe Mühe und Koſten ver— 
urſachen würde; oder ich habe wohl dieſem oder jenem Mittel Ausſicht 
auf Erfolg verſprochen unter der ausdrücklichen Vorausſetzung, daß 
gewiſſe noch unerwieſene Verhältniſſe ſich bewahrheiten ſollten. Wo 
aber rationell begründete Mittel vorhanden ſind, habe ich ſie genügend 
bezeichnet, und nur da, wo ſie aus der dargelegten Krankheitsgeſchichte 
ſich ganz von ſelbſt ergeben, die Ergreifung der geeigneten Maßregeln 
dem Urteile des Leſers überlaſſen. 

Was im übrigen die Behandlung des Themas, insbeſondere die 
Einteilung desſelben anlangt, ſo verweiſe ich auf das in der Ein— 
leitung Geſagte und bemerke nur noch, daß ich durch ein ſehr voll— 
ſtändiges Regiſter die Brauchbarkeit des Buches zu erhöhen geſucht 
habe, indem ich darin nicht nur die Namen der Krankheiten ſowie der 
ſchädlichen Tiere, Pilze und andern Krankheits-Urſachen, ſondern auch 
die Namen der Pflanzen ſelbſt, von denen Krankheiten beſprochen ſind, 
aufgenommen habe, letzteres zu dem Zwecke, um den Benutzer in den 
Stand zu ſetzen, die ihm vielleicht unbekannte Krankheit einer ihm 
vorliegenden Pflanze deſto leichter auffinden zu können. Über das 
Ganze wird man ſich durch das Inhaltsverzeichnis und im Terte ſelbſt 
durch die Kolumnentitel, durch die Überſchriften der einzelnen Abſchnitte, 
Kapitel, Abſätze u. ſ. w., ſowie namentlich durch die in großer Zahl 
angebrachten Marginalbemerkungen ſchnell und leicht orientieren. Die 
in den Text gedruckten Holzſchnitte, die meiſt nach meinen nach der 
Natur angefertigten Originalzeichnungen hergeſtellt ſind, werden zum 
Verſtändnis der Sache beitragen. 

Trotz des guten Willens, die vorhandene wiſſenſchaftliche Litteratur 
ſo vollſtändig wie möglich zu benutzen, könnte, da der auf die Pflanzen— 
krankheiten bezügliche Litteraturſchatz ungemein zerſtreut iſt und ſogar 
auf entlegene Wiſſensgebiete ſich erſtreckt, einzelnes mir entgangen ſein, 
und ich würde mich jedem verbunden fühlen, der mich auf Lücken auf— 
merkſam machen ſollte. Selbſtverſtändlich konnten die allerneueſten 
Publikationen nicht mehr berückſichtigt werden. Seit dem Jahre 1876 
iſt an der Fertigſtellung des Manuffriptes gearbeitet worden. Was 
in den folgenden Jahren erſchienen iſt, ließ ſich daher nicht mehr überall 
zur Geltung bringen. Außer kleineren Abhandlungen in Zeitſchriften 


Vorwort VII 


bezieht ſich das beſonders auf Sorauer's Obſtbaumkrankheiten und 
R. Hartig's Unterſuchungen aus dem forſtbotaniſchen Inſtitut zu 
München. Dieſe Unterſuchungen und inzwiſchen ſelbſt gemachte Er— 
fahrungen haben mich nur noch mehr in der Anſicht beſtärkt, daß der 
Krebs der Bäume, über deſſen Urſache ſo viel geſchrieben und ge— 
ſtritten worden iſt, eine Krankheitsform iſt, welche durch eine ganze 
Reihe der verſchiedenartigſten Urſachen bewirkt werden kann. Ich würde 
daher auch jetzt dieſer Anſicht einen noch viel beſtimmteren Ausdruck 
geben, als es im Buche geſchehen iſt. Die Wiſſenſchaft kennt eben 
keinen Stillſtand, und ihre ſtete Weiterentwickelung muß daher auch 
immer nach einiger Zeit unſre Anſchauungen erweitern. 

Schließlich ſage ich allen Herren, die mich durch ihre Erfahrungen 
und Beobachtungen, ſowie durch Mitteilungen aller Art unterſtützt 
haben, meinen beſten Dank. 


Leipzig, im September 1880. 
Der Derfaffer. 


Vorwort zur zweiten Auflage. 


Von der zweiten Auflage meines Handbuches der Pflanzenkrankheiten 
erſcheint hier der erſte Band, enthaltend die durch anorganiſche Einflüſſe 
hervorgerufenen Krankheiten. Der zweite Band wird die durch Pilze 
und andere ſchädliche vegetabiliſche Organismen verurſachten Krankheiten 
behandeln, und der dritte diejenigen, welche durch tieriſche Beſchädiger 
veranlaßt werden, ſowie die auf ungenau bekannten Urſachen beruhenden. 
Dieſe Trennung, welche den Hauptkategorien der natürlichen Einteilung 
der Pflanzenkrankheiten entſpricht, dürfte zur Bequemlichkeit bei der 
Benutzung des Buches beitragen. 

Das Bedürfnis nach einem neuen, zeitgemäßen, wiſſenſchaftlichen 
Werke über die Krankheiten der Pflanzen wird nicht nur von den 
Praktikern, ſondern auch von den Gelehrten empfunden. Zwar ſind 
ſeit der erſten Auflage meines Handbuches noch andre Werke gleichen 
oder ähnlichen Charakters erſchienen, aber auch ſie ſind durch die raſch 
weiter ſchreitenden Forſchungen auf dieſem Gebiete und durch das in der 
jüngſten Zeit leider vielfache Auftreten neuer Krankheiten und Be— 
ſchädigungen der Kulturpflanzen überholt worden. Denn in der neueren 
Zeit wird den Pflanzenkrankheiten ein immer wachſendes Intereſſe 
geſchenkt; faſt in allen Kulturländern wird jetzt eifrig gearbeitet, um 
die Krankheiten der Kulturpflanzen zu verfolgen, genauer zu ſtudieren 


VIII Vorwort 


und zu unterſcheiden, und eine Menge Verſuche werden angeſtellt, um 
Gegenmittel gegen die Pflanzenkrankheiten zu probieren oder ausfindig 
zu machen. Aus dieſen Arbeiten entſpringt alljährlich eine Fülle von 
Litteratur, und gegenwärtig vermag nur noch derjenige, welcher ſich 
ſpeziell mit Pflanzenpathologie beſchäftigt, dieſe weit zerſtreuten Mit— 
teilungen zu überſchauen, zu ſammeln und zu verarbeiten. Ein modernes 
Handbuch der Pflanzenkrankheiten hat daher namentlich die Aufgabe, 
die bis in die jüngſte Zeit reichenden litterariſchen Erſcheinungen auf 
dieſem Gebiete wiſſenſchaftlich zuſammengeſtellt und kritiſch geſichtet 
dem Publikum darzubieten. Freilich werde ich dieſe Aufgabe vielleicht 
nicht vollkommen gelöſt haben. Es könnte ſein, daß noch Publikationen, 
welche in dieſes weit ausgedehnte Gebiet einſchlagen, exiſtieren, die 
nicht unter den mir zugänglich geweſenen litterariſchen Hilfsmitteln 
zu finden waren. Auch konnten naturgemäß die Schriften allerjüngſten 
Datums nicht mehr benutzt werden; es bezieht ſich das namentlich auf 
die über das Jahr 1892 hinausreichenden Erſcheinungen, da bereits im 
Jahre 1893 an den Abſchluß des Manuffriptes gegangen werden mußte. 

Der Plan des Werkes iſt derſelbe geblieben. Es ſind wiederum 
die bekannten Krankheiten aller Pflanzen behandelt worden, alſo nicht 
bloß diejenigen der Kulturgewächſe, ſondern auch die der wildwachſenden 
Pflanzen, auch nicht bloß die der einheimiſchen Vegetation, ſondern 
auch die in andern Ländern bekannt gewordenen Pflanzenkrankheiten. 
Selbſtverſtändlich nehmen die Kulturpflanzen die hervorragendſte Stelle 
ein; es iſt dabei auf die Landwirtſchaft, die Forſtwirtſchaft und den 
Gartenbau in gleichem Grade Rückſicht genommen worden. Auch ſind 
nicht etwa gewiſſe Krankheitsgebiete vor andern bevorzugt worden, wie 
es ja bei ſolchen Werken leicht vorkommen kann, daß je nach der Forſchungs— 
richtung des Verfaſſers bald die Krankheiten, welche durch Pilze, bald 
diejenigen, welche durch Tiere verurſacht werden, eine größere Be— 
rückſichtigung finden; ich habe vielmehr auch in dieſer neuen Auflage 
alle drei Hauptgebiete der Pflanzenkrankheiten in gleicher Vollſtändigkeit 
zu bearbeiten geſucht. Der Geſamtumfang hat natürlich um etwas gegen 
denjenigen der erſten Auflage zugenommen, wie das bei dem bedeutenden 
Zuwachs unſres Wiſſens nicht anders zu erwarten war. Manche 
Abſchnitte ſind auch von Grund aus umgearbeitet worden. Vielfach 
habe ich die Illuſtrationen vermehrt, teilweiſe auch durch neue erſetzt. 
Jeder Band erhält ſein eigenes Regiſter und wird daher ei ſelbſtändig 
zu benutzen ſein. 

Berlin, im Oktober 1894. 


Der Verfaſſer. 


Inhaltsverzeichnis. 


Einleitung 


I. Abſchnitt. Von den un des wanne 
II. Abſchnitt. Von den Wunden . 


1. Kapitel. Störung der Lebensthätigkeiten infofge von Bi 
2. Kapitel. Die Reaktionen der Pflanze gegen Verwundungen. 
Natürliche Schutzvorkehrungen, e und Wende an 
den Wunden. Wundkrankheiten . Re 


A. Natürliche Schutzvorkehrungen nach Benvumdungen s 
I. Schutzholz und Kernholz 
II. Sekretionen an Wunden. 
Harzfluß, Reſinoſis der Koniferen 0 
Gummifluß oder Gummoſis der Steinoöſtbaume 
Gummifluß andrer ee 5 
Mannafluß 3 


B. Die natürlichen Se po e 


I. Heilung durch Wundkork 
II. Heilung durch Callus 


1. Verkorkender Callus als bloßer Wundverſchluß 

2. Callus an Stecklingen . 

3. Bedeckung der Wunde mit Callus, aus weichem © Cambium, 
Rinde und Holz regeneriert werden 

4. Ueberwallung 5 

5. Verwachſung von Stämmen, Zweigen und Burgeln mit 
einander 


6. Regeneration eines! Vegetationspunktes aus Callus 


C. Reproduktionen neuer Glieder nach ehe von een 
Stengeln oder Blättern .. N 
I. Erſatz der Wurzeln. 5 
II. Erſatz der Knoſpen und Zweige AR 
Verhalten der krautartigen Pflanzen. 
Verhalten der Holzpflanzen . 


III. 


2 
8 


Ir. 


os 


K 
B 
0 
D. 
E 
F 
G 


H 

J. 

K 

L. 


Inhaltsverzeichnis 


Erſatz der Blätter . 

Verhalten der krautartigen Pflanzen a 
Verhalten der Holzpflanzen . ; 
Wundkrankheiten und Wundfäule 


a e e eee der Wunden nicht hesiger Bilanzen 


teile. . 
Zerſetzungserſcheinungen des Holzes . 


apitel. Die Verwundungsarten .. 

A. Das Aufſpringen fleiſchiger Pflanzenteile i 
Abgeſchnittene Pflanzenteile 
Veredelung. 


Verſtümmelung der Samen. 


Verwundung der Wurzeln .. 
Die Stamm- und Srocigverftfnmehungen 
. Die Entrindungen der Stämme 


Fremde Körper .. 
Zeichen und uſchriten ; 
.Das Harzen b 

. Quetjchwunden 

Schälen, Fegen und Nagen 
Inſektenfraß in der Rinde 


F 


„Die Entlaubung . 


Blattwunden 


Verwundung der Blüten 


Verwundung der Früchte . 


4. Kapitel. Behandlung der Wunden 


III. 


Abſchnitt. Erkrankungen durch atmoſphäriſche eu f 


1. Kapitel Das Licht. 


I. 
13 


Verhinderung der Chlovophyilbildung durch Lichtmangel 
Verhinderung der Kohlenſäureaſſimilation 1 1 Lichtmangel 


III. Abnormitäten des Wachstums bei Lichtmangel 


IV. 


Mangelhafte Ausbildung der mechaniſchen 6 Gewebe bei eic 
mangel 5 ; 


V. Abſterben grüner Teile bei dauernder Verdumtelung 
VI. Tödliche Wirkung intenſiven Sonnenlichtes 
2. Kapitel. Die Temperatur 
A. Tötung durch Hitze . 
B. Wirkungen des Froſtes 


I 


II. 
III. 
3 8 


Das Gefrieren der Frauen 

1. Eisbildung ; 

2. Krümmungen 

3. Farbenänderungen . "De: Ders 

Die Folgen des Gefrierens .. 

Verſchiedene Empfindlichkeit der Pflanzen gegen Froft . 8 

Lokale Beſchädigungen durch den Froſt an den Pflanzen . 

Aufziehen der Saaten durch den Froſt .. 5 

„Dürre, mißfarbige Blattflecke.. . 

. Abfrieren der jungen Triebe und Triebſpitzen bi Holzpflanzen 

4. Erfrieren der Obſtbaumblüten, weißſpitzige Roggenähren . 

5. Beſchädigungen der Rinde und des Hole der e We 
Froſt; Rindenbrand, Froſtkrebs ꝛc. . 


2 0 — 


„Froſtſchutzmittel . 


3 


n 


nr 


S 


— 


© 


4. 


Inhaltsverzeichnis 


C. Störungen einzelner Lebensprozeſſe infolge der — 
ihrer Temperaturgrenzen . A 

Wachstum und Keimung. . 

! al ar und Sefamtproduftion 

. Wurzelthätigfeit . \ g 

. Ergrünung A 

. Süßmerden der Kartoffeln in der Kälte. 

Froſtgeſchmack der Weinbeeren . . 


Kapitel. Die eb ana } LE 
8 R 
2. Hagel N 1 
8. Schneedrud, Eisanhang, Lawinen. 


Kapitel. Der Sturm . 


Y m 


Kapitel. Der Blitzſchlag 


1. Blitzſchlag in Bäume . 2 
2. Blitzſchlag in Weinberge . Ä 
3. Blitzſchlag in Wieſen und Aecker. 


Kapitel. Das Feuer 


IV. Abſchnitt. Erkrankungen durch Bodeneinflüfle . 


„Kapitel. una des e mit einem eee 


Medium. 


. Kapitel. Ungünſtige räumliche detelniſe Be: ease 


des Erdbodens 


1. Ungenügendes Bibennnlunieh ; 

2. Neigung der Bodenoberfläche .. 
3. Zu tiefe und zu flache Lage der Saat 
4. Verſchüttung und Tiefpflanzung 


. Kapitel. Ungünſtige phyſikaliſche Beſchaffenheiten des Erdbodens 


1. Zu große und zu geringe Feſtigkeit des Erdbodens. 
2. Ungenügende Durchlüftung des Erdbodens. 5 


Kapitel. Ungünſtige Zuſammenſetzung des Bodens. 


A. Der Waſſermangel 
1. Störung der Keimung 
2. Welken 
3. Sommerdürre, Verſcheinen n und None des Getreides. 
4. Berziwergung . 5 s 


B. Ungenügende Nährstoffzufuhr 5 
I. Nährſtoffmangel 


. Verbindungen als s notwendige Mährfofe 
Stick 


Silicium 
Kalium 
Calcium 
Magneſium 
Eiſen 


SSD DDD DD e 


— 


XII Inhaltsverzeichnis 


II. Unterbleiben der Ernährungsſymbioſe 
1. Die mykorhizenbildenden Pflanzen 
2. Die Wurzelanſchwellungen 1 Erlen, Clagüaclen und 
„Muyricaceen 
. Die Munzelknöllchen bildenden Leguminoſen' 


C. W Konzentrationsverhältniſſe der Nährſtoffe 


V. Abſchnitt. Erkrankungen durch . nne * 


I. Der Saueritoff . Ä 
II. Die Kohlenjäure 8 
III. Feuchtigkeitsgehalt der Luft 
IV. Die eigentlichen Gifte. .. 
A. Giftige Safe. . 
1. ran Säure 
2. Leuchtgas .. 
3. Verſchiedene andre giftige Gaſe 
B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stofe 
Anorganiſche Berbindungen . 
Organiſche Verbindungen 


Einleitung. 


I. Die Lehre von den Pflanzenkrankheiten, ihre Geſchichte Die Pflanzen⸗ 


und Litteratur. Die Krankheiten der Pflanzen gehören ins Gebie 
der Botanik; die von ihnen handelnde Wiſſenſchaft hat ſich aber mehr 
und mehr zu einer ſelbſtändigen Disciplin entwickelt, welche man die 
Pflanzenpathologie oder Phytopathologie nennt, ganz ebenſo 
wie die Lehre von den tieriſchen und menſchlichen Krankheiten zu 
einem beſonderen Wiſſensgebiete geworden iſt. Hier wie dort hat 
ſich die Pathologie von der Phyſiologie, an welche ſie am nächſten 
ſich anſchließt, mehr und mehr abgegrenzt, wiewohl immer die 
Phyſiologie die natürliche Grundlage der Pathologie bleiben muß 
und es auch keinen Pflanzenpathologen geben kann, der nicht zugleich 
Pflanzenphyſiologe wäre. 

Man hat in der Botanik neben der eigentlichen Pathologie auch 
noch eine beſondere Disciplin unter dem Namen Teratologie ge— 
ſchaffen, welche die Beſchreibung der Mißbildungen oder Bildungs— 
abweichungen, deren ſo vielfache am Pflanzenkörper vorkommen, zur 
Aufgabe hat und über welche ſogar eigene Werke geſchrieben worden 
ſind. Da aber auch die Entſtehung abnormer Geſtalten als ein Aus— 
druck krankhafter Lebenshätigkeiten angeſehen werden muß, deren ver— 
ſchiedenen phyſiologiſchen Urſachen nachzuſpüren Aufgabe der Wiſſen— 
ſchaft iſt, ſo werden wir auch die Bildungsabweichungen mit zur 
Pathologie ziehen und ſie an den gehörigen Stellen behandeln. 

Die Aufgabe der Pflanzenpathologie iſt eine dreifache. Sie ſoll 
1. die einzelnen Pflanzenkrankheiten kennen und unterſcheiden, alſo 
mit dem richtigen Namen bezeichnen lehren. Es handelt ſich alſo 
hierbei um eine Beſchreibung der Veränderungen, welche an der kranken 
Pflanze zu beobachten ſind, und beſonders der Merkmale oder ſoge— 

Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl, 1 


pathologie, ihre 


Geſchichte und 
Litteratur. 


Hiſtoriſches. 


2 Einleitung 


nannten Symptome der verſchiedenen Krankheiten. Mit Hilfe dieſer 
Mittel erreichen wir alſo bei einer kranken Pflanze ungefähr das, 
was der Arzt durch die ſogenannte Diagnoſe erzielt. 2. ſoll uns die 
Pflanzenpathologie über die Krankheitsurſachen unterrichten. Sie kann 
dieſe Aufgabe in noch befriedigenderem Maße, als zur Zeit die tieriſche 
und menſchliche Pathologie erfüllen, da die allermeiſten Pflanzen— 
krankheiten nach ihren Urſachen ziemlich genau aufgeklärt ſind. Dieſe 
Aufgabe würde alſo der Atiologie analog ſein. Und endlich 3. ſoll 
die Pflanzenpathologie die Mittel zur Bekämpfung der Pflanzen— 
krankheiten uns an die Hand geben. Durch dieſe Aufgabe gewinnt 
ſie erſt das hohe Intereſſe, welches der praktiſche Pflanzenbau, die 
Land- und Forſtwirtſchaft, ſowie der Gartenbau an dieſer Naturwiſſen— 
ſchaft nehmen. Aber ſelbſtverſtändlich iſt ſie dieſer dritten Aufgabe 
erſt nach Erfüllung der beiden erſtgenannten gewachſen. Dieſer Teil 
der Pathologie hat es alſo einesteils zu thun mit der Heilung ſchon 
vorhandener Pflanzenkrankheiten, ſoweit von einer ſolchen die Rede 
ſein kann, und würde dann der Therapie entſprechen, andererſeits hat 
er für die Verhütung der Pflanzenkrankheiten zu ſorgen und wird 
dann zur Prophylaxis, die in Bezug auf den praktiſchen Pflanzen— 
bau meiſtens als der wichtigſte Teil der Pathologie anzuſehen iſt. 
Die hiſtoriſchen Anfänge unſrer Wiſſenſchaft verlieren ſich wie die 
faſt aller Naturwiſſenſchaften in das Altertum. Freilich beſchränkte 
ſich damals die Kenntnis von denſelben faſt nur auf die äußerliche 
Unterſcheidung der auffallendſten und charakteriſtiſchſten Krankheits— 
erſcheinungen, wie denn z. B. ſchon im griechiſchen und römiſchen 
Altertum der Roſt und der Brand am Getreide bekannt waren. Mit 
der Erkenntnis des Weſens und der Urſachen der Pflanzenkrankheiten 
konnte natürlich erſt ſeit der Zeit der Anfang gemacht werden, wo 
man mit Hilfe des Mikroſkopes und der Chemie genaueren Einblick 
in den Bau und in die Lebensvorgänge der Pflanzen gewinnen konnte, 
alſo mit dem Ende des vorigen und dem Anfange des gegenwärtigen 
Jahrhunderts. Nachdem die Grundlagen der Pflanzenphyſiologie gelegt 
waren, erſchienen auch die erſten wiſſenſchaftlichen Werke über Pflanzen⸗ 
krankheiten, und zwar von Unger, von Wiegmann und von 
Meyen in den Jahren 1833 bis 1841. Zwar tritt uns in dieſen 
Werken eine ſchärfere Unterſcheidung dex einzelnen Krankheiten und 
die Bemühung, dieſelben urſächlich zu erklären, entgegen; aber für 
das wichtige Gebiet der durch paraſitiſche Pilze verurſachten zahlreichen 
Pflanzenkrankheiten waren dieſelben noch völlig verfehlt; der namentlich 
von Unger gehegte Irrtum, daß die paraſitiſchen Pilze nicht durch 
eigene Keime entſtehen, ſondern aus einer abnormen Thätigkeit der 


Einleitung 3 


Zellen der Nährpflanzen ſelbſt hervorgehen, beherrſchte noch die da— 
maligen Schriften. Eher und leichter wurden diejenigen zahlreichen 
Pflanzenbeſchädigungen ihrem Weſen nach erkannt, welche durch Inſekten 
veranlaßt werden, indem das Studium dieſer Tiere und ihrer Lebens— 
weiſe, zunächſt beſonders dasjenige der Forſtinſekten, ſeit den vierziger 
Jahren zuerſt durch Th. Hartig und Ratzeburg erfolgreich betrieben 
wurde. Aber die Unkenntnis, welche noch bezüglich der Entwickelungs— 
geſchichte der paraſitiſchen Pilze herrſchte, ja überhaupt die völlige 
Unbekanntſchaft der meiſten dieſer nur mikroſkopiſch und ſchwieriger 
auffindbaren Pflanzenfeinde hatte zur Folge, daß man die wichtigſten 
infektiöſen Pflanzenkrankheiten und überhaupt alle, die nicht ſogleich 
auf eine ſichtbare äußere Urſache ſich zurückführen ließen, als Folgen 
ungeeigneter Ernährung anſah und aus dem Mangel eines oder des 
andern Nährſtoffes im Boden erklären zu müſſen glaubte. Erſt ſeit— 
dem die Erforſchung der Entwickelungsgeſchichte der Pilze, insbeſondere 
der Schmarotzerpilze, durch de Bary, zunächſt durch ſein Buch „Unter— 
ſuchungen über die Brandpilze, Berlin 1853“, in Angriff genommen 
worden war, verbreitete ſich auch über dieſe Pflanzenkrankheiten mehr 
und mehr Licht; es folgten jetzt weitere Unterſuchungen von Kühn, 
von Tulasne und von de Bary, denen ſich bis in die neueſte 
Zeit noch viele andere Forſcher anſchloſſen. Durch die erfolgreichen 
Bemühungen ſo vieler Kräfte auf dieſem nämlichen Gebiete wurde eine 
neue Periode in der Wiſſenſchaft von den Pflanzenkrankheiten eröffnet, 
indem es ſich jetzt erſt herausſtellte, daß die verbreitetſten und ſchädlichſten 
Krankheiten der Kulturpflanzen durch paraſitiſche Organismen, die 
teils den Pilzen, teils dem Tierreiche, beſonders den Nematoden, Milben 
und Inſekten, angehören, hervorgerufen werden. 


Es iſt aber für die Geſchichte unſerer Wiſſenſchaft auch der Weine 


bemerkenswerte Umſtand von Einfluß, daß ſich der Gegenſtand der neuer Krank— 


Pflanzenpathologie ſelbſt noch fortwährend vergrößert. Immerfort 
treten neue Krankheiten an den Pflanzen hervor, die vorher noch nicht 
da waren oder wenigſtens unſrer Beobachtung entgangen find; jo 
daß alſo auch aus dieſem Grunde ſich immer neuer Stoff der Forſchung 
darbietet und die Wiſſenſchaft wenigſtens vorläufig noch gar keinen 
Abſchluß finden kann. Während gewiſſe Pflanzenkrankheiten nach— 
weislich ſchon im Altertum bekannt waren, läßt ſich bis in die neueſte 
Zeit das Auftreten neuer Krankheiten verfolgen. Der Traubenpilz 
Oidium Tuckeri iſt auf den Reben des europäiſchen Feſtlandes erſt ſeit 
dem Jahre 1848 beobachtet worden. Die jetzt in allen kartoffelbauenden 
Ländern heimiſche Kartoffelkrankheit, welche durch den Pilz Phytophthora 
infestans verurſacht wird, iſt erſt mit dem Jahre 1845 gekommen, 
1* 


heiten. 


Litteratur. 


4 Einleitung 


ohne ſeitdem wieder verſchwunden zu ſein. Die Reblaus iſt in den 
ſechziger Jahren von Amerika in Europa eingewandert und hat ſich 
erſt auf dem europäiſchen Weinſtocke zu einem Pflanzenfeinde erſten 
Ranges und zu einer noch immer andauernden Gefahr für den Wein— 
bau unſeres Erdteiles entwickelt. In den achtziger Jahren brach im 
Altenlande in den Marſchgegenden der Unterelbe eine Seuche unter den 
Kirſchbäumen aus, von welcher der Obſtbau bis dahin nichts wußte, 
und welche die Ausſicht auf die fernere Exiſtenz des Kirſchbaumes in 
jenem Obſtlande in Frage ſtellte; es war auch hier wieder ein plötzlich 
zu allgemeiner epidemiſcher Entwickelung gekommener Schmarotzerpilz, 
Gnomonia erythrostoma, den ich als die Urſache dieſer Kirſchbaum— 
krankheit auffand. Endlich noch in den allerletzten Jahren entdeckte ich 
einen neuen paraſitiſchen Pilz der Zuckerrüben, Phoma Betae, welcher 
eine ſehr ſchädliche Krankheit der Rübenpflanzen und vielfach bedeutende 
Rückgänge im Rübenertrage verurſacht; Pilz und Krankheit ſind auf 
einmal in den Provinzen Schleſien, Pommern, Weſtpreußen, Branden— 
burg, Sachſen und Hannover zur Kenntnis gekommen. 


Im Folgenden zählen wir nur die allgemeinen Lehr- und Hand— 
bücher, welche ſich mit dem Geſamtgebiete oder wenigſtens mit einem 
Hauptgebiete der Pflanzenpathologie beſchäftigen, nach der Altersfolge 
auf. Die überaus umfangreiche Spezial-Litteratur, welche in andern 
Werken, beſonders aber in Fachſchriften zerſtreut iſt und meiſt nur 
einzelne Pflanzenkrankheiten behandelt, iſt an den einzelnen Stellen 
dieſes Werkes, wohin ſie jeweils gehört, zu finden. 


Unger, Die Exantheme der Pflanzen und einige mit dieſen verwandte 
Krankheiten der Gewächſe. Wien 1833. 


Wiegmann, Die Krankheiten und krankhaften Mißbildungen der 
Gewächſe. Braunſchweig 1839. 

Meyen, Pflanzenpathologie. Lehre von dem krankhaften Leben und 
Bilden der Pflanzen. Berlin 1841. f 


J. Kühn, Die Krankheiten der Kulturgewächſe, ihre Urſachen und 
Verhütung. Berlin 1858. 

Ratzeburg, Die Forſtinſekten. Berlin 1839 — 44. 

Ratzeburg, Die Waldverderbnis. Berlin 1866-68. 

Willkomm, Die mikroſkopiſchen Feinde des Waldes. Dresden 1866. 

Hallier, Phytopathologie. Die Krankheiten der Kulturgewächſe. 
Leipzig 1868. 

M. Masters, Vegetable Teratology. London 1869. 

Moquin Taudon, Pflanzenteratologie. Deutſch v. Schauer. 
Berlin 1842. 

Kaltenbach, Die Pflanzenfeinde aus der Klaſſe der Inſekten. 
Stuttgart 1874. 

Nördlinger, Die kleinen Feinde der Landwirtſchaft. Stuttgart 1869. 


Einleitung 5 

Taſchenberg, Die der Landwirtſchaft ſchädlichen Inſekten und 
Würmer. Leipzig 1865. 

Sorauer, Handbuch der Pflanzenkrankheiten. Berlin 1874. — 
2. Auflage 1886. 

Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. Breslau 1880. 

R. Hartig, Wichtige Krankheiten der Waldbäume. Berlin 1874. 

R. Hartig, Lehrbuch der Baumkrankheiten. Berlin 1882. — 
2. Auflage 1889. 

Kirchner, Die Krankheiten und Beſchädigungen unſerer landwirtſchaft— 
lichen Kulturpflanzen. Stuttgart 1890. 

Ritzema-Bos, Tieriſche Schädlinge und Nützlinge für Ackerbau ıc. 
Berlin 1891. 

Frank und Sorauer, Pflanzenſchutz. Berlin 1892. 

II. Begriff der Pflanzenkrankheit. Die Bemühung, von dem 
Begriff Krankheit eine ſcharfe Definition zu geben, iſt fruchtlos, weil 
ja Krankheit und Geſundheit Zuſtände bezeichnen, die ohne Grenze in 
einander übergehen. Immerhin verlohnt es ſich näher über die Grenzen 
dieſes Begriffes nachzudenken, um ſich zu überzeugen, wie verſchwommen 
nach allen Seiten hin derſelbe namentlich im Pflanzenreiche iſt. 

Man muß bei der Entſcheidung, ob etwas krankhaft an einer 
Pflanze iſt oder nicht, immer von den ſpezifiſchen Merkmalen der be— 
treffenden Pflanze ausgehen. Denn was für die eine Pflanzenart 
abnorm iſt, kann bei einer andern Art dem normalen Zuſtande ent— 
ſprechen, wie z. B. das Fehlen des Chlorophylls, alſo der grünen 
Farbe der Pflanze, da es ja Pflanzen giebt, bei denen Chlorophyll— 
mangel zu den regelmäßigen natürlichen Merkmalen gehört. Als 
Krankheit kann alſo nur eine Abweichung von den normalen 
Zuſtänden der Spezies gelten. Allein die Schwierigkeit, auch in 
dieſer Definitionden Begriff Pflanzenkrankheit zu begrenzen, zeigt ſich 
beſonders aus folgenden Gründen: 

1. Weil jeder Pflanzenteil notwendig von ſelbſt zu einer gewiſſen 
Zeit abſtirbt und man alſo dieſen natürlichen Tod im Alter nicht 
als eine Krankheit bezeichnen kann, doch aber nicht ſelten ganz gleiche 
Erſcheinungen in Folge ſchädlicher Einwirkung eintreten können, längere 
oder kürzere Zeit vor dem natürlichen Tode und ihn alſo gewiſſer— 
maßen nur beſchleunigen. So tritt z. B. das Abſterben des Kartoffel— 
krautes, wenn der Pilz der Kartoffelkrankheit erſcheint, bald viel, bald nur 
wenig früher als im normalen Verlaufe ein, je nach der Zeit des Er— 
ſcheinens des Parafiten. Kann man in dieſem Falle immer noch durch 
das Auffinden des Paraſiten das etwaige Vorliegen einer Krankheit 
beurteilen, ſo wird letzteres ſehr ſchwer oder unmöglich, wenn andre 
als direkt ſichtbare Urſachen, z. B. Witterungs- oder Bodenverhältniſſe 
die Veranlaſſung ſind. 


Begriff der 
Krankheit. 


Der natürliche 
Tod. 


Verhältnis der 
Glieder zum 
Körper. 


6 Einleitung 


Bei den perennierenden Pflanzen ſollte man glauben, daß ein 
natürlicher Tod aus inneren Urſachen ausgeſchloſſen iſt, weil bei dieſen 
Pflanzen die Art der Vegetation eine beſtändige Verjüngung herbei— 
führt. Die perennierenden Kräuter treiben aus ihren älteren Teilen 
alljährlich neue Sproſſungen, welche in dem Maße als jene abſterben 
an deren Stelle treten. Und auch bei den Bäumen bildet die Cambium— 
ſchicht alljährlich neue Zellen, aus denen jedes Jahr ein neuer Holz— 
ring und eine neue Rindelage ſich entwickelt, während in dem gleichen 
Maße das ältere Holz und die ältere Rinde aus den Lebensthätigkeiten 
ausſcheiden, und jedes Jahr bilden ſich neue Knoſpen, welche mit 
jugendlicher Kraft die Vegetation aufnehmen, und die wir deshalb 
auch als Stecklinge benutzen können, um daraus einen neuen, wieder— 
um zu hohem Alter gelangenden Baum zu erziehen. Aber erfahrungs— 
gemäß haben die Bäume doch keine unbegrenzte Lebensdauer. Ihr 
Tod erfolgt nicht aus inneren Urſachen, ſondern regelmäßig durch 
äußere, in jedem Falle nachweisbare Faktoren. Es ſind dies die 
während der langen Lebensdauer unvermeidlichen verſchiedenen Ge— 
fahren, denen der Baum ausgeſetzt iſt, indem Sturm, Blitz, die 
Witterungseinflüſſe, Tierfraß allmählich immer mehr Verletzungen herbei— 
führen, aus denen ſich nach und nach tiefer gehende Zerſetzungs— 
erſcheinungen entwickeln müſſen, und zu denen früher oder ſpäter auch 
paraſitäre Organismen oder Saprophyten ſich geſellen, welche am 
Werke der Zerſtörung ſich beteiligen. Aus dieſen Beſchädigungen re— 
ſultieren dann notwendig auch Störungen in den Funktionen der be— 
ſchädigten Teile, z. B. der Wurzelthätigkeit, der Saftleitung ꝛc., und 
dieſe Störungen werden ihrerſeits zu weiteren Urſachen von Erkrankungen, 
die ſchließlich zum Tode führen. So iſt alſo bei den Bäumen das 
natürliche Lebensende eine Folge unfehlbar ſich einſtellender Krank— 
heiten, nicht aber einer eigentlichen Altersſchwäche. 

2. Weil die einzelnen Teile der Pflanze meiſt nicht in demjenigen 
innigen Abhängigkeitsverhältnis zum ganzen Pflanzenkörper ſtehen, wie es 
zwiſchen den Gliedern und dem ganzen Körper des Tieres der Fall iſt. 
Während am letzteren faſt jede Beſchädigung oder Störung eines Organs 
mehr oder minder den Geſamtorganismus in Mitleidenſchaft zieht, können 
wir bei der Pflanze einzelne Organe vom Körper trennen, z. B. 
Zweige vom Stamm, Blätter von den Zweigen, einzelne Teile von 
den Blättern, ohne daß dadurch die Lebenserſcheinungen des Ganzen 
merklich geſtört werden. Am einzelnen Blatte kann alſo zwar eine 
ausgeprägt pathologiſche Veränderung oder Zerſtörung eintreten; für 
das ganze Individuum bleibt dieſelbe belanglos. Das letztere ſelbſt 
würde erſt in dem Maße merkbar beeinflußt werden, und alſo als 


Ei — P 
— 


Einleitung 7 


krank bezeichnet werden dürfen, als die Zahl der Blätter, die ſolche 
Beſchädigungen zeigen, größer wird. 
3. Weil von den pathologiſchen Veränderungen nicht immer ſtreng Variationen. 
die Variationen der Pflanze zu ſcheiden ſind, die größtenteils zu den 
normalen Formen der Species gehören. Manche durch Kultur erzeugte 
Varietäten haben indes wirklich pathologiſche Merkmale, d. h. ſolche, 
mit welchen eine Unterdrückung oder Beeinträchtigung normaler Lebens— 
prozeſſe verbunden iſt, z. B. der Blumenkohl, weil hier die Blüten 
verkümmern, die Varietäten mit panachierten Blättern, weil hier die 
Aſſimilationsthätigkeit des Blattes an den nicht grünen Teilen des 
Blattes unmöglich iſt, die Varietäten mit gefüllten Blüten, weil hier 
die Fortpflanzungsorgane verkümmert ſind, und Unfruchtbarkeit die 
Folge iſt. Anderſeits gelten uns manche durch Kultur erzeugte Va— 
rietäten ohne pathologiſche Merkmale ſo ſehr als Norm, daß wir un— 
willkürlich geneigt ſind, das Zurückſchlagen auf die Zuſtände, welche 
die Species in der Wildnis zeigt, die aber auch nicht pathologiſch ſind, 
als abnorm und krankhaft zu betrachten, z. B. das Dünn-, Holzig- und 
Zuckerarmwerden der Möhrenwurzeln, das Steinigwerden des Kern— 
obſtes. Es könnte alſo vorkommen, daß man eine und dieſelbe Pflanze 
bald für krank, bald für geſund erklärt, je nachdem man ſich auf den 
Standpunkt des Pflanzenzüchters oder des theoretiſchen Botanikers ſtellt. 
4. Weil das Vorkommen fremder Organismen an der Pflanze unterſchied der 
nicht immer den Charakter eines ſchädlichen paraſitären Eingriffes, e ei 
; 133 f raſitismus. 
ſondern auch den einer gleichgültigen Beherbergung oder ſogar den einer 
vorteilhaften Symbioſe haben kann, was namentlich von den My— 
korhizen der Waldbäume und von den Pilzkammern der Leguminoſen 
gilt. Es ſind nun Fälle denkbar, wo nicht ohne weiteres zu entſcheiden 
iſt, ob ein in einer Nährpflanze vorkommender Pilz oder eine durch 
ein Tier erzeugte Gallenbildung als etwas Pathologiſches oder als 
eine gutartige, unſchädliche Symbioſe zu gelten hat. Gerade ſehr viele 
durch Inſekten erzeugte Gallen find ſymbiotiſche Einrichtungen, welche 
dem gallenbewohnenden Tiere eine geſicherte Entwickelung bieten und 
zugleich den die Galle tragenden und ernährenden Pflanzenteil nicht 
nachteilig beeinfluſſen; nur wenn in übergroßer Menge ſolche Gallen 
an einem und demſelben Pflanzenteile, z. B. auf einem Blatte ſich be— 
finden, können dieſelben die Ausbildung und die Funktionen des letzteren 
beeinträchtigen. 
III. Die allgemeinen Symptome des Todes und die be- Symptome. 
ſonderen Krankheitsſymptome. Sehr oft beſtehen die Krankheiten 
der Pflanzen darin, daß beſtimmte Teile derſelben, alſo da alle Teile aus 
Zellen beſtehen, beſtimmte Zellen abſterben. Es gilt daher ein für 


Beſchaffenheit 


toter Pflanzen— 


zellen. 


8 Einleitung 


alle Mal, ſich bekannt zu machen mit den Merkmalen, welche als 
Zeichen des Todes bei den Pflanzenzellen zu betrachten ſind. Aus 
den Veränderungen, welche die Zellen bei ihrem Tode erleiden, er— 
klären ſich auch diejenigen, welche der ganze Pflanzenteil beim Abſterben 
zu zeigen pflegt. Die Symptome des wirklich eingetretenen Todes ſind 
nun bei den Pflanzenzellen und ſomit auch am ganzen Pflanzenteile 
im allgemeinen immer dieſelben, gleichgültig ob es ſich um den zur 
natürlichen Zeit ſich einſtellenden Tod oder um das in Folge einer 
Krankheit eintretende Abſterben handelt, und auch je nach den Krank— 
heitsurſachen ſind ſie nicht verſchieden. 

Es läßt ſich eine Reihe von Merkmalen angeben, welche allgemein 
bei den Pflanzenzellen Zeichen des Todes ſind. Beide Beſtandteile 
der Zelle, das Protoplasma und die Zellhaut zeigen charakteriſtiſche 
Veränderungen. Am deutlichſten ſind dieſelben an denjenigen Zellen, 
die eine dünne und zarte, aus Celluloſe beſtehende Zellhaut haben 
und reich an Protoplasma ſind, z. B. an den Zellen der Stengelrinde, 
an denjenigen des Meſophylls der Blätter. Im lebenden Zuſtande, 


wie man ihn an dieſen Zellen findet, ſogleich nachdem fie dem Blatte 


entnommen und unter das Mikroſkop gebracht worden ſind, enthält 
die Zelle einen Protoplasmakörper, welcher ringsum auf der jtraff 
und faltenlos geſpannten Zellmembran innen aufliegt und die Form 
eines Hohlſackes hat, indem nur eine verhältnismäßig dünne Schicht 
von Protoplasma ſich auf der Innenſeite der Zellmembran ausbreitet. 
Die von demſelben eingeſchloſſene Höhlung des Zellenraumes iſt mit 
wäſſeriger, klarer Flüſſigkeit, dem Zellſafte, erfüllt. In der wandſtändigen 
Protoplasmaſchicht 
ſind aber noch andre 
organiſirte Ein— 
ſchlüſſe, welche Teile 
oder Erzeugniſſe des 
Protoplasmas find, 


Fig. 1 zu bemerken, vor 
Lebende und tote Zelle aus dem Meſophyll des Blattes allen der Zellkern 
von Senecio vulgaris, 200 fach vergrößert. und die in großer 


A der lebende Zuſtand: im wandſtändigen Protoplasma 9, ö 
unterhalb der Zellwand der Zellkern und die zahlreichen Anzahl vorhand 5 
grünen Chlorophyllkörner. B nach Eintritt des Todes: nen, durch ihre grüne 
das Protoplasma ſamt den Chlorophyllkörnern ꝛc. in Farbe ausgezeichne— 
der Zelle zuſammengeſchrumpft, die Zellhaut faltig. ten, ungefähr linſen— 

U 


förmig geſtalteten Chlorophyllkörner, welche in einer einfachen Lage neben— 
einander in der wandſtändigen Protoplasmaſchicht gelagert ſind (Fig. 1A). 
Nach dieſem Typus iſt auch in den meiſten andern Pflanzenzellen das 


4 


N 


Tb 


Einleitung 9 


Protoplasma gebaut; nur daß bisweilen noch Protoplasmaſtränge hinzu— 
kommen, welche von der wandſtändigen Schicht aus quer durch den Saft— 
raum in verſchiedenen Richtungen gehen. In manchen Zellen, beſonders 
in vielen Haaren, zeigt das lebende Protoplasma Strömungen, die 
man ſowohl innerhalb der wandſtändigen Schicht, als auch in den 
Protoplasmaſträngen beobachtet. An iſolirten Stücken von Meſophyll— 
gewebe unter dem Mikroſkop tritt der Tod der Zelle bald ſchneller, 
bald langſamer ein (ogl. Fig. 1). Die wandſtändige Protoplasma— 
ſchicht zieht ſich von der Zellhaut zurück, der ganze Protoplasmakörper 
ſchrumpft zuſammen, indem der Zellſaft, den er im Saftraume ein— 
ſchloß, aus dieſem entweicht, und dafür den Raum zwiſchen der Zell— 
haut und dem ſich zuſammenziehenden Protoplasma einnimmt. Das 
im lebenden Zuſtande faſt klare, waſſerhelle Protoplasma erhält zu— 
gleich ein trübes Ausſehen, indem zahlreiche kleine Körnchen in ſeiner 
Maſſe auftreten. So ſchrumpft das ganze Protoplasma zu einem 
unregelmäßigen Klumpen zuſammen, welcher bald in der Mitte des 
Zellenraumes, bald mehr an einer Wand der Zelle liegt, und in welchem 
von nun an keinerlei Bewegung mehr wahrzunehmen iſt. Der Zellkern 
wird bei dieſer Desorganiſation undeutlich, und die Chlorophyllkörner, 
die zwar zunächſt noch an ihrer grünen Farbe zu erkennen ſind, aber 
ebenfalls ihre regelmäßigen ſcharfen Umriſſe etwas verlieren, werden 
durch die Kontraktion des Protoplasmas regellos durch einander ge— 
ſchoben und verlieren daher ebenfalls an Deutlichkeit. In dieſen Er— 
ſcheinungen müſſen wir den Ausdruck einer veränderten Molekular— 
ſtruktur des Protoplasmas erkennen. Letzteres hat einen Teil ſeines 
Imbibitionswaſſers verloren, iſt waſſerärmer geworden, und dies 
erklärt unmittelbar das geringere Volumen deſſelben. Die Anderung 
der Molekularſtruktur prägt ſich auch darin aus, daß die osmotiſchen 
Eigenſchaften des Protoplasmas auffallend verändert ſind: es iſt 
für Flüſſigkeiten permeabler geworden, denn es läßt den Zellſaft 
ausfiltriren. Beſonders auffallend iſt in dieſer Beziehung auch das 
Verhalten zu gelöſten Farbſtoffen. In manchen Zellen enthält nämlich 
der Zellſaft einen Farbſtoff aufgelöſt; im lebenden Zuſtande nimmt 
das Protoplasma den Farbſtoff nicht in ſich auf und läßt ſeine Löſung 
nicht durch ſich hindurch diffundieren. Sobald es aber getötet iſt, tritt 
die farbige Löſung ungehindert aus dem Protoplasma und durch die 
Zellhaut aus, und wir ſehen ſogar, daß das getötete Protoplasma 
den Farbſtoff abſorbiert; der letztere ſammelt ſich in ihm an und zwar 
ſo, daß dasſelbe viel tiefer gefärbt wird als die umgebende Flüſſigkeit. 
Die gleiche Erſcheinung tritt ein, wenn man getötete Zellen, deren 
Zellſaft keinen Farbſtoff enthält, in eine Farbſtofflöſung legt. In 


Beſchaffenheit 
toter 
Pflanzenteile. 


10 Einleitung 


Folge des Waſſerverluſtes verſchwindet auch der Turgor der Zelle; 
die Zellhaut iſt nicht mehr ſtraff geſpannt, ſchlaff, mehr oder weniger 
faltig. Nur bei Zellen, deren Haut durch ſtarke Verdickung oder durch 
einen großen Gehalt an mineraliſchen Beſtandteilen einen hohen Grad 
von Feſtigkeit und Härte beſitzt, iſt natürlich im toten Zuſtande auch 
keine andre Beſchaffenheit der Zellmembran zu erwarten, und man 
kann dann eigentlich nur nach der Beſchaffenheit des Protoplasmas 
ein Urteil über Leben oder Tod der Zelle abgeben. 

Aus den Veränderungen, welche die Zellen beim Tode erleiden, 
reſultiert unmittelbar die Beſchaffenheit der ganzen Pflanzenteile, deren 
Zellen getötet ſind. Es erklärt ſich daher, warum die ſaftreicheren 
krautartigen oder fleiſchigen Pflanzenteile beim Abſterben ſchlaff und 
welk, beziehentlich ſo weich werden, daß man den Saft leicht aus 
ihnen ausdrücken kann. Sehr bald treten dann noch weitere Ver— 
änderungen ein, die bereits als Zerſetzungserſcheinungen der toten or— 
ganiſchen Subſtanz zu betrachten find. Zu dieſen muß man ſchon die 
häufigen Farbenveränderungen toter Pflanzenteile rechnen; das Braun— 
oder Schwarzwerden derſelben beruht darauf, daß das tote Proto— 
plasma und oft auch die Zellhaut ſich mehr oder weniger tief bräunen. 
Was dies für Farbſtoffe ſind und wie ſie entſtehen, iſt keineswegs be— 
friedigend erkannt; vielfach ſieht man fie für Humifikationsprodukte 
an, weil ja regelmäßig bei jeder natürlichen Zerſetzung von Pflanzen— 
reſten aus den vegetabiliſchen Verbindungen ſolche durch braune oder 
ſchwarze Farbe ausgezeichnete Humusſtoffe entſtehen; oft mögen aber 
auch Gerbſtoffe, welche in der lebenden Zelle ſchon vorhanden waren 
oder bei ihrem Tode entſtehen und beim Abſterben in Protoplasma 
und Zellhaut eindringen, wenn ſie mit dem Sauerſtoff der Luft in 
Berührung kommen, zu ſolchen Farbenveränderungen Veranlaſſung 
geben. Auf die weiteren Veränderungen, welche tote Pflanzenteile er— 
leiden, hat auch die Beſchaffenheit der Umgebung, in welcher ſie ſich 
befinden, einen großen Einfluß. An freier Luft und wenn die letztere 
einigermaßen trocken und der Pflanzenteil ſelbſt nicht ungewöhnlich 
ſaftreich iſt, tritt meiſt ein raſches Vertrocknen desſelben, gewöhnlich 
unter brauner oder ſchwarzer Verfärbung ein, wie gewöhnlich an 
Blättern oder krautigen Teilen überhaupt. Pflanzenteile von großem 
Saftgehalte, wie die ſaftigen Früchte, gehen meiſt auch an der Luft 
mehr oder weniger in eine jauchige Fäulnis über, und dieſelbe iſt be— 
ſonders auch bei allen in feuchtem Erdboden befindlichen abſterbenden 
Pflanzenteilen zu beobachten, um jo mehr, je ſaftreicher fie find, wie 
bei Zwiebeln, Knollen, Rüben, dicken Wurzeln ꝛce. b 


Einleitung 11 


Außer den allgemeinen, regelmäßigen Todesſymptomen kann man  SKranfheits 


aber auch noch beſondere, für die einzelnen Krankheiten charakteriſtiſche 
Symptome unterſcheiden. Dieſe beziehen ſich vor allem darauf, an welchen 
Teilen der Pflanzen die Beſchädigungen wahrgenommen werden, in 
welchem Alter dieſelben, in welchem Umfange und in welcher räum— 
lichen Verteilung an denſelben ſie ſich zeigen. So reden wir alſo 
von Krankheiten, die an den Wurzeln oder an andern unter— 
irdiſchen Organen auftreten, oder von ſolchen der Stengel oder 
der Blätter, oder der Blüte oder endlich der Früchte oder Samen. 
Und an Stengeln und Blättern wiederum kann ſich die Krank— 
heit bald in einer Zerſtörung der jugendlichen Zuſtände, bald in 
einer Beſchädigung der erwachſenen Teile und dann wiederum in deren 
Totalität oder nur an gewiſſen kleinen Stellen, als ſogenannte Flecken— 
krankheiten auf Stengeln, Blättern oder Früchten äußern, wobei das 
allgemeine Todesſymptom als ein Vertrocknen oder als eine Fäulnis 
ſich zeigen kann. Beſondere Krankheitsſymptome ergeben ſich auch, je 
nachdem das Weſen der Krankheit in der Störung dieſes oder jenes 
Lebensprozeſſes beſtand. Liegt z. B. ein Einfluß vor, durch welchen 
die Erzeugung des grünen Chlorophyllfarbſtoffes verhindert oder die 
Zerſtörung dieſes Farbſtoffes bedingt wird, ſo iſt eine gelbe oder bleiche 
Farbe anſtatt des normalen Grüns ein Symptom der Krankheit. Oder 
liegt ein Einfluß vor, welcher das Wachstum und die Geſtaltbildung 
eines Pflanzenteiles verändert, ſo werden aus den abnormen Geſtalts— 
verhältniſſen auffallende beſondere Symptome ſich ergeben. Aber auch 
von jedem dieſer beſonderen Krankheitsſymptome gilt bis zu einem 
gewiſſen Grade das Nämliche, wie von den allgemeinen Todeskennzeichen: 
es kann durch verſchiedene Krankheitsurſachen bedingt werden; man darf 
alſo nicht ohne weiteres aus den gleichen Symptomen auf dieſelbe Urſache 
ſchließen. Fäulnisprozeſſe können die Folge ſein von Tötung durch Ver— 
wundung oder durch ungünſtige Temperaturverhältniſſe oder durch Er— 
ſtickung bei ungenügender Zufuhr ſauerſtoffhaltiger Luft oder durch 
Schmarotzerpilze, welche ſich in dem Pflanzenteile angeſiedelt hatten. Gelb— 
ſucht, alſo das Unterbleiben der Chlorophyllbildung, beziehentlich die vor— 
zeitige Zerſtörung des gebildeten Chlorophylls, wobei normal grüne Teile 
gelb ausſehen, kann eintreten bei Lichtmangel, aber auch bei ungünſtigen 
Temperaturverhältniſſen, ferner bei ungenügender Ernährung, nämlich 
wenn Eiſen unter den Nährſtoffen fehlt, oder wenn in Folge von 
ſtagnierender Näſſe oder Undurchläſſigkeit des Bodens für Luft die 
Wurzeln erkranken, desgleichen auch oft wenn die Pflanze in Folge 
von Dürre vorzeitig dahinſiecht, endlich iſt es das hauptſächliche 
Symptom beim Auftreten gewiſſer Schmarotzerpilze und einiger para— 


ſymptome. 


Krankheits- 

urſachen. — 

Die nächſten 
Veranlaſſungen. 


12 Einleitung 


ſitiſcher Tiere. Fleckenkrankheiten, d. h. gebräunte, vertrocknete Blatt— 
flecken können das Zeichen verſchiedenartiger pathogener Einflüſſe ſein, 
ſie rühren bald von Ernährungsanomalien, bald von Froſtwirkungen, 
bald von Verletzungen durch kleine Tiere her und werden endlich durch 
eine große Anzahl verſchiedenartiger Schmarotzerpilze verurſacht. 

IV. Krankheitsurſachen. Wenn man die Verrichtungen der 
einzelnen Organe im Dienſte der ganzen Pflanze kennt, ſo läßt ſich 
auch ohne weiteres ſagen, welche Störung eintreten muß, ſobald dieſes 
oder jenes Organ der Pflanze beſchädigt iſt. Sind z. B. die Wurzeln 
ganz oder teilweiſe zerſtört, oder hören ſie zu funktionieren auf, weil 
ſie erkrankt ſind, ſo iſt ein Welkwerden und Vertrocknen der Stengel 
und Blätter zu erwarten, weil die Wurzeln für die Erwerbung der— 
jenigen Waſſerquantitäten ſorgen, welche zum Erſatze des durch die 
Verdunſtung der Blätter in Dampfform an die Luft abgegebenen 
Waſſers der Pflanze gebraucht werden. Wenn das Syſtem der Gefäß— 
bündel der Pflanze, insbeſondere der Holzkörper in ſeiner Kontinuität 
innerhalb des Pflanzenkörpers unterbrochen iſt, ſo kann über die Unter— 
brechungsſtelle hinaus die Beförderung des Waſſers nach oben verhindert 
werden und ein Verwelken und Vertrocknen der oberhalb dieſer Stelle 
befindlichen Teile eintreten, weil eben vorzugsweiſe die Gefäßröhren, 
welche in den Gefäßbündeln und ſpeziell im Holzkörper vorhanden ſind, 
die Bahn des aufſteigenden Waſſerſtromes darſtellen. Hat die Pflanze 
die grünen Blätter in Folge von Verwundungen verloren oder ſind 
dieſelben durch eine anderweitige Urſache verdorben, ſo hört von dieſer 
Zeit an jede weitere Produktion der Pflanze auf, ſo lange als nicht 
neue geſunde grüne Blätter gebildet ſind; die Körnerfrüchte, das Obſt 
und überhaupt alle Früchte können dann keine Ausbildung weiter er— 
reichen; die Holzpflanzen bleiben dann auf einem ſchwächeren Grade 
der Holzbildung ſtehen; die Kartoffelpflanze gelangt dann zu keiner 
weiteren Knollenbildung, die Rübenpflanze hört mit dem weiteren 
Wachstum des Rübenkörpers und mit der ferneren Zuckerbildung auf. 
Das erklärt ſich eben aus der Rolle, welche das grüne Blatt im Leben 
der Pflanze ſpielt, welche darin beſteht, Kohlenſäure aus der Luft auf— 
zunehmen und dieſelbe nebſt Waſſer unter dem Einfluſſe des Lichtes 
zu kohlenſtoffhaltiger organiſcher Subſtanz zu verarbeiten; denn all' 
das kohlenſtoffhaltige Material, welches zur Herſtellung jener Pflanzen— 
produkte gebraucht wird, wird in den grünen Blättern aus der Kohlen— 
ſäure der Luft erzeugt und von den Blättern aus nach den Verbrauchs⸗ 
orten hingeleitet. Bei einer Pflanze, deren Blüten verkümmert ſind, 
oder welche zwar Blüten bildet, aber die Geſchlechtsorgane in denſelben 
nicht zur normalen Entwickelung bringt, iſt Unfruchtbarkeit, alſo Unter- 


Einleitung 13 


bleiben der Samenbildung die Folge; denn wir wiſſen, daß zu letzterer 
das Zuſammenwirken der Geſchlechtsorgane der Blüten, nämlich der 
Samenknoſpen und des Blütenſtaubes eine notwendige Bedingung iſt. 

Aber mit dieſer Aufdeckung der nächſten Veranlaſſung einer Pflanzen- 
krankheit iſt das Ziel der Forſchung noch lange nicht erreicht. Dieſes 
beſteht nun auch noch darin, die eigentliche Urſache aufzuſuchen, wes— 
halb das betreffende Organ der Pflanze zerſtört iſt oder ſeinen Dienſt 
verſagt. 


Bei der Nachforſchung nach dieſen eigentlichen Krankheit s-F-ODie eigentlichen 


urſachen iſt es nun durchaus logiſch, daß wir nach einem äußern 
Faktor ſuchen, auf welchen die vorhandene Störung zurückzuführen iſt. 
In der That läßt ſich bei den Pflanzenkrankheiten auch gewöhnlich 
ein ſolcher außerhalb der Pflanze liegender ſchädlich wirkender Faktor 
als die wahre Urſache leicht auffinden: bald ſtellt ſich ein ſolcher un— 
zweifelhaft unter den verſchiedenen Einwirkungen heraus, denen die 
Pflanze hinſichtlich der anorganiſchen Naturkräfte ausgeſetzt war, z. B. 
in Bezug auf die Temperatur, oder auf die Beleuchtungsverhältniſſe 
oder hinſichtlich der Beſchaffenheit des Erdbodens oder der Luft, bald 
wird ein fremdes Lebeweſen, ein Paraſit aus dem Pflanzen- oder Tier— 
reiche als die Krankheitsurſache beſtimmt nachgewieſen. Nun iſt in 
der Regel auch von allen derartigen ſchädlichen Faktoren bekannt, daß 
ſie allein hinreichen, um die Krankheit zu erklären; wir können beliebig 
jede geſunde Pflanze krank machen, ſobald wir ſie einem dieſer Faktoren 
ausſetzen beziehentlich ſie künſtlich mit einem der betreffenden Paraſiten 
infizieren. 

Aber es dürfen bei der Erklärung der Krankheitsurſachen auch 
die befördernden Nebenumſtände nicht vergeſſen werden, die in 
manchen Fällen an dem Eintreten der Krankheit einen weſentlichen 
Anteil haben. Dieſe können nun entweder auch außerhalb der Pflanze 
liegen. Viele Krankheiten, bei denen paraſitiſche Pilze die Urſache 
find, werden durch Feuchtigkeit in ihrer Ausbreitung außerordentlich 
begünſtigt; auf feuchtem Boden, in Lagen mit häufigen Nebelbildungen, 
bei andauerndem Regenwetter werden die Pflanzen viel mehr von 
den Pilzen aus den Abteilungen der Uſtilagineen, Uredinaceen, 
Peronoſporaceen ꝛc. befallen als unter trockeneren Verhältniſſen, weil 
die Erzeugung der Sporen dieſer Schmarotzer, ihre Keimung und das 
Eindringen der Keimlinge derſelben in die Nährpflanze durch Feuchtig— 
keit ſehr befördert wird. Iſt ein paraſitiſcher Pilz einmal in ſeine 
Nährpflanze eingedrungen, ſo kann das inficierte Individuum, wenn 
es ſich raſch und kräftig entwickelt, den Paraſiten in ſeiner Entwickelung 
überflügeln und dadurch den ſchädlichen Einwirkungen des letzteren 


Krankheits- 
urſachen. 


Befördernde 
Nebenumſtände 
außerhalb der 
Pflanze. 


Befördernde 
Nebenumſtände 
in der Pflanze 
ſelbſt. 


14 Einleitung 


noch mehr oder weniger entgehen und leidlich geſund bleiben, während 
umgekehrt der Paraſit die Oberhand in der Pflanze gewinnen und 
die letztere überwältigen kann, wenn dieſe in ihrer Entwickelung ſehr 
gehemmt wird, alſo z. B. wenn ſie in eine lange Trockenheitsperiode 
kommt oder auf einem Boden wächſt, der ſchon, wenn kürzere Zeit 
die Niederſchläge ausbleiben, an Waſſermangel leidet. Auch bei den 
durch Inſekten verurſachten Pflanzenbeſchädigungen ſpielt die Witterung 
eine ganz außerordentlich wichtige Rolle. Überhaupt hängt ſchon das 
numeriſche Auftreten der Inſekten bedeutend von der Witterung ab: 
in Jahren mit reichlichen Niederſchlägen und geringerer Wärme er— 
ſcheinen ſie im allgemeinen nicht in großer Anzahl, während in aus— 
nehmend trockenen und heißen Sommern Inſektenarten, welche ſonſt 
in den betreffenden Kulturen nie beobachtet werden, großartige Be— 
ſchädigungen veranlaſſen können. Dazu kommt noch, daß die Angriffe 
ſolcher Inſekten, namentlich der Milben, Läuſe und Cicaden gerade 
bei Trockenheit und Hitze um deswillen heftiger werden, weil ſie nicht 
allein auf das Nahrungsbedürfnis, ſondern auch beſonders auf die 
Begierde nach Stillung des Durſtes zurückzuführen ſind, und weil bei 
ſolchen Witterungsverhältniſſen gerade die Pflanze ſelbſt Waſſermangel 
leidet und in ihrer Entwickelung ſo gehemmt iſt, daß ſie wiederum 
dem Paraſiten gegenüber als der ſchwächere Teil ſich erweiſt. So iſt 
es denn eine ziemlich feſtſtehende Erfahrung, daß in naſſen Jahren 
die Pilzkrankheiten, in trocknen Jahren die Inſektenbeſchädigungen an 
unſern Kulturpflanzen vorwalten. 

Es giebt aber auch krankheitbefördernde Nebenumſtände, welche 
in der Pflanze ſelbſt liegen. Offenbar wird es auch auf die Beſchaffenheit 
der Pflanze ankommen, ob und in welchem Grade ſie ſchädlichen Ein— 
flüſſen zu trotzen vermag. Die Eigenſchaften der Zellen und der 
Gewebe des Pflanzenkörpers und der Zuſtand, in welchem ſich dieſelben 
je nach Entwickelungszuſtand und Alter befinden, alſo z. B. der Saft⸗ 
gehalt, die Dicke der Zellhäute, vielleicht auch die verſchiedenen Stoffe, 
welche im Innern der Zelle enthalten ſind, dürfen nicht als gleichgültig 
angeſehen werden, wenn es ſich darum handelt, wie leicht z. B. die 
Pflanze dem Froſt erliegt, wie ſehr ſie Trockenheit verträgt, wie leicht 
ſie von paraſitiſchen Pilzen befallen und beſchädigt wird. In dieſer 
Beziehung hat uns ja auch die Erfahrung gelehrt, daß ſogar Pflanzen— 
formen von ſehr naher Verwandtſchaft, wie die einzelnen Varietäten 
und Sorten einer und derſelben Species beſtimmten Krankheitsurſachen 
gegenüber ſehr ungleich empfindlich ſind. So kennen wir z. B. froſt⸗ 
harte und froſtempfindliche Sorten beſonders bei den Obſtbäumen. 
So giebt es ferner z. B. gewiſſe Kartoffelſorten, welche weniger als 


— a 


Einleitung 15 


andre von dem Pilze der Kartoffelkrankheit angegriffen werden. So 
iſt es auch eine bekannte Thatſache, daß Sommerroggen überaus leicht 
und ſtark vom Getreideroſt befallen wird, während gleichzeitig daneben 
wachſender Winterroggen und andres Getreide völlig roſtfrei bleiben 
kann. Die Reblaus iſt bekanntlich nur für den europäiſchen Weinſtock 
hochgradig gefährlich, für die amerikaniſchen Rebenarten weit weniger. 
Solcher Beiſpiele ließen ſich noch ſehr viele anführen. Wenn wir 
auch nicht in allen dieſen Fällen ſchon jetzt genaue Rechenſchaft darüber 
geben können, in welchen Momenten die ungleiche Widerſtandsfähigkeit 
begründet iſt, ſo iſt doch unzweifelhaft bewieſen, daß eine ſolche 
wirklich beſteht, daß man alſo in dieſem Sinne allerdings mit Recht 
von einer Prädispoſition gewiſſer Pflanzen für eine Krankheit reden 
kann. Will man damit nur ausſprechen, daß gewiſſe Arten oder 
Varietäten und Sorten vermöge ihrer natürlichen, an und für 
ſich geſunden Eigenſchaften den Angriffen gewiſſer Krankheitsurſachen 
weniger leicht widerſtehen können als Pflanzen mit andern natürlichen 
Eigenſchaften, ſo iſt dagegen nichts einzuwenden. Man kann auch 
noch weiter gehen und ſagen, daß man die Pflanzen durch gewiſſe 
Verhältniſſe, in denen man ſie wachſen läßt, verzärteln kann, ſo daß 
ſie dann gewiſſen Einflüſſen weniger zu trotzen vermögen. Pflanzen, 
die z. B. in geſchloſſenen Räumen mit feuchter, unbewegter Luft und 
mit ſchwacher Beleuchtung gewachſen ſind, erliegen, in freie, trocknere, 
bewegte Luft gebracht, ſehr leicht den ungewohnten Verhältniſſen, 
während die in ſolchen von vornherein gewachſenen Individuen 
derſelben Art unberührt bleiben. In ſolchem Falle liegt alſo ſchon 
ein andrer krankmachender äußerer Umſtand vor und eben keine 
urſprüngliche Krankheitsveranlagung. Irrig wäre es auch, wenn 
man, wie es früher und vielleicht jetzt noch manchmal geſchieht, be— 
haupten wollte, daß paraſitiſche Krankheitserreger nur Pflanzen 
angreifen, welche ſchon aus irgend einer andern Urſache wirklich krank 
ſeien. Denn es iſt von allen genauer bekannten paraſitären Pflanzen— 
krankheiten feſtgeſtellt, daß es leicht gelingt, jedes beliebige geſunde 
Individuum der betreffenden Species mit den Keimen des bezüglichen 
Paraſiten zu inficieren und dadurch die Krankheit mit allen ihren 
charakteriſtiſchen Symptomen künſtlich zu erzeugen. 

Aber gewiſſe Krankheitszuſtände giebt es doch bei den Pflanzen, 
wo eigentlich nur von einer innern Urſache geredet werden kann, 
nämlich da, wo gewiſſe Merkmale von entſchieden pathologiſchem 
Charakter vererbt werden. Es giebt Varietäten, welche durch terato— 
logiſche oder auch rein pathologiſche Merkmale charakteriſiert ſind. So 
z. B. ſolche mit gewiſſen Mißbildungen an den Blättern oder an den 


Erhebliche 
Krankheits⸗ 
zuſtände. 


Ermittelung 
der Krankheits— 
urſachen. 


16 Einleitung 


Blüten, oder ſolche mit abnormen Farben, z. B. mit Blättern, welche 
ganz oder ſtellenweiſe keine grüne Farbe beſitzen. Solche Eigenſchaften 
kommen bei der Aussaat der Samen gewöhnlich wieder, find alſo 
erblich, und es ſind ſo wirklich teratologiſche und pathologiſche 
Raſſen entſtanden. Das Auftreten ſolcher Merkmale fällt unter den 
Geſichtspunkt des Variierens; d. h. des ſpontanen Auftretens neuer 
Merkmale. Es brauchen beim Variieren der Pflanzen nicht immer 
nur ſolche neue Eigenſchaften aufzutreten, welche vorteilhaft für die 
Lebensthätigkeiten der Pflanze ſind. Vielmehr liegt im Begriffe des 
Variierens ebenſowohl das Auftreten von Eigenſchaften, die in irgend 
einer Beziehung den Lebenszwecken der Pflanze nicht entſprechen. Daß 
neu erworbene Merkmale vererbt werden können, iſt ebenfalls eine 
bekannte Thatſache, und auch hierbei iſt die Qualität derſelben irre— 
levant. Es iſt alſo nichts Befremdendes, daß auch Merkmale von 
teratologiſchem oder pathologiſchem Charakter vererbbar find. Sich 
ſelbſt überlaſſen werden ſolche Formen natürlich bald wieder ver— 
ſchwinden; aber ebenſo ſelbſtverſtändlich iſt es, daß ſie, wenn der 
Pflanzenzüchter ſie abſichtlich auswählt, ſich erhalten und zu wirklichen 
Raſſen ſich ausbilden, dafern nur ihre pathologiſchen Merlmale von 
einer Art oder von einem Grade ſind, daß das Leben dadurch nicht 
ohne weiteres gehemmt wird. 

Bei der Ermittelung der Krankheitsurſachen muß man 
ſich bewußt ſein, daß jede Pflanze beſtändig unter einer großen Anzahl 
verſchiedenartiger Einwirkungen ſteht, als da ſind Temperatur, Be— 
leuchtungsverhältniſſe, Beſchaffenheit des Bodens und der Luft. Jeder 
dieſer Faktoren kann nun unter Umſtänden einen ſchädlichen Charakter 
für die Pflanze annehmen. Es iſt nun aber auch bekannt, welches 
Krankheitsbild die Pflanzen darbieten, wenn in dieſen Beziehungen 
ein abnormer Einfluß vorliegt. Sollten wir alſo Spmptome an der 
kranken Pflanze bemerken, welche auf eine dieſer Urſachen hindeuten, 
ſo wird eine nähere Unterſuchung aller einzelnen Umſtände der eben 
genannten Art, unter denen die Pflanze ſich befunden hat, Aufſchluß 
darüber geben, ob und welcher dieſer Faktoren die Krankheitsurſache 
abgegeben hat. Natürlicherweiſe müſſen dann in der Regel alle in 
derſelben Kultur beiſammenſtehenden gleichartigen Individuen gleich— 
mäßig von der Krankheit betroffen ſein, da ſie ja alle den gleichen 
Einwirkungen ausgeſetzt waren. Läßt ſich unter den allgemeinen 
Faktoren keiner finden, auf welchen eine Krankheit zu beziehen wäre, 
ſo iſt anzunehmen, daß es ſich um eine beſondere Urſache handelt, 
welche direkt nur das einzelne Individuum getroffen hat, d. h. alſo 
meiſtens um den Angriff eines fremden, ſchädlichen Weſens. In 


Einleitung 17 


ſolchen Fällen pflegen auch gewöhnlich nicht alle beiſammen wachſende 
Individuen erkrankt zu ſein, ſondern nur ein kleinerer oder größerer 
Bruchteil derſelben, eben je nach der Häufigkeit, in welcher ſie befallen 
worden ſind. Auch in ſolchem Falle ergiebt ſich in der Regel die 
Krankheitsurſache ziemlich bald, da der betreffende Paraſit ſich ge— 
wöhnlich leicht an der Pflanze auffinden läßt, natürlicherweiſe nur 
durch mikroſkopiſche Unterſuchung, wenn es ſich um einen mikroſkopiſchen 
Pilz oder ein derartiges Tier handelt. Freilich kann man in dieſer 
Beziehung auch getäuſcht werden, wenn man die Krankheit erſt in 
einem Stadium zu Geſicht bekommt, wo der Krankheitserreger bereits 
verſchwunden oder durch ſekundäre, erſt am toten Pflanzenkörper auf— 
getretene ſogenannte Fäulnisbewohner verdrängt iſt. In dieſem 
Falle bedarf es einer wiederholten Unterſuchung, zu welcher frühere 
Zuſtände, insbeſondere die Anfangsſtadien der Krankheit, heran— 
zuziehen ſind. 

V. Die Bekämpfung der Pflanzenkrankheiten. An ein 
rationelles Vorgehen gegen eine Pflanzenkrankheit kann nur dann ge— 
dacht werden, wenn die Urſache derſelben aufgeklärt worden iſt, denn 
andernfalls würde jedes Unternehmen dagegen nur ein blindes Umher 
probieren ſein können. Der Kampf gegen die Pflanzenkrankheiten— 
kann entweder auf eine Heilung einer ſchon vorhandenen Krankheit 
oder auf eine Verhütung des Eintretens einer ſolchen gerichtet ſein. 
Bei kurzlebigen Pflanzen, wie den meiſten landwirtſchaftlichen Kultur— 
pflanzen, welche nur eine oder wenige Vegetationsperioden leben, kann 
naturgemäß in der Regel von einer Heilung nicht oder nur ſelten die 
Rede ſein; denn ſchädliche Temperaturverhältniſſe, ungünſtige Beſchaffen— 
heit des Bodens, oder der Befall durch paraſitiſche Pilze oder ſchädliche 
Tiere verderben gewöhnlich dieſe Pflanzen unrettbar, während aller— 
dings bei den Bäumen und Sträuchern durch kunſtgerechte Behandlung 
manches Leiden in der That wieder geheilt werden kann. Es ergiebt 
ſich hieraus, daß der Kampf gegen die Pflanzenkrankheiten hauptſächlich 
auf die Verhütung derſelben hinauskommt. 

Welches die zweckmäßigen Verhütungsmaßregeln der Pflanzen— 
krankheiten find, ergiebt ſich aus der Kenntnis der Urſache und der 
Entſtehung der Krankheit. Selbſtverſtändlich werden ſich alſo dieſe 
Maßregeln nach der Art der Krankheit und der Umſtände, unter denen 
ſie auftritt, richten müſſen und ſind alſo für jeden Einzelfall beſonders 
zu erörtern. Iſt dieſes geſchehen, ſo iſt freilich noch nicht geſagt, daß 
die Mittel ſich in der Praxis auch anwenden laſſen. Sie können ent— 
weder den Zwecken der Kultur überhaupt zuwider laufen, oder ſie 
können eine Arbeit beanſpruchen, die ſich für Werhälmiſſe im Großen 

Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 2 


Bekämpfung 
der Pflanzen⸗ 
krankheiten. 


Bflunzenichuß. 


18 Einleitung 


nicht ausführen läßt oder die mit Koſten verbunden ſein würde, welche 
mit dem Gewinn, den die Kultur überhaupt abwirft, in keinem Ver— 
hältniſſe ſtände. Sind die Mittel von dieſer Art, ſo laſſen ſie ſich 
freilich im Großen nicht anwenden. Auch darüber wird natürlich in 
jedem Einzelfalle entſchieden werden müſſen. 

Überall da nun, wo es Mittel giebt, gegen deren Ausführbarkeit 
nach keiner Richtung hin Gründe ſich anführen laſſen, handelt es ſich 
darum, dieſelben nun wirklich zur praktiſchen Anwendung zu bringen. 
Dies iſt die Aufgabe des Pflanzenſchutzes. Es handelt ſich hier 
naturgemäß um gemeinnützige Zwecke, um Aufgaben, die nicht ſowohl 
den Einzelnen, als vielmehr die Geſamtheit der Pflanzenbauer im 
ganzen Lande angeht. Ja vielfach ſind dieſe Mittel überhaupt nur 
unter der Bedingung erfolgverſprechend, daß ſie von allen Intereſſenten 
gemeinſam ausgeführt werden, beſonders da, wo es ſich um anſteckende 
Pflanzenkrankheiten handelt, deren Krankheitserreger für die Nachbar— 
ſchaft, ja für das ganze Land gefährlich werden. Wir können gegen ſolche 
Krankheiten gerade ebenſo wie gegen die ſeuchenartigen Krankheiten 
der Menſchen und Tiere nur durch ſyſtematiſch gemeinſames Vorgehen 
etwas ausrichten. 

Somit iſt unabweislich der auf den Pflanzenbau im großen be— 
zügliche Pflanzenſchutz eine Aufgabe des Staates, der Gemeinden oder 
ſonſtiger Vereinigungen. Was wir von Einrichtungen in dieſer Be— 
ziehung beſitzen, beſchränkt ſich bis jetzt auf folgendes. 

Noch am meiſten erfreut ſich die Forſtkultur dank ihrer nach ein— 
heitlichem Plane geordneten Verwaltung, in den Vorſchriften und Me— 
thoden, welche der Forſtſchutz angiebt, einer Reihe von Schutzmaßregeln, 
welche im gegebenen Falle zur allgemeinen Anwendung kommen, und 
durch welche wenigſtens für eine Anzahl von Baumbeſchädigungen 
ein planmäßiges Einſchreiten geſichert iſt. 

Der Schutz, den die Landwirtſchaft und der Gartenbau gegen ge— 
meingefährliche Pflanzenkrankheiten genießen, beſteht, ſoweit der Staat 
oder die Gemeinden in Betracht kommen, nur aus einer Reihe für 
beſtimmte Einzelfälle erlaſſener zweckmäßiger Polizeiverordnungen oder 
beſtallter Kommiſſionen. Es iſt hier zu denken an die von den könig— 
lich preußiſchen Regierungen ſeit längerer Zeit erlaſſenen Verordnungen 
betreffend die Ausrottung der Berberitzen behufs Fernhaltung des 
Getreideroſtes; ferner an die Vorſchriften zur Zerſtörung der Raupen⸗ 
neſter. Dazu kommen neuerdings die Polizeiverordnungen betreffend 
das Abpflücken und Verbrennen der im Winter an den Kirſchbäumen 
ſitzenbleibenden Blätter, worin ich das ſichere Bekämpfungsmittel gegen 
die durch Gnomonia erythrostoma verurſachte Seuche aufgefunden habe, 


ai 
4 


EEE ˙Ap er In = 


— 


Einleitung 19 


und was in den beſonders bedrohten Gegenden, nämlich im Regierungs— 
bezirk Stade und in der Provinz Schleswig-Holſtein vorgeſchrieben iſt. 
Auch die Anweiſungen zur Befolgung der Maßregeln, um die Kirſchen— 
fliege zu vertilgen, wie ſie von der Polizeibehörde der Stadt Guben den 
Obſtbauern der dortigen Gegend gegeben werden, wären zu erwähnen. 
Eine ſtaatliche Hilfe erſten Ranges aber ſind die bezüglich der Reblaus 
beſtehenden, gegen die Gefahr der Einſchleppung derſelben gerichteten 
Geſetze, ſowie die in den weinbauenden Ländern eingeſetzten Kom— 
miſſionen zur planmäßigen Überwachung der Weinberge und zu der 
von ſtaatswegen vorzunehmenden Vernichtung und Desinfektion der 
von der Reblaus infizirt befundenen Kulturen. 

Man ſieht aus dem Geſagten, daß von einer einheitlichen und 
umfaſſenden Organiſation des Pflanzenſchutzes, wozu naturgemäß 
ja nur der Staat mit ſeinen Machtbefugniſſen berufen iſt, der— 
malen noch nicht entfernt die Rede ſein kann. Es iſt hier nicht der 
Ort, die etwaigen Schwierigkeiten, die einer ſolchen Organiſation im 
Wege ſtehen könnten, zu beleuchten, oder Vorſchläge in dieſer Beziehung 
zu machen. Nur um alles Thatſächliche, was mit dieſer Frage zu— 
ſammenhängt, zu regiſtrieren, iſt noch darauf hinzuweiſen, daß, je 
weniger in dieſer Sache der Staat ſich ſeinen Aufgaben bisher ge— 
wachſen gezeigt hat, um ſo mehr private Unternehmungen an dieſe 
Aufgaben, ſo weit ihre Mittel es geſtatten, heranzutreten verſucht haben. 
Für das Gebiet des Deutſchen Reiches beſitzen wir in dem von der 
deutſchen Landwirtſchaftsgeſellſchaft 1890 gegründeten Sonderausſchuß 
für Pflanzenſchutz ein erfolgreich wirkendes Inſtitut; derſelbe hat eine 
große Anzahl von Auskunftsſtellen, welche gleichmäßig über alle Gaue 
des Deutſchen Reiches verteilt ſind, eingerichtet, deren Aufgabe es iſt 
auf Anfragen bezüglich vorkommender Pflanzenkrankheiten Rat zu er— 
teilen. Über alle zur Kenntnis dieſer Auskunftsſtellen gekommenen 
Fälle wird von dem genannten Sonderausſchuß ein regelmäßiger 
Jahresbericht veröffentlicht, durch welchen eine Statiſtik über die in 
Deutſchland auftretenden Pflanzenbeſchädigungen geſchaffen und ein 
immer regeres allgemeines Intereſſe an den Aufgaben des Pflanzen— 
ſchutzes wachgerufen wird. Die Inhaber der erwähnten Auskunfts— 
ſtellen ſind wiſſenſchaftliche Autoritäten und ſachverſtändige Praktiker, 
größtenteils Vorſteher derjenigen der Landwirtſchaft und dem Garten— 
bau dienenden, ſtaatlichen, wiſtenſchaftlichen Inſtitute, in deren Bereich 
mehr oder weniger auch das Studium der Pflanzenkrankheiten gehört, 
und die daher auch ſchon an und für ſich für dieſe Intereſſen einzu— 
treten haben, in ihrer von der deutſchen Landwirtſchafts-Geſellſchaft 
angebahnten Vereinigung aber einen erweiterten Wirkungskreis erhalten. 

2 * 


Klaſſifikation 
der Pflanzen- 
krankheiten. 


20 Einleitung 


Das Nähere über die Einrichtung dieſer Auskunftsſtellen iſt in dem 
oben citierten Schriftchen „Pflanzenſchutz“ zu finden. — In Frankreich 
beſteht ſeit 1888 ein den gleichen Zwecken dienendes, auch zur Aus— 
kunftserteilung an Landwirte berufenes Inſtitut in dem phytopatholo— 
giſchen Laboratorium zu Paris. — Auch die Vereinigten Staaten 
Nordamerikas beſitzen ein derartiges Staatsinſtitut: die ſeit 1888 in 
Thätigkeit befindliche phytopathologiſche Abteilung des Ackerbau— 
Departements zu Waſhington, welche ein Laboratorium und Verſuchs— 
feld zu wiſſenſchaftlichen Arbeiten beſitzt, deren Ergebniſſe in einer be— 
ſonderen Zeitſchrift, dem Journal of Mycology, herausgegeben werden, 
zugleich aber auch über die aus den Kreiſen der Landwirte eingehenden 
Anfragen Auskunft erteilt und durch Agenten in den verſchiedenen 
Staaten die Krankheiten der Pflanzen beobachten und praktiſche Feld— 
verſuche zur Bekämpfung derſelben anſtellen läßt. 

VI. Klaſſifikation der Pflanzenkrankheiten. Man könnte 
das Gebiet der Pflanzenkrankheiten einteilen nach den Pflanzenarten, 
an denen Krankheiten vorkommen. Für gewiſſe Zwecke, z. B. behufs 
einer ſchnellen Orientierung, kann es bequem ſein, eine Aufzählung der 
Krankheiten je nach den einzelnen Kulturpflanzen zu beſitzen. Aber für 
eine wiſſenſchaftliche Belehrung über die Natur der Pflanzenkrankheiten 
wäre dieſer Weg ungeeignet, weil er viele Krankheitserſcheinungen, 
welche nach ihren urſächlichen Beziehungen zuſammengehören oder auf 
das nächſte verwandt ſind, auseinanderreißen und an vielen Punkten 
Wiederholungen machen müßte. Eine wiſſenſchaftliche Klaſſifikation 
der Pflanzenkrankheiten iſt nur nach den Krankheitsurſachen möglich. 
Darum ſoll auch die Einteilung des Gegenſtandes im vorliegenden 
Buche nach dieſem Prinzip geſchehen. Somit zerfällt der Inhalt dieſes 
Buches in folgende Abſchnitte: 

1. Von den Wirkungen des Raummangels. 

2. Von den Wunden. 

3. Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe. 

4. Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe. 

5. Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe. 

6. Erkrankungen durch ſchädliche Pflanzen. 

7. Erkrankungen durch ſchädliche Tiere. 

8. Erkrankungen ohne nachweisbare äußere Veranlaſſung. 


* 
r ne 


a Ar S A 


I. Abſchnitt. 
Don den Wirkungen des Raummangels. 


Eine notwendige Bedingung der normalen Ausbildung der Alle Pflanzen- 


Pflanzen iſt der für ſie erforderliche Raum. Bisweilen ſetzen fremde 
feſte Körper den wachſenden Organen ein Hindernis entgegen, welchem 
die Pflanze nicht auszuweichen und welches ſie auch nicht zu beſiegen 
vermag. Da hierbei gewöhnlich das Wachstum fortdauert, ſo werden 
die betreffenden Teile in den gegebenen engeren Raum eingezwängt. 
Die Folge iſt eine Geſtaltsveränderung, die von der Form des Hinder— 
niſſes abhängig iſt. Je nachdem das Längenwachstum oder das 
Dickenwachstum eines Pflanzenteiles behindert iſt, iſt der Erfolg 
verſchieden. 

Wenn Pflanzenteile bei ihrem Längenwachstume einem un— 
überwindlichen Hinderniſſe begegnen, ſo müſſen ſie ſich krümmen. Die 
Form dieſer Krümmung ſtrebt bei ringsum gleichmäßiger ſeitlicher 
Verſchiebbarkeit eine Schraubenlinie zu werden. Kommen auch ſeit— 
liche Hinderniſſe ins Spiel, ſo ergeben ſich unregelmäßige Krümmungen, 
die bei großer Raumbeengung zu vollſtändiger Verwickelung und 
gegenſeitiger Ineinanderpreſſung führen können. 

Solche Erſcheinungen kommen ganz gewöhnlich an Wurzeln vor, wenn 
dieſelben aus irgend einem Grunde an ihrer Ausbreitung im Boden ge— 
hindert ſind, beſonders alſo an den Wurzeln in Blumentöpfen; die 
nach unten gehenden Wurzeln verſchlingen ſich hier am Boden des Topfes 
derart, daß daſelbſt ein nur aus Wurzelmaſſe beſtehender, dichter Filz vor⸗ 
handen iſt, und das gleiche thun die an den Wänden des Topfes zujam- 
mentreffenden zahlreichen Seitenwurzeln. 

Wenn Stengel und Blätter unter größeren Steinen u. dergl. ſich bilden, 
unter denen ſie ſich nicht hervorarbeiten können, ſo machen ſie ähnliche 
Zwangskrümmungen und werden an ihrer normalen Formbildung gehindert. 
Da an ſolchen Orten gewöhnlich auch dem Lichte der Zugang verwehrt iſt, 
ſo wird in Folge des Etiolements das Längenwachstum abnorm vergrößert, 
was die Zwangskrümmungen noch mehr befördert. Auch das fort— 


teile beauchen 
Raum. 


Behinderung 
des Längen⸗ 
wachstums. 


22 J. Abſchnitt: Von den Wirkungen des Raummangels 


währende Beſtreben ſolcher Pflanzenteile, durch negativ geotropiſche Krüm— 
mungen ſich ſenkrecht zu ſtellen, wirkt unter dieſen Umſtänden in dem 
gleichen Sinne. 

Wenn das Hindernis beſeitigt wird, ſo können ſolche Krümmungen 
nur dann wieder ausgeglichen werden, wenn die Periode des Wachstums 
an den gekrümmten Stücken noch nicht vorüber iſt; an denjenigen Teilen, 
die ihr Wachstum abgeſchloſſen haben, bleiben die Veränderungen dauernd, 
und nur die weiter ſich bildenden Teile werden dann in normaler Richtung 
entwickelt. 

Behinderung des Hinderniſſe, welche in der Richtung des Dickenwachstums der 

e Organe wirken, haben zur Folge, daß der Pflanzenteil je nach der 

Form des fremden Körpers eingeſchnürt oder abgeplattet wird. An 
Pflanzenteilen, die ein ſtarkes und langdauerndes Dickenwachstum be— 
ſitzen, werden daher dieſe Erſcheinungen beſonders auffallend, und 
zwar kommt dies ſowohl an ſolchen Pflanzenteilen vor, welche ihr 
großes Volumen durch ein primäres Dickenwachstum erreichen ), das 
alſo auf einer Vergrößerung des geſamten Grundgewebes beruht, wie 
bei dicken Krautſtengeln, Knollen und großen Früchten, als auch bei 
ſolchen, welche alljährlich durch ſekundäres Dickenwachstum zu— 
nehmen, das alſo auf der Thätigkeit eines Cambiumringes beruht und 
in einer entſprechenden Zunahme des Holzkörpers beſteht, wie bei den 
Wurzeln und Stämmen der Holzflanzen. Hier wirkt natürlich das 
Hindernis immer als ein Druck der Querrichtung, und die Wirkung 
iſt auch in allen Fällen, mag es um ein primäres oder ſekundäres 
Dickenwachstum ſich handeln, inſofern ein und dieſelbe, als in der 
Richtung, in welcher das Hindernis wirkt, ſowohl die Vermehrung 
der Zellen, als auch das Wachstum der wirklich gebildeten Zellen 
ſchwächer wird; doch kommen dabei auch Verſchiebungen in den 
Geweben zu ſtande, indem die Wachstumsrichtung mehr oder 
weniger nach der Gegend der unbehinderten Ausdehnung ausweicht. 

Von den vielen Fällen, wo abſichtlich oder unbeabſichtigt Pflanzenteile 
an ihrem Dickenwachstum gehindert und dadurch verunſtaltet werden, ſeien 
nur folgende erwähnt. 

An Früchten. Großen Früchten, beſonders denen der Cucurbitaceen, kann man durch 
Unterbindungen oder Kompreſſionen beliebige Geſtalten geben. Bekannt iſt 
ein Gebrauch der Chineſen, welche ganz junge Kürbisfrüchte in viereckige, 
inwendig mit vertieften Figuren und Schriftzügen gezeichnete Flaſchen 
ſtecken; die Früchte vergrößern ſich, füllen die ganze Flaſche aus und drücken 
ſich in den Wänden ab; wenn fie reif find. zerſchlägt man die Flaſche 
und nimmt die künſtlich geformten Früchte heraus. 

An Knollen Kartoffelknollen, Rüben und andre dickwerdende Wurzeln wachſen 

und Wurzeln. manchmal, wenn ſie noch jung ſind, durch enge Löcher feſter Körper, denen 
ſie zufällig im Erdboden begegnen, und erſcheinen daher ſpäter durch die— 


) Vergl. mein Lehrbuch der Botanik. Leipzig 1892, I. pag. 375. 


J. Abſchnitt: Von den Wirkungen des Raummangels 23 


ſelben eingeſchnürt. Flaſchenhälſe, Drathſchlingen, durchlochte Holz- oder 
Metallſtücke und dergleichen findet man bisweilen in dieſer Weiſe von 
ſolchen Pflanzenteilen durchwachſen und mehr oder weniger in dieſelben 
eingewachſen. 

An Bäumen, die über felſiger Unterlage ſtehen, iſt es eine ſehr häufige 
Erſcheinung, daß die jungen Wurzeln, welche zwiſchen enge Felſenſpalten 
hineingewachſen ſind, mit zunehmendem Alter eine immer plattgedrücktere 
Form annehmen, weil ihr fortdauerndes ſekundäres Dickenwachstum nur 
in der Richtung der Spaltenfläche freien Spielraum hat. Wenn ſie ſich 
viele Jahre ſo entwickelt haben, ſo kommen ſie endlich einmal beim Abbrechen 
des Geſteins in den ſeltſamſten Formen, manchmal faſt bis zu Papierdünne 
abgeplattet, zum Vorſchein. Solche Baumwurzeln zeigen daher auf dem 
Querſchnitt in der Form des Holzkörpers die analoge Deformität (Fig. 2). 
Das Mark liegt meiſt 
mehr oder weniger excen— 
triſch; in den beiden Rich- 
tungen, wo das Geſtein 
angrenzte, hat ſich nur eine 
ſchmale Holzſchicht ent— 
wickeln können; aber nach 
den beiden andern Seiten 
hin iſt der Holzkörper nach 
Maßgabe ſeines Alters er— 
ſtarkt und durch die ent 
ſprechende Anzahl unvoll— 
ſtändiger, bogenfömiger 
Jahresringe gezeichnet. Die ö 
Rinde ift ebenfalls an den Zwiſchen Felſenſpalten gewachſene und durch 
freien Seiten meiſt unge: den Druck veränderte Eichenwurzeln im 
mein mächtig entwickelt Querdurchſchnitt. 4 eine ältere Wurzel, 

f 5 i „2 Mal vergrößert. B jüngere Wurzel, 3 Mal 
während ihr Dickeuwachs⸗ vergrößert. m die Gegend des Markes. 
tum an den andern Seiten 


auf ein Minimum beſchränkt iſt. Die Peridermhaut geht lückenlos um die 
ganze Oberfläche der Wurzel herum. Selbſt Abdrücke der Unebenheiten der 
Steinflächen prägen ſich am Wurzelkörper aus, und wo zwei Wurzeln bei— 
ſammen in einer Felsſpalte ſich entwickeln, bringen ſie aufeinander ihren Ab— 
druck hervor. Bemerkenswert iſt die Gewebebildung des Holzkörpers an den 
im Dickenwachstum gehemmten Seiten. Wenn auch eine Zunahme des 
Holzkörpers in dieſen Richtungen abſolut unmöglich iſt, ſo iſt die dort 
liegende Cambiumſchicht doch keineswegs getötet, ja nicht einmal zu völliger 
Unthätigkeit gebracht. Das auffallendſte Reſultat dieſer auf das äußerſte 
beſchränkten cambialen Thätigkeit iſt, daß in der ganzen Ausdehnnng, 
in welcher der Druck auf die Cambiumſchicht wirkt, eine Gliederung des 
Holzgewebes in Jahresringe nicht ſtattfindet, und keine weiten Gefäße, wie 
ſie dem Frühjahrsholze eigentümlich ſind, gebildet werden. Beides findet 
an den keinem Druck ausgeſetzten andern beiden Seiten in normaler Weiſe 
ſtatt Das Holzgewebe nimmt daher an beiden unter dem Drucke ſtehenden 
Seiten eine mehr homogene Beſchaffenheit an, wie aus den beiſtehenden 
Abbildungen erſichtlich. Stärkere Vergrößerung eines Durchſchnittes durch 
das Holz an dieſer Seite läßt genauer erkennen, wie hier die cambiale 


Fig. 2. 


An Baum- 
ſtaͤmmen. 


Wie Wunden 
entſtehen. 


24 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


Thätigkeit verändert wird. Die Holzzellen, welche ſonſt in radialen Reihen 
abgelagert werden, weichen hier dem Drucke aus, indem ſie ſich in ſehr 
ſchiefer Richtung anordnen; und da ſie abwechſelnd zeitweiſe nach rechts 
und links ausweichen, ſo bilden ſie oft ſehr ſpitzwinklige, zickzackförmige 
Reihen, was beſonders durch die Markſtrahlen, die ſich dieſen Richtungen 
anſchließen, angezeigt wird. Es kommt hinzu, daß hier vorzugsweiſe nur 
engere Tracheiden und Holzparenchymzellen gebildet werden, daß dieſe 
Organe kürzer als im normalen Holze ſind und gewöhnlich auch mit ihrer 
Längsachſe aus der normalen longitudinalen Richtung in eine mehr oder 
minder ſchiefe Richtung gedrängt werden. 

Auch Stämme und Aſte von Holzpflanzen treffen manchmal auf 
Hinderniſſe, die ſich bei zunehmendem Dickenwachstum in dieſelben ein— 
drücken. Ein Draht, ein davorſtehender Zaun, Gitter u. dergl., oder 
der Stengel einer holzigen Schlingpflanze, die den Stamm umwunden 
hat, bieten hierzu nicht ſelten Veranlaſſung. Solche Hinderniſſe können 
bei immer fortgehendem Dickenwachstum des Stammes endlich in denſelben 
einſchneiden und wirkliche Wunden hervorbringen, von denen im nächſten 
Kapitel die Rede iſt. 

Auch ſchon leichterer Druck, wie er durch Umſchlingen von Bindfaden 
erzeugt wird, hat nach de Vries) Verſuchen an Stämmen verſchiedener 
Holzpflanzen zur Folge, daß das Cambium an dieſer Stelle deſto weniger 
Zellen in jeder Radialreihe erzeugt, daß der Durchmeſſer der Holzzellen 
wie der Gefäße geringer wird, und daß auch die relative Zahl der Gefäße 
ſich vermindert. Dagegen war die Meinung dieſes Forſchers, daß aus dem 
natürlichen Rindendruck und ſeinen Schwankungen die Bildung des Frühjahrs— 
und Herbſtholzes und ſomit die Bildung der Jahresringe im Holzkörper 
der Bäume ſich erkläre, eine verfehlte, wie Krabbe?) nachgewieſen hat. 


II. Abſchnitt. 
Von den Wunden. 


Im natürlichen Verlaufe des Lebens löſen ſich von vielen Pflanzen 
regelmäßig gewiſſe Teile los, wie die im Herbſte abfallenden Blätter 
der Holzpflanzen und die freiwillig ſich abſtoßenden Zweige, die ſogen. 
Abſprünge an den Eichen, ſowie die alljährlich abſterbenden oberirdiſchen 
Triebe von den unterirdiſchen ausdauernden Organen der Stauden. 
Die Bruchſtellen, die ſich hierbei bilden, ſind aber gar nicht eigentlich 
als Wunden zu betrachten, denn ſchon vor der Ablöſung jener Organe 


) Einfluß des Rindendruckes auf den anatomiſchen Bau des Holzes. 


Flora 1875. Nr. 7. 
2) Sitzungsber. d. Berliner Akad. Dezember 1882. und Abhandl. d. 


Berliner Akad. 12. Juni 1883. 


1. Kapitel: Störung der Lebensthätigketten infolge von Verwundung 25 


wird an der Trennungsſtelle ein neues Hautgewebe in Form einer 
Korkſchicht gebildet, welches alſo bereits fertig iſt, wenn die Abtrennung 
erfolgt, und welches nach Entſtehung, Bau und ſchützender Wirkung 
übereinſtimmt mit der Korkhaut, die ſich normal an der Oberfläche 
unverletzter Stammteile findet, und mit derjenigen, die auf eigentlichen, 
unfreiwillig entſtehenden Wunden nachträglich ſich zu bilden pflegt. 
Die holzigen Teile der Gefäßbündel, welche bei dieſen ſpontan ein— 
tretenden Verwundungen, freigelegt werden und die ja der Korkbildung 
unfähig ſind, gehen auch hier an der Wundſtelle in das unten zu 
erwähnende Schutzholz über, indem die Gefäße und Tracheiden durch 
entſtehendes Wundgummi verſtopft werden. 

Von eigentlichen Wunden kann alſo nur da die Rede ſein, wo 
durch äußere Urſachen der normale Zuſammenhang der Zellgewebe 
aufgehoben wird und innere lebende Gewebe blosgelegt werden. 
Verwundungen können natürlich an jedem beliebigen Pflanzenteile 
und in ſehr verſchiedener Weiſe eintreten. Ehe wir jedoch die einzelnen 


Verwundungsarten näher betrachten, iſt es paſſend, ſich über gewiſſe 


allgemeine Thatſachen aufzuklären, welche ſich auf die Folgen der 
Verwundungen bei den Pflanzen überhaupt beziehen. 

An der lebenden Pflanze zieht jede Verwundung gewiſſe Folgen 
nach ſich, die man unter folgende Geſichtspunkte bringen kann. 
1. Störung derjenigen normalen Lebensthätigkeiten, zu deren Ausübung 
das durch die Verwundung verletzte oder verloren gegangene Organ 
(ſei es morphologiſches Glied, ſei es Zellgewebe) beſtimmt iſt. 2. Die 
an der Wundſtelle eintretenden Reaktionen, die auf den Schutz und 
auf die Heilung des verlegten Organes oder auf deſſen Reproduktion 
abzielen. 3. Die Zerſetzungserſcheinungen der Gewebe, welche, wenn 
die rechtzeitige Heilung nicht gelingt, von der Wunde ihren Ausgang 
nehmen und die man generell als Wundkrankheiten oder Wundfäule 
bezeichnen kann. 


1. Kapitel. 

Störung der Lebensthätigkeiten infolge von Verwundung. 

Wenn man weiß, welche Verrichtungen die einzelnen Teile der 
Pflanze zu beſorgen haben, ſo kann man bei jeder Verwundungsart 
vorher ſagen, welche Thätigkeiten der Pflanze geſtört, beziehentlich 
aufgehoben werden, je nachdem die betreffenden Pflanzenteile eine 
geringere oder ſtärkere Verwundung erlitten haben, beziehentlich ganz 
verloren gegangen ſind. Es iſt hier an das zu erinnern, was in 
der Einleitung in dieſer Beziehung geſagt worden iſt. 


Folgen der 
Verwundung. 


Störung der 
Lebensthätig⸗ 
keiten nach 
Verwundung. 


26 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


Folgen der Ver⸗ Bei Verletzungen oder Verluſt der Wurzeln wird die Waſſer— 
. aufnahme der Pflanze vermindert oder ganz aufgehoben, je nach der 
Größe des Wurzelverluſtes; die oberirdiſchen Teile der Pflanze er— 

halten alſo nicht mehr genügend Waſſer, und weil die Tranſpiration der— 

ſelben fortdauert, ſo verlieren ſie alſo mehr Waſſer als ihnen neues 

zugeführt wird. Die Symptome, unter denen dies an der Pflanze 

zum Ausdruck kommt, ſind je nach den Eigenſchaften der Pflanzen 
verſchiedene. Bei allen Gewächſen mit weichen, ſaftigen Blättern 

und Stengeln tritt Welkwerden ein, welches die unmittelbare Folge 

der Verminderung des Turgors der Zellen iſt, die aus der Abnahme 

des Waſſergehaltes der Gewebe reſultiert. Es iſt eine gewöhnliche x 
Erſcheinung der meisten krautartigen Pflanzen, daß ſie welk daſtehen, 

wenn ihre Wurzeln durch Tierfraß oder in Folge des Verpflanzens 


beſchädigt worden ſind. Handelt es ſich um Pflanzen mit härteren, 4 
ſaftärmeren Blättern, ſo tritt ein Gelb- oder Braunwerden und 5 
langſames Vertrocknen der Blätter ein; wieder andere Pflanzen a 
laſſen unter ſolchen Umſtänden leicht die Blätter abfallen, jo daß 
eben jede Pflanzenart hierin ihre eigenen Symptome zeigt. Am 
wenigſten empfindlich ſind die Succulenten, weil dieſe wegen ihrer N 
überaus ſchwachen Tranſpiration längere Zeit ohne Wurzel exiſtiren | 
können und auch meiſt leicht ſich wieder bewurzeln. F 
Störungen von Rinde und Holzkörper find für die Leitung der Stoffe in der | 


2 
* 


* Pflanze von ſo großer Bedeutung, daß, wenn dieſe Gewebe an irgend 
wundung von einer Stelle in Folge von Verwundung unterbrochen ſind, daraus 
Rinde und Holzerhebliche Störungen für die Pflanze entſtehen können, beſonders an 
den Stämmen und Zweigen der Holzpflanzen, weil hier beide Gewebe 
ſo orientiert ſind, daß der Holzkörper den centralen, die Rinde den 
peripheriſchen Teil ausmacht und die Rinde überdies hier eigentlich 
das einzige für die Stoffwanderung auf diosmotiſchem Wege in Be— 
tracht kommende Gewebe iſt. Denn die in den grünen Blättern durch 
die Aſſimilationsthätigkeit unter Verwendung der atmoſphäriſchen Kohlen- 
ſäure erzeugten organiſchen Pflanzenſtoffe werden in der Rinde der 
Zweige und Stämme fortgeleitet und gelangen auf dieſem Wege aus 
den Blättern nach allen den Teilen der Pflanze, wo Bildungsthätigkeiten 
ſtattfinden, wo alſo immer neues plaſtiſches Material gebraucht wird. 
Wenn nun durch eine ringförmige Verwundung die Rinde völlig 
unterbrochen iſt, ſo werden die von den darüber ſtehenden Blättern 
erzeugten aſſimilierten Stoffe oberhalb der Ringelwunde zurückgehalten. 
Betrifft alſo den Stamm einer Holzflanze eine ſolche ringförmige Ent— 
rindung, und befinden ſich unterhalb der letzteren keine blättertragenden 
Zweige, ſo werden dadurch alle unterhalb der Ringelwunde befindli— 


AA 


7 
2 * 


1. Kapitel: Störung der Lebensthätigkeiten infolge von Verwundung 27 


chen Partien von der Verſorgung mit aſſimilierten Nährſtoffen aus- 
geſchloſſen; d. h. das Wachstum des ganzen Wurzelſyſtems und die 
Holzbildung des Stammes unterhalb der Ringelwunde erhalten kein 
Nahrungsmaterial mehr und kommen zum Stillſtand, und wenn es 
der Pflanze nicht bald gelingt, durch den natürlichen Heilungsprozeß 
der Überwallung (ſ. unten) die Wunde zu ſchließen, jo iſt immer die 
natürliche Folge, daß das ganze Wurzelſyſtem abſtirbt und alſo die 
Pflanze eingeht. Der Holzkörper dagegen dient außer als mechaniſches 
Feſtigungsmittel im Aufbau des Baumes hauptſächlich zur Aufwärts— 
leitung des Waſſers, welches die Wurzeln aus dem Erdboden auf— 
genommen haben und welches den Blättern beſtändig zugeführt wird, 
um den Verdunſtungsverluſt derſelben wieder zu erſetzen, zugleich aber 
auch um verſchiedene mineraliſche Nährſtoffe, welche in dem Waſſer 
aufgelöſt ſind, den Blättern zuzuleiten. Dieſer ſogenannte Tranſpirations— 
ſtrom geht alſo ungehemmt fort, auch wenn die Rinde durch eine 
Ringwunde vollſtändig unterbrochen iſt, ſofern eben nur der Holz— 
körper dabei erhalten geblieben iſt. Auch bei ſtarken Entrindungen 
der Stämme bleibt daher das Laub des Baumes lange friſch und 
lebensthätig, und wenn es endlich Zeichen des Abſterbens erkennen 
läßt, ſo iſt dies eben die Folge des inzwiſchen eingetretenen Todes 
der Wurzeln, ohne deren Arbeit das Aufſteigen des Tranſpirationsſtromes 
im Holzkörper nicht zu Stande gebracht wird. Es ſind denn auch 
vielfach Fälle beobachtet worden, wo Bäume, deren Stämme der Rinde 
vollſtändig beraubt worden, noch eine Reihe von Jahren am Leben 
geblieben find, indem fie ſich jedes Jahr von neuem belaubten. !“) 
Bei der von Trecul?) erwähnten Linde von Fontainebleau, welche 
trotz vollſtändiger ringförmiger Entrindung des Stammes 44 Jahre 
lang am Leben blieb, erklärt ſich die Erhaltung der Wurzeln durch 
den Umſtand, daß der Stamm über der Erde reichlich belaubte Triebe 
gebildet hatte. 

Wenn umgekehrt der Holzkörper an irgend einem Punkte des 
Stammes oder der Zweige ganz oder größtenteils zerſtört ift, jo hat 
dies, auch wenn die Rinde unverletzt ſein ſollte, natürlicherweiſe 
augenblicklich ein Aufhören des Saftſteigens nach oben und ein Vertrocknen 
der darüber gelegenen Teile zur Folge; doch brechen dann eben in 
der Regel die letzteren an der Wundſtelle ab. 


Die grünen Blätter ſind für die mit ſolchen verſehenen Pflanzen 
die unentbehrlichen Aſſimilationsorgane, in deren chlorophyllhaltigen 


1) Vergl. Sorauer, Pflanzenkrankheiten, 2. Aufl. I. pag. 571 574. 
2) Ann. der sc. nat. 4. ser. T. III. 1855, pag. 341. 


Störung von 
Lebensthätig⸗ 
keiten nach Ver⸗ 
luſt der Blätter. 


28 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


Zellen unter dem Einfluſſe des Lichtes Kohlenſäure, welches die Blätter 
aus ihrem umgebenden Medium aufnehmen, und Waſſer zu organiſchen 
Kohlenſtoffverbindungen umgewandelt werden, wodurch dasjenige 
Kohlenſtoffmaterial gewonnen wird, das die Pflanze zu ihrer Ernährung 
bedarf und welches in allen pflanzlichen Produkten enthalten iſt. Wenn 
alſo eine Pflanze zur Zeit, wo ſie ihre Vegetation noch nicht beendigt 
hat (der normale herbſtliche Abfall der Blätter gehört alſo nicht hier— 
her), alle ihre grünen Blätter verliert, ſo kommt von dieſem Zeitpunkte 
an jede Produktion der Pflanze ſo gut wie zum Stillſtand, wenn nicht 
inzwiſchen eine Neubildung von Blättern ſtattfinden ſollte. So werden 
alſo die Wurzeln und andre unterirdiſchen Organe in ihrer weiteren 
Ausbildung gehindert; eine Kartoffelpflanze, die all' ihr Laub verloren 
hat, läßt dann einen weſentlichen Fortgang der Knollenbildung und 
eine Vermehrung des Stärkemehls in denſelben nicht mehr erwarten; 
eine Rübenpflanze unter den gleichen Bedingungen keine weitere Ver— 
vollkommnung des Rübenkörpers und Zunahme ihres Zuckergehaltes. 
Fruchttragende Pflanzen können nach vollſtändigem Verluſte ihrer grünen 
Blätter nichts Erhebliches mehr zur Produktion von Früchten und Samen 
thun; es tritt alſo ſowohl bei Körnerfrüchten, bei Olfrüchten, bei 
Leguminoſen ꝛc., als auch bei Obſtbäumen, beim Weinſtock ꝛc. eine 
Vereitelung der Fruchtbildung ein, wenn der Blattapparat durch 
irgend eine mechaniſche Veranlaſſung, ſei es durch Menſchenhand, durch 
Tierfraß, durch Hagel u. dergl. zerſtört worden iſt. Aus dem gleichen 
Grunde wird außerdem bei allen Holzpflanzen die Zweigbildung 
des betreffenden Jahres geſtört oder geſchwächt. Der ganze Trieb 
kann, wenn er ſeine Blätter verloren hat, trocken werden und abſterben; 
das tritt um ſo eher ein, je jünger derſelbe zur Zeit der Entlaubung 
war; daher kommt es bei Kahlfraß an Holzpflanzen, beſonders wenn 
er zeitig im Frühjahr eingetreten iſt, vor, daß einzelne Zweige oder 
die Spitzen derſelben vertrocknen. Je ſpäter im Sommer der Verluſt 
des Laubes eintritt, deſto weniger macht ſich die Schwächung in der 
Ausbildung der Triebe bemerkbar, weil dann eben die Ernährung 
derſelben deſto vollſtändiger geſchehen konnte. Die Schwächung der 
Zweigbildung ſpricht ſich beſonders darin aus, daß die Zweige un— 
genügend erſtarken und daß die Bildung ihrer Winterknoſpen mangel- 
haft ausfällt, indem wenigere und kleinere Knoſpen erzeugt werden. 
Die Folge dieſer ungenügenden Ausbildung der Knoſpen und der 
mangelhaften Anſammlung von Reſerveſtoffen für die neue Vegetations⸗ 
thätigkeit iſt, daß auch die nächſtfolgende Belaubung, mag ſie nun 
noch in demſelben Jahre wieder erſcheinen oder erſt im nächſten Jahre, 
noch unter den Folgen des Kahlfraßes zu leiden hat. Und ſo kann 


1. Kapitel: Störung der Lebensthätigkeiten infolge von Verwundung 29 


ſelbſt mehrere Jahre hintereinander die Zweig- und Laubbildung des 
Baumes geſchwächt werden, beſonders aber dann wenn hintereinander 
wiederholte Entlaubung eintritt, indem dann, allmähliches Ver— 
trocknen und Abſterben auch der größeren Aſte eintritt, was oft 
der Grund zu dauerndem Siechtum und endlichem Tode des Baumes 
wird. Die Entlaubung hat aber auch einen ſchädlichen Einfluß auf 
die geſamte Holzbildung des Baumes, weil dieſe ja auch durch 
die Aſſimilationsthätigkeit der Blätter das nötige Nahrungsmaterial 
empfängt. Der im Entlaubungsjahre zur Ausbildung kommende Holz— 
jahresring in den Aſten und im Stamme fällt entſprechend ſchwach 
aus. Der ſchmale Jahresring bleibt dann natürlich dauernd im Holz— 
körper kenntlich; man kann alſo auf Stammquerſchnitten daraus genau 
diejenigen Jahrgänge beſtimmen, in welchen der Baum während ſeines 
Lebens ſolche Laubbeſchädigungen erlitten hatte. Aus Ratzeburg's!)) 
Beobachtungen iſt zu entnehmen, daß, wenn der Blattverluſt zeitig 
im Frühlinge eintritt, z. B. beim Fraß der Forleule, auch der im 
Fraßjahre gebildete Jahresring ſehr ſchmal bleibt, dagegen bei ſpät 
eintretendem Fraß, z. B. nach demjenigen des Kiefernſpanners, der 
Jahresring im Fraßjahre ziemlich unverändert iſt, aber der des Nach— 
fraßjahres ſich tief geſunken zeigt, was ſich daraus erklärt, daß in 
jedem Sommer die Ausbildung des neuen Jahresringes zuerſt, die 
Erzeugung der Reſervenährſtoffe für den nächſten Frühling erſt ſpäter 
erfolgt. Ratzeburg's Beobachtungen nach Nonnenfraß an der Fichte 
ergeben, daß die Holzbildung der Zweige ſtets im Verhältnis zur 
Bildung der Jahrestriebe ſteht, mit dieſer ſinkt und ſteigt, und daß 
ſogar im Baumſtamme die Abnahme der Jahresringe ſehr ſtark und 
plötzlich eintritt und auch noch in den folgenden Jahren bleibt; ſelbſt 
wenn ein Zweig nur an einer Seite blättertragende Triebe behalten 
hat, ſo iſt das Dickenwachstum des Jahresringes an dieſer Seite relativ 
am ſtärkſten, an den übrigen geſchwächt. Als eine Eigentümlichkeit 
bei den Nadelbäumen erwähnt Ratzeburg das Auftreten ungewöhnlich 
weiter und zahlreicher Harzkanäle in den in Folge von Kahlfraß beſonders 
ſchmal gebliebenen Jahresringen, ſo daß dieſelben bisweilen faſt die 
ganze Breite eines ſolchen Jahresringes einnehmen, daher ſie auch bei 
einſeitiger Beäſtung, wo der Holzring ſich ungleich ausbildet, nur an 
der aſtloſen Seite auftreten ſollen. Soweit ſich nach der anatomiſch 
ungenügenden Darſtellung vermuten läßt, ſcheint es ſich hierbei um 
wirkliche Harzhöhlen, durch Zerſtörung von Holzzellen entſtanden (lyſigen) 
zu handeln, wie ſolche nach Verwundungen häufiger zu entſtehen pflegen 


1) Waldverderbnis. I. pag. 160, 174, 234. 


30 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


(ſ. unten). Wenn nach Entblätterung einer Holzpflanze nochmalige 
Belaubung in demſelben Sommer eintritt, ſo kann eine wirkliche Ver— 
doppelung des Jahresringes ſtattfinden, eine mehrfach behauptete 
und wieder beſtrittene, jedoch von Kny!) an mehreren Laubhölzern ſicher 
nachgewieſenen Erſcheinung. Durch den plötzlichen Laubverluſt wird eine 
Unterbrechung der Zellteilungen im Cambium bedingt, nachdem noch 
einige Schichten radial zuſammengedrückter enger Holzzellen gebildet 
worden ſind, worauf nach der Wiederbelaubung die Holzbildung mit 
weiten Gefäßen und radial geſtreckteren Zellen beginnt, womit alſo 
die anatomiſchen Verhältniſſe des Herbſt- und Frühjahrsholzes nach— 
geahmt werden. Freilich iſt dieſe Verdoppelung des Jahresringes nur 
in den einjährigen Zweigen ſelbſt, welche ihre Blätter eingebüßt hatten, 
ſcharf ausgeprägt; ſie nimmt nach den unteren Internodien des 
Zweiges hin allmählich ab, um in den mehrjährigen Zweigen zu ver— 
ſchwinden. 

Alle hier beſchriebenen Störungen der Lebensthätigkeiten in Folge 
des Verluſtes der Blätter zeigen ſich natürlich in ihrem höchſten Grade, 
wenn die Pflanze ihre ſämtlichen Blätter verloren hat; ſie ſind aber 
in ſchwächerem Grade zu erwarten, wenn der Blattverluſt ein partieller 
iſt, ſei es daß nur eine Anzahl von Blättern ganz verſchwunden iſt, ſei es 
daß die Blätter bloß einzelne Teile oder Stücke eingebüßt haben, wie es 
namentlich bei Inſektenfraß oft zu geſchehen pflegt. Es wird dies im un— 
gefähren Verhältnis zur Größe des eingetretenen Defektes zu erwarten ſeiu, 
gleiche Entwickelungsperiode der Pflanze und gleiche Jahreszeit voraus— 
geſetzt; denn man darf annehmen, daß mit der Verminderung der Größe 
der der Pflanze zur Verfügung ſtehenden Aſſimilationsfläche jede der 
erwähnten Ernährungs- und Produktionsthätigkeiten proportional ver⸗ 
mindert wird. Bei gewiſſen Pflanzen kann jedoch ein teilweiſer Ver— 
luſt der Laubblätter ſogar vorteilhaft für gewiſſe Produktionen der 
Pflanze werden. Dahin gehört beſonders das Kappen der Reben, 
indem man im Sommer den traubentragenden Stöcken die oberen 
Laubblätter ausbricht; man erzielt mit dieſer in den Weinbauländern 
allgemein üblichen Maßregel, daß die aſſimilierten Stoffe, welche 
die unteren in der Nähe der Trauben ſtehenden Blätter erzeugen, ganz 
für die Ausbildung der Trauben verwendet werden, während ſonſt 
ein Teil von ihnen zur luxuriöſen Entwickelung des Laubapparates 
verſchwendet werden würde ). | 


) Verhandl des botan. Ver. der Prov. Brandenburg 1879. — Vergl. 
anch die gleichſinnigen Mitteilungen Ratzeburg's 1. e. II. pag. 154, 190, 232. 

2) Vergl. Cuboni, Rivista di Viticoltura ed Enologia Italiana 1885. 
Heft 1. 


e r 


— 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 31 


2. Kapitel. 


Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen. Natürliche 
Schutzvorkehrungen, Heilungen und Reproduktionen an den 
Wunden; Wundkrankheiten. 

Jede Verwundung ruft an der Wundſtelle gewiſſe Thätigkeiten 
der Pflanze wach, durch welche mancherlei Veränderungen an der 
Wunde ſelbſt hervorgebracht werden. Man kann alſo alle neuen 
Bildungsthätigkeiten, welche ſich an einer Wunde oder in deren un— 
mittelbarſter Nähe einſtellen, als die Reaktionen der lebenden Pflanze 
gegen die Verwundungen generell bezeichnen. Dieſelben müſſen nun 
aber je nach ihrer Art und phyſiologiſchen Bedeutung in mehrere 
Kategorien unterſchieden werden. Einesteils haben ſie nämlich die 
Bedeutung von unmittelbaren Schutzvorkehrungen, welche ſehr ſchnell 
nach geſchehener Verletzung an der Wundſtelle eintreten zum Schutze 
des durch die Verletzung bloßgelegten inneren Gewebes gegen die 
durch die Berührung mit der Luft drohenden Gefahren. Andernteils 
ſind es wirkliche Heilungsprozeſſe, welche für die Herſtellung eines 
neuen Hautgewebes an Stelle des durch die Wunde verloren gegangenen 
ſorgen. Oder aber es ſind ſogar Reproduktionen, d. h. es werden 
ganze verloren gegangene Glieder durch Neubildung gleichartiger Glieder 
erſetzt. Im Gegenſatz zu dieſen gutartigen Reaktionen können aber 
auch ſchädliche Folgeerſcheinungen an den Wunden ſich zeigen; wenn 
nämlich die Schutzvorkehrungen oder die Heilungsprozeſſe ſich verzögern, 
ſo gewinnen die von der Wunde aus immer weiter in das angrenzende 
lebende Gewebe fortſchreitenden Zerſetzungserſcheinungen, die man 
generell als Wundfäule oder Wundkrankheiten bezeichnen kann, die 
Oberhand. Wir werden zunächſt die hier kurz charakteriſierten ver— 
ſchiedenen Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen einzeln näher 
kennen lernen, um dann weiter unten auf Grund dieſer Kenntniſſe die 
Maßregeln betreffs der Behandlung der Wunden zu beſprechen. 


A. Natürliche Schutzvorkehrungen nach Verwundungen. 
J. Schutzholz und Kernholz. 

Die Holzpflanzen zeigen ausnahmslos die Erſcheinung, daß wenn 
ihr Holzkörper an irgend einem Punkte verwundet wird, die geſamte 
der Luft unmittelbar ausgeſetzte freigelegte Stelle des Holzes bis zu 
einer gewiſſen, verhältnismäßig geringen Tiefe ſehr bald eine dunklere 
Farbe annimmt (Fig. 3), die beſonders auf dem Durchſchnitte durch 
eine ſolche Wundſtelle auffallend abſticht und ſich ſcharf abgrenzt gegen 


Die Reaktionen 
im allgemeinen. 


Begriff des 
Schutzholzes. 


32 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


die unverändert helle Farbe, welche das unter der ſo veränderten 
Holzſchicht liegende Splintholz beſitzt. Wie die mikroſkopiſche Prüfung 
uns lehrt, hat dieſe Dunkelung ihren Grund darin, daß die Zellwände 
des betreffenden Holzgewebes durch einen meiſt bräunlichen Farbſtoff 
ſich gefärbt haben, hauptſächlich aber darin, daß die Lumina der 
Gefäße und Tracheiden mit einer feſten Ausfüllungsmaſſe von brauner 
Farbe verſtopft ſind. 


Fig. 3. 
Schutzholzbildung an der Wunde eines Birkenſtammes, der vor 
etwa 10 Jahren die bis aufs Holz gehende Flachwunde 2 erhielt; 
an dieſer Stelle iſt das bloßliegende Holz in der Partie s s in dunkles 
Schutzholz übergegangen, während das übrige Holz hell geblieben iſt; 
von den Rändern der Wunde her iſt die Heilung durch Ueberwallungen 
1 im Gange. 


Was für eine bedeutungsvolle Reaktion der Pflanze in dieſer 
Veränderung des Holzes an jeder Wundſtelle liegt, iſt den Pflanzen— 
phyſiologen bis in die neuere Zeit unbekannt geblieben. Auch R. 
Hartig hat bei ſeinen Arbeiten über die Holzkrankheiten ) die Be— 
deutung dieſer Erſcheinung völlig verkannt; er erklärt dieſe Bräunungen 
als erſtes Stadium von „Zerſetzung des Holzes“ oder von „Wund— 
fäule“ und iſt auch über die chemiſche Natur dieſer Ausfüllungsmaſſen 
der Gefäße und Holzzellen im Irrtum; denn er ſagt, daß eine gelbe 
oder bräunliche Flüſſigkeit im Innern der Organe enthalten ſei, welche 
von dem Eindringen des Außenwaſſers herrühre, nach dem Austrocknen 
ſich als Kruſte auf der Wandung ablagere oder als brüchige, beim 
Trockenen riſſig gewordene, gelbe oder bräunliche Subſtanz das ganze 
Innere faſt ausfülle und als Humuslöſung zu betrachten ſei, weil ſie 


) Die Zerſetzungserſcheinungen des Holzes. Berlin 1878 und Lehrbuch 
der Baumkrankheiten. Berlin 1882, pag. 140 141. 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 33 


aus Zerſetzungsprodukten des Zellinhaltes beſtehe, welche durch das 
eindringende Außenwaſſer gelöſt und weiter in das Holz fortgeführt 
werden. Die ganze Hartig'ſche Behandlung der eigentlichen 
Wundfäule des Holzes, die 
mit dieſen Erſcheinungen U 
gar nichts zu thun hat, 
wird von dieſen irrtüm— 
lichen Auffaſſungen be— 
herrſcht, die ich allerdings 
in die erſte Auflage dieſes 
Lehrbuches auf R. Har— 
tig's Autorität hin auf— 
nahm, weil ich damals 
noch nicht ſelbſt die Sache 
unterſucht hatte. 

Über die in Rede 
ſtehenden Veränderungen 
des Holzes ſind von 
Temme unter meiner 
Leitung Unterſuchungen 
angeſtellt worden!). Wir 
haben gezeigt, daß es ſich 
hier keineswegs um Zer— 
ſetzungsprodukte, ſondern 
um ganz beſtimmte Pflan- 
zenſtoffe handelt, welche 
durch eine Lebensthätigkeit 
des verwundeten Holzes 
regelmäßig erzeugt und 


als Mittel zur Verſtopfung Bild 8 is in den Gefäß 
f 1 ildung de undgummis in den Gefäßen 
der Lumina der Gefäße des Holzes von Prunus avium. Nadialer 
und der Zellen ſolchen Längsſchnitt durch verwundetes Holz, 5 Wochen 
Holzes benutzt werden. nach der Verwundung eines einjährigen Zweiges. 
Bei allen einheimiſe In die drei Gefäße a, b, e find die durch dunklen 
nheimiſchen Ton markirten Gummimaſſen aus den an— 


Laubhölzern beſtehen näm- grenzenden Parenchymzellen ausgetreten, teils 


Re 1 Inafii 8. in Form von Tropfen, teils das Lumen des 
ch d ee Ausfüllungs Gefäßes quer anfüllend und verſtopfend. 
maſſen aus einer und der— 570 fach vergrößert. Nach Temme. 


) Frank, Über die Gummibildung im Holze und deren phyſiologiſche 
Bedeutung. Berichte der deutſch. bot. Geſellſch. 18. Juli 1884. — Temme, 
Über Schutz- und Kernholz. Landwirtſch. Jahrbücher XIV, pag. 465. 

Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 3 


Entſtehung des 
Schutzholzes. 


Wundgummi. 


34 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


ſelben Subſtanz, die nach allen Reaktionen, die ſie aufweiſt, ſich als Gummi 
charakteriſiert; denn es iſt unlöslich in Alkohol, Ather, Schwefelſäure, Kali— 
lauge, dagegen wird ſie durch Kochen mit Salpeterſäure gelöſt, wobei 
bekanntlich die Gummiarten in Oxalſäure und Schleimſäure übergeführt 
werden. Es iſt ein in Waſſer unlösliches, ja nicht einmal zu Schleim 
aufquellendes, ſondern knorpelartige Konſiſtenz behaltendes Gummi, was 
gerade für die phyſiologiſche Funktion, die es hier zu leiſten hat, von 
weſentlicher Bedeutung iſt. Mit verholzten Zellmembranen hat es 
die Eigenſchaft gemein, aus einer Fuchſinlöſung den Farbſtoff aufzu— 
ſpeichern, ſowie mit Phlorogluein und Salzſäure intenſiv rote Färbung 
anzunehmen. Es iſt daraus zu ſchließen, daß mit dem Gummi noch 
gewiſſe andre Stoffe gemengt ſind, was ja auch die mehr oder weniger 
braune Farbe dieſer Ausfüllungen beweiſt, die von demſelben Farb— 
ſtoff herzurühren ſcheint, welcher auch in den Membranen dieſes Holzes 
vorhanden iſt. Für alle unterſuchten Laubhölzer übereinſtimmend iſt 
auch folgende Reaktion des Ausfüllungsſtoffes: wenn man Schnitte 
durch ſolches Holz etwa eine Viertelſtunde lang mit verdünnter Salz— 
ſäure und chlorſaurem Kali digeriert, ſo iſt das Gummi noch nicht 
aufgelöſt, aber in einen neuen, den Harzen verwandten Körper über— 
geführt, welcher in Waſſer ebenfalls unlöslich, aber nun in Weingeiſt 
ſehr leicht löslich iſt; erſt längeres Digerieren mit Salzſäure und 
chlorſaurem Kali bringt den Körper zum Verſchwinden. 

Man kann das Gummi, mit welchem hier die Lumina der Holz— 
elemente ausgefüllt werden, als Wundgummi bezeichnen, denn wir 
haben nachgewieſen, daß im unverletzten Holze dieſe Subſtanz noch 
nicht vorhanden iſt, daß man aber willkürlich die Bildung derſelben 
bei den verſchiedenſten Laubhölzern regelmäßig hervorrufen kann, ſo— 
bald man den Holzkörper verwundet, und zwar ſtets in der ganzen 
Ausdehnung der Wundfläche. Es tritt dies mit Sicherheit zu jeder 
Jahreszeit, am raſcheſten im Frühling und Sommer ein. Schon 
wenige Tage nach der Verwundung nehmen zunächſt die Membranen 
des Holzes die bräunliche oder rötlichbraune Farbe an; ſehr bald ent— 
ſtehen, zunächſt in den Markſtrahlzellen braune Gummikörnchen, zum 
Teil durch Umwandlung der dort etwa vorhandenen Stärkemehlkörner; 
etwas ſpäter erſcheint auch im Lumen der Holzzellen und der Gefäße 
Gummi in Form von Tropfen, welche auf der Innenfläche der Mem⸗ 
bran ausſchwitzen und bei den Holzzellen das enge Lumen ſehr bald 
ausfüllen, bei den weiten Gefäßen erſt bedeutend ſich vergrößern müſſen, 
ehe ſie wie ein Pfropfen das Lumen derſelben völlig verſchließenz 
letzteres wird aber meiſtens wirklich erreicht, und man ſieht auf Längs⸗ 
ſchnitten, daß in jedem einzelnen Gefäß oft nur an wenigen entfernten 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 35 


Punkten oder auch nur an einer einzigen Stelle ein ſolcher Gummi— 
pfropfen ſich gebildet hat, weshalb man denn auch auf einem dünnen 
Querſchnitt nicht in jedem Gefäß eine Ausfüllung mit Wundgummi 
antrifft. Dieſer Umſtand lehrt, daß es bei dieſer Gummibildung darauf 
ankommt, das Gefäßſyſtem des Holzkörpers an der Wundſtelle luft— 
dicht gegen die Außenluft zu ſchließen, was in jedem Gefäße offenbar 
ſchon durch einen einzigen vollſtändigen Gummipfropfen erreicht wird. 
Es leuchtet ein, daß um ein ſicher ſchließendes und haltendes luft— 
dichtes Verſtopfungsmittel für die Lumina des Holzgewebes zu ſchaffen, 
die Pflanze in dem Wundgummi, was deſſen phyſikaliſche Eigenſchaften 
anlangt, ein vollkommen zweckentſprechendes Material bildet, da es 
von zäher plaſtiſcher Beſchaffenheit und zugleich widerſtandsfähig gegen 
die auflöſenden Wirkungen des Waſſers iſt. 

Viele Laubhölzer bilden an den Wundſtellen noch ein andres 
Verſchlußmittel für die Gefäßlumina, welches nicht ſelten mit Wund— 
gummi zuſammen, manchmal auch faſt allein vorkommt, nämlich 
die ſogenannten Thyllen. 
Das find, wie in der Pflanzen— 
anatomie!) längſt bekannt, 
blaſenförmige, ziemlich dünn— 
wandige Zellen, welche in das 
Gefäßlumen hineingetrieben 
ſind und indem ſie ſich inner— 
halb des letzteren ſo lange 
vergrößern (Fig. 5), bis ſie an 
einander und an die Gefäß— 
wand anſchließen, ebenfalls 
einen luftdichten Verſchluß des 
Gefäßrohres herſtellen. Es iſt 
bekannt, daß die Thyllen als 
Auswüchſe der an die Gefäße 
angrenzenden lebenden Paren— Fig. 5. 
chymzellen entſtehen, welche Bildung von Thyllen in den Gefäßen des 


durch die Tüpfel der Gefäß- Holzes von Balsamea abyssinica; man ſieht, 


f a daß die Tyllen blaſenförmige Ausſtülpungen 
wand Hi den SR des der dem Gefäße angrenzenden Parenchym— 
Gefäßes hineingetrieben wer- zellen find, a Anfangs-, b ſpäteres Stadium. 
den. Es leuchtet ein, daß durch — Nach Tſchirch. 


) Über Bildung der Thyllen iſt zu vergleichen: Botan. Zeitg. 1845, 
pag. 225. — Reess, daſelbſt 1868, pag. 1. — Unger, Sitzungsber. der 
Wiener Akad. 1867. — Böhm, daſelbſt 1867. — Moliſch, daſelbſt 
1888, pag. 264. 

3 * 


Thyllen. 


36 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


dieſes Mittel der Verſchluß mit einem Aufwand von weit weniger Material 
erzielt wird, als da wo maſſige Gummipfropfen dies zu leiſten haben. 
In der That werden auch Thyllen hauptſächlich in ſolchen Hölzern 
gebildet, welche beſonders weite Gefäße haben, wie bei der Eiche, beim 
Weinſtock u. ſ. w. N 


Eigenſchaften des Für alles Holz von der hier beſchriebenen Beſchaffenheit habe ich 


Schutzholzes. 


mit Beziehung auf die phyſiologiſche Bedeutung, die demſelben zu— 
kommt, den Namen Schutzholz eingeführt. In der That nimmt 
das Holz durch die hier beſchriebenen, mikroſkopiſch ſichtbaren Ver— 
änderungen gewiſſe neue phyſikaliſche Eigenſchaften an, welche dieſe 
Bezeichnung mit Rückſicht auf das von dem Schutzholz bedeckte, normale 
Splintholz rechtfertigt. Durch meine und Temme's Unterſuchungen 
iſt feſtgeſtellt worden, daß bei der Umwandlung des Splintholzes in 
Schutzholz folgende phyſikaliſche Eigenſchaften ſich ändern. 1. Das 
ſpecifiſche Gewicht!) wird größer; für Splint- und Schutzholz 
wurden nachſtehende Werte bei folgenden Pflanzen fefunden: Quercus 
pedunculata 0,946: 1,130, Gleditschia triacanthos 0, 202: 0,657, Prunus 
avium 1,512: 2,187, Pyrus malus 1,162: 1,523, Iuglans regia 1,100: 
1,155. Die Bildung neuer Stoffe in den Membranen und Hohl— 
räumen des Schutzholzes erklärt genügend die Vergrößerung des 
ſpezifiſchen Gewichtes deſſelben. 2. Die Durchläſſigkeit für Luft 
wird aufgehoben. Wenn man Cylinder aus Holz in dem Ende einer 
Glasröhre befeſtigt und darin eine Waſſerſchicht auf das Holz aufſetzt, 
ſo kann man, wenn man am andern Ende der Röhre die Saugpumpe 
wirken läßt, an dem Ausſtrömen von Luftblaſen aus dem Holze die 
Wegſamkeit des letzteren für Luft prüfen. Beſteht der Holzeylinder 
ganz und gar aus Splintholz, ſo genügt ſchon eine Verminderung 
des Luftdruckes um 5—8 em Queckſilberſäule um Luft durch das Holz 
zu ſaugen. Beſteht dagegen das äußere Ende des Holzſtückes aus 
Schutzholz, jo kommt ſelbſt bei einer Saugkraft von 40-50 em 
Queckſilberſäule keine Luft hindurch; ſobald man aber, während die 
Saugpumpe fortwirkt, das aus Schutzholz beſtehende Ende wegſchneidet, 
ſo ſtürzt ſofort ein ununterbrochener Blaſenſtrom aus dem oberen Ende 
hervor. 3. Die Durchläſſigkeit für Waſſer wird aufgehoben. 
Verſucht man unter Benutzung einer Uförmigen Glasröhre, auf deren 
einem Schenkel das zu prüfende cylindriſche Holzſtück aufgekittet iſt, 
Waſſer mittels Queckſilberdruck durch das Holz zu preſſen, ſo beweiſt 
das Austreten von Waſſertropfen auf der nach oben gekehrten ent— 
gegengeſetzten Schnittfläche des Holzſtückes die wirkliche Wegſamkeit 


) Über die exacte Beſtimmungsmethode, vergl. Temme 1. c. pag. 475. 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 37 


des letzteren für Waſſer. Verwendet man zu dem Verſuche ein nur 
aus normalem Splintholz beſtehendes Stück, ſo genügt ſchon ein 
ganz geringer Druck um durch ſolches Holz Waſſer hindurchzupreſſen, 
wie ja längſt bekannt!) iſt. Dagegen erwieſen ſich Holzcylinder von 
Zweigen von Prunus avium, Pyrus malus, Iuglans regia, die am 
Ende nur von einer dünnen Schutzholzſchicht begrenzt waren (3. B. 
bei Prunus avium von nur 4 mm. Dicke), vollkommen waſſerdicht, 
ſelbſt wenn der Druck bis auf 23,5 em. Queckſilber geſteigert wurde, 
ſo daß eher das Herausgeſchleudertwerden des das Holz haltenden 
Kautſchukſtopfens zu befürchten war. Die außerordentliche Widerſtands— 
fähigkeit des Schutzholzes gegen Luft- und Waſſerdurchtritt erklärt ſich 
hinlänglich aus der oben beſchriebenen Verſtopfung der Lumina durch 
Wundgummi und Thyllen. 


Die phyſiologiſche Bedeutung dieſer veränderten phyſikaliſchen Bedeutung des 
Eigenſchaften des Schutzholzes iſt unſchwer zu verſtehen und danach le N 
bewährt das letztere ſeinen Namen im vollen Umfange. Wenn das 
lebensthätige Splintholz vor dem Zutritt von Außenluft und Waſſer, 
die doch an einer Wunde deſſelben eindringen müßten, geſchützt iſt, 
ſo wird daſſelbe den zerſtörenden Einflüſſen dieſer Atmoſphärilien um 
vieles länger Widerſtand leiſten. Offenbar beſitzt auch das Schutzholz 
ſelbſt eine viel größere Widerſtandsfähigkeit gegen Fäulnis als das 
Splintholz. Dies iſt nun beſonders deshalb von großem Nutzen, 
weil die eigentliche Heilung der Wunde durch Überwallung, wie es der 
Natur nach nicht anders ſein kann, erſt nach längerer Zeit ihren Ab— 
ſchluß erreicht. Eine andre Bedeutung iſt folgende. Der Holzkörper 
dient dem Aufſteigen des Waſſers in der Pflanze. Soweit wir bis 
jetzt über die Urſachen des Saftſteigens unterrichtet ſind, nimmt das 
Waſſer ſeinen Weg in den Hohlräumen der Gefäße und Tracheiden, 
und das luftdichte Abgeſchloſſenſein der Luft des trachealen Syſtems 
ſcheint eine der Bedingungen für das Zuſtandekommen des Saft— 
ſteigens zu ſein, indem die Entſtehung einer nach oben abnehmenden 
Tenſion der Binnenluft des Gefäßſyſtems mit zu den Urſachen des 
Saftſteigens gehören dürfte. Von dieſem Geſichtspunkte aus er- 
ſcheint alſo die luftdichte Verkittung aller in der Nähe der Wunde 
gelegenen und durch die letztere geöffneten und gefährdeten Gefäße 


und Tracheiden mit Gummipfropfen oder Thyllen als eine wichtige 
= Schutzvorkehrung. 


) Vergl. z. B. Sachs, Arbeiten des botan. Inſtit. zu Würzburg. 
II. pag. 291 ff. 


Kernholz. 


38 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


Nach dieſen Betrachtungen wird nun die Zweckmäßigkeit der 
Schutzholzbildung in ihrem vollkommenen Lichte erſcheinen, wenn man 
noch hinzunimmt, daß was die lokale Orientierung des Schutzholzes 
anbelangt, ſtets und an jeder beliebigen Wunde der Abſchluß der 
geſammten Wundfläche erzielt wird. Wie bei den ſpeziellen Ver— 
wundungsarten unten noch näher beſprochen werden wird, folgt die 
Schicht des Schutzholzes der geſammten Oberfläche der Holzwunde, 
mag es eine Quer- oder eine Flachwunde ſein, mag die Wundfläche 
eine ebene oder durch allerlei Unebenheiten unregelmäßige ſein, mag 
ſie ſogar in Form von Spalten oder Höhlen in den Holzkörper ein— 
greifen; und ſtets 
reicht die Schutzholz— 
ſchicht an den Rän— 
dern der Wunde bis 
an die dort unter 
dem Schutze der 
natürlichen Rinden— 
bedeckung befindli— 
chen Teile des Holz— 
körpers (vergl. Fig. 6 
und 7). So iſt denn 
in der That der 
Abſchluß des Holz— 
körpers durch die 
nach einer Verwun— 

dung eintretende 


010.19. Schutzholzbildun 
Schutzholz, auf dem Querſchnitt eines Lindenſtammes, „; 0 1 0 9 
der bei a eine tiefeinſpringende, durch Überwallungs— eine vo omen 
wülſte noch nicht Be Wunde hat. Das durch Auch gegen 

Dunkelung gekennzeichnete Schutzholz es ſpringt ver— e. 4 
ſchieden tief in das helle normale Holz ein, ſchließt ane gefä ede 
dasſelbe aber gegen die Wunde hin vollſtändig ab. Stellen, die nicht 
Viermal verkleinert nach einem Originalſtück meiner eine offene Wunde 
Inſtitutsſammlung von Temme entworfen. darſtellen grenzt ſich 

U 


der Holzkörper der Pflanze durch Schutzholz ab. So wenn Zweige 
oder Teile der Rinde und des Splintes durch Froſt oder Hitze oder 
durch paraſitäre Beſchädiger getötet worden ſind; d. h. es bilden ſich 
an der Grenze des lebenden Holzes in den Gefäßen ꝛc. dieſelben Aus⸗ 
füllungen mit Wundgummi oder Thyllen. 

Auch das Kernholz iſt, wie ich und Temme gezeigt haben, 
ſowohl anatomiſch wie phyſiologiſch nichts andres als Schutzholz. 
Bekanntlich gehen die inneren älteren Jahrsringe des Holzkörpers der 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 39 


Bäume regelmäßig in den mit vorſtehendem Namen bezeichneten Zu— 
ſtand über, ſo daß immer nur eine mehr oder minder große Zahl 
der jüngſten Jahresringe als Splintholz erſcheinen. Die Bildung des 
Kernholzes beginnt in einem gewiſſen vorgerückten Alter des Holz— 
ſtammes, wenn der— 
ſelbe innen noch 
völlig unverſehrt iſt; 
aber ſie iſt eben des— 
halb die rechtzeitig 
getroffene Vorberei— 
tung für den Schutz 
des Splintes gegen 
innen, wenn, was 
früher oder ſpäter 
im höheren Alter 
endlich ſicher ein— 
tritt, die älteſten 
inneren Partien des 
Holzes zerſtört und 


80 . 7. 

ud Atte Schutzholz auf e eines Zwetſchenſtammes 
dadurch hohl wer- der DE große Wunde hat. Die Dunkelung des 
den. In allen jol- Schutzholzes hat ſichdvon dort aus bis s fortgepflanzt, 
chen Teilen findet jo daß nur der halbe Splintteil b noch lebensthätig 

f iſt. Zweimal verkleinert. Nach einem Originalſtück 
man den Splint meiner Inſtitutsſammlung von Temme entworfen. 
gegen das hohle 


Stamminnere durch eine ununterbrochene Zone von Kernholz abgegrenzt. 
Schon frühere Beobachter, wie Saniot), Böhme), de Bary )), 
Gaunersdorferch fanden im Kernholze Ausfüllungen der Gefäße mit 
einer gummi- oder harzartigen Subſtanz oder mit Thyllen, und Böhm 
ſprach ſchon die Meinung aus, daß dies den Vorteil habe, daß dadurch die 
größten Gefäße alsbald wieder verſchloſſen und ſo das Pflanzeninnere vor 
der Einwirkung ſchädlicher äußerer Agentien geſchützt werde. Ich und 
Temme haben gezeigt, daß im Kernholz genau dieſelben anatomiſchen 
Veränderungen zu finden ſind, wie im Schutzholz der nämlichen 
Baumſpezies; insbeſondere beſtehen die Ausfüllungsmaſſen der Lumina 
aus demſelben Gummi; dieſes Kerngummi it alſo mit dem Wund— 


) Botan. Zeitg. 1863, pag. 126. 

2) Daſelbſt 1879, pag. 229. 

3) Vergleichende Anatomie der Vegetationsorgane, pag. 524. 
) Beiträge zur Kenntnis ꝛc. des Kernholzes. Sitzungsber. d. Wiener 
Mad 1882. I, pag. 9. 


40 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


gummi identiſch; auch dieſelben braunen oder rotbraunen Farbſtoffe treten 
hier in den Membranen des Holzes auf wie in denen des Schutz— 
holzes; bei gewiſſen Bäumen mögen auch Gerbſtoffe und andre Ver— 
bindungen hinzutreten. Nach Moliſch!) kommt als Ausfüllungs- 
maſſe der Gefäße auch manchmal kohlenſaurer Kalk vor, jo bei Ulmus, 
Celtis und Fagus. Temme hat nun auch nachgewieſen, daß auch 
bei der Umwandlung des Holzes in Kernholz die analogen phyſikaliſchen 
Veränderungen eintreten, wie bei der Bildung des Schutzholzes. Die 
Zunahme des ſpezifiſchen Gewichtes geht aus folgenden Beſtimmungen 
hervor, welche das Verhältnis des ſpezifiſchen Gewichtes von Splint— 
und Kernholz angeben: bei Quercus pedunculata 0,946: 1,604, bei 
Gleditschia triacanthos 0,202: 1,574, bei Prunus avium 1,512: 1,677, 
bei Pyrus malus 1,162: 1,648, bei Juglans regia 1,100 : 1,177. Eben⸗ 
jo konſtatierte er die gleiche Impermeabilität des Kernholzes gegen Luft 
und Waſſer, wie beim Schutzholze. Die durchgängige Analogie, welche 
zwiſchen Schutz- und Kernholz beſteht, iſt durch eine bei mir von 
Praél?) ausgeführte vergleichende Unterſuchung zahlreicher Holzpflanzen 
aus den verſchiedenſten Pflanzenfamilien klar geſtellt worden. Be— 
kanntlich ſind die Kernhölzer vieler ausländiſcher Bäume, die ſoge— 
nannten Farbhölzer, durch eigentümliche Färbungen ausgezeichnet, 
während der Splint auch hier die gewöhnliche helle Holzfarbe beſitzt; 
es bilden ſich hier gewiſſe Farbſtoffe, welche den Membranen des 
Kernholzgewebes eingelagert ſind. Prasl hat nun für eine Reihe 
ſolcher Pflanzen nachgewieſen, daß auch ihr Schutzholz, welches ſie 
regelmäßig nach Verwundung bilden, genau dieſelbe Farbe wie das 
Kernholz derſelben Spezies beſitzt, indem hier die gleichen Farbſtoffe 
auch in den Membranen des Schutzholzes entſtehen. Dieſer Nachweis 
wurde geliefert von Haematoxylon Campechianum, wo es ein tief- 
roter Farbſtoff iſt, welcher im Kernholz (Campecheholz) wie im Schutz— 
holz auftritt, von Caesalpinia Sappan, wo der gelbrote Farbſtoff des Kern— 
holzes (Sappanholz) auch im Schutzholze zu finden tft, ferner von Maclura 
aurantiaca (Gelbholz), Pistacia Lentiscus und Rhus Cotinus, wo die 
gleichen gelben Farbſtoffe die Membranen von Kern- und Schutzholz 
tingieren. Auch der Verſchluß der Lumina der Gefäße und Zellen des 
Holzes wurde von Praél allgemein konſtatiert und auch in dieſer Be— 
ziehung vollſtändige Homologie zwiſchen Schutz- und Kernholz erkannt. 
Es wurde feſtgeſtellt, daß es überhaupt drei verſchiedene Mittel giebt, 
um dieſen Verſchluß der Lumina zu erzielen. Erſtens die beiden ſchon 
) Sitzungsber. d. Akad. d. Wiſſenſch. Wien Bd. 84. 1881. 


) Vergleichende Unterſuchungen über Schutz- und Kernholz der Laub— 
bäume. Pringsheim's Jahrb. f. wiſſenſch. Botanik XIX. 1888. Heft 1. 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 41 


erwähnten, nämlich entweder Thyllen, die in vielen Farbhölzern den 
Verſchluß bilden, oder Gummi, teils allein, teils mit Thyllen zuſammen, 
und dieſes nimmt dann bisweilen auch etwas von der Farbſtoffen 
auf, welche die Membranen des betreffenden Schutz- und Kernholzes 
tingieren. Es kann aber auch eine harzartige Subſtanz, die alſo ſchon 
durch ihre Löslichkeit in Alkohol ſich von Gummi unterſcheidet, ge— 
bildet und gerade ſo wie ſonſt das Gummi und an Stelle deſſelben 
als Verſchlußmittel der Gefäße verwendet werden. Als ſolcher Fall 
erwies ſich Guajacum officinale, deſſen Kernholz, das ſogen. Guajak— 
oder Franzoſenholz, ſeine braun- bis ſchwarzgrüne Farbe einem 
bräunlichen oder grünlichen Harz verdankt, mit welchem die Lumina 
des Gewebes erfüllt find. Auch hier glückte es Prasl, in dem Schutz— 
holz, welches ſich nach abſichtlich angebrachten Wunden an lebenden 
Exemplaren dieſer Pflanze bildet, die analoge Veränderung, d. h. die 
Entſtehung des nämlichen Harzes in den Gefäßen des Schutzholzes 
nachzuweiſen. | 

Dem letzterwähnten Falle ſchließen ſich nun auch die Koniferen 
an, wo vorzugsweiſe Harz als Ausfüllungsmittel der Tracheiden an 
Wundſtellen benutzt wird. Bei den Koniferen iſt das eine längſt 
bekannte Erſcheinung; derartiges Holz wird hier als Kienholz be— 
zeichnet. Die mikroſkopiſche Unterſuchung lehrt, daß hier die Höhlungen 
aller Holzzellen mit Harz, beziehentlich Terpentinöl ausgefüllt ſind, 
daß aber gleichzeitig auch die Zellmembranen mit Harz durchtränkt 
ſind; dabei wird die Farbe des Holzes braun oder rot. In der 
That vertritt bei den Koniferen das Kienholz die Stelle von Kern— 
und Schutzholz. Es iſt bekannt, daß bei der Kiefer und deren ver— 
wandten Arten und bei der Lärche regelmäßig das Kernholz, auch noch 
ehe eine Verletzung eingetreten iſt, verkient. An allen Wundſtellen der 
Nadelbäume verkient regelmäßig das entblößte Holz; dies iſt beſonders 
nach Wildſchälen an Kiefer, Fichte, Lärche und Tanne, ſowie im Holze 
der zum Zwecke der Harzgewinnung verwundeten Nadelholzſtämme be— 
kannt!); ebenſo find die im Stammholze ſteckenden abgeſtorbenen 
Stümpfe alter Aſte regelmäßig verkient (Kienäſte). 

Die Frage der Entſtehung des Wund- und Kerngummis wurde früher 
an denjenigen Holzpflanzen ſtudiert, welche die beſondere Eigentümlichkeit haben, 
daß bei ihnen infolge von Verwundung eine ſo große Menge von Gummi 
ſich bildet, daß daſſelbe in reichlichen Maſſen aus dem Pflanzenteile hervorquillt, 


) Vergl. Mohl, Gewinnung des venetianiſchen Terpentins. Botan. 
Zeitg. 1859, pag. 340; Ratzeburg, Waldverderbnis. II. pag. 36. Wigand, 
Desorganiſation der Pflanzenzelle, Pringsheim's Jahrb. f. wiſſenſch. Bot. 
III. pag. 165. 


Kienholz. 


42 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


wie beſonders beim Kirſchbaum und bei andern Amygdalaceen. Von dieſer 
profuſen Gummibildung wird erſt im nächſtfolgenden Abſchnitte die Rede ſein; 
aber auch bei dieſen Pflanzen kommt im Schutz- und Kernholz regelmäßig 
dieſelbe Bildung von Gummi in den Gefäßen vor, die ja eben erſt ſpäter 
von mir und Temme als eine allgemeine Erſcheinung bei unſern Laubhölzern 
erkannt worden iſt; bei den Amygdalaceen hat ſie aber eben in Verbindung 
mit der profuſen Gummoſis ſchon früheren Beobachtern vorgelegen. Da 
war es zuerſt Wigand!), welcher dieſe wie andre, ähnliche Secrete ganz 
und gar als nee der Membranen der betreffenden Elementar— 
organe erklärte. Die genaueren Unterſuchungen, welche ſpäter von mir?) und 
von Prillieuxs) hierüber angeſtellt wurden, ergaben, daß die auf der 
Innenwand der Gefäße ausſchwitzenden großen Gummitropfen jedenfalls ihrer 
Hauptmaſſe nach nicht für ein Umwandlungsprodukt des kleinen und dünnen 
Membranenſtückes der Gefäßwand gelten können, auf welchem ſie aufſitzen, 
ſondern als eine Neubildung zu betrachten ſind. Hierin haben mich die ſehr 
genauen Beobachtungen des erſten Auftretens dieſer Gummiausſcheidungen 
auf den Gefäßwänden, die neuerdings Temme gemacht hat, nur noch mehr 
beſtärkt, und ich ſtimme darin mit Prillieux völlig überein, daß eine ihrer 
chemiſchen Natur nach noch unbekannte Subjtanz, welche zur Bildung des 
Gummis in den Gefäßen und Holzzellen dient, aus den angrenzenden 
lebenfsähigen Zellen durch die Membran in das Lumen jener Organe diffundiert 
und hier zuerſt in Form ganz kleiner Gummitröpfchen wie eine Ausſchwitzung 
auf der innern Fläche der Membran auftritt; durch Zufuhr neuen Materiales 
vergrößert ſich der Gummitropfen endlich bis zur Erfüllung des ganzen Durch— 
meſſers des Gefäßes. Die Membran des letzteren bleibt dabei unverändert. 
In der That ſind auch die Stellen der Gefäßmembran, auf welchen die 
Gummitropfen ausgeſchieden werden, immer ſolche, welche an eine Markſtrahl— 
zelle oder an eine Zelle des die Gefäße begleitenden Holzparenchyms angrenzen, 
alſo an Zellen des Holzkörpers, welche lebensthätiges Protoplasma führen. 
Die Bildung des Schutz- und Kernholzes iſt damit klar als eine Lebens— 
thätigkeit des Holzes bezeichnet. 

