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Full text of "Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover"

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RREO  TO 


Harvard  University  Library 

Bought  firom  the 

ARTHUR  TRACY  CABOT 
BEQUEST 

For  the  Purchase  of 

Books  on  Fine  Arts 


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UNSTDENKMÄLER 


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DER  PROVINZ 


HANNOVER. 


HERAUSGEGEBEN 

IM  AUFTRAGE  DER  PROVINZIAL- KOMMISSION  ZUR  ERFORSCHUNG  UND 

ERHALTUNG  DER  DENKMÄLER  IN  DER  PROVINZ  HANNOVER 

VOH 

Dr.  PHIL.  CARL  WOLFF, 

STADTBAÜBATH. 


III.  REGIERUNGSBEZIRK  LÜNEBURG. 


1.  KREISE  BÜRGDORF  UND  FALLINGBOSTEL. 


MIT  2  TAFELN  UND  62  TEXTABBILDUNGEN. 


IIAN.NOVKII. 
SELBSTVERLAG  DER  PROVINZIALVERWALTUNG. 

THEODOR  SCHÜLZES  BUCHHAKDLUNG. 

1902. 


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UNIVCRSITY 
UBRARY 


Hof  buchdruckerei  Gebrüder  Jänecke,  Hannover. 


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Burg-dorf  und  Falling'bostel 

Unter  der  Leitung  des  Herausgebers  bearbeitet  von 
Heinrich  Fischer  und  Dr.  Fritz  Traugott  Schulz. 


Vorwort. 


^ie  Bearbeitung  der  vorliegenden  Lieferung  erfolgte  unter  der  Leitung  des 
^^^^^  Unterzeichneten  durch  den  Architekten  Heinrich  Fischer,  welcher  mit 
der  Anfertigung  der  Denkmälerbeschreibungen  beschäftigt  wurde  und  nach 
dessen  Abgang  durch  Dr.  Fritz  Traugott  Schulz,  z.  Z.  Assistent  am  Germa- 
nischen Museum  in  Nürnberg,  welcher  den  geschichtlichen  Theil,  die  beiden 
Einleitungen  und  die  Zusammenstellung  der  Litteratur  und  Quellen  übernahm 
und  die  Beschreibungen  ergänzte.  Die  Benutzung  der  Archive  wurde  durch 
das  freundliche  Entgegenkommen  des  Vorstandes  des  Königlichen  Staatsarchivs, 
Geheimen  Archivraths  Dr.  Doebner  und  des  Archiv- Assistenten  Dr.  Fink, 
sowie  des  Vorstandes  des  Stadtarchivs  in  Hannover,  Stadtarchivars  Dr.  Jürgens, 
welcher  ausserdem  auf  manche  bemerkenswerthe  Nachricht  aufmerksam  machte, 
wesentlich  erleichtert.  Auch  konnten  einige  Mittheilungen  des  Architekten 
R.  Philipp  Bromme  über  die  Kapelle  in  Immensen  und  die  Kirche  in 
Stellichte,  des,  Grafen  von  der  Schulenburg-Wolfsburg  auf  Haus  Rethmar 
über  Rethmar  und  des  Geheimen  Bauraths  Schuster  über  Ahlden  verwerthet 
werden.  Femer  hatten  der  Amtsrichter  E.  v.  Bennigsen  in  Syke  seine 
geschichtlichen  Notizen  und  der  Geheime  Rath  Doebner  das  Register  zum 
achten  Bande  seines  Urkundenbuches,  soweit  es  fertig  gedruckt  war,  bereit- 
willigst zur  Verfügung  gestellt. 

Die  Aufnahmen  sind  in  der  Hauptsache  durch  den  Architekten  Fischer, 

einige  derselben  durch  Dr.  Schulz  angefertigt.    Der  Architekt  Bromme  lieferte 

in  dankenswerther  Weise  die  Aufnahmen  Fig.  51  und  53 — 59,  die  Architekten 

Echtermeyer   und   Franz   A.    Krüger   Fig.   42—44,   Pastor   Junker   in 

^Schwarmstedt  Fig.  45—48,  Pastor  ü  hl  hörn  in  Ricklingen  Fig.  14,  15, 17  und  19, 


-tHg    IV    8^ 

Architekt  Wendebourg  Fig.  12  und  20  und  die  Firma  Henning  &  Andres 
Fig.  66.  Zu  Fig.  16  konnte  eine  Aufnahme  des  Ereisbauinspektors  Schlöbcke 
benutzt  werden. 

Die  Verzeichnisse  wurden  von  dem  Regierungsbaumeister  Siebern 
aufgestellt,  welcher  sich  in  Gemeinschaft  mit  dem  Bibliothekar  Dr.  Thimme 
auch  an  der  Korrektur  des  Werkes  betheiligte. 

Den  Druck  besorgte  die  Hofbuchdruckerei  von  Gebrüder  Jänccke, 
die  Herstellung  der  Lichtdrucktafeln  die  Eunstanstalt  von  G.  Alpers  jr.,  die 
Druckstöcke  der  Textabbildungen  die  Eunstanstalt  von  L.  Hemmer,  sämmtlich 
in  Hannover. 

Allen,  welche  zum  Gelingen  des  Werkes  beigetragen  haben,  sei  auch 
an  dieser  Stelle  der  herzlichste  Dank  ausgesprochen. 


Hannover,  20.  September  1902. 


Carl  Wolff. 


Ortsverzeichniss. 


(Auf  den  stärker  gedmckten  Seiten  ist  der  Ort  im  Zusammenhang  behandelt.) 


Seite 

Abbensen 5 

Ahlden   .   .  105,  114,  117,  120,  122,  128,  133, 

134,  138,  142,  148,  181 

AWten 6,  46 

Aligse 21,  52 

Alt-Schwarmstedt 148 

Bässen 106 

Bennemühlen 11,  13,  73 

Bergen 106 

Bierde 111 

Bilm 12,  46 

Bissendorf 11,  13,  16,  27,  32,  73 

Böhme 111 

Bokholt 148 

Bothmer 113,  164 

Braunschweig 71,  81 

Bremen 165 

Breiingen 16,  27,  32,  75 

Buchholz 13,  148 

Burgdorf  (Kreis) 1 

Burgdorf  7,  18,  33,  52,  59,  76,  78,  79,  90,  99 
Burgwedel 23,  27,  90 

Celle 1,  114,  121,  144 

Dolgen 31,  34,  88 

Dollbergen 148,  32 

Dorfmark 106,  114,  122,  142,  181 

Dfishom     ...       .106,  111,  117,  122,  142 

Eddesse 90 

£demi8sen 90 

Eiekeloh 106,  118 

Eickenrode 90 

Eilte 120 

Elze 32,  90 

Engensen 21,  33,  99 

Eseringen 19 


Essel 
Evern 


Seite 
148 

•     •     •     •      V*;    ö«/ 


Fallingbostel  (Kreis) 101 

Fallingbostel 106,  121,  171 

Fuhrberg 27,  36 

Gailhof 13 

Garvesen 19 

Gilgen 34 

Gilten 106,  123,  141,  164,  166,  167 

Glashof 166 

Göttingen 81 

Gretenberg 31,  88 

Gross-Burgwedel 25,  36 

Gross-Grindau 148 

Gross-Horst 59 

Hademsdorf 119 

Haimar 30,  31,  34,  39,  71,  88 

Hainhaus 13 

Hameln 134,  135 

Hänigsen 37 

Hannover 1,  20,  81,  148 

Harber 42 

Heessel 18 

Helen 106 

Hellendorf 11,  13,  73 

Heisdorf 5,  13 

Hermborg lOG 

Heselingen 19 

Hildesheim    .    .  1,  46,  54,  70,  78,  79,  87,  88, 

94,  97,  164 

Hodenhagen 127,  128 

Hohenhameln 39,  43,  90 

Horst 7,  59 

Höver 45,  46 

Hoya 144,  155,  164 


-tHg    VI    8^ 


Seite 

Hudemühlen 127 

Hussen 106 

Ickhorst 13 

Jeversen 148 

Usede 90 

Uten 6,  9,  12,  23,  45,  46 

ImmenBen 21,  52,  95 

Isernhagen 27,  53 

Kirchboitzen 119,  132 

Kirchhorst 7,  21,  27,  59,  90 

Kirchrode 9 

Kirchwahlingen 111,  133,  168 

Klein-Burgwedel 26,  27 

Lehrte •  .   .   .     31,  70,  88 

Lindage 90 

Loccnm 5 

Lohne 59 

Lübbecke 107 

Lühnde 6,  39,  45,  70,  80,  87 

Lüneburg 71,  144,  145 

Mandelsloh   .  5,  16,  17,  73,  75,  123,  141,  164 

Mariensee 13,  123,  141,  164 

Markeldorp 148 

Maspe 13 

Mehmm 90 

Meinerdingen 137,  166,  122,  106 

Meinersen 23,  37,  99 

Meilendorf 13,  27,  72 

Minden   .   .   .  54^  79,  105,  106,  122,  128,  128, 

138,  144,  146,  155,  166 
Mohlmühlen 13 

Negenbom 75 

Neuen -Warmbüchen 27 

Neustadt 13,  106,  141 

Neustadt  a.  R. 164 

Niederstöcken 141 

Norddrebber 141 

Northeim 81 

Obershagen 76 

Oedingen 19 

Oelerse 77 

Oldhorst 27 

Ostenholz 141 

Otze 78 

Peine 90 


Seite 
Quedlinburg 166 

Ramlingen 79 

Rethem 144 

Rethmar 


Scherenbostel 13 

Schlage 13 

Schmedenstedt 27 

Schomsteinhagen 76 

Schwarmessen 106 

Schwarmstedt 27,  148,  113,  164 

Schwüblingsen 85,  90 

Sehnde 31,  87 

Sievershausen  .   .    13,  21,  22,  24,  27,  32,  33, 

52,  59,  77,  85,  89,  94,  97,  99 

Soltau 106,  114,  122,  154 

Sommerbostel 13 

Steimke 166 

Steinwedel 21,  52,  71,  90,  94 

Stelle 7,  21,  59 

Stellichte 154,  170 

Steterburg 87 

Stöcken 147 

Suderbruch 163 

Südwinsen 148 

Thönse 33,  21,  99 

Twenge 13 

Uetze 37,  90,  97 

Verden 138,  144,  154,  171 

Vöhrum 90 

Wahlingen 146 

Wahlnigsen 106 

Walsrode  .  106,  119,  122,  123,  138,  155,  164 

Wellingsen 19 

Wennebostel 13 

Wense 180 

Wettmar 21,  27,  33,  90,  99 

Wichendorf 13 

Wienhausen 32,  33,  43,  77,  85,  90 

Winsen 106,  148 

Wipshausen 90 

Wistendorp 106 

Wolterdingen 138 

Woltingerode 87 

Wunstorf 5,  105,  106 

Zeven 133 


^*ö 


Verzeichniss  der  Abbildungen. 


Pignr 
1 
2 
3 
4 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

13 
14 
15 
16 
17 
18 
19 
20 
21 
22 
23 
24 
25 
26 
27 
28 
29-30 
31 
32 
33 
34 

a5 

36 
37 
38 
39 
40 
41 


Der  Kreis  Burgdorf 

Kapelle  in  Änderten;  Grundriss 

Kirche  in  Bissendorf 

Tj  71  n  Grabmal 

Kirche  in  Gross-Burgwedel;  Grabstein 

Kirche  in  Harber;  Schallöflfnungen 

„         „  „         Altarlenchter 

Kirche  in  Uten;  Altar .   . 

^         y,        ^        Gedenktafel 

Kirche  in  Isernhagen;  Fenster 

„         „  ^  Taufstein 

Kirche  in  Kirchhorst;  oberer  Grundriss  vor  der  Wieder- 
herstellung     

J^         -n  V  Vorhalle 

n        .^  „  Wand-  und  Deckenmalereien.   . 

„         „               „              Chor  vor  der  Wiederherstellung 
n         v  n  Grabstein 

n         7)  n  Grabmal 

„  „  alte  ThUr 

Herrenhaus  in  Rethmar;  Thür 

Kapelle  in  Schwüblingsen;  Crucifixus 

Kirche  in  Sievershausen;  Thür 

Der  Kreis  Fallingbostel 

Kirche  in  Ahlden;  Altarleuchter 

Schloss  in  Ahlden;  Hofseite 

Kapelle  in  Böhme;  Grundriss 

Kirche  in  Dorfmark;  TaufgefUss 

Kirche  in  DU shorn;  Figurengruppen 

Kirche  in  Gilten;  Fenster 

n         T)         n         Altarleuchter 

Kirche  in  Hudemlihlen 

Kirche  in  Kirchwahlingen;  Thür 

n  n  n  Altarleuchter 

Kirche  in  Meinerdingen;  Grundriss 

V  77  71  

n         V  n  Zinnvase 

Kirche  in  Ostenholz;  Grundriss 

„         „  „  Südseite 

Schloss  in  Kethem;  Konsole ^  .    .    . 


Seite 
2 
9 

14 
15 
29 
43 
44 
48 
51 
56 
58 

60 

61 

62 

63 

64 

65 

66 

68 

69 

84 

86 

93 

102 

108 

110 

112 

116 

118 

124 

125 

129 

135 

136 

138 

189 

140 

142 

143 

147 


Tafel 


-^    VIII    8^ 


Figur  Seite 

42—44  Kirche  in  Schwarmstedt;  Längenschnitt,  Querschnitt, 

Grundriss 149 

4o  „  „  „  Altar '. 

46 — 48  „         ^                 Yi               Grabmale  und  Crucifixus.    .   .  151 

49  Kirche  in  Stelliehte;  Grundriss  vor  der  Wiederherstellung  156 

50  n          n             ri           Nordseite 157 

51  „         „             „           Thürlaibung  der  Südseite 158 

52  „          „             „           Fenster 158 

53 — 57  „         ^             „           HolzfUUungen  der  Chorschrankc .   .  159 

58—59           1,         n             n           Grabmäler 162 

(50 — 62  7)         rt             T)           Orgel,  Taufbecken  und  Kanzel   .   . 

63  Kirche  in  Walsrode;  Westseite 172 

64  n         n            n            Glockeninschrift 173 

65  Kloster  in  Walsrode 175 

66  „         „            „           Glasmalereien 177 


Tafel 


I 


II 


Sachverzeichniss. 


(Die  stärker  gedmckten  Seiten 
Altäre  5,  7,  14,  28,  87,  88,  41,  45,  41,  58, 
57,   63,   74,   77,  78,  83,  86,  88,  98,  96, 
112,   115,   117,  125,  180,  136,  141,  142, 
150,  160,  174,  181. 

Alt*rkanzeln  14,  41,  45,  49,  74,  83,  96, 
112,  130,  141,  142. 

Altarleuchter  11,  14,  38,  42,  44,  49,  53, 
63,  71,  74,  77,  78,  80,  93,  96,  IM,  112, 
115,  117,  122,  125,  130,  136,  140,  141, 
143,  150,  160,  174. 

Altarwand  173. 

Amtshänser  Bissendorf  13,  Burgdorf  18, 
Gross-Burgwedel  25,  Rethem  147. 

Armenhaus  Burgdorf  18f 

Becher  49. 

Bildwerke  80,  117,  175. 

Chorschranken  159. 

Chronostichon  94. 

Ciborien  49,  63, 109, 117, 125, 130, 143,  160. 

Crücifixe  63,  71,  77,  86,  109,  130,  151, 176. 
Dachreiter  7,  12,  32,  34,  37,  38,  45,  75, 

77,  79,  86,  113,  130,  176. 
Denkmal  120. 
Elle  70. 

Emporen  7,  10,  12,  14,  ,24,  27,  38,  41,  45, 
50,  82,  88,  96,  122,  125,  130,  140,  142, 
150,  181. 

Emporenbrtistung  65. 

ErbbegräbnisB  53,  82,  134.     • 

Gedenktafeln  15,  126,  130,  160,  173. 

Gemälde  7,  28,  46,  50,  80,  94,  109,  115, 
118,  151,  161,  176. 

Gerichtsgebäude  Rethem  144. 

GJasgemälde  78,  80,  131,  140,  164,  176. 

Glocken  7,  11,  12,  15,  17,  28,  31,  37,  38, 
42,  44,  46,  50,  57,  65,  71,  74,  78,  83,  88, 
96,  115,  120,  122,  126,  151,  161,  174. 
Glockenstnhl  57. 


beziehen  sich  auf  Abbildungen.) 
Glockenthürme  115,  122. 

Goldschmiedzeichen  30,  49,  50,  51,  63, 
69,  70,  109,  140,  143,  150,  153. 

Gräben  12,  25,  111,  121. 

Grabgewölbe  120,  159. 

Grabkapelle  Eickeloh  119. 

Grabmäler  und  Grabsteine  15,  16,  17, 
18,  24,  25,  28,  29,  38,  42,  44,  50,  57,  65, 
66,  67,  68,  71,  72,  83,  89,  96,  99,  109 
118,  126,  131,  132,  136,  152,  153,  160, 
162,  164,  174,  176,  181. 

Gruft  112,  113,  117,  ISa 

Herrenhäuser  BennemUhlenll,Rethmar  80, 
Uetze  97,  Böhme  111,  Eilte  120,  Stel- 
lichte 154. 

Kannen  29,  38,  44,  50,  109,  132. 

Kanzeln  7,  11,  39,  53,  57,  80,  88,  118,  126, 
137,  153,  162,  182. 

Kapellen  Abbensen  5,  Ahlten  6,  Alten- 
WarmbUchen  7,  Änderten  8,  Arpke  11, 
Bilm  12,  Dolgen  80,  Dollbergen  32, 
Elze  32,  Engensen  33,  Evem  34,  Fuhr- 
berg 36,  Höver  45,  Immensen  52,  Negen- 
bom  75,  Oelerse  77,  Otze  78,  Ram- 
lingen  79,  Schwüblingsen  85^  Böhme  111, 
Bothmer  113,  Norddrebber  141 ,  Wense  180. 

Kelche  16,  29,  45,  51,  57,  69,  72,  74,  84, 
109,  115,  118,  120,  123,  126,  132,  133, 
137,  140,  143,  153,  163,  164. 

Kirchen  Bissendorf  13,  Breiingen  16, 
Burgdorf  18,  Gross-Burgwedel  25, 
Hänigsen  37,  Haimar  39,  Harber  42, 
Uten  46,  Isemhagen  53,  Kirchhorst  59, 
Lehrte  70,  Meilendorf  72,  Obershagen  76, 
Rethmar  80,  Sehnde  87,  Sievershausen  89, 
Steinwedel  94>  Uetze  97,  Wettmar  99, 
Ahlden  105,  Dorfmark  114,  Düshom  117, 
Eickelohll8,  Fallingbostell21,  Gilten  123, 
HudemUhlen  127,  Kirchboitzen  132,  Kirch- 


-^    X    H- 


wahlingen  138,  Meinerdingen  137,  Osten- 
holz  141,  Schwarmstedt  148,  Stellichte  154, 
Suderbruch  163,  Walsrode  164. 

Kirchenstühle  159. 

Kirchthürme  14,  24,  27,  33,  41,  43,  49,  56, 

63,  71,  82,  88,  93,  96,  108,  125,  136,  140, 

142,  150,  159,  173. 

Klöster  Mariensee  9,  123,  141,  164,  Steter- 
burg 87,  Woltingerode  87,  zur  Sülte  88, 
Bartholomäuskloster  in  Hildesheim  88, 
Michaeliskloster  in  Hildesheim  88,  94,  97, 
Zeven  133,  St.  Martini  in  Minden  141, 
Moritzkloster  auf  dem  Werder  bei 
Minden  148,  Walsrode  164,  Wienhausen 
32,  33,  48,  77,  85,  90. 

Kl  oster  chor  Walsrode  164. 

Kronleuchter  140. 

Maasswerk  43,  55,  62,  130,  174. 

Orgeln  24,  51,  109,  125,  154,  163. 

Paramente  108,  150. 

Patronatsstuhl  70. 

Rathhaus  Walsrode  164. 

Beliqnienschrein  176. 

Bittergut  Ahlten  6. 

Sakristeien  125,  135,  150. 

Sarg  85. 


Schloss  Ahlden  105. 
Schränke  137,  177. 
Siegel  57,  140,  177,  180. 
Sonnenuhren  30,  55,  142,  150. 
Taufbecken  aus  Holz  42,  143,    163,    aus 
MetaU  30,  51,  74»  116,  120,  132. 

Taufengel  70,  140. 

Tauf  steine  5,  7,  39,  57,  89,  96,  123,  137, 

140,  154. 
Thür  70. 
Thurm  127. 
Triumphkreuz  30. 
Uhr  178. 
Vasen  140. 
Wand-  und  Deckenmalereien  30,  64. 

Wappen  15,  17,  28,  42,  44,  47,  49,  50,  51, 
57,  58,  63,  65,  69,  71,  78,  80,  82,  83,  85, 
96,  99,  109,  110,  118,  114,  120,  125,  126, 
181,  132,  136,  137,  140,  147,  151,  152, 
153,  154,  158,  160,  161,  162,  163,  164, 
174,  175,  176,  177,  178,  180,  181,  182. 

Wetterfahne  53. 

Wohnhaus  53.12  _. 

Zifferblätter  154. 

Zinngiesserzeichen  49,  57,  71. 


"m 


Künstlerverzeichniss. 


Adam,  Dietrich  (Goldschmied),  148. 

Anthoni,  Assmns  (französischer  Gärtner- 
meister),  108. 

B,  N  (N.  B.)  (Bildhauer),  58. 

Bamewitz  (Bildhauer),  66. 

Bartels,  Daniel  (Bildhauer),  60. 

Bartels,  Heinrich  Conrad  (Bildschnitzer),  169. 

Becker,  C.  A.  (Glockengiesser),  65,  %. 

Becker,  Peter  August  (Glockengiesser),  55. 

Behrens,  Hans  (Maler),  54. 

Behrens,  M.,  Johann  (Maler),  40. 

Bock  (Glockengiesser),  11. 

Brfiggemann  (Maler),  80. 

BrUggemann  (Bildschnitzer),  168. 

Campenius,  Adolphus  (Orgelbauer),  169. 

Gasten,  Hans  (Orgelbauer),  22. 

Christ,  Hans  (Architekt),  22. 

Cordes  (Tischlermeister),  53. 

Damm,  H.  L.  (Glockengiesser),  28,  65,  71, 151. 

Diisterdich  (Glasermeister),  53. 

Dreier,  Cord  (Bildschnitzer),  169. 

Flegel,  Just,  Ludwig  (Zinngiesser),  49. 

Gerd  (Architekt),  148. 

Getelde,  Hans  (Maler),  91. 

Havtsch,  Johann  Christoph  (Glocken- 
giesser) 115. 

Hawer,  Henning  (Maler),  81. 

Heyde,  Kord  van  der  (Glockengiesser),  138. 

Höyer,  Anton  (Bildhauer),  %. 

Hoyer,  J.  B.  (Bildhauer),  89. 

Hüsemann  (Orgelbauer),  41. 

Jäger,  Henning  (Maler),  95. 

Kahlen,  H.  (Stückgiesser),  22. 

Keusser,  Justus  (Orgelbauer),  149. 

Keyser,  Justus  (Orgelbauer),  169. 

Knust,  Berend  (Bathsmaurermeister),  169. 

Körber,  Jakob  (Glockengiesser),  95. 


Lampen,  M.  Henni  (Glockengiesser),  89,  95. 

Lippold  (Kgl.  Festungsmaurermeister),  95. 

Mare,  M.  Märten  de  (Orgelbauer)  163. 

Mathias  (Goldschmied),  77. 

Meier,  Johann  (Glockengiesser),  38,  55,  57, 
79,  120. 

Meuten,  Diderich  (Glockengiesser),  42. 

Meyfeld,  Just  Andreas  (Glockengiesser),  38. 

N.,  H.  (H.  N.)  (Bildhauer),  15. 

Ochsenkopf,  Heinrich  (Bildschnitzer),  81. 

Olpke,  M.  Johann  (Maler),  52. 

Ossenkopf,   M.  Cnrt  (Bildschnitzer),  40,  54. 

Pelckinck,  Hans  (Glockengiesser),  53. 

Rade,  Hermann  und  Caspar  y.  (Maler),  168. 

Riedeweg,  M.  Thomas  (Glockengiesser),  23, 
44,  50,  54,  122,  123,  149,  174. 

Ritterhof,  Conrad  (Bildhauer  und  Maler),  170. 

S.  J.  G.  (J.  G.  S.)  (Bildhauer),  115. 

Schultz  (Maler),  47. 

Siegfried,  Ludolf  (Glockengiesser),  40,  47, 
50,  151. 

Strauss  (Ingenieur),  108. 

Symon,  Thomas  (Glockengiesser),  168. 

Thies,  Franz  Jürgen  (Klempnermeister),  23. 

Uhle,  Hans  Jakob  (Bildhauer),  66. 

Yick  (Landbaumeister),  166. 

Vos,  M.,  Pawel  (Glockengiesser),  71. 

W.,  H.  (H.  W.)  (Bildhauer),  83. 

Weidemann,  Joh.  Heinr.  Christ.  (Glocken- 
giesser), 17,  38,  44,  54,  74,  176. 

Wiegel,  Jonas  (Orgelbauer),  47. 

Wilhelm,  Hans  (Maler),  81. 

WUbbers,  J.  (Zinngiesser),  23. 

Wulff  (Goldschmied),  54. 

Ziegner,  M.  Johann  Georg  (Glocken- 
giesser), 37. 

Zuberbier,  Johann  Andreas  (Orgelbauer),  95. 


Der  Kreis  Burgfdorf. 


Einleitung. 


^er  Ejreis  Burgdorf  wird  im  Westen  vom  Regierungsbezirk  Hannover,  im 
Süden  und  Südosten  vom  Regierangsbezirk  Hildesheim,  im  Nordosten 
vom  Kreis  Gelle  und  im  Norden  vom  Kreis  Fallingbostel  begrenzt. 
Er  ist  837,82  qkm  gross  und  setzt  sich  aus  zwei  Stadtgemeinden,  81  Land- 
gemeinden und  zwei  selbständigen  Gutsbezirken  zusammen.  Der  Boden,  welcher 
die  Merkmale  der  Lüneburger  Heide  trägt,  ist,  abgesehen  von  kleineren  Er- 
hebungen im  Süden,  Osten  und  namentlich  im  Nordwesten,  flach.  Bei  Bissen- 
dorf, Burgdorf  und  Uten  trifft  man  auf  Ejreideschichten.  Reichere  Waldungen 
finden  sich  bei  Ahlten,  zwischen  Burgdorf  und  Uetze,  sowie  im  Nordwesten. 
Moore  giebt  es  bei  Alten -Warmbüchen,  Oldhorst,  nördlich  von  Wettmar  und 
in  der  Gegend  von  Meilendorf.  Bewässert  wird  der  Kreis  von  der  Fuhse,  Aue 
und  Wietze  mit  ihren  Zuflüssen.  Die  Zahl  der  dem  niedersächsischen  Stamme 
angehörenden  Bewohner  beläuft  sich  auf  rund  36000.  Sie  treiben  in  erster 
Linie  Viehzucht  und  Ackerbau  und  handeln  mit  den  Erzeugnissen  ihrer  Thätig- 
keit.  Ziegeleien  finden  sich  an  vielen  Orten;  auch  sind  einzelne  Zuckerfabriken 
imd  Cementfabriken  vorhanden.  Windmühlen  sind  über  das  ganze  Land  hin 
zerstreut.  Als  Hauptverkehrswege  dienen  die  Chausseen  Hannover-Walsrode 
und  Hannover-Celle,  sowie  die  in  Fig.  1  angegebenen  Landstrassen.  Folgende 
Eisenbahnlinien  durchschneiden  den  Kreis:  Hannover  -  Lehrte  -  Hildesheim, 
Hannover -Lehrte -Braunschweig,  Hanno  ver  -  Oebisfelde,  Hannover  -  Uelzen  und 
Hannover -Soltau.  Eine  Aussenstrecke  der  elektrischen  Bahn  verbindet  die  an 
der  Landstrasse  Hannover-Haimar  belegenen  Orte  mit  einander. 

Der  Kreis  ist  im  ehemaligen  Fürstenthum  Lüneburg  und  nur  zum  kleinen 
Theil  im  Fürstenthum  Galenberg  belegen.  Zu  letzterem  gehört  nur  der  den 
Gemeinden  Uten  und  Bilm  bei  der  Theilung  zugefallene  Antheil  am  sogenannten 
Eisenwinkel  vom  Bezirke  des  alten  Amtes  Hannover.  Der  Kreis  theilt  die 
wechselreichen  Geschicke  des  Fürstenthums,  die  nur  in  schwachen  Umrissen 
angedeutet  sein  mögen :  Im  Jahre  1235  erhielt  Otto  das  Kind  das  neu  begründete 
Herzogthum   Braunschweig  -  Lüneburg    als    erbliches   Reichslehen    und   wurde 


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Reichsfurst.  Seine  Söhne  Albrecht  und  Johann  theilten  1267  die  Lande:  Johann 
erhielt  das  Herzogthum  Lüneburg  und  die  Stadt  Hannover^  Albrecht  das  Herzog- 
thum  Braunschweig  sowie  Galenberg  und  Göttingen.  Diese  Theilung  begründete 
die  Trennung  der  Lande  Braunschweig  und  Lüneburg.  Als  Johanns  Enkel, 
Wilhelm  von  Lüneburg,  ohne  Söhne  starb,  entbrannte  über  die  Nachfolge  der 
grosse  Lüneburgische  Erbfolgekrieg  zwischen  Magnus  Torquatus  und  Albrecht 
von  Sachsen.    Die  mannigfachen  Zwistigkeiten  fanden  ihren  Abschluss  durch 

JCHEIS 

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BOSTCL 


KREIS 


CELLE 


NEUSTADT 


HANNOVER 


KREIS 
U1LDE5HEIM 


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Flg.  1.    Der  Kreis  Bargdorf. 

die  Theilung  vom  Jahre  1409:  Bernhard  erhielt  das  Braunschweigische,  Heinrich 
das  Lüneburgische  Land.  Bei  einer  weiteren  Theilung  im  Jahre  1428  wählte 
dann  Bernhard  den  Lüneburgischen  Theil.  Unter  seinen  Nachkommen  ist  Ernst 
der  Bekenner  als  eifriger  Vorkämpfer  der  Reformation  bekannt.  Seine  Enkel, 
die  Söhne  Wilhelms,  beschlossen  1610  zu  Gelle  die  Untheilbarkeit  des  Fürsten- 
thums  Lüneburg.  Herzog  Georg,  1641  gestorben,  bestimmte  in  seinem  Testament 
die  Theilung  von  Lüneburg  und  Calenberg.  Georg  Ludwig,  1714  auf  den  eng- 
lischen Thron  berufen,  vereinigte  durch  seine  Heirath  mit  Dorothea  von  Gelle 
die  sämmtlichen  weifischen  Lande. 


Eine  Sonderstellung  innerhalb  des  Kreises  nimmt  das  sogenannte  «grosse 
Freie"  ein,  welches  die  Ortschaften  Ahlten,  Änderten,  Höver,  Bilm,  Uten,  Lehrte, 
Sehnde,  Gretenberg,  Rethmar,  Evem,  Dolgen,  Haimar,  Harber  und  Klein- 
Lopke  umfasst.  Die  Freien  sind  ein  Rest  der  gemeinen  Freien,  deren  Rechte 
die  Freiheit  der  Person  und  des  Eigenthums  zum  Kern  hatten.  1248  übergab 
Graf  Heinrich  von  Lauenrode  die  „comitia  major"  gegen  eine  jährliche  Rente 
von  20  Mark  an  Otto  das  Kind.  Die  weifische  Herrschaft  befestigte  sich  hier 
seit  der  Mitte  des  XIV.  Jahrhunderts.  Im  Vertrage  zu  Minden,  1512,  erhielt 
Heinrich  der  Mittlere  von  Lüneburg  die  Freien  vor  dem  Walde,  und  seitdem 
gehören  sie  endgültig  zu  Lüneburg. 

Die  Ortschaften  gehören  in  ihrem  grösseren  Theil  der  Hildesheimschen 
Diöcese  an.  Was  jedoch  westlich  der  Wietze,  welche  im  Allgemeinen  als  die 
Grenze  angesehen  werden  darf,  belegen  ist,  gehörte  ehedem  zum  Mindener 
Archidiakonat  Mandelsloh  im  Loingau.  Von  den  übrigen  zu  Hildesheim 
gerechneten  Orten  gehören  die  nördlichen  dem  Pagus  Flutwide,  die  südlichen 
dem  Pagus  Hastfala  an.  Beide  Gaue  stossen  zwischen  Aligse  und  Lehrte 
zusammen. 

Hervorragende  Kunstwerke  hat  der  Kreis  nicht  aufzuweisen,  doch  bietet 
er  eine  Fülle  von  interessanten  Gegenständen  der  kirchlichen  Kleinkunst.  Dass 
auch  hier  die  Kunst  ehedem  gepflegt  wurde,  das  geht  aus  den  geschichtlichen 
Nachrichten  zur  Genüge  hervor.  Doch  haben  die  Fehden  zu  Beginn  des 
XV.  und  XVI.  Jahrhunderts,  besonders  aber  der  dreissigjährige  Krieg  das  ihrige 
gethan,  um  sie  in  ihrem  Aufblühen  niederzutreten.  Die  romanische  Zeit  wird 
durch  einen  Crucifixus  zu  Kirchhorst  sowie  einen  Thurm  in  Ilten  vertreten. 
Spätgothische  Kirchen  sind  in  Gross-Burgwedel,  Isemhagen,  Kirchhorst  und  Meilen- 
dorf, letztere  mit  der  Zahl  1497,  erhalten.  Kapellen  aus  dieser  Zeit  finden  sich 
an  vielen  Orten;  die  zu  Höver  trägt  die  Jahreszahl  1494.  Bemerkenswerth  ist 
der  mit  Scharten  versehene  Kirchthurm  zu  Gross-Burgwedel.  Einfache  Herrenhäuser 
werden  an  einigen  Orten  angetroffen.  Von  den  Altären  steht  neben  einigen 
aus  der  spätgothischen  Zeit  der  zu  Ilten  vom  Jahre  1724  obenan.  Ein  Altar- 
leuchter mit  der  Jahreszahl  1556  ist  in  Harber  vorhanden,  andere  zeigen  viel- 
fach gothische  AufiTassung.  Spätgothische  Crucifixe  haben  Oelerse  und  Schwüb- 
lingen  aufzuweisen.  An  Glocken  ist  ein  grosser  Reichthum  vorhanden;  eine  zu 
Gross-Burgwedel  zeigt  Formen  des  XIV.  Jahrhunderts,  eine  andere  zu  Otze 
die  Zahl  1461;  weitere  gehören  dem  XVI.  und  namentlich  dem  XVIII.  Jahr- 
hundert an.  Schöne  Grabsteine  sind  in  Gross-Burgwedel,  Kirchhorst  und  Lehrte 
vorhanden.  Die  Meister  Barnewitz  und  Hoyer  haben  besonders  gute  Stücke 
geliefert.  Spätgothische  Wandmalereien  sind  in  Gross-Burgwedel  gefunden 
worden  und  ähnliche  in  Kirchhorst  erneuert  in  ihrer  vollen  Pracht  zu  sehen. 


1* 


Abbensen. 

Kapelle. 

Litte  rat  nr:  Doebner  III,  Nachträge;  Janicke;  von  Hodenberg,  Calenberger 
ürknndenbnch  III;  Sudendorf;  Wippennann,  Bnkkigan;  Manecke  II;  Mithoff,  Kunst- 
denkmale  lY;  derselbe,  Kirchenbeschreibungen;  Holscher,  Beschreibung  des  Bisthums 
Minden;  Grütter,  Amtsvogteien  im  Fürstenthum  Lüneburg,  Hannov.  GeschichtsbL,  3.  Jahrg.; 
Schulz,  Bissendorf,  ebendort,  4.  Jahrg. 


Abbensen,  seit  Alters  Filial  zu  Heistorf,  gehörte  ehedem  mit  diesem  Geschichte, 
zum  Mindener  Archidiakonat  Mandelsloh  im  Loingau.  Es  war  der  Amtsvogtei 
Bissendorf  zugetheilt.  Im  Jahre  1287  resignieren  der  Ritter  Hildemar  von 
Oberg  und  der  Edelherr  Eonrad  von  Amheim  dem  Mindener  Bischof  Volquin 
zu  Gunsten  des  Klosters  Loccum  den  Zehnten  in  «Abbenhusen*.  In  seiner 
heutigen  Namensform  taucht  der  Ort  1353  und  in  einem  Einnahmeverzeichniss 
des  Schlosses  Celle  aus  den  Jahren  1381/82  auf.  1353  erklärt  Ritter  Johann 
Pickard,  dass  nach  seinem  Tode  seine  Güter,  darunter  ,en  hof  to  Abbensen', 
dem  Herzog  Wilhelm  von  Braunschweig  und  Lüneburg,  seinen  Erben  oder 
Nachfolgern  anheimfallen  solle. 

Nach  des  Canonicus  Jordan  Güterverzeichniss  der  Abtei  Wunstorf, 
welches  zwischen  1376  und  1379  abgefasst  sein  wird,  gehörte  zur  Abtei  ,De 
hof  to  Abbensen  Is  En  echte  hof  jn  den  Bordung  wolt".  1472  thun  die  Testa- 
mentarien des  Magnus  Lauenrode,  Propstes  zu  Mariensee,  kund,  dass  das  Kloster 
von  des  Testators  Nachlasse  disponiertermassen  den  Zehnten  zu  Abbensen, 
worauf  100  Gulden  stehen,  wieder  lösen  solle. 

Die  einfache,  mit  abgeschrägten  Ecken  im  Osten  versehene,  mit  Sattel-   Beschreibung. 
dach  überdeckte  FachwerkkapeUe   hat   eine   gerade   geputzte  Decke  mit  vor- 
stehenden Balken  und  Holzkonsolen  an  den  Seitenwänden.    Auf  der  Südseite 
liegt  die  halbkreisförmig  geschlossene  Eingangsthür  mit  der  Jahreszahl  1665 
im  Sturz.    Die  kleinen  Fenster  haben  rechteckige  Form. 

Auf  dem   mit  einer  Steinplatte  abgedeckten,  gemauerten  Altar  steht   Altar. 
ein  spätgothisches,  farbig  behandeltes,  stark  verwahrlostes  Schnitzwerk  mit  dem 
Gekreuzigten  im  Mittelsdirein. 

Ein  einfacher  gothischer  Taufstein  ist  aus  Sandstein  gearbeitet.  Tanfstein. 


-e-S     6     IK- 


Geschichte. 


A  h  1 1  e  n. 

Kapelle. 

Litteratur:  Sudendorf;  Doebner  VI;  Lüntzel,  die  ältere  Diöcese  Hildesheim ; 
Manecke  II;  von  Hodenberg,  LUneburger  Lehnregister;  Regenten-Sahl  16d8;  Böttger, 
Diöcesan-  und  Gau-Grenzen;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897;  Heise,  die  Freien;  Weber, 
die  Freien  bei  Hannover  1898;  ttithoff,  Kunstdenkmale  lY;  Kniep,  die  Freien  vor  dem 
Walde,  Hanno V.  GeschichtsbL,  3.  Jahrg. 

Quellen:  Urkunden  desKgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  Stadtarchiv  zu  Hannover, 
Redecker,  historische  CoUectanea;  Yerzeichniss  der  kirchlichen  Kunstdenkmäler  von  1896. 


Beschreibung. 


Das  im  grossen  Freien  belegene  Dorf,  ehemals  mit  Uten,  wohin  es 
noch  heute  eingepfarrt  ist,  zum  Archidiakonat  Lühnde  und  zum  Gau  Hastfala 
gehörig,  begegnet  in  der  älteren  Zeit  meist  in  der  Form  «Alten* ;  so  zwischen 
1220  und  1240  in  dem  ältesten  Exemplar  des  Lehnsregisters  des  Luthard  von 
Meinersen  (ein  anderes  Exemplar  aus  der  ersten  Hälfte  des  XIV.  Jahrhunderts 
schreibt  dafür  „Altem"),  im  Jahre  1359;  in  der  Descriptio  bonorum  prae- 
positurae  Hildensemensis  ecclesiae  tempore  Nicolai  (de  Huet)  praeposili  vom 
Jahre  1382  und  im  Jahre  1428.  1491  lautet  es  .Altenn*.  Bei  der  1360  vom 
Herzog  Wilhelm  vorgenommenen  Neubelehnung  erhielt  Wulver  von  Reden 
,de  vogedie  to  Alten".  Die  Gebrüder  Martin  und  Dietrich  von  Alten  bekamen 
,To  Alten  .  IX  .  morgere  vnde  .  I  .  wort  .  de  vorlenet  se*.  1458  wird  es 
durch  Herzog  Bernhard  in  Asche  gelegt.  Die  Kapelle  war  zu  Beginn  des 
XVI.  Jahrhunderts  bereits  vorhanden.  1500  verkauft  Wulbrand  von  Reden  dem 
Herzog  Heinrich  von  Braunschweig  und  Lüneburg  Obrigkeit  und  Gericht  ,in 
vnde  buten  dem  dorpe  Alten  •  •  •  •  in  dem  karspel  tho  Dten  belegen*.  1530  und 
1541  wird  der  Hildesheimsche  Domherr  Arnold  Freitag  als  «Obedienciarius  der 
Obediencien  Alten*  (Althen,  Altenn)  bezeichnet.  Nach  dem  Visitationsprotokoll 
vom  Jahre  1543  gehörten  zur  »Vpkumpst  des  pastors  tho  Uten*  30  Morgen 
Landes  „vor  Althen*;  und  in  der  zubehörigen  Klage  heisst  es:  »VI  gülden  X  sz 
in  veer  Jaren  nhagebleuen  veertide  gelt  jn  Uten,  Billem,  Höuerde  vnd  Althen, 
dat  mi  vorentholden  wert  mit  jtliken  Schincken*.  Als  Patrone  werden  die  1647 
ausgestorbenen  Herren  von  Rutenberg  genannt.  Die  Folgen  des  dreissigjährigen 
Kri^es  machten  sich  auch  bezüglich  der  Kapelle  fühlbar.  Der  Dtener  Pastor 
von  Broitzem  schreibt  nämlich  Folgendes:  , Gleich  wie  bei  Antretung  meiner 
unwürdigen  Bedienung  [14.  Mai  1648]  alle  B^pellen  in  einem  elenden  Zustande 
gefunden,  also  absonderlich  diese  Ahltische;  sie  ist  mehr  einem  Viehestall,  als 
Gotteshause  ähnlich  gewesen*. 

Das  Rittergut  zu  Ahlten  wurde  von  Stats  Schlüter  in  den  Jahren  1580 
und  1582  gegründet.  Herzog  Ernst  11.  von  Lüneburg  hat  1593  dem  Gute  alle 
adeligen  Freiheiten,  Gerechtigkeiten  und  Immunitäten  ertheilt. 

Die  massive,  durch  das  halbe  Achteck  im  Osten  geschlossene,  geputzte 
gothische  Kapelle  mit  gerader  Bretterdecke  trägt  im  Westen  einen  viereckigen 


->^     7     8^ 

Dachreiter.  Die  drei  Chorfenster  und  die  Fenster  der  Nordseite  zeigen  innen 
spitzbogig  geschlossene  Nischen  und  aussen  geraden  Sturz.  Die  in  einer  Spitz- 
bogennische liegende  Eingangsthür  und  zwei  flachbogige  Fenster  sind  an  der 
Südseite  angebracht.  Zu  beiden  Seiten  der  Thüre  sind  inwendig  im  Mauerwerk 
die  Oeffnungen  für  das  Querholz  noch  vorhanden.  Oben  am  westlichen  Giebel 
sind  zwei  Steine  mit  Kreuzen  eingemauert.  Hölzerne  Emporen  befinden  sich 
an  der  West-  und  theilweise  an  der  Süd-  und  Nordseite.  Bemerkenswerth  sind 
die  tauförmigen  Verzierungen  an  den  Tragbalken  der  südlichen  Empore.  Auf 
den  beiden  Ständern  an  den  Längsseiten  ist  die  Zahl  21  zu  lesen. 

Der  gemauerte   Altartisch   ist   mit   Platte   und   Schräge   in   Sandstein   Altar, 
abgedeckt. 

Die  Kanzel  enthält  auf  den  Füllungen  die  auf  Holz  gemalten  Brustbilder   Gemälde, 
des  ,S.  Philippvs,  S.  Petrvs,  S.  Bartholomaevs,  S.  Andreas,  S.  Simon"   und 
,S.  Johannes*.    Darunter  befindet  sich  an  der  Altarwand  eine  Darstellung  des 
Abendmahls  und  oben  Gott  Vater  in  den  Wolken.    Die  Gemälde  dürften  noch 
dem  XV.  Jahrhundert  angehören. 

Eine  im  Jahre  1563  gegossene,  52  cm  im  Durchmesser  grosse  Glocke   Glocke, 
trägt  am  Halse  eine  Inschrift,  darunter  einen  gothischen  Omamentstreifen  und 
am  Rande  fönf  herumlaufende  scharfkantige  Erhöhungen. 

Ein  schöner,  farbig  behandelter,  1,14  m  hoher  und  0,78  m  im  Durch-  Taufstein. 
messer  grosser  Taufstein  aus  Sandstein  trägt  auf  dem  runden  profilierten  Fusse 
die  Jahreszahl  1613.  Auf  dem  sechseckigen,  mit  Akanthusblättem  und  Figuren 
verzierten  Schaft  liegt  ein  ebensolches  Becken,  welches  mit  Sprüchen  aus 
Markus  10,  Johannes  3  und  Matthaeus  28  und  den  Darstellungen  der  Anbetung, 
Jesu  als  Einderfreundes  und  der  Taufe  im  Jordan  geschmückt  ist. 


Alten-Warmbüchen. 

KapeUe. 

Litteratnr:  LUntzel,  die  ältere  Diöcesc  Hildesheim ;  Sudendorf;  Origines 
Guelficae;  Gmpen,  Origines  et  Antiquitates  Hanoverenses;  Urkundenbuch  der  Stadt 
Hannover;  Manecke  II;  von  Hodenberg,  LUneburger  Lehnregister;  Regenten-Sahl  1698; 
Böttger,  Diöcesan-  und  Gau -Grenzen;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897;  Uhlhom,  die 
Kirche  in  Kirchhorst  und  ihre  Kunstdenkmälcr,  Zeitschr.  d.  bist.  Ver.  f.  Nieders.  1899; 
Neues  Vaterl.  Archiv  1823. 

Quellen:  Akte  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover. 


Im  Jahre  1329  lösten  sich  Horst,  Stelle  und  Alten- Warmbüchen  um 
zwei  Mark  reinen  Silbers  von  der  Kirche  zu  Burgdorf  los,  bauten  die  Kapelle  in 
Horst  zur  Kirche  um  und  weihten  sie  dem  heiligen  Nikolaus.  Seitdem  ist  das 
Dorf  nach  Kirchhorst  eingepfarrt.    Es  war  ehedem   einer  der  Grenzorte  des 


Pagus  Flutwide  gegen  den  Pagus  Hastfala.  Sämmtliche  Höfe  zu  Alten- Warm- 
buchen  waren  zuvor  Lehnshöfe  derer  von  Alten.  Aus  einem  Schreiben  vom 
Jahre  1664  ersehen  wir,  dass  die  Alten- Warmbüchener  darum  bitten,  mit  einer 
Reparation  der  vor  dem  Dorf  stehenden  Kapelle  verschont  zu  werden.  Dieselbe 
sei,  so  heisst  es  darin,  «vor  Zeiten**  ,ad  cultum  sacnun".  erbaut,  aber  mit 
Einführung  der  Reformation  verlassen  und  «wüste*  geworden,  «indem  aus  dem 
Dorfif  bald  einer  dies  der  ander  das  hingenommen*.  Es  wird  daher  von  Celle 
aus  angeordnet^  dass  der  Schullehrer  des  Sonntags  Nachmittags  mit  den 
Kindern  in  der  KapeUe  ein  «examen  catecheticum*  anstellen  und  mit  ihnen 
singen  und  beten  solle,  wozu  auch  die  Alten  kommen  möchten.  Jeden  vierten 
Sonntag  sollten  sie  jedoch  zur  Horster  Mutterkirche  gehen.  Die  Kapelle  wird 
zu  diesem  Zweck  auf  das  Nothdürftigste  ausgebessert,  1803  jedoch  mit  Ausnahme 
der  Glocke  dem  Halbhöfner  Hans  Henning  Wöhler  als  Meistbietendem  für 
96  rthlr.  verkauft.  Seitdem  als  Wohnhaus  benutzt,  hat  sie  mannigfache 
Aenderungen  erfahren. 

Die  durch  das  halbe  Achteck  im  Osten  geschlossene,  aus  Ort-  und 
Backsteinen  errichtete  Kapelle  hat  12,8  m  äussere  Länge  und  6^8  m  Breite. 
Der  profilierte  Ghorbogen  und  das  mit  vortretenden  Bimstabrippen  versehene 
Chorgewölbe  sind  noch  erhalten.  Auf  der  Nordseite  liegt  eine  flachbogige 
Eingangsthür  in  einer  einen  halben  Stein  tiefen,  den  einfachen  Viertelstab 
zeigenden  Spitzbogennische.    Sämmtliche  Fenster  sind  flachbogig  geschlossen. 


Änderten. 

KapeUe. 

Litteratnr:  LUntzel,  die  ältere  Diöcese  Hildesheim ;  Janicke;  Leibniz,  Scriptores 
reram  BrnnsTicensium ;  Sudendorf;  von  Hodenberg,  Marienroder  Urkundenbnch ;  derselbe, 
Lttneburger  Lehnregister;  Urknndenbuch  der  Stadt  Hannover;  Doebner  I  und  VI; 
Manecke  II;  Mithoif,  Kunstdenkmale  I  und  IV;  derselbe,  Kirchenbeschreibungen;  Weber, 
die  Freien  bei  Hannover  1898;  Kniep,  die  Freien  vor  dem  Walde,  Hannov.  Geschichtsbl., 
8.  Jahrg.;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897 ;  Regenten-Sahl  1698;  Holscher,  Beschreibung 
des  Bisthums  Minden;  Förstemann,  Ortsnamen;  Böttcher,  Geschichte  des  Kirchspiels  Kirch- 
rode. —  Ueber  die  Familie  siehe  von  Meding,  Nachrichten  von  adelichen  Wapen  11,  und 
die  einschlägigen  Register. 

Quellen:  Urkunde  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover. 


Geschichte.  Das  zum  grossen    Freien  gehörige   Dorf  blickt  auf  ein  hohes  Alter 

zurück.  Wie  Lüntzel  und  nach  ihm  Weber  anm'mmt,  ist  es  identisch  mit  dem 
»Ondertunum*,  welches  in  der  um  990  aufgesetzten,  aber  nur  in  einem  Schrift- 
stück des  XI.  Jahrhunderts  vorliegenden  Aufzeichnung  über  die  auf  Befehl 
Ottos  n.  festgestellten  Grenzen  zwischen  Ostfalen  und  Engem  und  die  Grenzen 
zwischen  den  Bisthümern  Hildesheim  und  Minden  vorkommt.    In  dem  genannten 


Grenzprotokoll  erscheint  unter  den  Zeugen  «Bernhard  Bidonis  filius  de  Onder- 
tunum".  Nach  dem  «Ghronicon  episcoporum  Hildeshemensium'  verpfändet 
der  Bischof  Eonrad  II.,  1221—1246,  dem  Lippold  von  Escherde  ein  Vorwerk 
in  , Änderten".  Diese  Namensform  wird  von  nun  an  die  übliche.  1291  ver- 
kaufen die  Gebrüder  Ludolf  und  Burchard  von  Gramme  dem  Erlöster  Marien- 
rode  ,tres  mansos  sitos  in  Änderten  et  medietatem  decime  totius  ville  Änderten 
et  vnum  molendinum  jbidem  cum  omnj  jure  jn  villa  et  extra  villam**,  welche 
Güter  sie  vom  Hildesheimschen  Bischof  Siegfried  zu  Lehen  trugen.  1298  ver- 
kauft der  Ritter  Dietrich  von  Alten  demselben  Kloster  «quatuor  mansos  cum 
decimis  eorum  in  Änderten  sitos  cum  duabus  areis  et  edifitijs  in  eisdem  con- 
structis",  welche  er  vom  Mindener  Bischof  Ludolf  zu  Lehen  getragen  hatte, 
und  genehmigt  1301  den  Tausch  von  zwei  Hausstellen  zu  ,Anderthen"  zwischen 
dem  Kloster  und  dem  Heinrich  Siegering,  Bürger  zu  «Änderten".  Im  Lehns- 
register des  Bisthums  Minden  zwischen  1304  und  1320  begegnet  die  Form 
»Thandertam*.  1348  verkauft  das  Kloster  Marienrode  dem  -ÄJtare  St.  Johannis 
in  der  Kreuzkirche  zu  Hannover  zwei  Höfe  in  »Änderten*.  Bei  der  im 
Jahre  1360  vom  Herzog  Wilhelm  vorgenommenen  Neubelehnung  erhielten  die 
Gebrüder  Martin  und  Dietrich  von  Alten  ,to  Änderten.  IL  houe  de  vorlenet  se*. 
1661  wüthete  ein  grosser  Brand,  welcher  mitten  durch  das  Dorf  ging  und  alle 
dortigen  Höfe  in  Asche  legte. 


r>w  0^       9         f        t        J         *        f        »        f        *        9        ^t 


Flg.  2    Kapelle  in  Änderten;  Gmndriss. 


Die  Kapelle  war  dem  Pfründenverzeichniss  zu  Folge  bereits  1534  vor- 
handen. Der  Ort  war  ursprünglich  nach  Uten  eingepfarrt;  laut  Visitations- 
protokoll von  1543  hatten  die  Bewohner  von  Änderten  das  Vierzeitengeld  an 
den  Geistlichen  von  Uten  zu  zahlen,  wie  es  denn  auch  Thatsache  ist,  dass  die 
Elapellenrechnungen  seit  1554  vom  Iltener  Pfarrer  geführt  worden  sind. 
1597  jedoch  war  die  Kapelle  bereits  Filial  zu  Kirchrode.  Noch  1662  wurde 
vom  Amtsvogt  OsthoflF  die  ursprüngliche  Zugehörigkeit  zum  Iltener  Erchspiel 
wieder  herzustellen  versucht;  und  der  Iltener  Pastor  Joachim  von  Broitzem, 
1648—1683,  schreibt,  dass  er  auf  Befehl  des  Hochfürstlichen  Gonsistorii  daselbst 
in  der  Kapelle  gottesdienstliche  Handlungen  vorgenommen  habe.  Bei  der 
grossen  Feuersbrunst  im  Jahre  1661  brannte  das  Innere  der  Kapelle  aus.    Sie 

2 


-^     10    8^ 


Beschreibung^. 


wurde  1663  wieder  ausgebaut  und  von  Neuem  eingeweiht.  1670  wird  Änderten 
in  den  Freien  mit  einer  Kapelle  als  Filial  von  Earchrode  angegeben,  wohin  es 
noch  heute  gehört.  Nach  Manecke  (1858)  ist  das  Dorf  zwar  nach  Eirchrode  ein- 
gepfarrt,  doch  ist  der  Prediger  zu  Uten  perpetuus  Oeconomus  des  Eapellen-Aerarii. 

Nach  dem  Dorfe  ist  ein  Hannoversches  Patriziergeschlecht,  welches 
1596  die  Bestätigung  seines  alten  Adels  erwirkt  hat,  benannt. 

Die  in  gothischen  Formen  errichtete,  einfache  Backsteinkapelle  mit 
flacher  Decke  (Fig.  2)  hat  im  Jahre  1884  einen  neuen  Westthurm  erhalten. 
An  den  äusseren  Flächen  des  alten  Mauerwerkes  befinden  sich  glasierte  Ziegel. 
Die  Langseiten  werden  durch  je  drei  Strebepfeiler  mit  Pultdächern  gestützt.  Die 
spitzbogig  überwölbte  Eingangsthüre  im  Westgiebel  — jetzt  Durcligang  vom  Thurm 
zur  Kapelle  —  zeigt  den  viermal  zurückgesetzten  Viertelstab.  Drei  sehr 
beschädigte  Ghorfenster  und  eine  Nische  im  Inneren  des  Chores  sind  mit  dem  Spitz- 
bogen geschlossen  und  haben,  wie  die  flachbogige  Nische  an  der  Aussenseite  der 
Ostwand,  als  Einfassung  einen  doppelten  Viertelstab.  Letzterer  ist  auch  an 
der  Nord-  und  Ostseite  als  Theil  des  Hauptgesimses  erhalten.  Zwei  rechteckige 
Fenster  befinden  sich  an  der  Südseite.  Auf  einem  Holzständer  an  der  Südwand 
im  Inneren  ist  die  Jahreszahl  1661  und  aussen  auf  einem  Eckquader  die  Inschrift: 

1663 
M.  H.  F.  AD. 
angebracht. 

Emporen  sind  an  der  West-  und  Nordseite  vorhanden. 


A  p  p  k  e. 


Kapelle. 

Litteratnr:  Doebner  VI  und  VIT;  Sudendorf;  Ltintzel,  die  ältere  Diöcese 
Hildesheim;  Manecke  II;  Mithoff,  Knnstdenkmale  IV;  derselbe,  Kirchenbeschreibungen; 
Fromme,  kleine  Chronik  der  Primariatpfarre  zu  Sievershausen  1889;  Weber,  die  Freien 
bei  Hannover  1898;  Regenten  -  Sahl  1698;  Böttger,  Diöcesan-  und  Gau-Grenzen;  Eayeer, 
Kirchenvisitationen  1897. 

Quellen:  Urkunden  und  Akten  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover. 


Geschichte. 


Das  nach  Sievershausen  eingepfarrte  Dorf,  welches  ehedem  zu  den 
Grenzorten  des  Pagus  Flutwide  gegen  den  Pagus  Hastfala  gehörte,  begegnet 
in  der  älteren  Zeit  meist  als  »Arbeke*,  so  in  den  Jahren  1382,  1406,  1448, 
1462  und  1466.  Daneben  findet  sich  1459  die  Form  ,Erbeke«.  1487  erklärt 
der  Herzog  Wilhelm  von  Braunschweig  und  Lüneburg,  dass  Otraven  von  Bervelde 


-^     11     8^ 

«dem  hilgen  cruce  to  Arebke*  ein  «kotbleck*  daselbst  und  ein  Pfund  Wachs 
von  einer  Wiese  «to  ewigen  tyden  by  dem  godesz  huse  to  bliuen''  gegeben 
habe.  1555  wurde  das  erste  «Arbsche  Capellen-Register'^  angelegt.  In  der 
.Dtgaue''  der  Sievershäuser  Kirche  vom  Jahre  1574  sind  verzeichnet:  «Utgegeuen 
VI.  fl  vnd  in  mattier,  to  Notwendiger  buwung  der  Cappellen*,  in  der  «Uthgaue** 
för  die  Jahre  1582  bis  1590:  »Vor  de  Bonen  to  leggende  In  de  Cappellenn. 
II  fl.  15  grossen*,  «Item  I  fl.  vor  venster  to  flickende  In  der  Cappellen*. 
1595  besassen  die  Herren  von  Rutenberg  den  Zehnten  in  unserem  Dorfe. 
1622  wurde  das  Eapellenärar  beraubt.  1666  übertrug  der  Superintendent 
gelegentlich  der  Revision  das  Auf-  und  Zuschliessen  der  Kapelle,  welches  bis 
dahin  vom  Kuhhirten  besorgt  wurde,  dem  Schullehrer. 

Die  alte  Kapelle  wurde  in  den  Jahren  1857—1859  durch  ein   neues 
Bauwerk  aus  Backsteinen  nach  dem  Entwürfe  Hases  ersetzt. 

Zwei  Altarleuchter  zeigen  die  gothische  Auffassung.    Der  Körper  ruht    Altarleuchter. 
auf  drei  Füssen.     Der  walzenförmige  Schaft  wird  in  der  Mitte   durch  einen 
Knauf  getheilt. 

Die  50  cm  im  Durchmesser  grosse  Glocke  trägt  in  der  Inschrift  den    Glocke. 
Namen  Maria  sowie  den  Namen  des  Glockengiessers  Bock  und  zeigt  das  Hochbild 
der  Maria  mit  dem  Kinde  in  flammenstrahlender  Mandorla. 

Die  schlichte  Altarkanzel  ist  in  den  Formen  des  Zopfstils  gehalten.  Kanzel. 


Bennemühlen. 

Herrenhaus. 

Litte ratur:  Lüntzel,  die  ältere  Diöcese  Hildesheim;  Manecke  II;  von  Hoden- 
berg, Lüneburger  Urkundenbucb  XV;  Zeitschr.  d.  bist.  Ver.  f.  Niedere.  1885;  GrUtter, 
Amtsvoigteien  im  Filrstentbum  Lüneburg,  Hannov.  Geschicbtsbl.,  3.  Jabrg.;  Schulz,  Bissen- 
dorf,  ebendort,  4.  Jahrg.;  Böttger,  DiOcesan-  und  Gau -Grenzen. 


Das  nach  Bissendorf  eingepfarrte,  im  Mindener  Loingau  belegene  Dorf 
enthält  einen  (adelig  freien  landtagsfähigen)  Hof  der  Familie  von  Bothmer. 
Diesen  besass  zuvor  ein  im  XV.  Jahrhundert  im  Füirstenthum  Lüneburg  blähendes 
adeliges  Geschlecht  von  Bendemühlen,  welches  sich  , zweifelsohne'  (Manecke) 
nach  dem  Ort  benannte.  1513  genehmigt  der  Herzog  Heinrich  zu  Braunschweig 
und  Lünebui-g^  dass  die  Vettern  Ludolf  und  Melchior  von  Campen  auf  ihre 
Lehnguter  zu  Mellendorf,  Hellendorf  und  Bennemühlen  1500  Rh.  Gulden  auf- 
nehmen. Der  Zehnte  von  diesem  Dorfe  gehörte  denen  von  Bobers.  Der  Ort 
war  der  Amtsvogtei  Bissendorf  zugetheilt. 

Das  einfache,  aus  Fachwerk  errichtete  Rittergut  trägt  auf  der  Setz- 
schwelle des  zum  Theil  erneuerten  Nordflügels  die  Inschrift:    ,Zur  Erhaltung 

2* 


-*^     12    8^ 

der  Güter  und  beim  ewigen  Andencken  erbauet  ANNO  1733  von  den  Hoch- 
wollgebohrnen  Herrn  Obristen*  sowie  weiter  darunter  die  Worte  «Augast 
Christian  Friderich  von  Bothmer'  und  ist  von  einem  zum  grössten  Theil  noch 
erhaltenen  Graben  umgeben.  Der  südwestliche  Theil,  das  eigentliche  Herren- 
haus, ist  später  angebaut  und  trägt  einen  hölzernen  Dachreiter  mit  Uhr. 


Geschichte. 


Beschreibung. 


Glocke. 


Bilm. 

KapeUe. 

Litteratur:  Doebner  I  und  II;  Sudendorf;  LUntzel,  die  ältere  Diöcese  Hildes- 
heim; Manecke  II;  Mithoff,  Kunstdenkmale  IV;  Weber,  die  Freien  bei  Hannover  1898; 
Kniep,  die  Freien  vor  dem  Walde,  Hannov.  Geschichtsbl.,  3.  Jahrg.;  Regenten-Sahl  1698; 
Kayser,  Kirchenvisitationen  1897. 

Quellen:  Yerzeichniss  der  kirchlichen  Kunstdenkmäler  von  18%;  Schulchronik 
in  Bilm;  Urkunden  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover. 


Das  im  grossen  Freien  und  im  Gau  Hastfala  belegene,  seit  Alters 
nach  nten  eingepfarrte  Dorf  begegnet  1333  als  «Billem",  in  welcher  Form 
es  1382,  1406  («Byllem")  und  1438  wiederkehrt.  Daneben  findet  sich  die 
Schreibweise  „Billum".  1359  überweist  der  Bischof  Heinrich  von  Hildeshehn 
dem  Kapitel  St.  Grucis  eine  Hufe  «in  campis  ville  Billum'*  („Byllum")  und 
verleiht  ihm  das  Obereigenthum  über  vier  weitere  Hufen  daselbst.  Auch  ein 
Schreiben  des  Dompropstes  Nikolaus  Hud  vom  Jahre  1382  redet  von  dem 
campus  , ville  Billum".  In  der  Klage  des  Iltener  Pfarrers  vom  Jahre  1543 
lesen  wir:  .VI  gülden  X  sz  in  veer  Jaren  nhagebleuen  veertide  gelt  jn  Jlten, 
Billem,  Höuerde  vnd  Althen,  dat  mi  vorentholden  wert  mit  jtliken  Schincken*. 

Nach  dem  Ort  ist  eine  im  XIV.  und  XV.  Jahrhundert  vorkommende 
Bürgerfamilie  in  Hildesheim  benannt,  von  der  ein  Herbort  als  in  Hannover 
ans&ssig  erwähnt  wird. 

Die  rechteckige,  aussen  12,50  m  lange  und  7,35  m  breite,  aus  Bruch- 
steinen erbaute,  geputzte,  gothische  Kapelle  mit  geputzter  Balkendecke  hat  auf 
dem  Satteldach  einen  viereckigen  Dachreiter  und  zum  Theil  flachbogige,  zum 
Theil  schlitzförmige  Fenster.  Der  Sockel  zeigt  an  allen  Seiten  des  Gebäudes  eine 
grosse  Schräge.  Die  spitzbogige,  an  der  Südseite  liegende  Eingangsthür  hat  in  den 
beiden  Bogenstücken  den  alten  Fasen  noch  erhalten.  Die  Kanzelthür  stammt 
aus  dem  XVII.  Jahrhundert,  eine  Empore  befindet  sich  an  der  Westseite.  Im 
Wetterhahn  steht  die  Jahreszahl  1681. 

Die  Glocke  trägt  die  Lapidarinschrift: 

Christofer  Hortenbarch 

me  fecit 

Anno.Dmi  1578. 

Kichert  Olers 
Engelke  Engelken. 


-►4     13    8-»- 

Bissendorf. 

Kirche.    Amtshaas. 

Litte ratur:  Sadendorf;  Lüntzel,  die  ältere  Diöcese  Hildesheim;  Wippennann, 
Bükkigau;  Spilcker,  Geschichte  der  Grafen  von  Wölpe;  Holscher,  Beschreibung  des  Bis- 
thnms  Minden;  von  Hodenberg,  Lüneburger  Urkundenbuch  XY;  derselbe,  Pagus  Flutwide, 
Lenthe^s  Archiv  VI;  derselbe,  Lüneburger  Lehnregister;  Manecke  II;  Kayser,  Kirchen- 
visitationen  1897;  Mithoff,  Kunstdenkmale  lY;  derselbe,  Kirchenbeschreibungen;  BOttger, 
Diöcesan-  und  Gau-Grenzen ;  von  Bennigsen,  Beitrag  zur  Feststellung  der  Diöcesangrenzen, 
Zeitschr.  d.  bist  Yer.  f.  Nieders.  186B;  GrÜtter,  Amtsvogteien  im  Fürstenthum  Lüneburg 
und  der  Loingau,  Hanno v.  GeschichtsbL,  3.  Jahrg;  Graeven,  Messkelch  und  Patene  aus 
Bissendorf,  ebendort,  4.  Jahrg.;  Schulz,  Bissendorf,  ebendaselbst. 

Quellen:  Urkunden  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  Mittheilungen  des 
Pastors  Nutzhom  zu  Bissendorf;  Yerzeichniss  der  kirchlichen  Kunstdenkmäler  von  18%; 
Grtttterseber  Nachlass  im  Stadtarchiv  zu  Hannover. 


Nach  Grupen  gehörte  Bissendorf  mit  Bennemühlen,  Gailhof>  Hellendorf,  Geschichte. 
Sommerbostel,  Ickhorst,  Scherenbostel,  Buchholz,  Wennebostel,  Wichendorf, 
zwei  Höfen  von  Mellendorf,  Mohlmühle,  Schlage,  Hainhaus,  Maspe  und  Twenge 
zum  Hildesheimschen  Banne  Sievershausen.  Während  Böttger  und  Bennigsen 
ebenfalls  die  Zugehörigkeit  zu  Hildesheim  vertreten,  fand  Lüntzel  jene  Vertheilung 
der  Parochieen  zweifelhaft.  Bestimmter  wie  Lüntzel  drückt  sich  bereits 
Wippermann  aus.  Und  dann  heisst  es  in  einem  Yerzeichniss  der  zur  Corveischen 
Präpositur  gehörigen  Güter:  «in  dioecesi  Mindensi  in  parochia  Mandelsloh".  Es 
folgen  sodann  mehrere  als  Mindensch  nachgewiesene  Parochieen:  Mariensee, 
Neustadt,  Heistorf,  und  dann  lesen  wir:  «in  parochia  Bissendorpe  in  villa 
Scheremborstelle*.  Bissendorf  kann  demnach  nur  als  zum  Mindener  Archidiakonat 
Mandelsloh  zubehörig  und  im  Loingau  belegen  aufgefasst  werden,  welche 
Ansicht  auch  Holscher  und  von  Hodenberg  theilen.  Das  im  Jahre  1295  erwähnte, 
in  der  Diöcese  Hildesheim  belegene  «Biscopiustorpe*  darf  mit  unserem  Ort 
nicht  in  Zusammenhang  gebracht  werden.  Bei  der  im  Jahre  1360  durch  den 
Herzog  Wilhelm  vorgenommenen  Neubelehnung  erhielt  Johann  von  Mandelsloh, 
Hermann  Sohn:  «den  tegheden  to  Biscopinghedorpe  vnde  dat  andere  dat  dar 
to  hört,  darsulues  twene  houe.  vnde  en  kot*.  Am  21.  Juli  1393  schreiben 
die  «Zateslude  to  Honouere'*  den  «Zatesluden  to  Luneborgh*^,  dass  sie  mit  den 
Satesleuten  der  Umgegend  von  Hannover  («in  vsen  Jeghenen**)  sowie  mit  den 
Rittern  und  Knappen  aus  Veranlassung  dessen,  was  ihnen  von  den  Herzögen 
geschieht,  am  25.  Juli  Morgens  «to  Bispingdorpe"  eine  Zusammenkunft  veran- 
stalten wollen,  welche  auch  thatsächlich  stattfand.  Im  XV.  Jahrhundert  kommt 
der  Ort  theils  als  «Bissendorpe*  theils  als  «Bispendorppe"  vor.  In  den  Fehden, 
welche  in  den  Jahren  1457—1459  zwischen  dem  Herzog  Bernhard  in  Gemeinschaft 
mit  dem  Verdener  Bischof  Johann  gegen  den  Herzog  Wilhelm  von  Braun- 
schweig-Wolfenbüttel  stattfanden,  wurde  er  mit  Feuer  und  Schwert  verwüstet 
(GrÜtter).  Im  Jahre  1487  wird  Henning  Dedeken  als  «plebanus*  genannt. 
1523  war  Diderich  von  Bothmer  Pfarrer,  1534  Brun  van  Wulle,  1543  Albertus. 


H^     14    g-*- 

Die  jetzige  Kirche  wurde  mit  AusDahme  ihres  Westthurmes  im  Jahre  1768 
massiv  erbaut 

Das  Amtshaus  diente  ehedem  als  Jagdablagerhaus  der  Cellescheo  Herzöge. 
BeschreibQDg.  Die  Kirche  besteht  aus  Westthurm  und  Schiff  (Fig.  3)- 

Schiff.  Das  rechteckige  mit  Sandsteinsockel,    Eckquadem,    hßlzemem  Haupt- 

gesims und  Flachbogenfenstem  in  Sandsteineinfassungen  versehene,  massive 
Schiff  von  26,3  m  äusserer  Länge  und  12,3  m  Breite  hat  ein  im  Osten 
abgewalmtes  Pfannendach.  Der  innere,  im  östlichen  Theile  um  eine  Stufe 
erhöhte  und  auf  mehreren  Seiten  mit  Emporen  versehene  Raum  wird  durch 
eine  gerade  geputzte  Decke,  welche  mit  der  Hohlkehle  zur  Wand  übergeht, 
abgeschlossen. 


Der  fast  quadratische,  zum  grössten  Tfaeil  aus  Ortsteinen  errichtete 
Thurm  hat  flachbogige  Oeffnungen  und  eine  ebensolche,  mit  glatten  Sand- 
steingewänden eingefasste  Westthür.  Ein  halbkreisförmig  QberwAlbter  Durch- 
gang verbindet  Thurm  und  Schiff. 

Die  hölzerne,  aus  dem  XVin.  Jahrhundert  stammende  Altarwand  mit 
eingebauter  Kanzel  erhebt  sich  hinter  einem  gemauerten  Tisch.  Zwei  seithche 
glatte  Säulen  tragen  ein  verkröpftes  Gebälk. 

Zwei  aus  dem  XVII.  Jahrhundert  herräfarende  schöne  Altarleuchter  aus 
Bronze  haben  die  Inschriflen: 

Georgivs  ■  Marreck  Ambts  Voget  H  ■  Leopoldvs  ■  Collen  ■  Pastor:  zv 
Bissendorf. 
und 

Hans  •  Volcker  •  Wolder  •  Oldenbostel  ■  K.  G.  zv  Bissendorf. 


-w§    15    S* 

Leop.  Cöllenius  war  1617—1652  Pastor. 

Am    Scbulfaause  ist  eine  Gedenktafel    aus  Stein  aufgerichtet,   welche   Gedenktafel, 
in  der  Mitte  ein  Haus  und  daneben  das  Brustbild  einer  männlichen  und  einer 
weiblichen  Figur  mit  je  einem  Wappen  enthält;  darunter  ist  zu  lesen: 

Cvrdt  von  Bestenborstel  ■  Tnd  Calharina  von  Weihe  •  haben  diese 
Schvle,  Got  ZV  den  Ehren  ■  avf  ihre  eigen  Vnkosten  •  gestiftet  vnd 
erbavwen  lassen,  Anno  dm  1603. 
In  diesen  Stein  ist  das  Meisterzeichen  H.  N.  eingemeisselt. 
Die  55  cm  im  Durchmesser  grosse  Glocke  —  jetzt  ausser  Gebrauch  —    Glocke, 
bat  zwischen  Riemchen  über  einem  Omamentstreifen  die  Inschrift  in  gothischen 
Kleinbuchstaben : 

Anno  ■  ^  ■  m  ■  d  ■  xl 


Fig.  *.    Klrclia  in  Blwendoif ;  Grabmal 

Auf  dem  in  die  äussere  Südwand  eingelassenen,  aus  Sandstein  gearbeiteten    Gr&bmäler. 
Grabmale  (Fig.  4)  ist  in  der  Mitte  der  Gekreuzigte,  und  es  sind  darunter  eine 
knieende  mfinnliche  und  eine  knieende  weibliche  Figur,  sowie  auf  jeder  Seite 
vier  Wappen  zu  sehen.    Die  Umschrift  in  Lapidaren  lautet: 

Anno  •  1  ■  6  •  2  ■  1  ■  den  ■  23  ■  Aprilis  ■  ist  ■  der  •  edler  vnd  ehmvester  • 

Cordt  ■  V.  Bestcnbostel  ■  in  ■  Got  ■  selig  ■  entslapen. 

Ao  ■  1610  ■  den  •  21   ■  Febrv  ■  ist  ■  de  •  edle  ■  vnd  •  vieldvget- 

same  •  Catarina  ■  v  •  Weihe  ■  Cort  ■  v  ■  Bestenbostels  •  eli w  ■ 

in  ■  Got  ■  selig  ■  entslapen. 
Im  untern  Theile  stehen  zwei  Bibelsprüche. 


Grabstein. 


Kelch. 


Amtshftus. 


-^     16     8^ 

Der  schöne,  farbig  behandelte,  fast  ganz  durch  eine  Holzwand  verdeckte 
Grabstein  des  1652  gestorbenen  Pastors  Cölle  (Cöllenius)  ist  innen  in  die 
Nordwand  des  Schiffs  eingemauert.  Derselbe  zeigt  in  einer  Bogenniscbe  eine 
stehende  männliche  Figur  im  Priestergewande. 

Ein  kleiner,  silbervergoldeter,  die  spätgothiscbe  Form  zeigender  Kelch 
wird  als  Eigenthum  der  Gemeinde  im  Eestner-Museum  zu  Hannover  aufbewahrt. 
Der  Sechsblattfuss  trägt  einen  aufgehefteten  Grucifixus  und  ein  aufgeheftetes 
silbernes  Schild  mit  eingraviertem  Lamm  und  Baum.  Auf  der  unteren 
Seite  ist  in  gothischen  Kleinbuchstaben  die  Inschrift  «Hans  Bick  dedit''  sowie 
als  Beschauzeichen  ein  Löwe  und  als  Meisterzeichen  ein  G  angebracht.  Auf 
den  Zapfen  des  mit  gothischem  Maasswerk  verzierten  Knaufes  sowie  auf  der 
Handhabe  ist  in  Grossbuchstaben  je  der  Name  Jhesus  zu  sehen.  Der  Becher, 
imten  kugelförmig,  geht  in  die  Trichterform  über.  Die  silbervergoldete  Patene 
zeigt  ein  eingraviertes  Kreuz. 

Das  aus  Fachwerk  errichtete  Amtshaus  lässt  unter  der  Tünche  ver- 
schiedene Schnitzarbeiten  erkennen. 


Breiingen. 


Kirche. 

Litteratur:  Sudendorf;  Janicke;  Lüntzel,  die  ältere  Diöcese  Hildesheim ^  Wipper- 
mann, Bukkigau;  von  Hodenberg,  LUnebnrger  Urkundenbnch  XY;  derselbe,  Ltinebnrger 
Lehnregister;  derselbe,  Pagus  Flutwide,  Lenthe^s  Archiv  VI;  Maneeke  II;  von  Bennigsen, 
Beitrag  zur  Feststellung  der  Diöcesangrenzen,  Zeitsehr.  d.  hist.  Yer.  f.  Nieders.  1863; 
Fiedeler,  geschichtliche  Notizen  über  Mandelslohs  Vorzeit,  ebendort  1857 ;  Böttger,  Diöcesan- 
und  Gau-Grenzen;  Bertram,  Geschichte  des  Bisthums  Hildesheim;  Holscher,  Beschreibung 
des  Bisthums  Minden;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897;  Mithoff,  Kunstdenkmale  lY;  der- 
selbe, Kirchenbeschreibungen;  FOrstemann,  Ortsnamen;  Grütter,  der  Loingau  und  Amts- 
vogteien  im  Fttrstenthum  Lüneburg,  Hannov.  Geschichtsbl.,  3.  Jahrg. 

Quellen:  Urkunde  und  Akte  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  Yerzeichniss 
der  kirchlichen  Kunstdenkmäler  von  1896;  Kirchenbuch  zu  Breiingen;  dasselbe,  mit 
Zusätzen  von  Müller;  beides  in  der  Pfarrregistratur. 


Geschichte. 


Breiingen  blickt  auf  ein  hohes  Alter  zurück.  Es  ist  nämlich  nicht 
unwahrscheinlich,  dass  es  mit  dem  „Bredanlagu"  in  einem  Schriftstück  des 
XI.  Jahrhunderts  identisch  ist,  welches  die  Grenzen  zwischen  Ostfalen  und 
Engem  sowie  die  Grenzen  zwischen  den  Bisthümem  Hildesheim  und  Minden 
angiebt,  wie  sie  auf  Geheiss  König  Ottos  II.  um  990  festgestellt  wurden.  Es  gehörte 
ehedem  zum  Mindener  Archidiakonat  Mandelsloh  und  war  im  Loingau  belegen. 
In  weltlicher  Beziehung  war  es  der  Amtsvogtei  Bissendorf  zugetheilt.  Bei  der 
im  Jahre  1360  vom  Herzog  Wilhelm  vorgenommenen  Neubelehnung  eiiiielt 
Johann  von  Reize  „to  Bredelege .  I ,  kot".'  In  dem  Verzeichniss  der  Geller  Schloss- 
einnahmen  vom   12.  November  1381  bis  31.  Mai  1382   kommt  der  Ort   als 


-^    17    H- 

„Bredelge*  vor.  1385  empfängt  Gerhard  von  Bothmer  vom  Mindener  Bischof 
Otto  »theyen  Houe  to  Bredelaghe*  zu  Lehen  mid  1391  „den  Tegheden  to 
Bredeleghe  vp  dem  wede*.  1385  bekommt  femer  »Dyderich  Runteshorn  den 
thegheden  to  Bredeleghe*.  1407  war  „Hinryk  kercher  to  Bredelaghe*.  Eine 
Urkmide  vom  9.  September  1438,  betreffend  eine  Memorienstiflmig  des  Dechanten 
Heinrich  Notberg  zu  Mandelsloh,  bringt  unseren  Ort  in  kirchlicher  Hinsicht  zu 
Mandelsloh  in  Beziehung.  Der  Genannte  stiftet  in  seinem  Testament  eine  ewige 
Messe  sowie  drei  Gedächtnisse  und  Memorien.  Bezüglich  derselben  heisst  es: 
«De  ersten  schal  me  don  in  der  kerken  tho  Mandeslo  des  achten  dages  Godes 
lichammen,  des  avendes  mit  vigilie  und  des  vrigdage  morgens  mit  zelemissen. 
Dartho  scholen  sin  twe  heren,  de  dar  resideren,  und  der  kerken  Helstorpe, 
Bredelinge  und  Buren  kerkheren.*  Auch  sollten  deren  Küster  zugegen  sein. 
In  einer  Celler  Urkunde  vom  Jahre  1473  ist  von  dem  Kirchspiel  zu  »Bredelage* 
die  Rede.  1479  war  Johann  Gharbordes  »karckher  to  Bredelingh*,  und  noch 
1487  befand  er  sich  (»Johann  Gherbordus*")  zu  »Bredelage''  als  Kirchherr  im 
Amte.  Nach  einer  Urkunde  des  Jahres  1482  sollte  der  Kirchherr  zu  »Bredelage* 
den  dritten  Schlüssel  zu  der  »olderkisten*  bei  sich  haben,  und  keiner  von  den 
Aelterleuten  sie  zuschliessen  in  dessen  Abwesenheit,  und  so  auch  auf  der 
anderen  Seite.  1483  besass  die  Kirche  nocli  keinen  Chor.  1487  hören  wir 
von  einem  Briefe,  welcher  mit  «der  kerken  Bredelage  ingesegle*^  besiegelt  war. 

Johann  van  Teckelnborch,  1534  Pastor,  1580  gestorben,  war  der  erste 
lutherische  Prediger  im  Orte.  Zur  Zeit  des  Pastors  Hinrich  Nieman  (1649 — 1670) 
ist  die  .schlechte''  Kanzel  durch  eine  neue  ersetzt  worden  und  eine  neue  Uhr 
sowie  ein  neuer  silbervergoldeter  Kelch,  welcher  über  40  rthlr.  gekostet, 
angeschafft  worden.  Während  des  Krieges  hatte  sich  die  Gemeinde  mit  einem 
»schlechten*  Kelch  behelfen  müssen,  da  ihr  die  beiden  silbervergoldeten  Kelche 
1620  gestohlen  waren.  Zu  des  Nachfolgers  Michael  Müllers  Zeiten,  1711  gestorben, 
kam  1695  aus  freiwilligen  Beiträgen  eine  neue  Orgel  in  die  Kirche. 

Da  sich  die  alte  Kirche  als  zu  klein  erwies,  entschloss  sich  die  Gemeinde 
1847  zum  Bau  eines  neuen  Gotteshauses,  welcher  in  den  Jahren  1848/49  aus. 
geführt  wurde.    Der  1827  erbaute  Westthurm  wurde  beibehalten. 

Die  1,03  m  im  Durchmesser  grosse  Glocke  hat  zwischen  Ornament-    Beschreibung, 
streifen  am  Halse  die  zweizeilige  Lapidarinschrift:  Glocke. 

Ich  •  ruffe  •  die  •  Läbendigen  •  zur  •  Busse : 
Und  •  die  •  Todten  •  zur  •  Ruhe : 

Am  Glockenrande  ist  zwischen  einem  Omamentstreifen  in  Lapidaren 
zu  lesen: 

Johann  •  Heinrich  •  Christoffer  •  Weidemann  •  goss  •  mich  •  Hannover  • 
Anno  •  1772  • 

Das  bemerkenswerthe,  aus  Sandstein  gearbeitete^  farbig  behandelte,  mit    Grabmal, 
figürlichem  Beiwerk  und  Fruchtgehängen  reich  ausgestattete  Grabmal  des  im 
Jahre  1711  zu  Breiingen  verstorbenen  Pastors  Michael  Müller  ist  innen  in  die 
Westwand  des  Schiffes  eingelassen.     In  der  Bekrönung  sieht  man  St.  Georg 
mit  dem  Drachen,  darunter  zwei  Wappen,  Zahnrad  und  ein  von  drei  Messern 

3 


-^    18    H- 


Grabstein. 


durchbohrtes  Herz,  im  oberen  Theile  unter  dem  Gekreuzigten  die  Familie  des 
Verstorbenen.  Der  untere  Theil  enthält  in  einer  von  drei  Engelsköpfen 
begleiteten  Umrahmung  die  Grabinschrift. 

Auf  dem  alten  Kirchhof  steht  ein  einfacher  Grabstein  aus  dem  Anfang 
des  XIX.  Jahrhunderts. 


Geschichte. 


Burgdorf. 

Kirche.    Amtshans.    Armenhaus. 

Litteratur:    Origines   Gnelficae;    Leibniz,    Scriptores    rerum  Brunsvicensinm 
Merian^  Pfeffinger,  Historie   11-,   (Koch)   Versuch   einer  pragmatischen  Geschichte  1764 
Bünting)  Chronik  1584;  Rehtmeier,  Chronik;  Grupen,  Origines  et  Antiquitates  Hanoverenses 
Braunschweigische  Anzeigen  1751;  Hannoversches  Magazin  1825;  Regenten  -  Sahi  1698 
Neues  vateri.  Archiv  1823;  Vaterl.  Archiv  1844;  Lüntzel,  die  ältere  Diöcese  Hildesheim 
derselbe,  Geschichte  der  Diöcese  und  Stadt  Hildesheim  II;  Sudendorf;  Doebner  I — ^VII 
Meinardus,  Urkundenbuch  des  Stiftes  und  der  Stadt  Hameln  1887 ;  Urkundenbuch  der  Stadt 
Hannover;  von  Hodenberg,  Pagus  Flutwide,  Lenthe's  Archiv  VI;  Bertram,  Geschichte  des 
Bisthums  Hildesheim;  Manecke  II;  Havemann;  Meyer,  die  Provinz  Hannover  1888;  Mithoff, 
Kunstdenkmale  IV;  derselbe,  Kirchenbeschreibungen;  Kayser,   Kirchenvisitationen  1897; 
Meyer,  Rede  unter  freiem  Himmel  zu  Burgdorf  nebst  Beschreibung  des  Brandes  1809; 
Böttger,  Diöcesan-  und  Gau-Grenzen;  Braunschweigisches  Magazin  1900;  Uhlhom,  die  Kirche 
in  Kirchhorst  und  ihre  Kunstdenkmäler,  Zeitschr.  d.  hist.  Ver.  f.  Nieders.  1899;  Fromme, 
kleine  Chronik  der  Primariatpfarre  zu  Sie  vershausen ;  Weber,  die  Freien  bei  Hannover  1898; 
Schulz,  Bissendorf,  Hann.  Geschichtsbl.  4.  Jahrg.;  Meyer,  die  Kirche  zu  Burgdorf  und  die 
Gründung  der  Sekundariatpfarrc  daselbst,  ebendort;  zwei  Pläne  des   Ortes  bewahrt  die 
Bibliothek  des  hist.  Ver.  f.  Nieders.  auf,  siehe  Katalog;  eine  Ansicht  giebt  Merlan. 

Quellen:  Urkunden  und  Akten  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  GrUtterscher 
Nachlass  im  Stadtarchiv  ebendort 


Die  Kreisstadt  Burgdorf  an  der  Aue,  welche  die  Alt-  und  Neustadt 
sondert,  blickt  auf  ein  hohes  Alter  und  eine  wechselreiche  Geschichte  zurück, 
hat  aber  theils  durch  Kriege,  theils  durch  Brände  derart  zu  leiden  gehabt;  dass 
von  den  früheren  Kunstschätzen  und  Denkmälern  so  gut  wie  nichts  auf  unsere 
Zeit  gekommen  ist.  Der  Ort  hat  früher  eine  grosse  Bedeutung  gehabt;  denn 
nicht  nur  haben  hier  des  öfteren  die  Geschlechts-  oder  Familientage  des  Gesammt- 
hauses  Braunschweig-Lüneburg  stattgefunden,  sondern  es  war  auch  ehedem  eine 
überaus  grosse  Anzahl  von  Dörfern  dorthin  eingepfarrt.  Wie  der  Name  besagt, 
hat  sich  der  Ort  im  Anschluss  an  eine  Burg  gebildet.  Welches  diese  Bui^  war, 
ist  nicht  mit  Bestimmtheit  zu  sagen,  da  drei  Burgen  in  der  Nähe  gelegen  haben 
sollen,  die  eine  an  der  Aue  unweit  der  Depenauer  Mühle,  die  andere  beim  Dorfe 
Heessel  und  eine  dritte  an  einer  nicht  näher  anzugebenden  Stelle  des  linken 
Aueufers.  Im  Jahre  1226  waren  die  Brüder  Lippold  und  Dietrich  von  Escherde 
Vögte  zu  Elze  imd  Burgdorf  und  theilweise  Besitzer  des  Schlosses  Depenau. 
Otto  I.,  Bischof  von  Hildesheim,  1260—1279,  kaufte  von  Lippold  von  Escherde 
für  40  Pfund  die  Vogtei  in  Burgdorf  „nach  der  Haide*  (advocatiam  in  Borg- 
dorpe  versus  Miricam,  castrum  Borchdorp).     1299  bekundet  Konrad  von  Salder, 


-*^     19    8^ 

dass  er  vom  Uildesheimer  Bischof  Siei^ried  die  Mühle  zu  Burgdorf  (Molendinum 
in  Borchdorpe)  gekauft  und  zu  Lehen  erhalten  hat.    1341  in  den  Fasten  kommt 
ein  Gogreve  von   »Borchtorp*   (Borchtorpe)  vor.     Die  Namensform  lautet  im 
XIV.  Jahrhundert  im  Allgemeinen  »Borchtorpe*.  1403  scheint  Burgdorf  bereits  eine 
städtische  oder  stadtähnliche  Verfassung  besessen  zu  haben ;  denn  ein  Schreiben  der 
Consules  Hildensemenses  von  diesem  Jahre  ist  «An  den  rad  to  Borchtorpe  unde 
dem  meygere*  gerichtet.    1412  waren  die  Hildesheimschen  Bürgermeister  Ludeke 
Broyger  und  Ludeleff  van  Harlsem  „mit  unsem  heren  van  Hildensem  to  daghe .... 
to  Borchtorpe*.    1414  finden  wir  Albert  von  Mollem  und  Ludelfif  von  Herlsem  „to 
Borchtorpe  •  •  •  mit  unsem  hern  •  •  tighen  de  herteghen  umme  dat  Humborgessche 
land*.  In  der  zwischen  dem  Herzog  Bernhard  und  dem  Bischof  Johann  von  Hildes- 
heim 1420  ausgebrochenen  Fehde  spielt  der  Ort  eine  grosse  Rolle.    Der  Streit 
wurde  nach  der  1421  erfolgten  Einnahme  der  Veste  Grohnde  durch  Vermittelung 
des  Erzbischofs  Dietrich  von  Köln  dahin  beigelegt,  dass  die  weifischen  Fürsten  das 
während  der  Fehde  gegen  das  Stift  von  ihnen  erbaute  Schloss  Burgdorf  nebst 
dem  Dorfe  mit  allen  dazu  gehörigen  Gütern  gegen  eine  Entschädigung  behielten. 
An   dem  Schloss  wurde  bereits  1421  gebaut;   in  der  Hildesheimschen  Stadt- 
rechnung findet  sich  unter  den  Aufzeichnungen  dieses  Jahres  die  Notiz:   „Cord 
Gottingh  unde  de  hovetman  mit  den  deneren  to  Goslar  vordan,  do  men  Borgh- 
awe    (nach  Doebner  unser  Ort)   buwede,   80  p.  6^  s.*    Ausserdem   erfahren 
wir  aus   derselben,    dass    Burgdorf  in   Brand   gesteckt   (do   men  Borchtorpe 
ghebrant  hadde)  und  geplündert  wurde;  denn  es  heisst:    „Van  der  name,  de 
to  Borchtorpe  ghehalt  wart.   37  p.  6^  s.*  und   „Erovert  van  der  buete  van 
Borchtorpe  12^^  s."    Wenn  wir  den  Akten  Glauben  schenken  dürfen,   wurde 
das  Schloss  an  der  Stelle,  an  welcher  früher  die  Pfarre  gestanden,  erbaut.   Herzog 
Otto  von  der  Heide  erweiterte  den  Ort,  besonders  als  sich  die  Einwohner  der 
im  Kriege   zerstörten   benachbarten  Dörfer  Eseringen,    Garvesen,    Wellingsen, 
Hetelingen  und  Oedingsen  auf  seine  Veranlassung  zum  Theil  daselbst  nieder- 
liessen.     1433  führte  er  das  Schloss  von  Neuem  auf  und  umgab  es  mit  Wall 
und  Graben.    Die  Ausfahrt  erfolgte  über  zwei  Brücken,  von  welchen  die  eine 
über  den  Arm  der  Aue,  die  andere  über  den  Graben  führte.    Der  Ort  wurde 
über  die  Hälfte  vergrössert  sowie  mit  Wall  und  Graben  versehen.    Er  erhielt 
drei  Thore:  das  Celler,  Hannoversche  und  Braunschweigsche.    Auch  bestimmte 
Otto  die  Richtung  der  Strassen.    1423  hören  wir  von  dem  Vogt  zu  „Borchtorppe", 
ebenso    1449;  1426  war  es  Hans  Eock.     1425  verspricht  der  Hildesheimsche 
Bischof   Magnus,    die  Zerstörung    des   von    den   Herzögen   von   Braunschweig 
und    Lüneburg    „in    praeterita    gwerra*    errichteten,    befestigten    Ortes    (for- 
talicium)  „Borchtorpe  in  merica*  erstreben  zu  wollen.    Das  Gleiche  stellt  1472 
der  Bischof  Henning  und  1562  der  Bischof  Burchard  in  Aussicht.     1427  ver- 
pflichten sich  die  Herzöge  Wilhelm  und  Heinrich  von  Braunschweig  und  Lüne- 
burg,   sich  innerhalb  der  nächsten  sechs  Jahre  mit  dem  Bischof  Magnus  und 
dem  Hildesheimschen  Stift  über  »Borchtorpe  uppe  der  Auwe"  zu  vergleichen, 
anderenfalls  aber  demselben  nach   Ablauf  derselben  2000  Gulden  zu  zahlen. 
La  der  Hildesheimschen  „Utghave"  vom  Jahre  1429  findet  sich  die  Notiz:  »Gegeven 
unsem  heren  to  hulpe  darto,  dat  me  dat  slot  to  Borchtorpe  bybrak,  hundert  g. 

3* 


-^    20    8^ 

negen  g.  veyr  s.  gerekent  vor  114^^  p.  3  s/  In  diesem  Jahre  gestatten  die 
Herzöge  Bernhard,  Otto,  Friedrich,  Wilhehn  und  Heinrich  den  Städten  Braun- 
schweig, Lüneburg  und  Hannover,  das  Schloss  «Borchow*"  auf  den  Grund  nieder- 
zureissen,  Thürme,  Bollwerke,  Planken,  Zäune  und  Gräben  wegzuräumen  und 
die  Gräben  zuwerfen  zu  lassen.  Als  im  Jahre  1441  die  Herzöge  Otto  und 
Heinrich  Land  und  Leute  ihrem  Vetter  Heinrich  für  200  Mark  Silber  verschreiben, 
wird  vBorchtorppe"  mit  aufgeführt.  1466  gelangten  die  von  Marenholz  auf  dem 
Wege  der  Pfandschaft  in  den  Besitz  des  Schlosses.  Die  Namensform  lautet  im 
XV.  Jahrhundert  meist  »Borchtorpe". 

In  der  Hildesheimschen  Stiftsfehde  wurde  der  Ort  1519  von  den  Herzögen 
Erich  dem  Aelteren  von  Calenberg  und  Heinrich  dem  Jüngeren  von  Braun- 
schwdg  belagert,  geplündert  und  sammt  dem  Schloss  in  Asche  gelegt  Die 
Stadt  erholte  sich  bald  wieder.  Jenseits  der  Aue  entstand  die  Neustadt,  und 
diesseits  wurde  der  Wächterstieg  bebaut.  1547  musste  die  Stadt  an  Erich  von 
Galenberg  1000  Gulden  Brandschatzung  zahlen.  1553  zog  der  Markgraf  Albrecht 
von  Brandenburg  am  Tage  vor  der  Schlacht  bei  Sievershausen  durch  Burgdorf. 
1591  hielt  sich  Dorothea,  Elerzogin  zu  Braunschweig  und  Lüneburg,  in  Burgdorf 
auf,  woselbst  sie  von  der  Markgräfin  von  Brandenburg  besucht  wurde. 

Besonders  arg  hatte  die  Stadt  im  XVII.  Jahrhundert  zu  leiden.  Zu 
Anfang  desselben  wurde  sie  von  einer  verheerenden  Pest  heimgesucht.  1626  hatte 
sie  den  ersten  Sturm  der  Pappenheimschen  Truppen  auszuhalten.  1632  erschien 
Pappenheim  zum  zweiten  Mal.  Obwohl  sie  eine  Eriegskontribution  von 
12438  Thaler  an  denselben  zahlte,  wurde  sie  von  der  Brandfackel  nicht 
verschont.  Der  Lüneburgische  Oberst  von  Wurmb  wurde  vor  den  Thoren 
geschlagen  und  selbst  gefangen.  Das  Schlossgebäude  wurde  eingeäschert,  die 
Stadt  ausgeplündert.  1641  wurde  Burgdorf  während  der  Belagerung  von  Wolfen- 
büttel vom  kaiserlichen  Oberst  Heister  eingenommen.  1642  liess  der  Herzog 
Friedrich  durch  den  Hauptmann  von  Wurmb  statt  des  niedergebrannten 
Schlosses  ein  neues  Ablagergebäude  aufführen  und  1648  seinen  Namen  und 
sein  Wappen  ^vom  Hause"  anbringen.  1650  liess  der  Herzog  Christian  Ludwig 
an  der  Ostseite  von  Norden  nach  Süden  ein  Küchen-  und  Brauhaus  als  Flügel 
daran  setzen.  Letzteres  wurde  in  neuerer  Zeit  ausgebaut.  1658  wurden  durch 
eine  Feuersbrunst  gegen  140  Häuser  in  Asche  gelegt.  1685  wurde  das  Amtshaus 
neu  gebaut  und  1714  erweitert. 

1710  befand  sich  das  Schloss  in  keinem  guten  Zustande;  die  Brücke 
vor  demselben  war  «fast  impassable'  geworden,  die  Mauer  unter  der  Brücke, 
welche  das  Gewölbe  zur  Einfahrt  des  Schlosses  mit  unterstützte,  eingestürzt 
Die  Fensterrahmen  waren  zum  grössten  Theil  verfault  und  vom  Winde  heraus- 
geworfen. Das  Gebäude  «überhalb  Thors*,  durch  welches  die  Einfahrt  zum 
Amt  stattfand,  drohte  Niedersturz.  1750  erfahren  wir  Näheres  über  die  Ablager- 
gebäude, welche  dem  Landdrosten  als  Wohnung  dienen  und  auf  Pfeilern  im 
Wasser  stehen,  über  das  Amtshaus,  worin  der  Amtmann  wohnt,  und  über  die 
zum  Vorwerk  gehörigen  Gebäude.     Sämmtliche  Gebäude  sind  Fach  werkbauten. 

Was  an  Denkmälern  etwa  noch  vorhanden  war,  fand  seinen  Untergang 
in  den  Flammen  des  grossen  Brandes  vom  25.  Juni  1809,  welcher  einen  scharfen 


-i^    21    8^ 

Emschnitt  in  die  Entwickelung  des  Ortes  machte.  Nur  82  Häuser  blieben  von 
283  übrig.  Das  «einzige*  Schlossgebäude  blieb  verschont,  obwohl  das  Feuer 
dasselbe  viermal  ergriffen  hatte.  Sämmtliche  Nebengebäude  des  Amtes,  das 
erst  vor  Kurzem  neugebaute  Rathhaus,  die  Kirche,  zum  Theil  der  Kirchthurm, 
die  Superintendenten-,  Organisten-  und  Küsterwohnung,  die  Schule  imd  des 
zweiten  Predigers  Wohnung  sanken  in  Trümmer.  Und  dabei  hatte  die  Stadt 
noch  vor  dem  Brand  sechs  Jahre  lang  unter  französischer  Einquartierung  zu 
leiden  gehabt,  1823  wurde  abermals  ein  ansehnlicher  Theil  der  eben  ent- 
standenen Stadt  eingeäschert. 

Als  Pfandinhaber  begegnen  ausser  den  bereits  genannten  von  Marenholz 
von  1473 — 1536  die  von  Dagevörde,  von  denen  als  letzter  Heinrich  das  Amt 
inne  hatte.  Das  Geschlecht  ist  vor  1616  im  Mannesstamm  erloschen.  Von  da 
ab  ist  die  Reihe  der  Pfandinhaber,  welche  zugleich  als  Hauptmänner  bestellt 
waren,  bekannt.  Der  letzte  war  Friedrich  Schenk  von  Winterstedt,  1659  gestorben. 
Von  dessen  Wittwe  Agnese  von  der  Schulenburg  löste  1666  der  Herzog  Georg 
Wilhelm  zu  Celle  das  Amt  um  16  000  rthb:.  ein.  1667  wurde  es  Heinrich 
Redecker,  1673  dem  Amtmann  Henning  Kaufmann  verpachtet. 

Das  Geschlecht  derer  von  Burgdorf,  von  denen  sich  aus  früher  Zeit 
Adelhardus  de  Burchtorpe  1154,  Amoldus  de  Burchtorp  1187,  Alardus  de 
Borchtorp  1218,  Alardus  de  Borchtorpe  1292  urkundlich  nachweisen  lassen, 
ist  aller  Wahrscheinlichkeit  gemäss  nach  dem  Burgdorf  bei  Schiaden  benannt. 

In  Burgdorf,  welches  im  Hildesheimschen  Pagus  Flutwide  belegen  war 
und  zum  Archidiakonat  Sievershausen  gehörte,  hat  schon  im  XIII.  Jahrhimdert 
ein  Gotteshaus  bestanden.  Am  8.  Juli  1295  giebt  der  Officialis  curiae  Hilden- 
semensis  neben  anderen  auch  dem  Pfarrer  zu  .Borchdorpe''  den  Befehl,  die 
geschärfte  Exkommunikation  des  Hildesheimschen  Rathes  durch  die  ihm  unter- 
gebenen Pfarrer  verkündigen  zu  lassen.  Die  Pfarre  hatte  ehedem  eine  überaus 
grosse  Ausdehnung;  denn  es  waren  früher  21,  vielleicht  sogar  26  Ortschaften  dahin 
eingepfarrt.  Kein  Wunder,  wenn  daher  Lüntzel  die  Vermuthung  nicht  unbegründet 
findet,  dass  ehemals  ein  Archidiakonat  auf  Burgdorf  geruht  und  seine  Umgebung 
mit  jenen  21  Dörfern  ein  Land  gebildet  hat.  1306  begegnet  unter  den  Zeugen 
einer  Urkunde  des  Bartholomaeistiftes  zu  Hildesheim  ein  Johannes  plebanus  in 
Burchtorpe  neben  einem  Thidericus  plebanus  in  Rethmere  und  einem  Thidericus 
plebanus  in  Stenwede.  1307  lösen  sich  Wetmar,  Thönse  imd  Engensen, 
1329  Kirchhorst,  Stelle  und  Alten-Warmbüchen,  1355,  vielleicht  schon  vor  1302, 
Inunensen,  Steinwedel  und  Aligse  von  der  Burgdorfer  Pfarre  los.  1329  war 
Henricus  plebanus  in  Borchdorpe.  1330  verkaufen  Hugo,  Johann,  Ludolf, 
Dietrich  und  Rembert  von  Escherde  der  Kirche  zu  Burgdorf  für  neun  Mark  reinen 
Silbers  einen  Meierhof  zu  Sorgensen.  Die  Kapelle  der  Maria  Magdalena,  von 
denen  von  Escherde  zu  Depenau  erbaut,  war  1454  noch  vorhanden.  1464  wird 
Helmold  Molen  als  Pfarrer  genannt.  1465  war  Helmold  Kolshorn  Kirchherr 
zu  Borchtorpe  uppe  der  heyde.  Aus  Urkunden  der  Jahre  1488,  1499  und  1500 
ersehen  wir,  dass  die  Parochialkirche  den  heiligen  Pancratius  zum  Schutzpatron 
hatte,  und  dass  ein  Altar  in  derselben  dem  Leichnam  Christi  geweiht  war. 


HH«    22    8-5- 

1512  wurde  neben  der  Pfarre  eine  Kaplanei  begründet,  deren  Patronat 
in  den  Händen  der  Bürger  geblieben  ist.  Sie  wurde  1538  neu  begründet.  Schon 
1526  war  ein  evangelischer  Prediger,  Ludolf  Müller  mit  Namen,  in  Burgdorf  an- 
gestellt. Er  starb  1564.  Das  Visitationsprotokoll  vom  Jahre  1543  giebt  genaue 
Auskunft  über  die  „vpkumpst  des  pastors  tho  Borchtorpp*",  die  »vpkumpst  des 
Capellans  tho  Borchtorpe " ,  die  „vpkumpst  des  kosters  tho  Borchtorp''  und  die 
„vpkuropst  der  kercken  tho  Borchtorp'*.  Damals  waren  folgende  Kapellen  im 
Kirchspiel  belegen  »vnd  an  dat  husz  Borchtorp  gelecht*:  ,1  Capelle  tho  Otze. 
1  Capelle  tho  Ramlingesze  (Ramlingen).  1  Capelle  tho  Dachmisse,  is  afgebroken. 
1  Capelle  Marie  Magdalene,  ock  afgebroken  (schon  1534)  vnd  doch  de  guder 
dusser  Gapellen  bi  dat  hus  Borchtorp  gelecht  •*.  Hier  in  Burgdorf  verlebte  die 
Prinzessin  Magdalene,  eine  Tochter  Herzog  Emst's  des  Bekenners,  die  letzten 
Tage  ihres  Lebens.  Sie  kehrte  nach  dem  vor  dem  1.  Oktober  1566  erfolgten 
Tode  ihres  Gemahls,  des  Grafen  Arnold  IlL  von  Bentheim  -  Steinfurt,  in  die 
Heimath  zurück  imd  liess  sich  1583  in  Burgdorf  nieder,  woselbst  sie  am 
3.  Juni  1586  starb.  Sie  wurde  vor  dem  Altar  der  Stadtkirche  beigesetzt.  Sie 
liess  auf  dem  neu  angelegten  Kirchhof  vor  dem  Hannoverschen  Thore  eine 
Kapelle  bauen,  welche  den  Namen  Magdalenenkapelle  erhielt  und  1815  ab- 
gebrochen wurde.  Aus  derselben  stammt  angeblich  der  obere  Theil  eines  der 
ersten  Hälfte  des  XIV.  Jahrhunderts  angehörenden,  mit  meist  alttestamentlichen 
Darstellungen  verzierten  Taufsteins,  welcher  sich  jetzt  im  Provinzialmuseum 
befindet.  Das  ansehnliche  Epitaph,  welches  ihr  Neffe  und  ihr  Bruder,  die 
Herzöge  Ernst  und  Heinrich,  ihr  1595  in  der  Kirche  aufrichten  Hessen  (siehe 
Braunschweigisches  Magazin  1900),  ist  bei  dem  grossen  Brande  vom  Jahre  1809 
den  Flammen  zum  Opfer  gefallen.  1592  schliessen  der  Pfarrer  Johann  Möller 
(Müller),  der  Kaplan  Ludolf  Bolte,  der  Amtmann  Niclas  Wenigel,  sowie 
Bürgermeister  und  Rath  zu  „Burgtorff*  mit  dem  „kunstreichen*  Meister  Hans 
Christ  aus  Braunschweig  bezüglich  des  Wiederaufbaues  des  eingestürzten 
Glockenthurmes  einen  Kontrakt  ab.  Darnach  soll  derselbe  das  Fundament  auf 
der  Stelle  des  alten  anlegen,  aber  dasselbe  drei  Fuss  breiter  machen.  Ferner 
soll  er  über  der  Thüre  oben  an  das  Wappen  Herzog  Wilhelms  zu  Braunschweig 
und  Lüneburg  (unsers  Gnädigen  Fürsten  undt  Herrn),  unten  an  eines  ehrbaren 
Raths  Wappen  und  zwischen  beiden  die  Jahreszahl,  Tageszeit  und  Anfang  des 
Gebäudes  setzen.  1601  war  das  Mauerwerk  bis  auf  die  Spitze  fertig,  und  erhält 
der  « kunstreiche '^  Meister  Claus  Möller  in  Dorne  den  Auftrag,  eine  solche 
100  Schuh  hoch,  inwendig  mit  einer  Stube  und  Kammer,  zu  bauen.  Die  Kirche 
zu  Sievershausen  gab  nach  der  Ausgabe  derselben  1597  „denen  von  Borch- 
törpffe  20  fl.  zubehueff  ihres  gebet erten  Thurmbs*. 

1612  wird  eine  vom  Orgelbauer  Hans  Casten  aus  Braunschweig  für 
300  Thaler  gebaute  Orgel  aufgestellt.  Vom  Pastor  Gustav  Molanus,  1686-1694, 
heisst  es,  dass  er  nicht  allein  die  Burgdorfer  Kirche  „Bey  nahe  gantzNeu  gebauet, 
und  in  einen  so  Lüstren  Stand,  als  sie  jetzo  ist,  gesetzet'',  sondern  dass  er 
auch  viele  Kirchen  in  der  damals  sehr  ausgedehnten  Inspektion  ganz  neu  erbaut 
habe.  1702  erhält  der  fürstlich  Cellische  Stückgiesser  H.  Kahlen  den  Auftrag, 
aus  der  alten  zerborstenen  Uhrglocke  eine  neue  zu  giessen,  was  in  demselben 


-^    23    8^ 

Jahre  auch  geschieht.  1735  wird  dem  Thomas  Riedeweg  zu  Hamiover  auf- 
getragen, die  alte  zerborstene  Glocke  umzugiessen  und  kleiner  zu  machen,  damit  sie 
der  anderen  gleich  sei  und  mit  ihr  harmoniere.  Sie  solle  ein  Chronostichon,  welches 
die  Jahreszahl  1735  in  sich  fasst,  erhalten.  1747  wird  eine  neue  Prieche  «unter 
der  Orgel"  angelegt,  1754  eine  solche  durch  Ludolph  Mohwinckel  «südwärts 
von  Ost  in  West*.  1757  fertigt  der  Elempnermeister  Franz  Jürgen  Thies  zwei 
messingene  Kelche  und  zwei  Oblatenteller  für  4  Thaler  6  Mariengroschen. 
1760  werden  die  den  Einsturz  drohenden  Pilare  und  die  Mauer  an  der  grossen 
Kirchthür  repariert  sowie  ein  neues  «Angebäude  so  zur  Befestigung  und  Ver- 
Schliessung  der  Kirche  von  aussen  gereichet,  wo  durch  die  Treppe  zum  Herr- 
schaffllichen  Kirchen  Stuhl  gehet",  angelegt.  1775  liefert  der  Zinngiesser 
J.  Wübbers  zu  Hannover  eine  zinnerne  Flasche  zur  Taufe.  Das  Inventar  vom 
Jahre  1791  nennt  an  silbernen  Geräthen:  einen  grossen  vergoldeten  Kelch, 
eine  inwendig  vergoldete  Kanne,  zwei  Oblatenschachteln,  zwei  kleine  Kelche, 
eine  Weinflasche,  drei  Teller;  an  messingenen:  zwei  grosse  und  zwei  «mittel- 
massige"  Altarleuchter,  einen  Dreifuss  mit  zwei  Leuchterarmen,  «so  auf  der 
Kanzel  [in  der  Frühpredigt]  gebraucht  wird",  ein  Taufbecken,  drei  grosse  Kron- 
leuchter, einen  alten  Kelch  mit  Patene,  letztere  ausser  Gebrauch.  1795  werden 
die  umgefallenen  und  beschädigten  Engelsfiguren  vor  dem  Chor  wiederher- 
gestellt. 1799  verfertigt  der  Uhrmacher  C.  H.  Bussmann  aus  Wettmar  eine 
neue  Thurmuhr. 

Wie  für  den  Ort,  so  sollte  auch  für  die  Kirche  der  Brand  vom 
Jahre  1809  verhängnissvoll  werden.  Sie  brannte  sammt  dem  «schönen"  Thurm 
nieder.  Orgel,  Thurmuhr  sowie  das  aus  zwei  grossen  und  zwei  kleinen  Glocken 
bestehende  Geläute  gingen  mit  zu  Grunde.  Die  Kirche  wurde  zunächst  ohne 
Thurm  aufgebaut  und  1815  vollendet.  Der  Bau  eines  neuen  Thurmes  wurde 
erst  1850  beschlossen.  Das  alte  Mauerwerk  vnirde,  soweit  es  nicht  der  Brand 
vernichtet  hatte,  benutzt.  1816  wurden,  da  die  Kirche  zu  wenig  Licht  und 
Luftzug  hatte,  sechs  neue  Dachfenster  angelegt.  Die  Rechnung  vom  Jahre  1814 
nennt  ein  Taufbecken  von  Blech  sowie  zwei  grosse  Altarleuchter  von  Zinn. 
1815  wird  ein  neues  Taufbecken  für  9  rthlr.  22  Groschen  5  Pfennig  aus 
Braunscliweig  gekauft,  eine  neue  Orgel  gebaut  und  vom  Glockengiesser  Damm 
zu  Hildesheim  eine  neue  Glocke  gegossen,  1816  eine  neue  Thurmuhr  vom 
Uhrmacher  Bussmann  zu  Wettmar  geliefert.  1810  wurde  ein  Kirchensiegel  für 
die  Superintendentur,  1819  ein  solches  für  den  Diakonen  angeschafft.  Neuer- 
dings ist  die  Kirche  durch  den  Architekten  Wiener  auf  der  Ostseite  mit  einem 
grossen  Dacherker  und  mit  je  einem  Treppenvorbau  in  der  Mitte  der  Langseiten 
versehen  worden.  Femer  sind  auf  der  Ostseite  zwei  rechteckige  gekuppelte 
Fenster  angeordnet  worden.  Mithoff  erwähnt  noch  eine  Viertelstundenglocke 
mit  der  Jahreszahl  1500. 

Es  erübrigt,  noch  einige  Worte  über  die  Prediger  zu  sagen.  Der  Nach- 
folger des  oben  genannten  Ludolf  Müller  war  Johann  Müller,  1564^1595. 
Diesem  war  schon  im  Jahre  1565  Caspar  Fricke  als  erster  Prediger  vorgesetzt, 
welcher  1575  zum  Superintendenten  über  alle  Pfarren  in  den  Aemtern  Burgdorf, 
Burgwedel,  Uten  und  Meinersen  erhoben  wurde.    Sein  Grabmal  war  noch  1740 


-^    24    8^ 


Beschreibnng. 

Kirche. 
Schiff. 


Thurin. 


Orgel. 
Grabsteine. 


in  der  Kirche  am  Chor  zu  sehen.  Als  Johann  C!hristoph  Cläre  1724  Super- 
intendent wurde,  wurden  zwölf  Pfarren  abgezweigt  und  die  Inspektion  Sievers- 
hausen  daraus  gebildet.  Die  Reihenfolge  der  Prediger  ist  bekannt.  Noch  jetzt 
besitzt  die  Burgdorfer  Pfarre  eine  verhältnissmässig  grosse  Ausdehnung. 

Die  Kirche  besteht  aus  Schiff  und  Westthunn. 

Das  als  Saalkirche  ausgebildete,  rechteckige,  massive,  geputzte  Schiff 
zeigt  einen  schlichten  Sandsteinsockel,  Eckquadereinfassung  sowie  ein  hölzernes 
Hauptgesims  und  trägt  ein  im  Osten  abgewalmtes,  auf  den  Langseiten  mit  je 
drei  im  Flachbogen  geschlossenen  Dachgauben  belebtes  Dach.  Die  geputzte, 
von  den  durchgehenden  Emporenständem  getragene  Holzdecke  ist  über  den 
Seitenemporen  flach  gehalten,  über  dem  Hauptraum  aber  im  Korbbogen 
geschlossen.  Je  sechs  hohe,  halbkreisförmig  geschlossene  Fenster  mit  Sand- 
steingewänden befinden  sich  auf  den  Langseiten.  Auf  der  Ostseite  ist  zu 
beiden  Seiten  der  im  geschichtlichen  Theil  erwähnten  neueren  Fenster  je  ein 
rundbogig  geschlossenes  Fenster  mit  darunter  liegender  rechteckiger  Thür  vor- 
handen, lieber  den  Thüren  befinden  sich  Inschriften,  aus  welchen  das  Jahr  des 
Brandes  1809  und  des  Baues  1813  hervorgehen.  Emporen  sind  an  der  Nord-, 
Süd-  und  Westseite  zu  sehen.  Der  östliche  Theil  des  Schiffes  ist  um  zwei 
Stufen  erhöht. 

Der  massive,  geputzte,  fast  quadratische,  nach  oben  zweimal  abgesetzte 
Thurm  mit  profiliertem  Sandsteinquadersockel  bewahrt  die  alten,  zwischen 
1592  und  1601  aufgeführten  Umfassungsmauern  und  ist  1851  restauriert.  Auf 
der  Westseite  ist  eine  mit  glatten  Sandsteingewänden  und  geradem  Sturz 
versehene  Thür  vorhanden;  auf  allen  Seiten  sind  schmale,  halbkreisförmig 
geschlossene,  zum  Theil  gekuppelte  Oefihungen  zu  sehen.  Das  Hauptgesims 
wird  von  Konsolen  getragen.  Das  beschieferte,  geschweifte  Dach  trägt  eine 
achteckige  offene  Laterne  mit  schlanker  beschieferter  Spitze. 

Die  reich  behandelte  Orgel  zeigt  die  Formen  des  Empirestiles. 

Auf  dem  Kirchhofe  sind  acht  bemerkenswerthe  Grabsteine  aufgerichtet. 

Der  Grabstein  des  1618  geborenen  und  1683  gestorbenen  Hans  Hinrich 
zeigt  in  seinem  oberen  Theile  unter  einer  Barockbekrönung  mit  einem  Engels- 
kopf Christus  am  Kreuz  und  darunter  links  den  Gatten  mit  den  drei  Söhnen 
und  rechts  die  Gattin  Anna  Hilfers  mit  der  Tochter. 

Der  Grabstein  des  1656  geborenen  und  1703  gestorbenen  M.  Hans 
Hinrich  Fasser,  Bürgers  und  Töpfers  zu  Burgdorf,  zeigt  im  oberen  Theile 
unter  einer  schlichten  Spätbarockbekrönung  mit  Muschel  und  Engelskopf  den 
Gekreuzigten,  darunter  links  den  Gatten  mit  den  beiden  Söhnen  und  redits  die 
Gattin  Ilse  Haferkost  mit  zwei  Töchtern;  eine  dritte  liegt  im  Leichengewande 
im  Sarge. 

Auf  dem  Grabstein  des  1649  geborenen  und  1713  gestorbenen  Hans 
Fricke  aus  Beinhom  sind  unter  dem  Gekreuzigten  links  der  Gatte  mit  drei 
Söhnen,  rechts  die  beiden  Frauen  und  drei  Töchter  zu  sehen. 

lieber  der  von  gutem  Rokokoomament  umrahmten  Inschrift  auf  dem 
Grabstein  des  1727  geborenen  und  1752  gestorbenen  Hans  Colshom  halten  zwei 
Engel  ein  Schild  mit  den  Worten:  »Die  Grone  der  Ehren*. 


HH«    25    8^ 

Gates  Rokokoornament  weist  ebenfalls  der  mit  einem  Engelskopf  in 
der  Bekrönmig  versehene  Grabstein  des  1665  geborenen  mid  1753  gestorbenen 
Eirchenvorstehers  Henning  Kracken  auf.  Einfach  behandelt  ist  der  Grabstein 
des  1785  gestorbenen  Johann  Friederich  Krull  und  der  dem  XVIII.  Jahrhundert 
angehörende  Grabstein  der  Familie  Plass.  Ein  anderer  Grabstein  des  XVIII.  Jahr- 
hunderts trägt  jetzt  eine  neuere  Inschrift. 

Das  Grabmal  des  1751  geborenen  und  1810  gestorbenen  Johann  Friedrich    Grabmal, 
von  Ompteda,  Drosten  und  Beamten  zu  Burgdorf,  auf  dem  Kirchhof  trägt  auf 
massivem  Postament  eine  Vase. 

Das  aus  dem  XVII.  Jahrhundert  stammende  Amtshaus,  auch  Schloss  Amtshans. 
genannt,  trägt  ein  steiles  Dach  mit  vielen  Gauben.  Es  ist  ein  grosses,  recht- 
eckiges Gebäude  aus  Fachwerk  mit  einem  Flügelanbau  auf  der  Ostseite.  Auf 
dem  massiven  Untergeschoss  erhebt  sich  mit  vorragenden  Balkenköpfen  das 
Erdgeschoss  und  über  diesem  ebenfalls  mit  vorragenden  Balkenköpfen  das 
Obergeschoss.    Der  Schlossgraben  ist  noch  zum  Theil  vorhanden. 

Das  im  Jahre  1660  durch  den  Superintendenten  Käseberg  neu  begründete,  Annenhaiis. 
vor  dem  Hannoverschen  Thore  aus  Fachwerk  errichtete,  schlichte  Armenhaus 
enthält  in  dem  oberen  Eckgefach  des  Ostgiebels  an  der  Strassenseite  ein 
farbig  behandeltes  Sandsteinrelief,  welches  die  Geschichte  vom  reichen  Mann 
und  armen  Lazarus  darstellt.  Ersterer  sitzt  mit  vier  Freunden  und  einer 
weiblichen  Person,  welche  einer  der  Männer  umfasst  hält,  an  einer  reich- 
besetzten Tafel,  der  letztere  dagegen,  über  und  über  mit  Geschwüren  bedeckt, 
mit  zum  Gebet  erhobenen  Händen  rechts  seitwärts  davon  am  Boden.  Zwei 
Hunde  belecken  seine  Geschwüre.  Rechts  oben  erscheinen  Abraham  und 
Lazarus  vom  Strahlenglanze  umgeben  über  den.  Wolken,  daneben  in  gleicher 
Höhe  In  einem  Flammenbündel  der  Reiche  jammernd.  Die  dreizeilige,  von 
beschwingten  Engelsköpfen  gehaltene  Unterschrift  lautet: 

Lazarus  Werd  ich  genannt.  Wie  ich  Muste  hunger  leiden  Bey  des 
reichen  mannes  freuden.  So  leb  hie  mit  leerer  band  Brich  .  du 
Ghriste,  mir  dein  brodt,  Gott  hilft  wieder  in  der  noth. 
Auf  der  Setzschwelle  des  ersten  Stockwerkes  darüber  steht  zu  lesen : 
Wohl  Dem,  Der  Barmherzig  Ist,  Erstreuet  Aus  ündt  Gibt  den 
Armen,  seine  Gerechtigkeit  bleibet  Ewiglich,  Sein  Hörn  Wird  Erhöhet 
Mit  Ehren  Psalm  .... 


Gross-BurgAvedel. 

Kirche.    Amtshans. 

Litteratur:  Sudendorf;  Grnpen,  Origines  et  Antiquitates  Hanoverenses ;  Lüntzel, 
die  ältere  Diöcese  Hildesheim;  Urkundenbuch  der  Stadt  Hannover;  Manecke  II;  Regenten- 
Sahl  1698;  Doebner  VI  und  VII;  von  Hodenberg,  Pagus  Flutwide,  Lenthe's  Archiv  VI; 
Havemann;  Bertram,  .Geschichte  des  Bisthums  Hildesheim;  Kayser,  Kirchenvisitationen 
1897;  Holscher,  Beschreibung  des  Bisthums  Minden;  Mithofif,  Kunstdcnkmale  IV;  derselbe, 

4 


-^    26    8^ 

Kirchenbeschreibungen ;  Warnecke,  Nachrichten  zur  Vorgeschichte  des  Kirchspiels  Isem- 
hagen  1890;  Keimers,  alte  Wand-  und  Deckenmalereien  in  der  Provinz  Hannover,  Denkmal- 
pflege 1900  und  Hannoversche  Geschichtsbl.,  3.  Jahrg.;  Uhlhom,  die  Kirche  in  Kirchhorst 
und  ihre  Kunstdenkmäler,  Zeitschr.  d.  bist.  Ver.  f.  Nieders.  1899;  Weber,  die  Freien  bei 
Hannover  1898. 

Quellen:  Urkunden  und  Akten  des  Staatsarchivs  zu  Hannover;  Urkunde  vom 
Jahre  1489  und  Grütterscher  Nachlass  im  Stadtarchiv  zu  Hannover;  Yerzeichniss  der  kirch- 
lichen Kunstdenkmäler  von  18%. 


Geschichte.  l^^r  Name   des  in  älterer  Zeit  als  «Borchwede^   erscheinenden  Ortes 

deutet  auf  den  Zusammenhang  mit  einer  Burg  hin.  Nachrichten  über  dieselbe 
liegen  nicht  vor.  Nur  berichtet  Manecke:  «Von  einem  festen  Schlosse,  das 
hier  gestanden  haben  soll,  heisst  es  in  den  Jahrbüchern  der  Stadt  Hannover 
beim  Jahr  1426,  dass  die  Feste  Burgwedel  auf  Befehl  der  Herzöge  von  Braun- 
schweig-Lüneburg  von  den  Bürgern  zu  Braunschweig,  Lüneburg  und  Hannover 
heruntergerissen  sei^.  Dagegen  wird  über  den  Ort  Bestimmtes  berichtet. 
1324  bekundet  Bodo  von  Homburg,  Domscholaster  zu  Hildesheim^  dass  dem 
Herzoge  Otto  von  Braunschweig  und  Lüneburg  sowie  dessen  Söhnen  der  Wieder- 
kauf des  dem  Bischöfe  Otto  und  dem  Stifte  verkauften  Dorfes  «to  groten 
Borchwede"  gestattet  sei.  In  dem  gleichen  Jahre  wird  die  «Grafschaft  des 
Moors  von  Gr.  Borchwede*  erwähnt.  Von  Klein-Burgwedel  hören  wir  zwischen 
1330  und  1352;  darnach  hatte  «Her  Dideric  van  Alten  Lutteken-Borchwede  ane 
twene  hove  unde  den  tegeden  darsulves*  von  den  Herzögen  Otto  und  Wilhelm 
zu  Lehen.  1353  erklärt  Ritter  Johann  Pickard,  dass  nach  seinem  Tode  der  ihm 
gehörige  Zehnte  zu  «Borchwede"  dem  Herzog  Wilhelm,  dessen  Erben  oder  Nach- 
folgern anheimfallen  solle.  1371  verpfändet  der  Herzog  Magnus  mehreren  seiner 
Räthe  die  Grafschaft  zu  «Borchwede*. 

In  der  Klageschrift  des  Bischofs  Johann  von  Hildesheim  wider  die 
Herzöge  Bernhard  imd  Heinrich  vom  23.  Juni  1406  ist  von  den  herzoglichen 
Vögten  und  Männern  «vte  der  graueschop  to  Borchwedele^  die  Rede.  In  den 
Hildesheimschen  Stadtrechnungen  heisst  es  1422:  «Erovert  van  der  Name  to 
Borchwedele  5  p.  8  s."  und  weiter:  «De  hovetman  mit  den  deneren  unde  endeil 
unser  borghere  vordan  to  Peyne,  do  men  Borchwedele  brande,  10^  p.*  Aus 
einer  Hildesheimschen  Stadturkunde  vom  Jahre  1460  erfahren  wir,  dass  sich 
die  «undersaten  in  deme  karspel  to  Borch wedelte*^  im  Bann  befinden.  1489  schlägt 
der  Herzog  Heinrich  der  Mittlere  als  Patronatsherr  dem  Theoderich  von  Schulen- 
burg, Archidiakon  in  der  Hildesheimschen  Kirche  «banni  Smedenstede  eins  in 
hac  parte  officiali",  für  die  Pfarrkirche  des  Ortes  (ville)  „Borchwede*  nach  dem 
Tode  des  früheren  Lehnsbesitzers  Johannes  Houemester  den  Gerhard  von  Zerssen, 
Propst  in  Walsrode,  als  Lehnsträger  vor. 

1509  wird  des  Vogtes  von  «Borchwedell«  gedacht  und  1512  (Lüntzel  1572) 
von  den  armen  «Undersaten  ute  der  Graveschaflfl  Borchwedel*  gesprochen. 
In  der  Hildesheimschen  Stiftsfehde  wurde  Burgwedel  am  Pfingsttage  1519  von 
den  Herzögen  Heinrich  dem  Jüngeren  von  Braunschweig  und  Erich  dem  Aelteren 
von  Calenberg  eingeäschert.    Im  Jahre  1543  gehörten  zur  »Vogedie  Borchwedel* : 


i 


•-t-8    27     8^ 

Borchwedel  [Burgwedel],  Isemhagen,  Wethmer  [Weltmar],  Bissendorpe  [Bissen- 
dorf], Mellingendorpe  [Mellendorf],  Breiinge  [Breiingen],  Thor  hörst  [Eirchhorst] 
und  Swarmstede  [Schwarmstedt].  Ursprünglich  umfasste  dieselbe  nur  die 
Kirchspiele  Isemhagen,  Burgwedel  und  Wettmar.  Ein  Schreiben  vom  Jahre  1568 
redet  von  einem  Gericht  in  der  Vogtei  »Burgwedell*.  Im  Frühling  1671  traf 
Rudolph  August  auf  Betrieb  seines  Bruders  Anton  Ulrich  mit  den  Fürsten  des 
Gellischen  Hauses  in  Bui^wedel  zusammen,  um  die  Mittel  zur  Unterwerfung 
Braunschweigs  zu  berathen  und  mit  den  Vettern  im  Voraus  die  ihm  verbleibende 
Hoheit  an  der  Stadt  und  die  dagegen  zu  leistenden  Entschädigungen  zu  verein- 
baren. 1676  wird  eine  neue  Kanzel  angefertigt  und  1733  das  Dach  des  Eirch- 
thurms  einer  grösseren  Ausbesserung  unterzogen. 

Nach  Grupen  gehörte  der  Ort  mit  Klein-Burgwedel,  Fuhrberg  (nach 
Holscher  nebst  der  Mohrmühle),  Neuenwarmbüchen  (nach  Holscher  nebst  der 
Hesterholzmühle),  Oldhorst  sowie  dem  Landgute  und  Vorwerk  Lohne  zum 
Bann  Sievershausen  im  Pagus  Flutwide,  mithin  zur  Diöcese  Hildesheim.  Noch 
jetzt  sind  diese  dahin  eingepfarrt.  Auffallend  aber  ist  es,  dass  es  in  der  oben 
angezogenen  Urkunde  vom  Jahre  1489  zum  Bann  Schmedenstedt  gezählt  wird. 

Ehedem  befanden  sich  hier  nach  Manecke  zwei  «adelich  freie*^  Höfef 
Den  einen  besassen  die  Tietz,  genannt  Schlüter,  aus  der  Grafschaft  Nassau 
gebürtig,  der  andere  gehörte  den  Herren  von  Eltz  im  Hildesheimschen.  1718  wurde 
letzterer  nach  Absterben  des  Obristlieutenants  und  Amtsvogts  Ludolf  Henning 
von  Eltz  (siehe  unten  Grabmal)  auf  die  von  Reinbold  vererbt,  welche  ihn  bis 
1807  besessen  haben. 

Die  Kirche  besteht  aus  dem  Schiff  mit  zwei  rechteckigen  Anbauten  am   Beschreibung. 
Mitteljoch,  einer  Sakristei  auf  der  Südseite  und  einem  Westthurme. 

Das  im  Chor  durch  das  halbe  Achteck  geschlossene,  geputzte,  massive  Chor. 
Schiff  ist  mit  Ausnahme  des  westlichen  Joches,  dessen  Wölbung  fehlt,  von  8chiff. 
Kreuzgewölben  mit  Bimstabrippen  überspannt.  Der  Triumphbogen  zeigt  auf 
der  Chorseite  den  doppelt  zurückgesetzten  spätgothischen  Viertelstab,  während 
die  andere  Ecke  scharfkantig  ausgeführt  ist.  Die  drei  Joche  werden  durch 
spitzbogige  Gurtbögen  von  rechteckigem  Querschnitte  getrennt.  Zwei  rechteckige, 
mit  geputzten  Decken  versehene  Anbauten  liegen  auf  der  Süd-  und  Nordseite. 
Der  Ausbau  an  der  Nordseite  hat  eine  spitzbogige  Thür,  über  derselben  die 
Jahreszahl  1880,  der  an  der  Südseite  eine  halbkreisförmig  geschlossene  mit 
Kämpfer,  deren  Sandsteingewände  die  Renaissanceprofile  zeigen.  Eine  spitz- 
bogige, gefaste  Thür  liegt  auf  der  Nordseite  des  Schiffes.  Mit  Ausnahme  des 
mit  Sandsteingewänden  in  Renaissanceformen  eingefassten  Sakristeifensters  sind 
die  Fenster  spitzbogig  geschlossen;  zwei  Chorfenster  lassen  das  alte  Profil  — 
den  doppelt  zurückgesetzten  Viertelstab  —  unter  dem  Putze  noch  erkennen. 
Vier  an  den  Chorecken  und  je  zwei  an  den  Langseiten  angeordnete  Strebe- 
pfeiler sind  theil weise  nach  oben  abgesetzt  und  mit  Pfannen  gedeckt.  Alle 
Seiten  sind  durch  Emporen  verbaut.  Auf  dem  Putze  des  Kreuzgewölbes  im 
Mitteljoch  ist  die  Jahreszahl  1639  sichtbar. 

Der  viereckige,   aus  Eisensteinen  und  Findlingen   erbaute  Thurm  hat   Thuma. 
dieselbe  Breite  wie  das  Schiff  und  ist  mit  einem  sehr  schlanken  achteckigen, 

4* 


->^    28    8^ 


Altar. 


Gemälde. 


Glocke. 


Grabmal. 


Grabsteine. 


bescbieferten  Helm  bedeckt.  Die  Schallöfihungen  sind  mit  geknickten  Flach- 
bögen überwölbt  und  mit  Backsteinen  eingefasst;  sie  haben  aussen  spät- 
gothische  Profile  und  innen  den  doppelt  zurückgesetzten  Viertelstab.  Der  Sockel 
bildet  eine  einfache  Schräge.  Interessant  sind  die  auf  allen  Seiten  des  Thurmes 
in  mehreren  Geschossen  unregelmässig  übereinander  angebrachten,  zum  Theil 
In  schräger  Richtung  angelegten,  schmalen,  rechteckigen,  nach  hinten  erweiterten 
Schartenöfihungen  mit  einem  Querholz  ungefähr  in  der  Mauermitte.  Eine  flach- 
bogige  Eingangsthür,  welche  im  Inneren  die  Oeffnungen  zur  Aufnahme  des  schweren 
Balkenverschlusses  zeigt,  liegt  auf  der  Südseite.  Unten  im  Inneren  lassen  sich 
die  Widerlager  zum  Kreuzgewölbe  noch  erkennen.  An  der  äusseren  Westseite 
des  Thurmes  ist  unter  einer  Verdachung  ein  stark  beschädigtes,  aus  dem  XVI.  Jahr- 
hundert herrührendes  Sandsteinrelief  mit  dem  Gekreuzigten  zwischen  Maria  und 
Johannes  zu  sehen. 

Die  mit  zwei  glatten  Säulen  und  verkröpftem  Gebälk  ausgestattete 
Altarwand  zeigt  die  Formen  des  späten  Barock ;  auf  der  Rückseite  befindet  sich 
die  Jahreszahl  1690. 

In  der  Sakristei  hängt  das  Oelbild  eines  Pfarrers;  in  der  linken  oberen 

Ecke  ist  zu  lesen: 

Natus  Aö  1634  d.  16  Januar. 

Eine  1,25  m  im  Durchmesser  grosse  schöne  Glocke,  ohne  Inschrift,  hat 
am  Halse  vier  über  Kreuz  geknotete  Schnüre.  Auf  dem  Mantel  sind  der 
Gekreuzigte  mit  hochgezogenen  Beinen  in  der  Form  des  XIV.  Jahrhunderts, 
Petrus,  Paulus  und  ein  Bischof  erhaben  dargestellt ;  zwischen  diesen  Hochbildem 
ist  je  ein  Brakteat  angebracht.    Der  Glockenstuhl  trägt  die  Inschrift: 

an  •  •  dny  •  m  ccccc  l  x  i  • 
Im  südlichen  Anbau  hängt  ein  hölzernes  Grabmal  mit  dem  Wappen 
der  Familie  v.  Eltz  in  den  Formen  des  mit  Regence  gemischten  späten  Barock; 
die  Unterschrift  lautet: 

Herr  Obrist  Lieutenant  und  Amtsvoigt 
zu .  Burgwedel : 
Ludolfh  Henning  von  Eltz,  auss  altem  Stam  ensprossen  Hat  stets 
mit  Recht,  den  Ruhm  des  Redlichen,  genossen  Als  Ghriste,  Krieges- 
mann, und  Ambts- Voigt,  bis  ans  Ende  Die  Erd  bewahrt  den  Leib 
Die  Seele  Gottes  Hände. 

„.  ,,  .  r  gebohren  im  Jahre,  1649 .  den  15.  Junii . 
'  gestorben  im  Jahre  1718,  den  .  10  Maii . 
Ebendort  ist  ein  sehr  schön  gearbeiteter,  farbig  behandelter  Grabstein 
(Fig.  5)  aufgestellt;  in  einer  halbkreisförmig  überdeckten  Nische  steht  der  Ver- 
storbene im  Harnisch,  umgeben  von  Helm,  Handschuhen,  Waffenstücken  und 
Siegeszeichen  mannigfacher  Art.  Oben  befinden  sich  zwei  Wappen,  bezeichnet: 
»Lvdolf  V.  Eltz"  und  „Anna  Zigemeier*.  Auf  einem  Felde  oberhalb  der 
Nische  steht: 

In  dieser  weldt  ist  nichts  den  Mvhe  Angst  vnd  unruhe  Aber  ich 
weis  das  mein  Erlöser .  Jesus  Christus  lebet  und  in  ihme  wirdt  meine 
Sehle  Ruhe  habenn. 


i 


Die  unterste  Zeile  der  Lapidarumschrift  wird  vom  Fussboden  verdeckt; 
die  freie  Inschrift  lautet: 

Der  emrester   fThmetuuer  vnd  manhafter  Lvdolf  von  Eltz  Frrstl : 
Bravnschw  :  LmebTTgischer  bestalter  Harptman  vnd  Ambtsvoig  .  . 

ti^  zwischen  2.  vnd  3.  Vhren  in  Got  sehlig 

endschlaffen  seines  Alters  67.  Jahr. 


KIrebe  In  Grau-Bargvsdel ;  OrabsUln. 


Auf  dem  Kirchhofe  stehen  fOnf  Grabsteine  der  Familie  t.  Alten  aus 
der  Zeit  um  die  Wende  des  XVIII.  Jahrhunderts.  la  die  äussere  Ostwand  der 
Kirche  ist  der  beschädigte  Theil  eines  Grabsteins  eingelassen,  auf  welchem  der 
Gekreuzigte  und  darunter  eine  knieende  weibliche  Figur  zu  sehen  sind. 

Eine  silberrergoldete  Eanne  ist  in  den  Formen  der  Mitte  des  XVm.  Jahr-    Kanne, 
bonderts  ausgeführt. 

Ein  silberrergoldeter  Eelcb  mit  rundem  Fusse  und  Patene  hat  auf  dem    Kelch. 
Becher  ein  Wappen  mit  der  Umschrift:  .Heinrich  von  Dassell  Ritmeister .  1722". 


Sonnenuhr. 


Taufbecken. 


->^     30     8^ 

Unter  dem  Fusse  sind  zwei  Zeichen^  das  springende  Pferd  und  die  Buchstaben 
JPM,  angebracht. 

Eine  Sonnenuhr  auf  einer  Sandsteinplatte  ist  auf  der  Südseite  des 
Schiffes  angebracht. 

Das  einfache,  silberne  Taufbecken  trägt  unter  dem  Boden  als  Zeichen 
das  springende  Pferd  und  ein  Zeichen,  m  welchem  die  Buchstaben  S  E  L 
erkennbar  sind,  sowie  die  Inschrift: 

H  .  K .  C  .  A .  1734 . 

Triumphkreuz.  Im  südlichen  Anbau  ist  jetzt  das  farbig  behandelte,  aus  Holz  geschnitzte 

Renaissance-Triumphkreuz,  noch  auf  dem  alten  Balken  stehend,  untergebracht. 
Der  1,25  m  hohe  Gekreuzigte  ist  von  Maria  und  Johannes  umgeben. 

Wand-  Von   den   alten  Malereien   auf  dem  Chorgewölbe   sind   augenblicklich 

maiereien,  einzelne  Theile  freigelegt  (Krönung  der  Maria,  Paulus  und  Ornamente),  welche, 
soweit  sich  erkennen  lässt,  den  Malereien  in  Kirchhorst  ähnlich  sind  und  dem 
XV.  Jahrhundert  angehören. 

Das  Amtshaus  ist  ein  einfaches,  zweigeschossiges  Fachwerkgebäude 
ohne  Inschriften  auf  massivem  Sockel  mit  einem  an  den  Schmalseiten 
abgewalmten  Dach. 


Amtshaus. 


D  o  1  g  e  n. 


Kapelle. 

Litteratur:  Origines  Guelficae;  Sudendorf;  Volger,  Urkunden  der  Bischöfe  von 
Hildesheim ;  Lüntzel,  die  ältere  Diöcese  Hildesheim;  Doebner  II,  IV  und  VII;  von  Hodenberg, 
Marienroder  Urkundenbuch;  Urkundenbuch  der  Stadt  Braunschweig;  Hassel  und  Bege, 
Beschreibung  der  FürstenthUmer  WolfenbUttel  und  Blankenburg  II;  Kayser,  Kirchen- 
visitationen 1897 ;  Maneckell;  Mithoff,  Kunstdenkmale  IV;  Weber,  die  Freien  bei  Hannover 
1898;  Heise,  die  Freien;  Kniep,  die  Freien  vor  dem  Walde,  Hann.  Geschichtsbl.,  3.  Jahrg. 

Quellen:  Kirchenbuch  zu  Haimar;  Designatio  corporis  bonorum  von  der  Kirche 
zu  Haimar  und  denen  dazu  gehörigen  beyden  Capellen  Dollgen  und  Evem,  17S4  aufgesetzt 


Geschichte. 


