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HARVARD COLLEGE
LIBRARY
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FINE ARTS_LL8ß5^^gv
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FROM THE BEQUEST OF
MRS. ANNE E. P. SEVER
OF BOSTON
Widow of Cd. James Warren Sever
(C3ms of 1817)
^ANSFERRED TO
• ^
DIE KUNST
SECHSTER BAND
«
DIE KUNST
MONATSHEFTE FÜR FREIE
UND ANGEWANDTE KUNST
SECHSTER BAND
ANGEWANDTE KUNST
DER .DEKORATIVEN KUNST" V.JAHRGANG
MÜNCHEN 1902
VERLAGSANSTALT F. BRUCKMANN A.-G.
¥^-4hS F
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BHTanl CMl««» Lttmy
8ev«r fand
ALLE RECHTE VORBEHALTEN
DRUCK VON ALPHONS BRUCKMANN IN MONCHEN
INHALTS-VERZEICHNIS
Artikel. Seite
Abels, Ludwig. Wiener Brief. ... 69
Aus Mfinchens Kunstindustrie . . . 140
Ausstellung der Handarbetets-Vänner von
Stockholm in Berlin 100
Ausstellung, Die Tnriner 393
(Fortsetzung) 438
Becker, M. L. Die Ausstellung der Hand-
u-betets-Vänner von Stockholm im Ber-
liner Kunstgewerbemuseum . . . .100
Beleuchtungskörper, von Hans Wagner 847
Ben8on*s Elektrische Beleuchtungskörper 105
Bilderbuch, Das 278
— Das moderne englische 800
Bredt, E. W. Bruno Paul 66
Verkünden und Handeln . . . 218
Bulle, Dr. H. Von griechischer Gefass-
maierei 116
Oarstanjen, F. Meisterkurse in Nürnberg 227
Nürnberger Handwerkskunst . . 321
Darmstadt nach dem Fest 185
Drasenovich, Dr. A. von. Nemesio de
Mogrobejo 819
Sckmann, Otto f 482
Einbinde von Paul Kersten 191
Fischer, Theodor. Das Schulgebaude . 170
Folneslcs, J. Raumausgestaltung bei
Kunstausstellungen 270
— — Wiener Kunstgewerbeverein . .182
Frantz, Henri. Französische Radierungen 149
La Soci6t^ Moderne des Beaux*Arts 269
Fred, A. W. Interieivs von L. C. TiflTany 110
— ' Die Turiner Ausstellung . . 393. 483
OefUssmalerel, Von griechischer . . .116
Glashütten, Rheinische in Köln-Ehrenfeld 190
Hinel, Erich. Theodor Fischer . . .158
Konkurrenz für ein Brunnendenkmal
in Kempten 862
Historische Stilarten und illustrative Dar>
Stellung der Vorzeit 251
Hoytema's, van, geschmückte Möbel . 77
Inneneinrichtungen, Moderne .... 858
Interieurs von L. C. TiflTany . . . .110
— Neue 842
JÖrgensen, Joh. Mogeos Ballin's Werk-
statt 244
Kleinpaul-Dresden, Joh. Das deutsche
Städte-Ausstellungsplakat 428
Kunst für die Armen 52
— und Maschine 141
Künstlerisches von der Berliner Hoch-
bahn 288
I^Ichttriger von K. M. Seifert & Co.,
Dresden 190
Luxuskunst oder Volkskunst? .... 81
Margarethe von Brauchitsch .... 258
Mogens Ballin's Werkstatt 244
Munthe, Gerh. Historische Stilarten und
illustrative Danteilung der Vorzeit . . 251
Muthesius, Herm. Benson's Beleuch-
tungskörper 105
Die Glasgower Kunstbewegung . 193
— — Kunst für die Armen 52
Kunst und Maschine 141
Zur Rettung unserer alten Bauten 264
Muthesius-Trippenbach, Anna. Das mo-
derne englische Bilderbuch .... 800
Nacht, Leo. Künstlerisches von der Ber-
liner elektrischen Hochbahn .... 283
Obrist, Herm. Luxuskunst oder Volks-
kunst? 81
Arbeiten von Elisabeth Erber . . 59
Ollendorf, Oscar. Die Farbenschau im
Kaiser Wilhelm-Museum in Krefeld . 336
Seite
Pauli, Gustav. Das Bilderbuch . . .278
Pudor, Heinrich. Moderne Inneneinrich-
tungen .... 358
Das Kunstgewerbe auf der Karis-
luher Jubiläumsausstellung .... 422
Radierungen, Französische 149
Raumausgestaltung b. Kunstausstellungen 270
Rüttenauer, Benno. Darmstadt nach dem
Fest 185
Bcheffler, Karl. E. Barlach .... 78
— — Das Haus Behrens 8
Neue Interieurs 842
Otto Eckmann f 482
Unterricht im Kunstgeweibe - . 365
Via Miquel 126
Schneider, Rieh. von. Unser monumen-
tales Gesamtenipfinden 408
Schumacher, Fritz. Bauten von Peter
Dybwad 121
— — Rauten von Paul Möbius ... 49
Soel6t6 Moderne des Beaux-Arts . . . 269
Städte-Ausstellungsplakat, Das deutsche 42tf
Tapeten von Otto Eckmaim .... 148
Unser monumentales Gesamtempfinden . 408
Unterricht im Kunstgewerbe .... 865
Veldheer, J. G. Haarlemer Silber- Arbeiter
und -Arbeiten : £. Voet 262
Geschmückte Möbel van Hoytema's 77
Verkünden und Handeln 218
Via Miquel 126
Zinnarbeiten von F. Adler 191
Zur Rettung unserer alten Bauten . . . 264
Zu unseren Bildern 297. 885
Orts-Register
Berliner elektrische Hochbahn ... 233
Darmstadt nach dem Fest .... 185
Olasgower Kunstbewegung 198
Haarlemer Silber-Arbeiten 262
Karlsruher Jubiläumsausstellung . . . 422
Kempten, Konkuirenz für ein Brunnen-
denkmal 862
Köln- Ehren feld. Rheinische Glashütten . 190
Kopenhagen, Mogens Ballin's Werkstatt. 244
Krefeld, Farbenschau im Kaiser Wilhelm-
Museum . . • 336
Mfinchens Kunstindustrie 140
Nürnberger Handwerkskunst .... 321
— Kunstgewerbliche Meisterkurse . . 227
Paris, Soci^t^ Moderne des Beaux Arts 269
Stockholm, Die Ausstellung der Hand-
arbetets-Vänner vun St. in Berlin . . 100
Turiner Ausstellung 393. 438
— — Sektion Deutschland 438
England 406
Frankreich 458
Italien 462
Österreich 446
Schottland 405
— — Skandinavien 467
— — Ungarn 464
V^iener Brief 69
— Hagenbund 270
— Kunstgewerbeverein 132
Besprochene Bücher Seite
Die Arche Noah 294
Furtvängler, A. und Reichhold, K., Grie-
chische Vasenmaleiei Lfg. 2 . . . .117
Gerlachs Jugendbücherei . . . 295. 299
Knecht Ruprecht 295. 297
Personal-Register *)
Adler, F 191
„Arte della Ceramlca** 466
Ashbee, CK 407
Auburtin, Francis 269
Bakalowits, E. Söhne 450
Ballin, Mogens 247
Barlach, E 79. 80
Batten, John D 318
Baumann, Ludwig .... 450. 452. 453
Behrens, Peter 1—48. 190. 229. 232. 83:{. 438
Bell, R. Anning 311
Berlepsch-Valendas, H. E. von . . . 442
Betout, C 152
Billing, Hermann 424. 442
BindesböU, Th 244
Boberg, Ferdinand 469
Bosselt, R 190
Beutet, de Monvel 150
Bouy, G 269
Brand, Joh. & Stauch . . . . 824. 382
Brauchitsch, Margarethe von .... 258
Breithut, Peter 71
Brown, Ford Madox 54. 56
Bürck, Paul 188
Bume-Jones, Ph 54
Butlcr-Stoney, T 818
Oaldecott, R 276. 303
Christiansen, H 188. 189
Cole, Henry 802
Grane, Walter . . . . 53. 285. 304. 407
DeUtre. Eugtae 150
Dybwad, Peter 121. 124
Sckmann, Otto . . 148. 369-378. 482
Erber, Elisabeth 59. 64
Palke, G 188
Farmiloe, Edith 816
Fischer, Theodor 153—169
Flossmann, Josef 862
Ford, J 813
Frank, Eduard 69
Oamla Santessonska Tenngjuteriet . . 469
Gaskin, Arthur J 310. 811
Ginorl, Manufaktur 467
GiustlnlanI, Vincenzo 466
Greenaway, Kate 806
Grenander, Alfred 241
Gulld of Handicraft- London .... 407
Habich, 1 190
Hagen, M 881
Hammel, Auguste 329
Hansen, Frieda 468
Hassal, John 314
HofTmann, Heinrich 280
— Josef 73
HoTzinger, Emil 138
Hoppe, Paul . . . ' 385
Horti, Paul 454
Housman, Laurence 812
Hoytema, Th. van 77. 299
Huber, Anton 442
— Patriz 188
Hughes, Arthur 803
Jones, A. Garth 814
Jourdain, Francis 150
*) In diesem Verzeichnis sind nur die
Personen aufgeführt, über welche im Text
etwas Wesentliches gesagt ist.
PERSONAL-REGISTER — ILLUSTRATIONEN
Seite
Kainzinger, Franz 328
Kaitmaier, H 330
Kepplcr, W 861
Kersten, Paul . . 191. 192. 388. 890
Khnopff, Fernand 2ß9
Knorr, H 828
Körnig, Arno 442
Kramer, Theodor von . . 227. 228. 834
Kreidoir, Ernst 295. 297
Kreis, Wilhelm 488
Krohn, Pletro 88A
Krüger, F. A. 861
Kühne, Max Hans 387. 442
I^a Maison Moderne 460
L'Art nouveau 460
Liuger, Max 422
Lamm, Oskar 285
Lerche, H. St 468
Liberty & Co 860
Lühr & Wichtendahl 444
Macdonald-Mackintosh, Margaret
193—217. 405
Mackintosh, Charles R. . . 193—217. 405
Maler, Karl 834
Maljutin S. W 298
Meinecke, D 882
Möbius, Paul 49. 50
Mogrobejo, Nemesio de 849
Möhring, Bruno 241. 442
Monvel, Boutet de 285
Morawe, Ferdinand 889
Seite
Morris, William 52. 56
Moser, Koloman ... .... 78
Nelsen, Harold 314
Nicholson, William 814
Nicolai, M. A 346
NIgg, H 481
Nordin, Alice 469
Obrist,. Hermann . . .77. 217—224. 864
Oeckler, V - . . 332
Oerl^y. Robert 72. 73
Olbrlch, J. M 189. 444
Oppler^ hlse 828
Or6ans Robert 442
Orr, Stewart 315
Pankok, Bernhard .... 90—99. 860
Paul, Bruno 66. 68. 861
Peyfuss, Marletta 188
Pinchon, J 152
Prouv*, Victor 269
Prutscher, Otto 72. 452
Pyle, Howard 310
Richter, Ludwig 280. 284
Rlemerschmid, Otto 862
Robinson, Charles Sil
Röchiing, Karl 292
Schifer, K 330
Schmldhammer, Arpad 298
Schmidt, Wilhelm 138
Seite
Schwind, Moritz von 286
Shaw, Byam 314
Sika, Jutta 186. 138
SlottMöller, Harald 246
Smith, Winifred 810
Spicer-Simson 269
Sprinckmann, M 150
Staiger, G 331
Stokvis, W. J 389
Summetsberger, Karl 138
Taschner, Ignatlus 863
TennTel, John 303
Townsend, C. H 53
Uimer, T 832
Unger, Else 71. 78. 136
Urban, Josef 271
Vallgren, Ville 426
Voet, E 262
Volck, Emma 829
Vollmer, Hans 186
Voysey, C. F. A 407
DFagner, Hans 847
— Otto 69. 460
— Siegfried 247
Wille, Fla 342
— Rudolf 342
Willumsen, J. F 246
Witzmann, C 452. 458
Woodward, Alice 808
Illustrationen
Seite
Adler, F. Vorraum 449
Zinnarbeiten 190. 191
Arold, G. Posamentierarbeiten . . . 838
d'Aronco, Ralm. Turiner Ausstellungage-
Ijäude 898-895. 899
»Arte della Ceramlca*. Bank .... 466
Va^n 467
Ashbee, C. R. Lüster 416
Möbel 416. 417
Standuhr 417
Auburtin, Fr. Dekoratives Gemälde . . 267
Bakalowits E. Söhne. Jardiniere . . 462
Schale . 462
Theetischchen 460
Ballin, Mogens. Mctallarbeiten . 245—250
Schmucksachen 249
Barlach, E. Grabmal 78
Statuetten 79. 80
Zeichnungen 78. 80
Batten, John D. Buchillustiation . . .315
Baumann, Ludwig. Architekturen 397. 398
Halle 455
Behrens, Llli. Kissen 341
— Peter. Architekturen .... 2. 8. 4
Atelier 82
— — Beleuchtungskörper, Leuchter etc.
11. 46. 186. 187
Bestecke 26
Bettbezug . . - 38
Bibliothek 83
Buchschmuck . 1. 22. 23. 46. 48
— — Damenzimmer 26. 31
Diele 8
Fenstervorhang 14
Flügel 12. 13
— — Frauenkleid 44
— — Gästezimmer 42
Gläser 24
Glasmosaik 17
Haiiseingänge 5. 6
— — Hcizkörperverkleidungen und Ka-
mine 7. 3>i. 43
Küche 45
Möbel 11. 16. 20-23. 27-30. 3l.
36. 39. 43
— — Musikzimmer 9. 10
Plafond 34
— — Porzellan und Keramik . . 19. 47
— — Schlafzimmer ... 95. 37. 40. 41
— — Speisezimmer IJ^
ThÜren ^^- ^IJ
Thürgriffc 47
Seite
Bell, R., Annlng. Buchillustrationen 807
bis 809. 320
Benson,W. A. S. Beleuchtungskörper 104—110
Theeservice und Vasen . . . .418
Berchtold, J. Standlampe 140
Berlepsch-Valendas, H. E. von. Das
deutsche Gebäude auf der Tuiiner Aus-
stellung 484. 435
Plafond 452
— — Speisezimmer 441. 451
Bemer, Eugen. Wandlampe .... 142
Betout, C. Radierung 152
Beyrer, E. Weinkühler 139
Billlng, Hermann. Empfangshalle . . 486
— — Kamiowand 481
Möbel 428. 480
— — Wandbrunnen 481
Wohnzimmer 429
Boberg, Ferdinand. Bowle 469
— - Jardiniere 469
Schrank 472
Bodenheim, Nelly. Buchillustrationen 299
Boutet de Monvel, Radierungen . 148. 150
Bouy, G. Schmiedearbeiten .... 269
Bradl, J. Winthirbrunnen 183
Brand, Joh. & Stauch. Bowle . . .322
Entwürfe zu Gürtelschliesseu . . 340
Brantlng, Agnes. Wirkereien .... 103
Brauchitsch, Marg. v. Decken, Kissen etc.
257-261
Busch, Wilhelm. Buchillustrationen . 280
Butler-Stoney, F. Buchillusiration . . 316
Caldecott, R. Buchillustrationen 308.
805. 306
Cobden-Sanderson, J. Bucheinband . 371
Crane, Walter. Buchillust.ationen 302—304
Cremer, W. Bahnhof N ollen dorfplaiz . 234
Pfeiler 242
Dearmer, MabeU Buchillustration . . 318
Delfltre, E. Radierung 151
Dlnklaee, Georg. Bahnhof Schlcsisches
Thor . . 233
Dybwad, Peter. Architekturen 121-123. 125
— — Herrenzimmer 128. 129
Kamin 128
— — Speisezimmer . . * . • 126 — 128
Vorraum 124. 125
Sberlein, M. Handlcuchter .... 327
Eckmann, Otto. Poiiiät 432
Tapcicn 146. 147
Seite
Eckmann, Otto. Wandarm 142
Ednie, John. Lüster 411
Möbel 406. 4ü8
Elchrodt, H. Buchillustration .... 282
Endeil, A. Standlampe 140
Erber, Elisabeth. Stickereien . . 57—59
Erdmann & Spindler. Grabmal . . . 391
Falke, G. Glasservice 180
Farmiloe, Edith. Buchillustrationen . . 317
Feure, G. de. Fächer 463
Fidus. Buchillustration 293
FietterstrOm, Martha. Wirkteppich . . 101
Fischer, Theodor. Architekturen 156. 157.
167-175. 179—183
Bismarckdenkmal .... 162-166
Entwürfe 156-161. 168. 170. 175—178
Winthirbrunnen 183
Flossmann, Josef. Brunnen . . 154. 155
Brunnenmodelle 364. 369
Putten 154
Oahlnbäck, J. von. Möbel . . 360. 36 L
Gamla Santessonska Tenngjuteriet.
Bronzearbeiten 470
Gaskin, Arthur J. Buchillustrationen . 314
Gaul, August. Löwin 437
Gillesple, J. G. Standuhr 412
Ginorl, Manufaktur. Badezimmer . . 465
Teller 466
Glatigny. Tintenfass ..*... 271
Göschel, Ferd. Grabmalmodell . . 333
Gosen Th. von. Skulpturen . . 180. 181
Gow, David. Tapetenmuster . . . .413
Greenaway, Kate. Buchillustraiionen 800. 301
Grenander, Alfred. Pfeiler und Säulen
238. 240-242. 244
Grisebach, Hans. Bahnhof Schlesisches
Thor 233
Gross, Karl. Keramische Arbeiten 438. 439
Guild of Handicraft, London. Schmuck-
sachen 419
Gurschncr, Gusuv. Statuette . . . 462
Gu&tafsberg, Manufaktur. Leuchter und
Vasen 470. 471
Hagen, Max. Entwurf zu einer Fenster-
umrahmung 386
Hammel, Auguste. Entwürfe zu Buch-
einbänden etc 321. 834. 335
Hassal, John. Buchiliustration . . . 319
Haustein, Paul. Beleuchtungskörper 136.
139. 142. 186. 448
ILLUSTRATIONEN - SACH-REGISTER
Seite
Haustein, Paul. Melallarbeiten . . .187
Heine, Th. Th. Buchillustration ... 286
Hentze, Gudmund. Kaffeeservice . . 246
Hocheder, K. Entwurf 177
Hoffmann, Hch. Buchillustraiion . ■ 278
Holzinger, Emil. Möbel . . . 131. 134
Honigmann, Meta. Fussbodenbelag . 449
Schirmständer 449
Weinkühler 366
Hoppe, Paul. Architekturen 882-385. 390
Housman, Laurence. Buchillustration 307
Hoytema, Th. van. Buchillustrationen
291. 295
Möbel 73—76
Huber, Anton. Arbeitszimmer . . . 443
Schrankdetail 442
Hudler, August. Keramische Arbeiten 438. 439
Jones, A. Garth. Buchillustration . . 812
Jourdain, Francis. Radierungen. . 149. 162
Kafnzlnger, Franz. Metallarbeiten 821
322. 323. 326
Kaltmaler. H. Bucheinbände .... 385
Keppler, W. Arbeitszimmer .... 357
Garderobemöbel 363
— — Tischlampe ... .... 188
Kersten, Paul. Bucheinbände 1V2 370. 371
Schachfiguren 878
Keyden, Sophie. Wandbehaug («ehe
Berichtigung Seite 472) 415
Khnopff, Fernand. Entwurf . . 270
King, Jessie M. Dekorative Zeichnung 414
Kleinhempel, Erich. Junggesellen- Wohn-
zimmer . . - 446
— Gertrud. Schlafzimmer 447
KUmt, Georg. Rahmen und Uhren
376. 877
Knorr, H. Entwürfe zu MeUllarbeiten
824. 825
Zündholzständer 826
Kohn, Jakob und Josef. Interieur . . 467
Konewka, Paul. Buchillustration . . . 281
Körnig, Arno. Speisezimmer .... 460
Kreidolf, Ernst. Buchillustrationen 290-292
Kreis, Wilhelm. Empfangshalle . 488. 439
Krüger, F. A. O. Arbeitszimmer . . . 867
Kühne, Max Hans. Ausstellungssaal . 44u
Billardzimmer 389
Halle 387
— — Heilkörperverkleidungen . . . .381
Interieur " 388
Villa 386
I^ammert, E. Tischlampe 142
Landry, Abel. Lehnstuhl 464
L*Ari nouveau. Doppelbett .... 464
Porzellan 466
Va<en 467
Liuger, Max. Keramik .... 424—426
Möbel 428
Ofenthüreu 426. 426
Wandbrunnen 422. 424
Lehmann, G. Geschnitzter Rahmen . 832
Leistlkow, Walter, Wandmalereien 433. 437
Lemmen. G. Ledermappe 468
Lerche, H. St. Fayencen 471
Liberty & Go. Inteiieurs . . . 368. 859
Lischtwau, L. Sessel 860
Logan, George. Wandschirm .... 402
Macdonald • Mackintosh, Margaret.
Paneele etc 217-221
Interieurs (s. Berichtigung Seite 472)
401. 403
Vorhang 221
Mackintosh, Gharles R. Ausstellungs-
stände 214
Entwürfe 211—218. 216
Ex Libris 216
Grabstein 216
Halle 197
Kamine 199. 20 L. 206
— — Landhaus Wiudyhill, Aussenarchi-
tektur 193—196
Innenräume . . . .196—203
Leuchtkörper 196. 204
Möbel . 193. 200. 202—204. 20S.
209. 404. 405
— — Schlafzimmer 202
Spiegel 203. 208
— — Spielzimmer 198
l'reppenflur 196
Wandbemalung . . 206. 207. 210
— — Wohnzimmer (»iehe Berichtigung
Seile 472) 205. 400. 401. 403
Seile
Maier, K. Kamin 881
Thongefässe 824 ,
McNair, Herbert und Fitmces. Interieurs
(siehe Berichtigung Seite 472) . . 401. 403 ;
Meier, Rosa. Stickereien 449
Meinecke, D. Entwürfe .... 327—329 i
Möblus, Paul. Architekturen . . . 60—56
Grabmal 49
Mogrobejo, N. de. Bronzearbeiten 850—352
— — Grabanlage 848
Grabmalplatte 849
Möhring, Bruno. Bahnhof Bülowsirasse
235. 237
Empfangsraum 487
Geländer 242. 243
Pfeiler und Säulen .... 288. 248
Morawe, Ferdinand. Schmucksachen 874. 875
Morris, Talwin. Spiegel (siehe Berich-
tigung Seite 472) 409
Moser, Koloman. Fusibodenbelag . . 68
— — Seidenstoff 68
Müller, Friedrich. Palmenständer . . 323
— kichard. Beleuchtungskörper etc. 184—187
Möbel 366
— — Palmenständer 860
Munthc, Gerhard. Buchschmuck . 261—856
Necker, Eiserne Portalverzierung . . 244
Nelson, Harold. Buchillustration . . . 320
Newbery, Jessie R. Kissen und Wand-
behang (siehe Berichtigung Seite 472) 415
Nicholson. William. Buchillustrationen 810
Nicolai, M. A. Schlafzimmermöbel 844. 845
Nordin, Alice. I^^onleuchter .... 468
Nürnberger Meisterkurse. Entwürfe 227—232
Oberlander, Adolf. Buchillustration. . 281
Christ, Hermann. Aschenume ... 77
' Brunnen . . . .222. 228. 225. 226
— — Btunnenmodell 866. 867
— — Grabmal 76
Oeckler, Valentin. Stuhl 382
Oerley, Robert. Kunstsalon .... 70
— — Warenschtank 71
Ol fers, Marie von. Buchillustrationen 279
Oppler, Else. Cakesdose 326
Organs, Robert. Waschbecken . . . 442
— — Wohn- u. Speisezimmer . . 444. 445
Orr, Stewart. Buchtllustration .... 819
Pankok, Bernhard. Altane .... 87
— — Brunnen 87
Buchschmuck . . 81. 99. 100. 292
Dielen 90. 91
— — Hängelampe 185
Haus Lange 82—92
— — Heizicörperverkleidung .... 354
Möbel 89—94. 99
Portiere 96
Schlafzimmer 89. 90. 92
— — Speisezimmer 356
— — Tapeten 95
Teppich 97
Thüfe 88
Treppen 83. 90. 91
— — Zeichnung .... ... 98
Paul, Bruno. Arbeitszimmer .... 61
Beleuchtungskörper . 138. 189. 857
Möbel 60. 62-65
Speisezimmer 448
Uhr 62
Vorhänge 367
Pfann, P. Entwurf 177
PInchon, J. Radierung 160
Pomeroy. S. Bucheinbände .... 372
Portois « Fix. Speisezimmer .... 466
Prutscher, Otto. Gaskamin .... 72
Kassetten 78. 460
Schmuck 67
Pyle, Howard. Buchillustrationen . . 309
Rank, Franz. Lüster 141
Rhein. Glashütten. Tafe.giaser . 188. 189
Richter, Ludwig. Buchillustrationen 276. 277
Riemerschmid , Otto. Brunnenmodelle
864 869
— Richard. Beleuchtungskörper 139 142. 184
Blumenständer ....... 142
Robinson, Charles. Buchillustratiou . 318
Rochga, Rudolf. Kleiderhaken . . .141
Roerstrands Aktiebolaget. Vasen . . 467
Bapatka, Else. Becher 137
SchXfer, K. Deckenmalerei . . . .837
Scherrebecker Schule für Kunstweberei.
Wandteppich 458
Seite
Schmidhammer, Arpad. Buchillustration 286
Schmidt, Fritz Ph. Buchillustration . 284
— Wilhelm. Möbel 181. 132
— — Speisezimmer 135
Schm=dt-Pecht« Elise. Thongefässe . . 427
Schneider, Rieh. von. Zeichnungen 419—421
Schröder, R. A. Bibliothekzimmer . . 146
Möbel . 144. 146
Schütz, F. A. Füllungen . 121. 124. 169
Schwind, M. von. Gemälde etc. 274. 275
Semmelroth, F. Bronchen u. Kämme . 388
Shaw, Byam. Buchillusiration . . .811
Sika. Jutta. (Hasservice 134
SiÖström, Maria. Stickereien . . 101. 102
Smith. Wlnlfred. Buchillustration . . 818
Soir, H. Bahnhof Hallesches Thor . . 286
Eiserne Stütze 441
Spiegel, Fr. Möbel 361. 862
Sprinckmann, M. Radierung .... 151
Stalger, Gustav. Wandmalerei . . . 837
Stassen, Franz. Buchschmuck . . . 286
Stelnle, Joh. Ed. Buchillustration . . 273
Stichling, Otto. Grabmalfigur . . . .892
Stokvis, W. J. Gasöfen . . . 878—380
Summetsberger, Karl. Möbel . 181. 184
Taschner, Ignatlus. Brunnenmodell . 868
Buchillustrationen . . . .287. 288
Taylor, B. A. Möbel . . . 407. 409. 412
Paneele 410
TifTany, Louis C. Interieurs . . 111—116
Topf, E. Schmucksachen . . . 326. 888
Townsend, C. H. The Whitechapel Art-
Gallery 56
Troost, P. Bibliothekzimmer .... 146
Möbel 144. 145
Ulmer, J. Entwurf zu einer Truhe . . 830
Unger, Else. Möbelstoffe etc. ... 69
Upton, Florence K. Buchillustration . 818
Urban, Josef. Ausstellungsgebäude 271. 272
Vaarzon Morel, W. F. A. J. Buchillu-
s'rationen 296. 298
Vetter, E. Interne 142
— — Schirmständer 189
Vllleroy & Hoch. Keramik . . 488. 489
Voet, E. Silberarbeiten . . . .261-266
Vogel, Hermann. Buchillustration . . 282
Volck, Emma. Spitzen muster ... . 339
Vollmer, Hans. Schlafzimmer . . . 183
Toilettespiegel 132
Voysey, G. F. A. Wandteppich . . . 413
DFagner, Hans. Beleuchtungskörper 346. 847
— Otto. Silbetarbeiten 66
— Siegfried. Metallarbeiten . . 246-250
Schmucksachen 249
Waidmann. Schreibzeug 270
Wedekind, Frank. Buchillu^tration . . 288
Weisgerber A. Buchillufttraiionen . . 280
Wenckebach, L. W. R. Buchillustra-
tionen 296. 297
Wenig, Bernhard. Buchillustration . . 287
Wichards, F. Bahnhof Hallesches Thor 236
— — Eiserne Stütze 241
Widmer, Ph. Modell eines Oberlichtes 158
Wiegandt. Ed. Möbel .... 863. 461
Speisezimmer 459
Wille, Fla. Kissen und Decke ... 841
— Rudolf und Fla. Sofa 842
Wohnzimmer 348
Willumsen, J. F. Zinnvase .... 245
Winig, P. Bahnhof Prinzenstrasse . . 236
Kraftwerk ......... 239
Witzmann, C. Kaminecke 454
— — Speisezimmer 458
Wolffensteln, R. Bahnhof Nollendorfplau 234
Pfeiler 242
Woodward, Alice A. Buchillustration . 812
Wrba, Georg. Brunnenmodell . . . 865
Wylle, Samuel. Sekretär 412
Zelezny, Franz. Holzschnitzerei . . . 460
Sach-Register
Agraffe 419
Alune 87
Anrichteschrank 20
Architekturen 2—6 60—66. 82— M8. 122.
128. 126. 166. 157. 160. 167. 168. 179.
180. 182. 198-195. 288-889. 882 bis
886. 390. 893-899. 484. 435
SACH-REGISTER
Seite
Aschenschalen 326. 850
Aschenurne 77
Atelier 82
Ausstellungsgebäude des «Hsgenbund*
271. 272
Ausstellungsstände, Ausstellungssaal 214. 440
Bänke 23. 75. 208. 423. 465
Becher 137. 469
Beleuchtungskörper 46. 104-110. 138.
140—142. 184-187. 346. 847. 411 416. 468
Bestecke 25
Bettbezug 88
Betten »6. 202. 209. 345. 464
Bismarckdenkmal am Starnbergersee
162-166
Blumenkübel 823
Blumenschale 328
Blumenständer . . . 142. 322. 323. 860
Blumentischchen 409
Bowlen 322. 469
Bronzearbeiten 5. 6 11. 16. 137. 139.
180. 248. 260 349-351. 470
Broschen 67. 265. 326. 338
Brunnen (siehe auch Wandbnmnen) 87.
154. 155. 183 222-226
Brunnenmodelle 864—369
Bucheinbände . .192. 263. 835. 870-372
Buchillustrationen u. Buchschmuck 1.
3. 22. 23. 46-48 8U. 81. 99. 100. 224.
261—256. 272-820
Bücherschränke . 60. 64. 65. 200. 361. 408
Büffets *2l. 94. 408
Cakesdose 326
Credenz 428. 430
Dekorationsmalereien 206. 207. 210. 836. 837
Dielen S. 90. 91
Dosen 1J7. 469
Bisenarbeiten 5. 6. I4l. 181. 234.
240-244. 2C9. 327. 354. 468
Empfangshallen 436—439
Entwürfe u. Skizzen 168 159. 161. 168.
170. 175—178. 211-213. 227-232. 270.
321-325. 327-380. 388—836. 340
Ex LIbrIs 216
Pächer 463
Fensterumrahmung 183. 886
Flügel 12. 18
Frauenkleider 44 259
Friese 57. 95
Fruchtschale 850
Füllungen (siehe auch Paneele) 121. 124. Ifi9
Fussbodenbelag 68
Oarderobemöbel 74. 853
Gasöfen 378—380
Gerässmalercien, Griechische . . 116—120
Geländer, Eiseme 242. 248
Gemälde, Dekoratives 267
Gläser . ' . . . 24. 180 134. 188. 189
Glasmosaik 17
Glasscheiben 219. 410
Grabdenkmäler 49. 76. 78 215. 833.
348. 891
Grabmal-Figur 392
— -Platte 849
Gürtelschliessen 67. 2-i9. 261. 265. 266.
340. 419
Hallen 197. 271. 387. 455
Hängetuch 102
Hausei n^nge 5. 6. 52. 54. 88. 168. 180.
182. 194. 884. 895. 899
Heizkörperverkleidungen . 7. 34. 354. 381
Hochbahn, Die elektrische in Berlin 233—244
Holzsäulen , ... 829
Seite
Jahrzeitlampe, Jüdische 245
Jardinieren .... 247. 328. •i62. 469
Kaffeeservice 246 .^25
Kamine 43. 72. 128. 199. 201. 205. 831. 481
Kaminecken 444. 454
Kämme 67. 2l9. 338
Kanne 246
Kassetten 73. 271
Keramik 47. 324. 422. 424—427. 438.
439. 460. 467. 470. 471
Kirche in Schwablng 167—175
Kissen ... 59. 257. 258. 261. 841. 415
Kleiderhaken 141
Knäuelbecher 828. 329
Kohleninselproiekt 176—178
Küche 45
Kunstsalon 70
Kupferarbeiten 137. 204. 247. 322. 323.
826. 876. 377. 418
Lampen 109. 138. 140. 112. 18>-187.
196. 204. 250. 269
Landhäuser .... 156. 157. 193-195
Leuchter 11. 110. 186. 189. 187. 191.
248. 250 269. 324. 827. 470. 471
Liqueurschrank 184
Mappen 834. 463
Mappenschrank 144
Messingarbeiten . . 245. 247—250. 827
Metallarbeiten (siehe auch unter den ein-
aelnen Materialien) 137. 189. 141. 142.
190. 191. 245. 247-250. 827
Möbelstoff 69
Modelle. . . 158. 216. 883. 352. 864-869
Nachttischchen 90. 845. 860
Notenpult 11
Ofenthüren 425. 426
Ohrringe 874
Palmenständer 322. 323. 360
Paneele . .58. 217. 218. 220. 221. 401. 410
Pfefferbüchse 247
Pfeiler und Säulen 171-174 238. 240-244
Plafonds 84. 175. 337. 452
Porule 168. 180—182
Portlere 96
Porzellan 19. 466
Posamentierarbeiten 388
Projekt zur Bebauung des Karlsplatzes
in Wien 419-121
Puderdose 828
Radierungen 148—152
Rahmen 248. 266. 332. 877
Reliefs 162. 164—169
Salzbüchse 247
Schachfiguren 873
Schalen . . . 246. 262. 850. 426. 462. 471
Schirmständer 189. 449
Schmuck 67. 249. 261. 265. 266. 888.
340. 874. 875. 419
Schränke 20. 28. 29. 43. 68. 78. 99. 181.
184. 204. 209. 845. 368. 417. 423. 428. 472
Schrankdetail 442
Schreibtische 145. 862
Schreibzeug 66. 270
Schulhäuser 160. 179
Schüssel 466
Seidenstoffe 68
Sekretäre . 80. 62. 363. 404. 405. 407. 412
Serviertischchen 182
Sessel 15. 27. 84. 858. 356. 3C0. 403. 416. 464
Silberarbeiten 25. 66. 187. 217. 220. 221.
245 246. 249. 261-266. 326. 419. 469
Siiberschrank 131
Seite
Skulpturen ... 79. 80. 164. 380. 181
Sofas 98. 342
Sparbüchse 246
Spiegel . . 66. 132. 2o3 2U8. 266. 844.
358. 877. 409. 461
Spiegeltisch 39
Spieltische 15. 181
Spitzenmuster 389
Statuetten 851. 462
Stickereien . .57. 59. 102. 267-261.
884. 415. 449
Stühle . . 22. 75. 131. 882. 344. 416. 464
Stützen, Eiserne 240-244
Supraporte 438
Tapeten 95. 146. 147. 418
Tasse 466
Taufbecken 246
Teller 821. 466
Teppiche 97. 101. 103
Theekanne ... 466
Theeservice 825. 418
Theetlsche 416. 460
Thongeßsse 824
Thüren 16. 30. 88. 166
Thürgriffe 47
Tintenfässer . 66. 248. 270. 271. 469. 470
Tische . 15. 8n. 65. 74. 181. 198. 844. 856
Tischdecken .... 2)7. 259 260. 841
Toiletteschrilnkchen 461
Toiiette-Tische 39. 844. 856
Treppen . . . . 8. 83. 90. 91. 196. 197
Truhe 880
Uhren 62. 376. 412. 417
Vasen . 245. 250. 262. 324. 852. 418.
427. 467. 470. 471
Vasenbilder, Griechische 120
Velours 69
Veranda 115
Visitenkartenschale 246
Vorhänge 14. 221
Vorräume 124. 125. 449
Vorstecknadeln 838
V^andbehang 67. 418. 415
Wandbrunnen 422. 424. 431
Wanddekorationen 78. 80. 2o6. 207. 210.
836. 387. 438. 487
Wandschirme . . . . 74. 402 406. 409
Wandschränkchen 361. 461
Warenschrank 71
Waschbecken 442
Waschtische 89. 43. 92. 844
Weinkühler 189. 823. 856
Wirkereien 101. 108
Zeichnungen 78. 80. 98. 121-123. 156.
194. 414. 419—421
Zigarrenbecher 245
Zigarrenschrank 184
Zimmer, Arbeits- .... 61. 367. 448
— Bade- 465
— Biblioihek- 88. 111. 145
— Billard- 114. 869
— Damen- 26. 81
— Gäsie- 42
— Herren- 128. 129
— Kinder- 198
— Musik- 9. 10
— Schlaf- 85. 37. 4u. 41. 89. 90. 92.
188. 844. 815. 858. 447
— Speise- 18. 118. 126. 127. 128. 185. 855
£59. 888. 441. 448. 450. 451. 456. 458. 469
— Wohn- 112. 20J. 348. 400. 401. 408.
429. 444-446. 449. 457
Zinnarbeiten . 190. 191. 245—243. 2j0. 821
Zuckerlöffel 264
Zündholzständer ... . . 826
I PcrcR BefjRens \
Das Haus Behrens • Tlori-Vittt-Stitt
ro pereR BecRens &i
ro pereR BajRens
I pereR BeijRens i
Hauptdngang * Cifmir thüre mit Befdilag aus Rlumtnium-
tironie • RusgrfUhrt von C. H. £. C<|9ers, Hamburg ••••••
ro pereR BCßRens c>i
Heizhörperoerhleidung • Rusgeföhrt oon C. H. t. eggrrs, Hamburg
gottcsfreubigen Haturen alle fogenannten
emigen IPertc herporgcbracfit. Den groüen
Cinreitigtteiten, 6en oon einer fruditbaren
Eebensibee Fanatiflerten allein gelingt Blei=
benbes; oiährenb ber kluge, unterljaltratne
3meffel nur mit ber öegentoart zu ttfan bat.
IPir Kinber einer Cpod]e, beren Cenzrtimmung
ben Cl)aratiter melandiolirdjen ^erbflroetters
hat, fch^n uns im Üebensfpiegel ber Kunft
zcDiefadjen Crkenntnismanireftationen gegen=
Ober ; bie bllbenbe Kraft ift [ozial in zipei Tager
geteilt. In bem einen ftelien bie Skeptilrer, bie
Im Jmelfei DerztDei feiten, beren eingeborenes
Begeirterungsgerütii in Crtienntnisbrang um=
gefdilagen ift ; In bem anbern bie Optlmiften,
beren SdiOnheitsfreube alle CrnQdjterungen
bes Cebens flegrefd) überbauert bat. lebe ber
Parteien behauptet einen Pol bes Tebens ; ba-:
zajifcben hreift bie ganze mDralifctje IDelt. Die
eine jleht bas SdiOne, bas eroig i[t ; bie anbere
ben Öraus unb bie Qual, bie perganglld) flnb.
Die Pefnmirten haben bas große mitleiben unb
ben Fatalismus, benen ein fd]arfer Oerftanb
rtets neue rct)re(kliche llahrung zuffilirt ; bie
Optimiften [inb erfüllt oon Eebenshoffnungen,
benen bas jung ober oft auch i^inblidi blinb
gebliebene Qerz immer frifdie Quellen er=
fchliejjl. Jene verneinen bie trabitionellen
IDcrte unb häufen mit unenblidjer mühfal
taufenb kleine IDahrheiten auf, in benen allen
fie Sd]6nlieit fehen ; biefe aber ftreben nur
nadi ber einen großen, alles umfaffenben
SdiOnheit, In ber fie eine hOhf^re IDahrlieit er»
kennen. Cs ift kein 3n7eifel : beibe nnfchau=
ungsroeifen brängen bemfelben fernen 3iele
zu; aber jeljt ftehen fif Hd) feinbiid) nod)
gegenüber unb forbem Don bem 3aubernben
in {ebem einzelnen Fall Parteinahme. Die
Arbeit ber Skeptiker ift fchneil perftanblid)
unb giebt bem Öeifte bas DergnQgen ber
flnalyfe, cDährenb ihr letztes 3iel faft uner»
kennbar bleibt ; bas Sdjaffen ber Optimiften ift
in ben 3ielen klarer, ftehl aber im einzelnen
nur feiten auf ber f}0\je bes großen fPollens.
rQ pereR seiiRens i
Dirle * Moraitt-FuQbodm von Uilleroij & Bo(h, Mettiadi
XreppCTi-6eUnder oon R. Bemhart in Mainz ausgeführt
1
I
3
M
3
ro percR BeriRens 01
stand leuditer aus
Rlutniniumbrome
Tlotcnpult aus
Bimbaumholi
Die Perrtanbesnaturen kOnpcn nEchl anbers,
als Hei) ber kriHrdjen Richtung anfctiließen ;
bie £nipfinbramen neigen ber anbem Seite zu.
So kommt es, baß ber 3[peEfcl, burdi Die ihm
zur Derfägung ftehenben krärtigeren 1ntelli=
genzen, befTer Derteibigt ift, als bie pon oft
unreifen Inftintrten bebiente 3uperf1d)t.
IDenn rolr biefe beiben Strömungen Jet}t
ziemlfd] klar fdieiben kOnnen, uerbanken mir
es bcm Überblick, ben Die neue Beipegung in
ben angeroanbten KQnften ermOglid]t hat. IDIr
haben bie ITIehrzahl ber bort thatigen KQnftler
als nialer beginnen fehen - als malenbe
Poeten, flicht einer oon ihnen war oon ijerzen
riaturalirt; alle gaben fi? bas Symbol unb
gingen jene IDege, auf benen BOcktin pegenb
norangefchritten Ift. Riemerfchmib malte einen
„6arten in £ben", Behrens feinen „Traum",
Cckmanns frühe Tanbfchaften gaben poetifche
Stimm ungsroerte, nicht atmofpbarifdie, Cei=
ftikoro fteigeil Einien unb färben ber ranb-:
fchaft pathetird], Cnbell, Cedjter, öbrift: bei
allen ift bas romantifche Clement ficher nach=
zuipeifen. Dasfelbe Sdiaufpiel toieberhoit fith
bei einem Künftler roie DIbrich, unb r<zlbft
Chriftianfen unb Bürik geben (ich mit mehr
ober roeniger 6lfl(k pathetifch- Rls eine gro^e
Familie präfentlert Od] fo bie Sdjar, ber tcir
11
ro percR BeöKens 01
Tt&gcl • Husgeführt uon Sdiiedmayer, Stuttgart
t)ic Crneuerung unferes fiaufes [rerbanken.
Kein [Iditbares gcirtiges Banb fdjcint ihr IDca!
mit ben nnfctiauungstDcifcn zu perblnben, bie
burdi nainen wie Eiebermann ober - um Das
Problem [nternational zu nelimen - ITIanel
bezeidinet ojerben. nur Dan be Oelbc unb bie
Belgier tjängen mit bem Imprefflonismus zu=
fammen - pon feiten bes Perftanbes. In oan
be Pelbc ift eine feltenc Ijarmonie pon Intel=
letrt unb öefOt]!, pon Bnalyfe unb Synttiefe.
Diefes mifdiungsaerliaitnis erklärt feine an=
regenbe, Qberragenbe Bilbnertiraft unb. be»
[Deift zugleidi, baß bie beiben KunftftrOmungen
ber eegentoarl einen Pereinigungspunkt
fudien, it)n jeljt aber nur )jin unb roleber in
feltenen 6enies finben. Der Unterfdiieb liegt
pielleidit nur Im Tempo berCntroicklung. Die
Poeten eilen zu Refultaten. finb blinb für alle
foziaiaftt]etirct)en ^inberniffe, bie fid] bem
Ibeal barmonifd^er Cebensgeftaltung ent^^
gegentürmen ; bie Profaiker bagegen roollen
keinen 3[i>eifel Ijinter fid] laffen unb begnügen
I Peres BCßRens c^i
Tlügd • Rusgefahrt uon Sdiicdmayer, Stuttgart
rid) mit ber tjerdieibeneren Hrbeit, bem Cuft=
fdjloß ber Sdi([>armenbcn eine MW 6run6»
mauer zu ziehen.
- Kultur irirb nur mit 6lauben gemadit, nid]t
mit IDilTen; aber es muß ein ölaube Tcin,
ber bes [Piffens Ijerr zu merben meiü. Der
beterminierenben Kunft. \o notnienbig f!e ift,
l]aftet etoias Unreines an, [le (Oft Perftanbes=i
Operationen aus, nidjt fdjOne CDallungen;
bie nialer unferer neuen arct)itelTtonirct)en Be=
weguaq flnb bagegen oon einem Seift erfültl,
berreligiöfen Charakter t]at.T1usit)ren merken
fpridit bie Sehnfud^t nad] ber fjarmonfe unb
it)r Unternetjmen, ber gemanbelten unb {\dj
manbeinben nTenfä^beit roürbige lieimCtätten
zu rdjaffeti, ift eine Konsequenz foldjer Seljn=
fud]t. Sie bleiben il]rem öefOlil treu, audi
roenn fle lldi mit ganz profanen Dingen be=
fdjäftigen, benn fie erheben basGeringfteburd]
bie Ibee zur ijOlie ihrer Forberungen. Die nna=
t3
ro percR Bef}Rens 01
Fmftenjorhang im Mufikzimmcr .......
Rusgeführt oon Paulme Braun, DarmOadt
i pereR BeaRens c>i
Sptdtirdi
Rusgtführt von L J. Peter, TIannheJm
lytiker aber. Die nur „reine Kunft" treiben,
ziehen bas Ciliabene Tclbrt auf bie Stufe bes
taflenben 3iDeifels herab. Dennoch Eft treines
biefer belben Elemente ftark genug bas anbere
zu amalgamleren.
£s ift alfo nichts Seringeres als bas tieffte
Kulturproblem , unter beffen Antrieb bie
Künftler, benen roir eine Cmeuerung ber
architchtonifchen KQnfte perbanlren, arbeiten.
Unzatrlige Inbbibualitäten finb am IPerti;
innerlich perbinbet fl^ boch berfelbe Drang.
Jeber pfeift fein rieb auf eigene tOelfe ; alte
Stimmen hllngen gut zufammen unb geben
eine Hrt oon pDrfrQhlingsftimmung. CIne
Cofung ift nicht ausgegeben, einer roeiß oft
nidits pon bem anbern ; trotrbem ift bie TiTan=
nigfaltigkeit eine organiperte Hrbeltstellung.
Hm oiertoDliften muß uns ber ITIann fein,
ber mit vollem BeEDußtfein bie Konfequenzen
eines flbermaditigen 6ef0hls zu ziehen per^
fucht. Denn er fetjt bie Intelligenz poraus, bie
telber fo plelen inftinktkräftigen Begabungen
fehlt. Im allgemeinen herrfdjt ein arges niifj=
perhaitnis Don [Dollen unb Können unb barum
geiDinnt bie Ibee, In unferer f keptifchen, fpott»
füchtigen 3eit nur langfam Boben. es ift
ITtanget an [pud)tig überzeugenbenthatfachen.
]e grOl^er eine Ibee ift, befto größeren In^
halt forbert fie. auch Im Einzelnen ; |e hOher
bas Pathos fteigt, befto leichter ftrauchett es
über bie Phrafe. Der Kflnftler, ber oollen
Qerzens bas Ibeal perlrünbet, bebarf eines
unenblichen geftaltenben 6enies, um bre er-
ipartenbzu ihmTlufblidrenbenzubefrleblgen;
ober boch einer fehr klugen unb beiDuüten
nTaüigung, bie Innerhalb engerer Grenzen
relbftherrlid) zu regieren perfteht.
Ein feltenes Belfpiel biefer letzteren Gattung
ift Peter Behrens. IPenn leber fein Talent
fo nüt}te, roie biefer ernfthafte Künftler, fo
konfequent unb maj^poil, iPcIre bie Gefahr ber
3erfplltterung für bas Heue kaum oorhanben.
£s giebt unter ben beutfchen llutjkQnftiern
manche, beren Erfinbung reldier fließt; ben=
nod} muß Behrens zuerft genannt werben,
wo es (ich um bie frage ber Führerfdjaft
hanbelt, meil er por fllien es perftanben hat.
aus bem Chaos eine f)armon!e abzufonbem.
Cr giebt ben Beweis, bajj man auch ohne
hinreißenbe Genialität ein Ganzes herpor»
bringen Irann.
ro pereR se^Rens .
Sdtkbethür aus Rluminiumbrotue .....
Rusgeführl uon C. H. £. Eggcrs, Hamburg
Seine errten Hrbeiten toaren nldjr fa5cl= l^lick fdiien es. als ob er in bie 6efolgf(t)aft
nierenb; man Ijatte zwar ben Cinbruck eines bes Belgiers geraten fei; aber plOt;lid) bat er
großen menrdjIidienunbkanrtlerifdjenEmfles, {l(t] bann los gemadjt unb ganz, im (Dollen
aber aud)ben einer mQtifamen.rditperblQtigen unb Dollbringen, Den eigenen tTeg gefunben.
Crfinbung. Für biefe llatur lag bie öefatir Talente zu t)aben ift kein Derbienrt; bicres
nahe,inil)rerFormenrpraclicDonaußenbeeJn= beginnt erft, toznn es ihrem Träger gelingt,
flußt zu merben ; oor allem Don pan be Pelbe, burd] eiferne Selbftzudit bas £belmetall aus
[Teil berren Scftmuckprinzipien im a}e\znt= bem £rz zu geroinnen unb jlcb zu einer
lictjen auch bie feinen flnb. Cinen nugen= Eeirtungsfahigkeit hinauf zu trainieren, bie
r<3 pereR BeijRens i
eUsmofaih im Rusgrführt von Dtüeroii
Nufiluiminer • & BoA, Mettladt • • • • *
DCKORnnUE KUnST.
1
ro percR Be()Rens oi
Ponellan • Husgeführt von 6ebr. Baufdier, Ueidm i. B.
bcm aufs 6anze gcrlditeten IDollen in frder
Unterircrfung gel)Drd]t. Bctircns ftsd^te fid]
fein 3iel bod)- Um bic getragene Stimmung
Domct)mcr Rulje, bic it)m natQriidi ift, kQnft-
lerifd] einzutreiben, bebarf es ard)itet{to=
nifdier Bilbungen, bie Dollftanbig gereinigt
finb Dom niaterielUCbarakteriftifchen, pon
allem £igentpilligen unb launentiaflcn, bas
im Ornamentalen \o leidit Selegenbeilen auf=
zufpüren oreil^. Der 6eroi]lszurtanb, ber bas
Ceben mufittalifdi zu empfinbentraditet, feann
In einer felbftgefctiaFfenen Umgebung nur
breite harmonifdie Unterlagen bulben, nur
einfädle, polle Klänge. Bel]rens' Kunft wiW
nid)t bic nemcn zu traftigcn, fut'Ulen 6e=
nQflen anreizen, flc foll bem (Dillen (reber
3Qgel fein, nodi Peitfdie unb Sporn; aber
bort wo lüenfdjen mit „iäfflgen Hluskeln
unb abgcfctiirrtem IDillen", im lädielnben Be=
[Dußtrein ber Kraft fnelobien zu finncn iDiKcn,
[Pill fic bicfcm frcunMid]en Spiel ben rulienben
Orgclpunkt fdiaffcn. So fliegen aus ber l^anb
bicfcs cmftcn nienfdicn mit ber frOt)lict)cn
6runbftimmung abftrakte Ornamente, bie nur
bas nilgemeine geben, geometrifdie Bilbungen
mit breitem Rl]t|tl]mus, Einien, bie bas 6c=>
tüW ardjitektonifdier Sidiertieit iradirufcn.
£s ift keine Frage, ba^ bie lllannigfaltigkcit
ber Ornamente oicl größer fein könnte; aber
bic reidie Parietal ift nur bann eine Tugenb,
oienn eine ziPcdtDolic künftterifdie Orbnung
He zu beherrfdien nerftcht. IDas Behrens
Porzfllan • RusgefQhrt uon 6t\>r. Baurdicr. Uddcn i. B.
19 !•
I pereR BeiiRens oi
Hnriihterdiranli • Husgeführt
Don 3. D. Hnimann, Hamburg
ftark madjt ift feine freie Selbftbcfdiranbung, burd] Öie könCtlerlfdie mafiigung, für tite er
unb baß in feiner Kunft nichts zufällig be= pdl. in genauer Kenntnis ber 6renzen feines
koratiD fft, fonbern alles ardillektonifdr be= Talentes, entfd]iebcn tiat unb bie eine mit
ftimmt. nie reißt itjn bie eitle Treube über bödiftem maßftab arbeitenbe Disziplin ibm
einen erften glQdtlidien debanken zu fold) zur zweiten flatur gemadit bat. Darum beirrt
nieblidiem Stückroerk t}in, wie es im Ober= ibn keine bekabcntc Reizung, er Ift in jeber
maß, kreuz unb quer, burd] bie Publikationen ITIinute gebammelt ben Blick aufs IDefentlid)e
ber neuen angeiranbten Kunft flattert. Cr zu rid)ten.
irill ein Sanzes, unb bas 6anze gelingt il^m TTidit oft gefd]iel]t es, baß man oon einem
ro percR BeijRens 01
BfifTet • Rusgeführt con 3. D. Hofmann, tiamburg
bilbent)cnKOnftlerberiditcnkann, beffcnKunrt malen Crfinbungskrafr bas fIttHdie IPollen
pon reiner Pcltanfcliauung untrennbar fft. unb es \\t gut, erft ben Seift kennen zu
6ar liäuflg liegt zcDifdien Talent unb rebens= lernen, ber bas fdröne f)aus in Darmftabt
Fülirung eine breite Kluft. In ber alle öelfter erbad]t t)at, bepor wir biefcs betreten,
bes Instinkts kaufen unb mühfam ben uncr:: Bebrens ift bemCmpfinben nad] Hriftokrat;
läßlidien Derketir berQber unb tilnäbec aur= com rozialeninitleiben,basromanct)enKOnrt=
recl]t erhalten. Bei Behrens gel)firt zur for= ler peinigt unb Tcben wie Sdiaffen pcrgailt,
ro percR BerjRens 01
Damen- und Hcrrcnnuhl aus dnn Speircjjmmer
wtifi fein Empflnben nidits. Das mag fdriDaclic
Seelen gegen ibn einnehmen, meil es „un=
gered)!" crfdielnt ; mit Sereditigtrelt bat eine
ftarke Kunft jebod) nie zu tljun, (^onbern nur
mit machtbeipußtfein. ITIan kann auch als
IHitleibiger ein großer menfd] fein; boct)
Kunfttoerte bringt man auf biefem IDcge
nidit bcrpor. IPer r^haffenb zu Rcfultaten
kommen ipill, muß Partei nel]men unb in
eines ber Cager gelien, loorin bie moberne
Kunftentipi(klung geteilt ift, mu^ fitt) ent=
ipeber zu benen bekennen, bie man bie gotifche
6ruppe nennen kann(Tolfloi, Kuskin, ITIorris
u. \. w.) ober fid] t>em ftalllliarten liellenis=
mus anrdiließen, bellen oornelirnfter Sprecher
nietTfctje mar. ITIan kann auf beiben Seiten
Großes leiften - bort als Prophet, hier als
KÜnftler - muß Hd) aber F^r einen feften
Stanbpunkt in feinem Serohl enlfdieiben.
naturen, in benen ber zcpiefpältige Drang
mächtig irt - bas Hnb z. B. alle krilifchen
öeifter -, werben impotent. Behrens' flrl
tpar fQr bie RnrchauungsiDeire. bie am heften
burch ben (Tarnen nie^r<hc bezeichnet tpirb,
präbeftinEert. Die Qrunbftimmung ift ein
optimiftifchcr Egoismus Im heften Sinne, her
kOnftlerifch oiel fruchtbarer ift als ber ganze
nitruismus mit feiner befkriptioen (Oehmut.
Bei ber eigenen Perfönlicbkcit beginnt biefe
gefunbe Ichfucht, mit ben hohen Forberungen
foipohl als mit bem SlückbebQrfnis. Behrens'
Jafagen klingt fo ftark unb rein, baß er
prachtvolle f^elmftälten feinen BebOrfntfTen
nach fiarmonie bauen kann, (jl^r ift nichts
mehr tron nachchriftlicher Opferfreubigkeit
unb HTdrtyrerftlmmung: h^Uenifche Dafelns^
luft, ber es fogar nicht an naioetät gebricht,
ift roieber am IPerk, ftellt kQhn eine freie
Schöpfung ins Getriebe unferer Tage unb
Qberiaßt bie (Dirkungen fich felbft, bem 3ufall,
ber TTotEpenbigkeit - w'\e es immer fei. Der
ITIitleibige umfaßt bie ganze IPelt mit fchccachen
ITtenrchenarmen unb möchte fle zu einem engen
Punkte bes Qeils hinleiten, ber Jafager, bie
fjerrennatur, fchafft einen Punkt ber Doll=
kommcnheit unb tpirkt burch bas konkrete
22
ro percR BeijRens oi
Banh aus drm Sprifeiimmer
Bcffpiel, zuerst auf engere 31rkel, bann auf
immer CDcEtere Kreife.
Eines freilld) Darf nidil perfdiipiegen
werben: keine Kunft braucht notmenbiger
Refonanz als biefe freiefte ; ein allgemeiner,
ftobgemuter Sd]OnJ)Citsfinn, eine gefunbe
Eebenskunft mu|| ben KQnftler tragen. In
3eiten [ozialer IRifere, cdo alles Reine be=
fubelt rolrb von bem Fliegengefdimel^ alh
täglidier Bebenirlichkeiten, Derkel^rt flctl bie
natpe 6enußfreubigkeit, Me, itirer flatur
zumibcr, auf Cinfamkeit gemieren ipirb, gar
zu leld]t in eourmanbife. Um bie Sdiönljeit
als einzigen Kult auf bie Dauer ertragen zu
können, muß ber Känftler fld) {eben Tag mit
feinem Dolhe begegnen; er barf in3eiten roie
bie unfern, nid]t inne baiten im Kampf, felbft
roenn er für fein Teil Sieg erkämpft l]at.
Soroeit Beljrens in Frage kommt bürgt gerabe
fein kQnftlerifd^er Egoismus für bie I0eiter=
entan'cklung. Denn fein i7ornel]mfter tPunfcti
Eft es, ein gleidimäj^iges, l]0l]eres flipeau
fdiaffen zu Ijelfen, ein Kulturmilieu, in bem
er fich natürlich bemegen kann roieberPogel
in ber Cufr. Er bat ben lebhaften tPunfcb, zu
zeigen, baß biefe Hrt oon febensanfdiauung
nicht ben ^u^us, ben Reichtum Dorausfetjt,
fonbern baß auch bas befcheibenfte £ebens=
milieu ettoas oon ber QfQrbe künftlerifchen
Seiftes haben kann. Ein Cieblingsgebanke
bes Kßnftlers geht bahin, an konkreten Bei-:
fpielen zu zeigen, mie man bie einfachste
praktifche Hrchitektur ^el geftaiten kann,
wie ein ganzes Interieur mit nicht erhöhtem
Bubget harmonifch zu orbnen ift. -
Die Barbarei unferer3eit, entftanben burch
foziale Überanftrengung ber POIker, mußte
eines Tages Reaktionen hervorrufen. Die Er=
kenntnis, baß bem Ceben roieber ein Sinn ge=
geben merben muß, bricht fich immer energ{=
fther Bahn unb man erroartet nun bas er=
löfenbe (Dort, worauf fo piele fehnfuchtsooll
harren. Don ben Cippen ber fllufe. Das I7er=
langen nach Bnbetung, nach einem fcften Per=
hältnis zu ben einigen IRyfterien finbet kein
anberes niebium als bie Kunfl, unb bebenkt
nicht, baß auch bem KOnftler ein Symbol ber
\ pereR aeiiRens 01
lihlqMttr • Rusgeführt von der Rhcinirihen
Glashütten R.-&. Köln-Ehrenfeld
Anbetung feblt, oline ttas \em reidiftes em=
pfinben fid] DcrflQditigcn mu^. In ttlaren
CDorten kann Tliemanb Tagen, coas er fetint;
über bas Inftinktipe kommen bie Beften nidit
hinaus, man „betet zum Eeben"! Das ge=
nQgt ber kleinen Schar kultioiertefter ln=
telligenzen, bie taufenbCntzüdrungen in biefen
Dlortcn zurammcnprefTen ; aber es bleibt ein
Sektenkultus. Immerhin! Das (Pefentliche
fft, ba|^ bas Dafein enblich CDfcber als Ireilfges
6rlcbn(s aufgefaßt mirb. Schaffen wir Keime
unb möge bie Sonne ber 3eit fie reifen.
Die mehrzahl ber Künftlcr kommt freilich
nur bis zur rtjeorie; biefe [inb roie Pferbe,
bie IPein fahren unb [Paffer faufcn. Ihre
Ibccn finb groß unb gut; ihr Eeben aber
meift ebenfo philifterhaft trQbe, ipie bas bes
QeDatter fjanbfchuh machen Die Kunftcoerkc,
bie ber großen Ijarmonie bienen follen, orerben
gar zu oft einzeln, ohne 3ufammenhang mit
bcm ibealcn Ccbcnsgebanken angefertigt ; es
fehlt bie Folgerichtigkeit, bie ber Echre bas
Erlebnis folgen laßt.
Behrens hat bie Ibce zur Eebenskunft er=
hoben. Eine glückliche Peranlagung, bie bie
3cDe!fetrucht faft nicht kennt, befähigt ihn ba,
wo Rnbere (Ich nur ruckroeife zur freube er=
heben, eine ftetige Cmpfinbung oon ber IPÜrbe
bes Eebens In fich zu unterhalten unb alles
i)anbelnDonberStimmungfeftlicher3uoernctit
leiten zu laffen. Cin foldier 3uftanb, roenn
er, n7ie hier, ungefucht erfcheint, muß bem
Träger unb feiner Kunft treniußte Ruhe mit=
teilen, eine Haltung, bie gegen bie zappeligen
nilQren mobcrner iFIenfchen roie Pathos tDirkt.
Unb hier ift ber Punkt, wo ber „6ebllbetc"
ftutrt. nichts ift perbathtlger als Pathos.
Im Theater, im „Spiegel unferer Sitten",
iperben erhabene (Porte nur noch mit ben
Ijanbcn in ber fiofentafche gcfprochen; bie
Sdiaufpielerin, bie nch- bei einer Tirabe ober
bie Schönheit, nicht ben Kopf kra^t, fcheint
bem richten ben Publikum nicht „toahr" zu fein.
Perfe? Um hinimelsroilten! wie unnatQrlid).
nie zeigten ITtenfchen iDenlger tPfirbe in
ihrem Auftreten, als bie ber 6egeniDart. Das
hymnifche Clement ift ganz oerkQmmert. Unb
boch ift nichts hoffnungsvoller als gerabe bie
dcfühlsroallung, bie fid), wie unter einem
3iDang,großernusbru(ksfonnen bebient. Das
Pathos ift bie Sprache ber lllufionsfahfgkeit,
bes 6laubens an ein Ibeal. Hur kinblid)e
nienfchen, bie noch heroifch zu empfinbcn
(Diffen, nnb pathctifch ; nur Begeifterte benkcn
rhythmifch : bionafifcher Seift braucht bithy»
rambifchc Form.
Doch bie fruchtbarften SefOhle finb audi
bie empHnblichften. Die Ciebe beoieift es.
ra percR BerjRens c^i
Silbtrbertcdie • Rusgeführt uon 1*1. J. Rüdicrt in Malm
Steht bcr Intellekt nld]t auf ber fjöbc bcs
6efQI]ls, \o ift gkid] ein mitklang Dorbanben,
bcr ins Cacbcrllctie arcift. Darum gicbt es
\o Diele Perkchilbeitcn in bcr neuen Kunrt=
bctpcgung. Part alle unfcre nutfttßnrtler flnb
mehr ober ipenigcr Palhetlker ; aber mciftens
reidjt ber Perftanb nidjt, ber beroirdie nuf=
[oanb [Dirb unnät; uertban, bie grolle 6ebarbe
iDirb zur Farce.
Bebrens hat bas SIeldigeipidit gefunben.
Seine Kunft ift pathctifd] coeil fis Rhythmus
hat, jle rtilin^tl ipeil (ie mufüralifcbe IPIrkungen
anftrebt. Sie fagte niemals CrfdiOttembes,
aber ftets Bebeutenbes ; Ihr ift eine oon Rerzen
kommenbe, leis priefterliche 6ebdrbe eigen,
roenn Ihr auch bas fanatifche 6enie fehlt,
bas auf ben Sinai fteigt um neue 6cfct}es=
tafeln.
3ur nbrunbung unb reinen form ift Behrens
Schritt fflr Schritt, burd] unabiaffige Selbft=
bisziplin gekommen, noch oor einem )ahr
hätte man nicht geglaubt, baß er eine Teiftung,
roie fein f^aus in Darmftabt ift, oollbringen
könnte. }et}t erkennt man erft, oriecrlcl ber
nfenfch bem KQnftler geirorbcn ift, wiz febr
bie ipröbe Begabung am IDillcn erftarkt ift.
Das Qaus zeugt in jcber form pon ber
Art bes Crbauers. Der örunbriß ift nach
Grunbfätfen entftanben, bie hoch Ober allen
BEKOIUinDE Kunsi. V. I.
neuzeitlichen IBoben ftehen. €s ift nid]t Buf»
gäbe berBaukunft unb beipeift burd^aus nicht
lobensroerte Originalität, roenn bcr nrdjitekl
iebes kleinliche StImmungsbebürfnis unb {ebe
arinkellaune Im drunbriß berOckflchtigt. Die
ardiitektonifdie Kunft barf boch a>o\)l n{d]t
zur Sklavin von Snobempfinbungen irgenb
melcher Rrt gemacht werbzn, fonbern follte
burd] ihre ITürbe ben Bewohner in jcbem
Hugenblidr zur Haltung ziningen; Ihn nidit
perleiten fid) achtlos gehen zu laffen, inbem
fie allen 6efühlchen Scbmollroinkel fdiafft,
fonbern ihn burd] ihre lebenbige Gzqenwart
an feinen IPert erinnern, Selbftbeherrfchung
Don ihm forbern unb eine Reprdfentation
im innerlichften Sinne. Solche 6ebanken
haben ben 6runbrlß bes Ijaufes Behrens ge^
bilbet. Die rid]tige fnifdiung Ift es, awnn
ber praktifche Bipeck eticas oom Ibeai In fidi
aufnimmt, roenn bas Ibeal fidi zroeckooll zu
äußern gelernt hat. I)ier ift fold] glückliche
Derfdimeizung gelungen. IDas in bem Kata=
log bes fiaufes Ober ben boppelten iandk
ber Treppen ftufen, bie Dom Hlufikzimmer Ins
Spetfezimmer führen, gefagt Ift, trifft bas
(Oefentlidjfte.
In gieidiem Sinne, ben materiellen unb
Ibeellen nutzen perfchmelzenb, ift bas fiaus
burdigebilbet. Das Perhältnis ber niebrfgen
t^ percR BeijRens cyi
Zimmer der Dame • Husgeführt von t. HIter. Darmdadt
Bfbllotbck zum hoben nrbeitszfmmer i\t
fuggeftfi^er Kaumempfinbung entfprungen,
bas Dollkommen Reparierte Frembenzimmer
mit bcm abgefdilDlTenen Balkon kommt ben
BebflrFniffen bes Benrohners mit freiefter
äaftlidikclt entgegen. Dicrelbe aftbctifdie
Bequcmlfdikeit iU in bcr Anlage bcr Sd)laf=
Zimmer erftrebt.
6anz natflriid] Tpiegelt H^ ber örunbrffi
Dergeiftigter Cebensgeinobnbetten im Rußem
bes tjaufes. Da im Innern keine IDtnkeN
gebanken am IDerk geroe^en finb. fehlt twr
Faffabe ganz jener kleinlidje erkerdjarakter,
ber fid) im mobemen Dillenbau \o unertrdg=
lid] breit mad]t unb )ebem zuzurufen fdjeinl:
ad], oTie wotfnt man bier gemOtlid) ! CInc
I pereR seiiRens i
emftc IDQrbc ergab fldl to'K oon felbft aus
bcrDispoHtfon ber inneren Kdume unb ipurbe
bann bemüht ardiitektonlfd] geftelgert. Trot;
berunganfUgen tage auf abfallenbem Terrain,
bas tiefer als bas Straßennioeau liegt, wSdt^t
bas Ijaus l)od) unb frei empor, roeil bie Der»
tikalen Pfeiler bie irTaffe fdilank madien unb
ber f}6]}Z optifd] ein Plus zufügen. Der
tektonifdie Charakter ift ftreng gemalirt, trotj=
bcm keine eigentlid] plaftifdien unb neuen
Bauformen uerroenbet wortzn flnb. Die
öegenirart ftellt ja gerabe bem Architekten
bie fd]a;erften Aufgaben. Keine ardjairtifdie
form Wirt me\)T gebulbet unb bod] [^erlangt
man tektonifd^e 6lieberung, nid)t malerifdie
Belebung ber Fläche. Heue Bauformen ent=
ip|(keln fid) aber unenblidi langfam ; 6ene=
rationen muffen baran arbeiten, oTeil fie ber
konzentriertefte Husbrudt ftatifctjcr Pbantafie,
bas reine Symbol bes innig empfunbenen
Sefetfes finb.
Das nad) biefer Rid]tung nod) febicnbe
beeintrdditigt freilid) febrroenig ben 6efamt=
einbrudr bes ijaufes. €s ift keine geringe
Kunft, mit einer gar nidjt ardjaiftifdien nrd)i=
teirtur, fo fuggeftip in ber Riditung eines
beftimmten (Dillens zu nrirircn. Dazu gehört
ber fidjerfle Inftinkt fQr teirtonifdie GefQhlS'^
[Dcrte unb bie roeifefte Beherrfdiung bes
eigenen Talentes, bas - unbisziplinlert -
gar zu gern alles Ulfiglidie bunt burd)=
einanber mirft, um zu zeigen, cras es kann.
Denfelben 6eift ungefuditer IDürbe finbet
man im Innern bes fjaufes. Die Kontrafte
können nidit ftarker fein ; bennod] geht ein
einheitlldjer Stil burdi alles unb leitet ben
Befudjer, fo baß bie in ben Räumen herDor=
gerufenen Stimmungen nie bas ITIafi über=
rd]reften, ipo bie Anregung, burd) zu un=
befdieibene nbfiditlid)keit bas eigene ftOrt.
3u einem merkioQrbigen Erlebnis mirb es
in biefem Ijaufe, baß man fiberall auf n(ht=
bare 3eid)en einer Trabition trifft. DIefes
nioment ift mlditig für bie Beurteilung bes
KQnftlers. Cs Ift nid)t bie öotik, oon ber
pan be Delbe prinzipiell, ober bas Roiroko,
Don bem fo mand^er nidits=:als=Ornament[ker
unbeiDußt ausgeht; bergleid]en ift Trabition
im roeiteften Sinne. Bei Behrens ift es mehr
SelTel Im Zimmer der Damr
Famiiienüberlieferung. Cr ftammt aus ber
alten Patrizierftabt Hamburg unb bie nieber=
beutfdie Sonberkuitur fit?t ihm als Erbteil
im Blute; er Ift aufgemachfen inmitten jener
ernfthaften norbbeutfäien Canbhäufer unb
StabtiDohnungen, bie fo egoiftifd) fein nad]
bem Sinne eines henfdienben Stanbes burd]=>
gebilbet flnb. Cebensgemohnheiten foldjer
reute, bie fixier bas Dafeln zu (iberfdjauen
[Dußten, haben ben Typ bes Patrizierhaufes
gefdjaffen. man kann bei Behrens nidit ein=
zelne Formen bezeid]nen unb fagen: hier
ift bie Trabition ; es ift eine feft unbeflnier»
bare Stimmung ber Oergangenheit. Rber
fle ift nid]t zufällig, einesteils merkt man
bie engere Trabition, roeil hier unb ba in ber
Formenfpradie bod) eine bea7ußte Anlehnung
nadimeisbar ift; anberentcits, iDeil ber ge=
fcftete 6eift biefer ftarken bürgerlidien £podie
Diel Peripanbtes mit Behrens' Cmpfinbungs=
o^eife hat. Jene 3eit hat bie Ferren ber
Kultur, auf bie loir unfere Kunftinftinkte
zurQdiffihren muffen, hcroorgebradit, uon
Badi bis Soethe, non Giudk bis Cefflng. €s
ift Kraft, [Denn ein IRann bie Ihrem be»
I percR Bebens 01
Sfhrank im Zimmrr der Damt
fdiränktcn Hlaße nad) iljtn genau bekannte
Begabung lefdit auf bJe Tergangenheit rtütjt,
um ber Sukunft (Icbcrer zu fcfn ; oienn er
fldi, um bEe Ijarmonle - bie flim Aber alles
geht — erreidien zu können, fm einzelnen be=
rdieibet unb fn geiDilTem Sinne reflgniert
um n[ct)t zu zerfplittem. Cfn Solctjcr (Itft,
[renn er ben £rfolg zu zcoingen oreiß, im
^errenrcdjt.
BefdieibcntjcU, aus Hebe zur Harmonie,
\\t nict)t obne [peitcrcs ber Crfolg. Denn {\a
zwingt ben Künftler, mälirenb jeber grfißeren
Hrbett, mit Bcirußtreln auf einer bertfmmten
Stufe ber £ntro((klung fteljcn zu bleiben.
Ijicr [Dirb ber Oorgang ungetDOIrnllch burd)
ble f)6t]2 bes künftlerlfdien riipeaus unb burd)
bie feltene, ja feltfame fählgkeit bes Künftlers,
fid] Don berUnrutje. ble fauftlfdi Immer neuen,
djarakteriftifdjen Kunftformen nadjjagt, frei zu
madien. Fllan fpfirt ihm bie Bnftrengungen
bes Sd]affens nid]t an; es madit ben Cin=
brudr als cntftanbe Tein Eebensroerk, mit bem
er fidl bodi woifl. In irgenb einer Torrn, in
feber lllinute bcfdiäftigt, nur fo nebenbei.
1 pereR Beupens o-i
Schrank im Zimmir der Dame
Behrens hat bfe phtloroptiifdie Gcbulb, ipartcn
zu können, bfs Ihm ttie Frödjte feiner Phan=
talle ausgerdft in ben Schoß fallen; {o ge=
nfeßt er höchstes 6läck in feipem ber Fieber^
hitfe unzugdnglldien SdiafFen, erfreut fi^
fclbft, [Dährenb er ble Welt mit neuem be=
fdjenkt. Sold]e, Don ber Ccbenskunft gezüct)=
tete SelbrtgenQgramkeit giebt ihm bie RuhC
ble bem Unruhigen fo Imponiert. Cr zorelfelt
nicht ■ fjler irt ein Hbarn, ben berDpfel pom
Baume ber Crirenntnis nicht [ehr reizt, ber es
(Ich mit all ben anberen reifen Früchten bes
Parabiefes hlmmllfch n7ohl fein läßt. Schabe!
baß man zu fDlcheniuftanben geboren loerben
muß, baß man fle nicht erringen kann; unb
fchabel baß In ben HerDenkrifen unferer 3eit,
fold] Irünftlerirchernaturzuftanb, ber ebenfo»
piei inneren Reichtum o^ie Sefchmack [)oraus=
fetft, fo feiten - man mOd)te faft fagen : fo
unmöglich — geiporben ift.
Bei Ihm ift bie perfSnllche eenußfdhigt^elt
ProbuktJDitat ; bie nernOfe Sdiaffensunruhe,
bie bem mobemen £eben Sauerteig ift, bleibt
ihm fem. Das Ift in ber That ein [Deg zur
ro pereR se^ens 01
Sihrttär und ThQre Im Zimmer der Dami
fjarmonie unb - was ipid]tiger i\t - zum Behrens' Sd]rlfrcn über bW\en Segenftanb
6iack ; bodi ift er einem minber Begabten liert unb feine Pläne Ttubiert, bat ganz bas
nidit zu empfehlen. tPie oiele fthmerzlictie 6efQt)(, Dor einer großen Ibee zu ftelien.
Fragen bleiben {o bodi unbeantiportet. - Dicfer Ocrrud), bem Theater bie Bebeutung
einer Kultftatte zu geben, ift ber einzige, ber
Dem Dienfte ber Schönheit ift auch ber bas Problem künftlerifdi erfaßt unb barf
Plan eines Theaters gemibmet. Die kanft= barumbenbilettantifdinüchtemen, ipennauctj
lerifche Dispofition baffir fft gianzenb. IPer gut gemeinten Dolhsbühnepianen in hciner
30
ro pereR seijRens cm
Zimmer der Dame • Rusgerührt oon L Hltrr, Darmftadt
IDeife ozrqWdjun roerben. €s bebarf einer
befonbercn Unterfud]ung, um bie Bebcutung
biefer ireitfictitigen Profekte zu würbiqm;
man mu^ zu bcn Quellen bes Cebens zurüdr«
gehen, um bie Eebensftimmung zu Derftetien,
aus ber Toldie tPfinfciie flfeßen.
IPir alle teilen bie IPfinfctie. Des Q^ifrens
unb ber IPal]rt]eiten, bie einanber unabiafflg
tölen, |lnb roir lierzlid) mübe. Hun, ba unfer
6efät)l ganz gereinigt ift Don ben letzten
fdjmeid^elnben Erinnerungen bes Kinbergiau^
bens, roo roir blank unb bar baftelien, roadjft
bas Bebürfnis nad) einem großen Symbol
ber Hnbetung unb erobert fictl alimählidl bas
ganze Eebensgeffll}!. dentale tnenfdien, bie
beiß zu lieben unb klar zu empfinben iDußten,
haben ben ungeheuren Oerfuch fchon unter»
nommen, bem leeren Dafein neue 3iele zu
zeigen. Die 6inen prebigen Buße unb bereiten
bie Srunbiagen erneuerter Sittlichkeit In ben
Herzen cor ; bie Tlnbern beraufdien (Id) an ber
eigenen Eebenskraft unb zeigen mit fchOnem,
fortreißenbem Ufahnfinn ben Titanentrot; als
böchl^ten 5urtanb. 3um ITIonismus brdngt
alles unb keiner ipeiß bod] bie fldjere Richtung.
Behrens geht feinen befonberen IDcg: er
rinbet bie errcilung in ber Kunft. Diefe ift
ilim \owot}\ Kult wie Religion, zugleid]
Sd]mudT unb Int)alt. nur burdi bie 6eipalt
ber Kunft loirkt nad) Ihm bas fchöne IRärchen
bes Chrirtentums, bas ben Ijimmel unb bie
£rbe mit paterlidier f1llmad]t göttlld] belebt
31
J
K3 pereR BeijRens cvi
PO pereR BerjRens oi
Bibliotheh • Rusgeführt ton C J. Vettr in Mannheim
Der reppi(h von der Krcfelder TeppühFabrih R.-6. • •
Dnonnttce mnst. v. i
I percR BCQHcns
Sefffl im Bibliothrh'Zimmer HeizhörprrDrrhUidung
e
I pereR eepens i
Kinderbett • Husgeführt von J. D. Hqimiinn, Hamburg
unö bic Form öcs lioljcn Gcltidjles, feine
£inkleil)ung burd] ertjabcnc Baukunft. feler<=
lidjc muflk, flnnlid} fortrcißenbc ITIalercf,
macht bas (Defen bcr Keifgion aus : es giebt
hier nidit Inljalt ober form. Die Kunft bient
nidit bem Ibeal, fonbern Ift «s fclbft. So
bietet Behrens ber nad) einem neuen 6e=
banlien ber 60ttlidikeft oeriangenben nienrd)<=
Ijcit bie fjarmonie ber KQnfte.
Cin Gcbäubc foll errid)tel (Derben, auf bem
Rächen eines Berges, wo l]inauf bic IHenfchen
[teigen, um burdi bie Kunft erhoben zu tperben.
nian kann es Theater nennen, ober Tempel ;
es foli keines T^fn, ober beibcs. Dort follen
in einem feierlid] fcbOnen Raum bie Künfte
zur Ijarmonfe oercinigt unb jeber 3u|())auer
Innerlich atk äußetlid} zum rcllnebmer bcr
HufzOgc unb tjanblungen gemadjt urerben,
bfe bas ganze Eeben, ernft ober heiter, aber
immer in ber großen Stilform, fymbolifierea
Ift CS nicht [Dunbert7ar, baß foldje konkrete
Plane Im f^erzen unferer Künftler reifenunb
baß bie Rcfonanz (bereits fo ftark ift, um ein
folchcs Ijaus heut ober morgen entftehm zu
PO rereR BerjRens o^
Bcttbeiut) • RusgefQhrt von Dirrenbadt-Rdmer, Darmftadt
laffen. IDcld) fortfchrcilenbc Sclrnrud)! muß
nEd)t in Iter Generation leben, nrenn Iter
KQnrtler bcn Pricftcr ablCft unb Iter nienrct)=
l]eit fjeil DertrQnbet. Der langfamen Dor»
n^artsbeiregung bes religiOfen Inftinktes geht
ber Plan Don Belirens fdincll poran; aus bcr
frage roirb ble Itjat, unternommen mit bem
fuggertfoenEiferlautererUeberzeugungskraft.
mir Dcrgicidicn bas Ocrfprcdien mit unfern
forberungen unb fudien zu erkennen, unter
iDeld]en Bebingungen itinen In foldjcm fcrt=
lidjen Kaum 6cnOge getl]an (Perben kann.
neben ben Cebensrtoffen, bie, zu Symbolen
gefteigcrt, non bcr Kunft bem Kreis bcr Tln=
bäditlgen gezeigt orerben, oerlangen roir ein
l]C)]eres Symbol ber einigen ITIyftericn, bamit
ber religiöse Einklang ber6emater Ijcrgcrtcllt
roerbe. Cln Kultus oljne Sakramente, oor
bcncn bas I^olk anbetenb nieberkniet, ift ein
clcuflnirctjer Sonberkultus für eine BrOber=
fdiaft pt)ilofopl]fr<l)er Seirtcr. Der imcnfct),
felbft ber bcipußte einer großen Cpodje, ivill
nict)l nur munkalifd] angeregt unb aufgeregt
rein, fonbern aud) überzeugt oierben. Cr
kommt ni(l)l fo Tclir als 6enußfrcubigcr,
benn als fragcnbcr. Das Sdrlckfal, bas iljn
auf allen IDegen broljenb anglolft, edüI er
religiös erklärt ober es künftlerifdr in ti|pl=
rd}en Belfpielcn bargeftellt miffen, bamit er
es Im Sroßen unb Kleinen beficgcn lerne.
SdiOnlieiten ! o ja, bie ntenfciiljelt Ift bungrig
bamadi; aber nod] mel]r verlangt fie nad]
bem befreienben Wort, bas ben Sinn bes
Spl][n^rätfels löft, bas nrill fagcn: zu lOfen
fdiclnt. nidit [Plffen mlll fle. fonbern innere
IPal]rl]eiten, lllufionen, bie Selbftbefabung
Ijcrrorrufcn unb als IDal]rt)eiten gefühlt
luerben. Diefe finb bem Künftler fo nCtig
(nie bem Talen. Das (leroorbrlngen bes
großen Symbols ber 6öttlidikeit ift ber Kunft
allein nfd)l möglidi unb bie ftlliflercnbe Sym=
boliflerung ber Cebenserfdjeinungen bebingt,
iDcnn {in nldit balb ber toten Allegorie per=
fallen foll. ein uncnblidicsRealEtaisbeivußtr'ein.
DEefes aber kann fid) nur bann frei }xänit=
lerlfd) entfalten, toenn bie religiOfen Probleme,
bie ipie eine Sorge laften, bem Sdraffenben
oon ber Seele genommen finb. Um kraftig
tief Ins Eeben zu taudjen unb bie Erfdjelnungss
r^ pereR Be^Rens 01
S(hlafiimtnn' des Htrrn • Rusgeführt von t. J. Peter, nannheim
formen kQnrtUrirdl komprimieren zu kOnnen,
mu^ der Dld)ter bcr Rcfonanz (l^cr f^In unb
bas ift er, wenn er (Id) mU Teincm [lolke
im Punkte Der eiPigen Fragen uerrteljt. Denn
fonft EDirb er \tzts nur feinen Schmerz be=
(Ingen unb in {ebem Stoff nAft bie frage
nad] ber Bebeutung bes Cebens bas Symboi
fein ; bie gcfamte Darbietung ber Kunft lofrb
nur einem Sudjen Derfrrter nad] bem rediten
tPege gleidien unb nie ber gro^eStU loerben,
ben allein bie Bejaljung Ijerporbringt. Das
erleben oiir eben tn ber Segenmart. In
Seiten ber SerrifTenbeit roirkt ber naturalis^
mus fo ftark, loeil er benen, bie nur barauf
nrarten, reftlos Oberzeugt zu merben, menig^
ftens eine i^erftänblictie 6arfenroal]rt]cit glebt.
[Do (Inb Die, bie bas Probiem bes Eebens
pbilofopblfd) zu bemaitigcn [oiffen, 070 bie
Rellgionsftifter unb Proptjeten, beren Seift
fdiipanger Ift pon ber lebensreifen Seljnfudjt
ganzer POiker. Hn Ibrer ftaft feljen mir ein
öeroimmel conCinzelroillen, bie burd]s Dunkel
ber 3elt Dom Inftinkt unfldjer geleitet voarbm.
IDoljln rolr faffen finb Irrtömer; aber können
w\t fle mit gerlngrd)(lt}enbem fldjfelzudren ab=
tljun 1 nil biefe Irrungen, Umorege, FInalyfen
unb 3(peifel flnb nötig. IPo ein elirlic^er
(Tlile geboren criTti, beftimmt bas Sdrldtfal
unferer Kultur feinen RrbeitsiiKg unb feine
njatigkelt, fdifene fic nodi fo menig zum
6anzcn zroedrenb zu fein, Ift gcmlß ein 6lleb
ber Kulturorganifation. Der nadi Harmonie
unb Sd]0nl]eit ledjzenbe IRenfd) entfetjt fidi
gemiß Dor ber mimmeinben, fdjiDitzenben
menge, bie bllnb ber 3ukunft bleut; ben^
nod] : aud] biefe bereitet einen fldieren IDeg
zu ben großen 3lelen. Sie bat eine Kultur
zerftört unb Stein nad] Stein abgetragen ; nun
folgt fle einer unfTditbaren, allgegena?ärtigcn
Bauleitung unb gebt baran, bie 6runbmauem
zukünftiger Ijelmftatten unb Tempel zu zielten.
Don biefer firbeit (Inb bie Ulenfdien nur auf
ro pereR BegKcns i
SihUfilmmcr des Hnnt • nusgefQhrt aon C. J. Peter, Mannheim
eine kurze 3cit fortzulodien, [n ben Dienft
einer namenlosen, unfaßbaren Sdjönlieit: [i<i
[perl)enhordien,[7orreJ]nfQditigerBegelfterung
a7cfnen, bie Erregung trirt) öas maß ber
Schnfudit fteigern - unb fie merben bod)
zu ilircr nmeifenarbeit zurGchkehren. In bas
6ebiet ber nbftraktlon folgen fie nidjt einem
Klang, fonbern nur einem erlöfenben IDorle.
Juipeilcn, roenn ein Prophet \i<ti erliebt,
CDle ber oon Sils^HIaria, in beffen l7erlTQnbi=
gung jebe neue [Paljrtieit il]ren Plal; finbet,
ber jeben 3iiKlfel ftumm zu rna(l)en perftetit,
befTen {Porte ins ijerz bringen unb milbe
fioffnungen erregen — bannl]ord)tbienienrdi=
l)eir auf unb laßt iljr Gerat eine IDeile ruljcn.
In einer fold)cn Paufe treten jetzt ble
Tubenbiafer auf bie l]ol]e £mpore unb laffen
ilircn Ruf ertönen. Feierlid) gcftimmt treten
iDir in ben l]ot)en Raum, ben unfer KOnftler
uns bereitet Ijat unb ermarten ben Beginn
bes großen Kunftbtenftes, ben Kult ber SdiOn=
Ijeit. ein ernftes Praiubium erljöbt bas ee=
fülll, Dorbereitet oon ber IDürbe bes Raumes
[Dirken IRuflk unb Pers, Farbe unb form,
eines öurdjs anbere, eine Art oon eral=
ftimmung erfaßt uns ; aber mie wir auf bem
bödiften Punkte ber ekftafe bes IPortes l)arren,
ber Offenbarung, ba tierrfdjt plötflid] mieber
Sdjmeigen unb Dunkelheit unb ipir muffen
mit boppelterSeiinfudjt in benfllltag binab.-
So mebiliert bie Selinfud)! I]in unb ber
unb oreiß fld) keinen Rusioeg, (peil flc oer=
bammt ift, zu märten, bis bie Seit erfßllt Ift.
Bber als ein früljes ieictjen biefer Erfüllung
begrüßt \ie ben Plan unferes Künftlers; fic
fühlt, baß hier ein IDort gefpro<l)en ift, bas
I percK BcijRens cm
6&nf-Zimmer • Rusgeführt von L HUer, DarmHadt
6ä(te-Zimmer • Ausgeführt uott L RUer, Darmfladt
42
r« percK BerjRcns i
Uarditifth mit Sdtrank
ins fjdle nteift, ein IDeg gebahnt ift, ber aus
ben niebeningen zur fiötje fQl]rt, ido (oeilere
Husfidlt tierrfdit. Diefs Ibee t]3ngt organlfd)
zufammen mit tierrcligiOfcn Bewegung unfercr
Tage; um iljr Dollkommentjclt zu geben, um
ber großen Form ben großen Intjalt zu gc^
feilen, felilt nur eines : ein Gott, ober ein
Olymp (7oller SOtfer ! Darum folltc ber Cnt»
[Durf eines als menfä) unb KQnftler gleid]
groß Denkenben mit allen Krflften geförbert
nrerben, unb ie\ es nur, bamit tpir f^tjen,
(Die oiel ii7al)rl)aft bilbenbes Vermögen, bas
fidi nidrt regen kann, (PCil Ibm ein Ort ber
Betbatigung feblt, in ber allgemeinen Sel]n=:
fudit fdilummert. RH« (Porte, bic (e^t nod)
r<l)eu oerfdjiDiegen oierben, mQffen gefagt
(perben, allen S(t)Qditemen, Inbrünftlgen muß
ein Ort geroiefen tperben, wo \\q laut anzu=
beten roagen unb allen 3errfrrenen ein Fla^
ber Sammlung unb irannonie. Beljrens' Haus,
bas er Theater nennt, könnte ein Sammel=
punkt fOr bie roerbenbe Kultur fein, isenn
bas Derfpredjen doII elngelOft oiirb unb
taufenb frudiibare Tbeen iDürben (Id) To
entzQnben.
nichts fehlt uns mehr, als bie fruchtbare
Erfahrung, In roelcher IPeife bie Qannonie
entfteht. Sie ift nicht nur, wo bicfelbe Qanb
ein fjaus in jebem Detail burchbilbet, fonbem
auch bort, ipo Piele einem leltenben Sebanken
flrcng i^erpfli^tet Hnb. Selbftlos einer Ibee
bienen, fid] unterorbnen, boch am rechten
Punkte mit gefammelter Kraft hervortreten,
bie Sache höher ftellen als bie PerfOnlichkelt,
bie Schönheit nicht eitel benOt^en, fonbem
ihren 6efet;en bemOtIg folgen : bas alles finb
Porbcblngungen zur inneren harmonle, bie
errungen fein roollen. \Do bas höchfte fid)
als Cinfachftes geben ipIII unb fleh unabiaffig
erneuert, um auf ber fjChe ber Ibee zu bleiben,
ba muß ber 3erfplltterte fi^h notgebrungen
fammeln, ber Cilige bebachtfam roerben, ber
Schüchterne kühn; ber KtickfichtsiDfe ivirb
bas eefe^ kennen lernen unb ber Konoentio-
neue bie Freiheit.
ro percK Be()Rens .
RusgerChrt oon Klara BIti, Darmstadt
Bber man barf nfd)t glauben, fold]e t)ar=
monifdie Kunft Hcßc fi^ zQditcn. Die muH-
kalffdic Fonn, ber große Sttl perlangl ftets
genialen Inhalt. €ln poUes Kedit auf fle
hat elgentlidi nur Der KQnftler, der Das
Charakteiirtlfdie barrtellenb pollkommen be-
berrrdlt unD es freiiplllig, ber Form zuliebe,
entnreber ausfdiließl ober es fo zu ryinboll=
Heren perftebt, baß bas IPefentUchc ins Sroße
geftefgcrt iPlrb, unbefdiabet t)er inneren
IVahrhcft. Wo ein proraifctjes Talent es
unlemfmtnt blthyrambifd} zu reben, lofri) es
lionpentionell ober albern.
Die Sprache ber großen Kunftform ift bem
Rrchltekten Behrens ganz gemäß; nur bem
nbrtrakten gegenQber fßhlt ber KQnftler H^h
frei. IPo feine Subjektivität fich ornamental
ausbrücken kann, ipie felbft In ber Tgpe
biefer Schrift, ba allein brOdrt fie fid) auch
vollkommen aus. Seine Bill>er jTnb tief
empfunben unb tpQnfchen Siimmungsprobleme
Don grol^em poetifchen Sehalt zu geben.
Rber ble Form beckt fid] nld)t unbebingt mit
bem öeorollten. )e großer bie Cinfadiheit,
beftD rd}ipieriger mlrb ble umfaffenbe Dar-
fiellung. Das maß oon Realitatsberoußtfein
entfdrelbet auch bei bem cnlfdiiebenften Stl«
liften aber bie innere IDahrheit feiner IDerke.
10ahrrd)elnlich haftet biefer ITIangel nur
bem rheorclifdjen bes KOnfllers an. Rud)
ivirb ber große bekoratloe lOert ber SdiCpf-
ungen bavon nidit berührt. IHIt bem lebens=
Dollen Organismus bes fiaufes hat Behrens
beiviefen, baß feine Kunft - ble Kunft eines
Dreiunbbrelßlgftlhrigen - fo gefdimelbig unb
lebenbig ift iple irgenb möglich, OTenn Ihr
Gelegenheit roirb, ardiltektonlfdi unloerfal zu
mirken, reines menfchentum mit einer kQnft=
ro pereK seijRens i
Küdif • Nobel und Koihgrrätc von 6. R. Sdiiele tTr. troO) in Frankfurt a. VI.
45
I pereR BeßRens o\
n
J
Beleuihhtttgskörper • flusgeführt uon K. M. Seifert & Co., Dresden
im
Ihürgriffe • Ruscirführt von Cifhnann & Sttlltoagen, Mainz
Keratnitt • Rusgcführt uon Tranz Rnton Nehlem, Bonn
pereR BejjRens
ierffdien ntmofpbäre zu umgeben, feftlid) zu
reprflfentieren unb fn feiner, läcl)einberlDOrl)e,
Das Eeben felbft als Kunft zu genießen. In
biefer Qinridit ift er ber fortgefdirittenfte
aller beutfdien nut^kOnftler* Cr aliein t)at
bie organifatorifdie Kraft, bie fdion zerfplit»
ternberi demente zioeckDoii zum Ganzen zu
fügen. Ruf keinem gecperbüdien Sonber»
gebiet l)at er etcpas gefdiaffen, bas oon
nnberen nidit aud) geleiftet cporben cpäre;
Keinem aber ift es nur entfernt gelungen, fo
Ober alten Cinzelleiftungen zu ftelien unb mit
Prüfen, Oergleidien, IDäbl^n unb Rusfclieiben,
eine reidie Gefamtlieit zufammen zu bringen.
Den beutfdien Künftlern bat er ein Beifpiel
bingeftellt, baß es nid)t gut ift, ber Eakai
Don Inftinkten unb Gaben zu fein, baß man
Qerr aller Regungen, oor allem ber künft-
lerifdien bleiben muffe. Der IReufd) Betjrens
ift untrennbar oon feiner Kunft.
Darum fetjen cpir in bem Qaufe auf ber
ITIatliilbentiöbe einen Solneßbau, eine fjeim»
ftätte für ben ITIenfäien ber 3ukunft, ber burd)
bie Eebensarbeit feiner Oorfabren über bie
atemlofe Sdicpüle eines erftid^enben Dafeins-
l^ampfes emporgeboben fein loirb, ber aus
bem 3a7eifel ben Glauben, aus ber fozialen
not bie neue Form ber Societät, aus ber
(Oiffenfdiaft bie Sd)6nlieit zu fid) binauf ge^»
rettet baben cpirb.
IDeld) unenblidier (Ueg nod) bis babin ! 1d)
bin in bie Großftabt zurüd^gekebrt, in ber es
nidit fjeimftatten giebt, fonbern in einem
Ct)aos Don notcpenbigl^eiten, nur lange Reiben
aneinanber geklebter Qed^käf ige, wo biefelben
ITIeufdien unter ben Peitfdienbieben fozialer
not oertieren, bie Bebrens laut unb liebepoll
zur Sdiönbeit ruft. IDie an eine Stätte per-
geiftigten unb reinen Eebensgenuffes benke
id) an bas fjaus in Darmftabt zurüd^, luie es
Dornebm im Grünen liegt, gaftlid) zum Ein-
tritt labenb. Cin ftarker Geift grüßt oon Giebel
unb IDanb, als loobne bort ein fjerrfdienber
über frobe, ftarke ITIeufdien.
IDir bürfen bie Kluft nid)t oergeffen, bie
ben fefttaglidien Geift oomniltagnod) fdieibet,
w\v bürfen aud) Die nid)t gering fdiätfen, bie,
nad) bem ITIaße ibrer befd)eibeneren Kräfte, in
ben fd)mut}igen Sd)lud)ten unb Gaffen ber
Großftabt in ibrer IDeife für bie SdiOnbeit,
bie {iQ (Uabrbeit nennen, felbftlos arbeiten.
Der Ruf zur Eebensfreube unb zum bcfteren
Genuß ber eroigen Eebensgüter, bie Erbteil
aller ITIenfdien finb, ift beftrid^enb, roed^t jebe
alte Sebnfudit, alle kinblidien lllufionen ; aber
(Dir ITIenldien ber Qeerftraße muffen es bem
Künftler, bem ber Genuß zur Schaffenskraft
roirb, überlaffen, auf fold) freier fjO\}(i zu
roanbein. Wir bürfen nid)t faule Kned)te fein
unb uns nad) Rutje febnen, 070 bie unenb=
lidie Arbeit aller Rrbeitstüditigen roartet.
nber wir grüßen bas fjaus auf ber f)6be,
bas nd) bem nagenben 3a7eifel DerfdilolTen
bait, mit frober Suoerfldit. IDir lieben ben
Künftler, biefes Sonntagskinb unferer 3eit,
unb banken ibm feine reine Begeifterung,
bie ibn fo Sdiönes bcroorbringen gelebrt
bat, bamit, baß wir feinem (Uerk bfe Be»
beutung eines Symbols geben. IDir a7iffen:
kein Sdiaffenber bat nod) zu roeit in bie
3ukunft gegriffen ; bie 3eit bat es ftets eilig
gebabt, fold)e Oerfpred)ungen ibrer liebften
Kinber einzulöfen. Unb fo kommt biefe Uer=
beißung zu ben anberen ; zuteilen ertappen
wir uns fd)on bei Traumen, (Die Kinber fl^
in mittfommerbellenSamstagsnad)ten baben,
(Denn bie frobe Unraft ber Sonntagsenrar^
tung in ben offenen Seelen Bilber unerhörten
Glüd^es entfteben unb Dorüberzieben läßt.
Karl Sd)effler
Für die Rfdaktion ur rantwortUdi : H. BRUCKNRnn, Mündirn.
OerUgsanfYaU F. Brudimann R.'6. Mündien, nymphrnburgerftr. H. — ' Drudi von Rlphons Brudimann, Mundirn.
GRABMAL IN FALKENSTEtN r.
BAUTEN VON PAUL MÖBIUS
Wir sind jetzt in der Anerkennung der
fortschrittlichen kunstgewerblichen Be-
strebungen glücklich so weit gekommen, dass
die Bauherren häufiger werden, die auch dem
Architekten gestatten, „modern" zuarbeiten.
Es bedurfte der Vorarbeit des leicht beweg-
lichen und weniger verantwortungsvollen
Kunstgewerbes, um das zu ermöglichen. Die
Art und Weise, wie diese Entfesselung sich
in unseren Grosstädten bemerkbar macht,
ist aber wohl geeignet, ein gewisses Grauen
einzuHössen: ein grosses Quantum stilisierten
Blum engerankes, einige unerwartete Linien
in der Fensterteilung, ein paar Schnörkel nach
belgischem Rezept, Gestalten, die plastisch ge-
wordene Mucha-Damen zu sein scheinen, das
sind die Requisiten, die in Stein oder Putz
übersetzt sich neuerdings als moderne Note
der Architektur breit zu machen versuchen.
Es rächt sich der leider nur zu oft gepredigte
Wahn, dass dekorative Mittel und Effekte,
die sich im Kunstgewerbe entwickelt haben,
auch der Schlüssel zu gleichartiger archi-
tektonischer Gestaltung sein sollen.
Wir können wahrnehmen, dass sich bei
den architektonischen Erscheinungen unserer
Tage, die wirklich individuellen Charakter
zeigen, gar nichts vorfindet, was diesen mo-
dernen Tischler- und Stuccateur-Effekten ver-
wandt ist. In der Stein-Architektur, und nur
von ihr wollen wir im Augenblick sprechen,
macht sich im Gegenteil eine gewisse Herb-
heit und Verschlossenheit als charakteristi-
sches Element geltend, die weit absteht von
allem spielerig-gefalligen Dekorativen. Man
trachtet durch Mittel der Strenge und Ent-
sagung nach einem Ausdruck des Monumen-
talen, der einen Ersatz bieten soll für die
Pseudo-Monumentalität, die in der Architektur
herrschte durch das ängstliche Klammern an
eine frühere grosszügige Monumentalsprache,
die man unter veränderten und enger zuge-
schnittenen Verhältnissen meistens nicht
einmal historisch getreu, sondern nur ver-
kümmert zum Ausdruck bringen konnte.
Eine Sehnsucht nach Monumentalität be-
ginnt sich zu regen. Von vielen Seiten sehen
wir gleichzeitig in diesem Sinne Versuche
^r^^> BAUTEN VON PAUL MÖBIUS <^ä-c-
unternehmen, und in dieser Bewegung bilden
auch die Bauten von Paul Möbius ein
charakteristisches Symptom.
Die Mittel, in denen sein Streben zur
Monumentalitätsich ausspricht, beruhen einer-
seits in einer Steigerung des Masstabes in
den Einzelheiten, andererseits in einem mög-
lichst starken Betonen des Massenge f&hls
in der Gesamterscheinung. Alle entbehr-
lichen Details in Profllierung und Durch-
bildung fallen fort zu Gunsten weich inein-
ander übergehender oder kräftig gegeneinander
gesetzter Flächen ; das tritt besonders in den
Gesimsbildungen zum Vorschein, die auch da,
wo sie beispielsweise eine Thür von ganz
gewöhnlichen Dimensionen bekrönen, sich
nur in wenigen starken Linienzügen bewegen.
Diese über das Mass des Einzelbedürfnisses
gesteigerten Dimensionen der Glieder sind
nötig, um sich der Gesamtmasse gegenüber
zu behaupten, die MObius in seinen Bauten
wirken lässt. Die Pfeiler seiner Aufbauten
gliedert er nur in bandartigen Linienzügeo,
so dass ihre Masse ungeschwächt zur Geltung
kommt, da aber, wo er Ornament anbringt,
dient es nicht dazu, eine Fläche aufzulösen,
sondern im Gegenteil verstärkt der dick-
~ flüssige Zug seiner ornamentalen Bil-
dungen den Eindruck des Kräftigen und
Zähen. In den Teilen, die bekrönend
das Gebäude silhouettieren, liebt es MO-
bius, die Wucht der Formen am meisten
zu steigern, so dass in manchen Fällen
der Eindruck des Gebäudes an ein Ge-
fühl streift, das der Beängstigung nahe
kommt. Einzelne Züge der Ornamentik,
in der Schlangen und mystisch-schreck-
hafte Ungeheuer eine besondere Rolle
spielen, zeigen, dass dieser Eindruck nicht
unbeabsichtigt ist.
Es ist keine Frage, dass MÖBius in
dieser Beziehung auffallend weit geht,
denn es sind einfache Etagenhäuser, an
denen er seine wuchtigen EfTekle ent-
foltet, aber diesem Bedenken gegenüber
muss man einesteils betonen, dass er
im Innern dieser Gebäude stets Räume
zu schaffen weiss, die völlig normalen
Ansprüchen entsprechen und trefflich be-
leuchtet sind, andernteils aber kann ge-
rade das Etagenhaus es so notwendig
gebrauchen, dass man energisch versucht,
es in die Sphäre künstlerischer Wirkung
zu erheben, dass man ein etwas reich-
liches Mass von künstlerischem Pathos
gerne in den Kauf nimmt. Wir wollen
MÖBIUS wünschen, dass seinem echt-
monumentalen Sinn bald Aufgaben ge-
stellt werden, die aus der aufreibenden
Sphäre nüchternster Alltäglichkeit, die er
so mutig zu bekämpfen versucht, in ein
Gebiet freierer und höherer Bedeutung
herüberragen. Er zeigt schon bei diesen
Aufgaben, die ringsum dutzendweise im
öden Schema völliger Kunstlosigkeit er-
ledigt zu werden pflegen, dass er fähig
ist, mit ungewöhnlicher Konsequenz eine
Tonart durchzuführen, die er' einmal ange-
schlagen hat, und die Art und Weise, wie
er sich bei Bewältigung des freieren Vor-
wurfs, der ihm in dem von uns abgebildeten
Grabmal gestellt wurde, giebt, bestätigt, dass
er starker poetischer Wirkungen durch rein
architektonische Mittel fähig ist. f. Sch.
'^r^> BAUTEN VON PAUL MÖBIUS -C^-ip-
PAUL MÖBIUS * • WOHNHAUS IN
LEIPZIG, KÖNIG JOHANNSTRASSE
KUNST FÜR DIE ARMEN
Whitechapel ist ein Name, den man nicht
leicht im Zusammenhange mit Kunst-
fragen nennen wird. In jenem entlegenen
östlichen Stadtteile Londons, den man nur
als den Ort von Armut, Elend, Verkommen-
heit und Verbrechen kennt, hat sich trotzdem
im Verlauf der letzten Jahrzehnte eine künst-
lerische Bewegung zu immer grösserer Kraft
entwickelt, die man als eine durchaus neu-
zeitliche Kulturerscheinung von grosser Trag'
weite wird ansehen müssen. Es handelt sich
um das Unternehmen, jenen Armen des Ostens,
die täglich den Kampf ums Dasein kämpfen,
durch Vorführung von Kunstwerken einen
Schimmer der höheren Lebensfreude der besser
gestellten Klassen zugänglich zu machen. Man
hofft dadurch einen veredelnden Einfluss auf
Herz und Gemüt, ein Erziehungswerk zu Sitte
und Ordnung auszuüben.
Da die neue Kunstbewegung, deren Wurzel-
punkt in England in dem Präraffaelismus lag,
recht eigentlich eine Gegenbewegung gegen
den Akademismus und die hochmütigen Flach-
heiten der damaligen sogenannten Kunstpflege
der oberen Stinde war, so lag ihr von Anfang
an etwas Demokratisches, zum Volke Sprechen-
des zu Grunde. Schon Rossetti erteilte frei-
willigen Zeichenunterricht an die Arbeiter des
Ostens. Morris, Bubne-Jones und Walter
Crane wurden Sozialisten in der Überzeugung,
dass sie gerade auf diese Weise
die Aufgabe der Kunst lösen
könnten, „das Leben freudiger
zu gestalten", dass es vor allem
gelte, den breiten Massen diese
von der Kunst gewährte höhere
Lebensfreude zugänglich zu
machen. So kam es, dass in
England die neue Kunstbewe-
gung die Nebenbedeutung er-
hielt, eine Kunst zu werden,
die nicht nur für die Reichen
geschaffen war, sondern diesich,
wie die Religion, vor allem auch
an die Bedrückten und Elenden
richtete.
Eine andere Bewegung kam
diesen künsilerischen Strö-
mungen zu Hilfe, es waren die
vorzugsweise von den Universi-
täten Cambridge und Oxford
ausgehenden Unternehmungen,
dem niederen Volke, vor allem
der Arbeiterbevölkerung, die
Wissenschaft in populärer Form
zugänglich zu machen durch
Gründung von vollständig frei
zugänglichen Lehr- und Lern-
stätten in ihrer Mitte. Man
fasst diese Bewegung unter der
Bezeichnung University-Exten-
sion zusammen, und ihr Mittel-
punkt im Osten von London ist
das Gebäude Toynbee Hall. Im
Zusammenhange mit Toynbee
Hall war es auch, dass man
vor etwa zwanzig Jahren zu-
erst den wichtigen Schritt that,
regelmässige Gemäldeausstel-
-!r-^> BAUTEN VON PAUL MÖBIUS <^t^
lungen im Osten zu veranstalten.
Es war im Anfange nicht leiclit,
das Volk zum Besuche dieser, im
kleinsten Rahmen gehaltenen Aus-
stellungen zu veranlassen. Nach*
dem jedoch das Bedürfnis geweckt
war, erfreuten sie sich bald einer
solchen Beliebtheit, dass derZulauf
ganz bedeutend wurde und der
Wunsch nach Errichtung eines
eigens Für die Zwecke der Aus-
stellungen bestimmten Gebäudes
immer lebhafter hervortrat. Dem
thatkräftigen Eintreten einiger
menschenfreundlicher Wohlthäter
ist es zu verdanken, dass er ver-
wirklicht werden konnte. Im MSrz
d. J. wurde die erste Gemäldeaus-
stellung in dem neuen Gebäude
eröffnet, dessen eigenartige Front
jetzt die Hauptverkehrsstrasse des
Ostens von London ziert.