Auch die Bildung des Harzes im Kienholz dürfte vielleicht als eine Lebens— 
thätigkeit des verwundeten Holzes anzuſehen ſein. Die Frage wird uns unten 
bei der Entſtehung der Harzſekrete näher beſchäftigen. 

Was die eigentliche Urſache der Schutz- und Kernholzbildung anlangt, ſo 
ſind wir darüber ſehr wenig unterrichtet. Daß Verwundung Veranlaſſung 
dazu giebt, iſt ja klar. Aber da die betreffenden Bildungen ſich auch im 
Kernholze ſchon einſtellen, noch ehe eine merkliche Verwundung eingetreten iſt, 
ſo müſſen auch noch andre Faktoren dabei mitſpielen. Immerhin iſt es von 
Intereſſe, daß PBrael (J. c.) nachgewieſen hat, daß die Bildung des Schutz— 
holzes unterbleibt oder doch ſehr verzögert wird, wenn man die gemachte 
Holzwunde bei Zeiten mit einem künſtlichen Verſchlußmittel, nämlich durch 
Verſchmieren mit einem luft- und waſſerdichten Kitt gegen die Außenwelt ab— 
ſchließt. Im Dezember angeſtellte Schnittwunden erwieſen ſich im Frühjahr 
durch Schutzholz geſchloſſen, wenn ſie nicht verfittet waren, während an ver— 


) J. e. pag. 112. 

2) Über die anatomiſche Bedeutung und Entſtehung der vegetab. Schleime. 
Pringheims Jahrb. f. wiſſenſch. Bot. V. pag. 25. 

3) La formation de la gomme ete. Ann des nat. 6. ser. Bot. T. I, pag. 176. 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 43 


kitteten Wunden dies unterblieben war; bei der Birke wurde daher durch den 
andringenden Blutungsſaft im Frühjahr der Kitt von ſolchen Wunden auf— 
gehoben, während die nicht verkitteten gleichalten Wunden keinen Blutungsſaft 
austreten ließen, alſo ihre Gefäße ſchon gegen den letzteren unwegſam gemacht 
hatten. Auch für die Thyllen iſt von den oben über dieſe Organe genannten 
Autoren erkannt worden, daß Verwundungen die gewöhnlichſten Veranlaſſungen 
zur Bildung derſelben ſind, womit freilich auch noch nichts über den urſächlichen 
Zuſammenhang aufgeklärt iſt. 


II. Sekretionen an Wunden. 


Bei manchen, aber keineswegs bei allen Pflanzen, beobachten wir Sefretionen an 
die Erſcheinung, daß nach jeder Verletzung auf oder in der Nähe 9 
der Wunde eine flüſſige oder halbflüſſige Subſtanz ausgeſchieden wird, 
welche die Wunde überziehlt und eben deshalb, ſowie wegen der 
chemiſchen und phyſikaliſchen Eigenſchaften, die dieſe Sekrete beſitzen, 
als ein natürliches Schutzmittel der Wunde, als ein Wundbalſam 
funktioniert, denn dieſe Überzüge bilden in der That eine für Luft 
und Waſſer nicht oder ſehr ſchwer durchdringbare Wundendecke. 

Viele Pflanzen enthalten ein ſolches Sekret ſchon fertig vorgebildet, Vorgebildete 
jo daß dasſelbe jederzeit bereit iſt, bei eintretender Verletzung an der Serrete. 
Wunde hervorzufließen und dieſelbe einzuhüllen. Es handelt ſich hier 
um die zahlreichen Pflanzen, welche ſogenannte Sekretbehälter, und 
um diejenigen, welche Milchſaftgefäße beſitzen. Die Beſchreibung 
dieſer normalen Organe gehört in die Pflanzenanatomie; es iſt hier 
nur hervorzuheben, wie ſehr dieſelben dem Zwecke entſprechen, ein ſicheres 
und taugliches Wundbedeckungsmittel zu liefern. Die Sekretbehälter 
ſtellen meiſt lange Kanäle dar, welche kontinuierlich in der Längs— 
richtung durch Wurzeln, Stämme und Blätter ſich erſtrecken, in den 
Stämmen und Zweigen, vorzugsweiſe in der Rinde, bei manchen 
Pflanzen auch im Holze ſich befinden, ſo daß bei jeder Verletzung 
irgend eines Teiles der Pflanze auch einige dieſer Behälter geöffnet 
werden und ihren Inhalt über die Wunde ergießen. Die Milchſaft— 
gefäße ſtellen ein eigenes Gefäßſyſtem in der Pflanze dar, welches 
durch zahlreiche Verzweigungen und Anaſtomoſen in ſich zuſammen— 
hängt und ebenfalls vorwiegend in der Rinde der Stengel und Wur— 
zeln, ſowie durch die ganze Blattmaſſe verläuft, weshalb, wenn die 
Pflanze an irgend einem Punkte verletzt wird, wie bekannt ſofort 
Tropfen des milchartigen Inhaltes hervorfließen. Die Art des 
Sekretes in den Sekretkanälen iſt für die einzelnen Pflanzenarten 
charakteriſtiſch. Bei den Koniferen iſt es allgemein ätheriſches Ol 
oder Harz, eine Subſtanz, deren konſervierende und antiſeptiſche 
Eigenſchaften wohlbekannt ſind und die wir deshalb auch künſtlich 


Wundſekrete. 


* n 


44 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


mit Vorteil zum Verſchließen der Wunden der Pflanzen benutzen. 
Sehr viele ausländiſche Bäume, die wiederum ganzen Pflanzenfamilien 
angehören, beſitzen ähnliche Sekretionskanäle, in denen eigentümliche 
ätheriſche Ole, Harze, Balſame, Gummiharze oder Milchſäfte enthalten 
ſind; bei einigen Pflanzen führen ſolche Kanäle Gummi, wie bei den 
Marattiaceen, Cycadeen und Sterkuliaceen. Alle dieſe Stoffe geben 
einen ſehr guten Wundverſchluß, und das gleiche gilt von allen 
Milchſäften, wenn ſie auf den Wunden eintrocknen. Die hier ver— 
tretene Anſicht, wonach die Bedeutung aller dieſer Sekrete für die 
Pflanze darin liegt, gegebenenfalls als ein natürlicher Wundbalſam 
in Wirkſamkeit zu treten, zum Teil ſogar als Abſchreckungsmittel gegen 
ſolche Tiere zu dienen, welche die Pflanze zu verletzen drohen, wobei 
der ſtarke Geruch und die giftigen Eigenſchaften mancher dieſer Sekrete 
von Bedeutung find, it zuerſt von de Vries) in beſtimmter Weiſe 
ausgeſprochen worden. 

Bei manchen Pflanzen wird aber ein ſolches Sekret auch erſt 
gebildet als Folge der Verwundung, indem entweder die der Wunde 
benachbarten, ſchon vorhandenen Gewebe desorganiſiert und in die 
betreffende Sekretſubſtanz umgewandelt werden, oder indem das Cambium 
der betreffenden Holzpflanzen in der Nähe der Wunde gewiſſe Gewebe— 
komplexe von eigentümlichen Zellen bildet, nämlich anſtatt normalen Holz— 
gewebes ein abnormes Holzparenchym, deſſen Zellen ſehr bald unter 
Desorganiſation in die Sekretſubſtanz ſich umwandeln. Der Erfolg 
iſt dann immer der, daß die in gewiſſer Entfernung hinter der 
Wunde liegenden geſunden Gewebe durch die Sekrete, welche nicht 
bloß die direkt verwundeten Gewebe imprägnieren, ſondern durch ihren 
meiſt reichlichen Ausfluß auch äußerlich die Wunde bedecken, ge— 
ſchützt werden. Die auf dieſe Weiſe erſt in Folge der Verwundung 


ſich bildenden Sekrete kann man als eigentliche Wundſekrete bezeichnen. 


Es iſt nicht immer ohne weiteres entſcheidbar, ob ein aus einer 
Wunde fließendes Sekret den vorgebildeten Sekretbehältern entſtammt 
oder ein ſolches echtes Wundſekret darſtellt, weil bei manchen Pflanzen 
beide Arten von Sekretionen vorkommen. 

Es brauchen auch nicht immer eigentliche Verwundungen zu ſein, 
um die Bildung ſolcher Wundſekrete einzuleiten. Auch wenn eine 
Stelle des Stammes oder ganze dünnere Zweige eines Baumes durch 
irgend einen anderen ſchädlichen Einfluß, etwa durch Froſt oder 
Dürre oder durch Nahrungsmangel oder durch paraſitäre Urſachen 
getötet oder zum Tode geſchwächt ſind, ſo kann der noch lebende Teil 


I) Landwirtſch. Jahrbücher. X., pag. 687. 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 45 


der Pflanze mehr oder weniger weit rückwärts von dem leidenden 
Teile zu ſolchen abnormen Sekretbildungen übergehen, gleichſam um 
rechtzeitig als Vorbeuge bei dem ſicher drohenden Verluſte die andern 
Teile der Pflanze mit dieſem Schutzmittel zu verſorgen. Man hat 
daher vielfach ſolche abnorme Secretionen als beſondere Krankheiten 
angeſehen, indem man z. B. den Gummifluß als „Gummikrankheit“, 
den Harzfluß als „Harzkrankheit“ bezeichnete, dabei hat man aber 
die bloße Folge der Krankheit, nämlich die Reaktion der lebenden 
Pflanze gegen dieſelbe, mit der Krankheit ſelbſt verwechſelt. Es muß 
beſtimmt betont werden, daß alle dieſe abnormen Sekretionen keine 
ſpecifiſche Krankheit vorſtellen, ſondern die Folgeerſcheinungen der aller— 
verſchiedenſten Beſchädigungen und Leiden der Pflanze ſein können. 

I. Harzfluß, Reſinoſis der Koniferen. Alle Verwundungen der holzigen 
Teile der Koniferen ſind mit Anſammlung oder Ausfluß von Harz verbunden, 
und die Gewinnung des Harzes und Terpentins beruht denn auch immer 
darauf, daß man die Bäume abſichtlich verwundet. In der Pflanze entſteht 
das Sekret in der Form von Terpentinöl, einer Verbindung aus der Reihe 
der Kohlenwaſſerſtoffe. Durch Einwirkung des Sauerſtoffs der Luft oxydiert 
es ſich allmählich zu Harz, welches alſo eine ternäre Verbindung iſt und einen 
feſten Körper darſtellt. Daher ſind dieſe Sekrete eine wechſelnde Miſchung von 
Terpentinöl und Harz, welche Terpentin heißt und deren größere oder 
geringere Dickflüſſigkeit von dem Mengungsverhältniſſe abhängt. Aus friſchen 
Wunden fließt reines Terpentinöl oder ein hauptſächlich aus ſolchem be— 
ſtehender Terpentin; der Überzug, den es auf der Wunde bildet, erhärtet mit 
der Zeit immer mehr zu Harz. 

Das ſofort nach der Verwundung ausfließende Terpentin ſtammt natürlich 
aus den durch die Wunde geöffneten normalen Harzbehältern. Von 
dieſen kennen wir bei den Koniferen hauptſächlich folgende Arten. 

In der primären Rinde finden ſich allgemein ſenkrechte und auf weite 
Erſtreckung verlaufende Harzkanäle; dieſe ſind es, aus denen beim Durch— 
ſchneiden der Rinde ſchon des einjährigen Triebes das Harz in größeren oder 
kleineren Tropfen ausfließt. Bei der Weißtanne ſchwellen dieſe Kanäle an 
einzelnen Stellen, beſonders da, wo mehrere zuſammentreffen, zu großen mit 
Harz gefüllten Blaſen an, weshalb an der inneren Wand der letzteren die 
Mündungen von zwei bis vier Harzkanälen ſich finden, die ſowohl von oben 
als von unten einmünden. Da bei der Tanne die Rinde bis ins mittlere 
Alter glatt und unverſehrt bleibt, ſo erhalten ſich auch die Harzkanäle und 
ihre Erweiterungen ebenſo lange; ſpäter aber werden ſie infolge der Borke— 
bildung mit abgeſtoßen, weshalb nur mittelwüchſige Tannen den Straßburger 
Terpentin liefern, der aus jenen Harzbehältern ſtammt. Wie dieſe ſogenannten 
Harzbeulen, linſenförmige mit Harz gefüllte Hohlräume in der Rinde, ent— 
ſtehen, iſt bis jetzt nicht unterſucht worden. Da ſie aber nach der einſtimmigen 
Ausſage Mohl's), Schacht's) und Ratze burg's) erſt an mittelwüchſigen 


1) Über die Gewinnung des venetianiſchen Terpentins. Bot. Zeitg. 1859, 
pag. 341. 

2) Der Baum, pag. 223. 

3) Waldverderbnis, II. pag. 7. 


Harzfluß der 
Koniferen. 


Normale 
Harzbehälter. 


Profuſe 
Harzbildung. 


Neubildung von 
Harz nach 
Verwundung. 


„ 


46 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


Tannen ſich bilden, ſo müſſen ſie wohl aus einer Desorganiſation von Rinden— 
gewebe hervorgehen, und es bleibt eben noch die Frage zu entſcheiden, ob ſie 
infolge irgend einer Verwundung entſtehen; nach Ratzeburg's Bemerkung 
ſollen Tannen nie Terpentin geben ohne krank zu ſein. Ferner finden ſich 
normal in der Rinde vieler Koniferen kleine iſolierte kugel- oder linſenförmige 
Harzlücken, die nach Mohl meiſt erſt im mehrjährigen Triebe entſtehen, ſich 
auch mit der Zeit etwas vergrößern, aber wegen ihrer geringen Ausdehnung 
niemals Harzfluß hervorbringen ſollen. Endlich giebt es in der Rinde auch 
noch horizontale Harzkanäle, welche in radialer Richtung und unter 
einander nicht im Zuſammenhange ſtehen; ſie befinden ſich in der Mitte 
der in die Rinde ſich fortſetzenden breiten Markſtrahlen und ſind die 
unmittelbare Verlängerung der in den größeren Holzmarkſtrahlen befindlichen 
Harzkanäle. Sie kommen bei der Fichte, Lärche und Kiefer vor und ſind be— 
ſonders die Urſache der Bedeckung der Schälwunden mit Harz. 

Im Holze der Nadelbäume ſind die verbreitetſten harzabſondernden 
Organe die vertikal verlaufenden Harzkanäle; ſie verurſachen hauptſächlich 
den Harzausfluß an Querwunden des Holzes. Die weiteſten und zahlreichſten 
beſitzt die Schwarzkiefer, demnächſt die gemeine Kiefer und die Lärche, viel 
ſpärlicher die Fichte. Außerdem kommen im Holze, wie erwähnt, auch hori— 
zontale Harzkanäle vor, welche in der Mitte der großen Markſtrahlen liegen 
und wie dieſe in radialer Richtung laufen; ſie ſind den meiſten, auch die 
Tanne nicht ausgenommen, eigen. 

Es iſt nun aber die Frage, ob die oft ſehr bedeutenden Quantitäten von 
Harz, welche die Nadelbäume nach Verwundung von ſich geben, nur aus 
den ſchon vorhandenen Harzkanälen, oder teilweiſe auch aus einer erſt 
infolge der Verwundung eingetretenen Neubildung von Harz ſtammen. 
Mohl, dem ſich in dieſer Beziehung N. J. C. Müller) angeſchloſſen 
hat, vertrat die erſtere Anſicht. Nach ſeiner Vorſtellung müſſe ſich das Harz 
in den durch die Verwundung geöffneten Harzkanälen, da dieſelben ſich weit— 
hin in der Pflanze erſtrecken, auch aus entfernteren Teilen des Baumes dahin 
ziehen und ſich auf der Wunde anſammeln. Auch das Kienigwerden des 
verwundeten oder abſterbenden Nadelholzes, von welchem oben ſchon die Rede 
war, erklärt ſich Mohl aus einem Übertritt von Harz aus entfernteren Teilen 
des Baumes, beſonders aus der Rinde und aus dem Splinte durch die 
horizontalen Harzkanäle der Markſtrahlen, indem die Zellmembranen für Harz 
durchdringbar ſind und der weichende Saftgehalt des Kernholzes oder des 
durch Verwundung getöteten und vom Zufluß des Nahrungsſaftes abge— 
ſchnittenen Holzes Raum für den Eintritt von Harz bietet. Den Widerſpruch, 
der in der Thatſache zu liegen ſcheint, daß nach Harzentziehung das Holz 
eines Baumes verkient, ſucht Mohl durch die Bemerkung zu beſeitigen, daß 
bei ſo äußerſt harzreichen Bäumen durch die Operation nur ein Teil des Harzes 
entzogen werde, und der überſchüſſige andre Teil trotzdem die abſterbenden 
Holzſchichten infiltrieren könne. 

Es iſt aber unzweifelhaft, daß bei Verwundungen ſowie auch bei andern 
Leidenszuſtänden der Koniferen eine Neubildung von Harz, alſo eine Wund— 
ſekretion im obigen Sinne eintritt, was durch eine ganze Reihe von Beob— 
achtungen begründet wird. Hier ſind zunächſt die vielſeitigen Beobachtungen 
Ratzeburg's bei Verwundungen durch Schälen, Fraß ꝛc. zu erwähnen. Leider 


) Pringsheim's Jahrb. f. wiſſenſch. Botanik 1866, pag. 387. 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 47 


thut aber die anatomiſche Ungenauigkeit derſelben ihrer Verwertung für unſre 
Frage Eintrag; es iſt hier oft nur von „Harzreichtum“ der Holzpartien die 
Rede, wobei es ungewiß bleibt, ob Verkienung oder Bildung eigener Harz— 
behälter gemeint iſt; und wo die letzteren ausdrücklich genannt werden, iſt 
über ihre anatomiſche Natur faſt nichts Näheres zu erfahren. Sicher ſind 
aber wenigſtens zwei bemerkenswerthe Thatſachen daraus zu entnehmen. 
Erſtens, daß in dem alten, ſchon vorher vorhanden geweſenen Holze infolge 
der Verwundung wirkliche Harzkanäle in vermehrter Anzahl und von größerer 
Weite entſtehen. Nach dem Fraß des Fichtenrindenwicklers (Tortrix dorsana) 
bilden ſich nicht bloß in den Überwallungsſchichten, ſondern auch in den älteren 
Jahresringen viel Harzkanäle ; dieſelbe Rückwirkung auf frühere Jahresringe 
wird beim Fraß der Kiefernmotte (Tinea sylvestrella) angegeben?). Auch in 
der Rinde der Lärche ſoll bei den Angriffen der Rindenlaus (Chermes laricis) 
eine vermehrte Bildung von Harzlücken eintreten). Zweitens fand Ratzeburg 
faſt allgemein, daß die nach einer Verwundung ſich bildenden Holzſchichten 
mehr Harzkanäle als im normalen Zuſtande enthalten. Dies zeigt ſich im 
Holze der Überwal ER welche an den Rändern der Schälwunden entſtehen, 
beſonders bei der Lärche, wo ſich bisweilen ſehr weite und auch in vertikaler 
Richtung lange, mit Harz erfüllte Hohlräume bilden?) auch in der Rinde 
dieſer Überwallungen fanden ſich Harzbeulen, größere, mit Harz gefüllte Räume, 
ähnlich denen der Tannenrinde. Dasſelbe gilt von den Holzſchichten der Über- 
wallungen, die ſich an den Fraßſtellen der Kiefernmotte, ſowie des Fichten— 
rindenwicklerss) bilden, desgleichen von der Rinde der gallenartigen Holz— 
anſchwellungen der Lärche, die durch den Fraß des Lärchenrindenwicklers 
(Tortrix Zebeana) s) hervorgebracht werden. Auch der Verluſt dünnerer 
Zweige hat für die davon betroffenen Aſte meiſtens den Erfolg, daß in den 
nach der Verwundung ſich bildenden, meiſt ſchwachen Holzringen ungewöhnlich 
viel Harzkanäle erſcheinen, die ſogar manchmal die ganze Breite des Jahres— 
ringes einnehmen. Solches berichtet Ratzeburg) von den durch Wild ver— 
biſſenen beſenförmigen Lärchen, von den durch Nonnenfraß beſchädigten Fichten— 
zweigens) und von der Kiefer nach dem Fraße der Forleule?). Die Beziehung 
zur Verwundung prägt ſich dabei ſogar darin aus, daß an einſeitig entäſteten 
Zweigen nur in den an der entäſteten Seite liegenden ſchmalen Jahresringen 
Harzreichtum eintritt. Beſonders wichtig iſt auch das Verhalten der ſonſt im 
Holze harzarmen Tanne, bei welcher nach Schälen im Überwallungsringe, 
ſowie in den Holzſchichten, die ſich nach dem Verbeißen durch Wild und nach 
dem Fraße des Tannenwicklers (Tortrix histrionana) in den beſchädigten 
Aſten bilden, in großer Anzahl wirkliche Harzkanäle auftreten ſollen 10. 


) Ie. I. pag 262. 

2) 1. c. I. pag. 197. 

3) 1. c. II. pag. 64. 

4) 1. c. II. pag. 76. 

5) 1. c. I. pag. 197 und 262. 
6) 1. c. II. pag. 69. 

7) 1. c. II. pag. 66. 

Y 1. e. I. pag. 234. 

) 1. c. I. pag. 154. 

20) I. 6. II. pag. 18, 26, 33. 


48 IT. Abſchnitt: Von den Wunden 


Wenn neue Harzkanäle in der Pflanze entſtehen, ſo kann das in ihnen 
enthaltene Harz nur durch eine Neubildung entſtehen. Das geht ſchon aus 
dem hervor, was wir über die Entſtehung der normalen Harzkanäle der 
Koniferen wiſſen. Wie ich gezeigt habe), giebt es zwei verſchiedene Entſtehungs— 
arten derſelben: ſchizogen und lyſigen. Das erſtere trifft zu für die eigentlichen 
Harzkanäle, welche regelmäßig in der primären Rinde ſowie im Holze, be— 
ſonders bei der Kiefer auftreten, und beruht darauf, daß gewiſſe Zellen ohne 
zu verſchwinden, auseinander weichen, wobei der dadurch entſtehende Hohl— 
raum ſich mit Terpentinöl füllt; die auseinander gewichenen Zellen, welche 
den Kanal dauernd auskleiden, ſind die Sekretionsorgane des Terpentinöls; 
ſie enthalten ſelbſt nichts von dieſem Stoffe, ſie bilden ihn alſo erſt aus 
anderem ihnen zu dieſem Zwecke zugeleiteten Material und ihr Produkt nimmt 
erſt beim Austritte aus dieſen Zellen ins Innere des Kanals die definitive 
Form des Terpentinöls an. Bei der lyſigenen Entſtehung von Harzkanälen, 
die ich in der Rinde älterer Stämme von Thuja oceidentalis nachgewieſen 
habe, werden gewiſſe Zellen wirklich aufgelöſt, ſo daß nun an Stelle der ver— 
ſchwundenen Zellen ein Sekretbehälter ſteht. Gruppen von Parenchymzellen 
des Phloems und der Rindenſtrahlen werden reicher an protoplasmatiſchem 
Inhalt, ſowie an Stärkekörnchen, zugleich treten Tröpfchen von Terpentinöl 
im Inhalte auf; letzteres vermehrt ſich, während die übrigen Beſtandteile des 
Zellinhaltes ſchwinden; zuletzt werden auch die Zellmembranen aufgelöſt und ſehen 
dabei wie angefreſſen aus. Die Höhle kann ſich erweitern, indem dieſer Prozeß 
im umgebenden Gewebe der Rinde fortſchreitet. Den gleichen Vorgang ſah 
ich jtattfinden, wenn, wie es bisweilen geſchieht, die normalen Harzkanäle im 
Holze der Kiefer ſich erweitern zu größeren harzführenden Höhlen; hier er— 
füllen ſich die den Kanal umgebenden Holz- und Markſtrahlen mit Harz, und 
darauf verſchwinden auch ihre Membranen. Ferner hat Dippel) nachgewieſen, 
daß lyſigen auch die Harzgänge im Holze der Tanne entſtehen, welche wohl 
ſchon im normalen Zuſtande allgemein, wenn auch nicht in großer Anzahl 
vorhanden zu ſein ſcheinen. Es finden ſich hier einzelne Harzzellen, d. ſ. 
parenchymatiſche mit Harz gefüllte Zellen, ferner Harzzellengruppen, d. ſ. größere 
Gruppen geſtreckter harzführender Holzparenchymzellen, welche ſtets von kürzeren 
ſtärkeführenden Holzparenchymzellen begleitet werden; endlich echte Harzgänge, 
welche ebenfalls von ſtärkeführendem Holzparenchym umgeben ſind und ſtets 
an einen Markſtrahl angrenzen. Ihre Entſtehung beruht darauf, daß anfangs 
eine Gruppe ſtärkeführender Holzparenchymzellen vorhanden iſt, deren mittlere 
unter Harzbildung ſich auflöſen, indem zuerſt im Inhalte an die Stelle der 
im Winter vorhandenen Stärkekörnchen Harz tritt und darauf auch die Mem— 
branen der harzerfüllten Zellen verſchwinden. Nach Möller?) ſollen die Harz 
kanäle im Holze der Schwarzföhre lyſigen entſtehen, indem Gruppen der von 
der Cambiumſchicht gebildeten Zellen unverholzt und dünnwandig bleiben und 
dann in Harz ſich auflöſen; ob hier jedoch nicht eine Verwechſelung mit 
ſchizogenen Harzkanälen, wie fie ja im Holze der gemeinen Kiefer ſich finden, 
vorliegt? Nach Höhnelß) ſollen lyſigen in der fertigen Korkſchicht von Abies 
canadensis Harzbehälter entſtehen, alſo durch Verharzung der Korkzellen. Bei 


1) Beiträge zur Pflanzenphyſiologie, pag. 119-123. 

2) Zur Hiſtologie der Koniferen. Bot. Zeit. 1863, Nr. 35, Taf. X. 

3) Beiträge zur Anatomie der Schwarzföhre. Mitteil. aus d. forſtl. 
Verſuchsweſen Oſterreichs, von Seckendorf, III, pag. 167. 

5) Botan. Zeitg. 1882, Nr. 10. 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 49 


der lyſigenen Entſtehung von Harzbehältern ſtammt das Harz zum Teil aus 
einer Umwandlung der Zellmembranen und der etwa vorhandenen Stärke, 
weil eben dieſe feſten Beſtandteile der betreffenden Zellen dabei verſchwinden. 
Aber es iſt unmöglich, daß dieſe das ganze Material des dabei entſtehenden 
Oles oder Harzes liefern könnten, beſonders da es oft nur ſehr dünn— 
wandige und ſtärkearme Zellen ſind, welche dem Harzbehälter den Urſprung 
geben; es muß eben auch hier ein mehr oder minder großer Teil des Harzes 
aus einem beſonders zu dieſem Zwecke zugeſtrömten Nahrungsmaterial entſtanden 
ſein. In dieſer Überzeugung beſtärkt uns außerdem noch im höchſten Grade 
die Erwägung, daß das Terpentinöl die kohlenſtoffreichſte Subſtanz des Baumes 
iſt, daß alſo auf den Kohlenſtoffgehalt der gewöhnlichen Pflanzenſubſtanz, 
aus welcher dasſelbe entſtehen könnte und entſtehen muß, alſo z. B. der Kohlen— 
hydrate, berechnet, ein Gewichtsteil Terpentinöl einem viel mal größeren 
Gewichtsteil irgend eines andern Pflanzenſtoffes äquivalent iſt. 

Wie diejenigen Harzbehälter entſtehen, welche in den angegebenen Fällen 
nach Verwundungen in größerer Anzahl ſich bilden, iſt nun zwar noch nicht 
verfolgt worden. Aller Wahrſcheinlichkeit nach werden auch ſie auf lyſigene 
Art gebildet. Es kann nach dem Vorhergehenden nicht zweifelhaft ſein, daß 
ihre Entſtehung immer mit einer Neubildung von Harz verbunden iſt. Auch 
bei jeder Verkienung des Holzes könnte eine Neubildung von Harz beteiligt 
ſein, worüber jedoch nichts entſchieden iſt. 

Es kommen aber auch Fälle vor, wo die Harzerzeugung durch Bildung 
eines abnormen Zellgewebes eingeleitet wird, welches dann unter Auflöſung 
ſeiner Zellmembranen in Harz degeneriert, ſo daß ſich mitten im unveränderten 
Holze ein mit Harz erfüllter Raum bildet, deſſen Form und Größe durch die— 
jenigen des Komplexes des abnormen Gewebes beſtimmt ſind. Auf dieſe Weiſe 
entſtehen nämlich die ſogenannten Harzd ruſen oder Harzgallen, die keines— 
wegs regelmäßig, ſondern nur ausnahmsweiſe im Holze der Koniferen ge— 
funden werden. Man verſteht darunter ſehr große harzerfüllte Lücken, die beim 
Zerſpalten des Holzes zum Vorſchein kommen. Sie finden ſich bis zur Größe 
und Dicke eines Thalerſtückes und wohl auch noch größer und liegen innerhalb 
eines einzigen Holzringes im Frühjahrsholze, fo daß das Herbſtholz desſelben 
ebenſo normal iſt, wie dasjenige des nächſtälteren angrenzenden Jahresringes. 
Das was im Hohlraum nicht mit Harz erfüllt iſt, wird von einem abnormen 
Holzparenchym eingenommen. Dieſes iſt beſonders ringsum an den Rändern 
in Menge vorhanden; es beſteht aus lauter ungefähr iſodiametriſchen aber 
ganz unregelmäßig geſtalteten und völlig ordnungslos liegenden verholzten 
Parenchymzellen, von denen die am weiteſten nach der Mitte der Harzgalle 
gelegenen alle übergänge der Desorganiſation in Harz zeigen, d. h. ſie ſind 
mit ſolchem erfüllt und ihre Membranen mehr oder weniger in der Auflöſung 
begriffen. Dagegen zeigt das Holz in der nächſten Umgebung und beſonders 
auch vor der Harzdruſe gegen das Herbſtholz hin, die normale Zuſammen— 
ſetzung aus Holzfaſern, welche in radiale Reihen geordnet ſind. Von dieſer 
Beſchaffenheit beobachtete ich die Harzgallen im Fichtenholze; Ratzeburg!) 
fand fie auch bei der Tanne und auch Dippel? erwähnt die Harzgallen bei 
der Tanne als eine abnorme Erſcheinung. Der Entſtehung dieſer Harzdruſen 
liegt alſo eine abnorme Zellbildungsthätigkeit des Cambiums zu Grunde, 


e. II. pag. 4: 
7) 1. c. pag. 254. 
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 4 


en: Me el 
. 


9 (2 
er 
* Men 
* ah ’ 


= f 


50 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


welche an der betreffenden Stelle ſtatt normalen Holzes größere nur aus einem 
Holzparenchym beſtehende Gewebekomplexe erzeugt. Ob Harzdruſen in einer 
direkten oder indirekten Beziehung zu einer ſtattgehabten Verwundung ſtehen, 
darüber fehlt es an Erfahrungen. Ich fand ſie ſowohl in verkientem Holze, 
als auch ringsum von normalen, nicht kienigen Holzſchichten eingeſchloſſen. — 
Mit dieſer Erſcheinung nahe verwandt ſind die ſogenannten Auslöſungen 
des Holzkörpers der Koniferen. Bisweilen löſt ji) an geſpaltenem Holze und 
ſelbſt an Schiffsmaſten ein runder, glatter Kern vollſtändig aus dem Holze 
aus. Hallier) hat nachgewieſen, daß hier ein Jahresring ringsum in eine 
abnorme Bildung von Holzparenchym übergegangen und in letzterem Des— 
organiſation in Harz eingetreten iſt. Ich kann dies von einem Fichtenholz 
beſtätigen. Der ſechſte Jahresring zeigte hier die erſten Schichten ſeines 
Frühjahrsholzes ganz aus kurzzelligem Holzparenchym beſtehend, welches unter 
Harzbildung im Zerfall begriffen war. Der aus den fünf älteſten Jahresringen 
beſtehende Kern löſte ſich als ein runder, auf der ganzen glatten Oberfläche 
mit Harz überzogener Cylinder heraus. Auch das Rohr hatte inwendig eine 
ziemlich glatte, etwas harzende Oberfläche. Der übrige Teil des Jahresringes 
beſtand aus normalem Holz, ebenſo war das Herbſtholz des letzten Kernringes 
normal. Über die Urſache dieſer Bildung verbreitet vielleicht der Umſtand 
einiges Licht, daß der Kern einen Quirl von Aſtſtumpfen trug, welche in dem 
darauf liegenden jüngeren Holze ſteckten und wie gewöhnlich verkient und von 
einer Harzſchicht umhüllt waren; und es iſt eben von Bedeutung, daß der 
letzte Jahresring der Aſtſtumpfe dasſelbe Alter hatte wie derjenige des Kernes, 
alſo die Oberfläche des Kernes die direkte Fortſetzung derjenigen der Aſtſtumpfe 
war. Die Harzbildung hat alſo mutmaßlich als die gewöhnliche Erſcheinung 
am Quirl der Aſtſtumpfe begonnen, während die Bildung von Holzparenchym 
und die Verharzung desſelben im Mutterſtamme nachgefolgt zu ſein und von 
der Baſis der Stumpfe aus über dieſen ſich verbreitet zu haben ſcheint. 
Harz und II. Harz⸗ und Gummiharz⸗Ausſcheidungen andrer Pflanzen. Auch 
Gummiharzfluß die Harze und Gummiharze, die von jo vielen andern Pflanzen ausgeſchieden 
der Nicht- werden und welche geſammelt und als Droguen in den Handel gebracht 
Koniferen. werden, dürften in phyſiologiſcher und pathologiſcher Beziehung dem Harz der 
Koniferen analog ſein. Denn auch dieſe fließen in reichlicher Meuge aus den 
Pflanzen aus, ſei es von ſelbſt, ſei es nach abſichtlichen Verwundklingen. 
Auch ſie ſind meiſt in regelmäßig vorhandenen Sekretionskanälen in 
der Pflanze enthalten. Aber ein mehr oder weniger großer Teil des 
ausfließenden Sekretes ſcheint auch hier ſeine Entſtehung der Desorgani⸗ 
ſation von Gewebekomplexen zu verdanken. So hatte ſchon Wigand?) 
bei Unterſuchung dieſer Droguen vielfach Zellgewebsteile in denſelben gefunden, 
deren Zellen mit Harz erfüllt und deren Membranen mehr oder weniger in 
Harz, beziehentlich in Gummi umgewandelt erſchienen; jo beim Kopal, Epheu- 
harz und Xanthorrhoea-Harz, ſowie beim Bedellium, bei der Myrrhe, dem 
Weihrauch, der Asa foetida, dem Ammoniacum und dem Opopanax. Beſtimmt 
nachgewieſen iſt dieſe lyſigene Entſtehungsweiſe des Harzes bei den Copaiva⸗ 
balſam liefernden Copaikera-Arten und beim Benzoebaum durch Tſchirchs), 
welcher die Entſtehung dieſer Sekrete in der Pflanze ſelbſt unterſuchte. 


) Phytopathologie, pag. 82. 

2) Pringsheim's Jahrb. f. wiſſenſch. Botanik III. pag. 145— 147, 166. 

) Berichte d. deutſch. botan. Geſellſch. 1888, pag. 3, und angewandte 
Pflanzenanatomie. Wien und Leipzig 1889, pag. 477. 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 51 


III. Gummifluß oder Gummoſis der Steinobſtbäume. Was bei den Gummifluß der 
Koniferen der Harzfluß, das iſt bei den Amygdalaceen, alſo beim Steinobſt, Steinobſtbäume. 
als Kirſch-, Pflaumen, Aprikoſen⸗ und Pfirſichbäumen, der Gummifluß. Zwiſchen 
beiden Erſcheinungen iſt faſt in allen Punkten Analogie zu finden. Bei allen 
Verwundungen der holzigen Teile dieſer Bäume, zumal der Kirſchbäume, tritt 
Gummifluß ein. Das Gummi ſammelt ſich als eine helle bis braune, durch— 
ſichtige, bald zähflüſſige, bald mehr erhärtete Maſſe an der Oberfläche an, gewöhn— 
lich unmittelbar auf oder neben einer Wundſtelle, oft aber auch in einiger Ent— 
fernung von einer ſolchen, und dort hat es ſich ſelbſt einen Weg durch das 
Periderm gebrochen. Bisweilen ſind der Stamm oder einzelne Aſte ganz be— 
deckt mit ſolchen Gummiflüſſen. Dieſes Sekret gehört in die Reihe der Gummi— 
arten, iſt alſo ein Kohlenhydrat, iſomer mit dem Zellſtoff; es iſt löslich oder 
aufquellbar in Waſſer, gerinnt in Alkohol und giebt nach Behandlung mit 
Salpeterſäure Schleimſäure (neben Oxalſäure). 

Nachdem ſchon einige Botaniker, wie Karſt en!) und Trecul) die 
Meinung ausgeſprochen hatten, daß das Kirſchgummi durch Umwandlung der 
Zellmembranen des Holzes und der in den Zellen enthaltenen Stärkekörner 
entſtehe, wurde eine genauere Unterſuchung dieſes Vorganges von Wigand?) 
und von mir“) geliefert. Aus dieſer ergiebt ſich folgendes. In Gummoſis 
kann ſowohl das Holz, als auch die Rinde und ſchließlich auch die Cambium— 
ſchicht übergehen. Die größten Veränderungen finden dabei im Holze ſtatt. 

Daß in ſolchem Holze die Lumina der Gefäße und Holzzellen mit Gummi Gummibilnung 
erfüllt ſind, kann nicht Wunder nehmen, denn das iſt ja die gewöhnliche im Holze. 
Bildung von Wundgummi, die bei allen Laubhölzern unter ſolchen Umſtänden 
eintritt. Sie hat hier auch nichts mit dem Gummifluß zu thun, denn das 
aus den Steinobſtgewächſen ausfließende Gummi ſtammt nicht aus dem in 
den Gefäßen befindlichen Gummi, ſondern entſteht durch Umwandlung eines 
vorher von dem Cambium gebildeten abnormen Holzparenchyms. Die 
Cambiumſchicht erzeugt nämlich in ſolchen Fällen ſtellenweis kein normales 
Holz, ſondern kleinere oder größere, lediglich aus abnormem Holzparenchym 
beſtehende Gewebecomplexe, und aus dieſen entſtehen, indem ihre Zellen ſich 
in Gummi umwandeln (Fig. 8), größere mit Gummi erfüllte Kanäle (Gummti- 
druſen). Das gummierzeugende Holzparenchym wird abgelagert in Gruppen 
von rundlichem Querſchnitt, die beiderſeits meiſt von Markſtrahlen, nach vorn 
und hinten von normal zuſammengeſetzten Geweben des Holzkörpers begrenzt 
ſind und gewöhnlich in einem Jahresring zu mehreren, oft in großer Zahl 
tangential nebeneinander liegen. Dem unbewaffneten Auge erſcheinen ſie auf 
dem Querſchnitte als dunkle Punkte, die in den Jahresringen eine dieſen 
parallele Linie bilden (Fig. 10 B). Häufig ſind die centralen Zellen ſolcher 
Gruppen beträchtlich größer als die umgebenden, welche infolge deſſen mehr 
oder weniger flach gedrückt und peripheriſch um das Centrum gelagert ſind, 
ſo daß die Gruppe oft völlig kreisrund iſt. Infolge vermehrter Zellenbildung 
der Cambiumſchicht an dieſer Stelle und ſtärkeren Wachstumes der centralen 


) Bot. Zeitg. 1857. pag. 319. 
2) Sur la maladie de la gomme etc. Comptes rendus. 1860. pag. 621. 
3) Über die Desorganiſation der Pflanzenzelle ꝛc. Pringsheim's Jahrb. f. 
wiſſ. Bot. III. pag. 115 ff. 
) Über die anatom. Bedeutung und die Entſtehung der veget. Schleime. 
Pringsheim's Jahrb. f. wiſſ. Bot. V. pag. 25 ff. 
4 * 


52 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


0 


5 se 


(IS 


Querſchnitt durch Holz des Kirſchbaumes mit Gummidruſen, von 
denen bei gg zwei in ihrer Entſtehung durch Auflöſung von Holzzellen ſicht— 
bar find; p mehr oder weniger mit Wundgummi erfüllte Gefäße (vergl. Seite 
34); mm Markſtrahlen; bei if Frühjahrs-, bei ih Herbſtholz, den Jahresring 

bildend. Nach Tſchirch. 


Zellen ragt eine ſolche eben entſtandene Gruppe mit ihrer Cambiumſchicht ge— 
wöhnlich bogenförmig in die Rinde vor (Fig. 9). Sehr bald nach der Bildung 
ſolcher Holzparenchymgruppen tritt auch die Gummibildung im Centrum der- 
ſelben unter Desorganiſation der dort ſtehenden Zellen ein und ſchreitet mehr 
oder weniger weit ringsum gegen die Peripherie fort (Fig. 8 D. Die Gummi⸗ 
bildung ſchreitet an der einzelnen Zelle in centripetaler Richtung fort: zuerſt 
wird die primäre Membran und zuletzt die inneren mit den Tüpfeln verſehenen 
Schichten nach und nach von außen nach innen aufgelöſt. Man findet gleich— 
zeitig Zellen in allen Stadien der Umwandlung neben einander. Im letzten 
Stadium ſieht man die Zelle nur noch als dünne innerſte Membranſchicht mit 
der urſprünglichen Zellhöhle, eingebettet in der homogenen Gummimaſſe. 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 53 


Einige der ſchon im Gummi liegenden Holzparenchymzellen zeigen, ſo lange 
ſie ſelbſt noch nicht angegriffen ſind, ein Wachstum und eine Vermehrung 
durch Querteilung, wodurch ſie zu kurzen, in die Gummimaſſe hineinragenden 
Zellreihen auswachſen (Fig. 9), die jedoch früher oder ſpäter ebenfalls der 
Desorganiſation an— 
heimfallen. Oft ent⸗ 


ſtehen auch in dieſem B 
abnormen Holzparen⸗ N 
N chym Stärkekörner; 9255 886 . 
dieſe werden dann N 
ebenfalls mit in die RR i 
Gummibildung hin⸗ MES 
eingezogen. Bisweilen , 
liegen die Complexe /e 
von Holzparenchym ſo EG 050 
nahe nebeneinander = 11 


und ihre Gummiſfizie— 
rung ſchreitet ſo weit 
fort, daß mehrere 
Gummidruſen ſeitlich 
zuſammenfließen. 

Oder der Complex des 
abnormen Gewebes 
wird gleich in einem 


längeren Streifen eines 
Jahresringes angelegt 
(Fig. 9). In beiden 
Fällen kommen größere 
gummiführende Lücken 
im Holzringezu ſtande. 


Fig. 9. 

Durchſchnitt durch einen Teil einer ſehr großen 
Gummidrufe im Holze bei der Gummikrankheit 
des Kirſchbaumes. h, der Holzring des letzten Jahres, 
ba Grenze des vorigen Jahresringes. cc Cambium⸗ 
ſchicht, nebſt dem Holzkörper über der großen Gummi⸗ 


druſe g bogenförmig nach außen vorſtehend; die Des— 
organiſation des Gewebes iſt dort nahezu bis zur 
Cambiumſchicht fortgeſchritten. bbb Rinde. g, eine 

kleinere Gummidruſe im Holze. m Markſtrahl. 
von normal gebautem 


Holzgewebe umſchloſſen ſein, d. h. die Cambiumſchicht kann nach der 
Bildung derſelben wieder normal Holzfaſern und ſomit eine regelmäßige 
Herbſtholzſchicht ablagern. Dann bleiben auch dieſe Gummidruſen für 
immer im Holzkörper eingeſchloſſen, und die Holzbildung kann dann im 
nächſten Jahre auch wieder normal anheben. Gewöhnlich aber kehrt dann 
Rs die Abnormität in den folgenden Jahren wieder und zwar in erhöhtem Grade. 
RS Die Cambiumſchicht ſcheidet dann oft bis zum Schluſſe der Vegetationsperiode 
1 nur dergleichen Holzparenchym an den Holzkörper ab (Fig. 9). Da dieſes nun 


Dabei können aber die 
abnormen Gewebe— 
maſſen immer noch 


>“ wie gewöhnlich der Gummibildung verfällt, jo jchreitet die letztere in dieſem 
* Falle bis in die Cambiumſchicht fort. 


15 Da dann gewöhnlich auch ſchon eine 
5 Gummifizierung des Rindengewebes beſteht, jo ſchließt ſich jene an dieſe an, 
1 und nun kann das in der großen Gummidruſe des Holzes erzeugte Gummi 


ebenfalls zum Ausfluß nach außen kommen. 

Der allergrößte Teil des aus den Stämmen hervorquellenden Gummi Gummibildung 
ſtammt aber aus der Rinde. Es werden hierbei nicht nur die dünnwandigen in der Rinde. 
Zellen, ſondern auch die dickwandigen Baſtfaſern aufgelöſt, indem die Membranen 


Zerſtörung der zahlreichen, als Punkte erſcheinenden Gummidruſen, die in 


54 II. Abſchnitt: Von den Wunden 

allmählich in die allgemeine Gummimaſſe zerfließen; nur das Korkgewebe des 
Periderms bleibt von der Gummoſis verſchont. Wo Gummiflüſſe zum Erguſſe 
kommen, alſo beſonders in der Nähe von Wunden, da iſt immer die Rinde 
in gewiſſer Ausdehnung in Gummientartung übergegangen. Die letztere kann 
ſich von dort aus auch auf weite Strecken unter dem unverſehrten Periderm 


4 y 


„ z — 
2 98 277 


— 


Fig. 10. 
Aeſte des Kirſchbaumes, die unter Gummoſis ab— 


ſterben, im Querſchnitte, ſchwach vergrößert. A noch 
lebend, B im letzten Stadium des Lebens, wo ſich Gummi 
ſchon auswendig bei g angeſammelt hat. aa aa die 
Stellen, wo die Cambiumſchicht die toten Partien zu 
überwallen verſuchte, jetzt auch getötet. bb die einzigen 
Punkte, an denen die Cambiumſchicht und Rinde noch 
nicht durch Gummoſis getötet find und dendletzten Über— 
wallungsverſuch gemacht haben. Der Holzkörper in B mit 


hinziehen, ohne 
daß ſie ſogleich 
überall nach außen 
zum Durchbruche 
gelangt. Außerdem 
kommen auch in 
den äußeren Teilen 
der Rinde älterer 
Stämme, nämlich 
im Periderm oder 
in der Borke, iſo— 
lierte, ſcharf um— 
ſchriebene kleinere 
Gummidruſen von 
oft linſenförmiger 
Geſtalt vor, welche 
nach einwärts 
durch eine Peri— 
dermſchicht von 
der geſunden Rinde 
abgegrenzt werden 
und häufig nach 


außen aufbrechen. 


Cambiumſchicht. Kreiſen oder Bogenlinien angeordnet ſind. An allen 
Abſterben Stellen, wo die 
der Aſte. Rinde in Gummi umgewandelt iſt, desgleichen da, wo das Holz bis 

an ſeine äußere Grenze dieſelbe Umwandlung erleidet, verſchwindet 
ſelbſtverſtändlich auch die Cambiumſchicht, da fie mit in dieſe Ver⸗ 
änderungen hineingezogen wird. Die Folge davon iſt, daß in dieſer 


ganzen Ausdehnung weder die Rinde noch das Holz einen Zuwachs erhält. 
Der Aſt erzeugt dann eben nur noch an einem Teile ſeines Umfanges, der 
bisweilen nur ein kleiner iſt, neues Holz, nämlich nur dort, wo die Cambium— 
ſchicht am Leben geblieben iſt (Fig. 10). Der Holzkörper erhält auf dieſe 
Weiſe ſehr unregelmäßige Form. Die unvollſtändigen Holzringe, die ſich dann 
bilden, ſuchen ſich an den Rändern abzurunden, d. h. einen Überwallungswulſt 
(ſ. Wundenheilung) zu erzeugen, der vom alten Periderm bedeckt bleibt, aber 
ſich mit neuer Rinde und Periderm bekleidet und die verdorbene Stelle des 
Holzkörpers zu überwallen ſucht. Dies gelingt aber meiſt nur wenig; und 
manchmal tritt dann auch an den Überwallungsſchichten dasſelbe abnorme 
Holzgewebe und die Gummoſis auf, die auch hier wieder bis zur Zerſtörung 
der Cambiumſchicht führen kann. Es findet alſo einige Jahre hindurch eine 
Art Kampf zwiſchen Gummoſis und Überwallung ſtatt, der aber immer mehr 
zum Nachteil der letzteren ſich geſtaltet und endlich mit der gänzlichen Ver— 
nichtung der Cambiumſchicht und dem Erlöſchen der Lebensthätigkeiten des 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 55 


Aſtes abſchließt. In Fig. 10 ſind verſchiedene Zuſtände von Aſten, die unter 
Gummoſis abſterben, dargeſtellt. 

Während der Vegetationsruhe iſt das Gummi im Innern wie an der 
Oberfläche der Pflanze ziemlich eingetrocknet und erfährt keine merklichen Ver— 
änderungen. Während der Vegetationsperiode quellen teils an neuen Stellen 
zähflüſſige Gummimaſſen aus der Rinde hervor, teils werden die alten Gummi— 
erfrete von innen her durch den Saftzufluß wieder erweicht und vergrößert. 

Wie die unmittelbare Beobachtung lehrt, entſteht beim Gummifluß durch Urſprung des 

Umwandlung von Zellmembranen und Stärkekörnern Gummi. Wigand Gummi 
hält nun dieſe in Desorganiſation übergehenden Teile für die einzige Quelle 
des Gummi und kommt daher zu der Behauptung, daß durch den Gummi— 
fluß dem Baume nur feſte Membranen, aber keine Säfte enzogen werden. 
Dieſe Meinung, die von keinem der früheren Schriftſteller geteilt wurde, habe 
ich zu entkräften geſucht, indem ich auf folgendes hinwies !). Die Maſſe der 
verloren gehenden Zellmembranen ſteht weit zurück hinter derjenigen des an 
ihre Stelle tretenden Gummi. Man braucht nur die an irgend einem Punkte 
eines Aſtes auswendig angehäufte oft ſehr bedeutende Gummimaſſe zu ver— 
gleichen mit der Ausdehnung der im Innern verflüſſigten Gewebekomplexe und 
zu berückſichtigen, daß der Raum, den die letzteren einnahmen, ebenfalls ganz 
mit Gummi erfüllt iſt, um ſofort überzeugt zu ſein, daß die aufgelöſten Zell— 
membranen nicht hinreichend waren, um das ganze entſtandene Gummi zu 
erzeugen, beſonders wenn man noch bedenkt, daß die Rinde, welche die Haupt— 
maſſe des Gummi liefert, vorwiegend dünne Zellmembranen hat, und daß das 
Gummi, ſowohl das an der Stelle der zerſtörten Gewebe befindliche, als auch 
2 das auswendig hervorgedrungene in der Regel nur wenig weich und gequollen, 
vielmehr von einer Dichtigkeit ſich erweiſt, welche derjenigen des Zellſtoffes 
kaum nachſtehen kann. Somit gelangen wir zu dem Schluſſe, daß wie beim 
Harzfluß, jo auch bei der Gummikrankheit außer dem Material an Zellmembranen, 
welches zur Bildung des Sekretes dient, auch ein Quantum von Nahrungs— 
ſtoffen zu dieſem Zwecke verbraucht wird. 

Was die Veranlaſſung des Gummifluſſes und feine phyſiologiſche Be-Veranlaſſung und 
deutung anlangt, jo finden wir völlige Analogie mit dem Harzfluß. In erſter Bedeutung des 
Linie find es allerhand Verwundungen, welche in der Nähe der Wunde auf Gummifluſſes. 
die Cambiumſchicht und auf die Rinde einen Reiz ausüben, der die ſoeben 
beſchriebenen Bildungsthätigkeiten hervorruft. Sorauer? ſah an Kirſch⸗ 
| bäumen, von denen er im Frühjahr ſämtliche Augen entfernt hatte, Gummi— 

9 fluß eintreten. Allen Verletzungen der Rinde durch Quetſchung, Reibung, 
8 Schalen, ſowie den gröberen Verwundungen des Holzes durch Anhauen, Ein: 
ſchneiden, Einſchlagen von Nägeln u. dergl., folgt faſt unfehlbar Gummifluß 
an der Wunde; nicht minder häufig iſt die Erſcheinung an den Überwallungs— 
rändern der Holzwunden; und ebenſo tritt ſie oft nach dem Pfropfen ein. 
Wie bei der abnormen Harzbildung, ſo können aber auch hier außer den 
Wunden noch andre ſchädliche Einflüſſe, ſofern fie eine Schwächung oder ein 
allmähliches Erlöſchen der Lebensthätigkeit verurſachen, Gummoſis herbeiführen, 
wie z. B. Beſchädigung der Zweige durch Froſt, oder Kränkeln derſelben in 
Folge von Wurzelkrankheiten wegen ungeeigneten Bodens, u. ſ. w. Die zuerſt 
von Duhamel) ausgeſprochene und dann vielfach wiederholte Anſicht, daß 


e pag. 31. 
) Handbuch der Pflanzenkrankheiten, pag. 192, 2. Aufl. pag. 875. 
) Traité des arbres et arbustes. 1755 I. pag. 149. 


r 


56 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


Kirſchbäume, die in eine zu kräftige Erde gepflanzt ſind, am meiſten dem 
Gummifluß unterworfen ſind, iſt nicht zutreffend; in ſehr nährſtoffreichem 
Boden, wenn er nur warm und locker iſt, findet kein Kränkeln und kein 
Gummifluß ſtatt; wohl aber kann ein kalter, thoniger Boden dem 
Wurzelleben nachteilig ſein und daher indirekt Gummifluß erzeugen. Gänz— 
lich verfehlt iſt die Anſicht Oudeman's), daß der Gummifluß der 
Amygdalaceen eine Pilzkrankheit ſei, verurſacht durch einen Pilz, Coryneum 
Beyerinckii Oudem., den Beyerinck an kranken, mit Gummifluß behafteten 
Zweigen fand und der nach Überimpfung in gemachte Längsſchnitte andrer 
Zweige ſich entwickelte unter Neuauftreten von Gummifluß. Daß wenn man 
Längsſchnitte in einen Zweig macht und wenn außerdem durch einen para— 
ſitiſchen Pilz Gewebe zerſtört werden, die Pflanze dagegen durch Gummi— 
bildung reagiert, wird nach dem Vorhergehenden nichts Auffallendes haben. 
Schon eine genaue entwickelungsgeſchichtliche Betrachtung der Entſtehung des 
Gummi hätte genügt, um dieſe irrige Meinung nicht aufkommen zu laſſen; 
denn von der Intervention eines Pilzes iſt dabei nichts zu finden. 

Wir kommen alſo zu dem Schluſſe, daß, wie ſchon oben hervorgehoben 
wurde, der Gummifluß nicht eine ſpezifiſche Krankheit iſt und alſo auch nicht 
eigentlich den Namen Gummikrankheit verdient, ſondern ein Symptom von 
Leidenszuſtänden iſt, die ſehr verſchiedenartige Urſachen haben können. Die 
phyſiologiſche Bedeutung dieſer profuſen Gummibildung werden wir aber 
überall darin zu ſuchen haben, daß auch ſie ein poſitives Schutzmittel für die 
noch lebenden Teile eines Baumes iſt, indem die rechtzeitige Imprägnierung 
abſterbender Gewebe mit Gummi oder die Einhüllung gefährdeter Teile mit 
dieſem Sekrete auf die benachbarten lebenden Gewebe konſervierend wirkt. 
Und ſo kann ich mich nicht der von Sorauer?) ausgeführten Anſicht an— 
ſchließen, nach welcher Gummifluß dann eintrete, wenn die plaſtiſche zu Neu— 
bildungen fähige Säftemaſſe nicht Herde genug für Neubildungen vor— 
findet und ſich bei reichlichem Waſſervorrate anhäuft. Das Vorhandenſein 
ſolcher Bedingungen läßt ſich durch nichts nachweiſen; die Anſicht verkennt 
das Weſentliche, worauf es bei der Erſcheinung ankommt, gänzlich. 

Gegenmaßregeln. Da der Gummifluß nur das Symptom eines anderweiten Leidens iſt, ſo 
kann ihm nur durch Verhütung des letzteren vorgebeugt werden, alſo beſonders 
dadurch, daß der Baum ſich in einem für ſeine Ernährung hinreichenden und 
für das Leben der Wurzeln zuträglichen Boden befindet, und daß er möglichſt 
vor Verwundung behütet wird. Um den Gummifluß zu heilen, müſſen die 
beſonders ſtark leidenden Aſte bis auf das geſunde Holz zurückgeſchnitten 
werden. Wenn ungeeignete Bodenbeſchaffenheiten die Veranlaſſung zur 
Schwächung des Baumes gegeben haben, ſo kann Umſetzen in andern Boden 
die Gummikrankheit beſeitigen. 

Gummi an Gummi wird auch bisweilen an den Früchten gewiſſer Amygdalaceen, 
Obſtfrüchten. beſonders an den Pflaumen abgeſondert. Dasſelbe entſteht zwiſchen dem Stein 
und dem Fruchtfleiſch und zwar nach Wigand)) ebenfalls unter Desorganiſation 
von Zellgewebe, nämlich der Zellen des Fruchtfleiſches, die hier ebenfalls in 
allen Stadien der Umwandlung angetroffen werden. Das Gummi tritt auch 


) Hedwigia 1883, Nr. 8, 9 u. 11. 
2) I. c. 2. Aufl. pag. 875876. 
3) 1. c. pag. 142. 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 57 


hier an die Oberfläche hervor. Die Urſache ſind hier vielleicht auch Ver— 
wundungen; doch ſcheint darüber noch nichts beobachtet worden zu ſein. 

IV. Gummifluß andrer Pflanzen. Von den Gummiflüſſen andrer Gummifluß 
Bäume, ſoweit fie unterſucht find, ſtimmt, wie ich gezeigt habe!), mit demjenigen von Elaeagnus. 
des Steinobſtes völlig überein der Gummifluß von Elaeagnus canaden- 
sis. Auch. hier quillt, beſonders an Wundſtellen, wie Abſtumpfen ꝛc., ein durchſich— 
tiges, mehr oder weniger braunes, zähflüſſiges Gummi aus dem Stamme her— 
vor. An dieſen Stellen zeigt ſich, daß in den jüngeren Schichten des Holzkörpers 
ein in Gummi ſich desorganiſierendes, in abnormer Menge abgelagertes Holz— 
parenchym aufgetreten iſt, welches in Beziehung auf ſeinen Bau und ſeine 
Umwandlung in Gummi mit dem des Kirſchbaumes übereinſtimmt, und daß 
endlich auch die Rinde der Umwandlung in Gummi unterliegt. 

Der Gummifluß der Acacia-Arten, welcher das arabiſche Gum mmi Gummifluß der 
und das Senegalgummi liefert, ſchließt ſich den vorhergehenden wahr- Kcacia-Arten. 
ſcheinlich innig an. Dieſe Gummiarten kommen als tropfenförmige Aus— 
ſcheidungen auf den Stämmen von Acacia vera, senegal und zahlreichen 
andern Arten vor. Daß ſie kein normales Vorkommnis ſind, geht aus den 
Berichten der Reiſenden hervor), nach denen dieſe Bäume in gewiſſen Gegenden 
gar kein Gummi liefern. An 4 em dicken Stammſtücken von Acacia vera 
kann ich keine Spur von Gummi finden. In der Handelsware kommen nicht 
ſelten vollſtändige Rinde- und Borkeſtücken vor, welche auf ihrer Innenſeite mit 
dicken Gummimaſſen bedeckt ſind, und auch in ihrem Innern in tangentialen 
Spalten zwiſchen Borkenſchuppen Gummi enthalten, welches man ſtellenweiſe 
deutlich durch die Riſſe der Borke nach außen dringen ſieht. Wigand?), 
welcher ſolche Stücke unterſuchte, hat bereits ermittelt, daß auch hier eine Ge— 
webe⸗Desorganiſation vorliegt, indem man darin noch die Baſtfaſern in ver— 
ſchiedenen Stadien der Umwandlung in Gummi antrifft. Eine nähere Unter— 
ſuchung Möller's) hat ergeben, daß das Acacia-Gummi immer durch Auf— 
löſung der verſchiedenen Gewebe der Rinde entſteht. 

Auch die Entſtehung des Tragantgummi, welches als eine gallerartige, Traganthgummi. 
an der Luft erhärtende Maſſe in Form gewundener Fäden oder Bänder aus 
den etwa zolldicken Stämmen mehrerer orientaliſcher Astragalus-Arten aus— 
geſchwitzt wird, iſt als eine mit den vorigen nahe verwandte Erſcheinung zu 
betrachten. Nach der Unterſuchung H. v. Mohl'ss) entſteht dasſelbe durch 
Umwandlung der Zellen des Markes und der Markſtrahlen. Dieſe Zellen be— 
kommen, wenn ſie ihre Umwandlung beginnen, dickere Membranen, welche 
deutlich geſchichtet ſind und bei Benetzung mit Waſſer gallertartig erweichen. 

Weiter umgewandelte Zellen ſchwellen im Waſſer noch mehr auf und trennen 
ſich von einander los. Die quellende Membran nimmt dann durch Verſchwinden 
der Schichtung ein homogenes Ausſehen an, und dieſer Prozeß geht von außen 
nach innen vor ſich, ſo daß die innerſten Membranſchichten am längſten wider— 
ſtehen, wenn die äußerſten Schichten ſchon zu einer gleichförmig ſchleimigen 


Y 1. c. pag. 33. 
) Vergl. Nees v. Eſenbeck, Handbuch der midizin.-pharmac. Botanik. 
III. pag. 192. 
3) I. c. pag. 143. 
) Entſtehung des Akazien⸗Gummi. Sitzungsber. d. Akad. d. Wiſſenſch. 
Wien. Juni 1875. 
N ) Botaniſche Zeitung 1857, pag. 33 ff. 


Gummifluß 


58 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


Gummimaſſe zerfloſſen ſind. In dem ausgeſchwitzten Tragant finden ſich in 
der Regel noch Zellen in den verſchiedenſten Zerſetzungsſtadien eingeſchloſſen, 
die beim Hervorfließen des Gummi mit fortgeriſſen worden ſind. Über die 
Veranlaſſung dieſer Ausſcheidung ſind wir durchaus ungenügend unterrichtet. 
Das, was durch die Reiſenden bekannt geworden iſt, hat H. v. Mohl (I. e.) 
zuſammengeſtellt. Daraus ſcheint hervorzugehen, daß dabei Verwundungen 
eine große Rolle ſpielen. Auf dem Ida in Creta und in Griechenland wird 
Tragant von Astragalus ereticus Zam. und A. aristatus “ Herit., auf dem 
Libanon von A. gummifer Zabill, in Perſien von A. verus 0%. abgeſondert; 
und zwar ſollen ſowohl auf dem Ida wie in Perſien die Verwundungen durch 
die Tritte des Viehs und der Schäfer Veranlaſſung zum Austreten des Gummi 
geben, und in der Gegend von Bitlis ſei es Sitte, zu dieſem Zwecke Einſchnitte 
in die Pflanze zu machen. Nach den übereinſtimmenden Berichten quillt der 
Tragant in der heißen Jahreszeit, im Juli, Auguſt und September, aus der 
Pflanze. Als begünſtigender Umſtand wird auch die Feuchtigkeit der Luft ge— 
nannt. Auf dem Libanon ſollen wolkige Nächte und ſtarker Tau zum Aus— 
treten des Gummi nötig ſein, weshalb auch die auf tiefer gelegenen Stellen 
des Libanon wachſenden Sträucher wegen geringerer nächtlicher Feuchtigkeit 
nur wenig Tragant liefern. Ebenſo ſoll in Griechenland auf allen trockneren 
Gebirgen kein Tragant gewonnen werden, ſondern nur auf denjenigen, wo 
viele kalte Regen mit großer Hitze abwechſeln. 

Der Gummifluß der Pomeranzen-, Citronen- und Apfelſinen— 


der Aurantiaceenbäume iſt eine in der neuern Zeit immer mehr an Ausdehnung gewinnende, 


Marciume del 
Fico. 


„mal della gomma“ genannte Krankheitserſcheinung in den italieniſchen Kul— 
turen dieſer Bäume), welche mit dem Auftreten ſchwarzer Rindenflecken an 
Stamm und Aſten beginnt, die nach einiger Zeit aufplatzen und ein hellgelbes 
Gummi ausfließen laſſen. Die Gummiherde können eiuen größeren Teil des 
Stammumfanges einnehmen und dann ſtirbt der Baum ab. Stecklinge und 
veredelte Exemplare ſollen die Krankheit häufiger zeigen als unveredelt gebliebene 
Sämlinge; auch ſoll thoniger Boden, ſtarke Bewäſſerung, reichliche Düngung 
das Übel vermehren. Savaſtano) will bezüglich der Entſtehung des Gummi 
die vollſtändigſte Analogie mit den Amygdalaceen gefunden haben. Es iſt alſo 
vielleicht auch hier die Erſcheinung nur das Anzeichen verſchiedenartiger Leidens— 
zuſtände. Als Gegenmittel empfiehlt Savaſt ano hauptſächlich ſorgfältiges 
Ausſchneiden aller kranken Stellen, Cauteriſieren der Wunden durch Feuer 
und nachher Bedeckung der Wunden mit Pech, was wenigſtens bei Beginn 
der Krankheit angewendet Erfolg haben ſoll. Reichliche Düngungen und Be— 
wäſſerungen ſind zu vermeiden. 

Als Marciume del Fico bezeichnen die Italiener eine Krankheit des 
Feigenbaumes, die in den Wurzeln ihren Sitz hat und wenn fie den Wützel— 


) Novellis, II male della gomma degli agrumi. Botan. Centralblat 
1880, pag. 469. — Flühler, die Krankheit der Agrumen in Sicilien. 
Biedermann's Centralbl. f. Agrikulturchemie 1874, pag. 368. 

) Gommose caulinaire dans les Aurautiacees, Amygdalées, le Figuier, 
l’Olivier ete. Compt. rend. Dezember 1884. — JI Marciume del Fico. An- 
nuario della R. Scuola sup. d’Agricult. Portici. III. fasc. V. 1884. — 
Della cura della gummosi e carie degli agrumi. Atti Comizio agrario 
di Napoli. IV. 1887. — Vergl. auch Gennadius, Gummoſe der Hesperiden 
Athen 1885. 


3 
# 


PB 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 59 


hals erreicht, den Tod der Pflanze zur Folge hat. Savaſtano (J. c.) 
hat auch hier dieſelbe Gummibildung wie im vorigen Falle konſtatiert und 
findet die Erſcheinung ſowohl infolge von Verwundung als auch ohne jede 
erkennbare äußere Veranlaſſung. Es ſcheinen alſo wohl auch hier wieder ſehr 
verſchiedene Krankheitsurſachen vorzuliegen. 

Auch am Olbaum kommt nach Savaſtano (I. c.) eine Gummoſis an 
Wurzeln und an den oberirdiſchen Axen vor. 

V. Mannafluß. Die offizinelle Manna, welche in Calabrien und Sicilien 
von der Manna⸗Eſche (Fraxinus Ornus) gewonnen wird, fließt von ſelbſt aus 
den Bäumen aus und muß nach dem, was darüber bekannt iſt, ebenfalls als 
ein infolge von Verwundung erzeugtes Produkt betrachtet werden. Nach den 
von Meyen) zuſammengeſtellten Angaben ſind die Verwundungen, nach denen 
die Manna abgeſchieden wird, teils abſichtlich angebrachte Einſchnitte, teils 
Inſektenſtiche, beſonders der Mannaciade. Man läßt die Bäumchen etwa 8 
Jahr alt werden und ſchält dann einen 3 Cm. breiten und 60 bis 70 Cm. 
langen Rindenſtreifen ab, worauf ein raſch zu Manna erſtarrender Saft aus— 
fließt; man benutzt denſelben Baum 10 bis 12 Jahre lang, indem man ihn 
jedes Jahr anſchneidet. Darnach aber iſt der Baum erſchöpft und wird gefällt. 
Bei uns zeigt die Manna⸗Eſche dieſe Sekretion ſehr ſelten Außerdem liefert 
auch die Tamariske des Sinaigebirges (Tamarix gallica var. mannifera) 
infolge des Stiches einer Schildlaus Manna. Bei beiden Pflanzen iſt über die 
Entſtehungsweiſe der Manna nichts bekannt. Sie zeigt keinerlei Organiſation 
und beſteht vorwiegend aus Mannit neben Zucker und Schleim, könnte alſo 
wegen ihrer Verwandtſchaft mit den Kohlenhydraten möglicherweiſe ein Des— 
organiſationsprodukt von Stärkemehl oder Celluloſe ſein. 


B. Die natürlichen Heilungsprozeſſe. 

Unter normalen Verhältniſſen wird an allen Wunden der Pflanzen 
ein natürlicher Heilungsprozeß eingeleitet; es treten nämlich Neu— 
bildungen ein, die wenigſtens das eine zur Folge haben, daß das an 
der Wunde verloren gegangene Hautgewebe durch ein neues erſetzt 
wird. Bei den pflanzlichen Heilungsprozeſſen iſt in erſter Linie feſt— 
zuhalten, daß im allgemeinen jede einmal verwundete Zelle unfehlbar 
dem Tode anheimfällt, daß von ihr alſo kein Heilungsprozeß aus— 
gehen kann, ſondern daß dies immer nur von den unter der Wunde 
liegenden Zellen, ſoweit ſie unverletzt geblieben und ſoweit ſie über— 
haupt lebensthätig ſind, zu erwarten iſt. Die auf dieſe Weiſe zuſtande 
kommenden Neubildungen ſind anatomiſch von zweierlei Art, wofür 
ich die Bezeichnungen Wundkork und Callus gebrauchen will. Alle 
behufs Heilung eintretenden Neubildungen laſſen ſich in der That 
auf einen dieſer beiden Prozeſſe zurückführen, wobei freilich zu bemerken 
iſt, daß Fälle vorkommen, wo die Grenze zwiſchen beiden Typen ver— 
wiſcht iſt. Bei der Bildung des Wundkorkes iſt jedes Wachstum 
ausgeſchloſſen, indem die betreffenden Zellen, allerdings unter Wieder— 


) Pflanzenpatologie, pag. 226 ff. 


Gummoſis 
des Olbaums 


Maduafluß. 


Unterſcheidung 
von Wundkork 
und Callus. 


60 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


auftritt von Zellteilungen, ſich unmittelbar in Korkzellen umwandeln. 
Der Callus kommt dagegen ſtets durch ein Spitzenwachstum der be— 
treffenden Zellen zuſtande, welches gegen die Wunde hin gerichtet iſt, 
ſo daß dieſe Zellen zu Schläuchen oder zu Zellreihen auswachſen und 
dadurch eine über die Wundfläche hervortretende Wucherung oder 
Vernarbung erzeugen. Dieſes Wachstum ſtellen ſie aber bald ein, 
und dann erleiden die äußeren Zellen des Callus eine Verkorkung 
der Membranen, wodurch alſo wiederum ein neues Hautgewebe aus 
Kork geſchaffen wird. Die inneren Zellen des Callus können in 


manchen Fällen ſich in ein Meriſtem umwandeln, aus welchem dann 


Heilung an 
Vaucheriazellen. 


Heilung an 
Moosblättern. 


ſogar ein neues Cambium, eine neue Rinde und neues Holz entſtehen 
können, wie beſonders bei den Heilungsprozeſſen, die man als 
Überwallung bezeichnet. Die hier kurz charakteriſierten Arten der 
Heilungen betrachten wir in folgendem genauer. 

Einfachere Heilungsprozeſſe als die vorſtehend ſkizzierten finden wir bei 
den einfachſt gebauten niederen Pflanzen. Die einzige große Zelle, aus welcher 
die Alge Vaucheria beſteht, macht ſogar davon eine Ausnahme, daß eine ver— 
letzte Zelle ſelbſt nicht mehr heilbar iſt. An der langen ſchlauchförmigen Zelle 
dieſer Pflanze wird nach Hanſtein!) nur der an die Wundſtelle (Einſchnitt, 
Quetſchung u. dergl.) unmittelbar angrenzende Teil des Protoplasma's getötet; 
das dahinter liegende unzerſtörte Protoplasma zieht ſich raſch zuſammen und 
ſucht ſeine Wundränder wieder aneinander zu fügen, was bald ſchneller bald 
langſamer gelingt, indem dieſe ſich in einer nach außen gewölbten Krümmung 
vereinigen, gleichſam hinter dem Schutz der Trümmer des getöteten Teiles. 
Hierauf wird die Heilung dadurch vollendet, daß ſich ein neues Zellhautſtück 
ausſcheidet, welches ſeitlich an die alte Zellmembran angefügt wird. Daher 
rühren die Scheidewände, die man bisweilen in dem typiſch einzelligen Schlauch 
der Vaucheria antrifft. Neben dieſer Stelle kann nun der Schlauch aus— 
wachſen und ſich verlängern. Die Chlorophyllkörner ziehen ſich gleich nach der 
Verwundung von dort ebenfalls zurück und kehren erſt nach der Heilung wieder 
in die normale Lage an der neuen Zellwand zurück. 

Bei den ſehr einfach gebauten, nämlich aus einer einzigen Schicht gleich— 
förmiger Zellen beſtehenden Blättern der Mooſe können die hinter einer Wunde 
liegenden Zellen direkt wieder gleichartige Zellen erzeugen. K. Müller) ſah 
an Mooſen, beſonders an Bryum Billardierii die Blätter in verſchiedenartiger 
Weiſe, wahrſcheinlich durch ein Tier verletzt, und wie ſie auch zerriſſen ſein 
mochten, immer war wieder eine Ergänzung eingetreten durch Zellen, welche 
von den normalen durch etwas größere Weite und meiſt regelmäßig ſechsſeitige 
Geſtalt (die normalen ſind rautenförmig ſechsſeitig) ſich unterſchieden. So bei 
Verletzungen am Rande oder bei Riſſen mitten in der Blattfläche, die ſich durch 
ſolche Zellen wieder ausfüllten. Bei verloren gegangener Blattſpitze entſprangen 


1) ber die Lebensthätigkeit der Vaucheriazelle 2c. Niederrheiniſche Geſellſch. 
f. Natur⸗ und Heilkunde in Bonn, 4. Nov. 1872. Citiert in Bot. Zeitg. 1873. 
pag. 697. 

2) Zur Kenntnis der Reorganiſation im Pflanzenreiche. Bot. Zeitg. 1856. 
pag. 200. 


RE TR 


7 N e S * 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 61 


die neuen Zellen aus der abgebrochenen Rippe und bildeten ſich in der nor— 
malen Zellenform der Blattfläche fort, ſo daß aus ihnen zwei Blattflügel 
hervorgingen, die gegeneinander ſich abrundeten, aber nicht ſich vereinigten, 
weil die Rippe nicht mit regeneriert wurde. 


I. Die Heilung durch Wundkork. 


Kork iſt ein im normalen Aufbau der Pflanzen ſehr häufig ver— 5 en 
wendetes Gewebe, welches immer die Rolle eines Hautgewebes ſpielt, i 


Fig. 11. 
Heilung der Wunde einer Kartoffelknolle durch Wundkork. » die 
Wunde, welche tief ins Parenchym eingedrungen iſt, an ihren Rändern 
zerſtörte Gewebeteile, ſtellenweiſe die alte Schale (Korkſchicht) K. Im 
Gewebe unter der Wunde, in der Richtung von ce bis d Entwickelung 
eines Meriſtems durch lebhafte Teilung der Parenchymzellen mittelſt 
tangentialer Scheidewände, woraus die Schicht von Wundkork ſich 
bildet. Dieſe ſchließt bei e an das Korkmeriſtem der Schale an. pp das 
tieferliegende durch den Wundkork geſchützte Parenchym, einzelne 
Zellen mit Stärkekörnern. 60 fach vergr. 


d. h. an der Oberfläche von Pflanzenteilen ſich findet (Kartoffelſchale, 
Periderm der Holzpflanzen ꝛc.) und wegen der chemiſchen und phyſi— 
kaliſchen Eigenſchaften ſeiner (verkorkten) Zellmembranen die unter— 
liegenden Gewebe vor übermäßiger Verdunſtung und vor zerſetzenden 


62 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


äußeren Einflüſſen ſchützt. Der Verſchluß einer Wundfläche durch eine 
Schicht von Korkgewebe leiſtet alſo auch für die verwundeten Gewebe 
den eben bezeichneten Dienſt und hat ſomit im vollſten Sinne des 
Wortes die Bedeutung einer Heilung. Die Bildung von Wundkork 
iſt die gewöhnlichſte Heilung der Wunden bei krautartigen und paren— 
chymreichen Pflanzenteilen, alſo bei fleiſchigen Wurzeln und Knollen, 
bei den meiſten Kräuterſtengeln und Blattſtielen, zum Teil wohl auch 
an Blattflächen, wiewohl an dieſen häufig Callus gebildet wird; 
endlich heilen Succulenten, wie die Cacteenſtengel, die Blätter der 
Craſſulaceen ꝛc. gewöhnlich durch Kork. Der Vorgang beſteht darin, 
daß während eine oberflächliche Schicht von Zellen der Wundfläche, 
die durch die Verletzung ſelbſt getroffen und getötet find, vertrocknet, 
die dieſer zunächſt liegenden lebenden Zellen wiederholt durch Scheide— 
wände ſich teilen, welche ſämtlich der Wundfläche parallel orientiert 
ſind (Fig. 11). So bildet ſich eine der Wundfläche folgende Schicht 
teilungsfähigen Zellgewebes, ein Meriſtem, deſſen Zellen in der Richtung 
der Wundfläche ebenſo breit wie ihre Mutterzellen, in radialer (zur 
Wunde rechtwinkliger Richtung) aber ſchmal, alſo mehr oder weniger 
tafelförmig und in dieſer Richtung reihenweis geordnet ſind. Dieſe 
Zellen enthalten Protoplasma und haben ſehr dünne Membranen. 
In allen dieſen Beziehungen gleicht dieſes Meriſtem jedem normalen 
Korkmeriſtem, und in der That geht auch aus ihm unmittelbar der 
Wundkork hervor. Die nach außen gelegenen Zellen dieſes Meriſtems 
verwandeln ſich nämlich in echte Korkzellen, indem ihre Membranen 
verkorken, und der Zellinhalt verſchwindet, womit zugleich die Fähig— 
keit der Zellteilung verloren geht. Dagegen behalten die nach innen 
gelegenen Zellen des Meriſtems ihre Beſchaffenheit und Teilungs— 
fähigkeit bei und ſorgen für die ſtete Erneuerung des Korkes von 
innen her. Die Reſte der äußerſten abgeſtorbenen Zellen vertrocknen 
dann immer mehr, werden unkenntlich, und die Wunde iſt mit Kork 
bedeckt, wodurch ſie eine graue oder bräunliche, ſich trocken anfühlende 
Beſchaffenheit erhält. Die beſchriebenen Veränderungen finden auf 
der ganzen Ausdehnung der Wundfläche ſtatt und beginnen an allen 
Punkten derſelben gleichzeitig, ſind auch an allen gleichzeitig beendigt, 
ſo daß die vollſtändige Korkſchicht in der möglichſt kürzeſten Zeit her— 
geſtellt iſt. Die erſten Zellteilungen findet man gewöhnlich ſchon ein 
oder wenige Tage nach der Verwundung eingetreten. Die Bildung 
eines lückenloſen Korkverſchluſſes an jeder beliebigen Wunde wird 
durch den Umſtand ermöglicht, daß die Zellen der verſchiedenartigſten 
Gewebe zu Korkmeriſtemzellen ſich umzuwandeln vermögen. Dem 
Grundparenchym iſt dieſe Fähigkeit allerdings im höchſten Grade eigen, 


z u 


ER RETTET rer 


— a 


vr 4 — 
— 22, 4 


e 


REN 


| 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 63 


gleichgültig ob es Rinde oder Mark iſt; aber wir ſehen auch in den 
Zellen des Weichbaſtes, in denen der Cambiumſchicht und ſogar im 
Collenchym Korkbildung eintreten, wenn die Wunde zufällig durch 
dieſe Gewebe gegangen iſt. Auch Zellen der Epidermis können ſich, 
wenn der Wundkork bis dahin reicht, in manchen Fällen an der Kork— 
bildung beteiligen. Wenn die Wundfläche ein Holzbündel trifft, deſſen 
Zellen ja ebenſo wie die echten Baſtfaſern keiner Metamorphoſe fähig 
ſind, ſo greift die Korkbildung hinterwärts um das Holzbündel 
herum. Immer bildet ſich alſo eine ununterbrochen unter der Wunde 
hinziehende Korkſchicht, und das Wichtigſte iſt, daß dieſelbe ringsum 
an das Hautgewebe. des nicht verletzten Teiles ſich anſetzt, wodurch der 
Pflanzenteil wieder vollſtändig von Hautgewebe — denn als ſolches 
fungiert der Wundkork — umſchloſſen wird. Iſt das alte Hautgewebe 
eine Korkſchicht, ſo ſetzt ſich der Wundkork am Rande an dieſe an, 
derart daß das Meriſtem dieſes in dasjenige der Korkſchicht ſich fort— 
ſetzt (Fig. 11 bei c); iſt die Haut des Pflanzenteiles eine Epidermis 
oder eine durch Sclerenchym verſtärkte Epidermis, ſo ſetzt ſich der 
Wundkork unmittelbar an dieſe Gewebe an. Es iſt begreiflich, wie 
unter ſolchen Umſtänden jede Wundfläche, und ſei ſie noch ſo groß, 
durch Wundkork verheilen kann. Kartoffelknollen, die mitten durch— 
geſchnitten ſind, können, wenn ſie vor zu raſchem Austrocknen geſchützt 
ſind, auf ihrer ganzen Schnittfläche wieder eine Korkſchale bilden. 
Jedoch iſt immer die Bildung von Wundkork an gewiſſe Bedingungen 
geknüpft. Starke Trockenheit kann ſie verhindern, nämlich wenn die 
Wundfläche im Verhältnis zum Volumen des Pflanzenteiles groß iſt, 
weil dann der letztere zu leicht vertrocknet. Anderſeits iſt auch über— 
mäßige Feuchtigkeit der Wundkorkbildung hinderlich, weil ſie tief 
eingreifende Zerſetzungserſcheinungen (ſ. unten) bedingt, und zwar 
auch ſchon an den kleinſten Wunden, weshalb doch im allgemeinen 
trockne Luft der Wundheilung durch Kork viel günſtiger iſt, als größere 
Feuchtigkeit. 
II. Die Heilung durch Callus. 

Callus bedeutet urſprünglich in der Gärtnerſprache den Wulſt, 
mit dem ſich die Schnittfläche der Stecklinge überzieht. Mit dem 
hierbei ſtattfindenden Zellbildungsprozeß ſtimmt aber im weſentlichen 
derjenige bei der Heilung von Wunden vieler andrer Pflanzenteile 
überein, ſo daß wir alle dieſe Heilungsgewebe hier unter der Bezeichnung 
Callus zuſammenfaſſen. Das Weſen der Callusbildung beſteht allge— 
mein darin, daß die zunächſt unter der Wunde gelegenen lebendigen 
Zellen gegen die Wundfläche hin vorwachſen, indem die nach dieſer 
Seite gekehrten Zellwände ſich in dieſer Richtung vorwölben und 


Heilung 
durch Callus. 


Verkorkender 


Callus als bloßer 


Wundverſchluß. 


64 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


durch ein Spitzenwachstum zu Papillen oder kurzen Schläuchen ſich 
verlängern. Meiſtens erfolgen in dieſen Zellen auch Zellteilungen, 
doch können dieſe auch unterbleiben, ſo daß für die Callusbildung 
das Weſentliche doch immer das Vorwachſen der betreffenden Zellen 
über die Wundfläche bleibt. Die etwa an der Wunde liegenden Holz,, 
Sclerenchym-, Korkzellen u. dergl. bleiben unverändert; nur teilungs— 
fähige Zellen ſind der Callusbildung fähig. Dies bezieht ſich nun 
nicht bloß auf die noch im Zuſtande des Meriſtems befindlichen Zellen, 
wie die der Vegetationspunkte und des Cambiums, ſondern auch auf 
die ſchon in Dauergewebe übergegangenen, wie z. B. die Mark- und 
Rindenzellen erwachſener Stengel und die Meſophyllzellen ausgebildeter 
Blätter, welche im normalen Zuſtande ſich nicht mehr teilen oder ver— 
größern und welche gerade bei dieſer Gelegenheit ihre immer noch 
vorhandene Fähigkeit ſich zu vermehren oder zu neuen Bildungen 
heranzuwachſen, beweiſen. Bezüglich der Orientierung der zu Callus 
ſich umbildenden Gewebeſchicht iſt allgemein die Bemerkung zutreffend, 
daß dieſelbe, mit den ſoeben bezeichneten Ausnahmen, gleichmäßig 
über die ganze durch die Verwundung freigelegte Fläche ſich erſtreckt 
und an den Wundrändern den Anſchluß an die unverſehrt gebliebenen 
Hautgewebe erreicht. Es wird daher im günſtigſten Falle, d. h. 
wenn kein der Callusbildung unfähiges Gewebe an der Wundfläche 
liegt, die Wunde ſimultan mit einem neuen bildungsfähigen Gewebe 
überzogen. Dieſes bildet ſich nun entweder nur zu einem neuen Haut— 
gewebe aus, um die unterliegenden Teile zu ſchützen, oder aber es 
wird gleichzeitig zur Bildungsſtätte neuer differenter Gewebe, welche 
die verlorenen alten Gewebe wieder vollſtändig erſetzen. Wo aber eine 
einigermaßen größere Fläche der Wunde aus einem der Callusbildung 
unfähigen Gewebe, z. B. aus dem nackten Holzkörper beſteht, da 
wird von den Rändern der Wunde aus dieſe Callusbildung mit 
nachfolgender Regeneration der Gewebe verſucht durch den unten 
näher zu beſprechenden Prozeß der Überwallung. 

1. Verkorkender Gallus als bloßer Wundperſchluß. Die 
einfachſte Form der Heilung durch Vermittelung von Callus iſt diejenige, 
wo der auf der Wundfläche gebildete Callus bald zu wachſen aufhört 
und ſeine Zellmembranen eine chemiſche Veränderung erleiden, infolge 
deren ſie ſich wie eine Cuticula oder wie Kork verhalten. Ein ſolcher 
Callus ſtellt ſich dann anatomiſch wie funktionell als ein neugebildetes 
Hautgewebe dar, welches an den Wundrändern an das urſprüngliche 
Hautgewebe (gewöhnlich Epidermis) ſich anſchließend, die entblößten 
inneren Teile wieder vollſtändig bedeckt. Dieſer Heilungsprozeß ſtellt 
ſich vorzüglich an den Wunden der Blätter, aber auch an ſolchen 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 65 


parenchymatöſer Achſenorgane ein, beſonders bei jtich- oder lochförmigen 

Wunden, an denen er nicht ſelten zum Wiederverſchluß der Unter— 

3 brechung der Gewebe führt. 

Je nach dem anatomiſchen Bau des Blattes und je nach der Art der An Monkotylen⸗ 


Wunde mögen hierin wieder mancherlei Modifikationen eintreten. Ich habe blättern. 
| fie, wie ſchon in der erſten Auflage beſchrieben wurde, vergleichend unterſucht 


8. F N = nah 24 Zara u 2 rs ne Benz, a a ln 
h rt 


Fig. 12. 


Heilung einer Schnittwunde im Blatte von Leucojum vernum durch 
Gallus. Querſchnitt des Blattes. vvvv die Wundſtellen mit abgeſtorbenen 
Gewebereſten. Die Wunde war durch den zwiſchen den beiden Gewebelamellen 
ff liegenden Luftraum gegangen. Dieſer ganz mit verkorkten chlorophyllloſen 
Calluszellen ausgefüllt. ii der angrenzende unverſehrte Luftraum, der an feinen 
Rändern die Zellen unverändert zeigt, die in dem durchſchnittenen Meſophyll 
und Luftraum zu Calluszellen geworden ſind. o Ober-, u Unterſeite des 
Blattes, 100 fach vergr. 


i an Blättern von typiſchem Monokotyledonenbau und an ſolchen von dem ge— 
wöhnlichen Bau der dicotyledonen Landpflanzen. Bei jenen handelte es ſich 
um die Heilung von Stich- und Schnittwunden der Blätter. Ich 
machte an Blättern von Leucojum vernum mit dem Scalpell der Länge nach 
gerichtete, ſpaltenförmige Einſchnitte, desgleichen auch mittelſt einer Nadel 
Durchſtiche, die beide durch die ganze Dicke des Blattes hindurchdrangen. In 
der trocknen Zimmerluft blieben die Pflanzen vor Wundfäulnis bewahrt. Nach 
mehreren Wochen war Heilung eingetreten, bei Stich- wie Schnittwunden mit 
gleichem Erfolg; den letzteren erſieht man aus Fig. 12, welche einen Querdurch— 
ſchnitt durch diejenige Stelle darſtellt, an welcher ein der Länge nach gehender 
Schlitz durch das Blatt gemacht worden war. Zum Verſtändnis berückſichtige 
man den dem Blatte eigenen Bau, der am rechten Rande der Figur deutlich 
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 5 


EE Br el ie 


An knollenförmi⸗ 
gen Teilen. 


An Dikotylen⸗ 
blättern. 


66 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


iſt: zwiſchen dem Meſophyll der oberen und der untern Seite des Blattes be— 
finden ſich große Lufträume ji, die ſeitlich von einander geſchieden find durch 
eine dünne Gewebelamelle, in deren Mitte ein Fibrovaſalſtrang f verläuft. Die 
Wunden gehen gewöhnlich durch die Lufträume hindurch. Man ſieht bei v 
und v die Wunde in der Epidermis und dem Meſophyll mit den an den 
Wundrändern haftenden Reſten der abgeſtorbenen verletzten Zellen. Der an— 
fänglich hohle Luftraum zwiſchen £ und k iſt jetzt ausgefüllt mit Gallus, welcher 
entſtanden iſt durch ſchlauchförmiges Auswachſen und ungemeine Vergrößerung 
nicht bloß der unmittelbar hinter den verletzten Stellen des Meſophylls (hinter 
») gelegenen Zellen, ſondern auch ſämmtlicher Zellen, welche die beiden Gewebe— 
lamellen au den dem geöffneten Luftraum angrenzenden beiden Seiten bekleiden, 
und gerade dieſe vorwiegend, wiewohl dieſe Lamellen direkt gar nicht verletzt 
waren, ein Zeichen, wie weit ſich die Reaktion der Wunde im Gewebe fort— 
pflanzen kann. Von beiden Seiten ſind die ſchlauchförmigen Calluszellen bis 
zur Berührung gegen einander gewachſen; eine Zellenteilung iſt nicht oder 
vielleicht nur ſehr unbedeutend in ihnen eingetreten. Da ſämtliche an den 
Luftraum angrenzende Zellen zu Callus auswachſen und die Schläuche zum 
Teil an ihren Enden noch weiter anſchwellen, ſo begreift ſich, daß der ganze 
Luftraum, den die Wunde geöffnet hatte, nun wieder verſtopft, nämlich ganz 
ausgefüllt iſt, indem die Callusſchläuche ſich gegen einander preſſen und ſich teil— 
weiſe verſchieben; es verwachſen ſogar die auf einander treffenden Calluszellen 
mit einander, wie aus der Figur erſichtlich iſt und beſonders daraus hervorgeht, 
daß die beiden Hälften der durch dieſe Stelle geführten dünnen Schnitte nicht 
aus einander fallen. Die zu Callus gewordenen Zellen haben ihren Inhalt 
verloren, ſie führen nur wäſſrigen Saft oder Luft; auch ihre Membranen haben 
ein verändertes Ausſehen angenommen, welches an Kork erinnert; in der That 
bleibt bei Zuſatz von konzentrierter Schwefelſäure, in welcher ſich das ganze 
normale Gewebe bis auf die höchſt dünne Cuticula auflöſt, der ganze Callus 
ungelöſt. 

Auch Figdor) fand, daß nach dem Durchſchneiden kuollenförmiger Pflan— 
zenteile, wenn dieſelben durch einen gewiſſen Druck aneinander gedrückt werden, 
Verwachſung eintritt. Es vereinigen ſich die neugebildeten Zellen in derſelben 
Weiſe organiſch, wie fie in den Geweben vereinigt find; jo bei Knollen von 
Cyclamen europaeum, Rüben von Brassica rapa, ſowie bei den Kartoffel- 
knollen, wo jedoch das neugebildete verwachſende Gewebe beiderſeits durch eine 
Korkſchicht von den intakt gebliebenen Geweben geſchieden wird. Oder die 
Vereinigung wird bloß durch eine Kittbildung vollzogen, indem die durch— 
ſchnittenen Zellen in eine gummiartige Maſſe verwandelt werden; dies trifft 
oft an den Wurzeln von Beta vulgaris, Daucus carota, Dahlia variabilis,. 
Helianthus tuberosus ein, wo jedoch auch wirkliche Verwachſung vorkommt. 

Von Dikotyledonen unterſuchte ich die Heilung der Wundränder der 
durch Inſektenfraß durchlöcherten Blattflächen. An Blättern von 
Cornus sanguinea, die einige Zeit vorher von Inſekten an zahlreichen Stellen 
durchlöchert worden waren, bemerkte man beſonders an der Oberſeite an allen 
Löchern am Wundrande ringsum eine Vernarbung durch ein neu gebildetes 
Gewebe, welches durch ſeine nicht grüne Farbe, höchſtens leichte Rötung von 

) Studien über die Erſcheinung der Verwachſung im Pflanzenreiche. 
Sitzungsber. d. Akad. d. Wiſſenſch. zu Wien, Bd. 9. IV., refer. in Botan. 
Zeitg. 1891. Nr. 23. 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 67 


der angrenzenden alten grünen Blattmaſſe ziemlich deutlich ſich unterſchied, 
4 und durch welches die Weite des Loches etwas verkleinert, ſehr kleine Löcher 
. faſt verſchloſſen wurden. Hier und bei vielen andern Pflanzen bildet ſich hinter 

dem Vernarbungsrande ein geröteter Saum, indem die Zellſäfte der angrenzenden 
Zellen, Epidermis und Meſophyll ſich in der gewöhnlichen Weiſe durch einen 


Heilung der Wundränder durch Inſektenfraß durchlöcherter Blätter von 

Cornus sanguinea. Querſchnitt des Blattes. vv der quer durch das Blatt 

gehende Wundrand mit Reſten toter Zellen. Dahinter der neu gebildete Callus— 

wulſt, der beſonders zwiſchen x und v unter Beteiligung der Epidermis ſtark 

entwickelt und entſtanden iſt unter Teilung der Meſophyllzellen nach allen 

Richtungen. Am rechten Rande zeigt das Meſophyll ſeine normale Gewebeform, 
o die Ober-, u die Unterſeite des Blattes. 200 fach vergr. 


roten Farbſtoff färben. Fig. 13 zeigt die ſtattgehabten Veränderungen an einem 
Blattdurchſchnitte bis an den Rand der Wunde, welche hier mitten durch 
Meſophyll ohne Berührung eines Blattnerven gegangen war. Der rechte Rand 
der Figur zeigt wieder den unveränderten normalen Bau des Blattes; die 
Strecke von » bis v iſt die durchlochte Stelle des Blattes. In dem Teile von 
x an erkennt man den nach der Verwundung gebildeten Calluswulſt, und es 
iſt ſofort deutlich, daß hier auch die Epidermis ſich daran beteiligt hat; das 
zwiſchen x und v liegende Stück Epidermis iſt neu gebildet, und zwar augen— 
ſcheinlich dadurch, daß die der Wunde angrenzenden unverletzten Epidermiszellen 
wie gewöhnlich durch Wände rechtwinklig zur Oberfläche ſich geteilt haben. 
Auch an der Unterſeite iſt es deutlich, daß die hinter » liegenden Epidermiszellen 
etwas, wiewohl weniger lebhaft, durch Wände geteilt worden ſind. In dem— 
ſelben Maße iſt auch das zwiſchen den beiden Epidermen liegende Meſophyll 
an der Callusbildung beteiligt. Es hat alſo auch hier ein Hervorwachſen der 
Meſophyllzellen rechtwinklig zur Wundfläche ſtattgefunden, jedoch zugleich unter 
5 lebhafter Zellteilung in verſchiedenen Richtungen, ſo daß der Callus hier in 
einer erheblich andern Form, nämlich als kleinzelliges parenchymatöſes Gewebe 
EN erſcheint. Dasſelbe iſt wiederum in der ganzen Wundfläche durch etwas dickere 
Membranen und durch einen verminderten farbloſen Zellinhalt ausgezeichnet. 
Auch hier zeigte es die Reaktion des Korkes. Es fällt auf, wieweit von der 
Wundfläche aus rückwärts im Meſophyll die Folge der Verwundung in regerer 
Zellteilung ihren Ausdruck gefunden hat, wodurch der Unterſchied des Palliſaden— 
gewebes an der Oberſeite von den mehr iſodiametriſchen und weiten Zellen 
5 * 


An Kräuter: 
ftengeln. 


An Rüben. 


Gallus 
an Stecklingen. 


68 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


in der Mitte und an der Unterſeite das Blattes (wie er bei o und u hervor— 
tritt) ganz verwiſcht iſt. 

Eine ähnliche Heilung durch Callus beſchreibt Waldenburg) bei 
Stichwunden in Stengeln krautartiger Pflanzen. Dieſe Wunden wurden 
durch Einbohren eines Dorn oder eines Stäbchens oder auch durch Hindurch— 
ziehen eines Fadens dem Stengel beigebracht. An Kartoffelſtengeln hatten die 
unter einer dünnen Schicht zerſtörten Gewebes zunächſt an die Wunde an— 
grenzenden Parenchymzellen ſich bedeutend nach der Wundfläche hin verlängert, 
hatten ihre Membranen ſtärker verdickt und durch eine größere Anzahl paralleler 
dünnerer Scheidewände rechtwinklig zu jener Ausdehnungsrichtung ſich geteilt, 
ſo daß das Ganze das Bild eines Korkgewebes zeigte. Bei den gleichen Ver— 
wundungen andrer Stengel, wie der Gurken und Kürbifje, ſcheint der Erfolg 
mehr dem oben an den Blättern von Cornus sauguinea erzielten entſprochen 
zu haben, indem die gegen die Wundfläche hin wuchernden Calluszellen durch 
Teilung nach verſchiedenen Richtungen hin ein kleinzelliges unregelmäßiges 
Gewebe bildeten. An ebenſo verwundeten Bohnenſtengeln blieb Rinde- und 
Markparenchym unthätig und der Callus bildete ſich nur aus dem Cambium. 
Quetſchwunden, welche durch Quetſchung mittelſt einer Pincette an der Peri— 
pherie derſelben Pflanzenſtengel hervorgebracht wurden, heilten nach Walden— 
burg unter ſtarker Wucherung von Callus aus den lebendig gebliebenen 
Parenchymzellen unter den durch den Druck getöteten Zellen, ſo daß ſich eine 
aus feſtem Gewebe beſtehende Anſchwellung am Stengel bildete. 

An den Rüben heilen die oberflächlichen Wunden, welche hier ſo häufig 
durch Fraß von Erdraupen, Drahtwürmern, Engerlingen ꝛc. hervorgebracht 
werden, gewöhnlich durch Callus. Die Wundfläche erhebt ſich in Form einer 
parenchymatöſen Wucherung von der Beſchaffenheit des Rübengewebes, deren 
äußerſte Zellen verkorken. 


2. Callus an Stecklingen. Die Heilung der Schnittfläche 
der Stecklinge geſchieht, wie oben erwähnt, bei manchen Pflanzen, 
namentlich da, wo das parenchymatiſche Gewebe vorwaltet, durch ein— 
fachen Abſchluß mittelſt einer Wundkorkſchicht, bei vielen, beſonders 
bei den holzigen, aber durch Gallus. Dieſer kann, wie zuerſt Krüger?) 
gezeigt hat, durch verſchiedene Gewebe der Schnittfläche, wie Cambium, 
Rinde- und Holzparenchym und Mark erzeugt werden. Nach Stoll's“) 
genaueren und ausgedehnteren Unterſuchungen an ſehr verſchiedenen 
Pflanzenarten ſind dieſer Fähigkeit nur die eigentlichen Holzzellen, 
die Baſtfaſern und die Epidermiszellen unteilhaftig, und überall iſt es 
das Cambium, welches dieſes Wachstum hauptſächlich zeigt und 
zuerſt damit beginnt, und bisweilen geht auch dieſe Thätigkeit vom 
Cambium allein aus. Die anderen Gewebearten, welche mit an der 
Callusbildung beteiligt ſein können, alſo beſonders die parenchymatiſchen 


) Krankheiten des Pflanzengewebes in Folge von Reizen ꝛc. Archiv f. 
pathol. Anat. XXVII. pag. 145. Taf. V. 

2) Bot. Zeitg. 1860, pag. 369. 

3) Über die Bildung des Gallus bei Stecklingen. Bot. Zeitg. 1874, 
Nr. 46 ff. 


2 
* 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 69 


Gewebe der Rinde und das Mark, verhalten ſich nach Stoll bei den 
einzelnen Pflanzen ungleich, d. h. die eine oder andre dieſer Gewebe— 
arten, die bei der einen Pflanze den Gallus mit bilden Hilft, beſitzt 
bei einer andern dieſe Fähigkeit nicht. Die Neubildungen der ver— 
ſchiedenen Gewebepartien vereinigen ſich unter der Schnittfläche zu 
einem zuſammenhängenden Wulſt, dem Callus. Dieſer ſtimmt in der 
Zellenform nicht mit den Geweben überein, aus denen er hervorge— 
gangen iſt. Denn jedes der zur Callusbildung beitragenden ver— 
ſchiedenen Gewebe zeigt dieſelbe Veränderung: Die Querſcheidewände 
der der Schnittfläche zunächſt liegenden unverſehrten Zellen wölben ſich 
vor, ſtrecken ſich weiter in die Länge, und die Zellen teilen ſich wieder— 
holt durch Querwände. Auch die Holzparenchymzellen können in dieſer 
Weiſe an der Bildung des Callus teilnehmen; und ſelbſt die Gefäße 
vermögen es, indem in ihrem Innern Thyllen entſtehen, deren Bildung 
wir ſchon oben infolge von Verwundung kennen gelernt haben, und 
welche hier durch ihr Wachstum aus den angeſchnittenen Gefäßen 
herausquellen. Später treten in den Zellen auch Teilungen in andern 
Richtungen ein, wodurch der Callus über die Schnittfläche ſich weiter 
ausdehnt und die einzelnen Callus bildenden Partien ſich berühren. 
Damit iſt der Abſchluß der Schnittfläche erreicht. Im Callus tritt 
aber nun eine weitere Differenzierung von Geweben ein. In den 
meiſten Fällen beſchränkt ſich dieſelbe auf die Herſtellung eines kork— 
bildenden Meriſtems etwa 2 bis 3 Zellſchichten unterhalb der Ober— 
fläche, wodurch an der Peripherie ein Verſchluß durch Kork hergeſtellt 
wird. Außerdem kann ſich auch direkt um die angeſchnittenen Holz— 
und Baſtbündel eine Lage von Kork innerhalb des Callus erzeugen. 
Im Callus ſelbſt bilden ſich bisweilen auch noch einige Zellen in 
beſonderer Weiſe aus; ſo können zerſtreute Gruppen Sclerenchymzellen 
mit ſtark verdickten, getüpfelten Membranen entſtehen, oder im Cambium 
der angrenzenden Teile erſcheinen einige neue Gefäße, die nach dem 
Callus hin gerichtet ſind. Eine ganz ähnliche Callusbildung fand 
Magnus!) an Blattſtecklingen von Hyacinthus orientalis. In einem 
Falle, bei Hibiscus reginae, beobachtete Stoll eine ſpäter eintretende, 
noch weiter gehende Differenzierung im Callus, in der bereits eine 
Annäherung an die folgenden Heilungsprozeſſe liegt: es bildet ſich 
ein Meriſtem, welches von der Cambiumſchicht der Schnittfläche aus 
unter dem Holz und dem Mark ſich hinzieht; dasſelbe ſtellt eine neue 
Cambiumſchicht dar, welche nach Jahresfriſt nach oben Holzelemente 
mit Markſtrahlen, nach unten Rindenelemente abſondert, ſo daß an 


) Bot. Ver. d. Prov. Brandenburg, 30. März 1873. 


70 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


der Schnittfläche eine Kappe entſteht, deren einzelne Gewebe mit den 
gleichnamigen des Stecklings zuſammenhängen. Die Nebenwurzeln, 
die der Steckling treibt, entſpringen aber nie in, ſondern dicht über 
dem Callus. 
Regeneration 3. Bedeckung der Wunde mit Callus, aus welchem Cam— 
e bium, Rinde und Holz regeneriert werden. Wenn Stengel 
aus Callus. oder Wurzeln Wunden bekommen, welche bis in das Syſtem der 
Fibrovaſalbündel gehen und einen Defekt in dieſen Gewebekomplexen 
zur Folge haben, ſo tritt zunächſt auch wieder, von den teilungsfähigen 
Zellen der Wundfläche ausgehend, eine Bildung von Callus ein; in 
dieſem aber konſtituiert ſich ein neues Cambium, durch welches dann 
für die verloren gegangenen Teile des Fibrovaſalbündelſyſtems neue 
regeneriert werden. 
An krautartigen Dieſer Heilungsprozeß iſt nur an Pflanzen von dicotyledonem Bau be— 
Sproſſen und kannt und in ſeinen Einzelheiten unterſucht worden. An geſpaltenen Stengeln 
Wurzeln. krautartiger wie holziger Pflanzen iſt die Möglichkeit dieſer Heilung von Any!) 
nachgewieſen worden. Derſelbe brachte an jungen Internodien unterhalb der 
unverletzt bleibenden Stengelſpitze einen durchgehenden Längsſpalt an. Die 
Sproſſe entwickelten ſich meiſt ungeſtört weiter; auf den Schnittflächen der 
beiden Stengelhälften trat lebhafte Teilung der der Wunde zunächſt liegenden 
Zellen des Markes, des Cambiums und der Rinde ein, es entſtand ein callus— 
artiges Gewebe, welches gegen die andre Hälfte des Internodiums ſich vor— 
wölbte. Nach einiger Zeit wurden in einer mehrere Zellſchichten unter der 
Oberfläche liegenden Zone die Teilungen beſonders lebhaft; es konſtituierte ſich 
hier ein Cambium, welches beiderſeits ſich dem Cambium der alten Fibrova— 
ſalſtränge anfügte und von nun ab gleich dieſem Holzelemente nach innen 
und Phlosmelemente nach außen abſonderte. Auf dieſe Weiſe ſchloß ſich der 
durch das Aufſchlitzen geteilte Kreis der Fibrovaſalbündel in jeder Hälfte zu— 
ſammen, und wurde jo verdoppelt. Die freie Seite der beiden Calluswülſte 
hatte eine Korkſchicht gebildet. Magnus) beobachtete dieſelbe Regeneration 
an der Schälwunde einer Möhrenwurzel. Hier war die äußere Rinde in einer 
gewiſſen Ausdehnung durch eine Verletzung abgelöſt worden, und aus der 
klaffenden Offnung der Wunde waren mehrere ſtarke Wülſte herausgewachſen, 
die vom regenerierten Cambium der Schälwunde gebildet worden waren. 
An Schälwunden Nicht weſentlich hiervon verſchieden iſt diejenige Form der Heilung der 
der Holzpflanzent eigentlichen Schälwunden der Holzpflanzen, welche als Bekleidung 
der Wundfläche bezeichnet wird, weil ſie in einer wirklichen Regeneration 
der Rinde, die auf der Wundfläche gleichzeitig vor ſich geht, beſteht. Wenn 
die Rinde ohne beſondere Vorſichtsmaßregeln abgeſchält wird, wie es alſo bei 
derartigen Verwundungen gewöhnlich geſchieht, ſo tritt auf der entblößten 
Splintfläche ſelbſt keinerlei Regeneration ein, die Heilung der Wunde geſchieht 
dann durch die von den Wundrändern ausgehende ſogenannte Überwallung, 
von welcher unten näher zu reden iſt. Aber ſchon Duhamel) war es be- 
) Sitzungsber. d. Geſellſch. naturf. Freunde zu Berlin, 19. Juni 1877. 
2) Sitzungsber. des bot. Ver. d. Prov. Brandenburg, 28. März 1879. 
3) Physique des arbres. II. pag. 42. 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 71 


kannt, daß wenn man eine durch Ringelung des Stammes bloßgelegte Holz— 
fläche vor dem Austrocknen ſchützt vermittelſt eines um dieſelbe gelegten Glas— 
zylinders, auf derſelben an verſchiedenen Stellen Neubildungen von Gewebe 
entſtehen, die ſich vereinigen und aus denen eine neue Rinde ſich bildet. 
Weitere Beobachtungen hat auch ſchon Treviranus) mitgeteilt, nach denen 
der Verſuch auch bei andern Arten von Bedeckung und ſogar ohne ſolche ge— 
lingt. Meyen) glaubte, daß dieſe Neubildung allein von den Markſtrahlen 
ausgehe und betrachtete ſie irrtümlich als eine anfangs ſtrukturloſe, gallert— 
artige Maſſe, die aus den Markſtrahlzellen ausgeſchwitzt werde und ſich dann 
erſt zu Zellgewebe organiſiere; auch Th. Hartig?) hielt die Markſtrahlzellen 
für die einzigen hierbei thätigen Organe. Dagegen hat zuerſt Trecul) gezeigt, 
und nach ihm haben es andre, wie C. Kochs), Sorauer®) und Stoll) beſtätigt, 
daß die Regeneration der Rinde bei Schälwunden von dem geſammten Cam— 
bium ausgeht, welches am Holze haften bleibt, daß ſie jedoch fehlſchlägt, wenn 
dieſes Gewebe entweder durch den Einfluß der Atmoſphärilien verdirbt oder 
mechaniſch zerſtört worden iſt. Letzteres erfolgt nicht bloß durch Abkratzen u. dgl., 
ſondern es genügt dazu ſchon ein Abwiſchen mit dem Finger oder mit einem 
Tuche oder eine bloße Berührung. In allen ſolchen Fällen unterbleibt die 
Neuberindung. Beſonders leicht gelingt der Verſuch, wenn zur Frühlingszeit, 
wo die Rinde im Safte ſich befindet, geſchält wird, weil dann die Cambium— 
zellen ſich leichter unverſehrt trennen. Regenwetter hat nach Stoll einen un— 
günſtigen Einfluß, wahrſcheinlich weil durch das Regenwaſſer die Cambium— 
zellen getötet werden. Der Vorgang bei dieſer Heilung beſteht nach Trecul 
darin, daß ſich aus dem ſtehengebliebenen Cambium ein Callus entwickelt, 
indem durch Querteilung der Cambiumzellen ein parenchymatiſches Gewebe 
entſteht (Fig. 14). Dieſes nimmt an Dicke nicht unbeträchtlich zu; indem alle 
äußeren Zellen desſelben in radialer Richtung ſchlauchartig vorwachſen und 
ſich dabei durch tangential ſtehende Längsſcheidewände teilen. Die Anordnung 
der Zellen des Callus ſtellt daher ziemlich regelmäßige radiale Zellreihen vor, 
welche die Fortſetzungen derjenigen der Elementarorgane des alten Holzes ſind. 
Darin liegt der Grund, warum das aus dem Callus neu ſich bildende Holzzhin— 
ſichtlich der Anordnung der Holzzellen und der Markſtrahlen mit dem alten 
Holze, dem es ſich auflagert, korreſpondiert. Aus Trecul's Darſtellung ſcheint 
hervorzugehen, daß entweder die innerſten, dem alten Holze unmittelbar an— 
grenzenden Zellen des Callus oder eine weiter nach außen liegende Zellſchicht 
desſelben die Beſchaffenheit eines Cambiums annimmt, d. h. in der Teilung 
durch tangentiale Längswände andauernd fortfährt, während die von dieſer 
Schicht aus einwärts liegenden Zellen wenigſtens teilweiſe den Charakter von 
Holzzellen, Gefäßzellen und Markſtrahlen, die nach auswärts liegenden die 
Eigenſchaften des Rindengewebes annehmen. Zugleich konſtituiert ſich nahe der 

) Phyſiologie der Gewächſe. II. pag. 222. 

2) Pflanzenpathologie, pag. 15 ff. 

2) Bot. Zeitg. 1863. pag. 286. 

) Reproduction du bois et de l’ecorce. Ann. des. sc. nat. ser 3. T. 
XIX. 1853, pag. 157 ff. 

5) Wochenſchrift der Gärtnerei und Pflanzenkunde 1872. Nr. 31. 

6) Handbuch der Pflanzenkrankheiten, 1. Aufl. pag. 160. — 2. Aufl. 


pag. 561. 


7) Bot. Zeitg. 1874. pag. 796. 


72 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


Oberfläche des Callus ein Korkmeriſtem, welches die Korkſchicht der neuen Rinde 


Fig. 14. 
Regeneration der Ninde an einer Schälwunde des 
Holzkörpers von Robinia, im erſten Stadium nach 
der Verwundung die Bildung von Callus aus dem 


Cambium zeigend. A Querſchnitt durch die jüngſte 
Holzſchicht, Holzzellen und einen Markſtrahl zeigend. 
B die in radialen Reihen ſtehenden neugebildeten Callus— 
zellen, die ſowohl aus den vor den Holzzellen, wie aus 
den vor dem Markſtrahle ſtehenden Cambiumzellen her— 
vorgegangen ſind. » ein vor der Verwundung ge— 
bildetes und ſtehengebliebenes großes Gefäß. — 
Darunter der radiale Längsſchnitt durch eine ſolche 
Stelle. L Holzzellen, V ein Gefäß, 1 Cambiumzellen 
durch Querteilung zu Parenchymzellen geworden, g die 
aus dieſen hervorgegangenen eigentlichen Calluszellen. 
Nach Trecul. 


erzeugt. Wiewohl 
ſämtliche Cambium— 
zellen der Erzeugung 
von Callus fähig ſind, 
ſo zeigen doch Tre— 
cul's Unterſuchungen, 
daß in manchen Fällen 
den an den Enden der 
Markſtrahlen ſtehen— 
den Zellen hierbei der 
größte Anteil zukommt, 
was auch nicht Wun— 
der nehmen kann, da 
die Markſtrahlen jeden— 
falls vorwiegend die 
zur Bildung des Cal— 
lus beſtimmten Nähr⸗ 
ſtoffe zuführen. Man 
ſieht oft die von den 
Markſtrahlen aus— 
gehenden Zellen des 
Callus reichlich ver— 
mehrt, förmliche Bü— 
ſchel von Schläuchen 
oder Zellreihen dar— 
ſtellen, die ſich nach 
den Seiten hin weiter 
ausbreiten; daraus 
erklärt ſich die Mei— 
nung älterer Beob— 
achter, daß die Re— 
generation von den 
Markſtrahlen allein 
ausgehe. Wenn im 
Frühjahre die Thätig— 
keit der Cambium⸗ 
ſchicht beginnt, ſo 
werden in der Regel 
zuerſt die großen Ge— 
fäße des Frühjahrs⸗ 
holzes gebildet, die 
deshalb weit in die 
Cambiumſchicht vor: 
ragen. Wenn daher 
um dieſe Zeit Schäl⸗ 
wunden gemacht wer— 
den, ſo erfolgen oft in 
den hinter den jungen 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 73 


großen Gefäßen noch im cambialen Zuſtande befindlichen Zellen die Zellteilungen, 
welche zur Bildung des Gallus führen. Die Folge iſt, daß jene großen Gefäße 
vom alten Holze fortgerückt werden und daß man ſie, wie Trecul beobachtete, 
bisweilen im Callus oder ſogar auf der Oberfläche desſelben haften findet. 
Hinſichtlich der feineren Struktur des bei der Regeneration auf Schälwunden 
entſtehenden neuen Holzes fehlt es an genaueren Unterſuchungen. Der in Rede 
ſtehende Prozeß kommt beſonders an ſolchen Schälwunden vor, welche durch 
Frevel oder ähnliche Beſchädigungen veranlaßt worden ſind; auch durch Wild 
geſchälte oder von Mäuſen angenagte Stellen bekleiden ſich bisweilen ſtellenweiſe 
mit regenerierter Rinde ). 

Als beſonderer Fall iſt bemerkenswert die Erſcheinung, wo an durch 
Frevel beſchädigten Bäumen die am Stamme hängen bleibenden und an 
einer Seite mit der geſunden Rinde zuſammenhängenden Rindenlappen auf 
ihrer Innenſeite Holz und Rinde reproduzieren. Duhamel glaubte, daß dieſe 
Gewebe hier durch Umwandlung der Rinde entſtehen. Trecul) hat aber 
gezeigt, daß die an der Innenſeite der abgelöſten Rindenſtreifen ſtehen bleibenden 
Cambiumzellen oder jüngſten Phloémzellen durch Querteilungen ähnliches 
parenchymatiſches Callusgewebe bilden, wie es im vorigen Falle erzeugt wird; 
im Innern desſelben beginnen dann in einer gewiſſen Schicht die Zellen zu 
verholzen, zum Teil zu Gefäßzellen ſich auszubilden; ſowohl nach innen wie 
nach außen ſchließen ſich daran andre verholzende Elemente, und die beider— 
ſeits an dieſe Holzlage angrenzenden teilungsfähigen Zellſchichten fungieren 
danach augenſcheinlich als Cambiumſchichten, durch deren Thätigkeit die Holz— 
lage innen und außen wächſt. Bei dieſer Verwundung hat, wie Trecul 
zeigte, das neugebildete Holz die abnorme Struktur des unten zu beſprechenden 
Wundholzes, d. h. es beſteht aus kurzen, parenchymatiſchen Zellen, und erſt 
die fernerhin ſich bildenden Holzelemente nehmen allmählich größere Länge an 
und ſpitzen ſich zu, wodurch die normale Struktur des Holzes allmählich wieder 
erreicht wird. Der Erfolg iſt derſelbe, gleichgültig ob der abgelöſte Rinden— 
ſtreifen mit ſeinem obern oder mit ſeinem untern Rande an der ſtehen gebliebenen 
Rinde befeſtigt iſt; nur mit dem Unterſchiede, daß im erſteren Falle die ſich 
bildende Holzlage ſtärker auszufallen pflegt, als im letzteren Falle, was aus 
der vorwiegend abſteigenden Richtung der Bewegung der aſſimilierten Stoffe 
erklärbar iſt. Hebt man dagegen einen Rindenſtreifen, welcher oben oder unten 
mit der übrigen Rinde in Verbindung ſteht, vorſichtig ab, ſo bleibt nach de 
Vries“) gewöhnlich das Cambium unverſehrt am Rindenſtreifen; es entſteht 
zwiſchen ihm und dem alten Holze eine dünne Callusſchicht; außerhalb der— 
ſelben findet man eine neugebildete Holzſchicht, auf deren Außenſeite das ur— 
ſprüngliche Cambium erkennbar iſt; letzteres iſt hier alſo in normaler Thätig— 
keit geblieben und deshalb hat auch das von ihm gebildete neue Holz einen 
ganz normalen Bau (it kein Wundholz). Wenn aber der abgehobene Rinden— 
ſtreifen bei dieſem Verſuche auf der Innenſeite mit dem Meſſer quer verletzt 
und dadurch die Cambiumſchicht an dieſer Stelle getötet wird, ſo hat dies 
nach de Vries denſelben Erfolg, als wenn der ganze Rindenlappen quer 
durchgetrennt iſt, d. h. das über und unter dieſer Wunde an der Innenſeite 
des Baſtſtreifens gebildete Holz nimmt den Charakter von Wundholz an. 


5 
1 
K 
7 


r 


) Ratzeburg, 1. c. II. pag. 207. 
2) 1. c. pag. 257. 
3) Über Wundholz. Flora 1876. pag. 104. 


Regeneration 
von Rinde und 
Holz auf der 
Innenſeite von 
Rindenlappen. 


74 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


Überwallung. 4. Überwallung, d. h. am Wundrande beginnende 
Callusbildung mit nachfolgender Differenzierung in Cam— 
bium, Rinde und Holz. Das Holz ſelbſt iſt keiner Regeneration 
von Gewebe fähig. Deshalb findet überall da, wo der Holzkörper 
ſelbſt verwundet iſt oder wo nach Abſchälen und Abnagen der Rinde 
die Cambiumſchicht zerſtört iſt, auf dem entblößten Holze keine Rege— 
neration von Rinde noch irgend eine andre Neubildung ſtatt. Auf 
der Wundblöße wird vielmehr das Holz trocken und dunkler, nimmt 
die Beſchaffenheit des Schutzholzes an, oder geht wohl auch, wenn es 
lange unbedeckt bleibt, in Fäulnis über. Auch hier geht die zur 
Heilung führende Reproduktion nur von der lebendigen Cambiumſchicht 
aus; dieſe befindet ſich hier rings um den Rand der Wunde, denn 
jede bis aufs Holz gehende Verletzung durchſchneidet notwendig Rinde 
und Cambium. Es wächſt allmählich von den Wundrändern aus 
über die Holzblöße hin ein Wulſt, welcher nach außen aus Rinde, 
innerlich aus Holz beſteht und zwiſchen beiden Geweben eine neue 4 
Cambiumſchicht beſitzt, durch deren Bildungsthätigkeit die Wülſte 
ſich immer mehr ausbreiten, bis ſie endlich die Wundfläche ganz ver— 
deckt haben. Dieſe Erſcheinung, die ausnahmslos bei allen Laub- und 
Nadelhölzern ſtattfinden kann, iſt unter dem Namen Überwallung | 
oder Verwallung bekannt. Um ſich bei den hier ſtattfindenden 1 
Vorgängen orientieren zu können, unterjcheiden wir die holzentblößenden 
Wunden ihrer Richtung nach in 1. Querwunden, wenn die Richtung 
der Verwundung (die Wundfläche) rechtwinklig ſteht zur Längsachſe 
des Stammes, des Aſtes oder der Wurzel, mag es ſich nun bloß um 
einen queren Einſchnitt oder um eine vollſtändige Querſchnitts- oder 
Bruchfläche handeln, und in 2. Längswunden, wo die Wundfläche 
der Stammachſe parallel liegt. Die letzteren können wieder ſein 
a) Flachwunden, wenn die Wundfläche tangentiale Richtung hat. 
Zu dieſen würden auch diejenigen Schälwunden gehören, bei denen 
wegen Zerſtörung der Cambiumſchicht das Holz ſich nicht mit regene— 
rierter Rinde bedeckt. b) Spaltwunden, wenn der Holkzkörper 
radial geſprengt iſt. Im Grunde genommen können bei den Flach⸗ 
wunden nur die beiden longitudinalen Wundränder zu den Längs— 
wunden gezählt werden, während der obere und der untere Wundrand, 
je genauer ſie quer gerichtet ſind, die Bedeutung von Querwunden 
haben. 

Entftehung Die erſte Veränderung, welche am Wundrande eintritt und die 

der Überwallung. Bildung des Überwallungswulſtes einleitet, iſt an Längs⸗ und Quer⸗ 
wunden gleich und nichts andres als die gewöhnliche Heilung der 
Wunden parenchymatiſcher und cambialer Gewebe durch Verſchluß 


rr ccc 


ene ee ee 


| 
| 
J 
5 
a 
K 
4 
4 


** 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 75 


mittelſt Callus. Am Rande jeder Holzwunde ſind Rinde und Cambium 
verletzt, und dieſe ſchmalen Wundſtellen verheilen zuerſt. Die am 
Wundrande liegenden Cambiumzellen und innerſten jüngſten Phloͤm— 
zellen teilen ſich durch Quer- und Längswände und bilden ſo einen 
aus iſodiametriſchen Zellen beſtehenden Callus. Im ganzen älteren 
Rindengewebe aber differenziert ſich nahe der Wunde ein korkbildendes 
Meriſtem, welches ſich auf der einen Seite an das normale Kork— 
meriſtem unter der Oberfläche des Stammes anſetzt und parallel der 
Rindenwunde ſich hinzieht in den von der Cambiumſchicht gebildeten 
Gallus (Fig. 15, k1 k). In letzterem differenziert ſich nun ebenfalls 
nahe der Oberfläche ein korkbildendes Meriſtem, als unmittelbare 
Fortſetzung jenes. Die Rindenwunde iſt daher ſehr zeitig durch eine 
Korkſchicht verſchloſſen. Die letztere iſt alſo die direkte Fortſetzung der 
oberflächlichen normalen Korkſchicht des Baumes, des ſogenannten 
Periderms, welches daher hier in einem Bogen ſich nach der Holzblöße 
wendet. An der Außenſeite desſelben haften die den anfänglichen 
Wundrand bildenden Gewebepartien der Rinde und des Periderms, 
welche durch die neue Korkſchicht abgeſchnitten ſind und vertrocknen. 
Die innerſten Zellen des Callus, welche mit den urſprünglichen 
Cambiumzellen in Berührung ſtehen, nehmen nun ebenfalls den 
Charakter eines Meriſtems, nämlich des Cambiums, an. Die Teilungs— 
wände desſelben orientieren ſich ſo, daß ſie der neugebildeten Korkſchicht 
ungefähr parallel ſtehen. Es lenkt alſo auch die Cambiumſchicht nach 
der Wunde hin um (Fig. 15 c). Aus dieſer Orientierung des Kork— 
merijtems und des Cambiums am Wundrande folgt, daß die von 
nun an aus dieſen Meriſtemen erzeugten Zellgewebsmafjen; als ein 
Wulſt über die Holzblöße hinwuchern. Derjenige Teil des anfänglich 
gebildeten Callus, welcher zwiſchen deſſen Korkmeriſtem und deſſen 
Cambium übrig bleibt, nimmt die Beſchaffenheit von Rinde an. 
Dieſe erſtarkt nun durch die anhebende Thätigkeit des Callus— 
cambiums weiter. Ebenſo bildet das letztere nun auch nach 
innen Holz. Da die Theilungswände dieſes Cambiums zur Ober— 
fläche des Überwallungswulſtes tangential ſtehen, ſo liegen auch die 
hier gebildeten Holzzellen in radialen Reihen, die neue Cambiumſchicht 
überall annähernd rechtwinklig ſchneidend, und haben gleichgerichtete 
Markſtrahlen zwiſchen ſich (vgl. Fig. 15 u). An Querwunden, ſowohl 
an den oberen wie an den unteren, ſtehen dieſe Zellreihen des Über— 
wallungsholzes zur Stammachſe radial, in ungefähr gleicher Richtung 
wie die über oder unter ihnen ſtehenden des alten Holzes. An 
Längswundrändern dagegen divergieren ſie. Denn hier bilden ſich die 
der Wunde benachbarten in normaler Weiſe radial zur Stammober— 


76 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


1 — 
Mee T 


8 


Munde 


— 
— 
Umm 


11 
0 
U 


Anfang der Ueberwallung einer Flachwunde 
eines mehrjährigen Aſtes von Acer campestre. 
Querſchnitt durch den Aſt. II das alte Holz 
am Wundrande (rechts die Holzblöße). 1, das 
nach der Verwundung gebildete Holz. u der 
während dieſer Zeit entſtandene Anfang des 
Ueberwallungswulſtes. e die Cambiumſchicht, 
die ſich in den Ueberwallungswulſt fortſetzt. 
b Rinde. b. Rinde der Ueberwallung. kk das 
Korkmeriſtem der Ueberwallung, dasſelbe ſetzt 
ſich bis an das urſprüngliche des Aſtes fort, 
welches es bei k, erreicht. vv Wundſtelle und 
abgeſtorbene Gewebeteile des Baſtes außerhalb 
der neuen Korkſchicht. 60 fach vergrößert. 


fläche fort, während die 
nach der Holzblöße plötzlich 
umgelenkte neue Cambium— 
ſchicht die Holzzellreihen in 
allen den Richtungen ab— 
legt, die zu ihr rechtwinklig 
ſtehen, ſo daß dieſelben 
hier in ungefähr einem 
Viertelkreisbogen divergie— 
ren (vergl. Fig. 15 u). Die 
Zuſammenſetzung jedes 

zuerſt aus Callus hervor— 
gehenden Holzgewebes iſt 
aber, wie von Trecul, 
ſpäter auch von de Vries 
beobachtet wurde, eine ab— 
normel); dieſes Wund— 
holz iſt von dem vor der 
Verwundung vorhandenen 
normalen Holz ſcharf ab— 
gegrenzt; die ſpäter fol— 
genden Holzſchichten wer— 
den dem normalen Holze 
um ſo ähnlicher, je ſpäter 
nach der Verwundung ſie 
entſtehen, bis zuletzt wieder 
normales Holz gebildet 
wird. Dieſer Satz gilt zu- 
nächſt für alles aus Callus 
hervorgehende Überwal— 
lungsholz ſowohl an Quer-, 
wie an Längswunden. Da 
der Gallus durch Duer- 
teiiungen der Cambium⸗ 
zellen entſteht und ſeine 


Zellen daher iſodiametriſch ſind, ſo haben auch die erſten daraus 
hervorgehenden Holzzellen ungefähr dieſe Geſtalt, ſind kurz und 


: ) Eine detaillierte Unterſuchung des Baues und der Entſtehung der 
Überwallungswulſt bei Ringelwunden hat Sorauer (Pflanzenkrankheiten) 


2. Aufl. I., pag. 545—556) gegeben. 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 77 


parenchymatiſch, nicht langgeſtreckt und zugeſpitzt, wie die normalen 
Holzfaſern. Außerdem treten aber auch ſchon anfänglich in dieſem 
Wundholze ähnlich wie im normalen Holze Gefäße in Gruppen 
ſtehend auf; es ſind das aber nur enge, nicht normal weite Gefäße, 
und ſie beſtehen aus ebenfalls kurzen Gefäßzellen. Aber bald folgen 
Holzzellen, die etwas länger find und anfangen ſich zuzuſpitzen, 
während andre ihre rundliche, polyedriſche Form behalten und zu 
den Anfängen der Markſtrahlen werden. So folgt auf die faſerfreie 
Periode bald eine durch Holzfaſern ausgezeichnete. Die Zahl der 
letzteren wird dann immer größer, jo daß die Gefäßzellen, das Holz 
parenchym und die Markſtrahlen auf das normale Verhältnis zurück— 
gedrängt werden. Zugleich nehmen nun die Zellen der neuen 
Cambiumſchicht durch wirkliches Längenwachstum allmählich wieder 
eine größere Länge an, ſo daß mithin auch die von ihnen abſtammenden 
Holzzellen in gleichem Maße länger werden. Nach einiger Zeit iſt 
das Holz des Überwallungswulſtes wieder normal, und auch die 
Abgrenzung der Jahresringe, welche hier bogenförmig, der Oberfläche 
deſſelben parallel ſind, iſt deutlich ausgeprägt. So ſchiebt ſich der 
Überwallungswulſt infolge ſeines jährlichen Wachstums über die 
Wundfläche. Er behält ſeine convexen Ränder, die aber oft wegen 
des an jedem Punkte unabhängig von der Nachbarſchaft ſtattfindenden 
Wachstums keine regelmäßige Grenzlinie bilden, ſondern oft mehr 
oder weniger wellenförmig oder gekerbt find. Die Überwallungen 
bieten daher ganz das Bild einer zähflüſſigen Maſſe, welche ſich 
langſam über eine Fläche hin ergoſſen hat. Wenn die Verwallungs— 
wülſte ungeſtört ſich fortentwickeln, ſo überziehen ſie endlich die 
Wundblöße ganz, indem ſie an irgend einem Punkte derſelben 
zuſammentreffen. Sie vereinigen ſich dann wirklich miteinander, indem 
ihre Cambiumſchichten ſich aneinander ſchließen, ſo daß der Stamm 
von dieſem Zeitpunkte an wieder ein kompletes, ringsum gehendes 
Cambium beſitzt, und die von dieſem Zeitpunkt an ſich bildenden 
Jahresringe des Holzes gehen nun wieder als gleichmäßige Ringe 
um den ganzen Stamm herum. 

Außer am Überwallungsholze wird aber bei Querwunden, nicht Bildung von 
bei Längswunden, auch bis zu einer gewiſſen Entfernung rückwärts Am belttguber 
von der Wunde abnormes Holz von derſelben Beſchaffenheit wie in ; Won 
jenem Falle gebildet, beſonders am oberen, ſchwächer am unteren 
Rande von Querwunden. Es beruht dies darauf, daß die Quer— 
teilung der Cambiumzellen, die als nächſte Folge der Verwundung 
eintritt, vom Wundrande aus rückwärts ſich weiter erſtreckt, was an 
ähnliche Erſcheinungen bei der Bildung des Gallus bei andern 


Heilung von 
Rinden⸗ 
einſchnitten. 


78 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


Pflanzenteilen erinnert (pag. 67). So hat de Vries z. B. am oberen 
Wundrande einer Ringelwunde von Caragana arborescens bis in eine 
Entfernung von 2 Gentim. über der Wunde, in Spuren ſogar noch 
bis 7 Centim., die Abweichung im Baue des im erſten Jahre nach 
der Verwundung erzeugten Holzes gefunden. Unmittelbar über dem 
Wundrande wird kurzzelliges, parenchymatiſches Wundholz mit eng— 
und kurzzelligen Gefäßzellen gebildet, ganz gleich demjenigen, welches 
aus dem Callus entſteht, und in welches dieſes unmittelbar übergeht. 
Mit zunehmender Entfernung von der Wunde vermindert ſich die 
Querteilung der Cambiumzellen, ſo daß endlich nur zwei- und einmal 
geteilte gefunden werden, und entſprechend nimmt die Abnormität 
des Holzes ſchrittweiſe mit der Entfernung von der Wunde ab. 
Das kurzzellige Wundholz des Wundrandes, dem die Holzfaſern und 
weiten Gefäße fehlen, geht nach oben zunächſt in eine Zone über, wo 
die Zellenlänge größer wird, aber Holzfaſern und weite Gefäße noch 
nicht vorhanden ſind; dann folgt eine Zone, wo die Zellen zum Teil 
ſich zuſpitzen und in Holzfaſern übergehen; noch weiter oben iſt durch 
Häufigerwerden der weiten Gefäße und der Holzfaſern der normale 
Bau erreicht. Auch hier kehrt mit der Zeit die Holzbildung zur 
Norm zurück, weil in allen Entfernungen von der Querwunde die 
Cambiumzellen allmählich wieder normale Länge annehmen. Bei 
Längswunden, die der Achſe parallel ſind, tritt dagegen in dem un— 
verletzten Teile ſeitlich der Wunde keine Querteilung der Cambiumzellen 
und kein abnormer Bau des Holzes auf. Schiefe Wunden, zu denen 
auch die Spiralwunden gehören, verhalten ſich nach de Vries in 
dieſer Beziehung wie Querwunden: ſtets erſtreckt ſich das Wundholz 
ſo weit, wie die Projektion der Wunde auf demſelben Querſchnitt, 
was beſonders bei kurzen, ſchiefſtehenden Wunden hervortritt, indem 
hier ſeitlich derſelben kein Wundholz gebildet wird. 


Wird ein bloßer Einſchnitt gemacht, der bis ins Cambium oder 
ins Holz dringt, wie es z. B. im Obſtbau bei dem ſogenannten 
Schröpfen geſchieht, um den Druck, den die Rindenſchichten dem 
Wachstum des Holzes entgegenſetzen, zu mindern, ſo füllt ſich die 
Wunde nach de Vries bald ganz mit Callus aus, der von der 
Cambiumſchicht ausgeht und dieſelben Bildungen erzeugt, wie in den 
vorigen Fällen. Wundholz wird, wenn es ein quergehender oder 
ſchiefer Einſchnitt iſt, in derſelben Weiſe gebildet, aber in geringer 
Menge, denn ſobald die Wunde durch den Callus geſchloſſen iſt, 
bildet ſich über die ganze Strecke nur noch normales Holz. Vertrocknen 
aber die Schnittränder, ſo daß das Holz ſich nicht mit Callus bedecken 


2 Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Berwundungen 79 


kann, dann wird die Wunde durch Überwallungswülſte von beiden 
Seiten geſchloſſen ). 

Je nach den oben bezeichneten verſchiedenen Arten der Wunden überwallung der 
richtet ſich die Form der Überwallung. Es ſei in dieſer Beziehung ii; 
hier nur im allgemeinen Folgendes hervorgehoben. Bei der Über- 
wallung der Flachwunden ſchiebt ſich der Überwallungswulſt zwar 
von allen Rändern aus über die Wunde hin, aber meiſt von gewiſſen 
Seiten her ſtärker. Wenn die Wunde ihre größte Ausdehnung in der 
Längsrichtung des Stammes hat und ſelbſt wenn ſie ungefähr eine 
runde Fläche darſtellt, wie bei den Aſtſchnittflächen, ſo dringen die Über— 
wallungswülſte von den beiden ſeitlichen Rändern her raſcher als von 
oben und unten vor, unter Bildung ſtark entwickelter Jahresringe 
im Holze, ſo daß die Wunde zuletzt kurz vor dem Zuſammentreffen 
der Wülſte wie eine elliptiſche Längsfurche erſcheint. Bei größeren 
Flachwunden, wie beſonders bei den Schälwunden, ſchreitet die 
Überwallung oft weniger gleichmäßig vor, an einzelnen Punkten viel 
raſcher als an andern; beſonders zeigen die vom oberen Wundrande 
herabdringenden Wülſte das ſtärkſte Wachstum, wegen der hauptſächlich 
1 abwärts ſich bewegenden Wanderung der plaſtiſchen Nährſtoffe. Unter 
Umſtänden kann eine Überwallung auch von der alten ſtehen gebliebenen 
toten Rinde bedeckt ſtattfinden, alſo äußerlich nicht ſichtbar ſein, wie 
es manchmal nach Borkenkäferfraß geſchieht oder wie oben erwähnt 
bisweilen beim Gummifluß. Die alte Rinde fällt dann aber nach 
nicht langer Zeit ab. Bei den überwallten Flachwunden iſt natürlich 
niemals eine wirkliche Verwachſung der Überwallung mit der toten 
Holzwundfläche eingetreten, ſie liegt derſelben nur mechaniſch, allerdings 
innig, an, alle Vertiefungen derſelben ausfüllend, und alle etwaigen 
Erhabenheiten derſelben oder fremde Körper, denen die Überwallung 
begegnet, umhüllend. Auch wenn der Verſchluß der Wunde durch die 
Überwallung vollſtändig geworden und äußerlich kaum noch eine An— 
deutung der Wunde zu ſehen iſt, bleibt doch die einſtmalige Wunde 
auf dem Durchſchnitte des Stammes kenntlich an einer dunklen Zone, 
welche eben das ehemals gebildete und nun unverändert gebliebene 
Schutzholz der Wundfläche vorſtellt, ſowie daran, daß die der Über- 
wallung angehörigen Jahresringe bogenförmig gegen die ehemalige 
Wundfläche umgelenkt erſcheinen. 

Die Spaltwunden des Stammes find der Heilung durch überwallung der 
Überwallung ungünſtiger, weil dieſelben in radialer Richtung tief in Spaltwunden. 
den Holzkörper eindringen, und eine ſehr tiefe Spalte durch Überwallungs— 


1 


n u A a a 


In, ie 2, 5 5 Pol nn En a Lu an 


— n 2 


) Sorauer, Handbuch der Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 538. 


80 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


maſſe nicht ausgefüllt werden kann. Die letztere geht von beiden 
Rändern der Spaltwunde aus, und im günſtigſten Falle kommen nach 
einiger Zeit die beiden gegenüberſtehenden Überwallungswülſte in 
Kontakt und zur Verwachſung, alſo daß immer die Spalte unter 
ihnen im Holzkörper bleibt. Oder wenn die Spalte zu breit iſt und 
die Überwallungen nicht ſich treffen können, ſo lenken die letzteren 
ſoweit nach innen um, als ihnen nach dorthin Spielraum gelaſſen 
iſt. In beiden Fällen iſt nun aber auch auf der Innenſeite der 
Überwallung Rinde und thätiges Cambium vorhanden, und es findet 
daher in dieſer Richtung ebenfalls jährlich Neubildung von Holz ſtatt, 
wodurch mannigfaltige Wucherungen nach innen getrieben werden, 
die unter Umſtänden ſogar den Hohlraum ausfüllen können. 
Uberwallung der Die bemerkenswerteſten Erſcheinungen, welche die Überwallungen 

Querwunden. pon Querwunden darbieten, find die Ungleichheiten derſelben an 
den oberen und unteren querſtehenden Rändern der meiſten Stamm— 
wunden, indem, wie bereits hervorgehoben wurde, gewöhnlich der 
obere Rand allein oder ſtärker als der untere eine Überwallung bildet. 
Am bekannteſten iſt dieſer Erfolg beim Ringelſchnitt. Dasſelbe 
Verhältnis ſpricht ſich auch bei ſpiraligen Wunden aus, wie ſie durch 
Einſchnitte bei phyſiologiſchen Verſuchen oder an Stämmen, die von 
Schlingpflanzen umwunden oder von Eichhörnchen oder Hornifjen 
ſpiralig geſchält ſind, vorkommen: ſolche Stämme bekommen einen 
ſpiralig verlaufenden Holzwulſt, der vom oberen Rande der Wunde 
ausgeht. In dieſem Überwallungswulſt biegen ſich die Holzfaſern 
ſchief nach abwärts, und es bleibt dann ſelbſt an vieljährigen Wülſten 
die ſchiefe Richtung der Holzfaſerung erhalten. Wenn zwiſchen zwei 
Baumſtämmen Bänke angebracht ſind, die bis ins Holz derſelben ein— 
geſetzt ſind, ſo breiten ſich die Überwallungen auf der oberen Fläche 
der Bank aus. 

Maſerholz. Maſerbildung des Holzes bei Üiberwallungen. Das 
durch die Überwallungen erzeugte Holz, beſonders das in den ſtärkeren 
und älteren Überwallungswülſten, hat mehr oder weniger diejenige 
Struktur, welche in der Holzinduſtrie unter dem Namen Maſer, 
Wimmer oder Flader bekannt und geſchätzt iſt. Dieſe Struktur 
beſteht kurz darin, daß die Holzfaſern nicht den gewöhnlichen, gerad- 
linigen und parallelen, ſondern einen unregelmäßig gebogenen oder 
verſchlungenen Verlauf haben, indem an der Cambiumſchicht entweder 
wirklich andere Körper vorhanden ſind, um welche die Holzfaſern 
notwendig ſich herumbiegen müſſen, oder indem die Markſtrahlen ohne 
zunächſt nachweisbare Urſache infolge von Vermehrung ihrer Zellen 
bei geringer Länge eine ſo bedeutende Breite annehmen, daß ihr 


eee 


“ 0 1 
.. 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 81 


Tangentialſchnitt nicht die gewöhnliche, ans Linealiſche grenzende, 
lange ſchmal elliptiſche Form hat, ſondern breit oblong oder nahezu 
kreisrund erſcheint, ſo daß die benachbarten Holzfaſern eben auch ge— 
krümmten Verlauf bekommen müſſen. 

Die neueren Schriftſteller ſind ziemlich einſtimmig der Anſicht, daß die 
Maſerbildung an und für ſich nichts weiter als die unmittelbare Folge der 
Anweſenheit zahlreicher Adventivknoſpen iſt. Mit aller Beſtimmtheit hat dies 
zuerſt Meyen) ausgeſprochen; die gleiche Anſicht vertritt Göppert?), und 
Schacht) ſieht wenigſtens vorzugsweiſe in der Bildung vieler Nebenknoſpen 
die Veranlaſſung der maſexigen Beſchaffenheit des Holzes. Richtig iſt, daß 
durch viele Adventivknoſpen der Verlauf der Holzfaſern beeinflußt wird und 
daß Maſerholz in der That vorzugsweiſe dort entſteht, wo ſolche Knoſpen in 
Menge ſich gebildet haben, was eben beſonders als Folge von Verwundungen 
eintritt. Wir ſehen häufig eine Brut von Adventivknoſpen, hauptſächlich 
an Laubbäumen bei der Bildung der Stockausſchläge, bei der Zucht von Kopf— 
hölzern, ſowie nach Wegnahme größerer Aſte unter der Wunde, ebenſo nach 
dem Pfropfen unter der Pfropfſtelle ſich entwickeln; das gleiche kann auch an 
Rindenwunden eintreten, beſonders nach Ringelung der Aſte oder Stämme 
am untern Wundrand. Ferner ſind auch große Überwallungswülſte, welche 
Überfluß an Nahrung haben, nicht ſelten zur reichlichen Bildung von Adventiv- 
knoſpen geneigt, alſo beſonders diejenigen, welche bei einſeitiger Entrindung 
des Stammes am obern Wundrande ſich entwickeln. Adventivknoſpen können 
ſich an Aſten, Stämmen und Wurzeln jeden Alters und au jeder Stelle bilden, 
wo ein lebensthätiges Cambium ſich befindet. Sie entſtehen in der Cambium— 
ſchicht, indem eine Gruppe von Zellen derſelben ſich lebhafter vermehrt und 
einen kleinen Zellgewebskörper, die Anlage der Knoſpe, bildet, der ſich nach 
außen von der Rinde abgrenzt, nach innen mit der Cambiumſchicht im 
Zuſammenhange bleibt und durch eine Anzahl verholzter Zellen, die er bildet, 
ſich mit dem Splint in Verbindung ſetzt. Wenn die Knoſpe auswächſt, ſo 
durchbricht ſie die Rinde, ihre Baſis aber bleibt natürlich mit dem Splint 
verwachſen. Solche Adventivknoſpen haben in der Regel kein langes Leben, 
und je größer die Zahl iſt, in der ſie an einer Stelle beiſammen gebildet 
werden, deſto früher pflegen ſie wieder abzuſterben; einzelne treiben ein kurzes 
Zweiglein, welches aber bald zu wachſen aufhört und wieder vertrocknet, die 
meiſten ſterben ſchon als Knoſpen wieder ab. Die Überreſte bleiben als kleine 
holzige Stiftchen ſtehen, deren jeder alſo eine im Durchſchnitte runde oder ellip— 
tiſche Unterbrechung der Cambiumſchicht bildet, ebenſo wie im größeren Maß— 
ſtabe jeder Aſtſtumpf. Die Folge iſt daher, daß die neuen Holzfaſern, welche 
die Cambiumſchicht bildet, dem Hindernis ausweichen müſſen, ſich beiderſeits 
in ſchiefer Richtung um den kleinen Holzkörper der Knoſpe oder des Zweigleins 
legen. Wenn nun dicht nebeneinander fortwährend neue Knoſpen unregelmäßig 
angeordnet entſtehen, wie es in den oben genannten Fällen häufig vorkommt, 
ſo wird dadurch natürlich auch der Verlauf der Holzfaſern immer unregelmäßiger. 


) Pflanzenpathologie, par. 86 ff. a 

2) Über die Folgen äußerer Verletzungen der Bäume, pag. 11. — Über 
Maſerbildung. Breslau 1870. 

3) Lehrbuch d. Anatomie u. Phyſiol. der Gewächſe, II. pag. 67. — Der 
Baum, pag. 219. 
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 6 


82 - II. Abſchnitt: Von den Wunden 


Aber dadurch allein kann ſich nur eine gröbere Maſerung bilden; es kommen 
auch wirklich Fälle vor, wo die Maſerung allein durch dieſes Verhältnis 
veranlaßt wird, und dieſes iſt daun immer daran zu erkennen, daß in den 
Maſchen der Maſern die Holzkörper der Knoſpen oder Zweige ſtecken. 

Weiter hat R. Hartig) konſtatiert, daß nicht bloß Adventivknoſpen, 
ſondern auch andre Reſte früherer Gewebe, wenn ſie ſich auf der zu über— 
wallenden Holzfläche befinden, in derſelben Weiſe der Überwallung lokale Hinder— 
niſſe bieten können, welchen dieſelbe ausweichen und die ſie wie Inſeln um— 
faſſen muß, wodurch maſeriger Verlauf der Holzfaſerung erzeugt wird. Er 
hat dies bei Überwallungen bemerkt, wo der Holzkörper noch mit alter Rinde 
bedeckt und durch Maxkſtrahlen und Überreſte von Rindengewebe mit dieſer 
verbunden war; dieſen Überreſten muß die Überwallung ausweichen. Den gleichen 
Erfolg haben auch die Unebenheiten, welche die ſplittrigen Wundflächen des 
Holzes darbieten. 