Das  zum  grossen  Freien  gehörige  und  nach  Haimar  eingepfarrte  Dorf 
lässt  sich  mit  Sicherheit  erst  für  das  Jahr  1400  nachweisen.  Zwar  kommt  ein 
Ort  von  gleicher  Namensform  bereits  früher  urkundlich  vor.  Doch  ist  dies 
nicht  der  unsrige.  Aus  einem  Schreiben  des  Hildesheimschen  Raths  vom 
Jahre  1400  an  die  Herzöge  Bernhard  und  Heinrich  erfahren  wir,  dass  deren 
Vögte  und  Diener  Burchard  van  Gramme  und  Ringelwole  mit  ihren  Helfern 
mehreren  seiner  Mitbürger  »toDolghen,  toEveren  unde  to  Retmer*  Vieh  geraubt 
haben.   Später  wechselt  die  Namensform.    1430  finden  wir  die  Hildesheimschen 


-^    31     8^ 

Bürger  Heinrich  und  Hans  Galle  mit  14^  Hufen  Landes  und  |  des  Zehnten  zu 
^Dollingen"  von  Äschwin  von  Salder^  weiland  Burchards  Sohn,  belehnt. 
1441  kommt  die  Namensform  «Doligen'^  und  um  1460  «Dalgen'  vor.  1534  wird 
als  j,verus  Pastor  von  Heymer*  angegeben  »Hinricus  Eynem,  itzunth  prawsth  tho 
Demeborch,  als  Caplan  her  Johan  Kün  alleyne*^,  der  auch  die  .Capelle  tho 
Doluen"  versah.  1543  begegnet  der  Ort  als  »Dollinge*.  1578  beschweren  sich 
die  Dörfer  Lehrte,  Sehnde,  Dolgen,  Haimar  und  Gretenberg  gegen  Uebergriffe  des 
Bodo  und  Hans  von  Rutenberg.  Das  Gericht  zu  Dolgen  war  zwischen  den  Lüne- 
burgischen Fürsten  und  den  Herren  von  Rutenberg  getheilt,  wie  ein  Gerichts- 
protokoll vom  14.  Oktober  1631  beweist.  Später  wurde  der  Antheil  derer  von 
Rutenberg  an  den  Geheimen  Eammerrath  von  Bülow  in  Hannover  verliehen, 
welcher  denselben  1650  für  ein  Fuder  Korn  an  Celle  wieder  abtrat.  Konrad 
Steuerwald,  1630 — 1679  Pastor  zu  Haimar,  schreibt  in  der  Pfarrchronik:  »Die 
Gapelle  zu  Dolgen  hat  eine  feine  hellklingende  glocken,  vnd  einen  seiger,  •  •  •  • 
item  einen  Altar  aber  ohne  zierath*.  Femer  sagt  er,  sie  sei  alt,  habe  aber 
Besserung  nöthig  und  sei  «sub  Papatu  dedicirt  in  memorlam  sanctae  Margarethae*. 
Aus  des  Pfarrers  Nebershausen's  Notizen  ist  ersichtlich,  dass  die  Kapellen  zu 
Dolgen  und  Evern  bis  1699  weder  Stühle  noch  Beichtstuhl  hatten.  Er  führte 
darin  die  Quartalsgottesdienste  ein.  Am  10.  Juli  1696  hielt  er  die  erste  Kapellen- 
predigt zu  Dolgen.  Die  Designatio  corporis  bonorum  vom  Jahre  1734  sagt  über 
die  Kapelle  folgendes:  .Das  Gebäude  der  Capelle  ist  lang  im  lichten  38  Fuss, 
breit  im  lichten  19  Fuss,  es  ist  aber  sehr  baufällig,  und  hat  eine  starke  reparation 

nöthig. Die  Capelle  hat  eine  Kleine  Haube,  in  welcher  die  Glocke  hänget. 

Es  findet  sich  auch  eine  Schlag-ühr  in  selbiger*.    Sie  wurde  1884  mit  Gement 
verputzt  und  inwendig  ausgebessert. 

Der  einfache,  aussen  und  innen  verputzte,  im  Grundriss  rechteckige  Beschreibung. 
Fachwerkbau  von  11,5  m  äusserer  Länge  und  6,4  m  Breite  ist  mit  einer 
muldenförmig  gewölbten,  geputzten  Bretterdecke  überspannt  und  enthält  eine 
rechteckige  Thür  mit  Holzgewänden  und  einfache  rechteckige  Fenster.  Das 
flachbogige  Fenster  der  massiven  Westseite  stammt  sammt  dieser  aus  dem 
Jahre  1899.  Die  das  Dach  tragenden  Balken  stehen  an  den  Langseiten  über. 
Das  mit  Pfannen  behängte,  an  der  Ostscite  mit  Mönchen  und  Nonnen  eingedeckte 
Walmdach  trägt  auf  der  westlichen  Hälfte  einen  quadratischen,  mit  kleinen 
Schallöffnungen  versehenen  Dachreiter.  Im  Glockenbalken  ist  die  Jahreszahl 
1660,  in  der  Wetterfahne  die  Jahreszahl  1792,  an  der  Südseite  in  einer  Gaube 
die  Uhr  angebracht. 

Die  58  cm  im  Durchmesser  grosse  Glocke  war  der  Lischrift  gemäss  der   Glocke. 
Ursula  geweiht  und  1534  gefertigt. 


-^    32    8^ 


Geschichte. 


Beschreibung. 


Dollbepgen. 


Kapelle. 

Litteratur:  Sndendorf;  von  Hodenberg,  Calenberger Urkundenbuch  V ;  derselbe, 
Ltinebnrger  Urkundenbuch  XV;  derselbe,  Lüneburger  Lebnregister;  derselbe,  Pagus 
Flutwide,  Lenthe^s  Archiv  VI;  Regenten -Sahl  1698;  Doebner  I;  Janicke;  Lttntzel,  die 
ältere  Diöcese  Hildesheim;  Manecke  II;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897;  Mithoff,  Kunst- 
denkmale IV;  derselbe,  Kirchenbeschreibungen;  Fromme,  kleine  Chronik  der  Primariat- 
pfarre  zu  Sievershausen  1889. 

Quellen:  Urkunde  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover. 


lieber  das  nach  Sievershausen  eingepfarrte  Dorf  liegen  nur  spärliche 
Nachrichten  vor.  Ob  das  Geschlecht  derer  von  Dolberge  (Dolberke,  Dolbere) 
mit  unserem  Orte  im  Zusammenhang  steht,  lässt  sich  nicht  mit  Bestimmtheit 
sagen.  In  dem  älteren  Zehnt-,  Geld-  und  Fruchtregister  des  Klosters  Wienhausen 
aus  dem  Ende  des  XIII.  Jahrhunderts  wird  unser  Ort  als  ^Dolberghe'  auf- 
geführt und  vom  Glossist  des  XIV.  Jahrhunderts  zu  »Mey*  gerechnet.  1360  erhielt 
Johann  von  Garsenbüttel  bei  der  vom  Herzog  Wilhelm  vorgenommenen  Neu- 
belehnung  das  Burglehen  zu  Meinersen  mit  neun  Hufen  und  drei  Hütten  zu 
vDolberge''  zu  Lehen.  In  einer  Urkunde  des  Stiftes  Wienhausen  vom  Jahre  1505 
ist  von  einer  Wiese,  ,vffe  dem  Schermbeke  twischen  Olerse  vnnd  Dolberge" 
gelegen,  die  Rede.  1632  musste  der  Unsicherheit  wegen  der  Gottesdienst  statt 
in  Sievershausen  in  Dollbergen  abgehalten  werden.  1746  am  4.  August  wurden 
bei  einem  plötzlich  sich  entladenden  Gewitter  in  der  Kapelle  filnf  Menschen 
vom  Blitz  erschlagen. 

Die  schlichte,  mit  dreiseitigem  Chorschluss  im  Osten  versehene  und 
durch  eine  muldenförmige  Decke  im  Iimeren  abgeschlossene  Fachwerkkapelle 
von  14,1  m  äusserer  Länge  und  8,2  m  Breite  hat  rechteckige  Fenster.  Die 
Thüren  an  der  West-  und  an  der  Südseite  haben  flachbogig  ausgeschnittenen 
Sturz.  Der  viereckige  Dachreiter  hat  ein  Satteldach  und  die  Wetterfahne  die 
Jahreszahl  1783. 


Elze. 

Kapelle. 

Litteratur:  Sndendorf;  Lttntzel,  die  ältere  DiOcese  Hildesheim;  Manecke  II; 
Kayser,  Kirchenvisitationen  1897;  Holscher,  Beschreibung  des  Bisthums  Minden;  Zeitschr. 
d.  hist  Ver.  f  Nieders.  1864  und  1867;  Mithoff,  Kunstdenkmale  IV;  derselbe,  Kirchen- 
beschreibungen; von  Hodenberg,  LUneburger  Lehnregister;  GrUtter,  Loingau,  Hannov. 
Geschichtsbl.,  2.  Jahrgang. 

Das  nach  Breiingen  eingepfarrte  Dorf  gehörte  ehedem  mit  diesen^, 
zur  Diöcese  Minden  und  zum  Loingau.  £s  war  der  Amtsvogtei  Bissendorf  zu- 
geordnet. Zwischen  1330  und  1352  bekam  Gerbert  van  Elsensenne  von  den 
Herzögen  Otto  und  Wilhelm  einen  Hof  »to  Elsensen*"  zu  Lehen.    1360  erhielten 


-^    33    8^ 

Kurt  von  Mandelsloh  eine  Hufe  ^to  Elsensen'',  Johann  von  Mandelsloh  «to  Elzensen 
enen  hof,  nach  Manecke  « Moorhof  *  genannt,  Johann  von  Reize  einen  Hof  und 
zwei  Kothen  und  Gebhard  von  Bothmer  einen  halben  Hof  daselbst.  1385  erhält 
Gerhard  von  Bothmer  vom  Mindener  Bischof  Otto  einen  Hof  «to  Elsenhtisen'^ 
zu  Lehen. 

Da  die  Kapelle,  wie  auch  die  Brelinger  Kirche,  im  Mindener  Archi- 
diakonats-  und  Pfarrregister  nicht  genannt  wird,  so  wird  zu  Elze  vor  dem 
späten  Mittelalter  kein  Gotteshaus  bestanden  haben.  Jedenfalls  war  zu  Anfang 
des  XVIL  Jahrhunderts  daselbst  eine  Kapelle  vorhanden,  deren  viereckiger, 
hölzerner  Glockenthurm,  von  einem  Zeltdach  bedeckt,  noch  heute  steht.  1849  wurde 
ein  neues  Schiff  in  Fachwerk  angebaut. 

Den  dortigen  adelig  freien,  landtagsfähigen  Hof  erhielten  nach  denen 
von  Bünau  die  Gapellini,  genannt  von  Stechinelli,  1705  zu  Reichsfreiherren 
von  Wickenburg,  1790  zu  Reichsgrafen  erhoben,  zu  Besitz. 


Engensen. 

Kapelle. 

Litteratur:  Janicke;  Lüntzel,  die  ältere  Diöcese  Hildesheim;  Sndendorf; 
Gmpen,  Origines  et  Antiqnitates  Hanoverenses;  Regenten-Sahl  1698;  Manecke  II;  von 
Hodenberg,  Pagos  Flutwide,  Lenthe's  Archiv  VI;  Böttger,  Diöcesan-  und  Gau-Grenzen; 
Kayser,  Kirchenvisitationen  1897;  Holscher,  Beschreibung  des  Bisthums  Minden;  Mithoff, 
Kunstdenkmale  IV;  derselbe,  Kirchenbeschreibungen;  Neues  Vaterl.  Archiv  1823. 

Quellen:  Urkunden  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover. 


Ob  das  heute  nach  Wettmar  eingepfarrte  Dorf  mit  dem  «Eddinkhusen*'  Geschichte. 
in  der  Bestfttigungsurkunde  des  St.  Michaelisklosters  vom  Jahre  1022  identisch  ist, 
darüber  gehen  die  Ansichten  auseinander.  Es  heisst  in  der  betreffenden  Urkunde: 
9 in  pago  Fiutwidde  in  prefectura Thammonis :  Alenhusen,  Eddinkhusen,  Scel- 
hiisen,  Wendelingeroth,  Hardeshem,  Utisson,  Siradisson,  Scheplice,  Waditlagun*". 
Der  Umstand,  dass  es  als  im  Gau  Flutwide  belegen  aufgeführt  wird,  spricht  für 
unseren  Ort.  Im  Jahre  1278  überträgt  der  Bischof  Otto  von  Hildesheim  dem 
Kloster  Wienhausen  den  Zehnten  in  «Engese',  welchen  dieses  von  Johann  von 
Qffenhusen  und  Walther  von  Osbemshusen  gekauft  hatte.  Der  Ort  gehörte  mit 
Wettmar  und  Thönse  zum  Bann  Sievershausen.  Sie  waren  anfangs  nach  Burgdorf 
eingepfarrt,  kauften  sich  aber  von  dort  1307  um  50  Pfund  Hildesheimscher 
Münze  los  und  bauten  eine  dem  heiligen  Magnus  geweihte  Kirche  zu  Wettmar. 
1361  lautet  die  Namensförm  „Enghese",  1382  .Enghese*  und  „Enghesen''. 
Izn  Landsteuerverzeichniss  wird  1534  als  Pastor  zu  Wettmar  Gert  Polde  genannt, 
welcher  ausser   der  Pfarrkirche   die  Kapellen   zu   »Furberge*   (Fuhrberg)  und 


5 


Beschreibung. 


HHg    34     8^ 

Engensen  zu  bedienen  hatte.     Der  Freihof  daselbst  gehörte  ehedem  denen  von 
Dankwerth,  später  den  Hetzer. 

In  der  aus  Ortsteinen  und  Findlingen  erbauten  Kapelle  von  9,5  m 
äusserer  Länge  und  6,5  m  Breite  befindet  sich  jetzt  die  Schule.  Das  Bauweit 
wird  auf  der  Ostseite  durch  drei  Seiten  des  Achtecks  geschlossen  und  enthält 
hier  einen  viereckigen  Dachreiter  mit  beschiefertem  Helm.  Die  auf  der  Südseite 
liegende  spitzbogige  Eingangsthür  zeigt  den  neunmal  zurückgesetzten  Viertelstab 
aus  Backsteinen;  je  ein  halber  Stein  ist  dreimal  gegliedert.  Sämmtliche  Fenster 
sind  spitzbogig  und  mit  Backsteinen  eingefasst.  An  den  Ghorfenstem  ist  ein 
dreimal  zurückgesetzter  Viertelstab  erhalten. 


Geschichte. 


Evern. 

KapeUe. 

Litteratur:  Doebner  I,  II  und  V;  Janicke;  Sudendorf;  LUntzel,  die  ältere 
Diöcese  Hildesheim;  derselbe,  Geschichte  der  Diöcese  und  Stadt  Hildesheim  I;  Urkunden- 
bnch  der  Stadt  Lüneburg  I;  Lauenstein,  diplomatische  Historie  des  Bisthnms  Hildesheim  1740; 
Manecke  II;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897;  Mithoff,  Kunstdenkmale  IV;  Weber,  die 
Freien  bei  Hannover  1898;  Feise,  Capellen -Weihe  au  Evem  1852;  Bertram,  Geschichte 
des  Bisthnms  Hildesheim  I;  Heise,  die  Freien;  Kniep,  die  Freien  vor  dem  Walde,  Hann. 
Geschichtsbl.,  3.  Jahrg. 

Quellen:  Urkunden  und  Akte  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  Kirchenbuch 
im  Pfarrarchiv  zu  Haimar;  Register  von  1652—1730,  ebendort;  Designatio  corporis 
Bonorum  von  der  Kirche  zu  Haimar  und  denen  dazu  gehörigen  beiden  Kapellen  Dolgen 
und  Evem,  1734  aufgesetzt,  ebendort;  Kapellenrechnungen  in  Evem. 


Das  nach  Haimar  eingepfarrte  und  zum  grossen  Freien  gehörige  Dorf, 
welches  ehedem  dem  Bann  J^ühnde  im  Pagus  Hastfala  zugezahlt  war,  nimmt 
durch  seine  Geschichte  eine  bemerkenswerthe  Stellung  ein.  Schon  im  Jahre  1117 
hat  daselbst  eine  Kirche  bestanden.  Am  11.  Mai  dieses  Jahres  giebt  der  Graf 
Adalbert  zu  Haimar  mit  Zustimmung  seines  Sohnes  Bertold  dem  Pfarrer 
Adalbert  in  Lühnde  24  Morgen  mit  einer  Hausstelle  in  „Schutellobeke*  (wüst 
bei  Gross-  und  Elein-Lopke),  wozu  er  ausserdem  „in  usum  sacerdotis  predicti 
Adelberti*  eine  Mark  Silber  fügt,  dazu,  dass  ein  Dörfchen,  ^Eberen*  mit 
Namen,  von  der  Mutterkirche  in  Lühnde  abgetrennt  werde  und  dieser  nur 
noch  das  Synodalrecht  zustehe,  während  es  sich  aber  nicht  weigern  dürfe,  so 
oft  die  Nothwendigkeit  es  erheische,  der  Mutterkirche  zur  Herstellung  der 
Gebäude  und  zur  Anschaffung  des  Kirchenschmuckes  sowie  anderen  nothwendigen 
Ausgaben  eine  Beihülfe  zu  geben.  Die  Kirche  zu  Evern  (redemptam  ecclesiam) 
verwaltete  der  Priester  Eberhard.  Dieses  Gotteshaus  zu  Evem  war  ursprünglich 
die  Parochialkirche  des  Kirchspiels  Haimar,  welches  ausser  Haimar  und  Evern 
noch  Dolgen  und  das  wüste  Gilgen  umfasste.    Doch  muss  die  Verlegung  der 


Parochialkirche  nach  Haimar  sehr  früh  erfolgt  sein,  da  fortan  nur  noch  Geist- 
liche von  Haimar  genannt  werden.  Zwischen  1220  und  1240  begegnet  der 
Ort  als  jiEuerringe'^.  Das  Dorf  bildete  ursprünglich  einen  Theil  des  grossen 
Allodialbesitzes  der  Grafen  von  Wernigerode  in  und  um  Haimar.  Diese  hatten 
es  denen  von  Salder  zu  Lehen  gegeben. 

Am  20.  Juni  1386  wird  bekundet,  dass  der  Ritter  Gebhard  von  Salder 
die  Erklärung  abgegeben  habe,  er  habe  das  Dorf  ^to  Eueren'^  und  den  Zehnten 
daselbst  mit  allem  Zubehör  und  der  Gerichtsbarkeit  an  den  Dompropst  und 
das  Domkapitel  zu  Hildesheim  verkauft.  Die  Einwilligung  der  Oberlehnsherren, 
der  Grafen  von  Wernigerode,  erfolgte  im  gleichen  Jahre.  Von  nun  an  waren 
die  Dompröpste  wie  die  Landesherren  in  Evem.  Sie  besassen  dort  selbst  einen 
freien  Hof,  auf  welchen  sie  als  Golonus  ihren  Vogt  setzten. 

Streitigkeiten  zwischen  dem  Dompropst  und  dem  eigentlichen  Landes- 
herm  wurden  durch  den  Vergleich  vom  16.  Dezember  1621  beigelegt.  Dem- 
zufolge sollte  der  Herzog  die  landesfdürstliche  Obrigkeit  über  das  Dorf  behalten, 
dagegen  der  Dompropst  auch  in  Zukunft  als  «unmittelbarer  Gerichtsherr  und 
Obrigkeit '^  anerkannt  werden. 

1664  wird  berichtet,  dass  vor  der  Kapelle  zu  Evem  das  Wappen  des 
Landesherm  angebracht  sei.  Pastor  Steuerwald  in  Haimar  (1630—1679)  schreibt: 
«Die  Capelle  zu  Evem  hat  nunmehr  auch  eine  bessere  Glocken,  vnd  einen  seiger 
gezeuget,  •  •  •  auch  einen  Altar  aber  ohne  zierath*.  Sie  sei  alt,  habe  aber 
Besserung  nöthig  und  sei  «sub  Papatu  dedicirt  in  memoriam  Sancti  Georgü'^. 
Aus  den  Notizen  des  Pastors  Nebershausen  ersehen  wir,  dass  die  Kapellen  zu 
Dolgen  imd  Evem  bis  1699  weder  Stühle  noch  Beichtstuhl  hatten.  Er  führte 
die  Quartalsgottesdienste  darin  ein.  Am  19.  Juni  1696  hat  er  die  erste  Kapellen- 
predigt zu  Evem  gehalten.  1715  hatte  die  Kapelle  unter  einem  heftigen  Sturm 
zu  leiden.  1717  schenkte  Philipp  Adam  zu  Eltz  einen  Taufstein,  welcher 
vormals  in  der  Kirche  zu  Rethmar  gestanden,  in  die  Kapelle  zu  Evem. 
1723  wurde  sie  neu  gebaut.  Die  Designatio  corporis  Bonomm  vom  Jahre  1734 
besagt:  .Das  Gebäude  der  Capelle  ist  lang  im  lichten  38  Fuss,  breit  im  lichten 
20  Fuss,  es  ist  gegenwärtig  in  einem  recht  guten  Stande,  denn  es  ISö :  1723 
von  Grund  auf  erst  neu  gebauet.  •  •  •  •  Auf  der  Capelle  befindet  sich  eine  Kleine 
Spitze,  in  welcher  die  Glocke  hänget,  eine  Schlag-Uhr  ist  auch  vorhanden'^. 
Femer  besitze  sie  zwei  zinneme  Leuchter.  1825  wurde  das  Dorf  von  einem 
schweren  Brande  heimgesucht.  42  Wohnhäuser  und  40  Nebengebäude  sanken 
in  Trümmer;  die  Schule  und  auch  die  Kapelle  wurden  ein  Raub  der  Flammen, 
nur  die  äusseren  Mauem  blieben  von  letzterer  stehen.  Die  neue  Kapelle  wurde 
am  21.  September  1852  geweiht. 

In  welcher  Beziehung  das  Geschlecht  derer  von  Evem  zu  unserem  Orte 
steht,  lässt  sich  nicht  mit  Bestimmtheit  entscheiden. 

Von  der  einfachen,  aus  Bmchsteinen  erbauten  Kapelle   sind  nur  die   Beschreibung. 
Umfassungsmauem  älteren  Urspmngs.    Im  Jahre  1851  erhielt  das  Bauwerk  ein 
im   Osten  abgewalmtes    und   mit  Pfannen   gedecktes  Satteldach   sowie   einen 
beschieferten  viereckigen  Dachreiter  im  Westen.   Die  Kapelle  bildet  im  Grundriss 
ein    Rechteck    von   12,4  m   Länge    und    7,7  m   Breite.     In    der    Süd-    und 

5* 


Nordwand  sind  je  zwei  mit  glatten  Sandsteingewänden  und  geradem  Sturz 
eingefasste  Fenster  angeordnet.  Eine  mit  dem  Eorbbogen  geschlossene  Eingangs- 
thür  im  Westgiebel  hat  Sandsteineinfassung  sowie  vortretenden  Kämpfer  und 
Schlussstein;  die  Inschrift  auf  dem  letzteren  lautet: 

Reno 

vatvm 

Anno 

1723 
Sämmtliche  Ecken  sind  in  Quadermauerwerk  aufgeführt. 


Fuhrberg. 

KapeUe. 

Litteratur:  Sudendorf;  von  Hodenberg,  Lünebnrger  Urkundenbnch  XV;  derselbe, 
Pagas  Flutwide,  Lenthe^s  Archiv  VI;  Lüntzel,  die  ältere  Diöcese  Hildesheim;  Mithoff, 
Kunstdenkmale  IV;  derselbe,  Kirchenbeschreibungen;  Manecke  II-;  Kayser,  Kirchen- 
visitationen 1897;  Holscher,  Beschreibung  des  Bisthums  Minden;  Regenten-Sahl  1698;  von 
Bennigsen,  Beitrag  zur  Feststellung  der  Diöcesangrenzen,  Zeitschr.  d.  bist.  Ver.  f.  Nieders.  1863 ; 
Böttger,  Diöcesan-  und  Gau-Grenzen;  Grütter,  Loingau,  Hannov.  Geschichtsbl.,  3.  Jahrg. 

Quellen:  Akte  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  Verzeichniss  der  kirchlichen 
Kunstdenkmäler  von  1896. 


Geschichte.  Das  zum  Kirchspiel  Gross-Burgwedel  gehörige  Dorf  war  ehedem  einer 

der  Grenzorte  des  Hildesheimschen  Pagus  Flutwide  gegen  den  Mindenschen 
Loingau.  Im  Jahre  1323  verkaufen  Hugo  und  Johannes  von  Escherde  mit 
Einwilligung  ihrer  Erben  dem  Walsroder  Propst  Heinrich  für  20  Mark  Bremischen 
Silbers  und  Gewichtes  ihr  Landgut  (villa)  in  „Wurberghen*  (Wrberghen),  „que 
et  duuelshus  dicitur*'.  Zwei  1377  aufgestellte  Verzeichnisse  über  den  Schaden, 
welchen  der  Herzog  Otto  von  Braunschweig  und  dessen  Leute  dem  Herzog 
Albrecht  von  Sachsen  und  Lüneburg  sowie  dessen  Unterthanen  während  der 
Sühne  und  des  Friedens  zugefügt,  berichten  auch  von  Räubereien  .Tho  deme 
Vurberge"  (Vurberge).  Im  Landsteuerverzeichniss  von  1534  wird  Gert  Polde, 
Pastor  zu  Wettmar,  genannt,  welcher  ausser  der  Pfarrkirche  die  Kapellen  zu 
^Furberge^  und  Engensen  zu  bedienen  hatte.  Am  7.  Februar  1768  beschloss  die 
Gemeinde  «bevorstehenden  Sommer  vor  die  hiesige  alte,  Baufällige  Cappelle  eine 
neue  zu  bauen".  Die  alte  Kapelle  stand  an  der  Seite  des  Dorfes  nahe  an  des 
Einwohners  Brehling  Hofe,  von  einem  kleinen  Kirchhof  umgeben.  1769  am 
1.  Adventssonntag  wurde  zum  ersten  Mal  in  der  neuen,  mitten  im  Dorfe 
errichteten  Kapelle  Gottesdienst  gehalten. 


HHg    37    8^ 

Die  einfache,  mit  Backsteinen  ausgemauerte  Fachwerkkapelle  hat  ein    Beschreibung. 
Satteldach  mit  halben  Walmen  und  einen  viereckigen  Dachreiter  in  der  Mitte. 
Eine  geputzte,  bogenförmig  gekrümmte  Holzdecke  schliesst  den  Innenraum  ab. 
Die  Fenster  sind  rechteckig. 

Der  mit  einer  Sandsteinplatte  abgedeckte,   gemauerte  Altar  hat   eine   -A.ltar. 
hölzerne  Altarwand  mit  gewundenen  Säulen.     Zwei  übereinander  befindliche, 
auf  Holz  gemalte  Bilder  stellen  das  Abendmahl  und  die  Kreuzigung  dar.    Auf 
der  Wand  steht  die  Inschrift: 

Otto  Johann  Frese  F  •  B  •  L  •  Wolbestalter  Oberförster  zvm  Fvhrberge 
dieses  Altahr  verehret 

und  seitlich  davon:  „Anno •  1687 '^. 

Die  61  cm  im  Durchmesser  grosse  Glocke  ist  von  M.  Johann  Georg  Ziegner    Glocke, 
im  Jahre  1761  in  Hannover  gegossen. 


Hänigsen. 


Kirche. 

Litteratnr:  Sudendorf;  Mithoff,  Kunstdenkmale  IV;  derselbe,  Kirchen- 
beschreibungen;  Manecke  II;  von  Hodenberg,  Pagus  Flutwide,  Lenthe's  Archiv  VI; 
derselbe,  Lüneburger  Lehnregister;  Regenten-Sahl  1698;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897; 
Weber,  die  Freien  bei  Hannover  1898;  Meyer,  die  älteste  Kirchenrechnung  von  Hänigsen, 
Hann.  Geschicbtsbl.,  3.  Jahrg.,  209  ff. 

Quellen:  Urkunden  und  Akten  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  Verzeichniss 
der  kirchlichen  Kunstdenkmäler  von  1896. 


Das  ehedem  zum  Amt  Meinersen  und  zur  Vogtei  Uetze  gehörige  Dorf  Geschichte. 
begegnet  bereits  in  der  ersten  Hälfte  des  Xill.  Jahrhunderts.  Nach  dem  zwischen 
1220  und  1240  niedergeschriebenen  Theil  des  Lehnsregisters  des  edelen  Herrn 
Luthard  von  Meinersen  trugen  Lippold  von  Escherde  und  sein  Bruder  20  Hufen 
und  zwei  Mühlen  in  »Henighusen*.  zu  Lehen.  Auch  von  der  Kirche  ist  früh  die 
Rede.  Nach  dem  ums  Jahr  1274  aufgestellten  Lehnsregister  der  edelen  Herren 
Luthard  und  Burchard  von  Meinersen  hatte  »Dominus  .  Jo  .  de  Escerte  . 
ecclesiam.  Heninghusen  et  .  IUI  .  curias  ibidem  .  et  duas  dimidias  decimas" 
zu  Lehen.  In  dem  älteren  Zehnt-,  Geld-  und  Fruchtregister  des  Klosters  Wien- 
hausen aus  dem  Ende  des  XIII.  Jahrhunderts  wird  der  Ort  als  »Henigghesen* 
aufgeführt  und  vom  Glossist  des  XIV.  Jahrhunderts  zu  ,Mey*  gerechnet. 
1453  war  Heinrich  Heymberch  Kirchherr  zu  »Hennigessen*.  1555  erhält  die 
Kirche  einen  Predigtstuhl.  Nach  der  »ütgaue**  der  Sievershäuser  Kirche 
vom  Jahre  1561  bekommt  ein  Hans  von  Henningensen  10  Gulden  3  Groschen 
dafür,  dass  er  das  Gestühl  daselbst  gefertigt.  1564  wird  dem  Pastor  ein 
Gulden   ,vor  den  seiger  tho  stellende"   gegeben   und   1565   dem  Pastor    „vp 


-<^    38    H- 


Beschreibung. 


Altar. 


Altarleuchter. 


Glocken. 


Grabstein. 


Kanne. 


dem  Obergeshagenn'^  ein  Thaler  «vor  sine  wege  ynd  arbeyth  dat  he  tho 
vns  kam  do  wy  nenen  pastor  haddenn'^.  1578  wird  eine  dicke  Mauer  aus  der 
Kirche  .wechgehowen'^ ;  es  werden  neue  Stühle  gemacht  und  zwei  neue 
Priechen  angelegt.  1591  bekam  die  Kirche  eine  neue  Taufe.  1605  heisst  es  in 
der  Kirchenrechnung:  «3  g.  vor  S.  Peter,  zu  flicken;  6  g.  einem  gegeben  so 
denselbigen  vom  Thurm  geholet  rndt  wider  auffgebracht''.  1648  wurde  das 
Dorf  eingeäschert,  wobei  auch  das  Gotteshaus  «ruiniret  vndt  verdorbenn* 
wurde.  Der  entstandene  Schaden  wurde  1659  wieder  ausgebessert.  Pfingsten 
1693  wurde  das  Dorf  abermals  von  einer  Feuersbrunst  heimgesucht.  1742 
wurde  mit  des  Glockengiessers  Just  Andreas  Meyfeld  nachgelassener  ^ttwe 
Dse  Dorothea  wegen  Umgiessung  der  geborstenen  Glocke  ein  Kontrakt  geschlossen. 
1756  wurde  der  Thurm,  namentlich  an  der  Westseite,  ausgebessert.  1817 
wütete  abermals  ein  Brand.  1854  wurde  eine  Orgel  angeschafft,  deren  die 
Kirche  bislang  entbehrte.  In  der  Notitia  ecclesiast.  duc.  Lyneburg.  p  .  217 
heisst  es  nach  Kayser:  «Patroni  sunt  Bortfeldii  sive  Hanensei  [Nachtrag:  hodie 
von  Gram]  Habet  Heiningsen  et  curias  Geeze  (Krätze)  et  Altmerdingen'^.  Noch 
heute  sind  die  von  Gramm  Patronatsherren.  Im  Uebrigen  verweisen  wir  auf 
die  nach  Abschluss  der  vorliegenden  Arbeit  erschienene  Geschichte  des  Kirch- 
spiels Hftnigsen  von  Pastor  Meyer.    Siehe  Hann.  Geschichtsbl.,  4.  Jahrg.;  430. 

Erwähnt  seien  noch  die  von  Henyngessen,  welche  von  denen  von 
Meinersen  den  halben  Zehnten  zu  Dachtmissen  zu  Lehen  hatten. 

Das  aus  Ortsteinen  eii)aute  Schiff  hat  flachbogige  Fenster  und  in  den 
Langseiten  zwei  gegenOberliegende  Thüren  mit  gefasten  Sandsteingewänden  und 
geradem  Sturz.  Drei  gekuppelte,  spitzbogige  Fenster  mit  Hohlkehlprofil  befinden 
sich  in  der  Ostwand.  Eine  gewölbte  Bretterdecke  überspannt  das  im  östlichen 
Theil  um  eine  Stufe  erhöhte  Schiff.  Hölzerne  Emporen  sind  auf  der  West- 
und  Nordseite  angebracht. 

Der  viereckige,  westliche  Dachreiter  mit  achteckigem,  beschiefertem  Helm 
hat  flachbogige  Schallöffhungen. 

Auf  dem  mit  einer  Sandsteinplatte  abgedeckten,  massiven  Tisch  steht 
das  Mittelstück  eines  Schnitzaltares,  welches  die  Kreuzigung  Christi  darstellt. 

Zwei  Altarleuchter  aus  Bronze  haben  nach  gothischer  Art  einen 
walzenförmigen  Schaft  mit  drei  Füssen  und  drei  Knäufen. 

Die  1,06  m  im  Durchmesser  grosse  Glocke  trägt  unter  einem  Ornament- 
streifen  am  Halse  eine  sechszeilige  und  auf  der  gegenüberliegenden  Seite  eine 
fiin&eflige  Lapidar-Inschrift.  Am  Glockenrande  sind  der  Meister  Johann  Heinrich 
Ghristoffer  Weidemann  aus  Hannover  und  die  Jahreszahl  1743  angegeben. 

Die  kleinere  1,00  m  im  Durchmesser  grosse  Glocke  ist  1787  von 
J.  Meier  in  Gelle  gegossen. 

Die  Schlagglocke  trägt  nach  Angabe  in  der  Inschrift  die  Jahreszahl  1649. 

Auf  dem  Kirchhofe  steht  ein  schlichter  Grabstein  aus  dem  Ende  des 
XVm.  Jahrhunderts. 

Eine  Kanne  aus  Zinn  hat  auf  dem  Deckel  die  Bezeichnung: 

AE  VE 
1759 


-^    39    8^ 

Unter  dem  Anstrich  der  einfachen  hölzernen  Kanzel  ist  die  Jahreszahl   Kanzel. 
1723  zu  lesen. 

Im  P&rrgarten  liegt  em  stark  beschädigter  Taufstein  mit  dec  Umschrift :   Tanfstem. 
Godt  maket  yns  salich  dorch  dat  Badt  der  Wedergebordt .  ad  Tit.  3. 


H  a  i  m  a  r. 

Kirche. 

Litteratur:  Janicke;  Doebner  II,  V  und  VI;  Lttntzel,  die  ältere  Diöcese 
Hildesheim;  Urknndenbnch  der  Stadt  Hannover;  Manecke  ü;  von  Hodenberg,  Pagus  Flut- 
wide,  Lenthe'B  Archiv  VI;  Regenten-Sahll6d8;  Böttger,  Diöcesan-  und  Gau-Grenzen;  Kayser, 
Kirchenvisitationen  1897;  Mithoff,  Kunstdenkmale  IV;  derselbe,  Kirchenbeschreibungen; 
Weber,  die  Freien  bei  Hannover  1898;  Zeitschr.  d.  Harzver.,  Jahrg.  4;  Bertram,  Geschichte 
des  Bisthums  Hildesheim  I ;  Kniep,  die  Freien  vor  dem  Walde,  Hann.  Geschichtsbl.,  8.  Jahrg. 

Quellen:  Buch  der  Kirche  zu  Haimar  in  den  Freien,  1669  angelegt  und  bis 
1894  fortgeführt;  Verzeichniss  der  Prediger,  Patrone  u.  s.  w.,  1782  angelegt;  Register  von 
1652 — 1780;  Designatio  corporis  Bonorum  von  der  Kirche  zu  Haimar  und  denen  dazu 
gehörigen  beiden  Kapellen  Dolgen  und  Evem,  1784  aufgesetzt;  Beilagen  zu  dem  Corpus 
bonorum  der  Parochie  Haimar  von  1833;  sänmiliich  im  Pfarrarchiv  zu  Haimar;  Verzeichniss 
der  kirchlichen  Kunstdenkmäler  von  1896;  Beschreibung  der  Kirchen  und  Kapellen  im 
Kgr.  Hannover,  Band  8,  1861  angefertigt,  in  der  BibL  d.  bist.  Ver.  f.  Nieders. 


Das  im  grossen  Freien  belegene  Dorf  gehörte  ehedem  zum  Pagus  Geschichte 
Hastfala  und  zum  Archidiakonat  Hohenhameln.  Hier  sassen,  dem  Kirchenbuch 
zu  Folge,  vor  Alters  die  Herren  von  Barmeke.  Die  erste  Nachricht  Qber  den 
Ort  bringt  eine  Urkunde  vom  Jahre  1117.  Am  11.  Mai  dieses  Jahres  gab  der 
yComes  Adelbertus  de  villa  Heymbere'^  mit  Zustimmung  seines  Sohnes  Bertold 
dem  Pfarrer  Adalbert  zu  Lühnde  24  Morgen  mit  einer  Hausstelle  in  «Schutellobeke* 
sowie  eine  Mark  Silber  zur  Loslösung  des  Dörfchens  «Eberen'^  (Evem,  siehe 
dieses)  von  der  Mutterkirche  in  Lühnde.  Dieser  Graf  «Adelbertus'^  ist,  wie  Bode 
nachgewiesen  hat,  der  älteste,  bekannte  Stammvater  der  Grafen  von  Wernigerode 
und  der  Erbauer  der  Burg  Wernigerode.  Die  reichen  Besitzungen  der  Wemigeröder 
Grafen  im  grossen  Freien  und  dessen  Nachbarschaft  rOhren  von  ihm  her. 
Das  Gotteshaus  zu  Evem  war  ursprünglich  die  Parochialkirche  des  Kirchspiels 
Haimar.  Die  Verlegung  derselben  nach  Haimar  ist  bald  darnach  erfolgt,  da 
fortan  nur  noch  Geistliche  von  Haimar  genannt  werden.  Am  7.  Mfirz  1160 
bestätigt  der  Bischof  Bruno  dem  Godehardikloster  unter  anderem  eine  demselben 
geschenkte  Hufe  in  «Heimbere*.  1204  bezeugt  der  Bischof  Hartbert,  dass  der 
«Willehelmus  presbyter  de  Heinbere'^  dem  Andreasstifte  »pro  remedio  anime  sue'^ 
42  Mark  zum  Erwerb  von  Gütern  übereignet  hat.  Ein  Priester  Hermann  zu 
Haimar  kommt  1256  (Hermannus  de  Heimbere  sacerdos),  1257  (dominus 
Hennannus  de  Hembere  sacerdos)  sowie  1259  (Hermannus  sacerdos  in  Hembere) 
und  ein  .Conradus  plebanus  in  Heymbere*"  in  einer  Urkunde  vom  14.  Mai  1325  vor. 


-5^    40    §•*- 

Das  1669  angelegte  Kirchenbuch  sieht  in  der  auf  der  Marienglocke  an- 
gebrachten Bischofsfigur  einen  Herrn  von  Rutenberg,  «sintemahl  einer  von 
Rautenberg  soll  sub  Papatu  Bischoff  des  Stiffls  Hildesheirab  gewesen  sein,  auch 
die  von  Rautenbeige  droben  in  ihrem  wapen  eine  rote  mitram  Episcopalem 
fuhren,  wie  in  den  fenstem  in  der  Kirchen,  vnd  auf  der  pfarr  zu  sehen". 
Unter  dem  Bild  ist  das  Rutenbergsche  Wappen  angebracht.  Zu  Beginn  des 
XVL  Jahrhunderts  nahm  der  Ort  wesentlich  an  Grösse  zu,  da  sich  die  Ein- 
wohner des  in  der  Hildesheimschen  Stiftsfehde  (1519)  verwüsteten  und  nieder- 
gebrannten Dorfes  Gilgen  oder  Ilgen  daselbst  ansiedelten.  1598  und  1599 
wurden  zwei  neue  Glocken  für  262  Thaler  18  Groschen  gefertigt. 

1625  zerschmetterte  der  Blitz  den  Thurm  vollständig,   üeber  die  Kirche 
und  deren  Geräthe  berichtet  das  Inventarium  Ecclesiasticum  des  Ejrchenbuchs. 
Pastor  Steuerwald  II,  1630—1679,  schreibt  darin,  er  habe  bei  seiner  Ankunft 
an  Kirchengeräthen  drei  Messgewänder,  darunter  ein  mit  Bildern  gesticktes,  drei 
Kelche,  zwei  Alben  und  den  Zierrath  des  Aliars  vorgefunden.   Als  nun  1631/3 
und  in  den  folgenden  Jahren  der  Krieg  in  diesen  Landen  überhand  genommen 
habe,  da  sei  die  Kirche  wiederholt  gestürmt  und  geplündert  und  die  Mess- 
gewänder, die  Alben,  der  Zierrath  des  Altars  und  die  beiden  kleineren  Kelche 
geraubt  worden.    Der  dritte  grosse,  silbervergoldete  Kelch  mit  silberner  Patene, 
woran  ein  vergoldetes  Zeichen,  wäre  in  Braunschweig  verwahrt  gewesen  und 
noch    vorhanden.     Als    damals  vorhanden    zählt    er    femer    noch    auf   eine 
zinnernen  Krankenkelch  mit  Patene,  eine  zinnerne  Kanne,  zwei  Leuchter  aus 
Messing,  einGefäss  .von  grapen  guthe,  gleich  einem  runden  eimer,  in  welchem 
der  Küster  das  wasser  in  die  tauffe  treget'',  drei  feine,  gut  klingende  Glocken, 
ein   grosses  und  starkes  Uhrwerk,   einen   Altarkasten   und  Gotteskasten   »mit 
eisern  vnd  schlossern  wol  verwahret*.     Der  weithin  sichtbare,  weisse  Thurm 
habe  ein  sehr  dickes  und  starkes  Gemäuer  und  drei  Böden.     Die  Kirche   sei 
„sub  Papatu  dedicirt  in  memoriam  Sancti  Udalrici*^,  dessen  Bildniss  mit  einem 
grossen  Christel  auf  der  Brust  in  den  Kriegsjahren  weggekommen  sei.     Sie  sei 
für  das  Volk  aus  den  drei  eingepfarrten  Dörfern  geräumig  genug,  der  Chor 
gewölbt,  mit  genügend  Fenstern  versehen,  aussen  an  den  Ecken  mit  starken 
Pfeilern  von  Stein  gegen  Wind  und  Wetter  geschützt,  habe  starke  Balken  mit 
doppeltem  Boden,  dazwischen  die  Balken  liegen,  sowie  starkes  Sparrwerk  mit 
einem  guten  Dache.    1653  erhielt  die  Kirche  neue  Fenster  mit  Wappenscheiben, 
worin  die  Wappen  des  Superintendenten  zu  Burgdorf,  des  Amtsvogts  zu  Uten, 
der  Patrone,  des  Rittmeisters  Hans  Störr  und  seines  Sohnes  Doktor  Störr;   es 
wurden  die  beiden  alten  Glocken  und  die  zinnerne  Taufe  durch  Ludolf  Siegfried, 
Bürger  und  Rothgiesser  zu  Hannover,   umgegossen.     1658  wurde  die  grosse 
Glocke  gebessert,   1660  ein  neuer  Leuteboden  angelegt  und  der  Chor  durch 
M.  Johann  Behrens  aus  Peine  bemahlt;   und  zwar  erhielt  der  Meister  «für  die 
zwölflf  Apostell  vnd  Salvatoren,  für  das  mahlwerck  oben  am  gewölbe,  vmb  die 
Fenster,  vnd  unten  die  gardienen,  Pastors  beide  gestühlte,  Juraten,  Schulmeisters 
vnd  der  Pastörschen  gestühlte,  item  für  das  vergülden  an  der  tauffe  unten  an 
dem  Zinnen '^  53  Thaler.   M.  Curt  Ossenkopf,  Bildschnitzer  in  Hildesheim,  lieferte 
einen  neuen  Altar  und  Predigtstuhl.     1661  wurden  das  Dach  und  die  Pfeiler 


um  die  Kirche  gebessert  sowie  letztere  auswendig  geweisst,  1662  der  Thurm 
geweisst  sowie  Kessel,  Kreuz  und  Hahn  vergoldet  und  .vermahlt*.  1671  sudite 
dne  Feuersbninst  den  Ort  heim.  1699  wurde  das  vom  Sturm  verbogene 
Wetterkreuz  wieder  aufgerichtet.  1702  wütete  abermals  ein  Brand.  1722  wurde 
eine  kleine  Orgel  geschenkt.  1730  beklagte  sich  die  Gemeinde,  dass  die  Kirche 
zu  eng  wäre  und  ein  Neubau  erforderlich  sei.  Die  Designatio  corporis  Bonorum 
vom  Jahre  1734  giebt  die  Maasse  des  Gotteshauses  an.  Es  hatte  in  der  Länge 
im  Lichten  88  Fuss,  in  der  Breite  auf  dem  Chor  im  Lichten  20  und  in  dem 
andern  Theile  25  Fuss.  Es  wird  als  in  gutem  Stande  befindlich  bezeichnet.  Die 
Kirche  besass  damals  drei  gute  Glocken,  zwei  silbervergoldete  Kelche,  einen 
silbervergoldeten  Oblatenteller,  eine  von  »Grap*  gemachte  und  mit  Leder  über- 
zogene Oblatenschachtel,  eine  zinnerne  Weinkanne  und  zwei  Leuchter  aus 
Messing.  1748  wurde  das  alte  Wetterkreuz  durch  ein  neues  ersetzt.  1753  schenkte 
der  Patron  Philipp  Adam  von  Hardenberg  einen  grossen  silbernen,  inwendig 
vergoldeten  Kelch  mit  vergoldeter  Patene.  Im  Jahre  1784  wurde  die  alte 
Kirche,  da  sie  sich  für  die  Gemeinde  als  zu  klein  erwies,  abgerissen.  Die  beiden 
kleinen  Glocken  wurden,  da  die  grössere  geborsten  war,  nach  Hannover  gebracht, 
um  aus  beiden  eine  giessen  zu  lassen.  Das  neue  Gotteshaus  wurde  1788  geweiht. 
1805  fertigte  der  Orgelbauer  Hüsemann  in  Braunschweig  eine  neue  Orgel. 
1821  hatte  der  Ort  durch  Brand  zu  leiden.  1833  besass  die  1785  neu  gebaute 
Kirche  zwei  fast  gleich  grosse  Glocken,  drei  silberne,  ganz  vergoldete  Kelche, 
einen  vergoldeten  Oblatenteller  aus  Messing,  zwei  grosse  Altarleuchter  aus 
Messing,  zwei  zinnerne  Teller  für  dieselben  und  einen  kleinen  Kasten  mit 
zinnernem  Kelch,  Oblatenkapsel,  Oblatenteller  und  Weinflasche. 

Das  Patronatsrecht,  welches  an  dem  adeligen  Hof  zu  Rethmar  haftet, 
übten  anfangs  die  Grafen  von  Wernigerode  aus.  Von  diesen  erhielten  es  die 
Herren  von  Rutenberg  zu  Lehen,  welche  1647  ausstarben.  Es  folgten  bis 
1727  die  von  Eltz,  dann  die  von  Hardenberg,  und  seit  1771  die  von  dem 
Busche.    Jetzt  ist  der  Graf  v.  d.  Schulenburg- Wolfsburg  Patron. 

Die  auf  Sandsteinsockel  errichtete  Kirche  besteht  aus  Schiff  und  Westthurm.   Beschreibung. 

Das  einfache,  rechteckige,  massive,  weissgeputzte  Schiff  von  28,2  m  Schiff, 
äusserer  Länge  und  13,8  ra  äusserer  Breite  hat  Eckquadern,  hölzernes  Haupt- 
gesims und  auf  den  Langseiten  je  sechs  flachbogig  geschlossene  Fenster  mit 
Sandsteingewänden  und  in  der  Mitte  je  eine  flachbogig  geschlossene  Thür  mit 
der  Jahreszahl  1785.  Das  Schiff  wird  von  einer  geputzten  Schaldecke,  welche 
mit  grosser  Hohlkehle  zur  Wand  überleitet,  überspannt  und  zeigt  hölzerne 
Emporen  auf  allen  Seiten.    Das  Satteldach  ist  im  Osten  abgewalmt. 

Der  drei  Stockwerke  hohe,   quadratische,  geputzte  Thurm  zeigt  Sand-    Thurm. 
Steinsockel,   Eckquadern  und   hölzernes  Hauptgesims.    Er   enthält  flachbogige 
Oeffoungen  und  Kreisfenster  und  ausserdem  auf  der  Westseite  eine  flachbogig 
geschlossene  Thür.     Die  Oefltaungen  haben  sämmtlich  Sandsteingewände  und 
Schlusssteine.    Der  viereckige  Helm  ist  mit  Biberschwänzen  eingedeckt. 

Die  hölzerne,  aus  einem  höheren  Mittelbau  und  zwei  rundbogigen,  mit   Altar. 
Thüren  versehenen  Seitentheilen  bestehende  Altarwand  mit  eingebauter  Kanzel    Kanzel. 

6 


-t-8    42    8^ 


Altarleuchter. 


Glocken. 


stammt  aus  der  Zeit  der  Erbaumig  der  Kirche.  Im  Aufbau  ist  die  aufgeschlagme 
Biblia  sacra  zu  sehen. 

Die  beiden  Altarleuchter  aus  Bronze  in  spätgothischer  AufiEassung  mit 
drei  Füssen  und  einem  walzenförmigen,  durch  einen  Knauf  getheilten  Schaft 
waren  nach  dem  Kirchenbuch  1632  vorhanden. 

Eine  schöne  gothische  Glocke  von  1,23  m  Durchmesser  und  tadellosem 
Guss  trägt  am  Halse  zwischen  zwei  Omamentstreifen  in  gothischen  Kleinbuch- 
staben die  Inschrift: 

©  Anno  dm  m  •  cccccvui  dar  bi  ghoedt  Härmen  Koster  my  vocor  maria. 

Auf  der  einen  Seite  des  Mantels  ist  das  Hochbild  der  Maria  mit  dem 
Jesuskinde  in  der  flammenden  Mandorla,  auf  der  anderen  das  Hochbild  eines 
Bischöfe  mit  dem  Stabe  und  darunter  das  Rutenbergsche  Wappen  zu  sehen. 

Die  zweite  Glocke,  ebenfalls  von  1,23  m  Durchmesser,  zeigt  zwischen 
zwei  schönen  Omamentstreifen  am  Halse  die  Lapidarinschrift: 

•  Anno  1621  •  Arendt  von  Wobersnaw  •  F  •  B  •  Obristr  vnd  Raht 
mich  in  die  Ehre  Gottes  gegeben  hadt. 
Auf  der  Mitte  der  einen  Seite  des  Mantels  befinden  sich  zwei  erhabene 
Wappen  mit  der  Umschrift: 

Arendt  •  von  •  Wobersnaw  •  Obrister. 
und 

Lvcia  von  •  Bordtfeldt  •  S  •  F  •  H. 

Auf  der  anderen  Seite  sehen  wir  das  Hochbild  des  Paulus  mit  dem 

Schwert  und  der  Bezeichnung: 

Pavlvs. 

Ausserdem  sind  die  vier  Evangelisten  mit  ihren  Sinnbildern  dargestellL 

Unter  dem  Omamentstreifen  am  Rande  der  1623  gegossenen  Glocke 
ist  der  Meister  Diderich  Menten  vermerkt. 

Auf  dem  alten  Kirchhofe  befinden  sich  mehrere  Grabdenkmäler  aus  der 
denkmaer.    Zeit  um  1800. 

Taufbecken.  Ein  schön  geschnitztes,  auf  drei  Füssen  ruhendes,  hölzernes  Taufbecken 

rührt  aus  dem  Ende  des  XVIII.  Jahrhunderts  her. 


Grab- 


H  a  r  b  e  r. 


Kirche. 


Litteratur:  Leibniz,  Scriptores  remm  Bmnsvicensinm ;  Janicke;  Sndendorf; 
Doebner  I,  II,  III,  V,  VI  und  YII;  Urkundenbuch  der  Stadt  Hannover;  Lüntzel,  die 
ältere  Diöcese  Hildesheim;  Regenten-Sahl  1698;  Manecke  II;  von  Hodenberg,  Pagns  Flut- 
Wide,  Lenthe^s  Archiv  VI;  derselbe,  Lttneburger  Lehnregister;  Mithoff,  Kunstdenkmale  IV; 
derselbe,  Kirchenbeschreibungen;  Kay  ser,  Kirchen  Visitationen  1897    Weber,  die  Freien  bei 


-HS    43    H- 

Hannover  1888;  Heise,  die  Freien;  Kniep,  die  Freien  vor  dem  Walde,  Hann.  Oeschichtsbl., 
3.  Jahrg.;   Schutze,  GeacfaichtlicheB  aas  dem  LUnebnrgiaoheo,  1877- 

Qaellen:  Urknnden  des  Kgl.  StAstsarchivB  za  HannoTer;  VeraeichnisB  der  Urch- 
licben  RnnstdenkmUer  von  18d6. 

Das    im    groseen  Freien    bel^^ene    und    ehedem  wahrscheinlicb    zur   Geschichte. 
Vogtei  Hohenbameln  gehörige  Dorf  hat  bereits  im  Hittelalter  ein  Gotteshaus 
gehabt.     Es  war  der  heiligen  Katharina  geweiht.     Der  Ort  selbst  war  wohl 

schon  im  XII.  Jafarhondert  vorhanden. 

Nach  dem  Liber  donationum  ecclesiae      c~'- -; .  i^^-  -^  ~L^2ZSlr^''~ "^  'IZi^ 

Hilde^emensi       factarum       schenkte  ~    '  "" 

(Reinaldus  Coloniensis  Archiepiscopus 

frater  noster  ■  •  •  ■  cum  Praepositurae 

nostrae  fungeretur  ofBcio',  1140—1161, 

dem  von  ihm  erbauten  Hospital  unter 

anderem  vier  Hufen  in  «Herlbere*.   Es 

ist  nicht  ausgeschlossen,    dass  dieses 

mit  dem  heutigen  Harber  identisch  ist. 

Das  Dorf  stand  in  einem  besonderen 

Abhfingigkeitsverhfiltniss    zum    Kloster 

Wienhausen,  welches  bereits  am  1255 

daselbst  begötert  war.  1379  war  Hilde- . 

brand  Pfarrer  zu, Hertbere".   DieOrts- 

Daehrichten  nennen  als  ersten  Pastoren, 

den  man  nach  der  Reformation  zu  nennen 

weiss,    Chr.   Ludolphus  Eöbler  1567. 

Der   dreissigjfihrige    Krieg    verschonte 

auch  Harber  nicht.    1631  waren  die 

Kaiserlichen  daselbst,   töteten  dreissig 

der  Einwohner,  zündeten  den  Ort  an        ^^^  Kirch.  i=  H«b.r;  flch^6ffnnng.n. 

drei  Stellen    an    und   belf^erten   das 

Gotteshaus,  in  welches  ein  Tbeil  der  Einwohner  geflüchtet  war.     Noch  1861 

zeigte  die  sehr  starke,  eichene,  mit  dickem  Eisen  beschlagene  ThOr  die  Spuren 

der  an  ihr  verübten  GewalUhfitig^eÜ 

Zu  der  Familie  derer  tod  Harber  ist  zu  bemerken,  dass  ein  Luhtbertus 
(Lrtbertus)  de  Hertbere  als  Zenge  in  einer  Urkunde  des  Bisdiob  Si^rfried  vom 
Jahre  1230  sowie  als  Zeuge  in  der  die  beiden  Freien  betreffenden  Urkunde 
des  Bischofs  Konrad  vom  17.  Februar  1236  vorkommt. 

Das  Schiff  der  Kirche,  welches  bei  Mithoff  beechrieben  ist,  wurde  in 
neuerer  Zeit  abgebrochen  und  durch  einen  Backsteinbau  ersetzt.  Der  Thurm 
blieb  bestehen. 

Der  durch  eine  flachbogige  Thüröffnung  mit  dem  Schiff  verbundene   Beschreibung, 
rechteckige,    massive  lliunn  hat  scharfkantig  behauene  Ecksteine   und  einen   Thnrm. 
achteck^en   Helm.     Der  Sandsteinsockel   zeigt  eine  grosse  Schräge   und  das 
Hauptgesims  eine  von  der  Mauer  übei^ende  Hohlk^e  mit  Platte,    hi  jeder 

6» 


H>^    44    8^ 


^ 


Altarleuchter. 


Glocken. 


Grabsteine. 


Kanne. 


Altarievte 


Seite  sind  zwei  spitzbogige,  gekuppelte  Schallöffnungen  mit  einfacher  Fase  und 
stark  vorspringenden  Nasen  sichtbar  (Fig.  6) ;  bei  den  westlichen  ist  der  Tfaeilungs- 
pfosten  nicht  mehr  vorhanden.  Ein  einfaches  Fenster  an  der  Südseite  hat 
dieselbe  Ausführung. 

Zwei  gleichgeartete,  23  cm  hohe  Altarleuchter  sind  in  der  Fig.  7  wieder- 
gegeben.   Auf  einem  derselben  ist  die  Jahreszahl  1556  angebracht. 

Die  1,29  m  Im  Durchmesser  grosse  Glocke  enthält  am  Halse  zwischen 
Riemchen  und  zwei  Ornamentstreifen  die  Lapidarinschrift: 

Friderich  Lvdewig  Avgvst  von  dem  Bvssche  •  Oberhauptmann  • 

Otto  Benjamin  Lasivs  •  Svpperintendent  • 

Johann  Joachim  Nahrstedt  •  Pastor  • 

Lvdolph  Heinrich  Bvsse-Kvster  vnd  Schvlmeister  • 

Gegenüber  auf  der  anderen  Seite: 
Hennig  Weickopf  •  \ 

Johann  Heinrich  Bleckwen  •  ' 

Hennig  Christian  Bleckwen  •  Voigt  • 
Barnstorf  Hennig  Woltorf  •  Bavrmeister  • 

Am  Gfdc^enrande  ist  von  einem 
Omamentstreifen  unterbrochen  zu  lesen: 
Joh :  Heinr :  Christ :  Weidemann  •  goss  mich 
•  Hannover • 1767  • 

Die  kleinere  Glocke  von  1,12  m 
Durchmesser  hat  am  Halse  zwischen  zwei 
Omamentstreifen  die  Lapidarinschrift: 
Otto  Nahrsted  Pastor 

Darunter  ist  auf  derselben  Seite 
in  der  Mitte  zu  lesen: 

Melchior  Bruclihorgen :  Vogt 
Wolbert  Weinkopf  \ 
Harman  Bühren      ( 


Kirchenjuraten 


Flg.  7.    Kirche  in  Harber ;  Altarleaditer. 


Die  Inschrift  am  Rande  lautet: 
M :  Thomas  Rideweg  gos  mich  in  Hannover 

Anno  1717. 

Der  Grabstein  des  1726  gestorbenen  Vogts  Barnstorff  Köhler  steht  auf 
dem  Kirchhofe.  Oben  sind  zwei  Wappen,  darunter  der  Gekreuzigte  und  die 
Familie  des  Verstorbenen  zu  sehen.  Auf  einem  länglich  runden,  mit  Ornamenten 
umgebenen  Felde  befindet  sich  eine  Inschrift.  Der  Grabstein  des  Bruno  Heinrich 
Woltorf,  geb.  1605,  zeigt  in  einer  von  Engeln  begleiteten  Bogennische  zwei 
knieende  Figuren,  eine  männliche  und  eine  weibliche,  und  darüber  den 
Gekreuzigten.    Die  Inschrift  ist  stark  verwittert. 

Die  einfache  Zinnkanne  trägt  auf  dem  Deckel  die  Inschrift: 

•  Hans  •  Carl  • 

•  Brüchhagen  • 
•  1  •  7  •  3  •  8  • 


-<^    45    8^ 

Ein  silbervergoldeter  Kelch  zeigt  auf  dem  sechstheiligen  Fasse  einen   Kelch, 
aufgehefteten  Cruzifixus  und  die  Inschrift: 

•  Bruno  •  Heinrich  •  Woltorp  •  Altannann  •  Anna  •  Haarstrick  s  e  H  F  Ao  1667 
Unter  dem  Fusse  steht: 

•  J  •  Ericus  •  Nohrius  •  Past  •  z  •  H  • 

Eine  silbervergoldete  Patene  enthält  die  Umschrift: 

•  Tiele  •  Dorrtemann  •  Elisabeth  •  Bokelmanns  •  s  •  e  •  H  •  F  • 


H  ö  V  e  p. 

KapeUe. 

Litte ratur:  Doebner  II — VII;  Sudendorf;  Urkundenbuch  der  Stadt  Hannover; 
Yon  Hodenberg,  Marienroder  Urkundenbuch;  derselbe,  Lüneburger  Lehnregister;  Janicke; 
Lfintzel,  die  ältere  Diöcese  Hildesheim;  Grupen,  Origines  et  Antiquitates  Hanoverenses; 
Regenten  -  Sah]  1698;  Manecke  II;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897;  Mithoff,  Kunst- 
denkmale IV;  derselbe,  Kirchenbeschreibungen ;  Weber,  die  Freien  bei  Hannover  1898; 
Kniep,  die  Freien  vor  dem  Walde,  Hann.  Geschichtsbl.,  3.  Jahrg. 

Quellen:  Verzeichniss  der  kirchlichen  Kunstdenkmäler  von  1896. 


Das  im  grossen  Freien  belegene  Dorf  ist  von  Alters  her  nach  Uten  Geschichte, 
eingepfarrt,  mit  welchem  es  ehedem  zum  Archidiakonat  Lühnde  und  demgemäss 
zum  Pagus  Hastfala  gehörte.  1360  erhalten  Martin  und  Dietrich  von  Alten  vom 
Herzog  Wilhelm  drei  Hufen  ,to  Houedem**  zu  Lehen.  Gegen  Ende  des 
XIV.  Jahrhunderts,  besonders  aber  im  XV.  Jahrhundert  wird  der  Ort  wiederholt 
als  Versammlungs-  und  Gerichtsstätte  genannt.  1595  besassen  die  von  Ruten- 
berg einen  Meierhof  und  den  Antheilzehnten  in  Höver  als  von  den  Voreltern 
ererbte  Lehngüter. 

Die  massive,  im  Osten  durch  das  halbe  Achteck  geschlossene,  aussen  Beschreibung, 
geputzte  Kapelle  trägt  auf  dem  westlichen  Ende  des  Daches  einen  viereckigen, 
auf  den  Seiten  mit  Steinplatten  behängten  Dachreiter,  welcher  mit  einem 
beschieferten  Helm  bedeckt  ist.  Ueber  der  spitzbogigen,  am  Sandsteingewände 
mit  einfacher  Fase  versehenen  Eingangsthüre  an  der  Südseite  ist  in  gothischen 
Kleinbuchstaben  die  Jahreszahl  1494  eingemeisselt. 

Drei  spitzbogig  geschlossene  Fenster,  von  welchen  das  mittlere  zugemauert 
ist,  sind  in  den  drei  Chorseiten  angebracht,  je  ein  flachbogiges  mit  Schlussstein 
▼ersehenes  Fenster  auf  den  beiden  Langseiten.  Die  gerade  Balkendecke  ist 
geputzt.    Eine  Empore  befindet  sich  auf  der  Westseite. 

Der  gemauerte  Altar  ist  mit  einer  überstehenden,  abgeschrägten  Stein-   Altar, 
platte  bedeckt.    Die  hölzerne  Altarwand  mit  eingebauter  Kanzel  stammt  nach 
einem  über   der  Kanzelthür  befindlichen  Schriftstück  aus   dem  Anfange   des 
XIX.  Jahrhunderts. 


Gemälde. 


Glocke. 


-^    46     8^ 

Drei  bemalte  Füllungen  — -  wahrscheinlich  ein  Stück  Emporenbrüstung  — 
aus  dem  Jahre  1658  zeigen  die  Geburt,  die  Kreuzigung  und  die  Auferstehung 
Christi.    Sie  sind  im  Innern  an  der  Nordseite  angebracht. 

Die  51  cm  im  Durchmesser  grosse  Glocke  trägt  keine  Inschrift,  doch 
zeigen  die  vier  glatten  vortretenden  Streifen  am  Halse  und  das  Profil  am 
Glockenrand  die  zur  Zeit  der  Entstehung  der  Kapelle  übliche  Form. 


Greschichte. 


Uten. 

Kirche. 

Litte ratur:  Origines  Gnelficae;  Sudendorf;  Doebner  VI;  LUntzel,  die  ältere 
Diöcese  Hildesheim;  Begenten-Sahl  1698;  Manecke  II;  von  Hodenbei^,  Pagas  Flntwide, 
Lenthe^s  Archiv  VI;  Bertram,  Geschichte  des  Bisthnms  Hildesheim;  BOttger,  DiOcesan- 
und  Gau-Grenzen;  Mithoff,  Knnstdenkmale  lY;  derselbe,  Kirchenbeschreibungen;  Kayser, 
Kirchenvisitationen  1897 ;  Weber,  die  Freien  bei  Hannover  1898;  Heise,  die  Freien;  Kniep, 
die  Freien  vor  dem  Walde,  Hann.  Geschichtsbl.,  3.  Jahrg.;  Heraldische  Mittheilnngen, 
herausgegeben  vom  Verein  „Zum  Kleeblatt^  in  Hannover,  YIII.  Jahrg.,  1897. 

Ueber  die  Familie  von  Uten  siehe  die  Register  zu  Sudendorf;  Doebner  II — VIII; 
zum  Walsroder  und  Hoyer  Urkdb.;  Urkdb.  der  Stadt  Hannover;  zum  Urkdb.  des  Stiftes 
und  der  Stadt  Hameln;  der  Stadt  Lüneburg  II;  zum  Lüneburger  Lehnregister;  zu 
Havemantf;  zu  Pfeffingers  Historie  I  und  III;  zu  Köcher,  Geschichte  von  Hannover  und 
Braunschweig  1648—1714,  1.  Theil;  zu  von  Hake,  Geschichte  der  Familie  v.  Hake;  siehe 
femer  Grupen,  Origines  et  Antiquitates  Hanoverenses,  mit  Wappenabb.  auf  S.  63,  66 
und  880;  Hefner,  neues  Wappenbuch  des  blühenden  Adels,  1862,  sowie  das  Personen- 
register zu  Manecke. 

Quellen:  Urkunden  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  Kirchenchronik  in 
Uten;  Yerzeichniss  der  kirchlichen  Kunstdenkmäler  von  1896. 


Das  Dorf  Hten,  welches  als  Vorort  des  in^ssen  Freien  eine  Sonder- 
stellung einnimmt^  gehörte  mit  den  noch  heute  dorthin  eingepfarrten  Dörfern 
Ahlten,  Bilm  und  Höver  ehedem  zum  Archidiakonat  Lühnde  und  war  im  Grau 
Hastfala  belegen.  Im  Jahre  1240  erklärt  der  Herzog  Otto  von  Braunschweig, 
dass  er  von  Konrad  von  Dorstadt  drei  Hufen  in  ^Iltene*  erhalten  habe.  Hier 
besass  der  Hildesheimsche  Bischof  einen  sogenannten  «Salhof.  Es  ist  der 
heutige  Ziegenmeyershof.  1299  übertrug  der  Bischof  Siegfried  II.  dieses  «allodium* 
zu  „nten"  (,Ylten')  dem  Konrad  von  Salder,  dessen  Gemahlin  Hille  und  Erben 
fQr  60  Mark  Silber  zu  Lehen.  1406  ist  von  dem  .kerspele  to  Uten*"  sowie 
von  dem  «Ganpelde  to  Iltem'  die  Rede.  1423  heisst  es  in  den  Hildesheimschen 
Stadtrechnungen :  „Dammanne  vor  gant  mit  der  vorsten  breve  an  ore  voghede 
to  Uten,  to  Borchtorpe  unde  to  der  Nyenstad  5  s**.  Als  das  Goding  auf  dem 
Hassel  bei  Lühnde  einging,  wurde  das  Freiending  nach  Dten  verlegt,  wahr- 
scheinlich gegen  Ende  des  XV.  Jahrhunderts.  Lühnde  blieb  Hildesheimisch.  Im 
Jahre  1501  war  Barlold  Schemergen  Vogt,  der  erste  Vogt  in  den  Freien,  tb&c 


-^    47    ij^ 

welchen  sichere  Kunde  kommt.  Der  erste  evangelische  Prediger  war  Johann 
Hertens,  welcher  vielleicht  1534  nach  Dten  kam.  1565  schreibt  der  Küster: 
,Ock  js  hire  eyn  Szeygher  by  myne  tyt  ghetuget,  ouer  derhaluen  göre  nichtes 
by  den  denst  gheledit*.  1595  besassen  die  von  Rutenberg  einen  Meierhof 
in  nten. 

Im  XVII.  Jahrhundert  ging  das  Freiending  allmählich  in  das  Land- 
gericht über,  welches  unter  dem  Vorsitz  des  fürstlichen  Grossvogts  zweimal 
jährlich  in  Gegenwart  der  Freien  gehalten  wurde.  Der  erste  Amtsvogt,  welcher 
seinen  Wohnsitz  in  dem  Amtsvogteigebäude  nahm,  war  Wilhelm  Schlüter, 
1611 — 1619.  Dasselbe  lag  an  der  Stelle  des  jetzigen  Amtshauses,  südlich  von  der 
Kirche.  Die  Schrecken  des  dreissigjährigen  Krieges  machten  sich  auch  in  Ilten 
fiM>ar.  Im  Jahre  1626  beschaffte  die  Gemeinde  ein  Kännchen,  einen  Kelch  und 
Altarleuchter  aus  Zinn;  das  goldene  Geräth  hatten  im  Jahre  vorher  Tillys 
Schaaren  geraubt.  1629  bekommt  der  Höver  Schmied  1  fl.  16  gr.,  weil  er  die 
im  Kri^  zerschlagene  ^Altarkaste'  wieder  gemacht.  1635  erhielt  die  Kirche 
fünf  neue  Fenster.  1641  wurde  sie  von  den  Schweden  geplündert  und  das  Dorf 
zur  Hälfte  niedergebrannt,  darunter  auch  das  Pfarrhaus.  Eine  besonders  eifrige 
Tbätigkeit  entfaltete  der  Pfarrer  Joachim  von  Broitzem,  1648—1683.  Er 
veranlasste  den  Bau  einer  Orgel.  Dieselbe  wurde  1652  durch  den  Meister  Jonas 
Wi^el  aus  Braunschweig  an  Ort  und  Stelle  gebaut  und  kostete  nebst  drei 
Priechen  rund  700  Thaler.  1660  liess  er  die  noch  vorhandene  grosse  Glocke 
durch  den  Meister  Ludolf  Siegfried,  fürstlichen  Stückgiesser  zu  Celle,  im  Pfarr- 
garten umgiessen.  Der  Umguss  kostete  198  Thaler.  1661  beschenkte  der 
Amtsvogt  Georg  Konrad  Osthof,  1660—1674,  den  Altar  mit  zwei  grünen,  von 
Laken  überzogenen  Bänken  sowie  zwei  grünen  Laken  von  gewässertem  Tafft 
mit  schönen  goldenen  Fransen.  Besonders  reich  wurde  die  Kirche  im 
XVm.  Jahrhundert  bedacht.  Der  erste  Bülow  auf  Haus  Ahlten,  1711—1744, 
der  Oberforst-  und  Jägermeister  Carl  Jakob  von  Bülow,  schenkte  ihr  den 
silbervprgoldeten  Abendmahlskelch.  Am  31.  Oktober  1722  wurde  der  Grund- 
stein zum  heutigen  Gotteshause  gelegt;  der  alte  Thurm  blieb  bestehen.  Bei 
dem  Neubau  sind  1724  die  Grabgewölbe  mehrerer  Amtsvögte  und  anderer 
Notabein,  »als  die  alte  Kirche  ausgeräumt  und  darauf  niedergerissen  wurde, 
soviel  in  der  Eile  geschehen  können,  mit  Erde  ausgefüllt  und  bedecket  worden*. 
In  dem  gleichen  Jahre  wurde  die  Orgel  durch  eine  neue  ersetzt  sowie  ein 
neuer  Altar  gebaut.  1725  schenkte  der  Amtsvogt  Hans  Otto  Freiherr  von 
Bülow,  1691—1725,  der  Kirche  die  Abendmahlskanne  und  die  Hostiendose. 
1731  schmückte  der  Maler  Schultz  aus  Hildesheira  die  Decke  und  Emporen  für 
113  Thaler  mit  Gemälden.  Im  gleichen  Jahre  verehrte  der  Amtsvogt  und 
Oberhauptmann  Wilhelm  Johann  von  Reden,  1725—1751,  das  schwere,  silber- 
vergoldete Taufbecken.  Zu  seinen  Zeiten  wurde  das  Amtshaus,  ein  massives, 
schlossartiges  Gebäude,  erbaut.  Es  trägt  die  Jahreszahl  1738  und  eine  steinerne, 
allerdings  entstellte  Nachbildung  des  Wappens  der  Freien.  Das  ursprüngliche 
Wappen  ist  vom  Verein  »Zum  Kleeblatt*  in  Hannover  heraldisch  festgestellt:  ,1m 
rothen  Schilde  em  aufrechter  blaugezungter  und  blaubewehrter  goldener  (gelber) 
Löwe.   Auf  dem  Schilde  ein  Helm,  der  als  Kleinod  eine  hohe  goldene  Blätterkrone 


trägt.  Die  Helmdecke  ist  aussen  roth  und  innen  golden  (geib)'.  1738  wurde  der 
zinaeime  Becher  gefertigt.  Bei  dem  Einfall  der  Franzosen  1757  waren  die  Kostbar- 
keiten der  Kirche  vermauert. 


Flg.  B.    KItub«  In  UMn;  Altftr. 

Von  dieäem  Dorf  hat  sich  die  Familie  derer  von  Uten  benannt,  welche 

zu  den  ältesten  Geschlechtem  der  Kalenbergschen  Ritterschaft  gehOrt.     Als  ni 

frühest  vorkommend  wird  Ulrich   genannt   in  einer  zwischen  1225  und  1247 

ausgestellten  Urkunde,  dann  1234  und  1259. 

Beachreibnng.  Die  Kirche  besteht  aus  einem  SchiEF  und  einem  Westtbunn.    Das  in 

Schiff.   Bruchsteinmauerwerk  errichtete,   mit  Eckquadern    eingefasste,   rediteckige,   als 


->^    49    8^ 

Saalkirche  ausgebildete  Schiff  hat  einen  abgeschrägten  Sandsteinsockel,  eine 
bogenförmige,  geputzte  Holzdecke  und  in  der  Nord-  und  Südwand  je  vier  mit 
Schlusssteinen  versehene,  halbkreisförmig  geschlossene  Fenster.  Zwei  gegen- 
äberliegende,  in  diesen  Seiten  befindliche  Eingangsthüren  mit  vorspringendem 
Sockel  und  Kämpfer  tragen  im  Schlussstein  die  Inschrift  «Anno  1723*';  über 
den  Thüren  zeigt  sich  je  ein  rundes  Fenster.  Der  im  Osten  mit  drei  Seiten 
des  Sechsecks  geschlossene,  um  eine  Stufe  erhöhte  und  als  Chor  benutzte  Theil 
des  Sdiiffes  wird  durch  drei  Rundbogenfenster  erleuchtet;  unter  dem  mittleren 
Fenster  befindet  sich  noch  ein  Eingang.  Sämmtliche  Oeffhungen  sind  mit 
glatten  Sandsteingewänden  eingefasst. 

Der  rechteckige,  aussen  4,50  m  breite  und  8,35  m  lange  Westthurm  ist  Thurm. 
in  Quadermauerwerk  ausgeführt  und  hat  einen  achteckigen  beschieferten  Helm. 
In  der  Westseite  liegt  die  spitzbogige,  mit  gefasten  Sandsteingewänden  ein- 
gefasste  Thür.  Bemerkenswerth  sind  die  gekuppelten,  rundbogigen  romanischen 
Schallöffhungen,  von  denen  zwei  an  der  Nordseite  und  eine  an  der  Südseite 
erhalten  sind.  Die  Säulchen  haben  Basen  ohne  Eckblatt,  Würfelkapitäl  und 
Sattelsteine.  Im  imteren  Theile  des  Thurmes  sind  drei  Schlitzfenster  erhalten. 
Oben  an  der  Westseite  kragt  das  Mauerwerk  über  und  wird  durch  eine 
Sandsteinhohlkehle  unterstützt. 

In  den  reichgeschnitzten,  mit  figürlichem  Schmuck  versehenen,  hölzernen  Altar. 
Barockaltar  aus  dem  Jahre  1724  (Fig.  8)  ist  die  Kanzel  eingebaut.  Die  Vorder-  Kanzel. 
Seite  der  letzteren  trägt  die  Darstellungen  von  Petrus,  Moses  und  Paulus.  Ueber 
dem  Altartische  ist  in  einer  Nische  das  heilige  Abendmahl  geschnitzt  aufgestellt. 
Zwei  ki*äftige  gewundene  Säulen  mit  Laubgewinden  tragen  das  verkröpfte 
Gebälk  mit  der  Bekrönung.  Die  beiden  über  der  Kanzel  befindlichen*  Wappen 
enthalten  die  Unterschriften: 

Johann  Frantz  Agnese  Dorothea 

Schmidt  Meinerings 

Seitlich  befinden  sich  die  vier  Evangelisten  mit  ihren  Sinnbildern  und 
zwei  Durchgänge  mit  Thüren  und  schönem  Schnitzwerk.  Der  Altar  ist  weiss 
und  vergoldet.  Oben  sehen  wir  den  Auferstandenen  mit  der  Siegesfahne.  Das 
Ganze  ist  ein  prächtiges  Beispiel  des  späten  kräftigen  Barock  mit  einzelnen 
R^encemotiven. 

Ein  Gemälde  an  der  Kanzelrückwand  zeigt  Jesus  als  Knaben  im  Tempel, 
ein  anderes  in  der  Bekrönuiig  die  Kreuzigung;  beide  Gemälde  sind  auf 
Leinwand  gemalt. 

Zwei  schwere  Barock-Altarleuchter  aus  Messing  sind  44  cm  hoch.  Altarleuchter. 

Ein  Becher  aus  Zinn  in  lebendiger  Form,  mit  vielen  Namen  trägt  im   Becher. 
Deckel  und  unter  dem  Fusse  je  zwei  Zeichen  mit  der  Jahreszahl  1725  und 
den  Namen  Just  Ludwig  Flegel. 

Eine  silbervergoldete  Dose  ist  mit  dem  Bülowschen  Wappen  versehen    Ciborium. 
und  der  Inschrift: 

H.O.F.V.B. 
Auf  der  unteren  Seite  stehen  zwei  Zeichen,  das  springende  Pferd  mit 
der  2^ahl  12  darunter  und  die  Buchstaben  J .  P .  M . 

7 


-^    50    g^ 

Gemälde.  '   Die   Himmelfahrt   Christi  ist  an   der  Decke  dargestellt.     38  Getnälde 

befinden  sich  an  den  Emporen  der  West-,  Süd-  und  Nordseitß  mid  zeigen 
Darstellmigen  aus  der  Geschichte  des  neuen  Testaments. 

Glocken.  Eine    1,26   m    im    Durchmesser    grosse   Glocke    trägt    zwischen    zwei 

Ornamentstreifen  am  Halse  die  Inschrift: 

Psalm .  C  V I .  y .  XLVIII .  Gelobet  sey  der  Herr  •  der  Gott  Israel  •  von 
Ewigkeit  in  Ewigkeit  •  vndt  •  alles  Volck  spreche :  Amen .  Halleluia  . 

Auf  der  Mitte  der  einen  Seite  ist  zu  lesen : 

Im  Jahre  nach  vnsers  Erlösers  Gebvrt  •  M  •  DG  •  LX  •  Haben  zv  Gottes 
Ehren  vndt  Befoderung  ihrer  Seeligkeit  die  sämbtlichen  Eingepfarreten 
des  Kirchspiels  Uten  diese  Glocken  vmbgiessen  lassen. 

lieber  dieser  Inschrift  befindet  sich  ein  erhabener  geflügelter  Engels- 
kopf.  Auf  der  anderen  Seite  sind  die  Namen  der  Vorstandsmitglieder  angebracht : 

H  •  Joachim  von  Bröitzem  Pastor  • 

Hans  Kracke  •  Jasper  Engelke  • 

Stephan  Bartels  •  Hinrich  Kracke  • 

Samptliche  Juraten- 

Darüber  steht  ein  gekröntes,  verschlungenes  C.L.,  von  drei  Engels- 
köpfen eingefasst,  und  am  Glockenrand  die  einzeilige  Inschrift :  ,Lvdolf  Siegfriedt 
gössen  Anno  Christi:  1660  im  Monat  •  Jvlio ." 

Die  kleinere  Glocke  von  1,05  m  Durchmesser  zeigt  am  Halse  zwischen 
zwei  Omamentstreifen  die  einzeilige  Inschrift: 

M :  Thomas  Rideweg  goss  mich  in  Hannover  Anno  1725. 

Auf  der  Mitte  der  einen  Seite  findet  sich  die  Inschrift: 

H.F.Prilop.P.T.Past 

und  auf  der  Mitte  der  anderen  Seite: 

Heinrich  Rogge 

Hans  Joachim  Wehler 

Ernst  Warmbolt 

Valentin  Füllekraus. 

Am  Glockenrande  steht  die  einzeilige  Inschrift: 

Ich  mus  den  Lebenden  zum  Gottes  Dienste  klingen  und  auch  weni 
leichen  sind  die  Klage  Lieder  singen. 

Sämmtliche  Buchstaben  sind  Lapidare. 

Grabmal  Die  in  Empireformen  ausgeführte  Gedenktafel  (Fig.  9)  aus  dem  Jahre  1804 

ist  zum  Andenken  an  den  Amtmann  Georg  Christoph  Noodt  und  dessen  Gemahlin 
Anne  Lucie  Juliane  geb.  Klapperott  gefertigt  und  in  die  westliche  Thurmwand 
eingemauert. 
Kanne.  Eine  Kanne  aus  Silber,  vergoldet,  hat  auf  dem  Deckel  das  Bülowsche 

Wappen  und  an  den  Seiten  die  Bezeichnung: 

Anno  H  0  F  V  B  1725. 

Unter  dem  Fuss  sehen  wir  als  Zeichen  ein  Kleeblatt  und  die  Buch- 
staben H  J  B  (?). 


•  '*'io      J^X       ••* 

Auf  dem  Fusse  eines  Kelches  ist  ein  erhabener  Grucifixus  und  ein   Kelche. 
Wappen  mit  der  Umschrift 

Carl  Jakob  •  T  •  Bühlaw  von  Hause  Ahlten. 
ausbracht. 

Er  trägt  als  Zeichen  ein  springendes  Pferd  mit  der  Zahl  12  und  die 
Buchstaben  J .  G .  6 . 


Ä^i|»AV4VirA 


Flg.  9.    Kirche  In  Uten;  OedenktafeL 

Der  zweite  (grössere)  Kelch  zeigt  theilweise  geriefelten  Knauf  und  unter 
dem  Fusse  die  Inschrift:  .59  Loht  mit  der  Patein*. 

Kelche  und  Patenen  sind  aus  Silber  hergestellt  und  vergoldet. 

Die  Orgel  stammt  aus  dem  Jahre  1724.  Orgel. 

Das  inwendig  vergoldete,  silberne  Taufbecken  hat  auf  der  Unterseite   Taafbecken. 
«ein  Wappen  mit  der  Bezeichnung : 

C.F.v.R. 
1731. 
und    darunter  als  Zeichen  ein  springendes  Pferd  mit  der  Zahl  12  und  die 
zusammengezogenen  Buchstaben  MB. 


7* 


-1-8    52    i^ 


Immensen. 

Kapelle. 

Litteratnr:  Lüntzel,  die  ältere  Diöcese  Hildesheim;  Kegenten-Sahl,  1698; 
Manecke  II ;  von  Hodenberg,  Pagus  Flutwide,  Lenthe^s  Archiv  VI;  Mithoff,  Kunstdenkmale  lY; 
Neues  Vaterl.  Archiv  1823;  Braunschw.  Anzeigen  1751;  Böttger,  Diöcesan-  und  Gau- 
Grenzen;  Bertram,  Geschichte  des  Bisthums  Hildesheim  I;  Kayser,  Eirchenvi8itationenl897; 
Heise,  die  Freien,  Zeitschr.  d.  hist.  Ver.  f.  Nieders.  1856;  Weber,  die  Freien  bei  Hannover  1898; 
Uhlhom,  die  Kirche  in  Kirchhorst  und  ihre  Kunstdenkmäler,  Zeitschr.  d.  hist  Ver.  für 
Nieders.  1899. 

Quellen:  -Akten  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  Kapellenrechnungen  im 
Schulhause. 


Geschichte.  Immensen,    woselbst  vormals   die   Grafen   von  Wernigerode   begütert 

waren,   gehörte   ehedem  mit  Steinwedel,   wohin  es  noch  heute  eingepfarrt  ist, 
zmn  Archidiakonat   Sievershausen   und   zum   Gau  Flutwide.     Im   Jahre  1341 
verkaufen    die    von    Escherde    denen    von   Gadenstedt    das    Dorf  Immensen. 
1355  trennten  sich  Immensen,  Steinwedel  und  Aligse  von  Burgdorf,   zahlten 
3^  Mark  löthigen  Silbers  und  weihten  die  neue  ^rche  den  Heiligen  Nikolaus 
und  Petrus.    Die  Zahl  1355  ist  Jedoch  mit  Vorsicht  aufzunehmen,  da  die  Kirche 
zu  Steinwedel  bereits  1302  und  ein  »Tldericus  plebanus  in  Stenwede*    1307 
genannt  werden.   Ein  Gotteshaus  besass  der  Ort  bereits  zu  Beginn  des  XV.  Jahr- 
hunderts;  denn   1414  wurde    »nach  Ausweisung  des  Ecksteins^  der  hinterste 
Theil  der  Kirche   angebaut.    Ob   dies   dieselbe   alte   Kapelle  (von  Holz?)   ist, 
welche    einem  Aktenstück    zufolge  bereits   vor   1526   gestanden  und   in   den 
Jahren  1769/70  durch  einen  Neubau  ersetzt  wurde,  sei  dahingestellt.   1655  wurde 
die  Kapelle  dem  Kunstmaler  M.  Johann  Olpke  aus  Solshausen  für  60  Gulden 
verdingt,   »dieselbe  aufs  Künstlichste  mit  schönen  Historien  von  Oelfarben  zu 
vermählen*.    1671  verehrte  Henni  Hampenfrawe  in  Aligse  (Alesze)  den  zinnernen 
Napf  zum  Taufstein.    1675  wurde  ein  kleiner  Krankenkelch  geschenkt,  1686  der 
Kommunionskelch  gegen   einen   grösseren  mit  Hinzuzahlung  von  vier  Gulden 
einem  Groschen  vertauscht  und  1691  eine  zinnerne  Weinflasche  für  einen  Gulden 
einen  Groschen  gekauft.   Ein  Inventar  der  zweiten  Hälfte  des  XVII.  Jahrhunderts 
zählt  an  Geräthen  auf:  zwei  grosse  messingene  Altarleuchter,  von  Ludeke  Henke 
zu  Burgdorf  geschenkt,  drei  weissleinene  und  ein  buntes  Altarlaken,  zwei  Kelche 
verschiedener  Grösse  mit  Patenen,  einen  Krankenkelch  mit  Patene,  zwei  zinnerne 
Weinflaschen  verschiedener  Grösse,  einen  Klingelbeutel,  sowie  auf  dem  Thurm 
zwei  Glocken,  eine  grosse  und  eine  kleine,  nebst  der  „Seigerglocke*'.    In  den 
Jahren  1769/70  erfolgte  dann  der  Neubau,  welcher  1771  geweiht  wurde.     Die 
Kosten    des    Neubaus ;    von    der    Kapellenkasse    getragen,    beliefen    sich    auf 
1540  rthlr.  20  Groschen.    Die  Uhr  der  alten  Kapelle  .wurde  in  die  neue  verlegt. 
Grundriss,  Aufriss  und  Querschnitt  der  Kapelle  sind  noch  vorhanden.    Vor  der 
Wiederherstellung  1900  war  der  alte  Theil  der  Kapelle  15  m  lang  und  8,30  m 


->^    53    g^ 

breit,  einschiffig,  rechteckig  mit  einfachem  Sockel,  hölzernem  Renaissance- 
Hauptgesims  und  Eckquadem  versehen  und  hatte  eine  auf  Holz  geputzte  flach- 
bogige  Decke,  auf  der  Nordseite  und  auf  der  Südseite  drei  flachbogig  geschlossene 
Fenster  mit  massiven  Gewänden.  Der  Eingang  lag  im  Westen :  Emporen  befanden 
sich  an  den  Langseitea-und  der  Westseite.  Das  Satteldach  trug  einen  jv£stlichen 
bescfaieferten  Dachreiter  mit  geschweifter  Spitze  und  Wetterfahne.  1771  lieferte 
der  Tischlermeister  Cordes  für  74  rthhr.  24  Groschen  einen  neuen  Altar  mit 
Kanzel.  Der  Glasermeister  Düsterdich  erhielt  für  ,  Vermahlung  und  Uebergüldung'' 
des  Altars  38  rthhr.  12  Groschen.  1785  wurde  die  vom  lÜirmacher  Bussmann 
aus  Wettmar  für  85  rthhr.  gelieferte  Uhr  aufgestellt.  Das  Inventar  von  1789 
zählt  an  Geräthen  auf:  einen  silbernen  Kelch,  zwei  kupferne  Leuchter,  ein 
blaues  und  ein  weisses  Laken.  1824  wurden  vier  Dachfenster  angelegt.  Die 
Kapelle  erhielt  vor  etwa  30  Jahren  durch  C.  W.  Hase  einen  halbkreisförmig 
geschlossenen  Chor  in  romanischen  Formen  und  wurde  im  Jahre  1900  durch 
Professor  E.  Mohrmann  durch  Anbau  eines  zweiten  Schiffes  und  eines  Thurmes 
zur  Kirche  umgewandelt. 

Das  Patronatsrecht  übten  bis  in  das  Ende  des  XIX.  Jahrhunderts  die 
von  Gadenstedt  zu  Gadenstedt  im  Kreis  Peine. 

Der  1771  vom  Tischlermeister  Cordes   angefertigte  Altar  besteht  aus   Altar, 
einem  Hauptrahmen,  welcher  von  zwei  glatten  Säulen  begleitet  wird.    Der  mit 
Schnitzwerk  ausgefüllte  Giebel  trägt  in  der  durchbrochenen  Spitze  einen  gleich- 
zeit^n  Crucifixus. 

Die  beiden  Altarleuchter  aus  Messing  zeigen  gothische  Auffassung.    Der    Altarleuchter. 
walzenförmige  Schaft  ruht  auf  drei  Füssen  und  wird  in  der  Mitte  durch  einen 
Knauf  getheilt. 

Die  57  cm  im  Durchmesser  grosse  Glocke  trägt  zwischen  zwei  Ornament-   Glocke, 
streifen  am  Halse  die  einzeilige  Inschrift:   «Anno  1557  Jar  do  goth  mich  Hans 
Pelckinck  in  Hildensheim  das  ist  war*.  Auf  dem  alten  1900  entfernten  Glocken- 
stuhl befand  sich  die  Jahreszahl  1769. 

Darunter  befinden  sich  vier  runde  Siegel. 

Die  schmucklose  Altarkanzel,  welche  einem   neueren  Oelgemälde  hat   E^anzel. 
Platz  machen  müssen,  wird  im  Schulhause  aufbewahrt. 

Ebendort  befindet  sich  die  alte  Wetterfahne  mit  der  Jahreszahl  1769.   Wetterfahne. 


Isepnhagen. 

Kirche.    ErhhegrähnlBs.    Wohnhaus. 

Litteratur:  Doebner  III  und  VII;  Sudendorf  II,  III,  V  und  X;  Wippennann, 
Bukki-Gau  1859;  von  Hodenberg,  Lüneburger  Lehnregister;  derselbe,  Pagus  Flutwide, 
Lenthe*8  AtcMt  VI;  Havemann;  Manecke  II;  von  Bennigsen,  Beitrag  zur  Feststellung  der 
DiGcesangrenzen,  Zeitschr.  d.  hist  Ver.  f.  Niedere.  1863;  Regenten  -  Sahl  1698;  Kayser^ 
KiTchenvisitationenl897;  Bertram,  Geschichte  des  Bisthums  Hildesheim  I;  Böttger,  DiOcesan- 


I 

1 


.1 


-*^    54    %x^ 

4md£^au-QreföeQ(!  HnliiKh^  Q^schveEbimi^  dksfBiBthumsrMindeA*^  Mithoff^  Kunstdiettkmale  lY^ 
.^eraelbe,  Kirchen^^chreibai]^0ii ;  ]^9fnecke)  ^  Nachrichten  ^  ^ur  V org^sthichte  d^s  Kircbspißlß 

Qu  ^11^,1^:  Akten  d^s  Kgl.  St9^t^arc)iiv8  z.u  Hajiiio,yer;|' Verzeichnis^  der  kifch- 
liche^ 'Künstäenkniäler  von  1^9^.   .       ,.V  ,„  *  ,"!'^  ~  • 


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Geschichte.  . :  r  '  jsemha^en^}  'östlich^  der  Wietze  lifil  'Pagus  f^lutwid^  i)eleitpe^i  "^^  ehedem 
eioftr  der  6ireni:orte;^dei3  Btethüsofs  Hildesheiin^  gegen  d^'Bisthum  Mindeii.  Das 
Dorfi^t  seiner  LäQj^i^v^en  in^tS^  Bauerschaften  getkeiltV  von  welken  die 
Eircher  Bau^ischaft  dels  GoUöshaifö'  enthält j  hi  der  Fairster  Bauerschaft  befaiid 
sieh  ^näohüManecke  v^^hiicüb' einfFt^ehst^^ 'UlM^2i^hMflr^^  der  Laiff^ereck  ttnd 

Tlot  Er&ffimng^  des'  Harzies^Ualsoi  vordeii^rRegierungs^^ilitie  Vo^l^  (t  93^j 

ein  ..berühiÜtet  lEisensteiabrueb.-'^  Seri^Ort,  wo  niall  vor'  Zeiten^  daä> -Eisen 
jDehandeUilund'  die  Brändtiütte  gestanden  hat,  ih^st  ;die  Bi^i^Hde^.  Dfe 
Kirche  ist  isiun!  Theil  aus  dem  dort  gewonneneti  ^  Rias^^eiäetlst^ib  aufgeführt^ 
und  auch  der  Name  des  Ortes  wird  damit  zusammenhänget!;  Im  JäÜke  1353 
'örkläiirdeeL  Ritter. TöHana^PiökaiiJäfiiäassi^  Mn  gehörige  Zehnte^  »vppe  deme 
Ysemehaghene*'  nach  seinem  Tod^d^  Uerz<^Wiltitdft^vbb'Bräld9yhW  und 
.  lainebürg  uhd  däsisen  ^beir  oider  NaxMölgerh  anhlähify[4n  ^ölte,  und  1358l)ekundet 
Dietrich  SdiÜette^^Kä^^enmeister  dei  Letiterön^^^öili  diesem  den  »Meygk'h'of  ^^pe 
demi^rsernehagUenfel^auf  iLeb^29stt  eibaltieii  .zu  haben/  AW  erster  lutherischer 
Prediger  wird  1534  Hinrick  Traphagen  genannt.  Das  noch  gültige  Kttiehensiegcä 
\    ml!  deraiahreszkhll5Ö7(trägt\da6^i]d  der  Mariärlntit^^^  wacher  die 

Kirche.  gewieMi*ar.U  •  '      'v;  Um  i-.-   .'  Li-'     '..'ti  l'.in  L    ■.:;  t.i;'    -..lir*  :-[nv/ 

1654  wird  ,bey  verrichter  Kirchennvisitation '^  verordnet,  dass  die^iobeiSte 
;    Prittch€roSier:;^'Bohrkirche'^,dasieJi[vnMtz,^3miät^^ 
dieFüntersteriPi^che ^al>er  erweitotuddii.ifaiSftirlichier''  gebaut  wtkHk,  iäödäss'die 
StäilideVonifaiÄteQ  erhöht ^irördltti^  damit' ilifier  öbet^^ den ^atide^^^^  die  ß^ 
I  hinab  sehen  könne.    Femer  solle  die  6emeinde^^Läl^'j%tadt  deisä  vnaiisebnlichenn 

]  altenn*  ein  neues  Crucifix  anfertigen  ItfSileili  '46b5  iKmrde^ile  Mauet^'zwischen 

!  \.   der  Sakristei  und:  dem  rLeichtlaus&^iz6r^£rw)^to^^  w^enommen. 

I  1660  findet  sich  m  der  Jldsgttb^I die  Notiz t'^lM«.  VVyfE'des'goHsi^hmtd^  gese^n 

'  .    dem  iteäi.vom^el<äXöLGtold^)  *czaMet^.  ^^^M^  ,ge- 

^  hauenen  Steinen  übersetzt*^  und   mit  vollständig   neuem  Gestühl  ausgestattet 

^  1672  schenken  der  wohlhabende  Gamhändler  Heinrich  Wismer  und  Margarethe 

Behrens  den  Altar.    Cordt  Ochsenkopf  hat  ihn  gefertigt  (sculpsit),  Hans  Behrens 
'  bemalt  (pinxit).    Das  Ältargemälde,  darstellend  die  Grablegung  Christi,  ist  1819 

i  gemalt.    Die  von  der  Ilse  Wedekinci  1690  gestiftete,  inwendig  ganz,  aussen  zum 

Theil  vergoldete  Kanne  '  wurde  «ammt  Oblatendose  und  vergoldetem,  durch- 
brochenem Löffel  1784  gestohlen.  .  Wahrscheinlich  1703  wurde  auf  der  Südseite 
die  Sakristei  angefugt.   Die  705  erbaute,  1749  und  1777  gebesserte  Orgel,  welche 
\  ursprünglich  an  der  Nprdseite  lag,  erhielt  1820  ihren  J€/lrigen  Platz.    1715  goss 

M.  Thomas  Riedeweg  in  Hannover  die  eine  der  grossen  Glocken  um,  ein  abermaliger 
Umguss  fand  1750  durch  den  G^ockengiesser  Jofa.  Henr.  Gust.  Weidemann  statt. 
1751  barst  die  grössere,  von  Riedeweg  1721  gegossene  Glocke.  Sie  wurde  1753  von 


-H;    55    iH- 

(tohann  Meyc^r  in  Gelle  umgegossen.  1777  wurde  die  kleine  geborstene  Glocke  durch 
Peter  August  Becker  aus  Hannover  umgegossen  und  1861/62  abermals  vom  Glocken-» 
giesser  Dr^er  in  lindem  1765  wurde  eine  Tbürmuhr  angeschafiFt.^  Das  Corpus 
bonorum  vom  Jahre  1776  giebt  uns  Aufschiuss  über  den  damaligen  Zustand  der 
Kirche:  Der  kleine  Chor  war  gewölbt,  dias  übrige  Gebäude  mit  Balken  über«^ 
zogen  und  unterwärts  mit  Dielen  bekleidet.  Eine  schadhafte  Orgiel  war  an  der 
Seite  aufgestellt,  der  starke  Thurm:  aus  Eisensteinen  aufgeführt  Es  waren  . 
zwei  grosse  Glockea  und  eine  Uhrgloeke  vorhanden  sowie  eine  kleine  Glocke, 
am  das  .Signal'^  zum  Anfang  des  Gottesdienstes  zu  geben,  ferner  eine  Schläguhr. 
Die  Kirche  besass  ein  altes  Siegel  mit  einem  Marienbild,  welches  unter  die 
flhestilluhgen  gedHickt  "würde.  An  Geräthen  werden  genannt :  ein  grossier 
silbervergoldeter  Kelch  mit  vor  Kurzem  vergrössertem  Pokal,  ein  kleinerer 
ebensolcher  Kelch,  ein  kleiner  ebensolcher  Krankenkelch  mit  einer  kleinen 
silbervergoldeten  Oblatenschachtel,  eine  grosse  silberne  Oblatenschachtel,  eine 
.ansehnliche'  silberne,  inwendig  ganz, .  auswendig  etwas  vergoldete  Altarkanne, 
zwei  wohl  ausgearbeitete  englische  Altarleuchter  von  Zinn,  zwei  messingene 
Altarleuchter  nebst  zwei  Armleuchtern,  eine  messingene  Lichterkrone,  ein 
grosses  zinnernes  Becken,  ein  kleines  messingenes  Becken  zum  Taufstein  und 
mehrere  alte,  nicht  mehr  gebrauchte  Altargeräthe  von  Zinn.  Ein  weiterer  Kelch 
nebst  Oblatendose  und  Teller  zur  Sakramentsaustheilung  wurde  1819  angeschafEt. 

Die    aus    Ortsteinen    erbaute    Kirche    besteht    aus    Chor    mit    einem   Beschreibung. 
Erweiterungsbau  im  Norden  und  Sakristei  im  Süden,  Schiff  und  Westthurm. 

Das  rechteckige,  geputzte  Schiff  von  14,9  m  äusserer  Länge  und  11,2m    Chor. 
Breite  wird  durch  einen  kräftigen,  spätgothisch  gegliederten  Triumphbogen  mit   Schiff, 
dem  aussen  7,2  m  langen  und  9,4  m  breiten  Chor  verbunden.   Das  Schiff  wird    Sakristei. 
im  Innern  durch  eine  bogenförmige,  geputzte  Bretterdecke,  der  Chor  durch  ein 
Kreuzgewölbe  mit  Hohlkehlrippen  abgeschlossen.     An  der  südlichen  Chorseite 
sind  die  beiden,  zur  Aufnahme  der  Rippen  dienenden  Eckkonsolen  noch  erhalten. 
Auf  der  Nordseite  des  Schiffes  ist   eine   spitzbogige,   gothische,   mit  Bimstab 
profilierte   Eingangsthür    mit    rechteckig    herumgeführtem,    gothischem   Gesims 
angeordnet.    Ebendort  befinden  sich  drei  mit  Pultdächern  abgedeckte  Strebe- 
pfeiler.   Vier  ähnlich  behandelte  Strebepfeiler  stützen  die  Südwand  und  zwei 
^weitere,    diagonal   gestellte   die   östlichen   Chorecken.     Auf  allen   Seiten   sind 
hölzerne  Emporen  angebracht.    Die  ältesten  Fenster  sind  spitzbogig  und  lassen 
<lie  Ansätze  des  in  Sandstein  gehauenen  spätgothischen  Maasswerks,  welches  in 
der  äusseren  Mauerflucht  lag,  noch  deutlich  erkennen.    Einige  kleinere  Fenster 
sind    theils   geradlinig,    theils    flachbogig   geschlossen.     Der  Sockel   zeigt  eine 
grosse  Fase  aus  Sandstein.    Die  steilen  gothischen   Ostgiebel  von  Schiff  und 
Chor  tragen  je  einen  Sandsteinknauf.    In  der  Spitze  des  Chorgiebels  ist  eine 
Dreipassöffnung   zu  sehen.     Auf  einem  Strebepfeiler  der  Südseite  sind  noch 
Theile  einer  in  die  Quaderung  eingeritzten  Sonnenuhr  erhalten.    Eine  weitere, 
auf  einer  Simdsteinplatte  angebrachte  Sonnenuhr  trägt  die  Bezeichnung: 

Anno  1[8]06 
J.  F.  W. 
F.  A.  Z. 


— «    56     S«- 

Der  massive  Erweiterungsbau  auf  der  Nordseite  bt  mit  dem  Chor  durch 
eine  halbkreisförmig  geschlossene  Oeffimi^  veri)unden  und  hat  eine  spitzbogige 
Eingangsthür,  deren  jetzt  geputzte  grosse  Schräge  die  alten  Profile  verdeckt 
Zwei  gekuppelte,  profilierte  Fenster  mit  Sandsteingewftnden  sind  in  Fig.  10 
wiedergegeben.  Die  auf  der  sQdlichen  Chorseite  angebaute  Sakristei  ist  ein 
schlichter  Fachwerkbau  aus  dem  XVm.  Jahrhundert. 

Der  rechteckige,  geputzte  Thurm  von  9,4  m  äusserer  Länge  und  11,2  m 
Breite  trägt  einen  in  das  Achteck  übergeführten,  mit  Mönchen  und  Nonnen 
gedeckten  Helm.  Auf  den  vier  Seiten  sind  oben  grosse  spitzbogige  Oeffnungen, 
welche  innen  und  aussen  den  dreinjal  zurückgesetzten,  aus  Backstein  gearbeiteten 
Viertelstab  zeigen,  angebracht.    In   derselben   liegen  vertieft  je  zwei  kleinere 


Flg.  10.    Klrdia  In  iMmtusea;  PensUr. 

spitzbogige,  gekuppelte  Oeffbungen  und  darüber  eine  runde,  an  einer  Seite 
tüdbrunde  Oefihung,  sämmtlich  in  roher  Ausführung.  Unten  sind  mehrere 
rechteckige,  schmale  Oef&iimgen,  von  welchen  einzelne  mit  dem  Kleeblattbc^^en 
geschlossen  sind,  sichtbar.  Die  spitzbogige  Thür  auf  der  Nordseite  veii>irgt 
unter  der  jetzt  geputzten  grossen  Schräge  die  alten  Profile.  In  die  Westwand 
sind  vier  gothische  Ereuzsteine  eingelassen. 

Im  untern  Theile  der  Ostwand  ist  inwendig  eine  spitzbogige,  tiefe  Nische 
vorhanden;  auch  sind  hier  die  Widerlager  zu  einem  Kreuzgewölbe  bemeiUwr. 
Zwei  Blocktreppen,  von  denen  eine  mit  genagelten,  die  andere  mit  au^edollten, 
dreieckigen  Stufen  versehen  ist,  befinden  sich  auf  dem  Glockenboden. 


-o!8    57    8^ 

Der  gemauerte  Altar  trägt  die  sehlichte  hölzerne  Altarwand  in  Barock-   Altar, 
formen  mit  dem  aus  dem  Jahre  1819  stammenden  Altargemälde,  welches  die 
Grablegung  darstellt. 

Eine  1,37  m  im  Durchmesser  grosse  Glocke  hat  zwischen  zwei  Ornament-   Glocke, 
streifen  am  Halse  eine  einzeilige  Inschrift.    Auf  der  Mitte  der  einen  Seite  ist 
zu  lesen: 

Andacht .  Traver .  Noth  vnd  Frevden . 

Zeich  ich  an  mit  meinem  Schall . 
Gott!  Yersvsse  bittres  Leiden, 
Wen  ma  mich  hört .  vberall . 

Die  Mitte  der  anderen  Seite  trägt  die  Namen  der  damals  amtierenden 
Personen  sowie  die  Jahreszahl  1753.  Am  Rande  ist  der  Giesser  Johann  Meyer 
aus  Celle  vermerkt. 

Eine  Lapidarinschrifl  auf  dem  Holme  des  Glockenstuhles  lautet:  Glockenstnhl 

M.Lindeman.So  oft  ich  hör  den  Glockenschlag  das  ich  mein  Ende 
1716         betrachten  mach. 

An    der   Südseite    des   Schiffes    ist    der    schöne   Grabstein   des   1669    Gral)8teine. 
gestorbenen  Wöhler  Wöhlers    aufgerichtet;    um.  drei  Wappen  in   der  Mitte 
gruppiert  sich  eine  vielzellige  Inschrift. 

Der  Grabstein  des  Jordan  Witte  auf  dem  Kirchhofe  zeigt  in  der  Bekrönung 
den  Gekreuzigten  und  darunter  eine  betende  männliche  Figur;  der  Verstorbene 
wurde,  wie  die  Grabinschrift  erzählt,  am  29.  November  1633  zur  Mittagszeit 
in  der  Hausthür  seines  Nachbars  stehend  von  einem  Soldaten  ohne  irgend 
welche  Ursache  erschossen. 

Einige  einfache  Grabsteine  aus  späterer  Zeit  sind  ebenfalls  auf  dem 
Kirchhofe  aufgestellt;  jedoch  ist  es  unverkennbar,  dass  zu  einzelnen  Steinen 
ältere  Platten  verwandt  wurden,  da  dieselben  in  der  Bekrönung  die  Formen 
des  XVII.  Jahrhunderts  aufweisen. 

Die  einfache,   zum  Theil   erneuerte  Kanzel  zeigt  die  Formgebung  der   Kanzel. 
Spätrenaissance. 

Ein  silbervergoldeter  Kelch  mit  Patene  zur  Krankenkommunion  hat  auf  Kelch, 
dem  runden  Fusse  die  Lapidarinschrift:    ,Hans  Hanebut  1695''. 

Ein  weiterer  zinnerner  Kelch  mit  Sechsblattfuss,  kugelförmigem  Knauf 
und  oben  geschweiftem  Becher  trägt  unter  dem  Fuss  ein  Zeichen  (Engel).  Die 
Patene  mit  der  Jahreszahl  1750  hat  ebenfalls  ein  Zeichen  auf  der  Unterseite. 

Das  runde,  mit  der  Jahreszahl  1587  versehene  ESrchensiegel  ist  heute   Siegel, 
noch  im  Gebrauch;   es  hat  in  der  Mitte  Maria  mit  dem  Jesuskinde  und  die 
Lapidarumschrift :    .Provisor  •  eccles  .  in  •  Isemhagen*. 

Der  schöne,  sechseckige,  1,04  m  hohe,  in  neuerer  Zeit  ausgebesserte   Tanfstein 
Taufstein  (Fig.  11),  dessen  Schaft  von  drei  Engeln  in  tragender  Stellung  ver- 
ziert ist,   zeigt  auf  den  Feldern  des  Beckens  die  vier  Evangelisten  mit  ihren 
Sinnbildern,    die  Taufe  des  Herrn  durch  Johannes  imd  ein  Wappen  mit  der 

Bezeichnung : 

Anno  1654 

Anna  Halberstat. 

8 


■■   i-i-     Die  Fortsetzung  der  Schrift  auf  dem  anderen  Felde  lautet:' 
'    '  -    ■■"  ^       '       '         •     "''Tonies  Greten.W.  ' 

Oben  auf  dem  Becken. steht:   .NB". 
). '  "  '  .     Das  massive  Erbbegräbniss  der  Familie  Von  Hattorf  aus  dem  Ende,  des 
Xviir.  Jahrhunderts,    vor  der  Westseite  des  Thiirmes  gel^n,  ist  in  neuerer 
Zeit  ausgebessert.     In  die  ThQrt)ekr&nung   ist  daS'  Wappen  der  Familie  eiti- 
gelassen. 


Fig.  II.   Kirche  In  iMmhaseii;  T*u(U«iD. 


Äp  einem  Fachwerkhaus,  dem  ehemaligen  Pfarrwittwenhause,  neben 
der  Kirche  n^t,  äberge;etztem  Obergeschoss  und  Giebel  bemerkt  man  einen 
Spruch  auf  der  Setzschwelle,  zwischen  d^a  Balkenköpfen  starke  Füllhölzer  und 
über  fler  Rundbogenthür  die  Laptdarinschrift :.  ,M.  D.  Depken  .  Anno  .  1691'. 
Im  Innern  ist  eine  schöne  Treppe  in  kräftigen  Barockfomien  mit  gewundenen 
I)o.(;ken  erhalten. 


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irr." 

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.  Litteratur:  Ltj^tzol,  dJQ  ^Itjere  Di^e^e^r  JÜWßsheipi;  Regepten -  Sahl  1698; 
Manec'ke  II;  ^er1^a,m,  Geschient^  des  Biathiima  ^i^ilesiieim'l;.  Kayäer,  "^^irchenvisitationeu 
1897;  Böttger,  IMöcesai-^uid'Öati-Gr^zeti;  SÖhifei<4^^^  landwirtÄsibäftiiche  BeBchreibtinf^ 
der  Dorfdchafi  Kirchborst,  Neues  HAimoy.  Mkigäri^in  '  1807 ;  Neb^  vatetk  •  At^bi^  1828^, 
Wolff,  ,alte:  WaQdmülefeien  in  .der  ÜCii^be  yw  ^ttkhoxity  Denkmülp^oge  I;  'Waiäiecke, 
Nachrichten,|Z^r  Yorjge^clfifhte  des  Elirchspiels  Isemha^u  18|^;  Mithoff,' Konstdenk^ 
male  IV;  derselbe,  Kirchepbes^hreib.i;ngen ',  Ram^oh^,  jiiri^tisch^  ^fthrungeu.ÜI;  vou 
Hodenb'erg,  Paguß  Flut^vta^,  LenUie^s  ArcJii^'Yl;  derselbß,  Calenb^^er  jlTrliundeiibucli  V; 
ühlhom,  diV^Kirche  iii^ÖrfctfWrst  und  ihte' KunstÄeiiSmäler;  ^etteöhr/'ä.  bist  VeJr.  ftt* 
»ieders.,  1899:       ^  '    ''    •  iv;  •:.    .^Z    [r-    [  tj    j:I    ^'10/  'Y    hrri-^^rr-r^'-iu      /   '.T  -  '. 

Quellen:  Uf ku^)l  des  Kgl.  SUatüiäi^cbiivs  zu  Hannover';  1  Verzeiehniss  der'  kfrek^ 
liehen  Kün8tdQnkniSJei:nröÄ;]1896,:'    ..        'i     \  i  !        ■■  \-'    -  .1 


r  , 


Kirchhorst  gehörte  ehedem  mit  Gross-Horst,  Alten- Warmbüchen,  Stelle  Geschichte, 
und  Lohne  (Ziegelei),  welche  sämmtlich  noch  heute  dorthin  eingepfarrt  sind,  zum 
Archidiakonat  Sievershausen  und  war  im  Pagus  Flutwide  belegen.  Von  Alters 
sind  die  Herren  von  Gramm  Patrone.  Vermuthlich  hat  der  Ort  bereits 
im  Xn.  Jahrhundert  ein  Gotteshaus  besessen.  Dasselbe  hatte  in  der 
Mitte  der  Westseite  eine  Thür;  geradlinigen  AbscMuss  im  Osten,  eine  gerade 
Balkendecke  und  in  der  Nord-  und  Südwand  je  drei  ungefähr  zwei  Meter 
über  dem  Füssboden  vbefindliche  kleine  Fenster.  Im  Jahre  1329  lösten  sich 
die  Dörfer  Horst,  jetzt  kirchhorst  und  Grosshorst,  Stelle  und  Alteh-Warmbüchen 
von  Burgdor^  los,  zahlten  dem  heiligen  Pankratius  zwei  Mark  reinen  Silbers 
und  bauten  zu  Horst  ein  eigenes  Gotteshaus,  welches  sie  dem  St.  Nicolaus 
weihten.  Die  äussere  -Veranlassung  zur  Lostrennüng  gaben  die  Herren 
von  Gramm,  indem  sie  zwei  durch  Aussterben  ihnen  zugefallene  Höfe  in  der 
Horst,  welche  vermuthlich  vormals  das  Rittergut  Horst  bildeten,  zur  Dotation 
der  Kirche,  Pfarre  imd  Küsterei  schenkten.  Nach  erfolgter  Lostrennung  wurde 
die  vorhandene  Kapelle  zu  einer  Kirche  ausgebaut.  Es  wurde  der  Ghor  angefügt. 
Die  Aussenw&nde  deß  Sphiffes  wurden  um  etwa  1  m  erhöht«  das  3chiff  selbst 
mit  drei  Kreuzgewölben  geschlossen,  die  ursprünglichen,  kleinen  Fenster  in 
grosse,  gothische  Fenster  umgewandelt  und  mit  Backstein-Maasswerk  versehen. 

Fj*'  '"'f  r,i-- 

Die  Reformation^  wrfr  um  '5540  waht*^cJSemlich  ächon  eingeführt^  der  -  ei:ste 
lutherische  Prediger' 'war  Bartoläüs  Poipp^.'  1588  wurde  oer  kleine  silberne 
Krankenkelch  furf- 4  rthlr.  5  Groschen  gtekäüff[  1589  eine -KanzeFgaautf  /Sie 
stand  auf  dem  JSiltat'  de*^  Sti^ ' Nicolaus  am  Triumphbogen.-^  D^-j4tzig6  hölzerne 
Thurm  wird  1594  erwähnt  und  1608  eine  zinnerne  WeinKanne  für  1  Gulden 
8  GroscheI^angeschäfft^       '  ^'     ^  • 

Dei"'*dreissigjähHi?e  Eri^g  mit  seinem  Unheil  ging^ch  än'Erchhorst 
nicht  sptorlos  v^iräber;  -Ifa/ Jahre  1626  raubten  die  Kaiserlichen  die  *1 622  gekaufte, 
mit  dem  biscli^ich  förstlich^n  Bilde  geschmückte  Kirchenbibelj  nahmen  die  AÜar^ 
lichter  niit  foi^t  üiid  ei4)rächen  den  Kirchfenblock.   Von  der 'Kirche  ist  in  diteem 

8* 


Jahre  als  einer  .zerbrochenen*  die  Rede.  1632  plQnderte  das  .Pappenheimbsche 
EriegsToli*  die  Kirche,  erbrach  den  Eircbenblock  und  zerschlug  das  Haasswerk 
der  Fenster  und  die  Glasmalereien.  Holz  vom  Kirchthurm  ward  zum  Feuer 
benutzt.  1641  plünderten  .die  Schwedischen  aus  dem  Lager  für  Wolffenhöttel* 
abermals  die  Kirche.  Die  Einwohner  flohen  im  Herbat  dieses  Jahres  nach  Hanoorer. 
1661  wurden  die  Wandmalereien  überweisst  und  1662  emfache  weisse 
Fenster  statt  der  im  Kriege  zertrümmerten  bunten  eingesetzt.  1664  wurde 
eine  neue  Prieche  an  der  Nordwand  des  Schiffes  angelegt.  Beim  Umbau 
der  Kirche  fand  sie  als  Wandtäfelung  in  der  Sakristei  Verwendung.  Ein 
Tischlermeister  aus  Bui^orf  hatte  sie  gefertigt.  In  den  Jahren  1676  bis 
1678  wurden  Steinplatten  in  den  Gängen  und  auf  dem  Chore  gel^ft,  sowie 
ein  neuer  Beichtstuhl  auf  diesem  gebaut.  1678  wurde  der  Chorraum  bis  an 
die  Triumphbogenwand  voi^erückt  und  erhöht,  sowie  der  Altar  mit  einem 
neuen  Altarblatt  au^estattet.  Es  ist  von  Andreas  Cortnum,  Bürger,  Ratbsherr 
und  Knochenhauer -Amtsmeister  in  Hannover,  und  dessen  EhefVau  Cathaiina 


Flg.  It.    Kirch«  1d  KlrchhorBt;  obarer  Orandrlu  vor  der  WledsrhantelloDB. 

geb.  Düsterhof  gestiftet.  Die  Schnitzarbeiten  stammen  von  dem  Haimoveiscfaen 
Bildhauer  Daniel  Bartels.  Die  Seitentheile  gingen  1774  bei  der  Umgestaltung 
des  Altars  verloren.  1679  wurde  die  Kanzel  abgerissen,  der  Altar  des 
St.  Nicolaus  beseitigt,  von  der  Pastorin  Falkenhagen,  geb.  Bokelmann,  der 
Taufengel  verehrt  imd  die  im  unteren  Ende  der  Kirche  nach  Westen  stehende 
Taufe  entfernt  1678/79  wurde  das  Gestühl  im  Schiff  gebaut.  1774  wurde 
eine  kleine  altgekaufte  Oi^l  aufgestellt.  Um  Platz  für  dieselbe  zu  gewinnen, 
wurde  durch  den  Chor  eine  Prieche  angelegt.  Von  dem  Cortniunschen  Altar- 
blatt blieb  nur  der  mittlere  Theil  mit  der  Auferstehung  erhalten,  welcher  aber 
auch  zugleich  als  Stütze  für  die  darüber  befindliche  Prieche  dienen  mossite. 


-*^     61     S«- 

Das  südliche  Ghorfenster  wurde  erweitert,  die  nördliche  Chorwand  nach  der 
Sakristei  hin  durchbrochen  und  hinter  dem  Altar  eine  Thfir  zum  Aufgang  auf 
die  Prieche  geschaffen.  1775  eiiiieltea  die  Eirchhorster  einen  ansehnlichen 
Theil  von  dem  hinter  ihren  Mooren  liegenden,  herrschaftlichen  Moore  zum 
E^enthum.  1836  wurde  eine  neue  Orgel  auf  der  Westprieche  angelegt, 
das  mittlere  Gewölbe  des  SchifTes  als  hindernd,  Licht  und  Platz  raubend 
at^brochen,  das  von  Crammsche  Epitaph  dick  mit  Oelfarbe  übermalt  und  die 


Flg.  13.   Kirche  In  Klrchhorat;  Vocball«, 

andere  H&lFle  der  nördlichen  Ghorwand  über  der  Sakristeithür  durchbrochen. 
1898  fand  dann  eine  gründliche  Renovierung  namentlich  der  inneren  Kirche 
durch  den  Architekten  Wendebout^  und  den  Maler  Ebeling  statt,  und  steht 
dieselbe  jetzt  in  herrlichem  Schmucke  da. 

Die  Kirche  (Fig.  12)  besteht  aus  Schiff,  Chor  mit  angebauter  Sakristei    BeBchreibang. 
im  Norden,  einer  Vorhalle  im  Süden  und  einem  Westthurm. 

Das  rechteckige,  aus  Feldsteinen  erbaute  Schiff  hat  im  Osten  einen  mit    Chor, 
dem  halben  Achteck  geschlossenen,  in  spätgothischen  Formen  aus  Backsteinen    Sctuff. 
errichteten  Chor.    Die  drei  Kreuzgewölbe  aus  Backsteinen,   welche  das  Schiff  Anbaaten. 
überdecken,  werden  durch  zwei  spitzbogige  Gurtbögen  von  rechteckigem  Quer- 


schnitt  getrennt;  ;^  Btammen  jedoch' 4ie  .beideii,  westlk^e^' Joche  von  der 
1898  erfQlgtGQ  Wiederherstellung  her-  DieiTOT^henc|eDRipi«n  zeägengothisdies 
BinistiibiH;«9I..upd  ruhen  mit.  den,  Qurtap  auf  Sand^teinkpnsoleii.  Def  um 
eine  Stufe  erbölite  Chor  wiid  .durch  diß  I}fljfle.^e.ines  rechteckigep  Kreuzgewölbe 
und  fü^f  Kappen  d^s  (^orßcbli^sea  Oberdßcktr  .  der,  spitzbogige,  rechteckige 
Gurtbogen,  ^dcher  beide  trepnt,  ;^Otzt<  sich:.9uf  mn^n  Pfeiler  yon  demselb^ 


Fle.  14.    Kirche  tn  Klrchhorst',  Wuid-  nud  DeckenmUereten. 

Querschnitt  Die  Bimstabrippen  setzen  sich  hier  auf  gemauerte,  runde  Back- 
steindienste auf.  Der  spitzbogige  Triumphbogen  ist  reich  .gegliedert.  An  den 
spitzl)DgJgen,  auch  <  am  SchiS  mit  Backsteinen  eingefas^Hi  tmd  mit  Maa^swerk 
versehenen  Fenstern'  herrscht  der  Bund-  und  Viertelqtab  vor.  Das  Backstein- 
maasswerk aller  Fenster  ist  neu  und  mit  Ausnahme  des  Ostfeo^rs  nach  einem 
tüten,  zugemauerten,  im  Chor  befindlichen  letzthin  eingerichtet.  Die  aus  Ort- 
steinen mit  untermischten  Findlingen  ohne  Verband  an  die  Nordseite  des 
Chores  angefügte  Sakristei  ist  durdi  eine  flachbögige  Thüir  mit  demselben  ver- 
bunden. Eine  Eingangsthür  und  ein  spitzbi^iges  Fenster  mit  Backstemmaass- 
wcrk  liegen  auf  der  Ostseite.  In  der  äusseren  Nordwand  befindet  sich  ein 
rechteckiger  Stein  mit  eiqem  erhabenen,  grossen  und  fünf  klemen  Kreuzen.    . 


■*^    63    g->~ 

Die  aq  die  Södseite  des  Schiffes  angefO^e  Vorhalle'  (fig^  ]3)  ist  ein    - 
spätgothischer  Backsteinbau  init  Staffelgiebel  und  geputzten  BI«idnischei);>,in    - 
räier  Rundbogetuiische.  liegt  die  fl^chbogige  EingangsthÜr,  an  welcher  der  alte, 
gotfaische  Ring   wieder    angebracht    ist.     Das  Torberrscbjende  Profil    i^t  ,der, 
dreiipai  zurückgeset^e  Viertelstab. 

Der  überaus  einfache,  viereckige,  hölzerne,  mit  Steinplatten  behängte   Thnnn. 
Thorm  trfigt  einen  viej^ckigen  beschieferten  Helm. 

Der  gemauerte,  romanische  Altar  ist  mit  Platte  und  Schrfige  aus  Altar. 
Sandstein  abgedeckt.  Der  alte  hölzerne  Ältaraufsatz,  welcher  von  Andreas 
Cortnvm  und  dessen  Eheftau  Catharina  Dvsterhof  gesUflet  wurde,  hängt  jetzt 
in  der  Sakristei;  derselbe  ist  in  Barockformen  mit  gewundenen  S&ulen  hergestellt 
und  enthalt  als  Hauptbild  den  Gekreuzi^en  mit  dem  Stiller,  darunter  das  heilige 
Abendmahl,  oben  die  Auferstehung  und  die  Himmelfahrt.  In  der  Bekrönung 
ist  die  Jahreszahl  1678,  darunter  sind  die  Wappen  der  Stifter  angebracht. 


Tlg.  IS,    Kfrcha  in  Klrchhont;  Wmnd-  und  J>«ck«ninBlcreleD.  ' 

Die  beiden  kupfernen  Altarleuchter  haben  nach  gothischer  Art  drei   Aitarfeuchter. 
FOsse  und  einen  walzenförmigen  Schaft  mit  einem  Knauf  in  der  Mitte. 

Die  schUchtgehaltene,  silberne  Oblatendose  trftgt  auf  der  unteren  Seite   Ciborium. 
die  Inschrift:    ,A  •  L  ■  Elapperott  Past;  Zur  Horst  C  -  D  •  Klapperotten  •  geb: 
Wehnnannen  Aö:  1731-'  sowie  als  Zeichen  ein  Kleeblatt  und  einen  verschlungenen 
Namen,  beide  auf  vertieftem  Grunde. 

Ein  aus  Elichenholz  geschnitzter,  romanischer  Cniciflxus,  dessen  Efirper    Crucifixas. 
eine  Höhe  von  1,3S  m  hat,  ist  leider  stark  beschädigt;   derselbe  ist  aus  einem 
Stücke  geschnitzt;    die  Arme  sind  aus   zwei  g^enCLberliegenden,    waagerecht 
gewachsenen  Aesten  gearbeitet.   Derselbe  gehört  der  Mitte  des  XU.  Jahrhunderte 
an  und  wird  jetzt  in  der  Sakristei  aufbewahrt. 


-*S    64    g«^ 

Alte  Decken-  Alle,    wohl  aus  der  ersten  Hfilfle  des  XV.  Jahrhunderts  herrührende 

-^^*?^"i^Wand-   und  Gewölbemalereien   sind  nach   der  Freilegung  mit  grossem  Ver- 

*"'™'      stfindniss*!  wiederhergestellt;    dieselben  sind  mit  Casein-  bezw.  Temperafarben 

auf  den  Putz  der  Gewölbe  und  Wände  oder  das  Backsleinmauerwerk  aufgetragen, 

nachdem  der  Grund  mit    einem  Lokaltone  überlegt   war.     In  der  mittleren 


Flg.  18.   Kirche  In  Klrchhont;  Chor  vor  der  WiederticntellanB.' 

GewOlbekappe  des  Chores  Ober  dem  Altar  ist  Christus.  Maria  krönend,  dargestellt 
In  der  gegenüberliegend»!  Stichkappe  ist  der  heilige  Nikolaus  im  bischöflichen 
Ornate  mit  dem  Hirtenstabe  in  der  Linken  und  segnend  erhobener  Rechten  zu 
sehen;  rechts  knieen  in  betender  Stellung  der  Patron  von  Gramm  und  links 
seine  drei  Söhne.  In  den  rechts  an  die  Krönung  Mariae  sich  anschliessenden 
Kappen  sind  paarweise  einander  gegenfkberstehend  Johannes,  Jacobus  der 
Aeltere,  Matthäus  und  Bartholomäus  dargestellt;  links  davon  folgen  Paulus, 
Petrus,  Jacobus  der  Jüngere  und  Judas  Thaddäus.  Die  übrigen  Apostel  und 
einige  Heilige  sind  an  den  Wänden  zu  sehen.    Das  Rankenwerk  der  Flächen 


'^  flott  gezeichnet  (vers^.  Fig.  14  und  15;  Fig.  16  zeigt  den  Zustand  des  Chors 
^Tor  der  Wiederbersteilaog')-  I<n  Schiff  zeigen  ^ch  die  Gem&lde  des  Christophorus 
""ut  dem  Jesusknaben  und  des  St.  Georg,  welcher  den  Drachen  tötet,  sämmt- 
tiche  Figuren  sind  mit  scharfen  Umrissen  gezeichnet. 

Die  1664  gefertigte  Emporenbrüstung  dient  jetzt  als  Vertäfeluug  der   Emporen- 
Sakristei.  brttBtmig. 

Die  1,13  m  im  Durchmesser  grosse  Glocke  hat  zwischen  zwei  Ornament-    Glocke, 
pfeifen  am  Halse  die  Lapidarinschnft: 

Gegossen  von  C  ■  Ä  ■  Becker  und  H  ■  L  ■  Damm  in  Hildesheim. 

Auf  der  Mitte  einer  Seite  steht  die  dräizeilige  Inschrift: 

.  Bey  Gott  ist  kein  Ding  unmöglich  ■ 

G  -  H  ■  Kuhlemann  Pastor 

■  Kirchspiel  Horst  1816  - 


Flg.  II.    Kircbe  In  Klrchhor 


Ein  einfacher  Grabstein,  mnen  in  die  Nische  der  Ostwand  eingeUssen, 
trägt  ein  erhabenes,  gothisches  Kreuz  ohne  jede  Bezeichnung. 

Auf  dem  Kirchhof  befinden  sich  17  meist  gut  erhaltene  und  bemerkens- 
werthe    Grabsteine.      Der     Grabstein     des     Pastors     Bemhardus    Bokelman, 


gestorben  1615,  und  seiner  Gattin  Margreta  Poppen,  gestorben  1621,  zeigt  in 
seinem  obo^n  Tbeile  unter  zwei  sich  berührenden  Banken  Christus  am  Kreuz, 
darunter  die  knieende  Familie,  links  zwei  Männer  und  einen  Knaben,  rechte 
vier  Frauen,  und  je  ein  Wappenschild  zu  beiden  Seiten. 

Zwei  der  zweiten  H&lfte  des  XVII.  Jahrhunderts  angehörende  Grabsteine 
zeigen  ebenfalls  in  ihrem  oberen  Theile  den  Gekreuzigten  und  darunter  stehend 
die  Familie  oder  das  Ehepaar,  im  unteren 
unter  einem  Engelskopf  mit  grossen  Schwin- 
gen eine  Lapidarinschrift  in  schöner  Barock- 
umrahmung. Es  sind  dies  der  Grabstan 
des  Pastors  Berhardus  Bokelman,  gestorben 
1676,  mit  zwei  oben  angebrachten  Wappen 
und  der  des  Berendt  Deneken  zur  Horst, 
gestorben  1680,  mit  der  Bezeichnung  des 
Künstlers  H^  (Hans  Jakob  Uhle  in  Han- 
nover) und  dem  Datum  der  Anfertigung  1681 
(Fig.  17). 

Aus  dem  Ende  des  XVIL  Jahrhunderts 
stammen  zwei  interessante  Kindei^rabsteine, 
der  eines  Mädchens  und  eines  Knaben,  auf 
denen  ein  E^gel  das  Kind  umfasst,  um  es 
zum  Himmel  hinauf  zu  fithren;  auf  letzterem 
ist  neben  der  Gruppe  ein  kleiner  schmaler 
Crucifixus  angebracht. 

Zwei  Grabsteine  mit  Barockomament 
zeigen  den  Entschlafenen  in  ganzer,  fast 
leben^p*osser  Figur,  den  Hut  unter  dem 
Arm,  in  der  Hand  die  Handschuhe.  Der 
eine  der  beiden  ist  dem  Hans  Greten  aus 
der  Alten  Warmbüchen,  gestorben  1734,  ge- 
setzt; der  Verstorbene  hält  in  der  Rechten 
eine  Rose. 

Von  besonderem  Interesse  sind  die 
15.  .s.  Ki,.i.  »  iii,a,bo„.i  o,.w....  ^^ij^^  ^^^  Bildhauer  Baniewilz  gefertigten 
Grabsteine.  Der  Grabstein  des  Cordt 
Rudolph  Rfineke  in  Stelle,  gestorben  1737,  zeigt  den  Verstorbenen  in  ganzer 
Figur,  Hut  und  Handschuhe  ip  der  Linken,  die  Rechte  im  Busen.  Der 
Grabstein  des  Hanns  Heinrich  Rahlwes  {Fig.  18)  war  ursprünglich  farbig 
behandelt  und  ist  letzthin  neu  bemalt  worden.  In  seinem  oberen  Theile 
ist  Jakobs  Traum  von  der  Himmelsleiter  dai^estellt.  In  den  Wolken 
erscheint  in  einer  Strahlenglorie  auf  einem  dreieckigen  Schilde  der  Name 
Gottes  in  hebräischer  Schrift.  (Das  Hebräische  ist  nicht  ganz  richtig.) 
Der  untere  Theil  enthält,  von  hübschem  Rokokomuschelwerk  umrahmt,  die 
Inschrift: 


-«-8    67    8^ 

Hier  ruhet  in  Gott, 

der  Jungeselle 

Hanns  Heinrich  Rahlwes 

ist  gebohren  A :  1736.  d :  20.  Junij  •  sein 

Vater  ist,  Heinrich  Rahlwes. 

seine  Mutter  war, 

Margaretha  Könige. 

er  ist  gestorben,  1758.  d:5. 

MsBrtz  Alt  21. 

Jahr  8.  Monat 

Auf  der  Rückseite  steht  folgende  Inschrift: 

Grab  Schriflft. 
Hiob.  14.  C:V:1.  2. 
Der  Mensch  vom  Weibe  gebohren,  lebet 
kurtze  zeit,  und  ist  voller  Unruhe. 
Stehet  auf  wie  eine  Blume,  und 
fället  ab;  Fleucht  wie  ein  Schatten, 
und  bleibet  nicht. 

Gutte  nacht  ihr  meine  Freunde;  All  ihr 
meine  lieben.  Alle  die  ihr  um  mich  weinet, 
Lasset  euch  nicht  Betrüben,  Diessen 
abtrit  den  ich  thue.  In  die  Erde  Nieder, 
Schauet  die  Sonne  gehet  zur  Ruhe; 
Kommt  doch  Moi^en  wieder. 

Darunter  Muschel  werk  im  Flachrelief. 

Der  kleine,  mit  Barockomament  verzierte  Grabstein  des  Garolus  Henricus 
Elapperott  trägt  unter  einer  Krone  in  emer  Umrahmung  die  Lapidarinschrift: 

Carolo  Henrico 
Klapperott 
Optimse  indolis  ac  •  magnse  spei 
Filiolo  ad  maiora  Aö  1736  d :  17  Ap : 
Nato  ad  maxima  ad  coelestia 
Aö  1739.  d:  14  Feb:  mortis 
PrsBmatur»  beneficio  promoto 

MHP.F. 
Moestissimi  parentes 
A.  L.  Klapperott 
Past.  Horstensis 
A.  C.  D.  Wehrmannen. 

Auf  dem  kleinen,  mit  Rokokoornament  verzierten  Grabstein  des  1751 
geborenen  und  1752  gestorbenen  Peter  Brandes  in  der  Grot  Horst  ist  das  Kind 
in  ganzer  Figur  mit  Blumen  in  den  über  dem  Leib  gefalteten  Händen  dargestellt. 

Der  grosse  Grabstein  des  1756  gestorbenen  Pastors  Anton  Ludolph  Klapprot 
zeigt  schönes,  mit  Blumen  untermischtes  Rokokoomament.    Die  Lapidarinschrift 

9* 


des  oberen  Theiles  ist  auf  einer  Erhöhung  in  Gestalt  eines  Tuches  angebracht, 
welches  von  einem  Ei^I  gehalten  wird. 

Auf  einem  der  Mitte  des  XVm.  Jahibunderts  angehörenden  Grabstein 
sehen  wir  einen  Knaben  und  ein  Mädchen,  welche  ein  Engel  zum  Himmel 
emporfOhrt.  Der  Grabstein  der  1766  gestorbenen  Dsabey  Volckmers  ist  vom 
Bildhauer  J.  Völcke  gefertigt  und  zeigt  oben  den  Auferstandenen  Ober  den  Wolken. 


Flg.  19.   Klrclie  tn  Klrebhont;  OribmaL 


Drei  Grabsteine  aus  dem  Anfang  des  XIX.  Jahrhunderts  mit  charak- 
teristischer Bekrönimg  sind  einfach  gehalten.  Es  sind  die  Grabsteine  des 
Barthold  Heinrich  Grethe,  unten  bezeichnet  .A.  W.  B.  1808.*,  der  des  Jürgen 
Heinric  Kracke,  Schullehrers  zu  Altwarmbücben,  gestorben  1818,  und  der  des 
Joban  Heinrich  Cahmann. 

Die  grosse,  nur  mit  einer  Lapidarinschrifl  bedeckte,  mftchtige  Grabplatte 
des  August  Christoph  Gottlieb  Hoflrnann  gehört  dem  XVIU.  Jahrhundert  an. 

Das  sehr  schöne,  farbig  behandelte  Renaissance-Grabmal  der  Familie 
T.  Gramm  (Fig.  19)  ist  aus  Holz  gefertigt  und  an  der  inneren  Nordseite  des  Chores 
aufhängt.  In  der  Bekrönung  steht:  ,Fatvm  mmdi*.  Darunter  bemerken  wir 
zwei  Wappen  mit  der  Bezeichnung  t.  Gramme  und  v.  Veitheim,  sowie  die  Jahres- 


zahl  1579.  Das  Haaptbild  zeigt  zwei  betende  männliche  Figuren  —  v.  Cratnm, 
Vater  und  Sohn  —  und  die  Gemahlin  des  ersteren,  eine  geborene  t.  Veltheim, 
Darüber  befindet  sich  zwischen  zwei  SAulen  das  Bild  der  heiligen  Dreieinigkeit. 
Zwischen  beiden  Bildern  ist  zu  lesen:  ,Patroni  .  eccle^e  .  huius*.  Die  noch 
vorhandenen  Wappen  sind  bezeichnet: 

V.  Schleinitz.  v.  Rautenberg. 

T.  Heimbui^.  v.  Rheden. 

T.  Moeochliausen.  v.  Harenholz. 

V.  Heringen.  t.  Moenchhausen. 

V.  StuUCTheim.  v.  Schulenburg. 


ng.  XI.    Ktrob«  In  KiTCbborst;  ■ItiThflr. 

Ein  silberner,  inwendig  vei^oldeter,  21,4  cm  hober  Kelch  mit  fünffach   Kelche. 
getheiltem,  reich  profiliertem  Fuss  zeigt  gewundene,  vertiefte  Unienverzierungen 
und  trägt  oben  an  dem  glatten,   halbkugelfönnigen  Becher  mit  geschweiftem 
Rande  die  aus  eingestochenen  Punkten  bestehende  Inschrift: 
Voltmer  Vollmers  :  Ilsabe  .  Vollmers. 
Gbr  :  Ebelings  .  Ao.  1770  :  . 
Am  Rande  des  Kusses  ist  als  Zeichen  ein  Kleeblatt,  darunter  die  Zahl  19, 
femer  ein  C  und  in  rechteckiger  Vertiefung  der  Name  Schmidt  zu  sehen. 

Die  zubeh6rige  silberne  Patene  tragt  auf  der  Rückseite  die  aus  ein- 
gestochenen Punkten  bestehende  Inschrift: 

,V  ■  Vollmers  :  •  I  :  Vollmers  •  Gbr  :  Eblings  :  ■  Ao.  1770'. 
Der  kleinere,    14,2  cm  hohe,   silberne  Kelch,    dessen  Becher  Irichter- 
fOrmie   ist,    trägt   auf  den  Zapfen   des   kugeligen,    mit   moasswerkähnlichen 


-<^    70    8-*- 

Verzierungen  versehenen  Wulstes  den  Namen  Ihesvs  in  Lapidaren.  Auf  einem 
Blatte  des  sechstheiligen  Fusses  mit  vertikalem,  schön  verziertem  Rande  sind 
die  Buchstaben  B.  H.  und  das  Gewicht  verzeichnet. 

Der  16  cm  hohe,  silbervergoldete  Kelch  mit  zubehöriger  Patene  hat 
einen  glatten,  runden  Fuss  mit  gebuckeltem,  vertikalem  Rande,  runden  Schaft, 
kugeligen  Wulst  mit  Maasswerkverzierungen  und  sechs  runden  Zapfen,  sowie 
emen  Becher,  welcher  aus  der  Halbkugel  in  die  Trichterform  übergeht. 

Die  Patene  hat  ein  Weihekreuz  auf  schraffiertem  Grunde  und  in  der 
Vertiefung  einen  eingeritzten  grossen  Vierpass. 

Patronatsstnhl.  Der  aus  dem  XVII.  Jahrhundert  stammende,  mit  Holzgittem  und  Fratzen 

versehene  Patronatsstnhl  ist  jetzt  zu  einem  Paramentenschrank  eingerichtet. 

Taufengel.  Ein  in  Barockformen  gehaltener,  bemalter  Taufengel  mit  einer  Messing- 

muschel in  der  Rechten  hängt  in  einer  Ecke  der  Sakristei. 

Tbür.  Der  Durchgang  von   der  Vorhalle   zum   Schiff  wird   durch  die   alte, 

eichene  Thür  (Fig.  20)  verschlossen,  welche  mit  starkem  Eisenbeschlage  und 
Nägeln  reich  versehen  ist.  Sie  ist  mit  fünf  Bändern  besetzt,  von  welchen  das 
oberste  und  unterste  mit  vertieften  Linien  in  einfacher  Weise  verziert  sind.   Auf 

Elle,  der  Rückseite  ist  die  alte  eiserne  Normalelle  angebracht. 


Lehrte. 

Kirche. 

Litteratur:  Doebner  I — ^V  und  VII-,  Janicke;  Sudendorf;  Lüntzel,  die  ältere 
Diöcese  Hildesheim;  Regenten -Sahl  16d8;  Manecke  II;  von  Hodenberg,  Pagus  Flutwide, 
Lenthe's  Archiv  VI;  Bertram,  Geschichte  des  Bisthums  Hildesheim  I;  Böttger,  Diöcesan- 
und  Gau-Grenzen;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897;  Mithoff,  Kunstdenkmale  lY;  derselbe, 
Eirchenbeschreibungen;  Weber,  die  Freien  bei  Hannover  1898;  Heise,  die  Freien;  daselbst 
eine  Wiedergabe  des  Grabsteins  des  Bartheld  Molsen;  Kniep,  die  Freien  vor  dem  Walde, 
Hann.  Geschichtsbl.,  8.  Jahrg. 