Der neue Bau wurde von dem
Architekten C. Harrison Town-
SEND errichtet und verkörpert
dessen, schon bei seinen andern
Werken bethätigten Kunstziele,
mit Vermeidung der historischen
Formen ein Gebilde zu schaffen,
das sich ganz und gar als ein Werk
unsrer Zeit, als ein Ergebnis einer
selbständig denkenden und empfin-
denden Gegenwart zu erkennen
giebt. Wie vortrefflich ihm dies
gelungen ist, zeigt die Abbildung
auf Seite 56. Freilich fehlt dem
Baue noch der Hauptschmuck,
ein farbiger Fries in Mosaik ,
welcher den Raum zwischen den
beiden Ecktürmen einnehmen
soll. Hierfür hat Walter Grane
einen Entwurf geliefert.
Er stellt „den EinHuss und
die Aufgaben der Kunst" in alle-
gorischen Figuren dar, und seine
Ausführung hängt lediglich von
dem Zeilpunkte ab, wo sich je-
mand findet, der das Geld dafür
schenkt. Townsend hat sich auch
bei verschiedenen andern Gelegen-
heilen Mühe gegeben, das Mosaik
in England einzuführen, so z. B.
in seinem eben vollendeten Horni-
man-Museum im Süden Londons.
Ob solche dem Rauch und Nebel aus-
gesetzten Mosaikbilder sich in Lon-
don bewähren werden, erscheint
zunächst fraglich. Jedenfalls aber
-.r.^>> KUNST FÜR DrE ARMEN <^-^
wird der Bau, wenn erst diesem sein Haupt-
schmuck eingesetzt ist, eine Perle der Londoner
Architektur werden. Schon jetzt entzückt er
durch seine höchst eigenartige Gestaltung; die
Monomemalilät der Gliederung stempelt ihn
selbst in seiner geringen Grössenausdehnung
zu einem weithin sichtbaren ÖlTentlichen
Bauwerke, und das Riesenportal in seiner
trichterförmig sich nach innen verjüngenden
Form ladet sprechend zum Eintritt ein. Dieses
Portal ist seitlich aus der Mittelachse ver-
schoben, weil rechts daneben eine besondere
Thür für den Ausgang angelegt werden musste,
aber diese Verschiebung ist keineswegs un-
angenehm zu vermerken. Neben dem Motiv
des Riesenportales läuft die übrige Architektur
darauf hinaus, einen Rahmen für das Mosaik-
bild abzugeben, was sowohl die Reihe kleiner
Fensterchen, als die beiden Eckiürme, als
auch das überhängende Dach des Mittelteiles
PAUL mObius
thut. Der ganze Bau ist in Terrakotte errichtet.
Das wenige, als Blätlerwerk auftretende Or-
nament ist demgemiss in den Thon flach
modelliert, gebrannt und als Originalwerk
versetzt. Im Innern hat der Bau zwei Aus-
siellungssale übereinander und ein Oberlicbt-
zimmer, welche zusammen etwa 450 Bildern
Unterkunft gewähren.
Die erste Gemäldeausstellung fand in dem
neuen Gebäude vom 12. März bis 15. April d.J.
statt und hatte den ungeheuren Erfolg, täglich
etwa lOOOO Besucher anzuziehen.*) Was dies
in einem ausschliesslich von Arbeitern be-
wohnten Stadtteile heissen will, ist leicht zu
begreifen. Die ausgestellten Gemälde und
Zeichnungen waren hauptsächlich von Samm-
lern entliehen, die sie im Hinblick des guten
Zweckes gern zur Verfügung gestellt hatten.
Nach welchen Gesichtspunkten aber die Aus-
stellung zusammengestellt war, das verdient
die ganz besondere Beachtung.
Schon bei früheren Gelegen-
heiten hatte sich gezeigt, dass
die Bevölkerung des Ostens
keinen Künstler so sehr bevor-
zugte, als BuRNE-JoNES. In der
That waren es gerade dessen
Werke, welche den Ausstel-
lungsgedanken erst lebensfähig
gemacht hatten. Dies zeigte den
Instinkt des gewöhnlichen Vol-
kes für das Nationale in der
Kunst. Denn es giebt wohl heute
in keinem Kuiturlande eine
nationalere Malerschule als die
der PrlraPFaeliten in England,
deren Bilder man in Repro-
duktionen in jeder Hütte findet.
DiePräralheliten waren es denn
auch hier, welche die Hauptan-
ziehung ausübten. Von Burne-
JONES waren eine grosse Anzahl
Handzeichnungen zusammen-
gebracht, unter denen die reizen-
den Studien zu dem allbe-
kannten Bilde , Venusspiegel*
wahres Entzücken erregten.
Nächst dem hauptsächlich durch
seine träumerische Melancholie
ansprechenden Burne «Jones
prangte der derbe und im echten
Volkston schaffende Ford Mad-
DOx Brovn mit dreissig Bildern
und Studien (hier bot sich eine
*) Die zweite Ausstellung, eine
solche von japanischen und chiae-
sischen Kunstwerken , fand im
HAUSEINGANG August Und September d. J. sntL
-..-^D- KUNST FÜR DIE ARMEN <^-c-
. gute Gelegenheil, einen Blick
in das KunstschatFen dieses
trerHichen Künstlers zu wer*
Ten), Feraer waren vertreten
RosSETTi mit zwei Oelbildem
und vielen Studien, Millais
mit seinem berühmten Jugend-
werke .DieTischlerwerkstätte",
G. F. Watts, Huches und an-
dere, so dass der obere Saal
eigentlich ein PrärafTaeli tensaal,
und als solcher für jeden Be-
sucher der Glanzpunkt der Aus-
stellung war. Der andre Saal
enthielt moderne Werke andrer
Künstler; von Werken der alten
Kunst war nur eine ganz kleine,
aber ausgewählte Anzahl Bilder
vorhanden. Der Erfolg des
Unternehmens war in den Prä-
rafTaeli tenbil dem zu suchen. - —
Hier liegt zugleich das Lehr-
reiche der Veranstaltungen: sie
wirken durch den ausgesproche-
nen Kultus des Nationalen.
Hier wie überall in England
begegnen wir diesem Kultus, den
man mit dem wohlthuenden
Enthusiasmus und der Einseitig-
keit betreibt, die hier allein zum
Ziele führen. Besucht man in
England die Entwurfsklassen der
Kunstgewerbeschulen, so ist es
Ford Maddox Brown, dessen
Gestalten hier Für die flgürlichen
Entwürfe als Vorbild gegeben
werden, als Höchstes in Stoffen,
Tapeten und Wandgehängen gilt
jedem Engländer mit vollkom-
mener Selbstverständlichkeit das
Lebenswerk WiLLtAM MottRis,
als erstrebenswerter Wand-
schmuck jedem einzt
Volkes die Bilder i
mälden von Rossetti
Jones und Brown.
Volkskunst und Hein
Wir könnten bei {
Veranlagung zum Kri
mehr gutem Willen ur
beschränkung aus unsc
LiN, Klinger, Thoma,
u. s. w. dieselben echt '
liehen Künstler mache
Engländer aus ihren
liten. Diese haben denselben
ausgesprochenen deutschen Zug.
c, H. TOVNSEND. THE wHiTECHAPEL ARTGALLERY wie jene den eogHschen, und
'tJ^> KUNST FÜR DIE ARMEN -C^-u-
es gilt nur, dies endlich voll anzuerkennen
und dementsprechend zu handeln.
Was aber als wichtigstes Ergebnis der Aus-
stellungen in Whitechapel angesehen werden
muss, ist die Thatsache, dass es hier wirklich
gelungen ist, den niedersten Volksschichten
eine lebhafte Neigung für Kunst abzugewinnen.
Nicht als ob hierdurch die Lösung der sozialen
Frage erreicht oder auch nur angeschnitten
wäre. Aber es ist den spärlichen Freuden
dieser Bevölkerungsklassen eine neue und
zwar eine solche beigefügt, die auf die Dauer
ihren veredelnden Einßuss auf Herz und Ge-
müt, auf Sitte und Ordnung gar nicht ver-
fehlen kann, es ist erreicht, das Volk mit
dem Besten und Edelsten zu beschäftigen,
was die Menschheit hervorgebracht hat. Und
zwar dadurch, dass man dem Volke das beste
bot, was vom Standpunkt einer neuen natio-
naien Kunst überhaupt möglich war: in einem
Gebäude von neuartigem, echt künstlerischem
Gepräge die Perlen der neueren englischen
Malerei. Denn wie nur die Kunst des Gegen-
wartslebens, wenn sie sich überhaupt auf
volkstümlichem Boden bewegt, zum Volke
sprechen kann, so gilt auch gerade für das
Volk, was Goethe von den Kindern sagte: auch
für dieses ist „das Beste gerade gut genug".
London. H. MuTHESius
E. ERBER • WANDBEHANG
-ij-^5> ELISABETH ERBER <^-<^
DEKORATIVES PANEEL: GLOCKENBLUME IM TELKEN
DEKORATIVES PANEEL: ESCHENKNOSPEN IM FRÜHLING
DEKORATIVES PANEEL: WELKENDE PFLANZEN MIT MOTTE
^.-ftO ELISABETH ERBER <as-.^
EIN WORT ZU DEN ARBEITEN
VON ELISABETH ERBER
In einigen der hier abgebildeten Arbeiten
Fräulein Elisabeth Erber's scheint uns
etwas zu Hegen, was wir in sehr vielen
modernen ornamentalen Arbeiten bis jetzt
vermissen. Die Unvollkommenheit des bis-
her erlangien Stadiums in der Verwendung
der Pßanzen im Ornament und den dekora-
tiven Künsten glauben wir darin zu sehen,
dass man die Möglichkeiten, die in ihrer
Verwendung liegen, noch viel zu wenig aus-
genutzt hat, und dass die Künstler das uner-
schöpfliche Leben, das in der Pflanzenwelt
verborgen liegt, womöglich noch weniger be-
achten als früher. Das Blumenstück als
solches ist oft nicht weiter gediehen als bis
zu dem blossen Darstellen farbig hübsch
wirkender Blumenarrangements. Die un-
zähligen Blumenmuster hingegen begnügen
sich nur zu oft mit blosser wirkungsvoller
Verteilung der Massen im Räume und netter
Linienführung. Ist das nun alles, was das
Pflanzenmotiv uns zu geben vermag? Wir
glauben es nicht. Wir können hier sogar
sehen, dass eine Kflnstlerseele, welche die
Natur nicht als blosse Musterlieferantin aus-
beutet, sondern ihr nachzuleben versucht,
uns auch Neues zu geben vermag, in der
ersten Abbildung auf Seite 57 sehen wir
eines von den dekorativen Mustern, wie es
deren jetzt viele giebt. Es spricht daraus
wie in der ersten Abbildung auf Seite 59
ein gewisser Sinn für wirkungsvolle Ver-
teilung von dunklen und hellen Massen im
Räume, schwerlich mehr; und auch die ge-
bogenen Linien drücken kein inneres Leben
aus. Sie sind eben bloss gebogen. In der
zweiten Abbildung auf Seite 58 liegt schon
etwas mehr Bewegung in den Stielen der
Schlingpflanze; nur schlingen sie sich eben
um nichts, in den übrigen Arbeiten nun
hat die Künstlerin, einem instinktiven Triebe
folgend, aus dem Illustrationsformate, der
Mustermisere und dessen dürftigem Gehalte
herauszukommen, ganz grosse Formale ge-
wählt, wo die Pflanze in vierfacher Natur-
grosse erscheint, und erreicht auch mit der
ausserordentlich energischen Konturlinie eine
ungewöhnliche Kraft des Ausdruckes. In der
ersten Abbildung auf Seite 58 ist die Linien-
führung durch die grosse Kurve erreicht und
die dekorative Wirkung durch die fünf blauen
Glockenblumen. Aber diese Kurve ist nicht
eine beliebige modern gebogene Linie, son-
dern sie sagt etwas aus; sie ist die Senkung
einer welkenden Pflanze im Herbste, wo jedes
Blatt im Welken sich fast qualvoll krümmt.
Die Spinngewebe ziehen den Stengel vollends
zu Boden. Im Ganzen liegt etwas von dem,
-T^&- BRUNO PAUL <S*^
BRUNO PAUL • BÜCHERSCHRANK • AUSGEFÜHRT VON DEN VEREINIGTEN
WERKSTÄTTEN FÜR KUNST IM HANDWERK IN MÜNCHEN (GES. GESCH.)
,rie> BRUNO PAUL -«as-t^
r
..„ «f-URFIMEKRETiR UND UHR • AUSGEFÜHRT VON DEN VER-
|fN"S?Er™KS"T™ FÜR KUNST ,M HANDWERK .N MÜNCHEN ..B. OBS<=„.,
-3-^> BRUNO PAUL <^-t^'
BRUNO PAUL • SCHRANK « AUSGEFÜHRT VON DEN VEREINIGTEN
WERKSTÄTTEN FÜR KUNST IM HANDWERK IN MÜNCHEN (GES.GESCH.t
^*-^> ELISABETH ERBER <^-c-
was wir eben .Ausdruck* nennen möchten.
Es sind zwar oft genug HerbstblumenstQcke
gemalt worden, doch erreichte man die
Herbstwirkung vielleicht mehr durch blosse
herbstliche LaubfSfbung und im besten Falle
durch eine .landschaftlich" hinzugefügte
Luftstimmung als durch die Wiedergabe des
Zaubers der herbstlich hinsterbenden Blume
selber. Einen intensiven Lebensinhalt hat
auch die Arbeit Abbildung 2 auf Seite 58.
Das linear Wirkungsvolle ist die kraftvolle
Gegenbewegung der beiden Eschenzweige und
das Dekorative daran die grossen braunen und
grünen Knospen, die gute Farben Wirkungen
im Räume abgeben. Das innere seelische
Leben steckt jedoch in der konzentrierten
Wachstumsenergie der knorrigen Zweige, in
dem Saftstrotzenden der Knospen, dem Platzen
der Spitzen in junger Frfihlingslusl. An sich
schon in der Natur entzückend, ist dieses Leben
hier mit einem Nachdrucke jedes Striches ver-
stärkt, dass es weit über die Natur hinaus
geht und Kunst wird, Kunst des Ausdruckes.
Noch stärker kommt diese Fähigkeit des
Künstlers, in uns gesteigerte Gefühle zu er-
regen, in der Arbeit Abbildung 3 auf Seite 5S
zur Geltung. Jeder Strich drückt intensiv
auch hier das müde Welken, das Sterben,
das Leiden der Pflanze aus, und bis zur
Motte hinab, die nächtig darüber kriecht,
wird alles zum Symbol unserer eigenen
leidenden Menschenseele. Aber eben diese
Kraft des Ausdruckes ist nur erreichbar
dadurch, dass man neben dem seelischen
Inhalte sich gleichzeitig alle Errungenschaften
der modernen dekorativen Bewegung, die
Kraf[ der einfachen Wirkungen, die
Konzentralion der Bewegungen zu
nutze macht. Wir sehen in dieser
Gleichzeitigkeit der innerlich po-
etischen und der äusserlich opti-
schen Ausdrucksmittel das eigent-
liche Wesen der grossen oma-
mentalen, dekorativen und monu-
mentalen Kunst unserer deut-
schen Zukunft, und in solchen
Arbeiten, wie die vorliegenden,
so eingeschränkt sie in ihrem
Inhalte auch manchen erscheinen
mögen, spüren wir einen Hauch
eben dieser deutschen Zukunft.
Kürzlich sagte uns einer
der eifrigsten Vorkämpfer für
VAN DE Velde's an sich hoch-
interessantes, aber ungestaltetes
und unvorstellbares Omament,
dass er mit dem besten Willen in
allen Ornamenten Eckmann's und
Pankok's nur bessere Brandmale-
reien sehen könne. In einer solchen
Zeit da gilt es, glauben wir, fest
zusammenzuhalten und zu zeigen,
dass wir, über alle Verstandes-
arbeit hinweg doch noch sind und
bleiben ein Volk, welches, wie es
■ in der Musik nicht blosse Töne
machte, sondern sang und jauchzte
und lebte, so auch in der grossen
Kunst der Bewegungen, die wir
das Omament nennen, nicht bloss
abstrakte Linien geben, sondern
lebendig darstellen will, was ihn
in der Natur entzückt oder was
ihn im Innern der Seele schmerz-
lich und freudig bewegt.
Hermann Obrist
^r-^> BRUNO PAUL <^^
bruno paul • tisch und
bücherschrank • ausge-
fOhrtvon den vereinigten
werkstätten für kunst im
handwerk in münchen ••
(gbs. gesch.)
-,-i&- BRUNO PAUL <aä-^
BRUNO PAUL
BRUNO Paul's Ruf als Karikaturist geht
über Deutschlands Grenzen in alle
Kulturländer. Er hat auf dem Gebiete des
kulturellen Spott- und Warnungsbildes Zeich-
nungen von einer so prägnanten Akribie ge-
schalTen, die ihn Für immer unter die besten
Künstler dieser An reihen. Seine „Pest in
Südafrika", die im Simplicissimus erschien,
ist so neu, so gewaltig in seiner Einfachheit,
dass man all die unzähligen Bilder von Krieg
und Tod und Pestilenz seit dem Ausgange
des Mittelalters vergisst — aber dies Bild
niemals. Mit wenig Linien und Farbenflecken
hat Paul die packendste Wirkung zu erzielen
gewusst.
Vergleicht man Paul's kutistge werbliche
Arbeiten mit jenen Werken, so wird man
zunächst seine künstlerischen Arbeiten weit
höher schätzen als die kunstgewerblichen. Aber
die Bedeutung Paul's auf kunstgewerblichem
Gebiete darf deshalb durchaus nicht gering
bewertet werden. Ganz abgesehen davon,
dass Paul von Anfang an den Vereinigten
Werkstätten Für Kunst im Handwerk in
München angehört hat, zeigen seine kunst-
gewerblichen Arbeiten — klar ausgeprägt
dieselbe Art, denselben künstlerisch ent-
wickelten Geist, der seine Bilder beherrscht.
In beiden Arten von Werken spricht sich ein
kerniger, herber, gesunder und erfrischender
Künstler kurz und bündig aus. Bruno Paul
ist nicht diese Fülle von äusserst fein zuge-
spitztem und dem Anscheine nach kapriziösem
Geiste wie Pankok eigen. Riemerschmid's
gesetzbildendes Schaifen wirkt schlichter und
anmutiger. Aber der Vergleich gewinnt uns
ebenso für Paul, Wie klar trennt er schon
seine beiden SchalTensaufgaben und Gebiete.
In seinen kunstgewerblichen Arbeiten ist
nichts von nebensächlichem Witz , kleinere
Pointen braucht er hier nicht, um den Reiz
des Möbels oder des ganzen Zimmers da-
durch erst zu heben. Was von den besten
Werken einer neuen Kunst gilt, trifft fast
auf jedes einzelne seiner Werke zu: Eni-
äusserung des Schmuckes. Der Schmuck,
-^■^D- BRUNO PAUL <^^
KOLOMAN MOSER • SEIDENSTOFF
das Erhebende Hegt in der Konstruktion.
Das Dekorative selbst ist vital geworden.
Dass man dies gerade von den kunst-
gewerblichen Arbeiten eines Karikaturisten
sagen muss, mag überraschend sein — der
Art von Paul's Bildern ist dies völlig
kongruent. Mit einfachen aber kräftigen
Linien und wenig Farbtönen weiss er hier
und dort sein mannhaftes Wollen künstlerisch
genussvoll darzustellen.
Die vier vornehmen Räume Bruno Paul's
in der ersten Ausstellung für Kunst im Hand-
werk, aus denen unser Heft eine Reihe von
Abbildungen bringt, haben alle das, was man
immer wieder patrizierhaft nennen wird. —
Dem entspricht auch das Material, dessen
leicht koloristische Wirkung durch verschie-
dene Behandlung die konstruktive Sprache
delikat unterstützen hilft. Die Speisezimmer-
möbel, zu denen das Büffet mit den ver-
glasten Thüren, der ausziehbare Speisetisch
mit den kraftvoll geschnitzten Füssen, auch
der leichter wirkende Zeilungs- und Bücher-
schrank gehört, sind in poliertem natur-
farbenem Mahagoniholz mit Wechsel von
Wassereichenholz ausgeführt. Im hallen-
artigen Salon mit der leichten Stuckdecke
und dem kräftig modellierten Friese stehen
intarsierte Möbel in Kirschbaumholz.
Die Ausstellung bringt überdies eine ganze
Reihe kunstgewerblicher Arbeiten Paul's in
verschiedensten Materialien und Techniken.
Leuchter und Lampen und Thürschilde in
Messing, Teppiche in Knüpftechnik und Uhren
in Holzverkleidung. Die Abbildungen lassen
erkennen, wie sehr auch hierin Paul seine
feste, sichere, chevalereske Art künstlerisch
verkörpert. — Alle seine Leistungen be-
weisen übrigens, scheinbar, aller Herden-
viehtheorie zum Trotz, dass der Anschluss
des Einzelnen an eine Gruppe, das Zu-
sammengehen Gleichgesinnter zu einer Sache
ganz und gar nicht denjenigen auch nur um
etwas seines Wertes berauben kann, der
thatsächlich eigene Art und Kraft hat. Die
Künstler der Vereinigten Werkstätten in
München haben alle ihre eigene Art nicht
nur behalten, sondern sie haben sie gesteigert.
Allerdings ist diese kleine Gruppe doch selbst
nur wieder eine einzelne Macht gegen die
grosse Herde stumpfsinniger Anbeter inhalts-
loser Formen und Formeln.
LiCHTVARK stellte kürzlich als das Ideal des
Deutschen der Zukunft den deutschen Offizier
hin. Paul's Zimmer und Möbel scheinen mir
viel von ihm zu haben. — Dass ich freilich
nicht — ebensowenig wie Lichtwabk — an
den entnervten, blasierten Gardeleutnant, den
Bruno Paul selbst so trefflich zu karikieren
weiss, denke, sondern an den Offizier, dessen
Leib wie Geist gestählt ist, liest man Paul's
Werken woht Zug für Zug ab. e. t, b.
KOLOMAN MOSER m FUSSBODEN BELAG
^r4ö> WIENER BRIEF
WIENER BRIEF
Das Programm, das ich heute vorlege, ist
etwas bunt. Es ist, seit ich das letzte Mal
in der „Dekorativen Kunst" über Wiener
Arbeiten berichtete, so vielerlei Neues ge-
schaffen worden, dass ich von jedem nur
kleine Proben bringen kann : Schmuck,
Silbergerit, Möbel, Stoffe. — Die Künstler,
von denen ich zu sprechen habe, gehören
verschiedenen — oft feindlichen — Lagern
an; einzelne auch gar keinem Lager. So
kommt es, dass ich diese Dinge gar nicht
unter einen Hut bringen und als gemein-
samen Gesichtspunkt nur den vorschlagen
kann, dass alle Arbeiten von Wienern ge-
schaffen sind.
Da sind' einmal, um mit dem ältesten und
berühmtesten zu beginnen, die Silbergeräte von
Otto Waoner: Ein Schreibservice, das in der
Früh Jahrsausstellung der Secession exponiert
war. Ein Theeservice, das viel delikater und
raffinierter ausgedacht war, mit Wellenringen
auf Samowar und Kannen, wirkt leider in der
Photographie nicht günstig. Die abgebildeten
_ Geräte, aus mattem Silber mit durchbrochener
Arbeit, die an einzelnen Stellen mit email-
lierten Flächen hinterlegt ist, wirken reich,
ohne überladen zu sein. Besonders an dem
Rahmen des Spiegels scheint mir das Orna-
mentenspiel mit den verschlungenen Nelken
ELSB UMGER « VELOURS
ELSE UNGEH « MÖBELSTOFF
glücklich gelöst. — Es wird leider wenig Neues
auf diesem Gebiet in Wien geschaffen, die
Künstler hängen infolge der Kostspieligkeit
des Materials völlig von den Firmeninhabem
ab, und diese scheinen für ihr Publikum die
alten Rokokotintenfässer und Girandols noch
gut genug zu hatten. — Die WAGNER'schen
Entwürfe wurden von A. Kunkosch, einer
schon aus der Makartzeit bekannten Firma,
ausgeführt, die auf der Jubiläumsausstel-
lung 1898, dem ersten Debüt der Wiener
Moderne, mit einer ausgezeichneten Aus-
stellung nach Zeichnung Wagner's vertreten
war. Sehr eifrig ist auch A. D. Haupt-
mann, am Kohlmarkt, von dem Sie in einem
früheren Jahrgang eine graziöse goldene
Kanne, ausgeführt von Eduard Frank, ver-
öffentlicht haben. Dieser Eduard Frank,
der einer der ersten Goldschmiedemeister
zu werden versprach, ist mir seither ganz
aus den Augen entschwunden. Offenbar
gehen alle seine Leistungen unter fremdem
Namen — aus Geschäftsrücksichten. Aehn-
liches passiert vielen der bedeutendsten
Wiener Kräfte. Was könnte man in Wien
für famose SchmuckkünsCler aufweisen und
erziehen, wenn man sie nur bei ihrem Namen
aufrufen könnte. Aber die Firmen halten
es nicht für opportun, ihre „Hilfskräfte" zu
verraten. Sie wollen selbst das Renommee
und den Löwenanteil an dem Verdienst.
-!r4^> WIENER BRIEF ^^-c-
ROBERT OERLEY • ECKE AUS DEM
VORRAUM EINES KUNSTSALONS««
-^p^S)- WIENER BRIEF <^-!^
ROBERT OERLEY
VAREMSCHRANK EINES KUNSTSALONS
Wie oft sehe ich in Schaufenstern oder Aus-
stellungen Objekte, bei denen ich den Künstler
an der Art der Komposition erltenne. So
ist Peter Breithut, der in der OeFfenttich-
keit nur als vortrefflicher Medailleur bekannt
ist, ein Schmuckkünstler, der sich zu hohen
Leistungen aufschwingen könnte, wenn — ja
wenn seine Arbeiten speziell unter seinem
Namen bekannt und bezahlt würden. Aber
er muss für die Kundschaft dieses und jenes
Juwelierladens arbeiten. —
Auf Schmuckkunst wird jetzt in Wiener
Kunstkreisen besonders geachtet. Die Lor-
beeren von Lalique und andern Pariser
Künstlern, such die englischen Vorbilder, die
hier auf Ausstellungen zu sehen waren, lassen
die junge Generation nicht ruhen. So haben
AUCHENTALLER, HOPFMANN und MOSER VOn
der Secession sich an Schmuck versucht, und
die beiden letzteren lenken auch ihre Schüler
an der Kunstgewerbeschule zu selbständigem
Entwurf und eigener Ausführung an. Beson-
ders vielversprechend sind die Arbeiten von
Fräulein Else Unger, die sich schon mehr-
fach hervorgethan hat. — Auf der Jahresaus-
stellung der genannten Anstalt, die sich ganz
prächtig entwickelt, hatte ein junger Künstler
eine Kollektion von Schmuckgegenständen,
Ringen, Broschen, Kämmen, Nadeln, Spiegeln
und Anhängseln ausgestellt, die eine liebe-
volle Vertiefung in die Techniken und ein
anmutiges Formtalent verraten. Es ist Otto
^r4^> WIENER BRIEF <^-^
OTTO PHUTSCHER
CASKAMIN EINES SPEISEZIMMERS
pRUTSCHER, von dem nebenstehend einige
Arbeiten abgebildet sind. Von den Schmuck-
Itassetten ist die eine mit grauem Leder in
feiner Tönung überzogen, auf dem oben ein
ornamentaler farbiger Fries aufgeprägt ist;
Elfenbeinknöpfe sind aufgesetzt, und der
eigentliche Körper wird von einem mit seit-
lichen Handhaben versehenen silbernen Ge-
stell getragen. Die andere Kassette ist weiss,
mit Silberbeschlag und Edelsteinen. Der
Kopf ist von Bildhauer Powolnv, einem
Schüler Arthur Strassers, modelliert. Von
den Schmuckstücken wären besonders die
beiden goldenen Kämme, der eine mit blauen
Beeren aus Lapislezuli, der andere mit Opal-
äugen, und die zwei Broschen wegen ihrer
farbigen Wirkung zu loben. In der Zeichnung
sind das Taschenspieglein und der Ring mit
dem Mimosen - Ornament, dessen goldenes
Liniengeflecht von translucidem grünlichem
Email ausgefüllt ist, am besten gelungen. —
Auch der Gaskamin zeigt die Vertrautheit des
jungen Künstlers mit den verschiedensten
Materialien. Prutscher gehört übrigens seit
seinem Austritt aus der Schule dem Hagen-
bund an.
Eine ganz selbständige Stellung unter den
Wiener Künstlern nimmt Robert Oerley
ein. Seiii Name ist erst im Laufe des letzten
Jahres in der OeiTentlichkeit bekannt geworden,
-3-^> WIENER BRIEF <^^
OTTO PRUTSCHEH
LEDER KASSETTEN « AUSGEFOHRT VON H. BUCH^OTALD [N WIEN
als er in Gemeinschaft mit dem Bildhauer
Seifert den ersten Preis in der Konkurrenz
um ein Strauss-Lanner- Denkmal gewann.
Die hier abgebildeten Teile eines Aus-
stellungs- und Verkaufslokals, das sich der
Hofphotograph Pietzner für Photographien
und plastographische Arbeiten herstellen Hess,
. VAN HOYTEMA
zeigen die sichere Hand des Künstlers. Der
Vor- und Empfangsrsum des Salons ist in
vier kleinere, in Form, Material und Farbe
verschiedene Nischen eingeteilt, um ebenso
viele verschiedene Proben von Interieurs zu
geben, in denen die Erzeugnisse der Firma
günstig wirken. Dennoch ist der Raum durch
verbindende Motive zu ein-
heitlicher Wirkung gebracht.
Schliesslich sei noch mit
ein paar Zeilen der beige-
gebenen Stoffmuster ge-
dacht. Koloman Moser
zeigt hier wieder seine be-
I sondere Begabung. Er hat
in zwei Jahren so viele Or-
I namente fürgewebte und be-
' druckte Stoffe und Boden-
! beläge erdacht, dass Wien
auf diesem Gebiet auch
mitsprechen darf. Von
Josef Hoffmann existieren
gleichfalls hübsche Muster,
sowie von einigen Schülern
der beiden Professoren,
unter denen hier Friuletn
Unoer mit mehreren Ar-
beiten vertreten ist. Die
Stoffbespannung der Möbel
in dem vorerwähnten Kunst-
salon ist von Oehley ent-
worfen.
So hätte ich denn in Hast
einige bedeutendere Proben
von den Leistungen der ver-
gangenen Saison erledigt,
um mein Gemüt frei und
.^F-^> TH. VAN HOYTEMA -CS^^
TH. VAN HOYTEMA
TH. VAN HOYTEMA « SCHUTZE AND UND KLEIDERSTANDER
^r-^5> TH. VAN HOYTEMA <^S^
TH. VAN HOYTEMA
TH. VAN HOYTEMA
^T-^> HERMANN OBRIST <?^^
HERMANN OBRIST « • GRABDENKMAL
(SCHIEFERPLATTE UND MUSCHELKALK)
^r-^> TH. VAN HOYTEMA <^^^
die Sinne empfänglich zu machen für die
Neuheiten der bevorstehenden Ausstellungen.
Es wird mit Macht gerüstet und ein paar von
den beteiligten Künstlern haben mir beiläufig
zu verstehen gegeben, dass das bisher Ge-
schafTene wieder einmal völlig fiberwunden
sei durch die Dinge, die im Werden sind!
Nun, ich bin bereit, zu staunen.
Dr. Ludwig Abels
GESCHMÜCKTE MÖBEL
VAN HOYTEMA'S
In einem vorhergehenden Artikel (Bd. Vll)
erwähnten wir beiläufig der Möbel, welche
VAN HoYTEMA künstlerisch bearbeitete. Jetzt
sind wir durch das Entgegenkommen deren
Besitzer im stände, einige Reproduktionen der-
selben zu geben und wollen bei dieser Gelegen-
heit kurz darauf zurückkommen.
Die Möbel wurden entworfen von dem Archi-
tekten der Firma van Wyngaarden & Co.,
Herrn Verschuyl, und von blankem Holz, in
verschiedenen Nuancen gebeizt, angefertigt.
In das auf diese Weise präparierte Holz
wurden nun van Hoytema's Verzierungen
geschnitten, wodurch das blanke Holz wieder
hervortrat und so Effekte hervorruft, welche
manchmal an die Japanischen Einlegarbeilen
erinnern. Die von Hoytema angewendeten
Motive freilich tragen gewöhnlich das ihrige
dazu bei diesen Japanischen Eindruck zu ver-
mehren.
Unter der Anleitung Hoytema's hat der
Bildhauer Vermeulen sich das Verfahren des
Holzschneiders so sehr zu eigen gemacht, dass
Hoytema bloss die Zeichnung auf das Holz
macht und die grösseren Schnitte darin kerbt,
indem Vermeulen die Ausführung unter seiner
Leitung zu stände bringt. Obwohl augen-
blicklich die Preise für die Möbel sich einiger-
massen hochstellen, wird das später — der
Arbeiter muss ja auch noch in der technischen
Fertigkeit fortschreiten — doch wohl günstiger
■werden.
Unter die mustergültigen, von Hoytema
selber geschmückten Möbel gehören unzweifel-
haft die Zimmerhaltwände in gelb geschnitten
auf rotem Hintergrund mit tiefschwarzer Einfas-
sung, sowie die Rücklehnen einiger Ruhebänke
in denen es uns scheinen will, dass Gegen-
stände wie verzierte Lambusierungen auf die
Dauer sich am meisten zu dergleichen Aus-
schmückung eignen werden. Wir sind davon
überzeugt, dass falls van Hoytema sich mehr
als bis jetzt der Verzierung der zum Wohn-
ASCHENURNE AUS MARMOR
haus gehörenden Geräte unterziehen wollte,
sein nicht zu unterschätzendes Talent besser
zur Geltung kommen wird. j. g. Veldheer
HERMANN OBRIST
Hermann Obrist bestrebt sich seit langem,
die schlichte Schönheit seiner Kunst in den
Dienst jener Monumente zu stellen, die wir
unseren Toten weihen. Zwei Aschenurnen
und eine Grabplatte sind Beispiele, wie solche
Denkmäler ohne falschen Prunk doch durch
vornehme Grösse des darin zum Ausdruck
gelangten Empfindens wirken können. Etwas
von jener inneren Notwendigkeit, von jenen
ehernen Gesetzen, die Werden und Vergehen
regieren, kommt auch in ihnen zum Aus-
druck und teilt sich, wenn auch unbewusst,
der Stimmung des Beschauers mit. b.
.-'-T> E. BARLACH <as-^
E. BARLACH
ES ist leicht vorauszusehen, dass das grosse
Ringen um neue Ausdrucksformen , dis
wir in der Malerei erlebt haben, in nächster
Zukunft auch in der Skulptur stattfinden muss.
Hier herrscht noch eine Ziellosigkeit, die
nur durch das Fehlen einer Baukunst erklin
werden kann; aber auch eine Unruhe, die
auFgrosse Umwälzungen hinweist. Seit wenigen
Jahren kennen wir schon Neuerer, deren Ziel
noch unklar ist, von denen aber eine gewal-
tige fortreissende Kraft ausgeht. Man denke
an Namen wie Rodin, Meunier, Minne,
Jacobsen u. s. w. Vor allem Rodin weist
weit in die Zukunft. Einmal durch sein
Genie, das der grossen Klage der Zeit, der
Verzweiflung unseres Geschlechtes künst-
lerisch erschöpfenden Ausdruck zu geben
weiss; dann aber auch, weil in seinem Wesen
in merkwürdiger Prägnanz alle Eigenschaften
enthalten sind, die der neuen Skulptur zur
Bewältigung der revolutionären Riesenarbeit
nötig scheinen.
Die Talente werden in einer Entwicklung
ja verschwendet. Neben einem Könner wie
Rodin stehen hundert kleinere Talente, denen
E. BARLACH
MONDCEISTER (KOHLEZEICHNUNG!
-5-.^> E. BARLACH <^=c"
rObensammlerin
die Natur nur einen Bruchteil schöpferischen
Vermögens, nur einen Ton aus der Harmonie
geschenkt hat. Aber der Trieb ist auch in
ihnen so stark wie in den Grossen; er drängt
unaufhaltsam zu Resultaten, sehnt sich nach
dem Gedicht und kommt doch nicht über ein
Stammeln abgerissener, schöner Gedanken
hinaus. Wer Ehrfurcht vor dem Leben hat,
der kann sein Mitgefühl nicht diesen Unvoll-
kommenen versagen: sie kämpfen den schwer-
sten Kampf, den mit sich selbst, in jeder
Stunde ihres Lebens, geben ihre Ruhe,
ihr Glück, schliesslich ihr Leben hin Für
eine Idee der Zukunft. Denn all ihr Thun
ist Vorbereitung, sie sind Pfadfinder in einer
wirren Uebergangszeit, Pioniere einer neuen
Kunst. Sie widmen die beste Kraft dem Ver-
neinen; die folgende Generation hat den
Erfolg.
Auch der Bildhauer Barlach, von dem
hier einige Arbeiten reproduziert sind, ge-
hört zu denen vom Geiste Rodin's. Er ist
ein nervöses, stürmisches Temperament, das
mit zusammengebissenen Zähnen nach per-
sönlicher Kunstform ringt. Als Bildhauer
ist er eigentlich Maler, als Maler Zeichner,
alsZeichnerOrnamentiker, daneben litterarisch
beeinflussbar wie alle Mischtalente; — und am
Ende ist er doch wieder nur Bildhauer. In
seinen Entwürfen für Denkmäler, die so un-
architektonisch wie möglich sind, findet man
phantastische Zerrissenheit und eine wild ver-
geudete Einbildungskraft neben den Zeichen
feinster psychologischer Beobachtung. Ur-
sprünglichkeit ohne Verfeinerung, dramatische
Accente ohne Monumentalität, Schönheiten
ohne das notwendige Mass plastischer Ruhe;
und überall streift dann das unruhvolle Tem-
perament die Grenzen, wo das Charakteristi-
sche zur Karikatur wird. Er will zu viel,
will alles — und kommt nirgends zum Ab-
schluss. In den plastischen Entwürfen und
in den Zeichnungen: immer spürt man den
rhythmischen Drang, der sich im ornamen-
talen Schwung bewegt und die Neigung für
die pathetische Silhouette. Hier ist eine
Kunst, die tanzen möchte und noch nicht
gehen kann, die feierlich reden will, während
sie noch nach der Sprache sucht.
Solche Begabungen können in unsern Tagen
nur in den angewandten Künsten praktische
Bethätigung finden. Aber ihre endliche Be-
^-^5> E. BARLACH -<^-c-
stimmung liegt doch
nicht dort; dazu
sind sie zu unruhig,
zu wenig architek-
tonisch disciplinier-
bar. Sie haben vor
allen ein Recht, ge-
würdigt und gestützt
zu werden, denn ihre
Uebergangskunst ist
hundertmal mehr, als
die trockene, em-
pfindungslose Scha-
blone, als der klein-
liche Naturalismus
der landläufigen
Skulptur. Es wäre
traurig, wenn die
Menschen des zwan-
zigstenjahrhunderts
aus den Kämpfen
der J^falerei nichts
für die noch bevor-
stehenden in der
Bildnerei gelernt
hätten.
_IÄ LJoWi.n hJ^-R.^ .e,'. LSENU/^l
FEDERZEICHNUNG
Die Abbildungen zeig«
das Fragment eines Grab-
mals: Die„Erinnerung',deiD
Geigenspiel eines oberhilt
dieser Nische gedachten Ent
leins lauschend, dann eint
in der Silhouette sii*
gRübensammlerin' und eii
paar Zeichnungen, in denen
der ornamentale Drang "^
verkennbar ist. Der Künsto
ist noch jung; man darf »Im
erwartungsvoll der Entwid-
lung seiner starken Eigeni'l
entgegensehen.
Kahl Scheffl«
DER VERLORENE SOHN
wonlich: H. BHUCKMANN. M
Verlii£MDati]| F. Bruclmi
D AlpiMiK Brueknuan, Müb
LUXUSKUNST ODER VOLKSKUNST?
von
Hermann Obrist
Unter den vielen Vorwürfen, die
man uns modernen Hand-
werkskünstlern macht, befindet sich
auch der, dass wir, in arger Ver-
kennung der Bedürfnisse unseres
Volkslebens, immer nur Arbeiten
herstellten, die infolge ihrer Preise
lediglich den oberen Zehntausend
zugänglich seien. Was unser Volk
brauche, wäre eine echte Volks-
kunst: einfache, praktische, ge-
schmackvolle und doch billige
Dinge ohne alle Prätention, heimat-
lich — volkstümlich — national:
kurz, so recht deutsch; und es
wäre eine edlere Aufgabe für uns
Künstler, diese soziale Aufgabe zu
erfüllen, als so unserer Privatlaune
zu fröhnen. Mein Freund M. hatte
hierüber sogar eine Broschüre ge-
schrieben und auf die wunder-
vollen holsteinischen Bauernmöbel
als Vorbilder hingewiesen, und oft
sprachen wir miteinander darüber
auf seinem Kanapee sitzend, vor
uns einen ovalen Tisch mit Plüsch-
decke und einer Blattpflanze darauf.
Als er sich verheiratete, beschloss
er, sein Esszimmer und seine gute
Stube (die ist doch deutsch -
national?) in Volkskunst herstellen
zu lassen. So ging er mit einem
einfachen soliden Schreiner aus der
Nachbarschaft ans Werk. Wie die
ersten Stücke kamen, war er starr
über deren ordinäres Aussehen.
Er konnte es gar nicht begreifen;
er hatte doch so schöne Photo-
graphien holsteinischer Möbel her-
gegeben ! Vier Monate wurde pro-
biert, ehe es einigermassen besser
wurde. Das Esszimmer kostete
ihm 985 Mark. Er erfuhr aber
noch obendrein, dass der Schreiner
zu seiner, M's. Frau gesagt habe,
etwas feines wär's nicht, was sich
der Herr Oberlehrer da ange-
schafft habe und dass seine eigene
Frau dem Schreiner nicht wider-
sprochen habe. Da verzichtete er
auf die gute Stube in Volkskunst.
Seitdem ist er sehr still geworden.
In der That, was ist Volkskunst?
Kunst, vom Volke gemacht, also
von Schreinern, Schlossern oder
von den Fabriken, oder Kunst
für das Volk gemacht, also für
den Bürger, Beamten, Kaufmann?
Oder für die besser Situirten?
Oder für die Reichen? Was ist
Volk, wer ist das Volk? Was
thut denn der Schreiner, wenn er
einen Auftrag erhält? Er holt
seine Vorlagenwerke und seine
Musterbücher hervor und entwirft
etwas, das seiner Firma „Ehre^^
macht. Brauchen wir ein Bild
dessen herauf zu beschwören, was
Dekorative Kunst. V. 3. Dezember T90X.
81
II
-^•^D- LUXUSKUNST ODER VOLKSKUNST? <^-.7-
HAUS LANGE, TOBENGEN
dabei heraus kommt? Oder umgekehrt.
Lassen wir die vortreßliche Frau Kommis-
sionsrat X. in ein Möbelgeschäft eintreten.
Wissen wir nicht alle, was sie da kaufen wird?
Vor zwei Jahren schrieb die Firma F. eine
Konkurrenz aus für ein Wohnzimmer für die
minder bemittelten Klassen. Die Jury ent-
schied sich nach heissem Kampfe für den
Entwurf des Künstlers Riemerschmid. Dieses
Zimmer gehört noch jetzt zu dem Besten und
tadellos Wahrsten und Geschmackvollsten, was
an gesund-praktischen Möbeln bis jetzt ge-
macht wurde. Der Verkaufspreis wurde zu
340 Mark angesetzt, um den einfachen Mann
zu animieren. Als wir das letzte Mal davon
hörten, war es einmal verkauft worden. Dem
einfachen Manne war es zu einfach, dem
Gebildeten nicht minder. Seitdem macht die
Firma wieder gangbare Ware. Nur so kann
sie sich halten. Zum Ueberflusse sorgen
auch noch die Herren Arbeiter durch ihre
Lohnansprüche dafür, dass eine gute und
doch billige Sache ein holder Traum bleibt.
Noch will das Volk gar keine einfache,
gesunde Volkskunst, ebensowenig wie es
Bedürfnis nach Hygiene hatte. Das Volk
will etwas, das nach was aussieht. Und wie
die Welt vielleicht dereinst den Chinesen
gehören wird, weil sie sich so stark ver-
mehren, so wird die Firma siegen, die dem
Volke in grösster Menge und zu den billigsten
Preisen das giebt, wonach es giert.
So glaubst du nicht an Volkskunst?
Doch, wir müssen uns nur darüber
einigen, was wir darunter verstehen wollen.
Verlassen wir zu diesem Zwecke diese
^^■^> BERNHARD PANKOK <^^^
TREPPE « HAUS LANGE
traurigen wirtschaftlichen Fragen und suchen ist, der so spielt. Es glebt sich ganz von
wir die Lösung anderswo. selbst. Wenn wir Töpfereien der Azteken,
■Wenn wir einen Jungen auf dem Dorfe der Urgermanen und der Neger neben-
an! Bache sehen, wie er sich eine kleine einander stellen und die Ornamente weg-
Mühle aus Brettern macht, so sehen wir, nehmen, so sind sie oft nicht voneinander
dass fast genau dasselbe daraus wird, ob es zu unterscheiden. Es giebt sich die Form
ein kleiner Norweger, Sachse oder Sicilianer durch Drehen, Kneifen etc. von selbst.
-a-^> LUXUSKUNST ODER VOLKSKUNST? <^-c-
Wenn wir das Bild einer Tiroler Sennhütte
neben das eines Blockhauses der waldbe-
wohnenden Kirgisen halten, so ist die
Uebereinsiimmung verblüfTend. Dieselben
Materialien im selben Klima zu denselben
Bedürfnissen gebracht, ergeben von selbst
ähnliches. Das Handwerkliche ergiebt sich
überhaupt von selbst. Und in diesem Hand-
fässes <ein Begriff, auf den wir später zurück*
kommen) hier dürftig zum Ausdrucke bringen.
Im allgemeinen aber sind fast alle Völker hand-
werklich-künstlerisch begabt gewesen und sind
es geblieben, bis Fremde Einflüsse erschienen
und sie verwirrten. In unsere ethnographische
Museen muss man gehen, wenn man die
Anfänge aller Kunst auf Erden erkennen
HAUS LANGE, TOBINGEN
werklichen steckt schon, tritt schon hervor,
wird schon unbewusst sichtbar das Künstle-
rische, je nach der Höhe der Organisation
jeder Rasse und der Lust, mit der sie das
Werk der Hand betreibt. Es giebt auch
Völkerschaften, deren Töpfe unkönsilerisch
sind, d. h. deren Proportionen und Süssere
Formen und Konturen das Leben des Ge-
will. Handwerk (Werk der Hand), Struktur
(Gefüge und Ausdruck des Zweckes und des
inneren Lebens des Gefüges), Ornament
(Belebung, Steigerung dieses Lebens), das
alles, dieses indirekte Leben, war oft in un-
glaublicher Schönheit vorhanden, ehe es so-
genannte freie Kunst gab, d. h. direkte Dar-
stellung des Lebens als Selbstzweck. Das
-;i-^> BERNHARD PANKOK -<^^-^
ALTANE « HAUS LANGE
ist die dem Menschengeschlechte immanente
Kunstnotwendigkeit, die immer da war und
wieder von neuem kreativ einsetzen würde,
wenn eine neue Sintflut auch jegliche Er-
ianerung an DOrer oder Rubens weg-
spülen würde. Dies ist der Anfang der
wahren Volkskunst überall gewesen, und
auch der Kölner Dom ist in letzter Instanz
nur auf diese Uranßfnge zurückzuführen.
Das könnte auch der Anfang einer neuen
frischen Volkskunst bei jedem in die Irre ge-
gangenen Volke werden, wenn unsere Lehrer
zu dieser tiefsten aller Erkenntnisse gelangen
könnten. Nicht indem sie das Kind nun Gegen-
stände aus volkstümlichen Gräberfunden ab-
zeichnen Hessen, statt einer dekadenten Ro-
kokovase, sondern indem sie jedem Kinde
die Möglichkeit gäben, das freudige Spiel
des Handwerks wieder von selbst zu ent-
decken. Ueberall sehen wir dann weiter
dasselbe Schauspiel sich entfalten, ob bei
den Griechen, den Arabern oder bei der
Gotik ; allmählich kommen zu den blos
handwerklich-künstlerischen Bedürfnissen alle
übrigen Kulturfaktoren hi'nzu, um eine solche
Volkskunst zu steigern zu einem unendlich
reichen Gebilde, wo Poesie, Religion, Ge-
BRUNNEN ■ HAUS LANCE
-^^-^y LUXUSKUNST ODER VOLKSKUNST? <^-^
fiihls- Associationen ftlier Art mit dem höch-
sten Luxus und der höchsten Macht zu
einem unlöslichen Ganzen verschmelzen,
so dass schliesslich jedes Volk vom andern
ginzlicb verschieden geworden ist, um
schliesslich an seiner eigenen Hypertrophie
oder an plötzlichen äusseren Einflüssen zu
Grunde zu gehn. Dort war die Kunst
lange wahre und homogene Volkskunst
geblieben, denn es war gar nichts
anderes vorhanden, nach dem es
hätte aussehen können, i^it einem
anderen Worte gesagt: Es konnte nicht ordinär
modern werden. Und das führt uns zu dem
zurück, was uns vorhin beschäftigte. Wir
finden jetzt, dass der Begriff der wah-
ren Volkskunst gar nichts damit zu
thun hat, ob das Hergestellte billig
oder teuer ist, ob es für den kleinen
Mann oder fUr den Fürsten gearbeitet ist,
sondern dass allein entscheidend ist, ob
es den Geist dessen atmet, was das Volk
in den Zeiten, wo es am persönlichsten,
eigenartigsten und unbewussiesten pulsierte,
auf allen Gebieten des Handwerks, des öffent-
lichen Lebens, der Gesittung, der Kunst, der
Religion, der Poesie, der Stimmung über-
haupt, schöpferisch ausstrahlte. Das wäre
dann die echteste Volkskunst, das wäre der
Geist, den wir am meisten lieb gewinnen
könnten.
Nun wird man uns entgegnen, dass diese
Auffassung doch sehr weit verbreitet sei, und
dass unser neuer Städtebau schon recht an-
sehnliche Proben wahrer deutscher Volkskunst
aufzuweisen habe. Allerdings, die jüngste
Schule unserer Architekten geht wieder zurück
auf die naivsten Formen städtischer, ja sogir
ländlicher deutscher Bauten des frühen Mittel-
alters, die so primitiv und klar sind, dass fast
nichts daran zu verderben ist, und kopieren
und variieren sie. Es ist fraglos, dass diese
ganzen Bemühungen einen hohen kunst-
sanitären Wert in sich tragen, und sie sind
freudig zu begrQssen; allein es haftet ihnen
immer noch der Geist des bewussten, ab-
THORE.HAUS LANCE
^r-^D- LUXUSKUNST ODER VOLKSKUNST? <^W-
SPEICHERDIELE • HAUS LANGE • DIE INNENEENSICHTUNG AUSGEF. VON DEN VEREIN. WERKSTATTEN, mOnCKEN
sichtlichen, verstandesmässigen Naiv-sein-
wollens an. Es ist doch nur Kultur-Volks-
kunst. Eine Stufe hoher ist schon van de
Veldbzu setzen, der von allen zuerst be wusst
zurückging auf die Urelemenie der gesunden
Holzkonstruktion, wie sie im Schifl^bau noch
heute wie in uralten Zeiten gültig sind. Nicht
die Schiff^konstruktion ahmte er in seinen
Möbeln nach, sondern er wendete das uralte
gesunde, handwerklich-struktive Prinzip ziel-
bewusst auf die Kunst des Mobiliars an. In
diesem Sinne, als Konstrukteur, (wenn auch
nicht als Omameniiker) ist er thalsächlich
als ein wahrer Volkskünstler zu nennen, dessen
Lehre, wo sie überhaupt verstanden
wird, gar nicht anders als heilsam wirken
kann. Aber gerade dieses Element des Be-
wussten und Verstandesmässigen ist es, welches,
wenn es Anfang und Ende des künstlerischen
Schaffens zugleich beeinflusst, das eigentliche
Aufblühen dessen verhindern muss und ver-
hindern wird, was wir schöpferische Natur-
Volkskunst nennen möchten, und dessen
stärkster Vertreter Bernhard Pankok ist.
Pankok stellt psychisch und rassig die aus-
scHLAPZiMMER « HAUS LANGE gcsprochenstc Antipode zu van de Velde
^T-^> BERNHARD PANKOK <^^
dar, und sie können gar nicht anders wie
Feuer und Wasser aufeinander wirken.
Pankok fing gleich an als der Typus des
unbewussten , phantasie vollen , unbeschreib-
lich reichen dionysischen Träumers. Er war
schon als Knabe der konstruictive und orna-
mentale Poet, als den wir ihn jetzt kennen,
und wir gebrauchen dieses Wort mit Bewusst-
sein als das bezeichnendste, trotzdem wir
wissen, dass bei den „Gestrengen des M6tiers",
eine solche Idee als eine Monstrosität gelten
muss. Dieser Sohn der roten Erde (er ist
Anfang der siebziger Jahre als Sohn eines
Schreiners in Münster in Westfalen geboren)
hat Jahre des fast sagenhaften Elendes durch-
gemacht, ehe er bei der „Jugend" durch seine
Vignetten etwas verdiente. Vorher war er aus
der Schreinerwerkstatt zu einem Steinmetzen
gekommen, von da zu einem Dekorations-
maler. Dann geriet er nach Berlin, wo er
weder damals hingehörte, noch jemals hin-
gehören wird. Bis er nach München kam,
war er mehr als Landschafter thätig ge-
wesen. Erst hier wurden Zimmermann und
Berlepsch auf seine Radierungen aufmerksam
und die fugend" (im Jahre 1896) auf seine
ornamentalen Einfälle. Da er, seitdem er
sich dem Kunsthandwerk gewidmet hat, ver-
hältnismässig sehr selten zum Malen ge-
kommen ist, so dürfte es sich erübrigen,
darauf näher einzugehen. Die Zukunft wird
wohl auch hierin eine weitere Entwicklung
bringen. Erst im Jahre 1897 veranlasste ihn
Direktor KrOger, der Gründer der Ver-
einigten Werkstätten, sich zielbewusster dem
Kunsthandwerk zu widmen. Mit einer Art
von Divination erkannte er in den phantasti-
schen Skizzen des jungen Künstlers unge-
ahnte kunsthandwerkliche Möglichkeiten. Man
vergegenwärtige sich die Situation in Deutsch-
land im Jahre 1897, um zu ermessen, welche
spekulative Kühnheit dazu gehörte, so ge-
wissermassen ins Blaue hineinzusleuern. Man
erinnere sich an manche der ersten Skizzen
Pankok's mit . ihrem Taumel von zackig-
bacchantischen Einfällen, um zu begreifen,
welche Verdienste Direktor KrOoer zuge*
sprochen werden müssen, dass er ihn un-
entwegt und unbeirrt förderte. Es fiel ihm
so unglaublich viel ein, dass er selber, um
Q TREPPE • HAUS LANGE
LUXUSKUNST ODER VOLKSKUNST? <^-c-
SCHLAFZIMMER UND WASCHTISCH • HAUS LANCE
das populäre Wort zu gebrauchen, kaum nach-
kommen konnte, geschweige denn der Zu-
schauer. Und nicht immer war es direkt
verwertbar, ebensowenig wie das Unzählige,
was einem Komponisten wie Brakms einfiel,
mit dem wir oft versucht werden, ihn in
seiner jetzigen Reife zu vergleichen, direkt
verwertbarwar. Seine Erßndungsgabe schäumte
Förmlich, um wiederum einen volkstümlichen
Ausdruck zu gebrauchen. Dieses Schäumen
verdross natürlich den Philister und ver-
driesst ihn noch heute. Wagner und Schill-ER
verdrossen aber die Philister ebenfalls sehr,
sind aber doch sehr ausgereifte Künstler ge-
worden. So auch hat sich vieles geklärt in
dem Schaffen Pankok's, ohne dass dieses
Klären auf die jetzt so moderne ,,Ruhe des
nicht mehr Könnens" zurückzuführen wäre.
Immer wieder werden wir zu dem Vergleiche
dieses ornamentalen und struktiven Künstlers
mit den Musikern und Poeten getrieben. Ver-
stehen wird aber diesen Vergleich nur,
wer unsere vorahnende Ueberzeugung (eilen
kann, dass neue Kräfte der Phantasie in
unserem Volke im Anzüge sind, die viel-
leicht berufen sind, die hypertroph isirte musi-
-^r-^D- BERNHARD PANKOK <^^^
SOFA AUS DEM DAMENZIMMER • DRESDEN 1901
CREDENZ • AUSGEFOHRT VON DEN VEREINIGTEN WERKSTÄTTEN, MÜNCHEN (Ges. Gesch.i
^r-^> LUXUSKUNST ODER VOLKSKUNST? <^-t!-
kaiische Aera abzulösen , Kräfte, deren
letzte Quellen dieselben sein werden wie
die der Musik in der deutschen Seele,
deren Aeusserungsgebiet aber ein anderes
sein wird, eines, das seit Jahrhunderten nicht
mehr quoll und sprudelte. Wie in einetn
Forste, wenn man fünfzigjährige Bäume nieder-
schlägt, oft auf der Rodung eine üppige Flora
wie von dem, der das urdeutsch-wuchtig-um-
fassende Dach des Hauses Lange in Tübingen
entwarf? Sollte das nicht zur Vorsicht mahnen,
ehe man, wie das einer der eifrigsten Vor-
kämpfer VAN DE Velde's (hat, diesen Mann
für aberwitzig erklärt? Wie tief müssen wir
diesen feinsinnigen Kenner bedauern, dass er
in der rassig-prickelnden Anmut solcher Vig-
BUFFBT • AUSGEFÜHRT VON DEN VERErNlGTEN TERKSTiTTEN, MÖNCHEN <GES. CE5CH )
prangend sich entteltel, geboren aus den
Keimen, die so lange im Boden schlummerten,
so erscheint auch plötzlich ein romantischer
Anachronismus wie Pankok auf der Rodung
der gefällten Stilbäume unserer Schulen,
eine Anabiose der Volksseele.
Es ist sehr schwer, zu einem Urteile über
Pankok zu gelangen. Wer würde glauben,
dass das überzierliche Sofa aus dem eben-
falls überzierlichen Damenzimmer in Dresden
1901 von demselben Manne entworfen sei
netten und Tapeten, wie wir sie auf Seite 95, 99
u. 100 bringen, nur , bessere Brandmalereien'
sehen konnte? In der unerschöpflich sprudeln-
den Eründungsgabe, die wir in dem Kataloge
der Weltausstellung zu Paris kennen lernten,
und die an die krause Ueppigkeit der Einfalle
Jean-Paul's erinnert oder an die unerschöpf-
liche Fähigkeit Bach's, immer neue Fugen-
themen und Gegenbewegungen zu erfinden,
tritt uns auch eine der hauptsächlichsten und
denkwürdigsten Begabungen Pankok's ent-
-^-:^> BERNHARD PANKOK <^^
gegen, nlmlich die Begabung für die „Raum- und Neurbuther wieder floss, um dann vom
Umgrenzung* für die bewegte Umrahmung Sande unserer Kunstgewerbeschulen erstickt
einer Fläche. Kommt da nicht die ganze zu werden? Ist nicht auch im Pariser Zimmer
fröhliche Lust der Mönche am Illuminieren, der Weltausstellung, dieser ur-wüchsig deut-
die ganze Phantastik des Mittelalters, der Rand- sehen und doch total missverstandenen Rauch-
leisten Dürers und des lebenslustigen Rokokos und Trinkkabine, dieselbe merkwürdige Misch-
wieder zum Vorschein? Platzt hier nicht ung vom Geiste der Wikingerschiffe und des
eine längst verschüttete urdeutsche Quelle krausgewundenen Rokoko zu spüren? Wo
hervor, die nur kurz einmal unter Schvind nimmt der Künstler solche Räume her?
^r.^> LUXUSKUNST ODER VOLKSKUNST? <^^
Ahnt das Publikum nur überhaupt, dass
solche Räume erträumt, nicht auf Bestellung
„gemacht" sein wollen? In der That, es ahnt
es Fast niemand. Und wenn es einer wüsste,
so würde er es misbilligen. «Zimmer hat
man nicht zu erträumen , sondern sauber
AUS DEM DAMENZIMMER
auf dem Reissbrett zu zeichnen nach den
Wünschen des Bestellers'. Ganz recht. Nur
müssen eben erst Besteller da sein, nach
denen man sich richten kann. Und das
ist der wunde Punkt und die eigentliche
Erklärung für viele der oft unbegreiflichen
Merkwürdigkeiten Pankok's. Jahrelang
erhielt Pankok überhaupt keine Be-
stellungen, und alles, was man von ihm
sah, verdankte seinen Ursprung nur der
Initiative Direktor KrOgers, der ihm
bei Ausstellungen und ähnlichen Ge-
legenheiten mit Absicht vollkommen freie
Hand liess. So entwarf denn der junge
Künstler, den sein bisheriges Leben mit
den Bedürfnissen und Lebensgewohn-
heiten der Wohlhabenden in gar keine
Fühlung gebracht hatte, total unbewusst
seine Phantasiezimmer für Gestalten, die
es in der wirklichen Welt gar nicht giebt.
Das schwarze Sclilafzimmer auf der
Dresdener Ausstellung 1898 war das
Lager eines düsteren , romantischen
Märchenkönigs, und das Damenzimmer
auf der Dresdener Ausstellung 1901 war
das Zimmer einer ätherischen und doch
wieder harten weiblichen Traumgestalt.
Als moderne Zimmer unbequem und
ohne Ahnung von Komfort, waren sie
doch als Träume einzig. Wie viel mag
er davon in alten Klöstern, im Wald
und Gebirge ersonnen haben? So trat
denn das höchst eigenartige Phänomen
zu Tage, dass dieser Bauernsohn aus
der Tiefe seiner unbewussten, fast mysti-
schen Volksträume heraus höchste Pracht
entfaltete, während um dieselbe Zeit sich
in derselben Stadt steinreiche junge De-
kadenten in keuschem Puristenstil ein-
richteten. Wer aber wusste das? Und
so nahm denn der Bürger Aergemis
daran. Und als später Bestellungen ein-
trafen, da entstanden neue Aergemisse
daraus, dass die meisten unserer soge-
nannten Gebildeten gänzlich unfähig sind,
sich aus Zeichnungen ein Bild des
fertigen Möbels zu machen , fernerhin
meistens überhaupt nicht wissen, was
sie wollen, und wie sie es haben wollen,
so dass es für sie bequem werde. Sie
verlangen, dass der Künstler alles wissen
oder erraten soll, woraus dann die merk-
würdigsten Mischprodukteentstehen. Nicht
jeder hat den Mut und die Besonnenheit,
den Glauben und den prüfenden Blick,
wie ihn Conrad Lange in Tübingen als
erster Bauherr Pankok's in deutschen
DRESDEN 1901 Landen gezeigt hat.
-ü-.^> BERNHARD PANKOK <^-^
TEPPICH AUS DEM PARISER ZIMMER II
Wir kennen nun manche, die Pankok eine
gewisse ornamentale Phantasie nicht ab-
sprechen , die ihn aber als konstruktiven
Künstler schroff ablehnen. Das sind solche,
die auf dem Gebiete der Konstruktion Puristen
sind, Puristen des technischen „Gefüges".
Diesen ist es durchaus gestattet, ihn abzu-
lehnen. Aber dass ein Hauptvertreter des
Münchener Neu-Barocks bei Anblick des
Pariser Zimmers Pankok's ausrufen konnte:
ScheussMch, einfach krankhaft! das ist köstlich.
Ein Gotiker war diesen Sommer nicht
minder entsetzt über einen Stuhl Pankok's,
Als wir ihn darauf aufmerksam machten, wie
sehr man doch an gotischen Kirchen die
Elastizität und Kraft bewundere, mit welcher
der Druck der Mauern der Kirche von den
Strebebögen und den Strebepfeilern aufge-
fangen werde, und dass hier im Stuhle das-
selbe Spiel der Kräfte sichtbar wäre, meinte
er ärgerlich, das wäre doch hier etwas ganz
anderes. Versuche man einmal streng logisch
konstruktiv zu denken, seien wir Puristen!
Venn wir einen Puristentisch konstruieren
wollen, so nehmen wir eine rechteckige Tisch-
platte her, setzen sie auf vier streng gerade
Tischbeine, verbinden diese mit den nötigen
streng schreinermässig gefügten Leisten und
der logische Puristentisch ist Fertig. Gebogen
oder ausgeschnitten darf die Tischplatte
nur sein, wenn dies sich aus einem prak-
tischen Bedürfnisse, wie z. B. bei einem
©• LUXUSKUNST ODER VOLKSKUNST? <^-c-
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Schreibtische ergibt. Alles übrige ist Unfug.
Ist das nun Kunst des Mobiliars, oder ist
das gar Volkskunst? Durchaus nicht, und man
könnte kaum einen grösseren kulturpsycho-
logischen Fehler machen, als anzunehmen,
das Künstlerische im Handwerke der Blüte-
zeiten verdanke sein Vorhandensein den Not-
wendigkeiten der Technik oder des Gebrauches.
Man stelle sich breitbeinig hin, und man wird
eine grössere Last sicherer tragen können, als
wenn man mit geschlossenen Füssen aufrecht
steht. Der gotische Tisch steht auch breit-
beinig da, und es ist doch gar nicht nötig.
Er trüge ebenso fest, wenn die vier Beine gerade
stünden. Wenn man die Knie biegt, so kann
man, elastisch in den Gelenken federnd, eine
Last ganz anders spannkräftig heben, als wenn
man steif steht. Der Rokokotisch steht auf
gebogenen Beinen, und diese sind doch gar
nicht nötig und überdies auch gar nicht federnd.
Nötig ist also weder die gotische noch die
Rokokotischkonstruktion; aber sie sind beide
eminent künstlerisch, denn ihre Formenge-
bungen leben und geben uns Lebensgefühle.
Gewiss, sie täuschen uns vielleicht etwas
vor, aber sie machen uns zugleich die funk-
tionellen Kräfte des Lastens, des Stutzens,
des Belastetwerdens, des Tragens, des Stem-
mens, des Hebens in der Konstruktion des
Tisches sichtbar. Sie machen indirekt das
Leben der Kräfte sichtbar, sie sind künstle-
risch, während der Puristentisch nichts sicht-
bar macht, sondern bloss Tisch Ist.
So ist auch der ganze Pankok unnötig
vom Standpunkte des „Puristen des Holz-
gefüges^^ aus und unkonstruktiv bis zum
Exzess; vom Standpunkte des Ausdrucks-
künstlers aber ist er der interessanteste^ ur-
wüchsig-deutscheste Konstrukteur, den wjr
augenblicklich haben, und leicht wäre der Nach-
weis zu führen, an wie unzähligen Punkten sich
Pankok hier mit der urältesten, derbsten
deutschen Volkskunst berührt. Wir kennen
Formen am Wagen- und SchiflPsbau, die ver-
blüffend pankokisch sind, und doch können
wir bezeugen, dass er sie keineswegs imitiert
hat, sie oft gar nicht kennt. Sein Intellekt
arbeitet nur fast atavistisch deutsch-handwerk-
lich, speziell in Holz und Eisen.
Seine Konstruktionen leben intensiv und
gerade diese Intensität des »Ausdrückens*
ist es wahrscheinlich, was den reservierten
Konstruktionsnaturen auf die Nerven geht.
Wo aber die Grenze Hegt, bis zu der man
mit dem Ausdrucke gehen darf, ohne gerade
durch die Hypertrophie des Ausdruckes wieder
ZEICHNUNG ZU DEM PARISER ZIMMER 1900
98
^r-^> BERNHARD PANKOK <S^-c^
KLEIDERSCHRANK
unkUnstlerisch zu werden, das dürfte bei ver<
schiedenen Naturen verschieden sein. Pankok
scheint uns die gefährliche Klippe umschifft
zu haben. Nur hier und da, wie bei dem
schmiedeeisernen Geländer des Hauses Lange,
Seite S3, scheint uns sein Temperament
wieder etwas heftig gezuckt zu haben. Und
wie das Bedürfnis, sich mehr oder minder
stark körperlich und geistig „auszudrücken",
bei verschiedenen Menschen verschieden stark
ausgeprägt ist, so ist auch der Ausdruck der
inneren seelischen Kräfte bei verschiedenen
Rassen verschieden. Ebensowenig wie der
Engländer es in sich hat, solchen Reichtum an
Gefühlsarten zu äussern, wie sie die deutsche
Volksseele in ihrer unerhört vielgestaltigen
Musik kundgegeben hat, ebensowenig neigt jene
Rasse dazu, sich omamental und konstruktiv
stark, heftig, bewegt, pbantasievoll zu äussern.
In unserer Volksseele aber schlummern jene
Spannkräfte stets, auch wenn sie nicht in
der Musik sich äussern, und eine Zeichnung
wie die erste Skizze von PAt«KOK zu dem
Pariser Zimmer 1600 auf Seite 98 ist das
leidenschaftlich- und romantisch-deutscheste,
was wir auf diesem Gebiete kennen. Wenn
jemandem ein so starkes indirektes Leben
im Zimmer nicht behagt, so ist er durchaus
berechtigt, es abzulehnen. Aber objektiv
bleibt die Thatsache des intensiven und aus-
schliesslich deutschen Lebens, der deutsche-
sten Pracht in diesen Entwürfen bestehen.
Wir sagen ausdrücklich, deutsche Pracht,
weil uns das Wort Luxus gerade etwas zu
bezeichnen scheint, was wir gern aus un-
serem Volke beseitigt sehen möchten, als
etwas ihm Fremdes. Doch wollen wir dieses
Wort trotzdem nicht fallen lassen, weil es
uns zu dem Anfange wieder zurück führt,
von dem wir ausgegangen waren, und zu
dem Schlüsse bringen wird, auf den es uns
ankam. Wir haben zu zeigen versucht, was
wir unter wahrer, ursprünglicher Volkskunst
verstehen, und von welcher Gattung von
Künstlern wir allein glauben, dass eine Neu-
Geburt ausgehen kann, ohne deswegen be-
haupten zu wollen, dass es stets die Eigen-
art Pankok's sein muss, welche die Richtung
anzugeben braucht. Wir hoffen im Gegen-
teil, dass das nächste, urwüchsig-schöpferische
Talent eine andere Note treffen wird. Die
deutsche Volksseele ist dazu reich genug.
Das aber möchten wir gerne bewiesen
haben, dass wie es in der Musik auf die
singende Volksseele in Franz Schubert
ankommt, wenn wir von Volkskunst reden,
und nicht auf Franz Abt und die Gesangs-
vereine, so es auch in der angewandten Volks-
kunst der Zukunft auf die schöpferischen
Köpfe ankommen wird und nicht auf die
zahlreichen rührigen Firmen. Dass die Aus-
führung solcher Arbeiten zuerst nicht billig
sein kann und Luxus sein wird, das erübrigt
wohl von selbst. Es giebt aber keinen an-
dern Weg zum Fortschritt, Durch Luxus
hindurch zur Volkskunst, das wird das
Losungswort sein. Bei seinem eigenen
Heime fange jeder an, die Volkskunst
wird dann von selbst kommen.
VIGNETTE AUS:
„DAS GOLDENE
BUCH DES DEUT-
SCHEN VOLKES
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AN DER JAHR.
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DIE HANDARBETETS-VÄNNER <^^
VIGNETTE AUS: „DAS GOLDENE BUCH DES DEUTSCHEN VOLKES
AN DER JAHRHUNDERTWENDE.** VERLAG: J. J. WEBER, LEIPZIG.
DIE AUSSTELLUNG DER HANDARBETETS-VÄNNER
VON STOCKHOLM IM BERLINER KUNSTGEWERBE-MUSEUM
Nachdruck verboten
Von Marie Luise Becker
Die Stickereien und Bildgewebe des Vereins
der Freunde der Handarbeit in Stockholm
bilden heute eine interessante Ausstellung
im Lichthofe des Berliner Kunstgewerbe-
Museums, nachdem das seit Mai dieses Jahres
im Berliner Bureau Sassnitz -Trelleberg,
Unter den Linden 59, ständig stationierte
Ausstellungs- und Verkaufsdepot bewiesen
hatte, wie rege das Interesse weiter Kreise
an dieser national -schwedischen Variation
textilen Kunstgewerbes ist. Das starke
Nationalgefühl, der intensiv nordische Typus,
der sich auf allen Gebieten der Kunst und
Litteratur in dem so fröhlich aufblühenden
Lande bemerkbar macht, musste auch in
erster Linie diesen Arbeiten Zeichnung und
Charakter geben. Das Gefühl der erwachen-
den Kraft schuf dem nationalen Gedanken
Leben und freien Flug. Auf dem Boden
materieller Fortschritte und geistiger Er-
starkung blühten Wissenschaft, Litteratur
und Kunst kräftig empor. Die Namen
Nordenskjöld und Montelius sind welt-
bekannt, die Litteratur fand einen vater-
ländischen Ton unter den Zeichen Geyer's
und Tegner's; die Skulptur hat Byström's
und Molin's Siege zu verzeichnen, und die
Malerei entwickelte sich durch Ringen und
Kampf von dem akademischen Standpunkte
der WiNGB und Malmström zu der modernen
Höhe, an deren Spitze wir heute Carl
Larsson und Zorn bewundern. Auch auf
dem Gebiet des Kunstgewerbes ist die Ent-
wicklung von schematischen Formen zu
persönlichem und nationalem Leben und
künstlerischer Bewertung nicht ausgeblieben.
Der Entwicklung der textilen Kunst kam
das Vorhandensein altnationaler Begabung
und Kunstfertigkeit im Volke zu gute. Das
alte Schweden, aus den verschiedenen ger-
manischen Stämmen zusammengeschmolzen,
besitzt noch heute scharf gezeichnete Dia-
lekte in den einzelnen Landschaften, die auf
die Stammesunterschiede der Goten, Schweden
und Nordmannen zurückzuführen sind. So
war auch die Hauskunst, so sind heute noch
die Erzeugnisse des Hausfleisses wesentlich
wechselnd in den einzelnen Gebieten und
immer im nationalen Typus der Bewohner
wurzelnd.
Die Seele der Bewegung zur Hebung der
Handarbeit — „in künstlerischem und vater-
ländischem Sinne** — war die Schriftstellerin
Sophie Freifrau v. Adlersparre, ihr zur
Seite stand als künstlerische Ausführerin
ihrer Ideen die Malerin Frau Winge. So
bildete sich im Jahre 1874 der „Handarbetets-
Vänner** in Stockholm, dem das heutige
Schweden zum grossen Teil sein textiles
Kunstgewerbe wie den ausgebildeten Sinn
für das Praktische und Schöne im Rahmen
des Hauses verdankt. Man rief die Gestalten
der Volkspoesie zurück in ihr altes Heimat-
gebiet, den Bilderteppich, und legte damit
den Grund zur neuen Blüte. Denn unsere
heutige Zeit liebt das Märchen wieder, wie es die
Lyrik und den Tanz, die poetischen Lebens-
äusserungen starker Völker, liebt. Und nichts
100
II
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«Si?
X <
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^r^D- DIE HANDARBETETS-VÄNNER <^ä-c-
inniger Verwandtes giebt es als das Kunst-
gewerbe und das Volkslied : beide dem
Heimatboden entsprossen, beide vom Safte
der Muttererde genährt. Und so konnte die
schwedische Textilkunst nichts Glücklicheres
thun, als zur Darstellung auF Jhi^n Entwürfen
die lieben Heimatmoiive zu nehmen.
Die in den verschiedenen Landschaften
mehr oder weniger selbständig und eigen-
artig entwickelte Begabung bot die verschie-
densten Entwicklungsmöglichkeiten. So leben
noch heute in Delsbo einige Bauernfrauen,
die wirkliche Künstlerinnen in ihrer Art
sind. Mit Bleistift und Papier immer ver-
sehen, zeichnen sie, was ihnen an Blüten
und Ranken gefällt, während der Landarbeit
für ihre Stickereien. Die Arbeiten dieser
originellen ländlichen, durchaus volkstüm-
lichen Künstlerinnen sind von grosser naiver
Schönheit. Im „Handarbetets-Vinner" sind
sie als Originale geschätzt und vervieißltigt
worden. So sind viele hundert Muster ge-
wonnen und der reichen Sammlung der
Händarbetels-Vänner einverleibt. Jedes ge-
staltet sich unter den freischaffenden Künstler-
händen der Bauernfrauen anders in Zeichnung
und Stickerei, so dass jedes ein Unikum
bleibt. Und hier liegt ja auch der Kern und
der Wert der künstlerischen Handarbeit, dass
die Stickerin und Weberin dichten und malen
kann mit den weichen Mitteln textiler Kunst,
und, sobald sie phantasiereich und individuell
arbeitet, ein Zeugnis ihres Ichs wie der
Lebensepoche, aus der sie emporgewachsen,
giebt. Die Stickereien von Delsbo zeigen
das Muster nur rechts, eine Eigentümlichkeit,
wie sie im Orient und in Janina ähnliche
Stichweisen, in farbiger Seide auf Leinen-
tüchern ausgeführt, besitzen.
Im südlichen Schoonen (Skäne) ist die
Bildweberei besonders heimisch, und hier
die nationale Kunst zu stützen, neu zu be-
leben und weiterzupflegen, war die erste
Arbeit der Handarbetets-Vänner. Bildschön
in ihrer neuartigen Vermählung von Muster
ALTSCHVEDISCHES HÄNGETUCH, ENTWORFEN VON MARIA ^ÖSTRÖM
102
-.-i^> SCHWEDISCHE HANDWIRKEREI
ALTES WIRKMOTIV, DIE VER- AGNES BRANTING • ALT-
KÜNDIGUNG DARSTELLEND« NATIONALES WIRKMOTIV
WIRKEREI AUS DEN ATELIERS DER HANDARBETETS-VÄNNER NACH ALTEN
VORBILDERN UNTER LEITUNG VON AGNES BRANTING AUSGEFÜHRT •• •
^r4^> DIE HANDARBETETS-VANNER -Cöbu,
ii
IfI
und Technik sind die heute dort gewirkten
Teppiche. Teils nimmt man alte Muster,
teils moderne künstlerisch« Motive, die
altnationale Art in ziemlich feiner haute-IissC'
Technik von den Bäuerinnen gewirkt werden.
Larsson wie die Malerinnen Frau WesT'
MANN, Maria SjöstrOm , Widbbbck und
VXSTBERG und die feinsinnige Frau Scho-
LANDER machen die Entwürfe für die mo'
dernen Stickereien und Wirkarbeiten des
Arbeitsbureaus. Sie lockten die Blüte aus
Feld und Wald im echten, saftigen, färben-
glühenden Charakter der nordischen Heimat
in das Kunstgewerbe. Auch die durchaus
modernen Kompositionen schwedischer Kunst-
wirkereien Füssen auf altererbten Kenntnissen
und verwerten die altererbten technischen
Mittel, bleiben auch ganz in den symbolischen
Farbensymphonien der alten Naiionalkunst,
von der die Sage von Brynhild und Sigurd
Fafnersbanes schon berichtet. Heimatkunst
und Heimatweisen klingen hier zusammen.
Die Poesien des Volkes und die frischen,
reinen Farben des Heimatwaldes tönen in
ihnen aus und verschmelzen mit den Motiven,
welche die zackigen Bergriesen, die See und
der farbenprächtige Horizont, wie die Blüten der
saftigen Wiesen und die blauduftenden Nadel-
wälder ihnen geben. Wie alte Gotenteppiche
scheinen auch die modernen Kompositionen
eine Apotheose des nordischen Waldes. Näher
als Fremdgeborene Muster steht damit auch
die einfachste Textilkunst dem Volke in Fest-
saal und Haus. Wie das Märchen eine Dich-
tung im Volkston, eine Verkörperung der
Ideale eines Volkes ist, so ist das nordische
Bildgewebe heute das geworden, was es einst
gewesen: eine Bilderreihe, die das Volk ge-
geben, in der es, schlicht und einfach, seine
Poesien und seine Ideale, seine Schönheitssehn-
sucht verrät. Und dies ist auch der Charakter der
schönen, farbenreichen Ausstellung des Stock-
holmer Vereins in Berlin, — das Wieder-
aufblühen einer vielgestaltigen, poesien-
reichen Hauskunsl im national-schwedischen
Schönheitstypus. Und einiges auch darunter,
das nicht allein national-schön und -inter-
essant, sondern von grosser, allgemein
menschlicher Schönheit und aus reifer,
künstlerischer Kraft geboren ist.
i!i
BENSON. LONDON
BELEUCHTUNGSKORt>ER
W'—
BENSON's ELEKTRISCHE
BELEUCHTUNGSKÖRPER
Von H. MuTHESJUS, London
Unter den Künstlern, deren Namen inner-
halb der englischen Kunstbewegung be-
kannt geworden sind, nimmt W. A. S. Benson
eine besondere Stellung ein. Er hat sich
eigentlich von Anbeginn von der „Arts and
CraFts" -Gruppe dadurch unterschieden, dass
er es unternahm, zu fabrizieren. Denn da-
mit verneinte er einen der Grundsätze, die
in jenem Lager hochgehalten werden, den
der Handarbeit. Die MoRRis-Gruppe hält
noch heule an dem RusKiN-MORRis'schen
Lehrsatze der Handarbeit fest, einem Satze,
dem man solange zustimmen wird, als es
sich um das Hervorbringen individueller
Kunstwerke handelt, die entsprechend be-
zahlt werden. Dass solche Kunstwerke aber
nie eine allgemein-wirtschaftliche Bedeutung
erlangen können, liegt auf der Hand. Man
wird einige reiche Liebhaber versorgen,
aber den Boden des Volksbedarfes nicht be-
rühren. Eine Volkskunst, d. h. eine Kunst
für das Volk kann heute nur mit Hilfe
der Fabrikation erzeugt werden. Und soviel
auch mit diesem vielgebrauchten, nur zu
häufig mit nebelhafter Romantik umwobenen
Begriffe heute operiert wird, man wird nie
zu einer klaren Lösung kommen, solange
man über die heutige wirtschaftliche Lage
hinweg, die uns nun einmal auf die Ma-
schine hinweist, sein Heil in der Wieder-
belebung der Arbeitsweise vergangener Zeiten
sucht.
Benson begann, nachdem er im Jahre 1880
seine Lehrzeit als Architekt bei dem bekannten
Gotiker Basil Ckampneys hinter sich hatte,
sich dem Gewerbe zuzuwenden, und zeichnete
zuerst Möbel für Morris; gleichzeitig ver-
suchte er sich jedoch in der Lösung der
bekanntlich schwierigen Aufgabe, eine gute
Petroleumtischlampe herzustellen, und zwar
herzustellen, nicht zu entwerfen. Denn auf
dem Papiere die Formen für einen dem
Zeichner vielleicht fernliegenden Werkstoff
zu entwickeln, ist ein verkehrter Weg des
künstlerischen Schaffens, zu dem leider die
Lehrmethode unserer Kunstgewerbeschulen
noch immer ermutigt. Die richtige, vollendete
Form lässt sich nur im Werkstoff selbst
bilden, er allein lehrt uns, wie wir ihn be-
handeln sollen, so wie wir richtig reiten nur
dann lernen, wenn wir uns selbst aufs Pferd
setzen. Benson gründete zunächst eine kleine
-^-^> W. A. S. BENSON, LONDON <^-^
Werkstätte, in welcher er seine ersten Muster
entwickelte. Sie bewegten sich in derjenigen
sachlichen und klaren Formensprache, die
seinen Leistungen seitdem eigentümlich ge-
blieben ist. Er näherte sich der ihm vor-
liegenden Aufgabe eigentlich mehr vom Stand-
punkte des Ingenieurs als vom formalen, und
gerade dadurch schuf er neuzeitlich. Und
das letztere um so mehr, als es sich für
ihn darum handelte, nicht eine einmalig herzu-
stellende, sondern eine zu fabrizierende Form
zu schaffen. Mit so klaren Zielen und so
sehr aus den Bedingungen unsrer Zeit ent-
wickelten Gesichtspunkten mussten klare, ver-
nünftige und gangbare Erzeugnisse entstehen,
und in der That sind die BENSON'schen
Lampen bis in die neuere Zeit die einzigen
gewesen, auf die man zurückkommen musste,
wenn man eine praktische und dem guten
Geschmack entsprechende Lampe suchte.
Der Erfolg blieb denn auch nicht aus, er
brachte bald die Vergrösserung der Werk-
stätten zu einer Fabrik mit sich, die sich
jetzt in Chiswick bei Londen befindet, so-
wie die Anlage ausgedehnter Schauräume in
einer der vornehmsten Strassen Londons,
New Bond Street. Ein Besuch der letzteren
gehört für jeden, der das Kunstgewerbe Eng-
lands kennen lernen will, zu den dankbarsten
Unternehmungen.
Es ist selbstverständlich, dass sich das
Wirkungsfeld Bemson's, nachdem er seine
ersten guten Lampenformeii entwickelt hatte,
weiter ausdehnte und allmählich allerhand
andere Metallgegenstände umfasste. Zu den
von ihm fabrizierten Sachen gehören jetzt
ausser Stand-, Hänge- und Wandlampen jeder
Art auch Leuchter, Kronen, elektrische
Beleuchtungskörper, Kannen, Theegeschirr,
Feuergeräte und unzählige andere Melall-
arbeiten. Bei allen überrascht eine ganz
klare sachgemässe Gestaltung, nicht ohne
dabei eine Menge neuer, oft genialer Ge-
danken in Bezug auf die erhöhte Gebrauchs-
fähigkeil, vereinfachte Herstellungsweise
u. s. w. zu verraten. Die Gegenstände sind
gerade aus diesem Sachlichkeitsgrunde immer
erfreulich, und dass sie keine „Kunsi'preise
tragen, sondern für diejenigen Marktpreise
-v-^> LOUIS C. TIFFANY <^^^
ihrem Gebiete gewesen, die Formen sind
der Herstellung im Grossen entsprechend,
die Erscheinung jedes Gegenstandes ist im
besten Sinne modern , die Sachen genügen
dem besten Geschmack, und sie sind Tür er-
schwingliche Preise zu haben. Wie heilsam
wäre es, wenn ähnliches auf andern Ge-
bieten, z. B. dem des Möbels versucht
würde! Es ist etwas Schönes um das
individuelle, das ,Künstler'''MöbeI, aber was
wir brauchen, ist ein anständiges Möbel für
den gemeinen Mann. Hier liegt noch ein
weites Feld der Bethätigung auf fast allen
Gebieten der Industrie offen. Es in der ge-
schilderten Weise zu bearbeiten, wäre wahr-
lich kein kleines Verdienst. Es
würde „die künstlerische Frage"
f
KLAVIERLEUCKTER
KRONLEUCHTER
INTERIEURS VON L. C. TIFFANY
Von A. W. Fred
spältigkeit amerikanischer Kultur ausge-
drückt. Die Art dieses Landes, nach ihren
künstlerischen Thaten jeglicher Form be-
urteilt, ist nämlich nicht so klar und einfach,
wie die guten Europäer glauben, die das Ge-
schäftige und Betriebsame der neuen Zivili-
sation nicht mögen. Den üblen Eigenschaften,
die aus dem raschen Wachstum eines natio-
nalen Wohlstandes, den Kontrasten, die aus
dem jähen Wechsel der Vermögensstände,
dem Fehlen der Tradition entspringen, steht
die Möglichkeit entgegen, in einzelnen Fällen
den materiellen äusseren Wert gänzlich zu
verachten, ebenso wie alle sozialen Beding-
nisse im besonderen Falle nur des schranken-
losen Individualismus willen über Bord zu
werfen. So hat Parvenutum und Tradiiions-
losigkeit in Uebermut und Unabhängigkeil
von Morschem und Ueberlebtem sein Gegen-
gewicht. Dass nun auch im Kunsthandwerk
Amerika das Land der Kontraste ist, muss
nicht erst gesagt werden. Das Land, das
als hervortretendste Lilteraten den kleinen
pfiffigen Wortwitzler Mark Tvain und den
absolutesten Naturphilosophen und hochkünsl-
lerischen Individualisten Henry Thorbau
schuf, ein Land, das Walt WHiTMAN*sche
Lieder neben der Hochkultur des hals-
brecherischen Varifetfis hervorwachsen lässt,
kann keine einheitliche Kunst haben. Ein selt-
sames Spiel der Natur aber war es, in einer
-;,-fe5> LOUIS C. TIFFANY <^^
LOUIS C. TIFPANY
WOHNZIMMER
Familie die grössten Gegensätze zu ver-
einigen, die eine Epoche kunstgewerblicher
Arbeit schaffen konnte; dazu kommt eben
noch, dass hier in diesem Hause Tiffany zwei
Generationen gegeneinanderstehen, schroff
und ohne Brücke im Wesentlichsten ihrer
Naturen, wie das Schicksal unserer Zeit
zwischen Vätern und Söhnen eben ist.
TiFFANY der Vater ist der Gründer und
Künstler der für amerikanischen Schmuck,
ebenso wie für das reichste amerikanische
Kunsthandwerk massgebenden Tiffany-Com-
pany. Bei ihm kauft die fünfte Avenue. Nach
Vandbrbilt und Carnegie muss man seine
Arbeiten messen. Wer im letzten Jahre in
Paris war, erinnert sich der Gold- und Silber-
Aufsätze, die durch Massigkeit und Gewicht
wirkten, erinnert sich auch der Vitrinen, in
denen die Edelsteinschätze aufgehäuft waren,
und hat auch den Eindruck noch im Sinne,
den der montierte Körperschmuck auf ihn
machte. Der ist wahrhaft barbarisch gewesen.
Eine Parallele, die mir beim ersten Sehen
durch den Kopf ging, werde ich seit damals
nicht los: für mich schöpft die Gleichstellung
dieser Diamantbouquets und Brillantketten mit
dem Geldschmuck der Fidji-Insulaner das
Wesen solcher Körperzier vollständig aus.
Wie diesen Wilden bedeutet für die Kunden
der TilTany- Company Schmuck nur zuver-
lässiges Symbol des Reichtums. Eine Weh
trennt nun hier Vater und Sohn. Der junge
^r^;Ö> LOUIS C. TIFFANY <S*-^
LOUIS C. TIFFANY
BILLARDZIMMEK
TiFFANY, dessen Glasfenster und Favrile-
Vasen man seit Jahren bewundert, kennt das
Motiv des Besitzes in seinen Werken als Mittel
zur Wirkung nicht. Die Welt des schönen
Scheins, wie man sonst die Renaissance-
architektur nennt (auch Böcklin that es),
könnte man gut auch seine farbigen Gläser
nennen. Eine Vernichtung innerer Werte
um der Schaffung einer dekorativen Pracht
willen, dies ist der Sinn der Arbeiten des
jungen Tipfany. Schöne Farben, schönes
Licht, neue Reize fürs Auge — das sind
seine Ziele. Nur der Wissende kennt die
Werte dieser Schöpfungen, der Ungebildete
und Unempfängliche geht am herrlichsten
metallisch-schillernden Glase vorbei, als sei
es aus dem Fünfzig- Pfennig- Ramschbazar.
Und doch — auch Tiffany der Jüngere ist
Vollblutamerikaner. Auch ihn reizt vor allem
das Ungewöhnliche, das Grelle. Auch für
ihn ist das Stimulans jeglicher Kunstbethäti-
gung der Kampf mit dem Material, die Ueber-
Windung technischerSchwierigkeiten. Deshalb
freuen ihn selbst seine grossen Schalen, in
denen er Metall mit Glas zu grossen Massen
unkenntlich verschmilzt, am meisten. Deshalb
hat er sich auch von den Favrile-Glasarbeiten
ziemlich abgewendet, geht jetzt auf die Fin-
dung der Kunst, Email auf Glas (also Glas
auf Glas) zu setzen, los, und erreicht auch
in der That schon hübsche Erfolge.
Dass Tiffany der Jüngere Vollblutameri-
kaner ist, zeigt ein Blick auf eine Reihe
von Interieurs, die er geschaffen hat. Von
amerikanischer Wohnungskunst wissen wir
nicht allzuviel. Im grossen und ganzen herr-
schen, soviel man hört, drüben die histori-
schen französischen Stile. So ist auch in den
TiFFANY'schen Interieurs ein Anklang ans
Empire, fast könnte man sagen: an die
Biedermaierei nicht zu verkennen. Man sehe
sich die vielen Halb- und Vollsäulen an.
Die Hauptwirkung all dieser Räume vom
Billardzimmer bis zur Veranda entstammt
dem massigen Holze. Dieser Stil, wenn es
ein selbständiger ist, hat seine Ahnen in
der Art, Blockhäuser zu bauen. Die Holzteile
sind eckig, wie mit der Axt gehauen, schwer
und Test ineinander gefügt; nur im nötigsten
Falle — bei dem für amerikanische Beine un-
entbehrlichen Wippingchair — und bei ein-
zelnen Armlehnen ist eine volle Rundung in
der Linie zu merken. Dagegen sind Metall-
sachen, also vor allem die Beleuchtungskörper,
rund gearbeitet, reich und mannigfaltig ver-
glast. Auffallend ist an allen diesen Interieurs,
wie viele Male die Formmolive wiederholt sind.
Man betrachte daraufhin Speisezimmer und
drawingroom. Am merkwürdigsten für euro-
päische Augen ist vielleicht der Bau des
Billardzimmers mit seiner Schichten form.
Diese au fein and ergestapelten Holzlagen geben
ein gutes Symbol amerikanischer, noch etwas
urwlldlerischer Bauart ab. Und doch wird
man all diesen Räumen nachrühmen können,
dass sich in ihnen ein starker Sinn für Kom-
fort äussert. Und die vielen Blumen, die durch
die Zimmer verteilt sind, weisen angenehm
auf poetische Bedürfnisse der Bewohner hin.
VON GRIECHISCHER GEFASS-
MALEREI
Dr. Heinrick Bulle
Die dekorative Kunst unserer Zeit hat
sich zu ihrem Heile auf die Grund-
bedingungen einer gesunden Existenz und
Weiterentwicklung besonnen. Die alten Stile
sind abgethan. Die Quellen für das neue
Schaffen sollen sein: das praktische Bedürf-
nis und die Anpassung frisch gesehener, frisch
stilisierter Naturformen.
Aber damit ist nicht ausgeschlossen, dass
man immer noch von dem lernt, was früher
war. Namentlich von den Griechen. Das sagen
wir nicht aus einseitiger Vorliebe, sondern
weil es historisch seinen tiefen Grund hat.
Die Griechen sind das erste, und neben den
Italienern der Renaissance und den Japanern
das einzige Volk, das seine ganze Kultur
116
-;f-£^> GRIECHISCHE GEFASSMALEREI <^^
auf rein künstlerische Basis gestellt hat. Vor
Italienern und Japanern aber haben sie noch
das voraus, dass sie nicht wie jene von einer
anderen überlegenen Kunst beeinflusst —
wenn man will beirrt — wurden, und dass
sie mit den Japanern verglichen in erster
Linie Plastiker sind, also überall vor male-
rischer Formlosigkeit bewahrt bleiben.
Aber natürlich nicht, was die Griechen
gemacht, soll Vorbild oder gar Vorlage sein.
Das war der grosse Fehler des neunzehnten
Jahrhunderts in seiner gedankenlosen Nach-
ahmung aller grossen Stile. Sondern wie sie
geschaffen haben, das allein ist lehrreich.
Alles Kunstschaffen vollzieht steh ja nach
gewissen inneren Gesetzen, die dem produk-
tiven Künstler, falls er vom richtigen künstle-
rischen Instinktgeleitet wird, getrost unbekannt
bleiben können, die aber in einer so reflek-
tierenden Zeit wie der unsrigen manchem
Suchenden den richtigen Weg weisen können.
Darum ist es verdienstvoll, das Griechen-
tum unserer Kunstwelt näher zu bringen.
Aber es muss unverfälschtes, unversQsstes
Griechentum sein. Der Archäologe erschrickt
oft, welche unrichtigen und schiefen Vor-
stellungen bei Publikum und Künstlern ver-
breitet sind, teils durch die Nachwirkung einer
falschen Schulästhetik, welche die Griechen
als abstrakte Idealmenschen ohne Blut und
Individualität hinstellt, teils und noch mehr
durch eine gewisse Sorte jetzt zum Glück
seltener gewordener Bücher, die durch süss-
liche Reproduktionen und willkürliche, für
das moderne Auge .elegante" Rekonstruk-
tionen und Veduten die Begriffe verfalschen.
Wir lenken die Aufmerksamkeit auf ein
im Erscheinen begriffenes Werk, das von
einem der blühendsten und besterhallenen
Zweige des griechischen Kunstgewerbes, der
Gefässmalerei, zum erstenmale ausreichende
Anschauung giebt.*) Aeltere Abbildungswerke
griechischer Vasen giebt es in Unzahl. Aber
weder Künstler noch Forscher hatten früher.
das geschärfte Auge für feine Stilunterschiede,
und die Mehrzahl der Abbildungen erscheint
heute, neben das Original gehalten, wie Kari-
katur. Hier aber hat sich ein Künstler ge-
funden, der sich in jahrelanger selbstloser
Hingebung in jede Feinheit der Linie ein-
gelebt hat und mit meisterhafter Beherrschung
der Mittel auch in Schwarz-Weiss die ein-
fache, auf wenige Farbennuancen gestellte
malerische Wirkung der Geisse herausbringt.
*) A. FurtwXngler und K. Reichhold,
Griechische Vasenmalerei. München, Verlags instalt
Bruckmann 1900 fg. Lieferung 2.
Die vortreffliche Lichtdrucktechnik thut das
ihrige, dass von der Güte der Zeichnungen
nichts verloren geht. Der Text rührt zum
Teil von Reichhold selbst her, der sich im
Laufe seiner Arbeit zum besten Kenner
aller der schwierigen technischen Eigentüm-
lichkeiten dieser Denkmälergattung entwickelt
hat, in dem andern — historischen — Teil
von einer ersten fachmännischen Autorität
auf diesem Gebiet, Adolf Furtwängler.
Die Publikation bringt nur künstlerisch be*
deutende Stücke aus den verschiedenen Museen
Europas, eine Auswahl des allerbesten, was
in dieser Art erhalten ist.
Zweierlei kann der moderne Künstler an
griechischen Thongefässen sehen. Erstens, dass
praktische Zweckerfüllung und absolute Schön-
heit der Form zusammenfallen können, ja
dass diese durch jene bestimmt, dass die
Schönheit aus der Zweckmässigkeit entwickelt
werden kann und muss. Zweitens dass der
Gefässchmuck nichts äusserlich Heran-
gebrachtes sein darf. Ist er reines Flächen-
omament, so muss er sich aus der tektonischen
Form des Gefösses entwickeln; ist er bildlich,
so muss er sich ebenfalls dem konstruktiven
Grundgedanken eines GeHsses mit geschlos-
sener Gewandung soweit anschliessen, dass
er nicht — für die Phantasie — Löcher in
die Gefässwand schlägt. Der Gegenpol der
griechischen Gefässe sind die Porzellan-
vasen des Rokoko mit ihrem Mangel an prak-
tischer Brauchbarkeit, mit ihren phantastisch
spielenden Linien ohne jeden konstruktiven
Grundgedanken, endlich mit ihren aufgemalten
Landschaften, die ebensogut Tafelbilder sein
könnten.
Gewiss lassen sich künstlerische Wirkungen
auch durch rein malerische Effekte, unbe-
stimmte Farbenspiele, und phantastische Ge-
fissformen erzielen; die japanisch-chinesische
Keramik und manche neuesten Bestrebungen
beweisen es. Aber es bleibt eine niedrigere,
primitivere Art der Wirkung. Eine Weiter-
entwicklung der Keramik auf gesunder Grund-
lage wird immer nur mit Hilfe der klaren,
konstruktiv gewachsenen Form möglich sein,
und mit Dekorationssystemen, welche klare
Naturformen verwenden. Pflanzen und Tier-
Ornamente oder das wundervollste Naturge-
bilde, die menschliche Gestalt.
Die Griechen sind Meister darin, den
menschlichen Körper ornamental und sogar
konstruktiv zu verwerten, ohne dass der Be-
wegungsfreiheit des Körpers der geringste
Eintrag geschieht. Die Karyatiden des Ercch-
theion wirken wie unerschütterlich feste SSulen
und stehen doch so frei und anmutig da, als
seien sie jeden Zwanges ledig. Auf den
griechischen, namentlich den attischen Thon-
GRIECHISCHE GEFÄSSMALEREI <^-^
geßssen ist die menschliche Gestalt das
wichtigste Dekorationselement, oft das einzige.
Auch hier bewegt sich jede einzelne Figur
scheinbar völlig frei, und doch bleibt sie ganz
in den strengen Gesetzen von rhythmischer
Raumgliederung und Raumfüllung.
Scheinbare völlige Freiheit des einzelnen
Elementes, aber unfühlbar waltend eine höhere
Gesetzmässigkeit, das ist das Geheimnis der
harmonischen Wirkung der griechischen Kunst.
Einige Proben, Verkleinerungen nach Tafeln
des grossen Werkes, zeigen verschiedene
Stufen der griechischen Gefässmalerei. Abb. 1
ist das Innenbild einer Trinkschale des Meisters
Exekias (Münchner Vasensammlung), von
älterer Art, aus der Mitte des 8. Jahrhunderts
V. Chr., in der sogenannten schwarzßgurigen
Manier ausgeführt. Der Grund ist thonfarbig,
die Darstellung ist in Silhouettenmanier in
schwarzem Firnis aufgetragen. Eingeritzte
Linien, sodann aufgesetzte weisse und violett-
rote Deckfarbe geben die Innengliederung.
Der Weingott Dionysos, ein Trinkhom in
der Hand, segelt über Meer, um den Menschen
seine Gabe zu bringen, den Weinstock, der
im Schilf aufsprosst. Ringsum spielen Del-
phine im Wasser. Die runden Formen dieser
— recht primitiv gezeichneten — Fische,
die grossen Kurven an Schiff und Raa, endlich
die loseren runden Schwingungen an den
Zweigen des Weinstocks geben ein rhythmisches
Linienspiel von eigenartiger Geschlossenheit
und doch freier Bewegung.
Um 540 vor Christus etwa geschah ein
epochemachender Fortschritt, indem man,
statt die Figuren schwarz auf rot zu setzen,
sie thongrundig liess, und statt dessen nun den
Grund mit Schwarz deckte. Diese „rotßgurige"
Manier hat den ungeheuren Vorzug, dass
man die Innenzeichnung technisch unbehindert
mit Pinsel und Stift herstellen kann. Ab-
bildung 2 , eine begeisterte Mänade mit
Thyrsos und Schlange, giebt eine Probe der
älteren strengen Zeichenmanier, mit grossen
Faltenlinien in konventioneller zickzackför-
miger Endigung. Am Rehfell, dem Haar
und dem Schlangenleib ist ein gelbbrauner
Ton (verdünnter schwarzer Firnis) über den
Thongrund gelegt. Abbildung 3 (Tityos, der
sich an der Leto vergreifen will, wird von
^,-^i> GRIECHISCHE GEFÄSSMALEREI -(^^^
ABSCHIEDSSCENE VON E
R ATTISCHEN AMPHORA (MÖNCHEN)
ihrem Sohn Apollon erschlagen) ist die
Füllung eines Schaleninneren wie Abbildung 1.
Hier liegt sicher die Komposition eines Monu-
mentalgemäldes zu Grunde, aber dieses ist
nicht einfach kopiert (wie es die modernen
Porzellanmaler thun), sondern vereinfacht
und der gegebenen Rundform angepasst. Der
Stil ist noch etwas altertümlich streng, etwa
um 460 vor Christus, die Bewegung der
Frau noch ein wenig unfrei.
Zu welcher Leichtigkeit und Freiheit man
ein Menschenalter später gelangt war, zeigt
Abbildung 4, ein Bruchstück von der Vase
des Meidias (im British Museum zu London)
aus der Zeit der Giebelskulpturen des Par-
thenon, etwa 430 vor Christus, ein Stück von
lebhaftester graziöser Bewegung, reizendstem
Liniensptel der Gewänder und einer diskreten
malerischen Wirkung, die durch reiche Einzel-
heiten an Gewand und Haar und durch
schwache Vergoldung plastisch erhöhter Teil-
chen (Armbänder, Knöpfe des Gürtels) ge-
hoben wird.
Am klarsten lassen sich die Ziele der
griechischen Vasenmaler an Abbildung 5 er-
kennen. Um die Henkel des hohen schlanken
Gefässes spielen leichte Palmettenomamente.
Dazwischen ist die Hauptfläche mit vier
grossen Figuren gefüllt. Einem jungen Krieger
kredenzt die Gattin den Abschiedstrunk,
Vater und Mutter stehen teilnehmend dabei,
ein ausdrucksvolles Bild einfacher mensch-
licher Empfindungen. Aber unbeschadet ihres
innem Lebens sind diese hohen schlanken
Gestalten mit den vielen senkrechten Linien
eine wundervoll strenge und doch wieder
belebte Raumgliederung, durch die der Haupt-
accent der Geßssform, das schlanke Auf-
streben, wiederholt und vervielfacht wird.
Das Gefäss gehört in die ältere Zeit des
Phidias, als er seine Athena Parthenos schuf,
etwa 450 — 440 vor Christus; es atmet den
Geist erhabener Einfachheit.
( BruckmiOB, MDiicben.
FOLLUNG in EICHENHOLZ GESCHNITZT VON P. A. 5CH0TZ, HOFMÖBELFABRIK, LEIPZFC
BAUTEN VON PETER DYBWAD
Von Fhitz Schumacher
Das Einzelwohnhaus wird immer den Mass-
stab dariir abgeben, inwieweit die Ge-
schmackstendenzen einer Zeit fähig sind, dem
allgemeinen Bedürfnis zu genügen. Die Frage
ist nicht gleichgültig. In geistigen Dingen mag
es wohl von keiner einschneidenden Bedeu-
tung sein, ob sie auf das direkte Echo ihrer
Zeit zugeschnitten sind, der Ton kann noch
wiederklingen, wenn längst eine andere Genera-
tion gekommen ist; derjenige aber, der in der
angewandten Kunst schafft, kommt nur zu
eigentlichem Leben, wenn seine Kunst auch
wirklich angewandt wird und nicht nur
Luxusartikel oder interessanter Ausstellungs-
gegenstand bleibt.
Ganz allgemein pflegt aber augenscheinlich
die Notwendigkeit einen vollständigen Wohn-
organismus im Sinne der neuen Bestrebungen
auszugestalten, die auffallenden künstlerischen
Züge, die in einzeln entstehenden Räumen
sich noch ungehindert entwickeln, wesentlich
abzudämpfen. Die Empfindung gewinnt die
Oberhand, dass der Wert eines solchen
Wohnorganismus weniger in der auffallenden
Originalität der Einfälle, als in dem Reiz der
Gesamtdispositionen, der intimen kleinen
Effekte des praktischen Inäinandergreiftens all
seiner Einzelheiten besteht. Das künstlerische
Grundprinzip ist dabei je enger und detaillierter
eine Anlage dem Bedürfnis angepasst ist, Ruhe
und Geschlossenheit.
Bei Patriz Huber's Arbeiten, bei Riembr-
schmid's eigenem Heim, bei der Wohnung
des „Insel" -Herausgebers konnte man das in
allerletzter Zeit deutlich wahrnehmen; das
sind Schöpfungen, die das Zeichen der Moder-
nität nicht mehr wie einen Protesiruf vor
sich hertragen, sondern deren Modernität
innerlicher liegt, unsichtbarer — aber auch
sicherer.
Es ist immer eine besondere Freude solchen
Männern zu begegnen, die nicht aus Protest,
sondern sozusagen ganz von selber aus den
Konsequenzen ihrer künstlerischen Ueber-
zeugung , modern" arbeiten; sie machen
weniger von sich reden, aber sie üben durch
ihre unvermerkte reFormatorische Thätigkeit
besonders wohlthuenden Einfluss aus.
Peter Dvbwad ist ein solcher; er gehört
nicht zu den Künstlern, bei denen das Neu-
zeitliche sich äussert in deutlich ausgeprägten
Merkmalen seiner Formenwelt, sondern wo
der moderne Geist sich äussert in der ganzen
lebendigen Auffassung einer Aufgabe und
in ihrer reifen Durchbildung im Sinne der
verfeinerten Bedürfnisse unserer Zeit und
ohne Zuhilfenahme leerer stilistischer Rezepte.
Dybwad erzielt dadurch eine Einheitlich-
keit der Wirkung bis in die untergeordnetsten
Räume hinein, die natürlich in den wenigen Ab-
bildungen, die wir von zweien seiner Leipziger
Villen geben, nicht entfernt so deutlich zum
Ausdruck kommt, wie in der Wirklichkeit.
Hier leitet uns der treffliche Grundriss un-
vermerkt in den Charakter der Lebensge-
wohnheiten des Besitzers hinein, und wir
empfinden, wie die kunstgewerbliche Durch-
bildung des Innern nirgends Selbstzweck wird,
VILLA KARL MEYER, LEIPZIG • •
VON ARCHITEKT PETER DYBWAD
VILLA KARL MEYER, LEIPZIG ««
VON ARCHITEKT PETER DYBWAD
-5-^5> BAUTEN VON PETER DYBWAD <^£-^
VILLA KARL MEYER, LEIPZIG • SPEISEZIMMER
VIA MIQUEL
Von Karl Scheffler
Dass die Kunst — im besonderen die
angewandte — ein wichtiger sozialer
Faktor ist, leugnet heute, nachdem Ruskin
und Morris der modernen Welt gelebt haben,
keiner mehr, für den das Unwägbare nur
ein wenig Gewicht hat; desto seltsamer er-
scheint es, dass diese sozial bereits organi-
sierende KraFt nach keiner Richtung im
parlamentarisch bewegten Leben unserer Tage
politisch vertreten wird. Jedes kleinliche
Berufs Interesse findet seinen Sprecher im
Parlament oder in den Redaktionsstuben;
aber das grosse ideale Interesse des ganzen
Volkes, das tausend materielle erst in Be-
wegung setzt, wird nirgends wahrgenommen.