Aber die feine Maſerung, welche meiſtens mit jener durch mecha— 
niſche Hinderniſſe erzeugten zugleich, vielfach auch ohne dieſe und nament— 
lich bei den ausgezeichnetſten Maſerbildungen, den Maſerkröpfen und den Maſer— 
knollen, die wir erſt an ſpäterer Stelle beſprechen werden, in der ſchönſten 
Bildung ſich zeigt, finden wir auch bei R. Hartig nicht aufgeklärt. Ich finde, 
daß weder die Adventivknoſpen noch andre mechaniſch ſtörende Körper allein 
die Maſerbildung erklären, ſondern daß der gebogene Verlauf der Holzfaſern 
auch durch eine veränderte Zuſammenſetzung des Holzes, nämlich durch eine 
abnorme Vergrößerung und Formveränderung der Markſtrahlen bedingt wird. 
Während im normalen Holze die ſogenannten großen Markſtrahlen in der 
Tangentialfläche betrachtet eine ſehr ſchmale elliptiſche oder linealiſche Form 
haben, indem ſie in der Richtung der Faſerung des Holzes ſehr lang geſtreckt 
ſind, werden ſie im Maſerholz jo kurz und jo breit, daß viele im Tangential— 
ſchnitte (alſo wenn man die Oberfläche des Splintes betrachtet) ziemlich kreis— 
rund oder oblong erſcheinen. Der Durchmeſſer beträgt dabei das Mehrfache 
der normalen Breite. Dieſe Markſtrahlcylinder ſind die Kerne der Maſermaſchen. 
Um ſie herum laufen die aus Gefäßen, Holzzellen und gewöhnlichen kleinen 
Markſtrahlen beſtehenden Holzſtränge, entweder in Form einer Ellipſe, indem 
ſie ſich über und unter dem Markſtrahl wieder vereinigen und eine Strecke 
weit parallel fortlaufen, oder in einem vollſtändig geſchloſſenen Kreiſe ringsum, 
eine wirkliche Schlinge bildend (Fig. 16 B). Im letzteren Falle läuft um 
dieſen Holzſtrang oft ebenfalls kreisförmig ein etwas breiter Markſtrahl, und 
jo können konzentriſch mehrere mit parallelen Markſtrahlen abwechſelnde Hol- 
ſtränge um einen centralen Markſtrahlcylinder geordnet ſein. Das ſind die 
ſogenannten Augen der Maſer. In nächſter Nachbarſchaft ſteht wieder ein 
ſolches Auge und oft ſind mehrere wieder von einem in unregelmäßig ge— 
ſchlungenem Verlaufe in ſich geſchloſſenen Ringe eines Syſtems von Holz⸗ 
ſträngen und Markſtrahlgeweben umzogen, oder zwiſchen ihnen ſchlängeln ſich 
auf weitere Strecken hin andre Holz- und Markſtrahlſtränge, die nicht in ſich 
zurücklaufen (Fig. 16 4). Darin liegt die charakteriſtiſche Struktur des Maſer⸗ 
holzes. Am deutlichſten tritt dieſelbe hervor, wenn das Holz von der Rinde 
entkleidet iſt, auf der dann ſichtbaren Oberfläche des Splintes. Da nämlich 
die Endigungen der Markſtrahlmaſſen nicht bis ganz an die Oberfläche ver- 
holzt ſind, ſo trocknen ſie etwas mehr zuſammen und erſcheinen auf der Splint⸗ 


!) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes, pag. 136. Taf. XIX. Fig. 5—8. 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 83 


fläche etwas vertieft, ſo daß die etwas erhabenen Holzſtränge in ihrem eigen— 
tümlichen Verlaufe hervortreten, ähnlich wie die Windungen des Gehirnes. 
Zum vollen Verſtändnis des Baues des Maſerholzes muß aber bemerkt werden, 
daß die beſchriebene Zeichnung ſich nur darbietet bei Betrachtung von der 
Oberfläche oder im tangentialen Längsſchnitt. Es ſetzt ſich nämlich an jeder 
Stelle die vorhandene Anordnung der Holzgewebe auch in den ſucceſſiven un— 


D 
2 


au 
.. 2 
N Nr 
Er 


Fig. 16- 
Maſerholz der Eiche. A Stück eines Maſerkropfes von der 
Splintfläche geſehen, den Verlauf der Holzſtränge zeigend, wenig 
vergrößert. B Tangentialer Durchſchnitt durch eine Maſche des 
Maſerholzes. Im Centrum (bei m) ein großer Markſtrahlcylinder 
aus lauter lebenden, oft ſtärkeführenden Zellen beſtehend. Ringsum 
ein kreisförmig geſchloſſener Holzſtrang, deſſen Zuſammenſetzung 
nur am obern Rande weiter ausgeführt iſt; 1 Holzfaſern, m! kleine 
Markſtrahlen, t Tracheiden, g Gefäß. 90fach vergrößert. 


gleichalterigen Schichten des Holzes in derſelben Form wenigſtens eine Strecke 
weit fort: wenn man etwas tiefer wieder tangential einſchneidet, ſo hat man 
dasſelbe oder ein ähnliches Bild der Maſerung, wie es an der Oberfläche zu 
ſehen war. Die eigentümliche Verteilung von Markſtrahlgewebe und Holz— 
ſträngen wird alſo durch die Cambiumſchicht continuierlich fortgebildet, und 
darum zeigt auch die darüber liegende ſecundäre Rinde in ihren Baſtfaſern 
dieſelbe Maſerung wie das Holz, weil die großen Markſtrahlmaſſen ſich in 
derſelben Zahl, Form und Größe auch dorthin fortſetzen. Bei der großen Ver— 
änderung, die der Bau des Holzes in tangentialer Richtung erlitten hat, iſt 
es um ſo bemerkenswerter, daß er in radialer Richtung nichts von ſeinen 
ſonſtigen Eigentümlichkeiten eingebüßt hat. Denn auf dem Querſchnitt z. B. 
durch Eichenmaſerholz unterſcheidet man deutlich die Jahresringe, welche in 
ununterbrochenem Verlaufe und parallel untereinander und mit der Oberfläche 
des Holzes gelagert ſind, auch überall in ihrem Frühjahrsholze durch die 
weiten nadelſtichförmigen Gefäße ausgezeichnet. In den Holzſträng en finden 
ſich außer den Gefäßen auch die übrigen normalen Beſtandteile des Holzes, 
ſogar normale kleine Markſtrahlen. Die Holzſträuge find (bei der Eiche) auf 
6 * 


84 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


dem Querſchnitt an der bräunlichen, die Markſtrahlenmaſſen an der weißlichen 
Farbe zu erkennen und man ſieht auf das deutlichſte beide überall in radialer 
Anordnung; nur ſind wegen des tangential in allen möglichen Richtungen 
ſchiefen Verlaufes beide Gewebe auch in den verſchiedenſten Richtungen durch— 
ſchnitten: hier erſcheint der Markſtrahl nur als eine feine weiße Linie, dort 
iſt er gerade in der Richtung ſeiner Längsachſe durchſchnitten und ſtellt einen 
breiten weißen Streifen dar. Dasſelbe zeigen die Holzſtränge, und die weiten 
Gefaͤße find dem entſprechend in allen Richtungen durchſchnitten: hier quer, 
dort ſchief, wieder an andrer Stelle ziemlich in ihrer Längsachſe, ſo daß ſie 
wie eine feine Furche auf der Schnittfläche erſcheinen. Das Maſerholz iſt alſo 
in ſeinem anatomiſchen Baue dem normalen Holze in allen weſentlichen 
Punkten gleich, nur mit der Ausnahme, daß die Holzſtränge, wegen der ver— 
änderten Beſchaffenheit gewiſſer Markſtrahlen, in tangentialer Richtung anders 
orientiert ſind. Oft iſt in ſolchem Holze nirgends eine Spur von Adventiv— 
knoſpen oder alten Zweigen zu finden. Die großen Markſtrahlcylinder erweiſen 
ſich deutlich als lebendiges, mit den angrenzenden Holzſträngen in organiſcher 
Verbindung ſtehendes Markſtrahlgewebe, ihre Zellen ſind ſämtlich während 
des Winters überaus reich mit Stärkemehl erfüllt. 
Die hier vorgetragene Anſicht, daß Maſerholz auch ohne Beteiligung von 
Adventivknoſpen oder ſonſtigen dem Cambium fremden Körpern, nämlich 
durch eine bloße vom Cambium ausgehende veränderte Zuſammenſetzung des 
Holzes, insbeſondere durch Verbreiterung der Markſtrahlen entſteht, habe ich 
ſchon in der erſten Auflage dieſes Buches geltend gemacht. Unter den früheren 
Schriftſtellern finde ich nur bei Schacht!) Angaben, welche das Auftreten 
von Maſerholz ohne Adventivknoſpen zu beſtätigen ſcheinen; derſelbe erwähnt, 
daß an mehrhundertjährigen Tannen und Kaſtanienbäumen „am glatten 
Stamme“ die letzten Holzbildungen wunderſchöne Maſern zeigten. 
Übergang von Nach dem Vorſtehenden iſt zu erwarten, daß es zwiſchen der normalen 
normalem Holz und der maſerigen Beſchaffenheit des Holzes gar keine Grenze giebt. In der 
in Maſerholz. That kann man auch alle Übergänge von der einen zu der andern verfolgen. 
Wo z. B. das Holz in einen Überwallungswulſt ſich fortſetzt, werden die 
Markſtrahlen ganz allmählich kürzer und breiter, und ſo bald ſie ſich etwas 
häufen, kommt notwendig der Verlauf der Holzſtränge in Unordnung. Es 
iſt unverkennbar, daß dies zuerſt an ſolchen Punkten beginnt, wo es der 
wachſenden Holzſchicht in tangentialer Richtung an Raum gebricht und die 
Holzfaſern ſich gegenſeitig drängen, alſo beſonders da, wo die Überwallung 
eine Falte oder Bucht bildet; daher denn auch vorzüglich zwiſchen Adventiv— 
knoſpen. Sobald ein gewiſſer Grad des ſchiefen Verlaufes der Holzfaſern 
und der Erweiterung der Markſtrahlen erreicht iſt, ſcheint das Verhältnis bei 
weiterem Zuwachs des Holzes ſich noch mehr zu verſtärken. Befördernd in 
dieſem Sinne wirkt offenbar die Ungleichheit, mit welcher die Überwallung an 
den einzelnen Punkten zu wachſen pflegt, ſowie die fortſchreitende Neigung, 
Adventivknoſpen zu bilden, welche namentlich bei großer älterer Uberwallung 
ſo häufig ſich zeigt. 
Es iſt hiernach auch ſelbſtverſtändlich, daß gemafertes, Holz noch bei 
vielen andern Gelegenheiten zu erwarten iſt, die gar nicht zu den Überwallungen, 
alſo zu den Wundenheilungen gehören, und alſo auch hier nicht zu erörtern 
ſind, nämlich überall da, wo die tangentiale Oberfläche der wachſenden 


) Lehrbuch d. Anatomie u. Phyſtol. ꝛc. II. pag. 67. 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 85 


Holzſchicht keine ebene, ſondern eine ſtark gekrümmte Fläche bilden muß, alſo 
vornehmlich bei den verſchiedenartigen, teils durch paraſitäre, teils durch nicht 
paraſitäre Einflüſſe hervorgerufenen lokalen Anſchwellungen und Auswüchſen, 
bei denen der Holzkörper beteiligt iſt und welche eben wegen der hierbei ein— 
tretenden charakteriſtiſchen Holzſtruktur als Maſerknollen oder Maſerkröpfe be— 
zeichnet werden. Von dieſen Mißbildungen wird erſt an verſchiedenen ſpäteren 
Stellen die Rede ſein können. 

5. Verwachſungen von Stämmen, Zweigen und Wurzeln Verwachſungen 
miteinander. Als eine Heilung von Wunden iſt auch die organiſche e 
Verwachſung zwiſchen zwei Stämmen, Zweigen oder Wurzeln einer und Wurzeln 
oder verſchiedener Pflanzen zu betrachten, weil ihr ſtets eine Ver- mit einander 
wundung vorausgeht. Ebenſo wie lebloſe fremde Körper in den 
Bereich des Dickenwachstums eines Stammes kommen, und dann von 
dieſem umwallt werden können, gehen auch Baumſtämme oder Zweige 
oder Wurzeln, die durch ihre Nähe zuſammengeraten, mehr oder weniger 
feſte Verwachſung mit einander ein. Dieſe findet bald der Länge 
nach ſtatt, wenn die betreffenden Teile parallel ſtehen, bald in ſchiefer 
Richtung, ja ſelbſt rechtwinkelig, wenn die beiden Teile ſich kreuzen. 
So lange die Organe von ihrer Rinde bedeckt ſind, kann keine Ver— 
wachſung ſtattfinden. Daher drücken ſie ſich unter ſolchen Umſtänden 
wohl in einander ein und verurſachen die Täuſchung, als ſeien ſie 
verwachſen, während ſie in Wahrheit nur ſchwach an einander haften 
und mit leichter Mühe zu trennen ſind. Wenn aber die Teile ſich 
berühren und einen Druck auf einander ausüben, ſo wird durch die 
gegenſeitige Reibung die Rinde immer mehr vermindert, bis endlich 
die beiderſeitigen Cambiumſchichten zur Vereinigung kommen, und erſt 
dann kann Verwachſung eintreten. An den Rändern der Kontaft- 
ſtelle tritt gewöhnlich die Rinde ſtärker hervor, ſie bildet zwei durch 
eine mehr oder weniger tiefe Furche getrennte erhabene Leiſten, gleichſam 
wie durch den Druck gequetſcht und herausgedrückt, was aber wohl 
weniger eine mechaniſche Quetſchung, als eine ſtärkere Ernährung in 
Folge der Stauung des Nahrungsſaftes ſein möchte. Da die Be— 
rührung in der Regel nicht an allen Stellen gleichmäßig erfolgt, ſo 
bleiben an der Kontaktfläche auch noch Rindenteile vertrocknet ſtehen. 
Ebenſo kann die Cambiumſchicht an ſolchen Stellen, wo die beider— 
ſeitigen Holzkörper einander gerade gegenüber ſtehen, wegen Raum— 
mangel ſich nicht weiter entwickeln und ſtirbt daſelbſt ab. Daher iſt 
auf Querſchnitten die Grenze zwiſchen den beiden Holzkörpern gewöhnlich 
auch ſpäter an einigen Reſten alten Gewebes noch zu erkennen. Eine 
fortbildungsfähige Verwachſung findet aber da ſtatt, wo an den 
Rändern der Kontaktfläche die beiderſeitigen Cambiumſchichten auf 
einander treffen. Hier vereinigen ſie ſich zu einer Schicht, welche nun 


x us 
0 4 
* 
* 1 
- 5 


86 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


die beiden Holzkörper zuſammen umgiebt. Von nun an legt ſich 
jährlich ein gemeinſamer Holzring um beide. Zunächſt iſt derſelbe nicht 
kreisförmig, denn wegen des Winkels, den beide Stämme an der Seite 
ihrer Kontaktfläche bilden, beſchreibt er daſelbſt eine Einbuchtung, die 
aber von Jahr zu Jahr ſich mehr ausgleicht. Nach langer Zeit iſt 
aus beiden ein Stamm mit kreisförmigen einfachen äußeren Jahres— 
ringen geworden; auf dem Durchſchnitte zeigt er ſeinen Urſprung aus 
zweien an den beiden eingeſchachtelten Holzkörpern mit je beſonderen 
Markceentren und Jahresringen. Es iſt hiernach leicht erklärlich, warum 
Stämme mit ſtarker Borkebildung weniger leicht verwachſen als glatt— 
rindige. Sehr bemerkenswert aber iſt der Einfluß der natürlichen Ver— 
wandtſchaft. Nach Göppert's)) beſtimmter Behauptung, gegenüber 
den mancherlei gegenteiligen Angaben?, die er als Täuſchungen be— 
zeichnet, findet zwiſchen Stämmen verſchiedener Pflanzenfamilien keine 
Verwachſung ſtatt und ebenſo wenig zwiſchen Stämmen zweier ver— 
ſchiedener Arten, mit alleiniger Ausnahme der Fichte und Tanne. 
Gelegenheit zu Verwachſungen von Stämmen und Aſten iſt beſonders 
in dichten Hecken und Lauben gegeben; ferner verwachſen junge 
Baumſtämme, welche dicht beiſammen ſtehen, im Laufe der Zeit nicht 
ſelten miteinander. Zwiſchen Baumwurzeln im Boden finden die 
häufigſten Verwachſungen und zwar in allen möglichen Richtungen 
ſtatt; auch bei ihnen geſchieht die Verwachſung durch die miteinander 
in Berührung kommenden beiderſeitigen Cambiumſchichten. Eine 
andre Art von Wurzelverwachſung hat Franke) bei Epheu und 
Hoya carnosa beſchrieben: nebeneinander befindliche Wurzeln ver— 
ſchmelzen mit ihren papillenartig auswachſenden Epidermiszellen; ſpäter 
entwickelt ſich die Rinde und das Cambium an der Berührungsſtelle 
nicht weiter, aber am Rande verſchmelzen die Cambiumſchichten zu 
einer gemeinſamen, beide Wurzeln umfaſſenden Schicht. — Von der 
Verwachſung, welche an den Durchſchnitten durch einen und denſelben 
Pflanzenteil eintritt, iſt oben S. 66 die Rede geweſen. 

Eine reiche Zuſammenſtellung von Angaben über Verwachſungen lebender 
Pflanzenteile findet man bei Moquin-Tandon). Es ſei davon hier nur 
folgendes hervorgehoben. Auch krautartige Teile ſind unter ſich verwachſen 
gefunden worden, ſo z. B. zwei Möhrenwurzeln, oder die Wurzel einer Möhre 
und einer Runkelrübe; eine Wurzel von Silybum marianum, von einem dünnen 


Grashalme durchſetzt, beſtand aus einer Haupt- und einer Nebenwurzel, welche, 
nachdem ſie den Halm zwiſchen ſich gefaßt hatten, mit einander verwachſen waren; 


) Über innere Vorgänge bei dem Veredeln. Kaſſel 1874, pag. 15. 
2) Vergl. auch Moquin-Tandon, Pflanzen-Teratologie, pag. 277. 
3) Cohn's Beiträge zur Biologie d. Pfl. III, Heft 3. 

) 1. c. pag. 268 — 279. 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 87 


zwei Ranunkelſtengel mit einander verwachſen und zwiſchen ihnen ein Schaft 
der Maastiebe hervorſproßend. In dieſen und einigen andern dort angeführten, 
ihrer Glaubwürdigkeit nach zweifelhafteren Fällen iſt nichts darüber mitgeteilt, 
welcher Art die Verwachſung war und ob dabei eine wirklich organiſche Ver— 
einigung der beiderſeitigen Organe ſtattgefunden hatte oder ob die Erſcheinung 
mehr derjenigen an die Seite zu ſtellen iſt, die bei fleiſchigen Hymenomyceten 
allgemein bekannt iſt, welche fremde Körper, wie Kiefernadeln, Grashalme, 
Zweigſtücke ꝛc. umwachſen und einhüllen. Ebenſo möchte, wenn Samen in 
Baumhöhlen keimen und dann Stengel einer fremden Pflanze aus dem Baume 
hervorwachſen und ſich immer mehr mit ihm verbinden, gewöhnlich wohl an 
keine organiſche Vereinigung zu denken ſein. Die bemerkenswerteſten Fälle 
des Verwachſens holziger Pflanzenteile ſind folgende. Mehrfache Bäume ent— 
ſtehen entweder aus einer Verwachſung mehrerer beſonderer nahe beiſammen 
ſtehender Stämme. So eine Eiche in den Ardennen („lArbre des quatre 
fils d'Aymon“), deren 7 m 33 em im Umfang meſſender Stamm aus 
4 dicken Stämmen zuſammengeſetzt iſt, die durch Annäherung etwa 3 Meter 
lang zuſammengewachſen ſind. Sorauer) beſchreibt zwei mit den Stämmen 
in mittlerer Höhe verwachſene Kiefern, deren eine dann bis zu ihren Wurzeln 
abgeſtorben, von dem andern Stamme ernährt wird. Oder aus der Ver— 
wachſung eines alten Stammes mit mehreren Schößlingen, wie man einen 
Kaſtanienbaum auf dem Atna („Castagno di cento cavalli“) erklärt, deſſen 
Stammumfang 58 Meter beträgt. Zwei Stämme können auch mittelſt eines 
quergehenden Aſtes des einen Stammes mit einander verwachſen. Bei den 
um Baumſtämme geſchlungenen Lianen können die Verzweigungen unter ſich, 
wo ſie ſich begegnen, ſo vielfach verwachſen, daß ſie ein netzförmig durch— 
brochenes Gehäuſe um den Stamm bilden. Auch Baumwurzeln hat man 
unter einander zu einem großen Netz verwachſen gefunden. 

Ein hieran ſich ſchließender Heilungsprozeß iſt die Verwachſung Verwachſungen 
zwiſchen dem Auge oder dem Pfropfreis und dem Wildling beim Veredeln. 
beim Veredeln. Auch dieſe Verwachſungen beruhen allgemein darauf, 
daß die Cambiumſchichten der beiden Teile mit einander in Berührung 
gebracht werden und ſich danach in organiſche Kontinuität ſetzen, was 
zur notwendigen Folge hat, daß auch die dann ſich bildenden Holz- 
und Rindenſchichten beider Teile im Zuſammenhange ſtehen, ſomit der 
Impfling wie ein Zweig des Wildlings ſich verhält. Alle Veredelungs— 
arten, die wir mit Erfolg anwenden, das Okulieren, das Pfropfen in 
die Rinde, das Pfropfen in den Spalt und die Kopulation, kommen 
darin überein, daß Cambium mit Cambium, Splint mit Splint und 
Rinde mit Rinde zuſammentreffen. Die hierbei ſtattfindenden Vorgänge 
find von Göppert?) und noch eingehender von Sorauerz) unterſucht 
worden. Beim Okulieren und Pfropfen in die Rinde hebt man 
die Rinde des Wildlings ab; auf dem entblößten Holzkörper desſelben 


1) Pflanzenkrankheiten, 2. Aufl. I, pag. 698. 

2) J. c. pag. 2. ff., ſowie bereits in der Schrift Über das Überwallen 
der Tannenſtöcke. Bonn 1841, pag. 21. 

3) Bot. Zeitg. 1875, pag. 202. 


88 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


wird derſelbe Vorgang eingeleitet, wie bei der Neuberindung von 
Schälwunden, vorausgeſetzt, daß bei der Operation nicht die Cambium— 
ſchicht zerſtört worden iſt. Es entwickelt ſich aus dieſer ein paren— 
chymatiſches Gewebe. Dasſelbe geſchieht auch in den Winkeln der 
abgehobenen Rindenlappen und auf der Innenſeite dieſer. Dieſes Ge— 
webe verholzt und beſteht dann aus dickwandigen, getüpfelten, unregel— 
mäßig polyedriſchen Zellen, etwa von der Größe der Markſtrahlenzellen 
und iſt gleich dieſen mit Stärkemehl verſehen. Dieſes intermediäre 
Gewebe Göppert's, oder Kittgewebe Sorauer's füllt die 
Zwiſchenräume zwiſchen den abgehobenen Rindenlappen und zwiſchen 
dem Holze des Wildlings und des Edelreiſes aus und ſtellt die dauernde 
Verbindungsſchicht zwiſchen beiden dar. Das Cambium des Edelreiſes 
bildet an den Rändern der Schnittfläche normale Überwallungen, und 
Rinde, Cambium und Holz der Überwallung ſetzen ſich nun mit den 
gleichnamigen Geweben des Rindenlappens in Verbindung. Denn 
der letztere enthält eine thätig gebliebene cambiale Schicht, welche die 
Fortſetzung des Cambiumringes von dem unverletzten Teile des Wildlings 
iſt; dieſelbe erzeugt nach der Bildung des intermediären Gewebes 
wieder normal gebautes Holz. Auf dieſe Weiſe wird wieder ein ge— 
ſchloſſener Cambiumring um den ganzen Stamm ſamt Edelreis her— 
geſtellt. Über der Veredelungsſtelle ſchneidet man den Wildling ab. 
Dieſe Schnittfläche verheilt durch Überwallung, die ſowohl vom Wildling 
wie vom erſtarkenden Edelreis ausgeht. Bei der Kopulation erfolgt 
die Heilung der ſich genau deckenden beiderſeitigen Wundflächen durch 
Überwallungen, die mit einander verſchmelzen. Das Gleiche gilt vom 
Pfropfen in den Spalt. In dieſen beiden Fällen drängt ſich die 
Überwallung, anfänglich in Form von intermediärem Gewebe, in den 
Spalt der Wundflächen ein, ohne jedoch mit dieſen zu verwachſen; 
dasſelbe vertrocknet ſpäter und iſt noch in den älteſten Stämmen in 
Geſtalt einer ſchwarzen Linie wahrzunehmen. An der Vereinigungs⸗ 
ſtelle von Edelreis und Wildling erleiden die Cambiumſchichten bei 
allen Veredelungsarten eine leichte Biegung, die ſich den nächſtfolgenden 
Holzlagen mitteilt und ſich durch den ganzen Stamm fortſetzt. In 
älteren Stämmen erſcheinen auch Pfropfreis und Wildling durch eine 
verſchiedene Färbung geſchieden. Dieſer inneren Demarkationslinie 
entſpricht auch eine äußere, welche genau in der Richtung jener auf 
der Außenſeite der vereinigten Stämme ſich befindet und durch ab— 
weichende Rindenbildung, ſowie auch wohl durch verſchiedene Stärke 
der beiden Stämme ſich kenntlich macht; denn die letzteren behalten 
mit ihren übrigen Eigentümlichkeiten auch die ihnen eigene verſchiedene 
Wachstumsintenſität bei. Zum Gelingen der Veredelung iſt nach 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 89 


Vorſtehendem erforderlich, daß das cambiale Gewebe der beiden Teile 
nicht zerſtört wird; es muß alſo jede Berührung der zum Verwachſen 
beſtimmten Schnittflächen vermieden werden. Auch iſt es begreiflicher— 
weiſe vorteilhaft, möglichſt kleine Schnitte zu machen und wenig 
umfangreiche Zweige oder Stämme zu wählen. 


6. Regeneration eines Vegetationspunktes aus Callus. 
Das höchſte, was ein nach Verwundung entſtandenes Callusgewebe 
zu erzeugen vermag, iſt ein neuer Vegetationspunkt, durch welchen 
eine Wurzel oder ein Stengel, wenn ſie den ihrigen durch eine 
Verwundung verloren haben, weiter zu wachſen fähig werden. Solcher 
Fälle ſind aber nur wenige bekannt. 


An den Wurzeln der Angioſpermen (beobachtet am Mais und an Legu— 
minoſen; die Koniferen ſcheinen deſſen nicht fähig zu ſein) tritt nach Prantly, 
wenn die Wurzelſpitze abgeſchnitten worden iſt, eine vollſtändige Regeneration 
des Vegetationspunktes ein, durch den die Wurzel wieder weiter zu wachſen 
fähig wird. Iſt der Schnitt ſehr nahe hinter der Spitze gemacht worden, 
dort, wo die bogige Anordnung der Zellen des Vegationspunktes in die gerade 
übergeht, ſo bildet ſich zunächſt aus allen Zellen der Schnittfläche in der ge— 
wöhnlichen Weiſe ein Callus. Dieſer hat die Form einer Kugelſchale, weil 
das Wachstum der Zellen von der Epidermis nach dem centralen Fibrovaſal— 
körper hin zunimmt. Die Abſtammung des Callus aus allen Geweben zeigt 
ſich hier deshalb beſonders deutlich, weil die Zellen der Wurzel in Längs— 
reihen geordnet ſind und die Zellreihen des Callus die unmittelbare Fort— 
ſetzung derſelben bilden. In einem zweiten Stadium differenziert ſich in 
dieſem Callus eine neue Epidermis, indem von außen beginnend in jeder 
Zellreihe eine Zelle in der für die Epidermiszellen charakteriſtiſchen Weiſe ſich 
ausbildet und von nun an durch radiale Wände ſich teilt. Die neue Epidermis 
ſtammt ſonach aus allen einzelnen Geweben des alten Wurzelkörpers. Der 
außerhalb der neuen Epidermis liegende Teil des Callus fungiert als Wurzel— 
haube. Die Regeneration des Vegetationspunktes errei dt nun ihre Vollſtändig— 
keit dadurch, daß die unter der neuen Epidermis liegenden Zellen durch 
Teilungen ſich vermehren, ſo daß nun Rinde und Fibrovaſalkörper aus ihren 
gleichnamigen Geweben ebenfalls regeneriert werden. Während dieſes Heilungs— 
prozeſſes geht das Längenwachstum der Wurzel ungeſtört fort, ſoweit es auf der 
Streckung und Teilung derjenigen Zellen beruht, die der wachſenden Region 
des Wurzelkörpers angehören, welche hierbei unverſehrt geblieben iſt. Wenn 
aber die Wurzelſpitze etwas weiter hinter dem Scheitel quer abgeſchnitten wird, 
ſo findet dieſe Längsſtreckung nicht ſtatt, indem die Zellen der Rinde hinter 
dem Schnitt in Dauergewebe übergehen. Damit hängt es auch zuſammen, 
daß in dieſem Falle die Regeneration des Vegetationspunktes in einer andern 
Weiſe erfolgt. Es wächſt nämlich nur aus dem Procambium des Fibrovaſal— 
körpers ein fortbildungsfähiger Callus hervor, in welchem ſich dann in der— 
ſelben Weiſe ein neuer Vegetationspunkt conſtituiert; das übrige Gewebe der 
Schnittfläche bildet nur unbedeutend Callus. Durch dieſelben Prozeſſe findet 


) Unterſuchungen über die Regeneration des Vegetationspunktes an 
Angioſpermenwurzeln, in Sachs' Arbeiten des bot. Inſt. Würzburg. Heft IV. 


Regeneration 
eines Vege⸗ 
tationspunktes 
aus Callus. 


90 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


auch bei längsgeſpaltenen Wurzeln Heilung ſtatt, indem beide Längshälften 
zu je einer neuen vollſtändigen Wurzelſpitze werden. Wenn endlich der Quer— 
ſchnitt noch weiter hinter dem Scheitel geführt iſt, ſo entſteht aus der Rinde 
nur ein Callus, der die Wunde überzieht und in Dauergewebe übergeht, und 
es tritt überhaupt keine Regeneration ein. 

Eine ähnliche Regeneration an verwundeten Vegetationspunkten von 
Stengeln iſt von Sachs!) beobachtet worden an einem jungen Köpfchen von 
Helianthus annuus, deſſen breite Achſe am Scheitel verletzt worden war. In— 
folge deſſen hatte ſie dort aufgehört weiter zu wachſen, aber in einer Zone 
unterhalb dieſer Stelle hatte ſich gleichſam ein ringförmiger Vegetationspunkt 
conſtituiert, indem hier weiter neue Deckblätter und Blüten angelegt wurden, 
ſo daß ſie alſo an dem darüber liegenden Scheitel in der Richtung von oben 
nach unten entſtanden, wobei zugleich die gegenſeitige Stellung von Deckblatt 
und Blüte die entgegengeſetzte von der des normalen Teiles des Blütenſtandes 
war (die Deckblätter ſtanden oberhalb ihrer zugehörigen Blüten). 


C. Neproduktionen neuer Glieder, 
nach Verluſt von Wurzeln, Stengeln oder Blättern. 

Begriff der Die Pflanzen beſitzen im allgemeinen eine große Fähigkeit, ganze 

Reproduttionen Flieder, wie Wurzeln, Stengel, Blätter, durch neue zu erſetzen, wenn 
ihnen ſolche verloren gegangen ſind. Alle dieſe Neubildungen bezeichnen 
die Praktiker mit dem Namen Reproduktionen, und es kann auch 
wiſſenſchaftlich die Bezeichnung beibehalten werden. Nur darf man 
ſich darunter keine eigentlichen Regenerationen vorſtellen, wie etwa bei 
gewiſſen Amphibien, deren Gliedmaßen nach Verſtümmelung ſich wieder 
vervollſtändigen; etwas damit Vergleichbares wären höchſtens die vorher 
beſprochenen Regenerationen von Vegetationspunkten an Stelle verloren 
gegangener bei Wurzeln und Stengeln. Wenn aber nach ſtärkerem 
Verluſte von Wurzeln, Zweigen oder Blättern eine Bildung neuer 
Wurzeln oder Sproſſen eintritt, ſo handelt es ſich immer um vollſtändig 
neue Glieder, die entweder aus ſchon vorher vorhandenen Anlagen 
ſich entwickeln, oder deren Anlagen infolge der Verwundung in der 
Nähe der Wundſtelle gebildet werden. 


I. Erſatz der Wurzeln. 

Adventivwurzeln. Die meiſten Pflanzen erzeugen im Falle des Bedarfes, d. h. 
beſonders bei hochgradigem oder gänzlichem Verluſte ihrer Wurzeln, 
meiſt leicht neue. Man bezeichnet dieſelben als Adventivwurzeln, 
weil ſie an Pflanzenteilen und an Stellen erſcheinen, wo ſonſt keine 
gebildet worden ſein würden, alſo wie neu hinzugekommene Bildungen. 
Auch dieſe entſtehen, wie der Regel nach die Wurzeln überhaupt, 
endogen, d. h. aus einem im Innern liegenden Meriſtem und durch— 


) Lehrb. d. Botanik. 4. Aufl. pag. 174. Fig. 126. 


2 Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 91 


q brechen alſo die oberflächlichen Gewebe. Aus welchen Gewebeſchichten 
N ſich überhaupt Wurzelmeriſteme bilden können, iſt eine mehr in die 
Morphologie gehörige Frage)). 

Hierhin gehört zuerſt die Bewurzelung der Stecklinge. An Bewurzelung 

allen Pflanzenteilen, die man als Stecklinge benutzt, ſind die erſten der Stecklinge. 
Organe, welche ſich an ihnen bilden, Adventivwurzeln. Dieſelben 
erſcheinen einige Zeit, nachdem der Steckling in die Erde oder in 
Waſſer geſetzt worden iſt, an dem in dem feuchten Medium ſich 
befindenden Ende, und zwar in mehr oder minder großer Anzahl, 
oberhalb der Schnittfläche, wo ſie aus der Rinde hervorbrechen; denn 
| ſie entſtehen nicht in dem Gallus, mit welchem ſich die Schnittfläche 
f bedeckt (S. 68), ſondern aus dem Cambium oberhalb jener Stelle. 
Dabei iſt es jedoch, wie wir durch die Verſuche Vöchting's? wiſſen, 
eine ganz ſtrenge Regel, daß nur das organiſch untere Ende eines 
jeden als Steckling benutzten Sproßſtückes der Wurzelbildung fähig 
iſt. Denn auch wenn man abgeſchnittene Stengel mit beiden Enden 
in feuchten Erdboden oder in Waſſer ſetzt, ſo bringt regelmäßig nur 
das organiſch untere Ende Adventivwurzeln zur Entwicklung. Es iſt 
daher für das Gelingen der Vermehrung durch Stecklinge eine wichtige 
Bedingung, daß die letzteren aufrecht, d. h. mit dem organiſch unteren 
Ende in den Boden geſteckt werden. 

Wenn an bereits im Boden eingewurzelten Pflanzen das Wurzel- Wurzelerſatz 
ſyſtem einen Verluſt erleidet, jo tritt ſowohl bei Holzpflanzen wie bei alter Pflanzen. 
krautartigen Gewächſen meiſt leicht eine Reproduktion von Wurzeln 
ein, welche dann etwas oberhalb der Stelle, wo die Hauptwurzel oder 
eine Seitenwurzel verloren gegangen iſt, hervorkommen. Es iſt das 
überall zu beobachten, mag die Wurzel durch Menſchenhand verloren 
oder durch Tiere abgebiſſen oder zerfreſſen oder durch einen Krankheits— 
prozeß zerſtört worden ſein. Selbſt die unteren Teile der Stengel, die 
ſich in der Nähe des Bodens befinden, und beſonders die normal 
unterirdiſch wachſenden Stengelorgane der perennierenden Pflanzen, bei | 
Gramineen die Knoten der am oder im Boden befindlichen unteren 
Halmglieder reproduziren leicht Adventivwurzeln, wenn das Wurzel— 
ſyſtem der Pflanze beſchädigt worden iſt. 


II. Erſatz der Knoſpen und Zweige. 
I. Verhalten der krautartigen Pflanzen. Wenn einjährigeCrias der Zweige | 
Pflanzen ihre Stengel verloren haben, jedoch die unteren Teile der bei Kräutern. 
letzteren noch erhalten geblieben ſind, ſo ſchlagen dort die Pflanzen 


) Vergl. mein Lehrbuch der Botanik II. Leipzig 1893, pag. 50. 
) Über Organbildung im Pflanzenreiche. Bonn I. 1878 u. II. 1884. 


a in ! 3 
* 4 
1 J \ 
Ar 7er 
9 
4 
1 


92 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


oft wieder aus, indem die Anlagen ruhender Knoſpen, die ſich in der 
Achſel der unterſten Blätter befinden und ſonſt unentwickelt bleiben, in 
dieſem Falle zu Seitenſproſſen ſich entwickeln. Wenn daher die Stengel 
der Pflanzen durch Abweiden, Abtreten, Abfahren, Abſchneiden u. 
dergl. mehr oder minder verloren gegangen ſind, treten die hier 
angedeuteten Reproduktionen ein. Die damit verbundenen Erſcheinungen 
ſind an einigen Pflanzen von Wollny) näher verfolgt worden. 
Er beobachtete, daß wenn Sonnenblumen in ſehr jugendlichem Stadium 
geköpft wurden, die Nebenachſen ſich ſehr kräftig ausbildeten, wo— 
durch die Pflanzen ein buſchiges Ausſehen, aber geringere Höhe 
bekamen. Die vier Wochen ſpäter entgipfelten Pflanzen zeigten eine 
weſentlich geringere Entwickelung der Nebenachſen, aber oft unter 
ſtärkerer Verdickung des Stengels und der Blattſtiele. Abermals vier 
Wochen ſpäter geköpfte Pflanzen machten nur noch ſchwächliche oder 
gar keine Nebenachſen und daher auch keine Blüten, aber oft knollen— 
förmige Verdickungen in den Blattachſeln, die aus Inflorescenzanlagen 
hervorgegangen waren. Jedenfalls trat bei jeder Entgipfelung die 
Blütenbildung ſpäter ein und die Fruchtbildung war kümmerlich. Noch 
nachteiliger für die Produktion war die Entgipfelung bei Erbſen und 
Bohnen. Beim Tabak wirkte das Entgipfeln und Geizen vorteilhaft, 
eben weil das Wachstum der Blätter dadurch weſentlich gefördert wird. 

Wiederholt ſich die nämliche Verwundung an den neugetriebenen 
Sproſſen, jo kann durch die immer erneute Entwickelung von Knſopen 
an den unteren Teilen eine Vervielfältigung der Sproſſen verſchiedenen 
Grades (Polycladie) zu ſtande kommen, welche mehr oder minder 
an die ſogleich zu beſprechenden Beſen und ähnliche Erſcheinungen 
bei den Holzpflanzen erinnert. 

Auch wenn perennierende Kräuter ihre oberirdiſchen Teile verlieren, 
findet gewöhnlich ein reichlicher Erſatz der Stengel ſtatt. Hier ſind 
es die Knoſpen des unterirdiſchen Stockes, welche die Reproduktion 
übernehmen und ſich dann oft in noch größerer Anzahl entwickeln. 
Daher wird nach dem Abſchneiden der oberirdiſchen Triebe in der 
Regel die ſogenannte Beſtockung dieſer Pflanzen noch größer. Der 
Klee, viele perennierende Gräſer und andre Pflanzen verhalten ſich 
ſo, wie man beim Abmähen oder Abweiden dieſer Pflanze beſtätigt 
findet. ö 


Erſatz der Zweige Verhalten der Holzflanzen. Bei dieſen Gewächſen müſſen wir 
bei Holzpflanzen. bezüglich der Reproduktionserſcheinungen den Verluſt der Knoſpen 


) Einfluß des Entgipfelns der Pflanzen ꝛc. Forſchungen auf d. Geb. 
d. Agrikulturphyſik VIII. Heft 2. 1885. pag. 107. 


F 


3 | | 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 93 


und der ein- und wenigjährigen Zweige von den Verwundungen des 
älteren Stamm- und Zweigſyſtems abſondern, weil die Reproduktion 
im erſteren Falle faſt immer nur aus normalen Seitenknoſpen 
(Achſelknoſpen) erfolgt, alſo 
aus ſolchen, welche bei jeder 
Pflanzenart eine durch den 
morphologiſchen Aufbau feſt— 
beſtimmte Stellung haben, 
während bei den Verwun— 
dungen älterer Teile vor— 
wiegend nur Adventivknoſpen, 
alſo endogen in Cambium 
ohne beſtimmte Zahl und 
Stellung ſich bildende Knoſpen, 
die Reproduktion übernehmen. 

1. Reproduktionen 
nach Verluſt von Knoſpen 
oder jüngeren Zweigen. 
Unter den hier gemeinten 
Verwundungen ſind beſonders 
diejenigen zu verſtehen, welche 
durch den künſtlichen Schnitt, 
durch das Verbeißen des 
Wildes und der Weidetiere, 
ſowie durch verſchiedene In— 
ſekten, welche Knoſpen und 
dünnere Zweige zerſtören, an 
den Holzpflanzen hervorge— 
bracht werden. Wenn an 
Bäumen oder Sträuchern 


Fig. 17. 


RNüſter, Bildung von Erſatztrieben aus 


ſolche Verletzungen eintreten, 
ſo ſind unter der Wundſtelle 
immer irgendwo normale 
Achſelknoſpen ſchon vorhanden 
oder es giebt daſelbſt Blätter, 
welche in ihren Achſeln 
nachträglich ſolche erzeugen 


untern Seitenknoſpen, nach wiederholtem 
Verbeißen durch Wild. aaa Hauptſproß. 
bb Zweig, beide in den obern Teilen ab» 
gebiſſen gleich den Erſatztrieben. Die Biß— 
ſtellen liegen zum Teil in größerer Höhe, 
daher in der Figur nicht dargeſtellt. Die 
Erſatztriebe ſind alle aus den unterſten 
Seitenknoſpen entwickelt worden, deren noch 
welche bei g vorhanden find. 


oder die ſonſt unentwickelt bleibenden Anlagen ſolcher zur voll— 
ſtändigen Ausbildung bringen können. Dieſe Knoſpen ſind es, 
welche dann zu treiben beginnen und zum Erſatz des verloren 
gegangenen Sproſſes neue Triebe (Erſatztriebe) machen. Schon 


Erſatztriebe 
an jüngeren 
Zweigen. 


94 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


der Umſtand, daß es häufig mehr als eine Knoſpe iſt, die unterhalb 


eines Zweigſtumpfes geweckt wird, hat eine Vermehrung der Zweige 
zur Folge. Selbſtverſtändlich kann in der Gartenkunſt durch die 


— 


Fig. 18. 
Eſche, Bildung von Erſatztrieben aus 
Beiknoſpen, nach Verbeißen durch Wild, 
a, ein normaler Achſelſproß, b, deſſen nor- 
mal unentwickelt bleibende Beiknoſpe. Bei 
aa die Achſelſproſſe gleich dem Hauptſproß 
abgebiſſen, dafür die Beiknoſpen derſelben 
bb zu Erſatztrieben entwickelt. Bei e eine 
Sekundärknoſpe. 


Willkür des Schnittes dem 
entgegengearbeitet werden, 
wenn der Zweig bis auf eine 
Knoſpe zurückgeſchnitten wird 
oder wenn man ihn gerade 


A über einer kräftigen Knoſpe 
gabſchneidet oder einknickt, 


wodurch die letztere allein zu 
üppiger Entwickelung ange— 
regt wird. Wenn nun aber 
an den Erſatztrieben die Ver— 
ſtümmelungen ſich wieder— 
holen, wie z. B. beim Hecken— 
ſchnitt und ganz beſonders 
beim Verbeißen des Wildes 
und des Viehes, welches ge— 
rade die Gewohnheit zu 
haben ſcheint, die einmal 
verbeizten Büſche immer wie— 
der aufzuſuchen, ſo hat das 
eine Vervielfältigung von 
Sproſſen verſchiedenen Grades 
oder eine Polycladie zur 
Folge, wie dieſe Erſcheinung im 
allgemeinen bezeichnet werden 
kann, deren höchſte Grade wohl 
auch Zweigwucherungen 
oder Beſen genannt werden. 
Die hierher gehörigen Poly— 
cladien ſind ſämtlich daran 
zu erkennen, daß immer die 
Bruchſtellen der verloren ge— 
gangenen Zweige oder die noch 


ſtehen gebliebenen Stumpfe derſelben zu ſehen ſind. Die aus mehrmaliger 
Wiederholung der Verſtümmelung hervorgegangenen zeigen eine unge— 
wöhnlich große Anzahl verſchiedenalteriger, von einem Punkte oder von 
nahe bei einander befindlichen Punkten entſpringende Zweige und Zweig⸗ 


ſtumpfe, die an ihrer Baſis immer wieder ausſchlagen. Wie nundieſe Zweig⸗ 


K 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 95 


wucherungen entſtehen, darüber geben die morphologiſchen Verhältniſſe 
der Sproſſe der verſchiedenen Holzpflanzen Aufſchluß. Zugleich verdient 
auch Berückſichtigung, daß die Erſatztriebe ſelbſt bisweilen gewiſſe 
morphologiſche Abnormitäten zeigen. Es ſollen im Folgenden die 
wichtigſten Formen dieſer Reproduktionen kurz charakteriſiert werden. 

a) Nur die normalen Achſelknoſpen der unterſten erſten Laubblätter 
an der Baſis des Sproſſes werden nach deſſen Verſtümmelung zu 
Erſatztrieben entwickelt. Dieſe Knoſpen ſind bei den meiſten Laub— 
hölzern von den übrigen durch auffallend geringere Größe und ſchwächere 
Entwickelungsfähigkeit unterſchieden, indem ſie unter gewöhnlichen 
Verhältniſſen im Knoſpenzuſtand verbleiben und nicht zum Austrieb 
kommen, ſogenannte ſchlafende Knoſpen. Darum findet man ſie 
unter normalen Verhältniſſen meiſtens auch noch auf der Baſis des zwei— 
und ſelbſt mehrjährigen Triebes, und erſt im ſpäteren Alter verſchwinden 
ſie. Als Beiſpiel für dieſe Reproduktion kann die Rüſter dienen. 
Nach Verbeißen durch das Wild werden hier dieſe ſchlafenden Knoſpen 
geweckt und zu neuen Trieben entwickelt, wie Fig. 17 zeigt. Übrigens 
gehören auch die meiſten anderen Laubhölzer zu dieſem Typus. Nach 
ſtarkem und wiederholtem Verbeißen können wohl hier überall auch 
einige der unter d genannten Secundärknoſpen zur Entwickelung 
kommen. 

b) Die Erſatztriebe werden außer aus Achſelknoſpen auch aus 
Beiknoſpen (acceſſoriſchen Knoſpen) oder aus dieſen allein 
gebildet. Solche Knoſpen kommen neben der eigentlichen größeren 
Achſelknoſpe in den Blattachſeln vor bekanntlich bei Lonicera, wo ſie 
über, bei Fraxinus excelsior ?c., wo ſie unter den Achſelknoſpen ſtehen. 
An der Stellung der Erſatztriebe, die ſich hier nach Verbeißen u. dergl. 
bilden, erkennt man deutlich die eben bezeichnete Herkunft derſelben 
(vergl. Fig. 18). 

c) Die Reproduktion geſchieht vermittelſt der von Henry Secun— 
därknoſpen, von Schimper Säumaugen genannten kleinen 
Knoſpen, welche bei manchen Holzpflanzen normal in der Achſel der 
unterſten Schuppen der Knoſpen ſich bilden und daher an der Baſis 
der letzteren entweder freiſtehend oder noch von der vorhandenen 
Knoſpenſchuppe bedeckt ſichtbar ſind. So befindet ſich bei den Weiden— 
arten, ſehr deutlich z. B. bei Salix purpurea, rechts und links von 
der Narbe des Tragblattes eine kleine Secundärknoſpe unmittelbar 
hinter den beiden verwachſenen Knoſpenſchuppen als Achſelprodukt 
derſelben. Im normalen Zuſtande bleiben ſie unterdrückt, werden 
aber geweckt, wenn der Zweig, an dem ſie ſtehen, oder auch wenn der 
Hauptſproß über dieſem Zweige verſtümmelt wird. Fig. 19 zeigt die 


96 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


Reproduktion aus dieſen Knoſpen an der auf Wieſen wachſenden 
Salix repens, welche von der Senſe bei der Heuernte verſtümmelt 
worden iſt. 

d) Knoſpen, die ihrem morphologiſchen Charakter nach ebenfalls 
Secundärknoſpen genannt werden können, die aber unter normalen 
Verhältniſſen gar nicht vorhanden ſind, werden erſt infolge der 
Verſtümmelung angelegt und dann zur Triebbildung benutzt. Für den 
Morphologen bedarf es nicht 
erſt des Hinweiſes, daß dieſer 
Fall vom vorigen ſich durch 
keine ſcharfe Grenze trennen 
läßt, da der Vegetationspunkt 


9 Zi einer Achſelknoſpe jedenfalls 
ſchon frühzeitig angelegt ſein 
A muß; und der Unterſchied des 


vorliegenden Falles würde nur 
darin beſtehen, daß hier dieſe 


Weide, Bild Fig. an ſatztrieb R Vegetationspunkte unter nor— 
eide ung von Erſatztrieben au vorhin ; 

Sekundärknoſpen. 4 Stück eines Zweiges malen Verhältniſſen auf ihrer 
von Salix purpurea. a Hauptſproß, b Zweig, erſten Anlage ſtehen bleiben 


= pre Sali „ 
en - 
schnitten und zwar ſowohl der Hauptſproß a, wirklichen Knoſpen erſt durch 
eee ee Solche Sen 

f ER 0 | olche Secundärknoſpen ent 

einer ſolchen Knoſpe getrieben hat. wickelt beſonders dieczichte nge 
dem Schnitt und nach Verbeißen. Bekanntlich haben die Fichtenſproſſe unter 
der Terminalknoſpe in den Achſeln der oberſten Nadeln Achſelknoſpen, 
welche ungefähr einen Quirl bilden an kräftigen Sproſſen, an ſchwächeren 
Trieben nur in der Ein- oder Zweizahl vorhanden ſind (Fig. 20, B) 
oder ganz fehlen. Wenn die Knoſpen oder die aus ihnen hervor— 
gegangenen Triebe verſtümmelt ſind, ſo erſcheinen Erſatzknoſpen aus 
den Achſeln der Knoſpenſchuppen, welche die Baſis ſowohl des 
Endtriebes wie der Quirltriebe umſäumen. Der aus der Geſammtheit 
der Knospenſchuppen beſtehende manſchettenförmige Schuppenanſatz, 
über welchem im normalen Zuſtande nur der Sproß ſelbſt ſich erhebt, 
umfaßt nach Verluſt des letzteren mehrere Knoſpen, die alle entwickelungs— 
fähig ſind. So kommt das abnorme Verhältnis zu ſtande, daß der 
Hauptſproß einen Quirl von Seitenknoſpen über dem Schuppenanſatze 
trägt, während der normale Knoſpenquirl ſtets unter demſelben ſteht. 
Wenn im nächſten Jahre die aus den Erſatzknoſpen entwickelten Triebe 
wieder verſtümmelt werden, ſo wird aus der Schuppenmanſchette, mit 


ae 2 


Bw 723 . DE 


$ « 
— 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 97 


der jene am Grunde beginnen, wieder eine Anzahl Knoſpen in der— 
ſelben Weiſe gebildet. So kann ſchließlich der primäre Schuppenanſatz 
ein ganzes Bouquet von Knoſpen und Zweigſtummeln umfaſſen. 


Den Anfang zu einer ſolchen 
Bildung ſtellt Fig. 20 A dar. 
Bei der Entwickelung dieſer 
ſecundären Knoſpen iſt auch 
Gelegenheit zur Bildung eigen— 
tümlicher Übergänge zwiſchen 
Knoſpenſchuppen und Nadeln 
gegeben. Denn die Knoſpen 
treiben zuweilen gleich an— 
fangs ein wenig, indem ſie 
einige ganz kurze, breite, 
einen oder wenige Millimeter 
lange grüne Nadeln auf die 
Knoſpenſchuppen folgen laſſen, 
um jedoch bald wieder mit 
Knoſpenſchuppenabzuſchließen. 

e) In beſonderer Weiſe 
verhält ſich, ihres eigentüm— 
lichen morphologiſchen Auf— 
baues wegen, die Kiefer. Hier 


Fig. 20. 
Fichte, Bildung von Erſatztrieben aus 
Sekundärknoſpen nach Verbeißen durch 
Wild (A). Der Haupttrieb abgebiſſen, 
dafür über dem Schuppenanſatze à drei 
Sekundärknoſpen bb gebildet und zu Erſatz⸗ 
trieben entwickelt; letztere wieder abgebiſſen, 
dafür aus ihrem Schuppenanſatz b wieder 
Sekundärknoſpen ggg gebildet. B normaler 
Fichtenſproß, welcher unter dem Schuppen⸗ 
anſatz der Endknoſpe a die normalen Seiten⸗ 
knoſpen bb trägt. 


kann jedes der Nadelzweiglein, 

welche von häutigen Scheiden umhüllt je ein Nadelpaar tragen, eine 
Knoſpe zwiſchen den beiden Nadeln bilden aus dem dort befindlichen 
Vegetationspunkte des Zweigleins, welcher unter normalen Verhältniſſen 
ruhend bleibt. Dieſe Knoſpen nennt man Scheidenknoſpen (Fig. 21). 
Iſt ein Kiefernſproß verſtümmelt, ſo können aus einem oder mehreren 
unter der Wunde ſtehenden Nadelzweiglein Scheidenknoſpen hervor— 
kommen, welche zu neuen Trieben auszuwachſen vermögen. Wenn 
z. B. durch Inſekten die Nadeln zum Teil abgefreſſen find, wird 
die Bildung der Scheidenknoſpen, jo lange die Zweiglein ſelbſt 
unverletzt ſind, nicht verhindert, im Gegenteil dadurch noch mehr 
befördert. Auch die Seitenknoſpen, die ſich normal an den Seiten 
der Kiefernſproſſen ſtellenweis finden und gleich denen, die den Quirl 
unter der Endknoſpe bilden, an der Stelle von Nadelzweiglein 
auftreten, aber gewöhnlich viel ſchwächer als jene des Quirls ſich 
entwickeln, werden in dieſem Falle mit geweckt. Beiderlei Knoſpen 
entwickeln ſich dann in typiſcher Form mit Nadelpaaren, und Zweige, 
an denen ſie ſich reichlich gebildet haben, ſind dann oft dicht buſchig 

Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 7 


Einfluß der 
Jahreszeit. 


Abnorme Blatt- 
formen ıc. an 
Erſatztrieben. 


98 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


mit ihnen umkleidet. Indeſſen erreichen die Scheidentriebe, auch wenn 
ſie unverletzt bleiben, kein hohes Alter; ſie bleiben immer ſchwächlich 
und ſterben nach einigen Jahren wieder ab, haben alſo nur eine 
proviſoriſche Bedeutung; es ſucht eine nor— 
male Seitenkno ſpe den Höhentrieb zu über— 
nehmen, denn es kann wahrſcheinlich nur 
durch die normalen Gipfel- und quirlſtändigen 
Seitenknoſpen der Höhenwuchs und eine feſte, 
dauernde Beäſtung bei der Kiefer hergeſtellt 
werden. 

Hinſichlich der Zeit, in welcher die hier 
beſchriebenen Erſatztriebe zur Entwickelung 
kommen, iſt Folgendes zu bemerken. Findet 
die Verletzung im Herbſt, Winter oder zeitigen 
Frühjahr ſtatt, alſo zu einer Zeit, wo der 
Zweig mit ſeinen Knoſpen vollſtändige Aus— 
bildung erreicht hat, ſo fällt die Entfaltung 
der Erſatzknoſpen in die regelmäßige früh— 
jährliche Zeit des Knoſpenausſchlags. Wenn 


Fig. 21. aber der diesjährige Trieb ſchon im Sommer 
Kiefer, Bildung von vecſtümmelt wird, jo können ſeine an der 
Scheidenknoſpen infolge Baſis ſchon vorhandenen oder noch anzu— 


der Verſtümmelung des 
Haupttriebes a. Zwiſchen 
den beiden meiſt ab— 
geſchnittenen Nadeln jedes 
Nadelzweigleins eine 
Knoſpe; zum Teil ſind die 
Scheidenknoſpen auch ſchon 
u einem mit mehreren 
Nadeln beſetzten Erſatz— 
triebe ausgewachſen. 
Nach Ratzeburg. 


legenden Erſatzknoſpen auch ſchon in dem— 
ſelben Sommer, als ſogenannter Johannis— 
trieb oder proleptiſch, wie dies in der Botanik 
genannt wird, zum Austreiben kommen. 

Für alle hierher gehörigen Polycladien, 
und daher beſonders für die durch ſie be— 
dingten abnormen Baum- und Strauch— 
formen, von denen unten näher die Rede 


iſt, iſt es charakteriſtiſch, daß die Blätter 
an den Erſatztrieben meiſtens mehr oder minder kleiner ſind als die 
normalen, ohne jedoch ſonſt in der typiſchen Geſtalt weſentliche 
Abweichungen zu zeigen. Dies iſt ſowohl bei den Laubhölzern als 
auch bei den Nadelbäumen der Fall. Unter den letzteren macht ſich 
an den Erſatztrieben meiſtens eine Kurznadligkeit bemerkbar, jo bei 
der Kiefer und namentlich bei der Fichte, wo die Nadeln in ihrer 
Kleinheit an diejenigen der Krüppelſträucher an der Baumgrenze der 
Gebirge erinnern und ſo dicht an den Zweigen ſtehen, daß dieſe wie 
Bürſten ausſehen (Bürſtentriebe). Aber dieſe Verkleinerung der Blätter 
und Nadeln ſteht immer mit der Kümmerlichkeit der Erſatztriebe im 


N 
F 
f 
1 
f 
3 
1 
1 
1 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 99 


Zuſammenhange, und dieſe hängt wieder mit der vermehrten Anzahl, 
in der dieſe Triebe gebildet werden, zuſammen; im ganzen darf man 
um ſo kümmerlichere Erſatztriebe erwarten, in je größerer Zahl ſie 
gebildet werden, indem die Nahrung, die ſie erhalten, ſich dann auf 
deſto mehr Blätter verteilt. Daher kann auch unter Umſtänden nach Ver— 
ſtümmelung das Gegenteil eintreten, wenn nämlich eine einzige, kräftige, 
entwickelungsfähige, normale Knoſpe oder ein Trieb ſtehen geblieben 
iſt, der dann die ganze Nahrung an ſich zieht, ſo erreicht derſelbe 
leicht eine geile Entwickelung. Die Blätter eines ſolchen Triebes 
werden oft ungewöhnlich groß, oder es treten noch andere teratologiſche 
Erſcheinungen ein, z. B. bei der Kiefer, wo dann manche Nadelzweiglein 
drei ſtatt zwei Nadeln tragen. Auch Scheidenknoſpen kommen dann 
leicht hinzu; ſie ſind bei Rieſennadeln und bei Dreinadeligkeit 
der Kiefer nichts ſeltenes. 
2. Reproduktionen nach Verluſt des Baumſtammes oder Reproduktionen 
älterer Aſte. Durch Menſchenhand oder durch elementare Ereigniſſe Sam ber 
können dem Baume ſtärkere Aſte oder auch der ganze Stamm über Aſten durch 
der Erde oder in gewiſſer Höhe verloren gehen. Da hierbei in der Adventivknoſpen 
Regel die Wurzeln nicht geſtört werden, ſo bleibt der verſtümmelte 
Baumkörper am Leben, und es regt ſich nach einiger Zeit die 
Reproduktion in der Bildung zahlreicher Adventivknoſpen, welche 
aus der Rinde nahe unterhalb der Wunde oder auch aus dem am 
Rande derſelben bereits eingeleiteten Überwallung (S. 74) hervor— 
brechen, ſo daß die Wundfläche oft ringsum mit einer Garnitur 
zahlreicher Adventivknoſpen eingefaßt iſt, von denen nun ſpäter immer 
eine Anzahl zu neuen Schößlingen auswächſt. Dieſe werden, wenn 
ſie aus den Stöcken abgehauener Baumſtämme entſtehen, Stockaus— 
ſchläge oder Wurzelausſchläge genannt. Durch dieſe Reproduktionen 
wird nun das Leben der Pflanze erhalten, denn ſie können zu neuen 
Stämmen, beziehentlich zu einem neuen Beaſtungsſyſtem ſich entwickeln. 
Es ſind jedoch nur die Laubhölzer dieſer Reproduktionen fähig. 
Wenn Koniferen derartige Verwundungen erleiden, ſo tritt keinerlei 
Reproduktion ein; die Pflanze geht alſo ein, ſobald die ganze Baum— 
krone verloren gegangen iſt; nur die Lärche macht hiervon eine 
Ausnahme, indem ſie ähnliche Reproduktionen macht wie die Laubhölzer. 
Die Stockausſchläge entwickeln ſich entweder in völlig normaler Form, 
oder ſie zeigen gewiſſe Abweichungen in der Beſchaffenheit der Blätter, 
wie z. B. eine ſonſt fehlende Behaarung, welche bei den Pappeln, 
beſonders bei der Zitterpappel an den Blättern dieſer Ausſchläge 
. Regel iſt, oder ſie bekommen infolge der überreichen Nahrungszufuhr 
bisweilen wirkliche Mißbildungen, indem ſie nicht ſelten Rieſenwuchs 
7 * 


100 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


oder Verbänderung zeigen, worüber unten das von dieſen Mißbildungen 
ſpeziell handelnde Kapitel zu vergleichen iſt. 


III. Erſatz der Blätter. 


Erſatz der Blatter. Auch wenn Blätter allein, ohne die Stengel, verloren gegangen 


Bei Kräutern. 


ſind, wie es bei ſo vielen Inſektenſchäden vorkommt, ſchafft die Pflanze 
meiſt leicht dafür wieder Erſatz, beſonders dann, wenn einem Stengel 
ſein ganzer Blattanhang abhanden gekommen iſt. Freilich kann ſich 
an der nämlichen Stelle, wo ein ſchon erwachſenes Blatt geſeſſen hat, 
kein neues bilden, ebenſowenig wie an einem Blatte ein verloren 
gegangener Teil wieder nachwachſen kann. Ein Erſatz in dieſem 
ſtrengſten Sinne findet nicht ſtatt; denn neue Blätter können bekannt— 
lich nur aus dem embryonalen Gewebe des Vegetationspunktes der 
Stengelknoſpen erzeugt werden. Das einzige, was man an dem 
Blatte ſelbſt eintreten ſah, nachdem man einen Teil desſelben weg— 
geſchnitten hatte, war, daß ein anderer ſtehen gebliebener Teil ſtärkeres 
Wachstum zeigte; nach Göbel!) und Kronfeld) hat bei Vicia 
Faba und Pisum sativum das Wegſchneiden der Laubbattſpreiten 
eine Zuwachsſteigerung der Nebenblätter zur Folge; bei vielen andern 
Pflanzen mit von Natur kleinen Nebenblättern trifft das nicht ein. 
Wenn alſo nach Verluſt der Blätter Reproduktionen eintreten, ſo 
handelt es ſich immer um die Bildung neuer blättertragender Sproſſe, 
zu welchen gewiſſe ſchon vor der Verwundung vorhandene Knoſpen 
auswachſen. 


I. Verhalten der krautartigen Pflanzen. Bei dieſen iſt die 
Art der Reproduktion verſchieden je nach der Beſchaffenheit des 
Stengels, dem die Blätter verloren gegangen ſind. Beſitzt derſelbe 
noch eine thätige Endknoſpe, ſo entwickelt ſich dieſe einfach weiter 
und bringt neue Blätter zum Vorſchein. So bekommt auch die 
Rübenpflanze nach dem Abblatten der älteren Blätter direkt aus dem 
Herz, d. h. aus der dort befindlichen Endknoſpe neue Blätter. Iſt 
aber keine ſolche Endknoſpe vorhanden, ſei es weil der Stengel mit 
einem Blüten- oder Fruchtſtande endigt, ſei es weil ſie mit zerſtört 
worden iſt, ſo übernehmen Achſelknoſpen, welche tiefer am Stengel 
in den Achſeln der Blätter ſtehen und welche ſonſt meiſt unentwickelt 
zu bleiben pflegen, die Reproduktion; es kommen dort alſo neue 
Blättertriebe zum Vorſchein, d. h. es geſchieht im allgemeinen das 
gleiche, was auch nach vollſtändigem Verluſte des ganzen Stengels 


) Botan. Zeitg. 1880, Nr. 45. 
2) Daſelbſt 1886, pag. 846. 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 10! 


zu geſchehen pflegt; denn häufig ſind es dann die unteren Teile des 
Stengels, welche dieſe Erſatztriebe machen. So ſchlägt auch die 
Rübenpflanze nach Zerſtörung ihres Herzens gewöhnlich durch kleine 
Seitenknoſpen aus, welche an der Seite des Rübenkörpers ſich zeigen. 
Übrigens kommt es auch ſehr auf den Alterszuſtand der krautartigen 
Pflanze an, ob ſie überhaupt nach dem Verluſte der Blätter ſich 
noch zu einer Reproduktion aufrafft. Je näher ſie nämlich dem 
natürlichen Abſchluſſe ihrer Entwickelung ſich befindet zur Zeit, wo 
der Blattverluſt eintritt, deſto weniger iſt ſie dazu geneigt; ſie unter— 
läßt dann wohl jegliche Reproduktion und bringt nur die Reifung 
ihres jeweiligen Produktes raſch zu Ende. 

II. Verhalten der Holzpflanzen. Wenn die blättertragendensei Holzpflanzen 
Triebe der Holzpflanzen zur Zeit, wo die Blätter von ihnen abgefreſſen 
worden, noch ſehr jung ſind, ſo vertrocknet meiſt der ganze Trieb 
und die weiteren Folgen ſind dieſelben, die nach Zerſtörung der 
ganzen Triebe eintreten, und die ſchon oben beſprochen worden ſind. 
Wenn aber entblätterte Zweige nicht abiterben, wie es bei vorgerückterer 
Frühjahrs- oder Sommerzeit der Fall iſt, jo find an ihnen auch die 
entwickelungsfähigen End- und Achſelknoſpen vorhanden, welche unter 
normalen Verhältniſſen für das nächſte Jahr beſtimmt find, und 
welche das Wiederausſchlagen des Baumes ermöglichen. Nach Verluſt 
des Laubes zeigen nun die Holzpflanzen ein doppeltes Verhalten. 
Entweder beſchließt der Baum, wenn ein ſolches Ereignis eintritt, 
ſeine diesjährige Vegetationsperiode, um erſt im nächſten Frühlinge 
wieder auszuſchlagen. Oder der Baum belaubt ſich ſchon in demſelben 
Sommer, einige Wochen nach dem Kahlfraße, zum zweiten Male, 
durch den ſogenannten Johannistrieb, d. h. dadurch daß eben jene 
für das nächſte Jahr beſtimmten Knoſpen, welche an den durch den 
Fraß entblätterten Zweigen ſitzen, proleptiſch (ein Jahr zu früh) zu 
belaubten Trieben ſich entwickeln, was beſonders die in der Nähe der 
Zweigſpitzen gelegenen Knoſpen thun. Der erſtere Fall findet 
namentlich dann ſtatt, wenn der Blattverluſt erſt ziemlich ſpät im 
Sommer erfolgt iſt, der zweite bei frühem Kahlfraße. Doch iſt immer 
die neue Belaubung, mag ſie im Fraßjahr oder im Nachjahr eintreten, 
ſchwächer als die verloren gegangene, was ſich daraus erklärt, daß 
die Aſſimilationsthätigkeit der Pflanze eine ganze Zeit lang unter— 
brochen oder ſehr mangelhaft war (ſ. S. 28). 


D. Wundkrankheiten oder Wundfäule. 


Mit dem vorſtehenden Namen können diejenigen Erſcheinungen Wundfäule. 
an den Wunden der Pflanzen bezeichnet werden, welche das Gegenteil 


IST * 4 en 
he :$ 
vr 1 


102 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


der natürlichen Schutzvorkehrungen oder der Heilungsprozeſſe ſind, 
nämlich Zerſetzungserſcheinungen, denen die Gewebe von der 
Wundſtelle ausgehend anheimfallen. Wenn nämlich die Wunden nicht 
binnen einer gewiſſen Zeit durch die natürlichen Heilungsprozeſſe ver— 
ſchloſſen werden, jo ſtirbt das Gewebe von der Wundfläche aus 
allmählich ab und geht in Fäulnis über. Dies tritt natürlich am 
raſcheſten an ſolchen Wunden ein, wo ſaftreiche parenchymatiſche Gewebe 
entblößt worden ſind; doch iſt eben auch gerade die hier erfolgende 
Bildung von Wundkork, welcher eben das Eintreten und Fortſchreiten 
der Wundfäule nach innen verhindert, meiſt ſehr raſch vollendet (S. 61). 
Die Wunden holziger Teile ſind ja wegen der Bildung vou Schutz— 
holz (S. 32 ꝛc.), welches den Atmoſphärilien größeren Widerſtand 
leiſtet, zum Teil auch durch die antiſeptiſch und konſervierend wirkenden 
Harzbedeckungen (S. 44 dc.) viel mehr gegen Zerſetzungserſcheinungen 
geſchützt; allein eine ſehr lange Reihe von Jahren hindurch vermag 
auch das Schutzholz den Angriffen zerſtörender Agentien nicht zu 
widerſtehen, da es ja, einmal gebildet, als totes Gewebe zu betrachten 
iſt. Und ſo kommt gerade an Holzpflanzen bei größeren Verwundungen, 
weil ja die Überwallung ein nur langſam fortſchreitender Heilungs— 
prozeß iſt, oft Wundfäule zu ſtande. 

Die Faktoren, welche das immer weitere Fortſchreiten der Wundfäule 
bedingen, ſind in erſter Linie die ungehinderte Einwirkung des 
atmoſphäriſchen Sauerſtoffes und des Niederſchlagswaſſers, demnächſt 
wahrſcheinlich auch die in Waſſer löslichen Zerſetzungsprodukte der 
bereits abgeſtorbenen Teile, indem dieſe ſich in den Geweben weiter 
verbreiten und beim Zuſammentreffen mit den lebendigen Zellen dem 
Leben dieſer nachteilig zu ſein ſcheinen. Schon das bloße Fehlen 
lebender Nachbarzellen dürfte für Zellen, die völlig inneren Geweben 
angehören, tödlich ſein, indem man annehmen darf, daß die natürlichen 
Wechſelwirkungen, in denen ſich dieſe Zellen mit ihren Nachbarn 
befinden, zu ihren Lebensbedingungen gehören. Sehr oft, beſonders 
bei den Holzpflanzen, kommen auch gewiſſe ſaprophytiſche Pilze hinzu, 
welchen gerade ſolche offene Wunden einen willkommenen Anſiedelungs— 
punkt und gedeihliche Nahrung bieten. Größere Feuchtigkeitsverhältniſſe 


begünſtigen das Auftreten dieſer Pilze in hohem Grade. Sie wirken 


freilich nicht unmittelbar tödlich auf die noch lebenden Zellen; denn 
als Saprophyten zehren ſie nur von den toten Gewebepartien der 
Wunden, und man ſieht ſie nicht in das noch lebende Gewebe über— 
greifen; aber ſie bewirken eine viel raſchere Zerſetzung der toten Wund— 
partien und tragen aus dieſem Grunde zu dem raſcheren Umſichgreifen 
der Wundfäule bei. Nicht unerwähnt mag übrigens bleiben, daß 


8 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 103 


die offenen Wunden, beſonders bei den Holzpflanzen, auch gewiſſen 
paraſitiſchen Pilzen geeignete Angriffspunkte bieten, indem manche dieſer 
Pilze gerade von den Wunden aus leicht in die lebenden Partien 
der Bäume eindringen, weshalb die ſpezifiſchen Krankheiten, die die— 
ſelben verurſachen, die aber erſt unten bei den paraſitären Krankheiten 
zu beſprechen ſind, beſonders oft von den Wunden ihren Ausgang 
nehmen. Selbſtverſtändlich wird durch die Vorgänge der Wundfäule 
die natürliche Heilung vereitelt, weil dabei diejenigen Gewebe, von 
denen die letztere ausgehen müßte, eben auch mit zerſtört werden. 

Der Verlauf der Wundfäule hängt, wie aus dem Geſagten er— 
hellt, von den äußeren Verhältniſſen ab. In ſehr feuchtigkeitsreicher 
Luft, in welcher die Wundfläche ſtatt zu trocknen ſich feucht erhält, 
werden die äußeren abgeſtorbenen Zellen der Wunde durch die Feuchtig— 
keit in Fäulnis übergeführt, welche unter Fortdauer dieſer Verhältniſſe 
weiter begünſtigt wird und Fortſchritte macht. In der feuchten Luft 
der Glashäuſer iſt daher Wundfäule eine gewöhnliche Erſcheinung, 
während wenn dieſelben Pflanzen im Freien ſtehen, ihre Wunden weit 
geringere Zerſetzungserſcheinungen erleiden oder normal verheilen. 
Die ſtarke Wundfäule, welche ſich an den mit dem feuchten Erdboden 
in Verbindung ſtehenden Pflanzenteilen, wie Wurzeln, Stöcken und 
unteren Stammteilen der Bäume zeigt, die Ausbreitung der Zer— 
ſetzungserſcheinungen vorzugsweiſe von horizontalen Schnittflächen der 
Stämme und Aſte aus, auf denen das Waſſer ſich ſammelt, das Aus— 
faulen hohler Bäume von innen her, endlich die auffallende Häufig— 
keit von Wundfäule an Bäumen geſchloſſener, feuchter Waldbeſtände, 
vorzugsweiſe in den Auegegenden, gegenüber freien luftigen Standorten, 
ſind lauter Thatſachen, welche das eben Geſagte in helles Licht ſtellen. 

Selbſtverſtändlich können die nämlichen Zerſetzungserſcheinungen 
auch von jeder andern Stelle des Pflanzenkörpers ausgehen, wo nicht 
durch eine Wunde, ſondern aus einer andern Urſache abgeſtorbene 
Teile oder Gewebe der Pflanzen vorhanden ſind, die der Fäulnis an— 
heimfallen. Man darf daher, wo ſolche Erſcheinungen auftreten, ſie 
nicht ohne weiteres als Folgen von Verwundungen erklären; dazu 
bedürfte es immer des Nachweiſes einer wirklich vorhanden geweſenen 
Wunde. Es geht daraus aber auch hervor, daß die Wundkrankheiten 
keine ſpezifiſchen Krankheiten, ſondern nur Folgeerſcheinungen ſind, die 
auch nach verſchiedenen anderen Einwirkungen ſich einſtellen können. 

I. Zerſetzungserſcheinungen der Wunden nicht holziger Pflanzen⸗ 
teile. Die Wunden dünner, ſaftarmer Blätter zeigen, wenn ſie nicht 
durch Callus verheilen, in trockenerer Luft keine eigentlichen Fäulnis— 
erſcheinungen, ſondern nur ein allmählich weiter um ſich greifendes 


Zerſetzungs— 
erſcheinungen 
nicht holziger 

Teile. 


104 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


einfaches Dürrwerden der Blattſubſtanz unter Braunfärbung. Eigent— 
liche Wundfäule tritt aber nach Verletzung leicht ein an den volumi— 
nöſeren und ſaftreicheren Pflanzenteilen, wie den dickeren Stengeln, 
den fleiſchigen Wurzeln und Knollen, den Zwiebeln und beſonders den 
Succulenten, zumal, wenn ſie einigermaßen größerer Feuchtigkeit aus— 
geſetzt ſind. Die letztere bringt leicht Fäulnis in den abgeſtorbenen 
Zellen der Wundfläche hervor, und die Löſung von Zerſetzungs— 
produkten, als mehr oder minder braune, jauchige Subſtanz, verbreitet 
ſich im Gewebe weiter und wirkt auf die lebendigen Zellen tödlich, 
worauf dieſe unter dem Einfluß des Sauerſtoffs in die gleiche Fäul— 
nis übergehen, ſo daß eben keine Bildung von Wundkork zu ſtande 
kommen kann. So kann bei Rüben, Rettigen, Kartoffeln u. dergl. 
nach ſtarker Verletzung, beſonders in feuchtem Boden, das Gewebe in 
der Umgebung der Wundſtelle in eine weiche, breiige, faule Maſſe ſich 
umwandeln. In der feuchten Luft der Glashäuſer, wo zugleich eine 
gewiſſe höhere Temperatur den Prozeß befördert, gehen die meiſten 
Wunden, die hier die Pflanzen durch Stoß, Quetſchung ꝛc. oft genug 
erleiden, in mehr oder minder ſtarke Fäulnis über, beſonders die der 
ohnedies ſaftigen Succulenten. Dieſe bekommen dadurch rings um 
die Wunden faule Stellen, die mißfarbig ſind, ſich weich anfühlen 
und beim Druck eine bräunliche oder trübe Jauche austreten laſſen. 
Die Wundfäule verbreitet ſich in einem ſolchen Teile immer weiter. 
Sie dringt z. B. an den mehrere Centimeter dicken Blättern der 
Agave mexicana, von der einen Seite eines Blattes bald durch die 
ganze Dicke desſelben hindurch, ſo daß mit der verwundeten und faulen 
Stelle der einen Seite ein Faulfleck auf der entgegengeſetzten korre— 
ſpondiert, und der Durchſchnitt durch eine ſolche läßt erkennen, daß 
die Bräunung und jauchige Zerſetzung des Gewebes durch den ganzen 
Querſchnitt des Blattes hindurchgeht. In derartigen Fällen iſt immer 
der Ausgang der, daß man endlich ſolche Blätter ganz wegſchneiden 
muß. Wie ſehr an einem ſolchen Verlaufe die große Feuchtigkeit der 
Glashäuſer Schuld iſt, geht daraus hervor, daß z. B. Agave mexi- 
cana wenn ſie im Sommer im Freien ſteht, ſelbſt große Wunden 
leicht und gut durch Wundkork heilt. 
Schorf Als eine beſondere Form von Wundfäule muß auch derjenige 
oder Grind der Zuſtand der Kartoffelknollen betrachtet werden, welcher unter den 
Kartoſſln. Namen Schorf, Grind, Räude oder Krätze bekannt iſt. Nach 
Schacht!) nimmt dieſe Krankheit ihren Anfang von den Lenticellen 
des Kartoffelknollen, die an und für ſich eine normale und allgemein 


) Bericht ꝛc. über die Kartoffelpflanze und deren Krankheiten. Berlin 
1855, pag. 24. 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 105 


vorkommende Bildung ſind: kleine, unmittelbar unter der Schale 
liegende Pünktchen, Wucherungen von Kork, welche aus weiteren, 
mehr iſodiametriſchen, nicht wie die Kartoffelſchale aus tafelförmig 
abgeplatteten Korkzellen beſtehen. In feuchter Umgebung wachſen die 
Lenticellen oft als ſchneeweiße Wärzchen aus der Schale hervor, was 
auch an vielen andern Pflanzen, wenn die Teile in Waſſer oder ſonſt 
ſehr feucht ſtehen, eine häufige und an ſich nicht pathologiſche Er— 
ſcheinung iſt!). Aber an dieſen Stellen iſt nach Schacht das darunter 
liegende Gewebe ſchlechter als durch die geſunde Schale gegen ein— 
dringendes Waſſer geſchützt, und die Folge ſei, daß dieſes Gewebe 
einen Zerſetzungsprozeß erleidet, durch den an dieſen Stellen die Kork— 
bildung endlich aufgehoben und das Gewebe in eine ſchwarzbraune 
modrige Maſſe verwandelt werde. Große Näſſe ſcheint daher nach 
Schacht's Ausſpruch ſowohl die erſte Veranlaſſung zur Bildung der 
Korkwarzen zu ſein, als auch den weiteren Verlauf des Übels zu be— 
fördern. Ich halte das für richtig; ich habe die erſten Anfänge eben— 
falls als kleine Korkwucherungen in der Schale gefunden und glaube, 
daß der Schorf daraus auf folgende Weiſe ſich entwickelt. Über den 
Korkwucherungen ſah ich ſehr bald die Schale zunächſt nur in einem 
oder in wenigen ſehr feinen, ſtrahlig gerichteten Riſſen geborſten. Man 
muß das als die Folge eines leichteren und reichlicheren Eindringens 
von Waſſer durch die Korkwucherung betrachten; das unterliegende 
Gewebe nimmt durch das imbibierte Waſſer ein ſtärkeres Ausdehnungs— 
ſtreben an, und die entſtehende Gewebeſpannung bedingt eben jenes 
zunächſt ganz lokale und geringfügige Aufſpringen. Denn auch durch 
gröbere Wunden wird wegen des eindringenden Waſſers und den 
dadurch hervorgerufenen Gewebeſpannungen oft ein Aufſpringen der— 
artiger Pflanzenteile bewirkt. Was nun eigentlich zur Bildung des 
Schorfes führt, it der Umſtand, daß unter dieſen Stellen keine 
genügende Wundkorkbildung aufkommt, ſo daß die Zerſetzungs— 
erſcheinungen fortſchreiten können: dieſe Stellen werden ſchwarzbraun, 
modrig; in den Zellen derſelben verſchwindet das Stärkemehl, dafür 
liegen gelb- oder braungefärbte Ballen desorganiſierter Subſtanz, die 
nach Schacht oft von Pilzfäden durchwuchert ſind, in den Zellen. 
Der Knollen bedeckt ſich alſo mit ſolchen faulen, grindartig rauhen 
Stellen, die man Schorf nennt, in mehr oder minder großer Anzahl 
und von verſchieden großem Umfange und kann dadurch endlich ſehr 
unanſehnlich und verdorben werden, womit ſelbſtverſtändlich auch eine 

) Schacht nennt dieſe Korkwarzen Pocken, ein Wort, mit dem wir 
jedoch gegenwärtig eine beſtimmte andre, und zwar durch parafitiiche Pilze 
verurſachte Krankheit der Kartoffellnollen bezeichnen. 


106 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


entſprechende Verminderung des Stärkegehaltes verbunden iſt. Zwiſchen 
dem Aufſpringen mit normaler Heilung durch Kork und der hier be— 
ſchriebenen Zerſetzungserſcheinung beſteht denn auch keine ſcharfe 
Grenze. Es kommen vielfach Schorfſtellen vor, wo Korkheilung und 
Zerſetzung mit einander kämpfen: man ſieht oft am Rande des 
Schorfes einen Wall von jungem, mit geſundem Kork überzogenem 
Gewebe oder auf der Fläche des Schorfes derartige kleine Zapfen 
oder Buckel, die aber auch früher oder ſpäter mit in die Zerſetzung 
hineingezogen werden. Die grindartige Rauhigkeit des Schorfes rührt 
hauptſächlich von dieſem Umſtande her. 
Thatſache iſt, daß auf Böden, welche gemergelt worden ſind, der 
Schorf beſonders ſtark ſich zeigt. Die Erklärung dafür fehlt noch. 
Daß manche Autoren auch pilzliche Paraſiten als Veranlaſſer 
von Schorfbildungen an den Kartoffeln angeben, wird bei den para— 
ſitiſchen Pilzen erwähnt werden. 
Zerketzungs⸗ II. Zerſetzungserſcheinungen des Holzes. Bei den Holzpflanzen 
1 treten infolge von Verwundungen Zerſetzungserſcheinungen des Holzes 
5 auf, beſonders an denjenigen größeren Wunden, die durch den natür— 
lichen Heilungsprozeß nicht ſchnell genug die Wundfläche vernarben 
können, alſo vornehmlich an Aſtſtumpfen, an Schnittflächen der Aſte, 
an den Schälwunden u. dergl. Als allgemeine Bezeichnung für den 
vollſtändig abgeſtorbenen und der Zerſetzung anheimgefallenen Zuſtand 
der holzigen Teile bei den Bäumen gilt ſeit langer Zeit der Ausdruck 
Brand oder Nekroſe, wegen gewiſſer Ahnlichkeiten mit dem gleich— 
namigen Zuſtande tieriſcher Gewebsteile. Zu einer wiſſenſchaftlichen 
Bezeichnung möchte ſich derſelbe weniger empfehlen, nicht bloß wegen 
der Unbeſtimmtheit, mit der er hier angewendet wird!), ſondern vor— 
züglich weil er ſchon zur Bezeichnung einer hiervon ſehr verſchiedenen 
Krankheit des Getreides und andrer krautartiger Pflanzen dient. 
Vielmehr können wir auch für dieſe Zerſetzungserſcheinungen in allen 
ihren verſchiedenen Formen den allgemeinen Namen Wundfäule an— 
wenden, zumal da eben für den Zuſtand, in welchen dadurch das 
Holz übergeht, der Ausdruck faules Holz allgemein gebräuchlich iſt. 
1) Der Name Brand oder Nekroſe wird von Meyen (Pflanzenpathologie 
pag. 304) in dem obigen allgemeinen Sinne gebraucht. Bei den Obſtzüchtern 
hat das Wort wohl meiſt auch dieſe Bedeutung, ſo daß es alſo auch mit 
den unten zu erwähnenden Krebs bezeichnet. Göthe Mitteilungen über 
den Krebs der Apfelbäume. Leipzig 1877) nennt Brand die offenen Krebs— 
ſtellen mit freiliegendem Holzkörper, Sorauer (vergl. Juſt, Bot. Jahresb. 
für 1877, pag. 856) dagegen das vom eigentlichen Krebs verſchiedene, nach 


Froſtbeſchädigung in größerer Ausdehnung am Stamme eintretende Abſterben 
und Vertrocknen der Rinde. N 


* 


4 1 


1 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 107 


Es wurde ſchon oben (S. 33) hervorgehoben, daß R. Hartig!) 
mit den erſten Stadien der Zerſetzungserſcheinungen des Holzes einen 
Prozeß verwechſelt hat, deſſen Natur von ihm ganz verkannt worden 
iſt, indem er das, was ich ſpäter als Schutzholz bezeichnete, ſchon für 
das erſte Stadium der Wundfäule hielt, während es das Gegenteil 
davon, nämlich ein natürliches Schutzmittel iſt, um dem Eintritt der 
Wundfäule möglichſt lange vorzubeugen. Von wundfaulem Holze 
können wir vielleicht erſt dann reden, wenn Splintholz oder Schutz— 
oder Kernholz (dem wir ja oben ah den Charakter von Schutzholz 
zugeſprochen haben) anfangen ihre natürliche Härte und Konſiſtenz zu 
verlieren. Das wird beſonders durch reichliche Feuchtigkeit befördert; 
daher ſehen wir Wundfäule hauptſächlich von Wurzelwunden ausgehen 
und überhaupt von allen Wunden, die mit dem Erdboden in Be— 
rührung ſtehen, desgleichen an ſolchen Aſtwunden, auf denen Regen— 
und Schneewaſſer ſich ſammeln, auch im Innern der?! Baumſtämme. 
Das Holz nimmt dabei oft eine tief ſchwarzbraune Färbung an und 
jedenfalls verliert es an Konſiſtenz immer mehr, indem es allmählich 
mürber und zerreiblich wird. Übrigens müſſen folgende verſchiedene 
Arten von Wundfäule des Holzes unterſchieden werden, deren Eintritt 
je nach der Verſchiedenheit äußerer Umſtände ſich richtet. 

Alle Zerſetzungserſcheinungen, bei denen das Holz eine rötliche, 
bräunliche oder ſchwärzliche Farbe annimmt, werden mit dem Namen 
Rotfäule oder naſſe Fäule belegt. Dieſelbe Sache bezeichnen auch 


die Ausdrücke Wurzelfäule, Stockfäule, Aſtfäule, Kernfäule oder 


Stammfäule und Splintfäule, indem ſie nur den Ort des Auftretens 
dieſer Zeriegung andeuten. Beſchränkter Luftzutritt und reichlichere 
Feuchtigkeit ſind die Hauptbedingungen für dieſe Art der Wundfäule. 

Weißfäule, Trockenfäule oder Vermoderung nennt man 
den Prozeß, wenn das Holz dabei hell, nämlich blaßbräunlich oder 
weiß und völlig zerreiblich wird; Bedingung dieſer Zerſetzungsform 
iſt ungehinderter Zutritt von Luft und geringe Feuchtigkeit, daher ſie 
vorzüglich an offenen Holzwunden ſich zeigt. Sie kommt vorzüglich 
bei Laubhölzern vor, z. B. häufig an Linden, Weiden, Pappeln ıc., 
wo jedoch auch überall bei größerer Feuchtigkeit und geringerem Luft— 
zutritte Rotfäule eintritt. 

Die Grünfäule iſt die am ſeltenſten vorkommende Zerſetzungs— 
art, die ſich bisweilen an Birken-, Buchen- und Eichenholz zeigt, 
welches lange Zeit am Boden geſtanden hat, beſonders an alten faulen 
Stöcken, und durch intenſiv ſpangrüne Farbe ausgezeichnet iſt. Der 


) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes, Berlin 1878. 


Rotfäule. 


Weißfäule. 


Grünfäule. 


Humifizierung 
des Holzes. 


Chemiſche 
Veränderungen. 


108 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


Farbſtoff haftet in den Zellwandungen des Holzes und iſt auch den 
Mycelfäden und den Fruchtkörpern des dabei auftretenden Pilzes 
Peziza aeruginosa eigen. Die grüne Farbe durchdringt das Holz nicht 
gleichmäßig; ſtellenweis iſt dieſes farblos, dem weißfaulen Holze gleich, 
hier tiefer, dort blaſſer grün gefärbt. Die Erſcheinung iſt wiſſenſchaft— 
lich noch nicht genügend erforſcht. 

Faules Holz, beſonders rotfaules, zerbröckelt und zerfällt endlich 
von ſelbſt in eine ſchwarzbraune, erdige Maſſe, ſogenannte Baumerde 
oder Moder. Dieſer Prozeß beſteht in einer vollſtändigen Humifi— 
zierung des Holzes, indem die organiſche Subſtanz der Zell— 
membranen in Humuskörper ſich umwandelt. 

Die chemiſche Veränderung, welche das rotfaule Holz erleidet, iſt 
aus den chemiſchen Analyſen desſelben zu erkennen. Während geſundes 
Eichenkernholz, auf aſchefreie Subſtanz berechnet, zuſammengeſetzt 
iſt aus 

49,24 C. 5,47 H. 45,29 O., 
ergab die Analyſe von hellbraunem faulen Eichenholze 
53,6 C. 5,2 H. 41,2 O., 
von dunkelbraunem faulen Eichenholze 
56,2 C. 4,9 H. 38,9 O., 
und von brauner Baumerde aus einem hohlen Baume 58,0 C. 4,9 H. 
37,1 0. 

Es erhellt daraus, daß bei der Rotfäule kohlenſtoffreichere Sub— 
ſtanzen, Humuskörper, zurükbleiben. Der ganze Vorgang iſt ein Oxy— 
dationsprozeß, bei welchem Kohlenſäure und Waſſer auf Koſten der 
organiſchen Subſtanz des Holzes gebildet werden, letztere alſo ſich ab— 
ſolut vermindert. Dieſes geht aus der Vergleichung des Aſchegehaltes 
geſunden und faulen Holzes hervor. Geſundes Fichtenholz enthält 

48,63 C. 5,80 H. 45,18 O. 0,39 Aſche. 
Stark zerſetztes Fichtenholz dagegen 
48,14 C. 4,96 H. 40,24 C. 6,66 Aſche ). 

Dieſer große Aſchegehalt erklärt ſich eben daraus, daß von dem 
Zerſetzungsprozeſſe nur die organiſche Subſtanz, nicht die Aſche— 
beſtandteile betroffen werden. — Bei der Weißfäule iſt der chemiſche 
Vorgang ein anderer. Weißfaules Eichenholz ergab an organiſcher 


Subſtanz 
48,2 C. 6,3 H. 45,5 0. 


Weißfaules Holz iſt alſo ärmer an Kohlenſtoff und etwas reicher 
an Sauerſtoff als gewöhnliches Holz. Die Oxydation erzeugt hier alſo 


) Nach den Angaben R. Hartig's J. e. 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 109 


außer Kohlenſäure und Waſſer noch andere Oxydationsprodukte. Bei 
unſrer mangelhaften Kenntnis der chemiſchen Verbindungen, die im 
gewöhnlichen Holz vorhanden ſind, vermögen wir gegenwärtig nichts 
darüber zu ſagen, in welcher Weiſe bei dieſen Veränderungen die ein— 
zelnen chemiſchen Beſtandteile des Holzes ſich verhalten. 

Der Zerſetzung des Holzes kann durch die holzbewohnenden In- Beförderung 
ſekten Vorſchub geleiſtet werden, namentlich durch Holzweſpen under 
Holzkäfer, welche in totem Holze Gänge in verſchiedenen Richtungen Infekten. 
freſſen, wodurch nicht nur eine mechaniſche Zerſtörung bewirkt, ſondern 
auch das Eindringen von Waſſer und Luft in die Holzmaſſe bedeutend 
erleichtert wird. 

Außerdem beteiligen ſich an der eigentlichen Zerſetzung oder Wun— „ 
fäule des Holzes außer dem Sauerſtoff ſehr häufig auch gewiſſe ſapro— . pe l 
phyte Pilze, welche ſich in dem faulen Holze anſiedeln. Auch fie durch Pilze. 
werden durch reichliche Feuchtigkeit begünſtigt und befördern den Fort— 
gang der Zerſetzung in hohem Grade. Dieſe Begleiter der Fäule des 
Holzes dürfen nicht verwechſelt werden mit den bisweilen in Holz— 
pflanzen lebenden paraſitiſchen Pilzen, von denen ſie ſich jedenfalls 
dadurch unterſcheiden, daß ſie nicht in das lebende, geſunde Holz hinein— 
wachſen, ſondern daß dasſelbe ſchon tot ſein muß, wenn ſie ſich in 
ihm anſiedeln ſollen, und daß ſie nur die Zerſetzung des vorher ab— 
geſtorbenen Holzes mit vermitteln. 


Die Zahl der an abgeſtorbenen holzigen Pflanzenteilen ſich anſiedelnden Die wichtigſten 
ſaprophyten Pilze iſt eine ungemein große; ſie alle aufzählen, hieße eine ſaprophyten 
Mykologie ſchreiben. Wir müſſen daher hier darauf verzichten, um fo mehr, Vilze der Holz⸗ 
weil ihr Erſcheinen eigentlich ſchon das Ende der Krankheit, den Tod be- Planen. 
deutet, und die Pathologie alſo eigentlich nichts mehr mit ihnen zu thun 
hat. Da ſie aber den abgeſtorbenen und noch an der lebenden Pflanze 
haftenden Teilen vielfach ein eigentümliches Ausſehen verleihen, ſo mögen 
hier wenigſtens die gewöhnlichen dieſer Pilzformen und ihr Verhalten kurz 
angedeutet werden. 

Gemeinſam iſt bei dieſen Pilzen, daß ihr Mycelium in dem Zellgewebe 
der der Wundfäule anheimgefallenen Teile, alſo in der Rinde und beſonders 
im Holze verbreitet iſt. Zuerſt hat Th. Hartigy im faulen Holze Pilze 
gefunden, die er Nachtfaſern (Nyctomyces) nannte, und denen er eine Be— 
teiligung an der Verbreitung der Fäulnis zuſchrieb. Durch Schacht), 

ferner beſonders durch Willfomm?), der gewiſſe ſogleich zu nennende Pilz— 
formen für echte Paraſiten und für die wahre Urſache der Rotfäule erklärte, 
ſowie durch R. Hartig), der jene als bloße Saprophyten erkannte, wurde 


) Verwandlung der polycotyledoniſchen Pflanzenzelle in Pilz- und 
Schwammgebilde ꝛc. Berlin 1833. 
2) Pringsheim's Jahrb. f. wiſſ. Botanik III. 
3) Die mikroſkopiſchen Feinde des Waldes I. Dresden 1866. 
) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes. Berlin 1878. 


110 IT. Abſchnitt: Von den Wunden 


das Auftreten dieſer Pilzmycelien im faulen Holze genauer beobachtet. 
Es ſind verzweigte Pilzfäden, welche ſowohl zwiſchen den Holzzellen, als 
auch innerhalb der Membranen derſelben und ſelbſt in das Junere der 
Zellen hinein wachſen. In den Membranen bohren ſie Gänge, ſowohl in 
der Richtung derſelben, alſo den Schichten der Membran folgend, als auch 
quer durch dieſelben hindurch, aus einer Zelle in die andere wachſend. 
Die Fruchtträger, an denen die Sporen gebildet werden, entwickeln dieſe 
Pilze an den freien Flächen ihres Subſtrates, wo ſie an die Luft gelangen, 
alſo vorwiegend an der Oberfläche der Zweige und Stämme, oder an 
der Außenfläche des Holzkörpers, wenn dieſer frei liegt, oder wenn die 
darüberliegende abgeſtorbene Rinde ſich von ihm abgehoben hat, oder 
auch an der Innenſeite des Holzes hohler Stämme, in Spalten des Holz— 
körpers u. dergl. 

Nach der Verſchiedenheit der Teile des Baumes ſind auch die Pilze, 
welche die Wundfäule begleiten, verſchieden. Die dünneren Zweige haben 
faſt immer andre Pilze, als die ſtärkeren Aſte und der Stamm derſelben 
Baumſpecies; wieder andre Pilze zeigen ſich an den tieferen, mit dem 
Erdboden in Berührung ſtehenden Wunden, und auch der Holzkörper hat 
ſowohl in ſeinem Junern, als an ſeinen entblößten Oberflächen gewiſſe eigen— 
tümliche Saprophyten. Dazu kommt ferner, daß beſonders die an den 
dünneren Zweigen auftretenden Pilze faſt bei jeder Holzpflanze von andrer 
Art ſind; faſt jede hat daſelbſt ihre eigentümlichen Pilzformen. 

An den dünneren ein- bis mehrjährigen Zweigen oder Zweigſtummeln, 
wenn dieſelben durch irgend eine Beſchädigung, beſonders durch Abſchneiden 
u. dergl. oder durch unzeitige Entlaubung getötet worden find, erſcheinen 
im Herbſt und Winter nach dem Abſterben, und zwar während dieſelben 
noch auf der Pflanze ſtehen, gewiſſe Scheiben- und Kernpilze. Bei der 
Eiche iſt das regelmäßig Colpoma quereinum WMallr., das mit jeinen 
ſtrichförmigen, geraden oder gekrümmten dunkeln Apothecien durch eine 
lippenförmige Spalte der Rinde hervorbricht, gewöhnlich in Begleitung 
von Spermogonien. Bei Eſchen ſind es die elliptiſchen ſchwarzen Apo— 
thecien des Hysterium Fraxini Pers. Bei vielen andern Bäumen ſpielen 
dieſe Rolle verſchiedene Kernpilze aus der Verwandtſchaft der Valſeen, 
deren Perithecien als kleine, dunkle, durch die Rinde hervorbrechende 
Puſteln oft über den ganzen dürren Zweig zerſtreut ſtehen, z. B. an 
Weiden Valsa salicina /r., an Ulmen Valsa stellulata Z., an Linden 
Hercospora Tiliae V., an Erlen Cryptospora suffusa 2. an Weiß⸗ 
buchen Diaporthe Carpini Hucbel., an Rotbuchen Quaternaria Persoonii 
ul. x. Oder es treten auf den genannten Teilen ſtatt der Perithecien 
die Spermogon'en ſolcher Kernpilze auf, Formen von Cytispora und 
Naemaspora, ebenfalls über den größten Teil des toten Zweiges verbreitet, 
in Form kleinerer aus der Rinde brechender Puſteln, welche bei Feuchtig— 
keit ihre Spermatien in hellen Rauken ausſtoßen. Oder es finden ſich nur 
die Pyknidenfrüchte ſolcher Pilze als ſchwarze, in der Rinde niſtende und 
hervorbrechende kleine Puſten, beſonders Diplodia-Formen. Oder endlich 
gewiſſe Formen des conidientragenden Stroma, welche als kleine, ſchwarze, 
abfärbende Puſteln in Menge aus der Rinde hervortreten, z. B. ſehr 
häufig an dünnen Lindenzweigen Exosporium Tiliae Zi», an Weiden 
Trimmatostroma salicis Corda, an Birken Coryneum disciforme Sm & 
Äze. etc. etc. 


2. Kapitel: Die Reaktionen der Pflanzen gegen Verwundungen 111 


An ſtärkeren Zweigen der Eiche und ebenſo auch an abgeſtorbenen 
Stämmchen derſelben wächſt Colpoma quereinum nicht mehr, dafür 
bricht oft Diatrypella quereina Nzschke oder Diatrype disciformis Fr. 
mit ihren runden, erhabenen Polſtern durch die Rinde. Auf noch ſtärkeren 
Aſten der Bäume und deren Stämmen erſcheinen dagegen vorwiegend 
große Schwämme, verſchiedene Arten Telephora und Löcherpilze (Polyporus) 
deren Fruchtkörper außen an den Aſten und Stämmen ſitzen und gewöhn— 
lich in mehrjähriger Dauer ſich allmählich vergrößern. Sehr verbreitet ſind 
auch an noch berindeten und ſtehenden toten Holzteilen die Formen von 
Neetria, beſonders in dem Zuſtande des Conidienſtroma, welches die 
frühere Gattung Tubereularia bildete: zahlreiche hochrote, ſtecknadelkopf— 
große und größere erhabene Polſter. Dieſe kommen an allen Teilen, von 
den dünnſten Zweigen bis zu ſtarken Stämmen vor. 

Wunden, die mit dem Erdboden in Berührung ſtehen, alſo beſonders 
die am Fuß der Baumſtämme befindlichen Wunden und vorzüglich die ab— 
gehackten Stöcke haben wieder andre Pilze, beſonders größere Schwämme 
aus der Abteilung der Hymenomyceten, zumal Agaricus- Arten, unter dieſen 
auch noch den Agaricus melleus, welcher ſchon am lebendigen Holze als 
Paraſit ſich anſiedelt. Das Mycelium derſelben iſt im faulen Holze ver— 
breitet; zwiſchen Holz und Rinde entwickelt ſich dasſelbe oft zu Rhizo— 
morphen (Rhizomorpha subcorticalis Pers.), die als wurzelartige runde 
oder plattgedrückte und dann oft bis mehrere Centimeter breite Stränge 
mit rechtwinklig abgehenden Zweigen und mit dunkelbrauner glatter Rinde 
und weißem Mark zum Vorſchein kommen, wenn man die Baumrinde 
ablöſt. Auch gewiſſe Kernpilze ſind für dieſe Orte charakteriſtiſch: beſonders 
Xylaria⸗Arten mit ihren bis fingerlangen, ſtiel- oder ſtrauchförmigen, 
ſchwarzen, oft weiß beſtäubten Fruchtkörpern, auch wohl Eutypa-Arten, 
deren ſchwarze dünne Kruſten dem Holz faſt aufgewachſen ſind in oft weiter 
Erſtreckung. Auf den grünfaulen Buchenſtöcken wächſt nicht ſelten der 
ebenfalls grüne Buchenpilz Peziza aeruginosa. Das Mycelium auch aller 
dieſer Pilze durchwuchert das faule Holz und iſt beſonders die Veranlaſſung 
der feinen ſchwarzen Linien, welche oft das weißfaule Holz in unregelmäßig 
gebogenem Verlaufe durchziehen. Dieſe Linien ſtellen die Rhizomorpha 
intestina DC dar. An dieſen Punkten iſt das im Holze wuchernde Myce— 
lium ſehr ſtark entwickelt, ſeine Fäden ſind dicht in einander verflochten zu 
einer zuſammenhängenden parenchymähnlichen Gewebemaſſe, welche gleich— 
mäßig die Zellhöhlen wie die Membranen der Holzzellen erfüllt, die dadurch 
faſt unkenntlich werden; in dieſen Partien färben ſich an gewiſſen Stellen 
die Fäden braun, und dadurch wird die ſchwarze Linie hervorgebracht. 

Endlich haben auch die nackten Holzkörperwunden ihre eigentümlichen 
ſaprophyten Pilzformen. An friſchen Wundflächen bedeckt ſich das ent— 
blößte Holz oft bald mit den ſchwarzgrünen Räschen von Cladosporium, 
d. ſ. Conidienträger von Pleospera-Arten. An älter gewordenen Holz— 
wunden, ſowie an großen nicht überwallten Holzwunden im Innern hohler 
Bäume erſcheinen gewöhnlich andere Formen: ſchwarze, rußartige Über— 
züge, ebenfalls conidienbildende Entwickelungszuſtände von Pilzen, be— 
ſonders Formen von Helminthosporium, Helicosporium, Nematogonium 
ete., oder auch rauhkörnige, ſchwarze Überzüge, welche auf dem Holzkörper 
entſtehen, ſowohl wenn derſelbe ſchon entblößt iſt, als auch unter der Rinde, 
wenn dieſe ihn noch bedeckt ohne organiſch mit ihm zuſammenzuhängen. 


u i * 
4 


112 II. Abſchnitt: von den Wunden 


Sie beſtehen aus zahlloſen, dicht beiſammenwachſenden Perithecien einfacher 
Pyrenomyceeten; ſehr häufig ſind dies Teichospora obducens ZFuckel, Mela- 
nomma pulvis pyrius WVizschke, Arten von Ceratostoma u. a. Auch Hypo- 
xylon-Arten bedecken oft mit ihren rötlich-ſchwarzen, polſterfoͤrmigen, aus— 
gebreiteten Kruſten die Hiebfläche von Stämmen oder Aſten und andere 
bloßliegende Holzteile. Für alle dieſe Pilze iſt ein mäßiger Feuchtigkeits— 
grad des faulen Holzes Bedingung. Wo das letztere größerer Feuchtigkeit 
ausgeſetzt iſt, die eine raſchere Zerſetzung bewirkt, erſcheinen mit Vorliebe 
wieder andre Pilze, beſonders helle, weiße, gelbe, grünliche oder rötliche, 
zarte, ſtaubartige Überzüge, die verſchiedene Conidienzuſtände, Formen der 
alten Gattungen Torula, Sporotrichum ete. darſtellen. Auch Mycomy— 
ceten lieben ſolches Holz; ſie erſcheinen an der Oberfläche desſelben mit 
ihren lebhaft gefärbten, weißen, gelben oder roten ſchaumigen Plasmodien, 
die ſich bald in die zierlichen, herdenweis wachſenden Sporangien um— 
wandeln. 

Auch in dem mehr noch innerhalb der Stämme verborgenen rotfaulen 
Holze ſind immer ſaprophyte Pilze zu finden. Es ſind dies aber nur 
Myceliumformen, von denen nicht ohne weiteres zu jagen iſt, zu welchen Frucht— 
formen ſie ſich unter gecigneten Umſtänden entwickeln. Gewöhnlich finden ſich 
im rotfaulen Holze mehrere Formen beiſammen. Es ſind dies hauptſächlich 
die von Willkomm 4. c.) beſchriebenen Pilze, und zwar erſtens eine 
Form, welche Xenodochus ligniperda Milk. genannt worden iſt. Die im 
Holze wuchernden, zum Teil braun gefärbten Myceliumhyphen bilden, bald 
an den Enden, bald in ihrer Kontinuität kettenförmig an einander ge— 
reihte, dunkelbraune, kugelige, ſporenartige Zellen, die Willkomm für 
Sporangienketten hielt, nach dem gegenwärtigen Standpunkte aber richtiger 
Chlamydoſporen oder Gemmen (Brutzellen) des Myceliums zu nennen ſein 
dürften. Eigentliche Conidien ſcheint R. Hartig!) geſehen zu haben: auf 
pfriemenförmigen Hyphenäſten, die faſt immer nahe der Oberfläche des 
Holzes ſich zeigten und vielleicht aus jenem Mycelium entſprangen, wurden 
kleine farbloſe Sporen abgeſchnürt; doch genügt die Beſchreibung nicht, 
um die Pilzform zu beſtimmen. Außerdem findet ſich im rotfaulen Holze 
noch ein andrer Pilz, der aber auch im weißfaulen Holze auftritt, Staphy— 
losporium violaceum Mile. oder Rhynchomyces violaceus Will.; er 
trägt an ſchnabelartig verlängerten Hyphenäſten einen oder mehrere Quirle 
eiförmiger, zweizelliger, dunkelblauer Conidien. Willkomm hält dieſen 
und den Xenodochus für zuſammengehörig, beide für Formen einer Art; 
R. Hartig (J. e.) hat dieſe Überzeugung nicht in hinreichendem Maße ge— 
winnen können; im Xenodochus vermutet er einen Zuſtand von Cerato- 
stoma piliferum E., deſſen kleine ſchwarze Perithecien allerdings häufig 
an den Oberflächen faulen Holzes ſich finden. Möglicherweiſe könnte es 
ſich aber auch um Mycelien großer Hymenomyceten handeln, da wir jetzt 
durch Brefeld wiſſen, daß auch bei dieſen Pilzen enen an 
Mycelien vorkommen können. 


) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes, pag. 66. 


3. Kapitel: Die Verwundungsarten 113 


3. Kapitel. 
Die Verwundungsarten. 
A. Das Aufſpringen fleiſchiger Pflanzenteile. 


Es handelt ſich hier um Wunden, welche nicht durch den mecha— 
niſchen Eingriff eines fremden Körpers, ſondern aus inneren Ur— 
ſachen, alſo von ſelbſt entſtehen, nämlich durch Kräfte, welche von der 
Pflanze ſelbſt erzeugt werden. Man ſieht ein ſolches Aufſpringen 
nicht ſelten am Kohlrabi, an Rettigen, an Möhren und Sellerie— 
wurzeln, auch bisweilen an den Kartoffeln, ſowie an manchen ſaftigen 
Früchten, z. B. an Kirſchen und Pflaumen, auch an Birnen, wo dies 
manchmal an der noch unerwachſenen Frucht eintritt, die dann ſich 
nicht weiter entwickelt. An einem ziemlich reifen Maiskolben fand ich 
zahlreiche Körner von ſelbſt aufgeſprungen und zwar in allen Stadien 
der Wundbildung; das erſte Stadium war ein feiner Riß in der 
äußeren Schicht des Pericarps, welches durch die raſche Vergrößerung 
des Kornes, der es nicht folgen konnte, geſprengt worden war; der 
höchſte Grad beſtand in einer weit klaffenden und bis tief ins En— 
doſperm dringenden Wunde, durch welche das Korn ganz geſprengt 
und verdorben wurde, indem ſaprophyte Pilze, Cladosporium-Mycelium, 
ſich anſiedelten. Auch an krautigen Stengeln kann die Erſcheinung 
ſich zeigen, wenn dieſe ungewöhnlich üppig gewachſen oder ſonſt hyper— 
trophiſch und mißgebildet ſind; ſo ſah ich verbänderte Blütenſchäfte 
von Taraxacum officinale nach Regenwetter von ſelbſt ſo zerſprungen, 
daß ſie faſt zuſammengeknickt waren. Das Aufſpringen iſt immer eine 
Folge der Ausdehnung des wachſenden Parenchyms, der die Hautſchichten 
nicht in gleichem Maße zu folgen vermögen, ſo daß zwiſchen beiden Ge— 
weben ſich eine hochgradige Gewebeſpannung einſtellt. Dieſen ungewöhn— 
lichen Grad erreicht die letztere namentlich durch eindringendes Waſſer, 
weil dann das unter der Hautſchicht liegende Parenchym reichlich 
Waſſer aufſaugt und dadurch immer turgescenter und voluminöſer 
wird. Daher vergrößert ſich die einmal entſtandene Wunde bei An— 
weſenheit von Feuchtigkeit bedeutend, und auch jede noch ſo kleine 
aus irgend welchen Urſachen entſtandene Wunde kann unter dieſen 
Umſtänden zum Aufſpringen der betreffenden Pflanzenteile führen. 
Darum kommt dies auch beſonders häufig nach langem Regenwetter 
vor. Auch kann man durch Kulturverſuche, z. B. mit Möhren in 

Frank, Die Krantheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 8 


Aufſpringen 
fleiſchiger 
Pflanzenteile 


Abgeſchnittene 
Pflanzenteile 


114 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


Waſſer, das Aufſpringen der Wurzeln willkürlich hervorrufen Y. 
Pflanzenteile, welche unterirdiſch oder nahe am Boden wachſen, ſind 
häufig mit kleinen Wundſtellen verſehen, die vom Fraß der Schnecken 
und andrer Tiere herrühren und ſo lange ſie noch nicht durch Wund— 
kork geheilt ſind, Waſſer eindringen laſſen, wodurch ein Aufplatzen 
herbeigeführt werden kann. Das Aufſpringen reifer, ſaftiger Früchte 
bei andauerndem Regenwetter hat Bouſſingault) auch als Folge 
des Eindringens von Waſſer nachgewieſen, indem er fand, daß, 
während Blätter im Regen keine Gewichtszunahme zeigen, reife, zucker— 
haltige Früchte, die in Waſſer untergetaucht werden, an Gewicht zu— 
nehmen, während ſie zugleich Zucker an das umgebende Waſſer ab— 
geben. 

Die aufgeſprungenen Stellen von Wurzeln und Knollen können 
durch Bildung von Wundkork (S. 61) heilen. Befanden ſich die 
betreffenden Pflanzenteile noch in der Periode des Wachstums, ſo 
können die durch Kork geſchützten aufgeſprungenen Stellen eigentümlich 
auswachſen, wie es manchmal an Kartoffelknollen vorkommt. 


B. Abgeſchnittene Pflanzenteile. 

Die vegetabiliſchen Zellen ſind in ihrer Lebensfähigkeit viel ſelbſt— 
ſtändiger und von einander unabhängiger als diejenigen des tieriſchen 
Organismus. Die Abtrennung von Organen vom pflanzlichen 
Körper hat daher für dieſelben weit ſeltener unmittelbar tödliche 
Wirkung, als es am tieriſchen Körper der Fall iſt. Es iſt allgemein 
bekannt, daß abgeſchnittene Sproſſe, ſelbſt einzelne Blüten oder 
Blätter, Tage lang am Leben bleiben, zum Teil ſogar in ihrer Ent— 
wickelung fortſchreiten können, wenn man dafür ſorgt, daß ſie Waſſer 
aufſaugen können oder keines durch Verdunſtung verlieren, d. h. wenn 
ſie in Waſſer, feuchten Sand u. dergl. geſetzt oder in einen Raum 
mit feuchter Luft gebracht werden, und daß bei Pflanzen mit ſehr ge— 
ringer Verdunſtung, wie bei Succulenten, ſelbſt ohne Waſſerzufuhr 
und in trockener Luft abgeſchnittene Teile lange am Leben bleiben. 
Der früher oder ſpäter eintretende Mangel an Nahrung wird hier 
endlich die Urſache des Todes. Und wenn die Pflanze die Fähigkeit 
hat, leicht Wurzeln zu bilden oder ſonſt in ihrer Weiſe ſich zu ver- 
jüngen, jo können abgeſchnittene Teile, genügende Feuchtigkeit voraus⸗ 
geſetzt, ſogar zu neuen Pflanzenindividuen ſich entwickeln. Der ge- 
wöhnlichſte derartige Fall iſt die Vermehrung der Pflanzen durch 


1) Vergl. Hallier, Phytopathologie, pag. 87. 
2) Annales des sc. nat. 5, ser. T. XVIII. 


3. Kapitel: Die Verwundungsarten 115 


Stecklinge, die am leichteſten bei Holzpflanzen, aber auch bei 
perennierenden und ſelbſt bei einjährigen Kräutern nicht ſelten gelingt, 
und die darauf beruht, daß in der Nähe des unteren Endes des ab— 
geſchnittenen Zweiges, wenn derſelbe in Waſſer oder feuchte Erde ge— 
ſteckt wird, ſich Adventivwurzeln bilden, die dann den Zweig zu er— 
nähren vermögen, ſo daß er als ſelbſtändige Pflanze weiter wachſen 
kann. Von der Regeneration der Wurzeln an den Stecklingen iſt 
ſchon oben (S. 91) die Rede geweſen. Auch aus Wurzelſtücken 
laſſen ſich ſogenannte Wurzelſtecklinge erziehen, was beſonders bei 
manchen Holzpflanzen und ſogar bei einigen Kräutern ausführbar iſt, 
indem an den Wurzelteilen Adventivknoſpen ſich bilden, welche zu 
Trieben auswachſen. Sogar Blattſtecklinge laſſen ſich von manchen 
Pflanzen gewinnen, wo an abgeſchnittenen Blättern oder Blattſtücken, 
die auf eine feuchte Unterlage gelegt werden, Wurzeln und Adventiv- 
knoſpen ſich bilden, die ſich zu neuen Pflänzchen entwickeln. Dieſes 
gelingt beſonders bei Cardamine pratensis (wo es oft ſpontan eintritt), 
bei Begonia, Bryophyllum, Peperomia 2c. ), und dieſe Eigenſchaft wird 
daher in der gärtneriſchen Praxis zur Vermehrung dieſer Pflanzen ange— 
wendet. Hierher gehört auch die Bildung von Adventivknoſpen in Form 
kleiner Zwiebeln an verwundeten Hyazinthenzwiebeln, welche Maſters ?) 
erwähnt. Dieſelben bilden ſich an den Schnittflächen von der Grenze der 
Zwiebelſchalen aus, wenn man der Zwiebel entweder die Baſis abſchneidet 
und die Schnittfläche ſternförmig nach oben einſchneidet oder wenn 
man fie von unten aushöhlt. Hildebrand) ſah ſogar an abgelöſten 
Blütenknoſpen und Fruchtknoten von Opuntia-Arten ſich bewurzelnde 
Sproſſe entſtehen. Die Veränderungen der Gewebe, die an der 
Schnittfläche der Stecklinge eintreten, behufs der Heilung derſelben, 
find im Artikel über die Wundenheilung beſprochen worden. Der 
Vorgang bei der Bildung der Adventivknoſpen an den Blattſtecklingen 
iſt in einigen Fällen unterſucht worden. Nach Regel) entſtehen bei 
den Blattſtecklingen von Begoniaceen, nach Magnus) an Blättern 
von Hyacinthus und nach Berges) an den Blättern von Bryophyllum 
die Adventivknoſpen, nicht wie ſonſt endogen, ſondern exogen, d. h. 


) Vergl. die Aufzählung bei Maſters, Vegetable Teratology, pag. 170. 

F 

5) Berichte d. deutſch. bot. Geſellſch. 1888, pag. 109. 

) Die Vermehrung der Begoniaceen aus ihren Blättern. Jeuaer Zeit— 
ſchrift f. Nat. 1876, pag. 477. 

5) Bot. Ver. d. Prov. Brandenburg, 30. Mai 1873 u. 16. Juni 1878. 
| ) Beitr. zur Entwickelungsgeſchichte von Bryophyllum calicinum. 
Zürich 1877. 

gr 


Welken 
abgeſchnittener 
Sproſſe. 


116 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


durch Teilung der oberflächlichen Zellen des Blattgewebes, beziehent— 
lich aus der Epidermis. Ebenſo ſah Hanſen!) bei Begonia die 
Knoſpen aus Epidermiszellen des durchſchnittenen Blattnerven bald nahe, 
bald ferner von der Verwundungsſtelle entſtehen, indem ſich durch 
wiederholte Teilung der Epidermiszelle das Meriſtem des jungen 
Sproſſes entwickelt. Auch bei Peperomia entſtehen die Knoſpen nach 
Beinling)) inſofern exogen, als fie unabhängig von den Gefäß— 
bündeln direkt aus dem Grundparenchym des Blattes unmittelbar 
unter der Schnittfläche ſich bilden und nur den Wundkork durchbrechen. 
Hanſen ſah bei Achimenes und Peperomia Wurzel- und Sproß— 
bildung aus oberflächlichen Zellen des Callusgewebes hervorgehen, 
welches an den Schnittflächen ſich bildet. Weitere hierher gehörige 
Erſcheinungen ſind die Vorkeimſproſſungen an abgeſchnittenen Blättern, 
Stengeln und Früchten von Mooſen dec. 

Die abgeſchnittene Sproſſe zeigen bei aller Lebensfähigkeit 
häufig eine bemerkenswerte pathologiſche Erſcheinung; obgleich man 
ſie ins Waſſer geſtellt hat, welken ſie. Die Urſache dieſer allbekannten 
Erſcheinung iſt durch eine meiſt mit Helianthus tuberosus angeſtellte 
Unterſuchung von de Vries?) etwas näher bekannt geworden. Dar— 
nach tritt dieſelbe nur dann ein, wenn die Sproſſe in der Luft durch— 
ſchnitten werden, und es nutzk dann nichts, wenn man dieſelben auch 
noch ſo raſch ins Waſſer ſtellt. Aber die Erſcheinung unterbleibt, 
wenn der Schnitt gleich unter Waſſer gemacht wird. Auch wenn man 
die Verdunſtung des Sproſſes und ſomit die Waſſerſtrömung im 
Stengel vermindert durch Untertauchen der Sproſſe unter Waſſer und 
fie dann an der Luft abſchneidet, tritt nach 1—2 Tagen Welken ein; 
wenn fie 1½ Stunden lang unter Waſſer geweſen, welken ſie erſt nach 
3 Tagen; je geringer alſo die Waſſerſtrömung, deſto langſamer tritt 
das Welken ein. Es geht daraus hervor, daß die Urſache des Welkens 
in einer Unterbrechung der Waſſerleitung während des Abſchneidens in 
der Luft liegt, und daß dieſe Unterbrechung eine Verminderung der 
Leitungsfähigkeit des Stengels für Waſſer zur Folge hat. Darum 
werden ſolche welke Sproſſe wieder friſch, wenn man ihnen eine An- 
zahl Blätter wegnimmt, und Sproſſe, die vor dem Abſchneiden eines 
Teiles der Blätter beraubt worden ſind, welken gar nicht, weil dann 
eine geringere Menge Waſſer erforderlich iſt. Die Unterbrechung der 


1) Flora 1879, pag. 254 u. Sitzungsber. d. phyſic.- med. Soc. zu Er⸗ 
langen, 14. Juni 1880. 

2) Unterſuch. über d. Entſt. der advent. Wurzeln und Laubknoſpen an 
Blattſtecklingen von Peperomia. Breslau 1878. 

3) Arbeiten des bot. Inſt. zu Würzburg. 3. Heft, pag. 287. 


3. Kapitel: Die Verwundungsarten 117 


Leitungsfähigkeit erſtreckt ſich nicht über den ganzen Stengel, ſondern 
nur auf eine gewiſſe Strecke oberhalb der Schnittfläche. Wenn näm— 
lich welke Sproſſe 5—6 em oberhalb der Schnittfläche unter Waſſer 
durchſchnitten wurden, ſo wurden ſie wieder friſch, während dieſelbe 
Operation in nur 1 em Entfernung dies noch nicht bewirkte. Es giebt 
einige äußerliche Mittel, um die verminderte Leitungsfähigkeit wieder zu 
erhöhen und alſo welke Sproſſe wieder friſch zu machen. Sachs) 
fand, daß erhöhter Druck die Waſſerleitung beſchleunigt und auch die 
Leitungsfähigkeit wieder normal macht: wenn der welke Sproß in den 
kurzen Schenkel einer zum Teil mit Waſſer gefüllten U-förmigen Glas— 
röhre feſt eingeſetzt, uud in den andern Schenkel Queckſilber gegoſſen 
wird, ſo wird der Sproß in kurzer Zeit wieder turgescent. Ein andrer 
in der Praxis ſeit langem mit Erfolg angewendeter Gebrauch, bei 
welchem man die welken Sproſſe durch Einſetzen in warmes Waſſer 
(ungefähr 35° C.) wieder friſch macht, lehrt, daß Erwärmung des 
Stengels die Leitungsfähigkeit desſelben bedeutend erhöht. 


C. Veredelung. 


Abgeſchnittene Pflanzenteile können außer durch eigene Bewurzelung 
auch durch Übertragung auf ein lebendes Individuum, wie es bei der 
Veredelung geſchieht, am Leben erhalten und zu weiterer Entwickelung 
befähigt werden. Aber dieſe Möglichkeit iſt bekanntlich in beſtimmte 
Grenzen eingeſchloſſen, indem zwiſchen vielen Pflanzen eine ſolche Ver— 
bindung ſich entweder gar nicht herſtellen läßt, oder doch, wenn ſie 
geſchehen iſt, für den Impfling eine krankhafte Entwickelung und ein 
zeitiges Abſterben zur Folge hat. Beſonders um dieſer letzteren Er— 
ſcheinungen willen iſt die Veredelung hier zu berühren. Dagegen 
haben diejenigen Veränderungen, welche bei gelungener Veredelung 
am Wildling und am Impfling oft eintreten, nämlich die Übertragung 
von Merkmalen des einen auf den andern, kein pathologiſches Inter— 
eſſe, ſondern ſind Gegenſtand der Phyſiologie. 

Im allgemeinen darf die Möglichkeit der Veredelung als auf die 
Dicotyledonen beſchränkt gelten. Nach Decandolle) hat man zwar 
Dracaena ferrea auf Dracaena terminalis gepfropft, aber im zweiten 
Jahre vertrocknete ſie und ging zu Grunde. Holzige Pflanzen und 
fleiſchige Pflanzenteile ſind am meiſten zur Veredelung geeignet. Am 
beſten ſchlägt die Operation an zwiſchen Pflanzen derſelben Species. 
Allein in vielen Fällen läßt ſich die Veredelung mit Erfolg auch 


) Lehrbuch d. Botanik, 2. Aufl. pag. 575. 
2) Physiologie vegetale II, pag. 758. 


Veredelung. 


118 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


zwiſchen zwei verſchiedenen Species vornehmen. Dies iſt jedoch immer 
nur innerhalb einer und derſelben natürlichen Familie möglich. Alle 
Arten einer Familie laſſen ſich jedoch nicht auf einander pfropfen; es 
iſt dazu eine gewiſſe nähere Verwandtſchaft in anatomiſcher und 
phyſiologiſcher Beziehung erforderlich. Aber niemals iſt die Pfropfung 
außer der Familie gelungen; alle gegenteiligen Angaben älterer Beob— 
achter haben bei exakten Wiederholungsverſuchen ſich nicht beſtätigt 
und ſind als unglaubwürdig zu betrachten. Zwiſchen verſchiedenen 
Species einer Familie gelingt zwar die Veredelung oft anfänglich, die 
Pfropfreiſer wachſen zwar an, aber ſie wachſen oft nicht weiter oder 
entwickeln ſich in den nächſtfolgenden 3—4 Jahren kümmerlich, um 
dann abzuſterben, oder tragen wohl auch im erſten Jahre nach der 
Operation Früchte, gehen danach äber zu Grunde. Dies gilt z. B. 
von den Impfungen verſchiedener Oleaceen auf einander, nämlich von 
Flieder auf Eſche, von Chionanthus auf Eſche und Flieder, von Flieder 
auf Phyllirea, von Olbaum auf Eſche und von Olbaum auf Hart— 
riegel). In den meiſten Fällen beobachtet man dasſelbe beim Ver— 
edeln von Birnen auf Apfel und umgekehrt; doch ſind auch aus— 
nahmsweiſe Beiſpiele dauernd gelungener Veredelung von Birnen auf 
Apfel bekannt; ebenſo haben Pfropfungen von Süßkirſchen auf Sauer⸗ 
kirſchen, von Kirſchen auf Pflaumen und umgekehrt in der Regel 
keinen dauernden Erfolg, obwohl gelungene Fälle dieſer Art vor— 
kommen?). Nach Eblen?) ſoll Prunus cerasifera eine ſehr gute Unter— 
lage zur Veredelung mit allen Sorten Pflaumen, 1 mit Aprikoſen 
ſein. Nach Strasburger's“) Mitteilungen finden Verwachſungen 
zwiſchen Edelreis und Unterlage ſogar innerhalb weiter Grenzen ſtatt, 
nämlich in der Familie der Solanaceen zwiſchen Angehörigen ver— 
ſchiedener Gattungen. Einen gewiſſen Einfluß auf die erfolgreiche 
Vereinigung zwiſchen Edelreis und Unterlage übt manchmal die Art 
der Veredelung aus. So ſollen verſchiedene Birnenvarietäten auf 
Quitte nicht anſchlagen oder bald zu Grunde gehen, wenn ſie okuliert 
werden, hingegen ſich ſehr gut entwickeln und große Fruchtbarkeit 
zeigen, wenn man in den Spalt pfropft und als Edelreis eine Zweig— 
ſpitze benutzt; ebenſo ſollen auf Ligustrum ovalifolium zahlreiche 
Arten und Varietäten von Syringa gut anſchlagen bei Pfropfen in den 


1) Vergl. Decandolle, I. c. pag. 791. 

2) Vergl. beſonders Stoll in Wiener Obſt- u. Gartenzeitg. 1810, 
pag. 10, Sorauer, Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl I, pag. 689 und Sahut, 
Revue horticole. Paris 1885, pag. 13 ete. 

2) Pomologiſche Monatshefte von Lucas 1885, pag. 41. 

) Berichte d. deutſch. bot. Geſellſch. 1885, pag. XXXI V. 


3. Kapitel: Die Verwundungsarten 119 


Spalt, bei Okulation aber ſoll es nur mit Syringa Josikea gelungen 
ſein !). Es iſt auch bekannt, daß man oft erfolgreich auf Wurzeln 
pfropft und daß dazu ſelbſt Wurzeln alter Obſtbäume, deren Stämme 
entfernt werden müſſen, ſich gut verwenden laſſen, wobei natürlich die 
Geſundheit der Wurzeln eine Bedingung iſt. 

Von dem Heilungsprozeſſe bei der Veredelung, d. h. von der Ver— 
wachſung des Impflings mit der Unterlage iſt oben (S. 87) die 
Rede geweſen. Bisweilen hat hier die Verwundung eine ungewöhn— 
liche Entwickelung von Adventivknoſpen aus dem unter der Pfropf— 
ſtelle ſich bildenden Wulſt zur Folge. Moquin-Tandonz) berichtet 
von einer veredelten Ulme, an welcher unterhalb der Pfropfſtelle mehr 
als tauſend dicht gedrängte Zweige hervorgebrochen waren. 


D. Verſtümmelung der Samen. 


Es handelt ſich hier um die ſchädlichen Folgen, welche eine Ver-Berſtümmelung 
letzung der Samen auf die Keimung und die weitere Entwickelung der Samen. 
ausübt. Durch Bruch, ſowie durch die Verletzungen, die gewiſſe Tiere, 
beſonders Samenkäfer (Bruchus-Arten) an den Samen hervorbringen, 
wird erfahrungsmäßig die Keimfähigkeit der Samen beeinträchtigt. 
Eine genauere Kenntnis der verſchiedenen Folgen, die aus der Ver— 
wundung oder dem Verluſt beſtimmter Organe der Samen und der 
Embryonen reſultieren, iſt gewonnen worden, indem man die ver— 
ſchiedenartigen Organe künſtlich weggeſchnitten und den Erfolg beob— 
achtet hat. 
Verluſt der Rejervenähritoffbehälter. Wenn man die Be- Verluſt der 
hälter der Reſervenährſtoffe wegſchneidet, alſo die Cotyledonen, ne en 
l 5 . oe g i ehälter. 
ziehentli das Nährgewebe oder Endoſperm, wenn in einem ſolchen 
die Reſerveſtoffe aufbewahrt ſind, ſo wird dadurch zwar die Keim— 
fähigkeit nicht alteriert, aber die daraus ſich entwickelnden Pflanzen 
ſind Zwerge, und zwar richtet ſich die Abnahme der Größe und des 
Gewichtes der produzierten Pflanze nach dem Verhältnis des ver— 
lorenen Nährmaterials; die Pflanze kann unter Verzwergung bis zur 
Bildung reifer Früchte gelangen oder auch ſchon vorzeitig zu Grunde 
f gehen. Bonnet) hat zuerſt ſolche Verſuche mit Bohnen und Buch— 
A weizen angeſtellt. Eingequellten Bohnen wurden beide Cotyledonen 
e weggeſchnitten; der Rumpf des Keimes dann ſo in die Erde geſteckt, 

daß die Plumula hervorragte. Die Pflanzen entwickelten ſich trotzdem, 

) Nach Carrière in Revue hortic. 1876. II. pag. 208. 

2) Pflanzen⸗Teratologie, pag. 379. 

5 3) Nutzen der Blätter bei den Pflanzen. Deutſch von Arnold, pag. 137 ff. 


120 IL Abſchnitt: Von den Wunden 


aber in außerordentlicher Kleinheit; als ſie zu blühen begannen, waren 
ſie nur 5,4 em hoch (gleichalterige unverletzte 49 em), ihre größten 
Blättchen waren nur 3,5 em lang und 1,5 em breit; die Blüten waren 
verhältnismäßig klein und in geringer Anzahl. Wenn die Operation 
an den Bohnen erſt ausgeführt wurde, ſobald ſie aufgegangen waren, 
war die Reduktion in der Größe etwas minder bedeutend: die erſten 
Blätter waren nur 5,4 em lang, aber auch während des ganzen Wachs— 
tums blieb ein Unterſchied merklich, es kamen weniger Blüten, weniger 
und kleinere Früchte zur Entwickelung. Viel ſtärker war der Einfluß 
des Abſchneidens der Cotyledonen an den Buchweizenpflänzchen; die 
meiſten ſtarben und die davon gekommenen blieben elend. Dieſelben 
waren nach drei Wochen nur 2,7 em hoch (gegen 16 em der gleich— 
alterigen unverwundeten) und hatten 1 em lange und 0,6 em breite 
Blätter. Zuletzt hatten fie 13,5 em Höhe erreicht, waren ohne Zweige 
und die ſehr kleinen und wenigen Blüten hatten keinen Samen ge— 
bracht, während die gleichalterigen unverſehrten Pflanzen 78,5 em hoch 
waren und Zweige, Blüten und Körner in Menge hatten. Solche 
Verſuche find neuerdings noch weiter fortgeſetzt worden, von Sachs ), 
Gris?), van Tieghemz) und zuletzt von Blociszews ki). Der 
letztere hat beſonders die angedeutete Abhängigkeit der erreichbaren 
Größe von den in den Cotyledonen oder im Endoſperm aufgeſpeicherten 
Reſerveſtoffen anſchaulich gemacht, indem er von Roggen, Hafer, Mais, 
Erbſen, Lupinen, Klee und Olrettig bald nur einen ganzen Cotyledon, 
bald zwei Hälften querdurchſchnittener Cotyledonen, bald die Hälfte 
oder ein Vierteil des Endoſperms abtrennte und beobachtete, wie die 
daraus hervorgegangenen Pflanzen in ihrem Gewichte die Mitte hielten 
zwiſchen den aus ganzen Samen erhaltenen und denen, welche der 
Reſerveſtoffbehälter total beraubt worden waren. Das ſchließt natür— 
lich nicht aus, daß nachträglich ſolche Pflanzen unter günſtigen Um— 
ſtänden ſich noch erholen und bis zu normaler Fruchtproduktion ge— 
langen können, zumal wenn der Verluſt der Reſerveſtoffbehälter ein 
mäßiger geweſen iſt. Es tft daher erklärlich, daß Haberlandt') bis— 
weilen an Pflanzen, die aus Getreidekörnern erwachſen waren, die 


) Keimungsgeſchichte der Schminkbohne. Sitzungsber. d. k. k. Akad. d. 
Wiſſ. Wien 1859. 

2) Ann. des sc. nat. 5 ser. T. II. pag. 107. 

®) Ann. des sc. nat. 5 ser. T. XVII. pag. 205 fl. 

) Landw. Jahrbücher 1876, pag. 145 fl. 

5) Einfluß der Verſtümmelung der Getreidekörner auf die nachfolgende 
Entwickelung der Pflanze. Wiſſenſchaftlich-praktiſche Unterſuchung I. 1875, 
pag. 234. 


0 
b 


- 3. Kapitel: Die Verwundungsarten 121 


die Hälfte ihrer Reſerveſtoffe eingebüßt hatten, größere Körnermengen 
gewann als an ſolchen, denen nur der vierte Teil der Reſerveſtoffe 
genommen worden war. 

Verluſt der Teile des Embryo. Ferner hat van Tieghem Vellſt 
(l. c.) die Abhängigkeit der einzelnen Organe des Embryo von einander e 
unterſucht. Die Reſultate waren bei endoſpermloſen Samen (Helian- 
thus annuus) wie bei endoſpermhaltigen (Mais, Mirabilis) dieſelben: 
wenn Achſenorgan, Wurzeln und Cotyledonen eines Embryo von ein— 
ander getrennt und normalen Keimungsbedingungen ausgeſetzt werden, 
ſo wächſt jeder dieſer Teile und vergrößert ſich, als ob er mit den 
anderen zuſammenhinge, aber nach kurzer Zeit gehen ſie zu Grunde, 
das Stengelchen erſt, nachdem es neue Nebenwurzeln gebildet hat. 

Die Cotyledonen ergrünen, bekommen an der Schnittfläche kleine Neben— 
wurzeln, endlich eine Knoſpe, die zu einem Pflänzchen auswächſt; 
ſelbſt die Stücke halbierter oder gevierteilter Cotyledonen liefern unter 
Vernarbung der Schnittfläche neue Pflänzchen. Dagegen konnte 
Blociszewski (I. c.) an abgeſchnittenen Cotyledonen von Erbſen 
und Lupinen zwar Wurzeln, aber nie vollſtändige Pflänzchen erhalten. 

Erſatz des Endoſperms durch ein künſtliches. Wie ſchon Künſtliches 
Gris (J. c.) beobachtete, fand auch van Tieghem, daß (bei Mirabilis) Endoſperm. 
ein des Endoſperms beraubter Embryo ſich in den erſten Tagen nor— 
mal zu einer Keimpflanze ausbildet; aber das weitere Wachstum unter— 
bleibt, indem die Knoſpe ſich nicht weiter entwickelt. Aber er fand 
auch die intereſſante Thatſache, daß für das weggenommene Endoſperm 
mit Erfolg ein künſtliches ſubſtituiert werden kann. Er hüllte näm— 
lich die nackten Embryonen von Mirabilis in einen Brei, der aus 
ihrem eigenen mit Waſſer zerriebenen Endoſperm oder auch aus Kar— 
toffelſtärke und Buchweizenmehl hergeſtellt worden war. Es bildeten 
z. B. nach 12 Tagen nackte Embryonen 35 mm lange Stengel mit 
unentwickelter Plumula und 15mm langen Cotyledonen, in Endoſperm— 
brei eingehüllte 60 mm lange Stengel mit 20 mm lang entwickelter 
Plumula und 25 mm lange Cotyledonen, während die normal ge— 

\ keimten 70 mm lange Stengel mit 40 mm lang entwickelter Plumula 

bekommen hatten. Es wurde auch konſtatiert, daß die Embryonen 

einen Teil dieſer künſtlichen Nahrung aufnehmen, wenn auch be— 
deutend weniger als aus dem natürlichen und normal anhaftenden 
Endoſperm. 


E. Verwundung der Wurzeln. 


Jede Beſchädigung des Wurzelſyſtems iſt für die Pflanze nach- Verwundung 
teilig; die ſchädlichen Folgen derſelben ſind oben (S. 26) beſchrieben der Wurzeln. 


k N 7 
* 
7 


worden. Die Veranlaſſungen zu Wurzelverwundungen ſind ſehr 
mannigfaltig; letztere geſchehen teils durch den Fraß ſehr vieler Tiere, 
teils und vornehmlich durch Menſchenhand beim Kulturbetriebe, näm— 
lich überall, wo Pflanzen ausgehoben und verpflanzt werden. 

Bei Holzpflanzen. Beim Verpflanzen der Holzgewächſe tritt naturgemäß die 
gröbſte Verletzung des Wurzelſyſtems ein, weil bei der weiten und 
tiefen Ausbreitung der Wurzeln dieſer Pflanzen ein Abreißen und Ab— 
ſtechen ſelbſt ſtärkerer Wurzeln oft, namentlich bei älteren Pflanzen, 
unvermeidlich iſt. Man nimmt ja hierbei auch gewöhnlich ſogar ein 
Beſchneiden der Wurzeln vor, indem die letzteren ſo gekürzt werden, 
daß ſich aus den ſtehen gebliebenen Wurzelteilen erſt wieder neue 
Saugwurzeln bilden müſſen. Da nun gerade die letzteren es allein 
ſind, welche der Pflanze Waſſer und Nahrung aus dem Boden zu— 
führen, ſo iſt der augenblickliche Nachteil dieſer Operation begreiflich. 
Bei Coniferen und Cupuliferen, wo die Saugwurzeln Mykorhizen ſind, 
hat das Beſchneiden der Wurzeln außerdem die Entfernung der als Amme 
bei der Ernährung des Baumes fungierenden Wurzelpilze!) zur Folge 
und es könnte denkbar ſein, daß beim Verpflanzen in einen andern Boden 
die betreffenden Wurzelpilze nicht vorhanden ſind und daher die Wieder— 
bildung der Mykorhizen verhindert oder wenigſtens verzögert wird. 
Jedes zweckloſe Beſchneiden der Wurzeln ſollte alſo vermieden werden. 
Beim Ausheben der Pflanzen, ſowie beim Transport und Einpflanzen 
muß die möglichſte Schonung des Wurzelballens beobachtet werden; 
bei Topfpflanzen müſſen gerade die äußerſten Wurzeln, welche ſich auf 
dem Boden und an den Wänden des Topfes ausbreiten, da ſie die 
jüngſten und thätigſten find, geſchont werden. Nicht zu umgehen tft 
das Beſchneiden der jungen Wurzeln, welche beim Ausheben gebrochen 
oder geknickt ſind, und es muß dies durch einen glatten Schnitt direkt 
oberhalb der beſchädigten Stelle geſchehen. Viele Holzpflanzen repro- 1 
duzieren allerdings nach Zurückſchneiden der Wurzeln die Saug⸗ = 
wurzeln ziemlich leicht und bilden dann einen um jo dichteren Wurzel⸗ 7 
ballen, was unter Umſtänden von Vorteil ſein kann. Da natürlich 
die Pflanze, jo lange fie nicht im Beſitze genügender Saugwurzeln iſt, 
auch ihren Aſten nicht die erforderliche Menge von Waſſer und Nahrung 
zuführen kann, ſo muß man den verſetzten Pflanzen, beſonders wenn 
es ältere oder gar ſchon höhere Bäume find, einen Teil der Aſte ab- 
ſchneiden, um dadurch ihren Waſſerbedarf auf ein geringeres Maß zu 
reduzieren; es werden dann eben zunächſt nur wenige Knoſpen zu 
neuen blättertragenden Zweigen. Es iſt ſogar möglich, erwachſene 


122 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


) Vergl. mein Lehrbuch der Botanik. Leipzig 1892 I, pag. 260. 


3. Kapitel: Die Verwundungsarten 123 


alte Bäume umzuſetzen; doch nimmt die Unſicherheit des Erfolges 
mit dem Alter des Baumes raſch zu. Am gefährlichſten für die Holz— 
pflanzen und daher ganz verwerflich iſt die Verpflanzung im völlig 
beblätterten Zuſtande, weil dann das Mißverhältnis zwiſchen Waſſer— 
verbrauch und Wurzelarbeit am größten iſt. Man verpflanzt daher 
die Holzpflanzen im blattloſen Zuſtande, alſo entweder im Herbſt oder 
Anfang Winter oder im zeitigen Frühjahr, möglichſt früh vor dem 
Knoſpenaustrieb, um für die Neubewurzelung möglichſt viel Zeit zu 
gewinnen. Für jüngere Gehölze iſt Herbſt- oder nicht zu ſpäte Früh— 
jahrspflanzung gleich günſtig; für einigermaßen ältere Pflanzen hat 
die Frühjahrspflanzung immer größere Gefahren als Verpflanzung im 
Herbſte oder auch im Winter mit gefrorenem Wurzelballen. So haben 
die vergleichenden Verſuche von Götze!) für Obſtbäume ergeben, daß 
dem Verpflanzen im Herbſt mit nachfolgendem Schnitt im Frühjahre 
der Vorzug gebührt. Für Waldbäume hat ſich herausgeſtellt, daß bei 
der Fichte der Verluſt für die im Juni, Juli, Auguſt und September 
ausgeführten Pflanzungen auf 16,3 Prozent, 16,0 Prozent, 19,2 Prozent, 
und 13,7 Prozent ſich ſtellten, während er aus den Pflanzungen der 
Monate April, Mai und Oktober 9,8 Prozent, 10,8 Prozent und 
11,1 Prozent betrug. Bei der Kiefer ſtellte ſich der Verluſt im April 
ſogar noch auf 22 Prozent. Die Laubhölzer verhalten ſich nach den— 
ſelben Verſuchen bei Herbſtpflanzung viel günſtiger als die Nadelhölzer, 
bei denen Frühjahrspflanzungen vor und kurz nach dem Knoſpen— 
aufbruche am günſtigſten ſind ). 

Beim Verpflanzen krautartiger Gewächſe zeigt ſich die Be— 
ſchädigung des Wurzelſyſtems ſehr deutlich daran, daß dieſe Pflanzen 
unmittelbar nach dem Umſetzen mehr oder minder ſtark welken, was 
ſelbſt durch reichliches Angießen der Pflanzen nicht zu verhüten iſt; 
bei trockenem Wetter gehen dadurch ſogar viele Pflanzen zu Grunde; 
beim Auspflanzen der Rüben, des Kohls, des Salates ꝛc. iſt das eine 
allbekannte Erſcheinung. Dieſes Welkwerden läßt ſich nur dann um— 
gehen, wenn man das Endſtück, in welchem ſämtliche Wurzeln ver— 
breitet ſind, im ganzen aushebt. Sobald man aber die Erde von den 
Wurzeln lockert, und ſelbſt wenn man dabei mit der größten Schonung 
verfährt, um keine Wurzel abzureißen, ſo wird man, ſelbſt wenn 
letzteres gelungen ſein ſollte, die Pflanze dennoch nach dem Wieder— 
einpflanzen zunächſt Welkungserſcheinungen zeigen ſehen. Es erklärt 
ſich dies aus der hierbei unvermeidlichen Zerſtörung der eigentlich auf— 


) Zeitſchrift für Pflanzenkrankheiten. II. Band 1892, pag. 182. 
) Deutſche Forſt⸗Zeitung, 13. November 1892. 


Bei Kräutern. 


Abweiden 
und Abmähen. 


124 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


ſaugenden Organe der Wurzeln, nämlich der zarten Wurzelhaare, mit 
denen fie in großer Zahl bekleidet find. Beim Ausheben der Pflanzen 
werden dieſe entweder ganz abgeriſſen oder doch mechaniſch beſchädigt, 
weil dieſelben ja mit den Bodenpartikelchen innig verwachſen ſind. 
Ein in dieſer Weiſe verwundeter Wurzelkörper vermag daher unmittel— 
bar nachher nicht in genügendem Grade zu funktionieren; erſt dann, 
wenn die Wurzelſpitzen wieder ein neues, mit Haaren verſehenes 
Stück gebildet haben oder neue Seitenwurzeln entſtanden ſind, ver— 
ſchwindet mit dem Beginn erhöhter Wurzelthätigkeit der welke Zuſtand 
wieder. 


F. Die Stamm- und Zweigverſtümmelungen. 

I. Krautartige Pflanzen kommen infolge von Abweiden 
durch Tiere oder von Abmähen ſehr oft um ihren ganzen oberirdiſchen 
Stengel. Bei Pflanzen von einjähriger Dauer wird dann oft derſelbe 
nicht wieder erſetzt und die zurückgebliebene Wurzel ſtirbt ab. Peren— 
nierende Pflanzen erſetzen dagegen das Verlorene meiſt in vermehrter 
Anzahl durch Reproduktion neuer Sproſſe, von welcher S. 92 näher 
die Rede war. Es iſt allbekannt, daß viele ſolcher Pflanzen einen 
zwei- oder mehrfachen Schnitt gewähren. Nur iſt bezüglich der Zeit der 
danach eintretenden Reproduktion und bezüglich der Fähigkeit der 
Pflanze, wie oft ſie dieſe Operation aushält, folgendes zu bemerken. 
Diejenigen Pflanzen, deren Entwickelungsperiode an eine beſtimmte 
Jahreszeit geknüpft iſt, wie namentlich die eigentlichen Frühjahrs⸗ 
pflanzen, kommen durch Abſchneiden ihrer oberirdiſchen Teile um die 
Vegetation eines vollen Jahres, denn ſie treiben von neuem erſt, wenn 
im nächſten Frühlinge ihre natürliche Zeit gekommen iſt. Viele andre 
erſetzen noch in demſelben Jahre die verlorenen Triebe ein und ſogar 
mehrere Male, wie wir vom Klee und ähnlichen Pflanzen wiſſen, 
welche mehrmals im Jahre geſchnitten werden können. Eine peren— 
nierende Pflanze erträgt um ſo leichter einen mehrmaligen Verluſt 
ihrer grünen oberirdiſchen Organe, je ſpäter die letzteren wegge— 
nommen werden, alſo je länger ſie an den Pflanzen funktioniert 
haben. Denn dieſe ſind nötig, um die unterirdiſchen Organe zu er⸗ 
nähren, mit Reſerveſtoffen zu füllen, und ſie ſo in den Stand zu 
ſetzen, durch Bildung neuer Sproſſen die Pflanze zu verjüngen. Wenn 
man daher beharrlich die jungen oberirdiſchen Triebe bald nach ihrem 
Erſcheinen wieder wegſchneidet, jo findet keine Ernährung der unter- 
irdiſchen Teile jtatt, vielmehr werden dieſelben durch die wiederholte 
Bildung neuer Organe erſchöpft, und die Pflanze geht endlich aus. 
Deshalb iſt dies auch ein Mittel, um Unkräuter, bei denen das Aus⸗ 


3. Kapitel: Die Verwundungsarten 125 


roden der unterirdiſchen Teile ſich ſchwer bewerkſtelligen läßt, zu ver— 
tilgen. Durch geeignetes und rechtzeitiges Zurückſchneiden der Stengel 
kann man ſolche Pflanzen aber auch zu längerer Lebensdauer bringen, 
ſogar einjährige zu zweijährigen und ſelbſt mehrjährigen machen, 
indem infolgedeſſen der untere Teil des Stengels ſich verdickt und 
verholzt, wie z. B. bei der Reseda odorata. 


II. Bei den Holzpflanzen kommen Verſtümmelungen von Knoſpen, Verſtümmelung 
Zweigen oder ſtärkeren Aſten durch ſehr viele Veranlaſſungen zu ie 
ſtande, und je nachdem reſultieren mannigfaltige Erſcheinungen. Es 
ſind hier folgende Fälle zu unterſcheiden: 

1. Der künſtliche Schnitt, den man an Obſt- und Zierſträuchen Der'künſtliche 
zur Erziehung des Stammes und zur Regulierung der Krone und N 
beſonders an denjenigen Gehölzen anwendet, die zu lebendigen Zäunen 
und Hecken gezogen oder nach franzöſiſchem Geſchmack zu allerlei 
Formen zugeſtutzt werden. Daran ſchließen ſich auch die Verſtümme— 
lungen, die an ganz jungen Pflänzchen, z. B. in Saatkämpen, oder 
an ganz niedrigen Sträuchern, durch die Sichel beim Grasmähen, 
ſowie durch Zertreten, Zerfahren und ähnliche durch den Verkehr be— 
dingte Zerſtörungen herbeigeführt werden. Denn in allen dieſen Fällen 
werden die jüngeren Zweige der Pflanzen verſtümmelt, und überall 
it die Folge die, daß die oben (S. 93 ꝛc.) beſchriebenen Reproduktionen 
unter Austreiben vorhandener Knoſpen, die der Wunde zunächſt ſtehen, 
eintreten. Da beim Heckenſchnitt und beim Beſchneiden der Form— 
bäume auch an den neuen Trieben dieſelben Verſtümmelungen wieder— 
holt werden und dieſe immer wieder Reproduktionen nach ſich ziehen, 
ſo werden dieſe Pflanzen durch die Anhäufung der Knoſpen und Triebe 
immer dichter. 

2. Das Verbeißen durch das Wild und durch vorübergehendes Verbeißen. 
Vieh. Hierbei werden die Spitzen oder auch größere Stücke der ein— 
jährigen Triebe der Holzpflanzen abgezwickt und gefreſſen. An den 
ſtehengebliebenen Zweigſtumpfen ſind dann häufig die Zahnſpuren der 
Tiere kenntlich. Das Wild, zumal das Reh, verbeißt beſonders im 
Winter bei Schnee, aus Mangel an andrer Nahrung, und geht ſowohl 
die kleinſten jüngſten Pflänzchen, als auch größere Individuen an, 
dieſe ſoweit als das Tier die Triebe erreichen kann. Für ganz junge 
Pflänzchen ſind dieſe Verſtümmelungen oft tödlich. Wenn Wild in 
Saatkämpen ein⸗ oder wenigjährige Kiefern verbeißt, jo gehen oft viele 
5 derſelben ein!), während ein- bis dreijährige Fichten, denen oft nur 


. 8 


) Ratzeburg, Waldverderbnis I, pag. 191. 


126 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


die Spitzen abgezwickt werden, durch Reproduktion ſich retten!). Die 
letztere geſchieht auch beim Verbeißen überall auf dieſelbe Weiſe wie 
beim künſtlichen Schnitt aus ſchon vorhandenen Knoſpen, wie S. 93 X. 
beſchrieben worden iſt. Auch vom Verbeißen wird dieſelbe Pflanze oft 
jahrelang wiederholt betroffen, da das Wild die Gewohnheit hat, die 
einmal verbeizten Pflanzen immer wieder anzugehen. Die Dichte der 
Zweigbildung, die ſich infolge der ſteten Reproduktionen einſtellt, in 
Verbindung mit dem Umſtande, daß dieſer Einfluß immer nur ſoweit 
an der Pflanze ſich erſtreckt, als das Tier reichen kann, bedingt ge— 
wiſſe eigentümliche abnorme Strauchformen. Junge Gehölze 
werden nach langjährigem Verbeißen infolge der Anhäufung vieler 
kurzer Triebe zu immer gedrungeneren Strauchformen. Fichten 
ſehen aus wie dichte Perrücken oder Pyramiden; doch findet ſich 
leicht ein Gipfeltrieb, der vom Wild unerreicht, den Höhenwuchs aus 
der Pyramide heraus übernimmt. Ganz ähnlich verhält ſich die Kiefer. 
Ratzeburg?) berichtet von Kiefern, die auf einer Trift beſtändig von 
Schafen verbiſſen, nur auf dem Boden hingeſtreckte Stämme, mit 
kurzen, ſich erhebenden Trieben bekommen hatten und von ferne wie 
grüne Raſen ausſahen. Die Lärche wird nach Ratzeburg!) durch 
Verbeißen bald zu dichten, beſenförmigen Büſchen, aus denen aber 
immer Langtriebe hervorkommen, von denen ſchließlich einer zum 
Kronenaſte wird, der in der Mitte des Buſches ſich erhebt; oder ſie 


bildet niedergeſtreckte Triebe, die wie ein großes Neſt ausſehen, aus 


dem ſich endlich auch ein Höhentrieb emporarbeitet. Schon ganz junge 
Lärchenpflänzchen verbiſſen, bekommen die Neigung, die Aſte, die ſie 
bald nach dem Verbeißen proleptiſch treiben, horizontal auszubreiten. 
Unter den Laubhölzern vertragen Eiche, Rotbuche und Hainbuche viel— 
jähriges Verbeißen am beſten. Sie bilden wie auf einem Perrücken⸗ 
ſtocke ſtehend ein dichtes Neſt von Trieben oder werden zu dicht— 
buſchigen Krüppeln mit knickigen und ſperrigen Aſten; auch hier arbeitet 
ſich, wenn er verſchont bleibt, ein Gipfeltrieb heraus, wenn nicht, ſo 
bleibt die Pflanze jahrelang in der Strauchform. Junge Rüſtern 
werden nach mehrjährigem Biß durch ihre ungemein zahlreichen, büſchelig 
ſtehenden Erſatztriebe zu wirklichen Beſen. Alle ſolche verbeizte Büſche 
laſſen ſich wieder zum Höhenwuchs bringen, wenn man ſie beſchneidet, 
um den Trieb nach oben zu leiten, und ſie eingattert, um die Tiere 
abzuhalten. Eine Schwächung in der Bildung des Holzes, insbe— 
ſondere des Jahresringes nach Verſtümmelung von Zweigen iſt ſchon 
) 1. c. pag. 258. 


N. F pag. 193. 
) I. e. II, pag. G6. 


3. Kapitel: Die Verwundungsarten 127 


vom theoretiſch-phyſiologiſchen Standpunkte zu erwarten, da ja dabei 
ein Verluſt grüner Blätter ſtattfindet. Ratzeburg!) hat denn auch 
durch Beobachtung die ſchwächere Bildung des Jahresringes nach Ver— 
beißen durch Wild an den verſtümmelten Zweigen feſtgeſtellt, ſo bei 
der Kiefer, der Lärche, der Tanne. ; 

3. Abbiſſe und ähnliche Verſtümmelungen jüngerer Zweige 
durch andre Tiere, beſonders durch Inſekten. Eichhörnchen 
beißen im Herbſt und Winter an den Tannen und Fichten einjährige 
Zweiglein ab, um die Blütenknoſpen derſelben auszufreſſen und laſſen 
ſie dann fallen. Beſonders aber ſind es viele Inſekten, welche die 
jungen Zweige der Bäume in derſelben Weiſe förmlich abſtechen, 
ſo daß ſie herunterfallen oder ſie wenigſtens ſo verletzen, daß ſie ab— 
ſterben und dann noch eine Zeit lang im dürren Zuſtande ſtehen 
bleiben, was man bei den Nadelhölzern als Spieße bezeichnet. Auch 
dieſe Verletzungen können für junge Pflänzchen tödlich werden, während 
ältere wieder in derſelben Weiſe wie in den vorigen Fällen durch 
Reproduktion reagieren, woraus wiederum verſchiedene abnorme Baum— 
formen ſich ergeben, von welchen im ſpäteren Teile dieſes Buches bei 
den betreffenden Tieren bie Rede ſein wird. 