Quellen:  Urkunden  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  Kirchenbuch  zuHaimar. 


Geschichte.  Der  im  grossen  Freien  belegene  Ort,  welcher  am  1.  April  1898  Stadt- 

rechte erlangte,  gehörte  ehedem  zum  Archidiakonat  Lühnde  im  Pagus  Hastfiala. 
Er  war  einer  der  Grenzorte  des  letzteren  gegen  den  Pagus  Flutwide.  Nach 
der  Bestätigungsurkunde  der  Besitzungen  und  Privilegien  des  Bartholomäus- 
stiftes von  Seiten  Bischof  Bemhard's  vom  13.  October  1147  übereignete  Odelricus 
canonicus  sancte  Crucis  ,ad  utiUtatem  fratrum^  .in  Lereht  decimam  viUe*. 
Das  Patronatsrecht  über  die  Kirche  in  .Leerthen'  (»Leerthe')  stand  seit  Alters  dem 
Michaeliskloster  in  Hildesheim  zu  und  wurde  1302  vom  Bischof  Siegfried  aus- 
drücklich anerkannt,  welcher  sich  zugleich  im  genannten  Jahre  aller  Ansprüche 


I 


I  HHg      71       8^ 

I 

bezüglich  derselben  begiebt.  Im  Jahre  1352  löst  der  Hildesheimsche  Bischof 
Heinrich  die  Bürger  von  .Lerethe*  aus  dem  Parochialverbande  der  Kirche  in 
yStenwede'  und  bestimmt,  dass  die  Kapelle  zu  «Lerethe''  «pro  se  sit  beneficium 
et  ecclesia  parrochialis  specialemque  Rectorem  habeat*.  1366  erklärt  der  Bischof 
Gerhard  von  Hildesheim,  dass  er  auf  Bitten  des  Herzogs  Wilhelm  von  Braun- 
schweig und  Lüneburg  die  «Capellam  in  villa  Leerthe  •  •  •  ab  ecclesia  sua  matrice 
in  Stenwede*  eximiert,  dieselbe  ,a  jure  parrochiali  spirituali  quo  eidem  ecclesie 
in  Stenwede  et  eins  Rectori  astricta  fuerat'  befreit  imd  ihr  selbst  Parochial- 
rechte  verliehen  habe  (.vt  ipsa.  Ecclesia  in  Leerthe  per  se  parrochia  existat')* 
Doch  solle  sie  eine  Rekognitionsgebühr  von  vier  Schilling  Hildesheimscher 
Pfennige  an  den  Pfarrer  in  «Stenwede*  alljährlich  zu  Michaelis  bezahlen. 
1604  gab  die  Kirche  zu  Haimar  zum  Bau  des  Thurmes  zu  Lehrte  16  rthlr. 

Die  1815  neu  ausgebaute  und  anfangs  der  achtziger  Jahre  zur  Schule   Beschreibnng. 
Yt)llständig  umgeänderte  Kirche  besteht  aus  Schiff,  Chor  und  Westthurm. 

Das  rechteckige  Schiff  und  der  rechteckige  schmalere  Chor  sind  aus  Ort-    Schiff, 
steinen  erbaut ;  der  Sockel  und  das  Gesims  zeigen  noch  die  alte  steile  Hohlkehle.   Chor. 

Der  fast  quadratische,  aus  Ort-  und  Bruchsteinen  erbaute  Westthurm   Thurm. 
mit  Backsteinsockel  hat  im  Korbbogen  geschlossene  Schallöffhungen,  auf  der 
Westseite  eine  flachbogige  Eingangsthür  und  einen  ins  Achteck  übergeführten, 
schlanken,  beschieferten  Helm. 

Zwei  hohe  Zinnleuchter  der  neuen  Kirche  zeigen  am  Fuss  in  recht-   Altarlenchter. 
eckiger  Umrahmung    die  Inschrift:     ,1  H  A  Wubbers  Hofzinngiesser'   und  in 
länglich  runder  Umrahmung  einen  Engel  mit  Waage  und  Palme  und  der  Umschrift: 
,J  H  A  Wubbers  Hannover  1775.* 

Ein   kleiner  zinnerner   Crucifixus   des   XVL  Jahrhunderts    auf   neuem   Cmcifixus. 
Kreuz  steht  auf  dem  Altar  der  neuen  Kirche  und  ist  aus  der  alten  entnommen. 

Die   1,07  m   im  Durchmesser  grosse,   stark   beschädigte   Glocke   trägt   Glocken, 
den  Namen  des  Pastors  August  Ehrhart  und  zwischen  zwei  Omamentstreifen 
am  Halse  die  Lapidarinschrifl : 

Gegossen  von  H-L-Damm*  in  Hildesheim  Anno  1814. 

Die  andere  1,01  im  Durchmesser  grosse  Glocke  wurde  im  Jahre  1638 
durch  M.  Pawel  Vos  in  Lüneburg  gegossen.  Sie  trägt  am  Halse  unter  zwei 
Omamentstreifen  zwischen  riemenmrtigen  Erhöhungen  eine  zweizeilige,  unsaubere, 
stark  verwischte  Inschrift,  aus  welcher  das  Entstehungsjahr  und  der  Name  des 
Giessers  hervorgehen. 

Besonders  bemerkenswerth  sind  fünf  schöne,  neuerdings  aufgebesserte   Grabsteine. 
Grabsteine. 

Der  Grabstein  des  1668  gestorbenen  Hinrich  Kracken  zeigt  in  seinem 
ober^i  Theile  den  Gekreuzigten,  darunter  links  den  Gatten,  rechts  die  Gattin, 
im  Hintergrunde  eine  Stadt  und  im  unteren  Theile  unter  einem  beschwingten 
Engelskopf  eine  Lapidarinschrift  in  guter  Barockumrahmung. 

Ein  zweiter  Grabstein  ist  der  1679  gestorbenen  Dorothea  Stiers  gesetzt. 
Im  oberen  Theile  ist  in  der  Mitte  der  Gekreuzigte  zu  sehen,  links  das 
Wappen  des  Mannes  und  darunter  er  selbst  mit  den  drei  Söhnen,  rechts  das 


-^    72    »^ 

Wappen  der  Frau  und  darunter  sie  selbst  mit  den  fünf  Töchtern.  Der  untere 
Theil  trägt  unter  einem  Engelskopf  mit  grossen  Schwingen  eine  Lapidarinschrift 
in  Barockumrahmung. 

Von  Interesse  ist  der  für  die  kriegerische  Tracht  der  Freien  bezeichnende 
Grabstein  des  Bartheld  Molsen.  Unter  einer  Spätbarockbekrönung  sehen  wir 
einen  Mann  in  fast  voller  Lebensgrösse,  mit  wallenden  Locken,  die  Rechte 
im  Busen,  den  Hut  unter  dem  linken  Arm,  in  der  Hand  die  Handschuhe,  an 
der  Seite  den  Degen.    Darunter  steht  die  Lapidarinschrift: 

Aö  1680  ist  Bartheld  Molsen  zu  Lehrte  auff  diese  Welt  gebohren  seyn 
Vater  ist  Oswald  Molsen  die  Mutter  Anna  Eilers  und  Ao  1709  den 
15  Septemb  im  Herrn  sehlig  entsghlaffen  seines  Alters  29  Jahr  dessen 
Seel  ruhet  in  Gott. 

Der  Grabstein  des  Osewaldt  Molsen,  geboren  1655  und  1712  gestorben, 
zeigt  in  der  Barockbekrönung  einen  Spruch  und  das  Lamm,  auf  dem 
Stuhle  sitzend.  In  der  Mitte  sehen  wir  den  Gekreuzigten,  darunter  die 
ßieben  Söhne  und  vier  Töchter  und  das  in  Leichengewänder  gehüllte  Ehepaar 
in  Särgen  liegend.  Unter  zwei  beschwingten  Engelsköpfen  ist  in  schöner 
Barockumrahmung  eine  Lapidarinschrift  eingemeisselt. 

Der  fünfte  Grabstein  ist  dem  Heinrich  MoUsen,  Eirchenvorsteher  zu 
Lehrte,  1755  gestorben,  gewidn^et.  Im  oberen  Theile  sehen  wir  imter  einem 
schwebenden  Engel,  welcher  die  Posaune  bläst,  links  den  Gatten  und  die  fünf 
Söhne,  sämmtlich  die  Rechte  im  Busen,  unter  dem  linken  Arm  den  Hut  und 
in  der  Hand  die  Handschuhe,  rechts  die  Gattin  mit  den  beiden  Töchtern. 

Kelche.  Von    den    beiden    silbervergoldeten   Kelchen    zeigt    der  grössere   mit 

trichterförmigem  Becher  auf  dem  sechstheiligen  Fusse  die  aufgeheftete  Kreuzigung 
und  am  untersten  Gliede  des  Fusses  einen  senkrechten,  von  Vierpässen  durch- 
brochenen Rand.  Der  kugelige  Wulst  trägt  Maasswerk  und  auf  den  sechs 
Zapfen  in  gothischen  Kleinbuchstaben  die  Inschrift:  .ihesus".  Am  oberen 
Theile  des  Schaftes  ist  .help  got^,  am  unteren  «maria'  zu  lesen. 

Der  kleinere  Kelch  zeigt  auf  den  sechs  grün  emaillierten  Schildchen  des 
mit  Maasswerk  versehenen  kugeligen  Knaufes  in  gothischen  Kleinbuchstaben 
den  Namen  Jhesvs  und  auf  dem  runden  Fusse  einen  Crucifixus  auf  eingraviertem 
Kreuz  und  daneben  in  vertieften  Linien  einen  betenden  Mönch.  Der  Becher 
geht  aus  der  Halbkugel  in  die  Trichterform  über,  der  Schaft  ist  rund.  Eine 
silbervergoldete  Patene  mit  Weihekreuz  auf  schrafiiertem  Grunde. 


Mellendopf. 

Kirche. 

Litteratur:  Sudendorf;  Doebner  VI;  LUntzel,  die  ältere  Diöcese  HildeBheim ; 
von  Hodenberg,  Lüneburger  Urkundenbuch  V ;  derselbe,  Lllneburger  Lehnregister;  Wipper- 
mann, Bakki-Gau;   Manecke  II;   Holseher,  Beschreibung  des  Bisthums  Minden;  Btfttger, 


-^     73    8^ 

DiOcesan*  und  Gau-Grenzen;  Schulz,  Bissendorf,  Hannor.  Geächichtsbl.,  4.  Jahrg.;  Kayser, 
Kirchenvisitationen  1897;  Mithoff,  Kunstdenkmale  IV;  derselbe,  Kirehenbeschreibungen; 
Zeitschr.  d.  hist  Yer.  f.  Niedere.  1885;  GrUtter,  der  Loingau,  Hannov.  GeschichtsbL,  8.  Jahrg. 

Quellen:  Urkunden  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  GrUtterscher  Kachlass 
im  Stadtarchiv  ebendort;  Pfarmachrichten  zu  Mellendorf. 


Der  Kirchort  Mellendorf  westlich  der  Wietze  gehörte  seiner  Lage  nach  Geschichte. 
ehedem  zum  Mindener  Archidiakonat  Mandelsloh  und  war  im  Loingau  belegen. 
Er  ist  ohne  eingepfarrte  Ortschaften  und  hat  vormals  wahrscheinlich  zur 
Parochie  Bissendorf,  wohin  noch  bis  in  die  neuere  Zeit  zwei  Höfe  eingepfarrt 
wareUf  gehört.  Den  Pfarmachrichten  zu  Folge  ist  die  Kirche  zu  Melendorp, 
Mellhigendorpe,  bis  dahin  Filial  zu  Bissendorf,  von  einem  kinderlos  verstorbenen 
Herrn  von  Melliendorf  als  Pfarrkirche  gegründet  worden.  Bei  den  in  der 
Zeit  von  1330  bis  1352  von  den  Herzögen  Otto  und  Wilhelm  vorgenommenen 
Belehnungen  erhielten  Heinrich  (?)  und  Johann  von  Escherde  »twe  scok  mäste 
?an  dem  meger  houe  to  Melinghedorpe*"  und  Reiner  von  Escherde  »den 
meyerhof  to  Melinghedorpe  mit  dem  kerclene  darsulues**.  1360  bekam  Ludolf 
Campe  vom  Herzog  Wilhelm  ,den  tegheden  to  Melinghedorpe '•  1487  war 
Johannes  Lindemann  Viceplebanus  in  »Melliendorppe*.  Das  Güter-  und  Renten- 
verzeichniss  der  Kirche  zu  »Melliendorppe''  vom  Jahre  1529  nennt  an  Gütern 
folgende:  ,Item  dat  hoghe  altare  [dem  St.  Georg  geweiht]  myt  der  kledie 
11  kelcke  de  en  vorguldet  dat  ander  ein  klein  sulueren  /  /  Ein  Munstrancie  X  VIU 
golden  wert  noch  1  is  sodenmissinck  /  /  Ein  oltgulden  stucker  /  /  noch  ein  bunt 
siden  is  thoreten  vnde  ander  alt  tugh  is  samtlick  bisloten  Ein  Hantuert  [gemeint 
ist  wohl  Hantwerk]  //  Marien  Rock  itlicke  spanghen  dar  vppe  mit  der  krönen 
vnde  der  anderen  hilghen  Glenodia  sin  besloten  /  /  II  luchter  11  clene  klocken  /  / 
Item  noch  II  altare  gheblotet  vnde  bighelecht  vnde  der  luchthe  bighelecht  /  /  Vp 
dem  thome  II  klocken  vnde  Ein  clene  klocke^.  1628  wird  eine  Uhrglocke  für 
79  Gulden  angeschafft,  1640  eine  Uhr  für  55  rthlr.  22  Mgr.  Der  Pastor 
Bruno  Henstorff;  1634—1657,  l&sst  eine  grosse  Glocke  giessen.  Eine  bereits 
Tor  dieser  vorhandene,  grosse  Glocke  war  zur  Erlegung  einer  Brandschatzung 
nach  Wienhausen  gekommen.  1661  wird  eine  Prieche,  1714  die  Sakristei  und 
1715  der  Altar  nebst  Kanzel  gebaut.  Ein  Inventar  vom  Jahre  1773  nennt  von 
Geräthen  unter  anderem  zwei  metallene  Leuchter,  ein  Grucifix,  einen  silber- 
vergoldeten Kelch  mit  Patene,  einen  kleinen  zinnernen  Kelch  mit  Patene,  eine 
zinnerne  Giesskanne,  eine  zinnerne  Oblatenschachtel  und  eine  kleine  zinnerne 
Flasche  zur  Krankenkommunion.  1833  wurde  zum  ersten  Mal  eine  altgekaufte 
Orgel  gespielt,  1834  das  Gestühl  renoviert  und  vermalt,  sowie  der  Thurm  neu 
gegründet,  um  1894  durch  einen  Neubau  ersetzt  zu  werden.  Nach  Manecke 
gehörte  der  Zehnte  von  diesem  Dorfe,  von  Bennemühlen  und  Hellendorf  denen 
Ton  Bobers. 

Die  alte  Altardecke,  welche  Mithoff  beschreibt,  und  der  hölzerne  Tauf- 
engel  sind  nicht  mehr  vorhanden. 

Die  Kirche  besteht  aus  Schiff  mit  Sakristei  im  Osten,  Chor  und  neuerem    Beschreibung. 
Westthurm. 

10 


Altar. 


Altarleuchter. 


-^    74    «•<- 

Schiff.  Das  aus  Ort*  und  Backsteinen  erbaute,  mit  hölzernem  Hauptgesims  ver- 

^^^^'  sehene  Schiff  ist  im  Osten  durch  das  halbe  Achteck  geschlossen.  An  den 
Ghorecken  befinden  sich  Tier,  an  der  Nordseite  drei  und  an  der  S&dseite  sechs 
Strebepfeiler.  In  einen  derselben  ist  die  Jahreszahl  MCGCGXGVII  eingemeisselt. 
Das  Innere  wird  durch  drei  rechteckige  Kreuzgewölbe  aus  Backsteinen  und 
durch  das  Ghorgewölbe,  sämmtlich  mit  rundem  Schlussstein,  abgeschlossen;  die 
Rippen  zeigen  das  Bimstabprofil.  Zwischen  den  beiden  westlichen  Gewölben 
befindet  sich  ein  breiter  Bogen.  In  der  Südwand  liegt  die  jetzt  zugemauerte, 
spitzbogige  Eingangsthör.  Die  Fenster  in  den  Langseiten  und  im  Chor  sind 
im  Wesentlichen  ebenfalls  spitzbogig;  vollständig  unberührt  von  späteren 
Aenderungen  sind  jedoch  nur  die  Ghorfenster  geblieben,  welche  aussen  feine,  spät- 
gothische  Profile  und  innen  den  doppelt  zurückgesetzten  ^ertelstab  haben.  Die 
im  Osten  angebaute,  mit  abgeschrägten  Ecken  versehene  Sakristei  ist  aus  Fachwerk 
errichtet  und  trägt  über  der  Thür  die  Inschrift:   «Anno  1714". 

Auf  dem  massiven,  mit  Platte  und  Schräge  aus  Sandstein  abgedeckten 
Altar  erhebt  sich  die  hölzerne  Altarwand  mit  eingebauter  Kanzel  zwischen  zwei 
Säulen  mit  verkröpftem  Gebälk.  Sie  trägt  die  Merkmale  des  Regencestiles  in 
schöner  Ausführung. 

Zwei  gleichgrosse,  auf  drei  Füssen  ruhende,  0,28  cm  hohe  Altarleuchter 
aus  Bronze  zeigen  gothische  Auffassung  und  haben  einen  walzenförmigen 
Schaft  mit  rundem  Knaufe.    Sie  tragen  oben  die  Lapidarinschriften: 

Diese  beiden  •  Levchter  •  hat  •  Albert .  Thies  •  vnd  Dorotia  •  Svrings  •  der  • 

Kirchen  •  zv  •  Melliendorf  •  vorehrt  •  zvm  •  Gedechtnvs  • 

und 

H  •  Brvno  •  Honstorp  •  Pastor  •  zv  •  Melliendorf  •  Hans  Wichmans  •  vnd  • 

Jvrgen  Beschenbostel  Kirchen •  Juraten •  zv  Melliendorf* 

Die  1^02  m  im  Durchmesser  grosse  Glocke  hat  am  Halse  zwischen 
Riemchen  und  unter  einem  Omamentstreifen  die  Lapidarinschrift : 

Komt  •  last  uns  anbeten  •  und  •  knien  •  und  •  niderfallen  •  F  •  H  • 

darunter  als  Hochbild  einen  Mann,  welcher  die  Harfe  spielt. 

In  der  Mitte  sind  zwei  vierzeilige  Inschriften  angebracht,  in  welcher 
Vogt,  Pastor,  Küster  und  Juraten  angegeben  sind.  In  der  Unterbrechung  eines 
Omamentstreifens  am  Rande  ist  zu  lesen: 

Joh  •  Heinr  •  Christ  •  Weidemann  •  goss  mich  •  Hannover  •  1765  • 

Ein  Kelch  aus  Zinn  hat  am  Becher  eine  Inschrift  mit  der  Jahreszahl  1739« 

Das  einfache  Taufbecken  aus  Messing  von  0,29  m  oberem  Durchmesser 
stammt  laut  Inschrift  aus  dem  Jahre  1638. 


Glocke. 


Kelch. 
Taufbecken. 


•<-l    75    8«- 


Negenbopn. 

Kapelle. 

Litteratnr:  Origines  Guelficae;  Treuer,  GeBchlechts- Historie  der  Herren 
von  Münchhaasen,  Anhang;  Sndendorf;  Doebner  II,  Personenregister  nnd  Y,  Register; 
von  Hodenberg,  Calenberger  Urkundenbnch  I;  derselbe,  Archiv  des  EJosters  Walsrode; 
derselbe,  Pagus  Flutwide,  Lenthe's  Archiv  VI;  Urknndenbach  der  Stadt  Hannover;  Lüntzel, 
die  ältere  DiOcese  Hildesheim;  Grupen,  Origines  et  Antiqnitates  Hanoverenses;  Bertram, 
Geschichte  des  Bisthnms  Hildesheim  I;  Manecke  II;  Holscher,  Beschreibung  des  Bisthums 
Minden;  Böttger,  Diöcesan-  und  Gan-Grenzen;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897;  von  Ben- 
nigsen,  Beitrag  zur  Feststellung  der  DiOcesangrenzen,  Zeitschr.  d.  bist.  Ver.  f.  Kieders.  1863; 
ebendort  1857;  Hithoff,  Kunstdenkmale  lY;  derselbe,  Kirchenbeschreibungen. 

Quellen:  Urkunden  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  Grütterscher  Nachlass 
im  Stadtarchiv  ebendort;  Aufzeichnungen  bei  den  Kapellenrechnungen  in  Negenbom; 
Pfarmachrichten  zu  Meilendorf. 


Das  im  Loingau  belegene,  zum  Mindener  Archidiakonat  Mandelsloh  Geschichte. 
gehörige  Dorf  ist  nach  Breiingen  eingepfarrt.  Im  Yerzeichniss  der  Celler 
Schlosseinnahmen  vom  12.  November  1381  bis  zum  31.  Mai  1382  begegnet  es  als 
«N^enbome*.  Als  Asche  von  Mandelsloh  und  seine  Brüder  am  6.  Mai  1493 
den  Liebfrauenaltar  in  der  BCirche  zu  Mandelsloh  stiften,  begaben  sie  ihn  unter 
Anderem  mit  «XXIIII  gülden  van  dem  samtgude  to  Negenbom  und  in  der 
Surser  molen,  dat  steit  von  dem  Schwentzer*".  Zur  Zeit  des  Pastors  Michael 
Müller,  1670 — 1711,  wurde  die  Kapelle,  welche  «viel  ihar  lang  wüst  und  baw- 
Mig  gestanden,  und  fast  bey  Menschen-gedencken  der  Gottesdienst  nicht  darin 
verrichtet*,  «wieder  gebessert  und  in  zimblichen  stand  gebracht".  Dies  wird 
im  Jahre  1696  geschehen  sein. 

Bezüglich  der  wahrscheinlich  nach  unserem  Ort  benannten  Familie  sei 
bemerkt,  dass  ein  Johannes  de  Negenbumen  in  einem  Yerzeichniss  von  Adligen 
1297  genannt  wird. 

Die  im  Jahre  1696  erneuerte,  aussen  5,7  m  breite  und  14,2  m  lange,  Beschreibung, 
im  Osten  mit  grossen  abgeschrägten  Ecken  versehene  Fachwerkskapelle  ist  von 
einem  Pfannendache  mit  westlichem  Dachreiter  bedeckt.  In  der  in  neuerer  Zeit 
errichteten  massiven  Westwand  liegt  die  Eingangsthür.  Die  Fenster  sind 
rechteckig.  Der  Innenraum  wird  durch  eine  gerade,  geputzte  Decke  mit 
vorstehenden  Balken  und  Holzkonsolen  an  den  Seitenwänden  abgeschlossen. 


10» 


-<«8    76    H- 


Obershagen. 

Kirche. 

Litteratur:  Lüntzel,  die  ältere  Diöcese  Hildesheim;  Manecke  II;  Regenten- 
Sahl  1698;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897;  Nenes  vaterl.  Archiv  1823;  Havemann  I; 
Hodenbergj  Ltineburger  Lehnregister;  derselbe,  Pagns  Flntwide,  Lenthe's  Archiv  VI; 
Mithoffy  Kunstdenkmale  IV ;  derselbe,  Kirchenbeschreibungen;  Gmpen,  Origines  Germaniae  IL 

Quellen:  Akten  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover. 


Geschichte.  VY  ie  aus  den  vorhandenen  Nachrichten  hervorzugehen  scheint,  ist  das 

heutige,  an  der  Aue  gelegene  Kirchdorf  Obershagen  um  die  Mitte  des  XIV.  Jahr- 
hunderts an  die  Stelle  des  sammt  seiner  Kirche  vom  Erdboden  verschwundenen 
Ortes  Schomsteinshagen,  welcher  zwischen  Dachtmissen  und  Hetelingen  gelegen 
haben  mag,  getreten.  Ein  Herr  von  Oberg  soll  der  Erbauer  gewesen  sein. 
Das  nach  Burgdorf  eingepfarrte  Dorf  Sehomsteinshagen  erhielt  1249  eine  dem 
heiligen  Nikolaus  geweihte  Kirche.  Die  Gebrüder  WuUbrand  und  Berthold 
von  Reden  schenkten  ihr  1307  20  Mark  Bremischen  Silbers,  und  die  Aebtissin 
von  Quedlinburg  bereicherte  sie  mit  Dachtmisser  Gütern.  Bei  den  zwischen 
1330  und  1352  vorgenommenen  Belehnungen  der  Herzöge  Otto  und  Wilhelm 
erhielten  Heinrich  (?)  und  Johann  von  Escherde  »de  vogedie  Bedingerdorpe  vnde 
Scorstenhagen*'.  Femer  bekam  Reiner  von  Escherde  ,to  dem  Obergeshagen  dat 
kerclen*.  Von  nun  an  schwindet  der  Name  Schomsteinshagen.  Bei  der  1360  vom 
Herzog  Wilhelm  vorgenommenen  Neubelehnung  erhielt  Lippold  von  Escherde 
,dat  dorp  Obergheshagen*.  1496  wurde  Barteides  Prediger.  Aus  dem  Vokation&- 
brief  desselben  ist  ersichtlich,  dass  ihn  die  Aebtissin  von  Quedlinburg  zur 
Kapellanei  von  Dachtmissen  bemfen,  und  der  dortige  Kaplan  die  Officia  eines 
Predigers  von  Obershagen  mit  versehen  hat.  Infolge  der  Reformation  trat 
eine  Aendemng  ein.  Das  liegende  Gut  der  Kapelle  wurde  zum  fürstlichen 
Domanio  geschlagen,  das  Einkommen  an  Zinsgefällen  aber  zum  Theil  dem 
Prediger  zu  Obershagen  zugewiesen.  Ein  interessantes  Verhältniss  ei^eben  die 
Aufzeichnungen  in  der  ,,vthgaue''  der  Kirche  „tho  Henyngsenn'';  1554  lesen 
vnr  daselbst:  „2  grossen  vnd  1  wittenn  dem  pastori  thom  Obergeshagen' ; 
1565:  „Dem  pastori  vp  dem  Obergeshagenn  gegeuen  einen  daler  vor  sine 
wege  vnd  arbeyth  dat  he  tho  vns  kam  do  wy  neuen  pastor  haddenn* ;  1572: 
9 Dem  pastor  vp  dem  Obergeshagen  VII  kordtlinck  so  ome  jarliches  geboren* 
und  1575:  ,2  Mariengrossen  vnd  2  gosler  dem  pastori  thom  Obergeshagen 
so  ome  jarliches  gehören".  1598  wird  eine  Glocke  angeschafft.  Die  vor  dem 
jetzigen,  1843  auf  den  alten  Sockelmauern  neu  erbauten  Gotteshause  vorhanden 
gewesene  Kirche  trug  die  Jahreszahl  1661.  1737  wurde  der  Kirchthurm  einer 
grösseren  Ausbesserung  unterzogen.  Die  Kosten  betrugen  rund  82  Thaler. 
Das  Corpus  bonorum  vom  Jahre  1811  nennt  an  Geräthen:  2  Altarleuchter, 
1  Kmg,    1  grossen  und  1  kleinen  Kelch,    1  grossen  und  1  kleinen  Oblaten- 


-^    77    8^ 

teller,  1  Taufbecken,  1  Oblatenschachtel,  1  Flasche,  sämmtlich  von  Zinn,  und 
1  Eüngebeutel  von  rothem  Plüsch  mit  messingenem  Glöckchen,  wozu  das 
Corpus  bonorum  vom  Jahre  1812  noch  hinzufügt :  1  Altarumhang  von  geblümtem 
.Gros  de  Tour',  einen  anderen  von  weissem  Leinen  sowie  den  Eanzelumhang 
von  rothem  Bombassin  mit  weissen  Fransen.  1812  barst  die  grüsste  der  Glocken. 
1815  wurde  ein  Eirchensiegel  angeschafft  und  1817  ein  grosser  silberner 
Kelch  mit  Patene,  41  (36)  Loth  schwer,  vom  Gold-  und  Silberarbeiter  Mathae 
(Matthias)  in  Hannover  gefertigt.  1821  wurde  der  für  sich  gesondert  stehende 
Thurm  gebessert  und  1839  die  Kirche  geweisst. 

Zwei  19  cm  hohe  Altarleuchter  aus  Messing  zeigen  nach  gothischer  Art   Altarleuchter. 
einen  Knauf  in  der  Mitte  des  walzenförmigen  Schaftes. 


O  e  1  e  p  s  e. 

KapeUe. 

Litteratur:  Regenten  -  Sahl  1698;  LUntzel,  die  ältere  DiOcese  Hildesheim; 
Manecke  II;  Kayser,  Eirchenvisitationen  1897;  von  Hodenberg,  Pagus  Flutwide,  Lenthe's 
Archiv  VI;  Mithoff,  Kunstdenkmale  IV;  derselbe,  Kirchenbeschreibungen. 

Quellen:  Urkunden  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  Yerzeichniss  der  kirch- 
lichen Kunstdenkmäler  von  1896.  

Das   nach  Sievershausen   eingepfarrte  Dorf  begegnet  in   dem   älteren    Geschichte. 
Zehnt-,  Geld-    und   Fruchtregister  des  EHosters  Wienhausen   vom   Ende    des 
Xm.  Jahrhunderts    als    «Olerdessen'    und    wird    daselbst    vom    Glossist    des 

XIV.  Jahrhunderts  zu  «Mey"  gerechnet.  In  einer  Urkunde  vom  Jahre  1505  ist 
von  einer  Wiese,  ,vffe  dem  Schermbeke  twischen  Olerse  vnnd  Dolberge' 
gelegen,  die  Rede.  1534  wird  die  Kapelle  zu  ,01res*  genannt.  1773  wurde 
die  jetzige  erbaut. 

Die  aussen  10,3  m  lange  und  6,6  m  breite,  mit  einer  Bruchsteinmauer   Beschreibung. 

auf  der  Westseite  versehene,  geputzte  Fachwerkkapelle  mit  gerader  geputzter 

Holzdecke  und   vorstehenden  Balken   ist  im  Osten  durch  das  halbe  Achteck 

geschlossen.    Auf  dem  westlichen  Ende  des  hier  abgewalmten  Pfannendaches 

erhebt  sich   der  mit   Satteldach   überdeckte  Dachreiter.     In   dem  Riegel   der 

Eingangsthür  an  der  SQdseite  ist  die  Jahreszahl  1773  eingeschnitten;  ausserdem 

befindet  sich  die  Inschrift: 

Anno  1801 

in  schwarzer  Farbe  oben  an  der  sfidwestlichen  Ecke  der  Mauer.    Die  Fenster 

sind  flachbogig. 

Der  aus  dem  Ende  des  XV.  Jahrhunderts  stammende,  farbig  behandelte,    Altarschrein, 
geschnitzte  Altarschrein  zeigt  im  Mittelstück  Christus  vor  erhöhtem  Kreuze  stehend, 
darunter  zwei  betende  Figuren  und  seitlich  davon  eine  Gruppe.    In  den  beiden 
Flügehi  sind  die  Figuren  der  zwölf  Apostel  zu  sehen. 

Ein    bemalter,     hölzerner    Grucifixus     stammt    aus    dem    Ende    des   Crucifixus. 

XV.  Jahrhunderts. 


-*4    78    «-1- 


Otze. 

Kapelle. 

Litteratur:  Sudendorf;  von  Hodenberg,  Lünebnrger  Lehnregister;  Lttntzel,  die 
ältere  Diöcese  Hildesheim;  Regenten-Sahl  1698;  Manecke  II;  Eayser,  Kirchenvisitationen 
1897;  Neues  vaterl.  Archiv  1823  und  1824;  Mithoff,  Kunstdenkmale  IV. 

Quellen:  Urkunden  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  Verzeichniss  der  kirch- 
lichen Kunstdenkmäler  von  18%. 


Geschichte. 


Beschreibung. 


Altar. 


Altarleuchter. 


Glasmalereien. 


Glocken. 


Das  Dorf  Otze  ist  seit  Alters  nach  Burgdorf  eingepfarrt.  Bei  den 
zwischen  1330  und  1352  vorgenommenen  Belehnimgen  der  Herzöge  Otto  und 
Wilhelm  erhielt  Johann  von  Solvelde  »to  Ottessen  enen  meyger  vnde  de  molen*. 
1338  verpfänden  die  genannten  Herzöge  dem  Kloster  Ebstorf  »to  Otessen  twene 
houe*.  1339  verkauft  Johann  von  Solvelde  dem  Werner  von  Otbemshusen 
und  dem  Henning  von  Marenholz  den  Meierhof  und  die  Mühle  «to  OteSsen*, 
reserviert  aber  den  Herzögen  Otto  und  Wilhelm  das  Recht  des  Wiederkaufe. 
Im  Jahre  1418  belehnt  der  Abt  Heinrich  vom  St.  Michaeliskloster  zu  Hildesheim 
den  Henning  Cordes  zu  «Otze"  mit  42  Morgen  Land,  6  Wiesen  und  2  Hufen 
in  dem  Dorf  und  auf  dem  Feld  zu  «Otze''.  Das  Visitationsprotokoll  vom 
Jahre  1543  besagt,  die  Kapelle  zu  Otze  sei  «belegen  im  kaspelde  Borchtorp  vnd 
an  dat  husz  Borchtorp  gelecht''. 

Die  durch  das  ha,lbe  Achteck  im  Osten  geschlossene  Backsteinkapelle 
hat  eine  bemalte,  mit  spätgothischen  Maasswerkschnitzereien  versehene,  gerade 
Holzdecke.  Die  Fenster  sind  flach-  oder  spitzbogig  geschlossen.  Die  in  einer 
Spitzbogennische  liegende  flachbogige  Eingangsthür  ist  auf  der  Nordseite  an- 
geordnet. Unter  dem  Fenster  der  Ostwand  ist  aussen  eine  flache,  rechteckige  Nische 
sichtbar.  Das  Mauerwerk  ist  mit  glasierten  Köpfen  untermischt,  auch  bestehen 
die  Schrägen  in  den  Chorfenstem  aus  Glasuren.  Ein  Theil  der  Ostabwalmung 
ist  mit  Mönchen  und  Nonnen,  die  übrige  Dachfläche  mit  Pfannen  gedeckt. 

Auf  dem  massiven  Altartisch  steht  der  einfache,  mit  drei  Kielbögen 
und  spätgothischem  Maasswerk  verzierte  Flügelaltar  mit  drei  Figuren,  darunter 
Christus  und  Maria. 

Zwei  Altarleuchter  aus  Messing  haben  einen  walzenförmigen  Schaft  nach 
gothischer  Art. 

Drei  kleine,  länglich  runde  Glasmalereien  sind  in  die  Bleiverglasung  der 
Fenster  eingesetzt;  auf  der  ersten  ist  ein  Wappen  mit  der  Unterschrift: 

Johan  Schvltze  •  1645 

auf  den  beiden  anderen  sind  Petrus  und  Andreas  zu  sehen.   Ausserdem  ist  noch 
eine  Malerei  —  Christus  am  Kreuze  —  vorhanden. 

In  dem  mit  etwa  50  cm  Zwischenraum  vor  der  Mitte  der  Westwand 
errichteten  hölzernen,  mit  Mönchen  und  Nonnen  gedeckten,  viereckigen  Glocken- 


-^    79    8^ 

thurm  hängen  zwei  Glocken.    Die   erste   mit   einem  Durchmesser  von  82  cm 
trägt  zwischen  zwei  Omamentstreifen  am  Halse  die  Lapidarinschrift: 

Lobet  den  •   Herrn  mit  hellen  Cymbeln   •   Lobet  ihn   mit  wohl- 
klingenden Cymbeln. 

Auf  der  Mitte  der  einen  Seite  ist  zu  lesen: 

Johann  Meyer  Eönigl. 
Stück  Gieser  in  Gelle 
goss  mich.    1763. 

Die  gegenüberliegende  Inschrift  lautet: 

Singet  Gott!  Lobsinget  seinem  Nahmen 
Machet  Bahn  dem  der  da  sanft  herfäret 
Er  heisset  Herr!    Und  freuet  euch  vor  ihm. 

Sämmtliche  Buchstaben  sind  Lapidare.  An  einzelnen  Stellen  sind 
Omamentstücke  mit  figürlichen  Darstellungen  angebracht. 

Die  kleinere,  79  cm  im  Durchmesser  grosse  Glocke  hat  in  gothischen 
Kleinbuchstaben  am  Halse  zwischen  zwei  Riemchen  eine  zweizeilige  Inschrift 
mit  der  Jahreszahl  1461.  

Ramlingen. 

KapeUe. 

Litteratur:  Lüntzel,  die  ältere  Diöcese  Hildesheim-,  Manecke  11;  Begenten- 
Sahl  1698 ;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897 ;  von  Bennigsen,  DiöcesangreHzen,  Zeitschr.  des 
hiBt  Ter.  f.  Nieders.  1863;  Mithoff,  Kunstdenkmale  IV. 

Quellen:  Urkunde  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  Verzeichniss  der  kirch- 
lichen Ktinstdenkmäler  von  1896;  Schul  chronik  in  Ramlingen. 


Ramlingen,  auch  Rammeln,  war  ehedem  einer  der  Grenzorte  der  Geschichte. 
Diöcese  Hildesheim  gegen  die  Diöcese  Minden  und  ist  seit  Alters  nach  Burgdorf 
eingepfarrt.  Eine  Urkunde  vom  Jahre  1509  handelt  von  einem  Vertrag  zwischen 
den  Herzog  Heinrich  dem  Jüngeren,  denen  von  Dagevorde  und  sämmtlichen 
Einwohnern  des  Dorfes  «Ramling  tho  Borchtorp  tobehorich*.  Das  Visitations- 
protokoll vom  Jahre  1543  besagt,  die  Kapelle  «tho  Ramlingesze*  sei  i, belegen 
im  kaspelde  Borchtorp  vnd  an  dat  husz  Borchtorp  gelecht'.  «Der  Dorfzehnte 
gehört  denen  von  Lüneburg  zu  Waatlingen.''     [Manecke.] 

Die  durch  das  halbe  Sechseck  im  Osten  geschlossene,  einfache  Fach-   Beschreibung. 

werkkapelle  von  12,5  m  äusserer  Länge  und  6,3  m  Breite  hat  ein  im  Westen 

abgewalmtes  Dach  mit  viereckigem  Dachreiter  im  Westen.    Die  glatte  Bretter-^ 

decke    ruht  an  den   Seiten  auf  schlichten   Holzkonsolen.     Eingangsthür    und 

Fenster  sind  rechteckig.    Ueber  der  Tliür  befindet  sich  auf  einer  besonderen 

Tafel  die  Inschrift: 

Kommt  lasst  euch  den 

Herren  lehren. 

Anno  1698. 


Altarleuchter. 


Bildwerke. 


Gemälde. 


Glasmalerei. 


Kanzel. 


-^     80     X^ 

Die  beiden  Altarleuchter  haben  nach  gothischer  Art  drei  Fasse  und 
einen  walzenförmigen  Schaft  mit  drei  Knäufen. 

Drei  aus  Holz  geschnitzte  Bildwerke  werden  hinter  dem  Altar  auf- 
bewahrt. Das  erste,  eine  handwerksmässig  gearbeitete  Heiligenfigur  mit  einem 
Buch  in  der  Linken^  stammt  aus  dem  Anfang  des  XV.  Jahrhunderts,  das  zweite, 
Maria  mit  dem  Leichnam  Christi,  sowie  eine  leidlich  gefertigte  Bischofsfigur 
mit  fehlenden  Armen  aus  dem  Anfang  des  XVI.  Jahrhunderts. 

Ein  Oelgemälde,  26,5  cm  breit  und  35,5  cm  hoch,  zeigt  Christus  am 
Kreuz  mit  der  klagenden  Mutter.  Auf  der  Rückseite  steht  der  Name  des 
Künstlers  Brüggemann  und  darunter  auf  dem  Holzrahmen  die  Jahreszahl  1782. 

Eine  Glasmalerei  ist  in  ein  Fenster  der  Nordseite  eingesetzt.  Sie  enthält 
Wappen  imd  Namen  des  fürstlich  Braunschw.  Lüneburgischen  Amtmanns  zu 
Burgdorf  H.  Philip  Günter  Rimpau. 

Die  über  dem  Altar  stehende  Kanzel  gehört  dem  XVII.  Jahrhundert  an. 


R  e  t  h  m  a  p. 

Kirche.    Herrenhaus. 

Litteratur:  Doebner  I,  II,  V  und  VI;  Janicke;  Sudendorf;  Lüntzel,  die 
ältere  Diöcese  Hildesheim;  Manecke  II;  Regenten  -  Sahl  1698;  von  Hodenberg,  Ltine- 
burger  Lehnregister;  Böttger,  DiOcesan-  und  Gau -Grenzen;  Nolte,  die  Salzburger  in 
Rethmar,  Zeitschr.  d.  bist  Yer.  f.  Nieders.  1876;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897; 
Bertram,  Geschichte  des  Bisthums  Hildesheim  I;  Havemann;  Mithoff,  Kunstdenkmale  IV; 
derselbe,  Kirchenbeschreibungen;  Weber,  die  Freien  bei  Hannover  1898;  Heise,  die  Freien; 
Heraldische  Mittheilungen  1897;  von  Orgies- Rutenberg,  Geschichte  der  von  Rutenberg  und 
von  Orgies  gen.  Rutenberg,  Dohlen  1899. 

Quellen:  Urkunden  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  Yerzeichniss  der  kirch- 
lichen Kunstdenkm&ler  von  1896;  Kirchenrechnungen  zu  Rethmar;  Pfarmachrichten ; 
Geschichtliche  Notizen  des  Herrn  Grafen  von  der  Schulenburg- Wolfsburg. 


Geschichte. 


Das  im  grossen  Freien  belegene  Dorf  gehörte  vormals  zum  Archi- 
dlakonat  Lühnde  (»De  banno  Luende'')  und  zum  Pagus  Hastfala.  Bereits  das 
Ende  des  XII.  Jahrhunderts  bringt  sichere  Kunde  von  dem  Vorhandensein  des  Ortes. 
Am  Schluss  des  Güterverzeichnisses  der  Obedienz  Ludengers  aus  dieser  Zeit 
lesen  wir  nämlich:  «Mansi  duo,  unus  in  Huiringe,  I  solidus,  alter  in  Rethmeer** 
1306  ist  ein  „Thidericus  plebanus  in  Rethmere'  (sacerdos)  Zeuge;  es  ist 
vielleicht  derselbe  Thidericus,  welcher  1311  ebenfalls  als  „plebanus  in  Retmere* 
aufgeführt  wird.  Im  Jahre  1332  verpflichten  sich  Siegfried  von  Rutenberg  und 
seine  Söhne  Siegfried  und  Hildemar  nebst  anderen  Rittern  und  Knappen  dem 
Hildesheimschen  Rath  zu  gegenseitigem  Beistand  auf  20  Jahre.  Sie  standen  mit 
diesem  auf  Seiten  des  vom  Papst  Johann  XXII.  als  Gegenbischof  aufgestellten 
Erich,  eines  Sohnes  des  Grafen  Adolf  von  Schaumburg.  Sie  machten  sich 
hierdurch   dem  Bischof  Heinrich   und   den  Herzögen   Otto   und   Wilhelm   arg 


-^    91    ^ 

verhasst.  Dieselben  berannten  1332  das  feste  Haus  zu  Rethmar,  müssten  jedoch 
unverrichteter  Sache  wieder  abziehen.  Am  15.  September  des  genannten  Jahres 
gelobt  der  Bischof  Heinrich,  dem  Herzog  Otto,  seinem  Vetter,  während  der 
nächsten  anderthalb  Jahre  dreimal  vier  Wochen  lang  mit  50  Mannen  und 
nöthigen  Falls  mit  seiner  ganzen  Macht  Kriegshülfe  zu  leisten  und  ihm  zugefügten 
Schaden  zu  ersetzen,  jedoch  „ane  den  schaden  de  vor  Retmere  scach .  van  der 
stunde  dat  it  berant  wart  wente  dat  men  van  dennen  ret*.  Ferner  gelobt  er: 
„Dat  hus  to  Retmere  dat  schulle  we  vh  willen  breken  vn  vsem  vedderen  helpen 
weren  igt  dar  yenigman  weder  buwen  wolde  binnen  der  tid  dat  de  breue  vn 
Yse  deghedlnghe  wäret",  also  das  Schloss  um  jeden  Preis  zu  brechen  und 
dessen  Wiederaufbau  zu  hindern.  Gemäss  einer  Urkunde  vom  Jahre  1361  wird 
eine  Schenkung  von  5  Hufen  und  3  Kothöfeii  «an  dem  Velde  gheleghen  des 
dorpes  to  Retmere"  „to  dem  Altäre  der  juncvrowen  sente  Caterinen  in  der 
kerken  to  Retmere'  seitens  der  von  Rutenberg  durch  den  Lehnsherrn  Grafen 
Johann  von  Spiegelberg  genehmigt  und  zugleich  bestimmt,  dass  dieselben  »des 
altares  un  des  lenes  und  ore  Erwen  schullen  ewigliken  un  immermer  rechte 
len  Herren  wesen".  Die  Urkunde  befindet  sich  seit  1864  im  Thurmknopfe. 
In  einer  Urkunde  vom  Jahre  1540  wird  unter  den  castellis  (kleiner  befestigter 
Ort,  kleine  Burg),  welche  die  Herzöge  Erich  und  Heinrich  von  Braunschweig 
und  die  Städte  Braunschweig,  Hannover,  Northeim  und  Göttingen  zur  Zeit  des 
Bischofs  Johann  dem  Stifte  entzogen  und  mit  Gewalt  genommen  haben,  auch 
.Retmer"  genannt. 

Der  erste  lutherische  Prediger  war  der  Inschrift  seines  Grabsteines 
gemäss  Johannes  Schrader  aus  Göttingen,  1586—1638. 

1615  reinigt  und  bessert  der  Uhrmacher  von  Hildesheim  den  »seiger*. 
1618  werden  die  Fenster  theils  neu  gemacht,  theils  ausgeflickt;  den  „seiger" 
brachte  man  nach  Peine  zum  Ausbessern.  1619  wird  eine  neue  zinnerne  Kanne 
auf  den  Altar  für  24  Groschen  beschafiTt. 

1628  hören  wir  in  den  Kirchenrechnungen  von  vielen  Beschädi- 
gungen der  Kirche;  unter  Anderem  werden  2  fl.  10  Gr.  für  zwei  zinnerne 
Kelche  mit  Patenen  bezahlt;  ferner  2  fl.  um  die  'Kirchenfenster  wieder  zu 
flicken,  1629  1  Thlr.  9  Gr.  für  einen  neuen  Kelch,  da  der  alte  geraubt,  und 
2|  Thlr.  für  zwei  neue  Altarleuchter;  auch  wurden  Kirche  und  Thurm  neu 
gedeckt  und  vielleicht  auch  eine  neue  Taufe  gefertigt.  1632  wird  der  von  den 
Kriegsleuten  zerschlagene  Seiger  geflickt. 

1647  wurde  die  Kirche  vor  dem  Gewölbe  und  Taufstein  gepflastert 
sowie  1648  die  Orgel  gebessert.  1651  erhält  der  Maler  Henning  Hawer 
aus  Hildesheim  für  den  neuen  Altar,  für  den  er  bereits  Geld  empfangen, 
noch  weiter  30  rthlr.  und  Heinrich  Ochsenkopf,  Bildschnitzer  ebendaher, 
zu  dem  bereits  Erhaltenen  noch  15  rthlr.  1649  schmückt  der  Braun- 
schweigische Meister  Hans  Wilhelm  eine  Prieche  mit  den  16  Ruten- 
bergischen  Urahnenwappen  und  vermalt  Henning  Hawer  den  Predigtstuhl. 
1655  bekonnnt  Heinrich  Ochsenkopf  für  den  neuen  Taufdeckel  27  Gulden  und 
Henning  Hawer  ebensoviel.  1657  wird  die  Kirche  gründlich  ausgebessert  und 
1659   der   Beichtstuhl  und  das  Pult    auf   dem   Chor    niedriger    gemacht.     In 

11 


-^    82    8^ 


Beschreibung. 


Schiff. 


letzterem  Jahre  vermalt  Hemiing  Hawer  die  Kirche  «mit  passions  midt  andern 
Historien  auch  dem  jüngsten  Gericht  undt  sonsten  Künstlich^.  1663  erhält 
dieselbe  neues  Gestühl.  1716  lässt  Philipp  Adam  zu  Eltz  eine  neue  Spitze  auf 
die  Kirche  setzen,  1717  schenkt  er  einen  Taufstein  aus  der  Kirche  in  die 
Kapelle  zu  Evem.  In  diesem  Jahre  wurde  der  Thurm  imd  1724  die  Kirche 
umgebaut.  Die  bogenförmige  Holzdecke,  der  Altar  und  die  Sakristei  stammen 
aus  dem  Jahre  1774.  Der  nördlichen  CEhorseite  wurde  gegen  Ende  des 
XVII.  Jahrhunderts  die  Krypta  Eltziana  angefügt.  Hier  in  Rethmar  haben  die 
1731  aus  ihrer  Heimath  vertriebenen  Salzburger  ein  kurzes  Refugium  gehabt 
Der  damalige  Gutsherr  wollte  sie  für  den  Anbau  seines  Landes  benutzen,  doch 
nahmen  die  Hörigen  des  Gutes  ihr  Anrecht  auf  Gutsarbeit  in  Anspruch.  Der 
Entscheid  des  Oberappellationsgerichtes  zu  Gelle  lautete  ungünstig  ßa  die  Salz- 
burger, und  so  mussten  sie  1735  den  Ort  wieder  verlassen.  Ein  Theil  des 
Dorfes  erhielt  nach  ihnen  den  Namen  «die  Salzburg'*. 

Das  Patronat  ruht  seit  Alters  auf  dem  Hause  Rethmar,  welches  nach 
Heise  landtagsfähig  und  von  Steuern  befreit  war.  Es  besass  ein  eigenes 
Patrimonialgericht  über  das  Gut  und  die  zu  Rethmar  wohnenden  Junkerleute. 
Bis  zu  ihrem  Aussterben  im  Jahre  1647  waren  die  Herren  von  Rutenberg 
Patrone. 

Die  Kirche  besteht  aus  Chor,  Schiff  und  Westthurm  und  hat  einen 
Anbau  auf  der  Nordseite. 

Das  rechteckige  Schiff  imd  der  durch  das  halbe  Achteck  geschlossene, 
Chor,  schmalere  Chor  sind  aus  Bruchsteinen  erbaut  und  haben  hölzernes  Haupt- 
gesims. Durch  eine  gewölbte,  geputzte  Holzdecke  wird  das  Innere  der  einfachen, 
durch  Flachbogenfenster  erleuchteten  Saalkirche  abgeschlossen;  Wand  und 
Decke  sind  durch  ein  Holzgesims  getrennt.  Eine  mit  glatten  SandsteingeWänden 
eingefasste  Thüre  befindet  sich  auf  der  Nordseite;   im  geraden  Sturz  ist  die 

Inschrift  eingemeisselt: 

Anno  •  1724. 

An  die  Nordseite  des  Schiffes  ist  das  Erbbegräbniss  der  Familie  Ernst 
angebaut  mit  der  Jahreszahl  1861  am  Eingangsthor. 

In  der  Kirche  ist  an  der  Nordseite  ein  jetzt  zugemauerter,  mit  Sandstein- 
gewänden und  Kämpfern  versehener  Eingang  zum  vorgenannten  Raum  sichtbar 
und  trägt  im  Schlussstein  die  Inschrift: 

Grypta, 
Eltziana. 

Hölzerne  Emporen  sind  an  der  West-  und  Nordseite  angebracht  Im 
Inneren  an  der  Südseite  ist  ein  runder  Stein  eingemauert  mit  dem  Wappen 
der  Familie  v.  Rutenbei^  und  der  Umschrift  in  gothischen  Kleinbuchstaben: 

Anno  •  domini  •  m  •  cccc  •  Ixi. 

Zu  bemerken  ist  noch  ein  aussen  eingemauertes  Mordkreuz  an  der 
Nordseite  und  ein  runder  Stein  mit  dem  Rutenbergschen  Wappen  an  der 
Westseite. 

Der  aus  Bruchsteinen  erbaute,  fast  quadratische  Westthurm  von  rund 
5,5  m  Seitenlänge  trägt  in  der  Wetterfahne  die  Jahreszahl  1717  und  wird  von 


Thunn. 


-^    83    8^ 

einem  achteckigen,  in  seinen  unteren  Theilen  geschwungenen  und  durch  ein 
Gesims  unterbrochenen^  beschieferten  Helm  bedeckt.  Unten  im  Thurm  liegt 
das  Grabgewölbe  der  Familie  von  Rutenberg.  Auf  der  S&d-  und  Nordseite  ist 
je  eine  rondbogige  Schallöffiiung  angeordnet. 

Altar  und  Kanzel  sind  aus  Holz  gearbeitet  und  mit  einander  verbunden.   Altar. 
Sie  stammen  aus  dem  XVIII.  Jahrhundert.    Die  Altarwand  zeigt  zwei  seitliche   Kanzel. 
Durchgänge. 

Eine  Glocke  ohne  Inschrift  von  79  cm  Durchmesser  trägt  am  Halse   Glocke, 
zwei  doppelte  glatte  Riemchen. 

An  der  Thurmwand  im  Schiff  ist  der  sehr  schöne  und  gut  erhaltene   Grabsteine. 
Grabstein  des  Bode  von  Rautenberge  aufgerichtet.    Auf  demselben  ist  in  einer 
breiten  Nische  die  Gestalt  des  Verstorbenen  in  der  Rüstung  sichtbar.   Sechzehn 
Wappen  sind  oberhalb  und  zu  beiden  Seiten  angebracht  und  in  Lapidarschrift, 
wie  folgt,  bezeichnet: 

V.  Rvtenberg  v.  Adelevessen 

V.  Bartensie  v.  Salder 

V.  Swich  V.  Bovente 

V.  d.  Asseb  v.  Steinb 

V.  Botmer  v.  Elven 

V.  d.  Schvl  V.  Velthem 

V.  Krame  v.  Bodenhv 

V.  Hoym  v.  Havs 

Die  Umschrift  in  lateinischer  Schrift  lautet: 

Ano  Chri  1597  am  21.  Septemb:  abents  zwisschen  5*vnd  6  vhren, 

Jst  der  Edler  vnd  Ehrnühester  Bode  von  Rautenberge  in  dem  Herrn 

selig  entshlaffen,  welcher  tag  des  64.  Jhars  S.  E.  gebürtstag  gewesen. 

vnd  ruhet  alhie  in  Grott. 

Ein  Grabstein  mit  dem  Meisterzeichen  H  W  ist  in  die  westliche  Aussenwand 

desThurmes  eingelassen;  er  ist  derjenige  der  im  Jahre  1611  gestorbenen  Jungfrau 

Margaretsi  Elisabeth  von  Rvtenberg  und  hat  an  den  Ecken  die  Wappen  der 

V.  Rutenberg  v.  Velthem 

V.  Steinberg  v.  Salder. 

Ein  verwitterter  Stein  mit  der  Figur  eines  Enieenden  vor  dem 
Gekreuzigten  und  dem  Wappen  der  von  Vechelde  auf  derselben  Seite  des 
Tburmes  hat  das  gleiche  Meisterzeichen.  Die  Jahreszahl  1618  steht  in  der 
unteren  linken  Ecke  und  ist  ausserdem  in  einzelnen  grösseren  Buchstaben  der 
Au&chrift  enthalten;  die  Letztere  lautet,  so  weit  sie  lesbar  ist: 

Je  hoher  die  Noth.    Je  naher  ist  Got. 
Beatis  manibus 

Pietate  probitate  et  doctrina  or- 
natissimi  viri  juvenis  Dn:  Alber: 
ti  de  Vecheld  dantiscani  patri 

u.  candidati  •  nobilissimo 

de  Rautenberg  et  c:  olim  ab 

archivis  fldelissimi 

11* 


->4     84     S«- 

Ein  schßner,  silbervergoldeter,  27  cm  hoher  Kelch  mit  dem  Eltz'schen 
Wappen  auf  dem  Sechsblattfuss  wird  von  dem  Patron  aufbewahrt.  Er  trggt 
als  Zeichen  den  sprin^nden  Löwen  und  die  Inschrift  P.  H.,  sowie  auf  der 
unleren  Seite  des  Fusses  die  Angabe:  ,■  1  MÄRZ  86  ANNO  ■  1706  •• 


Fig.  XI.    Herrenhaas  In  Betbmar;  Tbüre. 

E^n  innen  vergoldeter,  silberner  Kelch  hat  die  Lapidarinscbrift : 

Den  Fleissigen  Einwohnern 

zu  Rethmar 

Andenken 

Der  Gemeinheitstheilung 

von  1812 

von 

der  Landwirthschaftlichen 

Gesellschaft 

zu  Celle. 


->^    85    8^ 

Das  Ernst'sche  Erbbegräbniss   enthält  den  mit  vielen  Wappen,  guten    Sarg. 
Ornamenten  und  interessantem  Crueifix  ausgestatteten  Sarg  des  Philipp  Adam, 
Herrn  zu  Eltz,  21.  Oktober  1727  gestorben. 

Ein    einfaches   Taufbecken   aus  Messing    trägt    auf   dem   Rande    die   TanfschUsscl. 
Inschrift  in  Lapidaren: 

H  •  Johan  •  Bvntten  •  Ilse  Sanders  •  1  •  6  •  4  •  7  • 
Das  einfache,  in  Hufeisenform  mit  Mansardendächem  erbaute  Herren-  Herrenhaus, 
haus  zeigt  ausser  den  beiden  Eingängen  keine  Eunstform;  über  der  nördlichen 
Eingangsthür  sind  in  der  Bekrönung  die  Wappen  der  Familien  von  Hardenberg 
und  von  Steinberg  angebracht.  Links  sind  die  Buchstaben  P  •  A  •  V  •  H  und 
rechts  •  D  •  L  •  V  •  S  eingemeisselt.  Ueber  der  Regenceverdachung  steht  die 
Jahreszahl  1735. 

Die  nach  dem  Hofe  liegende  Eingangsthür  hat  in  der  Bekrönung  das 
Wappen  der  Familie  von  Eltz  und  daneben  die  Buchstaben  P  A  E  —  H  Z  E 
sowie  die  Jahreszahl  1710. 

Das  Nebengebäude  ist  älteren  Ursprungs,  hat  mit  profilierten  Sandstein- 
gewänden —  in  welchen  die  Hohlkehle  vorherrscht  —  eingefasste,  gekuppelte 
Fenster.  Die  Gewände  und  die  Bekrönung  der  Thür  sind  mit  figürlichen 
Darstellungen  geschmückt  (Fig.  21).  Zwei  Wappen,  diejenigen  der  Familien 
von  Rutenberg  und  von  Steinberg,  sind  in  der  Bekrönung  untergebracht  und, 
wie  folgt,  bezeichnet: 

B  O  :  V :  R  V :  1  •  5  •  7  •  5  •  Cat :  V :  Steinberg  •  sein  ehliche  Hvsfraw. 
An  einem  Nebengebäude  ist  ein  Stein   eingemauert  mit  dem  Ruten- 
bergschen  und  Veltheimschen  Wappen  und  der  Lapidar-Inschrift: 

1613  am  Ostertage  ist  dis  Vorwerck   in   den  Grvnd  abgebrand.  vnd 
in  demselbigen  Jare  wider  angevangen  zv  bavwen. 
Unten  stehen  die  Namen: 

Bartolt  von  Margareta 

Rvtenberg  von  Veltem. 


Schwüblingsen. 

Kapelle. 

Litteratnr:  LUntzel,  die  ältere  DiÜceseHildcsheim;  Maneckell;  von  Ilodcnberg 
Pagns  Flutwide,  Lenthe'ß  Archiv  VI;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897;  Mithoff,  Kunst- 
denkmale IV;  derselbe,  Kirchenbeschreibungen;  Fromme,  kleine  Chronik  der  Primariat- 
pfarre  zu  Sievershausen  1889. 

Das  nach  Sievershausen   eingepfarrte  Dorf  begegnet  in   dem   älteren    Geschichte. 
Zehnt-,    Geld-    und   Fruchtregister   des   Klosters   Wienhausen   vom   Ende   des 

XIII.  Jahrhunderts   als    »Swibbelinghe"    und    wird    daselbst   vom  Glossist   des 

XIV.  Jahrhunderts   zu   ,Mey"    gerechnet.    Eine   vom   Kloster  Wienhausen   am 


[ 


23.  ]uni  1305  ausgestellte  Urkunde  besagt,  dass  das  Dorf  mit  allen  Gerechtsamen 
und  AufkQnflen  an  das  Kloster  gefallen  sei  und  dieses  dafür  dem  Priester  zu 
SieTersbausen  und  seinem  Glöckner  gewisse  jähriidie  Einkünfte  zukommen  lassen 
werde.     1634  wird  die  Kapelle  zu  .Schwübling'  genannt. 


Flg.  i».    Kapelle  In  SchirftbllDKHD ;  Craclflina. 

Die  Fachwerkkapelle  hat  einen  mit  Satteldach  versehenen  Dachreiter 
im  Westen,  rechteckige  Fenster,  eine  Eingangstbür  in  der  Westseite  und  eine 
glatte  Bretterdecke. 

Der  aus  dem  XV.  Jahrhundert  stammende  Schnitzaltar  ist  reich  mit 
Farbe  und  Gold  behandelt.  Im  Mittelschrein  steht  die  Figur  der  Anna  Selbdritt ;  auf 
jeder  Seite  daneben  beSnden  sich  Gruppen  mit  Darstellungen  aus  der  Geschichte 
Christi.    Die  beiden  Flügel  zeigen  im  Ganzen  zwölf  geschnitzte  Figuren. 

Ein  etwa  50  cm  grosser,  vergoldeter,  hölzerner,  gut  erhaltener  Crucifiiua 
stammt  aus  dem  XV.  Jahrhundert  (Fig.  22). 


-^    87    8^ 


'    S  e  h  n  d  e. 

Kirche. 

Litteratur:  Leil)niz,  ScriptoreB  renun  BransvicenBinm;  Janicke;  Doebner  I,  II, 
ni  und  VII;  Sudendorf;  Urkundenloach  der  Stadt  Hannover;  ürkundenbuch  der  Stadt 
Braunschweig;  Yolger,  Urkunden  der  Bischöfe  von  Hildesheim;  LUntzel,  die  ältere  Diöcese 
HUdesheim;  Regenten -Sahl  1698;  Manecke  II;  von  Hodenberg,  LUneburger  Lehnregister; 
Bertram,  Geschichte  des  Bisthums  Hildesheim  I;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897;  Böttger, 
Diöcesan- und  Gau-Grenzen ;  Hithoff,  Kunstdenkmale  IV;  derselbe,  Kirchenbeschreibungen; 
Heise,  die  Freien;  Weber,  die  Freien  bei  Hannover  1898. 

Quellen:  Ürkundenbuch  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  Stadtarchiv  zu 
Hannover,  Redecker;  Kirchenchronik  in  Sehnde;  Yerzeichniss  der  kirchlichen  Kunst- 
denkmäler  von  18%. 


Das  im  grossen  Freien  belegene  Dorf  gehörte  ehedem  zmn  Pfarrbezirk  Geschichte, 
der  Kirche  zu  Lähnde.  Wie  aus  der  am  13.  Oktober  1147  vom  Bischof 
Bernhard  ausgestellten  Bestätigungsurkunde  der  Besitzungen  und  Privilegien 
des  Bartholomäusstiftes  hervorgeht,  hätte  der  Odelricus  canonicus  sancte  Grucis 
demselben  ,ad  utilitatem  fratrum*  ,in  Senethe  viginti  quatuor  iugera  cum 
una  area*  geschenkt.  1187  übereignet  Frederundis,  Wittwe  Berthold's  von 
Schartfeldi  dem  Kloster  Steterburg  4  Hufen  mit  einem  Hofe  in  Sehnde.  Als 
der  Bischof  Bemo  1191  dem  Propst  Gerhard  von  Steterburg  den  Besitz  der 
von  ihm  (de  novo  conquisita)  für  sein  Kloster  erworbenen  Güter  bestätigt  und 
ihm  die  Vogtei  über  dieselben  übertrftgt,  werden  «Senethe  tres  mansi*  und 
«dedma  in  Senethe*  genannt.  Die  Parochie  wurde  im  Jahre  1207  gegründet. 
Am  8.  Mai  1207  giebt  der  Bischof  Hartbert  bekannt,  dass  die  Sehnder  zur 
bequemeren  Verriditung  des  Grottesdienstes  die  von  ihnen  gebaute  Kapelle  von 
der  Mutterkirche  in  Lühnde  getrennt  haben,  jedoch  ausbenommen  das  Synodal- 
recht und  nothwendige  Bauten.  Für  die  Auflösung  des  kirchlichen  Verbandes 
überweisen  sie  der  Mutterkirche  2  Mark  Silber  und  eine  Hufe,  von  welcher 
2  Solidi  zu  den  Lichtem  derselben  verwandt  werden  sollten.  Der  Propst  Hiddo 
zur  Sülte  und  sein  Nachfolger  Bernhard  gaben  ihre  Zustimmung.  Unter  den 
Zeugen  erschemt  Volbemus  sacerdos  de  Seynede.  Am  6.  Oktober  1216 
bestätigt  der  Papst  Honorius  III.  dem  Kloster  Wöltingerode  unter  Anderem  «in 
Senede  tres  mansos*.  In  dem  um  1250  aufgestellten  Lehnsregister  des  Klosters 
Steterburg  heisst  es:  ,,Senedhe  una  curia  et  dicima  super  curiam.  filii  Florini 
habent  et  filius  Gonstin  habet  quosdam  agros'. 

1274  bestätigt  der  Papst  Gregor  X.  der  Kirche  St.  Bartholomaei  zu 
Hildesheim  die  «ecclesias  de  Lülene,  de  Lobeke,  de  maiori  Sehnede  et  de  Hotzenem 
cum  Omnibus  pertinentiis  earunden*".  Am  26.  November  1298  bezeugt  der 
Graf  Gerhard  von  Hallermund  die  Erklärung  der  Bürger  von  «Senedhe'  («Sende"), 
dass  sie  weder  das  Recht,  die  E[irche  «in  uilla  Sende"  zu  übertragen,  noch  das 
Prfisentationsrecht  an  derselben  besitzen  und  dasselbe  auch  nicht  dem  Herzog; 
von  Lüneburg  übertragen   haben,   so   dass   sie  irgend   eine  Belästigung  vom 


-^    88    8^ 


Beschreibung. 
Schiff. 


Thnrm. 


Altar. 


Glocke. 


Kloster  zur  SüIte  deshalb  erleiden  könnten.  1448  und  am  Ambrosiustage  1449 
bestätigt  der  Bischof  Magnus  von  Hildesheim  dem  Bartholomäuskloster  das 
Patronatsrecht  über  die  Kirche  in  Sehnde  (,Senede*). 

Zur  Reformationszeit  eignete  die  Landesherrschaft  sich  das  Patronats- 
recht an.  Im  Jahre  1578  beschweien  sich  die  Dörfer  Lehrte,  Sehnde,  Dolgen, 
Haimar  und  Gretenberg  gegen  Uebergriffe  des  Bodo  und  Hans  von  Rutenberg. 
1625  brannte  der  Fachwerkoberbau  des  Kirchthurms  ab,  wobei  auch  das  Geläute 
zerschmolzen  wurde.  Die  Wiederherstellung  erfolgte  1626 — 1655.  Der  jetzige 
massive  Thurm  ward  1640  (Inschrift  am  Holm  des  Glockensluhls)  vollendet. 
1737  wurde  die  jetzige  Kirche  an  den  älteren  Thurm  angebaut,  wozu  1300  Thaler 
geliehen  werden  mussten,  welche  in  Theilzahlungen  wieder  abgetragen  wurden. 
1842  erfolgte  dann  die  Ablösung  des  Zehnten,  welcher  aus  Sehnde  an  das 
Michaeliskloster  zu  Hildesheim  entrichtet  werden  musste. 

Ein  Johann  von  Sehnde  (servus)  begegnet  zuerst  1204  in  einer  Urkunde 
Bischof  Harlbert's. 

Die  Kirche  besteht  aus  Schiff,  Wesllhurm  und  Sakristei. 

Das  auf  einem  Sandsteinsockel  aus  Bruchsteinen  erbaute  Schiff  mit 
Holzgesims  ist  als  Saalkirche  ausgebildet  und  wird  durch  eine  geputzte,  aus 
Holz  hergestellte,  gewölbte  Decke  nach  oben  abgeschlossen.  Gemalte  Ornamente, 
welche  sich  auf  den  Füllungen  der  hölzernen  Emporen  an  der  West-,  Süd- 
und  Nordseite  vorfanden,  sind  später  wieder  aufgefrischt.  Das  mit  seiner 
Längsachse  von  Süden  nach  Norden  gerichtete  Schiff  hat  mit  Sandsteinquadem 
eingefasste  Ecken  und  ist  mit  seiner  Längsseite  an  den  älteren  Thurm  angebaut. 
Auf  jeder  Seite  sind  zwei  flachbogige  und  in  der  Süd-  und  Nordwand  je  ein 
länglich  rundes  Fenster  über  den  Eingangsthüren  angebracht.  Die  im  Osten 
angebaute  Sakristei  hat  eine  Eingangsthür,  welche  im  Sturz  die  Jahreszahl  1737 
trägt.  Sämmtliche  Fenster  und  Thüren  sind  mit  glatten  Sandsteingewänden 
eingefasst. 

Der  massive,  aus  Bruchsteinen  erbaute,  mit  einem  hohen,  achteckigen 
Helme  bedeckte  und  mit  korbbogig  geschlossenen  Schallöffnungen  versehene, 
viereckige  Westthurm  hat  in  etwa  vier  Meter  Höhe  einen  sockelartigen  Absatz; 
der  letztere  wird  durch  einen,  neben  der  flachbogigen  Eingangsthür  auf  der 
Westseite  stehenden  Strebepfeiler  gestützt.  Ein  spitzbogiger  Durchgang  nach 
dem  Schiff  ist  jetzt  vermauert.  Die  Gewölb^linien  sind  im  Inneren  des  Thurmes 
noch  sichtbar. 

Der  unter  Benutzung  einiger  älteren  Figuren  hergestellte  neue  Altar 
steht  in  der  Mitte  der  östlichen  Längswand;  mit  ihm  ist  die  Kanzel  vereinigt. 

Die  aus  dem  Jahre  1653  herrührende  schöne  Glocke  von  1,01  m  Dureh- 
messer trägt  zwischen  zwei  Omamentstreifen  am  Halse  die  Lapidarinschrift: 

venite  ad  nyptias  qvia  parata  svnt  omnia.    Matth.  22. 
Als  Schluss  ist  ein  Kopf  angebracht.    Die  bischrift  auf  der  einen  Seite 
der  Glocke  lautet: 

Altarlevte  Bvsso  Nettelrots 
Dieterich  Rikelman 


-^    89    8^ 

Zu  beiden  Seiten  beflnden  sich  zwei  Blumen  und  darunter  drei  kleine 
Köpfe.    In  der  Mitte  der  anderen  Seite  ist  zu  lesen: 

Joachimus  Mvller  Pastor 

Anno  Pastoratvs.   28. 

Zu  beiden  Seiten  sind  wiederum  zwei  Blumen  angebracht,  darunter  ein 

erhabener,  schöner  Crucifixus  mit  flatterndem  Lendentuche,  von  drei  Köpfen 

umgeben.    Am  Glockenrand  steht  zwischen  zwei  Köpfen  die  Inschrift: 

Anno  MDCLIII  gos  mich  M.  Hcnni  Lampen  in  Hildesheim. 

Hinter  dem  Altar  im  Inneren  der  Kirche  ist  ein  gut  gearbeiteter  Grab-    Grabsteine, 
stein    eingemauert,    auf  welchem    der    Pastor    Jochim   Mvller,    gestorben    am 
4.  Dezember  1655,  ein  Buch  in  der  linken  Hand  haltend,  dargestellt  ist.    Ein 
einfacherer  Grabstein  der  Sophia  Dorothea  Müller,  gestorben  1732,  steht  in  der 
äusseren,  westlichen  Thurmwand.    Der  Stein   des  Hinrich  Breithaur   auf  dem 
Kirchhofe,  gestorben  1725,  zeigt  in  einer  von  zwei  gewundenen  Säulen  seitlich 
begrenzten   Bogennische   eine   männliche   Figur   mit   einem   Knaben   und   eine 
weibliche  mit  einem  Mädchen  zu  den  Seiten  des  Gekreuzigten.    Der  Grabstein 
des  Junggesellen  Henning  Boden  zeigt  die  Figur  des  im  Jahre  1753  Verstorbenen. 
Der  Stein  ist  auf  der  Seite  bezeichnet:  Hoyer.    Ein  kleiner  Grabstein  mit  dem 
Bilde  der  1746  Verstorbenen  ist  einem  kleinen  Mädchen  gewidmet.    Der  Grab- 
stein des  1752  gestorbenen  Junggesellen  Anthon  Klünder  zeigt  den  Verstorbenen 
in  ganzer  Figur.   Die  Grabsteine  des  1746  gestorbenen  Ludolf  Jürgen  Rust  und 
des  Gasten  Hapken  (XVIIl.  Jahrhundert)  enthalten  Darstellungen  des  Gekreuzigten 
mit  den  Familien  und  die  Bezeichnung  J.  B.  Hoyer  und  Hoyer.    Ein  weiterer 
Grabstein  des  XVIII.  Jahrhunderts   enthält   eine  Darstellung  des  Gekreuzigten. 
Verschiedene   stark   verwitterte  Steine   lassen   die   Schrift  nur   noch   schwach 
erkennen. 

Das  mit  beflügelten  Engelsköpfen  verzierte  Becken  eines  Taufsteins  von    Taufstein. 
0,59  m  oberem  Durchmesser  wird  jetzt  im  Pfarrgarten  aufbewahrt.    Der  obere 
Band  trägt  die  Inschrift:    „Lasset  die  Kindlein  zv  mir  komen  vnnd  w[eh]ret 

inen  nicht  Denn  solcher  Ist  Das  reich  Gottes*.    Die  übrige  Inschrift  ist  durch    - 

Moos  verdeckt,  jedoch  die  Jahreszahl  1593  wohl  zu  erkennen. 


Sievershausen. 

Kirche. 

Litteratur:  Rethmeicr,  Chronika  II;  BUnting,  Chronika  II ;  Pfcffinger,  Historie  I; 
Doebner  II  und  III;  Sudendorf;  Vogell,  Geschlechts-Geschichte  der  von  Schwicheldt 
1823,  Urkundensammlung;  LUntzei,  die  ältere  Diöcese  Hildesheim;  Manecke  II;  Regenten- 
Sahl  1698;  Havemann,  neues  vaterl.  Archiv  1824  und  1828;  Zeitschr.  d.  hist.  Ver. 
f.  Nieders.  1853  und  1858;  Böttger,  Diöcesan-  und  Gau-(irenzen;  Ännalen  der  Braun- 
gchweig-Lüneburgischen  Churlandc  VI;  Schulze,  Geschichtliches  aus  dem  Llineburgschen 
1877 ;  von  Hodenberg,  Pagus  Flutwide,  Lenthe's  Archiv  VI;  von  Hake,  Geschichte  der  Familie 
von  Hake;  Bertram,  Geschichte   des   Bisthums  Hildesheim  I;  Kayser,  Kirchenvisitationen 

12 


-^    90    8^ 

1897;  Mithoff,  Eunstdenkmale  lY;  derselbe,  Kirchenbeschreibnngen;  Fromme,  kleine 
Chronik  der  Primariatpfarre  zu  Sievershausen  1889;  Weber,  die  Freien  bei  Hannover  1898; 
Schulz,  Bissendorf,  Hannoversche  Geschichtsbl.  4.  Jahrg.;  Förstemann,  Ortsnamen;  Meyer, 
die  Provinz  Hannover  1888;  Görges,  Vaterländische  Geschichten  und  Denkwürdigkeiten  TL 

Quellen:  Urkunden  und  Akten  des  Egl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  Yerzeichniss 
der  kirchlichen  Kunstdenkmäler  von  1896;  Stadtarchiv  zu  Hannover,  Redecker. 


Geschichte.  öievershausen,  jetzt  Sitz  einer  Superintendentur,    war  ehedem  Archi- 

diakonatskircbe  und  im  Gau  Flutwide  belegen.  Zu  ihrem  Bann  gehörten 
Sievershausen,  üetze,  Rindage  oder  Lindage  (wüst);  Burgdorf,  Steinwedel, 
Eirchhorst,  Wettmar,  Edemissen,  Eickenrode,  Eddesse  und  vielleicht  Burgwedel. 
Die  Gefälle  aus  den  Kirchspielen  Eltze,  Wipshausen,  Eddesse,  Eickenrode, 
Edemissen,  Vöhrum,  Mehrum  und  Hohenhameln  lassen  aber  auf  eine  ehemals 
noch  grössere  Ausdehnung  des  Taufkirchenbezirks  schliessen. 

In  einer  etwa  zwischen  1243  und  1246  geschriebenen  Urkunde  ist 
Henricus  sacerdos  de  Syuerdishusen  Zeuge.  Am  8.  JuU  1295  giebt  der  «OfBcialis 
curiaeHildensemensis*'  neben  Anderen  auch  dem  Pfarrer  zu  „Siverdeshusen*  auf, 
die  geschärfte  Exkommunikation  des  Hildesheimschen  Rathes  durch  die  ihm 
untergebenen  Pfarrer  verkündigen  zu  lassen.  1296  ist  «Arnoldus  dictus  Woltmann 
plebanus  in  Siuerdeshusen*  Zeuge.  Eine  Urkunde  des  Klosters  Wienhausen  vom 
23.  Juni  1305  besagt,  dass,  nachdem  das  Dorf  Schwüblingsen  mit  allen  Gerecht- 
samen und  Aufkünften  an  das  Kloster  gefallen  sei,  dieses  dem  Priester  zu 
Sievershausen  und  seinem  Glöckner  gewisse  jährliche  Einkünfte  zukommen  lassen 
werde;  auch  werde  das  Kloster  nach  wie  vor  das  Aerar  der  Sievershäuser 
Kirche  unterstützen.  1349  verpfänden  Günther  und  Huner  von  Bartensieben 
denen  von  Schwicheldt  ,dat  Dorp  to  Syverdeshusen  voghedige  vn  alle  dat  we 
dar  hebbet  mid  alleme  rechte  vn  mid  aller  slachte  nud*.  Bei  dem  1428  auf 
30  Jahre  abgeschlossenen  Erbvergleich  der  Brüder  Brand,  Kurt  des  Aelteren, 
Heinrich,  Heinrichs  Sohn  und  Kurt  des  Jüngeren  erhalten  Brand  und  der  ältere 
Kurt  unter  Anderem  ^dat  Dorp  to  Ziverdeshusen  mit  gerichte  vnde  vogedye 
vnde  mit  alleme  rechte*.  Aus  einer  Urkunde  vom  Jahre  1520  geht  hervor, 
dass  Aschwin  von  Schwicheldt  und  sein  Sohn  Barthbld  die  Dörfer  «lutken 
Ilsede*  und  ^Siverdeshusen*  geplündert  haben. 

Der  erste  lutherische  Prediger  war  Johannes  Harden,  vormals  Amtmann 
zu  Peine;  er  wird  1534  genannt  und  ist  1554  ge&torben.  1539  verkaufen  die 
Söhne  Aschwins  von  Schwicheldt  ihren  Vettern  unter  Anderem  ,de  helffle  der 
twier  Dorpe  lutken  Ilsede  vnd  Sivershusen  mit  aller  gerechticheit  an  gerichte 
vngerichte  Vogedie  acker  tegeden  holten  grase  watere  vnd  weyde  nichtes  vth- 
bescheden  zusampt  dem  kerklene".  1555  haben  die  Beamten  von  Meinersen 
und  Uetze  die  Kirchenkasse  revidiert.  Damals  wurde  die  erste  Sievershäuser 
Kirchenrechnung,  betitelt  „Rekenschoflf  der  Olderlüde  der  Kerken  tho  Siuers- 
hausen*  angelegt.  1556  wird  ein  Kelch  für  6  Gulden  1  Ort  gemacht  und  eine 
kleine  Weinflasche  für  1  Ort  gekauft.  1558  wird  den  Aelterleuten  der  Kelch 
gestohlen,  1562  eine  Weinflasche  für  13  Groschen  gekauft;  1567  werden 
18  Groschen  für  ein  grünseidenes  Tuch  zu  einem  neuen  Messgewand  (»aluen') 


-►4    91    fr»- 

bezahlt,    1569   15  Groschen    «vor  Einen  Eelck  wedder  tho  makende'    und 

2  Groschen  für  eine  Oblatenbüchse,  1570  21  Gulden  den  ,segers  vnd  timmer- 
luden,  so  bi  orer  egen  kost,  de  Prichen  [2]  macheden,  vnd  dat  Eine  liekhusz 
(Halle  vor  der  Kirche)  buweden';  1572  11  Gulden  für  einen  sübemen,  zu 
Braunschweig  gemachten  Kelch.  1573  legt  Hans  Hanneker  »Hwe  bonen'  vp  der 
Kercken*  an.  1575  wurde  das  Kirchspiel  der  Burgdorfer  Superintendentur 
untergeordnet.  1579  verehrte  «der  dicke  Büring,  Molitor  in  der  nien  Molen* 
den  ersten  Gotteskasten  und  Henichen  Hoyer  (Höper)  einen  Klingebeutel.  Die 
vUtgaue"  von  1581  enthält  zwei  Abrechnungen,  welche  überschrieben  sind: 
,De  Kercke  Siuershusen  tho  buwende  gekostet,  wi  folget  .Ao  81  (1581).'  und 
gleich  darauf  «De  Bonne  In  der.Kerkenn,  Ao  81  (1581)  gebuwet  kostet  wi 
folget*.  In  der  »üthgaue*  fttr  die  Jahre  1582—1590  lesen  wir:  .De  Timmerlude 
hebben  gearbeide  In  der  kerken,  vnd  dar  In  gebuwet,  11  vnderslege  dar  de 
bone  vppe  licht  vnd  I  prichen . . . .'  1585  wurde  «de  dope'  umgesetzt,  und  es 
wurden  zwei  «kelekdoke*  für  einen  halben  Gulden  gekauft.  1589  erhält  der  Maler- 
meister Haus  Getelde  60  Gulden.  1596  wird  ein  zerbrochener  Kelch  neu 
«auszpolirt*  und  1598  eine  Thür  vor  dem  Predigtstuhl  angelegt.  1632  musste 
der  Gottesdienst  der  Unsicherheit  wegen  im  benachbarten  Dollbergen  abgehalten 
werden.  1641  um  Pfingsten  wurde  der  Ort  von  schwedischem  Kriegsvolk  über- 
fallen; viele  Bewohner  wurden  getötet,  der  Gotteskasten  beraubt,  das  Getreide 
verdorben  und  die  Felder  verwüstet.  Wer  mit  dem  Leben  davon  kam,  liess 
seine  Habe  im  Stich  und  floh.  Im  Jahre  1688  wurde  die  dem  heiligen  Martin 
geweihte  Kirche  an  der  Südseite  um  13  Fuss  in  der  Breite  erweitert.  Der 
Anbau  wurde  an  die  Südseite  des  Thurmes  angelehnt.     Zugleich  wurde  eine 

3  bis  4  Fuss  betragende  Erhöhung  vorgenommen.  Mehrere  Jahre  darnach  erhielt 
die  Kirche  ihre  erste  Orgel.  1691  wurde  das  Gotteshaus  erbrochen  und  der 
Altargeräthe  beraubt.  Trotz  des  kurz  voraufgegangenen  Umbaus  vermochte  die 
Kirche,  wie  eine  1706  durch  Einschneiden  kassierte  Urkunde  ausweist,  dem 
Herzog  Georg  Wilhelm  von  Braunschweig  und  Lüneburg  im  Jahre  1697  550  Thaler 
vorzustrecken.  Kurz  vor  dem  Tode  des  Joachim  Elias  Fricke,  1696—1723, 
vnirde  in  Sievershausen  eine  Superintendentur  errichtet  und  Fricke  zum  Super- 
intendenten ernannt.  Dieser  machte  sich  um  die  Ausstattung  des  Inneren  der 
Kirche  sehr  verdient.  Er  schenkte  derselben  eine  silbervergoldete  Hostiendose, 
einen  kleinen,  silbervergoldeten  Abendmahlskelch,  einen  Klingebeutel  und  anderes 
mehr.  1814  wurde  eine  zweite  Predigerstelle  geschaffen.  1819  fand  abermals 
eine  Vergrösserung  des  Kirchengebäudes  statt.  Sie  bestand  in  einer  Verlängerung 
nach  Osten.  Die  Kosten  wurden  theils  aus  dem  Kirchenärar,  theils  durch  eine 
doppelte  Kirchenvorrathskollekte  und  endlich  durch  einen  Zuschuss  von  600  rthlr. 
auis  dem  Vermögen  der  Kapelle  zu  Arpke  aufgebracht.  Die  innere  Ausstattung 
vnirde  eine  völlig  andere.  Es  wurden  eine  neue  Kanzel,  ein  neuer  Altar  und 
eine  neue  Orgel  aufgestellt.  Die  Kanzel,  bisher  an  der  Nordseite  der  Kirche, 
wurde  nun  über  dem  Altar  an  die  Altarwand  geheftet;  der  Taufstein,  bislang 
vom  auf  dem  C!hore  stehend,  wurde  entfernt  und  letzterer  auf  beiden  Seiten 
mit  Kirchenstühlen  besetzt.  Die  Orgel,  welche  ihren  Platz  an  der  Südseite  der 
Kirche,  der  Kanzel  gegenüber,  gehabt,  wurde  an  die  Westseite  unter  den  Thurm 

12» 


-^    92    8^ 


Beschreibung. 
Schiff. 


verlegt.  Die  Leichensteine  der  Pastöre  und  ihrer  Angehörigen  fanden  als  Tritl- 
und  Pflastersteine  Verwendung.  Zu  den  Zeiten  des  Superintendenten  Johann 
Andreas  Freytag,  1854 — 1876,  wurde  das  Innere  der  Kirche  neu  vermalt,  die 
jetzige  Thurmspitze  gebaut,  sowie  eine  neue  Thürmuhr  und  eine  Schlagglocke 
angeschafft,  endlich  1877  ein  neuer  Glockenstuhl  gebaut. 

Hier,  zwischen  Sievershausen  und  Arpke,  fand  am  9.  Juli  1553  »auff 
grauer  heidt  im  freyen  feldt"  die  berühmte  Sievershäuser  Schlacht  statt 
Markgraf  Albrecht  von  Brandenburg-Kulmbach  focht  gegen  den  Churiursten 
Moritz  von  Sachsen,  auf  dessen  Seite  Herzog  Heinrich  der  Jüngere  von  Braun- 
schweig-Wolfenbüttel  mit  seinen  Söhnen  Philipp  Magnus  und  Karl  Victor,  sowie 
Herzog  Friedrich  von  Lüneburg,  Herzog  Ernsts  Sohn,  kämpften.  Der  Markgraf 
wurde  geschlagen,  doch  war  der  Sieg  theuer  erkauft.  Philipp  Magnus  und  Karl 
Victor  fielen  im  Kampf.  Der  Ghurfürst  Moritz  starb  zwei  Tage  nach  der  Schlacht, 
Herzog  Friedrich  elf  Tage  darnach.  4038  Mann  bedeckten  tot  die  Wahlstatt; 
4  Fürsten,  9  Grafen,  300  vom  Adel  (darunter  Just  Hake)  lagen  auf  beiden 
Seiten  erschlagen.  Des  Churfürsten  Eingeweide  wurden  unter  dem  Taufstein 
in  der  Kirche  eingesenkt,  der  Körper  in  der  Domkirche  zu  Freiberg  in  Sachsen 
bestattet.  Neun  Gefallene  vom  Adel  wurden  in  der  Kirche  begraben.  Der 
Pastor  Vincentius  Harden  dichtete  ein  Lied  auf  die  Schlacht,  der  Pastor 
Conrad  Breiger,  ein  wohlhabender  Mann,  wird  das  Bild  haben  anfertigen  lassen. 
Es  ist  von  einem  tüchtigen  Maler  gefertigt.  Links  im  Vordergrunde  ist  Arpke 
angedeutet,  rechts  sieht  man  die  Kirche  und  einige  Häuser  von  Sievershausen. 
Dazwischen  wüthet  der  Kampf.  In  der  Mitte  des  Vordergrundes  ficht  Karl  Victor; 
sein  Bruder  Philipp  Magnus  liegt  tot  am  Boden;  Friedrich  von  Lüneburg  sinkt 
tötlich  getroffen  vom  Pferde.  Das  Gemälde  hing  früher  rechts  von  der  Kirchthür 
an  der  Südseite  des  Schiffes.  1819  wurde  es  hinter  der  Kanzel  an  der  Mauer 
aufgehängt.     1825  und  1853  wurde  es  vom  Schmutz  gesäubert. 

Die  Kirche  besteht  aus  dem  Schiff,  einer  kleinen  Sakristei  im  Osten  und 
einem  Westthurm. 

Das  als  Saalkirche  ausgebildete,  mit  einer  geputzten,  bogenförmigen 
Holzdecke  überspannte,  massive  Schiff  hat  hölzerne  Emporen  an  der  Süd-, 
Nord-  und  Westseite  und  ist  im  östlichen  Theile  um  eine  Stufe  erhöht.  Fenster 
und  Thüren  sind  geradlinig  geschlossen,  die  Strebepfeiler  mit  Sandsteinplatten 
abgedeckt.  Das  im  Osten  abgewalmte  Satteldach  hat  Pfannendeckung.  Die 
ganze  Kirche  ist  aussen  geputzt.  Drei  Inschrifttafeln  sind  aussen  in  die  Süd- 
wand eingelassen;  diejenige  an  der  östlichen  Ecke  lautet: 

Vergrössert 

und 

neu  ausgebauet 

1819 

V.  During,  Drost 

Walbaum,  Superintend 

Thöri  Pastor 

Plate  und  Niewerth 

Juraten. 


-*-g    93    »-*- 

Auf  der  mittleren  ist  zu  lesen: 

De  slacht  •  twisken  •  MavriÜo  -H-v.  C-z-S-H-H-z-B-v-L-  vnd 
Alberto  ■  Marcbgrav  z  ■  N  •  Twisken   Arpke   vnd  Sivershavsen  den 
IX  Jvli  ■  Anno  ■  1553  ■  gescehen. 
Die  westliche  Tafel  ist  über  der  mit  einer  Hohlkehle  profilierten,  Spitz- 
bergen Thür  eingemauert.     Diese  ThAre  führt  in  einen  Raum,  durch  welchen 
das  Schiff,  sowie  auch  der  Thurm  betreten  werden  kann.    In  die  Tafel  ist  die 
Inschrift  eingenieissett: 


-^                                 D-O-M. 

'i                        P-Q  Suo  ChrisUano 

sub 

Ser .  "">  Regimine 

t                           Georg  II  Gvilielmi 

Ducis  Bruns  ■  et  ■  Lüneb 

Aedes  haec 

1                            Denuo  exstruda 

Opus  ctirante 

Guslavo  Molano 

Superint 

et 
M  ■  Johanne  Valenkamp 
MD-GXXCVIÜ- 
Der  viereckige,  massive,  an  der   Tharm. 
nordwestlichen  Ecke  stehende,  auf  der 
Siüd-   und  Ostseite  eingebaute  Thurm 
hat   in  neuerer  Zeit  einen  Backstein- 
aufbau  erhalten.   Innen  in  der  Ostwand 
ist  eine  grosse,  jetzt  zugemauerte,  mit 
Sandsleinen     überwölbte,     halbkreis- 
förmige  OefTnung  sichtbar.     Eine  mit 
vortretenden  Kämpfersteinen  —  Platte 
und    Wulst    —    versehene,    in    einer 
halbkreisfürmigen  Bogennische  liegende. 
Flg.  SS.  Kirch«  In  Bi6TM.h»u«Di  Thür.        Aachbogig  Überwölbte  Thür    befindet 
sich    in    der    südlichen    Thurmwand 
(Fig.  23).    West-,  Süd-  und  Nordseite  haben  je  zwei  spilzbogige,  hoblgekehlle 
Schallöffnungen. 

Die  in  den  Formen  des   Klassizismus  ausgeführte  hölzerne  Altarwand    Altar. 
mit  zwei  seitlichen  Durchgängen  stammt  aus  dem  Anfange  des  X(X.  Jahrhunderts. 

Zwei  schwere  Altarleuchter  aus  Bronze  haben  Inschriften  am  Fusse  und    Altarlcnchter. 
einen  walzenförmigen  Schalt. 

Die  Inschrift  des  ersten  lautet: 

D  Zv  •  der  •  Ehre  ■  Gottes  -  hat  ■  Hinrich  ■  Altena  ■  diese  ■  Levchter  •  in  • 
die  •  Kirche  ■  zv  ■  Sivershvsen  ■  verehrt  ■  Anno  1  -  6  ■  28  ■ 
Die  Inschrift  des  zweiten  Leuchters  nennt  denselben  Stifter. 


-'1 


I 


-•-8    94    g^ 

Gemälde.  Das  auf  Holz  angefertigte  Gemälde  der  Schlacht  bei  Sievershausen  hat 

folgende  Ueb^rschrift: 

Die 

Schlachtung  für 

Sievershausen  gehalten, 

Anno  Quisti,  1553 :  d.  9  Julii. 

Darunter  befindet  sich  eine  Erklärung  der  Standorte  der  Streitenden. 

Die  Unterschrift  lautet: 

I  Sic  Sigfridhusi  pugnatum  est  acriter  olim, 

Annos  nosse  LIbet  Dat  tibi  penta  Meter 

Gadmeam  hanc  dixis  pugnam :  Victoribus  illa 

Scilicet  et  victis  exitiosa  fuit: 

I  Ensifer  elector  globulo  Mairitius  actus 

I  Huius  in  aediculae  viscera  misit  humum. 

\  Magne  Philippe  et  Garole  victor  et  o  Friderice 

ßrunonum  et  Lunae  sanguis  avite  ducum, 

Vos  hanc  heroo  decorastis  sanguine  arenam 

Vobiscumque  pari  sorte  novem  comites 

Trecentum  cum  quinquaginta  nobilis  ortus 

Sed  de  plebe  cadunt  milia  qiiiinque  virum 

Marchiadum  Albertus,  vivus  sed  victus  abivit 

Pluribus  exque  suis  triste  valere  dedit. 

i  Gonr: Breiger  P.S. 

In  der  zweiten  Zeile  geben  die  grossen  Buchstaben  als  Zahlen  betrachtet 

zusammen  die  Jahreszahl  1553. 


f 


S  t  (B  i  n  w^  e  d  e  L 

Kirche. 

Litteratnr:  Doebner  I;  Sudendorf;  Lüntzel,  die  ältere  DiOcese  Hildesheim; 
Begenten  -  Sahl  1698;  Braunschweigische  Anzeigen  1751;  Manecke  II;  Havemann; 
Bertram,  Geschichte  des  Bisthnms  Hildesheim  I;  von  Hodenberg,  Pagos  Flutwide,  Lenthe's 
Archiv  VI;  BOttger,  Diöcesan-  und  Gau -Grenzen;  Eayser,  Kirchenvisitationen  1897; 
Mithoff,  Kunstdenkmale  lY;  derselbe,  Kirchenbeschreibungen;  Neues  vaterl.  Archiv  1828; 
Uhlhom,  die  Kirche  in  Kirchhorst  und  ihre  Kunstdenkmäler,  Zeitschr.  d.  hist  Yer.  ftir 
Nieders.  1899. 

Quellen:  Urkunden  und  Akten  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  Pfarrbuch 
in  Steinwedel;  Yerzeichniss  der  kirchlichen  Kunstdenkmäler  von  1896. 


Geschichte.  Das  an  der  Aue  belegene  Dorf  gehörte  ehedem  zum  Archidiakonat 

Sievershausen  und  zum  Pagus  Flutwide.  Das  Patronatsrecht  übte  bis  zu  seiner 
Aufhebung  das  Michaeliskloster  zu  Hildesheim  aus.  Diesem  stand  auch  die 
halbe  Untervogtei  zu,  und  es  liess  alle  Jahre  vor  des  Klosters  Hofe  ein  Gericht 


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-•-8    95    «H^- 

haltea  Nach  Böttger  kommt  der  Ort  bereits  1022  vor.  Es  war  dahin  vormals 
die  der  heiligen  Maria  Magdalena  gewidmete  Kapelle,  welche  zur  Burg  der 
1282  ausgestorbenen  Edlen  Herren  von  Depenau  gehörte,  eingepfarrt.  Das 
Patronat  derselben  stand  ebenfalls  dem  Kloster  zu.  Die  Emkünfte  der  Kapelle 
wurden  «bey  der  Ruinirung'  zur  Steinwedeischen  Kirche  geschlagen.  In  dem 
Güterverzeichm'ss  des  Klosters  aus  dem  XIV.  Jahrhundert  heisst  es :  .Beneficium 
altaris  s.  M.  M.  in  Depenaw  et  spectat  ad  ecclesiam  in  Steenwedel".  1302  erklärt  der 
Bischof  Siegfried  von  Hildesheim,  dass  er  den  zwischen  ihm  und  dem  Abt  des 
Ifichaelisklosters  wegen  des  Patronatsrechtes  über  die  Kirche  in  ^Eveningherode* 
(Everode)  bei  Winzenburg  bestehenden  Streit  dahin  beigelegt  habe,  dass  der  Abt 
und  der  Konvent  des  Klosters  auf  dieses  Recht  gegen  Uebertragung  des  Patronats- 
rechtes über  dieKuxhe  zu  «Stenwede*  zu  des  Bischofs  Gunsten  verzichten.  1306 
verkaufen  die  Gebrüder  Ekbert  und  Hermann,  genannt  von  Wolfenbüttel  («dicti 
de  Wlflebutle*),  dem  Kloster  das  Dorf  —  «proprietatem  ville  cuiusdam  dicte 
Stenwede*.  In  diesem  und  dem  darauf  folgenden  Jahre  begegnet  Dietrich  als 
«plebanus  in  Stenwede*.  Bereits  1320  werden  Gross-  und  Klein-Sleinwedei 
unterschieden.  1352  löst  der  Bischof  Heinrich  die  Kapelle  in  «Lerethe*  aus  dem 
Parochialverbande  der  Earche  in  «Stenwede*  (siehe  Lehrte).  Der  Ueberlieferung  zu 
Folge  trennten  sich  im  Jahre  1355  Immensen  (siehe  dieses),  Stemwedel  und  Aligse 
von  Burgdorf,  gaben  für  die  Goncession  3  halbe  Mark  löthigen  Silbers  und 
bauten  ihre  Kirche  zu  Stemwedel.  Zu  ihren  Schutzpatronen  wählten  sie  die 
Heiligen  Nicoläus  und  Petrus.  Da  die  Kirche  aber  bereits  1302  genannt  wird, 
so  kann  die  Zahl  1355  nur  mit  Vorbehalt  aufgenommen  werden.  1494  wurde 
einem  Aktenstück  zu  Folge  das  vor  der  1627  zerstörten  Kirche  bestehende 
Gotteshaus  gebaut  und  dem  Apostel  Petrus  geweiht.  Dass  sich  diese  Notiz 
nur  auf  einen  Umbau  oder  Neubau  der  früheren  Kirche  (siehe  oben)  beziehen 
kann,  dürfte  aus  den  angeführten  Nachrichten  zur  Genüge  hervorgehen. 

1543  werden  im  Visitationsprotokoll  aufgefiUirt:  .Glenodia  :  III  Silb. 
kilcfae  mit  den  patenen  vorgult.  1  Miszegewand  mit  seiner  zubehörung*. 
1627  wurde  die  Slirche  von  den  Soldaten  Tilly's  in  Brand  gesteckt  und  in  Asche 
gelegt.  1662  wurde  sie  wieder  aufgebaut,  doch  blieb  der  Thurm  baufällig. 
Die  Zahl  1662  befindet  sich  sowohl  in  der  alten  Wetterfahne^  welche  früher 
auf  dem  Thurme  stand,  als  auch  an  diesem  selbst  im  Thürsturz.  1651  schenkten 
die  Aelterleute  der  Immensener  Kapelle  der  Kirche  zu  Steinwedel  auf  Bitten  des 
Pastors  zum  Deckel  über  dem  Predigtstuhl  18  Gulden  .wiewol  er  das  Geldt 
nimmermehr  werth  ist*.  1656  wurde  durch  «Hennig  Lampe  und  Jacob  Körber 
in  Hildesheim '  eine  Glocke  gegossen.  Das  neugebaute  Gotteshaus  war  sehr  klein, 
etwa  zwanzig  Fuss  breit  und  vierundvierzig  Fuss  bis  an  den  Thurm  lang  und  hatte 
nur  vier  Fenster.  1751  wurde  das  Schiff  abgerissen  und  in  den  Jahren  1752/53  vom 
KgL  Festungs-Mauermeister  Lippold  zu  Hannover  neu  gebaut ;  der  Thurm  wurde 
beibehalten.  Der  Altar  mit  eingebauter  Kanzel  nebst  Schalldeckel  zum  neuen 
Gotteshause  wurde  vom  Tischlermeister  Rühring  und  dem  Mahler  Henning 
Jäger  aus  Gelle  verfertigt.    Es  wurde  der  Altar  in  der  Neuenh&user  Kirche  vor 

• 

Gelle  zum  Modell  genommen.    1753  wurde  die  Kirche  geweiht.    1768  lieferte 
der  Orgelbauer  Johann  Andreas  Zuberbier  aus  Hannover,  thätig  in  Obem-Kirchen, 


-^    96    8^ 


Beschreibung. 
Schiff. 


Thurm. 


Altar. 
Kanzel. 


Altarleuchter. 
Glocke. 

Grabmal. 


Grabsteine. 


Taufstein. 


eine  neue  Otgel.    In  einer  Akte  vom  Jahre  1831  wird  die  Kirche  zu  Steinwedel 
als  unvermögend,  dagegen  die  Kapelle  zu  Immensen  als  sehr  bemittelt  hingestellt. 

Das  Bauwerk  besteht  aus  Schiff  und  Westthurm. 

Das  mit  gefastem  Sandsteinsockel,  Eckquadern  und  hölzernem  Haupt- 
gesims versehene,  geputzte  Schiff  hat  ein  im  Osten  abgewalmtes  Satteldach. 
Das  Innere  ist  als  Saalkirche  ausgebildet  und  durch  eine  bogenförmige,  geputzte 
Holzdecke  abgeschlossen,  in  welche  auf  jeder  Langseite  drei  Dachgauben 
einschneiden.  Einfache  Emporen  aus  Holz  befinden  sich  auf  der  West-  und 
theilweise  auf  der  Süd-  und  Nordseite.  Zehn  mit  glatten  Sandsteingewänden 
eingefasste,  rechteckige  Fenster  und  zwei  halbkreisförmig  überwölbte  Eingangs- 
thüren  mit  vortretenden  Sockel-,  Kämpfer-  und  Schlusssteinen  sind  in  den 
beiden  Langseiten  angeordnet.  Eine  kleinere  Eingangsthür  an  der  Ostseite 
hat  dieselbe  Construction.   In  der  Wetterfahne  auf  dem  Schiff  steht  die  Inschrift: 

A.  F. 

1662. 

Der  geputzte,   viereckige,  massive  Thurm  ist  durch  eine  mit  gefastem 

Sandsteingewände   eingefasste  Thür   im  Westen   zugänglich;  im   geraden  Sturz 

ist  zu  lesen: 

Renovalum.  Aö.  MDCLXII. 

Einige  kleinere  Fenster  auf  der  Süd-  und  Nordseite  zeigen  dieselbe 
Ausführung  wie  die  Eingangsthür.  Innen  in  der  Ostwand  ist  eine  grosse,  jetzt 
zugemauerte,  spitzbogige  Oeffnung  sichtbar. 

Altarwand  und  Kanzel  sind  mit  einander  verbunden  und  stammen  aus 
der  Mitte  des  XVIII.  Jahrhunderts.  Der  Aufbau  des  Altars  besteht  aus  zwei 
seitlichen,  glatten  Säulen,  welche  ein  verkröpftes  Gebälk  tragen.  Auf  dem 
Schalldeckel  ist  ein  Crucifixus  angebracht. 

Zwei  schöne  Altarleuchter  aus  Bronze  zeigen  die  spätgothische  Auffassung. 

Die  1,11  m  im  Durchmesser  grosse  Glocke  ist  von  G.  A.  Becker  im 
Jahre  1802  in  Hildesheim  gegossen. 

Das  einfache  Grabmal  des  Andreas  Francke  und  seiner  Gemahlin 
Elisabetha  Artmans,  gestorben  1689;  ist  aussen  in  die  Ostwand  des  Schififes 
eingemauert.  Ueber  der  Inschrift  sind  die  beiden  Wappen,  seitwärts  davon 
Ornamente  und  darunter  zwei  Bibelsprüche  angebracht. 

« 

Von  den  Grabsteinen  stehen  derjenige  der  Dorothea  Elisabeth  Dohrs, 
geboren  1737,  und  derjenige  des  Barteidt  Köneckeir,  gestorben  1740,  auf  dem 
alten  Kirchhofe;  der  Grabstein  der  Geese  Buchholtz,  gestorben  1725,  und  ihres 
Mannes,  des  Küsters  Johannes  Götting,  gestorben  1734,  ist  in  die  Ostwand  des 
Schiffes  eingelassen  und  von  dem  Meister  Anton  Höyer  verfertigt. 

Ein  im  Pfarrgarten  aufgestelltes,  mit  Ornamenten  verziertes  Taufbecken 
aus  Sandstein  ruht  auf  einem  sechseckigen,  mit  Köpfen  versehenen  Schaft  und 
hat  die  Inschrift: 

Wer  gelvbt  vnd  sich  tavfen  let  sol  d  durch  sei  •  wer  Anno  1636. 


-•-8    97    8«^- 

U  e  t  z  e. 

Kirche.    Herrenhans. 

Litteratnr:  Origines  Guelficae;  Meriaa;  Janicke;  Doebner  III;  von  Hoden- 
bergy  Calenberger  Urkundenbuch  VI;  derselbe,  Hoyer  Urkandenbuch;  derselbe,  LUne- 
bnrger  Lehnregister;  derselbe,  Pagns  Flutwlde,  Lenthe^s  Archiv  VI;  Sudendorf;  Vogell, 
Geschlechtsgeschichte  der  von  Schwicheldt  1828,  Urkundensammlung;  Gmpen,  Origines 
et  Antiqnitates  Hanoverenses;  Urkundenbuch  der  Stadt  Hannover;  Lttntzel,  die  ältere- 
DiOcese  Hildesheim;  Begenten-Sahl  1698;  Havemann;  Maneckell;  Bertram,  Geschichte  des 
Bisthums  Hildesheim  I;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897;  Schulze,  Geschichtliches  aus  dem 
Lttneburgischen ;  Böttger,  DiOcesan-  und  Gau-Grenzen;  Mithoff,  Kunstdenkmale IV;  derselbe, 
Kirehenbeschreibungen;  Lütkemann,  Uetze  1898;  Zeitschr.  d.  bist  Yer.  f.  Nieders.  1864. 

Ueber  die  Familie  siehe  von  Meding,  Nachrichten  von  adelichen  Wapen  I  und 
die  einschlägigen  Begister. 

Quellen:  Urkunden  und  Akten  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover. 


Uetze  gehörte  vormals  zum  Archidiakonat  Sievershausen  und  zum  Geschichte. 
Pägus  Flutwide.  Es  ist  an  der  Fuhse  belegen,  welche  den  Vorort  »der  Damm' 
genannt,  vom  eigentlichen  Orte  trennt.  Gemäss  einer  dem  Anfange  des 
Xn.  Jahrhunderts  angehörenden  Urkunde  hatte  das  Michaeliskloster  Besitzungen 
(predia)  in  «Utisson',  belegen  «in  pago  Flutwidde  in  prefectura  Thammonis*. 
Ein  Gotteshaus  muss  hier  schon  frQh  bestanden  haben.  In  einer  am  15.  August 
1215  zu  Brocke!  ausgestellten  Urkunde  des  Bischofs  Hartbert  ist  ein  «Conradus 
sacerdos  de  Uttessem'  Zeuge.  Der  Ort  hat  seinen  Namen  von  dem  Gute  derer 
von  Uttensen,  welche  nebst  dem  Gute  das  Dorf  mit  den  Niedergerichten, 
Zehnten  und  dem  Pfarrpatronat  vom  Hildesheimschen  Stift  zu  Lehen  trugen 
und  auch  die  Stifter  der  Kirche  gewesen  sein  werden.  Der  ftltest  Bekannte 
dieses  Geschlechtes  dürfte  der  Ministeriale  Erewicus  de  Utissen  oder  Harwicus 
de  Vtesseim  sein,  welcher  1203  zweimal  in  Urkunden  begegnet.  Auch  1218  kommt 
ein  Herwicus  de  Uttensen  und  zwar  im  Gefolge  Kaiser  Otto's  IV.  vor.  Die  Besitzer 
des  Gutes  wechselten  mehrfach,  bis  Herzog  August  dasselbe  1636  den  1625  vom 
Kaiser  Ferdinand  geadelten  Herren  von  Lüneburg  vermachte.  Die  Gutsherren  waren 
zugleich  Patrone.  1331  ist  «Johannes  plebanus  in  Utze*  Zeuge.  1357  erhalten 
Heinrich  und  Hans  von  Schwicheldt  vom  Bischof  Heinrich  ,den  meyerhoff  to 
Ytze  enem  hoff  darsulves  de  os  los  ward  van  hem  Frederike  Reghem'  zu 
Lehen.  1434  erklfirt  Herwich  van  Ytze,  Sohn  Herwich's,  vom  Bischof  Magnus 
den  ySedelhoff  to  Ytze  mit  allen  synen  tobehoringen  den  tegeden  vnde  ok  dat 
kerklen  to  Ytze'  als  Lehen  empfangen  zu  haben.  1480  giebt  Hartmann  von 
HQdenqrm,  Bürger  zu  Braunschweig,  kund,  dass  er  und  seine  Gattin  Hflborch 
«eyne  wisch  in  de  karken  to  Ytze*  nach  ihrem  Tode  gegeben  haben  und  zwar- 
Gott,  Haria.  und  St.  Johannes.  1482  überlassm  Jasper  von  Uetze,  Hartwig's 
Sohn,  und  seine  Gattin  Margaretha  den  Dorfzehnten  mit  Einwilligung  des  Bischofs 
Berthold  fKr  1000  Gulden  an  Heinrich,  Otto  und  Lambert  von  Dageförde 
wiederkAuflich,.  und  diese  haben  ihn  1487  an  Ernst  von  Bothmer  für  eine 
gleiche  Summe  abgetreten,  welch  letzterer'  1491  ausserdem  noch  den  halben 

18 


-^    98    8^ 

Gogräfenbof  von  Jasper  kaufte.  1503  aber  hat  Heinrich  der  Jüngere  den 
Heinrich  Haverbier  mit  diesen  Gütern  belehnt.  1515  wurde  der  Ort  von  einem 
schweren  Brandunglück  betroffen;  88  Gebäude,  darunter  44  Wohnhäuser,  sanken 
in  Trümmer.  1545  wurde  der  Ort  bis  auf  vier  Häuser  eingeäschert.  1550  vnirden 
Schiff  und  Thurm  neu  eingedeckt.  1553  werden  zwei  zinnerne  Weinflaschen 
für  zweieinhalb  Gulden  acht  Mariengroschen  gekauft.  Dieses  Jahr  sollte  für  die 
Kirche  sehr  verhängnissvoll  werden.  Sie  wurde  von  den  Knechten  Herz(% 
Heinrich's  von  Braunschweig  »Do  de  slacht  vor  Syuershusen  geschacgh' 
„gebracken  vnde  berouet*,  die  Altarkiste  erbrochen  und  die  Kelche  sowie  der 
übrige  Inhalt  geraubt.  1554  lassen  , Vincenzius  Klumper  phemer^  und  die  Aelter- 
leute  Tyle  Sandtman  und  Hans  Wreden  für  fünf  Gulden  einen  Kelch  sowie  eine 
Schale,  «dar  men  mede  tho  den  krancken  ghet',  für  einen  halben  Gulden  einen 
Ort,  beides  „van  Gontrofyn'  machen.  In  diesem  Jahre  war  Jürgen  Schrader 
Vogt  zu  üetze;  er  starb  1563.  Der  Vogteibezirk  umfasste  die  Kirchspiele  üetze, 
Hänigsen  und  Sievershausen.  1562  wurde  ein  »Szeyerhus*  (Glockenthurm) 
gebaut.    Der  „Seyer"  (Schlaguhr)  kam  1563  nach  üetze  und  kostete  52^  Gulden 

1  Mariengroschen.  1565  finden  wir  25  Mariengroschen  verzeichnet  »vor  eynen 
Essschen  bluck  tho  snidende  tho  den  predyckstole* ;  1568  „1  daller  vor  de 
stole  vp  dat  khor  vor  de  langen  vnde  hynder  de  dopke  vnde  an  der  wandt". 
Im  gleichen  Jahre  wurde  eine  neue  Prieche  gebaut,  welche  mit  Schnitzereien 
versehen  wurde.  Ferner  wurden  ausgegeben  25  Mariengroschen  »vor  dat  venster 
tho  houwen  dorch  de  muren  vnde  wedder  tho  slychten*.  1585  werden  Gewölbe 
angelegt.  1586  brannte  der  halbe  Ort  sammt  dem  Vogteigebäude  nieder.  Nach 
der  Ausgabe  vom  Jahre  1613  hatte  die  Kirche  zwei  Glocken.  1615  verehrt 
Heinrich  Salder  einen  sammeten  Klingebeutel  mit  einem  silbernen  Glöcklein. 
1617  wurde  der  Thurm  ausgebessert,  wozu  1000  breite  Dachsteine  verwendet 
wurden.  1626  raffte  die  Pest  366  Menschen  dahin;  durch  eine  Feuersbrunst 
wurden  5  Häuser  zerstört.  1657  wurde  ein  neuer  Thurm  gebaut.  1687  bittet 
die  Gemeinde  um  Holz  zum  Bau  ihres  Kirchthurmes,  welcher  einen  gänzlichen 
Niederfall  drohe,  da  die  Mauer  von  oben  nach  unten  mittendurch  gebrochen 
sei.    Am  9.  April  1695  wurde  der  Ort  Marktflecken. 

Das  Jahr  1734  bringt  eme  Beschreibung  des  Gotteshauses,  welche  bei 
Lütkemann  wiedergegeben  ist. 

1782  sujGbte  abermals  ein  Brandunglück  den  Ort  heim.  17  Wohnhäuser 
fielen  den  Flammen  zur  Beute.  1816  genehmigt  das  K]gl.  Kabinetsministerium 
den  Bau  einer  neuen  Orgel.  1837  wurde  ein  neues  Gotteshaus  nach  dem  Plan 
des  Baumeisters  Hellner  gebaut.  Das  Gewölbe  der  Familie  von  Hasthausen, 
von  welcher  die  Kirche  eiü  L^at  besass,  wurde  nach  dem  Abbruch  der  Kirche 
repariert.  Der  massive  Thurm  der  alten  Kirche  wurde  beibehalten  und 
restauriert.  Doch  sollte  dieses  Gotteshaus  keinen  langen  Bestand  haben.  Am 
21.  April  1863  brach  ein  furchtbares  Brandunglück  über  den  Ort  herein.  Die 
Kirche,    84  Wohngebäude   und  25  Nebengebäude,    darunter    die  Pfarre  und 

2  Schulhäuser,  brannten  nieder.  Der  Kirchthurm  stürzte  in  sich  zusanmien. 
Eine  kleine  silbervergoldete  Kanne  mit  der  Inschrift  ^Hildebrandt  Von  Saliern  1655* 
und  ein ,  kleiner  silberner  Kelch  mit  dem  Namen  und  Wappen  Friedrich's  von 


-^    99    8^ 

Lüneburg  kamen  bei  dem  Brande  mit  dem  übrigen  Inhalt  um.  Die  jetzige 
Kirche  wurde  mit  Benutzung  der  stehengebliebenen  Seitenmauem  nach  dem 
Plane  Hase's  gebaut  und  1867  geweiht. 

üetze  hat  bis  1852  zum  Amt  Meinersen  gehört,  um  erst  dann  dem 
Amte  Burgdorf  zugetheilt  zu  werden. 

•   In  die  südliche  Aussenwand  ist  ein  Wappenstein  über  dem  Eingange    Kirche, 
zum  Grabgewölbe  eingelassen,  welcher  die  Bezeichnung  trägt: 

Agnesa  Juliana  von  Lüneburgen. 

Das  einfache,  jetzt  geputzte,  aus  Fachwerk  errichtete  Herrenhaus  bietet    Herrenhaus, 
nichts  Bemerkenswerthes. 


We  1 1  m  a  ?• 

Kirche. 

Litteratar:  Sudendorf;  Urknndenbuch  der  Stadt  Hannover;  LUntzel,  die  ältere 
Diöcese  Hildesheim;  Regenten -Sah!  1698;  Manecke  II;  von  Hodenberg,  Pagus  Fiutwide, 
Lenthe^s  Archiv  VI;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897;  Böttger,  Diöcesan-  und  Gau- 
Grenzen;  Bertram,  Geschichte  des  Bisthums  Hildesheim  I;  Holscher,  Beschreibung  des 
Bisthums  Minden;  Mithoff,  Kunstdenkmale  IV;  derselbe,  Kirchenbeschreibungen;  von  Ben- 
nigsen,  Diöcesangrenzen ,  Zeitschr.  d.  hist.  Ver.  f.  Nieders.  1863;  Uhlhorn,  die  Kirche  in 
Kirchhorst  und  ihre  Kunstdenkmftler,  ebendort  1899;  Neues  vaterl.  Archiv  1823,  331. 

Quellen:  Urkunde  und  Akte  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover. 


\T  ettraar  gehörte  vormals  zum  Archidiakonat  Sievershausen  und  ist 
im  Pagus  Flutwide  belegen.  Nach  Böttger  kommt  es  bereits  1022  als  , Wethmer" 
vor.  In  dem  älteren  Zehnt-,  Geld-  und  Fruchtregister  des  Klosters  Wienhausen 
vom  Ende  des  XHI.  Jahrhunderts  findet  sich  der  Ort  als  «Wetemere'',  vom 
Glossist  des  XIV.  Jahrhunderts  zu  ,Broch  oder  Borch'  gerechnet.  1307  am 
St.  Katharinentage  kauften  sich  die  Dorfschaften  Wettmar,  Thönse  und  Engensen 
um  50  Pfund  Hildesheimscher  Münze  von  der  Kirche  zu  Burgdorf  los  und 
erbauten  sich  eine  dem  heiligen  Magnus  geweihte  Kirche  zu  Wettmar.  1361  verkauft 
Aschwin  von  Alten  »to  Wetemer  enen  hof*.  Am  24.  Juni  1850  brannte  das 
Dorf  zur  Hälfte  nieder,  wobei  auch  die  Kirche  und  der  Thurm  ein  Raub  der 
Flammen  wurden.   Der  neue  Bau  wurde  nach  Hase*s  Entwurf  1855  vollendet. 

1365  b^egnet  ,ver  Alheyd  Ekhardes  wedewe  van  Wetmere*.  Ein 
Echardus  de  Wetemere  wurde  nach  dem  Bürgerbuche  1327  oder  1332  Bürger 
zu  Hannover. 

Auf  dem  Kirchhofe  befindet  sich  ein  beschädigter  Grabstein  der  1672   Grabstein. 
gestorbenen  Geese  Behren.    In  einer  Bogexuaische  ist  Christus  über  den  Wolken 
mit  erhobener  Rechten  und  der  Weltkugel  in  der  Linken  dargestellt,   darunter 
die  Familie. 


f 


13* 


J 


Der  Kreis  Pallingbostel. 


Einleitung. 


^er  Kreis  Fallingbostel,  ein  TheO  der  Lüneburger  Haide,  wird  im  Westen 
von  den  Regierungsbezirken  Hannover  und  Stade^  im  Norden  und  Nord- 
osten vom  Kreis  Soltau,  im  Osten  vom  Kreis  Celle  und  im  Süden  vom 
Kreis  Burgdorf  begrenzt.  Er  ist  983,02  qkm  gross  und  setzt  sich  aus  91  Land- 
gemeinden, unter  denen  sich  zwei  StAdte,  zwei  Flecken  und  zwei  selbständige 
Gutsbezirke  befinden^  zusammen.  Er  ist  im  Süden,  der  Marsch-  und  Brucb- 
gegend,  eben  und  flach,  im  Norden  ht^elig,  überall  quellenreich  und  mit 
grösseren  und  kleineren  Wftldem  reichlich  versehen.  Das  Ackerland  ist 
grösstentheils  lehmhaltig.  Torfmoore  sind  allerorts  vorhanden;  genaimt  sei  nur 
das  grosse  Moor  im  Südosten.  Wiesenanlagen  grösseren  Umfangs  sind  in 
neuerer  Zeit  namentlich  an  der  Böhme  entstanden.  Die  Hauptflüsse  sind  die 
AQer  und  Leine,  welche  sich  bei  Eickeloh  vereinigen.  Das  Bett  derselben  hat 
im  Laufe  der  Jahrhunderte  vielfach  Aenderungen  erfahren.  Die  Aller  nimmt 
die  Meisse  und  die  Böhme  auf.  Die  Bevölkerung,  deren  IZahl  sich  auf  rund 
30000  beläuft,  ist  im  Allgemeinen  niedersächsischen  Ursprunges;  doch  ist  hier 
und  dort  eine  Vermischung  mit  anderen  Stämmen,  namentlich  Wenden, 
bemerkbar.  Der  wichtigste  Erwerbszweig  ist  der  Ackerbau.  Die  Viehzucht  ist 
in  gutem  Stande.  An  Fabriken  sind  Gerbereien,  Ziegeleien,  Dampfsägemühlen 
und  in  der  Nähe  von  Walsrode  und  Fallingbostel  Pulvermühlen  vorhanden. 
Windmühlen  wei^den  namentlich  im  Süden  angetroffen.  Als  Hauptverkehrswege 
dienen  die  Chausseen  Walsrode -Verden,  Wiüsrode- Hannover  und  Walsrode- 
Soltau,  sowie  die  in  Fig.  24  angegebenen  Landstrassen.  Die  einzige  Eisen- 
bahnlinie, welche  den  Kreis  durchschneidet,  ist  die  Strecke  Hannover-Soltau, 
von  welcher  die  Strecke  Walsrode -Visselhövede  abzweigt 

Der  Kreis  ist  im  ehemaligen  Fürstenthum  Lüneburg  belegen,  dessen 
Schicksale  er  in  gleicher  Weise  wie  der  Kreis  Burgdorf  theilt.  Nur  die  bis  1859 
zum  Amt  Neustadt  am  Rübenberge  gehörigen  Gemeinden  Nienhagen,  Nord- 
drebber,  Suderbruch  und  von  der  Gemeinde  Gross-Grindau  das  Dorf  Klein- 
Grindau  liegen  im  früheren  Fürstenthum  Calenberg. 


-^    102    8^ 

In  kirchlicher  Hinsicht  gehörte  der  Kreis  zur  Diöcese  Minden;  nur  bei 
Stellichte  greift  er  in  das  Bisthum  Verden  hinüber.  Von  den  in  Betracht 
kommenden  Ortschaften  sind  Gilten,  Suderbruch  und  Norddrebber  im  Archi- 
diakonat  Mandelsloh,  die  übrigen  im  Archidiakonat  Ahlden  belegen.  Der  Gau, 
welchem  der  Kreis  zugetheilt  war,  führt  den  Namen  Loingau. 


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Flg.  24.   Kreis  FallingbosteL 


Der  Kreis,  welcher  der  landschaftlichen  Reize  nicht  entbehrt,  hat  an 
Kunstdenkmälem  nicht  viel  aufzuweisen.  Aus  der  romanischen  Zeit  hat  nur 
der  Thurm  in  Kirchwahlingen  dem  Sturm  der  Zeiten  getrotzt.  Reicher  ist  die 
gothische  Zeit  vertreten,  in  welcher  mehrere  Gotteshäuser  gebaut  wurden 
Von  späteren  Kirchen  ist  die  in  Stellichte  vom  Jahre  1610  wegen  ihrer  fast 
vollständig  noch  erhaltenen  inneren  Ausstattung  besonders  bemerkenswerth. 
Bei  den  Kirchen  in  Dorfmark  und  Fallingbostel  steht  der  Thurm  in  einiger 
Entfernung  von  der  Kirche.    Herrenhäuser  werden  an  vielen  Orten  angetroffen. 


-^    103    8^ 

Berähmt  ist  namentlich  wegen  seiner  Geschichte  das  Schloss  zu  Ahlden.  Reste 
Yon  froheren  Burgen  finden  sich  bei  Ahlden,  Bierde  und  Hudemühlen.  Ältar- 
leuchter  sind  aus  den  Jahren  1594,  1640  und  1722  erhalten;  vielfach  ist  die 
gothische  Form  vertreten.  Zwei  Cruciflxe  in  Walsrode  imd  in  Hudemühlen 
stammen  aus  dem  XV.  Jahrhundert.  Aeltere  Glocken  sind  reichlich  vorhanden. 
Die  zu  Gilten  kann  noch  der  romanischen  Zeit  angehören;  die  Marienglocke  in 
der  Walsroder  Stadtkirche  ist  1437  gegossen.  Gute  Grabsteine  finden  wir  in 
Eirchwahlingen  und  in  Walsrode  vortreffliche  Glasmalereien  aus  dem  Ende 
des  XV.  Jahrhunderts.  Die  Kirche  zu  Düshom  bewahrt  zwei  Figurengruppen 
aus  der  ersten  Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts  auf.  Erwähnt  sei  noch  das  Tauf- 
gefäss  in  Dorfmark  vom  Jahre  1465. 


Ahlden. 

Kirche.    Scbloss. 

Litteratur:  Origines  Guelficae;  Leibniz,  Scriptores  renim  Bransvicensium ; 
von  Hodenberg,  Lttneburger  Urkundenbuch  XV;  derselbe,  Hodenberger  Urkundenbnch; 
derselbe,  Hoyer  Urkundenbuch;  derselbe,  Calenberger  Urkundenbuch  V;  derselbe,  Lttne- 
bnrger  Lehnregister;  Sudendorf;  Urkundenbuch  der  Stadt  Lüneburg  II;  Doebner  II; 
Meinardus,  Urkundenbuch  des  Stiftes  und  der  Stadt  Hameln;  Urkundenbuch  der  Stadt 
Braunschweig  II;  Lüntzel,  die  &ltere  Diöcese  Hildesheim;  Yogell,  Geschlechtsgeschichte 
der  Herten  Behr;  Merian;  Manecke;  Begenten-Sahl  1698;  Pfeffinger,  Historie  II;  Meding, 
Nachrichten  von  adelichen  Wappen  I;  Neues  Hannoversches  Magazin  1806  und  1810; 
Zeitschr.  d.  bist  Yer.  f.  Nieders.  1867  und  1885;  Spilcker,  Geschichte  der  Grafen  y.  Wölpe; 
Koch,  pragmatische  Geschichte  des  Hauses  Braunschweig  und  Lüneburg  1764;  Wipper- 
mann, Bukki-Gau;  Havemann;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897 ;  Böttger,  DiOcesan-  und 
Gau-Grenzen;  Holscher,  Beschreibung  des  Bisthums  Minden;  Görges,  Yaterl&ndische  Ge- 
schichten und  Denkwürdigkeiten  der  Vorzeit  II;  Mithoff,  Kunstdenkmale  I  145  und  lY; 
derselbe,  Kirchenbeschreibnngen ;  Grütter,  Arbeiten  über  den  Loingau,  Hannoy.  Ge- 
schichtsbl.,  3.  Jahrg. 

Quellen:  Urkunden  und  Akten  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover ;  GrUtter^scher 
Nachläse  im  Stadtarchiv  daselbst 

Der  Flecken  Ahlden  lag  Yonnals  hart  an  der  Aller,  bis  diese  sich  1618  Geschichte, 
ein  neues  Bett  suchte.  Der  alte  Lauf  f&hrt  jetzt  den  Namen  .alte  Leine*. 
Der  Bischof  Siward,  1120—1140,  überlfisst  im  Jahre  1140  der  Nonne  Rasmoda 
in  Wunstorf  unter  Anderem  auch  einen  Theil  der  Einkünfte  aus  seinen  Gütern 
in  .Alethen*.  Auch  besass  er  einen  bedeutenden  Haupthof  (curtis,  curia)  da- 
selbst. Der  Edelherr  Mirabilis  beschenkte  die  Mindener  Kirche  um  1160  mit 
weiteren  Gütern  in  ,Alden',  um  1188  erwarb  der  Bischof  Detmar  noch  16  Hufen 
daselbst,  vereinigte  dann  seine  in  und  um  Ahlden  belegenen  Güter  und  übertrug 
gegen  Zahlung  jährlicher  Einkünfte  das  Amt  eines  villicus  der  Familie  Yon 
Ahlden.  Daneben  verpfändete  er  ihr  den  Haupthof  selbst.  Von  diesem  1762 
im  Mannesstamme  erloschenen  und  namentlich  in  den  Aemtem  Ahlden  und 
Rethem  begüterten  Geschlecht  kommen  Rottherus  de  Althen  et  filius  eins 
Hartmannus  bereits  1198  urkundlich  vor.  Am  25.  Mai  1285  verkauft  dei; 
Bischof  Volquin  aus  Geldnoth  den  Gebrüdem  von  Ahlden  die  Einkünfte,  welche 
sie  ihm  für  das  Amt  des  villicus  zu  zahlen  hatten  und  belehnt  sie  mit  diesen 
und  dem  Haupthofe.  Nach  dem  Lehnsregister  des  Bischofs  Gottfried, 
1304—1824,  war  Konrad  von  Amheim  mit  der  bischöflichen  Vogtei  in  Ahlden 
belehnt.  Doch  werden  bereits  in  demselben  Verzeichniss  die  Herren  von  Ahlden 
als  bischöfliche  Lehnsträger  der  Vogtei  aufgeführt;  auch  trugen  sie  seit  1870 
das  den  Herzögen  von  Sachsen -Lauenburg  zustehende  Gogericht  daselbst  zu 

14 


i 


-^    106    8^ 

Lehen.  In  den  Fehden  von  1457—1459  wurde  der  Ort  mit  Feuer  und  Schwert 
verwüstet.  1543  umfasste  das  Amt  .tho  Olden"  die  Kirchspiele  »Eckel" 
(Eickeloh),  .Gilthen«  (Gilten)  und  .Olden«  (Ahlden).  1592  uberlftsst  Herzog 
Ernst  von  Braunschweig  und  Lüneburg  dem  Drosten  zu  Ahlden,  Friedrich  von 
Bothmer,  das  Amt  Ahlden  auf  Lebenszeit.  1620  ist  Johann  Behr  Drost  daselbst. 
1632  wurde  der  Flecken  von  Pappenheim  und  TQly  «aussgebrandf.  1683  wurde 
der  ganze  Ort  durch  Nachlässigkeit  des  Häxthausischen  Gesindes  vom  Feuer 
^verzehref^.  Am  20.  April  1715  wurden  98  Gebäude  durch  eine  Feuersbrunst 
in  Asche  gelegt. 

Ahlden  war  ehedem  der  Sitz  eines  zum  Bisthum  Minden  gehörigen 
Archidiakonats.  Zu  ihm  zählten  1632  folgende,  namentlich  aufgeführte  Kirchen  : 
Alden,  Schwarmessen,  Nienstadt,  Bässen,  Wahlnigen,  Vollingborstell,  Dorpe- 
marck,  Duszhome,  Bergen,  Winsen,  Helen,  Wistendorp,  Meinerdingi  Soltaw, 
Hermborg,  Bussen  und  Walsrode.  Es  umfasste  demgemäss  die  nördliche 
Hälfte  des  Loingaues.  Neustadt  gehörte  zwar  ursprünglich  zum  Archidiakonat 
Mandelsloh,  dodi  wurden  1280  die  Synodalrechte  über  die  Kirche  zu  Neustadt 
dem  Archidiakon  in  Ahlden  übertragen,  der  zugleich  Domherr  in  Minden  war. 
Eine  Zeitlang  war  das  Ahldener  Archidiakonat  mit  dem  Wunstorfschen  ver- 
bimden.  Von  1263  bis  1279  war  z.  B.  Amoldus  de  Schinna  Archidiakon  in 
Ahlden  und  in  Wunstorf,  desgleichen  Gyso  Vosz  1291—1309.  1412  war 
Hinrick  Kercher  tho  Alden  eyn  vorwarer  des  bannes  der  Costerye  tho  Minden. 

Die  Kirche  in  Ahlden  war  Johannes  dem  Täufer  gewidmet.  1200  und 
1202  wird  Ludolfus  als  Priester  genannt  und  1241  Johannes  als  plebanus. 
1296  trennte  sich  das  Dorf  Eickeloh  ab  und  gründete  eine  eigene  Pfarre.  Nach 
einem  um  1370  geschriebenen  Lehnsregister  war  «dat  ganse  Kerspel  to  Alden* 
Lehen  der  Grafen  von  Hoya.  Im  XVIL  und  XVXII.  Jahrhundert  ist  die  Wals- 
roder  Superintendentur  dreimal  mit  der  Pfarre  verbunden  gewesen.  1715  wurde 
die  Kirche  durch  Brand  zerstört,  aber  bald  danach  wieder  aufgebaut.  In  der 
Kirche  befand  sich  über  der  Thür  des  Amtsstuhles  ein  Fenster  mit  den 
Wappen  des  Johann  Behr  und  seiner  Gemahlin  Marie  von  Bothmer  vom 
Jahre  1612,  in  welchem  sie  auch  eine  silberne  Giesskanne  mit  ihren  Wappen 
und  den  Bezeichnungen  ,J.  B.*  und  ^M.  v.  B."  schenkten.  1751  wird  ein  in 
der  südlichen  Kirchenmauer  befestigtes  Epitaph  des  Friedrich  von  Bothmer, 
geboren  1544,  gestorben  1610,  erwähnt,  welches  mit  dem  Böthmerschen 
Wappen  «ausgezieret*^  war.  In  der  Sakristei,  unter  welcher  sich  das  Haxt- 
hausische  Erbbegräbniss  befand,  war  das  Epitaph  des  1690  gestorbenen  Arnold 
Ludwig  Haxthausen  angebracht  imd  mit  dem  Wappen  der  Familie  ^ausgezieret*. 
Ausserdem  befand  sich  in  der  Kirche  an  der  Nordseite  ein  hölzernes,  mit 
schwarzem  Sammet  überzogenes  Monument  mit  dem  Wappen  derer  von  Haxt- 
hausen. Die  Pfarrstelle  sowie  die  Priesterstelle  an  dem  St.  Nicolaus-Altar  hatte 
ehedem  der  Archidiakon  zu  besetzen. 

In  der  zweiten  Hälfte  des  XIII.  Jahrhunderts  hat  auf  kurze  Zeit  auch 
ein  Kloster  in  Ahlden  bestanden.  Der  Archidiakon  Amoldus  de  Schinna  und 
der  Pfarrpriester  Reinold  Reimers  (1261—1274),  welch'  Letzterer  der  erste 
Dechant  an  demselben  wurde,  hatten   es  begründet.     Der  Bischof  Otto  von 


-^    107    8^ 

Minden  gab  am  29.  März  1274  seine  Bestätigung.  1280  jedoch  wurde  das 
Kloster  nach  Neustadt  am  Rübenberge  und  1295  von  dort  nach  Lübbecke  bei 
Minden  verlegt.  Der  St.  Nicolaus-Altar  war  bei  der  Gründung  des  Klosters 
eingegangen. 

Ahlden  gegenüber  an  der  Aller,  der  jetzigen  alten  Leine^  lag  vormals 
die  Veste  Bunkenburg.  In  einer  Urkunde  vom  15.  Mai  1310  nennt  sich  Ritter 
Johann  von  Escherde  Vogt  in  Bunkenburg  —  «Aduocatus  in  Bunckenborgh". 
In  einer  Urkunde  vom  25.  November  des  gleichen  Jahres  erscheinen  die  Ritter 
Heinrich  von  Hodenberg  und  Konrad  von  Fulda  an  der  Spitze  der  Burgmänner 
zu  Bunkenburg  —  «castrenses  in  Bunkenborg*^.  Femer  heisst  es  in  den  um 
1340  geschriebenen  Bückener  Annalen:  ,Do  buweden  se  den  Hodenhagen 
nicht  ferne  von  de  Allere  bouen  der  Buckenburg*.  Vermuthlich  wurde  die 
Bunkenburg  schon  im  Laufe  des  XIV.  Jahrhunderts  zerstört.  In  den  bekannten 
Urkunden  des  XV.  Jahrhunderts ,  in  welcher  die  fürstlichen  Schlösser  im 
Lüneburgischen  aufgeführt  werden,  wird  ihrer  nicht  mehr  gedacht.  Zu  Beginn 
des  XVn.  Jahrhunderts  soll  Herzog  Christian  die  letzten  Reste  abgebrochen  imd 
zum  Ausbau  des  Schlosses  verwandt  haben.  Jetzt  ist  nur  noch  ein  Theil  des 
früheren  Walles  vorhanden. 

Am  13.  Mai  1344  geloben  die  Gebrüder  Ludolf,  Lambert  und  Otto  von 

Alden,  ,De  Kemenaden  •  de  dar  Buwet  is  in  vsen  hof  in  Deme  Dorpe  to  Alden. 

ane  tenerleye  vortoch  vnde  wedd^ersprake"   zu  brechen,   sobald    die  Herzöge 

Otto  und  Wilhelm  von  Braunschweig  und  Lüneburg  es  fordern.     Zu  Beginn 

des  XV.  Jahrhunderts  hat  Herzog  Heinrich  von  Lüneburg  ihnen  das  Schloss 

mit  Gewalt  genommen,   es  ihnen  aber  gegen   das  Versprechen,   daraus  keine 

Fehde  oder  Räuberei  anzufangen,  1414  wieder  überlassen.    1422  erklären  die 

Herzöge  Wilhelm  und  Heinrich  von  Braunschweig,  bei  den  Herzögen  Otto  und 

Friedrich  keine  Forderungen  «vme  Alden  willen"  zu  stellen.     Eryke  van  Alden 

soll  sein  Besitzthum   wiedererhalten    «vthgesecht   de  woninghe   to  Alden  dar 

schal  he  nicht  buwen*^.    1431  wurde  denen  von  Ahlden  ihr  Schloss  abermals 

und  zwar  diesmal  auf  immer  genommen.     Das  Gogericht,  der  Haupthof  mit 

dem  Schlosse,  sowie  das  Obereigenthum  der  bischöflichen  Leute  und  Güter 

wurden  in  herzogliches  Eigenthum  umgewandelt  und  denen  von  Ahlden  ihre 

Güter  bis  auf  Böhme,  Fulde  und  Campen  entzogen.     Während  seiner  Fehde 

mit  den  Herzögen  Wilhelm  und  Heinrich  von  Braunschweig  (um  1431)  behauptete 

der   Bischof  das   »castmm  Aelden  non    sine   maximis   expensis   et   damnis*. 

1433  wird  es  von  dem  Herzog  Bernhard  und  dessen  Söhnen  Otto  und  Friedrich 

in  dem  Vertrage,  welchen  sie  mit  dem  Herzog  Heinrich  schlössen,  unter  den 

derzeit  verpfändeten  landesherrlichen  Schlössern  mit  aufgeführt.    In  der  Hildes- 

heimschen   Stiftsfehde   wurde   das   Schloss    1519    dem   Herzog   Heinrich   dem 

JtLDgeren   vom  Herzog  Erich  zu  Calenberg  genommen.     Von  den   erhaltenen 

Baur^stern  ist    eines  überschrieben:    „Dasz  Newe  Hausz  zw  Aldenn.  A.  49 

[1549]  zw  bauwenn  ahngefangenn".    1573  wurde  das  Vorwerk  mit  Schilfrohr, 

1574  «nd  1575  mit  Stroh  eingedeckt.    Ein  Bauregister  aus  der  zweiten  Hälfte 

des  XVI.  Jahrhunderts  nennt  an  Gebäuden  des  Schlosses  folgende:   das  Eorn- 

haus    im    «knickhe*^,   das  .vorwerck**,  den  „  Schaff koffenn*,   die  Scheune  beim 


-^    108    8^ 


»kraudtgarten'*,  die  Scheune  beim  Steinwege  und  die  Scheune  .ober  der 
Brack*.  Einen  Theil  des  Schlosses  hat  Herzog  Christian  1613  durch  seinen 
Drosten  Johann  Behr  «gantz  new  von  grund  auff  bawen  lassen*.  Er  «ist  ins 
geyierdte  mit  vielen  schoenen  giebeln  gebawet  mit  einem  tieffen  Wassergraben 
ynd  Walle  auch  noch  einem  ausswendigen  Graben  vmbgeben*.  Im  dreissig- 
jährigen  Kriege  ist  das  Schloss  «als  eine  Landes  -  Festung'  von  kaiserlichen 
Völkern  besetzt  gewesen,  welche  es  gegen  800  Mann  dänischer  Belagerer  mit 
Erfolg  vertheidigten.  1694  wurde  der  Ingenieur  Strauss  vom  Herzog  Georg 
Wilhehn  nach  Ahlden  geschickt  behuf  «Palicadirung*  des  fürstlichen  Schlosses. 
In  diesem  Gebäude  vertrauerte  die  unglückliche 
Prinzessin  Sophia  Dorothea  nach  ihrer  1695  er- 
folgten Verbannung  ihr  Leben  und  starb  hier  am 
13.  November  1726. 

Sie  schenkte  der  Kirche  zwei  silberne 
Altarleuchter,  ein  Ciborium^  einen  Kelch,  eine 
Kanne,  die  Altar-  imd  Kanzelbekleidung  und 
stiftete  die  Orgel.  Sie  hatte  sich  auch  einen 
eigenen  Kirchenstuhl  bauen  lassen,  doch  durfte 
sie  das  Gotteshaus  nicht  besuchen. 

1700  wird  ein  französischer  Gärtner- 
Meister  Assmus  Anthoni  genannt,  .  welcher  sich 
zu  Ahlden  aufgehalten  und  den  Garten  allda 
gebauet  hat*^. 

1788  erfuhr  das  Schloss  im  Inneren 
mehrere  Veränderungen,  indem  es  zu  einer  Woh- 
nung für  den  Drosten  eingerichtet  und  zugleich 
die  PfÖrtnerwohnung,  die  Amtsstuben  und  das 
Gefängniss  hineingelegt  wurden. 