Alle Welt schöpft aus dem Brunnen der
Kunst, jeder drängt sich, der erste zu sein
und trübt mit rücksichtsloser Hast die klare
Flut. Dem Staate ist das ideale Vermögen
der Nation nur ein Reservefond, den er der
steuerkräftigen Industrie zur beliebigen Be-
nutzung fiberlässt; er hilft dieser sogar einen
unerhörten Raubbau mit der bildenden Kraft
des Volkes treiben. Die Künstler haben für
eine Vertretung wohlverstandener Interessen
scheinbar keinen Sinn, denn man hat noch
-;r.^> VIA MIQUEL <^-T^
VILLA PETERSMANN, LErPZtG « SPEISEZIMMER
nie gehört, dass Künstlerverbände einen ver-
nünftigen Versuch zur Kunstpolitik gemacht
hätten. Das Verhältnis der Berufspolitiker
zu jeder Art von Kunstfragen ist bekanntlich
hoffnungslos; man denke nur an die famose
Gipsdebatte im Reichstag und an die Erleb-
nisse Stuck's und Hildebrandt's. Hier ist
noch nie ein armes Wort gesprochen worden,
das auf den ursächlichen Zusammenhang von
Industriealismus und Kunstbewegung hinge-
wiesen hätte, das die Scheinerfolge der mit
grossem Trara inaugurierten Exportpolitik
einmal den Opfern gegenübergestellt hätte,
die das Handwerk als sozialer Stand der
Kunstindustric seit Jahrzehnten bringen muss,
indem es seinen besten Nachwuchs in einem
Zwischenstand korrumpieren sieht, der gleich
weit von Handwerk, Industrie und Kunst ent-
fernt ist. In der politischen Presse endlich
muss man bis zum Brechreiz von den Pro-
blemen des neuen Zolltarifs lesen, der uns
doch sehr gleichgültig ist, während eine ent-
scheidende Frage zukünftiger wirtschaftlicher
Gestaltung mit keinem Worte berührt wird.
Alle Berufskreise der angewandten Künste
haben grosse Ursache, über Miquel's Tod zu
trauern. Er war der einzige Staatsmann
unserer Tage, der die Lage des Handwerks
mit modernem Empfinden erfosst hat und
ganz der Mann, sehr ernsthaft mit Impondera-
bilien zu rechnen. Die Worte, die der Sieben-
zigjährige einst zu Handwerkern gesprochen
hat, beweisen ein Verständnis, wie nur ein
so an historischer und wirtschaftlicher Er-
fahrung Reicher es am grünen Tisch be-
wahren konnte:
.^r^5> BAUTEN VON PETER DYBWAD <^^
,Es gilt heute für den Handwerkerstand sich
durch festen Zusammenschluss diejenigen Vor-
teile, soweit möglich, anzueignen, welche dos
Grosskapital und der Grossbetrieb vor ihm
voraus haben. Tüchtige Vorbildung, gute Buch-
führung, energisches Mitarbeiten des Meisters
in der Werkstatt, billiger Kredit durch Kredit-
genossenschaften, genossenschaftlicher Ein-
kauf von Rohmaterialien, wo es möglich ist,
genossenschaftlicher Verkauf, ja, soweit die
Verhältnisse es gestatten, Bildung gemein-
samer Werkstätten unter Benutzung von
Dampfmaschinen und anderen Motoren, jeden-
falls Verwendung in der eigenen Werkstatt —
diese und ähnliche Mittel, welche die moderne
Entwicklung darbietet, werden den Mittel-
stand auch heute noch erhalten und stärken,
wie dies die ländlichen Genossenschaften
täglich zeigen. Die Zeit der Privilegien und
Monopole ist vorbei 1 Die durch die Gesetz-
gebung gegebenen Organisationsrahmen haben
nur Wert, wenn sie durch Selbsthilfe und
wirtschaftliche Energie ausgefüllt werden.
Vorwärts, nicht rückwärts muss der Hand-
werker blicken, dann wird sein Ringen auch
mehr Verständnis finden, sein Wert für die
heutige Gesellschaft wird besser erkannt und
DETAILS AUS DEM SPEISE- UND HERRENZIMMER DER VILLA PETERSMANN, LEIPZIG
128
^r-^> VIA MIQUEL -<2^-T
VILLA PETERSMANN, LEIPZIG ■ HERRENZIMMER
sein Streben mehr als bisher auch von den
übrigen Klassen der Bevölkerung unterstützt
werden."
Welch anderer von unsern Staatsmännern
hätte klipp und klar ein Programm auf-
stellen können, das von so modernem Geiste
erfüllt ist? Und wo sollen wir erst den
Politiker mit fruchtbaren Ideen suchen, wenn
die Handwerkerfrage durch den künst-
lerischen Einschlag noch unendlich kompli-
ziert wird? Nicht einmal die professoralen
Sozialökonomen wagen sich auf dieses Ge-
biet; RusKiN ist noch immer ohne Nachfolge.
Aber was ist Ruskin den Akademikern: ein
Dichter! ein Künstler! Das will sagen: ein
Phantast I Den Statistikern ist der mit sitt-
lichen Kräften Rechnende nur lächerlich.
Dabei geht die Entwicklung beängstigend
schnell voran; die Kunst wird ein immer
wichtigerer Faktor in den Kalkulationen der
Industrien und der Künstler hat alle Ursache,
darauf zu achten, dass seine Arbeit nicht
von den Wirbeln der Exportspekulationen
auf Gedeih und Verderb mitgerissen wird.
Oder will er sich mit dem Bewusstsein seiner
persönlichen Exklusivität beruhigen? Er ist
auch für seine Nachahmer verantwortlich und
für das ganze System, das seine gute Kunst
zur industriellen Gelegenheitsware, zur flüch-
tigen Anregung des Marktes erniedrigt. Der
tüchtige Künstler fühlt den Schaden, der in
der Massenausbildung schlechter Industrie-
zeichner liegt, am ehesten und seine Stimme
kann nicht ignoriert werden, weil er schon
bewiesen hat, wie sehr die Nation auf sein
Talent angewiesen ist. Nur er hat unsere
Kunstindustrie dem Auslande gegenüber in
jüngster Zeit konkurrenzfähig gemacht.
Aber aus diesen Kreisen dringt kein Wort
und die Lage wäre verzweifelt, wenn nicht
der ehrlichen Kunst an sich schon eine ge-
linde regelnde Kraft inne wohnte. Die
Künstler ralTen sich im besten Fall zu einer
Diskussion über Musterschutz auf, zu einem
^r-^D- WIENER KUNSTGEWERBEVEREIN -C^ä-^
Protest — hinterher. Das aber wagt keiner
konsequent zu denken: dass kein Musler-
schutzgesetz gegen die Zeichnerhorden
schützen kann, die vom Staat zur Nach-
ahmung, also Uebertrctung eigens erzogen
werden, denen der geistige Diebstahl das
liebe Brot bedeutet. Diese alle sind der
alleinseligmachenden Industrie geopfert, die
nur fordert, um sofort alle Wünsche befrie-
digt zu sehen. Es wird ihr viel zu leicht
gemacht. Wenn sie beispielsweise den Wunsch
hat, ein paar Millionen Petroleumlampen in
Chinesenhütten aufzuhängen, so soll sie sich
doch selbst Leute ausbilden, die ihr die
Ramschware „künstlerisch"' einkleiden und
wordenen Blick scheinen mag, und es wird
eines Tages den Bankerott hervorrufen.
Jetzt gerade wäre es Zeit, Miqubl's An-
regung zu verfolgen, zu vervollständigen
und der Kunst das Bestimmungsrecht lang-
sam zu erobern , das ihrer sozialen Be-
deutung entspricht. Was zu erstreben wäre,
wie es geschehen müsste: das ist im ein-
zelnen zu beraten; die Hauptsache ist die
Organisation der Künstler zu dem doch
wirklich nahe liegenden Zweck, die eigeneti
Interessen zu schützen. Es ist ni5tig, dass
einmal ein neues Wort, das weitere Per-
spektiven eröffnet, den Profitkampf der
Industrie und Landwirtschaft unterbricht.
GLASSERVICE i
VON BARONIN G. FALKE *
'. VON E. BAKALOWITS SÖHNE, WIEN
nicht vom Staate den unentgeltlichen Drill
solch unglücklicher Geschöpfe verlangen.
Jetzt braucht der Fabrikant nur zu pfeifen,
so stehen schon ein Dutzend auf alle histo-
rischen Stile dressierter Zeichner da und
unterbieten sich mit vor Hunger klapperndem
Gebein.
Das so die beste Volkskrafi leichtfertig
verschleudernde System hat es bewirkt, dass
der Charakter der Nation, repräsentiert durch
die Kunst, verdorben ist, dass die ursprüng-
lich aristokratische Idealität der Kunst einer
der schmierigsten Höflinge des jedem Profit
nachrennenden Kapitals geworden ist. Das
System hat schon verderblicher gewirkt, als
es dem in langer Gewöhnung stumpf ge-
Die Künstlerverbande hätten besseres zu thun,
als lächerliche Kostümfeste zu arrangieren.
Als die lebendigste konservative und aristo-
kratische Macht hat die Kunst im politischen
Kampf Stellung zu nehmen und dem engen
Gezänk fruchtbare, aus der Arbeit geborene
wirtschaftliche Ideen entgegenzustellen. Die
Künstler dürfen schon etwas wagen, denn
sie sind unentbehrlich geworden, und ihre
Stimme muss, als die eines Werte schaffen-
den Standes, früher oder später beachtet
werden.
In nächster Zeit soll hier der Versuch
gemacht werden, einige Einzelfragen der
Lösung, wenigstens theoretisch, näher zu
bringen.
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WIENER KUNSTGEWERBE-
VEREIN
Von J. FoLNEsrcs
Wiener Kunst im Hause" nennt sich eine
Vereinigung von zehn Absolventen und
Absolventinnen der Wiener Kunstgewerbe-
schule, welche anlässüch der jüngst eröffneten
Weihnachlsausstellung dieses Vereins das
erste Lebenszeichen von sich giebt. Man
mag den Titel, den sich diese Vereinigung
beigelegt hat, nicht ganz zutreffend finden,
denn er greift mehrfach über die natürlichen
Grenzen der Wirksamkeit einer so jungen
Künstlergemeinschaft hinaus, aber vermutlich
wird sich niemand .ernstlich daran stossen,
denn man ist es bereits gewöhnt, dass die Ver-
treter der neuen Richtung häufig für ihre Ten-
. denzen den richtigen sprachlichen Ausdruck
nicht finden, sondern grossprecherisch
und unbeholfen zugleich, Erwartungen
erwecken, die sie nicht erfüllen können.
Was mit dem Titel ausgedrückt werden
soll, zeugt nichtsdestoweniger von einer
gesunden Tendenz. Man will an die
Kunst der Biedermeier-Zeit anknüpfen,
einer Periode, die in Wien die Möbel-
industrie zu hoher Blüte brachte, und
deren Erzeugnisse zuweilen mit dem
Namen Alt-Wien bezeichnet werden, so
dass es eigentlich heissen müsste: , Alt-
Wiener Kunst im Hause". Die Ansätze,
die damals nach der Richtung einer
Vereinigung der Kunstformen mit den
technischen Errungenschaften und zeitge-
mässen Erfordernissen gemacht wurden,
bilden wertvolle Fingerzeige für des
heutige Schaffen. Die schlichte Einfach-
heil jener Formen eignet sich in höherem
Masse dazu, den modernen Anforde-
rungen an ein Werk handwerklicher
Kunst Rechnung zu tragen als die kom-
plizierteren Gebilde entlegenerer Kunst-
perioden. Die unvergleichliche Tüchtig-
keit und Solidität der Ausführung sowie
die Vorliebe für edles Material, die
sich damals geltend machte, entspricht
nicht minder der heutigen üebersätti-
gung an unsolidem Prunk. Mit Erfolg
studiert man daher die sogenannten All-
Wiener Möbel und kombiniert die neuen
Entwürfe mit Anregungen und Motiven,
die man aus England empfangen hat.
Das Verständnis im Publikum für diese
Bestrebungen ist aber keineswegs all-
gemein. Der Markt lässl vielmehr eine
SCHLAFZIMMER « ENTWORFEN VON HANS VOLLMER «
AUSGEFÜHRT VON LUDWIG SCHMITT, WIEN «•««*
^r-^> WIENER KUNSTGEWERBEVEREIN <^-^
Verßachung der reformatorischen Tendenzen
im modernen Kunstgewerbe erkennen. Es
sind zum Teil zwingende äussere Umstände,
die eine solche Verßachung herbeiführen. Es
hiesse Unmögliches verlangen, wollte man
die Forderung auFstellen, dass die grosse
Menge der Konsumenten wie der Produzenten
den tiereren Sinn der modernen kunstrefor-
matorischen Bestrebungen begreife. Für
sie ist alles Mode, und sie bemächtigen sich
aller von künstlerischer Seite gebotenen An-
regungen mit kritikloser, naiver Neuerungs-
sucht. Dass es sich um höhere Ziele han-
delt, dass unser modernes Leben mit den
Kunstformen in Einklang gebracht werden
soll, dass es gilt, einen treFTenden Ausdruck
zu ßnden für unsere Bedürfnisse, unsere
sozialen Verhältnisse und Beziehungen, unsere
technischen Erflndungen und neuen Bear-
beitungsweisen, für unsere hygienischen Er-
faht'ungen und neuen ästhetischen Anschau-
ungen, das sind viel zu komplizierte Ge-
dankengänge, als dass Käufer und Erzeuger,
die noch dazu durch Decennien nach ganz
anderer Richtung geschult wurden, darauf
einzugehen vermöchten. Hier bedarf es eines
längeren Uebergangsstadiums,da5eben in dieser
Mai^4ware zum Ausdruck kommt. Ja dieses
Uebergangsstadium, das in einer seltsamen
Mischkunst zu Tage tritt, ist geradezu not-
wendig und wünschenswert, damit die ernsten
Vertreter der neuen Richtnng Zeit gewinnen.
o 2
5 =
OS»
PS
S CO
WIENER KUNSTGEWERBEVEREIN <^^
PAUL HAUSTEIN « LEUCHTER « VEREINIGTE WERKSTÄTTEN, MÜNCHEN (GES. GESCH.)
auf dem Wege zahlreicher Experimente end-
lich allen vorher angeführten Forderungen zu
entsprechen. Heute sind sie noch nicht so
weit. Ohne den Wert ihrer Arbeiten herab-
zusetzen, kann man vielmehr behaupten,
dass so manches Einzelobjekt der gewöhn-
lichen kunstgewerblichen Marktware jenen
Forderungen in höherem Masse entspricht,
als jene oft zu einseitig konzipierten Erzeug-
nisse, an denen sich die unbeirrt und frei
schaffende Künstlerhand allein bethätigt hat.
Was solche Objekte vor jener mitsecessionisti-
schem Flitter nur äusserlich ausgestatteten
Kunst auszeichnet, ist der Ernst, der in ihnen
liegt, die grundstürzende Tendenz, die sie
verfolgen, die Rücksichtslosigkeit, mit der sie
auf ihr Ziel losgehen. Dies hat in gewissem
Sinne seiner Zeit auch der Biedermeier-Stil
gethan. Er war ein Gegenwartsstil im Gegen-
satze zu den späteren historischen Stilen. Er
wollte nicht nachahmen, sondern selbst
schaffen. Die Nüchternheit, in die er versank,
war eine Folge des Umstandes, dass die hohe
Kunst sich von ihm abgewandt und die Pfade
der Romantik betreten hatte. Jetzt, wo die
Trennung von hoher Kunst und Kunstgewerbe
nicht mehr ihren lähmenden Einfluss ausübt,
dürfen wir hoffen, Ergebnisse von längerem
Bestände herbeizuführen.
Was diese zehn Absolventen der Kunstge-
werbeschule in ihren Interieurs geleistet haben.
darf auf volles Interesse Anspruch erheben.
Wenn auch so manches den Charakter des
Unausgereiften an sich trägt, es hat doch zu-
meist etwas Frisches und Unmittelbares. Wir
finden ein Schlafzimmer, entworfen von Hans
Vollmer, ausgeführt von Ludwig Schmitt,
das, abgesehen von der etwas zu harten Wir-
kung der zwei verschiedenen Holzgattungen,
Ahorn und Birnbaum, einen recht freund-
lichen Eindruck macht und zweckentsprechende
Formen aufweist. Das Waschservice, entworfen
von Fräulein Jutta Sika, ist etwas zu plump
geraten, aber die nach vorne zu eingedrückte
Wand des Waschbeckens bedeutet immerhin
eine vernünftige Neuerung. Dagegen verdient
ihr Kaminvorsetzer aus Messing und Favril-
glas, ausgeführt von Bakalowits, ganz be-
sonders deshalb uneingeschränktes Lob, weil
er sich, was sonst bei Verwendung dieses
Materials fast immer ausser acht gelassen
wird, sowohl bei durchfallendem wie bei auf-
fallendem Lichte gut präsentiert. Von Fräulein
Else Unoer, der Tochter des bekannten Ra-
dierers William Unoer, stammt der Entwurf
für den hübschen Bettvorleger, sowie der für
die Bettdecke und die Toilette-Geräte. Ein
besonders beachtenswertes Möbel ist der grosse
Toilettespiegel mit seinen verschiebbaren und
in Angeln beweglichen Seitenteilen. Er ent-
spricht in hohem Masse den an ein solches
Möbel zu stellenden Anforderungen und zeich-
136
DOSEIN KUPFER, MIT STEINEN BESETZT; ZIERGEFÄSS IN BRONCE UND EMAILBECHER
IN SILBERGUSS • ENTW. VON PAUL HAUSTEIN « VEREIN. WERKSTÄTTEN, MÜNCHEN
SILBERGESCHIRR VON PAUL HAUSTEIN U. SILBERNER BECHER VON ELSE SAPATKA
AUSGEFOHRT VON DEN VEREINIGTEN WERKSTÄTTEN, MÜNCHEN (CES. GESCH.i • • «
^.-;^> AUS MÜNCHENS KUNSTINDUSTRIE <^^
net sich zugleich durch eine gewisse Eleganz
aus, die bei Erzeugnissen der neuen Kunst-
richtung nicht immer angetroffen wird. Einen
durchaus vornehmen Gesamteindrucli macht
auch das zweite Interieur, das Speisezimmer
von Wilhelm Schmidt, ausgeführt von
K. Caspar & Kostka. Der Vorwurf einer zu
harten koloristischen Wirkung, herbeigeführt
durch verschiedenfarbige polierte Hölzer, dies*
mal Mahagoni und Buchsbaum, kann aber auch
diesem Mobiliar nicht erspart bleiben. An-
mutig und reizvoll ist dagegen die Kompo-
sition des Kredenzschrankes, sowie des Silber-
schrankes und des Servieriischchens mit seinen
aufklappbaren Seitenteilen. Ein etwas zu um-
fangreiches Gebäude umgiebt die massige
Standuhr. Dieses simple Instrument zum
schweren Möbel auszubilden, ist aber eine
ebenso alte als allgemeine Sitte, so dass dem
Künstler im einzelnen Falle kaum daraus ein
Vorwurf erwächst. Originell in Form und
Dekor, ohne die Grenzen des Gefälligen zu
verlassen, ist das von Baronin G. Falke ent-
worfene, von Bakalowits ausgeführte Glas-
service, und ebenso zeichnet sich das von
Fräulein Sika entworfene Kaffee- und Thee-
service durch Bequemlichkeit und Leichtigkeit
der Form und Ornamentierung aus. Besondere
Erwähnung verdient ferner das in kräftiger
Durchbrucharbeit schön ornamentierte Tisch-
zeug nach Entwurf von Frl. Marietta Pey-
Puss' Der dritte Raum ist ein Herrenzimmer
in Eichenholz mit blaugrünem Stoffbezug der
Möbel, entworfen von Emil Holzinger und
Karl Summetsberger, ausgeführt von Heinr.
Summetsberger. Wir bringen daraus den
Liqueur- und Zigarrenkasien, sowie das Spiel-
tischchen mit Stuhl, woraus der Typus des
gesamten Mobiliars entnommen werden kann.
Wie man sieht, hält er sich im Rahmen moder-
ner Kompositionsweise, ohne besondere Eigen-
art anzustreben. Weilergehende Rücksicht
auf zweckentsprechende Form hätte diesen
Möbeln entschieden zum Vorteil gereicht. Ein
Liqueurservice von schlanker, eleganter Form
fällt in diesem Raum angenehm in die Augen,
und ebenso verdient die Hängelampe nach
Entwurf von Fräulein Unger lobende Aner-
kennung.
Im ganzen haben diese zehn Absolventen
der Wiener Schule, Schüler der Professoren
Hoffmann und Moser, den Beweis erbracht,
dass sie jenen Grad von Sicherheit erlangt
haben, der sie befähigt, an der Reform des
Kunstgewerbes erfolgreich mitzuwirken. Aber
sie, wie so viele andere Künstler, die sich
mit den Problemen der modernen Kunst im
Hause beschäftigen, forschen noch immer
-^-^> AUS MÜNCHENS KUNSTINDUSTRIE <^^
nicht genug nach den Erfordernissen der
Zweckmässigkeit und des Komforts. Was
soll es z. B. heissen, wenn W. Schmitt
die Füsse seines Speisetisches durch ein
plumpes, messingbeschlagenes Brett verbindet,
das die bei Tische Sitzenden verhindert, die
Füsse nach Belieben vorzustrecken oder zu-
rückzuziehen? Immer ist es viel mehr der
neue als der gute Einfall, der die Herren
verlockt, vom Herkömmlichen abzuweichen.
Nicht gegen alles Gewohnte und Erprobte
mit neuen Einfällen anzukämpfen, ist die Auf-
gabe der modernen Kunst. Auch vor dem
Berge wohnen Leute, die wissen, was brauch-
bar, gut und angenehm ist. Dazu haben wir
nicht eine' alte Kultur hinter uns, um die
simpelste Aufgabe ab ovo zu beginnen. Das
Hergebractite vorurteilslos und strenge auf
seine Zweckmässigkeit, Güte und Schönheit
zu prüfen und es durch Schöneres, Besseres
und Zweckmässigeres zu ersetzen, das ist es,
was die moderne Veit verlangt.
« SCHIRMSTÄNDER
^*-^> AUS MÜNCHENS KUNSTINDUSTRIE <^ä-v-
AUS MÜNCHENS KUNSTINDUSTRIE
Die Metallarbeiten der Vereinigten \Cerkstitten
stellen sicli den Möbeln dieser Firma würdig zur
Seite. Zum grossen Teil sind es die gleichen
Künstler, die für beide Techniken arbeiten, daher
die Aehiilichkeit ihrer Vorzüge. Nur Paul Hau-
stein ist Specialist; aber auch er gehSrt ganz in
den künstlerischen Familienkreis, den die Ver-
einigten WerstBtten bildeten. So starke Individuali-
täten wie Pankok und Riemerschmid sind auf
diesen Kreis nicht ohne Einfluss geblieben. Sie
haben ihm ein Geprige gegeben, das sich glück-
licherweise nicht durch Nachahmung ausdrückt,
Sondern lediglich durch eine gemeinsame künstle-
rische Richtung zu Tage tritt. Das zeigt auch
RocHGA, der, so wie Haustein, Frl. Sapatka und
W. Kepler, eine wertvolle Bereicherung der kleinen
Kfinstterschar bildet. Dieser verbindende Werkstati-
geisi unterscheidet die Arbeiten der Vereinigten
Werkstätten in charakteristischer Weise von den
Erzeugnissen anderer Institute, von denen wir jene
der Firma Josef Zimmermann & Co. hier ab-
bilden. Wenn dort strenge Linienführung, sorg-
nitig abgemessene Grössen Verhältnisse und nur ganz
bescheidener Schmuck die Mittel für die künstle-
rische Gestaltung abgeben, so bilden hier reichere
Ziermotive und eine gewisse Forntenfülle das ge-
meinsame Element. Dort meist flächiges, poliertes
Messingmetall, hier nur mattglänzendes, bild- und
schmiegsames Eisen. So bringt fast jede Werkstatt
einen eigenen Zug in alles, was von ihr ausgeht.
In diesem Sinne hat sich auch die Schreinerei O.
Matthes durch Ausführung der von R. A. Schroe-
der und Architekt P. Troost entworfenen Möbel,
die wir auf Seite 144 und 145 leider nach mangelhaften
Aufnahmen wiedergeben, ein vielversprechendes
Zeugnis ihrer Tüchtigkeit ausgestellt.
-sf-£:ö> KUNST UND MASCHINE <^i^
RUDOLF ROCHGA • KLEIDERHAKEN « VEREINIGTE WERKSTÄTTEN, MÜNCHEN
KUNST UND MASCHINE
Von H. MuTHEsius, London
Unter allen Aufgaben, die uns heule auf
dem Gebiete der modernen Kunst noch
zu lösen bleiben, ist die richtige Einbeziehung
der Maschinenarbeit die schwierigste, zugleich
aber die weitreichendste und bedeutungsvollste.
Wir haben uns daran gewöhnt, vom , künst-
lerischen" Standpunkte aus mit vollkommener
GeringschStzung, wenn nicht mit Verwünsch-
ungen auf das Produkt der Maschine zu
blicken, viele Stimmen predigen noch heute,
dass das Heil der Wiederbelebung der gewerb-
lichen Künste nur in der Handarbeit liegen
könne. Indessen produzieren unsere Fabriken
ruhig weiter und werfen ihre Waren geradezu
in Massen auf den Markt. Kein Mensch unter-
nimmt es, diese zur „Kunst" in irgend welche
Beziehung zu bringen, hoffähig in diesem
Sinne sind nur unsere „ kunstgewerblichen*
Erzeugnisse. Nur diese wandern in unsere
Kunstzeitschriften und in die Kunstgeschichts-
bücher. — Wir befinden uns also heute in
einem ganz auffallenden Gegensatze zu unserer
alten Kultur, derjenigen Kultur, an welche die
Maschine ihren zehrenden Zahn vor hundert
Jahren anzusetzen begann: dort gehörte (nach
unserer heutigen Auffassung) alles zur Kunst,
hier unterscheiden wir zwischen legitimen
Kindern und Wechsel bälgen.
Betrachten wir den Unterschied zwischen
beiden Kindern unseres Zeitalters aber von
der wirtschaftlichen, statt von der künstleri-
schen Seite, so stellt er sich wesentlich
anders dar. Die wirtschaftlich natürlich er-
zeugten sind dann zweifellos die Maschinen-
Produkte. Sie sind aus den Bedingungen
heraus entstanden, die sich im natürlichen
Werdegang der Verhältnisse entwickelt haben,
sie werden auf der Grundlage des allgemeinen
Arbeitsmarktes erzeugt, sie liefern die brauch-
barsten Werte mit dem geringsten Aufwende.
Sie sind also der heutigen Lebenslage ent-
sprechende, daher im richtigen Sinne moderne
Erzeugnisse. Unsere „kunstgewerblichen"
-ir4^> AUS MÜNCHENS KUNSTINDUSTRIE <ai-t-
1
Gegenstände haben mehr oder
weniger AfFektionswerl, sie sind
nur der begüterten Klasse, also
nur wenigen, zugänglich und
können heute niemals den An-
spruch erheben, den Tagesbe-
darf des Volkes zu decken. Wo
immer heute die Handarbeit als
Ideal auf den Schild gehoben
wird, wird man mit wirtschaFt-
lich unnatürlichen Verhältnissen
WANDARM V. PROF. O. ECKMANN
LATERNE V. E. VETTER ««•••
AUSCEF.V.J.ZIMMERMANN&CO.
rechnen müssen. Und sofort
taucht hier das merkwürdige
Kulturbild auf, das uns William
Morris und die englischen
Künstler - Sozialisten geliefert
haben, die von einer , Kunst aus
dem Volke für das Volk" aus-
gingen und als Endwert so teure
Sachen lieferten, dass höchstens
die oberen Zehntausend an deren
Anschaffung denken konnten.
i
<
KUNST UND MASCHINE
Dass Fabrikerzeugnisse notwendigerweise
unkünstlerisch sein müssten, ist bis in die
neueste Zeit hinein oft und mit Aufbietung von
allen möglichen Gründen nachzuweisen ver-
sucht worden. Allein das Gebäude dieser
Gründe (die alle aus der von unserer früheren
Kultur geborenen Aesthetik entnommen sind)
wird von Jahr zu Jahr wankender. Heute
bekennt sich schon mancher zu der Ansicht,
dass er auch einen Landauer, eine Hängebrücke,
ja eine Lokomotive „schön* finde, — alles
Dinge, die mit der Kunst alter Auffassung
gar keine Berührung haben, sondern neben
derem Gehege sozusagen wild aufgewachsen
sind. Und Hand in Hand damit geht eine
zunehmende Abneigung gegen Ornament,
gegen unsachlichen Formenaufwand, gegen
Schmuck überhaupt, Dinge, gegen die die alte
Kunst nichts einzuwenden hatte. Es liegt
sicherlich eine Strömung vor, die Kinder der
rein sachlichen, «unkünstlerischen* Her-
stellung als ästhetisch rechtmässig anzuer-
kennen und sie in den Ring der Kunst
aufzunehmen. Die vor zehn, zwanzig oder
dreissigjahren als ^^künstlerisch* ausgegebenen
Dinge aber empfinden heute schon viele als
„unmodern*, wenn nicht als „unkünstlerisch*,
und zwar hauptsächlich infolge der ihnen
aufgenötigten „Kunst*. Sobald aber solche
Ansichten allgemeiner werden, muss auch
das alte Vorurteil gegen die Maschinenerzeug-
nisse schwinden, und niemand kann es mehr
unternehmen wollen, diese als ausserhalb des
Gebietes der Aesthetik liegend zu bezeichnen.
Unser ästhetisches Urteil baut sich auf
Vorurteilen auf, die Gewohnheit ist seine
Amme. Die allgemein menschlichen Grund-
empfindungen über das Schöne sind primitiv-
ster Art. Auf derselben Grundlage des
Schönheitsempfindens ist in Griechenland der
jonische Tempel und sind in Mittelindien jene
phantastischen, ornamentübersponnenen Bau-
werke entstanden, für die uns Europäern
jedes Verständnis verschlossen bleibt. Und
doch sind beide die Entwicklungspunkte des-
selben Ausgangs menschlichen Schönheits-
schaffens, und hier wie dort gelten sie als
Gipfelpunkte der Kunst.
In Bezug auf die Entwicklung und Um-
bildung des ästhetischen Urteils scheint da-
her das Unmöglichste möglich. Einen kleinen
Begriff von dieser Wahrheit geben uns ja
schon unsere Damenmoden. Es liegt also
auch durchaus im Bereich der Möglichkeit,
dass eines Tages jedermann unsere Fabrik-
erzeugnisse schön finden wird. Dass dies
der Fall sein kann, lehrt uns ein Fabrik-
erzeugnis, an das wir schon durch Jahrhun-
derte gewöhnt sind und daher unbedenklich
als „künstlerisch* hinnehmen, nämlich das
gedruckte Buch. Was Gutenberg that, war
nichts anderes als die Einführung des Ma-
schinenbetriebes an Stelle der Handarbeit im
Buchdruckgewerbe. Wer leugnet heute, dass
das Buch, entsprechend behandelt, ein voll-
gültiges Kunsterzeugnis sein kann?
In der Geschichte der menschlichen Tek-
tonik können wir die merkwürdige Thatsache
verfolgen, dass Neubildungen vor Erreichung
ihrer endgültigen Form häufig eine Zwischen-
stufe durchzumachen haben, die der Meta-
morphose der Insekten gleicht. Ja dieser Weg
scheint sogar der übliche zu sein. Es tritt plötz-
lich eine neueBedingung auf und stellt der bil-
denden menschlichen Hand Aufgaben, für die
sie keine Anhaltepunkte hat. So erschien im
Verlauf des neunzehnterijahrhunderts an Stelle
der Kerze das Gas und an Stelle des Gases
das elektrische Licht. In keinem Falle waren
wir im stände, sofort die richtige Form des
Beleuchtungskörpers zu bilden, die Entwick-
lung schritt über die Stufe der nachgeahmten
Kerze hinweg. Für das als Neuling ein-
tretende Linoleum hatten wir zunächst nur
das Granit-, das Fliesen- und das Parkett-
muster bereit, die Papiertapete ahmte den
Stoff nach. Ueberall sehen wir die Zwischen-
stufe der nachgeahmten früheren Form.
Einen ähnlichen Gang haben auch unsere
Fabrikerzeugnisse durchgemacht. Fing man
an, irgend einen bisher in Handarbeit herge-
stellten Gegenstand fabrikmässig zu erzeugen,
so wurde zunächst aller Scharfsinn aufgeboten,
die Einzelheiten der Handarbeitungsform nach-
zuahmen. So bekamen wir die gestanzten
Blechornamente, die in Papiermasse nachge-
ahmte Holzschnitzerei und andere Falsifikate,
die natürlich nur dazu beitragen konnten, die
Maschinenarbeit künstlerisch in vollen Miss-
kredit zu bringen. Nachdem man sie vorher
vom künstlerischen Standpunkte aus nicht
beachtet hatte, fing man jetzt an, sie zu ver-
achten. Und so musste die Hoffnung auf
Anerkennung eigentlich von vorn herein mehr
bei denjenigen Maschinenerzeugnissen liegen,
die ganz selbständig, ohne Erinnerung eines
früheren Zustandes, in die Welt traten. Das
Zweirad, um ein naheliegendes Beispiel an-
zuführen, hatte keine frühere Form nachzu-
ahmen, wir erblicken in ihm infolgedessen eine
verhältnismässig reine Form der Maschinen-
erzeugung. Hier entspricht die Form des
Gegenstandes ebensowohl der fabrikmässigen
Herstellung, als auch — da sogenannte „künst-
lerische* Gesichtspunkte bei seiner Bildung
gar nicht in Frage kamen — der grössten
143
^r^5> KUNST UND MASCHINE <^-i^
Zweckmässigkeit. Und doch geHillt das Zwei-
rad. Vielleicht liegt das daran, dass sich die
Vesensbedingungen des Dinges und die be-
sondere Form, in der es erscheint, in voll-
endeter Weise decken. Es verkörpert eine
gewisse Echtheit, es hat Stil. Mag dieser
Stil Zweckmässigkeitsstil, Maschinenstil oder
sonstwie genannt werden, es liegt kein Grund
vor, weshalb das Zweirad deshalb nicht ge-
fallen sollte.
Diesen Maschinenstil in Gegensatz zu einem
sogenannten künstlerischen Stile zu setzen,
ist sicherlich ein Stadium der ästhetischen
Empfindung, das die Welt überwinden wird.
Es kann gar nicht darauf ankommen, auf
welche Weise eine menschliche reale Schöpfung
entsteht, sehr wichtig erscheint es aber, dass
sie die Art ihrer Entstehung aufgeprägt trage,
dass sie einen klaren Stil verkörpere. Ist
dies nicht der Fall, so tritt sie in Verkleidung
auf und erregt über kurz oder lang unseren
Unwillen durch die falsche Gesinnung, die
in ihrer Form versteckt liegt. Für unsere
ganze menschliche Tektonik müssen dieselben
Gesetze geltend sein, alle tektonischen
Leistungen daher mit einem Begriffe zu decken
sein. Für diesen Begriff fehlt uns heute ein
Wort. Das donnernde Wort „Kunst" zu wählen.
hat seine sehr bedenklichen Seiten. Man
stellt sich unter diesem Begriff heute stets
etwas so Besonderes vor, dass ganz schiefe
Urteile herauskommen. Wir sind, wie wir
gesehen haben, dahin gekommen, dass die
auf der heute natürlichen wirtschaftlichen
Grundlage erzeugten Dinge unkünstlerisch
und die auf einer nicht natürlichen Grundlage
erzeugten künstlerisch genannt werden. Da
muss etwas nicht in Ordnung sein.
Es scheint, dass hier die fossilen Reste
einer alten Kultur noch in unsern Köpfen
spuken. Wir neigen fast dazu, eine tek-
tonische Leistung nur dann künstlerisch zu
nennen, wenn sie zu der reinen Zweckmässig-
keit noch irgend einen Zusatz enthält. Auf
der anderen Seite wünschen wir aber gar
keine Zusätze, wir wollen die vollendete, reine
Zweckmässigkeit. Das führt zu dem Zwie-
spalt, zu der heutigen Unsicherheit, die sich
nicht nur in der Beurteilung, sondern auch
im SchafTen von tektonischen Leistungen aus-
spricht. Ein Hin- und Herschwanken zwischen
Realismus und Stimmungskunst, das ist die
heutige Lage im sogenannten neuen Kunst-
gewerbe. Eine aufrichtig schaffende Hand wird
sich gar nicht mit der Frage beschäftigen,
ob sie diesen Gegenstand künstlerisch, jenen
SCHREIBTISCH • ENTTORFEN VON R. A. SCHROEDER UND
P. TROOST « AUSGEFÜHRT VON O. MATTHES, MÜNCHEN
BrBLIOTHEKZlMMER • ENTWORFEN VON R. A. SCHROEDER
UND P. TROOST • AUSGEFÜHRT VON O. MATTHES, MÜNCHEN
^7-^> TAPETEN VON OTTO ECKMANN <^ä-^
ohne Anwendung von Kunst bilden wolle, sie aufrichtig sind. Die Maschine ist nur
Sie schafft, wie der menschliche Bildungsgeist ein vervollkommnetes Werkzeug,
sie führt. Dieser ist seiner Natur nach — Wenn heute viel davon die Rede ist, dass
solange er nicht unter angelernten Vorurteilen wir unser Leben wieder künstlerisch gestalten
leidet — immer künstlerisch (um dieses Wort müssten, so sind wohl diejenigen auf falschem
in Ermangelung eines besseren beizubehalten). Wege zu diesem Ziele, die dies durch eine
Einerlei, ob die menschlichen Erzeugnisse Gegensatzsiellung zur Maschinenarbeit er-
aus der Maschine oder aus der Hand hervor- reichen wollen. Unter diesem schiefen Ge-
geben, sie müssen künstlerisch sein, solange sichtswinkel hat z. B. die ganze moderne
-T-i^y TAPETEN VON OTTO ECKMANN <^-^
englische Kunst, von Morris bis auf die ihrer Herstellungsweise, dann sind wir durch
Gegenwart, gewirkt. Der Zirkel dieser Wir- sie nicht eingeengt, sondern bereichert. Einen
kung muss in dem Masse ständig zusammen- Zustand retten zu wollen, den die natür-
schrumpfen, als die Maschine in ihrem Sieges- liehe Entwicklung überschritten hat, ist ein
lauf vorwärts schreitet. Schauen wir aber Zeichen des Alters. Eine jugendfrische
der neuen Erscheinung ins Auge, erkennen Kunstrichtung blickt vorwärts. Sie muss
wir sie an, wenden wir ihr unsere Beachtung heute die Maschinenarbeit unter ihre Fittige
zu, bilden wir sie aus, entwickeln wir sie nehmen, sonst wäre sie dem Schicksal des
liebevoll auf den reinen, klaren Bedingungen nahen Endes preisgegeben. <^ ^ <^ ^
TAPETEN VON OTTO ECKMANN
Von den vielen Tapetenentwürfen Eck-
mann's sind hier ein paar aus der
letzten Saison abgebildet. Eigentlich ist
es ja schade, dass Tapeten muster von dem
ästhetischen Wert der EcKMANN'schen Saison-
ware sind, und dass jedes Jahr eine neue
Kollelition auf den Markt gebracht werden
muss. Solche durch die Konkurrenz be-
dingte Hast ist schuld daran, dass wir gar
nicht mehr zu Ruhe und Genuss kommen.
Der Berliner Künstler hat Tapeten drucken
lassen, die sehr würdig wären,, zehn Jahre
und länger benützt zu werden, denen sogar
eine kleine Nuance „Ewigkeitswert" nicht ab-
zusprechen ist. So aber schlägt er — als
Kontraktpflichtiger muss er es wohl — mit
dem Erfolg des letztenjahres den des vorigen
tot. Aus solchen Verhältnissen erklärt es
sich dann auch, dass die Muster von Jahr
zu Jahr praktischer werden, d. h. dass sie
sich den BedürFnissen des Marktes immer
mehr anpassen. Bis zu einem gewissen
Grade ist das gewiss lobenswert; nur darf
der Künstler nicht auf den
Punkt geraten, wo sich das Ver-
hältnis verkehrt und die Nach-
frage die Kunst diktiert.
Die hier reproduzierten Ar-
beiten zeigen noch hinreichend
individuelles Gepräge. Bei allen
ist das Bestreben bemerkbar, der
Wand die Ruhe zu geben und
Eintönigkeit nur durch ein leicht
bewegtes, mehr oder weniger
geistvolles Linienspiel aufzu-
heben. Solange Tapetenpapier
benützt wird, ist dieses Prin-
zip sicher das erfolgreichste.
Die künstlerische Musterung ist
bei der Tapete nicht die Haupt-
sache, sondern das Kolorit; da-
rauf sieht Eckmann auch in
erster Linie.
Eine andere Art des Wand-
dekors, die das Muster mehr
betont und doch so künstlerisch
wie verwendbar bleibt, ist die
Manier, wie Eckmann sie z. B.
in seinem Muster «Palmette" an-
gewandt hat und wiesieLEMMEN
vor allem eigen ist. Solche ein-
oder zweifarbig kräftig gemusterte
Papiere mit rein ornamentalen
Motiven geringen Rapports be-
leben den Raum ungemein, ohne
der Wand doch den Charakter boutet de monvel
des Hintergrunds zu nehmen. Doch Rnden
sich für diese Art in Deutschland gar keine
Liebhaber.
Für das Künstlerische in der angewandten
Kunst ist bei uns noch verzweifelt wenig
Sinn; man will immer nur die Sensation
oder die Langeweile. Darum resignieren die
Künstler früher oder später alle. Die ersten
Tapeten Eckmann's konnten nur in Räume
geklebt werden, wo ein feiner moderner
Geist das ganze Interieur besiimmte; diese
neueren Muster können überall verwandt
werden, in Etagenhäusern und Villen, in
modernen Interieurs und archaistischen. Ob
in dieser Thatsache ein Lob für die ersten
oder späteren Muster liegt, das ist eine
Doktorfrage, mit der sich jeder Berufene ein
Erkleckliches herumplagen möge. -r
SITZENDER GREIS
FRANZÖSISCHE RADIERUNGEN
Von Henri Frantz, Paris
Es ist interessant zu konstatieren, wie in
der künstlerischen Entwicklung unserer
Tage insbesondere die Maler durch Viss-
begierde, ja durch eine innere Notwendigkeit
getrieben werden , die Mittel und Gebiete
ihrer Kunst zu erforschen und zu erweitern.
Geradezu mit Leidenschaft haben sich die
Maler in den letzten Jahren auf die an-
Ein ganzer Kreis von Künstlern ist auf diesem
Gebiete thätig und hat sich um den rührigen
Verleger M. HESs£le geschart ; sie alle in einem
kurzen Artikel Revue passieren zu lassen, ist
uns versagt. Ehe wir aber auf die Bestre-
bungen einzelner derselben eingehen, wollen
wir der Vorläufer und Urheber der gegenwär-
tigen Bewegung gedenken. Vor allem Brac-
gewsndte Kunst geworfen, um an Stelle der quemond's, dessen schönes Blatt „Der Regen-
bisher ausschliesslich gepflegten Tafelmalerei
Werke zu schaffen, die, welcher Technik auch
immer sie angehören, doch oft stärker und
tiefer empfunden sind, als vordem manche
grosse Leinwand.
Vor 20 Jahren würde man wohl entsetzt
gewesen sein, hätte ein Maler einmal seine
Pinsel weggelegt und dafür Leder getrieben
oder gar ciseliert. Heute aber weiss man,
Gott sei Dank, wie viel Kunst und wirkliche
Schönheit in diesen kleinen, ehedem ganz
vernachlässigten Arbeiten stecken kann.
Unter diesen verdient die Radierung und
speziell die Farbenradierung einen
besonderen Platz. Namentlich
französische Künstler haben sich
in letzter Zeit bemüht, diese
Technik neu zu erwecken. Uns
allen sind die reizvollen und fein-
sinnigen Blätter bekannt, welche
das 18. Jahrhundert auf diesem
Gebiete hervorgebracht hat. Na-
men, wie Debucourt mit seinen
flotten und lebendigen Scenen,
MoREAU, der Jüngere, mit seiner
stets so scharfen Beobachtung,
Saint Aubin, einer der feinsten
Zeichner seiner Zeit, sagen genug.
Es ist wohl nicht ohne inneren
und tieferen Zusammenhang, dass
mancher Künstler heute dieses
Verfahren wieder aufnimmt, und
seiner Geschichte ein wesent-
liches Blatt hinzufügt, indem er
in ihm die Strömung und den
Geist der Zeit zum Ausdruck
bringt. Blätter von Raffaelli
oder Louis Legrand stehen auf
der Höhe jener von Debucourt,
und die Wertschätzung, welche
unsere Zeit ihnen entgegenbringt,
zeigt sich deutlich in der starken
Preissteigerung, ebensowohl der
alten Farbstiche, als dieser neuen
Radierungen. Francis jourdin
bogen' so bekannt ist, dann M. J. F. Raf-
PAELLi's, der immer neue Reize in der Schil-
derung der Vorstädte von Paris zu finden
wusste. Auch Lbp^re ist zu nennen, obwohl
sein Werk nur wenige farbige Radierungen
aufzuweisen hat; Jeanniot, dessen ausdrucks-
volle zeichnerische Begabung in allen Erschei-
nungen das Malerische festzuhalten weiss, und
der unermüdlich, wie z. B. in seinem Werke
,La Plage", der geheimnisvollen Grazie der
weiblichen Gestalt nahe zu kommen sucht,
wenn er dabei auch nicht die Eleganz eines
Helleu erreicht.
VOR KURZEM
-5-^r> FRANZÖSISCHE RADIERUNGEN <^^t?-
BOUrET DE MONVEL DAS TRANSPORTSCHIFF
Die Künstler, deren Werke wir hier re-.' traste in Licht und Schatten, eine kräftige
produzieren, gehören der allenüngsten Ge- Technik, die an Arbeiten in Gouachemanier
neration an, und es ist noch nicht lange her, erinnert, und zugleich eine nervöse Lebendig-
dass die Werke von Eug£ne Delätre und keit der Linienführung geben den finsteren
Sprinckmann zu Sammelobjekten zahlreicher Charakter dieser kleinen Kirche mit ihren
Amateure wurden. Sprinckmann hat eine verschleierten und schweigsamen Besuchern
spezielle Vorliebe für die alten schönen trefflich wieder. Eugene Delätre sucht
Kirchen von Paris, namentlich aber für St. dagegen die Vorbilder seiner Werke in der
Etienne du Mont, welches hier wiederge- weiten Natur, im freien Feld. Ein Blatt wie
geben ist. Breite Behandlung, starke Kon- «Vor dem Gewitter" zeigt, wie er seine
Wirkung in sicheren Strichen festhält.
Ein paar grosse Bäume, welche das
erste Tosen des Sturmes schüttelt, die
Silhouetten einiger Bauernhäuser, ein
Kirchturm am Horizont, zusammen mit
dem hohen Himmel, an dem schwere
Wolken hinjagen, hier und dort plötzlich
Lichtblicke, das sind die einfachen Ele-
mente, die Delätre trotz der kleinen
Dimensionen seines Blattes zu er-
habener Grösse eines herrlichen Natur-
schauspiels zu vereinen wusste. Sein
Name wurde bekannt durch die Aus-
stellung, welche Durand - Ruel im
Jahre 1898 ihm und Francis Jourdain
veranstaltet hatte.
Die Arbeilen Jourdain's sind wesent-
lich dekorativen Charakters und er-
innern etwas an Henri Rivi^re. Har-
monische Wirkung in grosse Züge zu
fassen und in starber Vereinfachung
doch den Stimmungsgehalt des bild-
lichen Vorwurfes seines Sujets voll
auszudrucken, ist seine besondere Be-
gabung, der wir eine Reihe schöner
Landschaften sowohl als Tierstudien
verdanken.
Der Radierer Boutet de JHonvel
ist der Sohn des auch in Deutschland
sehr bekannten Illustrators, aber frei
von jeder Beeinflussung seitens seines
j. PiNCHON DER JAGDGEHILFE Vaiers. Gute Beobachtung, strenge
VOR DEM GEWITTER
M. SPRINCKMANN ST. ETIENNE DU MONT
^.-^ FRANZÖSISCHE RADIERUNGEN <^-r^
C BETOUT
SPIELENDES KIND
Wahrheit sind vorherrschende Eigenschaften
seiner Arbeiten, die ihre eigene Selbständig-
keit nicht verleugnen.
Betout ist der Meister intimer Scenen.
Seine Kinderstudien sind reizend durch die
ungezwungene Natürlichkeit, die in ihnen
zum Ausdruck kommt. .Der Säugling*, „das
schlafende Kind' in den Armen seiner Mutter,
«die Siesta" zählen zu seinen bekanntesten
Blättern. — Pinchon's Liebe dagegen gehört
dem Sport und den Tieren. Gute Beobach-
tung und präcise Zeichnung zeichnen seine
Werke aus.
Die angeführten Beispiele mögen genügen,
um auf eine neue Generation von Künstlern
hinzuweisen, die mit Geist und Anmut eines
der köstlichsten Kunstgebiete neu belebt und
verjüngt haben. Nach dem leider in Deutsch-
land nur sehr vereinzelten Vorgehen von
Ernst Klotz können wir hoffen, dass auch
hier ein Verfahren wieder aufgenommen
werden wird, dessen Resultate bei seinem
hohen künstlerischen Originalwert doch auch
massiger Bemittelten zugänglich sind.
FRANCrS JOURDIN
WEISSE KATZE
HIL[PP WIDMER
MODELL EINES OBERLICHTES
THEODOR FISCHER
Von Erich Haenel
Wenn heute über dem brodelnden Auf-
ruhrgeistigerund wirtschaftlicher Trieb-
kräfte, dessen verschwommenes Bild die Litte-
ratur, vor allem die Tagesiitteratur der Zeit-
schri ften widerspiegelt, wie von tausend Kehlen
ausgestossen und begleitet von tausendstim-
migem Trompetengeschmetter, immer wieder
der Schlachtruf: Kampf um die Kunst! sich
machtvoll erhebt, so mag es wohl vorkommen,
dass der Laie, der etwas ängstlich diesen Sturm
und Drang von weitem beobachtet, sich zwei-
felnd Fragt: welche Kunst ist es nun eigent-
lich, um deren Siegen hier die Geister an-
einanderplatzen? Ist es die, deren Werke,
unserer Väter Erbe, unsere Kindheit um-
gaben, die man als die klassische preist, und
die man heute mit unendlicher Sorgfalt von
Staats wegen und unter dem höchsten sitt-
lichen Eifer „aller Gebildeten" als solche zu
erhalten sucht? Ist es die Kunst, die seit
ein paar Lustren daneben emporwächst, selt-
sam und kecb, mit ihren unklassißzierbaren
Formen, die Kunst der Jungen, denen das
tüchtige Alte nicht mehr genügt, die der
neuen Zeit ein neues Kleid zu schaffen unter-
nehmen? Oder ist es endlich gar die Kunst
der Zukunft, zu der dies alles nur Vorstufen
sind, die absolute Kunst, die Uni versa! kunst,
die einige ahnend schauen, viele herzlich er-
sehnen und die meisten spöttisch leugnen,
deren Morgenrot aber schon die blassen
Wölkchen am Horizont verheissungsvoll er-
glühen macht?
Die Antwort auf solche Fragen wird ver-
schieden lauten, je nach der Parteistellung,
die der Auskunftgebende selbst in dem kriege-
-si-.^> THEODOR FISCHER <^=^
PUTTEN VOM BRUNNEN IN DER MÜNCHNER VORSTADT AU ■ MODELLIERT VON J. FLOSSMANN
Tischen Tumult einnimmt. Der eine wird die sance ist, die heute ihre Pforten aufthut,
geheiligte Kraft des durch die Jahrhunderte mag Kampf und Frage gleich überflüssig er-
Ueberlieferten als das glorreiche Zeichen hin- scheinen. Sie schreiten ihres Wegs, unbe-
stellen, unter dem allein die Fortschreitende kümmert um die Fehden der rauhen Gegen-
Generation siegen kann, andere sehen das wart, sie tragen den Glauben an ihre Mission
einzige Heil in einem radikalen Bruch mit mit heiterem Lächeln durch das Getriebe des
dem Historischen, das wie Blei an den Sohlen Tages, und die schwülen Dünste, die dräuend
des vergangenen Jahrhunderts haftete. Und über das Land ziehen, dringen nicht durch die
gar denen, deren Schlagwort die neue Retiais- rosendurchwobenen Vorhänge ihrer Gemächer.
Aber Ideologen taugen uns nicht,
wenn auch ihre Zahl heute schon
nicht mehr gering ist. Jeder Kampf
kann naturgemäss nur da ein ehr-
licher und gesunder sein, wo nicht
mehr als zwei Parteien um die
Palme ringen. Mag man diese nun
heute als die Alten und die Jun-
gen, als die Historischen und die
Modernen, als Reaktion und Fort-
schritt bezeichnen — das klare
Bild der Gegensätze ist ja jedem
bekannt. Es ist nicht ein Kampf
um die Kunst, sondern um die
Künste, dessen Zeugen und Mit-
wirkende wir sind, besser noch:
ein Kampf der Künste, die über
dem Banner der Heere schützend
schweben. Wo auf der Walstatt
unser Platz ist, braucht hier nicht
gesagt zu werden. Aber das Recht,
das wir oft in Anspruch genommen
haben, fordern wir heute: einmal
aus der Front zurückzutreten und,
den Blick ungetrübt von Staub
und Dunst, die Schlachtreihen acht-
sam zu mustern. Und da fallt das
Auge auf einen tüchtigen Streiter,
der eben seinen Posten verlässt,
TEIL DES BRUNNENS IN DER mOnchner VOR- *"" '" ^'"«f" «"'^«'■" GÜede, Unter
STADT AU • MODELLIERT VON j. FLOSSMANN neueu Genossen, aber gegen die
154
^r^f> THEODOR FISCHER <^i-^
alten Gegner, seine Kraft und Gewandtheit
zu erproben.
Der Name Theodor Fischer's hat nicht
nur diesseits des Maines einen guten Klang.
Von Geburt Süddeutscher, hat er nach Voll-
endung der eingehendsten Studien auf dem
Gebiete der historischen Architektur in der
Schule des Mannes den Grundstein zu seiner
künstlerischen Selbständigkeit gelegt, der als
erster an einem gewaltigen Bau von natio-
naler Bedeutung auch den Forderungen einer
nationalen Kunst ganz zu entsprechen imstande
war. Von seiner Thätigkeit im Atelier des
Reichshauserbauers Wallot reden mehrere
Entwürfe, mit denen er im Anfang der neun-
ziger Jahre auf deutschen Konkurrenzen auf-
trat. In dem Wettbewerb um das Kaiser
Wilhelm-Denkmal an der Porta Westphalica
errang er den ersten Preis. Hier wie in
dem ausserordentlich persönlichen Entwurf
für das Leipziger Völkerschlachtdenkmal Fand
er für das ideelle Problem auch nach seiner
ethischen Seite den erschöpfenden formalen
Ausdruck echter Monumentalität.
Aber bald finden wir Fischer wieder auf
heimischem Boden : als Bau>
amtmann tritt er an die Spitze
des kommunalen Bauwesens der
Stadt München. Hier vollzog
sich in ihm der Umschwung,
der ihn zwischen der romanisch
geßrbten italienischen Renais-
sance seiner Meister, der in
Vorwürfen monumentalerPracht
von oft spezifisch dynastischen
Tendenzen seine höchsten Tri-
umphe feiert, und der mehr auf
intimere, bürgerliche Wirkungen
ausgehenden, mit historischen
Faktoren stammeseigner Ent-
wicklungoperierenden architek-
tonischen Geschmacksrichtung
der Süddeutschen den Mittelweg
finden Hess. Es sei nicht etwa
der Verdacht ausgesprochen,
als habe der Künstler sich aus
äusseren Gründen, die aus dem
Wandel seiner öffentlichen Po-
sition entsprangen, zu einem
künstlerischen Kompromiss ver-
standen. Ein Zweifel an der
Echtheit seiner inneren Entwick-
lungwäre um so unangebrachter,
als er gerade mit seinem Haupt-
werk auf bayerischem Boden
bewies, dass Konvention, Zunft-
geist, Paktieren mit dem Ge-
schmack der Menge und wie
die Scheuklappen der „ notgedrungenen Rück-
sichten' alle heissen, einer Individualität wie
der seinen ihrem eigentlichen Wesen nach
fremd sind. Dass er mit seinem Bismarckturm
am Stambergersee (Seite 162—166), der im
Jahre 1889 eingeweiht wurde, einen wirklich
grossen Wurf gethan hat, ist nachgerade zu
allgemein anerkannt, als dass es hier noch
weiterer Begründung durch Wort und Bild be-
dürfte. Der Bau hat, von seinen künstlerischen
Qualitäten hier ganz abgesehen, nicht nur alle
Eigenschaften, die im Empfinden des Volkes
einen bleibenden und überzeugenden Eindruck
zu machen imstande sind, sondern er kann auch
so aus dem Bewusstsein des Volkes heraus
das Bild des Bismarckschen Genius in seiner
Weise festhalten ^wie im Traum es ihn trug".
Aus der schlichten Halle, deren weite Bogen
und breite Treppen schutzverheissend den
Wandrer aufnehmen, hebt er sich mächtig
empor, von den Schwingen des deutschen
Adlers überschattet, mit seinen scharfen,
straffen Profilen, seinen deutlich redenden
Skulpturen, in denen die Poesie des deutschen
Volkes lebt, ein Sinnbild männlicher Charakter-
-^-^D- THEODOR FISCHER -C^-^
DAS IM BAU BEFINDLICHE LANDHAUS E. RIEMERSCHMID IN STARNBERG
gr&sse, das seines stolzen Namens würdig
ist. Wie sich die monumentale Schluss-
form, die Treppen inneres und Besteigbarkeit
gänzlich ausschliesst, aus den Vorstufen der
künstlerischen Idee herausgeschält hat, das
illustrieren zwei erste Entwürfe (Seite 161),
'/
GRUNDRISS ZU OBIGEM LANDHAUS
die das Motiv des Aussichtsturmes, und zwar
in der Formenwahl des Mittelalters, ausführen.
Die Umwailung mit dem von zwei schwer-
falligen Rundiürmen flankierten Eingangsthor
und seitlich angefügten Wärterhaus lässt hier
ein malerisches Element mit hineinspielen, das
zwar an sich von grossem Reiz, aber an
dieser Stelle dem späteren Ergebnis an
idealer Eindringlichkeit entschieden unter-
legen ist.
Hatte Fischer hier Gelegenheit gefun-
den, einen ihm schon von früher nahe-
stehenden Vorwurf in voller Freiheit, unter
den günstigsten äusseren Bedingungen per-
sönlich auszugestalten, so betrat er mit
den kommunalen Bauten, die ihm seine
Stellung zuwies, eigentliches Neuland. In-
dess erwies es sich bald, dass gerade eine
künstlerische Persönlichkeit wie die seine
hier den ihr zusagenden Boden gefunden
hatte, auf dem Werke von reformatorischer
Bedeutsamkeit nicht ausbleiben konnten.
Die Schulhäuser, die München durch
Fischer hat erbauen lassen, haben eine
Berühmtheit erlangt, weit über die Grenzen
-^^5> THEODOR FISCHER <^^
LANDHAUS ARTHUR RIEMERSCHMID IN PASING
der engeren Stammesheimat hinaus. Das be- haben wie Fischer und durch ihn die so oft in
kannieste von ihnen, das 1898 vollendete in puncto artis arg verlästerten Stadtväter Mün-
Schwabing, ist künstlerisch und praktisch eine chens. Nicht durch kostbares Material, durch
Art Idealbau, und als solcher unzähligemal ungewöhnlichen Aufwand an Raum oder durch
besprochen und gefeiert worden. Wie har- teure technische Neuerungen ist hier ein
monisch sind hier alle die
Bedingungen erfüllt, ' die
man als Pädagoge, als Hy-
gieniker, als Vorkämpfer
der Kunst im Leben des
Kindes an ein derartiges
Gebäude nur stellen kann!
Dass ein Haus, in dem
Hunderte von Kindern die
sechs bis sieben wichtigsten
Jahre ihrer Entwicklung
verbringen müssen, nicht
nur aus Gründen der Zweck-
mässigkeit, sondern mehr
noch aus solchen der ästhe-
tischen Beeinflussung her-
aus ein Musterinsiitut sein
müsse, das ist ein Gedanke,
den zwar schon viele aus-
gesprochen, aber wenige mit
solcher Energie und solchem
Erfolg ins Werk gesetzt Gärtnerwohnung zu« Landhaus e. riemerschmid in starnberg
157
THEODOR FISCHER -C^-^
ENTWURF ZUR UNTHRFOHRUNG AN DER GEBSATTEL-HOCHSTRASSE IH MÜNCHEN
50 vollkommenes Ganzes erreicht worden,
sondern durch eine bis heute allerdings seltene
Intensität des künstlerischen Geschmackes
und der bis ins kleinste eindringenden künst-
lerischen Liebe. Es ist ein wahrhaftes Ent-
zücken, den Spuren dieses glücklichen Tem-
peramentes nachzugehen, das hier an Thor
und Wand, an Geländern und Thüren, in
Stein und Metall, bis in die Kleiderschränke
und Thürgriffe das spezifische Wesen seiner
Aufgabe erforscht hat. Das ist echte Kunst
für das Leben des Kindes, wie man sie jetzt
so unermüdlich fordert und predigt, aber
zugleich eine Kunst, die auch uns vom vielen
Sehen und sehend Kritisieren fast Abge-
stumpften erfrischend und erwärmend dünkt!
Der gemütvolle Humor, dies Haupterfordernis
des echten Pädagogen, klingt in den Tier-
silhouetten der verputzten Fassade, in dem
gesunden Symbolismus der Porialskulpiuren,
in den reizenden Thürbeschlagen bald laut, bald
leise durch. In grösserem Umfang bethäiigte
dann Fischer sein hier wie spielend erprobtes
Können an dem Neubau der Schule am Eli-
sabethplfltz (Seite 160). Der Baukörper ge-
stattet hier infolge seiner Grundfläche, einem
unregel massigen Viereck, eine reichere Glie-
derung. Der äussere Winkel, wo sich das
dritte Stockwerk des einen Flügels in eine
luftige zweibogige Arkade Ölfnet, ist von echt
malerischem Reiz. Das Ganze präsentiert
sich, mit seinen grossen quadratischen Fen-
stern, den einfachen weissen Mauerflächen
und den sparsamen Schmuckformen, in denen
gewisse Motive der deutschen Renaissance
diskret verarbeitet sind, wieder ungemein
hell und sympathisch. Bei dem Neubau
der städtischen Töchterschule, Louisenstrasse
(Seite 178 — 182), mag die Erinnerung an ge-
wisse Landshuter Bauten wohl mit hinein-
gespielt haben. Aber im Grund ist das, was
hier den künstlerischen Eindruck bestimmt,
Ausfluss der persönlichen SchafTenswetse des
Künstlers, der mit sicherer Hand die Linien
zieht, hier die Konstruktion klar ausprägt,
dort ein freigebildetes Ornament hinsetzt, und
dabei sieis der praktischen Bestimmung des
Baues den ersten Einfluss auf seine ästhe-
tische Neugestalt einräumt.
Unter den zahlreichen Werken, die während
seiner Thätigkeii in München aus Fischer's
Atelier hervorgingen, ragen einige Brücken-
bauten hervor (Seite 159), die dem monumen-
talen Stilbewusstsein ihres Schöpfers wieder
ein glänzendes Zeugnis ausstellen. Ist auch
nur einer dieser Entwürfe, der zur Prinz-
regentenbrücke, ausgeführt worden, so besitzen
wir doch ausgeführte Pläne zu verschiedenen
an anderer Stelle. Von den beiden zur Max
Josef-Brücke, Bogenhausen, geben wir der
mehrbogigen den Vorzug, die an struktiver
Einheitlichkeit und formaler Würde noch von
der Witlelsbacherbrücke übertroffen wird.
Der Entwurf zur Corneliusbrücke schafft an
der Südspitze der Kohleninsel eine Kapelle,
und belebt so das Bild im malerischen Sinne
mit bewundernswertem Verständnis für die
landschaftliche Totalansicht. Für die Ver-
schönerung der inneren Stadt war er eifrig
thätig, mancher seiner derartigen, jetzt oft
nur in Skizzenform enthaltenen Entwürfe
wird vielleicht noch von seinen Nachfolgern
ENTWURF ZUR CORNELIUS-BROCKE IN MÜNCHEN
ENTWURF ZUR MAX JOSEF-BRÜCKE IN MÜNCHEN
ENTWURF ZUR WITTELSBACHER-BRÜCKE IN MÜNCHEN
159
SEITEN- UND VORDERANSICHT DER SCHULE AM ELISABETHPLATZ IN MÜNCHEN
-^^- THEODOR FISCHER <^^
SKIZZE ZU EINEM
benutzt werden. So projektiert er am Vik-
tualienmarkl vor der Einmündung der Reichen-
bachslrasse einen Obelisken-Aufbau im Stile
des Leipziger Mendebrunnens, der die dort
in der Asymmetrie verschwimmenden Ueber-
gangskreuzungen durch ein freigewähltes
Zentrum äusserst glücklich be-
ruhigt. Für den grossen Platz an
der Hofgartenkaserne sieht er eine
tiefer gelegte Arena vor für Spiel-
und Sportzwecke, an Stelle des
heissumstrittenenSendlingerthores
setzt er einen gewaltigen Turm,
dessen freskengeschmückte Fas-
sade den grossen Platz beherrscht.
Der Entwurf zur Erhallung des
Kürschner- Hofes am Domplatz zu
Würzburg, ein anderer zum Um-
bau des Aufgangs an der Send-
lingerkirche, alle in der malerischen
Manier seiner älteren Fhantasie-
projekte flott und wirkungsvoll mit
breiter Feder skizziert, zeigen
seinen klaren Blick Für das künst-
lerisch Notwendige. Der historisch
anheimelnde Charakter der Um-
gebung wird nie schroff zerstört,
sondern feinsinnig weiter geleitet,
das Neugeschaffene will sich nicht
vordrängen, aber doch selbständig
neben dem Bestehenden seinen
Platz behaupten. Etwas weiter in
der Richlung der bewussten Alter-
tümelei geht Fischer in seinen
Brunnenbauten. Wenn man aber
z. B. den Brunnen in der Vorstadt
Au (Seite 154 und 155) dem
Vollendetsten an die Seite zu stel-
len vermag, was die Renaissance auf
diesem Gebiet geschaffen hat, so
darf er sich das obige Epitheton
wohl gefallen lassen. Die zierliche
Anmut dieser Schöpfung trifft zu-
gleich wieder den Ton des Volks-
tümlichen ausgezeichnet, den wir
bei diesen Werken, die doch ge-
rade dem Volke und den psycho-
logisch ähnlich zu behandelnden
Kindern besonders nahe stehen, so
oft vermissen. Künstler von aner-
kanntem Ruf, wie bei diesem
Werke Josef Flossmann, bei dem
Adamsbrünnlein Wrba, dem ver-
wandten Winihirbrunnen (Seite 183)
Bradl, tragen natürlich dazu bei,
den plastischen Schmuck auf der
Höhe der architektonischen Durch-
führung zu halten. Und wie schon
bei den plastischen Teilen der Töchterschule
der Bildhauer Josef Rauch, Gg. Wrba und
Th. von Gosen, denen der Schule am
Elisabethplaiz Satzinger und Widmer, so
arbeitet auch der Schöpfer der Pieldgruppe an
dem stimmungsvollen Familiengrab Pruska,
SKIZZE zu EINEM BISMARCKTURM
-.r»^> THEODOR FISCHER <^-t^
so in der engsten
geistigenUeberein-
stimmung mit dem
Architekten, dass
das vollendete Werk
aus einem KopTe,
aus einer Phantasie
herausgeworden zu
sein scheint. Mit
einer Grabkapelle
auf dem neuen
Schwabinger Fried-
hof stein sich der
Künstler fast ganz
in den Bann des Ro-
manismus, dessen
gehaltene Grund-
accorde in unge-
schwächter Stim-
mungsreinheit hier
anklingen. AlsBei-
spiele seinerThätig-
keit im Privatbauen
seien eine Villa in
Pasing (Seite 157)
und das Landhaus
RlEMERSCHMID in
Starnberg (S. 156)
genannt. Schmiegt
sich ersteres mit
seinem breit über-
hängenden Dach,
der heiteren offe-
nen Arkade und
luftigen Altane des
Hauptkörpers mehr
bescheiden in seine
Umgebung ein, so
macht das Haus in
Starnberg, dessen
feste Mauer nur
eine kräftig heraus-
RELIEFS VOM BISMARCKDENKMAL AM STARNBERGERSEE
gischen Geboten des Gottesdienstes ent-
wickelt, sondern zugleich den charakte-
ristischen Zügen des protestantischen
Geistes vollwertigen Ausdruck verleiht.
Von aussen eine reichgegliederte archi-
tektonische Baugruppe, vom Turm mit
seinem mächtigen Zifferblatt überragt,
innen ein weiter lichter Raum von grösster
Einheitlichkeit, verzichtet die Kirche auf
jede erzwungene Monumentalität, und
sucht, getreu dem Vesen ihrer Konfession,
mehr in der Vertiefung des Ausdrucks als
in der lauten Wirkung nach aussen ihre
Stärke. Die Dimensionen sind dabei unge-
wöhnlich beschränkt: Höhe bis zur Decke
12 m, bis zum First 21 m, Länge 37 m,
162
gehobene Thoröff-
nung im Hofe be-
sitzt, einen energi-
schen selbsibe-
wussten Eindruck.
Wir haben oben
einige von Theod.
Fischer's Arbeiten
auf dem Gebiete
des Sakralbaus ge-
nannt. Heuteerhebt
sich im äussersten
Norden von Mün-
chen, der vorher
schon durch Hans
GrXssel's Fried-
ho^anlage seine
künstlerische Weihe
erhaIten,eineKirche
von bescheidenen
Abmessungen :
Fischer's prote-
stantische Erlöser-
kirche (Seitel67 bis
175), die jüngste
und reifste Schöpf-
ung des Meisters,
und zugleich der
originellste Bau
seiner Gattung in
der an Gottes-
häusern wahrlich
nicht armen Isar-
stadt. Hier ist
für annähernd 1000
Menschen einRaum
geschaffen, der nicht
nurgemässdennun
endlich durchge-
drungenen Forde-
rungen sich sinn-
voll aus den liiur-
BISMARCKDENKMAL AM STARNBERGERSEE • NORDSEITE
-a-fe5> THEODOR FISCHER -Q^-^
Breite 21 m, Höhe des Turmes 34 m.
Das Baumaterial ist, soweit Stein ver-
wendet wurde, Muschelkalk, das übrige
verputzter Backslein. Ein gewisser Ein-
fluss des romanischen Elementes auf
die Formengebung macht sich bei einem
Früheren Entwurf noch deutlicher gel-
tend, wo die Vierung von einer mäch-
tigen achteckigen Kuppel überwölbt wird,
wo an den Ecken z. B. auch des Chores
Strebepfeiler hervortreten und der cha-
rakteristische Rund bogen Fries die Deko-
ration des Aeusseren beherrscht. An
den Kern des Baues, das von hohem
Satteldach bedeckte, nach Westen von
einem Stufengiebel verkleidete Haupt-
schilT, schmiegen sich nach allen Seiten niedri- Abendmahl wahrnimmt". Südlich vor dem
gere Bauteile an, die hier die Orgelempore, farbig reich ausgestatteten Triumphbogen steht
die Kanzel, wie der Altar, aus gelbem
Veroneser Marmor. Die horizontale
Balkendecke ist kräftig bemalt, die Orgel
steht nicht, wie so oft, auf der West-
empore, sondern in dem Ausbau des
südlichen QuerschifPs, also in nächster
Nähe von Kanzel und Altar. Ihren Haupt-
reiz aber erhält die Kirche, deren archi-
tektonisches Schema, wie wir sehen,
durchaus einfach und zweckentsprechend
ist, durch die farbige Dekoration. Hier
hat der Künstler, zum Teil in freier An-
lehnung an altchristliche und romanische
Motive, aber im wesentlichen aus der
Fülle des eigenen, im Architektonischen
geschulten, malerischen Könnens, einen
Stil geschaifen, der das heikle Problem
dort die Emporentreppe u.a.m. enthalten. Der der Bemalung von Baugliedern mit grössler
ebenfalls im Satteldach mit Giebeln abschlies- Unbefangenheit anpackt und glänzend löst,
sende Turm steht in der Nordwestecke, das Eine detaillierte Darstellung des so Ge-
Hauptportal, durch
eine im Kleeblatt-
bogen eingewölbte,
säulengetragene Vor-
halle reizvoll heraus-
gehoben, öffnet sich
nach Süden, nach der
Stadtseite. Das Innere,
ein mächtig wirkender
Raum ohne ausgespro-
chenes QuerschilT, an
drei Seiten von einer
Empore umgeben, ent-
wickelt nach Osten
eine Hache Apsis mit
einem hinteren Rund-
gang, «der zum ersten-
mal dieprotestantische
Gepflogenheit beim
RELIEFS VOM BISMARCKDENKMAL AM ST ARN BERGERSEE
164
-T-^?> THEODOR FISCHER <^^-^
schaffenen liegt nicht im Sinne dieser Zeilen,
deren uns ja auch die jedem zugängliche
Wirklichkeit enthebt. Jedenfalls geht das
matte Blau der Bänke, das Weiss der Wände
und der kühle Freskoton der bemalten Flächen
ganz wundervoll zu-
sammen; nur die
Krysiallbehänge
der Bogenlampen
schlagen in diesem
echt kirchlichen
beruhigendenStim-
mungsaccord einen
etwas weltlichen
Ton an. Der schöne
Entwurf zur Aus-
malung der Apsis,
eines der letzten
Werke von Wil-
helm VOLZ, wird
hoffentlich noch von
geschickter Hand
nachträglich ausge-
führt. In derAus-
malung der Empo-
renbrüstung, für
die Scenen aus
dem Lebenjesu be-
stimmt sind, er-
RELIEFS VOM BISMARCK DENKMAL t
Öffnet sich den Münchner Künstlern noch
ein weites und dankbares Feld. Aber
auch der plastischen Dekoration hat der
Baumeister die Sorgfalt zugewendet, die
den harmonischen Gesamteindruck aller
seiner Werke bedingt. In den verschie-
denen Wendungen, mit denen er den
Uebergang der Säule in den Bogen ge-
staltet — von denen unsere Abbildungen
(Seite 171 — 174) die allermeisten vor-
führen — steckt ein so sprudelnder Reich-
tum der Phantasie, ein so durchgebildetes
Empfinden für das tekionisch Glaubhafte
und Wirksame, dass unserer Ueberzeugung
nach dem so oft gepriesenen Können der
romanischen Steinmetzen auf diesem Ge*
biet hier etwas vollständig Ebenbürtiges
erstanden ist. Die Formenelemente der
christlichen Symbolik bilden die Unter-
lage, die Ausführung in Stein ist beson-
ders auch durch die geschickte Ausnütz-
ung des Raumes bemerkenswert.
Als Leiter des Stadterweiterungsamtes
München hat sich Fischbr wie kaum ein
andrer in die architektonische Physiogno-
mie dieser Stadt hineingearbeitet. Und so
erscheint es uns wie selbstverständlich,
dass sein Name auch mit dem Projekt
verknüpft ist, das einen der landschaftlich
reizvollsten Teile Münchens endlich auch
in würdiger Weise in den künstlerischen
Zusammenhang des Stadtbildes hineinzuziehen
unternimmt. Bekanntlich trat vor einem Jahre
1 STARNBERCERSEE
-^»-^D- THEODOR FISCHER ^C^^
der Bayer. Kunstgewerbeverein anlässlich der
nahenden Feier seines fünfzigjährigen Be-
stehens mit einer sorgßltig durchgearbeiteten
Denkschrift vor die Oelfentlichkeit, die auf
der Kohleninsel „einen Zentralpunkt für
die gewerblichen, kunstgewerblichen und ide-
alen Interessen der Stadt" zu schaffen vor-
schlügt. Dort solle eine Gruppe von Bau-
werken entstehen, Fachschulen, Ausstellungs-
räume, GenossenschaFtshäuser, eine Bibliothek,
ein Stadthaus u.a., kurz ein ganzes Städtchen,
das die für München als für das Zentrum der
kunstgewerblichen Industrie Deutschlands un-
endlich wichtigen Lebensbedingungen in einer
einzig dastehenden Form verwirklicht. Dieser
Plan war wirtschaftlich bis ins Einzelne be-
gründet und die finanzielle Frage seiner
Realisierung glaubhaft gelöst. Das Projekt
hat viel Aufsehen gemacht und ist in den
massgebenden Kreisen eingehend besprochen
worden ; die berechtigten Gedanken seiner
Begründung fanden allgemeine Zustimmung.
Die Riesenaufgabe, diesem, die verschiedensten
praktischen Interessen umfassenden Projekt
seinen architektonischen Rahmen zu schaffen,
hatte Theodor Fischer übernommen. Sein
Name war in der Denkschrift nicht genannt,
lNGSTHOR a. besmarcktubm
RELIEF VOM BISMARCKDENKMAL AM S
NBERGERSEE
aber der künst-
lerische Cha-
rakterderzahl-
reichen Bau-
risse liesseine
Persönlichkeit
erkennen, die
neben der siche-
ren Gestal -
tungskraft eine
absolute Ver-
trautheit mit
den landschaft-
lichen Vorbe-
dingungen und
vollständige
Herrschaft über
die Erforder-
nisse der prak-
tischen Dispo-
sition besitzen
mussie. Im
Sinne der beiden letzten Punkte kann man die
Lösung des Problems, wie sie Fischer bietet,
als zweifellos gelungen bezeichnen <S. ]7ß bis
178). Die Gruppierung der Bauten ist ebenso
ungezwungen wie zweckmässig, die Sil-
houette der Gesamtaniage nützt die Be-
schaH^nheit des Terrains sehr geschickt
aus und das landschaftliche Bild bietet,
wie Hans von Bartel's meisterhaftes
Aquarell es darstellt, ein anmutiges
malerisches Ganzes. Der Durchblick
durch den langgestreckten Haupthof mit
seinen Brunnen und Monumentalsäulen
bereitet auf die grosszügige Fassade des
Stadthauses vor, das jenseits der mit
zwei neuen Brücken anzubahnenden
Querstrasse sich giebelslolz erhebt. Ein
grosser Uhrturm ragt neben dem Haupt-
eingang im Nordosten an der Zwei-
brückenslrasse auf; hinter und neben
dem Stadthaus sind Anlagen für Er-
holung und Spiel, ein Musikpavillon
u. a. vorgesehen. Es lässt sich nicht
leugnen, dass innerhalb des Formen-
kreises der deutschen Renaissance hier
ein architektonisches Städtebild ge-
schaffen, das in der verständnisvollen Ab-
wägung der Dimensionen und Massen,
der Schönheit seiner Linien und dem
Reichtum seiner malerischen Insce-
nierung unsere uneingeschränkte Sym-
pathie findet und sicher hoch über
vielem steht, was die Wiederaufnahme
dieses historischen Stiles an ähnlichen
Entwürfen mit sich gebracht hat. Aber es
ist doch ein bedenklicher Umstand, dass
-3-^> THEODOR FISCHER <^^
DIE ESLOSERKIRCHE IN 5CHTAB1NC
das Ganze, trotz aller seiner Vorzüge, SO lebhaft in den Bahnen zeitgemässen künstlerischen
an eine der „alten Städte' gemahnt, wie sie auf Schaffens von Herzen wünschen. Dass Fischer
manchen Aussteilungen der letzten Jahre mit selbst kein Mann des Rückschritts ist, davon
so grossem Erfolg ins Leben gerufen worden geben seine Werke vernehmlich Zeugnis. Und
sind. Hin Zurückgreifen auf die stilistische so werden ihm auch diese Erwägungen nicht
IdeenweltderVergangenheit,undseidieseauch unverständlich sein, die der Freude an den
noch so wertvoll, scheint gerade da bedenklich, künstlerisch wertvollen Elementen, an denen
wowirdoch dem Inhalt alferdieserBauten, den sein gewaltiger Entwurf überreich ist, keinen
kunstgewerblichen Werkstätten, geradedieend- Eintrag zu thun vermögen,
liehe Befreiung aus den Fesseln der deutschen Die Stadt München, der FtSCHER eine
Renaissance und einen energischen Fortschritt Reihe hochbedeutsamer Werke geschenkt hat,
^.-^> THEODOR FISCHER <^^
ENTWURF ZUR ERLÖSERKIRCHE [N SCHWABING
war nicht imstande, ihn an sich zu fesseln.
Und wieder ist es die mächtig aufblühende
PORTAL DER ERLÖSERKIRCHE IN SCHTABING
Schwesterstadt Stuttgart, die den Künstler für
sich zu gewinnen verstand, Stuttgart, das in
den fetzten Jahren einer Anzahl der ersten
künstlerischen Potenzen Süddeutschlands an
seinen Kunstinstituten eine Stätte bot. Fischer,
in München städtischer Bauamtmann und Pro-
fessor an der Techn. Hochschule, hat einen
Ruf an die Techn. Hochschule der württem-
bergischen Hauptstadt angenommen, und ihm,
dessen Name so lange mit der künstlerischen
Entwicklung Münchens verknüpft war, folgt
unser bewundernder Dank. Dass Fischer's
AbgangvonMünchen allgemein als ein schwerer
Verlust empfunden wird, und dass die Künstler-
schaft und die Bevölkerung Münchens mit
seltner Einstimmigkeit ihn verehrt, davon hat
er in den letzten Wochen seines Hierseins
manch schönen Beweis empfangen. Die Aus-
stellung, die der Verein bildender Künstler
Münchens Secession im Dezember von seinen
Werken veranstaltete, brachte ihm neue
Triumphe und liess den Unmut darüber,
dass eine Kraft wie die seine uns nicht er-
halten bleiben konnte, von neuem laut werden.
Auch uns hat dieser Ueberblick über sein
Schaffen die Ueberzeugung gekräftigt, dass
sich hier eine künstlerische Individualität von
ungewöhnlicher Reichhaltigkeit und Tiefe, eine
Arbeitskraft von unermüdlichem Fleiss, ein
Können von staunenswerter Elastizität und
klassischer Vielseitigkeit offenbart. Werke
wie der Bismarckiurm und das Schwabinger
Schulhaus bedeuten Höhepunkte in der bau-
künstlerischen Produktion unserer Tage, neben
-a-^5> THEODOR FISCHER <^-t^
FÜLLUNG IN EICHENHOLZ, ENTWORFEN UND GESCHNITZT VON J. A. SCHOTZ, HOFMOBELFABRIK, LEIPZIG
deren immanenter Kraft und Frische manches und leider noch seltner ehrlich sucht. Mag
vielgerühmte Meisterwerk verblasst. Hier drum der Ehrentitel eines Vorkämpfers der
scheint uns der Weg ins Empfinden des sozialen Kunst, den Theodor Fischer nicht
Volkes gefunden, den die sModerne* in Ar- verschmähen wird, auch den Bahnen seines
chitektur und Kunstgewerbe selten einschlägt ferneren Schaffens die Richtung weisen.
INNERES DER ERLÖSERKtRCHE IN SCHVABING
^>-.^> THEODOR FISCHER <^-^
SKIZZE DES LANGSDURCHSCHNITTES DER ERLÖSERKIRCHE IN SCHWABINC
DAS SCHULGEBAUDE
Von Theodor Fischer, Stuttgart
Wenn wir den Wanderstab durch die deut-
schen Länder führen und nicht nur die
Grosstädte, sondern die kleinen und die
Dörfer betrachten, so ßnden wir in manchen
Gegenden Orte, die, von der neuen gelb-
ledernen Backsteinkunst noch nicht ver-
dorben, den ruhigen Ton der Bauweise aus
unserer Grossväter und Urgrossväter Zeit
erhalten haben : Giebel an den geschwungenen
StrassenFluchten, warme Ziegel- oder deutsche
Schieferdächer, farbigen Anstrich der Wände,
gutgeteilte Fenster, kurz alles, was uns in
der stilvollen Zeit des , Aufschwunges" ver-
loren gegangen ist.
Ein Haus aber pflegt immer das einheit-
liche Bild zu stören, ein Haus mit Flachem
Schieferdach, mit Gurt- und Kranzgesimsen,
mit Spiegelscheiben in den ungeteilten Fen-
stern, wenn's gut geht — mit korinthischen
Pilastem und Akanthusakroterien, wenn's
schlimmer ist. Das ist das Schulhaus. Es
ist eine Grundform, die alle kennen, die im
Dorf, in der kleinen und in der grossen
Stadt zu finden ist, als Gemeindeschule, als
Gymnasium und mit Aufwand von viel ge-
lehrter Architektur als Hochschule. In den
grösseren Städten fällt sie nur nicht so aus
dem Rahmen, wie in den warmen, noch un-
berührten Nestern, denn die allgemeine Eigen-
art unserer neuen Städte ist eben dieselbe
Stimmung oder besser derselbe Mangel an
Stimmung, wie im besonderen bei den Schul-
häusem. Wenn deshalb über diese in künst-
lerischer Richtung zu reden ist, kann man
wohl nicht anders, als die Baukunst des ver-
flossenen Jahrhunderts im allgemeinen, wenn
auch nur andeutungsweise zu behandeln und
anzuklagen. Es ist kaum die einseitige An-
schauung des Kunstkonfessionellen, die der
historisch-ästhetisierenden Richtung in der
Architektur des 19. Jahrhunderts die Schuld
beimisst, dass wir in eine Sackgasse der Un-
natur gekommen sind. Wenn dies Kapitel
erschöpfend behandelt werden wollte, wäre
weit auszuholen; es wäre davon zu reden,
wie es gekommen, dass der deutsche Geist,
der so oft in früheren Jahrhunderten die
Invasionen fremder Kunst überwunden und
zu seinen Gunsten verarbeitet hat, in diesem
so gänzlich versagte.
Jetzt, da die Sintflut des Klassizismus im
Verlaufen ist, können wir erkennen, was ver-
loren ging, alles Kulturland ist versandet, nur
ein paar Felsen stehen noch ganz oben im
Hügelland der Volkskunst. Mögen sie doch
fest genug stehen, dass wir an ihnen das
Seil anknüpfen könnten! Die Begleiterschei-
nung — vielleicht auch eine der Ursachen —
dieser Entwicklung ist der erkältende Einfluss
der Wissenschaftitchkeit. In keinem Jahr-
hundert wurde soviel über Kunst und Kunst-
geschichte geschrieben und vorgetragen, in
keinem, seitdem wir in die Reihen der Kultur-
völker eingetreten sind, so wenig wirkliche
Kunst geübt. Es ist das Zeitalter der Museen,
der Kunstregistraturen; es ist das Zeitalter
SÄULEN AUS DER ERLOSERKIRCHE IN SCHVABING
SÄULEN AUS DER ERLÖSERKIRCHE IN SCHVABING
172
SÄULEN AUS DER ERLÖSERKIRCHE IN SCHVABING
173
SÄULEN AUS DER ERLÖSERKIRCHE IN SCHVABING
174
-^-^> THEODOR FISCHER <^ä-c-
ENTWURF DES PLAFONDS IN DER ERLÖSERKIRCHE IN SCHWABING
der mathematischen Exaktheit, das Zeitalter
der Symmetrie. Nichts ist bezeichnender
als die Wandlung, die dieses Wort seit seiner
Jugend bis zu seiner jetzigen Begriffsdürre
durchgemacht hat, von seiner grundlegenden
kunsttheoretischen Bedeutungbei den Griechen
(für uns eine versunkene Atlantis), die mit
dem heutigen nüchtern mathematischen Be-
griff der Gleichheit nach einer Mittelachse
auch nicht das geringste zu thun hat, bis
zu der fast unumschränkten Herrschaft dieses
Begriffes, die wir in allem, was jetzt gebaut
wird, seilen. Für viele, auch viele, die so
dem Namen nach zu den Gebildeten gehören,
gilt symmetrisch fast gleich mit schön. Kann
jemand ein Schulhaus nennen aus jener Zeit,
das wagte die Symmetrie zu verletzen?
Wenn unsere SchulgebSude den unerfreu-
lichen Stempel der beschriebenen Kunst- und
Geistesrichtung in ganz verdichtetem Aus-
druck tragen, so kann man das zum Teil dem
Umstände zuschreiben, dass in diesem Ge-
biete der Baukunst fast gar keine Ueberliefe-
rung vorhanden war. Man hat anzunehmen,
dass in den Klöstern oder wohl auch beim
Schulmeister in der Wohnung die Schule
„gehalten" wurde. Auf dem Lande wird der
Schulmeister sogar gewissermassen auf Stöhr
von Hof zu Hof gewandert sein. Die Schule
entbehrt also im Gegensatz zur Kirche in
der Hauptsache der baulichen Ueberlieferung,
sie folgt aber insofern dem Beispiel der
Kirche, als auch die Entwicklung des Schul-
hauses sich vom grossen ins kleine, vom
Städtischen ins Ländliche von selbst ergiebt.
Dass darin im Sinne der volkstümlichen Kunsl-
pflege eine Erschwerung liegen muss, braucht
nicht von vornherein angenommen zu werden;
^r.4^> THEODOR FISCHER <^-i^
PROJEKT ZUR BEBAUUNG DER KOHLENINSEL IN MÜNCHEN
denn es erübrigt immer, den Anschluss an
das Volkstümliche in der Anlehnung an die
örtliche Bau Überlieferung zu suchen. Diesen
Weg haben nun glücklicherweise in den
letzten Jahren eine Reihe von Künstlern ein-
geschlagen.
Wenn heute hier und dort zu weit ge-
gangen wird in der Uebemahme historischer
Formen, so sollte das wohl nicht zu sehr
getadelt werden. Es ist als ein Uebergangs-
stadium aufzuessen, aus dem die Macht des
Bedürfnisses und der neuen Konstruktion
sicher bald heraushilft. Auf die Schulung
aber, die in der Beschäftigung mit dem klaren
und einfachen Geist der Alten liegt, möchten
wir nicht gerne verzichten. Sie wird uns
befähigen, auch an alle Bedürfnisse und Auf-
gaben der Neuzeit mit dem gleichen Geiste
heranzutreten.
Wenn nun die kunsterziehenden Seiten des
deutschen Scbulgebäudes in kurzer Uebersicht
betrachtet werden sollen, so ist in erster
Linie die Lage des Schulhauses etwas,
wobei von vornherein die künstlerische Ein-
sicht viel mehr mitsprechen sollte, als es
heute geschieht, wo fast nur der Zufall und
Majoritätsbeschlüsse den Ausschlag geben.
Bei den gewaltigen Aufwendungen, welche
die Gemeinden für Schulhausbauten zu machen
haben, liegt es nahe, in allen Punkten, also
auch bei der Wahl des Bau-
platzes, zu sparen. Man hat
deshalb öfter Rückplätze für
Schulzwecke genommen, ein
Verfahren, das nicht unter
allen Umständen zu ver-
werfen wäre, wenn es nur
gelingen wollte, diesen Bau-
werken nicht die Art von
Hinterhäusern, sondern eine
klosterähnliche Gruppierung
um einen offenen schönen
Hof zu geben. Leider ist
eine derartige Lösung noch
nicht bekanntgeworden, viel-
leicht auch deshalb, weil sie
nur möglich wäre bei soge-
nannten einreihigem Bau, d. h.
wenn nur eine Saalreihe mit
einem Korridor um den Hof
gelegt würde. Damit ist aber
wieder ein erheblicher Kosten-
aufwand gegenüber der noch
immer als Norm vorgeschrie-
benen zweireihigen Bauart
nötig und damit der Vorzug
des billigeren Hinterlandes
ausgeglichen.
Immerhin möchte doch auch die Erbauung
von Schulen auf Rückplätzen nicht ganz der
Würde und Bedeutung, welche die Schule
heute im öffentlichen Leben einnimmt, ent-
sprechen. Vielmehr ist es eine Forderung,
welche schon der künstlerische Ausbau einer
Stadt zu stellen hat, dass öffentliche GebSude
von der Wichtigkeit der Schulen auch an
wichtige, d. h. künstlerisch, nicht etwa ver-
kehrstechnisch wichtige Punkte zu stehen
kommen. Schon die Helligkeit der Schul-
räume verlangt es, dass nicht an engen
Strassen gebaut werde, sondern wenn irgend
möglich Erweiterungen oder kleine Plätze
gewählt werden. Hier ist allerdings nicht
ohne Missvergnügen an die schematischen
Bebauungspläne unserer Städte zu denken,
welche dergleichen stille Plätze und Plätzchen
gar nicht kennen.
Es ist schon erwähnt worden, dass Gründe
der Sparsamkeit die einfache Rechtecksform,
bei welcher zwei Reihen von Schulsälen zu
beiden Seiten eines Mittelganges liegen, als
eine Normalform haben erscheinen lassen.
Aber abgesehen davon, dass eben die äusserste
Exaktheit der Grundform durchaus nicht
immer mit der grössten Verwendbarkeit zu-
sammenfällt, ist die Gleichartigkeit der Räume
ein so grosses Hindernis, in die äussere Er-
scheinung rhythmisches Leben zu bringen,
i..- WC5TCN I
ENTWÜRFE ZUR BEBAUUNG DER KOHLENINSEL IN MÜNCHEN VON P. PF ANN,
K. HOCHEDER UND TH. FISCHER
^.-^ THEODOR FISCHER <:^^
dass kaum jemals die Art des Kasernen-
baues im schlimmen Sinne vermieden
worden ist. Andererseits ist zuzugestehen,
dass die Durchführung des einreihigen
Systems doch Für Volksschulen wenigstens
etwas zu kostspielig wäre; eine Mischung
beider Systeme aber, welche auch für die
Verwendbarkeit die grössten Vorzüge mit
sich bringt, ist für die Gestaltung des
Aeusseren eine sehr dankbare Lösung, da
wir Gelegenheit bekommen, mit der grossen
Bautiefe des Doppelreihenbaues beherr-
schende Baumassen zu gewinnen, die von
den einreihigen Teilen ergänzt und ver-
bunden werden.
Diese Ausführungen berühren schon
die äussere Erscheinung und zwar
deutlich in dem Sinne, dass das wesent-
lichste Kunstmittel die Gruppierung dar-
stellt. Im übrigen können wir leichten
Herzens auf alles, was so im Munde der
Leute Architektur heisst, verzichten; denn
Schmuck ist für uns von heute dies An-
kleben von Gesimsen, Pilastern, Säulen,
Quadern und allem anderen nicht mehr.
Haben wir einige Mittel für reichere
Ausstattung, so gelte als erste Regel: den
Schmuck zusammenzufossen auf einige
funktionell wichtige Punkte; und dann
sei's auch nicht mit der üblichen Archi-
tekturbildhauerei abgethan, sondern man
hole die ersten Künstler der Stadt
ENTWURF zu« KOHLENiNSEL-PBojEKT ^cran, die hoffcnilich noch einsehen
ENTWURF DER STADTISCHEN HÖHEREN TÖCHTERSCHULE IN mONCHEN
178
STÄDTISCHE HÖHERE TÖCHTERSCHULE IN MÜNCHEN
-^.^D- THEODOR FISCHER <^^-
HAUPTPORTAL DER STÄDTISCHEN HÖHEREM TÖCHTER;
HULE m MÖNCHEN
lernen, dass es vorteilbaher ist, Kunst zu
treiben in Verbindung mit der Baukunst,
CIEBELVEIBCHEN VON DER STÄDTISCHEN
HÖHEREN TÖCHTERSCHULE [N MONCHEN
MODELLIERT VON TH. VON GOSEN • • « •
Statt Tageblariruhm in den Kunstausslei-
lungen zu holen.
Vorläufig freilich werden uns dieselben
Personen, welche für den architek ionischen
Schmuck oben angedeuteter Art unbesehen
Tausende bewilligen würden, für eine gute
Figur oder ein Fassadenbild 2000 Mark rund-
weg abschlagen; denn dass man sein Haus
mit Gips und Cement in nichtssagenden
Formen dekoriert, gehört zum Gebot des
Anstandes, Kunst aber ist Luxus. Solange
Kunstsachen den Majoritätsbeschlüssen von
Laienkollegien unterliegen, wird sich das nicht
bessern, und insofern dies ein Punkt ist, wo
der Hebel zu allererst eingesetzt werden sollte,
ist die Abschweifung hier auch nicht am
falschen Platze.
So sehr wir oft bei ötfentlichen Bauten
verlegen sein können um die Gegenstände
der Darstellung, so wenig ist dies beim Schul-
haus zu befürchten, denn alle Stoffe der Sage,
des Märchens und der Religion, die unsere
Altvordern an ihren Bauten lebendig werden
Hessen, und für die wir Grossen von heute
zumeist die Naivetät verloren haben, alle diese
sind vortrefflich geeignet für die Schule. Um
eins wäre zu bitten, dass man nicht die Nase
rümpfe, wenn auch einmal ein Spass, sei's
auch ein derber, unterläuft; es scheint fast,
dass der Humor ein Leitfossil für eine Zeit
des Aufwärisstrebens sei. Möge man doch
r^^3S> DAS SCHULGEBÄUDE <^^^
NORDPORTAL DER STÄDTISCHEN HÖHEREN TÖCHTERSCHULE IN MÖNCHEN
im ganzen Klassizismus nach dem kleinsten
Tröpfchen Humor suchen!
Um aber nicht in den Verdacht zu kommen,
dass man nur gegenständlich für die Kunst
interessieren wolle, sei auf die unerschöpf-
lichen Möglichkeiten formaler Bildung hin-
gewiesen, die in rhythmischen Reihen, in
stilisierten Pflanzenornamenten und vor allem
in der farbigen und stofflichen Behandlung
der Architektur liegen.
Der so lange verachtete Kalkputz ISsst sich
in Form und Farbe in immer wieder neuen
Arten behandeln; es steht zu hoffen, dass
er noch mehr als bisher sein Reich zurück-
erobert und uns erlösen hilft von den leder-
gelben oder kaltroten Backstein kästen, die
TIERFIGUREN VOM SODPORTAL DER STADT, HÖH. TOCHTERSCHULE IN MÖNCHEN« AUSGEF. VON TH. VON GÖSEN
THEODOR FISCHER <^-v-
besonders in Mittel- und Süddeutschland so
fremdartig die Einheit der Landschaft zer-
stören. Diese lokale Einheit der Farbe, deren
Grundlagen oft sehr schwer festzustellen sind,
ist etwas, was ein feinfühliges Auge heute
oft schwer vermissen muss.
Von der erzieherischen Wirkung eines
Schulgebäudes wird hier im allgemeinen
und nicht im besonderen für die Kinder
gesprochen, denn beides ist gleich wichtig
und gleich möglich. Anders ist es nun,
wenn wir uns ins Innere der Schule ver-
fügen. Hier fängt das ausschliessliche Reich
der Kinder an. Die künstlerischen Grund-
sätze bleiben aber wohl dieselben, draussen
wie drinnen. Wir verlangen hier wie dort
vernünftige Einfachheit und natürliche Ehr-
lichkeit. Es ist ein Krebsschaden der heu-
tigen Bildung in fast allen Kreisen, dass man
mehr scheinen lassen will, als da ist; dass
man Gips bronziert und Fichtenholz mit
Eichenholzmaser bemalt. Das sind Sünden
der schlimmsten Art, die im
Schulhaus so verpönt sein sollten
wie jede gesprochene Lüge. Wenn
die Kinder nie die Verleugnung
des Materials zu sehen bekom-
men, wenn sie nie etwas loben
hören, deshalb, weil es reich
aussieht, sondern nur, wenn das
Werk ehrlich ist nach Zweckbe-
stimmung und Materialbehand-
lung, dann sollte man meinen,
dass allmählich jene unheilvolle
Sucht nach äusserlicher Vornehm-
heit, die unserem Streben das
schwerste Hindernis ist, vergehen
müsste.
Wenn wir hier allem unnötigen
Schmuck, den wir nach unserer
Auffassung als solchen ja nicht
anerkennen, dasRechtabsprechen,
so wolle das nicht aufgefasst
werden, als wenn wir der kalten
Nüchternheit das Wort sprächen.
Die Stimmung des Heimlichen
und Behäbigen hängt aber gar
nicht zusammen mit dem Auf-
wand, sondern es mag einem
tüchtigen Künstler wohl gelingen,
einen Raum ohne alles, was man
gemeiniglich Ornament nennt, so
schön zu gestalten, dass eben
nur die heutige Verbildung etwas
zu vermissen hätte. Der Einfall
des Lichtes, die Ausnützung des
Reflexes, die harmonischen Ver-
hältnisse eines Raumes, Kontraste
in einer Raum folge, Vermeidung der mathemati-
schen Regelmässigkeit, des grössten Feindes
künstlerischer Wirkung, und die gute Wahl
der Farben an den Wänden und der Decke, das
sind alles Jftittel, die gar nichts kosten, und
doch die feinsten von allen. Wenn dann in
dieser Einfochheit ein gutes Bild an die Wand
gehängt oder eine Plastik aufgestellt wird,
so erhöht sich Raum und Kunstwerk in
gegenseitigem Wetteifer. Das gilt nun in
gleicher Weise von den Vorräumen und von
den Schulsälen. Dort verlangen wir im all-
gemeinen wohl lichtere Töne. In den Scbul-
sälen aber gehört die Farbe an die Wand;
da wir uns gewöhnt haben, ein übriges an
Fensteröffnungen zu thun, ist es wohl nicht
mehr nötig, allzu zimperlich helle Töne zu
verlangen. Das Holzwerk, sofern nicht das
billigste Weichholz genommen ist, behält am
besten seine Naturfarbe unter einem Firnis,
schon der Reinlichkeit wegen. Wollen wir
aber Deckfarbe, so sei uns die Freude eines
PORTAL DER STÄDTISCHEN GEWERBESCHULE IN MÖNCHEN
^j-^ DAS SCHULGEBÄUDE <^-^
nicht intim, wie der Ausdruck von beute
lautet, wirken kann. Das viel einfachere
und fürSchulsäle sehr zu empfehlende Mittel,
dies zu erreichen, ist aber die Sprossenteilung,
wie denn gerade in den grossFenstrigen Schul-
zimmern die gute Teilung der Fenster von
grösster Wirkung ist.
Diejenigen Räume des Hauses, denen eine
Auszeichnung zukommt, sind wohl die Ein-
gangshalle, das Treppenhaus und die Aula;
aber auch hier empRehlt es sich, die Stei-
gerung nicht in einer Mehrung von Orna-
menten, Thüraufsälzen und Stucksäulen zu
suchen, sondern in der Anbringung guter
Kunstwerke, die durchaus nicht immer sich
farbigen Anstrichs gewährt. Fern weisen wir
ab die Chokoladetöne und noch femer die
oben schon verdonnerte Imitierung edler
Holzarten. In München hat man mit vielem
Glück versucht, den Ton unserer alten Bauern-
möbel mit ganz einfacher Bemalung anzu-
schlagen. Anderswo versuche man etwas
anderes.
Es ist nicht unwichtig, auf die Wirkung
der Sprossenteil ung in den Fenstern aufmerk-
sam zu machen, die dem falschen Glauben,
dass sie zu viel Licht wegnehme, aus unseren
Schulhäusern wie aus den Wohnräumen im
Laufe der Zeit weichen musste. Ein Fenster
mit grossmächtiger Spiegelscheibe gilt als
besonders vornehm, hauptsächlich deshalb,
weil es viel kostet. Dann hängt man es aber
mit dicken Vorhängen wieder zu in einem
ganz natürlichen Gefühl, dem nämlich, dass
ein Raum mit Spiegelscheiben nicht nach
aussen abgeschlossen erscheint und deshalb
WINTHIRBRUNNEN IN mONCHEN-NEUHAUSEN
NACH ENTWORFEN THEODOR FISCHERS AUS-
GEFÜHRT VON J. BRADL« «•••••••«■
^j5> THEODOR FISCHER, DAS SCHULGEBÄUDE <Sä^
K
Aber dazu, höre ich alle Gemeinderäte
Deutschlands sagen, haben wir kein Geld.
Wir müssen alljährlich drei Schulhäuser
bauen für eine halbe Million , damit die
Kinder untergebracht sind, den Luxus des
Schönen können wir uns nicht leisten. Ach,
wie oft sollen wir noch nachweisen, unwider-
leglich nachweisen, dass Kunst — wenn sie
so ist, wie sie sein soll — mit Luxus nichts
zu thun hat. Für die Leute bleibt geschmack-
voll mit teuer immer noch gleichwertig, und
umgekehrt, was nicht viel kostet, ist nicht
weit her. Solange dieses Dogma noch in
den Köpfen steckt, wird die symmetrische
Normal fassade der Gipfelpunkt des Schul-
gebäudes bleiben. Wenn aber Natürlichkeit
und Einfachheit des Denkens doch noch ein-
mal über unseren Geistesdrill den Sieg davon-
trägt, dann werden wir ein stolzes und wohn-
liches Schulhaus bauen können, aus dem das
Kind das SchÖnheitsbedürfnis mit in die
Familie und, wenn aus den Buben Volks-
vertreter geworden sind, mit in die Oeffent-
lichkeit hinüber tragen soll.
durch die bekannte Bezüglichkeit auf das
Kinderleben auszuzeichnen brauchen. Das
Treppenhaus werde wohl mit einigen Werken
der Schmiedekunst versehen, denn es ist
darauf zu achten, dass alles Handwerk ver-
treten sei und — fügt ein frommer Wunsch
dazu — auch in technischer Hinsicht nur
bester Art. Da aber ist der schlimme Riegel
vorgeschoben, den zu entfernen wir uns noch
lange bemühen werden, und der heisst: Ver-
dingung an den Billigsten.
Ein Wort noch über den Spielhof, den
Platz der Erholung und der Lust ! Wie oft sind
diese Höfe leider zwischen hässliche graue
Rückgebäude eingezwängtl Mit gutem Grund
ist deshalb eingangs die Lösung des Gruppen-
baues um den Hof so hervorgehoben worden,
die nur eben leider in Ökonomischer Hin-
sicht ihre Bedenken hat. Immerhin gelingt
es wohl auch, durch Baumpflanzungen einen
im Innern eines Baublocks liegenden Hof zu
einem erfreulichen Ort zu gestalten, beson-
ders wenn alles, was vorhanden ist, Brunnen,
Bänke, Mauern und Hütten, mit Liebe und
Geschmack gemacht wird, und noch mehr,
wenn dort aus unseren Museen und Kunst-
ausstellungen Werke im Freien oder in Hallen
könnten aufgestellt werden.
Auf diesen und ähnlichen Wegen ist viel-
leicht das Schulhaus zu erreichen, das kunst-
erziehend auf jung und alt wirken könnte.
^r^> DARMSTADT NACH DEM FEST O*^
DARMSTADT NACH DEM FEST
Von Benno ROttenauer
Kein post festum ist ganz erquicklich. Man
muss schon froh sein, wenn die Un-
erquickiichkeiten nicht zu Trüh kommen, nicht
mitten in die Peststimmung hineinfallen.
Und kaum davon blieb die Darmstädter
Künstlerkolonie und ihr Ausstellungsfest ver-
schont. Das schönste Gefühl herrschte in der
vorbereitenden Zeit, und das Goethesche
hat hier seinen melancholischen Sinn aber-
mals bewährt. Auch hier versprach die
Knospe Wunder. Es ist gerade ein Jahr,
dass ich die Kolonie zum erstenmal besuchte.
Zu sehen war noch nicht viel, umsomebr war
zu hören. Und ein hoffnungsvolles freudiges
Schaffen herrschte. Ein warmer Glaube lebte
in den Gemütern. Er teilte sich einem mit.
Ob man mit Christiansen sprach oder mit
Behrens oder Olbrich, immer hatte man
das Gefühl, Männern gegenüberzustehen, die
erfüllt waren von dem, was sie wollten,
die „im Innern Herzen spürten, was sie er-
schufen mit ihrer Hand", und die sich wohl
zutrauen durften, das Neue und Grosse, an
das sie glaubten, zu verwirklichen und der
Welt damit ein Fesigeschenk zu machen.
Sie waren hierin ganz ehrlich. Die innere
und äussere Teilnahme eines Fürsten, von dem
'Sie den höchsten Begriff hegten, bestärkte sie
in ihrem Vertrauen. Und in demselben Masse
bestärkten sie andere darin. Besonders Beh-
rens, dem eine edle Beredsamkeit zu Gebote
steht, wie man sie selten bei Künstlern trifft,
wirkte in hohem Grade suggestiv. Uns
Freunde ergriff ein kleiner Taumel der Be-
geisterung. Ausser den Künstlern entrich-
teten wir freudig unsern Tribut auch dem
Fürsten, der so viel schöne Hoffnungen durch
unmittelbare persönliche Teilnahme belebte.
Die Künstlerherzen selber quollen über von
Dankbarkeit gegen den fürstlichen Freund.
-w-^> DARMSTADT NACH DEM FEST <^^^
Damals schrieb Rickard Muther seinen
enthusiastischen Bericlit im .Tag". Auch
dieser Enthusiasmus war ehrlich. Dass Rich.
Muther, vielleicht etwas allzu schnell und
allzu schroff, in einen entgegengesetzten Ton
verfiel und gegen sich selber sprach, ist kein
Beweis des Gegenteils. Die Frage ist, ob in
der Folge sein Enthusiasmus oder sein Wider-
spruch dazu Recht bekam.
Doch nicht die Darmstädter Kunstleistungen
an sich und ihren Wert oder Unwert haben
wir bei dieser Fragestellung im Auge. Da-
rüber ist genug geschrieben worden. Nur
das Verhältnis der dortigen Künstler zur
Stadt oder zum Staat und nicht am wenig-
sten zum Fürsten, interessiert uns heute.
Dieses Verhältnis aussprechen, heisst das
Schicksal der Kolonie aussprechen.
Und es heisst zugleich die Frage be-
antworten, ob Darmstadt, wie es durch die
Vorgänge des letzten
Jahres den Anschein
gewann, Aussicht hat,
eine Kunststadt zu
werden.
Um es gleich auszu-
sprechen : Diese Aus-
sicht ist keine grosse.
Und das Schicksal der
Kolonie selber ist heute
in bedenklichem Grad
zweifelhaft. Vielmehr,
es ist schon kaum mehr
zweifelhaft.
Keine Schuld soll
hier erhoben und er-
wogen werden. Nur
einige Thatsachen und
Erklärungen vorzu-
bringen sei versucht.
Zweierlei hat zu-
nächst die Künstler
verstimmt. Sie durften
vielleicht erwarten,
dass die grosse Arbeit,
die sie an die Ausstel-
lung gewandt hallen,
fruchtbringend sein
werde, dass, auf ihre
Anregung hin im Staat
oder bei Privaten, in
der Stadt oder im
Lande , sich Bedürf-
nisse regten und äusser-
ten, die ihnen eine ge-
sicherte und weiter an-
regende Wirksamkeit
in Aussicht stellten.
Es Hess sich nichts
dergleichen verspüren.
Dass sich schon der
Protektor der Aus-
stellung, der Landes-
fürst, trotz allem per-
sönlich freundschaft-
lichen Verhältnis zu
den Künstlern, zu kei-
nerlei nennenswerten
Ankäufen für sich oder
andere herbeiliess,
wirkte auch nicht ge-
rade ermutigend.