Unter Abſprüngen verſteht man die Erſcheinung, daß ganze unver— 
ſehrte einjährige Triebe von den Bäumen ſich ablöſen und abfallen, ſo daß 
ſie bisweilen in großer Zahl den Boden rings um den Baum bedecken. 
Hieran ſind keine Tiere noch ſonſtige äußere Veranlaſſungen ſchuld, denn 
es handelt ſich hier um eine normale Erſcheinung ), die mit dem herbſtlichen 
Blattfall am nächſten verwandt iſt, denn wie dieſer kommen die Abſprünge 
durch eine organiſche Abgliederung zu ſtande, indem ſich an der Baſis oder 
unmittelbar über dem unterſten Internodium einjähriger, ſeltener mehr— 
jähriger Triebe eine Trennungsſchicht aus Korkgewebe bildet, welche die 
Abgliederung des noch friſchen, mit ausgebildeten Blättern verſehenen Zweiges 
im Sommer oder Herbſt zur Folge hat. Am häufigſten ſind ſolche Ab— 
ſprünge bei Taxodium, wo ſie eine regelmäßige Erſcheinung ſind, ferner 
bei Quercus, Populus, Salix; auch bei der Fichte kommen unzweifel— 
haft wirkliche Abſprünge vor, welche nicht von den Eichkätzchen bewirkt 
werden und die beſonders nach Stürmen in Menge abfallen; auch bemerkt 
man ſie, wenn auch minder häufig, bei vielen andern Holzgewächſen. 
Dieſe von ſelbſt ſich ablöſenden Abſprünge ſind im allgemeinen ſchwächliche 
Zweige, die im Verhältnis zu andern ein ſchwaches Wachstum zeigen, für 
den Weiterbau des größeren Zweiges, an dem ſie ſitzen, überflüſſig ſind 
und ſich daher aus dem Verbande des Ganzen löſen. Sie tragen offenbar 
mit zur Erzeugung der typiſchen Baumgeſtalt mancher Gehölze bei, laſſen 
aber pathologiſche Folgen wohl nicht erkennen, daher wir ſie hier nicht 
weiter berückſichtigen. 


1) 1. c. I, pag. 194 und II, pag. 25, 67. 
2) Man vergl. Röſe und Gonnermann in Bot. Zeitg. 1865, Nr. 14, 
41 und 34; ſowie Ratzeburg, Waldverderbnis, I, pag. 219. 


Abbiſſe. 


Abſprünge.. 


Gipfel- und 
Aſtbruch. 


Folgen für die 
Ernährung. 


Reproduktionen. 


Kopfhölzer. 


128 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


4. Gipfelbruch, Aſtbruch, Aſtung. Die hier genannten Ver— 
wundungen betreffen größere alte Aſte der Bäume. Sie treten ein 
teils infolge von Witterungsphänomenen, wie Blitzſchlag, Wind. und 
Schneebruch, teils bei gewiſſen Kulturmethoden, nämlich beim ſoge— 
nannten Ausäſten oder Aufäſten der Baumkronen und bei der 
Zucht der Koſpfhölzer. Erſteres iſt entweder eine Grünäſtung, wobei 
noch lebende Aſte abgeſägt, abgehackt oder abgebrochen werden, oder 
eine Trockenäſtung, wenn ſie ſich auf ſchon vollkommen trockene und 
tote oder dürr werdende Aſte bezieht. Zur letzteren iſt auch ein von 
ſelbſt eintretender Prozeß zu rechnen: die Reinigung des Stammes 
von den unteren Aſten, wenn die Bäume im geſchloſſenen Beſtande 
ſtehen, indem hier infolge des Lichtmangels die Blätter derſelben ſich 
und den Aſt nicht mehr genügend ernähren, ſo daß deſſen Gewebe in— 
folge der Funktionsloſigkeit abſterben, der Aſt vertrocknet und von 
ſelbſt abbricht oder durch Ausäſten entfernt wird. 

Die Folgen, welche der Verluſt lebender Aſte für den Baum über— 
haupt hat, müſſen ſelbſtverſtändlich in einer Verminderung der Er— 
nährung beſtehen, die um ſo bemerkbarer ſein wird, je größer der 
Verluſt an aſſimilierenden Organen iſt. Bei ſtarken Aſtungen kann 
daher der Zuwachs in den unteren Baumteilen ganz aufhören und ſelbſt— 
verſtändlich wird dann auch die Überwallung der Aſtwunden verzögert 
aus Mangel an aſſimilierten Bildungsſtoffen. Es iſt daher ratſam, 
ſtarke Aſtungen nicht auf einmal, ſondern nach längeren Ruhepauſen 
vorzunehmen. 

Die Reproduktionen, die nach dieſen gröberen Verwundungen ein— 
treten, geſchehen, wie wir S. 99 geſehen haben, durch Adventiv— 
knoſpen nahe unterhalb der Wundſtelle; jedoch verhalten ſich wegen 
der ungleichen Fähigkeit, ſolche Knoſpen zu bilden, Laubbäume und 
Nadelbäume hierin im allgemeinen verſchieden. | 

Da die Laubhölzer unter den Wundſtellen jo alter Teile leicht eine 
Brut von Adventivknoſpen erzeugen, aus denen ſich Zweige entwickeln, die 
nach und nach zu neuen Aſten erſtarken, ſo beruht darauf die Zucht der Kopf- 
hölzer, zu denen ſich beſonders Weiden, Pappeln und Buchen eignen. 
Der Stamm wird ſeiner Spitze beraubt; unter der Schnittfläche treiben 
neue Zweige aus, die man nach einer Reihe von Jahren abermals an 
ihrer Baſis köpft, worauf neue Adventivknoſpen daſelbſt gebildet und ge— 
weckt werden. Indem dies nun immer wiederholt wird, wächſt der kurze 
Stamm mit zunehmendem Alter zu anſehnlicher Dicke heran, trägt aber 
auf ſeinem durch die fortwährenden Verwundungen mehr oder minder un— 
förmig erweiterten Kopfe nur verhältnismäßig dünne, einander gleichſtarke 
Aſte in meiſt ungewöhnlich großer Anzahl. Die Verdickung des Kopfes 
rührt auch mit von einer Art Überwallung her, die von der Baſis der 
zahlreichen Lohden ausgeht und welche die alten Stumpfe einzuhüllen ſucht 


ET 


3. Kapitel: Die Verwundungsarten 129 


und immer wieder neuen Adventivknoſpen den Urſprung giebt. Die ſo er— 
zeugte Holz- und Rindenmaſſe des Kopfes ſenkt ſich daher allmählich von 
oben über den Stamm herab. Sie hat eine ſehr unebene Oberfläche, 
Hervorragungen, die teils berindet, teils ſchon entrindet ſind. Im letzteren 
Falle zeigt ſich das bloßliegende Holz als Maſerholz, wie es ſtets bei reich— 
licher Adventivknoſpenbildung ſich entwickelt. Die Rinde des Kopfes iſt 
grindartig grob getäfelt. Die ſchließlich ſich ergebende Baumform hängt 
übrigens noch davon ab, wie lange man die Aſte bis zum Abſchlagen 
ſtehen läßt und ob man ſpäterhin die Aſte ungeſtört ſich fortentwickeln 
läßt oder nur dieſe dem Kopfſchnitt unterwirft. Bei denſelben Laubhölzern 
wird die Neigung, unter den Wundflächen ſich durch, Adventivknoſpen zu 
verjüngen, auch nach dem ſogenannten Kappen ſtarker Aſte in der normalen 
und übrigens unverletzt bleibenden Krone bemerklich. Es tritt dann unter 
den Schnitt- oder Bruchſtellen oft eine reiche Brut von Adventivknoſpen 
auf, aus denen dicht gedrängt ſtehende Zweige hervorgehen können, wie es 
beſonders an den Pappeln, Roßkaſtanien, Linden ꝛc. ſehr gewöhnlich iſt. 

Bei den Nadelhölzern tritt nach allen hier genannten Verwundungen 
meiſt gar keine Bildung von Adventivknoſpen und ſomit keine Erneuerung 
von Aſten auf; nur ſelten kommt hier und da ein kümmerliches Zweiglein, 
aus adventiver Bildung bervorgegangen, zur Entwickelung. Wenn eine 
Konifere ihren Gipfeltrieb verliert, ſo iſt es einer der ſchon vorhandenen 
Seitentriebe nahe der Spitze, der ſich geotropiſch aufwärts krümmend und 
kräftiger wachſend allmählich an die Stelle des verlorenen Haupttriebes 
tritt, wie an entgipfelten Fichten und Tannen oft zu ſehen iſt. Selten 
werden wohl auch zwei oder mehr Seitentriebe zugleich in dieſer Weiſe 
beeinflußt, ſo daß der Stamm ſpäter von einem gewiſſen Punkte an zwei— 
gipfelig erſcheint. Schübeler) berichtet von Fichten in Norwegen, welche 
geköpft worden waren und an denen darnach aus den oberſten horizontalen 
Aſten zwei bis fünf regelmäßige kleine Bäume emporgewachſen waren, ſo— 
wie von einer andern ſehr alten Fichte, an welcher der Stamm durch die 
Mitte der Krone verfolgt werden konnte und in einer Höhe von ungefähr 
2 m über dem Boden 12 Aſte aus dem Stamme hervorgewachſen waren, 
von denen einzelne ſich bis 3,1 m in horizontaler Richtung ausſtreckten, 
ehe ſie ſich nach oben richteten, und die alle wie beſondere Fichtenbäume 
aufgewachſen waren. Wenn der Nadelholzſtamm ſeitliche Hauptäſte ver— 
liert, ſo tritt auch meiſtens keine Reproduktion durch Adventivknoſpen ein; 
der Stamm behält die Aſtſtumpfe oder die ſtehen gebliebenen trockenen 
Spieße und gleicht die Verzweigungsfehler nicht aus. Eine Ausnahme 
macht die Lärche, welche gleich einem Laubholz um dieſe Wundſtellen reich— 
liche Knoſpen entwickelt. Wo man dieſem Baume durch ſogenanntes 
Schneideln Hauptäſte von unten an weggnimmt, da bedeckt ſich der Schaft 
wieder bürſtenförmig mit zahlreichen neuen Trieben, die um die Wund— 
ſtellen hervorbrechen 2). 

Wenn die Einflüſſe, welche die Bäume in dieſer Weiſe verſtümmeln, Krüppelbäume 
ſich fortwährend wiederholen, dann erreichen die Verzweigungsfehler ihren der Baumgrenze: 
höchſten Grad. So ſehen wir die im Vorſtehenden bezeichneten Ver— 
wundungen in allen ihren Formen und Kombinationen ganz beſonders 


Verhalten der 
Nadelhölzer. 


) Pflanzenwelt Norwegens, pag. 167. 
) Vergl. Ratzeburg, Waldverderbnis II, pag. 52. 
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 9 


Wundfaule. 


130 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


in den Krüppelformen der Bäume an der Baumgrenze auf den 
Gebirgen und im Hochnorden, desgleichen an den Meeresküſten. Hier ſind 
es vorwiegend die dort herrſchenden ſtarken Stürme, welche immerfort 
Gipfel und Aſte brechen und dadurch die für jene Gegenden charakteriſti— 
ſchen Baumgeſtalten hervorbringen. Auch Lawinenſtürze können ganz ähn— 
liche Wirkungen haben. Das Nähere über die dadurch zu ſtande kommen— 
den Pflanzenformen iſt im Kapitel über die Wirkungen der Luftbewegungen 
und der Niederſchläge zu finden. 

Sehr groß ſind bei dieſen anſehnlichen Wunden für den Baum 
die Gefahren, welche die danach eintretende Wundfäule mit ſich 
bringt. Das Theoretiſche über die letztere iſt bereits S. 101 erörtert 
worden. Beſonderes praktiſches Intereſſe haben die Aſtwunden, weil 
ſie für die Geſundheit und für den techniſchen Wert des Stammholzes 
gefährlich ſind. Die Folgen dieſer Wunden ſind daher auch vielfach 
erörtert worden, beſonders von Göppert!) und von R. Hartig), 
denen die folgenden Angaben entlehnt ſind. Nur waren dieſe Beob— 
achter über die erſten Stadien der Wundfäule im Irrtum, da ihnen 
die von mir aufgeklärte Bedeutung des Schutzholzes (S. 31) noch 
unbekannt war, welches ſie daher mit den Zerſetzungserſcheinungen 
des Pilzes verwechſelten. Die gefährlichſten Wunden ſind die Aſt— 
ſtumpfe, wie ſie infolge des natürlichen Abſterbens der unteren Aſte 
im Hochwalde, infolge von Windbrüchen u. dergl. und bei regel— 
widriger Aſtung, d. h. wenn der Aſt nicht dicht am Stamme abge- 
nommen wird, entſtehen. Da, wo ſie bald nach ihrem Abſterben 
leicht abbrechen, wie bei Kiefern, iſt dies noch nicht ſo gefährlich als da, 
wo ſie lange ſtehen bleiben, denn dann verhindern ſie, daß die vom 
Stamme oder von der lebend bleibenden Aſtbaſis ausgehende Über— 
wallung ſich ſchließt und bieten alſo die günſtigſten Einzugspforten für 
atmoſphäriſches Waſſer und ſaprophyte Pilze dar. Zunächſt liegt die 
ſchwarzbraune Grenze des abgeſtorbenen Aſtholzes an der Baſis des Aſtes. 
Der Aſtſtumpf wird in der Regel unter Beteiligung von Fäulnis⸗ 
pilzen zerſetzt, und wenn er endlich durch eigene Schwere oder durch 
Schneeanhang abfällt, ſo bricht er aus der Aſthöhle heraus. Die 
Vertiefung, welche er hinterläßt, wird nun nach und nach durch Über- 
wallungswülſte geſchloſſen. Aber das inzwiſchen in die Höhle ein— 
dringende Waſſer zerſetzt die noch zurückgebliebenen Reſte des Aſtes 
und verwandelt ſie in ſchwarzbraunen Humus. Dieſe ausgefaulten 
Aſthöhlen, die endlich durch die Überwallung ganz verſchloſſen und 
verborgen werden können und mehr oder weniger tief in das Stamm- 
holz hineinragen, vergrößern ſich zwar nach Verheilen der Wunde 


) Über die Folgen äußerer Verletzungen der Bäume, pag. 59—68. 
2) J. c. pag. 68, 133 ff. 


3. Kapitel: Die Verwundungsarten 131 


nicht mehr, beeinträchtigen aber jedenfalls die Verwendbarkeit des 
Holzes. Wenn das Kernholz des Aſtes der Zerſetzung länger wider— 
ſteht als das Splintholz, wie es z. B. bei der Eiche nicht ſelten iſt, 
ſo wird das Abfallen des Aſtſtumpfes verzögert und derſelbe wächſt 
tiefer in das Innere des Baumes ein; und auch, wenn das Splint— 
holz völlig verfault iſt, ſo hindert das ſtehen gebliebene Kernholz den 
Verſchluß der Aſthöhle durch Überwallung, und fo kommen mit zu— 
nehmender Stärke des Stammes die ausgefaulten Hohlräume immer 
tiefer in den Stamm zu ſitzen und vermindern deſſen Wert um ſo 
mehr. Bei den Nadelhölzern wirkt die ſtarke Verkienung der Aſt— 
ſtumpfe der Zerſetzung entgegen; nichtsdeſtoweniger zeigen ſie durch 
ihre mehr oder minder ſtarke Schwarzfärbung die eingetretene Wund— 
fäule an, die ſich auch bei der Verarbeitung des Holzes an den ſoge— 
nannten toten oder ausfallenden Aſten zeigt, indem nach der Ver— 
flüchtigung des Terpentins der Aſt ſich als mürbe und locker erweiſt. 

Die Schnittflächen dicht am Stamme abgeſägter ſtärkerer Aſte 
find minder gefährlich. Denn durch ein Abſägen trockener Aſte 
und Aſtſtumpfe, wenn es glatt an der Oberfläche des Stammes 
geſchieht (Trockenäſtung), wird die Bildung der eben beſchriebenen Aſt— 
höhlen bei den Laubhölzern, desgleichen die Entſtehung jener ausfallenden 
Aſte bei den Nadelhölzern vermieden. Schwächere trockene Aſte fallen, 
ohne irgend erheblichen Schaden zu hinterlaſſen, von ſelbſt ab. Jedoch 
ſind bei allen Grünäſtungen zur Saftzeit ſowohl bei Laub- wie bei 
Nadelhölzern die leicht eintretenden Rindeverletzungen oft Ausgangs— 
punkte von Wundfäule. Wenn nämlich beim Abſägen des Aſtes, be— 
ſonders am unteren Rande der Wunde, die Rinde ein Stück vom 
Stamme mit losgelöſt wird, ſo ſtirbt in dieſer Ausdehnung die Cam— 
biumſchicht ab. Indem die umgebenden Teile eine neue Holzſchicht 
bilden, entſteht an jenen Stellen ein Zwiſchenraum zwiſchen Holz und 
Rinde, in welchem ſich Regenwaſſer ſammelt, Fäulnispilze vegetieren 
und Zerſetzungsprodukte ſich bilden, welche in das Holz, beſonders 
durch die Markſtrahlen eindringen und dieſes mehr oder weniger tief 
nach innen bräunen. Auf dem radialen Längsſchnitt durch den Stamm 
läuft dann ein brauner Streifen im Holze von der Wunde aus ab— 
wärts zwiſchen der nach der Verwundung gebildeten Splintſchicht und 
dem älteren Holze. Dies erſtreckt ſich nicht nur in der Ausdehnung, 
in welcher die Rinde bei der Aſtung losgelöſt worden war, ſondern 
nach und nach noch tiefer, R. Hartig fand dies bei Eichen zuweilen 
3—4 m weit abwärts. Nach demſelben Beobachter erfolgt die Bräunung 
bei Aſtung im Frühjahr im Holze des Vorjahres, bei Sommeräſtung da- 
gegen im Holze desſelben Jahres, ſo daß im letzteren Falle die danach 

9 * 


182 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


ſich bildende zweite Hälfte des Jahresringes normal bleibt, indem immer 
nur das im Augenblicke der Verwundung bereits gebildete Holz ſich färbt. 
Man kann danach leicht jede Sommeräſtung als ſolche erkennen, jedoch 
Frühlings- oder Herbſtäſtung nicht unterſcheiden. Auch bei Fichten fand 
R. Hartig nach Sommeräſtung dieſelbe Bräunung, und zwar von der 
Schnittwunde aus durch den ganzen Baum bis nahe zu den Wurzeln 
verfolgbar. Sobald durch Überwallung die Schnittflächen geſchloſſen ſind, 
iſt auch für dieſe Wunden eine weitere Gefahr vorüber. Die Vollendung 
der Überwallung wird nun aber am meiſten verzögert oder ganz ver— 
eitelt bei den großen Wunden, die nach Gipfelbruch, nach Verluſt ſehr 
ſtarker Aſte und alſo auch bei den Kopfhölzern vorhanden ſind. Hier 
kommt hinzu, daß dieſe Wundflächen ungefähr horizontal ſind, ſo daß das 
Regen- und Schneewaſſer leicht in ſie eindringt. Die Folge iſt, daß ſich 
die Zerſetzung tief in den Stamm herab fortſetzt und raſch verläuft, daß 
alſo der Stamm im Innern bis zu beträchtlicher Tiefe ausfault. Es 
entſtehen auf dieſe Weiſe die hohlen Baumſtämme. Daher werden 
bekanntlich die Kopfweiden gewöhnlich alle ſehr bald hohl; und auch 
nach Gipfelbruch oder nach dem Kappen ſtarker Aſte kommt es oft zu 
dieſem Erfolge. Der Stamm kann ſoweit ausfaulen, daß nur ein 
dünner, aus dem jüngeren Holze beſtehender Mantel zurückbleibt, der 
in dem Maße, als er außen durch Cambium neues Holz bildet, von 
innen her ſein altes Holz durch Fäulnis verliert. Die innere Wand 
des hohlen Baumes iſt mit Holz in allen Stadien der Zerſetzung 
bekleidet und ſeine Höhle mehr oder weniger mit den humiſizierten 
Endprodukten der Wundfäule, einer heller oder dunkler braunen 
Baumerde, erfüllt. Hohlwerden tritt an Bäumen mit weichem, leicht 
zerjeßbarem Holze, wie Weiden, Pappeln, Linden, eher und häufiger 
ein, als an Bäumen mit härterem Holze, wie Eichen, Buchen u. dergl. 
Bei Fichten bleiben oft die verkienten, daher reſiſtenten quirlförmigen 
Aſte bis zu ihrer Baſis in der ausgefaulten Höhle des Stammes 
ſtehen ). An den Stellen, wo die Fäulnis das Holz ganz zerſtört hat, 
ſowie da, wo anderweite äußere Stammwunden hinzugetreten ſind, 
wird die Höhle des Baumes nach außen geöffnet; ſchließlich kann der 
Stamm ſich ſpalten oder wirklich in einzelne Teile der Länge nach 
zerriſſen werden, die noch immer fortleben können, ſo lange ſie geſundes 
Holz haben und mit Wurzeln in Verbindung ſtehen. Mit Hilfe 
der noch thätigen Cambiumſchicht und der Überwallungen führt der 
hohle Baum oft lange den Kampf zwiſchen Heilung und Zerſetzung 
fort, der ſich immer mehr zu gunſten der letzteren wendet, bis der 


) Göppert, I. c. pag. 13, Taf. IV. Fig. 2. 


. 


3 8 er r 


3. Kapitel: Die Verwundungsarten 133 


nächſte ſtarke Sturm den Baum zu Fall bringt. Hierher gehören auch 
die Folgen, welche das Wegnehmen eines Zwillingsſtammes der Fichte 
(hervorgegangen aus einem doppelten Höhentrieb, wie ihn junge 
Fichten nicht ſelten annehmen) für den ſtehen bleibenden Stamm 
haben, indem, wenn derſelbe nicht früh genug, ſondern erſt im 20 bis 
30 jährigen Alter weggenommen wird, ſeine zurückbleibende Baſis ſich 
gerade wie ein Aſtſtummel verhält. Sie ſtirbt ab, wird durch Fäul— 
nis zerſtört und hinterläßt am Fuße des Stammes eine offene Wunde; 
von dort aus kann ſich die Wundfäule auf den Holzkörper des ſtehen— 
den Stammes verbreiten und kommt erſt zum Stillſtand, wenn der 
Stamm die Wunde allſeitig umwachſen und eingeſchloſſen hat. 

Die Heilung der in Rede ſtehenden Wunden wird, wie erwähnt, 
durch Überwallung (S. 74) angeſtrebt. Nur ſo lange, als ein 
Aſt noch am Leben iſt, wächſt ſein Holzkörper in die Dicke. Da ſeine 
Cambiumſchicht unmittelbar in diejenige des Stammes ſich fortſetzt, 
ſo bilden auch ſeine Holzringe die Fortſetzungen derjenigen des Stammes. 
Sobald aber die Cambiumſchicht des Aſtes abſtirbt, ſo wird dadurch 
für diejenige des Stammes ringsum die Aſtbaſis eine Unterbrechung 
bedingt, die einer Verwundung gleichbedeutend iſt; es bildet ſich eine 
Überwallung, die ſich über den Aſtſtumpf zu ſchieben und ihn endlich 
einzuſchließen ſucht, wobei ſie die Form einer Ellipſe annimmt, indem 
die Holzfaſern der Überwallungsſchichten ſchief zur Seite um den Aſt— 
ſtumpf ausbiegen. Dabei wird natürlich kein organiſcher Zuſammen— 
hang zwiſchen der Überwallung und dem toten Aſtſtumpfe hergeſtellt, 
auch wenn dieſer endlich ganz eingeſchloſſen werden ſollte. Die lange 
Dauer aber, die bis zu dieſem Zeitpunkte vergeht, iſt der Grund, daß 
oft Fäulnis eintritt, bevor ihn die Überwallung eingeſchloſſen hat; nur 


Überwallung. 


bei den Koniferen pflegen die Aſtſtumpfe zu verkienen und dadurch jo 


konſerviert zu werden, daß man ſie gewöhnlich noch unverändert tief 
im Holze eingeſchloſſen findet. Anders iſt der Erfolg, wenn die Baſis 
eines abgeſtorbenen Aſtes am Leben bleibt und vom Stamme aus 
ſeitlich ernährt wird. Nach R. Hartig) iſt dies gerade ein ſehr 
häufiger Fall bei abgeſtorbenen Aſten. Da die Cambiumſchicht des 
Stammes ſich unmittelbar in diejenige der lebenden Aſtbaſis fortſetzt, 
ſo gehen auch die neuen Holzringe, die der Stamm bildet, auf die 
Aſtbaſis über, und dieſe verdickt ſich ebenfalls. Hier iſt alſo das Ein— 
wachſen des Aſtſtumpfes ein ganz andrer Prozeß; es tritt eine orga— 
niſche Verwachſung zwiſchen dem Stammholz und dem Aſtſtumpf ein, 
und der Baum ſchützt gleichſam dadurch ſein Inneres vor toten Aſten. 


) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes, pag. 68, 133, Taf. XIX, Fig. 2. 


Verluſt des 
Stammes. 


134 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


Die abgeſtorbenen Aſtſtumpfe verzögern die Überwallung, weil eine um 

ſo längere Zeit bis zum Schluſſe derſelben erforderlich iſt, je weiter 

vom Stamme entfernt ihre Bruchſtelle ſich befindet. Dagegen erfolgt 

die Überwallung am raſcheſten, wenn der Aſt hart am Stamme ab— 

geſägt iſt, weil hier nur eine in der Oberfläche des Stammes ſelbſt 

liegende Schnittfläche zu ſchließen iſt. Erwähnenswert iſt die Form, 

in welcher die Überwallung an hohlen Bäumen eintritt. Wenn die 

Höhle eines ſolchen Stammes ſich nach außen geöffnet hat, der Baum— 1 
ſtamm der Länge nach ſich ſpaltet oder vom Sturm in mehrere Teile 1 
zerriſſen wird, jo bildet ſich an den Rändern eine Überwallung, durch 1 
welche nach und nach auch die Innenſeite des hohlen Baumes, wenigſtens 5 
ſtellenweiſe ſich berindet und die einzelnen Teile dann gleichſam wie 
beſondere Stämme ſich ringsum verdicken. An alten hohlen Linden iſt ' 
dieſe Erſcheinung bisweilen zu finden. An ſolchen Überwallungen können 1 
ſich Adventivknoſpen oder Adventivwurzeln bilden, letztere beſonders N 
durch die Feuchtigkeit des mit Baumerde erfüllten Innern begünſtigt. N 
Der Baum treibt in ſolchem Falle Aſte und Wurzeln in die Höhlung 0 
ſeines eigenen Stammes. Die Bildung derartiger Luftwurzeln iſt in 3 
hohlen Weiden nicht ſelten; ferner tft fie beobachtet worden an Linden )), 

Birken), Eberejchen?), von mir an einer Roßkaſtanie. 


5. Stammabhieb. Es wurde ſchon oben erwähnt, daß der Ver— 
luſt des Baumſtammes über der Wurzel für die Koniferen im allge— 
meinen tödlich iſt, weil dieſe Bäume unfähig ſind, am Stammſtumpfe 
Adventivknoſpen zu bilden, während dieſe Fähigkeit bei den Laub— 
bäumen vorhanden iſt und hier die Bildung der Stock- oder Wurzel— 
ausſchläge bedingt. Auf dieſer Fähigkeit der Laubhölzer beruht die 
Niederholzzucht in der Forſtwirtſchaft, ſowie die Erziehung des Band— 
holzes der Weide, welches aus einem der Stammſpitze beraubten 
Weidenſteckling hervorſproßt. Die Nadelhölzer eignen ſich aus dem 
oben angeführten Grunde hierzu nicht. Eine, wenn auch nur ſcheinbare 
Ausnahme von dieſer Regel zeigt ſich bei dem Überwallen der 
Tannenſtöcke, einer in Tannenbeſtänden nicht ſeltenen Erſcheinung, 
die darin beſteht, daß die Schnittfläche am Rande ringsum eine Ülber- 
wallungswulſt erzeugt, welche Jahrzehnte lang fortwachſen kann, ob— 
gleich keine Stockausſchläge mit Blättern vorhanden ſind, welche die 
aſſimilierten Nahrungsſtoffe erzeugen könnten, die zu dieſen Neu⸗ 


) Schacht, Anatomie und Phyſiologie der Gewächſe, II., pag. 84. 

2) Vergl. die verſchiedenen derartigen Bildungen, welche in Norwegen 
beobachtet worden ſind, bei Schübeler, Pflanzenwelt Norwegens, pag. 185. 

3) Schübeler, I. c. pag. 344. 


3. Kapitel: Die Verwundungsarten 135 


bildungen erforderlich find. Göpperty) hat die Erklärung hierfür 
gegeben, indem er fand, daß die Wurzeln ſolcher überwallter Stöcke 
ſtets mit den Wurzeln einer benachbarten noch ſtehenden Tanne ver— 
wachſen ſind, daß ſolche vegetierende Stöcke mit der Fällung dieſes 
zweiten Baumes zu Grunde gehen, ſowie, daß an iſoliert ſtehenden 
Tannenſtöcken keine Überwallung ſich bildet, woraus hervorgeht, daß 
der Stock ſich nicht ſelbſtändig ernährt, ſondern ſeine Nahrung aus 
dem noch ſtehenden Baume erhält. Nach Göppert's ) weiteren Beob— 
achtungen kommt die Erſcheinung auch an Fichten und Lärchen, aber 
nicht an Kiefern und auch nur dann vor, wenn ſolche Stämme mit 
den Wurzeln benachbarter Bäume verwachſen ſind, und es vermögen 
ſogar Fichten Weißtannen und umgekehrt Tannen Fichten zu über⸗ 
wallen. Th. Hartig beobachtete jedoch auch an einer Lärche, welche 
einzeln auf einer Waldblöße ſtand, eine Überwallung des Stockes; hier 
war eine Ernährung durch andre Baumwurzeln ausgeſchloſſen; viel— 
leicht giebt die durch mich bekannt gewordene, allgemein verbreitete Er— 
nährung der Waldbäume durch die Wurzelpilze der Mycorhizen hierfür 
eine Erklärung. Die Annahme, daß noch ſoviel Reſervematerial in 
den Wurzeln vorhanden geweſen iſt, dürfte kaum zur Erklärung aus 
reichend ſein. Sorauers) will es aus dem Chlorophyllgehalte der 
jungen Überwallungsränder erklären. 


G. Die Entrindungen der Stämme. 


Um zu beurteilen, welche Folgen die verſchiedenartigen Formen Verwundungen 
der Entrindungen der Stämme nach ſich ziehen, muß man ſich der Rinde. 
der phyſiologiſchen Rolle bewußt ſein, welche die Rinde des Baum— 
ſtammes ſpielt; auf ſie iſt S. 26 kurz hingewieſen worden. Beſonders 
zur Erklärung der verſchiedenartigen Überwallungserſcheinungen, welche 
ſich an den Rändern der Rindenwunden einſtellen, iſt es nötig, feſt— 
zuhalten, daß die aſſimilierten Nährſtoffe, welche zu allen Neubildungen, 
alſo auch zu dieſen Überwallungen gebraucht werden, in den Blättern 
erzeugt und von dort aus in der Rinde herabgeleitet werden. Daher 
ſehen wir in der Regel nach Ringelwunden, dem ſogenannten Ringeln 
oder dem Ringſchnitt, wobei alſo die Rinde im ganzen Umfange 
des Stammes bis auf das Holz ringförmig abgenommen wird, nur 
am oberen Wundrande eine Überwallung ſich bilden, welche, da die 
abſteigenden Nährſtoffe hier aufgehalten werden, zu einer ſtarken Wulſt 


4 
* 
4 


1) Beobachtungen über das Überwallen der Tannenſtöcke. Bonn 1842. 
2) Sitzungsber. d. Geſellſch. naturf. Freunde zu Berlin. 16. April 1872. 
3) Pflanzenkrankheiten, 2. Aufl. I, pag. 544. 


136 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


anſchwillt, welche ſich langſam über die Ringelwunde nach unten 
ſchiebt und früher oder ſpäter den unteren Wundrand erreichen kann, 
womit die Verheilung der Wunde ihren Abſchluß erreicht hat. Be— 
findet ſich die Ringelwunde ziemlich nahe am Boden oder ſonſt in 
feuchter Umgebung, ſo werden auch leicht Adventivwurzeln an dieſem 
Überwallungswulſt oder nahe über demſelben gebildet. Dagegen iſt 
von derartigen Bildungsthätigkeiten am unteren Wundrande nichts zu 
bemerken. Es fehlt eben hier an dem Zufluß der dazu erforderlichen 
aſſimilierten Nährſtoffe; ja der ganze unter der Ringelwunde befind— 
liche Teil des Stammes und das Wurzelſyſtem, und ſomit die ganze 
Pflanze ſterben nach einiger Zeit ab, wenn nicht inzwiſchen die Über— 
wallung den Weg für die abſteigenden Nährſtoffe wieder hergeſtellt 
hat oder der Stamm unter der Wunde durch Knoſpenbildung wieder 
einen Neuausſchlag bekommen hat. Indeſſen ſind die Bildungs— 
thätigkeiten, welche ſich am oberen Rande einer Ringelwunde einſtellen, 
nicht allein die Folgen der Unterbrechung des Nahrungszufluſſes. Sie 
ſind analog den Regenerationserſcheinungen, welche am unteren 
Ende abgeſchnittener Sproſſe überhaupt einzutreten pflegen; denn der 
abgeringelte Stamm iſt zu vergleichen einem iſolierten Sproſſe, der ja 
auch an ſeinem unteren Ende Gallus und Adventivwurzeln erzeugt. 
Anderſeits entſprechen die Erſcheinungen, welche am unteren Rande 
der Ringelung eintreten, oft denjenigen, welche ein verſchnittener Sproß 
in der Nähe ſeiner Schnittfläche zeigt: es werden oft ziemlich bald eine 
oder einige ruhende Knoſpen, die etwa in der Nähe ſich befinden, ge— 
weckt und erſetzen den abgeringelten Trieb durch neue; dann wird 
auch oft der abgeringelte Trieb wirklich preisgegeben, d. h. die Pflanze 
verhält ſich ſo, als ob dieſer Trieb wirklich abgeſchnitten worden wäre, 
es bildet ſich an der Grenze desſelben Schutzholz (S. 31); dadurch 
wird natürlich die Waſſerverſorgung des über der Ringelung befind— 
lichen Teiles der Pflanze vereitelt und das iſt der Grund, warum 
nicht ſelten die Ringelungen nach einiger Zeit das Vertrocknen des 
über der Wunde befindlichen Teiles der Pflanze zur Folge haben. — 
Werden dünnere Aſte einer älteren Holzpflanze geringelt, jo find auch 
unterhalb der Ringelwunde beblätterte Zweige vorhanden und es ſind 
alſo die unter der Wunde befindlichen Teile des geringelten Aſtes nicht 
von der Zufuhr aſſimilierter Nahrung abgeſchnitten; die Ringelung 
hat hier nur den Erfolg, daß alles aſſimilierte Material, welches von 
den oberhalb der Wunde ſitzenden Blättern erzeugt worden iſt, auch 
dort zurückgehalten wird und dem Fruchtanſatz des geringelten Aſtes 
zugute kommt. Dieſe Art des Ringſchnittes wird daher bisweilen 


“er 9 er af m 2 n 
i 


BR 


4 
3 


1 
Ben 


3 
3 


9 


* 
> 


Br 


0 
— Be — 
{ — 


3. Kapitel: Die Verwundungsarten 137 


von den Gärtnern angewandt, um mehr und beſſere Früchte am Frucht— 
holze zu erzielen. Auch das Einkerben des Aſtes, was in einer ein— 
ſeitigen Ringelung beſteht, hat für die über der Kerbe ſtehenden Knoſpen 
derartigen Erfolg. Wenn die Entrindung nur einſeitig gemacht wird, ſo 
tritt, da die Kommunikation der leitenden Gewebe nicht unterbrochen iſt, 
auch keine Atrophie der unteren Teile ein. Ebenſowenig iſt dies der 
Fall, wenn Rindenwunden abwechſelnd rechts und links übereinander 
hergeſtellt werden, oder wenn ein Rindenſtreif ſpiralig den Stamm 
umlaufend abgenommen wird, weil die Wanderung der Stoffe auch 
in ſchiefer Richtung ſtattfinden kann. Nur findet hier immer eine 
relativ ſtärkere Ernährung des oberen Überwallungswulites ſtatt, 
worin ſich wiederum die Abwärtswanderung der in den Blättern ge— 
bildeten aſſimilierten Stoffe ausſpricht. Solche ſpiralige Rindenwunden 
kommen auch natürlich vor, nämlich wenn ein Baumſtamm von dem 
holzigen Stamme einer Schlingpflanze (3. B. Lonicera capri- 
folium) umwunden iſt, weil dann infolge des Dickenwachstums des 
Stammes die Schlingpflanze in die Rinde desſelben ſchließlich ein— 
ſchneidet. 

Wir betrachten hier die Entrindungen, welche bei: verſchiedenen 
Gelegenheiten den Bäumen zuſtoßen, im einzelnen. 


1. Fremde Körper. Verwundungen der Rinde können durch gremde Körper. 


fremde Körper hervorgebracht werden, welche das Dickenwachstum 
der Stämme andauernd behindern, indem dieſelben ſich dann in die 
Rinde eindrücken und vom Holzkörper überwachſen werden; alſo wenn 
Stämme von dem holzigen Stengel einer Schlingpflanze umwunden 
ſind, wenn ein Draht um ſie geſchlungen war, wenn fie Stakete, 
eiſerne Stäbe u. dergl. berühren. Betrifft letzteres dicke Baumſtämme, 
ſo werden die fremden Körper allmählich durch Überwallung wirklich 
eingeſchloſſen; jo hat man im Holze gefunden ): Früchte (Eicheln, Haſel— 
nüſſe), Steine (dieſe beſonders oft in das Holz der Wurzeln einge— 
preßt), Münzen, Hörner, Knochen, Kreuze, Kettenglieder, Teile von 
Gartenzäunen ꝛc. Jüngere Stämmchen und Aſte können vermöge ihrer 
Biegſamkeit nachgeben; aber häufig werden hier durch die vom Winde 
veranlaßte fortwährende Reibung an dem fremden Körper lange offen 
bleibende Wundſtellen erzeugt. 

2. Zeichen und Inſchriften. Dieſe durch Menſchenhand ge— 
machten Einſchnitte, welche in die Rinde der Baumſtämme bis auf 
den Splint gemacht werden, haben meiſt keine beſonders ſchädlichen 


— — — — 


) Göppert, Folgen äußerer Verletzungen, pag. 3, und Moquin— 
Tandon, Pflanzen⸗Teratologie, pag. 273. 


Zeichen und 
Inſchriften. 


Harzen. 


7 N 
% 


138 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


Folgen, da fie nach einiger Zeit durch Überwallung bedeckt werden ), 
wobei ſich dieſe oft in die Vertiefungen des Einſchnittes einſenkt. 
Sie werden beim Zerſägen ſolcher Stämme nicht ſelten unter mehr 
als hundert Jahresringen wohl erhalten vorgefunden, und die ſich 
ablöſende Überwallung zeigt dann oft die Figur des Einſchnittes in 
erhabener Form. Auf der Oberfläche der Rinde ſolcher überwallter 
Stellen bleibt die Spur des Einſchnittes auch noch lange Zeit ſichtbar, 
doch wird ſie wegen des zunehmenden Dickenwachstums hier fort und 
fort in die Breite gezogen und dadurch unkenntlicher; bei glattrindigen 
Stämmen, wie Buchen, erhält ſie ſich länger, als bei Bäumen mit 
ſtarker Borkebildung. 

3. Das Harzen. Verſchiedenartige Verwundungen werden zum 
Zwecke der Harzgewinnung an mehreren Koniferen vorgenommen. 
Aus der Fichte wird im mittleren Deutſchland, beſonders in Thüringen, 
Harz gewonnen durch ſogenanntes Harzſcharren. Man nimmt in 
der Bruſthöhe des Baumes an drei oder vier Seiten des Stammes 
mittelſt eines hakenförmigen und geſchärften Scharreiſens, etwa 2 Finger 
breite und ca. 2 m lange vertikale Streifen der Rinde bis auf das 
Holz fort. In dieſen Rinnen (Lachten, Lagten oder Laachen) 
ſammelt ſich der aus der Wunde hervorquellende Terpentin. Derſelbe 
ſtammt aus den bei der Fichte bis ins hohe Alter beſonders reichlich 
vorhandenen horizontalen Harzkanälen, welche in den Markſtrahlen 
des Holzes und deren Fortſetzungen in der Rinde liegen und eben bei 
jener Verwundung zahlreich geöffnet werden?). Der an der Luft durch 
Oxydation zu Harz erhärtende Terpentin wird gewöhnlich ſchon im 
erſten Jahre mit dem Scharreiſen herausgekratzt und dabei die Lachte 
breiter gemacht, wodurch der inzwiſchen entſtandene Überwallungswulſt 
abgeſchnitten, mithin neue Harzkanäle geöffnet werden und der Harz— 
ausfluß im Gange erhalten wird. Das Harzſcharren wird auf dieſe 
Weiſe alle zwei Jahre wiederholt und gewöhnlich lange Zeit fort— 
geſetzt. Nach den Erfahrungen der Forſtleutes) ſoll das Harzen den 
mittelwüchſigen und älteren Fichten unſchädlich ſein, wenn man nur 
ein oder zwei Lachten macht; vermehrt man die Zahl derſelben, ſo 
werden die Bäume kränklich, zeigen ſchlechten Zuwachs und Bräunung 


) Vergl. Göppert, Über Inſchriften und Zeichen in lebenden Bäumen. 
Breslau 1869, und Ueber die Folgen äußerer Verletzungen der Bäume. Breslau 
1879, pag. 1—3. 

2) v. Mohl, über die Gewinnung des venetianiſchen Terpentins. Bot. 
Zeitg. 1859, pag. 342. Vergl. auch Schacht, der Baum, pag. 334. 

3) Meyen, Pflanzenpathologie, pag. 238, und R. Hartig, Zerſetzungs⸗ 
erſcheinungen des Holzes, pag. 73. 


3. Kapitel: Die Verwundungsarten 139 


und Zerſetzung des Holzes in der Nähe der Wunden; Borkenkäfer, 
Holzweſpen und andre Inſekten greifen ſolche Stämme beſonders gern 
an. Junge Bäume ſind noch empfindlicher. Die Lachten werden, da 
die umgebenden Teile im Dickenwachstum fortfahren, mit den Jahren 
immer tiefer, und der zuerſt freigelegte Holzſtreifen trocknet allmählich 
aus und von ihm nehmen dann die Zerſetzungserſcheinungen ihren 
Anfang. Das Holz ſolcher Bäume, die viele Jahre lang geharzt 
worden ſind, wird am ganzen unteren Stammende gebräunt und zer— 
ſetzt, und von dort kann ſich die Holzverderbnis ſogar noch beträchtlich 
weiter in den Stamm hinaufziehen. Als Bauholz ſind daher geharzte 
Fichtenſtämme unbrauchbar und können nur zu Brenn- und Kohlen— 
holz verwendet werden. An einer ſeit 39 Jahren geharzten Fichte fand 
R. Hartig!) den ganzen Holzkörper außer den jüngeren Holzlagen 
am unteren Stammende gebräunt und ſtark zerſetzt, und über den an 
den vier Seiten des Stammes angebrachten Lachten zog ſich die 
Bräunung nach aufwärts 12 m hoch empor. Die Verſchlechterung 
des Holzes durch das Harzen erhellt am deutlichſten aus der Thatſache, 
daß im Thüringer Wald in vielen Beſtänden die Nutzholzausbeute, 
die in nicht geharzten Beſtänden mindeſtens 70 Prozent beträgt, infolge 
der langjährigen Harznutzung auf 20—30 Prozent vermindert iſt. 
Von der Weißtanne wird der Straßburger Terpentin, ſowie in 
Amerika von Abies balsamifera der kanadiſche Balſam, und zwar aus den 
Harzbeulen, welches erweiterte Harzkanäle in der Rinde ſind, gewonnen, 
indem der Terpentin nur aus den einzeln geöffneten Harzbeulen in 
Gefäßen, welche oben zugeſpitzt find, aufgefangen wird?); die Harz⸗ 
armut des Holzes dieſer Bäume ſchließt eine andere Harzgewinnung 
aus. Bei vielen andern Pinus-Arten iſt aber der Terpentingehalt vor— 
herrſchend im Holze und es erklären ſich daraus die ander“ Methoden, 
nach denen hier geharzt wird. Nach den Beſchreibungen von Du— 
hamels) ſtimmen die Methoden der Harzgewinnung aus verſchiedenen 
Arten von Pinus in Kanada, in der Provence, wo namentlich der 
Terpentin von Bordeaux aus Pinus Pinaster gewonnen wird, und in 
Oſterreich aus Pinus nigricans, darin überein, daß in die äußerſten 
Holzſchichten eine höchſtens 8 em tiefe Kerbe (Wanne) eingehauen wird, 
wobei der Terpentin aus den geöffneten Harzkanälen des Splintes von 
der oberen Wundfläche aus hervorfließt, und daß man von Zeit zu 
Zeit dieſe Wundfläche durch Wegnahme einer dünnen Holzſchicht wieder 


. pag. 73. 

) Vergl. die bei v. Mohl, 1. c. pag. 341 mitgeteilte Beſchreibung von 
Duhamel. 

3) v. Mohl, 1. c. pag. 343. 


Quetſchwunden. 


140 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


erneuert, um den Harzausfluß von neuem hervorzurufen. Wenn 
große Mengen von Harz abgezapft werden, ſo ſoll dies auch hier eine 
bedeutende Verſchlechterung des Holzes inſofern zur Folge haben, als 
das zur Tränkung des Kernholzes beſtimmte Harz dem Baume ent— 
zogen wird; doch ſoll durch eine mäßige Harzbenutzung das Kernholz 
nicht notwendig arm an Harz werden. Bei der Lärche endlich, wo 
der Terpentin hauptſächlich als Infiltration des Kernholzes und aus— 
geſchwitzt in Spalten des Holzes auftritt, beruht die Gewinnung des 
venetianiſchen Terpentins nach Duhamel und anderen Autoren, ſowie 
nach v. Mohl darauf, daß man in geringer Höhe über dem Boden 
Bohrlöcher bis gegen die Mitte des Baumſtammes ungefähr von der 
Dicke von 8 em anbringt, in welche man dann hölzerne Rinnen ſteckt, 
um den ausfließenden Terpentin aufzufangen, oder die man mit einem 
Zapfen verſchließt, um ſie auszuleeren, wenn ſie ſich mit Harz gefüllt 
haben. Dieſes ſammelt ſich in ihnen immer von neuem an, wenn ſie 
wieder mit dem Zapfen verſchloſſen werden. Im ſüͤdlichen Tirol 
macht man in jeden Stamm nur ein Bohrloch, und das ſcheint für 
die Erhaltung der Bäume weniger ungünſtig zu ſein und die Güte 
des Holzes weniger zu ſchädigen. Einen weſentlichen Schaden für die 
Bäume will man nicht bemerkt haben, ſobald nur das Bohrloch immer 
verſchloſſen gehalten wird, offenbar weil dadurch den Zerſetzungen des 
Holzes mehr vorgebeugt wird. Aber im Thale Saint Martin in 
Piemont werden mehrere Löcher bis in 3—4 m Höhe angebracht, was 
zwar eine ungleich größere Harzausbeute liefert, aber zur Folge hat, 
daß die angebohrten Stämme nicht als Bauholz taugen und gewöhn— 
lich nur zum Brennen und Verkohlen benutzt werden. 

4. Quetſchwunden. Bei dieſen Wunden bleibt das durch die 
Quetſchung getötete Rindengewebe auf der Wunde haften und bringt 
daher leicht Zerſetzungserſcheinungen hervor, weshalb dieſe Wunden 
ſchwer heilen und oft ſich verſchlimmern. Solche werden erzeugt durch 
das ſogenannte Anprällen, d. h. das mit dem Artrücken ausgeführte 
heftige Anſchlagen an den Stamm, um das Herabfallen von Raupen 
zu bewirken. Solche Wunden ſah R. Hartig) noch nach 30 Jahren 
in unveränderter Größe und meiſt mit hinzugetretener Wundfäule. 
Noch größere können durch den Baumſchlag entſtehen, wenn der 
ſtürzende Baum an einem Nachbarſtamme herabrutſcht und dabei 
deſſen Rinde quetſcht. Auch der Hagel bringt an Stämmen und 
Aſten Quetſchwunden hervor, deren Größe derjenigen der Hagelkörner 
entſprechen. 


) 1. c. II. pag. 72. 


3. Kapitel: Die Verwundungsarten 141 


5. Schälen, Fegen und Nagen. Als Schälen bezeichnet Entrindungen 

man im allgemeinen alle Verwundungen von Baumſtämmen oder Baum- 1 
wurzeln, wobei größere zuſammenhängende Stücken der Rinde von i 
dem Splinte abgeriſſen werden. Solches kann erſtens durch die Hand 
des Menſchen, aus Unvorſichtigkeit oder Mutwillen geſchehen und zwar 
beſonders leicht zur Frühjahrszeit, wo ſich wegen des Saftreichtums 
der Cambiumſchicht die Rinde mit Leichtigkeit löſt. Bei Schäl— 
wunden bleiben gewöhnlich Rindenlappen am Stamme hängen. 
Dieſe vertrocknen dann meiſtens bis an die Grenze der unverletzten 
Rinde. Bisweilen aber iſt, beſonders an Linden, beobachtet worden, 
daß, wenn der Rindenlappen wenigſtens oben oder unten noch mit 
der geſunden Rinde im Zuſammenhang ſteht, derſelbe auf der Innen— 
ſeite Holz bildet, welches ſich mit einem neuen Rindenüberzuge bedeckt. 
Wenn die abgelöſte Rinde oben und unten noch in Verbindung mit 
dem Stamme ſteht, ſo bildet ſich durch dieſen berindeten Holzüberzug 
ein doppelter Stamm, oder wenn dabei die Rinde ringsum gelöſt iſt, 
gleichſam ein Futteral um das alte dann oft abgeſtorbene Holz mit 
einem wirklichen Zwiſchenraum zwiſchen beiden!). Auch bei Grün— 
äſtung, wenn ſie zur Saftzeit ausgeführt wird, wird die Rinde wegen 
ihrer um dieſe Zeit leichten Ablösbarkeit oft in Streifen mit abgeriſſen 
oder losgelöſt, wenn nicht vorher von unten her in den Aſt einge— 
hauen wird, um das Abreißen der Rinde zu verhüten. Schälwunden 
werden auch an den unteren Teilen der Stämme und an den flach— 
liegenden Wurzeln erzeugt beim Holzrücken in denjenigen Wäldern, 
welche an Berghängen liegen, indem das Langholz, wenn es an die 
Wege gerückt wird, die genannten Teile ſtreift und vielfach quetſcht 
und entrindet. Gleicher Art ſind bei den Wurzeln die Verwundungen 
durch Wagenräder und durch die Tritte der Tiere an Wegen, 
auf Viehtriften und Viehlagerplätzen. Nach R. Hartig?) tritt, wenn 
ſolche Wurzeln ganz frei liegen, nur auf kurze Erſtreckung unter der 
Wunde Bräunung des Holzes ein, wenn ſie aber von Humus oder 
Moos bedeckt ſind, infolge der Feuchtigkeit eine beſchleunigte Fäulnis 
unter ſchwarzbrauner Färbung, auch oft Anſiedelung holzzerſtörender 
Pilze. 

Zweitens werden ſolche Entrindungen vielfach durch das Wild Schälen, vom 
hervorgebracht. Hierher gehört das Schälen, welches die Hirſche Wild verurſacht. 
ausführen, d. i. die mittelſt der Schneidezähne zum Zwecke des Aſens 
im Winter und Frühjahr bewirkte Entfernung eines Rindenlappens, 


) Ratzeburg, Waldverderbnis II, pag. 337. 
2) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes. Berlin 1878, pag. 73. 


142 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


welcher zuerſt unten gelöſt und dann in die Höhe gezogen wird. Das 
Fegen der Hirſche und Rehböcke, wobei dieſelben an jungen Stämmen 
mit dem Gehörn auf und niederfahren, um die Hautbekleidung des— 
ſelben abzureiben, iſt auch eine Entrindung, wobei aber Überreſte der 
halb gelöſten Rinde an den Rändern der unverletzten ſtehen bleiben 
in Form von Lappen oder kleineren trockenen gekräuſelten Fetzen. 
Hinſichtlich dieſer Verwundungen ſind wir hauptſächlich auf die folgen— 
den Angaben Ratze— 
burg's!) angewieſen. 
Das Schälen geſchieht 
oft in umfaſſender 

Weiſe, ſo daß in 
manchen Beſtänden alle 
Stämme davon be— 
troffen werden. Das 
Wild ſchält nicht in 
allen Gegenden; aber 
dort, wo es einmal be— 
gonnen hat (an ge— 
at fällten Stämmen ſoll 

Fig. 22. : R 

Fichtenſtamm mit Ueberwallung von Schäl⸗ es dies zuerſt probieren), 
wunden, im Querſchnitt, verkleinerk. Aus der Lage wird es ihm zur Ge— 
der drei Schälwunden und aus den Jahresringen wohnheit. Die liebſte 

der Ueberwallungen iſt erſichtlich, daß das Wild a £ 
den Stamm dreimal in mehrjährigen Zwiſchen. Holzart iſt dem Wild 
räumen, das erſte Mal im halben Umfange geſchält die Fichte, die im 25“ 
hatte. Ratzeburg. bis 50jährigen Alter 
angegriffen wird; ebenſo die Weißtanne; Kiefern werden wegen 
ihrer zeitig ſich entwickelnden Borke mit 3—5, Lärchen meiſt mit 12 
bis 14 Jahren geſchält. Auch Laubhölzer, wie Eſche und Eiche werden 
angegangen, von letzterer peitſchen- bis armſtarke Stämme. Durch 
das Fegen wird gewöhnlich die Rinde ringsum und auf eine lange 


Strecke beſchädigt, während das Schälen, welches in Kopf- und Bruſt⸗ 


höhe geſchieht, meiſt einſeitig iſt; doch kommen auch doppelte und 
dreifache Schälwunden auf gleicher Höhe und mitunter auch Ring- 
ſchälung vor. Im Winter, wo die Rinde ſich nicht leicht löſt, ſind 
die Wunden nicht ſo groß wie beim Schälen im Frühling und Sommer, 
wo das Wild die Rinde in großen Lappen ablöſt. Oft wiederholt 
ſich das Schälen in den nächſten Jahren, dann geſchieht es natürlich 


y) I. c. I, pag. 201, 267. Taf. 20-22, 31-32 und II, pag. 33, 73, 
168, 284. Taf. 41. 


% 

} A 
% 
I 

1 g 5 

b 1 

7 

5 

7 

% 

1 

5 
— 


ER: 


3. Kapitel: Die Verwundungsarten 143 


der erſten Schälſtelle, die noch nicht geheilt iſt, gegenüber, darauf im 
rechten Winkel zu den beiden vorhergehenden. Bei den Nadelhölzern 
iſt die Schälwunde im erſten Jahr mit Harz bedeckt, wie überzuckert; 
ſpäter bilden ſich von den Rändern aus die Überwallungen, welche 
die Wundfläche nach einiger Zeit ſchließen können. Bisweilen beginnt 
an dem bloßliegenden Holz der Wunde Fäulnis, die jedoch durch den 
Harzüberzug meiſt verhütet wird. Aber auch die Faulſtellen können 
überwallt werden. Nach R. 
Hartig) tritt an den Schäl— 
wunden der Fichte eine Bräunung 
des Holzes, welches zur Zeit des 
Schälens vorhanden war, ein, 
die mehr oder weniger tief ins 
Innere eindringt und ſich nach 
oben und nach unten einen oder 
einige Meter weit fortſetzt, wäh— 
rend das nachher gebildete Holz 
hell iſt. Noch im ſpäteren Alter 
erkennt man daher am Quer- Fig. 23. 

ſchnitt des Stammes, zu welchen . 10 75 ee 8 
Zeiten Schälen ſtattgefunden Schälwunde, im Juerſchnutt, verkleinert. 
Hat; eine Bräunung an der Fr zu Bellen Geensiahn Tin 
Peripherie des Kernes und die iſt trotzdem nach 9 Jahren durch Über⸗ 
nnn gehenden ̃ ¼ . 
Ueberwallung zeigen an, wie den Jahresring bildend. Nach Nabe: 
groß die Wunde geweſen iſt burg. 

(vergl. Fig. 22 und 23). Fand das Schälen im Winter ſtatt, jo iſt 
der letztgebildete Jahresring vollſtändig; trat es im Sommer ein, ſo iſt 
derſelbe an der geſchälten Stelle ſchmäler geblieben. Bei den Nadel— 
hölzern, beſonders bei Kiefer, Fichte und Tanne, findet nach Ratze— 
burg im Holze der Wunden eine abnorme Harzbildung ſtatt: das 
Holz der über die Wundfläche ſich lagernden Überwallung verkient all— 
mählich, bisweilen auch unter Auftreten großer Harzgänge, und ſelbſt 
im letzten Ringe des Kernes, der vor der Verwundung normal ge— 
bildet worden war, erſcheint Harz in den Markſtrahl- und Holzzellen. 
Einſeitige Schälwunden heilen meiſt durch Überwallung und haben 
dann für den Baum keine weitere Gefahr. Ungünſtig aber iſt die 
Ringſchälung: es treten zwar oft ſtarke Überwallungen am oberen 
Rande der Wunde ein, aber die Verbindung mit dem unteren Rande 


I . pag. 71. 


Folgen des Wild— 
ſchälens. 


144 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


iſt nicht herzuſtellen, und der Wipfel ſtirbt dann ab. Die Neigung 
der Lärche, Adventivknoſpen zu bilden, zeigt ſich auch bei der Über— 
wallung ihrer Schälſtellen; an den vielfach gewundenen und genarbten 
Überwallungsmaſſen bilden ſich oft nahe der Schlußſtelle die Maſer— 
knollen, die aus Adventivknoſpen hervorzugehen ſcheinen. 

An Schälwunden, welche durch Wild verurſacht werden, hat 
R. Hartig!) bei Fichten, abgeſehen von einigen Fällen, in denen 
Paraſiten (3. B. Polyporus vaparorius) ſich angeſiedelt hatten, nur 
eine von den Schälſtellen ausgehende allerdings intenſive Bräunung, 
aber keine merkliche Veränderung der techniſchen Eigenſchaften des 
Holzes eintreten ſehen. Die Bräunung erſtreckt ſich mehr oder weniger 
tief nach innen, und auch eine gewiſſe Strecke nach oben und unten 
im Stamme und giebt ſich auf dem Querſchnitte in Form von braunen 
Flecken oder Streifen zu erkennen. Selbſt an einer im 25. Lebensjahre 
ſtark geſchälten 115jährigen Fichte fand R. Hartig nur den 25 jährigen 
Kern gebräunt bis in eine Entfernung von 3½ m, während alles 
ſpäter gebildete Holz frei von Bräunung war. übereinſtimmend damit 
find auch Ratzeburg's?) Erfahrungen über die Folgen des Wild— 
ſchälens an der Fichte; er beobachtete, daß wenn der ſchützende Harz— 
überzug durch Harzſammler von der Wundfläche abgekratzt wird, die 
Rotfäule ſtärker ſich zeigt, als wenn dies nicht geſchieht. An der 
Kiefer hat nach den übereinſtimmenden Angaben der genannten beiden 
Schriftſteller wegen des Harzreichtums das Wildſchälen keine eigentliche 
Wundfäule, nur geringe Bräunung des Schälkernes zur Folge. Nach 
R. Hartigs) verhalten ſich die durch das Holzrücken entſtehenden 
Schälwunden hinſichtlich der ihnen folgenden Zerſetzungserſcheinungen 
den eben genannten gleich, dagegen ſind die durch Baumſchlag und 
Anprällen entſtehenden eigentlichen Quetſchwunden viel gefährlicher, 
weil bei ihnen die gequetſchte und abſterbende Rinde auf der Wunde 
und mit der intakten Rinde im Zuſammenhange bleibt und deshalb 
die letztere an der Bildung eines überwallungswulſtes verhindert. 
Es bleiben infolge deſſen dieſe Wunden nicht nur ohne Überwallung 
oder überwallen doch erſt ſpät, ſondern es dringt auch durch die ver— 
trocknete und zerreißende Rinde Waſſer zwiſchen dieſe und das Holz 
ein und veranlaßt Zerſetzungen, weshalb die Wundfäule unter Quetſch⸗ 
wunden weiter ſich zu verbreiten pflegt als an offenen Wunden. Dieſe 
und ähnliche Verwundungen können, wenn ſie in großer Ausdehnung 


Lee. Pig. 71. 
2) Waldverderbnis J, pag. 267. 
) 1. c. pag. 7% 


3. Kapitel: Die Verwundungsarten 145 


oder in großer Zahl am unteren Stammende eines Baumes vor— 
kommen, zu einem Ausfaulen und Hohlwerden des Stammes von 
unten aus führen, wie es an vielen alten Linden zu ſehen iſt,, die 
an verkehrsreichen Wegen ſtehen, wo ſie beſtändig ſolchen Verletzungen 
ausgeſetzt ſind. 

Unter Nagen verſteht man die durch Nagetiere hervorgebrachte 
Entrindung der Baumſtämme, die beſonders im Winter bei Schnee 
ſtattfindet. Hafen und Kaninchen benagen in dieſer Zeit Wald-, Obſt— 
und Gartenbäume. Noch ſchädlicher aber können an Forſtgehölzen die 
Mäuſe werden. Mäuſenagen findet beſonders am Laubholz, wie 
Buche, Birke, Eſche ꝛc., ſtatt und zwar am Grunde des Stammes, 
ſelten höher als 30 em und meiſt rings herum. Vorzugsweiſe gehen 
dieſe Tiere jüngere Hölzer an; doch hat man während der Mäuſe— 
plage im Herbſt 1878 in den Gegenden der Saale beobachtet, daß 
die Mäuſe ſogar die Borke alter Bäume angegriffen haben. Die 
Rinde jüngerer Stämme wird dabei zum größten Teil abgenagt, die 
Zahnſpuren dringen bis ans Holz. Bisweilen entziehen ſich die Nage— 
ſtellen im hohen Graſe dem Auge. Die Folge iſt entweder ein raſches 
Abſterben des Stammes über der Wunde, wobei ſein Laub im Sommer 
gelb wird. Dafür bilden ſich unter der Wunde Stockausſchläge, die 
den Stamm zu erſetzen ſuchen, was immer um ſo kräftiger und 
ſchneller geſchieht, je vollſtändiger der Oberſtamm abgeſtorben iſt, 
daher auch das Abſchneiden desſelben ratſam iſt. Oft aber erhält ſich 
auch der Stamm über der Wunde am Leben; er bildet dann am 
oberen Wundrande einen Überwallungswulſt und nicht ſelten regeneriert 
ſich die Rinde auf dem entblößten Holze ſtellenweiſe durch inſelartige 
Granulationen (wie wir ſie bei der Wundenheilung (S. 70) 
kennen gelernt haben). Aber auch dann tritt unter der Wunde Stock— 
ausſchlag auf; der Oberſtamm kränkelt dann wohl Jahre lang unter 
Bildung geringeren und bleicheren Laubes und geht endlich zu Grunde, 
ſeltener bringt er es ſelbſt zu einem neuen Wipfel“). An einer tief 
am Grunde durch Mäuſe geringelten Birke beobachtete Ratzeburg 
Wurzeln, die infolge der Feuchtigkeit in dem hohen Graſe aus dem 
Überwallungswulſt am oberen Wundrande entſtanden waren und dem 
Boden zuſtrebten, was alſo an gleiche Reſultate bei den Ringelungs— 
verſuchen erinnert. Sehr dünne Stämmchen können durch das Nagen 
vollſtändig abgeſchnitten werden. 

Auch durch Eichhörnchen und durch Horniſſen wird die Rinde in 
verſchiedener Ausdehnung geſchält. 


) Vergl. Ratzeburg 1. c. II, pag. 104 ff. 228, 285, Taf. 44. 
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 10 


Nagen. 


Inſektenfraß in 
der Rinde. 


Verluſt der 
Blätter. 


146 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


6. Inſektenfraß in der Rinde. Eine Zerſtörung der Baum— 
rinde findet natürlich auch ſtatt, wenn kleinere Tiere, wie Inſekten, in 
derſelben Fraßgänge anlegen, wie es beſonders die Borkenkäfer thun. 
Da jedoch hierbei die Rinde im ganzen nicht mechaniſch geſtört wird, 
ſondern infolge des Aufenthaltes der paraſitiſchen Inſekten abſtirbt, 
ſo ſchließen wir dieſe Beſchädigungen paſſender von den eigentlichen 
Wunden aus und behandeln ſie unter den Pflanzenkrankheiten, welche 
durch ſchädliche Inſekten hervorgerufen werden. 


H. Die Entlaubung. 


Von den vielen Gelegenheiten, bei welchen die Pflanzen abnormer 
Weiſe ihre Blätter verlieren, kommen an dieſer Stelle nur diejenigen 
in Betracht, wo das auf mechaniſche Weiſe, in Form einer Verwundung 
geſchieht, nicht diejenigen, wo eigentümliche Krankheitsprozeſſe die 
Blätter verderben. 

Auf mechaniſche Weiſe gehen die Blätter den Pflanzen bisweilen 
durch Menſchenhand verloren, wie bei dem Laubſtreifen, um das 
Laub zum Füttern des Viehes zu verwenden, oder beim Einſammeln 
der Maulbeerblätter zur Fütterung der Seidenraupen, oder der Blätter 
des Theeſtrauches ꝛc.; auch das Abblatten der Rüben 2c. gehört 
hierher. Ferner fallen die Blätter vieler Pflanzen dem Nahrungs— 
bedürfnis einer großen Anzahl von Tieren zum Opfer, ſowohl höherer 
Tiere, als beſonders zahlreicher Inſekten, wobei der Blattkörper bald 
vollſtändig aufgezehrt, bald nur in verſchiedenem Grade verwundet 
wird. Endlich können heftige Stürme, ſtarke Regengüſſe und vor allen 
Hagelſchläge die Blätter abreißen oder verwunden in jeweils ver— 
ſchiedener Form, die in den ſpäteren Kapiteln, wo von dieſen Ein— 
flüſſen ſpeziell die Rede tft, genauer angegeben iſt. Die allgemeinen 
phyſiologiſchen Folgen, welche der Verluſt der Blätter für die Pflanze 
hat, find S. 27 erwähnt worden. Über die Reproduktionen, welche 
die Pflanze nach Entlaubung zum Erſatze der Blätter einleitet, iſt 
S. 100 zu vergleichen. Bei den Holzpflanzen findet der Wieder— 
ausſchlag entweder noch in demſelben Jahre oder erſt im Nachjahre 
ſtatt, wobei hauptſächlich die Zeit der Entlaubung, aber auch die Baum⸗ 
ſpezies entſcheidend ſind. Im Nachjahre findet der Wiederausſchlag 
beſonders dann ſtatt, wenn die Entlaubung nicht gar zu frühzeitig im 


Sommer erfolgt iſt, alſo wenn die Blätter ſchon einen Vorrat von 


aſſimilierten Nährſtoffen gebildet und in den Zweig zurückgeführt und 
wenn die für das nächſte Jahr beſtimmten Knoſpen ſchon eine gewiſſe Ent⸗ 
wickelung erreicht haben. Die Thätigkeit der Pflanze beſchränkt ſich 


dann darauf, dieſe Teile noch notdürftig zur Reife zu bringen, um 


* 


3. Kapitel: Die Verwundungsarten 147 


die Entwickelungsfähigkeit derſelben für das nächſte Jahr zu ſichern. 
Doch haben alle ſolche Bäume die Neigung, im Spätſommer bei 
günſtigen Witterungsverhältniſſen einige ihrer Knoſpen zu treiben; 
ſolche Triebe können aber im Herbſt nicht mehr ſo weit ausreifen, 
um dem Winter zu trotzen. Hat dagegen die Entlaubung zeitig im 
Frühjahre ſtattgefunden, ſo belaubt ſich der Baum in der oben be— 
ſchriebenen Weiſe zum zweitenmale in demſelben Sommer. Relativ gut 
ſetzt z. B. die Eiche nach Maikäfer- oder Eichenwicklerfraß ihren Wieder- 
ausſchlag an, während bei der Buche und Linde die proleptiſche Be— 
laubung nach Inſektenfraß ſehr dürftig ausfällt, indem nur kurze 
Triebe mit einem Blatte oder wenigen Blättern gebildet werden). 


J. Blattwunden. 


Zu Verwundungen des Blattkörpers geben namentlich viele eranlaſſung zur 


kleinere Inſekten Veranlaſſung, die je nach ihrer Art in verſchiedener 
Weiſe die Blätter verletzen. Auch der Hagel bringt allerhand Ver— 
wundungen und zwar gröberer Art an den Blättern hervor. Auch 
können die Pflanzen gegenſeitig ſich Verwundungen an ihren Blättern 
zufügen. Ich beobachtete einen ſolchen Fall an einem Roggenfelde, in 
welchem allgemein die Blätter durch viele kleine, helle, kranke Flecken 
auffielen. Letztere zeigten ausnahmslos auf ihrer Mitte eine kleine 
Wunde, an welcher die Epidermis durchſtochen und das Meſophyll 
verletzt war. In den meiſten Wunden zeigte das Mikroſkop einen 
fremden Körper, der bei allen gleich war: ein lang kegelförmiges, 
ſehr ſpitzes, ſtarres, farbloſes, dornenähnliches Körperchen; es waren 
abgebrochene ſtarre Haarzellen der Grannen der Roggenähren, die bei 
der Bewegung des Getreides im Winde ſich in die Blätter einge— 
ſpießt hatten, dabei meiſt abgebrochen und in der Wunde ſtecken ge— 
blieben waren. Stürmiſches, regneriſches Wetter hatte kurz vorher 
geherrſcht. 

Tödlich für die Blätter ſind ſelbſtverſtändlich ſolche Verwundungen, 
welche den organiſchen Zuſammenhang derſelben mit der Pflanze er— 
heblich alterieren, wenn alſo der Blattgrund oder der Blattſtiel ſo weit 
angefreſſen iſt, daß die Kommunikation der Fibrovaſalſtränge geſtört 
iſt. Das Blatt welkt oder verdorrt dann bald. Iſt aber dieſer Zu— 
ſammenhang intakt, ſo kann das Blatt dann meiſtens einen großen 
Teil ſeiner Maſſe durch Verwundung verlieren, ohne ſeine Lebensfähig— 
keit einzubüßen, und man kann vielleicht im allgemeinen ſagen, daß 
erſt der Verluſt von mehr als der Hälfte der Blattmaſſe tödlich wird. 


) Ratzeburg, Waldverderbnis II, pag. 190—193 und 340. 
10 * 


Verwundung der 


Blätter. 


Tödliche 
Blattwunden. 


Berftümmelun- 
gen und Stich⸗ 
wunden der 
Blätter. 


Verkrüppelung 
junger Blätter 
infolge von Ver⸗ 
wundung. 


148 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


Es kommt jedoch dabei auf die Gewebe des Blattes an. Das 
eben Geſagte darf wohl gelten, wenn dem Blatte ganze Stücken weg— 
geſchnitten werden und das Bleibende übrigens nicht verletzt wird. 
Wenn aber z. B. von dem Blatte einer Dikotyledone mit ſtarken 
Rippen und Nerven das ganze Meſophyll, welches an Maſſe nur den 
kleineren Teil ausmacht, z. B. durch Blattkäfer aufgefreſſen wird, 
welche die Blätter oft in dieſer Weiſe jfelettieren, dann funktioniert 
das Blatt nicht mehr und wir ſehen das ſtehengebliebene Rippen- und 
Nervengerüſt bald vertrocknen, denn eine Regeneration des Meſophylls 
iſt nicht möglich. 

Dagegen vertragen die Blätter ſtarke Verſtümmelungen, bei 
denen ganze Stücke von dem ſonſt unverſehrten Blattkörper abge— 
ſchnitten werden oder die Blätter von großen Löchern durchlöchert werden. 
Ein Wiederzuſammenwachſen der zerriſſenen Teile, eine Regeneration 
des verlorenen Stückes, ein Verwachſen eines Loches findet nicht ſtatt, 
etwa mit Ausnahme der kleinſten Stichſtellen, wie wir bei der Wunden- 
heilung (S. 67) geſehen haben. Alle dieſe Unterbrechungen, ſelbſt 
diejenigen der Mittelrippe, ſchaden nichts; die Nahrungszufuhr zu den 
einzelnen Teilen kann dann noch durch die zuſammenhängende Blatt— 
maſſe und durch die in derſelben ſich verbreitenden Rippen und Nerven 
ſtattfinden. Noch weniger können ſchaden Stichwunden quer durch 
das Blatt, wie man ſie mittelſt Nadeln erzeugen kann oder wie ſie 
manche Inſekten, z. B. Rüſſelkäfer, hervorbringen und mit denen die 
Blätter oft reichlich bedeckt ſind, ohne dadurch getötet zu werden. Nur 
wird ſelbſtverſtändlich die Funktion ſolcher Blätter, beſonders was die 
aſſimilierende Thätigkeit anlangt, im Verhältnis zu der verloren ge— 
gangenen Meſophyllmaſſe Abbruch erleiden. 

Etwas anders iſt der Erfolg der eben genannten Verwundungen 
an jugendlichen, noch wachſenden Blättern. Das durch die Verletzung 
geſtörte Gewebe des Wundrandes kann ſich nicht an der Flächen- 
ausdehnung beteiligen, welche die entfernteren umliegenden Partien 
infolge ihres Wachstums erfahren. Die Folge iſt, daß um die Wunde 
unregelmäßige Faltungen ſich bilden oder das ganze Blatt in ſeiner 
normalen Formbildung mehr oder weniger behindert wird, daß alſo 
überhaupt Verkrüppelungen des Blattes eintreten. 


Berluft einzelner Außer den hier genannten Blattwunden, welche quer durch die 


Gewebe des 
Blattes. 


ganze Blattmaſſe hindurchgreifen, kommen auch ſolche vor, bei denen 
nur einzelne Gewebe einer Blattſtelle verletzt werden. Es handelt ſich 
hier beſonders um die Epidermis einerſeits und das Meſophyll ander⸗ 
ſeits. Ich habe an Blättern von Leucojum vernum von der Unter⸗ 
ſeite Streifen der Epidermis ohne ſonſtige Verletzung abgezogen und 


3. Kapitel: Die Verwundungsarten 149 


keinen ſchädlichen Einfluß danach bemerkt; ſogar das entblößte Meſo— 
phyll der Wunde, deren Zellen dabei nicht verletzt werden, blieb un— 
verändert grün und lebendig. Wo aber die Epidermis feſter mit dem 
unterliegenden Meſophyll verwachſen iſt, läßt ſich erſtere kaum ohne 
Verletzung der Zellen des letzteren entfernen, und dieſes zeigt ſich dann 
an der Wunde abgeſtorben und gebräunt. So wird oft die obere 
Blattſeite von gewiſſen Inſekten ſtellenweiſe angenagt oder abgeſchabt, 
allerdings mehr oder minder unter Anfreſſen des Meſophylls ſelbſt, 
und zeigt danach entſprechende gebräunte und abgeſtorbene Stellen, 
die gewöhnlich quer durch das Blatt hindurchgehen. Anderſeits kann 
auch eine Aushöhlung des Blattes ſtattfinden, indem allein das 
Meſophyll unter Stehenbleiben der beiderſeitigen Epidermen aufgezehrt 
wird. Dies thun die blattminierenden Inſekten, welche auf 
dieſe Weiſe die Blätter bald auf größere zuſammenhängende Strecken 
beutelartig aushöhlen, bald nur zierlich gewundene Gänge in ihnen 
freſſen. Über dieſen Minen bleibt die unverſehrte Epidermis erhalten, 
aber dieſelbe vertrocknet und dieſe Stellen erſcheinen daher tot und 
bleich, weil das grüne Meſophyll fehlt. Solche Wunden ſind ſelbſt— 
verſtändlich gleichbedeutend mit einer vollſtändigen Durchlöcherung der 
Blattmaſſe. 
K. Verwundung der Blüten. 


Auch Blüten werden namentlich von gewiſſen Inſekten mechaniſchverwundung der 

zerſtört. Sind Blütenknoſpen inwendig ausgefreſſen, ſo iſt natürlich Blüten. 
eine Vereitelung der Befruchtung, alſo ein Unterbleiben der Frucht— 
und Samenbildung die Folge, weil die Sexualorgane zerſtört find. 
Die weitere Entwickelung der Blüten kann aber auch ſchon dadurch 
unterdrückt werden, daß im Knoſpenzuſtande nur die zum äußeren 
Schutze der Blütenteile dienenden feſteren Umhüllungen, wie die Kelch— 
blätter oder die Hüllblätter köpfchenförmiger Blütenſtände, die Deck— 
blätter mancher andrer Inflorescenzen, durch Inſektenfraß zerſtört 
werden, wie z. B. beim Fraße des Glanzkäfers. Es giebt auch In— 
ſekten, welche aus den aufgeblühten Blüten nur die inneren Teile 
herausfreſſen, z. B. nur die Blumenblätter und Staubgefäße. Solche 
Blüten ſind natürlich unfähig, diejenige Funktion auszuüben, welchen 
die verloren gegangenen Teile vorſtehen; und ſo verſtümmelte Blüten 
bringen daher gewöhnlich keine Früchte. 


L. Verwundung der Früchte. 


Hagel, Fraß von Vögeln, von Schnecken und vielen Inſekten bringen Verwundung der 
an den Früchten, beſonders an großen und ſaftigen, Verwundungen Früchte. 
hervor; doch kommt auch das ſpontane Aufſpringen des Parenchyms 


Fon 
EI 
* 
2 
2 


150 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


(ſ. oben S. 113) in Betracht. Geringere Verletzungen der Schale 
haben im allgemeinen keinen nachteiligen Einfluß auf die Ausbildung 
der Frucht, indem die Wunde leicht durch bräunliches Korkgewebe ver— 
narbt, wie es an Pflaumen, Kirſchen, Birnen, Apfeln, Weinbeeren, 
Kürbiſſen ꝛc. oft zu ſehen iſt. Auch eine tiefer in das Fleiſch dringende 
Wunde heilt ſich oft aus, bedingt aber dann meiſt eine ungleichmäßige 
oder unvollſtändige Ausbildung des Fruchtfleiſches und eine Miß— 
geſtaltung der ganzen Form. Hierher gehört auch der Samenbruch, 
den man beſonders an Weinbeeren, infolge verſchiedener Verwundungen 
(vergl. das Kapitel Hagelſchlag) beobachtet. An einzelnen Beeren 
ragen die Samenkerne frei über die Oberfläche der Frucht hervor; die 
letztere bleibt gewöhnlich kleiner als die unverletzten, reift aber im 
übrigen gut aus. Die lokale Verletzung der Epidermis und des unter— 
liegenden Parenchyms geſchieht in einem frühen Stadium. Indem 
nun dieſe Gewebe abſterben und dem ſich vergrößernden Samen durch 
Dehnung nicht folgen können, zerreißen ſie und laſſen den Samen 
hervortreten, während die übrigen Stellen der Frucht ſich normal ent 
wickeln. Ahnliches ſieht man an Kirſchen, welche manchmal durch 
Sperlinge an einer Seite bis auf den Kern verwundet ſind, ſo daß 
dieſer ſichtbar iſt oder etwas hervorragt; um denſelben hat ſich das 
Fleiſch und die Epidermis zuſammengezogen, und durch Korkbildung, 
die ſich bis an den Kern fortſetzt, iſt der Abſchluß hergeſtellt. Wenn 
dergleichen Früchte aber erſt im völlig reifen Zuſtand bis ins Fleiſch 
verwundet werden, wie beſonders bei dem Aufſpringen der Kirſchen 
und Pflaumen, ſo tritt keine auf Heilung bezügliche Veränderung 


mehr ein. 
4. Kapitel. 
Behandlung der Wunden. 
Zweck der Die kunſtgerechte Behandlung der Wunden ſoll ſowohl die etwaige 


nr Wundfäule möglichſt verhüten, als auch den natürlichen Heilungs— 
ehandlung. 2 15 + 
prozeß befördern und beſchleunigen. 
Bei nichtholzigen Bei den krautartigen und ſukkulenten Pflanzen iſt natürlich eine 
Pflanzen. direkte Behandlung der Wunden unmöglich, da ein Eingriff in ſolche 
Teile ſich von ſelbſt verbietet. Das Verfahren muß ſich hier mehr 
auf die Prophylaxis etwaiger Wundfäule, alſo auf möglichſte Ver— 
meidung übermäßiger Feuchtigkeit beſchränken, und ergiebt ſich das in 
dieſer Beziehung zu Thuende von ſelbſt aus dem, was oben bei der 
Wundfäule der in Rede ſtehenden Pflanzen bemerkt worden iſt. 


4. Kapitel: Behandlung der Wunden 151 


Wohl aber laſſen ſich für die Wunden der Holzpflanzen beſtimmte 
Vorſchriften geben. Die diesbezüglichen Maßregeln können ſich zunächſt 
darauf erſtrecken, daß die Wunden, die man den Pflanzen notwendig 
beibringen muß, wie beim Schnitt und beim Ausäſten, ſo gemacht 
werden, daß man dadurch jenen Zweck am beſten erreicht. Es genügt, 
dieſe Regeln hier kurz anzudeuten, da die theoretiſche Begründung 
derſelben in den vorhergehenden Artikeln zu finden iſt. Trockenäſte 
müſſen rechtzeitig entfernt werden. Dünnere Trockenäſte fallen, ohne 
bemerkenswerte Schäden zu hinterlaſſen, von ſelbſt ab. Die Weg— 
nahme lebender Aſte darf ebenſo wie die Trockenäſtung nur zur Zeit 
der Vegetationsruhe, nicht in der Saftzeit vorgenommen werden; jede 
Aſtung vom Ende März bis Mitte September iſt zu verwerfen. Das 
Entfernen der Aſte muß bei Trocken- wie bei Grünäſtung in der Weiſe 
geſchehen, daß man die Baſis des Aſtes glatt am Stamme abſägt. 
Dabei iſt es nötig, zuerſt von unten einzuſchneiden, dann durch Unter— 
ſtützung des Aſtes zu verhindern, daß derſelbe ſich früher ſenkt, bis er 
von oben völlig durchſchnitten iſt, und ihn dann etwas vom Baume 
abzuſtoßen. Die Schnittfläche muß glatt geſägt ſein, jede ſplittrige 
Wunde iſt nachteilig. Ebenſo müſſen möglichſt alle horizontalen 
Schnittflächen vermieden werden. Bei der viel ventilierten Frage der 
Eichenäſtung iſt auch die zuläſſige Größe der Wundfläche erörtert 
worden, weil je ſpäter die Wunde durch Überwallung ſich ſchließt, die 
Wundfäule deſto mehr um ſich greift. Göppert) unterſcheidet drei 
Grade der Dauer des Eichenholzes nach derartigen Verwundungen: 
1. Grad: Schnittfläche von 3—5 em Durchmeſſer, erforderliche Zeit 
der Überwallung 4—8 Jahre, Folgen: nur Bräunung nahe der 
Schnittfläche. 2: Grad: Schnittfläche von 10—15 em Durchmeſſer, 
Überwallung nach 10—15 Jahren, Folgen: umfangreiche Schwärzung 
des Aſtkegels bis tief in das Stammholz. 3. Grad: Schnittfläche 
15—20 em, Überwallung nach 15—20 Jahren, Folgen: Steigerung 
aller genannten Symptome in bedenklichem Grade, zuletzt Fäulnis, 
welche jeden Gebrauch zu Nutzholzzwecken ausſchließt. R. Hartig?) 
bezeichnet als äußerſtes zuläſſiges Maß bei Eichenäſtung Wundflächen— 
größen von 10—12 em Durchmeſſer. 

An Schälwunden iſt nur dann Hoffnung den Prozeß der Be— 
kleidung mit neuer Rinde auf der ganzen Wundfläche einzuleiten, 
(S. 70), wenn die Wunde zur Zeit der cambialen Thätigkeit gemacht 
wurde, wo Cambium auf der Wunde zurückbleibt, und wenn 


1) Über die Folgen äußerer Verletzungen der Bäume, pag. 59—67. 
2) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes, pag. 142. 


Behandlung 
der Wunden 
der Holzpflanzen. 


Behandlung 
der Schälwunden. 


ui Ara Fi 5 i 
1 h Pr N 2 * 


152 II. Abſchnitt: Von den Wunden 


man ſehr bald nach der Verwundung den Stamm umwickelt mit 
Wachstuch oder einem ähnlichen waſſerdichten Zeug, wobei die Be— 
rührung der Wundfläche möglichſt vermieden werden muß. 


Unter Umſtänden kann es geraten ſein, eine Wunde noch weiter 
en zu ſchneiden, wenn fie nämlich von einer Art ift, welche ihre natür- 
liche Heilung ſehr erſchwert und Zerſetzungserſcheinungen begünſtigt; 
ſie muß dann in eine Form gebracht werden, in welcher jene Nach— 
teile vermieden ſind; über das Wie hat der ſpezielle Fall zu ent— 
ſcheiden. Und um gewiſſe Fehler und chroniſche Wunden zu beſeitigen, 
wie Maſerkröpfe, Krebsſtellen, Gummiflüſſe u. dergl., iſt es nötig, bis 
ins geſunde Holz zu ſchneiden, um eine zwar größere, aber leichter 
durch Überwallung ſich ſchließende Wunde zu erzeugen. Jedenfalls 
müſſen alle toten Rindenteile, die etwa auf den Wunden zurückgeblieben 
ſind, und ſolche, die mit dem Holzkörper nicht mehr in organiſchem 
Zuſammenhange ſich befinden, abgeſchnitten werden, weil ſie die Wund— 
fäule begünſtigen und die Überwallung erſchweren würden. Nur 
ſolche Rindenteile find zu ſchonen, welche etwa auf der Rinde unver— 
letzt geblieben ſind und im Zuſammenhange mit dem Wundrande 
ſtehen, weil ſie dann ernährt werden und Überwallungen von ſich aus— 
gehen laſſen. 


Theerung und Die Wundflächen des Holzes können durch konſervierende Mittel 

Baumkitt. vor Wundfäule geſchützt werden. Bei den Nadelhölzern iſt, wie ſchon 
erwähnt, der Harzüberzug, mit der ſich die Wunden des Holzkörpers 
bedecken, eine natürliche Wundſalbe von vorzüglichſter Wirkung. Bei 
den Laubhölzern erſetzt die künſtliche Theerung mit Steinkohlentheer 
den Harzüberzug der Nadelhölzer. R. Hartig“) berichtet, daß der 
Theer, ſoweit er direkt vordringt, zwar die Zellen tötet, aber ſie vor 
Zerſetzung ſchützt, und daß in unmittelbarſter Nachbarſchaft einer mit 
Theer gefüllten Holzfaſer ſich lebendes Holzparenchym befindet, zum 
Beweiſe, daß nicht eine tiefergehende nachteilige Wirkung des Theers 
ſtattfindet. Die günſtigſte Zeit für die Operation iſt der Winter; der 
Theer dringt dann ſofort in alle geöffneten Organe des Holzkörpers 
bis auf mehrere Millimeter, in den Gefäßen der Eiche zuweilen bis 
1 em tief ein. Im Frühling und Sommer dagegen dringt er, da die 
hervortretende Feuchtigkeit ſtörend dazwiſchen tritt, nicht nur nicht in 
die Schnittfläche ein, ſondern er haftet ſelbſt äußerlich nur ſchlecht und 
erzeugt einen mangelhaften Verſchluß. Nach R. Hartig bräunen ſich 
bei allen Aſtungen zur Saftzeit trotz der Theerung die Schnittflächen 


2) J. c. pag. 139. 


4. Kapitel: Behandlung der Wunden 153 


nachträglich 1—2 em tief, während im Winter oder Spätherbſt geäſtete 
und gut getheerte Flächen ſich oft bis an die 1—2 mm tief einge— 
drungene Theerſchicht vollſtändig ungebräunt erhalten; ſelbſt nach 
70 Jahren und bei einer Wundflächengröße von 10 em Durchmeſſer 
iſt nicht die geringſte Veränderung wahrzunehmen geweſen. Schaden 
können nur gewiſſe paraſitiſche Pilze bringen, wenn ſie vor der 
Theerung die Wundfläche befallen haben. Außerdem ſind noch ver— 
ſchiedene Arten von Baumkitt und Baumwachs in Gebrauch, deren 
Wirkung immer auf dasſelbe, d. h. auf konſervierende Kraft und 
Haltbarkeit hinauskommt. Gewöhnliche Rezepte dazu find: ½ Kilo 
Kolophonium geſchmolzen und mit ½ Kilo Spiritus und 2 Theelöffel 
Kollodium vermengt, oder einfach ½ Kilo Weißpech und ½ Kilo 
Spiritus. 

Die Anwendung aller dieſer künſtlichen Wundverſchlüſſe iſt indes 
nur für umfangreichere Wunden nötig, bei denen wegen Verzögerung 
der Vollendung der Heilung Zerſetzungserſcheinungen ohne dieſe kon— 
ſervierenden Mittel unvermeidlich ſein würden. Die kleineren Wunden, 
beſonders die Schnittflächen der Zweige und dünneren Aſte ſind ja 
ſchon durch die an jeder Holzwunde eintretende Schutzholzbildung von 
Natur genügend geſchützt für die wenigen Jahre, welche jene Wunden 
offen zu ſtehen brauchen, bis der Überwallungsprozeß ſie geſchloſſen hat. 

Hohle Bäume füllt man mit Steinen aus und verſchmiert die 
Offnung mit Lehm oder Mörtel oder mit getheerten Holzpflöcken. Der 
in manchen Gegenden herrſchende Gebrauch, die hohlen Weiden aus— 
zubrennen, um der Fäule im Innern Einhalt zu thun, ſchützt wohl 
für einige Zeit; aber abgeſehen von der Beſchädigung, die dadurch 
leicht die lebenden Teile des Baumes erleiden, wird der Stamm 
dadurch zu ſchwach, um ſtärkeren Stürmen widerſtehen zu können. An 
den älteſten bekannten Linden, die wegen des enormen Umfanges ihrer 
freilich ganz hohlen Stämme berühmt ſind, findet man wohl die De— 
fekte des Stammes zugemauert und die ſtärkſten Aſte durch einen 
Unterbau von hölzernen oder ſteinernen Pfeilern geſtützt. 


Behandlung 
hohler Bäume. 


Beziehungen 
des Lichtes zur 
Pflanze. 


Lichtmangel 
verhindert die 
Chlorophyll⸗ 
bildung. 


154 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphaͤriſche Einflüffe 


III. Abſchnitt. 
Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe. 


1. Kapitel. 
Das Licht. 

Der Einfluß des Lichtes auf die Pflanzen iſt ein ſehr vielſeitiger. 
Die Phyſiologie lehrt, daß eine ganze Reihe verſchiedener Lebens— 
thätigkeiten durch das Licht entweder bedingt oder doch beeinflußt wird. 
Daher ſind mannigfache Störungen zu erwarten, wenn die Pflanzen 
ſich unter Verhältniſſen befinden, in denen ſie entweder gar kein oder 
ein zu ſchwaches Licht empfangen, oder auch, wenn ſie einem zu inten— 
ſiven Lichte ausgeſetzt werden. Wir haben hier natürlich nur die— 
jenigen Wirkungen des Lichtes und des Lichtmangels zu beſprechen, 
welche pathologiſchen Charakters ſind; die normalen Lebensprozeſſe, 
welche durch Lichtverhältniſſe bedingt werden, wie die Bewegungen 
des Protoplasmas und der Chlorophyllkörper, die heliotropiſchen 
Krümmungen der Pflanzenteile und die Schlafbewegungen der Blätter 

ſind Gegenſtand der Pflanzenphyſiologie. 


I. Verhinderung der Chlorophyllbildung durch 
Lichtmangel. 

Mit wenigen Ausnahmen bilden die Pflanzen ihr Chlorophyll 
nur bei Einwirkung des Lichtes. Laſſen wir im Finſtern Samen 
keimen oder Knollen, Zwiebeln und unterirdiſche Stöcke der Stauden 
austreiben, oder die Knoſpen der Holzpflanzen ſich entfalten, ſo bleiben 
alle neugebildeten Teile gelb oder ganz bleich. Man bezeichnet dieſe 
Krankheit, bei welcher übrigens meiſt auch gewiſſe Abweichungen in 
der Geſtalt und ſonſtigen Beſchaffenheit der Organe eintreten, von 
denen unten die Rede ſein wird, als Vergeilen, Verſchnaken, Ver— 
ſpillern, Etiolieren (étiolement). Dabei ſind jedoch die aus proto— 
plasmatiſcher Subſtanz gebildeten Chlorophyllkörner im Protoplasma 
der Zellen im farbloſen oder gelben Zuſtande vorhanden; es fehlt 
ihnen nur der durch Alkohol ausziehbare eigentliche grüne Farbſtoff, 
das Chlorophyll. Der gelbe Farbſtoff, den ſie enthalten, heißt Etiolin; 
er geht erſt durch Lichtwirkung in das Chlorophyll über. Bringt man 
etiolierte Pflanzen ans Licht, jo ergrünen fie in kurzer Zeit, voraus— 
geſetzt, daß die Temperatur gewiſſe Grenzen nicht überſchritten hat 
(ſiehe zweites Kapitel). Zur Chlorophyllbildung genügt ſogar ein äußerſt 


— 
* 
* 


1. Kapitel: Das Licht 155 


ſchwaches Licht (etwa ſolches, bei dem man eben noch kleinen Druck 
leſen kann), erſt völlige Dunkelheit verhindert ſie. Jedoch erfolgt 
die Ergrünung raſcher und die Pflanzen werden dunkler grün 
als im Halbdunkel, wenn die Lichtintenſität ſich mehr der Tageshelle 
nähert. In direktem Sonnenlicht geſchieht die Ergrünung dagegen 
etwas langſamer als im diffuſen Tageslicht !). In dieſer Wirkung 
kann das Sonnenlicht auch durch Lampenlicht oder elektriſches Licht 
erſetzt werden. 

Die gewöhnliche Auffaſſung, daß die Erzeugung des Chlorophylls 
eine direkte Lichtwirkung, ein photochemiſcher Prozeß ſei, iſt jedoch un— 
berechtigt, wie ich kürzlich geltend gemacht habe?). Denn daß die 
Pflanze des Lichtes nicht bedarf, um Chlorophyll zu bilden, beweiſen 
die ergrünenden Finſterkeimpflänzchen der Koniferen, auf welche Sachs 
zuerſt aufmerkſam gemacht hat; auch die Wedel der Farne bilden 
nach Sachs in tiefſter Finſternis ihr Chlorophyll aus. Übrigens 
nehmen die Koniferen hinſichtlich ihrer Fähigkeit, auch im Dunkeln 
Chlorophyll zu bilden, keineswegs eine erzeptionelle Stellung im 
Pflanzenreiche ein, wie man eine Zeit lang glaubte. Denn erſtens 
fand ich unter einer großen Zahl von Keimpflanzen des Raps und 
der Sonnenblume, welche im Dunkelzimmer meines Laboratoriums, 
alſo in vollſtändiger Finſternis in einem Kaſten beiſammen gewachſen 
waren, vereinzelte Individuen völlig ergrünt. Zweitens habe ich ge— 
zeigt, daß auch bei den Koniferen dieſe Erſcheinung nur auf die Keim— 
pflanzen beſchränkt iſt, indem die Knoſpen aller dieſer Bäume im 
Dunkeln ſtets völlig etiolierte Triebe liefern. Endlich hat Wiesner ſchon 
darauf aufmerkſam gemacht, daß die Keimpflanzen von Larix im Dunkeln 
regelmäßig etiolieren und daß auch bei andern Koniferen im Dunkeln 
vereinzelte etiolierte unter den ergrünenden Keimpflanzen vorkommen, 
ſowie daß ſelbſt die letzteren weniger Chlorophyll beſitzen als die im 
Lichte erwachſenen. Die richtige Auffaſſung der Sache iſt alſo die, 
daß die Pflanzen in den meiſten Fällen im Finſtern die Bildung des 
Chlorophylls freiwillig unterlaſſen, was eben damit im Zuſammen— 
hange ſteht, daß dasſelbe ja unter dieſen Umſtänden für ſie zwecklos 
iſt, weil die durch das Chlorophyll auszuübende Aſſimilation der 
Kohlenſäure nur durch Mithilfe des Lichtes möglich iſt. 

Dieſe Auffaſſung ſtimmt denn auch mit der andern Thatſache zu— 
ſammen, daß die Wirkung des Lichtes auf die Chlorophyllbildung an 


) Famintzin, Melanges biologiques. Pétersbourg 1886. T. VI, pag. 94. 
) Vergl. hierüber und über das folgende oben Geſagte mein Lehrbuch 
d. Botanik. I. 1892. pag. 641643. 


Erklärung der 
Wirkung des 
Lichtes auf die 
Chlorophyll⸗ 
bildung. 


Beziehung des 
Lichtes zu den 
Blütenfarven. 


Lichtmangel 
verhindert die 
Kohlenſäure⸗ 

aſſimilation. 


156 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


der Pflanze ſtreng lokal iſt. Denn wenn an einer und derſelben 
Pflanze nur ein beliebiger Teil dunkel gehalten wird, ſo beſchränkt 
ſich das Etiolement auch nur auf dieſen, während alle belichteten 
Teile normal ſich ausbilden. Verdunkelt man nur einen einzelnen 
Sproß, oder an einem Sproſſe ein einziges Blatt, oder an einem 
Blatte eine einzelne Stelle, ſo unterbleibt auch nur an dieſen Teilen 
die Chlorophyllbildung. 

Im Anſchluß hieran ſei noch bemerkt, daß die Färbung der 
Blüten durch Lichtmangel im allgemeinen nicht beeinträchtigt wird, 
wie ſchon Sachs) gelehrt hat; jedoch bleiben die purpurroten und 
violetten Teile der Blumenkronen mancher Pflanzen nach Asfenajy?) 
im Dunkeln blaſſer oder ganz farblos, was ich für Pulmonaria offici- 
nalis beſtätigen kann. Auch die durch gerötete Zellſäfte bedingte 
Rotfärbung mancher Früchte, wie das Rotbäckigwerden der 8 findet 
nur am Lichte ſtatt. 


II. Verhinderung der Kohlenſäureaſſimilation durch 
Lichtmangel. 

Die grünen Pflanzen erzeugen den Hauptteil ihrer kohlenſtoff— 
haltigen organiſchen Subſtanz aus der Kohlenſäure der Luft und aus 
dem Waſſer, die beide in den chlorophyllhaltigen Zellen aſſimiliert 
werden, wobei der überſchüſſige Sauerſtoff der Kohlenſäure abgeſpalten 
und von der Pflanze ausgeſchieden wird. 

Das Produkt dieſer Aſſimilation iſt in den meiſten Fällen Stärke⸗ 
mehl, welches dabei in den Chlorophyllkörnern entſteht. Wie die 
Pflanzenphyſiologie lehrt, iſt dieſer Prozeß ſtreng vom Lichte abhängig. 
Für die grünen Pflanzen iſt daher genügende Beleuchtung eine not— 
wendige Lebensbedingung und es reſultieren die auffallendſten Krank— 
heitserſcheinungen, wenn die grünen Pflanzenteile vom Lichte ausge⸗ 
ſchloſſen oder ungenügend belichtet ſind, indem dann keine neue kohlen— 
ſtoffhaltige Subſtanz produziert werden kann. Wenn man Samen der 
Chlorophyllpflanzen im Dunkeln keimen läßt, ſo entwickelt ſich eine 
Anzahl Wurzeln, Stengelinternodien und Blätter; aber nach einiger 
Zeit ſteht die Produktion ſtill, nämlich ſobald als alle Reſervenähr⸗ 
ſtoffe, welche der Samen enthielt, verbraucht ſind. Wägungen zeigen 
dann, daß die Trockenſubſtanz ſolcher Kümmerlinge geringer iſt als 
die der Samen vor der Keimung, weil die Pflanze nicht nur keine 
neue organiſche Subſtanz bilden konnte, ſondern auch durch Atmung 


) Experimentalphyſiologie, pag. 17. 
2) Bot. Zeitg. 1576, Nr. 1 und 2. 


1. Kapitel: Das Licht 157 


einen Teil derſelben verlor!). Hatte die Keimung im Lichte ſtattge— 
funden und bringt man die Pflanzen am Ende der Keimung, wo die 
Reſervenährſtoffe des Samens erſchöpft ſind, ins Dunkle, ſo findet 
keine weitere Entwickelung ſtatt. Haben jedoch die Pflanzen ſchon 
eine Zeit lang am Lichte gelebt und aſſimiliert, ſo reichen die erzeugten 
Stoffe hin, um im Dunkeln neue etiolierte Organe zu bilden, ſo lange 
bis jene aufgezehrt ſind, worauf die weitere Entwickelung ebenfalls 
ſtillſteht. Bleiben ſolche Pflanzen noch länger im Finſtern, ſo ſterben 
ſie endlich, weil ein großer Teil der organiſchen Subſtanz bei der 
fortdauernden Atmung verzehrt wird. Werden ſie aber vorher wieder 
ans Licht gebracht, ſo können ſie ergrünen, aſſimilieren und die Vege— 
tation von neuem fortſetzen. Obiges gilt in der gleichen Weiſe auch 
von denjenigen Pflanzen, welche auch in der Dunkelheit Chlorophyll 
erzeugen oder dasſelbe nicht verlieren. 


Diejenige geringe Helligkeit, welche zur Bildung des Chlorophylls Wirkungen der 
hinreicht, genügt zur Aſſimilation nicht. Im allgemeinen iſt ſchon im EEE 
diffuſen Tageslicht innerhalb eines Zimmers die Ausſcheidung von 
Sauerſtoffblaſen außerordentlich gering, während ſie in direktem 
Sonnenlichte ſehr lebhaft iſt; ſie ſcheint überhaupt der Lichtintenſität 
nahezu proportional zu ſein?). Daher iſt ſchon in der Helligkeit 
eines Zimmers die Kohlenſäureaſſimilation ſo ſchwach, daß die Pro— 
duktion der meiſten Pflanzen darunter leidet. Dieſe ſchädliche Wirkung 
wird in ihrer Abſtufung nach dem Helligkeitsgrade und der Be— 
leuchtungsdauer ſehr anſchaulich gemacht durch folgende Reſultate der 
von Sachss) mit Tropaeolum majus angeſtellten Verſuche, bei denen 
die Pflanzen in Töpfen mit derſelben Gartenerde in einem und dem— 
ſelben Zimmer erwuchſen. Nr. I blieben beſtändig in einem finſteren 
Raum; Nr. II wurden hinter das die beiden Weſtfenſter trennende 
Mauerſtück geſtellt, wo ſie nur ſchwaches Zimmerlicht erhielten; Nr. III 
ſtanden täglich von morgens 6 Uhr bis mittags 1 Uhr an einem 
Weſtfenſter, die übrige Zeit im finſteren Raum; Nr. IV täglich von 
1 Uhr Mittag bis morgens 6 Uhr an demſelben Weſtfenſter, die 
übrige Zeit im Dunkeln; Nr. V blieben beſtändig am Weſtfenſter. 

4 Samen bei 110° getrocknet, ohne Hüllen = 0,394 Grammen. 


U Bouſſingault, Compt. rend. 1864, pag. 883. — Sachs, a 
mentalphyſiologie, pag. 20. 

2) Wolkoff, Jahrb. f. wiſſ. Bot. V. pag. 1. 

3) Experimentalphyſiologie, pag. 21—23. 


158 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe 


2 2 8 13 s 1, ae 
S 5 5 588 8 s 38 8 a 
Nr 2 8 8 Allgemeinzuſtand EEK 8 8 Zahl der 888 & 5 
„il. 2 28 An 2 PER x » 2 5 Pi 1 
2 8 der Pflanze. 8 a“ 8 — Blütenknoſpen 25 3 f 
ass 8 5 88 = 838 
2 18° sis 5% 
cm 4 
I. | 0238 Nach 25 Tagen ver: | 48 4 0 O0 o 0 + 
dorben. $ 
II. 0,264 Nach 25 Tagen ver.“ 38 | 6 0 0 0 0 
dorben. . 
III. 5,220 Nach 62 Tagen noch, 58 176 wenige ver | 0 0 0 ; 
am Leben. | dorbene. f 
IV. 5,209 Nach 62 Tagen nocht 65 147 wenige ver | 0 0| 0 4 
am Leben. dorbene. 4 
v. 20,299 Nach 62 Tagen noch 1738 |265) 46 187113 1 
am Leben. 
In ähnlichem Grade lichtbedürftig find die meiſten unfrer land— = 


wirtſchaftlichen Kulturgewächſe; fie zeigen unter den gleichen Verhält— 
niſſen dieſelben krankhaften Zuſtände. Pflanzen dagegen, welche von 
Natur an tief ſchattigen Standorten zu wachſen pflegen, werden durch 
dieſe geringe Helligkeit noch nicht geſchädigt; ihre Aſſimilation findet 
dabei noch hinreichend lebhaft ſtatt, wie ihre normale Entwickelung 
unter dieſen Verhältniſſen beweiſt. Dies gilt beſonders von den im 
Waldesſchatten wachſenden Mooſen und Farnkräutern. Es giebt ſogar 
nahe verwandte Pflanzen, welche ungleich empfindlich gegen ſchwächere 
Helligkeitsgrade ſind: z. B. verträgt die Fichte die Beſchattung durch 
Hochwald leicht, die Kiefer nicht. 

Künſtliches Licht. Auch künſtliches Licht ruft Aſſimilation hervor. Man hat das 
konſtatiert vom Lampenlicht, Gaslicht, Magneſiumlicht, Kalklicht und 
vom elektriſchen Licht. Natürlich wirken dieſe nach Maßgabe der in 
ihnen vertretenen farbigen Strahlen (ſ. unten) und ihrer Intenſität, 
ſo daß keine dieſer Lichtquellen dem Sonnenlichte in ihrer Wirkung 
gleichkommt, und daß alle Verſuche, mit ſolchem Lichte Pflanzen zu 
erziehen, mißlich ausfallen. 

Wirkungen der Die einzelnen Lichtfarben ſind von ſehr ungleichen Wirkungen 

Lichtfarben. auf die Aſſimilation. Die Zerſetzung der Kohlenſäure iſt im weißen 
Lichte ſtärker als in irgend einem farbigen Lichte, weil in dem erſteren 
die kombinierte Wirkung aller einzelnen farbigen Strahlen zum Aus⸗ 
druck kommt. Was die relativen Wirkungen der einzelnen Farben des 
Sonnenſpektrums auf die Zerſetzung der Kohlenſäure anlangt, ſo iſt 


. * 


1. Kapitel: Das Licht 159 


wenigſtens das eine ſicher feſtgeſtellt, daß die hellleuchtenden gelben und 
roten Strahlen im Vergleich mit den blauen die weitaus größere 
Wirkung haben; beide Werte verhalten ſich etwa wie 88,6 zu 7,6. 
Nur in Bezug auf die Lage des Maximums ſind die einzelnen Forſcher 
nicht übereinſtimmend, indem nach neueren Unterſuchungen das Mari- 
mum bald ins Rot, bald zwiſchen C und D des Spektrums, alſo mehr 
dem Gelb genähert, verlegt worden ift*). Praktiſch wird daraus alſo 
geſchloſſen werden müſſen, daß von farbigem Licht den grünen Pflanzen 
das rote und das gelbe am wenigſten ſchädlich, grünes und beſonders 
blaues und violettes aber nachteiliger iſt. Indeſſen darf man nicht ver— 
geſſen, daß unſre gewöhnlichen farbigen Gläſer doch meiſtens Strahlen 
aller Farbengattungen hindurchgehen laſſen. Über Mittel, monochro— 
matiſches Licht für phyſiologiſche Verſuche zu erzielen, muß ebenfalls 
auf die Pflanzenphyſiologie verwieſen werden. 

Da die chlorophyllloſen Pflanzen Kohlenſäure nicht aſſimilieren, Unſchädlichkeit 

fo iſt für fie das Licht auch keine Lebensbedingung, wie die Ent? Lichtmangels 
wickelung der Schimmelpilze in dunklen Räumen, das unterirdiſche 
Vorkommen der Trüffeln, die Kultur der Champignons in Kellern und 
Bergwerken beweiſen. Auch für die nicht grünen Teile chlorophyll— 
haltiger Pflanzen iſt die unmittelbare Einwirkung des Lichtes keine 
Lebensbedingung, weil ſie durch die grünen Teile ernährt werden. 
Ebenſo iſt Lichtmangel unſchädlich für die grünen Pflanzen außer der 
Periode der Aſſimilation. So wirkt auf die Chlorophyllpflanzen in 
derjenigen Zeit des Jahres, wo ſie keine grünen Organe beſitzen 
(ſommergrüne Laubhölzer), Lichtmangel nicht ſchädlich ein, ja dieſelben 
können ſogar im Beſitze der chlorophyllhaltigen Teile diejenigen Monate, 
wo die Aſſimilation ruht, ohne Schaden im Dunkeln zubringen. Denn 
nicht bloß laubwechſelnde, ſondern auch immergrüne Gehölze werden 
während der Wintermonate ohne Nachteil bedeckt und ſomit ver— 
dunkelt. 

Die im Vorſtehenden erörterten ſchädlichen Folgen ungenügender Be- Unterdrückung 
leuchtung zeigen ſich bei den Pflanzenkulturen nicht ſelten und werden hier durch Licht- 
als Unterdrückung, Verdämmung oder Erſtickung bezeichnet. Junge mangel. 
Pflanzen erſticken im Unkraute, z. B. Rübenpflanzen, wenn ſie unter 
wuchernden großblätterigen oder dichtſtehenden, alſo beſchattend wirkenden 
Unkräutern ſtehen, ebenſo der Klee unter einer Deckfrucht, wenn dieſe dicht 
ſteht, groß⸗ und reichblätterig iſt. Solche Pflanzen kümmern und gehen 
bald ein ohne ihre volle Entwickelung erreicht zu haben. In ſchwächerem 
Grade zeigt ſich die Erſcheinung z. B. in der kümmerlichen Entwickelung 
lichtbedürftiger Pflanzen, wenn ſie als Topfgewächſe in Zimmern gezogen 


) Das Nähere darüber ſiehe in meinem Lehrbuch der Botanik I. 1892, 
pag. 541. 


Ungenügende 


160 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe 


werden, ſowie wenn der Gemüſepflanzen in Gärten unter dichtbelaubten 
Bäumen gebaut werden. In den Forſten iſt das Verdämmen des niedri— 
geren Holzes durch höheres eine bekannte Sache. Die Stämme gehen wohl 
mit den andern Individuen eine Zeit lang in die Höhe und wachſen auch 
gerade, aber ſie bleiben dünner und haben nur ſchwache Zweiganſätze und 
können im ſtark beſchattenden Hochwald endlich als ſchwächliche Stämmchen 
unter überhandnehmender Zweigdürre zu Grunde gehen. Manche verlieren 
dadurch öfters ſchon früh den Wipfel und werden, indem untere Zweige 
ſich vordrängen, zu Strauchformen, wie es z. B. die Lärche thut, wenn ſie 
von ihresgleichen unterdrückt wird. Auch die Holzbildung wird bei unter— 
drückten Bäumen geſtört. Nach R. Hartig) bilden ſolche Pflanzen im 
erſten Stadium der Unterdrückung relativ breite Herbſtholzſchichten, alſo 
ſchweres Holz. Der Jahresring nimmt aber abſolut an Breite ab und ſinkt nach 
unten auf eine Minimalbreite herab, während in den höheren Teilen die 
Ringbreite größer iſt als unten. Nach lange anhaltender Unterdrückung 
tritt dagegen das Herbſtholz im unteren Stammteile gegen das lockere 
Frühjahrsholz auffallend zurück und verſchwindet faſt gänzlich, während in 
den oberen Teilen das Holz relativ ſchwer iſt. 

Aus der Unentbehrlichkeit einer genügend langen täglichen Dauer der 


Dauer des Tages- Beleuchtung erklärt es ſich auch, warum zur Winterszeit, auch wenn für 
lichts im Winter. günſtige Temperatur, z. B. in Gewächshäuſern, geſorgt wird, unſre gewöhn— 


Lichtmangel 
beeinflußt den 
Wachstums⸗ 
prozeß. 


lichen Sommerpflanzen nicht zu gedeihlicher Entwickelung zu bringen ſind; 
die Dauer der täglichen Beleuchtung iſt dann eben zu kurz. 


III. Abnormitäten des Wachstums bei Lichtmangel. 

Auch auf Wachstumsprozeſſe hat die Art der Beleuchtung einen 
hervorſtechenden Einfluß. Allein die einzelnen Pflanzenteile werden 
durchaus nicht in gleichem Sinne hiervon beeinflußt; ein und dieſelben 
Lichtverhältniſſe bringen bei den verſchiedenen Pflanzenteilen oft gerade 
entgegengeſetzte Wirkungen auf das Wachstum hervor. Es war ein 
irriges und vergebliches Bemühen, womit die Pflanzenphyſio— 
logen eine Zeit lang nach einem allgemeinen Naturgeſetze ſuchten, 
welches die Beeinfluſſung des pflanzlichen Wachstums durch die 
Lichtſtrahlen ausdrücken ſollte. Ich habe kürzlich in meinem Lehr— 
buche der Botanik (I, S. 389 — 397) an Stelle dieſer veralteten An⸗ 
ſchauung eine neue geſetzt, mit der nun erſt alle, bisher anſcheinend einander 
widerſprechenden Thatſachen in der naturgemäßeſten Weiſe harmonieren. 
Wir müſſen uns die Beeinfluſſungen des Wachstum durch Lichtmangel 
als Reize vorſtellen, denen gegenüber die verſchiedenen Pflanzenteile 
gemäß ihrer phyſiologiſchen Ungleichwertigkeit auch in ungleicher Weiſe 
reagieren; die Art aber, wie ſie reagieren, ſteht meiſtens in deutlich 
erkennbarer Beziehung zu ihren Funktionen und Bedürfniſſen und ſtellt 
ſich alſo als eine für ſie vorteilhafte Anpaſſung heraus, wie uns ſolches 


5) Bot. Zeitg. 1870, Nr. 32—33, und 1874, pag. 391. 


1. Kapitel: Das Licht 161 


ja ſo allgemein in vielen andern Beziehungen bei den lebenden Weſen 
begegnet. 

Die Feſtſtellung der verſchiedenen Beeinfluſſungen des Wachstums 
wird hier unſere Hauptaufgabe ſein, um Klarheit in dieſe Ver— 
hältniſſe zu bringen. Aus der folgenden Darſtellung wird der Leſer 
von ſelbſt die eigentlich pathologiſchen Seiten dieſer Beziehungen heraus— 
finden. 

Für einige Pflanzenteile iſt das Licht eine notwendige Bedingungeigt zum Wachs⸗ 

des Wachſens; fie wachſen im Dunkeln gar nicht. Borodin) hat tum notwendig 
gezeigt, daß die Sporen vieler Farne, diejenigen von Polytrichum 
commune und die Brutknoſpen von Marchantia, denen ſich hierin nach 
Leitgeb?) die Sporen von Lebermooſen anſchließen, im Dunkeln nicht 
keimen. Unter den Phanerogamen ſind nach Wiesner nur die Samen 
von Viscum in ihrer Keimung an die Gegenwart von Licht gebunden. 
Da dieſe Sporen und Samen Reſerveſtoffe, alſo Baumaterial für das 
Wachstum enthalten, ſo kann die Urſache des Nichtwachſens im Dunkeln 
nicht in dem Unterbleiben der Kohlenſäureaſſimilation geſucht werden; 
es dürfte vielmehr die Erſcheinung mit dem unten zu erwähnen— 
den hemmenden Einfluß, den die Dunkelheit auf das Flächenwachstum 
anderer chlorophyllbildender Pflanzenteile, insbeſondere der Laubblätter 
der höheren Pflanzen ausübt, zu vergleichen ſei. 

Bei ſehr vielen Pflanzenteilen iſt das Wachſen vom Lichte ganzeichtzumWachſen 
unabhängig; bei ihnen erfolgt Wachſen im Dunkeln wie im Hellen unnötig bei der 
ohne bemerkbare Unterſchiede. Hierher gehört das erſte Wachstum der E 
jungen Pflanze, auf welchem die Keimung der meiſten Samen und Machen der 
der Sporen der Pilze beruht. Denn es iſt allgemein bekannt, daß der Wurzeln, Blüten 
Keimungsprozeß im Dunkeln wie im Lichte ftattfindet. Es liegen freilich e 
Angaben einiger Beobachter vor, wonach manche Samen im Dunkeln, 

5 andre wieder im Lichte beſſer oder ſchneller keimen ſollen. Doch mögen 
| dabei wohl meist andre Faktoren mitgewirkt haben. Nach den Unter- 
ſuchungen Nobbe'ss) und Adrianowsky's9 bleibt ſich bei den meiſten 
Samen das Keimungsprozent im Dunkeln wie im Lichte ziemlich gleich, 
wenn für Konſtantbleiben der Temperatur und Feuchtigkeit geſorgt 
wird, nur tritt allerdings die Keimung im Dunkeln ſchneller ein. So 
war am erſten Tage das Verhältnis der gekeimten Samen zwiſchen Licht 


A 


) Bullet de l’acad. de St. Petersbourg 1868, XIII, pag. 432. 
2) Keimung der Lebermooſe in ihrer Beziehung zum Licht. Sitzungsber. 
d. Akad. d. Wiſſenſch. Wien 1876. I. 
3) Landwirtſch. Verſuchsſtationen 1882, pag. 347. 
) Wirkung des Lichts auf Keimung der Samen. Refer. im Botan. 
Centralbl. 1884, Nr. 29. 
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 11 


er r 1 2 — 


162 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe 


und Dunkel bei Cannabis 9:42, bei Brascia napus 17:62, bei Agrostis 
stolonifera 5: 54, bei Avena 9:42. Es liegt alſo hierin bereits eine 
Annäherung an das dritte Abhängigkeitsverhältnis vom Lichte, nämlich an 
die Beſchleunigung des Wachſens durch Dunkelheit, welches wir ſogleich 
kennen lernen werden. Völlige Unabhängigkeit des Wachſens von 
Licht und Dunkelheit zeigt ſich ferner bei allen denjenigen Pflanzen— 
teilen, welche ihrem natürlichen Vorkommen nach auf dunkle Orte an— 
gewieſen ſind, alſo bei den unterirdiſchen. An den Wurzeln haben die 
meiſten Beobachter keinen beſtimmten Unterſchied in der Verlängerung 
finden können, wenn dieſelben im Hellen oder im Dunkeln wachſen 
gelaſſen wurden; neuere Beobachter haben allerdings auch bei Wurzeln 
die für viele Stengel zutreffende Beſchleunigung des Wachstums durch 
Dunkelheit, freilich in viel ſchwächerem Grade, ebenfalls gefunden ); 
ſo betrug z. B. an den Wurzeln von Lupinus albus in 20 Tagen die 
Verlängerung im Dunkeln 192,7, im Lichte 161,8 mm. Aber auch das 
Wachstum der Blütenteile und der Früchte geſchieht im Hellen wie im 
Dunkeln in gleicher Weiſe, vorausgeſetzt natürlich, daß die grünen 
Blätter im Lichte ſich befinden, um die für Blüten- und Frucht⸗ 
bildung erforderlichen Kohlenſtoffverbindungen herzuſtellen; unter 
ſolchen Umſtänden kommen in dunkle Umhüllungen eingeſchloſſene 
Blütenknoſpen oder Fruchtanlagen zur Entwickelung ). 

Dunkelheit be- Die meiſten oberirdiſchen vegetativen Organe, alſo die grünen 

1 und Blätter, repräſentieren die dritte Art der Beeinfluſſung 

Pflanzenteilen. des Wachſens durch das Licht: ſie wachſen zwar auch im Hellen wie 
im Dunkeln, aber die Dunkelheit macht ihr Wachſen abnorm und 
dieſer Zuſtand gehört mit zu den Eigenſchaften, die das Etiolement 
charakteriſieren, von welchem wir oben nur erſt die auf das Unter— 
bleiben der Chlorophyllbildung bezügliche Seite kennen gelernt haben; 
die etiolierten Pflanzenteile zeigen auch abnorme Geſtalten, die eben 
durch den veränderten Wachstumsgang bedingt ſind. Die Beein— 
fluſſung des Wachſens durch die Dunkelheit iſt nun aber an den ein- 
zelnen Teilen eines blättertragenden Sproſſes durchaus nicht homolog. 
Um daher dieſe Beeinfluſſung genau zu präziſieren, jo betrachten wir 
Pflanzen, die unter im übrigen normalen Verhältniſſen in konſtanter 
Dunkelheit ihren ganzen Wachstumsprozeß durchlaufen, indem wir 


) Vergl. Strehl, Unterſuchungen über das Längenwachstum der Wurzel. 
Leipzig 1874; Fr. Darwin, Arbeiten des botan. Inſtituts. Würzburg 1880. 
IV, pag. 521; Devaux De l’action de la lumiere sur les racines Bull. 
de la soc. botan. de France 1888, pag. 305. 

2) Vergl. Sachs, Bot. Zeitg. 1865, pag. 17; Vorleſungen über Pflanzen- 
phyſiologie. Leipzig 1881, pag. 645. 


1. Kapitel: Das Licht 163 


z. B. Samen, Knollen oder Zwiebeln in einem dunklen Raume aus- 
keimen oder die Knoſpen von Holzpflanzen in dunklen Umhüllungen 
austreiben laſſen, und vergleichen dann die hier gewachſenen Teile 


ig. 24. 


Einfluß des Lichtmangels auf den Wachstumsprozeß. Phaseolus nanus, gleichalt und unter gleichen Verhält— 


Schatten. 


1 


niſſen mit Ausnahme der Beleuchtung gewachſen. 


Erklärung des 
Wachstums⸗ 
Etiolements. 


164 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


mit den gleichnamigen am Lichte gewachſenen Organen derſelben 
Pflanzen. Die Veränderungen, welche wir dabei in der Wachstums— 
größe der einzelnen Teile bemerken (Fig. 24), laſſen ſich dann unter 
folgende für alle Pflanzen gültige Regel bringen. a) Diejenigen Teile, 
welche von Natur durch ein vorherrſchendes Wachstum in die Länge 
charakteriſiert ſind, alſo die Internodien der Stengel, die Blattſtiele 
und die langen, linealiſch geſtalteten Blätter der meiſten Monokotylen, 
erleiden im Dunkeln eine Überverlängerung. Die genannten Teile er— 
reichen im Finſtern das Doppelte und mehr ihrer normalen Länge und 
bleiben dabei relativ oder abſolut dünner als ſonſt. b) Die Blatt- 
ſpreiten dagegen zeigen eine hochgradige Reduktion des Wachſens, in— 
dem die am Lichte im allgemeinen nach allen Richtungen in die Fläche 
wachſenden Blattſpreiten der Dikotylen im Dunkeln überhaupt nach keiner 
Richtung hin erheblich wachſen, ſondern die Größe, welche ſie im Knoſpen— 
zuſtande beſitzen, nur wenig ändern und dabei ſogar mehr oder weniger 
in der gefalteten Lage verharren, die ſie in der Knoſpe beſaßen. Auch 
die im Dunkeln ſich überverlängernden Blattſpreiten der Monokotylen 
unterlaſſen im Dunkeln das Wachstum in die Breite gänzlich, ſie 
bleiben ganz ſchmal und ebenſo mit den Rändern zuſammengerollt, 
wie im Knoſpenzuſtande. Die hier beſchriebenen Wachstumsänderungen 
treten in ihrem ſtärkſten Grade in vollſtändiger Finſternis hervor. 
Aber auch ſchon bei ungenügender Helligkeit machen ſich dieſe Einflüſſe 
in abgeſchwächtem Grade geltend, und man findet alle Übergänge in 
dem geſtaltlichen Ausſehen der Pflanzen zwiſchen der Licht- und Dunkel— 
pflanze, wenn man dieſelben in verſchiedenen Helligkeiten wachſen läßt, 
ſo daß alſo auch an ergrünten Pflanzen dieſe Wachstumsände— 
rungen nach Maßgabe der Helligkeit ſich einſtellen. Hat man ſich ein— 
mal die hier charakteriſierten Symptome des Lichtmangels, alſo den 
charakteriſtiſchen Habitus der Schattenpflanzen, klar gemacht, 
ſo wird man an dem Ausſehen jeder Pflanze beurteilen können, ob 
ſie bei günſtiger Beleuchtung erwachſen iſt oder ob ſie ſich an einem 
Standorte befunden haben muß, wo ſie mehr oder weniger Mangel 
an Licht gelitten hat. An den beſchriebenen Wirkungen des Lichts 
auf das Wachstum ſind unter den einzelnen farbigen Strahlen die 
blauen und violetten hauptſächlich beteiligt; denn in einem ſolchen 
Lichte erfolgt das Wachſen ähnlich wie im gemiſchten Tageslichte, 
während gelbes und rotes Licht mehr das Wachstum des Etiolements 
ähnlich wie die Dunkelheit erzeugen. 

Denjenigen Phyſiologen, welche ſich bemühten, ein allgemein 
gültiges Geſetz zu ſuchen, nach welchem das Wachſen durch die Licht⸗ 
ſtrahlen beeinflußt werden ſollte, machten natürlich die im Vorſtehenden 


Ä 1. Kapitel: Das Licht 165 


auseinandergeſetzten, vielfach ja geradezu entgegengeſetzten Wirkungen 
große Schwierigkeiten, und die allerirrigſten Vorausſetzungen wurden 
gemacht, um dieſe Erſcheinungen unter einen Geſichtspunkt zu bringen. 
Die Einwirkung des Lichtes ſollte zur Bildung der Celluloſe notwendig 
ſein, weil gewiſſe Pflanzenteile im Dunkeln nicht wachſen, und bei den ſich 
im Dunkeln überverlängernden Teilen ſollte es bald ein höherer Turgor 
der Zellen, bald eine größere Beweglichkeit der Micellen des Proto— 
plasmas, bald eine größere Dehnbarkeit der zu wenig verdickten 
Zellhaut ſein, wodurch das abweichende Verhalten dieſer Pflanzen— 
teile ſich erkläre. Ich habe die einzig naturgemäße Erklärung 
dieſer Beeinfluſſungen gegeben, indem ich Licht und Dunkelheit 
als Reize hinſtellte, gegen welche die Pflanzenteile gemäß ihrer 
ungleichen Qualitäten und ungleichen Lebenszwecke auch ungleich 
reagieren. Das Unterbleiben des Flächenwachstums der Blatt— 
ſpreiten im Dunkeln fällt unter die allgemeine Regel, wonach 
funktionsloſe Organe nicht entwickelt werden, indem es eine nutzloſe 
Vergeudung wäre, etwas auf die Ausbildung eines Blattes zu ver— 
wenden, welches ſich nicht aus der Dunkelheit befreien kann. Die 
Überverlängerung der Stengelinternodien und Blattſtiele im Dunkeln 
iſt ebenfalls eine vorteilhafte Anpaſſung, weil ſie ein Hilfsmittel iſt, 
um die an dieſen Internodien oder Blattſtielen ſitzenden Blätter ſchließlich 
doch ans Licht zu bringen, wohin ſie naturgemäß gehören; dieſes Mittel 
führt gewöhnlich auch ſicher zum Ziele; denn da das Wachstum der Stengel 
und Blattſtiele infolge des Geotropismus immer vertikal nach oben 
gerichtet iſt, jo müſſen durch die Überverlängerung die genannten 
Organe ſchließlich über die Bodenoberfläche hervortreten, auch wenn 
etwa die Samen, aus denen die Triebe entſpringen, ſehr tief vom 
Boden verſchüttet ſein ſollten. Alle Pflanzenteile aber, für deren 
Lebensfunktionen es gleichgültig iſt, ob ſie ſich im Lichte oder im 
Dunkeln befinden, wie die unterirdiſchen Organe, Blüten und Früchte 
zeigen eben auch keine beſondere Beeinfluſſung ihres Wachſens durch 
Lichtverhältniſſe. 


IV. Mangelhafte Ausbildung der mechaniſchen Gewebe bei 
Lichtmangel. 


In den bei Lichtmangel ſich überverlängernden Pflanzenteilen ſindbichtmangel ver- 
auch die Zellen länger als im Lichte, und zwar bis um das drei- bis Ai 
fünffache, ohne dabei dickwandiger zu ſein. Im Gegenteil fällt die mechaniſchen 
Verdickung der Zellmembranen in ſolch etiolierenden Pflanzenteilen Gewebe. 
durchgängig ſchwächer aus, und ganz beſonders betrifft das die mecha— 


niſchen Gewebe, alſo diejenigen, welche im normalen Zuſtande durch 


Lagern. 


166 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


ſtark verdickte Zellmembranen charakteriſiert ſind und dadurch die 
mechaniſche Feſtigung der Pflanzenteile bedingen. Wie G. Kraus) 
gezeigt hat, verbleiben unter dieſen Umſtänden die Holzbündel als 
ſchwache iſolierte Stränge und die Libriformzellen des Holzes, die 
Baſtzellen, die Zellen des Collenchyms und der Epidermis bleiben 
etwa bei der halben Verdickung ihrer Membranen ſtehen. Die Folge 
dieſer ungenügenden Gewebebildung iſt der auffallende Mangel an 
Feſtigkeit, den man an ſolchen Teilen beobachtet; die Stengel ſind 
meiſt ſo ſchwächlich, daß ſie leicht durch ihr eigenes Gewicht umſinken. 
Auch dieſe Wirkung des Lichtes zeigt ſich in den verſchiedenſten 
Graden der Abſtufung nach Maßgabe der verſchiedenen Helligkeit. 

Auf derſelben Urſache beruht auch das Lagern der Feldfrüchte, 
welches beſonders am Getreide, jedoch auch an andern lang- und 
dünnſtengeligen Pflanzen, wie Wicken und dergl. vorkommt. Sämmt⸗ 
liche Halme legen ſich nieder; die nächſte Veranlaſſung ſind oft Wind 
und Regen, welche ſie niederwerfen; in der ſpäteren Entwickelungs— 
periode der Pflanze trägt auch das größere Gewicht der reifenden 
Ahre bei. Das Lagern iſt nachteilig, weil es den Erntearbeiten 
Schwierigkeiten bereitet, auch weil mitunter ein Verderben und Faulen 
der dem Lichte entzogenen unteren Teile damit verbunden iſt. Halme, 
die ein gewiſſes Alter noch nicht überſchritten haben, kehren, wenn ſie 
aus der Vertikale abgelenkt worden ſind, durch geotropiſche Krümmungen 
ihrer Knoten von ſelbſt wieder in lothrechte Richtung zurück. Daher 
wird zeitig eintretendes Lagern gewöhnlich wieder ausgeglichen; das 
Getreide ſteht nach einigen Tagen wieder auf. In der der Reife kurz 
vorangehenden Periode aber, in welcher die Lebensthätigkeiten im 
Halme allmählich erlöſchen, verliert auch ein Knoten nach dem andern 
von unten nach oben fortſchreitend ſeine geotropiſche Krümmungs— 
fähigkeit. Tritt das Lagern in dieſer Periode ein, ſo erheben die 
Halme nur ihre oberſten Glieder notdürftig; noch ſpäter wird es gar 
nicht mehr ausgeglichen. Die geringe Feſtigkeit des Halmes, welche 
der Grund des leichten Umſinkens iſt, hielt man lange Zeit für die 
Folge eines zu geringen Gehaltes an Kieſelſäure. Allein abgeſehen 
davon, daß die letztere zum größten Teile in den Blättern, nur in 
geringer Menge in den Internodien, in geringſter Menge in den 
Knoten ihren Sitz hat, haben Analyſen nachgewieſen, daß gelagertes 
Getreide an Kieſelſäure nicht ärmer als andres iſt?), und Kultur⸗ 


1) Pringsheim's Jahrb. f. wiſſenſch. Bot. VII. 
2) Pierre, Compt. rend. LXIII. 


—— 
— 
a 


1. Kapitel: Das Licht 167 


verſuche haben gezeigt, daß auch bei Ausſchluß der Kieſelſäure normale, 
feſte Getreidehalme erzogen werden ). Vielmehr ſtellt ſich die Weich— 
heit und Schlaffheit der unteren Halmglieder als die gewöhnliche 
Erſcheinung des Etiolement dar. Denn man kann nach Koch?) künſt⸗ 
lich durch Beſchattung der unteren Teile der Halme das Lagern her— 
vorbringen und die unteren Halmglieder gelagerten Getreides zeigen 
nach Koch in der That größere Länge, längere und in den Mem— 
branen ſchwächer verdickte Zellen, wie es im etiolierten Zuſtande zu 
ſein pflegt. Im Einklange damit ſteht die Erfahrung, daß das Lagern 
häufiger iſt bei dichter Saat, wo die Pflanzen gegenſeitig ſich beſchatten, 
als bei Drillkultur und weitläufiger Saat, bei außerhalb des Feldes 
allein wachſenden Halmen aber gar nicht vorkommt, ferner daß das 
Getreide beſonders bei üppiger Entwickelung zum Lagern disponiert 
iſt, weil die zahlreicheren und größeren Blätter und die dickeren Halme 
beſchattend wirken, daher auch der kräftigere Weizen öfter als andre 
Getreidearten lagert, und auch guter Boden und reichliche organiſche 
Düngung, beſonders Stickſtoffzufuhrs), das Übel befördern. Die Ge— 
fahr des Lagerns wird durch Eggen, Walzen, ſowie durch Abweiden 
(das ſogenannte Schröpfen) verhütet, weil dies die zu üppige Ent— 
wickelung der Halme und Blätter hemmt. Darum ſieht man auch oft 
diejenigen Weizenfelder, welche vom Hagel getroffen waren und danach 
wieder Halme, jedoch in dünnerem Stande, getrieben haben, ganz 
ohne Lagerung, während die daneben liegenden nicht verhagelten 
Weizenfelder vollſtändig lagern können. Mit der obigen Erklärung 
ſtimmt endlich auch die Erfahrung überein, daß das Lagern auf Feldern 
die zwiſchen hohen Bäumen, Wald oder großen Gebäuden eingeſchloſſen 
ſind, häufiger iſt als in offenen Lagen, desgleichen in gebirgigen 
Gegenden auf der Thalſohle und an den Hängen häufiger als auf 
den freien Höhen. Aus dem eben Geſagten ergiebt ſich von ſelbſt, 
wie weit wir im ſtande ſind, das Lagern des Getreides zu verhüten. 
Gegen das Lagern der Wicken, Erbſen u. dergl. empfiehlt man etwas 
Mais oder auch Leindotter zwiſchen zu ſäen, damit die Pflanzen an 
dieſen Stengeln emporklettern können. 


) Sachs, Experimentalphyſiologie, pag. 150. 
2) Abnorme Anderungen wachſender Pflanzenorgane durch Beſchattung. 
Berlin 1872. 


3) Vergl. Ritthauſen und Pott, Landwirtſch. Verſuchsſtationen 1873, 
pag. 384, und Kreusler und Kern, Centralbl. f. Agrikulturchemie 1876, I., 
pag. 401. 


Dauernde Ver— 
dunkelung tötet 
die grünendeile. 


168 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


V. Abſterben grüner Teile bei dauernder Verdunkelung 
derſelben. 

Wenn man Pflanzen mit grünen Blättern in beſtändige Dunkel— 
heit ſetzt oder wenn man auch nur ein Blatt allein oder einen Teil 
eines ſolchen mit einer undurchſichtigen Hülle bedeckt, ſo werden die 
dem Lichte entzogenen grünen Teile bald gelbfleckig und endlich ganz 
gelb. Sie zeigen dieſelbe Veränderung, wie wenn ſolche Blätter dem 
natürlichen Tode am Ende ihres Lebens anheimfallen, was auch unter 
Gelbfärbung eintritt. Es wird nämlich dabei nicht bloß der Chloro— 
phyllfarbſtoff zerſtört, ſondern auch das aus Eiweißſtoffen beſtehende 
Chlorophyllkorn ſelbſt vollſtändig aufgelöſt, und es bleiben in der Zelle 
kleine, fettartige, gelbe Körnchen zurück, die aus dem das Chlorophyll 
begleitenden und nicht reſorbiert werdenden gelben Farbſtoff, dem 
Xanthophyll, beſtehen. Die Pflanzenphyſiologen haben dieſe Thatſache 
früher ſo ausgelegt, daß das Licht auch zur Erhaltung des Chloro— 
phylls nötig ſei. Wie ich gezeigt habe), iſt dies ein Irrtum. Der 
Lichtmangel als ſolcher wirkt nicht zerſtörend auf das Chlorophyll. 
Das Verſchwinden des letzteren unter jenen Umſtänden iſt nur das 
gewöhnliche Symptom des Abſterbens der Zellen. Denn die meiſten 
Pflanzen geben in dauernder Dunkelheit ihre grünen Blätter, als unter 
ſolchen Verhältniſſen unbrauchbare Organe, preis, d. h. ſie laſſen ſie 
abſterben, ziehen aber vorher alle wieder verwendbaren Stoffe, darunter 
auch die Eiweißſtoffe und das Chlorophyll, aus ihnen heraus, wie das 
auch vor dem gewöhnlichen natürlichen Abſterben geſchieht. Stirbt 
ein Organ in konſtanter Finſternis nicht gleich ab, wie es bei den 
Blättern vieler Waſſerpflanzen, z. B. Elodea, und bei den Koniferen 
der Fall iſt, ſo bleiben darin auch ebenſo lange, oft Monate lang die 
Chlorophyllkörper unverändert grün. Die einzelnen Pflanzenarten ſind 
hierin in verſchiedenem Grade empfindlich: die meiſten Mono- und 
Dikotyledonen, beſonders die krautartigen Landpflanzen, wie haupt⸗ 
ſächlich Leguminoſen, Gramineen u. a. zeigen die Entfärbung ſchon, 
wenn ſie ſehr ſtark beſchattet ſtehen. Viel widerſtandsfähiger find Die- 
jenigen, deren natürlicher Standort im tiefen Waldesſchatten und in 
düſteren Schluchten iſt, wie manche Mooſe und Farne, welche ſelbſt in 
ſehr ſchwachem Lichte grün bleiben. Pflanzen mit lederartigen oder 
fleiſchigen, lange dauernden, immergrünen Teilen behalten ihr Chloro— 
phyll ſehr lange in der Dunkelheit, obgleich die während dieſer Zeit 
etwa neu gebildeten Sproſſe etiolieren, z. B. Selaginella vier bis 


1) Vergl. mein Lehrbuch d. Botanik I. Leipzig 1892, pag. 644. 


1. Kapitel: Das Licht 169 


fünf Monaten), Koniferen und andre immergrüne Pflanzen, die man 
Winters einzuſchlagen pflegt, während des ganzen Winters. Ahnliches 
zeigen die Sukkulenten; ſo blieb Cactus speciosus während dreimonat— 
licher Verdunkelung grün). Endlich haben auch Waſſerpflanzen, wie 
erwähnt, große Widerſtandsfähigkeit. So ſchadet die mehrmonatliche 
Dunkelheit des Winters der Polarländer den Meeresalgen daſelbſt 
nicht?). Elodea canadensis erhielt ich 6 Wochen lang im Dunkeln 
unverändert grün mit Ausnahme der in dieſer Zeit neugebildeten 
Teile, welche vollſtändig etioliert waren. Spirogyren dagegen ver— 
lieren ihr Chlorophyll im Dunkeln bald!). 


VI. Tödliche Wirkung intenſiven Sonnenlichtes. Beſchädigung 
durch intenſives 


Auch durch zu ſtarkes Licht können Pflanzenteile getötet werden. Sonnenlicht. 
Bei den älteren Schriftſtellern finden ſich darüber folgende Beob— 
achtungen. Schon Bonnet!) war es bekannt, daß grüne Blätter 
vom intenſiven Sonnenlichte nichts zu leiden haben, wenn ſie in 
natürlicher Lage, alſo mit ihrer Oberſeite demſelben ausgeſetzt ſind, 
dagegen beſchädigt werden, wenn man ſie in einer Lage erhält, wo 
das Licht direkt auf die Blattunterſeite fällt. Batalins) beobachtete, 
daß die Chlorophyllkörner im direkten Sonnenlichte manchmal blaß— 
grün, bei manchen Koniferen ſogar gelb werden, wobei die ganzen 
Blätter dieſelbe Verfärbung zeigen, daß aber bei Dämpfung des Lichtes 
nach einigen Tagen die rein grüne Färbung wiederkehrt. Böhms) 
hat ſogar eine tiefere Störung durch ſehr intenſives Licht an den 
Blättern der Feuerbohne bemerkt; dieſelben wurden dadurch zuerſt 
gebleicht, dann gebräunt, endlich zerſtört, indem an den gebräunten 
Stellen die Meſophyllzellen der inſolierten Blattſeiten mit einer braunen 
Subſtanz erfüllt waren. 


Selbſt angenommen, daß es ſich in allen dieſen Fällen um rein 
Lichtwirkungen, nicht um Beſchädigungen durch Hitze handelte, bleibt 
es ungewiß, inwieweit daran die beiden neuerdings ſicher feſtgeſtellten 
Wirkungen hellen Lichtes auf die Chlorophyllkörper beteiligt waren. 


) Sachs, Experimentalphyſiologie, pag. 15. 

2) Vergl. Bot. Zeitg. 1875, pag. 771. 

3) Famintzin, Melanges biologiques. Pétersbourg 1866. T. VI, 
pag. 94. ; 

) Nutzen der Blätter bei den Pflanzen. Überſetzung von Adolf Nürn— 
berg 1762, pag. 52. 

5) Botan. Zeitg. 1874. Nr. 28. Vergl. auch Askena ſy, daſelbſt 1875, 
Nr. 28. 

6) Landwirtſch. Verſuchsſtationen 1877, pag. 463. 


170 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


Wir wiſſen erſtens, daß das Licht die Lagenverhältniſſe der Chloro— 
phyllſcheiben in den Zellen beeinflußt, im allgemeinen in dem Sinne, 
daß dieſe Körperchen im intenſiven Lichte die der Oberfläche des 0 
Blattes parallelen Zellwände verlaſſen und an den dazu rechtwinklig a 
ſtehenden ſich anſammeln, was von Böhm, Famintzin, Borodin, 
mir und Stahl näher ſtudiert worden iſt. Es hat dies zur Folge, 
daß die Blätter bei ſtarker Inſolation eine blaſſer grüne Farbe an— 
nehmen, ſo daß man, wie Sachs zuerſt gezeigt hat, eine Art Lichtbild 
an den Blättern herſtellen kann, wenn man über gewiſſe Stellen eines 
von der Sonne beſchienenen Blattes dunkle Papierſtreifen legt, indem 
dann dieſe Stellen dunkler grün ausſehen, als die beſonnten. Wir 


müſſen bezüglich dieſer Erſcheinung hier auf die Pflanzenphyſiologie 5 
verweiſen!), denn fie hat keinen pathologiſchen Charakter; ſie iſt re— 1 
parabel, denn ſobald die Beleuchtung an Intenſität verliert, kehren N 
die Chlorophyllſcheiben wieder in ihre normale Stellung zurück; der — 
Vorgang darf als ein natürliches Schutzmittel, um die Chlorophyll— 5 


ſcheiben gegen zu intenſive Beleuchtung zu ſchützen, betrachtet werden. 
Zweitens kennen wir aber auch eine direkt das Chlorophyll, d. h. den 
grünen Farbſtoff zerſtörende Wirkung des intenſiven Sonnenlichtes. 

tanche Phyſiologen, wie namentlich Wiesner), ſind freilich der An— 
ſicht, daß Chlorophyll ſtetig wieder aufgelöſt werde und daß die Neu— 
bildung desſelben ein unter normalen Umſtänden neben dem andern 
herlaufender Prozeß ſei, ſo daß, wenn der Neubildungsprozeß aus 
irgend einem Grunde gehindert wird, Entfärbung der Pflanze ein— 
treten müſſe. Dieſe Anſicht iſt jedoch nicht bewieſen, ja wegen mancher 


Thatſachen ſogar unwahrſcheinlich. Nun hat aber Prings heim) * 
gezeigt, daß durch konzentriertes Sonnenlicht Chlorophyll in der leben— | 
den Zelle wirklich zerſtört wird, und auch, aus welchem Grunde. Ps 
Wenn man chlorophyllhaltige Zellen in die im Brennpunkt einer 4 
Linſe vereinigten Sonnenſtrahlen bringt, die vorher durch eine die * 
Wärmeſtrahlen abſorbierende Flüſſigkeitsſchicht gegangen ſind, ſo tritt 1 
in den Zellen zunächſt Siſtierung der Protoplasmabewegung, dann 15 
Entfärbung des Chlorophylls und endlich der Tod ein; da nun aber 2 


dieſe Wirkung nur bei Gegenwart von Sauerſtoff, nicht in indifferenten 
Gaſen eintritt, jo handelt es ſich nicht um eine Tötung durch Er- 


2 


1) Mein Lehrbuch d. Botanik I, pag. 286. 

2) Beziehungen des Lichtes zum Chlorophyll. Sitzungsber. d. Wiener 
Akad. 16. April 1874, pag. 56, und die Entſtehung des Chlorophylls. 
Wien 1877. f 

3) Jahrb. f. wiſſenſch. Botanik 1879, pag. 326, und Monatsberichte d. 
Akad. d. Wiſſenſch. Berlin 16. Juni 1881. 


* 
* 

2 
* 
SR 

7 


2. Kapitel: Die Temperatur 171 


hitzung, ſondern um eine ſpezifiſche Lichtwirkung, die in einer durch 
den Sauerſtoff bewirkten Zerſtörung beſteht. Ob eine derartige Be— 
ſchädigung von ſelbſt im Freien vorkommt, muß dahingeſtellt bleiben, 
denn die etwa wie lichtbrechende Linſen auf den Blättern wirkenden 
Tau⸗ oder Regentropfen konzentrieren zugleich die Wärmeſtrahlen 
und könnten daher wohl eher verbrennend wirken. Aber es wäre 
denkbar, daß manche Pflanzen- oder Pflanzenteile ſchon gegen ein 
minder konzentriertes Licht empfindlich ſind, und daß ſich daraus viel— 
leicht manche der eingangs erwähnten Beſchädigungen, ſowie die 
Empfindlichkeit der Schattenpflanzen gegen ſehr ſonnige Standorte 
erklären. 


2. Kapitel. 
Die Temperatur. 

Der Geſundheitszuſtand der Pflanze kann geſtört werden durch 
Einwirkungen der Temperatur. Dieſer Fall tritt ein: 1. wenn das 
die Pflanze umgebende Medium bis zu denjenigen Temperaturgraden 
ſich erwärmt oder abkühlt, welche überhaupt das Leben vernichten, 
2. wenn die Temperatur innerhalb ihrer für das Pflanzenleben geeig— 
neten Grenzen beträchtlich von demjenigen Grade entfernt iſt, welcher 
für den normalen Verlauf der einzelnen Lebensprozeſſe der günſtigſte iſt. 


A. Tötung durch Hitze. 

Wenn eine tödliche hohe Temperatur auf Pflanzen einwirkt, ſo 
ſterben entweder alle Organe der Pflanze oder nur gewiſſe Teile oder 
es werden nur einzelne Stellen derſelben beſchädigt, je nach der 
Empfindlichkeit der Teile oder der ungleichen Exponierung derſelben. 
Es giebt daher verſchiedene Erſcheinungen, welche als unmittelbare 
Folgen der Einwirkung zu hoher Temperatur zu betrachten ſind. 


Wirkungen der 
Temperatur. 


Tötung durch 
Hitze. 


1. Befinden ſich in Vegetation begriffene Pflanzen ganz Empfindlichkeit 


in einem zu ſtark erwärmten Raume, ſo iſt ihr Tod die Folge. Die 
Todesſymptome zeigen ſich dann ſchneller oder langſamer, ſpäteſtens 
in wenig Tagen, auch wenn die Pflanze inzwiſchen wieder in normale 
Temperatur gebracht worden iſt. Sie zeigen ſich am auffallendſten an 
ſaftreichen Teilen. Gewöhnlich bemerkt man ſie bei kurz andauernder 
Erhitzung zuerſt an eben erwachſenen Blättern, während die jüngeren 
noch unentwickelten Blätter länger, alte Blätter, Blattſtiele und Inter— 
nodien noch etwas länger widerſtehen. Die Zellen verlieren ihren Turgor; 
ſie laſſen Zellſaft in die Intercellulargänge austreten und ſchützen 
ihn auch nicht mehr vor Verdunſtung; das Protoplasma verliert ſeine 


vegetierender 
Pflanzen. 


172 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe 


Bewegung und Organiſation, es nimmt, wenn die Zelle farbigen Saft 
enthält, den Farbſtoff auf und läßt ihn aus dem Pflanzenteile, ſobald 
dieſer in Waſſer gelegt wird, austreten. Aus dieſen Veränderungen 
der Zellen reſultiert die bekannte Beſchaffenheit aller durch Hitze ge— 
töteten ſaftreichen Pflanzenteile: ihre Schlaffheit und Weichheit, das 
leichte Austreten des Saftes aus ſolchen Teilen (beſonders ſaftreichen, 
wie Sukkulenten, Zwiebeln u. dergl.) bei Einwirkung von Druck, die 
durchſcheinende Beſchaffenheit (infolge der Erfüllung der Intercellular— 
gänge mit Saft), das raſche Welkwerden und Vertrocknen. 

Der tödlich wirkende Temperaturgrad iſt für Landpflanzen ver— 
ſchieden, je nachdem dieſelben in Luft oder Waſſer ſich befinden; in 
erſterer höher als in letzterem. Nach Sachs!) iſt für erwachſene 
Pflanzen oder Zweige von Nicotiana rustica, Cucurbita Pepo, Zea 
Mais, Mimosa pudica, Tropaeolum majus, Brassica Napus, Papaver 
somniferum, Phaseolus vulgaris, Tanacetum vulgare, Cannabis sativa, 
Solanum tuberosum, Lupinus polyphyllus, Allium Cepa, Morus alba 
in Luft eine Temperatur von 50—52 C. binnen 10—30 Minuten, 
in Waſſer ſchon 45—46 C. binnen 10 Minuten tödlich; letztere auch 
für die Waſſerpflanzen Ceratophyllum, Chara und Cladophora. Lemna 
trisulca ſoll nach Scheltinga?) erſt bei 50— 55 C. binnen 10 Minuten 
getötet werden. Nach H. de Vries) ſind für oberirdiſche Teile von 
Zea Mais, Phaseolus, Brassica ꝛc. nach „ Stunde in Waſſer 43,9 bis 
44,1 C. unſchädlich, aber 45,3 45,89 C. tödlich, für die Wurzeln 
genannter Pflanzen in Erde nach ½ Stunde 50—522 C. und in 
Waſſer 45— 47,3 C. eben noch unſchädlich; den Wurzeln von Citrus 
Aurantium nach ½ Stunde 46,5 C. unſchädlich, 50 — 50,5“ C. tödlich, 
für die oberirdiſchen Teile derſelben 50— 50,3 C. unſchädlich, 52,2 
bis 52,5 C. tödlich; ferner belaubten Zweigen von Taxus, Saxifraga 
umbrosa, Erica, Hedera, Salisburia 10 Minuten lang 48,5 C. un— 
ſchädlich, 51—52° tödlich; Laub- und Lebermooſen eine halbſtündige 
Erwärmung in Waſſer auf 40—46 C. unſchädlich, auf 46—47° töd⸗ 
lich. Bialoblockit) fand eine konſtante Bodentemperatur von 50° C. 
den Wurzeln von Roggen, Gerſte und Weizen nach ein bis mehreren 
Tagen immer tödlich. Gewiſſe in Thermen vegetierende Dscillarien 


— 


1) Experimentalphyſiologie, pag. 64—65. 

2) Citiert in Juſt, Bot. Jahresb. für 1876, pag. 719. 

3) Nederl. Kruidk. Arch. II. ser. I. 1871, citiert in Bot. Zeit. 1872, 
pag. 781, 
9 Über den Einfluß der Bodenwärme auf die Entwickelung einiger 
Kulturpflanzen. Diſſertation 1872. 


2. Kapitel: Die Temperatur 173 


ſollen nach Cohn) daſelbſt 31—44° C., Leptothrix lamellosa ſogar 
44 — 54 lebend ertragen. Andre gewöhnliche Chlorophyllalgen, 
Spirogyren und Phycochromaceen wurden nach de Vries (I. e.) bei 
42,8 —44,2» C. beſchädigt. 