Von  der  in  den  Jahren  1846  bis  1848 
neugebauten  Kirche  erweist  sich  nur  der  Thurm 
und  zwar  in  seinem  grösseren  unteren  Theile  als 
alt.  Er  ist  besonders  auf  seiner  Ost-  imd  Nord- 
seite aus  überaus  rohem  Mauerwerk  hergestellt. 
Auf  allen  Seiten  sind  unregelmässig  vertheilte,  recht- 
eckige, nach  innen  sich  in  Form  von  Scharten  erweiternde  Oefihungen  an- 
gebracht. Ein  spitzbogig  überwölbter  Durchgang  befindet  sich  als  einzige  Oeffnung 
auf  der  Ostseite. 

Zwei  Altarleuchter  aus  Messing  von  35,7  cm  Höhe  zeigen  nach  gothischer 
Art  einen  reich  profilierten,  runden  Fuss  und  einen  mit  drei  Knäufen  ver- 
sehenen, walzenförmigen  Schaft. 

Die  beiden  anderen  schönen,  silbernen  Leuchter  ohne  Zeichen  tragen 
auf  dem  runden  Fusse  eine  Krone  und  darunter  die  Inschrift  .S  D  1722*  (Fig.  25). 
Sie  sind  ein  Geschenk  der  Prinzessin  Sophia  Dorothea. 
AI  tar-n.  Kanzel-  Die  rothdamastseidene ,  mit   Goldborde   besetzte  Altar-   und    Kanzel- 

bekleidung.    bekleidung  ist  ebenfalls  von  der  Sophia  Dorothea  geschenkt. 


Beschreibang. 
Kirche. 


Fig.  2Ö. 
Kirche  in  Ahlden;  Altarlenchter. 


Altarlenchter. 


-<-g    109    8^ 

Das    silbervergoldete   Ciborium    trägt    unter  einer  Krone   die  gleiche   Giboriom. 
Inschrift  wie  die  Leuchter  und  als  Zeichen  das  springende  Pferd  mit  darunter 
befindlicher  12  und  die  Buchstaben  J  G  S*  (?). 

In  der  Sakristei  befindet  sich  ein  gut  gearbeiteter  Crucifixus  in  farbiger   Crncifixns. 
Behandlung  von  rund  1  m  Höhe  aus  dem  XVIII.  Jahrhundert, 

Ebendort  ist  ein  schlecht  erhaltenes  Oelbild  mit  einer  Darstellung  des   Gemälde. 
Abendmahles  aus  dem  Anfang  des  XVIII.  Jahrhunderts  aufgehängt. 

In    dem    erwähnten  Durchgange    des  Thurmes    steht    das    mächtige   Grabmale. 
Hauptstück    eines   mit  zahlreichen  Wappen  geschmückten  Sandsteingrabmals 
des  1690  gestorbenen  Amoldus  Lydovicus  De  Haxthausen. 

Der  obere  Theil  vielleicht  desselben  Grabmales  mit  einer  verstümmelten 
Darstellung  des  Gekreuzigten  mit  Jerusalem  im  Hintergrunde  befindet  sich 
im  oberen  Theile  der  inneren  Ostwand  des  Thurmes.  An  Wappen  sind 
folgende  sichtbar: 

v:  Werder.  v:  Bothmer.  D:  Fresen. 

v:  Heimbrock.  v:  Hasberge.  v:  Zerssen. 

v:  Landesberge.  Der  Klover.  D:  Rehbocke, 

v:  Mandelslo.  v:  Warpe.  v:  Boldessem. 

Auf  dem  alten  Kirchhofe  steht  das  Grabmal  des  Bernhard  Gottfried 
Spindler,  weiland  Predigers  zu  Ahlden,  1814  gestorben. 

Eine  0,16  m  hohe,  silbervergoldete  Kanne  zeigt  imter  einer  Krone  die   Kanne. 
Inschrift  ,17  S.  D  22"  und  die  gleichen  Zeichen  wie  das  Ciborium. 

Eine  andere  0,13  m  hohe,  silbervergoldete,  aus  dem  XVIII.  Jahrhundert 
stammende  Kanne  trägt  als  Zeichen  eine  Rose  und  die  Buchstaben  DB. 

ESn  0,25  m  hoher,  silbervergoldeter  Kelch  von  0,13  m  oberem  Durch-   Kelch, 
messer  hat  auf  dem  Fuss  einen   aufgehefteten  Crucifixus,    am  Becher  unter 
emer  Krone  die  Inschrift 

S.  D. 
1722. 
und  die  gleichen  Zeichen  wie  das  Ciborium. 

Die  1721  von  der  Sophia  Dorothea  gestiftete  Orgel  ist  1847  erneuert.    Orgel. 
Das  Schloss  oder  Amtshaus  zeigt  im  Grundriss  die  Hufeisenform.    Der   SchloBs. 
frühere  Wall  ist  ganz,  der  Graben  nur  zum  Theil  noch  erhalten. 

Das  mit  hohem  Satteldach  versehene  Hauptgebäude  hat  ein  Erdgeschoss 
in  Backstein.  Das  in  Fachwerk  ausgeführte  Obergeschoss  trägt  unter  der  Vor- 
kragung sowie  unter  dem  Dach  in  den  Formen  der  Renaissance  farbig 
behandeltes  Schnitzwerk.  Die  Giebel  sind  mehrfach  übergesetzt.  Der  Nord- 
giebel zeigt  unter  den  Vorkragungen  gleiches  Schnitzwerk.  Oben  ist  unter 
einem  Stern  die  2^ahl  1613  zu  sehen,  lieber  der  Durchfahrt  befindet  sich  ein 
in  Sandstein  gearbeitetes,  von  den  Figuren  der  Pietas  und  Justitia  seitlich 
begleitetes  Wappen  mit  folgender  Unterschrift: 

Von  Gottes  Gnaden  Christian  erwehl* 
ter  Bischof  des  Stifts  Minden  Hertzock 
zue  Bravnschweigk  vnd  Leuneburgk. 

Anno  1613. 


-*4    110    g-H 

Der  südliche  d6r  beiden  in  Fachwerk  ausgeführten,  zweigeschossigen 
Hofflügel  hat  aaf  der  Hofseite  gut  geschnitzte  Konsolen  mit  tauförmigem  Wulst 
und  trägt  auf  den  FöDhölzem  und  der  Setzschwelle  des  oberen  Stockweiles 
reiches  Schnitzwerk.  An  den  unteren  Enden  der  Stiele  ist  FScherschinuck 
angebracht  (Fig.  26).   In  einer  der  FOllui^n  des  oberen  Stockwerkes  befindet 


Fig.  iE.   Bchlo»  In  Abidenj  Horseite. 

sich  das  mit  Gold  und  Farbe  behandelte  Braunschweig-Lüneburgische  Wappen 
mit  folgender  Unterschrift: 

Von  Götz  Bischoff  Wilhelm 

der  Jvnger  Hertzoge  zv  Brvn 

ssweig  vnd  LTuebvrch  • 

Darunter  ist  auf  der  Setzschwelle  zu  lesen: 

Anno  Domini 

m  ccccc  1  XI  IX  1579- 


-»4    111     8^ 

B  i  e  r  d  e. 

Litteratnr:  Hadenberg,  Hodenberger  Urknndenbiich;  derselbe,  Lttnebnrger 
Urknndenbuch  XY;  derselbe,  Hoyer  Urkundenbuch ;  derselbe,  Lttnebnrger  Lebnregister, 
Lenthe^s  Archiv  IX;  Sndendorf,  Urknndenbnch  der  Stadt  Lüneburg  I;  Spilcker,  Geschichte 
der  Grafen  von  Wölpe;  Pfeffinger,  Historie  I;  Manecke  II;  Holscher,  Beschreibung  des 
Bisthnms  Minden;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897;  Mithoff,  Knnstdenkmale  IV;  derselbe, 
Kirehenbeschreibungen ;  Grütter,  Arbeiten  über  den  Loingau,  Hannov.  Geschichtsbl., 
3.  Jahrgang. 

In  den  Jahren  1258  und  1259  stellt  der  Herzog  Albert  von  Braun- 
schweig in  yBirdhen'  bezw.  yBirethe*^  Urkunden  aus.  1267  war  Conradus  de 
Hemwide  advocatus  in  Birede.  1282  werden  Alverich  und  Gebhard  Schucke 
als  Burgmänner  daselbst  genannt.  Das  Schloss  wird,  wie  Grütter  vermuthet, 
1289  seinen  Untergang  gefunden  haben. 

Das  landtagsfähige  Gut  daselbst  mit  dem  Gräflich  Hoyer  Zehnten 
besassen  bis  zu  ihrem  Aussterben  1798  die  Herren  von  Fulde,  dann  Graf  von 
Oeynhausen  und  schliesslich  bis  zu  ihrem  Aussterben  die  von  Ende. 

Am  Ende  des  XIV.  Jahrhunderts  wird  der  Ort  als  zum  Earchspiel 
Düshom  gehörig,  1489  aber  als  in  der  Parochie  „Aelden*  belegen  bezeichnet. 
Bezüglich  der  dem  hefligen  Vitus  geweihten  Kapelle  sagt  Mithoff  in  seinen 
Kirchenbeschreibungen:  «Verfallenes  hölzernes  Gebäude,  zum  Abbruch  bestimmt*^. 

Die  frühere  Veste  kennzeichnet  sich  noch  heute  als  ein  zum  Theil  mit 
Bäumen  bestandener  und  mit  den  Resten  von  zwei  Gräben  und  zwei  Wällen 
umgebener  Platz  in  der  Bierder  Koppel,  nahe  der  Aller  und  südlich  vom  Orte. 


Böhme. 

KapeUe.    Herrenhaus. 

Litteratnr:  Hodenberg,  Hodenberger  Urknndenbnch;  derselbe,  LUnebnrger 
Urknndenbnch  XV;  derselbe,  Hoyer  Urknndenbnch;  derselbe,  Lttnebnrger  Lehnregister, 
Lenthe^s  Archiv  IX;  Sndendorf;  Vogell,  Geschlechtsgeschichte  der  vonBehr;  Manecke  II; 
Holscher,  Beschreibnng  des  Bisthnms  Minden,  Zeitschr.  f.  westfftl.  Gesch.  n.  Alterthnmsk., 
Band  34;  Mithoff,  Knnstdenkmale  IV. 

Quellen:  Urkunde  des  Kgl.  Staatsarchivs  zn  Hannover;  GrUtterscher.Nachlass 
im  Stadtarchiv. 


JjBS  am  gleichnamigen  Flusse  belegene  Dorf  ist  nach  Kirchwahlingen   Geschichte., 
eingepforrt.    Zwischen  1830  und  1352  erhielt  Godeko  Tomey  .den  tegeden  tor 
Bomene'   von  den  Herzögen  Otto  und  Wilhelm  zu  Lehen.    Femer  wird  der 
Ort  im  Jahre  1407  und  1408  genannt.    1562  lautet  die  Namensform  .Bome*. 
1613  begegnet  Joachim  von  Ahlden  zur  Beume  Erbgesessen^ 


-^    112    8^ 

Die  Kapelle  wurde  1715  von  dem  Geheimen  Rath  von  Hatlorf  erbaut 
und  1716  vom  Superintendenten  Müller  zu  Schwarmstedt  eingeweiht. 

In  Böhme  haben  ehedem  zwei  adelig  freie  landtagsfähige  Höfe  bestanden, 
der  eine  war  Schaumburgsches,  der  andere  Hildesheimsches  Lehen;  ihre  Be- 
sitzer haben  öfter  gewechselt. 


'""'-'       \       \       \       \ i 1       i       1       1       J 

Flg.  87.    Kapelle  in  BOhme;  Onmdriss. 

BeBchreibung.  Die  massive,  geputzte,  aus  der  ersten  Hälfte  des  XVIII.  Jahrhunderts 

Kapelle,  stammende  Kapelle  ist  innen  rund,  aussen  achteckig  und  mit  einem  Mansarden- 
dache  bedeckt  (Fig.  27).  Der  Innenraum  wird  durch  ein  geputztes,  auf  einem 
Gesimse  ruhendes  Brettergewölbe  in  Kuppelform,  welches  durch  gezogene 
Profile  gut  .gegliedert  ist,  abgeschlossen.  Der  rechteckige  Vorbau  im  Westen 
mit  der  Eingangsthür  ist  an  der  Vorderseite  mit  Hausteinen  verblendet  und 
mit  einer  Freitreppe  versehen;  von  hier  aus  ist  auch  die  imter  der  Kapelle 
befindliche  Gruft  der  Familie  von  Amswaldt  zugänglich.  Die  Fenster  des  Vor- 
baues sind  rechteckig,  die  übrigen  halbkreisförmig  geschlossen  und  in  ebensolchen 
Nischen  angeordnet.    Sämmtliche  Fenster  haben  glatte  Sandsteingewände. 

Der  von  zwei  seitlichen  Säulen  begrenzte,  hölzerne  Altar  stammt  aus 
der  Zeit  der  Erbauung  der  Kapelle  und  enthält  noch  den  Schalldeckel  der  früher 
eingebaut  gewesenen  Kanzel, 

Zwei  zinnemei  auf  drei  Füssen  ruhende  Altarleuchter  sind  in  Barock* 
formen  gehalten. 

Die  hölzerne  Kanzel  steht  jetzt  an  einem  Pfeiler  der  Südseite. 

Das  einfache,  auf  hohem,  massivem  Sockel  in  Fachwerk  und  zwei  Ge- 
schossen errichtete,  rechteckige  Herrenhaus  trägt  ein  Mansardendach«  .  Auf  der 
Südseite  ist  eine  Freitreppe  vorhanden.  Das.  Gebäude  rührt  aus  der  ersten 
Hälfte  des  XVIII.  Jahrhunderts  her.  .  Am  Hofeingange  .  stehen  yior  Backstein^, 
pfeiler    mit    Sandsteinsockel    und    Bekrönung;    die.   beiden    mitUeren    traget 


Altar. 


Altarleuchter. 

Kanzel. 
Herrenhaus. 


113 

Insehriften  mit  den  Namen  des  .Johann  Philipp  von  Hattorf"  und  der  .Sophie 
Dorothee  von  Hattorf  gebohrne  Groten  aus  dem  Hause  Sdinega'  sowie  die 
Jahreszahl  1731. 


B  o  t  h  m  e  p. 

KapeUe.    Henrwihaiis. 

Litteratnr:  Origines  Gnelficae;  Hodenberg,  Hodenberger  ürkundenbuch;  der- 
selbe, floyer  Ürkundenbuch;  derselbe,  Calenberger  Ürkundenbuch  III  und  V;  derselbe, 
Verdener  Gesehichtsquellen;  derselbe,  Lttneburger  Lehnregister,  Lenthe^s  Archiv  IX; 
Doebner  VI;  Sndendorf;  Yogell,  Geschlechtsgeschichte  der  Herren  Behr;  Spilcker,  Geschichte 
der  Grafen  von  Wölpe;  Pfeffinger,  Historie  II;  Regenten -Sahl  1698;  LUntzel,  die  ältere 
Diöcese  Hildesheim;  Holscher,  Beschreibung  des  Bisthums  Minden,  Zeitschr.  f.  westflU. 
Gesch.  n.  Alterthumsk.,  Band  84;  Eayser,  Kirchenvisitation  1897;  Manecke  II;  Meding, 
Nachrichten  von  adelichen  Wapen  I;  Mithoff,  Eunstdenkmale  IV. 

Quellen:  Urkunden  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover. 


Das  an  der  Leine  belegene  Dorf  ist  nach  Schwarmstedt  eingepfarrt.   Geschichte. 
Nach  demselben  hat  sich  ein  noch  heute  blühendes,  1696  vom  Kaiser  Leopold 
in  den  Freiherrenstand  erhobenes  Geschlecht  benannt,  von  welchem  ein  Ulrich 
(de  Botmer,  Botmere,  Botmare,  Bothmare)  zwischen  1181  und  1185  sowie  in . 
den  Jahren  1187  und  1196  urkundlich  begegnet.     1728  hören  wir  von  dem 
adeligen  Gute  des  Christian  Behr  in  Bothmer. 

Die  nur  f&r  die  adeligen  Höfe  der  Herren  von  Bothmer  bestimmte,  im 
Jahre  1610  der  Inschrift  gemäss  erbaute  Kapelle  wurde  1822  mit  Schwarmstedt 
vereinigt,  ging  bald  darauf  aber  ein  und  dient  gegenwärtig  als  Speicher. 

Das  1596  gebaute  Herrenhaus  war  ehedem  mit  Dacherkem,  der 
Treppenthurm  mit  hoher  Spitze  und  das  Gutsgehöft  mit  Zugbrücke  und  Graben 
versehen. 

Die  rechteckige,  mit  einer  Gruft  versehene  Kapelle  ist  aus  Backsteinen   Beschreibung, 
erbaut,  hat  hölzernes  Hauptgesims  und  trägt  einen  viereckigen,  hölzernen  Dach*   Kapelle, 
rdter  im  Westen;    Auf  der  Nordseite  sind  drei  und  auf  der  Südseite  vier  zum 
TheSL   arg  verfallene  Strebepfeiler  angeordnet.     Die  Fenster ,    sowie    die  im 
Süden  liegende  Eingangsthür  sind  mit  Korbbögen  geschlossen.    Ein  aus  Sand- 
stein gut  gearbeitetes  Wappen  über  dem  Eingange  hat  die  Lapidarunterschrift: 

Yä  Gottes  Gnade  Conradt 
van  Bothmar  •  Apt  vndt  Her 
vam  Havse  zv  S.  ]&Gchael  in  Lvnae 
bvrch.  Aö  salvtis  nostrae  •  1610. 

Das  in  Renaissanceformen  errichtete  rechteckige  Herrenhaus  aus  Fach-   Herrenhaus. 
weriL  mit  massivem  Westgiebel  besteht  aus  Erd-  und  Obergeschoss;  letzteres 
ist  vorgesetzt  und  hat  zwischen  den  Balkenköpfen  ein  gut  erhaltenes  Zahn- 
schnittgesims aus  Holz  mit  geschnitztem  Eierstab  imd  einer  Inschrifti  welche 

15 


-^    114    8^ 

an  der  Südseite  durch  eine  Bretterverschalung  verdeckt  wird.  Der  Backstein- 
giebel mit  angebautem,  achteckigem  Treppenthurm  ist  wie  dieser  mehrfach 
durch  Sandsteingesimse  g^liedert;  die  Ecken  haben  Quadereinfassung.  Drei 
kleine  Sandsteinfiguren^  von  denen  eine  die  Mitte  bekrönt,  eine  andere  in  einer 
spitzbogigen  Nische  untergebracht  ist,  sind  auf  dem  Giebel  vertheilt.  In  dem 
mit  Pfannen  gedeckten  Thurm  befindet  sich  eine  aus  Sandstein  gearbeitete 
Wendeltreppe.  Bei  den  meistens  zugemauerten  Oeffnungen  herrscht  der  Korb- 
bogen vor.  Die  Sandsteinthür  am  Thurm  hat  Renaissanceformen  und  die 
Inschrift:  ,•  Ghristvs  •  spes  •  nra  •*;  Darüber  das  Bothmersche  Wappen  mit  der 
Jahreszahl  1596  imd  als  Bekrönung  Christus  mit  der  Weltkugel. 


Dopfmark. 

Kirche. 

Litteratnr:  von  Hodenberg,  LUnebnrger  Urknndenbuch  VII  und  XV;  Snden- 
dorf;  Regenten  -  Sahl  1698;  Manecke  II;  Wippermann,  Beschreibung  des  Bnkki- Gaues; 
Kayser,  Kirchenvisitationen  1897;  Böttger,  Diöcesan-  und  Gau -Grenzen;  Holscher, 
Beschreibung  des  Bisthums  Minden;  Freudenthal,  Heidefahrten;  Mithoff,  Kunstdenkmale IV; 
derselbe,  Kirchenbeschreibungen ;  Grütter,  Arbeiten  über  den  Loingau,  Hannov.  GeschichtsbL 
in  den  Jahrgängen  2—4. 

Quellen:   Verzeichniss  der  kirchlichen  Kunstdenkmäler  von  1896. 


Geschichte.  Das  an  der  Böhme  belegene  Kirchdorf  Dorfmark  gehörte  ehedem  zum 

Archidiakonat  Ahlden  im  Loingau  und  bildete  vormals  mit  seinem ;  ausgedehnten 
Kirchspiel  eine  eigene  Vogtei.  Im  April  des  Jahres  1006  übertrug  der  König 
Heinrich  IL  seinem  Kapellan  Dietrich  neben  Anderem  ^in  pago  •  •  Lainga  curtem 
quae  vocatur  Thormarca*. 

Der  Ort  wird  dann  in  den  Jahren  1270;  1288  und  1329  genannt. 

1378  wurde  in  Dorfmark  Goding  und  Holting  abgehalten.  Auch  hat 
daselbst  ein  Schloss  gestanden.  In  einem  Verzeichniss  der  Ausgaben  und  Ein- 
nahmen auf  Schloss  Celle  vom  12.  November  1381  bis  31.  Mai  1382  lesen  wir 
nämlich:  «Dit  is  dat  ik  Vricke  voged  op  hebbe  genomen,  van  mynes  heren 
wegen  van  LuneC  vn  des  Voghedes  w^en  tho  Tzelle,  dat.  op  dem.e  Slothe  to 
Dorfmarke  is  vordaen*.  Auch  hören  wir  von  den  .hof luden  to  Dorfmarke'  und 
den  Kirchspielleuten,  sowie  von  dem  «Kerspel  to  Dorpmarke".  Dorfmark  hatte 
damals  Stadtrechte,  die  aber  erloschen,  als  Soltau  1388  damit  begabt  wurde. 
1475  erscheint  «der  Cord  van  der  Metzen  Kerkhare  tho  Dorpmarke". 

Der  adelig  freie  landtagsfähige  Hof  in  Dorfmark  kam  von  denen  von 
Jettebruch,  welche  1701  oder  1703  ausstarben,   an^die  von  der  Wense,  weiche 
auch  Patronatsherren  wurden. 
Beschreibung.  Die   mit   dreiseitigem,    um    zwei   Stufen   erhöhtejn  ,  Cho]:schlusse  und 

Schiff,   hölzernem  Hauptgesimse  versehene,  aus  Bruchsteinen  errichtete,  aussen  neuer- 
dings mit  Putz  gequaderte  Saalkirche  hat  eine  kleine  Sakristei  im  Norden  sowie 


-^    115    8^ 

eine  bogenförmige,  geputzte,  auf  einem  Wandgesims  ruhende  Schaldecke.    Das 
Dach  ist  im  Westen  zur  Hälfte  abgewalmt.    Die  Wetterfahne  enthält  die  Inschrift: 

Gebaut 
A  1708. 
Mit  Ausnahme  von  zwei  kleineren,  flachbogigen  Fenstern  in  der  West- 
wand sind  sämmtliche  Fenster  und  Thüren  halbkreisförmig  geschlossen.    Neue, 
gut  durchgebildete  Emporen  sind  auf  der  West-,  Nord-  und  Südseite  angeordnet 
und  laufen  im  Osten  gegen  einen  triumphbogenartig,    m  Holz    ausgebildeten 
neueren  Abschluss  zwischen  Chor  und  Schiff,    lieber  der  östlichen  ThOr  der 
Nordwand  befindet  sich  eine  Inschrift  mit  der  Jahreszahl  der  Erbauung  1708. 
Der  viereckige,  auf  der  Nordseite  in  einiger  Entfernung  von  der  Kirche 
freistehende,  mit  einem  Zeltdach  versehene  hölzerne  Glockenthurm  hat  in  der 
Wetterfahne  die  Inschrift: 

J.M 
J.H.M 
1.7.5.1 
Die  Aussenseiten  desselben  sind  mit  Brettern  benagelt. 
Die  spätgothische,  mit  Gold  und  Farbe  behandelte  Altarwand  ist  von   Altar. 
Hase  wiederhergestellt    und    ergänzt.      Der  Plan  für  die  Ergänzung  ist  noch 
vorhanden.   Sie  enthält  im  Hauptfelde  den  Gekreuzigten  zwischen  den  Schachern. 
Am  Fusse  des  Kreuzes  sind  mehrere  Berittene,  die  um  den  Mantel  würfelnden 
Kriegsknechte  und  eine  Gruppe  mit  Maria  zu  sehen.    Seitlich  vom  Mitteltheil 
haben  je  drei  Felder  Platz  gefunden.    Die  vier  oberen  grösseren  Felder  ent- 
halten: Christus  vor  dem  Hohenpriester^  die  Kreuztragung,  die  Abnahme  vom 
Kreuz  und  den  Heiland  in  der  Vorhölle,  welche  als  geöflheter  Rachen  dargestellt 
ist.    Die  beiden  kleineren  Felder  zeigen  die  Brustbilder  der  zwölf  Apostel.   Die 
Gruppe  unter  dem  Miltelschrein  stellt  Christus  betend  am  Oelberg  dar  mit  den 
schlafenden  Jüngern,  während  in  der  Bekrönung  die  Auferstehung  dargestellt  ist. 

Zwei  37  cm  hohe  einfache  Altarleuchter  haben  einen  walzenförmigen    Altarlenchter. 
Schaft  mit  Knauf  und  drei  Füsse  in  gothischer  Auffassung. 

Das  Oelgemälde  des  1649  gestorbenen  Pastors  Johannes  Wezelius  hängt   Gemälde, 
an  der  Nordwand  im  Chor. 

Die  1,18  m  im  Durchmesser  haltende  Glocke  von  schlechtem  Guss  trägt   Glocke, 
die  Lapidarinschrifl: 

Dvrchs  Fever  flos  ich 
Johann  Christoph  Havtsch 
avs  Lvnebvrch  gosz  mich 
anno  1765  den  14  Avgvst, 
Die  Mitte  der  Rückseite  weist  eine  fünfzehnzeilige  Inschrift  auf. 
Auf  dem  Kirchhofe  liegt  ein  zerbrochener  Grabstein  aus  dem  Ende  des   Grabstein. 
XVII.  Jahrhunderts  mit  der  Bezeichnung  des  Meisters  J.  G.  S. 

Ein   silbervergoldeter  Kelch  mit  sanft  geschweiftem  Becher  trägt  auf  Kelch. 
!  dem  sechstheiligen  Fusse  einen  Crucifixus.   Auf  den  sechs  viereckigen  Schildchen 

des  Knaufes  sowie  darüber  und  darunter  am  sechseckigen  Stiel  ist  jedesmal  zu 
lesen:  .Jhesvs*. 

15* 


[ 


Das  schöne,  rtmde  Tauf^f&ss  aus  Messing  wird  von  vier  stehenden, 
männlichen  Figuren  getragen.  Das  Becken  ist  51  cm,  mit  Figur«!  97  cm  hoch, 
bei  83  cm  oberem  und  64  cm  unterem  Durchmesser  {Fig.  28). 


PIk.  SS,    Kirche  in  DorTmark;  TanfgefKu. 

Am  oberen  Rande  steht  in  gothischer  Schritl: 
Neyn  •  mynsche  ■  hyr  ■  up  •  erden  ■ 
mach  -  ane  •  de  •  dope  •  sellcb  •  werden  • 
De  •  dope  -  den  •  raynschen  ■  also  •  vor  •  clart  ■ 
Dat  ■  he  -  to  ■  godde  .  wort  •  varet  . 
Die  Schrift  schliesst  mit  einem  Drachen.   Die  Inschrift  in  der  Hitte  lautet : 
Anno  -  domyn;  •  mylesymo  -  cccc  ■  in  ■ 
dem  ■  vyf  ■  vnde  ■  sestigesten  •  iare  • 
wart  •  dusse  •  dope  ■  goten  •  dat  •  is  - 
war  . 


->4    117    1^ 

D  ü  8  h  o  r  n. 

Kirche. 

Litteratur:  Sndendorf;  Hodenberg,  LUneburger  Urknndenbuch  XV;  derselbe, 
Hodenberger  Urknndenbuch;  derselbe,  Hoyer  Urknndenbuch;  derselbe,  Calenberger 
Urknndenbuch  VI;  derselbe,  Verdener  Geschichtsquellen;  Lüntzel,  die  ältere  Diöcese 
HildeBheim;  Begenten-Sahl  1698;  Pfannkuche,  ältere  Geschichte  des  Bisthums  Verden; 
Wippermann,  Beschreibung  des  Bukki-Gaues;  Manecke  II;  Böttger,  Diücesan-  und  Gau- 
Grenzen;  Eayser,  Kirchenvisitation  1897;  Holscher,  Beschreibung  des  Bisthums  Minden; 
Mithoff,  Kunstdenkmale  IV;  derselbe,  Kirchenbeschreibungen;  Grtttter,  Arbeiten  über  den 
Loingau,  Hannov.  Geschichtsbl.,  2.  und  3.  Jahrg. 

Quellen:  Urkunde  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  GrUtterscher  Nachlass 
im  Stadtarchiv  ebendaselbst 


Das  ehedem  zum  Mindener  Archidiakonat  Ahlden  im  Loingau  gehörige  Geschichte. 
Kirchdorf  hat  frOh  ein  Grotteshaus  besessen.  In  einer  zwischen  1223  und  1235 
ausgestellten  Mindener  Urkunde  kommt  ein  Gerhardus  sacerdos  de  Dushome 
und  m  weiteren  Mindener  Urkunden  der  Jahre  1250  und  1252,  sowie  in  einer 
Urkunde  Hermanns  von  Hodenberg  aus  dem  Jahre  1255  ein  Burchard  als 
Pfarrer  in  Dushome  bezw.  Duzhom  vor.  1275  begegnen  Hermannus  et 
Volcqwardus  Gberhardus  in  Dushome  vicarii.  1321  erwirbt  der  Pfarrer  Johannes 
namens  seiner  Kirche  von  Albert  ProYesting  dessen  Mindenschen  Lehnhof  und 
Kothe  im  Orte.  Von  dem  .Eerspelde  to  Diishora*  ist  in  einem  Verzeichniss 
der  zum  Schloss  Gelle  gehörenden  Hebungen  aus  den  letzten  Jahrzehnten  des 
XIV.  Jahrhimderts  die  Rede.  In  den  Fehden  der  Jahre  1457—59  wurde  der 
Ort  mit  Feuer  und  Schwert  verwüstet.  1824  suchte  ein  grosser  Brand  den  Ort 
heim.  1843  erfolgte  der  Umbau  der  Kirche.  1851  wüthete  abermals  eine 
Feuersbrunst. 

Das  massive  Schiff  mit  flacher,   geputzter  Holzdecke  und   einem  im    Beschreibung. 
Westen  halb  abgewalmten  Dach  hat  im  Süden  eine  rechteckige  Sakristei  mit 
darunter   befindlicher  Gruft    und    einen    durch    f&nf   ungleich    grosse  Seiten 
gebildeten  C!hor. 

Der  aus  Backsteinen  gemauerte  Altartisch  hat  auf  der  Nord-  und  Süd-   Altar. 
sdte  je  zwei  flachbogig  geschlossene,  gothisch  profilirte  Nischen. 

Zwei  40  cm  hohe  Altarleuchter  aus  Bronze  haben  einen  walzenförmigen    Altarleiichter. 
Schaft  mit  drei  Knäufen  in  gothischer  Auffassung. 

Zwei  schöne,   aus   Holz  geschnitzte,   ehemals  zu   einer   Ereuzigungs-   Bildwerke. 
darstellung  gehörige  Figurengruppen,  von  denen  die  eine  die  zusammenbrechende 
Maria  zeigt,  sind  in  den  Figuren  29  und  30  wiedergegeben.    Sie  erweisen  sich  als 
eine  gute  Arbeit  aus  der  ersten  Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts. 

Eine  einfache,  silberne  Dose  trägt  unter  einer  Krone  die  Bezeichnung:    Ciborium. 

DLB 

J.  J.R 

1690. 


-t-g    118   i-»- 

In  der  Sakristei  hfingl  das  auf  Holz  gemalte  Bildniss  eines  Pfarrers  mit 
der  Inschrift: 

Hennii^s  Thomas 

Anno  1616.  Aetatis, 

svae  35. 

14  jetzt  als  Einfriedigung  am  Kirchhofe  au^estellte  Grabsteine  enthalten 

zum  Theil  die  ganzen  Figuren  der  Verstorhenen  und  räbren  aus  dem  XVII.  und 

XVm.  Jahrhundert  her. 


E^K.  n  und  30.    Kirche  In  DÜBbom;  FiKurenBTDppan. 

Kanzel.  Eine  gut  geschnitzte  Renaissancekanzel  wird  jetzt  als  Lesepult  benutzt. 

Kelch.  Der  einfache,  silberrergoldete  Eelch  hat  auf  dem  runden  Fusse  den 

Gekreuzigten  zwischen  Maria  und  Johannes  und  die  Lapidarinschrift: 
In  •  die  •  Kirchen  ■  zt  •  Düshom  Anno :  1650. 


Eickeloh. 

Grobfcitpelle,  Kirche. 

LitterntDr:  Von  Hodenberg,  UodenbergerUrkundenbucfa;  derselbe,  LUnebnrger 
Urkundcnbuch  XV-,  derselbe,  LUneburger  LehnregiBter,  Lenthe'a  Archiv  IX;  Sndendorf; 
Spilcker,  Geschichte  der  Grafen  von  Wülpe;  Uegenten-Saibl  ]698;   Hanecke  II;  Holscher, 


-^    119    8^ 

BeschreibuDg  des  Bisthoms  Minden;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897;  Wippermann, 
Beschreibnng  des  Bnkki-Gaues;  Pratje^  Altes  und  Neues  X,  261;  Mithoff^  KunstdenkpialelV; 
derselbe,  Kirchenbeschreibnngen;  Grtttter,  Loingau,  Hannov.  Geschichtsbl.,  3.  Jahrg. 

Quellen:   Grtttterscher  Nachlass  im  Stadtarchiv  zu  Hannover. 


Das   Kirchdorf  Eickeloh   begegnet  bereits   in  der   ersten   Hälfte   des    Geschichte: 
Xni.  Jahrhunderts.     Im  Jahre  1237  erwirbt   Hermann   von    Hodenberg    vom 
Kloster  Walsrode  durch  Tausch  sechs  Hufen  daselbst,    von   denen    zwei  der 
Gräfin  Sophie  von  Osterburg  gehört  hatten.    Hierdurch  kam  das  Dorf  bis  auf 
einen  Hof  ganz  in  die  Hände  der  Herren  von  Hodenberg.   Am  6.  Oktober  1295 
verkauft  das  nach  Läbbecke  verlegte,  ehemalige  Ahldener  Kloster  dem  Ritter 
Herbord  von  Mandelsloh  neben  Anderem  den  grossen  und  kleinen  Zehnten  zu 
Eickeloh.     1296  stifteten  Heinrich    von  Hodenberg,    seine  Gemahlin  Hedwig, 
sowie  seine  Söhne  Hermann  und  Heinrich  die  Kirche  («Basilica')  zu  Eickeloh 
für  die  ihnen  fast  ganz  gehörigen  und  bis  dahin  nach  Ahlden  eingepfarrten 
Dörfer  Eickeloh  und  Hademstorf,  da  die  Ahldener  Pfarrkirche  durch  die  Aller 
von  diesen  getrennt  war,  die  Bewohner  bei  nassen  Zeiten  nicht  hinüberkommen 
konnten  und,  virie  die  Urkunde  sagt,  es  sich  selbst  ereignete,  dass  einige  auf 
dem  Wege  zur  Kirche  in  den  Fluthen  der  Aller  umgekommen  waren.    Die  von 
Hodenberg  beschenkten  sie  reichlich.  Der  Mindener  Bischof  gab  seine  Zustimmung 
und  setzte  zugleich  die  näheren  Verhältnisse  der  neuen  Kirche  fest.    Es  wurden 
ihr  alle  Eingesessenen  zwischen  Aller  und  Meisse  zugeordnet;  sie  erhielt  eine 
selbständige  Stellung  als  Pfarrkirche,   musste  aber  der  Ahldener  Mutterkirche 
jährlich  zu  Michaelis   eine  Geldabgabe   (»septem  fertones  bremensis  argentj)' 
zahlen;  im   übrigen  blieb  sie   dem  Archidiakon   in  Ahlden  unterworfen  und 
sollten  die  Eingepfarrten  zur  Synode  nach  Ahlden  gehen.    Das  Patronat  vmrde 
auf  ewige  Zeiten  den  Stiftern  zugesichert,  welche  den  ausgewählten  Pfarrer  dem 
Ahldener  Archidiakon  präsentiren  sollten.     Bei  den  zwischen  1330  und  1352 
von  den  Herzögen  Otto  und  Wilhelm  vorgenommenen  Belehnungen  erhielten 
«De  riddere  van  Hodenberge'  «dat  dorp  al  to  Ekle .  ane  enen  hof  zu  Lehen. 
1489  wird   «Eklo*   als  in  der  Parochie  «Botzem*    (Kirchboitzen)   belegen  be- 
zeichnet.   1776  wurde  eine  alte  geborstene  Glocke  umgegossen.   Die  alte,  wohl 
noch  im  Wesentlichen  den  1296  aufgeführten  Bau  zeigende  Kirche  dient  jetzt 
den  Freiherren  von  Hodenberg  als  Familienbegräbniss;  statt  ihrer  wurde  ein 
neues  Grotteshaus  gebaut  und  am  19.  Dezember  1868  geweiht. 

Von  dem  früheren  Herrenhause  des  adelig  freien  landtagsfähigen  Hofes 
derer  von  Hodenberg  ist  heute  nur  noch  ein  Platz  an  der  Aller  in  der  Eicke- 
loher  Marsch  zu  sehen,  welcher  mit  Wall  und  Graben  umgeben  ist  und  die 
Burg  genannt  wird. 

Das  Schiif  der  gothischen,   im  Grundriss  rechteckigen,  mit  massivem   Beschreibung. 
Hauptgesiros  versehenen  und  in  Backstein  ausgeführten  Grabkapelle  wird  durch   örabkapelle. 
eine    massive   Wand/    welche    in    der    Mitte    eine    grosse,     halbkreisförmig 
geschlossene  Oeifnung  und  zu  beiden  Seiten  je  einen  fiachbogigen  Durchgang 
aufweist,  von   dem*  erhöhten   Chor   getrennt.     Der  letztere,   ein   rechteckiger 
Raun>/  wird   von   einem  Kreuzgewölbe  mit   rechteckigen  Rippen   überspannt. 


-^    120    8^ 

.    Der  Ostgiebel  ist  durch  spitzbogige  Blendnischen  g^liedert;  darunter  befinden 

•  sich  zwei  spitzbogigCt  gekuppelte  Fenster  mit  darfiberliegender,  runder  Oeffiiung 

in  einer  zweimal  zurückgesetzten  Nische.     Die  Eingangsthür  und  drei  kleine 

Fenster  in"  der  Südseite  zeigen  den  Spitzbogen. 

Kirche.  Die  1  m  im  Durchmesser  grosse  Glocke  hat  zwischen  zwei  Omamait- 

Glocke.   streifen  am  Halse  die  Lapidarinschrift: 

,  Soli  Deo  gloria. 

Am  Rande  ist  unter  einem  Ornamentstreifen  zu  lesen: 

Johann  Meyer  in  Gelle  • 
herrscha£ftl :  Stück-  u.  Glocken 
Gieser  goss  mich  1776. 
Kelch.  Ein  silbervergoldeter  Kelch  hat  auf  dem  sechslheiligen  Fusse  einei 

aufgelegten  Grucifixus  mit  der  Jahreszahl  1664.    Daneben  sind  zwei  Wappen 
zu  sehen,  deren  Umschriften  lautend 

Avgvstvs  •  Friederich  •  von  •  HodeiAerg  • 
und 

Anna  •  Dorothea  -von  •  örtzen  • 
Auf  dem  Knaufe  steht:  Jhesvs. 
Taufbecken.  Das  aus  Messing  gearbeitete,  alte  Taufbecken  hat  auf  dem  Boden  eine 

sehr  beschädigte  Inschrift  und  eine  Darstellung  des  Sündenfalls. 


Eilte. 

Denkmal,  Grabgewölbe,  Henrenhaiui. 

Litteratur:  Hodenberg ,  Hodenberger  Urkundenbneh ;  derselbe,  Lttnebnrger 
Urknndenbnch  XV;  derselbe,  Galenberger  Urknndenbnch  V;  derselbe,  Hoyer  Urkunden- 
bnch;  derselbe,  LUnebnrger  Lehnregister,  Lenthe^s  Archiv  IX;  Urknndenbnch  der  Stadt 
Lüneburg  II  nnd  III;  Sndendorf;  Meinardns,  Urknndenbnch  des  Stiftes  nnd  der  Stadt 
Hameln;  Manecke  II;  Spiloker,  Geschichte  der  Grafen  von  Wölpe;  Regenten-Sahl  IGdS; 
Vogell,  Geschlechtsgeschiohte  der  Herren  Behr;  Holsoher,  Beschreibung  des  Bisthoms 
Minden,  Zeitschr.  f.  westf&l.  Gesch.  n.  Alterthnmsk.,  Band  88  nnd  84;  Kayser,  Kirchen- 
Visitationen  1897 ;  Mithoff,  Knnstdenkmale  IV;  Meding,  Nachrichten  von  adelichen  Wapen  L 

Quellen:  Schulchronik  su  Eilte;  Urkunden  des  Kgl.  Staatsarchivs  su  Hannover; 
Grütterscher  Nachlass  im  Stadtarchiv  ebendaselbst 


Geschichte. 


D(ia  n{^<A  Ahlden  eingepfarrte  Dorf  ist  an  der  Aller  belegen.  Graf 
Burchard  von  Wölpe  stellte  1267  »apud  villam  Elethe  in  ripa  Allere**  und 
1268  ,in  Rypa  Allere  prope  Elthe*  Urkunden  aus:  Zwischen  1330  und  1352 
erhielt  Eylerd  van  Alden  von  den  Herzögen  Otto  und  Wilhelm  dit-'Haus  »to 
Elthe'  zu  Lehen.  Bei  der  1360  vom  Herzog  Wilhelm  vorgenommenen  Neu- 
belehnung  bekamen  «Alle  de  van  Alden  .  .  .  To  Elten  I.  hof ',  Henric  van 
Hodenberge  ,n.  houe  to  Elte'  und  Johan  van  Bordesie  ,To  Elten  ü.  hone 


-^    121    H- 

vnde  Uli.  cot*.  Um  1368  wurde  Albert  van  Botmere  mit  einer  Hufe  Landes 
yto  Elte'  belehnt.  1495  erklart  Bartbold  von  Mandelsloh,  dass  er  mit  Ein- 
willigung des  Herzogs  Heinrich  dem  Heinrich  von  Dagef&rde  und  Dietrich 
Olemann,  Bürgermeister  zu  Celle,  den  .tegeden  to  Elte  luttick  vnd  grot', 
welcher  zur  Burg  (Borch)  Alden  gehört,  verpf&ndct  habe;  er  verpflichtet  sich, 
wenn  der  Herzog  oder  dessen  Erben  die  Burg  «Alden*  wieder  von  ihm  «loszen 
vnde  fryhenn',  seinerseits  den  genannten  Zehnten  wieder  einzulösen.  1567  über- 
geben die  Herzöge  Heinrich  und  Wilhelm  «die  jüngere'  dem  Balthasar  Klammer 
9  vor  eine  widerstattung'  eine  Hofslelle  im  Dorf  .Elthen*,  welche  zum  Hause 
Ahlden  gehört,  zujr  Bebauung.  1620  erbaute  sich  der  Grossvogt  Balthasar 
Klammer  eine  Hauskapelle  zu  Eilte,  welche  er  auch  dotirle.  Nadi  dem  Erb- 
register des  Amtes  Ahlden  vom  Jahre  1667  hatten  die  von  Honstedt  das 
Patronat  inne.  1813  brannte  die  Kapelle  sammt  dem  Herrenhause  nieder. 
Nur  das  letztere  wurde  wieder  aufgebaut. 

Der  adelig  freie  landtagsfSliige  Hof  un  Orte  war  ehedem  das  Stamm- 
haus der  nach  demselben  benannten  Familie  von  Eilte.  Die  Familie  erlosch 
1560  mit  Dietrich  von  Eilte,  worauf  das  Gut  an  den  Kanzler  Klammer,  von 
dessen  Enkel  1685  an  die  von  Honstedt  kam. 

Dem  1793  zu  Mons  gestorbenen  Georg  Wilh.  von  Honstedt  {st  auf  dem   Denkmal. 
Wall  nahe  dem  Herrenhause  ein  Denkmal  gesetzt.   Dasselbe  trägt  als  Bekrönung 
eine  Vase. 

Von  der  Kapelle  ist  nichts  weiter  als  ein  mit  Erde  bedecktes  Grab-    Grabgewölbe, 
gewölbe  übrig  geblieben. 

Das  rechteckige,  mit  neueren  Anbauten  versehene,  einstöckige  Herren-   Herrenhaup. 
haus  ist  im  Anfange  des  XIX.  Jahrhunderts  in  Fachwerk  auf  einem  hohen, 
massiven  Sockel  errichtet    In  der  Mitte  der  Vorder-  und  Hinterseite  sind  zwei 
Giebel  ausgebaut.     Die  Schmalseiten    zeigen    den    halben  Walm.     Der   alte 
Wassergraben  ist  noch  vollständig  erhalten. 


FallingbosteL 

Kirche. 

Litteratnr:  Janicke ;  Sndendorf ;  von  Hodenberg,  Hodenberger  Urknndenbuch . 

derselbe,  LUneburger  Urkundenbuch  XV;   derselbe,  Hoyer  Urknndenbach ;  Urkundenbnch 

der   Stadt  Lüneburg  I;    Lttntzel,    die  ältere  DiOcese  Hildesheim;    Regenten-Sahl  1698; 

Wippennann,  Bukki-Gan;  Spilcker,  Geschichte  der  Grafen  von  Wölpe;  Böttger,  DiOcesan- 

nnd  Gan-Grenzen;  Manecke  II;  Kayser,  KirchenviBitationen  1897;  Holscher,  Beschreibung 

\  des  Bisthams  Minden;  Frendenthali  Haidcfahrtcn  I;  Mithoff,  Knnstdenkmale  IV;  derselbe, 

I  Kirehenbeschreibnngen ;     Jürgens,     ein    Amtsbach    des    Klosters    Walsrode,     Hannov. 

I  Gescfaichtsbl.,  2.  Jahrg.;  Grütter,  Arbeiten  über  den  Loingan,  ebendort,  a  Jahrg. 

Quellen:  Urkunden  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  Gftttterscher  Nachlass 
im  Stadtarehiv  ebendaselbst 

16 


-^    122    8^ 


Geschichte. 


Beschreibung. 


Altarlenchter. 


Glocken. 


Das  Kirchdorf  Fallingbostel  am  Westufer  der  Böhme,  in  landschaft- 
licher Beziehung  der  am  schönsten  belegene  Ort '  des  Böhmethaies,  gehörte 
ehedem  zum  Archidiakonat  Ahlden  im  Loingau.  Er  rechnet  zu  den  Ältesten 
des  Landes,  und  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  es  mit  dem  .Vastullnge- 
burstalle'  in  dem  aus  dem  XI.  Jahrhundert  stammenden  Schriftstück  identisch 
ist,  welches  die  um  990  auf  Befehl  Otto's  II.  festgestellten  Grenzen  zwischen 
Ostfalen  und  Engem  sowie  zwischen  den  Bisthümern  Hildesheim  und  Minden 
angiebt.  Zur  Zeit  des  Mindener  Bischofs  Werner,  1153—1170,  schenkte  der 
Edelherr  Mirabilis  der  Mindener  Kirche  Güter  in  «Vastelmgeburstolde*. 
1293  wird  die  Parochie  «Valingeborstle*  genannt.  Der  Ort  kommt  dann  1295, 
1306,  1337  und  1338  vor.  1339  hören  wir  von  Hermannus  de  Ottenstene 
sacerdos  quondam  plebanus  in  Valingeborstelde.  1344  war  Conradus  plebanus 
de  Vallingeborstel.  1378/79  ist  von  dem  »rychte  van  Valingborstele*  die  Rede. 
1402  und  1407  hören  wir  von  dem  Vogt  Frederik  Stalknecht  zu  FaUingbostel. 
Zur  Vogtei  Fallingbostel  gehörten  1543  Düszhom,  Meinerdingk,  Dorpmarcke  und 
Valligenborstell.  1549  wurde  der  alte  .Bargfrede'  (Amtslagerbuch)  an  der 
Böhme  gebaut.  Femer  wurde  1595  »daß  rechte  Vogtey - Wohnhauß  darin  das 
Vorwerk  mit  begriffen  ist  nebenst  dem  Herrn -Hauß'^  (Amtslagerbuch)  neu 
erbaut.  Der  Vogt  Lade  erhielt  1552  den  «Diestelhof*  vor  Fallingbostel,  den 
Zehnten  von  dem  von  ihm  bewohnten  Hofe  und  die  Deilinger  Höfe  für  einen 
Jahreszins  auf  Lebenszeit  eingethan.  Nach  ihm  wurde  zwischen  1552  und  1595 
die  Amtsvogtei  errichtet  und  mit  einem  adeligen  Amtsvogt  besetzt.  1757  wurde 
die  Amtsvogtei  Soltau  mit  der  Fallingbostelschen  vereinigt  und  1835  auch  das 
Klosteramt  Walsrode.  Sie  wurde  1852  aufgehoben.  1774  wurde  ein  neues 
Amtshaus  gebaut.  Am  9.  Januar  1784  brannten  das  Amts-,  Prediger-  und 
Schulhaus  sowie  24  Häuser  nieder.  1829/30  wurde  die  alte  Kirche  durch  einen 
Neubau  ersetzt.  Soweit  der  von  Mithoff  auf  Tafel  I  gegebene  Grundriss 
erkennen  lässt,  war  sie  eine  gothische  Kirche  mit  dreiseitig  geschlossenem  Chor, 
rechteckiger  Sakristei  im  Nordosten  und  rundem  älteren  Westthurm. 

Die  neue,  massive,  innen  und  aussen  geputzte,  im  Osten  und  Westen 
drdseitig  geschlossene,  einfache  Saalkirche  hat  je  fOnf  Rundbogenfenster  auf 
den  Langseiten  und  drei  gleiche  Fenster  in  jedem  Schluss.  Je  eine  Tbiir 
befindet  sich  in  der  Mitte  im  Norden,  Osten,  Süden  und  Westen.  Das  Bauwerk 
ist  mit  Holzgesims  und  Pfannendach  abgeschlossen.  Die  geputzte  Holzdecke 
bt  in  der  Mitte  gewölbt  und  über  den  seitlichen  Emporen,  deren  Stützen  die 
Decke  tragen,  flach.  Eine  einfache  Orgel  steht  im  Westen,  eine  hölzerne 
Altarwand  mit  Kanzel  im  Osten.  Der  in  einiger  Entfernung  von  der  Kirche 
stehende  hölzerne,  viereckige  Glockenthurm  zeigt  in  der  Wetterfahne  die 
Jahreszahl  1793. 

Zwei  35  cm  hohe,  frühgothische  Altarleuchter  aus  Bronze  zeigen  einen 
walzenförmigen  Schaft  mit  drei  ringförmigen  Knäufen.  Die  drei  Fasse  slad 
als  plumpe  Thiergestalten  ausgebildet. 

Die  beiden  1,35  m  und  1,13  m  im  Durchmesser  grossen  Glocken  sind 
von   M.  Thomas  Rideweg  im  Jahre  1719   in  Hannover  gegossen;   sie   tragen 


-^    123    H- 

zwischen  zwei  Omamentstreifen  am  Halse  den  Namen  des  Giessers  und  an 
verschiedenen  Stellen  Engelsköpfe. 

Der  silbervergoldetef  17,6  cm  hohe  Kelch  hat  trichterförmigen  Becher,   Kelch. 
kugeligen,  mit  Maasswerk  verzierten  Knauf  und  einen  runden  Fuss  mit  auf- 
geheftetem Grucifixus.    Der  Schaft  trägt  Worte  in  gothischen  Kleinbuchstaben, 
deren  Zusammenhang  nicht  deutlich  ist.   Es  ist  eine  Arbeit  des  XV.  Jahrhunderts. 

Ein  stark  beschädigter,  einfacher  Taufstein  mit  rundem  Becken   und   Tanfstein. 
achteckigem  Fuss  wird  jetzt  im  Pfarrgarten  aufbewahrt.    Er  wird  der  gothischen 
Zeit  entstammien. 


Güten. 

Kirche. 

Litteratnr:  Von  Hodenberg,  HodenbergerUrknndenbnch;  derselbe,  LUnebnrger 
Urknndenbnch  V  nnd  XV;  derselbe,  Calenberger  Urknndenbuch  V:  derselbe,  Hoyer 
Urknndenbuch;  derselbe,  LUnebnrger  Lehnregister;  Sndendorf;  Urknndenbnch  der  Stadt 
Lflnebnrg  II;  Pfeffinger,  Historie  I  nnd  II;  Manecke  II;  Regenten -Sahl  1698;  Spilcker, 
Geschichte  der  Grafen  von  WOlpe;  Vogell,  Geschlechtsgeschichte  der  Herren  Behr; 
derselbe,  Geschlechtsgeschichte  derer  von  Schwicheldt;  von  Meding,  Nachrichten  von 
adelichen  Wapen  I;  Wippennann,  Beschreibnng  des  Bnkki-Ganes;  BOttger,  DiOcesan-  nnd 
Gan-Grenzen ;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897;  Holscher,  Beschreibnng  des  Bisthnms 
Minden;  Mithoff,  Knnstdenkmale  IV;  derselbe,  Kirchenbeschreibnngrn ;  Katalog  der  Bibl. 
d.  hist.  Yer.  f.  Nieders.,  Heft  1;  Grütter,  Arbeiten  über  den  Loingan,  Hannov.  Ge- 
schichtsbl.,  2.  Jahrg. 

Quellen:  Verzeichniss  der  kirchlichen  Knnstdenkmäler  von  1896;  Kirchen- 
rechnnngen  in  Güten;  Urkunden  nnd  Akten  des  Kgl.  Staatsarchivs  zn  Hannover; 
Grtttterseher  Nachlass  im  Stadtarchiv  ebendaselbst 


Das  ehedem  zum  Archidiakonat  Mandelsloh  im  Mindenschen  Loingau  Geschichte, 
gehörige  Kirchdorf  begegnet  bereits  1242  als  selbst&ndige  Parochie.  Am 
10.  August  dieses  Jahres  verkauft  Hermann  Hodo  dem  Kloster  Mariensee  den 
.indaginem  sitam  in  parrochia  Ghiltene  (Geltene)  iuxta  aliam  indaginem  que 
Yocatur  Grawithe'  (jetzt  Grewjede)  mit  dem  Zehnten  und  allem  Zubehör. 
1265  wird  Luderus  de  Ghiltene  unter  den  ecclesiarum  rectores  aufgeführt. 
Kirche  und  Pfarre  werden  mit  ihren  Grundstöcken  als  Mindensches  Lehngut 
bezeichnet.  Am  10.  März  1314  verkauft  Hermann  von  Hodenberg  dem  Kloster 
Walsrode  die  ihm  zustehende  Hälfte  an  dem  Dorfe  « Ghiltene'  und  überlässt 
demselben  seinen  Antheil  am  Patronatsrecht  ober  die  Kirche  daselbst.  1319  ver- 
sichern Propsty  Priorin  und  Convent  zu  Walsrode  dem  Heinrich  von  Hodenberg, 
welcher  ihnen  bei  der  durch  Ableben  des  Pfarrers  Heinrich  entstandenen 
Pfarrvakanz  der  Giltener  Kirche  deren  Besetzung  durch  den  Walsroder  Kapellan 
Bernhard   «de  Stenlage'    zugestanden  hat,    dass    er  diese  Pfarrstelle  bei  der 

16* 


TJF-- 


Beaclireibang. 
Schiff. 
Chor. 


-t-(     124    fr*- 

DftchstfolgfendeD  Vakanz  allein  besetzen  solle.  Am  29.  April  1330  schenkt 
Henrich  von  Hodenberg  dem  Kloster  die  ihm  zustehende  andere  Hälfte  des 
Patronats  Aber  die  Kirche  zu  .Ghilten  Mindensis  dioecesis*.  1337  bekommen 
die  von  Schlepegrell  vom  Kloster  Walsrode  das  Patronat.  1594  werden  zehn 
Grosehen  für  den  Draht,  welcher  den  Kneppel  zur  Schla^locke  führt,  aus- 
g^^eben;  femer  13  Groschen  für  den  Riemen  zur  Glocke,  von  Bremen  gebMcht, 
sowie  sechs  Groschen  für  das  Seil  zur  Glocke.  169Ö  wird  ein  Stundenglas  für 
den  Predigtstuhl  angeschafft;  es  werden  12  Fenster  im  Thunn  gemacht  und 
drei  Thaler  weniger  ein  Ort  für  SttUde  und  Bänke  ausgegeben.  1598  Ondeo 
wir  sechs  Groschen  für  einen  Riemen  in  die  kleine  Glocke  verzeichnet.    1602  wird 

der  Predigtstuht  gebessert,  1603 
der  Thurm  neu  gemacht  und 
geflickt,  sowie  1604  das  Hess- 
gewand dreimal  geOickt.  1666/67 
wird  der  Thurm  zum  Theil  neu 
gedeckt  sowie  der  Hahn  gebessert 
und  1669/70  die  Kirchenubr 
reparirt.  1685/86  folgte  eine 
abermalige  £3ndeckung  und  Aus- 
besserung des  Thurmes.  1768  er- 
halten die  Tischler  für  die  an- 
gefertigte Kanzel  noch  neun  rthlr. 
SO  Groschen.  1769  werden  für 
eine  neue  .Unie*  zum  Au&deh^ 
des  Engels  13  Mariengrosdien 
vier  Pfenn^  bezahlt.  1775  wird 
eine  ThürüSnung  durch  die 
Thunnmauer  gebrochen,  1780  ein 
neuer  Fussboden  in  der  Sakristei 
gelegt,  1781  die  Kirche  inwendig 
und  auswendig  geweisst  und 
gestrichen  sowie  das  Dach  ge- 
bessert. 1782  wird  auf  da- Nord- 
und  Südseite  je  ein  Fenster 
durchgebrochen,  um  für  die 
westliche  Querpriedte  mehr  Licht  zu  schaffen.  1797  finden  wir  eine  neue  Uhr- 
scbeibe  verzeichnet.  Die  vorhandene  Kirche  ist  dem  heiligen  Paulus  gewdht; 
das  Schiff  wurde  1766  neu  gebaut  und  1849  die  Thurmspitze  erneuert. 

In  Güten  bestanden  drei  adelig  freie  landlagsfähige  Höfe.  Zwei  dtr- 
selben  brachten  die  von  Bothmer  im  XV.  Jahriiundert  durch  Kauf  an  sich.  Der 
dritte  ist  das  Stammhaus  derer  von  Güten.  Von  dieser  nach  dem  Ort  benannten 
Familie  kommt  ein  Eckehardus  de  Gilten  1271  vor.    Sie  starb  1775  aus. 

Die  Kirche  besteht  aus  Schiff,  Chor  mit  Sakristei  im  Norden  und  Westtbrirm. 

Das  Schiff  ist  in  Fachwerk  errichtet  und  mit  hölzernem  Hauptgesims 

versehen.    Der  schmälere  €3ior  ist  aus  Ort-  and  Backstein«!  erbaut  und  hat 


Tlg.  11.   Kirche  In  OUten;  Fsniter. 


-^    125    8^ 


dreiseitigen  Schluss.  Die  geputzte  Schaldecke  ist  aber  den  Seitenemporen  flach 
gehalten,  zwischen  denselben  aber  tonnenf&rmig  gewölbt  Der  flach  gehaltene 
Theil  wird  im  Schiff  von  den  durchgehenden  Emporenstftndem,  im  Chor  von 
besonderen  S&ulen  getragen.  Der  alte,  zum  grössten  Theil  noch  erhaltene 
Fttssboden  im  Schiff  ist  mit  kleinen  Kieselsteinen  gepflastert ,  welche  zu 
Ornamenten  zusammengesetzt  sind.  Im  C3ior  sind  nodi  drei  alte  Fenster  in 
der  Form  der  Fig.  31  erhalten.  Ausserdem  ist  hier  an  der  äusseren  Nordseite 
ein  zugemauertes,  spitzbogiges,  durch  die  vorgebaute  Sakristei  zum  Theil  ver- 
decktes Fenster  sichtbar.  Zwei  weitere,  vormals  vorhandene  Oeffnungen  der 
Nordseite  lassen  sich  im  Inneren  noch  erkennen.  Die  Hehrzahl  der  Licht- 
Öffnungen  ist  flachbogig  geschlossen,  ebenso  die  beiden  Eingangsthüren  an  der 

Südseite;  diejenige  im  Chor  ist  mit  profiliertem 
Sandsteingewände  eingefasst  und  trägt  folgende  In- 
schrift: «Cordt  Rodenbörch •  Cordt •  Peters- 1  •5-56*. 

Die  Sakristei,  von  einem  Kreuzgewölbe  mit  Sakristei. 
Bimstabrippen  und  rundem  Schlussstein  überdeckt, 
ist  der  älteren  Nordseite  des  Chores  vorgebaut  und 
zeigt  einen  Backsteingiebel,  durch  spitzbogige  Blend- 
nischen gegliedert.  Die  Eingangsthür  an  der  Ostseite 
ist  mit  dem  flachen  Spitzbogen,  die  Verbindungsthür 
nach  dem  Chor  mit  einem  Halbkreisbogen  geschlossen. 
Die  Nordwand  enthält  zwischen  zwei  Steinkugeln 
einen  Wappenstein  mit  folgender  Umschrift  in 
gothischen  Kleinbuchstaben :  «Anno  .  Mcccc  1  xxxxii  . 
Henninch  .  v&  .  Ghilten  .  dem  got  •  ghenedich  •  sy.' 
Die  Fensternischen  sind  innen  und  aussen  spitzbogig 
sowie  zweimal  gegliedert. 

Der  viereckige  Westthurm  ist  unten  aus  Ort-  Thurm. 
steinen,  oben  aus  Backsteinen  erbaut,  zf  igt  als  Sockel 
eine  grosse  Fase,  in  halber  Höhe  einep  Absatz  und 
trägt  einen  achteckigen  Helm.  Die  Oeffnungen  sind 
bis  auf  zwei  kleine  rechteckige  Schlitzfenster  flach- 
bogig  geschlossen  und  mit  Backsteinen  ausgemauert 
Eine  Nbche  in  der  Westseite  enthält  eine  stark  ver- 
witterte, dem  XIV.  Jahrhundert  angehörende  Darstellung  der  '  Kreuzigung. 
Darunter  befindet  sich  unter  einer  gothisch  profilierten  Verdachung  ein  ein- 
gelassener Stein  mit  einem  Wappen  und  der  Unterschrift  in  gothischen  Klein- 
buchstaben: 

Henningh  von  Güten  de  olde  mccccc  vn  XVIII. 
Die  Altarwand  mit  Orgel  stammt  aus  dem  Jahr^  1820.  Altar. 

Die  beiden  40  cm  hohen  Altarleuchter  aus  Messing  (Fig.  32)  tragen  die   Altarleuchter. 
Bezeichnung:  «Hannen  •  Borstling  •  zv  Gilten  •  Ao  •  1  •  6  •  40.' 

Eine  schön  getriebene,  ovale,  silberne  Oblatendose  trägt  auf  dem  Boden    ciborion. 
die  Inschrift: 

A.  J.  V  L.  W.  V.  G.    Aö.  1704. 


lig.Si. 
Kircbe  In  OUton;  Altarlenchter 


->«    126    8^ 


Gedenktafel. 


Glocke. 


Grabstein. 


Kanzel. 
Kelche. 


Die  kleinere,  theilweise  vergoldete,  silberne,  runde  Oblatendose  zeigt 
einen  aufgelegten  Cruciflxus  und  innen  das  von  Bothmersche  Wappen  sowie 
die  Buchstaben  «J.  v.  J3/ 

In  die  äussere  Ostwand  des  Chores  ist  eine  in  Renaissanceformen  gut 
gearbeitete  Gedenktafel  aus  Sandstein  eingelassen.  Unter  der  von  zwei  Pfeilern 
getragenen  Giebelverdachung  ist  in  einer  im  Eorbbogen  geschlossenen  Nische 
der  Gekreuzigte  mit  Maria  und  Johannes  zu  sehen.  Darunter  befinden  sich 
zwei  Wappen  mit  der  Unterschrift: 
Cordt  von  Bothmer  •  Dorethea  von  Rheden  •  C  •  V  •  B  •  eliche  Havsfrawe  selige. 
Darunter  lesen  wir:     ■ 

Godt  dem  Almechtigen  zvn 
Eheren  sich  vnd  den  Seinen  avch  der 
gantzen  Gemeine  zvm  Besten 
hat  Obgemelter  •  C  •  V  •  B  •  diesen 
newen  Chor  av£f  spine 
Bekostvng  bawen  lassen 
anno  Dni 
1595. 
Zu  den  Seiten  der  Verdachung  liegen  zwei  Engel,    von  welchen  der 
eine  einen  Totenkopf,  der  andere  eine  Sanduhr  hält;    den  oberen  Abschluss 
bildet  eine  Frauengestalt. 

Die  95  cm  im  Durchmesser  grosse  Glocke  hat  Oehre  von  kreisförmigem 
Querschnitt  und  eine  aufgelegte  Schnur  über  dem  Schlagringe.  Der  Mantel 
zeigt  durch  je  zwei  vertiefte  Linien  hergestellte,  in  ungleichmässigen  Abständen 
von  oben  nach  unten  laufende  Streifen,  welche  durch  ebensolche  Streifen  unter- 
einander ohne  bestimmten  Grundsatz  verbunden  sind.  Der  Guss  ist  fehlerhaft. 
Von  der  aus  gothischen  Kleinbuchstaben  bestehenden  Umschrift  des 
stark  abgetretenen  Grabsteins  eines  Geistlichen  in  der  Eingangsthür  zum  Schiff 

ist  nur  noch  ein  Theil  zu  lesen:  «Anno  .  domi .  m in  vigilia  bti  Jacobi 

apli  obiit  dns  Gherardvsi  .  Ghilte  .  ple/ 

Die  Kanzel  stammt  aus  der  Zeit  der  Erbauung  des  Schiffs. 
Der  grosse,  silbervergoldete  Kelch  mit  eingraviertem  Wappen  am  Becher 
hat  folgende  Inschrift: 
Christian,  von  Güten,  Erb-Herr,  auf  Gilten  und  Wrestädt  •  d  16^  Aug:  1770. 
An  der  Kirche  geschenckt,  da  der  vorige  von  dieser  Familie  gestohlen  worden. 

Gott  bewahre  femer  dafür. 
Auf  der  dazugehörigen  Patene  ist  derselbe  Stifter  mit  seinem  Wappen 
vermerkt. 

Ein  zweiter  Kelch  mit  Patene  aus  demselben  Metall  trägt  ein  Doppel- 
wappen am  Becher  unjji  die  Umschrift: 

E.  A.  V.  Bothmer.  J.  E.  v.  Sebo.  1770. 


j 


-♦«8    127    g-t- 

Hudemühlen. 

Kirche. 

Litteratur:  Von Hodenberg,  Hodenberger Urkundenbuch ;  derselbe,  LUnebnrger 
Urkandenbach  XV;  derselbe,  LUneburger  Lehnregister;  Urkundenbuch  der  Stadt  Lüne- 
burg UI;  Doebner  VI;  Sudendorf;  Merlan;  Pfeffinger,  Historie  II;  Regenten-Sahl  1698; 
Ifanecke  II;  Neues  vaterl.  Archiv  1824;  Ejiyser,  Kirchenvisitationen  1897;  Holscher, 
Beschreibung  des  Bisthums  Minden;  Mithoff,  Kunstdenkmale  IV;  derselbe,  Kirchen- 
beschreibungen; Zeitschr.  d.  tust  Ver.  f.  Nieders.  1864»  368  f.;  GrUtter,  Loingau,  Hannov. 
Geschichtsbl.  3.  Jahrg. 

Quellen:  Urkunden  und  Akten  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover ;  Grütterscher 
Nachlass  im  Stadtarchiv  ebendaselbst;  Kirchenbuch  im  Pfarrarchiv. 


Die  Geschichte  des  Fleckens  und  der  Burggemeinde  Hudemühlen  Geschichte. 
knüpft  an  die  Zerstörung  der  Veste  Hodenhagen  an,  welche  die  danach  sich 
benennenden  Herren  von  Hodenhagen,  späteren  Freiherren  von  Hodenberg, 
erbauten«  Die  Veste  wird  1244  zum  ersten  Male  genannt.  Sie  lag  an  der 
Bremer  Heerstrasse,  eine  halbe  Stunde  ostwärts  vom  heutigen  Hudemühlen  an 
der  Meisse  im  niedrigen  und  sumpfigen  Bruche,  welche  Lage  hauptsächlich  zu 
ihrem  Schutze  dienen  sollte.  Neben  der  Burg  sind  des  öfteren  Pfähle  in  der 
Meisse  gefunden  worden;  dies  lässt  darauf  schliessen,  dass  hier  ehedem  eine 
Mühle,  durch  deren  Stau  die  Umg^end  der  Burg  unter  Wasser  gesetzt  werden 
konnte,  und  eine  Brücke,  welche  den  Uebergang  der  Heerstrasse  über  die 
Meisse  vermittelte,  vorhanden  waren.  Die  Veste  war  ehedem  mit  Wall  und 
Graben  umgeben.  Jetzt  findet  man  nur  noch  geringe  Spuren  alten  Gemäuers 
auf  dem  mit  Bäumen  bestandenen  Platze.  Neben  Anderem  sind  die  Fundamente 
eines  starken  Thurmes  von  37  Fuss  äusserem  Durchmesser  und  mit  neun  Fuss 
starken  Mauern  gefunden  worden.  Westlich  vom  Haupthof,  ebenfalls  an  der 
Meisse,  befand  sich  ein  von  einem  Graben  umgebener  Vorhof,  und  dort  hat 
die  Mühle,  anscheinend  auch  eine  Schmiede  gestanden.  Der  Landschafts- 
direktor Wilhelm  von  Hodenberg  hat  in  dem  Urkundenbuch  seines  Geschlechts 
eine  Skizze  der  vorgefundenen  Reste  gegeben,  und  der  Senior  der  Familie 
Friedrich  von  Hodenberg  liess  1866  einen  Denkstein  auf  dem  alten  Burgplatz 
errichten.  Auf  der  Veste  befand  sich  auch  eine  Kapelle.  1253  kommt  ein 
Eghardus  sacerdos  Capellanus  noster  in  einer  Urkunde  Hermann's  III.  von 
Hodenberg,  welche  «in  Hodenhachenn'  ausgestellt  idt,  als  Zeuge  vor.  Am 
12.  Juni  1289  übertrugen  Heinrich  I.  von  Hodenhagen  und  seine  Söhne  dem 
Herzog  Albert  von  Sachsen  und  dessen  Bruderssöhnen ,  den  Herzögen  von 
Sachsen -Lauenburg,  ihre  Veste  Hodenhagen  zu  rechtmässigem  Lehen.  Bald 
darauf,  als  Albert  nach  Lauenburg  zurückgekehrt  war,  zog  er  gegen  den 
Hodenhagen  und  zwang  Heinrich,  ihm  denselben  zu  unterwerfen,  was  am 
27.  August  des  Jahres  geschah.  Die  Veste  wurde  abgebrochen,  um  nicht  wieder 
aufgebaut  zu  werden.  In  den  Urkunden  geschieht  ihrer  nicht  mehr  Er- 
wähnung, und  die  Herren  von  Hodenhagen  nennen  sich  seitdem  Edelherren 
von  Hodenberg. 


-^    128    8^ 

Nach  der  Zerstörung  des  Hodenhagen^s  scheinen  sie  ihren  Wohnsitz 
zunächst  zwischen  diesem  und  dem  heutigen  Hudemühlen  und  erst  später  an 
letzterem  Orte  selbst  gewählt  zu  haben.  Die  früher  beim  Hodenhagen  befind- 
liche Mühle  wurde  vermuthlich  zunächst  an  die  Stelle  des  heutigen  Hudemühlen 
verlegt  und  wird  darauf  Hermann,  als  der  erste  Wohnsitz  aufgegeben  wurde, 
bei  dieser  Mühle  einen  neuen  Sitz,  die  spätere  Burg,  erbaut  haben.  Zugleich 
fand  eine  Verl^^g  der  Bremer  Heerstrasse  vom  Hodenhagen  weg  in  der 
Richtung  auf  Hudemühlen  statt.  Neben  dem  neuen  Sitze  siedelten  sich 
sogenannte  kleine  Leute  an,  welche  dem  Flecken  zum  Damme  oder  zur  Hude 
seine  Entstehung  gaben,  welcher  schon  zu  Anfang  des  XV.  Jahrhunderts  bestand, 

1360  empfing  Lutherd  van  Hodenberge  vom  Herzog  Wilhelm  «den  hof 
tor  Hodenmolen*  zu  Lehen.  Dieser  Ausdruck  deutete  den  Wohnsitz  an.  Als 
solcher  wird  Hudemühlen  auch  in  dem  um  1377  abgefassten  Wunstorfer  Güter- 
verzeichniss  bezeichnet. 

Um  1422  erscheinen  Marquard  von  Hodenberg  und  seine  Gemahlin 
Heilewig  Elencke  als  Schenkgeber  eines  noch  erhaltenen  Kelches  mit  Patene 
aus  vergoldetem  Silber.  Die  1422  erfolgte  Freisprechung  von  dem  weg&k 
Landfriedensbruches  über  Marquard  verhängten  Banne  wird  die  Veranlassung 
zur  Schenkung  gegeben  halben.  Der  Kelch  wurde  1843  aus  dem  Nachlaas  des 
letzten  Herrn  Schenk  von  Winterstedt  zu  Scfawachhausen  zurückgekauft. 

Am  27.  Juli  1424  vergleichen  sich  der  Kirchherr  zu  Ahlden  Richard 
Oldebuck  sammt  seinen  Kirchspielleuten  auf  der  einen  und  die  Herren  von 
Hodenberg  auf  der  anderen  Seite  «van  der  Gapellen,  wegen,  de  gebuwet  is  bj 
de  Hudemolen  in  dat  Kerspel  to  Eklo':  Die  Kapelle  soll  hinfort  Filial  der  Sarche 
zu  Ahlden  sein;  die  Herren  von  Hodenberg  haben  das  Recht,  einen  ihnen 
genehmen  fronünen  Priester  für  die  Kapelle  einzusetzen,  welcher  aber  dem 
Ahldener  Pfarrer  unterstellt  ist;  derselbe  soll  die  Handlungen  eines  Pfarr- 
geistlichen verrichten,  wenn  die  Hudemühlener  durch  Unbilden  der  Witterung 
oder  Kriegsgefahr  veriiindert  sind,  nach  Ahlden  zu  kommen,  dagegen  den 
Herren  von  Hodenberg  und  ihren  Angehörigen  zu  Diensten  stehen,  so  oft  sie 
dessen  begehren.  Dieser  Vergleich,  sowie  die  Dotierung  der  Kapelle  von  Seiten 
der  Familie  von  Hodenberg  mit  der  Curie  zum  Kampe,  einer  Curie  zu 
Hademstorf  und  der  kleinen  Buchhorst  wurde  im  darauf  folgenden  Jahre  vom 
Mindener  Bischof  Wulbrand  bestätigt.  Die  Kapelle,  welche  zuvor  ein  «alt  ver- 
fallenes' Bethäuslein  war,  wurde  1424  von  den  Herren  von  Hodenberg  erneuert 
und  1426  der  heiligen  Jungfrau  und  dem  Apostel  Thomas  geweiht  Noch  heute 
bildet  die  Burggemeinde  die  eigentliche,  selbständige  Ku*chengemeindey  während 
der  Flecken  nach  Ahlden  eingepfarrt  ist.  Wie  vor  Alters  sind  noch  heute  die 
Herren  von  Hodenberg  Patrone. 

1429  verpfändet  Thomas  von  Hodenberg  den  Herzögen  Bernhard,  Otto 
und  Friedrich  .de  helfte  des  houes  to  der  Hudemölen*.  Deshalb  wird  «Hude- 
molen' 1433  unter  den  «Sloten  wekbelden  vnde  dorpem'  aufgeführt,  an 
welchen  jene  Herzöge  «Pandescoppen'  hatten.  1439  erklären  die  Herzöge  Otto 
und  Friedrich,  dem  Marquard  und  Segeband  von  Hodenberg  den  ihnen  von 
Thomas    von    Hodenberg    verpfändeten    ,deel    der  Hudemolen    mit    erer  to 


bdiorin^*  g^eo  Zahlung  von  400000  Mark  Lüneburgisdier  Geldwäbrung 
zurückgebeu  zu  wollen.  Als  Burg  wird  Rudemühlen  zuerst  1448  genannt.  Die 
Befestigung  war  jedoch  «eher  schon  vorher  erfolgt.  Ihre  spätere  stattliche 
ÄusfQIuiiag  erhielt  die  Bui^  aber  erst  zu  Anfang  des  XVI.  Jahrhunderts. 
1469  ordnet  der  Herzog  Otto  an,  dass  die  Herren  von  Hodenbei^  den  in  der 
Erteile  aufgerichteten  Tau&tein  wieder  entfernen  sollen;  der  EJipellan  soll  hin- 
fort nur  mit  j^nwilligung  des  Ähldener  Pfarrers  und  als  ein  Kapellan  der 
Ahldener  Kirche  Tauf  handlungen  Tomehmen. 


Flg.  U.   Kirche  In  Hiiil«müU«ii. 

iSne  Ansicht  des  Schlosses  giebt  Herian  und  bemerkt:  ,Auff  dem 
Hause  seyn  drey  Adeliche  Wohnungen  fast  in  einem  Triangel  gelegen  md  ist 
dasselbe  mit  Wall  vnd  Graben  verwahret*.  Von  den  adeligen  Höfen  wird  nach 
Hanecke  der  eine  Obristen-,  der  andere  Eammeijunkers-  und  der  dritte 
Lientenantshof  genannt.  Hanecke  sah  von  dem  Scbloss  noch  den  Wall  und 
das  Pfarrhaus.  Jetzt  ist  nur  noch  der  erhöhte  Platz  mit  dem  noch  zum  Theil 
erhaltenen  Graben  zu  sehen.  Am  29.  Juli  1767  Qbet^ebt  der  Pastor  Friedrich 
Wilhelm  Klockenhring  .wegen  besorgen  der  Eriegs-Gefahr*  dem  Siegfried 
Wilhelm  von  Hodenberg  einen  grossen  silhervergoldeten  Kelch,  eine  silber- 
vergoldete Weinflasche,  eine  silberne  Oblatenschachtel  und  einen  silbervergoldeten 


•Hl 


Beschreibung. 
Schiflf. 


Altarkanzel. 


•  i 


Altarleuchter. 


Ciborium. 


CmcifixuB. 


Gedenktafel. 


-«^  ISO  >>- 

Deckel  auf  'dem  Oblatenteller  :  zur '.  Aufbewahrung  (E[ircheiibuch).  1 768  lassen 
die  von  Hod^nberg  ^ihre  hiesige  alte  und  sehr  baufällige  Kirdie  grossen  Theils 
abbrechen^  und  durch  den  Zimmermeister  Joachim  Gämpeii  aus.Eick^öh  und 
den  Mauermeister  Lindig  aus  Soltau  «von  neuen  erbauen  und  vergrössem*. 
1769  wurde  der  Gottesdienst  in  derselben  wieder  eröffnet  urid  von'  den  Herren 
von  Hodenberg  der  noch  vorhandene  Altar  mit  daran  befindlichem  Predigt- 
stuhl geschenkt.  -  ;i.'    .; .. 

Die  Kirche  besteht  aus  dem  Schiff  mit  östlicher  Sakristei  üifd. einer  iin 
Norden  angebauten,  rechteckigen,  zugemauerten  Gruft  der  Herren  von  Hodenberg. 

Das  massive,  im  Osten  durch  das  halbe  Achteck  geschlossene  Schiff 
hat  hölzernes  Hauptgesims  und  über  dem  Westgiebel  einen  viereckigen  geputzten 
Dachreiter  aus  Fachwerk  (Fig.  33).  Von  den  spitzbogigen  Fenstern  mit  zwei 
nasenbesetzten,  spitzbogigen  Theilungsbögen  in  dem  spätgothischen  Sandstein- 
masswerk sind  drei  noch  im  Chor  erhalten.  Die  Laibungen  sind  mit  Back- 
steinen eingefasst  und  zeigen  aussen  den  doppelt  zurückgesetzten  Viertelstab. 
Die  übrigen  Fenster,  sowie  die  Eingangsthür  auf  der  Westseite  sind  flachbogig. 
In  der  Nordseite  befindet  sich  ein  zugemauertes,  gothisches  Fenster  und  eine 
innen  sichtbare,  spitzbogige  Thürnische.  Auf  der  Nord-,  West-  und  Südseite 
sind  Emporen  angeordnet.  Der  gewölbte  Chor  wird  durch  einen  halbkreis- 
förmigen Triumphbogen  von  dem  durch  eine  geputzte,  bogenförmige  Bretter- 
decke überspannten  Schiffe  getrennt.  Die  Gewölberippen  aus  Backstein  ruhen 
auf  kleinen  Pfeilern.  An  den  Chorecken  und  zum  Theil  an  der  Südseite  des 
Schiffes  sind  mit  Pfannen  abgedeckte  Strebepfeiler  angebracht. 

Hinter  dem  gemauerten  Altare  erhebt  sich  bis  dicht  unter  das  Chor- 
gewölbe die  in  Rokokoformen  ausgeführte,  1769  von  den  Herren  von  Hoden- 
berg geschenkte,  stattliche,  hölzerne  Altarwand  mit  eingebauter  Kanzel.  Den 
Hauptrahmen  mit  segmentförmiger  Bekrönung  begleiten  zwei  glatte,  auf  hohen 
Sockeln  stehende,  korinthische  Säulen  mit  verkröpftem  Gebälk.  Ueber  der  Kanzel 
schwebt  der  heilige  Geist  in  den  Wolken  in  Gestalt  einer  Taube.  Im  segment- 
förmigen  Giebel  ist  das  Auge  Gottes  sichtbar. 

Zwei  36  cm  hohe  Altarleuchter  aus  Messing  gehören  dem  Anfang  des 
XVIII.  Jahrhunderts  an. 

Das  silberne,  runde  Ciborium  trägt  auf  seinem  Deckel  den  heiligen 
Geist  in  Gestalt  einer  Taube,  darunter  den  Gekreuzigten  und  die  Lapidar- 
umschrift: „Hoc  •  est  •  corpvs  •  mevm  •  qvod  •  pro  •  vobis  •  datvr  •  in  •  remissionem  • 
peccatorvm**;  femer  die  Worte:  „H  •  G  •  V  •  C  •  W  •  Marqvardt  •  v  •  Hoden- 
barch -  Cristofers  •  Sohn  •  1605  •« 

Ein  farbig  behandelter,  dem  Ende  des  XV.  Jahrhunderts  angehörender 
Grucifixus  hängt  an  der  östlichen  Wand  unter  der  Decke  des  Schiffs. 

Neben  der  Eingangsthür  ist  eine  aus  Sandstein  gearbeitete  Gedenktafel 
eingelassen,  welche  folgende  Inschrift  trägt: 

Mit  den  Beystand  Gottes 

ist  diese  Kirche  vergrosert 

von. 

Siegf -Wilhelm  •  Adam  Ferdi 


-<-8     131    8^ 

nand  •  vnd  Wemer  Anthon 

Friedrich  •  Gevettem  •  von  Ho 

denberg  •  vnte  Direction 

Siegfried  Wilhelms  Sohn 

Joachim  Lvdewig  Avgyst 

von  Hodenberg  • 

Erbauet  den  •  20  •  July 

Anno  •  1768. 

Adam  Lindig  •  M  •  Meister. 

In  die  Chorfenster  sind  kleine  bemalte  Glasscheiben,  welche  Wappen    Glasmalerei. 

enthalten,  eingesetzt;  sie  haben  die  Bezeichnungen: 

1.  Cristoffer  •  v.  Hvdenbarg  1587, 

2.  Lefin  •  van  Hodenberch  Christoflfer  •  seligen  •  Sohn  •  1598  •, 

3.  Adelheit  •  von  Hodenberch   Ortgiesen   s.  Dochter  •  Lefin  •  van 
Hodenberch  elicke  •  Hvsfrow  •, 

4.  das  Wappen  der  Elisabeth  v.  Hodenberg,  geborenen  v.  Marenholz 
mit  der  Jahreszahl  1632  und 

5.  das  Marenholzsche  Wappen. 

Ausserdem  sind  eine  aus  dem  Jahre  1587  stammende  Auferstehung 
und  auf  zwei  weiteren,  kleinen,  runden  Scheiben  je  ein  Evangelist  daselbst 
zu  sehen. 

Ein  schönes,  grosses,  farbig  behandeltes,  an  der  Nordwand  angebrachtes  Grabmal. 
Sandsteingrabmal  ist  von  einem  Giebel  bekrönt,  in  welchem  Gott  Vater  zwischen 
den  Wolken  mit  der  Weltkugel  sichtbar  ist.  Die  halbrund  geschlossene  Nische 
darunter  zeigt  in  der  Mitte  den  Gekreuzigten  und  zu  den  Seiten  die  Sprüche: 
I.  Joh :  2.  Dat  Blvdt  Jesv  u.  s.  w.  und  Ephe.  L  Christvs  heft  vns  erlSset  u.  s.  w. 
Unter  dem  Kreuze  knieen  zwei  weibliche  und  eine  männliche  Figur  in  betender 
Stellung.    Am  Sockel  steht  die  Inschrift: 

Ao  •  3ni  •  1  •  5  •  95  •  de  •  8  •  Jvlii  •  starf  de  erbar  vnd 
ehmtveste,  Ordtgise  vä"  Hvdeberch  •  d  •  G  •  g  • 
Ao  •  dm  •  1  •  5  •  95  •  de  •  18  •  Jvlii  •  slarf,  de  edle  vnd 
emdogetrike  Vrovwe  Madlena  va  Bötmer  •  d  •  G  •  g  • 
Ganz  unten  ist  zu  lesen: 

Ao  •  1  -5-  77  -  Is  dvsce  Gedechtenisce  gemak: 
üeber  der  Bogennische  befindet  sich  der  Vers:  »Also  heft  Got  de  Welt 
gelevet  u.  s.  w.".     Die  angebrachten   16  Wappen  sind  der  Reihenfolge  nach 
wie  folgt  bezeichnet: 

V.  Hvdenb.  v.  Botmer. 

V.  Sporken.  v.  Glvbete. 

V.  Mvnchvs.  v.  Cersen. 

V.  Hitsker.  v.  Otterste. 

V.  Elencke.  v.  Mandels. 

V.  Langle.  v.  Sertwit. 

V.  Alden.  v.  Svrcen. 

V.  Davorde.  v.  Platen. 

17* 


-^    132    8^ 

Grabsteine.  Ein  farbig  behandelter  Grabstein  ist  im  Innern  des  Chors  an  der  Nord- 

seite aufgestellt.  Derselbe  zeigt  einen  Ritter  und  eine  weibliche  Gestalt  in 
betender  Stellung.  Von  den  beiden  Wappen  ist  das  eine  das  Hodenbergsche. 
Die  zum  Theil  verdeckte  Inschrift  lautet: 

„Anno  •  dm  •  1542  •  am  •  dage 

am  •  midweke  •  na  •  E^dii  •  starf  • 
mar  •  qwart  •  vi  hodebarge  •  god  der 
almechtige  •  si  em  gnedich.*^ 
Weitere,    jedoch    meist    verdeckte    Grabsteine    liegen    im    Fussboden 
des  Chores. 
Kanne.  Eine  einfache,  sechseckige,  zinnerne  Kanne  hat  die  Jahreszahl  1659. 

Auf  einem,    aus   Silber    gearbeiteten,    sechseckigen,    als  Weinflasche 
dienenden  Gefässe  mit  Deckel  sind  die  Vornamen  der  drei  Stifter  ,C.  S.,  LW. 
und  J  C   aus  dem  Geschlechte  Hodenberg  vermerkt;   femer  sieht  man  das 
Hodenbergsche  Wappen  und  die  Jahreszahl  1695. 
Kelche.  Ein  schöner,  silbervergoldeter,  um  1422  verehrter  Kelch  (s.  Geschichte) 

mit  gothischem  Becher  und  Masswerk  am  Knaufe  hat  einen  dreieckigen  Fuss, 
dessen  Seiten  eine  halbkreisförmige  Ausbuchtung  zeigen.  Am  Knaufe  steht  in 
Kleinbuchstaben  der  Name  „i«h-e-c*v-s-'.  Auf  dem  Fusse  befinden 
sich  das  Hodenbergsche  und  Klenckesche  Wappen. 

Die  dazu  gehörige  Patene  hat  einen  vertieft  gearbeiteten  Vierpass  und 
die  Bezeichnung  in  gothischen  Kleinbuchstaben:  ,,Marqvardh  •  de  •  Hvdenberghe- 
Heylewich  •  vxcor  •  eiy". 

Der  andere  schöne  Kelch  aus  demselben  Metall  hat  gothischen  Becher, 
späthgothisches  Masswerk  und  sechs  viereckige  Zapfen  mit  dem  Namen 
J-h-e-s«v-s  am  Knaufe,  sowie  auf  dem  Sechsblattfusse  einen  Cracifixus 
in  aufgelegter  Arbeit;  daneben  sieht  man  auf  der  einen  Seite  den  heiligen 
Antonius  und  das  Wappen  der  v.  Hodenberg,  auf  der  anderen  den  heiligen 
Georg  und  das  Wappen  der  v.  Münchhausen. 
Taufbecken.  Auf  dem  Boden  des   aus  Messing   getriebenen  Taufbeckens   ist  eine 

Darstellung  des  Pelikans  mit  seinen  Jungen  angebracht. 
Wappen.  Neben  dem  Eingange  im  Westen  ist  das  Hodenbergsche  Wappen ,  in 

Sandstein  gearbeitet,  zu  sehen;  es  hat  die  Jahreszahl  1598  und  die  Bezeichnung 
in  Lapidaren: 

Die  von 
Hodenberg. 
Auf  einer  Holztafel  im  Innern  sind  fünf  Bronceplatten  befestigt;   die 
mittlere  enthält  das  Wappen  derer  v.  Hodenberg. 


Kirchboitzen. 

Kirche. 

Litteratur:  Hodenberg,  Hodenberger  Ürkundenbuch ;  derselbe,  LUnebnrger 
Urkundenbuch  XV;  Meinardus,  ürkundenbuch  des  Stiftes  und  der  Stadt  Hameln;  Suden- 
dorf;   Spilcker,   Geschichte  der  Grafen  von  Wölpe;    Manecke  II;   Regenten  -  Sahl   1698; 


-^    133    8^ 

B(Sttger,  DiOceBan-  und  Gau  -  Grenzen ;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897;  Holscher,  Be- 
schreibung des  Bisthums  Mind«n,  Zeitschr.  f.  westf.  Gesch.  u.  Alterthumsk.,  Band  33  u.  34; 
Mithoff,  Kunstdenkmale  IV;  derselbe,  Kirchenbeschreibungen ;  Grlitter,  Arbeiten  über  den 
Loingau,  Hannov.  GeschichtsbL,  2.  und  3.  Jahrg. 

Quellen:   Grütterscher  Nachlass  im  Stadtarchiv  zu  Hannover. 


Das  zum  Archidiakonat  Ahlden  gehörige  Kirchdorf  wird  bereits  1203    Geschichte. 
genannt.     1226  bestätigt  der  Erzbischof  Gerhard  zu  Bremen  dem  Kloster  Zeven 
die  demselben  verliehenen  Privilegien  und  Güter,  darunter  auch  „  Botsem .  cum 

medietate  ecclesie **.    1276  begegnet  der  sacerdos  Johannes  de  Botsem. 

1342  kommt  der  plebanus  Ludolfus  in  Bötzem  vor.  Das  Pfründenverzeichniss 
von  1034  erwähnt  „eine  Gapelle  tho  Olden  Boetzem  binnen  dem  Dorpe  und 
eine  Capelle  tho  Kerckbotzem;  ist  de  Parkercke**.  1625  kam  der  Brüggemannsche 
Altar  aus  Walsrode  in  die  Kirche  (vergl.  Walsrode).  Am  2.  September  1724 
^^Ihete,  einer  Inschrift  der  grösseren  Glocke  zu  Folge,  eine  Feuersbrunst, 
^reiche  auch  den  Kirchthurm  ergriff  und  das  Geläute  vernichtete.  1742  wurde 
die  Kirche  auf  zwei  Drittel  von  Westen  her  erneuert  und  um  1861  das  Schiff 
und  der  obere  Theil  des  Thurmes  neu  gebaut. 

Von  der  alten  Kirche  ist  nur  die  untere  Hälfte  des  viereckigen  West-   Thurm. 
thurmes  erhalten,  welche  auf  der  Nordseite  zwei  jetzt  zugemauerte,  rechteckige, 
schlitzartige  Oeffhungen  enthält  und  aus  Findlingen  erbaut  ist. 

Die  1,17  m  im  Durchmesser  grosse  Glocke  hat  zwischen  zwei  Ornament-    Glocken. 
streifen  am  Halse  die  Inschrift: 

M:  Thomas  Rideweg  goss  mich  in  Hannover. 

In  der  Mitte  und  am  Rande  befmdet  sich  je  eine  zweizeilige  Inschrift. 
Die  letztere  enthält  das  Jahr  des  Gusses  1725,  sowie  die  im  geschichtlichen 
Theil  gegebene  Nachricht 

Die  kleinere,  92  cm  im  Durchmesser  grosse  Glocke  trägt  zwischen  zwei 
Omamentstreifen  am  Halse  die  Inschrift: 

«M:  Thomas  Rideweg  goss  mich  in  Hannover  Anno  1725.*' 

Ausserdem  ist  in  der  Mitte  eine  dreizeilige  und  am  Rande  eine  einzeilige 
Inschrift  angebracht.    Sämmtliche  Buchstaben  sind  Lapidare. 

Unter  dem  Sechsblattfuss  des  einfachen,  silbervergoldeten  Kelches  sind   Kelche. 
die  Namen  der  Stifter  und  als  Zeitangabe  die  Zahl  1730  angegeben. 

Ein  zweiter  Kelch  aus  demselben  Metall,  welcher  auf  seinem  runden 
Fusse  einen  aufgelegten  Grucifixus  zeigt,  ist  in  den  Formen  des  XVin.  Jahr- 
hunderts gehalten. 


KipchTxrahlingen. 

Skirche. 

Litteratnr:  Von  Hodenberg,  LUneburger  Urkundenbuch  XV;  derselbe,  Hoyer 
Urknndenbnch;  derselbe,  Hodenberger  Urknndenbuch ;  derselbe,  Lüneburger  Lehnregister; 
MeiAftrdiiB,  Urknndenbach  des  Stiftes  und  der  Stadt  Hameln ;  Vogell,  Geschlechtsgeschichte 


-^    IM    %^ 

der  Herren  Behr;  Sndendorf;  Manecke  II;  Regenten-Sahl  1698 ;  Wippermunn,  Beschreibung 
des  Bukki-Gaues;  ßöttger,  DiOcesan-  und  Gau-Grenzen;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897; 
Holscher,  Beschreibung  des  Bisthnms  Minden;  Mithoff,  Kunstdenkmale  IV;  derselbe, 
Kirchenbeschreibungen;  Grütter,  Arbeiten  über  den  Loingau,  Hannov.  Geschichtsbl., 
3.  Jahrg.  und  Stiftung  des  Klosters  Walsrode  durch  den  Grafen  Walo,  Walsrode  1886. 

Quellen:  Urkunden  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  Verzeichniss  der 
kirchlichen  Kunstdenkmäler  von  1896;  Kirchenrechnungen  und  Pfarmachrichten  in  Kirch- 
wahlingen; Grlltterscher  Nachlass  im  Stadtarchiv  zu  Hannover. 


Geschichte.  Das   ehedem   zum  Ärchidiakonat  Ählden   gehörige  Dorf  besitzt   eine 

Kirche,  welche  dem  heiligen  Kreuze  geweiht  war.  Hier  hat  bereits  in  romanischen 
Zeiten  ein  Gotteshaus  bestanden,  dessen  wuchtiger  Thurm  in  seinem  grösseren 
Theile  die  Jahrhunderte  überdauert  hat.  Nach  einer  zwischen  1237  und  1247 
geschriebenen  Aufzeichnung  hatte  der  Schultheisse  zu  Hameln  vom  dortigen 
Propste  neben  Anderem  „jus  suum  in  bonis  Walige  et  Himelendorpe"  zu 
Lehen.  Femer  heisst  es  dort:  „tale  jus,  sicut  scultetus  habuit  in  curia  Walie, 
concessit  villico'*.  1265  wird  Albertus  de  Walie  unter  den  ecclesiarum  rectores 
aufgeführt.  Zwischen  1330  und  1352  erhielt  „Her  Roder  van  der  Etzene  beyder 
dorpe  to  Walige"  von  den  Herzögen  Otto  und  Wilhelm  zu  Lehen.  1360  empfing 
«Hilmer  van  der  Ecenden  tegeden  to  Kerualinge.  den  tegeden  to  Olden  Walge** 
zu  Lehen.  Nach  der  Zerstörung  der  Bunkenburg  verlegten  die  Burgmänner 
den  Sitz  ihres  Gerichtes  nach  Kirchwahlingen.  1392  hören  wir  von  dem 
„gherichte  to  Walye**.  1434  erkennen  die  Herzöge  Otto  und  Friedrich  dem 
Dietrich  Rotermund  und  Erben  ihre  Schuld  von  50  Lübecker  Mark  in  ihrem 
Meierhof  „to  Waly"  an.  1445  belehnt  der  Hameler  Propst  Graf  Ludolf  von 
Spiegelberg  den  Dietrich  Rotermund  und  dessen  Erben  mit  dem  Meierhof  «to 
Walinge ''.  Dem  genannten  Propst  stand  1454  auch  das  CoUaturrecht  über  die 
Kirche  zu  Walie  zu,  dem  Archidiakon  zu  Ahlden  aber  die  Einführung.  1459  er- 
klärt der  Kirchherr  zu  Walie  „Her  Otte  Vulle"  sowie  die  Aelterleute,  dass 
Werner  Behre  und  seine  Gattin  Sydeke  zum  Bau  des  Chores  („tho  dem  Khore 
to  huwende"")  50  gute  rheinische  Gulden  in  Gold  zur  Ehre  der  heiligen  fünf 
Wunden,  unserer  lieben  Frau  und  des  heiligen  Kreuzes  gegeben  haben,  wofür 
ihm  und  seiner  Gattin  jährlich  fünf  Messen  und.  Vigilien  mit  fünf  Priestern  in 
der  Kapelle  zu  Rethem  gehalten  werden  sollen.  Diese  Summe  hatten  die  Vor- 
steher des  heiligen  Kreuzes  zu  Walige  1465  zum  ^gebuwe  vnde  nutt  des 
hilligen  Cruces"  verwandt.  1699  wurde  der  Thurm,  nachdem  in  der  Weihnachts- 
nacht 1698  die  Spitze  heruntergeweht  war,  um  18  Fuss  niedriger  gemacht. 
1701  wurde  das  romanische  Portal  auf  der  Westseite  des  Thurmes  zugemauert 
und  in  demselben  ein  Erbbegräbniss  der  von  Hedemann  angelegt.  1730  Hess 
Katharina  Dorothea  Behr  das  Erbbegräbniss  ihrer  Familie  erneuern.  1742  zer- 
störte ein  Brand  die  Thurmspitze  und  den  angrenzenden  Theil  des  Kirchen- 
daches, welche  deshalb  einer  Neuerung  unterzogen  werden  mussten.  Der  Thurm 
wurde  um  weitere  18  Fuss  verkürzt.  1747  wurden  die  beiden  Glocken  gegossen. 
1783  kam  ein  neuer  Altar  an  die  Stelle  des  1513  gefertigten  in  die  Eurche, 
welcher  140  Thaler  kostete.     Ausserdem  wurde  die  Kanzel  ausgebessert  und 


-4     135    S-»- 

dem  Altar  ähnlich  bemalt.  1842  stürzte  das  Choi^wölbe  ein  und  wurde  duich 
eine  geputzte  Holzdecke  ersetzt.  Am  10.  April  1901  schlug  der  Blitz  in  den 
KirchtburiD  und  brannte  denselben  aus,  wobei  auch  das  Geläute  zu  Grunde 
^Dg.  Hier  befanden  sich  nach  Manecke  zwei  freie  schriflsässige,  aber  nicht 
landtagsfähige  Höfe.  Das  Patranat  tlbte  1454  Graf  Ludotf  von  Spiegelherg, 
Propst  des  S.  Bonifatius-Stiftes  zu  Hameln,  später  die  Landesherrschaft,  welche 
es'i  dem  Johann  Philipp  von  Hattorf  auf  Böhme  iJberliess.  Dieser  legte  es  za 
dem  .Gute  in  Böhme. 

Die  Kirche  besteht  aus  Schiff,  Chor,  Sakristei  rnid  Westthurm.  Beschreibung. 

Das  durch  einen  breiten,  spitzbogigen,  unprofilierten  Triumphbogen  mit  Schiff  und 
dem  Chore  verbundene  Schiff  ist  aus  Eisensteinen,  Backsteinen  und  Findlingen  " 

erbaut.    Es  wird  von  zwei  gothischen 

Kreuzgewölben    aus    Backsteinen    mit  .'J.  " 

Eimstabrippen    und    glatten,    runden  — 

Schlusssteinen  überspannt.    EUn  halb-  ^ 

kretsl&rmiger,  ungegliederter  GuHbogen 

trennt  die  beiden  Joche.    Die  Rippen  ,~  . 

■werden  von  Sandsteinkonsolen,  welche  ^ 

auch  im  Chor  noch  erhalten  sind,  unter-  ^ . 

stützt.    Der  letztere  ist  im  Osten  durch  "^   . 

das  halbe  Zehneck  geschlossen,  in  Back-  ™ 

steinmauerwerk  errichtet  und  hat  jetzt  -^■ 

eine  geputzte  Holzdecke.    Eine  Fläche  T. 

über  dem  Chore  ist  mit  Mönchen  und  f*  ' 

Nonnen,  das  übrige  Dach  mit  Pfannen  '" 

gedeckt.      Sechs    pultdachförmig    ab-  I. 

gedeckte  Strebepfeiler  stützen  die  Chor-  ": 

ecken,   drei  die   Nord-   und   fünf  die 
Südseite   des  Schiffes.     Die   niedrigen 

Fenster   im  Schiff  schliessen  mit  un-  .^    : 

regelmässig  gearbeiteten,  flachen  Bl^^en, 

die  Chorfenster,  bei  denen  das  Rund-  ^   : 

und    das  Viertelstabprofil  vorherrscht,  '-^' 

sind  flachbogig  geschlossen  und  sitzen 

^   :  ,  .     ,  ,        ,         ™  .  Fl«,  M.    Kirche  in  Kirtliwahllngen  i  TUüre. 

IQ    bpitzbogennischen.     In    den   1  nür- 
Ttegel  des  in  Fachwerk  ausgeführten, 

gc^enannten  Brauthauses  ist  die  Jahreszahl  1764  eingeschnitten ;  dasselbe  wurde 
vor  die  spitzbogige  Eingangsthür  in  der  Nordseite  gesetzt.  Auf  derselben  Seite 
liegt  in  einer  spitzbogigen  Nische  mit  Rundstabeinfassung  ein  flachbogiger  Eingang, 
dessen  alte  Holzthür  noch  erhalten  ist  (Fig.  34).  In  die  Emporen  an  der  West-, 
Iford-  und  theilweise  Südseite  ist  ein  Stück  Renaissancebrüstung  eingebaut.  An 
^inem  einfach  gehaltenen  Kirchenstuhte  ist  zu  lesen:  „U  B  M  1777".  In  den 
Chorwänden  sind  mehrere  rundbogige  und  flachbogige  Nischen  angebracht. 

Die  in  Fachwerk  ausgeführte  Sakristei  auf  der  Südseite  ist  durch  eine    SukriBtei. 
flachbogige,  mit  dem  Rundstabe  profilierte  Thür  mit  der  Kirche  verbunden. 


-**    136    !-t- 

Der  schwere,  aus  lageriiafl  bearbeiteten  Findlingen  und  einzelnen  Eisen- 
steinen auf  abgeschrägtem  Sockel  errichtete,  romanische  Westthurm  hat  10,1  m 
Süssere  Länge  und  9,9  m  Breite.  Eine  0,90  m  im  Liebten  breite,  überwölbte 
Thurmtreppe  fährt  in  dem  2,3  m  starken  Hauerwerk  der  SQd-  und  Westsäte 
nach  dem  Glocbenstuhl.  Auf  den  drei  freien  Seiten  des  Thurmes  ist  je  eine 
in  einer  Rundbogennische  liegende,  romanische  Schallöffnung  mit  zwei  Tlieilui^s- 
säulen  angeordnet  Der  zugemauerte,  romanische  Eingai^;  mit  darüber  befind- 
lichem, in  tiefer,  schräger  Laibung  liegendem  Ereisfenster  im  Westen,  die 
Relhemerthür  genannt,  verschliesst  die  Gruft  der 
Familie  t.  Hedemann.  Ausserdem  sind  mehrere 
rechteckige  Schlitzfenster  |und  eine  Vierpassöffnung 
auf  den  Seiten  zu  sehen. 

Die  Altarwand  stammt  aus,  dem  Jahre  1783. 
Zwei  seitliche,  glatte  Säulen  tragen  ein  verkröpftes 
Gebälk  mit  segmentfflrmigem,  oberem  Abschluss. 
Unten  ist  das  Abendmahl  auf  Holz,  darüber  Chiisti 
Auferstehung  auf  Leinwand  gemalt. 

Ein  39  cm  hoher,  gothisdier  Altarleuchter 
aus  Hesüng  trägt  auf  dem  Fuss  zwei  länglich 
runde  Schildchen  mit  je  einem  Wappen  und  den 
Bezeichnungen:  .Arendt  •  t  -  Honnslede  —  Drost- 
z  •  Nienborch  und  Margreta  •  t  •  Elte*.  Auf  beiden 
Schildchen  ist  die  Zahl  1594  vermerkt  (Fig.  35). 
Ausserdem  sind  noch  zwei  3ö  cm  hohe,  gothische 
Altarleuchter  mit  zwei  Knäufen  am  walzenförmigen 
Schaft  vorhanden. 

Ein  hölzernes,  geschnitztes,  farb^  be- 
handeltes Grabmal  an  der  Südseite  im  Chor  enthält 
in  der  Mitte  mehrere  Familienwappen,  kriegerische 
Sinnbilder  und  das  Wappen  des  1726  verstorbenen 
Obersten  Bodo  Ludwig  v.  Tomey,  Auf  dem 
länglich  runden  Felde  unter  der  Inschrift  sind 
14  gemalte  Wappen  angebracht. 

Ein  Grabstein  zeigt  in  einer  Bogennische  den  Gekreuzigten  zwischen 
einem  in  Brustbildern  daifrestellten,  betenden  Ehepaare  und  folgende  von  zwei 
Pilastem  eingefosste  Lapidarinschrift: 

,  Anno den ist  der  edle  vnd  ehmveste  Arendt  •  von  -  Honstede, 

in  Gott  den  Hemn  entschlafen  dem  Got  gnedig  sei,  vmb  Christi  Jbesv 
wiellen  amenn". 

,Anno  •  1  ■  5  •  6  •  9  •  am  Tage  cantate,  ist  die  edle  vnd  woltvgentsame 
Margreta  von  •  Elten  ■  Arendt  •  von  Honstede  eliche  Havs&aw  in  Got  den 
Hern  entschlafen  der  Gott  gnedig  se  vmb  Christi  Jhesv  willen  amen*. 

Neben  der  Schrift  sehen  wir  vier  Wappen  mit  der  Bezdc^ung: 
D.  V,  Honstede.  D.  v.  Elten. 

D.  V.  Hom.  D.  V.  Zerzen. 


i  • 
-^    137    H- 

Ausllerdem  ist  an  dem  Steine  ein  Meisterteichen  angebracht,  welches 
die  Buchstaben  Y,  6,  H  und  E  erkennen  lässt. 

Ein  räderer  Grabstein  an  der  inneren  Sftdwand  des  SchiflFes  zeigt  in 
einer  Bogednische  ron  den  Ahnenwappen  umgeben  einen  Ritter  und  eine 
Edclfrau  knj^eQd  unter  dem  Gekreuzigten.  Darüber  stehen  in  schrfig  gestellten 
Lapidaren  die  Worte:  »Also  heft  Godt  de  Werlt  gelevet  u.  s.  w.**  und  darunter: 
,Anno  15...  ist  er  edle  vnde  emreste  Ernst  van  Alden  in  Godt  den  Hern 
entalapen  dem  godt  gnedich  si*. 

Eine  weitere  Inschrift  in  gerade  gestellten  Lapidaren  lautet: 

„Anno  1574  den  5  Avgysti  ist  de  edle  erbare  vnde  voldvgentsame 
Anna  van  Hi(denbarge  Ems  van  Alden  elige  Hvsfrvwe  in  Godt  vor- 
stolrven  der  seien  Godt  gnedich  sL" 

Der  Grabstein  des  1424  gestorbenen  Ortgis  Behr  mit  dem  zubehörigen 
Wappen  ist  im  Chor  aufgestellt. 

Ein  weiterer  Stein  wird  jetzt  durch  den  Holzfussboden  des  Chores 
verdeckt.    Nach  MithoflF  lautet  die  Inschrift: 

,anno  dn?  mccclxiii  achte  dage  na  lichtmessen  starf  eilhard . .  •  aide . .  •". 

Der  Grtibstein  des  1683  gestorbenen  Cord  Erich  Bartels  auf  dem  Kirch- 
hofe zeigt  <fen  Verstorbenen  in  ganzer  Figur  und  einen  geflügelten  Engelskopf 
in  der  BekrÖnimg. 

Die    einfache,    hölzerne    Kanzel    mit    Säulchen    an    den    Ecken    und   Kanzel. 
Renaissancegesimse  hat  ih  den  FOllungen  und  am  Schalldeckel  Formen  aus  dem 
Ende  des  XVIII.  Jahrhunderts. 

Der  silbervergoldete  Kelch  mit  Patene  hat  auf  dem  sechstheiligen  Fusse   Kelch. 
ein  Wappen  mit  der  Lapidarinschrift:   . Christian  Ofner  le-SQ**"  und  dem 
gegenüber  die  Buchstaben  I  H  S.     Auf  den  viereckigen  Zapfen  des  Knaufes  ist 
der  Name  jlle^vs  zu  lesen. 

In  die  Mauer  des  Chores  ist  ein  zierliches,  von  zwei  Fialen  begleitetes,    Schränkchen. 
roth  bemaltes,   gothisches  Holzschrftnkchen   eingesetzt  von  95  cm  Höhe  und 
63  cm  Breite.    Auf  der  Thür  desselben  ist  in  Malerei  eine  von  zwei  Engeln 
gehaltene  Monstranz  dargestellt,    von    einem  Schriftband    mit    den  Worten: 
,o  vere  digna  hostia''  umgeben.  Das  Ganze  ist  eine  Arbeit  des  XV.  Jahrhunderts. 

Ein  gothischer,  aus  Sandstein  gearbeiteter,  zum  Theil  neu  hergestellter   Tauf  stein. 
Taufstein  trägt  auf  dem  sechseckigen,  mit  vier  S&ulchen  ausgestatteten  Fuss 
ein  halbkugelf&rmiges  Becken  voa  90  cm  Durchmesser.     Das  Becken  ist  am 
Rande  mit  aufgelegtem  Blattwerk  versehen. 


Meinerdingen, 

Kirohe« 

Litteratnr;  Von  Hodenberg,  LUnebnrger  Urkundenbuch  XV;  derselbe,  Hoden- 
berger  ürknndenbnch;  derselbe,  LUnebnrger  Lehnregister;  Sndendorf;  Pratje,  Altes  nnd 
Neues  VII  und  IX;  Maneeke  II;  Regenten -Sahl  16d8;  Wippermann,  Beschreibung  des 

18 


-<-8     138    S^ 

Bukki-OaneB;  Eayser,  Barchenvisitationen  1897;  Böttger,  Didctsan- ^nnd  Gaä-Qrenzen ; 
Holschcr,  BeBchreibung  des  BiethnmB  Minden;  Preudenthal,  Heidefahrten;  Mithoff,  Knofft- 
^enkmale  IV;  derselbe,  Kirch cnbeBcbreibnngQn;  Grllttcr,  Arbeiten  Über  den  Loingan, 
HannoT.  Geschicbtsbl.,  3^  Jahrg.;  Jürgens)' ein  Amtsbnch  des' Klosiers '(f'alsrode,  ebeu- 
dort,  2.  Jahrg.  '  ,         '."''. 

Quellen: '  Orlttterscher   Nachbisa    im    Stadtarchiv  zu   ITannover;    Kirchcnbacfa 
im  Pfarrurchiv.  ' 


Das  Dorf  Meinerdingen  gehörte  mit  seiner  dem  heiligen  Gwrg  geweihten 
Kirche  vormals  zum  Bisthum  Verden,  wurde  aber  später  gegen  'Wolterdingen 
an  idas  Fürstentimm  Lüneburg  abgetreten  und  kam  so  ß.a  das  Hindener  Archi- 
diakonat  Ahlden.  1251  b^egnet  Johannes  plebanus  de  l^eyderdinge.  Am 
2.  Dezember  1269  schenken  die  Edelherren  'Wedekind  und  Ludinger  Gebrüder 
und  ihr  Vetter  Johann  von  Garrssenbüttel  dem  Kloster  'Walsrode  für  die  Auf- 
nahme von  Wedekind's  Tochter  in  das  Kloster  die  Kirche  zu  Meyderdinghe, 


Flg.  se,    Kirche  In  UalnerdlnK^n;  Gnuidrias 


und  der  Mindener  Bischof  Gottfried  übertrug  dieselbe  am  6.  Oktober  1307  dem 
gedachten  Kloster.  Von  dem  ,kerspelde  to  Meynerdinghe"  ist  gegen  Ende  des 
XIV.  Jahrhunderts  die  Rede.  Auf  einer  1855  umgegossenen  Glocke  befand  sich' 
das  Bild  des  Schutzheiligen.  Es  war  der  Inschrift  zu  Folge  eine  Marienglocke,- 
1507  von  Kord  van  der  Heyde  gegossen.  1517  erklären  Otto  und  Herbord  von 
Ahlden,  Gebrüder,  Söhne  Kurts,  dass  ihre  verstorbene  Mutter  dem  Gotteshause 
einen  Kelch  verkauft  habe,  welchen  sie  von  ihrem  Schinuck  und  Silber- 
geschmeide  habe  machen  lassen.  1648  verehrte  Lükke  Hermann!  einen  Kelch. 
1653  wurde  der  Altar  erneuert.  Das  1663  begonnene  Kirchenbuch  nennt  an 
Geräthen  neben  Anderen  folgende:  einen  silbernen,  innen  vei^ldeten  Kelch, 
einen  1699  für  14  Mgr.  gekauften,  zinnernen  Erankenkeleh,  emen  kleinen 
zinnernen  Kelch  vom  Jahre  1586,  welcher  1699  dem  Kanngiesser  unter  Hinzu- 
bezahlung von  26  Mgr.  gegen  einen  neuen  Kelch,  einen  Teller  und  eine  Flasche 
g^eben  wurde;  eine  zinnerne  Weinflasche  von  1590;  eine  hölzerne  Hostiendose; 


-««    139    8^ 

zwei  messibgene  Altarleuchter;  einen  Taufstein;  einen  alten  kleinen  Beutel, 
woran  Christus  am  KreuK  zwischen  Maria  und  Johannes  u.  A*  m.  1705  wurde 
die  grosse  steinerne  Taufe  vom  Chor  vor  dem  Altar  weggenommen.  1720  ver- 
ehrte der  Pastor  Johann  Christoph  Cläre  bei  seinem  Al)gang  nach  Bui^dorf 
einen  silbernen,  innen  vergoldeten  Krankenkeldi.  1745  wurde  die  Kirche  innen 
geweisst.  1768  schenkte  Dietrich  Friedrich  Dammann,  Bü^r  und  Brauer  in 
Hamburg,  einen  neuen  Altar  und  liess  den  TauTengel  neu  vermalen  und 
vergolden;  auch  schenkte  er  ein  Bild,  das  Kreuz  Christi  darstellend.  Sein 
Halbbruder  H.  Jungen  Peter  Meyer  liess  zur  gleichen  Zeit  die  Kanzel  neu 
vermalen. 

Die  Kirche,  welche  der  gothischen  Zeit  angehört,  besteht  aus  Schiff,    Beschreibung. 
Chor,  Westthurm,   einer  angebauten   Sakristei    im  Süden   und   einer  Vorhalle 
im  Norden. 


■ptg,  57.    Klrcho  In  MetnerdlnBsn. 

Das  unten  aus  Feldsteinen,  oben  aus  Backsteinen  erbaute,  mit  dem 
schmaleren  Chor  durch  einen  spitzbogtgen,  ungegliederten  Triumphbogen  ver- 
bundene, aussen  und  innen  geputzte  Schiff  (Fig.  36  und  37)  wird  von  zwei 
Fechteckigen  Kreuzgewölben  aus  Backsteinen  überspannt.  Die  Gewölbe  haben 
ebenso  wie  das  Chorgewölbe  scharf  vorgezogene  Grate.  Der  Chorgiebel  wird 
durch  Blendnischen  gegliedert.  Drei  pultdachförmig  abgedeckte  Strebepfeiler 
aus  Backsteinen  stützen  die  östlichen  Ecken  des  Chors  und  die  südwestliche 
Ecke  des  Schiffs.  Die  Fenster  sind,  abgesehen  von  einigen  neueren,  eintheilig 
und  spitzbogig;  in  zweien  an  der  Südseite  sind  die  vorgezogenen  Nasen  im 
Bogen  noch  erhalten.  In  der  Nordseite  liegt  eine  gefaste,  spitzbogige  Eingangs- 
thür  mit  einer  Vorhalle.  In  der  Westwand  befindet  sich  eine  grosse,  spitzbogige 
Oeffnung  und  in  der   Nordwand   eine   flachbogige  Nische.     Der   rechteckige, 

18» 


-^    140    8^ 


Altarlenchter. 


GUumuderei. 


i^ 


schmalere  Chor  ist  um  eine  Stufe  erhöht«    Emporen  mit  gut  profilierten  Kopf- 
bftndem  sind  auf  der  West-  und  Südseite  angeordnet. 
Thnnii.  Der  hölzerne,  quadratische,  aussen  mit  Bohlen  verkleidete  Westthnnn 

ist  durch   einen   kleinen  Zwischent)au  mit  dem  Schiffe  verbunden  und  trägt 
einen  viereckigen  Helm. 

Zwei  56  cm  hohe  Altarleuchter  aus  Messing  zeigen  nach  gothischer  Art 
einen  walzenförmigen,  mit  drei  Knäufen  versehenen  Schaft  und  ruhen  auf  je 
drei  Füssen. 

Zwei  kleine,  länglich  runde,  mit  Wappen  versehene  Glasgemälde  in 
einem  Fenster  der  Südseite  haben  die  Lapidarunterschriften: 

lletl,e  •  Marshalck  •  vxor  •  selige  • 
und 

Andreas  •  v  Mandelslo  o  a  s  s  1623. 

Auf  einem  Glasgemälde  in  einem  anderen  Fenster  derselben  Seite  ist 
der  Auferstandene  sichtbar;  die  Bezeichnung  lautet: 

Anneke  •  to  •  Vtzing 

Der  Godt  gnedich  si. 

Kelch.  Ein  kleiner,  silbervergoldeter  Kelch 

mit    zubehöriger  Patene  trägt  auf  dem 

runden  Fusse  die  Jahreszahl  1720  und  die 

Buchstaben  IFM. 

Die  Lapidarinschrift  des  oben  mit 
dem  Doppeladler  geschmückten  Bronze- 
kronleuchters lautet:  «Andreas  •  Lvdewjg  • 
Tränier  —  Anna  •  Elisabet  •  Tränier  • 
gebome  •  Lvdersen  •  1733.'' 
Siegel.  Das  runde  Kirchensiegel  zei^t  den 

St  Georg  als  Drachentöter.  In  der  Um- 
schrift ist  zu  lesen:  «Sänct  •  Gregörivs*. 
Der  in  Weiss  und  Gold  gehaltene, 
hölzerne,  ausser  Gebrauch  befindliche  Tauf- 
engel hängt  unten  im  Thurm.     Die  mit 

Zinn  ausgelegte  Muschel,  welche  er  früher       Fig.  SS.    Kirche  in  Meinerdingen;  Zinnvmse. 

in   der  Hand    hielt,   trägt   die  Inschrift: 

«Hans  Friedrich  Moritz  1729',  femer  als  Zeichen  eine  Rose  und  einen  geflügelten 

Engel  mit  Pahne  und  der  Zahl  1707. 

Der  0,44  m  hohe  Fuss  des  einfachen  achteckigen  Taufsteins  steht  bei 
der  Kirche.   Das  83  cm  im  Durchmesser  grosse  Becken  befindet  sich  m  VorbrQck 
bei  Walsrode. 
Vasen.  In  die  beiden  Zinnvasen  sind  die  Namen  der  Stifter  und  die  Jahres- 

zahlen 1702  und  1728  eingraviert  (Fig.  38). 


Kronleuchter. 


Tanfengel. 


Taufstein. 


-*^    141    8«^ 

Nopddrebber. 

Kapelle. 

Litteratnr:  Von  Hodenberg,  Calenberger  Urknndenbaeli  V;  derselbe,  LUne- 
bnrger  Lehnregister;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897;  Orlitter,  Loingaiii  Hannoy. 
GrescfaichtebL,  2.  Jahig. 

Quellen:  YerzeicbniBB  der  kirchlichen  Knnstdenkmller  yon  1896;  Kapellen- 
rechnungen  von  Korddrebber  in  Güten. 


Das  westlich  der  Leine  im  ehemaligen  Archidiakonat  Bfandelsloh  Oeachichte. 
gel^ene,  bis  1869  zmn  Amt  Neustadt  gezählte  Dorf  gehört  jetzt  zur  Pfarre 
Güten.  Am  10.  Juli  1033  bestätigte  der  Kaiser  KonlnSid  ü.  die  Schenkungen 
für  das  neu  gestiftete  Kloster  St.  Martini  in  Minden,  darunter  Güter  in  pago 
Loinga  im '  Dorfe  »Triburin',  nach  Grütter  dem  jetzigen  Norddrebber. 
Am  4.  Dezember  1251  schenkte  der  Graf  Konrad  von  Wölpe  dem  Kloster 
Mariensee  das  Obereigenthum  von  Gütern  in  «Northtreueice"  und  in  ,Suttreuera', 
liirelche  seiq  Vasall  Albert  von  Schwarmstedt  dem  Kloster  verkauft  hat  Nach 
dem  Visitatiitasprotokoll  vom  Jahre  1543  erhielt  der  Pfarrer  von  Niedernstöcken 
jährlich  einen  Gulden  aus  der  Kapelle  »Nordreber,  das  er  bisweilen  dahin  gehe 
Tnd  predige*.    1690  gehörte  die  Kapelle  ziff  Parochie  Gilten. 

Die  Kapelle  stammt  mit  ihrer  ganzen  Einrichtung  aus  der  Mitte  des   Beschreibung. 
XVIIL  Jahrhunderts. 

Die  rechteckige,  auf  einem  Backsteinsockel  errichtete  Fachwerkkapelle 
von  12,5  m  äusserer  Länge  und  7,10  m  Breite  hat  ein  im  Osten  abgewalmtes 
Satteldach  und  einen  Glockenstuhl  im  Westen.  Das  Innere  wird  durch  eine 
bogenförmig  gekrümmte,  geputzte  Holzdecke  abgeschlossen.  Die  auf  der  Süd- 
seite liegende  Eingangsthür  und  sämmtliche  Fenster  sind  mit  geradem  Sturz 
versehen. 

Vor  einer  Sakristeithür  ist  auf  einer  Schwelle  die  Inschrift:  «Anno  1757" 
zu  lesen. 

Die  mit  der  Kanzel  verbundene,  schlicht  gehaltene  Altarwand  steht  auf  Altar, 
einem  gemauerten  Tisch.  Kamel. 

Zwei     hölzerne    Altarleuchter     in    Barockformen    zeigen    einen    ge-    AltarlenchtHr. 
wmidenen  Schaft. 


Ostenholz. 

Kirche. 

Liitteratur:  Sndendorf;  von  Hodenberg,  Lttnebnrger  Urkundenbnch  XV;  der- 
selbe, Hodenberger  Urknndenbnch ;  Manecke  II;  Meyer,  die  Provinz  Hannover;  Holscher, 
Beschreibung  des  Bisthnms  Minden;  Mithoff,  Knnstdenkmale  IV;  derselbe,  Kirchen- 
beschreibnngen ;  Wippermann,  Bnkki-Gau;  Grütter,  Arbeiten  über  den  Loingan,  Hannov. 
Geschichtsbl.,  8.  Jahrg. 

Quellen:  Urknnde  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover. 


H>*8    142    8^ 


Geschichte. 


Beschreibung. 
Schiff. 


Ostenholz,  jetzt  Kirchdorf,  ist  innerhalb  des  Archidiakonats  Ahlden  im 
Mindener  Loingau  belegen.  Im  Jahre  1360  erhielt  Heinrich  von  Hodenberg 
vcnn  Herzog  Wilhelm  zu  Braunschw6ig  und  Lüneburg .  einen  Hof  ,to  Osterholte" 
zu  Lehen.  Der  Ort  wird  im  Jahre  1381/82  zum  Kirchspiel  Dorfmark  gerechnet. 
1489  wird  das  Dorf  zur  Parochie  Düshorn  gezählt,  wohin  es  bis  1711  gehört  hat 

Die  Kirche  besteht  aus  Schiff  und  Westthurm. 

Das  auf  massivem  Sockel  in  Fachwerk  errichtete  Schiff  hat  schlichte, 
rechteckige  Fenster,  hölzernes  Hauptgesims  und  ist  im  Osten  durch  das  halbe 
Z^hneck  geschlossen  (Fig.-  39  und  40).»  In  den  Langseiten  liegt  je  eine  Eingangs- 


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Fig.  31).    Ktrehe  In  Oätcnholz;  Grundrisi^. 


ITiurm. 


Altar. 


thür.  lieber  der  Thor  an  der  Südseite  hängt  eine  Holztafel  mit  dem  Vers 
Matth:  11,  28  und  der  Zeitangabe  ,den  15*«E  October  1724*.  Hierüber  befindet 
sich  auf  einer  Uolztafel  eine  Spnnenuhr  mit  dem  Spruch: 

Mit  euch,  o  Freunde  werd  ich  mich 

Von  Sonn  zu  Sonnen  schwingen. 

Mit  euch  dem  Welten  Schöpfer  Dank« 

Und  Preis  und  Ehre  singen. 

Unten  stehen  die  Worte:  „Von  etlichen  Wohlthätigen  Gliedern  der 
Gemeine  zu  Ostenholz  angeschafft  1781 '. 

Ueber  den  hölzernen  Emporen  an  der  West-,  Nord-  und  Südseite 
ist  die  geputzte  Holzdecke  flach  gehalten  und  zwischen  denselben  tonnen- 
förmijf  gewölbt. 

Der  Thulm  ist  unten  quadratisch,  oben  achteckig  und  mit  Brettern 
verschalt.    Der  Helm  trägt  in  der  Wetterfahne  die  Jahreszahl  1724. 

Die  hölzerne,  mit  Weiss  und  Gold  behandelte  Altarwand  zeigt  eine  von 
zwei  glatten  Säulen  getragene,  segmentförmige  Bekrönung.  Die  eingebaute  Kanzel 
ist  mit  gutem  Ornament  und  Engelsköpfen  verziert.     Der  Schalldeckel  zeigt 


-»4    143     »-»- 

iHusch^tfelffc  und'hoeh  oben  den  Gekreuzigten. '  Unten  steht-  2u  den  Seiteil  des 
'Eanzelfiisses :  ... 

Christoph  Winkehnann.' 
Adelheit  Catharine  Köning. 
Anno  -  1725. 
und  der  Vers  1.  Cor.  11.  28. 

Zwei  33  cm  hohe  Altarleuehter  aus  Messing  zeigen  die  Formen  der    Aitarleuchter. 
ersten  Hälfte  des  XVllI.  JahrbuQderts.  ~ 

Auf  einer  10,6  cm  langen  und  3,5  cm  hohen,  silbernen,  zum  Theil    Ciborium. 
vei^oldelen  Oblatendose  sind  die  Namen  der  Stifter  Hans  Chrisloffer  Maller  und 
Anna  Dorothea  Müllers,  sowie  die  Jahreszahl  1726  auf  dem  Deckel  vermerkt.   Die 
untere  Seite  trägt  als  Zeichen  das  springende  Pferd  mit  darunter  befindlicher  12 
und  die  Buchstaben  I  C  S. 


FIk.  W.    KJrcb«  in  Oiitaohalz;  SQdtiaite. 

Der    1726    angefertigte,    21,5  cm  hohe,    silbervergoldcte    Kelch    mit   Kolcho. 
zubehöriger  Patene  zeigt  auf  dem  runden,  profitierten  Fusse  die  Spuren  eines 
aufgehefteten  Grudfixus  und  hat  feinen  Becher  mit  leicht  geschweiftem  Rand, 
sowie  dieselben  Zeichen  wie  das  Ciborium, 

Der  andere,  fast  gleich  grosse  und  ähnlich  gearbeitete  Kelch  trägt  auf 
der  Patene  die  Inschrift:  ,E.  H.  v.  D.  1780."  und  hat  als  Zeichen  das 
springende  Pferd  mit  darunter  befindlicher  12  und  nicht  mehr  erkennbare 
Buclistaben  {L  V  E  N?). 

Das  mit  Weiss  und  Gold  behandelte,   zugleich   als  i Lesepult  benutzte    Taufbecken. 
Taufbecken  hat  auf  einem  einfachen  Sockel  einen  viereckigen  Fuss  mit  leicht 


-^    144    «H- 

geschwungenem  Becken.  Das  Ganze  ist  mit  Engelsköpfen  mid  Fruchtgehängen 
verziert.  Auf  dem  Rande  des  Beckens  stehen  die  Worte:  ,Cord  Eoenlng 
Maria  Elisabeth  Boeschen.  Ao  1725*. 


R  e  t  h  e  m. 

Gebäude  auf  dem  Schlosshofe;  Gerichtsgehttnde. 

Litteratnr:  Merian;  von  Hodenberg,  LUnebnrger  Uvkundenbach  XY;  derselbe, 
Hodenberger  Urkundenbnch ;  derselbe,  Hey  er  Urkandenbnch;  derselbe,  Galenberger 
UrkundenbuchVI;  derselbe,  Lüneburger  Lehnregister;  DoebnerlV;  Sudendorf;  Urkunden- 
buch  der  Stadt  Lüneburg  II  und  III;  Urkundenbuch  der  Stadt  Hannover;  Vogell,  Geschlechts- 
geschichte  der  Herren  Behr;  Manecke  II;  Regenten-Sahl  1698;  Wippermann,  Bukkigan; 
Havemann;  Pfeffinger,  Historie  II;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897;  Spilcker,  Geschichte 
der  Grafen  von  Wölpe;  Holscher,  Beschreibung  des  Bisthums  Minden;  Böttger,  Diöcesan- 
und  Gau-Grenien;  Neues  Hannov.  Magazin  1810;  Görges,  Vaterland.  Geschichten  und 
Denkwürdigkeiten;  Mithoff,  Kunstdenkmale IV;  derselbe,  Kirchenbeschreibungen;  Zeitschr. 
d.  bist.  Ver.  f.  Nieders.  1878,  49  ff.;  Grütter,  Arbeiten  über  den  Loiügau,  Hannov. 
Geschichtsbl.,  3.  und  4.  Jahrg. 

Quellen:  Akten  und  Urkunden  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  Grtttterscher 
Kachlass  im  Stadtarchiv  ebendasellüst 


Geschichte.  Die  am  Zusammenfluss  von  Alpe  und  Aller  belegene  Stadt  war  vor- 

mals einer  der  Grenzorte  des  Bisthums  Minden  gegen  das  Bislhum  Verden. 
Zwar  wird  der  OH  urkundlich  erst  1239  (in  seiner  heutigen  Namensform) 
genannt,  doch  kommt  ein  Conradus  de  Rethem  bereits  1216  vor. 

Um  1270  erhielt  Amoldus  de  Daum  von  den  Grafen  von  Hoya  .in 
Rethim  4.  mansos  quos  habuit  Bemhardus  de  Rothe  miles,  Item  ibidem  sex 
mansos,  quos  habuit  Conradus  miles  et  frater  suns**  zu  Lehen.  Der  Zehnte 
stand  1273  der  Mindensr  Kirche  zu.  1313  verkaufen  die  Herren  von  Hoden- 
berg ihre  Besitzungen  in  Rethem  dem  Grafen  von  Hoya.  1367  wird  Rethem 
unter  die  Lünebur^^schen  «wicbelde"  gerechnet.  1371  befand  sich  der  Magistrat 
des  Ortes  unter  denen,  welche  vom  Kaiser  in  die  Rdichsacht  erklärt  worden« 
weil  sie  im  Lüneburg- Sächsischen  Erbfolgekriege  zu  den  Braunschweigischen 
Herzögen  gehalten.  1372  und  1373  wird  das  Gericht  zu  Celle  und  Rethem 
genannt.  1382  wird  der  Ort  als  Stadt  aufgeführt.  Am  13.  Juli  dieses  Jahres 
erklären  Burchard  von  Lutter,  Johann  von  Escherte,  Henning  und  Ludolf  Knigge 
sowie  Hermann  Frese,  dass  die  Herzöge  Wenzlaus  und  Albrecht  von  Sachsen 
und  Lüneburg  ihnen  bis  zum  22.  März  1383  „Rethem  hus  vn  stat  gans*  in  der 
Weise  verpfändet  haben,  dass  sie  daselbst  Vögte  der  Herzöge  sein  sollen.  Bei 
der  1407  von  den  Gebrüdem  von  Behr  vorgenommenen  Erbtheilung  bekam 
Ortgis  neben  Anderem  «ene  koten  vppe  dem  Kerkhoue  to  Rethem*  und  den 
dritten  Theil  an   dem  Hofe   ta  Rethem.     Im  dreissigjährigen  Kriege   hat   die 


/ 


-<^    145    8^ 

Stadt  viel  ausstehen  müssen.  1653  wurden  Dach  und  Sparrenwerk  des  Amts» 
hauses  als  allzu  hoch  und  steil  niedriger  gemacht.  Am  18.  Oktober  1704 
brannten  114  Wohnhäuser  und  39  Nebengebäude  nieder.  Im  siebenjährigen 
Kriege  hat  der  Ort  wiedenmi  arg  gelitten ;  vom  24.  August  1757  bis  21.  Februar  1758 
ist  er  von  Einquartierung  nie  frei  gewesen.  Wie  bereits  zu  Merians  Zeit  theilt 
sich  das  Städtlein  in  die  Bürgerei,  Amtsvorburg  und  Junkcrnvorburg.  Das 
Siegel  des  Magistrats  zeigt  einen  Löwen,  welcher  aufrecht  steht  und  den  Rachen 
auf^)errty  sowie  die  Umschrift:  Signeta  Rethen  1634.  Die  Amtsvorburg  stand 
früher  unter  der  Jurisdiktion  des  Amtes;  die  Junkernvorbuig  und  die  Buten- 
thorsche  Acht,  zu  welcher  die  Stellen  vor  dem  Thore  gehörten,  standen  unter 
dem  Bunkenburger  Junkemgericht  zu  Wahlingen.  Auf  der  Amtsvorburg  stehen 
die  Grebäude  des  ehemaligen  Amtes  Rethem.  In  der  Junkemvorburg  lagen 
12  adelige  Burgmannssitze,  welche  nach  Manecke  in  folgender  Weise  vertheilt 
sind:  Die  von  Schlepegrell  zwei,  die  von  Tomey  zwei,  die  von  Behr  zwei,  die 
von  Uten  einen,  die  von  Spörken  einen,  die  von  Möller  einen,  die  von  Bothmer 
einen,  die  von  Duve  zwei.  Ausser  dem  Zugange  über  die  Allerbrücke  sind  das 
Celler-  oder  Heinholzerthor  sowie  das  Mühlenthor  vorhanden.  Ein  grosser 
Brand  verheerte  am  3.  Juni  1834  den  grössten  Theil  des  Ortes.  / 

1311  hören  wir  von  dem  Hauptmann  (capitaneus)  und  den  Burgmännem 
(castellani)  zu  Rethem.  Am  13.  März  1314  wird  die  Burg  selbst  genannt.  Sie 
gehörte  vermuthlich  den  Herren  von  Rethem.  1316  gestatten  die  auf  dem 
Schloss  wohnenden  Gebrüder  Johann  und  Dethard  von  Riden  dem  Herzoge 
Otto,  einige  Häuser  in  Bierde  und  Campe  wieder  einzulösen,  sobald  sie  nicht 
mehr  ,in  Castro  Rethem*  wohnen  werden.  1350  wird  Ludolf  Havekhorst  als 
früherer  herzoglicher  Vogt  zu  Celle  und  Rethem  bezeichnet.  1357  nimmt  der 
Herzog  Wilhelm  den  Grafen  Gerhard  von  Schauenburg  auf  sechs  Jahre  in  seinen 
Dienst  und  Schutz.  Geräth  der  Herzog  in  einen  Krieg,  so  verpflichtet  sich  der 
Graf,  ihm  20  Gewaffnete  in  dessen  Schloss  ^tho  der  Nyenstad  eder  tho  Rethem' 
zu  stellen  und  ihm  im  Nothfall  mit  seiner  ganzen  Macht  zu  helfen..  Damals 
war  also  der  Herzog  zu  Braunschweig  und  Lüneburg  Inhaber ,  des  Schlosses. 
1371  verpfändet  der  Herzog  Magnus  dasselbe  dem  Bischof  Heinrich  von  Verden, 
dem  Domkapitel  daselbst  sowie  mehreren  Rittern,  und  gestattet  ihnen:  «Ok 
moget  se  In  Rethem  •  an  •  steynwerke  •  vorbuwen  hundert  lodyghe  mark 
Brunswikescher  wichte  vnde  witte."  Der  Verpfändung  seitens  der  Herzöge 
Wenzlaus  und  Albrecht  im  Jahre  1382  ist  oben  bereits  gedacht.  Die  vom  Vogt 
Ludeke  Juncher  zu  Celle  für  die  Zeit  vom  23.  November  1382  bis  8.  November  1383 
gefäbrle  Rechnung  über  Ausgaben  auf  dem  Schloss  Rethem  erwähnt  mehrere 
Gegenstände  zu  dem  «groten  stenwerk*";  dasselbe  wird  eingedeckt,  auch  sind 
Zimmerleute  dabei  beschäftigt,  und  femer  wird  ein  Tau  zur  Winde  desselben 
angeschafft.  1388  wird  Rethem  unter  den  der  Stadt  Lüneburg  von  der  Landes- 
herrschaft verpfändeten  Schlössern  genannt.  Erstere  hatte  in  den  Jahren  1386 
bis  1389  Lambers  von  Alden,  Ludeke  von  der  Hecktlinge  und  Ortgis  Kienkok 
nacheinander  als  Drosten  daselbst  bestellt.  1389  nehmen  Ortgis  und  Gerhard 
Kienkok  das  Schloss  vom  Rathe  der  Stadt  Lüneburg  in  Pfandschaft. 
1392  erklärt  Ortgis  Elencke,  mit  dem  ihm  gehörigen  Sclilosse  Rethem  nimmer 

19 


->«    146    8^ 

den  Herzögen  behülf  lieh  sein  zu  wollen,  um  ein  Mitglied  der  Säte  zu  schädigen, 
vielmehr,  wenn  letzteres  gekränkt  werde,  sich  mit  seinem  Schlosse  auf  die 
Seite  der  Satesleute  gegen  seinen  Lehnsherrn  stellen  zu  wollen.  1394  beschuldigen 
die  Satesleute  die  Herzöge  Bernhard  und  Heinrich,  dass  sie  das  Schloss,  welches 
sie  von  den  bei  der  Aufrichtung  der  Säte  erhaltenen  50000  Mark  von  der  Stadt 
Lünebui^  eingelöst  haben,  an  Leut;e,  welche  der  Säte  nicht  angehören,  verpfändet 
haben.  Sie  ersuchen  daher  die  Herzöge,  das  Schloss  wieder  einzulösen  oder  die 
Leute  zu  veranlassen,  die  Säte  ebenfalls  zu  beschwören.  1400  verschreiben 
dieselben  Herzöge  der  Herzogin  Sophie,  Gemahlin  Heinrichs,  Schloss,  Haus  und 
Stadt  Rethem  zum  Leibgedinge.  1405  verpfänden  sie  das  Schloss  der  Adelheid, 
Wittwe  des  Ortgis  Elencke,  und  deren  Söhnen.  Sophie  erhält  als  Ersatz  das 
Schloss  Celle.  1426  wurde  es  von  den  Herzögen  Otto  und  Friedrich  wiederum 
an  Lüneburg  verpfändet,  welches  zunächst  bis  1504  im  Besitz  desselben  blieb. 
Bis  1455  hat  diese  Stadt  2000  Lübecksche  Mark  an  Baukosten  für  Rethem 
verwandt.  1471  belehnte  Friedrich  der  Aeltere  die  von  Ahlden  „mit  enem 
Borchlehne  und  veer  Hove  Landes  bynnen  und  vor  Rethem  belegen", 
1475  wurde  das  Schloss  zwar  von  dem  Afterpfandträger  des  Rathes  Johann 
von  Oppershausen  wieder  eingelöst,  jedoch  noch  in  demselben  Jahre  dem 
Dietrich  von  Mandelslo  und  Dietrich  von  Ahlden  verpfändet.  Als  Pfandinhaber 
der  Stadt  werden  genannt:  Roleff  von  Botmer  1487—1491,  Diederick  von  Alden 
1492—1496,  Ruleff  von  Hudenberg  1499  und  Hinrick  Bere  1504.  Bald  darnach 
scheint  das  Schloss  vom  Landesherm  eingelöst  worden  zu  sein.  1519  wurde 
dasselbe  in  der  Hildesheimschen  Stiftsfehde  vom  Herzog  Erich  von  Galenberg 
dem  Herzog  Heinrich  von  Lüneburg  genommen.  Doch  ist  dieser  bald  darauf 
wieder  in  den  Besitz  des  Schlosses  gelangt  und  verpfändete  es  abermals  an  die 
Stadt  Lüneburg.  Es  kommen  Hinrick  von  Saldern  1520,  Lippold  von  Stocken  1523, 
Cord  von  Ahlden  1539  und  Hermann  Schütte  als  städtische  Pfandbesitzer  vor. 
Kurze  Zeit  darauf  hatte  Bruno  von  Bothmer  Rethem  inne.  1544 — 1559  war 
Dietrich  von  Mandelsloh  städtischer  Drost,  1559 — 1567  Jobst  von  Münchhausen. 
1571  jedoch  war  Jürgen  von  der  Wense  fürstlicher  Drost  in  Rethem;  dieses 
war  also  wieder  eingelöst.  Als  Burgmänner  zu  Rethem  werden  genannt:  Die 
von  Bücken,  von  Behr,  von  Tomey  und  von  Ahlden;  femer  waren  es  die  von 
Bamebrock,  von  Hälsingen,  von  Schlepegrell,  von  Honstedt,  anscheinend  auch 
die  von  Ride,  von  Eitzen,  Haverber  und  von  Fulde;  später  die  von  Bothmer 
und  von  Elencke. 