Aber die Aussteller
sollten noch unange-
nehmere Ueberrasch-
ungen erleben. Den
einzelnen Kunstlern
waren kleine Jahrge-
halte, richtige Ehren-
gehalte zugesagt, einzig
dafür, dass sie in Darm-
stadt wohnten und
wirkten und also eben
Darmstadt zu einer
Kunststadt stempelten.
Diese Gehälter be-
zahlte am Anfang der
Grossherzog, später
übernahm sie der
Staat. Das Organ des
Staates aber ist die
Bureaukratie. Und das
HANDLAMPEN * ENTWORFEN VON RICK. MÜLLER
AUSGEFÜHRT VON K. M. SEIFERT & CEE.. DRESDEN
HANDLEUCHTER * * ENTTORFEN VON PETER BEHRENS (I. 2. 5.) UND
RECH. MÜLLER (3. 4.) AUSGEFÜHRT VON K. M. SEEFERT & ClE., DRESDEN
-^.^> DARMSTADT NACH DEM FEST <^-^
TAFELGLASER « AUSGEFÜHRT VON DEN RHEINISCHEN GLASHOTTEN A.C-., KÖLN-EHRENFELD
Verhältnis der Bureaukratie zur Kunst, das
kennt man. Die Bureaukratie hat sich Kunst
und Künstlern gegenüber ja immer wunder-
bar betragen.
Und so machte man auch in Darmstadt
einige allerliebste Erfahrungen. Solange der
Grossherzog für die Sache Feuer und Flamme
war, niussten die Kunstbeschützer von Amts-
wegen wohl oder übel im Hintergrund bleiben,
und alles ging gut. Als aber, aus welchen
innern und äussern Gründen immer, der Fürst
etwas lauer wurde . . . aber schweigen wir
darüber. Folgendes ist das Historische.
Die Ausstellung wurde am Abend ge-
schlossen, am andern Morgen schon erschien
ein Bote des Kabinetrats Soundso und verlangte
Räumung des Ernst Ludwig-Hauses undUeber-
gabe sämtlicher Schlüssel. Der Professor
Christiansen als Generalbevollmächtigter der
Kolonie erhob Einsprache. Er könne doch
nicht mit den zahlreichen Ausstellungsgegen-
ständen auf die Strasse. Auch dränge ja
niemand. Es habe auch niemand dazu Ver-
anlassung, denn nur ihm selber und seinen
Kollegen sollte ja das Haus als Werkstatt
übergeben werden.
Alle Vorstellungen blieben fruchtlos. Der
Beamte verharrte auf seinem Schein. Auch
der besondere Hinweis, dass das Ernst Lud-
wig-Haus der einzige feuersichere Ort sei,
wurde nicht beachtet. Christiansen musste
über Hals und Kopf ausräumen und die Aus-
stellungsgegenstände in einen Holzschuppen
flüchten lassen. Und der ist denn auch glück-
lich abgebrannt. Eine Masse von Kunstwerken
wurde zerstört. Christiansen allein verlor
dabei sieben Skizzen.
Das war die erste Heldenthat der Bureau-
kratie.
Die zweite folgte bald : Es wurde den Künst-
lern zur Auflage gemacht, haarklein aufzu-
zählen, was sie bis jetzt für ihre Bezahlung
geleistet hätten. Echt bureaukratisch , nicht
wahr? Wirkungen, moralische und geistige
Wirkungen, damit kann der Aktenmensch
nichts anfangen; er braucht Leistungen, die
er buchen kann, die er in , Rechnung stellen
kann".
Sehr bezeichnend waren es die beiden
jüngsten Mitglieder der Kolonie, die auf diese
Zumutung gar nicht antworteten, Bürck und
Huber. Dafür erhielten sie, schön auf Weih-
nachten, die Kündigung ihres Vertrags.
Der talentvolle Bürck, den der Grossherzog
sehr schätzte und liebte, hatte sich längst in
gewissen Darmstädter Kreisen verhasst zu
machen gewusst. Er hatte ja ganz nackte
Menschen nur so ins Freie hingemalt. Da
heisst l3s dann — ich eitlere — : „Wir sind
selbstverständlich weit davon entfernt, die
kindischen Prüderien rechtfertigen zu wollen,
die im lieben Deutschen Reiche und um-
liegenden Ortschaften an der Tagesordnung
sind. Wir verabscheuen dieses Treiben der
Lex-Heinze-Leute. Aber . . . !"
Ja, aber! O, dass euch das Mäuschen
beisse, ihr komischen liberalen Leute, die ihr
im Prinzip immer ganz gewallig liberal seid,
aber nie im gegebenen Fall. Auf einen
solchen Liberalismus u. s. w. Paul BCrck hat
bereits einen Ruf erhalten an eine bedeutende
Kunstgewerbeschule. Dieser 22 jährige Jüng-
ling wird der Welt noch eines Tages Ueber-
raschungen bereiten.
181
^■^^> MODERNE GLÄSER -C^-c-
Die andern liererten also ein Verzeichnis Daraufhin war Professor Olbrich Hof-
ihrer Leistungen. Allem nach wurden sie un- mann genug, auf jeden Gehalt freiwillig zu
genügend erfunden. Man forderte die Herren verzichten. Auch Christiansen lehnte die
auf, Vorschläge für die Zukunft zu machen. Meisterkurse unter Beamten Kontrolle kurzer-
Die Regierung selbst schlug „Meisterkurse" hand ab. Er wird nicht in Darmstadt bleiben,
vor. Dazu hatte offenbar Behrens mit seinen Wahrscheinlich nicht einmal in Deutschland.
Kursen in Nürnberg die Veranlassung ge- Zunächst macht er eine Erholungsreise nach
geben. Paris.
TAFELGLÄSER • AUSOEFOHRT VON DEN RHEFNISCHEN GLASHÜTTEN A.C., KÖLN-EHREN FELD
-.,.-^> DARMSTADT NACH DEM FEST <^-^
Behrens konnte das, was er für Nürnberg
that, für Darmstadt nicht ablehnen, und so
heisst es, dass er bleibe. Aber er macht
keine Miene, in sein Haus einzuziehen, und
mir scheint, aber ich will nicht indiskret sein.
Die beiden, bis jetzt nicht Genannten, Bosselt
und Habich, sind Hessen, ihr Verhältnis zu
Darmstadt ist also wesentlich anders.
Kann man nun behaupten, die Kolonie sei
in der Auflösung begrifFen?
O, man kann auch das Gegenteil sagen.
ZU UNSEREN BILDERN
Lichtträger der Firma K. M. Seifert
& CiE. in Dresden. Der Purismus, die In-
genieurkunst ist der neuen Richtung auch von
solchen Leuten vorgehalten worden, an deren
künstlerischer Kultur nicht zu zweifeln ist. Ob
nun der «Maschinenstil", der in der besten
Zweckei-füllung seine schönste Li5sung sieht,
ob die Freude an formenreicher Phantasie den
Vorzug verdient, das ist in dieser Aligemeinheit
nicht zu entscheiden. Alles kann übertrieben,
das beste Prinzip ad absurdum geführt werden,
und jede Revolution verfällt zunächst einem
Extrem. Aber wo es gilt, die neue Grund-
tage für eine neue, unser ganzes Leben durch-
dringende Kunst zu schaffen, da heisst es
vor allem den Platz von jedwedem Gerumpel
säubern, auch auf die Gefahr hin, das male-
rische Stilleben zu opfern, das allzulange
schon den Ehrenplatz in unserem Kunstge-
werbe eingenommen hat. Ein Gebiet, auf
dem die Befreiung von ornamentalem Zierat
am wohlthätigsten gewirkt hat und allein schon
einer künstlerischen Leistung gleichkommt,
ist das weite Feld der Metallbearbeitung.
Erst die neueste Zeit hat den malerischen
Reiz matter oder polierler Metalltlachen wieder
erkannt und die elastische Biegsamkeit dieses
Materials künstlerisch auszunutzen verstanden.
Benson, mit dessen Werken wir, vor nun
vier Jahren, unsere Hefte eröffneten, hat durch
sein Beispiel bahnbrechend gewirkt. Und
jetzt schon, während sich in England ein
Stillstand bemerkbar macht, übertreffen manche
unserer Fabrikate jene Leistungen an Mannig-
faltigkeit und Entwicklungsfähigkeil. Insbe-
sondere hat die Firma K. M. Seifert & Co.
in Dresden in Verbindung mit den tüchtigsten
Künstlern die in obigem Sinne besten Modelle
von Beleuchtungskörpern mit den Mitteln einer
vollendeten Technik zur Ausführung gebracht
und sich dadurch eine führende Stellung in
der weiteren Entwicklung dieser Branche ge-
sichert. Mit ihr ist unserer Richtung wieder
eine neue Firma gewonnen, die der Sache
zu dienen ebenso bereit scheint, wie es uns
sicher ist, dass der frische Wagemut seinen
Lohn linden wird.
Die Rheinischen Glashütten in Köln
hatten schon auf der Pariser Weltausstellung
eine Anzahl sehr bemerkenswerter moderner
Tafelgläser zur Schau gebracht, die durch
Form und Technik Interesse erregten; wie
z. B. das anmutige Service mit aufgesetzten
Glastropfen <vgl. S. 188 links), oder die hiit
farbigem Ueberfangglas hergestellten, dem
Blätterkelche abgelauschten Formen (S. 189).
Seitdem sind weitere Muster hinzugekommen,
die durch vornehme Kontur, gute Verhält-
nisse und endlich durch den schönen Glanz
des reinweissen Glases wirken. Wir möchten
diesem vor dem Farbigen den Vorzug geben.
Denn, so sehr das letztere die Tafel zieren
kann, wenn das Arrangement von kundiger
Hand geleitet wird, so streitet sich die Farbe
des Trinkglases doch stets mit der des Weines,
und es scheint uns schade, diese zu beein-
trächtigen. Behrens hat daher bei seinem
Glasservice (s.Jahrg. V, H. I, S. 24), das von
der gleichen Fabrik herrührt, den kräftigen
Farbton auf den Fuss des Glases konzentriert,
und so das Mittel gefunden, dem Gold des
Weines und farbenfroher Pracht der Tafel
gerecht zu werden Wie für den Beleuch-
tungskörper in Benson, so hat England auch
für das Glasservice in der Firma Powell
eine mustergültige Vertretung gefunden. Aber
^r-^D- ZINNARBEITEN VON F. ADLER <^-^
alle Ansätze sind vorhanden, die uns holTen
lassen, dass wir in Deutschland auch auf
diesem Gebiete dem Vorbilde gleich kommen,
ohne es nachzuahmen, und die Rheinischen
Glashütten sind in diesem Wettkampfe nicht
ohne Aussicht auf Erfolg.
Zinnarbeiten von F. Adler, denen wir
zuerst in Darmstadi begegneten, machten uns
auf ein junges, vielversprechendes Talent auf-
merksam, das, von einem starken FormgefiihI
getragen, jetzt vielleicht noch etwas unsicher,
sich bald zu grösserer Klarheit und Eigenart
durchringen und sich von den letzten Fesseln
übernommener Kunstgewerbelehren befreien
wird.
Paul Kbrsten's Einbände. Der Zug
unseres heutigen Dekors geht mehr wie je
dahin, einerseits durch grösst mögliche Oeko-
nomie der ornamentalen Mitte), andererseits
durch die Art ihrer Ausführung und An-
bringung jene vornehme Einfachheit zu er-
zielen, die als Zeichen guten Geschmackes gilt.
Dass diese Richtung auch auf dem Gebiete
des Buchgewerbes auf der ganzen Linie ge-
siegt hat, lehrt fast jedes Schaufenster unserer
Buchhandlungen. Der goldbeladene Pracht-
band mit Triumphpforte, Herolden und Guir-
landen ist so gut wie verschwunden, und
wenn dafür die Grotesklinie auch oft ihr
phantasieloses Unwesen treibt, so sprechen
doch alle Anzeichen für eine Besserung auch
ihres wandelbaren Charakters.
Unter den i^feistern, welche den Buchein-
band im oben angedeuteten Sinne wieder
künstlerisch zu Ehren gebracht haben, ver-
dient Paul Kerbten in Deutschland einen
ersten Platz. Die Mehrzahl seiner Einbände
(siehe Seite 192 und Band VI Seite 335)
zeugen von jener weisen Sparsamkeit, die
den schönen weichen Ton des Leders nicht
mit Blattgold verdeckt, sondern im Gegenteil
durch feinfühlige Linienführung ihn zu halten
und zu erhöhen sucht.
Wie Kersten dies Ihut, ist jedenfalls ge-
schmackvoll. Der etwas unpersönliche Zug
seiner Leistungen scheint uns dabei kein Fehler;
denn im Grunde eignet dem Buchdeckel doch
etwas von dem, was für andere Dinge der
Handgriff ist. Ein Zuviel ist da schädlicher
als ein Zuwenig. Zwar gegen den Wunsch
nach innerer Harmonie des Deckels mit dem
Inhalt ist prinzipiell nichts einzuwenden. In
Wirklichkeit aber sind der in diesem Sinne
gemachten Versuche nur wenige zu loben.
Ein anderes ist es um die angewandten
Mittel. Bei Kehsten ist jeder Einband ein
Original wie irgend eine andere Zeichnung.
Die technische Schwierigkeit, diese Zeichnung
auf Leder zu übertragen, erklärt zur Genüge
den hohen Preis dieser Einbände von oft
hundert Mark und mehr. Uns dünkt aber,
hier trenne sich Kunst und Handwerk, und
^..^> EINBANDE VON PAUL KERSTEN <^-^
einbandeinganz-
leder mit hand-
vergoldung • ent-
torfen und aus-
gefOhrtvonpaul
kersten,erlangen
(GES. GESCH.)
das Handwerk komme dabei zu kurz. Ob
unter den Handwerks-Emblemen des Buch-
bindergewerbes der Stempel sich befindet,
wissen wir nicht; wir meinen aber, er gehöre
dazu. KoLO Moser hat neuerdings in seinen
Einbänden gezeigt (siehe Band VII Seite
233/334), welche reizvollen Wirkungen durch
die unendlichen Variationen und Kombi-
nationen von nur wenigen Stempelmustern
sich erzeugen lassen. Findige Phantasie wird
mit zwölf Formen so viel verschiedene
Werke schaffen können, wie es die iVlusik
mit zwölf Tönen Ihut, und innerhalb dieses
Rahmens bleibt der Einband das, was er ver-
nünftigerweise sein sollte: eine Schutzdecke
für das Buch. Als dagegen die Juroren die
Einbände der Pariser Weltausstellung zu be-
urteilen hatten, durften sie die subtilen Er-
zeugnisse einiger französischer Meister nur
mit einem Tuch auf der Hand berühren.
Damit tritt aber eine Verschiebung des natür-
lichen Verhältnisses zwischen Buch und
Deckel ein, auf die wir hier im allgemeinen
und ohne spezielle Rücksicht auf den Meister
der vorliegenden Einbände hingewiesen haben
möchten.
CHARLES H. MACK1NT05H « LANDHAUS WINDVHILL, SODSEITE
DIE GLASGOWER KUNSTBEWEGUNG:
CHARLES R. MACKINTOSH UND MARGARET MACDONALI>-MACKINTOSH
Von H. MuTHESius, London
In der neueren englischen Kunsientwicklung
bezeichnet das Datum des Todes William
Morris' (1896) einen scharfen Einschnitt.
Alle die Werte, mit denen die englische
Kunstbewegung anregend und vorbildlich ge-
worden ist, lagen damals fertig vor, sie waren,
wenn auch nicht alle von Morris selbst, so
doch von einer im tiefsten Ernst schaffenden
Künstlerschar erzeugt worden, die in Morris
willig ihren Führer anerkannte. Und es ge-
wtlhrte damals für jeden Besucher Englands
einen eigentümlichen Genuss, die ganze
Musterkarte dieser Werte durchzuprüfen und
damit eine mehr oder weniger geschlossene
Kulturleistung kennen zu lernen, die nur die
grösste Bewunderung hervorrufen konnte.
Das Beispiel Englands wirkte zündend: die
ganze Welt lenkte in neue künstlerische
Bahnen ein, England hatte ihr den Weg in
ein neues Kunstland gewiesen.
Wer heute die Reise über den Kanal wieder
zurücklegt, hat einen gänzlich verschiedenen
Eindruck. Es hat sich im wesentlichen seit
1896 nichts geändert. Genau dieselbe Sach-
lage wie damals, ja sogar genau dieselben
Namen treten ihm entgegen, und die einzelnen
Künstler produzieren genau dieselben Dinge.
Ein ganz offenbarer Stillsland. Das wäre
nicht so schlimm, wenn der Gegensatz zu
den inzwischen ausserhalb Englands gemach-
ten Fortschritten diesen Stillstand nicht so
scharf beleuchtete. Und es wäre nicht so
-!r-^> DIE GLASGOWER KUNSTBEWEGUNG <^^
schlimm, wenn wirklich die MoRRis-Schule
das letzte Wort in der teklonischen Neuent-
wicklung schon gesprochen, die letzten Fol-
gerungen schon gezogen hätte. Das ist jedoch
nicht der Fall. In dieser Beziehung macht
ein Fuktum jede weitere Erklärung über-
Rüssig: noch nie ist in irgend einer Londoner
Kunstgewerbeausstellung ein fertiges Zimmer
CRUN[>RISSZE[CHNUNG ZUM LANI>HAUS WINDYHILL
vorgeTührt worden, es handelt sich hier noch
immer lediglich um Einzelstücke und den
üblichen kunstgewerblichen Kleinkram. Dass
es das Zimmer als ganzes ist, dessen sich
eine wirklich ernst zu nehmende Kunst heute
annehmen muss, das scheint überall fest zu
stehen, ausser in London.
Die Geschichtschreibung wird daher einst
in der Entwicklung der neuen Kunstbewegung
vielleicht zwei Hauptabschnitte festzustellen
haben: die Zeit der Ausarbeitung der Grund-
lagen durch England bis zum Tode Morris'
und die Zeit des Ausbaues derselben ausser-
halb Englands von da an. Es ist ganz merk-
würdig, wie fast genau mit dem Todesjahre
Morris' rund um England herum die neue
Bewegung einsetzte, in Belgien, Frankreich,
Deutschland und Schottland. Und überall
lag sofort das klare Ziel vor: das Zimmer
als ganzes zu betrachten, es als künstlerische
Einheit auszubilden.
Die schottische Bewegung muss in dieser
Beziehung durchaus als eine von der eng-
lischen verschiedene, mit den kontinentalen
Bewegungen parallel laufende betrachtet wer-
den. Wie gegen letztere, so macht übrigens
LANDHAUS WINDYHILL, NORDSEITE
LANDHAUS VINDYHILL, HOFINNERES MIT SPRINGBRUNNEN
195 25'
-sp^^> DIE GLASGOWER KUNSTBEWEGUNG <^^
auch gegen die schottische das Londoner
Lager in gewissem Masse Front, es Fühlt sich
im Gegensatz zu ihr. Und wie im vergan-
genen Jahre sich aus den Londoner Reihen
ein öfTenllicher Protest erhob, als ein reicher
Kunstfreund eine auf der Pariser Weltaus-
stellung erworbene Sammlung kontinentaler
neuer Möbel (sie waren freilich nicht alle der
besten Art) dem South Kensington -Museum
geschenkt und dort ausgestellt hatte, so wurde
der schottischen Gruppe auf der letzten Lon'
doner Arts- and- Crafts-Ausstellung der Zu'
tritt versagt. Dies ist die heutige Stellung
Englands zur Kunstlage. Und man muss ge-
spannt sein, welches Bild die binnen JahreS'
frist zu eröffnende neue (siebente) Arts- and'
Crafts-Ausstellung von ihr liefern wird.
Jedenfalls kann man heute schon behaupten,
dass, wenn man Grossbritannien als Einheii
betrachtet, der Gravitationspunkt der Kunst-
bewegung von London nach Glasgow
rückt worden ist. Wer heute neue Kunst zu
WINDYHILL « ■ TREPPENLAMPE FOR
GAS AUS GESCHMIEDETEM STAHL MIT
PURPURFARBIGEM GLASSCHMUCK •■
LANDHAUS WINDYHILL « TREPPENFLUR « WÄNDE
WEISS, GELÄNDER AUS GRON GEBEIZTEM HOLZ
MIT CRONEN QUADRATISCHEN GLASFOLLUNGEN
sehen wünscht, hat seine Schritte nicht
nach London, sondern nach Glasgow
zu richten.
Die Stellung Glasgows zur Kunst
ist sehr eigentümlich. Es ist eine
künstlerisch ganz neue Stadt. Die
reiche schottische Kunstentfaltung in
der Malerei und Baukunst des 18. Jahr-
hunderts hat sich in Edinburg abge-
spielt. Die glanzvollen Namen, die
Schottland in der Malerei aufzuweisen
hat, gehen von Edinburg aus, und sie
sind so bedeutend, dass sie die eng-
lische Malerei oft bedeutend beein-
flusst, wenn nicht umgestaltet haben.
Glasgow trat erst in den Vordergrund,
als die neuschottische Malerschule auf-
tauchte, eine Schule, die ihrerseits im
Gegensatz sowohl zu der englischen
wie der Edinburger Schule stand. In
ihrem Zusammenhange wurde Glasgow
als Kunstzentrum zuerst genannt. Im
weiteren Zusammenhange verdient es
aber heute auch im Hinblick auf die
Leistungen der neuen dekorativen
Schule als Kunstzenirum betrachtet zu
werden, in deren Mittelpunkt Charles
R. Mackintosh und Margaret Mac-
donald-Mackintosh stehen. Sie hat
mit der Malerschule nichts gemein
als den fruchtbaren Glasgower Boden,
der künstlerisch noch jungfräulich dalag
und nicht mit dem Erbe einer Kunst-
überlieferung belastet war. Daher der
LANDHAUS WENDYHILL, HALLE U.TREPPENHAUS • HOLZTERK U. BODEN EINFARBIG
GRÜN, KAMINVERKLEIDUNG U. LAMPEN IN SCHMIEDEISEN M. FARBIGEN GLASSTEINEN
^^^Ty DIE GLASGOWER KUNSTBEWEGUNG <^^
LANDHAUS VtNDYHILL « SPIELZIMMER
vollkommen freie Ausgang, den beide Glas-
gower Bewegungen nehmen konnten, ein Aus-
gang, der ihnen auch durch keine etablierte
CH.R.MACKINTOSH • TISCH A.EICHENHOLZ, DUNKI
Akademie und deren unvermeidlichen Kunst-
anhang verbaut wurde.
Die schottischen Maler tbaten sich etwa
1880 zusammen, die Gruppe dekorativer
Künstler trat erst reichlich 15 Jahre
später auf, und ihre Mitglieder werden
von den Malern, die inzwischen zum
Teil gross und berühmt geworden sind,
noch heute als Nesilinge betrachtet.
15 Jahre genügen heute, um zwei Kunst-
generalionen als fremd, wenn nicht als
feindlich gegenüber zu steilen. Und doch
liegt die Sache heute so, dass sich die
Welt besinnt, ob die Schar der Glas-
gower Maler nicht, wenigstens auf dem
Kontinent, etwas überschätzt worden sei,
während die Leistungen der jungen de-
korativen Schule für jeden, der einen
Blick in ihr Wirken gelhan hat, als
ausserordentlich vielversprechend erkannt
werden und in ihrem Einfluss noch gar
nicht abzusehen sind.
Freilich ist zum Erkennen des wirk-
lichen Wertes dieser Leistungen das per-
sönliche Kennenlernen desselben uner-
lässlich, der Eindruck der Abbildungen
ist gerade hier durchaus ungenügend für
J
LANDHAUS WIHDYHILL • KAMINECKE IM WOHNZIMMER, HOLZTEILE
WEISS GESTRICHEN, KAMINRAHMEN AUS MARMOR-MOSAIK, VERZIERT MIT
ROSEN AUS GLASFLUSS, KAMINVORSETZER AUS GESCHMIEDETEM STAHL,
KRONLEUCHTER FÜR VIER GASFLAMMEN AUS WEISS GESTRICHENEM EISEN
UND IN BLEI GEFASSTEM, HELLEN GLAS MIT PURPURFARBIGEN ROSEN
^'-^> DIE GLASGOWER KUNSTBEWEGUNG <^^
die Beurteilung, vor allem schon deshalb, weil
die Farbe Tehlt. Diese, in jedem Falle zutreff'ende
Beschränkung ist hier deshalb noch um so
mehr Fühlbar, weil in vielen der Dekorationen
der Farbe die Hauptwirkung überlassen ist, Or-
nament rast ganz fehlt und die Linie in der
strengsten Enthaltsamkeit, fast nur als Gerade,
auftritt. Erst wer einen Blick in eine fertige
Dekoration der Schule gethan hat, wer etwa
die Wohnung des Künstlerpaares Charles
R. Mackintosh und Margaret JWacdonald-
Mackintosk gesehen hat, wird sich eine
wirkliche Meinung über den Wert der Lei-
stungen, sowie über die künstlerischen Ziele
der Sch&pfer bilden können. Diese Meinung
kann aber für jeden offensinnigen Beurteiler
nur die allergünstigste, wenn nicht begeistert-
ste sein. Denn man steht hier vor einer
neuen Welt, deren zauberischer Reflex, mäch-
tig und tief, auf den Beschauer überströmt.
Es ist schwer, heute von neuen Erscheinungen
auf dem Gebiete der dekorativen Künste in
Superlativen zu reden; diese Superlative sind
von eifrigen Kunstberichterstattern etwas ab-
genutzt worden und haben zudem oft Für
zweifelhafte Propheten herhalten müssen.
Und so ist es vielleicht besser, einen Be-
richt wie den vorliegenden vorwiegend darauf
zu richten, die Darlegung von Wesen uod
Eigenart eines Künstlers über den Rahmen
des Illustrationsmaterials hinaus zu versuchen
und diejenigen notwendigen Erklärungen zu
dem letzleren zu geben, die für die Beurtei-
lung desselben erwünscht sind.
Die Gruppe der hier in Rede stehenden
Glasgower Künstler besteht in ihrem Grund-
bestandteil aus vier Leuten, die alle der Glas-
gower Kunstschule entsprossen sind. Es sind
Charles R. Mackintosh, Herbert McNair
und die Schwestern Margaret und F. Mac-
donald. Es wäre jedoch zu viel behauptet,
dass die — übrigens sehr gut von F. H. New-
BERRY geleitete — Kunstschule für die Ent-
wicklung dieser Talente verantwortlich sei.
Die Eigenart derselben hat sich von Anbe-
ginn selbständig und eher im Widersprucli
zu den Lehrgängen der Schule als mit ihnen
in Uebereinstimmung entwickelt. Auf der
-j-^> CHARLES R. MACKINTOSH <^S^
LANDHAUS VINDYHILL« KAMIN IM ESSZIMMER AUS PORTLAND-CEMENT
MIT DUNKEL GEBEIZTER ElCHeNHOLZ-VERKLEIDUNC, GITTER AUS GE-
SCHMIEDETEM STAHL UND MESStNGLAMPEN fDr GASGlOHLICHT* « ■
Londoner Arts- and- Grafts- Ausstellung von
1896 traten sie zum erstenmal vor die
grössere OefFentlichkeit, nicht ohne lebhaften
Widerspruch zu erregen. Der damals noch
lebende rührige Gleeson White nahm sich
aber der jungen Leute an und zollte in einer
Artikelreihe im .Studio" ihren Leistungen
warme Anerkennung. Ein sichtbarer grosser
Erfolg war es, als bald darauf McNair an
Stelle des nach London übersiedelnden Anning
Bell als Direktor an die Kunstschule zu
Liverpool berufen wurde. Anderseits ist
Charles R. Mackintosh, der von Anfang
an seine Hauptthätigkeit in rein architektoni-
schen Arbeiten gefunden hatte, inzwischen
Mitinhaber einer der bedeutendsten Glas-
gower Architekten-Firmen geworden, die sich
jetzt HoNEYMAN, Keppie uod Mackintosh
nennt. Die beiden weiblichen Mitglieder der
kleinen Gesellschaft aber haben sich schon
seit einigen Jahren mit den beiden männlichen
im Ehebunde vereinigt und üben nun in Ge-
LANDHAUS WINDYHILL • SCHLAFZIMMER, BETTSTELLE UND WÄNDE WEISS
GESTRICHEN, SCHABLONIERTES VANDMUSTER IN GRÜN UND ROSA ••««
LANDHAUS WENDYHILL • SCHLAFZTMMERSPIECEL, WEISS
GESTRICHEN MIT GRÜNFARBIGEN GLASFÜLLUNGEN, LAM-
PEN AUS VERSILBERTEM KUPFER, STUHL GRON GEBEIZT
"^•^ DIE GLASGOWER KUNSTBEWEGUNG
meinschaft mit ihren männlichen Partnern
ihren Beruf weiter aus. Ausserhalb Eng-
lands fanden die Arbeiten der Gruppe die
lebhafteste Anerkennung auf der Secessions-
Ausstellung in Wien 1900, zu der Charles
R. und Margaret Macdonald-Mackintosh
eingeladen worden waren.
In Glasgow ist inzwischen eine ganze
Schule entstanden, die in den von der Gruppe
betretenen Wegen wandelt. Für den als
Fremder nach Glasgow Kommenden haben
die dortigen Leistungen der neuen Kunst-
bewegung daher den Charakter eines Orts-
stils. Es steht natürlich nicht alles auf der
Höhe der Werke der Führer. ' Aber ein ge-
meinsamer Zug weht fast durch alle neue
Aeusserungen der dekorativen Künste. Bereits
haben einige Geschäfte sich den Erfolg der
neuen Richtung zu nutze gemacht und junge
Künstler herangezogen. Die letzte Glasgower
Ausstellung, über die auch an dieser Stelle
berichtet worden ist, zeigte viele derartige
Beispiele. Diese von der Mackintosh-
Gruppe abhängige Kunst hat dabei
keineswegs den wertlosen Charakter,
den die kontinentale Bewegung in den
niederen Schichten der Industrieerzeu-
gung angenommen hat, es bandelt sich
mehr um einen künstlerischen Anhang,
der sich hauptsächlich aus Schülern der
dortigen Kunstschule rekrutiert.
Bei Betrachtung der Eigentümlich-
keiten dieses von der Mackintosh-
Gruppe erzeugten Glasgower Stils liegt
es nahe, daran zu denken, wie weit sie
etwa Örtlich bedingt sind. Auch für den,
der sich der Gefahren bewusst ist, die
ein allzutiefes Forschen nach den Ur-
sachen, dem GoETHE'schen Worte zu-
folge, mit sich bringt, prägt sich doch
der Eindruck ein, dass hier eine gewisse
Beziehung zwischen dieser Kunst und
dem Ortsgeiste Schottlands vorliegt.
Dieses Land der eigenartigen Mischung
von Puritanismus und Romantik, von
Abstinenz und Mysticismus musste,
wenn Neuausgänge genommen wurden,
die so sehr den persönlichen Stempel
trugen, wie es hier der Fall ist, auf
etwas ähnliches wie die Mackintosh-
sche Kunst kommen. Zweierlei scheint
sich in ihr zu vereinen: eine äusserst e
Straffheit und Enthaltsamkeit der Linie
mit einem Hang zu geheimnisvollen
Effekten. Diese Eifekte stehen immer
auf breiten ungeschmückten Flächen,
erheben sich aber dann zu einer be-
sonderen, edelsteinartigen Wirkung und
CH. R. MACKINTOSH ■ WOHNZIMMERLAMPE
AUS VERSILBERTEM KUPFER U. MILCHGLAS.
VERZIERT MET GRONFARBfCEM GLAS * • ••
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DIE GLASGOWER KUNSTBEWEGUNG
CH. R. MACKINTOSH « SCHABLONIERTES WANDMUSTER FÜR EIN
WOHNZIMMER (»ROSEN LAUBE«) IN GRAU, ROSA UND GRON « • •
erteilen so dem Gegenstande ästhetisch einen
Gesamtwert, den er kaum auf eine andere
Weise erreichen könnte. Die Abbildungen
der Möbel auf Seite 204 und 209 mögen
das Gesagte erklären helfen. Sie sind als
einfache Kästen gefügt, mit vollkommener
Unterdrückung der Füllungseinteilung und
sind weiss emailliert. Auf diesem eintönigen
Grunde sitzen dann kleine Omamentteile
von höchster Verfeinerung, auf dem einen
Schrank zwei in Silber getriebene Füllungen,
denen die übrigen silbernen Beschläge ent-
sprechen, auf dem andern in Holzrelief zwei
stilisierte Vögel mit weit herabhängenden
Flügeln, bei denen ganz kleine vertiefte
Teile mit lebhaften Farben ausgemalt sind,
so dass sie edelsteinartig herausleuchten. An
der Bettstelle tritt am Fussende ein durch-
brochenes Blattornament auf, bei welchem
in die kleinen Durchbrechungen Teile farbiger
Gläser gesetzt worden sind, die vom Bett
aus betrachtet ein magisches Farbenspiel ge-
währen. Diese eingesetzten farbigen Gläser
bilden ein Lieblingsmotiv der Mackintosh-
schen Kunst. Die Künstler setzen sie ge-
legentlich, immer in winzig kleinen Stücken,
in Thüren ein, wo sie gegen das Licht
durchscheinend auftreten, in die Bretter von
Brüstungen wie auf Seite 196, sie spielen
eine grosse Rolle in seinen metallenen Be-
206
-^r^5> CHARLES R. MACKINTOSH <^^^
leuchtungskörpern und eine noch grössere
— ebenfolls als kleine Streuschmuckteile —
in Fenstern. In ganz schlichte Putzflächen,
wie z. B. die Rahmenteile von Kaminen, setzen
die Mackintosh's in ähnlicher Weise hell-
leuchtende Fliesen ein, wie dies z. B. auf
Seite 205 geschehen ist. Solche kleine, mit Vor-
liebe quadratische und vertieFt sitzende Füll-
ungen in lebhaften Farben treten auch an den
Wänden, oft als einziger Schmuck derselben,
auf. In allen diesen Fällen liegt die Absicht
eines geheimnisvoll wirkenden, diskreten Edel-
schmuckes vor, der in demselben Masse leuch-
tend wirken kann, als er selten auftritt und auf
breiten gänzlich ungesch muckten Flächen sitzt.
Die Wirkung ist sofort eine solche der
grössten Verfeinerung. Und der Vorwurf, den
man sonst den Erzeugnissen der englischen
Kunstbewegung machen konnte , dass sie
lediglich primitiv und bäurisch seien, ist
durch die hier gewählten Mittel beseitigt,
hier ist die Wirkung eine der höchsten
Kulturstufe entsprechende, eine aristokratisch
feine.
Im allgemeinen ist der Grundsatz fest-
gehalten, die Form so streng und gross wie
möglich stehen zu lassen. Keine Teilung
einer Fläche, wo sie nicht durchaus nötig
ist, keine Gliederung, die sie einschränkt.
Die geschwungene Linie ist aus dem Auf-
^^^5> DIE GLASGOWER KUNSTBEWEGUNG
baugerüst ganz und gar fern gehalten, eine
straffe Sehnigkeit versteift alle Körper fast
zu Urformen, die uns mit geheimnisvollem
Blick anstarren. Hier ist nichts von dem
phantastischen Linienschwung, den Belgien
in unsere Kunst getragen hat, zu sehen, nichts
von der müden Linie der Dekadence. Die
Formen strotzen förmlich von Urwüchsig-
keit und Primitivität. Und doch atmen die
MACKiNTosn'schen Schöpfungen, wenn man
ihnen in Wirklichkeit gegenüberiritt, eine
seelische Vertiefung und eine nervöse Stim-
mungsfeinheit, die sie in die Reihe der ver-
geistigsten Kunstschöpfungen - unserer Zeit
stellt. Abgesehen von dem schon erwähnten
Verfeinerungsmitte) trägt hierzu das meiste
die Farbe bei. Sie ist die Grundlage jedes
Dekorationsgedankens, und an dem gewählten
Farbenplane wird mitgrösster Rigorosität fest-
gehalten. Selbst die spärlich als Wandschmuck
aufgehängten Bilder müssen in den Farbenplan
einstimmen. Aber auch in der Farbengebung
wallet wieder wie in der Form die äusserste
Oekonomie vor. Weiss ist die Lieblings-
farbe, der grosse alles beherrschende Original-
ton, auf dem sich kleine Farbenaccorde, wie
die Töne einer Aeolsharfe, leise auf-
bauen. Wo Weiss nicht erwünscht ist,
wird ein dunkler, grauer oder kalt-
brauner, oft fast schwarzer Ton als
Grundton gewählt, in welchen dann
Wände und alles Holzwerk einstimmen.
Die eigentlichen Farben auf diesen neu-
tralen Hintergründen treten dann in
verhältnismässig kleinen Teilen, aber
sehr ausgeprägt, auf. Grün ist eine Lieb-
lingsfarbe für Möbel und jene rahmen-
artige Einteilung der Wandflächen, wie
sie z. B. die Abbildungen auf S. 197
zeigen. In dem dort gegebenen Bei-
spiele treten überhaupt bloss .die beiden
Farben weiss und grün auf. Nächst
CH.R.MACKiNTOSH «BANK MIT GESTICKTEM LEINENROCKEN Grün ist PurpuT die Lioblingsfarbe der
208
W Z.
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Z 03
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PS
so
-?5> DIE GLASGOWER KUNSTBEWEGUNG <S^-^
CHARLES R. MACKINTOSH • SCHABLONIERTES MUSTER EINER KISCHENBEMALUNG
Mackintosh's, in allen Abstufungen
Tiefrot und Rosa nach Blau hin. Hier
jene zarten zwischen Fleischrot und
liegenden Töne besonders beliebt, die
^
4 » f ■■* »
V\; I -1/
t:l
\1''
von allein das Anilin gewihren kann. Diese
sind Töne, in zarten mullartjgen Geweben als Vor-
Lila hänge verwendet, stellen sich in einen merk-
uns würdig anziehenden Gegensatz zu der Strenge,
die sonst in der Dekoration vorwaltet.
Die alleräusserste Selbstzucht in der
Farbe, das ist eines der Geheimnisse
der Wirkung dieser Räume.
Die Behandlung von Wand, Decke
und Fussboden ist die einfochste; in
puritanischer Strenge zeigen sich die
weiten Flächen, als Wandflächeo nur
hier und da durch spärliches Rahmen-
werk in grosse Felder eingeteilt. Ein
Horizontalband teilt dann zunächst einen
Fries ab, und die untere Wand zeigt
mit Stoif bespannte oder einfach ge-
strichene Füllungen. Nur selten wird
der Fries bemalt, die Füllungen bleiben
stets ungeschmäckl. Tapete ist verpönt.
Wo ein Flichenornament auftritt, ist
es aufgemalt oder — wss zumeist der
Fall ist — mit der Schablone aufge-
tragen. Das Schablonenmuster hilt dann
zumeist wieder zwei oder drei einfache
Töne ein, etwa grün oder rosa, oder
grau, grün and lita, wie das Master
_ auf S. 206 zeigt. Dieses letztere Muster
!.. 4 bedeckt den ganzen unteren Teil der
I Vand eines Wohnzimmers, dessen Kamin
und anschliessende Sitzecke auf S. 205
wiederg^eben sind. Die Rücklehne der
Sitzecke zeigt graue Leinwand-Polsier-
felder, auf die ein Master in Grün und
«
- I
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CHARLES R. MACKINTOSH • ENTWURF UND GRUNDRISS
EINES KÜNSTLERHAUSES MIT ATELIER AUF DEM LANDE
^*-^> DIE GLASGOWER KUNSTBEWEGUNG <a*^
auch sofort vom Beschauer ästhe-
tisch höher angeschlagen wird als
ein gemusterter Stoff. — Eine
andere Art von Wandbehandlung
besieht in der AuFschabionierung
von Ornamenien (Füllungen, Blu-
menknäueln u. s. w.) an einzelne
bevorzugte Stellen, etwa die Ecken
des Frieses oder architektonisch
zu betonende Stellen desselben.
Decke und Fussboden werden gsnz
unverziert gelassen, den letzteren
bedeckt ein Teppich von einfacher
neutraler Farbe, die Decke zeigt
hier und da die natürliche Balken-
einteilung.
Immer bildet den Hauptan-
ziehungspunkt des Zimmers der
Kamin, dem in der Dekoration
auch räumlich eine grosse Rolle
zuerteilt wird, hauptsächlich durch
eine ausgedehnte Erweiterung des
Kaminrahmens. Die Vorspriinge
sind nie sehr bedeutend, der Kamin
tritt nicht als selbständiger Raum-
körper heraus, sondern bildet
nur eine Wandunterbrechung. Das
Eisenwerk des Feuerbehälters ist
stets zierlich geschmiedet, hält
sich aber in strengen, starren
Formen. Bücherbretter und Sitze,
auch Aushöhlungen zum Absetzen
von Trinkgerät werden angebracht
(S. 205). Die paar Quadratfuss um
das Feuer, welche den Kaminplatz
bilden, sind eben in England der
kostbarste Platz des Zimmers, an
dem man es sich so bequem macht,
wie es nur irgend angängig ist.
Eine ganz eigene Stellung nimmt
in der Mackintosk' sehen Kunst
das Mobiliar ein. Man könnte
sagen : es fällt vorwiegend durch
seine Abwesenheit auf. Die Zimmer
machen für unser Alltagsempfinden
einen fast leeren Eindruck. Auch
hier tritt wieder die Neigung
hervor, durch grosse ununter-
brochene Flächen einen erhabenen,
geheimnisvollen Eindruck hervor-
zubringen. Fällt nun wirklich hier und da
die Leere der Zimmer auf, so ist doch
zu bedenken, dass unsere gewohnte Voll-
pfropfung der Zimmer mit allerlei unnützem
Hausrat sicher ein wunder Punkt in unserem
heutigen Wohnempfinden ist, und dass wir
uns hier sicher in einem entarteten Ge-
schmacksstadium bewegen. Das Schlimmste
Weiss aufschabloniert ist. Fast in keinem
Falle greifen die Künstler zu gemusterten
Stoffen. Wo eine Dekoration gewünscht wird,
wird sie aufschabloniert wie hier, oder — sehr
häufig — in andersfarbigem Stoff aufgenäht
(S. 221). Jedenfalls erhebt diese Dekorations-
art den geschmückten Gegenstand in den Be-
reich des durchaus Individueilen, wie sie denn
-i*-^> CHARLES R. MACKINTOSH <^-^
kann man heute in den Räumen unserer
höchsten Kreise erleben, wo auf Schreib-
tischen, Tischen und Schränken Tast kein
Quadratzoll gelassen ist, der nicht mit Photo-
graphien, Nippsachen, Büchern und aller-
hand überflüssigem Krimskrams bedeckt wäre.
Das Barbarische dieser Gewohnheit tritt am
deutlichsten hervor, wenn man das Zimmer
eines Kulturvolkes kennt, mit dessen Fein-
empfinden in Geschmackssachen sich kein
anderes Volk der Erde messen kann : das
Zimmer des Japaners. Es ist absolut leer.
Sein einziger Schmuck besteht in einer Nische,
in welcher ein Bild aufgehängt und eine oder
zwei Vasen oder Blumentöpfe aufgestellt sind.
Alle anderen, in der Regel reichlich vor-
handenen Kunstwerke ruhen im feuerfesten
Schatzhause und werden nur bei feierlichen
Gelegenheiten hervorgeholt, um Freunden ge-
zeigt zu werden, die sich dafür interessieren.
Das ist vornehme Kunstpflege. — Dieser
Abschweif sollte mir zur Unterstützung der
Mackintosh 'sehen Ansicht dienen, dass ein
spärlich mit Gerät besetzter Raum künstlerisch
höher steht als ein vollbesetzter der heutigen
Art. Die Möbel treten bei den IVIackintosh's
als organische Teile des Zimmers auf, die
Schränke und Bänke als Teile der Wand,
gegen die sie gestellt sind. Die Grund-
gestalt ist in allen Fällen einfach, fast
primitiv; aber sie sind dennoch weit ent-
fernt, bäuerisch zu wirken, das verhindert
ihre durchgeistigte Form, die feine Fü-
gung, die sorgfältige Oberflächenbehand-
lung. In Wandschränke werden gern
Thüren mit farbiger Glasfüllung gesetzt,
deren Glas jedoch opak in Wirkung tritt
(Abb. auf S. 200). Bei Stühlen ist die
ungemein hohe Rücklehne beliebt. Die
Lieblingsfärbung der Möbel ist für Wohn-
und Schlafzimmer weiss, sonst grün oder
schwarzbraun.
Ganz merkwürdig werden die Beleuch-
tungskiirper behandelt. Hier halten die
Mackintosh's, einerlei ob es sich um
Gas, elektrisches Licht oder Oel handelt,
mit grosser Vorliehe an der Kastenform
der Laterne alten Schlages fest. Die
Kästen werden in Gruppen und diese in
fast soldatischer Aufstellung längs der
Decke angeordnet und bilden so ein
Hauptmotiv in der Architektur des
Raumes <S. 107). Sehr häufig sind die
-..-^ DIE GLASGOWER KUNSTBEWEGUNG -C^-*^
Wunde der Kästen von Metall, in das dann
durchsichtige farbige Gläser in der weiter
vorn erwähnten Art eingelassen sind. Es
liegt bei solchen Metallk&rpern die Absicht
vor, alles Licht nach unten zu führen. In
anderen Fällen, wie auf S. 106 u. 199, sind
mehrere Gasflammen in ein offenes Rahmen-
werk gefasst, wobei wieder von farbigem Glas
der ausgiebigste Gebrauch gemacht ist.
Nachdem die Einzelbestandteile der Innen-
dekoration erörtert sind, bleibt noch übrig,
ein Wort über das Aeussere der vorgeführten
MACKiNTOSH'schen Häuser zu sagen. Vom
kontinentalen Standpunkte aus wird man das
Haus Windyhill auf S. 193 bis 195 vielleicht
zu nichtssagend oder .phantasielos' finden.
In einer Zeit, wo man durch Wettbewerbe für
«durchaus moderne Fassaden* einen modernen
Architekturstil gewaltsam aus unseren Künst-
lern herauspressen will, wo sich in der That
die jüngste Architekten -Generation überbietet,
durch Schweiflinien und allerhand angeklebte
Modernität modern zu posieren, in einer
solchen Zeit ist von dem Verständnis für
das Einfache und Natürliche, sich von selbst
;KINT0SH « AUSSTELLUNGSSTÄNOE
Ergebende nicht viel zu hoffen.
England hat sich von den jetzt in
der kontinentalen Architektur vor
sich gehenden Umtrieben nach detn
modernen Stil mit grossem Takt
ferngehalten. Statt den modernen
Stil in allerhand seltsamen Auf-
frisierungen zu suchen, ist die na-
türliche Entwicklung, ganz beson-
ders in der Wohnhausarchttek-
tur, immer mehr auf das Strenge,
Schmucklose, rein Baulich -Kon-
struktive losgegangen, und viel-
leicht ist man in Verfolgung dieses
Zieles „moderner* geworden, als
man in unserem „modernen Stil"
zu sein glaubt.
Das Haus Windyhill liegt auf
einem Hügel mit felsigem Moor-
land von rauher Erscheinung, und
es kam dem Künstler deshalb dar-
auf an, sich durch Einhaltung der
strengsten Einfachheit im Einver-
nehmen mit dem Ortscharakter zu
halten. Daher der ernste, mauerum-
zäunte Zugangsweg, die äusserste
Zurückhaltung in der Gruppie-
rung, die rauhen Rapputzflächen
der Wände, die grauen, schmuck-
losen Schieferdächer. Im übrigen
ist die Architektur ein unmittel-
bares Ergebnis der durch die Um-
stände diktierten Grundrissgestal-
-3-^> CHARLES R. MACKINTOSH <^^
tung. Der auf S. 194 wiedergegebene Grund- paares und haben daher dasjenige individuelle
riss zeigt, dass es sich nur um ein kleineres Interesse, ohne das ein Hausentwurf nicht
Haus handelt. Nach englischer Art liegen angesehen werden sollte,
die Nehenräume nicht in einem Keiler-, Mit voller Absicht ist in dieser Besprechung
sondern im Erdgeschoss und sind in der aus- das ganze Gewicht auf die eigentlich tek-
kömmlichsten Weise bedacht. Der Küchen- tonische Thätigkett des Künstlerpaares gelegt
Hügel streckt sich dabei derart im rechten worden, nicht auf die ornamentale. Mit der
Winkel vor, dass er zur Umschliessung eines letzteren wurde die Glasgowgruppe zuerst be-
Hofes beiträgt,
den der Eintre-
tende zunächst
zu überschreiten
hat. Ein Spring-
brunnen daselbst
und geometri-
sche Gartenan-
lagen verleihen
dem Hofe einen
besonderen
Reiz.lm übrigen
entwickelt sich
das Haus aber
nach der an-
deren, durch die
Himmelsrich-
tungund die Aus-
sicht begünstig-
ten Seite. Streng
und fast abwei-
send schmuck-
los sind auch
die beiden im
Entwurf mitge-
teilten Künstler-
häuseraufS.21]
his213gebildet.
Die grosse Vor-
liebe für die weit-
ausgestreckte
Fläche giebt sich
auch hier zu er-
kennen, sie be-
herrscht alles.
Fast gespenster-
artig recken sich
die ungeglieder-
ten Körper die-
ser Häuser in
die Höhe, und
das verdeckte
Dach sowie die primitiven Endungen der
Schorn Steinkästen erinnern an die einsame
Grösse der ägyptischen Pyramidenkunst. Aber
der Künstler will diese Wirkung, und alles
ist hervorgesucht, um sie zu befördern, die
Stellung der Fenster, die Behandlung der
Wände u. s. w. Die Entwürfe beziehen sich
auf das gewünschte Eigenhaus des Künsiler-
CH. R. MACKINTOSH • GRABSTEIN AUS WEISSEM SANDSTEIN
kannt und fand
damals den
meisten Wider-
spruch. Wer in-
zwischen das
Schaffen der
Mackintosh's
verfolgt hat,
mussfinden,d&ss
die ungeheueren
Wene, die sie
auf rein tektoni-
schem Gebiete
hervorgebracht
haben, die rein
ornamentalen
Leistungen, das
schlechthin
Schmückende
mehr und mehr
überboten ha-
ben. Und so ist
das Ornament
von selbst dahin
gerückt worden,
wo es für den
schaffenden
Künstler stehen
soll : auf dem
Seitentische zur
gelegentlichen
Hervorholung.
Die Ornamente
der Mackin-
tosh's sind teils
figürliche Fül-
lungen, teils
Liniengebilde,
die von Pflan-
zen- und Tier-
vorbildem ab-
strahiert sind,
aber mit diesen nur noch in sehr entfernter,
oft kaum zu entdeckender Beziehung stehen.
Immer ist das Ornament symbolisch. Nicht
nur die figürlichen Füllungen bedeuten etwas,
sondern auch die Linienornamente. So z. B.
ist in den auf Seite 210 dargestellten Orna-
menten des Brüst ungsfri^es einer Kirche
„der Vogel des Friedens, der Baum der Er-
^^^5> DIE GLASGOWER KUNSTBEWEGUNG <c0.^
kenntnis von Gut und Böse und die Ewig-
keit" (die letztere durch die drei ver-
schlungenen Kreise) dargestellt. Solange
nicht vom Beschauer verlangt wird, dass
er die Bedeutung beim Anblick der Orna-
mente von selbst erkennt, wird man sich
mit der rein dekorativen Wirkung der-
selben gern zufrieden geben. Immerhin
aber ist ja nicht zu verkennen, dass der Be-
sitzer eines so geheimnisvoll geschmückten
Gegenstandes den verborgenen Sinn Fest-
halten wird und so das Ornament wirk-
lich in ihm höhere Gedankengänge an-
regen kann. Das am meisten angewandte,
recht eigentlich persönliche Ornament der
Mackintosh's ist die stilisierte weibliche
Figur nach Art der Abbildungen auf
S. 219 bis 221. Hier treffen wir ein Weiier-
schreiten auf den Wegen der schwung-
vollen ßgQrlichen Linienkomposition an,
die von Blake, Rossetti und Toorop
vorgezeichnet worden sind. Vor allem
lebt hier der starke Rossetti - Einfluss
CH. R. MACKIMOSH • EX LIBRIS: JOHN KEPPIE
CH. R. UACKIttTOSH « MODELL EINER BILDHAUERARBEIT
noch in ausgesprochener Weise weiter,
dem der bessere Teil der englischen Kunst
in den letzten 50 Jahren so viel zu ver-
danken gehabt hat. Aber er ist hier un-
heimlich ins Dekorative gesteigert, so dass
eine traumhaft phantastische Linienführung
den Charakter des Figürlichen oft ganz
erstickt. Eine reichste dekorative Wirkung
üben diese Füllungen vor allem in ge-
triebenem Metall aus, das von Frau Mar-
garet Macdonald-Mackintosh in einer
ganz eigenartig grosszügigen Weise be-
handelt wird, die Abbildungen auf S. 220
und 221 geben hiervon Zeugnis. Hier
stehen wir in der That vor Leistungen von
höchster Eindrucksfähigkeit und sattester
dekorativer Qualität. Höchst interessant
ist, wie ein Begleitlinienspiel die Figuren
umwebt und deren Linienführung erginzt
oder durch Gegensatz hervorhebt. In der
Abbildung auf S. 220, welche die Schönheit
darstellt, wird es von Rosengezweig ge-
bildet, in der auf S. 22 1 rechts von fallenden
Thränen, die den Augen der männlichen
Figur entHiessen. Hier handelt es sich
um „den Flussgott, welcher über die be-
trogene Liebe der Welle klagt, die seinen
Armen enteilt, um sich dem Meergott zu
ergeben". Die Abbildung auf S. 217
stellt das Schlüsseischild einer Schreib-
zimmerthür dar, und die sich zurück-
beugenden Figuren sollen die oberfläch-
liche und nichtige Art des heutigen
Briefstiles versinnbildlichen im Gegensatz
-^•^y MARGARET MACDONALD-MACKINTOSH <^^
zu dem früheren ernsteren Briefstil , der
trauernd im Hintergrunde steht.
Es ist ein eigentümlicher Gegensatz, der
zwischen diesem Liniengewoge in seiner ge-
steigerten Empßndsamkeit und der straffen
Art der MACKiNTOSH'schen tektonischen Ge-
staltung obwaltet. Aber der Gegensatz hat
den Sinn einer Ergänzung. Ein männliches
und ein weibliches Element scheint sich hier
zu vermählen. Und wo immer an einer
MACKiNTOSH'schen Schöpfung die Starrheit
der Form ins Frostige überzugehen Gefahr
läuft, da treten die weichen, von Empßndung
überßiessenden Schmuckstücke in Form einer
Füllung oder eines aufgesetzten FlSchen-
musters hinzu, um die weibliche Grazie zu
dem männlichen Ernst zu fügen. Und so
hat das Ornament hier diejenige Bedeutung,
die man vom Schmuck erwarten soll; er soll
spärlich auftreten, aber dann auch wirklich
etwas ausdrücken und bewirken.
Bedenkt man die Jugend der Künstler, die
in die von ihnen geschaffene Kunstrichtung
gleichsam hineingewachsen sind, so kann man
der in Glasgow begonnenen Bewegung wohl
eine reiche Entwicklung vorhersagen. Die
Spielart, die ihre Kunst in der allgemeinen
neuen Bewegung vertritt, trägt das Gepräge
einer besonderen Rassigkeit in sich. Sie hat
sich merkwürdig geläutert von krankhaften
und dekadenten Anhängen, sie ist von stro-
tzender Kraft, so dass man ihr gegenüber
die Empfindung hat, dass sie den Schatz
ihres Reichtums eben erst zu erschliessen
begonnen hat. Alles in allem wird man
daher wohl noch Bedeutendes aus Glasgow
erwarten dürfen.
VERKÜNDEN UND HANDELN
Voa E. T. Bkedt
^r'om ibcT Knasi scbretben ? Obkist be- TerkcB. — Aber vibmd die eines vibncn,
*V laalieLK vor enra rwci Jshie« diese ein veitercs Eiogcbca mf ihrea Gefaalt aifaBe
Fn^ ia utsercr ZcttscfanfL Tei- sctoc über- za sehr bloss den Kopf in Anspracb — ahnen
sngcftie Anncon gelesem. wird mich nicht andere «obl EmpEndcacea, «ie sie den Kinst-
fcigcn. «eshnlb kh bcnte ober HERJtA»» 1er zu seinem Schnffn gedrängt, vie sie ibn
OsstST sad seine BmoBea schreibe. beim SchafGe* bebe n s cfai haben, aber sie
Es ist ««cb Bocvendis- Geviss ist ein haben keine Zeit för solche SeasntioBen.
Uetaer Kiets an^nertsamcT Beobachter tmi Man niiraai den Hnt ab — wer reicht ihm
i«B v(?::en KBd Frachcbarea Gefaalie. der die Hand?
Osbest's Hss^Yverten innevobat. äberzeagt. Und «ie kann nor an so^bea Terken
Gross ist aach die Zahl seiner Bevocderer. nnsere Zeit Torcb eigtbtn — Toräbergeben
derer, die «ea:$s»flcs Halt machca Tor seinen bcstecSalls vie das Vclk aa eiaer aanallcnden
B:=xc :a eiaem Laien, em ^eich Tciter
zn hnscca zcm Tiseeia^d oder zn
des Ta$e$ rasdoser .Hascbrne? — Doch
Etcb wi-ien'i cic L'srechc nad Obsist
selbst Tür^ das Veri^altea g i üaa ef et
KrcGse B=r daaa wssicrv. vean er
sk^t vxssse. «X Eiankiem eigcnilich
die L'recr^age seia cr ArbeiEcn sind.
Erxsxe $T:=;^c:oaien siad nie Voiks-
■rssü — seiSst wena etaes c*nzen
V'j'lkes Se&3ea ia ihaen Sebc Nein, es
fihat da>ei — «a:ä: azf. «cnn die
Pa::ie9 eissectea — ead dankbar
klischr es. sowie das Sftel aio. Und
a:L3 feirlen bei Cs<:sT gtai cd pr
ii« Px:::'cea zz-i Tnarpetea. Es ist eine
KT«:» .HxkI ia Osasr's Tertem. üe
Bxr ier vial kfaa:. iaa des Tassers
Rix$c*tes eine seeiea^erTTiäche Xelodie.
Myscsci axT ia ^esea Sinae. ux aber
-^aarcatiscft is; .äfr Oaa:;?r's:ten Koast
Veseo. Kr»5r»i:;i n3»i fest wie des
Fe-rseas Ge^^^e la^ ÄAiä wieder frteg-
saat w-.e ±e To^e.
ASer lieM oavi keaa: Jeaa saser
Par; ix3t iea Felsea. das Tasser. des
Tiöes GeäeaLiisse ? Es spKWt auf
üe äötdcsna Berje. aan- aaf Vcr-
|7äix3as^ia3ir5;n i3er ie Tei Ln e er e
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als ii^ E.^'aciie. ±Ei<ea:^ fataier. was
3KaT xxi ie Ner«en a^ aof iäe Seele
jüiwiÄ Seasar-JiKtt xStaA,
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».t«c.«- %u-x-N»,>*.ov v.-^.-. V^ .^i ^^-^ OBa.-STs Tertesark ce-
?-»j(*.i;jS »*>ii. ■--£**.,. m:-«.'-^-. r*;iT »srien. l^ä r^r ia h
-iä-^> MARGARET MACDONALD-MACKINTOSH <^^
scher Kunst — tritt in den Nutz- und
Zierbrunnen am deutlichsten in die
Erscheinung.
Darin liegt das merkwürdig Neue,
worüber die wenigsten Betrachter sich
Rechenschaft zu geben versucht haben,
während sie sich einfach damit be-
gnügten, in den Brunnen etwas Merli-
wiirdiges und Originelles zu konsta-
tieren. Doch auf diese Weise wird
man solchen Kunstwerken nicht gerecht,
und mit .merkwürdig" charakterisiert
man sie nicht. Dass die Brunnen „von
völlig originellen Formen, ohne Vorgang
und Beispiel in der bildenden Kunst*
sind, ist gar nicht erst zu sagen. Aber
kann die Zahl seiner Intimen wachsen, je
mehr ruhige, gesunde, künstlerische Erzieh-
ung den Reiz der einfachen herben Land-
schaft empfinden lehrt. Noch immer will
man überall — in Natur und Kunst —
kleine Anhaltspunkte für ganze Reihen zu-
sammenhangloser Gedanken und Empfin-
dungen. Noch immer ist das Potpourri das
beliebteste Musikstück.
So dürfen wir uns nicht wundem, dass
Fürst wie Volk Obrist's schlichte Werke
noch längst nicht goutieren kann. Aber um
so mehr und um so lieber werden sich alle
diejenigen in seine Werke vertiefen, die sich
aus der Unruhe nach Ruhe, aus der Degene-
ration nach Stärke, aus allem Ueberschwall
nach dem Einfachen , aus zersplitterndem
Naturgenuss nach konzentrierendem, von Ge-
bilden des Momentanen nach Ausdruck des
Ewigen sehnen.
Obrist hat dieses Sehnen zu gestalten ge-
wussf — und die Sehnsucht wächst und er-
weitert wiederum die Hoffnung auf eine neue
grosse Kunst. Obrist's Werke stellen basis-
gebende Monumente derselben dar, wäh-
rend gleichzeitig eine Reihe nicht so monu-
mental, nicht so führerisch begabter Künstler
andere Kennzeichen des neuen Werdens auf
allen Gebieten der Kunst schaffen.
Die konzentrierte Kraft, die nervige Frische,
der Raum und Basis gebende Gehalt Obrist-
^p-^> VERKÜNDEN UND HANDELN <^^
«enn wirklich nur „die schlichtesten geo-
metrischen und stereometrischen Figuren*,
wie mancher gemeint hat, dem Künstler die
Anregung zum Aufbaugedanken gegeben
hätten, dann freilich wäre Obrist nichts
weiter als einer von den 1001 Reissbrett-
künsilern, und er würde rein aus dem In-
tellekt heraus, aber ohne Empfindung ge-
schaffen haben — er wäre afso richtiger ein
origineller Konstrukteur, keinesfalls aber ein
originaler Künstler von epochaler Bedeutung
zu nennen.
Die Originale seiner Brunnen machen es
offenkundig, dass er neue plastische und tekto-
nische Formenwerte schafft, deren Ursprung
aber weder im Modellieren noch in der Reiss-
bretiarbeit zu suchen ist, sondern in seinem
Beobachten und Empfinden der Natur des
Gesteins, des Felsens, des Wassers und der
Pflanze und in seiner schöpferischen Phan-
tasie. Die Vucht, die Strenge, das Starre
des Felsens, das spülende, nagende, glättende
Wirken des Wassers, das ist es, was dieser
Plasttker uns sichtbar macht und erschliesst,
und er thut es als modemer Mensch an Nutz-
und Gebrauchsgegenständen, sie dadurch bis
zur Schönheit verklärend. Und nur wer den
plastischen Dichter neben dem Tektoniker
und Nutzkünstler in ihm erkennt, wird das
Originale an ihm richtig würdigen. Dieses
plötzliche Auftauchen eines derartig boden-
wüchsigen , urnatürlichen , organischen Ge-
stalters mitten in unserer Zeit der nervösen
Malerei oder der blossen Ingenieurkunst hat
bis zu einem gewissen Grade etwas Ver-
blüffendes. Man ruft allenthalben nach starken
Persönlichkeiten als Retter aus Schema und
Tradition. Hier ist ein Mann, der weiss, was
er will und es auch kann. Nicht ein blosser
Vorläufer ist er, wie von anderen unfreudig
gesagt worden ist, sondern ein Plastiker, der
eben erst anfängt und noch grosse Reich-
tümer geben wird. Nicht ein blosser Ver-
künder neuer Kunst ist er in Werk und Wort
und Schrift und Lehre, sondern ein Gestalter
und Sichtbarmacher seiner Verkündigung.
Niemals hat sich mir deutlicher das charak-
teristische Kennzeichen eines von des Natur-
schaffens Geist und JVlusik erfüllten Künstlers
gezeigt als in den von Obrist modellierten
Wasserbecken der Brunnen. Hier ist die in
der Jahrtausende Lauf felffenhöhlende, stein-
glättende Wirkung des Wassers zum Ausdruck
gebracht. Hier zeigt sich Obrist — aber
hier nicht allein — als einer jener wahrhaften
Künstler, die man wohl mit Recht die Epi-
gonen des göttlichen Allschaffers nennen darf.
Ein Mann, der solches schaffen kann, hat
nicht nur verstand es massig der Natur ewige
Gesetze in sich aufgenommen — der muss
offenbar zuvor in und mit der Natur gelebt
haben. Thatsächlich dürfen wir dies den
OBRiST'schen Brunnen ablesen: Obrist ist in
der grössten Einsamkeit im Gebirge aufge-
wachsen. Als Knabe verbrachte er lange Zeit
im märchenhaften Reichtum unberührter,
phantasieweckender Schweizer Natur. Später
mag er wohl erst als leidenschaftlicher Natur-
forscher und Geologe den nachhaltigsten Ein-
druck der Gebirgsnatur in anderer Weise
verarbeitet haben. Sicher ist er als plastischer
Bildner zuerst Empßnder dann erst Gestalter
und Tektoniker.
Welcher von den Brunnen der beste ist,
ist schon deshalb schwer zu sagen, weil ja
drei völlig verschiedene Gruppen von Brunnen
zu unterscheiden sind. Die frühesten sind
-=-J^> MARGARET MACDONALD-MACKINTOSH <^^
R»' ''TiMll''''j'^'lW'/i*i' '"* Wandbrunnen , die jüngst
tSl- jtßgr^V .'f'JJvir. ' entstandenen sind jene, die man
■ .tfdV. *''* ' ' V'f ( am kürzesten den alten Brunnen-
^^Bi 1 -.<^L* ■ ' W< bauschen zugruppieren könnte.
Die Beurteilung dieser kann nur
eine vorläufige sein, weil das
Wasser, das hier vom Becken
aus gegen die niedrige dach-
artige Höhlung springen und
vielfach verteilt herunterträufeln
und rieseln soll, selbstverständ-
lich den Gipsmodellen fehlt. Es
ist dies, so viel mir bewusst,
ein ganz neues Motiv, und das
Auf und Ab mag wohl der
Künstler springenden Quellen
schon als Knabe abgesehen
haben.
Am wirkungsvollsten bleibt
vorläufig Obrist immer da, wo
er völlig einfache, grosse Natur-
steinformalionen ins Künstleri-
sche übersetzt; tritt doch selbst
dagegen der auch in diesen ge-
deckten Brunnen bewunderns-
werte Sinn für das geheimnis-
voll Verschlossene, der in den
Urnen ungeahnten Ausdruck
findet, zurück. Man muss mit
diesen markanten neuen Sym-
bolen der Natur des Wassers und
des Felsens einmal neuere figür-
liche Brunnen vergleichen, die
des Wassers Natur und Wechsel
darstellen sollen. Dann wird
man sich erst des grossen be-
zwingenden, urwüchsigen Ge-
haltes von Obrist's Werken be-
wusst. Wie billig illustrativ
wirkt doch daneben der figür-
liche DiETz'sche Brunnen in
Dresden, der immerhin der
beste dieser Art in Deutsch-
, j „■ IN SILBER CETRIE-
land sein mag. benes paneel . ,
Aus meist anderen als rem
künstlerischen Gründen hat der
grosse Nutzbrunnen für Mensch und Tier hat hier der Zweck die Gestalt bestimmt, oder
bei den kritischen Beurteilern ganz beson- hat die künstlerische Schöpfung den neu-viel-
deres Lob gefunden. Lieber die zweckmässige seitigen Zweck im Gefolge gehabt. Es kann
Verteilung der Für den verschiedenen Bedarf hier das eine nicht ohne das andere gedacht
gedachten Wasserbecken ist auch thatsäch- werden, daher der reine künstlerische Genui
lieh nicht erst etwas zu sagen. Aber so fein
auch die Verteilung der einzelnen Wasser-
becken für Menschen und Tiere erdacht ist —
geistvoll ist der Brunnen erst wegen des
völlig einheitlich künstlerischen Aufbaus. Das
Herrliche gerade an diesem Brunnen ist, dass
man gar nicht so bald auf die Frage kommt:
der gar nicht die hässlich doktrinäre Frage aut
prodesse aut delectare aufkommen lässt. —
So glücklich ist Obrist natürlich nicht immer.
So reizvoll das Gefüge des .Brunnens mit
elektrischer Beleuchtung" auch gedacht, hier
ist die gedankliche Aufgabe noch nicht gelöst,
Gedanken und Empfinden sind hier in Disso-
^r-£ö> VERKÜNDEN UND HANDELN <^-t^
HERMANN OBRIST ■ DREITEILIGER BRUNNEN FOS SCHLOSSHOF ODER PARK
nuiz, ganz abgesehen davon, dass in der Skizze
Gestalten und Proportionen der aus dem Ge-
stein herausgebildeten Figuren nicht glücklich
sind. Während sonst Obrist bei fost allen
seinen Werken, die, wohl seinem monu-
mentalen Genie folgend, wie aus einem Blocke
heraus geschaffen zu sein scheinen, — eine
die Schwere genilig lösende Bekrönung findet,
hat hier einmal sein Gestaltungsvermögen
versagt. Und das scheint mir wiederum zu
beweisen, dass er weit mehr ein Meister
grandioser Empfindungen als kühler Berech-
nungen ist.
Wer Obrist's Kunst an seinen Brunnen
erkannt, wird in jeder von ihm geschaffenen
Aschenume dieselbe tieHnnerliche Persön-
lichkeil erkennen. Aber gewiss nicht aus den
lusserlichen Gründen, die so manches
kleineren Künstlers Werke als von demselben
produziert erkennen lassen. Es ist bei Obrist
keineswegs eine gewisse Manier oder Linie,
die er einmal erfunden, und nun kapriziös
vielAich zu variieren wüsste. — Es ist auch
nicht dasselbe , Motiv*, das er je nach Zweck
und Bedürfois, geschickt ummodelt, anwenden
möchte. Obrist ist kein Erfinder von Varia-
tionen über ein Thema — es beherrscht ihn.
und er beherrscht ein Empfinden, einen Drang
zur einfachsten, klarsten Gestaltung aller Ge-
setze und Kräfte der Natur. Er ist einer,
der das Ewige, nicht das Momentane festzu-
halten strebt.
Unvergleichlich schönen und bezwingenden
Ausdruck fand er für die Aschenume. In
seinen kunsturwüchsigen grossen Brunnen
geht er sichtlich dem Jahrtausende währenden
Schaffen der Naturkräfte nach und giebl so
dem Schaffen für Jahrhunderte neue Basis.
Seine Aschenumen aber machen ihn unwider-
sprechlich zum Schöpfer eines Typus, den
die Jahrtausende nicht gefunden haben. So
gewaltig ist in so schlichtem, kleinem Gefäss
nie die unveränderliche Monumentalität des
Todes ausgedrückt worden. Obrist's Urne
hat keine eigentliche Handhabe — sie er-
scheint geschaffen unverrückbar von dem Ort,
an dem die letzten Reste des Gewesenen für
immer ruhen sollen. Sie ist geschlossen für
ewig, GeHss und Decket erscheint als ein Ge-
füge. Die Basis ist breit, eine Verjüngung
fehlt. Das Ganze ist eine tiefpoetische Ver-
körperung des unerbittlichen Gesetzes vom
Tode. Weshalb haben nicht Andere, weshalb
hat nur Obrist diese grandiose Verkörperung
HERMANN OBRIST « NUTZBRUNNEN ZUM GEBRAUCHE
FÜR MENSCHEN, VIEH, HUNDE UND VÖGEL «•*«•*«
VERKÜNDEN UND HANDELN <^^
eines so unantastbaren Gesetzes gefunden?
Weshalb ist die OBRisr'sche Urne so gar
nicht möglich als Schmuck oder als Ziergerät,
weshalb sind ihr keiner Kultur Aschenumen
gleich ? Der Wechsel in der Anschauung vom
Leben der Psyche ist hier nicht das ausschlag-
gebende Moment. Denn nur des Todes Sym-
bol hat Obrist gebildet. Es ist also diese
künstlerische Erfindung nicht so sehr Zeichen
unserer modernen Kultur überhaupt als Kenn-
zeichen der künstlerischen Seele und Be-
fähigung von Obrist. Ueberdies drückt
Obrist's Urne die Persönlichkeit, das Wesen
des Menschen, dessen Reste sie birgt, so
schlicht erhaben aus, wie jene herrlichen Grab-
denkmäler der Renaissance es durch die Ge-
samtheit von architektonischen, figürlichen
und omamentalen Teilen prächtiger auszu-
drücken vermochten. Die eine Urne kann
nur einst eines gewaltigen Mannes, jene aber
keine andere als eines zarten, schönen Weibes
letzte Reste umschliessen.
Wenn Obrist nichts weiter geschaffen hätte
und schaffen würde, als diesen Urnen-Typus,
er würde ihm selbst ein Denkmal sein. Und
der Schöpfer solcher wuchtiger Brunnen, der
Künstler, der uns hier die Jahrtausend alte
Handschrift der Natur am Felsen erstmals
sichtbar gemacht hat — war gleichzeitig vor
Jahren der erste, der uns plötzlich neue Seiten
des in der Pflanze vibrierenden Lebens in
schillernden Stickereien zeigte. Auch was er
auf diesem Gebiete geleistet, fesselte mehr
als das Meiste, was man bisher gesehen. Frei-
lich, hierin wollte er, wie er selbst einmal
sagte, mehr den fröhlichen Zauber des ewigen
Wechsels des Lebens der Pflanze sichtbar
machen.
Ich sehe in diesen Stickereien denn auch
mehr das äussere Temperament des Menschen
Obrist, der lebhaft, phantasievoll, scharf und
schnell beobachtend, die Kritik des Gesehenen
und Gehörten in ein packendes, naheliegendes
Bild von metallischem Glänze umprägt.
Seine grösseren plastischen Gebilde aber
sind sein inneres Wesen, sein Charakter.
Das Feste, das Festgefügte, das Basisgebende,
das Ausprägen mehr als das Ausziselieren
aller Funktionen oder Fähigkeiten — dar-
nach strebt er für sich — und sucht andere
darin zu unterstützen.
Von Obrist's figürlicher Plastik habe ich
nichts gesagt — weil sein ureigenstes Gebiet
bis jetzt nicht diese ist. Von seinen Möbeln
hätte ich wenigstens einige gern charakte-
risiert, noch lieber würde ich bei den von
Obrist entworfenen Schmucksachen ver-
weilen. Ich bedaure es, dass er — so viel
ich weiss — lange nichts mehr dafür ge-
schaffen hat. Hier ist der monumentale
Künstler so zierlich und fein, wie es für
weiblichen Schmuck am Platze. Aber auch
hier sieht man, dass es kein Reissbrett-
Künstler ist, sondern ein auch im kleinen
tiefer Naturnachempfinder. Das Wenige, was
ich auf diesem Gebiete von ihm gesehen,
giebt mir die Vermutung, dass Obrist ein
Einziger ist, der auch im zierlichsten Ge-
schmeide monumental bilden kann. In den
freien Künsten fehlt es nicht an einer Fülle
von Beispielen, dass das Monumentale auch
im kleinen dargestellt werden kann — im
Kunstgewerbe war es mir bisher fremd.
Alles in allem : Obrist ist unter den Künst-
lern ein rocher de bronze. Er verkörpert
ein grosses dynamisches Walten, auch im
kleinen — und ohne Figürliches wie keiner.
— Trotzdem aber, nach all seinem Schaffen,
streiten sich wohl erst kleinere Kreise um
ihn. Hat man ihm aber bisher für seine
Gaben auch nur mit kleineren Gaben gedankt?
Als ich in Berlin mehrere Tage war — es
war nach der Kaiserrede über die moderne
Kunst — da kam mir's beim Anblick aller
neuen Denkmäler immer wie ein Refrain in
den Sinn: Und Obrist's Werke bleiben un-
verwendet im Lichthofe des Kgl. Kunst-
gewerbemuseums ausgestellt! — Dass mir
dieser quälende Refrain in der Siegesallee,
vor dem Bismarckdenkmal, vor dem Denkmal
Wilhelms des Grossen besonders stark in den
Ohren klang — bezeichnet nur die Kulmi-
nationspunkte meiner Empfindungen von
OBRiST'scher und — anderer — Kunst.
Und dabei haben Obrist's Arbeiten oben-
drein noch meist einen praktischen Zweck —
einige einen ganz eminent praktischen. So
wenig seine Urnen an einem andern Platze
als einem dem Kulte der Toten geheiligten
stehen können — so sehr dürfen dagegen
seine Brunnen neben gotischen Domen ge-
rade so gut stehen wie neben einem modernen
Bahnhofe. Sie sind für Park und Platz ge-
schaffen zum gleichen Genuss. Wie lange
wird der Künstler auf Förderung warten, der
nur dann weiter und stetig seine grosse Kunst
entwickeln kann, wenn er statt zu geben
auch einmal empfängt?
W. SCHUPP « ZIERLEISTE
224
HERMANN OBRIST • GEDECKTER SPRINGBRUNNEN FÜR SCHLOSSHOF
■^•^l> NÜRNBERGER MEISTERKURSE <^^
nOrNBERCER MEISTERKURSE: ENTWURF ZU KAMINFEUER BÖCKEN
KUNSTGEWERBLICHE MEISTERKURSE IN NÜRNBERG
Von F. Carstanjen
Nach Einrichtung der technischen Meisler- 1901 mit Vorschlagen zur Errichtung von
kurse durch das Bayerische Gewerbe- Meisterkursen für das Kunstgewerbe hervor-
tnusenm m Nürnberg war es nur ein Schritt trat, sollte doch das Gewerbemuseum, seiner
der konsequenten Weiterverfolgung des ein- Aufgabe gemäss, den Fortschritt auf allen
mal eingeschlagenen Weges, als der Leiter Gebieten der gewerblichen und industriellen
des Museums, Oberbaurat Theodor von Th£tigkeit des Landes in technischer, künst-
Kramer, zu Beginn des verflossenen Jahres lerischerundkommerziellerBeziehungfÖrdem.
Wohl besitzt Nürnberg eine
treiflich eingerichtete und gelei-
tete Kunstgewerbeschule. Aber
der Kunsthandwerker bedarf
ausser der historischen Bildung
noch einer Schule, in welcher
er nach Verdichtung des histo-
rischen Wissens und Könnens
zu einem allgemeinen Ge-
schmacksgefühl nun lerne, aus
sich selbst und den Bedürfnissen
der eigenen Zeit heraus frei und
neu zu schaffen.
Frei und neu zu schaffen — frei
von historischen Stilrezepten,
neu unter den neuen Lebens-
bedingungen und-Aeusserungen
einer neuen Zeit — das war das
Bedürfnis, welches sich unter
dem Einfluss der neuzeitlichen
^r.^> NÜRNBERGER MEISTERKURSE <^-^
halte, und dem entgegenzukommeo
aun die einsichtsvolle und ver-
dienstreiche That des Bayerischen
Gewerbemuseums war. Es wollte
sich nicht damit begnügen, dass es
bereits durch Vortrüge und Aus-
stellungen auf die neu auftretende
Kunstweise aufmerksam gemacht,
dass es zahlreiche Vorbilder und
mustergültig ausgeführte Gegen-
stände des modernen Kunstge-
werbes besass — nein, Oberbaurat
VON Kramer wies darauf hin, dass
es zu alten Zeiten die hohe Kunst
war, die dem Handwerk die Bahn
zur Vollendung wies und veredelnd
und fördernd auf dasselbe ein-
wirkte, und dass, obwohl es gewiss
nicht unrühmlich sei, im Geiste der-
Väter zu schaffen, doch rühmlicher
sein dürfte, gerade so wie es die
Väter gethan, zu zeigen, was wir
aus uns selbst heraus und nicht in sklavi-
scher Nachahmung der Kunstformen früherer
Jahrhunderte zu schaffen vermögen.
Zu den neuen Wegen aber konnte nur ein
Künstler führen; es konnte nicht dem Kunst-
handwerker überlassen bleiben, sich zu etwas
emporzuschwingen, das ihm bislang fremd
geblieben war und Fem gelegen hatte.
So sagte denn von Kramer mit vollem
Recht in seinen Vorschlägen zur Errichtung
kunstgewerblicher Meisterkurse: „Dem Kunst-
handwerker allein kann man es nicht fiber-
lassen , den richtigen Ausweg aus seiner
schwierigen Lage zu ßnden ; es fehlt ihm
hierzu teils an Willenskraft, teils an äusserer
Anregung. Gewöhnt an eine bestimmte Kunst-
weise, die ihm, weil in jahrelangem Unter-
richt von erprobten Schulmännern erlernt,
als allein massgebend und erstrebenswert er-
schien, fühlt er sich plötzlich vereinsamt,
wenn neue Regungen völlig veränderte Form-
gebungen, eine völlig neue Ausdrucksweise
künstlerischen Empfindens in das bislang in
den Bahnen vergangener Jahrhunderte wan-
delnde Kunsthandwerk bringen und ihn er-
kennen lassen, dass der Quell, aus dem er
seither schöpfte, nicht mehr der frischeste
ist. Da muss eine sichere und kraftvolle
Hand sich seiner annehmen, die ihm hilft,
den neuen Weg zu beschreiten, ihn aber
auch von den vielen IrrpFaden abhält, die von
der Erreichung des richtigen Zieles ablenken."
Zwischen Vorschlag und Ausführung fiel
die Darm Städter Ausstellung des ver-
gangenen Sommers.
Sie ist allen Besuchern in frischer Er-
innerung, und lebendig stehen die einzelnen
Künstlerpersönlichkeiten mit ihren Werken
im Geiste vor uns.
Das erste Haus am Villenwege der Aus-
stellung, das Haus Peter Behrens (vgl.
Heft 1 des lfd. Jhrgs.), zog das Auge des
Oberbaurats von Kramer auf sich. Hier
war ein Meister gefunden, welcher aus einem
angeborenen Gefühl für das Wesen, für die
Grenzen aller Mittel einer Kunst an die Neu-
schaffung von Formen herangegangen war.
Er musste für die Nürnberger kunstge-
werblichen Meisterkurse gewonnen werden.
-sr^^y NÜRNBERGER MEISTERKURSE <^^
Und Professor Peter Behrens wurde
gewonnen.
Der im Juli 1901 ergangenen Aufforderung
des Bayerischen Gewerbemuseums Folge
leistend, hatte sich mittlerweile eine ganze
Anzahl Nürnberger Handwerksmeister besten
Könnens, Angehdrige des Kunstgewerbes und
der Kunstindustrie, welche bereits über ge*
nügende praktische und künstlerische Fähig-
keiten verfügten, darunter auch einige Damen,
zur Teilnahme an den Kursen gemeldet und
um Zulassung gebeten.
Der erste Kurs fand dann in der Zeit vom
8. Oktober bis 0. November statt.
Wenn man in Betracht zieht, dass die Teil-
nehmer des Kurses mitten im Leben, in ihrem
gut fundierten Geschäfte stehen und bisher
„Nürnbergs Kunstgeschichte führt keine
gesonderten Rubriken für hohe und ange-
wandte Kunst, sie trennt nicht voneinander,
was durch eigne Schönheit miteinander ver-
bunden war, Ihr gilt kein Rangunterschied
zwischen Malerei und etwa Schmiedekunst.
Peter ViscHBR stand Albrecht Dürer eben-
bürtig zur Seite. Das will nun heute wieder
so werden, und das ist das beste Zeichen
unserer Zeit, dass heute wieder jeder Gegen-
stand, der neben seinem praktischen Zweck
durch Schönheit das Leben auch noch erhöhen
kann, wieder die gleiche Liebe des Künstlers
verlangt, wie ein Gemälde oder ein Standbild.
Aber damit ein Gegenstand durch Kunst er-
höht werden kann, muss sein Fertiger ein
wirklicher Künstler sein. Es genügt nicht,
in all ihrem Schaffen, sofern es nicht Kopie
war, aus dem Formenschatz der historischen
Stile schöpften und somit in ganz gefesteten
und auch geschäftlich ergiebigen Traditionen
lebten und wirkten, so begreift man die Grösse
und Schwierigkeit der Aufgabe, nur überhaupt
mit dem Versuch durchzudringen, hier Wandel
zu schaffen und ein neues, frisches Reis auf-
pfropfen zu wollen. Aber das Gefühl des Be-
dürfnisses einer Erneuerung war doch schon
zu mächtig geworden und hatte vorbereitend
gewirkt, so dass der Versuch nicht als etwas
Unnützes empfunden, sondern freudig begrüsst
wurde.
Als Professor Peter Behrens den Kurs
begann, leitete er ihn mit einigen Worten ein,
aus denen es mir vergönnt sein mag, die
folgende charakteristische Stelle zu citieren:
dass etwas hinzugefügt wird, was für den
Gebrauch des Gegenstandes allein überflüssig
wäre, um ihn künstlerisch zu gestalten; es
muss aus dem Wesen und Material des Gegen-
standes heraus geschaffen werden, es muss in
erster Linie die Form des Gegenstandes selbst
schön gestaltet werden. Die Erzeugnisse
älterer Stilepochen zeigen diese Reinheit
immer und oft in vornehmster Einfachheit.
Es genügt nun aber nicht, solche schönen
und vornehmen Kunstformen älterer Stile auf
unsere heutige Umgebung zu übertragen, um
Künstler in seinem Werk zu sein. Ein Ko-
pieren und Nachahmen ist an sich schon
keine Kunst, wenn es vielleicht auch Schwierig-
keiten macht. Vor allem haben wir heute aber
ganz andere Bedürfnisse, welche andere For-
men bedingen, zum Teil auch ein anderes
-ö-^y NÜRNBERGER MEISTERKURSE <^ä-^
Material oder eine andere Bearbeitung des
Materials. Kurz, da in der Natur nichts un-
harmonisch ist, zwingt alles das, was gegen
frühere Zeiten anders geworden ist, zur Aende-
ning der Formen im allgemeinen. Damit ist
keineswegs die Poesie einer Zeit verloren ge-
gangen, sondern nur die nachahmende senti-
mentale Romantik ist gewichen. Der Thür-
klopfer war zur Zeit seiner Verwendung nichts
als ein praktischer Gegenstand, dem unter Um-
ständen eine schöne Form verliehen war. Und
hierin wollen auch wir wieder die Poesie
unserer Zeit erblicken, unseren nützlichen
Dingen eine schöne Form wieder zu geben,
und zwar die, die sie verlangen, und die in
Harmonie mit unserem ganzen Leben steht . . .
Wir wollen aus der Geschichte lernen, dass
von altersher die Zeiten ihre eigene Kunst
hatten, dass sich die Zeiten und die Menschen
änderten und die Kraft und die Schönheit der
Zeiten und Menschen sich immer in ihrer
Kunst offenbarten. "
Wie Peter Behrens seine Aufgabe prak-
tisch löste, folgte aus der Art, wie derselbe
diese seine erste Lehrthätigkeit auffasste und
durchführte.
Die Teilnehmer statt nach alten, jetzt nach
neuen Vorbildern schaffen zu lassen, — Vor-
bilder, wie sie etwa Darmstadt und speziell das
Haus Peter Behrens hätte bieten können —
das entsprach nicht der Schaffensweise des
Leiters der Kurse; das hätte dem alten Fehler
nur einen neuen hinzugefügt.
Er ging daher anders zu Werke. Er stellte
jedem Teilnehmer eine aus seinem Berufe
und engeren Schaffensbereich gewählte Auf-
gabe und Hess die Leute eine Skizze be-
ginnen. Dann begann die grosse Aufgabe der
Reduktion, das Streichen alles Historischen,
des rein äusserlichen Schmuckes. Aber Beh-
rens strich auch unerbittlich alle sich als
modern gebenden Formen, die Schnörkel und
Wurmgewinde, die Tulpenblätter und süss-
lichen Mädchenköpfe, die sich überall breit
machen, ohne Unterschied des Gegenstandes
und seines Zweckes. Dagegen betonte er
in erster Linie das Konstruktive, die vom
Material bedingten Verbindungen: „wenn wir
heute anstatt mächtige Holzbalken eiserne
Träger zum Bau verwenden, wollen wir die
Eisenkonsiruktion auch sehen lassen, ja, sie
betonen, und zeigen, wie die Verbindungen
in Eisen andere sind wie in Holz, und wie
diese neue Konstruktion ein Motiv ist für
neue künstlerische Formen." Für das künst-
lerische Wollen einer einzelnen Persönlich-
keit, wie derer, die mit ihr gehen, ist der
Grundsatz gewiss von hoher Bedeutung, dass
ein Stil und wertvolle neue Formen sich
ganz organisch ergeben, sofern man nur
beginnt, die Bedingungen des Materials und
die Ve rb in du ngs formen künstlerisch über-
setzt zum Ausdruck zu bringen. So bedeutete
also die Arbeit, welche die Teilnehmer des
Kurses zu leisten hatten, ein Zurückgeben
auf die reine Form, wie sie aus unseren
heutigen Bedürfnissen und dem Zweck des
Gegenstandes sich ergab, und das Erstehen-
lassen neuer Zier- und Schmuckformen aus
den Bedingungen des Materials und aus
^y^£>- NÜRNBERGER MEISTERKURSE <^-^
einem ruhig ernsten, vornehmen Geschmack
heraus.
Die Reichhaltigiceit des in der kurzen Frist
von einem Monat, im Oktober, Entworfenen
war erstaunlich und zeugte von der Frucht-
barkeit des V. KRAMER'schen Gedankens eben-
sosehr, wie von der Fruchtbarkeit und Viel-
seitigkeit von Professor Behrens, der, ohne
zu kargen, von seinem reichen Vorrat schöpfe-
rischer Ideen verausgabt halte. Die kleine
Ausstellung, welche Anfang November alle
Arbeiten des Kurses vereinigte, um einen
Ueberblick über das Erreichte zu gewähren,
enthielt Entwürfe zu Stickereien, Spitzen und
Buchschmuck, Tapeten in Papier und Stoff,
Entwürfe zu dekorativer Deckenmalerei, zu
Einrichtungsgegenständen wie Tische, Stühle,
Spiegel, Uhr und Rahmen, zu Truhen und
Kästchen, Kronleuchter für elektrische Be-
leuchtung, Kachelöfen etc., ferner Skizzen und
Thonmodelle zu Weinkühler und Bowlen,
Leuchter und Lampen, für Schmucksachen,
Haarkämme, Stock- und SchirmgrifTe, eine
überraschende Mannigfaltigkeit der Gegen-
stände, Techniken und Materialien.
Die Abbildungen, welche hier von einigen der
Im ersten Kurs entstandenen Entwürfe gebracht
werden, sollen die Ziele veranschaulichen,
welchen das Bayerische Gewerbemuseum zu-
strebt, und zugleich den Beweis erbringen,
dass etwas entstanden ist, was sich erhebt über
die Modesucht einer Neuerung
um jeden Preis. "— '
Behrens hat es
seinen Schülern
seinein ruhigen,
Geschmack zu ve
einzuimpfen, und
zu bewahren vor
nannten gjugendsi
Verdienst, wenn m
zuerkennen will, nu
bereitung und Abli
Historischen be-
ruht. Wahrlich
ein pädagogi-
scher Erfolg!
In allen Ar-
beiten des Kur-
ses ßnden wir
nur den Beweis,
dass die edle,
zweckgemässe
Form, das echte
Material keiner
aufgehängten
Mätzchen be-
darf, sondern nürnberger meisterkurse: fliesen-detail zum Kachelofen
durch sich selbst als ein vollendet Schönes
wirkt.
Das Erreichte bewog denn auch Oherbau-
rat v. Krämer, die für den Sommer in Aus-
sicht genommene Fortsetzung der Kurse in
die Hände derselben künstlerischen Lehrkraft
zu legen und abermals Peter Behrens zu
gewinnen.
Bei diesem Erfolge wollte aber das Baye-
rische Gewerbemuseum nicht stehen bleiben.
Schon von Anfang an hatte es nicht im Sinne
der Kurse und ihres Leiters gelegen, sich auf
Anfertigui^ von Zeichnungen und Modellen
zu beschränken. Die Entwürfe sollten auch
ausgeführt «erden, um aus der grauen Theorie
zur leuchtenden Praxis zu gelangen. Die auf
den Kurs folgende Zeit war daher der Aus-
führung und Herstellung der entworfenen
Gegenstände gewidmet, und das Bayerische
Gewerbemuseum that nun, eingedenk seiner
statutengemässen Aufgabe, noch den weiteren
Schritt und bot seine Hand dazu, die Aus-
bildung, welche den Teilnehmern der Kurse
gewährt worden, auch nach der kommerziellen
Seite zu fördern.
Je weiter der erste Kurs vorschritt, und je
mehr die Entwürfe Gestalt annahmen, um
so mehr reifte auch der Plan, eine „Zentral-
schau- und -Verkaufsstelle" zu schaffen und
unter die spezielle Protektion des Bayerischen
Gewerbemuseums zu stellen, damit sie, ab-
getrennt von dem Geschäfts-
"-----■- -■-- kunstgewerblichen
rein in den Dienst
Kunst trete und
den Handwerks-
e Möglichkeit eines
Zusammenschlusses
ember wurde der zu
ecke an einer der
chsten Geschäfts-
rnbergs,derKaiser-
strasse , aus er-
sehene Laden
mit einer klei-
nen, aber aus-
erlesenen An-
zahl von mittler-
weile fertig ge-
wordenen Ar-
beiten eröfRiet.
Die Ausstattung
des Ladens war
nach Entwürfen
von Professor
Peter Behrens
ausgeführt wor-
231
^r.^> NÜRNBERGER MEISTERKURSE <^-c-
den, von dessen Hand auch das
Piakit des Unternehmens stammte.
Die Protektion des Bayerischen
Gewerbemuseums äussert sich da*
bei in der Weise, dass dasselbe
Qber den künstlerischen Wert
der zum Verkauf auszustellenden
Gegenstände (unter Mitwirkung
kunstverständiger Beiräte) ent-
scheidet und von vornherein —
abgesehen von den unkünstleri-
sehen Arbeiten — alle unzeitge-
mässen Stücke, welche das künst- '
lerische Gepräge einer der ver-
gangenen Stilweisen zeigen, aus-
scheidet. Alle zur Ausstellung und
zum Verkauf gelangenden Gegen-
stände müssen diese Kontrolle
passieren und werden nicht zu-
gelassen, sofern sie nicht künst-
lerisch und technisch den An-
sprüchen des Museums genügen.
Als äusseres Kennzeichen dieser
Kontrolle dient eine Stempelung.
So war also das Endergebnis fjORNBERGER meisterkurse; Entwurf zu EtNER Deckenmalerei
der meisterkurse eine geschäft-
liche Institution, die Errichtung
der „Zentralschau- und -Verkaufsstelle der die Meisterkurse nur eine vorbereitende.
Nürnberger Handwerkskunst", für welche erzieherische Bedeutung haben sollten. Das
Bayerische Gewerbemuseum ist zu be-
glückwünschen, dass es in Professor Peter
Behrens eine für die gestellte Aufgabe
höchst geeignete Lehrkraft von macht-
voller Bedeutung gefunden hat.
Das unbestreitbare Verdienst aber, das
tüchtige, durch alte Traditionen gestärkte
Können des Nürnberger Handwerks in den
Dienst der jungen Kunst gestellt und ihm
dadurch neue Impulse und neues Leben
gegeben zu haben, das gebührt dem Leiter
des Museums, Oberbaurat von Kramer.
Die von ihm geschaffene Organisation
kennzeichnet sich als eine Tbat von in-
tuitiver Erkenntnis dessen, was Not thut,
und als eine solche von nationalökonomi-
scher Bedeutung.
B AIpbol» Bruckmina, MD neben.
HANS CR1SEBACH U.GEORC DINKLACEaBAHNHOF^SCHLESlSCHESTHOR. DER ELEKTRISCHEN HOCHBAHN IN BERLIN
KÜNSTLERISCHES
VON DER BERLINER ELEKTRISCHEN HOCHBAHN
Von Leo Nacht
Die Stilentwicklung des Eisens hat einen
hochbedeutsamen Fortschritt ander
eiekirischen Hochbahn genommen ; das ist
das künstlerische Endresultat.
Die einzelnen Abschnitte der Bauthatigkeit
geben uns ein klares Bild von dem ruckweisen
Vorwärtsschreiten, von dem innigen sich
Hineinleben der Mitarbeiter in die Aufgabe,
die in einer vollkommen organischen Ver-
schmelzung der Architektur- und Ingenieur-
lösungen, wie sie sich in den Viadukten der
Bülowstrasse offenbaren, ausklingt.
In das dunkle Werden eines historischen
Stiles leuchtet gar selten der Strahl der Er-
kenntnis in alle verborgenen Tiefen, und
wenn auch geniale Forscher bis zur plasti*
sehen Anschauung vor unseren Augen Stile
sich entwickeln lassen, so können sie doch
nicht allen Momenten gerecht werden, die im
Verborgenen an der Stilbildung mitwirkten.
Die Vergangenheit ist eine strenge Siegel-
bewahrerin.
In diesem Bauwerke aber, das vor unseren
Augen entstanden ist, und dessen einzelne
Phasen wir miterlebt haben, lassen sich auch
die Faktoren herauslösen, die als kulturelle
und ästhetische Momente den Gang der Ent-
wicklung durch starre Notwendigkeiten ge-
setzmässig beeinflussten. Es waren die Kom-
ponenten, die in ihrem Zusammenwirken die
Lösungen ergaben, und die einen beredten
Ausdruck für den innigen Zusammenhang
zwischen Kultur und Stilentwicklung geben.
Die elektrische Hochbahn verbindet den
Osten Berlins mit dem Westen unter Be-
nutzung langer Strassenzüge. Bei ihrer An-
^f-^> KÜNSTLERISCHES VON DER BERLINER HOCHBAHN
r. CREMER tl. B. WOLFFENSTEIN ■ BAHNHOF -NOLLENDORFPLATZ- DEK ELEKTRISCHEN HOCHBAHN IN BERLIN
läge bandelte es sich um einen Verkehrsweg
oberhalb des Strasseoni veaus. Für die Lösungen
sind: Raumersparnis in der Herstellung des
Unterbaues, Zeitersparnis durch die Schnellig-
keit der Herstellung und äussersle Schonung
des Anlagekapitals selbstverständliche Be-
dingungen. Diese schliessen ohne weiteres
eitlen gemauerten Unterbau aus. Die Not-
wendigkeit gebiert den Eisenviadukt. Damit
wird die Aufgabe auch dem Material
nach eine vollkommen moderne, denn
das Eisen in seiner wunderbaren kon-
struktiven Verwetidbarkeit kennt ja die
historische Zeit nicht, sie konnte des-
halb auch keine formalen Lösungen für
dasselbe finden.
Das ist selbstverständlich, aber über-
aus wichtig. Handell es sich nämlich
um eine künstlerische Lösung einer Bau-
aufgabe in Eisen, so muss dieselbe aus
dem Material und seinen Konstruktions-
elementen, also aus sich selbst ge-
wonnen werden.
Notwendig war der Eisenviadukt, ge-
nügt hätte die statisch sichere Lösung,
und so war sie auch ursprünglich be-
absichtigt. Kaum standen aber die
ersten Viadukte, da erhob sich ein
allgemeiner Unwille in der Berliner
Bevölkerung, die ohnehin dem ganzen Bahn-
bau unfreundlich gegenüberstand. Die Uo-
freuodlichkeit hatte aber niemals zu diesem
elementaren Gefühlsausdruck gereicht, wenn
nicht das ästhetische Empfinden der Alige-
meinheit verletzt worden wäre. Und das ist
das Wunderbare, denn es legt Zeugnis ab
von einer versteckten ästhetischen Scheu gegen
das Eisen als künstlerisch ausdrucksfähiges
P.WITTICH« AUFGANGSGEBÄUDE U. BAHNHOF. PRINZENSTRASSE. DER BERLINER HOCHBAHN
H.SOLFU.F.WICHARDS«BAHNHOF.HALLESCHESTHOR. DER ELEKTR. HOCHBAHN IN BERLIN
236
BRUNO MÖHRING« AUFGANG ZUM BAHNHOF .ßÜLOW-
STRASSE. DER ELEKTRISCHEN HOCHBAHN [N BERLIN
^^S> KÜNSTLERISCHES VON DER BERLINER HOCHBAHN <^^
Baumaterial, eine Scheu, die auch noch
Fachleute beherrscht, und die wohl darin
ihren Ursprung hat, dass man gewöhnt ist,
das Eisen als Konstruklionsmaterial ästhetisch
minderwertig, wie als Träger, Eisenbahn-
schienen u. s.. f. verwendet zu sehen. Kurz,
es zeigte sich hier eine äusserst temperament-
volle Anteilnahme der Bevölkerung an diesem
ölTentlichen Bauwerk.
Die Gesellschaft für elektrische Hoch-
und Untergrundbahnen wurde dadurch ge-
zwungen, einen beträchtlichen Etat zur künst-
lerischen Durchbildung der Viadukte und
Bahnhöfe anzusetzen, und der Bau vollzog
sich nun wie unter einer steten Kontrolle
der OefTentlichkeit. Durch dieses ästhetische
Moment rückte die Aufgabe aus der rein
technischen in die baukünstlerische Sphäre;
es war für die Ingenieure und Architekten
Ehrensache geworden, die formale Gestaltungs-
fähigkeit des Eisens in der Konstruktion zu
zeigen, und wie wir vorausnehmen wollen,
ist dies auch an dem Viadukt in der Bülow-
strasse (Abb. 234) gelungen.
Wir sehen an der Einfachheit der Linien-
führung die Fortschritte im konstruktiven
Gestalten, in der Ausbildung der Knoten-
bleche den feinen Sinn für die Form, in der
Betonung der Stützen die eindringliche, wenn
auch knappe ornamentale Sprache. Zu solch
organischer Verquickung führte das verständ-
nisvolle Zusammenarbeiten des Ingenieurs
mit dem Architekten.
In dem Augenblicke aber, in welchem das
statische Gefühl für Eisenkonstruktionen dem
Architekten in Fleisch und Blut übergegangen
ist, wie er es im Stein- und Holzbau schon
besitzt, in dem Augenblicke wird seine bild-
nerische Gestaltungskraft sich frei bewegen
können, in dem Augenblicke ist die ästhetische
Lösung des Eisenbaus vollendet.
Auf die ästhetischen und kulturellen
Momente, die von aussen her auf die Losung
dieser modernen Aufgabe einwirkten, haben
wir hingewiesen. Wir gehen weiter. Unter
welchen Bedingungen konnte die beste or-
ganische Lösung von den Architekten erwartet
werden? Waren dieselben alle für die Lösung
solcher moderner Aufgaben vorbereitet, konnte
man daher nur mehr oder weniger empfundene
Entwürfe erwarten, oder mussten die einen
ihrer Schaffensart wegen versagen oder die
anderen Erfolg haben?
Stützen und Pfeiler haben in allen Stil-
PAUL WITTICH • GEBÄUDEGRUPPE AM TEMPELHOFER UFER MIT DER EINFAHRT
UND DEM KRAFTWERK DER ELEKTRISCHEN HOCHBAHN IN BERLIN « • • «
■ss-^> KÜNSTLERISCHES VON DER BERLINER HOCHBAHN <^^
arten eine charakteristische Ausbildung er-
fahren und bilden vermöge ihrer Vermitt-
lung zwischen Boden und Last das Ur-
motlv in aller Baukunst. Die Ausbildung
der Stütze bedeutet die Geburtsstunde der
Architektur. Von ihr verbreitet sich natur-
gemäss jede weitere Tormale Entwicklung.
Daher wird auch die Ausbildung der Eisen*
stütze ein wichtiges Element für die zu-
künftige künstlerische Entwicklung des
Eisenbaus sein und in unserem Falle der
Prüfstein für ein gesundes, Folgerichtiges
Schaffen der einzelnen Architekten.
Nun vermittelte, und hierin liegt ein
weiterer wesentlicher Punkt, die Stütze
immer durch die ästhetische Form den
inneren Kampf zwischen Widerstand und
Schwere dem Beschauer und gab ihm eben
durch die Form die Beruhigung der Trag-
sicherheit. Diese künstlerische Form hat
sich aber allemal aus dem konstruktiven
Kern der Stütze entwickelt und konnte sich
auch nur aus ihr entwickeln, weil man ja
zunächst des Widerstandes der Kon-
struktion und nicht der Form bedurfte.
Das Eisen kämpft aber vermöge seiner
Struktur den inneren Kampf des Wider-
standes gegen die lastende Schwere in
fundamental verschiedener Weise als Stein
und Holz. Der Architekt also, der es ge-
wöhnt ist, in seinem Schaffen in den Geist
und in das Material seiner Aufgaben ein-
zudringen, und der in jedem Stil nur einen
verschiedenen formalen Ausdruck
des ewig baukünstlerisch Schönen sieht
und sich deshalb nicht vom historischen
Formenkleide verführen lässt, alle Auf-
gaben von dem Standpunkt des formal In-
teressanten zu lösen, ja sie eigens darnach
zu modißzieren, dieser Architekt wird an
der nackten Konstruktion der Eisenstütze eine Der Architekt also, der in den historischen
formale sinngemässe Durchbildung versuchen Stilformen untergeht, der bisher niemals zu
und zum mindesten zu einer ungezwungenen einer Stichprobe der Richtigkeit seines
Lösung gelangen, wobei das Mass seiner Schaffens gelangt ist, weil alle Aufgaben, die
künstlerischen Qualitäten auch das Mass für an ihn herantraten, sich in historischem
die Feinheit der künstlerischen Durchbildung Sinne formal lösen Hessen {wie Kirchen,
geben wird. Rathäuser, Landhäuser und noch mehr die
Hierin liegt der Weg zur ästhetischen Wahr- einzelnen Bauteile), wird hier, vor etwas
heit, den auch die Alten bei ihren Lösungen Neues geführt, sich der Unzulänglichkeit
inne hielten, und der sie zu solcher Höhe seiner Mittel mit einem Schlage bewusst
führte. Es heisst in ihrem Sinne mehr werden, denn seine ganze Art zu schaffen,
pietätvoll sein, selbstschöpFerisch an solche widerspricht diesem organischen Neuen, und
modernen Aufgaben heranzutreten und aus die fundamentale Bedeutung der Stützen-
dem gefühlsmässigen Erfassen der Kon- lösungen an der Hochbahn beruht in dieser
struktion die Form zu schaffen, als formale Stichprobe, die dann auch durch die Lösung
Gedanken, die die Alten an Stein- oder Holz- der Bahnhöfe erweitert wird,
konstruktionen entwickelt haben, ein wenig Die einzelnen Abbildungen (Seite 240 — 244)
variiert auf diese Eisenstützen zu übertragen, erläutern das Gesagte. Das organische Schaffen
240
-ü-.^> KÜNSTLERISCHES VON DER BERLINER HOCHBAHN <^^^
des Einen — Möhring — und das formale
der Anderen — Solp & Wichards — kommen
in ihnen sehr deutlich zum Ausdruck. Es
Oiesst doch ewig und unwandelbar der heilige
Quell der Wahrheit durch die Generationen
der IHenschheit, und wenn auch hin und
wieder die Fluten getrübt erscheinen, die
unreinen Bestandteile sinken zu Boden, und
golden und klar spiegeln die Wasser das
hehre Bild der Kunst wieder.
Sehen wir so durch die neuen Lösungen
einen hoffnungsreichen Ausblick in die Zu-
kunft, so zeigen auch die Ausbildungen ganzer
Raumkomplexe, wie die der Bahnhöfe, ähn-
liche Forderungen, ähnlichen Zwiespalt, ähn-
liche Lösungen. Ehe wir jedoch kurz auf
diese eingehen, möchten wir die Steinpfeiler-
lösungen in der Bülowsirasse (Abb. S. 238)
etwas näher betrachten.
Stein und Eisen treffen hier zusammen,
und zwar soll nicht nur der Stein als Wider-
lager dienen, sondern er soll zugleich höher
hinaufgeführt, als Vertikale die langen Horizon-
talen des Geländers interessant unterbrechen.
Die Schwierigkeit der Lösung lag also darin,
organisch die ungebundene Freiheit des hoch-
strebenden Teiles mit der gebundenen des
belasteten zu vereinen; eine Aufgabe, die
sich würdig an die der Eisenstütze anreiht.
Nur an solchen Aufgaben kann sich des
Architekten neubildnerische Kraft entwickeln.
Der Pfeiler Mökring stellt eine Lösung
von solch überwältigender Kraft in der Wahr-
heit des formalen Ausdruckes dar, dass ihrer
Wirkung sich auch die Architekten der übrigen
Pfeiler — Grenander, Cremer & Wolpfen-
STEIN — nicht entziehen konnten.
Wie auf der Widerlagerseite der Pfeiler
durch die Träger zusammengedrückt erscheint,
um dann an der unbelasteten mächtig heraus-
zuschiessen, wirkt in dem Gegensatz so es unverstanden, die frei sich entwickelnd'e
wunderbar überraschend und befriedigt doch Volute über dem Lager sich aufrollen zu
so ungemein durch die organische Verbin- lassen, wie es Grenander that, der im übrigen
düng, dass wir die Lösung als klassisch be- recht interessante dekorative Lösungen für die
zeichnen können. Die Idee, dass sich am östlichen Eisenportale erfand (S. 242 u. 244).
frei gewordenen Steine in solcher Höhe die Dem Architekten lagen natürlich solche Erwäg-
Kreisvolute aufrollt, giebt in ganz köstlicher ungen fern, er fühlte nur, dass, je mehr Druck
Weise dieses „dem unangenehmen Druck im Widerlager, umso mehr Freiheit in der freien
entsprungene" wieder. Die Volute konnte Endigung sich offenbaren müsse, und dieses
auch erst in dieser Höhe in die Erscheinung gefühlsmässige Erfassen des in dem Steine
treten, der Stein konnte sich gewissermassen verborgen sich abspielenden Prozesses zeigt
erst an dieser Stelle seiner Freiheit er- uns deutlich, dass alle Aufgaben in der Bau-
freuen, weil gerade durch die Höhe dem kunst gefühlsmässig gelöst werden müssen.
Auge ein Mass gegeben ist, wie hoch der Nur dieses Gefühlsmoment, die plastische
Stein, nachdem er sich seiner Belastung oder die räumliche Stimmung rückt die Bau-
entzogen hat, emporschnellt. Die Höhe der kunst in die Reihe der anderen Künste und
Volute am Widerlager stellte dem Auge ein bringisiedemGefühlder Allgemeinheit näher,
ästhetisches Gleichgewicht her. Deshalb ist Die einzelnen Bahnhöfe zeigen die Charakte-
Drtonrlr. KU«. V. ,. Ap,H .«,=. 24 1 31
-^r-^D- KÜNSTLERISCHES VON DER BERLINER HOCHBAHN <ö^^
ristik ihrer Schöpfer. Der Bahnhof am Schlesi- und am Noilendorfplatz sind organisch gelöst,
sehen Thor ist im Grisebach-Stil, am Halle- Die Lösung des Treppenausbaues am Bahn-
schen Thor in deutscher Renaissance von hof Hallesches Thor ist ein weiterer Fall
SOLP & WiCHARDS, die in der Bülowstrasse für die schädliche Konsequenz des formal
historischen Schaffens an modernen Auf-
gaben. Die historische Form, sobald sie
sich an einer konstruktiven Lösung ent-
wickelt hat, trägt in sich den statischen
Geist der Aufgabe; dieser Geist wird
verletzt, wenn die formale Lösung auf
Aufgaben übertragen wird, deren konstruk-
tiver Inhalt ganz anderer Art ist.