2. Trockene Samen und Pilzſporen zeigen nach Einwirkung Empfindlichkeit 
von Hitze die tödliche Wirkung in dem Verluſte der Keimfähigkeit. and Sporn 
Im trockenen Zuſtande widerſtehen ſie aber viel höheren Wärmegraden 
als die ſaftigen Pflanzenteile. Nach Sachs?) verlieren lufttrockene 
Samen ihre Keimfähigkeit infolge einſtündiger Erwärmung, und zwar 
| Gerſte und Mais bei 64—65° C., Roggen und Weizen bei 67—68° C., 
| Erbſen bei 71—73° C., während im gequollenen Zuſtande Samen 
| derſelben Pflanzen ſchon bei 51—52° C. dieſes Schickſal haben. Aber 
noch weit höhere Grade ertragen die Samen ohne Schaden, wenn 
ihnen durch allmähliche Erwärmung mit Chlorcalcium immer mehr 
Waſſer entzogen worden iſt. Kraſans) hat dies für Weizenkörner 
nachgewieſen, welche er in dieſer Weiſe 46 Stunden auf 50 —56 ½ C. 
und jo allmählich fortſchreitend zuletzt 11 Stunden lang auf 72° er— 
wärmte, wodurch ſie endlich 12 Prozent Waſſer verloren aber ihre 
Keimfähigkeit behalten hatten; ſogar vierſtündige Erhitzung auf 100° 
war ſolchen Körnern nicht tödlich. Juſt-) fand für jo behandelte 
Samen von Trifolium pratense ſogar erſt 120° C. tödlich, während 
niedere Temperaturen die Keimfähigkeit nicht vernichteten; jedoch blieben 
ſolche Samen nur am Leben, wenn ihnen dann das entzogene Waſſer 
ſehr langſam wieder zugeführt wurde, verloren aber die Keimfähigkeit 
bei ſchneller Befeuchtung. Auch Fichtenſamen ertragen nach Veltens) 
+ 80G. eine Stunde ohne Verluſt der Keimfähigkeit. Ahnliche An— 
gaben finden ſich bei Höhnel®). 

Auch Pilzſporen haben im trockenen Zuſtande eine große Widerſtands— 
fähigkeit gegen hohe Temperaturen, während ſie im waſſerdunſtgeſättigten 
Raume oder im Waſſer ſchon durch niedrigere Wärmegrade getötet werden. 
Nach Paſteur“ bleiben Sporen von Penicillium glaucum in trockener 


Luft bei 108° C. am Leben, verlieren vielfach bei 119 — 121“, alle raſch bei 
127 - 132 ihre Keimfähigkeit, ertragen aber in Flüſſigkeit eine Erwärmung 


r 


) Flora 1862, pag. 338. Vergl. auch Sachs, Flora 1864, Nr. 1, und 
Hoppe-Seyler, Pflüger's Archiv f. Phyſiologie 1875, pag. 118. 

2) Experimentalphyſiologie, pag. 66. 

3) Sitzungsber. der Wiener Akademie 1873. 

) Verhandl. der Naturforſcher-Verſammlung zu Breslau 1874. 

5) Sitzungsber. der Wiener Akademie Juli 1876. 

6) Haberland's wiſſenſch-prakt. Unterſuchungen 1877. II, pag. 77. 

) Examen de la doctrine des gen. spontandes. (Ann. Chim. 3. ser. 
T. 64; auszüglich in Flora 1862, pag. 355.) 


D AAA ²˙ NEEUNELNTE EHESTEN 


S Zap) 
* 0 


174 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe 


von 100° nicht lebend. Die Sporen von Peziza repanda ſollen nach 
Schmitz!) im Waſſer 63,75, trocken 137,59 ertragen. Auch Payen) fand 
Sporen von Oidium aurantiacum nach Erwärmung auf 120° noch keimfähig, 
bei 140° aber getötet. Ebenſo ertragen nach Hoffmann?) die Sporen von 
Ustilago Carbo und U. destruens im Trocknen 104 120 ohne Schaden; 
im waſſerdunſtgeſättigten Raume werden die erſteren zwiſchen 58,5 und 62°, 
die letzteren zwiſchen 74 und 78° binnen einer Stunde getötet. Nach Tar— 
nomwsfyt) ſollen Sporen von Penicillium glaueum und Rhizopus nigri- 
cans, in Luft 1— 2 Stunden auf 70—80° C. erwärmt, nur noch ſelten, auf 
82— 84° echitzt aber gar nicht mehr keimen, und in Flüſſigkeit bei 54 — 55 
ihre Keimfähigkeit verlieren; auch nach Schmitz ertragen die Sporen von 
Penicillium im Waſſer höchſtens 61°. — Hefezellen werden nach Hoff— 
manns) in Flüſſigkeit durch 60 — 74 C. noch nicht, wohl aber durch höhere 
Erwärmung getötet; trockene Hefe ſoll jedoch bis 150° erhitzt werden können, 
ohne die Fähigkeit, Gärung zu erregen, zu verlieren. 

Ahnliches gilt auch von den Spaltpilzen. Cohn!) fand, daß eine Er- 
wärmung der Flüſſigkeit 20 Minuten lang auf 100° &., desgleichen eine 
einſtündige auf 60— 629 Fäulnisbakterien tötet, nicht aber eine dreiſtündige 
Einwirkung von 40—50°. Nach Eidam) iſt vierzehnſtündige Erwärmung 
bei 54° C. oder dreiſtündige bei 50° für Bacterium Termo tödlich. Cohn 
und Paſteurs) haben gefunden, daß es bei gewiſſen Bacillenformen die 
Sporenzuſtände derſelben ſind, welchen eine große Widerſtandsfähigkeit gegen 
Hitze zukommt. Pa ſteur giebt die äußerſte Widerſtandsgrenze für die 
Schizomyceten der Milchſäuregärung auf 105 C. an; und nach Wy manns) 
ſollen Bakterien in Flüſſigkeiten ſogar die Siedehitze in einer Dauer von 
15 Minuten bis 4 Stunden ohne Schaden, jedoch 5—6 Stunden lang 
nicht mehr ertragen. Genügend lange Dauer der Erwärmung hat aber 
ſchon bei niederen Temperaturgraden den Tod zu Folge; doch reicht manch— 
mal eine drei- bis viertägige Erwärmung der Flüſſigkeit auf 70—80° C. 
nicht hin, um die Bacillen zu töten. Wegen dieſer großen Widerſtands— 
fähigkeit der Spaltpilze gegen Hitze beruht das ſogenannte Steriliſieren (Be- 
freien von Pilzkeimen) von Flüſſigkeiten u. dergl. auf einem mehrſtündigen 
Kochen oder Verweilen derſelben im Dampfſteriliſierungsapparate bei 
Siedehitze. 

3. Als lokale Beſchädigungen durch Sonnenbrand an 


Beſchädigung erwachſenen vollkommeneren Pflanzen ſind mancherlei Erſcheinungen 
Sonnenbrand. gedeutet worden, ohne daß dafür immer ein genügender Nachweis 


) Verhandl. d. naturh. Vereins f. Rheinlande ꝛc. 1845. 

2) Compt. rend. T. 27, pag. 4. 

3) Pringsheim's Jahrb. f. wiſſ. Bot. II, pag. 267. 

) Sachs, Lehrb. d. Bot. 4. Aufl., pag. 699. 

5) Compt. rend. T. 63. (1866), pag. 929. — Vergl. auch die ähnlichen 
Reſultate E. Schumacher's u. Wiesner's in Sitzungsber. d. Wiener 
Akademie 11. Juni 1874. 

6) Beiträge z. Biologie d. Pfl. 2. Heft (1872), pag. 219. 

7) Verhandl. d. Naturforſcher-Verſammlung 1874. 

8) Ann. de chim. et de physique 1862, 3. ser. T. 64, pag. 90. 

) Hoffmann's Mykologiſche Berichte in Bot. Zeitg. 1869, pag. 227. 


2. Kapitel: Die Temperatur 175 


beigebracht worden wäre. Sogar Effekte, welche unzweifelhaft nicht 
einmal indirekt durch ſtärkere Erwärmung veranlaßt werden, wie 
verſchiedene Fleckenkrankheiten der Blätter, hat man jo erklären wollen ). 
Aber es ſind hier auch alle Erſcheinungen von Sommerdürre auszu— 
ſchließen, weil dieſe auf einem Mißverhältnis zwiſchen Waſſeraufnahme 
und Verdunſtung beruhen, von der Temperatur als ſolcher unabhängig 
ſind. Das ſogenannte Verbrennen der Blätter in Gewächshäuſern, 
wobei gelbe oder braune vertrocknete Flecken, welche durch die ganze 
Dicke des Blattes gehen, auftreten, findet ſtatt, wenn Waſſertropfen 
auf den Blattflächen ſich befinden und dieſelben durch die Sonne ſoweit 
erhitzt werden, daß eine Tötung der Blattſubſtanz ſtattfindet, wie 
Neumann? beobachtete, der ſolche Flecken an den Blättern von 
Dracaena und Cordyline binnen wenigen Minuten entſtehen ſah, nach— 
dem ſie beſpritzt waren und von der Sonne beſchienen wurden, wobei 
die Flecken unter den Tropfen ſich bildeten. Bedingung iſt eine un— 
bewegte Lage des Blattes; daher ſoll es beſonders eintreten, wenn 
die Gewächshäuſer geſchloſſen find, nicht wenn die Thüren geöffnet 
find und die Blätter durch Luftzug bewegt werden. Sönjjon?) hat 
dies experimentell beſtätigt und noch weiter beobachtet, daß auch die 
im Glaſe der Gewächshäuſer befindlichen Blaſen in derſelben Weiſe 
auf die Blätter wirken können, indem er das dadurch auf den Blättern 
hervorgebrachte Sonnenbild in ſeinem Fortſchreiten verfolgen konnte, 
womit es zuſammenhängt, daß ſolche Brennflecken gewöhnlich in regel— 
mäßigen Linien ſtehen. Natürlich werden auch die an den Glasflächen 
hängenden Waſſertropfen in gleichem Sinne wirken können. Der töd— 
lich wirkende Temperaturgrad iſt dabei freilich nicht ermittelt worden. 
Daß aber Pflanzenteile, die von intenſivem Sonnenlichte getroffen 
werden, ſtärker als die umgebende Luft ſich erwärmen, hat Asfenafy‘) 
an Sempervivum und Opuntia beobachtet, welche dabei 43—49, ſelbſt 
51—52° C. annahmen, ohne geſchädigt zu werden, während dünnere 
Blätter, z. B. von Gentiana cruciata, gleichzeitig nur bis 35° C. ſich 
erwärmten. Da die erſtgenannten Grade in der Nähe derjenigen 
Temperatur liegen, welche nach Sachs im Waſſer tödlich iſt, ſo wäre, 
wenn die Blätter bei ſolcher Erwärmung benetzt ſind, eine Tötung 
nicht undenkbar, auch wenn die Tropfen nicht gerade wie Brenngläſer 


) Decandolle, Physiologie vegetale III, pag. 1113. 

2) A ansonia 1860-62, pag. 320, im Auszuge in Hamburger Garten— 
zeitung 1863, pag. 163. 

3) Über Brandflecke auf Pflanzenblättern. Refer. in Zeitſchrift f. Pflanzen⸗ 
krankheiten II, 1892. pag. 358. 

) Bot. Zeitg. 1875, Nr. 27. 


Sonnenriſſe. 


176 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


wirken ſollten. — Der durch verſchiedenartige äußere Verletzungen 
verurſachte Samenbruch der Weinbeeren (ſ. Hagelſchäden) kann 
nach Hoffmann!) auch durch die Sonnenſtrahlen bewirkt werden, 
wenn dieſelben durch Waſſertropfen, die an der Beere hängen, wie 
durch eine Linſe auf der Oberfläche der Schale im Brennpunkte ver— 
einigt worden ſind und eine Tötung der getroffenen Stelle der Beere 
hervorgebracht haben. Ein völliges Vertrocknen der Trauben 
durch Sonnenbrand beobachtet man in Jahren mit ungewöhnlicher 
Hitze im Auguſt nicht ſelten in den Weinbergen an ſolchen Trauben, 
welche nicht durch Blätter geſchützt, ſondern direkt der Sonne exponiert 
ſind; an denſelben ſind dann die Beeren förmlich wie Roſinen ge— 
dörrt. Müller-Turgau?) fand in der That die Temperatur in der 
beſonnten Weinbeere bis auf 40 C. ſteigen, wenn daneben in der 
Sonne 36°, und im Schatten 24 C. beobachtet wurden. Derſelbe 
hat auch nachgewieſen, daß die Wärme dabei das wirkſame iſt, indem 
die gleichen Erſcheinungen auch in einem erwärmten dunkeln Blech— 
kaſten zu beobachten waren. Unreife Beeren ſind empfindlicher als reife. 

Durch Inſolation ſollen nach de Songhe?) Sonnenriſſe in 
der Rinde der Obſtbäume entſtehen, wo die Rinde der Länge nach 
aufberſtet und zu beiden Seiten des Riſſes ſich auf mehrere Centimeter 
Breite vom Holze loslöſt, und zwar im Frühjahre, beſonders am 
unteren Teile des Stammes, immer auf der der Sonne zugekehrten 
Seite, welche den direkten Sonnenſtrahlen von 11 Uhr vormittags bis 
2 Uhr nachmittags ausgeſetzt iſt. Ein Bedecken dieſer Seiten mit 
Stroh ſoll das Aufreißen verhüten. Auch bei Waldbäumen iſt die Er— 
ſcheinung bekannt, beſonders an Buchen, Hainbuchen, Eichen und 
Ahorn‘). Über die bei der Entſtehung der Sonnenriſſe wirkſamen 
Faktoren beſteht jedoch noch keine genügende Klarheit. Da die Er— 
ſcheinung nur im März auftreten ſoll, jo muß, wie ſchon Caspary) 
hervorhob, wohl den Spätfröſten hierbei ein gewiſſer Einfluß zuge— 
ſchrieben werden, indem ſie in der ſaftreich gewordenen Cambium— 
ſchicht ein Gefrieren bewirken, welches ein Abſprengen der Rinde vom 
Holze zur Folge hat, worauf vermutlich die von der Saftzuleitung 
ausgeſchloſſene Rinde durch die Sonnenhitze vertrocknet und berſtet. 


) Bot. Zeitg. 1872, Nr. 8. 

2) Der Weinbau 1883, Nr. 35. 

3) Bot. Zeitg. 1857, Nr. 10. 

4) Vergl. Nördlinger, Lehrbuch des Forſtſchutzes 1884, pag. 332, und 
R. Hartig, Lehrbuch der Baumkrankheiten. 2. Auflage, Berlin 1889, 
pag. 286. 

5) Botan. Zeitg. 1857, Nr. 10. 


u ” 


2. Kapitel: Die Temperatur 177 


Nach Caspary) ſoll jedoch auch erſt im Auguſt die Entſtehung von 
Sonnenriſſen an den der Mittagsſonne ausgeſetzten Seiten bemerkt 
worden ſein, was der Genannte als eine unmittelbar tödliche Wirkung 
der Sonnenhitze auffaßt. Die Vermutung iſt aber auch hier nicht aus— 
geſchloſſen, daß ein früher eingetretener Froſttod der Rinde erſt bemerkt 
worden iſt, nachdem in der heißen Jahreszeit die Austrocknung der 
toten Partien bis zum Berſten fortgeſchritten war. R. Hartig (l. e.) 
hält es für wahrſcheinlich, daß die Inſolation den Rindenkörper 
partiell ſo erwärmt, daß dieſer ſich ſtark ausdehnt und ſomit von 
dem Holzkörper ſich ablöſen muß. Daß bei ſehr ſtarker Inſolation die 
Rinde eines Baumſtammes bis zum tödlichen Temperaturgrade erwärmt 
werden kann, iſt allerdings nicht undenkbar; freilich wird dann aber 
auch ſtarke Tranſpiration, alſo übermäßiger Waſſerverluſt der inſolierten 
Rindenpartien möglicherweiſe tödlich ſein können. Die Erſcheinung hat 
offenbar auch gewiſſe Beziehung zu dem Rindenbrand, den wir unten 
bei den Froſtſchäden beſprechen. Die Sonnenriſſe werden oft durch 
Überwallung nach einigen Jahren wieder geſchloſſen. 


B. Wirkungen des Froſtes. 
I. Das Gefrieren der Pflanzen. 


Ein Erſtarren der Pflanzenſäfte zu Eis iſt zu erwarten, wenn die Wirkungen des 


Temperatur des umgebenden Mediums auf 0° geſunken iſt. Jedoch 
muß dies nicht notwendig genau mit dieſer Temperatur zuſammen— 
fallen. Denn die Pflanzenteile ſind infolge von Wärmeſtrahlung und 
Verdunſtung in freier Luft gewöhnlich etwas kälter als dieſe (wie 
Tau⸗ und Reifbildung auf den Pflanzen beweiſen) und können alſo, 
wenn die Luft noch wenige Grade über 0° hat, ſchon unter den Ge— 
frierpunkt abgekühlt ſein. Allein die Pflanzenſäfte ſind nicht reines 
Waſſer, ſondern mehr oder minder konzentrierte Löſungen, und ſolche 
gefrieren erſt bei einigen Graden unter 0), und wenn ſie gefrieren, 
ſo ſcheiden ſie ſich in faſt reines Waſſer, welches erſtarrt, und in eine 
konzentriertere Löſung, welche dies erſt bei noch ſtärkeren Kältegraden 
thut. Beim Beginn des Gefrierens des Waſſers zu Eis wird zunächſt 
die Temperatur des Pflanzenteiles wieder etwas höher, weil bei der 
erſten Eisbildung Wärme frei wird. Übrigens iſt in trockeneren 
Pflanzenteilen kein oder nur wenig Zellſaft in den Zellen vorhanden; 
faſt alles Waſſer befindet ſich im imbibierten Zuſtande in der Zellhaut, 


) Verhandl. d. phyſ.⸗ökon. Geſellſch. zu Königsberg 1858. 
) Vergl. Nägeli, Sitzungsber. d. bair. Akad. d. Wiſſenſch. 9. Febr. 
1861, und Müller-Turgau, Landwirtſch. Jahrbücher 1886, pag. 459 ff. 
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 12 


Froſtes. 
Das Gefrieren 
der Pflanzen. 


9 


im Protoplasma und in deſſen geformten Inhaltskörpern, und auch 
von dieſem Waſſer gefriert bei beſtimmten Kältegraden nur ein Teil, 
der andere wird als Imbibitionswaſſer zwiſchen den Molekülen dieſer 
Organe feſtgehalten. Iſt nun aber dieſes Imbibitionswaſſer nur in 
geringer Menge vorhanden, ſo kann überhaupt nur eine ſehr unbe— 
deutende oder gar keine Kriſtalliſation zu Eis eintreten. Jedenfalls 
laſſen auch bei den ſtrengſten Kältegraden alle trockeneren Pflanzenteile, 
wie die Winterknoſpen und Zweige der Holzpflanzen und die Samen 
keine Veränderung im Sinne eines Gefrierens wahrnehmen und es 
ſind nur ſaftreichere Organe, wie die Stengel und Blätter der Kräuter, 
das Laub der Holzpflanzen, Knollen, Zwiebeln und ſukkulente Pflanzen, 
welche auffallend gefrieren. Wir betrachten zunächſt die beim Gefrieren 
auftretenden Erſcheinungen. 
Eisbildung in der 1. Eisbildung. Beim Gefrieren werden ſaftige Pflanzenteile 
Uſtanse. infolge der in ihnen ſtattfindenden Eisbildung hart und glaſig ſpröde. 
Werden die Teile plötzlich ſtarken Kältegraden ausgeſetzt, ſo erſtarren 
ſie durch und durch gleichmäßig zu ſteinharten Körpern. Weſentlich 
anders iſt die Eisbildung, wenn die Pflanzenteile allmählich bei ge— 
ringen Kältegraden (1—4 C.) gefrieren, wie dies in unſerem Klima 
im Freien bei Eintritt von Froſt gewöhnlich der Fall iſt. Hier bilden 
ſich Eismaſſen zwiſchen den Zellen, wodurch die Gewebe zerklüftet 
werden, während die Zellen, weil Waſſer aus ihnen ausgetreten und 
dann zu Eis erſtarrt iſt, mehr oder weniger zuſammenſchrumpfen, 
jedoch ſelbſt nicht gefrieren. Dieſe Bildung zuſammenhängender Eis— 
maſſen in gefrierenden Pflanzen iſt den Beobachtern ſchon vor langer 
Zeit aufgefallen, eingehender aber zuerſt von Caspary), ſpäter von 
Prillieux? unterſucht worden. Nach dieſen und meinen Beob— 
achtungen tritt dieſe Eisbildung am häufigſten und ſtärkſten an ſolchen 
Pflanzen auf, welche für den Winterzuſtand nicht vorbereitet, ſondern 
noch in Vegetation begriffen ſind, daher beſonders an krautartigen 
Spätlingen und an exotiſchen Stauden im freien Lande, anderſeits 
aber auch im Frühlinge an Pflanzen, die bereits in Saft getreten 
ſind oder zu treiben begonnen haben, alſo überhaupt an ſolchen, die 
reich an Saft ſind und denen ſolcher auch fortwährend durch die 
Wurzelthätigkeit zugeführt wird. Übereinſtimmend iſt überall, daß die 
Eismaſſe wenigſtens anfangs, meiſt für immer, innerhalb des Pflanzen- 
teiles ſich befindet und aus Eiskriſtallen beſteht, welche mit einander 
parallel und mehr oder minder zuſammenhängend, ſtets rechtwinklig 


178 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphaͤriſche Einflüffe 


) Botan. Zeitg. 1854, Nr. 38—40, wo auch die ältere Literatur zu 
finden iſt. 
2) Ann. des sc. nat. 5, ser. T. XII. 1869, pag. 125. 


2. Kapitel: Die Temperatur 179 


auf demjenigen Gewebe jtehen, aus welchem das Waſſer ausfriert. 
Die Kriſtalle ſind faſt reines Waſſer, auch wo die Zellenſäfte gefärbt 
ſind, farblos. An welchem Orte die Eismaſſen ſich bilden, hängt von 
dem anatomiſchen Bau des Pflanzenteiles ab. 

Der gewöhnlichſte Fall bei Stengeln und Blattſtielen iſt, wie 
Prillieux ſchon angegeben hat, der, daß im Rindenparenchym, bald 
unmittelbar unter der Epidermis bald tiefer eine mit der Oberfläche 
konzentriſch liegende Eiskruſte von anſehnlicher Stärke ſich bildet, durch 
welche die Epidermis und die etwa mit abgetrennten äußeren Rinden— 
ſchichten wie ein weiter Sack abgehoben und nicht ſelten geſprengt 
werden. Es iſt unverkennbar, daß das grüne Rindenparenchym wegen 
der Anweſenheit vieler Intercellulargänge und wegen der leichten 
Trennbarkeit der einzelnen Zellen für die Entſtehung dieſer intercellularen 
Eismaſſen beſonders günſtig iſt. An den Punkten, wo die Epidermis 
durch collenchymatiſche oder ähnliche feſte Gewebe mit dem Innern 
feſter zuſammenhängt, iſt die peripheriſche Eislage unterbrochen. So 
haben nach Prillieux der Stengel von Senecio crassifolius 5, die 
Stengel der Labiaten 4, nämlich an den vier Seiten liegende, die 
meiſten Blattſtiele 3 ſolcher Eisplatten unter der Oberfläche, nämlich 
eine an der rinnenförmigen oder flachen Oberſeite, je eine an den 
beiden Hälfte der konvexen Unterſeite. Dagegen bekommen die Stengel 
der Scrofulariaceen eine ringförmig zuſammenhängende Eisſchicht; und 
am Stengel von Borago officinalis finde ich viele ungleich große, nur 
durch dünne Schichten von Rindenparenchym getrennte dicke Platten 
neben einander einen ringförmigen Eismantel bildend (Fig. 25). Ich 
habe mich von der Richtigkeit der Angabe Prillieux's überzeugt, 
daß bei dieſem Gefrieren die Zellen dort, wo die Eisklüfte im Gewebe 
ſich bilden, nur auseinanderweichen, aber nicht zerriſſen werden (vergl. 
Fig. 25 und 26 C.). Die von Caspary unterſuchten Pflanzen, 
welches meiſt kleine exotiſche Sträucher mit ſtark entwickeltem Holz— 
körper waren (Heliotropium peruvianum, Cuphea pubiflora u. a. Arten, 
Lantana abyssinica und aculeata, Manulea oppositifolia, Calceolaria 
perfoliata) zeigten ihm das Eis unmittelbar auf dem Holzeylinder 
aufſitzend, zwiſchen dieſem und der Rinde, die dadurch vom Holze 
getrennt und verſchiedenartig geſprengt war. Auch hat derſelbe !) im 
Frühjahre an einheimiſchen Bäumen bei plötzlich eintretendem Froſt 
ein Gefrieren des Saftes im Cambium und ein Abſprengen der Rinde 
vom Holze beobachtet. In Übereinſtimmung damit fand auch Sorauer?), 


) Bot. Zeitg. 1857, pag. 153. Das Gleiche wird ſchon von Du Petit— 
Thouars (Le verger francais, Paris 1817) ausgeſprochen. 
2) Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 424. 
12 * 


180 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmofphärifche Einflüſſe 


nachdem er Zweige von Obſtbäumen Ende Mai mit künſtlichen]Kälte— f 
miſchungen behandelt hatte, an einzelnen Stellen Rinde und Cambium 5 
vom Holze gelöſt und in das letztere radiale Spalten von dieſen Mi 


Stellen aus ein- 
4 dringen, auch 
r | innerhalb des 
/ NW 7, Rindenparen— 
chyms die Zellen 
in radialen 
Spalten ausein— 
ander gewichen. 
Ein zweiter Ort 
der Eisbildung 
in Stengeln und 
Blattſtielen, der 2 
gleichfalls von f 
Caspary und 5 
Prillieux ſchon 
genannt wird, iſt 
das Mark. Wo 
dieſes maſſiv iſt, 
Fig. 25. bilden ſich oft | 
Gefrorener Stengel von Borago officinalis, ein Stück mehrere Eis— 2 
desjelben im Duerjchnitte, r Rinde mit dem Gefäßbündel⸗ partien, welche 
ringe, h behaarte Oberhaut, nebſt Partien der Rinde das Geweb 3 
durch mächtige, radial geſtreifte Eisplatten ee, die einen das Gewebe un 
ringsum laufenden Eismantel bilden, abgehoben. Die regelmäßig der 
Höhlung des Stengels auf der Innenſeite von r iſt mit Länge und der 4 
3 


Er 
* 1 


einem aus dichtſtehenden Eiskriſtallen gebildeten ſtarken 
Hohlcylinder von Eis e ausgekleidet; auf den Spitzen Quere nach zer⸗ 
dieſer Eiskriſtalle die bis S geſchobenen geen klüften. In . 
zellen mm, welche auf der Innenſeite von ur geſeſſen 4 
hatten. Schwach vergrößert. hohlen Stengeln © 
füllt ſich oft die 


Markhöhle mehr oder weniger mit Eis, welches in einer ringförmig 4 
zuſammenhängenden Kruſte die Wand der Höhle bedeckt; jo finde ich 4 
in gefrorenen Stengeln von Borago officinalis im Innern einen ſolchen 

ſehr ſtarken Hohlcylinder gebildet aus dichtſtehenden Eiskriſtallen, 

welche von dem Gefäßbündelringe ausgehen und radial gegen die ö 
hohle Mitte gerichtet ſind, die leeren und abgeſtorbenen Zellen, mit a 
welchen normal die Markhöhle ausgekleidet iſt, bis dorthin vor ſich 
herſchiebend (Fig. 25m). Durch ſolche Anhäufungen von Eis im 
Mark kann endlich der Holzring geſprengt werden, was Cas— 


2. Kapitel: Die Temperatur 


pary )) und ältere Beobachter gejehen haben. 


181 


Wenn im Markgewebe 


noch einzelne Gefäßbündel zerſtreut ſtehen, ſo ſchießt auch um jedes 
eine ringförmige Eiskruſte an, wie Sachs?) von gefrorenen Blatt— 


ſtielen von Cynara Scolymus angiebt. Blatt— 
ſtiele, die hauptſächlich aus zartem Parenchym 
beſtehen, in welchem nur wenige und feine 
Fibrovaſalſtränge verlaufen, können, während 
die Epidermis abgehoben oder ſtellenweiſe 
geſprengt iſt, auch innerlich ſehr tief der 
Quere und der Länge nach von dem ſich 
bildenden Eis zerriſſen werden. Die Ver— 
wundungen können dann dadurch noch ver— 
größert werden, daß die teilweiſe befreiten 
Parenchymſtücke infolge der Gewebeſpannung 
ſich nach außen konkav krümmen, zum Be— 
weiſe, daß ſie ſelbſt dabei nicht gefroren ſind. 
So bemerkte ich es an Stielen der Wurzel— 
blätter von Lychnis diurna zu Ende des 
Winters nach ſchwachem Nachtfroſte. 

Eine andere eigentümliche Art der Bil— 
dung von Eisplatten in Blattſtielen hat 
v. Mohls) beſchrieben; er fand, daß im 
Herbſt bei Nachtfröſten an den Blattpolſtern 
der Baumblätter in der ganzen vorgebildeten 
Trennungsſchicht eine Eisplatte ſich bildet, 
durch welche das Blatt abgegliedert wird, 
ſo daß am Morgen maſſenhafter Blattfall 
eintritt. 

In den gewöhnlichen dünnen Blatt— 
flächen der meiſten Pflanzen iſt die Eisbildung 
minder auffallend, obgleich auch dieſe Teile 
bei Froſt erſtarren. Ich fand in gefrorenen 
Blättern krautartiger, mono- und dikotyle— 
doner Pflanzen verhältnismäßig dünne Eis— 
kruſten meiſt zwiſchen der Epidermis und den 


Fig. 26. 
Gefrorene Blattſtiele von 


Lychnis diurna, A und B 
im Querſchnitte, ſchwach 
vergrößert. e die Eis⸗ 
maſſen, durch welche die 
oberflächlichen Zellſchichten 
vom inneren Gewebe ab— 
gehoben ſind, das letztere 
auch ſtellenweiſe zerriſſen 
it. O ſtärker vergrößerter 
Durchſchnitt durch eine 
Stelle des äußeren Teiles 
des Blattſtieles, wo eine 
Eisbildung beginnt; die— 
ſelbe zeigt ſich deutlich 
zwiſchen den Zellen, die 
hier nur auseinanderge— 
wichen, nicht zerriſſen ſind. 


angrenzenden Meſophyllzellen, zum Teil auch zwiſchen die letzteren 
eindringend, ſeltener unter der erſten Meſophyllzellenſchicht (Iris), alſo 
wiederum an denjenigen der Oberfläche nächſten Orten, wo Inter— 


1) Bot. Zeitg. 1854, pag. 671-674. 
2) Lehrbuch d. Botanik. 
2) Bot. Zeitg. 1860, pag. 15. 


4. Aufl., pag. 703, Fig. 473. 


182 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe 


cellularräume vorhanden ſind und die Zellen am leichteſten von ein— 
ander weichen. Daher tritt dies beſonders an der unteren Blattfläche 
ein, wo das Schwammparenchym jene Bedingungen am meiſten erfüllt, 
mit Ausuahme der Stellen über den ſtärkeren Nerven; aber es kommt 
auch an der oberen Seite des Blattes zu ſtande. Übrigens erſtreckt 
ſich dieſe Eisbildung wohl nie gleichmäßig über die ganze Blattfläche: 
ich fand ſie immer mehr oder minder fleckenweiſe und zwar ganz regellos 
lokaliſiert; offenbar bilden die Stellen, wo die Kriſtalliſation beginnt, 
Anziehungspunkte für neue Flüſſigkeit, die ſich dorthin zieht von den 
übrigen Teilen des Blattes her, welche dadurch ſoviel Saft verlieren, 
daß an ihnen keine Eisbildung eintreten kann. Ein meiſt auffallend 
hellgrünes Kolorit zeigt die Stellen an, wo Eis in der Blattfläche 
abgeſchieden worden iſt. 
Schutzeinrichtung Die ſoeben beſchriebenen, gar oft verderblichen Verwundungen, 
winterbeſtändiger i BER 4 ER we ’ ; 
ſaftreicher Blätterwelche der Froſt an im Saft befindlichen Pflanzenteilen hervorbringt, 
gegen die Ver- bezogen ſich auf lauter ſolche Teile, welche nicht eigentlich für die kalte 
een durch Jahreszeit beſtimmt find. Um jo bemerkenswerter iſt es, daß gerade 
isbildung. g Be i a ; 
die ſaftigen Teile ſolcher ſukkulenter Pflanzen, welche in dieſem Zu— 
ſtande den Winter überdauern müſſen, in ihrem anatomiſchen Baue 
eine Schutzeinrichtung gegen die Verwundung durch Eisbildung haben. 
Offenbar muß es bei einem konzentriſchen oder überhaupt der Ober— 
fläche parallel geſchichteten Baue, wie ihn die oben beſprochenen Organe 
zeigen, wegen der in der gleichen Richtung ſich ausbreitenden und mit— 
hin in radialer Richtung wachſenden Eiskruſten am leichteſten zu einem 
Zerſprengen der darüber liegenden Gewebe kommen. Die ſaftigen 
Blätter der winterbeſtändigen Roſetten der 8Sempervivum-Arten zeigen 
dagegen auf dem Querſchnitte die Parenchymzellen in Reihen geordnet, 
welche rechtwinkelig zur Epidermis beider Blattſeiten geſtellt ſind 
und mit eben ſolchen Reihen von Intercellulargängen, die zwiſchen 
ihnen ſich befinden, abwechſeln: das Meſophyll beſteht alſo aus ein— 
ſchichtigen Gewebeplatten, welche in der Längsrichtung und vertikal zu 
beiden Blattſeiten (median) geſtellt ſind. In gefrorenen Blättern fand 
ich die einzelnen Gewebeplatten durch Vergrößerung und Vereinigung 
der Intercellulargänge völlig von einander gewichen und durch dünne 
Eisplatten von gleicher Richtung, welche die Zwiſchenräume ausfüllen, 
getrennt; jede Gewebelamelle war zwar infolge ſtarker Schrumpfung 
der Zellen dünner, jedoch in ihrer Kontinuität nicht unterbrochen und 
immer mit der Epidermis feſt verbunden; durch Druck konnte man 
aus dem Querſchnitte die radialen Eisplättchen hervorquetſchen. Es 
kann alſo hier zu keiner Enthäutung noch zu ſonſtiger ſchädlicher Ver⸗ 


0 2. Kapitel: Die Temperatur 183 


wundung kommen. Beim Auftauen tritt raſch der normale Zuſtand 
wieder vollſtändig ein. 

Die in den Geweben ausgeſchiedenen Eismaſſen beſtehen aus W 
prismatiſchen Kriſtallen, welche Baſaltſäulen ähnlich vertikal auf a 
dem unterliegenden Gewebe ſtehen, aber meiſt ſo dicht gedrängt und 
miteinander verwachſen ſind, daß die einzelnen Individuen oft nicht 
deutlich zu unterſcheiden ſind. In einer Beziehung zu den einzelnen 
Zellen oder Intercellulargängen, wie Caspary glaubte, ſtehen ſie 
nicht. In den Eisſäulchen ſind gewöhnlich ſehr feine, in der Richtung 
der Längsachſe fadenförmig gereihte Luftblaſen eingeſchloſſen. Meiſtens 
behalten die Eismaſſen dieſe faſerig kompakte Beſchaffenheit, auch 
wenn ſie zu großer Stärke heranwachſen, die nicht ſelten die Dicke 
des darunter liegenden Gewebes weit übertrifft. Indeſſen haben ſchon 
ältere Beobachter, ſowie auch Caspary) und Prillieux), mitunter 
geſehen, daß das Eis auch durch exceſſives Wachstum in radialer 
Richtung ſtellenweiſe aus den Stengeln bald in Form faſt 4 em langer 
kriſtalliniſcher Fäden, bald in dünnen vertikalen Eisblättern oder 
Kämmen, bald als faſerige Eislocken weit hervortritt. 


Eine phyſikaliſche Erklärung dieſer Erſcheinung hat erſt Sachs?) ge- Erklärungs 
geben; fait gleichzeitig hat v. Mohl“) wenigſtens in der Hauptſache in verſuche. 
gleichem Sinne ſich ausgeſprochen. Erſterer hat den Vorgang dem Experi— 
mente zugänglich gemacht, indem er auf den Schnittflächen von Kürbis— 
früchten, Rüben, Möhren, Blattſtielen bei —3 bis 6 C. ebenſolche aus 
vertikal ſtehenden verwachſenen Kriſtallen beſtehende Eiskruſten auftreten 
ſah und dabei die Bedingungen dieſer Eisbildungen überhaupt feſtſtellen 
konnte. Als ſolche ergaben ſich: eine mäßige Kälte, bei welcher das mit 
Waſſer imbibierte Zellgewebe ſelbſt noch nicht gefriert, und ein Schutz der 
Flache, auf welcher das Eis ſich bildet, vor zu ſtarker Verdunſtung. Dieſe 
Bedingungen ſind auch bei der Eisbildung innerhalb lebender Pflanzenteile 
erfüllt. Sachs erklärt nun den Vorgang folgendermaßen. Wenn die 
dünne Waſſerſchicht an der Oberfläche einer imbibierten (an Intercellular— 
räume angrenzenden) Zellhaut gefriert, ſo wird eine neue Waſſerſchicht aus 
der letzteren an ihre Stelle treten und nun ihrerſeits wieder erſtarren, was 
ſo lange fortgeht, als die Zellhaut nicht gefroren iſt. In der That wachſen 
die Kriſtalle, wie die Beobachtung lehrt, an ihrer Baſis. Wegen der thätig 
bleibenden Imbibitionskräfte der Membranen wird auch von entfernteren 
Stellen aus Waſſer nach den Punkten, wo die Eisbildung zuerſt begonnen 
hat, hingeleitet, ſo daß die letzteren zu Anziehungspunkten für das Waſſer 
der Pflanze werden; ja die ſehr mächtigen Eisablagerungen laſſen ſich nur 
durch die Annahme erklären, daß während des Phänomens durch die Auf— 
ſaugung der Wurzeln nach und nach noch beträchtliche Waſſermengen den 


) Bot. Zeitg. 1854, pag. 665— 674; daſelbſt auch die älteren Angaben. 
NI. e pag. 129. 

3) Berichte d. k. ſächſ. Gef. d. Wiſſ. 1860, pag. 1 ff. 

. e 


184 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


Kriſtalliſationspunkten zugeführt werden, wie von Caspary und anderen!) 
vor ihm bereits geltend gemacht worden iſt. Daraus erklärt ſich auch, warum 
der Genannte die Erſcheinung nicht an Topfpflanzen beobachtete, offenbar 
weil hier durch die Kälte auch die Wurzelthätigkeit ſiſtiert war. — Die 
Erklärung des Phänomens als rein phyſikaliſcher Vorgang wird beſonders 
erleichtert durch eine eigentümliche Eisbildung, die manchmal auf der Ober— 
fläche des Erdbodens vorkommt und ſchon von älteren Beobachtern), be— 
ſonders aber von v. Mohl), dem Sachs hierin beiſtimmt, mit der Eis— 
bildung in lebenden Pflanzen identifiziert worden iſt, da ſie unter ganz 
denſelben Bedingungen und in ganz gleicher Form eintritt. Rechtwinkelig 
auf der Oberfläche des Bodens erheben ſich bis 5 em lange iſolierte oder 
verwachſene Eisfäden. v. Mohl beobachtete dieſe Bildungen auf einem 
Gebirgszuge des Schwarzwaldes, wo ſie unter dem Namen Kammeis be— 
kannt ſind, im November beſonders an ſteilen Böſchungen, nach Regen— 
wetter auf einem mäßig feuchten, lockeren und poröſen Boden, welcher ſelbſt 
dabei nicht gefroren war. Ich ſah die Erſcheinung unter denſelben Ver— 
hältniſſen ſehr ſchöͤn anfang September 1877 auf dem Kamme der Sudeten: 
an zahlloſen Stellen bemerkte man bald gerade, bald lockenförmige faſerige 
Eisſäulen, geſponnenem Glaſe oder Asbeſt ähnlich, auf dem Boden, teils 
wegen ihrer Länge umgefallen und angehäuft, teils noch ſtehend, häufig 
an ihren oberen Enden durch eine dünne Eisſchicht verbunden, in welcher — 
oft etwas von der oberſten Bodenſchicht mit emporgehoben worden war; 

die Baſis der Säulen iſt der jüngſte, wachſende Teil, indem das in dem 

nicht gefrorenen unterliegenden Boden befindliche Waſſer ſich fortwährend 

den einmal gebildeten Eiskriſtallen anſchließt und dieſe vorwärts drängt). 


Krümmungen 2. Krümmungen der Blätter und biegſamer krautartiger Stengel 

beim Gefrieren ſind beim Gefrieren der Pflanzen häufige Erſcheinungen. In bezug 
auf die der Stengel giebt Göppert?) an, daß nach einer Temperatur 2 
von — 5 C. im Frühlinge die büſchelig wachſenden Stengel der 5 
Päonien, Delphinien, Adonis, Potentillen, Dielytra 2c. exentriſch mit 
der Spitze nach der Erde gebogen, Raps und Kohl nur nickend, aber 
blühende wie nicht blühende Stengel von Liliaceen, wie Kaiſerkronen 


3 OR — — 


1) Bot. Zeitg. 1854, pag. 686. 

2) Bot. Zeitg. 1854, pag. 681. 

Tg, 

4 Die Mineralogen haben übrigens dieſe Art von Bodeneis unter den 
oben angegebenen Verhältniſſen mehrfach beobachtet und Erklärungen gegeben, 
die mit der obigen übereinſtimmen. Vergl. beſonders Kenngott (Sitzb. d. 
Wiener Akad. 1855. XVI. Bd., pag. 157—160), welcher das durch nadel- 
förmige Eiskriſtalle hervorgebrachte Abblättern des Kalkanſtriches und die 
Hebung desſelben von dem Mörtelverputze einer Ziegelmauer beſchrieben hat. 
In Japan iſt dieſes Bodeneis nach Dönitz unter dem Namen „Shimo⸗ 
bashira“ (Reifbalken) bekannt und in den deutſchen Alpen hat man mehrfach 
dieſelbe Erſcheinung wahrgenommen (vergl. Koch, Über Eiskriſtalle in lockerem 
Schutte, in Jahrb. f. Mineral. 1877, pag. 449 ff). 

5) Ber. d. ſchleſ. Geſellſch. f. vaterl. Kult. 30. März 1873. Citiert in 


Bot. Zeitg. 1873, pag. 366. 


i 
| 
} 
| 


2. Kapitel: Die Temperatur 185 


und Hyacinthen, nicht gebogen, ſondern platt auf den Boden geſtreckt 
waren. Ich ſah die Krümmungen ſowohl an Spätlingen bei den 
erſten Herbſtfröſten, als auch bei Frühjahrsfröſten. Die meiſten Stengel 
waren ähnlich wie im welken Zuſtande in ihrem oberen Teile in 
einem weiten Bogen umgekrümmt (Silybum marianum, Sonchus olera- 
ceus, Senecio vulgaris, Urtica urens, Mercurialis annua, Sinapis alba, 
Poterium Sanguisorba), nicht ſelten halbkreisförmig, ſo daß die Spitze 
gegen die Erde gekehrt war. Andere zeigten, wie es hier ebenfalls beim 
Welken zu ſehen iſt, nur eine nickende Richtung des Blütenſtandes: To 
waren die Blütenſtiele nur im oberen Teile gekrümmt und die Köpfchen 
hängend bei Calendula, Chrysanthemum Parthenium, und bei Euphorbia 
helioscopia waren ſowohl der Hauptſtengel als die Aſte des Blütenſtandes 
allemal nur dicht unter den Hüllen umgebogen. Auch die Blätter 
nehmen meiſtens eine ähnliche Richtung wie im welken Zuſtande an: ſie 
ſind im allgemeinen abwärts gebogen. Göppert!)) erwähnt die ſchon 


von Linné beobachtete Erſcheinung, daß Euphorbia Lathyris beim 


Gefrieren die Blätter dicht am Stengel herabſchlägt. Abwärts— 
krümmungen der Blätter nur mit ihrer Baſis ſah ich an den Wurzel— 
blättern von Allium victorialis, die dadurch horizontal auf dem Boden 
hingeſtreckt waren, und bei Sambucus nigra, wo die Blätter nur in 
der Nähe des Blattpolſters ſich herabgeſchlagen hatten. Ofter krümmt 
ſich das Blatt mehr oder weniger in ſeiner ganzen Länge abwärts; 
bei einigermaßen langgeſtielten iſt es hauptſächlich der Blattſtiel, z. B. 
bei Malva sylvestris, Ficaria ranunculoides, bei Euphorbia amygda- 
loides, wie überhaupt bei den allermeiſten dikotyledonen Kräutern. 
An den Blättern der Dikotyledonen, Kräutern wie Holzgewächſen, 
kommen zugleich oft mannigfache unregelmäßige Verkrümmungen und 
Kräuſelungen der Blattfläche vor, wobei jedoch vorherrſchend die mor— 
phologiſche Oberſeite konvex wird. Oder die Blattfläche faltet ſich zu— 
ſammen, ſo wie ſie in der Knoſpe liegt (Malva). 

Einen Verſuch, dieſe Krümmungen zu erklären, findet man nur 
bei Sachs? in der beiläufigen Bemerkung, daß, wenn die infolge 
des Waſſerverluſtes bei der Eisbildung eintretende Zuſammenziehung 
(welche Sachs?) wirklich durch Meſſung nachgewieſen hat) auf ver— 
ſchiedenen Seiten eines Blattes oder Stengels in ungleichem Grade 
erfolgt, Krümmungen eintreten müſſen. Ich halte dieſe Erklärung 
allein noch nicht für ausreichend, um das in der überwiegenden Mehr— 


) Wärme⸗Entwickelung in den Pflanzen, pag. 12. 
2) Lehrb. d. Botanik. 4. Aufl., pag. 703. Anmerk. 
3) Ber. d. kgl. ſächſ. Geſ. d. Wiſſ. 1860, pag. 19. 


Urſache der 
Krümmungen. 


186 III. Ab ſchnitt Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


zahl der Fälle ſtattfindende Umkrümmen nach unten begreiflich zu 
machen, beſonders an nicht oder kaum bilateralen Organen, wie die 
meiſten Internodien. Hier kann keine andere Vorſtellung Platz greifen, 
als die, daß die Abwärtskrümmung Folge einer allgemeinen Er— 
ſchlaffung der Gewebe iſt infolge der Entziehung des Waſſers, 
welches auskriſtalliſiert. Der Pflanzenteil welkt eben; ſtarr wird er 
erſt dann, wenn ſo viel Eiskriſtalle gebildet ſind, daß ſie zu aus— 
gedehnteren Kruſten ſich vereinigt haben. Mit dieſer Vorſtellung ſteht 
im Einklange, daß gerade ſchwere Pflanzenteile, wie Blütenköpfe und 
andere Inflorescenzen, laubreiche Stengelſpitzen, große Blattflächen, 
die Krümmung am ausgeprägteſten zeigen, und zweitens vorzüglich 
der Umſtand, daß der Ort der Krümmungen diejenige Stelle der 
Organe iſt, an welcher am ſpäteſten das Wachstum erliſcht und die 
Gewebe noch am ſaftreichſten und weichſten ſind, mithin allemal der— 
ſelbe Teil, welcher auch beim Welkwerden zuerſt und am ſtärkſten ſich 
krümmt, wie oben hervorgehoben wurde. Während daher viele der 
Froſtkrümmungen, ſowohl in der äußeren Form der Erſcheinung, als 
auch urſächlich mit dem Welken zu vergleichen ſind, tritt doch un— 
zweifelhaft in anderen Fällen der von Sachs bezeichnete Faktor als 
wirkſam ein, den man genauer als Veränderungen der Gewebe— 
ſpannungen bezeichnen kann. Denn wenn an verſchiedenen Seiten 
eines Organes den Geweben in verſchiedenem Grade Waſſer entzogen 
wird, ſo müſſen, da ja bei dieſen Eisbildungen und Krümmungen 
das Gewebe ſelbſt nicht gefroren und noch von einem Teile des Saftes 
imbibiert iſt, die Gewebeſpannungen durch merkliche Krümmungen ſich 
äußern. Wie dieſelben auch ſchon beim Zerreißen der Gewebe infolge 
der Eisbildung eine Rolle ſpielen, wurde oben angedeutet. Da in 
vielen Blättern die Eisbildung beſonders an der morphologiſchen 
Unterſeite ſtattfindet, ſo wird in der That der ſtärkere Waſſerverluſt 
dieſer Seite zu den für dieſe Organe charakteriſtiſchen konvexen 
Krümmungen der Oberſeite beitragen müſſen. Und unzweifelhaft giebt 
dieſer Vorgang allein den Ausſchlag bei ſolchen Richtungsänderungen, 
welche in keiner Beziehung zur Schwerewirkung ſtehen. Als ſolche 
hebe ich nur hervor die ſchlängeligen Krümmungen, die man bisweilen 
an gefrorenen langen Blütenſtielen ſehen kann, und beſonders die Er— 
ſcheinung, die ich bei demſelben Herbſtfroſte, bei welchem ich die anderen 
Beobachtungen machte, an einem noch belaubten Strauche von Ptelea 
trifoliata bemerkte. An den ziemlich aufrechten Zweigen hatten die 
Blätter ihre Foliola lediglich durch Krümmungen der Gelenke in ſehr 
verſchiedene Stellungen gebracht; an der Mehrzahl waren die Blättchen 


nach oben zuſammengeſchlagen, ſo daß die morphologiſche Oberſeite 


2. Kapitel: Die Temperatur 187 


der Gelenke ſich verkürzt hatte; dabei waren die drei Blättchen bald 
mehr gegen die Baſis des Blattes hin gewendet, bald mehr in einer 
die Baſis fliehenden Richtung einander genähert; manche Blätter jedoch 
zeigten die Foliola nach unten geſchlagen, alſo die Unterſeite der Ge— 
lenke verkürzt. Zur Vertikale aber ſtanden dieſe Bewegungen in gar 
keiner geſetzmäßigen Beziehung. 

Bei ſtarken Fröſten hat man auch eine Senkung der Baumäſte Senkung der 
beobachtet, am auffallendſten an Linden. Caspary )), welcher von Baumäſte bei 
10 Baumarten ungefähr zollſtarke oder ſchwächere Aſte in dieſer Be— Sn 
ziehung unterſuchte, kommt zu dem Schluſſe, daß gewiſſe Baumarten 
ihre Aſte bei Kälte ſenken, andere erheben und beim Weichen des 
Froſtes nahezu wieder in die urſprüngliche Lage zurückkehren. Da 
Caspary aber von jeder Baumart meiſt nur einen einzigen Aſt unter— 
ſuchte und da er bei allen Bäumen auch noch Veränderungen der 
Richtung nach der Seite hin bemerkte, ſo dürfte die Erſcheinung bei 
weiter ausgedehnten Unterſuchungen vielleicht mit unter dieſelben Ge— 
ſichtspunkte zu bringen ſein, wie die Richtungsänderungen der vorher 
beſprochenen weniger holzigen Pflanzenteile. An Cornus sanguinea 
unter Hochwald ſah ich wiederholt die ein- bis dreijährigen Aſtchen 
ſtark wellenförmig geſchlängelt oder umeinander gewunden und ſogar 
wie eine 8 geſchlungen, und die meiſten Krümmungen zeigten ſich bei 
den einzelnen am Orte wachſenden Sträuchen deutlich nach einer und 
derſelben Himmelsgegend orientiert, jo daß es ſich hier vielleicht auch 
um eine Froſtwirkung gehandelt hat, bei welcher die Richtung, von 
welcher der kalte Luftſtrom vorwiegend gekommen war, beſtimmend auf 
die Orientierung der Krümmung geweſen ſein würde. 

3. Farbenänderungen beim Gefrieren treten hauptſächlich an Farben— 
grünen Blättern ein. Es find aber hiermit nicht diejenigen Farben-änderungen beim 
änderungen zu verwechſeln, welche ſchon eine Folge des Todes der 1 
Zellen ſind, der häufig beim Wiederauftauen eintritt; vielmehr ſind 
hier nur diejenigen gemeint, welche, ſobald die Wärme wiederkehrt, 
verſchwinden und der normalen Färbung Platz machen. Das vorher 
undurchſichtige Gewebe wird manchmal mehr oder minder glasartig 
durchſcheinend, beſonders bei einigermaßen ſaftigen Teilen, wie 
es ſchon Göppert?) angiebt; dies zeigt ſich am vollkommenſten dann, 
wenn das Organ bei ſtarken Kältegraden durch und durch zu Eis 
erſtarrt. Bei langſam eintretendem, ſchwachem Froſte, wo das Gewebe 


) Report of the International Horticultural Exhibition and Botani- 
cal Congress. London 1866, pag. 99. 
2) Wärme⸗Entwickelung, pag. 9. 


Veränderungen 
beim Auftauen 
gefrorener 
Pflanzenteile. 


188 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


nicht gefriert und nur intercellulare Eisbildung ſtattfindet, erſcheinen 
mehr oder minder deutlich blaßgrüne bis weißliche Flecken in 
dem dunkelgrünen Kolorit des übrigen Teiles. Dieſelben ſind 
veranlaßt durch die gebildeten Eiskruſten, indem dieſe die Epidermis 
abheben und die zwiſchen den Eiskriſtallen enthaltene Luft das helle 
Ausſehen bedingt. Die übrigen Stellen erſcheinen dunkelgrün, weil 
ſie nur aus ſaftärmer gewordenen und mehr zuſammengezogenem alſo 
dichterem Gewebe beſtehen. Darum iſt dieſe Farbenzeichnung bei Dikoty— 
ledonen oft allein an der Unterſeite des Blattes vorhanden und auf 
das deutlichſte durch die Nervatur bedingt, indem die Adern dunkel— 
grün, die nur aus Schwammparenchym gebildeten Felder weißlich er— 
ſcheinen (Wurzelblätter von Borago officinalis, Dipsacus Fullonum). 
Bei vielen anderen Dikotyledonen aber treten die Flecken auf beiden 
Blattſeiten und in ganz regelloſer Verteilung und Größe auf, wie ich 
es z. B. an Sinapis alba ſehr ausgeprägt ſah. Auch viele Mono— 
kotyledonenblätter zeigen oft an beiden Seiten weißliche Flecken oder 
Streifen. Wenn die Pflanzen ins Warme gebracht werden, ſo ver— 
ſchwinden dieſe Zeichnungen faſt augenblicklich wieder. Im gefrorenen 
Zuſtande finde ich die grünen Zellen nicht weiter verändert, als daß 
ſie ſamt Inhalt ſtark geſchrumpft ſind, und daß oft ein Zuſammen— 
häufen der Chlorophyllkörner zu Klumpen ſtattgefunden hat. Beim 
Einbringen in die Wärme begeben ſich die Chlorophyllkörner ſchnell 
wieder in die normale Lage. An den violetten Blüten von Antirhinum 
Orontium und den gelben von Calendula ſah ich während des Froſtes 
keine Farbenänderung. 


II. Die Folgen des Gefrierens. 

Das Gefrieren der Pflanzenteile iſt mit dem Erfrieren derſelben 
nicht gleichbedeutend. Denn der gefrorene Zuſtand hat nicht notwendig 
den Tod zur Folge. Ein gefrorener Pflanzenteil bleibt nach dem 
Weichen des Froſtes entweder am Leben oder aber er erweiſt ſich 
als tot. 

Wenn die Pflanze das Gefrorenſein ohne Schaden überſteht, ſo 
wird das intercellular gebildete Eis beim Auftauen ſogleich durch die 
Imbibitionskräfte der Zellmembranen und des Protoplasmas von 
den Zellen wieder aufgenommen, welche dadurch ihren normalen Turgor 
nebſt allen Eigenſchaften des friſchen Zuſtandes annehmen, während 
die Eisklüfte wieder auf die gewöhnliche Weite der Intercellularen ſich 
zuſammenziehen. Gleichzeitig nehmen die Blätter wieder ihr gewöhn⸗ 
liches Kolorit an und alle Teile erlangen ungefähr ihre frühere Rich— 
tung und Form wieder. 


2. Kapitel: Die Temperatur 189 


Wenn aber der Pflanzenteil nach dem Auftauen ſich getötet er- 
weiſt, ſo zeigt er auffallende Veränderungen gegen früher. Dieſelben 
bieten je nach den Pflanzenarten und nach der Beſchaffenheit des 
Pflanzenteiles viele Mannigfaltigkeiten dar, ſtimmen aber alle in folgen— 
den Momenten überein, welche die allgemeinen Symptome des Todes 
ſind und auch denen gleichen, die nach Tötung durch Hitze (ſ. S. 171) 
eintreten. Beim Tode durch Erfrieren hört die Turgescenz der 
Zellhaut auf; dieſe wird ſchlaff, hält das Imbibitionswaſſer nicht 
mehr feſt, läßt es in die Intercellulargänge austreten und raſch ver— 
dunſten; das Protoplasma iſt desorganiſiert, mehr oder minder zu— 
ſammengeſchrumpft, es hat keinen Widerſtand mehr gegen den Zell— 
ſaft und die darin gelöſten Stoffe, es läßt dieſen durch ſich hindurch— 
filtrieren und die gelöſten Stoffe ſich mit einander mengen, giebt auch 
den Farbſtoff ab, wenn ſolcher im Zellſaft gelöſt war, ſobald man 
den Pflanzenteil ins Waſſer legt!); die Chlorophyllkörner bekommen 
Vacuolen oder ſchrumpfen bisweilen unter Formverzerrung?) und 
werden mit dem ſich kontrahierenden Protoplasma mehr oder weniger 
in Klumpen zuſammengehäuft. Dagegen iſt von einer Sprengung 
der Zellen, von einer Zerreißung der Zellmembranen (den von Cas— 
pary angegebenen Fall, wo das Cambium beim Gefrieren durchriſſen 
werden ſoll, ausgenommen) auch in erfrorenen Pflanzenteilen nichts 
zu bemerken. In den angegebenen Veränderungen finden alle be— 
ſonderen Erſcheinungen ihre Erklärung, die an verſchiedenen Pflanzen— 
teilen beim Tode durch Erfrieren und bei partiellen Froſtbeſchädigungen 
wahrgenommen werden. Alle auch nur einigermaßen ſaftigen Pflanzen— 
teile ſind ſofort nach dem Auftauen in hohem Grade ſchlaff und welk 
und haben, wegen der Erfüllung der Intercellulargänge mit Flüſſig— 
keit, eine eigentümliche, durchſichtige, wie gekochte Beſchaffenheit; ſie 
ſind ſo weich, daß ſie, zumal voluminöſe Teile, wie Rüben, Kartoffel— 
knollen, durch geringen Druck den Saft aus ſich wie aus einem 
Schwamm auspreſſen laſſen. Befinden ſich die Blätter an der Luft, 
ſo verlieren ſie durch Verdunſtung ihr Waſſer ungemein raſch und ſind 
bald ganz dürr. Gewöhnlich übt auch der Chemismus, ſo lange das 
erfrorene Blatt noch Saft enthält, raſch ſeine Wirkung aus: durch 


rn 


A 


A * a: 


Et Ä den Sauerſtoff der Luft tritt, wie an allen toten Pflanzenteilen, ein 
N Humifikationsprozeß ein, welcher das Protoplasma oder die Zellhaut 
x braun färbt; daher werden die Blätter unter ſolchen Umſtänden braun 
2 


) Sachs in Ber. d. kgl. ſächſ. Geſ. d. Wiſſ. 1899, pag. 25 — 39. 
| 2) Vergl. auch G. Haberlandt, Über den Einfluß des Froſtes auf die 
Chlorophyllkörner. Oſterr. Bot. Zeitſchr. 1876, Heft 8. 


190 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


oder ſchwärzlich. Auch die farbigen Blütenteile, beſonders die weißen, 
rötlichen oder gelben werden mehr oder weniger gebräunt. Wenn 
aber das grüne Blatt ſehr ſchnell trocken wird, noch ehe die chemiſchen Zer— 
ſetzungen eintreten, ſo bekommt es keine andern Farben, ſondern 
nimmt nur das Fahlgrün des trockenen Heues oder Laubes an. Be— 
ſonders gilt dies von den wenig ſaftigen Blättern; dieſe ſind gleich 
beim Auftauen dürr und ſehen aus wie gut getrocknete Herbarien— 
eremplare. Der fahlgrüne Farbenton iſt hier nur durch den trockenen 
Zuſtand bedingt; denn wenn man ſolche Teile befeuchtet, werden ſie 
wieder reiner grün. Nur dadurch wird in dieſem Falle das Kolorit 
bisweilen etwas mißfarbiger, daß die bei der Eisbildung abgehobene 
Epidermis als dünnes Häutchen loſe über dem Meſophyll ausgeſpannt 
bleibt und dadurch ein eigentümliches optiſches Verhalten zeigt; ent— 
fernt man die Epidermis, ſo zeigt ſich darunter das Meſophyll ebenſo 
freudig grün, wie jegliches friſch getrocknete Chlorophyll, und in den 
Zellen erkennt man einen gleichmäßig grünen, unregelmäßigen Klumpen, 
zu welchem die Chlorophyllkörner zuſammengetrocknet ſind. Dies beob— 
achtete ich an verſchiedenen erfrorenen Pflanzen mehrere Tage nach 
dem erſten Froſte, binnen welcher Zeit die Kälte bis auf — 10 C. 
gekommen war. Selbſt in den feucht gebliebenen und durch das Er— 
frieren gebräunten Blättern von Borago officinalis fand ich nach der— 
ſelben Zeit innerhalb des bräunlichen Protoplasma ziemlich deutlich 
die noch grünen Chlorophyllkörner. Früher oder ſpäter werden ſie 
aber hier durch den chemiſchen Prozeß zerſtört, und es wird hierbei 
auch bisweilen die von Wiesner) geltend gemachte Zerſtörung des 
Chlorophylls durch die in den Zellſäften aufgelöſten organiſchen Säuren 
u. dergl. ſtattfinden, da das getötete Protoplasma die Undurchläſſigkeit 
für jene Subſtanzen verloren hat und letztere mit dem Chlorophyll 
in Berührung kommen, wie z. B. beim Sauerklee, deſſen Blätter beim 
Auftauen ſogleich braun werden. Trocknet das aufgethaute erfrorene 
Blatt ſehr ſchnell, jo können die beim Gefrieren auftretenden, ſonſt in 
der Wärme ſogleich verſchwindenden weißlichen Flecken fixiert werden, 
wie ich es an Sinapis alba bemerkte. Es bleibt dann nämlich an 
dieſen Stellen, nachdem die daſelbſt vorhanden geweſenen Eiskruſten 
gethaut und verdunſtet find, eine dünne Luftſchicht zwiſchen der Epi— 
dermis und dem Meſophyll, ſowie zwiſchen den Meſophyllzellen ſelbſt 
eingeſchloſſen; in dem dunkelgrünen übrigen Teile des Blattes iſt das 
ganze Meſophyll ſamt den beiden Epidermen zu einer luftleeren, zu— 


) Die natürliche Einrichtung zum Schutze des Chlorophylls. Wien 
1876, pag. 6. 


2 


2. Kapitel: Die Temperatur 191 


ſammenhängenden, feſten Maſſe zuſammengetrocknet, die nur aus den 
Zellmembranen und den feſten grünen Inhaltsmaſſen der Zellen ohne 
Saft beſteht. Schließlich iſt noch der Blaufärbung zu gedenken, welche 
die weißen oder gelben Blüten und ſelbſt die grünen Teile der Orchi— 
deengattungen Phajus und Calanthe, wie überhaupt bei ihrem Tode 
ſo auch beim Erfrieren annehmen!) und welche auf der durch Ein— 
wirkung des Sauerſtoffs bewirkten Bildung von Indigo beruht, welcher 
in den lebenden Zellen nicht als ſolcher, ſondern als farbloſes Indican 
enthalten iſt ). 

Die Richtungsveränderungen, welche beim Gefrieren eintreten, 
bleiben nicht nur beim Tode durch Erfrieren, ſondern nehmen zu, in— 
dem das Verwelken und Vertrocknen der Teile ſchnell den höchſten 
Grad erreicht. Voluminöſe, ſaftreiche Organe dagegen müſſen beſonders 
in feuchter Umgebung, nach dem Erfrieren ebenſo wie nach dem Tode 
aus anderen Urſachen, allmählich der Fäulnis anheimfallen, weil das 
in den toten Geweben lange zurückgehaltene Waſſer die Zerſetzung der 
organiſchen Verbindungen ermöglicht. Darum ſehen wir erfrorene 
Zwiebeln, Kartoffeln, Rüben, Wurzeln u. dergl. in Fäulnis über— 
gehen. 

Der Froſttod und ſeine Urſache. Die ältere Anſicht, nach 
welcher beim Gefrieren die Gefäße und Zellen der Pflanzen zerſprengt 
werden, diejenigen Gewächſe aber, welche hohe Kältegrade ſchadlos er— 
tragen, der Ausdehnung des in ihren Elementarorganen gebildeten 
Eiſes widerſtehen?), iſt zuerſt von Du Petit-Thouars“)) verworfen, 
aber erſt durch Göppert'ss) umfaſſende Unterſuchungen widerlegt 


) Vergl. Göppert, Bot. Zeitg. 1871, Nr. 24, und Prillieux, Bull. 
soc. bot. de France 1872, pag. 152. 

2) Eine Beſchreibung des Ausſehens, beſonders der Farbenänderungen 
erfrorener Pflanzen nach Familien und Gattungen hat Göppert (Wärme— 
Entwickelung, pag. 16 ff. und wiederum in den Sitzungsber. d. ſchleſ. Geſ. 
für vaterl. Kultur, 14. Dez. 1874; referiert in Bot. Zeitg. 1875, pag. 610) 
gegeben. Ich muß darauf verweiſen, da ich in der obigen Darſtellung die 
Farbenänderungen nur ſoweit zuſammengeſtellt habe, als ich für dieſelben 
beſtimmte innere Veränderungen als Urſachen angeben konnte. — Es iſt ge— 
wiß nicht zu leugnen, daß beim Erfrieren die einzelnen Pflanzenarten beſtimmte 
für fie charakteriſtiſche Symptome in der Färbung zeigen; allein mir ſcheint, 
daß dieſe nicht abſolut ſicher und unwandelbar ſind; ſie richten ſich ohne 
Zweifel auch nach dem augenblicklichen allgemeinen Zuſtande des Pflanzen— 
teiles und nach den jeweiligen äußeren Verhältniſſen zur Zeit, wo das Er— 
frieren ſtattfindet, wie ich oben hervorgehoben habe. 

3) Vergl. beſonders Senneb ier, Physiol. vegetal. T. III. Chapitre 8. 

) Le verger francais. Paris 1817. 

5) Wärme⸗Entwickelung, pag. 25 - 30. 


Urſache des 
Todes durch 
Erfrieren. 


192 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


worden, welcher zeigte, daß ganz allgemein in erfrorenen Pflanzenteilen 
die Zellen unverletzt, die Membranen derſelben nicht zerriſſen, ſondern 
nur erſchlafft find. Nägeli!) hat die Unmöglichkeit dargethan, daß 
bei der Elaſticität der Zellmembran und bei der unter normalen Verhält— 
niſſen kaum vollſtändigen Füllung der Zelle mit Saft eine Sprengung 
infolge der Ausdehnung des gefrierenden Inhaltes eintritt, und hat ferner 
den ſicheren Beweis geliefert, daß die Membranen durch Froſt getöteter 
Zellen auch nicht durch die kleinſten Riſſe verletzt ſein können, indem 
er ſah, wie Zellen von Spirogyra orthospira, welche durch Froſt ge— 
tötet waren und alle Symptome des Todes in der Beſchaffenheit ihres 
Protoplasmas zeigten, beim Einlegen in konzentrierte Löſungen von 
Zucker und andere waſſerentziehende Mittel durch Diosmoſe entleert 
und zuſammengedrückt wurden, was bei Vorhandenſein von Riſſen 
nicht möglich geweſen wäre. 

Göppert ſuchte die Urſache des Froſttodes darin, daß durch die 
niedere Temperatur an ſich die Lebenskraft in der Zelle vernichtet werde 
und daß es hauptſächlich auf die Energie derſelben und auf den ver— 
ſchiedenen Vitalitätszuſtand der Pflanze ankomme, ob dieſelbe den 
Froſt erträgt oder ihm erliegt. Allein dieſe Anſicht, wonach die niedere 
Temperatur allein die Todesurſache ſein ſoll, wird doch ſchon durch 
die Thatſache widerlegt, daß während die Pflanzen ſehr empfindlich 
gegen das Gefrieren ſind, die trockenen Samen den höchſten 
Kältegraden widerſtehen. Auch ſchließt dieſe Anſicht notwendig die 
Annahme ein, daß der Tod beim Erfrieren immer ſchon während des 
Gefrierens durch direkte Wirkung der Kälte, nicht erſt beim Auftauen 
oder infolge des Auftauens auftritt. Göppert?) führte als Beweis 
hierfür das oben erwähnte Blauwerden der Orchideenblüten beim Er— 
frieren an, welches er ſchon während des Gefrierens beobachtet haben 
will. Brillieur?) aber beſtreitet dies; er zeigte, daß dieſe Blüten auch 
im vollſtändig gefrorenen Zuſtande noch unverändert ſind und erſt im 
Momente des Auftauens die Farbenwandlung erleiden. 

Sachs“) dagegen verlegt den Eintritt des Todes in den Moment 
des Auftauens; er ſucht die Todesurſache in einem zu raſchen Auf— 
tauen, während langſames Auftauen die Zellen nicht töte. Mit dieſer 
Anſicht ſteht allerdings die bekannte Erfahrung im Einklange, daß oft 
ein plötzlicher Eintritt hoher Temperatur gefrorenen Pflanzenteilen viel 


1) Sitzungsber. d. k. bair. Akad. d. Wiſſ. 9. Febr. 1861. 

2) Bot. Zeitg. 1871, Nr. 24. 

3) Bull. soc. bot. de France 1872, pag. 152. 

) Ber. d. kgl. ſächſ. Geſ. d. Wiſſ. zu Leipzig 1860, pag. 22 — 42. — 
Experimentalphyſiologie, pag. 58—61. 


2. Kapitel: Die Temperatur 193 


ſchädlicher ift, als eine langſame Erwärmung. Sachs hat auch den 
exakten Beweis geliefert, daß wenigſtens für gewiſſe Fälle ſeine Anſicht 
zutreffend iſt. Er ließ eine Anzahl Stücke von Rüben oder Kürbiſſen 
oder Blättern verſchiedener Kräuter vollſtändig gefrieren und fand 
dann, daß dieſelben beim langſamen Auftauen, nämlich beim Einlegen 
in Waſſer von 0° u. dergl., lebensfriſch blieben, dagegen desorganiſiert 
wurden, wenn ſie, bei derſelben Kälte gefroren, raſch auftauten. Um 
dieſe Thatſache zu erklären, geht Sachs von der Vorſtellung aus, daß 
die Moleküle der Zellhaut und des Protoplasmas und diejenigen des 
imbibierten Waſſers beim Gefrieren ſich trennen und in neue Lagen 
verſetzt werden und daß, wenn das Schmelzen der kleinen Eiskriſtalle 
in der Zellhaut und im Protoplasma ſchnell geſchieht, heftige Mole— 
kularbewegungen entſtehen, welche die frühere Anordnung nicht wieder 
eintreten laſſen !). Für ſaftreiche Pflanzenteile, wie Rüben und Kür— 
biſſe, wenn ſie durch ſtarke Kälte durch und durch, alſo innerhalb der 
Zellen gefroren ſind, wird dieſe Urſache des Froſttodes wohl zutreffend 
ſein. Ungleich ſchwieriger dürfte es aber ſein, auch die Fälle, wo das 
Gewebe ſelbſt nicht gefriert, ſondern nur intercellulare Eiskruſten ge— 
bildet werden, mit unter dieſe Anſicht zu bringen. Sachs?) meint, 
beim langſamen Auftauen ſchmelzen die Eiskriſtalle an ihrer Baſis, 
wo ſie die Zelle berühren, und das flüſſig werdende Waſſer werde 
ſogleich von der Zelle aufgeſogen, die dadurch ihre urſprüngliche Be— 
ſchaffenheit wieder erlange; beim ſchnellen Auftauen der Eiskruſte laufe 
dagegen ein Teil des ſich bildenden Waſſers in die Zwiſchenräume des 
Gewebes, bevor es aufgeſogen werden könne, und die urſprünglichen 
Verhältniſſe können ſich nicht wieder herſtellen. Es iſt nun aber nicht 
abzuſehen, warum Waſſer aus den doch winzig kleinen Intercellulargängen 
von den an dieſe angrenzenden Zellen nicht wieder ſoll aufgeſogen 
werden können, wenn die Zellen eben noch am Leben, alſo turgescenz— 
fähig ſind, da ja doch das Waſſer aus den Intercellulargängen nicht 
nach außen abläuft. Die dauernde Erfüllung der Intercellularen mit 
Saft wäre doch erſt die Folge des Verluſtes des Turgors der Zellen, 
ſetzte alſo ſchon den Tod der letzteren voraus. Ich habe viele kraut— 
artige Pflanzen, welche unter intercellularer Eisbildung erſtarrt waren, 
raſch aus der Winterkälte ins geheizte Zimmer gebracht, und die— 
jenigen, welche nicht bereits vorher tot waren, nahmen hier beim 
augenblicklichen Auftauen ihre lebensfriſche Beſchaffenheit an. 

Die Sachs 'ſche Theorie trifft nur für die im vorſtehenden an— 
gedeuteten wenigen Fälle zu. Für die übergroße Mehrzahl der Fälle 

1) Experimentalphyſiologie, pag. 61. 

2) Lehrb. d. Botanik, 4. Aufl., pag. 704. 

Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 13 


ET En 
N in de 
* Ch u 
» 


des Froſttodes der Pflanzen iſt eine ganz andere Erklärung zutreffend, 
die zuerſt von mir in der erſten Auflage dieſes Werkes (S. 193) und 
kurz darauf auch von Müller-Thurgau) gegeben worden iſt. Hier— 
nach wird in allen hierzu gehörigen Fällen über Leben und Tod nicht erſt 
beim Auftauen entſchieden, ſondern der Erfolg iſt ſchon im gefrorenen 
Zuſtande unabänderlich beſtimmt. Ich habe geltend gemacht, daß mit 
dem Ausfrieren des Saftes aus den Zellen vielfach ein derartiger Waſſer— 
verluſt für dieſelben verbunden iſt, daß allein dadurch der Tod der 
Zelle eintreten muß. Waſſer iſt eine Lebensbedingung für alle Zellen 
der von Natur ſaftreichen Organe, wie der Stengel und grünen Blätter. 
Sinkt ihr Waſſergehalt unter einen gewiſſen Grad, ſo iſt dies für 
ſolche Zellen unfehlbar tödlich, wie es ja allbekannt iſt, daß Stengel 
und Blätter, ſobald ſie durch Waſſermangel längere Zeit bis zu einem 
gewiſſen Grade abgewelkt ſind, ſicher abſterben, auch wenn man dann 
für ausgiebige Waſſerzufuhr ſorgt. Genau derſelbe Zuſtand der 
Waſſerentziehung findet ſtatt, wenn die Pflanzen durch intercellulare 
Eisbildung gefrieren, indem dabei die Zellen oft vollſtändig zuſammen⸗ 
trocknen und einſchrumpfen, wie oben beſchrieben worden iſt. Die Er— 
klärung des Froſttodes in den weitaus meiſten Fällen wird alſo die 
ſein, daß der Tod jedesmal eintreten muß, ſobald durch das Aus— 
frieren des Saftes aus den Zellen der Waſſergehalt der letzteren unter 
das für ſie erträgliche Minimum geſunken iſt. Es iſt nicht ſchwer, 
eine überzeugende Beſtätigung dieſer Erklärung zu finden, ſobald man 
nur zur Froſtzeit die im Freien wirklich gefrorenen Blätter genauer 
unterſucht. Man findet dann oft, daß ſie beziehendlich die gefrorenen 
Stellen derſelben ſchon während des Froſtes völlig dürr wie Heu ſind. Da 
nämlich der Saft in den Blättern ſich nach gewiſſen Stellen, wo 
die Eisbildung beginnt, hinzieht und dort auskriſtalliſiert, jo verlieren 
eben dadurch die Zellen ihr Waſſer bis zur Vertrocknung des Ge— 
webes. Es kommt weiter hinzu, daß die aus den Geweben aus⸗ 
kriſtalliſierten Eiskriſtalle mit der Zeit ſchwinden, da ſie den Imbibi⸗ 
tionskräften der Zellen entzogen ſind und da ja das zu Eis kriſtalliſierte 
Waſſer an der Luft allmählich auch verdunſtet. Auch aus dieſem 
Grunde werden namentlich dünne Blätter, die längere Zeit im ge- 
frorenen Zuſtande verharren, trocken wie Heu, und bleiben dies natürlich 
auch bei Wiedererwärmung, da ja ein weſentlicher Teil ihres Waſſers 
auf die oben angegebene Weiſe verloren worden iſt. So iſt es wohl 
auch kaum zweifelhaft, daß oft die Spitzen der Bäume und Sträucher 
wegen dieſer Austrocknung, in die der dauernd gefrorene Zuſtand 


194 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


I) Landwirtſch. Jahrbücher 1886, pag. 459 ff. 


2. Kapitel: Die Temperatur 195 


ſchließlich übergeht, abſterben, daß alſo auch ihnen das Gefrorenſein 
ſelbſt ſchon tödlich it‘). Vielleicht beruht auch die von Gdppert?) 
gemachte Beobachtung, daß wiederholtes Auftauen und Gefrieren 
tötete, während einmaliger Froſt dieſe Folge nicht hatte, darauf, daß 
dabei endlich zu viel Waſſer verloren geht, da es nicht wieder erſetzt 
wird. Jetzt wird es auch erklärlich, warum alle von Natur ſaftarmen 
Pflanzenteile ſehr widerſtandsfähig gegen den Froſt ſind, worin die 
trockenen Samen obenan ſtehen. Denn erjtens ſind eben die Zellen 
ſolcher Pflanzenteile von Natur fähig, in einem äußerſt waſſerarmen 
Zuſtande am Leben zu bleiben, und zweitens kann überhaupt von 
einem eigentlichen Ausfrieren von Saft bei ſo waſſerarmen Teilen nicht 
die Rede ſein. 


III. Verſchiedene Empfindlichkeit der Pflanzen 
gegen Froſt. 
Die vorhergehenden Zeilen enthalten bereits die genügende Er— 


klärung dafür, daß ſich in der Pflanzenwelt eine jo große Verſchieden- gegen Froſt. 


heit in der Widerſtandsfähigkeit gegen Froſt bemerkbar macht. Wenn 
man weiß, daß Kälte an und für ſich für das lebende Protoplasma 
keine Todesurſache iſt, ſondern daß nur der mit dem Auskriſtalliſieren 
von Waſſer aus dem Protoplasma notwendig verbundene Waſſer— 
verluſt zur Todesurſache bei der Einwirkung des Froſtes wird, ſo hat 
es keinen Sinn, mit Göppert von einer verſchiedenen Empfindlichkeit 
des lebenden Protoplasmas dei den einzelnen Pflanzenarten zu reden. 
Maßgebend dafür, wie leicht ein Pflanzenteil dem Froſt erliegt, wird 
nur ſein, wie groß der natürliche Waſſergehalt des betreffenden Teiles 
zur Zeit iſt und einen wie großen Waſſerverluſt derſelbe in dem augen— 
blicklichen Zuſtande ſeines Lebens verträgt. Beſonders der letzte Punkt 
wird der entſcheidende bei der Froſtempfindlichkeit ſein. Indem man 
dieſes Moment ſich nicht genügend klar machte, hat man nach anderen 
Bedingungen der Widerſtandsfähigkeit geſucht, ohne dabei zu einem 
greifbaren Reſultate zu kommen. Hoffmann?) hat vergeblich den 
Gehalt der Baumzweige an mechaniſch gebundenem Waſſer als maß— 
gebend nachweiſen zu können verſucht, denn dieſer Gehalt erwies ſich 
dabei nicht als Maßſtab für die Froſtempfindlichkeit. Und wenn 
Sorauer) betont, daß nicht bloß das einzelne Individuum, ſondern 

ſelbſt jeder Zweig einer Holzpflanze in geſtaltlicher, anatomiſcher und 


) Vergl. auch Göppert, Wärmeentwickelung, pag. 60. 
MI. e. pag. 131. 
3) Ein negatives Reſultat, 1882. 
) Pflanzenkrankheiten, 2. Aufl. I, pag. 362. 
14 * 


Tödliche Kälte- 
grade. 
Bei 
Tropenpflanzen. 


196 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


ſtofflicher Beziehung ſeinen beſonderen Charakter hat, der von allerhand 
äußeren Faktoren mit bedingt wird, ſo iſt mit dem bloßen Hinweis 
auf dieſe allbekannten Thatſachen noch in keiner Weiſe eine Beziehung 
zur Widerſtandsfähigkeit gegen den Froſt erwieſen. 

Die Fähigkeit, einen großen Waſſerverluſt ohne Schaden zu er— 
tragen, iſt nicht näher erklärbar. Sie ändert ſich mit dem allgemeinen 
Lebenszuſtande der Pflanze; ſie iſt am größten in dem Zuſtande der 
natürlichen Vegetationsruhe, wo von ſelbſt die Gewebe des größten 
Teiles ihres mechaniſch gebundenen Waſſers ſich entledigen; ſie wird 
alſo auch allmählich ſich ſteigern, je mehr der betreffende Pflanzenteil 
in dieſen Zuſtand übergeht. Von dieſem Geſichtspunkte aus ſind alle 
folgenden Angaben über die verſchiedene Froſtempfindlichkeit der 
Pflanzen zu erklären, ſo weit ſie überhaupt auf Beſchädigungen durch 
wirkliches Gefrieren und nicht auf bloße Störungen gewiſſer Lebens— 
prozeſſe wegen Wärmemangels zurückzuführen ſind. 


Daß Temperaturen nahe über 0° ſchon für Pflanzen tödlich fein 
ſollen, giebt Göppert!) für Pflanzen des Tropenklimas an. Er fand 
verſchiedene derartige Pflanzen ſchon beſchädigt, während die Tem— 
peratur nie unter Null ſank, ſich aber auch nicht über + 3° erhob, 
und zwar Arten mit weicheren, krautigen Blättern ſchon nach einem 
Tage, indem die Blätter ſchwarzfleckig wurden, ſich zuſammenrollten 
und bald abfielen, dagegen Arten mit Blättern von feſterer Struktur 
erſt nach mehreren Tagen, während Polypodium aureum und Kaktus⸗ 
arten gar nicht gelitten hatten. Ebenſo wurden nach Hardy?) 
tropiſche Pflanzen, die ins freie Land geſetzt und durch Decken vor 
Wärmeausſtrahlung geſchützt worden waren, bei +5° oder r 35, 
viele bei + 1° getötet. Sachs?) hat aber mit Recht hier eingewendet, 
daß dabei von einem Froſttode nicht die Rede ſein kann, ſondern daß wegen 
der Kälte des Bodens (beſonders bei ins Freie geſetzten Topfpflanzen) 
die Wurzelthätigkeit ſoweit ſiſtiert ſein mußte, daß die Blätter ver— 
darben. De Vries) hat Blätter von Bixa Orellana und Crescentia 
kurze Zeit in ſchmelzenden Schnee gelegt und keinen Schaden bemerkt. 
Göppert?) ſelbſt konſtatiert, daß wenigſtens einzelne tropiſche und 
ſubtropiſche Pflanzen das Erſtarren der Säfte zu Eis bei — 4°, und 
dann bei — 7° einige Stunden lang ohne Schaden ertragen. 


1) Wärmeentwickelung an den Pflanzen, pag. 43. 

2) Bot. Zeitg. 1854, pag. 202. 

3) Lehrb. d. Botanik, 4. Aufl., pag. 705. 

4) Archives neerland. d. sc. exact. et nat. 1870, pag. 389. 
5) Bot. Zeitg. 1874, pag. 43. 


N 


a Sl ER 
N 


> 
L 


2. Kapitel: Die Temperatur | 197 


Für alle nicht der heißen Zone angehörige Pflanzen find aus- 
nahmslos erſt Temperaturen unter dem Gefrierpunkt tödlich. Doch 
zeigen auch dieſe Pflanzen nach dem verſchiedenen Klima ihres Vater— 
landes und je nach ihrer verſchiedenen Organiſation und ihren wechſeln— 
den Lebenszuſtänden ungleiche Emfindlichkeit. Nach Göppert's) 
Aufzeichnungen gehen auf freiem Terrain, ohne Schutz von Bäumen ꝛc., 
ſchon bei dem geringſten Froſte viele unſerer exotiſchen Sommergewächſe 
ſicher zu Grunde, und zwar bei. — 1 bis 1,5 Coleus Verschaffeltii; 
bei — 1,5 erfrieren die Blätter von Cucumis sativus, Cucurbita Pepo, 
Phaseolus nanus, bei — 2° 3. B. Canna indica, Georgina variabilis; 
bei — 2 bis 3° Zea Mays, Chenopodium Quinoa, Solanum lycopersi- 
cum, Tropaeolum majus, Ricinus communis; bei — 4° Atropa Bella- 
donna, Phytolocca ete. Dagegen ertragen viele unſerer einheimiſchen 
Pflanzen, z. B. Senecio vulgaris, Stellaria, Capsella bursa pastoris, 
Wurzelblätter von Brassica oleracea, von Dipsacus fullonum, Semper- 
vivum- und Sedum- Arten, ſelbſt ohne Schneebedeckung — 10°, wie ich 
ſelbſt beobachtet habe, und Göppert hat ſolche und ähnliche noch bei 
— 15° nicht geſchädigt geſehen, ja alpine Saxifragen ohne Schnee 
ſelbſt — 20 bis 25° ertragen ſehen. In der Polarzone ertragen die 
über den Schnee hervorragenden Stämme der Holzpflanzen und die 
auf ihnen wachſenden Flechten die höchſten bis jetzt beobachteten Kälte— 
grade, — 40 bis 47°. Und auch in unſeren Breiten iſt die heftigſte 
Winterkälte nicht im ſtande, den meiſten Bäumen und den auf ihren 
Stämmen wachſenden Mooſen, Flechten und holzigen Schwämmen, 
ſowie den an ſchneefreien Felszacken unſerer höchſten Gebirge wachſen— 
den Flechten Schaden zuzufügen. Alle dieſe für die Überdauerung des 
Winters beſtimmten Pflanzenteile gehen vor Eintritt der kalten Jahres— 
zeit jedesmal in einen für die Ertragung des Froſtes beſonders geeig— 
neten Zuſtand über; derſelbe beruht hauptſächlich, wenn nicht allein, 
auf einer Verminderung des Waſſergehaltes der Zellen. Man kann es 
darum als einen allgemeinen Satz hinſtellen, daß Pflanzenteile mit 
ſaftreichen Geweben dem Froſt am leichteſten erliegen, und ihm um ſo 
beſſer widerſtehen, je ſaftärmer, relativ trockener ſie ſind. Für dieſen 
alten Erfahrungsſatz giebt es eine Menge Belege. Den geringſten 
Waſſergehalt unter allen Pflanzenteilen haben reife, lufttrockene Samen, 
und dieſe zeigen auch die größte, vielleicht eine unbegrenzte Wider— 
ſtandsfähigkeit gegen niedere Kältegrade, während ſie im waſſerhaltigen 
(gequollenen) Zuſtande ſehr leicht erfrieren?). Die Winterknoſpen 


) Sitzungsber. d. ſchleſ. Geſellſch. f. vaterländiſche Kultur, 14. Dez. 1874. 
2) Göppert, Wärmeeutwickelung, pag. 48 ff. 


Bei nicht 
tropiſchen 
Pflanzen. 


198 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


unſrer Gehölze haben ſehr waſſerarme Gewebe, im Holze der Stämme 
und Zweige iſt im Winter die Saftleitung unterdrückt, und auch die Rinde 
und die nicht thätige Cambiumſchicht ſind dann faſt ſaftlos; von den 
wintergrünen Blättern gilt das nämliche. Alle dieſe Teile widerſtehen 
aber auch den härteſten Wintern gut. Pflanzenteile dagegen, welche 
in Vegetation begriffen ſind, ſind ſaftreich. Daher werden unſre ein— 
heimiſchen Kräuter, wenn ſie ſpät entwickelt ſind und noch in voller 
Vegetation vom Winter überraſcht werden, durch ſtarke Fröſte getötet. 
Auf dieſe Weiſe iſt es auch zu erklären, daß Obſtbäume und Wein— 
ſtöcke nach kühlen Sommern und kurzen Herbſten, in denen die Pflanze 
den normalen Abſchluß der Vegetation und die genügende Aus— 
reifung des Holzes nicht erreichen kann, größeren Kältegraden nicht zu 
trotzen vermögen; die dann eintretenden Beſchädigungen ſind alſo 
weniger durch allzugroße Winterkälte als durch die Abnormität des 
vorausgegangenen Sommers und Herbſtes verurſacht. Vielleicht iſt 
auch der Grund, warum Gehölze ſüdlicher Länder in nördlicheren Gegen— 
den im freien Lande nur unter Decke oder auch nicht einmal unter 
dieſer durch den Winter zu bringen ſind, nur in dem Umſtande zu 
ſuchen, daß dieſe Pflanzen überhaupt nicht die vollſtändige Ausreifung 
und den winterlichen Ruhezuſtand in ihren Geweben erreichen, der zur 
Ertragung des nordiſchen Winters erforderlich iſt. Etwas Ahnliches 
iſt die Empfindlichkeit der Wurzeln gegen Kälte, ſelbſt bei ſolchen 
Pflanzen, deren oberirdiſche Teile winterbeſtändig find. H. v. Mohl) 
hat gezeigt, daß die Baumwurzeln, durch den Boden gegen die Kälte 
geſchützt, während des Winters nicht wie die oberirdiſchen Teile in 
Vegetationsruhe übergehen, ſondern daß ihre Cambiumſchicht bis 
zu Ende des Winters ſaftreich und in zellenbildender Thätigkeit 
bleibt. In Übereinſtimmung damit aber beobachtete er auch, daß die 
Wurzeln außerhalb des Bodens durch Kältegrade getötet wurden, 
denen die oberirdiſchen Teile leicht widerſtehen (Eſchen, Eichen ꝛc. bei 
— 11 bis 13 R., Apfelbaumwurzeln ſchon bei — 5 R.). Ahnlich 
verhalten ſich unterirdiſche Teile krautartiger Pflanzen, wie Wurzeln, 
Wurzelſtöcke und Zwiebeln, die nur durch den Schutz des Bodens und 
Schnees ſich erhalten, an der Luft aber ſchon von mäßigen Kältegraden 
getötet werden?). Hier findet wohl auch das eine befriedigende Er— 
klärung, was Göppert?) als eine Verzärtelung der Pflanzen in den 
Gewächshäuſern bezeichnete, womit er das leichtere Erliegen derſelben 


1) Bot. Zeitg. 1862, Nr. 39. 
2) Göppert, Sitzber. d. ſchleſ. Geſ. f. vaterl. Kultur, 14. Dez. 1874. 
3) Wärmeentwickelung, pag. 63. 


2. Kapitel: Die Temperatur 199 


beim Froſte im Sinn hatte; es kann dies wohl nur daher rühren, 
daß die Triebe in der feuchten Luft der Gewächshäuſer ſaftreicher und 
zarter ſind, indem die höhere Temperatur ſie nicht zu einem völligen 
Abſchluß der Vegetation gelangen läßt. Jene Thatſache iſt übrigens 
auch von Haberland) konſtatiert worden: Weizen, Gerſte, 
Wicken u. a., die im Warmkaſten bei 20—24 C. gezogen worden 
waren, erfroren bei — 6° C., dieſelben im Kalthauſe bei 10—12° C. 
gezogen, gingen erſt bei — 9 bis — 12 C. zu Grunde. Auffallend 
iſt die große Reſiſtenz vieler niederen Pflanzen; Mooſe dürften kaum 
durch die Winterkälte getötet werden; Göppert hat mehrere Laub— 
mooſe durch künſtliche Kältemiſchung bis auf — 36° abgekühlt, ohne 
daß dieſelben Schaden litten. Selbſt ſaftige Lebermooſe, wie Pellia, 
Marchantia, können an ſchneefreien Stellen hart gefrieren, ohne getötet 
zu werden. Es dürfte dies wohl damit zuſammenhängen, daß Mooſe 
vollſtändig eintrocknen können, ohne dadurch ihre Lebensfähigkeit zu 
verlieren. Diatomaceen ſollen — 20 R. lebend ertragen?), während 
Spirogyren und Konferven ſchon nach Erſtarren der Flüſſigkeit ſterben 
ſollen. Doch ſah Dodel-PBort?) Ulothrix zonata ohne Schaden ein- 
frieren. Nach Schumacher) ſind Hefezellen nach einer Abkühlung 
mittelſt Kältemiſchung auf — 113 C. noch ſproſſungsfähig. Unter 
den Pilzen ſind die perennierenden, feſteren, lederartigen und holzigen 
Hymenomyceten, welche ohne Schneeſchutz an Baumſtämmen wachſen, 
gegen die ſtärkſte Winterkälte unempfindlich. Die waſſerreichen fleiſchigen 
Pilzformen ſind zwar minder reſiſtent; allein auch von ihnen iſt nach— 
gewieſen, daß ſie ſteif gefrieren und nach dem Auftauen fortleben 
können, wie dies Schmitzs) bei Agaricus fascicularis und Fries“) bei 
vielen andern beobachtete, die in dieſem Entwickelungszuſtande den 
ſkandinaviſchen Winter ohne Schaden überſtehen. Minder auffallend 
ſcheint die große Unempfindlichkeit der Flechten, welche auf ihren Stand— 
orten an Baumſtämmen und an ſchneefreien Felſen des äußerſten 
Nordens und der höchſten Gebirge die ſtärkſten natürlichen Kältegrade 
ertragen, denn dieſe Pflanzen ſind ja überhaupt ſehr waſſerarm und 
können bekanntlich vollſtändig austrocknen und dennoch wieder auf— 
leben, ſobald ihnen wiederum Waſſer zugeführt wird. 


— — 


) Centralbl. f. Agrikulturchemie 1., pag. 469. 

2) Schumann, Schriften d. ökon.-phyſik. Societ. Königsberg 1862, 
2. Heft. 
3) Bot. Zeitg. 1876, Nr. 12. . 

) Sitzungsber. d. k. k. Akad. d. Wiſſenſch. Wien, 11. Juni 1874. 
5) Linnaea 1843, pag. 445. 
6) Ann. des sc. natur. T. XII, pag. 5. 


Akklimatiſation. 


Aufziehen der 
Saaten durch 
den Froſt. 


200 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


An die Betrachtung der vorerwähnten Thatſache ſchließt ſich die 
Frage, ob es möglich iſt, die Froſtempfindlichkeit der Pflanzenarten zu 
vermindern oder mit andern Worten: Pflanzen wärmerer Klimate bei 
uns zu akklimatiſieren. An dem einzelnen Individuum iſt das 
natürlich nicht möglich, ebenſo wenig an den durch Stecklinge ge— 
wonnenen Pflanzen, da dieſe alle Eigenſchaften der Mutterpflanze bei— 
behalten. Wohl aber iſt dieſe Möglichkeit gegeben bei der Züchtung 
von Varietäten aus Samen. Denn es treten bei der geſchlechtlichen 
Fortpflanzung neben den Artverſchiedenheiten auch individuelle Ver— 
ſchiedenheiten auf; es variieren nicht bloß morphologiſche, ſondern 
auch phyſiologiſche Eigentümlichkeiten, und unter dieſen auch die Wider— 
ſtandsfähigkeit gegen Froſt!); jo ergeben ſich härtere Varietäten, welche 
einer gewiſſen Kälte noch widerſtehen, welcher die andern ſchon erliegen. 
Durch Ausleſe ſolcher härteren Varietäten und Weiterzüchtung der— 
ſelben kann alſo innerhalb gewiſſer Grenzen eine Akklimatiſation be— 
wirkt werden. 


IV. Lokale Beſchädigungen durch den Froſt an den 
Pflanzen. 

Nicht immer wird die ganze Pflanze vom Froſte getötet, ſehr oft 
beſchränken ſich die Froſtbeſchädigungen auf einzelne Stellen der im 
übrigen am Leben bleibenden Pflanzenteile und man findet dann, 
wenn längſt der Froſt vorüber iſt, im Sommer oder ſelbſt nach noch 
längerer Zeit an der lebenden Pflanze ſchadhafte Stellen, welche auf 
die Einwirkung von Winter- oder Frühjahrsfröſten zurückzuführen find. 
Wir ſtellen im folgenden verſchiedene Erſcheinungen zuſammen, welche 
ſich am beſten unter dieſem Geſichtspunkt vereinigen laſſen. 

1. Das Aufziehen der Saaten durch den Froſt oder das 
Auswintern bezeichnet eine ſeit langer Zeit bekannte und von den 
Schriftſtellern erwähnte Erſcheinung?). Wenn wiederholt Froſt und Er— 
wärmung ſchnell mit einander abwechſeln, ſo taut die oberſte Erdlage 
auf und erfüllt ſich mit Waſſer; wenn dieſes in der Nacht wieder ge— 
friert, ſo hebt es die obere Erdrinde und damit auch die in dieſer 
befindliche junge Pflanze in die Höhe. Dieſe Hebung iſt wohl teils 
auf die Ausdehnung des gefrierenden Waſſers überhaupt, teils auf 
die oben (S. 184) erwähnte Bildung nadelförmiger, den Boden heben— 


) Vergl. Noll, Landwirtſch. Jahrbücher 1885, pag. 707. 

2) Vergl. Göppert, Wärmebildung, pag. 235. Treviranus, Phyſio⸗ 
logie der Gewächſe II., pag. 707. Kühn, Krankheiten der Kulturpflanzen, 
pag. 11. Breymann, Auswintern des Weizens, des Rapſes und des Rot⸗ 
klees. Centralbl. f. Agrikulturchemie 1881. 


EN 


2. Kapitel: Die Temperatur 201 


der Eiskriſtalle zurückzuführen. Wenn dann bei Tage die Erde auf— 
taut, ſo ſetzt ſie ſich wieder; die Pflanzen aber können nicht wieder 
zurück, und indem ſich dies mehrmals wiederholt, iſt endlich die Pflanze 
mehr oder weniger herausgehoben, die Wurzeln liegen bloß und ſind 
zum Teil abgeriſſen, wenn die gefrorene tiefere Bodenſchicht ihre 
Spitzen zurückhielt. Das beſte Vorbeugungsmittel dürfte eine früh— 
zeitige Ausſaat ſein, welche eine genügend kräftige Bewurzelung der 
jungen Getreidepflanzen vor dem Winter geſtattet; ſehr poröſer und 
feuchter, nicht drainierter Boden wird das Übel begünſtigen. Auf— 
gezogene Saaten müſſen bald nach Weichen des Froſtes und der Näſſe 
gewalzt werden, um die Pflanzen anzudrücken und die Bildung neuer 
Wurzeln zu veranlaſſen. 

2. Dürre, mißfarbige Blattflecken. Die exponierteſten 
Stellen der jungen Blätter ſich öffnender Knoſpen erfrieren oft für ſich 
allein bei Frühjahrsfröſten, während der übrige Teil des Blattes nicht 
beſchädigt wird und ſich weiter ausbildet. Aus dieſem Grunde ſind 
an den zeitig ausſchlagenden Holzpflanzen oft die Blattſpitzen der 
erſten, älteſten Blätter dürr, braun oder ſchwärzlich, ebenſo am Ge— 
treide die älteſten Blätter an der Spitze oder bis zur Mitte oder bis 
zur Blattſcheide abgeſtorben, dürr, bleich oder bräunlich, im übrigen 
Teile geſund und grün; und ähnliches zeigen auch die Blätter zeitiger 
Kräuter. Bei Bäumen mit gefalteter Knoſpenlage bekommen die 
Blätter auf den erhabenen Falten zwiſchen den Nerven in einer Reihe 
ſtehende braune, trockene Stellen, endlich Löcher oder zuſammenhängende 
Spalten, die bis an den Rand gehen können. So hat A. Braun) 
zuerſt aufmerkſam gemacht auf die Einwirkung des Froſtes auf die 
noch gefalteten Blättchen von Aesculus Hippocastanum, wodurch an 
denſelben verſchiedenartige fiederſpaltige Bildungen eintreten, was man 
faſt in jedem Jahre bei uns ſehen kann. An Acer campestre und 
platanoides fand ich ſolche Beſchädigungen in der Blattfläche zwiſchen 
den handförmigen Hauptrippen, alſo ebenfalls an den Stellen, wo 
das junge Blatt gefaltet iſt, in allen Übergängen von der bloßen, 
durch graue Färbung angedeuteten Verderbnis der Oberhaut bis zu 
völlig dürren oder durchlöcherten Stellen, zugleich mit ebenſolchen Be— 
ſchädigungen am Blattrande und anderen Stellen der Blattfläche, wo— 
durch es unzweifelhaft war, daß es ſich hier um Wirkungen des Froſtes, 
nicht um Verwundungen durch den Wind oder andre Einflüſſe handelte. 
Bei Polygonum orientale, wo die Lamina der jungen Blätter von 
beiden Rändern her eng eingerollt iſt, werden durch den Froſt die 


) Monatsber. d. Akad. d. Wiſſ. Berlin 18. Juli 1861. 


Dürre 
Blattflecken. 


Abfrieren der 
Triebe bei den 
Holzpflanzen. 


Erfrieren der 
Baumblüten. 


202 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


momentan auswendig befindlichen Teile der Rollen beſchädigt; ich ſah 
infolgedeſſen ſpäter am übrigens geſunden und entfalteten Blatte in 
beiden Hälften der Blattfläche, ſtets gleichweit von der Mittelrippe, je 
einen bis zur Blattſpitze laufenden Streifen brauner Flecken oder 
Löcher. Über die Meinung anderer Beobachter, welche alle dieſe Er— 
ſcheinungen für Wirkung des Windes erklärten, iſt das Kapitel über 
die Luftbewegungen zu vergleichen. — Auch ſchon weiter ausgebildete 
Blätter können durch Froſtwirkung an ihren Rändern vertrocknen oder 
auch auf ihrer Fläche kleine graue Flecken bekommen, an welchen die 
Epidermis abgeſtorben und vertrocknet, oft auch die Zellen des darunter 
liegenden Meſophylls zuſammengeſchrumpft ſind und weite lufthaltige 
Lücken zwiſchen ſich bilden; es ſind die Stellen, wo beim Gefrieren 
Eisbildung ſtattfand (S. 181). Solche Stellen können ſich mitten im 
geſunden Gewebe befinden, wie denn überhaupt an demſelben Blatte 
geſunde und erfrorene Stellen mit einander abwechſeln können, was 
dann den ganzen Sommer über ſtationär bleibt. Beſonders ſind an 
zeitigen Frühjahrspflanzen ſpäter oft alle Übergänge zwiſchen teilweiſe 
und ganz durch Froſt verdorbenen Blättern zu finden. 

3. Abfrieren der jungen Triebe und Triebſpitzen bei 
Holzpflanzen. Die diesjährigen jungen Triebe der Holzpflanzen 
können durch Maifröſte vollſtändig verloren gehen. Der Verluſt der— 
ſelben durch Froſt hat dann dieſelben Folgen wie der durch Ver— 
ſtümmelung, d. h. es werden aus Knoſpen an der Baſis des erfrorenen 
Triebes Erſatztriebe gebildet, deren verſchiedener morphologiſcher 
Charakter bereits oben (S. 93 ff.) bei Gelegenheit der Verſtümmelung 
erörtert worden iſt. Selbſtverſtändlich findet dies nur dann ſtatt, wenn 
der ganze Sproß gleich nach dem Ausſchlagen durch den Froſt getötet 
worden iſt, während wenn an dem ſchon weiter ausgebildeten Sproſſe 
der Froſt nur das Laub getötet hat, ein proleptiſcher Ausſchlag der 
Knoſpen dieſes diesjährigen Sproſſes ſtattfinden kann. 

Ein Abfrieren der Zweigſpitzen tritt als regelmäßige Erſcheinung 
alljährlich im Herbſte in unſerem Klima ein an denjenigen Holz- 
pflanzen, für welche unſre Sommer zu kurz find, um ihre voll 
ſtändige Entwickelung zu ermöglichen, ſo daß der Froſt die noch 
nicht ausgereiften Triebſpitzen tötet, wie es beſonders bei Morus, 
Broussonetia, Robinia bei uns, aber nicht im Süden vorkommt!) 


4. Erfrieren der Obſtbaumblüten, weißſpitzige Roggen— 
ähren. Da unſere Obſtbäume im Frühjahre vor der Belaubung 


\ 


) Mohl, Bot. Zeitg. 1848, pag. 6. 


2. Rapitel: Die Temperatur 203 


blühen, jo find ihre Blüten durch Frühjahrsfröſte mehr gefährdet, als 
die erſt ſpäter erſcheinenden Laubtriebe, und es gehört bekanntlich nicht 
zu den Seltenheiten, daß die eben ſich öffnenden Blüten durch einen 
Froſt zerſtört werden, während dabei alle übrigen Teile des Baumes 
nicht leiden. Selbſtverſtändlich kann ſolches auch bei andern früh— 
blühenden Gehölzen vorkommen. 

Bisweilen ſieht man viele oder faſt alle Ahren eines Roggenfeldes Weißſpitzige 
mit weißen Spitzen, indem die oberſten Blüten oder ſogar die Blüten e 
in der ganzen oberen Hälfte der Ahre tot ſind und keine Körner pro— 
duzieren. Es rührt dies daher, daß zur Zeit, wo die noch weiche 
junge Spitze der Ahre eben aus der oberſten Blattſcheide hervorkam, 
ein Froſt auftrat, durch welchen der nicht geſchützte hervorſtehende 
Teil der Ahre beſchädigt wurde. Die in der Scheide verborgen ge— 
weſenen und dadurch geſchützt gebliebenen Teile der Ahre kommen 
ſelbſtverſtändlich hinterher unbeſchädigt zum Vorſchein. Die weißen 
toten Spitzen bleiben dann natürlich dauernd ſichtbar. 

5. Beſchädigung der Rinde und des Holzes der Bäume Erfrieren der 
durch Froſt; Rindenbrand, Froſtkrebs ꝛc. Sehr mannigfaltig e 
ſind die lokalen Beſchädigungen, welche der Froſt an den Stämmen Bäume. 
und Zweigen der Holzpflanzen hervorbringt. Die krankhaften Stellen, 
welche auf dieſe Weiſe an den genannten Pflanzenteilen entſtehen, 
werden von den Praktikern mit verſchiedenen Namen belegt. Wir 
werden im Nachfolgenden dieſe Erſcheinungen, ſo weit als es ihrer 
Natur nach möglich iſt, von einander unterſcheiden und für ſich ge— 
ſondert betrachten. 

a) Rindenbrand oder Brand ſchlechthin bezeichnet den Zuſtand, Rindenbrand. 
wo an den Stämmen oder Aſten der Bäume kleinere oder größere 
Rindenpartien zuſammentrocknen, ſo daß man ſie vom Holzkörper los— 
brechen kann. Sie werden eigentlich erſt im Frühling oder Sommer 
bemerkbar, indem dieſe Rindenſtellen dann ihren Saft ſoweit verloren 
haben, daß ſie nun abgeſtorben, gebräunt und zuſammengetrocknet er— 
ſcheinen. Solche Brandſtellen umfaſſen oft einen großen, bisweilen 
meterlangen, verſchieden breiten Rindenſtreifen. Aber an dünneren 
Stämmchen und Aſten kommen auch kleinere Brandſtellen vor, die 
ſogenannten Froſtplatten, wo in der im übrigen geſunden Rinde an 
einem Punkte, bisweilen rings um eine Knoſpe herum, die Rinde einge— 
ſunken und ganz glatt oder etwas faltig ausgetrocknet iſt (Fig. 27 Ja) 

Nach geringfügigere Beſchädigungen der Rinde find die von Sorauer!) 


. ) Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 317, und Zeitſchrift f. Pflanzen— 
1 krankheiten I. 1891, pag. 137. 


iS 
— ö 
* J 


* 


204 III. Abſchuitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


als Froſtblaſen, Froſtrunzeln und Froſtſchorf bezeichneten Er— 
ſcheinungen, die an jungeren Apfel- und Birnſtämmchen ſich zeigen: 
kleine Erhabenheiten, die mehr oder weniger zuſammenfließen und dann 
durch Längs- und Querriſſe zerklüftet ſein können, wodurch die Rinde 
zu einer ſchuppig gefelderten, ſchorfartigen Maſſe wird. Es zeigen ſich 
an dieſen Stellen in der äußeren primären Rinde Stellen toten ge— 
bräunten Gewebes, oft mit tangentialen Spalten in der Mitte; dieſe 
Stellen ſind ſpäter von Kork umwallt und dadurch vom lebenden 
Rindengewebe abgegrenzt; oft hat auch eine Reaktion des lebenden 
Gewebes gegen dieſe toten Stellen hin in der Weiſe ſtattgefunden, daß 
ein neues Teilungsgewebe gebildet wurde, welches radiale Zellreihen 
erzeugte, oder daß die Zellen radiale Streckungen gegen die tote Stelle 
hin zeigen; dadurch werden die Erhabenheiten der Oberfläche und die 
Zerreißungen der Korkſchicht hervorgebracht; die tieferen Lagen der 
Rinde können aber dabei geſund geblieben ſein und die Stämme ſtoßen 
in ſpäterem Alter den Schorf ab. 

Daß der Froſt ſowohl die großen wie die kleinen Rindenbrand— 
ſtellen verurſachen kann, unterliegt keinem Zweifel. Die Stämme zeigen 
dieſe Beſchädigungen oft auf der Südſeite, weil hier durch die Früh— 
jahrsſonne oder auch ſchon durch die Winterſonne die Lebensthätigkeit 
der Rinde zuerſt geweckt wird und die Rinde in Saft tritt, ſo daß 
dann Fröſte an dieſer Seite tödlich werden müſſen. Übrigens iſt es 
Sorauer) gelungen, durch künſtliche Kälte an Obſtbaumzweigen 
Ende Mai die gleichen lokalen Beſchädigungen, wie wir ſie als Froſt— 
platten beſchrieben haben, zu erzeugen. 

In der That hat auch Müller-Thurgau?) Mitte März an den 
Stämmen von Prunus domestica gefunden, daß der Waſſergehalt der 
Rinde auf der Südſeite 53,8 Prozent, auf der Nordſeite nur 
48,5 Prozent betrug, während ein mit Schilf eingebundener Stamm 
zu derſelben Zeit auf der Südſeite 51,5 Prozent, auf der Nordſeite 
51,3 Prozent Waſſer enthielt. Beſtätigungen ſolcher Winterbeſchädi— 
gungen der Baumſtämme an der Südſeite giebt Nördlinger). 

Die Folgen des Rindenbrandes richten ſich nach der Tiefe, bis zu 
welcher das Abſterben der Rinde erfolgt iſt, und natürlicherweiſe auch 
nach der Ausdehnung, in welcher er an dem Stamme oder dem Aſte 
aufgetreten iſt. Kleinere Froſtplatten zeigen oft nur die Außenſchichten 


1) Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 430. 

2) Deutſche allgem. Zeitg. f. Landwirtſch., Gartenbau und Forſtweſen. 
30. Juli 1882. 

3) Baumphyſiolog. Bedeutung des kalten Winters 1879/80. Illuſtrierte 
Gartenzeitung 1881. 


r nd 
47 a“ * 
“ 


2. Kapitel: Die Temperatur 205 


der Rinde gebräunt und getötet, aber die inneren und namentlich 
das Cambium unverſehrt. Dieſe ſind ungefährlich, denn hier ſetzt die 
Cambiumſchicht ihre Thätigkeit in der Bildung von Holz und Rinde 
normal fort, die Froſtplatte iſt nach einiger Zeit nicht mehr bemerkbar, 
weil die abgeſtorbenen äußeren Rindenſchichten inzwiſchen durch die 
neugebildeten nach außen gedrängt und mit in die Region der Periderm— 
bildung übergegangen ſind. Einigermaßen große Brandſtellen aber 
gehen bis auf das Cambium und den Splint, ſo daß auch dieſe Ge— 
webe getötet ſind und daher ein bedenklicher Krankheitszuſtand vorliegt. 
Selbſtverſtändlich hört dann in der ganzen Ausdehnung der Brand— 
ſtelle das Dickenwachstum des Holzkörpers auf; ſo ſieht man z. B. in 
unſerer Fig. 27,1 bei d eine ältere Brandſtelle in der Seitenanſicht in 
Form einer Einbuchtung, weil an dieſer Stelle der Baum ſeit Jahren 
keine neuen Verdickungsſchichten mehr unter der toten Rinde gebildet 
hat; dafür hat er aber auf der geſunden Seite um ſo ſtärker Holz 
angeſetzt und iſt deshalb tonnenförmig ausgebaucht. Bei größeren 
Rindenbrandſtellen kommen in den folgenden Jahren immer tiefer in 
den Stamm eindringende Zerſetzungserſcheinungen des Holzkörpers 
(S. 106) hinzu, woran oft pflanzliche und tieriſche Feinde ſich be— 
teiligen; beim Steinobſt ſtellt ſich oft in der Umgebung der toten 
Stelle Gummifluß (S. 51) ein. Solche gefährliche Brandſtellen müſſen 
bis aufs geſunde Holz ausgeſchnitten und dann mit Theer beſtrichen 
werden. Wenn nicht, ſo geht die Zerſetzung des Holzkörpers immer 
weiter und ſchließlich kann der ganze Stamm derart morſch werden, 
daß der Sturm ihn umbricht. Iſt an den Aſten in einigermaßen 
größerer Ausdehnung Rindenbrand eingetreten, ſo hat das oft den 
baldigen Tod dieſer Aſte zur Folge; manchmal treiben wohl ſolche 
Stämme und Aſte, die man ſchon durch den Froſt getötet wähnt, dann 
doch noch Blätter und Blüten, freilich in verminderter Fülle; aber es 
kommt auch vor, daß, nachdem die noch lebend gebliebenen Knoſpen 
getrieben haben, doch im Sommer die Blätter ſchnell anfangen zu 
welken und abzufallen und daß der Baum in demſelben Sommer oder 
erſt nach mehrjährigem Siechtum eingeht. Bisweilen verheilt aber 
auch eine ſolche bis aufs Cambium und auf den Splint getötete 
Brandſtelle von ſelbſt durch Überwallungen (S. 74), welche ſich oft 
unter der bedeckenden toten Rinde von den geſunden Rändern der 
Stelle aus nach einer längeren Reihe von Jahren über den toten Teil 
des Holzkörpers hinwegſchieben. Iſt dann auf dieſe Weiſe eine ſolche 
Brandſtelle ganz verheilt, ſo findet man ſpäter auf dem Querſchnitte 
des Stammes die betreffende Stelle wieder, indem etwas toter, dunkler 
Splint und tote Rinde völlig von geſundem Holze überwachſen ſind; 


206 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe e 


Fig. 27. 

Rindenbrand und Froſtkrebs der Obſtbäume. 1 Zweigſtück mit einer 
jungen a und einer älteren Brandſtelle d. 2. Zweigſtück mit einer ge⸗ 
ſchloſſenen Krebsſtelle, wo die Überwallungsränder u bis zu einer Spalte 
w fich ſchließen. 3. Querſchnitt durch eine große offene Krebsſtelle, Er⸗ 
klärung im Texte. Nach Sorauer. 


2. Kapitel: Die Temperatur 207 


und aus den Jahresringen des Überwallungsholzes kann man das 
Jahr des ſtrengen Winters richtig ausrechnen (Buffon's und Du— 
hamel's „verborgene Eisklüfte“, citiert bei Göppert, 1. c. S. 3). 

b) Froſtkrebs. Was man bei den Bäumen generell Krebs Froſtkrebs. 
nennt, unterſcheidet ſich vom Rindenbrand nur darin, daß an den 
Rändern ſolcher toter Stellen üppige Überwallungswülſte vorhanden 
ſind und zwar derart, daß bei fortgeſchrittenem Zuſtande mehrere 
Überwallungswülſte ſich einander teraſſenförmig umgeben, weil nämlich 
die einzelnen Überwallungswülſte meiſt nach ihrer Altersfolge immer wieder 
abgeſtorben ſind und nur ein äußerſter, nämlich der, welcher augenblicklich 
der jüngſte iſt, lebend vorhanden iſt. Die Urſache, daß auch die Über⸗ 
wallungswülſte immer wieder abſterben, iſt der in jedem Winter wieder— 
kehrende Froſt, gegen den gerade die neugebildeten Überwallungswülſte 
am wenigſten widerſtandsfähig find. Der Krebs charakteriſiert ſich 
alſo als ein beſtändig erneuter, aber ſtets wieder fehlſchlagender Heilungs— 
verſuch der Pflanze durch Überwallung und ſomit als ein oft be— 
ſtändig weiter freſſendes übel. Man redet von offenem oder 
brandigem Krebs, wenn eine mehr oder weniger große tote Central— 
ſtelle bleibt, die von den Rändern her in der eben beſchriebenen Weiſe 
terraſſenförmig umwallt iſt (Fig. 27,3); geſchloſſener Krebs heißt 
derjenige, deſſen überwallungsränder die Wunde in kurzer Zeit bis 
auf eine kleine Spalte ſchließen (Fig. 27,2); natürlich beſtehen zwiſchen 
beiden Zuſtänden alle Übergänge. Fig. 27,3 zeigt eine große offene 
Krebsſtelle im Querſchnitt; fie reicht bis auf das Mark m; ut, us, 
uz ꝛc. find die Überwallungsränder der ſucceſſiven Vorjahre; nur der 
diesjährige iſt mit- lebender Rinde (r) bekleidet; die anderen find alle 
durch Froſtwirkungen getötet. Wenn eine Krebsſtelle endlich den ganzen 
Umfang eines Stammes oder Aſtes umklammert hat, ſo ſtirbt ſelbſt— 
verſtändlich der über der Krebsſtelle befindliche Teil ab. 

Krebs kann durch verſchiedene Urſachen, zumal auch durch tieriſche Krebs der Obſt— 
oder pilzliche Feinde, veranlaßt werden. Von den nicht durch Tem. baume. 
peratureinflüſſe verurſachten Krebserſcheinungen wird daher auch erſt 
an andrer Stelle dieſes Buches die Rede ein. Daß nun wirklich der 
Froſt die Urſache des Krebſes ſein kann, darüber beſteht unter den 
zuſtändigen Fachmännern kein Zweifel mehr. Es iſt nur in vielen 
Fällen, wo von Krebs geredet wird, nicht erſichtlich, um welche 
der möglichen Urſachen es ſich gehandelt haben mag. Beim Krebs der 
Obſtbäume, beſonders der Apfelbäume (wo allerdings vielfach 
auch die Blutlaus die Urſache iſt), haben Sorauer!) und 


) Handb. d. Pflanzenkrankh. 1. Aufl., Berlin 1874, pag. 199, u. 2. Aufl. 
pag. 399. Vergl. auch Tageblatt d. Naturf.⸗-Verſamml. zu Hamburg 1876. 


208 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


Göthet) auch den Froſt als die Urſache feſtgeſtellt. Nach Sorauer er— 
ſcheint das erſte Stadium des Froſtkrebſes als eine ſchwache Auf— 
treibung, über welcher die alte Rinde geſprengt und lippenförmig ge— 
ſpalten iſt; denn ſie ſtellt zwei überwallungsränder eines Spaltes dar, 
welcher bis auf das junge Holz gedrungen war und dort eine braune, 
tote Partie erkennen läßt. Beſonders häufig entſteht dieſe Beſchädigung 
um die Knoſpen und die Baſis der Zweige, indem Rinde und Holz 
hier am leichteſten durch den Froſt verwundet werden können. Darum 
ſteht auch häufig in der Mitte einer offenen Krebswunde ein Zweig— 
ſtumpf als kurzer, brauner Zapfen. Sorauer hat auch die Erklärung 
für das leichte Gefrieren der Überwallungswülſte gegeben durch die 
Beobachtung, daß in dieſen Wülſten der Holzkörper durch üppige 
Jahresringbildung übermäßig verdickt iſt, wobei eine abnorm ſtarke 
Wucherung von Holzparenchym zu bemerken iſt, welches hier vor den 
normalen Beſtandteilen des Holzes vorwaltet und welches als be— 
ſonders froſtempfindlich gelten darf. Auch in der Rinde der Krebs— 
überwallungen iſt inſofern eine Abweichung zu finden, als die Hart— 
baſtfaſern hier ſpärlicher als in der normalen Rinde auftreten. In 
dieſem üppigen Wachstum und dieſer abnormen Struktur der Über- 
wallungswülſte liegt der charakteriſtiſche Unterſchied vom Rindenbrand, 
indem, wenn bei der letzteren Heilung durch Überwallung in Gang 
kommt, die letztere ſchmalringig und von vorwiegend normal proſen— 
chymatiſcher Struktur iſt. Die Weichheit des Gewebes der Krebs— 
wucherungen zeigt ſich auch darin, daß nach Sorauer normales Holz 
66,9 Prozent, Krebsholz nur 45,1 Prozent Trockenſubſtanz ergab. 
Eine genügende Erklärung für die abnormen Bildungsthätigkeiten bei 
dem Wachstum der Überwallungen des Froſtkrebſes iſt freilich noch 
nicht gegeben worden. Ebenſo wird eine genügende Erklärung fehlen 
für die Thatſache, wenn ſie ſich bewahrheitet, die von manchen Praktikern 
behauptet wird, daß der Obſtbaumkrebs ſich bisweilen übertrage, indem 
Edelreiſer, von einem krebsfreien Stamme entnommen, auf eine krebs— 
kranke Unterlage gepfropft, ebenfalls mit Krebs behaftet werden; um— 
gekehrt iſt auch behauptet worden, daß krebſige Edelreiſer die Unter— 
lage anſtecken. Reiche Düngung ſoll die Dispoſition für Krebs er— 
höhen. Man darf wohl mit Sorauer die Erklärung hierfür darin 
finden, daß durch reichliche Gaben ſtickſtoffhaltiger Düngung die 
Bildungsthätigkeit der Pflanze verlängert wird und daher die Pflanze 
weniger ausgereift in den Winter kommt. Auch ſoll naſſer, kühler 


1) Mitteilungen über den Krebs der Apfelbäume. Leipzig 1877, und 
Froſtſchäden der Obſtbäume. Berlin 1883. 


* 


2. Kapitel: Die Temperatur 209 


Standort den Krebs begünſtigen, vermutlich weil die Zellen ſolcher 
Pflanzen ſaftreicher und dünnwandiger ſind. Auch ſoll übermäßiges 
Zurückſchneiden der Obſtbäume zum Krebs geneigt machen, was 
Sorauer aus einer erhöhten Produktion weichen Rindenparenchyms 
bei ſolchen ſtark zurückgeſchnittenen Stämmen zu erklären ſucht. 

Auch der Krebs der Rotbuche wird nach R. Hartig) durch . ee 
Einwirkung des Froſtes veranlaßt. Nach dieſem Beobachter entſteht 
an Buchen und andern Holzarten in Froſtlagen der Froſtkrebs durch 
die Einwirkung der Mai- und Junifröſte. Es werden dadurch Zweige 
getötet, und das Abſterben pflanzt ſich von der Baſis derſelben aus 
weiter fort, wodurch Krebsſtellen rings um dieſelbe entſtehen. Am 
Rande der Krebsſtelle bildet ſich ein Überwallungswulſt, und da die 
Rinde desſelben anfänglich nur ein dünnes Periderm hat, ſo tötet ein 
ſcharfer Froſt, wenn die Cambialthätigkeit bereits erwacht iſt, das 
wenig geſchützte Cambium des Krebsrandes; daher vergrößert ſich die 
kranke Stelle im ganzen Umfange. Außerdem nimmt Hartig an den 
Buchen als Urſache des Krebſes ebenfalls Pflanzenläuſe und in einem 
Falle auch Schmarotzerpilze an. 

Der Krebs oder Grind des Weinſtockes tritt an den älteren Krebs 
Stämmen, immer ungefähr 10—50 em vom Boden entfernt auf, in den ee 
Form einer kleineren oder größeren tonnenförmigen Anſchwellung mit 
perlartig unregelmäßiger Oberfläche, welche durch die der Länge nach 
faſerig zerſchlitzte ältere Rinde hervortritt. Nach Göthe?) giebt ſich 
dieſe Wucherung als Folge des Froſtes dadurch zu erkennen, daß an 
derſelben Stelle der Holzkörper des Stammes eine längs verlaufende 
Spalte und eine mehr oder weniger umfangreiche tiefe Bräunung zeigt; 
die Spalten befinden ſich an der Grenze eines Jahresringes und deuten 
darauf hin, daß ſie zur Zeit der Bildung des neuen Jahresringes 
durch Tötung der Cambiumſchicht entſtanden ſind. Die perlartigen 
Wucherungen ſind nach Göthe die von den geſunden Stellen aus ein— 
geleiteten Überwallungen, deren eigentümliche Form dieſer Beobachter 
als ein wirkliches Ineinanderhineinwachſen der üppigen Überwallungs⸗ 
wülſte erklärt. Nach Sorauers) find jedoch die Krebsknoten des 
Weinſtockes keineswegs immer eigentliche Überwallungen, ſondern viel— 
mehr oft unmittelbar lokale Wucherungen der Cambiumſchicht, die an 
einzelnen Markſtrahlen beginnend, Komplex eparenchymatiſchen, weichen 


1) Tageblatt der Naturforſcher-Verſamml. zu München 1877, pag. 207, 
und Unterſuchungen aus dem forſtbot. Inſt. zu München I., pag. 135. 
2) Mitteilungen über den ſchwarzen Brenner und den Grind. Berlin 
und Leipzig 1878, pag. 28. 
3) Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 417-420. 
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 14 


— . — — 


Froſtſpalten. 


210 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


Holzgewebes und eine entſprechende Wucherung von Rindengewebe, 
welches durch die alte Rinde hervorbricht, produziert. Ahnliche Krebs— 
knoten hat Sorauer (J. c.) auch an Spiraea opulifolia beobachtet. 
Sind die Krebsſtellen nur geringfügig, ſo bleibt ein ſolcher Stamm 
am Leben, bei ſtarker Entwickelung der Geſchwulſt ſtirbt der Stamm 
oberhalb derſelben ab. Dafür, daß der Krebs am Weinſtock durch 
Verletzuug der Cambiumſchicht durch Frühjahrsfröſte erzeugt wird, 
ſprechen nicht nur die Erfahrungen der Weinbauern und der Umſtand, 
daß er ſich nur in den ſogenannten Froſtlagen zeigt, ſondern auch ein 
Verſuch Göthe's, welcher ebenſolche grindartige Wucherungen entſtehen 
ſah an den Stellen, wo Reben im Frühjahre abſichtlich mit einem Eiſen 
bis zur Verletzung der Cambiumſchicht geklopft worden waren. 

Die Krebsſtellen ſind thunlichſt auszuſchneiden bis aufs geſunde 
Holz und dann mit Theer zu beſtreichen. Als Vorbeugung gegen 
Krebs wie gegen Rindenbrand wird alles das gelten dürfen, was zur 
vollſtändigen Ausreifung des Stammes und der Zweige vor Beginn 
des Winters beiträgt, ſowie die möglichſte Vermeidung aller der Faktoren, 
welche oben als krebsbegünſtigend genannt worden ſind. 

c) Beſchädigungen des Holzkörpers durch Froſt. Hierher 
gehört hauptſächlich die ſeit langer Zeit unter dem Namen Froſt— 
ſpalten, Froſtriſſe oder Eisklüfte bekannte Erſcheinung, die darin 
beſteht, daß im Freien ſtehende Bäume in kalten Wintern der Länge 
nach, bis ins Holz, oft bis aufs Mark ſich ſpalten. Nach den darüber 
beſonders von Caspary) angeſtellten Beobachtungen geſchieht dies 
nur bei bedeutender Kälte, mindeſtens bei — 14°, und betrifft faſt nur 
ſtärkere Stämme zwiſchen 18 em und Um Dicke. Das Berſten ſoll 
mit einem ſtarken Knall verbunden ſein. Die Weite der Kluft des 
Froſtriſſes beträgt meiſtens mehrere Millimeter, ſeltener bis 4 cm. Im 
Sommer ſchließen ſich die Froſtſpalten und beginnen durch Über- 
wallungen zu heilen, pflegen jedoch im folgenden Winter oft wieder 
aufzubrechen, ſobald ſtarke Kälte eintritt. Die einmal entſtandenen 
Froſtriſſe ſchließen und öffnen ſich auch mit dem Wechſel von Tau: 
wetter und Froſt, und die Weite des Spaltes iſt der Kälte proportional; 
das Schließen erfolgt aber viel langſamer als das Offnen. Durch 
Caspary's Unterſuchungen iſt es hinreichend dargethan, daß die Froſt— 
ſpalten dadurch entſtehen, daß das Holz durch den Froſt in der Richtung 
des Umfanges ſich ſtärker zuſammenzieht als in der Richtung des 
Radius. Der Vorgang beruht auf derſelben Urſache, wie die gleichen 


) Bot. Zeitg. 1855, pag. 449 500, wo auch die ältere Litteratur zu 
finden; ferner Bot. Zeitg. 1857, pag. 329 — 371. 


2. Kapitel: Die Temperatur 211 


Erſcheinungen beim Schwinden des Holzes infolge von Austrocknung. 
Denn durch das Auskriſtalliſieren des Waſſers aus den Membranen 
der Holzelemente vermindern die letzteren ihr Volumen am ſtärkſten in 
tangentialer Richtung, gerade ſo wie beim Austrocknen. Die Spalte 
entſteht da, wo der geringſte Widerſtand iſt, alſo wo irgend eine ſchwache 
Stelle des Stammes (ein künſtlicher Längsſchnitt, eine Rindenverletzung, 
ein abgehauener Aſt oder ein Aſtloch, eine Krebsbildung oder eine faule 
Stelle im Holze) der Spannung nachgiebt. Bei wiederholtem Auf— 
ſpringen der durch Überwallung geſchloſſenen Froſtſpalten entſtehen, 
weil ſich jede nächſte Jahresſchicht der Überwallung über die frühere 
mit nach außen gerichteter Konvexität legt, leiſtenartige Hervorragungen, 
Froſtleiſten, welche bisweilen eine bedeutende Höhe erreichen und 
auf dem Querſchnitte gewöhnlich koniſch und in der Mitte von dem 
Froſtriſſe durchzogen erſcheinen. Göppert)) hat dergleichen an Roß— 
kaſtanien, Rotbuchen und Weißtannen beobachtet und beſchrieben. Sie 
verlaufen wegen der ſpiraligen Drehung des Holzſtammes ebenfalls in 
einer Spirale bisweilen bis in die Krone. Bald kommt nur eine 
einzige, bald zwei gegenüberſtehende oder auch vier, bisweilen in regel— 
mäßigen Abſtänden ſtehende Froſtleiſten vor, wodurch der Stamm eine 
vierſeitige Form erlangen kann. Durch mehrfache Froſtriſſe kann der 
Stamm innerlich zertrümmert werden. Froſtſpalten, welche lange Zeit 
ſich nicht ſchließen, geben Veranlaſſung zur Fäulnis der Wundſtellen, 
beſonders bei Laubhölzern, während bei Nadelbäumen die Froſtſpalte 
ſich meiſt mit Harz füllt, welches konſervierend wirkt. Göppert hat 
Froſtriſſe an 76 Arten von Gehölzen aus den verſchiedenſten Familien 
aufnotiert. 3 

Auch bloße Bräunungen im Innern des Holzkörpers 
können nach Göppert's?) Beobachtungen an Obſtbäumen und nach 
denen R. Hartig'ss) an Nadelbäumen durch den Froſt verurſacht 
werden. Als eine Folge der Tötung des Gewebes ſtellt ſich eine ring— 
förmige Bräunung in der Markröhre und bisweilen auch in dem 
dieſer zunächſt liegenden Markſtrahlgewebe ein, ſo daß vom gebräunten 
Ringe des Markes braune Streifen gegen die Rinde gehen. Bei dieſem 
Zuſtande können Cambium und Rinde geſund fein; es werden dann 
in normaler Weiſe geſunde Holzringe gebildet, und man findet nach 


) über die Folgen äußerer Verletzungen der Bäume. Breslau 1873, 
pag. 30— 36. 
) Wärme⸗Entwickelung, pag. 31— 34 und. Folgen äußerer Verletzungen 
der Bäume, pag. 23- 27. ic 8 28 
) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes, pag. 65, und Lehrbuch der Baum⸗ 
krankheiten. 2. Aufl., Berlin 1889, pag. 262. 
14* 


U 


Innere 
Bräunungen 
des 
Holzkörpers. 


Mondringe. 


212 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


Jahren beim Durchſchneiden des Stammes im Innern die aus dem 
Froſtjahre herrührenden gebräunten Stellen. Dieſelben erſcheinen in 
verſchiedener Größe und Form, wobei jedoch eine Hinneigung zu radial 
geſtellter windmühlflügelartiger Form nicht zu verkennen iſt, die bisweilen 
mit ſolcher Regelmäßigkeit auftritt, daß ſie einem eiſernen Kreuz ähnelt, 
wobei das Mark das Centrum bildet. Indeſſen giebt es nach Göppert 
auch Bäume, welche ſelbſt bei tödlicher Einwirkung des Froſtes, wo 
die Rinde ſtark gebräunt iſt, doch keine Farbenveränderung im Holzkörper 
zeigen, jo Rhus typhina, Corchorus japonicus, Coronilla Emerus, Ro- 
binia Pseudacacia, Pinus Pinsapo. Nach R. Hartig ſoll befonders 
bei exotiſchen Nadelhölzern nach dieſer Tötung der Markröhre durch 
den Froſt Anfang Mai der Tod durch Vertrocknen oft plötzlich ein— 
treten; er führt dies darauf zurück, daß die Säfteleitungsfähigkeit in 
dem vom Froſte betroffenen Holzkörper verſchwunden iſt; bei den Laub— 
hölzern übernehmen in ſolchem Falle der zeitig gebildete neue Holzring 
oder die nicht vom Froſt getöteten jüngſten Jahresringe die Saftleitung. 

Auch Zerklüftungen des Holzkörpers in einer den Jahres— 
ringen folgenden Richtung ſoll nach Sorauer's) Anſicht der 
Froſt veranlaſſen können. Braune oder weiße Binden von weichem, 
zunderartig mürbem Gewebe, die ringförmig um einen Teil oder auch 
um den ganzen Stammumfang herumreichen, bezeichnet man als Mond— 
ringe, deren Entſtehung meiſt Pilzen zugeſchrieben wird, da oft das 
zerſtörte Gewebe verpilzt erſcheint. Nach Sorauer beſtehen aber dieſe 
Partien ſchon von vornherein aus lauter Holzparenchym, denn auch 
die Ränder der toten Stellen, wo ſie in das geſunde Gewebe über— 
gehen, zeigen noch dieſen abnormen parenchymatiſchen Charakter. Es 
handelt ſich alſo um die Bildung von Parenchymneſtern an Stelle 
von normalem Holzgewebe, wo alſo die Cambiumſchicht innerhalb 
eines Jahresringes ausſchließlich ſolches Gewebe, aus welchem die 
Markſtrahlen beſtehen, gebildet hat, alſo gleichſam erweiterte und zu⸗ 
ſammengefloſſene Markſtrahlen. Solche Bildungen ſind früher von 
Roßmäßler als „Markwiederholungen“, von Nördlinger als Marf- 
flecken“ bezeichnet und ſpäter von de Bary) als ziemlich verbreitete 
Erſcheinungen beſchrieben worden, nur daß man über die Urſachen 
derjelben im Unklaren war Nun hat, wie unten bei den tieriſchen 
Feinden erwähnt werden wird, Kienitz für gewiſſe Fälle den Fraß 
von Dipterenlarven im Cambium als eine der möglichen Urſachen der 
Markflecken nachgewieſen. Nach Sorauer ſoll nun auch der Froſt 


) Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 382. 
2) Vergleichende Anatomie. Leipzig 1877, pag. 567. 


oT 
a 
i 


2. Rapitel: Die Temperatur 213 


Veranlaſſung fein können, und zwar dann, wenn im Frühjahr wahr- 
ſcheinlich infolge einer im Cambium ſtattfindenden Eisbildung eine 
Zerreißung und Lockerung in der Cambiumſchicht eintritt. Denn immer 
wenn die lebende Rinde ſamt dem Cambium vom Holzkörper abge- 
hoben iſt, was man nach Sorauer) ſowohl durch künſtliche mecha— 
niſche Verwundung als auch durch künſtliche Kälte herbeiführen kann, 
bildet das vom Holzkörper abgelöſte Cambium an dieſer Stelle auf 
ſeiner Innenſeite analog wie es beim vorſichtigen Abheben der Rinde 
ſamt Cambium ebenfalls gelingt (S. 70) neues Holz, was aber zu— 
nächſt aus lauter Holzparenchym beſteht, um erſt nach einiger Zeit 
wieder zur Produktion normalen Holzgewebes zurückzukehren. Nach 
Sorauer unterliegt es nun keinem Zweifel, daß gerade ſolche Paren— 
chymneſter im Holzkörper dem Froſt am leichteſten erliegen; in einem 
ſolchen getöteten Gewebe können ſpäter Pilzmycelien als eine ſekundäre 
Erſcheinung ſich einfinden. Vielleicht ſind auch manche Fälle der ſoge— 
nannten „Kernſchäle“ auf dieſe Weiſe zu erklären; es läßt ſich hier 
ein vollſtändiger Hohlcylinder von geſundem Holz von einem oft auch 
geſunden centralen Holzkörper wie eine Hülſe ablöſen. Denn ſolche 
Erſcheinungen erwähnt auch Göppert mit dem Hinzufügen, daß man 
dabei aus der Zahl der Jahresringe das Froſtjahr ausrechnen könne. 


V. Froſtſchutzmittel. 


Wenn die Sachs 'ſche Theorie richtig geweſen wäre, daß der Kälte-Froſtſchutzmittel. 
tod der Pflanzen ſich immer erſt beim Auftauen des gefrorenen 
Pflanzenteiles entſcheidet und nur von einem zu ſchnellen Auftauen 
desſelben herrührt, jo würde ein Univerſalmittel gegen die Froſt— 
beſchädigungen ſein dafür zu ſorgen, daß gefrorene Pflanzenteile mög— 
lichſt langſam wieder erwärmt werden. Das iſt nun aber, wie im 
Vorhergehenden gezeigt worden iſt, nicht allgemein zutreffend, ſondern 
thatſächlich nur auf die wenig häufigen Fälle beſchränkt, wo die Zellen 
ſaftreicher Gewebe ſelbſt durch und durch gefroren ſind, während bei 
dem gewöhnlichen Gefrieren, welches unter intercellularer Eisbildung 
eintritt, der damit verbundene Saftverluſt der Zellen zur Todesurſache 
wird, der Tod alſo ſchon während des Gefrorenſeins unabänderlich 
entſchieden iſt. 

Somit ſind als ſichere Froſtſchutzmittel nur diejenigen Maßregeln 
zu betrachten, durch welche der Abkühlung der Pflanzenteile auf die— 
jenige Temperatur unter 0°, bei welcher ihre Säfte aus den Zellen 


) I. c. pag. 424. 


x m a in N „ 


214 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


ausfrieren, verhindert wird. Daher kommen alle dieſe Mittel darin 
überein, daß die Pflanze mit ſchlechten Wärmeleitern umgeben wird. 
Natürliche Froſt ⸗ Dieſer Anforderung genügen erſtens die natürlichen Froſt— 
ſchutzmittel. ſchutzmittel, als welche wir die Schneedecke und den Erdboden 
anzuerkennen haben. Die Schneebedeckung ſchützt, weil ſie die Wärme— 
ausſtrahlung des Bodens und das Eindringen der Kälte verhindert 
und weil ſie verhütet, daß das etwa aus den Pflanzengeweben aus— 
frierende Waſſer durch Verdunſtung verloren geht. Nach Göppert's 
Beobachtungen betrug in Breslau die Temperatur unter einer 10 em 
hohen Schneedecke auch nach mehrtägiger, ſehr heftiger Winterkälte 
(durchſchnittlich — 12,60 nur — 3°, und ſelbſt bei — 20,5 C. Luft⸗ 
temperatur nur ungefähr — 6°; der darunter liegende Boden zeigte 
bei 5 em Tiefe nur noch — 1 C. Der günſtige Einfluß der Schnee— 
decke auf die Winterſaaten iſt ebenſo allgemein bekannt, wie der 
Schaden einer heftigen Kälte ohne Schnee. Der jedes Jahr vor— 
handenen mächtigen winterlichen Schneehülle im höchſten Norden ver— 
dankt die Vegetation daſelbſt ihre Erhaltung in den dort herrſchenden 
kalten Wintern. Unter 78° 50“ nördl. Br. fand man bei — 27,5 R. 
Lufttemperatur im Schnee in einer Tiefe von 64 cm — 17°, in 1,3 m 
Tiefe — 13,3» und bei 2,6 m nur — 2,6“. Ebenſo iſt unter der 
tiefen Schneedecke auf den Alpen die Temperatur des Bodens im 
Winter ſelten kälter als — 2°. In dieſen hohen Regionen und 
Breiten erweiſt ſich der Schutz des Schnees auch in dem Umſtande, 
daß hier die geſamte Vegetation ſich unter den Schnee zurückzieht, 
denn an der Baumgrenze ſind die nur in der Strauchform entwickelten 
Holzpflanzen Winters ganz vom Schnee bedeckt, und die etwa hervor— 
ragenden Teile zeigen deutlich genug die Verkrüppelungen, die hier 
außer den Stürmen wahrſcheinlich auch die Froſtwirkungen verurſachen. 
Wenn die Schneebedeckung auch die Vegetationsthätigkeit hindert, ſo 
konſerviert ſie doch trotz dieſes Stillſtandes das Pflanzenleben ungemein 
lange; im Hochgebirge werden viele pflanzenbedeckte Stellen in manchem 
Sommer gar nicht ſchneefrei; die Pflanzen können hier mehrjährigen 
Winter ertragen, man findet ſie unter ihrer winterlichen Hülle zwar in 
Vegetationsruhe, aber nicht getötet, und wo nur der Schnee weicht, 
ſetzen ſie ihre Vegetation fort. Dahin gehören auch die Angaben 
Charpentier's) u. a., wonach Cerastium alpinum und andere 4 
Pflanzen Jahre lang unter Gletſchereis ſich erhielten und nach Zurüd- 
gehen des Gletſchers fortlebten. Daß auch in der arktiſchen Zone 
ähnliches vorkommt, laſſen manche Mitteilungen vermuten. Bei uns 


) Bot. Zeitg. 1843, pag. 13. 


2. Kapitel: Die Temperatur 215 


iſt ſchon eine dünne Schneeſchicht und ſelbſt der Reif ein Schutzmittel 
gegen Froſtſchäden. In kalten Wintern mit wenig Schnee empfiehlt 
es ſich, den Schnee aus den Wegen an die empfindlicheren Pflanzen 
zu werfen. Ebenſo ſchützt der Erdboden die in ihm befindlichen 
Wurzeln ꝛc. Es iſt bekannt, daß auch bei ſtarker und langer Winter- 
kälte der Boden bei uns kaum bis 64 cm Tiefe gefriert und die Tempe— 
ratur mit der Tiefe unter der Oberfläche raſch zunimmt. Die oben 
erwähnte Empfindlichkeit der Pflanzenwurzeln gegen Kälte, wenn ſie 
der Luft ausgeſetzt werden, erweiſen den vom Erdboden ausgeübten 
Schutz deutlich. 

Die künſtlichen Froſtſchutzmittel erklären ſich in ihrer Wirkung Künſtlliche Froſt⸗ 
alle leicht als ſchlechte Wärmeleiter; ſo das Bedecken und Einſchlagen ane e 
empfindlicher Freilandpflanzen mit verſchiedenen Deckmaterialien, 
als Stroh, Schilf, Moos, Laub, Decken ꝛc., das Aufbewahren der 
Kartoffeln, Rüben, Apfel u. dergl. in Haufen geſchichtet und in die 
Erde eingemietet, das Bebrauſen im Freien wachſender Pflanzen mit 
Waſſer am Morgen nach einem Nachtfroſte, um auf ihnen künſtlichen 
Reif oder Tau zu erzeugen. Ein vorzügliches, im großen wirkendes 
künſtliches Froſtſchutzmittel beſteht in dem Anzünden von Rauchfeuern, 
was ſchon ſeit langer Zeit in den Weingärten Südtirols und 
andern Gegenden Südeuropas üblich iſt und mehr und mehr auch 
anderwärts befolgt wird. In den Weinbergen und um die Feldſtücke 
werden in gewiſſen Entfernungen Haufen eines ſehr viel Rauch ent— 
wickelnden Brennmaterials oder Keſſel mit Sägemehl und Mineral⸗ 
theer gefüllt, aufgeſtellt oder auch Gruben gemacht, in welche mit Theer 
vermiſchtes Sägemehl gebracht wird; iſt Froſt zu befürchten, ſo werden 
in der Nacht oder gegen Morgen die Brennmaterialien auf der Wind— 
ſeite angezündet, ſo daß der Wind die Rauchwolken über das Gelände 
ausbreitet !); dieſelben wirken dann wie eine Wolkendecke durch Ver— 
minderung der Ausſtrahlung. Es empfiehlt ſich natürlich, ſolche Rauch— 
feuer auf allen an einander grenzenden Grundſtücken als eine gemein— 
ſchaftliche Maßregel zu veranſtalten. 

Für die eingangs erwähnten Fälle, wo durch und durch gefrorene 
ſaftige Pflanzenteile durch allmähliches Auftauen vor dem Tode ge— 
ſchützt werden können, wie es bei hart gefrorenen Kartoffeln, Rüben, 
Apfeln u. dergl. wirklich der Fall iſt, wird allerdings eine recht lang— 
ſam bewirkte Erwärmung zu einem Schutzmittel. Wenn man Kartoffeln, 
die in dieſer Weiſe gefroren ſind, in viel kaltes Waſſer legt, welches dann 
ganz allmählich die Temperatur der wärmeren Luft annimmt, ſo erhält 


) Vergl. Centralblatt f. Agrik.-Chemie 1887, pag. 647. 


Störung der 
Lebensprozeſſe 


infolge der Über 


ſchreitung der 
Temperatur; 
grenzen. 


Temperatur- 
grenzen der 
Keimung und 
des Wachstums. 


216 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe 


man oft die Knollen am Leben, während ſie in ſo gefrorenem Zu— 
ſtande ſogleich in wärmere Luft gebracht, in der Regel getötet werden. 


Selbſtverſtändlich wirken aber, um dieſe Art Froſttod zu vermeiden, | 


auch alle vorgenannten natürlichen wie künſtlichen Froſtſchutzmittel eben- 
falls zweckentſprechend. | 


C. Störungen einzelner Lebensprozeſſe infolge der überſchreitung 
ihrer Temperaturgrenzen. 

Im vorhergehenden haben wir nur die an und für ſich tödlichen 

Temperaturen kennen gelernt. Nun giebt es aber, wie die Pflanzen— 


phyſiologie lehrt, für die meiſten Lebenserſcheinungen eine untere und 
eine obere Temperaturgrenze, welche für die Pflanze nicht tödlich iſt, 
wobei dieſelbe aber die betreffende Lebensthätigkeit nicht mehr ausübt. 
Es treten mithin krankhafte Zuſtände ein, die ſo lange dauern, bis 
die Temperatur wieder in jene Grenzen zurückgekehrt iſt. Zwiſchen 
den beiden Temperaturgrenzen giebt es ein Optimum, d. h. einen be— 
ſtimmten Wärmegrad, welcher für den betreffenden Lebensprozeß am 
günſtigſten iſt; und je weiter die herrſchende Temperatur von jenem 
Grade entfernt iſt, je mehr ſie ſich einer der beiden Temperaturgrenzen 
nähert, in deſto ſchwächerem Grade findet der Prozeß ſtatt, ſo daß 
auch innerhalb der Grenzen die Temperaturverhältniſſe einen ſchäd— 
lichen Einfluß ausüben können. Wir kennen gegenwärtig eine ſolche 
Beziehung zur Temperatur von folgenden Lebensprozeſſen. 

1. Das Wachstum und die Keimung. Es iſt ein allbekannter 
Erfahrungsſatz, daß das Wachſen der Pflanzen bei geringen Wärme— 
graden ſich verlangſamt oder ganz ſtockt, bei größerer Wärme dagegen 
rüſtig fortſchreitet, und daß in demſelben Sinne auch die Geſchwindig—⸗ 
keit, mit welcher die Samen aufkeimen, beeinflußt wird. Das letztere 
iſt nach der erſteren Erfahrung nicht anders zu erwarten, da ja die 
Keimung der Samen im Grunde nichts anderes als ein Wachſen der 
Teile des Keimlings iſt. Das Geſetzmäßige in dieſer Abhängigkeit iſt 
zuerſt von Sachs!) feſtgeſtellt und dann von A. de Candolle), 
Köppen), de Vries), Haberlandt) und bezüglich der unteren 
Temperaturgrenze von Hellriegel®) beſtätigt worden. Hiernach giebt 


) Experimentalphyſiologie, pag. 54. 

2) Biblioth. univers. de Genève 1865. T. XXIV, pag. 243. 

3) Wärme und Pflanzenwachstum. Moskau 1870, pag. 39. 

4) Materiaux pour la connaissance de l’influence de la temperature. 
Archiv Neerlandaises 1870. V. 

5) Landwirtſch. Verſuchsſtationen XVII, pag. 104. 

6) Beiträge zu den naturwiſſenſch. Grundlagen des Ackerbaues. Braun- 
ſchweig 1883, pag. 284. 


e ET EN En 2 


Re, 


a ee ur ee 


2. Kapitel: Die Temperatur 217 


es eine untere und eine obere Temperaturgrenze des Wachs— 
tums, d. h. es darf weder eine gewiſſe niedere noch eine gewiſſe hohe 
Temperatur überſchritten ſein, wenn noch Wachſen ſtattfinden ſoll. Es 
iſt dies beſonders am Keimungsprozeß ermittelt worden, indem man 
die Samen zum Keimen auslegte unter verſchiedenen konſtant bleiben⸗ 
den Temperaturen und dabei beobachtete, ob die Keimung erfolgt oder 
nicht. Man erhielt alſo dabei die Temperaturgrenzen der Keimung, 
die wir nachſtehend für eine Anzahl von Pflanzen aus den Angaben 
der genannten Forſcher entlehnen. Es tritt dabei die wichtige That- 
ſache hervor, daß dieſe Kardinalpunkte keineswegs bei gleichen Tem— 
peraturgraden liegen, ſondern daß darin ſich jede Pflanze eigentümlich 
verhält, wobei es nicht undeutlich iſt, daß die aus wärmeren Ländern 
ſtammenden Pflanzen ein höheres Wärmebedürfnis für ihr Wachstum 
haben, als die bei uns einheimiſchen oder akklimatiſierten. 


Untere Temperatur- Obere Temperatur: 


grenze ° &. grenze ° C. 
E alba . . 0,0 über 37,2 
Lepidium sativum . 1,8 unter 37,2 
Hordeum vulgare 5,0 37,7 
Triticum vulgare 5,0 42,5 
Zea mais e; 9,5 46,2 
Phaseolus Wü PR 19 9,5 46,2 
Cucurbita pedo 13,7 46,2 
Cucumis sativus 18,5 über 44 


Bezüglich der unteren Temperaturgrenzen haben die Beobachtungen 
auch noch für viele andere Pflanzen, wie Roggen, Hafer, Zuckerrübe, 
Hanf, Raps, Mohn, Lein, Rotklee, Erbſe, Saubohne, ergeben, daß ſie 
ungefähr zwiſchen 4 und 5 C. liegt. Doch wollen manche Beobachter 
auch bei noch niedrigeren Temperaturen Keimung geſehen haben. So 
ſollen nach Ulotht) Samen von Gramineen und Gruciferen mitten 
im Eis oder in mit Eis umgebenen Kiſten in Eiskellern nach längerer 
Zeit gekeimt ſein. Kirchner? hat bei ähnlichen Verſuchen an 
Sinapis, Secale und Triticum noch zwiſchen O und + 1° C. Verlänge- 
rung durch Wachstum beobachtet. Kerner?) fand, daß Samen von 
Alpenpflanzen bei dauernd ungefähr + 2 C. zur Keimung kamen 


) Flora 1875, pag. 266. 
) Cohn's Beiträge zur Biologie III. 1883, pag. 335. 
3) Berichte des naturw. Vereins zu Innsbruck, citiert in Bot. Zeit 1873, 


pag. 437. 


Ungenügende 
Dauer ber 
Begetationd- 
temperatur. 