Bezüglich  des  an  der  Stelle  des  alten  Schlosses  errichteten  Amtshauses 
sagt  Merian:  „Das  Hauss  ist  ein  altes  Gebaew  ins  gevierdte  auffgerichtet  vnd 
in  vier  Stockwercken  bestehend  deren  eins  fast  hoch  ist  vnd  sehr  dicke  Mauren 
biss  an  das  Dach  hat.    Ist  aber  bey  diesem  Kriegswesen  sehr  ruinieret.* 

1407  ist  von  dem  „Eerkhoue  to  Rethem^  die  Rede.  Rethem  besass 
anfangs  nur  eine  Kapelle,  welche  Filial  zu  Wahlingen  war.  Am  17.  Dezember  1454 
genehmigt  der  Mindener  Bischof  Albert,  dass  Werner  Behr  und  dessen  Gemahlin 
Sydeke  einen  Altar  in  capella  sancte  Marie  virginis  in  suburbio  Rethem  in 
parochia  Walie  nostre  dioecesis  in  laudem  et  honorem  sancte  et  individue 
trinitatis  patris  filii  et  spiritus  sancti  et  ejus  matris  gloriose  virginis  Marie  et 


-«-8     147     ^1- 

sancti  Georgii  martiris de  noslro  ac  venerabilium  virorum  dominorum  nobilis 

Ludolfi  comitis  de  Speyg^elberch  prepo^U  ecclede  sancti  Bonifacii  Hamelensis 

antedicti  diocesis  ad  quem  collatio  parochialis  ecclesie  in  Walie  nee  non  AlberU 

Weygewynt  Tbesauraü  et  Archidiaconi  in  Alden  in  ecclesia  Hindensi  ad  quem 

eiusdem  ecclesie  in  Walie  institutio  dinoscitur  pertinere  ac  domini  Ottonls  de 

Vtillen  ejusdem  ecclesie  rectoris  consensu  asserto  et  volunlate  gründen  und  mit 

Gütern  zu  Stöcken,  Alten -Wabltngen  und  mit  einer  Geldrente  dotieren    und 

Oberträgt  der  Familie  das  Patronatsrecbt  der  neubegründeten  Vikarie.    Ueber 

das  von   demselben  Bebr  der  Eircbe  zu  Wablingen  gemachte  Geschenk  von 

50  Gulden  siehe  Kirchwahlingen.     Durch  die  Reformation  ymide  die  Kapelle 

zu  einer  eigenen  Pfarrkirche  erhoben.    Das  Amts-Erbregisler  vom  Jahre  1609 

bezeichnet  dieselbe  als  reparaturbedürftig;  sie  sei  an  sich  nur  klein,  von  einem 

Lüneburgiscben    Herzog    durch  Anl)aoung    des 

Chores  vergr&ssert  worden;  sie  sei  von  Steinen 

gebaut  und  habe  einen  platten  hölzernen  Altar. 

In  den  Jahren  1697—1699  wurde   die  Kirche 

einer  Reparatur  unterzogen.    Die  Kosten  beliefen 

sich  auf  1305  Tbaler  18  Mariengroschen.    Nach 

einem  Aktenstück    des    Jahres    1756   war    die 

Kirche  90  Fuss  lang  und  35  Fuss  breit.     1765 

wurde  an   der  Kirche  abermals  eine   grössere 

Reparatur  vorgenommen;   die  Kosten  betn^en 

rund  722  Reidisthaler.   Im  Frühling  1828  stürzte 

die  schon  lange  baufällige  Kirche  ein.  1837  begann     ^  ^^  ^^_  ,„  ^^^^^.  ^^^^^,, 

der  Neutrau,  nachdem  ein  Theil  der  Grundmauer 

schon  vorher  gelegt  war.    Am  3.  Februar  1839  wurde  die  neue  Kirche  geweiht 

(Mittbeilung  von  Pastor  Fabricius), 

Das  schlichte,  aus  Fachwerk  mit  massivem  Sockel  und  Mansardendach    Bescbreibung. 
errichtete,    frühere  Amtshaus,  jetzt  Eigenthum  des  Herrn  von  Behr  in  Hoya,    AmtshauB. 
zeigt  vor  der  Eintiittsslufe  die  Jahreszahl  1733. 

Auf  dem  zubebörigen  Hofe,  dem  früheren  Schlosshofe,  stehen  noch  die 
alten  Stallui^en.  Die  nadi  der  Hofseite  liegende  Wand  ist  aus  Fachwerk  mit 
starken  Stfindeni  hergestellt.  Das  Dach  wird  von  Holzkonsolen  (Fig.  41) 
getragen.  Die  Aussenwfinde  sind  aus  Backstein  hergestellt.  Auch  ist  ein  Theil 
der  alten  Mauer  noch  erhalten. 

Das  frühere  Gerichtsgebäude    hat    ein  massives  Erdgeschoss  und  ein   Gerichta- 
Obergeschoss  aus  Fachwerk.    Das  an  den  Schmalseiten  zur  Hälfte  abgewalmte      gcbäudc. 
Dach  bt  mit  breiten  Gauben  belebt.     Die  flachbogige  Eingangsthür  und  die 
einfiachen,  recbteck^^n,  in  der  äusseren  Mauerflucht  des  Erdgeschosses  liegenden 
Fenster  werden  von  SandsteingewAnden  eingefasst.    Oben  im  Giebel  des  in  der 
Hitte  der  Torderseite  eingebauten  Dacberkers  steht  die  Jahreszahl  1792. 

In  die  Aussenwand  eines  Hauses  auf  der  Junkemstrasse  ist  das  von    Wappen. 
Schepegrellsche  Wappen  mit  der  Bezeichnung  ,A.  F.  V.  S.'  eingelassen. 


-t-8    148    8^ 

Sch^w^armstedt. 

Kirche. 

Litteratur:  von  Hodenberg,  Calenberger  Urkundenbuch  V;  derselbe,  Lüne- 
burger Urkundenbuch  V  und  XV;  derselbe,  Hodenberger  Urkundenbuch;  derselbe,  Hoyer 
Urkundenbuch;  derselbe,  Lüneburger  Lehnregister;  Sudendorf;  Urkundenbuch  der  Stadt 
Hannover;  Begenten-Sahl  1698;  Lüntzel,  die  ältere  Diöcese  Hildesheim;  Spilcker,  Geschichte 
der  Grafen  von  Wölpe;  Manecke  II;  Wippennann,  Bukkigau;  Böttger,  Diöcesan-  und 
Gau -Grenzen;  Eayser,  Kirchenvisitationen  1897;  Holscher,  Beschreibung  des  Bisthnms 
Minden;  Mithoff,  Kunstdenkmale  IV;  derselbe,  Kirchenbeschreibungen;  Grütter,  Arbeiten 
über  den  Loingau,  Hannov.  Geschichtsbl.,  3.  Jahrg. 

Quellen:  Yerzeichniss  der  kirchlichen  Kunstdenkmäler  von  18%;  Kirchenbücher 
und  Kirchenrechnungen  in  Schwarmstedt;  Urkunden  des  hist.  Yer.  f.  Nieders.,  siehe 
Katalog,  Heft  1. 


Geschichte.  Das  frühere,  zum  Archidiakonat  Ahlden  gehörige  Dorf  besitzt  eine  dem 

Siegel  gemäss  dem  heiligen  Laurent  ius  geweihte  Kirche  aus  gothischer  Zeit. 
Zwischen  1153  und  1170  schenkte  der  Edelherr  Mirabilis  dem  Moritzkloster 
auf  dem  Werder  bei  Minden  neben  Anderem  die  Kirche  in  i,Swarmenstidde*, 
und  der  Papst  Lucius  bestätigte  zwischen  1181  und  1185  diese  Schenkung. 
1221  wird  ein  Hartwigus  de  Swarmstede  unter  den  sacerdotes  aufgeführt,  und 
1251  war  Gerhardus  sacerdos  de  Swarmsten.  Um  1300  wird  die  .Parochia 
Swarmstede"  gensmnt.  Am  6.  Juli  1345  leiht  der  Rath  zu  Hannover  von 
Hartbert  von  Gramm,  Pleban  in  Schwarmstedt,  ein  Kapital.  Bei  den  1360  vom 
Herzog  Wilhelm  vorgenommenen  Neubelehnungen  bekam  Heiir.  van  Hademe- 
storpe  den  Meierhof  ,|to  Swarmsten'^.  Dieses  Gut  besass  die  Familie  noch  im 
XVII.  Jahrhundert;  später  erscheinen  die  von  Lenthe  als  Inhaber  desselben. 
1361  wird  Olricus  de  Swarmstede  unter  den  presbiteri  genannt.  1368  begegnet 
Euerd  Beere  van  Suarmsten.  Im  Hebungsregister  des  Vogtes  zu  Gelle  aus  den 
Jahren  1378/79  wird  der  Ort  unter  Winsen  mit  aufgeführt,  wohin  er  vielleicht 
damals  gehörte  (Grütter).  Am  1.  Mai  1385  verpfänden  die  Herzöge  Wenzlaus 
und  Albrecht  von  Sachsen  und  Lüneburg  den  Gebrüdern  Brand  und  Ludwig 
von  dem  Hus  Zins  und  Rente  ,in  deme  Swarmestedeschen  Kerspelde*  zu  Gross- 
Grindau,  Essel,  Buchholz,  Jeversen,  Südwinsen,  Alt  *  Schwarmstedt  und  «to 
Swarmesteden*.  1489  werden  folgende  Orte  als  zur  Parochie  Swarmsten 
gehörig  bezeichnet:  Ezele,  Bokholt,  Markeldorp,  Olden  Swarmstede  und  Grinde w. 
1597  wurde  ein  Altarlaken  von  Lüneburg  für  vier  Thaler  gekauft.  1598  wurde 
eine  Thür,  wohl  die  nach  Westen  führende  an  der  Sakristei,  zugemauert. 
Ausserdem  wurde  in  diesem  Jahre  das  Gestühl  gebaut,  wobei  die  Zimmerleute 
Henning  Nochwer,  Arendt  Hardeke  und  Johann  Rust  thätig  waren.  1602  erhält 
der  Meister  Gerd  14  Thaler  dafür,  dass  er  rund  umher  die  Kirche  befestigt  und 
das  Dach  ausgebessert  hat.  1604  wurde  das  Uhrwerk  ausgebessert  und  1608 
die  Kanzel  geschenkt.  1655  wurde  ein  Kelch  gebessert,  eine  neue  Zinnflasche 
auf  den  Altar  gekauft  und  vom  Goldschmied  Dietrich  Adam  in  Celle  ein  neuer 


-0^    149    »->- 

silberner  Kelch  für  rund  34  rthlr.  geliefert,  1665  fertigte  Jastus  Keusser, 
Bürger  und  Orgelroacher  zu  Celle,  eine  Oi^el  von  11  Stimmen  für  160  rthlr. 
1668    wird    der  grosse  Kelch  vei^ldet   und    1695  eine  Glocke  umgegossen. 

1791   oiaaai  Thnmno  RioHi^ivPff    _hi>eta1lpr  R\fif\    und  privilegirter   glockeU    giessef 

xhe  wird  augenblicklich  nach 


P""-^*'"''^. 


nover,   der  Altar,  Crucifixus, 
r  ebendort  renoviert, 
freie  landtagsfShige  Höfe,  von 
li  und  die  SchlQter  einen  inne 
Js  denen  von  Ha  vertier  gehört. 


-WS     150    g-t- 

Von  der  nach  dem  Ort  benannten,  früh  erloschenen  Familie  kommt  ein 
Ritter  Albert  von  Schwarmstedt  1233,  1237,   1242,   1251  und  1259  tbeils  im 
Gefolge    Herraann's    m.    von    Hodenberg,    theils    als    Vasall    K 
Wölpe  vor. 

Die  gothische  Kirche  besteht  aus  ScbifT,  Chor,  Sakristei  und 

reibnng.  Die    dreischiffige,     aus    Backsteinen    erbaute,    geputzte 

Schiff.  ^Fig,  42—44)  wird  durch  einen  spitzbt^igen  Triumphbogen,  von  ( 
Cbor.  gt„fg  erhöhten ,  durch  das  halbe  Ächteck  geschlossenen,  sctuD 
getrennt.  Leider  wird  die  .innere  Wirkung  durch  die  auf  allen 
gebauten,  hölzernen  Emporen  stark  beeinträchtigt.  Das  breiter 
und  die  schmaleren  Seitenschiffe  haben  vier  Joche,  deren  äv 
19,9  m  beträgt.  Die  voi-tretenden  Hohlkehlrippen  der  Kreuzgewfilb 
stumpf  auf  die  mit  schlichten  Sockeln  versehenen,  quadratischen 
aus  Backstein  und  mit  einfach  profilierten  Ecken,  während  sie  an 
von  Eonsolen  getragen  werden.  Der  Chor  wird  ausser  dem  eigen« 
stabrippen  versehenen  Gewölbe  noch  durch  ein  halbes  Ereuzgewöll 
kehlrippen,  welches  sich  mit  seinem  Scheitel  gegen  den  Triumpl] 
überspannt;  in  den  Ecken  des  Chorschlusses  sind  Reste  von  mm 
vorhanden.  Die  spateren  flachbogigcn  Kirchenfenster  befinden 
alten  spitzbogigen,  aussen  und  innen  gothisch  proßlierten  Oeffr 
altes,  ursprüngliches,  jedoch  vermauertes  Fenster  auf  der  Nordseit« 
zeigt  drei  schmale,  gekuppelte,  im  Kleeblattbogen  geschlosseue  0 
einer  Spitzbogennische.  Zwei  Vorbauten  mit  Eiagangslhüren  si 
Westseite  neben  dem  Thunne  angeordnet.  Die  Strebepfeiler  sim 
Steinplatten  abgedeckt.  An  einem  derselben  an  der  Südseite  bt  ein 
vom  Jahre  1771  erhalten.  Der  Eingang  zur  Orgelempore  führt 
Anbau  auf  der  Ostseite. 

akristei.  Die  Sakristei  auf  der  Nordseite  hat  ein  Kreuzgewölbe  mit  Bi 

und  ist  mit  dem  Chor  durch  eine  flachbogige  Thür,    welche  de 
Viertelstab  aufweist,  verbunden. 
Tbnno.  Der  viereckige,  im  Putz  gequaderte,  aus  Ortsteinen  anfgel 

thurm    trägt    einen  achteckigen,  beschieferten  Helm  und  zeigt  e 
Hauptgesims,  sowie  zwei  flachboglge  Schaltöffnungen  auf  jeder  Seil 
Altar.  Ein  mit  Farbe  und  Gold  behandeltes,  spätgothisches  Mitti 

Flügelaltars  (Fig.  45)  enthält  Masswerkschnitzereien  und  in  der  Mi 
vier  Figuren  Maria  mit  dem  Kinde  von  Flammenstrahlen  umgeben, 

irdccke.  Eine  schwarze,  seidene  Decke  mit  Silberkante  und  zwei  sil 

Wappen  ist  bezeichnet: 


G.  L.  V.  L. 


E.  D.  H.  L.  V. 

54. 


Altarleuchter.  Zwei  36  cm  hohe,  schwere,  gothische  Altarleuchler  aus  Mi 

einen  walzenförmigen  Schaft  mit  einem  Knaufe  in  der  Mitte  and  y 
Zwei  silberne  Altarleuchter  von  1821  sind  55  cm  hoch. 


-*^    151    8-K 

Eine  silberne,  innea  vergoldete,  runde  Oblatendose  von  10,6  m  Durch- 
messer trägt  zwei  unter  einer  Krone  vereinigte  Wappen  und  die  Unterschrift: 
,Ar>.  1714*.    Auf  dem  Boden  sind  die  Buchstaben  vermerkt: 
A.  L.  V.  E. 
S.  M.  V.  B. 
Von  Zeichen  ist  nur  das  spiingende  Pferd  erkennbar. 
Der  hölzerne,  1,60  m  hohe  Crucifixus  (F^.  47)  gehört  dem  XVI.  Jahr- 
hundert an. 


Das  Brustbild  des  Pastors  Johann  Christoph  Heideman  wird  von  einem    Gemälde, 
schön  geschnitzten  Barockrahmen  eingefasst.    Ein  anderes  Gemälde  stellt  den 
1814  gestorbenen  Superintendenten  Arnold  Anton  Bacmeister  dar. 

Auf   einer    umrahmten    Holztafel    ist    das  Wappen   der  v.   Bothmer 
zu  sehen. 

Eine  1,39  m  im  Durchmesser  grosse  Glocke  hat  zwischen  zwei  Ornament-  Glocken, 
streifen  am  Halse  eine  dreizeilige,  auf  der  Mitte  einer  Seite  eine  siebenzeilige 
und  gegenüberliegend  wiederum  eine  dreizeilige  Inscbrifl.  Eine  Nachricht  am 
Rande  besagt,  dass  Lvdolf  Siegfried  von  Hannover  im  Jahre  11)57  die  Glocke  in 
Schwannstedt  goss.  H.  L.  Damm  in  Hildesheim  verfert^te  11:119  die  kleinere 
Glocke  von  1,23  m  Durchmesser. 


-<-8    152    8^ 

Grabmale.  Ein  schönes,  steinernes,  renoviertes  Grabmal  ist  innen  in  die  Nordost- 

wand des  Schiffes  eingelassen.  In  dem  von  zwei  Pfeilern  begrenzten  Haupt- 
felde knieen,  durch  den  Gekreuzigten  getrennt,  auf  der  einen  Seite  der  Vat^ 
mit  acht  Söhnen  und  auf  der  anderen  die  Mutter  mit  fünf  Töchtern.  Den 
Hintergrund  füllt  eine  Ansicht  von  Jerusalem.  Hierüber  sind  in  einer  Reihe 
acht  und  auf  den  beiden  Pfeilern  je  zwei  Wappen  zu  sehen.  Dieselben  tragen 
folgende  Bezeichnungen:  von  Svirssen,  von  Holttorp,  von  der  Wensse,  von 
Easzenbrock,  die  Eniggen,  die  Friedach,  von  Staf borst,  von  Extrem,  von 
Mandcslo,  die  Rebocke,  von  Qverhm,  von  Dvmstorp.  Ueber  dem  Hauptfelde 
ist  folgende  Lapidarinschrift  angebracht: 

Dyse  Worde  hat  Johan  van  Bothmar  in 

sinem  lesten  geredet:  Here 

Jhesv  Christ  warer  Minsch  vnd  Got 

de  dv  ledest  Marter  Angs  vnd 

Spot  vor  mi  am  Crvze  ock  endlick  star- 

vest  vnd  mi  dines  Vaders  Hvld 

E]rwarvest  ick  bidde  dorch  bitter  Liden 

din  dv  woldes  mi  Svnder  gnedich  sin 

Wen  ick  nv  kome  in  Stervensnot  vnd 

ringen  werde  mit  dem  Dodt. 

Unter  den  männlichen  Figuren  ist  zu  lesen: 

Im  •  Jare  •  1586  •  is  •  Johan  •  van  •  Both- 
mar •  den  •  7  •  Janvary  •  sines 
Alters  •  85  •  Jhar  •  selichlichen  •  in  • 
Godt  •  entslaffen. 

Johan  •  van  •  Bothmar  •  der  •  Vader:  Johan  • 
Lippolr  •  Ems. 

Gehcrdr  •  Frederich  •  Otto  •  Cvrdt  •  Levin: 
sin  •  Sons. 

Daneben  unter  den  weiblichen: 

Im  •  . . . .  Ilse  van  dem  •  Werder  die 
Moder. 

Helena  •  Ilse  Anna 

Dorothea  Anna  irhe  •  Dochter. 

Ganz  unten  aber: 

Job:  19:  Yck  wet  dat  min  Erloser  levet  u.  s.  w. 

In  einer  Bogennische  der  Bekrönung  ist  der  Auferstandene,  die  Mächte 
der  Finstemiss  überwindend,  dargestellt.  Daneben  befinden  sich  auf  jeder  Seile 
zwei  Wappen,  bezeichnet  von  Bothmar,  v.  d.  Werder,  von  Zerszen,  von  Has- 
perge.  Das  Brustbild  des  seine  Arme  ausbreitenden  Heilandes  bildet  den 
oberen  Abschluss.  Die  Nische  des  Auferstandenen  hat  die  Umschrift:  Ich  bin 
der  •  Avferstehvn  •  vnd  •  das  •  Leben  •  wer  •  an  •  mich  •  glvbet  •  der  •  wirt  • 
lebe,  ob  •  er  •  glich  stvrbe  •  Johan  •  am  XI. 


-<-8    153    8^ 

Auf  dem  Fries  darüber  stehen  die  Worte: 

So  •  jemandt  •  min  •  Wort  •  wert  •  hol- 
den •  de  •  wert 

den  •  Dodt  •  nicht  •  sehen  •  ewichlick: 
Joh  •  am  •  8. 

Das  Grabmal  des  im  Jahre  1607  gestorbenen  Superintendenten  Collenius 
ist  aus  Holz  gearbeitet  und  enthält  zwei  Säulchen  und  verkröpftes  Gebälk.  In 
der  Mitte  steht  der  Qekreuzigte  zwischen  den  Schachern  auf  Holz  gemalt, 
darunter  eine  Figurengruppe.  Unten  sehen  wir  die  männlichen  und  weiblichen 
Mitglieder  der  Familie. 

Ausserdem  sind  noch  drei  weitere,  aus  Holz  gefertigte  Grabmale  vor- 
handen. Eines  derselben  (Fig.  48)  in  Renaissanceformen  zeigt  direkt  auf  die 
hölzerne  Rückwand  gemalt  den  Gekreuzigten  und  darunter  den  Vater  mit  vier 
Söhnen  und  die  Mutter  mit  fünf  Töchtern.  Oben  steht  der  Spruch  in  Lapidaren: 
Das  Blvt  Jhesv  Christi  des  jSons  Gottes,  reiniget  vns  von  allen  vnseren  Svnden  • 
und  unten:  Also  hat  Gott  die  Welt  geliebet  u.  s.  w. 

Ein  weiteres,  farbig  behandeltes  Grabmal  mit  der  Jahreszahl  1643  stellt 
den  Gekreuzigten,  auf  Leinwand  gemalt,  zwischen  einer  männlichen  und  einer 
weiblichen  Figur  in  knieender  Stellung  dar  und  trägt  die  Unterschrift: 

Her  Jesv  in  dine  Hende  befehle 
Ick  mine  Sele,  du  Getrvwcr 
Got  dv  hefst  mi  erlöset. 

Das  kleine  Barockgrabmal  (Fig.  46)  des  Hans  Ernst  v.  Bothmer, 
gestorben  am  25.  September  1678,  ist  mit  Schnitzereien  versehen  und  bemalt. 
Zwei  vortretende  Säulchen  tragen  ein  Gebälk  und  als  Bekrönung  das 
V.  Bothmersche  Wappen. 

Die  geschnitzte,  mit  Säulen  verzierte,  hölzerne  Renaissancekanzel  mit   Kanzel. 
Schalldeckel  trägt  ein  Wappen  und  die  Bezeichnung:  ^Herr  Conradt  von  Bothmer, 
Abt  vndt  Herr  vom  Havs  zu  S.  Michael  in  Lvnebvrch  f.  f.  anno  Domini  1608.  * 
Der  Foss  ist  neu.     Am  Fries  der  Kanzel  steht  die  Inschrift  aus  Matth.  7:   «Es 
werden  nit  alle  die  zv  mir  sagen''  u.  s.  w.  und  die  Jahreszahl  1608. 

Ein  silbervergoldetor,  dem  XVI.  Jahrhundert  angehöriger,  0,28  m  hoher   Kelche. 
Kelch  mit  zubehöriger  Patene  hat  Renaissancebecher,  Sechsblattfuss  und  an  den 
vortretenden  Zapfen  des  Knaufs  die  Buchstaben:  „J.  E.  S.  V.  S.  f.* 

Der  andere,  fast  gleiche,  silbervergoldete,  ebenfalls  aus  dem  XVI.  Jahr- 
hundert stammende,  0,29  cm  hohe  Kelch  mit  zubehöriger  Patene  trägt  auf  den 
sechs  vortretenden  Zapfen  am  Knaufe  den  Namen  .Jehsvs*  sowie  auf  dem 
sechstheiligen  Fusse  einen  Grucifixus  und  den  heiligen  Laurentius  in  aufgelegter 
Arbeit  und  als  Zeichen  ein  D. 

Ein  kleinerer  Kelch  mit  einem  Grucifixus  auf  dem  Sechsblattfusse  hat 
an  seinem  Becher  zwei  Wappen  und  die  Bezeichnungen:  ^Ivo  von  Bothmer'^ 
und  ^Elisabeth  •  Agnesa  '•  v  •  Hodenberg'',  am  Knauf  jedoch  nur  fönf  viereckige 
Zapfen  mit  den  Buchstaben  «J.  E.  S.  V.  S''.  Nach  dem  Kirchenbuche  lebte  Ivo 
von  Bothmer  1618—1682  und  seine  Gemahlin  starb  am  19.  Oktober  1685. 

20 


Orgel. 


Tanfstein. 


Zifferblätter. 


-^     154     8^ 

Die  hinter  dem  Altartisch  sich  erbebende  Orgel  zeigt  die  Formen  des 
XVni.  Jahrhunderts  und  Darstellungen .  der  Himmelfahrt  und  des  Abendmahls. 

Das  einfache,  sechseckige  Becken  des  Taufsteins  ruht  auf  neuem  Fussc. 
Dasselbe  hat  an  einer  Seite  ein  Wappen  und  die .  Umschrifl; :  „Ernest  von 
Hademstorf  Anno  1528**. 

Auf  dem  Eirchenboden  liegen  zwei  hölzerne  Zifferblätter,  eins  mit 
der  Zahl  1585. 


Geschichte. 


Stelliehte. 

Kirche;  Herrenhaiis. 

Litte ratur:  Origines  Guelficae;  Merian;  Sudendorf;  von  Hodenberg,  LUnebnrger 
Urkundenbuch  XV;  derselbe,  Hoyer  Urkundenbuch ;  derselbe,  Hodenberger  Ürknnden- 
buch;  derselbe,  Verdener  Geschichtsquellen;  Vogell,  Geschlechtsgeschichte  ;der  Herren 
Behr;  Manecke  II;  Regenten  -  Sah!  1698;  Meding,  Nachrichten  von  adelichen  Wapen  I, 
Böttger,  Diöcesan-  und  Gau -Grenzen;  Zeitschr.  d.  hist.  Ver.  f.  Nieders.  1858;  Spilcker; 
Geschichte  der  Grafen  von  Wölpe;  Havemann;  Wippermann,  Bukkig'au;  Freudenthal, 
Heidefahrten;  Holscher,  Geschichte  des  Bisthums  Minden;  Mithoff,  Knnstdenkmale  IV^ 
derselbe,  Kirchenbeschreibungen ;  GrUtter,  Arbeiten  über  den  Loingau,  Hannov.  Geschichtsbl., 
2.  und  3.  Jahrg.;  Jürgens,  ein  Amtsbuch  des  Klosters  Walsrode,  ebendort,  2.  Jahrg. 

Quellen:  Urkunden  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  Grütterscher  Nachlass 
im  Stadtarchiv  ebendaselbst. 


Das  Dorf  Stellichte  kommt  bereits  1069  als  „Steinlaga'*  vor  und  zwar 
in  der  Urkunde,  in  welcher  die  Aebtissin  Adelheid  von  Quedlinburg  das  Gehöft 
Soltau  unter  den  Schutz  des  Herzogs  Magnus  Billung  von  Sachsen  stellt.  Die 
Einwohner  sollen,  wenn  der  Herzog  auf  seinen  Reisen  den  Ort  berührt,  ihm 
mit  Wagen  und  Pferden  dienen  und  sein  Reisegepäck  „de  Salto we  in  AUendorp 
vel  Steinlaga  sine  Vdecsineburstalde'*  befördern.  In  späteren  Urkunden  wird 
es  Stenlage,  Stellage  oder  Stelleghe  genannt;  bereits  vor  1302  waren  die  Grafen 
von  Hoya  vom  Herzoge  Otto  mit  einem  Hofe  zu  „Stenlage''  belehnt  worden. 
Hier  in  Stellichte  hart  am  Landesgebiet  des  Verdenschen  Bischofs  stand  vormals 
eine  Grenzveste  der  Lüneburgischen  Herzöge.  Im  Jahre  1405  beschweren  sich 
Rath  und  Stadt  Lüneburg,  dass  die  Herzöge  Heinrich  und  Bernhard  „dat  Slot 
eder  veste  to  Steighede "^  haben  „nye  buwen^  lassen;  und  in  Urkunden  des 
Jahres  1409  spricht  der  Herzog  Heinrich  von  „vnse  Slot  Stelleghe''  und  .vnse 
slod  Stellage*.  1427  wurde  das  Schloss  «Stellege''  sammt  zwei  Höfen  daselbst 
seitens  der  Herzöge  Bernhard  und  Wilhelm  dem  Bischof  und  dem  Stifte  zu 
Verden  neben  vielem  Anderen  verpfändet.  1470  gestattet  der  Herzog  Ö(to  dem 
Heinrich  Behr,  das  „Slott  Stelgede  dat  dem  Stiebte  to  Verden  pandes  steyt" 
nach  vorher  erfolgter  Pfandaufkündigung  seinerseits  einzulösen.  Danach  soll  er 
es  von  ihm  zu  einem  erblichen  Lehngut  empfangen,  und  er  und  seine  Erben 
mögen   dasselbe    ^na  orer  bequemicheit  In   HoUwergk   muren  Begrauen  vnd 


-<-8    155    8^ 

Beplanken",  doch  solle  das  Schloss  ihm  jederzeit  offen  stehen.  Die  Uebergabe 
erfolgte  im  darauffolgenden  Jahre.  Zugleich  kam  das  mit  dem  Schloss  ver- 
bundene adelige  Gericht  Stellichte,  welches  früher  der  Familie  von  Schlepegrell 
gehörte,  in  den  Besitz  der  Herren  von  Behr.  Es  ivurde  1852  aufgehoben. 
1493  belehnt  der  Herzog  Heinrich  den  Ulrich  Behr  «mit  der  veste  vnd  horch 
to  Stelgede*.  Nach  einer  von  Dietrich  Behr,  Ulrichs  Sohn,  1567  veranlassten 
Au£zeichnung  hatten  dieser  und  sein  Bruder  Heinrich,  Landdrost  zu  Hoya,  zu 
.Stelligt,  Hoya  vnd  Huszlem*  über  10000  Thaler  verbaut.  1704  Hess  Johann 
Georg  Wilhelm  Behr  das  alte  massive  Schloss,  welches  vorhin  etwas  weiter  als 
jetzt  auf  dem  Burgplatze  zurückstand  und  bei  Merian  wiedergegeben  ist, 
abbrechen  und  baute  das  neue  Wohnhaus  nahe  am  Schlossgraben,  welcher 
dasselbe  von  dem  Vorhof  und  von  den  Vorwerksgebäuden  trennt.  Ein  Theil 
der  alten  Keller  der  vormaligen  Burg  ist  wieder  benutzt,  das  Uebrige  aber 
verschüttet. 

1475  gestattet  Reymbertus  Sindorp,  des  Mindenschen  Bischofs  General- 
Vikar  und  -Offizial  in  geistlichen  und  weltlichen  Angelegenheiten,  dem  Heinrich 
and  Johann  Behr  „famulis  nostre  diocesis*^  auf  ihrem  Wohnsitz  (habitatione)  zu 
«Stelgede'  durch  einen  geeigneten  Presbyter  .in  altari  portatili  temporibus 
debitis'  Messe  lesen  zu  lassen.  Femer  erlaubt  der  Verdener  Bischof  Berthold 
im  Jahre  1479,  dass  Heinrich  Behr,  famulus  seiner  Diöcese,  .in  laudem  et 
honorem  omnipotentis  Dei  beateqqe  deigenetricis  virginis  Marie  ac  beatorum 
Georgii  et  Christofori  marlirum  et  sancli  Jodoci  confessoris'^  am  gegenüber 
liegenden  Ufer  der  Lehre  .ante  et  prope  habitationem  suam  Stellige  in  loco 
nostre  diocesis*  eine  Kapelle  errichte. 

Das  Schloss  gehörte,  als  auf  dem  linken  Ufer  der  Lehre  belegen,  zur 
Diöcese  Minden,  die  auf  dem  durch  den  Bach  vom  Schlosse  getrennten  Platz 
errichtete  Kapelle  dagegen  zum  Verdener  Boden;  doch  wurde  sie  durch  eine 
besondere  Vergünstigung  des  Bischofs  mit  Genehmigung  des  Visselhöveder  Pfarrers, 
in  dessen  Sprengel  der  Platz  lag,  von  der  Verdener  Kirche  eximiert.  1574  be- 
stimmt Dietrich  Behr  in  seinem  Testament,  dass  die  von  ihm  gebaute  Kirche 
zu  Stellichte  von  seinen  Söhnen  und  Nachkommen  .in  bauwlichen  wesen'' 
unterhalten  werden  solle.  Femer  fügt  er  zu  den  bereits  von  seinem  Bruder 
Heinrich  zur  Ehre  Gottes  gegebenen  1000  Thalem  noch  weitere  1000  Thaler, 
welche  zinsbar  angelegt  werden  sollen.  Von  den  mindestens  100  Thaler  betragen 
sollenden  Zinsen  soll  ein  gelehrter  Mann,  der  zu  Stellichte  ein  Pastor  sein 
könne,  besoldet  und  unterhalten  werden.  Derselbe  solle  in  der  Woche  dreimal 
in  der  Kapelle  predigen,  und  was  einem  Pastor  gebühre,  thun.  1610  Hess 
Dietrich  Behr  die  kleine  Kapelle  abbrechen  und  statt  ihrer  eine  grössere 
erbauen,  wie  dies  zwei  rechts  und  links  von  der  Orgel  hängende  Inschrifttafeln 
darthun  (vergl.  Beschreibung). 

1643  liess  Johann  Friedrich  Behr  eine  Glocke  giessen^  1702  wurde  die 
bis  dahin  nach  Walsrode  gehörige  Kirche  zur  Pfarrkirche  erhoben.  1704  baute 
Johann  Georg  Wilhelm  Behr  ausserhalb  am  Thurme  der  Kirche  ein  neues 
Begrdbnissgewölbe  und  hoch  ein  zweites  ausserhalb  an  der  Südseite.  Um  die 
Mitte  des  XVIII.  Jahrhunderts  wurde  das  Dorf  auf  Ansuchen  der  Herren  von  Behr 

20* 


-t^    156    S-1- 

in  allen  geistlichen  Dingen  nach  Stellichte  gelegt,  jedoch  mit  dem  Vorbehalt, 
dass  die  Eingesessenen  nach  wie  vor  alle  Lasten,  Bau-  und  Reparaturkosten 
unverändert  tragen  müssten. 

Erwähnt  sei  noch,  dass  ein  dominus  Bemardus  de  Stenlage  1319  als 
Kapellan  des  Klosters  Walsrode  begegnet. 

Eine  im  Jahre  1901  in  dem  Thunnknauf  untergebrachte  Urkunde  giebt 
davon  Nachricht,  wie  in  diesem  Jahre  die  fast  noch  unberührte  Kirche  unter 
Schonung  der  erhaltbaren,  alten  Heile  und  genauer  Anpassung  der  neu  herzu- 
stellenden an  die  vorhandenen  Kunstformen  durch  den  Professor  Karl  Mohrmann 
aus  Hannover  wiederhergestellt  wurde.  Das  Aussenmauerwerk  wurde  sorgfältig 
ausgebessert  und  an  den  gerissenen  Stellen  verankert,  die  beiden  Weststrebe- 
pfeiler wurden  vergrössert,  die  Sandsteintheile  nachgearbeitet   oder  erneuert. 


Flg.  M.    Kllclis  In  Btelllchta;  Onuidttw  vor  der  Wled«rbentsllaaK  1901. 

Dachkonstruktion  und  Dachdeckung  wurden  ausgebessert,  die  Thunnspitze 
erhielt  eine  Kupferverkleidung  und  eine  neue  Eisenspitze  mit  Wetterfahne  und 
Blitzableiter;  alle  Theile  der  Thurmspitze  sind  den  alten  Formen  genau  nach- 
gebildet.   ]fa  alten  Tburmknauf  wurde  nichts  gefunden. 

Altar,  Kanzel,  Patronatsgestühl,  Taufhecken,  Chorscbränke,  Gedenktafdn 
ond  Grabmäler,  Orgel  und  Orgelempore  und  Holzdecke  sind  in  den  reichen 
Holzschnitzereien  sorg^tig  wiederhergestellt,  die  Malereien  aufgefrischt  und 
ergänzt  worden,  die  zum  grossen  Theil  wurmstichige  Decke  ist  durch  einm 
Doppelboden  von  oben  befestigt.  Die  Holzfenster  sind  in  der  alten  Foroa 
erneuert,  sechs  Fenster  mit  dem  vorhandenen  Antikglas  verglast,  drei  Fenster 
mit  einfacher  (nicht  vorhandener)  farbiger  Glasmalerei  versehen.  Der  einfarbqre 
Wandanstrich  ist  dem  ersten  Anstrich  entsprechend  wiederhergestellt.  Der 
Fussboden  ist  erneuert.  Die  glasierten  Chorfliesen  sind  den  alten  nachgebildet, 
die  noch  brauchbaren,  alten  Chorfliesen  sind  im  Thurm  verl^t.  Die  ursprüi^lkh 


-t-§     157     S«- 

angelegten,  später  aber  zi^ebauten  Wandgänge  sind  oeben  dem  Bfittelgang  bei 
dem  Gestühl  wieder  eingerichtetf  das  Gestühl  und  der  PEarrsland  dem  alten 
nachgebildet. 

Neu  hergestellt  sind  folgende  Gegenstände,  die  nach  vorhandenen  nach- 
gebildet werden  konnten:  Chorstufen  aus  Granit,  Chorstufenbrüstungen,  Altar- 
brOstungen,  gestickte  Altar-  und  Kanzelbekleidungen,  ein  Crucifiz,  Lederpolsterung 
im  Patronat^estOhl  und  im  Pfarrsfand,  vier  äussere  ThQren  und  ein  Windfang 
mit  den  Beschlägen,  zwei  Tafeln  zur  Erinnerung  an  die  Wiederherstellung, 
zwei  Nümmertafein,  ein  Opferstock  im  Tburm,  zwei  Holzdecken,  eine  Treppe 
und  die  Bälgekammerverkleidung. 


Flg.  so.    Kirche  In  BCalUchta;  Nordsslte. 

Bei  dieser  Wiederherstellung  bal  sich  als  wahrscheinlich  et^ben,  dass 
die  allen  Kapellenmauern  bei  dem  Bau  der  Kirche  im  Anfang  des  XVII.  Jahr- 
hunderts etwa  5  m  hoch  beibehalten  sind  und  nur  etwa  2  m  hoch  neues 
Mauerwerk  hergestellt  worden  ist.  Der  Thurm  dagegen  ist  um  1610  neu  auf- 
geführt. Die  Thurmform  ist  nicht  mehr  genau  die  alte  von  1610.  Unter  dem 
Kupfergeäms  fand  sich  ein  profiliertes,  farbig  bemaltes,  verwittertes  Holzgesims, 
dessen  Wiederherstellung  wegen  der  ßist  völligen  Verstümmelung  nicht  möglich 
war.  Am  Gestühl  fand  sich  die  Jahreszahl  1611.  Die  Wiederherstellung  wurde 
im  Februar  1901  b^onnen  und  im  Oktober  1901  beendet-,  als  Bauleiter  war 
unter  Professor  Hohrmann  der  Architekt  R.  Ph.Bromme  thätig. 


-^    158    H- 

Beschreibnog.  Die  im  AnGange  des  XVII.  Jahrhunderts  in  den  Formen  der  Renaissance 

und   des  begionendeti   Barock   erbaute  Kirche   ist  mit    ihrer   fast  vollständig 

erhaltenen  und  einheitlich  durchgefahrten,  inneren  Ausstattung  ein  gutes  Beispiel 

der  um  1600  errichteten  Gotteshäuser,    Dem  wenig  ansprechenden  Aeusseren 

steht  eine  vorzügliche  Innenwirkimg  gegenäber,  indem  hier  die  reich  geschnitzten 

Stücke  der  Einrichtung  von  den  einfach  gehaltenen,  weissen  Wänden  und  der 

bescheidenen  Holzdecke  sich  vortheilhaft  abheben. 

Schiff.  Die  Kirche  besteht  aus  SchifT  und  Westthurm  und  enthält  zwei  Grab- 

Cbor.   gewölbe.     Das    in    Backsteinraauerwerk    mit  Sandsteinsockel    und    hölzernem 

Hauptgesims       erbaute 

Schiff  (Rg.  49  und  50)      rjT,  ,     ..-,.'  ',  .     ,  ,    y 
ist  im  Osten   dreiseitig  ■-'     '        '  '     ^~^  ■  ' 

geschlossen.     Pultdach-  ' 

förmig  abgedeckte 
Strebepfeiler  befinden 
sich  an  den  Langseiten 
des  Schiffes  und  am 
Chor.  Der  Innenraum 
der  Saalkirche  wird 
durch  eine  gerade,' farbig 
behandelte  Holzdecke 
abgeschlossen;  die  letz- 
lere ist  durch  Leisten  in 
rechteckige,  in  der  Mitte 
durch  vergoldete  Ro- 
setten oder  geflügelte 
Engelsköpfe  ausgezeich- 
nete Füllungen  getheilt, 
welche  wiederum  in 
kleinere  Felder  von  ver- 
schiedener Form  zerl^ 
werden.  Unter  derDecke 

bildet  ein  zierlichesHolz- 

,  gesims  mit  Zahnschnitt 

und  Konsolen  den  Ueber- 
gang  zur  Wand.  Die  in 
der  Südseite  lie- 
gende Eingangs- 

li (ü  Ih      ""T»«!:     thür,  in  Barock-     '^^ '^-'■->  >  ^^fi  >  >  >' i  i  l  U * 

formen  ausSand- 

Vig.  51.    Ktrche  In  Btelllchta;  -tain      rraophaitof  Flg.  bt.    Kirche  Id  Btellichte; 

ThörUlbang  der  Bödthür.  ^'^'"     gearoeiiei,  Fenster. 

hat  eine  mit 
Flachomament  gezierte  Laibung  (Fig.  51)  und   ein  von   zwei  glatten   Säulen 
getragenes  Gebälk,  dessen  durchbrochene,  mit  Figuren  geschmückte  Verdachung 
das  V.  Behrsche  Wappen  zeigt;  in  seitlichen  Nischen  sind  die  Apostel  Petrus 


und  Paulus  zu  sehen.  Die  zweitheili^en,  nindbogigen  Fenster  mit  Sandstein- 
gew&nden  sitzen  in  halbkreisförmig  geschlossenen,  abgefasten  Backstetnnischen 
{Fig.  53).  Der  um  Tier  Stufen  erhöhte,  als  Chor  ausgebildete  östliche  Theil 
des  Schiffes  wird  durch 
eine  reiche,  in  Holz  aus- 
^(ührte  Brüstung  mit 
grossem  Eielbc^ndurch- 
gang  von  dem  Schiff 
getrennt;  einige  Holz- 
füllungen  der  Chor- 
schranke  sind  in  Fig.  53 
bis  57  wiedergegeben. 
Diese  eigenartige  Einrieb- 
tong,  welche  in  der  Er- 
innerung an  den  mittel- 
alterlichen  Lettner  und 
Triumphbogen  entstand, 
ist  wohl  das  interessan- 
teste Stück  des  Gebäudes. 
An  der  Westseite  des 
Schiffes  zu  beiden  Seiten 
des  Thurmes  ist  je 
eine  Gruft  angelegt.  Ein 
grösseres  Grabgewölbe 
liegt  im  Chor  vor  dem 
AUar,  zwei  kleinere  be- 
finden sich  im  Schiff  vor 
den  Chorstufen  und  hinter 
dem  Eingang  zur  Kirche. 
Die  im  Chor  au^estellten, 
für  den  Patron  bestimmten 
Stühle,  welcheanderRück- 
wand  halbkreisförmig  ge- 
schlossene Fällungen  und 
E^lasterstellangen  auf- 
weisen, haben  eine  mit 
Säulen  verzierte  Brüstung. 
Einfacheres  Gestühl  be- 
findet sich  im  Schiff  und 
hinter  dem  Altar  der 
Pfarrstand. 

Der  durch  eine  halbkreisförmige  Oeffnung  mit  dem  Schiffe  verbundene    Thm 
viereckige  Westthurm  aus  Backsteinmauerwerk  hat  Sandsteiiisockel  und  flach- 
bt^ig  überwölbte  Schallöffnungen  und  Fenster  mit  hohem  Stich.     Das  flaclio 
Zeltdach  und  der  untere  viereckige  Theil  des  Aufbaues  haben  Schieferdeckung; 


hh8    160    8^ 


Altar. 


Altarlcnchter. 


Ciborien. 


Gedenktafeln. 


die  mehrfach  gegliederte  Spitze  ist  mit  Kupfer  bekleidet.  Unterhalb  derselben 
sind  Tier  Wasserspeier  über  Eck  angebracht;  die  Wetterfahne  enthftlt  die 
Jahreszahl  1614.  Am  miteren  Theile  des  Thurmes  befindet  sich  auf  der  West- 
seite in  geschmiedeten  Zahlen  die  Zeitangabe  1608.  Der  schöne  Westeingang 
ist  von  einem  Sandsteingewände  in  Renaissanceformen  eingeEasst 

Die  hölzerne,  in  ihren  Abtheilungen  mit  Gemülden  ausgestattete  Altar- 
wand trägt  auf  der  Predella  eine  Darstellung  des  Abendmahles  und  seitwärts 
die  Einsetzungsworte,  im  Hauptfelde  eine  Darstellung  der  Kreuzigung  und  auf 
dem  Gesimse  zwei  Figuren  mit  Wappenschilden,  deren  Bezeichnung  lautet: 
»Johan  Behr  1610*"  und  „Maria  v.  Bothmer  1610^  Der  Altar  enthält  seitlich 
zwei  Säulen  und  wird  von  einem  durchbrochenen  Giebel  bekrönt. 

Zwei  31  cm  hohe  Altarleuchter  aus  Messing  haben  einen  walzenförmigen 
Schaft  mit  mehreren  scharf  profilierten  Knäufen. 

Ein  schön  gearbeiteter,  silberner  Oblatenbehälter  in  Buchform  ist  mit 

Kette  und  Ring  zum  Anhängen  eingerichtet.    Auf  der  äusseren  Seite  des  Deckels 

steht  in  lapidaren: 

Zv  .  Gottes  .  Ehr 

machen  •  lies  Johan  •  Bher 

Dann  folgt  das  Behrsche  Wappen  und  darunter  die  Inschrift: 

In  •  die  •  Stellichter  •  Kirch, 

•  1  •  5  •  9  •  0  • 

Im    Innern    sehen   wir  einen    eingravierten   Grucifixus    zwischen    den 

Inschriften : 

»Avgvslinvs  accipite  •  hoc  •  in  •  pane  qvod  •  pependet  •  in  crvcc*. 

und: 

«Chrysostomvs  sensvs  •  fallere  potest  •  verba  •  Christi  •  fallere  •  non  • 

possvnt.* 

Eine   andere,   einfache,   runde,   silberne  Oblatcndose   mit  Goldrändern 

enthält  die  Namen: 

G  :  D  :  W   :.  Behrn   :• 

•  :•  H  :  Behrn  •:• 

•:•  1743  •:• 

Die  Inschrift  auf  der  Tafel  rechts  von  der  Orgel  lautet: 

,Aö  Christi.  1450,  Henricvs  Behr  Henr.  fil.  Wem.  nep.  Wer.  pron. 
sacellvm  hie  voto  pio  primvs  p.  aetate  cadvcvm  Thcodoricvs  Behr 
Joan.  fil.  Theod.  nep.  Vir.  pron.  Henr.  abnep.  dirvi  novvmq  fvndilvs 
praesenti  forma  opere  suptvoso  in  honorem,  individvae  trinitatis  f.  f. 
ario  Christi  1610.« 
Die  Inschrift  links  von  der  Orgel  lautet: 

«Durch  Gottes  segen  hülff  vnd  raht 

Mich  Diettrich  Behr  erbauwet  hat 

Als  Tausend  iahr  nach  Christi  gburtl 

Sechshundert  Zehn  geschriben  wurtt 

Der  Herr  nach  sein  verheisen  thuc 

Das  Abrahamss  segen  vff  ihn  ruhe.' 


-^     161     8^ 

Die  Zahl  1450  ist,  wie  oben  zu  ersehen,  unrichtig,  auch  die  Angabe 
der  Voreltern  fehlerhaft 

An  der  Südwand  hängt  ein  grosses,  stark  zerstörtes  Gemälde  im  halb-    Gemälde, 
kreisförmigen  Rahmen,  welches  die  Himmelfahrt  darstellt. 

Die  im  Jahre  1621  gegossene  Glocke  hat  99  cm  Durchmesser  und  unter   Glocke, 
dem  Omamentstreifen  am  Halse  eine  Lapidarinschrift  und  zwei  Wappen. 

Eine   Holztafel   stellt   auf  einem   länglich   runden,   von   acht  Wappen    Grabmäler. 
umgebenen  Felde  die  Auferstehung  der  Todten  dar  und  hat  die  Umschrift: 

.Spricht  der  Herr:  Ich  wil  ewere  Gräber  auflhü,  u.  s.  w.  Ezech.  37.** 

• 

Die  Unterschrift  lautet: 

»Der  weiland  Wol  Edler  gestrenger  vnd  Vester  Frantz  Joachim 
Spörke  auf  Moltzen  vndt  Emendorf  Erbgesessen,  ist  in  diese  Welt 
gebohf  alss  man  geschriben  1600.  Achte  tage  vor  Martiny  vndt  von 
dieser  Welt  gescheiden  •  Zv  Stellichte  den  27.  February .  1637,  seines 
Alters  gewesen  36  •  Jahr  •  3  •  Monat  vnd  •  14  •  Tage." 

« 

Die  Wappen  sind  bezeichnet:    D.  Sporken,    D.  Behren,    D.  Sporken, 
D.  V.  Dagevord,  v.  d.  Wense,  D.  v.  Heinbrock,  D.  v.  Munnichhausen,  D.  v.  Berge. 

Ein  schönes,  grosses,  mit  Figuren  und  Säulen  geschmücktes,  hölzernes 
Grabmal  enthält  folgende  Inschrift: 

Theodoricvs  Behr 
Joan  -  fil:  Theod:  nep:  Vir:  pron: 

sibi 

nato 

4.  Decembr:  ao.  Christi  1575.  hör.  9.  vesper: 

jam.  denato 

2.  Decembr.  ao.  Chpsti.  1632.  hör.  6.  vespert: 

aetatis.  57.  demtis.  2.  dieb.  et.  3  hör. 

et  dehvmatv. 

8.  Janvarii.  ao:  Christi.  1633: 

nee  non. 

Dvlciss:  conivgib: 
Elisae  Magdal:  Dorotheae 

Botmariae  Assebvrgiae 

obiit 
6.  Jan.  äo.  1607  vesp. 

vixit 
an.  23.  m.  10.  d.  21. 

Mortalitatis. 

monvmentvm 

aetemitatis 

memoriam 

viws.  P. 

21 


Darunter  steht  auf  einem  kleinen  Feld(>: 
Ossa  vestra 
germinabvnt. 
Esa.  66. 
und  ganz  unten: 

Äiio 
Christiano 
■  M  ■  D  G  ■  XV . 
Die  Grabmäler  des  im  Jahre  1700  gestorbenen  Friedrich  Behr  und  des 
1664  gestorbenen  Johann  Behr  sind  in  Fig.  58  und  59  wiedenregebeD. 


Flg.  »I  und  GS.    Klrclio  in  SIelllchte;  GrabniHler. 

Innen  an  der  Ghorwand  ist  ein  Grabstein  aufgerichtet,  •  welcher  in 
erhabener  Arbeit  einen  betenden  Ritter  in  einer  Bogennische  und  folgende 
Lapidarumschrift  zeigt; 

»Aiio  ■  1585  ■  den  •  13  ■  Novembris  den  ■  Abendt  vmb  -  8  ■  Vhr  •  ist 

der  ■  gestrenge  •  edle  ■  vnd  •  enivheste  -  Vlridi  ■  Behr  ■  in  Godt  • 

sehglich  ■  entsclilafen." 

Zwischen  der  Inschrift  sind  acht  Wappen  sichtbar. 

Die  schöne,  aus  Holz  geschnitzte  Kanzel  an  der  Nordseite  des  Schiffes, 

deren  Ecken  mit  Säulen  besetzt  sind,  ist  vom  Chor  aus  zugänglicli  {Fig.  62). 

Am  oberen  Rande  steht  in  Lapidaren;    .EvangeUvm  virtvs  dei  in  saivtem  öni 


I 

I 


J 


-^     163    8^ 

credeli*;  am  unteren  Rande:  .Verbvm  Domini  manet  in  aeteravm".  Die  In- 
schrift am  Bande  des  reich  gearbeiteten,  kronenartig  ausgebildeten  Schall- 
deckels lautet: 

yAd  legem  ad  testimöivm' 
und 

,2.  Petri.  1.   Wihr  haben  ein  festes  prophetisches  Wort,  vnd  ihr 
th^  wol  das  ihr  dar  avf  achtet.* 

Ein  silbervergoldeter,  spätgothischer  Kelch  hat  auf  dem  Sechsblattfusse   Kelch, 
einen  aufgelegten  Grucifixus.    Auf  den  sechs  vortretenden  viereckigen  Zapfen 
am  roasswerkverzierten  Knauf  ist  zu  lesen:   j^Jhesvs',  darüber  am  sechseckigen 
Stiel  derselbe  Name  und  unter  dem  Knaufe:  , Maria  6*. 

Die  mit  kunstvoll  geschnitztem  Gehäuse  ausgestattete  Orgel  (Fig.  60)    Orgel. 
hat  die  mit  ^Dieterich  Behr*  und  „Dorothea  •  B  •  y  •  d  •  Assebürgk  bezeichneten 
Wappen  und  die  Inschrift:   ,Anno  domini  1.6.1.0",  sowie  ganz  unten  den 
Namen  des  Meisters  M  •  Märten  •  de  •  Mare  •  Orgelmacher. 

Das  äusserst  reich  aus  Holz  geschnitzte  Taufbecken  ist  viereckig  und  Taufbecken. 
mit  abgestumpften  Ecken  versehen.  Dasselbe  hat  als  Umschrift:  „Galat.  3. 
Wie  viel  vnser  getavffett  sein,  die  haben  Christvm  angezogen.*,  und  auf  vier 
Felder  vertheilt:  ,Eph.  4.  Ein  Herr  —  ein  Glaub,  ein  Taüffe  —  ein  Gott  vnd 
Vater*  u.  s.  w.  Die  Taufschale  besteht  aus  Messing;  im  Boden  desselben  sind  * 
Adam  und  Eva  in  getriebener  Arbeit  dargestellt;  Der  Deckel  des  Taufbeckens 
ist  kronenartig  aufgebaut.  Das  Ganze  ruht  auf  vier  Füssen.  Das  Becken  ist 
in  Fig.  61  dargestellt ;  im  Hintergrunde  sieht  man  den  hölzernen  Ghorabschluss 
und  einen  Pfeiler  des  oben  genannten  Durchgangsbogens. 

Ueber  der  Thür  des  in  neuerer  Zeit   vollständig  umgebauten  Herren-    Herrenhaus, 
hauses    befinden   sich    zwei   Wappen    mit    der  Bezeichnung:    „ Johann   Georg 
Wilhelm  Behr*^    und    »Charlotte  Justine    von  Nettelhorsten'',    dazwischen   die 
Jahreszahl  1703.    Der  Burggraben  ist  unversehrt  erhalten.    Ueber  einem  alten 
Eellerfenster  steht  (unter  der  neueren  Bretterverkleidung)  die  Inschrift 

«Olrick  Behr  1585\ 


Suderbruch. 

Kirche. 

Litteratnr:  Sudendorf;  Hodenberg,  Calenberger  Urkundenbuch  V;  Spilcker 
Geschichte  der  Grafen  von  Wülpe;  Wippermann,  Bukkigau;  Büttger,  Diöcesan-  und  Gau- 
Grenzen;  Kayser,  Kirchenvisitationen  1897;  Holscher,  Beschreibung  des  Bisthums  Minden, 
Zeitschr.  f.  westf.  Gesch.  u.  Alterthumsk.,  Band  34;  Mithoff,  Kunstdenkmale  I;  derselbe, 
Kirchenbeschreibungen. 

Quellen:  Urkunde  nnd  Akte  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  Verzeichniss 
der  kirchlichen  Kunstdenkmäler  von  1896. 

21* 


Geschichte. 


Ohismalerei. 


Grabstein. 


Kelch. 


-'-S     164     g^ 

Suderbruch  gehörte  bis  zum  Jahre  1859  zum  Amt  Neustadt  am  Rüben- 
berge und  ist  im  ehemaligen  Fürstenthum  Calenberg  belegen.  Der  catalogus 
parochiarum  vom  Jahre  1632  rechnet  das  Dorf  als  ,  Sunderborg'  zum  Archi- 
diakonat  Mandelsloh.  Die  frühere  Kirche  war  der  heiligen  Catharina  geweiht. 
1240  schenkte  der  Mindener  Bischof  Wilhelm  dem  Kloster  Mariensee  das 
Obereigenthum  über  den  Zehnten  in  „Suderbroke*"  bezw.  Sutherbroke,  welchen 
ihm  der  frühere  Lehnsträger  Graf  Konrad  von  Wölpe  resigniert  hatte.  Am 
6.  Januar  1320  verpfänden  der  Herzog  Otto  und  seine  Söhne  dem  Grafen 
Günther  von  Kefemberg,  dem  Bischof  Otto  von  Hildesheim,  den  Grafen  Otto 
von  Hoya  und  Siegfried  von  Regenstein  die  Schlösser  Neustadt  und  Wölpe 
nebst  Zubehör,  ausbenommen  neben  Anderem  «dat  Suderbruch''  (Suderbrok). 
1341  war  Willehelmus  rector  ecclesiae  in  Suderbroke.  Auch  werden  in  diesem 
Jahre  die  Kirchen  Vorsteher  in  « Suderbrocke '  genannt.  1543  besass  die  Kirche 
zu  .Surbrock*'  einen  Kelch  und  zwei  Messgewänder.  1851  wurde  das  bisherige, 
in  Fach  werk  errichtete  Gotteshaus  abgebrochen,  um  einem  Neubau  Platz  zu 
machen,  welcher  1853  vollendet  wurde.  Bis  1869  hat  der  Ort  zur  Inspektion 
Neustadt  am  Rübenberge  gehört  und  wurde  dann  der  Inspektion  Schwarmstedt 
zugetheilt.  Das  Patronat  hat  sich  bisher  stets  in  den  Händen  der  Besitzer  der 
von  Bothmerschen  Güter  in  Bothmer,  Güten  und  Schwarmstedt  befunden. 

Ein  aus  der  alten  Kirche  herübergenommenes  kleines  Glasgemälde  zeigt 
das  Wappen  der  von  Bothmer. 

Der  Grabstein  des  1705  gestorbenen  Pastors  Johannes  Meyer  liegt  auf 
dem  Kirchhofe.    Auf  der  Mitte  des  Steins  ist  ein  Oelbaum  sichtbar. 

Ein  silberner,  theilweise  vergoldeter  Kelch  hat  einen  aufgelegten  Cruci- 
fixus  auf  dem  runden  Fusse;  er  zeigt  die  im  XVIII.  Jahrhundert  übliche  Form. 


Wa  1  s  p  o  d  e. 

Kirche;  Klosterchor;  Kloster;  Bathhaiis. 

Litteratur:  Origines  Guelficae;  Leibniz,  Bcriptores  reram  Brunsvicensiuin ; 
Merlan;  Rethmeier,  Chronik;  Pfeffinger,  Historie  I;  von  Hodenberg,  Lüneburger  Urkunden- 
buch  V  und  XV;  derselbe,  Hodenberger  Urkundenbuch;  derselbe,  Hoyer  Urkundenbach; 
derselbe,  Yerdener  Geschichtsquellen;  Urkundenbuch  der  Stadt  Braunschweig  II;  Suden- 
dorf; Urkundenbuch  der  Stadt  Lüneburg  I  und  III;  Urkundenbuch  des  Stiftes  und  der 
Stadt  Hameln;  Yogell,  Geschlechtsgeschichte  der  Herren  Behr;  Grütter,  der  Loingan,  alt- 
deutsches Recht  und  Gericht  im  Loingau,  Markgenossenschaften  und  Holzgerichte  im  Loin- 
gau,  yolksthümliche  Ueberlieferungen  im  Loingau,  Hannov.  Geschichtsbl.,  2.  Jahrg.;  der- 
selbe, Amtvoigteien  im  Fürstenthum  Lüneburg,  Aemter  und  Gerichte  im  Fttrstenthnm 
Lüneburg,  ebendort,  3.  Jahrg.;  derselbe,  Stiftung  des  Klosters  Walsrode  1886;  Jürgens, 
eine  Arbeit  über  den  Loin-Gau,  ein  Amtsbuch  des  Klosters  Walsrode,  Hannov.  Geschichtsbl., 
2.  Jahrg.;  Spilcker,  Geschichte  der  Grafen  von  Wölpe;  derselbe,  Neues  vaterl.  Archiv  1825; 
Regenten  -  Sahl  16d8;  Manecke  II;  Wippermann,  Bukkigau;  Böttger,  Diöcesan-  und  Gau- 
Grenzen;   Holscher,  Beschreibung  des  Bisthums  Minden*    Havemann;    Kayser,  Kirchen- 


-^     165    8^ 

yisitationen  1897;  Freudenthal,  Heidefahrten;  Görges,  vaterländische  Geschichten  und 
Denkwürdigkeiten  III;  MithofT,  Kunstdenkmale  lY;  derselbe,  Kirchenbeschreibungen; 
Bettinghaus,  zur  Heimathskunde  des  Lüneburger  Landes;  Neues  Hannov.  Magazin,  1810,295; 
Doebner,  des  Bildschnitzers  und  Malers  Hans  Brüggemann  Geburtsort,  Repertorium  für 
Kunstwissenschaft,  1901. 

Quellen:  Urkunden  und  Akten  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Hannover;  Grtttterscher 
Nachlass  im  Stadtarchiv  zu  Hannover;  Stadtarchiv  zu  Waisrode,  No.  18  Akte  No.  1. 


Zwischen  der  ersten  Erwähnung  des  Klosters  und  der  frühesten  Nach-    Geschichte, 
rieht  über  den  Ort  liegen  fast  volle  400  Jahre.    Es  ist  daher  anzunehmen,  dass 
sich  die  am  Zusammenschluss  von  Fulde  und  Böhme  gelegene  Stadt  aus  kleinen 
Verhältnissen  heraus  innerhalb  dieser  Zeit  entwickelt  hat  und  ihre  Entstehung 
der  geistlichen  Stiftung  verdankt. 

Um*s  Jahr  1361  oder  1366  geschieht  der  Stadt,  welche  damals  noch 
Dorf  war,  zum  ersten  Mal  Erwähnung.  Zu  jener  Zeit  wurde  in  der  Streitsache 
zwischen  dem  Bremer  Erzbischof  und  dem  Herzog  Magnus  dem  Frommen  über 
die  Wahl  seines  Sohnes  Albrecht  zum  Erzbischof  von  Bremen  zu  Waisrode  eine 
Zusammenkunft  festgesetzt,  welche  auch  stattfand,  aber  zu  keinem  Ergebniss 
führte.  Während  des  bald  darauf  ausbrechenden  Erbfolgekrieges.  1369—1389, 
hatte  der  «Ort  sehr  zu  leiden.  Um  1377  wurde  er  von  Mannen  der  von  Veitheim 
vom  Schlosse  Gif hom  überfallen  und  ausgeraubt.  Während  der  Feindseligkeiten 
der  von  Behr,  von  Mandelsloh,  von  Elencke  und  Weyhe,  welche  in  das  Erzstifl 
Bremen  eingefallen  waren,  wurde  der  Ort  1381  durch  die  Erzbischöflichen  unter 
dem  Stiftsvogt  von  Langwedel,  Friedrich  Schulte,  in  Asche  gelegt. 

1383  erhielt  der  Ort  von  den  Herzögen  Wenzlaus  und  Albrecht  Stadt- 
rechte, welche  1450  bestätigt  wurden,  und  die  Erlaubniss,  das  neue  Weichbild 
zu  befestigen.  Aus  der  Urkunde  geht  hervor,  dass  bereits  damals  ein  Rath  und 
ein  stadtähnliche  Verfassung  vorhanden  waren.  Die  Bürger  erhalten  Braun- 
schweigisches  Recht  in  der  Weise,  wie  die  Bürger  zu  Gelle  es  hatten.  Auch 
bestimmten  die  Herzöge,  dass  das  Goding  und  Holting  fortan  draussen  vor  der 
Brücke  abgehalten  werden  sollen. 

1392  wird  in  dem  Verzeichniss  der  zur  Säte  gehörigen  Schlösser  und 
Weichbilder  auch  das  Weichbild  Waisrode  genannt.  In  den  Jahren  1457 — 1459 
erlitt  auch  Waisrode  allerlei  Drangsale.  Am  25.  Januar  1486  verordnete  der 
Herzog  Heinrich  der  Mittlere  der  Stadt  einen  steten,  festen,  ewigen,  bleibenden 
Rath,  welcher  aus  zwei  Bürgermeistern  und  sechs  Rathmännem  bestand. 

1626  fiel  das  Tillysche  Volk  unvermuthet  in  die  Stadt.  Die  Langestrasse 
wurde  von  einem  Thor  zum  anderen  abgebrannt  und  die  Stadt  selbst  aus- 
geplündert. 120  Wohnhäuser,  darunter  auch  das  Rathhaus,  sanken  in  Asche. 
1660  wurde  es  wieder  aufgebaut. 

Am  12.  Dezember  1747  suchte  ein  furchtbarer  Sturm  den  Ort  heim, 
wobei  nicht  nur  grosser  Schaden  an  Gebäuden  angerichtet  wurde,  sondern  auch 
viele  eine  völlige  Zerstörung  erfuhren.  Bei  dem  grossen  Brande  am  6.  Juli  1757 
sanken  226  Wohnhäuser  mit  den  Nebengebäuden  in  Asche.  Auch  das  Rathhaus 
wurde  abermals  ein  Raub  der  Flammen.    1760  wurde  es  nach  den  Plänen  des 


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Landbaumeisters   Vick    wieder    aufgebaut.     Am    10.  Februar   1795    riss    die 
angesehwollene  Böhme  die  eben  neuerbaute  steinerne  Brücke  in  die  Fluthen. 

Am  12.  März  1850  brach  abermals  eine  Feuersbrunst  über  die  Stadt 
herein.  In  den  Jahren  1852— -1860  wurde  das  Rathhaus  vergrössert  und 
umgebaut.  Thore  waren  von  jeher  vier  vorhanden :  das  Hagenthor,  das  Brückenthor, 
das  Langestrasse-  oder  Bremerthor,  sowie  das  Moor-  oder  Rotenbui^er  Thor. 
Sie  waren  mit  Zugbrücken  und  Schlagbäumen  versehen  und  enthielten  Wacht- 
Stuben  für  die  Mannschaften. 

Das  allgemeine  Landgericht  für  das  Land;  sowie  das  besondere  für  die 
Bürger  fanden  auf  dem  Klosterhofe  statt.  1282  begegnet  ein  Halto  de  Wals- 
rode  als  Zeuge,  und  1289  werden  Hermannus,  Johannes,  Hinricus  et  Halcus 
fratres  dicti  de  Walsrode  genannt. 

Am  östlichen  Ende  der  Stadt,  durch  den  früheren  Kirchhof  von  dieser 
getrennt,  liegt  das  uralte,  einst  Johannes  dem  Täufer  und  der  Jungfrau  Maria 
geweihte,  nur  für  Nonnen  bestimmte  Kloster  von  der  Regel  des  heiligen 
Benedict.  Fromme  Sagen  umwehen  auch  hier  die  frühe  Gründung  des  Klosters. 
Nur  eine  Nachricht  dringt  erhellend  in  das  bestehende  Dunkel:  Am  7.  Mai  986 
schenkte  König  Otto,  als  nachmaliger  Kaiser  Otto  IIL,  auf  Bitten  der  Aebtissin 
Mechthild  zu  Quedlinburg  und  des  Grafen  Wale  dem  Kloster  „Rode",  welches 
dieser  und  seine  Gemahlin  Odelint  zur  Ehre  Gotte  «nouiter*  gebaut  hatten,  das 
von  ihm  bis  dahin  dem  Grafen  Wale  zur  lehnbaren  Nutzung  überlassene  Dorf 
„Zitowe**,  ,in  pago  Zirimudis  dicto  et  in  comitatu  Geronis  Gomitis'  belegen. 
Das  Kloster  bestand  also  bereits,  und  zwar  war  es  kurz  vor  dem  angegebenen 
Zeitpunkt  gegründet  worden.  Wir  werden  daher  wohl  nicht  fehl  gehen,  wenn 
wir,  Grütter's  Ausführungen  uns  anschliessend,  das  Jahr  969,  vielleicht  das 
Jahr  968  als  Stiflungsjahr  ansehen.  Der  erste  Ort,  welcher  dem  neugegründeten 
Kloster  geschenkt  wurde,  ,Zitowe",  erhielt  als  Schenkung  des  Stifters  den 
Namen  »Walestorpe*,  jetzt  Wohlsdorf  im  anhaltschen  Amte  Köthen  an  der 
Ziethe,  wie  das  Kloster  als  seine  Stiftung  »Walesroth*  genannt  ist. 

1176  erwarb  das  Kloster  die  Kirdie  zu  Walsrode,  welche  nach  einer 
Urkunde  vom  Jahre  1197  Johannes  dem  Täufer  gewidmet  war.  1251  wird 
Euerhardus  Capellanus  de  Walsrode  genannt.  Am  29.  November  1255  schenkt 
der  Mindener  Bischof  Wedekind,  zu  dessen  Diöcese  das  Kloster  gehörte,  diesem 
das  Obereigen thum  des  Zehnten  zu  »Walesrode".  Am  2.  Dezember  1269 
schenken  die  Edelherren  von  Garssenbültel  dem  Kloster  die  Kirche  zu 
Meinerdingen.  Diese  Schenkung  wurde  im  Jahre  1307  vom  Mindener  Bischof 
Gottfried  vervollständigt,  indem  er  die  Kirche  ausdrücklich  dem  Kloster  als  nahe 
bei  demselben  belegen  übertrug,  mit  dem  vollen  Rechte  sowohl  weltlichem  wie 
geistlichem,  um  durch  den  Propst  oder  dessen  Kapellane  die  kirchlichen 
Sakramente  dort  verwalten  zu  lassen.  1293  wird  die  Parochie  Walsrode 
genannt.  1310  erwarb  das  Kloster  von  den  Herren  von  Hodenberg  durch  Kauf 
die  Dörfer  Steimke  und  Glashof  sowie  Lehen  und  Patronat  über  die  Kirche  zu 
Steimke.  Am  10.  März  1314  verkaufte  Hermann  von  Hodenberg  dem  Kloster 
die  ihm  zustehende  Hälfte  des  Dorfes  Gilten  und  übertrug  demselben  zugleich 
seinen  Antheil  am  Patronat  über  die  dortige  Kirche.    Die  andere  Hälfte  des 


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Patronats  schenkte  ani  29.  April  1330  Heinrich  von  Hodenberg  in  dankbarem 
Andenken  an  die  ihm  und  seiner  Gemahlin  verliehene  Brüderschaft  und  an  die 
ihm  auf  dem  KlosterkircI;ihof  eingeräumten  Begräbnissplätze.  Im  Jahre  1337 
schliessen  Propst,  Priorin  und  Konvent  mit  Konrad  Haverber  i;nd  den  Gevettem 
von  Schlepegrell  über  die  von  dem  Geschlechte  derer  von  Schlepegrell  her- 
gegebenen Güter  des  Altars  St.  Nicolai  zu  Walsrode  einen  Vergleich,  in  welchem 
dem  Propst  und  Konvent  die  Besetzung  des  Altars  mit  einem  Kapellan  ein- 
geräumt wu-d  imd  die  Familie  von  Schlepegrell  das  Patronat  über  die  Kirche 
zu  Güten  erhält.  Die  Eingriffe  der  im  Jahre  1383  mit  Stadtrechten  versehenen 
Büi^er  in  die  Rechte  des  Klosters  veranlassten  die  Herzöge  Wenzlaus  und 
Bernhard,  am  30.  November  1386  einen  Schutzbrief  zu  erlassen,  welcher  dem 
Kloster  alle  Rechte  und  Privilegien  in  der  Stadt  bestätigte.  1390  wird  eine 
.Capella  Corporis  Jhesu  Christi''  genannt,  nach  Grütter  eine  Grabkapelle  in  dem 
neben  der  Aebtissinwohnung  stehenden  Gebäude,  welche  zum  Theil  noch 
erhalten  ist  und  jetzt  als  Wagenremise  und  Komlager  dient.  1396  scheint  das 
Kloster  durch  Mannen  der  Stadt  Lüneburg  geplündert  und  gebrandschatzt, 
worden  zu  sein. 

„Des  mydwekensz  in  den  pinKsten**  des  Jahres  1482  traf  das  Kloster 
das  Unglück,  mit  der  Kirche  in  Folge  eines  Blitzschlages  durch  Feuer  verheert 
zu  werden,  wobei  alle  Möbel  sowie  sämmtliche  Briefschaften  und  Privilegien 
bis  auf  die  Kopiare  und  einige  wenige  Originale  vernichtet  wurden.  Dem  Ein- 
fluss  des  Propstes  Gerhard  von  Zerssen,  welcher  zugleich  herzoglicher  Kanzler 
zu  Celle  war,  wird  es  zuzuschreiben  sein,  dass  sich  Herzog  Heinrich  ^der  Mittlere 
des  Klosterbaues  annahm  und  dem  Kloster  1486  gegen  die  Uebergriffe  der 
Stadt  seinen  Schutz  angedeihen  Hess.  Und  Heinrich  wiederum  wusste  1496  den 
Kurfürsten  Johann  von  Brandenburg  zu  veranlassen,  dass  für  den  Wiederaufbau 
des  Klosters  in  dessen  Landen  eine  Kollekte  veranstaltet  wurde.  1489  werden 
als  zur  Parochie  Walsrode  gehörig  aufgezählt:  Vtzingh,  dat  vorwerk,  Gresebeke, 
Vulle,  Syuerdingh,  Odestmgh,  Westerharlingh,  Iddesingh,  Ebbingh,  Benfeit, 
Nunningh,  Borch,  Cordingh,  Huntzingh  und  Jerningh.  Am  4.  April  1490  wird 
eine  ewige,  täglich  „vor  dem  Altar  belegen  in  dat  Norden  vor  dem  Chore  in 
unser  Kerken  to  Walsrode  gebeten  der  van  Hudenberge  altar"  zu  haltende 
Messe  gestiftet.  Am  31.  März  1496  wird  der  Sonntag  nach  Johannis  des 
Täufers  Geburt  zum  Weihefeste  des  Hauptaltars  der  nach  dem  Brande  wieder 
aufgebauten  Parochialkirche  des  Klosters  zu  Walsrode  bestimmt.  Die  Zer- 
störung der  Kirche  durch  den  Brand  vom  Jahre  1482  war  keine  vollständige 
gewesen.  Nur  das  Kirchendach,  der  Thurm  und  das  letzte  östliche  Gewölbe 
waren  beschädigt.  Auch  scheinen  die  Umfassungsmauern  den  Brand  überdauert 
zu  haben. 

Die  Kirche  bestand  nach  Mithoff,  welcher  Grundriss  und  Querschnitt 
abbildet,  aus  einem  im  Lichten  26,65  m  langen  und  13,14  m  breiten  Langhause 
und  einem  an  der  Nordseite  um  2,05  m  in  der  Breite  eingezogenen,  im  Osten 
funfseitig  gestalteten  und  im  Lichten  11,83  m  langen  Chor.  Das  Langhaus 
war  durch  vier  Säulen  mit  schwachen  Kämpfern  in  zwei  gleich  breite  Schiffe 
getheilt    und    mit    überhöhten    kuppelartigen   Gewölben    zwischen   halbrunden 


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Längs-  und  Quergurten  überdeckt.  Das  eingestürzte  Chorgewölbe  war  durch 
eine  einfache  Holzdecke  ersetzt  worden.  Die  Kirche  enthielt  ein  Begräbniss- 
gewölbe. Auch  der  yormals  neben  der  Kirche  an  der  Klosterseite  gelegene 
Kreuzgang  war  in  älterer  Zeit  ganz  mit  Begräbnissgewölben  ausgefüUt.  Unter 
Anderem  hatten  die  Herren  von  Hodenberg  zu  Hudemühlen  dort  ein  besonderes 
Erbbegräbniss. 

Am  23.  August  1506  wird  das  Einweihungsfest  des  Hauptaltares  von 
Sonntag  nach  des  heiligen  Johannes  Enthauptung  auf  Sonntag  nach  Johannis 
des  Täufers  und  des  Hodenberger  Altares  Symonis  et  Judae  von  Sonntag  nach 
Jacobi  auf  Sonntag  vor  Maria -Magdalena  verlegt.  Im  Jahre  1518  trat  das 
Kloster  in  die  Brüderschaft  des  Hospitals  St.  Spiritus  in  Saxia  de  Urbe  ein. 
Am  5.  August  1523  schliessen  Propst^  Rath  und  Aelterleute  mit  dem  Meister 
Hans  Brüggemann  —  wie  Doebner  im  Repertorium  für  Kunstwissenschaflf 
1901,  nachweist,  in  Walsrode  geboren  —  einen  Vertrag:  er  soll  für  den  Früh- 
messen-Altar ein  Altarblatt  fertigen,  im  Haupttheile  die  Himmelfahrt  Mariae 
mit  den  12  Aposteln,  in  den  beiden  Flügeln  und  dem  Fusse  den  Patron 
St.  Johannes  den  Täufer  sammt  den  anderen  Patronen,  welche  sie  begehren 
werden,  enthalten.  Mit  der  Vergütung  von  55  Gulden  erklärt  sich  Brüggemann 
auch  für  den  Fall  einverstanden,  dass  Sachverständige  nach  Vollendung  der 
Arbeit  deren  Werth  höher  einschätzen  sollten,  da  er  als  Walsroder  Kind  geboren 
sei  und  seine  Eltern  dort  begraben  habe.  Auf  der  Rückseite  der  von  Doebner 
mitgetheilten  Urkunde  steht  von  zwei  verschiedenen  Händen  XVII.  und 
XVIII.  Jahrhunderts  geschrieben:  «Fürschriebung  des  Altares  Anno  1523*"  und 
,  Diese  Taffei  ist  nachgehends  nach  Kirchboizen  zum  Altar  verkauffet''.  Diese 
Tafel  kam  1625  nach  Boitzen  in  die  Kirche;  in  Kirchboitzen,  dessen  Kirche 
1861  neu  gebaut  wurde,  ist  der  Altar  jedoch  nicht  mehr  vorhanden.  Ein 
Kirchensiegel  vom  Jahre  1527,  das  einzig  erhaltene  aus  der  Zeit  vor  der 
Reformation,  zeigt  das  Bild  der  Jungfrau  Maria  mit  dem  Christkinde.  Das 
Kirchensiegel,  wie  es  seit  der  Reformation  gebraucht  wird,  zeigt  Johannes  den 
Täufer.  Die  Reformation  wurde  1528  eingeführt.  Der  erste  lutherische  Prediger 
war  Henning  Kelp,  1528 — 1575.  Mit  der  Reformation  kam  auch  die  Super- 
intendentur  nach  Walsrode.  1532  werden  ein  grosses  vergoldetes  Kreuz,  ein 
vergoldetes  Sakramentshaus,  vier  silberne  Ampeln^  zwei  kleine  silberne  Kreuze, 
füuf  Kelche  mit  Patenen  und  zwei  kleine  silberne  Röhre  genannt.  Diese 
Kleinodien  sind  jetzt  nicht  mehr  vorhanden.  1573  wurde  die  Kirche  gedeckt, 
1575  der  Altar  auf  dem  Chore  von  Caspar  und  Hermann  vom  Rade  vermalt. 
In  dem  gleichen  Jahre  wurde  die  Orgel  umgelegt.  Die  genannten  Maler 
schmückten  die  Decke  mit  Gemälden,  darstellend  die  Dreieinigkeit;  Gott  Vater 
und  Sohn  thronen  nebeneinander  in  den  Wolken,  die  Füsse  auf  den  Erdball 
als  Schemel  gestellt,  während  über  ihnen  der  heilige  Geist  in  Gestalt  einer 
Taube  erscheint.  1583  wurde  die  Orgel  ausgebessert  und  1598  ein  neuer 
Predigtstuhl  gefertigt. 

Im  Jahre  1600  wurde  der  Thurm,  welcher  zuvor  mit  „Spondack* 
bedeckt  war,  gebessert  und  mit  Kupfer  belegt,  sowie  der  Knopf  von  neuem 
vergoldet.     1621  goss  Thomas  Symon,  ein  Glockengiesser  aus  Lothringen,  die 


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damals  grösste  Glocke  um.     1625  erhielt  der  Orgelmacher  Adolphus  Campenius 
zu  Hannover  den  Auftrag,  die  Orgel  zu  erneuern  und  chormässig  zu  stimmen. 
1626  wurden  Kirche  und  Kloster  von  den  Schaaren  Tilly's  geplündert,  auch 
wurden  die  Güter  des  Klosters  gegen  Vermachung  eines  Deputats  eingezogen 
und    der    fürstlichen    Kammer    überlassen.      Die   Aebtissin    Salome    Daldorf, 
1620—1631,   verehrte    einen   vergoldeten   Abendmahlskelch   zum   Klosteraltar. 
1633  wird  die  Kirche   als   baufällig  bezeichnet  und   1639   drohte   das  ganze 
Kirchengebäude  auseinander  zu  weichen,   Uhr   und  Glocke  wurden   aus  dem 
Thurm  entfernt.    Da  die  Orgel  in  den  Kriegszeiten  arg  gelitten  hatte,  so  ward 
dem  erwähnten  Campenius  1639  abermals  der  Auftrag  zu  Theil;  dieselbe  zu 
bessern.    Doch  ging  derselbe  in  der  Ausführung  schlecht  und  betrügerisch  zu 
Werke.     1647   nahm   darum   Justus   Keyser   eine   weitere   Ausbesserung  vor. 
1640  legte  Berend  Knust,  Rathsmauermeister  zu  Bremen,  für  234  rthlr.  sieben 
grosse  Pfeiler  an  die  Kirche  und  reparierte  dieselbe  auch  sonst.    In  demselben 
Jahre  liess  Peter  Stratemann  auf  seine  Kosten  eine  Uhr  auf  den  Thurm  setzen. 
1644  wird  gesagt,  dass  die  hohe,  unumgängliche  Nothdurft  erfordere,  dass  der 
grosse,  unten  an  der  Kirche  stehende  Thurm  abgetragen  werde.    1648  schenkte 
der  Amtmann   Carolus  Dieterichs   einen   silbervergoldeten   Kelch   mit   Patene. 
1659  musste  der  verfallene  Thurm  abgenommen  werden.    Statt  seiner  wurde 
ein  niedriger  Thurm  auf  dem  Kirchhof  gebaut^  in  welchem  man  die  Glocken 
aufhing.    1672  umgab  man  den  Altar  auf  dem  Chore  mit  einem  Gitterwerk; 
die  Säulen  und  Knöpfe  hatte  Cord  Dreier  gefertigt.    1677  verehrten  Barthold 
Gerber,  Kanonengiesser,   und  seine  Gattin  Adelheid  Magdalena  Schillings  eine 
zinnerne  Weinkanne.     1684  wurde  das  Dach  über  dem  Chor  neu  aufgebaut. 
1687  fertigten  der  Meister  Karl  Pi'öschen  und  sein  ältester  Sohn  Henning  in 
Walsrode  auf  Kosten  der  Elisabeth  Twieten,  Wittwe  des  Bürgermeisters  Christoffer 
Schillings,  einen  Beichtstuhl  mit  ihrem  und  ihres  Gatten  Wappen.    1690  schenkte 
Edna  Juliana  von  Damm  eine  silberne  Kapsel  oder  Schachtel.    1691  wird  von 
dem  Fürstlich  Braunschweig-Lüneburgischen  Hofrichter  Werner  Hermann  Spörken 
in  Vorschlag  gebracht  und  f&r  gut  angesehen,  dass  die  alten  zum  Theil  bau- 
und  niederfälligen  Klostergebäude  abgetragen  und  dafür  ein  Gebäude  aufgeführt 
würde,  worin  sämmtliche  12  Konventualinnen  wohnen  könnten.    1693  gründete 
und   begabte  Rudolph  von  Hodenberg   einen  Altar  an   der  Nordwand.     Ein 
zwischen  1693  und  1695  angefertigter  Auszug  aus  dem  Corpus  bonorum  erwähnt 
einen  alten,  aus  gegossenem  Glockengut  gefertigten  Taufstein  ohne  Jahreszahl 
mit  den  erhabenen  Darstellungen  der  Empfängniss,  der  Geburt,  der  Gefangen- 
nehmung, der  Geisselung,  der  Ausführung,  der  Kreuzigung,  des  Begräbnisses, 
des  Grabes  Christi  mit  der  Erscheinung  der  Engel  und  Besuchung  der  Weiber, 
der  Auferstehung,  der  Offenbarung  und  Himmelfahrt  Christi.    Der  Deckel  war 
1656   von   Salome  Kokes  verehrt  worden.     1695   schenkte   Gesche  Schnitze, 
Wittwe  des  Hans  Meier,  ein  grosses  ausgetriebenes  und  ein  kleines  messingenes 
Becken.    In  den  Jahren  1699/1700  wurde  die  Kirche  geweisst. 

1702  wurde  die  hart  an  der  Mauer  belegene  Kanzel  etwas  vorgerückt 
und  mit  den  vier  Evangelisten,  Kragsteinen  und  anderem  Zierrath  geschmückt. 
Das   Schnitzwerk    fertigte   Heinrich   Conrad   Bartels    in   Celle.     Als   bei   dem 

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neunwöchigen  Trauergeläute  aus  Anlass  des  1705  erfolgten  Ablebens  des  Herzogs 
Georg  Wilhelm  zu  Celle  die  kleine  Klosterglocke  zersprang,  liess  sie  die  Aebtissin 
von  Stolzenbui^  auf  ihre  Kosten  durch  eine  neue  ersetzen.  1705  wurde  femer 
eine  gründliche  Ausbesserung  der  Orgel  vorgenommen.  1706  schenkten  die 
Kinder  des  weiland  Diakons  Dietrich  Günther  eine  silberne,  inwendig  vergoldete 
Kanne.  1710  lieferte  der  Bildhauer  und  Maler  Conrad  Ritterhoff,  wohnhaft  zu 
Smoke  bezw.  Thedinghausen,  einen  neuen  Kanzeldeckel.  1717  befiehlt  Herzog 
Georg,  dass  mit  dem  Abbruch  des  alten  und  der  Erbauung  des  neuen  Kloster- 
gebäudes der  Anfang  gemacht  werde,  was  1719  geschah.  An  Stelle  des  alten 
zweistöckigen  Wohnhauses  entstand  der  .lange  Gang'',  welcher  1720  bezogen 
wurde  und  für  sechs  Konventualinnen  eingerichtet  war.  1729  wurde  ein  neues 
Wasch-  und  Brauhaus  sowie  eine  neue  Klostermauer  zu  bauen  begonnen.  Das 
Inventar  vom  Jahre  1730  nennt  an  Gebäuden  zum  Kloster  gehörig: 

1)  Das  Aebtissinhaus,   welches   aber  wegen  vollständigen  Verfalles  nicht 
bewohnbar  sei, 

2)  das  neue  Klostergebäude  oder  Konventualinnenhaus,  von  sechs  Kon- 
ventualinnen bewohnt, 

3)  einen  alten  Stall  oder  Wohnhaus  (Grabkapelle?),  welchen  die  Aebtissin 
hn  Gebrauch  habe, 

4)  die  Holz-y  Torf-  und  Wagenscheuer,  worin  die  Konventualinnen  ihre 
Feuerung  aufheben, 

5)  das  alte  Wasch-  und  Brauhaus,  »welches  neue  gebauet  wird  und  ietzo 
abgebrochen  ist*. 

Ausserdem  standen  auf  des  Klosters  Grund  und  Boden  noch  sieben  Privat- 
gebäude. 

1737  wurde  das  Klosterthor  renoviert,  1745  liess  der  Oberamtmann 
Philipp  von  Hagen  den  alten  Hochaltar  durch  einen  auf  seine  Kosten  gefertigten 
ersetzen.  Um  die  Mitte  des  XVIII.  Jahrhunderts  wurde  das  Dorf  Stellichte  auf 
Ansuchen  des  Herrn  von  Behr  in  allen  geistlichen  Dingen  nach  Stellichte  gelegt, 
jedoch  mit  dem  Vorbehalt,  dass  die  Eingesessenen  nach  wie  vor  alle  Lasten, 
Bau-  und  Reparaturkosten  unverändert  tragen  müssten.  1775  wurde  der  Thurm 
des  Klosterthores  ganz  und  letzteres  bis  aufs  Mauerwerk  heruntergenommen 
und  von  Neuem  wieder  aufgeführt.  1786  wurde  der  auf  dem  Kirchhof  stehende 
Glockenthurm  vom  Jahre  1659  beseitigt  und  auf  Kosten  der  Stadt-  und  Land- 
gemeinde der  jetzt  noch  stehende  Kirchthurm  aufgeführt. 

Besonders  unruhige  Tage  sollte  das  Kloster  in  der  Franzosenzeit  sehen. 
In  den  Jahren  1812/13  wurden  die  bei  der  Aufhebung  des  EJosters  geraubten, 
meist  zu  geistlichen  Zwecken  bestimmten  Effekten  sammt  dem  Mobiliar  durch 
den  französischen  Receveur  Lehmann  öffentlich  verkauft.  Nur  wenige  fanden 
sich,  bewogen  durch  private  Vorstellungen  des  Landraths  und  Klosterkommissairs 
von  der  Wense,  sowie  durch  seine  Aufforderung  in  dem  50.  Stück  der  Hannover- 
schen Anzeigen  vom  Jahre  1814,  bereit,  einen  Theil  des  an  sich  gebrachten 
Klostereigenthums  zurückzugeben.  Namentlich  war  der  Chor  seiner  zum  Gottes- 
dienst nothwendigen  Geräthe  beraubt  worden.    Erst  1814  konnten  die  Damen 


-^     171     8^ 

in's  Kloster  zurückkehren.  Um  einen  grösseren  Raum  für  die  Gemeinde  zu 
schaffen,  wurde  1817  der  Bau  einer  neuen  Prieche  genehmigt.  Am  18.  August  1835 
wurde  dann  endlich  auch  das  EHosterarat  aufgehoben,  und  damit  schwand  der 
letzte  Schimmer  einstiger  Grösse.  1845  wurde  der  theilweise  Umbau  der  Kirche 
beschlossen.  Als  aber  der  Konsistorialbaumeister  Hcllner  den  Vorschlag  machte,  eine 
ganz  neue  Kirche  zu  bauen,  trat  man  dem  bei.  Der  Neubau  wurde  1847  in  Angriff 
genommen  und  währte  bis  zum  Jahre  1850.  Der  Thurm  und  der  Klosterchor 
wurden  beibehalten.  Der  letztere  war  vor  dem  Neubau  mit  der  Stadtkirche 
durch  eine  grosse  Oeffnung  verbunden,  vor  welcher  die  Damen  in  ihrer  Kirche 
erhöhte,  durch  Vorhänge  nach  Belieben  abzuschliessende  Sitze  hatten.  Dies 
wurde  bei  dem  Neubau  geändert.  Die  nördliche  Klosterchor\vand  wurde  neu 
hergestellt,  durch  zwei  Durchgänge  mit  der  Stadtkirche  verbunden  und  mit 
Fenstern  versehen.  Die  somit  für  sich  abgeschlossene  Klosterkirche  wird  jetzt 
nur  bei  der  Wahl  und  Einführung  der  Aebtissinnen  und  der  Einführung  der 
Ghanoinessen,  sowie  bei  der  Feier  des  Abendmahls  und  den  Begräbnissen  ' 
benutzt.  Um  am  Gottesdienst  der  Gemeinde  Theil  nehmen  zu  können,  müssen 
die  Damen  jetzt  durch  ihre  Kirche  hindurch  in  die  Hauptkirche  gehen,  wo  ihnen 
ein  bevorzugter  Kirchenstuhl  auf  dem  Chore  eingeräumt  ist. 

Ueber  die  Vogt  ei  erfahren  wir  in  den  auf  uns  gekommenen  Nachrichten 
erst  1228  Näheres.  In  diesem  Jahre  belehnt  Graf  Iso  von  Wölpe,  Bischof  zu 
Verden,  auf  Bitten  der  verwittweten  Herzogin  Helene  von  Lüneburg  deren  Sohn 
mit  der  Vogtei  »Walesrothe*,  welche  dieser  jedoch  wiederum  dem  Sohne 
Bernhards  von  Wölpe  als  Lehen  übertragen  solle.  1237  erwählen  Propst  und 
Konvent,  «multis  malorum  insultibus  compulsi'',  den  Herzog  Otto  von  Braun- 
schweig und  dessen  Söhne  zu  «Tutores  Dominos  et  defensores'^.  1386  erhält 
der  Herzog  Wenzlaus  von  Sachsen  und  Lüneburg  von  der  Verdener  Kirche  die 
Vogtei  zu  Walsrode. 

An  der  Spitze  der  Verwaltung  des  Klosters  stand  anfangs  ein  Propst 
für  die  weltlichen  und  eme  Priorin  für  die  geistlichen  Angelegenheiten.  Am 
22.  Juli  1529  aber  Hess  sich  der  Herzog  Ernst  vom  Propst  Johann  Wichmann 
die  Administration  und  Verwaltung  des  Klosters  abtreten  und  ernannte  ihn  zum 
Vorsteher  und  Verweser  desselben.  Eine  Zeit  lang  hat  Wichmann  dem  Kloster 
in  dieser  Eigenschaft  noch  vorgestanden.  Dann  traten  fürstliche  Amtmänner 
an  seine  Stelle  und  eine  Domina  an  die  der  Priorin.  Neben  der  Domina  wird 
1614  eine  Priorin  und  vom  Jahre  1495  bis  1655  eine  Subpriorin  genannt. 
Seit  1704  werden  Klosterkommissaire  von  der  Ritterschaft  bestellt.  Von  1734 
an  wird  die  Domina  Aebtissin  genannt.  1835  wurde  das  Amt  aufgehoben  und 
mit  der  Amtsvogtei  Fallingbostel  verbunden. 

Ueber  die  inneren  Verhältnisse  des  Klosters  sei  Folgendes  bemerkt: 
Am  12.  Juli  1399  wurde  wegen  der  althergebrachten  «annua  pensio*  der 
.seculares  puelle  in  eodem  monasterio  ciun  ceteris  monialibus  commorantes*^ 
ein  geschärfter  Befehl  erlassen.  Am  23.  Mai  1475  erliess  der  Herzog  Friedrich 
der  Aeltere  die  Vorschrift,  dass  das  Kloster  verschlossen  bleiben  und  der  Propst 
dasselbe  vor  jedem  Thore  von  aussen  und  die  Priorin  von  innen  zuschliessen' 
und  einen  bestellen  solle,  welcher  diejenigen  ein-  und  auszulassen  habe,  welche 

22* 


-^    172    $*■ 

eine  Eriauboiss  vom  Propste  und  der  Priorin  halten.  Ferner  bestimmte  er, 
dass  alle  Klosterdameo  im  .Remter*  essen,  stets  zmn  Chore  geben  mid  das 
Kloster  nicht  zum  Besuche  ihrer  Freunde  auf  acht  Tage  verlassen  sollen.  Die 
Zahl  der  statt  der  or^rünglichen  .vii^nes  de  online  sancti  Benedict!  abbatis* 
dort  Torhandenen  .canonicae  Reguläres*  ist  vor  1483  auf  24  edle  Kloster- 
jui^rauen  and  nicht  vom  Adel  angegeben.  Kurz  vor  Ostern  1482  stellte  Amia 
von  Nassau,  Herzogin  zu  Braunscbweig  und  Lüneburg  die  strenge  Regel  des 


Fig.  W.   Kirche  in  WslBtode;  Waslaelte. 

Benedictinerordens  wieder  her  und  schaffte  die  canonicae  reguläres  ab. 
1494  hatte  sich  die  Zahl  der  Mitglieder  auf  mehr  als  80  erhöht.  1518  waren 
ausser  der  Priorin  31  Elosterschwestem,  5  Novizen  und  20  Laiensdiwestem, 
1625  34  Choigungfrauen  und  16  Konverse  vorhanden.  1691  befanden  sich  mit 
der  Domina  12  Konventualinnen  im  Kloster,  von  denen  fünf  im  Elostergebfiude 
wohnten,  während  die  übrigen  ihre  eigenen  erkauften  oder  erbauten  Hauser 
hatten.  1699  bestimmte  der  Herzog  Georg  Wilhelm  von  Celle,  dass  die  Stellen 
im  Kloster  künftig  für  die  Töchter  der  adeligen  Landsassen  des  Ffirstenthums 


-^    173    8^ 

Lüneburg  allein  verbleiben  sollten,  eine  Bestimmung,  welche  durch  Georg 
Ludwig  1711  eine  Erneuerung  erfuhr.  Das  Kloster  besteht  xur  Zeit  als  welt- 
liches Fräuleinstift. 

Der  yiereddge,  in  der  unteren  Hälfte  aus  Findlingen  mit  Eckquader-    Beschreibung. 
einfassung,  in  der  oberen  aus  theilweise  ausgemauertem,  aussen  mit  Schindeln   l^irche. 
bekleidetem  Fachwerk  errichtete  Westthurra   der   Stadtkirche  zeigt  hölzernes    ^"^™- 
Hauptgesims    und    einfache   Oeffnungen   (Fig.  63).     Im   Inneren   des   unteren 
Theiles  ist  auf  der  Nord-  und  Südseite  je  ein  korbbogig  geschlossenes  zu- 
gemauertes Fenster  zu  sehen.    Ein  ebenso  geschlossenes  Fenster  mit  Sandstein- 
gewände ist  über  der  flachbogigen  Eingangsthür  an  der  Westseite  angebracht. 
Darüber  steht  auf  einem  Quader  die  Inschrift:   «Anno  1786".    Dieselbe  Jahres- 
zahl ist  in  der  Wetterfahne  enthalten,  während  ein  hölzernes  Zifferblatt  auf  der 
Westseite  die  Zahl   1787   aufweist.     Der  mit  Kupfer   belegte  Helm  geht   in 
geschwungener  Linie  in's  Achteck  über  und  trägt  eine  achteckige  offene  Laterne. 


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Flg.  64.    Kirche  In  Walsrode;  GlockenlnBchrtft. 


Auf  der   oberen  Westprieche  der  Stadtkirche   steht   eine  nicht  mehr   Altarwand. 
benutzte   Altarwand    in    ausgeprägten  Regenceformen    aus    dem   Jahre   1745 
(siehe  Geschichte). 

Auf.  der  darunter  befindlichen  Priecbe  hängt  an  der  Thunnwand  eine   Gedenktafel. 
1659   aus   Holz   gefertigte   Tafel.     Dieselbe    zeigt  oben   eine  Darstellung   der 
Kreuzigung  mit  Jerusalem  im  Hintergrunde  unter  schwer  bewölktem  Himmel, 
von  reichbehandeltem  Barockomament  umrahmt.    Die  darunter  befindliche  In- 
schrift feiert  das  «Ehrengedächtnis''  der  ersten  drei  lutherischen  Prediger: 

1.  des  Henning  Eelp,  1498  geboren,  derselbe  führte  1528  die  lutherische 
Lehre  ein  und  dankte  1575  ab, 

2.  des  Jacobus  Kelp,  seines  Sohnes  und  Nachfolgers,  1540  geboren^ 
1606  gestorben, 

3.  des  Joan  Kelp^  seinem  Vater  1603  beigeordnet,  1576  geboren  und 
1659  gestorben. 

Ganz  unten  befindet  sich  der  Spruch  1.  Corinth.  16,  13. 


-^     174    8^ 


Glocken. 


Grabmale. 


Rlostercfaor. 


Altar. 


Altarleuchter. 


Die  1,40  m  im  Durchmesser  grosse  Glocke  trägt  am  Halse  zwischen 
Riemchen,  deren  unterstes  schönes  Blattwerk  zeigt,  eine  zweizeilige  Inschrift  in 
gothischen  Kleinbuchstaben  (Fig.  64),  enthaltend  die  Jahreszahl  1437  und  den 
Namen  der  Glocke  ,,Maria".  Auf  dem  Mantel  ist  das  Hochbild  der  Maria  mit 
dem  Kinde  und  die  Umschrift  «santa>  Maria",  auf  der  gegenüberliegenden  Seite 
das  Hochbild  des  Johannes  mit  dem  Lamme  und  die  Bezeichnung  ,,sante  •  Johanes' 
angebracht.  Der  Rand  weist  als  Verzierung  einen  mit  Äkanthusblättem  um- 
wundenen Stab  auf. 

Die  andere,  1,17  m  im  Durchmesser  haltende  Glocke  ist  der  Lapidar- 
inschrift am  Halse  gemäss  1727  von  M.  Thomas  Rideweg  in  Hannover  grossen. 
Am  Rande  stehen  die  Worte:  „Gott  rufiEl  durchs  Wortes  Schall  bis  an  der 
Welt  ihr  Ende  mein  Thon  rühr  aller  Hertz  das  sich  zu  Gott  stets  wende.*  Auf 
dem  Mantel  ist  eine  vierzeilige  Inschrift  angebracht. 

Im  Inneren  der  Kirche  befinden  sich  an  der  Ostwand  des  Thurmes  zwei 
eingemauerte  Grabmale  in  Sandstein,  den  Verstorbenen  in  lebensgrosser  Figur 
zeigend.  Das  erste  ist  dem  Pastor  Primarius  Gabriel  Meier,  gestorben  1679, 
gewidmet,  das  zweite  dem  Rvdolphvs  Lodeman,  Pastor  Primarius  und  Super- 
intendent, 1714  gestorben.  Beide  Grabmale  zeigen  gute  Ausführung  und  trafen 
fein  gearbeitete  Bekrönungen. 

Der  in  Backstein  errichtete,  rechteckige,  höher  liegende  Klosterchor  fügt 
sich  an  die  Südseite  der  Stadtkirche  an  (Fig.  65).  Eine  schlichte  Bretterdecke, 
welche  mit  Fruchtgehängen,  Muschelwerk  und  anderem  Zierrath  in  den  Formen 
der  zweiten  Hälfte  des  XVIII.  Jahrhunderts  bemalt  ist,  schliesst  den  Innenraum 
ab.  Das  Dach  ist  abgewalmt  und  trägt  im  Westen  einen  mit  Kupfer  belegten 
Dachreiter.  Von  den  durchgehends  spitzbogigen  Fenstern  ist  das  mittlere,  grosse 
der  Ostseite  dreitheilig  und  zeigt  wie  die  beiden  zweitheiligen  der  Südseite 
Backsteinmasswerk.    Die  Wetterfahne  enthält  die  Jahreszahl  1775. 

Der  an  der  Südseite  stehende,  in  Regenceformen  aus  Holz  geschnitzle 
Aebtissinsitz  trägt  ein  Wappen  mit  der  Bezeichnung:  «Anna  Elisabeth  von 
Luttermann  angenommen  Ostern  1751.* 

Die  hölzerne,  in  Regenceformen  gehaltene  Altarwand  trägt  ein  ver- 
kröpftes,  von  zwei  Säulen  getragenes  Gebälk,  auf  welchem  zwei  Engelsfiguren 
angebracht  sind.    Unten  befinden  sich  drei  Wappen  mit  den  Bezeichnungen: 

1.  Dorothea  Eleonora  von  Ompteda. 

zur  Conventualin  angenommen  den  6.  October.  1741. 

2.  Ilse  Gatharina  von  Ahlden. 

zur  Conventualin  angenommen  den  24  Decemb.  1742. 

3.  Helena  Frederica  Hinriette  von  Wallmo.den. 

zur  Conventualin  angenommen  den  25  Septem:  1743. 

Die  seitlichen,  aus  Rankenwerk  gebildeten  Endigungen  enthalten  je  eine 
länglich  runde  Inschrifttafel  mit  je  einem  Spruch  aus  Johannes.  Die  Bekrönung 
zeigt  von  Wolken  umgeben  auf  einem  dreieckigen  Schilde  den  Namen  Jehovah 
in  hebräischer  Schrift. 

Zwei  0,44  cm  hohe  Altarleuchter  aus  Messing  zeigen  nach  gothischer 
Art  einen  walzenförmigen  Schaft  mit  drei  Knäufen. 


-*-i    175    S->- 

lo  einer  Nische  der  Südwand  über  dem  Sitze  der  Aebtissin  steht  auf  Bildwerke, 
einem  mit  Vierpässen  geschmückten  Sockel  das  mit  Ausnahme  der  Füsse  aus 
anem  Stück  Eichenholz  geschnitzte  Bild  des  Klosterstiflers  in  blauem  Gewände 
und  rothem  Hantel.  Die  Rechte  hält  ein  Schwert  mit  herumgewundenem 
Tr^emen,  die  Linke  ein  Kirchenmodell.  Das  Ganze  zeigt  die  au^eprSgten 
Formen  der  ersten  Hälfte  des  XIV.  Jahrhunderts. 


Fig.  Ci.    Kloster  In  W&Urods. 

Unter  dem   Bilde  ist  eine  Tafel  mit  einem  Wappen  und   folgender 
Lapidarinschrift  angebracht: 

Illustris  princeps  Walo  de  Ahnbolt, 

Comes  in  Ascania  ■  Dominus  in  Bemborg 

fundator  huius  monastery 

anno  986. 

Ein  kleines,  aus  einem  Stück  Holz  geschnitztes,  bemaltes  und  theilweise 

vergoldetes  Bildwerk  auf  dem  Altar  stellt  das  heilige  Abendmahl  dar. 


-^    176    8->- 

Cracifixns.  Ein  an  den  Händen  beschädigter,   auf  dem  Boden   des  sogenannten 

langen  Ganges  aufbewahrter,  hölzerner  Crucifixus  von  1,80  m  Höhe  hängt  an 
einem  Kreuze,  welches  die  aufgemalte  Jahreszahl  1693  trägt.  Das  ursprüngliche 
natürliche  Haar  fehlt  jetzt.  Der  höchst  interessante  Körper  gehört  in  die  zweite 
Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts. 

Gemälde.  An   der  Südwand   hängen   neben   mehreren   neueren   die   Oelgemälde 

folgender  Aebtissinnen : 

Dorothea  Magdalena  von  Stoltzenberg,  gestorben  1737. 

Christiana  Veronica  von  Pvfendorflf,  gestorben  1765. 

Dorothea  Eleonora  von  Ompteda,  gestorben  1775. 

Sophie  Anne  Dorotee  von  Hinvber,  gestorben  1803. 

Auch  hängt  dort  eine  auf  Holz  gemalte,  schlecht  erhaltene  Darstellung 
von  Christi  Gebet  am  Oelberge,  anscheinend  dem  XVIII.  Jahrhundert  angehörend. 

Glasmalereien.  Die  Fenster  der  Ostwand  enthalten   beachtenswerthe,   dem  Ende  des 

XV.  Jahrhunderts  angehörende,  zum  Theil  erneuerte  Glasgemälde.  Dieselben 
bilden  den  Hauptschmuck  des  Chores.  In  dem  mittleren  grossen  Fenster  sehen 
wir  den  Gekreuzigten  zwischen  Maria  und  Johannes,  in  dem  kleineren  zur  Linken 
Johannes  den  Täufer  mit  dem  Lamm,  in  dem  gleich  grossen  zur  Rechten  einen 
Abt  mit  dem  Krummstab  unter  einem  reichbehandelten  Baldachin  mit  der 
Unterschrift : 

«Santvs  bendicktvs.  Mcccclxxxni  Jar.' 

In  die  beiden  Fenster  der  Südseite  sind  16  Wappenscheiben  von  An- 
gehörigen des  Klosters,  grössere  Scheiben  mit  bildlichen  Darstellungen,  darunter 
eine  mit  der  Jahreszahl  1490  (Fig.  66)  und  ein  kleines  rundes  Glasbild  eingesetzt ; 
letzteres  zeigt  einen  Engel,  wie  er  eine  Jungfrau  davon  abhält,  sich  in  das 
unten  fliessende  Wasser  hinabzustürzen.  In  den  kreisförmigen  Oeffnungen  des 
Masswerks  sind  ein  Städtewappen  (Thor  mit  drei  Thürmen  und  schreitendem 
Löwen),  sowie  Gott  Vater  in  den  Wolken  zu  sehen. 

Glocken.  Im  Dachreiter  über  dem  Klosterchor  hängen  zwei  Glocken  mit  fein- 

gearbeiteten Ornamenten.  Die  eine,  0,58  cm  im  Durchmesser  grosse  Glocke  ist 
1643  auf  Kosten  des  Johann  Friedrich  Behr  (siehe  Geschichte)  gemacht.  Die 
andere,  0,65  cm  im  Durchmesser  grosse  Glocke  wurde  1743  von  Christoph 
Weidemann  gegossen. 

Grabsteine.  E^lf  stark  verwitterte,  dem  XVII.  und  XVIII.  Jahrhundert  entstammende, 

mit  Wappen  versehene  Grabsteine  werden  auf  dem  Klosterkirchhof  aufbewahrt. 
Die  Sandsteinpfosten  am  Eingang  desselben  tragen  als  Bekrönung  grosse  Kugeln 
mit  der  Jahreszahl  1751. 

Reliquien-  Ein  kleines,  zweiflügeliges  Reliquienschränkchen  an  der  Nordwand  ist 

schrank,  mit  gothischen  Verzierungen  versehen  und  enthält  zwei,  der  ersten  Hälfte  des 
Xiy.  Jahrhunderts  angehörende  Figuren,  Christus  mit  geöffneten  Malen  und  der 
Siegesfahne  dem  ungläubigen  Thomas  erscheinend.  Die  Reliquien  sind  in 
kleinen,  viereckigen  Kästchen  untergebracht,  welche  die  entsprechenden  Namen 
tragen  und  schachbrettförmig  angeordnet  sind. 


-*4    177    g-t- 

föl  riafacber  Sdirank  zeigt  in  der  Bekrönung  ein  geschnitztes  Wappen    Schrank, 
mit  der  BexskimxiDg:  .JnUaiie  Wilhehnine  fViderique  von  Bothmer  zur  Conven- 
tnalin  angenommen  UichaeU  1772.' 


Plg.  «t.    KloMer  in  WkliTode;  GUimktsreL 

Das  Elostersieget  toh  spitzovaler  Form  zeigt  den  mit  zottigem  Felle 
bekleideteD  nnd  mit  einer  MAtze  bedeckten  Johannes,  wie  er,  in  der  eriiobenen 
Rechten  einen  Krug  in  on^^estürzter  Lage  haltend,  Christus  tauft,  welcher,  die 
Rechte  zum  Sefen  eilioben,  bis  zur  Hälfte  des  Leibes  im  Jordan  steht. 

I^  UmschrUt  lautet:  ,f  S  Honasterü  •  in  •  Walsrode  f  *. 


-Ng    178    8^ 


Stickerei. 


Uhr. 


Wappen. 


Eine  durch  Streifen  von  roihem  Sammet  unterbrochene  Altardecke  zeigt 
in  guter  Stickerei  und  in  den  Formen  des  XVI.  Jahrhunderts  den  Gekreuzigten 
zwischen  Maria  und  Johannes. 

Das  Uhrgehäuse  an  der  Westwand  zeigt  auf  den  drei  freien  Seiten  je 
ein  in  Holz  geschnitztes  Wappen  mit  den  Bezeichnungen: 

«Anne  Justine  von  Wersebe  aufgenomen  Michaeli  1780*, 

„Eleonore  Louise  Friederique  Leopoldine  von  Dreves  angenommen 

Michaelii  1790» 

und  in  der  Mitte  der  Vorderseite: 

«Henriette    Eleonora    Friderica    von    Pufendorf    zur    Conventualin 
angenommen  Michaeli  1768  "• 

Das  letzte  Wappen  ist  auch  mit  der  gleichen  Beseichnung  auf  eine 
Füllung  der  Vorderseite  gemalt. 

Eine  hölzerne,  mit  Weiss  und  Gold  behandelte  Tafel  enthält  16  runde, 
auf  Blech  gemalte  Wappen  von  Aebtissinnen.  Das  Ganze  wird  durch  das 
geschnitzte  Wappen  der  von  Uslar  bekrönt.  Die  unter  letzterem  befindlicfaey 
aus  Lapidaren  bestehende  Inschrift  lautet: 

Anne  Sophie  Dorothea  von  Uslar 

in  diesem  adlichen  Kloster  zur 

Conventualin  angenomen  Michaeli  1777. 

Darunter  steht  auf  der  Tafel  selbst: 

Nach  der  Reformation  Lutheri  sindt 

im  Kloster 

Walsrode  nacheinander  als  Domina 

oder  Abbatissinnen 

gefolget 

Die  Unterschriften  der  einzelnen  Wappen  lauten: 


1- 

Anna  Behr. 

7.       Anna  Magdalena  . 

Gestorben  1548. 

von  Jettebnwii. 

2. 

Anna  von  Weihe. 

Erwählet  1631, 

3. 

nsabe  Surborg. 

Gestorben  1656. 

4. 

Giessel  Klencke. 

8.      Magdalena  Klencke 

Erwählet  1574 

Erwählet  1656. 

Gestorben  1615. 

Gestorben  d.  20.  Dec:  1671. 

Alt  74  Jahr. 

Alt  71  Jahr. 

5. 

Elisabeth  von  Ehlte. 

9.  Friderique  von  Fulda. 

Erwählet  1615. 

Erwählet  1672. 

Gestorben  1620. 

Gestorben  d.  26  Oct:  1689. 

6. 

Solome  von  Daldorf. 

10.    Margaretha  Elisabeth 

Erwählet  1620. 

von  Estorf. 

Gestorben  d.  U.  Jun.  1631. 

Erwählet  d.  H.  Dec:  1689. 

Alt  81  Jahr. 

Gestorben  1692. 

-n8    179    «H^- 


11.  Dorothea  Magdalena 

von  Stoltzenberg. 

Erwählet  d.  21.  Jun:  1692. 

Confirmiret  u.  beeidiget 

d.  5.  Juli.  1692. 

Gestorben  d.  8.  Nov:  1737 

Alt  90  Jahr. 

12.  Christiana  Veronica 

von  Pufendorf. 

Erwählet  d.  18.  Jan:  1738. 

Confirmiret  u.  beeidiget 

d.  30  Jan:  1738. 

Gestorben  1765.  d.  21  Feb: 

Alt  75  Jahr. 

13.  Dorothea  Eleonora 

von  Ompteda. 

Erwählet  d.  21.  Mart:  1765 

Confirmiret  u.  beeidiget 

d.  3.  Apr:  1765. 

Gestorben  1775.  d.  8  Jan: 

Alt  68  Jahr. 


14.  Sophie  Anne 
Dorothea  von  Hinüber 

Erwählet  d.  21.  Febr:  1775. 

Confirmiret  u.  beeidiget 

d.  14  Mart:  1775. 

Gestorben  den2^  Julii.  1804 

Alt  73  Jahr. 

15.  Henriette  Christine 
Eleonore  Friderike 

von  Pufendorf. 

Erwählet  und  beeidiget 

den  28*?5  Februar  1806 

Gestorben  den  31  Oct:'1832. 

Alt  82  Jahr. 

16.  Louise  Caroline 

Marschalck. 

Erwählet  u.  beeidiget 

den  12*?H  Decemb:  1832. 

Gestorben  den  29  Sept:  1862 

Alt  72  Jahr. 


Auf  einer  anderen  Holztafel  sind  die  Wappen  auf  länglich  runde 
PorzeDanschilder  gemalt  und  tragen  die  Bezeichnungen: 

17.        Caroline  Louise  18.      Therese  von  Plato 

von  Düring  Erwählt  Erwählt,  d^  23::  Mai,  1871. 

d.  14«  Novs  1862,  bestätigt  Bestätigt,  und,  beeidigt, 

und,  beeidigt,  d::  30=  Dec«  1862.  d=  27=  JuU  1871. 

Gestorben,  d=  3=  April  1871  Gestorben,  d=  18=  März  1899 

Alt,  66,  Jahr.  Alt,  77,  Jahr. 

Ausserdem  sind  noch  die  aus  Holz  geschnitzten  Einzelwappen  der 
.I&dewig  Sophie  Caroline  von  Gadenstedt,  aufgenomm^i  1777",  und  der 
Aebtissin  Sophie  Anne  Dorothea  von  Hinüber  mit  der  Jahreszahl  1776  vorhanden. 

Den  Mittelpunkt  des  Klosters  bildet  der  sich  an  den  Elosterchor  Kloster. 
anfugende,  den  Klosterkirchhof  einschliessende  sogenannte  lange  Gang,  bestehend 
aus  einem  einstöckigen  Ost-  und  Südflügel  (siehe  Fig.  65).  Das  Dach  ist  mit 
zahlreichen  Gauben  belebt.  Das  Gebäude  enthält  sechs  Wohnungen  und  ein 
Gastzimmer.  Im  Osten  stehen  die  Aebtissinwohnung  und  drei  Nebengebäude, 
von  denen  das  neben  der  ersteren  belegene  mit  der  1390  genannten  Kapelle 
(siehe  Geschichte)  identisch  sein  dürfte.  Es  wird  jetzt  durch  eine  Fachwerkwand 
in  zwei  Theile  getrennt  und  zeigt  innen  eine  grosse  Anzahl  zugemauerter  Fenster, 
welche  im  Flachbogen,  einmal  im  Spitzbogen  geschlossen  sind.  Auch  sind 
mehrere  Spitzbogennischen  an  den  Wänden  angebracht.  Der  wahrscheinlich 
als  Grabgewölbe  dienende  Keller  wurde  durch  flachbogige  Oeffnungen  erhellt. 

23* 


HHi    180    g^ 

Die  Ostwand  zeigt  jetzt  zwei  neuere  Durchfahrten.  Dieses,  sowie  das  daneben 
stehende  Gebäude  sind  nicht  mehr  im  Besitz  des  Klosters. 

Im  Süden  befinden  sich 

1.  Der  Remter,  auch  Speisehaus  genannt,  1475  erwähnt.  Das  aus 
Backsteinen  errichtete  Erdgeschoss  ist  älter  als  das  aus  FachweriL 
bestehende  und  mit  übergesetzten,  verschalten  Giebeln  versehene 
Obergeschoss.    Es  dient  als  Wohnung  für  eine  Dame. 

2.  Das  Brauhaus,  1730  gebaut,  jetzt  als  Wohnung  für  den  Wärter 
dienend. 

3.  Ein  Wohnhaus  mit  übergesetzten  Giebeln.  Den  Raum  unter  den 
Vorkragungen  füllen  abgerundete  starke  Bohlen. 

Im  Westen  steht  das  von  Bothmersche  Wohnhaus  mit  übergesetzten 
Giebeln.  Es  dient  als  Wohnung  für  zwei  Damen  und  zeigt  auf  der  Rückseite 
das  von  Bothmersche  Wappen. 

Die  Sandsteinpfosten  des  nordwestlichen  Eingangsthores  zum  Kloster 
werden  von  zwei  Vasen  bekrönt,  an  deren  Fuss  sich  die  Zahl  1780  befindet. 

RAthhaus.  Das  einfach  gehaltene,  auf  massivem  Sockel  in  Fachwerk  errichtete,  an 

den  Schauseiten  in  Putz  gequaderte  Rathhaus  hat  hölzernes  Hauptgesims  und 
ein  abgewalmtes  Dach.  Der  schlanke,  zierlich  geschwungene  Helm  des  sechs- 
eckigen, liurchbrochenen,  mit  Schindeln  behängten  Dachreiters  ist  mit  Kupfer- 
blech gedeckt.  In  der  Wetterfahne  stehen  die  Zahlen  1383  und  1897.  Das 
Ganze  zeigt  abgesehen  von  dem  im  XIX.  Jahrhundert  erfolgten  Erweiterungsbau 
im  Norden  (siehe  Geschichte)  die  Formen  der  Mitte  des  XVIII.  Jahrhunderts, 

Siegel.  Auf  dem  Rathhause  wird  eine  Anzahl  von  Siegeln  aufbewahrt,  unter 

denen  wir  das  alte  Stadtsiegel  und  folgende  mit  Jahreszahl  versehenen  auf!Qhren: 

Siegel  des  Krameramtes  zu  Walsrode  1674, 

,     des  Bäckeramtes  zu  Walsrode  1741, 

,     des  Amtes  Rethem  und  Walsrode  1744, 

j,     der  Schloss-,  Huf-  und  Nagelschmiede  in  Walsrode  1762, 

9     des  Glaseramtes  zu  Walsrode  1789, 

•     des  Tischleramtes  zu  Walsrode  1794. 


We  n  s  e. 

Kapelle. 

Litteratur:  Merian;  von  Hodenberg,  Lünebnrger  Urknndenbnch  XV;  derselbe, 
LUncbnrger  Lehnregister,  Lenthe's  Archiv  IX;  Manecke  II;  Holscher,  BeBchreibnne^  des 
Bisthums  Minden;  Freudenthal,  Heidefahrten;  Mithoff,  Kunstdenkmale  lY.  Ueber  die  Familie 


J 


-Ng     181     1^ 

•iehe  Medisg,  Nachrichten  yon  adeliehen  Wapen  I;  Havemann;  Pfeffinger,  Historie  II; 
Hodenberg,  Hoyer  ürknndenbnch;  YogeU,  Geschlechtsgeschichte  der  Herren  Behr;  Snden- 
dorf ;  Hefiter,  Wappenbnch. 


In  dem  innerhalb  des  Archidiakonats  Ählden  belegenen,  nach  Dorfmark  Geschichte. 
dngq>farrten  Dorfe  befindet  sich  auf  dem  adeligen  Hofe  eine  im  Jahre  1869 
erneuerte  Kapelle,  in  welcher  der  Pfarrer  aus  Dorfinark  alle  vier  Wochen 
Gottesdienst  zu  halten  hat.  Zwischen  1330  und  13^2  erhielt  Johan  van  Wense 
von  den  Herzögen  Otto  und  Wilhelm  .twene  houe  to  Wense'  zu  Lehen.  Hier 
stand  zuvor  das  Stammhaus  der  Familie  von  der  Wense,  von  welchem  Merian 
dne  Ansicht  giebt  und  Folgendes  bemerkt:  ,Ist  bey  diesem  Kriegswesen 
angezuendet  vnd  das  beste  gebaeuwe  davon  eingeaeschert  worden/  Es  ging 
also  im  dreissigjährigen  Kriege  in  Feuer  auf.  Jetzt  ist  nur  noch  der  Platz,  wo 
es  ehedem  stand,  und  der  Graben,  welcher  es  umgab,  zu  erkennen.  1673  wurde 
der  KapeDe  die  Kanzel  verehrt  und  1674  der  Altar  gefertigt,  welcher  1869 
erneuert  wurde. 

Die  im  Grundriss  rechteckige,  mit  einer  bemalten,  bogenförmig  gekrfimmten  Kapelle. 
Bretterdecke  versehene  Kapelle  von  17,3  m  äusserer  Länge  und  9,3  m  Breite  Beschreibung, 
wurde  nach  einer  Inschrift  im  Jahre  1869  erneuert.  Die  Ghorecken  werden 
durch  zwei,  die  Nord-,  Süd-  und  Ostseite  durch  je  einen  Strebepfeiler  gestützt, 
unter  dem  um  vier  Stufen  eriiöhten,  östlichen  Theile  liegt  das  Grabgewölbe  der 
Familie  von  der  Wense.  Emporen  sind  auf  der  Westseite  und  theilweise  auf 
der  Süd-  und  Nordseite  angebracht.  Die  Vorderseite  des  Ghorgestfihls  zeigt 
in  den  Füllungen  die  bildlichen  Darstellungen  der  Propheten. 

Der  aus  Holz  geschnitzte,  1674  gefertigte  und  1869  ausgebesserte  Altar   Altar, 
wird  von  zwei  glatten  Säulen  begleitet  und  ist  farbig  behandelt     Auf  der 
Predella  befindet  sich  eine  Darstellung  des  Abendmahls,  darüber  der  Gekreuzigte 
zwischen  Maria  und  Johannes  und  im  oberen  Theile  die  Auferstehung. 

Das  in  die  äussere  Südwand  eingelassene,  aus  Sandstein  gearbeitete,   Grabmale, 
jedoch  beschädigte  Grabmal  des  1572  gestorbenen  Georg  von  der  Wense  zeigt 
(len  Verstorbenen  in  der  Rüstung  und  betend  in  einer  Bogennische.  Ausserdem 
sind  noch  acht  Wappen  sichtbar.    ESne  ähnliche  Ausfilhrung  hat  das  Grabmal 
der  Hadalena  von  der  litt,  der  THttwe  des  Jürgen  v,  d.  Wense. 

Zwei  einfache,  rechteckige  Sandsteinplatten  in  der  äusseren  Westseite 
mit  je  acht  Wappen  sind  der  1637  gestorbenen  Dorotheen  v.  d.  Wense,  geborenen 
V.  Altmanshoven  und  dem  1641  gestorbenen  Wilhelm  v.  d.  Wense  zum  Andenken 
gesetzt 

Das  schöne,  aus  Holz  geschnitzte,  bemalte  Epitaphium  des  Friderich 
Wilhelm  v.  d.  Wense  wurde  im  Jahre  1695  in  Halberstadt  angefertigt.  Es 
enthält  in  der  Mitte  den  Gekreuzigten  mit  zwei  männlichen  und  einer  weiblichen 
Figur  in  knieender  SteDung.  Der  rechteckige  Rahmen  wird  aus  aneinander 
gereihten  Wappen  gebildet,  deren  Hauptwappen  die  der  Familien  v.  d.  Wense 
und  V.  Amelvnisen  sind.  Die  äussere  freie  Endigung  zeigt  schweres  und  volles 
Ornament,  in  welchem  oben  und  unten  eine  Inschrifltafel  angebracht  ist. 


-Hg    182    8^ 

Kftnsel.  Die  farbig  behacfdelte,  höherae  Kanzel,  deren  Ecken  mit  S&ulen  besetzt 

sind,  zeigt  an  der  Vorderseite  das  v.  d.  Wensesche  Wappen  und  darunter  die 
Jahreszahl  M .  D  C .  L  XX  m.    Am  oberen  Rande  steht: 

»Fürchte  Gott  vnd  halte  seine  6el)ot*» 

Der  Schalldeckel  gehört  derselben  Zeit  an,  die  Umschrift  lautet: 

,Luc  X .  V  XX  Vni  Seelig  •  sind  •  die  •  das  •  Wort  •  Gottes  •  hören  •  vnd  bewaren*. 

Das  geschnitzte  Eanzelgelftnder  setzt  sich  auch  als  Brüstung  zwischen  Chor  und 
Schiflf  fort 


\ 


i 


DIE 


HANNOVER.^ 


HERAUSGEGEBEN 

IM  AUPTKAGE  DER  PROVINZIAL-KOMMISSION  ZUR  ERFORSCHUNG  UND 

ERHALTUNG  DER  DENKMÄLER  IN  DER  PROVINZ  HANNOVER 

VOK 

Dr.  PHIL.  CARL  WOLFF, 

8TADTBADRAT. 


III.  REGIERUNGSBEZIRK  LÜNEBURG. 

2.  UND  3.     STADT  LÜNEBURG. 


BEARBEITET  VON 
FRANZ  KRCGRR,  UND  I)R.  WII.HKLM  RRI.MECKE, 

ARCHITKKT BTADTAOCHIVAB. 

MIT  Xll  TAFELN  UND  190  TEXTABBILDÜNGEW. 


HANNOVER. 

SELBSTVERLAG  DER  PROVINZIALVERWALTUNG. 

THEODOR  SCHUI-ZES  BUCHHANDLUNG. 

1906. 

HKXTT  S  UND  4S  J>E»  0£:S.A.M.XlVE:RKiaS. 


l^ 


yyo^, 


HARVARD 

UNIVERSITY 

LIBRARY 


Berichtignngen. 

Seite  61  Zeile  5  von  unten  lies:  Lüne  mit  Adendorf,  Thomasburg,  Reinstorf  mit  Wendhansen, 

Neetze  usw. 
„     71     „    12    „         „         „      schon  im  15.  Jahrhundert  (statt  im  16.  Jahrhundert). 
„     78     „    19  lies:    1857  (statt  1865). 
„   137  gehören  Zeile  3  und  4  vor  Zeile  1  und  2. 

n   174  Zeile  6  fiige  hinzu:    Das  Konventssiegel  fuhrt  einen  betenden  Mönch  in  knieender 

Haltung  unter  einer  Verkündigung  Maria ;  Umschrift:  „S.  COVET' 

1  HILGHEDALE  PMüSTTES  ORDIS'.'' 

„   427     n    15  von  unten  lies:    Salzwedel  (statt  Stendal). 


Hofbnchdmckerei  Gebrüder  Jänecke,  flannover. 


Vor^wort. 


|er  Arbeitsplan  für  die  Aufnahme  der  Kunstdenkmäler  in  der  Provinz 
--^>  Hannover  ist  bereits  im  ersten  Heft  des  Gesamtwerkes  ausführlich  mit- 
geteilt worden.  Nach  demselben  sollen  vorchristliche  Denkmäler  nur  Aufnahme 
finden,  wenn  ihre  Bedeutung  eine  solche  ist,  daß  sie  im  Rahmen  dieser  Arbeit 
nicht  entbehrt  werden  können.  Angaben  über  Lage,  Größe,  Natur,  Bevölkerungs- 
verhältnisse, über  ethnographische  und  frühere  poUtische  und  kirchliche  Zustände, 
über  Handel  und  Verkehr,  Straßen  und  Wege  sowie  über  das  Kunsthandwerk 
sollen  in  der  Einleitung  möglichst  beschränkt  und  stets  nur  soweit  gegeben 
werden,  als  sie  zum  Verständnis  der  Denkmäler  unerläßlich  sind.  Es  bleibt 
vorbehalten,  derartige  zusammenhängende,  die  ganze  Provinz  betreffende  An- 
gaben im  Schlußbande  des  Werkes  zu  machen.  Alle  Denkmäler  werden  auf- 
genommen, welche  dauernd  in  der  Provinz  vorhanden  sind,  gleichviel  in  welchem 
Besitze  sie  sich  befinden.  Die  Beschreibung  erfolgt  auf  Grund  der  geschicht- 
lichen Angaben  imd  der  technischen  und  stilistischen  Merkmale  in  mögUchst 
knapper  Form;  Mitteilungen  über  diesen  Rahmen  hinaus  sowie  Eingehen  auf 
wissenschaftliche  Streitfragen  werden  vermieden.  Inschriften  werden  nicht 
sämtlich,  aber  in  möglichst  großer  Zahl  gegeben.  Das  Bauernhaus  ist  von  der 
Bearbeitung  ausgenommen.  Unser  Denkmälerverzeichnis  soll  umfassende 
wissenschaftUche  Untersuchungen  vermeiden,  nur  dasjenige  geben,  was  auf 
Grund  örtlicher  Untersuchung  und  des  Quellenstudiums  als  feststehend  zu  be- 
trachten ist,  es  soll  eine  Sammelstelle  der  kunstgeschichtlichen  QueUen  und  eine 
Grundlage  für  weitere  Arbeiten  bilden  und  femer  geeignet  sein,  Material  zu 
Uefem  zu  einer  umfassenden,  aUgemeinen  deutschen  Kunstgeschichte. 

Nun  beansprucht  das  alte  Lüneburg  mit  seinen  vielen  Kunstdenkmälern 
unter  den  Städten  der  Provinz  Hannover  eine  besondere  Beachtung.  Bei  der 
Fülle  und  Bedeutimg  des  hier  vorhandenen  Stoffes  war  es  geboten,  die  Denk- 
mäler und  ihre  Geschichte  so  eingehend  zu  behandeln,  wie  es  der  Arbeitsplan 
irgend  zuließ,  ähnlich  wie  dies  bei  der  Aufnahme  der  Denkmäler  in  Goslar  im 


-o*8     IV     8^ 

zweiten  und  dritten  Heft  geschehen  ist  In  dankenswerter  Weise  hat  die  Stadt 
Lüneburg  einen  Zuschuß  zu  den  Herstellungskosten  gegeben,  so  daß  es  möglich 
war,  eine  würdige  und  vornehme  Veröffentlichung  zustande  zu  bringen. 

Wie  seinerzeit  in  Goslar,  so  ist  es  auch  hier  gelungen,  zwei  mit  der 
Geschichte  und  den  Denkmälern  der  Stadt  vertraute  Bearbeiter,  die  Herren 
Stadtarchivar  Dr.  Wilhelm  Reinecke  und  Architekt  Franz  Krüger,  beide 
in  Lüneburg,  zu  gewinnen.  Dr.  Reinecke  hat  die  Einleitimg,  die  Geschichte  der 
Denkmäler,  das  Ortsverzeichnis  und  das  Künstlerverzeichnis,  Krüger  alle  Be- 
schreibungen, ferner  den  Abschnitt  Wohnhäuser  und  Straßen  und  die  übrigen 
Verzeichnisse  geliefert.  Die  Figuren  1—3  sind  nach  alten  Stichen  des 
Lüneburger  Museums,  Figur  40  nach  einer  alten  Zeichnung  im  Archiv, 
Figur  139  nach  einer  Aufnahme  des  Architekten  Wilhelm  Matthies  in 
Bardowiek,  die  Figuren  62,  67,  69,  79,  81,  89—94  und  102  nach  Aufnahmen 
des  verstorbenen  Photographen  Lühr  in  Lüneburg  wiedergegeben.  Die  zeichne- 
rischen Aufnahmen  und  die  Aufnahme  zu  Figur  i^5  hat  Architekt  Krüger,  die 
übrigen  photographischen  Aufnahmen  Photograph  Riege  in  Lüneburg  geliefert. 

Die  Druckstöcke  hat  die  Kunstanstalt  L.  Hemmer  in  Hannover,  die  Licht- 
drucktafeln die  Kunstanstalt  G.  Alpers  jun.  in  Hannover,  den  Druck  die  Hof- 
buchdruckerei von  Gebrüder  Jänecke  in  Hannover  besorgt. 

Da  es  mir  bei  meiner  jetzigen  Stellung  in  der  Stadtverwaltung  von 
Hannover  zu  meinem  großen  Bedauern  wegen  umfangreicher  Dienstgeschäfte 
nicht  möglich  ist,  mich  den  Kunstdenkmälem  im  einzelnen  noch  weiter  zu 
widmen,  so  trete  ich  mit  dieser  Lieferung  von  der  Herausgabe  und  Bearbeitung 
des  Werkes  zurück,  an  welchem  ich  mit  besonderer  Liebe  und  Hingabe  seit 
dem  Jahre  1899  tätig  gewesen  bin.  Allen,  welche  mit  mir  gemeinsam  im 
Interesse  unserer  Denkmäler,  ihrer  Auf  Zeichnung  und  Pflege  gearbeitet  haben,  sage 
ich  an  dieser  Stelle  meinen  herzlichsten  Dank  mit  dem  Wunsche,  daß  das  be- 
gonnene Werk  rüstig  fortschreiten  und  glücklich  zu  Ende  geführt  werden  möge. 
Als  Mitglied  der  Provinzialkommission  zur  Erforschung  und  Erhaltung  der 
Denkmäler  in  der  Provinz  Hannover  sowie  des  für  die  Herausgabe  des  Buches 
eingesetzten  besonderen  Ausschusses  ist  es  mir  zu  meiner  Freude  noch  vergönnt, 
mit  dem  schönen  Unternehmen  auch  femer  in  Verbindung  zu  bleiben. 

Hannover,  20.  Jimi  1906. 

Carl  Wolff. 


Inhaltsverzeichni  s. 


Seite 

Eiiileitang 1 

I.  Kirchen,  Kapellen  und  Stiftmi^n. 

Die  Michaoliskirche 23 

Die  Cyriakakirche 58 

Die  Johanniskirche 61 

Die  Lambertikirche 124 

Die  Nikolaikirche 131 

Die  Marienkirche  und  das  Barfüßer- 

kloster 159 

Das  Kloster  Heiligental 170 

Die  Gamisonkirche 174 

Die  Ratskapelle   zum  heiligen  Geist  175 

Fricdhofskapellen 176 

Das  Hospital  zum  heiligen  Geist  bei 

der  Sülze 182 

Der  Lange  Hof 187 

Der  Gral  und  sonstige  Stiftungen  .  188 

U-  Weltliche  Bauwerke. 

Das  herzogliche  Schloß 195 

Das  Rathaus 197 

Andere  städtische  Bauwerke.   .   .   .  297 

Kaufhaus  und  Kran     .....  298 


Seite 

Das  Glockenhaus 303 

Der  ehemalige  Schütting 306 

Das  Kalandshaus 307 

Die  Garlopenwohnungen 307 

Das  ehemalige  Wandhaus  und  das 
Stadtgefängnis 310 

Die  drei  Mühlen 311 

Der  sogen.  Abts  Wasserturm  .   .   .  316 

Die  Saline 317 

lU.  Wohnhftiiaer  und  Straften  ....  320 

Die  Steinbauten 322 

Giebelhäuser 327 

Reihenhäuser 361 

Backsteinbauten  im  18.  Jahrhundert  373 

Fachwerkhäuser 379 

Haustüren 418 

Zimmertüren 420 

Sonstige  Denkmäler 420 

Brunnen 426 

Denkmäler    in    öffentlichen   Samm- 
lungen    427 

IV.  Die  Befestigung 431 


-.-i. 


Ortsverzeichnis. 


Seite 

Adenbruch 69 

Adendorf 61,  180 

Altena 137,  310 

Amsterdam 78 

Anklam 17 

Antwerpen 78 

Arendsee  in  der  Mark 179 

Artlenbnrg 34 

Avendorf 34 

Ayignon 66 

Bardengan 15,  61 

Bardewik   2,  5,  24  f.,  26,  59,  61,  64  f.,  133  f., 
160,  179,  194,  198,  219,  275,  431,  434 

Basel 14,  37 

Beetzendorf 61 

Bergen 27 

Berlin 22,  256,  290,  427,  430 

Bleckede 34,  61,  135 

BOhmsholz 183 

Boltersen 34 

Braunschweig    3,  5,  12,  17,  26,  36,  41,  159, 

199,  212  f. 

Bredenwlsch 192 

Bremen    ....      12,  38,  159,  161,  164,  430 
Bueckenberg,  Bnkenborg  (BUckeburg)  164, 343 

Bütlingen 34 

Bursfelde 37 

Celle 4,  30,  38,  41,  161,  197,  428 

Dänemark 11,  40,  65 

Dahlenbnrg 27 

Dandorf 212 

Diepholz 128 

Dierkshausen 162 

Difltorf 178 

Dithmarschen 125,  220 

Dömitz 222 

Drage 84 

Dresden 219,  427 

Bberhertz 104,  358,  429 

Ebstorf 29,  178,  276 

Elbe 34,  222 


Heite 

Elbmündung,  Departement  der    ....  166 

Embsen 61 

England 40 

Erfurt 164 

Fallingbostel 34 

Fliegenberg 34 

Fosselde 212 

Gerdau 27 

Göttingen 206 

Goslar 159 

Gottorp 112 

Halberstadt 162 

Hamburg  12  f.,  22,  29,  35,  41,  72  f.,  74,  77  f., 

80,  83,  123,  135, 137,  J42, 159  f.,  161, 163, 

165,  201,  210f.,  212,  217,  219,  222,  255, 

298  f.,  306,  332,  369,  427,  429  f. 

Hannover  12,  42,  60,  55  f.,  80,  83,  129,  137  f., 

141,  196,  219,  298,  427. 

Harburg 15,  164 

Hasenburg 434 

Havelberg 164 

Haverbeck 162 

Heiligental 171,  173 

Helmstedt 299 

Herzogenbusch 78 

Hildesheim 37,  64,  159,  161 

Hittbergen 27 

Holland 137,  153 

Holstein 164,  221 

Hoopte 34 

Hoya 128 

Husum 164 

Isenhagen 178 

Island 210 

Italien 26,  161 

Kampen 42,  153 

Kircbgellersen 162,  171 

Kirchwerder 34 

Köln  a.  Rh 24,  59 


-^  vn  8^ 


Seite 

Kopenhagen 219,  427 

Kreitenkule 33 

Leipiig.       209,  222 

Lesekp 221 

Levoste 9 

Lindonberg 124 

Lübeck  11  f.,  17,  35,  38,  41,  59,  63,  72,  77  f., 
80  f.,  103,  132  f.,  161,  165, 199,  201  f.,  206, 

212,  221  f.,  313 

Lüne  10,  14,  26,  28  f.,  61,  65,  136,  161,  171  f., 

178,  192,  198,  276,  311,  316,  327,  422 

Luhe 221 

Luthmenhof 32 

Magdeburg 60,  69,  165 

Mainz 37 

Mecklenburg 3,  132,  184,  222 

Medingen 29,  34  f.,  172,  178,  275 

Meißen 5 

Melbeck 182 

Modestorf     2,  61  f.,  63  f.,  160,  17  J,  202,  432 
Mölln 222 

Nahrendorf 27 

Neetze 35,  61 

Nicolaihof 134 

N'iederdeutschland 159,  161,  182 

Norwegen 24 

Nürnberg 15 

Oberdeutschland 182 

Obermarschacht 34 

Ochtmissen 32,  177,  434 

Oedeme 180 

Oldenbrügge,  Goh 61 

Oldenstadt 34  f.,  178 

Oldesloe 3 

Osnabrück 35 

Palästina 26 

Paris (164),  166,  196 

Passau  .   .    .  * 162 

Philippsburg 104 

Quedlinburg 24 

Eatzeburg 27,  3;'),  63,  221 

Reinfeld 63  f.,  65,  178 

Reinstorf 61 

Reppenstedt 434 

Ricklingen 30 


Beite 

Rom 59,  64,  179,  200 

Rotenburg 179 

Rote  Schleuse 434 

Sachsen 159,  161,  164 

Salzwedel 219,  427 

Sankt  Dionys 137 

Schaale 12,  221 

Schamebeck  ....  29,  132,  134  178  f.,  388 

Schnellenberg 42,  434 

Schwerin 11,  63  427 

Seeve 35 

Siebelingsborstel 171 

Siebeneichen 164 

Sigmaringen 219,  427 

Soest 218 

Soltau 34,  434 

Stade 159 

Stadthagen 65 

Stecknitzkanal 12 

Stendal 44 

Stockte 34 

Stralsund 17 

Tespe 34 

Thomasburg 61 

Tiergarten .  183 

Tostedt 34 

Uelzen 29,  35,  38,  68,  171,  429 

Ungarn 25 

Veerßen 27 

Velpke 299 

(Venedig) 209 

Verden  23  f.,  25,  28,  35  f.,  37  f.,  60  f.,  62  f., 
64,  66,  68,  72,  126,  131,  160  f.,  162,  171  f., 

179  f.,  202,  818 
Vögelsen 434 

Wendhausen 61 

Wichmannsburg 35 

Wienbausen 178,  219 

Winsen  a.  d.  Aller 9 

Winsen  a.  d.  Luhe   .   .      34,  160  f.,  171,  222 

Wismar 12,  222 

Wittenberg 4 

Zeltberg 171 

Zerbst 202 

Zollenspieker 221  f 


Verzeichnis  der  Abbildungen. 