Der Renaissance-Stein-Unterbau ist nur
berechtigt für einen darauf ruhenden Stein-
aufbau; die Wuchtigkeit der Lösung ver-
langt nur einen solchen; statt dessen er-
wartet den aufwärts gleitenden Blick jener
dünne, leichte Eisenaufbau. Das ist Dis-
harmonie.
Man hat eben ob der Herrlichkeit der
alten Stilformen ihren Inhalt vergessen ;
das ist kein Fehler eines Einzelnen, son-
dern das notwendige Uebel einer ganzen
Epoche, die sich als Erbin einer vorher-
gehenden voll grausiger Nüchternheit, in
den wunderbaren Schatz alter Formen so
verstrickt hat, dass sie alle ihre Aufgaben
zunächst in ihrer formalen Verwendbarkeit
betrachtete, und es ist nicht zu verwundem,
dass diese Art des Schaffens von aussen
nach innen deii Schöpfergeist einer ganzen
Epoche brach legte.
Der Zusammenstoss zwischen dem Alten
und Neuen ist ein sehr heftiger ge*
worden; er mussie einmal kommen. Dass
es an dieser Anlage geschehen ist, an
dieser modernen Verkehrsanlage, giebt der
Hochbahn diese fundamentale Bedeutung _ _
W.CREMEHU.R.WOLFFENSTEIN f"'" ^'^ BaukunSt der Gegenwart. A.GliENANDER-PORTALVER.
PFEILER AM NOLLENDORFPLATz Ausführungen, wie die obigen sind nur zierunc am sedanufer «
242
-^.^^ KÜNSTLERISCHES VON DER BERLINER HOCHBAHN -(^^^
der Sache willen da; sie sollten das, was zwischen Kultur und Stilentwicklung, so-
plastisch vor uns steht, gedanklich auf* weit es der uns zugewiesene Raum zuliess.
lösen, sie sollen die Fehler und Fortschritte Die intensive Arbeit ist auch an den
zeigen und den innigen Zusammenhang weniger gelungenen Lösungen zu erkennen.
Wir haben bei jedem Schritt das Gefühl
des hohen Ernstes, mit welchem alle
Mitarbeiter an die technische und künst-
lerische Lösung herangetreten sind. Und
es ist nicht zum wenigsten der Har-
monie zwischen Architekten und In-
genieuren zuzumessen, dass die Auf-
gabe so arbeitsfreudig unternommen
ist und zu verhältnismässig recht vielen
glücklichen Lösungen geführt hat.
Die Harmonie wurde ganz wesentlich
durch die leitenden Persönlichkeiten in
der bauausführenden Firma Siemens
& Halske, durch die Herren Direktor
Schwieger, dem schöpferischen Inter-
preten der SiEMENs'schen Ideen, und
Regierungs-Baumeister Bousset, dem
künstlerisch empRndenden Vorsteher des
Konstruktionsbureaus,einerseitsunddem
Herrn Regierungs- Baumeister Wittio,
dem Direktor der Gesellschaft für elek-
trische Hoch- und Untergrundbahnen,
andrerseits hergestellt. Letzterer hat
selbst verschiedene Architekturaufgaben
sehr feinfühlend und praktisch gelj>st,
wie das Kraftwerk, die Haltestelle in der
Prinzenstrasse u. a. m., und in äusserst
vornehmer Weise den Konflikt zwischen
künstlerischem Erfordernis und kauf-
männischer Rentabilität, zwischen Ide-
alität der Anschauung und Realität der
Verhältnisse zu lösen verstanden.
^r-^> KÜNSTLERISCHES VON DER BERLINER HOCHBAHN <^-e-
EISERNE PORTALVERZIERUNCEN « ENTWORFEN VON A. CRENANDER (1) UND NECKER (3)
MOGENS BALLIN'S WERKSTATT
Von Johannes Jörgenseh, Kopenhagen
Seit Jahren regt sich in Dänemark ein starkes
kunstgewerbliches Leben allermodernster
Art, dessen erste Anzeichen sich schon
im Jahre 1888 gelegentlich der nordischen
Ausstellung in Kopenhagen zeigten. Die
Besucher dieser Ausstellung werden sich
noch eines kleinen eigenartigen Zimmers er-
innern, über dessen Thür man die Inschrift
las: „Verein für dekorative Kunst."
Die Mitglieder dieses Vereins waren junge,
aber schon bewährte Künstler — die Brüder
Joachim und Niels Skovgaard, der Archi-
tekt BiNDESBÖLL und noch einige andere.
In Leder, Thon, Gips u. s. w. hatten sie
hier den Versuch gemacht, dem dänischen
Kunstgewerbe neue Bahnen zu weisen. Sie
hatten Bücher gebunden , Vasen geformt,
Kartons für Teppiche gezeichnet — alles in
neuer, künstlerischer Weise. Besonders lenk-
ten die eigenartigen Ornamente BindesbOll's
die Aufmerksamkeit auf sich ; er war es auch,
der eine Reihe von Jahren hindurch auf die
Entwicklung der dekorativen Kunst in Däne-
mark einen nachhaltigen Einfluss ausübte.
Seine wie Raupen kriechenden, pilzartig sich
ausbreitenden Ornamente findet man von
vielen jüngeren dänischen Künstlern nach-
geahmt.
Auf zwei Gebieten haben seit 1888 die
dänischen Kunsthandwerker besonders gear-
beitet — in der Keramik — dies Wort im
weitesten Sinne gefasst — und im Buch-
-5-^> MOGENS BALLIN'S WERKSTATT <^-c-
gewerbe. Unsere Bücher, unser Porzellan
und unser Thongeschirr haben die Aufmerk*
samkeit Europas hauptsächlich erregt.
Zu den hervorragenden Leistungen in
beiden Zweigen des Kunstgewerbes befühigte
uns eine gewisse Ruhe in unserer künstle-
rischen Veranlagung, die sich allen Extremen
fernhält. Die Künstler der königlichen Por-
zetlanmanuraktur zu Kopenhagen — ein
Arnold Krog und seine Schüler — machen
keine kühnen Versuche, sie schöpfen nie so
tief aus dem Born der Originalität, dass sie
ihr Publikum entfremden oder abstossen
könnten. Sie sind feingebildete, weiche,
träumerische Dänen, Mit feinem Naturge-
fühl leben sie sich in die Schönheiten und
alle die kleinen Wechselfälle unserer schlich-
ten Natur ein. Sie wissen, wie es im Walde
aussieht, wenn es Winter ist, ein grosser
einsamer Uhu auFseinem Ast sitzt, die weissen
Schneeflocken langsam vor ihm niederfallen,
und rings umher alles weiss und einsam
und schweigend ist. Sie wissen, wie reiz-
voll die grossen goldenen Kastanienblätter
-5-^> MOGENS BALLIN'S WERKSTATT <^^
im Herbste den schwarzen Boden der Alleen nannt, dessen Einfluss auf das dänische Kunst-
schmücken, und wie leuchtend sich ein gewerbe neben dem Bindesböll's vielleicht
Schwan an dunklen Sommerabenden von dem am grössten gewesen ist, Willumsen. Dieser
Spiegel eines Weihers abhebt. Sie kennen unruhige Geist hat in wenigen Jahfen unsere
Malerei durch seine symbolistischen
Werke revolutioniert, eine alte konser-
vative Porzellanfabrik (Bing & Gröndahl)
zur VorkämpFerin der neuesten Siil-
experimente gemacht, hat unsern Bild-
hauern durch seine archaisierenden
Statuen und Büsten neue Anregungen
gegeben und dem Bucheinbande, der
keramischen Kleinkunst und den Metall-
arbeiten den Stempel seiner Persönlich-
keit aufgeprägt.
Wohl sind auFeinzelnen Gebieten auch
andere Künstler gleichzeitig mit ihm und
mit ebenso grossem Erfolg thätig gewesen,
so hat z. B. Harald Slott Möller
wunderschöne Arbeiten in Gold und
Emaille angefertigt — Willumsen's Ein-
fluss ist aber universell und zeigt sich
MOGENS BALLIN ■ TAUFBECKEN UND KANNE
die Poesie des Meeres und zeigen uns, wie
sich Fische durch die Ranken der Seepflanzen
winden, wie Möven mit hellem Gefieder über
die uliramarinblauen Wogen des .Beltes" oder
, Sundes" streichen.
Und das dänische Buch, das dänische
Buchgewerbe zeichnet sich durch dieselben
Vorzüge, ein feines, sicheres Ebenmass
und eine edle Reinheit, aus. Ausser Bindes-
BÖll sind viele andere Künstler auf diesem
Gebiete thätig gewesen. Tüchtige Buchhand-
werker stehen ihnen zur Seite — Buchbinder
wie Buchdrucker. Ich nenne nur die Namen
Flyge, Anker Kyster, Egmont Petersen,
LangkjXh.
Noch habe ich aber den Mann nicht ge-
SIECFRIED WAGNER «m SILBER GETRIEBENE schale
^-^ MOGENS BALLIN'S WERKSTATT <^^
bei der ganzen Generation der jüngeren Bild-
hauer und Kunsthandwerker.
Und unter seinem Einßuss hat auch der
Künstler gestanden, dessen Namen über
diesen Zeilen steht.
Jetzt ein Mann in den Dreissigern, hatte
sich MooENS Ballin ursprünglich der
Malerei zugewandt. Als blutjunger, wer-
dender Künstler hatte er Paris besucht und
hatte sich — wie sich das von selbst ver-
steht — dem extravagantesten Symbolismus
und Synthelismus in die Arme geworfen.
Jahre hindurch schwor er nur auf Gauguin
und VAN Gogh.
Dann hat ihm ein langer 'Aufenthalt in
Italien, besonders in Toskana und Umbrien,
die Augen geöffnet für die edle Einfachheit
und schlichte Frömmigkeit der alten Meister
des Trecento. Duccio, Simone Martini,
GiOTTO haben ihn von den Extremen in der
SIEGFRIED WAGNER «PFEFFER- UND SALZBDCHSE
modernen Schule bekehrt; eine Zeit hindurch
ist es sein einziger Wunsch gewesen, Hei-
ligenbilder malen zu können. Eine Aus-
stellung seiner Werke in Kopenhagen (1898)
brachte viele Arbeiten dieser Art. Aber
auch diese Beeinflussungen waren nur vor-
übergehender Natur, und als Endergebnis
dieser Periode blieb ihm eine gewisse Vor-
liebe für das Einfache und Schlichte.
Nach solchen Vorstudien trat er dem Genius
Willumsen's nahe, zu dessen archaisch-
ernster, oft aber auch tändelnd-lebensFroher
Kunst er sich hingezogen fühlte. Die Kunst
Willumsen's ist in ihrer Freude wie in ihrer
Trauer rein heidnisch. Den antiken Stelen
hat sie ihre Würde entlehnt, den antiken
Sarkophagen ihre Heiterkeit. „Es lebe das
Leben!" könnte auch Willumsen's Wahl-
spruch sein. Lebensfreude und Todestrauer
mischen sich bei ihm zu mystisch-bacchischem
Daseinsrausch.
Unter den Schülern Willumsen's befand
sich zu jener Zeit auch ein junger Bild-
hauer, der sich — wie Ballin von der
Malerei — von Statuen und Monumental-
werken zur Kleinkunst hingezogen fühlte.
Es war Siegfried Wagner, jetzt der Mit-
arbeiter Ballin's, denn im Frühjahr 1900
haben die zwei zusammen in Tuborg bei
Kopenhagen eine Werkstatt für Kunstgewerbe
begründet.
Es war ihnen aufgefallen, wie wenig die
neue Renaissance im Kunsthandwerke auf
einen einzelnen Zweig desselben, das Metall-
g e w e r b e , eingewirkt hatte. Bedeutende
Künstler wie Bindesböll, Slott- Möller
und WiLLUMSEN halten für Gold- und Silber-
schmiede gearbeitet — aber den mehr demo-
kratischen Metallen, Bronze, Messing, Zinn,
fehlte noch jede künstlerische Pflege. Hier
Öffnete sich ihnen ein weites Feld, und mit
kühnem Wagemut begannen die zwei jungen
Künstler ihre kulturelle Thätigkeit.
-ii-^D- MOGENS BALLIN'S WERKSTATT <^-c^
Es ist bekannt, wie viel künstlerisch wert-
lose und hässliche Sachen die SchauTenster
der GfllanteriewarenlSden Europas zu einem
Greuel für das Schönheit liebende Auge
machen. Diese Scheusslichkeiten aus Cuivre
poli und Nickel, diese Briefbeschwerer von
gläsernem Achat — wer hat sie nicht schaudernd
betrachtet? Und die Lampen, welche von
leicht gekleideten Nymphen aus grün pati-
niertem Gips getragen werden — die \Pand-
teller aus dünnem Kupferblech, die pikanten
dekolletierten Frauenbüsten, die mit malerisch
^-^> MOGENS BALLIN'S WERKSTATT <^-b-
MOCENS BALLIN • CORTELSPANGEN AUS SILBER (1. 3) UND OXYDIERTEM MESSING (
KÄMME AUS SCHILDPATT MIT AUFGELEGTEN SILBERORNAMENTEN
ENTWORFEN VON MOGENS BALLIN (1) UND SIEGFRIED WAGNER (2)
-:p^ö> MOGENS BALLIN'S WERKSTATT <^^'
zerzaustem Haare aus botanisch unmöglichen einen Kreuzzug eröffnet. Aus gutem, solidem
Blättern hervorschauen, — dieser ganze Salon- Metalle, meistens Zinn, will er in edlen,
Greuel, diese verlogene Eleganz für „stilvolle" einfachen Formen Geschirr und Geräte für
Zimmereinrichtungen ungebildeter Parvenüs! den Gebrauch des täglichen Lebens schaüfen.
Die Hohlheit unserer Zeit tritt vielleicht Er will dem Volke sein gestohlenes Erbteil
nirgends so greifbar hervor wie hier in dieser an der Schönheit wiedergeben,
nur auf Schein und Trug und Augenlust be- Noch sind nicht zwei Jahre vergangen seit
rechneten nKunstindustrie". der Eröffinung ihrer Verkstatt, und schon sind
Gegen diese Erniedrigung eines edlen und aus ihr zahlreiche Verke Ballin's und
für die Volkserziehung wichtigen Gewerbes Waonbr's hervorgegangen. Die diesem Auf-
hat Ballin mit seinem treuen Waffenbruder satz beigefügten Abbildungen bieten ein über-
sichtliches Bild der Thäligkeit dieser
zwei jungen Dänen. Neben Kirchen-
geräten, wie das Taufbecken (siehe
Seite 246), finden sich die verschieden-
artigsten Gebrauchsgegenstände für das
tägliche Leben, so Schüsseln, Leuchter,
Lampen, Vasen, Tintenfässer, Zigarren-
becher, Bilderrahmen, Spiegel, darunter
auch reine Schmucksachen wie Gürtel-
spangen, mit Silber verzierte Kämme,
silberne Kn&pfe u. s. w. Aber bei allen
ihren Arbeiten , sei es nun Frauen-
schmuck, seien es Pfefferbüchsen oder
jüdische Jahrzeitlampen, leitet sie der
Gedanke: A thing of beauty is a
joy for ever.
SIEGFRIED WAGNER « ZINNVASE UND BRONZELEUCHTER
250
^.-Sö> ILLUSTRATIVE DARSTELLUNG DER VORZEIT <aä-<^
HISTORISCHE STILARTEN UND ILLUSTRATIVE DARSTELLUNG
DER VORZEIT
Ein Vortrag von Gerhard Munthe, Norwegen
Utbersetzt von Auousta Buschbbll
Wl
enn wir einen Kreis
betrachten, so be-
kommen wir nicht allein
einen Verstandes- sondern
auch einen Sinnesein-
druck, der verschieden ist
von demjenigen, den ein
Viereck hinterlässt. Eine
Farbe macht einen anderen
Eindruck auF uns als eine
andere. Das Breite spricht
uns anders an als das
Schlanke u. s. w. Auf
diesen Thatsachen lässt
sich eine ästhetische Dar-
stellungsweise aufbauen, und auf Grund dieser
Ausdrucksmittel entstand die Kunst.
Die ersten Wissenschaften waren Mathematik
und Philosophie. Die Kunst kam wahrschein-
lich frühzeitig im Gefolge dieser beiden zur
Welt. DerVerstand und das Gefühl derMenschen
wandten sich zunächst zum Abstrakten, und
es vergingen Jahrlausende, die ganz von dieser
Aulfassung der Dinge erfüllt waren, bevor die
GERHARD MUNTHE«
DER 'STROHTODs
D. I. DER TOD AUF
DEM KRANKENBETTE
Naturwissenschaften und der Wirklichkeits>
sinn zur Macht gelangten. Dies ist nicht etwa
eine blosse Hypothese. Erdfunde und Aus-
grabungen erzählen davon und zeugen von
Kulturen, die auf abstrakter Kunstanschauung
beruhten. Von den Graburnen mit ihrer ein-
fachen Ornamentik aus Punkten und Strichen
und von den Tempelmauern mit ihren grossen
Tieren und Kriegern haben wir die Grund-
formen und Gesetze, die heute noch gelten.
Dort findet sich rhythmische Kraft und eine
Macht in den Verhältnissen, eine Deutlichkeit
und Einfachheit, die wir um so mehr schätzen,
als wir sie in unserer Darsiellungsweise nicht
erreichen können und sie für das allgemeine
Gefühl verloren sind.
Die landläufige Anforderung an die bil-
dende Kunst kommt heutzutage auf die objek-
tive, photographische Aehnlichkeit hinaus. Und
doch liegt darin kein Kunstwert, sondern im
Gegenteil ein fremdes Element. Diese For-
derung ist nur ein Ergebnis von Anschau-
ungen, die gegenwärtig die Oberhand haben.
Selbst hinsichtlich des Ornaments habe ich
-^r^E> ILLUSTRATIVE DARSTELLUNG DER VORZEIT <^1^
GERHARD MUNTHE • KOPFLEISTE ZUR SAGA DES KÖNIGS INGE <1137-liei)
mehr als einmal den Grundsatz gehört, es
solle mit irgend etwas Aehnlichkeit haben,
irgend etwas bedeuten. Die Kunst kennt keine
andere Aehnlichkeit als die persönliche Auf-
fassung. Nicht einmal das Streben nach Na-
türlichkeit in jenem Sinne hat etwas mit dem
Wesen der Kunst zu thun.
Die konkrete Anschauung, der Naturalis-
mus, ist neugewonnenes Land; die Urkunst
baute sich auf der Abstraktion auf, und diese
ist das Merkmal der Kunst. Als die Aegypter,
Assyrer und andere Völker anfingen, die Natür-
lichkeit als eine Kunstforderung hinzustellen,
lag schon unendlich viel Kunst hinter ihnen.
Und niemals erschauten sie Natur, bevor sie
Würde, Pathos, Mystik und das Konstruktive
gefunden hatten. Wir sind allzu leicht geneigt
zu glauben, dass ihnen das Können gefehlt
habe. Aber versetzen wir uns in ihre Kunst
und bedenken wir, vor welcher Reife, welchem"
Reflexionsvermögen und vor welchem uner-
messlichen Zeiträume wir hier stehen, so ist
es kaum möglich, bei dieser Annahme stehen
zu bleiben. Ich meine, es waren der Wille
und der Drang, die nicht vorhanden waren.
Jene Menschen hatten Lebenswerte, die in
ihrer Kunstautfassung völlig aufgingen, und sie
gaben sich nicht dazu her, diese umzuprägen.
Es giebt Leute, die „das Rennlier von
Thäingen" als Beispiel dafür anführen, dass
der Drang nach Natur der Beginn und der
motor vivendi der Kunst ist. Nach meiner
Ansicht heisst das, diese wenigen, interessanten
Funde eines bescheidenen Naturalismus, der
niemals Kultur wurde, verkehrt betrachten.
Die Anlage, die Natur darzustellen, war da,
aber der Gedankengang der Zeil und die
Sprache ihrer Kunst war an einen bestimmten
Stil gebunden.
Als die Zeit gekommen war, ging die
Entwicklung der Griechen zur konkreten
KunstaufFassung Über. Keine zuiällige Be-
fähigung, sondern ihre Religion und ihre
Lebensinteressen brachten sie dahin. Wir
können die Griechen nicht hoch genug schätzen,
aber wir neigen dazu, die Kunst, die der
hellenischen vorausging, zu gering einzu-
schätzen. Selbst unsere Kunstgeschichte misst
mit dem Masstabe des Naturalismus.
In gleicher Weise, wenn auch in ge-
ringerem Grade, wSre nach meiner Meinung
die alte nordische Kunst ohne Hilfe von
auswärts zum Naturalismus übergegangen,
wenn ein Drang dazu vorhanden gewesen
"wäre. Nehmen wir eine gute altnordische
Spange oder eine andere Kunstarbeit zur
Hand, so sehen wir, dass es ihren Verfer-
tigern keineswegs an Gedanken und noch
weniger an technischer Befähigung gefehlt
hat; sie fanden für alles, was ihnen am
Herzen lag, einen Ausdruck innerhalb der
gebundenen Kunst. Ihre Ideenassociationen
sind auch sicher viel reicher gewesen; ihrer
Phantasie Hessen sie einen weit grösseren
Spielraum. So haben sie z. B. zur Wikinger-
zeit für das Wundersame und Schreckhafte,
das auch sonst in ihrem Leben bedeutsam
war, einen guten Ausdruck gefunden. Der
gebundene Stil war für ihre Vorstellungen die
beste Sprache. Der Glaube an die Götter
-;,JaS> ILLUSTRATIVE DARSTELLUNG DER VORZEIT <ä^^
GERHARD MUNTHE « ZIERLEISTE AUS DER SAGA HAAKONS DES GUTEN (10. JAHRHUNDERT)
Walballs und die Mythen, sowie das Wikinger-
leben mussten ihre Macht verlieren, ehe sie
Freude Fanden an der neuen Kunst und ihren
Wert erkannten. Man glaube nur nicht, dass
auch die Künstler jener Zeit Naturstudien
machten, und dass sie wünschten Naturalisten
zu werden, aber es nicht vermochten.
Wenn wir heutzutage dies nur schwer
begreifen, so kömmt es daher, weil wir keine
EmpGndung dafür haben, was eine Stuart ist.
Wir entlehnen für Bauzwecke, wo wir eine
gebundene Kunst nicht entbehren können,
Stilarten anderer Zeiten, und ßnden dies ganz
in der Ordnung. Und doch kann es keinen
grdsseren Widerspruch geben, da ein Stil der
Gedankengang seiner Zeit ist. Er wird ge-
boren, lebt und stirbt mit den Lebenswerten
seiner Zeit. Schon die Fortschritte, die Ent-
wicklung fordern ihren eigenen Stil; ihn
fordert aber in noch höherem Grade das
Temperament eines Zeitalters. Ein Stil
ist ja mehr als eine Fagon.
Viele glauben, dass wir jetzt vor dem
Auftreten eines neuen Stiles stehen, vor einer
neuen abstrakten, aus unserer Zeit geborenen
Kunst. Und nach der Einstimmigkeit, mit der
alle den Engländern folgen, könnte man auf
den Gedanken kommen, dass diese das be-
scheidene Verlangen der Zeit befriedigt haben.
Aber diese Stilart hat wenig Erfindungskraft,
und ihr Abstraktionsvermögen ist schwach.
Der englische Stil vermag jedenfalls nicht
den Sinn für abstrakte Kunst zu heben.
Was uns fehlt, das ist der Ueberblick und
die Fähigkeit, die Kunst in ihrem Zusammen-
hange zu erkennen. Wir machen zu viele
Einteilungen, wir rubrizieren zu viel; unser
Augenmerk richten wir zu sehr auf das Ein-
zelne und vergessen die Einheitlichkeit des
Ursprunges und der Ziele. Der Unterschied
zwischen dem Naturalismus und der übrigen
Kunst ist auch nicht so gross, wie wir es
lernen.
Wir sind Schüler des Klassizismus und
leben mit dem Naturalismus, den die Griechen
aufgebracht haben. Wir erkennen alle die
unermessliche Erweiterung des künstlerischen
Horizontes, und wir wissen, in welchem Um-
fange jene Kunstaulfassung sich die zivilisierte
Welt unterworfen hat.
Unter den Griechen können wir einen dicken
Strich ziehen; wir können ihn um ihre ganze
Kultur herumführen. Ausserhalb derselben
liegt die der griechischen vorausgehende Kunst
und die Kunst der übrigen Völker, bevor sie
in diesen Kreis eintraten. Auch die nor-
dischen Völker lagen bis zum elften oder
zwölften ' Jahrhundert ausseriialb des grie-
-:t-^D- illustrative DARSTELLUNG DER VORZEIT <^-.^
GERHARD MUNTHE ■ SCHLUSSVIGNETTB ZU MAGNUS
ERLINCSOHN'S SAGA MIT BEZIEHUNG AUF SEINE
KÄMPFE MIT IMMER NEUEN WIDERSACHERN (1161-1184)
chischen Kreises. Damals erst gingen wir zur
naturalistischen Kunstanschauung über. Bei
unserem Eintritt in den klassischen Kreis
trafen wir mit dem romanischen Stil zusammen.
Diesen und alle späteren Stile lernt man in
den Schulen kennen, während unsere alten
Stilarten, die Stein- und Bronzezeit, wie auch
die keltische nicht gelehrt werden. Es läge
im Interesse der Kultur, meine ich, wenn wir
die Stilarten mehr als Geschwister ansehen
wollten; denn sie sind alle Kinder des elemen-
taren Denkens, mögen sie nun zum Natura-
lismus gehören oder nicht, und als Grund-
anschauung sind sie alle gleichwertig. Ihr
Wert beruht zunächst in ihrer kulturellen
Bedeutung Tür die Erkenntnis des Wesens und
der Aufgaben der Kunst, sowie der Zeitalter
und der Volkskunde. Die Stilarten haben aber
ausserdem ihre besondere Bedeutung für den
Gegenstand, den ich hier behandeln will: Für
ihre Anwendung auf historische Darstellungen
inderbildenden Kunst. Hierbei kommt es nicht
in Betracht, ob die Stilarten mehr oder weniger
kultiviert sind. Es fällt ebensowenig ins
Gewicht, wie weit sich ein Stil entwickelt hat,
ob er unterbixtchen wurde vor seinem Ab-
GERHARD MUNTHE
blühen, oder ob er erreicht hat, was in seiner
Wesensrichtung lag. Unsere alte Tieromamen-
tik wurde in ihrer Entwicklung unterbrochen.
Gleichwohl können in diesem Stil Vorwürfe
aus der Wikingerzeit aufgefasst und darge-
stellt werden. Denn Inhalt und Ausdruck
des nordischen Stiles sind ebenso ergiebig
und klar wie z. B. die gotische oder eine
andere Stuart,
die reichere Er-
Zeugnisse hinter-
lassen hat. Für
den Illustrator
bedeutet eine
Stilart nicht, was
darin geschaffen
ist, sondern was
innerhalb ihrer
Richtung ge-
schaffen werden
kann. Eine
Zeitlang waren
wir Zeugen der
krankhaften
Sucht, die Re-
naissance zum
bevorzugten Stil
zu machen inder
angewandten
Kunst, wie auch
zur Illustration
von Vorwürfen
aus alter und
neuer Zeit.
Ich erinnere
daran, dass Wal-
ter Crane Ho-
mer im Renais-
sancestil illu-
striert hat, ob-
wohl die home-
rische Kultur
der prächtigsten
Bronzezeit an-
gehört. Viele
Künstler bedie-
nen sich jetzt
nicht mehr der
neuzeitigenAuf-
fassung, wenn
es sich um Motive der Vorzeit handelt, aber
es scheint mir ein sonderbarer Kompromiss
zu sein, dass man nur ein Stück Weges
geht, um sich dann in aller Eintracht in
jenem Modesalon der Renaissance zusammen-
zufinden. Ich kann z. B. meine Verwunderung
nicht unterdrücken, dass Lorenz Frölich
die Edda vom Standpunkte klassischer Kunst-
GERHARD MUNTHE «KÖNIG HAA-
KON DER GUTE, DER (SSI) IN EINER
SCHLACHT FIEL, REITET OBER DIE
TODESBROCKE gen WALHALL «
-^^S> ILLUSTRATIVE DARSTELLUNG DER VORZEIT <^^
anschauung hat illustrieren können.*) Ein
Schwanicen zwischen verschiedenen alten Stil-
arten könnte ich mir erklären, aber der
Unterschied zwischen der nordischen Mytho-
logie und den Göttern des Olymps ist für
mich so gross, wie der Gegensatz des dunklen
Winters zum sonnigen Sommer.
Ich will mich näher darüber erklären, wes-
halb ich diesen Standpunkt einnehme. Denn
ich glaube, dass man im Dunkeln tappt, wenn
man uobewusst vorgeht. Ich würde niemals
den Versuch gewagt haben, das Altertum in
gebundenem Stile darzustellen, wenn nicht
Ueberlegung und Logik mir den Veg gewiesen
hätten.
Ich setze voraus, dass man zunächst Illusion
anstreben muss, einerlei ob man die Neuzeit
oder das Altertum schildern will. Wir reden
von »Echtheit", .Lokalfarbe". Von der Vor-
zeit könnte man das Wort „Zeitfarbe" ge-
brauchen. Die Darstellungen von Mythen und
Sagen unserer Vorzeit, die ich sah, befriedigten
mich nicht. Den ethnographischen und archäo-
logischen Elementen blieb es in den meisten
Fällen überlassen, die Illusion hervorzurufen,
*) Die Bemerkung des Verfassers bezieht sich
auf die von dem dinischen Maler LoRE^z Frölich
illustrierte Ausgabe der ilteren Edda, in das DInEsche
Übersetzt von K. Gjellerup, Kopenhagen 1895. Anm.
d. Uebers.
die eigentliche Auffassung war und blieb
modern und arbeitete dem altertümlichen Ein-
druck entgegen. Wenn ich dagegen unsere
Altertumssammlung besuchte, so kam ich
sofort in Stimmung. Hier merkte ich, dass
der äussere Apparat nicht hinreicht, und dass
die Illustratoren in den Geist des Altertums
nicht eingedrungen sind, und es stiegen mir
Zweifel auf, ob das Ziel überhaupt auf natura-
listischem Wege zu erreichen sei, weil unser
Altertum ausserhalb des Naturalismus und
der ganzen neuzeitigen Auffassung liegt. Wir
könnennicht die Vorzeit zu uns herüberziehen;
wir müssen uns zur Vorzeit zurückbegeben.
Ist dies möglich? Kann jemand sich in
GERHARD MUNTHE • « SCHLUSSVIGNETTE
ZUR SAGA OLAVS DES HEILIGEN, DER DAS
HEIDENTUM AUSROTTETE (I015-102S) • « •
-s-^y> ILLUSTRATIVE DARSTELLUNG DER VORZEIT <^-5-
eine vergangene Zeit und in ihr Denken so
hineinleben, dass er im stände ist, ihre Kultur
völlig zeitgemäss darzustellen? Ich meine,
dass man es versuchen kann. Nicht als ob
es das einzig richtige wäre. In der Kunst
giebt es nichts, das richtig oder un-
richtig ist; die Wahrheit beruht einzig
und allein auf der Ueberzeugung und
dem persönlichen Gefühle des Künst-
lers.
Wie oben erwähnt, verlangen wir zunächst
Illusion. Die meisten sind einverstanden, so-
lange man nicht von ihnen verlangt, dass sie
die klassischen Ideen aufgeben sollen. Aber
nur wenige können sich vorstellen, dass die
gebundene Kunst, wie wir sie z. B. in unseren
alten Stilarten haben, es mit der ungebundenen
Art aufnehmen kann. Um uns in diese Vor-
stellung einzuleben, mijssen wir unsere ge-
wöhnliche Annahme aufgeben, dass der Natura-
lismus sich im Alleinbesitz der Illusion
bellndet. Aber nehmen wir den Gedanken
auf, dass es das richtige Milieu ist, welches
die Illusion erzeugt, so dürfen wir uns vor
keiner Stilart scheuen, weil sie das einzige
Mittel ist, den zutrefTenden Ausdruck zu
, S^> MARGARETHE VON BRAUCHITSCH <^-^
TEIL EINER TISCHDECKE MIT MASCHIN BNSTICKEREI
finden. Wenn ich hier als Beispiel meine
Illustrationen zur Hafrsfjordschlacht in
nSnorre'*) oder Haakon den Guten nenne,
so meine ich, dass diese Bilder, welche ja viel
intimer geschaut sein könnten, die Gedanken-
welt der Zeit mit einfachen Mitteln wieder-
geben, und demjenigen, welcher glaubt, dass
man in gebundenem Stil nur Ornamentik
und keine epische Darstellung geben kann,
erwidere ich, dass ich kein Hindernis sehe,
die ganze Braavallaschlacht im Stile des
Bronzealiers darzustellen ohne die Eigenart
dieses Stiles zu verlassen. Ich habe nur
geringe Hoffnung für den, der darauf wartet,
das nordische Altertum mit Hilfe einer
antikisierenden iHenschendarstellung illustriert
zu sehen. In der Kunst gewinnt man das Eine,
indem man auf das Andere verzichtet, und
nie wird das Höchste erreicht, wenn man
sich abmüht alles mitzunehmen. Das hoheits-
volle Menschentum in griechischem Sinne
hat mit Odin und Walhalla und mit den
Mythen und Sagen der nordischen Vorzeit
nichts gemein.
Erfindungskraft und historischer Sinn sind
die Voraussetzungen, die erforderlich sind,
und die beide entwickelt werden können.
Mehr oder weniger können ja alle gebildeten
*) Snorre Sturlason Kongesagaer oversat af Dr. G.
Storm med illustraiioner af H. Ecidius, Chr.
Kroch, Gerh. MuNTHEu a. Christiania. 1899. Die
Illustrationen und Verzierungen, die diesen Aufsatz
begleiten, rühren von dem Verfasser her und sind
dem genannten Werke entnommen. Anm. d. Uebers.
Menschen sich in vergangene Zeiten ver-
setzen; wir haben alle durch Besuch von
Museen und Lektüre in fremde Gedanken-
richtungen Einblicke erhalten. Das Studium
jeder Epoche steht allen offen. In den Stil-
arten des Klassizismus sieht man häufig
Künstler mit Frische und Erfindungsgeist
schaffen.
Die im Vorstehenden aufgestellten Behaup-
tungen wissenschaftlich zu begründen, ist nicht
meine Absicht gewesen. Aber da ich selbst
mein Interesse für dekorative Kunst durch
diese Ueberlegungen gewonnen habe, so hoffe
ich auch, dasssie anderen nutzbare Anregungen
bringen werden.
KISSEN MIT »ASCHINENSTICKEREI
MARGARETHE VON BRAUCHITSCH
Frau in regem Wettbewerb mit dem Mann.
Ueberlässt sie diesem auch grösstenteils die-
jenigen Gebiete, In denen das Architekto-
nische, Konstruktive vorherrscht, so erobert
sie sich immer erfolgreicher den Boden, wo
das rein Dekorative, das Schmückende in
Betracht kommt, und der somit ihrem be-
sonderen Wesen recht eigentlich entspricht.
So schafft Margaret Macdonald in harmo-
nisch ergänzender Gemeinsamkeit mit ihrem
Gatten Charles R. Mackintosh. Ihre eigen-
tümlich stilisierten, gehämmerten Silberpaneele
und die legendenhaft poetischen Aquarelle,
welche uns zugleich primitiv und rafßniert
anmuten, sind erst vor kurzem in diesen
Blättern gebracht worden. — Ebenso steht
Edith Davson in London als kongeniale Ar-
beitskraft ihrem Gatten zur Seite; und in
Norwegen hat die Weberei ihr frisches Em-
porblühen, die originelle und künstlerische
Betonung ihres alten nationalen Charakters
bei neuer selbständiger Formgebung vielfach
einer Frau zu danken: Frieda Hansen, an
deren Erfolge auf der Pariser Weltausstellung
wir nur zu erinnern brauchen. Auch bei
uns in Deutschland fehlt es nicht an ähn-
lichen Beispielen. Speziell auf dem den
Frauen eigensten Feld, dem der Stickerei,
finden wir Berthe Ruchet, die feinsinnig-
verständnisvolle Ausgestalterin von Hermann
OsRtST's Meisterentwürfen, Elisabeth Erber,
deren meist in der Maschinenstickerei der
Vereinigten Werkstätten ausgeführte Arbeiten
treue Beobachtung der Natur, ornamentales
Talent und Geschmack erkennen lassen, und
manche andere. Neuerdings hat auch Mar-
oarethe von Brauchitsch sich ganz dem
Gebiete der Nadelarbeit zugewandt. Es ist
eine seltene Vereinigung von künstlerischer
Begabung, Intelligenz und Energie in dieser
tapferen kleinen Frau, die offenen Auges und
mit immer fleissiger Hand, empränglich für
Rat und Kritik und fördernde Einflüsse und
doch selbständig in Urteil und eigenem
4 MIT MASCHINENSTICKEREI
KISSEN MIT MASCHINENSTICKEREI
Schaffen unermüdlich und unbeirrt vorwärts
strebt. Kleinere Arbeiten, die sie zum Teil
mit eigener Hand gestickt hat, später grössere,
die nach ihren Entwürfen unter Direktor
KrOger's Leitung in den Vereinigten Werk-
stätten ausgeführt wurden, bezeichnen die
Anfänge ihrer kunstgewerblichen Thätigkeit
und sind ja zum Teil auch in der .Dekora-
tiven Kunst" reproduziert und besprochen
worden. — Nun folgten Tapetenentwürfe, die
in ihrer Grosszügigkeit, in der Freiheit, mit
welcher die zu Grunde liegenden Motive
behandelt wurden, in der Kraft der Farben-
gebung etwas sehr Positives, Kühnes hatten.
Dieser grosse Zug liess einem über manches,
das noch ungeklärt und zu wenig massvoll
schien, über einen gewissen Mangel an
letzter Verfeinerung der Werte u. s. w. hin-
weggehen : man fühlte eine Persönlichkeit
-^^s^> MARGARETHE VON BRAUCHITSCH -<^^^
TEIL EINER TISCHDECKE MIT MASCHINENSTICKEREI
JUGENDLICHES HÄNGERKLEID AUS SILBERGRAUEM STOFF
MIT PERLMUTTERSCHIMMERNDER APPLIKATIONSARBEIT «
-a.sö> MARGARETHE VON BRAUCHITSCH <St-^
Il>\~"~'
TrSCHDECXCHGN MIT MASCHINENSTICKEREI
hinter diesen Arbeiten, Temperament und
Zielbewusstheit. — Und man irrte sich nicht!
Wenn man ihre letzten Schöpfungen betrachtet,
so empfindet man eine wahre Freude über
die schöne, gesunde, harmonische Entwick-
lung dieser starken Begabung. Nachdem die
Künstlerin zwei Jahre lang ein Damenatelier
für ornamentales Entwerfen geleitet und
schöne Erfolge damit erzielte (wir berichteten
hierüber in Nr. 6 des III. Jahrgangs), hat
sie nuti, um ihre Kraft nicht zu zersplittern,
sich ganz der Stickerei zugewandt, und zwar
fast ausschliesslich der Maschinenstickerei.
Als durchaus modern empfindender Mensch
fühlte sie voll den Wert einer Technik, die so
sehr dem zu entsprechen vermag, was unsere
Zeit von aller Nutzkunst verlangt: relativ
TISCHDECKCHEN MIT MASCHINENSTICKEREI
grosse Vervielfaitigungs- und Ver-
breitungsmöglichkeit künstlerisch
guten Schmuckes. Mit der ihr
eigenen Energie ging sie an die
praktische Durchführung ihres
neuen Unternehmens; die nötigen
Maschinen wurden nicht etwa
bloss angeschafft und mehr oder
minder geschickte Stickerinnen
darangesetzt, nein, ehe die Künst-
lerin die Kinder ihrer Phantasie
diesen übergab, wollte sie^selber
das Handwerk können, voll be-
herrschen. „Kein Stück darf aus
meinem Atelier, das ich nicht selbst
herzustellen vermocht hätte", sagte
^ sie ; und rastlos wurde gelernt,
geübt, verbessert. Und was nun
geleistet wird, ist wahrlich nicht
bloss eine auf mechanischem Weg
ermöglichte Nachahmung ursprünglich für per-
sönliche Einzelausführung gedachter Kunst-
werke wie etwa die gewebte Kopie eines
alten Gobelins oder der Oelfarbendruck nach
einem Bild; es ist nicht die — vom Stand-
punkt der Kunst — unberechtigte Populari-
sierung von etwas, dessen Wert in der per-
sönlichen einmaligen Ausführung liegt, son-
dern diese Arbeiten sollen und wollen nichts
anderes sein, als was sie sind. Nach ihrer
Verwendung, der Art ihres dekorativen
Schmuckes, ihres Materials sind sie für
Maschinenbestickung gedacht; schon in die
Konzeption der Stickerei war die Art der
Ausführung mit eingeschlossen; ähnlich wie
es bei einer Originalradierung oder Litho-
graphie der Fall ist.
Und wie schmiegsam, wie an-
passungsfähig ist diese Technik;
wie ausdrucksvoll vermag sie in
der richtigen Hand zu werden.
Da ist keine zarte Krümmung
einer Wellenlinie, kein geheimnis-
volles Schwellen eines Blattan-
satzes, ohne dass sie zu ihrem
Rechte kämen; da wird ein feines
Farbenspiel von Licht und Schatten
erreicht durch Wechsel der Strich-
lagen, hier schmiegt sich der sei-
dige Faden tief in das Gewebe des
Stoffes, gleichsam eins werdend
mit ihm, dort wirkt er wieder wie
aufgelegt, erhöht oder umrandet
f schnurartig die flächige Appli-
kation. Derartige künstlerisch-tech-
nische Wirkungen wurden ursprüng-
lich allerdings durch das mühe-
volle Schaffen unsäglich fleissiger
^,~^> MARGARETHE VON BRAUCHITSCH <^-c-
brbigen Grund wirken die weissen
Plattstichstickereien ausgezeichnet;
gerade hier kommt das oben er-
wähnte, durch verschiedene Strich-
lagen erzielte Licht- und Schatten-
spiel der Einzelformen zu reizendem
Ausdruck.
Fast ausnahmslos waltet ein Feines
und sicheres Raumgefühl : Grosse,
Werte, Verteilung der ornamentalen
Formen und Gegenformen sind mass-
voll abgewogen.
Besonders hinweisen möchte ich
noch auf die hübsche Applikations-
arbeit, welche die Schleppe des
jugendlichen Hängerkleides (Abb.
S. 25d) schmückt. Um sie ganz zu
würdigen, muss man sie allerdings
gesehen haben, denn der Farben-
zauber der perlmutterschimmernden Seiden-
stücke auf dem Silbergrau des Grundslolfes
lisst sich nicht beschreiben. —
Es wäre nur zu wünschen, dass Arbeiten,
deren künstlerischer Wert und deren praktische
Verwendbarkeit mit ihrer Bildlichkeit wett-
eifern, sich immer weitere Kreise eroberten.
Und dazu träte noch der weitere Wunsch,
wäre seine Erfüllung — wenigstens bei uns
in München — nicht gar so aussichtslos :
dass einmal die Ausbildung unserer weib-
lichen Jugend für schmückende Handarbeil
Kräften anvertraut würde, die wie Margarethe
V. Brauchitsck schöpferische Begabung mit
Organisations- und Lehrtalent vereinen und
in frischer verständnisvoller Begeisterung den
Geist ihrer Zeit erfassen und künstlerisch
zu verarbeiten wissen.
Wäre dies wirklich ganz unmöglich? —
KISSEN MIT MASCHE NE NSTICKER El
Hände erschlossen: bei dem Chinesen und
Japaner und bei Obrist-Ruchet haben darin,
glaube ich, alle gelernt, welche heute diese
Errungenschaften auch für die Maschinen-
Stickerei verwerten und entwickeln. Aber
dass sie dies thun und nun bei so viel
rascherer und billigerer Herstellung im stände
sind, künstlerisch zu wirken, darin liegt
eben der Wert. Denn erst dadurch ist auch
grösseren Kreisen die Möglichkeit des Be-
sitzes und Gebrauches solcher Dinge geboten
worden. Was das Material betrifft, mit
welchem Frau v. Brauchitsck arbeitet, so
Hillt die häuHge Verwendung von Leinen
oder leinenartigen Stoffen auf. Nicht nur für
Tischwäsche, die sie übrigens mit ungemein
einfachen, diskreten Mitteln sehr reizvoll zu
zieren weiss — z, B. durch schlichte Parallel-
linien mit verschiedenem Abstand, — son-
dern auch für Bettüberdecken, Schlafzimmer-
paravenis, Vorhänge und Kissen zieht sie dies
praktische waschbare Gewebe empfindlicheren
und kostbareren Stoffen vor. Auf dem natur-
B. VOET « SILBERNE CDRTELSCH LIESSE
E. VOET • SILBERNE CORTELSCHLIESSE (NIELLO- ARBEIT)
-^f-^y HAARLEMER SILBERARBEITEN <^^
E. VOET « IN SILBER GETRIEBENE SCHOSSEL UND VASE
HAARLEMER SILBER-ARBEITER UND -ARBEITEN: E. VOET
Von J. G. Veldheer, Bergen
Zu den .niederländischen Städten, die von
der grossen Bewegung auf dem Gebiete
des Kunstgewerbes sowohl infolge der un-
mittelbaren Nähe eines Zentrums wie Amster-
dam, als auch dem eigenen künstlerischen
Drange folgend mitgerissen wurden und zur
Zeil eine führende Stellung einnehmen, ge-
hört in erster Linie die Stadt Haarlem. Einige
junge Künstler dieser Stadt waren es, die
selbstbewusst einen bisher sehr vernach-
lässigten Kunstzweig, die Silberschmiede-
kunst, wieder zur Blüte gebracht haben. Zu
ihnen können wir Voet (spr. Wutt) zählen,
der nur infolge der zur Zeit herrschenden
Zustände noch nicht vollauf gewürdigt und
in den Vordergrund getreten ist.
Wissen wir Niederländer doch nur zu gut,
wie lange es dauert, und mit welchen Schwierig-
keiten man zu kämpfen hat, bis ein neuer
Kunstzweig durchgedrungen ist, Anerkennung
und verdiente Würdigung gefunden hat. Haupt-
sächlich ist es das grosse Verdienst der Firma
HoEKER in Amsterdam, dass sie den ersten
Antrieb zu ernsthaftem, künstlerischem Stre-
ben nach Verbesserung der Silberschmiede-
kunst gab. Sie verstand es, talentvolle Künstler
wie Sluytehman und Zwollo an sich zu
ziehen. Während jener sich darauf be-
schränkte, gute Entwürfe im Stile Ludwig
des XIV. und XV. anzufertigen, ohne
sich ihrer Ausführung zu unterziehen, ging
ZwoLLO weiter, da bei ihm eine meisterhaft,
gehandhabte Technik mit reiner, lauterer
Formenschönheit und künstlerischer Auf-
fassung Hand in Hand ging. Auf der gleichen
Stufe steht wohl auch der jugendliche Haar-
lemer Kunstsilberschmied E. Voet jr., der
von Zeit zu Zeit Erzeugnisse seiner Kunst
auf den Markt bringt, die sich, künstlerisch
tief durchdacht, durch schönes Ebenmass und
vollendete Formenschönheit auszeichnen.
Eine seiner ersten von ihm ausgeführten
-T-^y E. VOET <^^^
Arbeiten ist jene Halskette, die der Bürger-
meister von Haarlem bei Ausübung seiner
Amtswürde zu tragen pflegt. Diese Kette,
sowie einige seiner Bucheinbände mit aus
Silber verfertigten Beschlägen lassen gotischen
Einfluss erkennen.
In seinen späteren Arbeiten, so z. B., in
seinen Gurtspangen und Gürtelschnallen ist
er selbständiger; nur noch vereinzelte Spuren
weisen auf gotische Anregungen hin, und man
sieht, dass der Künstler stark genug war, alle
früheren Einflüsse und Anlehnungen zu über-
nungen, infolge dieser Art der Anfertigung
des Niällo nicht aufgelegt, sondern eingelegt
sind, können die betreffenden Gegenstände
stark gebraucht werden, ohne Gefahr zu laufen,
sich schnell abzunutzen. Diese grosse Dauer-
haftigkeit bedingt eben den höheren Wert
der echten Niälloarbeiten im Vergleiche mit
solchen , die auf galvanoplastischem Wege
hergestellt werden. Denn die letzteren sind
in kurzer Zeit stark abgenutzt und erhalten
ein unschönes Aussehen, da die Farbe meist
nur an der Oberfläche haftet.
BAND MIT SILBERNEN BESCHLAGEN
winden und aus sich heraus neues zu schaffen.
Die Mehrzahl seiner Schmuckgegenstände ist
von ausgesprochen modernem Charakter.
Ausser der Ziselier- und Treibtechnik hat
sich VoET das in Holland wenig bekannte
Nieilo-Verfahren angeeignet. Die Mehrzahl
der Nieilo- Schmucksachen wurde bisher von
Deutschland und besonders Russland einge-
führt. Das Verfahren des Niailo besteht
darin, dass man aus Silberblech hergestellte
Gegenstände möglichst tief graviert, die Ver-
tiefungen mit einer Mischung von Schwefel-
metallen ausfüllt, sie dann bis zum Schmelzen
erhitzt und schliesslich glatt schleift und
poliert. Die Zeichnungen treten dann mit
grBsster Schärfe schwarz auf dem hellen
Silbergrunde hervor und erhalten so das Aus-
sehen einer Federzeichnung. Da diese Zeich-
VOET hat in dem Nigllo schon vieles er-
reicht, wir aber erwarten, dass er für die
Anwendung dieses dankbaren Verfahrens ein
reiches Arbeitsfeld flnden wird. Das Wieder-
aufleben des Handwerkes wird ihn das Ziel
einer rein persönlichen niederländischen
Kunstform und Kunstgattung erreichen lassen.
Sollte diese auch infolge individueller Rassen-
instinkte nicht ganz frei sein von unbe-
wussten Traditionen und Einflüssen, so ist
dies doch für den wirklichen Künstler
kein Nachteil, taWs er nur im Bewusstsein
seines Könnens ehrlich und wahr seine
eigene Persönlichkeit in den Vordergrund
treten lässt.
Nur dann ist bei aller Individualität seine
Kunst zu gleicher Zeil Gemeingut für alle
geworden. 4^ ^ ^ 5,^ d^
rT."N3 l"N<E?.E?> ALTEN BALTEN -^^^-
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ZUa REITLNG UNSERER ALTEN BALTEN
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TCTjess dxs Pniies tzEsrieracber Nt-reti: sofi'/ei^li TCf« si;;h der T=ns;±, sie m ftrw
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der Vr' gfre rrV"'^ Aber =Laa kaa dicit in br«ci das n>crl»^riige Zeitjürer der Tiedcr-
eiiÄ bDcbs: triiiäche La^ ia Bezzg azf das bei^iell=si;eii an. Xaa er^irzie »erz: fthimde
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ber. Terl:-r dad=r=h iMid >cdes diäten Hali c=d SK'.Te ihn so her, dass er vje neu scs-
cad gj-'Tg^ Si±::essl:;i a=f eiaen loxa P^zit. sah — »obei ciaa der Acsicii »ar, dass man
asf dcB r^Fi si^Si nsehr »eirer to==ie- dam:: e;a j:eäs Terk thit cad rcr Etie de:-
N:;i:: $£==£ dair:t. se geriet in eiae ganz vaier'.ä^dii^ea K=3si »^irkte. la der Itcgcü
eige=T==l:-l:e Ste::=2g ia Ber=s a=f zaseie henerlTe nian a;:eriir^ nazh ksrzer Zeil.
a^ten B*=de:;k— jler. Diese ha:ien sich fribex dass d;e »coen lei'.t er»as ban =t)i ie^:■:>s
264
^r-^> E. VOET <^^
EVOET SILBERNE GOSTELSCHLIESSE
SILBERNE BROSCHE
gegen die alten standen, dass Irrtümer unter-
gelaufen waren, und dass man jedenfalls den
Geist des alten Baues mit den Ergänzungen
nicht ganz getroffen habe. Aber das änderte
nichts, war man doch der Ueberzeugung, dass
man dafür jetzt ganz genau wüsste, wie es
zu machen sei. Der Gedanke, dass die auf
uns folgende Generstion auch an unsem Re-
staurierungen Fehler und Unzulinglichkeiten
finden könne, scheint nie einem Restaurator
gekommen zu sein, wie denn an ihnen über-
haupt nichts rührender ist, als die fröhliche
Zuversicht, mit der sie ihres Amtes walten.
Die Stimmen in der Architektenpresse bei Ge-
legenheit des Hei delbergerschloss- Falles zeig-
ten das wieder deutlich.
Noch auffallender als diese eigentümliche
Ansicht über die eigene Zulänglichkeit ist aber
der Umstand, dass man sich nie klar gemacht
zu haben scheint, dass man doch eigentlich
hier im Grunde denselben Irrtum beging, den
wir aus der Kunstgeschichte in Bezug auf die
Wiederherstellung alter Statuen und die Ueber-
malung alter Gemälde kennen. Mancher Ar-
chitekt hat wohl in Italien die mit Antiken ge-
füllten Säle der Museen durchwandert und dabei
im „Burckhardt" die steten Wamungsrufe ge-
lesen, dass viele, vielleicht die meisten der-
selben zur Zeit ihrer Auffindung restauriert,
ergänzt oder überarbeitet worden und dadurch
ihres Originalwertes beraubt seien. Ist ihm
nie bei seinen spätem Wiederherstellungen
der Gedanke gekommen, dass er im neun-
zehnten Jahrhundert dasselbe an den Werken
der Architektur begeht, was die Renaissance-
bildhauer an den antiken Statuen begingen,
dass er diese Bauten dadurch ebenso ihres hi-
storischen Wertes beraubt wie es dort mit den
antiken Skulpturen geschehen ist,, und dass die
Generationen nach uns mit denselben Augen
auf seine Restaurierungen blicken werden, mit
denen wir jetzt auf die Ergänzungen der An-
tiken blicken? Hier wie dort handelte es sich
um denselben Irrtum : man wollte den Ein-
druck eines unversehrten Ganzen herstellen,
ein komplettes, schmuckes Kunstwerk statt
eines Torso haben. In beiden Fällen siegte die
kindische Freude an dem Ding über die histo-
rische Einsicht, der oberflächliche Ordnungs-
sinn über die Achtung vor dem Originalwerk.
Bei Werken der Architektur treten nun aller-
dings Fälle auf, in denen Eingriffe in alte Bauteil
nötig werden, weil der Bau benutzt wird und
in seinem Nutzwert erhalten bleiben muss.
Das findet beispielsweise statt bei benutzten
Kirchen, Wohnhäusern, Rathäusern u. s. w.
Es ist unzweifelhaft das Recht des derzeitigen
Besitzers, seinen Bau nicht nur benutzungs-
fähig zu erhalten, sondern unter Umständen
sogar anderen Bedürfnissen anzupassen, zu
vergrössern oder umzubauen. Das ist zu allen
Zeiten gethan worden, aber wiederum zeichnet
sich die Gegenwart hier durch eine ganz ver-
schrobene Auffassung aus. Auf dem Denkmal-
tag in Dresden 1900 wurden von den ver-
sammelten Architekten Grundsätze genehmigt,
welche verlangen, dass sich in solchen Fällen
der Architekt aufs genaueste dem Stil des Ori-
ginalwerkes anzupassen habe und mit Ver-
leugnung jeder Spur von eigener Individualität
genau so bauen solle, wie an seiner Stelle
der alte Meister gebaut haben würde. In dieser
Vorschrift verbirgt sich ein ganzer Rattenkönig
von Verkennungen der Thatsachen, Schief-
heiten und Unmöglichkeiten. Denn erstens ist
es für den Menschen der Gegenwart ein Ding
der Unmöglichkeit, künstlerisch genau so em-
pfinden zu wollen wie ein Mensch der Kultur
vor vier- oder fünfhundert Jahren (wir ver-
mögen uns künstlerisch nicht einmal in die
Lage der Menschen vor 50, ja 20 Jahren zu
versetzen), zweitens ist kein Mensch im stände,
beim künstlerischen Gestalten irgend welcher
Art seine Individualität zu verleugnen, drittens
^r-^> E. VOET <^-7^
GOLDENE GORTELSCHLIESSE
sind die Bauten, um die es sich handelt, Fast
stets in verschiedenen Zeiten entstanden, so
dass man nicht weiss, an welches Jahrzehnt
man sich halten soll, und viertens und haupt-
sächlichst, selbst wenn noch alles gelänge, was
würde das Ergebnis sein? Eine geschichtliche
Fälschung. Die Vorschrift läuft direkt auf die
geschichtliche Fälschung hinaus, und geschicht-
liche Fälschungen, mit mehr oder weniger
(meist mit weniger) Glück durchgeführt, sind
fast alle Wiederherstellungen gewesen, die man
im neunzehnten Jahrhundert vorgenommen
hat. Wenn es in früheren Jahren nötig wurde,
Umbauten vorzunehmen, so dachte natürlich
kein Mensch daran, sich oder seine Zeit zu
Gunsten der Entstehungszeit des Urbaues zu
verleugnen, sondern man baute eben mit voll-
ständiger Selbstverständlichkeit im Stile seiner
eigenen Zeil, woher es denn gekommen ist,
dass uns unsere alten Bauten mit grösster
Treuherzigkeit in ihren eigenen Gesichtszügen
ihre Geschichte erzählen. Nun wird behauptet,
unsere Zeit hätte keinen eigenen Stil. Das
trifft aber nur bis zu einem gewissen Grade
zu. Denn abgesehen von den modernen Re-
gungen in der Architektur ist doch auch der
eingefleischteste Stilarchitekt nie in der Lage
gewesen, in seinen Stilreproduktionen die Ge-
genwart ganz uud gar zu verleugnen, dafür
sorgten schon die gegen früher total ver-
änderten äusseren Bedingungen. Ausserdem
hat man freiwillig Stile gemischt, verändert, er-
weitert, umgestaltet. Also, gewähre man diese
Freiheit doch auch bei Umbauten alter Bau-
werke! Ja, nicht nur das, man mache sie zur
Bedingung, man verlange, dass der in unserer
Zeit entstandene Um- und Anbau sich von
dem Urbau stilistisch grundsätzlich unter-
scheide, dass er steh als Zusatz der
Gegenwart deutlich kennzeichne. Das
wäre ein ausführbarer, ehrlicher und
der Würde unserer Zeit entsprechen-
der Standpunkt.
Aber bei den allermeisten der vor-
gekommenen Wiederherstellungen hat
es sich gar nicht um diese einzig zu-
lässigen Fälle der baulichen Eingriffe,
die zur Erhaltung ihres Gebrauchs-
wertes, gehandelt. JVlan hat restauriert
aus Gefühlsgründen, um einen alten
Bau neu aufzuarbeiten, um spätere
Ein- und Anbauten oder Hilfskon-
struktionen zu entfernen, um zerstört
oder unvollendet auf uns gekommene
alle Bauten zu Vollbauten zu ergänzen.
Alle diese Vornahmen sind im Grund-
zug ihres Wesens überflüssig, falsch
und verwerflich. Und zwar aus dem
einfachen Grunde, weil sie den Denkmalwerl
des alten Baues zerstören, ihn als historische
Urkunde vernichten oder zum mindesten be-
einträchtigen. Diese alten Bauten sind als
Dokumente auf uns gekommen, die Generation
auf Generation weitergereicht hat. Wir, als
die derzeitigen Verwalter, haben moralisch
ebensowenig ein Recht in ihr Wesen einzu-
greifen, als die Renaissancebildhauer den An-
tiken gegenüber hatten, als der Besitzer einer
-!r-^> ZUR RETTUNG UNSERER ALTEN BAUTEN <^^
FRANCIS AUBURTIN
DEKORATIVES CEMXLDE
unvollendeten Skulptur von Michelangelo ein
Recht hat, sie vollenden zu lassen, oder als
irgend eine Bibliothek auf den Gedanken
kommen wird, ihre lückenhaften alten Hand-
schriften ergänzen zu lassen. Es ist ganz merk-
würdig, wie völlig unentwickelt in Deutschland
dieser Pfltchtstandpunkt in Bezug auf histori-
sche Bauten noch ist, während er doch in Be-
zug auf andere Kunstwerke, bis herab auf
die alte Bronzeaxt oder einen beliebigen alten
Topf, den man ausgräbt, längst feststeht. Hier
lässt man Rost und Schmutz sorgfältig haften,
um den Gegenstand nicht zu berühren; wer
wurde wohl daran denken, die gefundene Axt
aufpolieren, mit einem neuen Stil versehen
und fehlende Meiallteile ergänzen zu lassen?
Jeder Schulknabe sieht ein, dass damit der
Wert der Sache vernichtet wäre. Und doch
thun wir Aehnliches heute täglich mit unseren
allen Bauten. Und ein grosser Teil unserer
Architektenschaft steht auf dem Standpunkte,
dass dies ein rühmliches Unterfangen wäre.
Man sprach gelegentlich der Heidelberger Re-
staui^tion von einer That ersten Ranges, die
man verrichten würde, einer That zum Ruhme
und zur Herrlichkeit der alten deutschen Kunst.
Diese That hätte darin bestanden, dass man ein
überkommenes Zeugnis derselben vernichtet
und durch ein Falsifikat ersetzt hätte, statt es
so, wie es heute noch zu jedem empfönglichen
Gemüt spricht, sorgßlltigst zu erhalten und zu
bewahren. Als Vorwand für solche Gefühls-
restaurationen pflegen freilich immer angeb-
liche sachliche Notwendigkeiten zu dienen.
So behauptete man in Heidelberg, die Front
des Otto-Heinrichsbaues würde einstürzen,
wenn man den Bau nicht restaurierte. Der
Restaurator wollte nun aber darangehen, diese
altersschwache Mauer mit neuen Stockwerken
und mächtigen Steingiebeln zu belasten. Vie
reimt sich das zusammen? Wollte man etwa
auch hier das summarische Lieblingsverfahren
der Restauratoren anwenden, welches darin
besteht, dass man alte Teile abträgt und neu
aufbaut? Ein anderer Fall: in den Steinhelm
eines gotischen Domes hat in früheren Jahr-
hunderten der Blitz eingeschlagen, und die
Spitze desselben trägt seitdem eiserne Bänder.
Man findet diese störend, trägt den Helm ab
und baut ihn neu auf. Während also hier
Frühere Generationen ganz richtig handelten,
indem sie das Originalwerk mit irgend welchen
Hilfskonstruktionen solange zusammenhielten,
als es noch möglich war, haben wir mit unserer
ZUR RETTUNG UNSERER ALTEN BAUTEN
sogenaaaten höheren Schätzung der alten Kunst
nichts Eiligeres zu thun, als ein Originalwerk
zu Gunsten einer modernen Kopie zu zerstören.
Man pflegt bei dieser ganz landläufigen Opera-
tion immer anzuführen, dass das Original-
werk doch nächstens zu Grunde gehen würde.
Aber wäre es nicht besser, das natürliche
Ende des Originals abzuwarten, ehe man an
die Aufrichtung des Falsifikates geht? Dann
hätten doch noch einige Menschen etwas
davon, und wer weiss, alte Leute leben oft
länger, als man glaubt.
Die ganz offenbaren Miss Verhältnisse, die
sich auf diesem Gebiete zu erkennen geben,
haben ihren Grund in der grossen Rück-
ständigkeit aller heutigen Anschauungen, die
mit der Architektur zusammenhängen. Die
einfachsten künstlerischen Fragen, die auf allen
anderen Gebieten längst gelöst sind, haften
hier noch in chronischer Stockung fest. Das
Publikum sieht in architektonischen Dingen
noch immer etwas ganz anderes als in künst-
lerischen, denn wie gesagt, auf jedem anderen
künstlerischen Gebiete wäre der Unfug hi-
storischer Rekonstruktionen ein längst über-
wundener Standpunkt. Selbst bei dem all-
seitigen, im übrigen natürlich sehr erfreulichen
Einspruch, der sich gelegentlich der Heidel-
berger Schlossfrage erhob, wurden hauptsäch-
lich sentimentale Gesichtspunkte gegen die
Wiederherstellung geltend gemacht: die Freude
am jetzigen Ruinenbild, die historischen Er-
innerungen u. s. w. Diese haben aber mit der
Richtigkeit oder Unrichtigkeit von Wieder-
herstellungen gar nichts zu thun, es handelt
sich hier darum, dass wir einfach nicht das
Recht haben, ein auf uns gekommenes Origi-
nalwerk umzubilden oder irgendwie zum
Zwecke einer Veränderung anzutasten. Jede
folgende Generation wird darin eine Beein-
trächtigung ihres Anteils an demselben sehen,
die Veränderung als Falsifikat betrachten und
im übrigen, das ist so gut wie sicher, der
Ansicht sein, dass die Ergänzung falsch oder
mindestens stilistisch zu beanstanden sei. Das
bringt schon die ständig fortschreitende kunst-
historische Erkenntnis mit sich, von der frei-
lich die Restauratoren anzunehmen scheinen,
dass sie sich gerade auf deren Kulminations-
punkt befänden.
Wird der Heidelberger Fall eine Aenderung
in der Beurteilung der „Wiederherstellungen''
mit sich bringen? Es wäre dringend zu
wünschen. Deutschland ist hier merkwürdig
im Rückstand. In England sprach Ruskin
schon in den fünfziger Jahren die richtigen
Ansichten darüber aus. Und es ist das Werk
William Morris' gewesen, hier mit derselben
kräftigen Hand, mit der er die häusliche
Kunst reformierte, Wandel geschaffen zu
haben. Er that dies durch Gründung der
bekannten „Gesellschaft zum Schutze alter
Bauten^S welche, aus einflussreichen und
künstlerisch gewichtigen Persönlichkeiten
bestehend, seit Anfang der siebziger Jahre
ihr möglichstes thut, um Aufklärung zu
schaffen, Wiederherstellungspläne zu be-
kämpfen, Besitzer alter Bauten zu deren
Pflege und Erhaltung zu ermuntern, kurz im
Sinne eines thätigen Eintretens für die über-
kommenen Baudenkmäler zu wirken. Ver-
sucht eine Körperschaft oder ein Privatmann
Eingriffe in einen alten Bau in einem er-
gänzenden, stilreinigenden oder rekonstru-
ierenden Sinne vorzunehmen, so erhebt
die Gesellschaft ihre Stimme in der Presse
und lenkt die öffentliche Aufmerksamkeit auf
den Fall. Alle einflussreichen Kunst- und
kunsthistorischen Gesellschaften gehen mit
ihr Hand in Hand. Durch das bisherige Wirken
derselben ist nun bereits eine ganz wesent-
liche Aenderung in der öffentlichen Beurtei-
lung der Fragen eingetreten. Man kann wohl
sagen, dass es sich heute in England bei Wieder-
herstellungen nur noch um kompliziertere Fälle
handelt, dass aber so einfache, die Grundlagen
aller historischen Erkenntnis verletzende Fälle
wie der Ausbau von Ruinen, die Ergänzung
unvollendeter Kirchenfronten u. s. w. von der
Tagesordnung völlig abgesetzt sind.
Eins ist hierbei bezeichnend. Die Be-
wegung ging ganz vorwiegend von den Kreisen
aus, die der neuen Kunstbewegung angehörten,
wobei der merkwürdige Umstand in die Er-
scheinung trat, dass gerade diejenigen sich
als die aufrichtigsten Freunde der alten Kunst
bewährten, die es ablehnten, sie bei ihrem
eignen Kunstschaffen zu kopieren. Die Be-
schützung der alten Baudenkmäler ist seitdem
in England geradezu ein Programmpunkt der
Beförderer der modernen Kunst geworden.
Es trifft sich gut, dass die anbrechende Er-
kenntnis des richtigen Verhältnisses zu den
alten Baudenkmälern auch bei uns eine Ge-
meinde der modernen Kunst vorfindet, auf die
sie sich stützen kann. Möge jeder das Seine
thun, um in ferner auftauchenden Fällen von
Wiederherstellungsgelüsten für die Sache der
alten Originalkunst einzutreten, damit nicht
noch mehr Zeugen unserer künstlerischen Ver-
gangenheit mundtot gemacht und derjenigen
überzeugenden Sprache beraubt werden, die
nur aus ihrem unberührten Zustande ver-
nommen werden kann.
V
V
V
268
LA SOClfiTfi MODERNE DES BEAUX-ARTS
Von Henry Frantz, Paris
r\ie Reibe der Pariser Winieraussietlungen wurde
*-' in diesem Jahre von der Socifrä Moderne er-
SiTnei, einer Künstlergruppe, deren ersre Veran-
staltung im vorigen Jahre bei Presse und Pubiilium
S;rossen Beifall fand, und die soeben eine sehr er-
olgreiche Ausstellung in Dresden veranstaltet hat.
Das Hauptinteresse beanspruchten diesmal die
Gemilde des flimlscben Malers Willaert, die
Landschaften des Englinders Wilfrid von Glehn
und die prächtigen Aquarelle Bourcet's, über den
kürzlich ein Dresdener Kritilter schrieb, dass es
seit HiLDEBRANDT's Tode keinen Aquarellisten gab,
„der die Kraft der Töne so zu meistern versteht
wie BOUBOET".
Vas uns aber vor allem interessien, das sind
die dort ausgestellten Werke der dekorativen Kunst.
Francis Auburtin, dessen dekorative Gemilde
auf der letzten Pariser Veltausstellung in dieser
Zeitscbrirt verSITfcntli cht wurden (siehe Jahrgang IM,
SCHMEEDEARBEITEN AUS
Heft 10, Seite 402/3) ist mit einigen sehr Inter-
essanten neuen Arbeiten vertreten. Niemand kennt
besser wie er die Erfordernisse der.', dekorativen
Malerei in technischer Beziehung;' er versteht es,
das Wesentliche des Vorganges in grossem Zuge
zusammenzufassen und verliert über dem Einzelnen
nie die Harmonie des Ganzen.' Immer wieder ist
es das Meer, aus dem Aubuhtin seine Begeisterung
schSpft; diesmal sind es nackte Tlnzerinnen am
Meeresstrande, die er mit leuchtendem und warmem
Farbenschmelz darsiellt. In den GebSrden dieser
Frauengestatten in ihrer Scbmiegsamkelt und
ihren reinen Linien drückt sich ein tiefes und
feines Empfinden antiker Schönheit aus. Wie
Meister Böcklin, nur in anderer Art, greift auch
AuBURTiN nun auf die heidnische Vorstellungs-
welt zurück; nachdem er noch in seinen Malereien
des Marseiller Museums das Leben der Fischer
realistisch festgehalten hatte, scheint er sich [jetzt
mehr einem Idealismus zuzuwenden, der
seiner inneren Neigung mehr entspricht. —
Als einen weiteren Versuch dekorativer Ma-
lerei Hnden wir in der Soci6tä Moderne ein
prichiiges Fragment Victor Prouv6's aus
einem seiner nichsten grossen Fresken, ein
gut erfundenes und ansprechendes Werk.
Auch von seinem KOnnen als iBildhauer
legt seine Giebelfassade eines Volkshauses
Zeugnis ab.
Neben vielem anderen Interessanten —
so den genügend bekannten Keramiken aus
dem Atelier Glationv — lenken die Leder-
arbeiten Waidmann's die Aufmerksamkeit
auf sich, G. Boiiv behandelt Schmiede-
eisen mit gesunder Kraft und. ohne Ziereret,
wie es dem Charakter des .Materials ent-
Das Lob Fernand Khnoppp's als Maler
zu singen, biesse Eulen nach Alben tragen.
Aber erst in neuester Zeit finden wir auch
ihn auf dem Wege sein vielseitiges' und ge-
schicktes Können in den Dienst der ange-
wandten Kunst zu stellen. Sein Entwurf zu
einem Emaillebild ist ein reizendes Werk,
die Linien der Zeichnung sind sicher und
streng; die Harmonie grosser Blüten neben
einem Frauenkopf von jener vornehmen und
starren Schönheit, welche Khnopff vor allem
liebt, verspricht schon jetzt die beste Wirkung
von der Ausführung in Emaille, welche Technik
mit ihrem Farbenglanz nur allzu oft dient,
süssliche Banalitäten zu verkleiden.
Spicer-Simson stellte in diesem Jabre
zum erstenmale in dieser Vereinigung aus
und hat sich den Beifall der Kritik erworben.
Wie sein Lehrer Jean Dampt zeichnet auch
er sich auf den verschiedensten Gebieten
aus und schafft abwechselnd Skulpturen und
Illustrationen. Seine kleinen Büsten und
Statuetten, die von einem geläuterten Ge-
schmack zeugen und Meisterwerke ihrer Art
sind, vervollständigen sehr erfreulich den
EISEN Gesamteindruck der Ausstellung.
269
RAUMAUSGESTALTUNG BEI KUNSTAUSSTELLUNGEN:
DER WIENER HAGENBUND
Von J. FOLNBSICS
Seit unsere Künstler die Erfahrung gemacht
haben, welche Vorteile bei Ausstellungen
eine interessante und geschmackvolle Raum-
ausgestaltung im Gefolge hat, gehört dieser
Punkt mit zu den wichtigsten Sorgen eines
Ausstellungskomitees. Geschmack und Takt-
durchgeführt werden soll, welche den Ab-
sichten des Künstlers enge Grenzen setzt.
Endlich müssen die disparatesten Dinge zu
einander in Beziehung gebracht werden. Man
sieht, es giebt eine Reihe von Umständen,
welche die scheinbar leichte Aufgabe ganz
bedeutend erschweren. Nichtsdestoweniger
hat die Technik der Raumausgestaltung bei
den Wiener Ausstellungen in den letzten Jahren
einen Grad der Vollkommenheit erreicht, der
mit Recht allgemein anerkannt wird. Unter
den jüngeren Künstlern hat sich bereits eine
feste Tradition entwickelt, die dem Einzelnen
die Aufgabe wesentlich erleichtert und ihn
in die Lage versetzt, über einen Vorrat von
Mitteln zu verfügen, die bereits fertig vor-
liegen und nur von Fall zu Fall kleine
Erweiterungen erfahren. Namentlich die
Mitglieder der Secession haben sich in glück-
VAIDMANN SCHREIBZEUG AUS LEDER
gefühl sind die unerlässlichen Voraussetzungen
bei der Durchführung dieser Aufgabe. Der
Raum muss den Eindruck der Kunstwerke
steigern, und sich gleichzeitig in die be-
scheidene Rolle eines dienenden Gliedes
fügen. Er soll eine festlich gehobene Stim-
mung hervorrufen und darf doch kein selb-
ständiges Kunstwerk sein. Erst im Verein
mit den Ausstellungsobjekten darf er einen
befriedigenden Eindruck hervorrufen, diese
muss man also kennen und mindestens im
Geiste bereits an den betreffenden Ort dis-
poniert haben, bevor man an die Ausführung
schreitet, denn nur dann können sie so zwang-
los mit dem Räume in Einklang gebracht
werden, dass der Besucher beim Verlassen
desselben gar keinen speziellen Eindruck über
dessen Ausschmückung davon trägt, sondern
bloss unter der beruhigenden Wirkung der
Harmonie steht. Auch eine Reihe weiterer
Schwierigkeiten sind zu überwinden, so spielt
gewöhnlich die Ökonomische Frage eine ent-
scheidende Rolle, ferner ist es die Knapp-
heit der Zeit, in der die Raumausgestaltung
-..-^> RAUMAUSGESTALTUNG BEI KUNSTAUSSTELLUNGEN <^-^
liehen, originellen EinFällen her-
vorgethan, und wenn der jahrelang
gepflegte Gschnas im alten Künst-
lerhause ein Gutes im Gefolge
hatte, so ist es das, dass er eine
ausserordentliche Findigkeit auF
dem Gebiete der improvisierten
Dekoration herbeigeführt hat. Die
philisterhafte Verachtung gegen-
über jeder Art billigen oder primi-
tiven Materials wurde überwunden
und das Publikum dazu erzogen,
jegliches Material nach seiner Wir-
kung und nicht nach seinem Geld-
wert zu beurteilen. Freilich muss
man sich aucb in diesem Punkte
hüten, zu weit zu gehen, denn
absolute Material -Gemeinheit ist
ebenso eine nicht wegzuleugnende
Thatsache wie absolute Material-
Schönheit. Auch in dieser Hin-
sicht entscheidet der künstlerische
Takt. An solchem Taktgefühl, so-
wie an einem durch moderne Ein-
flüsse geschulten Geschmack hat
es der Architekt Josef Urban bei
der Ausgestaltung der Innenräume
des neuen Ausstellungsgebäudes
für den Hagenbund nicht fehlen
lassen, wenn auch gegen das
Aeussere dieses neuen Künstler-
tieims schwere Bedenken erhoben werden
müssen. Die sechs Räume : Eintrittshalle,
Zentralausstellungsraum mit zwei Seilen-
flügeln, zwei blaue Säle, ein rotes Mittel-
kabinet und ein rückwärts liegender grösserer
gelber Saal zeigen jeder in seiner Art einen
Künstler, der sich mit Sicherheit seiner Mittel
zu bestimmtem Zwecke zu bedienen weiss.
Den relativ grÖssten Aufwand hat man
natürlich in der Eintrittshalle gemacht, wo es
sich lediglich um die Raumwirkung handelte,
da hier keine Kunstwerke ausgestellt werden.
Hier sind die Wände bis zum Gewölbeansatz
ringsum mit Panneelen aus dunkelolivgrün
gebeiztem Holz bekleidet. Grössere Felder
von Eichenparketten mit kleinen, reissnägel-
artigen Messingscheiben (ein etwas unorgani-
scher Schmuck) werden seitlich von schmalen
Streifen aus Ahomholz eingefasst, die dadurch
einen ausserordentlich wirksamen Dekor er-
halten haben, dass das Ornament, blühende
Bäumchen, aus dem Grunde herausgeslochen
wurde und in der Naturfarbe des Ahorn-
holzes kräftig hervorleuchtet. Das abschlies'
sende Gesimse sowie der Sockel werden
von einem Ornamentstreifen in vergoldeter
^rJ^> RAUMAUSGESTALTUNG BEI KUNSTAUSSTELLUNGEN
Schnitzerei begleitet. Die darüber befindliche
Wand ist mit einem Muster in Blau, Rot,
und Grün auf grauem Grunde verziert, die
oberen Partien wiederholen den grauen Grund.
Zwischen den vorerwähnten ornamentierten
Panneelen befinden sich ThiJren, die in Neben-
räume führen, Kassen- und Garderobefenster
mit Fassettierten kleinen quadratischen Spiegel-
glastafeln und eine hübsch komponierte Haus-
uhr. Das Ganze macht einen ernsten und
dabei festlichen Eindruck, ohne den Charakter
eines bescheidenen Vorraumes einzubüssen.
Der Hauptsaal zeigt nach oben freie Endi-
gungen, die abwechselnd kleine Verdach-
ungen aufweisen, als würden sie in die freie
Luft aufragen. Dieses Motiv, das man als
unzulässig bezeichnen müsste, wenn sich eine
feste Decke über den Raum spannen würde,
erweist sich als eine vollkommen erlaubte
Freiheit, weil die Wand nach oben von einem
lichtdurchlässigen weissen Stoff überspannt
wird, über dem sich unsichtbar und erst in
beträchtlicher Entfernung das Glasdach mit
seinen Eisenkonstruktionen spannt. Die Wände
sind in diesem Räume steingelb, in den
oberen Teilen heller, in den unteren dunkler,
und das Motiv der freien Endigung klingt
in den Ueberhöhungen der dunkleren Partien
in vereinfachter Weise wieder. Die Ein- und
Ausgänge sind mit goldenen Kranzgewinden
verziert, ebenso sind die Begleitornamente
der Ränder vergoldet, was gemeinsam mit
dem entsprechend gehaltenen dunkleren Sockel
einen ebenso vornehmen als einfachen und
dabei doch von einer gewissen Festesfreude
durchzogenen Zusammenklang giebt.
In ähnlicher Weise ist der blaue Saal mit
dem daran stossenden kleineren Raum in Rot
und Silber dekoriert und diesen beiden in
Farbe und Dimension intimer gehaltenen In-
terieurs schliesst sich abermals ein etwas
grösserer gelber Saal an, wobei namentlich
auf das Zusammenwirken der Töne geachtet
wurde, was die vielfachen Durchblicke un-
gemein anziehend gestaltet.
Wir sind weit entfernt, der Sache eine
Wichtigkeil über Gebühr beizumessen. Ohne
Zweifel ist die Zahl der Künstler, in Wien
wie anderwärts, nicht gering, die Aehnliches
mit demselben und vielleicht noch weit mehr
Erfolg durchzuführen im stände
sind. Aber darauf kommt es über-
haupt, nicht an, sondern auf die
Bedeutung, welche eine derartige
Dekorationskunst für die Entwick-
lung des Geschmacks im Publi-
kum besitzt, das aus diesen und
hundert ätinlichen Beispielen lernt,
welche Wichtigkeit die Umgebung
für ein Kunstwerk besitzt, und
daraus die naturgemässen Konse-
quenzen für seine eigenen Wohn-
räume zieht, das ferner bei solchen
Gelegenheiten sieht, wie unendlich
zahlreich die Möglichkeiten sind,
ästhetisch befriedigende Räume zu
schaffen, und begreift, dass nicht
reichliche Mittel, sondern künst-
lerisches Empfinden dasjenige ist,
dem die Entscheidung zufällt.
VcrligunBUli F. Bnichminn A.-C., München,
:ar zwintscher
DAS BILDERBUCH')
Von Gustav Pauli
Wo Kinder beschenkt werden, da giebt es
auch Bilderbücher. Und weil die Kinder
sich nun einmal über alle Bilder freuen, so
gehören die Bilderbücher sogar zu ihren
liebsten Geschenken. Ein dankbareres Publi-
kum ßndet ein Künstler nie wieder. Es kriti-
siert überhaupt nicht, ja noch mehr, es hat
mit seiner Kritiklosigkeit sogar die grossen
Leute angesteckt. Die meisten Eltern be-
trachten unzweifelhaft die Frage des Spiel-
zeugs lediglich vom ökonomischen Standpunkt
aus. Wenn sie es bezahlen können und die
*) In veränderter und verkürzter Form Ist das
Nachstehende als Vortrag gehalten worden auf dem
Kunsterziebungstag in Dresden am 28. Sept. 1901,
Vgl. Kunsterziehung, Leipzig 1902, p. 130.
Kinder ihre Freude daran haben, so ist es
gut. Nur wenige minder harmlose Eltern
fragen auch beim Spielzeug nach jenem Wert,
der sich nicht nach Mark und Pfennig be-
rechnen lässt. Wenn solche Eltern sich unter
den neuen deutschen Bilderbüchern der Saison
umsahen, so mussten sie wieder die be-
trübende Wahrnehmung erneuern, wie wenig
Gutes , wie wenig künstlerisch Wertvolles
erschienen war — vielleicht nur zwei Bilder-
bücher, und auch diese nicht ganz einwandfrei.
Und dabei ist doch das Bilderbuch ein
ganz besonders wichtiges Spielzeug, weil es
die Kinder unvermerkt ein wenig Kunst ge-
niessen lehrt. Ja, es könnte ein künstlerisches
Erziehungsmittel ersten Ranges werden. Wir
^r^2> DAS BILDERBUCH <^^^
haben es erfahren, wie Herr L£pinb, der
Polizeipräfekt von Paris, in edlem Eifer er-
glüht, die Puppe zum Kunstwerk ausbilden
lassen wollte. Einige der ersten Bildhauer
Frankreichs folgten seinem Rufe und stellten
ihr Genie in den Dienst der Spielwaren*
händler. Ihre Werke wurden dann einem
Areopag von gewiegten Kunstkennern und
Menschenfreunden voi^elegt, der unter dem
Vorsitz von Victorien Sabdou dem Schönsten
und zum Spiele Tauglichsten Preise zuer-
kannte. Ob das ganze Unternehmen sehr
glücklich war, wollen wir hier nicht unter-
suchen. Jedenfalls aber hätte dies Preis-
gericht sich von Rechts wegen einige Beisitzer
im Alter von etwa fünf Jahren kooptieren
müssen, um erfahrungsmässig festzustellen,
ob die Kinder mit den kleinen Statuen des
Herrn Geröme und seiner Genossen auch
wirklich gern spielen mochten, und mit
welchen am liebsten. Denn darauf kam
schliesslich alles an. Der Fehler, den man,
wie ich glaube, hier begangen hat, ist auch
für das Bilderbuch und die Jugendschrift
verhängnisvoll gewesen. Immer wieder haben
die Erwachsenen nur sich selber konsultiert,
wenn es sich darum handelte, die Kinder mit
Kunstwerken und Litteratur zu beschenken.
Ja, man hat sich sogar bis zu dem schönen
Paradoxon verstiegen : Für die Jugend schreibt
am besten, wer nicht „für die Jugend" schreibt.
JVlan dachte dabei natürlich an die faden
Skribenten, die mit herablassender Miene
Dinge produzieren, die durch ihre Einfältig-
keit dem geringen Fassungsvermögen der
Kleinen entsprechen sollen. Allein die einen
haben ebenso unrecht wie die andern. Die
Masse der professionellen Jugendschriftsteller
und Jugendzeichner hat nie etwas Wertvolles
geleistet, andererseits aber finden Künstler,
die bei ihrer Arbeit nicht an die Jugend
denken, ganz gewiss nicht den Weg zum
Kinderherzen. Denn, wenn für irgend etwas,
so haben die Kleinen ein Gefühl von untrüg-
licher Sicherheit dafür, ob man es ernstlich
und herzlich mit ihnen meine.
Wenn nun wir, denen die künstlerische
Hebung des Bilderbuches am Herzen liegt,
zunächst aus dem Umgang mit Kindern Be-
lehrung schöpfen wollen, so soll das natür-
lich nicht heissen, dass wir vom Kinde Kunst-
3 Z
2 O
X £
ig
<
-j-^S> DAS BILDERBUCH <^i^
urteile erwarten. Das Wort Kunst ist dem
Kinde ein leerer Schall. Um einen spassi-
gen Neuruppiner Bilderbogen würde es ge-
wiss gern DOrer's Marienleben dahingehen.
Was wir vom Kinde erfahren müssen und
nur von ihm erfahren können, ist etwas an-
deres, nämlich das, was ihm am Bilderbuche
vorzugsweise gefällt. Denn davon haben wir
auszugehen. Das Bilde[t)uch ist Spielzeug,
Unterhaltungsmittel, und nur in der Form
eines solchen kann es Kunstwerk und Dil-
dungsmiitel werden. Was hülfe uns ein
Bilderbuch von der Hand des grössten Mei-
sters, wenn die Kinder es langweilig fänden?
Ein Unterhaltungsmittel ist das Bilderbuch
auch in dem Sinne, dass es Stoff zur münd-
lichen Unterhaltung, zur gemeinsamen Ge-
dankenthätigkeit enthält. Es wird am besten
zu zweien besehen, wobei der eine dem an-
dern etwas über die Bilder erzählt. Es be-
darf also wesentlich des Textes. Damit soll
nun freilich nicht gesagt sein, dass der Text
durchaus gedruckt werden müsste. Vielmehr
konnte es sein, dass das lebendig gesprochene
Wort, das der Augenblick eingiebt, auch hier
eine Wirkung erreicht, die dem fertig schwarz
auf weiss dastehenden Texte versagt bleibt.
Es giebt hübsche Bilderbücher von Crane
mit einem Text, der so ledern ist, dass man
ihn am besten ignoriert und statt dessen
jedesmal einen neuen hinzu erfindet; und
Caldecott ist ein schlagendes Beispiel dafür,
wie reich man einen Stoff bildlich ausspinnen
kann. Das meiste von der Erzählung steht
jedesmal in seinen Zeichnungen, nicht in den
paar Textzeilen. Das Kinderverschen von
baby bunting enthält z. B. ausgerechnet sieb-
zehn Worte. Da sind sie:
Bye baby bunting
Father 's gone a-hunting
Gone to Fetch a rabbit-skin,
To wrap the baby bunting in.
Es ist ein kleines Nichts, ein Reim, den
die Mutter dem unruhigen kleinen Racker
vorsummt, wenn er nicht einschlafen will
und sie ihm die zerstrampelien Decken glättet.
Er hat nach Papa geschrien, und Papa ist
nicht da. So mag der Vers in der Kinder-
stube entstanden sein, und kein Mensch hat
weiter drüber nachgedacht. Aber Caldecott
hat in zwölf Bildern eine ganze Geschichte,
einen Roman daraus gemacht. Da sitzt
zuerst auf dem Titelblatt Baby bunting in
grosser Gloria auf einem schönen Stuhl, an-
gethan mit dem neuen Kaninchenpelz und
lässt sich bewundern. Dann kommt die erste
Scene. Baby bunting soll ins Bett gebracht
werden, aber es will nicht und läuft statt
dessen mit Triumphgeschrei, in jeder Hand
eine Fahne, durchs Kinderzimmer. Endlich
ist's eingefangen und sitzt nun als Nackfrosch
auf Mamas Schosse. Aber wo ist der Vater? —
Da kommt das Brüderchen, auch schon halb-
nackt. Das weiss Bescheid. Es hat Papas
Reitmütze auf dem Kopfe, das Hörn umge-
hängt, reitet sein Steckenpferd und schwingt
die Peitsche. So ist Vater ausgeritten. Das
war das dritte Bild. Und nun kommt grosser
Scenenwechsel. Auf Fünf Bildern sehen wir
Vaters Jagderlebnisse, wir sehen ihn, wie er
Adieu sagt, zum Stalle geht, wie das Hünd-
chen auf der Heide nach dem Kaninchen
schnuppert, an dem Vater eben vorbeige-
schossen hat. Wir sehen Vater pürschen
und endlich wieder nach Hause reiten. Und
weil er nichts geschossen hat, so kauft er
sich schliesslich beim Händler ein Kaninchen-
»»
•1»
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AUS .BESCHAULICHES UND ERBAULICHES.. EIN FAMILIENBILDERBUCH VON
LUDWIG RICHTER • VERLAG VON GEORG WIGAND, LEIPZIG (VERKLEINEBT)
-;r-^E> DAS BILDERBUCH <^^
feil. Nun sind alle zufrieden. Das Kindchen
bekommt seinen Pelz. Vater Freut sich,
Mutter freut sich, und als Mutter schliess-
lich mit dem Kindchen im Kaninchenpelz
spazieren geht, da gucken alle die Kaninchen,
die nicht totgeschossen sind, aus ihren Löchern
und wundern sich sehr. — Natürlich kann
Wert besitzen, soll knapp, anschaulich und
lebendig sein, und wenn es Verse sind, so
sollten sie sangbar sein. Das bedeutet nicht
weniger als ein paar litterarische Qualitäten
ersten Ranges. Wie wenige aber von den
Männern, die sie besitzen, haben sich so be-
scheidenen Aufgaben gewidmet. Die Brüder
VERKLEINERTE SEITE AUS: HEINRICH HOFFMANN. >DER
STRUWWELPETER. « • • VERLAG DER LITERARISCHEN
ANSTALT VON ROTTEN * LOENINC, FRANKFURT A. M. •
man das nur vor den Bildern erzählen, und
dann erzählt man es viel besser, aber man
sieht, wie man aus vier Verselein eine Ge-
schichte malen kann.
Das eine darf man sich jedenfalls nicht
verhehlen: Soll der Text zum Bilderbuch
gedruckt werden, so muss er recht hohen An-
forderungen genügen, er soll sich den Bildern
eng anschliessen, dabei aber selbständigen
Grimm wussten den Ton in ihrer Prosa
meisterlich zu treffen. Aber ihre Märchen
sind, wenn auch wiederholt illustriert, doch
nicht zu eigentlichen Bilderbüchern verarbeitet
worden. Unter den Dichtern haben Klaus
Groth und Richard Dehmel wohl die
besten deutschen Kinderlieder geschrieben.
Groth wusste so gut mit den Kindern zu
reden und zu singen, dass es schwer hält.
•ES WAS EINMAL EIN FRINZESSCHEN, DAS ASS VON GOLDENEN TELLERN UND TRANK AUS
GOLDENEN BECHERN, HATTE ALLES, WAS ES WÜNSCHTE UND NOCH MEHR. NAMUCH :
LANGEWEILE. DIESE UNANGENEHME PERSON SASS IHM IMMER GECENOBER.-
AUS: MARIE VON OLFERS, >DAS GUTE PRINZESSCHEN. « SELBSTVERLAG DER KÜNSTLERIN
.ES KAM AN EINEN SUMPF, DA TANZTEN DIE IRRLICHTER. 'ACH. BAT ES, KÖNNT IHR MICH NICHT
WIEDER BLANK MACHEN? ICH BIN EIN ARMES HERABGEFALLENES STERNCHEN.- - -GERN, KOMM
NUR MIT IN UNSEREN SUMPF UND TANZE MIT UNS!- — -PFUI; SAGTE DAS STERNCHEN .
AUS: MARIE VON OLFERS, .KLEINSTERNCHEN. • SELBSTVERLAG DER KÜNSTLERIN
-^r.^> DAS BILDERBUCH <ö^-^
• WITWE BOLTE IN DER KAMMER
HÖRT IM BETTE DIESEN JAMMER . .•
AUS: WILHELM BUSCH, »MAX UND MORITZ< ■ VERLAG VON BRAUN & SCHNEIDER, MONCHEI
aus seiner Sammlung ,voer de Goern' seine
Zuthaten unter den echten alten Volksreimen
herauszukennen, wenn diese einem nicht alle
geläufig sind. Er hätte einen niederdeutschen
Caldecott finden müssen. Statt dessen hat
er sich mit Ludwig Richter vereinigt, der ein
paar hübsche Vignetten und Bilder zwischen
die Reime gestreut hat. Aber obwohl Richter
die Aufgabe ernster genommen hat, als man
denken sollte — er reiste eigens nach Hol-
stein, um sich in die norddeutsche Umgebung
einzuleben, — so hat er doch den Ton nicht
recht treffen können. Seine Bildchen sind zu
zierlich, Menschen und Landschaft sehen
nicht einfach genug aus. Richter blieb eben
der Sachse, der er war, in allem was er schuf.
Und wir sind die letzten, im allgemeinen ihm
daraus einen Vorwurf machen zu wollen. So
ist denn auch Groth nicht zum Dichter eines
Bilderbuches berufen worden, abgesehen da-
von, dass seine unübersetzbaren plattdeutschen
Verse nur einem kleinen, immer mehr schwin-
denden Teil unseres Volkes zugänglich sind,
dem das Plattdeutsch noch lebendige Mutter-
sprache ist. Von den Kindern der gebildeten
Klasse in den norddeutschen Städten gilt das
ja leider längst nicht mehr. Da bliebe nun
noch ein älterer Dichter des Bilderbuchs übrig.
dessen wir an dieser Stelle gedenken müssen,
Dr. Heinrech Hoffmann, der Verfasser des
Struwwelpeters. Er gilt in seiner Art als
Klassiker und, wie ich meine, nicht mit Un-
recht. Die ungeheure Popularität, die dem
Struwwelpeter zu teil geworden ist, beweist
'allein schon, dass dieses Buch in gewissem
Sinne ein Kemschuss gewesen ist. Femer
wird der Struwwelpeter durch seine Ent-
stehungsgeschichte empfohlen. Er war das
Gelegenheitsgeschenk eines Vaters an sein
Kind, nicht für die Oeffentlichkeit bestimmt.
AUS: WILHELM BUSCH,
■ HANS HUCKEBEIN, DER UNGLOCKSRABE-
280
DEUTSCHE VERLACSANSTALT, STUTTGART
j.iö> DAS BILDERBUCH <ä*^
"t^-^^.
ADOLF OBERLANDEH, AUF DEM HEIMWEG VON DER SCHULE ■ HEIMLICHE
RANOZEICHNUNGEN AUS DEM SCHREIBHEFTE DES KLEINEN MORITZ ■ AUS:
■ OBERLXNDER-ALBUM- BD. II «VERLAG von BRAUN & SCHNEIDER, MONCHEN
sondern unmittelbar aus dem Bedürfnis des
Familienlebens erwachsen. Und in der That,
wenn wir die Verse des Struwwelpeters lesen,
so finden wir, dass sie allen Anforderungen
geniigen, die wir an den Text eines Bilder-
buches stellen dürfen. Der Suppenkaspar
und der Zappelphilipp sind für den, der sie
in der Kinderstube kennen gelernt hat, zu
Lebensgefährten geworden. Spielend haben
sich die drolligen Verse dem Kindergemüt
eingeprägt. Da war nichts Hohles und Affek-
tiertes. Lauter bekannte kleine Dinge und
bekannte kleine Sünden, aber phantastisch
gesteigert und ausgeschmückt und die alt-
fränkische Moral so liebenswürdig launig um-
rankt, dass sie gar nichts Langweiliges mehr
hatte. Den Vorwurf, den man gegen diese
Geschichten erhoben hat, dass die Beispiele der
verschiedensten Unarten trotz aller Schluss-
moral sittenverderbend wirken könnten, braucht
man nicht ernst zu nehmen. Der Struwwel-
DIE NEUEN SCHUHE. AUS: PAUL KONEVKA,
• DER SCHWARZE PETER> • K. THIENEMANNS
VERLAG, STUTTGARTaaaa«aa«a««a««
-3.^5> DAS BILDERBUCH <^.^
HERM. VOGEL, HXNSEL UND GRETEL. AUS:
.KINDER. U. HAUSMJlRCHEN DER GEBR. GRIMM'.
ILLUSTRIERT VON H. V. ■ VERLAG VON BRAUN
& SCHNEIDER, MOnCHEN ■ « • • (verkleinert)
sei's drum. Ich gestehe gern, dass ich mich
zu diesem heiligen EiFer nicht aufraffen kann.
Zu der Entstehungszeit des Struwwelpeters
— einer eminent unkünstlerischen Periode
— scheint man diesen Mangel überhaupt nicht
bemerkt zu haben. Als man später den
Dr. Hoffmann darauf aufmerksam machte,
meinte er erstaunt und spöttisch: «Nun gut,
so erziehe man die Säuglinge in Gemälde-
galerien oder in Kabinetten mit antiken Gips-
abdrücken." — Ein sehr charakteristischer
Ausspruch! Da war für ihn und seine Zeit-
genossen allein die Kunst zu Hause. Auf die
so naheliegende Forderung, dass seine Karika-
turen als solche künstlerisch vollendet sein
sollten, kam er gar nicht. Eben an diesem
Punkte, an dem Hoppmann stehen geblieben
ist, haben wir einzusetzen. Nicht der dilet-
tierende Kinderfreund kann uns ein voll-
kommenes Bilderbuch schaffen und ebenso-
wenig kann es der Künstler, der den Kreisen
der Kinderwelt fem steht. Vielmehr müssen
die Eigenschaften dieser beiden vereinigt sein
in einem Künstler, der die Kinder liebt und
mit ihnen zu spielen versteht. Ein solcher
sollte nicht nur die Bilder dem Verleger
liefern, damit dieser dann alles übrige be-
sorge, sondern er sollte die ganze Ausstattung
des Bilderbuches angeben und überwachen.
So bestimmt wir diese erste Forderung
aufstellen, so vorsichtig wollen wir mit jeder
peter hat gewiss so wenig wie z. B. Buschens
Max und Moritz ein Kind verdorben, das es
nicht ohnehin schon gewesen wäre. Be-
achtenswerter ist ein anderer Vorwurf, den
man dem Verfasser des Struwwelpeters ge-
macht hat, dass nämlich seine Zeichnungen als
solche allzu minderwertig seien. Ein wohl-
wollender Kritiker mag immerhin mit Recht
anerkennen, dass Dr. Hoffmann auch für
diesen Teil seiner Aufgabe einige schätzens-
werte Eigenschaften mitgebracht habe. Sein
Humor verliess ihn auch als Zeichner nicht,
er hatte sogar ein dunkles Gefühl für deko-
rative Wirkung und — als das letzte, doch
nicht geringste — er wusste immer etwas
darzustellen. So wenig wie seine Feder leere
Phrasen hinschrieb, verlor sich sein Zeichen-
stift in müssiges Gekritzel. Ein Künstler war
der Dr. Hoffmann freilich nicht. Wenn darum
einige gestrenge Herren von empfindlichem Ge-
schmack den Struwwelpeter und die übrigen
Erzeugnisse seines Meisters auf ihren Index
unerlaubter Bilderbücher setzen wollen —
H.EICHRODT, WAS MANSCHEN VOM HIMMEL
TRÄUMTE. AUS: 'DIE ARCHE NOAH<. REFME
VON FRFTZ UND EMILY KDEGEL « VERLAG
VON B. C.TEUBNER, LEIPZIG <
^r^5> DAS BILDERBUCH <^-^
•ERST SUNT DES MOND EIN WENIG AUS. DANN FLIEGT ER WIE EIN WILDER STURM
HOCH IN DIE LUFT ZUM WALD HINAUS, NOCH \H0HER ALS DER KIRCHENTURM,
FLIEGT IN DIE ALLERHÖCHSTE FERHE HINAUF, BIS MITTEN IN DIE STERNE: • • • «
weiteren sein. Wenn wir als nicht Schaffende,
sondern lediglich Betrachtende den Namen
von Kunstverständigen Für uns in Anspruch
nehmen wollen, so können wir uns nicht
besser seiner würdig erzeigen, als indem wir
dem Künstler jede erdenkliche Freiheit lassen.
Uns kommt es nicht zu, ihm vorzuschreiben,
wie er sein Bilderbuch einrichten solle, son-
dern wir können lediglich aus eigener Er-
fahrung feststellen, welche Eigenschaften un-
sere Kinder an dem vorhandenen Material
an Bilderbüchern namentlich schätzen. In
diesem Sinne wollen die folgenden Ausfüh-
rungen aufgenommen sein.
Erstens mag das Kind gern Gegenstände
im Bilde erkennen oder kennen lernen. Es
versteht sich von selbst, dass man dabei zu-
nächst an Bekanntes anknüpft, also dem
Kinde den Spiegel seines eigenen kleinen
häuslichen Lebens vorhält. Manche Künstler
sind dabei stehen geblieben und haben ge-
meint, den Kindern die grosste Freude zu
bereiten, indem sie ihnen nichts anderes als
artige und unartige kleine Kinder zeigten in
der Stube, draussen im Garten, im Walde,
auf dem Spielplatz, allenfalls auch wohl ein-
mal ein paar Engelchen oder den Knecht
Ruprecht, von dem um Weihnachten so viel
die Rede ist. Gewiss sind wir auch manchen
der also denkenden Künstler, namentlich
unserm unvergleichlichen Ludwig Richter
den Dank für viele allerliebste Schöpfungen
schuldig. Indessen hatten sie wirklich recht?
— Wenigstens die kleinen Kinder meiner
Bekanntschaft — und so werden die anderen
wohl auch sein — sind von einer unersättlichen
Wissbegierde erfüllt und von einer abenteuer-
lichen Phantastik, die schon sehr bald nach
anderen, fremden Stoffen verlangen. Die
kleinen Landratten wollen das Meer sehen,
mit Stürmen, grossen WalBschen, Dampfern
und Dreimastern, die kleinen Küstenbewohner
ziehen schneebedeckte Berge vor, Höhlen, in
denen der Drachen alte Brut zu Hause ist,
und schliesslich findet jeder Dreikäsehoch
einen Löwen interessanter als einen Pudel,
einen Mohren sehenswerter als ein Blass-
gesicht, wie den Papa.
DAS BILDERBUCH
Zweitens vill das Kind bei seinen Bildern
gern fröhlich sein and lachen. Es verschmafat
alle rrockene Schildernng nnd hat für senti-
mentale Röhrseligkeit schlechterdings kein
Verständnis. Es ist mit seinen schwachen
.L;?? SC««:3T. sei IXHTt« V>D de« ItlFEU *". S;
i-_\CSaVCHH.O(;>iUNC -THEOOO« »EJCHEÄi LEIPZIG
Kliffes so jem^niäcg. gimosaau gleichgültig
3:ri fröh::ch w^e ein Nietzschescher Ueber-
»ersci- Ein Ei^d, auf dem ein Engel eine
lT-£z),e K:::dcrseek :n den H-mntel trägt, wird
bÄ:isre=saIsBeisr:e) einer iateressanten Png-
&ew^=rg gewSrigt. Dagegen darf man die
b^ründete Befürchtung hegen, dass l B. Dar-
stellungen sehr verwerflicher Tierquälereien
einem freudigen Verständnis b^^nen würden.
Es sei natürlich ferne von ans, dergleichen zu
empfehlen. Wohl aber dürfen wir in unsem
Bildern mit dem Kinde
lustig sein. Dass sich selbst
die heiligen Vorstellungen
der Bibel und des Gebetes
in beilerer Form spielend
darstellen lassen, bat uns
ja Ludwig Richter gezeigt,
wenn wir es nicht schon von
Albreckt DCrer wüssten.
DCrek's grosses Meister-
werk einer frommen Launig-
kett. seine Randzeichnungen
zum Gebetbuch Maximi-
lians, die in den billigen
Faksimile - Reproduktionen
Hirth's eine neue Popu-
larität gewonnen haben, sind
freilich für Kinder unver-
ständlich. Aber in seinem
Marienteben ist etwas vom
gleichen Temperament le-
bendig — nur gedämpfter.
L'nd das Marienlcben, io
der Hamburger populären
Angabe auch dem Unbe-
mittelten zo^nglicfa, ist ein
vortrcfflicbes Bilderbuch für
Kinder. Es fehlt ihm, am
in allen Einzelheiten leicht
nnd sofon verstanden zn
werden, nur das Gewand
unserer Zeit in den Aensscr-
lichkeiten der Tracht nnd
des Gerätes. Das lisst ans
in diesem Falle L low ig
Richter den Vorzug geben.
Ter in seinen Kinderiafaren
nicht Bi^dcrtücbcr wie den
^Sonntag* oder das .Vater-
unser' Richter's besehen
hat, der ist uro einen Schatz
der Erinnerung ärmer. In
reiferen Jahren findet man
nicht mehr so leicht den V*cg
in das Innerste Richter-
scber Kunst. Ter den Ernst
des Lebens geschmeckt bat,
der wird hier leicht tos SchönSrberei und
dem ewigen Geigen auf wenigen Saiten reden.
wo das Kind g>ich a;:es glanbi und versteht.
Der HcTior Richter's ist fteilich mehr jene
stilie s*=n:ge Heirerleii als die Laune, die
rem Lachen reizt. Diese Usie Lästigkeit, fär
^r-^> DAS BILDERBUCH <5^=^
welche kleine Kinder am empfänglichsten sind,
haben unter uns Deutschen wohl am besten
Busch und Oberländer getroFTen , unter
den Engländern Caldbcott, Mabel Dearmer
und Alice Woodvard. Die Franzosen haben
solchen Humoristen keinen an die Seile zu
stellen, wenn man nicht einzelnes von dem
unübertrefflichen Meister Caran d'Ache für
die Jugend auswählen will. Freilich würde
dieser Klassiker der Karikatur sich wahrschein-
lich selbst dagegen sträuben, als Zeichner Tur
die Jugend zu gelten. Seine politische und
gesellschaftliche Satire ist auf ein Publikum
berechnet, das sich dadurch getroffen fühlt.
Aber selbst wenn man diesen, wenn man
will: litterarischen Inhalt seiner Kunst, über-
sieht, so bleibt immer noch ein rein künst-
lerischer Rest von Komik übrig, gross genug,
um ein Kind unwiderstehlich fortzureissen.
Ich kann wenigstens aus meiner eigenen Er-
fahrung feststellen, dass meinem Söhnchen
kein Bilderbuch so viel Freude gemacht hat
wie die Courses dans l'antiquitä.
Der angesehenste französische Jugend-
zeichner, ein ganz ausgezeichneter Beobachter
der Kinderwelt, Boutet de Monvel, hat wohl
auch Humor, aber mehr einen Humor für
Erwachsene, der für die Ohren der Kinder,
wenigstens deutscher Kinder, zu leise klingt.
Dagegen haben die Norweger in Oscar
Larum (En bog for Sma) einen Zeichner von
grotesker, aber für Kinder sehr verständlicher
Komik. Merkwürdigerweise hat der grösste
der englischen Jugendzeichner, der die Pflege
des Bilderbuches zu einem Teil seiner Lebens-
aufgabe gemacht hat, Walter Crane, zur
Würze seiner übrigen Talente nur wenige
Kömchen Humor mitgebracht. Wenn er es
einmal versucht, mit den Kindern lustig zu
sein, wie in seinen Bilderbüchern von der
Mutter Hubbard oder dem kleinen Schwein,
das zu Markt geht, so hat seine Lustigkeit
etwas Erzwungenes. Man kann nicht recht
dabei lachen. Ueberhaupt geht — das dürfen
wir nicht verschweigen — ein doktrinärer
Zug, etwas kalt Verstandesmässiges, Unkind-
liches durch Crane's Wesen, das manchmal
-^^=^5S> DAS BILDERBUCH <^-<^
seine besten Absichten, sich den Kindern zu
nahem, zu schänden macht. Und doch ist
etwas in ihm, das die Kleinen gewinnt und
fesselt. Crane ist ein Phantast und versteht
es ausgezeichnet, die abenteuerlichsten Wunder
der Fabelwelt in seine Bilderbücher zu bannen.
Eine beschränkte Schulweisheit hat zwar ge-
meint, dass solcherlei Ungetüme die zarte
Kinderseele zu sehr erhitzten. Allein lebt
nicht ein Kind im Alter von drei bis fünf
Jahren beständig in einer Wunderwelt? Solch
ein kleiner Mensch sieht jeden Tag so viel
Neues und Unerklärliches, dass ihm der An-
blick eines leibhaften Tritonen nicht merk-
würdigersein könnte, als der eines Seehundes.
Er glaubt ja auch an den Knecht Ruprecht, an
Riesen und Zwerge, an die Engel, die an
seinem Bette wachen, und an alle jene holden
Dinge, die noch als Träume der Erinnerung
das Leben des Erwachsenen schmücken.
Diesen Ton des Märchens hat keiner jemals
besser angeschlagen als Moritz von Schwind.
Sein Geist weilte in solchen Bereichen der
Phantasie wie zu Hause, und darin war er
ein Kind seiner romantischen Jugendzeit.