218 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


und glaubt, daß fie am Rande der Schneefelder auch bei 0° keimen 
können. Die merkwürdigen Beobachtungen, welche Middendorff) 
erzählt, daß unter 70° nördl. Br. unter dem Schnee hervorragende 
Weidenkätzchen bei einer Temperatur von — 16 bis — 25° in der 
Sonne ſich zu entwickeln begannen, während 53 em tiefer die Zweige 


gefroren waren, und daß Alpenroſen an den Zweigſpitzen vollſtändig. 


blühten in einer Temperatur, die nachts unter dem Gefrierpunkte, 
tags zwiſchen O und + 5° ſich hielt, während der Stamm und die 
Wurzeln im Eiſe gefroren waren, ſind auf die Erwärmung durch die 
Sonnenſtrahlen zurückzuführen. Aber die Beobachtung, die Kerner 
(I. c.) und andere vor ihm gemacht haben, daß Alpenpflanzen unter 
dem Schnee zu wachſen begannen und ihre Blütenſchäfte durch die 
eiſige Decke emporſchoben, ſo daß die Blüten an der Firnoberfläche 
hervorragten, läßt wohl kaum eine andere Deutung zu, als daß dieſe 
Prozeſſe bei 0° ſtattgefunden haben. Auch ſah ich auf den Alpen den 
Firn durch die Alge des roten Schnees (Chlamidococeus nivalis) bis 
wenigſtens 1 em unter der Oberfläche gefärbt. Die Wärmeſtrahlen der 
Sonne und die durch die Atmung erzeugte Wärme können hier wohl 
keine Wirkung äußern, da ſie ſogleich durch das Schmelzen des Schnees 
verbraucht werden. In Übereinftimmung damit findet auch nach den 
Beobachtungen der ſchwediſchen Polarerpedition 1872— 73 bei Spitz 
bergen an der winterlichen Algenvegetation des Meeres bei dauernder 
Temperatur desſelben unter 0° Wachs um des Thallus und Bildung 
von Fortpflanzungszellen ſtatt ). 

Selbſtverſtändlich wird aber die für das Wachſen notwendige 
Wärme auch während einer genügend langen Dauer gegeben ſein 
müſſen, um den Wachstumsprozeß einer jeden Pflanze in normaler 
Weiſe zur Vollendung zu bringen. Wir wiſſen, daß die Entwickelungs⸗ 
dauer den klimatiſchen Verhältniſſen der Heimat jeder Pflanze ange- 
paßt, lang bei Gewächſen der wärmeren Länder, ſehr kurz bei denen 
der kalten Zone und der höheren Gebirgsregionen iſt. Höhe und 
Dauer der Temperatur ſind daher mit die wichtigſten Faktoren, welche 
die geographiſche Verbreitung, die Abhängigkeit der Pflanzen 
vom Klima bedingen. Sie ſind die Urſache, daß jede Pflanzenart 
in einer beſtimmten geographiſchen Breite gegen die Pole hin, ſowie 
in einer je nach dem Breitengrad verſchiedenen Höhe über dem Meere 
verſchwindet. Werden daher Pflanzen ſüdlicher oder gemäßigter Klimate 
in nördlicheren Breiten oder in rauheren Gebirgsgegenden kultiviert, 


) Sibiriſche Reife. I., 2. Tl. 
2) Citiert in Bot. Zeitg. 1875, pag. 771. 


— 3 


S 


„ 


2. Kapitel: Die Temperatur 219 


ſo kann die geringere Wärmemenge und kürzere Dauer des Sommers 
nicht mehr genügend ſein, um die Pflanze zur vollſtändigen Ent— 
wickelung, zum Blühen und zur Fruchtreife gelangen zu laſſen, oder es 
iſt ſolches nur noch in den günſtigſten, nach Süden geneigten Lagen 
möglich. Die Nichterfüllung dieſer Bedingungen hat daher für ſolche 
Pflanzen nachteilige Folgen in der angegebenen Beziehung. Die ein- 
zelnen Pflanzen verhalten ſich bekanntlich hierin verſchieden, indem 
jede ihre eigenen klimatiſchen Anſprüche hat. Dieſe für den Pflanzen- 
bau, beſonders in den Gebirgen und den nördlichen Gegenden unſeres 
Erdteiles tief eingreifenden Verhältniſſe können hier nicht näher erörtert 
werden, da alle ſpezielleren Betrachtungen hierüber mehr der Pflanzen— 
geographie und Phänologie als der Pathologie angehören. Es ſei 
nur noch darauf hingewieſen, daß auch in dieſer Beziehung eine 
Akklimatiſation (S. 200) von Pflanzen wärmerer Länder an ein 
kälteres Klima möglich iſt, wenn es gelingt, Varietäten zu züchten, 
deren untere Temperaturgrenze des Wachſens möglichſt niedrig liegt 
und deren Entwickelungsdauer möglichſt kurz iſt. 

Aber auch die verſchiedenen Temperaturgrade, welche zwiſchen den Beeinfluſſung 
beiden Grenzwerten liegen, beeinfluſſen, wenn ſie konſtant auf die ae 
Pflanze einwirken, das Wachstum und zwar erſtens hinſichtlich ſeiner 
Geſchwindigkeit. Eine Vorſtellung davon geben nachſtehende von 
Sachs herrührende Zahlen, welche die Wachstumsgeſchwindigkeit in 
Millimetern ausdrücken, welche an Maiswurzeln in 24 Stunden bei 
verſchiedenen konſtanten Temperaturen gemeſſen worden ſind. 


Temperatur Wurzellänge 
e 1,3 mm 
26,2° C. 24,5 „ 
33,29 C. 39,0 „ 
34,0“ C. 55,0 „ 
38,29 C. 25,2 „ 
42,59 C. 37 


Es iſt hieraus erſichtlich, daß auch Temperaturen, welche ſich der 
oberen oder unteren Temperaturgrenze nähern, dem Wachstumsprozeß 
ſchon ſehr ungünſtig ſein können. Man hat nun denjenigen Punkt, 
welcher das Wachſen am meiſten beſchleunigt und bei welchem alſo 
auch die Samen am ſchnellſten keimen, das ſogenannte Optimum 

i der Wachstums temperatur, für viele Pflanzen feſtzuſtellen geſucht 
4 und auch dieſes je nach Pflanzenarten bei verſchiedenen Temperaturen 
gefunden, wie nachfolgende Zahlen zeigen. | 


Beeinfluffung 
der Wachstums- 
größe. 


Beeinfluffung 
der Kohlenjäure- 
Aſſtmilation. 


220 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


Sinapis alba. . . 27,4 
Lepidium sativum. . . 27,4 
Hordeum vulgare. . 28,7 
Triticum vulgare . 28,7 
Lab mensch... son! 39% 
Phaseolus multiflorus . 33,7 
Cucurbita pepo . . . 33,7 
Cucumis sativus . .. 33 


Indem man nun die das Wachſen am meiſten beſchleunigende 
Temperatur das Optimum nannte, iſt man vielfach in den Irrtum 
verfallen, dieſen Temperaturgrad als den für den Wachstumsprozeß 
der Pflanze überhaupt günſtigſten zu halten. Das iſt aber, wie ich 
ſchon in der erſten Auflage dieſes Buches (S. 209) und noch beſtimmter 
jüngſt!) hervorgehoben habe, keineswegs der Fall. Das durch Tem— 
peratur am meiſten beſchleunigte Wachstum giebt der Pflanze krank— 
hafte Geſtalten, weil auch die Wachstumsgröße der Pflanzenteile 
durch die Temperatur beeinflußt wird und zwar in ganz analoger 
Weiſe wie durch Licht und Dunkelheit (S. 162), indem durch Tem— 
peraturen nahe dem Optimum die Geſtaltung der Pflanzenteile in ähn— 
licher Weiſe krankhaft ausfällt wie bei Dunkelheit, während bei niedri- 
geren Temperaturen, wo die Pflanze allerdings langſamer wächſt, 
normale geſunde Pflanzengeſtalten ſich ergeben. Das krankhafte 
Wachſen in der Dunkelheit, welches man Etiolement nennt, tritt alſo 
in ähnlicher Form auch bei zu hoher Temperatur im Lichte auf; man 
könnte alſo paſſend auch von einem Thermoetiolement reden und jenes 
als Photoetiolement bezeichnen. Bei den Verſuchen von Bialoblocki) 
hat ſich gezeigt, daß Roggen, Gerſte und Weizen bei konſtanter Boden- 
temperatur von + 10° C. zwar langſam wachſen, aber normal ſtarke 
Wurzeln, mäßig lange, aber dicke, kräftige Halme und breite Blätter 
bekommen, daß aber bei Temperaturen in der Nähe des Optimums 
(+ 30° C.) die Wurzeln immer feiner, die Halme ſehr dünn und 
ſchwächlich, die Blätter ſehr lang und ſchmal werden, die ganze Pflanze 
alſo ein krankhaftes Ausſehen annimmt. 

2. Die Kohlen ſäure-Aſſimilation und die Geſamtpro duktion. 
Die Energie, mit welcher die grüne Pflanze die Kohlenſäure aſſimiliert, 
hängt auch von der Temperatur ab. Nach den Unterſuchungen, welche 
Heinrich?) mit der Waſſerpflanze Hottonia, der ſich in dieſer Beziehung 


) Frank, Lehrbuch der Botanik. I. Leipzig 1892, pag. 388. 

2) Ueber den Einfluß der Bodenwärme auf die Entwickelung einiger Kultur⸗ 
pflanzen. Diſſertation, Leipzig 1872. | 99 

3) Landwirtſch. Verſuchsſtation 1871, pag. 136. 


2. Kapitel: Die Temperatur 221 


wohl viele andere Pflanzen gleich verhalten dürften, angeftellt hat, liegt 
das Optimum bei ungefähr 31° C.; denn bei dieſer Temperatur wurden 
547—580 Sauerſtoffblaſen ausgeſchieden in der nämlichen Zeit, wo 
bei 50 C. 110—200 Blaſen gezählt wurden; bei 56° C. hörte die 
Abſcheidung auf. In der gleichen Zeit wurden bei 10,6—11,2° C. 
nur 145— 160 Gasblaſen abgeſchieden. Aber ſelbſt bei ſehr niedrigen, 
den Gefrierpunkt kaum überſchreitenden Graden findet noch etwas 
Kohlenſäurezerſetzung ſtatt, wie ſchon von älteren Beobachtern erkannt 
und von Kreusler!) wiederum bei Rubus beſtätigt wurde. Auch 
dieſer Beobachter fand bei nahezu 50° den Prozeß noch nicht erloſchen. 
Wenn man berückſichtigt, daß der Wachstumsprozeß und die Beeinflufjung 

Kohlenſäure⸗Aſſimilation, ſowie noch andere im Nachſtehenden erwähnte 8 1 
Lebensprozeſſe von der Temperatur abhängig ſind, ſo iſt es nicht 
anders zu erwarten, als daß auch die Geſamtproduktion einer Pflanze 
durch die Temperatur beeinflußt wird. Aber man wird begreifen, 
daß dies der Geſamteffekt aller der verſchiedenen Beeinfluſſungen der 
einzelnen Lebensthätigkeiten durch die betreffende Temperatur iſt und 
alſo eine ſehr komplizierte Reſultante darſtellt, der wir durchaus nicht 
den Wert eines Maßſtabes für irgend eine beſtimmte Lebensthätigkeit 
zuerkennen dürfen. So zeigen uns auch die folgenden Zahlen Hell— 
riegel’S?) nur, daß verſchiedene Temperaturen ſchließlich auch in der 
Geſamtproduktion einer Pflanze zum Ausdrucke kommen. 


Konſtante Bod Pace 

onſtante Boden⸗J _. 5 5 I s 
eh bs 10% 15% „20% Ben 
Friſchgewicht 191,5 176,3 269,4 456,6 376 408 240,1 
Trockenſubſtanz 23,9 22,8 32,4 49,5 424 470 312 


Weizen: 
Friſchgewicht 98,6 130,8 241,0 260,5 342,0 402,2 296,0 
Trockenſubſtanz 15,8 20,8 29,5 30,8 43,9 46,9 40,3 


Gerſte: 
Friſchgewicht 151,9 156,0 383,4 408,5 435,2 365,0 230,5 
Trockenſubſtanz 17,1 18,0 34,4 36,7 42,0 35,0 26,3 


3. Die Wurzelthätigkeit, d. h. die Waſſeraufnahme durch die Störung der 


Wurzeln iſt ebenfalls von der Temperatur abhängig, und wegen Wesen enn 
Abhängigkeit können für manche Pflanzen krankhafte Zuſtände ent- Bart S 


) Landwirtſch. Sahrbücher?1887, pag. 711. 
2) Grundlagen des Ackerbaues 1883, pag. 332. 


222 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


ſtehen. Nach den Beobachtungen von Sachs!) nehmen Tabak- und 
Kürbispflanzen mit ihren Wurzeln aus einem feuchten Boden, wenn 
derſelbe nur + 3 bis 5 C. warm iſt, ſchon nicht mehr jo viel Waſſer 
auf, um einen ſchwachen Verdunſtungsverluſt zu erſetzen und werden 
welk. An Topfpflanzen, beſonders an wärmebedürftigeren, die im 
Winter in kalten Zimmern ſtehen, ſieht man dies häufig. Begießen 
hilft hier nichts, ſondern kann ſogar ſchaden, wenn die Erde ſchon 
ſehr feucht war; aber durch geeignete Erwärmung der Erde und 
Wurzeln, wodurch letztere wieder zur Thätigkeit angeregt werden, 
können die Pflanzen ſich wieder erholen. Bei Gewächſen, die unſerer 
kälteren gemäßigten Zone angepaßt find, ſcheint die untere Temperatur- 
grenze der Wurzelthätigkeit tiefer zu liegen; denn Brassica Napus und 
oleracea nehmen nach Sachs auch aus einem nahezu 0° C. kalten 
Boden noch genügend Waſſer auf, um einen mäßigen Verdunſtungs— 
verluſt zu erſetzen. Im freien Lande dürften die krautartigen Pflanzen 
ſchwerlich von dem auf dieſem Grunde beruhenden Mißverhältnis 
zwiſchen Waſſeraufſaugung und Tranſpiration betroffen werden, da 
zur Zeit, wo ſie vegetieren, meiſt der Froſt aus dem Boden gewichen 
iſt oder ein Spätfroſt nur die oberſte Bodenſchicht ergreift. Die tief— 
wurzeligen Laubbäume ſind in dieſer Beziehung durch ihre ſpäte Be— 
laubung und durch die Wärme des Bodens in tieferen Schichten ge— 
ſchützt. Anders iſt das Verhältnis bei den immergrünen Laub- und 
Nadelbäumen. Hier tritt wirklich ein Vertrocknen der Blätter und 
Nadeln ein, wenn, während der Boden noch gefroren iſt, direkte Sonne 
oder warme Südwinde in den Blättern die Verdunſtung anregen. Nach 
R. Hartig) ſoll dies ſogar an älteren Fichten und Tannen vorkommen, 
die an ſüdlichen Beſtandesrändern und Böſchungen ſtehen, und in den 
Alpen in Lagen, welche dem warmen Südwinde am meiſten exponiert ſind. 
Beſonders leicht kann dieſer Fall an jungen Kiefern eintreten, deren 
mehr ſeichte Wurzeln im Bereiche des Froſtes liegen; die Erſcheinung 
iſt hier unter dem Namen Schütte bekannt, welche vorzugsweiſe an 
jungen Kiefern, beſonders zwei- bis fünfjährigen Sämlingen, im 
zeitigen Frühjahre auftritt, wobei die Nadeln ſchnell braun oder rot— 
braun und dürr werden und abfallen; die Pflanzen gehen infolge 
deſſen ein oder erholen ſich erſt nach längerer Zeit wieder. Es iſt 
ſicher, daß Schütte verſchiedene Urſachen, insbeſondere auch pilzpara⸗ 
ſitäre, von denen ſpäter die Rinde ſein wird, haben kann. Aber nach 


) Bot. Zeitg. 1860, pag. 124. | 
2) Unterſuchungen aus dem forſtbot. Inſtitut München. I., pag. 133. 


2. Kapitel: Die Temperatur 223 


den vieljährigen Beobachtungen Ebermayer's 9) iſt kaum zu be- 
zweifeln, daß die Schütte in den meiſten Fällen die Folge einer durch 
die warme Frühjahrsſonne in den Nadeln angeregten Verdunſtung iſt, 
während gleichzeitig die Wurzeln in dem noch kalten Boden noch keine 
waſſeraufſaugende Thätigkeit ausüben, ſo daß die Pflanzen, die noch 
nicht im Beſitze eines ſehr entwickelten Holzkörpers find, alſo ſelbſt 
wenig Waſſer enthalten, alsbald den Nadeln keine genügende Feuchtig— 
keit mehr zuführen können. Denn die Krankheit tritt nach jenen Beob— 
achtungen beſonders in trockenen Frühjahren ein, in denen die Tage 
warm, die Nächte kalt ſind; häufiger in der Ebene als in den Ge— 
birgen, und beſonders ſtark an den Süd- und Weſtſeiten der Berge, 
faſt nie an den Nordabhängen; ferner in freien Lagen beſonders ſtark, 
dagegen nicht dort, wo benachbarter Waldbeſtand ꝛc. gegen die Mittags- 
ſonne ſchützt; ebenſo entgehen die Pflanzen der Schütte, wenn ſie mit 
Reiſig u. dergl. bedeckt find, ſelbſt ſchon, wenn fie unter hohen Gräſern 
oder Sträuchern wachſen, wodurch die Inſolation abgehalten und auch 
die Verdunſtung vermindert wird. In der That fand Ebermayer 
die Temperatur des Bodens zur Zeit, wo die Schütte ſich zeigt, bis 
zu 1,3 m Tiefe in der Regel noch nicht + 4“ R., während die Luft— 
temperatur im Schatten nicht ſelten auf 20° ſteigt. Daher find auch 
warme Regen, lange liegenbleibender Schnee, Streubedeckung und alles, 
was die Abkühlung des Bodens verhindert oder vermindert, des— 
gleichen Lockerung eines zu feſten und Entwäſſerung eines zu naſſen 
Bodens, überhaupt alles, was die Durchwärmung des Bodens er— 
leichtert, Schutzmittel gegen dieſe Beſchädigung. Ganz ähnliche Er— 
ſcheinungen zeigten ſich nach Breitenlohner? auch nach dem ab— 
normen Winter 1881/82 an den immergrünen Hochgebirgsſträuchern 
in den Alpen, wie Pinus pumilio, Juniperus nana, Rhododendron, 
Calluna vulgaris, Vaccinium und Empetrum, deren Belaubung an 
den ſonnigen Berglehnen fuchsrot wurde und abſtarb, aber dort un— 
verſehrt blieb, wo irgendwie Deckung gegen die Sonne gegeben war. 
Der genannte Beobachter kommt ebenfalls zu dem Schluſſe, daß unter 
Berückſichtigung der mangelnden Feuchtigkeit jenes Winters und der 
relativen Trockenheit der Luft in höheren Gebirgsgegenden bei dieſer 
Froſtwirkung die Trockenheit die Urſache des Abſterbens geweſen iſt. 


) Die phyſikaliſchen Einwirkungen des Waldes auf Luft und Boden 
(Reſultate der forſtl. Verſuchsſtat. in Bayern I. Aſchaffenb. 1873). 

) Der Winterbrand der Holzgewächſe in den Alpen. Forſchungen auf 
dem Geb. d. Agrikulturphyſik 1885, pag. 137. 


Störung der 
Chlorophyll» 
bildung. 


224 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


G. Holzner) ſucht dagegen die Urſache der Schütte der Kiefern all— 
gemein in einer direkten Froſtwirkung auf die Nadeln, indem er her— 
vorhebt, daß alle Umſtände, welche nach Ebermayer die Schütte ver— 
hüten, zugleich vor Wärmeausſtrahlung, vor Erfrieren der Pflanzen 
ſchützen. Dieſe Bemerkungen können jedoch die Ebermayer'ſche Er— 
klärung nicht entkräften. Daß Kiefern oder einzelne Aſte derſelben 
erfrieren können und die Nadeln dadurch abſterben, rot werden 
und abfallen, iſt ja nicht beſtritten und wenn man das auch 
Schütte nennen will, ſo iſt ſelbſtverſtändlich Froſtbeſchädigung mit 
zu den Urſachen der Schütte zu rechnen. Eine ganz andere Er— 
klärung der Schütte ſucht Sorauer? zu geben. Das Abwerfen 
der Nadeln ſei nicht Folge des Vertrocknens durch Verdunſtung; 
vielmehr werde wegen gefrorenen Bodens und wegen ſtarker nächt— 
licher Abkühlung „die Ernährung der geweckten Baſalzone des Nadel— 
büſchels geſtört,“ „das dort mobiliſierte Material fließe nicht in die 
erſt ſpäter zur Thätigkeit erweckbare Nadel ab, die Nadel rötet ſich 
und ſterbe ab infolge der Störung in der ſie tragenden Achſe, welche 
ſich zur vorzeitigen Bildung einer Korkſchicht anſchickt und damit die 
Leitung in die Nadel aufhebt.“ Ich muß geſtehen, daß dieſe lange 
Kette ſupponierter Prozeſſe, von denen kein einziger bis jetzt erwieſen 
iſt, mir unverſtändlich iſt. übrigens finden ſich ja in der Kiefernadel 
während des Winters reichlich Reſerveſtoffe, wie eine einfache Unter— 
ſuchung lehrt. Gewiß hat Sorauer recht, daß bei manchen anderen 
Pflanzen infolge ſchnellen Wechſels der Vegetationsbedingungen und 
wohl auch der Temperatur Blattabfall zur Unzeit eintreten kann. 
Aber um alle dieſe mannigfaltigen Erſcheinungen urſächlich aufzuklären, 
bedurfte es ſorgfältiger und vorſichtig-kritiſcher Unterſuchungen. 

4. Zur Ergrünung der Chlorophyllkörner iſt nicht bloß 
das Licht, ſondern auch eine gewiſſe Temperatur erforderlich. Die 
untere Temperaturgrenze liegt nach Sachs?) für Phaseolus multiflorus, 
Zea Mais und Brassica Napus oberhalb + 6 C., bei Pinus Pinea 
zwiſchen + 7 und 11° C., die obere für die genannten Pflanzen etwas 
oberhalb + 33° C., für Allium cepa oberhalb + 36° C. Wenn daher 
die Pflanzen in Temperaturen ſich befinden, welche jenſeits dieſer 
Grenzen liegen, wobei ſie ſich ja noch zu entwickeln vermögen, ſo 
bleiben die neugebildeten Blätter gelb, wie beim Etiolieren im Dunkeln. 
Das Unterbleiben der Chlorophyllbildung in zu ſtark erwärmten Glas⸗ 


1) Beobachtungen über die Schütte der Kiefer ꝛc. Freiſing 1877. Vergl. 
auch Juſt, bot. Jahresber. für 1877, pag. 856. 

2) Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 336. 

3) Experimentalphyſiologie, pag. 55. 


PPP 


l 
E 


ee 


2. Kapitel: Die Temperatur 225 


häuſern wurde ſchon von Decandollet) beobachtet und „falſches 
Etiolement“ genannt. In kühlen Frühjahren ſind ebenfalls derartige 
Erſcheinungen an Kräutern wie an Holzpflanzen hin und wieder zu 
beobachten. Einen Fall, wo ganze Rapsfelder infolge niederer Tem— 
peratur im März und April gelb oder gelb- und grünſcheckig aus— 
ſahen, beſchreibt Ritzema Bos). Auch in den Alpen ſah ich un— 
mittelbar am Rande des Firns Soldanella, die vor kurzem erſt vom 
Schnee frei geworden war und ſoeben ihre Blätter aus der Knoſpe 
entfaltet hatte, etioliert. Dagegen muß wohl der winterlichen Algen— 
vegetation der nordiſchen Meere und der Alge des roten Schnees, von 
denen oben die Rede war, auch die Fähigkeit, bei 0° Chlorophyll zu 
bilden, zuerkannt werden. 

Das Unterbleiben der Chlorophyllbildung infolge niederer Tem— 
peratur läßt ſich am beiten an unſeren zeitigen Frühjahrs-Monsokotyle— 
donen beobachten. Die folgenden Angaben beziehen ſich auf Colchi- 
cum speciosum, Ornithogalum pyramidale, Tulipa turcica, Agraphis 
patula und campanulata, Galanthus nivalis und plicatus, Leucojum 
vernum, Allium ursinum, Arum maculatum, an denen ich die Er— 
ſcheinung unterſucht habe. Gewöhnlich find die jungen aus der Erde 
kommenden Blätter nahe der Spitze in einer mehr oder weniger großen 
Strecke gelb oder weiß gefärbt und oft an dieſen Stellen noch von 
einigen grünen Streifen mehr oder weniger durchzogen: der ſpäter 
aus der Erde ſich hervorſchiebende übrige Teil des Blattes kommt grün 
zum Vorſchein, wenn inzwiſchen die Temperatur wieder geſtiegen iſt. 
Gewiß iſt, daß oft mit ſteigender Temperatur das Gelb in Grün ſich 
verwandelt, indem mit Eintritt ihrer Bedingung die Chlorophyllbildung 
nachgeholt wird, und das iſt auch die bisherige gewöhnliche Annahme 
in der Phyſiologie. Sehr oft aber bleibt, wie ich bereits in der 
1. Auflage dieſes Buches S. 213 erwähnt habe, auch trotz der Er— 
höhung der Temperatur die Gelbfärbung konſtant und erhält ſich bis 
tief in den Sommer hinein, es erfolgt überhaupt keine Ergrünung 
der gelben und weißen Stellen, während der übrige Teil des Blattes 
normal grün und lebendig iſt. Es tritt alſo eine chroniſche partielle 
Gelbſucht (ieterus) und Bleichſucht (chlorosis) ein, im Ausſehen 
genau gleich den gewöhnlich totalen gleichnamigen Krankheiten, welche 
die Folgen des Eiſenmangels in der Nahrung ſind. Gleich nach der 
Entſtehung in den Kältetagen findet man in den gelben (icteriſchen) 
Stellen die Chlorophyllkörner der Meſophyllzellen von gelbgrüner 


) Physiologie vegetale III., pag. 1114. 
2) Zeitſchrift f. Pflanzenkrankheiten. II. Band 1892, pag. 136. 
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 15 


Süßwerden der 
Kartoffeln. 


226 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe 


Farbe, aber im übrigen, auch was ihre Verteilung in der Zelle an- 
langt, unverändert. Wo dieſe Stellen in die farbloſen (chlorotiſchen) 
übergehen, findet man alles ebenſo, aber die Chlorophyllkörner farb- 
los, übrigens ein wenig kleiner und minder zahlreich. Die übrigen 
Zellen der farbloſen Partien ſtellen das Extrem dar: das Protoplasma 
enthält nur feine Körnchen, keine Chlorophyllkörner; es bildet einen 
Saftraum, der oft von Plasmaſträngen durchſtrömt iſt und hat einen 
wandſtändigen Zellkern. Dieſe gleichzeitig vorhandenen verſchiedenen 
Zuſtände können wohl nur ſo gedeutet werden, daß die Zellen in ſehr 
verſchiedenen Entwickelungsſtadien von der die Chlorophyllbildung 
hemmenden kühlen Temperatur überraſcht wurden. Daß auch ſpäter 
bei günſtiger Temperatur Ergrünung der bleichen Stellen nicht eintritt, 
hat vielleicht ſeinen Grund darin, daß dieſe Zellen nur in demjenigen 
jugendlichen Ausbildungszuſtande Chlorophyllkörner bilden können, 
in welchem dies normal geſchieht, aber nicht mehr dann, wenn ſie 
durch die Geſamtentwickelung der Gewebe in den Dauerzuſtand über— 
gegangen ſind. Ein Widerſpruch hiermit iſt es nicht, daß durch 
Dunkelheit etiolierte Pflanzenteile am Lichte faſt zu jeder ſpäteren Zeit 
nachträglich ergrünen, denn durch Dunkelheit wird eben gerade die 
Zelle auf jenen frühzeitigen Entwickelungsſtadien zurückgehalten, was 
bei niederer Temperatur gerade gar nicht der Fall iſt. Während des 
Sommers verlieren die chlorotiſchen Zellen immer mehr ihr Proto— 
plasma; an die Stelle desſelben tritt wäſſerige Flüſſigkeit, endlich Luft; 
die Zellen kollabieren etwas, ſterben langſam ab, wobei die bleichen 
Stellen ſich oft ſchwach bräunen, auch die benachbarten Zellen teil— 
weiſe mit in die Desorganiſation hineingezogen werden und die 
Chlorophyllkörner derſelben ſich auflöſen. 

5. Das Süßwerden der Kartoffeln in 565 Kälte. Dieſe 
bekannte Erſcheinung iſt lange Zeit unerklärt geweſen. Göppert)) 
hielt ſie irrtümlich für einen nur in ſchon getöteten Zellen eintretenden 
chemiſchen Prozeß, denn ſüß gewordene Kartoffeln ſind keineswegs 
immer tot. Einhof ) ſtellte feſt, daß Kartoffeln nur dann ſüß werden, 
wenn die Temperatur dem Gefrierpunkt nahe oder nur wenige Grade 
unter demſelben iſt, und der Zuckergehalt ſoll ſich vermehren, wenn 
fie abwechſelnd einer Temperatur von -+ 8 bis 12° und — 1 bis 2° 
ausgeſetzt werden, während Kartoffeln, die bei ſtarker Kälte ſteinhart 
gefrieren, keinen Zucker bilden, wodurch alſo erwieſen iſt, daß der 
Zuckererzeugungsprozeß ein Lebensvorgang iſt. Aber erſt neuerdings 


*) Wärmeentwickelung, pag. 38. 
2) Gehlen's neues allgem. Journ. d. Chemie, Berlin 1805, pag. 473 ff. 


3. Kapitel: Die Niederſchläge 227 


iſt der Vorgang durch Müller-Turgaut) in befriedigender Weiſe 
aufgeklärt worden. Derſelbe wies nach, daß in der Kartoffelknolle 
beſtändig, auch während des Winters, eine Umwandlung von Stärke 
in Zucker ſtattfindet, daß dieſer Zucker aber durch die gleichzeitig ſtatt— 
findende Atmung immer wieder verbraucht wird; bei niederer Tempe— 
ratur dauert nun dieſe Zuckerbildung fort, während die Atmung in 
der Kälte immer geringer wird, ſo daß alſo Zucker wegen des ge— 
ringeren Verbrauches angehäuft wird. Darum werden ſüß gewordene 
Kartoffeln in Temperaturen über 10° Wärme, wo der Atmungs⸗ 
prozeß lebhafter wird, wieder entſüßt. Die ebenfalls von Müller— 
Thurgau gemachte Beobachtung, daß die durch Kälte ſüß gewordenen 
Kartoffeln, in einen warmen Raum gebracht, ſich viel raſcher ent— 
wickeln, als nicht ſüße, erklärt ſich daher wohl aus der größeren Menge 
des auf einmal disponiblen Zuckers. 

6. Der Froſtgeſchmack der Weinbeeren tritt ein, wenn vor 
der Traubenleſe ſtärkere Kälte geherrſcht hat; er teilt ſich auch dem 
daraus bereiteten Moſt mit. Traubenſaft ſoll durch Gefrieren dieſe 
Veränderung nicht erleiden. Es iſt daher nicht unwahrſcheinlich, daß 
durch Diffuſſion aus den Beerenſtielen irgend welche Stoffe, welche 
jene Veränderung bewirken, in die Beeren gelangen nach Tötung der 
Zellen durch den Froſt !). 


3. Kapitel. 
Die Niederſchläge. 


Froſtgeſchmack 
der Weinbeeren 


1. Der Regen kann erſtens eine mechaniſche Zerſtörung an Wa e 


zarteren Pflanzenteilen hervorbringen. Durch heftige Platzregen werden 
Blüten und kleinere Blätter wirklich abgeſchlagen. Zweitens ſchadet 
der Regen aber auch, wenn er zu lange anhält. Man bemerkt dann 
nicht ſelten ein Aufſpringen voluminöſer Pflanzenteile, bei denen das 
eindringende Regenwaſſer eine bis zum Aufplatzen ſich ſteigernde Ge— 
webeſpannung bewirkt, wobei jedoch das Vorhandenſein kleiner Wund— 
ſtellen, die dem Waſſer Eingang geſtatten, eine Bedingung iſt, weshalb 
wir die Erſcheinung ſchon bei den Wunden (S. 113) beſprochen haben. 
Lange anhaltendes Regenwetter während der Blütezeit kann die Be— 
fruchtung der Blüten vereiteln, nicht bloß, weil es die zur Beſtäubung 
der Blüten notwendigen Inſekten vom Blütenbeſuche abhält, ſondern 
auch, weil das Regenwaſſer, wenn es in die Blüte eindringt und die 
Antheren benetzt, das Aufſpringen der letzteren und das Austreten des 


) Landwirtſchaftliche Jahrbücher 1883. 
2) Vergl. Dahlen, Annalen der Onologie, VI. Bd., 1. Heft. 
15 * 


rch Regen. 


Beſchädigungen 
durch Hagel. 


228 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe 


Pollens aus denſelben mehr oder weniger verhindert, denn das Auf— 
gehen der Antherenwand kommt nur durch das Trockenwerden der— 
ſelben zuſtande. Auch der Pollen ſelbſt kann durch längere Benetzung 
verderben, indem die Pollenkörner infolge der dabei eintretenden 
osmotiſchen Vorgänge platzen können. 

2. Der Hagel. Die gröberen Hagelkörner oder Schloßen bringen 
bedeutende Beſchädigungen an der Pflanzenwelt hervor. Krautartige 
Pflanzen können dadurch vollſtändig zerſchlagen und getötet werden, 
ſo daß alſo der ſtärkſte Grad der Hagelſchäden in einer völligen Ver— 
nichtung der Kultur beſteht. Bei ſchwächeren Graden ſieht man die 
verſchiedenartigſten Verwundungen. Einigermaßen ſtarke Krautſtengel 
werden von dem Hagelſtück an der getroffenen Stelle oft nur entrindet 
bis auf das Holz; ſie zeigen lange, weiße Flecken, welche auf den 
Rändern wieder verheilen können, wobei Rötung des Wundrandes 
eintritt, wenn dies überhaupt an den Wunden der betreffenden 
Pflanzenart der Fall zu ſein pflegt, wie z. B. bei Rumex. Bei dünneren 
Stengeln, alſo beſonders bei den Halmen, tritt aber meiſtens eine 
wirkliche Knickung ein, was bei den Halmen des Getreides allbekannt 
iſt; ſelbſt die dicken Halme des Schilfrohres kann der Hagel knicken. 
Schwacher Hagel knickt auch die Getreidehalme nicht, ſoudern bringt 
nur Schlagſtellen, die ſpäter weiß erſcheinen, hervor. Dieſelben rühren 
nach Sorauer) daher, daß daſelbſt das in Streifen liegende grüne 
Rindenparenchym durch Quetſchung getötet iſt, das Chlorophyll ver— 
loren hat und derart zuſammengetrocknet iſt, daß Luft an ſeine Stelle 
getreten iſt, welche die weiße Farbe bedingt. An den wirklichen Knick— 
ſtellen der Getreidehalme ſind aber gewöhnlich alle Gewebe getötet; 
dann wird das darüber befindliche Stengelſtück nicht weiter ernährt 
und ſtirbt ab; bei Getreidehalmen iſt dies der gewöhnlichſte Fall. 
Bei Kräuterſtengeln bleibt oft der organiſche Zuſammenhang an der 
Knickſtelle erhalten, das umgekehrte Stück lebt dann fort, indem es 
ſich durch negativen Geotropismus wieder mehr oder weniger aufwärts 
krümmt. Pflanzen, welche ſich von den unteren Teilen des Stengels 
aus durch neue Triebe beſtocken können, wie beſonders das Getreide, 
regenerieren ſich gewöhnlich durch ſolche Beſtockungstriebe, wenn die 
alten Halme vom Hagel zerſchlagen ſind; das Feld trägt dann nach 
einiger Zeit wieder neue, nur weniger dicht ſtehende Halme. Die 
Blätter werden durch den Hagel entweder ganz abgeriſſen oder ſo 
durchlöchert und zerfetzt, daß ſie verloren ſind, wobei die Mittelrippe 
am meiſten Widerſtand leiſtet. Die Blätter des Getreides werden ent⸗ 


5) Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 502. 


3. Kapitel: Die Niederſchläge 229 


weder der Länge nach zerriſſen oder am Grunde durchſchnitten, ſo daß 
ſie herunterhängen; die Blattſcheiden werden oft herabgeſchlagen und 
dadurch junge, noch eingeſchloſſen geweſene Ahren herausgebrochen. 
Von den älteren Ahren werden Körner abgeſchlagen, jo daß manch— 
mal die kahle Spindel ſtehen bleibt. Am Raps ſind die Schoten 
voller Schlagflecken, die die Ausbildung der Frucht hindern. An den 
dickeren Stengeln der Sukkulenten (Cacteen, Agaven, Aloen ꝛc.) 
bringen die Hagelkörner eine ihrer Größe entſprechende Wunde oder 
Quetſchung hervor, die Jahre lang als mißfarbige Stelle ſichtbar 
bleibt. Wenn niedergehagelte Stengel ſpäter weiter wachſen oder 
neue Triebe bilden, ſo kommen, wie nach Verwundungen überhaupt 
an den neu entwickelten Teilen mitunter Bildungsabweichungen vor, 
z. B. Chloranthien, wovon Hallier) ein Beiſpiel an Cicuta virosa 
anführt. Auch an den Holzpflanzen bewirkt der Hagel allerlei Ver— 
ſtümmelungen; unter den Bäumen iſt dann der Boden mit Blättern 
Früchten und Zweigen bedeckt; vom Weinſtock und anderen Sträuchern 
werden Blätter, Knoſpen, junge Triebe und Blüten abgeſchlagen. An 
allen Holzpflanzen bringt der Hagel auf den Zweigen und Aſten 
Quetſchwunden hervor, indem an jeder von einem Hagelſtück getroffenen 
Stelle Rinde und Cambium abgeſchunden oder durch Zerquetſchung 
getötet werden. Solche Wunden heilen ſchwer durch Überwallung, 
indem häufiger die getöteten Gewebepartien Ausgangspunkte tiefer 
ſich erſtreckender Fäulnis oder Krebsbildungen werden; Gummi- oder 
Harzfluß zeigen ſich oft in der Nähe und ſolche Wunden können 
ſpäter zu einem fortſchreitenden Siechtum der Zweige und Aſte Ver— 
anlaſſung geben, zumal da ſich daſelbſt auch leicht verſchiedene rinden— 
bewohnende paraſitiſche Pilze anſiedeln. Bei ſtarken Hagelverletzungen 
der Baumzweige iſt je nach Umſtänden ein Zurückſchneiden auf das ältere 
Holz oder ein Bedecken der Wunden mit den oben bei der Wunden— 
behandlung erwähnten Mitteln (S. 152) angezeigt. Endlich ſehen wir 
bei den Bäumen auch reifende Früchte, zumal Obſt, durch Hagel— 
verwundungen ſchadhafte Stellen bekommen. Auch der Samenbruch 
der Weinbeeren kann vom Hagel veranlaßt werden, indem das Fleiſch 
der jungen Beere an der Stelle, wo es durch den Schlag eines Hagel— 
kornes getötet iſt, ſich nicht ausbildet, ſo daß die Beere relativ kleiner 
bleibt und die Samen ein Stück aus der Schale hervorbrechen. Zwar 
ſah Hoffmann?) den Samenbruch durch Sonnenbrand, wenn durch 
eine Linſe oder durch Waſſertropfen die Sonnenſtrahlen auf die Beere 


1) Phytopathologie, pag. 51. 
2) Bot. Zeitg. 1872, Nr. 8. 


Schneedruck, 
Eisanhaug, 
Lawinen. 


230 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


— 


geleitet werden (ſ. Wirkungen hoher Temperatur, pag. 176), ſowie nach 
Verwundungen durch Inſekten eintreten, aber Mohr) hat verſichert, 
daß die am Rhein und an der Moſel allgemein bekannte Erſcheinung 
vorzugsweiſe Folge des Hagelſchlags, daher auch in manchen Jahren 
gar nicht zu beobachten ſei. 

3. Schneedruck, Eisanhang, Lawinen. Von einem ſchäd— 
lichen Einfluß des Schnees auf die Pflanzen kann nur da geredet 
werden, wo derſelbe durch ſeine Maſſe mechaniſch zerſtörend wirkt. 
Hierher gehört der Schneebruch, der an den Bäumen in den Forſten 
durch den Schnee- und Eisanhang angerichtet wird. Am meiſten leiden 
darunter diejenigen Bäume, bei denen die Form der Krone die Auf— 
lagerung großer Schneemaſſen geſtattet, alſo die immergrünen Nadel— 
bäume, die auch im Winter ihre Belaubung tragen, und unter dieſen 
wiederum diejenigen, welche dachförmige Aſte haben, wie beſonders die 
Weißtanne und die Fichte. Auf den Aſten dieſer Bäume können ſich 
ſo bedeutende Maſſen von Schnee und Eis anhäufen, daß unter dieſer 
Laſt dem Baume die Aſte brechen oder er ſelbſt im Gipfel oder tiefer 
am Stamme gebrochen, oder auch der ganze Baum umgeworfen wird; 
in manchen Jahren werden auf dieſe Weiſe arge Verheerungen in den 
Wäldern angerichtet, beſonders in den Gebirgsgegenden, weil dort die 
Schneefälle häufiger ſind und der einmal gefallene Schnee ſelten gleich 
wieder wegtaut, daher ſich anhäuft. An den Abhängen werden die Bäume 
durch den Schneedruck am leichteſten geworfen. Schneebruch in den 
Aſten und Stämmen hängt natürlich auch mit dem Grade der Sprödig— 
keit des Holzes zuſammen. Auch Obſtbäume haben durch Schneedruck 
zu leiden, beſonders der Apfelbaum mit feinen flachen, ausgebreiteten 
Aſten, wo bisweilen die Kronen förmlich auseinander geſpalten werden. 
In ſolchem Falle muß man durch geeignetes Zuſammenklammern oder 
Unterſtützen der eingeſpaltenen Aſte den Baum zu erhalten ſuchen. 

Eis- oder Duftanhang an den Bäumen bildet ſich, wenn im 
Winter die Pflanzen unter 0° abgekühlt find und ein warmer Aqua⸗ 
torialſtrom in den langſam weichenden Polarſtrom eindringt. In 
mäßigem Grade iſt dieſe Erſcheinung unter dem Namen Rauhreif 
bei uns bekannt und faſt alljährlich zu beobachten. Selten nimmt ſie 
einen für die Bäume bedrohlichen Grad an, wie in dem von Breiten- 
lohner?) beſchriebenen, im Januar 1879 im Wiener Walde aufge- 
tretenen Falle. Der Eisanhang erhielt ſich hier 9 Tage und vermehrte 
ſich ſo, daß die dünnſten Zweige bis zur Dicke eines Schiffstaues 


) Bot. Zeitg. 1872, pag. 130. 
2) Forſchungen auf d. Geb. d. Agrikulturphyſik, 1879, pag. 497. 


41 
h * 

3 

nn 


3. Kapitel: D ie Niederſchläge 231 


heranwuchſen. Aus den Tannen wurden wirkliche Eispyramiden, indem 
die Eisanhänge der oberen Aſte bis an die unteren Aſte reichten und an 
dieſe angefroren waren. Durch die Belaſtung wurden viele Baum— 
ſtämme gebrochen. In den tieferen Lagen beſtand der Anhang aus 
wirklichem durchſichtigen Glatteis, auf den Höhen mehr aus einem 
Gemenge von Eis und Duft. In derſelben Weiſe ſchwächte ſich der 
Eisanhang von dem Waldrande aus nach dem Innern zu allmählich 
zu bloßem Duftanhang ab. 


In den Hochgebirgen richten die Lawinen Verwüſtungen an der 
Vegetation an. Das gewöhnliche Bild, welches dieſelben hinterlaſſen, 
wenn ſie auf Wald treffen, iſt das der radikalſten Verwüſtung: der 
ganze im Bereich der Lawine befindliche Strich des Waldes liegt wie 
niedergemäht, und aus dem Choas der wirr durch einander geſtürzten 
Stämme ragen nur etwa noch einzelne in ſchiefer Richtung auf, welche 
nicht gebrochen waren und am Leben ſich erhalten haben. Eigentüm— 
liche Abnormitäten bilden ſich an Holzpflanzen infolge ſtetig wieder— 
holter Lawinenſtürze aus, wie dies in manchen engen Alpenthälern 
vorkommt, wo Lawinen immer an denſelben Stellen niedergehen und 
zu ſtändigen Erſcheinungen werden. So ſieht man z. B. im Eisthal, 
einem engen Seitenthale unmittelbar am Fuße des Watzmann in den 
bayriſchen Alpen in der Nähe des hinteren Thalſchluſſes, der von ſteilen, 
faſt kahlen Wänden gebildet wird und mit Schnee, meiſt Lawinenreſten, 
erfüllt iſt, einzelne Laubbäume noch bis an den Firn herangehen; die— 
ſelben haben den fortwährenden Lawinen getrotzt; aber wie ſie das 
konnten, das iſt in ihrem Ausſehen ausgeprägt: vorwiegend ſind es 
jüngere Bäume, deren biegſame Stämme von den Schneemaſſen nicht 
gebrochen ſondern gebogen wurden, und alle ſtehen ſchief, ſämtlich mit 
nach vorn, thalabwärts, geneigten Stämmen und oft im Gipfel ge— 
brochen, oder nur an der thalabwärts gekehrten Seite beäſtet, weil alle 
der Lawine entgegenſtehenden Aſte gebrochen wurden. Zwiſchen den— 
ſelben findet man noch eine Menge Krüppelformen von Buchen u. ſ. w., 
welche, durch den Schneebruch fortwährend verſtümmelt, zu niederen, 
dichtbuſchigen Sträuchern geworden ſind, welche etwa an die durch 
künſtlichen Schnitt oder durch Verbeißen des Wildes entſtehenden 
Strauchformen erinnern. Überdies ſind dieſe Gehölze bedeckt mit 
Wunden, die mehr oder weniger durch Überwallung geheilt ſind; ſelbſt 
am Laub zeigen ſich Verwundungen durch ſpäte Schneeſtürze. 


1 
XD 


3 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


4. Kapitel. 
Der Sturm. 


Beſchädigungen Beſchädigungen der Blätter. Durch ſehr heftigen Wind werden 
der Blätter durch i 1 r 8 1 12 
den Sturm. an den Blättern, beſonders an denjenigen der Bäume, Beſchädigungen 
hervorgebracht, nicht bloß inſofern als ganze Blätter oder beblätterte 
Zweiglein abgebrochen werden, ſondern auch an den ſtehenbleibenden 
Blättern, die dann im ganzen lebend bleiben, aber einzelne beſchädigte 
Stellen zeigen. Die Verwundungen, wobei Blätter zwiſchen den Seiten— 
rippen eine Reihe von Löchern zeigen, oder fiederförmig eingeriſſen ſind, 
wurden von Caspary), der dies bei Roßkaſtanien, und von Magnus?), 
der es an Rotbuchen bemerkte, als Folgen der Reibung der noch ge— 
falteten jungen Blätter bei Sturm betrachtet. Wir haben jedoch dieſe 
Erſcheinungen oben mit A. Braun als Froſtwirkungen hingeſtellt. 
Caspary will das freilich beobachtet haben nach Sturm, wobei kein 
Froſt herrſchte. Allerdings bringt, wie ich Anfang Juli, wo alſo von 
keinem Froſt die Rede ſein konnte, beſonders an exponiert ſtehenden 
Obſtbäumen beobachtete, der Sturm an völlig erwachſenen Blättern 
infolge der heftigen Schläge und Reibungen, die dabei der Blattkörper 
erleidet, allerhand ſchadhafte Stellen hervor, die ſpäter trocken und grau 
ausſehen und vom Blattrande aus mehr oder weniger weit in die Blatt— a 
fläche hineingehen, jedoch ſehr unregelmäßig verteilt ſind. 
Beſchädigungen Beſchädigungen der Baumſtämme. Die Folgen heftigen 
es Sturmes an den Bäumen find entweder Windfall oder Windbruch. 
den Sturm. Erſterer bezeichnet das Umſtürzen des ganzen Baumes unter teilweiſer 
Löſung der Wurzeln aus dem Boden, letzterer das Brechen des Baumes 
in der Krone, oder in einzelnen Aſten oder tiefer am Stamme unter 
Stehenbleiben der Wurzeln und wenigſtens des unteren Stammſtückes. 
Die den Windfall verurſachende Entwurzelung hängt ſowohl von der 
Wurzelbildung des Baumes als auch von der Beſchaffenheit des Bodens 
ab. Alle Bäume, welche keine tief gehende Pfahlwurzel, ſondern eine 
mehr in der oberen Bodenſchicht entwickelte Bewurzelung haben, daher 
vor allen unſre Nadelbäume, erliegen unter ſonſt gleichen Umſtänden 
dem Windfall viel leichter als die tiefwurzeligeren Laubbäume. Daher 
bietet ſich in Nadelwäldern nach Orkanen oft ein Bild der ſchrecklichſten 
Verwüſtung. Da ſtehen oft nur noch wenige Stämme aufrecht, alle 
übrigen ſind in den verſchiedenſten Richtungen regellos durch einander 


5) Bot. Zeitg. 1869, Nr. 13. 
2) Verhandl. des Bot. Ver. d. Prov. Brandenburg XVIII. und IX. 


4. Kapitel: Der Sturm 233 


geſtürzt!). Auch die aus Stecklingen erzogenen Bäume werden leichter 
entwurzelt, weil ſie nicht wie die Sämlinge eine Pfahlwurzel, ſondern 
nur Seitenwurzeln beſitzen. Die Beſchaffenheit des Bodens iſt inſo— 
fern von Einfluß, als Bäume auf flachgründigem Gebirgsboden, wo 
ſie nur in einer ſehr dünnen Bodenſchicht ihre Wurzeln bilden können, 
vom Sturme viel leichter geworfen werden, als die, welche ſich auf 
tiefgründigem Boden bewurzelt haben. Auch erhöht jeder leichte, lockere 
Boden, alſo beſonders der Sandboden, die Gefahren des Windfalles 
im Vergleich zu ſchwereren, feſteren Bodenarten, und das gleiche Ver— 
hältnis beſteht zwiſchen dem nicht gefrorenen und dem gefrorenen Erd— 
boden. Windbruch tritt dagegen ein, wenn die Bewurzelung im Boden 
jo feſt iſt, daß ſie nicht nachgiebt. Der Windbruch hängt hauptſächlich 
von der Beſchaffenheit des Holzes ab; er tritt leichter ein an Bäumen, 
welche ſpröde, brüchige Aſte beſitzen, als an ſolchen, deren Aſte bieg— 
5 ſamer ſind, am leichteſten aber an hohlen und kernfaulen Stämmen und 
Aſten. Die Bruchſtellen liegen dabei bald an der Urſprungsſtelle eines 
Aſtes, bald entfernter davon; ſie ſtellen dabei ſtelbſtverſtändlich keine 
glatten Flächen, ſondern Zerſplitterungen dar; bisweilen werden Streifen 
von Splint und Rinde von der Bruchſtelle aus weit herab abgeſchält, 
oder von der Verzweigungsſtelle aus iſt der unter derſelben befindliche 
Aſt oder Stamm geſpalten. Es handelt ſich alſo hierbei meiſt um 
Wunden im großen Maßſtabe und um ſolche, welche am ſchwerſten 
heilen und in der Folge oft zu Krankheiten oder zu Wundfäule (pag. 106) 
führen. 

Windfall hat den Tod des Baumes zur Folge, ſobald die Folgen des 
Wurzeln größtenteils mit ausgehoben oder abgeriſſen find. Doch ſieht i 
man mitunter vom Sturm geworfene Fichten und Tannen, welche noch 
genügend bewurzelt geblieben ſind, um ernährt werden zu können. 
Dieſe vegetieren dann unter eigentümlichen Formen weiter. Iſt der 
Baum in horizontaler Lage auf den Boden hingeſtreckt, ſo bekommen 
oft eine Anzahl der an der zenithwärts gekehrten Seite des Stammes 
entſpringenden und daher ungefähr vertikal ſtehenden Aſte die Fähig— 
keit, unter kräftigerer Entwickelung ſenkrecht aufwärts fortzuwachſen, 
wie eine Hauptaxe, und ſich mit horizontal abſtehenden Zweigen zu 
bekleiden, ſo daß auf dem gefallenen Stamme eine Reihe kleiner 
ſekundärer Bäumchen aufgewachſen iſt, die dann gewöhnlich am Grunde 
ſelbſtändig Wurzel ſchlagen. Die ſie trennenden Stücke des Haupt— 


) Über die Gegenden Deutſchlands, welche beſonders oft vom Sturm 
heimgeſucht werden, vergl. Bernhardt, eitiert in Forſchungen auf d. Gebiete 
d. Agrikulturphyſik 1880, pag. 527. 


ER 


234 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


ſtammes können dann allmählich trocken werden. Dieſelben Wuchs— 
verhältniſſe ſah Middendorf) auch an einer umgeſtürzten Birke. 
Die aufwärts gekehrten Seitenäſte können auch ſchon dann in dieſer 
Weiſe beeinflußt werden, wenn der Baum nicht vollſtändig gefallen, 
ſondern nur in ſehr ſchiefe Richtung gekommen iſt, wie z. B. bei einer 
wegen dieſer Form „Harfe“ genannten Tanne, welche bei Sommerau, 
unweit Zittau, zu ſehen iſt. Fichten, welche an ſchmalen Abſätzen ſteiler 
Felswände gewachſen ſind, werden wegen der hier ſchwachen Befeſti— 
gung der Wurzeln leicht geworfen und hängen dann bisweilen, wenn 
die Wurzeln ſich nicht gelöſt haben und den Baum weiter ernähren, 
köpfüber an der Felswand herunter, während der Gipfeltrieb durch 
Geotropismus in faſt halbkreisförmiger Krümmung ſich aufgerichtet 
hat und vertikal nach oben weiter gewachſen iſt, wie man derartige 
Bilder z. B. im Bodethal im Harz antrifft. — Eine ebenfalls durch 
den Wind bedingte ſehr häufige Erſcheinung iſt die ſchiefe Richtung 
der Baumſtäm me, die man mehr oder weniger an den meiſten ganz 
frei ſtehenden, beſonders an den Chauſſeen und Landwegen an— 
gepflanzten Bäumen ſieht, welche, wie man ſich ausdrückt, „geſchoben“ 
ſind, d. h. in der herrſchenden Windrichtung (bei uns meiſtens von 
Weſt) ſchief ſtehen. Aus derſelben Urſache erklärt ſich der ſogenannte 
„Säbe lwuchs“, wobei die Baumſtämme im unteren Teile ſchief, 
nach oben zu allmählich aufwärts gekrümmt erſcheinen, was durch 
die negativ geotropiſchen Krümmungen der jungen Gipfeltriebe zu 
ſtande kommt. Sehr ſchief gedrückte Stämme bekommen die Neigung, 
auf der zenitwärts gewandten Seite reichlichere Triebe zu bilden, welche 
zu üppig und ſenkrecht aufſchießenden ſogenannten Waſſerreiſern werden, 
die lange Zeit unfruchtbar bleiben und die Entwickelung der frucht- 
tragenden Zweige des Baumes beeinträchtigen. Einen Schutz gegen 
dieſe Richtungsänderungen gewährt es, wenn der Baumpfahl ſchräg 
gegen die Windrichtung geſteckt wird. 

Folgen des Die Folgen des Windbru ches find im Allgemeinen ſchon oben 
5 im Kapitel von den Wunden angedeutet worden. Es iſt dort die Rede 
der Baumgrenze. davon, daß die Nadelhölzer den abgebrochenen Gipfel durch einen auf- 

wärts wachſenden Seitentrieb zu erſetzen ſuchen, daß ſie aber mit wenig 
Ausnahmen nicht die Fähigkeit beſitzen, durch Adventivknoſpen unter 
den Wundſtellen den Verluſt älterer Aſte zu erſetzen, daher zu Grunde 
gehen, wenn ihnen der Sturm die ganze Krone abgebrochen hat, indem 
ſie aus dem Stocke keine Ausſchläge zu bilden vermögen, daß dagegen 
die Laubhölzer dadurch nicht getötet werden, weil ſie Stockausſchläge 


1) Pflanzenwelt Norwegens, pag. 166 u. 184. 


4. Kapitel: Der Sturm 235 


machen. Den bedeutendſten Einfluß auf die Baumform hat das Bor- 
kommen an der Baumgrenze in den Gebirgen und im hohen Norden 
ſowie an den Meeresküſten, weil bei den hier herrſchenden heftigen 
Stürmen der Windbruch zu einer immer wiederkehrenden Erſcheinung 
wird. Die eigentümlichen Baumformen, durch welche jene Gegenden 
charakteriſiert ſind und über welche ich die nachfolgenden Beobachtungen 
ſchon in der erſten Auflage dieſes Buches mitgeteilt habe, erklären ſich 
in der That als Wirkungen des Sturmes, was ich ebenfalls am an— 
gegebenen Orte ſchon begründet habe. Für den Krüppelwuchs der 
Holzgewächſe an den Seeküſten hatte ſchon Borggreve) den mecha— 
niſchen Einfluß des Windes als die einzig nachweisliche Urſache be— 
zeichnet. An der Grenze der Fichte auf den Gebirgen giebt es keinen 
eigentlichen Baumwuchs mehr. Die Fichten, ſelbſt die alten mit ſchenkel— 
dicken Stämmen, können ſich hier nicht über einen oder wenige Meter 
erheben: ihr Gipfel wird immer verbrochen, und ſo oft ſie auch einen 
neuen zu machen ſuchen, ereilt dieſen dasſelbe Schickſal; faſt jede 
Fichte iſt hier gipfeldürr, endigt in einen oder mehrere Spieße. Die 
Beäſtung iſt an dieſen Fichten vorwiegend einſeitig, und zwar ſind die 
Aſte aller Individuen nach einer und derſelben Himmelsgegend ge— 
kehrt. In unſern norddeutſchen Gebirgen, wie auf dem Brocken, auf 
den Kuppen des Erzgebirges und auf dem Kamme des Rieſengebirges, 
iſt das die öſtliche Richtung, weil hier die herrſchenden Stürme aus 
Weſten kommen und der Sturm notwendig zur Folge hat, daß die ihm 
entgegenſtrebenden Aſte gebrochen werden, während er auf die an der 
entgegengeſetzten Seite des Stammes befindlichen nur als Zug wirken, 
und ihnen daher weniger ſchaden kann. Eine weitere Eigentümlichfeit 
iſt, daß dieſe Krüppel vom Boden an beäſtet find und daß gerade 
die unterſten Aſte, welche in dem Heide- und Vacciniengeſtrüpp, das 
den Boden bedeckt, oder zwiſchen den umherliegenden Steinblöcken den 
beſten Schutz gegen Sturm finden, auch die längſten und wohlgebil— 
detſten ſind und hier oft, ſogar an den verſtümmeltſten Formen, rings 
um den Stamm herum gehen. Der Schutz, den auch die Schnee— 
bedeckung gegen den Windbruch gewährt, tritt hierbei ebenſo deutlich 
wie im hohen Norden hervor: ſo weit ſich die Fichte unter den Schnee 
zurückziehen kann, bleibt fie unverſehrt; die hervorragenden Wipfel 
gehen verloren. An den exponierteſten Stellen im Gebirge verlieren 
die Fichten das ganze Stämmchen bis auf einen niedrigen Stock, der 
nie einen Gipfeltrieb aufbringt und an welchem nur ein oder ein paar 


) Einwirkung des Sturmes auf die Baumvegetation. Abhandlung des 
naturwiſſenſchaftlichen Ver. zu Bremen 1872. 


236 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


nahe übereinander ſtehende Aſtquirle dicht auf dem niederen Geſtrüpp 
ſich ausbreiten, ſo daß man bequem über dieſe Fichten hinwegſchreiten 
kann. Im Rieſengebirge fand ich über den Schneegruben die letzten 
Verſuche der Fichte in einer Gebirgshöhe, die ſchon weit über der 
Baumgrenze lag (bei ungefähr 1400 m); ſie bringt es hier nur zu 
kriechenden Trieben, die ſich auf dem Mooſe und über Steinblöcke hin— 
breiten; über den Boden ſich zu erheben könnte ſie dort oben nicht 
wagen, wo man Stürme erlebt, von denen der Bewohner des Tief— 
landes keinen Begriff hat. Daß die Unmöglichkeit der Verbaumung 
nicht durch klimatiſche Gründe, ſondern nur durch den Sturm bedingt 
wird, erſieht man aus dem Vorkommen ſolcher Krüppelformen auch in 
tieferen Lagen, wenn ſie an einem dem Sturm ſehr exponierten Stande 
ſich befinden. Der Keilberg im Erzgebirge trägt auf ſeinem weſtlichen 
Abhange, alſo an der Wetterſeite, lauter Krüppelfichten, die hier ſchon 
bei 1180 m ſehr ausgeprägt find und in zunehmender Verkrüppelung 
bis zur Kuppe, 1220 m hinauf gehen; aber wenn man auf der Oſt— 
ſeite des Berges niederſteigt, treten ſchon wenige Schritte unter der 
Kuppe, alſo im Schutze vor den Weſtſtürmen, die Fichten hochſtämmig 
auf, und bei 1180 m befindet man ſich hier ſchon im herrlichſten ge— 
ſchloſſenen Hochwalde. Ganz ähnliche Krüppelformen nimmt die 
Lärche an der Baumgrenze in den Nordländern an, wie aus den Be— 
ſchreibungen in Middendorff's Sibiriſchen Reiſen (pag. 601—606) 
hervorgeht. Derſelbe unterſcheidet ebenfalls kriechende Formen, die auf 
oder unter dem Mooſe ihr Daſein friſten, und in dieſer Form ebenfalls 
noch jenſeits der Baumgrenze angetroffen wurden, und aufrechte, ge— 
rade oder gebückte Formen, welche gipfeldürr und aſt- und laubarm 
ſind. Von den letzteren werden als beſondere Geſtalten beſchrieben 
die aſtloſen Krüppel, an denen nur Spuren mißlungener Verſuche von 
Aſtbildung und dafür eine große Menge Knoſpen zu ſehen ſind, die, 
wenn fie ſich belauben, kuglige Schopfe bilden, und zweitens die jpalier- 
baumartigen Lärchen, bei denen die Zweige, die zum Teil der ganzen 
Stammlänge gleichkommen, nach zwei Seiten hin ſtehen, an unſre 
Spalierbäume erinnernd, worin ſich die herrſchende Windrichtung aus— 
ſpricht. Noch eine andre Form beſchreibt Middendorff als Krüppel- 
hecken, die teils im äußerſten Norden zu ſehen ſind, wo ſie mehr 
zu den kriechenden Formen gehören, teils auch an der Seeküſte des 
Ochotskiſchen Meeres auf 640 m hohen Bergen, wo unbändige, un⸗ 
abläſſig Staubregen führende Seewinde als die Urſache bezeichnet 
werden. Dieſe Krüppel ſollen ein Laubgewirr von ſaftigem Grün 
entwickeln, das an beſchnittene Gartenhecken erinnert, und einen herr⸗ 
lichen Teppich bilden, der oft nur 30 bis 60 em über der Felswand 


3 4. Kapitel: Der Sturm 237 


emporſteht, dieſelbe nicht ſelten dicht überziehend und verdeckend. Ganz 
ähnlich beſchreibt Kihlmann) die durch den Sturm bedingten Wuchs— 
formen an der Baumgrenze in Ruſſiſch Lappland. Als extremſter Fall 
tritt auch hier die Bildung von Matten auf, welche nur die Höhe des 
umgebenden Flechten- und Reiſerfilzes erreichen. Beſonders bildet die 
Fichte, indem ihre Zweige durch Adventivwurzeln ſich bewurzeln, ſolche 
Matten, welche dem Boden dicht angeſchmiegt, in der herrſchenden 
Windrichtung hinkriechen, und ein hohes Alter erreichen; infolge 
Abſterbens der hinterſten älteſten Partien erſcheint die Matte aus 
mehreren, von einander unabhängigen Individuen zuſammengeſetzt: 
Am oberen Rande ſteil abfallender Felswände bilden dann ſolche 
Matten frei über den Abgrund hinausragende Vorſprünge, welche an 
die Schneeſchilder oder Windſchirme der Hausdächer in den Alpen er— 
| innern. Ahnliche Matten bildet dort auch der Wachholder; auch die 
N Birke wächſt oft in der dem Boden angeſchmiegten Spalierform. Häufig 
find auch bei dieſen Pflanzen plattgewachſene Tiſchſormen. Kihlmann 


ö ſpricht es ebenfalls beſtimmt aus, daß der Einfluß des Windes und 
die durchſchnittliche Tiefe der Schneedecke die beſtimmenden Faktoren 


für dieſe Wuchsverhältniſſe ſind. Er konnte ſich überzeugen, daß alle 
Triebe, welche über die kritiſche Schneelinie hervorragen, abſterben, und 
daß dadurch der jeweilige Wuchs bedingt wird. Die tödliche Wirkung 
ſieht aber Kihlmann nicht in der mechaniſchen Kraft des Windes 
an ſich, ſondern hauptſächlich in der monatelang dauernden ununter— 
brochenen Austrocknung der jungen Triebe zu einer Jahreszeit, die 
wegen der Winterruhe der Pflanze jede Erſetzung des verdunſteten 
Waſſers unmöglich macht; er ſtellt alſo die Erſcheinung in Parallele 
mit den oben S. 222 beſprochenen Wirkungen der ungenügenden Tem— 
peratur des Erdbodens auf die Wurzeln. 

Als eine ſchädliche Wirkung des Windes find endlich noch anzu- Verwehungen 
führen die Verwehungen auf leichten Bodenarten, wenn fie bei auf Sandboden. 
trocknem Wetter an jungen Pflanzungen und Saaten durch den Wind 
veranlaßt werden. An Stellen, welche dieſen Beſchädigungen am 
ſtärkſten ausgeſetzt find, müſſen Schutzpflanzungen in Heckenform, am 
beſten aus Nadelhölzern, angelegt werden. 


) Pflanzenbiologiſche Studien aus Ruſſiſch Lappland. Helſingfors 
1890, pag. 61 ff. 


238 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe 


5. Kapitel. 
Der Blitzſchlag. 


ee Ait, 1. Blitzſchlag in Bäume. Die Art, wie der Blitz die Bäume 

vom Bige ge. trifft und beſchädigt, zeigt in den einzelnen Fällen gewiſſe Verſchieden— 

troffen werden. heiten. Cohn), dem wir eine Zuſammenſtellung eigener und fremder 
Beobachtungen über dieſe Phänomene verdanken, glaubte dieſe Ver— 
ſchiedenheiten nur aus der Intenſität des Blitzſtrahles und nicht aus 
der ſpecifiſchen Natur des Baumes erklären zu müſſen. Später hat aber 
Daniel Colladon) eine Reihe von Beobachtungen mitgeteilt über 
Blitzſchläge, welche im Thale des Genfer Sees hauptſächlich die ita— 
lieniſchen Pappeln, Eichen, Ulmen, Birnbäume und Fichten betroffen 
hatten, aus denen unzweifelhaft hervorgeht, daß für die einzelnen 
Baumarten eine gewiſſe charakteriſtiſche Art beſteht, wie ſie vom Blitze 
getroffen und verwundet werden, wiewohl die Blitzſchläge an einer 
und derſelben Baumart immer auch in den einzelnen Fällen mancher— 
lei Unterſchiede zeigen, die von der individuellen Natur des Baumes, 
von äußeren Verhältniſſen und wohl auch von der Natur der elek— 
triſchen Entladung abhängig ſein mögen. Nach dieſen Beobachtungen, 
die übrigens mit Angaben früherer Schriftſteller übereinſtimmen, ſind 
die Erſcheinungen des Blitzſchlages an den obengenannten Bäumen 
von folgender Art. 


Bei der italieniſchen Pappel (Populus pyramidalis Rog.) bleibt der 
ganze obere Teil der Krone unverſehrt, weder an den dünnen Zweigen noch 
an den Blättern iſt irgend eine Spur von Beſchädigung zu ſehen; erſt in 
den tieferen Teilen, etwa in einer Höhe von 6 bis 8 m über dem Boden, 
zeigt ſich, meiſt unter der Vereinigung zweier oder mehrerer großer Aſte 
beginnend, die am Stamme herablaufende Verwundung. Dieſe ſtellt einen 
oder zwei an verſchiedenen Seiten des Stammes ziemlich parallel, entweder 
in ſenkrechter oder etwas ſpiraliger Richtung laufende Streifen von wechſelnder 
Breite dar, an denen die Rinde abgeriſſen, der Splint entblößt oder auch 
zum Teil abgeſchlagen iſt. An den Rändern der Wunde iſt die ſtehen— 
gebliebene Rinde in einer gewiſſen Breite vom Splinte abgehoben. In der 
Mitte des entblößten Holzſtreifens befindet ſich im größten Teile ſeiner 
Länge eine einige Millimeter breite Spalte im Holze, in die man ein 
Meſſer mehrere Centimeter tief einführen kann. Die abgeriſſenen Stücke 
von Rinde und Holz findet man bis auf eine Entfernung von 30 m vom 
Baume fortgeſchleudert am Boden liegen. Weder ſie noch die Wundränder 
des Stammes zeigen eine Verkohlung, vielmehr beide nur eine mehr oder 
minder ſtarke Zerfaſerung, wie dies auch an andern Baumarten der Fall 


1) Einwirkung des Blitzes auf Bäume. Denkſchr. d. ſchleſ. Geſ. f. 
vaterl. Cult. Breslau 1853. 
2) Mém. de la soc. de Phys. et d’hist. nat. de Geneve. 1872, pag. 511 ff. 


5. Kapitel: Der Blitzſchlag 239 


iſt. Die Blitzſpur geht in geringer Höhe über dem Boden in einen bloßen 
Riß in der Rinde über, der ſich im Boden verliert, oder ſie verſchwindet 
gänzlich, ohne den Boden zu erreichen. 

Die Eichen werden im Gipfel getroffen; die am meiſten vorſtehenden 
Aſte lenken in der Regel den Blitz auf ſich, brechen oft an ihren Enden und 
werden, oft ohne ihrer Rinde entkleidet zu werden, getötet; aber nahe unter 
den getroffenen Aſten beginnt die Blitzſpur als ein von der Rinde entblößter 
Streifen des Holzes und ſetzt ſich ohne Unterbrechung und gleichförmig 
bis zum Boden fort. Ihr Gang iſt gewöhnlich der einer Spirale, die bis 
13/, Umläufe beſchreiben kann. Die Mitte dieſer Wunde iſt charakteriſiert 
durch eine ununterbrochene, 2—3 em breite Furche von jo regelmäßig halb» 
cylindriſcher Form, als wäre ſie mittelſt eines Inſtrumentes ausgeſchnitten. 
Im Grunde dieſer Rinne befindet ſich ſtellenweiſe eine ſchmale Spalte, in 
welche ein Meſſer einige Centimeter tief eingeſchoben werden kann. Am 
Rande der Blitzſpur iſt die Rinde vom Splint etwas abgehoben. Durch 
ältere Beobachter iſt konſtatiert!), daß die erwähnten Spalten im Holze bei 
den Eichen zu einem vollſtändigen Zerſpellen des Stammes führen können, 
indem der Holzkörper ſenkrecht zur Oberfläche in parallele Leiſten zerſchlagen 
wird; auch hat man beim Fällen vom Blitze getroffener Eichen die Jahres— 
ringe von einander getrennt gefunden und endlich auch eine Spaltung 
des Holzkörpers nach beiden Richtungen zugleich beobachtet, ſo daß der 
Stamm wie ein beſenartiges Bündel von vielen dünnen Splittern erſchien. 

Die Ulmen werden nach Daniel Colladon mehrere Meter unter 
dem Gipfel getroffen; dieſer ſelbſt bleibt unverſehrt. Die Wunde läuft regel— 
mäßig und ununterbrochen als ein von Rinde entblößter Holzſtreifen herab. 
Die an den Eichen gefundene halbcylindriſche Furche auf der Mitte des 
Streifens wurde nicht wahrgenommen. 

Beim Blitzſchlag in Birnbäume hat man folgende Erſcheinungen 
beobachtet?). Einmal war der Stamm zum größten Teil verſchwunden, 
nur 6 mit den Wurzeln im Zuſammenhange befindliche Splitter waren 
ſtehen geblieben, und rings umher lagen die abgeſchlagenen 5 großen 
Aſte, welche ſelbſt faſt ganz unverletzt waren. Ein andrer Baum zeigte 
gar keine Verletzung weiter als 2 d Meter unter dem Gipfel Furchen in 
der Rinde der Aſte und einige vom Stamme abgelöſte Rindefetzen; auch 
blieb er nach dem Blitzſchlage am Leben. An einem dritten endlich war 
der ganze Stamm von den Aſten bis zur Wurzel völlig entrindet, während 
die Aſte ſelbſt Rinde, Blätter und Früchte behalten hatten; zugleich war der 
Baum in zwei Teile zerſpalten, deren jeder wieder mehrere Spalten hatte. 
Jedesmal war der Erdboden in der Nähe des getroffenen Baumes aufgewühlt, 
wobei einmal eine Wurzel ſichtbar war, die ihrer Umhüllung beraubt war. 

An einer Fichte beobachtete Daniel Colladon einen Blitzſchlag, wobei 
nahe am Gipfel an der vom Blitze berührten Seite die Nadeln rötliche 
Flecken oder Spitzen bekommen hatten, ſonſt aber nichts weiter ſich zeigte 
als eine am Stamme 8 Meter unter dem Gipfel beginnende tiefe Spalte 
der Rinde, welche ½ Meter weit herablief; wenig darunter befand ſich 
daneben eine zweite, und auf dieſe folgte eine dritte Spalte, welche ſpiralig 

bis nahe zum Boden ſich erſtreckte. 


) Vergl. Cohn, l. c. pag. 6— 7. 
2) Vergl. Daniel Colladon, l. c. pag. 538543. 


ihn: 


240 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüffe 


Nur zweimal beobachtete Daniel Colladon außerdem noch eine Er— 
ſcheinung, welche bis dahin noch nicht bekannt war. An einer Pappel hatte 
die auf der Mitte der Blitzſpur befindliche Spalte des Holzes in der ganzen 
Länge beiderſeits einen etwa 4 Millimeter breiten Rand von bräunlicher 
Farbe, als wie im Ofen getrocknet, und außerdem auf dem entblößten Holz— 
ſtreifen beiderſeits der Spalte in verſchiedenen Höhen 7 genau kreisrunde 
Flecken von 8 bis 10 Millimeter Durchmeſſer und etwas dunklerem Braun 
als jene Bänder; davon lagen 4 zu zwei teilweiſe übereinander. Dieſe 
Flecken zeigten nichts weiter als eine lokale ſtarke Austrocknung, als wären 
| jie mit einem heißen Eiſen berührt worden. Dieſe Erſcheinung zeigte fich 
auch an der erwähnten Fichte, wo 10 ſolcher Flecken ſämtlich auf der Spalte 
| vorhanden waren, die der Blitz hervorgebracht hatte; dieſelben waren 
| 3—5 cm im Durchmeſſer, ebenfalls fait genau kreisrund und hier die einzigen 
| Stellen auf den Spalten wo die Rinde wegggeſchlagen war, jo daß fie 


| dunklere freie Stellen Holzes darſtellten, welche mitten von der Spalte 

| durchzogen waren. Die Urſache dieſer Erſcheinung iſt unbekannt; Daniel 
Colladon vermutet, daß es die Folgen von elektriſchen Strömen ſind, welche 
rechtwinkelig zur Oberfläche des Stammes aus dieſem in Form eylindriſcher 
Funken herausgeſchlagen ſind. 


Bahn des Blitzes Die Bahn der Blitzſpur, alſo der mehr oder minder ſpiralige Verlauf 
N Spalten des Holzes und der abgelöſten Rindeſtreifen, wird von 
Cohn wie von Daniel Colladon übereinſtimmend zu dem ſchiefen 
Verlauf der Holzfaſern und der daraus reſultierenden ſpiralig gedrehten 
Form der meiſten Stämme in Beziehung gebracht. Eine bemerkens— 
werte Beſtätigung dieſer Beziehung liefert auch die von dem letzt— 
genannten Beobachter gemachte Wahrnehmung, daß an Eichen, die als 
Kopfholz gezogen werden, die Blitzſpur nicht eine Spirale, ſondern 
eine Wellenlinie bildet, indem ſie an den knorrig gewachſenen Stämmen 
immer den Knoten ausweicht. Cohn ſieht in dieſen Wunden aber 
nicht die Bahn des Blitzes, ſondern nur die Stellen, an denen die Rinde 
der Exploſion den geringſten Widerſtand leiſtet, und ſucht die Zer— 
ſprengung dadurch zu erklären, daß er annimmt, der Hauptſtrom der 
Elektricität gehe durch die Kambiumſchicht und verwandle deren 
Flüſſigkeit plötzlich in Dampf, während ein Nebenſtrom durch den 
Holzkörper gehe und die hier bisweilen auftretenden Spalten bedinge. 
Beobachter wollen zwar beim Einſchlagen des Blitzes in Bäume eine 
Rauchſäule geſehen haben; es iſt aber nicht ausgemacht, ob dieſelbe 
von dem Baume oder von der gewaltſam und in feiner Zerteilung 
aufgeworfenen Erde herrührte. Daniel Colladon macht dagegen 
geltend, daß ja durch den Blitz viele kräftige Wirkungen von Anziehung 
und Abſtoßung hervorgebracht werden, welche mit Verdunſtung von 
Waſſer nichts zu ſchaffen haben. Die Beſchaffenheit der an den 
Stämmen herablaufenden Wunden ſpricht dafür, daß ſie ſelbſt die 


5. Kapitel: Der Blitzſchlag 241 


Bahn des elektriſchen Stromes ſind. Die Beſchränkung desſelben auf 
dieſe Stellen ſteht ja auch im Einklange mit der Thatſache, daß der 
Blitz beim Durchſchlagen ſchlechter Leiter, zu denen auch die Baum— 
ſtämme gehören, ſich plötzlich zuſammenzuziehen vermag. Auch Cas— 
pary !) hebt gegen die Cohn'ſche Anſicht hervor, daß die Kambium— 
ſchicht, wenn ſie ganz vom elektriſchen Funken durchzogen würde, not— 
wendig auch ganz verletzt werden müßte, was nicht der Fall iſt. 


Entzündet werden geſunde Bäume nie vom Blitz, wohl aber a 

ſolche, welche aus trockenem und daher entzündlichem Holze beſtehen. ; 
So hat Daniel Colladon zwei Blitzſchläge in hohle Kopfpappeln 
beobachtet, von denen die eine ſich im Innern des Stammes entzündete, 
ſo daß die Zweige zerſtört wurden, bei der andern das innere tote 
Holz verkohlt, jedoch durch den Regen gelöſcht wurde und einige junge 
Zweige wahrſcheinlich infolge der Verbrennung vertrocknet waren. 
Ebenſo wird von Caspary (J. c.) die Entzündung durch den Blitz 
3 von einer Kiefer, welche zunderartiges faules Holz enthielt, und von 
Beyer?) ſowie von Buchenau?) von kernfaulen Eichen angegeben. 
Gleiches iſt in den Tropen an dürren Aſten und Blattſtielen von Palmen 
zu beobachten. 


Die Folgen des Blitzſchlages ſind nicht notwendig tödlich. Daß Folgen des 
Bäume, die vom Blitze irgend ſtärker zerſchmettert oder ihrer Rinde dnsioinge Für 
ringsum entkleidet ſind, eingehen, iſt ſelbſtverſtändlich. Wo aber die Baumes. 
Krone und der Stamm erhalten und die Verwundung des Kambiums 
auf einen ſchmalen Streifen beſchränkt iſt, iſt die Lebensfähigkeit des 
Baumes nicht vernichtet. In der That ſind auch zahlreiche Fälle be— 
kannt, wo vom Blitz getroffene Bäume mit dem Leben davon gekommen 
ſind. Der Wundſtreifen am Stamme heilt dann wieder, indem er von 
beiden Rändern her überwallt wird. Bemerkenswert iſt, daß man in 
Wäldern bisweilen ein Abſterben ganzer Baumgruppen im Umkreiſe 
eines vom Blitze direkt getroffenen Baumes beobachtet hat. Baur?) 
teilt 7 verſchiedene ſolche Fälle mit, die ſich alle auf Fichte, Tanne 
und Kiefer beziehen. Ebenſolche Beobachtungen werden von Beling“) 
und von R. Hartig) angeführt. 


) Schriften d. phyſ.-ökon. Gef. zu Königsberg 1871, pag. 69 ff. 
2) Verhandl. d. bot. Ver. d. Prov. Brandenburg, 28. Januar 1876. 
3) Beachtenswerte Blitzſchläge in Bäume, Abhandl. des naturw. Ver. 
Bremen IX. pag. 312 ff. 
) Der Blitz als Waldverderber. Monatsſchr. f. Forſt u. Jagdweſen. 
Jahrg. 17, Märzheft. 
5) Zeitſchr. f. Forſt⸗ u. Jagdweſen. November 1873. 
6) Juſt, Botan. Jahresber. 1875, pag. 956. 
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 16 


Häufigkeit Dem Blitzſchlag find alle Baumarten ausgeſetzt. Die Meinung 
des Blitzſchlages der Alten, daß der Lorbeer gegen den Blitz geſchützt ſei, iſt durch Beob— 
nach Baumarten. „„ Br 
Spezifiſch un. achtungen widerlegt. Jedoch iſt nicht zu leugnen, daß gewiſſe Bäume 
gleiche Dispofi- häufiger als andre vom Blitz getroffen werden, was allerdings großen— 
tion der Baumetteifs aus der ungleichen Häufigkeit derſelben in den einzelnen Gegenden 
und aus der ungleichen Expoſition der einzelnen Baumarten zu er— 
klären iſt. Von 40 Beobachtungen von Blitzſchlägen in Bäume, 
welche Cohn zuſammengeſtellt hat, kommen 14 auf Eichen, 12 auf 
Pappelarten, 3 auf Birnbäume, je 2 auf Tannen, Kiefern und Buchen, 
je 1 auf Erlen, Ulmen, Nußbäume, Ebereſchen, Robinien. Caspary 
hat 93, und zwar 53 ſelbſtbeobachtete, 40 von andern Beobachtern 
konſtatierte Fälle geſammelt, unter denen 20 Populus pyramidalis, 14 
Populus monilifera, 15 Eichen betreffen. Ebenſo iſt unter den von 
Daniel Colladon beſchriebenen Fällen im Thale des Genfer Sees 
die italieniſche Pappel 11, die Eiche 3 mal vertreten. Der hohe, 
ſchlanke Wuchs der italieniſchen Pappel und die große Anzahl, in der 
dieſer Baum auf Chauſſeen und an den exponierteſten Stellen ſteht, 
ebenſo die über alle andern Waldbäume hervorragende Höhe der Eichen 
laſſen jene Thatſachen begreiflich erſcheinen. Nichtsdeſtoweniger ſcheint 
zu der großen Häufigkeit des Blitzſchlages in Pappeln auch eine 
größere ſpecifiſche Fähigkeit dieſes Baumes, den Blitz auf ſich zu lenken, 
eine größere Leitungsfähigkeit desſelben, vielleicht auch die größere Ver— 
breitung der Wurzeln dieſes Baumes im Boden beizutragen. Denn 
Daniel Colladon erwähnt einige Fälle, wo der Blitz in eine Pappel 
einſchlug, obgleich höhere Bäume in der Nähe ſtanden, die der Blitz 
verſchonte; ſelbſt eine niedere Kopfpappel fand der Blitz zwiſchen be— 
nachbarten höheren andern Bäumen heraus. Etwas Ahnliches bezüg⸗ 
lich der Eiche ſcheint aus dem von R. Hartig (J. C.) erwähnten Falle 
zu folgern zu ſein, bei dem in einem gemiſchten Fichten- und Eichen⸗ 
beſtande nur die unterdrückten Eichen Blitzſchläge erkennen ließen, 
während die vorwüchſigen Fichten verſchont geblieben waren. Nach 
einer kürzlich von Jonescu geäußerten Anſicht ſollen Bäume, welche 
reichlich Ol in ihren Geweben enthalten, wie die Kiefer, ſchwerer vom 
Blitze getroffen werden, als Bäume, welche weniger Ol enthalten, da- 
gegen reicher an Stärkemehl ſind, was der Genannte mit der größeren 
Widerſtandsfähigkeit des Oles gegen das Durchſchlagen des elektriſchen 
Funkens in Zuſammenhang gebracht wiſſen will. 

Einfluß äußerer Unter ſonſt gleichen Umſtänden, alſo insbeſondere gegenüber Bäumen 

Verhältniſſe. derſelben Species, find äußere Verhältniſſe von unverkennbarem Ein⸗ 

fluß. Auch in dieſer Beziehung hat Daniel Colla don, beſonders an 
italieniſchen Pappeln, einige beachtenswerte Beobachtungen gemacht. 


242 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


8 
2 
F 
b 


jßù ... x SEK Eee Zr a ze 


5. Kapitel: Der Blitzſchlag 243 


Wenn auf gleich hohem Terrain eine Anzahl ungleich hoher Pappeln nahe 
beiſammenſtand, war es immer die höchſte, in welche der Blitz ſchlug, 
oder welche die ſtärkſte elektriſche Entladung empfing, während die 
nächſt höhere ſchwächer getroffen wurde; bisweilen ſchlug ein einziger 
Blitz auch in mehrere der höchſten Pappeln zugleich. Wo auf wellen— 
förmigem Terrain gleich hohe Pappeln ſtanden, fiel die höchſtſtehende 
dem Blitz zum Opfer. Vielleicht hat auch die Feuchtigkeit des Bodens 
einen Einfluß. Ein von Süd nach Nord ziehendes Gewitter ſchlug in 
die faſt am weiteſten nördlich ſtehende, im Verhältnis zu den übrigen 
nicht höhere Pappel einer Straße, da wo dieſelbe über einen waſſer— 
gefüllten Kanal führte, und die Blitzſpur verlief auch in eine dicke 
Wurzel, die nach dem Kanal gerichtet war. 

2. Blitzſchlag in Weinberge. Nach den von Daniel Colla— 
don!) mitgeteilten Erfahrungen find mitunter Blitzſchläge in Wein— 
berge vorgekommen, deren Folgen derſelbe an einem von ihm ſelbſt 
beobachteten Fall beſchreibt. Die vom Blitz getroffene Stelle war ſchon 
weithin als eine kreisrunde Fläche im Weinberge daran zu erkennen, 
daß die auf derſelben ſtehenden Weinſtöcke, 335 an der Zahl, eine 
Menge ziegelroter Flecken auf den Blättern zeigten, die in den übrigen 
Teilen des Weinberges nicht zu ſehen waren. In der Mitte dieſer 
Fläche waren Löcher in der Erde zu bemerken und mehrere Pfähle 
umgeworfen. Die dort ſtehenden Weinſtöcke hatten am meiſten fleckige 
Blätter, im übrigen aber, insbeſondere an den Stengeln, keine Ver— 
letzung; auch blieben die Pflanzen am Leben. Die Blattflecken nahmen 
den vierten Teil bis die Hälfte der Blattfläche ein; ſie waren anfangs 
tiefer grün und wurden nach einigen Tagen ziegelrot. Eine Verän— 
derung der Gewebe zeigte ſich außer an den Blättern auch an den 
jüngeren und ſaftigen Teilen des Stengels, beſonders am Cambium; 
ſie beſtand in einer Verfärbung in braun, rötlich oder ſchwärzlich. 
Die Zellwände waren intakt, aber das Protoplasma kontrahiert und 
getötet; die Stärkekörnchen erhalten; das Holz und die Gefäße un— 
verſehrt. Nach Rathay?) kommt dieſe Rötung der Weinblätter nur 
an den Arten mit roter Herbſtfärbung vor und iſt auch nur eine 
mittelbare Folge des Blitzes, nämlich dadurch verurſacht, daß der Blitz 
in den Mittelſtücken mehrerer aufeinander folgender Internodien das 
Gewebe außerhalb des Cambiums tötet und ſo eine Art Ringelung 
bewirkt; das Kambium bleibe lebendig und erzeuge nach außen einen 
von Wundkork umhüllten Callus und nach innen einen Holzring, der 


) 1. c. pag. 548—553. 
) Sitzungsber. d. Akad. d. Wiſſenſch. zu Wien, 16. April 1891. 
16* 


Blitzſchlag 
in Weinberge. 


a 


1 


* 


244 III. Abſchnitt: Erkrankungen durch atmoſphäriſche Einflüſſe 


vom älteren Holze durch eine dünne, gebräunte Schicht geſchieden iſt. 
Die Trauben ſolcher Reben vertrocknen. 0 
Blitzſchlag 3. Blitzſchlag in Wieſen und Acker. Nach den von Daniel 


in Ace ind Colladon) aus älteren Notizen zuſammengeſtellten Beobachtungen 


hinterließ ein Blitzſchlag in eine Wieſe ſeine Spur auf einer Fläche 
von 6 m Durchmeſſer, wo die höchſten Köpfe der Diſteln getötet waren, 
die niederen Teile des Raſens aber ſich unverſehrt zeigten, an zwei 
Punkten war der Boden aufgewühlt, an andern der Raſen empor— 
gehoben. In einem Kartoffelacker hatte der Blitz ein Loch und halb— 
kreisförmige Furchen in der Erde gebildet; die Pflanzen daſelbſt waren 
unverſehrt, nur an einer Stelle dieſer Fläche zeigte ſich die Baſis der 
Stengel wie verbrannt, zerriſſen oder teilweiſe breiig. Auf einem vom Blitz 
getroffenen Rübenacker waren die Blätter an ihrem Rande vertrocknet und 
zuſammengeſchrumpft, rötlich oder violett gefärbt und ſtellenweiſe zerriſſen. 
Theoretiſches. Die Theorie des Blitzſchlages in Pflanzen, ſoweit bis jetzt von einer ſolchen 
die Rede ſein kann, muß alle unter den verſchiedenen Verhältniſſen beob— 
achteten Erſcheinungen zu umfaſſen ſuchen. Man muß mit Daniel Colla⸗ 
don davon ausgehen, daß der elektriſche Strom ſich zu zerteilen oder ſich 
zuſammen zu ziehen vermag, je nachdem der Körper ein guter oder ſchlechter 
Leiter iſt. So durchſchlägt er die Luft in Form eines Strahles, zerteilt ſich 
aber, wenn er auf eine mit Vegetation bedeckte Fläche von gewiſſer Ausdehnung 
trifft, in ein Strahlenbüſchel oder in eine erweiterte Ausbreitung und berührt 
zugleich eine Menge von Blättern, Zweigen u. ſ. w. Iſt dieſe Vegetations⸗ 
fläche von ganz gleichmäßiger Höhe und Beſchaffenheit, wie in Weinbergen, 
Ackern ꝛc., ſo wird die Ausbreitung des elektriſchen Stromes eine ungefähr 
kreisförmige werden müſſen, wo die Wirkung im Centrum am ſtärkſten iſt 
und gegen die Peripherie ſich abſchwächt. Wo aber die Vegetationsfläche Un- 
regelmäßigkeiten der Form und Erhebung zeigt, wie die Oberfläche eines 
Baumes oder eines Waldes, da zerteilt ſich der elektriſche Strom über eine 
große Fläche und hüllt den ganzen Wipfel eines oder mehrerer Bäume zu⸗ 
gleich ein. Es iſt möglich, daß in ſolchem Falle mehrere Centren der Ein— 
wirkung vorhanden ſind, und wahrſcheinlich, daß die elektriſche Ausbreitung 
für jeden Fall eine verſchiedene Form hat, die durch diejenige der Baum⸗ 0 
wipfel beſtimmt wird. Auch wird man vermuten dürfen, daß, je gleich⸗ 2 
mäßiger die elektriſche Entladung iſt und auf eine je größere Fläche ſie ſich 
verteilt, deſto geringer die Wirkung auf die berührte Oberfläche ſein wird, 
die ſich bis zu einem vollſtändigen Unverletztbleiben des Laubes abſchwächen 
kann. Die Annahme einer ſolchen Ausbreitung des elektriſchen Stromes 
über die Krone des Baumes wird auch durch den Umſtand bekräftigt, daß 
derſelbe oft nicht in einer einzigen, ſondern in mehreren getrennten Bahnen a 
am Stamme herabgeht. Um endlich in den Boden zu gelangen, muß er den 3 
Baumſtamm der Länge nach durchſchlagen, und da dieſer ein ſchlechter 7 
Leiter iſt, ſo zieht er ſich hier auf eine enge Bahn zuſammen, die er entweder 1 
bis zum Boden verfolgt, oder aus welcher er ſchon vorher heraus und in u 
den Boden überſpringt. f 


1) 1. e. pag. 555— 556. 


. 4 


6. Kapitel: Das Feuer 245 


6. Kapitel. 
Das Feuer. 


Beſchädigungen von Pflanzen durch Feuer kommen beſonders in Waldbrände. 
den Forſten vor. Durch ein am Boden hinlaufendes Feuer können 
die unteren Teile der Baumſtämme beſchädigt werden, ſobald die 
Kambiumſchicht getötet wird. Ob dies geſchieht, hängt zunächſt von 
5 der Intenſität und der Zeitdauer des Feuers ab. Von Einfluß iſt 
. aber auch die Beſchaffenheit der Rinde und Borke, alſo die Baumart 
und das Baumalter. In älteren Kiefernbeſtänden können die unteren 
f Borketeile ſchwarz und verkohlt ſein, ohne daß die Kambiumſchicht an- 
5 gegriffen iſt, weil ſie durch eine dicke, ſchlecht die Wärme leitende Borke— 
f ſchicht geſchützt war; in ſolchem Falle iſt der Baum nicht beſchädigt. 
Dagegen ſind dünnrindige Bäume viel empfindlicher; wenn man bei 
Einſchnitten in die Rinde die letztere gebräunt ſieht, ſo iſt das ein 
Zeichen, daß hier die Kambiumſchicht getötet iſt. Trotzdem können 
ſolche junge Bäume, deren Rinde unten ringsherum verbrannt iſt, 
zunächſt ausſchlagen und ergrünen, aber im Laufe des Sommers 
ſterben ſie ab. Es können dann neue Ausſchläge aus dem Stocke 
unterhalb der Brandwunde kommen; dies geſchieht nach R. Hartig 
ſogar noch beſſer, wenn der Stamm ganz verbrannt war oder bald 
nach dem Feuer über der Erde abgehauen worden iſt. Die gegen 
Waldbrände zu ergreifenden Maßregeln, die beſonders in dem Ziehen 
der Iſoliergräben beſtehen, um das Feuer zu begrenzen, ſind mehr 
Gegenſtand des Forſtſchutzes. 


IV. Abſchnitt. 
Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe. 


1. Kapitel. 
Vertauſchung des Erdbodens mit einem ungeeigneten Medium. 


Jeder Pflanze iſt von Natur ein beſtimmtes Element angewieſen, Das natürliche 
in welchem ſie leben muß. Es giebt einesteils Waſſerpflanzen, d. ſ. i 
ſolche, deren Wurzeln im Waſſer oder im Grunde des Waſſers und l 
deren Blätter im Waſſer oder über dem Waſſerſpiegel ſich befinden, 
und andernteils Landpflanzen, d. ſ. diejenigen, welche in der freien 
Luft wachſen und mit den Wurzeln und andern tuypiſch unterirdiſchen 
Organen im Erdboden ſich entwickeln. 


246 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


Waſſerpflanzen Die Waſſerpflanzen kommen außerhalb des Waſſers nicht fort. 

auf dem Trocknen. Die ſubmerſen Waſſerpflanzen, an die Luft gebracht, vertrocknen und 
ſterben ſehr raſch. Solche mit ſchwimmenden Blättern, wie Hydro— 
charis morsus ranae, die Nymphäaceen, Waſſerlinſen, vermögen nach 
zurückgetretenem Waſſer auf feuchtem Boden noch einige Zeit zu vege— 
tieren, wobei die erſteren ſehr kurze Blattſtiele und dem Boden faſt 
anliegende, ziemlich kleine Blätter entwickeln; aber jeder ſtärkere Grad 
von Entwäſſerung des Bodens tötet ſie. Eine Ausnahme machen nur 
die ſogenannten amphibiſchen Pflanzen, wie z. B. Polygonum 
amphibium, welches im Waſſer als echte Waſſerpflanze mit Schwimm— 
blättern lebt, auf Wieſen in einer Landform mit Blättern, die dem 
Aufenthalt in der Luft angepaßt ſind, wächſt. 

Landpflanzen in Für die Landpflanzen kann nun ebenſo behauptet werden, daß 

. ihre Wurzeln der natürliche Erdboden das allein oder doch am 
beſten geeignete Medium iſt. Indeſſen kann man wohl alle Land— 
pflanzen auch im Waſſer wurzelnd kultivieren, wie die ſogenannten 
Waſſerkulturen beweiſen, welche in der Pflanzenphyſiologie zum 
Studium der Ernährungsfragen angeſtellt werden. Jedoch ſind 
Wurzeln der Landpflanzen, die im Boden ſich ausgebildet haben, nicht 
ohne weiteres der Ausübung ihrer Funktion im Waſſer fähig; meiſt 
ſterben ſie nach dem Umſetzen ins Waſſer ab, und es bilden ſich aus 
dem oberen Teile der Wurzel neue von der (unten beſchriebenen) 
Organiſation der Waſſerwurzeln, die dem veränderten Medium ange— 
paßt ſind. Und ebenſo bilden ſich die Wurzeln im Waſſer kultivierter 
Pflanzen beim Umſetzen in Erde erſt in der Form von Erdwurzeln 
weiter, ehe wieder eine genügende Wurzelthätigkeit ſtattfindet und die 
inzwiſchen welk gewordenen Pflanzen ſich wieder erholen. Darum er— 
zieht man die zu den eben erwähnten Waſſerkulturen beſtimmten 
Pflanzen aus Samen gleich von Anfang an ohne Erdboden, indem 
man ſchon die erſten Wurzeln der Keimpflanzen in der Nährſtofflöſung 
ſich entwickeln läßt. Nun iſt zwar nicht zu leugnen, daß manche 
Pflanzen, vorausgeſetzt, daß in dem Waſſer die nötigen Nährſtoffe in 
richtiger Menge und richtigem gegenſeitigem Verhältnis aufgelöſt ſind, 
in ſolchen Waſſerkulturen ſich oft recht gut entwickeln, bis zur Bildung 
zahlreicher Früchte und Samen gelangen und in jeder Beziehung ſo 
geſund ausſehen, als wenn ſie im Erdboden gewachſen wären. Aber 
ſehr oft tritt auch, ohne erkennbare Urſache, bei dieſen Verſuchen ſchon 
frühzeitig ein Kränkeln der Pflanzen ein, an welchem ſie frühzeitig zu 
Grunde gehen, und zwar weniger in Bezug auf das Wurzelſyſtem, 
welches meiſt gut entwickelt erſcheint, als vielmehr in den oberirdiſchen 
Teilen; ganz beſonders zeigt ſich hier oft eine über die ganze Pflanze 


1. Kapitel: Vertauſchung des Erdbodens mit einem ungeeigneten Medium 247 


verbreitete Gelbſucht, indem ſämtliche Blätter anſtatt grün hellgelb 
gefärbt find. Bei Mais, Erbſen, Lupinen, Sonnenblumen ꝛc. kann 

man oft dieſe Erfahrung machen. Die Urſache der Gelbſucht iſt in 

dieſem Falle um ſo weniger aufgeklärt, als es dabei an keiner der 

bekannten Bedingungen der Chlorophyllbildung (Licht, genügende 

Wärme, Eiſen unter den Nährſtoffen) mangelt und ein andermal, bei 

unter ganz denſelben Verhältniſſen angeſtellten Waſſerkulturen dieſelben 

Pflanzen normal ergrünen. 

Wenn dagegen erwachſene Pflanzen, deren Wurzeln im Erdboden 
ſich entwickelt haben, in Waſſer geſetzt werden, ſo gehen ſolche Pflanzen 
meiſt ziemlich bald ein, was ſich eben daraus erklärt, daß das ganze 
bisherige Landwurzelſyſtem abſtirbt und nicht mehr funktioniert, die 
neuen Waſſerwurzeln aber, welche die Pflanze noch mehr oder weniger 
zu bilden im Stande iſt, keineswegs hinreichen für den Bedarf der 
erwachſenen Pflanze. Namentlich an Bäumen kann man dies beob- 
achten. Wenn ein mit Bäumen beſtandenes Terrain auf die Dauer 
unter Waſſer geſetzt wird, ſo ſterben alle darauf ſtehenden Bäume mit 
Sicherheit binnen kurzer Zeit ab. 

Wenn Wurzeln der Landpflanzen im Waſſer ſich entwickeln, ſo Veränderungen 
erleiden ſie mehr oder minder eine Geſtaltsveränderung: ſie werden den 
ſehr lang, bleiben aber dünner und haben daher eine regelmäßige im Waſſer. 
ſchlank fadenförmige Geſtalt, bilden auch ihre Zweige in regelmäßigerer 
Anordnung und Vollſtändigkeit aus, als im Boden; und da auch alle 
Wurzelzweige ſich ſtark ſtrecken und ſich in ihrer ganzen Länge wiederum 
verzweigen, ſo werden aus ſolchen Wurzeln, wenn ſie lange Zeit 
im Waſſer ſich entwickelt haben, große filzige Maſſen. Der ſtärkſte Grad 
dieſer Bildung ſind die ſogenannten Fuchs ſchwänze, Wurzelzöpfe 
oder Drainzöpfe, die ſich in Drainröhren, Waſſerleitungen und dgl. 
entwickeln und oft in einer Länge von mehreren Metern und von 
der cylindriſchen Form der Röhre, in der ſie ſtecken, angetroffen werden, 
wobei ſie den Abdruck der Unebenheiten der Röhre erkennen laſſen. 
Solche Wurzelzöpfe bildet beſonders die Weide, aber Cohn !)) hat auch 
einen Wurzelzopf beobachtet, der aus den Verzweigungen eines unter— 
irdiſchen Stockes von Equisetum beſtand, von dem ein 12 m langes 
Stück ſich freilegen ließ. Die Waſſerwurzeln der Landpflanzen ſind 
waſſerreicher, turgescenter und ſpröder, und vertrocknen außerhalb des 
Waſſers ſchneller als die in der Erde gebildeten. Ihre Zellen haben 

größere Länge und geringere Breite, die Bildung von Wurzelhaaren 
unterbleibt bei manchen Pflanzen im Waſſer ganz, bei andern bilden 


C ²˙ ˙AA ] wö ] m N 


1) Verhandl. d. ſchleſ. Geſellſch. f. vaterl. Kultur, 25. Oktober 1883. 


248 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüffe 


ſich ſolche, doch oft in geringerer Entwickelung; auch entſtehen in der 
inneren Rinde unregelmäßige Lufträume durch Trennung und 
Schrumpfung der Zellen. Die Epidermis und die primäre Rinde 
werden im Waſſer zeitiger desorganiſiert; und wo darunter eine Kork— 
lage ſich bildet, wird dieſe an den Waſſerwurzeln oft zeitig der Länge 
nach zerriſſen und endlich abgeſtoßen durch eine üppige Zellenvermehrung 
der ſekundären Rinde, deren Zellen ſich radial ſtrecken und dabei luft— 
haltige Intercellularräume bilden, ſo daß ſie ein weißes, ſchwammiges 
Gewebe darſtellen ). In ſchwächerem Grade treten dieſe morphologiſchen 
und hiſtiologiſchen Veränderungen ſchon hervor, wenn die Wurzeln in 
ſehr naſſem Boden ſich entwickeln). 


Schädlicher Die oberirdiſchen Teile der Landpflanzen müſſen in der Luft, ſie 
1 dürfen weder unter Waſſer noch im Erdboden ſich befinden. Iſt eine 
auf oberirdiſche dieſer beiden Bedingungen nicht erfüllt, jo find krankhafte Zuſtände 
ee die Folge. Mer?) fand Untertauchung meiſt von ſchädlichem Einfluß 
ne auf die Luftblätter der Landpflanzen (unſchädlich z. B. für Epheu⸗ 

blätter). Die tödliche Wirkung tritt je nach Arten ungleich ſchnell ein. 
Junge Blätter leiden weniger als alte. Aber ſie bilden unter Waſſer 
kein Stärkemehl im diffufen Licht, nur Spuren davon im Sonnenlichte, 
und die vorhandene Stärke geht bald verloren, was mit Böhm's 
Beobachtungen übereinſtimmt, wonach grüne Blätter von Landpflanzen, 5 
in kohlenſäurehaltiges Waſſer getaucht, ſobald ſie wirklich benetzt ſind, 5 
keinen Sauerſtoff mehr abſcheiden. Zuletzt dringt das Waſſer in die 
Lufträume des Blattparenchyms ein, und die Blätter verderben. Daher 3 
bleiben bei Überſchwemmungen oberirdiſche grüne Teile der Land— 1 
pflanzen nicht ohne Schaden längere Zeit vom Waſſer bedeckt. Nach 
den Wahrnehmungen, die Robinets) in davon betroffenen Baum⸗ 
ſchulen machte, litten nach zweitägiger Bedeckung mit Waſſer oder 5 
ſtarben gänzlich ab die meiſten derjenigen Pflanzen, an denen ſich eine 
10—12 em hohe Schlammſchicht abgeſetzt hatte, während die nicht 2 
vom Schlamme bedeckten oder davon gereinigten nicht litten. Platanen, 2 
Erlen, Ulmen wurden auch durch die Schlammbedeckung nicht beſchädigt, E 


und Pappeln und Trauerweiden entwickelten ſogar aus der Stamm: | 

) In ähnlicher Weiſe nur in weit jtärferem Grade tritt dies normal an 5 4 
den Wurzeln waſſerbewohnender Onagraceen und Lythraceen, z. B. bei Jussiaea 1 
auf, das ſogen. Asrenchym bildend. Vergl. mein Lehrb. d. Botanik I. pag. 166. 


2) C. Perſeke, Über die Formveränderung der Wurzel in Erde und 
Waſſer. Diſſertation, Leipzig 1877. 

3) Bull. de la soc. bot. de France 1876, pag. 243. 

5) Citiert in Wiener Obſt⸗ und Gartenzeitung 1876, pag. 37. 


2. Kapitel: Ungünſtige räuml. Verhältniſſe u. Lagenverhältniſſe d. Erdbodens 249 


baſis Wurzeln in den Schlamm. Dieſe Widerſtandsfähigkeit hängt 
damit zuſammen, daß die betreffenden Pflanzen auch einen ſehr naſſen 
Standort gut vertragen. 
2. Kapitel. 
Ungünſtige räumliche Verhältniſſe und Lagenverhältniſſe des Erd- 
bodens. 


1. Ungenügendes Bodenvolumen. Wer ſich mit vergleichenden Pflanzen in zu 


Kulturverſuchen von Pflanzen in Blumentöpfen oder Vegetations- 
gefäßen beſchäftigt, kennt ſehr wohl den bedeutenden Einfluß, welchen 
die Größe des den Wurzeln zur Ausbreitung verfügbaren Raumes 
auf die Größenverhältniſſe der oberirdiſchen Teile und auf die Pro- 
duktion an Pflanzenſubſtanz ausübt. Kultiviert man eine und dieſelbe 
Pflanzenart in dem gleichen Boden im freien Lande und in verſchieden 
großen Blumentöpfen, ſo bemerkt man, daß die Höhe der Stengel, die 
Verzweigung derſelben, die Größe der Blätter, die Zahl der Blüten 
und Früchte im Vergleich mit den Freilandpflanzen um ſo mehr ab— 
nimmt, je kleiner der Topf iſt. Dies zeigt ſich auch dann, wenn man 
Düngung im überfluß gegeben hat, ſo daß alſo ein Mangel an dis— 
poniblen Nährſtoffen daran keine Schuld haben kann. Von Hell- 
riegel!) iſt dieſe Erſcheinung zum Gegenſtand beſonderen Studiums 
gemacht worden. Er fand z. B. beim Klee folgende Beziehungen. 
Erdinhalt der Glasgefäße Ernte⸗Trockenſubſtanz in 3 Jahren. 


6% aer 
ö een 
eee eee eee egen 
3100 „ 76,8 „ 


Bei Erbſen, Bohnen und andern Pflanzen fand Hellriegel, daß, 
wenn die Bodenmenge ſich wie 1:2 verhält (3100 :6200 gr), die Ernte 
ſich wie 1:1,6 bis 1,8 herausſtellt. Indeſſen zeigen ſich doch je nach 
Pflanzen und Bodenarten Verſchiedenheiten. Ich habe in kleinen 
Töpfen, welche nur ca. 1,2 Erde faßten, Erbſen zu faſt normaler Höhe 
und Produktion bringen können, wenn ein guter, humusreicher Garten— 
boden verwendet wurde?). Allbekannt iſt ja auch, daß Gärtner leidlich 
gut entwickelte Pflanzen erziehen in ſehr kleinen Töpfen, wenn dieſe nur 
mit ſehr nährkräftigem Boden gefüllt ſind. Dagegen tritt die Reduktion 
in der Pflanzenentwickelung immer ſehr bedeutend hervor, wenn man 
zu ſolchen Verſuchen einen weniger guten Erdboden nimmt. Selbſt 

) Beiträge 3. d. naturwiſſ. Grundlagen des Ackerbaues. Braunſchweig 
1873, pag. 184. 

2) Die Aſſimilation freien Stickſtoffes bei den Pflanzen in ihrer Ab— 
hängigkeit von Species ꝛc. Landwirtſch. Jahrb. XXI. pag. 33. 


kleinen 
Blumentöpfen. 


Ungünftige 
Neigung der 
Bodenoberfläche. 


250 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


noch andre Entwickelungserſcheinungen, außer der allgemeinen Re— 
duktion der Größenverhältniſſe, können ſich dabei ändern. Ich habe 
in Glasgefäßen von 21 Inhalt, die mit leichtem Sandboden ge— 
füllt ſind und eine Düngung mit Kali und Phosphorſäure, jedoch 
nicht mit Stickſtoff erhalten haben, Oenothera biennis ſchon bis ins 
dritte Jahr lebend erhalten, aber nur unter Bildung einer ſich immer 
wieder erneuernden Wurzelblattroſette, alſo ohne Bildung des blühenden 
Stengels, während dieſe Pflanze normal zweijährig iſt und im erſten 
Jahre eine Wurzelblattroſette entwickelt, im zweiten Jahre den blühenden 
Stengel bringt und dann abſtirbt, ſo daß hier die Blütenbildung immer 
verhindert und damit die ganze Entwickelungsdauer der Pflanze ver— 
längert wird. 

Um eine Erklärung für dieſen Einfluß des beſchränkten Boden— 
volumens zu gewinnen, muß man zunächſt feſthalten, daß, wie ſchon 
erwähnt, nach den obigen Verſuchen Mangel an NRährſtoffen nicht die 
Urſache ſein kann. Dasſelbe Nährſtoffquantnm würde mehr leiſten, 
wenn die Wurzeln ſich weiter ausbreiten könnten. Der Grund muß 
alſo in den mechaniſchen Widerſtänden liegen, welche ſich der Ent— 
wickelung eines normalen Wurzelſyſtems entgegenſtellen. Sorauer!) 
will die vielen Krümmungen und Ouetſchungen, welche die Wurzeln 
in kleinen Kulturgefäßen erleiden, verantwortlich machen; das iſt aber 
keine befriedigende Erklärung. Die Sache liegt vielmehr offenbar ſo. 
In ihrer nächſten Umgebung entwickelt die Pflanze auch in einem 
engen Topfe nicht mehr Wurzelmaſſe als im fernen Lande; die weiter 
hinzukommenden Wurzeln ſind auch für eine weitere Entfernung vom 
Standorte der Pflanze beſtimmt; da ſie dieſe nun im engen Topfe 
nicht erreichen können, ſo häufen ſie ſich da, wo der Widerſtand liegt 
an; es entſteht, wie bekannt, ſchließlich ein den Boden und alle Wände 
des Gefäßes überziehender Hohlſack aus verflochtener Wurzelmaſſe. 
Alle dieſe Wurzeln aber ſind, da ſie ſich mit dem eigentlichen Erd— 
boden gar nicht in Verwachſung befinden, auch für die Erwerbung 
von Nährſtoffen faſt ganz bedeutungslos. 

2. Neigung der Bodenoberfläche. Bekanntlich ſind nur 
ſolche Lagen, deren Bodenoberfläche nicht über 10° zum Horizonte ges 
neigt iſt, aus mechaniſchen Gründen zum ſichern Pflanzenbau zuläſſig, 
da bei ſtärkeren Neigungen durch die Regengüſſe, die nicht befeſtigte 
Feinerde mit der Zeit zu Thal geführt wird, falls nicht durch koſtſpielige 
Terraſſierung dies zu vermeiden iſt. Die ſteilen Bodenflächen eignen 
ſich nur für Wieſen und Waldvegetation, weil nur durch die Verankerung 
der Wurzeln dieſer Pflanzen im Felsgeſtein eine Befeſtigung der Boden, 


1) Pflanzenkrankheiten, 2. Aufl. I., pag. 45. 


2. Kapitel: Ungünſtige räuml. Verhältniſſe u. Lagenverhältniſſe d. Erdbodens 251 


krume erzielt wird. Wo durch vollſtändige Abholzung ſolcher Flächen 
dieſe Befeſtigung verloren gegangen iſt, da iſt die Aufforſtung mit großen 
Schwierigkeiten verknüpft. Daß die Lage einer geneigten Bodenfläche 
auch nach den Himmelsgegenden wegen der Temperatur- und Feuchtig— 
keitsverhältniſſe auf die Vegetation Einfluß hat, iſt in den Kapiteln, 
wo von dieſen Faktoren die Rede iſt, erwähnt worden. Insbeſondere 
f iſt bei den Einflüſſen der Temperatur darauf hingewieſen worden, daß 
N die ſüdlichen und ſüdöſtlichen Abdachungen wegen ihrer größeren und 

längeren Erwärmung in höheren Gebirgsregionen die einzigen, dem 

Ackerbau noch zugänglichen ſein können, daß aber auch anderſeits die 
ſtarken Temperaturſchwankungen und die Differenzen zwiſchen Luft— 
und Bodentemperaturen, die in dieſen Lagen vorkommen, verderblich 
für die Pflanzen werden können. Auch die ſtärkere Austrocknung, welcher 
die nach dieſen Himmelsgegenden geneigten Bodenflächen ausgeſetzt ſind, 
kann der Vegetation nachteilig werden. Es muß genügen, daß wir hier 
nur kurz auf dieſe Faktoren hinweiſen, denn eine eingehende Würdi— 
gung derſelben iſt mehr Gegenſtand des allgemeinen Pflanzenbaues. 

3. Zu tiefe und zu flache Lage der Saat. Die Erfahrungungünſtige Tiefe 

lehrt, daß in einer gewiſſen mäßigen Tiefe unter der Oberfläche des der Ausſaat. 
Bodens die größte Anzahl der ausgeſäeten Samen keimt, daß dieſe Zahl 
immer geringer wird, in je tieferen Lagen die Samen ausgelegt waren, 
und daß in einer ungewöhnlich großen Tiefe überhaupt keine Keimung 
mehr ſtattfindet, während auch wieder bei Auslage in der Nähe der 
Oberfläche des Bodens ſehr oft die procentiſche Zahl der gekeimten 
Samen ſich vermindert. Pflanzen, die aus ſehr großer Tiefe noch auf— 
gegangen ſind, zeigen ſich auch in ihrer ganzen Entwickelung verſpätet 
und ſchwächer. Um den in Rede ſtehenden Einfluß zu veranſchaulichen, 
wählen wir hier aus den zahlreichen hierüber gemachten Verſuchen 
einige der von Moreau gewonnenen Reſultate, die ſich auf Weizen 
beziehen, von dem je 150 Körner in beſtimmten verſchiedenen Tiefen 
in einem und demſelben Boden gleichzeitig ausgeſäet wurden. 


F un 22.7 1 0 SEE EEE Zu 
7 


!! a Be meta Beat DE a a 
160 mm. 5 53 682 4fach 
ws - 20 174 3818 25 = 
120 40 400 8000 55 > 
RN » 93 992 18534 124 = 
65 130 1560 34339 229 = 
50 140 1590 36480 243 ⸗ 
40 142 1660 35825 239 = 

7 137 1461 35072 234 
G 64 529 10587 7 


8 20 107 1600 Il» 


252 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


Daraus würde ſich ergeben, daß für den Weizen unter den bei 
dem Verſuche gegebenen Verhältniſſen die günſtigſte Tiefe zwiſchen 50 
und 40 mm lag. 

Das Unterbleiben der Keimung in ſehr großer Tiefe erklärt ſich 
aus dem ungenügenden Zutritt von Sauerſtoff, welcher ein Bedürfnis 
für die Keimung iſt, und aus der Anhäufung von Kohlenſäure, welche 
der Keimung nachteilig iſt. Wenn in großer Tiefe noch Keimung ſtatt— 
gefunden hat, ſo vermag doch das Keimpflänzchen häufig das Licht nicht 
zu erreichen, man findet es bis zu irgend einer Höhe im Boden ge— 
wachſen und dann abgeſtorben. Die Todesurſache kann hier eine 
doppelte ſein: entweder hat es wiederum an reſpirabler Luft gefehlt, 
oder die aus dem Samen ſtammenden, zum Wachstum der Keimteile 
erforderlichen Reſervenährſtoffe waren erſchöpft, bevor der Stengel das 
Licht erreichen und ergrünen konnte, da ohne Chlorophyll eine Selbſt— 
ernährung unmöglich iſt. Bei Keimpflanzen, deren Kotyledonen über 
der Erde entfaltet werden, ſtreckt ſich bekanntlich das hypokotyle Glied 
ſo lange, bis jene über dem Boden erſcheinen, während bei Pflanzen 
mit unterirdiſch bleibenden Kotyledonen die auf letztere folgenden 
Stengelglieder dieſes Längenwachstum erleiden, um die Plumula ans 
Licht zu bringen. Dieſe Stengelglieder verlängern ſich hierbei nach 
Bedürfnis, denn bei flacherer Saat bleiben ſie ſehr kurz. Dieſe 
Streckungen ſind als ein durch den Lichtmangel im Boden bedingtes 
Etiolement zu betrachten !) und alſo offenbar ein ſehr gutes Hilfsmittel 
für die Keimpflanzen, um ſich aus jener ungeeigneten Lage zu be— 
freien. Allein bei ſehr tief ausgelegten Samen kann ſchließlich alles 
disponible Material des Samens zu dieſem Wachstum verwendet ſein, 
ohne daß das Ziel erreicht iſt. Aus der ſtarken Erſchöpfung der Re⸗ 
ſerveſtoffe, die damit verbunden iſt, erklärt ſich wohl auch genügend 
die oft lange anhaltende Schwächlichkeit ſolcher Pflanzen, welche ſich 
beim Keimen aus großer Tiefe heraufgearbeitet haben, und dürfte zu 
vergleichen ſein mit der ähnlichen Erſcheinung, welche eintritt, wenn 
man die Samen nach Wegſchneiden der Reſerveſtoffbehälter keimen 
läßt (ſ. pag. 119). Dagegen rührt der ungünſtige Erfolg bei der 
Keimung der ſehr nahe an der Bodenoberfläche liegenden Samen nur 
von den ungenügenden Feuchtigkeitsverhältniſſen her, welche hier ein— 
treten können. Die Keimwürzelchen an der Oberfläche des Bodens 
liegender Samen bleiben nur dann am Leben, wenn ihnen ununter⸗ 
brochen Feuchtigkeit geboten wird, bis das tiefere Eindringen gelungen 
iſt; andernfalls verwelken ſie und ſterben. Kommt nach dem erſten 


) Frank in Cohn's Beitr. z. Biol. d. Pfl. II., pag 75. 


2. Kapitel: Ungünſtige räuml. Verhältniſſe u. Lagenverhältniſſe d. Erdbodens 253 


Verſchmachten der Wurzeln bald Feuchtigkeit, ſo kann das noch leben— 
dige junge Keimſtengelchen neue Adventivwurzeln treiben, die dann 
vielleicht ein beſſeres oder auch wieder dasſelbe Schickſal haben. Über⸗ 
haupt iſt dann die Gefahr nahe, daß der ganze Keim vertrocknet und 
verdirbt, denn Samen, welche einmal zu keimen begonnen haben, ver— 
tragen dann nicht diejenige Austrocknung mehr, welche für ungekeimte 
ſchadlos iſt. So erklärt ſich nicht nur das häufige Fehlſchlagen der 
Keimung, ſondern auch die ſchwächere Entwickelung ber Pflanze bei 
ungenügend tief untergebrachter Saat. 


Die vorſtehenden Erörterungen laſſen auch die alte Gärtnerregel 
berechtigt erſcheinen, wonach man große Samen tief, kleine ſeicht, oder 
überhaupt jeden Samen wenigſtens ſo tief als ſein größter Durch— 
meſſer beträgt, unterbringen ſoll. Allein um die Gefahren einer Periode 
langer Trockenheit in den oberen Bodenſchichten zu vermeiden, die 
möglicherweiſe nach der Beſtellung eintreten kann, iſt es rationeller, 
die Samen eher etwas zu tief als zu flach auszuſäen. Aus dem oben 
Geſagten ging hervor, daß bei Vorausſetzung einer konſtanten genügen— 
den Feuchtigkeit an der Oberfläche des Bodens die Ausſaat in der 
oberſten Bodenſchicht das günſtigſte Reſultat liefern muß, weil ſie alle 
Nachteile einer tieferen Unterbringung vermeidet, daß dagegen bei Ein— 
tritt ſehr trockener Witterungsverhältniſſe dieſe nämliche Ausſaat ein 
viel ſchlechteres Reſultat liefern wird, als eine größere Tiefe, bei 
welcher der Schutz vor der Trockenheit den nachteiligen Einfluß der 
tieferen Verſenkung noch überwiegt. Die günſtigſte Tiefe in dieſem 
Sinne, welche Tietſchert!) als „rationelle Maximaltiefe“ bezeichnet 
hat, iſt von dem Genannten durch vergleichende Verſuche ermittelt 
worden. Selbſtverſtändlich iſt dieſelbe je nach Bodenarten ſehr ver— 
ſchieden, weil dieſe hinſichtlich der Permeabilität für Luft und der 
Feuchtigkeitsverhältniſſe ſich verſchieden verhalten. Sie beträgt 


im Sand im kalkhaltigen Lehm im Humus im Thon 
für Roggen 10,8 cm 5,4 em 8 cm 5,4 cm 
für Raps 7,3 cm 5,4 cm 3,5 cm 


Die Verſuche zeigten, daß bei dauernd genügender Feuchtigkeit 
der oberen Bodenſchichten ſeichtere als die angegebenen Lagen günfti- 
geren Erfolg hatten. Man ſieht hieraus, wie beſonders auf den 
leichten Sandböden eine tiefe Ausſaat angezeigt iſt. Die flache Saat 
iſt nur da angebracht, wo man die Regulierung der Feuchtigkeitsver⸗ 
hältniſſe in der Hand hat. 


) Keimungsverſuche mit Roggen ꝛc. Halle 1872. 


Regeln für 
Unterbringung 
der Samen. 


Verſchüttung. 
Zu tiefes 
Pflanzen. 


254 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


4. Verſchüttung und Tiefpflanzung. Pflanzenteile, welche 
an der Luft zu wachſen beſtimmt ſind, dürfen im allgemeinen nicht 
mit Erde bedeckt ſein, wenn ſie nicht erkranken und ſterben ſollen. 
Selbſtverſtändlich iſt ſolches für kleinere, zartere Pflanzen beſonders 
verderblich, aber auch für die meiſten Holzpflanzen gefährlich. Solche 
Fälle treten ein z. B. an ſteilen Lagen bei Erdabwaſchungen infolge 
ſtarker Regengüſſe, oder wenn mit Bäumen beſtandenes unebenes Terrain 
planiert worden iſt, wobei Bodenaufſchüttungen um die Stämme vor— 
genommen wurden. Die meiſten Gehölze vertragen letzteres ſchwer 
und gehen danach bald oder doch nach längerem Kränkeln ein. Das— 
ſelbe geſchieht, wenn Holzpflanzen beim Verſetzen zu tief eingepflanzt 
werden. Ungleich weniger empfindlich dagegen ſind diejenigen Pflanzen, 
an deren natürlichen Standorten ſolche Bodenveränderungen etwas 
Häufiges ſind, wie die Pflanzen der Dünen und der Flußufer, als 
Weiden, Pappeln, Hippophaö rhamnoides, welche auch aus völliger 
Verſchüttung wieder hervorzuwachſen vermögen. Die Urſache dieſer 
Beſchädigungen wird in einem Erſticken der Wurzeln infolge mangel— 
haften Zutritts ſauerſtoffhaltiger Luft geſucht, weil die Wurzeln zu 
tief unter der Bodenoberfläche zu liegen kommen, denn in der That 
ſind gerade die meiſten der feineren Saugwurzeln der Bäume in der 
oberen Bodenſchicht entwickelt. Die Widerſtandsfähigkeit der genannten 
Uferpflanzen erklärt man aus der Leichtigkeit, mit welcher gerade dieſe 
Pflanzen an jedem beliebigen Teile ihrer Holzaxen eine lebhafte Bil— 
dung von Adventivwurzeln eintreten laſſen können; in der That bilden 
fie nach Übererdung bald neue Wurzeln in dem aufgeſchütteten Boden. 
Am größten iſt natürlich die Gefahr einer zu tiefen Pflanzung in 
ſchwerem, dauernd waſſerreichem Boden. Wie die einzelnen Gehölz— 
arten in dieſer Beziehung ungleich empfindlich ſind und demgemäß ein 
tieferes oder flacheres Pflanzen erfordern, iſt von Bouſché) behandelt 
worden. 

3. Kapitel. 


Ungünſtige phyſikaliſche Beſchaffenheiten des Erdbodens. 


Der den Pflanzen 1. Zu große und zu geringe Feſtigkeit des Erdbodens. 


zuſagende Feſtig 


keitsgrad des 
Erdbodens. 


Die Wurzeln aller Landpflanzen bedürfen eines eigentlichen Erdbodens. 
Denn auf nacktem Geſtein oder Mauerwerk können Pflanzenwurzeln 
nur dann eindringen und ſich befeſtigen, wenn Spalten, die ſolches 
ermöglichen, vorhanden ſind. Nur Flechten und Mooſe vermögen auf 
nackten Steinen ſich feſtzuſetzen, indem ſie in den Unebenheiten der 


1) Über das Tiefflanzen von Bäumen. Monatsſchr. d. Ver. z. Beförd. 
des Gartenbaus 1880, pag. 212. 


3. Kapitel: Ungünſtige phyſikaliſche Beſchaffenheiten des Erdbodens 255 


Oberfläche ſich anſiedeln und mit ihren das Geſtein korrodierenden 
Rhizinen in deſſen Subſtanz ſich einniſten, wodurch ſie Veranlaſſung 
geben zur erſten Bildung einer dünnen Schicht von Humus und Ver— 
witterungsprodukten des Geſteins, auf welchen dann immer größere 
Pflanzen ſich anſiedeln können. 

Aber auch im Erdboden ſelbſt kann der Zuſammenhang der Kruſtierende 
einzelnen Bodengemengteile ſehr ungleich ſein und daher der Boden S 
hinſichtlich ſeiner Feſtigkeit große Verſchiedenheiten zeigen, die in ihren 
äußerſten Extremen ebenfalls ein mechaniſches Hindernis für die Vege— 
tation darſtellen. Auf der einen Seite ſtehen hier die kruſtierenden 
Böden, was ſich mehr oder weniger von allen thonreichen Bodenarten 
ſagen läßt: ſie bildem beim Austrocknen, alſo an ihrer Oberfläche, 
eine kompakte, ſteinharte, in Sprüngen zerklüftende Maſſe, weil alle 
Gemengteile eines ſolchen Bodens durch die Thonteilchen desſelben 
zuſammengekittet werden. Ein Boden in dieſem Zuſtande verhindert 
das Eindringen der Wurzeln und das Hervortreten der Keime; er 
kann auch vielfach Zerreißungen der im Bereiche der Kruſtenbildung 
befindlichen dünnen Wurzeln zur Folge haben. Erdböden, welche im 
feuchten wie im trockenen Zuſtande eine krümelige Beſchaffenheit, alſo 
die der Pflanze günſtige Lockerheit behalten, laſſen dieſe Beſchädigungen 
nicht befürchten. Aber die Feſtigkeit kann auch einen ſo geringen Grad 
zeigen, daß nun aus einem andern Grunde die Vegetation vereitelt 
wird. Es gilt dies von der lockerſten Form der Sandböden, die unter 
dem Namen Flugſand in manchen Gegenden des norddeutſchen Tief— 
landes und auf den Dünen am Seeſtrande bekannt iſt, weil ſie im 
trockenen Zuſtande ſo vollſtändig ohne Zuſammenhang iſt, daß ſie vom 
Winde fortgeweht wird, wodurch alſo an der einen Stelle die Samen— 
körner aus der Erde geweht oder die jungen Pflanzen entwurzelt, an 
andern Stellen Pflanzen verſandet werden. Zur Befeſtigung des Flug— 
ſandes dienen bekanntlich Anſaaten von Sandgräſern, wie Elymus 
arenarius, Arundo arenaria und baltica, Carex arenaria, weil dieſe 
durch ihre ſchnelle Bildung von Wurzeln und Ausläufern die Ober- 
fläche zuſammen halten, ſo daß Aufforſtungen mit Kiefern möglich 
werden. Zur Sandbefeſtigung eignen ſich auch von Holzpflanzen 
Hippophaé rhamnoides, Ulex europaeus, Robinia Pseudacacia. 


2. Ungenügende Durchlüftung des Erdbodens. 

Der Erdboden muß in einem gewiſſen Grade dem Luftwechſel zu- Die Pflanzen 
gänglich ſein, wenn in ihm Samen keimen und Wurzeln leben ſollen, bedürfen des 
weil alle lebenden Pflanzenteile Sauerſtoff zur Atmung bedürfen. In eee * 
einem Boden, in welchem der von den Wurzeln verzehrte Sauerſtoff 8 


256 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


nicht durch Luftzutritt wieder erſetzt wird, und die entſtandene Kohlen— 
ſäure nicht entweichen kann, müſſen jene abſterben, erſticken, wie wir 
es mit Rückſicht auf die Todesurſache bezeichen können. Daß Samen 
darch längere Bedeckung mit Waſſer erſticken und dadurch ihre Keim— 
fähigkeit verlieren, iſt aus den Verſuchen von Zöbl) erſichtlich, wo— 
nach Gerſte nach 6, Roggen nach 9— 10 Tagen die Keimkraft eingebüßt 
hatten, während von Rüben nach 69 tägigem Aufenthalt in Waſſer 
noch faſt 50 Prozent keimten. Die Schädlichkeit des Sauerſtoffmangels 
und der Anſammlung von Kohlenſäure für die Wurzeln wird durch 
einen Verſuch W. Wolff's) bewieſen, nach welchem Pflanzen, die man 
in kohlenſäurereichem Waſſer kultiviert, zu aſſimilieren aufhören und 
welk werden, ſich aber wieder erholen, wenn ſie in deſtilliertes Waſſer 
geſetzt werden. Wir ſtellen hierher eine Reihe von Krankheitserſcheinungen, 
von denen einige unbeſtritten durch mangelhaften Zutritt von Sauer— 
ſtoff verurſacht werden, bei andern dieſes zwar nur hypothetiſch, aber 
mit größter Wahrſcheinlichkeit anzunehmen iſt. Zuvörderſt ſind aber 
die Umſtände anzugeben, unter welchen eine ſolche ungenügende Durch— 
lüftung des Bodens eintreten muß. Denn nicht bloß in großer Tiefe 
unter der Oberfläche iſt bei jedem Boden, wie wir oben (S. 252) ge— 
ſehen haben, mangelhafter Luftzutritt zu erwarten, ſondern es kann 
eben auch durch phyſikaliſche Beſchaffenheiten der Erdböden dieſer Fall 
eintreten. Alles, was die Poroſität des Bodens aufhebt, was das Ver— 
ſchwinden der zwiſchen den Bodenteilchen befindlichen Zwiſchenräume 
oder der in dieſen Poren enthaltenen Luft bedingt, hat jene Pflanzen— 
beſchädigungen zur Folge. Dieſer Zuſtand wird nun hauptſächlich durch 
ſtagnierende Näſſe des Bodens herbeigeführt. Das in der Erd— 
krume enthaltene Waſſer iſt durch Kapillarkräfte in derſelben feſtgehalten, 
indem die kleinen, feſten Teilchen, aus denen der Boden beſteht, kleine 
Räume zwiſchen ſich laſſen, in welchen Flüſſigkeiten kapillar angezogen 
werden, jo daß jedes Bodenpartikel von einer kleinen Waſſerhülle um⸗ 
geben iſt, deren Dicke je nach dem Feuchtigkeitsgrade größer oder geringer 
iſt. In einem Boden, den wir als trocken oder mäßig feucht 
bezeichnen, ſind die Lücken zwiſchen den Bodenteilchen nicht völlig von 
Waſſer erfüllt, ſondern lufthaltig, und die Luftkanälchen ſtehen mit der 
Luft über der Bodenoberfläche in Kommunikation. Wurzeln, die in 
ſolchem Boden wachſen, befinden ſich ſamt ihren Wurzelhaaren im 
Kontakt ſowohl mit den von Waſſerhüllen umgebenen Erdkrümchen, 


1) Wie lange behalten die Pflanzenſamen im Waſſer ihre Keimfähigkeit. 
Wiſſenſch. prakt. Unterſuch. v. Haberland. Bd. I. 
2) Tageblatt d. 45. Naturf.⸗Verſamml. zu Leipzig 1872, pag. 209. 


3. Kapitel: Ungünſtige phyſikaliſche Beſchaffenheit des Erdbodens 257 


als auch mit den lufthaltigen Kapillaren. Wird dem Boden immer 
mehr Waſſer zugeſetzt, ſo werden die Waſſerhüllen um die feſten 
Teilchen dicker, die Kapillaren immer mehr mit Waſſer angefüllt, 
und es tritt endlich der Punkt ein, wo der Boden mit 
Waſſer geſättigt iſt, d. h. wo er nicht im ſtande iſt, noch weiter 
zugeſetzte Flüſſigkeit durch Kapillar⸗Attraktion feſtzuhalten. Dieſen 
Punkt erkennt man daran, daß die Erde (z. B. in Blumentöpfen) 
unten ſoviel Waſſer abfließen läßt, als ihr oben beim langſamen Be⸗ 
gießen zugeſetzt wird. Im freien Lande hat der Boden dieſe letztere 
Beſchaffenheit an allen dauernd feuchten Stellen, beſonders wo ſtagnie— 
rende Näſſe herrſcht. In jedem Boden, deſſen Poren in dieſer Weiſe 
mit Waſſer verſtopft ſind, iſt die Bewegung der Luft in hohem Grade 
erſchwert. Auch von der Menge und Größe ſeiner Poren muß die 
Durchläſſigkeit des Bodens für Luft abhängig ſein. Hier ſtehen auf 
der einen Seite die lockeren, grobkörnigen Sandböden als diejenigen, 
welche die Luftbewegung am meiſten begünſtigen, da ſie ſogar bei zeit- 
weiliger Erfüllung mit Waſſer dieſes bald wieder durch ihre großen 
Poren abfließen oder verdunſten laſſen. Im Gegenſatz dazu zeichnen 
ſich die Lehm- und Thonböden und auch manche äußerſt feinkörnige, 
dichte und feſte Sandſchichten wegen ihrer ſehr geringen Poroſität und 
großen Feſtigkeit durch eine geringere Durchläſſigkeit für Luft aus, die 
im feuchten Zuſtande noch mehr vermindert wird, weil die kleinen 
Poren ſich durch Waſſer ſchnell erfüllen und dieſes mit großer 
Kraft in ſich feſthalten. Wie in der That die Durchläſſigkeit 
des Bodens für Luft mit der Dicke der Bodenſchicht ſich vermindert 
und wie überaus ungleich ſie iſt nach der Bodenart, wird durch die 
Verſuche vou Renk) und von Ammon) veranſchaulicht. So ging 
z. B. bei 40 mm Waſſerdruck durch eine 50 em hohe Bodenſchicht in 
einer Stunde Luft in Liter. 


bei Quarzſand bis 0,25 mm Korngröße 16,80 1 
1 8 von 0,25 0,50 mm I 41,04 1 
1 1 „ 0,50 1,00 mm 5 92,24 1 
5 N „ 1,002,500 mm 1 287,75 1 
„ Kalkſand bis 025 mm N 4,24 1 


neun, pulverförm g 1,62 1 
„ „ gekrümelt, von 0,25—0,50 mm Korngröße 30,90 1 


1) Jahresbericht f. Agrikulturchemie 1879, pag. 38. 
2) Unterſuchungen über die Permeabilität des Bodens für Luft. For: 
ſchungen auf dem Gebiete d. Agrikulturphyſik 1880. 3. Heft. 
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Au 17 


258 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


Daraus erklärt ſich auch, daß, wie Wollny) gezeigt hat, der 
Gehalt des Bodens an freier Kohlenſäure um jo größer iſt, je feiner 
pulverförmig ſeine Gemengteile ſind, ferner je mehr der Waſſergehalt 
des Bodens ſteigt; auch Erhöhung der Temperatur bis zu einer ge— 
wiſſen Grenze bewirkt Steigerung des Kohlenſäuregehaltes des Bodens. 
Sumpfpflanzen. Nur die auf ſumpfigen Standorten wachſenden Pflanzen ertragen 
die ſoeben charakteriſierte vollſtändige Sättigung des Bodens mit Waſſer 
ohne Schaden, ja für ſie iſt ſogar eine ſolche Bodenbeſchaffenheit Be— 
dingung, denn die auf ſolche Standorte angewieſenen Arten von 
Gräſern und Halbgräſern zeigen auffallend geringe Entwickelung, ſpär— 
lichere, kürzere und kümmerliche Triebe, wenn der Boden, in welchem 

fie ſtehen, jenen Feuchtigkeitsgrad eingebüßt hat. 
Empfindlichkeit Für alle diejenigen Landpflanzen aber, welche nicht eigentlich naſſe 
r. en Standorte haben, iſt eine Überfüllung des Bodens mit Waſſer ſchäd— 
Bodens. lich. Insbeſondere gilt dies von ſolchen Pflanzen, deren Wurzeln ſich 
bereits in einem ziemlich trockenen Erdreich entwickelt hatten. Die in— 
folgedeſſen eintretende Verderbnis der Wurzeln läßt ſich allgemein 
paſſend als Wurzelfäule bezeichnen; das Kränkeln und ſchließliche 
Abſterben der Pflanze infolge dieſes Wurzeltodes kann nun unter ver— 
ſchiedenen Symptomen ſich zeigen und je nach den begleitenden Um— 
ſtänden werden dieſe Beſchädigungen in der Praxis mit verſchiedenen 
Ausdrücken bezeichnet, ſie fallen aber eben urſächlich alle unter denſelben 


Geſichtspunkt. 
Aus ſauern der Als Ausſauern der Saaten bezeichnet man die Erſcheinung beim 
Saaten. Ackerbau, wenn der Boden durch ungewöhnlich lange und reichliche Nieder— 


ſchläge oder durch ſeine Lage in Flußauen oder in der Nähe ſtagnierender 
Gewäſſer bis an die Oberfläche oder auch nur in tieferen, von den Wurzeln 
erreichten Schichten andauernd naß bleibt. Eine gewiſſe Zeit können aller⸗ 
dings die landwirtſchaftlichen Kulturpflanzen eine ſolche ſchädliche Näſſe 
aushalten; bei Getreide hat man beobachtet, daß dies ſogar einige Wochen 
lang möglich iſt, die Pflanzen erholen ſich dann wieder, wenn normale 
Verhältniſſe wiederkehren. Es erklärt ſich dies aus den folgenden Beob— 
achtungen über die Anſtrengungen der Pflanze, in ſolchem Falle in der 
Nähe der Bodenoberfläche immer wieder neue Wurzeln zu erzeugen. Während 
die Pflanzen bis dahin nichts Krankhaftes zeigen, werden ſie, wenn der 
Boden dieſe Beſchaffenheit annimmt, in allen Teilen welk, dann ſchwarz 
oder gelb, überhaupt ſo verfärbt, wie es die betreffende Spezies im ab⸗ 
geſtorbenen Zuſtande zu zeigen pflegt, und endlich dürr; manche Pflanzen 
werfen auch vorher ihre Blätter ab. Die kranken Pflanzen laſſen ſich oft 
leicht aus der Erde ziehen und man bemerkt dann, daß ihr Wurzelſyſtem 
bereits abgeſtorben war und daß darin die nächſte Urſache des Welkens 
und Abſterbens der oberirdiſchen Teile lag. Den Prozeß dieſer Krankheit 


) Unterſuchungen über den Einfluß der phyſik. Eigenſch. des Bodens 
auf deſſen Gehalt an freier Kohlenſäure. Daſelbſt 1881. 4. Heft. 


3. Kapitel: Ungünſtige phyſikaliſche Beſchaffenheit des Erdbodens 259 


3 verfolgte ich an einer Ausſaat von Vicia Faba und Lathyrus Ochrus, 
| die ſich in der Nähe eines größeren Teiches in ziemlich niedriger Lage be- 
fand, wo die Wurzeln bald die waſſerreiche Bodenſchicht erreichten. Die 
krankhaften Symptome an den oberirdiſchen Teilen wurden bemerkbar, als die 
Pflanzen eben erſt Blütenknoſpen zu zeigen begannen. Der Wurzelkörper iſt 
dann zum größten Teil abgeſtorben; die Hauptwurzel im unteren Teile 
dürr und ſchwarz oder braun, die meiſten Seitenwurzeln ebenfalls. Das 
Abſterben der Gewebe beginnt in der Epidermis und ſchreitet ſucceſſiv in 
die tieferen Schichten des Parenchyms fort, bei Vicia Faba unter Auftreten 
eines purpurbraunen Farbſtoffes in den Zellmembranen. An den von mir 
unterſuchten Wurzeln der durch Ausſauern getöteten Vicia Faba befanden 
ſich eine Menge Wunden, veranlaßt durch das Aufſpringen und die ab— 
normen, fſchwammigen Gewebewucherungen des Parenchyms, welche häufig 
auftreten, wenn Wurzeln von Landpflanzen im Waſſer oder in ſehr naſſem 
Boden wachſen. Dieſelbe Erſcheinung wird auch an holzigen Pflanzenteilen, 
wenn dieſe im Waſſer ſtehen, beobachtet. Es iſt nicht unmöglich, daß auf 
die Dauer auch ſchon ſolche Wunden für die Wurzel ſchädlich werden. Im 
Parenchym der abgeſtorbenen Wurzelteile fand ich nicht ſelten Fäden eines 
Pilzmyceliums von ungleicher Dicke, ſtellenweiſe mit Querſcheidewänden 
ö und ſpärlich verzweigt, ſowohl zwiſchen den Zellen als auch quer durch den 
Innenraum derſelben wachſend. Sie werden nicht in allen kranken Wurzeln 
und auch dort, wo ſie vorkommen, nur zufällig an einzelnen Stellen an— 
getroffen; mit fortſchreitender Fäulnis nimmt dieſes Mycelium an Ent— 
wickelung zu. Es handelt ſich daher hier nicht um paraſitäre Einflüſſe, 
ſondern um einen ſaprophyten Pilz, der ſich ſtellenweis an den abgeſtorbenen 
Teilen anſiedelt. Da der Tod an jedem Teile der Wurzel immer erſt ein— 
tritt, wenn der ſchädliche Einfluß des naſſen Bodens eine Zeit lang auf 
denſelben eingewirkt hat, ſo ſind die Spitzen der Seitenwurzeln vielfach 
allein noch lebendig, weiß und friſch. Dadurch iſt einigermaßen noch Auf— 
ſaugung möglich, und die Holzbündel der kranken Wurzelteile geſtatten 
10 wenigſtens noch eine Waſſerſtrömung, ſo daß dann die oberirdiſchen Teile 
nicht ſogleich ſterben, ſondern noch eine Zeit lang lebendig erhalten werden 
können. Die Blätter ſterben dann von unten an in der Folge ihres Alters 
ab; die oberſten, jüngſten bleiben am längſten am Leben. Vor dem Tode 
ſucht die Pflanze eine Anzahl neuer Seitenwurzeln beſonders aus dem 
oberen noch ſaftigen und lebendigen Teile der Pfahlwurzel und ſelbſt aus 
dem nahe der Bodenoberfläche befindlichen geſunden Stengelſtücke zu treiben; 
doch auch dieſe Wurzeln verfallen dem nämlichen Schickſal, ſobald ſie tiefer 
in den Boden eingedrungen ſind, was dann erneute Anſtrengungen der 
Pflanzen, ſich zu bewurzeln, zur Folge hat. Bei dieſem Kampfe kann wenig⸗ 
ſtens eine kümmerliche Entwickelung der oberirdiſchen Teile, ſelbſt Blüten— 
und geringe Fruchtbilduug ermöglicht werden. 

Denſelben Einfluß auf die im Boden befindlichen Pflanzenteile kann Ausfaulen der 
auch die Eiskruſte haben, die ſich bisweilen im Frühjahre auf dem Schnee Winterſaaten. 
bildet infolge von Auftauen und Wiedergefrieren; ſie verurſacht ebenfalls 
ein Ausfaulen der Saaten. 

Hieran reiht ſich auch die bekannte Verderbnis, welche häufig Samen Faulen ausge- 
erleiden, die in übermäßig feuchten Boden ausgeſäet worden ſind: anſtatt ſäeter Samen. 
zu keimen, faulen ſie; große Samen, wie Bohnen u. dergl., verwandeln ſich 
dabei in eine ſtinkende, jauchige Maſſe. 


„ EEE IR * 2 


IL. 


Verſauern der 
Topfgewächſe. 


Wurzelfäule 
der Bäume. 


260 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


Das Verſauern der Topfgewächſe beruht auf derſelben Urſache. 
Es tritt ein, wenn das Abzugsloch des Blumentopfes verſtopft iſt oder 
das Begießen übermäßig erfolgt, beſonders bei lehmigen oder moorigen 
Erden. Wegen des Sauerſtoffmangels infolge der Erfüllung der Boden— 
räume mit Waſſer unterliegen die organischen Reſte der humushaltigen 
Erdböden einem andern Zerſetzungsprozeſſe als bei reichlicherem Sauerſtoff— 
zutritte; es entſtehen gewiſſe Humusſäuren, weshalb ein ſolcher Boden 
auch einen eigentümlichen Geruch annimmt. Dieſe ſauren Humuskörper 
ſind vielleicht auch direkt für die Wurzeln ſchädlich. i 

Auch an Bäumen kommt nach R. Hartig) unter ähnlichen Boden⸗ 
verhältniſſen, wie die vorgenannten, eine Wurzelfäule vor, und zwar 
hauptſächlich an Kiefern in Beſtänden der norddeutſchen Tiefebene. Die 
von dieſer Krankheit befallenen Bäume zeigen oft keine Veränderung in der 
Benadelung, fallen aber bei ſtarkem Wind oder Schneeanhang um und 
zeigen dann nur die in die Tiefe gehende Pfahlwurzel völlig abgefault, 
während die flach unter der Bodenoberfläche verlaufende Bewurzelung 
geſund geblieben iſt. Die verfaulten Spitzen der Pfahlwurzel und der 
tiefergehenden Seitenwurzeln bleiben im Boden ſtecken; ſoweit ſie mit 
herausgezogen werden, ſind ſie völlig zerfaſert und hellgelbbraun. Die 
Krone des Baumes verrät das Leiden nur durch eine etwas kürzere Trieb— 
bildung der letzten Jahre. In andern Fällen aber macht ſich die Krankheit 
am ſtehenden Baume durch Kränkeln der Krone, durch die Kürze der Triebe 
und Nadeln bemerklich; werden ſolche Bäume ausgerodet, ſo findet man 
die Pfahlwurzel an der Spitze abgefault und bis in den Stock hinauf 
verharzt, wodurch die Säfteleitung aus den Seitenwurzeln in den Stamm 
beeinträchtigt wird. Von der ähnlichen Beſchädigung durch gewiſſe unter- 
irdiſche paraſitiſche Pilze unterſcheidet ſich die Krankheit nach R. Hartig 
darin, daß die Bäume nicht vertrocknen, ſondern nach dem Abfaulen der 
Wurzeln lebend umfallen, die flachſtreichenden Wurzeln aber geſund bleiben 
und keine änßerlich erkennbare Mycelbildungen zeigen. Nur in den durch 
die Fäulnis ſchon getöteten Kiefernwurzeln hat R. Hartig verſchiedene 
ſaprophyte Pilze, unter andern auch den Xenodochus liquiperda Wzlk. ge⸗ 
funden, die alſo erſt ſekundär auftreten und in keiner urſächlichen Beziehung 
zur Wurzelfäule ſtehen. Die Krankheit tritt mit dem 20 bis 30 jährigen 
Alter auf und verbreitet ſich nicht von einem Punkte aus im Laufe der 
Jahre weiter, ſoudern beginnt gleichzeitig über ganzen Beſtänden oder 
größeren Plätzen in denſelben; das Umfallen erfolgt bald hier bald da und 
hat ein allgemeines Lückigwerden des Beſtandes zur Folge. Aus den zahl— 
reichen von R. Hartig vorgenommenen Unterſuchungen hat ſich ergeben, 
daß in allen Fällen in einer gewiſſen Bodentiefe ſich eine Schicht befand, 
die ſich dadurch auszeichnete, daß ſie den Luftwechſel zwar nicht völlig aus⸗ 
ſchloß, demſelben aber in hohem Maße hinderlich war, und daß ſie das 
Eindringen der Pfahlwurzel in der Jugend geſtattet hatte, aber in einem 
gewiſſen Alter des Beſtandes den Tod dieſer Wurzeln herbeiführte. Oft 
trat ſtagnierende Näſſe in einer gewiſſen Bodenſchicht auf. Sehr häufig 
war ein ſchwerer, thonreicher Lehmboden, der in der norddeutſchen Tiefebene 
oft neſterweiſe oder über größere Flächen verbreitet mitten in tiefgründigem 


Sandboden auftritt; und es zeigte ſich, daß die Wurzelfäule genau ſo weit 


1) Zerſetzungserſcheinungen des Holzes. Berlin 1878, pag. 75 ff. 


— 


FEE ˙ AA 


* 


3. Kapitel: Ungünſtige phyſikaliſche Beſchaffenheit des Erdbodens 261 


ging, wie der Lehmboden reichte, während auf dem reinen tiefgründigen 
Sand die Bewurzelung völlig geſund war. Auch hat R. Hartig den ſehr 
häufig auftretenden äußerſt feſten und feinkörnigen, Quarzmehl genannten 
Sand, ferner dichte Steinlager von Granitfindlingen, dichten Bauſchutt und 
andre undurchlaſſende Bodenſchichten bei Wurzelfäule von Kiefern vor— 
gefunden. An andern Nadelbäumen, die eine weniger tief gehende Pfahl— 
wurzel haben, zeigte ſich die Erſcheinung in weit geringerem Grade. 

Auch bei Laubhölzern, beſonders bei Obſtbäumen, kommen auf feſtem, 
undurchläſſigen Bodenarten Erkrankungen vor, die ſich meiſt dadurch be— 
merkbar machen, daß die Pflanzen ſchwächliche Triebe bilden und gelbe 
Blätter haben, und daß ſie nach und nach dem Abſterben verfallen. Eine 
nähere Prüfung der Wurzeln zeigt dann gewöhnlich eine mehr oder minder 
ſtarke Wurzelfäulnis als die nächſte Urſache des Leidens. Freilich kommen 
an allerlei Laubholzgewächſen, ſowie am Weinſtock, vielfach Erſcheinungen von 
Gelbſucht der Blätter vor, wohl auch verbunden mit Wurzelerkrankungen, 
ohne daß man ſogleich berechtigt wäre, die Urſache in einer ungünſtigen 
phyſikaliſchen Beſchaffenheit des Erdbodens zu ſuchen. Auch manche andre 
Faktoren können Erkrankungen mit gleichen Symptomen veranlaſſen, und 
es ſind immer die jeweils gegebenen Umſtände näher zu prüfen, um den 
wirklich ſchädlichen Faktor ausfindig zu machen. 

Bei Bäumen kann auch Verſumpfung des Bodens die Zufuhr Bäume leiden 
ſauerſtoffhaltiger Luft zu den Wurzeln erſchweren und zu Wurzelfäule oderbei Verſumpfung 
doch zu einer Störung der Wurzelthätigkeit Veranlaſſung geben, die ein des Bodens. 
Kränkeln oder krüppelhaften Wuchs der Bäume zur Folge hat. Verſumpfung 
muß eintreten, wo ein beſtändiger Zufluß von Waſſer ſtattfindet und wegen 
der Lage des Terrains der horizontale Abfluß erſchwert und auch ein ver— 
tikaler Abfluß verhindert iſt, alſo beſonders da, wo ſich aus eben dieſem 
Grunde Moorſümpfe gebildet haben. Die einzelnen Baumſpezies find um- 
gleich empfindlich gegen ſolche Bodenverhältniſſe. Die Erlen, Pappeln und 
Weiden vertragen dies noch am beſten; die meiſten andern Gehölze leiden 
darunter im höchſten Grade. Im norddeutſchen Tieflande iſt das Verhalten 
der gemeinen Kiefer in dieſer Beziehung äußerſt lehrreich. Wo die Sand— 
flächen, auf denen dieſer Baum ſehr gut gedeiht, unterbrochen ſind durch 
breitere Mulden, in denen Fliege oder Waſſeranſammlungen zur Moor⸗ 
bildung Veranlaſſung geben, da ſind die Kiefern bis zum Rande des Moores 
geſund und hochwüchſig, aber wie abgeſchnitten erſcheinen die gleichaltrigen 
Bäume auf der Moorfläche niedrig und krüppelig; ſie bilden hier Beſtände, 
die im Ausſehen etwa an die Vegetation der Sumpfkiefer (Pinus pumilio) 
in den höheren Gebirgsregionen erinnern, und die auch nach vielen 
Jahren dieſes Ausſehen nicht verändern und keinen bemerkbaren Zuwachs 
erkennen laſſen. 