1  Lüneburg  um  1580 

2 — 3  Lüneburg  nach   Brnn-Hohenberg     (1574)    und   Merian. 

(Nach  1650) 

4  Siegel  der  Stadt  Lüneburg 

5  Michaeliskirche;  Grundriß 

6 — 7  „                  Südseite  und  Querschnitt 

8  „  Backsteinglieder 

9  „  Nordseite 

10  „  Blick  ins  Mittelschiff 

11  „  Kanzel 

12  Johanniskirche;  Grundriß 

13 — 14  ^                  Südseite  und  Querschnitt 

15  „  Blick  vom  Sande  auf  den  Turm 

16  „  Turmgiebel 

17—18  „                  Friese  am  Chor 

19  „  Fries  im  Chor 

20  „  Blick  ins  Mittelschiff 

21  „  Hauptaltar 

22  ^  Altar  im  nördlichen  Seitenschiff 

23  „  Altar  im  südlichen  Seitenschiff 

24  „  Altarleuchter 

25  „  Chorgestühl,  Teil 

26—27  „                  Wange  vom  Chorgestühl 

28  n  Grabmal  des  Fabian  Ludich 

29  „  Grabmal  Hartwig  Stöterogges 

30  ^  Grabmal  Nikolaus  Stöterogges 

31  „  Grabmal  Lüdolfs  von  Dassel 

32  „  Kronleuchter  im  Chor 

33—34  7)  Marienleuchter,  Ansicht  und  Grundriß  .   .   . 

35  r)  Kronleuchter  im  südlichen  Seitenschiff.   .    . 

36—37  n                  Schränke  in  der  Sakristei.    Teile 

38  n  Taufkessel 

39  „  Taufstein.   .    .   , 

40  Lambertikirche;  Grundriß 

41  Nikolaikirche;  Grundriß 

42  ri  Pfeilergrundriß 

43  „  Querschnitt 

44  r»  Blick  ins  Mittelschiff 

45  n  Krypta 


Seite 


16 

43 
44-45 

46 

48 
50—51 

53 

79 
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116 
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123 
126 
140 
143 
144 
144-145 
145 


Tafel 
I 

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IV 


VI 


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04       IX       «H- 


Fignr 

46 

47 

48 
49—50 
51-53 

54 

55 

56 

57 
58-59 

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70 

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7a-78 

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84r-85 

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97 

98 

99 
100 
101 
102 


Nikolaikirche;  Eingang  zur  Krypta 

„  TUrgitter 

n  Grabmal  des  Heinrich  Yiskule 

r,  Gemälde  im  Chor 

„  Stickereien 

Giebel  der  Stadtbibliothek  (ehemaliges  Franziskaner- 
Kloster)    

Ehemaliges  Franziskaner-Kloster;  Grundriß,  Schnitte  und 

Schlußsteine 

Architektur    im    Hofe    des    ehemaligen   Franziskaner- 
Klosters   

Stift  St  Benedikt 

Dachreiter  vom  Heiligengeist-Hospital;    Gesamtansicht 

und  Einzelheiten 

Stift  Boter  Hahn;  Rotehahnstraßc  14—19 

Rathaus;  Grundriß  in  Höhe  der  Laube 

^  Blick  in  die  Laube 

j^  Querschnitt  durch  die  Laube 

n  Querschnitt  durch  die  Säle 

y,  Fenster  und  Kapitellornamente  in  der  Laube  .... 

,,  Wandmalerei  in  der  Laube 

y,  TUr  zum  alten  Archiv 

n  Wandschrank  in  der  Laube 

jy  Fußboden  in  der  Laube 

J^  Teil  vom  Ratsstuhl  in  der  Laube 

y,  Glasmalerei  in  der  Laube 

jy  Grundriß.    Ansichten  und  Decke  der  Körkammer 

„  Altes  Archiv 

^  Ansicht  vom  Markte 

r,  Gitter  in  der  Halle  am  Ochsenmarkte 

,,  Grundriß  des  Obergeschosses  am  Markte 

^  Blick  in  den  Fürstensaal 

^  Kamine  im  FUrstensaal 

r,  Wandverkleidung  im  Fiirstensaal 

,,  Kronleuchter  im  FUrstensaal 

n  Wandverkleidung  im  Vorzimmer  der  Ilatsstubc  .   .   . 

r)  Friese  in  der  großen  Batsstube 

„          Bekrönnng  der  vorderen  Bankwange  in  der  großen 
Ratsstube 

7,          Die   Justitia  an   der  Tür  zur  Laube  in   der  großen 
Ratsstube 

„  TUr  zum  Vorzimmer  in  der  großen  Ratsstube.   .   .   . 

„  Stutze  der  Tür  Figur  93 

<n  Tür  zur  Sülfmeister-Körkammer 

7,  Tür  in  der  großen  Kommissionsstube 

^  Wandverkleidung  im  Standesamt 

„  Kamin  in  der  Sülfmeister-Körkammer 

yy  Decke  in  der  Sülfmeister-Körkammer 

„  Giebel  des  Kämmereigebäudes 

f,  Ansicht  vom  Marienplatz 

yy  Ratssilber 


Seite 

146 

147 

149 
151—152 
156—158 

167 

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185—186 

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210-211 
216—217 

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229 

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292 


Tafel 


VHI 
IX 


->^    X    JH- 


Flgor 

103 

104 

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149 

150 

151 
152—153 

154 


:;l 


Stuckdecke 


Kran  und  Kaufhaus 

Kaufhaus;  Giebel  an  der  LUnerstraße 

„  Ostseite 

Kran 

Glockenhaus;  Ansicht  und  Grundriß 

„  Querschnitt 

Reitende  Dienerstraße  9—17;  (Garlopenhäuser) 

„  „9;  Medaillon 

Ratsmllhle;  Ansicht  und  Grundriß 

„  Querschnitt 

Lüner  Mühle;  Ostseite 

Wasserturm  der  Abtskunst 

Saline;  Querschnitt  durch  das  Siedehaus  Nr.  7  .   . 

Am  Sande  49;  Grundriß  und  Schnitte 

Auf  dem  Kauf  9 

r,        V         Ti      9;  Portal 

Am  Berge  35;  Hofgiebel 

n  r)        3o; 

n  D        ob 

An  der  Münze  8;  Giebel 

Am  Berge  5;  Giebel 

Grapengießerstraße  45;  Giebelprofil 

^  45;  Kamin 

An  der  Münze  7 

Am  Sande  53;  Giebel 

„         „       49;  Giebel 

r,         ri         8?  Haustür 

„         „       46;  Giebel 

An  der  Münze  4 

Große  Bäckerstraße    9;  Portal 

„  „  30;  Portal 

Grapengießerstraße    3;  Treppe 

15 

Am  Markte  5;  Stuckdecke 

Salzstraße  19;  Giebel 

Lünertorstraße  4 

Am  Sande  1 

Am  Ochsenmarkt  1;  Giebel 

„  „  1;  Portal 

Untere  Schrangenstraße  4  

Am  Sande  31;  Haustür 

r,         ^       31;  Zimmerdecke 

Bardowickerstraße  32 

Am  Berge  37;  Portal 

„         „       37;  Hofarchitektur 

Grapengießerstraße  7;  Hofarchitektnr 

Am  Berge  37;  Fensterpfosten 

Graalstraße  1;  Wappen 

Lünerstraße  21 

An  der  Münze  8A  und  B;  Ansicht  und  Teilzeiclmungen 
Neue  Sülze  8 


Seite 

299 

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370—371 

372 


T 


Tafel 


XI 


->«    XI    «•<- 


Figur 

155  Schröderstraße  16 

156  Am  Berge  27;  Portal 

1Ö7— 158  Pfarrhäuser  der  Johanniskirche;  Ansicht  und  Grundriß    . 

159  Untere  neue  Torstraße  1 

160  „„  „  19;    Portal 

161  Salzstraße  28 

162  Große  Bäckerstraße  15;  Flügelbau 

163  ^  „  15;  Giebel 

164  „  ri  15;  Schrank  in  der  Diele 

165  Hinter  der  Bardowickcr  Mauer  7 

166  „  „  „  „8;  TUrsturz 

167  j)  j)  T»  til2 

168  Banmstraße  3 

169  Am  Berge  13;  Fachwerk  in  der  Durchfahrt 

170  Grapengießerstraße  13 

171  „  45;  FlUgelbau  im  Hofe 

172  n  45;  Fensterpfosten 

173—174    Am  Kreideberg  7;  Ansicht,  Grundriß,  Schnitt.   , 

175  Lünerstraße  5;  Hintergebäude 

176  Bei  der  Nikolaikirche  3 

177  Untere  Ohlingerstraße  8;  Giebel 

178  „  V  40 

179  Papenstraße  1;  TUrsturz 

180  Salzbrückerstraße  53A— 63;  Neuer  Hof 

181  Am  Sande  31;  Hintergebäude 

182  Untere  Schrangenstraße  9 

183  Obere  Schrangenstraße  5 

184—185  Im  Wendischen dorf  3;  (Viskulenhof)   Grundriß   und   Ansicht 

186  Am  Werder  6 

187  Auf  dem  Meere  14;  Schwelle 

188  „„  „       17;  Schwelle 

189—191    Am  Sande  40,  41  und  Am  Berge  15;  Dacherker 

192  Am  Berge  18;  Dacherker 

193  Große  Bäckerstraße  2;  Dacherker 

194  Am  Berge  15;  Haustilr 

195  Katzenstraße  2;  Haustür 

196  Auf  dem  Meere  14;  Haustür 

197  „        „  „       17;  Haustür 

198  Schröderstraße  7;  Haustor. 

199  Im  Wendischendorf    5;  Haustür 

200  „  „  23;  Haustür 

201  Graalstraße  lA;  Zimmertür 

202  Neue  Sülze  27;  Portal 

203  „  n      27;  Wandverkleidung 

204  Brunnenbecken  am  Sande 

205  Blick  auf  den  Bardowicker  Wall 


Seite 

378 

374 
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409 

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420 

423 

424 

426 

433 


Tafel 


XU 


--^l^' 


Sachverzeichnis. 


(Die  stärker  gedruckten  Seiten  beziehen  sich  auf  Abbildungen.) 


Altäre  25,  27,  28,  40,  41,  44,  50,  55,  56,  57, 

58,  60,  70,  71,  77,  93—99,  125,  132  f.,  141, 

148,  163,  175,  177,  191,  428  f. 
Altarleuchter  51,  99,  277  f. 
Aquamanile  s.  Gießgefäße. 
Bauhof  305. 

Befestigung  60,  318,  432 f 
Beischläge  209,  216,  231,  340,  425,  428. 
Bildwerke  52,  56f,  91,  123, 130f.,  149f.,191, 

218,  258,  286,  290  f,  318,  425. 
Brunnen  426. 

Burg  1,  2,  4,  5,  24,  26,  174,  195  f. 
Bücher  56,  76,  123,  158. 
Bürgereidkästen  277,  290 f. 
Dacherker  279,  392,  413  f. 
Dachreiter  182,  185,  258. 
Denkmäler  8f.,  42,  45,  47,  51f.,  91, 103—113, 

128,  150,  154,  170,  175,  313,  318. 
Eisenarbeiten  42,  56,  147,  178,  246  f. 
Emporen  146. 
Friedhöfe  60. 
Friedhofskap  eilen;  Gertrudenkapelle  176  f., 

Antoniikapelle  177  f.,    Kapelle    auf    dem 

Neuen  Friedhofe  178. 
Friese  86,  87f.,  91,  143f.,  147,  228,  279,  287-, 

305  f. 
Fußböden  232,  235,  241,  260,  278. 
Gemälde  42,51,77,95,99,130,148,  150f.,  158, 

217,  220  f.,  252  f.,  257  f.,  259,262,  272  f.,  429. 
Gießgefäße  295. 

Gilden  18,  19,  60,  76,  125,  132,  176. 
Gitter  s.  Eisenarbeiten. 
Glasgemälde  80,  81,  102,132,141,215,  232 f., 

238,  283,  287. 
Glocken  27,  42,  51,  68  f,  103,  137,  153,  187, 

201,  303. 
Gotteskasten  154. 
Grabsteine  45,  51,  52,  113f.,  142,  155. 


Gruft  24,  25,  27  f.,  30,  44  f.,  51,  133,  145. 

Hanse  12,  13. 

Hausmarken  114,  389,  394,  400. 

Häuser;  Glockenhaus  21,  303  f.,  Garlopen- 
wohnungen  307  f.,  Kaufhaus  21,  298  f., 
Kaiandhaus  307,  Münze  369,  Prediger- 
häuser 376,  400,  Eatsapotheke  343,  Scharf- 
richterhaus 328,  Schütting  306  f.,  Wand- 
haus 310. 

Altenbrückertorstraße  (6)  414.  —  Auf 
der  Altstadt  (5)  343,  409,  (8)  380,  (12)  421, 
(16)  421,  (32)  358,  (35)  409,  (40,  41,  42)  361, 
(43)  331,  340,  380,  (44)  343,  (46)  421,  (52) 
380.  —  Apothekenstraße  (5)  415,  (10)  409. 

-  Große  Bäckerstraße  (2)  9,  416,  (5)  332, 
(6)  358,  409,  (7)  374,  421,  (9)  343,  (10)  340, 
(12)  340,  (13)  340,  421,  (14)  417,  (15)  331, 
380,  (18)  358,  383,  (19)  385,  (20)  385,  (24) 
385,  (26)  331,  361,  (27,  28)  421,  (30)  345. 

—  Kleine  Bäckerstraße  (4)  420,  421,  (11) 
421,  (14)  421.  —  Hinter  der  Bardowicker 
Mauer  (7)  385,  (8)  386,  (9)  409,  (12)  388.  — 
Bardowickerstraße  (8)  347,  (9)  347,  (29), 
421,  (32)  362.  —  Baumstraße  (1)  415, 
(3)  388.  —  Am  Berge  (5)  332,  (7)  347,  (8) 

421,  (13)  389,  (15)  414,  419,  (18)  416  (25) 
390,  (27)  374,  (33)  409,  (35)  331,  (36)  421, 
(37)  179,  364,  (40)  421,  (44)  347,  (46)  421, 
(51)  421.  —  An  den  Brodbänken  (6)  347, 
(8)  340,  (10)  421.  —  Burmesterstraße  (10) 
409.  —  Conventstraße  (2)  421. —  Glocken- 
straße (1,  2)  366,  (5,  6,  7)  409.  —  Graal- 
straße  (1)  366,  421,  (1 A)  201.  —  Im 
Grimm  32.  —  Grapengießerstraße  (2)  361, 
(3)  347,  (4)  411,  421,  (5)  340,  390,  (7)  373, 

422,  (9)  422,  (11)  422,  (12)  392,  (13)  392, 
(14)  411,  (15)  347,  (17)  348,  (27,  28)  348, 
(30)  411,  (38)  422,  (45)  332,  392,  (46)  422.  — 


-*^  xin  8^ 


HHuser;  Auf  dem  Harz  (4,5,6)  411.—  Heiligen- 
geiststraße (7)367,  (8)  367,  (10)  358,  (12)  422, 
(20)  367,  (27)  358,  (34)  348,  (39)  348,  (40) 
348,  (41)348,  (40)411.  — Bei  der  Johannis- 
kirche  (2,  3,  4)  376,  (13)  358.  —  Katzen- 
straße (2)  419.  —  Auf  dem  Kauf  (1)  411, 
(9)  327,  (13)  349,  (14)  422,  (17)  342,  (19) 
422,  (Eckhaus)  422.  —  Kaufhausstraße 
(1)  349.  -  Koltmannstraße  (9  A,  9B)  411.  — 
Am  Kreideberge  (7)  394.  —  LUnerstraße 

(3)  352,  411,  (5)  394,  (7)  421,  (8)  422,  (9) 
369,  (13)  422.   —   LUnertorstraße   (1)  a52, 

(4)  352,  (21)  369.  -  Marienplatz  (1)  422  - 
Am  Markte  (2)  422,  (5)  349.  —  Auf  dem 
Meere  (12)  422,  (13)  350,  (14)  411,  419, 
(17)  411,  419,  (21)  369,  (27)  422,  (35)  422, 
(36)  340.  —  Bei  der  Michaeliskirche  (4) 
350,  (7)  350.  —  An  der  Münze  (4)  342, 
(7)  333,  342,  (8)  331,  (8A  u.  B)  369,  (15) 
354.  —  Neue  Straße  (7)  411,  (11)  414, 
(IIA)  414,  (13—23)  422.  —  Neue  SUlze 
(6)  373,  (11)  422,  (22)  397,  (26)  370,  (27) 
422,  (30)  424,  (31)  397,  (32)  397,  (33)  425, 
(36)  425.  -  Obere  Neuetorstraße  (1)  377, 
(19)  377.  —  Bei  der  Nikolaikirche  (3)  397.  - 
Am  Ochsenmarkte  (1)  354.  —  Obere  Oh- 
lingerstraße  (10)  399,  (13)  399.  —  Untere 
Ohlingerstraße  (7)  399,  (8)  399,  (13)  425, 
(28)  415,  (40)  400.  -  Papenstraße  (1)  400. 

—  Reitende  Dienerstraße  (5)  400,  (7)  310, 
(9—17)  307  f.  —  Ritterstraße  (4)  411.  — 
Rosenstraße  (5)  415,  (10)  327.  —  Rote- 
hahnstraße  (6)  370,  (7)  374,  (14—19  Roter 
Hahn)  192  f  (20)  400.  —  Rotestraße  (1) 
4J5,  (6)  371.  —  Salzbrückerstraßc  (24) 
400,  (42)  412,  (53A-63)  400,  (65)  425.  — 
Salzstraße  (an  den  Vierorten)  (15)  412, 
(17)  373,  400,  (18)  401,  (19)  350,  (28)  371. 

—  Salzstraße  (am  Wasser)  (2)  401,  (3) 
371.  —  Am  Sande  (1)  352,  (2)  354,  (4)414, 
(6  u.  7)  a50,  412,  (8)  337,  342,  (12)  358, 
(13)  350,  (15)  342,  (16)  358,  (20)  350,  401, 
(27)  414,  (30)  401,  (31)  359,  401,  (36)  340, 
(40)  413,  (41)  414,  (46)  340,  (48)  361,  (49) 
324,  335,  (50)  329,  402,  (53)  22,  333, 342.  — 
Schlägertwiete  (5C)403,  (6)403.  —  Obere 
Schrangenatraße  (2)  412,  (5)  404,  (12)  350.  — 
Untere  Schrangenstraße  (Ecke)  373,  (4) 
356,  (7)  412,  (9)  404,  (13)  358,  (15)  425, 
(17)  425.  —  Schröderstraße  (4)  404,  (6) 
425,  (7)  420,  (12)  404,  (16)  373.  -  Schul- 
straße (2)  425.  —  Am  Stintmarkt  (4)  425.  — 
In  der  Techt  403.  —  Im  Timpen  (1)  412.  — 
Viskulenhof    406.    —    Wandfärberstraße 


(4)  425,  (6)  406,  (7)  406.  —  Im  Wendischen- 
dorfe  (3)  406,  (5)  420,  (23)  406,  420,  (27) 
342.  —  Am  Werder  (6)  406,  426.  —  Am 
Wüstenort  (2)  408,  (6)  426,  (11  u.  12)  412. 

Heizungen  199,  222,  235,  337. 

Hospitäler;  St.  Benedikt  26,  180-182,  zum 
I  gr.  heiligen  Geist  182—187,  Gotteshäuser 

'  192,  Graal  188—191,  der  lange  Hof  187  f. 

Roter  Hahn  192—194,  Nikolaihof  194, 
Lazarett  in  der  breiten  Wiese  191  f. 

Hostiendosen  52,  114,  274,  276 f. 

Kaland  19,  66,  307. 

Kamine  235,  241,  247,  249  f,  256,  258,  278, 
286,  332  f,  402,  425,  429. 

Kannen  55,  123,  276. 

Kanäle  12. 

Kanzeln  41,  42,  52,  78,  130,  141. 

Kapellen;  Annenkapclle  67, 133,  Antoni- oder 
Krämerkapelle  70,  Allerheiligenkapelle 
66  f,  133,  Barbarachor  67  f,  Bartholomäus- 
kapelle 67,  Cecilienkapelle  70,  Dreifaltig- 
keitskapellc  67, 133,  Dreikönigckapelle  67, 
Elisabethkapelle  66  f.,  Erasmikapelle  68, 
Fronleichnamkapelle  (Laffertsche  Ka- 
pelle) 70,  90,  (irablegungskapelle  68, 
Jakobikapelle  26,  Johanniskapelle  (Dassel- 
sche  Kapelle)  67, 92,  Kaldaunenkapelle  58, 
Lange  Kapelle  58,  Leonhardikapelle  70, 
Marienkapelle  67,  133,  Nikolaikapelle  (van 
der  Mölenkapelle)  66  f.,  93,  Ratskapelle 
zum  heiligen  Geist  175  f.,  198,  St.  Ursula- 
kapelle (Kapelle  der  elftausend  Jungfrauen) 
9,  67,  Witzendorf  kapeile  70. 

Kelche  40,  54,  74  f.,  114  f.,  155,  275  f. 

Kirchen;  Cyriakskirche  20,  28,  58-61,  Gar- 
nisonkirche 174  f.,  Johann iskirche  9,  15, 
61-123,  Lambertikirche  21i  124-131,147, 
153,  Marienkirche  (BarfUßcrkirche)  154, 
159—170,  Michaeliskirche  28—58,  Nikolai- 
kirche 20,  21,  131—159. 

Kirchengestuhl  72,  77,  81,  92,  100  f.,  119, 
150,  153. 

Kirchturme  29,  31,  44,  49f.,  59,  68f.,  72f., 
86,  91  f.,  127,  183,  136  f.,  139,  148. 

Klosterhöfc  178—180. 

Klöster;  BarfUßerkloster  20,  154,  159-170, 
Benediktinerkloster  2,  4,  20  f.,  Franzis- 
kanerkloster s.  BarfUßerkloster,  Kloster 
Heiligental  20,  21,  170—174,  Kloster  LUne 
26,  Kloster  Scharnebek  134. 

Kran  301  f. 

Kreuzgänge  30,  381. 

Kronleuchter  54,  115 f.,  130,  241,  255f.,  278. 

Kruzifixe  51.  55,  123,  150,  276. 


-^    XIV    8^ 


Krypta  8.  Graft. 

Landwehr  434. 

LichtpntzBchere  277. 

Löffel  297. 

Maßwerk  89,  91  f.,  93,  143,  226,  241,  252. 

Monstranz  275. 

Museen;  Lüneburg  9,  18,  42,  47,  50,  57,  158, 

159,  187,  191,  427  f.  —  Hannover  42,  50, 

55f .,  255.  —  Berlin  430.  —  Hamburg  430.  — 

Bremen  430. 
Mühlen  88,  35.  89,  311  f. 
Münzen  277. 

Orgeln  42,  46,  54f.,  78,  80,  119f.,  130,  142. 
Paramente  121,  155 f.,  274. 
Pokale  291f. 

Rathaus  21,  175,  197—297. 
Ratssilber  13,  17,  21,  223,  256,  290—297,  430. 
Reliquienbehälter  27,  41,  55f.,  121f.,  274. 
Rüstzeug  208. 
Saline  2,  3,  lOf.,  13f.,  16f.,  32,  124,  317f., 

430. 
Särge  42,  145. 
Schloß  195—197. 

Schalen  277,  291  f.;  s.  auch  Waschbecken. 
Schränke   119,   187,   215,   230f.,   246f.,   383, 

425,  428  f. 
Schulen  12,  31  f.,  58,  63. 
Schüsseln  s.  Schalen. 
Siegel  16,  22,  39 f.,  162,  174. 
Silberschatz  s.  Ratssilber. 
Stifte  s.  Hospitäler. 


Stickereien  216 f.,  241,  243,  273,  388  8. auch 

Paramente. 
Taufbecken  27,42,61,  77 f.,  122f.,  141,  158. 
Tische  232,  241. 
Treppen  145,  170,   197,  260,  327,  329,  S47, 

350,  356,  421,  422. 
Türen  57,  170,  207,  228  f.,  241,  247,  255,  262, 

264  f.,  279  f.,  282,  284,  287,  290,  327,  331, 

338,  342,  350,  352,  359  f.,  366,  368,  374, 

418  f.,  421,  429. 
Türklopfer  47,  338,  352. 
Trinkhorn  291. 
Uhren  73,  119,  187. 
Valvationstabellen  277. 
Waschbecken  236,  295  f. 
Wälle  s.  Befestigungen. 
Wandleuchter  119,  154 f.,  252,  256,  262. 
Wand-  und  Deckenmalereien  9,  81,  91, 

216  f.,  221,  228,  236  f.,  247,  249,  255,  257, 

262  f.,  286,  350,  366,  421,  422. 
Wappen  17,  41,  51  f.,  54,  57,  81,  90,  92 f.,  iXi, 

98,   102  f.,   122,   151,   153  f,   157,  235,  238, 

241,   262,   279,   290  f,   309,  330,  345,   SfA, 

362,  367,  370,  401,  403,  424. 
Wasserleitungen  316. 
Wasserturm  316. 

Webereien  s.   Stickereien  und   Paramente. 
Wein  kann  en  s.  Kannen. 
Wendeltreppen  50,  91f.,  144,  164,  235,  247, 

260,  280,  331,  352,  358,  368,  388,  421,  429. 
Ziegeleien  29,  30,  69,  164,  198,  209. 


Künstlerverzeichnis. 


A.  C.  B.,  GoldschmiedsBtempel  55. 

Ambrosins,  EiBBenmacher  217. 

Amman,  Jost,  Maler  219. 

Andreaszen,  Joan,  Baumeister  210. 

Andresz  (Andreas),  Snitker  203,  215  f. 

Anger,  Organist  80. 

Augnstin,  Snitker  164  f. 

Bach,  Johann  Sebastian  78. 

Barchmann,  Sivert,  Grapengießer  122,  129. 

Barchmann  (Bargmann),  Valentin,  Glocken- 
gießer 154,  310. 

Benc  (Benhe),  Henning,  Snitker  130,  212. 

Benthem,  Johan  van,  Steinhauer  164. 

Berigel,  Michael,  Orgelbauer  80. 

Betemann,  Bertram,  Glockengießer  69. 

Blekesche,  die,  Malerin  215. 

Böhm,  Georg,  Organist  78,  80. 

Bonn,  Otto  Heinrich  von,  Oberlandbau- 
me ister  49. 

Borchmann,  Oberbaumeister  196. 

Borne,  Lucas  upm,  Maler  209. 

Borne,  Peter  up  dem,  Maler  209,  218,  263. 

Brandt,  J.  H.,  Maler  300. 

Bremer,  Hinrik,  Mauermeister  29. 

Brillo,  Bildhauer  142. 

Broning,  Johann,  Mauermeister  29. 

Brugenatz,  Wamike,  Snitker  77. 

Brullo,  M.,  Bildhauer  154. 

Brnnswik,  Konrad  van,  Zimmermeister  176. 

Bubeling,  Meister  Kaspar,  Orgelbauer  130. 

Buckendal,  Johann,  Snitker  77. 

Burmester,  Maler  42,  223,  257  f. 

Burmester,  Evert,  Sohn  Warnekes, Snitker  77. 

Burmester,  Joachim,  Maler  297  f. 

Burmester  (Buermester),  Wameke,  Snitker 
77,  100,  164  f.,  216,  223,  283. 

Glasen,  Mauermeister  376. 

Clauws,  Mester,  Steinhauer  209,  222. 

Clovestene,  Maler  204. 

C'oler,  Märten,  Steinhauer  77,  209,  210,  343. 

Cord,  Meister,  Kissenmacher  217. 

Crotogino,  Joseph,  Baumeister  31. 

Grusen,  Frau  Olrik,  Kissen  Wirkerin  216. 

Debo,  Bauinspektör  138. 

Dehnicke,  Johann,  Schwerdtfeger  u.  Kupfer- 
stecher 300. 

D.  J.  K.,  KUnstlermarke  54. 

Dirick,  Kupferdecker  73. 


Ditmer,  der  braune.  Malergesell  255. 

Dorszen,  Johan,  Maler  216. 

Dropa  siehe  Tropa. 

Elers,  Hans,  Snitker,  164. 

Ellenbarch,  Jochim,  Snitker  164. 

Eptzenrad,  Hans,  Maler  204. 

Fabel,  Hans,  Kistenmaker  77. 

Fischbach,  Maler  228. 

Frese  (Friesze),  Daniel,  Maler  21,  73,  81,  95, 

130,  210  f.,  212,  217  f.,  220  ff.,  282,  246, 

255,  262  f.,  272,  286. 
Gar(ven),  Albert,  Snitker  77. 
Gerd  siehe  Suttmeier. 
G.  F.  K.,  Goldschmiedsstempel  115. 
Gronouw,  Glaser  205. 
Gronouw,  Hans,  Glasmaler  141. 
Gronouw,  Hinrik,  Glasmaler  203. 
Häseler,    Johann   Philipp,   Stadtbaumeister 

100,  128,  130,  299. 
Hagen,  Hans  van  dem,  Glaser  202. 
Haue,  Gerd,  Maler  78,  81,  165,  216. 
Hans,Meister,Malerod.Gold8chläger77,148,207 
Hans,  Meister,  Steinhauer  73. 
Harbord,  Jürgen,  Snitker  77. 
Hartig,  Gelbgießer  54. 
Hartmann,  Hugo  Friedrich,  Maler  224. 
Hartwig,  Caspar,  Snitker  78. 
Hase,  C.  W.,  Baurat  138  f.,  142. 
Heemskerk,  Märten  van,  Maler  219. 
Heineke(n),     Andreas,     Glockengießer     69, 

103,  154. 
Helfreich,  Philipp,  Kupferdecker  211. 
Helfrich,  Hans,  Kupferdecker  221. 
Hermen,  Mester,  Zinngießer  72. 
11.  G.  K.,  Goldschmiedsstempel  114,  123. 
H.  H.  S.,  Glockengießer  69. 
Hinrick,  Mester,  Molemester  207,  302. 
Hoen,  Bartelt,  Glasewerker  164. 
Hoiers   (Hoigers),   Dirick,   Orgelmacher  80, 

163,  165. 
Holste,  Stadtbaumeister  74,  138,  235. 
Hom,  Plans,  Maler  77. 
H.  P.,  Architekt  178. 
H.  P.,  Orgelbauer  120. 
Jacob,  Meister,  Snitker  76,  78. 
Jacop,  Meister,  Uhrmacher  73. 
Jagouw,  Gort,  Maler  163,  207,  217. 
Jagow,  Jochim,  Maler  81,  165. 


-^    XVI    8-^ 


Johansen,  Jasper,  Orgelmacher  78,  80. 
Kampen,   Hinrick   van,    Glockengießer    69, 

103,  137,  154,  166. 
Kampf,  Stadtbaiimeister  139. 
Kiltenhof  (Kyltenhoff),  Hans,  Maler  206, 216  f. 
Kleimann,  Arnold,  Glockengießer  103. 
Klinghe,  Gerd,  Glockengießer  69, 103, 129, 1 54. 
Knöt,  Jacob,  Snitker  215. 
Köler  siehe  Coler. 
Krumradt,  Liitke,  Snitker  216. 
Laflfert,  Hans,  Goldschmied  291. 
Lange,  Evert,  Snitker  164. 
Langelo,  Liitke,  Maler  255. 
Levenstede,  Hinrik,  Maler  173. 
Malz,  Heinrich,  Snitker  78. 
Man,  Matz,  Orgelmacher  80. 
Märten,  Maler  216. 

Märten,  Meister,  siehe  Coler  und  Rose. 
Martens,  Peter,  Baumeister  210. 
Maske,  Stadtbaumeister  138. 
Meiger,  Hans,  Grapengießer  77,  154. 
Merten,  Zimmermann  206. 
Meshusen,  Hans,  Maler  207. 
Meyer,  E.,  Hoforgelbauer  80. 
Moller,  Clawes,  Ingenieur  316. 
Molmester  siehe  Hinrick. 
Münster,  Dietrich  von,  Glockengießer  69. 
Niegehoff,  Clav  es,  Orgelbauer  78. 
Niegehoff,  Hinrik,  Orgelbauer  78. 
N.  M.,  Goldschmiedsstempel  54. 
Ohmes,  Hermann,  Maler  205. 
Olrichs,  Hans,  Wappenstecher  73. 
Olricus    (Ulricus),    Meister,    Glockengießer 

27,  42,  61,  141,  158. 
Omes,  Hinrik,  Maler  217. 
Paris  (Paries),   Hinrich  von,  Mauermeister 

164,  210. 
Penz,  Maler  219. 

Perinetti,  Jacob,  Stuckateur,  196. 
Petersen,  Andreves,  Snitker  77. 
Planerd,  Johan,  Baumeister  81. 
Polman,  Berendt,  Snitker  208. 
Rapup,  Christoffer,  Snitker  77. 
Rechten,  Nicolaus,  Orgelbauer  80. 
Reimers  (Reymers),  Hinrik,  Maler  206  f.,  215. 
Reinstorf,  Hans,  Mauermeister  29. 
Rembrandt  153. 
Ripe,  Lorenz,  Mauermann  209. 
Ripe,  Paul,  Ratsmauermann  208  f. 
Roggenbuck,  Christoph,  Steinhauer  222. 
Roese,  Lutke,  Zimmermann  164. 
Rose   (Roesze),    Märten,    Ratszimmermann 

164,  208  f. 
Roose,  Dieric,  Glockengießer  137. 


RoBsi,  Domeniko  Antonio,  Mauermeister  196. 

Ruest,  Frans  van  der,  Deckenmacber  217. 

Rüge,  Hans,  Schlosser  247,  261. 

Sceidel,  Hermen,  Tischler  215. 

Schaper,  Hans,  Snitker  215. 

Schnaase,  C,  Baumeister  133. 

Schröder,  Eduard,  Maler  223. 

Schröder,  F.  N.,  Uhrmacher  187. 

Schröder,  Hans,   Maler  und  Bildhauer  130, 

210  f.,  212. 
Schultz,  Georg,  Stadtbaumeister  213, 243  f.,  247. 
Scoeuweshuesen,  Hinrich,  Bildhauer  164. 
Servest,  Peter  van,  Mauermann  202. 
Smedeken,  Andreas,  Orgelbauer  142. 
Smedt,  Christoffer,  Snitker  77. 
Snitteker  (Snytker),  Cord,  Snitker  72,  205. 
Soest,   Albert  von,    Bildensnider    21,   51  f., 

105,  110,  112,  164  f.,  218  ff.,  264  f.,  266, 

268,  270,  272,  427,  429. 
Solls,  Virgil,  Maler  219. 
Soltau,  Maler  427. 
Sonnin,  E.  G.,  Baumeister  74,  135,  142,  310, 

317,  376. 
Spetzler,  Stadtbaumeister  74,  83,  137,  178. 
Stapel,  Glaser  206. 
Steffens,  Johannes,  Organist  78. 
Stehn,  Georg,  Lautenspieler  163. 
Stein,  Georg,  Orgelbauer  142. 
Stelwagen,  Friedrich  80. 
Stern,  Buchdrucker  158. 
Suttmeier,  Gerd,  Snitker  (Gerd  de  Snitker) 

21,  110,  163,  215  f.,  218,  220,  264  f.,  266. 
Testorpe,  Swibert,  Maler  217. 
Teygeler,  Dytmar,  Maurer  199. 
THP.,  Goldschmiedsstempel  52. 
Tonnies,  Kupferdecker  164. 
Tostede,  Diderik,  Schlosser  215. 
Tropa  (Dropa),  Mathias,  Orgelbauer  42, 54, 80. 
Tyle,  Maler  77. 

Tyle,  Meister,  Kunstschlosser  203. 
Ulricus  siehe  Olricus. 
Voß,  Johann,  Glockengießer  69,  103. 
Voß,  Paul,  Glockengießer  69,  103,  129,  137, 

163  f.,  177. 
Vredis,  Jodocus,  Bildner  428. 
Wille,  Goldschmied  115. 
Winter,  Peter,  Glasewerker  207,  209. 
Wou,  Gerhard  von,  Glockengießer  42,  51, 

129,  153. 
Wulbrandt,  Ludewig,  Kircbentiscbler  81. 
Wulf,  Albert,  Steinhauer  209. 
Wulf,  Gerd,  Glaser  204. 
Ziegner,    Johann  Christian,    Glockengießer 

103,  129,  154,  178,  187,  191. 


Einleitung. 


Literatur:  U.  F.  C.  Manecke,  y,Kurze  Beschreibung  und  Geschichte  der  Stadt 
Lüneburg^,  1816|  mit  guter  Obersicht  der  älteren  Literatur  (Neudruck  des  Werkes  in  desselben 
Verfassers  ^Topographisch- historische  Beschreibungen  der  Städte,  Aemter  und  adelichen 
Gerichte  im  FQrstenthum  Lüneburg^,  1858,  S.  1—114);  Jürgens,  „Geschichte  der  Stadt  Lüneburg^ 
Hannover  1891,  mit  Literaturverzeichnis  fQr  die  Zwischenzeit  und  Quellennachweis  S.  116  ff. ; 
Görges,  „Geschichte  der  Stadt  Lüneburg^  (Führer  durch  Lüneburg  und  Umgebung,  neueste 
Auflage  1905).  Im  übrigen  wird  für  die  Angabe  der  Quellen  und  Literatur  auf  die  nach- 
folgenden baugeschichtlichen  Einführungen  verwiesen. 

Die  Stadt  Lüneburg  (öS®  15'  n.  Br.,  10 •  25'  ösÜ.  L.  v.  Gr.)  liegt  17,25  m  (Marktplatz) 
aber  dem  Meeresspiegel  an  der  schiffbaren  Ilmenau,  einem  linken  Nebenflusse  der  Elbe,  der  etwa 
18  km  oberhalb  Hamburgs  in  den  Strom  einmündet  Knotenpunkt  der  Bahnlinien  Hamburg-Frank- 
fiirt  a.  M.  und  Berlin-Bremerhafen,  Ausgangsstation  der  Bahnen  nach  Lübeck  und  Bleckede. 
Lüneburg  ist  Sitz  einer  Königlichen  Regierung,  deren  Verwaltungsbezirk  mit  den  Grenzen  der 
früheren  Landdrostei  bzw.  des  ehemaligen  Fürstentums  zusammenfällt,  eines  Landratsamts  fUr 
den  Landkreis  Lüneburg,  eines  Landgerichts,  einer  Eisenbahn -Betriebsinspektion  und  einer 
Landesbauinspektion;  Standort  des  2.  Hannoverschen  Dragoner-Regiments  Nr.  16;  Provinzial- 
Heil-  und  Pflege-Anstalt;  Solbadeanstalt  Kirchen:  3 evangelische,  1  katholische,  1  Synagoge. 
Schulen:  Johanneum  (Gymnasium  und  Realgymnasium),  Schullehrerseminar,  Präparanden- 
anstalt,  Höhere  Mädchenschule  mit  Lehrerinnenseminar,  Mittelschule,  Heiligengeistschule  I, 
n,  m.  Schule  der  römisch-katholischen  Gemeinde,  der  israelitischen  Gemeinde,  Handelsschule, 
Gewerbliche  Fortbildungsschule,  Landwirtschaftliche  Kreiswinterschule,  Provinzial-Hufbeschlag- 
Lehrschmiede.  Einwohnerzahl  am  1.  Dezember  1900:  24693,  davon  evangelisch  28603, 
katholisch  873,  Juden  130,  nach  dem  vorläufigen  Ergebnis  der  Volkszählung  am  1.  Dezember  1905: 
26554  Einwohner 


^er  Name  Lüneburg  (älteste  Schreibweise  „Luniburc",  „Lhiuniburg"),  in  Geschichte, 
seiner  Stammsilbe  noch  nicht  hinreichend  erklärt,  sagt  ims  zuverlässig 
das  eine,  daß  die  Stadt  gleich  vielen  blühenden  Gemeinwesen,  deutschen 
und  außerdeutschen,  einer  Burg  ihre  Entstehung  verdankt.  Der  „Kalkberg", 
der  diese  Burg  trug,  ist  noch  in  seiner  jetzigen  Trünunergestalt  ein  Natur- 
denkmal vornehmster  Axt.  Aus  den  mächtigen  Ablagerungen  einer  jüngeren 
Gletscherwelt,  aus  denen  die  ganze  norddeutsche  Tiefebene  sich  aufgebaut  hat, 
ragt  seine  Zechsteinkuppe  als  Stück  des  Urgebirges  der  Landschaft,  ein 
gewachsenes  Monimient,  empor.  Seit  streitbare  Männer  ihn  erschauten,  muß 
der  Ealkberg  mit  seinen  jähen  Hängen  einen  Zufluchtsort  für  kriegerische  Tage 

1 


geboten  haben,  und  wenn  die  Sage  seine  Höhe  mit  der  Verehrung  eines  Götzen- 
bildes in  Zusammenhang  bringt,  so  hören  wir  daraus  einen  Nachklang  alt- 
germanischer  Zeit,  der  uns  verrät,  daß  der  Berg  auch  als  vorchristliche  Kult- 
stätte Bedeutung  hatte. 

Die  Erbauung  der  Lüneburg,  eines  festen  Schlosses  auf  dem  Platze  der 
alten,  bis  dahin  vermutlich  nicht  ständig  bewohnten  Volksburg,  wird  Hermann 
Billung  zugeschrieben,  der  als  Markgraf  und  Herzog  von  Sachsen  auf  dem 
Kalkberge  seinen  Herrensitz  nahm  und  in  unmittelbarer  Nähe,  noch  innerhalb 
der  Burgmauern,  ein  Benediktinerkloster  zu  Ehren  des  Erzengels  Michael 
gründete.  Die  älteste  Urkunde  des  Klosterarchivs,  vom  13.  August  956,  nennt 
zum  ersten  Male  den  Namen  Lüneburg  und  ist  für  die  Anfänge  der  Stadt  auch 
in  anderer  Hinsicht  bemerkenswert.  Auf  Fürbitte  des  Markgrafen  gibt  König 
Otto  L  dem  jungen  Kloster  seine  Huld  zu  erkennen,  indem  er  ihm  den  Zoll  bei 
der  Lüneburg,  „der  aus  den  Salinen  gewonnen  werde",  zum  Geschenk  macht 

Siedelung  imd  Sülze,  in  ihrer  Geschichte  kaum  zu  trennen,  zeigen  sich 
schon  bei  ihrer  ersten  Begegnung  miteinander  vereint.  Die  Zechsteinbildung, 
wie  sie  im  Kalkberge  zutage  tritt,  setzt  sich  in  unterirdischen  großen  Stein- 
salzlagem  fort,  und  ihnen  entspringt  eine  starke  Solquelle,  deren  Ausbeute,  mehr 
oder  weniger  kundig,  gewiß  schon  manches  Jahrhundert  im  Schwange  war, 
bevor  der  Salzzoll  vom  Könige  verschenkt  wurde.  Die  Burg  mit  ihrem  Schutze 
und  die  Sülze  mit  ihrem  Gewinn  —  zwei  treffliche  Lebensbedingungen  für  eine 
aufstrebende  Bevölkerung,  deren  Machtbereich  freilich  mit  Naturnotwendigkeit 
bis  zu  der  wichtigen  Wasserstraße,  der  nahen  Ilmenau  (Elmenouwe),  nach  Osten 
vorgeschoben  werden  mußte.  Eine  alte  Gohbrücke  überspannte  den  Fluß,  dort 
lag  auch  eine  größere  Ansiedelung,  der  Ort  Modestorpe,  seit  Errichtung  des 
Bistums  Verden  Stätte  einer  Taufkirche  und  eines  Archidiakonates.  Die  Ver- 
schmelzung Lüneburgs  mit  Modestorf  vollzog  sich,  wie  wir  glauben  dürfen, 
alsbald  nach  der  Zerstörung  Bardewiks  durch  Heinrich  den  Löwen  (1189),  wie 
denn  der  Untergang  dieses  älteren,  angesehenen  Handelsplatzes  Lüneburg  von 
einer  allzu  nahe  wohnenden,  imbequemen  Nebenbuhlerin  befreite. 

Die  jenem  Ereignisse  voraufgehende  Überlieferung  ist  für  die  Geschichte 
der  Stadt  wenig  ergiebig.  Die  Billunger  Herzöge,  vielfach  als  Herzöge  von 
Lüneburg  bezeichnet,  büeben  ihrem  Hochsitz  auf  dem  Kalkberge  bis  über  den 
Tod  hinaus  getreu  und  ließen  sich  in  der  Klosterkirche  von  St  Michael  beisetzen; 
während  ihrer  Lebenszeit  hatten  sie  und  ihre  weifischen  Nachfolger  um  das 
angestammte  Schloß  manch  heißen  Strauß  zu  bestehen.  Das  Ilmenaugebiet 
bildete  die  Grenze  zwischen  den  Sachsen  und  Wenden  und  mußte*  schon  deshalb 
beständig  feindlichen  Überfalls  gewärtig  sein,  und  nicht  minder  gefährlich  als  die 
Bedrohungen  von  dieser  Seite  war  ein  Anschlag  König  Heinrich  IV.,  dem  es  im 
Juli  1071  gelang,  die  Lüneburg,  obschon  nur  für  wenige  Wochen,  mit  einem 
Aufgebote  auserlesener  schwäbischer  Ritter  zu  besetzen.  Aus  den  Jahren  1134 
und  35  wird  berichtet,  daß  Kaiser  Lothar  wiederholt  in  Lüneburg  weilte;  nicht 
lange  darauf  eroberte  Albrecht  der  Bär  im  Kampfe  gegen  die  Weifen  das 
Sachsenland,  indem  er  sich  ebenfalls  des  Gastrums  auf  dem  Kalkberge,  von 
dessen  Besitz  die  Herrschaft  Lüneburg  abhing,  vorübergehend  bemächtigte  (1139). 


->4    3    8^ 

Heinrich  des  Löwen  lange  Regiemngszeit  hatte  für  die  Entfaltung  der 
Stadt,  wo  der  Herzog  mit  Vorliebe  Hof  hielt  und  die  Großen  des  Landes  um 
sich  versammelte,  unschätzbare  Bedeutimg,  ging  doch  die  Fürsorge  des  Fürsten 
soweit,  daß  er  die  Schließung  einer  Saline  in  Oldesloe  durchsetzte,  weil  die 
Lüneburger  sich  über  deren  Konkurrenz  bei  ihm  beklagt  hatten.  Jüngere  Chronisten 
sagen  geradezu,  daß  Lüneburg  erst  durch  den  großen  Weifenherzog  aus  einem 
Dorfe  zur  Stadt  erhoben  worden  sei,  eine  Behauptung,  die  zwar  den  Tatsachen 
keineswegs  entspricht,  denn  schon  im  Jahre  959  wird  Lüneburg  urkundlich  eine 
Stadt  genannt,  und  in  gleich  zuverlässiger  Weise  erzählt  Thietmar  von  Merseburg 
zum  Jahre  1013  von  einem  gewaltigen  Erdrutsch,  der  „die  Stadt"  heimgesucht  habe. 

Es  ist  bekannt,  daß  Herzog  Heinrich  nach  der  Zertrümmerung  seiner 
Herrschaft  durch  Friedrich  Barbarossa  auf  seine  Eigengüter  beschränkt  wurde 
und  Kaiser  Friedrich  U.  in  einem  Reichslehnsbriefe  von  1235  eben  diese  Allode, 
das  Castrum  Lüneburg  und  die  Stadt  Braunschweig,  mit  dem  gesamten  Zubehör 
an  Land  und  Leuten  zu  einem  Herzogtum  verschmolz.  Eine  Teilung  des  Territoriums 
trat  im  Jahre  1267  ein,  und  Lüneburg  war  fortan  die  Hauptstadt  eines  besonderen, 
gleichnamigen  Fürstentums.  Die  Herzöge  residierten  im  alten  Billungerschlosse 
auf  dem  Kalkberge,  und  die  Stadt  hatte  nur  Nutzen  davon,  denn  wie  Otto  das  Kind 
war  der  ganze  Alt-Lüneburgische  Zweig  des  Weifenhauses  städtefreundlich.  Eine 
lange  Reihe  herzoglicher  Verf assungs-  und  Handelsprivilegien  förderte  die  Selbst- 
verwaltung der  Gemeinde  und  ihren  Wohlstand,  und  die  Schrecknisse  des  Pestjahres 
1350  wurden  unter  dem  „gar  gnädigen  Regimente"  Wilhelm  des  Edlen  schnell 
verwunden.  Bezeichnend  dafür  ist  es,  daß  die  Zahl  der  Neubürger  in  den  drei 
nächstfolgenden  Jahren  eine  in  drei  Jahrhunderten  einzig  dastehende  Höhe  erreicht 
hat.  Nur  zu  bald  sollte  die  friedUche  Entwicklung  der  Stadt  ein  Ende  nehmen. 
Herzog  Wilhelm  starb  auf  der  Lüneburg  im  November  1369  ohne  männUchen 
Nachwuchs.  Er  hatte  zu  seinem  Mitregenten  und  Nachfolger  den  Junker  Magnus 
aus  der  braunschweigischen  Linie  seines  Geschlechts  ernannt  und  durch  diese 
Anordnung  die  Ansprüche  seines  Tochtersohnes  Albrecht  von  Sachsen- Wittenberg 
mißachtet,  obgleich  dieser  von  seinen  Oheimen,  den  Kurfürsten  Rudolf  und  Wenzel, 
vor  allem  aber  von  Karl  IV.  imterstützt  wurde.  Die  Bürgerschaft  Lüneburgs  hatte 
dem  Braunschweiger  gehuldigt,  nicht  aus  Nachgiebigkeit,  sondern  im  vollen 
Bewußtsein  ihrer  für  die  Erbfolge  ausschlaggebenden  Haltung  nur  gegen  schwer- 
wiegende Zugeständnisse.  Alle  die  teuer  erkauften  Privilegien,  die  die  Grund- 
lage bildeten  für  das  Emporblühen  der  Stadt,  mußte  Magnus  anerkennen  imd 
bestätigen.  Aber  schon  in  den  ersten  Monaten  des  neuen  Regiments  kam  es 
zwischen  Magnus  und  dem  Lüneburger  Rat  zum  Konflikt.  Der  Herzog  hatte  in 
einer  Fehde  mit  Mecklenburg  den  kürzeren  gezogen  und  wollte  sich  am  Lüne- 
burger Salinbesitz  mecklenburgischer  Prälaten  schadlos  halten.  Dazu  versagte 
der  Rat,  der  die  Verantwortung  für  das  Sülzwesen  längst  zu  seinen  wichtigsten 
ObUegenheiten  zählte,  die  Einwilligung,  habe  doch  Magnus  selber  es  verbrieft, 
daß  jedermanns  Gut  auf  der  Saline  unangefochten  bleiben  solle.  Der  Herzog 
dachte  den  Eigenwillen  seiner  Untertanen  bald  zu  brechen  imd  war  in  seinen 
Maßnahmen  weder  zaghaft  noch  wählerisch.  Nach  einem  vergeblichen  Versuche, 
die  Stadtgemeinde  gegen  ihre  Obrigkeit  aufzuhetzen,   und  einem  mißlungenen 

1* 


Anschlage  auf  einige  Mitglieder  des  Rates  forderte  er  zur  Beschwichtigung  seines 
Unmutes  ein  ungeheures  Sühnegeld.  Darauf  zwang  er  den  Rat,  die  Schlüssel  zu  den 
Toren  und  Türmen  der  Stadt  herauszugeben,  imd  besetzte  diese  Werke  so  lange,  bis 
im  August  1370  Rat  imd  Bürgerschaft  auf  alle  in  den  letzten  Jahren  von  ihm 
imd  Herzog  Wilhelm  erwirkten  Freiheiten  und  Gerechtigkeiten  förmlich  ver- 
zichteten. Das  schirmende  Kalkbergschloß  wandelte  Magnus  in  eine  Zwingveste 
um.  Er  nahm  eine  starke  Besatzung  auf,  beschaffte  Wurfgeschütze  und  Kriegs- 
maschinen, ließ  das  Burgtor  schließen  und  nutzte  sogar  den  Giebel  der  Kloster- 
kirche zu  einem  Angriffswerk,  indem  er  Erker  für  Geschosse  imd  Armbrüste 
daran  anbretchte. 

Eins  war  nach  solchen  Vorgängen  gewiß:  gelang  es  Magnus,  sich  gegen 
die  Ansprüche  der  Sachsen -Wittenberger  in  seiner  Herrschaft  zu  behaupten,  so 
war  es  lun  die  gesunde  Fortentwicklung  der  Stadt  Lüneburg  vorerst  geschehen. 

Während  nun  der  Rat  darauf  denken  mußte,  die  Teilzahlungen  des 
Sühnegeldes  beizubringen,  kamen  verschärfte  Erlasse  des  Kaisers  mit  der 
Mahnung,  dem  Braunschweiger  Herzoge,  der  den  sächsischen  Fürsten  wider- 
rechtlich ihr  Land  vorenthalte,  zu  entsagen  imd  vielmehr  Letzteren,  als  den 
rechten  und  natürlichen  Erbherren,  zu  huldigen.  Die  kaiserlichen  Mandate 
trafen  den  Rat  in  der  empfänglichsten  Stimmung.  Herzog  Magnus  hatte  seine 
Gewalt  mißbraucht;  die  Entwindung  der  städtischen  Gerechtsame  konnte  leicht 
als  offener  Treubruch  aufgefaßt  werden,  der  die  Stadt  ihrerseits  aller  Ver- 
pflichtungen gegen  den  tyrannischen  Herrn  enthob.  Um  ganz  sicher  zu  gehen, 
hielten  die  Ratmannen  eine  Umfrage  bei  rechtsverständigen  Herren  und  Marmen; 
erst  als  die  Antworten  dahin  lauteten,  die  Lüneburger  möchten  auf  des  Kaisers 
Gebot  mit  Ehre  imd  mit  Recht  den  Herzog  Magnus  verlassen,  tat  der  Rat  unter 
kluger  Benutzung  von  Zeit  und  Umständen  den  entscheidenden  Schritt  Er 
sandte  eine  Botschaft  an  die  Schützlinge  des  Kaisers  und  knüpfte  Verhandlungen 
darüber  an,  wie  Jene  sich  zu  den  Privilegien  der  Stadt  stellen  würden,  wenn 
ihnen  die  Herrschaft  Lüneburg  zufalle.  Das  Entgegenkommen  der  sächsischen 
Herzöge  war  außerordentlich  groß  und  zeigt  am  deutlichsten,  wie  hoch  sie  die 
Stellungnahme  der  Landeshauptstadt  für  die  bevorstehenden  Kämpfe  um  die 
Erbfolge  einschätzten.  Unter  den  Zugeständnissen,  die  am  6.  Januar  1371  in 
Wittenberg  urkundlich  festgelegt  wurden,  und  die  eine  neue  Epoche  in  der 
Geschichte  der  Stadt  bezeichnen,  befand  sich  die  „besondere  Gnade^',  daß  das 
Haus  und  die  Burg  zu  Lüneburg  von  Rat  und  Bürgerschaft  gebrochen  und  auf 
dem  Kalkberge  in  ewigen  Zeiten  keinerlei  Bau  oder  Wohnung  wieder  errichtet 
werden  dürfe. 

Wie  ernst  es  mit  diesem  Vorhaben  gemeint  war,  erwies  sich  wenige 
Wochen  später.  Am  31.  Januar  schickte  der  Lüneburger  Rat  an  Magnus,  der 
sich  in  Celle  aufhielt,  einen  Absagebrief.  Am  folgenden  Abend,  dem  Abend 
vor  Lichtmeß,  pflegte  die  Einwohnerschaft  Lüneburgs  die  Vesperandacht  in  der 
Michaeliskirche  zu  besuchen,  weil  dort  zu  Ehren  des  Reinigungsfestes  Maria 
reiche  Ablaßverleihungen  zu  gewinnen  waren.  In  diesem  Jahre  nun  ordnete 
der  Rat  an,  daß  in  der  Schar  der  Frauen  und  Jungfrauen,  als  Mägde  ver- 
kleidet,   bewaffnete  junge  Burschen  einhergehen,   und  daß  sich  gleichzeitig   die 


-*^    5    8^ 

Bürger  unauffällig  zu  zweien  oder  dreien  einfinden  sollten,  mit  voller  Rüstung 
unter  ihren  weiten  Mänteln.  Eine  kleine  Gruppe  erhielt  den  Auftrag,  unter 
irgend  einem  Vorwand  an  der  oberen  Schloßpforte  Einlaß  zu  erbitten,  den 
Pförtner  sogleich  niederzumachen  und,  verstärkt  durch  die  nachdrängende  wehr- 
hafte Menge,  die  Burg  zu  besetzen.  Die  List  gelang.  Das  oberste  Haus  wurde 
schnell  besetzt,  der  Schloßhauptmann  erschlagen  und  die  Besatzung  entwaffnet 
Nach  Erzählung  des  Chronisten  kam  in  der  Nacht  darauf  ein  Bote  des  Herzogs 
Magnus  am  f\iße  des  Kalkberges  an.  Er  machte  sich  durch  Zuruf  bemerkbar, 
um  den  Burghauptmann  vor  einem  Überfall  der  Lüneburger  zu  warnen  imd 
ihm  für  den  nächsten  Tag  Entsatz  anzukündigen.  Aber  die  höhnende  Antwort 
gab  ein  Bürgerposten  mit  Steinwurf  und  Büchsenschuß.  Da  schrie  der  Bote 
klagend  auf  „o  wehe,  o  wehe,  vorlaren  is  de  crone  der  herschop  van  Luneburch" ! 

Der  Einnahme  des  Schlosses  folgte  unverzüglich  die  Zerstörung  bis  auf 
den  Grund,  und  für  Herzog  Magnus  bedeutete  der  Verlust  der  Landeskrone  in 
der  Tat  den  Verlust  seiner  Liineburger  Herrschaft  Aber  langwierige  Kämpfe 
waren  zu  bestehen,  ehe  das  Fürstentum  ziun  Frieden  gelangte.  Der  Braunschweiger 
gab  keinen  Augenblick  die  Hoffnung  auf,  die  abtrünnige  Hauptstadt  wieder- 
zugewinnen. Nach  Verlust  des  KaJkberges  zog  er  sich  in  sein  Stammland 
zurück,  um  hinreichende  Streitkräfte  zu  sammeln,  indes  Herzog  Albrecht  seinen 
dauernden  Aufenthalt  in  Lüneburg  nahm  und  dort  seitens  der  Büi^erschaft 
tatkräftige  Hülfe  fand.  Die  Geldmittel  des  jungen  Fürsten  waren  nur  gering, 
und  die  ganze  Last  des  Krieges  fiel  eigentlich  der  Stadt  allein  zu.  Wenn  es 
galt,  Bundesgenossen  zu  werben,  Söldnertruppen  zu  mieten,  Besatzungs- 
mannschaften auszurüsten  und  zu  verpflegen:  immer  mußte  der  Lüneburger 
Rat  aushelfen,  und  die  städtischen  Finanzen  haben  unter  den  Folgen  dieser 
übergroßen  Inanspruchnahme  lange  Jahrzehnte  schwer  geütten. 

Magnus  sorgte  dafür,  daß  er  nicht  vergessen  wurde.  Eine  Abteilung 
seines  Heeres  drang  am  22.  März  bis  in  die  nächste  Nähe  Lüneburgs  vor  und 
brannte  fast  das  ganze  Bardewik  nieder,  und  daß  man  sogar  nach  dem  Abschlüsse 
eines  Waffenstillstandes,  der  bis  ziun  Martinsfeste  dauern  sollte,  vor  seinen 
Anschlägen  auf  der  Hut  sein  mußte,  bewies  die  Gefangennahme  einer  Kriegs- 
schar von  60  Mann,  die  im  Dienste  Lüneburgs  gekämpft  hatte  und  an 
Braunschweig  vorüber  in  ihre  Heimat  Meißen  zurückkehren  wollte. 

Am  13.  Oktober  erheß  Karl  IV.  gegen  Herzog  Magnus  die  Reichsacht, 
und  schon  waren  Truppen  ausgerüstet,  um  unter  kaiserlichem  Banner  gegen  den 
Geächteten  vorzurücken.  Schmerzhcher  als  je  mußte  der  Herzog  in  dieser 
Notlage  den  Verlust  Lüneburgs  empfinden.  Wie,  wenn  es  ihm  glückte,  die 
wohl  befestigte  Stadt  im  Versehens  wieder  in  seine  Gewalt  zu  bringen!  Der 
Herzog  von  Sachsen  hatte  sich  entfernt,  vielleicht  war  die  Stadt  wegen  der 
Waffenruhe  ohnehin  weniger  geschützt,  ein  kecker  Gewaltstreich  mochte,  wenn 
überhaupt,  gerade  jetzt  gelingen.  Es  ist  nicht  überUefert,  von  wem  der  Flau, 
Lüneburg  nächtlicher  Weile  zu  überrumpeln,  ausgegangen  ist  Magnus  nahm 
persönlich  an  dem  Abenteuer  nicht  teil.  Daß  aber  die  Vorbereitung  und  Durch- 
führung des  wohlbedachten  Unternehmens  nur  mit  seiner  stillschweigenden  oder 
ausdrücklichen  Billigung  erfolgen  konnte,  unterliegt  keinem  Zweifel.    Der  Bruch 


-^6     8^ 

des  Waff enstiUstandes  ist  nicht  eben  hart  zu  beurteilen.  Die  Lüneburger  Bürger- 
schaft steckte  wegen  der  Niederreißung  des  Michaelisklosters,  das  mit  der 
Herzogsburg  ein  gleiches  Geschick  hatte  teilen  müssen,  im  Kirchenbanne,  und 
diese  Erwägung  hätte  auch  ängstliche  Gewissen  beruhigt 

Es  war  in  der  Nacht  vom  20.  auf  den  21.  Oktober,  am  Kalendertage 
der  Heüigen  Ursula  und  der  Elftausend  Jungfrauen,  als  ein  Korps  von  6  bis  800 
gewappneten  Rittern  und  Knechten  sich  in  der  Niederung  zwischen  Kalkberg 
und  SiÜze,  im  Westen  der  Stadt,  zusammenfand.  Alle  die  Reisigen  waren  Anhänger 
des  Herzogs  Magnus,  viele  aus  den  vornehmsten  Adelsgeschlechtem  des  Landes. 
Die  Stadt  war  durch  Wälle  befestigt,  aber  gerade  in  der  Mitte  zwischen  Kalk- 
berg und  Sülze,  wo  ein  kleiner  Bach,  die  Gumma  genannt,  in  die  Stadt  ein- 
mündet, scheint  der  Wallgürtel,  auch  in  späterer  Zeit  noch,  durch  einen  Ein- 
schnitt unterbrochen  gewesen  zu  sein.  Am  Festungsturm  Fredeke  gelang  es  dem 
Feinde,  Leitern  an  die  Stadtmauer  zu  legen,  und  die  ganze  Schar  kam  über  die 
Befestigung  hinweg  glücklich  in  die  Stadt  hinein.  Der  Cbeifall  war  sehr  behut- 
sam ins  Werk  gesetzt,  dennoch  konnte  er  um  so  weniger  ganz  imbemerkt  bleiben, 
als  die  Lünebinrger  vom  Bischof  von  Minden  gewarnt  waren.  Die  ersten,  die 
sich  dem  Feinde  entgegenstellten,  waren  Mitglieder  des  Rates;  sie  hatten  ver- 
mutlich selber  auf  der  Wacht  gestanden.  An  ihrer  Seite  kämpften  die  wenigen 
Bürger,  die  schnell  genug  herbeieilen  konnten,  und  unmittelbar  da,  wo  die 
„instiginge",  das  Einsteigen,  geschehen  war,  fand  das  erste  heftige  Scharmützel 
statt  Es  fielen  auf  städtischer  Seite  der  Ratmann  Clawes  Garlop,  ein  Sülf- 
meister  und  ein  Bürger.  Ihrer  Übermacht  vertrauend  drangen  die  Ritter  nun- 
mehr in  das  Innere  der  Stadt  vor,  dem  Rathause  entgegen.  Der  Weg  ging  die 
Salzbrückerstraße  hinauf,  durch  die  Techt,  eine  Strecke  auf  der  Altstadt,  dann 
auf  dem  Meere  hinab  bis  an  den  Marienplatz.  Aber  je  lauter  der  Waffenlarm 
erscholl,  lun  so  schneller  verbreitete  sich  die  Schreckenskunde  von  der  Über- 
listung der  Stadt,  um  so  stärker  wurde  die  eiligst  zusammengeraffte  kämpfende 
Bürgerschar.  Der  Feind  konnte  nicht  unaufhaltsam  vorrücken,  vielmehr  kam 
es  an  mehreren  Stellen  des  bezeichneten  Weges  zu  hitzigen  Gefechten.  An  der 
Kapelle  des  Benediktstiftes  wurde  der  Ratmann  Gheverd  van  der  Molen  getötet 
beim  St.  Jürgensblock  auf  der  Altstadt  fielen  ein  SüUmeister  und  zwei  Bürger, 
und  nun  hatten  auch  die  Herzoglichen  ihre  ersten  schweren  Verluste.  Inzwischen 
hatte  sich  ein  Fähnlein  rüstiger  Bürger  imter  dem  Stadthauptmann  Ulrich  von 
Maltitz,  gen.  von  Weißenburg,  auf  dem  Neuenmarkte  geordnet  aufgestellt  und 
warf  sich  den  Anstürmenden  entgegen,  beim  Zusammenstoß  nahe  der  Lieb- 
frauenkirche wiurde  Bürgermeister  Hinrik  van  der  Molen  tötlich  am  Kopfe 
verwundet 

Nun  begann  der  Morgen  zu  grauen  —  die  Nacht  war  sehr  düster  gewesen  — 
und  der  Feind  wurde  auf  dem  Meere  ein  gut  Stück  zurückgedrängt.  Doch  die 
Bürger  hatten  Unglück.  Es  galt,  den  Wachtposten  auf  der  Stadtmauer  eiligst 
einen  Befehl  zu  überbringen,  und  Bürgermeister  Hinrik  Viscule  machte  sich 
persönlich  auf,  den  gefährlichen  Gang  zu  wagen.  Vermutlich  wollte  er  den 
kürzesten  Weg  durch  die  Untere  Ohlingerstraße  nehmen,  er  geriet  jedoch  in  die 
Hände  des  Feindes,  wurde  erkannt  und  erbarmungslos  niedergestochen.    Einem 


-^7     8^ 

erneuten  Vorstoße  des  Gegners  mußte  die  Bürgerschaft  weichen,  der  Tod 
80  vieler  ihrer  angesehensten  Vertreter  mochte  eine  Entmutigimg  hervorrufen; 
als  es  lichter  Tag  wurde,  waren  die  Herzoglichen  siegreich  bis  auf  den  Markt- 
platz gelangt. 

Der  nächste  Akt  des  blutigen  Dramas  ist  in  seinem  Verlaufe  nicht  völlig 
klar.  Am  meisten  Wahrscheinlichkeit  hat  folgende  Überlieferung  für  sich.  Der 
herzogliche  Hauptmann,  Siegfried  von  Saldem,  springt  auf  eine  der  Fischbänke 
und  fordert  die  Bürger  auf,  die  Schlüssel  ziun  Rathaus  und  zu  den  Toren  abzu- 
liefern, um  weiteres  unnützes  Blutvergießen  zu  vermeiden.  Der  Befehlshaber 
der  bürgerlichen  Streitkräfte  stellt  sich,  als  ob  er  bereitwillig  auf  diesen  Vor- 
schlag eingehe  und  die  Mahnung  zum  Frieden  bei  den  Seinen  befürworte.  Man 
laßt  die  Waffen  ruhen  und  Ulrich  von  Weißenbinrg  reitet  zwischen  den  Parteien 
hin  und  her,  anscheinend  eifrig  bemüht,  die  Ergebung  der  Stadt  zu  vermitteln, 
in  Wirklichkeit  nur,  um  Zeit  zu  gewinnen.  Denn  während  die  Ritter  die  Türen 
zum  wohlgefüllten  Weinkeller  der  Stadt  aufbrechen  und  mancher  seinen  Durst 
im  Übermaße  stillt,  ordnen  sich  auf  dem  Sande  die  Bürger  zu  neuem  Kampfe, 
und  es  wird  ein  schlauer  Plan  eingefädelt,  wie  man  mit  Benutzung  der  Straßen- 
züge die  Eindringlinge  am  sichersten  überwältigen  kann.  Als  die  Vorbereitungen 
erledigt,  die  Bürger  zur  Fortsetzung  des  Waffenganges  bereit  sind,  verkündet 
Ulrich  dem  übertölpelten  Feinde:  von  Ergebung  könne  nun  nicht  mehr  die  Rede 
sein,  erst  wolle  man  sich  ordentlich  raufen  —  und  schon  rückt  von  den  Brod- 
bänken herauf  die  städtische  Streitmacht  an.  So  begann  auf  dem  Marktplatze 
ein  neues  Kampfgetümmel.  Der  wackere  Weißenburg  fiel  nach  verzweifelter 
Gegenwehr  als  einer  der  Ersten,  aber  auch  die  Herzoglichen  verloren  mehrere 
ihrer  Führer.  Ob  ihre  Widerstandskraft  wirklich  durch  Trunkenheit  geschwächt 
war,  genug,  daß  die  Bürger  die  Oberhand  bekamen  und  ihre  Widersacher  in  die 
Bäckerstraße  hineindrängten.  Hier  sausten  von  allen  Seiten  Steine  und  sonstige 
Wurfgeschosse  aus  den  Fenstern  hernieder,  denn  auch  die  Frauen  wollten  sich 
in  ihrer  Weise  an  der  Wahrung  der  städtischen  Freiheit  beteiligen. 

Auf  dem  Sande  blieben  die  Feinde  eine  Weile  ungestört.  Sie  kühlten 
ihr  Mütchen,  indem  sie  etliche  Häuser  aufbrachen  und  plünderten,  andere  in 
Brand  steckten.  Da  trat  unversehens  eine  Verwirrung  ein,  vermutlich  weil  die 
Bürger  von  verschiedenen  Seiten  her  ihren  Angriff  wieder  aufnahmen,  und  als 
der  Ruf  erscholl,  das  Rote  Tor  sei  offen,  suchten  die  Herzoglichen  schleunigst 
jenen  Ausweg  zu  erreichen.  Die  Streiter  teilten  sich,  die  einen  entwichen  durch 
die  Rote  Straße,  die  anderen  liefen  die  Hl.  Geiststraße  hinauf.  Diese  wurden  am 
Hl.  Geistkirchhofe  zum  Stehen  gebracht,  und  es  bheben  der  Hauptmann 
Siegfried  von  Saldem  und  sein  Sohn  Johann,  viele  wurden  gefangen.  Erstere 
kamen  nicht  besser  weg.  Das  vermeintlich  offene  Rote  Tor  war  durch  den  Rat 
wohl  verwahrt,  und  die  Geängstigten  nahmen  nun  in  wilder  Flucht  ihren  Weg 
an  der  Stadtmauer  entlang  in  der  Richtung  auf  das  Sülztor  und  den  Platz  der 
Instiginge.  Während  die  verfolgenden  Bürger  den  Fliehenden  hart  auf  der 
Ferse  blieben,  marschierte  von  St.  Lamberti  her  eine  bewaffnete  Menge  heran, 
vom  und  im  Rücken  also  drohte  das  Verderben.  Zum  Überfluß  war  die  fortan 
sogenannte  Ritterstraße   am  oberen  Ende   auf  Anordnung   des  Rates   von   dem 


-^8    8^ 

Sülzvolke  besetzt  und  mit  Wagen  fest  verbarrikadiert  Weitaus  die  meisten  der 
Herzoglichen  fielen  beim  nunmehrigen  Entscheidungskampfe,  der  Bannerherr 
Heiniich  von  Homburg  wurde  gefangen  genommen.  Auch  von  der  Bürgerschaft 
mußte  noch  mancher  den  Tod  für  die  Vaterstadt  sterben,  u.  a.  am  Turme 
„Van  baven"  der  Ratmann  Heinrich  vom  Sande. 

Der  Sieg  gehörte  den  Lüneburgem,  und  nicht  ein  einziger  von  den  Ein- 
gestiegenen soll  entschlüpft  sein.  Im  ganzen  wurden  auf  der  feindlichen  Seite 
54  Tote,  522  Gefangene  gezählt,  Verluste,  denen  gegenüber  die  Zahl  der  gefallenen 
Lüneburger  nicht  allzu  erheblich  war;  immerhin  werden  fünf  Angehörige  adliger 
Geschlechter  genannt,  die  für  die  Dauer  des  Krieges  in  den  Sold  der  Stadt 
getreten  waren,  der  Heldentod  zweier  Bürgermeister  imd  dreier  Ratmannen  wurde 
bereits  erwähnt,  außerdem  starben  nach  einer  im  Stadtarchiv  erhaltenen  gleich- 
zeitigen Liste  22  „gute  Bürger". 

Die  Leichen  der  Herzoglichen  sollen  drei  Tage  lang  unbestattet  geblieben 
sein,  dann  wurden  sie  in  zwei  Massengräbern  an  der  Südseite  des  Johannis- 
kirchturms  beigesetzt  Von  den  Gefangenen  wurden  alle,  die  auf  einer  Liste 
des  Rates  als  Straßenräuber  vermerkt  waren,  auf  dem  Marktplatze  hingerichtet 
Heinrich  von  Homburg  erhielt  im  Februar  1372  seine  Freiheit  zurück,  die  große 
Mehrzahl  der  Gefangenen  erst  beim  Friedensschlüsse  im  Herbst  des  folgenden 
Jahres. 

Wir  haben  die  beiden  großen  Ereignisse  von  1371,  den  Fall  des  Weifen- 
schlosses und  die  stürmischen  Vorgänge  der  Ursulanacht,  an  dieser  Stelle  ein- 
gehender behandelt,  weniger  deshalb,  weil  die  doppelte  Katastrophe  für  den 
Verlauf  des  Erbfolgekrieges  und  die  fernere  Landesgeschichte  von  hoher  Be- 
deutung geworden  ist,  auch  nicht,  weil  der  Ruhm  Lüneburgs  und  die  Kunde 
von  dem  mannhaften  Verhalten  der  Bürgerschaft  sich  weit  über  die  Grenzen 
des  Fürstentums  hinaus  verbreiten  mußte,  vielmehr  in  der  Erwägung,  daß  die 
Kenntnis  der  Waffentaten  jener  Zeit  für  das  Verständnis  einer  ganzen  Gruppe 
von  Kunstdenkmälem  der  Stadt  unerläßlich  ist. 

Der  Opfermut  der  in  der  Ursulanacht  gefallenen  Bürger  verlangte,  daß 
man  ihr  Andenken  späteren  Geschlechtem  in  dankbarer  Ehrung  überlieferte. 
Die  vornehmsten  Toten,  die  beiden  Bürgermeister  und  die  drei  Ratmannen, 
erhielten  daher,  jeder  an  dem  Platze,  wo  er  von  Feindeshand  bezwungen  war, 
einen  würdigen  Denkstein.  Am  Turme  Fredeke  wurde  das  Bildnis  des  Klaus 
Garlop  in  Stein  gehauen  an  der  Stadtmauer  angebracht  Die  Hand  des 
Dajgestellten  trug  eine  zerbrochene  Fahne;  eine  lateinische  Inschrift  bedeutete: 
„Im  Jahre  des  Herrn  1371  ist  an  dieser  Stelle  Herr  Nicolaus  Garlop  getötet: 
seine  Seele  ruhe  in  Frieden!"  Das  obere  Eckhaus  der  Unteren  Ohlingerstraße 
am  Meere  wurde  durch  einen  hohen  Stein  geschmückt,  der  z.  Zt  in  der  Nicolai- 
kirche angebracht  ist  und  das  Bild  eines  in  einer  Nische  knieenden  Mannes 
darstellt  (Fig.  48) ;  darunter  standen  die  Worte,  ebenfalls  lateinisch:  „Im  Jahre  1371  in 
der  Nacht  der  elftausend  Jungfrauen  ist  Heinrich  Viscule  hier  von  den  Feinden 
niedergestoßen.  Jesu,  Sohn  Gottes,  erbarme  Dich  meiner!"  Ein  entsprechendes 
Denkmal  zierte  die  Mauer  des  Langen  Hofes  und  fraglos  auch  die  übrigen  im 
Laufe  der  Darstellung  bezeichneten  Orte.    Die  Wappenschilder   der   gefallenen 


j 


Bürgermeister  und  Ratsherren  wurden  in  der  Hauptkirche  der  Stadt  am  nord- 
östhchen  Pfeiler  des  Chors  angebracht,  in  ihrer  Nähe  die  erbeuteten  Fahnen 
und  andere  Siegeszeichen.  In  der  Verlängerung  der  nördlichen  Seitenschiffe  zu 
St.  Johannis  wurde  eine  große  Kapelle  angebaut  zu  Ehren  der  Hl.  Ursula  imd 
der  elftausend  Jungfrauen,  deren  hülfreicher  Mitwirkung  man  den  Sieg  vom 
21.  Oktober  wesentiich  zuschrieb.  Derselbe  Tag  wurde  zu  einem  Gedenkfeste 
der  Stadt  erhoben.  In  allen  Gotteshäusern  Lüneburgs  sollte  hinfort  alljährlich 
für  die  Gefallenen  gebetet  und  von  den  Predigtstühlen  herab  auf  die  hohe 
Bedeutung  des  Tages  hingewiesen  werden;  reiche  Spenden  flössen  aus  den 
Mitteln  der  Sülfmeister,  der  Kämmereikasse  und  privaten  Stiftungen  zusammen, 
um  am  Ursulatage  zur  Erinnerung  an  die  Rettung  Lüneburgs  unter  die 
Geistlichkeit,  unter  Arme  und  Kjanke  verteilt  zu  werden.  Hauptmomente  der 
stürmischen  Zeit  wurden  im  Bilde  festgehalten.  Das  Lüneburger  Museum  besitzt 
eine  Bilderchronik  des  16.  Jahrhunderts,  welche  die  Ereignisse  von  Herzog 
Wilhelms  Tod  bis  zur  Instiginge  auf  sieben  Folioblättem  farbig  darstellt.  Das 
Kostüm  der  handelnden  Personen,  der  Maßstab,  die  ganze  Auffassung  des  Künstlers 
deutet  auf  ältere  Vorlagen,  und  es  ist  eine  plausible  Vermutung  des  jüngst  ver- 
storbenen Dr.  Graeven,  daß  diese  Vorlagen  in  Wandgemälden  zu  suchen  sind,  die  ehe- 
mals einen  Saal  des  Rathauses  geschmückt  haben.  Von  den  Deckengemälden  der 
Rathauslaube  aus  dem  15.  Jahrhundert  zeigt  das  eine  noch  jetzt,  wie  Herzog  Magnus 
aus  der  Hand  des  Lüneburger  Boten  den  Absagebrief  entgegennimmt.  Eine  in  Holz 
geschnitzte  Figur  an  einem  Giebel  der  Großen  Bäckerstraße  dankt  der  Sage, 
die  den  Kern  der  geschichÜichen  Begebenheiten  bald  mit  einem  reizvollen 
Phantasiegewande  umspann,  ihren  Ursprung;  sie  verewigt  das  Bild  des  tapferen 
Bäckers,  der  in  der  Ursulanacht  22  Feinde  erschlug.  Auf  dem  Johanniskirchhofe, 
wo  die  beiden  schon  erwähnten  Massengräber  gegraben  wurden,  befand  sich 
bis  ins  19.  Jahrhundert  hinein  ein  großer  Leichenstein,  auf  dem  nebeneinander 
22  Striche  eingemeißelt  waren.  Man  hat  die  Zeichen  vielfach  mit  der  Zahl  der 
vom  Bäcker  Erschlagenen  in  Verbindung  gebracht,  wahrscheinlicher  ist  es,  daß 
sie  ein  Denkmal  an  die  22  „guten  Bürger"  bildeten. 

Elindrucksvoller  als  die  geschriebene  Überlieferung  geben  alle  diese  Er- 
innerungszeichen kimd,  daß  die  Bürgerschaft  die  Abwehr  der  herzoglichen 
Tyrannei  als  ihren  Freiheitskrieg  auffaßte  —  der  Kampf  um  die  Erbfolge  des 
Fürstentums  Lüneburg  bedeutet  für  die  Stadtgeschichte  ihre  Heldenzeit. 

Die  Fehde  zwischen  Magnus  und  den  sächsischen  Herzogen  setzte  sich 
nach  dem  mißlimgenen  Überfall  Lüneburgs  fort,  aber  Magnus  gewann  Haupt- 
stadt und  Herrschaft  nicht  zurück.  Er  fiel  im  Treffen  bei  Leveste  von 
der  Hand  eines  Grafen  von  Schauenburg,  der  mit  Lüneburger  Gelde  zu  Albrechts 
Bundesgenossen  gewonnen  war.  Darauf  kam  ein  Ausgleich  zustande,  wonach 
das  Land  abwechselnd  von  den  sachsen-wittenbergischen  und  den  braunschwei- 
gischen  Fürsten  regiert  werden  sollte.  Albrecht  heiratete  die  Witwe  des  Herzogs 
Magnus.  Später  begann  die  Fehde  von  neuem  und  wurde  nimmehr  zugunsten 
der  Weifen  entschieden;  Lüneburg  jedoch  verstand  es  trotz  seiner  Niederlage 
in  der  Schlacht  bei  Winsen  a.  d.  Aller  (1388),  die  mit  Blut  und  Gut  erstrittene 

Selbständigkeit  zu  behaupten  und  zu  festigen. 

2 


->4     10    8^ 

Die  Tage  der  friedlichen  Entwicklung  kamen  freilich  nicht  wieder. 
„Wie  das  Rebhuhn  unter  dem  Habicht",  um  den  Vergleich  eines  Chronisten  zu 
gebrauchen,  so  mußte  die  edle  Stadt  Lüneburg  vor  Herzog  Magnus,  seinen 
Kindern  und  Kindeskindem  auf  der  Hut  sein,  und  der  große  Streit,  den  die 
Stadt  im  fünfzehnten  Jahrhimdert  durchzukämpfen  hatte,  der  sogenannte 
Pralatenkrieg,  ging  in  seinen  Ursachen  bis  auf  die  Anfänge  des  Erbfolge- 
krieges zurück. 

Wir  erinnern  uns,  daß  der  Rat  die  Einziehung  von  Sülzgut  mecklen- 
burgischer Prälaten  verhindert  und  dadurch  den  Zomesausbruch  des  Herzogs 
Magnus  heraufbeschworen  hatte.  So  war  der  nachfolgende  Freiheitskampf  ge- 
wissermaßen eine  Verteidigimg  der  Saline  gewesen,  und  alle  Geldopfer,  die 
fernerhin  für  die  Erweiterung  der  städtischen  Gerechtsame,  zumal  den  Ausbau 
der  Handelsprivilegien,  für  den  Schutz  des  Gemeinwesens  durch  verstärkte  Be- 
festigungsanlagen, für  Geschütze  und  Söldner,  für  Pfandschaften  und  Darlehen 
an  die  Herzöge,  für  die  kostspielige  Teilnahme  an  einem  Hansekriege  und  für 
andere  kriegerische  Verwicklungen  gebracht  werden  mußten,  kamen  mittelbar 
oder  unmittelbar  dem  heimischen  Salzverkehr  zugute.  In  gerechter  Würdigung 
solcher  Sachlage  steuerten  die  Sülzprälaten  —  unter  diesem  Titel  wurden  die 
zahlreichen  geistlichen  Salinbegüterten  zusammengefaßt  —  wiederholt  erhebliche 
Teilsummen  ihres  Reingewinnes  zu  den  Ausgaben  der  Stadt  bei;  das  hinderte 
jedoch  nicht,  daß  Lünebinrgs  Schuldenlast  um  1450  auf  rund  600000  lüb.  Mark,  mehr 
als  2  V2  Millionen  Mark  heutigen  Geldes,  anwuchs.  Der  Rat  sah  aus  diesem  auf 
die  Dauer  unhaltbaren  Zustande  keinen  anderen  Ausweg  als  die  erhöhte  Be- 
steuerung der  Sülzbegüterten,  die  sich  im  Jahre  1445  verpflichten  sollten,  die 
volle  Hälfte  ihrer  Einkünfte,  zunächst  auf  vier  Jahre,  zur  Deckung  der  Stadt- 
schulden abzuführen.  Vielleicht  wäre  auch  diesem  Begehren  willfahrt,  wenn 
nicht  der  Propst  von  Lüne,  Dietrich  Schaper,  der  als  vormaliger  Ratssekretar 
von  Lüneburg  in  dem  Rufe  stand,  mit  den  Angelegenheiten  der  Stadt  wohl 
vertraut  zu  sein,  gegen  die  Forderungen  des  Rates  Stellung  genommen  und. 
durch  ungerechte  Anschuldigungen  die  Mehrzahl  der  Sülzprälaten  auf  seine  Seite 
gebracht  hätte.  Als  der  Rat  nicht  säumte,  gegen  Schaper  und  seine  Anhänger 
vorzugehen,  wurde  der  Propst  nur  um  so  feindseliger,  und  er  verstand  es,  sich  am 
römischen  Hofe  Bundesgenossen  zu  erwerben.  Ein  Prozeßverfahren,  das  von 
dort  aus  gegen  den  Rat  eingeleitet  wurde,  führte  im  Jahre  1452  zur  Verhängimg 
des  Kirchenbanns,  und  die  Gesandtschaften,  welche  die  betroffene  Stadtobrigkeit 
zu  ihrer  Rechtfertigung  und  zur  Berufung  an  den  päpstlichen  Stuhl  ausschickte, 
erfuhren  dort  die  schnödeste  Abweisung.  Nun  griff  auch  der  Rat  zu  einem  Zwangs- 
mittel, indem  er  die  Salingüter  der  unfügsamen  Prälaten  bis  auf  weiteres  einzog  und 
im  übrigen  gegen  die  Entscheidung  des  Papstes  an  ein  künftiges  allgemeines 
Konzil  appellierte.  Da  wurde  im  Herbst  1454  an  vielen  Orten  des  Herzogtums 
und  in  den  benachbarten  Hansestädten  eine  Bulle  Papst  Nicolaus  V.  ange- 
schlagen, die  das  Verhalten  des  Rates  bedingungslos  verurteilte,  den  Bann 
erneuerte  und  der  Lüneburger  Bürgerschaft  aufgab,  innerhalb  30  Tagen  die 
bisherigen  Ratmannen  ihres  Amtes  zu  entsetzen.  Es  fehlte  in  Lüneburg  jener 
Zeit   nicht    an    unzufriedenen    Elementen.      Ein   Teil    der  Ratsmitglieder    war 


-<^     11     8^ 

unbeliebt,  die  erwähnte  Kassation  des  Sülzgutes  wurde  vielfach  mißbilligt,  die 
Einstellung  alles  kirchlichen  Lebens  schreckte  die  Gläubigen,  auch  gab  es  Ehr- 
geizige, die  einen  Sitz  im  Ratsstuhle  oder  gar  eine  Umgestaltung  des  Stadt- 
regiments im  demokratischen  Sinne  erstrebten.  So  kam  es  nach  dem  Beispiel, 
das  Lübeck  einige  Jahrzehnte  zuvor  gegeben  hatte,  zunächst  zur  Bildung  eines 
aus  60  Mitgliedern  bestehenden  Bürgerausschusses,  einige  Wochen  darauf,  am 
23.  November  1454,  zur  Abdankung  des  alten  und  Einsetzung  eines  neuen  Rates. 
Die  persönUche  Freiheit  der  bisherigen  Ratmannen  und  die  Unantastbarkeit 
ihres  Vermögens  wurde  trotz  eidlicher  Versprechungen  nicht  respektiert,  alle 
Abgedankten  mußten  Einlager  halten  und  die  vier  Bürgermeister  in  das  Ge- 
fängnis w^andem;  einer  von  ihnen,  Johannes  Springintgud,  erfuhr  eine  so  schlechte 
Behandlung,  daß  er  nach  vierteljährlicher  Haft  in  dem  nach  ihm  benannten 
Turme  verschied. 

Die  Amtszeit  des  neuen  Rates,  der  sich  in  keiner  Hinsicht  vor  dem  alten 
hervortat,  vielmehr  die  Position  der  Stadt  durch  finanzielle  Zugeständnisse  an 
den  Herzog  und  beständige  Rücksicht  auf  die  Prälaten  noch  mehr  schwächte, 
dauerte  nur  zwei  Jahre.  Dann  war  das  Vertrauen  der  Bürgerschaft  erschöpft. 
Auf  ein  kaiserhches  Mandat  gestützt,  zwang  die  Gemeinde  unter  Mitwirkung 
der  zmneist  interessierten  Hansestädte  den  neuen  Rat,  die  Privilegien  der  Stadt 
und  die  Torschlüssel  herauszugeben,  und  der  alte  Rat  wurde  feierlich  in  sein 
Amt  wieder  eingeführt  Der  Prälatenkrieg  war  damit  noch  nicht  erloschen. 
Zv^ar  gelang  es  dem  Bischof  von  Verden  am  1.  August  1457,  eine  sog.  Sülz- 
konkordie  aufzustellen,  nach  welcher  die  Salingüter  entweder  durch  eine  einmalige 
namhafte  Zahlung  für  alle  Zeiten  von  der  Inanspruchnahme  durch  den  Rat 
befreit  oder  bis  zur  etwaigen  Ablösung  mit  einer  entsprechenden  jährlichen 
Abgabe  belastet  wurden,  aber  es  dauerte  lange  Jahre,  bis  alle  Sülzprälaten  sich 
dieser  Vereinbarung  unterwarfen.  Die  Sache  des  alten  Rates  konnte  erst  als 
gewonnen  gelten,  als  im  Dezember  1462  durch  König  Christian  I.  von  Dänemark 
sowie  die  Bischöfe  von  Lübeck  und  Schwerin  ein  Schiedsspruch  verkündet  wurde, 
der  den  zähe  verfochtenen  Standpunkt  der  Stadtobrigkeit  billigte.  Nun  erst 
wurden  die  Ratmannen  auch  aus  dem  Kirchenbanne,  der  inzwischen  so  oft 
erneuert  und  widerrufen  war,  daß  er  seine  Wirkung  gänzlich  eingebüßt  hatte, 
förmhch  gelöst. 

Lünebiurg  war  auf  der  Höhe  seiner  Entwicklung  angelangt  Unter  dem 
bewährten  Regiment  des  alten  patrizischen  Rates  gewann  die  Stadt,  zumal  in 
den  letzten  Regierungsjahren  des  greisen  Herzogs  Friedrich  (f  1478)  und  in  den 
nächstfolgenden  Jahrzehnten,  als  Heinrich  der  Mittlere  noch  nicht  zum  Manne 
herangereift  war,  eine  solche  Unabhängigkeit,  daß  die  nominell  fortbestehende 
herzogliche  Hoheit  kaum  mehr  in  Betracht  kam. 

Rat  und  Bürgerschaft  leisteten  ihren  fürstlichen  Herrn  erst  dann  die 
Huldigung,  wenn  die  Privilegien  der  Stadt  von  neuem  anerkannt  waren.  Dank 
diesen  Privilegien  besaß  Lüneburg  gegen  eine  jährliche  Abschlagszahlung  Exemtion 
von  den  Landessteuern,  eine  ausgedehnte  Zollfreiheit  im  ganzen  Fürstentum, 
wichtige  Vorrechte  für  den  Salzvertrieb  und  das  einkömmliche  Stapelrecht;  der 
Rat  versah  die  hohe   und   niedere  Gerichtsbarkeit,  sorgte   für   den  Ausbau   des 

2* 


-^     12    8^ 

bedeutsamen  Lüneburger  Stadtrechts,  übte  die  Münzhoheit,  schloß  Bündnisse 
und  Vertrage  mit  auswärtigen  Mächten  und  sicherte  sich  den  Rückhalt  einer 
achtbaren  miUtärischen  Macht,  die  zum  Teil  aus  der  wehrfähigen  Bürgerschaft 
bestand,  ziun  Teil  aus  Söldnern  imter  berufsmäßigen  EaupÜeuten.  Im  Bunde 
der  Hansestädte  nahm  Lüneburg  den  Platz  ein,  den  es  durch  seine  Geschichte, 
seine  Lage,  seine  weit  reichenden  Handelsbeziehimgen  und  seinen  Wohlstand 
verdiente.  Vom  Kalkberge  aus  wai*  die  erste  Eroberung  der  slawischen  Lande 
durch  Hermann  Billung  ausgegangen;  ebendort  hatte  Heinrich  der  Löwe  einen 
Mittelpunkt  seiner  Macht,  als  er  jene  Gebiete  für  alle  Zeiten  dem  Deutschtum 
einfügte  und  damit  die  Vorbedingung  schuf  für  die  Existenz  und  das  Gedeihen 
der  Ostseestädte.  Lüneburg,  mit  der  Elbe  und  Nordsee  durch  eine  schiffbare 
Wasserstraße  von  jeher  unmittelbar  verbunden,  stand  seit  Eröffnung  des  Steknitz- 
kanals  (1395)  in  direkter  Wasserverbindung  auch  mit  Lübeck  imd  der  Ostsee; 
und  als  die  Benutzung  dieser  Straße  allerlei  Unzuträglichkeiten  zeitigte,  waren 
die  Lüneburger  kühn  und  hartnäckig  genug  zur  Anlange  \md  Unterhaltung  der 
Schaalf ahrt,  eines  für  die  Holzzufuhr  der  Saline  unentbehrlichen  Kanals  von  der 
Elbe  bis  in  den  mecklenburgischen  Schaalsee,  imd  an  Lüneburg  lag  es  nicht, 
daß  dieser  Kanal  sein  Endziel  Wismar  niemals  erreichte.  Die  unmittelbaren 
Handelsbeziehungen  zu  dem  Vorort  der  Hanse,  zu  den  anderen  wendischen 
Städten  imd  zu  Hamburg  ergaben  als  natürliche  Folge,  daß  Lüneburg  mit  dieser 
Städtegruppe  beständige  und  nahe  Fühlung  hielt,  die  zumal  in  den  Münzvertragen 
von  großem  praktischen  Wert  war;  andrerseits  sah  sich  die  Stadt  territorial 
mehr  auf  Braunschweig  und  Hannover  angewiesen,  und  auch  dieses  Verhältnis 
wurde  wiederholt  durch  Sonderbündnisse,  unter  Zuziehung  der  anderen  sog. 
„overheideschen''  Städte,  bekräftigt  So  wurde  Lüneburg  das  berufene  Bindeglied 
zwischen  den  wendischen  Seestädten  und  den  sächsischen  Binnenstädten  des 
Hansebundes,  ein  Moment,  das  in  der  Geschichte  der  Hanse  oft  und  deutlich 
hervortritt.  Der  Salzhandel  Lüneburgs  ist  für  die  Betätigung  des  Hansebundes 
von  erheblicher  Bedeutung  gewesen.  Die  Wohlhabenheit  der  Stadt  zeigte  sich 
darin,  daß  Lüneburg  in  gleicher  Höhe  wie  Bremen  und  Braunschweig  zu  den 
Auflagen  des  Bundes  beizusteuern  hatte. 

Der  politischen  und  wirtschaftlichen  Stellung  der  Stadt  nach  Beendigung 
des  Prälatenkrieges  entsprach  die  Regsamkeit  ihres  geistigen  Lebens.  War  das 
Gymnasium  Johanneum  schon  1406  gegründet,  so  plante  man  zwei  Menschen- 
alter  später  die  Errichtung  einer  Universität  in  Lüneburg,  und  am  8.  August 
1471  verlieh  der  Kaiser  Rat  und  Bürgern  in  Anerkennung  ihres  wissenschaft- 
lichen Strebens  die  Gnade,  eine  juristische  Fakultät  zu  begründen  mit  dem  Rechte, 
Promotionen  vorzunehmen.  Leider  schweigen  sich  die  Quellen  darüber  aus,  an 
welcher  K3ippe  das  Unternehmen  in  letzter  Stunde  noch  scheiterte.  Lüneburg 
ist  die  einzige  Stadt  der  Braunschweig-Lüneburgischen  Lande,  die  schon  im 
fünfzehnten  Jahrhundert  eine  Druckerei  in  ihren  Mauern  hatte. 

Im  sechzehnten  Jahrhundert,  als  die  Machtfülle  der  weltlichen  Fürsten 
auch  im  Lande  Lüneburg  erstarkte,  bUeben  schwere  Konflikte  zwischen  den 
Herzögen  imd  ihrer  übermächtigen  Hauptstadt  nicht  aus.  Dank  der  treuen 
Stütze,  die  der  Rat  wie  von  alters  an  der  Bürgerschaft  besaß,  gelang  es  jedoch, 


H>nJ    13    8^ 

wenn  auch  nur  unter  großen  Geldopfem,  die  Privilegien  der  Stadt  nicht  nur 
aufrecht  zu  erhalten,  sondern  durch  die  käufliche  Erwerbung  der  heizoglichen 
Vogtei  (1576)  noch  zu  erweitem.  Eine  vorübergehende  Trübung  des  guten 
Einvernehmens  zwischen  Rat  und  Bürgerschaft  hatte  die  Reformationsbewegung 
im  Gefolge,  die  sich  im  ganzen  doch  ohne  nachhaltige  Störungen,  insbesondere 
ohne  Schwächung  der  eigenartigen  kirchlichen  Selbständigkeit  der  Stadt,  vollzog.  * 
Die  evangelische  Lehre  gelangte  zum  Siege  im  Jahre  1530;  an  der  maßvollen 
Überleitung  der  alten  in  die  neuen  Verhältnisse  gebührt  ein  großes  Verdienst 
Urbanus  Rhegius,  dem  Verfasser  der  Lünebiu:gischen  Kirchenordnung. 

Zweifellos  ist  „das  glänzendste  Jahrhundert  der  Welt"  die  glänzendste 
Periode  auch  in  der  Vergangenheit  Lüneburgs  gewesen.  Aber  der  Boden,  der 
auf  allen  Gebieten  wirtschaftlichen  Lebens  das  üppigste  Wachstum  erzeugte, 
ließ  an  Fruchtbarkeit  doch  schon  bedenklich  nach,  lange  bevor  der  dreißigjährige 
ICrieg  seinen  verheerenden  Gang  antrat.  Während  die  heimische  Fürstengewalt 
inuner  kräftiger  emporstieg,  ging  es  mit  dem  hansischen  Städtebunde  allmählich 
aber  unaufhaltsam  abwärts,  und  schlimmer  als  die  Verschiebung  des  Welthandels 
niachte  sich  der  Umstand  fühlbar,  daß  die  Sülze,  die  Hauptquelle  des  Wohl- 
standes der  Stadt,  infolge  verschärfter  Konkurrenz,  nicht  minder  der  Teuerung 
des  Brennmaterials  und  mancher  anderen  Umstände  nicht  imstande  war,  ihre 
Leistungen  auf  der  alten  Höhe  zu  behaupten.  Wieder  geriet  die  Stadt  in 
Schulden,  die  aus  den  laufenden  Mitteln  nicht  zu  bestreiten  waren,  die  Bürger- 
schaft mußte  mehrfach  mit  außerordentlicher  Beihülfe  einspringen,  und  wieder 
erwachte  eine  Afißstimmung  gegen  das  Ratsregiment,  gegen  dessen  aristokratische 
Zusammensetzung  eben  vor  Ausbruch  des  großen  Krieges  eine  lebhafte  Agitation 
anhub.  Die  nächste  Folge  war  eine  Ei^änzung  des  Rates  durch  fünf  bürgerliche 
Mitglieder  im  Jahre  1619,  und  der  regierende  Herzog  war  bei  der  Neugestaltung 
der  Dinge  mit  seiner  Vermittlung,  die  seinen  Einfluß  nur  stärken  konnte,  gern 
und  gleich  zur  Hand  gewesen. 

Von  den  Schrecknissen  des  dreißigjährigen  Krieges  ist  Lüneburg  nicht 
verschont  geblieben.  Die  Stadt  galt  als  wohl  befestigt,  der  Zufluß  einer  zahl- 
reichen schutzsuchenden  Landbevölkerung  hatte  jedoch  den  Ausbruch  der  Pest 
zur  Folge,  die  in  kaum  drei  Jahren,  von  1625 — 27,  sechs-  bis  achttausend 
Menschen  dahinraffte.  Der  Handel  stockte,  zumal  das  Salz  fand  so  geringen 
Absatz,  daß  von  den  54  Siedehäusem  der  Saline  zeitweise  nur  15  im  Betrieb 
waren;  das  Land  ringsum  wurde  weit  und  breit  verwüstet,  die  Lieferung  von 
Proviant  an  kaiserliche  und  antikaiserliche  Truppen  wollte  nicht  aufhören, 
namhafte  monatliche  Kontributionen  in  bar,  vom  Dezember  1627 — 36  allein 
an  Tilly  118000  Taler,  schwächten  das  Vermögen  der  Bürgerschaft  auf  das 
äußerste.  Als  im  Jahre  1636  Sturm  imd  Plünderung  durch  ein  schwedisches 
Belagerungsheer  mit  34000  Talern  abgekauft  werden  mußten,  reichten  die  vor- 
handenen Barmittel  nicht  mehr  aus;  Gold,  Silber  und  Geschmeide  wurden  ein- 
gesammelt, und  ein  Teil  des  Ratssüberschatzes  für  4500  Taler  nach  Hamburg 
verkauft.  .  Folgenschwerer  jedoch  als  all  dieses  Ungemach  wurde  die  Aufnahme 
einer  schwedischen  Besatzung  am  14.  August  des  letztgenannten  Jahres.  Nach 
allem  was  voraufgegangen  war,  mußte  sie  der  Stadtobrigkeit  als  unabwendbar 


->*8     14    g^ 

erscheinen,  dennoch  gab  sie  den  Anlaß,  daß  die  Mehrheit  der  Bürgerschaft,  die 
wie  schon  bemerkt  dem  gewiß  nicht  mehr  einwandsfreien  patrizischen  Regiment 
unmutig  gegenüberstand,  sich  vom  Rate  lossagte  und  den  Herzog  geradezu  auf- 
forderte, in  die  Angelegenheiten  der  Stadt  abermals  einzugreifen.  Am  7.  September 
1637  kapitulierte  die  schwedische  Besatzung  des  Kalkberges  unter  dem  Obersten 
*  Stammer  vor  den  Truppen  des  Herzogs  Georg,  am  13.  Dezember  desselben  Jahres 
wurde  das  Ratskollegium  nach  einer  Untersuchung  seiner  bisherigen  Tätigkeit 
des  Amtes  enthoben.  Zwar  erfolgte  am  21.  Mai  1639  die  Wiedereinsetzung,  da 
der  Interimsrat,  ganz  wie  im  Prälatenkriege,  es  nicht  vermocht  hatte,  der 
wachsenden  Zerrüttung  des  städtischen  Haushalts  abzuhelfen,  aber  der  Rezeß, 
der  an  jenem  Tage  von  den  beiden  Herzögen  Friedrich  und  Georg  im  Kloster 
Lüne  ausgefertigt  und  von  der  Stadt  anerkannt  wurde,  bedeutete  nichts  weniger 
als  den  endgültigen  Sturz  der  hergebrachten  Stadtverfassung  und  die  Preisgabe 
der  privilegierten  Sonderstellung  Lüneburgs,  der  „angestammten  uralten  Erb- 
und  Landstadt",  wie  sie  von  den  Herzögen  fortan  mit  Recht  genannt  werden 
konnte.  Von  den  neun  Artikeln  des  R^ezesses,  die  sich  sämtlich  mehr  oder  weniger  zu- 
gunsten der  fürstlichen  Landeshoheit  aussprechen,  ist  für  die  Ohnmacht  des  Rates 
am  bezeichnendsten  der  fünfte,  nach  welchem  der  Kalkberg,  da  er  „vorhin  nicht 
gebührlich  verwahret",  der  Stadt,  die  sich  seit  der  Zerstörung  des  Weifenschlosses 
in  seinem  Besitz  behauptet  hatte,  wieder  genommen  wurde  und  in  die  Hand 
der  Herzöge  zurückkehrte,   zu   dem  ausgesprochenen  Zweck,  ihn  zu  befestigen. 

In  der  Tat,  Lüneburg  hat  sich  als  selbständige  politische  Macht  nicht 
ferner  betätigen  können,  die  äußere  Geschichte  der  Stadt  fällt  weiterhin  zusammen 
mit  der  des  Fürstentums.  In  wirtschaftlicher  Beziehung  hatte  das  Gemeinwesen 
am  Ausgang  des  dreißigjährigen  Krieges  keineswegs  den  tiefsten  Stand  erreicht. 
Mit  der  Ausbeute  der  Saline  ging  es,  teils  mit,  teils  ohne  Verschulden  der  Be- 
teiligten, immer  weiter  bergab,  bis  im  Jahre  1799  eine  Umgestaltung  des  gesamten 
veralteten  Betriebes  von  Grund  aus  vorgenommen  wurde.  Lüneburg  behielt  im 
18.  Jahrhundert  und  in  den  ersten  Dezennien  des  neunzehnten  größere  Bedeutung 
nur  als  Stapelplatz  und  durch  ein  ausgebildetes  Speditionswesen.  Eine  der  Haupt- 
handelsstraßen vom  Norden  in  das  innere  Deutschland  führte  über  Lüneburg. 
Die  Waren  erreichten  die  Stadt  auf  dem  Wasserwege,  um  von  hier  aus  auf 
Frachtwagen  weiterbefördert  zu  werden,  und  manch  einträglicher  Gewinn  ergab 
sich  aus  diesem  mehr  oder  weniger  lebhaften  Durchgangsverkehr,  der  in  der  Periode 
zwischen  den  Friedensschlüssen  zu  Basel  und  Luneville,  imoi  die  Wende  des 
18.  Jahrhunderts,  einen  letzten  achtbaren  Aufschwung  nahm.  Das  deutlichste 
Bild  von  dem  Rückgang  des  wirtschaftlichen  Lebens  seit  Beginn  des  dreißig- 
jährigen Krieges  gewähren  die  Bevölkerungsziffern.  Im  Jahre  1620  hatte  Lüne- 
burg nach  Jürgens  14000  Einwohner,  1680  nur  noch  11000;  im  siebenjährigen 
Kriege,  der  der  Stadt  nebst  anderen  Drangsalen  eine  mehrmonatliche  Besetzung 
durch  die  Franzosen  unter  dem  Herzog  von  Richelieu  brachte  (1757),  ging  die 
Zahl  von  9400  auf  8500  zurück,  und  von  den  2148  Wohnhäusern  standen  am 
Ausgange  des  Krieges  243  leer. 

Kaum  begann  die  Einwohnerschaft,  sich  von  den  „hochbeschwerlichen, 
nahrlosen"  Zeiten  etwas  zu  erholen,  als  das  Jahrzehnt  der  französischen  Fremd- 


-*4     15    8^ 

herrschait  die  kargen  Hülfsmittel  der  Stadt  völlig  aussog.  Um  so  jubelnder 
wurde  das  verhaßte  IJoch  abgeschüttelt,  als  die  Preußen  und  Russen  zur  Be- 
freiung herannahten.  In  den  Straßen  Lüneburgs  und  vor  den  Toren  der  Stadt 
erstritten  die  Verbündeten  am  2.  April  1813  ihren  ersten  glorreichen  Sieg. 

In  der  unvergleichlichen  modernen  Entwicklung  der  deutschen  Städte, 
wie  sie  im  letzten  Drittel  des  vorigen  Jahrhunderts  eingesetzt  hat,  ist 
Lüneburg  nicht  zurückgeblieben,  obgleich  seine  Bevölkerung  kein  so  rapides 
Wachstum  aufweist  wie  etwa  im  benachbarten  Harburg.  Die  Einwohnerzahl 
betrug  im  Jahre  1815  rund  11000,  um  1860  war  der  Stand  von  1620  wieder 
erreicht,  1880  fanden  sich  19000  Seelen,  und  am  1.  Dezember  1905  wird  die 
Zahl  26  000  überschritten  sein.  Den  veränderten  Verkehrsverhältnissen  hat 
Lüneburg  sich  sehr  glücklich  angepaßt,  denn  im  großen  Eisenbahnnetz  bildet 
die  Stadt  einen  wichtigen  Knotenpunkt,  wahrend  die  Ilmenau  als  Wasserstraße 
ihren  Wert  behalten  hat  — 

Versuchen  wir,  mit  wenigen  Strichen  auch.die  inneren  Zustände  der  Stadt     innere 
bis  zum  Beginne  ihres  Verfalls  zu  kennzeichnen.  Zustände. 

Die  Einwohnerschaft  war  nach  ihrer  überwiegenden  Mehrheit  von  Haus 
aus  langobardisch-sächsischer  Abkunft,  und  die  heimatliche  Landschaft,  zumal 
das  umliegende  Gebiet  des  Bardengaues,  lieferte  in  erster  Linie  auch  die  Ein- 
wanderer, die  im  13.  und  14.  Jahrhundert  das  Lüneburger  Bürgerrecht  erwarben 
imd  in  der  Stadt  ansässig  wurden.   Der  Kern  der  Bevölkerung,  die  Bürgerschaft, 
gliederte  sich  in  ihren  oberen  Schichten  in  drei  Stände,  die  Sülfmeister,  die  Brauer 
und  die  Kagelbrüder.    Die  Sülfmeister,  d.  h.  die  Eigentümer  oder  die  Besieder 
der  Sülzpfannen,  bildeten  das  Patriziat  der  Stadt  und  vermieden  es,  sich  mit  den 
anderen  Ständen  zu  vermischen.    Noch  zu  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  wurden 
Lüneburg  und  Nürnberg  als  die  einzigen  deutschen  Städte  gerühmt,  in  welchen 
die  „virginitas  patriciae  dignitatis"  sich  ungeschwächt  erhalten  habe.    Die  Sülf- 
meister hatten  einen  entsprechenden  Vorrang  vor  ihren  Mitbürgern  dadurch,  daß 
der  Besitz  von  Sülzgut  oder  die  Besiedung  einer  Sülzpfanne  seit  Anbeginn  der 
Lüneburger  Stadtverfassung  die  Vorbedingung  für  die  Ratsfähigkeit  war.     Die 
Besetzung  der  Ratsstellen,  deren  Zahl  in  der  älteren  Zeit  schwankte,  seit  etwa 
1300  die  24  m'cht  mehr  überstieg,    geschah   durch  Kooptation   auf  Lebenszeit. 
Das  Ratskollegium  mit  vier  Bürgermeistern  an  der  Spitze  war  das  Organ  der 
Stadtgemeinde  für  alle  Zweige  der  Verwaltung,  eingeschlossen  die  Gesetzgebung, 
die  obere  imd  niedere  Rechtssprechung,  die  militärische  Führung  mit  der  Für- 
sorge für  die  Sicherheit  der  Stadt,  die  Vertretung  der  Gemeinde  nach  außen  hin. 
Die  ungemein  vielseitigen  Geschäfte  wurden  in  der  Weise  geführt,  daß  je  zwei 
Ratmannen  für  einen  bestimmten  Zweig   der  Verwaltung   abgeordnet  wurden. 
Beispielsweise  gab  es  im  Jahre  1386  je  zwei  Kämmerer,   Richter,  Weinherren, 
Bierherren,  Vorsteher  für  den  Gästeschoß,  für  den  Marstall,  für  das  Bauamt  und 
das  Ziegelhaus,   für  den  Pram  und  die  Holzhude,    für  die  Hospitäler,  für  die 
Kirchen  von  St.  Johannis  und  St.  Cyriak,  für  die  Weide,  für  das  Badewesen, 
außerdem   je    zwei    Ratmannen    als    Beigeordnete    der    zwölf  Innungen.     Die 
Ämter  wurden    alljährlich    neu  besetzt.      Zwölf  Ratmannen  pflegten   in    den 
Urkunden    aufgeführt     zu    werden,     die     durch     das     Stadtsiegel     beglaubigt 


wurden;*)  es  waren  die  „consules  actu  regeotes",  die  jeweilig  regiereodea  Rat- 
mannen unter  zwei  regierenden  Bürgermeistern,  deren  einer  daa  Wort  fährte. 
Waren  die  Befugnisse  der  Stadtobrigkeit  in  der  ältesten  Periode  durch  den  herzog- 
Uchen  Vogt  beschränkt,  so  kam  die  Amtsgewalt  des  Rates  in  der  Blütezeit  der 
Stadt,  als  im  zielbewußten  Streben  ein  fürstliches  Hoheitsrecht  nach  dem  andereo 
erworben  war,  einer  völlig  unabhängigen  Regierung  gleich.  Aus  der  Reihe  der 
Sülimeister  wurden  naturgemäß  auch  die  höheren  Beamten  der  Saline  gewählt, 
der  oberste  unter  ihnen,  der  Sodmeister,  und  die  mit  polizeilichen  Befugnissen 
ausgestatteten  Barmeister,  insbesondere  Vorsteher  des  Hauses,  in  welchem  die 
Sulzpfannen  gegossen  wurden. 

Ihrer  beherrschenden  Stellung  entsprechend,  genossen  die  Salzjunker 
nach  außen  hin  wie  innerhalb  der  Stadtgemeinde  eines  hohen  Ansehens,  und 
die  Bürgerschaft  schenkte  ihrer  Obrigkeit  volles  Vertrauen.  Wiederholte 
Versuche  der  Fürsten,  gegen  den  Rat  Stimmung  zu  machen,  schlugen  fehl  So 
heißt  es  im  Jahre  1436  in  einem  Antwortschreiben  der  Qilden  und  Einwohner 
an  die  Herzöge  Otto  und  Friedrich:  „Wir  habmi  unsem  ehrhchen  Rat,  der  sich 
um  sotane  Sachen  zu  bekümmern  pQegt  und  uns  gleich  wie  sich  selbst  schützt 
...  So  ist  es  zur  Zeit  unsrer  Vorfahren  gebalten,  und  Lüneburg  hat  dabei 
bislang  mit  Gottes  Hülfe  seinen  Bestand  gehabt"  Ein  gegen  den  Rat  gerichteter 
Beschwerdebrief  Heinrich  des  Mittleren  (1517)  an  die  Werke,  Qilden  und  ganze 
Gemeine  von  Lüneburg  wurde   uneröffnet  dem  Rate  übergeben,   bei  dem  sie, 

*)  Das  Stadtsiegel  wurde  nm  1250  erneuert,  ohne  dafi  wesentliche  Verlnderongei» 
der  Zeichnung  vorgenommen  würen;  wir  sehen  in  beiden  Siegelbildero  und  anch  im  Stadt- 


Flg.  1.   Dai  Blegal  der  8Udt  LDneboTK- 

sekret   ein   dreitUrmiges  Stadttor    mit    dem  Wappenschild    des    FUratentnms  LUnebni^ 
offenen  Torbogen. 


-^  n  %^ 

die  Adressaten,  „als  ihrem  Haupte  in  der  Stadt  mit  Leib  und  Gut  zu  bleiben 
gedächten."  Von  Aufstanden  und  Unruhen,  wie  sie  Braunschweig,  Anklam, 
Stralsimd,  Lübeck  und  andere  Hansestädte  schon  im  14.  Jahrhundert  heim- 
suchten, blieb  Lüneburg  bis  zur  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  ganz  verschont, 
UQd  als  der  Prälatenstreit  mit  der  Niederlage  der  Aufrührer  endete,  saßen  die 
Patrizier  fester  im  Sattel  als  je  zuvor.  Der  Einfluß  der  Sülfmeister  wurde 
erhöht  durch  ihren  Reichtum.  Der  Anteil  an  der  Ausbeute  der  Saline  vererbte 
sich  von  Geschlecht  zu  Geschlecht  imd  sicherte  dem  Inhaber  eine  feste  Ein- 
nahme, die  bedeutend  war,  so  lange  die  wertvollen  Handelsprivilegien  der  Stadt 
Gültigkeit  behielten.  Eine  Ansprache,  die  einer  der  hervorragendsten  Lüneburger 
Burgermeister,  Nikolaus  Stoketo,  im  Jahre  1484  an  den  herzogUchen  Kanzler 
und  seine  Rate  richtete,  gibt  davon  Zeugnis.  Der  Bürgermeister  weist  stolz 
darauf  hin,  daß  hierzulande  die  Städte  ein  gut  Teil  kraftvoller  seien  als 
etwa  im  inneren  Deutschland;  durch  Gottes  Gnade  gäbe  es  in  Lüneburg  über 
30  namhafte  Bürger,  deren  jeder  eines  Grafen  Gut  besitze;  damit  lasse  sich  zur 
Not  schon  etwas  ausrichten.  Daß  die  alten  Ratsgeschlechter,  wenn  das  Wohl 
oder  Wehe  der  Stadt  es  erheischte,  sich  unbedenklich  zu  schweren  persönlichen 
Opfern  bereit  fanden  und  durchweg  ausgezeichnet  waren  durch  einen  hohen 
gemeinnützigen  Sinn,  ließe  sich  durch  zahlreiche  Beispiele  bis  in  die  Zeit  der 
deutschen  Freiheitskriege  hinein  belegen.  —  Es  erscheint  nur  natürUch,  daß,  wo  so- 
viel Wohlhabenheit  herrschte,  auch  die  Pflege  der  Kunst  tatkräftige  Förderung 
fand.  Der  weitberühmte  Lüneburger  Ratssilberschatz  besteht  in  der  Hauptsache 
aus  Geschenken,  welche  die  Stadt  von  ihren  Patriziern  erhalten  hat,  imd  wir 
wissen,  daß  es  imter  den  Lüneburger  Goldschmieden  nicht  an  Meistern  fehlte, 
die  imstande  waren,  derartige  Aufträge  mit  vollendeter  Kunst  auszuführen.  Die 
Wappenschilder  der  ehemaligen  Ratsfamilien  begegnen  in  den  Straßen  der 
Stadt  vielerorts  noch  heute,  und  das  Äußere  und  Innere  ihrer  Wohnhäuser  läßt 
noch  jetzt  erkennen,  wie  feinsinnig  sie  sich  auf  das  Leben  und  leben  lassen 
verstanden  haben.  Die  Söhne  dieser  Häuser  erhielten  nsich  dem  Besuch  der 
lateinischen  Schule  und  der  Universität  den  Abschluß  ihrer  Erziehung  auf 
großen  Auslandsreisen,  der  beste  Schutz  der  künftigen  Machthaber  gegen  jede 
Kirchturmspohtik.  Die  Sülfmeister  hielten  sich  dem  Adel  gleich  und  vsrurden 
als  EdeUeute  anerkannt;  Eheschließungen  mit  den  altadeUgen  Geschlechtern 
des  Landes  waren  nichts  Seltenes.  Ein  kaiserliches  Adelsdiplom  holten  erst  die 
jüngeren  Familien  ein,  ziuneist  im  17.  Jahrhundert.  Rittermäßig  war  auch  das 
äußere  Auftreten  der  Salzjunker.  Sie  übten  sich  in  Waffendienst  und  Turnieren, 
und  niemand  vnnrde  in  den  Kreis  der  Sülfmeister  aufgenommen,  der  nicht  zuvor 
die  Kope  geführt  hatte.  Der  Tag  der  Kopefahrt  in  der  Fastnachtszeit  war  das 
vornehmste  Belustigungsfest  der  Stadt.  In  langem  Festzuge  mit  Musikanten, 
Spaßmachern,  allegorischen  Gestalten  und  allerhand  Mummenschanz  ritten  die 
prächtig  gekleideten  Sülfmeister  durch  die  Straßen,  in  ihrer  Mitte  der  neue 
Sülfmeister  auf  einem  feurigen  Hengst,  der  vor  ein  mit  Steinen  gefülltes  Faß, 
die  sog.  Kope,  gespannt  war  imd  offenbar  nur  durch  einen  gewiegten  Reiter  im 
Zaum  gehalten  werden  konnte.  Auf  einem  freien  Platze  der  Saline  war  ein 
mächtiger  Holzstoß  errichtet;  hier  wurde  das  Faß  unter  dem  Jubel  des  Sülz- 

3 


-^    18    H- 

Volkes  verbrannt,  dann  begaben  sich  die  Herren  als  Gäste  ihres  jungen  Genossen 
zum  üppigen  Einführungsmahl.  Die  letzte  Kopefahrt,  in  einem  gleichzeitigen 
Aquarell  des  Lüneburger  Museums  dargestellt,  hat  im  Jahre  1629  stattgefunden. 

Viele  der  alten  Ratsgeschlechter  sind  schon  im  15.  Jahrhundert  im 
Mannesstamme  ausgestorben,  die  Hoyer,  Dicke,  Abbenborg,  Grabow,  Springintgud, 
Sodmester,  Hout,  von  Braunschweig,  von  Erpensen,  von  Sankenstede;  andere 
folgten  im  16.,  zumal  um  die  Mitte  des  Jahrhunderts,  nach,  als  wollten  sie  den 
Niedergang  der  Stadt  nicht  mehr  erleben:  die  ScheUepeper,  Lange,  Viscule, 
Gaxlop,  van  der  Molen;  im  17.  Jahrhundert  erloschen  die  Familien  Schomaker, 
Düsterhop,  Semmelbecker,  im  19.  Jahrhundert  die  Töbing  und  Stöterogge,  und 
bis  zur  Gegenwart  haben  sich  von  den  ehemaligen  Patrizierfamilien  nur  erhalten 
die  von  Brömbse,  von  Dassel,  von  Döring,  von  Laffert  und  von  Witzendorff. 
Anzeichen  des  Verfalls,  Verschwendung,  Übermut  imd  Ausschweifungen,  be- 
gannen erst  gegen  Ausgang  des  16.  Jahrhunderts  unter  den  Sülzjimkem  sich 
breit  zu  machen,  wie  es  zu  gehen  pflegt,  gerade  dann,  als  die  Vermögensver- 
hältnisse mit  den  überspannten  Lebensansprüchen  nicht  mehr  Schritt  hielten. 
Es  war  der  Anfang  vom  Ende,  aber  auch  dieses  noch  ist  bezeichnend  dafür, 
was  der  Patrizierstand  für  Lüneburg  geleistet  hat:  mit  dem  Sturz  des  aristokra- 
tischeUiRegiments  war  auch  die  Freiheit  und  Selbständigkeit  der  Stadt  unwieder- 
bringlich dahin. 

Im  Vergleich  zu  den  Sülfmeistern  hatten  die  Brauer  und  Kagelbrüder 
nur  geringe  Bedeutung.  In  wichtigen  Angelegenheiten,  zumal  bei  den  außer- 
ordentUchen  Geldbewilligungen,  konnte  der  Rat  nicht  umhin,  die  Bürgerschaft 
um  ihre  Meinung  zu  befragen,  und  wiederholt  kam  es  zur  Bildimg  von  mehr 
oder  weniger  langlebigen  Bürgerausschüssen.  Wir  haben  Grund  anzunehmen, 
daß  solche  Ausschüsse  sich  vorzugsweise  und  seit  dem  ausgehenden  16.  Jalir- 
hundert  wohl  ausschließlich  zusammensetzten  aus  Mitgliedern  des  w^ohlhabenden 
Brauerkollegiums  und  aus  Kagelbrüdem  —  diese  so  genannt  nach  ihrer  Kapnze, 
ihres  Zeichens  Kaufleute  im  weiteren  Sinne.  Sprecher  der  Bürgerschaft  war  um 
1580  der  Chronist  Jürgen  Hammenstede,  der  Ältermann  der  Brauergilde. 

Merkwürdig  genug  hatten  die  übrigen  Güden  und  Zünfte  in  Lüneburg 
keinerlei  Anspruch  auf  Teilnahme  an  der  Stadtverwaltung,  bis  sie  durch  den 
Rezeß  von  1639  als  vierter  Stand  anerkannt  wurden  und  nunmehr  ihre  Vei^ 
treter  zur  Mitberatung  wichtiger  städtischer  Angelegenheiten  abordneten.  Es  wäie 
sehr  verfehlt,  daraus  den  Schluß  zu  ziehen,  daß  Handwerk  und  Gewerbe  im 
mittelalterlichen  Lüneburg  geringere  Bedeutung  gehabt  hätten  als  in  Städten 
mit  demokratischer  Verfassung.  Eher  ist  das  Gegenteil  der  Fall.  Die  Be- 
tätigung der  Berufsgenossenschaften  war  auf  ihrem  eigensten  Gebiete  vielleicht 
mn  so  wirksamer,  je  weniger  sie  durch  poUtische  Ränke  gestört  wurde.  Wie 
Lüneburgs  Zunfturkunden  in  ihrer  reichen  Mannigfaltigkeit  beweisen,  war  das 
Zunftwesen  daselbst  vom  13.  bis  ins  17.  Jahrhundert  außerordentlich  entwickelt.*) 
Als   die    ersten    hatten   sich    die    Krämer,    Hoken,    Bäcker,    Pelzer,    Schuster, 


*)  Vcrgl.  Bodemaniiy  Die  älteren  Zunfturkunden  der  Stadt  Lüneburg  (Quellen  und 
Darstellungen  zur  Geschichte  Niedersachsens,  Band  I),  Hannover  1883. 


->^     19    8^ 

Knochenhauer,  Gerber,  Schmiede,  Kannengießer,  Weber  und  Schröder  zu  einer 

Innung  zusammengeschlossen;    hinzu    kamen   die   Goldschmiede,    die   Riemen- 

Schneider   und  Beutler,   die  Tischler,   die  Maler  und   die  Glaser.    Letztere   drei 

Gewerke  waren  lange  Zeit  in  einer  gemeinsamen  Innung  vereinigt,  1524  trennten 

sich  von  den  |Tischlem  oder  Kuntormakem    die   Maler  und  Glaser,  und  diese 

wiederum  lösten  ihren  Bund  im  Jahre  1595.    Nur  die  Mitglieder  einer  Innung 

hatten  das  Recht,  Waren  zur  Schau  auszulegen.   Zu  Ämtern  oder  Gilden  waren 

außer  den  Brauern  und  Kagelbrüdem  die  Bader,  Gewandschneider,  Garbrater, 

Böttcher,  die  Schiffer  (Böter-  und  Eichenschiffer,  Enterlöper   und  Haberführer), 

Barbiere,    Seiler,    Hutmacher,    Zimmerleute,    Maurer,     Rotgießer,    endlich     die 

Stell-  imd  Rademacher   zusammengetreten.    Mit    den    gewerblichen  Interessen 

waren  die  religiösen  Bedürfnisse   eng  verknüpft.    Alle  diese  Genossenschaften 

hatten  bis  zur   Reformation   ihren   Schutzheiligen   und    zu   dessen    Verehrung 

einen    eigenen    Altar,    wenn    nicht    eine    besondere    Kapelle    in    einer    der 

Stadtkirchen. 

Von  den  rein  geistlichen  Brüderschaften  war  die  vornehmste  imd  reichste 
der  Kaland,  der  regelmäßige  Andachtsübungen  in  der  Johanniskirche  abhielt, 
daneben  aber  eine  rege  Geselligkeit  im  nahen  Kalandshause  pflegte.  Der  Kaland  läßt 
sich  bis  ins  13.  Jahrhundert  zurück  verfolgen,  seine  Auflösung  geschah  1532. 

Die  Stadtobrigkeit,  kraft  ihres  Bestätigungs-  und  Aufsichtsrechtes  jeder- 
zeit befugt,  in  die  Wirksamkeit  der  einzelnen  Korporationen  einzugreifen, 
verstand  es,  eine  Harmonie  herzustellen  zwischen  genossenschaftlicher  Freiheit 
und  staatlicher  Einheit.  In  wirtschaftlicher  Beziehung  ließ  sich  der  Rat  eben- 
sosehr die  Sorge  für  die  Lebensfähigkeit  der  Produzenten  angelegen  sein  wie 
das  Wohl  der  Käufer  und  Konsumenten.  Charakteristisch  in  letzterer  Hinsicht 
sind  die  Artikel  der  ZunfferoUen  über  die  Meisterprüfungen,  wovon  einige  Bei- 
spiele hier  am  Platze  sind.  Wer  (seit  1400)  in  das  Werk  der  Goldschmiede 
Aufnahme  finden  wollte,  mußte  drei  Meisterstücke  unter  Aufsicht  anfertigen, 
1)  einen  durchbrochenen  goldenen  Pingerring  mit  Drachenköpfen,  2)  ein  Paar 
eingelegte  („amlegerte")  Dolchringe  mit  Schwibbogen  und  Tierchen  darin,  3)  eine 
eingelegte  Verlobungsspange  mit  eingegrabener  Schrift.  Auch  vom  Maler  wurden 
drei  Meisterstücke  verlangt  (1595):  erstiich  eine  hölzerne  Schüssel  aus  geputztem 
Golde,  zum  anderen  eine  in  Ölfarbe  auf  eine  Tafel  gemalte  „histori",  fünf  Quartir 
hoch  und  eine  Elle  breit,  zum  dritten  eine  Landschaft  von  Wasserfarben, 
anderthalb  Ellen  breit  und  eine  Elle  hoch.  Ein  angehender  Maurermeister  wurde 
von  den  Bauherren  geprüft;  er  mußte  mit  dem  nötigsten  Hülfspersonal  persönlich 
einen  neuen  Giebel  aufführen,  ein  Kellergewölbe  ziehen,  eine  Kammer  auf- 
mauem  oder  etliche  Gewölbe  schließen  (1570).  Wer  sich  als  Tischler  (snitker) 
selbständig  machen  wollte,  hatte  im  Hause  des  Ältermannes  aus  eigenem  Holze 
ebenfalls  drei  „Stücke  Werkes"  herzustellen,  nämlich  ein  viertüriges  Schapp  mit 
doppelten  Fugen,  in  der  Mitte  eine  auf  beiden  Seiten  gefaßte  Klappe  für  Schenk- 
geschirr („schenkeschyve"),  ein  durchgezogenes  Gesims  („dorgetagen  wyntberch'') 
mit  Distellaub  beschnitzt  und  eine  mit  Füßen  versehene  Truhe  (1498).  Was 
an  solchen  Arbeiten  erhalten  ist,   zeugt  am  besten  von  der  hohen  technischen 

Ausbildung  der  alten  Lüneburger  Innungsmeister. 

3* 


-^    20    H- 

Wichtig  für  die  Unabhängigkeit  und  Sicherheit  der  Stadt  war  die  Pflicht 
der  Zünfte,  für  die  Verteidigung  der  Wälle  und  Mauern  und  erforderlichenfalls 
für  den  Schutz  der  Straßen  einzutreten. 

Das  Büd,  das  wir  uns  von  der  Einwohnerschaft  der  vorreformatorischen 
Städte  zu  machen  haben,  gewinnt  seine  eigenartige  Färbung  durch  das  starke 
Kontingent  der  Geistlichkeit,  deren  Vertreter  nicht  zu  den  Bürgern  gehörteiL 
Ihre  Zahl  war  auch  in  Lüneburg  recht  erheblich.  An  den  Kirchen  und  KapeUen 
neben  dem  Hauptgeistlichen  die  große  Schar  der  Vikare  und  Benefiziaten,  dazu 
an  Ordensgeistlichen  die  Benediktiner  von  Sankt  Michaelis,  die  Barfüßer  des 
Liebfrauenklosters  und  die  Prämonstratenser  vom  Kloster  Heiligental.  Die  Be- 
deutung der  Ritterfamilien,  die  gleichfalls  außerhalb  der  Bürgerschaft  standen, 
trat  nach  der  Zerstörung  des  Kalkbergschlosses  stark  zurück;  lebhaftere  Be- 
ziehungen des  Landadels  zur  Stadt  ergaben  sich  erst  nach  Umwandlung  des 
Michaelisklosters  in  eine  Ritterakademie  (1655).  — 
Denkmäler.  Nichts  ist  geeignet,  die  einzelnen  Epochen  in  der  Entwicklung  Lüneburgs 

besser  zu  illustrieren  als  die  im  nachfolgenden  versuchte  Geschichte  der  hervor- 
ragendsten Baudenkmäler  der  Stadt. 

Der  ersten  großen  Blütezeit,  dem  14.  Jahrhundert,  entstammt  das  Gottes- 
haus von  St.  Johannis  mit  seinem  weit  über  die  Heide  hinwegschauenden  Turm. 
Die  Kirche  schHeßt  den  größten  Platz  der  Stadt,  den  Sand,  im  Osten  ab  und 
ist  bis  auf  den  heutigen  Tag  der  beredteste  Ausdruck  für  den  Bürgerstolz  und  die 
Kraft  der  Generation,  die  in  der  Straßenschlacht  von  1371  für  die  Freiheit  der 
Vaterstadt  ihr  Blut  vergoß.  Hinter  St.  Johannis,  als  der  Hauptpfarrkirche,  war 
die  Bedeutung  der  ältesten  Pfarrkirche  St.  Cyriak  am  Fuße  des  KaJkberges  schon 
vor  Ausbruch  des  Erbfolgekrieges  so  sehr  zurückgetreten,  daß  ihre  Preisgabe 
nach  der  Zerstörung  der  Herzogsburg  offenbar  kein  sonderliches  Opfer  darstellte. 
Längst  hatte  sich  das  Schwergewicht  Lüneburgs  nach  der  Ilmenau  verschoben. 
In  der  Nähe  des  Neumarktes  wurde  in  der  ersten  Hälfte  des  15.  Jahr- 
hunderts die  Nicolaikirche  erbaut,  auch  sie  nach  einem  höchst  imposanten  Bau- 
plan, der  freilich  niemals  auch  nur  annähernd  zur  Ausführung  gelangt  ist  Die 
Vorwehen  des  Prälatenkrieges  mußten  sich  für  das  Fortschreiten  des  Baues  um 
so  hemmender  fühlbar  machen,  als  in  eben  jener  Zeit  auch  das  Michaeliskloster 
samt  der  zugehörigen  Kirche  unter  opferwilliger  Mitwirkung  der  Bürgerschaft 
von  Grund  aus  neu  erstand.  Von  der  Eigenart  Lüneburgs  als  der  Salzstadt  und 
der  beherrschenden  Stellung  des  Salzwerkes  in  ihrem  Wirtschaftsleben  zeugte  die 
Lambertikirche,  die  zur  Saline  in  den  engsten  Beziehungen  stand  und  deren 
Turm  im  15.  Jahrhundert  in  gleicher  Höhe  wie  der  von  St  Johannis 
emporragte. 

Sehen  wir  von  den  Kapellen  ab,  so  sind  andere  städtische  Gotteshäuser 
fernerhin  nicht  entstanden.  Da^  erklärt  sich  zimi  Teil  durch  die  ungewöhnliche 
Ausdehnung  der  Johanniskirche,  zum  Teil  gewiß  auch  dadurch,  daß  der  Pralaten- 
krieg  eben  gegen  die  Geistlichkeit  bis  hinauf  zum  Papst  durchgefochten  werden 
mußte.  Als  der  Sieg  endlich  errungen  war,  säumte  man  nicht,  dem  Bürgermeister 
Springintgud  zu  St.  Johannis  ein  ehrenreiches  Begräbnis  zu  sichern  und  über 
seiner  Ruhestatt  eüie  prunkvolle  Kapelle  zu  errichten,  aber  der  Monumentalbau^ 


-^    21     8^ 

der  diese  Periode  städtischen  Aufschwungs  recht  eigentlich  zum  Ausdruck  bringt, 
ist  nicht  eine  Kirche,  sondern  ein  Profanbau,  das  Rathaus  der  Stadt.  In  der 
Ratslaube  mit  dem  kleinen  Archivgewölbe  und  der  Alten  Kanzlei,  in  der  Kör- 
kammer, dem  Furstensaal,  im  Kämmereigiebel  und  auch  im  Büchsen-  oder 
Glockenhause  sind  uns  die  Denkmäler  der  Zeit  von  etwa  1460 — 1500  überliefert, 
und  welche  Pergamenturkunde  wüßte  uns  so  anschaulich  den  Geist  und  das 
hohe  künstlerische  Vermögen  des  damals  blühenden  Geschlechtes  vor  Augen 
zu  führen! 

Die  zweite  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  hat  den  Renaissancemittelbau 
des  Rathauses  mit  der  Großen  Ratsstube  Gerd  Suttmeiers  und  Meister 
Alberts  von  Soest  nebst  den  allegorischen  Gemälden  Daniel  Frese's  geschaffen, 
und  wie  haben  Auftraggeber  und  Künstler  es  verstanden,  auch  in  diesem  einzigen 
Räume  ihrem  Wohlvermögen,  ihrem  vollendeten  technischen  Können,  ihrem  feinen 
Kunstgeschmack  ein  bleibendes  Denkmal  zu  setzen! 

Die  letzte  bauliche  Leistung  der  Stadt  vor  dem  großen  Kriege  war  die 
Wiederherstellung  der  gotischen  Rathausfassade  mit  ihren  „fünf  Türmen",  d.  h. 
einem  mittleren  Glockenturm  und  je  zwei  seithchen  Fialen,  wie  alte  Lüneburger 
Stadtansichten  sie  uns  vorführen.  Naich  hundert  Jahren  bedurfte  die  Fassade 
einer  abermaUgen  Emeuenmg,  die  nach  VoUendung  des  benachbarten,  von 
Georg  Wilhelm  für  die  Herzogin  Eleonore  d'Olbreuse  erbauten  Schlosses  in  An- 
griff genommen  und  in  den  Formen,  wie  sie  imganzen  bis  heute  erhalten  sind, 
im  Jalire  1720  fertiggestellt  wurde.  Gegen  die  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  ist 
das  Kaufhaus  entstanden,  da  es  sich  als  notwendig  erwies,  für  den  zunehmenden 
Durchgangsverkehr  weitere  Lagerräume  zu  schaffen,  als  das  alte  Kaufhaus  sie 
bieten  konnte;  für  die  Zeit  bis  zur  Vollendung  des  Baues  sollte  das  einstöckige 
Außenkaufhaus  südlich  der  Warburg  dienen.  Zu  anderen  Neubauten  fehlte 
den  beiden  Jahrhunderten  des  Niederganges  das  Bedürfnis,  mangelten  noch  mehr 
die  Mittel.  Nicht  einmal  daß  man  die  von  den  Vätern  ererbten  Bauwerke  vor 
dem  Verderben  schützen  konnte.  Im  Jahre  1801  wurde  die  Kirche  des  Prämon- 
stratenserklosters  Heiligental  auf  Abbruch  verkauft,  1818  die  zum  ehemahgen 
Franziskanerkloster  gehörige  Marienkirche  niedergelegt;  im  Jahre  1839  ver- 
schleuderte man  die  wertvolle  Rüstkammer  als  altes  Eisen,  1860  verkaufte  der 
Magistrat  die  Lambertikirche  ebenfalls  auf  Abbruch,  und  das  nämliche  Schicksal 
drohte  fast  imabwendbar  auch  der  Nicolaikirche.  Der  letzte  beklagenswerte 
Schritt  auf  dieser  Bahn  war  die  Veräußerung  des  bis  dahin  durch  alle  Fährnisse 
glücklich  geretteten  Ratssilberschatzes,  dem  keine  andere  Stadt  des  deutschen 
Vaterlandes  Gleichwertiges  an  die  Seite  zu  setzen  hatte.  Nach  einem  ein- 
heUigen  Ratsbeschlusse  vom  5.  November  1476  sollte  keines  der  zur  Ehre  der 
Stadt  dem  Rate  geschenkten  Kleinodien  von  Silberwerk  jemals  wieder  ver- 
äußert, verschenkt  oder  weggegeben  werden,  vielmehr  sollten  alle  Stücke  zu 
ewigen  Zeiten  auf  dem  Rathause  bleiben,  es  wäre  denn,  daß  der  Rat  imd  die 
Stadt  durch  die  äußerste  Not  gezwungen  würde,  sie  anzugreifen.  Zweifellos 
würde  dieser  Beschluß  auch  nach  vier  Jahrhunderten  noch  respektiert  sein, 
wenn  man  ihn  maßgebenden  Orts  gekannt  hätte.  Bedauerlicherweise  war  mit 
den  Bauwerken  der  Stadt  auch  das  Stadtarchiv  in  Verwahrlosimg  geraten  und 


-^    22    8^ 

niemand  war  da,  der  als  Hüter  der  axchivalischen  Schätze  jenen  Ratsbeschluß 
seiner  Vergessenheit  entziehen  und  ihn  für  die  Erhaltung  auch  des  Silberschatzes 
hätte  geltend  machen  können.  Der  im  Jahre  1850  durch  das  Verdienst 
W.  F.  Volgers  gegründete  Altertumsverein  hatte  nach  kurzer  lobenswerter  Wirk- 
samkeit sein  Arbeitsfeld  brach  liegen  lassen,  als  sein  Gründer  die  lange  be- 
wahrte geistige  Spannkraft  unter  der  Last  des  Alters  allmählich  doch  einbüßte, 
und  der  Museumsverein  für  das  Fürstentum  Lüneburg  konstituierte  sich  erst  am 
4.  Februar  1878,  vier  Jahre  nachdem  die  Ratskleinodien  in  das  Berliner  Museum 
für  Kunst  imd  Gewerbe  überführt  waren. 

Kein  so  vollständiges  Bild  des  Auf-  und  Absteigens  der  Stadtgeschichte  ge- 
währen Lüneburgs  Privatbauten.  Nur  wenige  Bürgerhäuser  mit  rein  gotischer 
Fafisade  sind  erhalten,  imd  eines  der  ältesten  imter  ihnen,  Am  Sande  53,  ist  streng 
genommen  als  städtisches  Gebäude  zu  bezeichnen,  da  es  ursprünglich  als  einer 
der  drei  von  Ratswegen  verpachteten  Hamburger  Bierkeller  diente.  Die  an- 
sehnlichsten Privatbauten  Lüneburgs  entstammen  dem  zweiten  und  dritten 
Viertel  des  16.  Jahrhunderts,  und  das  ist  ebenso  bezeichnend  wie  die  Tatsache, 
daß  auch  in  der  Folgezeit,  bis  in  den  dreißigjährigen  Krieg  hinein,  und  wiederum 
in  der  Zeit  von  etwa  1740  bis  1800  noch  manches  ansehnliche  Bürgerhaus 
entstanden  ist.  Wir  ersehen  daraus  die  Bestätigung  dafür,  daß  der  Wohlstand 
Lüneburgs  seine  höchste  Blüte  im  16.  Jahrhundert  erreichte,  seitdem  be- 
trächtlich abnahm,  aber  nach  einem  Aufschwung  im  18.  Jahrhimdert  erst  unter 
dem  Druck  der  Fremdherrschaft  ganz  dahinschwand. 

Seit  Gründung  des  Museumsvereins  ist  auch  in  der  an  Kunstaltertümem 
immer  noch  reichen  Heidestadt  für  die  Denkmalpflege  viel  geschehen.  Davon 
zeugt  das  im  Jahre  1891  eröffnete  Museumsgebäude  mit  den  reichen  Sammlungen 
des  Museumsvereins,  dem  im  Januar  1904  unter  dem  Vorsitz  des  Oberbürger- 
meisters ein  zweiter  Verein  an  die  Seite  getreten  ist,  mit  der  besonderen  Auf- 
gabe, die  Baudenkmäler  der  Stadt  zu  schützen.  Nach  Wiederbesetzung  der  seit 
dem  Tode  des  verdienten  Lüneburger  Geschichtsforschers  Johann  Heinrich 
Büttner  (1746)  nicht  mehr  fachmännisch  versehenen  Stelle  eines  Stadtarchivars 
ist  1899  auf  dem  Boden  des  ältesten  Gebäudes  der  Rathausgruppe,  unter 
Schonung  des  ältesten  Mauerwerkes  der  Stadt,  ein  neues  Archivgebäude  errichtet 
Es  birgt  neben  etwa  20000  Originalurkunden  und  einem  beträchtlichen  Bestand 
an  Akten,  Stadtbüchem  imd  kostbaren  Handschriften,  u.  a.  die  Münzstempel 
der  Stadt,  die  Siegelstempel  der  Innungen  und,  was  hier  zumeist  interessiert, 
eine  bemerkenswerte  Fülle  von  Zeichnungen  imd  Plänen  zu  baulichen  und 
anderen  Kunstwerken  aus  Lüneburgs  Vergangenheit.  Manch  neuen  zuverlässigen 
Anhaltspimkt  hat  das  Archiv  zu  den  nachfolgenden  geschichtlichen  Einführungen 
gegeben,  aber  zu  reich  fließt  der  Born,  als  daß  wir  erwarten  dürften,  ihn  ganz 
erschöpft  zu  haben.  Jedes  Jahr  der  fortschreitenden  Ordnungsarbeiten  wird 
ergänzenden  Aufschluß  bringen  —  das  sei  vorweg  gesagt,  ehe  wir  das  zusammen- 
fassen, was  die  Forschung  zurzeit  mitteilen  kann. 