Doch leider ist uns Schwind, mehr als
Ludwig Richter, bereits in eine historische
Feme entrückt, ohne dass er ein eigentliches
Bilderbuch für die Kinderstube hinterlassen
hätte. Aus seinem Märchen von den sieben
Raben hat man ein Prachtwerk gemacht. Etwas
von seinem Wesen lebt noch in unserm
-^-^^> DAS BILDERBUCH <^-t^
.HEINRICH DER WAGEN BRICHT-. - 'ÜEIS, HERR, DER WAGEN NICHT,
ES IST EIN BAND VON MEINEM HERZEN, DAS DA LAG IN GROSSEN SCHMERZEN,
ALS IHK IN DEM BRUNNEN SASST, ALS IHR EINE FRETSCHE (FROSCH) WAST (WART).'
BERNHARD WENIG, ILLUSTRATION ZU .DER FROSCHKÖNIG ODER DER EISERNE HEINRICH.
USi 'MÄRCHENBUCH DES JUNGBRUNNEN.. BAND I • VERLAG VON FISCHER & FRANKE, BERLIN
liebenswürdigen H. Vogel weiter. Sonst sind
wir, auch als Märchenerzähler, minder harm-
los geworden. Man denke an Krbidolf,
unseren besten Bilderbuchmeister, der nicht
weniger Phantasie als jene besitzt, dem aber
die gutmütige Behaglichkeit fehlt.
Diese wenigen Bemerkungen mögen für
die allgemeine Charakteristik des Inhaltes
des Bilderbuches genügen. Noch wichtiger
ist uns, die wir die bildende Kunst lieben,
natürlich die äussere Form. Da ist es nun
zunächst die Knappheit und scharfe Um-
rissenheit der Zeichnung, die das Kind am
besten versteht und am meisten geniesst —
ein Zeichen dafür, dass das Kind künst-
lerischer sieht als der erwachsene Durch-
schnittsmensch. Ein solcher empfindet jede
Anstrengung seiner geschwächten Phantasie
beim Bilderbesehen als eine empörende Zu-
mutung. Die Zeichnung, die ihm gefallen
soll, muss ein möglichst getreues Abbild der
Naturerscheinung in all ihren Licht- und
Schattenwerten darstellen. Das Kind fühlt
anders. Ihm bringen ein sorgfältig perspek-
tivisch vertieftes Raumbild und eine Ab-
schattierung in hundert Tönen keine Er-
IGN. TASCHNER, ILLUSTRATION ZU .DIE GiNSEHIRTIN
AM BRUNNEN.. AUS .GERLACHS JUGENDBOCHEREl-
VERLAG VON MARTIN GERLACH « CO., WIEN««*««
-5-^> DAS BILDERBUCH <^-^
■ fl^ TEILTE DER KÖNIG DAS REICH ZWISCHEN DEN BEIDEN ÄLTESTEN TÖCHTESN.
DER JÜNGSTEN ABER UESS ER EINEN SACK MIT SALZ AUF DEN ROCKEN BINDEN,
UND ZWEI KNECHTE MUSSTEN SIE HINAUS IN DEN WILDEN WALD FÜHREN.'
leichterung, sondern eine Erschwerung des
Bilderbesehens. Es empfindet ganz richtig
so vieles dabei als überflüssigen Ballast.
Seine allezeit geschäftige Phantasie ist im
Deuten und Ergänzen geübt. Ist denn nicht
alles Kinderspiel ein Beleben von leblosen
Gegenständen, ein Deuten von sinnlosen
Vorgängen? — So ergänzt es denn auch
gern und mühelos aus wenigen Strichen, aus
einem Schattenriss das ganze Bild einer
Situation, wie sie anschaulich vordem geistigen
Auge des schaffenden Künstlers dastand. Und
was von der Zeichnung gilt, das gilt auch
von der Farbe. Nicht die subtile Farben-
mischung, die alle Töne des lichtumRosscnen
Naiurausschnittes sorgsam nachahmt, erscheint
dem Kinde als das Schöne und Wahre, son-
dern lebhafte, leuchtende Lokalfarben. Es
empfindet wohl, welcher Schmuck allein in
der ungebrochenen Kraft der Farben liegen
kann. Dem. Kinde farblose Bilderbücher
geben, heisst ihm einen Genuss mehr beim
Schauen vorenth.alten.
Einer der bedeutendsten Kunstgelehrten,
die sich der Frage künstlerischer Erziehung
angenommen haben, hat zwar auf Grund
physiologischer Beobachtungen gemeint, für
die ersten Lebensjahre schwarzweisse Bilder-
IG^. TASCHNER
BILDER ZU GRrMM-
SCHEN MÄRCHEN
AUS: -GERLACHS
JUGENOBOCHEREI.
VERLAG VON MARTIN
GEHLACH & CO., WIEN
-3-^> DAS BILDERBUCH <^^
vermuten. Eine neue Belebung des
Kunstgefühls und der schaffenden
Phantasie im deutschen Volke wird
zweifelsohne auch die Religiosität
neu beleben — in welchen Kunst-
formen steht dahin. Einstweilen
jedenfalls empfinden wir den über-
kommenen Stil religiöser Bilder
als überlebt. Aber bis wir uns
über einen neuen Stil klar ge-
worden sind, müssen wir auf die
besten der älteren biblischen Bil-
derwerke zurückgreifen, wenn wir
unsere Kinder beschenken wollen.
LuDTio Richter verdient auch
hier als der kindlichste den Vor-
zug. Ernster und pathetischer ist
die Sprache, die Schnorr in seiner
Bilderbibel redet. Und doch ist auch
dieses klassische Denkmal deut-
schen Holzschnittes dem Kinde
wohl versländlich. Dasselbe gilt
von Führich's kostbarer ausgestatteten Bilder-
werken (Er ist auferstanden. Legende vom
heiligen Wendelin). Nur ist hier zu bedenken,
inwieweit der katholische Standpunkt des
Künstlers die Verbreitung seiner Bilderbücher
etwa beschränken könnte. Sonst müssen wir
hier noch weiter in die Vergangenheit zurück-
gehen, zu Dürer's Marienleben und Hol-
bein's Bildern zum Alten Testament. Zu
bedauern ist es, dass nicht auch das Seiten-
stück zu Holbein's Werk, die Bilderbibel
Sebald Beham's, in billigen Reproduktionen
zu haben ist. Georo Hirth könnte hier
einen Nachtrag zu seiner Liebhaberbibliothek
alter Illustratoren liefern. Sehen wir nun vom
biblischen Kreise ab, so sind bereits mit
bücher empfehlen zu sollen. Meine persön-
lichen Beobachtungen haben mich — freilich
ohne Physiologie — zu dem umgekehrten
Resultat geführt. Mir scheint vielmehr das
farblose Bilderbuch erst dann in seine Rechte
einzutreten, wenn durch die rein verstandes-
mässige Erziehung der Schule, in der die
Phantasie des Kindes ihre Flügel nicht mehr
regen darf, die naive Schaulust beeinträchtigt
wird. Dann, wenn der Text anßlngt, das Kind
mehr zu interessieren als das Bild, wird das
Bilderbuch vom illustrierten Buch abgelöst.
Aber auch dann noch kann das Bilderbuch
gleichwohl seine Daseinsberechtigung dadurch
verlangern, dass es mit seinem Inhalt an
Gegenstände des Unterrichts anknüpft.
Am nächsten liegt wohl der Stoff-
kreis der biblischen Geschichte,
weil er dem Kinde, schon ehe es
die Schule betritt, nahe gebracht
ist Aber leider befinden wir uns
hier in einiger Verlegenheit, wenn
wir uns unter den Zeitgenossen
nach guten religiösen Bilderbüchern
umsehen. Ueberall stossen wir, im
Bild wie im Text, auf die zuckrige
Phrase, das widerwärtigste Kon-
fekt, das man für Kinder zu-
sammenbraut. Es wäre vorschnell,
dies auf den endgültigen Nieder-
gang der Religiosität zurückzu-
führen. So weit sind wir doch
noch nicht. Eher könnte man den
vorübergehenden Einfluss einer
missverstandenen phantasiefeitid- *. weisgerbeh, iLLUsiRAitoN zu .die eule.. aus .gerlachs
liehen Wissenschafilichkeit hier jugendbOcherei. • verlag von martin gerlach & co-, wien
'.T'^Ly DAS BILDERBUCH <^^^
Von dem Schein.
Die Diebe entfliehen in schnellem Lauf
Aus dem Hain.
*Hipp di hupp, schlapp di wupp, hulihau!-
3*
u >
DAS BILDERBUCH <^-^
Erfolg die verschiedensten Gegenstände des
Schulunterrichtes für das Bilderbuch nutzbar
gemacht worden. Das ABC kommt in
mehreren künstlerischen Bearbeitungen in
Deutschland und England vor. Walter
Crane hat gezeigt, wie man dem Kinde
spielend ein wenig Botanik, Zoologie oder
Ethnographie beibringen kann. Boutet de
ERNST KREIDOLF, WtO.ML'NCSBLATT ZU .DIE
SCHLAFENDEN BÄUME. ■ VERLAG VON SCHAF-
STEIN & CO., KÖLN A. RH. •«•
MoNVEL und Job haben es verslanden, mit her-
vorragenden Bilderbüchern den Geschichts-
unterricht zu ergänzen und den Patriotismus
im Kinderherzen zu entflammen. Ihrem Bei-
spiel ist unser Karl Röchling in seinen
Büchern vom Alien Fritz und von der Königin
Luise mit redlichem Bemühen, wenn auch
mit minderer Kunst gefolgt. Von den übrigen
Unterrichtsgegensiänden könnten z. B. Geo-
graphie und Literaturgeschichte manchen Stoff
für künstlerische Behandlung abgeben.
Vor einem aber möchte ich dabei warnen:
davor, dass man das Bilderbuch in die Schule
bringe. Dass es sich mit dem Ernst des
dort erteilten Unterrichtes schlecht vertrüge,
scheint mir dabei das geringere Uebel zu
sein. Bedenklicher wären die Auseinander-
setzungen der Herren Lehrer. Wir kennen
ihren guten Willen, die Kunst in die Schule
zu bringen und damit bildend auf die Kinder
zu wirken. Nur sollten sie es sich versagen,
dabei über die Kunstwerke zu reden. Aller
Wahrscheinlichkeit nach würden sie sich in
Erörterungen des gegenständlichen Inhalts
erschöpfen und damit von dem ablenken,
was in unserem Sinne die Hauptsache ist.
Eben deshalb sollte man den Künstler in
anderer Weise mit dem Schulunterricht in
Verbindung bringen, in einer Form, die zu
gegenständlichen Betrachtungen schlechter-
dings keinen Antass böte. Er könnte das
Schulbuch bearbeiten, nicht indem er es mit
Illustrationen schmückt, sondern indem er
seine Herstellung leitet, die Lettern zeichnet.
I
i>
'>•
\:
VORSATZPAPIER ZU „DIE SCHLAFENDEN BÄUME"«
>»
EIN MÄRCHEN IN BILDERN MIT VERSEN VON ERNST
KREIDOLF « VERLAG VON SCHAFSTEIN & CIE., KÖLN
••««•«««•««« (DOPPELTER IRISDRUCK) ««««««•««««
-;,-tö> DAS BILDERBUCH <^^
■ EINES ABENDS, ALS SIE SCHON SCHLIEFEN, BETRAT DIE WIESE
EINE HOHE GESTALT: DIE SCHRITT EINHER WIE EIN FORST..
VERKLEINERTE ILLUSTRATION VON F1DUS ZU .DIE SONNENWIESE.. AUS: .KNECHT RUPRECHT.
BAND III • VERLAG VON SCHAFSTEIN & CO., KÖLN A. RH,
^r-^> DAS BILDERBUCH <^-^
üiE ftR,Me. uiu WAT tEN SCHÄNDE EN VtR,ftCHTlN^
HAO HÜTE VEKDU^EN ToEl^ ^^s^^t»^ ^^ ANDtft.e VQC^E-l-^
,Sei>EM &IEN TUD
VERKLEINGItTe SEITE AUS: -HOE DE VOGELS AAN EEN KONINC
KWAMEN-, EENE VOGELGESCHtEDENlS. GETEEKEND DOOR
TH. VAN HOVTEMA a VERLAG VON G. M. VAN GOGH, AMSTERDAM
Land alles Spielzeugs, auch hier an der Spitze.
LuDvio Richter und seine künstlerischen
Gesinnungs- und Zeitgenossen bildeten eine
Gruppe, deren Einfluss die Grenzen Deutsch-
lands überflutete. In Frankreich und mehr noch
in England konnte man ihren romantischen Ein-
Huss deutlich spüren. Dann setzte in England,
von dem kleinen Kreise Ruskin's und seiner
ersten PrärafFaeliten ausgehend, die Bewe-
gung dekorativer Kunst ein, deren universal-
geschichtliche Bedeutung uns allmählich auf-
dämmert. Sie berührte bald alle Kreise des
Lebens und hob, auch das Geringe nicht ver-
schmähend, das Bilderbuch auf eine neue
Höhe. Die Anregungen, die von jenseits des
Kanals kamen, sind nun auch in Deutschland
wirksam geworden. Die Verlagsanstallen von
DiEDERicHS in Leipzig, Fischer & Franke,
Schuster & LOffler in Berlin, Schafstein
in Köln, der Jugend- und Insel -Verlag in
München haben ausgezeichnete illustrierte
Bücher und neuerdings auch einzelne Bilder-
bücher herausgegeben. Und auf dem letzten
Weihnachtstische konnten wenigstens zwei
deutsche Bilderbücher von künstlerischem
Range erscheinen, bei denen wir einen Augen-
blick verweilen wollen. Das eine ist die unter
dem Titel der Arche Noah bei Teubner in
Leipzig erschienene Sammlung von Kinder-
reimen, zu der einige Mitglieder des Karls-
ruher Künstlerbundes farbige Lithographien
geliefert haben. Die allermeisten Bilder sind
vortrefflich, derb und deutlich in den Um-
rissen, einfach und lebhaft in der Farbe. Die
Beiträge von Fikentscher und Volkmann
verdienen besonders hervorgehoben zu werden.
Franz Hein hat ausser anderem ein sehr
wirksames Umschlagbild dazu geliefert. Fritz
und Emily KOgel, die den Text geschrieben
haben, sind in ihren Versen unverkennbar
von Richard Dehmel inspiriert. Das einzige,
was ich an dem hübschen Buche aussetzen
möchte, ist das fettige und leider auch keines-
wegs geruchlose Papier. Das andere Bilder-
^r^5> DAS BILDERBUCH -(^i^
buch dieses Weihnachtstisches, die schiefen-
den Bäume von Ernst Krbidolp, ist künst-
lerisch nicht minder bedeutsam. Zum wenig-
sten hat es den Vorzug der durchaus einheit-
lichen Ausstattung. Dass Kreidolp auch den
Text zu seinen Bildern gedichtet hat, kann
man ihm allerdings kaum zum Verdienste an-
rechnen. Es ist merkwürdig, dass ein Künst-
ler, der so vortrefflich für Kinder zu zeichnen
weiss, in seinen Versen so wenig den rech-
ten Ton trifft. Ein liebenswürdig harmloser
Humorist ist Freilich Kreidolp auch in seinen
Bildern nicht. Er fesselt durch andere Eigen-
schaften, durch scharf charakterisierende
Schilderung und eine Phantasiik, die sich
zuweilen zum schreckhaften steigert. Man
sehe das Vorsatzpapier zu den schlafenden
Bäumen mit den gespenstischen Tieren. Auch
die Figur des Fitzebutze in dem also be-
nannten Bilderbuch hatte etwas unheimlich
Spukhaftes, und das mag eine der Ursachen
des leidenschaftlichen Protestes gewesen sein,
dem dies sonst so ausgezeichnete Bilderbuch
bei einem Teil des Publikums begegnet ist.
Wenn man will, so kann man zu den neuen
Bilderbüchern auch die reich illustrierten
Bändchen von Gerlach's J ugendbücherei
rechnen — in ihrer Art kleine Meisterwerke,
allerliebst einheitlich ausgestattet mit klassi-
schem Text, der von einigen unserer begab-
testen jüngeren Künstler(LöFPLER, Taschner,
Weisoerber, Fahringer) vortrefflich illu-
striert ist. Auch der , Knecht Ruprecht"
hat uns heuer in seinem Rucksack besonders
hübsche Bilder mitgebracht.
Man sieht, verheissungsvolle Anfänge sind
gemacht. Aber wir dürfen nicht stehen bleiben.
Es giebt fast in jeder deutschen Kunststadt
Männer, die berufen wären, mitzuarbeiten,
die unsere Kinder mit den schönsten Bilder-
büchern beschenken könnten. Ich will nur
einige nennen: Emil Orlik, Oskar Ztint-
scher, Heinr. Vogeler, Eugen Kirchner,
JuL. DiEZ, Walter Caspari, Arpad Schmid-
HAMMER, Angeld Jank, Sophus Hansen in
Hamburg und Peter Philippi in Düsseldorf —
von den Karlsruhern zu geschweigen, deren
gemeinsame Arbeit wir ja eben erwähnt haben.
^,..^> DAS BILDERBUCH -C^^
AUS: .UIT HET WONDERLAND^ CEILLUSTREERD
DOOR W. F. A. J. VAARZON MOREL ■ VERLAG
VON C. A. J. VAN DISHOECK, AMSTERDAM • • •
Kinde alle wertlose Pseudokunst nach Kräften
Fern zu halten, ihm darür in freundlicher
schlichter Umgebung des Kinderzimmers gute
Bilder zeigen und sie gemeinsam mit ihm
betrachten. Sie hätten genug damit zu thun!
Ganz in der Stille würden dann in empfang*
liehe Gemüter die Keime gelegt werden zu
jenem Unterscheidungsvermögen zwischen
dem künstlerisch Wertvollen und dem Wert-
losen, das man den guten Geschmack nennt.
Gute Bilderbücher könnten viel dazu beilragen.
Um solche künstlerische Kräfte in Aktion zu
setzen, bedarf es aber des Unternehmungs-
geistes rühriger Verleger. Möchte er uns
nicht im Stiche lassen! Wenn irgendwo, so
ist hier eine Gelegenheit, echte lebendige
Kunst in breite Massen des Volkes hineinzu-
tragen. Der Erfolg wird nicht ausbleiben und
beweisen, dass die idealen Interessen sich
sehr wohl mit denen des Geschäftes ver-
tragen.
Zum Schlüsse noch eines. Wenn wir für
das Bilderbuch als ein Mittel künstlerischer
Erziehung eintreten, ist es nötig, hinzu-
zufügen, dass wir dabei nicht an eine münd-
liche Belehrung der Kinder über das Warum
von Schön und Hässlich denken! — Der gute
alte Verfasser des Struwwelpeters brauchte
es nicht zu befürchten, dass wir unsere
Kleinen in Gemäldegalerien und Skulpturen-
sälen erziehen würden. Ebensowenig denken
wir daran, ihnen ästhetische Vorträge zum
besten zu geben. Im Gegenteil — je weniger
geredet wird, desto besser. Die Eltern und
Erzieher sollten sich darauf beschränken, dem
.CROCUS! IVER IST DAS?' - WAS. DAS
WEISST DU NICHT. WER CROCUS IST} DAS
WEISS HIER JEDER. GUCK, DA KOMMT SIE..
AUS: •AGATHA SNELLEN, KLAPROOSJE EN KOREN-
BLOEMPJE- EEN SPROOKJE MET TEEKENENGEN VAN
L. W. R. WENCKEBACH ■ VEJtLAG VON C. A. J. VAN
DISHOECK, AMSTERDAM
^>-4=5> DAS BILDERBUCH -<Sä^
ZU UNSEREN ILLUSTRATIONEN
Zwei Anforderungen muss ein gutes Bilder-
buch erfüllen ; das Kind fesseln und
das Kind in dem Sinne erziehen, dass es
dessen Anschauungs vermögen und dessen
Phantasie entwickelt. Es muss also künst-
lerisch gut sein, ohne an Interesse für das
Kind zu veHieren. In wie mannigfacher
Weise das Problem zu lösen ist, — wenn
auch zuweilen der eine Faktor vor dem andern
in den Vordergrund tritt, — das sehen wir
aus unseren Illustrationen: Gehen wir von
Steinle und Schwind zu Ludw. Richter,
von diesem zu Busch und OberlXnder und
der viel zu wenig beachteten Marie Olfers
(Abb. Seile 279): — Jeder von ihnen wandelte
seine eigenen künstlerischen Bahnen und fand
auf ihnen den Weg zum Kinderherzen.
Von diesem Standpunkt aus verdienen,
was Deutschland betrifft, drei Erscheinungen
der jüngsten Zeit vor allem hervorgehoben
zu werden: Ernst Kreidolp's Bilderbücher,
der alljährlich bei Schafstein & Co. in
Köln erscheinende „Knecht Ruprecht" und
.Gehlach's Jugendbücherei' in Wien.
Kreidolf ist seiner ganzen Veranlagung
nach prädestiniert zum Märchen •Illustrator.
Auf Weg und Steg wird ihm die Natur zur
Märchenwelt: Blumen, Blätter, Bäume,
Wolken und Himmelsgestirne leben sich
vor ihm aus, offenbaren sich dem „Sonntags-
kind" in tausenderlei geheimnisvollen Ge-
stalten: lieblich und drollig, feierlich und
schreckhaft, immer und überall aber voll
Seele und Ausdruck, voll Bewegung und
unerschöpflichen Einfällen. Man fühlt: er
braucht die Form für sein Empfinden nicht
erst zu suchen und aufzubauen, sondern er
sieht die Dinge so, erlebt sie und giebt sie
wieder. Man muss nur so etwas betrachten,
wie das Vorsatzpapier zu den „Schlafenden
^rJ^> DAS BILDERBUCH <^i^
Bäumen" (stehe unsere Extrabeilage): — hört
man da nicht die alte Märchengrossmutter er-
zählen von dem nächtlichen Wald mit den ver-
zauberten Tannen und den staunend gespensti-
schen Tieren? weh dem Kinde, das sich hier
verirrt! und doch: eine gute Fee oder ein braves
altes Erdmännlein wohnen sicher zu tiefst darin
und öffnen dem, der sie zu finden weiss, ihre
unermesslichen Schätze. — Oder das Blatt
„Die Diebe" aus den nBlumenmärchen"; da lebt
und webt und huscht und gleitet und zittert
und flüstert es, ein Drama im kleinen spielt
sich ab zwischen den beseelten Taubnesseln
und Blasblumenl — - Freilich, in Farbe wirkt
das noch ganz anders! Aber auch die Zeichnung
allein ist eindrucksvoll genug durch die Art,
wie Kreidolf die Blätter und Stiele gleichsam
von tnnern Vorgängen bewegt erscheinen lässt,
und durch das Mienenspiel seiner Blüten-
gesichter, in denen er den Charakter der
betreifenden Pflanze so überzeugend zu fassen
weiss. Für Kinder ist seine Ausdrucks weise
leicht verständlich und lebendig, weil sie
unmittelbar durch die Augen (nicht erst
über den Intellekt) zur Phantasie und zum
W. F. A. J. VAARZON MOREL, TITELBLATT ZU
.UITHETWONDEHLAND.«VERLAGVONC.A.J.
VAN OISHOECK, AMSTERDAM (vERKLQHEBt) «
•ES WAR EISE WILDE JAGD, DIE BOCKE
MÄCHTEN CKOSSE SPRÜNGE .
AUS: C. W. VAN DE NOORDAA. -AVONTUREN VAN BOB-
GEILLUSTREERD DOOH W. F. A. J, VAARZON MOREL •
VERLAG VON C. A. J. VAN DISHOECK, AMSTERDAM mm
Gemüte geht. Allerdings findet man den
ungekünstelten anmutigen Märchenton
und den echten, frohen, unbefangenen
Humor Kreidolf's am reinsten in den
Werken, die er aus eigenem Impuls,
aus eigenstem Empfinden geschaffen hat.
Im vielgerühmten „Fitzebutze" macht
sich der Einfluss Dekmel's leider stark
geltend: es sickert auch durch die
Bilder etwas von der künstlichen Naivi-
tät, von dem witzig gewordenen Humor
dieser gewaltsam kindlichen Berliner
Kinderstubenpoesie. Es ist kein ganzer
Kreidolf mehrl Wie prächtig ist da-
gegen , auch vom dekorativen Stand-
punkt aus, das Widmungsblatt aus den
„Schlafenden Bäumen" (Seite 292), und
wie lustig wirkt die Probe, welche wir
aus Kreidolf's Mitarbeiterschaft am
„Knecht Ruprecht" bringen (Seite 290)t
Ueberhaupt bietet der „Knecht Rup-
recht* eine Fülle von Gutem, und da
zu eingehender Würdigung des Ein-
zelnen der Raum uns fehlt, möchten
wir wenigstens hinweisen auf so reiz-
volle Beiträge wie die „Schneeflocken"
von B. Pankok (Seite 292), die poe-
tisch-feierliche Märchengestalt von Fious
(Seite 293), oder die Humoresken A.
Schmidhammer's (Seite 285). Sein
Meisterwerk hat dieser letztere aller-
dings mit dem für die ,Jugend'' gezeich-
^r^^> DAS BILDERBUCH <ä£^
neten .Wicht" geliefert, dem wir unseren
heutigen Heftumschlag anvertraut. — In den
drei Jahren seines Bestehens hat sich „Knecht
Ruprecht' so reich und günstig entwickelt,
dass man den Einfluss, den er infolge seiner
führenden Stellung auf das deutsche Bilderbuch
nimmt, froh und dankbar willkommen heisst.
Nur das Eine kann er als Sammelwerk, in dem
noch dazu so ausgesprochene und verschieden-
artige Individualitäten zusammenwirken, nicht
bieten: dieEinheitlichkeit des Ganzen alsBuch.
Hier stehen die GERLACH'schen Jugend-
bücher (Seite 287—289) obenan. Jedes Bänd-
chen ist einem einzelnen Künstler anvertraut
und als abgeschlossenes kleines Kunstwerk
ausgestaltet. Aehnliches wurde ja schon vorher
in Fischer & Franke's „Jungbrunnen"
(Seite 286, 287) angestrebt und zum Teil auch
erreicht. Nur ist die archaisierende Richtung
dieser dankenswerten Ausgabe eine etwas ein-
seitige Liebhaberei und liegt speziell dem kind-
lichen Verständnis femer, als die in ihrer
schlichten, lebendigen, von volkstümlichem
Humor durchwehten Natürlichkeit leicht an-
sprechenden Illustrationen Weissoerber's,
Loepfler's und Taschner's. Auch die ge-
schmackvolle Gesamtausstattung und das hand-
liche Format dieser Märchenbücher werden
nichtverfehlen, zu deren verdienter Verbreitung
das ihrige beizutragen.
Uebrigens stellen immer mehr junge
Kräfte ihre schöpferische Begabung in den
Dienst des Bilderbuches. Unsere farbigen Bei-
lagen zeigen einige Proben; und venn
wir Eichler's originellen, phani.sie-
reichen .Herbst' (dem .Märchenbuch
der Münchner Jugend" entnommen),
O. Zvintscher's und E. Oruk's gemLt-
und humorvolle Illustrationen zu .Die
drei Männlein im Walde* und .Der
Ranzen, das Hütlein und das Hömlein'
betrachten, so freuen wir uns darüber,
wie der alte , deutsche Märchengeist
noch lebendig ist, welch frische, kräftige
Blüten er wiederum treibt.
Auf die holländischen Bilderbücher,
denen ein eigener Aufsalz leider nicht
mehr gewidmet werden konnte, möchten
wir hiermit noch besonders aufmerksam
machen. Nicht nur van Hoytema's zum
Allerbesten zu zählende Vogeldarstel-
lungen (Seite 294 u. 295), sondern auch
Illustrationen wie die suggestiven, an-
mutigen Märchenbilder Wenckebach's
(Seite 296 u. 297) oder die lieblichen
Kinderscenen von Nelly Bodenheim
(5. 299) verdienen liebevolle Beachtung
weit über die Grenzen Hollands hinaus.
f f t t
Ik kwam lastst in een poppenkrssm
Wsaral die mooie poppen staan
Ik zei wa> doen die poppen hier
Die poppen drinken poppenbier
Die poppen drinken poppenwijn
Wat zullen die poppen vroolijk i\}n
VERKLEINERTE SEITE AUS: NELLY BODEN-
HEIM, .HET RECENT - HET ZEGENT- « « •
VERLAG VON 8. L. VAN LOOY, AMSTERDAM
-a-tO DAS MODERNE ENGLISCHE BILDERBUCH ■<äi-r-
DAS MODERNE ENGLISCHE BILDERBUCH
Von Anna Muthesius-Trippenbach, London
ES ist kein Zufall, dass gerade England, wo
die höchste Stufe in der Pflege und Er-
ziehung des Kindes erreicht worden ist, im
Laufedesvergangenenjahrhunderts am meisten
gethan hat, um die Kunst in das Leben des
Kindes zu tragen. Das beste Ausdrucksmittel
dafür, das Bilderbuch, steht seit zwanzig
Jahren auf unerreichter Höhe, und kein Land
der Welt kann sich in dem Reichtum an
künstlerisch wertvollen Kinderbüchern mit
England messen.
Es hat indessen auch hier einer langen
Zeit bedurft, ehe man zu der Erkenntnis kam,
dass nicht nur das Ohr des Kindes für gute
Erziehungseinflüsse offten zu halten sei, son-
dern dass auch das Auge ein Vermittler und
vielleicht ein viel besserer als das Ohr sei,
um den Sinn für das Gute und Schöne in
der Kindesseele zu entwickeln. Das Bilder-
buch, wie es zu Anfong des neunzehnten
Jahrhunderts beschaPfen war, konnte weder
um das Kind des dunklen London Helligkeit
verbreiten, noch dem Kinde, dos den Sonntag
durch lebhafte Spiele nicht entweihen darf,
einen Ersatz bieten für einen verbotenen
lustigen Ringelreihen oder einen einzigen vom
Sonntag verbannten Purzelbaum. Die wenigen
Kinderbücher, die damals existierten, schienen
nur dazu vorhanden zu sein, das Werk des
Erziehers in wenig verhüllter Form fortzu-
setzen, sie enthielten Belehrungen in Geo-
graphie, Naturgeschichte, Gewicht und Mass,
sie stellten das Böse an den Pranger und
belohnten das Gute. Gullivers Reisen und
Robinson Crusoe waren zwei kostbare Perlen
in dieser Armut, die übrigens gar nicht ein-
-^ri^> DAS MODERNE ENGLISCHE BILDERBUCH <^-7?-
mal von vornherein für kindliche Leser be-
stimmt waren. Die spärlichen Holzschnitte,
die diese Erzählungen begleiteten , können
kaum das leiseste Interesse der Kinder er-
weckt haben und waren eher dazu angethan,
die Phantasie des Kindes zu hemmen als sie
zu unterstützen. Der erste Schritt zu einer
Besserung trat erst ein, als man 1826 die
deutschen Märchen hinüberbrachte und sie
mit Illustrationen von Cruikshank unter dem
Titel: German Populär Stories herausgab.
Die Illustrationen dieses Buches, voller Farbe
und Lebendigkeit des Ausdruckes, übertrafen
alles bis dahin Dagewesene, und die Märchen
erÖfFneten die Aussicht in ein ungeahntes
Land der Wunder. Unsere deutschen Märchen
haben seitdem so tief im englischen Volke
Wurzel gefasst, dass sich niemand mehr be-
wusst ist, dass sie nicht auf heimischem
Boden gewachsen sind. Mindestens die Hälfte
der grossen Menge von illustrierten Bilder-
büchern, die alljährlich neu erscheinen, zehren
von ihrem unerschöpflichen Reichtum und
die grossen Weihnachtspantomimen, mit denen
alle englischen Theater zur Christzeit die
Kinderwelt erfreuen, wissen nichts Besseres
zu thun, als immer wieder Dornröschen oder
Schneewittchen aus ihrem Zauberschlafe zu
■ DAS MODERNE ENGLISCHE BILDERBUCH
erwecken. Man bat nichts, was auch nor
annlbemd so guten Stoff zu der Prachtent'
bJtnng nod Pluntastik geben würde, die
Gross nnd Klein von der Cbristmas-Panto-
mime erwartet. Die Cbristmas- Pantomime
gehört aber zn des englischen Kindes Teib-
nacbten wie der Tannenbaum zn dem des
dentscben. Aocb nnser Struwwelpeter tmnd
seinen Teg ober das Tasser aod wirkte dnrch
seinen Hnmor erlösend wie ein guter Titz in
einer langen Sctanistnnde. Seine Beliebtheit
bat er bis beute bewahrt, er genoss st^ir als
.Sbock-beaded Peter' die Ehr«, der Held
einer letztjihrigen Christmas-Pantomime zu
sein. War darch seinen Einzug auch nichts
für die Kunst gewonnen, so hatte der jnbel,
mit dem ihn die Kinderschar begrüsste, ge>
zeigt, wie notwendig es war, dem Humor anf
dem Gebiete des Kinderbuches einen Haupt-
platz einzurbmen. Niemand aber benatzte
diesen Fingerzeig, und Struwwelpeter blieb
lange alleinherrscbcnder Spassnacber anf dem
Gebiete des Bilderbuches, mit dessen künst-
lerischer Entwicklung er jedoch nichts zu
Ibnn hat.
In dieser Beziehung Hess die Weiterentwick-
^ LORA'5F£A5r
PAKT-
RK
INE
VERKLEINERTE SEITE AUS: WALTCR CRANE,
.A MASQUE OF DATS« • MIT ERLAUBNIS DER
VERLEGER CASSELL * CO., LTD., LONDON
VERKLEINERTESTIIEIBLATT ZU: WALTER CRANE.
.PLORA'S FEAST- « • MIT ERLAUBNIS DER VER-
LEGER CASSELL & CO., LTD., LONDON ••••«
lung der in den CRUlKSHANK'schen Büchern
angefangenen Richtung noch Jahrzehnte auf
sich warten, sie konnte auch erst in einer
Zeit eintreten, als man in England überhaupt
wieder künstlerische Ziele anstrebte. Zwar
ist es nicht William Morris, jener grosse
Reformator anf allen Gebieten der ange-
wandten Kunst, der hier in die Schranken
trat. Er las fast selbst noch Kinderbücher,
als man das Kinderbuch künstlerisch zu refor-
mieren begann. Dies Verdienst gebührt dem
späteren Leiter des South Kensington-Mu-
seums, Sir Henry Cole, der schon 1844
unter dem Pseudonym Felix Summeruey
mit aufrüttelnden Begleitworten Serien von
Bilderbüchern herausgab, die zum erstenmal
von namhaften Künstlern illustriert wurden.
Er fand begeisterte Zustimmung. Es ent-
standen unter seiner Leitung Bücher mit
Bildern von W. Mulready, J. Horsley und
andern Akademie-Mitgliedern, aber auch die
Bilder alter Meister, wie Holbein und DOrer,
wurden zu Illustrationen von Jugendschriften
benutzt.
Schon von den vierziger Jahren anmachte
sich femer ein anderer Einfluss auf das
illustrierte Kinderbuch geltend, und zwar ein
EinRuss, der von unseren deutschen Meistern
-»-5^- DAS MODERNE ENGLISCHE BILDERBUCH <:^-=-
VERKLEINERTE SEITE AUS: WALTER CRANE,
•QUEEN SUMMER' ■ MIT ERLAUBNIS DER
VERLEGER CASSGLL & CO., LTD., LONDON
nicht dem Kinderbuche die unerllssliche
Eigenart mit, sich der Kiadesseele anzu-
passen. Wo man es wollte, beging man
fast immer den Irrtum, es durch die Dar-
stellung von Kindern zu versuchen.
Erst durch das Aufblühen der Schule
Fred Valker's und Pinwell's und durch
die Illustratoren des gMusic Master': Millais
und Arthur Huohes begann ein neues
Leben auf dem ganzen Gebiete. Besonders
Arthur Hughes widmete seine Kraft einer
Reihe von Kinderbüchern und illustrierte in
kindlichem Geiste: Tom Brown's Schooldays,
Good Words for the Young, The Princess
and the Gobiin u. a. Er blieb für die sech-
ziger und siebziger Jahre der Meister der
farblosen Illustration.
Um dieselbe Zeit (nämlich 1868 und 1872)
entstanden auch die zwei berühmtesten und
jedenfalls weitverbreitetsten Bilderbücher,
die England im neunzehnten Jahrhundert
überhaupt hervorgebracht hat, nämlich : Alice
in Wonderland und Through the Looking
Glass, beide von dem schon genannten John
(späteren Sir John) Tennibl herrührend.
Schwind und Richter ausging
und sich zuerst in der von John
Tenniel illustrierten, 1846 er-
schienenen Uebersetzung von Fou-
Quß's Undine äusserte. Die Un-
dine ist nächst dem in Deutsch-
land ganz unbekannt gebliebenen,
in England aber jedem Kinde be<
kannten Sin tram FouQuß's ein Lieb-
lingsbuch des englischen Volkes
geblieben und in der Folge un-
zählige Male illustriert worden.
England blickte damals mit künst-
lerisch durchaus gläubigen Augen
nach Deutschland herüber (was
sich später fast in das Gegenteil
verkehrt hat), nicht nur auf unsere
Dichter, sondern auch auf unsere
bildenden Künstler. — Ausser
Tenniel wirkten damals noch in
diesem Sinne Sir John Gilbert,
Harrison Weir, Birket Foster,
Charles Keene als Kinderbuch-
Illustratoren. Aber diese Kinder-
kunst unterschied sich noch nicht
von der Kunst für Erwachsene.
Zwar brach in den sechziger Jahren
eine Blütezeit der englischen Holz-
schnittkunst an, die die Illustration
ungemein hob, sie brachte aber
■SIEJAGTEK LOS, USD DAS HACHSTE, WAS SIE AVFSPORTEN,
WAS EINJUKGER OCHSE IN EINEM PFERCH:
AUS r B. CALDECOTT, .THE THREE JOVIAL HUNTSMEN. « MIT ERLAUBNIS
DER VERLEGER FREDGRICK WARNE & CO., LONDON « (vesKLeiNUtT)
303
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DAS MODERNE ENGLISCHE BILDERBUCH
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4^fn Yf^fiihm^Jcn Zfty.hmtr
4^f^ Puo'.h. (ßf/x^tyM beute
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Alle bisher ptn^nnttn^ an
%ich keinetwef» zu unter'
%cWit7Jtn6tn Kinderbildef'
bücher haben beute nur
n//cb bi«toriu;ben Wert,
Sie muten un« «Itmoditcb^
al« der Vergangenbeit an-
Keb^/rend an. Oemeinaam
i«t ibnen die erntte Miene
und der Mangel an FMbif'
keitf den ricbtigen Ton
de« Kindlichen zu treffen«
Die Farbe iftt selten zu
Hilfe genommeni der Hu'
mor fehlt fatt gänzlich.
Wie wollten aie den Weg
zum Kinderherzen ßnden?
An der Schwelle der
neuen Kinderbuchzeit, der
kla«i<»iftchen, wirlclicb für
da» Kinderherz »chaffen-
den Zeit dea engliachen
Hllderbuchs stehen drei
Oeatalten, die, obgleich »ehr verschieden,
doch die Grundpfeiler für das moderne Bilder-
buch gemeinsam errichtet haben: Walter
(Jmank, Kandolhh Caldecott und Kate
(JNI'.KNAWAY.
WAi/ri(K Ckanh Ist der fruchtbarste unter
den Dreien und auch wohl der bei weitem
elnfluksrolchste geblieben. Wenigstens ist
er derjenige, deiison Ruf über die ganze Welt
gedrungen Ist und Hnglands Namen auf diesem
bestimmten Gebiete auch in Deutschland gross
gemacht hat. Man ging hier so weit, seinen
Namen als den InbegrilT der ganzen neu-
englischen Kunstbewegung zu betrachten. Er
Ist noch heute derselbe reich schalTende, liebe-
voll sich in das Kelch kindlicher Phantasie
veritenkendo Meister wie vor zwanzig Jahren,
als er mit Hlldern zu den Geschichten der
Mrs. Moi.M^iWOKTH, mit seinen Toybooks und
vor allem mit den Bildern zu Grimmas Märchen
seinen Ruf begründete. Am grössten ist er
stets in der stilisierten, ins Dekorative ge-
zogenen Illustration geblieben. Wo er einmal
aus diesem Rahmen heraustritt und realistisch
darstellen will, zeigt sich eine gewisse Be-
schrünkung seines Talents. Wo es aber gilt,
^,
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VERKLEINERTES TITELBILD ZU: WALTER
CRANE, »A FLORAL PANTASY« « • « MIT
ERLAUBNIS DER VERLEGER HARPER ft
BROTHERS, LONDON «««««•««••
Stil Tor das Ange
HihmL. CS mit pbantasri-
sciser Pracht ansrnstatteo,
dz wächst seine Krmfl und
man wird vefstebeo, vie
sehr sein Rahm berechtig
isu Er ist der eiste grosse
dekorative Känstler in der
Reihe der englischen Bil-
derfouchmeister. Die Hel-
den seiner Mircbenbilder
kleidet er g^m in klassi-
sche Gewänder, mit künst-
lich g^rdnetem Falten-
wurf. Er bringt sie in einer
gewissen, primitiv dekora-
tiven Weise zur Darstel-
lung, die dem Kinde zu-
sagt, er zeichnet auch die
Friese und Fällungen in
architektonischem Sinne
und findet mit deren de-
korativer Wirkung stets
Verständnis. Das ganze
. Buch ist künstlerisch auf-
gefasst und ist mit be-
sonders entworfenem Um-
schlag, Vorsatzpapier und
Druck von A bis Z ein
Kunstwerk. Sein aller-
grösstes Verdienst liegt
aber in seiner Farbe. Er trägt sie so kräftig
und leuchtend auf, dass er damit zum ersten-
mal ein Haupterfordernis des Bilderbuches
erfüllt, dem man sich seltsamerweise so lange
verschlossen hatte. Dabei sind seine Farben
zu feinen Accorden abgestimmt. Siebestimmen
den Eindruck des Bildes mehr, als das bei
irgend einem andern Künstler der Fall ist.
Die Anregung zu seinen Farbenkompositionen
zog Walter Crane, wie er selbst betont, von
den japanischen Farbenholzschnitten,diegerade
zur Zeit des Beginns seiner Laufbahn in
Europa bekannt wurden.
Walter Crane's Hauptwerke sind: Grimmas
Household Stories, The Necklace of Princess
Fiorimonde, Beauty and the Beast, The Absurd
ABC, Jack and the Beanstalk, Sleeping
Beauty, Blue Board, The Baby's Opera,
The Baby's Bouquet, Flora's Feast, The Forty
Thieves, Aladdin, Panpipes, Cinderella, Noah's
Ark Alphabet, The Masque of Days. Die
meisten derselben sind längst vergriffen und
nur wenige sind in einer zweiten Auflage
gedruckt. Der englische Verleger liebt es,
seine Auflagen rasch abzusetzen und den
Rest nach einer gewissen Zeit auszuverkaufen.
304
-;>-^> DAS MODERNE ENGLISCHE BILDERBUCH <^ä-c-
-7^ -0^
um neuen Erscheinungen Platz zu machen;
eine missliche Sache für den, der zu spät
den Wunsch hatte, diese Bücher zu erwerben.
Er l(«nn ihn nur erfüllen, wenn er die grosse
Mühe und den grösseren Geldaufwand nicht
scheut, sie als RaritSlen in seinen Besitz zu
bringen.
Glücklicherweise machen die Bilderbücher
und deren trefflich erfasste Augenblicks-
hilder das Wort überflüssig machen; zu-
gleich gieht er das beste Bild des eng-
lischen Volkslebens. Er bringt gern Jagd-
hilder voll komischer Satire und mit vollendet
gezeichneten Pferden, lässt einen tollen
Hund, der den Pastor in die Wade gebissen
hat, das ganze Städtchen in Aufruhr bringen
Randolph Caldecott's, die noch fortgesetzt und schildert mit aller Grandezza die Hoch-
aufgelegt werden und daher vollständig zu zeit eines Barbiers, aus der unsere obige Ab-
haben sind, hiervon eine Ausnahme. Damit bildung den Moment der Tischrede bringt,
ist den Kindern von heute und
morgen ein Meister erhalten,
der ihre Wünsche zum ersten-
mal in jeder Beziehung kannte
und erfüllt hat, der ihnen vor
allem eins mitbrachte, was ihnen
bisher vorenthalten war, einen
unerschöpflichen Humor. Er
stieg mit dieser göttlichen Gabe
nicht vom Himmel, wohl aber )
von der Höhe eines Kontor-
stuhls herab, auf dem ihm plötz-
lich die Zahlen zu tanzen an-
hngen wie eine Kinderschar,
die so lange bittend die Händchen
erhob, bis er mit ihnen ging,
um ihnen sein Land der Fröhlich-
keit zu zeigen. , y.
Während der Meister in ' "'■
seinem Lande längst nach Ver-
dienst geschätzt wird, ist er ~-'
auf dem Kontinent ziemlich un-
bekannt geblieben. Er sollte es
um so weniger sein, als er
Bilderbücher geschaffen hat, die
auch ohne Text zu uns reden
-.■■^.^- I>A5 MODERNE ENGLISCHE BILDERBLCH -Z
'.s.x^s iasitit es »^b em Scbiliema^ tob
tr iv.it e>ts:aüft in iie faässlicbe Kankatnr
ttrfi::'. ix «US gerade becw vieler ia
hn^ao-i T^r ix Kinderttcliud^ng sttf des
Ä«iit brisjp, C»Li>tOJTT i« •<>« sllea eog-
1 «ch^a b:lJCTfeticbkäD»t!«ni mcb deneoi^e,
der ca« «n iceiitcs dorcb sein zeicbaeiiscbet
V.'/r.aem imp'/nierefl kann, besonders tsterein
*%\Kiezei-.iiaeter Tierzeicbner. Er Tcrzicbtet
;ni IniereMe seiner kleinen Bescbancr zw
ni'.b'aafifie Farben, betrachtet sie aber sls etwas
N'ebensIkhJicbes» Es scbeint. als veno aocb
eine Kinderlund an seiner Stelle den Pinsel
bitte fchreo kdnoeo. Als veno er dies auch
bedacht bitte, bringt er eine Earbigc Seite
rf»d giebt aof der nächsten eine farblose
Zeicbnoog, die förmlich zur Hervorfaolung
des Tuschkastens aunordert.
Zd Valter Crame steht Caldecott nicht
nur in der Farhe, sondern auch tn der zeich-
nerischen Darstellung in scharfem Gegensätze.
Er zeichnet malerisch und aicbi dekorativ,
ein Grund vielleicbt, weshalb in Deutschland
nicht die Aufmerksamkeit auf ihn gefallen ist.
HCKTEN
[E MAD DOC. ■ MIT ERLAUI
Vf.RI.Knrtt FHEDFRICK WARNE li CO., LONDON
was er wohl Terdieate. Sein Haapcverk be-
steht ans secfazetaa Terscfaiedeaea FSaiffrig-
pfenni^ncberm. die tetzt auch ia 't"»'*^— ver-
einigt za haben sind. Sie illa stf i ereo die
bckanntesiea engliscbea s<^ Naiver? Rfa;'iDe&.
ieae kurzen oft ebe nso amüssatea nsd «ritzi-
gea als maachmal ganz sänawidrigni Verse
ans dem Reiche der engliscbea Kindersmbe,
die als Verstümmeltinpa tob Volksliedem
aufzufassen sind, TorgenoHBca tod Gene-
raiionea gedankenloser Kinderwäneriimen an
der Vie^ der Kinder. Sie werden seil
zwanzig Jahren eifrig gesammelt nnd dienen
unzähligen Bilderfoncbem znm Vorwande, nm-
somebr als ihr zweifelhafter Sinn der Ptun-
tasie so freien Spieimm lässt.
Die dritte Erscheinimg in dem Dreiscstirn
der englischen Kinderbuchbegrnnder ist Kate
Greenaway, deren Name nächst demjenieeo
Crake's in DentschUnd am bekamntestcn ge-
worden isL Ihre Bedeatnng liegt eigentlich
trotz ihrer grossen Verdienste am das Kinder-
buch Inf einem andem, aber aus diesem
al^leiteten Gebiete : dem des Kindervn-
znges. Auch bei uns hat man sich daran ge-
wöhnt, in dem von ihrgeschaffenea
Typus des englischen Kioderan-
znges ein Muster des guten Ge-
schmackes zu sehen. Sie grilT im
Schnitt aaf die Mode des Empire
znrnckfdie sieb durch ihre Schlicht-
heit und Taillenlosigkeit am besten
für das Kindergewand eignet. Halte
sie auch nicht daran gedacht, ihre
Bilderttuchkindcr als Modelle für
eine neue Kindermode zu schaffen,
so ^isste sie doch das VerkauFs-
hans von Liberty als solche auf
und brachte durch die Anfertigung
von Kinderkleidem im Greena-.
VAY-Stil am glücklichstenauchsein
grosses Verdienst zur Geltung, die
zu vollkommenem Erfolg erforder-
lichen künstlerischen Kleiderstofle
geschaifen zu haben. Wie über-
zeugend noch heute diese von ihm
ausgeführtenKtnderkleiderwirken,
beweist, dass bis heute keine Laune
der Mode an ihnen hat rütteln
können, und dass ihr Schnitt für
die Kinderkleider der Reichen wie
für die der ärmsten Arbeiterklasse
als allein herrschend angenommen
ist. So kommt es, dass das eng-
lische Kind heute als ein Muster-
bild des Geschmackes, ja als das
fis DER bestgekleidetsie Wesen der mo-
dernen Welt erscheint. Es ist
-..-^D- DAS MODERNE ENGLISCHE BILDERBUCH <^^
doch sehr anziehenden Gruppe von Malern,
welche sich um die siebziger Jahre der Gunst
des englischen Publikums so sehr erfreute.
Man bemerkt dieselbe Verteilung der Figuren
in die Landschart, dieselbe süsse Melancholie,
Grazie und Feinheit wie dort. Ihre entzückend
abgewogenen Farben täuschen oft über Mängel
in der Zeichnung hinweg, in diesen Farben Hegt
ein Hauptverdienst ihrer Bücher überhaupt.
Die Absicht, Bücher für die Kinder zu
schaffen, hat Kate Greenavay nur bis zu
einem gewissen Grade erreicht, sie malle
Kinder, aber nicht für die Kinder! Kinder
interessieren sich nur für ihresgleichen,
wenn sie ihr Mitleid, ihre Bewunderung oder
ihren Abscheu erregen, aber diese Kinder
thun gar nichts Aussergewöhnliches, sie sind
Muster der guten Sitte, sie sind für das Kind
langweilig.
R. ANNING BELL. TITELBILD ZU -JACK
THE G1ANT-K1LLER AND BEAUTY ANDTHE
BEAST- • MIT ERLAUBNIS DER VERLEGER
J. M. DENT * CO., LONDON ••••••••
schade, dass sein Vorbild nicht tnehr auf
die Erscheinung des deutschen Kleinstadt-
kindes gewirkt hat, dessen Aeusseres mit
dem glatt zurückgekämmten, in Zöpfchen
geflochtenen Haar, mit dem bunt karrierten
Wollkleide und der bläulich'weiss gestärkten
Kittelschürze dringend bedürfte, einmal
nach Schönheitsgesichtspunkten umgemo-
delt zu werden, nachdem bisher nur die
praktischen eine Rolle gespielt haben.
Die Bücher der Greenaway sind vor
allen Dingen geschmackvoll. Sie hat vielen
Sinn für das Dekorative, umwindet ihre
Bildchen mit blühenden Kränzchen und lässt
sich nicht die eigenartige Wirkung eines
englischen Gartens mit geraden Buchs-
baumhecken und beschnittenem dunklem
Taxus entgehen, deren steifer Hintergrund
ihre lieblichen Kindergruppen um so be-
weglicher erscheinen lässt (Abb. S. 300/1).
In ihrer künstlerischen Auffassung steht sie
sichtlich unter dem Einflüsse der Schule
Fred Valker's, jener sentimentalen aber
AUS: LAURENCe HOUSMAN, »A FARM IN FA[RY
LAND' «MIT ERLAUBNIS DER VERLEGER KEGAN
PAUL, TRENCH, TRDBNER & CO., LONDON««
^f-^> DAS MODERNE ENGLISCHE BILDERBUCH -C^-s-
Kate Greenavay's bekannteste Bilder-
bücher sind: A Day in a Child's Life, Under
ihe Window, Marigold Garden, Mother Goose,
Language of Flowers, Litlle Ann, The Queen
of the Pirate Isle, An Apple Pie.
Die eben verstorbene Kate Greenatay,
Randolph Caldecott, der 1886 in der Blüte
seiner Kraft aus dem Leben schied, und der
noch unermüdlich schaffende Walter Grane
sind die drei Heroen des englischen Bilder-
buchs. Das was sie geleistet haben, kann
beute schon als eine geschichtliche That be-
zeichnet werden, als die Grundlage, auf der
sich das beulige Bilderbuch bewegt. Keiner
von den Dreien hat eigentlich Schule in dem
Sinne gemacht, dass ausgesprochene Nach-
ahmer vorhanden wären, aber die allgemeinen
Grundsätze für das Bilderbuch, die sie ent-
wickelten, werden von einem eifrig schaffen-
den jungen Geschlecht weiter ausgebaut. Wie
Kate Greenaway das süsslich Sentimentale
bevorzugte, eine Eigenheit, die man ihrer
Frauennatur zu gute halten wird, so hat sich
zunächst unter den heutigen Bilderbuch-
zeichnem eine ganze Schar von Frauen
eingefunden, die in diesen Bahnen weiter-
geht. Die von ihnen geschaffenen Bilder-
bücher — es erscheinen jede Weihnachten
Dutzende derselben — haben ausser ihrer
sentimental hübschen Auffassung das weitere
,_^ mit Kate Greenaway gemein, dass sie etwas
schwach in der Zeichnung sind, ein Nach-
^"li'Ur V'd '^''> ^^' ^^' dadurch einigermassen aufge-
*■ ™V ' boben wird, dass die Bilder ganz entschieden
dekorativ wirken. Zu diesen Frauenzeicbnem
gehören Alice Woodvard, JHabel Dearmer,
R. ANHING BELL, ZEICHNUNGEN VOM VORSATZPAPIER RosAMUND Praeoer Und der welbliche Teil
DER .BANBURY CHOss SERiEs. • MIT ERLAUBNIS DER jgr Birminghamer Schule: Mrs. Arthur
VERLEGE» J. M. DENT a CO.. LONDON q^^^,^^ MIssBrADLEY, WlNlFRED SmITH,
Mary Nevill und Cblia Levetus. Was sie
im dekorativen Sinne leisten, ist der Birming-
hamer Kunstschule unter Leitung von
E. R. Taylor zu verdanken, die durch die
Thätigkeil der Keimscott Press inspiriert,
den grössten Einfluss auf das dekorative Buch
überhaupt gehabt hat. Jede von den Genannten
hat sich trotz des gemeinschaftlichen Zieles auf
ein besonderes Genre des Kinderbuchs verlegt.
Alice Woodward, die föhigste von ihnen,
zeichnet in ihrem : ,To Teil the King the
Sky is Falling", moderne Kinder an der Hand
von Feen in phantastischer Umgebung. Ein
besonders hübsches Bucb von ihr ist auch
Red Apple and Silver Beils, aus dem die Ab-
bildung auf S. 312 entnommen ist. Mabel
Dearmer findet viel Reiz darin, steife primitive
Puppen und Spielzeugin Gegensatz zum lebens-
vollen Kind zu bringen, was besonders an-
308
■'«%..
AUS: HOWARD PYLE .TTILIGHT LAND- « MIT ERLAUBNIS DER VERLEGER HARPER & BROTHERS, LONDON
•DU FITSCHERS
VOGEL. WO
KOMMST DU HER?-
R. ANNINC BELL,
ILLUSTRATION
ZU .THE FORBID-
DEN ROOM- «••
AUS: CRIMM-S
■ FA[RY TALES-«
MIT ERLAUBNIS
DER VERLEGER
J.M.DENT&CO.,
LONDON ••■•
-a.^^> DAS MODERNE ENGLISCHE BILDERBUCH
ziehend in ihrem Book of Penny Toys ge-
schehen ist{Abb. S. 318). Allbekannt geworden
sind von ihr auch: A Noah's Ark Geagraphy
und Seven young Goslings. Mrs. Gaskin
führt uns in ihren sehr apart ausgestatteten
Büchern: Hörn Book Jingles, Travellers,
A, B, C <Abb. S. 314), Little Boys and Linie
Girls, das Kind in seinem kleinen Reiche
der Nursery auFdem primitiv reizvollen Stühl-
chen mit der Puppe und im geschmackvollen
Holzbettchen beim Nachtgebet vor. Sie ver-
steht es besonders, die Erwachsenen Für ihre
reizend gekleideten Kinder zu interessieren,
wird aber dafür auf grossen Erfolg bei den
Kindern selbst verzichten müssen. Winifred
Smith zeigt in ihren Nursery Songs and
Rhymes oF England und in Children's Singing
Games die Wirkung der Musik, die sie
illustrieren will. Fröhliche Kinder tanzen
vor ihren malerischen Fachwerkhäuschen auf
holprigem Strassenpßaster ihre Ringelreihen
(Abb. S. 313). Mary Nevill begiebl sich auf
das Gebiet der Fluss- und Waldlandschaft.
Miss Lbvbtus illustrierte sehr ansprechend
Turkish Fairy Tales und Verse
Fancies, Miss Bradley Just Forty
Winks und Songs For Somebody.
Nehmen nun auch die Produk-
tionen dieser Frauen einen beträcht-
lichen Raum unter den heutigen
englischen Bilderbüchern ein, so
wäre doch das englische Kinder-
buch kaum im stände, ausserhalb
Englands einen besonderen Anteil
zu erwecken, wenn nicht ihre männ-
lichen Kollegen mit kräFtigerer
Hand dafür sorgten, das Bilder-
buch auf der Höhe zu halten.
Ihre Anzahl ist sehr gross. Fast
alle Buch Illustratoren haben sich
dazu verstanden, auf Wunsch der
Verleger gelegentlich Kinderbücher
zu illustrieren. Und so würde eine
Geschichte des modernen eng-
lischen Kinderbuches fast zu-
sammenfallen mit der Geschichte
der modernen englischen Buch-
illustration. Statt eine solche zu
geben, sollen hier nur die be-
deutendsten wirklichen Kinder-
buchzeichner, diejenigen, die eine
besondere Beßhigung Für ihre
AuFgabe bekundet haben, erwähnt
werden.
Schwierig ist es, einem Ein-
zelnen in der Aufzählung den Vor-
zug zu geben. Wäre Hovard Pyle
nicht ein Amerikaner, und wären
THE BRITISH BULL- DOG • « AUS: WILLIAM
NICHOLSON, .TH6 SQUARE BOOK OFANIMALS.
HIT ERLAUBNIS DES VERLEGERS WILLIAM
HEINEMANN, LONDON «•«••«« (vBRKLeiNBRT)
-3-^> DAS MODERNE ENGLISCHE BILDERBUCH <^-^
seine ganz vortrefflichen Bijcher {The Wonder
Clock, Otto of the Silver Hand, Twilight Land
(Abb. S.309) u. s. w.), zu denen er Text und
Illustration schuf, so in England bekannt, wie
sie es verdienen, so müsste man ihm un-
streitig den ersten Platz einräumen. Aber
obgleich zum Teil im Zweigverlag in London
erschienen, sind sie wenig ins Volk ge-
drungen und heute überhaupt nicht mehr zu
haben. Und doch vereinigt er höchste künst-
lerische Eigenschaften mit dem besonderen
Talent, für das Kinderbuch zu zeichnen, wie
kein Andrer.
Unter den englischen Kinderbilderzeichnern
der jüngeren Generation wird gewöhnlich
Charles Robinson zuerst genannt. Seine
ersten Werke sind den neuesten, in denen
er einen ganz andern Ton anschlägt, an Ver-
tiefung und Liebenswürdigkeit weit überlegen.
Die überflotte Art, mit der er in Nonsense,
Nonsense, in Jack of all Trades und in
seinen Bairn Books der Karikatur huldigt,
lässt kaum Freude aufkommen an der kecken
graziösen Art, mit der er dazwischen das
rotbäckige, wohlgenährte, drollig selbst-
bewusste Kind darstellt. Während er
sich in diesen Büchern auf kräftigfarbige
Wirkungen verlegt, so hat er früher in
The Child's Garden of Verses, Lullaby
Land, Child's Voices (Abb. S. 313) nur
Zeichnungen gebracht. Diese sind von
grosser Feinheit und verdienen voll-
kommen ihre hohe Einschätzung. Er
fügt sie geschmackvoll der Buchseite
ein und hat reizende Einfälle auch für
die Dekoration des Buches. Lieblich
wirkt es, wenn er tm Lullaby Land das
verirrte kleine Kind in Gegensatz zu
der hohen Architektur seiner eigenen
Erfindung setzt.
Einer der feinsten und liebenswür-
digsten Bilderbuchzeichner ist Robert
Annino Bell, dessen Hauptihäiigkeit
übrigens auf dem Gebiete der Allge-
mein-lllustration liegt. Aber die weiche
Grazie, die ihm dort eigen ist, die un-
erschöpfliche Phantasie und die grosse
Anmut seiner Gestalten machen ihn zu
einem für das Fach der Kinderkunst
besonders Berufenen. Annino Bell
zeichnet fast nur in feinen Umrissen,
worin er mit einigen andern englischen
Künstlern den frühitalienischen Holzs
Schnittvorbildern folgt. Seine Bilder
haben dadurch etwas Luftiges und Zarle-
und entbehren nicht grosser dekorativer
Reize. Zu seinen bekannleren Bilder-
büchern gehören die beiden ersten
kleinen Bändchen der Banbury-Cross-Series,
nämlich: Jack the Giant-Killer und The Slee-
ping Beauty, auch hat er neuerdings Grimm's
Märchen illustriert (Abb. S. 307—309).
Wie Annino Bell so haben sich die als
Buchillustratoren ersten Ranges bekannten
Zeichner der schon genannten Birminghamer
Schule: Arthur J. Gaskin, C. M. Gere, E.
H. New leider nur gelegentlich dem Bilder-
buche zugewandt. Ihre Verdienste für das
illustrierte Kinderbuch sind nur mit der Be-
deutung der Keimscott Press für das künst-
lerische Buch überhaupt zu vergleichen. Wäh-
rend Gere und New mehr das Malerische als
das Dekorative betonen, zeigt uns Arthur
Gaskin, welcher der Bedeutendste des ganzen
Verbandes ist, in den naiv romantischen Bil-
dern der Märchen Hans Andersen's und in
seinem besten Werk King Wenceslas (Abb. S.
314) das eigentliche Ideal der Bestrebungen der
Schule. Seine Illustrationen halten den strengen
Holzschnittstil ein, den die Schule zu dem
ihren gemacht hat, jene kräftigen Umrisslinien,
die kontrastreiche Verteilung von schwarz und
BYAM SHaW, verkleinertes BILD AUS: >OLD KING
COLE-S BOOK OF NURSERY RHYMES- «MIT ERLAUBNIS
DER VERLEGER MACMILLAN « CO., LTD., LONDON«««
^r-S^> DAS MODERNE ENGLISCHE BILDERBUCH <^-^
gehen damit, wie sie es sollen, Hand in Hand,
und doch ist jede mit ihrem liebevoll durch-
gebildeten Detail und ihrer zarten Innigkeit
ein an Rossetti gemahnendes Gemälde. In
einigen seiner Bücher sind die Stöcke nicht
in Zink geätzt, sondern von der Hand seiner
künstlerisch nachfühlenden Schwester in Holz
geschnitten. Die beiden Märchenbücher: A
Farm in Fairyland (Abb. S. 307) und The House
of Joy sind wie die GAsKiN'schen Feiertags-
bücher für die gereiftere Jugend, die den
hohen künstlerischen Sinn in ihnen ermessen
kann, wie sie fähig ist, die Grösse Beethoven-
scher Musik ahnungsvoll zu empfinden.
Angesichts der in jeder Beziehung vor-
nehmen Kunstleistungeo eines Gaskin, Hous-
MAN und Anninq Bell treten eine andere
Reihe von Kinderbuch-Illustratoren, die den
weihnachtlichen Massenbedarf zu decken
pflegen, trotz des ungeheuren Umfonges
ihrer Arbeiten mehr in zweite Reihe. Sie
sind dabei tüchtige und zum Teil sehr
geschickte Illustratoren, aber man kann von
ihnen nicht behaupten, d«ss sich ihre Werke
• plötzlich fohlte er etwas auf seinen
r6ckeh spkingen. etwas, das sich mit
beiden beinen an ihn festklammerte..
a. gartk jones, verkleinerte illustration zu
•the little people. aus: la real queen's fairy
book' by carmen sylva * ■ mit erlaubnis des
verlegers george newnes, ltd., london •«««
weiss, die Strichschattierung, das häufige Auf-
treten von weissen Linien auf schwarzem
Grunde. Er erfüllt die strengsten Anforde-
rungen an die künstlerische Gesamterschei-
nung des Buches, das freilich dabei für seine
Bestimmung fast zu feierlich, zu monumental
vornehm wird. Seine Bücher sind mehr
solche für Kinderfreunde als für Kinder. Das-
selbe gilt auch von dem trefflichen Buche:
A Book oF Pictured Carols, zu welchem
alle Mitglieder der Schule Zeichnungen bei-
getragen haben.
Das Ziel vollendeter Schöpfungen im Sinne
der Buchkunst haben auch die kleine Anzahl
von Kinderbüchern, die der Dichter-Maler
Laurence Housman geschaffen hat. Dieser
Künstler hat sich nicht nur als Verfasser des
mit verblüffender Offenherzigkeit geschrie-
benen, anonymen Buches : An Englishwoman's
Love-Letters entpuppt (es war das Buch des
vorigen Jahres), sondern hat eine Reihe der
schönsten Märchen geschrieben, die in ihrer
Tiefsinnigkeit und hochtliegenden Romantik
auch Erwachsene fesseln. Seine Illustrationen
ALICE B. WOODWARD, APFELBLOTEN-SCHNEE AUS:
H. HENDRT, -red APPLE AND SILVER BELLS< • «
MIT ERLAUBNIS DER VERLEGER BLACKIE AND
SON, LTD., CLASCOW (verkleinert) ••«■■«•■«
-ir-^> DAS MODERNE ENGLISCHE BILDERBUCH <^-^
zu internationaler Bedeutung
erhöben. Zu den letzteren
gehören die Illustrationen J.
Ford's, der Jahr für Jahr
ein Buch der Andrew Lano-
schen Serie von Märchen-
büchern illustriert (die Bücher
werden nach der Farbe des
Umschlftgs bezeichnet: The
Blue, Green, Yellow, Pink
Pairy Books), femer die zahl-
reichen Bücher von Leslie
Brooke, die fast unerschöpf-
liche Reihe von Büchern Gor-
don Brovne's und die An-
zahl von Bänden der .Fairy-
tales of the British Empire"
von J. D. Batten. Von allen
verdienen die letzteren wohl
die meiste Beachtung, sie er-
heben sich in das Reich der
Phantasie und entbehren nicht
hervorragender dekorativer
Eigenschaften.
Unter den im Verlauf der
letzten Jahre erschienenen
Kinderbüchern sind eine Reihe
zu nennen, in denen der Ein-
fluss der trefHichen Bücher
des Franzosen Boutet de
MONVEL zu erkennen ist. Die
friesartige Anordnung seiner
motlm.matlKi
Suppote th« cloth«! ihmAi Uow kwb^ ^
SuppoM 1ha cIoIImi should Uow wv^ J
<5*ntk fww«t (Uu^htar o'muM. ^
VJNIFRED SMITH, VERKLEINERTE SEITE AUS: ALICE
B. GOMME »CHILDREN'S SINCING GAMES- • • MIT
ERLAUBNIS DES VERLEGERS DAVID NUTT, LONDON
CHARLES ROBINSON, TITELKUPFER ZU: W,
E. CULE .CHILD VOtCES. ■ MIT ERLAUBNIS
DES VERLEGERS ANDREW MELROSE, LONDON
Figurengruppen, die scharfe Beob-
achtung, die feine Farbengebung, das
alles hat man sich als Vorbild ge-
nommen und giebt es, wenn auch in
stark englischer Umbildung, wieder.
Ein 1897 erschienenes Buch von
F. D. Bbdpord: Nursery Rhymes ge-
hört dahin, ebenso WinipribdGreen's:
Mrs. Leicester's School, und ein be-
sonders humorvolles, eben erschienenes
Buch von OsTBRTAO : Old Songs for
Young England. Auch steht einer der
erfolgreichsten Zeichner der letzten
Jahre, Butler - Stoney, unter dem
Einflüsse des Franzosen, der in seinen
Büchern: Tom the Piper's Son, und
vor allem in The Brave Old Duke of
York (Abb. S. 316) einen erfrischenden
Humor in sehr ansprechendem dekora-
tiven Gewände enthüllt.
-3-^55> DAS MODERNE ENGLISCHE BILDERBUCH <^-t?-
JONES, dem England einige der besten illu-
strierten Bücher der letzten Jahre verdankt,
hat mit dem jugendlichen Harold Nelson
zusammen ein letzten Winter erschienenes
Märchenbuch von Carmen Sylva ,A Real
Queen's Fairy Book* in entzückender Weise
Illustriert, dem die Abbildung auf S. 312 ent-
nommen ist. Harold Nelson hat ausserdem
FO(jQu£'s nUndine" in seiner wirkungsvollen
Strichmanier neu mit Bildern versehen (Abb.
S. 320), und der bekannte Herbert Ccle hat
sich durch die Neuillustrierung von Gullivers
Reisen verdient gemacht. Endlich bat Byam
Shaw, ein aufgehender Stern am «oelischen
Kunsthimmel, in diesem Winter ein äusserst
wirkungsvolles Bilderbuch herausgebracht,
das durch seine leuchtenden Farben und die
neue phantasie volle Art, in der die alten
Nursery Rhymes zum tausendstenmtle vor-
geführt werden, Aufsehen erregt (Abb. S. 31 1).
John Hassall, der sich durch seine efFekt-
vollea Beiträge zum grossen Bilderbuche der
Londoner Strassen, dem Plakat, vorteilhaft
bekannt gemacht hat, hat auch für Bilder-
bücher im kleinen Masstabe seine humorvolle,
AUS: ARTHUR J. GASKIN »GOOD KJNG
WENCESLAS- • • MIT ERLAUBNIS DES
VERLEGERS ELKIN MATHEWS, LONDON
(VERKLBIHIRT)
William Nicholson, der in den letzten
Jahren so durchschlagende Erfolge mit seinen
kraftvollen farbigen Holzschnitten erzielte, ist
in seiner Bedeutung für das Kinderbuch wohl
etwas überschätzt worden. Trotz überkräftiger
Umrisslinien werden seine Bilder für das
kleinste Volk, für das doch nur der Gegenstand
als solcher, ohne Rücksicht auf seine virtuose
Darstellung interessant ist, unklar. Dazu
scheint seine Art, sich dem Kinde verständ-
lich machen zu wollen, nicht recht von Herzen
zu kommen, und Kinder haben gerade dafür
ein feines Empfinden. Aber dem Erwachsenen
erschliessen seine Bücher: A Square Book of
Animals, An Alphabet, The Twelve Months,
London Types, An Almanach of Twelve
Sports in ihrer kraftvoll breiten Art der
Wiedergabe von Lebenstypen eine Quelle
grossen Genusses (Abb. S. 310).
Dagegen sind die Beiträge zum Kinder-
buche, die einige andere der erfolgreichsten
Zeichner des Tages geliefert haben, ungleich
anziehender für das Kind. Der das Dekora-
tive kraftvoll betonende Illustrator Garth
f7=n600StY-6005Ly
Mgander^ithyouk
necksostraight go
ho^\e. 60 home.tor it
IS6E:TTIN6 LATF^^^
AUS: 'MRS. ARTHUR GASK1N-S ABC.
MIT ERLAUBNIS DES VERLEGERS
ELKIN MATHEWS, LONDON««««*
-.r.£ö> DAS MODERNE ENGLISCHE BILDERBUCH <^-,^
.EHESIE SICH VON OER KOSTE ENTFERNT HATTEN, KAM DIE KÖNIGIN HERZVGEEILT UND WARF EIN KNÄUEL
NACH IHNEN, DAS SICH UM MAELDVINS HAND SCHLANG. ALS ER DARNACH FASSTE. ABER DEN FADEN DES
KNÄUELS HIELT SIE IN IHRER HAND, UND MIT IHM ZOG SIE DAS BOOT ZU SICH HERAN. ZUROCK ZUM HAFEN.-
JOHN D. BATTEN, DIE KÖNICIN MIT DEM ZAUBERKNiUEL, AUS : JOSEPH JACOBS -THE
BOOK OP WONDER VOYAGES< • MIT ERLAUBNIS DES VERLEGERS DAVID NUTT, LONDON
lebensfrische, flotte Kunst bethätigt. Sehr
wirkungsvoll sind: An Active Army Alphabet,
The Pantomime ABC (Abb. S. 319), Basbara's
Songbook und das in Gemeinschaft mit dem
geistesverwandten Cecil. Aldin herausge-
gebene Buch: Two Wellworn Shoe Stories.
Unterdem jüngsten Geschlecht der eigentlichen
Bilderbuchzeichner ist Hassall sicherlich der
interessanteste, und es lässt sich von seiner
Hand vielleicht noch Bedeutendes erwarten.
Die Bilder sind gleichzeitig Muster an klarer,
dabei witziger und dem Kinde angepasster
Darstellung und meisterhafter farbiger Be-
handlung. Cecil Aldin, der auch prachtige
farbige Sportbilder zum Wandschmuck der
Kinderstube geschaffen hat, schliesst sich
ihm in diesen Eigenschaften tn.
Eine besondere Stellung hat das Tierbild
im Bilderbuch einzunehmen begonnen. Ste-
VARD Orr führt in seinem Buche Gammon
and Spinach Frosch und Maus handelnd ein
(Abb. Seite 319) und Carton Moore Park
stellt das Tier an sich in breiter Tusch-
zeichnung mit scharfer Charakteristik und
gutem Humor dar. Erwähnung verdienen
auch die ausgezeichneten Buntdrucke von
Vögeln in M. und E. Deltmold's Buche: Pic-
tures from Birdland.
DAS MODERNE ENGLISCHE BILDERBUCH <^t^
In der neuesten Zeit ist, wie schon er-
wähnt, eine starke Strömung im englischen
Bilderbuche eingetreten, welche die Karikatur
bevorzugt. Es ist sicher, dass Karikaturen
den Kindern zusagen, die für die Komik
immer das eingehendste Verständnis haben,
auch wenn sie in hässlicher Form erscheint.
welche ausschliesslich das Leben der «Gutter-
snipes" («GossenschnepTen") schildern. Mit
diesem Wort ist jene Klasse der armseligen,
zerlumpten Kinder gemeint, die in London
die entsetzlichen, eintönigen, wie in einen
schmutzigen Schleier gehüllten Strassen be-
leben. Sie lassen um so schlimmer das Elend
Aber wie wir den Kindern auch nicht immer erkennen, je näher sie sich mit den Strassen
.EU HATTE ZEHNTAUSEND MANN ■
AUS: T, BUTLER-STONEY, -THE BBAVE OLD DUKE OF YORK- • W
ERLAUBNIS DER VERLEGER SANDS & CO., LONDON (
Süssigkeiten geben können, die sie stets
einem JVlilchbrei vorziehen werden, so können
wir ihnen auch nicht freie Wahl auf geistigem
Gebiete überlassen ; der Einführung der Kari-
katur als der Einführung der Hässlichkeit
kann man nur mit Bedenken gegenüberstehen.
in gewisser Weise gehören in dieses Gebiet
schon die Bilderbücher von Edith Farmiloe,
des verschwenderischen Luxus berühren, in
denen es nicht zu den Seltenheiten gehört,
dass der Diener dem Knaben den Lawn-Tennis-
Schläger respektvoll nachträgt. Soll das vor-
nehme Kind, dessen Fuss diese mit Papier und
Obstresten besäten Strassen nie betreten hat,
und das sich von ihren zerlumpten Bewohnern
mit Grauen abwendet, Vergnügen daran finden.
GRAUSAME BUBEN
-;r-^> DAS MODERNE ENGLISCHE BILDERBUCH <^-c-
AUS: 'MABEL DEARMER, .A BOOK DP PENNY
TOYS- «MIT ERLAUBNIS DER VERLEGER MAC-
HILLAN & CO,, LTD., LONDON • (verkleinert)
sich ZU Hause in seinen Büchern über sie
lustig zu machen ? An sich freilich sind
Farmiloe's Darstellungen dieser
dreisten, verlcommenen Geschöpfe
(Abb. S. 317) voll scharfer Be-
obachtung und treffender Charak-
teristik, auch gewiss durchaus
nicht frei von Humor und Witz.
In das Gebiet des Karikiert-
Komischen fallen auch die Golli-
wog Books, welche in den letzten
Jahren sich derselben Beliebtheit
erfreuen, wie der Golliwog selbst,
eine aus Amerika angereiste männ-
liche Puppe, die eben ihrer Häss-
lichkeit willen (schwarzes strup-
piges Haar, Augen aus grossen
weissen Leinenknöpfen, heraus-
gestreckte Zunge) mehr Effekt
macht als die schönste Wachs-
puppe. In dem letzt erschienenen
Bande der Anzahl von Golliwog
Books: The Advenlures of two
Dutch Dolls spielen auch die ur-
alten Penn y- Holzpuppen, die mit
ihren steifen Bewegungen und ihrer
knalligen Bemalung sehr unschön, aber
von drolliger, Fast liebenswürdiger
Hisslichkeit sind, eine Rolle. Die Ab-
bildung auf dieser Seite stellt den
Moment dar, wo sich der Golliwog
den Holzpuppen als fremder Gast
vorstellt.
Trotz des ungeheuren Reichtums an
gutem Bilderbuchmaterial muss man
nicht glauben, dass das englische Ktnd
nur von diesem umgeben wäre. Ge-
dankenlose Mitbringer sorgen schon da-
für, dass die billigen Schundbücher, die
ihnen schnell auf der Untergrundstalion
in die Hände fallen, die Bibliothek der
Kinderstube füllen. Dies ist um so ver-
hängnisvoller, als dafür oft die guten,
die man nicht gern dem zerstörenden
Element der Kinderhände preisgiebt, in
sichere Verwahrung gebracht werden.
Wie schade, dass nicht bei allen Kinder-
büchern auf die Gebrauchsfähigkeit
Rücksicht genommen wird, für die man
sie unzerreissbar machen müsste, ge-
radeso wie man dem Spielzeug durch
grössere Dauerhaftigkeit ein längeres
Leben sichern sollte.
Das moderne englische Kinderbuch
tritt uns in seiner reichen Entwicklung
als ein Teil der englischen Kunslbe-
wegung entgegen und ist nur von ihr
aus zu verstehen. Die Anregung, die
uns England für die Umgestaltung unseres
Kunstgewerbes gebracht hat , scheint am
AUS: FLORENCE K. UPTON, -THE ADVENTUHES OF
TWO DUTCH DOLLS. m MJT ERLAUBNIS DER VERLEGER
LONCMANS, GREEN « CO., LONDON • (verkleihert) «
318
^)*^> DAS MODERNE ENGLISCHE BILDERBUCH <^-^
• DIE MAUS BRACHTE IHM ARZNEI .
AUS: STEWART ORR, -GAMMON AND SPINACH- VERSES BY JOHN BRYMER • MIT
ERLAUBNIS DER VERLEGER BLACKIE AND SON, LTD., CLASGOV • (verkleinert) «
spätesten auf dem Gebiet der Buchillusiration,
insbesondere der Kinderbuchillustration bei
uns Früchte tragen zu wollen. Es müsste
uns ein leichtes sein, auch hierin Grosses zu
leisten, wenn sich unsere besten modernen
Künstler in den Dienst der guten Sache
stellten. Unser Verständnis für das Kind,
dessen Behandlung wir lange nicht so viel
der schablonenhaften Methode von Kinder-
mädchen überlassen wie die Engländer, ist
vertiefter und daher fähiger, das Richtige für
den gedanklichen Inhalt seiner Bücher zu
treffen. Trotz alledem werden die englischen
Bilderbücher aber noch auf lange Zeit in
einem unbedingt vorbildlich bleiben: in ihrem
guten Geschmack. Geschmackvoll sind selbst
die dilletantischsten unter den englischen
Kinderbüchern.
Die Gcschmacksbethätigung erstreckt sich
in England auf die Pflege des Kindes in ihrer
ganzen Ausdehnung. Nichts ist bezeichnender,
als dass man sogar die Kinderstube einer
einheitlichen, künstlerischen Ausbildung Für
würdig hält, deren besonderes Verdienst bei
aller Schönheit die Einfachheit und Zweck-
mässigkeit ist. Ein Blick in eine solche eng-
■ C IST DER CLOWN, DER AUSRUFT: DA SIND WIR!' —
AUS: JOHN HASSALL, >THE PANTOMIME A B C>.
VERSES BY ROLAND CARSE « MIT ERLAUBNIS DER
VERLEGER SANDS & CO., LONDON • (veRKLEiNERT)
-^■^y DAS MODERNE ENGLISCHE BrLDERBUCH <^-t^
HAROLD NELSON. DOPPELSEITE AUS: LA MOTTE FOUQUC,
•UNDrNE AND ASLAUGA'S KNtGHT- « MIT ERLAUBNIS DES VER-
LEGERS GEORGES NEWNES, LTD., LONDON • (verklsinirt) «
lische Nursery mit den reizenden, grfinge-
betzten Möbeln, den lustig bedruckten Leinen-
vorhängen, dem mit Tieren oder spielenden
Kindern bemalten Fries, bewohnt von der
stets weissgekleideten Nurse und dem wohl-
gepflegten und gekleideten Baby, bietet einen
wirklichen künstlerischen Genuss. Die guten
Manieren und der gute Geschmack werden
dem englischen Kind schon in die Wiege
gelegt.
R. ANNING BELL, SCLUSS-
VIGNETTE AUS: -JACK THE
GIANT-KILLER AND BEAUTY
AND THE BEAST' •«•«•■
MIT ERLAUBNIS DER VER-
LEGER J. M. DENT & CO.,
■ « ■ « ■ LONDON ■ « « « •
VtrlaiuDiuU F. Bruckmuo:
AUGUSTE HJlMMEL *
ZU EINER STrCKEH
NÜRNBERGER HANDWERKSKUNST
Von Dr. Friedrich Carstanjen
Wer vor Nürnbergs Thoren rund um Wall
und Graben den seit mittelalterlicher
Zeit beliebten Gang macht, gewahrt an der
Pegnitz Nähe über malerischen Mauern und
Dächergruppen die schlanke Kuppel eleganter
Linienführung, überragt von der Laterne mit
vergoldetem Spitzdach — die Kuppel des
Bayerischen Gewerbemuseums.
Unter dieser Kuppel webt ein wacher Geist;
in ihr thront ein lebengebendes Prinzip,
zeugend von einem Organismus, der am
Leben unserer Zeit thäiig teilnimmt;
in ihr wecken die Lebenspulse der
umgebenden Welt ein hallendes Wider-
spiel.
Als die Wogen der Hochflut industri-
eller Thätigkeit höher stiegen, als auf
dem Gebiete der Technik epochale Fort-
schritte gemacht und in der Industrie
Hunderte von Hillionen nationalen Ver-
mögens investiert wurden, als auch Nürn-
berg begann, durch Firmen von Weltruf
eine hervorragende Rolle zu spielen, da
baute das Bayerische Gewerbemuseum
mit grossen Mitteln seine beiden tech-
nischen Abteilungen aus, die mechani-
sche und die chemische , und schuf
ihnen eine neue glänzende Stätte. Es
förderte das Kleingewerbe durch eine
permanente Ausstellung von Betriebs-
und Bearbeitungsmaschinen und Ge-
ritten, und beschloss die Einrichtung
von Meisterkursen, um die Handwerker
zu fördern, weiter auszubilden und mit
der Behandlung moderner Techniken und
der Anwendung neuzeitlicher, maschi-
neller und chemischer Hilfsmittel und Ver-
fahren vertraut zu machen.
Und wieder, da jetzt der industrielle Himmel
von Wolken verhangen, durch die aber der
schimmernde Stern neuzeitlicher Kunst blitzt,
ist es dasselbe Museum, welches sich licht-
begehrend dem neuen Lichte zuwendet. Nach-
dem der Grossindustrie Tribut gezollt war,
reifte der Gedanke zur That, auch der neuen
Kunstbewegung durch eine besondere Ein-
richtung Rechnung zu tragen und darin eine
FRANZ KAINZINGER « ZINNTELLER
^r^5> NÜRNBERGER HANDWERKSKUNST
JOH. BRAND & STAUCH ■ BOWLE IN KUPFER
neue grosse Aufgabe für das Museum zu
sehen. Der zweite der hierzu eingerichteten
kunstgewerblichen Meisterkurse unter P.
Behrens' Leitung ist zu Ende gegangen,
und es ist nun möglich, das Resultat der*
selben zu erkennen und zu überblicken: Die
neugeborene Nürnberger Handwerks-
kunst.
Es ist wichtig, dies zu betonen und als
ein Datum von geschichtlicher Bedeutung
festzulegen. Denn wie die seit den sechziger
Jahren des verlassenen Jahrhunderts überall
einsetzende Thätigkeit zur Gründung von
Kunstgewerbemuseen und Kunstschulen letzten
Endes zu der gleichzeitigen Wertschätzung
aller vorhandenen Stile in Gestalt eines
Konglomerats für die Einrichtung unserer
Wohnungen führte, so werden die kunst-
gewerblichen Meisterkurse unter der Leitung
moderner Künstler zu der Schaffung und
Wertschätzung eines neuzeitlichen Stiles
mächtig beitragen. Den ersten Erfolg hat
Nürnberg errungen: es hat eine neue Hand-
werkskunst; Meister, deren Namen bisher
unbekannt waren, und um die sich niemand
kümmerte, erscheinen urplötzlich empor-
gehoben aus dem Dunkel, welches sie bisher
in ihrem konventionellen Schaffen umgab,
und Werke sind geschaffen worden, welche
von der Fruchtbarkeit der neuen Ideen sowohl,
als von der Tüchtigkeit der Nürnberger
Meister zeugen.
Die Entwürfe und fertigen Arbeiten, welche
in einer Sonderausstellung des Bayerischen
Gewerbemuseums vereinigt sind, erwecken
den Eindruck, dass man es hier nicht mehr
mit einem suchenden, unbeholfen tastenden
Geschmack zu thun hat, sondern überwiegend
mit Persönlichkeiten, die der neuen Richtung
:->r.^> NÜRNBERGER HANDWERKSKUNST -C^-.^
FRANZ KAINZmCER • BLUMENKOBEL UND WEINKOhLES, IN KUPFER GETRIEBEN
mit rreJem Blick und empfänglichen Sinnen
gegenüber stehen und sich, wenn nicht immer,
so doch zumeist klar darüber sind, wohin
sie auf den neuen Wegen gelangen. Das
will viel heissen, wo wir es in Nürnberg
nicht mit einer Metropole zu thun haben,
zu der die tüchtigsten und vorgeschrittensten
Kräfte des Reiches mit offenen, für alles
Neue empfänglichen Sinnen zusammen-
strömen. Es ist aber erklärlich durch den
alten Kulturboden Nürnbergs, durch die
Hand Werkstradition und die Tüchtigkeit der
eingesessenen Meister.
Uebersieht man die Ausstellung, so springt
ins Auge, dass ihre besten Arbeiten der
Metalltreib- und Ciselierkunsi angehören,
die seit der Zeit Peter Vischer's und Se-
bastian Lindenast's ununterbrochen durch
zahlreiche Meisterfamilien in Nürnberg aus-
geübt wird. In erster Linie ist hier Franz
Kainzinoer zu nennen, der sich durch seine
in Kupfer getriebenen Arbeiten, die bereits
in verschiedenen Museen des Reiches und
auch im South-Kensington-Museum in London
vertreten sind, einen guten Namen gemacht
hat. Ist es nicht ein Zeichen gesunder
Schaffensfreudigkeit, wenn ein solcher Mann
überhaupt den Wunsch hat, an der neuen
Kunstbewegung Anteil zu nehmen, anstatt
sich zu begnügen mit der Arbeitweise, die
ihm bisher Verdienst und Anerkennung ver-
schaffte? Er handelte wohl nach dem wunder-
vollen Spruch des Anoelus Silesius:
„Freund, so du etwas bist,
So bleib doch ja nicht stehn;
Man muss aus einem Licht
Fort in das andere gehn."
Früher trieb er mit grosser technischer
Geschicklichkeit und gutem anatomischen
Verständnis allerhand Figuren in Kupfer auf
grossen dekorativen Tellern, Geissen, Krügen,
z. B. nach Dürer's Stichen Adam und Eva
und rund herum Renaissance-Arabesken u. dgl.
-jr^^ NÜRNBERGER HANDWERKSKUNST <^-^
THONGEFÄSSE • ENTWORFEN VON K. MAIER • AUSGEFOHBT VON J. F. B. HAUSLEITER
Der Reiz einer ruhigen, glatten FlSche war
ihm unbekannt, es musste alles möglichst
verziert sein. Seine neuen zahlreichen Er-
zeugnisse : Weinkühler, PaimenstSnder, Wand-
brunnen, Aschenschalen etc., von denen wir
einige in Abbildung bringen (Seite 321 — 323,
326), fallen im Gegensatz zu den früheren
Arbeiten auf durch ihre einfache Form, die
bereits durch sich selbst gefallen soll und
nur weniger dekorativer Linien bedarf. Oft
bildet die Politur der aufgesetzten Messing-
leile und die schöne braune Färbung des
übrigen Gefässes den einzigen Schmuck.
Auf gleicher Höhe stehen die Erzeugnisse
H. KNORR « ENTWURF ZU EINEM HANOLEUCHTER
der vereint arbeitenden Ciseleure und Kunst-
giesser Joh. Brand & Stauch. Auch sie
haben sich mit bemerkenswerter Schnellig-
keit von der Tradition befreit und in den
Geist eines neuzeitlichen Schaffens eingelebt.
Beweis dafür sind zahlreiche Entwürfe für
Gegenstände wie Bowlen, Metallkassetten,
Wandbrunnen, Standuhr, Blumenständer etc.,
von welchen die Abbildung auf Seite 322 eine
in Kupfer getriebene, dunkelgrün patinierte
Bowle mit aufgesetztem Messingstern und
Messinghenkeln zeigt. Auf die Entwürfe zu
Schmuckgegenständen komme ich später zu-
rück. Der sehr hohe Durchschnittswert
dieser, wie aller Arbeilen der
Kurse zeugt davon, dass der
alte Baum des Nürnberger
Kunsthandwerks noch nicht
verdorrt ist, sondern noch
neue Blüten treiben kann.
Rund um die hochragenden
Kirchen St. Lorenz und
St. Sebald im Gewirr der
niedrigen, ziegelgedeckten
Häuser, in den krummen
Strassen leben noch immer
eine Anzahl geschickter,
intelligenter und fleissiger
Meister, welche allein oder
u^^
±^-
I ,/
H. KNORR • ENTWURF ZU EINEM KAFFEE- UND THEESERVICE
'^k^> NÜRNBERGER HANDWERKSKUNST
mit ein paar Gesellen in kleinen Verkstitten Derselben Gruppe gehören noch die Cise-
hinter verstaubten Fenstern die Prunkstücke leure, Kunsigiesser und Formenmacher, H.
herstellen, denen man im Glanz des elektri- Knohh, Fror. Möller und H. Guttke an.
sehen Lichts unserer Kunstsalons die ge- Auch sie bekunden mit ihren Zeichnungen
bührende Achtung erweist, oft genug ohne für Schreib- und Speisetischgeräte, sowie
zu würdigen und zu wissen, unter welch sonstige Gegenstände ein gutes Verständnis
drückenden, wirtschaftlichen Verhältnissen sie für die Materialbedingungen und vornehme,
entstanden sind. grosse Form, wie besonders eine Jardiniftre
FRANZ KAINZINCBR « IN KUPFER GETRIEBENE ASCHENSCHALEN
326
-»-te> DIE FARBENSCHAU IM KAISER WILHELM-MUSEUM KREFELD <a*^
Einführung der Farben ge-
wehrt, wie aus den folgenden
We regret to infonn you that pages 327-338
oi Die Kunst, no. 6, 1902 are mistakenly
boundinafterpage342.
The Fine Arts Libraiy, Harvard Univereity
-iT.^ NÜRNBERGER HANDWERKSKUNST <S^^
flecken hervorruft, kommt für diese Muster
nicht in Betracht. Aber solche Forderungen
an die Muster zu stellen, hiesse ihre Absicht
missversteheo. Unsere Kunstgewerbemuseen
haben zum Unheil des neueren Kunstgewerbes
fertige Vorbilder mehr als genug gegeben.
Diese Tafeln wollen dem Benutzer eigene,
geistige Arbeit nicht
ersparen. Sie sind ein
Extrakt aus fertiger
Schönheit und dadurch
eine glückliche Vor-
stufe zu neuer Schön-
heit. Für ihre prak-
tische Verwertung ist
es belanglos, dass sie
aus fertiger Schönheit
stammen. Sie bieten
feine Harmonien, und
mit reichlicher Phan-
tasie könnte man sich
vorstellen, dass der
liebe Gott im Paradiesesgarten die Krohn-
schen Farbentafeln benutzt und bald hier,
bald dort unter sie gegriffen hätte, um Käfer
und Schmetterlinge und Gesteine und tausend
andres Farbenschüne zu gestalten. Ganz ohne
Phantasie aber kann man sich denken, dass
in Zukunft kein Fabrikant, kein Kunsthand'
werker in Krefeld wichtigere Farbenharmo-
oien herstellt, ohne die Tafeln zur Beratung
zu ziehen, und dass sie auch für die häus-
liche KunstpHege ernste Bedeutung gewinnen.
Es ist sehr möglich, dass die KROHN'schen
Tafeln auch ausserhalb Krefelds Anklang
ßnden, gewiss aber hat die Farbenschau als
Ganzes eine weit über
Krefeld hinausreichen-
de Bedeutung. Unsere
grossen Kunst - Aus-
stellungen haben etwas
Verwirrendes. Die In-
teressen der Beschauer
werden nach unzähligen
divergierenden Rich-
tungen hingetrieben.
Die Farbenschau giebt
ein Beispiel ganz an-
ders gearteter Ausstel-
lungen. Sie fesselt in
engem Kreise und ge-
rade deshalb entwickelt sie Fähigkeiten. Nach-
drücklich werden alle Kräfte nach^elner Rich-
tung, auf das Sehen, Empfinden und Geniessen
der Farben gelenkt, und jede andre Tendenz
erscheint ausgeschaltet. Die Vergleichung
brbiger Naturschönheit und farbiger Kunst-
schönheit gewährt einen Massstab. In fiber-
JOH. BRAND & STAUCH ■ ENTWÜRFE ZU GOHTELSCHLIES
340
^^D- DIE FARBENSCHAU IM KAISER WILHELM-MUSEUM KREFELD -^^ö^^
FIA WILLE • KISSEN LILLI BEHRENS « KISSEN
raschender Weise wird das ästhetische Ge- doch sind auch sehr interessante Farben-Aus-
wissen der Farbe gegenüber geschärft. Haben Stellungen möglich nur von koloristischen
Farben-Ausstellungen für Städte mit textiler Elite-Werken alter oder moderner Malerei.
Industrie speziellen Wert, so sind sie ausser- Solche Ausstetlungen könnten neben ihrem
dem von allgemeiner Bedeutung ersten Ranges erzieherischen Wert erhebliche kunstgeschicht-
für die künstlerische Erziehung des ganzen liehe Bedeutung gewinnen. ^ 4(^ 4(^
Volkes. Man sollte es aus
naheliegenden Gründen dem
deutschen Publikum nicht
überlassen, sich nach eigenem
Wollen in Museen verschie-
dener Art Farbenschau zu
schaffen. Wenn es dabei
bliebe, würde die Entwick-
lung des Farbensinns nur
sehr langsam vorwärts gehen.
Von Farben - Ausstellungen
dagegen darf man schnellere
und grosse Erfolge erwarten.
Es wäre zu erwägen, ob nicht
in jeder Gemäldegalerie ein
Raum zur Farbenschau als
Vorbereitung für den Besuch
der Galerie könnte einge-
richtet werden. Aber auch
unabhängig von Galerien
sollte man an jedem Ort,
wo immer in Deutschland
KunstpRege herrscht, dem
Krefelder Beispiele folgen
mit den Aenderungen, die
sich aus den jeweiligen ört-
lichen Verhältnissen ergeben.
Am wirksamsten wird immer
die Vereinigung von Natur-
und Kunstschönheit sein; fia wille « Tischdecke
341
NEUE INTERIEURS
VON Karl Schefpler
es Fast nur Originalitäten; noch immer
fehlen die guten Verarbeiier der gegebenen
Ideen, und man kann um so weniger auf ihr
Erscheinen rechnen, als sie nicht aus den
staatlichen Kunstschulen hervorgehen, sondern
sich autodidaktischheranzubilden pflegen. Und
doch sind die Popularisierer der primären
künstlerischen Ideen dem Markte zur Zeit
viel wichtiger als immer neue Entdecker.
Mancherlei Eigenschaften sind solchen Kultur-
arbeitern nötig, deren Ruhm darin besteht,
sich als dienende Glieder einem Ganzen
anzuschliessen. Sie müssen die Träger
Frischer, in aller geistigen Dienstbarkeit doch
freier und selbständiger Begabungen sein,
müssen viel Verantwortlichkeitsgefühl und
zugleich einen durchaus praktischen, aufs
Wirkliche gerichteten Sinn ihr eigen nennen.
Natürliche Begabung ist ja bei Autodidakten
stets vorhanden, denn nur durch sie wird
die Schule überflüssig gemacht; es liegt aber
oft die Gefahr vor, dass das eigene — produk-
tive Vermögen überschätzt und die Rezep-
tivität für Originalität gehalten wird. Damit
verschwindet dann meistens der ruhige, sichere
Blick für das individuell und sachlich Nötige,
und es zeigen sich die unerfreulichen Er-
scheinungen artistischer Grossmannssucht,
wodurch gerade in unseren Tagen die besten
Ideen ad absurdum geführt werden. Solchen
Verirrungen der Eitelkeit sind jene Ge-
werbekünstler unterworfen, die einen Buch-
deckel für eine nationale Heldenthat, einen
Schreibtisch für ein unsterbliches
Kunstwerk halten.
Zu der kleinen Schar von
Künstlern, die, ohne gerade re-
volutionäre Neuerer zu sein, ihr
nicht geringes Talent vernünftig
in den Dienst der Idee stellen,
gehören an erster Stelle R. und
F. Wille. Das Ehepaar ist ganz
bescheiden von Stickereien und
Buchzeichnungen ausgegangen
und hat sich Schritt vor Schritt
neue Gebiete erobert. Dabei zeigte
es sich überzeugend, wie weit
man kommt, wenn man seine
Kräfte genau kennt und sie darum
klug konzentrieren kann. Wille's
Ornamentik ist in solchem Pro-
zess immer selbständiger gewor-
den und hat schliesslich der neuen
Linienkunst eine besondere Nu-
ance hinzugefügt. Was zuerst
nur Produkt der Anregung war,
gewann allmählich seiner selbst
wegen Geltung, weil es sich,
durch gewisse Vorzüge des guten
Geschmackes, über manches Vor-
bild erhob. Es wäre gut, wenn
sich alle Nutzkünstler, die unter
ähnlichen Voraussetzungen ar-
beiten, ebenso klar darüber wären,
aufweiche Eigenschaften des Cha-
rakters ein Talent sich stützen
muss, wenn es wachsen soll.
R. und F. Wille haben jetzt
D. MEINECKE • ENTWÜRFE ZU HANDLEUCHTERN
HANDLEUCHTER AUS EISEN UND MESSING • ENTWORFEN VON M. EBERLEIN
AUSGEFÜHRT VON KUNSTSCHLOSSERMEISTER GUSTAV FREY •*«*«••««•
-3-^> NÜRNBERGER HANDWERKSKUNST <^-^
mit Glaseinsatz von Guttkb und auch der auf
Seite 323 in Abbildung wiedergegebene Ent-
wurf zu einem Palmenstander von Fr. Müller
bezeugt.
Die Entstehungsgeschichte der Aschenschale
mit Schwedenständer von H. Knorr (Abbil-
dung Seite 326) ist sehr instruktiv und mag
daher hier Platz finden; zugleich ist sie
typisch, denn den meisten Teilnehmern der
Kurse mag es wohl ähnlich ergangen sein.
Der Verfertiger der Schale kam in die Kurse
mitder ausgesprochenen Absicht einen solchen
Gegenstand zu entwerfen und zeichnete ihn,
wie er sich denselben gedacht hatte, mit
einem weiblichen Kopf, dessen aufgelöste
Haare die Schale überfluteten. Erbarmungs-
los wurde ihm dieser Kopf gestrichen und
ebenso die sonst noch vorhandene Zugabe
an Lilienblüten etc.; und obwohl er wider-
strebend meinte, das Publikum verlange das,
und er werde den Gegenstand nicht ver-
D. MEINECKE •
zu EINEM KNJLUELBECHER
D, «ErNECKE • ENTWURF ZU EINER PUDERDOSE
setzt, sich an praktischen Arbeiten weiter zu
bilden.
Nach den zum Teil guten Ideen seiner
Zeichnungen hat Rud. Issmayer leider nur
einen kleinen Handspiegel mit Metall-
umrahmung angefertigt.
Die talentvolle Leiterin der kunst-
gewerblichen Abteilung des Nürnberger
Vereins Frauenwohl, Else Oppler
stellt eine nach ihrem Entwurf ange-
fertigte, mattsilbeme Biskuitdose {Abb.
Seite 326) aus, deren vornehm einfache
Form sich durch zwei aufgesetzte
Augen von lauchgrünem Chrysopal und
Wiederholung der Kontur in einge-
stanzten Linien zu höchst reizvoller
Wirkung erhebt.
Damit wären wir bei den Damen des
Kurses angelangt, und es muss gesagt
werden, dass ihre Arbeiten auf einer
durchaus erfreulichen Höhe stehen.
kaufen können, musste er sich doch bequemen,
rein sachlich und konstruktiv zu bleiben.
So wurde aus dem sinnlosen Kopf der
Schwedenständer und aus den Haaren der
vornehme Linienfluss der Umrandung, die
als einziges Schmuckmoment der sonst ganz
glatten Schale übrig blieb. Der Verfertiger
hat es nicht bereut, denn die Schale ist
wegen ihrer vornehmen Form am meisten
von allen Erzeugnissen der Kurse gekauft
worden. Aus seinen zahlreichen und sehr
guten weiteren Entwürfen bringen wir auf
Seite 324 und 325 den eines Handleuchters
und eines Kaffee- und Theeservices, welche
leider noch nicht ausgeführt worden sind.
Hier fehlt es, wie bei manch anderem guten
Stück, an dem Auftraggeber, der das durch
die Meisterkurse ans Tageslicht gekommene
Talent unterstützt und in die Lage ver-
^.-^> NÜRNBERGER HANDWERKSKUNST <^-d-
D. MEINECKE • ENTTURF ZU EINEM KNJlUELBECHER
Besonders aus Else Oppler's Arbeiten,
den Kissen, Decken etc. gewinnt man den
Eindruck, dass hier die behandelten Stoffe,
das rein Technische selbst bereits zu einer
künstlerischen Aussprache gebracht worden
sind.
Daneben ist Auguste HAmmel zu
mit einer reichen Anzahl Entwürfe für Buch-
schmuck, Lederarbeiten, Stickereien etc., die
grosszügig erdacht und gemacht, und mit
feinstem Empfinden für Linienwirkung, ganz
abgesehen von der Ausführung' und dem
Material, erfunden worden sind (Abb. Seite 32 1 ,
334, 335).
Auch Louise v. Forster hat sehr aparte
Muster geschaffen, und in Emma Volck's
Decken und Zeichnungen für Klöppelspitzen
und genähte Leinenspitzen finden wir das
starke Behrensornament mit weiblicher Grazie
durchdrungen (Abb. Seite 339).
Das sind Neuerscheinungen im Nürnberger
Kunsthandwerk, und es ist nur freudig zu be-
grüssen, wenn hierdurch dem Hausgewerbe
neue Anregungen zugeführt werden. Und
hier auf dem Gebiet der Weissnäherei,
Stickerei, der Aufnäharbeit etc. ist noch man-
ches zu thun, wie es denn überhaupt dem
feinen weiblichen Instinkt vorbehalten sein
wird, eine ganz besondere Rolle bei dem er-
wachenden Bedürfnis der häuslichen Kunst-
pRege zu spielen.
Man hat hier, ganz allgemein genommen,
die freudige Empfindung, wieviel sich doch
aus dem modernen Ornament machen, wie-
viel sich damit gestalten lässt, je nachdem
es die Associationszentren befruchtet. Be-
weis dafür sind die Posamentierarbeiten und
J k
D. MBINECKE ■ ENTWORFE ZU HOLZSAULCHEN
329 "
^r-^> NÜRNBERGER HANDWERKSKUNST <^^
J. ULMER m ENTWURF ZU EINER GESCHNITZTEN TRUHE
Borten von G. Arold<Jean Arold), welche
uneingeschränktes Lob verdienen (Abbildung
Seite 338). Kaleidoskopartig ergeben sich
immer wieder neue Kombinationen, je nach
der behandelnden Persönlichkeit. — Was kann
ein Sarasate nicht alles auT einer einzigen
Saite spielen I
Auguste HXmmel hat einige ihrer Arbeiten
durch den Buchbindermeister Kaltmaier aus-
führen lassen, welcher gleichzeitig am Kurs
teilnahm und mit eigenen flott entworfenen
und gediegen ausgeführten Bucheinbänden in
geschnittenem und geßrbten Leder vertreten
ist {Abb. Seite 335). Der Buchschmuck ist ja
Ungst ein Gebiet geworden, für das die besten
künstlerischen Kräfte mit revolutionierender
Thätigkeit sich ins Zeug gelegt haben. Bei
den Vorsatzpapieren bleibt Kaltmaier bei der
Marmorierung, welcher Technik er in den
Kursen eine ganze Anzahl Muster abgerungen
hat, die sich durch eigenartige reizvolle Far-
ben auszeichnen.
Weiblicher muten die Menukarten und Pa-
peterieentwürfe des Lithographen K. Schar-
sich (i. F. WOLPRUM & Hauptmann) an; sie
sind nicht so rassig, wie die Mehrzahl der
übrigen Arbeiten.
In sehr aparter Weise sind drei Deko-
rationsmaler vertreten. K. SchXfer, von
welchem bereits Heft 6 zwei Entwürfe brachte,
hat als seine Spectalität StoFTtapeten und Vor-
hangstoFfe ausgebildet, welche in der be-
kannten Schabloniermethode auf Jute auf-
gemalt sind. Es ist nur zu wünschen, dass
sich diese Art der Wandbespannung mehr
einbürgert, um mit der Papier- und Leder-
tapete und der Täfelung eine angebrachte
Abwechslung zu ermöglichen. Auch die zart
gehaltene Decke desselben Meisters (Abb.
Seite 337) und der machtvolle, energisch hin-
^r^?> NÜRNBERGER HANDWERKSKUNST <^-t?-
KAMIN • ENTWORFEN VON KARL MAIER • AUSGEFOHRT VON J. F. B. HAUSIEITER
gesetzte Wandfries (Abb. Seite 337) von G.
Staigbr (i. F. Eugen Müller), sowie eine
farbige Fensterumrahmung von M. Haoen
(i. F. Ober & Hartner) (Abb. Seite 336),
welche hier nur als gute Beispiele aus vielen
Entwürfen herausgegriffen sein mögen, zeigen,
dass auch dem Gebiete der dekorativen Malerei
sich noch in sehr dankbarer Weise neue Mo-
tive zuführen lassen. Vieles mag hier noch
zu reich, zu voll erscheinen, so dass die
Wirkung eine unruhige wird, was auch durch
den konventionellen, bleichen Leim färben ton,
den z. B. Hagen bei einem Treppenhausent-
wurf bevorzugt, nicht aufgehoben wird. Ganz
wenige schöne Linien genügen hier oft und
sagen uns mehr, als eine reiche Verzierung.
Mag das aber sein, wie es will: Haupt-
sache ist doch, dass auch hier ein freies,
eigenes Schaffen angestrebt wird. Wie es
die alten Meister gethanl Wenn diese nichts
Eigenes geschaffen hätten, sondern bei dem
zu ihrer Zeit Bewährten, Guten, Alten
stehen geblieben wären und sich nicht
losgetrennt hätten von der Nachahmung
derjenigen Kunstformen, welche zu ihrer
Zeit bereits vorgelegen hatten , wie wären
dann die Stile entstanden, deren Schön-
heit wir gerade dadurch anerkennen, dass
wir sie dem Lehrplan unserer Kunstgewerbe-
schulen und Akademien eingereiht haben?
Und ein grosser Fortschritt liegt schon darin,
dass hier aufgeräumt ist, mit den Früchten,
Blumen und Blattpflanzen, die bis vor kurzem
noch das Hauptmotiv unserer Decken und
Wanddekoration, einschliesslich der Tapeten
bildeten.
Das reizvolle Gebiet der Schmucksachen
ist vertreten durch die bereits genannten
^..^> NÜRNBERGER HANDWERKSKUNST <^ä-c-
Ciseleure Brand und Stauch , durch den
Modelleur und Schnitzer Semmelroth, sowie
durch den Juwelier E- Topf, Dass die Ar-
beiten den Vergleich mit anderen neueren
Arbeiten, besonders den französischen nicht
aushalten, kommt hierbei gar nicht in Be-
tracht; denn ihre Bedeutung, wie diejenige
der Kurse überhaupt, liegt nicht allein in
dem, was bereits erreicht ist, sondern in der
Thatsache der Loseisung aller dieser Leute
von den bisherigen Formen. Sehr gute, voll-
wertige Arbeiten in ihrer geschlossenen,
feierlichen Komposition sind vor allem die
Zeichnungen zu Gürtelschliessen von Brand
und Stauch, von denen wir auf Seite 340
einige in Abbildung bringen. Aeusserst Heisstg
und sauber ausgeführt sind die zahlreichen
Kämme in Schildkrot und einfachen Broschen
von Semmelroth (Abb. Seile 338) und eben-
so die Schmucksachen, Broschen, Vorsteck-
nadeln von E. Topp, von welchen die AbbÜ*
düng auf Seite 326 eine Brosche in oxydier-
tem Silber mit Opalen zeigt.