Behufs Verhütung der Wurzelfäule werden alle diejenigen Maß- Verhütung der 
regeln in Betracht kommen, durch welche der Faktor, der im gegebenen Wurzelfaule. 
Falle die ungenügende Durchlüftung des Bodens bedingt, beſeitigt 
wird. Bei den Kulturen im großen wird alſo in erſter Linie die ge— 
eignete Drainage vorzunehmen ſein überall da, wo übermäßige Näſſe vor— 
handen iſt. Bezüglich des vorteilhaften Einfluſſes der Drainierung feuchten 
Ackerbodens auf die Entwickelung und Produktion der Kulturpflanzen 


262 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


kann hier füglich auf die Lehrbücher des Pflanzenbaues verwieſen werden. 
Wo es ſich um einen zu feſten, undurchläſſigen Boden handelt, wird die 
geeignete Lockerung vorzunehmen ſein, die durch Umbrechen im Herbſte 
und Liegenlaſſen des Bodens in rauher Furche während des Winters, 
außerdem auch durch Behacken oder Aufeggen, unter Umſtänden auch 
durch Kalken und Mergeln des Bodens zu erzielen iſt. Bei Topf— 
kulturen wird beſonders das übermäßige Begießen zu vermeiden ſein; 
man gebe den Pflanzen nur nach Bedarf Waſſer; es richtet ſich dies 
nach dem größeren oder geringeren Waſſerbedarf der einzelnen Pflanzen, 
der von ihrer Tranſpirationsgröße abhängig iſt; am leichteſten läßt 
ſich erkennen, ob die Topfpflanze begoſſen werden muß, durch Befühlen 
des Bodens, je nachdem er trocken oder feucht ſich anfühlt, und durch 
Anklopfen an den Topf, indem derſelbe hohl klingt, wenn es ihm an 
Waſſer fehlt, dagegen den Ton eines maſſiven Körpers giebt, wenn er 
noch genügend Waſſer enthält. 


4. Kapitel. 
Ungünſtige Zuſammenſetzung des Bodens. 
A. Der Waſſermangel. 


* 0 Waſſer iſt für alle Pflanzen unentbehrlich. Den Landpflanzen 
Pflanze. wird dasſelbe durch den Erdboden, der die Pflanzen trägt, unmittelbar 
geliefert, und dieſer empfängt es teils durch die Niederſchläge, teils 
durch ſeitlichen Zufluß, teils aus dem Untergrunde. Böden, die keinen 
ſeitlichen Zufluß erhalten, trocknen beim Ausbleiben der Niederſchläge, 
allmählich von der Oberfläche aus in immer tieferen Schichten aus. 
In einem Boden, der bis zu einem gewiſſen Grade ausgetrocknet iſt, u 
iſt daher weder eine Keimung von Samen, noch eine Erwerbung ge- * 
nügenden Waſſers durch die Wurzeln möglich, ſo daß alſo der Waſſer— 
verluſt, den die Pflanzen durch die Verdunſtung der Blätter an der 
Luft erleidet, nicht mehr erſetzt werden kann und auch die Zufuhr von 
Nährſtoffen aus dem Boden mangelhaft wird, weil die Pflanze dieſe 
Stoffe nur im waſſergelöſten Zuſtande, alſo mit Hilfe von Wafjer- 
erwerben kann. Es werden alſo verjchiedenartige Krankheitserſcheinungen 
zu erwarten ſein, je nach der Entwickelungsperiode der Pflanze, in 
welcher die Trockenheit eintritt, ſowie nach dem Grade und der Dauer 
der letzteren, aber auch nach dem ſpezifiſch ſehr ungleichen Waſſer⸗ 
Keimung wird bedürfnis und Waſſerhaushalt der einzelnen Pflanzenarten. 
durch Trocken⸗ 1. Störung der Keimung. Ohne Anweſenheit tropfbar flüſſigen 


heit des Bod ens _ \ 2 ß j 
geſtöort. Waſſers keimen Samen nicht; denn das in Dampfform in der Luft 


4. Kapitel: Ungünftige Zuſammenſetzung des Erdbodens 263 


enthaltene Waſſer genügt dazu nicht. Hat die Keimung einmal be— 
| gonnen und iſt bis zum Hervortreten der erſten Keimteile fortgeſchritten, 
ſo iſt eine Austrocknung der Keimpflänzchen von ſchädlichem Einfluſſe 
auf die Organe derſelben und auf den weiteren Fortgang des Keim— 
prozeſſes. Die aus den Samen hervorgetretenen Wurzeln ſterben dann 
ab, und wenn bereits die Plumula ſich zu entwickeln begonnen hat, 
ſo findet bei erneuter Waſſerzufuhr eine Wiedererweckung der Keimkraft 
ſtatt. Bei Monokotyledonen bilden ſich aus dem erſten Knoten, bei 
Dikotyledonen, welche durch das Austrocknen die Pfahlwurzeln verlieren, 
aus dem hypokotylen Gliede raſch neue Adventivwurzeln, und die 
jüngeren Blätter der Plumula entwickeln ſich. Novaczek) hat feimende 
Samen wiederholt bei 15—20 C. ausgetrocknet, nachdem jedesmal 
durch Waſſerzufuhr der Keimprozeß wieder begonnen hatte und neue 
Wurzeln gebildet waren, und hat dies mehrere Male wiederholen müſſen, 
ehe an allen Verſuchspflanzen die Entwickelungsfähigkeit aufhörte. Am 
widerſtandsfähigſten gegen die Dürre zeigte ſich die Keimung des Hafers, 
nächſtdem Gerſte, Weizen und Mais; eher ſtarben Raps, Lein, Klee, 
Erbjen. Aus den Verſuchen von Will?) ergiebt ſich, daß die Keim— 
pflanzen um fo mehr leiden, je weiter der Keimungsprozeß fortgeſchritten, 
namentlich je weiter die Plumula entwickelt iſt zur Zeit, wo die Trocken— 
periode eintritt; bei Erbſenſamen traten, wenn in ſehr ſpäter Periode 
noch Austrocknung ſtattfand, ſogar Fäulniserſcheinungen ein, die 
von den abgetrockneten Wurzeln ausgingen und oft die Keimlinge 
töteten. Dieſe Erſcheinung kommt an den Saaten vor, wenn die 
Samen nicht genügend tief untergebracht ſind oder ganz oberflächlich 
liegen, und nach der Beſtellung andauernd trockenes Wetter herrſcht. 
Man vergleiche das oben (S. 253) über die rationelle Tiefe der 
Unterbringung des Saatgutes Mitgeteilte. Aus dem Geſagten erhellt 
auch, daß es unvorteilhaft iſt, vorher angequollenes oder gar ſchon 
ausgewachſenes und nachher wieder trocken gewordenes Saatgut zu 
benutzen. | 
2. Welken. Wenn eine im Boden eingewurzelte Pflanze nicht Welten. Das 
jo viel Waſſer aus dem Boden aufzunehmen vermag, als fie in der- Weſen desſelben 
ſelben Zeit durch Tranſpiration der außerhalb des Bodens befindlichen 
| Teile Waſſer in Dampfform verliert, jo vermindert fich ihr Waſſergehalt. 
4 Die Folge iſt, daß die Zellen der ſaftreicheren Gewebe ihren Turgor 
7 verlieren und ſomit eine Erſchlaffung des ganzen Pflanzenteiles ein— 


) Referiert in Biedermann's Centralbl. f. Agrikulturchemie 1876, I., 
ag. 344. 


2) Landwirtſch. Verſuchsſtationen XXVIII. 1882. Heft 1 u. 2. 


Ungleiche Nei- 
gung der Pflan- 
zen zum Welk⸗ 

werden. 


264 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


tritt, welcher eben als welker Zuſtand allgemein bekannt iſt. Am auf⸗ 


fallendſten wird dieſe Erſchlaffung an ſolchen Pflanzenteilen, deren 
meiſte Zellen ſaftreichen Inhalt, dünne, zarte Membranen haben und 
zugleich ſtark tranſpirieren. Denn hier iſt der Turgor der Zellen vor— 
wiegend die Urſache der Straffheit der Blätter und Internodien. 
Pflanzenteile dagegen, welche aus überwiegend feſteren und härteren 
Geweben (ſtark entwickelter Cuticula, kräftigem Hypoderm, vielen oder 
ſtarken Fibrovaſalſträngen) beſtehen, zeigen keine ſo deutliche Erſchlaffung 
bei großem Waſſerverluſte, weil die Beſchaffenheit der genannten Ge— 
webe den Teilen ihre Steifheit erhält; ſolche Pflanzen können ganz 
vertrocknen ohne eigentliche Welkungserſcheinungen. Langgeſtreckte Inter— 
nodien ſieht man gewöhnlich in einem unmittelbar unterhalb des 
oberen Endes gelegenen Stücke am ſtärkſten erſchlaffen und ſich um— 
neigen, wie es Sproſſe mit gegen- oder quirlſtändiger Blattſtellung 
ſowie die langen Stiele von Blüten oder Blütenköpfen häufig zeigen. 
Dies hat ſeinen Grund darin, daß in der bezeichneten Region das 
Wachstums am längſten andauert, die Gewebe alſo dort noch in dem 
erwähnten weichen Zuſtande ſich befinden, und die härteren mechaniſchen 
Gewebe nur erſt unvollſtändig ausgebildet ſind. 

Bei einem und demſelben Feuchtigkeitsgehalte des Erdbodens und 
der Luft zeigen die verſchiedenen Pflanzen keineswegs gleiche Empfind— 
lichkeit hinſichtlich des Welkwerdens. Es kann hier nur ganz kurz auf 
die in der Pflanzenphyſiologie näher behandelten Verhältniſſe ein- 
gegangen werden, von welchen die Waſſererwerbung, die Aufſammlung 
von Waſſer und die Waſſerabgabe der Pflanzen durch Tranſpiration 
bedingt ſind. Je ſchwächer relativ das Wurzelſyſtem entwickelt iſt, 
deſto ſchneller wird bei lebhafter Tranſpiration unter ſonſt gleichen Um⸗ 
ſtänden Welken eintreten müſſen. Daher widerſtehen diejenigen Kräuter, 
die nur wenige, kurze, in der oberen Bodenſchicht entwickelte Wurzeln 
beſitzen, der Bodendürre weniger lange als ſolche, welche mit einem weit 
und tief im Boden ſich erſtreckenden Syſtem unterirdiſcher Organe aus⸗ 
gerüſtet ſind. Und Pflanzen, deren Wurzeln mechaniſch beſchädigt oder 
zerſtört find (nach dem Verſetzen) oder durch irgend eine Erkrankung ge- 


litten haben oder infolge andrer ungünſtiger phyſikaliſcher Einflüſſe, z. B. 


wegen zu niederer Temperatur des Bodens funktionslos ſind, welken 
ſogar ſchon bei günſtigen Feuchtigkeitsverhältniſſen des Bodens, woraus 
ſich ergiebt, daß Welkwerden auch das Symptom vielerlei andrer 
ſchädlicher Einwirkungen ſein kann, die an dieſer Stelle nicht zu erörtern 
ſind. Zweitens hält die Pflanze eine Bodendürre um ſo länger aus, 
einen je ſtärker entwickelten Holzkörper ſie beſitzt, weil dieſer als der 


eigentliche Weg der Waſſerſtrömung in der Pflanze zugleich ein Reſer⸗ | 


4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 265 


voir von Waſſer darſtellt, welches am größten bei den mit einem 
mächtigen Holzeylinder verſehenen Bäumen tft, bei denen die Blätter 
längere Zeit ihren Verdunſtungsverluſt aus dieſem erſetzen können. 
Darum fieht man, wenn die Kräuter vor Trockenheit zu welken be— 
ginnen, an den Sträuchern und Bäumen noch nichts davon, und es 
bedarf einer längeren Dürre, ehe das Laub dieſer Pflanzen anfängt 
welk zu werden. Endlich drittens iſt die Intenſität der Verdunſtung, 
d. h. die Waſſermenge, welche von einem gleichen Flächenſtücke eines 
Blattes, unter gleichen äußeren Bedingungen, in gleichen Zeiten 
tranſpiriert wird, bei den einzelnen Pflanzenarten im höchſten Grade ver— 
ſchieden. Dies hat natürlich zur Folge, daß die verſchiedeneu Pflanzenarten 
einer und derſelben Trockenheit ſehr ungleich widerſtehen. Pflanzen mit 
dünnen, weichen, kahlen Blättern verdunſten am raſcheſten und welken da— 
her am ſchnellſten. Schwächer iſt die Tranſpiration derjenigen Pflanzen, 
welche immergrüne, feſte, mit einer ſtarken Cuticula überzogene Blätter be— 
ſitzen, was überhaupt für alle Pflanzenteile gilt, welche mit einem für 
Waſſer ſchwer permeablen Hautgewebe ausgeſtattet ſind, wie alle mit 
Korkſchicht, Periderm, Borke umhüllten Organe. Eine äußerſt langſame 
Verdunſtung haben die Succulenten, wie die Cacteen und kaktusförmigen 
Euphorbien, die Kraſſulaceen, Aloeen, Agaven ꝛc., die daher auch unter 
allen Pflanzen der Dürre den größten Widerſtand leiſten, wodurch ſie 
befähigt werden, auf dem trockenen, ſonnigen Felsboden der Hochebenen 
und in der regenloſen Periode in den Steppen und Wüſten ihrer Heimat 
ſich am Leben zu erhalten. 

Welke Pflanzenteile können wieder trugescent werden, wenn das 
richtige Verhältnis zwiſchen Waſſerauſſaugung und Tranſpiration 
wieder hergeſtellt wird. Jedoch iſt ein übermäßig hoher Grad von 
Welkheit nicht mehr reparabel; ein ſolcher Pflanzenteil erſchlafft viel— 
mehr unaufhaltſam weiter und ſtirbt unter allmählicher Vertrocknung, 
auch wenn für reichliche Waſſerzufuhr oder für Verminderung der 
Tranſpiration geſorgt worden iſt. Die Pflanze kann dabei entweder 
ganz zu Grunde gehen, oder ſie verliert nur die ſtärker gewelkten Teile, 
alſo die ausgebildeten Blätter, während die Stengelſpitze mit den 
jüngeren noch nicht völlig erwachſenen Blättern ſich erholt. Dieſe Er— 
ſcheinung kann zweierlei Gründe haben. Erſtens wird die Leitungs— 
fähigkeit des Holzkörpers für Waſſer vermindert oder ganz aufgehoben, 
wenn derſelbe ſtärker austrocknet und eine Zeit lang wirklich aufgehört 
hat Waſſer zu leiten. Zweitens iſt aber für alle lebendige Zellen ein 
Waſſerverluſt, der eine gewiſſe Grenze überſchritten hat, unfehlbar 
tödlich, weil Waſſer zu den Exiſtenzbedingungen der lebenden Zellen 
gehört. Immerhin können die grünen Blätter eine Zeit lang ziemlichen 


Folgen des 
Welkens. 


266 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüffe 


Waſſerverluſt ohne Schaden ertragen. Nach Schröder!) blieben 
Blätter von Echeveria, welche normal 94,4 Prozent Waſſer enthalten, 
bei einem Waſſerverluſte bis zu 75,7 Prozent lebendig; bei Verluſt von 
78,3 Prozent ſtarben ſie; Blätter von Fuchsia, welche einen Waſſergehalt 
von 88,8 Prozent haben, ertrugen 35 bis 36 Prozent Waſſerverluſt ohne 
rn höhere Verluſte brachten das Blatt zum Teil, ein ſolcher von 
5 Prozent ganz zum Abſterben. Nur die Flechten und die meiſten 
Mooſe können ohne zu ſterben, ihr ganzes Vegetationswaſſer eine Zeit 
lang verlieren. Wenn die Oberfläche des Geſteins, der Baumrinde und 
des Erdbodens, den dieſe Pflänzchen bewohnen, austrocknet, ſo ſchrumpfen 
dieſelben zuſammen, werden dürr und ſpröde, aber leben dennoch wieder 
auf, ſobald Feuchtigkeit eintritt. 
Verhinderung Das Welken wird verhütet oder wieder beſeitigt, wenn genügende 
a eraufſaugung durch die Wurzeln ermöglicht, aljo für ausgiebige 
Bewäfjerung des Bodens geſorgt wird. Aber es kann auch bei großer 
Trockenheit des Bodens ohne Zufuhr von Waſſer gehoben werden, 
wenn die Verdunſtung der Pflanze vermindert oder ganz unterdrückt 
wird. Daher können erſchlaffte Pflanzen allein dadurch wieder friſch 
werden, daß der Feuchtigkeitsgehalt der Luft größer wird, alſo z. B. 
wenn man die gewelkten Pflanzen mit einer Glasglocke bedeckt oder 
in die feuchte Luft eines Gewächshauſes ſtellt, oder auch ihre Blätter 
mit Waſſer beſpritzt. Auf dieſe Weiſe erklärt es ſich auch, warum 
Freilandpflanzen, die am Tage wegen Trockenheit des Bodens welk 
geworden ſind, in der Nacht wieder friſch werden, weil die Luft zur 
Nachtzeit einen höheren Feuchtigkeitsgehalt beſitzt und weil die Tran- 
ſpiration der Pflanze durch den Einfluß des Lichtes geſteigert, durch 
die Dunkelheit verlangſamt wird; das Waſſer, welches die Wurzeln ja 
auch aus dem trocknen Boden noch immer langſam er kann 
ſich nun wieder in der Pflanze anſammeln. 


Sommerbürre 3. Sommerdürre. Verſcheinen und Notreife des Getreides. 
8 Wenn eine fertig oder nahezu fertig entwickelte und vollbelaubte 
85 Pflanze in eine Trockenheitsperiode kommt, wobei zwar noch immer ſo 
viel Feuchtigkeit von den Wurzeln geſammelt wird, um das akute 
Verwelken zu verhüten, aber doch der Waſſervorrat im Boden zu gering 
iſt, um die erforderliche Menge von Nährſtoffen, welche die Pflanze 
beanſprucht, in fie einzuführen, jo tritt mehr eine chroniſche Krankheits— - 
form auf, die ſich ganz allmählich herausbildet und durch eigentümliche 
Symptome charakteriſiert iſt, die beim bloßen Verwelken nicht Zeit haben 


1) über die Austrocknungsfähigkeit der Pflanzen. Unterſuch. aus d. bot. 
Inſt. Tübingen II. Heft 1. 


4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 267 


ſich auszubilden, wiewohl, wie das nicht anders zu erwarten iſt, dabei 
auch Welkungserſcheinungen manchmal zeitweilig mit hinzutreten. 
Dieſe mit den Eingangs genannten Namen bezeichnete Krankheit läßt 
ſich als ein langſames Verhungern und Vertrocknen charakteriſieren 
und äußert ſich darin, daß die Blätter, ihrer Altersfolge nach, alſo 
vom unterſten beginnend nach oben fortſchreitend, eins nach dem andern 
total gelb und bald vollſtändig dürr werden, wobei bisweilen zugleich. 
ſtellenweiſe braune Flecken ſich bilden. Beſonders bei den Gramineen 
beginnt am einzelnen Blatt die Verfärbung an der Spitze und ſchreitet 
allmählich bis zur Baſis fort; man fieht alſo hier während des Auf— 
tretens der Krankheit Blätter, bei denen nur die Spitze, ſolche, bei 
denen ein größerer Teil der Blattfläche oder die ganze Blattfläche gelb 
geworden iſt, ſowie ſolche, wo die Gelbfärbung auch bereits an der 
Blattſcheide mehr oder weniger weit herab reicht, ſo zwar, daß die 
Krankheit an der Spitze eines Blattes ſchon beginnt, wenn ſie an den 
vorangehenden noch nicht bis zur Baſis fortgeſchritten iſt. Der Erfolg 
für das Leben der ganzen Pflanze iſt ein ſehr verſchiedener. Bei den 
einjährigen, zumal beim Getreide, richtet ſich das nach der Entwickelungs— 
periode, in welche die Sommerdürre fällt!). Wenn die Pflanze den 
Beginn des Samenanſatzes erreicht hat, ſo hindert das Abſterben der 
Blätter die vollſtändige Ausreifung der Körner nicht mehr weſentlich, 
die vorhandenen Nährſtoffe werden dann aus den Blättern in die 
jungen Fruchtanlagen transportiert, und die Ernte iſt nicht gefährdet. 
Häufig kommt aber die Krankheit ſchon früher, etwa gegen die Blüte— 
zeit; der Blütenſtand bleibt dann in der oberſten Scheide ſitzen, denn 
es iſt oft kaum das oberſte Blatt noch geſund und die Pflanze iſt 
bald ganz gelb, ähnlich wie bei der natürlichen Reife, ſie wird not— 
reif, wie man ſich ausdrückt. Da in dieſer Zeit die Pflanze noch der 
Aſſimilationsorgane bedarf, ſo hat der Verluſt derſelben die Folge, daß 
die Körnerbildung ganz unterbleibt oder ſehr mangelhaft geſchieht. 
Sogar vor dem Sichtbarwerden des Blütenſtandes kann das Verſcheinen 
ſchon den Halm töten; es wächſt dann manchmal noch ein ſeitlicher 
Beſtockungstrieb auf, der aber auch bald von demſelben Schickſal er— 
eilt wird. Wir haben dann den ſtärkeren Grad vor uns, der als 
eigentliches Verſcheinen bezeichnet wird. Perrennierende Gräſer ver— 
lieren bei ſtarker Dürre ihre oberirdiſchen Sproſſe unter den gleichen 
Erſcheinungen; Grasplätze ſehen dann verdorrt aus. Aber hier halten 
die perennierenden Teile lange lebensfähig aus und bringen bei 
Eintritt von Feuchtigkeit wieder grüne Triebe hervor. 


) Vergl. Hellriegel, Beiträge z. d. naturwiſſ. Grundlagen des Ackerbaues. 
Braunſchweig 1883, pag. 498 ff. 


Sommerdürre 
bei Holzpflanzen 


Gipfeldürre. 


268 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


Auch bei dikotylen Krautpflanzen” zeigt ſich Sommerdürre unter 
analoger Verfärbung der Stengel und Blätter von unten an beginnend. 
Was die Praktiker beim Lein als „die Röte“ und als „Gelbſucht der 
Köpfe“, beim Hopfen als „Sommerbrand“ oder „rote Lohe“ bezeichnen, 
gehört hierher. 

Sogar bei Holzpflanzen tritt in trockenen Sommern am Laube die 
Erſcheinung der Sommerdürre auf. Es iſt jedoch für dieſe Pflanzen 
der Verluſt des Laubes durch Sommerdürre nicht tödlich; Zweige und 
Knoſpen bleiben am Leben und belauben ſich und blühen teilweiſe 
bisweilen ſchon im Herbſt wieder, wenn die Witterung feuchter wird. 
Nur eine ungewöhnlich lange Dürre zieht auch für ſolche Pflanzen den 
Tod nach ſich. Aber das vorzeitige Abſterben des aſſimilierenden Laub— 
körpers hat jedenfalls eine mangelhaftere Holzbildung, nämlich einen 
vorzeitigen Abſchluß des neuen Holzringes und außerdem wohl auch 
eine unvollſtändige Bildung von Reſervenährſtoffen in Stamm und 
Zweigen zur Folge, abgeſehen von dem Subſtanzverluſte, der durch 
die in voller Vegetationsthätigkeit verloren gehenden Blätter bewirkt 
wird. An immergrünen Bäumen äußern ſich die Wirkungen eines ſehr 
trockenen Sommers in dem Abwerfen der Blätter, und zwar der 
älteren Blätter, die ja auch normal nach und nach abfallen, unter 
dieſen Umſtänden aber zahlreich und verfrüht abgeworfen werden. So 
thun es nach Bouché !)) die Orangenbäume, Kamellien, Lorbeer 
und andre immergrüne Bäume; Thuja wirft die grünen Zweige ab. 
An den Obſtbäumen haben trockene Sommer ein Abwerfen der 
Früchte im unreifen Zuſtande zur Folge. 

In Waldbeſtänden tritt an Bäumen, die vorher unter günſtigeren 
Verhältniſſen ſich entwickelt haben, bei Verminderung des Waſſer- und 
Nährſtoffgehaltes des Bodens außer der allgemeinen Wuchs— 
verminderung, leicht die ſogenannte Gipfeldürre oder Zopftrocknis 
ein, d. h. ein Vertrocknen des oberen Teiles der Baumkrone, während 
der untere Teil ſich grün erhält. In Rotbuchenbeſtänden ſoll dies oft 
ſchon im Stangenholzalter dann auftreten, wenn Streunutzung ſtattfindet, 
was ſich aus der unentbehrlichen Verwertung des Laubhumus durch die in 
der oberſten Bodenſchicht wachſenden Mykorhizen, von denen unten die 
Rede ſein wird, erklärt. Die waſſerbedürftige Erle wird bei übertriebener 
Entwäſſerung gipfeldürr. Eichen, die im Beſtandesſchluſſe erwachſen 
ſind, ſollen nach Freiſtellung leicht gipfeldürr werden, was R. Hartig?) 
dadurch zu erklären ſucht, daß infolge der Freiſtellung die ſtärkere Licht⸗ 


1) Monatsſchrift der Ver. z. Beförder. d. Gartenb. 1877, pag. 246. 
2) Lehrbuch d. Baumkrankheiten 2. Aufl. Berlin 1889, pag. 241. 


0 
* 
7 
4 
4 
4 
1 
* 
U 


4. Kapitel: Ungünftige Zuſammenſetzung des Erdbodens 269 


wirkung eine ſtärkere Aſſimilation den Blätter und reichliche Bildung 
von Waſſerreiſern am Schafte hervorrufen, daß anderſeits aber auch der 
Humus des Bodens raſcher verzehrt werde und den Boden tiefer aus— 
trockne. Bisweilen ſollen auch an Baumſtämmen infolge ſtarker 
Trockenheit Riſſe im Holze, ähnlich den Froſtriſſen (S. 210), beſonders 
an der Süd- und Weſtſeite eintreten, wofür Hartig!) und Nörd— 
linger?) Angaben beibringen. 


Über die Natur des Verſcheinens und ſeinen Zuſammenhang mit der Mikrofkopiſche 
Trockenheit des Bodens ſind wir noch ungenügend unterrichtet. Die Krank- und chemiſche 
heit mit der herbſtlichen Entfärbung und Entleerung der Blätter zu ver- Veränderungen 
gleichen, iſt unſtatthaft, wie Krauss) bezüglich der Holzgewächſe nach- m ts 
gewieſen hat. Derfelbe zeigte, daß die am Blattgrunde im Herbſt ſich $ 
bildende Trennungsſchicht, welche den Blattfall vorbereitet, hier nicht gebildet 
wird, weshalb die durch Sommerdürre getöteten Baumblätter den ganzen 
Winter am Baume hängen bleiben, ferner daß das Meſophyll zwar ebenſo 
wie in den herbſtlichen Blättern keine Spur von Stärkemehl, wohl aber 
noch das anſcheinend unverminderte Protoplasma in den Zellen enthält, 
teils zu braunen desorganiſierten Klumpen zuſammengeballt, teils zwar 
zuſammengezogen, aber noch die Chlorophyllkörner und den Zellkern erkenn— 
bar enthaltend. In ſommerdürren Blättern von Gerſte und Hafer finde 
ich im Meſophyll ebenfalls keine Stärke, während dieſelbe im geſunden 
grünen Blatte dort reichlich vorhanden iſt; auch die Chlorophyllkörner ſind 
verſchwunden, an ihrer Stelle gelbe, ölartige Kügelchen, bald große, bald 
kleine und dann molekular bewegliche vorhanden, welche durch Ather auf— 


5 gelöſt werden; außerdem enthalten die Zellen ihr nicht merklich vermindertes 
Ir Protoplasma zu einem großen, meiſt runden, farbloſen Körper kontrahiert; 
5 in manchen Zellen ſcheint die gelbe ölartige Subſtanz in dem Protoplasma— 
F klumpen gelöſt zu ſein, denn dieſer ſieht gelb aus und entfärbt ſich durch 
8 Ather. Die oben erwähnten braunen Flecken der Getreideblätter beruhen 
5 auf einer Braunfärbung der Zellmembranen, namentlich der Außenwand 
2 der Epidermiszellen, welche auf einem gewiſſen Areal dieſe Farbe annimmt; 
i beſonders intenſiv erſcheinen dann gewöhnlich die Spaltöffnungszellen ge— 
1 bräunt. Von der Epidermis aus kann die Färbung auch mehr oder weniger 


1 tief ins innere Gewebe ſich erſtrecken, ſowohl auf die angrenzenden Zellen 
8 eines Fibrovaſalſtranges, als auch auf die des Meſophylls Dieſe Bräunung 
0 iſt wohl der vielfach an abgeſtorbenen Zellen zu beobachtende Beginn eines 
8 Humifikationsprozeſſes. Pilze ſind, wenigſtens im Anfange der Verfärbung, 
8 nicht vorhanden; aber es erſcheinen ſehr bald, wie auf allen abgeſtorbenen 


ß an der Luft befindlichen vegetabiliſchen Teilen, einzelne aufgeflogene und 
4 in Keimung begriffene Sporen von Cladosporium und Sporidesmium, 
& aus denen ſich manchmal ſpäterhin, wenn der Tod des Blattes eingetreten 
*. iſt, die bekannten ſchwarzbraunen Räschen der Konidienträger dieſer Pilze 
3 entwickeln, welche hiernach in keiner kauſalen Beziehung zur Krankheit ſtehen. 


Am Wurzelſyſtem iſt nichts Abnormes zu bemerken. Über die ſtofflichen 


) Flora 1883, Nr. 14, pag. 224. 
2) Centralblatt f. d. geſamte Forſtweſen 1878, pag. 281. 
3) Botan. Zeitg. 1873, Nr. 26 u. 27. 


1 


270 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


Verhaͤltniſſe des ſommerdürren Blattes liegt außer dem angegebenen mikro— 
ſkopiſchen Befunde nur folgende Analyſe Märker's vor, welche von Kraus 
(J. e.) mitgeteilt wird, und den prozentiſchen Gehalt, auf Trockenſubſtanz 
bezogen, von ſommerdürren und herbſtlichen Blättern eines und desſelben 
Strauches von Syringa gegenüberſtellt. 

Sommerdürre Herbſtliche Blätter 


Stickſtoff 1,947 N 

Phosphorſäure 0,522 0,373 
Kali 2,998 3,831 
Kalk 1,878 2,416 
Mineralſtoffe 8,028 9,636 


Dieſe Zahlen zeigen, daß man die Sommerdürre nicht mit dem herbſt— 
lichen Laubfall vergleichen darf und daß dem Baume durch dieſe 
Krankheit faſt doppelt ſoviel Stickſtoff und Phosphorſäure als durch die 
herbſtliche Entleerung verloren geht. Dies wird dadurch erkärlich, daß beim 
Eintritt der Sommerdürre die Zellen des Meſophylls im Vollbeſitze ihres 
Protoplasma vom Tode ereilt werden, während bekanntlich vor dem Laub— 
fall im Herbſte die Bauſtoffe des Protoplasma zum großen Teil wieder 
aus dem Blatte in die Zweige zurückwandern. Ich habe aber ſchon in 
der erſten Auflage dieſes Buches geltend gemacht, daß der Schluß, den 
Kraus weiter aus jenen Zahlen zieht, nicht berechtigt iſt; er ſchließt näm- 
lich, „daß in den ſommerdürren Blättern ſowohl das Kali als das Stärke— 
mehl auswandern, ganz jo, wie vor dem herbſtlichen Blattfall“. Das 
Fehlen des Stärkemehls im ſommerdürren Blatte kann, aber muß nicht 
ſo erklärt werden, denn in einem kranken Blatte könnte die Stärke auch 
auf andre Weiſe, z. B. durch Desorganiſation unter Mitwirkung der Atmung, 
zerſtört werden; übrigens findet überhaupt keine oder nur eine beſchränkte 
Bildung von Stärkemehl durch Aſſimilation in ſolchen Blättern ſtatt, die 
ſchon ſeit langer Zeit ſich zu verfärben, alſo ihr Chlorophyll zu verlieren 
begonnen haben. Bezüglich des Kalis aber wäre jene Behauptung doch 
offenbar nur dann erwieſen, wenn man wüßte, daß in dem ſommerdürr 
gewordenen Blatte überhaupt jemals mehr Kali geweſen iſt. Dafür fehlt 
jeder Beweis. Ich faſſe vielmehr das Verſcheinen als Symtom einer 
mangelhaften Ernährung, als Folgen eines Mindergehaltes 
an gewiſſen mineraliſchen Nährſtoffen auf, was freilich erſt durch 
vergleichende Aſchenanalyſen normaler Blätter derſelben Pflanze vom gleichen 
Standort und in gleicher Entwickelungsperiode bewieſen werden müßte. 
Die obigen Zahlen ſind, ſoweit ſie ſich überhaupt vergleichen laſſen, mit 
dieſer Auffaſſung im Einklang: dieſommerdürren Blätter find ärmer 
an Kali, Kalk und andern mineraliſchen Nährſtoffen, als die 
geſunden. Daß Phosphorſäure und Stickſtoff in den ſommerdürren 
Blättern in größerer Menge enthalten ſind als in den Herbſtblättern, kommt 
daher, daß dieſe Stoffe vor dem herbſtlichen Laubfall aus den Blättern 
zurückwandern. Das beweiſt aber nicht, daß nicht auch von dieſen Stoffen 
in den kranken Blättern weniger vorhanden iſt als in den geſunden aus 
derſelben Entwickelungsperiode Ich halte eine ungenügende Zufuhr der 
mineraliſchen Nährſtoffe für die notwendige Folge mangelhafter Feuchtig- 
keit des Bodens. Man würde dann die Veränderungen begreifen können, 
die ſich als Symptome bei Verſcheinen einſtellen: nicht bloß die Des⸗ 
organiſation gewiſſer organiſierter Gebilde in den Zellen, ſondern auch die 


4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 271 


oben beſchriebene Succeſſion, in welcher dieſelbe an den Organen ſtattfindet. 
Es iſt ferner zu vermuten, daß die Bodendürre dieſen Erfolg an einer 
Pflanze um ſo eher hervorbringt, ein je ſchwächeres Wurzelſyſtem dieſelbe 
im Verhältnis zur Größe des oberirdiſchen Körpers beſitzt, mag dasſelbe 
nun eine normale Eigentümlichkeit der Spezies oder ſelbſt wieder die 
Folge eines andern ſchädlichen Einfluſſes ſein, ſowie daß Pflanzen, deren 
Hauptwurzelmaſſe in den oberen, austrocknenden Bodenſchichten angelegt iſt, 
leichter ſommerdürr werden, als die tiefwurzeligeren. Hiermit hängt es viel- 
leicht zuſammen, daß Monokotyledonen und beſonders Sommergetreide früher 
als alle andern Pflanzen dem Verſcheinen anheimfallen. Die Berückſichtigung, 
daß die Krankheit durch die Kombination der angedeuteten verſchiedenartigen 
Momente zu ſtande kommt, wird auch den Schlüſſel zu der Erſcheinung 
liefern, daß die Sommerdürre oft nur ſtellenweiſe in einem Acker ſich zeigt. 
4. Verzwergung (Nanismus). Ein ganz andrer Erfolg tritt Verzwergung. 

aber ein, wenn der nämliche Grad von Bodentrockenheit, welcher an 
einer bis dahin normal entwickelten Pflanze Verwelken oder Verſcheinen 
hervorrufen würde, ſchon vor der Zeit der Keimung andauernd 
herrſcht. In dieſem Falle kann die Pflanze ſich den ungünſtigen Ver— 
hältniſſen anpaſſen, indem ſie den Plan für ihre ganze zukünftige Ent— 
wickelung von vornherein danach einrichtet. Es geſchieht dies dadurch, 
daß die Pflanze verzwergt, indem eine Reduktion in den Größen- und 
alſo auch Maſſenverhältniſſen aller einzelnen Glieder eintritt, wobei aber, 
was das Wichtigſte iſt, keine eigentlichen Krankheitserſcheinungen ſich 
zeigen und die Pflanze ihre ganze Entwickelung bis zur Erreichung der 
Samenreife durchmacht. Die Pflanzen erſcheinen dann alſo als Zwerge 
und ſind in dieſer Beziehung einer erſtaunlichen Reduktion fähig, wie 
die unten folgenden Angaben beweiſen. Vom Standpunkte des 
Pflanzenbaues ſind freilich ſolche Verzwergungen der Pflanzen, wegen 
der entſprechenden Verminderung der Produktion, einem Mißraten 
gleich zu achten. Aber vom Standpunkte der Pflanze ſelbſt erfüllen 
die Zwerge die allgemein den Pflanzen geſtellte Aufgabe: ja ſie können 
unter den gegebenen Umſtänden dieſe ihre Lebensaufgabe eben nur 
dadurch, daß ſie Zwerge ſind, erfüllen. Und in der Erkenntnis dieſer 
Thatſache, daß es ſich um eine Anpaſſung an die gegebenen Umſtände 
handelt, um die Pflanze dabei entwickelungsfähig zu machen, liegt eben, 
wie ich ſchon in der erſten Auflage dieſes Buches auseinander geſetzt 
habe, die einzig richtige Auffaſſung der Verzwergung infolge von 
Bodentrockenheit. Die ſpärliche Feuchtigkeit, welche der Boden bietet, 
und das geringe Quantum von Bodennährſtoffen, was dabei in die 
Pflanze befördert werden kann, würden nicht hinreichen, um die An— 
ſprüche einer mit gewöhnlichen großen Organen ausgeſtatteten Pflanze 
zu decken. Indem die letztere aber verzwergt, macht ſie ſelbſt frei. 
willig ihre Anſprüche ſo gering, daß denſelben unter den gegebenen 


Größenverhält— 
niſſe der Zwerge. 


272 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


ungünſtigen Verhältniſſen noch Genüge geleiſtet werden kann und die 
Erreichung der Lebensaufgabe der Pflanze, nämlich die Wiedererzeugung 
keimfähiger Samen, wenn auch nur in beſchränkter Anzahl, geſichert 
wird. Abgeſehen von ihrer geringen Größe erſcheint alſo dabei die 
Pflanze geſund und verrichtet alle ihre Lebensfunktionen. 

Die Pflanze reagiert mit großer Empfindlichkeit und Genauigkeit 
auf den Trockenheitsgrad, unter welchem ſie ſich entwickelt. Unter 
ſonſt gleichen Verhältniſſen iſt an einer und derſelben Spezies die 
Reduktion um ſo beträchtlicher, je geringer die Waſſerzufuhr, je trockner 
die Bodenſtelle iſt, auf welcher die Pflanze ihre Entwickelung beginnt. 
Thatſächlich kann man auch hiernach im Freien oft alle Abſtufungen 
von der normalen Größe einer Pflanze bis zu dem winzigſten In— 
dividuum auffinden. 

Die Verzwergung geſchieht im allgemeinen allerdings in propor— 
tionalen Verkleinerungen der einzelnen Glieder, ſo daß die Zwerge 
Miniaturformen der Spezies darſtellen. Jedoch gilt dieſes Geſetz 
ſtreng genommen nur für die oberirdiſchen, vegetativen Organe. Das 
Wurzelſyſtem einer Zwergpflanze iſt zwar abſolut kleiner, aber relativ 
weit größer als im normalen Zuſtande. Wären die Wurzeln pro— 
portional den oberirdiſchen Gliedern reduziert, ſo würde kaum eine 
genügende Befeſtigung im Boden möglich ſein. Es macht vielmehr 
den Eindruck, als ſuchte die Zwergpflanze mit den Wurzeln annähernd 
tief in den Boden einzudringen wie die normale Pflanze, und durch 
die relativ größere Wurzelentwickelung vor allem auch für die genügende 
Sammlung von Feuchtigkeit aus dem Boden Sorge zu tragen. Ferner 
werden auch die Blüten und Früchte meiſt nicht in demſelben Ber- 
hältnis verkleinert, wie die vegetativen Teile; eher vermindert ſich die 
Zahl der Blüten, als daß die einzelne Blüte und Frucht unter ein 
gewiſſes Größenmaß ſänke, was ja ſehr wohl erklärlich iſt, indem 
gerade dieſe Organe, um für ihre Aufgabe tüchtig zu bleiben, unter eine 
beſtimmte Größen- und Maſſenentwickelung nicht heruntergehen dürfen. 
Es kommt dabei oft zur Reduktion in der Zahl der Elemente eines 
Blütenſtandes, durch welche der Gattungstypus der Pflanze ganz ver- 
wiſcht werden kann. Am wenigſten folgen die Samen der Zwerge in 
der Verkleinerung den übrigen Teilen nach, und dasſelbe gilt auch 
von der Frucht, wenn dieſelbe einſamig iſt, wie bei den Körnern des 
Getreides. Sind die Früchte typiſch vielſamig, wie z. B. die Schötchen 
der Cruciferen, ſo verkleinern auch ſie ſich merklich, aber ſie bilden 
weniger Samen, weil dieſe eben viel weniger in der Größe reduzierbar 
ſind. Jedoch habe ich nie finden können, daß ein Zwerg nur einen 
einzigen Samen angelegt hätte; bei den kleinſten Formen, die ich an⸗ 


4. Kapitel: Ungünſtige Zuſaumenſetzung des Erdbodens 273 


traf, waren wenigſtens zwei Samen vorhanden, ſo daß es ſcheint, als 
ſei das Geſetz der Multiplikation der Keime durch nichts zu erſchüttern. 


Die hierhergehörigen Fälle von „Zwergwuchs ſind durch ihr Vorkommen Vorkommen 
auf trocknem Boden charakteriſiert. Im Freien ſindet man Zwerge beſonders von Zwergen. 
auf exponierten Bodenſtellen, wo die Feuchtigkeit ſchnell abläuft und durch 
die Luft verzehrt wird und wo keine Vegetationsdecke von Kräutern, Gräſern 
Mooſen u. dergl. die Bodenoberfläche feucht erhält, daher namentlich auf 
Wegen, auf kahlen wüſten Plätzen u. dergl. Auf leicht trocknenden Böden, 
wie auf Sand und Kies, kommt die Erſcheinung häufiger als auf anderen 
Bodenarten vor. Aber man trifft ſie ſelbſt auf ſchwerem, lehmigen Boden, 
wenn derſelbe an der Oberfläche leicht und raſch abtrocknet, wobei er im 
Innern reichlich feucht ſein kann; dies iſt beſonders an Pflanzenarten mit 
kurzen, in der trocknen Bodenſchicht befindlichen Wurzeln der Fall. Auch 
kann man künſtlich Zwerge erziehen, wenn man die erforderliche Boden— 
beſchaffenheit herſtellt. Manche der Formen, welche in der beſchreibenden 
Botanik die Bezeichnung nanus, pumilus, minimus 2c. führen ſind 
Zwerge in dem hier bezeichneten Sinne. Daß man durch Wegſchneiden 
der Cotyledonen und ſogar ſchon durch Auswahl der kleinſten Samen 
kleinere Pflanzen erhalten kann, iſt ſchon an andrer Stelle (pag. 120) 
erwähnt worden; mit der hierher gehörigen Verzwergung hat jene Er— 
ſcheinung inſofern Ahnlichkeit, als bei ihr die Verminderung der für die 
junge Pflanze beſtimmten Reſervenährſtoffe die Urſache der geringen Größen— 
entwickelung iſt. Wir werden unten auch Mangel an Nährſtoffen als Ur— 
ſache von Zwergbildung kennen lernen. Daß die künſtlich durch Stecklinge 
und geeignete Verſtümmelung erzielten ſogenannten Zwergbäumchen nichts 
mit den hier bezeichneten Erſcheinungen gemein haben, braucht nur an— 
gedeutet zu werden. 

Daß konſtante Bodendürre zwerghafte Pflanzenformen erzeugt, iſt Erzeugung von 

eigentlich allgemein anerkannt. „Plantae omnes in terra sterili, exsucca, 3wergwuchs 
arida, minores“ lehrte ſchon Linné. Den exakten Beweis dafür lieferte durch Kultur- 
Sorauer )) durch vergleichende Kultur von Gerſtenpflanzen, welche alle in verſuche. 
einem Boden von gleichen Nährſtoffmengen ſowie unter gleichen übrigen 
Verhältniſſen zur eee und Entwickelung kamen und nur durch das 
dem Boden zugeführte Quantum deſtillierten Waſſers ſich unterſchieden. 
Die mit der Verminderung der Waſſerzufuhr abnehmende Größe der 
Pflanzen zeigt ſich beſonders in den angegebenen Dimenſionen der Blatt— 
fläche. Wo der Boden 60% ſeiner waſſerhaltenden Kraft an Boden— 
feuchtigkeit erhielt, wurde die Blattfläche in Mittel 182,2 mm. lang und 
9, mm. breit, bei 40% Waſſer im Mittel 166,27 mm. lang und 9,1 
breit, bei 200% Waſſer 138,7 lang und 6,87 breit, endlich bei nur 10% 
Feuchtigkeit 93,7 lang und 5,6 breit. Möller?) hat auch an Bromus 
mollis gezeigt, daß der Zwergwuchs keineswegs erblich iſt, indem man aus 
Samen von Zwergpflanzen Exemplare von normaler Größe unter günſtigen 
Vegetationsbedingungen erhält; jedoch lieferten unter gleichen Bedingungen 
die Samen normaler Pflanzen größere Exemplare als diejenigen von 
Zwergpflanzen. 


1) Bot. Zeitg. 1873, Nr. 10. 
2) Beiträge zur Kenntnis der Verzwergung. Landwirtſch. ee 1883 
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. ; 


274 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


Grö ßenverhält— Das morphologiſche Geſetz der Verkleinerung beim Zwergwuchs wurde 
niſſe der Teile von Moquin-Tan don) nicht genau zutreffend als eine gleichmäßige 
der Zwerge. Verkleinerung ſämtlicher Teile eines Gewächſes bezeichnet. Was ich oben 
in dieſer Beziehung geſagt habe, davon möge das folgende Beiſpiel mit 
ſeinen Zahlen ein Bild gewähren. Ich habe die folgenden Nachweiſe bereits 

in der erſten Auflage dieſes Buches gegeben. 


Draba verna. 


Zwergpflanze Normale Pflanze 
Wurzellänge (Hauptwurzel 
und Seitenwurzeln 1. und 
2. Orbnunn d 600 mn 16 BE re 
Zahl ee ene ee, ien BI, 
Länge des Stengelss 7 „ EIN 


Geſamtlänge d. Stengel 
und Traubenäſte . 200 „ 


Dicke des Stengelss ... 015, TE RR. 0,30 „ 
BB Tee later n „„ er 
Lange eines Blattes 16, „„ VEPAEDEE Ze 
Bree „ N RO a (er gun, 
Ungefähre Geſamtfläche der 

Blätter in Quadrat mm. . 420, 95 
Annen e een „„ 
Größe „ „ Rn END, N Nen; 
Länge des Schötchens e „ neh Ar 
Zahl d. Samen im nem Bring, u 
Größe der Samen.. 04 „ „Ei 04 „ 


Die beiſtehende Fig. 28 Bay: eine Zwerg⸗ ‚Draba i im n b und frucht⸗ 
tragenden Zuſtand darſtellt, illuſtriert die vorſtehenden Zahlenangaben und 
zeigt anſchaulich die relativ enorme Wurzelentwickelung. Das Gleiche gilt 
von dem in Fig. 29 dargeſtellten Zwerg von Panicum sanguineum. Es ſei 
bemerkt, daß die obigen Zahlen der Wurzellängen nach ſorgfältigſter Frei— 
präparierung des geſamten Wurzelſyſtems gewonnen ſind. 

Die geſtaltlichen Veränderungen der Zwerge erſtrecken ſich bisweilen 
noch weiter als auf Größenreduktion: der morphologiſche Typus kann ſich 
ändern. Statt einer Traube kann nur eine Einzelblüte vorhanden ſein, 
wie bei Draba, ſtatt der Fingerähre eine dreiblütige Ahre bei Panicum 
sanguineum. Die kleinſten Zwerge von Bromus mollis haben ſtatt einer 
Riſpe mit vielblütigen Ahrchen ein einziges terminales, zweiblütiges Ahrchen. 
Die Ahre von Plantago major kommt bis auf 3 Blüten reduziert vor. 
Wo jedoch der weſentliche morphologiſche Charakter einer Inflorescenz not- 
wendig auf dem Aufbau aus einer Vielzahl von Blüten beruht, ſcheint die 
Zahl derſelben über die hierdurch vorgeſchriebene Grenze nicht reduzierbar 1 
zu ſein. So zähle ich an Zwergen von Matricaria Chamomilla mit einem ® 
einfachen, 43 mm langen, 0,25 mm dicken Stengel in dem einzigen termi- 
nalen Köpfchen, deſſen Rezeptakulum nur etwa 1,5 mm im Durchmeſſer 
hat, doch 5 Strahl- und ungefähr 6 Scheibenblüten. Auch die Blattform 
kann ſich weſentlich ändern; ſo kommen zwergige Capsella bursa pastoris 


) Pflanzenteratologie, deutſch von Schauer, pag. 74. 


4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 275 


und Teesdalia nudicaulis ſtatt mit gefiederten, mit einfachen, ganzrandigen 


Blättern vor. Bemerkenswert 
iſt das Verhalten der Trichome. 
Bei Draba verna ſind die 
Blätter der Zwerge nur mit 
wenigen Haaren in der Nähe 
der Spitze verſehen, oft auch 
ganz kahl, während im nor— 
malen Zuſtande das ganze 
Blatt mit Haaren beſetzt iſt, 
wenn auch an der Baſis jpär- 
licher. Die Haare der Zwerg: 
blätter ſind verhältnismäßig 
ſehr groß (vergl. Fig. 28 C). 
Die Länge eines der ſtern— 
förmigen Haare von der Baſis 
derſelben bis zur Spitze eines 
Sternſtrahles beträgt an 
Blättern normaler Pflanzen 
durchſchnittlich 0,5 wm, an 
denen der kleinſten Zwerge 
0,18 mm. Während alſo die 
Blätter ungefähr 7 mal kürzer 
und 10 mal ſchmäler, oder an 
Flächenraum 70 mal kleiner 
ſind, werden die Haare bei 
den Zwergen noch nicht um 
das Zweifache der Größe re— 
duziert. 


Fig. 28. | 
Zwerge vonDrabaverna. A blühende Pflanze 
mit dem vollſtändigen Wurzelſyſtem, einem 
einblütigen Stengel und einigen Wurzel— 
blättern. Wenig vergrößert. B fruchttragende 
Pflanze, mit einem aufgeſprungenen mehr⸗ 
ſamigen Schötchen. Wenig vergrößert. O Blatt 
eines Zwerges mit wenigen Haaren an der 
Spitze und den vollſtändigen Fibrovaſal— 
ſträngen. Vergrößert. D Blatt einer nor- 
malen Pflanze, mit zahlreichen Haaren und 
mit dem vollſtändig gezeichneten Syſtem der 
Nerven. Viel ſchwächer vergrößert als C. 


Hinſichtlich der Elemen— Größenverhält⸗ 
tarorgane der Zwerge iſt der wichtigſte Satz, daß die niſſe der Zellen 
Verkleinerung derſelben nicht entferut in demjenigen der Zwerge. 


Verhältnis geſchieht, welches der Reduktion der ganzen 
Organe entſprechen würde; ſie erſcheinen wenn nicht 
ganz in der normalen Größe, ſo doch uur unbedeutend 
kleiner; mit andern Worten: die Kleinheit der Or— 
gane kommt vorwiegend auf Rechnung der geringen 
Anzahl der Zellen. — Sorauer!)) hat es ſchon früher 
ausgeſprochen, daß die größeren Dimenſionen der 
Blätter der Gerſte bei ſtärkerer Waſſerzufuhr teilweis 
durch Vermehrung der Zellen, teilweis durch größere 
Ausdehnung derſelben bedingt werden, daß mit der Breite 


des Blattes die Zahl der Fibrovaſalbündel desſelben wächſt de 
(vergl. Fig. 28 C u. D); ferner fand er die Epi- 0 
dermiszellen bei 10% Waſſer am kürzeſten, bei 60% Fig. 29. 


am längſten, das gleiche hinſichtlich der Spaltöffnun⸗ Zwerg von Pani- 
gen, welche in ¼0 mm ausgedrückt bei 10% Waſſer cum sanguineum, 
16,2 mm, bei 20% 16,9 mm, bei 40% 18 mm und mit den vollſtän⸗ 


digen Wurzeln. 
N J. c. pag. 153. Wenig vergrößert. 
18 * 


276 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


bei 60% 19,3 lang waren; dagegen die Zahl der Spaltöffnungen auf einer 
beſtimmten Fläche um ſo geringer, je mehr Waſſer die Pflanze erhielt (weil 
durch die größeren Epidermiszellen die Spaltöffnungen weiter von einander 
gerückt werden). Um das oben Geſagte anſchaulicher zu machen, ſtelle ich 
hier die kleinſten Zwerge (ſ. oben) den normalen Pflanzen hinſichtlich der 
von mir gefundenen anatomiſchen Verhältniſſe gegenüber. Die Zahlen ſind 


auf Mittelwerte aus einer Anzahl Meſſungen berechnet. 


I. Panicum sanguineum. 
A. Blattfläche 


eines mittleren Halmblattes. Meſſungen aus der unteren Hälfte der Blattfläche. 


Normale Pflanze 


(Blattfläche 46 mm 


lang) 
0,12 mm 
0,022 „ 
0,029 „ 


8 
75 „ 


0,018 „ 


Normale Pflanze 
(Halm 400 mm 
lang) 

26 mm 


20 15 
0,038 „ 


Zwerg 
(Blattfläche 7 mm 
lang) 
Länge der Epidermis zellen 0,10 mm 
Breite „ an Re 
Länge der Spaltöffnung „„ „ „ ar SER 5 
Zahl der Spaltöffnungen in einer gr 
im Geſichts fed 4,6 ü 
Zahl der Nerven. 28 E 
Durchmeſſer der storophullpaltigen Me- 
ſophyllzellen . oe 
B. Halm 
zwiſchen dem oberſten Blatte und der Inflorescenz. 
Zwerg 
(Halm 13 mm 
lang) 
Zahl der Fibrovaſalſtränge s 6 mm 
Zahl der Zellen im Querdurchmeſſer 
des Markes . 422 5 
Durchmeſſer der größten Markzellen rr 1 77 
Länge der größten Markzellen . 0,081 „ 


II. Draba verna. 


A. Blatt, 
in der Mitte auf der Unterſeite ). 
Zwerg 
(Blatt 2 mm 
lang) 
Länge der Epidermis zellen. 0,033 mm 
„ Spaltöffnungen . 0,018 „ 
Zahl der i 5 1 0, 01 Qua- 
drat mm 8 5 


) Die Verhältniſſe der Nervenatur ſiehe in Fig. 28. 


0,114 „ 


Normale Pflanze 
(Blatt 12 mm 
lang) 
0,117 mm 
0,027 „ 


53 „ 


“ 
* 
+ 

4 
7 
r 
„ 

4 
9 
5 
E04 
1 

1 
* 


4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 277 


B. Stengel, in der Mitte. 


Zwerg Normale Pflanze 
(Stengel 12 mm lang) (Stengel 54 mm lang) 

Länge der Epidermiszellen. . 0,154 mm 0,237 mm 
Breite „ 5 0,009 „ 
Zahl der Fribrovafalſtränge N A 6 1 
Zahl d. Zellen im radialen Durch— 

meſſer der Rinde 3—4 „ 4—5 „ 
dd des Holzringes . 99812 5 4 1 
Durchmeſſer der Holzzellen. . 6,009 „ 


Wenn man weiß, daß die unmittelbare Wirkung der mangelhaften 
Bodenfeuchtigkeit in einer Reduktion der Wachstumsgröße aller Pflanzen— 
teile beſteht, ſo iſt es ſelbſtverſtändlich, daß die Produktion an Pflanzen— 
ſubſtanz entſprechend geringer iſt. So fand denn auch Hellriegel (J. e.) 
bei Verſuchen mit vierzeiliger Gerſte folgende Produktion im Durchſchnitt 
von je 3 Pflanzen. 


Bodenfeuchtigkeit Trockenſubſtanz 

in 17 a in Stroh 

waſſerhaltenden in Ke 
ji Kraft 1 in Körnern 
80-60 7,394 Grm. 4,896 Grm. 
60—40 5,988 „ 4,133 „ 
40— 20 4,842 „ 1,942 „ 


Die Mittel gegen den Waſſermangel im Erdboden können Mittel gegen 

hier nur kurz angedeutet werden, da eine Behandlung dieſer Fragen ene ed 
mehr Sache des allgemeinen Pflanzenbaues iſt. In erſter Linie ſtehen ö 
Berieſelungsanlagen. Zur Erhaltung der Bodenfeuchtigkeit trägt 
Bodenlockerung durch Behacken, Eggen oder Schälen bei, weil die 
oberſten Bodenſchichten wegen ihrer Lockerung zwar ſchneller abtrocknen, 
aber dadurch die unteren Bodenſchichten mehr ſchonen. Dieſelbe 
Wirkung hat auch Bedecken des Bodens mit lockerem Material, wie 
Stroh, Stalldünger, Torferde ꝛc. Auch wirkt die Humusdecke des 
Bodens waſſererhaltend. Ein mit Gras oder anderen niederen Pflanzen 
beſtandener Boden verliert dagegen mehr Waſſer aus ſeinen tieferen 
Schichten, als im unbewachſenen Zuſtande, weil die Pflanzen durch 
die ſtarke Verdunſtung das aus dem Untergrunde aufſteigende Waſſer 

5 entführen. Bei forſtlichen Kulturen wird, erſt wenn die Pflanzen den 

= Beſtand geſchloſſen haben, die Gefahr des übermäßigen Austrocknens 

des Bodens geringer; darum werden Saatbeete durch Zäune, Be— 

x ſtecken mit Reiſern und dergl. künſtlich geſchützt. 


278 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


B. Ungenügende Nährſtoffzufuhr. 
Näbritoffbedürf- Zu den wichtigsten Bedürfniſſen der Pflanze gehören ihre Nähr— 
nis der Pflanze. ſtoffe. Wo dieſe ſämtlich oder auch teilweiſe völlig fehlen, kommt 
daher keine normale Ernährung zu ſtande, die Pflanzen verkümmern 
frühzeitig und kommen nicht zum natürlichen Abſchluſſe ihrer Vegetation. 
Und bei ungenügender Zufuhr von Nährſtoffen bleibt die Entwickelung 
und Produktion der Pflanze entſprechend hinter der Norm zurück. 
Welche chemiſchen Elemente die Nährſtoffe der Pflanze ausmachen 
und in welchen chemiſchen Formen dieſelben von der Pflanze bean— 
ſprucht werden, iſt eine Frage der Pflanzenphyſiologie, deren Kenntnis 
hier vorausgeſetzt werden muß, und über welche in den betreffenden 
Lehrbüchern nachgeleſen werden kann. Hier ſind nur die ſpeziellen 
Krankheitserſcheinungen hervorzuheben, welche ſich zeigen, ſobald in 
dieſen Beziehungen den Bedürfniſſen der Pflanze nicht entſprochen it‘ 
Eine ungenügende Zufuhr von Nährſtoffen kann aus verſchiedenen 
Gründen eintreten, die wir hier im einzelnen zu betrachten haben. 
Erſtens ſelbſtverſtändlich dann, wenn die für die Pflanze geeigneten 
Nährſtoffe ſelbſt fehlen oder in unzureichender Menge geboten ſind. 
Zweitens aber auch dann, wenn die unentbehrlichen Symbioſen-Pilze, 
welche bei zahlreichen Pflanzen an der Erwerbung der Nährſtoffe für 
die Pflanzen helfend beteiligt ſind, im Erdboden nicht vorhanden ſind, 
und wenn infolgedeſſen die Symbioſe der Pflanzenwurzeln mit dieſen 
Pilzen, welche eine Bedingung der Nährſtofferwerbung iſt, nicht zu 
ſtande kommen kann. 


I. Nährſtoffmangel. 


Die zur Er⸗ Folgende elf Elementarſtoffe machen in ihrer Geſamtheit die 

yore Nahrung der Pflanze aus: Kohlenſtoff, Waſſerſtoff, Sauerſtoff, Stid- 

Elementarſtoffe. Hof, Schwefel, Phosphor, Chlor, Kalium, Calcium, Magneſium, 
Eiſen. Den Waſſerſtoff und den Sauerſtoff erwirbt die Pflanze in 
Form von Waſſer, deſſen Bedeutung für die Pflanze ſchon im vorigen 
Abſchnitt behandelt worden iſt. Kohlenſtoff und Stickſtoff werden 
vielfach aus der Luft in Form von Kohlenſäure und Stickſtoffgas 
aufgenommen, doch ſind für gewiſſe Pflanzen auch organiſche Kohlen⸗ 
jtoffverbindungen und für die meiſten Pflanzen Salpeterſäure, Ammo⸗ 1 
niak oder organiſche Stickſtoffverbindungen, die alle der Erdboden 1 
liefern kann, als Nährſtoffe zu betrachten. Die übrigen der auf⸗ 
gezählten Nährelemente können nur aus dem Erdboden erworben 
werden, wo ſie als Kali-, Kalk-, Magneſia- und Eiſenſalze, und zwar 
meiſt als Karbonate, Sulfate, Phosphate, Nitrate und Chloride den 
Pflanzen dargeboten ſind. 


4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 279 


Die natürlichen Erdböden enthalten wohl ohne Ausnahme wenigſtens 
etwas von jeder der eben genannten Verbindungen, ſo daß hier von 
keinem abſoluten Fehlen, auch nicht eines einzigen Nährſtoffelementes, 
die Rede ſein kann. Aber in genügender Menge, in geeigneter Form, 
um eine normale und geſunde Vegetation zu erzeugen, ſind ſie in 
vielen Böden nicht vorhanden, ſo daß nur durch eine entſprechende 
Düngung den Pflanzen aufgeholfen werden kann. Von welcher Art 
dieſelbe ſein muß, ergiebt ſich teils aus dem Krankheitsbilde, welches 
die Pflanzen auf ſolchen Böden darbieten, teils aus der Ermittelung 
der chemiſchen Zuſammenſetzung des betreffenden Bodens und aus den 
bekannten Anſprüchen, welche die einzelnen Kulturpflanzen hinſichtlich 
der Nährſtoffe ſtellen. 

Wenn die Geſamtheit der Nährſtoffe in ungenügender Folgen des 
Menge vorhanden iſt, ſo hat das an den Pflanzen Verzwergung 200 
und ſomit auch Verminderung der Stoffproduktion zur Folge, alſo die— 
ſelbe Erſcheinung, welche auch bei chroniſchem Waſſermangel ſich 
einſtellt (S. 271). Nachdem ich dies bereits in der erſten Auflage dieſes 
Buches ausgeſprochen hatte, iſt der exakte Beweis dafür durch eine von 
Möller) bei mir ausgeführte Unterſuchung erbracht worden, indem 
nämlich die Pflanzen in Waſſerkulturen gezogen wurden, wobei ihnen 
eine beliebig verdünnte Nährſtofflöſung geboten werden konnte, ſo daß 
alſo die durch Waſſermangel bedingte Verzwergung vollſtändig aus— 
geſchloſſen war. Solche Verſuche wurden mit Oenothera biennis an- 
geſtellt, welche dabei in ganz verdünnter Nährſtofflöſung ſo zwerghaft 
wurde, wie auf trockenem Boden. An Bromus mollis ließ ſich auch die 
Empfindlichkeit der Pflanze hiergegen konſtatieren, indem mit Abahme der 
Konzentration von 1 auf ½ und auf ¼ pro Mille die durchſchnittliche 
Blattlänge ſich auf 74,5, 72,1 und 58,3 mm ſtellte, ſo daß alſo gerade 
ſo wie mit Abnahme der Waſſermenge des Bodens auch mit Abnahm 
des Nährſtoffvorrates im Boden eine ſchrittweiſe Verkleinerung an den 
Pflanzenteilen eintritt. 

Wenn nur ein einzelner der ſämtlichen Nährſtoffe in Folgen des 
ungenügender Menge vorhanden iſt, ſo iſt ebenfalls Verzwergunge enen Nahr. 
und alſo Verminderung der Stoffproduktion die Folge. Wenigſtens ſtöfes. 
gilt dies von den wichtigſten Nährſtoffen, wie den Stickſtoffverbindungen, 
der Phosphorſäure, dem Kali, dem Kalk. Da der Bedarf der Pflanzen 
an dieſen Stoffen ein beſonders großer iſt, ſo kann leicht an einem 
oder dem andern derſelben im Boden Mangel eintreten, der dann die 
angegebene Erſcheinung zur Folge hat und die dann durch Düngung 


u) Beiträge zur Kenntnis der Verzwergung. Landwirtſch. Jahrbücher 1883. 


280 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


mit dem betreffenden Stoffe gehoben werden kann. Dieſe ſich ab» 
ſtufende Verkleinerung der Pflanzen bei Mangel eines einzelnen Nähr— 
ſtoffes zeigt z. B. unſre Fig. 30, welche Parallelkulturen von Sinapis 
alba darſtellt in reinem Quarzſand, wobei in allen Kulturen ſämtliche 
Bodennährſtoffe in gleicher und zureichender Menge gegeben ſind, mit 
Ausnahme des Stickſtoffes, von welchem in den einzelnen Kulturen von 
0 bis 0,6 gr. Calciumnitrat erhalten haben. Dementſprechend ſieht man 


N NIN 


ET, 223355 7 


r 
— 
4 — 


0 


Fig. 30 
Kulturen von Sinapis alba in reinem Quarzſand, mit gleichen Mengen 4 
Nährſtofflöſungen, aber ungleicher Gabe von Stickſtoff in Form von 4 
Calciumnitrat, und zwar A ſtickſtofffrei, B mit je 0,1 gr, C mit je 0,6 gr 0 
Kaliumnitrat. u 
4 
die ſteigende Entwickelung der Pflanzen, die ſich verhält, ausgedrückt ä 
im Trockengewicht der einzelnen Pflanze, wie 0,058: 0,67: 2,26. Man 2 
kann die hier erläuterte Thatſache auch ſo ausdrücken, daß derjenige 8 
Pflanzennährſtoff, welcher gerade im Minimum vorhanden iſt, das # 
Wachstum und die Produktion der Pflanze beherrſcht, denn er bedingt, 2 
daß nach Maßgabe ſeiner Mengenverhältniſſe die Entwickelung der 7 


Pflanze eine Reduktion erfährt, ſo daß alſo jedesmal durch eine 
Düngung mit demjenigen Nährſtoff, welcher im Minimum vorhanden 
iſt, die Entwickelung und die Produktion der Pflanze gehoben werden. 
Man hat dies als das Geſetz des Minimums bezeichnet. 


* 


4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 281 


Vom phyſiologiſchen Standpunkte aus iſt es wieder klar erkennbar, 
daß die Verzwergung auch in dieſen Fällen eine Anpaſſung an die 
gegebenen Verhältniſſe iſt, durch welche die Pflanze ſchon im Beginn 
ihres Lebens ihren Entwickelungsplan ſo einrichtet, daß der im Mini— 
mum gegebene Nährſtoff eben noch bis zur Bildung von Samen aus— 
reicht. Es wird dadurch auch recht deutlich, wie die Nährſtoffe nun 
in ihrer Geſamtheit für die Pflanze von Nutzen ſind, daß alſo auch 
anderſeits eine reiche Menge von Nährſtoffen nutzlos ſein kann, ſobald 
ein einziger in ungenügender Menge dargeboten iſt, indem dann die 
andern auch nur ſo weit ausgenutzt werden können, als es von dem 
Quantum des im Minimum vorhandenen Nährſtoffes geſtattet wird. 

Bei den einzelnen Nährſtoffen kommt es aber auch auf die Geeignete Form 

chemiſche Form an, in welcher fie der Pflanze dargeboten find. Im der Nährſtoffe. 
allgemeinen können die Nährſtoffe in verſchiedenen chemiſchen Ver— 
bindungen, entweder ſchon von vornherein im Boden vorhanden oder 
durch die Düngung gegeben werden. Aber es iſt für die Pflanze nicht 
gleichgültig, in welcher Form ſie ihr dargeboten werden, weil ein und 
dasſelbe Nährelement in verſchiedenen chemiſchen Verbindungen un— 
gleichen Nährwert beſitzt, ſo daß alſo ungünſtige Folgen eintreten 
müſſen, wenn ein oder der andere Nährſtoff in einer unwirkſamen oder 
nur ſchwach wirkenden Form gegeben iſt. Man muß auch wiſſen, 
welche Rolle die einzelnen Nährſtoffe in der Pflanze ſpielen, um den 
jeweiligen Erfolg, der bei ungenügender Zufuhr der einzelnen Nähr- 
ſtoffe eintritt, richtig zu beurteilen. Wir werden nun die Nährſtoffe 
in den ſoeben angedeuteten Beziehungen einzeln für ſich betrachten. 
Ein tieferes Eingehen auf das Ernährungsphyſiologiſche iſt jedoch hier 
nicht am Platze; es gehört dies in die Pflanzenphyſiologie, und über den 
gegenwärtigen Stand dieſer Lehre kann man ſich in einem diesbezüg— 
Werke!) informieren. Hier wird vielmehr die Beſchreibung der jeweils 
auftretenden Krankheitserſcheinungen die Hauptaufgabe ſein. 

1. Organiſche Verbindungen als notwendige Nährſtoffe. Pflanzen, welche 
Die Pflanzen zerfallen hinſichtlich der Qualität ihrer Nahrung in e de 
Klaſſen: ſolche, welche notwendig organiſche Verbindungen zu ihrer | 
Ernährung beanſpruchen, und ſolche, welche mit anorganischen Stoffen 
ſich begnügen. Von den erſteren ſoll hier die Rede fein. Es find 
Pflanzen, die nicht gedeihen, wo ihnen die erforderlichen organiſchen 
Verbindungen nicht geboten ſind. Zu ihnen gehören vor allen Dingen 
alle chlorophyllloſen Pflanzen, weil dieſe nicht im ſtande find, 

er aus Kohlenſäure ihren Bedarf an Kohlenſtoff zu entnehmen und eben 


) Vergl. mein Lehrbuch der Botanik J. Leipzig 1892, pag. 512 ff. 


282 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


darum auf organiſche Subſtanzen angewieſen ſind. Das Subſtrat, 
welches dieſe Pflanzen bewohnen, muß alſo notwendig organiſches 
Material liefern, und die Natur dieſer Subſtrate bringt es mit ſich, 
daß auch die meiſten andern Nährelemente, wie Stickſtoff, Schwefel, 
Kalium, Calcium, Magneſium, darin in Form organiſcher Verbindungen 
enthalten ſind, ſodaß thatſächlich dieſe Pflanzen das meiſte ihrer Nahrung 
in organiſcher Form aufnehmen, womit nicht geſagt ſein ſoll, daß die 
letztgenannten Elemente nicht auch in Geſtalt gewiſſer anorganiſcher 
Verbindungen verwertbar wären; jedoch nur dieſe, denn der Kohlen: 
ſtoff iſt dieſen Pflanzen nur in organiſcher Form zugänglich. Je nach 
der Art des Subſtrates, welches die hierher gehörigen Pflanzen bewohnen, 
unterſcheiden wir 1) Schmarotzer oder Paraſiten, welche aus den 
lebendigen Körpern andrer Pflanzen oder Tiere, auf denen ſie wachſen, 
die zu ihrer Ernährung erforderlichen organiſchen Subſtauzen aufnehmen. 
Dieſes gilt von den zahlreichen echten Schmarotzerpilzen, die auf be— 
ſtimmten Pflanzen oder Tieren vorkommen; bei vielen derſelben iſt es 
freilich ſchon gelungen, ſie auf lebloſem organiſchen Subſtrate zu er— 
ziehen. Es giebt auch paraſitiſche Phanerogamen, wie die Arten von 
Cuscuta, Orobanche 2c., welche nicht über den Keimpflanzenzuſtand hinaus 
ſich entwickeln, wenn die für ſie erforderliche Nährpflanzenſpecies 
(Flachs, Klee ꝛc.) ihnen nicht erreichbar tft. 2) Fäulnisbewohner oder 
Saprophyten, welche ein lebloſes Subſtrat verlangen, in welchem 
gewiſſe organiſche Verbindungen vorhanden ſein müſſen, die ihnen zur 
Nahrung dienen; wie z. B. für den Hefepilz Zucker, für Schimmelpilze 
Fruchtſäfte und viele ähnliche Subſtanzen, für zahlreiche andere kleine 


und große Schwämme verweſende vegetabiliſche Materialien und 


Pflanzenteile oder animaliſche Exkremente, wie z. B. der Champignon 
nur gedeihen kann, wenn er auf einer Unterlage kultiviert wird, welche 
organiſche Beſtandteile, beſonders Pferdedünger enthält. Für viele 
ſaprophyte Pflanzen iſt der Humus der geeignetſte Nährboden, wo 
alſo Kohlenſtoff in Form von Humuskörpern, Stickſtoff größtenteils 
in Form von organiſchem Humusſtickſtoff, und wohl auch die andern 
Nährelemente in Form von Humaten dargeboten find. Dieſe Sapro- 
phyten werden Humusbewohner genannt. Zu ihnen gehören erſtens 
viele der größeren Schwämme, beſonders die waldbewohnenden. Das 
den Humusboden überall durchwuchernde Mycelium dieſer Pilze muß 
ganz beſonders befähigt ſein, die humifizierten Pflanzentrümmer, aus 
denen der Waldhumus beſteht, wieder für die Pflanzenernährung aus⸗ 
zunutzen, indem es dieſe größtenteils unlöslichen organiſchen Ver⸗ 
bindungen, welche durch den bloßen Verweſungsprozeß nur ſehr 
langſam löslich und alſo für die Ernährung höherer Pflanzen tauglich 


22 


4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 283 


gemacht werden können ſehr raſch wieder in Pflanzennahrung umſetzen. 
Durch Vermittelung dieſer humusbewohnenden Pilze können aber auch 
höhere Pflanzen, nämlich die Waldbäume ſelbſt, wieder mit dem 
Material, welches der Humus bietet, ernährt werden, wie dies feſt— 
geſtellt worden iſt durch meine Entdeckung der allgemeinen Pilzſymbioſe 
der Wurzeln der Waldbäume, der ſogenannten Mykorhizen, und durch 
meinen Nachweis, daß thatſächlich dieſe Bäume durch die Pilze des 
Waldbodens notwendig ernährt werden müſſen, worüber unten näheres 
zu finden iſt. Solche durch Pilzhilfe mit Humus ernährt werdende 
Phanerogamen gehören daher auch mit zu den Humusbewohnern. 
Unter dieſen finden wir wiederum chlorophyllloſe Pflanzen, wo alſo 
die Notwendigkeit der Ernährung mit Humuskohlenſtoff ſelbſtverſtändlich 
iſt, wie z. B. die krautartigen Pflanzen Monotropa hypopitys, Corallo- 
rhiza innata, Neottia nidus avis ꝛc. Aber auch viele chlorophyll— 
haltige, wie eben die zu den Cupuliferen und Coniferen gehörigen 
Waldbäume ſind der Ernährung mit Humusverbindungen durch Pilz— 
hilfe ſo angepaßt, daß ſie, wie ich gezeigt habe!), auf humusloſem 
Boden, auch wenn alle Pflanzennährſtoffe in anorganiſchen Ver— 
bindungen gegeben ſind, nicht normal ſich entwickeln, ſondern kümmer— 
lich bleiben und zeitig zu Grunde geben. Alle dieſe Pflanzen würden 
alſo als obligate Humusbewohner zu betrachten ſein. Außerdem giebt 
es noch viele Pflanzen, die in ihrem Vorkommen in der Natur augen— 
ſcheinlich auch die humusreichen Böden bevorzugen und deren Kultur 
in ſolchem Boden die beſten Reſultate liefert, obgleich dieſelben in 
ihren Wurzeln in keiner Symbioſe mit Pilzen leben und daher auch 
auf humusloſen Böden, ſobald nur die erforderlichen Nährſtoffe und 
zwar in anorganiſcher Form gegeben ſind, zu vollkommener Ent— 
wickelung gelangen. Dieſe Pflanzen dürften als fakultative Humus— 
zehrer zu bezeichnen ſein, womit geſagt ſein ſoll, daß ſie Humus— 
verbindungen zwar nicht notwendig beanſpruchen, aber Gebrauch davon 
machen, wenn ihnen ſolche geboten ſind. Man kann nämlich die Er— 
nährung dieſer Pflanzen bedeutend ſteigern, wenn man vorher durch 
künſtliche Behandlungsweiſe des Humus, in welchen die Samen ein— 
geſät werden ſollen, eine größere Menge der Humusverbindungen 
löslich, alſo aufnehmbar für die unverpilzte Pflanzenwurzel gemacht 
hat, was, wie ich gezeigt habe ), durch Behandeln des Bodens mit 
heißem Waſſerdampf geſchieht. Dieſes Experiment iſt mir z. B. mit 


) Frank, über die phyſiologiſche Bedeutung der Mykorhiza. Berichte 
d. deutſch. botan. Geſ. 1888, pag. 248. 

) Frank, Lehrbuch der Pflanzenphyſiologie. Berlin 1890 pag. 134, 
und Lehrbuch der Botanik I, pag. 553. 


| 


Ernährung mit 
Stickſtoff. 


384 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


Rüben, Tabak, Hafer und andern Pflanzen in ſtets gleichem Sinne 
gelungen. a 

2. Der Stickſtoff. Nach der neuen Lehre, wie ſie in den letzten 
Jahren don mir begründet und gegen ihre Widerſacher durch mich und 
andre Forſcher bewieſen worden iſt !), ſchöpfen die Pflanzen allgemein 
ihren Stickſtoffbedarf aus zwei Quellen: 1) aus den Stickſtoffver— 
bindungen, welche im Subſtrate der Pflanzen zu finden ſind, ins— 
beſondere alſo was den Erdboden betrifft, aus ſalpeterſauren 
Salzen, Ammoniakſalzen und organiſchen Stickſtoffver— 
bindungen, wie ſolche in den Düngemitteln animaliſcher Herkunft 
und in dem organiſchen Humusſtickſtoff vorliegen. Von den genannten 
Verbindungen iſt aber allgemein die Salperterſäure das beſte Stick— 
ſtoffnahrungsmittel, die andern wirken weit ſchwächer, ja ſind als 
ſolche zu einer normalen Ernährung nicht geeignet; im Erdboden 
gehen ſie ja aber auch nach einiger Zeit von ſelbſt in Salpeterſäure 
über, ſie werden nitrifiziert, und damit erreicht die Düngerwirkung dieſer 
Verbindungen mehr oder weniger diejenige der Salpeterſäure. Nur 
für die Pilze iſt die Salpeterſäure ein minder gutes Nahrungsmittel, 
als Ammoniak oder beſonders als organiſche Stickſtoffverbindungen, von 
denen die verſchiedenſten Arten zur Ernährung dieſer Pflanzen vor⸗ 
züglich geeignet find, wie insbeſondere von den Schimmel- und 
Hefepilzen erwieſen iſt, während die im Humus oder auf Kot 
wachſenden Schwämme anzeigen, daß in dieſen Subſtraten für ſie 
beſonders geeignete organiſche Stickſtoffnahrungsmittel vorhanden ſind. 
2) Aus freiem Stickſtoff der Luft. Dieſer wird jedoch von den 
meiſten Pflanzen viel langſamer aſſimiliert, als die Stickſtoffverbindungen. 
Die letzteren ſind alſo viel ſchneller bei der Ernährung wirkſam. Daher 
iſt es auch im allgemeinen unmöglich, Pflanzen ausſchließlich mit 
freiem Stickſtoff zu normaler Entwickelung zu bringen. Auf einem 
Boden, der gar keine Stickſtoffverbindungen enthält, bleiben die Pflanzen, 
auch wenn alle übrigen Nährſtoffe hinreichend vorhanden ſein ſollten, 
ſehr kümmerlich, und die Kultur ſchlägt unter ſolchen Umſtänden ſo 
gut, wie gänzlich fehl; die Pflanzenproduktion zeigt hierbei nur eine 
geringe Vermehrung des Stickſtoffgehaltes gegenüber demjenigen des 
ausgeſäten Samens, reſultierend aus einer nur geringfügigen Aſſi⸗ 
milation von freiem Luftſtickſtoff. Wenn aber eine geeignete Stickſtoff⸗ 
verbindung im Boden gegeben iſt, ſo tritt zunächſt eine ſchnellere und 
beſſere Ernährung der Pflanze ein, und zwar in ſteigendem Grade, wenn 


1) Ich verweiſe auf meine neueſte Darſtellung in Bot. Zeitg. 1893, wo 
auch meine Originalarbeiten darüber citiert ſind. 


4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 285 


man von ſehr geringen Quantitäten der Stickſtoffverbindungen ausgehend, 
dieſelben allmählich ſteigert (Fig. 30, S. 280). Aber ſo gekräftigte Pflanzen 
vermögen nun auch energiſcher freien Stickſtoff zu aſſimilieren, denn 
man findet dann bei vergleichenden Beſtimmungen des Stickſtoffgehaltes 
der Ernte und des Bodens vor und nach der Kultur, daß ein mehr 
oder minder anſehnlicher Teil des Ernteſtickſtoffes aus der Luft hinzu— 
gekommen ſein muß; die Stickſtoffverbindungen des Bodens erweiſen 
ſich nicht vollſtändig von der Pflanze ausgenutzt, ja der Boden kann 
nach der Kultur im Stickſtoffgehalte gar nicht zurückgegangen oder 
ſogar wegen der zurückbleibenden Pflanzenrückſtände vermehrt ſein. 
Von dieſem Satze machen nur die Leguminoſen inſofern eine Aus— 
nahme, als ſie durch ein beſonderes Hilfsmittel ihre Aſſimilation des 
freien Stickſtoffes jo beſchleunigen können, daß ſie damit fähig werden, 
auch auf völlig ſtickſtoffloſem Boden zu normaler Entwickelung zu 
gelangen, ſo daß dieſe Pflanzen die einzigen Phanerogamen zu ſein 
ſcheinen, welche allen Stickſtoff, der zu einer normalen Pflanzen- 
produktion gebraucht wird, allein aus dem freien Stickſtoff nehmen 
und ſomit eine Stickſtoffdüngung ganz entbehren können. Dieſes 
Hilfsmittel iſt die Symbioſe mit dem in den Wurzelknöllchen der 
Leguminoſen lebende Spaltpilz Rhizobium Leguminosarum, von welcher 
unten noch die Rede ſein wird. 


3. Der Schwefel gehört zu den unentbehrlichen Nährelementen, Schwefel als 
da er ein Beſtandteil der Eiweisſtoffe iſt. Alle Pflanzen bedürfen daher Nährſtoff. 
einer geeigneten Schwefelverbindung als Nährſtoff; und zwar ſind 
dies vorzüglich die ſchwefelſauren Salze, die ja auch in den Dünge- 
mitteln Kainit, Gips, ſchwefelſaures Ammoniak enthalten ſind. 


4. Der Phosphor. Da Phosphorſäure in einer innigen Be- Phoephor als 
ziehung zu den Eiweisſtoffen ſteht, insbeſondere ein Beſtandteil der nee 
Nucleine iſt, alſo zur Bildung der Zellkerne gebraucht wird, ſo gehört 
ſelbſtverſtändlich auch ein phosphorſaures Salz zu den unentbehrlichen 
Nährſtoffen, und bei Fehlen eines ſolchen bleiben alle Pflanzen bald 
in ihrer Entwickelung ſtehen. 


5. Das Chlor. Geringe Mengen von Chloriden find für die Chlor als Nähr— 
geſunde Entwickelung der Pflanzen notwendig. Zwar haben Knop ſtoff. 
und Dworzaft) jede Bedeutung des Chlors für die Ernährung der 
Pflanze beſtritten, weil fie Buchweizenpflanzen in chlorfreien Nährſtoff— 
löſungen bis zur Entwickelung einer Anzahl keimfähiger Samen zu 


2 1) Berichte d. Verhandl. d. Sächſ. Gef. d. Wiſſenſchaften. Leipzig 1869 und 
N 1875 I. — Knop, Kreislauf des Stoffes. Leipzig 1868, pag. 165 und 228. 


286 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


bringen vermochten. Es haben aber Nobbe!) und Beyer?) nach— 
gewieſen, daß Buchweizen, Gerſte und Hafer in chlorfreien Löſungen 
entſchieden ſchlechter ſich entwickeln als in ebenſo zuſammengeſetzten, 
aber mit einer Chlorverbindung verſehenen Löſung. Das gleiche iſt 
auch durch eine bei mir von Ajchoff?) angeſtellte Unterſuchung für 
Zea mais und Phaseolus bewieſen worden. Die Bedeutung des Chlors 
für die Pflanze iſt noch unklar. Braſch und Raabe) erhielten in 
Nährſtofflöſungen, die im übrigen gleich zuſammengeſetzt waren, aber 
das Kalium in verſchiedenen Salzen enthielten, von Buchweizen— 
pflanzen mit Chlorkalium 387, mit ſaurem phosphorſaurem Kali 184, 
mit ſchwefelſaurem 147, mit ſalpeterſaurem 150 Körner, ſo daß alſo 
die Chlorverbindung die vorteilhafteſte Form zu ſein ſcheint, in welcher 
das Kalium der Pflanze geboten werden kann. Chlorkalium wird ja 
auch als Kalidüngemittel angewendet. Bei Rüben und Kartoffeln 
wird durch chlorhaltige Düngungen zwar der quantitative Ertrag ver— 
mehrt, aber gleichzeitig die Qualität desſelben herabgeſetzt, indem die 
Rüben an Zucker, die Kartoffeln an Stärke, alſo überhaupt die Referve- 
ſtoffbehälter an Kohlehydraten ärmer werdens). Beim Tabak hat man 
die Erfahrung gemacht, daß, wenn er in einem an Chloriden reichen 
Boden wächſt, die Erträgaiſſe zwar auch geſteigert werden, die Blätter 
aber einen hohen Grad von Unverbrennlichkeit infolge des höheren 
Gehaltes an Chlorverbindungen annehmen). Bei den Salzpflanzen, 
wie z. B. Salicornia, die ja nur auf kochſalzreichem Boden vorkommen, 
ändert nach Batalin?) der Chlormangel nur den Habitus; dieſe 
Pflanzen, ſonſt ſaftigfleiſchig und blaßgrün, durchſichtig, werden dann 
dünner und ganz undurchſichtig dunkelgrün, weil die Parenchymzellen 
der Stengel zwei bis viermal enger ſind, als bei den mit Chlornatrium 
erzogenen Pflanzen. | 
Silicium als 6. Das Silicium kommt zwar in den Pflanzenaſchen ſehr ver— 
Nährſtoff. breitet und bei manchen Pflanzen in fo großer Menge vor, daß man 
dieſelben als Kieſelpflanzen bezeichnet hat, indem man meinte, daß ſie 
| zu ihrem Gedeihen vorwiegend Kieſelſäure im Boden beanſpruchen. 
| Diejes Element gehört jedoch nicht zu den unentbehrlichen Nährſtoffen. 


c e ee Te 


) Landwirtſch. Verſuchsſtationen 1865, pag. 371 u. 1870, pag. 394. 

2) Daſelbſt 1869, pag. 262. 5 

3) Landwirtſch. Jahrbücher 1889. 2 

4) Juſt, botan. Sahresber, 1876, pag. 889. 

5) Litteratur ſiehe bei Mayer, Agrikulturchemie, 2. Aufl. I. pag. 255. 

6) Siehe Mayer, I. c. pag. 256 257. 

7) Bulletin de congres internat. de bot. et d’horticult. Petersbourg 
1886, pag. 219. 


4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 287 


Denn von einigen dieſer Kieſelpflanzen, nämlich von den Gramineen, 
iſt es erwieſen, daß ſie es auch bei Ausſchluß aller Kieſelſäure zu 
völlig normaler Ausbildung bringen. So gelang es Sachs) Mais— 
pflanzen, und Knop) ebenfalls Mais, Weizen, Hafer und Gerſte in 
ſiliciumfreien Nährſtofflöſungen zu vollſtändiger Entwickelung zu bringen, 
wobei dieſelben nur Spuren von Kieſelſäure in der Aſche enthielten. 
Man hat trotzdem das Silicium wenigſtens für einen der Pflanze zu 
gewiſſen Zwecken nützlichen Stoff betrachten wollen. Die Meinung, 
daß es die Feſtigkeit der Getreidehalme bedinge und ſein Mangel das 
Lagern des Getreides verurſache. wurde oben (S. 166) als irrtümlich 
bezeichnet. Die Vermutung aber, daß kieſelhaltige Zellhäute ſchwieriger 
durchdringbar ſeien für Myceliumfäden, und die Kieſelſäure daher 
einen Schutz gegen das Befallen durch paraſitiſche Pilze gewähre, iſt 
durch nichts erwieſen; auch findet das Eindringen der Keimſchläuche 
der Schmarotzerpilze gewöhnlich an jugendlichen Pflanzenteilen, wo die 
Zellhäute noch nicht verkieſelt ſind, ſtatt, und übrigens dringen ſie 
vielfach nicht durch die Epidermiszellen, ſondern durch die Spalt— 
öffnungen in die Pflanze ein. Über die Bedeutung des Siliciums in 
der Pflanze wiſſen wir, daß ſie mit als Bauſtoff der Zellmembran 
verwendet wird und zwar bei den Kieſelpflanzen den weſentlichen Be— 
ſtandteil der Zellhäute der Epidermiszellen bildet, und es iſt nicht zu 
leugnen, daß die Oberflächen der Pflanzenteile dadurch eine gewiſſe 
Härte erreichen, wodurch ihnen wohl ein Schutzmittel gegen Tierfraß 
und andre äußere mechaniſche Gefahren verliehen wird. Daß 
die Kieſelſäure aber vollſtändig durch die Celluloſe ſelbſt vertreten 
werden kann, iſt wenigſtens für das Getreide durch die oben ange— 
führten Unterſuchungen erwieſen. Kreuzhage und Wolf?) wollen 
an den Haferpflanzen mit ſteigendem Gehalte der Nährlöſungen 
an Kieſelſäure eine größere Zahl und ein größeres Geſamtgewicht der 
Körner bekommen haben; dagegen trat in dem Geſamttrockengewicht 
der Pflanze und in der Menge der aufgenommenen Aſchenbeſtandteile 
nach Abzug der Kieſelſäure kein Unterſchied hervor. Ob das Silicium 
für die übrigen daran noch reicheren Kieſelpflanzen, wie die Equiſe— 
taceen und die Diatomaceen, jene Algen, die mit einem Kieſelpanzer 
verſehen ſind, ebenfalls entbehrlich, oder ob dieſe ohne jenes Element 
ſich nicht entwickeln können, iſt noch eine offene Frage. 


) Experimentalphyſiologie der Pflanzen, pag. 151. 
2) Kreislauf des Stoffes I., pag. 221. 
3) Landwirtſchaftliche Verſuchsſtationen 1884, pag. 161. 


Kalium als 
Nährſtoff. 


Calcium als 
Nährſtoff. 


288 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


7. Das Kalium gehört zu den wichtigſten und unentbehrlichſten 
Nährſtoffen, doch iſt ſeine phyſiologiſche Rolle noch nicht feſtgeſtellt. 
Denn in einer von Lüpke ) bei mir angeſtellten Unterſuchung wurden 
an Phaseolus-Pflanzen, die in völlig kalifreier Löſung im ganzen ge— 
ſund, aber infolge des Kalihungers in Zwergformen ſich entwickelten, 
normale Chlorophyllbildung, Kohlenſäure-Aſſimilation, Bildung von 
Aſſimilationsſtärke, Wanderung von Zucker, Aufſpeicherung und Wieder— 
verbrauch von Stärkemehl in der Stärkeſcheide, Gerbſtoffbildung, alſo 
die wichtigſten Stoffbildungsthätigkeiten konſtatiert, ſo daß es ſcheint, 
als werde das Kalium nicht zu einer beſtimmten einzelnen Funktion, 
ſondern ebenſo wie Stickſtoff, Schwefel und Phosphor in einer gewiſſen 
wenn auch minimalen Menge zur Bildung des Protoplasma jeder 
Zelle gebraucht. Eine von Nobbe) bei kalifreien Kulturen beob— 
achtete Erſcheinung, daß nämlich in den verkrümmten, faſt fleiſchigen 
Blättern die Stärke nicht auswandern konnte und ſich paſſiv anhäufte, 
iſt von ſpäteren Beobachtern nicht wieder gefunden worden; ſie dürfte 
auch, wie Sorauer?) betonte, eine ſekundäre Erſcheinung geweſen fein, 
dadurch bedingt, daß die kranke Pflanze ein Bedürfnis zur Zuleitung 
gelöſter Kohlenhydrate nicht hatte und letztere daher in Reſerveform in 
den Erzeugungsherden, den Blättern, verblieben. Der Einfluß des Kali— 
mangels kann ſich in zweierlei Form an der Pflanze zeigen. Ent— 
weder wächſt die letztere zunächſt unter Benutzung des in den Gotyle- 
donen des Samens vorhanden geweſenen Kaliums und bekommt eine 
Anzahl normal entwickelter Blätter; dann ſtockt das Wachstum oder 
ſetzt ſich wohl auch noch weiter fort, wobei aber die ſchon gebildeten 
älteren Blätter in gleichem Maße von unten herauf eins nach dem 
andern unter Gelbwerden abſterben. Es wird dadurch das wenige 
Kalium dieſer Organe immer wieder disponibel und den wachſenden 
oberen Teilen zur Ernährung zugeführt. Oder die Pflanze entwickelt 
ſich unter Grünbleiben der Blätter in der ſchon oben erwähnten Zwerg— 
form und ſchränkt dadurch ſelbſt ihr Kalibedürfnis von vornherein ein. 
Wegen des allgemeinen Bedarfes der Pflanzen nach Kali kann auf 
den Kulturböden leicht Kalimangel eintreten und dadurch der ange— 
deutete Mißwachs verurſacht werden, dem alſo durch Düngung mit kali— 
haltigen Stoffen, beſonders mit den künſtlichen Düngemitteln, wie Kainit, 
Carnallit und andern Staßfurter Kaliſalzen abgeholfen werden muß. 

8. Das Calcium. Ohne Vorhandenſein einer gewiſſen Menge 
von Kalk, in Form von kohlenſaurem, phosphorſaurem, ſchwefelſaurem 


) Landwirtſchaftliche Jahrbücher 1888. 
2) Landwirtſchaftliche Verſuchsſtationen XIII., pag. 321. 
3) Handbuch der Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., pag. 187. 


1 
8 


4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 289 


oder ſalpeterſaurem Kalk oder von Chlorcalcium, läßt ſich keine 
Phanerogame zu geſunder Entwickelung bringen. Schließt man in 
künſtlichen Nährſtofflöſungen das Calcium vollſtändig aus, ſo tritt ſehr 
bald nach der Keimung Erſchlaffung und Abſterben der Wurzeln ein, 
welches ſchnell den Tod des ganzen Pflänzchens herbeiführt. Wo es 
an Kalk im Boden fehlt, wird dem Kränkeln der Pflanzen durch 
geeignete Kalkdüngung, alſo Einbringen von Mergel, kohlenſaurem Kalk 
oder Gips abgeholfen. 

9. Das Magneſium gehört ebenfalls zu den unentbehrlichen 
Nährſtoffen; die Pflanzen entwickeln ſich nicht, wenn Talkerdeſalze gänzlich 
fehlen. 

10. Das Eiſen. Das Fehlen dieſes Metalles hat an allen 
chlorophyllbildenden Pflanzen eine wohlcharakteriſierte Krankheit, die 
Bleichſucht oder Chloroſe, zur Folge, weil das Eiſen zur Bildung 
des Chlorophylls notwendig iſt. Wir reden von Bleichſucht, wenn an 
einer im normalen Zuſtande grünen Pflanze bei Entwickelung im Lichte 
die jungen Blätter iu hellgelber Farbe zum Vorſchein kommen und 
dauernd gelb oder gelbgrün bleiben, wobei ſie jedoch im Übrigen ihre 
normale Beſchaffenheit und Geſtalt annehmen. Die Zellen des Meſophylls 
enthalten dann zwar in ihrem Protoplasma Chlorophyllkörner, aber an 
dieſen iſt der grüne Farbſtoff nicht ausgebildet, ſie haben einen gelben 
Farbenton, und auch ihre Zahl iſt geringer als in den Zellen geſunder 
grüner Blätter. Bisweilen nimmt der Farbſtoff ſoweit ab, daß die 
Blätter völlig weiß erſcheinen. Man hat daher, wie es ſchon Meyen!) 
that, die Bezeichnung Chloroſe auf dieſen letzteren Zuſtand beſchränkt, 
wo der Zellinhalt ganz wäſſerig, protoplasmaarm und farblos erſcheint, 
und das erſterwähnte Ausſehen als Gelbſucht (icterus) bezeichnet. 
Indeſſen ſind beide in ihrem Auftreten nicht ſtreng geſchieden und ſind 


durch allmähliche Übergänge verbunden. Hiernach ſind dieſe Krankheiten 


vom Etiolement (S. 154) hinlänglich unterſchieden, indem letzteres durch 
Lichtmangel erzeugt wird und außer dem Unterbleiben der Chlorophyll— 
bildung auch bedeutende Veränderungen in der Geſtalt und Ausbildung 
der Pflanzenteile erkennen läßt. Die hier beſchriebenen Krankheiten 
können durch Eiſenmangel in der Nahrung verurſacht werden. Aber 
es ſind auch noch andere Einflüſſe bekannt, welche die nämlichen 
Krankheitserſcheinungen hervorrufen, wie z. B. ungenügende Temperatur, 
die oben erwähnte Gelbſucht, die in eiſenhaltigen Waſſerkulturen oft 
eintritt, ferner die ſpontane Bleichſucht der panachierten oder ganz farb— 
loſen Blätter, ſo daß alſo nicht jede Bleich- oder Gelbſucht ohne 


) Pflanzenpathologie, pag. 282 ff. 
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 19 


Magnefiun als 
Nährſtoff. 


Eiſen als Nähr⸗ 
ſtoff. 


290 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


weiteres auf Eiſenmangel zurückgeführt werden darf. Zuerſt haben 
Gris, Vater und Sohn!), entdeckt, daß man gelbſüchtige Pflanzen 
heilen kann, d. h. daß ihre gelben Blätter ergrünen, wenn man ſie 
eine verdünnte Löſung eines Eiſenſalzes durch die Wurzeln aufnehmen 
läßt. Eine Reihe ſpäterer Forſcher?) hat weiter durch Verſuche gezeigt, 
daß man durch Kultur in eiſenfreien Nährſtofflöſungen die Krankheit 
hervorrufen kann. Beſonders lehrreich ſind in dieſer Beziehung die 
Verſuche von Sachs (J. e.). Dieſer zeigte am Mais, daß die Krankheit 
erſt dann eintritt, wenn die Pflanze alle Keimteile auf Koſten der Reſerve— 
ſtoffe entfaltet hat; die erſten 3—4 Blätter werden grün, weil fie das 
im Samen enthaltene Eiſen empfangen; die folgenden ſind dann 
nur noch im oberen Teil grün, an der Baſis bleich, endlich kommen 
lauter total kranke Blätter. Einen ganz ähnlichen Eintritt der Krank— 
heit beobachtete er an Kohlpflanzen und Bohnen; ich an Sonnen— 
blumen und Lein. Ebenſo ſah Sachs die Gelbſucht auch an voll— 
ſtändig normal erzogenen Maispflanzen von mehr als 48 em Höhe 
eintreten, nachdem ſie aus der eiſenhaltigen Nährſtofflöſung in eine 
eiſenfreie geſetzt worden waren; nach ſechs Tagen zeigten ſich auf den 
jungen Blättern gelbweiße Längsſtreifen, die ſpäter noch ſtärker hervor— 
traten, die Befruchtung der Blüten ſchlug fehl und das Trockengewicht 
der Ernte betrug nur ½ von den in der Eiſenlöſung bis zu Ende 
gewachſenen Pflanzen. Nach Knop?) iſt der Eiſengehalt einer Eichel 
genügend, um die Entwickelung der Pflanze auf 1 bis 2 Jahre zu 
unterhalten; erſt im zweiten und dritten Sommer werden, wenn man 
nur eiſenfreie Löſungen der Pflanze darbietet, die Blätter gelb und 
bleich. Läßt man die Nährlöſung dauernd eiſenfrei, ſo werden, wie 
ich an Mais und Sonnenblumen beobachtete, die erſten mittelſt 
des im Samen vorhandenen Eiſens ergrünten Blätter wieder preis— 
gegeben, ſie ſterben unter Entfärbung ab; das nun wieder disponibel 
gewordene Eiſen wird oft dazu verwendet, um plötzlich eins oder einige 
der jüngſten chlorotiſchen Blätter ergrünen zu laſſen. Eine dauernd 
eiſenfrei bleibende Pflanze geht natürlich nach einiger Zeit zu Grunde, 
weil bei Mangel von Chlorophyll die Kohlenſäureaſſimilation un⸗ 
möglich iſt; die Analyſe zeigt dann, daß die Trockenſubſtanz der Ernte 
gegen die des angewandten Samens nur unbedeutend zugenommen 
hat!). Es ſcheint, daß die eigentliche Chloroſe immer einen ſehr rapiden 


) Vergl. A. Gris, Ann. des sc. nat. 1857. VII. pag. 201. 

) Vergl. die Litteratur bei Sachs, Experimentalphyſiologie, pag. 144. 
3) Berichte d. kgl. ſächſ. Geſ. d. Wiſſ. 6. Febr. 1869. 

) Sachs, 1. c. pag. 146. ff. 


4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 291 


Verfall des Lebens nach ſich zieht, icteriſche Pflanzen aber länger aus⸗ 
halten können, z. B. nach Knop?) durch Eiſenmangel gelbſüchtig ge— 
wordener Mais bis zur Blüte. 

Was die Quantität und Qualität der Eiſenverbindungen betrifft, 
durch welche die in Rede ſtehende Krankheit verhütet oder geheilt werden 
kann, ſo hat ſich übereinſtimmend mit dem geringen Eiſengehalt der 
meiſten Pflanzenaſchen ſchon eine relativ ſehr kleine Menge Eiſen zur 
vollſtändigen Ergrünung der Pflanzen hinreichend erwieſen; nach Knop 
(I. c.) reichen für ein Exemplar von Getreidepflanzen 2— 5 mgr aus, 
um deſſen ganzen Bedarf an dieſem Metall zu decken. Den beſten 
Dienſt leiſten Eiſenoxydſalze, die in Löſung geboten werden können, oder 
fein verteiltes phosphorſaures Eiſenoxyd, welches, wenn es auf die 
Wurzeln aufgeſchlemmt iſt, durch dieſe in Löſung gebracht wird. Auch 
die Oxydulſalze genügen, wenn fie in ſehr verdünnten Löſungen gegeben 
werden, wahrſcheinlich weil fie ſich leicht zu Oxydſalzen orydieren. 
Sogar eiſenhaltige Doppeclyanüre, wie das gelbe Blutlaugenſalz, können 
nach Knop, allerdings nachdem ſie von der Pflanze zerſetzt worden 
ſind, das zum Ergrünen nötige Eiſen liefern, wiewohl ſie weiterhin 
als Gift (ſ. unten) wirken. 


II. Unterbleiben der Ernährungsſymbioſe. 


Seit dem Jahre 1885 iſt durch meine Entdeckung der allgemein 9 ©. 
verbreiteten Symbioſe der Wurzeln der Cupuliferen und Coniferen mit 1 
Pilzen und durch die daran ſich ſchließenden weiteren Forſchungen ein 
ganz neuer Faktor bei der Ernährung der Pflanzen bekannt geworden: 
die Mithilfe von Pilzen bei der Erwerbung der Nahrung. Es beſteht 
{ unter normalen Verhältniſſen in der Natur eine konſtante Verbindung 
zwiſchen den Wurzeln der betreffenden Pflanzen und gewiſſen Pilzen, 
die im Erdboden verbreitet ſind und ſich regelmäßig in beſtimmter 
Weiſe auf oder in den Wurzeln dieſer Pflanzen, ſobald dieſe ſich in 
dem Erdboden entwickeln, anſiedeln. Dieſe Pilze ſtehen aber zu den 
Pflanzen nicht in der gewöhnlichen Beziehung von Paraſiten zu ihrem 
Wirt, vielmehr beſteht hier ein gutartiges Verhältnis; die mit den 
Pilzen behafteten Wurzelteile werden nicht beſchädigt, ſondern bleiben 
erhalten und funktionieren für die Pflanze in zweckmäßigſter Weiſe; 
| der Pilz wird geradezu zum Wohlthäter der Pflanze, zu einem Lebens: 
genoſſen derſelben, ohne den ſie meiſt in einem kümmerlichen Ernährungs— 
zuſtande bleiben oder ſogar ganz exiſtenzunfähig ſein würde. Dieſes 
| dem Paraſitismus gerade entgegengeſetzte Verhältnis fällt alſo unte 


MI. e. pag 3. 
138 


Mykorhiza. 


* 


1 


92 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


den Begriff der von mir ſogenannten Symbioſe oder des von de 
Bary gebrauchten Ausdruckes mutualiſtiſche Symbioſe, womit eben 
ausgedrückt ſein ſoll, daß beide Symbionten wechſelſeitig ſich nützen und 
am Leben erhalten, während der Paraſitismus dann als antagoniſtiſche 
Symbioſe bezeichnet wird. 

Da nun ausgeprägte Krankheitserſcheinungen der Pflanzen und 
völliger Mißwachs die Folge ſind, wenn die Ernährungsſymbioſe bei 
den betreffenden Pflanzen nicht zu ſtande kommt, alſo beſonders, wenn 
die bezüglichen Symbioſepilze im Erdboden nicht oder ungenügend 
vorhanden ſind, ſo müſſen dieſe Verhältniſſe auch in der Pflanzen— 
pathologie beſprochen werden. Wir ſetzen jedoch hier die Kenntnis 
der betreffenden biologiſchen Verhältniſſe voraus oder verweiſen in 
betreff dieſer auf die Pflanzenphyſiologie“) und werden uns hier auf 
die Krankheitserſcheinungen beſchränken, welche beim Unterbleiben der 
Symbioſe zu beobachten ſind. 

1. Die mykorhizenbildenden Pflanzen. Mit den Namen 
Mykorhiza oder Pilzwurzel) habe ich diejenigen Saugwurzeln 
bezeichnet, welche auf ihrer ganzen Oberfläche mit einem lückenloſen 
Mantel eines aus innig verflochtenen Pilzhyphen beſtehenden Gewebes 
bedeckt ſind, welcher zugleich in organiſcher Verwachſung mit der 
Wurzelepidermis ſich befindet, auch über den Vegetationspunkt der 
Wurzelſpitze ſich erſtreckt und daſelbſt mit der Verlängerung der 
wachſenden Wurzelſpitze ſtets gleichen Schritt hält. Eine ſolche Myko— 
rhiza hat keine Wurzelhaare, welche ſonſt von den unverpilzten Wurzeln 
im Boden gebildet werden und die aufſaugenden Organe der Wurzeln 
darſtellen. Die Mykorhiza kann eben nur durch Vermittelung ihres 
Pilzmantels Waſſer und Nährſtoffe aus dem Boden zugeführt erhalten. 
Von dem Pilzmantel jeder Mykorhiza erſtrecken ſich zahlloſe Pilzhyphen 
in den benachbarten Humusboden, welche alſo dem Pilze und der 
Wurzel Nahrungsſtoff zuführen. Der Waldhumus iſt thatſächlich von 
ſolchen Pilzhyphen, die alſo zugleich die Mykorhizen bilden, völlig 
durchwuchert; ſie gehören aller Wahrſcheinlichkeit nach den verſchiedenſten 
waldbewohnenden Schwämmen an. Gerade die Humusbeſtandteile 
ſind es, aus welchen dieſe Pilze ihre Nahrung ziehen, und welche 


1) Eine eingehende Darſtellung der verſchiedenen Symbioſe-Formen nach 
dem gegenwärtigen Stande der Sache iſt in meinem Lehrbuch der Botanik I. 
Leipzig 1892, pag. 257 275 zu finden. 

2) Über die auf Wurzelſymbioſe beruhende Ernährung gewiſſer Bäume 
durch unterirdiſche Pilze. Berichte d. deutſch. bot. Geſellſch. 1885, pag. 128 
u. NV 


4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 293 


dadurch auch mittelbar den mykorhizenbildenden Phanerogamen nutz 
bar gemacht werden. 

Mit ſolchen Mykorhizen konſtant verſehen ſind, wie ich nach- Vorkommen der 

gewieſen habe, alle wälderbildenden Cupuliferen und Coniferen, alſo Mytorhizen. 
beſonders Rotbuche, Weißbuche, Eiche, Haſel, Birke, Erle, Kiefer, Fichte, 
Tanne, Lärche, meiſt auch die Salicaceen, alſo die Weiden und Pappeln, 
auch Linde; nicht aber Eſche, Ahorn, Ulmen. Auch ſind ſämtliche 
Saugwurzeln jener Bäume als Mykorhizen ausgebildet, ſo daß im 
allgemeinen unverpilzte Saugwurzeln an ihnen nicht zu finden ſind. 
Dies gilt auch von allen Lebensaltern dieſer Pflanzen, indem ſchon in 
den erſten Jahren die Wurzelverpilzung ſich einſtellt und dann zeit— 
lebens am Baume ſich erhält. 

Ebenſo habe ich gezeigt, daß die genannten Waldbäume überall Verbreitung der 
mit Mykorhizen verſehen find; in allen Ländern, auf der ganzen Erde Mytochizen. 
iſt dieſe Wurzelſymbioſe ein konſtantes Verhältnis; man kann im 
allgemeinen ſagen, daß in allen Wäldern an jedem Baume die My— 
korhizen zu finden ſind. 

Die große Bedeutung der Mykorhizen für die Waldbäume habe Bedeutung der 
ich durch Verſuche mit Rotbuchen und Kiefern bewieſen !), indem ich Möͤkorhizen. 
Ausſaaten dieſer Pflanzen machte in Vegetationsgefäßen in einem 
natürlichen Buchen- beziehentlich Kiefernwaldboden, und zwar derart, 
daß immer die eine Verſuchsreihe unbehandelten Waldboden, die andre 
denſelben Boden, jedoch nach ſtattgefundener Steriliſierung im Dampf— 
ſteriliſierungsapparat bei 100° erhielt. Das letztere geſchah, um die 
im Erdboden vorhandenen Keime der Mykorhizenpilze zu töten und 
ſo die Entwickelung der Pflanze in dem gleichen Boden, jedoch ohne 
Mitwirkung jener Pilze vergleichen zu können. Die Ergebniſſe fielen 
bei allen Verſuchen in dem gleichen Sinne aus: die in dem nicht— 
ſteriliſierten Boden wachſenden Pflanzen blieben alle am Leben und 
wuchſen ſo ſchön und kräftig, wie in den Saatkämpen im Freien; 

Prüfung ihrer Wurzeln ergab regelmäßig eine normal eingetretene My— 
korhizenbildung; die in den ſteriliſierten Kulturen befindlichen Exemplare 
dagegen verkümmerten mit derſelben Regelmäßigkeit und gingen binnen 
wenig Jahren zu Grunde. Prüfung ihrer Wurzeln ergab, daß dieſe 
völlig pilzfrei und nur wie diejenigen andrer Pflanzen mit Wurzel— 
haaren verſehen waren. Den großen Unterſchied der Kulturen und 
die hochgradige Erkrankung der nicht ſymbiotiſchen Pflanzen zeigt die 


i) ber die phyſiologiſche Bedeutung der Mykorhiza. Berichte der deutſch. 
bot. Geſellſch. 1888 pag. 248 und Ernährung d. Kiefer ꝛc. Daſelbſt 1892, 
pag. 577; auch in „Forſtliche Blätter“ 1889. 


294 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


in Fig. 31 nach einer photographiſchen Aufnahme dargeſtellte Buchen— 
kultur. Die Erkrankung tritt bei Buche wie bei Kiefer an manchen 
Individuen ſchon nach dem erſten, an den meiſten nach zwei bis drei 


uogoqqwausqpng un aninzuscpngz odsngplpcug 


18 91 


"SUR sog dubai eee ehe aum eee ee 


Jahren ein. Die Krankheitsſymptome der nicht ſymbiotiſchen Pflanzen 
beſtehen darin, daß nur kümmerliche Triebe gebildet werden, an denen 
nur wenig und kleine, ſo wie oft in der Farbe mehr gelbgrüne Blätter 
vorhanden ſind. Bei der Buche erſcheinen die Blätter bisweilen bis 


22 Ep ESRAEEER: VERENE 


4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 295 


auf 1 em reduziert oder verkrüppelt, bei der Kiefer macht der Trieb 
nur wenig Nadelbüſchel, und die Nadeln ſind auffallend kurz und 
gelbgrün. Der Tod der kümmerlichen Pflänzchen iſt unfehlbar. Bei 
der Buche pflegt er gewöhnlich plötzlich, und zwar meiſt gleich nach 
dem Austrieb im Frühjahr einzutreten; es macht den Eindruck, als 
wenn gerade in dieſer Periode höchſten Nahrungsbedürfniſſes die Er— 
nährungsohnmacht der Pflanze akut zu dieſer Kataſtrophe führte. Bei 
der Kiefer erfolgt mehr ein langſames Hinſiechen während des Sommers 
und Herbſtes unter allmählichem Braun- und Trockenwerden der 
Nadeln. Nur wenn vor dem Tode durch Zufall Keime von Myko— 
rhizenpilzen von außen in die ſteriliſierte Kultur gelangt ſind und die 
Mykorhizenbildung ſich vollziehen kann, jo erholt ſich der Kümmerling _ 
auch von dieſem Zeitpunkte an ſichtlich und wird allmählich den von 
Anfang an ſymbiotiſchen Pflanzen immer ähnlicher; dies beweiſt zu— 
gleich, daß der ſteriliſierte Boden nicht etwa durch das Steriliſieren 
eine chemiſche Veränderung erlitten hat, die dem Pflanzenwachstum 
ſchädlich iſt, ſondern daß es in der That nur auf die An- oder Ab— 
weſenheit der Symbioſepilze ankommt, ob die Pflanze geſund oder 
krank ſich entwickelt. Wie oben (S. 283) erwähnt, laſſen ſich ja auch 
andre Pflanzen, die keine Wurzelſymbioſe beſitzen, ſehr gut in ſterili— 
ſiertem Humusboden erziehen, ja noch beſſer, als wenn der letztere nicht 
mit heißem Waſſerdampf behandelt worden iſt, weil durch dieſe Be— 
handlung viele ungelöſte Humusſubſtanzen löslich, alſo für die Pflanzen— 
ernährung verwertbar gemacht werden. Es beweiſt dies alſo um ſo 
mehr, daß die von Natur auf Wurzelſymbioſe angewieſenen Bäume an 
die Mithilfe der Pilze bei der Erwerbung der Nahrung jo akkommodiert 
ſind, daß ſie ohne dieſelben ſich nicht genügend ernähren können. Die 
vorſtehend erwähnten Verſuche ſetzen auf das klarſte die hohe Be— 
deutung der Mykorhizenpilze für die Ernährung der Bäume ins Licht, 
und zeigen, daß R. Hartig dieſe Bedeutung vollſtändig verkannt hat. 
Denn dieſer Botaniker iſt meines Wiſſens der einzige geweſen, der 
nach Bekanntwerden meiner Entdeckung der allgemeinen Pilzſymbioſe 
der Waldbäume beharrlich die Anſicht vertrat, daß die Wurzelpilze 
Paraſiten ſeien, welche den Baumwurzeln ſchaden, freilich ohne ſich 
irgend auf genaue Unterſuchungen, geſchweige denn auf entſcheidende 
Experimente ſtützen zu können. 

Es iſt noch fraglich, ob manchmal die Mykorhizenpilze der Bäume 
im Boden fehlen können, ſo daß aus dieſem Grunde die Baumkultur 
fehlſchlägt. Thatſächlich kommen in allen in Waldkultur befindlichen 
Böden die Mykorhizen zu ſtande. Dasſelbe ſcheint auch in allen 
Gartenländereien der Fall zu ſein. Möglich wäre es, daß auf Böden, 


Wichtigkeit der 
Waldſtreu als 
Pflanzen- 
nahrung. 


Wurzelan⸗ 
anſchwellungen 
der Erlen ıc. 


296 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


die ſtets nur als Ackerland gedient haben, und auf Odländereien, 
welche aufgeforſtet werden ſollen, die betreffenden Pilze zunächſt noch 
nicht oder ungenügend vorhanden ſind. Ich habe indeſſen auf einem 
Bodenſtück, welches lange Zeit hindurch überhaupt keine Pflanzen ge— 
tragen hatte, eingeſäete Buchen nur wenige Jahre ohne Mykorhizen 
bleiben ſehen. Es ſcheinen alſo die Keime ſolcher Pilze ſchon durch 
die Luft allmählich in die Erdböden verbreitet zu werden, und mit 
der Zunahme des Humus und der lebenden Baumwurzeln dürften 
dann die einmal eingeführten Pilzkeime zu immer ſtärkerer Mycelium— 
bildung gelangen. 

Es kann nicht verkannt werden, daß wegen der Ernährung durch 
die humusverarbeitenden Mykorhizenpilze die Waldſtreu für die Er— 
nährung der Bäume von hervorragender Bedeutung It. Sie ſtellt 
das hauptſächliche Ma— 
terial dar, welches durch 
die Vermittelung der 
Wurzelpilze dem Baume 
wieder zur Nahrung nutz— 
bar gemacht wird. Der 
Rückgang in der Holz— 
produktion bei Nutzung 
der Waldſtreu erhält 
hierdurch ſeine natürliche 
Erklärung. 

2. Die Wurzel- 
anſchwellungen 
bildenden Erlen, 
Eläagnaceen und 
Myricaceen. An den 

Fig. 32. Wurzeln der genannten 
Wurzelanſchwellungen der Erle. A Stück einer Holzpflanzen x kommen 
wanne e de Order B Ci |ehwehungen dor, wach 
größer gewordener Auswuchs. 6 Stück der Bruch⸗ PU 1 wi 
fläche eines querdurchbrocheuen alten Auswuchſes, kurze, dicke und korallen— 

um das Wachstum deſſelben zu zeigen. ähnlich verzweigte Aſt— 
chen darſtellen, die durch 

ihre reichliche und dichte Verzweigung zu voluminöſen, bei den Erlen 
bis über fauſtgroßen knollenartigen Komplexen heranwachſen (Fig. 32). Von 
den Wurzeln unterſcheiden ſich dieſe Organe dadurch, daß ſie keine 
Wurzelhaube und auch keine Wurzelhaare beſitzen, ſondern überall von 
einer Korkhaut überzogen ſind, welche auch über den an der Spitze 


4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 297 


liegenden Vegetationspunkt ſich erſtreckt, welcher das Längenwachstum 
und die Verzweigung vermittelt. Der weſentliche Charakter dieſer 
Organe kann durch die Benennung Pilzkammern oder Mykodo— 
matien ausgedrückt werden. Denn ſie ſind thatſächlich von einem 
Pilze erzeugt und bewohnt. In der Mehrzahl der Zellen des Grund— 
parenchyms dieſer Organe befindet ſich außer dem Protoplasma und 
dem Zellkern ein klumpenartiger Körper, der ein äußerſt dicht ver— 
ſchlungenes Fadenknäuel darſtellt, deſſen Fäden auch von Zelle zu Zelle 
vorwärts dringend mit dem ganzen Organ fortwachſen. Die Pilz— 
natur dieſer Gebilde wurde zuerſt von Woronin erkannt; Brunchorſt 
hat den Pilz genauer unterſucht und ihm den Gattungsnamen Frankia 
gegeben !). Der Pilz wird unter dem Einfluſſe der Pflanze degeneriert 
| und dabei zur Anſammlung von Eiweißmaſſen in blaſenförmigen Er- 
weiterungen ſeiner Fäden veranlaßt; dieſes Eiweiß wird zuletzt von 
| der Pflanze ſelbſt aufgelöſt, verdaut und zu Ernährungszwecken ver- 
| 
. 


wertet. Nach einer kürzlich von Nobbe?) mit Hippopha® rham- 
noides angeſtellten Unterſuchung ſcheint auch dieſe Symbioſe für die 
Pflanze von Nutzen zu ſein, denn die in ſteriliſiertem Boden ohne 
Bildung dieſer Wurzelanſchwellungen gewachſenen Pflanzen blieben 
bemerklich ſchwächer als die gleichaltrigen, die in dem gleichen aber 
unſteriliſierten Boden die Pilzkammern entwickelt hatten. 

3. Die Wurzelknöllchen bildenden Leguminoſen. Auch Wurzelknöllchen 
an den Wurzeln der Leguminoſen finden ſich in der freien Natur faſt Ka 
konſtant an jedem Individuum knollenförmige Organe, welche ebenfalls f 
den Charakter von Pilzkammern oder Mykodomatien haben. Sie 
find, wie ich gezeigt habe, keine umgewandelte Wurzeln, ſondern 
eigentümliche, nur aus der Wurzelrinde hervorgehende gallenartige 
Organe, welche durch die Infektion mit einem Spaltpilz, den ich Rhizo— 
bium Leguminosarum genannt habe, erzeugt werden und in deren 
Grundparenchymzellen dieſer Pilz zu ungeheurer Vermehrung gelangt. 

Auch hier wird derſelbe größtenteils degeneriert, d. h. die Spaltpilz— 
zellen wachſen unter bedeutender Anſammlung von Eiweiß zu ver— 
größerten und geſtaltlich umgewandelten Gebilden, den ſogen. Bak— 
teroiden heran, die zuletzt vollſtändig von der Pflanze aufgelöſt, alſo 
wiederum verdaut werden, deren Subſtanz alſo die Pflanze ſich zu 
Nutze macht. Die Pilzkammern, welche in den Wurzelknöllchen vor— 
handen und in der erſten Entwickelungszeit der Leguminoſe vollgefüllt 


1) Über näheres und über die zugehörige Litteratur vergl. mein Lehrbuch 
. der Botanik I, pag. 268 und 274. 
i 2) Landwirtſchaftliche Verſuchsſtationen XLI. 1892, pag. 139. 


298 IV. Abſchuitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


ſind, erſchienen ſpäter gegen die Fruchtreifung hin, ganz leer (Fig. 33). 
Immerhin bleibt eine große Anzahl der darin erzeugten Spaltpilze dem 
degenerierenden Einfluſſe der Pflanze entzogen; ſie ändern ihre 
urſprüngliche Form nicht, behalten ihre Vermehrungsfähigkeit und werden 
auch nicht von der Pflanze aufgelöſt; ſie gelangen bei der Verweſung 
der endlich abſterbenden Wurzelknöllchen in großer Anzahl wieder in 
den Erdboden, wo ſie von nun an wieder neue Leguminoſen zu in— 


FR 


* 


2 
. 
. 


N. 
2 
22 


Di 
N 


Fig. 33. 


Wurzelknöllchen der gelben Lupine. A eine Wurzel mit drei verſchieden 
großen Knöllchen. B ein Knöllchen im Durchſchnitt, k der Fibrovaſalſtrang der 
Wurzel, ringsum in der Rinde die großen Pilzkammern, aus dem fleiſchroten 
Bakteroidengewebe beſtehend. C altes Knöllchen mit ausgeleerten, hohlen 
Pilzkammern. E Querſchnitt durch ein halberwachſenes Knöllchen, k Fibro— 
vaſalſtrang der Wurzel, r unveränderte Wurzelrinde; das Knöllchen enthält 
ein ungefähr halbmondförmiges, aus Bakteroiden führenden kleinen Zellen 
beſtehendes Gewebe b, welches bei mm ſeine Wachstumspunkte hat; ſchwach 

vergrößert. 


4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 299 


fizieren vermögen !). Die Bedeutung dieſer Pilzſymbioſe für die Er— 
nährung der Leguminoſe iſt zuerſt von Hellriegel?) erkannt worden, 
welcher zeigte, daß in einem ſtickſtofffreien oder ſehr ſtickſtoffarmen 
Boden Leguminoſen ohne dieſe Wurzelknöllchen nur ſehr kümmerlich 
wachſen, während ſie in dem gleichen Boden bei Gegenwart der Pilz— 
ſymbioſe normal ſich entwickeln (Fig. 34). Hellriegel zog aus ſeinen 
Beobachtungen den Schluß, daß die Leguminoſen nur durch Vermittelung 
dieſer in den Wurzelknöllchen lebenden Pilze den freien Stickſtoff der 
Luft aſſimilieren können. Eine richtigere Auffaſſung der Bedeutung 
dieſer Symbioſe iſt durch meine darüber angeſtellten Unterſuchungen be— 
gründet worden?). Die Unentbehrlichkeit dieſer Symbioſe für die 
Leguminoſenpflanze zeigt ſich nur auf ſtickſtoffloſen Böden. Hier ver— 
hält ſich die Leguminoſe ohne ihren Symbioſepilz genau ſo wie die 
Nichtleguminoſen, d. h. ſie kommt nur zu einer ſehr kümmerlichen 
Entwickelung, wie bereits oben (S. 284) erwähnt worden iſt. Durch 
die Symbioſe wird alſo der Leguminoſenpflanze die Ernährung mit 
Stickſtoffverbindungen, welche andre Pflanzen notwendig brauchen, 
erſetzt, und es wird alſo mit dieſem Hilfsmittel eine Pflanzenentwicklung 
ganz und gar aus freiem Stickſtoff möglich. Auf einem Boden da— 
gegen, welcher genügend Stickſtoffverbindungen enthält, iſt die Pilz— 
ſymbioſe entbehrlich, die Leguminoſen wachſen, wie ich gezeigt habe, 
auf einem ſolchen Boden, wenn er ſteriliſiert worden iſt und alſo keine 
Wurzelknöllchen zur Entwickelung kommen, völlig normal, oft ebenſo 
gut oder noch beſſer als mit Symbioſe, und man findet dann im 
Ernteſtickſtoff und im Stickſtoffgehalte des Bodens eine Vermehrung 
gegen den Stickſtoffgehalt im Samen und Boden vorher, die nur aus 
dem freien Luftſtickſtoff ſich herleten kann, alſo wiederum ſo wie bei 
den Nichtleguminoſen. Die Pflanze iſt alſo ſelbſt befähigt, freien 
Stickſtoff zu aſſimilieren. Der Pilz iſt kein Spezifikum für Erwerbung 
freien Stickſtoffes. Er läßt ſich auch außerhalb der Pflanze durch 
künſtliche Ernährung kultivieren, aber braucht dazu notwendig gewiſſe 
Stickſtoffverbindungen; beſonders Amide oder Eiweißſtoffe ernähren 
ihn ſehr gut, dagegen kann er in ſtickſtofffreien Nährmedien kaum 
merklich zur Entwickelung gebracht werden; dem freien Stickſtoff gegen— 
über verhält er ſich alſo für ſich allein ſehr paſſiv. 


) Das Detail über die oben kurz geſchilderten Verhältniſſe iſt nach dem 
gegenwärtigen Stande unſres Wiſſens dargeſtellt in meinem Lehrbuch der 
Botanik I. pag. 269 — 274, wo auch die zugehörige Litteratur zu finden iſt. 

2) Tageblatt d. Naturforſcher-Verſammlung zu Berlin 1866, pag. 290 
und Zeitſchr. des Vereins f. d. Rübenzucker-Induſtrie. November 1888. 

3) Die Ernährung der Pflanze mit freiem Stickſtoff in ihrer Abhängig— 
keit ꝛc. Landwirtſch. Jahrb. und Lehrbuch der Botanik I, pag. 577. 


300 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe | 
r f 
Ne Fi 
m * , 11 
A 
Fan 
CE N 
1 ‘ 
& 


Fig. 34. 
Parallelkulturen von Erbſen in ſtickſtoffreiem Boden, A im ſymbiotiſchen 
Zuſtande (nach Impfung des Bodens), B im nicht ſymbiotiſchen Zuſtande. 


4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 301 


Der Symbioſepilz wirkt alſo in der Leguminoſe vorzüglich bei 
fehlendem oder ungenügendem gebundenem Stickſtoff im Erdboden als ein 
Reizmittel auf die Pflanze, wodurch die Ernährungs- und Wachstums— 
thätigkeiten derſelben energiſcher angeregt werden. Wie ich näher gezeigt 
habe, ſind es folgende Lebensthätigkeiten der Pflanze, welche dadurch be— 
fördert werden; es giebt dies zugleich eine Anlyſe des Krankheits— 
zuſtandes, in welchem die Leguminoſen bei Ausbleiben der Symbioſe 
auf ſolchen ſtickſtoffarmen oder -loſen Böden ſich befinden. 1) Die 
Aſſimilation des freien Stickſtoffes und alſo die Produktion ſtickſtoff— 
haltiger Pflanzenſubſtanz. 2) Das Wachstum, indem die Stengel 
höher, die Blätter zahlreicher und größer werden. 3) Die Ausbildung 
des Meſophylls in den Blättern, insbeſondere die Größe der Meſophyll— 
zellen, 4) die Bildung des Chlorophylls, indem in den Meſophyllzellen 
die Zahl der Chlorophyllkörner ſich vermehrt, die Chlorophyllkörner 
ſelbſt größer werden und reicher an Chlorophyllfarbſtoff ſind, weshalb 
der ganze Farbenton der Blätter tiefer grün wird. 5) Die Aſſimilation 
der Kohlenſäure, indem in den Chlorophyllkörnern reichlichere 
Aſſimilationsſtärke nachweisbar iſt. 


C. Ungünſtige Konzentrationsverhältniſſe der Nährſtoffe. 

Die Pflanze erkrankt nicht bloß, wenn ihr zu wenig Nahrung Schädliche Kon- 
zur Verfügung ſteht, ſondern ſie kann auch beſchädigt werden durch ee 
ein Zuviel der Nährſtoffe oder mit andern Worten, wenn die Kon— 
zentration der ihr dargebotenen Nährſtofflöſung eine zu ſtarke iſt. Wir 
beobachten daher die aus dieſem Grunde eintretenden Erkrankungen 
nicht bloß, wenn Pflanzen in Nährſtofflöſungen, alſo in Waſſer— 
kulturen, gezogen werden, ſobald hier ungünſtige Konzentrations- 
verhältniſſe gegeben ſind, ſondern auch wenn die Pflanzen, die im 
Erdboden wurzeln, mit zu ſtark konzentrierten Löſungen begoſſen werden, 
oder auch, was auf dasſelbe hinauskommt, wenn die Düngemittel in 
8 zu ſtarken Gaben in den Boden gebracht worden ſind. 

Der unmittelbare Einfluß ſtärker konzentrierter Löſungen auf 
lebende Pflanzenzellen iſt, wie die Phyſiologie lehrt, der, daß der 
Turgor der Zelle vermindert wird, indem die ſogenannte Plasmolyſe 
eintritt, d. h. es zieht ſich das Protoplasma infolge von Waſſerverluſt 
von der Innenſeite der Zellhaut zurück, weil infolge von Diosmoſe 
ein Teil des wäſſrigen Zellſaftes aus der Zelle austritt. Bei ſehr 
hohen Konzentrationen kann die Plasmolyſe jo ſtark werden, daß die Zelle 
ſtirbt. Ein ſchwächerer Grad von Plasmolyſe wird wieder ausgeglichen, 
ſobald die Einwirkung der betreffenden Löſung aufhört, d. h. wenn 
die Zelle wieder in reines Waſſer oder in eine ſchwach konzentrierte 


RE 


302 IV. Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


Löſung gebracht wird. Da aber auch ſchon durch ſchwache Plasmolyſe 
der Turgor der Zelle vermindert wird, ſo iſt es begreiflich, warum 
dann auch das Wachstum der Zellen geringer wird, denn der turges— 
cente Zuſtand der Zellen iſt eine Bedingung ihres Wachſens. 


Algen und Pilze 


Phanerogamen. 


Zunächſt iſt von den im Waſſer lebenden Algen durch Famintzin!) 
konſtatiert worden, daß Nährſtofflöſungen von höherem Konzentrationsgrade 
das Wachstum derſelben beeinträchtigen und dieſe Pflänzchen beſchädigen. Spiro— 
gyra entwickelte ſich in einer 0 Pprozentigen Löſung ſchon nicht mehr, während 
Mougeotia, Oedogonium, Stigeoclonium nicht nur in dieſer, ſondern ſelbſt 
noch in einer Löſung von 3 Prozent vollkommen geſund blieben, Protococeus 
viridis, Chlorococcum infusionum und „Protonema“, ſogar üppig gediehen; 
ſelbſt 5-prozentige Löſung wurde noch ertragen; die Bildung der Schwärm— 
ſporen des Protococcus, die in diſtilliertem Waſſer, desgleichen in ½ pro— 
zentiger Löſung ſtattfindet, wurde ſchon durch eine Löſung van 20% verhindert. 
Conventz?) behandelte Cladophora mit einer Löſung von ſalpeterſaurem 


Kali und mit einer ſolchen von kohlenſaurem Ammoniak in verſchiedenen 


Konzentrationen, und erkannte, daß die Wirkung einer zu konzentrierten 
Löſung dieſer neutralen Salze nur darauf beruht, daß dieſelben waſſer— 
entziehend auf das Protoplasma einwirken, welches dadurch um ſo mehr 
in Plasmolyſe gerät, je ſtärker die Konzentration iſt, daß man aber die 
ſchädliche Wirkung wieder aufheben kann, wenn die Alge ſchnell wieder in 
deſtilliertes Waſſer gebracht wird, widrigenfalls ſie zu Grunde geht. Die 
Wirkung wurde ſchon bei 2-prozentiger Löſung bemerkbar; doch konnte 
ſelbſt die Wirkung einer Löſung von 10 Prozent Salzgehalt durch ſchnelles 
Einlegen in reines Waſſer repariert werden. Doch wachſen Pflanzenzellen, 
die an andre Verhältniſſe gewöhnt ſind, z. B. Schimmelpilze, wie Asper- 
gillus. noch in einer Zuckerlöſung von 37,2, und Pollenſchläuche in einer 
ſolchen von 40 Prozent. 

Die Samen der Phanerogamen werden um ſo mehr in ihrer Keim— 
fähigkeit beeinträchtigt, je konzentrierter die Salzlöſungen ſind, in deuen ſie 
eingequellt werden. Für die Praxis hat dieſer Umſtand in ſo fern Be— 
deutung, als ſich daraus ergiebt, daß das Einquellen der Samen in eine 
Nährſtofflöſung, ſowie das ſogenannte Kandieren der Samen, d. h. das 
Überziehen derſelben mit einer Kruſte aus Nährſtoffbrei, indem die in 
Leimlöſung eingehüllten Samen in pulverförmige Düngemittel gebracht 
werden, oder die Ausſtreuung gewiſſer Düngemittel, wie Kainit und ähn— 
licher Salze gleichzeitig mit der Ausſaat anſtatt längere Zeit vorher, für 
die Samen, ſowie für diejenigen jungen Rüben, denen beim Verpflanzen 
eine konzentrierte Doſis Nährſtoffe gegeben wird, nachteilig iſt. Näher 
belegt wurde dieſe Thatſache durch die Verſuche von Tautphöus)), wo— 
nach die in deſtilliertem Waſſer eingequellten Samen verſchiedener Kultur> 
pflanzen am beſten keimen, während in Löſungen von Chlorkalium, ſal⸗ 
peterſaurem Natron, ſchwefelſaurem Kali, phosphorſaurem Kali und ſal⸗ 
peterſaurem Kalk die Keimfähigkeit um ſo mehr herabgedrückt wurde, je 


1) Bot. Zeitg. 1871, Nr. 46. 
2) Bot. Zeitg. 1874, pag. 404. 
3) Biedermanns Centralblatt f. Agrikulturchemie 1876, II. pag. 117. 


we. 


7 


| 


* 


. 


4. Kapitel: Ungünſtige Zuſammenſetzung des Erdbodens 303 


mehr die Konzentration von 0,5 bis 5,0 Prozent ſtieg. Nur Chlornatrium— 
löſung ſoll eine Förderung des Wachstums zur Folge gehabt haben. In 
letzterer Beziehung haben die Verſuche von Jarius) ergeben, daß Salz 
löſungen von 0,2 bis 0,4 Prozent (Chlorkalium, Chlornatrium, ſalpeterſaures 
Kali und Natron, ſchwefelſaures Kali und Ammon, ſaurer phosphorſaurer 
Kalk) günſtig und oft beſchleunigend auf die Keimung wirken, während 
erſt Konzentrationen von 1 und mehr noch von 2 Prozent den Keimungsprozeß 
hemmen. Ahnliches gilt auch für Kartoffeln; nach Fleiſcher) trieb ein 
bedeutender Prozentſatz ſolcher Knollen, bei denen erſt unmittelbar vor dem 
Legen die Düngung mit Kainit und Superphosphat erfolgt war, nicht aus. 

Phanerogamen ſind bei Waſſerkulturen, wo ihre Wurzeln in eine 
Löſung der Nährſtoffe eintauchen, ſchon gegen geringe Konzentrationen em— 
pfindlich, indem zu einer gedeihlichen Entwickelung derſelben der Salz 
gehalt ungefähr zwiſchen 0,05 bis 0,2, höchſtens bis 0,5 Prozent ſich halten 
darf, aber höhere Konzentrationsgrade ſchon ſchädlich wirkens). Genauer hat 
de Vries“) die Abhängigkeit des Wachſens der Wurzeln von dem Turgor 
der Zellen, alſo von der Konzentration der umgebenden Löſung feſtgeſtellt. 
Er fand innerhalb 24 Stunden folgende mittlere Zuwachſe der Haupt— 
wurzeln von Zea mais, wenn dieſe in Salpeterlöſung geſtellt wurde: in 
0,5 prozentiger Löſung S 22 mm, in 1,0 prozentiger = 16,5 mm, in 1,5 pro— 
zentiger = 11,5 mm, in 2 prozentiger 7,0 mm. Daher erklärt ſich auch der 
ſchädliche Einfluß von Salzlöſungen dieſer Konzentration auf die Keimung der 
Samen. Für die im Erdboden wachſenden Wurzeln ſind jedoch dieſe und ſelbſt 
noch ſtärkere Konzentrationen der Löſungen, womit die Pflanzen begoſſen 
werden, noch ohne Nachteil, was wohl mit der Abſorption zuſammenhängen 
mag, welche der Erdboden auf die im Waſſer gelöſten Stoffe ausübt. Indeſſen 
tritt doch auch hier der ſchädliche Einfluß hervor, ſobald eine gewiſſe Grenze 
erreicht iſt, über die es jedoch noch an genaueren Feſtſtellungen fehlt; man 
ſieht dann nämlich die Pflanze entweder ſchnell abſterben oder ſich doch 
kümmerlicher und zwerghaſt entwickeln. Wenn künſtliche Düngemittel z. B. 
Chiliſalpeter, Kainit ꝛc. in zu großer Menge aufgeſtreut werden, beobachtet 
man dieſelben Beſchädigungen. Indeſſen kommen dabei wohl auch ſchon 
direkte Giftwirkungen einzelner Salze zur Geltung, worüber am ent— 
ſprechenden Orte weiter unten näheres zu ſagen iſt. 


maßen reichlicher Menge vorhanden iſt, wobei die Konzentrations- 
verhältniſſe der Bodenlöſung überhaupt noch keine der Pflanze ſchäd— 
liche zu ſein brauchen. Zum Teil hierhergehörig dürfte die allgemeine 
Erſcheinung ſein, daß die einzelnen Pflanzenarten eine Vorliebe für 
gewiſſe Bodenverhältniſſe und einen Widerwillen gegen andre haben, 
indem von den wildwachſenden Pflanzen nach gewiſſen Düngungen 


) Einwirkung von Salzlöſungen auf den Keimungsprozeß. Landw. 
2) Daſelbſt 1880, pag. 765. 


Verſuchsſtationen 1885, pag. 149. 


3) Vergl. beſonders Knop, B. d. kgl. ſächſ. Geſ. d. Wiſſ. 1875, pag. 29 ff. 
5) Landwirtſch. Jahrbücher. 1877, pag. 896. 


Es kann aber auch ſchon darin ein ungünſtiger Einfluß auf die Be 
; 5 ae err 9 ( zu einge keicher Stickſtoff— 
Vegetation liegen, daß ein oder der andre Bodenbeſtandteil in einiger— Düngung 


304 IV Abſchnitt: Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 


beſtimmte Arten mehr oder weniger zu verſchwinden und dafür andre 
vorherrſchend zu werden pflegen. Namentlich ſind es ſtarke Stickſtoff— 
düngungen, welche ſehr verändernd auf die Vegetation einwirken, nicht 
nur weil dadurch gewiſſe Pflanzen z. B. auch manche Unkräuter, zu 
Ungunſten andrer Gewächſe befördert werden können, ſondern auch 
weil die Entwickelung der Pflanze ſelbſt abnorm werden kann. Denn 
alle diejenigen Pflanzen, welche eine Vorliebe für Stickſtoffverbindungen 
haben und für Düngungen mit ſolchen, z. B. mit Chiliſalpeter, Stall— 
dung dc. ſich dankbar erweiſen, können durch ſehr reichliche Stickſtoff— 
gaben in ihrer ganzen Entwickelung ſo beeinflußt werden, daß dies 
unter Umſtänden für ſie gefährlich ſein kann. Reiche Stickſtoffdüngungen 
haben bei dieſen Pflanzen, zu denen die meiſten der landwirtſchaftlichen 
Kulturpflanzen gehören, eine üppige Entwickelung des Laubkörpers 
und auch eine Verlängerung der Vegetationsperiode zur Folge. Solche 
Pflanzen machen dann äußerſt kräftige Triebe mit großen, dicken, 
dunkelgrünen Blättern, haben die Neigung, immer neue derartige Triebe 
hervorzubringen und kommen dementſprechend viel ſpäter zum Blühen 
und Fruchttragen als gleichaltrige, in der Stickſtoffnahrung knapper 
gehaltene Genoſſen. Haben ſolche Pflanzen Zeit noch zum Aus— 
reifen zu kommen, ſo können ſie eine reiche Ernte liefern; gar oft 
aber geht über der verlängerten Vegetationsthätigkeit die der Frucht— 
bildung günſtige Jahreszeit vorüber und die Folge iſt alſo, daß dieſe 
Organe nur noch mangelhaft oder gar nicht zur Entwickelung kommen. 
Dieſer Fall kann daher nach überreichem Stickſtoffdung eintreten z. B. 
bei den Kartoffeln, wo die Knollenbildung und der Stärkegehalt da— 
durch benachteiligt werden kann, bei den Rüben, wo dies eine Ver— 
minderung des Zuckergehaltes zur Folge hat, beim Getreide, wo die 
Körnerbildung dadurch leidet, beſonders auch bei allem Obſt, wo 
Unfruchtbarkeit die Folge ſein kann. Ebenſo iſt es denkbar, daß bei 
ſtarken Stickſtoffdüngungen ſo viel von dem vorhandenen Stickſtoff auf 
die Ausbildung des vegetativen Apparates der Pflanze verwendet wird, 
daß zu einer entſprechenden Fruchtbildung hinterher kein genügender 
Stickſtoff mehr übrig iſt, während das gleiche Quantum Stickſtoff— 
düngung nicht auf einmal, ſondern nach und nach während der Ent— 
wickelung der Pflanze gegeben, dieſes Mißverhältnis nicht hervor— 
gebracht haben würde. Selbſtverſtändlich wird dagegen in ſolchem Falle 
dieſe Verſchiebung in den Lebensthätigkeiten der Pflanze willkommen 
ſein, wo eine möglichſt üppige Ausbildung des Blattkörpers gerade 
dem Kulturzwecke entſpricht, wie bei den Kohlarten. 


Dry Weil 2 


* 


? ., 


3 
1 
2 


I. Der Sauerſtoff 305 


V. Abſchnitt. 
Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe. 


Die Pflanzen kommen bisweilen mit ſchädlichen Stoffen in Be— 
rührung, was natürlich für ſie gewiſſe nachteilige Folgen hat. Wir 
können ſolche Stoffe in dieſer Beziehung dem gewöhnlichen Sprach— 
gebrauch entſprechend als Gifte bezeichnen. Es gehören dann aber 
dazu nicht bloß die eigentlichen Gifte, alſo Stoffe, welche nur aus— 
nahmsweiſe vorhanden ſind und dann gewöhnlich ſchon in geringer 
Menge ſchädlich wirken, ſondern es kann auch durch gewöhnliche Be— 
ſtandteile des Bodens oder der Luft, wenn ſie in abnorm großer 
Menge vorhanden ſind, eine Beſchädigung an der Pflanze hervor— 
gebracht werden, gerade ſo wie ja auch auf den tieriſchen Organismus 
manche Stoffe, die in geringer Menge ohne Einfluß oder ſogar von 
heilſamer Wirkung ſind, in ſtärkeren Doſen den Charakter wirklicher 
Gifte annehmen. Es iſt daher eben auch für die Pflanze der Begriff 
des Giftes nicht ſcharf zu begrenzen. Wir behandeln hier die in 
dieſer Beziehung in Betracht kommenden Stoffe einzeln. 

I. Der Sauerſtoff. Dieſer allgemeine Beſtandteil der atmo— 
ſphäriſchen Luft iſt ja als Unterhalter der Atmung für die Pflanzen 
ebenſo unentbehrlich wie für die Tiere. In dem Miſchungsverhältniſſe, 
in welchem er ſich in der Luft mit dem Stickſtoffgaſe befindet (etwa 
21 zu 79) iſt er in einer der Vegetation zuſagenden Menge vorhanden. 
Andert ſich dieſes Verhältnis, entweder durch Zu- oder Abnahme des 
Sauerſtoffes, ſo werden verſchiedene Lebensprozeſſe der Pflanze geſtört. 
Es kommt dabei jedoch nur auf den Partialdruck des atmoſphäriſchen 
Sauerſtoffes an, indem nur ſolche Anderungen der Zuſammenſetzung 
der Luft ſchädlich wirken, wobei der Partialdruck dieſes Gaſes eine 
Erhöhung oder Erniedrigung erfährt. In der freien Natur kommen 
freilich ſolche Veränderungen ſchwerlich vor; dieſelben ſind nur durch 
künſtliche Verſuche erzielt und in ihren Wirkungen auf die Pflanze 
ſtudiert worden. 


In reinem Sauerſtoffgas von der gewöhnlichen Dichte der Luft iſt 
nach Böhm) das Wachſen auf ein Minimum reduziert und die Pflanzen 
gehen bald zu Grunde. So kamen die Keimlinge von Phaseolus multiflorus, 
Mais, Erbſen und Linſen über die erſten Stadien der Wurzel- und Stengel- 
bildung nicht hinaus, Gartenkreſſe, Flachs, Sonnenblumen blieben durch— 
ſchnittlich kleiner, Roggen, Gerſte, Weizen, Hafer entwickelten jedoch die 
erſten Blätter in normaler Länge. Ein 8—10 Prozent ſtickſtoffhaltiges 


) Sitzb. d. Wiener Akad. 10. Juli 1873. 
Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 20 


Gifte. 


Sauerſtoff. 


306 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe 


Sauerſtoffgas hatte ungefähr den gleichen ſchädlichen Einfluß. Böhm hat 
dann weiter gezeigt, daß, wenn das reine Sauerſtoffgas durch Auspumpen 
mittelſt der Luftpumpe oder durch Beimengung von Waſſerſtoff ſo verdünnt 
wird, daß es unter einem Drucke ſteht, welcher dem Partialdruck des atmo— 
ſphäriſchen Sauerſtoffs entſpricht oder ſelbſt kleiner iſt, das Wachstum 
ebenſo intenſiv, wie in atmoſphäriſcher Luft erfolgt. Auch die Verſuche 
Bert's!) lehren, daß ſowohl ein verminderter, wie ein erhöhter Luftdruck 
der Atmoſphäre für die Pflanzen ſchädlich iſt und daß dabei nur der 
Partialdruck des Sauerſtoffs das Wirkſame iſt. Die mit Gerſte, Roggen, 
Kreſſe und Radieschen gewonnenen Reſultate ergeben, daß die Keimung 
um jo langſamer vor ſich geht, je niedriger der Luftdruck iſt, daß die unterſte 
Druckgrenze für Kreſſe 12 em, für Gerſte 6 em iſt, und bei 4 em über: 
haupt nirgends mehr Keimung ſtattfindet, daß jedoch in einer ſehr ſauer— 
ſtoffreichen Luft auch bei 4 cm Druck noch Keimung ſtattfindet und in ſolcher 
Luft ebenſo raſch verlaufen kann wie in gewöhnlicher Atmoſphäre bei nor— 
malem Druck, während in ſauerſtoffarmer Luft auch bei normalem Druck 
die Keimung verlangſamt wird. Ein Druck von 4 oder 5 Atmoſphären 
iſt für die Pflanzen ohne auffallenden Nachteil, wenn die Luft früh und 
abends erneuert wird. Bei höherem Druck werden die Triebe blaß und 
ſchmächtig; bei 8 Atmoſphären entwickeln ſich zwar die Wurzeln, aber nicht 
die Stengel; bei 10 Atmoſphären finden nur Anfänge der Wurzelbildung 
ſtatt (Gerjte). Eine entwickelte Mimosa pudica ging in gewöhnlicher Luft 
bei 6 Atmoſphären Druck, aber in ſauerſtoffreicher Luft ſchon bei 2 Atmo— 
ſphären raſch zu Grunde. Nach Wieler?) nimmt jedoch die Wachstums— 
intenſität zunächſt mit der Verminderung der Partiärpreſſung des Sauer— 
ſtoffes zu, erreicht z. B. bei Vicia Faba bei 5—6 Volumprozenten Sauerſtoff 
ein Optimum und ſinkt erſt bei weiterer Verdünnung auf den Nullpunkt 
herab; desgleichen ſcheint bei Steigerung der Partiärpreſſung zunächſt ein 
zweites Optimum erreicht zu werden und dann erſt Hemmung des Wachs— 
tums einzutreten, denn Helianthus annuus zeigte bei 95 bis 96 Volum— 
prozenten Sauerſtoff größere Wachstumsintenſität als in gewöhnlicher Luft. 

Der Sauerſtoffmangel bringt viele Lebensthätigkeiten der Pflanze zum 
Stillſtand. Die dadurch bedingte Erſchwerung der Atmung, alſo ein Er— 
ſticken, haben wir ſchon bei den zu tief unter der Bodenoberfläche befindlichen, 
alſo von der Luft abgeſchloſſenen Samen und Wurzeln (S. 251) kennen 
gelernt. Ebenſo wird die auf die Aufſaugung des Waſſers aus dem Boden 
gerichtete Wurzelthätigkeit durch Sauerſtoffmangel gehindert (S. 256) Die 
Phyſiologie lehrt auch weiter, daß viele Bewegungserſcheinungen von Pflanzen- 
teilen, ſowie die Bewegungen des Protoplasmas in der Zelle bei Sauer- 
ſtoffmangel gehindert werden. Läßt man einer ſolchen Pflanzenzelle nach nicht 
zu langer Zeit wieder Sauerſtoff zuſtrömen, fo beginnen die ſiſtierten Lebens⸗ 
erſcheinungen von neuem, die Zelle iſt alſo in den irreſpirablen Gaſen zu— 
nächſt in einen Zuſtand gekommen, den man Aſphyxie nennt. Prings⸗ 
heim!) hat gezeigt, daß die chlorophyllhaltige Zelle dabei auch in einem 


S 


) Compt. rend. 16. Juni 1873. 

2) Unterſuchungen aus d. bot. Inſtitut zu Tübingen I. 1883, Heft 2. 
Vergl. auch Jentys, daſelbſt II. 1888, pag. 419. 

3) Berichte d. deutſch. botan. Geſellſch. 1887, pag. 294. 


II. Die Kohlenſäure 307 


Zuſtande der Ernährungsohnmacht oder Inanition ſich befindet, denn ſie 
kann dann auch trotz Chlorophyll und trotz Luftzutritt nicht aſſimilieren, thut 
das jedoch bei Sauerſtoffzutritt wieder. 

II. Die Kohlenſäure. Die in der atmoſphäriſchen Luft ent— 
haltene Kohlenſäure iſt für alle chlorophyllhaltigen Pflanzen als Kohlen— 
ſtoffquelle für die Ernährung unentbehrlich. Aber wenn der Gehalt 
der Luft an dieſem Gaſe das gewöhnlich in der Atmoſphäre gegebene 
Maß (0,04 bis 0,06 Prozent im Freien) erheblich überſteigt, ſo werden 
gewiſſe Lebensthätigkeiten der Pflanze ungünſtig beeinflußt. Es gilt 
dies namentlich vom Wachstumsprozeß, von der Bildung des Chloro— 
phylls und von der Kohlenſäureaſſimilation. Unter natürlichen Ver— 
hältniſſen kommt freilich eine ſolche Bereicherung der Luft an Kohlen— 
ſäure, um dieſe ſchädlichen Einflüſſe hervorzurufen, nicht vor, ſondern 
nur in künſtlichen entſprechenden Experimenten. 