I.  Kirchen,  Kapellen  und 

Stiftungen. 


Die  Michaeliskirche. 


Quellen:  Chronicon  Sancti  Michaelis  Luneburgensis  ed.  Weiland,  Monumenta 
Germaniae,  Scriptores  XXm.  391 — 99 ;  Chronicon  Lnneburgicum  vemacula  Saxonum  inferiornm 
dialecto  ed.  Leibniz,  SS.  Brunsvicensia  illu^tr.  ni.  172  ff. ;  de  fnndatione  qvaniDdam  Saxoniae 
ecclesiarnm  (ib.  I.  260  f.);  Necrologium  monasterii  Sancti  Michaelis  ed.  Wedekind,  Noten  zu 
einigen  Geschichtschreibern  des  deutschen  Mittelalters  lEL  1  ff.  (vergl.  daselbst  I.  403  ff., 
n.  267  ff.) ;  Johannis  Buschii  libri  IV.  de  reformatione  monasteriomm  complurium  per  Saxo- 
niam  (Leibniz,  1.  c.  in.  852  ff.) ;  LUneburger  Urkundenbuch,  herausgegeben  von  W.  y.  Hoden- 
berg, 7.  Abt,  Urkundenbuch  des  Klosters  St.  Michaelis  zu  Lüneburg  (bis  1500);  Gebhardi, 
Collectanea  (Kön.  Bibl.  zu  Hannover)  Bd.  I,  V,  VI  u.  a.;  Sudendorf,  Urkundenbuch  zur 
Geschichte  der  Herzöge  von  Braunschweig  und  Lüneburg,  10  Bände,  1859  ff. 

Literatur:  Bertram,  Das  evangelische  Lüneburg  oder  Kirchen-Historie  der  Stadt 
Lüneburg  (1719);  Gebbardi,  J.  L.  L.,  Dissertatio  secularis  de  re  literaria  coenobii 
S.  Michaelis  (1755) ;  Gebhardi,  L.  A.,  Kurze  Geschichte  des  Klosters  St  Michaelis  in  Lüneburg 
(verfaßt  1771,  veröffentlicht  1857);  Manecke,  U.  F.  C,  Kurze  Beschreibung  ...  §  3  bzw. 
Topographisch-historische  Beschreibungen  S.  8  ff.  (daselbst  in  den  Anmerkungen  ausführlicher 
Nachweis  über  die  ältere  Literatur);  Wedekind,  Noten  I.  224  ff.,  U.  60  ff.,  286  ff.,  326  ff.); 
V.  Weyhe-Eimke,  Die  Achte  des  Klosters  St  Michaelis  zu  Lüneburg  (1862);  Volger,  Die 
Kirchen  in  Lüneburg  (Lüneburger  Johannisblatt  1857  bzw.  Lün.  Blätter  S.  115  ff.) ;  Wrede, 
Einführung  der  Reformation  im  Lüneburgischen  (1887)  S.  146  ff.;  Mithoff,  Kunstdenkmale 
und  Altertümer  im  Hannoverschen  (1871),  IV.  157  ff.;  Görges,  Die  Schulen  des  Michaelis- 
klosters in  Lüneburg,  I.  Die  Ritterakademie,  U.  Die  Michaelisschule  (Jahresberichte  des 
Johanneums  zu  Lüneburg  1901  u.  2);  Hosmann,  Sigismund,  Fürtreffliches  Denck-Mahl  der 
Göttlichen  Regierung,  bewiesen  an  der  .  .  .  GtUdenen  Tafel  ...  (5.  Aufl.  1718);  Graeven, 
Die  drei  ältesten  Handschriften  im  Michaeliskloster  zu  Lüneburg  (Zeitschrift  des  Historischen 
Vereins  für  Niedersachsen  1901,  S.  276  ff.);  derselbe,  Heinrichs  des  Löwen  siebenarmige 
Leuchter  (ib.  1902,  S.  449  ff.).  

Die  Geschichte  der  aus  einer  Klosteranlage  hervorgegangenen  Michaelis-  Geschichte, 
kirche  läßt  sich  von  der  vielbewegten  Geschichte  dieses  Klosters  nicht  trennen. 

Um  950  entstanden,  ist  das  Michaeliskloster  eine  Gründung  Hermann 
Billungs  und  seines  Bruders  Amelung,  Bischofs  von  Verden.     Es  lag  auf  dem 


->^    24    «-- 

Kalkberge,  unterhalb  der  herzoglichen  Burg,  mit  dieser  durch  eine  besondere 
Befestigung  geschützt.  Nach  alter  Überlieferung  ist  der  Stiftung  des  Michaelis- 
klosters eine  ähnliche  Stiftung  voraufgegangen,  denn  schon  der  Ludolfinger 
Otto,  Vater  König  Heinrich  I.,  soll  im  Jahre  906,  gemeinsam  mit  Bischof 
Wikbert  von  Verden  aus  Wittekinds  Stamm,  „auf  dem  Berge  von  Lüneburg" 
ein  Kloster  für  Wühelmiten,  sog.  „witte  papen"  des  Augustinerordens,  errichtet 
haben. 

Hermann  Billung  sicherte  der  jungen  Gründung  die  wertvolle  Gönnerschaft 
des  sächsischen  Königs-  imd  Kaiserhauses.  Die  älteste  Urkimde  mit  dem 
Namen  Lüneburg  enthält  eine  Schenkung  Otto  L  für  das  zu  Ehren  des  Heiligen 
Michael  erbaute  Kloster:  die  dort  dem  Herrn  dienenden  Kleriker  erlangen  zum 
Seelenheil  des  Königs  und  der  Königin  freie  Verfügung  über  den  Lüneburger 
Salzzoll  (956).  Wenige  Jahre  später  (959  April  9)  zog  der  König  das  gesamte 
Eigengut  eines  aufsässigen  Großen  ein  —  Höfe,  Häuser,  Hörige,  Land  und 
Äcker,  Wiesen  und  Weiden,  Wald  und  Gewässer  —  und  schenkte  alles  „dem 
Heiligen  Michael  und  seiner  in  Lüneburg  erbauten  Kirche^',  welch  letztere  in 
ihrer  Urgestalt  damals  also  schon  bestanden  haben  muß.  Zwei  andere 
Schenkungsurkunden  Ottos  sind  aus  seiner  Kaiserzeit,  beide  vom  1.  Oktober  965 
und  bis  auf  den  entscheidenden  Satz  fast  wörtlich  gleichlautend.  In  der  einen 
gewährt  der  Herrscher  „den  Brüdern  in  Lüneburg,  die  Gott  und  dem  Heiligen 
Michael  dienen",  den  fünften  Teil  des  Marktzolls  daselbst,  in  der  anderen  den 
zehnten  Teil  seiner  Zollerträge  aus  Münze  und  allen  anderen  Nutzungen  in 
Bardewik.  Endlich  verfügte  Otto  (967),  daß  auch  die  Hälfte  vom  Nachlaß  de« 
Grafen  Wichmann,  eines  Neffen  Hermann  Billungs,  dem  Kloster  in  Lüneburg 
zufallen  solle. 

Als  Erbauer  des  Klosters  wollte  Herzog  Hermann  auch  darin  begraben 
werden.  Es  geschah  nach  Überfühnmg  seiner  Leiche  aus  Quedlinburg  „in 
medio  monasterio",  richtig  verstanden  „mitten  in  der  Klosterkirche",  wo  er 
mitsamt  seüier  Gemahlin  HUdegard  ehrenvoll  beigesetzt  wurde.  Seinem  Beispiele 
sind  sämtliche  Nachfolger  billungschen  Stamms  und  mit  wenigen  Ausnahmen 
auch  die  Lüneburger  Herzöge  aus  weifischem  imd  sächsischem  Geschlecht 
gefolgt,  St.  Michaelis  zu  Lüneburg  wurde  für  ein  halbes  Jahrtausend  das 
Mausoleum  des  regierenden  Herzogshauses. 

Was  Hermann  Billung  begonnen,  baute  sein  Sohn  Benno  (973 — 1011) 
mit  gleichem  Eifer  aus,  nicht  aber  ist  die  Ansicht  stichhaltig,  daß  Er  erst  das 
Michaehskloster  begründet  habe.  Diese  Ansicht  stützt  sich  vomehmUch  auf  die 
dem  Vorstehenden  in  keiner  Weise  widersprechende  Erzählung  des  Chronisten, 
daß  Herzog  Bernhard  es  war,  der  aus  dem  Panthaleonskloster  in  Köln  a.  Rh. 
einen  frommen  Mann  mit  Namen  Lüder  als  Abt  berief  und  damit  die  Ordens- 
regel des  Hl.  Benedikt  zur  Einführung  brachte.  Herzog  Bennos  Beisetzung 
erfolgte  in  der  Krypta  vor  dem  Marienaltar,  neben  ihm  ruhte  sein  Bruder,  Graf 
Lüder.  Bernhard  IL  (t  1059)  fand  vor  dem  Kreuzaltar  seine  letzte  Ruhestätte; 
mitten  in  der  Klosterkirche  wurde  Herzog  Ordulf  (f  1071)  mit  seiner  Gemahlin 
Wulfhilt,  einer  Tochter  Olav  des  Heiligen  von  Norwegen,  beigesetzt,  und  auch 
der  letzte   männliche  Sproß  billungischen  Geschlechts,  Magnus  (f  1106),  nebst 


-«-8    25    8^ 

seiner  Witwe,  Sophie  von  Ungarn.  Einige  der  lateinischen  Grab-  und  Denk- 
inschriften, insbesondere  die  auf  Herzog  Hermann  und  seine  beiden  Sohne,  sind 
uns  im  Wortlaut  überliefert*) 

Merkwürdig  spät  erst  soll  die  Einweihimg  der  Klosterkirche  geschehen 
sein,  nämlich  mehr  als  hundert  Jahre  nach  erfolgter  Stiftung.  Man  wird  jedoch 
annehmen  müssen,  daß  uns  der  Weiheakt  nur  für  ein  jüngeres,  vermutUch 
erweitertes  Gotteshaus  überliefert  worden  ist,  das  an  Stelle  eines  älteren  erbaut 
wurde;  erscheint  es  doch  wenig  glaubhaft,  daß  die  Weihe  deshalb  so  lange 
versagt  geblieben  sei,  weil  Hermann  Bülung  im  Kirchenbanne  gestorben  war. 
Die  ünterkirche,  die  am  12.  März  1048,  zur  Amtszeit  des  Abtes  Albuin,  eingeweiht 
wurde,  sollte  zu  Ehren  der  Dreifaltigkeit  und  des  Heihgen  Kreuzes  dienen; 
außer  dem  Hochaltar  für  die  Jungfrau  Maria  wird  ein  Gregor-  und  Ambrosius- 
altar  an  der  Südseite,  ein  Gecilienaltar  an  der  Nordseite  erwähnt.  Nach 
acht  Sommern,  am  1.  Oktober  1055,  vollzog  Bischof  Sigibert  von  Verden  die 
Weihe  der  oberen  Kirche,  wieder  zu  Ehren  der  Dreifaltigkeit,  des  heiligen  Kreuzes 
imd  der  Jungfrau  Maria,  Namenspatron  aber  und  Schirmherr  des  Hochaltars 
blieb  der  Erzengel  Michael,  der  „Fürst  der  himmlischen  Heerschar",  dem  die 
Apostel  Petrus  und  Paulus  und  der  erste  Märtyrer,  Sankt  Stephanus,  als  Patrone 
des  Altars  rechts  vom  Hochaltar  bzw.  des  Nordaltars  zur  Seite  gestellt  wurden. 
Im  Verein  mit  der  BiQungischen  Herzogsburg  hielt  das  Kloster  die  östliche 
Grenzwacht  für  das  Deutschtum  und  Christentum,  da  war  gewiß  nicht  ohne 
tiefere  Bedeutung  derjenige  zimi  obersten  Schutzheiligen  gewählt,  dessen  Bild 
den  Kriegern  derzeit  als  Siegesbanner  vorangetragen  wurde.  Ein  vierter  oben 
schon  erwähnter  Altar  wurde  zu  Ehren  des  heiligen  Kreuzes  und  des 
EvangeUsten  Johannes  geweiht. 

Hören  wir  von  den  Königen  fränkischen  Stammes  nicht,  daß  sie  für  das 
Benediktinerkloster  in  Lüneburg  irgend  ein  Interesse  gezeigt  hätten,  so  erfreute 
sich  die  Billungerstiftung  der  besonderen  Gunst  Kaiser  Lothars  von  Supphnburg. 
Als  dieser  im  Mai  1134  mit  Tochter  und  Schwiegersohn  in  Lüneburg  weilte, 
besuchte  er  auch  den  Abt  Anno  und  bestätigte  die  Verleihung  vom  zehnten  Teil 
des  Markt-  und  Münzzolls  zu  Bardewik.  Beim  nächstjährigen  Besuche  gewährte 
er  dem  Abt,  der  seinen  Herrscher  bald  darauf  nach  Italien  begleitete,  bedeutsame 
Vergünstigungen,  um  dadurch  „mannigfaltigen  Nöten"  der  Lüneburger  Kirche 
abzuhelfen.  Zahlreiche  Abteilehen  waren  in  die  Hände  von  Freien  gelangt;  der 
Kaiser  gab  sie  dem  Kloster  zurück  mit  der  Anheimgabe,  daß  künftig  kein  Abt 
irgend  ein  Benefizium  an  einen  Nichtministerialen  verleihen  dürfe  (Bestätigung 
Otto  des  Kindes  1225).  Die  Pflichten  und  Ansprüche  des  Klostervogts  wurden 
genau  umgrenzt;  er  hatte  dreimal  jährlich  zu  Gericht  zu  sitzen,  und  unter  keinen 
Umständen  sollte  ein  Untervogt  ihn  vertreten,  wohl  aber  wurde  er  angewiesen, 
auf  Wunsch  des  Abtes  einen  genehmen  Sendboten  zu  ernennen,  um  nach  An- 
ordnung des  Prälaten  der  Familia  des  Klosters  Recht  zu  verschaffen.  Kloster- 
leute soUten  weder  mit  Einquartierung  noch  mit  Auflagen,  Beden  oder  Gespann- 
dienst belastet  werden,  die  Ministerialen  des  Klosters,  deren  Schar  sich  aus  den 


*)  Wedekind,  Noten  lU,  107  ff. 


->^    26    8^ 

angesehensten  Geschlechtem  von  Stadt  und  Land  zusammensetzte,  desselben 
freien  Rechts  genießen,  wie  des  Kaisers  eigene  Ministerialen. 

Verursachte  die  Elroberung  Lüneburgs  durch  Albrecht  den  Bäxen  dem 
Kloster  keine  nennenswerte  Einbuße,  so  konnte  es  nicht  ausbleiben,  daß  die 
große  Zeit  Heinrich  des  Löwen  der  frommen  Stiftung  auf  dem  Kalkberge  manchen 
Gewinn  brachte.  Von  den  Äbten  jener  Periode  finden  wir  namentlich  Marquard 
(1158—70)  sehr  häufig  in  der  Umgebung  des  Herzogs,  auch  wenn  dieser  nicht,  wie 
er  es  damals  mit  Vorliebe  tat,  in  Lüneburg  Hof  hielt.  Abt  Bertold  nahm  an 
der  Pilgerfahrt  Heinrichs  nach  Palästina  teil  und  fand  unterwegs  seinen  Tod. 
Auf  Geschenke  des  Herzogs  werden  wir  noch  zurückkommen.  Die  Bestätigung 
des  Markt-  und  Münzzolls  von  Bardewik,  die  der  Herzog  vom  Kaiser  Friedrich 
erwirkte  (1172),  verlor  mit  der  Zerstörung  der  alten  Handelsstadt  (1189)  unerwartet 
schnell  ihre  Bedeutung,  ein  Verlust,  der  sich  doppelt  fühlbar  machte,  weil  die 
Bestätigung  statt  eines  Zehntels  der  Zollerträge  ein  Fünftel  überwiesen  hatte. 
Auf  ein  Aufblühen  des  Klosters  deutet  die  Erbauimg  einer  Kapelle  nahe  der 
Herzogsburg,  die  am  13.  Dezember  1157  durch  den  Verdener  Bischof,  ebenfalls 
zu  Ehren  der  Hl.  Dreifaltigkeit  und  der  Jimgfrau  Maria,  unter  dem  Namen 
Jacobikapelle  geweiht  wurde,  jedoch  der  besonderen  Verehrung  des  Ordensstifters, 
des  Hl.  Benedikt,  vorbehalten  war.  Ein  Hospital  zum  Hl.  Benedikt  soll  schon 
drei  Jahrzehnte  früher  gestiftet  sein,  imd  es  ist  zu  vermuten,  daß  die  Kapelle 
mit  dem  Hospital  verbunden  wurde.  Auch  die  Gründung  des  Klosters  der  Bene- 
diktinerinnen in  Lüne  erheischt  an  dieser  Stelle  eine  Erwähnimg,  da  sie  von 
einem  Mönch  des  Michaelisklosters  ausging  und  von  den  Äbten,  zumal  den  beiden 
letztgenannten,  tatkräftig  gefördert  wurde.  Die  Lüner  Pröpste  wurden  bis 
zum  Jahre  1270  dem  Mönchskonvent  von  St.  Michaelis  entnommen,  ein  Aus- 
druck der  Abhängigkeit,  in  welcher  das  Nonnenkloster  ein  Jahrhundert  hindurch 
verharrte.  In  jene  Periode  gehört  auch  die  Weihe  eines  Apostelaltars,  der  auf 
persönliches  Verwenden  Herzog  Heinrichs  errichtet  und  am  20.  Juni  1179  geweiht 
wurde,  endlich  die  am  nächsten  Tage  folgende  Einweihung  einer  vom  Kloster 
abhängigen  Marien-  und  Johanniskapelle  auf  dem  Kalkberge,  wohl  einer  Burg- 
kapelle, über  die  sonstige  Nachrichten  nicht  vorliegen. 

Von  den  Söhnen  Heinrich  des  Löwen  erhielt  Wilhelm  das  Allodium 
Lüneburg,  und  das  enge  Verhältnis  des  Fürstenhauses  zum  Schloß  und  Kloster 
auf  dem  Kalkberge,  das  durch  des  Vaters  lange  Abwesenheit  und  seine  Bei- 
setzung im  Dom  zu  Braimschweig  gelockert  zu  werden  drohte,  war  damit  wieder- 
hergestellt Durch  Wilhelms  Vermittlung  erneuerte  Papst  Innocens  IIL  dem  Abte 
von  St.  Michaelis  die  Befugnis,  Gewänder  für  den  Gottesdienst  einzusegnen  und 
an  hohen  Festtagen  eine  Bischofsmütze,  die  Infula,  zu  tragen  (1205),  ein  Vorrecht, 
das  die  Lüneburger  Äbte  schon  früher  besessen  aber  durch  die  Mißgunst  einer 
ungenannten  regierenden  Frau  verloren  h^^tten.  Wilhelms  Begräbnis  erfolgte 
nach  altem  Brauch  mitten  in  der  Klosterkirche  (1213).  Deren  romanische  Gestalt 
bewährte  sich  nicht  als  sonderlich  lebenskräftig.  Wie  die  Schenkung  einer  Salzrent« 
durch  Herzog  Johann  (f  1277)  und  die  Ablaßbriefe  zahlreicher  Erzbischöfe 
und  Bischöfe  von  1280/86  bekunden,  waren  die  Klostergebäude  damals  schon 
in   hohem  Maße  emeuerungsbedürftig.    Die  Herstellung,  mehr  ein  Neubau  von 


-^    27    8^ 

Grund  aus,  wurde  unter  den  Auspizien  Herzog  Otto  des  Strengen  und  seiner  Gemahlin 
Mechtild  von  Bayern  in  Angriff  genommen,  wie  der  Chronist  sagt  „nicht  ohne 
große  Anstrengungen  und  Ausgaben  des  Abtes  und  seiner  Mönche,  mit  den 
frommen  Gaben  von  Rittern  und  Knappen  und  anderen  guten  Menschen'^  Um 
den  Bau  in  den  gewünschten  Verhältnissen  diu:chführen  zu  können,  wurde  im 
Jahre  1301  durch  eine  Ablaßverheißung  des  Bischofs  von  Ratzeburg  noch  einmal 
die  öffentliche  Mildtätigkeit  aufgerufen  und  Bonifaz  VIII.  inkorporierte  dem 
Kloster  zur  Erhöhung  seiner  Einkünfte  die  Pfarrkirchen  zu  Bergen,  Dahlenburg, 
Gerdau,  Hittbergen,  Nahrendorf  und  Veersen  (1302). 

Im  Oktober  1303  war  die  Krypta  („sive  capella")  unter  dem  Chore  so  weit 
gediehen,  daß  sie  eingeweiht  werden  konnte.  Sie  enthielt  drei  Altäre  und  wurde 
der  Jungfrau  Maria  gewidmet;  der  Mittelaltar  umschloß  die  heiligsten  Reliquien 
des  Klosters,  unter  anderem  Haar  und  Stücke  vom  Gewand  Maria;  der  zweite 
und  dritte  Altar  .gehörte  allen  heiligen  Jungfrauen  bzw.  allen  Bischöfen  imd 
Bekennern.  Die  Weihe  der  Oberkirche  begann  am  18.  September  1305  und 
nahm  drei  Tage  in  Anspruch.  Am  ersten  wurde  das  Kirchengebäude  und  der 
Hochaltar  geweiht,  zu  Ehren  des  Hl.  Michael,  an  den  beiden  nächsten  Tagen 
die  übrigen  acht  Altäre.  Das  Fest  der  Kirchweihe  büeb  auch  fernerhin  dem 
Remigiustage  (Oktober  1)  vorbehalten,  an  welchem  das  alte  Kloster  im  Jahre  1055 
seine  Weihe  empfangen  hatte;  seither  hatte  sich  die  kirchliche  Feier  mit  dem 
großen  Lüneburger  Michaelismarkte  zu  fest  verknüpft,  als  daß  man  auf  die 
Vorteile  einer  solchen  Verbindung  hätte  verzichten  mögen. 

Die  neue  Michaeliskirche  sollte  gar  nur  zwei  Menschenalter  den  Kalk- 
bei^  zieren.  Der  kriegerische  Ausbruch  des  in  der  Einleitung  dargelegten  Erb- 
folgestreites führte  nicht  nur  zur  Beseitigung  der  herzoglichen  Burg  (1371  Februar  1), 
sondern  auch  zur  Abtragung  des  Benediktinerklosters,  war  doch  die  hochgelegene 
Klosterkirche  zu  einer  offenkimdigen  Gefahr  für  die  Sicherheit  der  Stadt  dadurch 
geworden,  daß  Herzog  Magnus  sich  nicht  scheute,  den  Giebel  des  Gotteshauses 
zu  durchbrechen,  ihn  mit  Erkern  zu  versehen  und  diese  durch  Geschütze  und 
Armbrüste  für  den  Angriff  herzurichten.  Wurde  aber  das  Herzogsschloß  als 
Zwingburg  nach  Kriegsrecht  zerstört,  so  erfolgte  die  Entfernung  des  Klosters 
zweifellos  weniger  gewaltsam.  Schon  wochenlang  vor  der  Einnahme  des  Kalk- 
berges bestand  auf  selten  der  Bürgerschaft  der  Plan,  den  Mönchen  von  der 
Burg  im  Innern  der  Stadt  einen  Bauplatz  für  ein  neues  Münster  anzuweisen, 
und  ob  nun  der  derzeitige  Abt,  Johann  von  Schlepegrell,  sich  mit  der  Verlegung 
des  Klosters  sogleich  aussöhnte  oder  nicht,  gewiß  ist,  daß  ihm  Zeit  genug 
gelassen  wurde,  wertvolle  Mobilien  und  den  gesamten  Klosterschatz  in  Sicher- 
heit zu  bringen.  Eine  Glocke  vom  Jahre  1325,  die  Meister  Olricus  gegossen 
hatte,  ein  hervorragendes  Stück  mittelalterlichen  Erzgusses,  wurde  herunter- 
genommen imd  später  im  neuen  Kirchturm  wieder  aufgehängt;  das  Taufgefäß 
desselben  Meisters  wurde  ebenfalls  gerettet,*)  auch  wird  ausdrücklich  berichtet, 
daß  die  Kleinodien  des  Klosters,  zumal  die  Reliquien  in  ihren  kostbaren  Behältern 
und   andere  für  den  Gottesdienst  gebrauchte  Prunkstücke,   femer  die  Rechts- 


*)  Mithoff  gibt  8,  165  nach  Gebhardi  eine  Abbildung  nnd  Beschreibung  der  Döpe. 

4* 


■^    28    H- 

Urkunden,  Privilegien,  Briefe,  Bücher  und  sonstige  Wertobjekte  in  gute  Obhut 
genommen  wurden.  Schwerlich  hätte  man  es  auch  gewagt,  den  Frieden  der 
Fürstengruft  durch  rohe  Gewalttat  zu  stören.  Die  fürstlichen  Gebeine  wurden 
mit  großem  Kirchengepränge  in  feierücher  Prozession  in  die  nahe  Gyriakskirche 
überführt,  um  dort  bis  zur  Vollendung  der  neuen  Michaeliskirche  ihren  Platz  zu 
behalten,  und  der  Zeitpunkt,  an  welchem  die  Überführung  von  statten  ging,  ist 
vielsagend  genug:  es  war  um  Mitte  Juni,  ja  erst  am  Laurentiustage,  dem 
10.  August,  soll  die  letzte  Messe  auf  dem  Kalkberge  gelesen  sein  —  die  Ab- 
tragung der  Bauhchkeiten  hatte  also  Monate  gedauert,  und  die  Nachricht,  daß 
das  Kloster  am  1.  Februar  zugleich  mit  der  Burg  demoliert  worden  sei,  ist 
unhaltbar. 

Immerhin  mußten  sich  Abt  imd  Konvent  mehrere  Jahre  hindurch  ohne 
ein  eigenes  Heim  behelfen.  Sie  fanden  Unterkunft  im  verwandten  Ordenskloster 
zu  Lüne  und  in  Lüneburger  Bürgerhäusern.  Erst  am  25.  November  1373  hatte 
sich  der  Sturm  des  Krieges  soweit  beruhigt,  daß  die  Herzöge  Albrecht  und 
Wenzel  von  Sachsen- Lüneburg,  im  Namen  auch  der  Braunschweiger  Herzöge 
Friedrich  und  Bernhard,  und  wie  sich  versteht  im  vollen  Einvernehmen  mit  Rat 
und  Bürgerschaft  von  Lüneburg,  die  förmliche  Übertragung  eines  neuen  Bau- 
geländes vornehmen  konnten.  Der  neue  Bauplatz  hieß  „die  hohle  Eiche"  (de 
hole  Eek)  und  lag  innerhalb  der  neuen  Stadtmauern  unweit  der  alten  Bloster- 
siedelung  östlich  am  Fuße  des  Kalkberges;  er  wurde  dem  Benediktinerkonvent 
abgaben-  und  lastenfrei  unwiderruflich  ausgeantwortet,  und  seitens  der  Herzöge 
wurde  eine  Bausumme  von  100  Mark  reinen  Silbers  hinzugefügt;  zugleich  erhielt 
das  Kloster  alle  den  Herzögen  als  Patronen  der  Gyriakskirche  gebUebenen  Rechte 
als  Ersatz  für  die  verlorene  Schloßgemeinde. 

Mit  der  Beschwichtigung  kirchlicher  Bedenken,  vielleicht  auch  mit  dem 
Entwurf  der  Baupläne  und  Beschaffung  des  Baumaterials  vergingen  abermals 
mehrere  Jahre;  erst  am  14.  Juli  1376  vollzog  Bischof  Heinrich  von  Verden  die 
feierUche  Grundsteinlegung.  Drei  Jahre  später  war  die  Kxypta  vollendet,  die 
man  mit  ihren  drei  Altären  dem  Muster  der  alten  Kluft  nachbildete.  Von  der 
größeren  Krypta  wird  schon  1394  eine  kleinere  unter  der  Sakristei  gelegene 
Krypta  mit  einem  Marienaltar  unterschieden,  bald  auch  eine  Abtskapelle  imter 
dem  Hochaltar  (1412);  ihre  Entstehung  ist  w^ohl  dem  Bedürfnis  nach  mehreren 
Sakristeien  zuzuschreiben,  da  die  Kluft  bis  zur  Fertigstellung  der  oberen  Kirche 
von  den  Mönchen  als  eigentliches  Gotteshaus  benutzt  wurde.  Der  Einzug  in 
die  Klostergebäude  geschah  im  Sommer  1388.  Von  der  oberen  Kirche  wurde 
zunächst  die  vordere,  nach  Osten  liegende  Hälfte  in  Angriff  genommen  und 
deren  Einweihung  mit  dem  Hochaltar  und  einem  Marienaltar  auf  dem  Chor 
am  10.  August  1390  ausgeführt.  Das  offizielle  Kirch  weihfest  behielt  seine 
Verbindung  mit  dem  Michaelismarkte,  es  soUte  tauch  fernerhin  zw^ar  nicht  am 
1.  Oktober,  wohl  aber  am  ersten  Sonntage  nach  Michaelis,  also  einem  annähernd 
gleichen  Termine,  begangen  werden  (Erlaß  des  Verdener  Bischofs  von  1408 
September  13).  Nach  einer  Pause  von  19  Jahren  erst  wiu'de  der  Bau  fortgesetzt 
und  nun  in  einem  Dezennium  zu  Ende  gebracht;  am  Tage  der  Oberführung  des 
Hl.   Benedikt,   am    11.   Juli   1418,    stand    das   Gotteshaus   bis   auf  den   Turm 


->^    29    8^ 

vollendet  da.  In  den  nächsten  hundert  Jahren  wurde  die  Kirche  durch  zahl- 
reiche Kapellen  mit  neuen  Altären  mannigfach  ausgestaltet,  in  welcher  Weise, 
darüber  gibt  der  6.  Band  der  Gebhardischen  Sammlungen  manchen,  hier  zu 
weit  führenden  Aufschluß.  Über  die  Leitung  und  technische  Ausführung  des 
Baues  liegen  nur  dürftige  Angaben  vor.  Am  12.  März  1379  nahm  der  Kloster- 
konvent einen  gewissen  Hinrik  Bremer  als  Maurermeister  an,*)  der  seine  Be- 
zahlung vom  „Baumeister^'  des  Klosters  empfing,  einem  der  Kapitularen. 
L.  A.  Gebhardi  weiß  mitzuteilen,  daß  der  Lüneburger  Rat  (1376)  die  Bau- 
ausführung übernommen,  zwei  Ratmannen,  Henrich  Sothmeister  und  Brand 
von  Zerstede,  zu  Aufsehern  ernannt  und  zur  Herstellung  der  Steine  den  Ziegelhof 
vor  dem  Altenbrücker  Tore  angelegt  habe,  Nachrichten,  die  nicht  genügend 
verbürgt  und  an  sich  unwahrscheinlich  sind.  Es  gibt  urkundliche  Belege  dafür, 
daß  das  Einvernehmen  zwischen  dem  Klosterkonvent  und  dem  Rate  in  den 
nächsten  Jahrzehnten  nach  Wegräumung  des  alten  Klosters  keineswegs  ungestört 
war,  die  Verstimmung  der  durch  den  Gewaltakt  der  Bürgerschaft  angeblich  um 
30000  Goldgulden  geschädigten  Mönche  mochte  doch  nachhaltiger  wirken,  und 
gerade  der  Neubau  gab  Anlaß  genug  zu  allerlei  Konflikten.  Am  16.  und 
17.  Oktober  1406  wurde  unter  Vermittlung  der  Äbte  von  Uelzen  und  Schamebeck, 
des  Hamburger  Dekans  Werner  Miles  sowie  der  Pröpste  von  Ebstorf,  Lüne 
und  Medingen  Friede  geschlossen.  Bürgermeister  und  Ratmannen  verpflichteten 
sich,  an  erster  Stelle  die  Portführung  des  Klosterbaues  nach  bester  Möglichkeit 
zu  fördern,  während  Abt  und  Konvent  ihrer  Bautätigkeit  zugunsten  eines 
Anfsichtsrechts  der  Stadtobrigkeit  allerlei  Beschränkungen  auferlegten.  Das 
Kloster  war  jenerzeit  noch  nicht  völlig  ummauert,  aus  den  Vertragsartikeln 
ergibt  sich,  das  der  Rat  auf  der  Ummauenmg  bestand.  Insbesondere  nach 
Osten  hin,  wo  das  Baugelände  durch  Ankäufe  noch  erweitert  wurde,  hielt  der 
Rat  eine  Mauer  für  wünschenswert,  damit  aus  den  Wohnhäusern  der  Mönche 
keine  Wege  in  die  Stadt  führten,  und  auch  nach  Norden  wurde,  wie  es  scheint, 
nicht  die  kleinste  Pforte  genehmigt.  Nach  Süden  hin  lagen  an  der  Straße 
Klosterhäuser  und  Buden,  die  an  Bürger  vermietet  wurden,  diese  wiederum 
durften  keinen  Ausgang  nach  dem  Kloster  hin  behalten,  und  die  Fenster  der 
Rückfront  mußten  mit  Gittern  versehen  werden,  die  ein  Durchsteigen  ausschlössen. 
Allen  zum  Hauptbau  des  Klosters  und  zur  Mauer  nötigen  Kalk  versprach  der 
Rat  brechen  zu  lassen  und  kostenfrei  abzugeben. 

Die  Erbauung  des  groß  angelegten,  aber  unvollendet  gebUebenen  Turmes 
war  ein  Werk  eines  der  ausgezeichnetsten  Äbte  des  Klosters,  Balduins  von 
Wenden  (1419—41),  seit  1434  zugleich  Erzbischof s  von  Bremen.  Am  21.  Mai  1430 
schlössen  Abt,  Prior,  Küster  und  Kämmerer  mit  dem  Bürger  Hans  Reinstorf 
einen  Vertrag  ab,  worin  dem  Letztgenannten  unter  Mitwirkung  des  Bürgers 
Johann  Broning  die  Oberaufsicht  beim  Bau  des  Glockenturmes  übertragen  wurde, 
und  durch  zahlreiche  Leibrentenverträge  jenes  sowie  des  nächstfolgenden  Jahres 
wurden   nahmhafte   Barmittel   für   den  Bau   beschafft    Die  Anlage   eines   be- 


*)  £inen  „Bremere,  lapicida^  erwähnt  das  älteste  Stadtbuch  z.  J.  1346,  ein  Hinrick  B. 
tritt  als  BUrge  auf  1383. 


-<-8    30    iK- 

souderen  Ziegelhofes  für  die  baulichen  Bedürfnisse  des  Klosters,  des  sogenannten 
Abtsziegelhofs,  fällt  in  jene  Zeit. 

Der  ganze  Gebäudekomplex  scheint  von  vornherein  in  denselben  großen 
Verhältnissen  angelegt  zu  sein,  wie  sie  noch  heute  zu  erkennen  sind.  Von 
einzelnen  Häusern  werden  neben  der  Abtskurie  (aestuarium  1395)  erwähnt  ein 
besonders  eingefriedigter  Prioratshof  (1432),  die  Wohnxmg  des  Küsters  und 
Schatzmeisters  (1449),  ein  Schlafhaus  für  die  gemeinsam  wohnenden  Mönche 
(1412),  Baderäume  (Bademeister  1412,  Wasserleitung  1442).  Die  Klostergebäude 
schlössen  sich  an  die  Nordseite  der  Kirche  an,  und  zwar  in  zwei  Flügeln,  die 
durch  ein  Quergebäude  rechtwinklig  verbunden  waren;  in  der  Mitte  lag  der 
IQosterfriedhof ,  rings  vom  Kreuzgang  eingefaßt.  Die  Gesamtkosten  der  Anlage 
müssen  sehr  beträchtlich  gewesen  sein,  und  es  ist  wohl  außer  Frage,  daß  die 
Stadt  wesentlich  dazu  beisteuerte.  Die  freiwillige  Gebefreudigkeit  war  durch 
päpstUche  Ablaßbriefe  vom  April  1379  imd  Mai  1400  angefeuert;  durch  besonders 
reiche  Gaben  zeichneten  sich  aus  die  Mutter  des  Abtes  Ulrich  von  Berfelde, 
die  einen  Altar  stiftete  (1390),  Johann  Steenberg,  ein  Geistlicher,  der  100  Mark 
in  Gold  zum  Bau  des  Turmes  spendete  (1430  März),  ein  Knappe,  Henning  von 
Noberdenhusen  (f  1441),  der  90  Mark  aussetzte  zur  Herstellung  eines  Estrichs 
(pavimentum)  in  der  Kirche. 

Unverändert  erhielt  sich  dasIQoster  die  Gunst  des  herzoglichen  Hauses. 
Auch  die  Herzöge  von  Sachsen-Lüneburg,  Ktuiürst  Albrecht  (gest  vor  Eick- 
lingen 1385)  mit  seiner  Gemahlin,  Katharine  von  Anhalt,  und  Kurfürst  Wenzel 
(t  1388)  wurden  nach  ihrem  Tode  aus  dem  Kriegslager  in  die  Gruft  von 
St  Michaelis  überführt.  Die  Herzöge  Bernd  und  Hinrik  bestätigten  alle  von 
ihren  Vorfahren,  die  im  Münster  von  St.  Michael  „ore  bigraf  ghekoren"  hätten, 
dem  Kloster  erteilten  Privilegien  (1389  Februar  5),  und  Herzog  Bernd  erwählte 
gleichzeitig  in  urkundlicher  Form  sein  eigenes  Grab  im  Michaeliskloster,  „wo 
seine  liebe  Mutter,  seine  Hausfrau  und  deren  Eltern  beigesetzt  seien".  Von 
Bernhards  Söhnen  erwies  sich  .Herzog  Otto  (f  1446)  als  ein  besonderer  Gönner 
des  Klosters,  er  sowie  seine  Neffen  Bernhard  IL  (f  1464)  imd  Otto  (f  1471) 
wurden  mit  ihren  Frauen  ebenfalls  zu  St.  Michaelis  bestattet;  sein  Bruder, 
Herzog  Friedrich  der  Fromme  (f  1478),  war  der  erste,  der  seine  Grabstätte  in 
Celle  wählte  und  damit  die  Lüneburger  Fürstengruft  außer  Gebrauch  setzte. 

Erst  in  der  Reformationszeit  geriet  das  Kloster,  das  dem  Eindringen  der 
lutherischen  Lehre  zimächst  zähen  Widerstand  leistete,  in  einen  schweren 
Konflikt  mit  dem  regierenden  Herzoge,  ja  in  große  Gefahr,  mit  zahlreichen 
anderen  Erlöstem  des  Landes  dem  Schicksal  der  Säkularisation  zu  verfallen. 
Gefahr  drohte  auch  von  selten  der  Stadtbevölkerung,  denn  es  kam  Fastnacht 
1532  zur  Erstürmung  der  lOosterkirche  durch  die  Wollwebergesellen,  nachdem 
im  Sommer  1530  Verordnete  des  Rates  und  des  Bürgerausschusses  vergebens 
die  Abstellung  der  katholischen  Bräuche  gefordert  und  den  Besuch  des  Michaelis- 
gotteshauses für  alle  nicht  zum  Kloster  gehörigen  Einwohner  der  Stadt  ver- 
boten hatten.  Gleichwohl  zelebrierte  Abt  Boldewin  von  Mahrenholtz,  ein  über- 
zeugter Anhänger  des  alten  Glaubens,  noch  am  Michaelistage  1532  auf  dem 
Hochaltare,  dessen  Benutzung  dem  Abte  vorbehalten  war,  eine  feierliche  Messe, 


->^    31     8^ 

um  freilich  im  selben  Jahre  noch  zu  erleben,  daß  die  Mehrzahl  seines  Konvents, 
unter  Führung  des  Priors  Herbord  von  Holle,  vor  dem  Kreuzaltar  das  Abend- 
mahl in  beiderlei  Gestalt  nahm.  Wenige  Tage  später,  am  13.  Dezember,  starb 
Boldewin;  der  Schmerz  über  den  unerwarteten  Abfall  seiner  Klosterbrüder  hatte 
ihn  getötet  Sein  Nachfolger,  der  bisherige  Prior,  hatte  die  außerordentlich 
schwierige  Aufgabe,  den  Fortbestand  des  Klosters  nach  zwei  Seiten  hin,  gegen 
Herzog  Ernst  und  gegen  den  Lüneburger  Rat,  zu  verteidigen.  Es  ist  ihm 
gelungen,  indem  er  sich  mit  der  Stadtobrigkeit  gegen  den  Herzog  verbündete 
und  eine  Art  Schutzhoheit  des  Rates,  die  er  selber  anrief,  klug  benutzte;  die 
Abneigung  des  Urbanus  Rhegius  gegen  die  Einziehung  der  Klostergüter  imd  das 
Interesse  des  Lüneburgischen  Adels  an  der  Erhaltung  der  lOosterpf  runden  kamen 
ihm  dabei  zu  statten.  ÄußerUch  gelangte  der  Obergang  zum  protestantischen 
Bekenntnis  auch  dadurch  zum  Ausdruck,  daß  der  größere  Teü  des  Konvents  im 
Jahre  1533  das  Mönchsgewand  mit  „langen,  ehrUchen  Priesterröcken"  vertauschte, 
nur  wenige  bUeben  bis  an  den  Tod  in  ihrer  Ordenstracht. 

In  der  imnatürhchen  Gestalt  eines  protestantischen  Männerklosters,  mit 
Ehelosigkeit,  gemeinsamem  Leben,  Gesang  von  Vespern  und  Metten,  beharrte 
St  Michaelis  bis  über  den  dreißigjährigen  Krieg  hinaus,  nachdem  ein  Versuch 
des  Generals  Tilly,  auf  Grund  des  Restitutionsedikts  den  Benediktinerorden  in 
seinen  ehemaUgen  Sitz  wieder  einzuführen,  fehlgeschlagen  war  (1629).  Erst  im 
Jahre  1655  wurde  die  Klosterverfassung,  deren  völlige  Umänderung  einige  der 
Konventualen  selber  für  notwendig  hielten,  aufgelöst,  und  Herzog  Christian 
Ludwig  wandelte  das  Kloster  im  Einklänge  mit  den  Wünschen  der  Lüneburger 
Ritterschaft  um  in  eine  Schule  für  den  ansässigen  Adel  des  Fürstentums  (Haupt- 
rezeß  vom  17.  Oktober  1655  bzw.  7.  Januar  1656).  Die  Ritterschule,  mit 
welcher  die  noch  zu  erwähnende  Partikularschule  Hand  in  Hand  ging,  trat  an 
Stelle  der  bisherigen  inneren  Klosterschule  und  wurde  aus  den  vereinigten  Ein- 
künften der  Abtei  und  des  Klosters  unterhalten.  Ein  Gymnasium  illustre  mit 
erweiterten  Lehrzwecken  nach  Art  einer  Universität,  das  unter  der  Gönnerschaft 
des  Herzogs  im  Jahre  1660  daneben  eingerichtet  und  vorzugsweise  für  den 
Besuch  auswärtiger  Schüler  berechnet  war,  konnte  sich  nicht  halten  und  ging 
1686  wieder  ein.  Der  inneren  Umwandlung  folgte  der  Abbruch  der  alten 
Klosterhäuser  und  die  Errichtung  eines  nach  Nordosten  hin  ausgedehnten  Neu- 
baus im  ersten  und  zweiten  Jahrzehnt  des  18.  Jahrhunderts;  1715  war  das 
sogenannte  Akademische  Gebäude  vollendet,  1716  das  Haus  des  Ausreuters, 
der  die  Landbesitzxmgen  des  Klosters  verwaltete.  Baiuneister  war  Joseph 
Crotogino,  ein  Italiener.  Um  1750  wurde  das  dreifache  Dach  der  Kirche  herunter- 
genommen und  durch  ein  einziges  ersetzt  (vollendet  20.  Dezember  1751),  im 
nächsten  Jahrzehnt  (1764)  trug  man  das  spitze  Zeltdach  des  Kirchturms  ab  und 
krönte  die  erhöhten  Turmmauem  durch  die  noch  vorhandene  Latemenkuppel. 
In  den  achtziger  und  neunziger  Jahren  desselben  Jahrhunderts  wurde  die 
Kirche,  wie  noch  auszuführen  sein  wird,  im  Innern  all  ihrer  bis  dahin  bewahrten 
hervorragenden  Kxmstschätze  entkleidet.  Umfassende  Herstellungsbauten  werden 
namens  der  Königlichen  Klosterkammer  seit  dem  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts 
ausgeführt. 


-^    32    8^ 

Die  Aufhebung  der  Ritterakademie,  so  genannt  seit  1692,  erfolgte  durch 
Gesetz  vom  6.  August  1850  zum  1.  Oktober  jenes  Jahres;  das  gesamte  Ver- 
mögen des  ehemaligen  Klosters  wurde  dem  allgemeinen  Hannoverschen  Kloster- 
fonds überwiesen. 

Auf  die  interessanten  Besitzverhältnisse  des  Klosters,  für  welche  ein 
reiches  Urkundemnaterial  vorUegt,  näher  einzugehen,  ist  hier  nicht  der  Raam, 
wir  müssen  uns  mit  einigen  kurzen  Hinweisen  begnügen.  Auch  ohne  urkundliche 
Belege  würde  es  einleuchten,  daß  das  Kloster  in  der  Nähe  seines  eigensten  Grund  und 
Bodens,  also  auf  Lüneburgischem  Gebiete  im  engeren  Sinne,  sich  festzusetzen 
verstand.  An  der  Ausbeute  der  Saline  als  des  ältesten  und  ergiebigsten  industriellen 
Werkes  der  Stadt  waren  die  Benediktiner  sowohl  als  Pf anneneigentümer  wie  als 
Rentner  sehr  wesentlich  beteihgt.  Nach  den  Ablosungsbriefen  der  Jahre  1458 — 75 
wurden  Pfannen-  und  Chorusanteüe  des  Klosters  mit  der  ansehnlichen  Summa 
von  mehr  als  38000  lüb.  Mark  von  dem  vertragsmäßigen  Jahrgelde  zur  Tilgung 
der  Stadtschulden  befreit.  Femer  befand  sich  ein  großer  Teü  des  in  imd  um. 
Lüneburg  liegenden  Geländes  im  Eigentum  von  St  MichaeUs.  Sogar  auf  dem 
rämnlich  beschränkten  Plateau  des  Kalkberges  gelang  es  dem  Kloster,  seinen 
Grundbesitz  zu  vergrößern,  indem  es  nicht  lange  vor  der  Zerstörung  den  an 
die  Kurie  des  Abtes  angrenzenden  Burgmannshof  derer  vom  Berge  ankaufte  (1354). 
Zahlreich  waren  die  Erwerbungen  im  Grimm,  jenem  ländlich  bebauten  Vorort, 
der  sich  nach  Westen  hin  unmittelbar  an  den  Kalkberg  anlehnt  und  ursprüng- 
lich ganz  an  Burgmannen  vergeben  war.  So  überließen  die  Schwerin  dem 
Kloster  vier  Katen  daselbst,  deren  eine  als  Bordell  gedient  hatte  („unam  casam 
seu  kot  cum  suis  pertinentiis  in  qua  pulcre  mulieres  seu  publice  antea  babitant 
cum  omni  jure  et  proprietate^S  1343),  ein  Haus  an  der  Reppenstedterstraße  (1343), 
ein  freies  Haus  (1355),  Haus  und  Hof  (1362);  xmd  ähnliche  Entäußerungen 
geschahen  seitens  der  Burgmannenfamilien  Grote,  Kind,  von  Ödeme,  von  Meding. 
Das  Vogteirecht  und  Servitium  über  das  ganze  klösterliche  AUod  im  Grinun 
hatte  Herzog  Otto  schon  im  Jahre  1309  dem  Abte  Thomas  verliehen,  aus  Dank- 
barkeit für  dessen  Verdienste  um  seine  Söhne.  Andere  Erwerbungen  deuten 
darauf  hin,  daß  das  Kloster  bemüht  war,  seinen  Grundbesitz  über  den  Grimm 
hinaus,  zumal  nach  Nordwesten  und  Norden  hin  zu  erweitem  und  abzurunden. 
Als  Verkäufer  treffen  wir  auch  hier  zumeist  Mitglieder  der  alten  Burgmannen- 
geschlechter.  Für  die  beträchtliche  Pfandsumme  von  550  Mark  übernahm  das 
Kloster  im  Jahre  1426  von  der  FamiUe  vom  Berge  ein  Gehölz  innerhalb  der 
Landwehr  bei  Ocht missen,  die  sog.  „Luthmen"  samt  einem  wüsten  Hof,  dem 
Luthmenhof ;  nur  der  letztere  wurde  1481  für  100  Mark  wieder  eingelöst  Eän 
anderes  Klostergehölz,  „des  abbetes  holt''  genannt,  lag  auf  dem  Zeltberge,  es 
wurde  gemäß  einem  Vertrage  zwischen  Rat  und  Sülfmeistem  auf  der  einen, 
Abt  und  Konvent  von  St.  Michaelis  auf  der  anderen  Seite  im  Jahre  1396  nieder- 
gehauen ;  während  die  Nutzung  des  Hauholzes  gegen  eine  Zahlxmg  von  1000  Marie: 
im  wesentlichen  der  Stadt  bzw.  der  Saline  zugute  kam,  bUeb  der  Grund  und 
Boden  unter  der  Einschränkung,  daß  er  in  Ackerland  verwandelt  wurde,  im 
Eigentum  des  Klosters.  Die  Stadt  nahm  deshalb  ein  Interesse  an  der  Entfernung 
des  Waldes,   weil  derselbe  in  einer  voraufgegangenen  Fehde  den  Truppen  des 


H>^    33    8^ 

Feindes  als  Rückhalt  gedient  hatte.  Auch  die  Kreitenkule  beim  Kreitenberge, 
1408  an  Heinrich  Viskule  verkauft,  gehörte  bis  dahin  dem  Kloster.  Weniger 
beträchtlich  als  vor  dem  Neuen  und  dem  Bardewiker  Tore  war  der  Landbesitz  des 
Klosters  vor  den  östlichen  und  südlichen  Toren  der  Stadt.  Innerhalb  des 
ummauerten  Stadtgebietes  lag  der  Besitz  des  Klosters  gleichfalls  vorwiegend  in 
seinem  engeren  Bereich,  in  der  Altstadt  ein  durch  Vermächtnis  (1344)  erworbenes 
Wohnwesen  und  zwei  Burgmannenhöfe,  auf  dem  Meere  zwei  der  Stadt  zins- 
pflichtige Häuser.  Die  klösterlichen  Haus-  und  Grrundrenten  mögen  unberück- 
sichtigt bleiben;  es  sei  nur  erwähnt,  daß  der  Lehnsinhaber  der  herzoghchen 
Lachskule  in  der  Ilmenau  zur  Fastenzeit  von  alters  zwei  Lachse  an  das  Kloster 
abliefern  mußte  (bestätigt  1389).  Die  untere  Mühle  an  der  Ilmenau,  die  seither 
sogenannte  Abtsmühle,  machte  Heinrich  der  Löwe  dem  Kloster  am  1.  November  1147 
ziun  Geschenk,  als  er  in  Lüneburg  sein  durch  einen  xmglücklichen  Sturz  vom 
Tische  verlorenes  Söhnchen  erster  Ehe  vor  dem  Kreuzaltare  zu  St.  MichaeUs 
begraben  ließ.  Sein  Enkel,  Herzog  Otto,  bestätigte  die  Schenkung  und  ergänzte 
sie  durch  Übertragung  der  Mühlenvogtei  (1234).  Die  Mühle  befand  sich  im 
14.  Jahrhundert  gegen  Zinsabgabe  im  Lehnsbesitz  der  Ratsfamilie  van  der  Molen, 
wurde  aber  ungeachtet  der  Schenkungsurkunden,  welche  nur  das  Halsgericht 
dem  Herzoge  vorbehielten,  durch  die  herzoghchen  Amtleute  und  Vögte  mit  Hof- 
dienst und  anderen  Unpflichten  belästigt,  bis  auf  die  Klage  des  Abtes  Daniel 
Herzog  Wilhelm  und  sein  Präsumtivnachfolger,  Junker  Ludwig,  die  Ansprüche 
des  Klosters  abermals  feierUch  bestätigten  (1365). 

Noch  ist  einer  für  die  geistige  Wirksamkeit  des  Klosters  bedeutsamen 
herzoglichen  Schenkung  zu  gedenken.  Wahrscheinlich  war  mit  St  Michaelis 
seit  seinen  ersten  Anfängen  eine  Schule  verknüpft  für  Söhne  vornehmer  Eltern. 
Gebhardi  nimmt  sogar  an,  die  Stiftung  Hermann  BUlungs  sei  eigens  „zur 
Er2dehung  tüchtiger  Missionarien  imd  zur  Schule  für  wendische  Kinder"  ins 
Leben  gerufen.  Gewiß  ist,  daß  der  Wendenfürst  Gottschalk,  der  auf  einem 
Eroberungszuge  im  Jahre  1066  seinem  Bekehrungseifer  zum  Opfer  fiel,  im 
Kloster  auf  dem  Kalkberge  seine  Ausbildung  erfahren  hatte  („liberaUbus 
erudiebatur  studiis") ;  dort  traf  ihn  die  Kunde  von  der  Ermordung  seines  Vaters 
(1032).  Die  Fortdauer  dieser  Beziehungen  wird  durch  die  Nachricht  verbürgt, 
daß  Gottschalks  Sohn,  König  Heinrich  (f  1126)  in  der  Klosterkirche  von 
St.  Michael  begraben  wurde  und  Herzog  Pribislav,  der  später  auf  einem  Lüne- 
burger  Turnier  ums  Leben  kam  und  neben  jenem  Könige  seine  letzte  Ruhestatt 
erhielt,  im  Michaeliskloster  die  Taufe  empfangen  hatte  (1164).  Auch  die  vier  Söhne 
Herzog  Otto  des  Strengen  wurden  (um  1309)  im  Kloster  erzogen.  Daneben  gab 
es,  wie  sich  versteht,  zu  St.  MichaeUs  eine  IQosterschule  im  engeren  Sinne, 
bestimmt,  für  den  Eintritt  in  den  geistUchen  Stand  vorzubereiten.  Aber  auch 
außerhalb  des  Klosters  gab  es  eine  Schule;  es  war  die  „Untere  Schule"  („scolae 
inferiores"),  so  genannt  nicht  wegen  geringerer  Leistungen,  etwa  als  Vorschule, 
sondern  wegen  ihrer  Lage  unterhalb  des  Michaelisstifts,  „vor  der  Burg",  nach 
Gebhardi  am  Fuße  des  Kalkberges,  während  ja  das  Kloster  mit  dem  Schlosse 
im  Castrum  vereinigt  war.  Die  Schule  war  herzoghch,  bis  sie  durch 
Herzog  Otto,    eine    Sohn   Otto   des    Strengen,    ebenfalls    dem    Michaeliskloster 


^^    34    ?•<- 

übertragen  wurde.  Die  Bestatigungsurkunde  seines  Bruders,  Herzog  Wilhelms, 
vom  13.  Januar  1353,  gibt  nähere  Auskunft  darüber.  Das  Kloster  erhielt 
danach  das  Aufsichtsrecht  samt  allen  anderen  bis  dahin  herzoglichen  Rechten, 
Freiheiten  und  Einkünften,  insbesondere  bekam  der  Abt  die  Fürsorge  für  einen 
geeigneten  Rektor.  Aus  eben  jenen  Einkünften  —  und  das  war  die  Gegenleistung 
des  Klosters  —  sollten  alljährlich  kirchliche  Gedächtnisfeiern  für  die  verstorbenen 
MitgUeder  des  Herzogshauses  begangen  werden.  Um  die  Ausführung  dieser 
Absicht  zu  sichern,  versprach  der  Herzog  weder  innerhalb  noch  außerhalb 
Lüneburgs  eine  andere  öffentliche  oder  private  Schule  einzurichten  oder  zu 
dulden,  welche  der  Unteren  Schule  Abbruch  tun  und  den  Besuch  des  Kirchen- 
chors von  Seiten  der  Schüler  schwächen  könne.  Ein  Vertrag  von  1378  belehrt 
uns,  daß  der  damalige  Rektor,  Herr  Sander  Plighe,  die  Schule  vom  Abt,  Prior, 
Küster  und  Konvent  mietete  und  zwar  auf  weitere  vier  Jahre,  gegen  eine 
Jahresmiete  von  36  Mark;  Abt  und  Kapitel  waren  verpflichtet,  dem  Rektor  in 
Ausübung  seines  Amtes  behülflich  zu  sein.  Die  Einrichtung  einer  von  der 
Stadtverwaltung  zum  mindesten  stark  begünstigten  öffentlichen  Schule  durch 
die  nach  Lüneburg  übergesiedelten  Prämonstratenser  von  HeiUgental  entfachte 
zwischen  den  beiden  beteiligten  Klöstern  einen  heftigen  Konkurrenzkampf,  in 
welchem  die  Benediktiner  unterlagen;  die  Folge  war  die  Gründung  einer 
besonderen  Stadtschule,  des  Johanneums  (1406).  Die  einstige  Untere  Schule 
hat  unter  der  Bezeichnung  „Partikularschule",  „schola  maior",  „Michaelisschule", 
bis  zum  Jahre  1818  fortbestanden. 

Die  Besitzungen  des  Klosters  außerhalb  der  städtischen  Landwehr  er* 
streckten  sich,  von  wenigen  Schenkungen  abgesehen,  räumlich  nicht  sehr  weit; 
auch  hier  ist  das  Bestreben  unverkennbar,  das  nähere  Gut  dem  entfernteren, 
zusammenliegendes  dem  zerstreuten  vorzuziehen.  KlösterUcher  Besitz,  Kloster- 
rechte und  Klosterabgaben,  die  durch  Schenkung  oder  Vermächtnis,  durch  Kauf, 
Tausch  und  Pfandschaft,  Leibrenten-  und  Präbendenverträge,  Brüderschafts- 
verleihungen oder  auf  welchem  Wege  sonst  St.  Michaelis  zugefallen  waren,  finden 
sich  vomehmUch  im  Landkreise  Lüneburg,  alsdann  im  früheren  Amte  Medingen 
und  im  Landkreise  Winsen.  Aus  den  anderen  Kreisen  des  ilegierungsbezirks 
sind  allenfalls  die  ehemaligen  Ämter  Bleckede  und  Oldenstadt  zu  nennen,  während 
die  Ämter  Tostedt,  Soltau  und  FaUingbostel  ganz  zurücktreten  und  andere 
überhaupt  nicht  in  Frage  kommen.  Von  den  78  gegenwärtig  bestehenden  Land- 
gemeinden im  Landkreise  Lüneburg  waren,  wenn  wir  das  EndjaJir  des  Urkunden- 
buches  von  St.  Michaelis,  das  Jahr  1500,  zugrunde  legen,  43,  in  denen  das 
Kloster  Fuß  gefaßt  hatte ;  von  größeren  Ortschaften  des  Bezirks  schieden  aus 
nur  der  ehemals  Lauenburgische  Flecken  Artlenburg,  die  Dörfer  Obermarschacht, 
Tespe,  Avendorf  (früher  auch  Lauenburgisch),  Bütlingen  und  Boltersen,  bis  auf 
das  letztgenannte  auffallenderweise  sämtlich  an  der  Elbe  oder  in  nächster  Nähe 
des  Stromes  gelegen.  Unter  den  75  Landgemeinden  des  Kreises  Winsen  verteilen 
sich  Besitz  und  Einnahme  des  Klosters  auf  26  Ortschaften,  und  es  ist  gewiß 
kein  Zufall,  daß  von  zehn  ausscheidenden  größeren  Dörfern  wiederum  genau  die 
Hälfte  (Drage,  Fliegenberg,  Hoopte,  Kirchwerder  und  Stockte)  dem  unmittelbaren 
Eibgebiete  angehört.    Ähnlich  ist  das  Verhältnis  beim  früheren  Amte  Medingen 


H>^    35    8^ 

im  Kreise  Uelzen,  wo  von  96  Landgemeinden  an  33  das  Kloster  interessiert  war, 
was  bei  nur  sieben  unter  den  125  Gemeinden  des  Amtes  Oldenstadt  nachweisbar 
ist  Untersuchen  wir  die  Lage  der  dem  Michaeliskloster  irgendwie  verbxmdenen 
Ortschaften  nach  rein  geographischen  Gesichtspunkten,  so  läßt  sich  leicht  erkennen, 
daß  die  Klostergüter  überwiegend  dem  Gebiete  zwischen  Seeve  und  Neetze 
angehörten  und  das  Ilmenautal  stark  bevorzugt  wurde.  Die  Ilmenau  hatte  als 
Wasserstraße  noch  größere  Bedeutung  als  heute,  denn  sie  wurde  bis  Medingen, 
ja  bis  Uelzen  hinauf,  für  den  Gütertransport  benutzt.  Bei  der  Lage  des  Land- 
besitzes von  St.  Michaelis  um  so  begreiflicher,  daß  das  Kloster  darauf  bedacht 
war,  die  Schiffahrt  des  Flußes  ungestört  zu  erhalten.  Laut  Urkunde  von  1332 
verpflichtete  sich  ein  Ritter  von  Schwerin  mit  seinem  Sohne,  eine  Mühle  in 
Wichmannsburg  abzubrechen  xmd  zwischen  Lüneburg  und  Medingen  nicht  wieder 
aufzubauen,  damit  die  Schiffahrt  keine  Behinderung  erleide;  im  Einvernehmen 
mit  den  Herzögen  traten  Vater  und  Sohn  all  ihr  Recht  an  der  Ilmenau  den  Klöstern 
St  Michaelis  und  Medingen  ab. 

Die  Angaben  über  die  gesamten  Jahreseinnahmen  des  Klosters  sind  kaum 
miteinander  in  Einklang  zu  bringen,  auch  wenn  die  mannigfachen  Schwankungen 
und  Veränderungen  im  Besitz  klar  vorgeführt  werden  könnten.  Papst  Bonif az  VQL 
schätzte  die  Einnahme  auf  höchstens  1000  Mark  reinen  Silbers  (1302);  nach  Aussage 
des  Abtes  Werner  betrugen  sie  nicht  über  500  Talente  Lün.  Denare  (1327),  und 
im  Jaiu^  1384  bekundete  das  Domkapitel  zu  Verden,  das  Kloster  habe  auch  in 
seiner  besten  Zeit  niemals  mehr  als  41  Mark  10  Schilling  Lün.  Münze  an  Zehnten 
entrichtet  In  jedem  Falle  ist  die  Michaelisstiftung  nicht  nur  das  älteste,  sondern 
auch  das  reichste  Kloster  des  ganzen  Fürstentums  gewesen.  Einkünfte  und 
Lasten  des  Klostergutes  waren  nach  einer  päpstlichen  Bestatigimg  von  1401 
gemäß  uralter  Satzung  zwischen  Abt  imd  Konvent  geteilt,  offenbar  zu 
gleichen  Teilen. 

Klagen  über  Beeinträchtigung  der  Klosterfinanzen  durch  Ein-  und  Über- 
griffe Unbefugter,  Krieg  und  Fehde,  Betrug  und  Entlaufen  von  Klosterleuten 
sind  häufig,  und  auch  an  Gegenmaßregeln  der  Päpste,  Könige  und  Herzöge 
fehlt  es  nicht  Gregor  IX.  stellte  in  zwei  Originalbullen  von  1229  und  40  die 
Personen  und  den  Ort  des  Klosters  mit  allen  gegenwärtigen  und  zukünftigen 
rechtmäßigen  Besitzungen  unter  des  Hl.  Petrus  imd  des  päpstlichen  Stuhles 
Obhut;  das  gleiche  tat  Alexander  IV.  unter  besonderer  Betonung  der  Freiheiten 
des  Klosters  (1266),  desgleichen,  aus  besonderem  Anlaß,  Urban  V.  (1369)  und 
Urbaai  VI.  (1384);  Bonifaz  IX.  gab  den  Bischöfen  von  Ratzeburg  und  Lübeck 
sowie  dem  Hamburger  Domdechanten  den  Auftrag,  St.  Michael  zu  Lüneburg 
vor  den  vielfältigen  Belästigungen  und  Unbilden  geistlicher  und  weltlicher  Macht- 
haber zu  schirmen  (1395);  Martin  V.  betraute  den  Domdechanten  von  Osnabrück 
mit  dem  Versuch,  die  dem  [Kloster  entfremdeten  Güter  dem  rechtmäßigen  Eigen- 
tümer zurückzugewinnen  (1418).  Eine  umfassende  Besitzbestätigung  (erneuert 
durch  Friedrich  IIL  1442)  erging  sodann  von  Kaiser  Sigismund  (1436),  der  vor 
anderen  Lüneburger  Klöstern  dem  Michaeliskloster  die  Freiheit  vom  weltUchen 
Gericht,  von  gerichtlichen  Auflagen,  von  der  Pflicht  der  Herberge,  der  Stellung 
von  Pferden,  Hunden,  Jägern,  Knechten  und  anderen  im  Fürstentum  Lüneburg 

5* 


->^    36    8^ 

beliebten  Servitien  bei  Strafe  von  50  Mark  feinen  Goldes  neu  zusicherte,  und 
indem  er  die  Klöster  unter  seinen  eigenen  Schutz  nahm,  sie  zugleich  dem  Schutz 
der  Lüneburger  Stadtobrigkeit  anbefahl.  Der  jüngste  kaiserhche  Schutzbrief,  aus- 
gestellt durch  Ferdinand  11.,  datiert  vom  6.  Oktober  1623. 

Wesentiich  für  den  ganzen  Charakter  und  das  Ansehen  des  Lüneburger 
Michaelisklosters  waa*  die  Zusammensetzung  seines  Konvents.  Er  bestand  vorzugs- 
weise aus  Sprößlingen  der  im  Lande  ansässigen,  z.  T.  auch  auswärtigen  adligen  Ge- 
schlechter, denen  sich  in  geringerer  Zahl  Söhne  aus  Patrizierfamihen  hinzugesellten. 
MitgUeder  des  Kapitels  im  Jahre  1364  waren  z.B.  neben  Abt  xmd  Prior  die  adligen 
Mönche  v.  Melbeck,  v.  Ödeme,  v.  Zesterfleth,  Grote,  v.  Remstedt,  v.  Broke,  v.  Reden, 
Slepegrelle,  Ribe,  Schack,  v.Ylten,  Kind,  v.Saldem,  sodann  Dietrich  Schiltsten  aus  der 
Lüneburger  und  Eggeling  vame  Kerckhove  aus  der  braunschweigischen  Ratsfamilie. 
Die  Zahl  der  Mönche  schwankte.  Nach  einer  Verfügung  des  Abtes  Thomas  von  1309 
sollte  sie  einschließlich  der  Novizen,  jedoch  ausschüeßlich  des  Abtes  24  nicht 
überschreiten.  Die  Wahl  des  Abtes,  in  ältester  Zeit  ein  Vorrecht  des  Herzogs, 
wurde  später  Sache  des  Konvents  und  sollte  frei  sein.  So  erkannte  Herzog  Wilhelm 
(1368)  an,  daß  den  Klöstern  seines  Herzogtums  Lüneburg  von  alters  freie  Wahl 
der  Äbte  bzw.  Pröpste  zustehe  und  er  selber  sich  keineswegs  befugt  halte, 
die  Erwählten,  sofern  sie  nur  geeignet  seien,  zu  verwerfen;  die  Präsentation 
habe  freilich  zu  erfolgen,  aber  nur  deshalb,  damit  nicht  Ungeeignete  und  Aus- 
wärtige die  Leitung  des  Klosters  in  die  Hände  bekämen  —  landsässigen  Ge- 
schlechtem also  war  die  WaMfähigkeit  zum  Abte  vorbehalten.  Für  den  Todes- 
fall des  Abtes  Werner  hatte  sich  der  Papst  die  Auswahl  einer  geeigneten  Persön- 
lichkeit angemaßt,  und  er  beharrte  formell  auf  seinem  Anspruch,  als  er  die 
Wahl  Ulrichs  von  Berfelde  annullierte,  dann  allerdings  seinerseits  für  eben 
denselben  entschied  (1384).  Die  Beförderung  des  Priors  Boldewin  von  Wenden 
zmn  Abt  (1419)  erfolgte  durch  direkten  Erlaß  des  Papstes,  während  spätere 
Wahlen  (z.  B.  1477,  85,  1532)  in  gewohnter  Weise  durch  den  Konvent  geschahen 
und  der  Verdener  Bischof  seine  Bestätigung  erteilte. 

Mit  der  aristokratischen  Zusammensetzung  des  Klosterkonvents  wurde 
es  erklärt,  daß  die  Mönche,  obwohl  sie  sich  zum  Benediktinerorden  bekannten, 
dennoch  durch  die  strenge  Ordensregel  des  Hl.  Benedikt  nicht  gebunden  sein 
wollten.  Gegen  Ausgang  des  13.  Jahrhunderts  muß  das  Leben  der  Mönche 
sogar  höchst  anstößig  gewesen  sein,  denn  die  Herzogin  Matilde  wurde  von 
Bischof  Konrad  von  Verden  ersucht,  mit  ihrer  weltlichen  Macht  der  Kirchenzucht 
zu  Hülfe  zu  kommen:  „wie  er  von  vielen  und  häufig  erfahre,  gäben  die  Mönche 
vom  Kalkberge  wenig  auf  ihre  Ehrbarkeit  acht,  noch  kümmerten  sie  sich  irgendwie 
um  seine  Gebote;  unbesorgt  um  ihre  Ordensregel  streiften  sie  bei  Tag  und  bei 
Nacht  durch  die  Straßen  und  nach  Belieben  auch  außerhalb  der  Stadt  mnher, 
so  daß  es  wohl  angebracht  sei,  wenn  der  Vogt  und  die  herzogHchen  Diener  die 
Betroffenen  festnähmen  und  einsperrten".  Eine  Ursache  des  Ärgernisses  scheint 
darin  gelegen  zu  haben,  daß  die  Klosterpfründen  vielfach  reifen  Jünglingen  über- 
tragen wurden,  die  für  den  Beruf  des  Mönchs  gar  nicht  oder  nur  ungenügend 
vorbereitet  waren.  Dem  suchte  Abt  Ulrich  von  Uten  abzuhelfen.  Er  ordnete 
nämUch   an  (1350),   daß   hinfort   nur  Knaben   unter   zwölf  Jahren   im  Kloster 


-^    37    8^ 

Aufnahme  finden  und  erst  nach  zwölfjähriger  Schulzeit  und  drei  weiteren  Probe- 
jahren fähig  sein  sollten,  selbständig  eine  der  erledigten  Pfründen  zu  genießen. 
Die  Zahl  der  Pfründeninhaber  sollte  nur  18  betragen,  nändich  14  Priester,  drei 
Diakonen  und  einen  Subdiakon,  und  ihre  Ergänzung  aus  sechs  jüngeren  der  Schulzeit 
erwachsenen  Anwärtern  vor  sich  gehen.  Viel  Nutzen  scheint  die  Verordnung 
nicht  gebracht  zu  haben,  denn  schon  nach  dem  Tode  Ulrichs,  der  wie  sein 
Vorganger  das  Kloster  in  Schulden  zurückgelassen  hatte,  erging  abermals  eine 
bischöfliche  Mahnimg:  die  Mönche  sollten  sich  im  Essen  und  in  ihrer  Kleidung 
mäßigen. 

Eine  Sonderstellung  beanspruchte  das  Kloster  namentlich  in  der  großen 
vom  Baseler  Konzil  ausgehenden  Reformbewegung.  Als  um  die  Mitte  des 
15.  Jahrhunderts  Mainzer  Visitatoren  die  Benediktinerklöster  der  Erzdiözese  besucht 
und  auch  in  Lüneburg  manches  Besserungsbedürftige  gefunden  hatten,  trat  auf 
die  Vorstellung  des  Abtes  und  der  Konventsmitgheder,  daß  sie  alle  rittermäßigen 
Standes  und  durch  Konstitutionen  der  Päpste  Lmocens  UI.  und  Bonifaz  XIL 
bevorrechtet  seien,  Papst  Nicolaus  V.  selber  für  St  Michaelis  ein.  Er  gab  dem 
Bischof  von  Verden  anheim,  die  erfolgten  Maßnahmen  zu  untersuchen,  notwendige 
Verbesserungen  einzuführen,  ungerechte  Forderungen  aber  abzuweisen,  und  einer 
der  Kardinäle  erneuerte  gleichzeitig  im  Namen  des  Papstes  die  Erlaubnis,  daß 
die  Mönche  wegen  des  rauhen  Lüneburger  Klimas,  zur  Abwehr  von  Krankheiten 
und  mit  Rücksicht  auf  den  Mangel  an  Fischen  leinene  Kleider  tragen  bzw.  an 
gewissen  Wochentagen  Fleisch  essen  dürften.  Das  Vorgehen  der  Visitatoren 
wurde  vom  Verdener  Bischof  für  ungerechtfertigt  erklärt,  sie  selber  mit  Ex- 
kommunikation bedroht,  falls  sie  sich  nicht  fügen  würden.  Nach  solchen 
Vorgängen  war  es  kein  Wunder,  daß  der  Anschluß  des  Klosters  an  die  Burs- 
felder Union  nur  mit  äußerstem  Widerstreben  erfolgte,  obschon  Herzog  Otto 
persönlich  mit  großer  Energie  dafür  eintrat.  Visitatoren  waren  in  diesem  Falle 
die  Äbte  von  St  Godehard  und  St.  Michael  in  Hildesheim,  die  mit  ihrem  Geleite 
im  Gefolge  des  Herzogs  in  Lüneburg  einzogen.  Die  Bürgerschaft  stand  auf 
Seite  der  widerstrebenden  Mönche,  es  kam  zu  bewaffneten  Unruhen,  der  Herzog 
selber  mußte  fliehen,  und  es  bedurfte  des  ganzen  Einflusses  besonnener  Rat- 
mannen, auch  die  stark  bedrohten  Hildesheimer  Äbte  in  Sicherheit  aus  der  Stadt 
zu  schaffen  (Oktober  1470).  Wenn  einige  Wochen  später  die  Union  dennoch 
angenonmien  wurde,  so  war  das  nur  ein  äußerUches  Zugeständnis  an  den  Herzog, 
dem  es  nichts  nützte,  daß  er  der  Lüneburger  Stadtobrigkeit  das  Versprechen 
abnahm,  zur  dauernden  Durchführung  der  Reform  Hülfe  zu  leisten.  Kaum  war 
Otto  —  wie  schon  erwähnt  der  letzte  Herzog,  der  zu  St.  Michael  seine  Beisetzung 
fand,  —  gestorben  (1471  Januar  9),  als  Bischof  und  Abt  im  Bunde  die  Union  wieder 
fallen  Ueßen;  und  die  Kundgebung  eines  päpstlichen  Kommissars  von  1478  sowie 
deren  Bestätigung  durch  Innocenz  VUI.  (1489)  beweisen,  daß  das  Kloster  seinen 
Willen  durchsetzte. 

Das  Michaeliskloster,  im  engen  Verein  mit  der  herzogKchen  Residenz 
emporgewachsen,  das  älteste  Kloster  im  Fürstentum  Lüneburg,  dem  die  an- 
gesehensten Adelsgeschlechter  des  Landes  ihre  Söhne,  sei  es  zur  dauernden 
Aufnahme,    sei  es  für  begrenzte  Zeit  zur  Erziehung   und  zum  Unterricht  zu- 


->^    38    8^ 

schickten,  mußte  bei  dem  großen  Einfluß,  den  die  hohe  Geistlichkeit  im  Mittel- 
alter ohnehin  ausübte,  auch  in  den  weltlichen  Angelegenheiten  des  Fürstentums 
die  höchste  Bedeutung  erlangen.  Der  Abt,  in  seinem  geistlichen  Charakter  dem 
Bischof  von  Verden  unterstellt,  bildete  die  Spitze  des  gesamten  Lüneburgischen 
Klerus,  und  da  der  Prälatenstand  dem  Stande  der  Ritter  und  der  Städte 
voraufging,  so  gebührten  ihm  Vorsitz  und  Leitung  in  den  Versammlungen  der 
Landstände.  Der  Michaelisabt  wurde  Präsident  des  von  Friedrich  dem  Frommen 
in  Uelzen  errichteten,  von  Elmst  dem  Bekenner  lungestalteten  und  nach  Celle 
verlegten  Landgerichts;  in  Lüneburg  nahm  er  teil  an  der  Wahl  des  Sodmeisters, 
des  höchsten  Beamten  der  Saline.  Häufig  war  er  der  persönliche  Berater,  in 
katholischer  Zeit  auch  der  Kaplan  des  Herzogs,  und  der  Einfluß  des  Amtes  steigerte 
sich  naturgemäß,  wenn  ein  Mann  von  persönlicher  Bedeutung,  wie  etwa 
Boldewin  von  Wenden,  die  Abtswürde  bekleidete.  Des  Genannten  Wirksamkeit 
erstreckte  sich,  schon  ehe  er  den  erzbischöflichen  Stuhl  zu  Bremen  bestieg, 
weit  über  die  Grenzen  des  Herzogtums  hinaus.  Dank  seiner  umfassenden 
Kenntnisse  —  er  war  „einer  der  berühmtesten  Rechtsgelehrten  des  Landes"  — 
und  seines  ungewöhnlichen  diplomatischen  Geschicks  mußte  er  Fürsten,  Städten 
und  anderen  weltlichen  Herren  seine  Vermittlung  leihen,  und  sein  Name  ist  mit 
der  Landesgeschichte  jener  Periode  (ca.  1415—41)  eng  und  bedeutsam  verknüpft. 
Sein  Nachfolger,  Ludolf  von  Hitzacker,  verwaltete  das  Kloster  in  der  schwierigen 
Zeit  des  Prälatenkrieges.  Dessen  glückliche  Beilegung  ist  nicht  am  wenigsten 
seiner  entschlossenen  Initiative  zugunsten  des  alten  Ratsregimentes  zu  danken, 
die  nicht  davor  zurückschreckte,  das  Kloster  für  geraume  Zeit  in  päpstlichen 
Bann  zu  bringen.  Der  hervorragendste  Abt  des  16.  Jahrhunderts  war  Eberhard 
von  Holle  (1555 — 86),  der  „zu  den  größesten  Geistern  seines  Zeitalters"  gehörte 
und  neben  seiner  Abtswürde  die  Würde  eines  Bischofs  von  Lübeck  und 
Administrators  des  Bistums  Verden  inne  hatte.  In  den  verwickelten  Streitig- 
keiten der  Stadt  Lüneburg  mit  ihren  Herzögen  gelang  ihm  die  Aufstellung 
eines  epochemachenden  Vergleichs  (1562),  im  ganzen  Stift  Verden  brachte  er 
die  Reformation  zur  Durchführung,  und  auf  den  Reichstagen  nahm  er  rühmlichen 
Anteil  an  den  Staatsgeschäften.  Abt  Christof  von  Bardeleben  (1642—55),  iu 
weltlichen  Dingen  wohl  erfahren,  hatte  die  Aufsicht  über  die  Befestigung  des 
Kalkberges.  Aus  dem  18.  Jahrhundert  nennen  wir  Friedrich  Ernst  von  Bülow 
(1780—1802),  jenen  echtesten  Vertreter  der  Aufklärung,  der,  so  beklagenswert 
nüchtern  und  unduldsam  er  die  Kunstschätze  der  alten  Klosterkirche  behandelte, 
auf  anderen  Gebieten,  insbesondere  für  die  Reform  des  Salinwesens  und  die 
Hebung  der  Landwirtschaft,  ungemein  segensreich  gewirkt  hat 

Der  Titel  des  Abtes  machte  mit  der  Änderung  der  Klosterverfassung 
imd  unabhängig  davon  wiederholte  Wandlungen  durch.  In  der  ältesten  Zeit,  hier 
und  da  noch  im  späten  14.  Jahrhundert  lautet  er  schlechthin  „abbas  de  (in)  Lune- 
biu-g",  „abbas  Luneburgensis",  „abbet  to  Limeborg";  seit  Mitte  des  13.  Säkulums 
wird  die  voUere  Form  „abbas  sancti  Michahelis  in  Luneburch",  bis  zur  Verlegung 
des  Klosters  gern  auch  „in  Castro  Lüneburg^'  gewählt  und  am  Eingange  der  Abts- 
urkunden „Dei  gratia"  oder  „van  der  gnade  Godes"  (1366  vereinzelt  „Dei  et 
apostolicae  sedis  gratia^')  hinzugefügt.   Eine  viel  gebrauchte,  urkundUch  seit  1354 


-<-8    39    8^ 

belegte  Bezeichnung  lautete:  der  Abt  „uppe  dem  Huse"  to  Luneborg,  d  h.  auf 
dem  Herzogshause,  dem  Schloß,  der  Burg  auf  dem  Kalkberge,  später  in  unver- 
standener Weise  zum  ständigen  Titel  „der  Herr  vom  Hause^'  umgemodelt.  Eber- 
hard von  Holle  nahm  den  Titel  „Herr  vom  Hause"  1564  selber  auf,  gebrauchte 
ihn  zunächst  statt  des  Titels  „Abt",  bis  er  beide  Bezeichnungen,  zuerst  auf  dem 
Denkstein  an  der  Ratsmühle  von  1578,  vereinigte.  Ebenfalls  um  die  Mitte  des 
14.  Jahrhimderts  kommt  zu  „abbas  monasterii  s.  Mich."  der  Zusatz  auf  „ordinis 
S.  Benedicti",  in  deutschen  Urkunden  „sunte  Benedicti  levendes",  oder  ähnhch, 
merkwürdigerweise  noch  1642,  so  lange  Zeit  nach  der  Reformation,  beibehalten. 
Schon  im  16.  Jahrhundert  gab  man  dem  Abte,  der  sich  mit  einem  fürstlichen 
Hofstaat  samt  Hofnarren  umgab,  die  sonst  den  Fürsten  gebührende  Benennung 
„Ew.  Gnaden".  Gelegentiich  der  Aufhebung  der  Klosterverfassung  wurde  der 
zum  Abt  bereits  gewählte  Staz  Friedrich  von  Post  als  solcher  vom  Herzog  nicht 
bestätigt,  er  wurde  jedoch  zum  Vorsteher  der  Ritterschule  ernannt  und  erhielt 
nun  die  Benennung  „Landhofmeister",  mit  dem  Range  nach  dem  herzoglichen 
Statthalter,  dazu  die  Prälatentitulatur  „würdig" ;  in  den  Lehnsbriefen  nannte  er  sich 
„von  Gottes  Gnaden  des  Herzogtums  Lüneburg  erwehlter  imd  bestätigter  Landhof- 
meister und  Herr  vom  Hause  zu  St.  Michael  in  Lüneburg".  Er  bheb  der  Ein- 
zige seines  Zeichens,  schon  sein  nächster  Nachfolger,  Ludolf  Otto  von  Estorff, 
hieß  Oberaufseher  der  Ritterschule  imd  „Landschaftsdirektor",  ein  Titel,  der  sich 
bis  zur  Auflösung  der  Akademie  gehalten  hat 

Zahlreiche  Veränderungen  lassen  sich  auch  an  den  Siegeln  der  Äbte 
verfolgen.  Das  älteste,  an  einer  Urkunde  von  1214,  ist  rund  und  zeigt  den  Abt 
mit  Stab  und  Evangehenbuch,  noch  ohne  Bischofsmütze,  auf  einem  Thron;  in 
spitzovalen  Siegehi,  die  von  1227 — 61  nachweisbar  sind,  trägt  der  Abt  die  Inful, 
er  ist  stehend  dargestellt,  ebenfalls  mit  Stab  und  Evangehenbuch;  die  Um- 
schrift lautet:  „.D(E)I  GRA(TIA)  ABBA(S)  (IN)LVNEBORH" ;  in  jüngeren  spitz- 
ovalen Siegeln,  spätestens  seit  1291,  sehen  wir  den  Abt  wieder  auf  dem  Thron- 
sessel sitzen,  die  rechte  Hand  erteUt  den  Segen,  die  Linke  hält  den  Stab.  Im  Jahre 
1320  ließ  Abt  Werner  unter  Zugrundelegung  des  bisherigen  SiegelbUdes  ein 
BÜbemes  Petschaft  anfertigen,  welches  so  eingerichtet  war,  daß  der  Name  des  Abtes 
in  der  Siegelumschrift  beUebig  oft  erneuert  werden  konnte;  dieses  Siegel,  mit  der 
Legende  „S  •  •  •  DEI  •  GRACIA  •  ABBATIS  •  IN  LVNEBORCH",  wurde  bis  1586 
benutzt  Das  Sekret  des  Abtes,  ein  kreisrundes  kleines  Siegel  mit  dem  Abt  als 
Halbfigur  im  Sechspaß,  wurde  nach  jeder  Abtswahl  neu  hergestellt  und  seit 
1586  ausschheßUch  gebraucht 

Besondere  Abtswappen  sind  von  Herbord  und  Eberhard  von  Holle  und 
zahlreichen  Nachfolgern  bekannt.*) 

Das  älteste  Konventssiegel  enthält  dasBrustbUd  eines  Engels  ohne  Arme; 
in  Siegeln  von  1247 — 61  findet  sich  bereits  die  ganze  geflügelte  Figur  des  Erz- 
engels, wie  er  auf  dem  Rücken  eines  Lindwurms  steht,  in  der  linken  Hand  den 
Buckelschild,  während  die  Rechte  mit  langer  Lanze  den  Hals  des  Tieres  durch- 


*)  Vergl.  Gebhardi;  Kurze  Geschichte  S.  79  f.  und  99  f.,  Abbildungen  im  Urkunden- 
buch  des  Klosters. 


-^    40    8^ 

bohrt;  seit  1291,  wenn  nicht  schon  früher,  bediente  sich  der  Konvent  desselben 
Siegelbildes  in  einer  größeren,  weniger  künstlerischen  Ausführung;  die  Um- 
schrift heißt:  „fS'  CONVENTVS  SANCTI  MICHAELIS  IN-  LVNEBVRH".  — 

In  unserem  Bericht  über  die  Besitzungen  des  Michaelisklosters  haben  wir 
den  Kirchenschatz  noch  außer  acht  gelassen,  nicht  weil  er  bis  auf  wenige  Reste 
langst  entschwunden  ist,  sondern  weil  ein  kurzes  Verweilen  bei  den  untergegangenen 
Kunstwerken  uns  am  besten  einführt  in  die  nachfolgende  Beschreibung  des 
gegenwärtigen  Gotteshauses.  Mit  kostbaren  Pnmkstücken  soll  schon  Hermann 
BiUimg  sein  Kloster  ausgestattet  haben.  Zwei  sUbeme  Kronen  im  Reingewicht 
von  290  Pfund,  zwei  silberne  Löwen  und  zwei  goldene  Kandelaber  wurden 
später  nebst  anderen  Geschenken  Hermanns  seinem  Sohne,  Herzog  Bernhard, 
überlassen,  der  nach  einleuchtender  Vermutung  des  älteren  Gebhardi  die 
berühmte  goldene  Altartafel  daraus  anfertigen  Heß.  Auch  die  Beschaffung 
reich  mnhüllter  Gebeine  namhafter  Heiliger  und  anderer  Reliquien,  deren  einige 
von  einem  viel  bewunderten  Onyx  umschlossen  waren  oder  von  ihm  herabhingen, 
wird  auf  den  Gründer  des  Klosters  zurückgeführt,  und  von  vielen  FürstUchkeiten 
seines  Hauses  meldet  die  Überlieferung,  daß  sie  die  Kirche  immer  schöner  aus- 
zuschmücken suchten,  in  welcher  ihre  Grabstätte  bereitet  war.  Auch  Heinrich 
der  Löwe  setzte  seiner  Frömmigkeit  zu  St  MichaeUs  ein  Denkmal  —  es  heißt, 
daß  er  aus  dem  Orient  jenen  großen  siebenarmigen  Messingleuchter  mitgebracht 
habe,  der  an  der  Fürstengruft  aufgestellt  war  und  während  der  fürstlichen 
Seelenmessen  im  Kerzenglanze  erstrahlte.  Zwei  mit  Schmelz  verzierte  kupferne 
Gießbecken  soll  seine  zweite  Gemahlin,  Matilde  von  England,  geschenkt  haben; 
seine  Schwiegertochter,  Helena  von  Dänemark,  stiftete  Altarzeug,  Meßgewänder 
und  einen  vergoldeten  Kelch,  Matilde,  die  Gemahlin  Otto  des  Strengen,  einen 
Wandbehang  („tapetum"),  eine  violette,  mit  Perlen  besetzte  Kasula  und  einen 
goldenen  Kelch.  Eine  außergewöhnliche  Bereicherung  des  Kirchenschatzes  geschah 
im  Jahre  1432  durch  Herzog  Bernd,  als  dieser  St  Michaelis  zu  seiner  Begräbnis- 
stätte erwählte.  Er  Ueß  sich  zum  Heil  seiner  Seele  in  die  Brüderschaft  des 
Klosters  aufnehmen,  bedang  sich  jährlich  vier  Gedächtnisfeiern  aus  und  eine 
ewige,  d.  h.  täglich  zu  zelebrierende  Messe;  dafür  opferte  er  dem  Kloster  die  in 
seinem  freien  Eigentum  befindlichen  Heihgtümer  und  Kleinodien;  es  waren 
Reliquien  in  kunstvollen  Fassungen,  die  mit  des  Herzogs  Namen  und  Wappen 
versehen  waren  oder  alsbald  damit  versehen  werden  sollten.  Wedekind 
weiß  aus  seiner  Zeit  (um  1836)  von  den  Überbleibseln  der  goldenen  Tafel  noch 
fünf  Stücke  anzuführen,  die  das  herzogUche  Wappen  trugen  und  die  Bezeichnung 
„Bemardus  dux  dedit'^:  einen  tragbaren  Altar  mit  Reliquien,  zwei  verbUchene 
Brustbilder  aus  schwarz  bemaltem  Holz  mit  goldenen  Kronen,  zwei  Straußeneier 
in  Form  einer  Monstranz  mit  kleinen  Türmen  und  Kruzifixen  aus  vergoldetem 
Kupfer.  Da  derselbe  Herzog  sich  vorbehielt,  auch  die  Fürstengruft  von  St.  Michaelis 
„zu  bessern  und  zu  zieren^S  und  stilistische  Anhaltspunkte  auf  eben  diese  Ent- 
stehungszeit deuten,  so  dürfen  wir  annehmen,  daß  Bernd  I.  von  KünsÜerhand 
auch  das  Grabmal  herrichten  Ueß,  das  im  Mittelschiff  der  Kirche  Aufstellung 
fand  und  den  Platz  bezeichnete,  wo  die  fürstiichen  Gebeine  ruhten.  Die  holz- 
geschnitzte, ursprünglich  bemalte  Umfassung  befindet  sich  jetzt  im  Lünebmrger 


Museum,  während  von  zwei  schweren  bronzenen  Deckplatten  mit  den  lebens- 
großen Figuren  Herzog  Otto  des  Strengen  und  seiner  Gemahlin  Matilde  nur 
ivenige  kleine  Bruchstücke  vor  dem  Einschmelzen  gerettet  sind.  *) 

Von  kunstsinnigen  Äbten  des  Klosters  sind  zu  nennen  Boldewin  von 
Wenden,  der  in  24  Bildern  das  Martyrium  des  Hl.  Benedikt  für  seine  Kirche 
darstellen,  das  Gotteshaus  mit  einem  Estrich  versehen  ließ  und  wohl  auch  seinen 
ICammerer  Wilhelm  von  Ütze  anregte,  drei  große  holzgeschnitzte,  mit) Wappen 
geschmückte  Figuren  zu  schenken ;  ferner  Abt  und  Bischof  Eberhard  von  Holle,  der 
eine  Tafel  mit  den  Wappen  seiner  Vorganger  anbrachte  und  für  die  Kapitelstube 
sein  Porträt  stiftete,  ein  Beispiel,  das  seine  Nachfolger  nachahmten.  Die  noch 
erhaltene  schöne  Kanzel  führt  L.  A.  Gebhardi  auf  den  Abt  Konrad  von  Bothmer 
und  das  Jahr  1602  zurück,  während  Monogramm  und  Inschrift  auf  den  Land- 
hofmeister Staz  Friedrich  von  Post  deuten;  der  Widerspruch  ist  bisher  unauf- 
geklärt. Zahlreichen  Insassen  des  Klosters  wird  aus  den  verschiedensten  Zeiten 
ein  tätiges  Interesse  für  die  ausgezeichnete  Klosterbibliothek  bezeugt,  die  von 
allen  Zöglingen  der  Ritterschule  durch  einen  einmaligen  Beitrag  von  10  Talern 
unterstützt  wurde. 

Der  Stolz  der  Michaeliskirche,  eine  Hauptzierde  und  Sehenswürdigkeit 
Lüneburgs  imd  eines  der  ältesten  Kunstdenkmäler  weit  und  breit,  war  die  schon 
mehlfach  erwähnte  goldene  Tafel,  d.h.  der  große  Schrein  des  Hauptaltars.  Seine 
Mittelwand  bestand  aus  vielen  bildlichen  Darstellungen  in  getriebener  Arbeit 
aus  gediegenem  Golde,  an  den  Seiten  waren  Fächer  angebracht,  und  diese 
enthielten  eine  Fülle  von  Kunstgegenständen  mannigfacher  Art,  Gold-  und 
Silberarbeiten,  Elfenbein-  und  Bemsteinbildnisse,  Holzschnitzereien,  geschliffene 
Gläser  und  Kristalle,  Bücher  in  kostbaren  Einbänden,  Schaumünzen,  Stickereien 
und  dergleichen  mehr,  Reliquien,  aber  auch  bloße  Raritäten ;  die  hervortretenden 
Leisten  waren  dicht  besetzt  mit  Perlen,  Edelsteinen  und  Glasflüssen,  soweit  die 
Gliederung  nicht  durch  gotische  Fialen  und  Maßwerk  feinster  Arbeit  gebildet 
wurde,  in  reicher,  mit  Blau  abgesetzter  Vergoldung.**)  Es  war  in  der  Nacht  auf 
den  7.  März  1698,  als  eine  berüchtigte  Diebesbande,  die  in  ganz  Nord-  und 
Mitteldeutschland  ihr  Unwesen  trieb  und  während  des  vorhergehenden  Halbjahres 
auch  im  Hamburger  Dom  und  in  der  Katharinenkirche  zu  Braunschweig  ein- 
gebrochen war,  sich  in  raffinierter  Weise  Eingang  in  die  Michaeliskirche  ver- 
schaffte und  die  goldene  Tafel  schonungslos  ausplünderte.  Der  Diebstahl  wurde 
verhältnismäßig  früh  bemerkt,  als  einige  Tage  darauf  Fremde  das  Kunstdenkmal 
zu  besichtigen  wünschten  und  der  Küster  ein  Schloß  sowie  die  äußeren  und 
iimeren  Verschlußflügel  nicht  wie  gewohnt  öffnen  konnte.  Die  Verfolgung  des 
Gesindels  wurde  mit  Geschick  aufgenommen,  die  Hauptverbrecher  wurden  ge- 
laßt, in  Celle  abgeurteilt  und  schauerlich  hingerichtet  Leider  war  ihre  Beute 
in  Hambtu'g  und  Lübeck  bereits  zu  Gelde  gemacht  und  bis  auf  wenige  Stücke 
nicht  wieder  einzubringen.  Immerhin  hatten  die  Diebe  nicht  aUes  fortschleppen 
können  und  mancherlei  in  der  Tafel  zurückgelassen:  u.a.  drei  Reliquienkästchen, 


*)  Abbildung  bei  Rehtmeyer  (Chronik,  1.  Tafel  V)  und  Origines  Guelficae,  Band  IV 
**)  Eingehend  beschreibt  Mithoff  die  Tafel  (Knnstdenkmale  161  ff.). 

6 


H>»8    42    8^ 

sechs  EltenbeinschnitzereieQ,  drei  Kruzifixe,  eine  EvaDgelienhandschrift  mit 
wertvollem  Deckel,  zwei  Rauchfässer,  eine  goldene  Schelle,  Kristallbecher,  ein 
Bemsteinbildnis,  ein  in  Silber  gefaßtes  Haupt  des  Johannes,  ein  Goldstück  an 
goldener  Kette,  2  Perlen,  234  vermeintliche  Edelsteine,  die  später  als  GlasfLüsse 
erkannt  wurden,  und  geringe  Überbleibsel  der  Tafel  selber.  Alle  diese  Schatze, 
mit  ihnen  fast  alle  Kunstdenkmäler,  welche  die  Kirche  sonst  gerettet  hatte,  sind 
ihr  unter  dem  oben  erwähnten  Landschaftsdirektor  von  Bülow  in  den  Jahren 
1791 — 94  verloren  gegangen.  Man  wollte  ein  modernes  Gotteshaus,  imd  zu  den 
Anschauimgen  modernster  Aufklärung  paßte  der  künstlerische  Nachlaß  des  alten 
Glaubens  so  wenig  wie  die  bunten  Kirchenfenster.  Und  so  systematisch  ging 
die  Auskehr  vor  sich,  daß  Volger  berichten  kann,  außer  den  Mauern,  den 
Pfeilern  und  der  im  Jahre  1708  von  Mathias  Tropa  erbauten  Orgel  sei  vom 
alten  Zustande  eigentUch  nichts  übrig  geblieben.  „Die  Kirche  wurde  völlig  aus- 
geräumt: Altar,  Kanzel  (die  zwar  nur  versetzt  wurde),  Tauf  stein,  sämtliche 
Priechen  und  das  ganze  Gestühl  mußten  weichen,  .  .  .  selbst  die  Denkmäler 
wurden  nicht  verschont  .  .  .  Nachdem  so  die  Kirche  mit  nackten  Wänden  und 
Pfeilern  dastand,  stieg  man  in  die  Grüfte  der  Toten  hinab  und  reformierte  auch 
hier  gründlich.  Die  vorhandenen  Särge  und  aufgefundenen  Gebeine  wurden 
nach  dem  neuen  Kirchhofe  gebracht  und  die  Gewölbe  verschüttet,  die  Leichen- 
steine des  Fußbodens  sämtlich  weggenommen  und  entweder  den  beteiligten 
Familien  ausgeliefert  oder  verkauft  .  .  .  selbst  die  Ruhestatt  der  alten  BiUinger 
wie  des  regierenden  Fürstenhauses  ward  nicht  verschont"  Das  Denkmal  für 
Herzog  Otto  den  Strengen  und  seine  Gemahlin  kam  zunächst  auf  einen  Saal, 
dann  in  die  als  Polterkammer  verwandte  Krypta.  Dort  wurden  die  beiden 
Bronzeplatten  im  Jahre  1833  gestohlen,  in  Stücke  zerschlagen  und  nach  Hannover 
in  den  Schmelztigel  befördert.  Nicht  einmal  das  weit  berühmte  Glockenspiel 
der  Kirche,  ein  Meisterwerk  Gerhards  von  Wou  aus  Kampen  (1492),  wurde  ge- 
schont, denn  von  elf  vorhandenen  Glocken  wurden  sechs  verkauft,  darunter  die 
drei  größten,  und  mit  üinen  samt  dem  Taufgefäße  die  ehrwürdige  Glocke  des 
Meisters  Olricus,  die  fast  ein  halbes  Jahrhundert  hindurch  schon  vom  KaJkberge 
herab  die  Gläubigen  zusammengerufen  hatte.*)  Die  Reste  der  goldenen  Tafel,  soweit 
sie  nicht  veräußert  werden  konnten,  und  einige  andere  Kunstgegenstände  sind 
in  die  Reliquienkammer  der  Schloßkirche  bzw.  in  das  Weifenmuseum  zu 
Hannover  gelangt,  ein  Teil  wird  im  Museimi  zu  Lüneburg  aufbewahrt  Ein 
schmiedeeisernes  Gitter  in  gotischen  Formen,  das  den  Chor  der  Kirche  vom 
Mittelschiff  abschloß,  erwarb  die  Familie  von  Meding,  um  es,  hoffentlich  nicht  allzu- 
lange, als  Einfahrtstor  zu  ihrem  nahe  gelegenen  Stammsitz  Schnellenberg  zu  benutzen. 

Eine  anschauhche  Vorstellung  vom  Innern  der  Michaeliskirche  vor  jener 
großen  Reinigung,  nämlich  aus  dem  Anfang  des  18.  Jahrhunderts,  vermittelt  uns 
der  Lüneburger  Maler  Burmester  in  einem  großen  Gemälde,  das  eine  Zierde  des 
Lüneburger  Museums  bildet. 

Die  Michaeliskirche  ist  eine  dreischiffige  Hallenanlage  mit  einem  durch 
esc   ei  nng.  gj^^^^^  Seiten  eines  Zwölfecks  geschlossenen  Chor  (Fig.  5).     Der    starke  West- 

*)  Nähere  Angaben  über  die  Glocken  der  Kirche  bei  Wrede,  Lünebnrger  Mnseums- 
blätter  L,  S.  42  ff. 


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tunn  ist  unvollendet  geblieben,  sowohl  im  Mauerwerk  als  auch  in  der  oberen 
Endigung.  Unter  dem  Chor  befindet  sich  eine  Unterkirche  mit  zwei  kleinen 
Kapellen.  An  die  Seiteaschiffe  schließen  sich  nach  Osten,  neben  dem  Chor,  zwei 
niedrige  Kapellen  an.  Die  Kirche  ist  durchweg  gewölbt,  aus  Backsteinen 
erbaut  imd  mit  Ziegelpfannen  gedeckt,  die  Bedachung  des  Turmhelms  besteht  aus 
Kupfer.  Die  Profile  der  Backsteine,  namentlich  am  Chor  (vergl.  Fig.  8),  zeigen 
eine  auffallende  Ähnlichkeit  mit  den  Profilen  des  Domes  St  Nikolaus 
in  Stendal. 
Chor.  Das  Kreuzgewölbe  des  Chores  wird  durch  Bimstabrippen  gestutzt.    In 

den  Ecken  stehen  profilierte  Dienste  mit  bandartig  ausgebildetem  Kämpfer.  Die 
drei  nach  Osten  liegenden  Fenster  sind  spitzbogig  geschlossen  und  haben  je  zwei 
Pfosten,  die  oben  in  Spitzbögen  zusammenlaufen.  Die  übrigen  Fenster  sind  ver- 
mauert, zeigen  aber  noch  die  Pfostenteilung.  Unter  dem  Kaffgesims  liegt  in 
jeder  Chorseite  eine  tiefe  Nische.  Zwei  dieser  Nischen,  gegenüberliegend  im 
Süden  und  Norden,  sind  zu  Türen  mit  reich  profiliertem,  fallendem  Sturz  aus- 
gebildet (vergl.  Fig.  8)  imd  führen  zu  den  Kapellen,  die  in  der  Verlängerung 
der  Seitenschiffe,  aber  tiefer  als  diese,  liegen. 

Zu  der  nördlichen  Kapelle  führen  zwölf  Stufen  vom  Chor  herab.  Sie  ist  im 
halben  Zehneck  mit  ungleichen  Seiten  nach  Osten  geschlossen  und  reicht  mit  zwei 
Gewölbejochen  bis  zur  Abschluß  wand  des  nördlichen  Seitenschiffes.  Kreuzgewölbe 
mit  vortretenden  Rippen  überdecken  den  jetzt  als  Sakristei  dienenden  Raum.  Die 
Rippen  stehen  auf  profilierten  Diensten,  die  bis  zum  Fußboden  herabgehen  und 
mit  einfachem  Kapitellband  aus  Gips  geschmückt  sind.  Beleuchtet  wird  die 
Kapelle  durch  drei  kleine  zweiteiUge  Pfostenfenster.  Die  Schlußsteine  bestehen 
aus  Gipsmörtel  imd  zeigen  an  der  Unterseite  gotisches  Blattomament,  am  mittleren 
befindet  sich  ein  Fabeltier. 

Zur  südlichen  Kapelle  steigt  man  auf  nur  sechs  Stufen  herab;  sie  ist  aus- 
gebildet wie  die  nördliche  und  dient  jetzt  auch  als  Sakristei.    In  der  Südwand 
ist  ein  gotischer  Schrank  mit  Beschlägen  eingemauert. 
Onterkirche.  Die  Unterkirche  liegt  unter  dem  Chor  und  reicht  westlich  bis  zur  Mitte 

desselben.  25  Stufen  vermitteln  den  Zugang  von  beiden  Seitenschiffen  aus.  Die 
neben  der  Unterkirche  befindlichen  beiden  Kapellen  liegen  unter  den  oberen 
Kapellen  neben  dem  Chor  imd  sind  entsprechend  niedriger.  Beide  haben  eben- 
falls polygonen  Abschluß  nach  Osten  und  sind  ebenso  wie  die  oberen  mit  Kreuz- 
gewölben überdeckt  Die  Rippen  der  Gewölbe  stehen  auf  queiigelegten  Profil- 
steinen. Die  südliche  Nebenkapelle  hat  zwei  Ausgangstüren,  die  zu  der  umt 
drei  Stufen  höher  liegenden  Straße  führen.  Das  Gelände  fällt  nach  dem  Chor 
hin  so  stark,  daß  diese  Ausgänge  möglich  waren.  Erhellt  wird  dieser  Raum 
durch  zwei  Fenster.  Die  nördliche  Kapelle  liegt  drei  Stufen  tiefer  als  die  Unter- 
kirche und  hat  zwei  kleine  Pfostenfenster.  Hier  steht  auch  ein  gemauerter  Altar 
mit  zwei  tiefen  seitlichen  Nischen  imd  einer  Abdeckplatte  aus  Gipsmörtel  Vier 
Türen  vermitteln  den  Zugang  von  den  Seitenkapellen  zur  Unterkirche,  die  unab- 
hängig von  der  oberen  Teilung  dreischiffig  mit  vier  Jochen  und  einem  Ghorjoch 
ausgebildet  ist.  Die  Schiffe  sind  gleich  breit  und  durch  dünne  profilierte  Pfeiler 
mit  Kapitell  und  Sockel  getrennt    Die  Kreuzgewölbe  haben  Bippen  mit  Bim- 


-•-8    45    8*^ 

Stabprofilen.  Die  einfach  profilierten  runden  Schlußsteine  zeigen  an  der  Unter- 
seite plastische  Verzierungen,  u.  a.  Darstellimgen  vom  Adler,  Hirsch,  Löwen, 
Pelikan.  An  den  Wänden  stehen  die  Rippen  auf  Konsolen.  Die  drei  tiefen 
Fensternischen  sind  mit  kleinen  Kreuzgewölben  geschlossen,  auf  deren  Schluß- 
steinen menschliche  Gestalten  abgebildet  sind.  Ein  eigentlicher  Altar  ist  nicht 
vorhanden.  Auf  der  ausgemauerten  Brüstimg  der  mittleren  Fensternische  steht 
ein  neues  Holzkreuz.  In  der  Vorderseite  dieser  Mauer  ist  eine  Sandsteinplatte 
eingelassen,  die  in  großen  römischen  Buchstaben  die  Inschrift 

HERMANNUS  PRIMUS  DUX  SAXONIE 
FUNDATOR  HUIUS  CENOBÜ  VI.  KAL.  APRIL.  DCCCCLXXm 
trägt.   An  der  nördlichen  Wand  ist  eine  Sandsteinplatte  aufgestellt,  deren  Ober- 
fläche sehr  zerstört  ist,  aber  noch  einen  gotischen  Baldachin  mit  großer  mittlerer 
Figur  imd  Umschrift  in  Minuskeln  am  Plattenrande,  alles  flach  erhaben,  erkennen 

läßt.     Von   der  Umschrift  ist    oben    noch    zu    lesen:    anno  .  d  .  mccc 

Es  ist,  nach  Qebhardi,  der  Grabstein  des  Priors  Borchard  von  dem  Berge,  der 
1415  starb.    Die  kleine  Orgel  und  das  Gestühl  sind  neu. 

In  den  letzten  Jahren  des  19.  Jalirhunderts  ist  die  Unterkirche  erneuert, 
namentlich  sind  die  Pfeiler  ganz  neu  aufgemauert  worden. 

Das  Äußere  des  Chores  mit  Unterkirche  und  Kapellen  baut  sich  mit 
starken  Strebepfeilern  auf  den  Polygonecken  hoch  auf  (vgl.  Fig.  6).  Wie 
schon  erwähnt,  liegt  die  Straße  hier  tiefer  als  am  Schiff,  so  daß  auch  die 
Fenster  der  Unterkirche  ganz  in  die  Erscheinung  treten.  Zwischen  den  Strebe- 
pfeilern liegen  die  einfachen  Spitzbogenfenster  mit  Pfostenteilung.  Die 
Strebepfeiler  selbst  gehen  bis  unters  Dach  und  sind  mit  Ziegelpfannen  ab- 
gedeckt Durch  die  angebauten  Kapellen  erhält  der  mächtige  Ghorabschluß 
einen  malerischen  Charakter. 

Das  Schiff  umfaßt  sechs  Joche  in  der  Richtung  von  Westen  nach  Osten.  Schiff. 
Die  beiden  östlichen  Joche  des  Mittelschiffes  sind  zum  Chor  hinzugezogen. 
Mauern  in  Emporenhöhe  trennen  diese  Joche  des  Mittelschiffes  von  denen  des 
Seitenschiffes  und  letztere  von  dem  übrigen  Schiffe.  Dadurch  entstehen  zwei 
kapeUenartige  Räume  in  den  letzten  östlichen  Jochen  der  Seitenschiffe,  über  die 
jetzt  die  Emporen  des  übrigen  Schiffes  hinweggehen  und  über  denen  früher  wohl 
Lektoren  sich  befanden,  wie  in  der  Johanniskirche.  Die  Mauern  mit  Spitzbogen- 
nischen sind  jedenfalls  alt 

Die  mit  Birnstabrippen  besetzten  Kreuzgewölbe  des  Schiffes  werden 
gestützt  von  runden,  mit  vier  Diensten  besetzten  Pfeilern  (Fig.  7  und  10).  In 
Kampferhöhe  läuft  ein  einfaches  Kapitellband  herum.  Das  Dienstprofil  wird 
gebildet  durch  die  drei  zusammenschießenden  Rippenprofile  auf  den  Kämpfern. 
Die  Seitenschiffe  haben  fünfteilige  Gewölbe  mit  zwei  spitzbogigen  Pfostenfenstem 
in  jedem  Joche.  Die  Emporen  sind  im  19.  Jahrhundert  in  neugotischen  Formen 
eingebaut  und  zerschneiden  die  Fenster  in  unschöner  Weise.  Unter  dem  Kaff- 
gesims liegen  auch  hier  Spitzbogennischen,  die  früher  zum  Teil  zu  Kapellen 
führten  (Gebhardi,  Kollektaneen  XII).  An  der  Nordseite  sind  noch  Reste  von 
diesen  Kapellen  erhalten  und  zwar  vier  tiefe,  mit  Kreuzgewölben  überdeckte 
Nischen.    Sie  bildeten  anscheinend  die  Verbindung   mit  dem   an   der  Nordseite 


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liegenden  Gebäude,  das  jetzt  im  Erdgeschoß  die  Heizung,  im  Obergeschoß  das 
Archiv  enthält  Im  Erdgeschoß  lagen  nach  Gebhardi  die'rKapeUen  der  v.  d.  Berge, 
V.  Grote  und  v.  Weihe.  Dieses  Gebäude  ist  wohl  gleichzeitig  mit  der  Kirche 
oder  nur  wenig  später  erbaut;  es  schließt  sich  mit  seinen  fünf  Gewölbejochen 
der  Ausbildung  imd  der  Art  der  Gewölbe  in  der  Kirche  eng  an.  Sein  Dach  liegt 
in  der  Schräge  des  Kirchendaches  (vergl.  Fig.  9). 

Im  letzten  westlichen  Joche  des  Mittelschiffes  steht  die  Orgel  auf  einer 
neuen  zweigeschossigen  Orgelempore  in  neugotischen  Holzformen.  Die  westlichen 
Joche  der  Seitenschiffe  sind  imter  der  Empore  durch  Mauern  gegen  das  Sdiiff 
abgeschlossen  und  enthalten  einfache  Treppenajilagen  aus  dem  18.  Jahrhundert 


•Bogen  proji  h'm-Clooi*- 


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Fig.  &    Ifichaalislriretae;  BAcksteingUeder. 


Unter  der  Orgelempore  ist  gegen  den  Turm  ein  Vorraum  abgetrennt,  der  die 
Treppenhäuser  verbindet  Hier  stehen  noch  zwei  runde  Holzsaulen  mit  aus- 
geschnittenen Konsolen,  darüber,  im  ersten  Geschoß  der  Orgelempore  steht  eine 
dritte  Säule. 

Die  Kanzel  steht  am  zweiten  nördlichen  Pfeiler.   In  der  Mitte  des  Schiffes 
hegt  im  Fußboden  eine  eiserne  Tafel  mit  der  Inschrift:   „In  diesem  1388  hierher 


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verlegten  Grabe  ruhen  die  Reste  der  während  des  halben  Jahrtausends  von  973  bis 
1471  in  Lüneburg  beigesetzten  Landesherren  und  ihrer  Gemahlinnen,  der  Herzoge 
von  Sachsen  von  Hermann  Billimg  f  973  bis  auf  Magnus  f  1106  und  der  Herzöge 
von  Lüneburg  von  Wilhelm,  dem  Ahnherrn  der  Weifen,  bis  auf  Otto  f  1471." 
An  dieser  Stelle  stand  das  Fürstengrab,  ein  2,10  m  breites,  2,40  m  langes  und 
0,75  m  hohes  Postament  aus  bemaltem  Eichenholz,  von  zwei  Bronzeplatten  mit 
den  Gestalten  des  Herzogs  Otto  imd  seiner  Gemahlin  Mechtildis  bedeckt  Das 
Postament,  das  jetzt  im  Museum  zu  Lüneburg  aufbewahrt  wird,  zeigt  an  den 
Seiten  tief  geschnitzte  Bogenstellungen  mit  reichem  spätgotischem  Schmuck,  und 
zwar  an  der  einen  Langseite  sieben  Bogenfelder  mit  männlichen  Figuren,  im 
mittleren  Feld  Si  Michael  mit  dem  Draschen,  an  der  anderen  Langseite  ebenfalls 
sieben  Felder,  aber  mit  Frauenfiguren,  im  Mittelfeld  Maria  mit  dem  Kinde.  Die 
Breitseiten  sind  in  vier  Bogenfelder  geteilt,  die  durch  Wappen  ausgefüllt  werden. 
Die  Ecken  des  Postamentes  werden  durch  Strebepfeiler  belebt.  Von  den  Bronze- 
platten besitzt  das  Museum  einige  kleine  Reste. 

Bemerkenswert  ist  der  spätgotische  Beschlag  der  TCr  ziun  Archiv  an 
der  Nordseite.  Der  Türklopfer  ist  befestigt  auf  einem  sechsblättrigen  eisernen 
Schild,  von  dessen  Ecken  strahlenförmig  kleine  Blätter  ausgehen.  Der  Klopfer 
selbst  ist  dreiseitig  mit  runden  Ecken,  aus  denen  Eicheln  herauswachsen,  aus- 
gebildet 

An  der  Westwand  des  Schiffes  sind  Reste  eines  gotischen  Backstein- 
frieses über  einem  Nasengesims  vermauert. 

In  dem  südhchen  kapellenartigen  Räume  neben  dem  Chor  ist  eine  Sand- 
steinplatte mit  barocker  Umrahmung  eingelassen.  Die  auf  die  Geschichte  der 
Kirche  bezügUche  Inschrift  in  großen  römischen  Buchstaben  lautet: 

„Deo.  auspice.  perillustris.  ac.  venerabilis.  dominus,  dominus.  Joachimus. 
Fridericus.  de.  Lüneburg,  director:  statuum.  ducatus.  Limeburgici.  domnus.  de« 
domo,  sancti.  Michaelis,  dynasta.  in.  Wahtlingen,  Utze.  reL  tempU.  quod.  post 
sinistra.  in  monte.  fata.  hie.  loci.  Wemero.  Grotiade.  abbate.  anno.  MCCCLXXVI. 
resuscitari.  coeptum.  et.  braesule.  Ulrico.  Barveldio.  anno.  MCDVHI.  in- 
auguratum.  fuerat  fomices.  ruinam.  ex.  vetustate.  mina.  tos.  reficL  tectum. 
olim.  trifidum.  soUdiori.  uno.  commutari.  pileo.  que.  aeneo.  m.  Nov.  MDCCLL 
imposito.  claudi.  columnas.  et  lateritia.  exesas.  firmiere,  robore.  donari.  pavi- 
mentum.  novo,  latere.  recentari.  aedem.  interiorem.  nitida,  facie.  indutam  sere- 
niore  luce  beari  ardui.  operis.  et.  ingentis.  impensae.  fabricam.  mense.  februario. 
a.  MDGGL.  inchoatam.  biennio  .  nondum  .  exacto.  absolvi.  penetraUa.  sacris. 
consuetis.  die.  XXV.  decemb.  a.  MDCCLL  rursus.  aperiri.  tot  qve.  moni- 
mentis.  conspicuis.  sibi.  monimentum.  aere.  perennius.  P.  C.  pie.  solerter. 
feliciter." 

Die  Verbindung  mit  dem  Dachboden  vermitteln  zwei  Wendeltreppen, 
eine  im  letzten  südöstlichen  Pfeiler  des  Schiffes,  die  andere  in  der  nördlichen 
Außenmauer.    Letztere  führte  auch  zum  Archiv  im  nördlichen  Anbau. 

Der  Haupteingang  zur  Kirche,  die  sogenannte  Brauttür,  liegt  an  der 
Südseite,  zwei  weitere  Eingänge  hegen  einander  gegenüber  in  dem  letzten 
westUchen  Schiffjoche. 


-^    48     s«- 

Durch  die  fünfteiligen  Gewölbe  der  Nebenschiffe  erhält  die  Außenseite 
in  jedem  Joche  zwei  echlaake  Fenster,  die  von  Strebepfeilern  eingefaßt  weiden. 
Die  Südseite  der  Kirche  läßt  die  zwölf  Fenster  mit  den  dreizehn  Strebepfeilern 


Flg.  9.    Mlebaeltaklrclia;  NardMfte. 


voll  in  die  Erscheinung  treten  und  gestaltet  sich  hier  unter  dem  hohen  Zi^el- 
dach  zu  einer  mächtigen  Front  (Fig.  6),  die  früher  auch  malerisch  gewesen  ist, 
als  noch  die  kleinen  Kapellen  am  Fuße  der  Wand  lagen  und  vor  dem  spitz- 


-^    49    8^ 

bogigen  Haupteingang  im  dritten  Joche  sich  das  „Segenhaus'^,  eine  Eingangs* 
halle  mit  prächtig  verziertem  Staffelgiebel,  aufbaute.  Alle  diese  Teile,  die  uns 
Gebhardi  in  seinen  Aufnahmen  und  Beschreibungen  erhalten  hat,  sind  im  letzten 
Jahrzehnt  des  18.  Jahrhunderts  von  dem  Landschaftsdirektor  von  Bülow 
abgerissen  worden.  Die  Nordseite  ist  ebenso  ausgebildet  wie  die  Südseite,  hier 
wird  etwas  malerische  Bewegung  in  die  starren  Massen  der  Strebepfeiler  ge- 
tragen durch  den  Anbau  mit  dem  ArchiV;  dessen  schwere  Strebepfeiler  die  auf- 
steigenden Linien  unterbrechen  (Fig.  9).  Eine  Eigentümlichkeit  zeigen  die  im 
Spitzbogen  geschlossenen  Pfostenabschlüsse  in  den  Fenstern  an  dieser  Seite. 
Diese  Spitzbögen  haben  maßwerkähnliche  Nasen  aus  gebranntem  Ton. 

Das  Dach  des  Schiffes  ist  1760  aufgesetzt  worden  (Fig.  7),  nachdem 
das  alte  dreigeteilte  Längsdach,  das  dem  der  Johanniskirche  ähnlich  sah, 
beseitigt  worden  war. 

Der  11,50  m  im  Quadrat  starke  Turm  ist  imvollendet  geblieben.  Sein  Turm. 
Mauerkörper  zeigt  am  äußeren  auf  allen  Seiten  Ansätze,  Verzahnungen  und 
Spuren,  die  auf  einen  bestimmten,  nicht  vollendeten  Bauplan  deuten.  Auch 
die  jetzige  Spitze  des  Turmes  ist  nicht  die  ursprünglich  geplante,  zu  dem 
schweren  glatten  Mauerkörper  stimmende;  sie  wurde,  nachdem  Jahrhunderte 
lang  ein  Notdach  den  Turmstumpf  bedeckte,  1766  durch  den  Oberlandbamneister 
Otto  Heinrich  von  Bonn  erbaut. 

Wahrscheinlich  sollte  der  Turm  in  seinem  Innern  einen  prächtigen 
hohen  Saal  bilden;  die  Architekturteile  sind  von  einem  Reichtum  imd  einer 
Größe  der  Ausbildung,  wie  sie  sicher  nicht  für  eine  unbenutzte  Turmhalle  auf- 
gewendet worden  wären.  Ober  einem  hohen,  bis  zum  Gewölbe  des  Schiffes 
reichenden  Geschosse,  daß  jetzt  durch  zwei  Balkenlagen  geteilt  ist,  befindet 
sich  ein  zweites,  das  ebenfalls  aus  der  Erbauungszeit  der  Kirche  stammt.  Das 
darüberliegende  Glockengeschoß  gehört  der  Barockzeit  an  (1766). 

Das  untere  hohe  Geschoß  öffnet  sich  nach  dem  Schiff  zu  in  voller 
Spitzbogenöffnung  mit  reichem  Gewände  (die  Öffnung  ist  jetzt  durch  die 
Rückwand  der  Orgel  verbaut),  nach  den  drei  anderen  Seiten  öffnen  sich  in  der 
Mitte  jeder  Schildwand  schmälere,  durch  die  Mauerstärke  gehende  Nischen, 
die  jetzt  teils  vermauert  sind,  teils,  nach  Westen,  ein  später  eingebautes  Fenster 
enthalten.  Diese  Nischen  haben  eigene  Kreuzgewölbe  mit  Bimstabrippen  und 
ornamentierten  Schlußsteinen,  die  Dienste  gehen  bis  zum  Fußboden  und  das 
Verschwinden  der  Profile  in  der  Vermauerung,  sowie  die  Wiederkehr  von 
Diensten  und  Profilen  an  der  Außenseite  des  Turmes  nach  Norden  zeigen,  daß 
hier  ein  beabsichtigter  Bau  nicht  zu  Binde  geführt  wurde.  Es  ist  denkbar,  daß 
die  Seitenschiffe  bis  zur  Vorderkante  des  Turmes  verlängert  und  *  mit  dem 
Mittelraume  im  Turm  verbunden  werden  sollten,  so  einen  großen,  quer  vor  der 
Kirche  liegenden  Saal  für  IQosterzwecke  bildend.  Schon  während  des  Baues 
muß  der  Plan  verlassen  worden  sein,  denn  das  Gewölbe  des  Mittelraumes  ist 
nicht  ausgeführt  worden.  Alle  Ecken,  Pfeilervorlagen  und  Dienste  des  Mittel- 
raumes sind  für  Gewölbebau,  reich  profiliert  angelegt,  die  Schildbögen  sind  ebenfalls 
ausgeführt.  Die  schlanken  Verhältnisse  des  Raumes  im  Verein  mit  dem 
gruppierten  Grundrisse  imd  der  reichen  Ausstattung  mit  Profilen  sind  von  großer 

7 


Schönheit  Die  Profile  der  Pfeiler  in  Erdhöhe  siixd  anders  ausgebildet  als  die 
des  eben  beschriebenen  Raumes,  so  daß,  wenn  keine  spätere  Veränderung  vor- 
liegt, hier  eine  Decke,  vielleicht  in  Höhe  der  Orgelempore,  vorhanden  war. 

Das  obere  Turmgeschoß  entspricht  in  seiner  Teilung  dem  unteren;  es 
ist  aber  viel  einfacher  ausgebildet.  Eine  Wendeltreppe  im  südwestlichen  Turm- 
pfeiler bildet  den  Zugang  zu  diesem  Geschoß.  Hier  beginnt  die  Unterkonstruktion 
für  den  Glockenstuhl,  auf  dem  [die  achteckige  Spitze  des  Turmes  steht  Das 
Glockengeschoß,'  zugänglich  durch  eine  Wendeltreppe  im  südöstlichen  Turm- 
pfeiler, ist  1766  erbaut 

Die  Mauern  des  Turmes  steigen  glatt  bis  zum  Hauptgesims  auf.  An 
der  südlichen  Seite  (Fig.  7)  erscheinen  im  unteren  Teile  zwei  flache  Nischen, 
zwischen  beiden  ein  vermauerter  dritter  Bogen.  Die  nördliche  Seite  zeigt  die- 
selbeif  Nischen,  aber  noch  mit  profilierten  Schildbögen  und  Diensten  auf 
den  Pfeüem  zwischen  den  drei  Schildbögen.  Die  Dienste  stehen  auf  Eonsolen. 
An  den  freistehenden  Turmecken  befinden  sich  unten  kleine  spätere  Strebe- 
pfeiler, oben  Verzahnungen. 

Die  Turmfläche  wird  nur  unter  dem  Hauptgesims  von  rundbogigen 
größeren  Offnungen  durchbrochen.  Über  dem  hölzernen  Hauptgesims  beginnt 
die  mit  Kupfer  gedeckte  Haube,  die  in  einem  achteckigen,  durchbrochenen  Be- 
krönungsgeschoß  mit  einer  pyramidalen  Spitze  endigt.  Der  Körper  des  Turmes 
erhebt  sich  nur  wenig  über  den  First  des  Schiffdaches. 
Altäre.  Der  jetzige  Altar  ist  neu,  mit  einer  Grablegung  als  Mittelbild. 

Von  dem  früheren  Hochaltar,  der  die  berühmte  1698  durch  Nickel  List 
beraubte  goldene  Tafel  enthielt,  befinden  sich  im  Provinzialmuseum  zu  Hannover 
die  vier  Flügel,  mit  denen  der  Altarschrein  verschlossen  werden  konnte.  Die 
inneren  Flügel  sind  an  der  Innenseite  mit  vergoldeter  gotischer  Baldachin- 
architektur geschmückt,  in  der  auf  Konsolen  in  zwei  Reihen  übereinander  20  be- 
malte und  reich  vergoldete  Figuren  stehen.  Im  ehemals  nördlichen  Flügel  stehen 
in  der  oberen  Reihe:  Maria  Magdalena,  Stephan,  Benedikt,  Lorenz  und  der  Erz- 
engel Michael,  in  der  unteren  Reihe:  Bartholomäus,  Johannes  d.  Ev.  und  die 
Apostel  Thomas,  Andreas  und  Philippus.  Im  vormals  südlichen  Flügel  befinden 
sich  in  der  oberen  Reihe:  Johannes  d.  T.,  die  Apostel  Jacobus  d.  J.,  Matthaus, 
Simon,  sowie  Georg,  in  der  unteren  Reihe:  Maria  mit  dem  Kinde  und  die  Apostel 
Petrus,  Paulus,  Matthias  und  Jacobus  d.  Ä.  Die  Baldachine  werden  zwischen 
den  Figuren  durch  Strebepfeiler  gestützt,  die  in  halber  Höhe  von  zierlichen 
weiblichen  Figuren  unterbrochen  werden. 

Die  Außenseiten  der  Innenflügel  und  die  Innenseiten  der  Schutzflügel 
zeigen  36  quadratische  Bilder  in  drei  Reihen  übereinander,  jeder  Flügel  also 
neun  Bilder  mit  Darstellungen,  die  der  Geschichte  Jesu  und  seiner  Mutter 
entnommen  sind  imd  die  Mithoff  im  einzelnen  anführt  Die  Außenseiten  der 
Schutzflügel  sind  mit  zwei  großen  Temperagemälden  auf  gemustertem  Goldgrund  — 
die  Aufrichtung  der  ehernen  Schlange  und  die  Kreuzigung  Christi  darstellend  — 
bedeckt 

Kleine  vergoldete  Reste  gotischer  Maßwerkarchitektur,  die  ehemals  zum 
Altarschrein  gehörten,  befinden  sich  im  Lüneburger  Museum. 


MICHAELISKIRCHE;  BLICK  INS  MITTELSCHIFF. 


-*^    51     8«<- 

Die  zwei  Altarleuchter  aus  Messing  haben  reich  3)rofillerte  Mittelkorper,  Altarleuchter, 
die  auf  je  drei  Lawen  ruhen. 

Im   nördlichen   Seitenschiff   hängt   an   der  Ostwand   ein    farbiger,   an-  Kruzifixe, 
scheinend  spätgotischer  Chitstuskörper  an  neuem  Kreuz. 

Im  Chor  hängen  vier  neue  Gemälde,  die  Evangelisten  darstellend.  Gemälde. 

Im  südlichen  Seitenschiff  hängt  am  Ostende  eine  schmale  eichene  Tafel, 
1,75  m  hoch,  4,53  m  lang,  mit  den  Wappen  von  35  Äbten  bis  auf  Eberhard  von 
Holle  1586.  Die  linke  Seite  dieser  Tafel  nimmt  eine  stehende  männUche  Gestalt, 
Hermann  Billung  darstellend,  ein;  zwischen  ihr  und  den  Abtswappen  ein  Gedicht 
auf  Hermann  Billung.  Die  Tafel  soll  früher  in  der  Gruft  der  Äbte,  die  unter 
dem  Ostende  des  südlichen  Seitenschiffs  lag,  gehangen  haben. 

Im  Archiv  befinden  sich  4  Bildnisse  von  Äbten. 

Von  den  drei  Läuteglocken  zeigt  die  älteste  eine  bimförmige  Form  ohne  Glocken. 
Inschrift  oder  Verzierung,  zwei  weitere  sind  aus  dem  Jahre  1492.  Die  größte 
hat  1,385  m  Durchmesser  und  1,00  m  Höhe  ohne  Krone,  am  oberen  Rande 
einen  spätgotischen  Fries  und  darunter  eine  lateinische  Umschrift  mit  der 
Jahreszahl.  Die  kleinere  der  Glocken  hat  1,08  m  Durchmesser  bei  80  cm  Höhe 
mit  oberer  Umschrift.  Beide  Glocken  sind  von  Gerhard  von  Wou  gegossen. 
(Inschriften  und  Abbildungen  in  den  Lüneburger  Museumsblättem.   Heft  I.   1904.) 

Der  Grabstein  der  Unterkirche  wurde  schon  erwähnt  Einige  weitere  Grabsteine. 
Grabsteine  sind  im  südlichen  Seitenschiff,  in  dem  abgetrennten  Räume  neben 
dem  Chor,  an  den  Wänden  aufgestellt.  An  der  Außenwand  steht  das  schöne 
Denkmal  Herbeii;  von  Helles,  des  ersten  lutherischen  Abtes,  der  1555  staxb. 
Das  Denkmal  wird  wenig  später  entstanden  sein.  Auf  dem  1,42  m  breiten, 
2,38  m  hohen  Stein  erscheint  über  einer  unteren  Schrifttafel  die  knieende 
Gestalt  des  Abtes  mit  Bischofsstab  in  Lebensgröße,  ein  großes  Kruzifix  an- 
betend. Der  Abt  kniet  auf  einem  Stein  mit  der  Inschrift: 
OB.  AN  1555/12  DECEMB.  AETAT.  SVAE  63/  SEDITQ.  AN  25/  MINUS,  UNO/  DIE. 
Links  von  dem  Stein  ist  das  Abtswappen  angebracht,  das  sich  zuerst  an  diesem 
Stein  vorfindet,  ein  viergeteilter  Schild,  im  ersten  und  vierten  Felde  sitzt  ein 
Abt  mit  Bischofsstab,  das  zweite  und  dritte  Feld  nimmt  das  Stammwappen  von 
Helles  ein.  Über  dem  Schild  hegt  eine  Bischofsmütze  mit  zwei  Abtsstäben. 
Die  Darstellung  wird  an  beiden  Seiten  eingefaßt  durch  ornamentierte  Pilaster 
mit  Blätterkapitellen.  Auf  jedem  Pilaster  liegen  fünf  flache  Ringe,  die  oben 
und  unten  Wappen,  dazwischen  männUche  Köpfe  umschließen.  Die  Köpfe  scheinen 
Zeitgenossen  des  Abtes  darzustellen.  Die  Wappen  sind  links  oben  von  Holle,  rechts 
oben  vonMandelsloh,  links  unten  vonSaldem,  rechts  unten  von  Landsberg.  Zwischen 
dem  Kruzifix  und  dem  Kopf  des  Abtes  ein  Schriftband.  Behncke*)  hält  das  aus 
farbig  bemaltem  Sandstein  bestehende  Grabmal  für  ein  Werk  Alberts  von  Soest. 

An  derselben  Wand  steht  ein  Grabdenkmal  des  Abtes  Johannes 
von  Harling,  gestorben  19.  Oktober  1604.  Eine  fast  lebensgroße  Gestalt  in  der 
Tracht  lutherischer  Pfarrer  steht,  die  Hände  faltend,  aufrecht  unter  einem  Bogen, 
dessen  Kämpfer  von  Engelköpfen  getragen  wird.     In  den  Bogenzwickeln  und 


*)  Behncke,  Albert  von  Soest.    Straßburg  1901. 

7* 


-^    52    8^ 

in  den  unteren  Ecken  Wappen.  An  den  Plattenrandem  zieht  sich  die  In- 
schrift herum: 

ANÖ  1604  DIE  19  OCTO.  OBHT  REVEREND'  ET  NOBILIS  DK 
JOANNES  AB  HARLING  COENOBH  HVIVS  SENIOR  ET  CELLART 
QVI  FRATRES  HENRIC   ET   CHRISTIAN'  HOC  MONUMETÜ  PP. 

An  der  Langseite  befindet  sich  eine  zweite  Schriftreihe: 
rechts:  DOMIN^  ADIVTOR  ET  REDEMPTOR  MEVS. 

links:  GOT  MEIN  HELPFER  VNDT  ERRETTER 

Die  Platte  ist  aus  Sandstein  und  1,20  X  2,00  m  groß. 

An  der  gegenüberliegenden  Wand,  nach  dem  Chor  zu,  ist  ein  1,42  m 
breiter,  2,28  m  hoher  Grabstein  für  Johannes  Wilkinus  von  Weihe,  geb.  1659, 
gest.  23.  Februar  1623,  eingemauert.  In  der  Mitte  sitzt  eine  Kartusche,  von 
zwei  Engeln  gehalten,  darin  ein  Wappen  mit  dem  Schild  der  Familie.  Unter 
und  über  der  Kartusche  ist  eine  Inschrifttafel  mit  aufgerollten  Rändern 
angebra.cht.  Am  Rande  eine  Umschrift  aus  großen  römischen  schräg- 
liegenden  Buchstaben,  die  in  den  Ecken  durch  Kreise  mit  Wappen  unter- 
brochen wird. 

An  dieser  Wand  sind  noch  zwei  ReUefs  aus  Sandstein  eingelassen;  eine 
farbige  Auferstehung  mit  guter  Christusfigur,  die  früher  (nach  Gebhardi)  das 
Grabdenkmal  von  HoUes  bekrönte  und,  nach  Behncke,  ebenfalls  von  Albert 
von  Soest  stammen  soll;  ferner  eine  Kreuzabnahme,  deren  Figuren  in  lebhafter 
Bewegung  fein  gearbeitet  sind  und  über  der  Gott  Vater  in  Wolken  schwebt 

In  dem  nördlichen  kapellenartigen  Räume  neben  dem  Chor,  sind  in  die 
Chorwand  vier  kleine  Sandsteinreliefs,  wohl  auch  von  Grabdenkmälern  stammend, 
eingelassen,  oben  zwei  hoch  erhabene  Köpfe,  Luther  und  Melanchton  in  halb- 
runder Nische  mit  Um-  und  Unterschrift,  die  Behnke  für  Werke  Soests 
hält,  unten  links  ein  St  Michael  mit  dem  Drachen,  im  Rundbogen,  von  guter 
Arbeit  Im  Rundbogen  steht  die  Zahl  1595,  unter  dem  Bildwerk  sind  die  Buch- 
staben G.  M.  H.  V.  E.  angebracht  Auf  dem  Kleide  St  Michaels  ist  ein  Wappen- 
schild der  Harling  angebracht  Das  Relief  rechts  zeigt  in  einem  von  vertieften 
Gewänden  getragenen  Bogen  ein  Kreuz,  im  Hintergrunde  eine  Stadt.  An  dem 
Kreuz  hängt  ein  Christuskörper  von  Zink,  aus  späterer  Zeit. 
HostiendoBen.  Dröi  ovale  silberne  Hostiendosen  besitzt  die  Kirche,   eine  ist  von  1689, 

mit  eingraviertem  St  Michael;  eine  zweite  von  1664  zeigt  auf  dem  Deckel  die 
Namen  vieler  Soldaten  in  kreisförmiger  Anordnung  (Stempel  THP);  auf  dem 
Deckel  der  dritten  von  1666  ist  ein  Kruzifix  eingraviert,  daneben  die  Namen 
von  Soldaten. 

Für  Krankenkommunionen    sind  noch  zwei  silberne  Hostiendosen  vor- 
handen; der  Deckel  der  einen  ist  mit  eingraviertem  St.  Michael  geschmückt 
Kanzel.  ^^^  S^'^   ^^^  Sandstein  hergestellte   schöne  Kanzel   ist  ein  Werk   des 

17.  Jahrhunderts  (Fig.  11).  Sie  wird  getragen  von  einem  achteckigen,  unter  dem 
Fußgesims  der  Brüstung  stark  auskragenden  Pfeiler  mit  Fußgesims.  Vor  dem 
Pfeiler  steht  die  fast  lebensgroße  Gestalt  des  Apostels  Paulus  mit  Schwert  und 
Buch,  in  stark  bewegtem  Gewände.  Das  mit  Eierstab  ornamentierte  Puß- 
gesims  der  Kanzelbrüstung  setzt  sich  auch  an  der  halbgewundenen  Treppe  fort; 


über  ihm  baut  sich  die  reich  mit  Figuren  und  Gruppen  geschmückte  Brüstung 
mit  dem  Ahschlußgesims  auf.    Die  Brüstung  ist  in  15  Felder  geteilt,  von  denen 


Ftg.  11.    UicfaielliUrcbei  Kkniel. 


ins   erste,    zweite,   zehnte  und  fünfzehnte  Kartuschen  mit  Bibelsprüchen  oder 
Monogrammen  enthält  Das  dritte  bis  neunte  Feld  enthält  die  Geschichte  Christi, 


-^    54    8^ 

das  elfte  bis  vierzehnte  Feld  die  sitzenden  Figuren  der  Evangelisten  mit  ihren 
Symbolen.  Jede  dieser  Darstellungen  steht  in  einer  flachen,  halbkreisförmig 
überdeckten  Nische.  Zwischen  den  Nischen  sind  auf  Konsolen  die  Gestalten 
von  Männern,  darunter  die  Apostel,  angeordnet  Unter  jeder  Nische  steht  eine 
auf  die  Bilder  bezügliche  lateinische  Inschrift. 

Unter  dem  zehnten  Felde  mit  dem  verschlimgenen  Monogramme  SFP.  steht 
die  auf  den  Erbauer  Statz  Friedrich  von  Post  bezügliche  Inschrift: 

PRiESVLIS.  HOC.  PIETAS.  PVLCHRO.  CONAMINE  .  POSTL 
FECIT.  GRATA.  COLET.  QUOD.  PIA.  POSTERITAS. 

Im  vierzehnten  Felde  mit  dem  Apostel  Matthäus  stehen  unter  dem 
lateinischen  Verse  die  unerklärten  Buchstaben:  MFDIR. 

Die  Figuren  und  namentlich  die  Gruppen  sind  außerordentlich  fein  und 
lebensvoll  gearbeitet.  Die  Kanzel  soll  früher  farbig  bemalt  gewesen  sein.  Der 
Kanzeldeckel  ist  neu.  Wiederhergestellt  wurde  die  Kanzel  laut  Inschrift  im  letzten 
Brüstungsfeld  1865  unter  der  Regierung  des  Königs  Georg  V.  Sein  Monogramm 
ist  auf  der  Kartusche  angebracht 
Kelche/  Ein  18,7  cm  hoher  Kelch  hat  noch  gotische  Formen,   gehört  aber  der 

Mitte  des  16.  Jahrhunderts  an.  Der  Fuß  ist  sechsblättrig,  mit  aufgeheftetem 
Kruzifix  auf  der  einen  Seite  und  einem  Schild  mit  dem  Wappen  der  Bothmer 
auf  der  anderen  Seite.  Am  Hals  über  dem  Knauf  mit  sechs  Nägeln  die  Inschrift: 
IHESVS,  darunter:  MARIA. 

Ein  21,8  cm  hoher  Kelch  zeigt  ähnliche  Formen.  Der  Fuß  ist 
sechsblättrig,  der  Knauf  hat  sechs  Nägel.  Auf  dem  Fuße  ein  silberner 
Christuskörper.  Die  Flächen  sind  mit  eingeritztem  Ornament  bedeckt  Die 
Marke  ist  gegenüber  dem  Ghristuskörper  auf  der  Oberseite  des  Fußes  ein- 
gepreßt Ah  der  Unterseite  des  Fußes  eingeritzt:  ANNO  1562  57  LOT  3  quT'. 
Die  Patene  hat  eingraviertes  Mittelornament  mit  dem  Schweißtuche  der 
Veronika. 

Eine  zweite  Patene  hat  ein  Weihkreuz. 

Ein  Kelch  mit  rundem  Fuß  ist  17,7  cm  hoch,  von  einfachen  Formen, 
mit  einem  Christuskörper  auf  dem  Fuß,  seine  Patene  hat  ein  Weihkreuz. 

Ein  24,7  cm  hoher  Kelch  zeigt  auf  dem  sechsblättrigen  Fuß  das  Mono- 
gramm: CL.  und  den  Stempel  NM.    Der  Knauf  hat  sechs  Nägel. 

Ein  17,6  cm  hoher  Kelch  mit  rundem  Fuß  hat  die  Inschrift:  „H.  G.  Lohausen. 
Major  imd  Conmiandant  1664"  und  auf  der  anderen  Seite:  „1822". 