Ungemein fruchtbar war der Drechsler
D. MErNECKE, der eine ganze Reihe gedrehter
und geschnitzter farbiger Holzwaren auf-
zuweisen hat: Dosen für Häkelgarn und andere
VAL. OECKLER ■ STUHL AUS MAHAGONI
C. LEHMANN m GESCHNITZTER RAHMEN
Zwecke, Leuchter, Schalen, farbige Säulchen,
Vasen mit Blech- oder Glaseinsätzen für
Blumen etc., alles durchaus holzgemgss ge-
dacht, ohne überflüssigen Schmuck, in origi-
nellen Formen und lebhaften Farben. (Abb.
Seite 328 und 329). Zahlreich sind auch die
Entwürfe zu Möbeln für Speise- und Wohn-
zimmer von V. Oeckler, P. Götz, M. Eber-
lein und F. CORRELL, ohne dass jedoch viele
zur Ausführung gelangt sind. Unsere Ab-
bildung auf dieser Seite zeigt einen reichver-
zierten Stuhl von V. Oeckler, der, wie auch
ein dazugehöriger Tisch und eine Standuhr in
rotem Mahagoni und Eiche ausgeführt worden
ist. Auch eine ganze Reihe kleinerer Holz-
gegenstände, Wandschränkchen, Handtuch-
halter, Rahmen zeugen von einem Schaffen
aus sich selbst heraus, aus der unbegrenzten
Liebe zur Sache und dem Bemühen, dem
Stoffe neue Formen abzuringen. Das gilt
auch von dem Entwurf einer Holztruhe mit
Schnitzerei von J. Ulmbr, von dem ausserdem
einige sehr hübsche Rahmen vorliegen (Abb.
Seite 330).
Es ist nicht uninteressant, sich einmal die in
den Teilnehmern der Kurse sich abspielen-
den psychologischen Momente zu vergegen-
wärtigen, das Unbehagen, welches das Ab-
weichen vom Gewohnten, Erprobten mit sich
bringt — die Schwierigkeit des sich Hinein-
denkens in den fremden Gedankengang —
das Gefühl des Unbeholfenwerdens, der Blind-
heit, des Tappens im Dustern ohne Wissen, wo
hinaus man gelange — bis dann schliesslich
^j-^> NÜRNBERGER HANDWERKSKUNST
FERD. CÖSCHEL « MODELL ZU EINEM GRABMAL
das Gefühl des Verständnisses und der
Freude über das zu Tage tretende Neue
hervorbricht. Und das alles in verstärktem
Masse, weil es sich doch im vorliegenden Falle
nicht um junge Schüler handelt, sondern um
eingesessene Handwerksmeister und ältere
Leute, die in einer festen Tradition gross
geworden waren. Wenn man nun rückwärts
blickt, wissend was die Leute früher ge-
schaffen haben, und fragt ob sie es nicht be-
dauern, dass sie so manches ihrer früheren,
mit Liebe erworbenen Fertigkeiten zu
Gunsten des neuen Schaffens aufgeben müssen,
so erhält man die Antwort, dass sie das gern
aufgäben in dem freudigen Gefühl, jetzt frei
aus sich heraus etwas Neues entstehen lassen
zu können, während sie früher nur nach vor-
handenen Mustern komponiert haben. Sie
fühlen sich als Gestalter.
Wer aber in den Arbeiten der Kurse zu
viel die Hand von Peter Behrens sehen
will und zu wenig eigene Individualität, dem
ist zu sagen, dass Behrens nur durch Worte
und Beispiele wirkte, nicht durch Modelle,
Entwürfe, Vorlageblätter u. dgl., und dass er
auch nicht in die Zeichnungen der Kurs-
teilnehmer eingriff. Aber gerade, weil er
eine intensive Geistesarbeit verlangte, darum
war seine Methode so instruktiv. Und wenn
das BEHRENs-Ornament überwiegt, so muss
gesagt werden, dass das doch gerade das
Gute ist. Die Individualität in Ehren, aber
wir wollen sie doch nicht jetzt von den
Nürnberger Handwerkern verlangen. Es thut
~;f-;^> NÜRNBERGER HANDWERKSKUNST <^^
durchaus not, dass die kraftvollen Männer,
die an der Spitze der neuen Kunstbewegung
stehen, ihre Formengebung und Ornamen-
tierung durchsetzen, damit wir zu einer Ein-
heit und Geschmackskonvention gelangen,
die immer Vorbedingung zu einem Stil ist.
Und es ist nötig, dass die Handwerker erst
einmal in den Sinn der neuen künstlerischen
Sprache eindringen, sie sprechen und be-
herrschen lernen; dann wird auch ihre Indi-
vidualität zu Tage kommen, sofern sie eine
haben.
Noch liegt mir ob, die Thongefasse zu er-
wähnen, welche die Firma J. F. B. Haus-
leiter nach den Entwürfen ihres Zeichners
Karl Maier lieferte, und unter denen sich
einige befinden (Abb. Seite 324), die in ihrer
aparten, strengen Form und der einfachen,
meist weissblauen, dunkelgrünen oder metal-
lisch schimmernden Glasur ausserordentlich
wohtihuend wirken. Von hervorragender
Schönheit aber ist ein Kamin in violettgrau
glasierten Kacheln von derselben Firma, be-
stimmt für das Bayerische Gewerbemuseum
(Abb. Seite 331). Endlich war auch durch
F. GOSCHEL die Steinbildhauerei mit plas-
tischen Modellen für zwei Grabmale und
AUGUSTE hAmMEL « ENTWURF ZU EINER MAPPE
einen Brunnen vertreten, so dass in dem reich
instrumentierten Stück dieser Ausstellung der
grosse Schlussaccord nicht fehlte. Besonders
der eine Grabmalsentwurf (Abb. Seite 333)
lässt ahnen, dass das Original bei der Aus-
führung in Stein in dem Beschauer den
Eindruck stiller Grösse und erhabener Ruh£
erwecken würde.
Bereits in Heft 6 dieser Zeitschrift er-
wähnte ich, dass das Endergebnis der Meister-
kui^e die Errichtung einer Zentral verkauf-
stelle (unter der Firma M. Abel) war, io
welcher die Teilnehmer der Kurse ihre Er-
zeugnisse ausstellen und verkaufen können.
Mit dieser Organisation wurde bewiesen,
dass die idealen Ziele, denen das Museum
zustrebt, bei gesunder Grundlage sich wohl
vereinigen lassen mit den realen Absichten
der Förderung geschäftlicher Interessen. Die
Einrichtung wurde denn auch von den Teil-
nehmern am Kurse sehr begrüsst, in der
Erkenntnis, dass hier etwas geschalten wurde,
das im höchsten Grade geeignet sei, sie in
jeder Beziehung zu fördern. Sind sie doch
alle von dem Gefühle erfüllt, dass sie zur
rechten Zeit den Anschluss an eine neue
Bewegung gewonnen haben, die sie auch
finanziell fördern werde, weil ihnen Aufträge
zufiiessen werden, für welche andere noch
nicht gerüstet sind, kurz, dass sie konkurrenz-
Ühiger geworden seien. Denn sehr mit
Recht betonte Oberbaurat v. Kramer, dass
bereits die gesellschaftlichen Ansprüche es
sind, welche die Blicke der kaufkräftigen
Kreise dahin lenken, wo der Lockruf der
H. KALTMAIER * ENTWÜRFE ZU BUCHEINBÄNDEN
BUCHEINBAND • ENTWORFEN VON AUGUSTE
HAMMEL • AUSGEFÜHRT VON H. KALTMAIER
-3-^> NÜRNBERGER HANDWERKSKUNST <^^^
neuen Kunst sich hören lässr, und dass
der Kunsthandwerker, welcher in der
Schule stilgerechter Nachahmung auf-
gezogen worden, der Beachtung mehr
und mehr entrückt wird.
Die kunstgewerblichen Magazine,
welche unter dem Zwang des materi-
ellen Verdienstes stehen, haben viel
zu sehr mit dem Geschmack und Un-
geschmack des kaufenden Publikums
zu rechnen und müssen demselben
durch die Möglichkeit einer „Auswahl"
nach den verschiedenen Richtungen
nachgeben. Ganz anders dagegen eine
Verkaufstelle, welche durch einen Ga-
rantiefonds dem geschäftlichen Risiko
entrückt ist und sich daher in erster
Linie von künstlerischen Interessen und
Absichten leiten lassen kann, während
das geschäftliche Interesse zwar nicht
unterdrückt, aber nur soweit berück-
sichtigt wird, als es sich aus der Er-
füllung des künstlerischen ergiebt. Eine
solche Institution kann unmittelbar er-
zieherisch auf den Geschmack weiter
Kreise wirken; sie ist dem Zwange
entrückt, welchen das grosse Publikum
mit seinem Verlangen nach wertlosem
Zeug und allerlei Mätzchen ausübt.
Wir sehen also die Nürnberger Hand-
werkskunst auf besten Wegen und
können nur wünschen, dass sie bald
zu neuer Blüte gelange.
DIE FARBENSCHAU IM KAISER WILHELM-MUSEUM IN KREFELD
Von Oscar Ollendorfi
Im Monat April veranstaltete das Kaiser
Wilhelm-Museum in Krefeld eine Farben-
schau, das heisst eine originelle Ausstellung,
die den Farben gewidmet war. Farhen-
harmonien der Natur sah man an Blumen,
Schmetterlingen, Konchylien und Mineralien,
Farbenharmonien der Kunst an modernen
Gemälden, Textilarbeiten verschiedener Epo-
chen , Gläsern und Werken der Keramik.
Einen wesentlichen Bestandteil der Aus-
stellung ergeben Vorbilder für dekorative
Farbenwahl , welche das Kaiser Wilhelm-
Museum von ihrem Verfertiger, Professor
PiETRO Krohn in Kopenhagen, erworben
hat, eine kleine Abteilung endlich bildeten
FarbstofTe und eine Anzahl Färbungen. Ueber
den genaueren Bestand der Ausstellung im
einzelnen wird jeden Interessenten der in-
haltreiche, mit einem Titelblatt von Ludwig
V. Hofmann geschmückte Katalog unter-
richten. Nicht nur zur Veredlung des Farben-
geschmackes im KreFelder Publikum sollte
die Veranstaltung beitragen, mehr noch und
vor allem sollte sie der dort heimischen Tex-
tilindustrie Anregungen bringen. Lebhafter
Besuch durch die Fabrikanten bewies, dass
-?-^E> NÜRNBERGER HANDWERKSKUNST K^^-c-
K. SCHÄFER ■DECKENMALEREI
zwischen dem Museum und der Be-
völkerung die notwendige Fühlung
vorhanden ist. Es wäre verlockend,
von den Eindrücken der Farben-
harmonien zu berichten, von dem
überraschenden Sieg, den der Neoim-
pressionismus in Werken von Paul
SiGNAC unter so vielen edlen Farben-
wirkungen der Kunst feierte, von
den Resultaten, die eine Wanderung
durch die Krefelder Gemäldegalerie
unmittelbar nach Besichtigung der
Farbenschau ergaben, aber der be-
schränkte Raum verbietet näheres
Eingehen. Die folgenden Zeilen
wollen nur Einiges von allgemeiner
und praktischer Bedeutung hervor-
heben.
In der Abteilung für Farbstoffe
sah man eine Anzahl Anilin-Fär-
bungen ausgestellt, die zum Teil
nicht belichtet, zum Teil fünf Monate
lang der Witterung, Sonne und Regen,
ausgesetzt waren. Die Verände-
rungen der belichteten Fäden, na-
mentlich in hellen Farbtönen waren
GUSTAV STAICER • WANDMALEREI
-3-^> NÜRNBERGER HANDWERKSKUNST <S*-t^
F. SEMMELROTH ■ BROSCHE AUS ELFENBEIN, KAMME AUS SCKILDKROT « E. TOPF ■ VORSTECKNADELN
von eingreifendster Art. Blasses Goldgelb unechter Färbungen «irklich schön wäre !
halte sich in schmutziges Grau, warmes Aber die Anilinfarben sind schlechter als
Orange in schmutziges Braun oder Gelbgrün, ihr Ruf und rechnen mit unentwickeltem
einfaches Gelb in totes Graugrün umge- Geschmack; denn ihre sogenannte Brillanz
wandelt; eine rote Farbe war in mannjg- trägt fast durchwegs unfeinen, giftigen Cha-
fache Töne auseinandergespalten. Wenn nur rakter. Es wäre zu wünschen, dass sich im
wenigstens das ursprüngliche Aussehen so Publikum eine tiefere Kenntnis dieser Sach-
lage und kräftige Abneigung
gegen Anilin Urbungen ent-
wickelte. Sie werden benutzt,
weil sie bequem in der Fär-
berei und billig sind, und keine
ernste Protestbewegung hat bis-
her ihre Herrschaft erschüttert.
Und doch liegt hier eine be-
deutsame Frage künstlerischer
Kultur verborgen, und vom Stand-
punkt des Geschmackes und der
Solidität muss man wünschen,
dass die berufenen Kreise alle
Energie und Findigkeit darauf
verwenden, die echten und
wirklich schönen, vegetabili-
schen Farbstoffe einfacherem
und billigerem Gebrauche zu-
gänglich zu machen! Als die
persische Textilindustrie eine
Zeit lang Anilinfarben ver-
wandte, hat sich die dortige
Regierung entschieden und er-
GOTTLiEB AROLD ■ POSAMENTIERARBEITEN folgreich gegen die Weitere
338
BELEUCHTUNGSKÖRPER VON HANS WAGNER <^^
man die Atmosphire der Mode nennen könnte.
Was die meisten Käufer bestechen wird, muss
der Kunstbeurteiler aus ästhetischen Gründen
bedenklich finden. Die Grenze zwischen den
Gebieten des Ornamentalen und Tektonischen
ist oft haarscharf; sie jedoch genau zu kennen,
ist die vornehmste Aufgabe des Interieur-
Künstlers. Pankok's Möbelverzierungen z. B.
sind streng tektonisch, befinden sich an den
Knotenpunkten des Konstruktionsproblems und
illustrieren die Logik des Gefüges; nicht zu
reden von den ornamentalen Funktionshölzern
und tektonischen Ornamentgebilden van de
Veldb's. In Wille's Möbeln aber bleibt das
Ornament oft noch Dekoration und ist nicht
durchaus logisch bedingt. Die Weiterent-
wicklung wird im Sinne einer Verbindung
der logischen und der schmückenden Idee
erfolgen müssen. Das Erstrebenswerte ist
die Synthese, in der das Tektonische orna-
mental und das Ornamentale tektonisch ge-
dacht ist.
Farbig wissen die Künstler stets sehr fein-
sinnig anzuordnen. Der geschärfte Geschmack
für Tonwerte, den Frau Wille in den Sticke-
reien so oft bewiesen hat, kehrt in den Tep-
pichen wieder und verrät sich in vielen
Einzelheiten dieser Arbeiten. Recht wird er
sich natürlich erst entfalten können, wenn
die Interieurs ein Festes Heim gefunden
haben und nicht mehr auf die weitläufigen
Ladenraume angewiesen sind.
Die vier ausgestellten Zimmer sollen zu-
sammen etwa 4000 Mark kosten. Solche
relative Wohlfeilheit ist sehr zu loben; um
so mehr, als das Material durchaus edel ist
und die Ausführung tadellos scheint. Die
angewandte Kunst muss endlich vom Aus-
stellungsobjekt loskommen und wahrhaft
marktfähig gemacht werden. Damit ist nicht
nur dem Publikum gedient, das sehr gerne
kaufen möchte, wenn es sicher ist, für die
üblichen Preise solide Arbeiten neuen Stils
zu erwerben, sondern auch den Künstlern,
die in dieser Weise endlich einmal ein Ver-
hältnis zur Nachfrage finden. Gerade Ta-
lente wie diese, die nicht den artistischen
Eigensinn der Entdecker aber doch die sichere
Haltung des guten Geschmackes haben, suchen
lebhaft die Möglichkeit zu praktischer Be-
thätigung. Ohne Hilfe von sekundären Be-
gabungen wird das Neue, das wir schon
unser eigen nennen, nie popularisiert werden
können; darum ist es sehr zu wünschen,
dass solchen ein umfassendes Thätigkeicsgebiet
geöffnet wird. Was die Dufr^ne, Landry
u. s, w. für Frankreich sind, das können R.
und F. Wille für Deutschland werden. —
Auch von dem Dresdener Künstler M. A.
Nicolai gilt vieles von dem Gesagten. Die
-^-^> BELEUCHTUNGSKÖRPER VON HANS WAGNER <^^
Anregungsgebiete, als deren werden. Nicolai's Schlaf-
Pole England einerseits und zimmer, als Ganzes so lo-
Belgien andererseits be- benswert durch seine ge-
trachtet werden können, sind sunde Einfachheit, könnte
ja so ausgedehnt, dass die noch kräftiger in der Dispo-
Bewegungsfreiheit des re- sition sein. So hätte beispiels*
zeptiven Talentes sehr gross weise das noch immer unge-
und die Gefahr der Kollision löste Verhältnis des Nacht-
kaum vorhanden ist. Nicolai kästchens zum Bett mehr
ist in den Arbeiten, die hier Beachtung finden müssen,
abgebildet werden, durchaus Ebenso ist die Form des
von anderer Seile ausge- Toilettentisches etwas klein-
gangen wie Willb's und bürgerlich ausgefallen,
doch ist auch er zu erfreu- Alles in allem aber ist zu
liehen Resultaten gelangt. wünschen, dass Talente, die
Verwandt sind beider Ar- solche Leistungen hervor-
beiten darin, dass man die- bringen, sich stetig mehren
selbe ruhige Vernunft und er- und ein fruchtbares Thätig-
fahrene Sicherheit des guten keitsfeld finden; denn ein
Geschmackes hier wie dort findet und den halbes Dutzend von ihnen schaffen mehr
verständigen Sinn erkennt, mit dem alte Ge- Werte, als sämtliche Schüler einer staat-
wohnheiten des kaufenden Publikums un- lieh subventionierten Kunstgewerbeschule,
merklich auf eine höhere Stufe gehoben ^ ^ ^
BELEUCHTUNGSKÖRPER VON HANS WAGNER IN GRÜNA
NebenderFirmaK.M.SeiPBRT&CiE.,aufdie Stücken, welche auf dem Gebiete der Be-
wirschon früher hingewiesen haben, gehört leuchtungskörper durchschnittlich noch ge-
die von Hans Wagner zu denjenigen, deren liefert werden, eine wohlthuend berührende
Arbeitengegenüber den überladenen, protzigen Einfachheit aufweisen. Wird dabei auch die
BELEUCHTUNGSKORPED « ENTWORFEN UND AUSGEFÜHRT VON HANS WAGNER, CROnA
347 M*
^,.^> NEMESIO DE MOGROBEJO <^-^
Nüchternheit nicht immer völlig vermieden,
welche allzu leicht mit der Vereinfachung Hand
in Hand geht, — sogar Benson vermochte
zuweilen das Problem nicht restloszulösen!
— so ist hier sicherlich ein Zuwenig weit
besser als ein Zuviel. So begriissen wir
jedes Zeichen froh, das eine Abnahme jenes
ungesunden Geschmackes bedeutet, dem Schön-
heit gleich gilt mit Häufung und Uebermass. —
Unter andern recht geschickt gelösten Auf-
gaben hat sich Hans Wagner auch die ge-
stellt, welche, einem allgemeinen Bedürfnis
entspringend, immer wieder aufgegriffen wird,
nämlich die, in einer Kombination eine zwei-
fache Art der Beleuchtung zu vereinigen:
das konzentrierte, aus einer starken Quelle
entströmende Licht, mit der allgemeinen
Helligkeit, die aus mehreren kleineren, ver-
teilten Lichtquellen fliesst. — Allabendlich, im
engen Familienkreis im Wohnzimmer ver-
sammelt, lieben wir das intime Licht der um-
schatteten Lampe, die über dem Tische nieder-
hängt, während der übrige Raum in wohliges
Dämmerlicht getaucht bleibt. An Festabenden
dagegen, wenn die ganze Stimmung eines
geselligen Beisammenseins vieler Menschen
helles strahlendes Licht verlangt, brauchen
wir die Einzellichtkörper, die aus mehreren,
höher angebrachten und auf grösseren Um-
kreis verteilten Zentren ihre Strahlen spenden.
Wie vieles aber gerade in der künstlichen
Beleuchtung unserer Räume noch zu erreichen
ist, das mag hier nur kurz angedeutet werden.
Ist doch Licht und Schatten das belebende
Element für jedes Ding, nur durch das Licht
gewinnt unsere Umgebung ihre Grösse und
Gestalt. Da unsere Einrichtung und die Art
ihrer Aufstellung sich meist nach Lage der
Fenster richtet, so haben viele versucht, auch
hinsichtlich der künstlichen Beleuchtung den
Tageseffekt beizubehalten, indem sie kon-
sequenterweise je eine starke Lichtquelle bei
jedem Fenster anbrachten. Andere suchen durch
Verteilung einer grossen Anzahl Flammen an
der Decke einerseits eine gleichmässige (meist
allzusehr nivellierende) Helle zu erzielen,
andrerseits die Formen der von der Decke
hängenden oder in ihreingelassenen Lämpchen
als Dekorationsmotiv zu verwenden.
Ein in geschickten Händen meist künst-
lerischeres Verfahren scheint uns die Be-
nutzung einer Anzahl hoher, mit grossen
Seidenschirmen bedeckter Tisch* und Stand-
lampen zu bieten. Eine gewisse gemütliche
Intimität, ein einheitliches Zusammenfassen
einer Partie des Zimmers unter einer ge-
meinsamen Lichtquelle und ähnliche Vor-
teile sind ihm eigen. Wer seine Zimmer
also nicht nur erhellen, sondern beleuchten
will, dem steht ein dankbares Studium offen.
NEMESIO DE MOGROByO
Von Dr, Adalbert von Dhasenovich, Graz
Zwei Gedanken sind es, die in der modernen
Plastik besonders stark nach Verwirk-
lichung ringen. Der eine, welcher allerdings
schon mit dem Namen iHtCHELANGELO's für
alle Zeiten verknüpft ist, fordert lebhafte,
aber gebundene Bewegung, stärksten, aber
verhaltenen Ausdruck, knappste Sammlung
der Formen, strengsten Umriss der Masse
und findet seinen Gegensatz in der lauten,
nach allen Richtungen zerflatternden Gestal-
tung des Barock. Der andere, der schon in
der Gotik gelebt hat, findet das Hochziel der
Plastik nicht in der freien, überall aufstell-
baren Figur, sondern im Schmuck der ge-
gebenen Dinge; die Figur ist ihm kein Selbst-
zweck, sondern ein dienendes Glied der
Raumgestaltung, die Plastik eine ornamentale
Kunst. Uns aber sind diese beiden Gedanken
nicht in bewusster Anlehnung an jene Vor-
ganger, sondern aus dem liebevollen, fast
leidenschaftlichen Materialgefühl unserer Zeit
gewachsen: Stein soll nie die ihm eigene
Struktur, Metall nie die erstarrte Flüssigkeit
vergessen lassen, das Material soll sich selbst
treu bleiben, aus seinem beschränkten Wesen
seine besten Wirkungen ziehen. Dass dieses
Materialgesetz freilich keine ewige Regel,
kein einziger Weg ist, ergiebt sich schon
aus der Erkenntnis der Kunst als einer Lebens-
äusserung, welche mit den Lebensformen
wechseln muss, und wird bestätigt durch die
geschichtliche Erfahrung, dass grosse Kunst-
stile, wie Renaissance und Barock, zum Teil
auch die Klassik, dieses Gesetz wenig ge-
achtet haben. Dass es aber gegenwärtig als
neu, umwälzend und alleinseligmachend em-
pfunden wird, scheint mir ein Beweis für die
unserer Zeit innewohnende Schaffenskraft,
für ihren nicht eklektisch nachahmenden,
sondern selbstherrlichen Willen. Bildhauer,
welche formal aus diesem Gefühle, inhaltlich
aus einer Seelenstimmung unserer Zeit heraus
schaffen, wird man dsher im tieferen Sinne
modern nennen können, wenn nämlich dieses
Wort mehr bezeichnen soll als die Eigen-
schaft eines Zeitgenossen oder die Beugung
unter eine Tagesmode.
Es verdient Beachtung, dass Spanien,
welches kürzlich in der Malerei mit Zuloaca
sehr entschieden den Weg zeitgemässer Ent-
wicklung betrat, auch in der Bildhauerei die
Fesseln der akademischen Konvention abzu-
streifen beginnt. Wenigstens ist ein solcher
in der Gegenwart wurzelnder und durch
seine Jugend in schöne Zukunft weisender
Künstler der Baske Mogrob^o, von dessen
Werken das vorliegende Heft einige abbildet.
Das früheste, aber vielleicht immer noch
stärkste, wenn auch befremdlichste ist der
Pierrot, den er 1897 in Paris mit grossen
Kosten über verlorenes Wachsmodell in
Bronze giessen liess. Inhaltlich ist es kein
gewöhnlicher Pierrot, der etwa seiner Co-
lombine ein Ständchen bringt, sondern die
Verkörperung des hinter bitterer Grimasse
sich verbergenden Weltschmerzes; etwa die
Stimmung, welche Leoncavallo's Bajazzo
mit den Worten anschlägt: hHüII' dich in
Tand und schminke dein Antlitz", oder
Verlaine mit seinem: „Ce n'est plus le
-^-^ NEMESIO DE MOGROBEJO <^^
NEMESIO DE MOGROBEJO • FRUCHTSCHALE AUS BRONZE (UMARMUNG)
reveur lunaire du vieil air". Formal fällt
die Entfernung vom Naturalismus auf (die
Glieder sind überlang, die Kinnlade ins Gro-
teske verzerrt) und die kühne, fast gewalt-
same Zusammen raffung der äussert bewegten
Glieder in einen verhältnismässig ruhigen,
geschlossenen Umriss, womit das Werk aus
der Entfernung als Schmucksache,' in der
Nähe als Lebensdarstellung wirkt. Nicht
naturalistisch ist auch der Sockel, dessen
willkürliche oder besser: zum Gesamtfluss
nötige Formen sich aus den Haarsträhnen
eines Kopfes aufbauen, dessen übergrosses
Ohr dem bittersüssen Liede lauscht, cette
Chanson cruelle et cäline, wie Verlaine sang.
Aehnlich frei hat er für einen Sockel zur
Büste eines Reiteroffiziers das Motiv eines
Pferdeschädels benützt und auf die Bedenken
der Pferdekenner geantwortet: Wenn ich hätte
einen Pferdekopf machen wollen, so hätte
ich das schon auch können, ich wollte aber
einen Sockel machen.
In seinen zahlreichen Büsten- und Relief-
bildnissen, von denen leider keines abgebildet
werden konnte, strebt er bewegtes Leben mit
einer für sich selbst bestehenden Form zu ver-
binden. Das strenge Naturstudium und der
klare Vortrag haben sie auch weiteren Kreisen
zugänglich gemacht. Künstlerisch ist an den
Flachreliefs hervorzuheben, dass sie nicht
einfache Uebertragung der Rundform auf einen
flachen Hintergrund, Aufklebungeines Durch-
schnittes oder auch nur gleichmässige Re-
duktion der Verhältnisse zeigen, sondern auf
einem Umwege eine Suggestion von Form,
Raum und Luft geben wollen. 11 faut mentir
dans les plans, sagt der Künstler, man muss
in den Schichten lügen, die Niveau-Verhält-
nisse nicht nach mathematischen Gesetzen,
sondern nach künstlerischem Bedarf gestalten.
'^r^S> NEMESIO DE MOGROBEJO <^^
Technisch erleichtert er sich dies, indem er
nicht auf die Schiefer- oder Holztafel, son-
dern in eine tiefe Tonschicht modelliert, so
dass er nötigenfalls auch hinter die an-
genommene Grundfläche gehen kann. Darum
zeigt auch sein Kontur keine scharfe Durch-
schnittslinie, sondern ein bald schärferes, bald
verschwimmenderes Abheben vom Grunde,
das uns den Eindruck der umfliessenden Luft
giebt und zugleich die Einheit des Materiales
betont.
So auch die Bronzeplaite, welche auf einem
Grabe in Graz liegt, wo sie übrigens die
Entrüstung der Betschwestern erregt hat,
welchen ja noch immer Nacktheit und Scham-
losigkeit gleichbedeutend sind. Unbefangenen
atmet diese weibliche Trauergestalt Keusch-
heit und Seelenadel, der Künstler aber hat
damit natürlich weder für noch gegen das
Schamgefühl agitieren wollen. Er wollte ein
Totengärtchen schmücken, Figur und Umriss
auseinander entwickeln, eine lieblich-weh-
mütige Stimmung geben. Dieser Absicht
kamen die weichen Linien und Wellen des
nackten Mädchen leibes entgegen und ver-
wuchsen organisch mit den Qualmwogen der
verlöschenden Fackel, denen Sense und Toten-
kopf kaum erkennbar enttauchen. Die moderne
Schlangenlinie, deren Wesen kühnes Hinaus-
gleiten, überraschende Wendung und ver-
zichtendes Verfliessen ist, und die ein Bild
unseres hochzieligen, sprunghaften, oft noch
enttäuschten und dekadenten Lebens giebt,
kehrt im Grabgitter wieder und erhebt sich
dort zu vollem und reinem Rhythmus, dessen
zugleich beruhigendes und beflügelndes Gleiten
die künstlerische Wirkung hervorbringt. Sie
ruht nicht, aber findet Verstärkung im sym-
bolischen Gedanken des Motivs, nämlich des
Phönix, der sich verjüngt aus der Asche
erhebt. Die ganze kleine Grabstelle ist
durchaus frei von jener phantasiearmen Kon-
vention, welche unsere Friedhöfe auf den
Rang von Adressbüchern herabgedrückt hat
und in der Umgebung des besprochenen
Grabes störend genug in bedrückend uni-
formen, soldatensteifen Leichensteinen auf-
tritt, deren Bauformen vielleicht an der Wand
des Friedhofes, nie aber in dessen Mitte eine
künstlerische Funktion erfüllen können.
Dieses Mogrobejo so natürlich von der
Hand gehende Entwickeln von Form und
Schmuck aus einander, aus dem gegebenen
Raum und vorgeschriebenen Bedürfnis ist es,
welches ihn nach meinem Gefühle zu monu-
mentalen Aufgaben befähigen wird und ihn
im Gebrauchsgegen Stande schon Standhaltiges
hat leisten lassen. Auch in diesen Geräten
und Geßssen steckt meist ein symbolischer
Gedanke, z. B. in seinen verschiedenen
Aschenschalen der Gedanke der Vergänglich-
keit, die alles zu Asche macht. So beugt
sich die Madonna demütig ihrem grausamen,
erhabenen Schicksal, welches von ihrem
Mutterglück nur die Seele, den Rauch leben
lassen, die Form aber frühzeitig vernichten,
zu Asche machen wird. Und den seligen
Stolz der keuschen Jugend, welche das Welt-
all mit ihrem Reize heherrscht, überschattet
das wehmütige Gefühl der schwindenden
Schönheit, des verglimmenden Feuers. Die
künstlerische Wirkung solcher aus ergriffener
Seele blühender Gedanken braucht keineswegs
unterschätzt zu werden, aber erst dass ihr
Erzeuger die allegorische Figur nicht, wie
^T-^> NEMESIO DE MOGROBEJO <S3-,s-
gebildet wird, die ihr zum Griffknopf ge-
wordenes Haupt seitlich zurückbiegen; hier
ist eine Sonderung von Ausdruck, Aufbau
und Schmuck schlechterdings ausgeschlossen.
es so oft geschieht, auf eine an sich fertige
Schale setzt, sondern dass Figur und Schale
eins sind, dass ihm die Form zum Symbol
und das Symbol zur Form wird, erhebt das
Werk in den Rang plastischer Kunst. Auch
von den (sämtlich für Bronzeguss
gedachten) Hohlgefässen, so z. B.
von jenem mit den knieend zu-
riickgebeugten Weibern kann man
den Schmuck nicht entfernen, ohne
die Form zu zerstören, und die
Wirkung ruht nicht im Motiv,
sondern in der Raumausfüllung;
der Gedanke ist mehr Vorwand
als Vorwurf. Auch in der Frucht-
schale ist die mit starkem, eroti-
schem Gefühle gestaltete Umar-
mung des männlichen und weib-
lichen Körpers kein der Schale
hinzugefügtes, entbehrliches Orna-
ment, sondern diese Körper bilden
den durchaus organischen und un-
abänderlichen Henkel. Wie sehr
ihm bei diesen Dingen der mensch-
liche Körper nur Schmuckmotiv
ist, zeigt in leichtverständlicher
Weise jene Vase, welche von vier
gleichen weiblichen Gewandfiguren
Nemesio de Moorobejo V Abasolo ist
am 25. JVlärz 1876 als 22. Kind eines Vaters
und einer Mutter in Bilbao geboren, absol-
vierte dort die Akademie und ging mit dem
gewonnenen, ein Reisestipendium gewähren-
den Preis nach Paris, wo er an den Akademien
Julien und Colarossi arbeitete und Rodin's
Werk besonders auf sich wirken Hess. Dann
folgte ein Jahr an einer freien Akademie in
Brüssel, von wo ihn der Auftrag des be-
sprochenen Grabmals nach Graz rief, in
welcher Stadt er auch eine grössere Anzahl
Bildnisse anfertigte; von hier ging er nach
Venedig, München und Stuttgart und weilt
jetzt wieder in seiner Heimat. Sein Pierrot
erhielt 1898 auf der internationalen Aus-
stellung in Barcelona ein Preisdiplom und war
1899 im Wiener Künstlerhaus ausgestellt. Eter
steiermärkische Kunstverein führte Mogro-
B^o 1 900 in einer Kollektiv - Ausstellung
vor, welche die lebhaftesten Meinungsgegen-
sätze hervorrief.
; K. BRUCKMANN,
MODERNE INNENEINRICHTUNGEN
Die gKunst des Lebens' ist heute beinahe
zu einem Schlagworte geworden. Von
verschiedensten Seiten her wird die Forde-
rung, die Lebensführung zu einer künstleri-
schen zu machen, erhoben. Häufig genug
wird Goethe, der persönlicli sein Leben lang
darnach strebte, Kunst und Harmonie zu den
Regulatoren seiner Lebensführung zu machen,
dabei als Vorbild angeführt.
Wer könnte leugnen, dass diese „Kunst
des Lebens" und dass diese „Kunst im
Leben* unserem Zeitalter, das in nervöser
Hast dem ruhigen Geniessen entflieht, ganz
besonders not thut. Das Milieu aber, in dem
diese Lebenskunst zur Entfaltung und Ent-
wicklung kommt, und in dem sie sich „breit
machen" darf, ist das Heim die Stätte,
in der der Mensch wohnt, in der er arbeitet,
geniesst und schafft.
Die Frage, wie dieses Heim zu einem
künstlerischen zu gestalten ist, dürfte von
dem gegebenen Gesichtspunkt aus unschwer
zu beantwonen sein. Das, was von aller
Zeiten Anfang her als Hauptmerkmal des
Künstlerischen galt und bis in die neueste
Zeit für die Grundbedingung alles Künstleri-
schen gehalten wird, ist zugleich das, was
die Schönheit der Natur vom Himmelsgewölbe
bis zu der Pflanzenwelt sehr wesentlich aus-
macht: die Harmonie, das heisst, die Ueber-
einstimmung aller Teile.
Auf die vorliegende Frage angewendet.
-3-^> MODERNE INNENEINRICHTUNGEN <^^
heisst das soviel, als: alle Teile der Inoeo-
einrichtuog müssen mit dem Ganzen, zu dem
sie gehören, in Uebereinstimmung stehen.
Dieses Ganze ist das Haus. Es ist also
zu fordern, dass alle Teile der Inneneinrich-
tung, d. h. alle Möbel, Tapeten, Teppiche,
Beleuchtungskörper etc. durchaus zu dem
Hause passen, für das sie bestimmt sind.
Und da wir es hier in erster Linie mit
Möbeln zu thun haben, ist zu fordern, dass
dieselben in das Haus und in das Zimmer,
für die sie bestimmt sind, hineinkomponiert
werden. Eigentlich ist also der Architekt
des Hauses derjenige, welcher die Innenein-
richtung zu wählen und die Möbel zu ent-
werfen hat. Je nach der Höhe der Zimmer
und der Grösse der Zimmer, je nach der
Art der Wände, der Grösse der Fenster sind
die Möbel zu entwerfen. In die hohen Säle
der Schlösser und Paläste des vorigen Jahr-
hunderts passten die Empire-Möbel, in die
Nischen und Ecken der Lustschlösser Louis XV.
passten die Rokoko-Möbel, in die halbdunklen,
feierlichen Räume der gotischen Zeit passten
SCHMIEDEEISERNE HEIZKÖRPERVERKLEtDUNC • ENT-
WORFEN VON BERNH. PANKOK «AUSGEFÜHRT VON DEN
VEREINIGTEN WERKSTATTEN, MÖNCHEN (GES. GESCH.)
die Kirchen-Möbel und in die japanischen
Theehäuser passen die Rohrsessel und Bambus-
Möbel. Wie aber heule? Heute gährt es noch.
Weder die Meinungen, noch die Stile haben
sich geklärt. Der Stil unserer Zeit ist der
Ektekticismus. Der sogenannte ,Jugend5ti]''
oder «Secessionsstil" war nur eine Tageslaune
und ist schon im Vergehen. Wer klug ist
— und das betrifft ebensosehr die Möbel-
architekten wie das Publikum — sollte, was
diesen Stil betrifft, nicht die unausgereiften
Pflaumen vom Baume schütteln. Aber immer-
hin soll er aus der modernen Richtung das
Massvollste und das, was am ehesten Aus-
sicht hat, weiter zu leben, auswählen. Und
wenn er in Verlegenheit ist, was er bei dem
furchtbaren Wirrwarr der Meinungen und
Stile nehmen soll, so mag ihn eben jener Leit-
stern «Harmonie" leiten: er wähle nur das,
was erstens für sein Haus, zweitens für
seinen Geschmack, drittens Für den betreffen-
den Raum passt. Er sehe zu, dass die Tapeten
und Teppiche mit den Möbeln harmonieren,
er lasse für die bestimmte Ecke eines be-
stimmten Zimmers eine Mö-
belgarnitur entwerfen und
bauen. Alle Möbel , die
fertig gekauft werden und
nicht für eine individuelle
Einrichtung entworfen sind,
sind Fabrikware und eines
künstlerischen Heimes un-
würdig.
Lieber wähle man die
einfachsten und billigsten
Materialien und Ausführ-
ungen, als dass man Sche-
men kauft. Lieber gehe
man zum Schreiner und
lasse nach seinen eigenen
Angaben Möbel für die be-
stimmten Räume entwerfen
und richte sie selbst her,
als dass man für sein indi-
viduell pointiertes Heim
Warenhausmöbel, mögen sie
auch noch so hoch im Preise
stehen, erwirbt. — Im all-
gemeinen muss vielmehr
Selbstdenken, eigenes Mit-
arbeiten gefordert werden.
Es genügt nicht, dass man
in ein Musterlager geht,
eine Wahl trifft und das
Geld auf den Tisch legt.
Wer Ehre hat und etwas
auf sich hält, will eine Ein-
richtung haben, die ihmauch
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-a-t^> MODERNE INNENEINRICHTUNGEN <^^^
innerlich, nicht nur dem bezahlten Nennwerte
nach, zugehört. Der wahre Aristokrat wird in
der Wahl der Inneneinrichtung so gewissenhaft
als möglich sein und nicht nur seinen Geld-
beutel, sondern auch seinen Geist und Ge-
schmack, seine Person, sein Ich, seinen Stolz,
seine Prätentionen und Aspirationen mit-
arbeiten lassen. Und stets muss ihn das
Gesetz der Harmonie leiten. Die Vornehm-
heit ruht wesentlich in der Harmonie. Das
kostbarste Möbel in ein unpassendes Milieu
gestellt, wirkt ordinär oder geschmacklos.
Aber jede intime Beziehung in Farbe und
Form zwischen Wand, Decke, Fenster, Diele,
zwischen Möbel und Tapete, zwischen Tep-
pich und Gardine, zwischen Thürumrahmung
und Möbelarchitektur wirkt harmonisch und
zugleich vornehm.
Dazu kommt die Frage des Bedürfnisses
und des Zweckes. Wahrhaft vornehm und
wahrhaft künstlerisch wirkt nur das, was für
einen bestimmten Zweck in dieser vorliegen-
den Art gedacht ist. Jeder überflüssige Luxus
und jede nicht zweckmässige Zierform wirkt
parvenuenhaft und ordinär. Hier berühren
wir den Krebsschaden des modernen Jugend-
stiles*. Die Zierformen sind an diesen Möbeln
meistens nicht nur nicht zweckentsprechend,
sondern zweckstörend. Sie sind nicht nur über-
flüssig, sondern hinderlich. Die betreffen-
den Möbel sind daher Karikaturen, die auf
TOILETTETISCHCHEN « ENTWORFEN
VON RICK. MOLLER « AUSGEFOHRT
VON K. M, SEIFERT & C
die Bühne eines Ueberbrettls sehr gut
passen, aber in einem deutschen Heime
nur lächerlich wirken und auf die Dauer
hinderlich sind — der Besitzer kennt
nur zwei frohe Augenblicke: als er die
Möbel einkaufte, und als er sie wieder
los wurde.
Von dem oben eingenommenen Stand-
punkt aus wird die Beantwortung der
schwierigen Frage nach der Wahl des
Stiles erleichtert. Denn Stil ist Per-
sönlichkeit. Bei der Schöpfung eines
neuen Stiles ist das erste, dass sich
Persönlichkeiten finden, welche ihrem
individuellen Empfinden nach ihre Um-
gebung gestalten. Aus der gegenseitigen
Berührung und Beeinflussung dieser
Individualitäten bildet sich unter einem
gemeinsamen Himmel, in einem Lande
und aus einem zusammengehörigen
Volke heraus der Stil. Will man also
Z X
B. B,
K EU
1
ii
-.f^> MODERNE INNENEINRICHTUNGEN <^-5-
NACHTTISCHCHEN « ENTW. VON
J. VON CAHLNBiCK « AUSGE-
FOhRT von KUNSTTISCHLER
KLOTZ, ST. PETERSBURG ««««
dem neuen Stil in die Hände arbeiten,
muss man die Individualitäten Frei machen
und sich entwickeln lassen. AuF die
Frage der Inneneinrichtung übertragen,
ergiebt sich hieraus die Forderung, dass
jeder so viel als möglich seinen per-
sönlichen Geschmack, sein persönliches
Empfinden zur Geltung bringen soll,
dass jedes Stück Möbel innerlich aus-
sprechen soll, wem es zugehört.
Was den Ausdruck der Zweckbe-
stimmung jedes einzelnen Möbels anbe-
trifft, so legt man in England, von
welchem Lande wir den Stil der mo-
dernen Inneneinrichtung zum grossen
Teil übernommen haben, weit mehr
Nachdruck auf den Gebrauchszweck
als bei uns. Die hier in den Abbil-
dungen vorgeFührten Inneneinrichtungen
von dem weltberühmten Hause Liberty
& Co. in London (Abb. S. 359/60) würden
ebenfalls Für deutsche Landhäuser sich
eignen, nicht aber Für deutsche Stadt-
wohnungen, dagegen passen sie, ohne
. dass man diese Einschränkung zu machen
braucht, Für das englische Heim vor-
züglich. Auch findet man hier nichts
von der in Deutschland gepfiegten Vor-
liebe Für geschweifte Linien. Sämtliche
Möbel machen einen in gutem Sinne
bäuerlich-einfachen und doch vornehmen
und modernen Eindruck. heihr. pudor
Das von Bernhard Pankok
entworfene Speisezimmer (Abb.
Seite 355) ist eine tüchtige Leistung,
welche den beiden Zielen mo-
derner Einricbtungskunst: der In-
dividualität und der Zweckdien-
lichkeit gleichermassen gerecht zu
werden sucht. Die mattpolierten
Möbel aus amerikanischem Nuss-
baumholz sind zum Teil mit reichen
und geschmackvollen Intarsien ver*
ziert, von jeher eine Lieblings-
technik dieses Künstlers, der über
altes gern in Linien und Farben
fabuliert. Die Fülle seiner reichen
schöpferischen Phantasie äussert
sich auch sehr eigenartig in der
schmiedeeisernen Heizkörperver-
kleidung, die ein wirksames Gegen-
gewicht zu dem grossen Lüster
aus gleichem Material bildet. Beide
Arbeiten zeigen technisch die hohe
Vollendung, die allem eignet, was
in den Vereinigten Werkstätten
für Kunst im Handwerk hergestellt
PAUHENSTXNDEH ■ ENT-
WORFEN VON RICKARD
MOLLER • AUSGEF. V. K. M.
SEIFERT & CIE., DHESDEN
^,-fe^> MODERNE INNENEINRICHTUNGEN <^-c-
wird. Nicht unerwähnt soll noch
der originelle Weinkühler bleiben,
den Frl. Meta Honigmann ge-
zeichnet hat, und der freundliche
Anerkennung verdient. — Ebenso
behaglich wie das PANKOK'sche
Zimmer in seinen anmutigen,
hellen, fein abgestimmten Farben-
tönen wirkt der von F. A. O.
Krüger und W. Keppler ent-
worfene Arbeitsraum (Abbildung
Seite 357). Er ist durchaus in
dunklen Farben gehalten. Die
tieftonig gebeizten Eichenmöbel
lehnen sich allerdings in Form
und Konstruktion stark an
frühere RieMERSCHMio'sche Ar-
beiten ähnlicher Art an, bewähren
sich aber auch in dieser Neuge-
staltung; besonders die Raum-
wirkung als Ganzes ist sehr glück-
lich berücksichtigt. Bruno Paul's
in kräftiger Schnurstickerei aus-
geführter Vorhang passt mit
seinem schönen Dunkelblau vor-
trefflich in die Stimmung dieses
Interieurs. In einem in heller
Eiche ausgeführten Garderobe-
halter, den wir auf Seite 353
wiedergeben, vereinigt W. Kepp-
ler in lobenswerter Weise prak-
tische Zweckerfüllung mit gutem,
einfachem Geschmack, verleugnet
aber auch hier nicht das Ribmbr-
scHMiD'sche Vorbild. Wie die
Ueberzeugung von der Notwendigkeit, ein-
fach zu sein und nur innerhalb dieser Ein-
fachheit, Geschlossenheit und Logik die eigene
Art zum Ausdruck zu bringen, allerorten
Wurzel schlägt und das Schaffen beeinflusst,
davon sind auch Arbeiten, wie die von
Richard MOller in Dresden (Abb. Seite 356)
und von Friedrich Spiegel, dem Leiter
der „Maison moderne' in Budapest, wohl-
thuende Beweise (Abb. Seite 361 u. 362).
Auch die beiden kleinen Mobiliarstücke des
Petersburger Architekten J. v. GahlnbXck
(Abb. Seite 360 u. 361) sind mit grossem
Geschick konstruiert und geschmackvoll ver-
ziert. Wir erwähnen noch den von L. Lischt-
vau, Petersburg, entworfenen Lehnstuhl
(Abb. Seile 360), welcher bequem und ge-
diegen und in seinem ausgesprochen nor-
dischen Charakter von guter Wirkung ist,
und E. Wiegandt's schlichten Sekretär und
Atelierschrank (Abb. Seite 363), die bei all
ihrer Einfachheit angenehme, gefällige Formen
aufweisen.
WANDSCHRÄNKCHEN ■ ENTWORFEN VON
J. VON GAHLNBiCK ■ AUSGEFÜHRT VON
KUNSTTISCHLER KLOTZ,
KONKURRENZ FÜR EIN BRUNNENDENKMAL IN KEMPTEN
Von Erich Haenel
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dem immer häufiger werdenden Zurück- entstehen sahen, soll sich jetzt ein weiterer
-^,,^> MODERNE INNENEINRICHTUNGEN <^-o-
UDAPEST ■ ATELIERSCHRANK UND SEKRETÄR
drei Varianten den engen architektonischen
Zusammenhang mit der Kirche her. Am
glücklichsten wohl da, wo sich aus der wuch-
tigen steinernen Balustrade, die der vom Quer-
schifT gebildeten Ecke einen rechtwinkligen
Abschluss giebt, der Brunnen in Form eines
von vier Rundgiebeln und einem Spitzdach
tiberragten gedrungenen RundpFeilers erhebt.
Unter ihm öffnet sich in einem Rundbogen
die Wasserschale; auf dem Postament des
Pfeilers stehen, an diesen gelehnt, die Ge-
stalten des Abtes und der Kaiserin, welche
schützend ihre Hand auf das Haupt des einen
Wappen halten den Knaben legt. Das Ganze
hangt wohl in den Proportionen und in ein-
zelnen Details, wie der Form des Kapitells,
mit der romanischen Stilsprache zusammen,
giebt sich aber im Aufbau und besonders in
der ungesuchten Anmut, mit der die beiden
Figuren der Architektur eingeordnet sind, als
ein mit bemerkenswertem Feingefühl vor allem
architektonisch durchempfundenes Neues. Da-
neben will der Gedanke, über dem Brunnen-
becken eine mehrRgurige Scene vollplastisch
in einem Steinbogen unterzubringen, den ein
zweiler Entwurf verkörpert, als eine Art
Kompromiss mit Reliefbildungen weniger klar
und darum auch weniger monumental er-
scheinen, während sich die Verbindung der
mächtigen sechseckigen Brunnenschale mit
einer von zwei gedrehten Säulen getragenen
Bogenhalle, die sich wiederum an die Kirchen-
wand anlehnt, in ihrer massigen Formen-
gebung für das schlichte Motiv zu anspruchs-
voll präsentiert. Durch die Zurückhaltung
in den architektonischen Teilen sichert sich
der Entwurf Ionatius Taschner's eine im
guten Sinne populäre Wirkung: hier bekrönt
die Figur des Abtes Magnus den ganzen
Aufbau, der sich aus einer Rundschale und
-^^^> KONKURRENZ FÜR EIN BRUNNENDENKMAL IN KEMPTEN <^^
JOSEF FLOSSMANN UND'OTTO RlEMERSCHMtD « BRUNNENMODELL
einem mächtigen, durchgehenden Mittelpfeiler
im wesentlichen zusammensetzt. Die phan-
tastische Tierornamentik ist ebenso originell
erfunden wie die Gestalt des Heiligen, der
mit weltvergessener Andacht in seinem Gebet-
buch liest. Bei Georg Wrbas Entwurf,
der mit dem ersten Preise ausgezeichnet
wurde, möchte man dagegen dem Zuviel an
formalen Motiven einige Bedenken entgegen-
setzen. So zierlich auch die offene Bogen-
halle sich über dem breitgestuften Unterbau
aufschwingt, so ungezwungen sich die vier
Wasserbecken anordnen, so wäre doch damit
dem künstlerischen wie praktischen Bedürfnis
völlig Genüge gethan. Den geistreich durch-
geführten Scherz, die lustigen Wald- und
Wassergottheiten auf vier halb real, halb als
Fabelwesen gestaltete Tiere zu setzen, lässt
man sich schon eher gefallen. Hermann
Obrest nennt seinen Entwurf, bei dem in
glücklicher Weise der Thatsache Rechnung
getragen wurde, dass zur Speisung des Brun-
nens nur eine geringe Wassermenge vor-
handen ist, ein „Monument in Verbindung
mit einem Wasserbecken". Das kennzeichnet
die künstlerische Tendenz zur Genüge. Ein
mächtiger, von einem kolossalen Keilstein
geschlossener Spitzbogen wachst aus einem
rechteckigen Becken hervor. An dessen
Schmalseiten bildet sich aus mehreren inein-
ander geschobenen würfelartigen Blöcken )e
eine Art Postament. Wie auf der höchsten
Bekrönung der Hl. Magnus, so ragen hier
die Gestalten der Kaiserin und, als Komple-
mentärflgur etwas erzwungen , eines wehr-
haften Bauern des frühen Mittelalters auf.
Sie stehen als möglichst ruhig gehaltene
Vertikale in schärfstem Gegensatz zu den
lastenden, trotz des Bogens durchaus boden
wüchsig, horizontal gebundenen archttektoni
sehen Aufbau. Von der Breitseite aus -wirk
das Ganze mehr wie die Bekrönung eine
grösseren baulichen Masse als wie ein selb
ständiges Bildwerk; die Schmalseite dagege
lässt der Lotrechten den bestimmenden Accen
und arbeitet damit einer geschlossenen Moni.
menterscheinung in die Hände. Die charaktei
volle Eigenart des Obhist' sehen Entwurf
die grosszügige Behandlung, besonders auc
des Skulptiven, wird auch der gern ane
kennen, dem die malerische Einordnung g
rade dieses Werkes in die gegebenen Raur
Verhältnisse etwas problematisch ersctiein«
mag. ^ ^ V V^
UNTERRICHT IM KUNSTGEWERBE
Von Karl Schefflbr
^^
Dil*
Einst*
Unterrichtsfragen sind stets mehr oder
weniger problematisch; vor allem aber
doch die auf eine konsequente Erziehung
zur professionellen Kunstübung gerichteten.
Um der Kompliziertheit des Problems vom
Unterricht im Kunstgewerbe mit einigem Er-
folg beizukommen, müsste die Materie von
einem Sozialökonomen, einem Staalsmanne
und einem Aesthetiker behandelt werden.
Von jedem in seiner besonderen Veise, doch
unter der Leitung einer einzigen Kulturten-
denz. Darauf müsste ein genialer Kopf sämt-
lichen Meinungen den gemeinsamen Faktor
suchen, aus drei Antworten
die eine machen, worin alle
andern schon enthalten sind.
Dieser Extrakt würde dann
ein Arkanum darstellen; nur
würde nicht einer dem ^un-
dermanne glauben, keiner
die Anwendung der uner-
hört kräftigen Medizin ge-
statten. Das Heilmittel würde
langsam auf den Regalen
verschimmeln, wohin alle
Utopien — und ihrer sind
in unserer wirren Zeit Le-
gion ^ aus dem Bereich
des nüchternen Lebens ge-
stellt werden. Zu einer
Idee gehören immer zwei:
einer, der sie ausdenkt, und
ein anderer, der sie auf
sich anwenden Usst. Ge-
rade der .andere", der
„grosse Krumme" Peer
GvNTS, ist die wichtigere
Partei, und in Fragen der
Kunst wird sein Widerstand
fost unüberwindbar. Er lebt,
nach Schiller's feinem
Wort von den beiden Polen,
worin die moralische Welt
hängt, nur dem Hunger
und der Liebe. Die Masse,
die in Fragen wirtschaft-
licher Kunst in letzter In-
stanz entscheidet, geht nur
sichtbarem Nutzen, nahe-
liegenden Profiten nach ;
ideale Forderungen und hu-
manistisch-ästhetische Ideen fallen meist als
moralische Ohrfeigen an den fordernden
Idealisten zurück.
Das Leben kann einen trotzdem in die
Lage bringen, dass Probleme, zu denen man
in einem Zwangsverhältnis steht, Antwort
heischen. Auch der, dem die Qualitäten
eines Staatsmannes und Sozialökonomen
fehlen, der nur ein dürres Aesthetentum
sein eigen nennt, kann nicht umhin, die
Fragen unserer kunstwirtschaftlichen Entwick-
lung zu untersuchen, selbst mit dem klaren
Bewusstsein der praktischen Nutzlosigkeit
GEORG WRBA • BRUNNENMODELL
-!f-^> KONKURRENZ FÜR EIN BRUNNENDENKMAL IN KEMPTEN <^^-o-
N OBRIST • ENTWURF ZU EENEM MONUMENTE IN VERBINDUNG MIT EINEM VASSERBECKEI
und in der Stimmung
vollständiger Resigna-
tion. Einem vertrauten
Leserkreise, mit dem
man sich seit Jahren
gut unterhält (wer das
Wort Führt, unterhalt
sich immergut], ist man
auch schliesslich Auf-
klärung darüber schul-
dig, dass man au T eine
wichtige Frage be-
dauernd mit einem „ich
weiss es nicht" ant-
worten muss.
Oft hat mich die Frage
beschäftigt, wie der
Unterricht im Kunst-
gewerbe zu reorgani-
sieren sei; jetzt folgt
die Erkenntnis, dass die
positiven Gedanken da-
rüber mehr oder we-
niger Spielereien am Schreibtisch waren.
Man glaubt, alle Faktoren berücksichtigt zu
haben, und erfährt bald, dass der ganze Ge-
dankenbau bei der ersten Anrempelung der
Wirklichkeit einstürzt; die Rechnung scheint
zu stimmen, und schliesslich stellt es sich
heraus, dass der Rest grösser ist als die
Summe. Für den Schreibenden ist nichts
leichter als das sogenannte »Positive".
Schwierig und freilich auch fruchtbar wird
es nur dem Handelnden, der nicht Ideen,
sondern Menschen in Bewegung setzt. Der
Schriftsteller fürchtet sich gar zu oft vor
dem billigen Vorwurf, er sei zu negativ.
Das charaktervolle Verneinen ist jedoch seine
erfolgreichste Thätigkeit; denn wie er das
Falsche bekämpft, bereitet er dem Besseren
schon den Boden. Hierüber giebt es ein
gutes Wort von John Stuart Mill; „Es ist
heutzutage Mode, negative Logik zu miss-
achten, welche die theoretischen Schwächen
oder die praktischen Irrtümer nachweist, ohne
positive Wahrheiten festzustellen. Als Schluss-
-.r-^ UNTERRICHT IM KUNSTGEWERBE <^-c-
N OBRIST ■ ENTWURF ZU EINEM MONUMENTE IN VERBINDUNG MIT EINEM WASSERBECKEN
ergebnis wäre eine solche verneinende Kritik
in der That ärmlich genug; aber als Mittel,
irgend eine positive Kenntnis oder Ueber-
zeugung, wert dieses Namens, zu erlangen,
kann sie nicht hoch genug geschätzt werden."
in unserer bewegten Uebergangszeit können
scharfumrissene Vorschläge in schwierigen
Fragen nur einseitig den Interessen eines
Standes oder einer Partei dienen. Jeder Fach-
mann will die Vertretung seiner Vorteile, und
wer es einem recht macht, setzt sich meist zu
wirksamen Kräften des Lebens in Widerspruch.
Die Frage des Unterrichts im Kunstge-
werbe ist ein wahrer Rattenkönig von Rätseln.
Dieser Punkt der sozialen Lebensfläche
wird von unendlich vielen Linien der
Kulturentwicklung geschnitten, aber nicht
eine endtgl in ihm. Die Aesthetik kreuzt
an dieser Stelle die profane Zweckmässig-
keit, die soziale Kulturphilosophie schneidet
hier die Richtung der Wirtschaftspolitik, der
demokratische Altruismus trifft in demselben
Punkte auf den aristokratischen Klassenegois-
mus, und die Zickzackbe*
wegung des Fortschrittes
muss die breite Kurve der
Tradition überwinden. Schon
diese Anziehungskraft des
Problems sollte dem Staats-
manne zu denken geben. Er
freilich kann sich nicht thätig
regen, bevor ihm grundlegen-
de nationalökonomische Ar-
beiten zur Verfügung stehen.
Die aber fehlen noch ganz.
Nur die Aesthetiker, die
schaffenden Künstler und ihre
kritischen Eideshelfer, sind
eifrig gewesen, der neuen
künstlerischen Arbeit solche
Konsequenzen zu suchen, die
auch das Gebiet des Unter-
richtswesens berühren. Ihre
Grundstimmung ist der Op-
timismus, wie ihn die Liebe
zur Sache diktiert. Gar zu oft
verlieren sie sich aber in Kulturträumen und
sind nicht die Männer — brauchen es nicht
zu sein — eine verwickelte Sache mit genialer
Nüchternheit und unerbittlichem Realitäts-
bewusstsein zu bearbeiten. Unsere Ver-
waltungsbeamten, die in ihrer Position viel
thun könnten, knicken meist vor Unterneh-
mungen, die über lokale Vereinsmeierei hinaus-
reichen, erschrocken zusammen und spotten
im Kreise der sieben Schwaben des Radika-
lismus. Ach, und wie sehr fehlt gerade
die Radikalkur!
Die Politiker von Beruf haben alle Hände
voll mit Parteifragen zu thun, lassen die
Imponderabilien prinzipiell aus dem Spiel
und streben dem sich fortbewegenden Ziel
naiv in der Hundekurve zu. Trotz der Lehren,
die so leicht zu sammeln sind: dass das künst-
lerische Vermögen eines Volkes auch ein
^■-fe!5> KONKURRENZ FÜR EIN BRUNNENDENKMAL IN KEMPTEN <^-t^
Stück Nationalwohlstand ist, lernen sie mit
solchen Grössen im Staatshaushalt nie rech-
nen. Sie halten sich an Werte, die in
statistischen Tabellen zu registrieren sind;
und doch lässt sich der wirtschaftliche Wert
einer Kunst, wie z. B. der von Morris oder
VoYSEY in Pfunden und Schillingen nach-
weisen. Denn ohne diese Männer wäre Eng-
lands Export im Kunstgewerbe nicht halb
so gross gewesen. Dennoch berücksichtigt
niemand solche Talente, die nationale Wohl-
standsquellen sind, in wirtschaftspolitischen
Kalkulationen. Erst wenn die Kunst zur Indu-
strie geworden und nach Mass und Gewicht
rubriziert, der Versand nach Zahlen gebucht
werden kann, bekommt sie Interesse für den
Staatsmann. Der Rohstoff, die Arbeitslöhne, die
Spesen — das alles wird in Rechnung gestellt;
nur die Kraft, die alle Hände erst zweckvoll in
Bewegung setzt, zählt nicht
mit. Entweder bestimmt —
inganzseltenen Fällen — der
Künstler die Richtung ge-
werblicher Entwicklungen,
oder die Industrie zwingt
Kunst und Politik in ihre
ziellosen Bahnen : eine Kon-
trolle hat der Staatsmann nie
über das Spiel der Kräfte.
Es wäre ein höherer Zu-
stand, wenn er mit dem
Werte schaffenden Künstler
Fühlung hätte und dessen
Arbeit einer zweck vollen
Politik nutzbar zu machen
wüsste — unbeschadet aller
artistischen Ideale. Nichtdie
staatliche Sanktionierung
des fait accompli ist wichtig,
nicht die politische Aus-
nützung des Zufalles, son-
dern die Leitung der Ideal-
krifte zu grossen allge-
meinen Zwecken. In solcher
Weise kann eine fortschritt-
lich-konservative Politik ge-
macht werden. Freilich ge-
hört dazu, neben der klaren
politischen Vernunft, das
feine Gefühl für ästhetische
Kuiturwerte.
So genügt es nicht, wenn
ein führender Künstler —
vorausgesetzt er sei recht-
zeitig erkannt worden —
einer bestehenden Institu-
tion eingegliedert, also
iGNATius TASCHNER ■ BRUNNENMODELL etwa als Lehrer an eine
-3-^> UNTERRICHT IM KUNSTGEWERBE <^^
JOSEF FLOSSMANN UND OTTO RIEMERSCHMID « BRUNNEKMODELL
Kunstgewerbeschuleberufen wird. Systemesind haben und nun in zwei Semestern eilig
immer stärker als Individualitüten; im Geschirr lernen wollen, was ihnen einen höheren Lohn-
wird der Feurigste Gaul zahm. Das am nächsten satz garantiert. Das Ideal ist all diesen jungen
liegende Beispiel möge für viele stehen. Leuten furchtbar gleichgültig; sie suchen nur
Vor ein paar Jahren, als eben die Bewe- scharfe Waffen für den wirtschaftlichen Kampf
gung in den angewandten
Künsten einsetzte — also
früh genug — ist man in
Berliner Schulkreisen auf
Eckmann aufmerksam ge-
worden und hat ihn zum
Professor an der Kunstge-
werbeschule gemacht. Diese
tüchtige Kraft, die im In-
stinkt genau das Gegenteil
wollte wie die staatliche
Schule, wurde einer Organi-
sation eingefügt, der sie sich
anzupassen hatte. Man er-
wartete nun Wunderdinge.
Aber ein noch viel stärkeres
Temperament hätte unter
den gegebenen Verhaltnissen
keine Erfolge erzielen können.
Die Schüler der Anstalt
sind der Sekunda spät ent-
ronnene „Volontäre" eines
Gewerbes, oder auch Hand-
werksgehilfen, die sich in
mühsamer Bauarbeit das Geld
für den Schulbesuch erspart josef flossmann und otto riemersckmid • brunnenmodell
..ek^i.. Ku„,,. V, ,., ,u,i ,^=. 369 rt
^P.^> UNTERRICHT IM KUNSTGEWERBE <^u^
PAUL KERSTEN
Kulturarbeiier zu ziefaen. Lächer-
liches Begehren! Unter all seinen
Leuten findet er vielleicht einen
versprengten Idealisten. Die an-
deren, mit den oft geschickten
Fingern, fühlen sich nebenbei wohl
^oz gerne als Stützen der neuen
Bewegung und brüsten sich auf
den Korridoren vor ihren Kame-
raden, die noch bei irgend einem
alten Barockprofessor schwitzen;
aber die nüchterne Notwendigkeit
des Arbeiismarktes verlieren sie
docb nicht einen Augenblick aus
den Augen, und sie gehen nur
mit dem Lehrer, solange dessen
modernen Allüren von der Mode
nacbgeFragt wird. Zur Selbst-
ums Dasein. So lange der ,mo<
deme Stil" en vogue ist, geben
sie zu EcKMANN ; erfolgt eine Re-
aktion wie eben ietzt, so ziehen
sie eine Thür weiter zum Deko<
rationsathleten Max Koch oder
eine Etage höher zum Allumfasser
DöPLER. Von Talent, das beisst:
von Künstlerwillen und gesulten-
der Energie ist keine Rede; sie
wollen nicht ein Prinzip zur Gel-
tung bringen, sondern im breiten
Strom der Mode möglichst behag-
lich zu Thal treiben. Nun sollte
ein ECK-MANN versuchen, aus
solchem Material, aus der Halb-
bildung in ihrer abschreckendsten
Form, einen Stamm selbständiger
PAUL KERSTEN
siändigkeit gelangen sie nie, weil
alle Vorbedingungen des Charak-
ters, des Intellekts und der Be-
gabung fehlen: ihnen bleibt nur
die Nachahmung. Der ganze Fort-
schritt besteht darin, dass hier
nicht mehr historische Stile nach-
geahmt werden , sondern dass
die individualistische Manier des
Lehrers als Vorbild dient. Auf
Nachahmung sind die Schulen
ganz bewusst eingerichtet und mit
Recht; denn diese Intelligenzen
sind nur mit Hilfe ästhetischer
Begriffsstutzen, mit einer Samm-
lung allgemeingültiger Gewerbe-
schönheiten zu erziehen.
Es ist vor drei Jahren an dieser
Stelle vorhergesagt worden, dass die
Imitationen in der Eckmannklasse
-.-.^> PAUL KERSTEN <^-^
PAUL KERSTEN
PAUL KERSTEN
drastisch werden müssten. Prophetengabe
gehörte nicht dazu. Nicht zu zählen ist es,
wie oft z. B. die Tapete „Kapuzinerkresse",
diese ganz persönlich japonisierende Natur-
anschauung, zum Ausgangspunkt von .Kom-
positionen" gemacht ist, wie häufig die eigen
willigen Flamingomotive des Lehrers ver-
ballhornisiert worden sind. Das ist nicht
Schuld Eckmann's. Dieser hat Fein und klug
— viel zu klug für solche starkknochigen
Jünger — immer auf die Natur hingewiesen,
als auf den Ersatz für die Sammlung. Wäre
VAN DE Velde Lehrer solcher Klasse, so
würde die ganze Schülerschar in zwei Jahren
räuspern und spucken wie er. Darum ist es
auch mehr heiter als tragisch, was jetzt an der
Berliner Anstalt vorging, nämlich der Durch-
fall Eckmann's, van de Velde's, Lechter's,
Lederer's und der Sieg Max Koch's und
der mit seinem Geiste Gesäugten, das heissl:
der Sieg der ästhetischen Reaktion, die Rück-
kehr zum „modernisierten Historischen".
PAUL KEHSTEN
J. COBDEN-SANDERSON
-,.-^> S. POMEROY <:^^
S. POMEROY
An leitender Stelle rieb man sich nach EcK-
MANN*s Berufung die Hände (weiss nicht, wie
viele es sind) und harrte der Erfolge. Es
blieb natürlich ganz beim alten. Eckmann
musste wie alle Welt seine Entwürfe, die
unter der reglementmässigen „Heranziehung
von Schülern" sehr üppig entstanden, der
Industrie verkaufen, und die Fabrikanten
mussten auch diese wertvolleren Arbeiten,
gezwungen vom System der Konkurrenz,
zur Saisonware degradieren. So geriet der
Künstler, wie der erste beste seiner Schüler
— nur mit Honorarunterschieden — in das
wirtschaftliche Getriebe hinein, dem zu steu-
ern er berufen worden war. Seine ursprünglich
allen guten Einflüssen empfängliche Tüchtig-
keit that nicht ein Zehntel der Wirkung auf
die Gestaltung des Marktes, die sie unter
andern Umständen hätte thun können; was
der Kulturtrieb mit solchen neuartigen, spon-
tan auftretenden Begabungen gemeint hat,
wurde Niemandem recht klar.
Es gab andere l^tögl ich ketten. Man hätte
dem Künstler eine Werkstätte überweisen
können, eine Meisterwerkstatt, im Gegensatz
zu den Meisterateliers, — wo er Lehrer und
Lernender zugleich gewesen wäre. Lehrer
nicht für kunstgewerbliche Zeichner, sondern
für thätige Handwerker, nicht angewiesen
auf industrielle Ausbeutung seiner Fähig-
keiten, sondern besoldeter Kulturexperimen-
tator. Dort hätten Waren von instruktiver
Eigenart entstehen können, die in einem
kleinen Laden als konkurrenzlose Artikel
^r-s^> UNTERRICHT IM KUNSTGEWERBE <^^^
?AUL KERSTEN
MODERNE SCHACHFIGUREN
sicher begehrt worden wären, die gewiss
ebensoviel vorbildlichen Wert für manches
Gewerbe gehabt hätten, wie die Erzeugnisse
der Königlichen Porzellanmanufaktur — haben
sollten. Der Hof hätte nur dieses Unter-
nehmen zu protegieren brauchen, um eine
Mode ins Leben zu rufen , die ihrerseits
erzieherisch auf den Markt zurückgewirkt
hätte. In solcher Meisterwerkstatt hätte Eck-
mann seine Tapeten selbst gedruckt, unter
seinen Augen wäre das Metall gehämmert,
das Holz bearbeitet worden, er hätte
Schon gut. Ich meine ja nur. Mir wird
heiss und kalt, während ich so mit Konjunktiv
und Plusquamperfeclum wirtschafte. Die
Frage ist nicht so einfach. Denn es handelt
sich darum: will die Regierung eine Politik,
die Schranken gegen den überwuchernden In-
dustrialismus auftürmt? Offenbar doch nicht.
Alles deutet darauf, dass die Industrie das
Uebergewicht hat — trotz des erhöhten Kom-
zolies. In dem Falle aber, dass bewusst In-
dustriepolitik getrieben wird, ist das System
der Kunstgewerbe-Schulen, die Heranzüch-
tung eines Zwischenstandes, der Zeichner,
ganz logisch. Die Frage spitzt sich also zum
politischen Glaubensbekenntnis zu; und doch
glaubt man gemeinhin sie mit der Aesthetik
lösen zu sollen.
Merkwürdig ist es, dass der verstockteste
Agrarier vom Segen der Kunstgewerbe-Schulen
ebenso fest überzeugt ist, wie der liberale
Kommerzienrat. Ein bischen Kunst, meint
jeder, ziert den ganzen Menschen und die
Nation nicht minder. Es wird als Sünde
wider den heiligen Geist empfunden, als
finsteres Reaktionsgelüste, wenn man der
thörichten Bildungsmacherei unserer Tage
entgegentritt.
Jeder Künstler weiss, dass nichts schwerer
ist, als im Kunstwerk das Zuviel zu ver-
meiden ; in der Staatskunst ist es genau das-
selbe, und nirgends wird gegenwärtig doch
schwerer gegen diesen Fundamentalsatz ge-
fehlt. Alle sollen alles wissen oder doch
eine Ahnung von allem haben, das Recht
des Schwachen wird in allen Gassen ver-
kündet. Das Ergebnis ist, dass jede wohl-
thätige Schranke fällt und der geistige Ge-
halt der Arbeit sich im Treiben der Welt
verflüchtigt. Der Durchschnittsmensch hat
mehr mit dem Verlernen zu Ihun als mit
dem Lernen; fast unmöglich wird es ihm
gemacht, einfach zu bleiben, einen Beruf von
Grund auf zu üben und seine Weltanschau-
ung aus der Arbeit — der edelsten Quelle
aller Sittlichkeit — zu gewinnen. Nach allen
Seiten muss er Dinge merken, die ihn gar-
nichts angehen, und das vollständig zersplit-
terte Leben ist eifrig bemüht, den zur inne-
ren Sammlung Veranlagten zu zerstreuen. Und
das, während der Einzelne sozial und im
■^=-iaS> FERDINAND MORAWE <^^
OHRRINGE AUS GEHÄMMERTEM GOLD MIT TOrKISEN UND SAPHIREN
OHRRINGE AUS GEHÄMMERTEM GOLD MIT KLEINEN BRILI
ENTWORFEN VON FERD. MORAWE « AUSGEFÜHRT VON THEODOR FAHRNER, PFORZHEIM
~<r^S> FERDINAND MORAWE <^-^
VERGOLDETER HiNGESCHMUCK AUS GETRIEBENEM SELBER MIT AMETHYSTEN
ENTWORFEN VON FERD. MORAWE • AUSGEFÜHRT VON THEODOR FAHRNER, PFORZHEEM
-s-%=5> GEORG KLIMT <S^-^
Beruf nichts ist als ein Maschinenteil, wahrend
keines der künstlich aufgegeiiten Gelüste be-
friedigt werden kann. Wie soll das Volk ein
rechtes Verhältnis zur Kunst ßnden, wenn ihre
Werke gemein sind wie Brombeeren. Es
giebt bald keinen Fetzen Papier, worauf die
nichtsnutzige Pseudokunst nicht ihre eklen
Zierate anbrächte. Das Vorrecht zur Ein-
fachheit hat heute nur der Wohlhabende; der
Unbemittelte muss die Fabrikkunst wohl oder
übel in den Kauf nehmen. Man sitzt auf
einem verdrechsetten Stuhle, an einem Tisch,
dessen Verzierungen die Beine martern, isst
von blümchenbunt dekoriertem Geschirr,
trinkt aus ornamental geätzten Gläsern, raucht
Zigarren aus Kisten, die mit Etiketten grell
tapeziert sind, thut die Asche in dekorative
Aschbecher, liest in Büchern mit reichgezeich-
netem Einband und der letzte müde Blick
fällt auf einen mit Guirlanden und Arabesken
greulich bemalten Plafond. Der Anfang zu
einer Kultur müsste sein, dass dies alles
fehlte. Aber dazu ist wenig Aussicht vor-
handen, trotz aller idealen Kunstbewegungen.
Genau diese Kunst will das Volk, zu solchen
Ansprüchen ist es seit Jahrzehnten künstlich
ermuntert worden, das Opfer der kunstindu-
striellen Spekulationswut geworden, und mit
seinen rohen Instinkten hat der Fabrikant
genau so gerechnet, wie der Kapitän es wilden
Völkerschaften gegenüber beim Tauschhandel
GEORG KLtMT « IN KUPFER GETRIEBENE WANDUHR
GEORG KLIMT • ]tt KUPFER GETRIEBENE TANDUHR
thut. Nun wird von den Aesthetikem Lärm
geschlagen, und das .Volk" muss seines
schlechten Geschmacks wegen allerhand
Uebles hören. Es hat aber überhaupt keinen
Geschmack, weder guten noch schlechten,
sondern nur Kunstinstinkte. Kultur entsteht,
wenn die Masse mit der Kunst nirgend zu
thun hat, als in der Kirche. Nur als reli-
giöses Suggestivmittel trat früher die so-
genannte Volkskunst auf; jetzt ist sie zur
grauenvollen Thatsache geworden, als in-
dustrielles Spekulationsmittel.
Der Konsument ist ebensowohl Opfer der
Prolitwut, wie der kunstgewerbliche Zeichner.
Immer neue Zeichnermassen werden in den
staatlichen Anstalten ausgebildet und über-
schwemmen Werkstatten und Fabriken. Der
Industrielle bekommt die Kunst fast gratis.
Er engagiert sich Zeichner, deren Hunger-
löhne für ihn kaum in Betracht kommen,
und verlangt täglich zehn Stunden lang
Kunst, wie er von anderen Angestellten
andere Arbeitsleistungen fordert. Man ver-
gegenwärtige sich nur einmal, was aus den
Zöglingen der akademisch prunkenden Staats-
anstalten wird. Die einen haben in Textil-
fabriken Entwürfe in allen historischen Stilen,
bis zum „modernen" anzufertigen: nach
Sammelwerken zusammengepauste „ Neu-
heiten". Andere zeichnen ein ganzes langes
Leben in lithographischen Anstalten: Post-
karten mit Ansichten, Adressen, Diplome,
Plakate. Sie müssen das ganze Weltall ab-
konterfeien können. Noch andere entwerfen
^r-^> UNTERRICHT IM KUNSTGEWERBE <^^
nur Etiketten für Zigarrenkisten, oder lernen
methodisch Gehirnverrenkungen, um kon-
kurrenzfähige Metallverzierungen hervor-
bringen zu können, oder bemalen die Decken
der Wohnhäuser mit Engeln und Blumen —
im Tagelohn. Die Besten und Talentvollsten
sind Specialisten für dies und das, für Plakate,
Konfektion und Schmiedeeisen zugleich. Das
geht Tag für Tag: Kunst, Kunst, immer neue
Kunst, ein Monatsgehalt von 150 — 250 Mark
als Durchschnitt und keine kleine Hoffnung
für die Zukunft! Wie mancher von diesen
Berufsidealisten wünscht sich nur ein paar
hundert Mark Kapital, um einen Obstkeller,
eine Zigarrenbude einrichten zu können. Die
einen finden sich stumpfsinnig in ihr Los
und vertroddeln; die andern, deren gutem
Willen das Ziel genommen ist, schaffen sich
einen rührend traurigen Freistundenidealismus.
Jene haben nicht das geringste Interesse an
einem Staat, der sie misshandelt; diese suchen
nebenbei die Welt zu verbessern, in Theater-
vereinen, philosophischen Clubs und am
Stammtisch. Auf der Galerie der Theater,
vor den Ladentischen der Leihbibliotheken,
in den Konzerthallen, da kann man sie finden
auf ihrer Jagd nach dem Feierabendglück.
An ihrer Halbbildung gehen sie zu Grunde,
denn alles wird zum Zerrbild im Menschen,
wenn ihm die Arbeit eine Qual ist.
Und dagegen sollten moderne Lehrkräfte
etwas nützen I — Nur die Verzierung wird
anders; was sonst Rokoko war, wird nun
belgisch. Und wenn es belgisch
geworden ist, wird dann auch nur
das geringste gebessert sein? Ist
es denn ein Au^chwung, wenn
die Silberarbeiten in den besseren
Schaufenstern etwa um eine Nu-
ance weniger überladen sind? Ist
der Geist besser geworden, weil
der „Stil Jugend" etwas mehr
Einfachheit verlangt? Und das
besieNeue stammt doch nicht von
Zeichnern, sondern von Künstlern
und von — Autodidakten. Machen
wir uns nichts vor: Geschmack
lässt sich nicht lehren.
Der Staat opfert der Industrie
ein Stück Volkskraft und kümmert
sich um die Folgen nicht weiter.
Garantien für Arbeitsgelegenheit
werden den Ausgebildeten von
keiner Seite gegeben. Wird die
Arbeit der „reinen" Künstler
Mode, wie eben jetzt, so giebt
der Fabrikant seine Aufträge nach
dieser Seite, und die Zeichner
sehen sich einer Arbeitsgelegenheit beraubt
für die sie bestimmt waren. Es giebt selbst
Museumsdirektoren, die in Kunstgewerbe-
Vereinen den Industriellen immer wieder
sagen; „kauft eure Modelle von Künstlern";
währenddessen werden in ihren eigenen In-
stituten Schüler ausgebildet, die im natür-
lichen Lauf der Dinge jene Arbeit doch
sollten leisten können. Zu solchen Verzer-
rungen führen die jetzigen Zustände, und es
ist keine Aussicht auf Besserung.
Das Handwerk als Stand ist nicht zuletzt
dadurch geschwächt worden , dass es die
Kosten des industriellen Triumphzuges hat
tragen müssen. Die Handwerkersöhne werden
zu Zeichnern und lernen trotz ihrer traurigen
Beschäftigung das Werkstatigetriebe des
väterlichen Berufes bald verachten. Diebesten
Intelligenzen werden dem schwer ringenden
Handwerk entzogen und in einen Zwischen-
stand getrieben, der nicht aufs Gewerbe wohl-
thätig zurückwirkt, sondern nur anreizend
auf die Industrie. Was Wunder, dass der
Handwerker selbst in solchen Zuständen un-
tüchtig und immer mehr zum Flickmeister
wird.
Von welcher Seite man auch ausgeht ;
der Kern des Problems liegt immer darin,
dass alle Grossmächte Industriepolitik treiben,
und es mehr oder weniger thun müssen.
Die Weltbewegung der Industrie ist in
der That wie ein Fatum, ein Anhalten
scheint auf künstlichem Wege nicht mehr
GEORG KLIMT • IN KUPFER GETRIEBENER RAHMEN
'^>-i^> UNTERRICHT IM KUNSTGEWERBE <^^
möglich. Selbst Länder, wie Russland und
Amerika, die die Bodenkrifte ihrer unge-
heuren Reiche bei weitem noch nicht aus-
gebeutet haben, industriealisieren sich schon.
Ursprünglich nur, um sich vom Ausland unab-
hängig zu machen; aber die Produktion über-
steigert sich wie von selbst und Führt dann zum
Export. Die Völker Europas wetteiFern im
Ansuchen neuer, unerschlossener Absatz-
gebiete, und schon Ist der Zeitpunkt voraus-
zusehen, wo der Markt der Erde versorgt
sein und die Hochflut zurückebben wird.
Welch unendliche Krisen müssen dann aus-
brechen! Inzwischen zeitigt die Expansions-
politik eine ungeheuere Regsamkeit, weckt
immer neu die Unternehmungslust und
bringt einen Zug von Grösse in das uti-
ruhvolle Getriebe der Geschäfte. Im Arbeits-
eiFer werden die Menschen wieder hoffnungs-
voll, und auf den Gründen der Fieberzustände
wird von genialen Nerven menschen ein bewun-
derungswürdiges System philosophischer Kul-
turauffassung aufgebaut.
Riesige Brücken werden von Ufer zu
Ufer gespannt, um dem Verkehr Genüge zu
thun; staunend steht der Künstler vor diesen
Werken rücksichtslosester Vernunft und ab-
strahiert eine neue Kunst davon. In seiucD
Vorstellungen steigert das Nützliche sich
phantastisch bis zur Grösse und hinter dem
Gequirl des Broterwerbs sieht er die Mystik
in Gestalt dunkler Kulturtriebe in Thätigkeit.
Aus dem Uebermass des KräFteverbrauchs
sondern sich höhere Intelligenzen ab, die dem
beängstigenden Schauspiet eine Weltanschau-
ung abzugewinnen trachten. Zu ihnen spricht
nur das Edle, das in jeder imposanten KraFt-
entfaltung liegt; mit hartem Eifer aber schelten
sie die Brutalität, die daneben, nicht minder
notwendig, sichtbar ist. Man vergisst, dass
GASOFEN ■ ENTWORFEN UND AUSCEFOHRT VON W, J, STOKV1S, ARNHEIM
378
-..>.^> w. j. sTOKvis k:?^-*^
GASOFEN • ENTWORFEN UND AUSGEfDhRT VON V. J. STOKVIS, ARNHEIM
die breite Pseudokunst, die mit tausend Segeln
im Strome treibt, ein Ergebnis desselben
Zustandes ist, der auf der anderen Seile zu
neuem Fortschritt begeistert. Die moderne
architektonische Kunst mit ihrer reichen Ent-
wicklungsfähigkeit ist im wesentlichen ein
Industrieresultat, aber die kunstgewerbliche
Ueberschwemmung ist es nicht minder. Hier
ist ein Schauspiel für nachdenkliche Gemüter.
Schönes und Hässliches, Gutes und Schlimmes,
Grosses und Niederes: alles fliesst aus der-
selben Kraftquelle. Wer sich der Bewegung
hemmend in den Weg stellt, wird Qberrannt,
und Mittel der Kunst und Aesthetik gelten
gegenüber dieser wirtschaftlichen Notwendig-
keit, deren Zentrum nicht zu ermitteln ist,
am wenigsten.
Nicht so allgemein gesprochen : Der
kunstgewerbliche Zeichner und seine Pseudo-
kunst sind notwendig, solange es wichtige
Industriezweige giebt, in denen Tausende von
Arbeitern für den Export thätig sind. Wenn
die Kunstgewerbeschulen eingingen, würden
die beteiligten Industriekreise sofort Zeichner-
schulen einrichten müssen, um die nötigen
Kräfte zur Verfügung zu haben. Während
der Uebergangszeit aber würden die betroffenen
Fabrikanten mit ihrer weniger marktfähigen
Kunstware in der internationalen Konkurrenz
unterliegen, und Krisen mit den Folgen aus-
gedehnter Arbeiterentlassungen und Er-
schütterungen des Nationalvermögens würden
sich daraus ergeben. Dazu kann die Regie-
rung die Hand also schwer bieten. Vor
dreissig Jahren, als die Kunstgewerbeschulen
gegründet wurden, war es Zeit sich zurück-
zuhalten ; damals hätte es der erst aufblühen-
den Industrie überlassen bleiben sollen, sich
selbst Zeichner nach Bedarf auszubilden.
In solchen Dingen ist es immer gut, der
Selbsthilfe die Initiative zu überlassen. Für
den ästhetisch Entrüsteten hat ein Vorschlag,
allen staatlichen Unterricht im Kunstgewerbe
zu beseitigen, noch heute etwas Verlockendes;
ich höre noch die energische Zustimmung
eines unserer führenden deutschen Nutzkünst-
lers, als ich den Gedanken einst aussprach.
Man vergegenwärtige sich aber einmal: Die
-rJ^Sy UNTERRICHT IM KUNSTGEWERBE <^i^
Dresdener Kunslgewerbeschule ginge ein,
und die «ächsitche Textilindustrie wäre
plötzlich ohne Zeichner, Mit ästhetischen
Gefühlen darf hier eben nicht gerechnet
werden ; es handelt sich um den Markt und
um die nüchterne Logik der Produktion und
Konsumtion.
Die Engländer sind ein glückliches Volk.
Sie haben im eigenen Lande und in den
Hauptstädten des Kontinents genau so viele
Kunden für ihre höhere, von den Präraffae-
llten herstammende Werksiattkunst, wie sie
brauchen. Für die greulichen Machwerke
der Fabrikzeichner — die wie die Indianer in
Morris' reichen Schätzen hausen - hat Eng-
land seine ausgedehnte kaufkräftige und
ästhetisch skrupellose Kotoniekundscbaft, die
durch besondere Zollverbindungen der Indu-
strie des Mutterlandes stets gewiss ist. Dieser
sichere Absatz fehlt Deutschland vollständig,
der reiche Konsument im eigenen Lande fehlt
auch. Die deutsche Exportkunst wendet sich
an Russen, Chinesen, Türken und brasilianische
Mestizen zugleich. Der Zeichner treibt seinen
idealen Beruf unter dem Schutze der Musen,
damit irgend eine unsaubere brbige Dame
am Aequator um Himmels willen Blümchen
auf ihrem Kattunkleid hat.
Die Verhältnisse sind jetzt in allen In-
dustrieUndem so, dass zwei Arten von Kunst
nebeneinander existieren: eine exklusive
Kunst tÜT die zablungsßhigen Kulturträger
und eine „Volkskunst* für die Masse und
den Export.
Welche praktischen Forderungen soll man
angesichts dieser Lage der Dinge vorbringen?
Eine jede lässt sich begründen und bekämpfen.
Soll man mit schleimigen Kompromissen
kommen und trösten: die neue Nutzkunst
würde sich wohl ausdehnen und allmählich
veredelnd wirken und allmählich zum natio-
nalen Stil führen . . .? Viel grösser ist doch
die Gefahr, dass sie hinabgezogen wird in
die Tiefe industrieller Barbarei. Das Schüler-
material wird stets nur bis zu gewissen
Graden ausbildungsfähig sein. Die jungen
Leute vor zwanzig Jahren konnten genau
so viel wie die von heute. Es scheint anders,
weil jene Renaissancemuster Für die Maschine
einrenken mussten, während diese in kühnen
GASOFEN « ENTVrORFES l'ND AUSCEFCHRT VON "BT. J. STOKV[S, ARNHI
3S0
^r-^> MAX HANS KÜHNE -C^^
Schnörkeln über das Papier fahren. Der
Markt wird wohl von der Mode temperiert,
und diese wiederum ist teilweise abhingig
von den Künstlern; in einem aber ist die
Tendenz des Marktes unerbittlich : sie verlangt
unter allen Umständen Gemeinverständliches,
das heisst also — Mittelmassiges. Wer Vieles
bringt, wird Manchem etwas bringen —
Nur eine energische Schwenkung in der
Industriepolittk könnte bessere Holzungen
erwecken. Wenn der Import erschwert wird,
sinkt der Export ganz von selbst. Daneben
wäre es eine Kulturthat, wenn die Organi-
sation des Handwerkes gefördert würde, da-
mit dieses, in Genossenschaften vereinigt
und selbst industrialisiert, der Industrie Trotz
bieten könnte. Dann würde es auch seine
Söhne im eigenen Interesse verwenden kön-
nen und brauchte sie nicht in einem unfrucht-
baren Zwischensland, der nie Selbständigkeit
und Unabhängigkeit erlaubt, verkümmern
lassen. Kurz: eine konservative Politik, im
guten Sinne dieses Wortes, thäte not. Sie allein
ist im Stande, den Nationalwohlstand zu be-
festigen. Freilich würde sie ihn zugleich
verringern, und wie könnte sie da in unserer
Zeit der Händlermoral je Erfolg haben. Auch
die neue Nutzkunst, woran so reiche Hoff-
nungen geknüpft sind, würde auf der
Grundlage beschränkten Industrialts-
mus erst ihre befreiende Kraft ganz
entfalten können. Denn die Industrie
verschlingt wie Kronos die eigenen
Kinder. — Dieses ist eine negative
Meinung; aber selbst sie ist eine
Utopie. Denn Individuen wie Völker
können in der Entwicklung nie zu-
rückgehen und ,ein neues Leben
anfangen".
Nicht viel weiter führt ein Vor-
schlag, der vor Jahren von mir ge-
macht worden ist: die Verlegung
des kunstgewerblichen Unterrichtes
an die Akademien ^ die herzlich
zwecklos geworden sind ^ und die
Aufhebung der bestehenden Insti-
tute. Der akademische Unterricht
sollte dann in Werkstätten und Ex-
perimentierräumen stattfinden, der
Schüler technisch so ausgebildet
werden, wie er sich künstlerisch
selbständig entwickeln würde. Statt
überflüssiger Bildermaler dachte ich
an einen tüchtigen Nachwuchs un-
serer Gewerbekünstler, die ja alle
aus den Akademien hervorgegangen
sind. Es war ein Luftschloss mit
PPE « WOHN- UND GESCHÄFTSHAUS IN DER TURMSTRASSE
383
Das Problem des
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Darin liegt zu
5> PAUL HOPPE <^^
PE « FASSADENDETAIL EINES WOHNHAUSES IN DER MEIN ECKEST RASSE
I UNSEREN BILDERN
Ilagenhauses sonderen Schwierigkeit dieser Aufgaben-
die unsere gruppe; die andere liegt in der Gestaltung
in besonders selber. Sie gewährt dem Künstler zu seiner
lass es eine Entfaltung nur eine mehr oder minder glatte
are Aufgabe Fläche, deren Entwicklungsfähigkeit gehemmt
; ernsthafte wird durch die aus dem schablonenhaften
; besonders Inneren sich ergebende systematische Wieder-
:r Bezirken kehr gleichartiger Oeffnungen; sowohl in
[den Stempel seiner Achsen- wie in seiner Etagen-Disposition
Aufgabe liegt istdasGerippedesBaues festgelegt. Daszwängt
: Gestaltung von vornherein die Aufgabe in eine Sphäre
it in Frieden hinein, die mehr zu einer dekorativen, wie
;en Nachbar zu einer organischen Auffassung des Problems
\ufeinander- hinleilet und zu der Kalamität unsrer Etagen-
tets und un- häuser führt, entweder in plattester Nüchtern-
einträchtigen heit Fensterreihe neben Fensterreihe zu setzen,
iter der Ge- oder aber als Vorwand zu dienen, um mehr
Ausstellung meistens jedoch minder geschmackvolle deko-
Tothängens" rative Formenorgien an den Mann zu bringen.
Leiden, mit Wir können an den Arbeiten PaulHoppe's,
zußnden hat. die von dem Schwulst Berliner Etagen-
eite der be- häuser durch schlichte Sachlichkeit angenehm
-^p-^ MAX HANS KÜHNE -C^-^
abstechen, erkennen, wie der geschickte Archi-
tekt diesen Gefahren zu begegnen strebt. Er
versucht, nicht nur ein Stück Fassade der
allgemeinen Bauflucht einer Strasse einzu-
verleiben, sondern dieses Stück Fassade als
gesonderte Individualität wenigstens anzu-
deuten dadurch, dass es nach oben hin durch
ein sichtbares eigenes Dach zusammengeFassi
wird. Die Fassaden fläche selbst aber erhält,
ohne wirklich aufgelöst zu werden, durch
grössere streifenartige Schattenpariien, die
durch Rückspringen einzelner Fassadenteile
erzielt werden, zunächst einmal eine Ge-
samtgliederung. Diese Rücksprünge werden
zu Balkons und Loggien ausgenützt, ihre
trennenden Schatienmassen aber verlegt
Hoppe, ähnlich wie Messel das an seinen
gelungensten Etagenhaus bauten thut, an die
Aussengrenzen seiner Fassadenmassen , so
dass sie eine mittlere Partie einrahmend los-
lösen und durch ihre ruhigeren und tieferen
Schattenflächen vor der Flucht der Nachbar*
bauten isolierend hervorheben. (Auch das
MAX HANS KOHI
Haus Ateineckestrasse 23, von dem wir nur die
Mittelpartie bringen, ist in dieser Weise dispo-
niert, Abb. Seite 385.) So erhält man ein Stück
umgrenzten Baukörpers in der Fassade und da-
mit die Möglichkeit, seine Effekte zu konzen-
trieren und zusammenzuhalten; zugleich aber
löst man seinen Fassadenbau bis zum gewissen
Grade vom herandrängenden Nachbar los.
Der Schwierigkeit, die in der Bewältigung
der langweiligen Folge gleichartiger klein-
licher Fensterflecke und Etagen teil ungen liegt,
begegnet der Architekt durch die pfeiler-
artige Aufteilung der ganzen Fliehe, die wie
in grosse tragende Vertikalstützen zerlegt er-
scheint , zwischen die das Kleinwerk der
Fenster nur als Füllung eingesetzt ist; also
ein ganz ähnliches System, wie es sich am
modernen Geschäfts palast herausgebildet hat.
Das sind einige typische Züge, die dieses
Etagenhaus-Problem bereits deutlich erkenn-
bar aus seinen Schwierigkeiten gezeitigt hat.
Wie sie weiter ausgebildet werden, ist dann
natürlich Sache der jeweiligen Individualität.
Hoppe fällt in seinen Lösungen,
besonders beim Bau Meinecke-
strasse, dadurch vorteilhaft auf,
dass er die Belebung eines solchen
Systems lediglich durch feine re-
lieFartig in die Fläche einge-
schnittene Schmuckformen be-
streitet, die der ganzen Masse
die feste Geschlossenheit ihrer
Struktur wahren, oder vielmehr
diese Geschlossenheit besonders
deutlich zum Bewusstsein bringen.
Seine Arbeiten, — und wieder
gilt das besonders vom Hause
Meineckestrasse — zeigen da-
durch die wohlthuende Tendenz,
gegenüber den malerischen Be-
strebungen unserer Architektur
und gegenüber dem Kultivieren
„geistreicher" dekorativer Neu-
gedanken eine nach der Seite des
spezifisch Architektonischen, näm-
lich des Monumentalen, gehende
Note auch in solche Bedurfnis-
bauten hineinzutragen. Erst wenn
dieses Streben nach monumen-
talerer Auffassung im Gegensatz
zur modernen Kunstgewerbe-Ar-
chitektur weitere Kreise erfasst
hat, wird das Bild auch unserer
Etagen haus-Strassen ein befriedi-
genderes werden können.
Von diesem Gesichtspunkte
aus möchten wir auf Hoppes'
K TRUMMLER Deuere Arbeiten hinweisen.
-cr.^5> MAX HANS KÜHNE <^^
Die Arbeiten von Max Hans Kühne
(Dresden), die wir in dieser Nummer bringen,
zeigen uns einen Architekten, der in be-
merkenswerter Weise fähig ist, einen Wohn-
bau als einheitliches Ganzes zu gestalten.
Er stellt nicht nur ein Haus hin, das in
zweckmässiger und anmutig- einfacher Art
aus gegebenen Bedürfnissen sich entwickelt,
dem aber andere Hände ein inneres Leben
geben müssen, sondern seine Herrschaft er-
streckt sich mit gleicher Selbstverständlichkeit
und Sicherheit auf die ganze innere Aus-
stattung. Und so müsste es immer sein; eine
gesteigerte Wohnungskultur in den Grenzen
einfacher Mittel ist nur dann möglich, wenn
bis in jeden kleinsten Elfekt hinein Raum
und Inhalt von vorne herein zielbewusst vom
gleichen künstlerischen Willen disponiert wird.
Dann können eben auch mit kleinen Effekten
bedeutende Wirkungen erzielt werden.
Kühne's Innenräume zeichnen sich aus
durch ihre Natürlichkeit. Wie er mit den
bescheidensten Mitteln ein Billardzimmer
disponiert, wie er Heizkörper und Gitter in
einfachster Technik gestallet und
doch den Eindruck liebenswürdiger
Eleganz erzielt, das giebt seinen
Arbeiten ihren Wert. Gerade
solche bescheidene, weil natür-
liche Sprache des Modernen muss
man immer wieder hervorheben
gegenüber dem effektvollen, aber
meistens weit hohleren Formen-
wesen, das seine Motive nicht
nach den Gesichtspunkten vor-
nehmer Nützlichkeit, sondern in
erster Linie nach Gesichtspunkten
der Koketterie gestaltet, f. s.
zu sein braucht, dass vielmehr Vorarbeiter
von bereits gegebenen neuen Ideen ein Mittel-
glied zu bilden berufen sind zwischen dem
Individualismus des Erfinders und den Be-
dürfnissen der Allgemeinheit, aus welchem
Zusammenwirken „Stil" entsteht. Wo aber
liegt hier die Grenze zwischen Nachahmung
und Ueberlieferung? Ist sie feststehend
oder variabel? — Die Frage, meine ich, ist
die: ob jeweils lebendiger Gedanke oder tote
Form zu Gevatter stehen.
Die Idee, den neuen Gedanken ver-
werten, d. h. fruchtbar machen, indem mannig-
faltige Formen dem einen gleichen lebendigen
Schoss entkeimen, das ist nicht Nachahmung,
sondern daraus kann — wenn der Gedanke
wirklich lebens- und entwicklungs^htg ist —
Stil und Tradition sich bilden. Es ist, als
wenn ein starker, klarer Quell der Berges-
höh' entströmt und dann sich teilt in viele
kleine Bäche: das gleiche Wasser fliesst in
ihnen allen; doch je nach dem Boden, je
nach Gefäll und Umgebung fliesst es ver-
schieden und erfüllt verschiedene Bestimmung:
Ueber Tradition und Nachahm-
ung wäre, was unser Gebiet
betrifft, so manches ernste Wort zu
sagen. Wird uns einerseits mit
einem gewissen Recht Mangel an
Tradition vorgeworfen, so herrscht
andrerseits umso erschreckender
die Nachahmung. Auf eine selbst-
ständige neue Schöpfung kommen
zehn, ja hunderte von Nachbil-
dungen, und sie sind meist fürs
wenigste ebenso schlecht und un-
verstanden, wie jene es waren, die
alle Kunst zum Vorbild nahmen.
Nun wurde erst jüngst in diesen
Blättern betont, dass gerade auf
kunstgewerblichem Gebiete nicht
jeder ein Meister sein kann und
MAX HANS KÜHNE
HALLE IN DER VILLA
^-^> MAX HANS KÜHNE <^-i=-
MAX HANS KÜHNE « ECKE IM CAPC CENTRAL
Blumen lässl das eine sprossen, Mühlen
treibt das andre, und das dritte plätschert
bloss dahin und erzählt nur zuweilen ein-
samen Sonntagskindern die Geheimnisse des
Waldes; aber der Urquell ist in ihnen allen
lebendig. So auch der Gedanke in den mannig-
faltigen Verkörperungen, die erfindet. Tra-
dition ist also gleicher Geist in individueller
Form zum Ausdruck gebracht; Nachahmung
ist gleiche Form ohne individuellen Geist,
meist überhaupt ohne Geist : geschöpftes
Wasser, in ein totes Becken gefüllt. Als Bei-
spiele hierfür mögen uns einige der Illustra-
tionen dieses Heftes dienen.
Die Buchbinderei ist unter den verschie-
denen Gebieten des Kunstgewerbes eines der
konservativsten geblieben, was sich auf die
enge Umgrenzung ihrer Möglichkeiten zurück-
führen lasst. Fast alle Bedingungen sind von
vornherein gegeben: die Grösse, die Gestalt,
das Material in sehr beschrankter Auswahl und
dazu seine Behandlung. Die Versuche (nach
unsrer heutigen Auffassung: Verirrungenl),
welche dahingingen, die Buchhülle als selbst-
ständigen Träger einer Bild- oder Relief-
wirkung zu gestalten , sind heute, Gott
sei Dank, der Erkenntnis gewichen, dass,
erstens ein Buchdeckel kein Bild ist, und
zweitens, dass er stets flächig behandelt sein
will, weil dies allein dem Zweck seiner
Handhabung entspricht. Er soll angenehm
zur Benützung, ruhig und einladend fürs
Auge und nicht allzu vergänglich sein. So
bleiben als Material: Leder, Leinen, Papier,
— jedes für sich oder auch untereinander
kombiniert, als Schmuck: die Flächendeko-
ration, aus Farbe und Linien, mit dem Stempel,
durch Tönung oder durch Ledermosaik ge-
wonnen.
Mit voller Berücksichtigung dieser, in der
Natur der Sache liegenden Grenzen schufen
in unsern Tagen Künstler wie Cobden-
Sanderson , Zahn , Anker Kyster und
Henri- Marius Michel ihre meisterhaften
Buchhüllen. Aus dem gleichen Geist, aus
der Vereinigung von Phantasie und Logik,
von Geschmack und Handfertigkeit sind die
vorliegenden Einbände von Paul Kersten
in Erlangen und von S. Pomeroy in Paris,
entstanden. Dem Gedanken getreu, formal,
^^■^D- MAX HANS KÜHNE <^^^
MAX HANS KOhNE • BILLARDZIMMER IM CAF£ CENTRAL
selbständig und geschmackvoll, sind sie ein
gutes Bild moderner Tradition in dem oben
gekennzeichneien Sinn von lebendiger Ver-
mittlung.
Was das Gebiet des Schmuckes betrifft, so
sind hier die Grenzen weiter gezogen und
daher mehr Versuchung vorhanden, ganz mit
jeder Tradition zu brechen. Und doch spinnt
die Erkenntnis vom Sinn jeglichen Schmuckes,
von den nicht willkürlichen, sondern notwen-
digen Gesetzen, denen er unterliegt, einen
unzerreissbaren Faden zwischen den besten
Leistungen aller Zeiten. Und der Gedanke,
der solchen MeisterschÖpfungen zu Grunde
liegt, weckt wieder und wieder neue For-
men. Froh danken wir es denen, die sie
uns zu geben wissen. Einer von ihnen ist
Ferd. Morave, dessen erste Arbeiten auf
diesem Gebiete wir bringen. Im Prinzip
auf ägyptische Schmuckstücke zurückgreifend,
in der Ausgestaltung dieses Prinzips aber
durchaus modern und persönlich, erfreut
MOBAWE durch wohlabgewogene Formen,
■welche in ihrer geometrisch ruhigen Wir-
kung viel weniger „blenden" als dauernde
Freude an ihrem Besitz verbürgen. Was die
Frau daran lockt, ist das wirklich ,Schmük-
kende", was sie in diesen Hängern und Ohr-
ringen empfindet: es ist ein Element darin,
das fast jede kleidet: es beruht zum grossen
Teil auf der Anpassung an die Bewegtheit
des Körpers. Dass Morave bisher fast aus-
schliesslich Hänge schmuck entworfen hat,
bestätigt diese Auffassung (vergl. die Berliner
Korrespondenz im vorigen Hefte).
In welchem Verhältnis zu Nachahmung und
Tradition unsere übrigen Illustrationen stehen,
das zu erkennen, sollten nun unsere Leser
einmal selbst versuchen. Wir machen sie
nur aufmerksam auf die anmutige Zeichnung
und die wirkungsvoll getriebene Arbeit an
den beiden Kupferuhren und dem gutpro-
portionierten Rahmen von Georo Klimt, von
denen schon im Januarhefte dieses Jahres ge-
legentlich der Winterausstellung im österreichi-
schen Museum berichtet wurde.
Die mit grossem Verständnis für den Cha-
rakter des Materials wie des Beheizungs-
modus hergestellten, eigenartigen Gasöfen von
W.J. Stokvis in Arnheim gehören zu dem
^r.^> PAUL HOPPE <^-^
PAUL HOPPE ■ D
A EINGANG EINES WOHNHAUSES IN DER MEIN ECK ESTSASSE
besten, was heute auF diesem Feld geschaffen
wurde. Wir Deutsche sind vielleicht geneigt,
in dieser Formsprache, dadurch, dass wir ihr
ferner stehen, etwas ganz Neues zu erblicken;
wer aber die holländische Schmuckkunst näher
kennt, wird auch hier den gemeinsamen Form-
gedanken im Sinne der Tradition erkennen.
Zum Schluss begegnen wir nochmals Paul
K ERSTEN, dem geschickten Buchkünstler, der
uns hier nun mit einem originellen, ungemein
rassigen Schachspiel überrascht. Die Figuren
wirken so vorzüglich in ihrer kecken, ele-
ganten Silhouette, sie sind dabei so handlich
und technisch so gut, dass man wirklich gar
nichts andres daran haben möchte. Sie müssen
eben so sein wie sie sind, und das ist wohl
kein schlechtes Lob.
Nicht weniger als das Bild unserer Städte
hat sich das Bild, das unsere Begräbnisplätze
bieten, in diesen Jahren geändert. Ja dort,
wo das Monument einem rein künstlerischen
Zwecke dient; den Eindruck des Weihe- und
Stimmungsvollen (leider manchmal auch des
Pompösen) zu erzeugen — da haben sich unsere
Künstler rascher und gründlicher die neuen
Ausdrucksmittel unserer Zeit angeeignet, als
auf dem Gebiete der städtischen Architektur.
Hier gefallen sich so viele in Aeusserlichkeiten,
dass man in hundert Fällen 99mal annehmen
kann, dass, wo die dekorative Wirkung
einer Architektur durch reiche moderne Orna-
mentik angestrebt wird, es innere künstlerische
Gebrechen zu verdecken gilt.
Vor der Grösse und Einfachheit des Todes
wenigstens scheinen solch enragierte Dekora-
teure einzuhalten oder doch von dem natür-
lichen Gefühle der Besteller ferngehalten zu
werden. Und so vermehrt sich täglich die
Zahl guter, von ernster Empfindung zeugender
Grabmonumente.
Das Beispiel, das wir heute veröffentlichen,
giebt namentlich in seinen grosszügigen, ruhigen
und festen architektonischen Linien solchem
Gefühle Ausdruck. Die schlichte Einfassung
der Stätte, der festgegliederte, gut silhouettierte
Hintergrund, in dessen Rund sich die scharfen
Züge einer Bronzefigur gegen das zurück-
liegende Grün weich abheben, — sie ergeben
einen ernsten und erhabenen Ausdruck, dessen
Stimmung wir uns nicht entziehen werden.
Darüber kann man auch so manches, etwas
kleinliche oder vorlaute Detail namentlich der
Bronze selbst vergessen, das zu Gunsten einer
feierlicheren Wirkung besser zurückgedrängt
worden wäre.
GRABMAL-FIGUR • MODELLIERT VON OTTO STICHLING • IN BRONZE GEGOSSEN VON
DER AKTIENGESELLSCHAFT VORM. H. GLADENBECK & SOHN, BERLIN-FRIEDRICHSHAGEN
: H BRUCKMANN, Mün
BAtMONDO D'ARONCO • INNENANSICHT DES HAUPTEINGAKCES
DIE TURINER AUSSTELLUNG*)
DAS BILD — DIE BAUTEN — DER KÜNSTLERISCHE ERFOLG
Von V. Fred
So ist also in diesem Jahre, als es Mai
wurde, auf italischem Boden die erste inter-
nationale Ausstellung moderner dekorativer
Kunst mit vieler Feierlichkeit und allerlei
grossen Reden eröffnet worden. Als die Fan-
faren bliesen, der König kam und die tönenden
Worte vom Frühling einer neuen Kunst ge-
sprochen wurden, da war noch alles unfertig.
Vernagelte Kisten standen in halbvermauerten
Gängen und Sälen, der Regen tropfte durch
") Der Herausgeber unserer Zeitschrift war durch
Krankheit verhindert, die Turiner Ausstellung zu
besuchen, und einer unserer bewihrten Mitarbeiter,
HerrW. Fred, hatte die Güte, die Besprechung zu
Qbernehmen. Von dem Grundsätze ausgehend, dass
nur eine rückhaltlose Kritik, selbst wenn darin
eine Erkenntnis der eigenen Schwicbe liegt, frucht-
bringend sein kann, haben wir dieselbe ohne jede
Milderung wiedergeben zu müssen geglaubt, wenn
uns auch in Vielem eine günstigere Beurteilung
von anderem Gesichtspunkte aus möglich erscheint.
Die Redaktion
die rissigen Dächer, und hier und da stand
ein Künstler und schimpfte über einen lieben
Kollegen.