Die Keimung und das Wachstum auf Koſten der Reſervenährſtoffe 
werden durch einen ungewöhnlichen Kohlenſäurereichtum der Luft gehindert, 
wie ſchon Sauſſure erkannte und Böhm) genauer erforſcht hat. An 
Feuerbohnen, welche im Dunkeln in Luft von verſchiedenem Kohlenſäure— 
gehalt ausgeſäet worden waren, war die mittlere Wurzellänge nach 12 Tagen 
in gewöhnlicher Luft 13,6 em, in 2 Prozent kohlenſäurehaltiger Luft 10,5 em, 
in 5 Prozent Kohlenſäure 7,9 em, in 10 Prozent 4,6 em; in Luft von 
14 Prozent Kohlenſäure an war die Radicula nur unbedeutend entwickelt, 
die Samen zum Teil verdorben. Eine ähnliche Abſtufung zeigte ſich in der 
mittleren Stengellänge bei 0, 2, 5 und 10 Prozent Kohlenſäure. Wurden 
die Pflanzen in gewöhnliche Luft geſetzt, ſo nahmen dieſelben, ſoweit ſie 
nicht abgeſtorben waren, normales Wachstum an. 

Nach Böhm (Je.) ſoll die Bildung des Chlorophylls verlangſamt 
oder ganz gehindert werden, wenn die Luft nur wenige Prozente Kohlenſäure 
enthält. Am empfindlichſten war Kreſſe, deren im Dunkeln entwickelten, alſo 
vergeilten Keimpflanzen in gewöhnlicher Atmoſphäre im Lichte ſchon nach 
10 ſtündiger Beleuchtung intenſiv grün werden, in einer Atmoſphäre mit 
nur 2 Prozent Kohlenſäure viel langſamer, bei Gegenwart von 20 Prozent 

gar nicht ergrünten. Ahnlich verhielt ſich Sonnenroſe. Viel reſiſtenter 
war Lein, dem ſich Mohn ähnlich verhielt; die vergeilten Keimlinge bekamen 
ſelbſt in einer Atmoſphäre mit 33 Prozent Kohlenſäure noch einen ſchwach 
grünen Anflug, nicht mehr bei 50 Prozent. Getreidearten endlich zeigten 
ſelbſt in einer zur Hälfte aus Kohlenſäure beſtehenden Atmoſphäre noch 
Spuren einer Ergrünung. Auch bei längerem Verweilen in ſolcher Luft 
trat kein Fortſchritt in der Chlorophyllbildung ein, die Pflanzen ſtarben 
nach einigen Tagen. So erkrankte Keimpflanzen ergrünten aber auch nicht 
mehr, wenn ſie in gewöhnliche Luft zurückverſetzt wurden, bekamen viel— 
mehr braune Flecken auf den Cotyledonen und hörten auf zu wachſen. 
Das Unterbleiben der Chlorophyllbildung in dieſen Fällen iſt daher wohl 
auch nicht als eine direkte, ſondern erſt als eine ſekundäre Wirkung des 


) Sitzungsber. d. Wiener Akad. 24. Juli 1873. 
20 * 


Kohlenſäure. 


Keimung 
und Wachstum 
abhängig vom 

Kohlenſäure— 


gehalt der Luft. 


Chlorophyll⸗ 
bildung 
abhängig vom 
Kohlenſäure— 
gehalt der Luft. 


Kohlenſäurereichtums zu betrachten, indem derſelbe augenſcheinlich überhaupt 
ſtörend auf das Lehen einwirkt, ſchon weil dadurch die Partiärpreſſung des 
Sauerſtoffes in dem für die Pflanzen ſchädlichen Grade vermindert wird 
(S. 306). 
Aſſimilation Auch die Aſſimilation der Kohlenſäure iſt vom Gehalte der Luft an 
abhangig vom dieſem Gaſe abhängig. Schon Bouſſingault beobachtete, daß ein Kirſch— 
Kohlenſaure. lorbeerblatt pro gem Blattfläche und Stunde in reinem Kohlenſäuregas 
gehalt der Luft. 0,5 bis 1,5 cem, in einer bis zu 30 Prozent Kohlenſäure enthaltenden 
Luft 4,0 bis 13,1 cem Kohlenſäure zerſetzte. Man muß hierbei bedenken, 
daß ſich das Blatt durch die Sauerſtoffausſcheidung bei der Aſſimilation, 
ſelbſt eine zum Leben geeignete Luft ſchafft. Hierbei iſt die partiäre Preſſung 
der Kohlenſäure allein ſchon von Einfluß, denn Bouſſingault bemerkte, 
daß wenn er dieſes Gas durch Verminderung des Druckes auf ein größeres 
Volumen brachte, mit der verminderten Dichte der Kohlenſäure eine ſtärkere 
Aſſimilationsthatigkeit eintrat. Godlewski!) fand an Stücken eines und 
desſelben Blattes von Glyceria spectabilis, daß pro qdm Blattfläche und pro 
Stunde in einer Luft von 3,9, 12,6 und 26 Prozent Kohlenſäure je 8,31, 
13,56 und 11,95 cem Kohlenſäure zerſetzt werden. Das Optimum liegt 
nach Godlewski für Glyceria bei 8-10, für Typha latifolia bei 5—7 
Prozent Kohlenſäuregehalt der Luft. Indeſſen gilt das nur im hellen 
Sonnenſchein, bei geringerer Helligkeit war ſolcher Kohlenſäurereichtum 
ſchon nachteilig. In Übereinſtimmung damit fand Godlewski) auch die 
Stärkebildung in den Chlorophyllkörnern bei hellem Sonnenſchein in einer 
8 Prozent Kohlenſäure enthaltenden Luft beſchleunigter als in gewöhnlicher 
Luft, dagegen bei großem Kohlenſäurequantum verlangſamt, während in 
kohlenſäurefreier Luft im Sonnenlichte gar keine Stärke in den Chlorophyll— 
körnern entſteht. Jedenfalls kann alſo eine Bereicherung der Luft mit 
Kohlenſäure, wie ſie für das tieriſche Leben bereits nachteilig iſt, für die 
Aſſimilation der grünen Pflanze Vorteil bringen. 

Anderſeits iſt aber auch vollſtändige Entziehung der Kohlenſäure der 
Luft für die Blätter ſchädlich; nach Vöchtings) treten an Blättern, welche, 
ohne von der Pflanze abgeſchnitten zu ſein, in einer kohlenſäurefreien Luft 
erhalten werden, in welcher ſie alſo nicht aſſimilieren können, ſehr bald 
Störungen ein, die mit dem Tode enden, nämlich Gelbwerden der Blätter, 
beziehentlich Abfallen derſelben, alſo analog wie bei Entziehung des 
Lichtes, was alſo der allgemeinen Erfahrung entſpricht, daß Organe, welche 


W ene 


308 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe 
| 


| ihre Funktion nicht erfüllen können, abgeſtoßen werden. 
| Feuchtigkeits⸗ III. Der Feuchtigkeitsgehalt der Luft. Wenn ſich Pflanzen 
gehalt der Luft konſtant in einer Luft befinden, welche ſehr reich an Waſſerdampf iſt, 
| ſo machen ſich an denſelben verſchiedene nachteilige Folgen bemerkbar. 
Einfluß auf Eine ungewöhnlich feuchte Luft, wie man ſie bei Kultur der Pflanzen 
das Wachstum unter Glasglocken erzielen kann, befördert das Längenwachstum der 
| a Stengel und Blätter. So fand Reinke“) an je 4 Keimpflanzen von 
| Helianthus annuus, welche in feuchter Erde und im Tageslichte ſich ent- 


) In Sachs' Arbeiten des bot. Inſt. zu Würzburg, III. Heft. 
| ) Flora 1873, pag. 378. 
| ) Bot. Zeitg. 1891, Nr. 8 u. 9. 
) Bot. Zeitg 1876, pag. 138-139. 


III. Der Feuchtigkeitsgehalt der Luft 309 


wickelten und nur dadurch ſich unterſchieden, daß die einen an freier Luft, 
die andern unter Glasglocke ſtanden, nach 4 Tagen die Länge des hypo— 
kotylen Gliedes bei denen in trockener Luft 45, 50, 65, 67 mm, bei denen 
in feuchter Luft 75, 77, 89, 100 mm. Ahnliche Reſultate erhielt 
Sorauer)) bei vergleichenden Kulturen von Gerſte. In trockener Luft iſt 
zwar die Zahl der Beſtockungstriebe etwas größer als in feuchter Luft, 
aber die Halme ſind kürzer, im Mittel 11,5 gegen 13,5 em in feuchter Luft; 
die Blattſcheiden ſind in feuchter Luft im Mittel 9,26 em gegen 8,18 em 
lang in trockener Luft; auch die Blattfläche wird im Feuchten etwas länger 
(17,9 gegen 17,7 em), aber etwas ſchmäler (6,74 gegen 7,33 mm). Auch 
ergab ſich eine größere Länge der Wurzeln der in feuchter Luft gewachſenen 
Pflanzen, im Mittel 26,8 em gegen 23,9 em in trockener Luft. Die Zahl 
der Gefäßbündel war in den etwas ſchmäleren Blättern der Pflanzen der 
feuchten Luft etwas geringer, desgleichen diejenige der Epidermiszellen, 
nämlich in der ganzen Blattbreite im Mittel 233,4 in feuchter, gegen 260,5 
in trockener Luft; auch die Breite der Epidermiszellen ein wenig geringer, 
0,0248 mm in feuchter, gegen 0,0250 in trockener Luft. Dafür waren aber 
auch entſprechend der größeren Länge der Blätter der Feuchtigkeitspflanzen 
ſowohl die Epidermiszellen etwas länger, z. B. am oberſten Blatt im 
Mittel 36,9 gegen 33,1 (½00 mm), als auch die Spaltöffnungen, z. B. am 
oberſten Blatt im Mittel 19,5 gegen 17,0 (soo mm). Es wäre aber irrig, 
das ſtärkere Wachstum in dieſem Falle als etwas Vorteilhaftes im Sinne 
der Pflanzenkultur anzuſehen. Denn das Trockengewicht der Stengel und 
Blätter der Feuchtigkeitspflanzen jener Verſuche war trotz des größeren 
Volumens geringer als das der Trockenheitspflanzen, 0,1243 gegen 0,1642; 
die feuchtere Luft produziert alſo zwar längere, aber nur waſſerreichere 
oberirdiſche Organe. Die vorſtehenden Thatſachen ſcheinen erklärlich durch 
die geringere Verdunſtung von Waſſer der in feuchter Luft befindlichen 
Pflanze bei reichlicher Waſſerzufuhr, indem dadurch der Turgor der Zellen 
erhöht wird und dieſer Druck auch ein ſtärkeres Wachtum der Zellmem— 
branen, mithin eine Erweiterung des waſſerenthaltenden Innenraumes der 
Zelle, oder eine Verlängerung der Zelle zur Folge hat. Auch Vesque und 
Viet? fanden bei ihren Verſuchen, daß die in feuchter Luft erzogenen 
Pflanzen längere Wurzeln, ſchmächtigere Stengel, Blätter mit längeren 
Stielen, aber kleineren Flächen bekommen, auch daß im anatomiſchen Baue 
Abweichungen eintreten, indem in feuchter Luft das Meſophyll des Blattes 
weniger deutlich in Paliſſaden- und Schwammparenchym differenziert iſt 
und die Gefäßbündel, namentlich die Baſtfaſern, ſchwächer entwickelt ſind, 
ſo daß alſo im ganzen die Pflanze in Geſtalt und Bau ſich etwas den 
etiolierten Pflanzen (S. 162) nähert. Manche Pflanzen mit grundſtändiger 
Blattroſette löſen die letztere nach Wiesner?) im abſolut feuchten Raum 
trotz Beleuchtung auf, d. h. ſie entwickeln geſtreckte Stengelglieder; beſonders 
zeigt dies Sempervivum tectorum und Bellis perennis, während andre 
Pflanzen dies nur im Dunkeln oder auch ſelbſt da nicht thun. 


1) Bot. Zeitg. 1878, Nr. 1 u. 2. 
2) Ann. des scienc. natur. 6. ser. T. XII. 1881, pag. 167. 
3) Berichte d. deutſch. botan. Gef. 1891, pag. 46. 


Einfluß auf 
Ernährung und 
Produktion 
der Pflanze. 


2 


* Ei. 


310 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe 


Der ganze Ernährungszuſtand und die Produktion der Pflanze werden 
in einer konſtant ſehr feuchten Atmoſphäre vermindert. Das hängt damit 
zuſammen, daß in einer mit Waſſerdampf geſättigten Luft die Pflanze auf— 
hört zu tranſpirieren. Der Tranſpirations-Waſſerſtrom, welcher durch die 
Pflanze geht, iſt aber das Mittel, durch welches die Nährſtoffe aus dem 
Boden in die Pflanze eingeführt werden, weil ſie eben in dieſem Waſſer 
aufgelöſt in die Pflanze eintreten, hier aber zurückbleiben, wenn das reine 
Waſſer in Dampfform die Pflanze wieder verläßt und dadurch Raum 
ſchafft für die Aufnahme einer entſprechenden Quantität neuer Nährſtoff— 
löſung aus dem Boden. Schon aus den vorigen Zeilen haben wir erkannt, 
daß keine der Volumenentwickelung der Pflanzenteile entſprechende höhere 
Produktion von Trockenſubſtanz eintritt; die Organe ſind nur waſſerreicher 
und ärmer an wirklicher Pflanzenſubſtanz. Die verminderte Produktion 
mineraliſcher Beſtandteile ſowie organiſcher Pflanzenſtoffe in Folge unter— 
drückter Tranſpiration hat Schlöfing) an Tabakpflanzen konſtatiert. Die— 
jenigen, deren Verdunſtung gehemmt war, lieferten im Vergleich mit ſolchen, 
welche unter übrigens gleichen Umſtänden ungehindert tranſpirierten, weniger 
Mineralſtoffe, weniger Nikotin, Klee-, Citronen-, Apfel-, Pectinſäure, Celluloſe 
und Proteinſtoffe, dagegen viel Stärkemehl. Es ſcheint daraus hervorzu— 
gehen, daß die unterdrückte Tranſpiration eine Minderzufuhr mineraliſcher 
Bodennährſtoffe zur Folge hat, aber nicht die Bildung von Stärkemehl aus 
Kohlenſäure und Waſſer in den Blättern verhindert, alſo auch nur die 
Produktion derjenigen Pflanzenſtoffe beeinflußt, zu deren Erzeugung zugleich 
Beſtandteile der Bodennährſtoffe erforderlich ſind. 


Eigentliche Gifte. IV. Die eigentlichen Gifte. Es handelt ſich hier um lauter 


Stoffe, welche unter gewöhnlichen Verhältniſſen da, wo Pflanzen 
wachſen, im Boden und in der Luft überhaupt nicht vorhanden ſind, 
ſondern nur bei beſonderen Gelegenheiten mit den Pflanzen in Be— 
rührung kommen. Man könnte ſie paſſend die eigentlichen Gifte 
nennen, weil ſie wohl alle darin übereinkommen, daß ſie nicht ſo wie 
die vorgenannten Stoffe nur indirekt, nämlich deshalb ſchädlich ſind, 
weil ein Zuviel davon gewiſſe Lebensprozeſſe hindert, ſondern daß ſie 
an und für ſich tödlich auf jede mit ihnen in Berührung kommende 
Pflanzenzelle wirken. In der That ſind denn auch die Vergiftungs— 
ſymptome bei den Pflanzen immer ziemlich dieſelben, welches Gift 
auch die Urſache geweſen ſein mag; es ſind eben die allgemeinen 
Todesſymptome: Kontraktion des Protoplasmas, alſo Schwinden des 
Turgors der Zelle, Zerſtörung etwa vorhandenen Chlorophylls unter 
Zurückbleiben des gelben Xanthophylls, häufig auch Bräunung des ge— 
töteten Protoplasmas und wohl auch der Zellmembran, daher an der 
ganzen Pflanze allmähliche Entfärbung, Gelbwerden oder Bräunung 
mit nachfolgendem Welken oder Vertrocknen des erkrankten Teiles. 


) Compt. rend. T. 69, pag. 353, und Landw. Centralbl. 1870, I. pag. 143. 


IV. Die eigentlichen Gifte 311 


Gelegenheit zu Vergiftungen der Pflanzen iſt natürlich bei Vergiftungen. 
Kulturen im großen nur in ſolchen beſonderen Fällen geboten, wo meiſt 
durch Veranlaſſung des Menſchen giftige Subſtanzen mit den Pflanzen 
in Berührung kommen. In vielen Fällen geſchieht das unbeabſichtigt, 
wenn nämlich gewiſſe techniſche Anlagen unvermeidlich Subſtanzen 
produzieren, welche in die Luft, oder in die Gewäſſer, oder in den 
Boden, oder in den Dünger gelangen und für die daſelbſt wachſenden 
Pflanzen von ſchädlicher Wirkung ſind. Aber es kommt auch vor, 
daß wir abſichtlich giftige Stoffe mit den Pflanzen in Berührung 
bringen. Denn es gehören hierher auch die Fälle, wo gewiſſe Gifte 
angewendet werden, um ſchädliche Inſekten zu töten. Gerade in der 
neueren Zeit wird eine Menge inſekticider Mittel empfohlen, mit welchen 
Pflanzen beſpritzt, beziehentlich beſtreut werden ſollen, um Blattläuſe, 
Raupen und dergl. Pflanzenbeſchädiger, auch wohl um paraſitiſche Pilze 
zu vertilgen. Es handelt ſich aber dabei meiſtens um Subſtanzen, 
die, wenn ſie Inſekten töten, auch den Pflanzen ſehr ſchädlich ſind, 
ſo daß alſo durch Anwendung ſolcher Mittel leicht Vegiftungen an 
unſern Kulturpflanzen veranlaßt werden. 
Es iſt ſeitens verſchiedener Forſcher auch über die Phyſiologie der 
Giftwirkungen nachgedacht worden, d. h. man hat ſich die Frage geſtellt, 
auf welchen näheren Einwirkungen der giftigen Subſtanz auf die Beſtand— 
teile der lebenden Zelle die Vergiftung beruht. In dieſer Beziehung hat 
namentlich Conwentz') gezeigt, daß man zwei verſchiedenartige Einwirkungs— 
weiſen ſchädlicher Stoffe von vornherein zu unterſcheiden hat. Bei gewiſſen 
Stoffen iſt es nur die ſchon oben behandelte ſchädliche Wirkung einer zu 
hohen Konzentration (S. 303), alſo nicht die chemiſche Natur des Stoffes 
ſelbſt, welche den Tod der Zellen zur Folge hat. Dahin gehören z. B. Zucker, 
Glycerin, viele Salze, wie z. B. ſalpeterſaures Kali ꝛc. Einigermaßen 
konzentrierte Löſungen ſolcher Stoffe wirken durch Diosmoſe waſſerentziehend 
auf die Zellen, infolgedeſſen das Protoplasma ſich mehr oder weniger » 
zuſammenzieht, was man als Plasmolyſe bezeichnet. Dieſer Zuſtand iſt 
an ſich nicht tödlich; erreicht er keinen übermäßigen Grad und dauert 
er nicht über eine gewiſſe Zeit an, d. h. wird den Zellen wieder gewöhn— 
liches Waſſer zugeführt, ſo tritt der normale Zuſtand wieder ein und die 
Zelle bleibt am Leben. Iſt der Waſſerverluſt durch Plasmolyſe aber ſehr 
ſtark oder dauert er zu lange, ſo iſt dies für das Protoplasma tödlich; 
letzteres nimmt ſeinen urſprünglichen Zuſtand nicht wieder an und ſtirbt 
nun unter den erwähnten Symptomen ab. Dieſer Wirkung gegenüber 
ſteht die weſentlich andere, welche durch Stoffe wie freies Alkali, freie Säuren, 
ferner Blauſäure, Strychnin, Morphium ꝛc., Kampfer, Terpentinöl und 
andre ätheriſche Ole, Ather, Alkohol ꝛc. hervorgebracht wird. Nach den mit 
dieſen Stoffen von Conwentz an Cladophora-Zellen angeſtellten Beob— 
achtungen iſt zwar äußerlich die Wirkung ebenfalls meiſtens die, daß das 
Protoplasma kontrahiert und mehr oder weniger gebräunt wird, aber es 


1) Bot. Zeitg. 1874, Nr. 26 n. 27. 


Ark 
der Giftwirkung. 


Gifte 
als vorteilhafte 
Reizmittel. 


Organismus, die Eigenſchaft eines Stimulans oder Reizmittels zugeſchrieben 


ſalze. Landwirtſchaftl. Verſuchsſtationen 1887, pag. 171. 


312 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe 


tritt hier ſelbſt bei ſofortigem Wiedereinſetzen in Waſſer nicht wieder der 
normale Zuſtand, ſondern ſtets der Tod der Zelle ein. Wir haben alſo 
hier Stoffe vor uns, welche durch ihre chemiſchen Eigenſchaften ſelbſt auf 
das Protoplasma eine lebenvernichtende Wirkung ausüben; doch iſt uns 
über die Art dieſer Vergiftung etwas Näheres nicht bekannt. Conwentz 
zeigte, daß diejenigen der oben genannten giftigen Flüſſigkeiten, welche kein 
Waſſer enthalten, wie Terpentinöl und Ather, augenblicklich tödlich wirken, 
daß dagegen aus wäſſrigen Löſungen giftiger Stoffe das Protoplasma 
anfangs Waſſer aufzunehmen vermag und die Vegetabilien ſich eine Zeit 
lang völlig friſch und geſund befinden; erſt ſpäter nehmen ſie das Gift 
auf, und damit tritt die tödliche Wirkung ein. So wurden an Algenfäden 
durch Einlegen in eine 10 prozentige Löſung von ſalpeterſaurem Kali die 
oben erwähnte an ſich nicht tödliche Kontraktion des Protoplasma hervor— 
gerufen, darauf wurden ſie abgetrocknet und in Kampferwaſſer gebracht; 
das Protoplasma dehnte ſich wieder völlig aus und behielt 1-2 Stunden 
hindurch ſein friſches Ausſehen, daun erſt machte ſich die tödliche Wirkung 
des Kampfers durch Kontraktion des Protoplasma geltend. Ganz ähnliche 
Einwirkungen zeigten ſich auch bei andern der genannten Gifte in wäſſerigen 
Löſungen. Dieſe Beobachtungen dürften von Wert ſein für die Beurteilung 
des Verhaltens der Pflanzen manchen Giften gegenüber, beſonders des 
Umſtandes, daß größere Pflanzen oft keinen bemerkbaren Schaden erleiden, 
trotzdem daß ſie nachweislich nicht unerhebliche Mengen giftiger Stoffe auf— 
nehmen. In dieſem Falle iſt daran zu denken, daß viele in Waſſer lösliche 
Gifte durch den Tranſpirationsſtrom im Gefäßſyſtem durch den ganzen | 
Pflanzenkörper aufiteigen können, wobei die gelöſten giftigen Stoffe nicht a 
notwendig in lebende Zellen einzutreten brauchen. Auf dieſem Wege ge— 
langen aber dieſe Stoffe in die Blätter, werden hier angeſammelt und 
durch den natürlichen Blattfall wieder ausgeſchieden. Dieſem Gedanken x 
hat beſonders Saumerspdorfer) Ausdruck verliehen. 5 

Es liegt auf der Hand, daß man von vornherein, ohne näehre Unterſuchung 4. 
von keinem der zahlreichen als Gifte erkannten Stoffe ſagen kann, um 
welche der beiden im Vorangehenden charakteriſierten Einwirkungen es ſich 
handelt. In dieſer Beziehung iſt daher die Lehre von den Giften noch ſehr 
unvollkommen. Eine ſehr reichhaltige Zuſammenſtellung derjenigen Stoffe, 
welche giftige Wirkung auf die Pflanzen ausüben, iſt zuerſt von Decan— 
dolle?) gegeben worden, woran ſich in der neueren Zeit noch manche 
ſpezielleren Angaben angeſchloſſen haben, die wir alle unten im einzelnen 
anführen. Bei der Ermittelung der giftigen Wirkung iſt man meiſtens 
jo verfahren, daß die Pflanzen mit ihren Wurzeln in ſolche Löſungen ein- 
geſetzt oder damit begoſſen oder beſpritzt wurden. In gewiſſen Fällen 
will man dann auch die angewandten Stoffe nach dem Verſuche in den 
getöteten Pflanzen ſelbſt gefunden haben, Angaben, die jedoch nach neueren 
Verſuchen zum Teil mit Vorſicht aufzunehmen ſind. 

Nicht unerwähnt darf bleiben, daß man unter gewiſſen Umſtänden 
manchen giftigen Stoffen analog ähnlicher. Wirkungen auf den tieriſchen 


) Das Verhalten der Pflanze bei Vergiftungen, ſpeziell durch Lithium⸗ 


2) Physiologie vegetale III, pag. 1324 ff. 


A. Giftige Gaſe 313 


hat, durch welches die Pflanze angeblich zu erhöhter Lebensthätigkeit an— 
geregt wurde. Hierbei ſind ſicher Irrtümer mit vorgekommen, ſo hin— 
ſichtlich des Kampfers und andrer Stoffe, die allerdings für den tieriſchen 
Organismus Reizmittel ſind, von manchen aber früher auch für ſolche 
den Pflanzen gegenüber gehalten wurden. Letzteres iſt von Göppert!) und 
beſonders von Conwentz (I. c.) widerlegt worden, wie aus den voran— 
gehenden Zeilen zu entnehmen iſt. Dagegen iſt an einer ſolchen Reiz— 
wirkung des Kupfervifriols auf die höheren Pflanzen jetzt nicht mehr zu 
zweifeln. Schon wiederholt iſt verſichert worden, daß Samen, die mit 
einer ſchwachen Kupfervitriollöſung behandelt worden ſind, beſſer und in 
größerer Anzahl keimen. Dieſe Angaben mögen noch der Beſtätigung 
bedürfen. Kürzlich iſt aber der Beweis erbracht worden, daß infolge des 

Beſpritzens der grünen Blätter mit Kupfervitriol-Kalkbrühe die Pflanzen 
in einer ganzen Reihe von Lebensthätigkeiten gekräftigt werden, worüber 
unten beim Kupfer das Nähere zu finden iſt. 


A. Giftige Gaſe. 

1. Schweflige Säure. Dieſes Gas iſt der giftige Beſtandteil 
bei der ſchädlichen Wirkung des Hüttenrauches und des Stein— 
kohlenrauches auf die Vegetation. Natürlicherweiſe iſt der Hütten— 
rauch an dieſem Gaſe beſonders reich, aber auch im Steinkohlenrauch 
kann, wenn ſchwefelhaltige Steinkohlen gebrannt werden, ſchon ſoviel 
ſchweflige Säure enthalten ſein, daß eine beſtändige Produktion ſolchen 
Rauches die benachbarten Pflanzen beſchädigt. Wenn Braunkohlen 
und Torf Schwefelkies enthalten, ſo iſt der Rauch dieſer Feuerungs— 
materialien ebenfalls giftig. Weniger gefährlich iſt der Rauch der 
Kalköfen, weil die ſchweflige Säure vom Kalk zurückgehalten wird, 
ebenſo der Rauch der Ziegelöfen, da der Thon häufig alkaliſche Bei— 
mengungen enthält. 

In Gegenden, wo Hütten betrieben werden, iſt es eine gewöhnliche 
Erſcheinung, daß Acker-, Wieſen- und Waldbeſtände, welche im Bereiche der 
Ausbreitung des Hüttenrauches liegen, vernichtet werden. Der Rauch 
großer Schornſteine hinterläßt, wenn er ſich in Thälern hart an eine be— 
waldete Thalwand anlehut, daſelbſt oft deutliche Spuren von Zerſtörung. 
Die beſtändig mit Kohlendunſt durchſetzte Luft großer Städte iſt wohl 
auch die Urſache des Mißratens ſolcher Pflanzen daſelbſt, welche be— 
ſonders empfindlich gegen ſchweflige Säure ſind, wie namentlich die 
Coniferen. Es iſt hauptſächlich durch Stöckhardt's?, Morren'ss) und 


) Einwirkung des Kampfers auf die Vegetation. Verhandl. d. Ver. z. 
Beförd. d. Gartenbaues. Berlin 1829. — De acidi hydrocyanici in plantas 
commentatio. Breslau 1827, pag. 45. 

2) Chemiſcher Ackersmann, 1863, pag. 255; 1872, II. pag. 111. — 
Tharander forſtl. Jahrbuch. XXI. 1871, pag. 218 ff. 

3) Recherches experimentales pour determ. influence de certains 
gaz. industriels ete. London 1866. 


Schweflige 
Säure. 


314 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe 


Schröders Unterſuchungen nachgewieſen worden, daß das Wirkſame 
hierbei die im Rauche enthaltene ſchweflige Säure iſt. Erſterer zeigte, daß 
der Ruß, den manche für den wahren Feind hielten, unſchädlich iſt, ſelbſt - 
dann, wenn die kleinen Kohlenteilchen als ſchwarzer Überzug auf den 8 
Blättern ſich abſetzen, daß es ſich alſo nur um die gasförmigen Ver— 
brennungsprodukte handeln kann, welche der Rauch enthält. Unter dieſen 
ſind, abgeſehen vom Chlor, von welchem unten ſpeziell die Rede iſt, nach 
des Genannten experimentellen Prüfungen die Dämpfe von Arſen, Zink 
und Blei, an die man beim Hüttenrauch denken könnte, in den Mengen, 
in welchen ſie hier vorkommen, ohne merkbaren ſchädlichen Einfluß. Da— 
gegen iſt die ſchweflige Säure, welche im Rauche enthalten iſt, für die 
Pflanzen eines der heftigſten Gifte, während die Verbrennungsprodukte 
ſchwefelfreier Steinkohlen nachgewieſenermaßen für die Pflanzen unſchäd— 
lich ſind. 

Noch Stöckhardt iſt für junge Fichten ſchon eine Luft, welche nur 
ein Milliontel ihres Volumes ſchweflige Säure enthält, in 60 Tagen tödlich, 
für Rotbuche und Spitzahorn erſt eine ſolche mit / 1000 ſchwefliger Säure. 
Ulme, Eſche und Vogelbeere ſollen noch weniger empfindlich ſein. Die 
erſten Zeichen der Erkrankung traten an Kartoffeln, Klee, Hafer und ver— 
ſchiedenen Gräſern unter Welkwerden und Bräunung ein, wenn dieſelben 
zweimal der 2 ſtündigen Einwirkung einer Luft mit ¼0000 Volumenteil 
jenes Gaſes, ebenſo wenn ſie 15 bis 20 mal einer Luft mit 60000 ſchwefliger 
Säure ansgeſetzt wurden. Genaueres über die Wirkung des Gaſes iſt 
durch Schröder 's Unterſuchungen ermittelt worden, welche folgende Reſul— 
tate ergeben haben. Die ſchweflige Säure wird von den Blattorganen 
der Laub- wie der Nadelhölzer aufgenommen und zum größeren Teile hier 
fixiert; zum geringeren dringt ſie in die Blattſtiele und Zweige ein. Die 
Aufnahme durch die Pflanze konnte noch in einer Luft, welche ½000 ihres 
Volumens an ſchwefliger Säure enthielt, nachgewieſen werden. Auch fand 
König?) bei Haferpflanzen, die durch die Einwirkung von ſchwefliger 
Säure erkrankt waren, in Prozenten der Aſche an Schwefelſäure im Stroh 
ein Plus von 17,22, in den Körnern ein ſolches von 6,67. Gleichſinnige 
Angaben macht Frickes). Die Symptome der Vergiftung beſtehen im 
allgemeinen in Welkwerden, mehr oder weniger Bräunung und endlichem 
Abſterben der Blätter. Die Urſache des ſchädlichen Einfluſſes kann wenigſtens 
zum Teil in der Benachteiligung der Tranſpiration und Stockung der nor— 
malen Waſſercirkulation geſucht werden. Denn es wurde von Schröder 
nachgewieſen, daß die von ſchwefliger Säure getroffenen Pflanzen die Fähig— 
keit, normal zu tranſpirieren, verloren und daß die Störung der Wafjer- 
verdunſtung um ſo größer war, je größere Mengen ſchwefliger Säure ein— 
wirkten. Bei Spitzahorn und Rotbuche wurde, wenn die Blätter reichliche 
Waſſerzufuhr erhielten, eine eigentümliche Nervaturzeichnung der Blätter 


) Landwirtſch. Verſuchsſtationen 1872, pag. 321 ff; 1873, pag. 447 ff. 
und 1879. — Schröder und Reuß, die Beſchädigungen der Vegetation 
durch Rauch und die Oberharzer Hüttenrauchſchäden. Berlin 1883. — Vergl. 
auch Haſenclever, Über die Beſchädigung der Vegetation durch ſaure Gaſe. 
Berlin 1879. 

2) Biedermann's Centralbl. 1885, pag. 418. 

3) Landw. Verſuchsſtationen 1887, pag. 277. 


A. Giftige Gaſe 315 


beobachtet, indem das Meſophyll der unmittelbaren Umgebung der Nerven 
hellgrün wurde und ſich von dem übrigen dunkleren Blattgewebe ſehr 
deutlich abhob, was ſich daraus erklärte, daß die den Nerven anliegenden 
Teile ſich übermäßig mit Waſſer füllen, die den Nerven weiter abliegenden 
aber kein Waſſer aufzunehmen vermögen. Das Gas wird von den Blättern 
nicht durch die Spaltöffnungen, ſondern gleichmäßig durch die ganze Blatt— 
fläche aufgenommen und ſogar von der Oberſeite in ebenſo großen Mengen 
wie von der ſpaltöffnungsreichen Unterſeite. Aber dieſelbe Menge ſchwefliger 
Säure, welche von der Unterſeite eines Laubblattes abſorbiert wird, des— 
organiſiert das ganze Blatt in höherem Grade, als wenn die gleiche Auf— 
nahme durch die obere Fläche erfolgt, was ſich in Verbindung mit dem 
oben Geſagten daraus erklärt, daß dieſe Fläche vorherrſchend diejenige iſt, 
durch welche die Tranſpiration ſtattfindet. Unter ſonſt gleichen Verhältniſſen 
abſorbiert die gleiche Blatttläche eines Nadelholzes weniger ſchweflige Säure 
aus der Luft als die eines Laubholzes. Dem entſpricht auch, daß ein 
Nadelholz bei gleicher Menge ſchwefliger Säure noch nicht ſichtbar alteriert 
wird, wo ſich eine deutliche Einwirkung bei einem Laubholz bereits zeigt. 
Trotzdem leiden in den Rauchgegenden die Nadelhölzer mehr als die Laub— 
hölzer, was zum Teil wohl auch damit zuſammenhängt, daß ſie wegen der 
längeren Dauer der Nadeln auch der ſchädlichen Einwirkung länger preis— 
gegeben ſind und daß bei ihnen die Fähigkeit, einen einmal erlittenen 
Schaden durch Reproduktion der Belaubung wieder auszugleichen, eine 
verhältnismäßig geringere iſt. Licht befördert die ſchädliche Einwirkung 
der ſchwefligen Säure, während Abweſenheit von Licht die Pflanzen zum 
Teil ſchützt. Auch Waſſer, welches ſich auf den Blättern befindet, unter— 
ſtützt die Schädigung; Trockenheit der Blätter ſchützt dieſelben zum Teil. 
Damit ſteht die Erfahrung im Einklange, daß die Rauchſchäden bei ſtarkem 
Tau, während des Regens und unmittelbar nachher größer ſind als ohne 
dieſe Niederſchläge. Da die ſchweflige Säure bei Gegenwart von Waſſer 
ſich leicht zu Schwefelſäure oxydiert und da auch der Schnee in den Städten, 
wenn er längere Zeit auf den Bäumen lagert, viel ſchweflige Säure und 
Schwefelſäure anſammelt, ſo iſt auch die Wirkung der letzteren auf die 
Blattorgane von Schröder geprüft worden. Dieſelbe hat ebenfalls einen 
ſchädlichen Einfluß und bringt ähnliche Erſcheinungen hervor, wie jene. 
Wirken äquivalente Mengen von Schwefelſäure und ſchwefliger Säure auf 
die Blätter, ſo wird der Schwefelſäuregehalt der Trockenſubſtanz bei Nadeln 
und Blättern durch beide faſt in gleicher Weiſe erhöht. Die Giftwirkungen 
der ſchwefligen Säure ſind dabei aber viel intenſiver als diejenigen, welche 
durch die Schwefelſäure hervorgebracht werden, wonach zu vermuten iſt, 
daß die Vergiftung durch ſchweflige Säure auf die chemiſchen Eigenſchaften 
dieſes Gaſes ſelbſt, nicht oder nur zum Teil darauf zurückgeführt werden 
muß, daß die in die Blätter eingedrungene ſchweflige Säure dort zur Bil— 
dung eines ſchädlichen Übermaßes von Schwefelſäure Veranlaſſung giebt. 

Man verhütet jetzt die Beſchädigungen durch den Hüttenrauch dadurch, 
daß man die Schwefelgaſe entweder in Bleikammern auffängt oder durch 
angefeuchteten Kalk oder durch Kanäle leitet, auf deren Sohle ſich fließendes 
Waſſer bewegt, wodurch die ſchweflige Säure zu Schwefelſäurehydrat oxydiert 

und dieſes abſorbiert wird. 


316 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe 


Leuchtgas. 2. Leuchtgas. Wenn aus den Röhren von Gasleitungen Leucht— 
gas in den Boden ausſtrömt, ſo können dadurch in der Nähe ſtehende 
Pflanzen, alſo beſonders Bäume in Alleen und Promenaden, wo Gas— 
laternen angebracht ſind, beſchädigt werden. 

Kny')) hat dies zuerſt durch Verſuche nachgewieſen; er ließ vom Juli 
an täglich 380, beziehentlich 418,5 Kubikfuß Leuchtgas in den Boden aus— 
ſtrömen, und im September zeigte ſich der Anfang des Welk- und Gelb— 
werdens der Blätter bei Evonymus europaea, Ahorn, Ulme und Linde, 
Ziemlich derſelbe Erfolg wurde an einer Linde erzielt, zu welcher täglich 
nur 52,5 Kubikfuß Gas ſtrömte. Im nächſten Frühjahre ließen die Pflanzen 
mit Ausnahme der Linden kein Lebenszeichen mehr erkennen; ihr Holz war 
dürr, der Cambiumring vertrocknet. Die Linden belaubten ſich zwar wieder, 
zeigten aber ebenfalls das Cambium ſchon vertrocknet. Ahnliche Reſultate 
hat Böhm?) erhalten. Stecklinge von Bruchweide, welche in Waſſer geſetzt 
wurden, in welches Leuchtgas einſtrömte, trieben nur kurze Wurzeln und 
ſtarben in den Knoſpen bald nach Entfaltung derſelben ab, während die 
Zweige bis nach Aufzehrung der Reſervenährſtoffe, nämlich bis nach 
3 Monaten friſch blieben; die Stärke war verſchwunden, in den Gefäßen 
des Holzes hatten ſich Thyllen gebildet, welche ſie für Luft unwegſam machten. 
Auch Topfpflanzen von Fuchsia fulgens und Salvia splendens, in deren 4 
Erde Leuchtgas (25 bis 30 Gasblaſen in der Minute) geleitet wurde, 
ſtarben zum Teil in 4 Monaten. Erde, welche infolge ſehr langer Durch— 
leitung von Leuchtgas mit ſolchem imprägnirt iſt, wirkt giftig, auch wenn 5 
keine weitere Zuleitung erfolgt; die Keimwurzeln der in ſolche Erde aus— $ 
gejüeten Samen von Cucurbita, Brassica oleracea. Helianthus annuus, 2 
Lepidium sativum, Vicia faba und Mais blieben ſehr kurz und verfaulten 15 
bald, und eine hineingeſetzte Dracaena zeigte nach 10 Tagen die Blätter 4 
vertrocknet und die Wurzeln abgeſtorben. An dieſem Reſultate wurde 
ſelbſt dann nichts geändert, wenn durch ſolche Erde täglich 28—29 Liter 
atmoſphäriſche Luft geſaugt wurden. Über die Wirkungskraft des Leucht— 
gaſes ſind noch weitere Verſuche von Späth und Meyer)) angeſtellt 
worden, welche ergeben, daß Platanen, Silberpappeln, Robinien, Ahorn, 
Roßkaſtanien 2c. mit Ausnahme der Linden, deren Knoſpen aber gleichwohl 
ſpäter nicht austrieben, nach 4½ Monaten getötet waren, wenn täglich 
0,772 ebm Gas auf eine Fläche von 14,19 qm geleitet wurden, daß ſogar 
ganz geringe Mengen, wie 0,0154 bis 0,0185 ebm täglich auf 14,19 qm, 
die ſelbſt durch den Geruch nicht mehr wahrgenommen werden, ſchädlich 
ſind, und daß zur Zeit der Winterruhe die Zufuhr von Leuchtgas weniger 
ichadet als während der Zeit des Wachstums. Welchen der zahlreichen 
Beſtandteile des Leuchtgaſes die giftige Wirkung zuzuſchreiben iſt, weiß 
man nicht, wahrſcheinlich ſind ſie unter den verſchiedenen ſchweren Kohlen— 
waſſerſtoffen und den Verunreinigungen zu ſuchen. Offenbar handelt es 
ſich um eine direkt giftige Wirkung. Kny fand die fingerdicken Wurzeln 
der dem Leuchtgas ausgeſetzten Linden eigentümlich blau gefärbt und die 
Färbung auf dem Querſchnitt von der Mitte gegen die Peripherie hin fort⸗ 


) Sitzungsber. d. Geſellſch. naturf. Freunde zu Berlin, 20. Juni 1871. 
2) Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wiſſenſch., 16. Okt. 1873. 
3) Landwirtſch. Verſuchsſtationen 1873, pag. 336. 


A. Giftige Gaſe 317 


ſchreitend, was dafür zu ſprechen ſcheint, daß das Gas mit den Nährſtoff— 
löſungen am fortwachſenden Wurzelende, nicht an der Rinde der älteren 
Wurzeln eingedrungen war. Daß das häufige Abſterben der Alleebäume 
in großen Städten mit durch das Leuchtgas verurſacht wird, iſt hiernach 
nicht zu bezweifeln. Böhm (J. c.) empfiehlt daher das ſchon anderweit vor— 
geſchlagene Mittel, die Gasleitungsröhren in ziemlich weite, mit Abzügen in 
die Laternenpfähle verſehene glaſierte Thonröhren oder Eiſenröhren einzulegen. 

Nach Lackner) ſoll auch der Aufenthalt in einem Zimmer, in welchem 
Leuchtgas verbraunt wird, für gewiſſe Pflanzen, beſonders Camellien, 
Azaleen und Epheu, ſehr ſchädlich ſein, während Palmen, Dracänen und 
andre Pflanzen darin nicht leiden. Es wäre feſtzuſtellen, ob es ſich hier— 
bei um eine Vergiftung durch unverbranntes Leuchtgas oder durch halb— 
verbrannte Kohlenwaſſerſtoffe oder durch die Bereicherung an Kohlenſäure 
handelt, welche beim Brennen von Leuchtgas größer als bei jedem andern 
Beleuchtungsmaterial iſt (nach Zoch?) erzeugt ein mehrſtündiges Brennen 
einer einzigen Gasflamme in einem mittelgroßen Wohnraume 3 Promille 
Kohlenſäure). 

3. Verſchiedene andre giftige Gaſe. Es giebt noch eine 
Anzahl andrer Gaſe, welche für das Pflanzenleben direkt ſchädlich 
wirken. Zu dieſen darf man ſelbſtverſtändlich diejenigen nicht rechnen, 
welche die Pflanzen nicht direkt angreifen, ſondern wo nur der Mangel 
an Sauerſtoff die Urſache des Abſterbens iſt, welches eintritt, wenn die 
Pflanzen in eine nur oder größtenteils aus dem betreffenden Gaſe be— 
ſtehende Luft gebracht werden. Als ſolche indifferente (nicht giftige) 
Gaſe ſind ſchon von Sauſſure das Stickſtoffgas, Waſſerſtoffgas und 
Kohlenoxydgas erkannt worden. Zu dieſen gehört auch nach Borscow?) 
das Stickſtoffoxydul (Luſtgas), welches in reinem Zuſtande eine direkt 
ſchädliche Wirkung nicht zeigt. Auch die Kohlenſäure dürfte dahin 
gehören (vergl. S. 307). Als wirklich giftige Gaſe dagegen, d. h. ſolche, 
welche direkt durch ihre chemiſche Wirkung die Pflanze afficieren und 
töten, ſind außer den unter 1 und 2 genannten noch folgende zu 
betrachten. 

a. Das Stickſtoffoxyd wirkt nach Borscow's eben citierten Mit— 
teilungen, wenn es dem Stickſtoffoxydul beigemengt iſt, tödlich unter Re— 
ſorption des Stärkemehls und Desorganiſation des Chlorophylls (Phaseolus 
und Urtica urens). 

b. Ammoniakgas. In einigermaßen größerer Menge ſind amoniaka— 
liſche Gaſe den Pflanzen ſehr ſchädlich; in der gewöhnlichen Luft, ſelbſt in 
der Nähe von Ställen, find ja nur unwirkſame Spuren davon vorhanden. 


) Monatsſchr. d. Ver. z. Beförd. d. Gartenbaues in d. Kgl. Preuß. Staaten. 
1873, pag. 22. 

2) Zeitſchrift für Biologie 1867, pag. 117. 

) Melanges biolog. d Bull. de l’acad. imp. d. sc. de St. Pétersbourg. 
T. VI. pag. 451. — Vergl. auch Detmer, Biedermann's Centralbl. 1882, 
pag. 675. 


Andre giftige 
Gaſe. 


Stickſtoffoxyd 


Ammoniakgas. 


Chlor. 


Salzſäure— 
dämpfe. 


Flußſäure— 
dämpfe. 


Schwefel— 
waſſerſtoff und 
Schwefel- 
kohlenſtoff. 


Vulkaniſche 
Exhalationen. 


318 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe 


te. London 1866, citiert bei Sorauer, Pflanzenkrankheiten, 1. Aufl. pag. 150. 


Einen Fall, wo wahrſcheinlich kohlenſaures Ammoniak das Wirkſame war, 
giebt Sorauer h) an, wonach in einem Glashauſe, bei deſſen Errichtung 
die Mauern eines Pferdeſtalles teilweiſe benutzt worden waren, im Herbſt, 
als mit der Heizung des Gewächshauſes begonnen wurde, die Blätter der 
Pflanzen abſtarben und abfielen, und ſelbſt hartblättrige Pflanzen, wie 
Aucuba, Viburnum Tinus, Dracaena 2c. ſchwarze Blätter bekamen. 

0. Daß das Chlor energiſch bleichend und tödlich auf die Pflanzen 
wirkt, iſt allbekannt. Und da es ſchon in ſehr kleinen Mengen giftig iſt, 
ſo könnte die ſchädliche Wirkung des Steinkohlenrauches außer von ſchwefliger 
Säure auch von Chlor herrühren, denn in der That enthalten Steinkohlen 
neben Schwefel auch Chlor, und Meinecke) hat Chlor in den Hochofen— 
gaſen nachgewieſen. 

d. Salzſäuredämpfe bringen nach Königs) an den Nadeln und 
Blättern der Bäume dieſelben Krankheitserſcheinungen hervor, wie die 
ſchweflige Säure. In der Aſche ſolcher erkrankter Eichenblätter fand ſich 
3,97 bis 4,28 Prozent Chlor, während geſunde Eichenblätter nur ca. 2 Prozent 
davon enthielten. Auch Fricke h fand in den kranken Gartenpflanzen, die 
in der Nähe einer chemiſchen Fabrik wuchſen, deren Gaſe Salzſäure und 
Schwefelſäure enthielten, einen bedeutend höheren Gehalt an Chlor und 
Schwefelſäure; z. B. beim Weinſtock in 1000 Teilen Aſche 8,27 Chlor und 
10,75 Schwefelſäure gegenüber 1,92, bezw. 4,77 in geſunden Pflanzen. 

e. Flußſäuredämpfe, wenn fie in die Luft gelangen, bringen nament- 
lich bei feuchtem Wetter Rotwerden und Abſterben der Blätter hervor, wie 
man an Fichten, Kiefern, Lärchen und Akazien in der Nähe einer Phosphorit— 
fabrik beobachtete, in welcher der Fluorcalcium enthaltende Phosphorit mit 
Schwefelſäure aufgeſchloſſen wurde und daher Flußſäuredämpfe entwickelt 
wurden.) 

f. Die Giftwirkungen des Schwefelwaſſerſtoffs und Schwefel— 
kohlenſtoffs hat Morren®) unterſucht; der erſtere äußert feinen ſchäd— 
lichen Einfluß ſchon in einer Beimiſchung von "zoo des Luftvolumens; er 
färbt das Blatt gänzlich olivengelb; der Schwefelkohlenſtoff aber ſcheint 
die Blätter auszutrocknen, ohne ihre grüne Farbe weſentlich zu ändern. 

g. Über die Einwirkung der vulkaniſchen Exhalationen auf die 
Pflanzenwelt ſind bei einem Ausbruch auf der Inſel Santorin nähere 
Beobachtungen gemacht worden.) Die Verheerungen an den Pflanzen 
zeigten ſich in großer Ausdehnung, am meiſten an den höheren Punkten 
der Inſel, in geringerem Grade an den niedrigeren Orten. Die Affektionen 
waren je nach Arten verſchieden: manche Pflanzen (3. B. Asphodelus 
ramosus) waren ganz verwelkt und getötet; andre hatten ſchwarze Flecken 
auf den Blättern, teils oberflächlich, teils in der ganzen Dicke des Blattes; 


) Handbuch d. Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. 1886, I. pag. 524. 

2) Dingler's Journal 1875, pag. 217. 

3) Biedermann's Centralbl. 1885, pag. 418. 

4) Landwirtſch. Verſuchsſtationen 1887, pag. 277. 

5) Zeitſchrift f. Pflanzenkrankheiten, II. Band 1892, pag. 255. 

6) Recherches experimentales pour determ. Pinfl. de certains gaz. industr. 


7) Vergl. Flora 1866, Nr. 24. 


B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stoffe 319 


wieder andere zeigten weiße durchſichtige Flecken mit gelblichem Hofe. 
Welches die wirkſamen Beſtandteile der vulkaniſchen Aushauchungen hierbei 
ſind, iſt nicht ſicher ermittelt. Letztere beſtehen aus Waſſerdampf, Schwefel— 
waſſerſtoff, ſchwefliger Säure, Schwefel, Kohlenſäure, Salzſäure, Borſäure, 
alſo meiſt aus Stoffen, deren ſchädliche Wirkung erwieſen iſt. Doch ſcheint 
unter dieſen der freien Salzſäure das meiſte zugeſchrieben werden zu müſſen; 
wenigſtens ſollen bei denjenigen Ausbrüchen, wo dieſe Säure nur in geringer 
Menge, dagegen viel ſchweflige Säure u. dergl. vorkam, keine ſolchen Ver— 
heerungen ſtattgefunden haben. „ 

h. Dämpfe ätheriſcher Ole in ſtärkerer Konzentration töten die Dämpfe 
Pflanzen, oft nachdem ſie braune Flecken auf den Blättern hervorgebracht ätheriſcher Ole. 
haben. Ebenſo wirken Blauſäuredämpfe rapid tödlich auf die davon be— 
rührten Pflanzenteile; die blauen, violetten und roten Blütenfarben ändern 
ſich dabei meiſt in weiß oder bräunlich, die weißen und gelben meiſt nicht; 
reizbare und periodiſch bewegliche Teile werden ſtarr. Auch von ſich ver— 
flüchtigenden Theerprodukten hat man ſchädliche Wirkungen auf Pflanzen 
beobachtet; ſo in Glashäuſern, wo Steinkohlentheer zum Anſtrich für das 
Holzwerk benutzt worden war.)“) 


B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stoffe. 

Von den unzähligen Stoffen flüſſiger Form, welche den Pflanzen 
ſchädlich ſind, zählen wir hier nur diejenigen auf, welche irgendwie in 
der Praxis des Pflanzenbaues vorkommen, ſowie diejenigen, welche in 
ihren Giftwirkungen auf die Pflanzen beſonders geprüft und unter— 
ſucht worden ſind. 


A. Anorganiſche Verbindungen. 

1. Freie Säuren ſind, gleichgültig von welcher chemiſchen Art, ſobald Säuren. 
ſie in einigermaßen größerer Menge vorhanden ſind, den Pflanzen nach— 
teilig. Eine ſehr ſchwach ſaure Reaktion des Bodens oder der Nährſtoff— 
löſung, wie ſolche ja ſehr häufig unter den normalen Verhältniſſen gegeben 
iſt, vertragen jedoch die Wurzeln ſehr gut. 

2. Alkalien. Gegen alle alkaliſch reagierenden Verbindungen, wie Alkalien. 
freies Kali, Natron, Atzkalk, Ammoniak, ſowie kohlenſaures Kali, Natron 
und Ammoniak ſind die Pflanzen ſehr empfindlich. So hat Ebermayer?) 
gefunden, daß ſchon eine verdünnte Sodalöſung von 1,01 ſp. Gew. Gr: 
krankung der Wurzeln, Gelb- und Braunwerden der Blätter und Abſterben 
der Pflanzen zur Folge hat. Gelegenheiten zu Vergiftungen durch ſolche 
i Stoffe ſind in der Praxis wohl denkbar. So. z. B. wenn ſtark alkaliſche 
4 Aſchen zum Düngen benutzt werden. Einen andern Fall teilt Ebermeyer 

(I. c.) mit, wo Obſtbäume in der Nähe einer Celluloſefabrik braune oder 

ſchwarze Blätter bekamen, die in kurzer Zeit abſtarben; behufs Rückgewinnung 
5 des Natrons aus der benutzten Natronlauge wird der eingedampfte Rückſtand 

derſelben zur Zerſtörung der organiſchen Stoffe verbrannt, wobei viel 
kohlenſaures Natron in die Umgebung gelangt. 


) Gard. Chronicle 1876, I., pag. 532. 
2) Centralbl. f. Agrikulturchemie 1877, II., pag. 318. 


Arien. 


Queckſilberſalze. 


Kupferſalze. 


3 


20 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe 


3. Arſen iſt ſchon ſeit langer Zeit als ein auch für die Pflanzen 
ſtarkes Gift erkannt worden. Nach den bei Decandolle und andern an— 
geführten Beobachtungen bringt dasſelbe, wenn es von den Wurzeln auf— 
geſogen wird, bei Bohnen und andern Kräutern eine Veränderung der 
grünen Farbe in gelb oder braun hervor, die ſich zuerſt an den Blattnerven 
und an dem dieſen benachbarten Meſophyll zeigt, dann ein Welkwerden der 
Blätter, ſowie eine Umwandlung der Blütenfarben in braun, gelb oder 
weiß, bei Campanula persieifolla in grün.!) Auch Fichten, denen man im 
Boden / ooo arſeniger Säure gegeben hatte, erkrankten nach einigen 
Jahren unter Vertrocknen des Gipfeltriebes und Gelbgrünwerden und all: 
mählichem Vertrocknen der Nadeln von ihrer Spitze aus, wobei ſich im 
Stamm und in den Nadeln nur Spuren, in den Zweigen 0,0010 Prozent 
der Trockenſubſtanz arſenige Säure vorfand.?) Bei Verſuchen von Nobbe, 
Bäßler und Wills) wurde arſenigſaures Kalium den Nährſtofflöſungen 
zugeſetzt, in welchen Erbſen, Hafer, Mais, Buchweizen u. a. wuchſen. Das 
Arſen wurde zwar nur in ſehr geringen Mengen von den Pflanzen auf— 
genommen, bewirkte aber Störungen der Aufſaugungsthätigkeit der Wurzeln, 
womit Tranſpirationsſtörungen, Verlangſamung des Wachstums und wohl 
auch gänzliches Abſterben verbunden waren; noch eine Gabe von 1 Millionſtel 
brachte merkbare Störungen hervor, und auch ſchon eine nur 10 Minuten 
lange Dauer der Einwirkung des Arſens auf Wurzeln genügte, um dieſen 
Erfolg zuſtande zu bringen. Dagegen wirkte nach Knopß) Arſenſäure 
(in 0,05 gr pro Liter) als Kaliſalz auf Mais nicht giftig. 

4. Queckſilberſalze. Speziell vom Queckſilberchlorid it konſtatiert 
worden, daß, wenn eine Löſung davon den Wurzeln dargeboten wird, 
Bohnenpflanzen getötet werden unter Verwelken und Dürrwerden der Blätter 
und unter Gelbfärbung des Stengels. Roſen ſtarben ebenfalls ab, unter 
Auftreten brauner, ſich allmählich verbreiternder Streifen längs der Blatt— 
nerven. 

5. Kupferverbindungen nehmen bezüglich ihrer Wirkungen auf die 
Pflanzen ein beſonderes Intereſſe in Anſpruch, ſeit man dieſelben als 
Gegenmittel gegen die den Pflanzen ſchädlichen Paraſiten, insbeſondere 
gegen paraſitiſche Pilze anwendet. Denn da ſie in gewiſſer Konzentration 
allgemein auf die Pflanzen giftig wirken, ſo thun ſie das auch gegenüber 
den Pilzſporen, fo daß fie in der That für manche Pilze ein wirkſames Zer- 
ſtörungsmittel ſind, worüber bei den Pilzinfektionskrankheiten näheres mit— 
geteilt werden wird. Bei dieſer Verwendung von Kupferverbindungen als 
Gegenmittel gegen paraſitäre Pflanzenkrankheiten können aber ſelbſtverſtänd— 
lich auch die zu ſchützenden Pflanzen ſelbſt vergiftet werden. Deshalb iſt 
denn auch die Wirkungsweiſe der Kupferpräparate auf die Pflanzen ſelbſt 
näher unterſucht worden. Beſonders handelt es ſich um das Kupfer— 


vitriol, welches man ſchon ſeit längerer Zeit als Samenbeize, vorzüglich 


1) Decandolle, 1. c, pag. 1328. 
2) Klien, Chemiſcher Ackersmann 1875; citiert in Juſt, bot. Jahresber. 


1876, pag. 1241. 


pflanzlichen Organismus. Landwirtſch. Verſuchsſtationen XXX., Heft 5 u. 6. 


3) Unterſuchungen über die Giftwirkung des Arſen, Blei und Zink im 


) Berichte d. kgl. ſächſ. Akad. d. Wiſſenſch., Leipzig 1885. 


* 2 


— — . —˖[—— . u ne 


— * u ne A 


B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stoffe 321 


beim Weizen anwendet, um die Entwickelung des Getreidebrandes zu ver— 
hüten, weil in der That die Sporen der Brandpilze in einer Löſung dieſes 
Salzes nicht keimen und durch dieſelbe getötet werden. Kudelkah hat 
nun genauer ermittelt, unter welchen Bedingungen auch die Weizenkörner 
durch eine Kupfervitriolbeize beſchädigt werden. Für nicht gequellte, trockne 
Weizenkörner iſt ein 16 ſtündiges Einbeizen in einer ½ prozentigen Kupfer⸗ 
vitriollöſung, welches genügt, um die an den Körnern haftenden Brand— 
pilzſporen zu töten, unſchädlich. Wenn aber angequellte Weizenkörner 
derſelben Behandlung unterworfen wurden, ſo ergab ſich im Keimapparat 
eine Keimung von 66 Prozent gegenüber einer ſolchen von 74 Prozent, 
wenn die Behandlung nur mit Waſſer vorgenommen wurde; bei Ausſaat 
der im angequellten Zuſtande gekupferten Körner 3 em tief in Erde keimten 
ſogar nur 24 Prozent gegenüber 54 Prozent der nicht mit Kupferſulfat be— 
handelten. Schon ein zweiſtündiges Einweichen vorher gequellter Körner 
hatte eine Schwächung der Keimkraft zur Folge; das Prozent der keimungs— 
unfähigen Körner iſt größer bei ſtark gequelltem, kleiner bei ſchwach ge— 
quelltem Weizen. Es hängt dies offenbar damit zuſammen, daß eine bereits 
mit Waſſer imbibierte Samenſchale Löſungen in kürzerer Zeit eindringen 
läßt, als eine ſolche im trocknen Zuſtande. Auch hat man die Erfahrung 
gemacht, daß mit Maſchinen gedroſchenes Getreide etwas leichter durch 
eine Kupferbeize beſchädigt wird, offenbar wegen der kleinen Verletzungen, 
welche die Schale ſolcher Körner bekommt, und durch welche die Kupfer— 
löſung ſchneller eindringt. 

Wenn Pflanzen aus dem Boden Kupferverbindungen aufnehmen, ſo 
wirkt das nach Phillips?) giftig. Ob jedoch unverletzte Pflanzen Kupfer— 
ſalze aufnehmen, iſt mir zweifelhaft. Wenigſtens ließ ſich bei einer von 
Otto bei mir kürzlich angeſtellten Unterſuchung in Pflanzen, die in Waſſer— 
kulturen mit aufgelöſtem Kupferſulfat gezogen waren, kein Kupfer nach— 
weiſen. Auch in Kartoffelknollen, welche von Pflanzen geerntet waren, die 
auf dem Acker ſtark mit Kupfervitriol-Speckſtein beſtäubt worden waren, 
konnten wir kein Kupfer entdecken. 

Neuerdings hat ein Kupferpräparat große Bedeutung erlangt, nämlich 
eine Miſchung von Kupfervitriol und Kalk, womit die grünen Blätter, 
beſonders der Weinſtöcke und Kartoffeln, beſpritzt werden, um dieſe Pflanzen 
vor den ihnen gefährlichen Peronoſporaceen zu ſchützen. Das Mittel wird 
in naſſer Form angewendet, als ſogen. Kupfervitriolkalkbrühe, Borde— 
laiſer Brühe (dowili bordelaise), indem man eine 2- bis 4prozentige 
Kupfervitriollöſung in Waſſer mit Kalk verſetzt (2 bis 5 kg Vitriol und 
etwa ebenſoviel gebrannten Kalk auf 100 Liter Waſſer). Ein anderes, aber 
pulverförmiges Präparat, das ſogen. Sulfoſteatit oder Foſtit oder 
Kupfervitriol-Speckſtein, beſteht aus pulveriſiertem Kupfervitriol, 
welches nur mechaniſch mit Talkerde verdünnt iſt und als Pulver aufgeſtreut 
wird. Bisher erklärte man ſich die vorteilhafte Wirkung dieſer Mittel 
auf die Pflanzen dadurch, daß man annahm, daß die auf die Blätter ge⸗ 
langenden Pilzſporen durch die Berührung mit den Kupfermitteln getötet 


) Referat in Juſt, Jahresber. 1876, pag. 880. 


e TEN 


2) The absorption of Metallic Oxides by plants. Bot. Centralbl. 1883, 


Nr. 11, pag. 364. 


Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 21 


ne — —u——— 


322 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe 


und dadurch die Blätter vor dem Pilzbefall geſchützt werden. Es iſt in 

der That erwieſen, daß die Sporen vieler paraſitiſchen Pilze ſehr empfind— 

lich gegen Kupfer ſind und durch dasſelbe in einer Konzentration und in 

einer Zeitdauer getötet werden, welche für die höheren Pflanzen unſchädlich 

| jind. Aber der günſtige Erfolg dieſer Mittel beruht auch noch auf etwas 
anderem, nämlich darauf, daß das Kupfer in dieſem Falle auf die höheren 
Pflanzen wie ein Reizmittel wirkt, durch welches ihre Lebensthätigkeiten ge— 

kräftigt werden. Rumm!) hatte das zuerſt bezüglich des Weinſtockes 
| behauptet, indem er namentlich eine Beförderung der Chlorophyllbildung 
zu bemerken glaubte, ohne jedoch dafür genauere Nachweiſe und Meſſungen 
der beeinflußten Thätigkeiten zu liefern. Durch eine demnächſt zu veröffent— 
lichende Unterſuchung?) haben ich und Krüger an der Kartoffelpflanze den 
Beweis erbracht, daß die Beeinfluſſung der Kupferbeſpritzung ſich auf folgende 
Punkte erſtreckt: der Bau des Blattes wird dadurch zwar nicht verändert, 
aber das letztere iſt meiſt ein wenig dicker und kräftiger; der Chlorophyll— 
gehalt des Blattes wird ein wenig größer; die Aſſimilationsthätigkeit des 
Blattes, inſofern ſie ſich in der Bildung von Stärkemehl äußert, wird be— 
merkbar größer; die Tranſpiration der Pflanze wird lebhafter, die Lebens— 
dauer des Blattes verlängert ſich, der Ertrag an Knollen und die Stärke— 
bildung in den Knollen werden geſteigert. Da in dem Jahre, wo 
dieſe Verſuche gemacht wurden (1893) die Phytophthora infestans in den 
Kartoffeln nicht beobachtet wurde, ſo waren unſre Verſuche beweiſend für 
die direkte Wirkung des Kupfers auf die phanerogame Pflanze. 
Eine Erklärung der Wirkungsweiſe des Kupfers iſt nicht leicht zu geben. 4 
Schon Rumm kam zu der Überzeugung, daß es ſich dabei um eine chemo— 14 
taktiſche Reizwirkung auf die Pflanze handeln müſſe. Es iſt nämlich Rum m 
nicht gelungen nachzuweiſen, daß Kupfer ins Innere der ſo beſpritzten Wein— 
blätter eindringt; auch wir haben unter Benutzung empfindlicher Methoden 
kein Kupfer im Innern der damit beſpritzten Kartoffelblätter finden können. 
Nun iſt ja aber auch in der Bordelaiſer Brühe keine lösliche Kupferverbin- 
dung vorhanden, weil ſich unlösliches blaues Kupferhydroxyd und Gips 
bilden, wenn man Kalk mit Kupferſulfatlöſung zuſammenmiſcht. Darum 
iſt auch bei dieſem Mittel die ätzende Wirkung, welche das Kupferſulfat 
leicht auf die Pflanze ausübt, ausgeſchloſſen, während in dem Sulfoſteatit 
das Kupferſulfat als ſolches vorhanden iſt und zur Wirkung kommt. Wir 
konnten konſtatieren, daß von einer Kupfervitriol-Kalkbrühe, durch welche 
die Sporen verſchiedener Pilze prompt getötet wurden, die abfiltrierte Flüſſig— 
keit chemiſch kein gelöſtes Kupfer nachweiſen ließ, aber auch für die nämlichen 
Pilzſporen durchaus unſchädlich war. Die Wirkung des Kupfers auf die 
Pflanze beruht hiernach hauptſächlich auf dem Porhandenſein einer unge 
löſten Kupferverbindung. Die Erſcheinung dürfte am nächſten verwandt 
fein mit derjenigen, welche Nägelid) oligodynamiſche Wirkung genannt hat. 
Man beobachtet dieſelbe an der Alge Spirogyra, wenn ſie in Gläſern mit 
Waſſer ſich befindet, in welchem eine Kupfermünze liegt, und ſelbſt dann, 
| wenn vorher eine ſolche Münze darin gelegen hatte. Nägeli erklärt die 


| 1) Berichte d. deutſch. bot. Gef. 13. Februar und 27. Juli 1893. 
2) Vergl. daſelbſt 20. Januar 1894. 
3) Denkſchr. d. Schweizer. naturf. Gef. 1893, ref. in Bot. Zeitg. 1893, Nr. 22. 


B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stoffe 323 


Erſcheinung ſo, daß eine Bewegung von Kupferteilchen nach der Glaswand 
hin ſtattfindet, wo dieſelben hängen bleiben, aber auch wieder ſich loslöſen 
und auch an die Oberflächen andrer Körper, die ſich in der Flüſſigkeit 
befinden, alſo der Algenzellen, ſich hinbewegen können. Zugleich würden 
wir hiermit die ſehr ungleiche Empfindlichkeit der Pflanzenzellen gegen den 
Kupferreiz erkennen. Spirogyra würde den höchſten Grad der Empfindlich— 
keit darſtellen, welcher ſich ſogleich in einer tödlichen Wirkung äußert. Auch 
andre Kryptogamen, jedenfalls viele Pilzſporen, ſind in dem Grade emfind— 
lich, daß ſich tödliche Wirkung einſtellt, obgleich, wie ich an Ustilago Carbo 
konſtatierte, die Berührung mit metalliſchem Kupfer hier noch nicht tödlich 
iſt. Zu einer vorteilhaften, die Lebensthätigkeiten ſtimulierenden Beeinfluſſung 
würde die Wirkung bei den Phanerogamen, oder wenigſtens bei manchen 
derſelben abgeſchwächt ſein. 

6. Bleiſalze, wenn ſie einigermaßen reichlich den Wurzeln geboten 
werden, wirken tödlich auf die Pflanzen. Doch konnten an einer Fichte, 
in deren Boden ¼000 Bleioxyd enthalten war, und die eine geringe Menge 
davon in die Zweige aufgenommen hatte, keine üblen Folgen bemerkt 
wurden. Nobbe, Bäßler und Will!) ſahen bei Verſuchen mit Erbſen, 
Hafer ꝛc., wenn der Nährſtofflöſung 1 Prozent Blei zugeſetzt worden war, 
den Tod der Pflanzen nach 41 Tagen eintreten. Bedeutend geringere Zu— 
ſätze zeigten auch entſprechend ſchwächere Wirkung; die Pflanzen waren dann 
manchmal von nicht vergifteten nicht zu unterſcheiden, in andern Fällen 
ergab ſich aber doch eine geringere Maſſenproduktion; freilich hatte ſich aber 
auch das Bleinitrat in der Löſung in unlösliches Bleiſulfat umgeſetzt. 

7. Zinkſalze ſind für die Pflanzen ungleich giftiger als Bleiſalze, 
denn Nobbe, Bäßler und Will (J. c.) ſahen hier ſchon nach 3 Tagen 
dieſelben Pflanzenarten ſterben, wenn 1 Prozent Zink in Form von Zink— 
nitrat den Nährſtofflöſungen zugeſetzt worden war. Darum ſind denn auch 
die Abflußwäſſer aus Zinkblendegruben, in denen Zinkvitriol gelöſt iſt, den 
Pflanzen ſehr ſchädlich. Nach König?) zeigt ſich auf Wieſen, die ſo be— 
wäſſert werden, deutlich ein Rückgang der Vegetation, allerdings erſt nach 
einer Reihe von Jahren, wenn ſich das im Waſſer in ſehr geringer Menge 
enthaltene Zink ſtärker angehäuft hat. Nach demſelben Beobachter geht die 
Vegetation da, wo Zinkerze zufällig verſchüttet wurden, ein; dabei enthielten 
die Gräſer, und die verkümmerten Buchen- und Ahornſträucher bis 2,78 Pro— 
zent Zink in ihrer Aſche; nur die von dieſem Schriftſteller „weiße Erzblume“ 
genannte Pflanze erſchien noch auf ſolchen Bodenſtellen, obgleich ſie 
11 bis 15 Prozent Zinkoxyd in ihrer Aſche enthalten haben ſoll. Daß ein 
gewiſſer Zinkgehalt im Erdboden von den Pflanzen vertragen wird, beweiſen 
die auf Galmeiboden wachſenden Pflanzen, wo Viola lutea und Thlaspi 
alpestre in einer beſonderen Form wachſen, die als varietas calaminaria 
beſchrieben wird. Eingehender iſt die Zinkvergiftung der Pflanzen von 
Baumann) ſtudiert worden. Danach iſt bei Anwendung von Zinkvitriol 


) Landwirtſch. Verſuchsſtationen XXX., Heft 5 u. 6. 

) Biedermann's Centralbl. 1879, pag. 564. 

9 Das Verhalten von Zinkſalzen gegen Pflanzen und im Boden. Land— 
wirtſch. Verſuchsſtationen XXXL. Heft 1, 1884. 

* 


Bleiſalze. 


Zinkſalze. 


324 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe 


in gelöſter Form 1 Prozent Zink für manche Pflanzen noch unſchädlich, 
auch Coniferen vertragen noch dieſe Menge, während Angioſpermen ſchon 
zu Grunde gingen, wenn 5 mg Zink im Liter enthalten waren. Die Zink— 
vergiftung macht ſich kenntlich dadurch, daß auf den Blättern kleine Flecken 
von metallglänzender oder roſtgelber Farbe erſcheinen, die ſich zuletzt über 
die ganze Blattfläche ausbreiten. Bei Ausſchluß des Lichtes ſollen jedoch 
die Keimpflanzen durch Zinklöſungen nicht beſchädigt werden; das gleiche 
iſt auch bei Pilzvegetationen der Fall. 

Eiſenſalze. 8. Eiſenſalze. Wiewohl das Eiſen zu den Nährjtoffen der Pflanze 
gehört, ſo ſind doch einigermaßen größere Mengen von Eiſenſalzen ſchäd— 
lich. Beſonders gilt dies von den Eiſenoxydulſalzen, wie ſchwefelſaures, 
kohlenſaures Eiſenoxydul ꝛc. Wenn ſolche im Boden entſtehen, jo oxydieren 
ſie ſich zwar an der Luft leicht zu Eiſenoxydhydrat, welches die bekannten 
roſtfarbenen Schlammmaſſen bildet. Dieſe ſelbſt ſind weniger ſchädlich, 
aber bei mangelndem Luftzutritt und bei Gegenwart ſauerſtoffbegieriger 
organischer Subſtanzen werden ſie leicht wieder zu dem giftigen Drydul. 
Neſſler) fand das Eiſenvitriol ſchon in 0,05 prozentiger Löſung nachteilig 
für die Keimung ſowie für das Wachstum; ein Zuſatz von 0,25 gr Eiſen— 
vitriol zu 1700 Liter Erde zeigte ſchädlichen Einfluß, gleichgültig ab Ammoniak 
zugeſetzt wurde oder nicht. Da das Eiſenvitriol vielfach als Desinfektions- 
mittel angewendet wird, ſo iſt die Gefahr einer gelegentlichen Vergiftung 
der Pflanzen durch ſolches naheliegend. 

Bei der Moorkultur treten nach Fleiſcher?) nicht ſelten die ſchädlichen 

Wirkungen der ſowohl im Moorboden als auch im Untergrundſande ent— | 
haltenen Schwefelkieſe auf die Pflanzen hervor. Das Schwefeleifen oxydiert | 
ſich nämlich an der Luft und das entſtehende ſchwefelſaure Eiſenoxydul und 
die freie Schwefelſäure vergiften die Pflanzen, wenn nicht ausreichend 
Alkalien oder alkaliſche Erden vorhanden ſind, um die Säure zu binden. 
Die einzigen Pflanzen, die auf ſolchen ſterilen Stellen der Moordämme bis— 
weilen noch vorkommen, ſind Equiſetum-Arten. Das beſte Mittel zur 
Beſeitigung dieſer Übelſtände iſt der gebrannte und der kohlenſaure Kalk, 
zugleich mit guter Entwäſſerung. 

Lithiumſalze. 9. Lithiumſalze. Wenn Pflanzen in Nährſtofflöſungen kultiviert 
werden, denen in einigermaßen beträchtlicher Menge ein Lithiumſalz zugeſetzt 1 
worden iſt, jo treten nach Nobbe?) intenſive Symptome akuter Vergiftung 9 
ein. Bei Buchweizen zeigten ſich dieſelben ſchon bei der Keimung: ohne ' 
daß die geringſte meßbare Aſſimilation ſtattgefunden hatte, trat frühzeitiger 
Tod ein, wobei auf den Blattflächen und deren Rändern fahle, ſpäter ein- 
trocknende Flecken ſich zeigten, ähnlich denen, welche ſchweflige Säure in 
Waſſertropfen gelöſt auf den Blättern hervorbringt. Gaunersdorfer) 
hat das beſtätigt und gezeigt, daß das Lithium mit dem Tranſpirations⸗ 
ſtrom nach aufwärts geſchafft und größtenteils in den Blättern abgelagert 
wird, mit denen es ſpäter aus der Pflanze ausgeſchieden wird. 

Schwefelmetalle. 10. Schwefelmetalle. Dieſe ſind ſämtlich wegen ihrer ſtark redu- 
zierenden Wirkung als ſehr ſchädliche Stoffe für die Pflanzen zu betrachten 


) Centralbl. f. Agrikulturchemie 1877, II.; pag. 125. 
2) Landwirtſch. Jahrbücher 1886, pag. 47. 

3) Landwirtſch. Verſuchsſtationen XIII. 1871, pag. 374. 
) Landwirtſch. Verſuchsſtationen 1887, pag. 171. 


— 


B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stoffe 325 


Vom Calciumſulfid haben dies Fithbogen, Schiller und Förſter y 
durch Verſuche dargethan. Bezüglich des Schwefeleiſens vergleiche man das 
unter Eiſenſalzen Geſagte. E 
11. Chlormetalle. In kleinen Mengen find die Chloride, wie Chlor: 
kalium, Chlornatrium, Chlorcalcium, wichtige Nährſtoffe, weil ja das Chlor 
zu den notwendigen Nährelementen gezählt werden muß, und Chlorkalium 
iſt ſogar ein Düngemittel, um der Pflanze Kali zu geben; auch ſind ja in 
den wichtigen Staßfurter Düngeſalzen Chlorverbindungen vorhanden. 
Grade deshalb darf man nicht vergeſſen, daß den Pflanzen mit wenigen 
Ausnahmen einigermaßen größere Mengen von Chlormetallen giftig ſind, 
ſo daß alſo ein Zuviel von jenen Düngemitteln leicht ſchädlich werden 
kann. Auch unter gewiſſen andern Umſtänden kommen Beſchädigungen der 
Vegetation durch Chlornatrium vor. Eine Ausnahmeſtellung nehmen in 
dieſer Beziehung die eigentlichen Salzpflanzen ein, d. h. die beſonderen 
Pflanzenarten, welche nur am Meeresſtrande und an den Ufern der Salz— 
ſeen wachſen, alſo in ihrem Vorkommen an das Chlornatrium gebunden 
ſind. Für ſie iſt ſogar eine konzentrierte Kochſalzlöſung unſchädlich, denn 
an ihrem Standort iſt der Boden oft von auskryſtalliſiertem Kochſalz über— 
zogen. Batalin) hat dies beſtätigt, indem er Salsola-Arten kultivierte 
unter Begießen mit faſt geſättigter Kochſalzlöſung, was dieſen Pflanzen 
nichts ſchadete. Alle Nicht-Salzpflanzen ſind aber gegen Kochſalz ſehr em— 
pfindlich. Nach Nepler?) wirkt dasſelbe entſchieden ſchädlich auf Keimung 
und Wachstum. An Raps⸗, Klee- und Hanſſaaten zeigte ſich die nachteilige 
Wirkung ſchon bei einer Konzentration von 0,5 Prozent, am Weizen bei 
1 Prozent. Eine konzentrierte Löſung auf Blätter äußerlich aufgetropft 
hat eine intenſiv ſchädliche Wirkung. Ich brachte ſolche Tropfen auf junge 
Blätter von Acer platanoides und erwachjene Blätter von Primula offiei- 
nalis; nach einer Stunde hatten die betropften Stellen ein mißfarbiges, 
durchſcheinendes, welkes Ausſehen bekommen; ſie waren getötet. Später, 
als die Verſuchsblätter des Ahorn erwachſen waren, zeigten ſie immer noch 
die getöteten Stellen, um die ſich die Blattmaſſe faltig zuſammengezogen 
hatte, weil ſie noch im Flächenwachstum fortfuhr, aber durch die angrenzen— 
den toten Partien in der Ausbreitung gehindert wurde. Auf völlig er— 
wachſene, alſo härtere Ahornblätter getupft hinterließ dagegen dieſelbe Koch— 
ſalzlöſung keine wahrnehmbare Beſchädigung. Eine konzentrierte Salpeter— 
löſung brachte dagegen weder auf jungen noch auf alten Blättern von 
Acer platanoides, Primula, Sempervivum und Gräſern eine ſchädliche Wir— 
kung hervor. Ich habe mit jenen Verſuchen bewieſen, daß die Beſchädi— 
gungen der Pflanzen durch Seewinde an den Meeresküſten vom 
Chlornatriumgehalt des durch den Sturm mitgeführten Seewaſſers herrühren 
müſſen. Es iſt am Seeſtrande eine gewöhnliche Erſcheinung, die man z. B. 
an der Oſtſee, auf Rügen 2c. beobachtet, daß an den dem Meere zugekehrten 
Waldrändern die Blätter der Bäume ſowie der niedrigeren Pflanzen über— 
ſäet ſind mit zahlloſen kleinen ſchwarzen oder braunen toten Spritzfleckchen, deren 
Entſtehung nur auf die angedeutete Weiſe zu erklären iſt. Schon Focke) 


) Landwirtſch. Jahrbücher XIII. 1884, Heft 4 u. 5. 

2) Regels Gartenflora, 1876, pag. 136. 

3) Centralbl. f. Agrikulturchemie 1877, II., pag. 318. 

) Abhandl. d. naturw. Ver. zu Bremen II. 1871, pag. 412, u. III. 1872. 


Chlormetalle. 


Bromkalium. 


Jodkalium. 


Borſäureſalze. 


326 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe 


hatte die Vermutung ausgeſprochen, daß an den Beſchädigungen der Holz— 
pflanzen in den deutiſchen Küſtenprovinzen neben der mechaniſchen Gewalt 
des Sturzes auch der Salzgehalt der Seewinde ſchuld ſei. Noch ſtärkere 
Beſchädigung iſt zu erwarten, wenn die hinter den Dünen gelegenen Be— 
ſtände durch Springfluten überflutet werden. Das haben die Verſuche von 
R. Hartig und Schützey beſtätigt. Es wurden Saat- und Pflanzbeete 
der Kiefer, Fichte, Akazie und Rotbuche einmal mit einem Quantum von 
14 Liter Kochſalzlöſung auf 1 qm Bodenfläche begoſſen. Es ſtarben die 
1 und 35jährigen Fichten ſowohl durch Oſtſeewaſſer (2,7 Prozent Kochſalz) 
als auch durch Nordſeewaſſer 3,47 Prozent), 6 jährige Fichten nur durch 
Nordſeewaſſer. Einjährige Akazien ſtarben größtenteils auch durch Oſtſee— 
waſſer, dreißigjährige Rotbuchen bekamen nur abgeſtorbene Blattſpitzen. 
Ferner kommen Vergiftungen der Pflanzen vor durch Soolleitungen, 
ſobald durch Undichtigkeit derſelben in den umgebenden Boden Kochſalz— 
löſung ſickert. Die hierbei eintretenden Vergiftungen ſind von Andrée?) 
beſchrieben worden. Danach erkrankten am ſtärkſten die Tiefwurzler und 
am ſchnellſten die Pflanzen mit großem Waſſerbedürfnis. Die Pflanzen 
ſollen das Salz auf den Blättern ausgeſchieden haben, und zwar ſo reichlich, 
daß der Salzgeſchmack durch die Zunge nachweisbar war. Vergiftungen 
treten auch durch Zechen- und Salinenabflußwäſſer ein. Um zu 
prüfen, ob bei dieſen Beſchädigungen das Chlornatrium die Urſache iſt, 
und welche Wirkungen dasſelbe auf Boden und Pflanzen hervorbringt, ſind 
von Storp?) Unterſuchungen angeſtellt worden. Danach wurden Fichten, 
die in Töpfen kultiviert wurden, rotſpitzig und verloren die Blätter, wenn 
die Konzentration der zum Begießen benutzten Löſung von Kochſalz bis zu 
0,6 gr auf 1 Liter erhöht wurde. Es wurde ferner feſtgeſtellt, daß dem 
Erdboden durch eine andauernde Kochſalzberieſelung, auch bei ſehr geringem 
Salzgehalt, Pflanzennährſtoffe entzogen werden. Als franzöſiſches Ray- und 
Timothegras in einem Boden, der vorher mit Kochſalzlöſungen ausgewaſchen 
worden war, eingeſäet wurde, ſo ergab die Ernte um ſo ſchlechtere Reſultate 
und ein um ſo geringeres Quantum wertvoller Pflanzenbeſtandteile, beſonders 
von Phosphorſäure, Schwefelſäure und Proteinſtoffen, je konzentrierter die 
Auslaugungsflüſſigkeit geweſen war, welches Reſultat jedoch möglicherweiſe 
von im Boden zurückgebliebenem Kochſalz herrühren kann. 

12. Bromkalium wird nach Knop) von den Pflanzen in kleinen 
Mengen ertragen; dieſelben entwickeln ſich dabei teils ziemlich normal, teils 
bekommen ſie ein krankes Ausſehen, bleiben klein und dürftig. 

13. Jodkalium iſt nach Knop) für die Pflanzen ſchädlicher, weil 
es ſich leicht zerſetzt unter Ausſcheidung von Jod; die Pflanzen blieben 
dabei kümmerlich und waren nach wenig Wochen abgeſtorben. 

14. Borſäureſalze. Nach Peligots) hat borſaures Kali, in ſehr 
verdünnter Löſung mit den Wurzeln von Bohnen in Berührung gebracht, 
ein Gelbwerden der Blätter und endlich Eingehen der Pflanzen zur Folge. 


1) Lehrbuch der Baumkrankheiten. 2. Aufl. 1889, pag. 250. 
2) Berichte d. deutſch. bot. Geſ. 1885, pag. 313. 

3) Landwirtſchaftl. Jahrbücher 1883, pag. 811. 

5) Berichte d. kgl. ſächſ. Geſellſch. d. Wiſſ., 6. Februar 1869. 
») Compt. rend. 1876, T. 83, pag. 686 ff. 


— 


ER u Zr 


— 


N 
4 


B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stoffe 327 


15. Die Cyan verbindungen wirken alle auch auf die Pflanzen 
giftig. Beſonders iſt dies von der Blauſäure ſchon von Göppert) 
feſtgeſtellt worden. Dieſelbe verhindert die Keimung vollſtändig. Wird ſie 
von vegetierenden Pflanzen aufgenommen, ſo ändern dieſe oft ihre Farbe 
in Gelb oder Braun, Stengel und Blattſtiele werden ſchlaff und die Pflanze 
geht in ein bis drei Tagen zu Grunde; man findet nach Göppert in ſolchen 
Pflanzen Blauſäure in den Gefäßen des Holzes, die dadurch gebräunt ſind, 
und die Parenchymzellen ſind nicht mehr turgeszent. Blutlaugenſalz 
konnte bei den Verſuchen Knop's (J. c.) zwar das der Pflanze zum Er— 
grünen nötige Eiſen liefern, aber in allen Nährſtofflöſungen, denen dieſes 
Salz in kleinen Mengen zugeſetzt worden war, gleichgültig ob daneben noch 
phosphorſaures Eifenoryd vorhanden war oder nicht, blieben Maispflanzen 
auf dem bis dahin erreichten Punkte des Wachstums ſtehen und kamen 
keinen Schritt weiter, welche Höhe ſie auch vor dem Zuſatze des Giftes 
(10 bis 80 em) hatten; ſie erhielten ſich aber gleichwohl bis zum Herbſt 
am Leben, wo ſie ihr natürliches Ende erreichten. Bei ſtärkeren Gaben 
machte ſich der ſchädliche Einfluß dadurch geltend, daß die Blätter vorzeitig, 
mit den unteren beginnend, von den Spitzen an zu vertrocknen und einen 
roſtfarbenen Ton anzunehmen anfingen. Das Blutlaugenſalz wurde aber 
von der unverletzten Pflanze nicht unzerſetzt aufgenommen, wie ſchon der 
Niederſchlag von Berlinerblau auf den Wurzeln bewies; nur in der Nähe 
kleiner Wundſtellen der Wurzeln ließ es ſich im Gewebe als ſolches nach— 
weiſen. 

16. Die Rhodan verbindungen gehören ebenfalls zu den Giften. 
Krauch?) ſah Gerſtenpflanzen in Waſſerkultur, zu welcher ein Zuſatz von 
0,1 gr Rhodanammon pro Liter gegeben worden war, allmählich abſterben. 
Nach dem Genannten finden ſich in den bei der Darſtellung des Leuchtgaſes 
auftretenden Produkten, dem Gaskalk und dem Gaſometerwaſſer, thatſächlich 
Rhodanverbindungen, desgl. Cyanverbindungen, Schwefelkalium, Schwefel— 
ammon, ſchwefligſaure und unterſchwefligſaure Salze, was alſo die Giftigkeit 
dieſer Nebenprodukte erklärt. 

17. Die Beſchädigung der Vegetation durch den Aſchenregen bei 
vulkaniſchen Ausbrüchen beruhen ebenfalls auf der Einwirkung giftiger 
Stoffe, die jedoch im einzelnen nicht näher bekannt ſind. Die hierbei zu 
beobachtenden Erſcheinungen ſind bei Gelegenheit eines Ausbruchs des 
Veſuvs von Pasquale) beſchrieben worden. Im botaniſchen Garten und 
in den Villen nahe von Neapel in einer Entfernung von mehr als 10 km 
vom Krater wurden durch den Aſchenregen die grünen Pflanzenteile allgemein 
braun, ſo daß die Wirkung einer Verbrennung oder Vertrocknung, nicht der— 
jenigen des kochenden Waſſers glich; Succulenten und Pflanzen mit leder— 
artigen Blättern litten weniger. Die roten oder violetten Blütenfarben von 
Papaver, Rosa, Gladiolus verwandelten ſich in Blau, was eine alkaliſche 
Einwirkung anzeigt; die von Viola tricolor, Convolvulus, Digitalis blieben 
unverändert. Weder mechaniſche Effekte noch ſolche erhöhter Temperatur 
konnten am Beobachtungsorte gefunden werden. Ohne Zweifel hat es ſich 


) De acidi hydroeyaniei vi in plantas. Breslau 1827. 
2) Botan. Centralbl., XII. 1882, pag. 130. 5 
3) Referat in Botan. Zeitg. 1872, pag. 729. 


Cyan⸗ 
verbindungen. 


Rhodan⸗ 
verbindungen. 


Vulkaniſcher 
Aſchenregen. 


Schmierſeife, 
Amylalkohol. 


Karbolſäure. 


328 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe 


um chemiſche Wirkungen der Beſtandteile der vulkaniſchen Aſche gehandelt; 
Pasquale ſieht das reichlich gefallene Kochſalz für die Urſache an (vergl. 
das oben über Kochſalz Geſagte). Vielleicht war zum Teil auch freie Salz— 
ſäure in der Aſche vorhanden, deren kräftige Wirkung in den gasförmigen 
Exhalationen (ſ. pag. 318) konſtatiert iſt. Auch ſoll der Schlamm vulkaniſcher 
Aſche, welcher durch Regengüſſe niedergeführt wird, bisweilen mit freier 
Säure verquickt ſein und dann verheerend auf die Vegetation wirken. 


B. Organiſche Verbindungen. 


1. Schmierſeife und Amylalkohol. Die ſogenannten Neßler'ſchen 
Rezepte zur Vertilgung ſchädlicher Inſekten ſind den Pflanzen ſelbſt ſehr 
gefährlich. Es giebt drei ſolcher Präparate: a) 40 gr Schmierſeife, 60 gr 
Tabakextrakt, 50 gr Amylalkohol, 200 gr Spiritus auf 1 Liter Waſſer, 
b) 30 gr Schmierſeife, 2 gr Schwefelkalium, 32 gr Amylalkohol auf 1 Liter 
Waſſer, e) 15 gr Schmierſeife, 29 gr Schwefelkalium auf 1 Liter Waſſer. 
Nach E. Fleiſcher) töten dieſelben zwar Blattläuſe, find aber ſämtlich für 
alle geprüften Pflanzen tödlich oder doch wenigſtens ſehr ſchädlich; dasſelbe 
gilt auch von Schmierſeife allein, welche ſchon in 1,32 prozentiger Löſung 
Blätter und jüngere Triebe tötet, in 0,66 prozentiger Löſung aber unſchäd— 
lich iſt, jedoch auch für Blattläuſe. 

2. Karbolſäure. Da dieſe gegenwärtig ein vielgebrauchtes Des— 
infektionsmittel und ſogar zur Vertilgung pflanzenſchädlicher Paraſiten 
vorgeſchlagen worden iſt, ſo hat die Frage nach ihrer Giftwirkung auf die 
Pflanzen beſonderes Intereſſe. Dasſelbe gilt auch von verſchiedenen andern 
neuerdings zur Bekämpfung ſchädlicher Inſekten empfohlenen Präparaten, 
in denen Karbolſäure der weſentlich wirkende Beſtandteil iſt, wie das 
Amylokarbol. Dieſes beſteht aus 150 gr Schmierſeife, 160 gr reinem 
Fuſelöl, 9 gr hundertprocentiger Karbolſäure. Es iſt erwieſen, daß Karbol- 
ſäure und alle Präparate, in denen ſolche vorhanden iſt, auf alle Pflanzen 
ſehr giftig wirken. Nach Neßler? iſt Karbolſäure für Keimpflanzen töd— 
lich, wenn dieſelben mit Waſſer begoſſen werden, welches 0,5 oder auch nur 
0,35 gr davon auf 100 cem Waſſer enthält; und wenn der Boden, in 
welchem die Keimpflanzen wurzeln, mehr als 0,1 gr Karbolſäure auf 1700 gr 
Erde enthält, ſo hat dies ebenfalls tödliche Wirkung; bei größerer Feuchtig— 
keit und bei geringerer Beleuchtung ſollen noch 0,5 1 ohne Schaden ertragen 
werden. Die giftige Wirkung der Karbolſäure hat ſich bisweilen auch bei 
der Champignonkultur gezeigt; manche Kulturen erwieſen ſich vollſtändig 
zerſtört und die Erklärung dafür wurde darin gefunden, daß in den Ställen, 
aus welchen der Pferdedung entnommen war, Karbolſäure zur Desinfection 


angewendet worden war. Von den karbolſäurehaltigen Präparaten iſt das 


Sapokarbol, eine Verſeifung der Karbolſäure, nach Fleiſcher (I. c.) zwar 
in 2½ prozentiger Löſung für junge Triebe und ältere Blätter des Apfel- und 
Pflaumenbaumes und des Weinſtocks ſchädlich, aber nicht in 1 prozentiger 
Löſung, welche zur Tötung von Blatt- und Blutläuſen hinreicht. 

Das zur Erhaltung der Baum- und Weinpfähle und andern Holz⸗ 
werkes empfohlene Carbolineum iſt nicht ohne Gefahr für die Pflanzen. 


) Zeitſchrift f. Pflanzenkrankheiten. 1. Band 1891, pag. 325. 
2) Centralblatt f. Agrikulturchemie 1877, pag. 188. 


5 ren Eee 


B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stoffe 329 


An einem damit imprägnierten Spalier, in einem damit geſtrichenen Miſt— 
beetkaſten und ebenſo behandelten Gewächshaus bekamen die Pflanzen 
Brandflecken oder wurden ganz verbrannt). Auch an Reben und Pfirſichen, 
deren Pfähle und Spaliere mit dieſem Mittel geſtrichen waren, hat man 
dieſe Beſchädigungen bemerkt?). 

3. Das Antinonnin, ein hauptſächlich gegen die Nonne und auch Antinonnin. 
gegen andre Inſekten empfohlenes Mittel, iſt das Kaliumſalz des Ortho— 
dinitrokreſols. Nach den Angaben der Fabrikanten ſollen gegen Löſungen 
von 1:750 bis 1: 1000 die Forſtpflanzen nahezu unempfindlich fein, 
während die Nonnenraupen dadurch getötet werden, und Blattläuſe ſoll man 
durch Löſungen von 1:500 töten können. Ich ſah jedoch, daß an Kirſch— 
baumzweigen nach Behandlung mit der letzteren Verdünnung die Blätter 
abgeſtorben waren und wie verbrannt ausſahen; die Läuſe waren dabei 
größtenteils, doch auch nicht alle getötet. 

4. Atheriſche Oele, nicht nur als ſolche, ſondern auch ſchon in Atheriſche Ole. 
Waſſer gelöſt oder ſuspendiert, wirken, wenn ſie den Wurzeln der Pflanzen 
dargeboten werden, raſch tödlich. Insbeſondere gilt dies vom Petroleum, 
welches ja neuerdings beſonders bei der Bekämpfung der Reblaus An— 
wendung findet. Ein mit Petroleum getränkter Erdboden verliert alle 
Vegetationz da indes doch das Petroleum ziemlich flüchtig iſt, ſo geht es, 
beſonders unter der freien Einwirkung von Luft und Sonne, nach verhält— 
nismäßig kurzer Zeit wieder verloren und der Boden bedeckt ſich ſchon im 
Nachjahre wieder mit Vegetation, und zwar, wie mir zuverläſſige Beob— 
achter verſichern, üppiger als vorher. Als Mittel, um ſchädliche Inſekten im 
Erdboden von den Samen abzuhalten, hat man empfohlen, die Maiskörner 
in Petroleum einzubeizen; nach Wilhelms) wird dadurch das Keimungs— 
prozent der Körner etwas herabgedrückt und auch die Entwickelung der 
Pflanze ungleichmäßiger; aber bei einer Beizdauer von 16 bis 24 Stunden 
immerhin nur unbedeutend. 

Auch durch Theer ſollen nach Sujt*), ſelbſt wenn der Boden ſtark 
damit imprägniert iſt, Gemüſepflanzen, wie Bohnen, Kraut, weiße Rüben 
und Kartoffeln, nicht leiden, ſondern üppig gedeihen. 

Asphaltd ämpfe ſollen nach Alten und Jänickes) bei Gelegen— 
heit der Asphaltierung einer Straße in einer benachbarten Roſengärtnerei 
die Blätter der Roſen und Erdbeeren beſchädigt haben. Nur die nach oben 
freiliegenden Blattſeiten bräunten ſich, ſchrumpften und fielen ab. Die 
Zweige ſtarben ab oder trieben neue Zweige. Nicht alle Sorten wurden 
beſchädigt. Die Bräunung beruhte darauf, daß der Inhalt der Epidermis— 
zellen in eine braune, körnige Maſſe ſich verwandelte. Es ſtellte ſich heraus, 
daß die Bräunung mit dem Gerbſtoff der Zellen zuſammenhing; dieſelbe 
ließ ſich auch künſtlich erzeugen, wenn man die Blätter mit Waſſer benetzte, 
in welches Dämpfe von Asphalt geleitet worden waren, der der trockenen 
Deſtillation unterworfen wurde. Es wird daher vermutet, daß Regen die 


) Vergl Juſt. Botan. Jahresber. f. 1889 II., pag. 188. 

2) Zeitſchrift f. Pflanzenkrankheiten II. Band, 1892, pag. 315. 

3) Diterr. Landw. Wochenblatt 1888, Nr. 9. 

) Erſter Bericht über d. Thätigkeit d. Großh. bad. Pflanzenphyſiol. 
Verſuchsanſtalt zu Karlsruhe im Jahre 1884. 

5) Botan. Zeit. 1891, Nr. 12, u. pag. 649. 


330 V. Abſchnitt: Erkrankungen durch Einwirkung ſchädlicher Stoffe 


Daͤmpfe abſorbiert habe und daß das mit den Asphaltdämpfen mitge— 
riſſene Eiſen die Bräunungen der Zellen bedingte. 

Verſchiedene Theerprodukte find neuerdings fabriciert und zunächſt 
zur Desinfektion und antiſeptiſchen Wundbehandlung, demnächſt auch als 
Gegenmittel gegen ſchädliche Inſekten empfohlen worden, haben ſich aber 
doch als ſtarke Gifte für Pflanzen erwieſen. Das Pinoſol, welches in 
Waſſer unlöslich iſt, aber eine gleichmäßige Emulſion damit giebt, iſt nach 
E. Fleiſcher (J. c.) für Blätter und junge Triebe von Apfel- und Pflaumen— 
baum, Roſen und Weinſtock in 5 prozentiger Löſung ſehr ſchädlich, in ſchwäche— 
rer Löſung aber auch für Inſekten nicht ſicher wirkſam. Für das Creolin 
gilt nach demſelben Autor das gleiche in etwa 1 bis 2 prozentiger Löſung. 
Das Lyſol, eine Löſung von Kohlenwaſſerſtoffölen und Phenolen in Seife, iſt 
in Waſſer vollkommen löslich, ſoll nach E. Fleiſcher in ½ prozentiger Löſung 
Blattlaͤuſe töten, ohne den Pflanzen merklich zu ſchaden; in ſtärkerer Löſung 
beſchädigt es jedoch die Pflanzen und iſt in 3prozentiger Löſung für die— 
ſelben ſicher tödlich. Die Giftigkeit des Lyſols für Pflanzen iſt von Otto!) 
genauer unterſucht worden. Derſelbe prüfte erſtens die Wirkungen deſſelben 
im Boden auf die Pflanzen, weil bei der Verwendung des Lyſols als Des— 
infektionsmittel die Gefahr einer Vergiftung des Bodens vorliegt, und fand, 
daß wenn auf 8 Liter Boden 2 Liter einer 5 prozentigen wäſſerigen Lyſol— 
Löſung gegoſſen wird, Phaseolus vulgaris, Zea mais, Triticum vulgare, 
Avena sativa nicht mehr auf ſolchem Boden zur Entwickelung kamen, meiſt 
nicht einmal Keimung, ſondern Verfaulen der Samen eintrat. Wenn 
Pflanzen, die in Waſſerkulturen gezogen und gut entwickelt waren, mit den | 
Wurzeln in Lyſol-Löſungen, welche nicht alkaliſch reagierten, eingeſetzt wurden, 6 
jo brachte ſchon eine 0,01] prozentige Lyſol-Löſung Abſterben der Wurzelu 
und Welk- und Gelbwerden der Blätter hervor. Otto ſah ferner nach Be— 
ſpritzen einer von Blattläuſen befallenen Dracaena rubra mit ½ prozenti⸗ 
ger Lyſol-Löſung Tiere und Pflanzen unverſehrt, bei Anwendung einer ½ 5 
prozentigen Löſung zwar die Läuſe verſchwunden, aber auch die Pflanze Ei 
durch Braunſtreifigwerden der Blätter beſchädigt. Die auf Vieia faba 
ſitzenden ſchwarzen Blattläuſe wurden ſogar durch Bebrauſen mit einer ½ 
prozentigen Löſung nicht getötet; nach Anwendung einer 2 prozentigen Löſung 
ſtarben allerdings die meiſten Läuſe, aber auch die Pflanzen zeigten ſich da— 
durch im höchſten Grade beſchädigt, indem die Blattränder, die Neben- 
blätter und die Blüten wie verbrannt ausſahen und die Pflanzen eingingen. 

Ebenfalls giftig auf die Pflanzenwelt wirkt nach Göppert der 
Kampfer. Die Keimung ſowohl der Samen der Phanerogamen wie der 
Sporen der Kryptogamen wird in einer Löſung von Kampfer in Waſſer 
verhindert. Die gegenteiligen Angaben, nach denen namentlich alte Samen 
ihre Keimkraft durch Kampfer wieder erhalten ſollen, ſind außer durch die 
oben citierten Unterſuchungen von Conwentz beſonders durch Wilhelm?) 
widerlegt worden, welcher fand, daß zwölfjährige Körner verſchiedener 
Getreidearten weder beim Einweichen in Waſſer noch in Kampferlöſung 
zum Keimen zu bringen waren und daß ſowohl von ſechsjährigen als auch 


1) Zeitſchrift f. Pflanzenkrankheiten. UI. Band 1892, pag. 70 und 198. 
2) Über die Einwirkung des Kampfers auf die Keimkraft der Samen. 
Referat in Juſt, Bot. Jahresbericht f. 1876, pag. 884. Vergl. auch Burger⸗ 
ſtein, Landw. Verſuchsſtationen, 1888, pag. 1. 


B. Giftige Flüſſigkeiten und Löſungen giftiger Stoffe 331 


von ganz friſchen Körnern die vor der Keimung in Kampferlöſung eingeweichten 
eine Verzögerung der Keimung ſowie eine ſchwächere Entwickelung der 
Keimpflanzen als ſchädliche Nachwirkung zeigten. Dagegen werden nach 
Burgerſtein) welke Sproſſe in Kampferwaſſer (in der Verdünnung von 
1: 1000) früher turgescent als in deſtilliertem Waſſer; erſt bei längerem 
Aufenthalt der Sproſſe in der Löſung werden die Pflanzen krank. 

5. Alkaloide. Die im Pflanzenkörper erzeugten Alkaloide, z. B. Alkaloide. 
Morphium, Strychnin ꝛc., ſind den Pflanzen ſelbſt nachteilig, wenn die 
letzteren in Löſungen dieſer Verbindungen geſetzt werden; es hat dies ein 
raſches Welkwerden und Abſterben der Pflanzen zur Folge. Es iſt hier 
auch zu erwähnen, daß Nikotin, nämlich ein Tabaksabſud, der als Blatt— 
lausvertilgungsmittel benutzt wird, bei flüchtigem Gebrauch, der allerdings 
auch gegen die Inſekten nicht viel hilft, der Pflanze nichts ſchadet, wohl 
aber nachteilig auf die Blätter wirken ſoll, wenn er auf denſelben auf— 
trocknet, indem er die Epidermiszellen tötet?). 

6. Hydroxylamin iſt von Knopz) für höhere Pflanzen und von Hydroxylamin. 
Löws) für niedere Organismen als ſtarkes Gift erkannt worden. 

7. Pflanzenſäuren. Von freier Oxalſäure iſt es ebenfalls nach- Pflanzenſäuren. 
gewieſen, daß Pflanzen raſch abſterben, wenn ſie in eine Löſung derſelben 
geſetzt werden. 


) Verhandl. d. Zool. Bot. Gef. in Wien 1884. 

2) Vergl. Juſt, Botan. Jahresbericht f. 1889. II. pag. 188, und 
Fleiſcher J. e. 

3) Berichte der Kgl. Sächſ. Geſ. d. Wiſſ. Leipzig 1885. 

Botan. Centralbl. 1885, Bd. XXI., pag. 386, u. Bd. XXII., 
pag. 103. 


Aale 


Abbiſſe 127. 

Abblatten 146. 

Abfallen der Blätter 26. 

Abfrieren der Triebe 202. 

Abfrieren der Zweigſpitzen 202. 

Abgeſchnittene Pflanzenteile 114; A. 
Sproſſe 116. 

Abies 48 139, ſ. auch Fichte und 
Tanne. 

Abmähen 124. 

Abnorme Strauchformen 126. 

Abnormitäten des Wachstums 160. 

Abſprünge 127. 

Abſterben bei Dunkelheit 168. 

Abweiden 124. 

Abwerfen der Blätter 268. 

Abwerfen der Früchte 268. 

Acacia 57. 

Kcacia-Arten, Gummifluß der 57. 

Acceſſoriſche Knoſpen 95. 

Acer 76 201 325, ſ. auch Ahorn. 

Achimenes 116. 

Achſelknoſpen 93. 

Adonis 184. 

Adventivknoſpen 93 99. 

Adventivwurzeln 90. 

Aecker, Blitzſchlag in 244. 

Aesculus 201. 

Aeſte, ausfallende 131; A., Kappen der 
129; A., tote 131; A., Verluſt der 99. 

Aeſtung 128. 

Aetheriſche Oele als Gifte 319 329. 

Aetiologie 2. 

Aetzkalk als Gift 319. 

Agaricus 111 199. 

Agave 104 229 265. | 


Agraphis 225. 

Agrostis 162. 

Ahorn 176 293 314 316 323, ſ. auch 
Acer. 

Akazie 318 326, ſ. auch Robinie. 

Akklimatiſation 200 219. 

Alkalien als Gifte 319. 4 

Alkaloide als Gifte 331. 1 

Allium 172 185 224 225. ’ 

Alnus, j. Erle. 1 

Alos 229 265. h 

Alpenroſen 218. 

Ammoniacum 50. 

Ammoniak als Gift 317 319; A. als 
Nährſtoff 284. 

Amphibiſche Pflanzen 246. 

Amylalkohol als Gift 328. 

Amylokarbol als Gift 328. 

Anprällen 140 

Antinonnin 329. 

Antirhinum 188. 

Apfel 118 150 156 215. 

Apfelbaum 198 204 207 230 328 330. 

Apfeifinenbäume, Gummifluß der 58. 

Aprikoſenbaum 51. 

Arabiſches Gummi 57. 

Arien als Gift 320. 

Arſenige Säure als Gift 320. 

Arſenſäure als Gift 320. 

Arum 225. 

Arundo 255. 

Asa foetida 50. 

Aſchenregen 327. 

Aspergillus 302. 

Asphaltdämpfe als Gifte 329. 

Asphodelus 318. 


Regiſter 333 


Asphyxie 306. 

Aſtbruch 128. 

Aſtfäule 107. 

Aſthöhlen 130. 

Astragalus 57. 

Aſtſtumpfe 130. 

Atmoſphäriſche Einflüſſe 154. 

Atropa 197. 

Aucuba 318. 

Aufäſten 128. 

Aufſpringen fleiſchiger Pflanzenteile 113. 

een der Saaten durch den Froſt 
00. 

Aurantiaceen, Gummifluß der 58. 

Ausäſten 128. 

Ausbildung der mechaniſchen Gewebe 
165. 

Ausfallende Aeſte 131. 

Ausfaulen der Saaten 259. 

Aushöhlung des Blattes 149. 

Auslöſungen des Holzkörpers 50. 

Ausſaat, Tiefe der 251. 

Ausſauern der Saaten 258. 

Auswintern 200. 

Avena 162 330. 

Azaleen 317. 

Bäume, Blitzſchlag in 238. 

Bäume, Krüppelformen der 235. 

Bäume, mehrfache 87. 

Bäume, Wurzelfäule der 260. 

Balſame 44. 

Balſam, kanadiſcher 139. 

Bandholz 134. 

Baumäſte, Senkung der bei Froſt 187. 

Baumerde 108. 

Baumgrenze 235; 
der 129. 

Baumkitt 153. 

Baumſchlag 140. 

Baumſtämme, hohle 132. 

Baumſtamm, Verluſt des 99. 

Baumwachs 153. 

Bdellium 50. 

Bedecken 215. 

Begonia 115. 

Begoniaceen 115. 

Behandlung der Wunden 150. 

Behandlung hohler Bäume 153. 

Behinderung des Dickenwachstums 22. 

Behinderung des Längenwachstums 21. 

Beiknoſpen 95. 

Bekämpfung der Pflanzenkrankheiten 17. 

Bekleidung der Wundfläche 70. 

Bellis 309. 

Benzosbaum 50. 

Beſchädigungen durch Feuer 245. 


B., Krüppelbäume 


Beſchädigungen durch den Froſt 200. 
Beſchädigungen durch Hagel 228. 
Beſchädigungen durch Regen 227. 
Beſchädigungen durch Sonnenbrand 174. 
Beſchädigungen durch Sturm 232. 
Beſchneiden der Wurzeln 122. 

Beſen 94. 

Beta 66. 

Betula, ſ. Birke. 

Bewegung der Chlorophyllkörner 170. 

Bewurzelung der Stecklinge 91. 

Bildungsabweichung 1. 

Birke 107 110 134 145 234 237 293. 

Birnbaum 204 238 239 242. 

Birnen 113 118 150. 

Bixa 196. 

Blatt, Aushöhlung des 149; B., Ver— 
krüppelungen des 148. 

Blattflecken 201. 

Blattminierende Inſekten 149. 

Blattſtecklinge 115. 

Blattwunden 147. 

Blätter, Abwerfen der 268. 

Blätter, Abfallen der 26; Braunwerden 
der 26; B., Erſatz der 100; B., 
Gelbwerden der 26; B., Schnitt- 
wunden der 65; B., Stichwunden der 
65 148; B., Verbrennen der 175; 
B., Verletzung der 147; B., Verluſt 
der 27 146; B., Verſtümmelungen 
der 148; B., Vertrocknen der 26. 

Blauſäure als Gift 319 327. 

Bleichſucht 225 289. 

Bleiſalze als Gift 323. 

Blitzſchlag in Aecker 244; B. in Bäu⸗ 
me 238; B. in Weinberge 243; B. 
in Wieſen 244. 

Blumentöpfe, Pflanzen in 249. 

Blumentöpfe, Wurzeln in 21. 

Blutlaugenſalz als Gift 327. 

Blüten, Verletzung der 149. 

Blütenfarben 156. N 

Boden, Trockenheit des 262 271 277; 
B., Verſumpfung des 261. 

Bodeneinflüſſe, Erkrankungen durch 245. 

Bodeneis 184. 

Bodenoberfläche, Neigung der 250. 

Bodenvolumen, ungenügendes 249. 

Böden, kruſtierende 255. 

Bohnen, 68 119 249 290 320 329 f. 
auch Phaseolus. 

Borago 179 188 190. 

Bordelaiſer Brühe 321. 

Borſäure als Gift 326. 

Bouilli bordelaise 321. 

Bräunungen des Holzkörpers 211. 


334 Regiſter 


Brand der Holzpflanzen 106 203. 

Brassica 66 162 172 197 222 224 316, 
ſ. auch Kohl. 

Braunwerden der Blätter 26. 

Brennflecken 175. 

Bromkalium als Gift 326. 

Bromus 274 279. 

Broussonetia 202. 

Bryophyllum 115. 

Bryum 60. 

Buche 107 111 128 132 145 147 176 
231 242 323, ſ. auch Fagus. 

Buchweizen 119 285 286 320 324. 

Bürſtentriebe 98. 

Cacteen 62 229 265. 

Cactus 169 196. 

Caesalpinia 40. 

Calanthe 191. 

Calceolaria 179. 

Calcium als Nährſtoff 288. 

Calciumſulfid als Gift 325. 

Calendula 185 188. 

Calluna 223. 

Callus 59; C. an Stecklingen 68; C. 
Heilung durch 63; C. verkorkender 64. 

Camellia 317. 

Campanula 320. 

Campecheholz 40. 

Cannabis 162 172. 

Canna indica 197. 

Capsella 197. 

Caragana 78. 

Carbolineum als Gift 328. 

Cardamine 115. 

Carex 255. ‘ 

Celtis 40. 

Ceratophyllum 172. 

Ceratostoma 112; C. piliferum 112. 

Champignon 159 282 328. 

Chara 172. 

Chenopodium 197. 

Chermes 47. 

Chionanthus 118. 

Chlamidococcus 218. 

en als Gift 318; C. als Nährſtoff 

9. 

Chlorcalcium als Gift 325. 

Chlorkalium als Gifte 325. 

Chlormetalle als Gifte 325. 

Chlornatrium als Gift 325. 

Chlorococcum 302. 

Chlorophyllbildung 154. 

Chlorophyllkörner, Bewegung der 170; 
C., Temperatureinfluß auf 224. 

Chlorophylloſe Pflanzen 281. 

Chlorosis 225 289. 


Chrysanthemum 185. 

Cicuta 229. 

Citronenbäume, Gummifluß der 58. 

Citrus 172. 

Cladophora 172 302 311. 

Cladosporium 111 269. 

Colchicum 225. 

Coleus 197. 

Colpoma quereinum 110. 

ee der Nährſtofflöſung 
301. 

Coniferen 122 283 291 293 324. 

Convolvulus 327. 

Copaivabalſam 50. 

Copaifera 50 

Corallorhiza 283. 

Corchorus 212. 

Cordyline 175. 

Cornus 66 187. 

Coronilla 212. 

Coryneum 56; C. disciforme 110. 

Corylus, ſ. Haſel 749. 

Creolin als Gift 330. 

Craſſulaceen 62. 

Crescentia 196. 

Cruciferen 217. 

Cryptospora suffusa 110. 

Cucumis 197 217 220. 

Cucurbita 172 197 217 220 316. 

Cucurbitaceen 22. 

Cuphea 179. 

Cupuliferen 122 283 291 293. 

Cuscuta 282. 

Cyanverbindungen als Gifte 327. 

Cycadeen 44. 

Cyclamen 66. 

Cynara 181. 

Cytispora 110. 

Dahlia 66. 

Daucus 66. 

Dauer der Vegetationstemperatur 218. 

Delphinium 184. 

Diaporthe Carpini 110. 

Diatrype disciformis 111. 

Diatrypella quereina 111. 

Diatomaceen 199 287. 

Dickenwachstum, Behinderung des 22. 

Diclytra 184. 

Digitalis 327. 

Diplodia 110. 

Dipsacus 188 197. 

Diſtel 244. 

Draba 274 276. 

Dracaena 117 175 316 318 330. 

Drainzöpfe 247. 

Druck 22. 


Regiſter 


Duftanhang 230. 

Dunkelheit, Abſterben bei 168. 

Durchlüftung des Bodens 255. 

Ebereſche 134 242, ſ. auch Vogelbeer— 
baum. 

Echeveria 266. 

Eiche 36 83 87 107 108 110 126 131 
152 142 147 151 176 198 238 239 
240 241 242 290 293 318. 

Eichhörnchen 145. 

Einflüſſe, atmoſphäriſche 154. 

Einkerben 137. 

Einſchlagen 215. 

Eisanhang 230. 

Eisbildung in der Pflanze 178. 

Eiſen als Nährſtoff 289. 

Eiſenſalze als Gifte 324. 

Eiſenoxydulſalze als Gifte 324. 

Eiſenvitriol als Gift 324. 

Eisklüfte 207 210. 

Elaeagnus, Gummifluß von 57. 

Elaͤagnaceen, Wurzelanſchwellungen der 
296. 

Elektriſches Licht 155 158. 

Elodea 168. 

Elymus 255. 

Embryo, Verluſt der Teile des 121. 

Empetrum 223. 

Empfindlichkeit gegen Froſt 195. 

Endoſperm, Künſtliches 121. 

Entgipfeln 92. 

Entlaubung 29 146. 

Entrindungen der Stämme 135. 

Epheu 86 248 319. 

Epheuharz 51. 

Equiſetaceen 287. 

Equisetum 247. 

Erbliche Krankheitszuſtände 15. 

Erbſen 120 121 167 217 247 249 263 
305 320 323. 

Erdbeere 329. 

Erdboden, Durchlüftung des 255. 

Erdboden, Feſtigkeit des 254. 

Erfrieren 189. 

Erfrieren der Obſtbaumblüten 202. 

Erfrieren der Rinde 203. 

Erica 172. 

Erkrankungen durch Bodeneinflüſſe 245. 


Erle 242 248 261 293; E., Wurzelan- 


ſchwellungen der 296. 
Ermittelung der Krankheitsurſache 16. 
Ernährung mit Humus 283. 
Ernährung mit Stickſtoff 284. 
Ernährungsſymbioſe 291. 
Erſatz der Blätter 100. 
Erſatz der Knoſpen 91. 


© 
oa 


[Erſatz der Wurzeln 90. 


Erſatz der Zweige 91. 

Erſatztriebe 93. 

Erſtickung 159. 

Eſche 94 110 118 142 145 198 293 314. 
Etiolement 154 162. 

Etiolement, falſches 225. 

Etiolin 154. 

Etioliren 154. 

Euphorbia 185 265. 

Eutypa III. 

Evonymus 316. 

Exosporium Tiliae 110. 

Fäule, naſſe 107. 

Fäulnisbewohner 282. 

Fagus 40, ſ. auch Buche und Rotbuche. 
Falſches Etiolement 225. 
Farbenänderungen beim Gefrieren 187. 
Farbiges Licht 158. 

Farne 155 161 168. 

Faulen der Samen 259. 

Faules Holz 106. 

Fegen 141. 

Feigenbaum 58. 

Feldfrüchte, Lagern der 166. 

Feſtigkeit des Erdbodens 254. 

Feuer, Beſchädigungen durch 245. 
Feuchtigkeitsgehalt der Luft 308. 
Feuerbohne 169 307, ſ. auch Phaseolus. 
Ficaria 185. 


Fichte 41 46 47 49 86 96 108 123 125 
127 129 132 135 138 142 143 173 
222 230 233 235 238 239 241 293 
314 318 320 323 326. 


Fichtenrindenwickler 47. 

Fico, Marciume del 58. 

Flußſäuredämpfe als Gifte 318. 

Flüſſigkeiten, giftige 313. 

Flachs 305, ſ. auch Lein. 

. 74; F., Ueberwallung der 
79. 5 


Flader 80. 

Flechten 197 199 254. 
Flieder 118. 

Flugſand 255. 

Folgen des Gefrierens 188. 
Forleule 47. 

Formbäume 225. 

Form der Nährſtoffe 181. 
Foſtit 321. 

Frankia 297. 
Franzoſenholz 41. 
Fraxinus 59 95. 


Fremde Körper 137. 


336 Regiſter 


Froſt, Aufziehen der Saaten durch den 
200. 


Froſt, Beſchädigungen durch den 200. 

Froſtblaſen 204. 

Froſt, Empfindlichkeit gegen 195; F., 
Wirkungen des 177. 

Froſtgeſchmack der Weinbeeren 227. 

Froſtkrebs 207. 

Froſtleiſten 211. 

Froſtplatten 203. 

Froſtriſſe 210 

Froſtrunzeln 204. 

Froſtſpalten 210. 

Froſtſchorf 204. 

Froſtſchutzmittel 213. 

Froſtſchutzmittel, künſtliche 215. 

Froſtſchutzmittel, natürliche 214. 

Froſttod 191. 

Fruchtbildung 28. 

Früchte, Abwerfen der 268; F., Ver— 
letzung der 149. 

Frühlingsäſtung 132. 

Fuchsſchwänze 247. 

Fuchsia 266 316. 

Galanthus 225. 

Galmeiboden 323. 

Gaſe, giftige 313. 

Gaskalk 327. 

Gaslicht 158. 

Gaſometerwaſſer 327. 

Gefrieren der Pflanzen 177. 

Gefrieren, Folgen des 188. 

Geizen 92. 

Geköpfte Pflanzen 92. 

Gelbholz 40. 

Gelbſucht 225 247 261 289. 

Gelbſucht der Köpfe 268. 

Gelbwerden der Blätter 26. 

Gentiana 175. 

Georgina 197. 

Gerſte 172 173 199 221 256 263 269 
273 286 287 305 309 327. 

Geſetz des Minimums 280. 

Getreide 166 228 304 330. 

Getreide, Notreife des 266. 

Getreide, Verſcheinen des 266. 


Gewächſe, Verpflauzen krautartiger 123. 


Gewebe, intermediaͤres 88. 
Gifte 305 310. 

Giftige Gaſe 313. 

Giftige Flüſſigkeiten 319. 
Gipfelbruch 128. 
Gipfeldürre 268. 

Gladiolus 327. 

Gleditschia 36 40 268 735. 
Glyceria 308. 


Gräſer 92. 

Gramineen 217 287. 

Grind der Kartoffel 104. 

Grind des Weinſtockes 209. 

Grünäſtung 131 141 151. 

Grünfäule 107. 

Guajacum 41. 

Guajakholz 41. 

Gummi, arabiſches 57. 

Gummidruſen 51. 

Gummifluß der Acacia-Arten 57; G. 
der Apfelſinenbäume 58; G. der 
Aurantiaceen 58; G. der Citronen— 
bäume 58; G. der Pomeranzenbäume 
58; G. der Steinobſtbäume 51; G. 
von Elaeagnus 57. 

Gummiharze 44. 

Gummiharzfluß 50. 

Gummiekrankheit 45 56. 

Gummoſis der Steinobſtbäume 51. 

G. des Oelbaums 59. 

Gurken 68. 5 

Habitus der Schattenpflanzen 164. 

Haematoxylon 40. 

Hafer 120 217 263 269 284 286 287 
305 314 320 323, ſ. auch Avena. 

Hagel 140. 

Hagel, Beſchädigungen durch 228. 

Hainbuche 126 176. 

Hanf 217 325. 

Hartriegel 118. 

Harz 41 44. 

Harzbeulen 45. 

Harzdruſen 49. 

Harzen 138. 

Harzfluß der Koniferen 45; H. der 
Nichtkoniferen 50. 

Harzgallen 49. 

Harzgewinnung 138. 

Harzhöhlen 29. 5 

Harzkanäle 29 45 46. 

Harzkrankheit 45. 

Harzſcharren 138. 

Haſel 293. 

Heckenſchnitt 94 125. 

Hedera 172. 

Hefe 199. 

Heilung 17. 

Heilung durch Callus 63; H. durch 
Wundkork 60. 

Heilungsprozeſſe, natürliche 59. 

Helianthus 66 90 116 121 306 308 
316, 

Helicosporium 111. 

Heliotropium 179. 

Helligkeit 157. 


2 


Regiſter 337 


Helminthosporium 111. 
Herbſtäſtung 132. 

Hercospora Tiliae 110. 

Hibiscus reginae 69. 

Hippopha& 254 255 297. 

Hirſche 141 142. 

Hitze, Tötung durch 171. 

Hohle Bäume, Behandlung der 153. 
Hohle Baumſtämme 132. 
Holzbildung 29. 

Holz, faules 106; H., Humifizierung des 
108; H., Verwundung des 26. 
Holzgewächſe, Verpflanzen der 122. 

Holzkäfer 109. 

Holzkörper, Auslöſungen des 50; H. 
Bräunungen des 211. 

Holzpflanzen, Schälwunden der 70. 

Holzpflanzen, Verſtümmelung der 125. 

Holzrücken 141. 

Holzweſpen 109. 

Holz, Zerſetzungserſcheinungen des 106. 

Hopfen 268. 

Hordeum 217 220, ſ. auch Gerſte. 

Horniſſen 145. 

Hottonia 220. 

Hoya 86. 

Hüttenrauch 313. 

Humifizierung des Holzes 108. 

Humusbewohner 282. 

Humus, Ernährung mit 283. 

Humuszehrer 283. 

Hyacinthe 69 115 185. 

Hydrocharis 246. 

Hydroxylamin als Gift 331. 

Hymenomyceten 199. 

Hypoxylon 112. 

Hysterium Fraxini 110. 

Jahresring, Verdoppelung des 30. 

Icterus 225 289. 

Snanition 307. 

Inſchriften 137. 

Inſekten, blattminierende 149. 

Intenſives Sonnenlicht 169. 

Intermediäres Gewebe 88. 

Jodkalium als Gift 326. 

Johannistrieb 101. 

Iris 181. 

Juglans 36 40, j. auch Nußbaum. 

Juniperus 223. 

Kältegrade, tödliche 196. 

Kahlfraß 101. 

Kaiſerkrone 184. 

Kaktus 196. 

Kalium als Nährſtoff 288. 

Kalk als Nährſtoff 288. 

Kopal 50. 


Kalklicht 158. 

Kalköfen 313. 

Kamellie 268. 

Kampfer als Gift 330. 

Kanadiſcher Balſam 139. 

Kandieren der Samen 302. 

Kappen der Baumäſte 129; 
Reben 30. 

Karbolſäure als Gift 328. 

Kartoffel 22 61 68 104 189 191 215 
244 286 304 314 321 329. 

Kartoffel, Grind der 104; K., Krätze 
der 104; K., Räude der 104; K., 
Schorf der 104; K., Süßwerden der 
227 


K. der 


Kaſtanie 84 87. 

Keimung im Dunkeln 161; K. im Hellen 
161.; K., verhindert durch Trockenheit 
262; K., Temperaturgrenze der 216. 

Kernfäule 107. 


Kerngummi 39. 


Kernholz 31 38. 

Kernſchäle 213. 

Kiefer 41 46 47 48 87 97 123 125 
126 130 135 143 222 241 242 245 
260 261 293 318 326, ſ. auch Pinus. 

Kiefernmotte 47. 

Kienäſte 41 

Kienholz 41. 

Kieſelpflanzen 286. 

Kieſelſäure als Nährſtoff 286. 

Kirſchbaum 51 329. 

Kirſchen 113 118 150. 

Kirſchgummi 51. 

Kittgewebe 88. 

Klaſſifikation der Pflanzenkrankheiten 20. 

Klee 92 120 159 249 263 314 325, ſ. 
auch Trifolium. 

Klima 218. 

Knoſpen, acceſſoriſche 95; K., Erſatz der 
913 K., ſchlafende 95. 

Kochſalz als Gift 325. 

Kohl 123 184 290, ſ. auch Brassica. 

Köpfe, Gelbſucht der 268. 

Körper, fremde 137. 

Kohlenſäure 307. 

Kohlenſäureaſſimilation 156. 

Kohlenſäureaſſimilation, Temperaturein— 
fluß auf 220. 

Kohlenſäuregehalt der Luft 307. 

Kohlrabi 113. 

Konferven 199. 

Koniferen 41 43 89 99. 

Koniferen, Harzfluß der 45. 

Koniferen, Reſinoſis der 45. 

Konzentriertes Sonnenlicht 170. 


Frank, Die Krankheiten der Pflanzen. 2. Aufl. 22 


338 Regiſter 


Kopfhölzer 128. 

Kopulation 88. 

Krätze der Kartoffel 104. 

Krankheit 5. 

Krankheitsbefördernde Nebenumſtände 
13 

Krankheitsſymptome 7 

Krankheitsurſache 12; 
der 16. 

Krankheitszuſtände, erbliche 15. 

Kraſſulaceen 265. 

Kraut 329. 

Krebs 207; K. 
K. der Rotbuche 209; 
ſtocks 209. 

Kreſſe 305 307. 

Krümmungen beim Gefrieren 184. 

Krüppelbäume der Baumgrenze 129. 

Krüppelformen der Bäume 235. 

Kruſtierende Böden 255. 

Kürbis 22 68 150 183 193 222. 

Künſtlicher Schnitt 125. 

Künſtliche Froſtſchutzmittel 215. 

Künſtliches Endoſperm 121. 

Künſtliches Licht 158. 

Kupfervitriolkalkbrühe 321. 

Kupfervitriol-Speckſtein 321. 

Kupferſalze als Gift 320. 

Kupfervitriol als Gift 320. 

Kurznadligkeit 98. 

Laachen 138. 

Labiaten 179. 

Lachten 138. 

Längenwachstum, Behinderung des 21. 

Längswunden 74. 

Lärche 41 46 47 126 129 135 160 236 
293 318, ſ. auch Larix. 

Lärchenrindenwickler 47. 

Lagern der Feldfrüchte 166. 

Lagten 138. 

Lampenlicht 155 158. 

Landpflanzen im Waſſer 246. 

Lantana 179. 

Larix 155. 

Lathyrus 259. 

Laubmooſe 172. 

Laubſtreifen 146. 

Lawinen 231. 

Lebermooſe 161 172 199. 

Leguminoſen 89 285; L., Wurzelknöllchen 
der 297 

Lein 217 263 268 290. 

Lemna 172. 

Lepidium 217 220 316. 

Leptothrix 172. 

Leucojum 65 148 225. 


N., Ermittelung 


der Obſtbäume 207; 
K. des Wein— 


Leuchtgas 316. 

Licht 154. 

Licht, elektriſches, 155 158. 

Lichtfarben 158. 

Licht, farbiges 158. 

Licht, künſtliches 158. 

Lichtmangel 154 156 160 165. 
Liliaceen 184. 

9 107 110 132 134 147 153 293 


einfe 6305 

Lithiumſalze als Gifte 324. 

Löcherpilze 111. 

Lohe, rote 268. 

Lonicera 95 137. 

Lorbeer 242 268. 

Luft, Kohlenſäuregehalt der 307; L., 
Feuchtigkeitsgehalt der 308. 

Luftwurzeln 134. 

Lupine 120 121 162 172 247. 

Lychnis 181. 

Lyſol als Gift 330. 

Maasliebe 87. 

Maclura 40. 

Magneſium als Nährſtoff 289. 

Magneſiumlicht 158. 

Mais 89 113 120 121 173 219 247 
263 287 290 305 316 320 327 329 

mal della gomma 58. 

Malva 185. 

Manna 59. 

Mannaeſche 59. 

Mannafluß 59. 

Manulea 179. - 

Marattiaceen 44. 

Marchantia 161 19. 

Marciume del Fico 58. 

Marffleden 212. 

Markwiederholungen 212. 

Maſer 80. 

Maſerbildung 80. 

Maſerholz 80. 

Matricaria 274. 

Mäuſenagen 145. 

Maulbeer 146. 

Mechaniſche Gewebe, Ausbildung der 165. 

Medium, natürliches 245; M., unge— 
eignetes 245 

Meeresalgen 169. 

Mehrfache Bäume 87. 

Melanomma pulvis pyrius 112. 

Mercurialis 185. 

Milchſäfte 44. 

Milchſaftgefäße 43. 

Mimosa 172 306. 

Minimum, Geſetz des 280. 


Regiſter 339 


Mirabilis 121. 

Mißbildung 1. 

Moder 108. 

Möhre 70 86 113 183. 

Mohn 217. 

Mondringe 212. 

Monotropa 283. 

Mooſe 60 168 197 199 254. 
Morphium als Gift 331. 

Morus 172 202. 

Mougeotia 302. 

Mykodomatien 297. 

Mykorhizen 283 292. 

en, Wurzelanſchwellungen der 
Myrrhe 50. 

Nachtfaſer 109. 

Nadelbäume 232, ſ. auch Koniferen. 
Nährſtoffbedürfnis der Pflanze 278. 

2 Form der 281; N., organiſche 


nängoftätng, Konzentrationsgrad der 


Nährſtoffmangel 278. 

Naemaspora 110. 

Näſſe, ſtagnierende 256. 

Nagen 141 145 

Nanismus 271. 

Naſſe Fäule 107. 

Natürliche Froſtſchutzmittel 214. 

Natürliche Heilungsprozeſſe 59. 

Natürliches Medium 245. 

Natürliche Schutzvorkehrungen nach Ver— 
wundungen 31 

Natürlicher Tod 5. 

r krankheitsbefördernde 


ee 157. 

Neigung der Bodenoberfläche 250. 
Nekroſe 106. 

Nematogonium 111. 

Neottia 283. 

Neßler'ſche Mittel als Gifte 328. 
Nicotiana 172. 

Nicotin als Gift 331. 
Niederholzzucht 134. 

Niederſchläge 227. 

Nonne 47. 

Notreife des Getreides 266. 
Nußbaum 242. 

Nyetomyces 109. 

Nymphäaceen 246. 

Obſtbäume, Krebs der 207. 
Obſtbaumblüten, Erfrieren der 202. 
Oedogonium 302. 

Oelbaum 118; O., Gummoſis des 59. 


Oele 44. 

Oelrettig 120. 

Oenothera 250 279. 

Oidium 174. 

Okulieren 87. 

Opopanax 50. 

Optimum der Wachstumstemperatur 219. 

Opuntia 115 175. 

Orangenbaum 268. 

Orchideen 192. 

Organiſche Nährſtoffe 281. 

Organiſcher Stickſtoff als Nährſtoff 284. 

Ornithogalum 225. 

Orobanche 282. 

Paeonia 184. 

Palmen 241. 

Panicum 274 276. 

Papaver 172 327. 

Pappel 99 107 128 132 
242 248 254 261 293. 


Paraſiten 282. 

Pathologiſche Raſſen 16. 

Pellia 199. 

Penicillium 173 174. 

Peperomia 115. 

Petroleum als Gift 329. 

Peziza 174; P. aeruginosa 108 111. 

Pfirſichbaum 51. 

Pflanzen, amphibiſche 246.; P., chloro— 
phylloſe 281; P., Gefrieren der 177; 
P., geköpfte 92; Pflanze, Nährſtoff— 
bedürfnis der 278. 

Pflanzen in Blumentöpfen 249. 

Pflanzenkrankheit 5. 

Pflanzenkrankheiten, Bekämpfung der 
17; P., Klaſſifikation der 20. 

Pflanzenſäuren als Gifte 331. 

Pflanzenſchutz 18. 

Pflanzenteile, abgeſchnittene 114; P., 
Aufſpringen fleiſchiger 113. 

Pflanzen unter Bäumen 160. 

Pflaumen 113 118 150. 

Pflaumenbaum 51 328 330. 

Pfropfen in die Rinde 87. 

Phajus 191. 

Phaseolus 163 172 197 217 220 224 
286 288 305 317 330. 

Phosphor als Nährſtoff 285. 

Phycochromaceen 173. 

Phyllirea 118. 

Bilde, . 59 55 109; P., Symbioſe 


Pilztammern 297. 
Pilzwurzel 292. 
Pinoſol als Gift 330. 


238 240 241 


22* 


340 


Pinus 139 212 223 224, ſ. auch Kiefer. 


Pistacia 40. 

Pisum 100. 

Plantago 274. 

Plasmolyſe 301 311. 

Platane 248 316. 

Plattgedrückte Wurzeln 23. 

Pleospora 111. 

Polycladie 92 94. 

Polygonum 201 246. 

Polypodium 196. 

Polyporus III. 

Polytrichum 161. 

Pomeranzenbäume, Gummifluß der 58. 

Populus 127, ſ. auch Pappel. 

Potentilla 184. 

Poterium 185. 

Primula 325. 

Produktion, e auf 221. 

Proleptiſch 1 

Protococeus 302 

Prunus 36 40 118 204. 

Ptelea trifoliata 186. 

Pulmonaria 156. 

Pyrus 36 40. 

Quaternaria Persoonii 110. 

Queckſilberchlorid als Gift 320. 

Queckſilberſalze als Gifte 320. 

Ouerwunden, Ueberwallung der 80. 

Quercus 36 40 127. 

Quetſchwunden 68 140. 

Radieschen 306. 

Räude der Kartoffel 104. 

Ranunkel 87. 

Raps 155 184 217 225 229 253 263 
325. 

Raſſen, wach 16; R., teratolo— 
giſche 16. 

Rauch 313. 

Rauchfeuer 215. 

Rauhreif 230. 

Raummangel 21. 

Raygras 326. 

Reaktionen gegen Verwundungen 31. 

Reben, Kappen der 30. 

Regen, Beſchädigungen durch 227. 

Regeneration der Rinde 70; R. eines 
Vegetationspunktes 89; R. von Ge— 
weben an Wunden 70. 

Rehböcke 142. 

Reproduktionen 90. 

Reseda 125. 

Reſervenährſtoffbehälter, Verluſt der 119. 

Reſinoſis der Koniferen 45. 

Rettig 104 113. 

Rhizobium Leguminosarum 285 297. 


Regiſter 


Rhizomorpha intestina 111; R. subeor- 
ticalis 111 1 

Rhizopus 174. 

Rhodanverbindungen als Gifte 327. 

Rhododendron 223. 

Rhus 212. 

Rhus cotinus 40. 

Rhynchomyces violaceus 112. 

Rieinus 197. 

Rinde, Erfrieren der 203; R., Nege- 
neration der 70; R., Verwundung 
der 26. 

Rindenbrand 203. 

Rindendruck 24. 

Rindenlaus 47. 

Ringeln 135. 

Ringſchnitt 135. 

Robinia 72 202 212 242 255 316. 

Roggen 120 147 172 173 220 221 253 
256 305. 

Roggenähren, weißſpitzige 203. 

Roſe 320 327 329 330. 

Roßkaſtanie 134 211 232 316. 

Röte 268. 

Rotbuche 126 211 232 293 314 326, 
ſ. auch Buche und Fagus; R., Krebs 
der 209. 

Rote Lohe 268. 

Roter Schnee 218 225. 

Rotfäule 107. 

Rotklee 217. 

Rubus 221. 

Rübe 22 68 100 101 104 123 146 159 
183 189 191 193 215 244 256 284 
286 302 304 329. 

Rüſter 93 126. 

Rumex 228. 

Runkelrübe 86, ſ. auch Rübe. 

Saaten, Ausfaulen der 259; S., Aus⸗ 
ſauern der 258. 

Säbelwuchs 234. 

Säumaugen 95. 

Säuren als Gifte 319. 

Salat 123. 

Salicaceen 293. 

Salicornia 286. 

Salinenabflußwäſſer 326. 

Salisburia 172. 

Salix 95 96 127, ſ. auch Weide. 

Salpeterſäure als Nährſtoff 284. 

Salsola 325. 

Salvia 316. 

Salzlöſungen 302. 

Salzpflanzen 286. 

Salzſäure als Gift 318. 

Sambucus 185. 


A RN V 


Regiſter 341 


Samen, Faulen der 259; S., Kan⸗ 
dieren der 302; S., Verſtümmelung 
der 119. 

3 der Weinbeeren 150 176 


Sandgräſer 255. 

Sapokarbol als Gift 328. 

Sappanholz 40. 

Saprophyte Pilze 109. 

Saprophyten 282. 

Saubohne 217. 

Sauerkirſchen 118. 

Sauerſtoffgas 305. 

Saxifraga 172 197. 

Schädliche Stoffe 305. 

Schälen 141. 

Schälwunden 141 151; S. der Holz— 
pflanzen 70. 

Schattenpflanzen, Habitus der 164. 

Scheidenknoſpen 97. 

Schilfrohr 228. 

Schlafende Knoſpen 95. 

Schlammbedeckung 248. 

Schlingpflanzen 137 

Schmarotzer 282. 

Schmierſeife als Gift 328. 

Schneebruch 220. 

Schneedruck 230. 

Schnee, roter 218 225. 

Schneiden der Wunden 152. 

Schnitt 93; S., künſtlicher 125. 

Schnittwunden an Blättern 65. 

Schorf der Kartoffeln 104. 

Schröpfen 78. 

Schütte 222. 

Schutzholz 31 36. 

Schwamm 197. 

Schwarzföhre 48. 

Schwefel als Nährſtoff 285. 

Schwefelkieſe 324. 

Schwefelkohlenſtoff als Gift 318. 

Schwefelmetalle als Gifte 324. 

Schwefelwaſſerſtoff als Gift 318. 

Schweflige Säure als Gift 313. 

Scrophulariaceen 179. 

Secale 217, ſ. auch Roggen. 

Secretbehälter 43. 

Secrete, vorgebildete 43. 

Secretionen an Wunden 43. 

Secundärknoſpen 95. 

Sedum 197. 

Seewinde 325. 

Seitenknoſpen 93. 

Selaginella 168. 

Sellerie 113. 

Semper vivum 175 182 197 309 325. 


Senecio 179 185 197. 

Senegalgummi 57. 

Senkung der Baumäſte bei Froſt 187. 
Silberpappel 316. 

Silicium als Nährſtoff 286. 

Silybum 86 185. 

Sinapis 185 188 190 217 220 280. 
Soda als Gift 319. 

Solanaceen 118. 

Solanum 172 197. 

Soldanella 225. 

Sommeräſtung 132. 

Sommerbrand 268. 

Sommerdürre 266 269. 

Sonchus 185. 

Sonnenblume 92 155 247 290 305. 
Sonnenbrand, Beſchädigungen durch 


174. 

Sonnenlicht, 155 158; S., intenſives 
169; S., konzentriertes 170. 

Sonnenriſſe 176. 

Soolleitungen 326. 

Spaltpilze 174. 

Spaltwunden 74; 
der 79. 

Spieß 54 127. 

Spiraea 210. 

Spirogyra 169 173 192 199 302 322. 

Splintfäule 107. 

Splintholz 36. 

Sporidesmium 269. 

Sporotrichum 112. 

Sproſſe, abgeſchnittene 116. 

Stagnierende Näſſe 256. 

Stämme, Entrindungen der 135. 

Stämme, verwachſene 87. 

Stammabhieb 134. 

Stammverſtümmelungen 124. 

Stammfäule 107. 

Staphylosporium violaceum 112. 

Stecklinge 115; S., Bewurzelung der 
91; S., Callus an 68. 

Steinkohlenrauch als Gift 313. 

Steinkohlentheer als Gift 319. 

Steinobſtbäume, Gummifluß der 51; 
S., Gummoſis der 51. 

Stellaria 197. 

Stengel, Stichwunden in 68. 

Sterkuliaceen 44. 

Steriliſieren 174. 

Stichwunden an Blättern 65 148; S. 
in Stengeln 68. 

Stickſtoff als Nährſtoff 284; S., Ernähr⸗ 
ung mit 284; S., organiſcher, als 
Nährſtoff 284. 

Stickſtoffdüngung 303. 


S., Ueberwallung 


342 Regiſter 


Stickſtofforyd als Gift 317. 

Stigeoclonium 302. 

Stoffe, ſchädliche 305. 

Stockausſchläge 99 134. 

Stockfäule 107. 

Störung der Wurzelthätigkeit 221. 

Straßburger Terpentin 45 139. 

Strauchformen, abnorme 126. 

Strychnin als Gift 331. 

Sturm, Beſchädigungen durch 232. 

Sulfoſtratit 321. 

Succulenten 26 62. 

Süßkirſchen 118. 

Süßwerden der Kartoffeln 226. 

Symbioſe 7; S. der Wurzeln 291; 
S. mit Pilzen 283. 

Symbioſepilze 292. 

Symptome der Krankheiten 7. 

Symptome des Todes 7. 

Syringa 118 270. 

Tabak 222 284 286 310. 

Tabaksabſud als Gift 331. 

Tamariske 59. 

Tamarix 59. 

Tanacetum 172. 

Tanne 41 45 47 48 49 84 86 127 129 
143 222 231 233 234 241 242 293, 
ſ. auch Weißtanne. 

Tannenſtöcke, Ueberwallen der 134. 

Tannenwickler 45. 

Taraxacum 113. 

Taxodium 127. 

Taxus 172. 

Teesdalia 275. 

Teichospora obducens 112. 

Telephora 111. 

Temperatur 171 

Temperatureinfluß auf Chlorophyllbil— 
dung 224; T. auf Kohlenſäureaſſi⸗ 
milation 220, T. auf Produktion 221; 
T. auf Wachstum 216. 

Temperaturgrenzen 216. 

Temperaturgrenze der Keimung 216. 

Temperaturgrenzen des Wachstums 216. 

Teratologie 1. 

Teratologiſche Raſſen 16. 

Terpentin 45 138; T., Straßburger 
45 139; T. von Bordeaur 139. 

Terpentinöl 41 45. 

Theerprodukte als Gifte 330. 

Theerung 152. 

Theeſtrauch 146. 

Thlaspi 323. 

Thuja 48 268. 

Thyllen 35. 

Tiefe der Ausſaat 251. 


Tiefpflanzung 254. 

van Verwundungen durch Tritte der 
141. 

Timothegras 326, ſ. auch Phleum pra- 
tense. 

Tinea 47. 

Tod, natürlicher 5. 

Tod, Symptome des 7. 

Tödliche Kältegrade 196. 

Tötung durch Hitze 171. 

Topfgewächſe in Zimmern 159. 

Topfgewächſe, Verſauern der 260. 

Tortrix 47. 

Torula 112. 

Tote Aeſte 131. 

Tragantgummi 57. 

Tranſpirationsſtrom 27. 

Trauben, Vertrocknen der 176. 

Trauerweide 248. 

Triebe, Abfrieren der 202. 

Trifolium 173, ſ. auch Klee 
Rotklee. 

Trimmatostroma Salicis 110. 

Triticum 217 220 330. 

Trockenäſte 151. 

Trockenäſtung 131 151. 

Trockenfäule 107. 

Trockenheit des Bodens 262 271 277. 

Trockenheit verhindert Keimung 262. 

Tropaeolum 157 172 197. 

Tubercularia 111. 

Tulipa 225. 

Typha 308. 

Ueberſchwemmung 248. 

Ueberwallen der Tannenſtöcke 134. 

Ueberwallung 60 74 133; U. der Quer⸗ 
wunden 80; U. der Flachwunden 19% 
U. der Spaltwunden 79. 

Ueberwallungswulſt 74. 

Ulex 255. 

Ulme 40 110 238 239 242 248 293 
314 316. 

Ulothrix 199. 

Ungenügendes Bodenvolumen 249. 

Ungeeignetes Medium 245. 

Unterdrückung 159. 

Urtica 185 317. 

Ustilago 174 323. 

Vaccinium 223. 

Valsa salicina 110; V. e 110. 

Variationen 7. 

Vaucheria 60. 

Vegetationspunkt, Regeneration eines 89. 

Vegetationstemperatur, Dauer be 218. 

Verbeißen 93 125. 

Verbrennen der Blätter 175. 


und 


Regiſter 


Verdämmung 159. 

Verdoppelung des Jahresringes 30. 

Veredeln, Verwachſen beim 87. 

Veredelung 117. 

Vergeilen 154. 

Vergiftung 310. 

Verhütung 17. 

Verkorkender Callus 64. 

Verkrüppelungen des Blattes 148. 

Verletzung der Wurzeln 26. 

Verluſt des Baumſtammes 99; V. 
der Aeſte 99; V. der Blätter 27; V. 
der Laubblätter 146; V. der Reſerve— 
nährſtoffbehälter 119; V. der Teile 
des Embryo 121; V. der Wurzeln 26. 

Vermoderung 107. 

Verpflanzen der Holzgewächſe 122. 

Verpflanzen krautartiger Gewächſe 123 

Verſauern der Topfgewächſe 260. 

Verſcheinen des Getreides 266. 

Verſchnaken 154. 

Verſchüttung 254. 

Verſpillern 154. 

Verſtümmelung der Blätter 148; V. 
0 Esolspranen 125; V. der Samen 


e des Bodens 261. 

Vertrocknen der Blätter 26. 

Vertrocknen der Trauben 176. 

Verwachſene Stämme 87. 

Verwachſene Wurzeln 87. 

Verwachſungen 85; V. beim Veredeln 
87. 


Verwallung 74. 

Verwundungen der Blüten 149; V. 
der Früchte 149; V. durch Tritte der 
Tiere 141; V. der Wurzeln 121; 
V. durch Wagenräder 1B. der 
Rinde 26; V. des Holzes 26; V. 
natürliche Schutzvorkehrungen nach 
31; V. Reaktionen gegen?31. 

Verwundungsarten 113. 

Verwehungen 237. 

Verzwergung 271 279. 

Viburnum 318. 

Vicia 100 259 306 316 330, ſ. auch 


Wicke. 
Viola 323 327. 
Viscum 161. 
Vitis, ſ. Weinſtock. 
Vogelbeerbaum 314, ſ. auch Ebereſche. 
Vorgebildete Sekrete 43. 
Vorkeimſproſſungen 116. 
Vulkaniſche Exhalationen 318. 
Wachholder 237. 
Wachstum, Abnormitäten des 160. 


343 


Wachstums-Etiolement 164. 

Wachstumsgeſchwindigkeit 219. 

Wachstumsgröße 220. 

Wachstumstemperatur, Optimum der 
219. 

Wachstum, Temperatureinfluß auf 216. 

Wachstum, Temperaturgrenzen des 216. 

Wagenräder, Verwundungen durch 141. 

Waldbrände 245. 

Waldſtreu 296. 

Waſſerkulturen 246. 

Waſſerlinſen 246. 

Waſſermangel 262. 

Waſſerpflanzen auf dem Trocknen 246. 

Waſſerwurzeln 246. 

Weide 107 110 128 132 134 153 218 
247 254 261 293, ſ. auch Salix. 

Weihrauch 50. 

Weinbeeren, Froſtgeſchmack der 227; W., 
Samenbruch der 150 176 229. 

Weinberge, Blitzſchlag in 243. 

Weinſtock 36 198 215 261 318 321 
328 330; W. Grind des 209; W., 
Krebs des 209. 

Weißbuche 110 293, ſ. auch Hainbuche. 

Weißfäule 107. 

Weißſpitzige Roggenähren 203. 

Weißtanne 139 211 230, ſ. auch Tanne. 

Weizen 167 172 173 199 221 251 
263 287 321. 

Welken 26 263. 

Wicken 166 199. 

Wieſen, Blitzſchlag in 244. 

Wildſchälen 141. 

Wimmer 80. 

Windbruch 232. 

Windfall 232. 

Windſchub 233. 

Wirkungen des Froſtes 177. 

Wunden 24; W., Behandlung der 150; 
W., Schneiden der 152; W. Sefre- 
tionen an 43. 

Wundfäule 101 106 130. 

Wundfläche, Bekleidung der 70. 

en 34. 

Wundholz 7 

Wundkork 59; W., Heilung durch 61. 

Wundkrankheit 101. 

Wundſekrete 44. 

ume der Erle 296; W. 
der Eläagnaceen 296; W. der Myri⸗ 
caceen 296. 

Wurzelausſchläge 99 134. 

e 107 258; W. der Bäume 


Wurzellnöucher der Leguminoſen 297. 


| 


= ER ee 


Wurzeln in Blumentöpfen 21; W., Be⸗ 
ſchneiden der 122; W., pla attge edrückte 
23; W., Erſatz der 90; W., Symbioſe 
der 2913 W., Verletzung der 26 1213 
W., verwachſene 87; W., Verluſt 
der 26. 

Wurzelſtecklinge 115. 

Wurzelthätigkeit, Störung der 221. 

Wurzelzöpfe 247. 

Nanthorrhoea-Harz 50. 

Xenodochus ligniperda 112 260. 

Xylaria 111. \ 

Zea 172 197 217 220 224 286 303 
330, ſ. auch Mais. 

Zechenabflußwäſſer 326. 


De 


Zinkſalze als Gifte 323. ei N fh 
Zinkvitriol als Gifte 323. 1 2 4 
Ziegelöfen 313. IM 
sag 


area 99. 
Zopftrocknis 268. 
Zuckerrübe 217, ſ. auch B. 
Zweigbildung 28. ur 1 | 
Zweige, Erſatz der 9. 
Zweigverſtümmelungen 124. " 
Zweigſpitzen, Abfrieren der , 15 
Zweigwucherungen 94. Be Des: 
Zwerge 119 271. A ’ 
Zwiebel 191. i 


Druckfehler. e 
Seite 112 Zeile 11 von oben ließ Myxomyeeten ſtatt We N ii 1 2 12 N 
Seite 260 Zeile 17 von unten ließ ligniperda ſtatt liquiperda. 57 8 5 . 


Breslau, Eduard Trewendt's Buchdruckerei (Setzerinnenſch 


— 


ee 


a „ 


2 


ar 


OR, 
rn 


un Pa 


F 
3 


SB Frank, Albert Bernhard 
601 Die Krankheiten der Pflanzen 
F/ an 


1 5 FRANK, A, B. 


nen 


ie krankheiten der 


For 


pflanzen, Jol. J. 


| 
DATE | 


i 
& 
1 


LIBRARY 


FACULTY OF FORESTRY 
UNIVERSITY OF TORONTO 


„ e 
erer 
ene 
ie 
ee Dry 


ET THEM 
a ne En da "an = ie a 
ne > 


> 
— 
> 
2 
2 
> 
2 
Q 
— 
< 
— 
— 
> 


Me 


D RANGE BAY SHLF POS ITEM C 


10 017 4 


14 08 


39 09