Nun, wer so jahraus, jahrein, zu den Aus-
stellungen fährt, gewöhnt sich an derlei. Und
doch kann ich die Bemerkung nicht unter-
drücken, dass ich niemals eine Ausstellung
so unglücklich veranstalten, so unglücklich
installieren gesehen habe. Dass noch 14 Tage
nach der Eröffnung ein Dritteil der ganzen
italienischen Sektion, ein gutes Stück der
deutschen, belgischen und österreichischen
Abteilung unvollendet war, dass selbst die
Bauten noch von Gerüsten verdeckt waren
und kein einziger Katalog fertig — das alles
sind Kleinigkeiten. Sie bieten nur den sym-
bolischen Ausdruck für den künstlerischen
Charakter dieser ganzen Ausstellung.
Ich kann und will es nämlich nicht ver-
hehlen: Ich halte die „I. Esposizione d'Ane
decorativa modema" für ganz schlecht. Kein
DIE TURINER AUSSTELLUNG <^^t^
RA[MOND0 D-ARONCO m DIE KUPPELHALLE DES HAUPTGEBÄUDES
Tadel ist mir herb genug für diesen Bazar
von Mittelmissigkeiten, in dem da und dort
ein künstlerisches Werk, eine gute Arbeit
mitleidiges Erstaunen weckt. Es ist jetzt nicht
mehr möglich, mit jener Gutmütigkeit, die
anfängt, die übelsten Folgen zu tragen, über
Schlechtes hinwegzusehen und jedem guten
Topf, jeder geschickten Nachahmung fremder
Eigenart gegenüber Freudenschreie und ver-
zückte Rufe auszustossen. Wir alle haben
unser Teil gelhan; an Ermunterungen hat es
niemand fehlen lassen. Nun ist die Saat in
bedrückender Fülle aufgegangen, und es wäre
ebenso thöricht, das Unkraut für goldgelbe
Kornähren anzusehen, als die hochweise Politik
des Vogel Strauss zu treiben und wiederum
mit lauen Worten über Schlechtes und Gleich-
gültiges hinwegzugehen. So mögen allen Ab-
teilungen dieses grossen Jahrmarkts des Kunst-
gewerbes gegenüber gerechte, harte und un-
verhüllte Worte am Platze sein.
Zwei Jahre sind seit der grossen Pariser
Ausstellung vergangen. Damals setzte sich im
Bewusstsein der Völker die neue Kunst durch.
Damals sah man, wie unlöslich die Entwick-
lungen sozialer und künstlerischer Art ver-
quickt sind, wie ein neuer Lebensinhalt eine
neue Lebensform verlangt, und wie das letzte
Jahrzehnt des sterbenden Jahrhunderts als
letzte Kulturarbeit noch die Umwertung auch
dieses Wertes vollzogen hat. Keine einzige
Nation war unberührt geblieben von der grossen
Welle, die künstlerische Begeisterung und
Energie überallhin getragen hatte. Frankreich
schien am konservativsten, Italien noch am
stärksten unter dem drückenden Banne alter
ruhmvoller Tradition und verlotterter Indu-
strie. Die deutsche und österreichische Ab-
teilung aber waren ein wundersam erfreulicher
Beweis der künstlerischen Kräfte. Wer bis
dahin mit einem leichten Lächeln all das
moderne Kunslhandwerk als flüchtige Mode,
spielerisch - reklamehartes Treiben einiger
Künstler hatte hinstellen wollen, wurde nun
belehrt, und mit den besten Hofinungen durfte
man in die Zukunft sehen. Die Franzosen
hatten sich als vortreffliche Keramiker, Glas-
künstler und Juweliere erwiesen, von England
her kam die stets befruchtende Sicherheit
neuer architektonischer und konstruktiver
^r.^> DIE TURINER AUSSTELLUNG <^:^
DAS KOMITEEGEBXUDE am TEICH
VILLA LAURA
-.-£^> DIE TURINER AUSSTELLUNG -Cfe^^
• DER ÖSTERREICHISCHE PAVILLON
Einfälle, in Dänemark bemühte man sich mit
dem besten Gelingen um Porzellane, und wir
in Deutschland und Oesterreich hatten bewiesen,
dass es an künstlerischer Laune, an Fähig*
keit der Konstruktionen, an Geschicklichkeit
der Ausfuhrungen nicht fehle ^ die schönste
Aussicht auf Gelingen aller Pläne zeigte sich
selbst dem Skeptischesten. Die Völker sollten
nun, eines vom anderen befruchtet, innerlich
jedes reicher aus solchem Austausch der Kräfte
und Ideen hervorgehen und jedes seine beson-
dere Eigenart entwickeln. Da konnte es, durfte
man meinen, an jenem Erfolge nicht fehlen,
der innerlichste Bedingung der neuen Bewe-
gung ist; dass diese Kunst ins Leben ein-
dringe, kein Fremdling, kein trauriger Aus-
stellungsgast bleibe. Nun sind zwei Jahre
ins Land gegangen. Ich brauche wohl nicht
auszumalen, was geschehen ist. Ich will auch
vom allgemeinen Stand der Meinung dem neuen
Gewerbe gegenüber nicht sprechen. Jeder
Schalfende weiss, wie viel Misstrauen gerade
heute nach all den Erfolgen, nach all den Fort-
schritten, die gemacht worden sind, wach und
rege ist. Und ein seltsam zwiespältiges Gefühl
hat sich gerade bei den Freunden des mo-
dernen Handwerks eingestellt: eine langsam
wachsende Angst, dass die Arbeitsmethode,
die jetzt herrscht, vom grbssten Uebel ist.
Ich sehe die grösste Gefahr in den forftfSh-
renden Ausstellungen. So werden die Künstler
verleitet, die besten und wertvollsten Sätze des
neuen Kunstgewerbes wieder zu verlassen : von
Ehrlichkeit derKonstruktion, Aufrichtigkeit des
Materials, Uebereinsiimmung von Zweck und
Form und Individualität des Interieurs kann
bei Austellungszimmern doch nur mit den
stärksten Einschränkungen die Rede sein. Das
kontinuierliche Lösen fiktiver Aufgaben, die
für den Jahrmarkt erforderliche Rücksicht auf
die flüchtige äusserliche Wirkung, die Hast des
Treibens, die Ueberhitzung und nicht zu min-
dest die übertriebene Wertschätzung des Aus-
stellungserfolges sind Schäden, die gar nicht
ernst genug bedacht werden können, wenn es
sich um die Veranstaltung einer neuen Aus-
stellunghandelt. Ich bin wahrhaftig nicht gegen
diese Institution. Die kulturbildende Wirkung
der letzten Pariser Ausstellung ist unverkenn-
bar. Nach zwei Jahren aber wieder zu einem
internationalen Wettkampf herauszufordern,
war gefährlich. Nun ist der Misserfolg da, und
man kann nur seine Gründe auseinander*
setzen. Da ist also vor allem die kurze Frist
seil Paris. In zwei Jahren vollziehen sich
keine epochalen Umwälzungen. Die Künstler
haben mit ihren lokalen Ausstellungen genug
zu thun, und was einer zu lernen hatte, konnte
^,-^> DIE TURINER AUSSTELLUNG <^>t^
CHARLES R. MACKtNTOSH • INTERIEUR AUS DER SCHOTTISCHEN ABTEILUNG
er nicht vom Herbste 1900 bis zum Frühling
1902 ausbilden. Ja die Armseligkeit des
neuen Motivenschatzes musste ungerecht stark
hervortreten, weil eben jetzt der Augenblick
ist, wo die unmittelbarsten Einflüsse der Pariser
Ausstellung an jedem Objekte hervortreten
mussten; noch ist keine Zeit gewesen, die
Anregungen zu entwickeln und nach einer
fremden wohlthäcig wirksamen Schule die
eigene persönliche und nationale Note aus-
zusprechen.
Die kurze Zeit ist die erste Gefahr ge-
wesen. Die Wahl des Ortes war in jeder
Beziehung für das Gelingen ebenso verderb-
lich. Nichts kann in einer Gärungs- und
Entwicklungszeit so schädlich sein, wie Ver-
gleiche herauszufordern. Und heute in einer
italienischen Stadt eine ungemein gross an-
gelegte Ausstellung moderner Kunst ins Leben
zu rufen, angesichts der Renaissanceeindrücke,
in dieser Luft, 'die Für jeden von uns die
heilige Schönheit einer wahrhaft bis ins
letzte kunsterfüllten und harmonischen Kultur
ausatmet, — das war ein Wagnis, das miss-
lingen musste. Die Absicht war klar. Italien
hatte in Paris ganz versagt; nun sollte die
Scharte ausgewetzt und zugleich dem italieni-
schen Lande durch das Beispiel der Fremden
Nationen ein heftiger Ansporn gegeben werden.
Nun es mag sein, dass Italien seinen Nutzen
von dieser Ausstellung haben wird; die Fremden
Gäste können auch diesmal in der italienischen
Sektion keine Anregungen erfahren, und auch
einer vom anderen wird wenig zu lernen
haben. Man trifft alte Bekannte von Paris
her, kleine Variationen längst vertrauter
Formen und Motive, wenig Neues, wenig
Künstlerisches. Schon die Beteiligung war,
Deutschland ausgenommen, schwach. Aus
England sind wiederum nur kleine Objekte
da, in Frankreich haben selbst Gall£ und
Lalique auF jede Ausstellung verzichtet, und
p J
Z CO
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-ir^5> DIE TURINER AUSSTELLUNG <^-^
kein einziges Interieur ist zu sehen, ausOester-
reich hat kein einziger der Secessionisien
ausgestellt. Von dem aber, was die Galerien
dennoch Füllt und der Ausstellung ihre quanti-
tative Grösse giebt, soll nun in diesem und
in den nächsten Heften die Rede sein.
Die Ausstellung liegt im Park des Valen-
tine schön und friedlich, die hellen grünen
Berge geben einen wundersam zarten Hinter-
grund, und seltsam pikant stehen mitten
zwischen den Ausstellungsbauten die mittel-
alteriich strengen Kastelle von San Giorgo.
In Turin, dieser anmutigen Stadt, die dem
Fremdenzuge etwas fem liegt, und deren
GEORGE LOGAN «DREITEILIGER TANDSCHIRM AUS GRAU GE-
BEIZTEM HOLZ MIT SILBER BESCHLAGEN UND EINGESETZTEN
EDELSTEINEN « AUSGEF. VON WYLIE & LOCHHEAD, GLASGOW
Art denn auch dem italienischen Charakter
etwas fremd ist, herrscht weniger der Geist des
Cinquecento, der Renaissance als des starren
frühen Mittelalters. Auf dem Hauptplatze
steht eine alte Burg, halb Festung, halb Ruine,
und rundherum ist eine höchst moderne
Stadt erbaut mit neuen Häusern, neuen von
Traditionen wenig belasteten Menschen, die
den Alpen, ja sogar französischer Art näher
zu stehen scheinen als der italienischen
Weise. Unten bei den Gärten, welche die Aus-
stellung aufgenommen haben, sieht es denn
auch nicht allzu italienisch aus. Man denkt
eher an den Süden Frankreichs oder an ein
sanftes Schweizer Thal. Das erste Thor grüsst.
Ein blau-gelber Löwe, der irgend etwas aus
irgend einem Grunde zu
apportieren scheint, grüsst
von einem Plakate herab.
Doch dies ist noch nicht
das eigentliche Portal. Siebt
man dann vor dJeseni, so
muss man lächeln, denn es
ist die Wiederau ferstebnng
Darmstadts. Da sind wieder
die beiden bunten HäuscheB
mit den flachen Dächern und
den geneigten Fassaden, die
sich zusammenzudrängen
scheinen, da sind auch die
wohlbekannten Ornamente,
das Schachbrettmuster, die
Wellenlinie ; Darmstadter
Erinnerungen, das könnte
man überhaupt als charak-
teristisches Marginale zu
einer Besprechung der Tu-
riner Ausstellungsbautcn
setzen. Nur das Hauptge-
bäude macht eine Aus-
nahme, und das ist denn
auch eine respektable Lei-
stung und weitaus der beste
Bau. Sonst aber findet man
Kioske und Pavillons mit
weissem Verputz und kreis-
rundem Ornament, „reiche'
Stucco- und Gipsfassaden,
sogar ein unglückliches,
dreieckiges Reissbretthäus-
chen, wie jenes Olbrick-
sche .Gebäude für Flächen-
kunst* ist da. Die Farben-
skala ist zumeist auf Weiss-
Gold beschränkt. Das Ma-
terial ist durchweg Verputz.
Auffallend war mir an man-
chen Bauten eine Neigung
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CHARLES R. MACKINTOSH UND MARGARET MACDONALD-MACKINTOSH
« • ECKE AUS DEM INTERIEUR IN DER SCHOTTISCHEN ABTEILUNG • •
-5T-^> DIE TURINER AUSSTELLUNG <^-t^
zum Barock. In der That hat ja damals wie
jetzt wieder ein unglücklicher Hang zur
Häufung von Schmuckmotiven geherrscht.
Mit Ausnahme Oesterreichs und einiger
privater italienischer Aussteller vereinigt das
grosse Ausstellungsgebäude alle Nationen.
Oest erreich hatte den Vorzug, sich zwei
kleine Häuschen bauen zu dürren, einen
Kiosk und eine Villa; doch lässt sich weder
von dem einen noch von dem anderen Bau
sagen, dass sie einen neuen architektonischen
Einfall zeigen. — Im übrigen soll davon seiner
Zeit die Rede sein.
Eine besondere Erwähnung verdient das
graziöse Haus der künstlerischen Photo-
graphien besonders auch deshalb, weil dieser
Zweig der dekorativen Kunst einzig und
allein eine systematische Berücksichtigung
gefunden hat. Weder eine Plakatausstellung,
noch eine Abteilung für die reproduzierenden
Künste ist zu finden. Ja, die Architektur ist
vollständig ausser acht gelassen worden.
Hier und da findet man in einer der Sektionen
ein paar Plakate oder Bücher, Farbendrucke
oder Photographien von Hiusern, — einen
Begriff dieser Künste und der besonderen
Fähigkeiten des einen oder anderen Volkes
konnte man in Turin nicht erhalten.
Vor dem Hauptgebäude stehen zwei Fon-
tänen, ärmliche Nachahmungen RoDiN'scher
Kunst. ~ Vielleicht auch stehen sie gar nicht
mehr. Man sprach in gerechter Erkenntnis
ihres Wertes in den Eröffnungstagen davon,
sie wieder zu zerstören. Dagegen sind einige
plastische Gruppen, welche die Fassade des
Hauptgebäudes krönen, Reigen tanzender
Mädchen in schöner und freier Bewegung
darstellend, gut gelungen.
Das Hauptgebäude ist um eine Kuppelhalle
angeordnet, deren Werte, Höhe und freie
Form in der That jenen Eindruck modemer
Baukunst vermittelt, den die kleinlichen, luf
Aeusserlichkeiten und Fassadenwitze abzie-
lenden Ausstellungsbauten auch in Paris
schon vermissen Hessen. Leider ist die
Innendekoration dieser Freien Halle, die sich
auch in der Fassadenansicht natürlich und
gut ausnimmt, missglückt. Die Farben der
Rachen und eintönigen Malereien
I sind dumpf, nichtssagend. Hier
hätte aus goldenen oder silbernen
I Tönen der Eindruck des Reichtums
' und der Feierlichkeit erstehen
müssen. Dass das ganze Gebäude
aus dünnen und verfälschten Ma-
terialien hergestellt ist, beein-
trächtigt natürlich die Wirkung.
Zwei Seitenflügel schliessen sich
in der Fassade an den Mittelbau,
vor den eine ausgebauchte Vor-
hallegelegt ist. Im Inneren gehen
von der Kuppelhalle strahlenförmig
Galerien aus, die dann verzweigt,
verästelt, verbreitert und verengt,
in Sackgassen endend und zu neuen
Ausbuchtungen führend, ein förm-
liches Labyrinth bilden, in dem
sich zurecht zu finden, nicht allzu
leicht ist. Und all diese Galerien
sind gefüllt mit Interieurs und Ob-
jets d'art. Ueberlegt man aber dann
so recht und ohne üble Absicht,
wie viel Raum wohl nötig gewesen
wäre, um die Standard Works und
die künstlerischen Neuheiten, so-
weit sie in Turin sind, zu ver-
einigen, so kommt man zu der An-
sicht, dass in drei oder höchstens
vier mittelgrossen Sälen alles au^
beste unterzubringen gewesen wäre.
Und man träumt von einer wirk-
lich künstlerischen Ausstellung, der
-j-^> DIE SEKTION SCHOTTLAND <^-^
dann in Wahrheit ersten Ausstellung moderner
dekorativer Kunst, in der kein einziges Stück
des Stempels der künstlerischen Eigenart und
Persönlichkeit entbehren sollte, die nicht
durch ihren Umfang, sondern durch Reichtum
der Motive und Harmonie wirken dürfte, und
die vor allem eines zu zeigen hätte: bürger-
liche RKume. Die Kunst im Leben — wäre da
zu sehen. Hier aber und anderswo zeigt man
immer wieder: Ausstellungskunsteleien.
DIE SEKTION SCHOTTLAND
Lieber die besondere Art und die Persön-
lichkeit des Ehepaares Mackintosh-Mac-
DONALD und des ihnen verschwägerten Mc-
Nair-Macdonald ist in diesen Blättern schon
so ausführlich in Text und Abbildungen ge-
sprochen worden, dass es sich für mich erübrigt,
im besonderen die Fähigkeiten und den künst-
lerischen Charakter dieser zarten schottischen
Poeten zu analysieren. Es sei mir also nur ge-
stattet, zu urteilen, dass die beiden Interieurs
dieser Ehepaare weitaus die künstlerischesten
der ganzen Ausstellung sind. Die Lieblichkeit
dieser weissen Möbel, die Strenge, das As-
ketische dieser stillen Dekorationen, die Fein-
heit der Metallarbeiten und der komplizierten
Plaster- und Applikations-Reliefs,
— das alles vereinigt sich in dem
zarten blumenhaften Duft des
ganzen Raumes zu einer höchst
eigenartigen Wirkung. Es ist ja
im Detail dann wahrhaftig gleich-
gültig, dass ich mir manchmal
doch etwas breitere Formen, etwas
weniger Puppenformat gewünscht
hätte, — hier prägten sich doch
Persönlichkeiten aus. Und gerade
darnach muss man sonst auf dieser
Ausstellung recht lange suchen.
Die Farbenskala ist weiss - rosa,
etwas holzgrün tritt hinzu. Die
Formenwelt kann ich nicht besser
umschreiben, als wenn ich diese
schlanken stilisierten Mädchen : as-
ketische Umbildungen prae-raffae-
litischer Motive nenne. Hier fehlt
jedoch jener Einschlag südlicher
Weichheit — der durch das italie-
nische Blut Dante Gabriel Ros-
SETTi's ^ die englische Schule ver-
edelt hat. Auch wird man japanische
Einwirkungen auf Mackintosh,
Macdonald, Mc Nair, diese enge
Künstlerfamilie, erkennen können;
doch sei nicht verhehlt, dass man
mit derartigen Parallelen dem
Wesen künstlerischer Dinge nicht
allzu nahe kommt. Im besonderen
möchte ich nur auf den einen
Schreibtisch hinweisen, der so
recht ein sorgsames Stück Dichter-Künstler-
arbeit ist, wie man es in unserer hastigen
Zeit sonst nicht oft findet. Er ist bis ins
Kleinste durchdacht, oder besser durch-
dichtet, dieser Tisch, auf dem ein Geliebter
an seine Geliebte schreiben soll, und der
allerlei Bild- und Reliefeinlagen zeigt, ein
Mädchen, das weint, da er nicht schreibt,
die Seligkeit eines symbolischen Kusses, Ent-
zücken und Trauer der Einsamen. Dieser
kleine Sekretär gehört zu den wenigen Ob-
jekten der Turiner Ausstellung, von denen
aus sich auch eine Brücke wölben lässt
zur Renaissance -Kunst, wo ein Meister mit
künstlerischem Behagen bei poetischen und
-^^;d> die turiner AUSSTELLUNG <^-t;-
einen ungemein einheitlichen
Stil. Die Künstler und Kunst-
lerinnen — die beträchtliche Zahl
talenireicher Frauen fdllt auf —
stehen alle in ziemlich enger
Beziehung zur berühmten Glas-
gow ScKOOLofArts Die Linien-
führung sowohl wie die Farben-
wahl ist recht einheitlich, und —
wo ein Vorzug ist, fehlt auch der
Nachteil nicht — manchmal recht
eintönig. Die Stimmung der
Werke ist ernst, klar, streng
und starr, die Wahl des JVla-
terials wie die Motive etwas
puritanisch. Dazu wirkt bei vielen
der Zeichnungen eine merk-
würdige Dünne der Linien, die
sich fast nach BEARDSLEv'scher
Art in Punkte auflösen. Eine
starke Phantasie zeigt sich nicht,
dafür beweist jeder Bucheinband,
jede Textilarbeit, vor allem aber
die vortrefTlichen Metallarbeiten
die Sorgsamkeit und Tüchtigkeit
der Ausführung, die Schulung
des Geschmacks und die Ehr-
lichkeit und Schlichtheit, in der
selbsterkannte Grenzen einge-
halten werden. Und wie dies
so geht , man bewundert an
Arbeiten Fremder Länder, was
man an denen der Heimat ver-
misst.
Von einzelnen Künstlern und
Werken fielen mir die zarten
Zeichnungen von Miss Kino,
ein Paravant von E. A. Taylor,
Schmuck recht altertümlicher Art
von Davidson auf; im übrigen
JOHN EDNiE . DREiTEiLiGEH wANDSCHiHM vertHtt hier, wie zumeist, die
Wahl der Abbildungen zum guten
Teile das Urteil über das Be-
sinnigen Details in monate- oder gar jähre- sondere. Jedenfalls sei wiederholt, dass Ge-
langer Arbeit verweilte. samteindruck und Installation der schotti-
Die schottischen Arbeiten zeigen insgesamt sehen Sektion vortrefTlich sind. w. Fred
DIE SEKTION ENGLAND
Die Englander sind nicht allzu willig, einen Kampfzur Durchsetzung gewisser Ideen,
fremdländische Ausstellungen zu beschicken, der Berechtigung eines neuen Stiles handle.
Ja selbst im eigenen Lande halten sich die sondern um die wahrhafte Durchdringung des
Künstler gerne abseits von den grossen Ver- Lebens durch die Kunst. So bauen sie in
anstaltungen. Sie haben das meines Erachtens und um London Häuser, richten Wohnungen
richtige Gefühl (das ich auch den Deutschen ein; so hat Ashbee in Chelsea draussen eine
und Oesterreichern für die nächsten Jahre kleine Kolonie, Voysey ausser seinem Hause
wünsche), dass es sich jetzt nicht mehr um in Carlton Hill noch manches andere Cottage
-^^•^D- DIE SEKTION ENGLAND -C^^-o-
gebaut. Baillie Scott hat die Isle of Man,
dieses merkwürdige Eilsnd, mit modernen
Häusern besät; wie man weiss, giebt es dort
Schulhäuser und Rathäuser neuen Stils. Das
sind so lebendige Ausstellungen, die man be-
suchen muss, um einen neuen Begriff davon
zu bekommen, was das neue Kunsthandwerk
für England bedeutet. Was man so in Turin
zu sehen bekommt, das sind Zufälligkeiten,
Nebensächliches.
Walter Crane, der eifrige Agitator, hat
eine übergrosse Zahl von Zeichnungen, Ent-
würfen, Illustrationen, Vorlagen seiner eigenen
Hand ausstellen lassen und sich im übrigen
begnügt f seine Freunde von der Arts and
Grafts Society zur Beteiligung heranzuziehen.
So kommt es, dass keine Interieurs zu sehen
sind und überhaupt nur wenige
MSbel. Dafürkann man wiederum
das unendlich hohe Niveau engli-
scher Werkarbeit von den Einzel-
objekten, ob es nun kleine Käst-
chen, Metallarbeiten, Schmuck
oder Textiles ist, ablesen.
Eine Reihe der ausgestellten
Arbeiten stammt aus der Guild
of Handicraft in Mile End Road,
London E. C. und zwar vielfach
aus der Hand C. R. Ashbee's.
Es sind kleine Kabinette, fein
und sorgsam erdacht, behäbig
und sicher in der Konstruktion
und im Eindruck, aus Eichen-
holz matt-grün oder oliven-gelb
gebeizt und ais einziges äusseres
Wirkungsmiitel durch Metallbe-
schlag geziert. Man kennt die
etwas archaisierende Art dieser
Spangen, Klammern, und Griffe,
wie ja überhaupt diese Gruppe
englischer Künstler sich um
keinen Preis von der Tradition
losreissen möchte und in ihren
Ansichten wie in ihrer prakti-
schen Bethätigung je nach ihrer
persönlichen Eigenart so gut
Verbindungen zu Benvenuto
Cellini als zur englischen Go-
tik aufweist. Solches zeigt auch
der Schmuck Askbee's und der
„Guild", meist aus Silber fein
und graziös gehämmert; Email
und Halbedelsteine seltsam ge-
schnitten, geschliffen, oder auch
in der natürlichen unregelmäs-
sigen Form eingesetzt, geben die
farbige Ergänzung zur Metall-
arbeit. Eine Reihe grösserer
Metallarbeiten, ein Lüster von Ashbee, ein
Beleuchtungskörper mit sehr schönem, leuch-
tendem Email von Fisher, die bekannten
Kupfergeräte von Benson wiederholen den
erfreulichen Eindruck ehrlicher, aufrichtiger
Arbeit. Von dem Architekten Voysey, dessen
Arbeiten mit Unrecht in Deutschland wenig
bekannt sind, sieht man hier leider auch nicht
allzu viel; doch fallen die ausgezeichneten
Entwürfe für Tapeten auf, die mit einem
leicht belebten und eng an die Natur sich
anschliessenden Dessin aufs beste eingehe
harmonische Farbenwirkungen verbinden.
W. Fred
UNSER MONUMENTALES GESAMTEMPFINDEN
Von Richard von Sckneidbr, Florenz
Die Phantasie der jugendfrischen Künstler
bewegte sich bisher in Einzelmotiven.
Wohlabgeschlossene Gesamtanlagen, wo Archi-
tektur, Skulptur und Gartenbau einen voll-
tönenden Chor bilden, perspektivisch wir-
kungsvolle Palast- und Platzdispositionen hat
sie uns bisher vorenthalten.
Gelegenheit gäbe es genug, unser archi-
tektonisches Gesamtempfinden zu zeigen,
wenn auch nur vorübergehend, etwa bei
Ausstellungsbauten für Kunst, Gewerbe,
Agrikultur; an vorüberrauschenden Festen
aller Art mangelte es in den letzten Jahren
gewiss nichtl
Abgesehen von der Innenausschmückung
solcher Ausstellungsbauten, bei denen Fort-
schritt und glückliche ErFolge nicht wegzu-
leugnen sind, vermissen wir bei der ge-
samten Grundrisslösung eine perspektivisch
wirkungsvolle Anordnung, bei derGruppierung
von Festplätzen und Promenaden jede gesunde
Phantasie, obgleich sie oft unbeschränkt
walten könnte.
Selbst das „Darmstädter Dokument deutscher
Kunst* enttäuschte wohl am meisten durch
seinen Lageplan, obgleich diese Ausstellung
mit bleibenden Objekten zu rechnen hatte,
und der Raum von 10000 qm keine Be-
schränkung auferlegte. Bei aller aufrichtigen
Wertschätzung von J. M. OLBRrcK's Begabung
JOHN EDNIE, BOFFET
-^-^> DIE SEKTION SCHOTTLAND <^i^
kSnnen wir nicht leugnen, dass er uns dabei
jede leise Andeutung schuldig blieb, ja er
verrät, trotz aller Vorliebe des sich Aus-
schreibens, mit keiner Silbe auch nur einen
Gedanken, geschweige originelle Gesichts-
punkte über diese brennende Frage.
Die Architekten lieben es in neuerer Zeit
wieder, phantastische Entwürfe und Einfälle
aller Art zu veröffentlichen, eine Gepflogen-
heit, die sie mit Barockkünstlem und manchen
alten Renaissancemeistern teilen. Welch ein
Unterschied rein stofflich betrachtet ! Jene
zeichnen Innenräume, Palastfassaden, böck-
linische Stimmungsarchiiektur, diese grosse
phantastisch historische Erinnerungen, rein
perspektivisch lineare Inspirationen, wobei
sich ihre volle Lust und helle Freude an
Gesamtdispositionen und perspektivischen
Durchblicken zügellos austoben konnte, was
ihnen die Realität oft versagte.
DREITEILIGER WANDSCHIRM ■ ENTWORFEN
VON E. A TAYLOR ■ « AUSGEFÜHRT VON
VYLIE & LOCHHEAD, GLASGOW •««■« «
Besonders aber rächt sich diese Vernach-
lässigung unserer Kunsterziehung, die ver-
siegte Empfänglicheit Für jenes RaumgefiJhl,
über welches das XVH. Jahrhundert in herr-
lichster Weise zu verfügen verstand, der
Mangel von Empfindung für harmonische
Unterordnung in die bestehende Umgebung
bei der Erhaltung unserer alten Baudenk-
mäler, bei Anordnung hervorragender Monu-
mente, ja bei allen Städteregulierungsfragen.
In einem Aufsatz dieser Zeitschrift ,Zur
Rettung unserer alten Baudenkmäler", hat
Hermann Muthesius dieses moderne Re-
staurationsverfahren treffend als Dokumenten-
fälschung bezeichnet und die Zerstörung der
uns lieb gewordenen Werke durch das Um-
hauen geschildert (Aprilheft 1902).
Es genügt daher ein kurzer Hinweis, um
weiter klarzulegen, wie unsere Altertümer
durch die Veränderung ihrer nächsten Um-
gebung oft geschädigt werden. Jedes Bau-
werk wurde stets in die betreffende Um-
gebung hineinkomponiert und namentlich mit-
bestimmend war die Höhe der anschliessenden
Häusergruppen, welche durch ihre Anspruchs-
losigkeit mit ihren ruhigen Mauerflächen das
-;r^I> DIE SEKTION SCHOTTLAND -C^-,:-
prächtige Hauptwerk eines Platzes oder
Strassenbildes um so entschiedener hervor-
treten liessen, ja gerade durch diesen Kon-
trast die schönste Schauwirkung erzielten.
Der Reiz mancher Architektur ist auch oft
auf erzwungene und bestimmte Sehdistanzen
berechnet. Diese Ueberschneidungen vor-
ragender Risalite, die Plastik solcher Profile
verlangen Seitenblick. Daher kann schon
eine Verbreiterung der Strasse die Wirkung
des alten Bauwerkes beeinträchtigen.
So muss eine gotische Kathedrale mit
ihren Türmen, Strebebögen, Fialen und all
dem Masswerk durch ihre Höhenentwicklung
das ganze benachbarte Stadtbild weit über-
ragen, obgleich die Verhältnisse der an-
liegenden Strassen und Plätze denselben
mehr hochstrebenden, beengenden Tendenzen
folgen sollen.
Ein Strassburger Münster vollständig frei-
gelegt auf einem Riesenplatz ä la Place de
la Concorde, oder von sieben bis sechzehn
Stock hohen amerikanischen Häusern um-
geben, wäre vernichtet. Oder: Ein prunk-
voller Barockpalast mit flachem Kuppeldach
und überreicher Verzierung, ursprünglich
zwei Stockwerk hohen schlichten Häuser-
fronten eingebaut, wird in seiner Wirkung
geschädigt, sobald demselben ein Zinshaus
mit Pagodenkuppel und aufdringlichen Fas-
sadeneffekten angefügt wird. Die Erkenntnis
eines Naturspieles kann nur durch Vergleiche,
durch das Abwägen der Kontraste, durch das
Unterscheiden empfangener Eindrücke er-
reicht werden. Das ist geistiger Genuss !
Durch Betrachtung des Dinges an sich ist
noch kein Forscher zum Verständnis ge-
kommen. Sind Kunstwerke etwas anderes
als Naturprodukte? Verlangen sie nicht auch
Erkenntnis und daher Vergleichung? Entzieht
man ihnen ihre Umgebung, ihre Wertmesser
worauf sie berechnet waren, so zerstört
man sie.
Obwohl die Architektur des XIX. Jahr-
hunderts bei allen möglichen Stilarten in die
Schule ging, büsste sie, wie H. Muthesius
sagt, nicht nur jeden eigenen Halt und jedes
architektonische Bewusstsein ein, sie ver-
lernte auch das unbefangene Sehen, die na-
türliche Selbstkritik.
Bei diesem Kunststudium nach alten Vor-
bildern verlor sich der Baukünstler in Details,
der gesunde Blick für die Gesamtheit, für
die veränderten Proportionen, versiegte. Heute
jagt er ebenso Einzelmotiven, Aeusserlich-
keiten, leeren Fassadeneffekten nach, nur
mit dem Unterschied, dass er nicht die älteren
Auflagen aus den siebziger und achtziger
Jahren seiner Fachlitteratur durchblättert,
sondern in den neuesten Monatsheften In-
spirationen für .individuelle, modern eigen*
artige" Formen und Fassadenkombinationen
sucht. In den Fachzeitschriften , in den
-^^-^y UNSER MONUMENTALES GESAMTEMPFINDEN <^^^
Neuerscheinungen unternehmungslustiger, den
Zeitgeist klug ausspähender Verleger, be-
gegnen wir immer neuen rein äusserlichen
Motiven und Details für neuzeitliche Fassaden,
ohne Grundrisslösungen.
Diese Thatsachen gewähren uns einen all-
zutiefen Einblick in die Geheimnisse unserer
Baukanzleien, und deuten uns an, welch
künstlerisches Empßnden da von 8 — 12 und
2 — 5 Uhrdie angehenden Bauräte beseelen mag.
Ohne der Architektenschaft nahe treten zu
wollen , in deren Reihen wir die hervor*
ragendsten Pioniere moderner Kunstbewe-
gungen hegrüssen und es wahrlich niemals
an bedeutenden grossen Künstlernaturen ge-
fehlt hat, bildet die grosse Mehrheit derselben
heute eine geschlossene, eigensinnige Partei,
die sich „als die Krone des modernen Menschen
in seiner glücklichen Vereinigung von Idealis-
mus und Realismus" betrachtet.
Parteistandpunkt bedeutet aber nicht sehen
wollen, nichterkennen wollen, sagte gerade jener
Denker, dessen Herrenmoral und Willen zur
Macht oft miss verstanden in Phrasen und
leeren Thaten heutigen Tages ausgebeutet
wurde. DaFaus erklärt sich aber auch das
starre Festhalten an allen alten längst er-
kannten Vorurteilen bei Städteregulierungen,
Konkurrenzen und allen möglichen Denkmals-
afbiren.
Für diese Kreise existiert nicht der seit
1890 in drei Auflagen erschienene .Städtebau"
von Camilixj Sitte, ein Buch, welches gründ-
lichste Erfahrung mit künstlerisch feinfühlen-
dem Blick vereint und in klarster Weise die
Schäden und krankhaften Vorurteile moderner
Verkehrstechnik biossiegt.
Man baut weiter neue Kirchen in denkbar
unglücklichster Lage, reguliert und zerstört
in gleich beschränkter Weise.
Jeder Unbefangene muss die Richtigkeit,
die logischen Schlussfolgerungen, den künst-
lerischen und ökonomischen Wert solcher Er-
fahrungen und Beweise anerkennen. Nie-
mand vermag sie zu widerlegen, und trotzdem
wird gegen den gesunden Menschenverstand
und Geschmack fortgesündigl P
Verhältnismässig geringe Ergebnisse er-
zielten Alfred Lightwark und manch anderer,
für moderne Reformen thätiger Schriftsteller.
Doch dadurch und mit den günstigen Resul-
taten auf dem Gebiete der angewandten Künste
ist der Samen gesät;' fruchtbringende, ver-
heissungsvolle Keime wogen schwebend in
den warmen Frühlingslüften, es gilt nur noch
die fette nach Befruchtung lechzende Scholle
kräftig aufzuwühlen, um sie für die neue Saat
empfänglich zu machen.
Es wäre aber für den dauernden Erfolg
unserer Kunstbewegung ein verhängnisvoller
Irrtum, wenn der neue Geist sich auf klein-
lichen Formenkram beschränken würde.
Niemand bestreitet, dass neue Konstruk-
tionen, neues Material, selbst erhöhte Löhne,
andere Weisen fordern ; aber Architektur ist
vor allem Raumkunst, und veränderte Zeiten
verlangen neue Raum Verhältnisse. — Vom
Raum heraus baut man, und hier hat die
Reformation einzusetzen.
KUPFERNER LOSTER FOR ELEKTRISCHES
L[CHT a ENTWORFEN VON JOHN EDNIB «
AUSGEFÜHRT VON S. C. EDNIE, EDINBURG '
-^f.^D- UNSER MONUMENTALES GESAMTEMPFINDEN <^-e-
Ein Miethaus, welches, aussen Modernität,
im Innern die luftlosen, ungesunden, dunklen
Räume, die Rohheit unserer Hofanlagen, diese
Lichthöfe, beibehält, ist ebenso eine Albern-
heit und Lüge, wie jenes, welches mit deutschen
Renal ssancetürmchen und falschen Kuppeln
prunkt.
Licht, Luft, Lust muss innen herrschen! Nur
dann ist es glücklich gebaut, wenn auch das
Innere Gesundheit, das ist Schönheit, atmet.
Bei dem ständigen Wechsel der Parteien,
somit veränderlichen, individuellen Lebens-
SEKRETÄR AUS GRAUGEBEIZTEM HOLZ MIT SILBERNEN
BESCHLAGEN « ENTW. VON SAMUEL WYLIE UND B. A.
TAYLOR«AlISGEF,VON WYLIE & LOCHHEAD, GLASGOW
Forderungen, müsste man darauf sinnen,
bleibend eingeteilte Räume, wie Kuchen, Bade-
zimmer, Vorhallen zu bauen, und dann eigent-
liche Wohnräume, die durch leicht verschieb-
bare Querwände, je nach Bedürfnis der indi-
viduellen Gewohnheit, des Berufes, des
Geschmackes der Bewohner, mit geringer
Mühe einzuteilen wären. Ein Leichtes I An
Decke und Fussboden könnten kostenlos, bald
da, bald dort ein Holz- oder Eisenfalz einge-
schraubt werden, um die hineinschiebbaren
Zwischenwände festzuhalten; auch die Thür-
pfosten waren versetzbar und als mitstützen-
des Glied, den Wänden einzufügen. Damit
wäre ein praktisches, dem modernen Wechsel
angepasstes System geschalfen, welches eine
Reihe von Verbesserungen mancher Aus-
stattungsfragen nach sich zöge. Infolge dessen
müsste das dekorative Schema unserer Pla-
fonddekorationen und unserer Fussboden eine
Aenderung erfohren. —
DAVID GOW « TAPETENMUSTER .ROSE UND FUCHSIE« UND .SCHWALBEN.
C, F. A. VOYSEY « WANDTEPPICH
-jT^TV UNSER MONUMENTALES GESAMTEMPFINDEN <^-,^
JESSIB M. KING ■ DEKORATIve ZEICHNUNG: DER TANZ DER VEISSEN R
Mit diesem Wechsel sollten aber auch unsere
kostspieligen unpraktischen zwei Fenster Tallen,
und an deren Stelle entweder wie Lichtwark
empfiehlt, ein grosses, breites Fenster mit
hoher Fensterbank treten, oder die Belich-
tung zweigeteilt sein. Etwa so: im oberen
Drittel der Wand, knapp unter der Decke,
eine sehr breite, oft die Ventilation ersetzende
Lichtquelle, darunter im mittleren Drittel ein
kleineres Fenster, welches dem Arbeitstisch
vermehrtes Licht ermöglicht und zugleich
einen Blick auf die Strasse gestattet. Der
Innenraum wird dann gesunde Behaglichkeit,
intimen Reiz und vor allem Wände erhalten,
an welchen M5bel bequem stehen können.
Der Fassade wären ihre natürlichen Mauer-
flächen und damit der Charakter der festen
Abgeschlossenheil wiedergegeben. Je nach
Lage des Stockwerkes sollte die Fenstergrösse
verschieden sein. Höher und freigelegene
Etagen, die dadurch hell genug, aber dem
Weiteranfoll mehr ausgesetzt sind, sollten
anders geformte Fenster erhalten als tiefer
gelegene, in engen Strassen beflndliche Woh-
nungen. Dadurch wäre schon eine Abwechs-
lung für die verschiedenartigsten Fassaden-
lösungen unserer Zinshäuser geboten.
Am Reissbrett giebt es keine Höhenunter-
schiede, deshalb führt der moderne Architekt
meist das letzte Stockwerk ebenso dekorativ
aus, ja die neue Wiener Bauschule oft noch
reicher, als die Belle-Elage. Diese durchaus
flache, oft farbige Ornamentik ist für den
Charakter des Strassen bildes ganz belanglos,
für Fern- und Seitenblick ist sie als Flach-
ornament nicht berechnet, und bei den brei-
testen Strassen kann der Passant seinen Blick
nicht so hoch richten, er wäre denn ein
-^r£^> DIE SEKTION SCHOTTLAND <^^
FR. H. MGWBERY a DREI KISSEN
„Hans guck' in die Lufi", der seine 2^rstreut- lutionär um, und dadurch sind unsere Bildungs-
heitbald büssen würde 1 Nicht nur technische, anschaunngen und die ganze Betrachtungsweise
ethische, soziale, hygienische Lebenserfah- gegenüber den Ueberresten der Geschichte
rungen änderten sich. Auch unsere Gefühle vieJ objektiver geworden. Es mag ja geradezu
und Empfindungen gegenüber der historisch, ein Schaden in dieser Objektivität liegen für
künstlerischen Vergangenheit sind gänzlich die künstlerische Qualität. Wahre Kunst
verschieden von jenen unserer Ahnen. So muss aber den ganzen Menschen, mit all
ist durch die Photographie ein vollkommen seinem Wesen und den feinsten GefühlsfSden
mechanisches Sehen ermiJgUcht, die Empßing- zum äquivalenten Ausdruck bringen. Daher
lichkeit des Gesichtssinnes bildete sich revo* ist es unsere Pflicht und unser gutes Recht
FR. H. NEWBERY « VAKDBEHANG
^j-^> UNSER MONUMENTALES GESAMTEMPFINDEN <^-^
C. R. ASHBEE « THEETISCH
C. R. AäHBEE ■ LEHNSTÜHL
bei Neubauten nicht nur unsere eigene Bauart,
sondern auch jene vollste Harmonie mit den an-
liegenden, alten Kunstschöpfungen zu fordern.
C. R. ASHBEE « LOSTER
Es ist Parvenutum , Altes, Hisiorisches
mit all seinen Erinnerungen zu zerstören
und Neues protzig hinzusetzen, sowie hoher
Bildungsstufe greuelhaft, wenn alte Kunst-
werke durch brutale Effekte und aufdringliche
Zinshäuser ihrer souveränen Ruhe beraubt
werden. Diese Harmonie ist vollkommen zu
erreichen, ohne auch nur ein Atom echter
Eigenart zu opfern, geschweige in leere Nach-
empfindung zu versinken.
Indem wir jene Raumgefühle, mögen sie
erhaben, majestätisch, heilig, mystisch, ernst,
feierlich oder heiter sein, jene Stimmungen,
welche ehrwürdige Denkmäler in uns wach-
rufen, gleichsam als musikalisches Leitmotiv
bei unseren Strassenbildern, Platzanlagen,
kurz bei der nächsten Umgebung entsprechend
durchführen, und in unseren Neubauten mit
reichen Variationen ausklingen lassen, können
wir durchaus modern bleiben und dabei eine
symphonische Wirkung erzielen.
Ja, mag dann die Innenstruktur, dem Zwecke
des Gebäudes entsprechend, ihre eigene Sym-
bolik und Charakteristik haben. Sache des
Künstlers wird es sein, durch die richtige
vermittelnde Variation die Dissonanzen nach
aussen hin zu versöhnen. Wir neue Menschen,
die wir die richtige Erkenntnis für die Ver-
gangenheit mitbringen, werden dann um eine
-;?-^> DIE SEKTION ENGLAND <^J-i^
Zur grossen Enttäuschung und wenig aus-
sichtsvoll wird der Blick, der sich auf die
Motivenarmut unserer Monumente und die
vollständige Entartung unserer Gartenanlagen
richtet. Sind reichliche Mittel vorhanden,
so wissen Bildhauer und vor allem Archi-
tekten bisher nichts Besseres anzufangen,
als das Monument in eine halbrunde Rücken-
wand oder Bogenhalle zu setzen oder gar
darüber eine monströse Anlage zu errichten,
welche das eigentliche Standbild als Neben-
sächlichkeit behandelt. Auch der differen-
zierte, so beliebte Masstab schädigt meist in
der Gesamiwirkung beide Teile. Die her-
vorgehobene Statue erscheint plump, die
Umgebung wie Ktnderspielzeug, um den Aus-
druck Lichtwark's zu gebrauchen.
In der Auffassung, nicht in der Grösse
der Massen, sollte wahre Monumentalität zu
suchen sein. Aus Mangel an richtigen Plätzen
C. R. ASHBEE « STANDUHR
gotische Kathedrale die Platz-
gruppen entsprechend feieriich
mystisch dazu stimmen können,
dem selbstherrlichen Barockpalast
mit kräftigen Profilen und seiner
überreichen Ornamentik, eine ein-
fache, grossflächige Umgebung als
Kontrast entgegenstellen, oder in
der modernen Gartenanlage seine
reiche Rhythmik austönen lassen,
endlich unserem altdeutschen Re-
naissance-Rathaus die Intimität sei-
nes Plätzchens bewahren. DieNais-
sance im vollgestimmten Accordt
Nichts mehr zerstören, alles be-
wahren und diese völlige Neugeburt
wird dadurch ungeahnte, neuartige,
individuelle Harmonien zwischen
unserer Ahnenwelt und unserer
ganzen Persönlichkeit schaffen.
Fort mit allen Schul verurteilen!
Dass auch die Modernsten davon
angekränkelt, beweisen nicht nur
ihre verfehlt dekorierten Bauten,
ihre Schulthemata, sondern ihre
falschen Dogmen über Symmetrie-
axen, von geschlossenen axealen
Grundrissdispositionen über Aug-
ruhepunkte, Locierung und Mar-
kierung von Axenbrüchen, und wie
sonst diese akademischen Phrasen
heissen mögen! Sie bestehen ja
nur für Reisschiene und Reiss-
brett. Nur eins ist nott Feiner
durchgebildeter Geschmack.
T-^y DIE SEKTION ENGLAND <^^
K. S. BENSON « KRISTALLVASEN, IN KUPFER GEFASST
setzen wir dann manche Standbilder ohne
architektonische Vermittlung der Garten-
anlage in verborgen lauschige Winkel unseres
Stadtgartens. Eine Lächerlichkeit!
Das Exedra-Motiv findet oft Anwendung.
Bei den Alten wurde diese Bank rechts oder
links vor dem Stadtthor aus Utilitätsgründen,
häufiger als Grabmal dekorativ umgebildet,
hier und da an der Hauptstrasse aufgestellt.
Dass es dreissig- oder fünTzigmal in derselben
Allee nebeneinander wiederholt wurde, blieb
der neuesten Zeit vorenthalten. Schon dass
sich Künstler finden, die dazu beraten haben,
ist Symptom!
Welch herrlicher Gedanke I In modern
architektonischer Sprache ein ganzer Königs-
garten I Unter blühenden Bäumen, beschnit-
tenen Hecken, vor Blumenrabatten eine in
Stein gemeisselte Ahnenwelt und unter Bogen-
hallen, Kommuns, Triumphpforten, auf Balu-
straden und Rampenmotiven eine Geschichte
menschlicher Geisteshelden I
W. A. S, BENSON ■ THEESERVICE, IN KUPFER GETRIEBEN
418
^r-^> UNSER MONUMENTALES GESAMTEMPFINDEN <^^
Vorerst müssten aber die deut-
schen Vorurteile gegen wahre Gar-
tenkunst fallen, denn unsere gegen-
wärtigen Gartenanlagen lassen sich
niemals mit künstlerischen Ideen
in Einklang bringen.
Solch eine moderne Gedanken-
losigkeit, wie unlogisch und un-
konsequent! Kastrierte Blumen,
Missgeburten der Natur, krank-
haft gezogene Gebilde, die nur
dem Fanatismus eines grübelnden
Fachmannes oder eines geschmack-
losen Gärtnerhims entsprangen,
gefüllte Rosen, plumpe Astern, un-
förmliche Blütenstände von Chri-
santhemen bewundert der Alltags-
mensch; dagegen vor fein abge-
wogen beschnittenen Baummassen
und Blätterwänden kann er sich
nicht genug entrüstet zeigen über
diesen menschlichen NatureingrifF.
Als ob der Eingriff bei dieser na-
turwidrigen, geschmacklosen Blu-
menzucht nicht brutaler wäre! Die
Engländer haben sich ihren ge-
sunden Sinn für Gartenkunst be-
wahrt, den Deutschen aber ist er
verloren gegangen, obwohl wir,
wie LiCHTWABK auseinandersetzt,
an die besten Traditionen an-
knüpfen könnten.
Eins thut not, das architekto-
nisch monumentale Gesamtempfin-
den und unser Interesse fürperspek-
tivische Wirkungen wachzurufen.
-m
AUSMAXLAUCER-si
JR AUF DERKARLSRUHERJUBILÄUMSAUSSTELLÜNG
423
^T-^> orE KARLSRUHER JUBILÄUMSAUSSTELLUNG <^^^
MAX L Auger • Keramik
am schärfsten in seinen Entwürren
für Kacheln und Fliesen hervor, die
man als mustergültig bezeichnen kann.
Auch lebhafte, freudige Farben wen-
det er mit Vorliebe an. Seine Ent-
würfe zu Metallarbeiten sind von der
Karlsruher Kunstschlosserei Lano,
diejenigen zu Seidenstickereien von
seiner Frau, die Metallarbeiten von
den Karlsruher Künstlerwerkstätten,
seine keramischen Arbeiten von den
Thonwerken Kandern, endlich die
Möbel von der Hofmöbelfabrik A.
DtETLER ausgeführt. Auch seine
Möbel sind in einem Stil, der eintger-
massen bäuerlich anmutet, gehalten,
daher sind auch die reichen, über die
ganze Fläche laufenden Beschläge io
Schmiedeeisen charakteristisch für
dieselben.
Ebenfalls ein ausgezeichneter Künst-
ler ist Hermann Billino, Karlsruhe,
welcher die Einrichtung des Rau-
mes 31 ausgestellt hat, darunter be-
sonders die Metallarbeiten erwähnens-
wert. Ein prächtiges Werk ist bei-
spielsweise die grosse Standuhr, ganz
aus Messing und Aluminium ; das
Zifferblatt ist als Stella Polaris ent-
worfen, die Ketten sind mit zwölf
Plaketten verdeckt, welche die Bilder
des Tierkreises darstellen. Auch die
^»-^> MAX LAUGER <^^
MAX lAUGER • K
Kamin - Verkleidung in reicher
Schmiedeeisenarbeit ist ein vor-
treffliches Werk. Aehnliches gilt
von seinen Seidenstickereien, die -
sich durch besondere plastische
Wirkung, welche durch kon-
trastierende Farbenzusamtnenstel-
lung erreicht wird, auszeichnen.
Weiter sieht man einige Arbeiten
von Konrad Hentschel, Meissen
und Karl Kornhas, Karlsruhe:
Interessantes Steinzeug haben Her-
mann und Richard Mutz, Altona,
Elisabeth Schmidt-Pecht, Kon-
stanz und W. Magnussen, Mün-
chen, ausgestellt. Die von der
Grossh. MajolikaFabrik in Karls-
ruhe gezeigten Majoliken wirken
wenig günstig. Dagegen ist der
von Fr. Ratzel für das Rathaus
in Duisburg entworfene Brunnen
(die Plastik modelliert von dem be-
kannten Karlsruher Bildhauer F.
Dibtsche) ein originelles, sym-
pathisch anmutendes Werk, bei
dem das Material, die Bronze, zu
voller Wirkung kommt.
Eine grosse Vitrine ist mit Pforz-
heimer Künstlerschmuck gefüllt.
-sr-i^> DIE KARLSRUHER JUBILÄUMSAUSSTELLUNG <^-^
MAX UUGER « KERAMIK
In der That ist es sehr erfreulich zu be-
merken, dass diese hervorragende Industrie,
welche an 12000 Arbeiter beschäftigt, neuer-
dings bestrebt ist, streng künstlerische Ar-
beiten herzustellen. Es finden sich einige
Entwürfe, besonders diejenigen des Prof.
G. Kleemann, welche mit den besten fran-
zösischen und belgischen Arbeiten kon-
kurrieren können. Sie sind in den Werk-
stätten von Th. Fahrner, H. SOllner, Lauer-
WiEDMANN und Regenold ausgeführt. Prof.
J. WOLBER und Ad. Schmid haben eine
OFENTHOHE, in METALL GETBiEBEN • ENT-
WORFEN VON MAX lAUCER « AUSGEFtIHRT VON
DEN KARLSRUHER KONSTLERWERKSTÄTTEN • «
Reihe vorzüglich gearbeiteter Plaketten aus-
gestellt. J. Müller hat sich besonders der
bisher künstlerisch so vernachlässigten Man-
schettenknöpfe angenommen.
Was das Ausland betrifft, ist, soweit das
Kunstgewerbe auf dieser Ausstellung in Frage
kommt, weniger zu sagen. Reizende Bronzen
finden sich von Laporte-Blairsy, Paris,
darunter eine sehr originelle Klavierlatnpe
,Die Fee mit dem Schrein'. Eine, was die
plastische Wirkung betrifft, geradezu be-
rauschend wirkende monumentale Marmor-
vase mit Nymphen und Satyrn, die mit
grosser Bravour modelliert sind, hat J ean
Antoine Inialbert, Paris, ausgestellt.
Sehr reichhaltig ist die Sammlung Ville
VALLGBEN'scher Bronzen. Ville Vall-
GREN lebt in Paris, ist aber bekanntlich
geborener Finne. Am charakteristischsten
sind für ihn die in Schmerz und Ver-
zweiflung aufgelösten Frauengestalten, die
wie ein Weheschrei des ganzen unglück-
lichen finnischen Landes wirken. Sobald
Vallgren dagegen die Freude darstellen
will, reüssiert er nicht. Ein hervor-
ragend schönes Werk aus jüngster Zeit
ist sein Marmorkopf «Ophelia". Endlich
sieht man von ihm einen bronzenen
Lampenfuss in reicher Arbeit, der wohl
zu seinen besten Arbeiten zählen darf.
Die Komposition wie die Modellierung
im einzelnen ist bewunderungswürdig.
FRAU E. SCHMIDT-PECHT • GLASIERTE THONCEFÄSSE
MIT GEMALTEM UND EINGERITZTEM ORNAMENT • •
-^^-^y DIE KARLSRUHER JUBILÄUMSAUSSTELLUNG •<^5-^
HERMANN BILLING ■ ECKSCHRANK M[T EfNCEBAUTEM SlTZ
DAS DEUTSCHE STADTE-AUSSTELLUNGSPLAKAT
Von Johannes KLEiNPAUL-Dresden
An aller sichtbarlichsten bezeichnete die mo-
derne Plakat-Kunst der letzten neunziger
Jahre den Wiedereintritt von Kunst ins Leben.
Ein herrliches und freies Schwelgen in neuer-
wachten Formen und klaren Farben that vor
aller Welt sich auf. Aus reiner Kunstfreude
blieb man immer wieder vor den Litfassäulen
stehen und nahm mit dem edlen Eindruck
zugleich von ihrem Ankiindigungsinhalt Notiz.
Dabei bewährte sich zumeist deutsche Art.
Die Elemente der Japaner, Engländer und
Franzosen, von denen wir die Affichenkunsi
haben, waren rasch abgestreift. Nur die
guten Anregungen blieben, die frei entfalteten
sparsamen Linien, die klar leuchtenden, kräftig
nebeneinander gestellten Farben, — der im-
ponierende flotte Zug. Je einfacher die Mittel,
je stilvoller die Technik, umsomehr erschien
der Künstler gross.
Jetzt, ein schlimmes Zeichen einerschlitnmen
Zeit, ist scheint's diese blühende Kunst vor-
bei. Ihre Pßege ist wieder einmal auf die
wenigen Anstalten grössien Stils beschränkt,
denen an aktuellstem und zugleich allge-
meinstem Interesse besonders viel liegt, vor-
nehmlich Ausstellungen. So veranstaltete die
Deutsche Städte-Ausstellung, Dresden
1903, einen Plakat-Wettbewerb unter den
deutschen Künstlern. Einige achtzig Entwürfe
gingen daraufhin ein und waren im Dresdener
Ausstellungspalast zu sehen.
Der Saal machte einen höchst mannigfaltigen
-9-^> DIE KARLSRUHER JUBILÄUMSAUSSTELLUNG -C^-^
Eindruck. Zuerst verblüffte das Nebeneinander
so vieler Formungen und Farben. Allmählich
löste sich's auf zur Klarheit, fiel die Spreu
vom Weizen ab. Es gliederten sich die Motive.
Die vielen Dresdener Silhouetten — wie ver-
lockend kam die Ausstellungsstadt den Künst-
lern damit entgegen! — Hessen erstlich Dres-
dener Werke erkennen. Im übrigen herrschte
ein buntes Gemisch, darunter mancher Nach-
klang von bewährtem Alten. Man sah einen
Kopf, wie von der Germania auf dem Nieder-
wald, einen «Schreihals", wie auf dem 1897er
Kunstausstellungs- Plakat (Dresden), hehre
Stsdtgöttinnen mit Mauerkronen im Haar,
wie aufden neapolitanischen La vaschnitzereien.
HERMANN BILl
Die Heraldik, die alte deutsche Sage und
Geschichte, der Patriotismus sind mächtig
aufgelebt; auch zoologische Studien wurden
verwandt. Man sah in visionärem Zustande
Heinrich den Städtebauer, römische Krieger,
Herolde, den Merkur, einen Roland, die Freia,
dann Adler, Löwen, eine Eule, eine — Spinne
sogar. Einer bekannte sich zum Bund der Land-
wirte, stellte einen Reiter aus. Seltsam be-
rührte eine über der Stadt schwebende Harpyie,
seltsamer ein schwebender Kopf mit weisser
Binde, darauf eine Inschrift. Zwei knieende
Akte hatten Binden mit Slädteprofilen um
den Leib. Auch ragten aus bergiger Erde
zwei Hände, die einen Stadtblock trugen.
Besser als fast alle diese
wirkten schon die „Blicke
aus der Höhe", vor allem ein
trefflicher Akt in Rücken-
ansicht, der in der Laterne
eines Turms die Posaune
blies — »de profundis' —
und ein anderes Blatt, wo
vielartige Turmspitzen ins
Blaue strebten.
Damit treten wir unter die
im strengeren Sinne Mo-
dernen, welche echteste Pla-
katkunst gaben, je einfacher,
desto besser. Hierzugehört
der Entwurf «Elektrizität
und Baukunst", der freilich
vom eigentlichen Gegen-
stand etwas abweicht. Auch
sonst war übrigens die
Elektrizität mehrfach in den
Vordergrund gerückt, so
auf dem (zum Ankauf em-
pfohlenen) stimmungsvollen
Bild «Heiliger Florian-, das
einen Ritter in blauem Stahl-
gewand zeigt, eine Reminis-
zens an den „Hüter des
Thals" von Hans Thoma.
Immer kleiner wird der
Kreis derer, die sich auf
die sparsamsten Ausdrucks-
mittel beschränken, und die-
sen wurde der Preis zuer-
kannt. Der Künstler des
„Grundstein" schuf ein lapi-
dares Werk in besondersein-
dringlichen, etwas schweren
Farben. Die Träger des
dritten Preises, Klemm und
RössLER-Dresden, übrigens
die Urheber des vorjährigen
„Grünen Jungen", zeigten
-^r^^ DIE KARLSRUHER JUBILÄUMSAUSSTELLUNG <^^^
eine Mauerkrone, stolz und Fest auf schwarzem
Felsmassiv. Der Dresdener Popp{zweiter Preis)
malte eine am Eibufer sitzende Frau mit grüner
Fussdecke und goldenem Ruder, darüber ein
kraftvoll entfaltetes Gewölk; wenig anziehend
vielleicht, infolge der matteren Farben, aber
doch „Stil". Den ersten Preis erhielt und
verdient der Berliner Nioa. Seine Arbeit
hebt sich aus allen anderen bedeutend heraus,
sie ist am wenigsten spezifisch deutsch. In-
times französisches, noch mehr englisches
Studium offenbart sich da. Drei Töne wirken,
eine mächtig ragende, ganz linear aufgefasste
Frau in Schwarz, schwarz wie der Bei£, auf
dem sie steht. Zu ihren Füssen an der Erde
blinkt weiss ein Gemäuer, ebenso das Stadt-
gebild in ihrem Arm. Dahinter ist ein gelb
glänzender Himmel gespannt.
Zur Ausführung wurde jedoch von dem
Hauptausschuss der Ausstellung nicht
einer der von den Preisrichtern mit
Preisen ausgezeichneten Entwürfe bestimmt,
sondern ein Entwurf von Moritz Leopold,
.■™ iJ!„.a „J ,iTa i._l, „»_ C-Ik»..«»,. HERMANN BILLINC, WANDBRUNNEN
im Hmtergrund die bekannte Silhouette ausgeführt von puhl & wagner,
Dresdens, im Vordergrund ein Roland. «««• rixdosf bei Berlin «•• •
ÜIET
VC
Ich komme mii einem
ich bringe meine lilare
Meinung über die imcbt.
Turiner Kirmes. Es wi
danken ; *''" ich will den
hehlen, dass die arge
herrsclit. Vergeblich iiahe k
\f ochen n>cli itJ Eröffnung
lieh fertig werde; denn h
noch, diss ir^endso in eini
jggue, das Kräftige, die Tliit ,
lieit auftswJien weixfe. Die I
herrKht. Dt und dort e
Zimmer. Hie und ii eine
Aber die Epiiirt suclit m
Undvonkünsllerisdierüune,
,iverPliuto*e,vonFirbenfreui
lieh *m zu sehen,
Vor allem: eisnijjjr^^j
URINER AUSSTELLUNG (Fortsetzung):
3N DER DEUTSCHEN ABTEILUNG
Danaergeschenk :
: und unverhüllle
en Leistungen der
/ird mir's keiner
;nnoch nicht ver-
Mittel mässigkeit
ich gewartet, dass
g die Sektion end-
jmmer hoffte ich
iinem Winkel das
»t der Persönlich-
3 Mittelmässigkeit
ein anständiges
ne brave Arbeit.
man vergeblich.
le, von konstruk-
reude ist so herz-
um nichts wie ein
Nebeneinander von Ausstellungsräumen und
Vitrinen. Es scheint, dass sich niemand
darum gekümmert hat, wie ein Raum zum
Nachbarn wirken wird, was da für eine Per-
spektive erstehen, für eine Farbendissonanz
sich ergeben wird. Es hat allerlei Konferenzen
gegeben, — das weiss man aus Pressnotizen,
mit denen ja nie gespart wird. Es hat tausend
Intriguen, Uneinigkeiten, Zänkereien gegeben
— das zu wissen, bedarf es gar keiner ge-
heimnisvollen Nachrichten. Ein Gang durch
die Ausstellung in den ersten Wochen nach
der EröEfnung und eine Prüfung der Gesamt-
anlage sagt genug. Es ist nicht genug zu
tadeln, dass man an keinem Plane für die
Verteilung der Räume festgehalten hat. Der
Grundriss selbst — für die Installation ist
Herr von Berlepsck verantwortlich — ist
ein Fuchsbau j ich habe nie einen klaren
^
^r^r> DIE TURINER AUSSTELLUNG -C^-,;-
Begriff dieser libyriotbartig verzweigten, in<
einandeTgescbachtelten Anlage bekommen
können, und manchem Fachmann ging es wie
mir. Nun, es mag hierfür die Ursache in
iusseren Notwendigkeiten und Hemmungen
gelegen haben. Unverständlich und unverzeih-
lich aber ist die Art der Auswahl der Künst-
ler, die sich beteiligten, das erbirmlich un-
künstlerische Niveau manches zugelassenen
Raumes (von Klein-.Kunst* will ich gar nicht
sprechen', wie es in der Auslage eines mittleren
Industriebazars kaum auFfälli, und vor allem:
dassmangar nicht an eine Arbeirs Verteilung
gedacht hat. Ich denke, nichts wäre niher
gelegen — und hätte gewiss keine Beein-
trächtigung der künstlerischen Freiheit eines
Einzelnen bedeutet — als sich zu verständi-
gen, wer einen Speiseraum, wer ein Schlaf-
zimmer, wer ein Arbeitszimmer und wer ein
Dameninterieur entwirft. Das scheint nicht
geschehen oder doch nicht eingebalten worden
zu sein. Ich habe drei oder vier weite,
nutzlose, jedes Ausdrucks und jeder grossen
Eigenart entbehrende Empbngshallen ge-
sehen, eine Diele, ein paar kleine Frühstücks-
und Arbeitszimmerchen, ein Speisezimnaer
und manchen Ausstellungsraum. Aber icli
entsinne mich keines einzigen Scbla^immer^
keines wirklichen Vobnzimmers und keines
grossen Arbeitsrxumes. Es ist keine Kücbe
da, es ist kein EUdeziromer d«, Diemuldem
Gel es ein, ein Vorzimmer zu macheo-
Und da man im letzten Jahre so hübsch viel
von Kunsterziehung, von der Anleitung des
Kindes zum künstlerischen Sehen und Ge>
niessen sprach, so ist es ja — bei der praktiscben
TEIL DER WESTFASSADE DES DEUTSCHEN GEBÄUDES AUF DER TURINER
AUSSTELLUNG • ENTWORFEN VON H. E. VON BERLEPSCH-VALENDAS • •
-..=^5> DIE TURINER AUSSTELLUNG
HERMANN BILLING • EMPFANGSHALLE
Art unseres Kunsthandwerks — ganz selbst-
verständlich, dass — kein Kinderzimmer
da ist. Man wird wahrhaTtig ganz verärgert
und vielleicht (wenn's möglich ist) zu hart,
aber ich erinnere mich, dass vor zwei Jahren
in einer Londoner ganz unkiinstlerischen
Ausstellung in Earl's Court draussen, wo
man sonst hingeht, um den Strips and Star's
Marsch zu hören und kleine vergnügte Mäd-
chen zu sehen, Künstler vom ersten Range
wie Cecil Aldin und Hassal Kinderzimmer
ausstellten, ohne dass man Kunsterziehungs-
tage abgehalten und bei Banketten vom
Primavere del Arte moderna schöne Phrasen
gesagt hätte. — Ich muss ja allerdings an-
merken, dass ich drei oder vier Räume nicht
gesehen habe; die Münchener und Elsässer
waren noch vierzehn Tage nach der Eröffnung
nicht fertig; doch sind die Münchener In-
terieurs schon von Ausstellungen der ver-
gangenen Jahre her bekannt und können am
Gesamteindrucke so wenig ändern wie der
eine elsässische Raum. Es war mir auch
unmöglich, die Dresdener Räume der Ge-
schwister KLEtNHEMPEL, die mir jedoch sehr
gerühi^t wurden, zu sehen. — Schliesslich kann
ich aber nicht verschweigen, dass es eben
auch arg genug ist, dass die Abteilung nicht
einmal mit stattlicher Verspätung fertig
wurde. Zumal, da der Erfolg so ist . . . .
Ich habe einige Gründe des Misstingens
schon angedeutet: die verkehrte Anlage, die
mangelnde Einigkeit. Dazu kam hier wie
überall die Fülle der Ausstellungen, die
Ueberhilztheit der Arbeit. Von alledem
habe ich nun schon zum Ueberdrusse oft
sprechen müssen. Ein wesentlicher Mangel
des deutschen Kunsthandwerks, wie er si^h
auch hier wieder erweist, liegt in der Abge-
wandtheit vom Leben. Sieht man von ein paar
glänzenden Keramiken von Sckmuz-Baudiss,
vom Kayserzinn, von ein paar Textil arbeiten
ab, so findet man nur allerlei Fabrikwaren,
die äusserlich mit den gewissen, verhassten
modernen Schnörkeln versehen sind. Die
Räume selbst sind mit geringen Ausnahmen
nur für Ausstellungswirkungen gemacht; ich
wollte keinen einzigen von ihnen haben. Sie
sind entweder zu feierlich, zu mühsam prunk-
voll, oder zu langweilig, ohne doch ökonomisch
zu sein. Ich will nicht in die Weite gehen.
Mein Urteil steht nun da. Ich habe in Turin
bestätigt gefunden, was man schon anlässlich
mancher anderen lokalen Ausstellung sagen
musste: die Talente fehlen nicht. Nur der
Weg, der gegangen wird, ist falsch. Es fehlt
am prüfenden Masse, an der Selbstzucht.
Und leider fehlt es auch allzu oft am sorg-
samen Handwerk. Die Turiner Räume sind
zumeist weitaus schlechter gearbeitet, als
die deutschen Interieurs in Paris 1900 es
waren.
^^^> DIE TURINER AUSSTELLUNG <^-^
In den folgenden Bemerkungen über ein-
zelne Arbeiten werde ich auf die Erwähnung
alles dessen, was nicht im positiven oder
negativen ein kritisches Urteil verlangt, ver-
zichten. Ich finde es nicht notwendig, jede
Mittelmässigkeit, selbst wenn sie ein hübsches
Detail hat, mit weitläufiger Kritik zu be-
gleiten. Die Abbildungen mögen auch hier
dem Leser die Möglichkeit zur Revision und
Ergänzung meines Urteils geben.
Der erste EmpTangsraum ist von Peter
Behrens. Es ist eine Hamburger Halle.
Die graue Stuckverkleidung der Wände,
Gipston, giebt das Hauptmotiv des Eindrucks.
In der Mitte ist eine angeblich steinerne
Fontäne in den Boden eingelassen, und zwei
junge Damen sitzen recht unmotiviert da.
In die Wände sind schwere, feuerfesten
Kassen ähnelnde Vitrinen mit sehr viel
vergoldetem Beschlag, eingelassen, und der
Goldton wird auf dem Grunde des Brunnens
wiederholt. Die Wirkung ist trist. Man
Fühlt sich in einer Gruft. Es ist kühl und
feucht. Ich sehe die Stimmungsbeziehung
zu Hamburg nicht, und ich erkenne nur:
falsches Material, falsche Würde, falscher
Prunk. Mühsame Steifheit ist noch keine
Heiligkeit der Form. Ein Glasdach deckt den
Raum. Dünne grüne Gräser hängen herab;
diese billige Stimmungsmacherei, diese Häu-
fung von disparaten Motiven kennzeichnet mir
die ganze Art dieses Raumes aufs beste. Die
zweite Empfangshalle ist von den Dresdenern
Kreis und Hudeler angelegt und verziert.
Die Gesamtwirkung ist nicht schlecht. Ins
Detail darf man nicht gehen, sonst merkt
man, dass die Ausführung der Kacheln (Vil-
LEROY & Boch) in der Färbung ungleich-
massig ist, und wird auch durch die Ver-
quickung verschiedener Techniken (Malerei
und Brand, resp. Formung) gestört. Der dritte
Empfangsraum, in Wahrheit : der wirkliche
K •
O •
•-1 Z
11
S 9
Sä
MAX HANS KÜHNE • AUSSTELLUNGSSAAL
S3
oz
> 13
^p^g> DIE TURINER AUSSTELLUNG <^^
ziellen deutschen Sektion ist, meines Er-
achtens, dies der gelungenste Raum. Die
grosse Diele von Berlepsch zeigt dieses
Mannes Freude am Holz, an technischen
Kunststücken. Das lichte Material wirkt ja ganz
gut, aber weder Formen noch Linien, weder
Grundriss noch Farbenzusammenstellung,
schien mir bedeutend. Aus Berlin kann
man zwei hübsche kleine Räume sehen, von
Körnig ein Frühstückszimmer, das einige
Behaglichkeit aufweist, von Huber einen
hellen Arbeilsraum, dessen schöne Material-
bearbeitung (Holz und Beschlag) aufrällt.
Von dem Badener Architekten Or£ans ist
ein blau-grau gebeiztes Speisezimmer da,
das, wenn man eine OLBRrCH'sche Vorlage
vergisst, sehr einnehmend ist. Die Möbel
sind in die Wände hübsch eingebaut, die
Flächenteilungen und Proportionen sind an-
genehm, die ruhige Farbenstiramung — blau-
graues Holz, silberweisser Beschlag und
weisse Decke — ist ausgezeichnet. Details
eines Raumes von Stoeving seien erwähnt.
Nun kann ich nur noch zwei ganz miss-
lungene Räume nennen: von Kühne, der
sonst so Gutes kann, einen Saal mit einer
fürchterlich schwarz • orangenen Kassetten-
SCHRANKDETAIL • ENTWORFEN VON ANTON
HUBER, BERLIN • AUSCEFOHRT VON DER
MÖBELFABRIK V. KOMMEL, BERLIN a« ■ ■
Empfangsraum. Er ist von Billing. Ein Gold-
muster der Wände giebt -die Grundwirkung
ab; ein schlecht eingefügtes Arrangement mit
einer Büste des Kaisers soll für die Stimmung
sorgen. Eingemauerte Säulen mit abgestumpften
Kronen sind mir in ihrer konstruktiven oder
auch nur dekorativen Absicht unverständlich.
Sie tragen nicht; sie geben dem Raum weder
Sicherheit noch Feierlichkeit. Ein tiefer Sitz
in der Mitte der Halle kennzeichnet die
Gesamtwirkung: Ausstellungsstück.
In einem Räume von Möhring, der sich
)a auch durch seine Berliner Stadtbahnbauten
in die erste Reihe gestellt hat, kann man
sich erholen. Hier sollte und wird gezeigt,
dass ein Empfangsraum durch vornehme
Farbenstimmung und gute Flächenverteilung,
durch ein paar dekorative, schöne Malereien
von Walter Leistikow edel wirken kann.
Die Farbe des Gemachs ist das Blau der
Eiche, der Ton: Ruhe. Ein grosser Spiegel,
in der Mitte ein schönes Tier von Gaul,
das sind die Wirkungs mittel. In der ofH-
;i
^r.^> DIE TURINER AUSSTELLUNG <^-c-
decke, und als Ausbund der Unfähigkeit: eine
Taufkapelle von LOhr & Wichtendahl, eine
Renaissanceverballhornung, was man jetzt
so gerne und Ihöricht Modernisierung nennt.
Aber die flachen, in den Farben ausdrucks-
losen Malereien, haben so wenig mit alter
Kunst als mit unseren Anschauungs- und
Gefüblskreisen zu thun, und dasselbe gilt
für die enge Halbkreisform und die Stumpf-
säulen mit den komplizierten Kapitalen.
Von kleinen Objekten erfreut das „Kayser-
zinn", das sich mit seinen guten Flächen,
der leichten Metallbehandlung gut in den
täglichen Gebrauch fügt. Die Scherrebeck-
Teppiche machen den wohlthuenden Ein-
druck altfränkischer Eigenart, und Werner-
Schmuck verdient ein Wort, trotzdem man
sich wundern muss, dass in unserer Zeit der
Linienkunst nicht mehr künstlerische Laune
frei ist, um im schönen Material — ferner
von Französischen Vorbildern, als dies jetzt
geschieht — Anmutiges zu erfinden.
Der Baumeister J. M. Olbrich hat fern
von der offiziellen deutschen Abteilung seine
hessischen Räume. Das kann nur der deut-
sehen Abteilung von Schaden sein. Denn
die OLBRiCH'schen Interieurs machen einen
vorzüglichen Eindruck. Olbrich's Kunst
ist reifer und ruhiger geworden. Er wirkt
durch die elegante, behagliche Wärme der
Farbenstimmung, durch die vielen geschmack-
vollen Details. Ihm fällt eben eine Menge
ein; seinem Werke sieht man die Schaffens-
freude an. Ein Wohnzimmer von ihm,
das hier ist, heimelt in seiner blau-weissen
Tönung mit seinem zarten Erker aufs freund-
lichste an. Ein Stück Dichter war zu allen
Zeiten in Olbrfch wirksam. Das war früher
ihm oft eine arge Schädigung; da er aber
nun die Konstruktion immer sicherer zu be-
herrschen gelernt hat, Fallen die störenden
Bizarrerien, die spielerischen Fehler seiner
Art von ihm ab, und er entwickelt sich zu
schöner Reife.
• •
— — — Ich suche nach einem ab-
schliessenden Worte. Mir will kein hoFF-
nungsvoller Ton über die Lippen kommen.
-:^4^> DIE TURINER AUSSTELLUNG <^^
Ich weiss und konnte es jetzt wieder in
Turin bemerken: Es sind viele und ehrliche
Talente da (übrigens weit mehr als man zur
Ausstellung heranzog); nur der Weg ist
schlecht. Es muss anders werden. Sonst ist
über kurz oder lang der grosse Katzenjammer
endgültig da. . . . Schlagt den Hund tot, er
ist ein Rezensent! v. Fred
DIE SEKTION OESTERREICH
Es wäre ungerecht, nach der österreichischen
Abteilung der Turiner Ausstellung ein Bild
des Kunsthandwerkes dieses Landes entwerfen
zu wollen. Die Künstler der Secession haben
jede Beteiligung abgelehnt, und so Fehlt der
Ausdruck gerade jener künstlerischen Eigen-
arten, die sehr bestimmend für das Wesen
jung-österreichischer Kunst waren und sind.
Die Persönlichkeiten Otto Wagner's.Joseph
Hoffmann's, Koloman Moser's, Leopold
Bauer's und mancher ihrer Schüler sind
bei vielen anderen Gelegenheiten so krsrttg
hervorgetreten, dass man sich eine Vor-
stellung Österreichischer Art ohne ihre
Stimmen gar nicht mehr machen kann. Ihr
Fehlen tritt um so stärker hervor, als es
sich für Oesterreich in Turin nicht allein
um Innendekoration, sondern auch um Bau-
kunst handelte. Oesterreich war das einzige
Land, das ausserhalb der grossen Halle aus-
stellen durfte, und so hätten zwei kleine
Häuschen zeigen können, welche Leichtig-
keit des architektonischen Einfalles manchem
Wiener Architekten gegeben ist. Während
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VORRAUM « ENTWORFEN VON FRIEDRICH ADLER « CRAUGEBEIZTE EtCHENHOLZVERKLEIDUNC UND
MÖBEL AUSGEFÜHRT VON DER LEHR- UND VERSUCHSWERKSTiTTE, STUTTGART « FUSSBODENBELAG
UND SCHIRMSTANDER ENTWORFEN VON META HONIGMANN « MUSTER DER VEREINIGTEN WERK-
STÄTTEN FOR KUNST IM HANDVERK, MÖNCHEN « STICKEREIEN VON ROSA MEIER, ULM «•««••
-!rJ^> DIE TURINER AUSSTELLUNG <^-^
ich versuche, mir die beiden Bauten in die Er-
innerung zurückzurufen, die Baurat Bau-
mann von aussen nach innen von der spie-
lerisch angelegten Fassade zu dem gleich-
gültigen Grundriss entworfen hat, kommen
mir zwei Neuerscheinungen in die Hände,
die Werke des Oberbaurats Otto Wagner
und seines Kreises zeigen. Die reich illu-
strierte Neuauflage , Moderne Architektur"*)
und der Rechenschaftsbericht der Waoner-
schen Schule**) wecken das heftigste Be-
dauern, dass alle diese Künstler sich, per-
sönlichen Stimmungen folgend, fern gehalten
haben. Dazu kommt noch, dass der Kreis
des österreichischen Museums, der die Aus-
stellung also bestritten hat, und aus dem
heraus Jahr für Jahr gewiss manche gute
und fruchtbare Arbeit geleistet wurde, dieses
Jahr durch die Österreichische Ausstellung
•) Verlag von A. SCHBOLL & ClE., Tien. Preis
M. 12.50.
••) Aus der W AON ER-Schule 1901, ebenda. Preis
M. 21.-.
in London sehr in Anspruch genommen
wurde und deshalb hier schlechter auftritt,
als nötig gewesen wäre. Es ist zu viel
Gleichgültiges, Anstandiges, zu wenig Ori-
ginelles und Künstlerisches da. Die Luft ist
nicht allzu frisch, Eigenarten sind rar. Gott
besser'sl
Ein Kiosk mit halbrundem Vorbau, ganz
willkürlicher Fassade und nicht sehr ge-
schmackvoller, „sinniger", schwarz -gelber
Ornamentation enthält die Kleinkunst und
einige Interieurs. Bekanntes sieht man hier
mit Vergnügen wieder, über anderes schüttelt
man eben noch einmal den Kopf, was in
unseren Zeitläuften (auch in der Umsetzung
in Kritik) wenig Eindruck macht. Die
SpAUN'schen Gläser und die hübschen Formen
und Farben der mannigfachen Vasen und
Schalen, die E. Bakalowits Soehne in Tif-
FANv'scher Art durch die MosEH'sche Schule
machen lassen, gehören zum besten. Die Lob-
MEvR'sche Manufaktur hat einige schön ge-
geschliffene Gläser (von Marschall u. a.)
DIE TLRINER AUSSTELLUNG
auBgestellt. GuRSCHNER'scbe Bronzen sind für
uns jB allerdings nichts Neues. Zwei Interieurs
in der Art des Proressors J, Hoffmann sind
hier noch zu nennen. Ihre unmittelbaren
Urheber sind Witzmann und Wytrlik, zwei
junge Architekten, die in diesen gutbürger-
lichen Räumen einen hübschen Sinn für
Komfort und Einfachheit der Form zeigen.
Aus dem Kreise der Jugend sieht man noch
Kassetten und graziösen Schmuck von Otto
pRUTSCKER, auch schon von andersher zum
Teil bekannt, die wundervollen Arbeiten des
Zentralspitzen kurses (des Prof. Hrdlicka)
und gute Töpfereien aus der Teplitzer
Schule, Von diesen Arbeiten wird man aber
besser thun , einmal im Zusammenhange
zu handeln, was einen hübschen Abschnitt
über österreichische Kunsterziehung geben
mag.
Der zweite österreichische Bau ist eine
Villa, ebenfalls von Baurat Baumann. Ein
Landhaus, vollständig eingerichtet, sollte nach
Dannstädtischer Anregung ein getreues Bild
österreichischer Wohnungseinrichtung und
zugleich österreichischer Lebenskultur geben.
Ich kann leider nur sagen, dass dies miss-
glückt ist. Ich ßnde nur englische, recht
allgemeine Bau- und Dekorationsformen
variiert, manche schöne Arbeit, aber gar
nichts Ergreifendes, auch gar nichts besonders
Oesterreichisches. Das Schema des Hauses
(Vorbau mit Loggia, Vorraum, Halle mit
Treppe zum ersten Stock und den Schlaf-
räumen, im Parterre an die Halle gegliedert die
^,-^5> DIE TURINER AUSSTELLUNG <^^^
WANDTEPPICH « AUSCEFOHRT VON DER SCHULE FOR KUNSTWEBEREF, SCKERREBECK
Empfangs- undSpeisezimmer) ist nichts Neues,
und hier kommt mancher böse Fehler zum
Vorschein. Es galt also eine voll einge-
richtete Villa zu zeigen. Allein ich vermisse
Küche und Wirtschaftsräume, ich vermisse
sogar den Speiseaufzug, was sicher wichtig ge-
wesen wäre. Dann: es ist kein Arbeitszimmer,
kein Schreibtisch da; in der Thal man kann
weder eine Stunde arbeiten, noch eine Stunde
Karten spielen, in diesem bürgerlichen Land-
hause. Und schliesslich — es lässt sich
gar nicht ausdenken, was für Menschen hier
wohnen sollen — auch hier kein Kinder-
zimmer; auch hier ist eben alles nur Aus-
stellung. Fiktive Schauräume sind in dieses
Haus zusammengetragen worden, und die
Wirkung der Behaglichkeit, die so leicht zu
erreichen gewesen wäre, Hess man sich ent-
gehen. So kann ich nur im einzelnen an-
merken, dass die braune Halle nach Entwurf
von Baurat Baumann von J. W. MOller
sehr Fein und gediegen ausgeführt wurde,
dass ein Zimmer von Jakob und Joseph
KoHN die Technik des gebogenen Holzes
für die neue Linienkunst zu nützen weiss,
und dass das Speisezimmer von Portois & Fix
elegant ist. Neben mehreren schon von
vergangenen Ausstellungen bekannten In-
terieurs fällt dann (als bester Kaum hier)
ein Boudoir von Witzmann auf, im Grund-
riss allerdings unglücklich, da zwei Erker
schief nebeneinander stehen, in der weiss-
grünen Farbenstimmung aber sehr angenehm
und geradezu charmant in den graziösen
Formen. W. Fred
V V V
-!r-^> DIE TURINER AUSSTELLUNG K^-.^
DIE SEKTION UNGARN
Es ist das Volk, wo alle Aussenkultur über-
trieben rasch gewachsen ist. Manchmal kann
man den Gedanken an jene üblen Dörfer
des Potemkin nicht abweisen. Hier ist gar
keine Tradition wirksam gewesen, und so
hart es klingt, man ßndet auch recht wenig
Brücken zu der Art der Menschen, die man so
kennen lernt oder bei einem Besuche in der
Hauptstadt Budapest, die denn doch das ganze
Land in dieser Hinsicht verkörpert, sieht.
Und die Ungarn geniessen alle Vorteile dieses
künstlerischen Mangels: der Traditionslosig-
keit. Eine ganze Reihe von englischen Woh-
nungseinrichtungen, darunter solche von den
allerbesten Künstlern, sind tn dieses Land
gegangen, eine heftige Liebe zu moderner
Art zeichnet die Künstler und Kunstfreunde
aus, und die Regierung weiss durch ihre
Schulen diese Entwicklung zu fördern. Man
lehnt sich mit besonderer Kraft an die eng-
lischen Vorbilder an, und die besten Ar-
beiten, zeigen, dass nicht nur zeitgenössische
Künstler, sondern auch manche Arbeiten
von Chippendale, von Sheraton und Adam,
diesmal besonders dem letzten, eifrig stu-
diert wurden. So ist diese Abteilung selbst
in den besten Objekten der Wohnungskunst,
wie sie z, B. Professor HoRTV entwirft,
dennoch nicht viel mehr als eine Rekapitu-
lation fremdartiger moderner Motive, und
man ist manchmal versucht, die etwas
derbe, aber nationale Eigenart mancher bäu-
rischen Stube weitaus höher zu schätzen
als die höchst unpersönliche Eleganz dieser
Räume, Deshalb wirken auch einige bäu-
rische Töpfereien mit kräftigen Farben und
naturalistischen Motiven von L.Groh wirklich
wohlthuend. In technischer Hinsicht ist aller-
dings auch sonst manchmal eine beträchtliche
Höhe erreicht. So gehören die Emailarbeiien
von Rappaport zu den besten und farben-
reichsten Werken dieser Art. w. Fred
^j-^> DIE TURINER AUSSTELLUNG <^^^
SPEISEZIMMER ■ ENTVORFEN VON C. WITZMANN « AUSCEFOHRT VON JAKOB SOULEK, WIEN
DIE SEKTION FRANKREICH
Als gleichiönenden Refrain muss ich jedem
Berichte über eine Abteilung der Turiner
Ausstellung vorausschicken, dass man sich
hüten müsse, das Bild der nationalen Pro-
duktion, das da geboten wird, für einen ge-
treuen Spiegel der Wirklichkeit zu nehmen.
Wie England, wie Amerika, so hat auch
Frankreich nur hi^chst lückenhaft ausgestellt.
Es ist ja nur zu bedauern, nicht zu ver-
wundern, dass dies so ist. Allein, wie soll
ein starker und fruchtbarer Eindruck er-
stehen, wenn, um nur einige zu nennen:
GALLfi, Lalique, Delahebche, Lachenal,
fehlen? Und wenn nicht ein einziges Interieur
einen Begriff davon zu vermitteln bereit ist,
wie jenes Volk lebt, das die allerstärkste
Tradition der Wohnungskunst besitzt. Um
diesen Brennpunkt der Tradition und Tradi-
tionslosigkeit scheint sich — der Leser wird
es aus diesen Glossen, die dieses Leitmotiv
abwandeln, bereits erkannt haben — hier
aber alles zu gruppieren. Man sieht die
Länder, die nie eine eigenartige dekorative
Kunst besessen haben, tastend, unsicher ihren
Weg suchen, Bizarrerien anheimfallen, jeder
Grundlage entbehren, der Gefahr der äusser-
lichen Nachahmung immer ausgesetzt. Man
sieht die Künstler anderer Länder unter der
ruhmvollen Last der Kunst vergangener Jahr-
hunderte keuchen, das Publikum bestrickt
von den alten Formen hochmütig die neuen
Versuche abweisen. Von solcher Art scheint
das Schicksal Frankreichs zu sein. Die Ver-
suche des letzten Jahrzehntes sind, was die
Wohnungskunst anbelangt, sämtlich miss-
glückt ; die Revolutionäre kehren sich oft
und oft alten Zielen zu. In der Kleinkunst
steht es ja besser. Die Bibelots der Zeiten
wechseln, die Lust an ihnen bleibt diesem
spielerischen, tändelnden Volke, diesen Men-
schen der ville de la ville ewig erhalten.
Auf die Platte des Kamins ein neues Glas
zu stellen, die neuentdeckten Reize der Farben
auf Töpfen, Stoffen, leichten Seiden spielen
zu lassen, ist jeder entschlossen, — den
Rahmen der Wohnung selbst aber hält man
zähe fest. Die Stile der Könige herrschen.
Und an das Louis XVI. knüpfen die mo-
dernen Architekten soeben wieder an. Die
Brüder Goncourt, die ersten Modernen, die
Agitatoren japanischer Weise, waren es
auch, die dem Stil des 18. Jahrhunderts
^.-^> DiE TURINER AUSSTELLUNG
neue Freunde schufen. Und Bino, der Chef
des l'Art nouveau, der praktische Mann, der
Europa so viel von ostasiatischer Kunst ge-
zeigt hat, lässt durch seine Zeichner Colonna,
DE Feure, Delancourt dort anknüpfen, wo
das 19. Jahrhundert einen Absatz gemacht hat:
vor den Formen des Empire und Directoire.
Der Einfluss van de Velde's in Frankreich
war kurzlebig, und die dünnen englischen
Möbel haben nur in gewisse kosmopolitische
Kreise Eingang gefunden, sind eine sterile
Mode. Hier und da findet man sie. Reiche
Menschen haben auch so einen Salon. Ins
Leben selbst hat derlei jedoch wenig Eingang
gefunden.
Die Werke von Plumet und Selmersheim
so gut wie die von Serrurier, sie zeigen
noch dieselben Eigentümlichkeiten wie vor
Jahren. Ohne Entwicklung werden dieselben
Kurven weitergeschwungen, dieselben Farben-
stimmungen wiederholt. In Turin gab es
übrigens nur Bekanntes dieser Architekten.
Ein paar Topfe von Bioot, einige anständige
Metallarbeiten von Breteau und die treff-
lichen Ematls von Feuillatre, — das ist altes
was in der französischen Sektion, die übrigens
von Besnard mit einigen schonen, doch
durchaus nicht dekorativen Gemälden ge-
schmückt wurde, — angenehm auffällt. Mit
Schrecken sieht man die grotesken Möbel
von Majorelle, die den Eindruck von Natur,
Blume und Feld durch Intarsia in dunkeln
Farben vortäuschen wollen, und mit raschen
Schritten geht man an der Ausstellung einer
Gruppe von Nancy vorbei, wo die guten
Arbeiten Gall£'s industriös verballhornt
werden.
Abseits von der offiziellen Galerie haben
die beiden grossen Pariser Kunstläden aus-
gestellt; L'Art nouveau von Bing und La
Maison Moderne von Meyer-Graefe.
Die Maison Moderne hat aus der Welt
zusammengetragen, was es so an hüb-
scher und geschmackvoller Kleinkunst
giebt. Man sieht die Kopenhagener Tiere,
Plastiken von dem Deutschen Hoetger,
der in farbiger Fayence scharfe natura-
listische Menschendarstellungen giebt,
einige Fauteuils mit gepresstem Leder
von Lemmen und Landry. Die farbigen
Ledersachen sind vielleicht das amü-
santeste, das Meyer-Graefe in seiner
internationalen Sammlung mehr oder
meist minder guter Ware hat; es sind
einfallsreiche Bildchen von Waldraff,
Lemmen, Biais oder Landry, die Pariser
Sentiments vorgaukeln, kokette Dämchen,
verruchte petits trottins, Blumen des
Lasters und des Pflasters. Schliesslich
also doch Dinge, die etwas Pariser Luft
haben; was nämlich sonst der Maison
Moderne doch fehlt.
Bing's L'Art
-y^^> DIE TURINER AUSSTELLUNG <S:^^
E. BAKALOVITS SÖHNE, WIEN
SCHALE UND JARDINJERE
Stärkeren lokalen, vielleicht sogar nationalen
Einschlag. Siehtman von einigen TiFFANY-Glas-
Fenstern ab, die Bing aus alter Freundschaft in
seinem Pavillon hängen hat, so ist ausschliess-
lich Französische Kunst vertreten. Die Autoren
sind insbesondere: Colonna, de Feure, De-
LANCOURT, der junge Bino. Die Formen und
Farben der Möbel schliessen sich, wie gesagt,
GUSTAV GURSCHNER *• STATUETTE
an den Charakter des Louis XVI. Stiles an;
lichte Töne, schöne Stoffe, sorgsame Arbeit
sind die Wirkungsmittei. Alles zusammen kann
das Urteil, wenn also gewertet werden soll,
heissen: hübsch, aber nicht auFregend. Zum
Besten gehören einige Porzellan vasen und
Speiseservice aus Limoges und der graziöse
Schmuck. Dabei sei angemerkt, dass ich in der
ganzen Turiner Ausstellung, von ganz wenigen
Arbeiten H. St. Lbrche's abgesehen, keine
einzige neuartige Schmuckarbeit gesehen habe.
Lalique's Einfluss war eben allzu mächtig.
\F. Fred
DIE SEKTION ITALIEN
Die Motive der Veranstalter der Turiner
Ausstellung sind klar und hier ja auch schon
zu verschiedenen Malen angedeutet worden:
man wollte dem Volke durch diese Ver-
anstaltung eine Lehre für die Zukunft, den
Künstlern die beste Schule geben. Das ist
ein überaus vernünftiges Beginnen gewesen,
soweit es sich nicht um die Frage handelt,
inwieweit dadurch die kunstgewerbliche Ent-
wicklung der fremden Länder geschädigt
wird. Der Kritiker der Turiner Ausstellung
scheint mir keine besondere Verpflichtung
zum Zurückhalten seines Urteils der italieni-
sehen Abteilung gegenüber zu haben, denn
sowohl die fremden Künstler als die fremden
Kritiker haben ja nur dem italienischen Volke
durch ihre Beteiligung einen Dienst erwiesen,
und schliesslich würde es auch ein schlechter
und nur äusserlicher Lohn sein, wenn man
seine kritischen Betrachtungen über die
Eigenschaften der italienischen Objekte höf-
lich verschweigen oder übertünchen wollte.
So lässt sich nur sagen, dass das, was zu
-^ri^y DIE SEKTION FRANKREICH <^-j-
FÄCHER « ENTWORFEN VON C. DE FEURE « AUSGEFOHRT VON L'ART NOUVEAU, PAR[S
sehen war, den Charakter einer Schulaus-
stellung hatte, wie man sie in den ersten
Jahrgängen unserer kunstgewerblichen An-
stalten immer wieder sieht, und dass, da ja
meist nur Fabrikanten, nicht aber Künstler
ausstellten, der Rückschluss, den man auf
die Begabungen, die da zu Tage traten, zu
machen hat, nicht sehr erfreuliche Ergeb-
nisse zeigt. Will man sich hierüber Rechen-
schaft geben, so kann man nach mehrerlei
fragen: ob eine neue Technik den Fremden
gezeigt worden ist, die für diese lehrhaft und
deshalb von Bedeutung ist, oder ob da und
dort eine neue Form sichtbar wurde, ein inter-
essanter Versuch der Konstruktion oder doch
der Benutzung der Form zur Dekoration,
und schliesslich, ob vielleicht die koloristi-
sche Begabung des Volkes so stark zu Tage
getreten ist, dass man auch für die gesamte
europäische Entwicklung davon etwas zu
erwarten hätte. Allein auf alle diese Fragen
giebt es nur eine negative Antwort; es Ist
in keiner Hinsicht etwas Neues geleistet
worden. Natürlich ist der traurige Eindruck,
den Italien auf der Ausstellung in Paris
machte, nicht mehr so vollständig wiederholt
worden, denn seitdem haben die Leute eben
eine Menge gelernt, und wenn auch diejury
es nicht vermeiden konnte oder wollte, dass
in der italienischen Abteilung eine Menge
von Bazarware zu sehen ist, so vermisst man
doch mit Freude die gewissen Venetianer
Gläser und die schwarz lackierten Neger,
die Visiienkartenschalen tragen. Das ist
immerhin ein Fortschritt, wenn auch nicht
positiver Art. Was aber gemacht worden ist,
das ist stillos in den allermeisten Fällen,
immer aber eine Nachahmung fremdländischer
Kunst, fremdländischen Handwerks und zum
Uebel nicht einmal aus der Anschauung der
Objekte selbst entstanden, sondern eine Frucht
eifriger Durchsicht der verschiedensten Kunst-
zeitschriften. Englische und belgische, süd-
deutsche und österreichische Motive fluten
G.LEMMEN«LEDERMAPPE«LAMAISON MODERNE, PARIS
BANK 1
kl
■ 6
BADEZIM/
GEFÜHRT
Dctandvt Kunst. V. xa.
HT VON DER VEREINIGUNG >ARTE DELLA CERAMICA', FLORENZ
^r-^> DIE TURINER AUSSTELLUNG <^i^
DOPPELBETT « AUSGEFOHHT VON L'ART NOUVEAU, PARIS
durcheinander, und die verschiedensten Arten
der modernen Stile, jene, in denen es sich
um Konstruktives, sowie jene, in denen es
sich um Poetisches handelt, sind miteinander
vermengt zu einem Gewirr von Farben und
Linien, das oft erschreckend ist. Hier und
da ist ja etwas geglückt, so ein lichtes und
freundliches Mädchenzimmer von Moretti,
das alle Wirkung aus der Farbe holt, ein
paar Zimmer von Issel und einige Keramik.
Unter den IssEL'schen Räumen ist ein Kinder-
zimmer erfreulich, aus leichtem Holz mit
farbigen Schnitzereien, die Motive des Chry-
santhemums benützend und mit allerlei hüb-
schen Dingen, die halb Spielerei, halb An-
regung für das kindliche Kunstgefühl sind,
ausgestattet, dann ein Speisezimmer, etwas
urwäldlerisch und wuchtig in der Form, und
schliesslich als bester und ernsthaftester Raum
ein kleines Frühstückszimmer aus lichtem
Naturholz, in demalle Dekorationsmotive dem
Ideenkreise des Meeres entnommen sind. Die
farbigen Fenster zeigen bunte Wimpel von
Segelschiffen, die Reliefs und Schnitzereien
bringen Formen der Seetiere, und der ganze
Raum macht in seiner Gesamtwirkung den
Eindruck einer kleinen Fischerstube. Das
alles ist ja nun ganz hübsch, aber wir in
Deutschland und Oesterreich haben wohl
nichts davon zu lernen. Interessant sind
noch einige Versuche der Farailia artistica
in Mailand, die sehr einfache, auf einen
Farbenton gestimmte Interieurs herstellt.
BANK • AUSGEFOHRT VON DER V
INICUNC »ARTE DELLA CERAMICA', FLORENZ
antst
-..-^> DIE TURINER AUSSTELLUNG -C^^^
TASSE, VIERECKIGE SCHÜSSEL UND THEEK&NNCHEM • AUSGEFOHRT VON L'ART NOUVEAU, PARIS
deren beste Eigenschaft ihre Billigkeit ist, ~
die Räume kosten zwischen 600 und 700 Lire —
und es scheint mir, dass in der Uebung solcher
ökonomischer Raumausstattungen vielleicht
der beste Weg zu einer gesunden kunstge-
werblichen Entwicklung Italiens liegt.
Weitaus besser als mit der Wohnungskunst
steht es in Italien mit der Keramik, da ja
hier eine alte und künstlerische Tradition
eine Anknüprung der neuen Kunst ans alte
Handwerk ermöglicht. Der stärkste Grund
für die mangelhafte Entwicklung der Interieur-
kunst scheint mir nämlich darin zu liegen,
dass in den reichen und kunstliebenden Be-
wohnern Italiens die Freude an den Re-
naissance- und Mittelalter-Möbeln noch so
ungemein stark ist, dass Neubildungen gar
nicht versucht werden, während der Mittel-
stand ein Bedürfnis nach wirklich eingerich-
teten Wohnungen gar nicht kennt und sein
Leben auf der Strasse verbringt. Die Töpferei
aber hat zu allen Zeiten in Italien geblüht,
als eine Kunst der Landbevölkerung in den
Bauern top fereien und dann als eine sorgfäl-
tiger als die übrigen betriebene Industrie für
den Fremden. Eine junge Vereinigung, die
„Arte della Ceramica" in Florenz, deren
Leiter ein Amateur von hervorragend gutem
Geschmack, der Conte Vingenzo Giusti-
NiANi, ist, bemüht sich seit einigen Jahren
um die Hebung dieser Kunst, und schon
in jenem armseligen Pavillon Italiens auf
der Pariser Kirmes konnte man einige gute
Teller und Ziervasen dieser Vereinigung
sehen. In den späteren Jahren haben sich
die Kräfte gesteigert, eine grössere Sicher-
heit der Form und Farbenbehandlung hat
sich eingestellt und die Künstler, die der „Arte
della Ceramica" nahe stehen, sind in ihren
Dekorationen und Ornamenten immer ein-
facher geworden und haben sich den Linien
der Natur immer mehr genähert. So kann
man an diesen Fayencen und Steingutvasen
mit ihren bald metallischen, bald dumpfen
Glasuren, ihrem Dekor, der bald seine Ent-
stehung der Zufallskunst des Feuers, bald
der Absicht des Künstlers verdankt, sehen,
dass es denn doch auch in Italien möglich ist,
TELLER AUS DER PORZELLAN. MANUFAKTUR GINORl, FLORENZ
466
'^'^> DIE SEKTION ITALIEN <^u,^
einen Weg zu ßnden, der nicht zur geist- mit Hilfe der Keramik versucht ist. Dem
losen Nachahmung fremder Muster, sondern Beispiele dieser jungen Gesellschaft folgend,
zu eigener Schöpfung führt. Die ,Arte della hat auch eine der ältesten Florentiner Manu-
Ceramica' denkt nun an die Verwendung des fakturen, die von Ginori, dem modernen
Steingutes als Aussendekoration für die Geiste Rechnung getragen (wie man wohl
Fassaden, und man konnte in Turin einige sagt), und so kann man auch hier einzelne
Panneaux sehen, welche die einzelnen Phasen gute Arbeiten, Speiseservice und ein ge-
der keramischen Arbeit zeigen, sowie auch schmachvolles Badezimmer sehen. Wenn ich
zwei Interieurs, ein Speisezimmer und ein nun noch erwähne, dass ein Turiner Juwelier,
Badezimmer, in denen die Innendekoration Musy, in französischem Geschmacke hübsche
VASEN « AUSCEFOHRT VON DER VEREINIGUNG >ARTE DELLA CERAMICA.. FLORENZ
467 :
-.. =--ö> DIE TURINER AUSSTELLUNG <^-,^
KRONLEUCHTER AUS SCHMIEDEEISEN MIT FLACHRELIEFS « ENT-
WORFEN VON ALICE NORDIN « AUSGEFOHRT VON DER METALL-
WARENFABRIK FOERENADE KONSTGJUTERIERNA, STOCKHOLM •
Schmuckwaren ausstellt, so glaube ich der
italienischen Sektion gerecht geworden zu
sein. Von der grossen Ausstellung der
Malereien und Skulpturen möchte ich näm-
lich lieber nicht sprechen, da hier vielem
Bekannten, was man auf den regelmässigen
Ausstellungen (z. B. in Venedig) sehen konnte,
nur eine Ueberfülle von Mittelmässigkeit und
Talentlosigkeit angereiht worden ist. w. Fred
DIE SEKTION SKANDINAVIEN
Von den drei skandinavischen Ländern hat
nur Schweden in grösserem Stile ausgestellt.
Dänemark hat sich, sieht man von der gering-
Fügigen Schaustellung einiger Porzellanmanu-
fakturen ab, nicht beteiligt, und Norwegen ist
lediglich durch zwei Künstler, Herrn H. St.
Lerche und Frau Frieda Hansen vertreten.
Allerdings stehen Rang und künst-
lerischer Wert dieser ganz intimen
kleinen Ausstellung weitaus höher
als manche volle Galerie. Denn
hier findet man starke Persönlich-
keit, hier spricht sich eigenartige
künstlerische Phantasie stilgerecht
aus. H. St. Lerche, von Ab-
stammung also Norweger, ist ein
Europäer kosmopolitischer Art. In
Düsseldorf ist er zur Welt ge-
kommen, in Italien hat er, einer
früh • jugendlichen Arbeitspassion
folgend , als allergewöhnlichster
Töpferlehrling gearbeitet, in Paris
sind seine ersten künstlerischen
Erfolge gekommen, und jetzt lebt
er wiederum in Rom. Wie sein
Leben das Zeichen ungestümen
Wandertriebes, die freie Lust am
Wechsel und der seelenbildenden
Entwicklung zeigt, so ist auch
seine Kunst vielfältig. Er versucht
sich mit dem allerbesten Gelingen
in Töpfereien der mannigfaltigsten
Art, Fayence, wie auch Steingut
und Steinzeug, nutzt die Natur-
motive oder das Spiel des Feuers,
formt die absonderlichsten Tiere,
grässliche wilde Fratzen. Oder er
wendet sich vom weichen Material
ab, folgt anderen Bedingungen
eines neuen Stoffes und schafft
in Bronze, jetzt meist in der ro-
manischen Technik ä cire perdu,
wobei das Wachs ihm die gute
Möglichkeit giebt, jeder noch so
leisen Neigung seiner Laune, seines
spielenden Talentes zu folgen. Es freut
diesen interessanten Künstler, der alle seine
Arbeiten bis ins kleinste selbst macht, un-
gemein, merkwürdige Tiergestalten oder auch
Menschenzerrbilder zu schaffen. Die plastische
Karikatur ist seine Stärke. Dann wieder
nutzt er die Schärfe seines Auges und seiner
Charakterisierungskunst zum Bildnis, und
seine Büste des sitzenden Papstes, nach der
Natur modelliert, macht einen überwältigenden
Eindruck.Jene physische Seh wäche.ja geradezu
Aufgelöstheit, das Staunen, dass noch Leben
und Fähigkeit zu Thaten in diesem gebrech-
lichen Leib wohne, das jeder, der den heiligen
Vater jetzt zu sehen bekommt, unerhört stark
empfindet, ist in dieser Bronze aufs feinste
zum Ausdruck gekommen. Auch der graziöse
Schmuck H. St. Lerchb's sei erwähnt. Die
Bildwebereien und handgearbeiteten Teppiche
der Frau Frieda Hansen mit ihren kräftigen
^i-^^> DIE SEKTION SKANDINAVIEN <^-^
BOWLE AUS MATT OXYDIERTEM SILBER «ENTWORFEN
VON FERDtNAND BOBERG • AUSCEFOHRT VON HOF-
JUWELIER K. ANDERSON, STOCKHOLM ••«••••
Farben, dem guten Stil (wenn
auch allzu oft Malerisches er-
strebt wird) ihrer Darstel-
lungen, sind von Paris her
vorteilhaft bekannt.
In der schwedischen Ab-
teilung merkt man mit ange-
nehmen Gefiililen an vielen
Objekten die Eigenart des
Architekten Boberg. Von
ihm sind eine Reihe der Mö-
bel, die vorzüglich durch die
Wucht des schön gearbeiteten
Materials wirken sollen, von
ihm sind u. a. auch die Ent-
würfe zu Andersgn's gutem
Silbergeschirr. Von Ferdi-
nand und Anna Boberg sind
schwer, milchig im Tone und im Guss mit
Ornament geziert, das meist naturalistisch ist,
also Blumen-, Blatt- und Pflanzenmotive hat.
Von den Metallarbeiten, die in der Sektion
Schweden sehr gut vertreten sind, Helen mir
Werke der Manufakturen Fobrbnadb und
Gamla SantessonskaTenngjuteribt, Stock-
holm, auf; für die erstere hat z. B. Frl.
ALrCB Nordin einen leichten, gut geformten
Lüster mit Flachreliefs gezeichnet, der alles Lob
verdient. Die Arbeiten der Santessonska sind
sehr interessant, da sie durch verwischte Töne
und merkwürdige Aetzungsmusler zugleich
einen altertümlichen und japanischen, und doch
originell-selbständigen Eindruck machen. Die
Formen sind übrigens auch abwechslungsreich
und sonderbar. Von den beiden Keramik-
manufakturen RÖrstrand und Gustafsbbrg
ist zu berichten, dass sie ihren guten Rang und
Namen weiter behaupten, wovon die Illustra-
tionen Zeugnis ablegen mögen. w. Fred
^^ DIE SEKTION SKANDINAVIEN -<^J-c-
H. ST. LEKCHE • FAYENCEN
rASE AUS DER PORZELLANFABRIK GUSTAFSBERG, STOCKHOLM
-^r-^> DIE TURINER AUSSTELLUNG -(^^^
VASEN AUS DER PORZELLANFABRIK GUSTAFSBERC, 5TOCKHI
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^j-^> DIE SEKTION SKANDINAVIEN <^^^
H. ST. LEHCHE • FAYENCEN
LEUCHTER UND VASE AUS DER PORZELLANFABRIK GUSTAFSBERG, STOCKHOLM
471
^T-^> DIE TURINER AUSSTELLUNG <^S^^
BERICHTIGUNG
In die UnterschriTien der Abbildungen im
vorigen Hefte haben sich leider infolge des
Fehlens eines Kataloges einige Unrichtig-
keiten eingeschlichen. Der auf den Seiten
401 und 403 abgebildete schottische Raum,
den wir irrtümlich dem Ehepaar Mackintosh
zugeschrieben haben, ist von J. Herbert
McNair und seiner Gattin Frances McNair-
JVlACDONALDentworfen, während diedrei Kissen
auf Seite 415 von Schülerinnen der Glasgow
School of Art unter der Leitung von Mrs. Jessib |
R. Nevbery und der Wandbehang auf der-l
selben Seite von Miss Keyden angefertigt
wurden. Wir tragen bei dieser Gelegenheit
noch nach, dass die Vase auf dem Blumen-
tischchen — Seite 409 — von Mrs. Mar-
garet Macdonald-Mackintosh, der da- [
neben hängende Spiegel von Talwin Morris j
entworfen wurde.
Die Reoaktion
n Alphon 9 Bruckminn, Münc
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