Femer  sind  noch  vorhanden  drei  kleine  Kelche  für  Krankenkommunionen: 
10,2   cm    hoch,    von    1666    mit    den    Namen    von    Soldaten;    8,30  cm    und 
9,20  cm  hoch,  letzterer  auf  dem  Fuß  mit  eingraviertem  St  Michael.  Alle  Patenen 
haben  Kreuze. 
Leuchter.  ^  Mittelschiffe  hängt  ein  16  armiger  Messingleuchter,  zum  Gedächtnis 

an  Pastor  Görges  1885  gestiftet  und  hergestellt  von  J.  Hartig,  Lüneburg,  nach 
dem  Modelle  des  mittleren  Leuchters  im  Schiff  der  Johanniskiche. 
Q     j  Die  Orgel  ist  1708  durch  Matthias  Tropa  erbaut   Sie  steht  auf  der  oberen 

Empore  des  letzten  Mittelschiff]  oches  am  Turm  und  wird  seitlich  von  zwei  hohen  reich 
ornamentierten  Aufbauten  begleitet,  die  als  oberen  Abschluß  je  eine  große  Königs- 


-<-S    55    8^ 


Mnseum 
zu  Hannover. 


kröne  tragen.   Der  mittlere  Aufbau  wird  ebenso  bekrönt   Die  Gesimse  sind  reich 
gegliedert,  mit  scharfen  Verkröpf ungen. 

Die    silberne    Kanne    ist    29,5   cm    hoch    und    hat    auf    dem    Deckel  Weinkanne, 
das     eingravierte    Wappen     des     Landschaftsdirektors     Ernst    Wilhelm     von 
Spörken   (Schild   viergeteilt,    im    ersten    und    vierten    Felde    St    Michael,    im 
zweiten  und   dritten   Felde  das  Stammwappenbild).     Am  Henkel   die   Jalures- 
zahl  1721. 

Eine  kleine  Kanne  für  Krankenkonununionen  ist  an  der  Vorderseite  mit 
einem  eingeritzten  St  Michael  geschmückt.    (Stempel  A.  G.  B.) 

In   der  Unterabteilung  „Weifen -Museum"  des  Provinzial- Museums   zu  Gegenstände  im 
Hannover  befindet  sich   eine  Anzahl  Gegenstande,   die   früher   der   Reüquien-      Provinzial- 
kammer  des  Welfen-Museiuns   angehört  haben.    Für   die   Reihenfolge   ist   der 
Katalog  des  Provinzial-Museums  maßgebend  gewesen. 

1)  Zwei  Reliquienarme  von  Holz,  romanisch.  Der  frühere  Beschlag 
fehlt  Am  unteren  Ende  die  Inschriften:  SCS  •  VALERIV  und 
SANCTVS  •  PANCRATroS  •,  aus  der  goldenen  Tafel. 

2)  Zwei  Büsten  mit  Reliquien  von  den  11000  Jungfrauen,  schwarz 
bemalt  und  zum  Teil  vergoldet.    Inschrift:  B'nard' «dvx'dedit 

3)  WeibUche  bemalte  Büste,  mit  Steinen  und  Glasflüssen  be- 
setzt, gotisch. 

4)  Zwei  Reliquienbehälter,  jeder  auf  vergoldetem  Fuße  mit  dem  auf- 
gehefteten [fürstlichen  Wappenschild  und  der  Inschrift  wie  bei  2, 
ein  Straußenei  tragend.  Auf  der  Spitze  ein  gotisches  Türmchen 
mit  Kruzifix. 

5)  Kruzifix-Fuß  aus  vergoldeter  Bronze.  Ein  flach  nach  oben  ge- 
wölbter durchbrochener  Schild  ruht  auf  vier  Greifenfüßen,  über 
denen  kleine  Evangelistenfiguren  vor  einem  aufgeschlagenen  Buche 
schreibend  sitzen.  Auf  der  Mitte  des  Schildes  ein  sargähnlicher 
Kasten,  in  dem  Adam,  mit  dem  Leichentuche  bedeckt,  sichtbar 
wird.  Zu  beiden  Seiten  des  Kastens  halten  geflügelte  Engel 
einen  runden  Schaft  (Inschriften  bei  Mithoff.)  Nach  dem 
Katalog  des  Museums  soll  d£ks  Stück  von  Bischof  Bemward  an- 
gefertigt sein. 

5)  ReUquienkästchen  auf  vier  kugeligen  Füßen,  kupfer-vergoldet  imd 
emailliert,  mit  an  den  Kanten  abgeschrägtem  Deckel;  vorn  imd  an 
den  Seiten  figurale  Darstellungen,  auf  dem  Deckel  Tiere. 

6)  Reliquienkästchen  aus  Holz  mit  einem  Überzug  aus  vergoldetem 
Silberblech.  Auf  dem  Deckel  eingeritzt  das  Opfer  Kain  und  Abels, 
an  den  Seiten  16  sitzende  getriebene  Figürchen. 

7)  Reliquienkästchen,  mit  Leder  überzogen  und  bemalt  mit  den 
Evangelistenzeichen,  Fabeltieren  und  Köpfen. 

8)  Drei  Kästchen  aus  Elfenbein,  mit  Messingbeschlag. 

9)  ReUquienbüchse,  achtseitig,  mit  gepreßtem  Leder  überzogen. 
10)  Ein  kleines  Diptychon  von  Elfenbein,   mit  den  Darstellimgen   der 

Himmelfahrt  und  des  Pfingstfestes. 


-^    56    8^ 

11)  Rotes  Holzkästchen  in  Form  eines  Triptychons,  mit  vielen  Reliquien 
hinter  Homscheiben. 

12)  Reliquienbehälter  in  Form  eines  Triptychons,  mit  grüner  Seide 
überzogen.    Reliquien  hinter  Gittern. 

13)  Zwei  runde  Büchsen  von  Elfenbein. 

14)  Zwei  Jagdmesser,  das  eine  mit  Hirschhorn-,  das  andere  mit 
Elfenbeingriff. 

15)  Eine  Bischofsmütze,  Schuhe,  verschiedene  Decken  von  roter  und 
weißer  Seide  imd  von  rotem  Samt 

16)  Verschiedene  Glasgefäße. 

17)  Ein  Kästchen  mit  gesticktem  Überzug. 

18)  Reliquienschädel,  Pergamentschriften,  Steine. 

19)  Verschiedene  Bücher. 

20)  Zwei  runde  Schüsseln  von  geschlagenem  Kupfer,  emailliert  Jede 
•hat  auf  dem  inneren  Boden  ein  Wappenbild  (im  roten  Felde  drei 
übereinandergehende  goldene  Leoparden),  das  den  Kern  eines  Sternes 
bildet,  dessen  Spitzen  von  lilienartigen  Blumen  besetzt  sind.  Der 
Raum  zwischen  den  Bogenstücken  wird  durch  sechs  von  Ornamenten 
begleitete  Medaillons  ausgefüllt,  von  denen  jedes  einen  mit  Keule 
imd  rundem  Schild  bewaffneten  Ringer  enthält  Eine  der  Schüsseln 
hat  am  Rande  einen  vortretenden  Schlangenkopf  mit  viereckiger 
Öffnung. 

21)  Maria  mit  dem  Kinde,  Elfenbein,  gotisch. 

22)  Rot  bemalter  imd  ornamentierter  gotischer  Holzkasten* 

23)  Elfenbeintäfelchen  von  einem  Diptychon,  oben  die  Kreuzigung,  unten 
die  heiligen  drei  Könige  enthaltend. 

24)  Maria  aus  Bernstein,  gotisch. 

25)  Buchdeckel  mit  Elfenbeinschnitzwerk,  oben  eine  Kreuzigung,  unten 
eine  Kreuzabnahme  darstellend,  zwischen  beiden  zwei  Elngel- 
Brustbilder,  bezeichnet  Michael  imd  Gabriel  Hervorragende 
romanische  Arbeit 

26)  Tragaltar  mit  Abrahams  Opfer,  Holz  mit  vergoldeter  Kupferplatte, 
romanisch. 

27)  Hölzerner  Kasten,  mit  Bleiguß  belegt,  gotisch. 

28)  Zehn  Bleikistchen  aus  verschiedenen  Altären,  mit  ReUquien. 

29)  Gewand  der  heiligen  Anna. 

30)  Ein  Kasten  mit  verschiedenen  Reliquien. 

Die  angegebenen  Bezeichnungen  und  Datierungen  stützen  sich  auf  den 
Katalog  des  Provinzial-Museums. 

Im  Provinzial-Museum  zu  Hannover  befinden  sich  femer  noch  folgende, 
aus  der  Michaeliskirche  stammende  Gegenstände:  zwei  große  Holzfiguren,  Maria 
mit  dem  Kinde  und  Maria  Magdalena,  vier  Stücke  eines  geschmiedeten  eisernen 
Gitters  und  acht  knieende  Alabasterfiguren,  angeblich  Porträtfiguren  von  einem 
Grabmal  des  Werner  von  Meding  f  1655. 


-^    57    8^ 

Im  Lüneburger  Museum  werden  folgende  Gegenstande,  die  sich  einst  in  OegenBt&nde  im 
der  Michaeliskirche  befanden,  aufbewahrt:  Lüneburger 

1)  Ein  Ältarschrein,  1,28  m  breit,  1,60  m  hoch,  0,37  m  tief,  mit  zwei  bemalten 
Flügeln.  Die  Temperamalereien  stellen  auf  der  Innenseite  der  Flügel  das 
Abendmahl  imd  Qethsemane  dar,  auf  der  Außenseite  Gott  Vater  mit 
Christus  im  Schöße,  und  die  Ejreuzigung.  Rückwand  und  Seiten  des  Schreines 
zeigen  Reste  von  gepreßter  Vergoldung,  der  obere  Teil  wird  von  einem  maßwerk- 
artig ausgebildeten  Baldachin  ausgefüllt.  Im  Innern  steht  eine  geschnitzte 
Figurengruppe  mit  der  Darstellung  Job.,  Kap.  8,  V.  7. 

2)  Ein  bemalter  Altarflügel  aus  Eichenholz,  gotisch.  Die  Malerei  zeigt  in  einer 
Darstellung  die  Fußwaschung  und  das  Abendmahl. 

3)  Eine<  kleine  Tür  aus  Eichenholz,  0,43  m  breit,  0,59  m  hoch,  mit  eingelegter 
Arbeit  aus  farbigen  Hölzern. 

4)  Mehrere  Einzelfiguren  und  Gruppen  aus  Eichenholz,  darunter  Johannes  der 
EvangeUst,  Adam  und  Eva,  Maria  mit  der  Leiche  Christi,  St.  Georg  mit 
dem  Lindwurm. 

5)  Verschiedene  Architekturteile  aus  Holz,  Marmor  imd  Sandstein,  darunter 
mehrere  gut  gearbeitete  Karyatiden,  Kapitelle  und  Säulen. 

6)  Eine  Wappentafel  aus  künstlichem  Marmor  mit  dem  Abtswappen  von  Bülow. 

7)  Eine  Wappentafel  aus  Eichenholz  mit  dem  Abtswappen  von  Spörcken. 

8)  Einige  ReUquien  aus  der  goldenen  Tafel,  darunter  ein  Blatt  mit  koptischen 
Schriftzeichen. 

9)  Zwei  runde  farbige  Totenschilde  für  Werner  von  Meding,  gest. 
1499,  und  Boldewin  von  Meding,  gest.  1517.  Die  voll  ausgebildeten  Wappen 
mit  'gotischen  Helmdecken  werden  von  einem  Ring  mit  gemalter  Inschrift 
umgeben. 

10)  Drei  3,87  m  hohe  Karyatiden  aus  Eichenholz,  die  einst  die  Stützen  einer 
Prieche  bildeten.  Die  Sockel  sind  reich  mit  Kartuschen,  deren  Ränder  auf- 
gerollt sind,  und  mit  Fruchtgehängen  geschmückt  Die  weiblichen  kräftig 
ausgebildeten  Oberkörper  tragen  ein  jonisches  KapitelL  Der  Übergang  vom 
Körper  zum  Sockel  wird  durch  ein  Wappen  verdeckt.  Auf  jeder  Kartusche 
am  Sockel  befindet  sich  eine  Inschrift,  und  zwar  unter  dem  Wappen  von 
Prese:  FIDES  ANNO  1591,  unter  dem  Abtswappen  von  Bothmer:  IVSTITIA 
ANNO  1591,  unter  dem  Wappen  von  Harling:  SPES  MEA  CHRISTVS 
ANNO  DOMINI  1591. 

Die  Reste    des  früheren  Altarschreins   imd   des   Fürstengrabes  wurden 
bereits  vorn  erwähnt 

Im  rechten  Winkel  stoßen  an  die  Nordseite  der  Kirche  die  früheren  Kloster-  Klostergebäude. 
gebäude,  jetzt  Seminar,  Amtsgericht  und  Landratsamt  Von  den  alten  Gebäuden 
des  Klosters  ist  nichts  mehr  erhalten ;  die  vorhandenen  tragen  den  Charakter  des 
18.  Jahrhunderts.  Gebhardi  hat  noch  das  Pfort-  oder  Tafeldeckhaus,  an  der 
Stelle  der  jetzigen  Reithalle  am  Springintgut,  einen  zierlichen  Bau  mit  oberem 
Fachwerkgeschoß  und  achteckigem  Treppenturm,  von  1580,  aufgezeichnet,  ebenso 
den  Pferdestall  der  Ausreuterei  von  1568.    Beide  Häuser  sind  1787  abgebrochen 

8 


-^    58    8«H 

worden.  An  der  Südseite  der  Kirche  lag  neben  dem  Chor  die  ehemalige  Michaelis- 
schule,  unten  massiv,  oben  Fachwerk,  von  der  Oebhardi  eine  Zeichnung  gibt, 
und  die  1568  erbaut  worden  war;  sie  wurde  1792  abgebrochen. 


Die  Cyriakskipche. 


Quellen:  Chronicon  St  Mich.  (Wedekind,  Noten  1, 413) ;  Lttnebnrger  Urkandenbuch, 
herausgegeben  von  W.  v.  Hodenberg,  7.  Abt.,  Archiv  des  Klosters  St.  Mich.;  Urkundenbneh 
der  Stadt  Lüneburg,  hrsg.  von  Volger  (1872  ff);  Lüneburgs  ältestes  Stadtbuch,  hrsg.  von 
Reinecke  (Quellen  und  Darstellungen,  Band  8);  Inedita  des  Lüneburger  Stadtarchivs;  ü.  F.  C. 
Manecke's  Sammlungen  (Ms.  der  Stadtbibliothek  in  Lüneburg),  Band  26. 

Literatur:  Gebhardi,  Kurze  Geschichte  des  Klosters  St  Michaelis;  Manecke,  Top.- 
bist  Beschreibungen,  S.  19  (daselbst  die  ältere  Literatur);  Wedekind,  Noten  ü,  293  f.;  Volger, 
Die  Kirchen  in  Lüneburg  (Lüneburger  Johannisblatt  1857,  Lüneburger  Blätter  S.  124  ff.); 
Mithoff,  Kunstdenkmale,  S.  148  f. 


Geschichte.  ^^^   Cyriakskirche  („Sunte  Cyriakes  kerke",  „ecclesia   Sancti  Ciriaci", 

auch  mit  dem  Zusätze  „Antique  civitatis^')  war  die  Pfarrkirche  der  alten  Stadt 
Lüneburg,  jener  Siedelung,  die  unter  dem  Schutze  der  Burg  entstanden,  das 
Gelände  zwischen  Kalkberg  und  Sülze  einnabm,  imi  sich  von  dort  im  langsamen, 
gesunden  Wachstum  nach  Osten  hin  vorzuschieben.  Die  Kirche  lag  vor  dem 
Ausgange  der  jetzigen  Neuentorstraße,  ein  wenig  nach  Norden  hin*),  und  es 
wäre  von  großem  Interesse,  durch  eine  Ausgrabung  in  dem  heutigen  Seminar- 
garten festzustellen,  ob  nicht  die  Gnmdmauem  des  Gotteshauses,  das  über  der 
Erde  keine  Spur  hinterlassen  hat,  noch  erhalten  oder  zu  bestimmen  sind.  Große 
Raumverhaltnisse  hat  St.  Cyriak  nicht  gehabt,  schon  weil  der  Bauplatz  im 
Westen  durch  den  Anstieg  des  Kalkberges  beschränkt  war.  Der  Haupteingang 
befand  sich  allem  Anscheine  nach  an  der  Südseite,  wo  die  Salzbrückerstraße 
in  ihrer  Verlängerung  ausmündete;  eine  „stegele^',  ein  Stufengang,  führte  zu 
ihm  und  zu  einer  Vorhalle  (porticus)  hinauf.  Im  Norden  schloß  sich  eine  Kapelle 
mit  einem  Aldegundis-  und  Johanmsaltar  an  die  Kirche  an  (erwähnt  1347), 
eine  zweite  Kapelle  mit  einem  Gertrudenaltar  gehörte  der  Ritterfamilie  Grote 
(1336),  eine  dritte,  „in  porticu  ecclesiae",  mit  einem  Allerheiligenaltar,  hieß  die 
Kaidunenkapelle,  eine  vierte  mit  einem  Veitsaltar  die  Lange  Kapelle  („Longa 
capella'^).  Nach  Niederlegung  des  Michaelisklosters  auf  dem  Kalkberge  im 
Sonuner  1371  waren  die  in  ihrer  Ruhe  gestörten  fürstlichen  Gebeine  zunächst 
in  der  Cyriakskirche  untergebracht,  bis  sie  von  da  in  die  neue  MichaeUsldrche 
überführt  wurden;  der  Name  Kaldunenkapelle  scheint  anzudeuten,  daß  die 
fürstlichen  Eingeweide  bis  zum  Untergange  des  Gotteshauses  daselbst  ver- 
blieben sind. 


*)  Vergl.  Gebhardi,  S.  15,  Manecke,  S.  19,  Wedekind  II.  293  N.,  Volger,  LUnebnrger 
Blätter  124  N.  2. 


-tng    59    8^ 

Die  erste  Abbildung  der  Kirche,  in  einer  gegen  1400  entstandenen 
Handschrift  des  Sachsenspiegels  auf  der  Lüneburger  Stadtbibliothek,  zeigt  uns 
ein  Langhaus  mit  rotem  Dach  ohne  Reiter,  schlanke,  rundbogige  Fenster  und 
nach  Osten  hin  einen  kleinen  Chor;  zwei  gedrungene  Rundtürme  mit  rotgedecktem 
Zeltdach,  die  unmittelbar  hinter  der  Kirche  emporragen,  gehören  zur  Stadtmauer, 
aber  auch  St.  Cyriak  wird  ursprünglich  einen  Turm  gehabt  haben,  da  der 
Glocken  und  eines  Glöckners,  der  seine  Amtswohnung  in  der  Altstadt  hatte 
(1351),  wiederholt  Erwähnimg  geschieht  (z.  6.  1308  u.  38).  Dürftig  nimmt  sich 
die  Kirche  in  den  Stadtansichten  des  15.  bis  17.  Jahrhimderts  aus  —  ein 
kurzes  Langhaus  mit  Chor  und,  wo  dieser  sich  anschließt,  auf  dem  Dach- 
first ein  einfaches  Kreuz.  Die  nahe  gelegene  Pfarrei  wurde  1348  durch 
einen  angrenzenden  Hof  vergrößert,  den  Bischof  Johann  von  Lübeck  zum  Ge- 
schenk machte. 

Wann  St  Cyriak  entstanden  ist,  darüber  fehlt  jeder  sichere  Anhalt 
Die  Wahl  des  Schutzpatrons  weist  mögUcherweise  auf  Kölnischen  Einfluß,  deim 
der  Hauptheilige  des  Namens  Cyriak  begleitete  nach  der  Legende  die  11000 
rheinischen  Jungfrauen  nach  Rom  und  wurde  auf  der  Heimfahrt  mit  ihnen 
hingeschlachtet.  Erinnern  wir  uns,  daß  der  erste  Benediktinerabt  auf  dem 
Kalkberge  aus  dem  Panthaleonskloster  zu  Köln  berufen  wurde,  so  liegt  der 
Schluß  nahe,  daß  die  Cyriakskirche  nicht  lange  nach  der  Gründung  des 
Michaelisklosters,  noch  in  der  zweiten  Hälfte  des  zehnten  Jahrhunderts, 
erbaut  wurde,  eine  Mutmaßung,  die  manches  für  sich  hat  Mußen  wir 
doch  in  einer  Kirche  der  Altstadt  auch  das  Gotteshaus  suchen,  welches  bei 
dem  großen,  von  Thietmar  von  Merseburg  erwähnten  Erdrutsch  von  1013 
gefährdet  war. 

Die  Kirche  stand  unter  dem  Patronat  der  Herzöge.  Die  bauliche  Erhaltung 
des  Gotteshauses  war  der  Obhut  zweier  Ratmannen,  den  „provisores  structure^', 
anvertraut  denen  Bürger  als  Kirchgeschworene  zur  Seite  standen.  Die  Jahres- 
einkünfte der  Kirche  wurden  auf  16  Mark  Silbers  geschätzt,  die  sich  vornehmlich 
aus  Sülz-,  Haus-  und  Grundrenten,  auch  den  Erträgen  einer  Badestube  am 
Lindenberger  Tor  zusammensetzten. 

Herzog  Magnus,  der  letzte  Billunger  (f  1106),  machte  die  Kirche  dem 
Michaeliskloster  zum  Geschenk,  und  eine  urkundliche  Nachricht  von  1259,  in 
welcher  der  Abt  von  St  Michaelis  das  Patronatsrecht  für  St  Cyriak  in  Anspruch 
nimmt,  stimmt  mit  dieser  chronikalisöhen  Überlieferung  überein.  Die  Rückgabe 
des  Rechtes  war  wohl  voraufgegangen,  als  die  Herzöge  Albrecht  und  Johann 
die  Bardewiker  Domherrn  zum  Umzug  nach  Lüneburg  zu  bewegen  suchten  und 
dem  Dekan  und  seinem  Kapitel  unter  anderen  imwirksamen  Lockmitteln  das 
Patronatsrecht  über  St  Cyriak  zusicherten  (1266  und  75). 

In  schwere  Bedrängnis  kam  die  Cyriakskirche  durch  die  Zerstörung  der 
Burg  und  die  Verlegung  des  Michaelisklosters,  deshalb  vor  allem,  weil  der  Kalk- 
berg mit  seiner  Umgebung  fortan  außerhalb  der  Stadtmauern  blieb  und  damit 
die  alte  Lüneburger  Pfarrkirche  aus  dem  engeren  Stadtgebiete  ausschied.  Durch 
die  große  Umwälzung  schrumpfte  der  ganze  Pfarrsprengel  so  zusammen,  daß  der 
Pleban  in  seiner  Existenz  bedroht  war.    Da  nun  auch  die  Michaeliskirche  ihre 

8* 


H>^    60    8^ 

Gemeinde  eingebüßt  hatte,  übertrugen  die  Herzöge  den  Patronat  über  St  Gyriak 
mit  allen  Ertragen,  Ehren  und  Rechten  abermals  dem  Benediktinerkonvent;  zu- 
gleich verfügte  der  Bischof  von  Verden,  daß  nach  dem  Tode  oder  dem  Verzicht 
des  derzeitigen  Pfarrers,  Dietrich  von  Lembeke,  der  sein  Amt  bereits  1377  nieder- 
legte und  sich  mit  einer  Leibrente  zufrieden  gab,  die  Gyriaksgemeinde  zur  Michaelis- 
kirche übergehen  und  dort  durch  einen  vom  Abte  eingesetzten,  jedoch  dem 
Archidiakon  von  St.  Johannis  unterstellten  WeltgeistUchen  ihre  Seelsorge  erhalten 
solle.  Für  den  Fall  einer  Niederlegung  von  St  Gyriak,  mit  der  man  also 
rechnete,  erhielt  eben  der  Archidiakon  von  Modestorpe  die  Befugnis,  am  Prüh- 
messenaltar  von  St.  Michaelis  zweimal  alljährUch  die  Gemeinde  zur  Synode  um 
sich  zu  versammeln.  *) 

Im  Jahre  1379  gab  der  Verdener  Bischof  Auftrag,  die  St.  Gyriak  ver- 
bliebenen Kirchenlehen  wegen  des  mangelhaften  Besuchs  der  Kirche  an  die 
Lambertikapelle  zu  verlegen,  vorausgesetzt,  daß  die  zuständigen  Patrone  damit 
einverstanden  seien.  Ob  dieses  Einverständnis  nicht  zu  erlangen  war,  ob  aus 
anderem  Beweggrunde:  St  Gyriak  wurde  weder  abgebrochen,  noch  verlor  es  seine 
Vikarien.  Nach  einer  Aufzeichnimg  des  Lüneburger  Stadtarchivs  von  1525 
zählte  die  Kirche  jenerzeit  noch  acht  Altäre,  außer  dem  Hochaltar  einen 
Allerheiligen-,  Gyriaks-,  Gertruden-,  Kreuz-,  Phüipp-  und  Jakobsaltar 
<supra  lectorium),  einen  Veits-  und  einen  Wilhads- Altar;  ein  „altare 
Eucharistie",  1300  erwähnt,  war  eingegangen,  ebenso  der  Ewaldsaltar 
in  der  Sakristei  Von  18  Vikarien  oder  Kommenden  der  Kirche  waren  13 
damals  noch  besetzt. 

Dasselbe  Verzeichnis  gibt  eine  Aufzählung  der  zu  jedem  Lehn  gehörigen 
Meßgeräte,  Gewänder,  Bücher,  Seidenstoffe,  Stickereien,  goldenen  und  silbernen 
Ausstattungsstücke;  auch  drei  auf  Pergament  geschriebene  MissaUa  und  ein  in 
Magdeburg  gedrucktes  Meßbuch  sind  aufgeführt  Von  sonstigen  Kunstschätzen 
der  Kirche  verlautet  wenig.  Die  Gilde  Unser  lieben  Frau  in  der  Altstadt 
erwarb  im  Jahre  1359  eine  Rente,  imi  damit  an  •  hohen  Festtagen  einen 
neuen  Kandelaber  vor  dem  Hochaltar  mit  Wachskerzen  zu  versorgen;  der 
Goldschmied  Gord  Hagen  stiftete  testamentarisch  die  Unterhaltung  eines 
Lichtes  „uppe  dem  hecken"  vor  dem  Frühmessenaltare,  vor  Unser  heben  Frauen 
BUd  (1518  März  15). 

Als  im  30  jährigen  Kriege  der  Kalkbeig  nach  Verdrängung  der 
schwedischen  Besatzung  durch  Herzog  Georg  neue  Befestigungsanlagen  erhielt, 
erwies  es  sich  als  notwendig,  gerade  auf  dem  Platze,  auf  welchem  die 
Cyriakskirche  stand,  ein  Außenwerk  anzulegen.  Die  Kirche  wurde  daher 
bis  auf  eine  einzige  Kapelle,  die  bis  1651  ihr  Dasein  fristete,  im  Jahre 
1639  abgebrochen  und  ist  weder  an  alter  noch  an  neuer  Stelle  wieder 
aufgebaut  Auch  der  imi  die  Kirche  herum  liegende  Friedhof  ist  dsunals  ein- 
gegangen, an  seiner  Statt  wurde  der  neue  Friedhof  östlich  vom  Mönchsgarten 
angelegt 


*)  Urkunden   von  1375   August  10,  1376  Juli  14,  1384  Februar  23    (Bestätigunga- 
bulle  Urban  VI.)  und  1389  April  4. 


•^    61    8^ 

Das  einzige  Stück,  das  aus  Si  Cyiiak  erhalten  ist,  besitzt  Lüneburg 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  an  dem  Tauf  getäße  von  Si  Nikolai,  einem  schonen 
Kunstwerke  des  Meisters  Ulricus  aus  der  ersten  Hälfte  des  14  Jahrhunderts. 


Die  Johanniskipche. 

Quellen:  Volgers  Urkundenbuch;  Inedita  des  Stadtarchivs;  Eegistratur  der 
Johanniskirche ;  Schomakerchronik,  hrsg.  von  Th.  Meyer  (1904);  Büttners  Chronik  (Hs.  des 
Stadtarchivs);  Maneckes  Sammlungen  Band  26;   Gebhardis  Collectaneen,  Band  VIII. 

Literatur:  Bttttner,  Genealogien  der  Patriziengeschlechter  (1704);  Manecke,  Top.- 
hist.  Beschreibungen  S.  8  ff. ;  Yolger,  Die  Johanniskirche  (Liineburger  Pfingstblatt  1856,  Lüne- 
burger Blätter  S.  88  ff.) ;  v.  Hammerstein-Loxten,  Der  Bardengau  (1869),  S.  449  ff. ;  Mithoff,  Kunst- 
denkmale S.  141  ff.;  Reinecke,  Geschichte  des  Lüneburger  Kalands  (Jahresberichte  des 
Museums-Vereins  1891/5);  Wrede,  Die  Glocken  der  Stadt  Lüneburg  (Lüneburger  Museums- 
blätter, 1.  Heft  1904,  S.  5  ff.);  Reinecke,  Entstehung  des  Johanneums  zu  Lüneburg  (ebenda, 
2.  Heft  1905). 


Die  oftmals  erwogene  Frage,  ob  der  Cyriaks-  oder  der  Johanniskirche  —  Geschichte, 
jener  als  der  Pfarrkirche  des  ältesten  Lüneburg,  dieser  als  der  Statte  des 
zustandigen  Archidiakonates  —  der  Altersvorrang  gebühre,  hat  Volger  mit  gutem 
Grunde  dahin  entschieden,  daß,  wenn  die  Gyriakskirche  schon  zu  der  Zeit 
bestanden  hätte,  als  die  Diözese  Verden  in  Synodalsprengel  eingeteilt  wurde, 
der  Archidiakon  in  Lünebvurg  selber,  nicht  im  Nachbarorte  Modestorpe  seinen 
Wohnsitz  erhalten  haben  würde.  Dieser  Schluß  erscheint  auch  uns  so  zwingend, 
daß  wir  die  Johannes  dem  Täufer  geweihte  Kirche  nahe  der  uralten  Gaubrücke 
über  die  Ilmenau  zu  den-  ältesten  Taufkirchen  zwischen  Weser  und  Elbe  zählen 
und  ihren  Ursprung  bis  in  die  erste  Hälfte  des  9.  Jahrhunderts  zurückführen. 
Sehr  viel  später  freilich  beginnt  die  urkundliche  Überlieferung.  In  etwas  imklarer 
Weise  wird  1174  ein  Richmarus  „von  Muddestorp"  genannt,  ein  Geistlicher, 
vielleicht  der  Pfarrer,  der  aus  der  Feiertagskollekte  seiner  Kirche  eine  Jahres- 
spende aussetzt  für  die  Domherrn  zu  Verden  und  Bardewik.  Ein  Menschen- 
alter später  (1205)  findet  der  Archidiakonat  Modestorpe  mit  den  anderen  sechs 
Archidiakonaten  des  Bistums  in  einer  für  den  Verdener  Bischof  bestimmten 
Wahlkapitulation  seine  erste  Erwähnung  —  nur  ein  Verdener  Domkapitular  soll 
die  Archidiakonatswürde  bekleiden. 

Der  Archidiakonat  Modestorpe  umfaßte  mit  Ausschluß  der  Bajdewiker 
Propstei  das  nordöstiiche  Viertel  des  Bardengaues,  die  Kirchspiele  Beetzendorf, 
Embsen,  Lüne  (mit  Adendorf,  Reinstorf,  Thomasburg  und  Wendhausen),  Neetze 
(wahrscheinlich  auch  die  Kirchen  des  dem  Goh  Oldenbrügge  benachbarten  Landes 
Bleckede),  und  die  Stadt  Lüneburg  selber.  Hier  waren,  zumal  nachdem  Modestorf 
und  Altstadt  sich  verschmolzen  hatten,  Konflikte  zwischen  der  kirchUchen  und 
weltlichen   Obrigkeit  unausbleiblich.     Je  mehr   die  Machtfülle   des  Lfineburger 


-*^    62    8^ 

Rates  und  die  Selbständigkeit  der  Stadt  sich  festigte,  um  so  empfindlicher  mußte 
jeder  wirkliche  oder  vermeintliche  Übergriff,  jede  gewollte  oder  ungewollte  Miß- 
achtung von  Seiten  des  geistlichen  Herrn  sich  fühlbar  machen. 

Der  Archidiakon  Amilius  z.  6.  erregte  dadurch  Anstoß,  daß  er  Lünebui^er 
Bürger  häufig  vor  seinen  Richterstuhl  nach  Verden  lud.  Der  Rat  beschwerte 
sich  darüber  beim  Domkapitel  (um  1365)  und  stellte,  noch  etwas  unsicher,  den 
Satz  auf,  daß  der  Archidiakon  als  solcher  überhaupt  nicht  das  Recht  habe,  in 
Verden  Gericht  zu  halten,  daß  er  zumal  in  städtischen  Angelegenheiten  selber 
nach  Lüneburg  kommen  oder  einen  Vertreter  abordnen  müsse.  Harmonischer 
wird  das  Verhältnis  im  ersten  Viertel  desselben  Jahrhunderts  gewesen  sein,  als 
Heinrich  von  Boyceneborg,  ein  Bruder  des  Pfarrers  von  St  Johannis,  die 
Archidiakonatswürde  inne  hatte.  In  jedem  Falle  mußte  das  Bestreben  des 
Lüneburger  Rates  dahin  gehen,  Einfluß  auf  die  PersönUchkeit  zu  gewinnen, 
welche  das  wichtige  Amt  eines  Archidiakons  bekleidete,  und  die  Ausübung 
der  geistlichen  Amtstätigkeit  ein  für  allemal  an  die  Archidiakonatskirche  zu 
binden.  So  mag  man  es  gern  gutgeheißen  haben,  daß  um  1390  Archidiakonat 
und  Pfarramt  von  St  Johannis  „aus  besonderer  Vergünstigung  des  apostolischen 
Stuhles"  in  der  einen  Person  des  Eggerd  Oldendorp  vereinigt  wurden.  Gerade 
damals  aber  drohte  der  Johanniskirche  Gefahr,  ganz  unter  den  Einfluß  Verdens 
zu  gelangen.  Schon  die  Bischöfe  Johann  von  Tzestervlet  (1381 — 88)  und  Otto, 
ein  Sohn  Herzogs  Magnus  mit  der  Kette  (1388 — 95),  sollen  ihrem  Domkapitel, 
das  angebUch  einer  Aufbesserung  seiner  Einnahmen  dringend  bedurfte,  das  Zu- 
geständnis gemacht  haben,  sich  die  wohldotierte  Hauptkirche  Lüneburgs  ein- 
zuverleiben. Papst  Bonifaz  IX.  bestätigte  diese  Anordnung,  imd  Eggerd  Oldendorp 
leistete  formell  auf  sein  Pfarramt  Verzicht,  wenn  auch  nur,  um  es  einem  aus- 
drückUchen  Wunsche  des  Rates  gemäß  vom  Domkapitel  zurückzuerhalten.  Und 
dasselbe  Domkapitel  plante  Veränderungen,  die  für  die  Entwicklung  Lüneburgs  von 
folgenschwerster  Bedeutung  hätten  werden  müssen:  es  versuchte  imter  Auf- 
wendung großer  Geldmittel,  die  päpstliche  Sanktion  zur  Verlegimg  des  Bischofs- 
sitzes von  Verden  nach  Lüneburg  zu  erlangen.  Schon  war  die  Genehmigung 
Bonifaz  IX.  erwirkt  (1401  März  19),  da  erfolgte  ein  Widerruf  des  Papstes 
(1402  April  13),  ehe  noch  die  erhoffte  Übersiedelung  ins  Werk  gesetzt  werden 
konnte,  und  St  Johannis  blieb  die  Ehre,  zur  Kathedralkirche  erhoben  zu 
werden,  versagt. 

Derartige  Bestrebungen  des  Verdener  Domkapitels  zeigen  uns  am  besten, 
welch'  hohen  Ansehens  die  Johanniskirche  sich  erfreute.  Hauptpfarrkirche  der 
Stadt  zweifellos  schon  seit  der  Vereinigung  Modestorfs  mit  dem  alten  Lüneburg, 
war  sie  nach  Ausscheidung  der  am  Fuße  des  Kalkberges  gelegenen  Cyriakskirche 
aus  dem  engeren  Stadtbezirk  die  einzige  Pfarrkirche  innerhalb  der  Mauern,  und 
der  große  Aufsch^oing  auf  allen  Gebieten  städtischen  Lebens  nach  den  stürmischen 
Ereignissen  des  Jahres  1371  kam,  dem  frommen  Sinn  der  Zeit  entsprechend,  dem 
Gotteshause  allermeist  zu  statten.  Um  so  weniger  vertrugen  sich  die  eigen- 
nützigen Pläne  einer  auswärtigen  Geistlichkeit,  welche  unter  der  Einwohnerschaft 
Lüneburgs  lebhafte  Mißstimmung  hervorgerufen  hatten,  mit  dem  Selbstverfügungs- 
drang der  in  ihrem  Machtbewußtsein  außerordentlich  gestärkten  Stadtobrigkeit 


-^    63    8^ 

Das  Ergebnis  langwieriger  Verhandlungen,  die  in  ihren  einzelnen  Phasen  hier 
nicht  zu  verfolgen  sind,  war  ein  Vertrag,  der  am  16.  bzw.  21.  Juli  1406  von 
Bürgermeistern,  Ratmannen  und  dem  Domkapitel  „umme  de  lenware  der  kerken 
to  sunte  Johanse^'  abgeschlossen  wurde.  Das  Patronatsrecht  über  die  Kirche 
sollte  hinfort  und  auf  ewige  Zeiten  dem  Lüneburger  Rate  zustehen;  die  Dom- 
herren erhielten  eine  ausgiebige  Entschädigung  aus  dem  Salingut,  verloren  aber 
jeden  Anspruch  auf  die  Besetzung  des  Pfarramtes,  nur  daß  der  Archidiakon 
von  Modestorf  den  vom  Rat  präsentierten  Geistlichen  in  seine  Würde  einzuführen 
hatte.  Die  Bestätigung  des  Paktes  durch  den  Bischof  von  Verden  erfolgte  wenige 
Monate  später,  indes  der  Papst  dem  Lübecker  Bischof  die  Befugnis  erteilte,  die 
Angelegenheit  in  seinem  Namen  zu  sanktionieren.  Der  schon  erwähnte  Magister 
Oldendorp  legte  nunmehr  sein  Pfarramt  endgültig  nieder,  bUeb  aber  bis  zu 
seinem  Tode  Archidiakon;  Pfarrer  an  seiner  Statt  (als  solcher  zuerst  erwähnt 
1407  März  17)  wurde  der  Lüneburger  Ratsschreiber,  Herr  Hinrik  Kule. 

In  die  nämliche  Periode  fällt  die  Gründung  der  städtischen  höheren 
Lehranstalt  zu  Lüneburg,  der  noch  jetzt  blühenden  „Sunte  Johannis  schole^',  die 
den  Glanz  des  gleichnamigen  Gotteshauses,  mit  dem  sie  aufs  engste  verknüpft 
wurde,  noch  erhöhte. 

Der  Sohn  eines  Lüneburger  Ratmanns,  Cord  Abbenborg,  Archidiakon 
seit  1415,  wurde  auf  Präsentation  des  Rates  im  März  1419  durch  den  vom 
Verdener  Bischof  beauftragten  Abt  Boldewin  von  Wenden  auch  in  die  Stellung 
eines  Kirchherm  von  St.  Johannis  eingeführt,  so  daß  beide  kirchUchen  Ämter 
abermals  etwa  zwei  Jahrzehnte  hindurch  in  einer  Hand  vereinigt  waren.  Dann 
leistete  der  Genannte  zugimsten  seines  gleichnamigen  Neffen,  Cord  Abbenborg 
des  Jüngern,  auf  die  Archidiakonatswürde  Verzicht  und  begnügte  sich  mit  der 
Wirksamkeit  eines  Pfarrers  und  obersten  Vorstehers  der  zur  Johanniskirche 
gehörigen  großen  Kalandsbrüderschafi 

Es  ist  nicht  unwahrscheinhch,  daß  dieser  Entschluß  mit  einem  Anschlage 
zusammenhing,  der  wiederum  von  Verden  ausging  und  diesmal  darauf  abzielte, 
die  Selbständigkeit  des  Lüneburger  Archidiakonates  zu  Falle  zu  bringen. 
Bisehof  Johann  IIL,  der  Lüneburg  später  im  Prälatenkriege  so  wertvolle  Dienste 
leistete,  wußte  in  den  Jaiuren  1436/37  mit  Unterstützung  der  Herzöge  Otto  und 
Friedlich  von  Braunschweig-Lüneburg  Papst  Eugen  IV.  dazu  zu  bringen,  daß 
er  den  Archidiakonat  von  Modestorpe  mit  der  in  ihrer  Leistungsfähigkeit  stark 
erschöpften  bischöflichen  Tafel  vereinigte.  Das  Domkapitel  hatte  bereits  seine 
Einwilligung  dazu  erteUt,  als  es  den  Vorstellungen  einer  Lüneburger  Gesandt- 
schaft gelang,  den  Papst  umzustimmen.  Am  30.  Juni  1437  erklärte  Eugen  in 
drei  Bullen  zwei  frühere  Erlasse,  welche  die  Einverleibung  des  Erzdekanates  be- 
kundeten, für  null  und  nichtig;  er  hob  hervor,  daß  der  Archidiakon  nach 
Satzungen  und  Herkommen  bei  Strafe  verpflichtet  sei,  an  seiner  Archidiakonats- 
kirche  zu  residieren,  und  beauftragte  die  Bischöfe  von  Schwerin  und  Ratzeburg 
sowie  den  Abt  von  Reinfeld,  Lüneburg  gegen  die  Gelüste  Bischof  Johanns  und 
seiner  Anhänger  in  Schutz  zu  nehmen.  E^  eigenhändiger  Verzicht  vom 
18.  Oktober  des  Jahres,  in  welchem  Bischof  Johann  die  vom  Papst  erworbene 
Vergünstigung  seinerseits  aufgab,  scheint  mit  Mißtrauen  aufgenommen  zu  sein, 


-^    64    8^ 

enthielt  doch  ein  Freundschaftsvertrag  Lüneburgs  mit  Bischof  und  Domkapitel, 
ausgetauscht  am  6.  Dezember  1440  in  Verden,  als  einen  der  Hauptartikel 
wiederum  die  Forderung  des  Rates,  daß  der  Archidiakonat  von  Modestorpe  in 
alter  Selbständigkeit  erhalten,  nicht  der  bischöflichen  Tafel  angegUedert  werden 
imd  in  seiner  Gerichtsbarkeit  keine  Beschränkung  erfahren  dürfe. 

Schon  damals  wird  der  Gedanke  erwogen  sein,  die  ganze  Archidiakonats- 
frage  in  einer  Weise  zu  regeln,  welche  der  wachsenden  Bedeutung  der  Haupt- 
stadt des  Fürstentums  entsprach  und  der  allzuoft  genährten  Beunruhigung  der 
Johannisgemeinde  ein  Ende  machen  mußte. 

Konrad  Abbenborg  des  Älteren  Nachfolger  im  Pfarramte  war  der  Stadt- 
schreiber Johann  von  Minden.  Ihm  war  es  vorbehalten,  den  Archidiakon  von 
Modestorpe  —  diese  veraltete  Bezeichnung  wurde  bis  zum  Erlöschen  des  Amtes 
mit  Vorliebe  gebraucht  —  ganz  zu  verdrängen  und  dessen  Amtspflichten  unter 
dem  Titel  eines  Propstes  seiner  Befugnis  als  Kirchherr  anzugliedern.  Papst  und 
Bischof  wurden  imter  großen  Geldopfem  gewonnen.  Der  Chronist  Schomaker 
erzählt,  daß  der  Rat,  um  sein  Ziel  zu  erreichen,  in  Rom  1000,  in  Verden  2000 
Gtdden  habe  ausgeben  müssen.  Zähen  Widerstand  setzte  der  Diu*chführung  des 
Planes  vorcehmlich  der  letzte  Inhaber  der  Archidiakonatswürde,  zugleich  Dekan 
von  Bardewik,  Konrad  Abbenborg  der  Jüngere,  entgegen,  unterstützt  von  der 
Mehrheit  des  Verdener  Domkapitels,  von  Lüneburger  Vikaren  und  auch  durch 
einflußreiche  Laien.  Die  wichtigsten  Daten  des  für  jene  Zeit  höchst  charakte- 
ristischen Streitverfahrens  sind  folgende.  Am  27.  Juni  1444  hebt  Papst  Eugen  IV. 
die  freundliche  Aufnahme  hervor,  die  er  Lüneburgs  Abgesandten  hat  zuteil 
werden  lassen;  am  7.  Juli  trägt  er  dem  Abt  von  Reinfeld  und  anderen  Geist- 
lichen auf,  die  Vereinigung  des  Lüneburger  Archidiakonats  mit  der  Pfarrkirche 
von  St  Johannis  auszuführen;  am  20.  November  verpflichten  sich  Bürgermeister 
und  Ratmannen  auf  ihre  Gegenleistungen  an  den  Verdener  Bischof;  a«m 
23.  Dezember  bekundet  Johann  von  Minden  die  Besitznahme  des  Archidiakonats; 
am  7.  April  1445  erhebt  Eugen  IV.  den  Pfarrer  von  St  Johannis  wegen  des 
Ansehens  der  Stadt  Lünebvurg  zmn  Propst  mit  dem  Vorrang  vor  allen  anderen 
Pröpsten  und  Pfarrern  der  Diözese  Verden;  am  7.  Mai  zitiert  der  EQldesheimer 
Dompropst  den  als  Archidiakon  sich  gerierenden  Magister  Abbenborg  samt 
seinen  Anhängern  zu  einem  Gerichtstag  in  seine  Wohnung;  am  26.  September 
gibt  der  Bischof  von  Verden  durch  eigenhändige  Unterschrift  seine  Zustimmung 
zvur  Errichtung  der  Propstei;  am  23.  Februar  1446  nimmt  Dr.  Malatesta  de 
Captaneis,  Kaplan  des  Papstes,  im  Auftrage  seines  Herrn  alle  Maßnahmen  in 
der  Angelegenheit  der  Lüneburger  Propstei  zurück;  am  16.  März  erklären 
Schiedsleute  die  Beilegung  des  aus  der  Errichtung  der  Propstei  herrührenden 
Streites  zwischen  dem  Verdener  Domkapitel  auf  der  einen,  Propst  Johann  von 
Minden  und  Rat  zu  Lüneburg  auf  der  anderen  Seite;  am  15.  April  erhält 
Eugen  IV.  die  Erhebimg  des  Pfarrers  von  St.  Johannis  zum  Propst  trotz  wieder- 
holter Appellation  aufrecht.  —  Konrad  Abbenborg  freilich  gab  seine  Hoffnung 
auf  Wiedereinsetzung  noch  immer  nicht  auf:  er  ermüdete  nicht,  in  Rom 
persönlich  seine  Ansprüche  zu  verfechten,  starb  aber  dort  im  Jahre  1448,  und 
mit  dem  Archidiakonat  von  Modestorpe  war  es  endgültig  aus. 


-^    65    8^ 

Johann  von  Minden  trat  in  eben  jenem  Jahre  von  seinem  kirchlichen 
Amte  in  Lüneburg  zurück,  blieb  jedoch  auch  als  Lübecker  Domherr  in  engen 
Beziehungen  zur  Salzstadt.  Sein  Nachfolger  wurde  Leonhard  Lange,  der  Sproß 
einer  angesehenen  Lüneburger  PatrizierfamiUe,  der  fast  ein  Menschenalter  als 
Propst  von  St  Johannis  wirkte,  als  solcher  während  des  Prälatenkrieges  treu 
zum  alten  Rat  stand  imd  ein  neues  Propsteihaus,  die  spätere  Superintendentur, 
erbaute.  Letzter  kathoUscher  Propst  war  der  langjährige  Stadtschreiber  Johann 
KoUer  (Köhler),  gebürtig  aus  Stadthagen.  Bis  an  seinen  Tod  (1536)  eifriger  An- 
hänger des  alten  Glaubens,  konnte  er  doch  dem  sieghaften  Vordringen  der 
neuen  Lehre  nicht  wehren  imd  mußte  im  Jahre  1531  einen  wesentlichen  Teil 
seiner  Amtsbefugnisse,  gerade  die  Tätigkeit  als  Geistlicher,  sm  die  nunmehrige 
Superintendentur  abgeben.  Aufgehoben  wurde  die  Propstei  nicht;  es  blieb  ihr 
die  Gerichtsbarkeit  in  kirchlichen  Lehnssachen  und  damit  die  Verfügung  über 
Vikarien,  Kommenden  und  andere  Kirchenpfründen,  soweit  dieselben  die 
Reformation  überdauerten.  Von  1546—63  war  der  Bardewiker  Dekan  Jacob 
Schomaker,  bekannt  als  Lüneburger  Chronist,  Propst  von  St  Johannis.  Seit 
Mitte  des  17.  Jahrhunderts  pflegte  einer  der  Bürgermeister  nebenamtUch  den 
Dienst  der  Propstei  wahrzunehmen;  erst  durch  die  Verfassungsurkunde  von 
1846  gingen  sämtUche  Geschäfte  der  bisherigen  Präpositur  auf  den  verwaltenden 
Magistrat  über.  Die  Superintendentur  ist  der  Kirche  geblieben,  ihrem  Inhaber 
stehen  zwei  Prediger  zur  Seite. 

An  kirchUchen  Benefizien  war  St.  Johannis  bis  zur  Reformation 
außerordentUch  reich.  Eugen  FV.  pries  in  einer  seiner  Bullen  von  1444  die  Tatsache, 
daß  die  Johanniskirche  in  Lüneburg  mit  mehr  als  achtzig  ständigen  Vikarien 
ausgestattet  sei  und  der  Gottesdienst  daselbst  und  die  kanonischen  Hören 
ebenso  feierUch  begangen  zu  werden  pflegten  wie  an  Kollegiatkirchen.  Volger 
berichtet,  daß  an  den  Altären  der  Kirche  nicht  weniger  als  160  Gedächtms- 
stiftungen  hafteten,  eine  Angabe,  mit  welcher  ein  Verzeichnis  des  Jahres  1525 
ziemlich  übereinstimmt,  indem  es  157  Benefizien  ausdrücklich  namhaft  macht. 
War  oftmals  auch  eine  Person  zu  gleicher  Zeit  mit  mehreren  Lehen  bedacht, 
so  umgab  den  Pleban  doch  ein  gewaltiger  Stab  von  Vikaren  und  Konmiendisten, 
die  großenteils  in  eigenen  Vikariatshäusem  wohnten  und  dank  der  Freigebigkeit 
der  Stifter  und  Stifterinnen  durchweg  ihr  gutes  Auskommen  hatten.  Für  den 
eigentUchen  Pfarrdienst  standen  dem  Kirchherm  drei  Kapläne,  fünf  Scholaren 
(scholre)  imd  der  Opfermann  (campanista)  zur  Seite,  auch  wird  des  öfteren  ein 
Vizerektor  erwähnt  (1389,  1416).  Das  Patronatsrecht  über  die  einzelnen 
Benefizien  blieb  in  der  Regel  vorerst  der  FamiUe  des  Stifters,  um  nach  deren 
Aussterben  an  den  Rat  zu  fallen,  der  allmäMich  die  Mehrzahl  der  Präsentationen 
in  seine  Hand  bekam.  Daneben  hatten  geisthche  und  weltUche  Brüderschaften, 
die  sich  der  Kirche  angliederten,  gewisse  Vikarien  zu  vergeben,  zumal  die  an- 
gesehenste unter  ihnen,  die  Kalandsbrüderschaft;  über  andere  Lehen  verfügte  der 
Pfarrer  oder  der  Archidiakon,  welch  letzterem  bzw.  dem  Propste  in  allen  Fällen 
die  Einfuhrung  des  Präsentierten  oblag.  Eine  der  ältesten  Vikarien  vergab  das 
Kloster  Reinfeld,  und  nach  dessen  Einziehung  der  König  von  Dänemark,  je  eine 
andere   das   Kloster  Lüne   und    das  Bardewiker  Domkapitel,  vier  imterstanden 

9 


-o^    66    8^ 

der  Verfügung  der  Herzöge  von  Lüneburg.  Da  sämtliche  Inhaber  eines  kirch- 
lichen Lehens  am  Orte  desselben  wohnen  mußten  und  ihre  regelmäßigen  Messen 
zu  lesen  hatten,  so  wurde  schon  im  Jahre  1394  über  den  allzu  sehr  störenden 
,,concursus  missarum^'  und  darüber  Klage  geführt,  daß  der  an  vielen  Altären  gleich- 
zeitig abgehaltene  Gottesdienst,  mit  dem  Lärmen  der  Menge  im  Gefolge,  bei  der 
großen  Zahl  der  zu  St  Johannis  Eingepfarrten  die  Andacht  mehr  und  mehr  ablenke. 
Die  Kalandsgilde  holte  darum,  obwohl  sie  sich  von  alters  als  zugehörig  zur 
Johanniskirche  betrachtete,  vom  Archidiakon  die  Erlaubnis  ein,  außer  an  dem 
gewohnten  Kalandsaltar  auch  in  städtischen  Kappellen  außerhalb  von  St.  Johannis 
ihre  Vigilien  und  Gedächtnisfeiern  zu  begehen. 

Von  der  ersten  Erbauung  der  Johanniskirche  erzählt  ims  weder  eine 
schriftliche  Kunde  noch  ein  bildnerisches  Denkmal.  Wir  können  nur  vermuten,  daß 
die  älteste  Gestalt  des  Gotteshauses,  etwa  ein  rohes  Holz-  oder  Fa^chwerkgebäude, 
durch  einen  Bau  aus  Findlingen,  nach  Art  der  in  imserer  Heide  hier  und  da 
noch  erhaltenen  Landkirchen,  vielleicht  auch  durch  ein  aus  Gipsblöcken  vonn 
nahen  Schildstein  geschichtetes  Mauerwerk  abgelöst  wurde,  bis  das  größere  Ge- 
bäude aus  gebranntem  Stein  an  die  Stelle  trat.  Von  romanischen  Überresten  ist 
keine  Spur  mehr  vorhanden. 

Die  früheste  urkundliche  Nachricht  zur  Baugeschichte  der  Kirche  belehrt 
uns,  daß  im  Jahre  1297  der  Kirchhof  erweitert  wurde,  und  zwar  durch  den 
Abbruch  einer  Chorkapelle,  in  welcher  der  Lüneburger  Rat  an  einem  besonders 
dotierten  Altare  tägUch  eine  Messe  lesen  Ueß.  Mit  dieser  Maßnahme  stand  ein 
Ausbau  der  Kirche,  der  „Antiqua  ecclesia'^  im  Zusammenhang,  denn  im  selben 
Jahre  erteilten  15  Erzbischöfe  und  Bischöfe  zugunsten  der  Johanniskirche  einen 
Ablaß,  der  durch  Beteiligung  am  Bau  (f abrica)  und  an  seiner  Erhaltung  sowie  durch 
Spenden  von  Lichtern,  Gewändern,  Ausstattungsstücken  und  sonst  zum  Gottes- 
dienste Notwendigem  erlangt  werden  konnte.  Ein  Ablaßbrief  des  nächstfolgenden 
Jahres  gedenkt  insbesondere  der  Jungfrau  Maria  und  der  Hl.  Katharina,  zu  deren 
Verehrung  ein  neuer  Altar  erbaut  worden  sei  Das  Kirchweihfest,  welches  am 
29.  August,  dem  Tage  der  Enthauptung  des  Täufers  Johannes,  begangen  zu 
werden  pflegte,  sollte  nach  einer  Anordnung  Bischof  Friedrichs  von  Verden 
U300 — 12)  künftig  am  nächstgelegenen  Sonntage  gefeiert  werden,  eine  Regelung, 
die  wohl  durch  eine  neue  Kirchweihe  veranlaßt  ist.  Alsdann  deuten  zwei 
Ablaßbriefe  aus  Avignon  von  1333  und  37,  zwei  andere  aus  den  Jahren  1357 
und  83  regere  Bauperioden  an,  und  die  sonstige  urkundliche  Oberlieferung  gibt 
uns  einige  festere  Ümrißlinien  dazu. 

Bis  ins  14.  Jahrhundert  zurück  führt  nämlich  die  Erbauung  auch  der 
Mehrzahl  der  Kapellen,  die  sich  allgemach  im  weiten  Kranz  an  das  innere  Gottes- 
haus anschlössen.  Die  mit  der  Sakristei  identische  Elisabethkapelle,  schon  1261 
genannt,  wurde  im  Jahre  1333  erhebUch  vergrößert*)  Eine  Kapelle  links  vom 
Haupteingange  unter  dem  Turme  wird  mit  dem  Turm  selber  1319  zuerst  erwähnt. 
Die  Allerheiligenkapelle  wurde  im  folgenden  Jahre  erbaut  und  durch  den  Bürger 
Nikolaus  Kind  mit  vier  Vikarien  ausgestattet.  Von  der  Nikolai-  oder  van  der 
Mölenkapelle  an  der  Südseite  des  Turmes  hören  wir  1342;  im  selben  Jahre  von 

*)  Noch  1361  heißt  sie  „seu^  armarium^  1848  rM'^  armario. 


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einer  Kapelle  des  Evangelisten  Johannes  im  Untergeschoß  des  Turmes,  anscheinend 
identisch  mit  der  Kapelle  von  1319.  Eine  vom  Bürger  Ludeke  Stöterogge  gestiftete 
Drei  Königekapelle  „juxta  parietes"  begegnet  1365,  die  Marienkapelle  („Annuncia- 
tionis  Mariae^')  an  der  Südseite  des  Langhauses  1369.  Die  EÜtausend  Mägde- 
oder Ursulakapelle  an  der  Nordseite  des  Gotteshauses  wurde  im  Jahre  1372 
erbaut  aus  Dankbarkeit  für  die  Abwehr  des  feindlichen  Oberfalls  in  der  Ursula- 
nacht Der  Barbarachor  („chorus  seu  capella'')  über  der  Nikolaikapelle  verdankte 
seine  Entstehung  der  frommen  Absicht  des  Ratmanns  Heinrich  Viscule  (1393). 

Weitere  Ergänzung  erfahren  diese  Daten  durch  eine  im  26.  Bande  der 
handschriftlichen  Sammlungen  U.  F.  G.  Maneckes  überlieferte  Aufzeichnung  über 
Lüneburger  Kirchenlehen  im  16.  Jahrhundert. 

Die  Elisabethkap^Ue  oder  Sakristei,  die  wohl  schon  im  Jahre  1333  bis 
zu  ihrer  jetzigen  Ausdehnung  erweitert  worden  ist,  lag  südlich  vom  Chor.  An 
der  Längsseite  des  südhchen  Außenschiffes  schlössen  sich  an  die  Allerheiligen-, 
die  Drei  Könige-,  die  Annen-  imd  die  Marienkapelle.*)  Die  dem  Evangelisten 
Johannes  geweihte  Kapelle  im  Erdgeschoß  des  Turmes  wurde  von  den  Beginen 
benutzt  und  lag  nach  Norden  hin,  im  Süden  entsprach  ihr  die  Nikolaikapelle. 
Soweit  läßt  sich  die  Ausgestaltung  des  Gotteshauses  durch  urkundUche  Nach- 
richten bis  zum  Ausbruch  des  Erbfolgekrieges  belegen.  Schon  vor  der  Zerstörung 
der  Lüneburg  auf  dem  Kalkberge  imd  dem  Ausschlüsse  der  Cyriakskirche  aus 
dem  ummauerten  Stadtgebiete  war  die  Johanniskirche  im  Süden  und  Westen 
mit  einer  geschlossenen  Kapellenreibe  versehen,  sie  war  demnach  offenbar  schon 
vor  1370  in  den  großartigen  Verhältnissen  einer  fünfschiffigen  Hallenkirche 
vollendet,  wenn  auch  nach  Norden  hin  und  korrespondierend  zur  Sakristei  die 
Kapellen  noch  fehlten. 

Eine  erneute  Baulust  macht  sich  in  den  nächstfolgenden  Jahrzehnten 
bemerkbar.  Als  unmittelbarer  Ausklang  der  Ereignisse  von  1371  entsteht,  wie 
schon  erwähnt,  die  Elftausend  Mägdekapelle.  Sie  lag  am  Ostflügel  des  nördlichen 
Außenschiffs  da,  wo  die  Schüler  ihren  Eingang  hatten,  um  auf  den  Chor  zu 
gelangen,  und  eröffnet  die  nördliche  Kapellenreihe,  während  gleichzeitig  die 
Bartolomaeikapelle  am  Westflügel  den  Anfang  macht**)  lind  in  der  Dreif altigkeits- 

*)  Die  beiden  letzteren  scheinen  nrnprUnglich  vereinigt  gewesen  zu  sein,  denn  es 
lieifit  in  einer  Urkunde  von  1369  der  (Andreas-  und)  Annenaltar  zu  St.  Johannis  in  der  nach 
Süden  hin  gelegenen  Marienkapelle. 

**)  Es  ist  nicht  immer  möglich,  den  gemeinten  Altar  nach  seinem  urkundlichen 
Namen  einwandsfrei  zu  bestimmen.  Durchweg  hatte  ein  Altar  mehrere  Schutzheilige,  und 
wenn  in  der  Regel  der  zuletzt  Genannte  den  Namen  gibt,  so  ist  das  doch  nicht  ausnahmslos 
der  Fall.  Maria  stand  als  Patronin  einer  ganzen  Reihe  von  Altären  vor,  und  auch  der 
Hl.  Bartholomäus  ist  an  drei  Altären  nachzuweisen.  In  der  11 000  Mägde-  oder  Ursulakapelle 
^b  es  einen  Bartholomäus-,  Jakobus-  und  Jakobus  Zebedei-,  femer  einen  Bartholomäus-  und 
10 000  Märtyreraltar,  beide  sind  von  dem  Bartholomäus-  (Simon-  und  Judas-)altar  in  der 
gleichnamigen  Kapelle  zu  unterscheiden,  alle  drei  mögen  jedoch  später  mit  ihren  Vikarien 
zusammengelegt  sein.  Auch  einen  Dreifaltigkeitsaltar  gab  es  in  der  Ursulakapelle,  deren 
Hauptaltar  wie  der  Altar  der  Barbarakapelle  zugleich  den  Aposteln  Petrus  und  Paulus 
geweiht  war.  Fraglos  umfaßte  die  Johanniskirche  im  15.  Jahrhundert  mehr  Altäre  noch 
als  im  Jahre  1525,  u.  a.  befand  sich  ein  dritter  Liebfrauenaltar  an  der  Nordseite  der 
Antoninskapelle  (1472). 

9* 


-^    68    8^ 

und  der  Erasmikapelle  —  letztere  mit  einer  Vikarie  dotiert  von  den  Erbinnen  des  in 
der  Ursulanacht  gefallenen  Bürgers  Albert  Remensnider  —  sogleich  fortgesetzt  wird. 
Über  der  NikolaikapeUe  erhebt  sich  der  gleichfalls  schon  genannte  Barbara-  oder 
Visculenchor,  und  in  der  Südwestecke  der  Kirche,  zwischen  Nikolai-  imd  Marien- 
kapelle wird  die  im  Jahre  1600  wieder  abgebrochene  Grablegungskapelle 
eingefügt,  „dar  me  in  deme  Guden  vridaghe  vor  Passchen  dat  cruce  ane  to 
grave  bringt",  erbaut  1410  durch  Bürgermeister  Viscule.  In  dieser  Bauperiode 
entsteht  auch  der  Ratschor  oder  Ratslektor  über  der  Sakristei,  zuerst  nach- 
weisbar 1409. 

Auch  am  Johanniskirchturm  ist  fin  den  letzten  Dezennien  des  14.  Jahr- 
hunderts rüstig  weitergebaut  Daß  seiner  Existenz  bereits  1319  Erwähnung 
geschieht,  wurde  bemerkt.  Er  trug  mehrere  Glocken.  Im  Jahre  1333  ist  von 
einer  Betglocke  die  Rede,  welche  in  der  Dänunerung  erklang,  1349  werden  mit 
einer  Spende  diejenigen  bedacht,  welche  „die  größeren  Glocken"  läuten  („pulsantes 
campanas  maiores").  Ein  zuverlässiges  Datum  für  seinen  Ausbau  finden  wir  in 
einem  Sülzrentebriefe  vom  13.  Dezember  1384.  Der  Rat  verkaufte  an  jenem 
Tage  zwei  halbe  Wispel  Salz  für  430  Mark  Lün.  Pf.  an  einen  Uelzener  Bürger- 
meister imd  verwandte  die  genannte  Summe  „pro  structura  et  tectura  turris 
parochialis  ecclesie  beati  Johannis  baptiste"  —  für  Bau»  „und  Deckung"  des 
Turmes,  ein  Hinweis  auf  die  nahe  Beendigung  des  Werkes.  Volger  und  nach 
ihm  Mithoff  führen  eine  Urkimde  aus  dem  darauf  folgenden  Jahre  an,  mit  der 
Nachricht,  daß  der  Rat  ein  Kapital  von  325  Mark  angeUehen  habe,  „um  den 
Turm  zu  decken";  beide  Urkunden  lassen  sich  gut  miteinander  vereinen,  doch 
muß  es  dahin  gestellt  bleiben,  woher  Volger  seine  Kenntnis  genonmien  hat 

Ein  schwerer  Blitzschlag  traf  das  Gotteshaus  am  25.  März  1406,  dem 
Festtage  Maria  Verkündigung,  und  der  Turm  brannte  bis  auf  das  Mauerwerk 
herunter.  Die  Schomaker-Chronik  weiß  über  das  Ereignis  nur  die  wenigen  Worte 
zu  berichten:  „Annuntiationis  Marie  brende  de  tom  to  Sunte  Johanse  aP'  — 
„dat  sunte  Johanse  merliken  groten  scaden  dede",  wie  eine  andere  Quelle  hin- 
zufügt Büttner  in  seiner  Chronik  erzählt,  daß  viele  Menschen  dabei  ums 
Leben  gekommen  seien.  Er  beruft  sich  auf  folgende  Inschrift  einer  inzwischen 
verloren  gegangenen,  ehemals  in  der  Sakristei  befindUchen  Gedenktafel: 

„Jam  Domino  nato  milleno  sex  sociato 
Cum  quadrigentis  virtute  rogi  vehementis 
Sub  tantis  annis  turris  fuit  usta  Johannis 
Virginis  in  feste,  dum  sumpsit  ave  Gabrielis 
Redduntur  quaesto  campaneUis  Michaelis 
Ethereum  fulmen  tantum  discrimen  agebat: 
Factum  mox  fuit  horrida  nox  non  laetitiae  vox, 
Multi  prostrati  laesi  sunt  fulminis  ictu, 
Quidam  servati  vita  remanent  sine  victu, 
Evitare  velis  si  poenas  ulteriores, 
Daemonis  a  teils  studeas  convertere  mores." 
Wohl  imter  dem  Eindruck  des    elementaren   Ereignisses   trug   Bischof 
Konrad  von  Verden  noch  im  Oktober  des  Jahres  dem  Pleban  von  St.  Johannis 


-^    69    8^- 

sowie  dessen  Kaplänen  und  Scholaren  auf,  an  jedem  Freitag  zur  Vesper  und 
an  jedem  Sonnabend  zur  Frühmesse  die  Mutter  Gottes  im  Chor  der  Kirche  durch 
Gesang  zu  verehren,  und  allen  an  diesen  Hören  teilnehmenden  Christen  wurde 
ein  Ablaß  zugesichert,  der  gewiß  auch  den  Zweck  verfolgte,  die  Baukasse  der 
Kirche  neu  zu  füllen.  Daß  die  Wiederherstellung  des  Kirchturmes  alsbald 
erfolgte,  erhellt  aus  einer  Urkunde  vom  Mai  1410,  wonach  die  Juraten  oder 
Structurare  eine  Summe  von  75  Mark  mit  Zustimmung  des  Rates  „bekannter- 
maßen" zum  Turmbau  verwandt  haben.  Es  war  in  eben  jenem  Jahre,  als 
Meister  Dietrich  von  Münster  gen.  „Clockengetere"  im  Auftrage  der  Kirchen- 
geschworenen  den  Guß  mehrerer  Glocken  übernahm,  darunter  der  Sonntagsglocke, 
die  1687  und  1718  wieder  umgegossen  worden  ist*) 

Zeitweise  war  für  den  Johanniskirchenbau  eine  besondere  Ziegelei  im 
Setrieb.  Am  14.  August  1421  gestattete  der  Pfarrer  gegen  eine  Rente  von 
24  Schilling,  daß  auf  seinem  Pfarracker  südUch  vom  Adenbruch,  zwischen  diesem 
und  dem  BQ.  Geistkamp,  Tonerde  zu  Nutz  und  Frommen  seiner  Kirche  gegraben 
werde.  Ein  zweiter  Vertrag  ist  vom  23.  März  1425  datiert.  Dstmach  erhielten 
Bürgermeister  und  Rat,  insbesondere  die  als  Vorsteher  jenes  Ziegelhauses  ab- 
geordneten Ratmannen,  Erlaubnis,  sowohl  acht  besaete  als  auch  zwei  kurze, 
unbesäete  Ackerstücke,  die  zur  Johannispfarre  gehörten',  abzugraben  und  die 
Elrde  zum  Nutzen  des  Johannisziegelhauses  zu  gebrauchen  und  brennen  zu 
lassen;  als  Entschädigung  wurden  dem  Pfarrer  bis  zur  Rückgabe  des  Landes 
jährlich  zu  Martini  zwei  Wichimten  reinen  Roggens  und  tausend  Dachsteine 
zugesichert;  nach  Einstellung  der  Ausbeute  sollte  der  Kamp  mit  guter  Erde 
wieder  aufgefüllt,  geebnet  und  alsdann  sechs  Jahre  lang  im  Dienste  des  Rates 
mit  dem  Pflug  bearbeitet  und  bestellt  werden.) 

Leider  haben  wir  keinerlei  urkimdlichen  Anhaltspunkt,  zu  welchem 
besonderen  Zweck  der  Johannisziegelhof  in  dieser  Zeit  gedient  hat  Da  das 
eigenthche  Gotteshaus  im  wesentlichen  vollendet  dastand,  liegt  es  nahe,  an  den 
gewaltigen  Turm  zu  denken,  der  nach  dem  Brande  von  1406  vielleicht  in 
größeren  Verhältnissen  als  zuvor  aufgebaut  wurde  —  eine  Annahme,  welche 
mit  der  stilistischen  Ausführung  der  ältesten  Giebelfassade  zum  mindesten  nicht 
im  Widerspruch  steht 

Eine  letzte  Bauperiode  erst  brachte  die  Kapellenreihe  ganz  zur  Vollendung, 
das  Dezennium  nach  Abschluß  des  Pralatenkrieges,  etwa  von  1461—70.  Damals 
wurde  über  dem  Grabe  des  Bürgermeisters  Springintgud  nördlich  vom  Chor, 
d.  h.  zwischen  Chor  und  Ursulakapelle  ein  Gewölbe  errichtet,  und  korrespon- 
dierend zum  Ratschor  erhob  sich  darüber  der  Chor  der  Sülzjunker,  damals  erst 
scheint  auch  die  Lücke  in  der  nördlichen  Kapellenreihe  ausgefüllt  zu  sein:   es 


*)  Man  vergleiche  den  Aufsatz  Wredes  über  die  Glocken  der  Stadt  Lüneburg  in  den 
Lfinebnrger  Museumsblättem,  Heft  1.  Hier  nur  die  Namen  und  Zahlen:  Im  Jahre  1436  goß 
Gherd  Klinghe  die  Apostelglocke  und  die  Große  [Schelle;  1461  goß  Bertram  Beteman  aus 
Magdeburg  die  Große  Glocke  um,  eine  Aufgabe,  die  Hinrick  van  Kampen  1516  ein  zweites 
Mal  und  besser  löste.  Im  selben  Jahre  goß  Hinrick  van  Kampen  die  Stundenglocke;  1519 
(derselbe  Meister)  die  Kleine  Schelle;  1600  Andreas  Heineken  die  Viertelglocke;  1607  Paul 
Voß  die  Probeglocke,  1681  HHS.  die  Schusterglocke;  1687  Johann  Voß  die   Wachtglocke. 


-o^    70    g-J- 

entstand  die  Antoni-  oder  Kramerkapelle  (1463),  östlich  davon  die  Cecüien-  oder 
Witickkapelle  (1467  zuerst  erwähnt),  westiich  die  Leonhardikapelle  (1470).  *) 

Die  Namen  der  einzelnen  KapeUen  haben  sich  im  Laufe  der  Zeit  oftmals 
verändert.  Die  Bezeichnung  nach  den  Schutzheiligen  trat  seit  der  Reformation 
zurück,  und  sie  wurde,  naturgemäß  mit  mannigfacher  Verschiebxmg,  ersetzt  durch 
die  Namen  der  vornehmen  Familien,  welche  die  Kapellen  als  Begräbnisplatz 
benutzt  haben.  Die  Frohnleichnamskapelle  mit  dem  Grabe  des  Bürgermeisters 
Springintgud  wurde  später  zur  Laffertschen  Kapelle.  Bürgermeister  Lutke  von 
Dassel  (f  1537)  hatte  nach  einem  Zeugnis  der  Juraten  von  1544  einen  Raum 
innerhalb  der  Kirche  am  Eingange  der  nördlichen  Seitentür,  genannt  „dat  Segen- 
huesz",  zum  Dormitorium  oder  Erbbegräbnis  seiner  Familie  erwählt,  und  seine 
Nachkommen  erwarben  vier  Dezennien  später  die  Beginenkapelle,  die  damals 
durchbrochen  wurde,  hinzu.  1585  hören  wir  von  einer  Lukas  Möllers  KapeUe^ 
einer  Elvers-,  Borchholt-,  Musseltins-,  Leonardikapelle.  Die  Nordkapellen  waren 
um  1700  im  Besitz  der  Kagelbrüder  (später  derer  v.  Stern),  der  Familien  Lange 
mit  dem  Panther  im  Wappen,  der  Elvers,  Ditmers,  Mollner  und  Düsterhop.  Vor 
dem  Haupteingange  des  Gotteshauses  hatte  die  Familie  von  Witzendorf  eine 
Kapelle  inne,  die  im  Jahre  1802  abgebrochen  ist.  Die  v.  Dasselsche  Kapelle  ist 
die  einzige,  in  welcher  auch  nach  1811  noch  Beisetzungen  stattgefunden  haben; 
im  genannten  Jahre  verfügte  die  französische  Behörde,  daß  fortan  inner- 
halb der  Stadt  keine  Beerdigungen  mehr  geduldet  werden  dürften. 

Eine  interessante  Parallele  zur  Entstehung  der  Kapellen  mit  ihren  Neben- 
altären  bietet  die  Ausschmückung  der  Pfeiler  im  Innern  des  Gotteshauses,  die 
wie  jene  nach  und  nach  ausnahmelos  mit  einem  besonderen  Altar  ausgestattet 
wurden.  Zwölf  Altäre  von  St  Johannis  werden  schon  in  einer  Gedächtnisstiftung 
vom  6.  April  1320  aufgeführt,  als  jeder  von  ihnen  1  Pfund  Wachskerzen  zu 
einem  sog.  Spendlicht  erhält.  Unter  Zuhülfenahme  des  Verzeichnisses  vou 
Manecke  läßt  sich  erkennen,  daß  die  Urkunde  ihre  Altäre  bereits  in  einer  Reihen- 
folge aufführt,  wie  sie  der  Überlieferung  des  16.  Jahrhunderts  genau  entspricht. 
Schon  im  Jahre  1320  lagen  hergddisch  rechts  und  links  vom  Aufgang  zum  Chor 
der  Marien-  und  der  Kreuzaltar  an  den  Innenpfeilem,  an  den  Außenpfeilem  der 
Kalands-  (Aller  Apostel-  und  Aldegundis-,  Petri  et  Aldegundis-)  Altar  und  der 
Altar  des  ersten  Märtyrers  Stephanus,  im  Jahre  1469  vergrößert  und  von  neuem 
geweiht.  Von  den  sechs  Pfeilern  des  Mittelschiffs  waren  die  vier  dem 
Chor  zunächst  stehenden  gleichfalls  bereits  mit  einem  Altar  geschmückt;  an  der 
Nordseite  erhob  sich  vor  dem  Marien-  der  Jacobisdtaj,  gegenüber  dem  Predigt- 
stuhle der  Katharinenaltar  (gegründet  1298),  an  der  Südseite  entsprechend  der 
Martinialtar,   dessen   erste  Vikarie  schon    1244   gestiftet  worden  ist,   bzw.  der 

*)  Im  Jahre  1516  wurde  die  Kapelle  der  Garlop  gebaut,  einer  Pa^füerfamilie,  die 
schon  um  die  Mitte  jenes  Jahrhunderts  im  Mannesstamme  erlosch.  Büttner  bemerkt  dazu  in 
seinen  Stammregistem :  „I)ie  so  genannte  Garlopen  Capelle  an  St.  Johannis-Kirchen  ist  Anno 
1516  von  Ihnen  erbauet  worden,  als  solches  die  Verse  ausweisen,  welche  außen  über  derselben 
unter  dem  Marien  Bilde  stehen  und  nunmehr  fast  unleserlich  sind,  wesshalben  ich  sie  hieher 
zu  setzen  kein  Bedenken  trage  „Garlopum  domus  hoc  Marie  statuere  sacellum,  Dlins  et 
gnati  ut  concilietur  amor.  Anno  XV  C.  XVP.  Wahrscheinlich  handelt  es  sich  hier  om  eineo 
Ausbau  der  Beginenkapelle. 


-^     71     8^ 

Magdalenenaltar;  der  Thomas-  und  Philipp- Jacobialtar,  die  sodann  genannt 
werden,  lagen  an  den  beiden  östlichsten  Pfeilern  der  Seitenschiffe.  Der  Vier 
Doktoren-  und  der  Gregorsaltar  werden  in  jener  Stiftung  nicht  bedacht,  jedoch 
ist  der  erstere,  am  Mittelpfeiler  des  südlichen  Seitenschiffs,  schon  1318,  der 
letztere,  am  Mittelpfeiler  des  nördlichen  Seitenschiffs,  im  Jahre  1326  urkundlich 
belegt    Die  w^estliche  Pfeilerreihe  ist  der  Altare  vorerst  ledig  gebUeben. 

In  der  Bauperiode  nach  dem  Erbfolgekriege  tritt  am  vorderen  Südpfeiler 
des  Mittelschiffs  der  Matheusaltar  auf  (1379),  der  im  Juli  1555  dem  Stöterogge- 
denkmal  weichen  mußte;  später,  am  Pfeiler  südlich  davon,  der  Theodori-  oder 
Junkemaltar  („altare  dormicellorum",  an  Bedeutung  zurücktretend  hinter  dem 
gleichnamigen  Altar  auf  dem  Junkemlektor),  und  an  den  entsprechenden  Pfeilern 
links  vom  Haupteingange  ein  Vincenz-  und  ein  Hieronymusaltar  (vor  1504). 

Im  ganzen  zahlte  die  Kirche  zu  Beginn  der  Reformation  40  Altäxe. 
Deren  33  sind  vorstehend  genannt  Es  kommen  hinzu  1)  der  Gosmas-  und 
Damianialtar,  zuerst  erwähnt  1318;  er  lag  unter  der  Orgel  („sub  organis"),  wurde 
aber  verlegt  an  einen  Platz  südlich  vom  Stephanusaltar,  zwischen  Chor  und 
Treppe,  die  nach  dem  Ratslektor  hinaufführte  („boven  de  gherwkameren^^,  „super 
armario'^,  „up  des  rades  chor",  „vor  des  rades  stolinge");  2)  der  Agnesaltar  in 
der  Nikolaikapelle;  3)  der  Veitsaltar  (4.  Vikarie  1416)  auf  dem  Ratschor;  4)  der 
Marianialtar  (Vikariengründung  1438),  ebendaselbst;  5)  der  Altar  zum  Namen 
Jesu  oder  Fronleichnamsaltar  in  der  Springintgudkapelle  (1463);  6)  der  Mathias- 
altar, vor  der  BeginenkapeUe  unter  dem  Turm  (1476);  7)  der  Georgsaltar  (1410), 
seitens  der  Georgsbrüderschaft  mit  einer  Kommende  dotiert,  der  Lage  nach 
unbekannt 

Wie  der  Gyriakskirche  und  den  städtischen  Kapellen,  so  standen  auch 
der  Johanniskirche  zwei  Ratmannen  vor.  Sie  werden  als  procuratores  (provisores) 
structure  im  Jahre  1332  zuerst  erwähnt  und  zwar  mit  den  Kirchgeschworenen 
zusammen,  deren  zwei,  Nicolaus  von  Toppenstede  und  Nicolaus  von  Odem,  schon 
hn  Jahre  1320  auftreten.  Mit  den  Juraten  gemeinsam  hatten  die  Provisoren 
vornehmlich  die  Aufsicht  über  die  Erhaltung  und  den  Ausbau  des  Gotteshauses. 
Vermächtnisse  „in  usus  structure",  „to  dem  buwe'',  fielen  nominell  bald  an  die 
Provisoren,  bald  an  die  Juraten,  welch'  letztere  insofern  leicht  maßgebend 
werden  konnten,  als  sie  nicht  wie  die  Ratsverordneten  alljährlich  wechselten; 
ihre  Bedeutung  sprach  sich  seit  dem  16.  Jahrhundert  auch  in  der  Dreizahl  aus. 
Bei  wichtigen  Entscheidungen  war  die  Zustimmimg  des  Gesamtrates  erforderlich. 
Die  Baukasse  (fabrica)  der  Kirche  hatte  bestimmte  Einnahmen  („bona  ad  struc- 
turam  pertinentia"  1320),  die  im  Bedarfsfalle  mit  Rentenverschreibungen  „ex 
redditibus,  fructibus  et  precaria  structm-e",  „ute  der  bede  und  ute  den  redesten 
sunte  Johannis  korken  gudem**  belastet  wurden.  Welcher  Art  die  Einnahmen 
waren,  ersehen  wir  aus  den  Kirchenrechnungen,  die  von  einem  der  Juraten 
geführt  wurden  und  von  1574  an  in  geschlossenen  Bänden  vorliegen.  Schon 
der  älteste  Band  unterscheidet  folgende  Einnahmetitel:  „van  wispelgude"  (Sülz- 
einkünfte), „van  segel  und  breven"  (Verschreibungen),  „van  hußrenten",  „van 
den  13  Tvaningen  by  S.  Michael",  „van  den  7  waningen  up  S.  Johans  kerck- 
have",    „van    begreffenissen    und    lijckstenen",    „van    stolen    und    ludegelde", 


-^    72    8^ 

„tovellige  inname^^  Ein  Kirchenstuhl  zu  St.  Johannis  wird  im  Jahre  1408 
testamentarisch  vermacht,  später  waren  die  Stühle  „auf  den  Leib  geschrieben^', 
sie  mußten  daher  in  jedem  Sterbefalle  neu  bezahlt  werden.  Ein  Begräbnis  im 
Innern  der  Kirche,  die  Anbringung  eines  Grab-  oder  Gedenksteines  und  auch 
die  Beerdigung  von  Fremden  auf  dem  zimächst  der  bürgerUchen  Gemeinde  vor- 
behaltenen Kirchhofe  brachte  manchen  Gewinn.  In  der  Hauptsache  wuchs  das 
Vermögen  der  Kirche  aus  freiwilligen  Gaben  heran.  Im  Stadtarchiv  findet  sich 
kaum  ein  einziges  größeres  Testament,  in  welchem  nicht  für  die  Johannis- 
pfarrkirche  eine  Summe  ausgesetzt  ist  Ablaß  Verleihungen  suchten  die  Gebe- 
freudigkeit auch  im  15.  Jahrhundert  noch  mehr  anzuspornen.  Im  Jahre  1420 
wurde  eine  Freitagsandacht  zu  Ehren  des  Hl.  Kreuzes  eingeführt  und  den  Teil- 
nehmern ein  Ablaß  verheißen,  1443  richtete  die  Witwe  des  Lübecker  Bürgermeisters 
Rapesulver  für  jeden  Donnerstag  und  Sonnabend  fromme  Gesänge  zu  St  Johannis 
ein  und  erwirkte  dafür  einen  Ablaß;  zu  gunsten  der  Kapelle  des  Evangelisten 
Johannes  wurde  im  April  1446  ein  Ablaß  verkündigt,  für  die  Johanmskirche 
als  solche  im  Juh  1451,  zu  gunsten  des  Junkemchors  1463  und  67.  Zwei  Jahre 
später  genehmigte  der  Bischof  von  Verden  die  Aufstellung  eines  Sammelstocks 
zur  Erweiterung  der  Kirche.  Eine  Serie  von  Ablaßbriefen  wußte  sich  der  Kaland 
von  St.  Johannis  zu  verschaffen,  wie  in  der  eingangs  zitierten  Geschichte  der 
Lüneburger  Kalandsbrüderschaft  des  näheren  dargelegt  ist  Wesentliche  Stärkung 
erfuhr  die  Baukaase  gegen  1418  durch  das  von  Bürgermeistern  und  Ratmannen 
erkämpfte  Zugeständnis  des  päpstUchen  Stuhles,  daß  die  Einkünfte  vakanter 
Ejrchenlehen  ein  Jahr  hindurch  dem  Baufonds  zufließen  sollten.  Im  Jahre  1477 
überwiesen  die  Vorsteher  der  sog.  Alten  Kauf  leute  -  und  auch  die  der  Neuen  Kauf- 
leute -  Almosen  ein  Drittel  ihrer  Einkünfte  den  Juraten  zum  Kirchenbau. 

Die  bauhche  Erhaltung  des  großartigen  Gotteshauses  ist  in  den  mehr 
als  vier  Jahrhunderten,  die  seit  seiner  Vollendung  verstrichen  sind,  von  der 
Lüneburger  Bürgerschaft  im  ganzen  als  eine  Ehrenpflicht  verstanden.  Wohl 
sind  in  Zeiten  wirtschaftlichen  Niedergangs  notwendige  Instandsetzungen  länger 
als  zulässig  hinausgeschoben,  dafür  haben  jüngere  Generationen  Versäumtes 
wieder  gutgemacht 

Auffallend,  daß  schon  im  Jahre  1466  seitens  der  Kirchgeschworenen 
über  offenkundige  Schäden  geklagt  wird:  die  Südseite  der  Kirche  müsse  not- 
wendig gedeckt  und  auch  der  Turm  für  mindestens  300  Mark  ausgebessert 
werden,  denn  jedermann  könne  sehen,  „dat  dar  grod  gebrek  anne  is".  Die 
Herstellung  geschah  im  nachfolgenden  Jahrzehnt;  der  Chor  erhielt  eine  Bedeckung 
von  Schieferstein*),  „für  die  Erbauung  einer  neuen  Turmspitze"  (nach  einer 
Notiz  des  16.  Jahrhunderts)  wurden  über  6000  Ziegelsteine  verbraucht  Das 
Material  zu  einem  kupfernen  Turmdach  wurde  aus  Lübeck  bezogen  und  in 
Hamburg  verarbeitet;  24  Schilling  kostete  es  „den  hauen  uttohouwende";  für 
etwa  16  Mark  Gold  kam  zum  „tynappel",  Cord  Snitteker  lieferte  die  kupferne 
„bussen"  dazu  und  „mester  Hermen"  erhielt  an  die  73  Mark,  „dat  he  den 
tynappel  upsat". 

*)  Später  ersetzt  durch  ein  Kupferdach;  vom  Dach  über  der  Sakristei  wurde  im 
Jahre  1685  Kupfer  gestohlen. 


-Hl    73    8^ 

Clenau  ein  Jahrhundert  später,  1575  ff.,  wurde  das  Kupferdach  des  Turmes 
vom  Kupferdecker  Dirick  erneuert.*)  Unter  den  Materialien  werden  51  Sack 
Spöne  angeführt,  um  das  Kupfer  damit  zu  glühen.  Zu  den  Baukosten  schoß 
der  Rat  die  Summe  von  1000  Mark  vor,  und  zwar  auf  vier  Jahre  unverzinslich, 
„dewilen  der  kercken  dit  jhar  (1578)  veel  schweres  buwendes  vorgefallen".  Um 
den  Kirchhof  her  wurden  acht  Steine  mit  Schrift  gesetzt,  die  der  Maler  Daniel 
(Frese)  auf  blauem  Grunde  vergoldete,  und  die  vemmtlich  das  Andenken  an 
die  HersteUungsarbeiten  erhalten  sollten.  Derselbe  Maler,  bekannt  durch  seine 
Allegorien  in  der  Großen  Ratsstube  des  Rathauses,  vergoldete  im  Oktober  1582 
die  Scheibe  der  Turmuhr,  und  aus  dem  folgenden  Jahre  wird  berichtet,  daß 
zum  Kranze  über  der  Stundenglocke  am  Turm  100  glasierte  „stertwunden"  und 
12  glasierte  „hele  man"  kamen.**)  Ein  neues  Uhrwerk  für  Stunden-  und 
Viertelglocke  wurde  um  die  Wende  des  Jahrhunderts  an  Meister  Jacop  „den 
seyermaker"  verdungen***),  indes  Daniel  Frese  die  „Visierung  des  Turmes  mit  drei 
Scheiben"  ausführte  und  den  Knopf  vergoldete;  Hans  Olrichs  stach  „umb  den 
newen  seyer"  die  Wappen  der  Stadt,  der  Ratsbeisitzer  und  der  Juraten. 

Wahrscheinlich  ist  die  letzterwähnte  Bedeckung  des  Turmes  keine 
vollständige  gewesen,  da  aus  dem  Jahre  1611  berichtet  wird,  „daß  an  der 
Turmspitze  die  nordwestliche  Seite  zu  decken  angefangen  und  bis  an  die  4  Knöpfe 
aufgeführt";  Cornelius  de  Werth  in  Hamburg  Ueferte  das  Dachkupfer,  das  alte 
Material  wurde  ihm  zum  Umschlagen  zugeschickt. 

Die  Bedeckung  der  Kirche,  soweit  sie  mit  Pfannensteinen  erfolgt  war, 
verursachte  nach  jedem  Sturmwind  große  Ausgaben;  im  Jahre  1582  suchte 
man  Besserung  zu  schaffen,  indem  man  4^2  Tausend  Dachsteine  aufhängte, 
ein  Verfahren,  das  sich,  wie  wir  sehen  werden,   auf  die  Dauer  nicht  bewährte. 

Eine  umfassende  Herstellung  der  Kirche,  an  der  sich  wieder  „allerhand 
beschwerliche  baufellige  örter"  zeigten,  wurde  im  Juli  1614  durch  eine  von 
allen  Kanzeln  angekündigte  öffentUche  Sammlung  unter  allen  Hausgesessenen 
gefördert;  die  Herstellung  begann  mit  dem  Aufbau  zweier  Pfeiler  und  der 
Mauer  am  Herrenlektor,  also  an  der  südöstUchen  Chorseite;  die  Kupferdeckung 
der  beiden  Pfeiler  kostete  41  Mark,  Meister  Hans,  der  Steinhauer,  brachte  die 
Jahreszahl  an. 

Im  April  1703  wurde  der  Turm  abermals  durch  einen  Blitzschlag  schwer 
beschädigt,  wie  denn  Heimsuchungen  der  Kirche  „durch  das  Donnerwetter"  noch 


*)  Bis  zum  Jahre  1686  befand  sich  am  Turm  ein  Lamm  Gottes  mit  der  Zahl  1503 
oder  1505,  ebenfalls  ein  Hinweis  auf  eine  Wiederherstellung ;  die  Tafel  wurde  damals,  obgleich 
es  sich  nur  um  eine  belanglose  Reparatur  handelte,  durch  eine  andere  mit  dem  Namen  eines 
Juraten  ersetzt. 

**)  An  sonstigen  Bezeichnungen  fUr  Formsteine  entnehmen  wir  den  Johanniskirchen- 
rechnungen  folgende:  kapsteen,  campersteen,  schneden  steen,  schlichten  man  (Mond),  halven 
man,  emsen  halven  man,  dubbelden  man,  wunden  man,  poste,  vinsterposte,  glip,  sprengel, 
semese,  stnve  und  schneden  semese,  flacke  egge^  grote  astrick. 

*•*)  Von  einem  sehr  kostspieligen  Uhrwerk  hören  wir  schon  aus  der  Amtszeit  der 
rührigen  Juraten  Modwedel  und  Buldermans  (1487):  ^do  wart  de  seyger  henget  to  sunte 
Johannes  .  .  .  unde  de  seyger  heft  ghekostet  (teinde  half)  hundert  mark^.  Die  Uhrglocken 
hingen  nach  Westen  hin,  außerhalb  des  Turmes. 

10 


-o^    74    g^ 

aus  vielen  andern  Jahren,  1477,  1581,  1599,  1666,  überliefert  sind.  Ein  Sturm 
des  Jahres  1747  fegte  die  Turmspitze  nieder,  ein  Unwetter  des  Jahres  1800  den 
neu  aufgesetzten  Knopf  und  Hahn.  Die  Anlage  eines  Blitzableiters  geschah  auf 
Anregung  des  Architekten  Sonnin,  der  bei  einer  Besichtigung  der  Kirche  im 
Juni  1775  auf  die  NützUchkeit  eines  „Gewitterabieiters"  hinwies.  Der  erste  Blitz- 
ableiter auf  dem  Kontinent  war  im  Jahre  1769  am  Jacobikirchturm  in  Hamburg 
angebracht. 

Die  große  Restaurierung  des  19.  Jahrhunderts  wurde  im  Jahre  1833  in 
Angriff  genommen.  Der  vormalige  Stadtbaumeister  Spetzler  legte  in  einem  Gut- 
achten, dem  sein  Nachfolger  Holste  im  wesentlichen  zustimmte,  die  Haupt- 
gesichtspunkte dar,  nach  denen  die  Erneuerung  des  Gotteshauses  zu  geschehen 
habe;  er  stützte  die  Höhe  seiner  Forderungen  durch  den  Hinweis,  daß  die 
Lambert!-  und  Nikolaikirche  wegen  allzu  teuerer  Erhaltung  doch  denmächst  ein- 
gezogen werden  müßten,  darum  solle  man  wenigstens  die  Johanniskirche  retten. 
Das  Mauerwerk  des  Turmes  war  im  Laufe  der  Zeit  rissig  geworden,  und  die 
Ziegelbedachung  des  Hauptschiffs  (bis  auf  die  Chorseite)  sowie  der  kirchen- 
seitigen  Flächen  der  Abseitendächer  wurde,  wie  ehemals  die  Bedeckung  mit 
Pfannensteinen,  von  jedem  Windstoße  so  mitgenommen,  daß  der  Regen  frei 
hineinströmen  und  großen  Schaden  anrichten  konnte. 

Die  Baukosten  betrugen  rund  50000  Reichstaler.  Die  Westseite  des 
Turmes  wxmie  erneuert,  das  Mauerwerk  durch  Verankerungen  befestigt,  mehrere 
Schall-Luken  wurden  geschlossen,  die  außen  hängende  Stunden-  und  Viertelglocke 
hineingenommen,  die  vorerwähnte  Ziegelbedachung  durch  Schiefer  ersetzt,  die 
verunzierten  Kapellen  wiederhergestellt 

Um  die  Wende  des  19.  Jahrhunderts  hat  der  Turm  abermals  ein  neues 
Kupferdach  erhalten.  — 

Der  großen  Anzahl  ihrer  Kapellen  und  Altäre  entsprechend,  war  die 
Hauptkirche  Lüneburgs  ehemals  an  Kunstschätzen  mannigfacher  Art,  wenn 
auch  nicht  der  Klosterkirche  von  St  Michael  ebenbürtig,  so  doch  reicher  als 
jedes  andere  Gotteshaus  der  Stadt  und  reicher  als  manche  Eathedralkirche. 
Die  Angehörigen  der  einzelnen  Altäre,  d.  h.  die  FamiUen  der  Stifter  und  die 
zahlreichen  Gilden,  wetteiferten  untereinander  in  der  Beschaffung  von  Kult- 
geräten, Meßgewändern  und  Meisterwerken  der  Kirnst,  lun  zugleich  die  Fürbitte 
ihres  Schutzpatrons  zu  erwerben  und  ihrem  eigenen  Ansehen  Ausdruck  zu  ver- 
leihen. Zur  Ausrüstung  der  Allerheiligenkapelle  gehörten  schon  im  Jahre  1325, 
also  kurze  Zeit  nach  ihrer  Gründung,  2  Kelche,  2  Missalbücher,  1  Psalterium, 
1  zweibändiges  Breviarium  gen.  „Verdebük",  2  Kappen  (Pluviales),  5  Caseln 
mit  ihren  Besatzstücken  (preparamentis),  2  Fastengewänder  (jejuniales),  6  Altar- 
decken (palle)  und  1  „Plenarium",  welches  die  4  Evangelien  enthielt  Vom 
Ausgang  des  Jahres  1430  ist  uns  ein  Inventar  überliefert,  welches  der  Presbiter 
Werner  Korff,  vermutlich  der  Bewahrer  des  zum  Hochaltar  und  Frühmessenaltar 
gehörigen  Kirchenschatzes,  beim  Empfang  seiner  „Kleinodien"  ausfertigte.  Das 
bisher  unbekannte,  in  einem  seltsamen  Gemisch  von  Latein  und  Niederdeutsch 
abgefaßte  Schriftstück  verdient  an  dieser  Stelle  eine  Wiedergabe  im  vollen 
Wortlaut 


-<-8    75    8^ 

„Anno  domini  M®  CCCC®  XXXI®,  feria  sexta  infra  octavam  Nativitatis 
Christi  [1430  Dez.  29],  ego  dominus  Wernerus  Korff  presbiter  recognosco,  me 
recepisse  infrascripta  clenodia  ecclesie  sancti  Johannis  baptiste  in  Luneborg: 
videlicet  10  calices  cum  10  patene  et  3  vorgulden  pypen,  dar  me  mede  plecht 
de  lüde  to  communicerende ;  item  9  corporalen  voder,  dat  eyn  besmydet  — 
dominus  Antonius  van  Thune  dedit;  item  unser  vrouwen  beide  to  der  hemmel- 
vart;  item  unser  vrouwen  beide  der  zunnen;  item  eyn  cruce  dat  me  des 
sondaghes  umme  hoff  draghet  —  her  Kule  dedit;  item  de  olde  monstranchie; 
item  de  lylya  —  her  Kule  dedit;  item  de  beste  plenarius;  item  de  ander  ple- 
narius  demme  alle  sondaghe  umme  hoff  draghet  —  her  Kule  dedit  istas  ambas; 
item  sunte  Peters  kede;  item  eyn  grot  bryl  dar  is  hilghedom  ynne;  item  eyn  holten 
cruce  dat  me  ok  umme  hoff  drecht;  item  2  hovede  undecim  milia  virginum; 
item  2  sulveren  wyrikvate;  item  2  sulveren  appollen  [Kannen];  item  8  span, 
der  is  5  vorguldet,  in  dem  eynen  steyt  sunte  Johannes  bilde,  in  dem  anderen 
miser  vrouwen  bilde,  in  dem  drudden  sunte  Georgen  bilde,  in  dem  verden 
sunte  Cecilien  bilde,  in  dem  veften  sunte  Katherinen  bilde,  de  andern  3  sunt 
van  parlen;  item  eyn  cleyne  sulveren  tafelen  de  st^yt  uppe  twen  enghelen; 
item  1  swart  gherve  [Meßgewand]  mit  twen  roden  rokken  —  her  Kule  dedit; 
item  1  rode  cappen  —  her  Curt  Boltzen  dedit;  item  2  rode  cappen  —  her 
Ludolft  van  der  Suiten  dedit;  item  2  grone  cappen  —  her  Johan  Semmelbecker 
de  sotmester  dedit;  item  eyn  witte  cappen  —  her  Johan  Langhe  dedit;  item 
eyn  rode  kappen  dar  unser  leven  vrouwen  bilde  ynne  steyt;  item  eyn  blawe 
cappen-Stoteroghe  dedit;  item  ene  blawe  cappen  —  herteghe  Wilhelm  dedit; 
item  eyn  grone  ghulden  cappe  —  magister  Eggherd  archidiaconus  dedit;  item 
2  grone  kyndercappen;  item  1  grone  syden  cappen;  item  eyn  rot  gherve,  eyn 
pari  liste;  item  eyn  brun  gherve  myt  dem  omate  —  Ditmer  Säbel  dedit  myt 
dem  or[nate];  item  eyn  blaw  stucke  [Tuch]  —  her  Vyscule  dedit;  item  eyn 
wit  stucke;  item  eyn  blaw  stucke  dar  de  hauen  ynne  stan;  item  eyn  gron 
stucke  —  her  Nycolaus  van  der  Molen  dedit;  item  eyn  blaw  stucke  dar  de 
s\^an  ynne  stan;  item  eyn  brun  stucke  myt  euer  parlden  listen;  item  eyn  rot 
stucke  dar  de  sparen  ynne  stan;  item  eyn  rot  stucke  dar  sunte  Johannes  ynne 
steyt  —  her  Sander  Schellepeper  dedit;  item  eyn  gülden  nackenstucke;  item 
eyn  rot  stucke  dar  unser  vrouwen  bodeschop  ynne  steyt  —  her  Springhentgud 
dedit;  item  eyn  rot  sammyt;  item  eyn  nackenstucke  myt  speghelen;  item  eyn 
rot  stucke  myt  lysten;  item  ein  gel  stucke  und  twe  rocke;  item  eyn  rot  flüvel 
—  her  Albert  Hoyke  dedit;  item  eyn  rot  stucke  myt  lindwormen;  item  eyn 
wit  syden  stucke  —  Hintze  Upieggher  dedit;  item  eyn  blaw  gülden  stucke  myt 
eynen  parlden  crucifixe  upme  rugghe  —  her  Albert  van  der  Molen  dedit;  item 
eyn  blaw  syden  stucke  myt  gülden  stripen  —  de  Sanckenstedessche  dedit; 
item  eyn  rot  gülden  stucke  —  her  Handorp  dedit;  item  31  stucke  des  me  alle 
daghe  bruket;  item  13  par  dyakon  rocke;  item  14  alterdwelen  gud  unde  qu&t; 
item  4  lysten  to  dem  Hoghen  altare;  item  3  lyste  to  dem  Vromissen  altare; 
item  1  rot,  1  wyt,  eyn  ghel,  eyn  blaw  antependia;  item  4  patenendwelen ; 
item  4  dwelen  to  communicerende;  item  1  dwelen  wan  me  dat  sacrament 
plecht  to  dreghende;   item   5  vürschapen  [Wärmepfannen];   item   2  misseboke, 

10* 


-o*S    76    8^ 

eyn  sommerstucke  unde  1  wj'^nterstucke  —  her  Anthonius  de  Thüae  dedit  illos: 
item  2  ander  mysseboke;  item  3  votivarie;  item  2  de  besten  mysseboke,  de  de 
ryke  Gherardus  gaff;  item  eyn  bück  dat  is  to  sunte  Nycolaes;  item  eyn  olt 
missal.    Ffidiiussores  Hinrick  Rybe,  Hans  Reghegher". 

Das  in  mehrerer  Hinsicht  bemerkenswerte  Blatt  zeigt  uns  die  große 
Freigiebigkeit  der  mittelalterlichen  Gemeinde.  Die  alten  Lüne  burger  Ratsfamilien, 
die  Boltze,  Lange,  Hoyke,  van  der  Molen,  Sankenstede,  Schellepeper,  Semmel- 
becker, Springintgud,  Stöterogge,  van  der  Suiten,  Viscule,  Zabel,  haben  samt- 
lich zur  Vermehrung  des  Kirchenschatzes  beigetragen,  und  ein  Gleiches  dürfen 
wir  von  anderen  wohlhabenden  Familien  der  Stadt  annehmen,  wenn  ihrer  auch 
nicht  ausdrücklich  Erwähnung  geschieht;  aus  anderer  Quelle  wissen  wir  beispiels- 
weise, daß  der  Ratmann  Hinrick  Miles  im  Testament  von  1366  der  Johanniskirche 
seinen  silbernen  Gürtel  vermachte  zur  Anfertigung  eines  Kelches.  Von  Interesse 
ist  es,  daß  auch  Herzog  Wilhelm  (f  1369)  unter  den  Geschenkgebem  aufgeführt 
wird.  Von  den  drei  Pfarrern,  die  als  Wohltater  ihres  Gotteshauses  genannt 
sind,  hat  Hinrik  Kule  der  Johanniskirche  und  dem  zugehörigen  Pfarrhause  so 
große  Geldopfer  gebracht,  daß  Bürgermeister  und  Rat  ihm  in  Anerkennung  dieser 
Verdienste  eine  Leibrente  bewilligten  (1410  April  4). 

Die  verhältnismäßig  frühen  Angaben  über  die  Kleinodien  des  Hochaltars 
lassen  ermessen,  wie  reich  sich  die  Hauptkirche  der  Stadt  im  Gegensatz  zu  ihrer 
zwar  imposanten,  aber  verhältnismäßig  einfachen  äußeren  Gestalt  im  Innern 
schmückte,  und  wie  die  Pracht  des  Gotteshauses  von  Jahrzehnt  zu  Jahrzehnt 
sich  üppiger  entfalten  mußte.  Aus  der  geringen  Aiisbeute  der  urkundlichen 
Überlieferung,  die  freilich  nur  bis  1490  berücksichtigt  werden  konnte,  werden  einige 
weitere  Belege  willkommen  sein.  Vor  dem  Hochaltäre  brannten  zwei  ewige 
Lichter,  das  eine  an  der  Nordseite  „vor  deme  hilgen  Uchame"  (1393  und  1474 
erwähnt),  das  andere  nach  der  Sakristei  hin,  „in  der  vorguldeden  luchten"  (1434); 
für  eins  von  beiden,  femer  für  ein  Licht  auf  dem  Ursulaaltare,  für  ein  Licht 
„vor  dem  Kreuze"  und  für  das  sog.  StadtUcht  hinter  dem  Ratsstuhle  hatte  die 
Kämmerei  Sorge  zu  tragen.  Auch  vor  dem  Marienaltare  brannten  mehrere  ewige 
Lichter,  eins  „in  unser  Vrowen  ere"  (1393),  eins  „vor  dem  Marienbilde",  von  der 
Marienbrüderschaft  unterhalten  (1407),  ein  drittes  „up  dem  bome",  der  Obhut 
der  St  Jürgens-Gilde  empfohlen.  Marienlichter  auf  einem  Baume  („super  arborem") 
werden  auch  vor  dem  Hochaltar  erwähnt;  es  waren  13  Stück,  die  ebenfalls  von 
der  Mariengilde  besorgt  wurden  (1402).  Der  mehrfach  begegnenden  Bücherei 
(„liberie")  zu  St  Johannis  vermachte  der  kinderlose  Apotiiieker  Mathias  van 
der  Most  1474  „dat  rode  bock  dar  vita  Alexandri  ynne  steyt".  Die  Bücherei 
ist  in  der  Reformationszeit  mit  der  Ratsbibliothek  vereinigt.  Die  Beschaffung 
kostbarer  Meßgewänder  für  die  Vorsteher  der  Kalandsbrüderschaft  sieht  ein 
Testament  von  1477  vor;  das  Vermächtnis  eines  Bürgers  vom  Mai  1481  über- 
weist 5  Mark  „to  deme  nyen  sülveren  schryne  to  simte  Johanse",  vermutlich 
die  noch  heute  erhaltene  sog.  „goldene  Kirche".  Ein  älteres  Kleinod  war  dem 
Gotteshause  im  Jahre  1472  gestohlen. 

Noch  in  den  siebenziger  Jahren  wurde  vom  Meister  Jacob,  einem  Snitker 
oder  Kistenmaker,  „des  rades  stolinge"  angefertigt,  ein  neues  Ratsgestühl,   das 


->^    77     8^ 

nach  dem  Chore  zu  diirch  eine  hohe  Schranke  abgeschlossen  war;  gleichzeitig 
fertigte  der  Kistenmaker  Hans  Fabel  einen  besonderen  Bürgermeisterstuhl.  Eben 
damals  erhielt  der  Chor  Rückenlaken  aus  Leinwand^  mit  Gemälden  aus  dem 
Leben  der  fil.  Johannes  und  Jürgen.  Ein  Maler  mit  Namen  Tyle  bemalte  ein 
Brett,  auf  dem-  die  zehn  Gebote  standen,  ein  anderer  Namens  Hans  Hom  ein 
Schap,  das  zur  Aufnahme  des  Hl.  Kreuzes  diente. 

Der  Hochaltar  wurde  in  derselben  Periode,  nämlich  1484/85,  mit  seinem 
jetzigen  Auf satze  geschmückt:  „do  wart  de  nygen  tafele  uppe  dat  homyssen  altar 
ghesettet,  by  Dirick  Modwedel  unde  Dirick  Buldermans  tyden,  do  de  kerck- 
swaren  weren".  Die  Ausgabeposten  der  Kirchenrechnung  lassen  erkennen,  daß 
ein  Hamburger  Maler  und  ein  Lübecker  Goldschläger,  von  denen  der  eine 
anscheinend  Meister  Hans  genannt  wurde,  sich  in  die  Hauptarbeit  teilten.  Die 
betreffenden  Auszüge  lauten:  „Item  utgeven  20  Mark  de  ik  sende  to  Hamborch 
dem  maier;  8  s.  vor  eyn  holt  to  der  tafelen;  4  s.  vor  eyne  droge  delen  to  der 
tafelen;  13  d.  vor  negele;  3  Mark  myn  3  s.  to  dachlon  do  wy  de  tafelen  setten 
unde  eyne  s.  to  ber;  60  Mark  deme  goltsleger  to  Lubeke  van  unser  tafelen 
wegene;  5  s.  mester  Hans,  do  he  de  tafelen  to  rechte  sette;  23  Mark  unde  4  s. 
deme  smede  do  de  tafel  settet  was;  3  Mark  deme  biscope  de  de  tafele  wigede; 
45  Mark  der  msderschen  [der  Frau  des  Malers?]  to  Hamborch  unde  eyne  r.  gülden 
den  ik  er  baven  yn  gaJEf;  1  Mark  vor  12  eilen  lennewandes  to  deme  laken  uppe 
dat  hoge  £dter  to  der  tafelen ;  20  s.  deme  maier  vor  dat  laken  to  malende  uppe 
dat  homissenaltar;  (4  Mark  vor  dat  rode  arresck  to  deme  laken  up  dat  hoge 
altar  in  deme  roden  sondage)."  Es  fällt  auf,  daß  von  einem  „Bildensnider"  an 
dieser  Stelle  gar  keine  Rede  ist. 

Um  so  erfreulicher,  daß  wir  den  Kunsthandwerker  nennen  können, 
der  im  Jahre  1588  f.  das  schöne,  kürzlich  von  seinem  häßlichen  Anstrich 
befreite  Chorgestühl  gearbeitet  hat.  Gelegentlich  der  Reinigung  kam  auf  der 
Rückseite  eines  Pilasters  folgende  mit  Kohle  geschriebene  Notiz  zutage :  „Wamike 
Burmester  so  he(t)  de  meister ;  de  gesellen :  Andreues  Petersen,  Johan  Buckenda(l), 
Christoffer  Rapup,  Jürgen  Harbord,  Christoffer  Smedt,  Albert  Gar(uen?),  Evert 
Burmester,  des  meister  sone,  Wamike  Brugenatz,  de  lerjunge;  Anno  domini  1589, 
den  .  november;  dat  arbeidt  hefft  gekostet  .  .  .".  Die  Inschrift  läßt  sich  an 
der  Hand  der  Kirchenrechnung  ergänzen.  Zu  Ostern  1588  wurde  der  rechnungs- 
führende  Jurat  mit  dem  Schnitker  Wameke  Burmester,  aus  dem  Rathause 
bekannt  durch  die  Täfelung  der  Konunissionsstube,  handelseinig.  Der  Meister 
übernahm  es,  den  Chor  auf  beiden  Seiten  neu  zu  pannelieren,  „de  pannelinge 
in  brune  ramen,  de  piler  krusz  und  up  ider  siden  baven  dem  panneelwerke  twe 
gesemse  mit  angesichten  und  utgeschneden  bilderen^^  Der  Preis  sollte  ins- 
gesamt 114  Reichstaler  (235  Mark  2  s.)  betragen,  es  erfolgte  jedoch  eine  Nach- 
zahlung von  40  Mark. 

Wie  das  Chorgestühl  wurde  auch  die  Dope  im  Jahre  1588  ff.  erneuert, 
und  zwar  vom  Grapengießer  Hans  Meiger,  dem  das  alte  Taufgefäß  und  altes 
Gut  aus  dem  „Gießhause"  „angetan"  wurde.  Die  neue  Dope  wog  989  Lb.  und 
kostete  151  Mark  5  s.  Das  Fundament  aus  gehauenen  Steinen  lieferte  der 
Steinhauer  Märten  Köler,  ein  Verdeck,  „bilde  und   ummeganck"   wurde   einem 


-^     78    8^ 

ungenannten  Schnitter  für  103  Mark  verdimgeD^  und  der  Maler  Gerd  Haue 
übernahm  für  134  Mark  die  Vergoldung  und  Bemalung.  Der  eigentliche  „kerken- 
schnitker"  jener  Zeit,  von  den  Jiuraten  alljährlich  (1587 — 95)  mit  Aufträgen 
bedacht,  war  Meister  Caspar  Hartwig;  er  wurde,  weil  das  Verdingen  der  Dope 
ihm  zu  nahe  war,  durch  12  Reichstaler  entschädigt. 

Die  Dope  stand  nicht  im  Chor,  sondern  im  Mittelschiff  nahe  der  Orgel, 
so  daß  sie  mit  ihrem  hohen  Deckel  und  Umgang  den  Stühlen  imter  dem  Turm 
die  Aussicht  nahm.  Eine  Beschwerde  darüber  im  Jahre  1685  gab  den  Anlaß, 
daß  ein  aus  einem  Gipsblocke  des  Schildsteins  gehauenes  neues  Taufgefäß  an- 
geschafft wurde;  dieses  fand  auf  dem  Chor  seinen  Platz,  bis  es  in  jüngerer 
Zeit  durch  den  Taufstein  der  zerstörten  Lambertikirche  von  dort  verdrängt 
worden  ist  Die  Dope  des  16.  Jahrhunderts  wurde  zum  Guß  der  Wachtglocke 
mit  verwandt,  der  größten  Glocke  im  Lüneburgischen  (1687). 

Von  der  Kanzel  berichtet  Volger,  daß  sie  im  Jahre  1569  für  100  Reichs- 
taler von  dem  Lübecker  Heinrich  Malz  verfertigt  wurde,  und  zwar  ganz  nach 
dem  Muster  der  Kanzel  in  der  Lübecker  Katharinenkirche.  Nach  dem  Urteil 
eines  Sachverständigen  von  1833  war  sie  der  Kirche  eine  Zierde,  „die  vielleicht 
in  Norddeutschland  vergel)ens  ihres  Gleichen  suchen  würde".  An  ihre  Stelle 
trat  1865  die  heutige  Kanzel,  ein  Geschenk  König  G^org  des  Fünften 
von  Hannover. 

Einer  besondem  Fürsorge  hat  sich  von  jeher  da43  Orgelwerk  der  Johannis- 
kirche  zu  erfreuen  gehabt,  wie  denn  die  Kirchenmusik  in  Lüneburg  schon  seit 
dem  15.  Jahrhundert  und  wohl  noch  früher  aufs  eifrigste  gepflegt  worden  ist 
Oi^anisten  von  großem  Ruf  sind  gerade  zu  St  Johannis  tätig  gewesen,  ein 
Johannes  Steffens  (1589 — 1616),  der  als  Orgelspieler  „zu  einer  europäischen 
Berümtheit^'  gelangte,  Georg  Böhm  (1715—32),  der  bedeutendste  Orgelkomponist 
der  Vor-Bachschen  Zeit,  und  Johann  Sebastian  Bach  selber  hat  bekanntlich  in 
Lünebui^  sein  Studium  der  Musik  begonnen  und  ist  von  Böhm  in  hohem  Grade 
beeinflußt 

Schon  im  Jahre  1444  wird  eine  Aufwendung  von  218  Mark  13  s.  erwähnt, 
die  seitens  der  Kämmerer  auf  Geheiß  der  Büi^rmeister  für  die  Orgel  von 
St  Johannis  zugeschossen  wurde.  Eine  zweite  kleinere  Orgel  für  den  Chor 
gaben  die  Juraten  1479  in  Auftrag,  und  der  Snitker  und  Kistenmaker,  Mester 
Jacob,  machte  die  Holzarbeiten  dazu.  Das  große  Orgelwerk,  welches  den  Kern 
der  noch  heute  gebrauchten  mächtigen  Orgel  bildet,  stammt  aus  Herzogenbusch 
und  ist  von  Meister  Jasper  Johansen  geliefert  Laut  Vertrages  vom  25.  August 
1551  verpflichtete  sich  der  Genannte,  zugleich  im  Namen  des  abwesenden 
Meisters  Hinrik  Niegehoff  und  dessen  Sohnes  Claves  Niegehoff,  der  Kirche  die 
große  Oi^el  in  seinem  Hause  „tor  Hertigen  Büschen"  an  Holz  und  Piepwerk 
ganz  und  gar  neu  zu  machen.  Bis  Pfingsten  sollte  die  Ablieferung  stattfinden. 
Den  Transport  bis  Amsterdam  hatte  der  Meister  zu  tragen,  und  bis  Lüneburg 
auch  die  Gefahr,  die  „eventure",  während  die  Fracht  von  Amsterdam  über 
Hamburg  bis  zum  Bestimmungsort  von  den  Ejrchgeschworenen  übernommen 
wurde.  Der  vereinbarte  Preis  betrug  1000  Jochimsdaler,  von  denen  200  in 
Antwerpen   vor   der  Hand   zur  Auszahlung  gelangten,   400  bei  der  AbUeferung, 


-4-8    80    g^ 

400  nach  Aufstellung  und  Abnahme  folgten.  Johansen  leistete  für  sechs  Jahre 
Gewähr;  als  Entgelt  für  eine  Extragabe  von  20  Talern  beim  Vertragsschlusse 
versprach  er,  seinem  Werke  ein  besonderes  Geläute  zu  verehren. 

Eine  erhebUche  Verbesserung  der  Orgel  wurde  schon  1577  vorgenommen, 
als  der  Orgelmacher  Dirick  Hoigers  aus  Hamburg  einen  neuen  Baß  einsetzte 
und  bei  dieser  Gelegenheit  das  ganze  Werk  umschrob  imd  renovierte;  einige 
Jahre  später  trafen  die  Juraten  ein  Abkommen  mit  dem  ebenfalls  auswärtigen 
Orgelmacher,  Meister  Matz  Man,  der  gegen  eine  bestimmte  Vergütung  die  Orgel 
instand  halten  mußte.  Um  die  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  führte  der  bestallte 
Orgelmacher  der  Stadt  Lübeck,  Friedrich  Stelwagen,  eine  große  Reparatur  aus, 
aber  schon  1669  wurde  eine  abermalige  Herstellung  für  notwendig  erachtet, 
deren  Kosten  der  Orgelmacher  Michael  Berigel  auf  mindestens  700  Mark  Lüb. 
veranschlagte.  VermutUch  schreckte  diese  Summe  die  Juraten  ab,  und  so  geriet 
die  Orgel  sehr  in  Verfall.  Im  Mai  1712  finden  wir  daher  den  schon  genannten 
Organisten  Georg  Böhme  mit  den  drei  Juraten  zwecks  mündlicher  Vorstellungen 
auf  der  Schreiberei  des  Rathauses.  Mit  dem  Hinweis,  daß  das  Werk  sich 
täglich  verschlimmere  und  es  fast  dahin  geraten  sei,  daß  nichts  Tüchtiges  mehr 
darauf  gespielt  werden  könne,  wurde  ein  Projekt  der  Herstellung  überreicht,  das 
von  dem  in  Lüneburg  wohnenden  Orgelbauer  Dropa,  der  auch  die  Orgel  zu 
St  Michaelis  repariert  hatte,  entworfen  war  und  ihm  bald  darauf  zur  Aus- 
führung übertragen  wurde.  So  hat  die  Orgel  in  den  Jahren  1712 — 15  die  Gestalt 
erhalten,  die  ihr  im  Ganzen  bis  heute  geblieben  ist  Es  sollte  kein  üppiger  und 
imnötiger  Bau  gemacht  werden,  aber  Matthias  Dropa,  der  auch  die  Bildhauer- 
und Tischlerarbeiten  zu  den  neuen  Baßtürmen  übernahm,  meinte,  die  Orgel 
werde  eine  gute  Parade  machen  und  übrigens  auch  so  eingerichtet  sein  wie 
keine  andere  Orgel  in  Lüneburg.  Sein  Entgelt  bestand  in  1800  Talern  zu 
24  Mariengroschen  oder  32  s.  und  scheint  recht  knapp  bemessen  zu  sein.  —  Eine 
Beckenkollekte  in  den  drei  städtischen  Kirchen  im  Jahre  1808  sollte  wiederum 
dem  traurigen  Zustand  der  Johannisorgel  abhelfen;  die  Vollendung  dieser 
Reparatur,  durch  den  Orgelbauer  Nicolaus  Rechten,  erfolgte  im  Juni  des  folgenden 
Jahres.  Gegen  Mitte  des  Jahrhunderts  ist  die  letzte  gründliche  Herstellung 
erfolgt  Der  Organist  Anger  fand  die  Orgel,  „ein  nach  dem  Urteil  Sachverständiger 
großartiges  Werk",  schon  bei  seinem  Dienstantritt,  Ostern  1842,  in  sehr  ver- 
fallenem Zustand  und  ruhte  nicht,  bis  die  Herstellung  beschlossen  war.  Zum  Orgel- 
baufonds steuerten  die  Testamentare  und  die  Landesklöster  mehr  als  ein  Drittel  bei, 
die  Landdrostei  gab  200  Taler,  und  Anger  vergrößerte  die  Summe  durch  den 
Ertrag  seiner  Konzerte.  Der  Hoforgelbauer  E.  Meyer  in  Hannover  lieferte  zum 
Weihnachtsfest  1852  das  Werk  ab,  die  Gesamtkosten  betrugen  2175  Taler,  alles 
wurde  dauerhaft  und  gut  befunden. 

Wenige  Nachrichten  liegen  vor  über  die  Glasmalereien  der  Kirche,  die, 
nach  den  herrlichen  Fenstern  des  Rathauses  zu  schließen,  gewiß  von  hohem 
künstlerischen  Wert  gewesen  sind.  Die  ältesten  sollen  sich  in  den  Fenstern  an 
der  Südseite  befunden  haben.  Die  Verständnislosigkeit  des  Jahres  1743  zeitigte 
die  Maßnahme,  alle  farbigen  Fenster,  deren  Bleifassung  zwar  bedenklich  ver- 
wahrlost war,  zu  beseitigen.  Eines  über  dem  Altar  hatte  der  Superintendent  mit 


^>^    81     8^ 

„ob  zwar  neuen  doch  altförmigen,  Rhombischen  Scheiben"  besetzt,  aber  die 
Juraten  hielten  es  für  nötig,  daß  alle  neu  gemacht  und  „mit  modernen  quadrat 
und  weit  verhellemden  Scheiben"  vertauscht  würden.  Nur  ein  kleiner  Bruchteil 
der  Fenster  bUeb  verschont,  darunter  das  Wappen  des  Rates  im  Mittelfenster 
des  Chors,  das  diesen  vornehmsten  Platz  schmückte,  um  dadurch  den  Patronat 
des  Rates  über  das  Gotteshaus  zum  Ausdruck  zu  bringen;  es  war  im  Jahre  1605 
erneuert  und  ist  erst  vor  50  Jahren  entfernt. 

Im  April  1585  wurde  eine  Bemalung  der  Gewölbe  in  Angriff  genommen, 
die  zuvor  mit  achtzehn  Tonnen  englischer  Kreide  geweißt  waren.  Die  Malerei 
war  für  300  Mark  an  Gert  Haue  und  Jochim  Jagow  verdungen,  40  Mark 
wurden  für  zwei  Historien  auf  dem  Chor,  16  Mark  für  eine  Historie  über  der 
Dope  gezahlt,  auch  wird  die  Bemalung  von  30  (33)  gedrehten  Sternen  erw^ähnt, 
die  miter  das  Gewölbe  kamen,  und  die  Vergoldung  zweier  großer  Rosen  unter 
dem  Gewölbe  auf  dem  Chor.  Die  Maler  wurden  während  ihrer  Arbeit  „zaghaftig'*, 
da  sie  erkannten,  daß  sie  zu  billig  abgeschlossen  hatten;  die  Juraten  bewilligten 
daher  100  Mark  extra,  indem  sie  sich  damit  trösteten,  daß  Daniel  Frese  die 
Arbeit  nicht  unter  500  Taler  hatte  übernehmen  wollen  und  schheßlich  gewiß 
700  gefordert  haben  würde. 

Die  große  Raumwirkung  des  inneren  Gotteshauses,  durch  die  zahlreichen 
Altäre  der  katholischen  Zeit  schon  wesentlich  beschränkt,  ging  durch  Einbauten 
von  Kirehenstühlen  und  Priechen  allmählich  ganz  verloren.  Für  einen  neu- 
erbauten Lektor,  vermutlich  die  Empore  unter  der  Orgel,  zahlten  die  Juraten 
im  Jahre  1655  dem  Kirchentischler  Ludewig  Wulbrandt  430  Mark,  und  der 
Rat  selber  ließ  drei  Jahrzehnte  später  durch  den  Baumeister  Johan  Planerd, 
gegenüber  der  Kanzel  einen  Rats-  und  Bürgermeisterstuhl  (dieser  mit  6  auf- 
schlagenden Fenstern  und  einem  *  purpurfarbenen  Teppich)  errichten,  der  1739 
durch  eine  Juratenprieche  fortgesetzt  wurde.  Daß  die  Stühle  im  jeweiligen 
Geschmack  ihrer  Entstehungszeit  mit  Wappen,  „hilligen  scheppen'*  und  sonstigem 
bildnerischen  Schmuck  verziert,  daß  ferner  Mauern,  Pfeiler  und  Säulen  im  Laufe 
der  Jahrhunderte  mit  vielen  kostbaren  Denktafeln  und  Epitaphien  ausgestattet 
waren,  versteht  sich,  und  es  ist  ja  nicht  schwer,  von  all  der  entschwundenen 
Pracht  eine  ungefähre  Vorstellung  zu  gewinnen,  wenn  man  sich  etwa  -  das 
Innere  der  Marienkirche  im  benachbarten  Lübeck  vergegenwärtigt,  wo  der 
Charakter  des  Gotteshauses  als  einer  ehrwürdigen  Gedächtnishalle  für  lange 
Generationen  sich  glücklicher  bewahrt  hat,  als  es  der  alten  Pfarrkirche  Lüneburgs 
beschieden  gewesen  ist. 

Die  Veräußerungen  der  Kunstwerke  von  St.  Johannis,  die  in  einem 
eingehenden  Inventar  kurz  vor  Einführung  der  Reformation  noch  einmal 
zusammengestellt  wurden,  haben  schon  im  16.  Jahrhundert  begonnen, 
denn  zwanzig  Werke  der  Goldschmiedekunst  erw^arb  der  Rat  im  Jahre  1573 
für  5750  Mark   zur  Vermehrung   seines    Silberschatzes.*)    Im   übrigen   möchten 

*)  Der  Keinbecksehen  Chronik  des  Museums  entnehmen  wir  das  nachfolgende  Ver- 
zeichnis. ^Folgende  Stücke  sein  aus  der  Bede  genommen  —  ist  der  Standt,  darinne  itzo  die 
Diacen  stehen:  1)  1  groß  silbern  Crucifix  Uberguldet  und  mit  Johannis  und  Marienbilde 
2)  1  Cruciiix  Uberguldet  und  mit  einem  kupferen  Fus  3)  1  Crucifix  mit  fünf  Cristallen  4)  1  klein 

11 


-^    82    8^- 

wir  glauben,  daß  das  Jahrhundert  der  Reformation  mit  den  Denkmälern  und 
Altertümern  der  Kirche  nicht  so  gründlich  aufgeräumt  hat,  wie  Volger  es  an- 
nimmt. Ergibt  sich  doch  aus  den  obigen  Darlegungen,  daß  gerade  im  zweiten 
und  letzten  Drittel  des  16.  Jahrhunderts  große  Summen  zur  Erhaltung  und 
Verschönerung  des  Gotteshauses  aufgewandt  sind,  und  ein  Antrag  der  Ge- 
schworenen, die  Meßgewänder,  Ornate  usw.  zum  Besten  der  Kirche  zu  verkaufen^ 
scheiterte  noch  im  Jahre  1607  an  dem  Verbot  des  Rates.  Sogar  der  Verkauf 
der  berühmten  Großen  Glocke  im  Jahre  1792  vollzog  sich,  wie  die  Akten  er- 
geben, keineswegs  unter  gleichgültiger  Haltung  oder  gar  auf  Betreiben  der 
Gemeinde,  die  Veräußerung  wurde  von  den  geldbedürftigen  Juraten  unter  dem 
ansteckenden  Einfluß  des  Landschaftsdirektors  von  Bülow  gegen  den  Einspruch 
pietätvoller  Männer  durchgesetzt. 

Dem  19.  Jahrhundert  war  es  vorbehalten,  mit  der  inneren  Ausgestaltung 
der  Kirche,  wie  sie  fast  organisch  erwachsen  war,  kurzerhand  aufzuräumen. 
Viel  Unerläßliches  gab  es  zu  tun.  Um  immer  noch  mehr  Stühle  und  Lektoren 
anzubringen,  hatte  man  sich  nicht  gescheut,  die  Tragrippen  und  vorspringenden 
Ecken  der  Pfeiler  wegzuhauen;  die  Stühle  erwiesen  sich  z.  T.  als  lebensgefährlich 
schadhaft,  der  Fußboden  war  durch  die  vielen  Beisetzungen  und  die  unregel- 
mäßige Lage  alter  und  neuerer  Grabsteine  so  uneben  geworden,  daß  man 
darüber  stolperte,  die  bunte  Malerei  der  Gewölbe  des  Hauptschiffs  war  verwischt. 

Monstrancie  mit  einer  großen  C^rystallen  6)  1  silberne  mittelmessige  Monstrancie  mit  Heilig- 
tume  7)  1  kleine  silberne  Monstrancie  mit  einer  Crystallen  darinne  Heiligtnme  8)  Noch  zwo 
kleine  Monstrancien  Ubergüldet  und  mit  Crystallen  9)  1  silbern  St.  Jürgen  mit  den  Dracken 
und  Schwerde,  weinig  geguldet  und  mit  einer  kleinen  Büxen  und  Schilde  10)  1  silbern  St.  Peter 
mit  dem  Schlüssel  und  Bocke,  ein  wenig  geguldet  11)  1  silbern  Johannis  mit  dem  Bocke, 
darauf  das  Lamb  Gottes,  weinig  geguldet  mit  einen  Corallenschnor  und  kleinen  Creutz  12)  die 
Auferstehung  Christi  von  Silber  mit  der  Fahnen,  weinig  geguldet  13)  1  silberne  Maria  mit 
dem  Kinde  und  Cepter  mit  zween  Ringen  und  einen  Corallenschnür  14)  1  silbern 
St.  Ursula  mit  Stralen,  einem  Bocke,  Coralenföftig  und  vier  Ringen  15)  1  silberne  St  Anna, 
mit  zween  silb.  Agnus  Dei,  einem  kleinem  Bmstschmide,  mit  achte  Knöpfen  klein  und 
groß  mit  zween  Ringen  und  einer  silb.  Ketten  16)  1  silberne  St  Cathrine  mit  dem  Schwerte, 
Bocke,  Corallenschnor  und  einem  kleinen  Agnus  Dei  17)  St  Ursula,  ein  silbern  Brustbilde 
mit  einer  gülden  Ketten  daran  ein  klein  Creutz  mit  5  Steinen  etwas  tiberguldet  18)  1  kleine 
silberne  Monstrancie  19)  1  silbern  (Ciborium),  darinne  silbern  Büxe  und  Löffel  20)  l  silbern 
Olie  Buxe. 

Volgende  Stücke  sein  aus  der  (Jlarbekammer  St.  Johannis  genohmen  und  auf  das 
Rathaus  bracht  worden  zu  gleicher  Zeit  mit  den  vorigen:  1)  1  silb.  überguldet  Crucifix 
daranne  etwas  verehrt  Silber  gehangen  2)  1  kl.  silb.  Monstrancie  mit  Reliquien  und 
überguldet  3)  1  silbern  überguldeter  Fuß  darinne  1  eisen  Leth  aus  Petrus  Ketten  4)  1  gr. 
silb.  Monstrancie  überguldet  und  mit  einem  gülden  Ringe  und  etzlichen  Edelgesteinen 
5)  1  silb.  überguld.  Crone  mit  zween  silb.  überguld.  Ringen  daranne  1  silb.  Kette 
mit  einem  Creutz  u.  einer  kl.  überguld.  Cronen  6)  1  silb.  Johannis  mit  Edel- 
gesteinen u.  Perlen  auch  etzlichen  kleinen  geopferten  silbern  Platen  u.  einem  gülden 
Ringe  7)  1  silb.  überguldet  Marienbild  mit  etzlichen  anhangenden  silbern  Kleynodien  und 
5  gülden  Ringe  u.  einen  Corallen  Rosencrantz  8)  1  silb.  Düve  mit  einem  Fuß  9)  1  silb. 
Wirockfas  mit  der  Ketten  10)  1  silb.  Schrein  etwas  geguldet'  11)  1  gr.  silb.  Pontificat 
überguld.  u.  mit  Perlen  12)  sechs  silb.  Span  überguldet  13)  drey  silbern  überguld.  Knöpfe 
14)  zwe  lange  Corallenvöfftig  mit  6  Rosencrentzen  von  Barenstein.  —  Durch  Conradum  Baleman 
secretarium  verzeichnet." 


->^    83    S^ 

Da  mußte  erneuert,  beseitigt,  gebessert  werden.  Es  geschah  nach  dem  Geschmack 
der  damals  maßgebenden  Persönlichkeiten  und  ihrer  Zeit.  Schon  in  dem  Gut- 
achten des  Baumeisters  Spetzler  von  1833  hieß  es,  das  Ansehen  der  Kirche 
werde  gewinnen,  wenn  man  die  Gewölbemalerei  ganz  weglasse;  alles  müsse 
zierlich  aber  einfach  ausgeweißt  werden,  ,,die  einfach  weiße  Kalktinte  hebt 
stets  den  imposanten  Eindruck  eines  Doms'';  verschließbare  Stuhle  sollten  nur 
in  den  kleinen  Kapellen  angebracht  werden,  alles  übrige  Stuhlwerk  müsse  die 
gleiche  dreifüßige  Brüstungshöhe  erhalten  und  sei  in  „altdeutscher"  Form  in 
geöltem  Eichenholz  anzufertigen. 

Mehr  als  zwei  Jahrzehnte  gingen  darüber  hin,  ohne  daß  die  Neuerungen 
zur  Ausführung  kamen.  Die  angedeuteten  Mißstände  wurden  immer  offen- 
kundiger, während  die  verfügbare  Restaurierungssumme  durch  die  Erhaltung 
des  äußeren  Baues  verschluckt  war.  Um  die  erforderlichen  Geldmittel  zu 
beschaffen,  kamen  die  Juraten  im  Jahre  1852  auf  den  unseligen  Gedanken, 
,,die  entbehrlichen  Schönheiten  des  Gotteshauses,  deren  manche  noch  aus  katho- 
lischer Zeit  vorhanden  seien",  feilzubieten;  und  der  verantwortliche  Stadtbaumeister 
tat  leider  nichts,  die  Ausführung  des  Planes  zu  verhindern.  Auch  er  sprach 
den  Wunsch  aus,  die  veralteten  und  defekten  historischen  Bilder  an  den  Seiten- 
wänden des  Chors  zu  beseitigen,  die  unschönen  Epitaphien  an  Säulen  und 
Pfeilern  bis  auf  die  besseren  und  wertvollen  abzubrechen,  alle  stilwidrigen 
Auswüchse  und  Anhängsel  aus  neuerer  Zeit  von  den  freistehenden  Säulen  und 
Mittelpfeilern  zu  entfernen,  die  alten  Ölbilder,  zumal  die  Porträts  der  früheren 
Prediger,  in  die  sogen.  Mönchshalle  neben  dem  Turm  zu  überführen,  und  was 
dergleichen  Vorschläge  mehr  waren,  die  auf  nur  allzu  fruchtbaren  Boden  fielen. 
In  drei  w^eit  und  breit  bekannt  gemachten  öffentlichen  Auktionen  des  Jahres 
1856,  am  26.  März,  26.  Juni  und  20.  Oktober,  wurden  jene  „Schönheiten"  und 
„stilwidrigen"  Auswüchse  der  Kirche  zu  Geld  gemacht,  und  es  nützte  nichts, 
daß  W.  F.  Volger  als  Worthalter  der  Bürgervorsteher  mündlich,  schriftlich  und 
in  gedruckter  Äußerung  seine  mahnende  und  warnende  Stimme  erhob.  Die 
drei  Auktionsverzeichnisse  sind  erhalten  und  liefern,  wenn  auch  in  dürftigster 
Form,  den  aktenmäßigen  Beweis,  was  alles  an  Kimstwerken  damals  erst  dem 
Gatteshause  verloren  gegangen  ist.  Den  höchsten  Preis  (55  Taler)  erzielte  der 
„Makrinische  StuW  nebst  Treppe,  sodann  ein  „Monument  von  Holz"  (50  Taler), 
beides  erworben  von  Herrn  Selig  aus  Hannover,  der  mit  Herrn  Auerbach  aus 
Hamburg  als  Käufer  der  ersten  Auktion  wetteiferte;  vieles  auch  gelangte  in 
Lüneburger  Privatbesitz.  Für  6  Taler  erstand  man  ein  Monument  von  Stein, 
für  5  Taler  ein  Vorlesepult,  für  2—3  Gutegrosehen  ein  Gemälde,  für  1  Taler 
4  Ggr.  fünf  alte  Türen,  für  20  Taler  den  alten  Magistratsstuhl,  für  6  Taler 
12  Ggr.  „eine  Partie  altes  Schnitzwerk"  (Herr  Selig  aus  Hannover).  Fünf 
Bilder  und  fünfzehn  Ölgemälde  fanden  erst  in  der  dritten  Auktion  ihren  Käufer. 
Die  gesamte  Ausbeute  belief  sich  auf  etwa  736  Taler. 

Die  Absicht,  da^  ganze  Innere  der  Kirche  nach  gründlicher  Herstellung 
mit  einem  farbigen,  nämlich  ,, kalksteingrauen"  Anstrich  zu  versehen,  scheiterte 
an  der  Feuchtigkeit  der  Gewölbe,  Pfeiler  und  Mauern,  man  nahm  daher  zu 
einer  gewöhnlichen  Kalkweiße  seine  Zuflucht.    Als  die  Arbeit  fertig  war,  fand 

11* 


J 


->^    85    8^ 

der  Baumeister  selber,  daß  die  Kirche  ein  „sehr  monotones"  Ansehen  erhalten 
habe,  und  er  versuchte  nun,  wenigstens  die  vorspringenden  Rippen  kalksteingrau 
zu  tönen,  aber  auch  das  mißlang.  Die  neuen  Earchenstühle  aus  preußischem 
Pöhrenholz  wurden  „eichenlarbig"  angestrichen.  Zum  Glück  sah  man  wenigstens 
von  dem  Plane  ab,  die  Außenschiffe  durch  Scherwände  abzuteilen  xmd  somit 
innerhalb  der  großen  eine  kleine  Kirche  zu  schaffen. 

Im  Jahre  1904  ist  das  wie  durch  ein  Wunder  erhaltene  Chorgestühl  in 
wohl  gelungener  Weise  von  seinem  Anstrich  befreit  und  nach  der  notwendigen 
Untermauerung  der  östlichen  Pfeiler  ist  der  Anfang  damit  gemacht,  das  Mauerwerk 
bis  auf  die  verputzten  und  weiß  getönten  Gewölbekappen  im  Rohbau  herzustellen. 

Das  Gotteshaus  ist  eine  gotische  fünfschiffige  Hallenkirche  von  fast  Beschreibung, 
quadratischer  Grundform  (Fig.  12).  Im  Westen  steht  ein  starker  Turm  mit 
seitlichen  Anbauten,  nach  Osten  sind  aUe  fünf  Schiffe  polygonal  geschlossen. 
Zwischen  den  Strebepfeilern  des  Schiffes  sind  Seitenkapellen  eingebaut.  Drei 
Dächer  liegen  über  den  fünf  Schiffen;  die  mittleren  drei  Schiffe  sind  zu  einem 
Dache  zusammengefaßt,  das  jetzt  mit  Schiefer  gedeckt  ist,  die  beiden  äußeren 
Seitenschiffe  haben  je  ein  mit  Kupfer  gedecktes  steiles  Dach,  dessen  leuchtende 
schöne  Patina  mit  dem  gewaltigen  Turm  der  Kirche  die  eigenartigsten  Merkmale 
des  Lüneburger  Stadtbildes  sind. 

Ursprünglich  war  die  Kirche  dreischiffig  angelegt,  das  Mittelschiff  im 
Chor  weitergeführt,  die  beiden  Seitenschiffe  am  Anfang  des  Chores  rechteckig 
abgeschlossen.  Im  Dachboden  ist  das  alte  Gesims  voUständig  umlaufend  an 
den  Schiff-  und  Chormauem  erhalten,  die  Dachkonstruktion  des  mittleren 
Daches  liegt  auf  den  alten  Umfassungsmauern  (vgl.  Fig.  14),  und  in  der  Sakristei 
ist  an  der  Außenseite  des  Chores  ein  kurzes  Stück  vom  Sockel  der  alten  Kirchen- 
außenwand erhalten.  Das  alte  Hauptgesims  besteht  aus  kräftigem  Wulst  in 
RoDschichtform,  Kehle  und  kleinem  unteren  Wulst  und  ist  im  ganzen  etwa 
32  cm  hoch.  Der  Sockel  besteht  aus  oberer  braun  glasierter  Kehle  und  unterem 
kräftigen  Wulst  In  der  Ecke  zwischen  Chor  und  südlichem  Seitenschiff,  jetzt 
innerem  Seitenschiff,  fand  man  Spuren  vom  Anschnitte  eines  Kreuzgewölbes, 
dessen  Größe  etwa  der  eines  Joches  der  jetzt  bestehenden  Verlängerung  des 
südlichen  inneren  Seitenschiffes  entspricht.  Hier  hat  also  eine  kleine 
KapeUe  bestanden,  solange  die  Kirche  ein  dreischiffiger  Bau  war.  Die  Er- 
weiterung der  ICirche  auf  fünf  Schiffe  muß  bald  nach  Fertigstellung  des  drei- 
schiffigen  Baues  erfolgt  sein;  die  Formen  beider  Bauzeiten  liegen  nur 
wenig  auseinander,  und  die  im  Dach  sichtbaren  früheren  Außenmauem  sind 
nicht  gefugt. 

Die  Kirche  ist  ganz  aus  Backsteinen  erbaut  und  einfach  durchgebildet,  ^  n 
eigentliche  Schmuckformen  fehlen  fast  ganz.  Die  architektonische  Gliederung  Architektur. 
wird  erreicht  durch  die  sich  aus  dem  Grundriß  und  den  verschiedenen  Erbauungs- 
zeiten ergebende  Gruppe  (Fig.  13  und  15).  Beherrscht  wird  das  Bauwerk 
durch  den  mächtigen  quadratischen  Turm  (Fig.  15),  der  ebenfalls  schmucklos 
bis  zu  den  vier  Giebeln  ansteigt;  diese  allein  sind  reicher  durchgebildet, 
über    und    zwischen    ihnen  setzt   der    achteckige,   mit  Kupfer   gedeckte  Helm 


an.  Am  Fuße  der  Giebel  sind  einfache  Wasserspeier  angeordnet.  Die  Tunn- 
giebe]  sind  nicht  aus  einer  Zeit.  Der  vordere,  nach  West«n  schauende,  stammt 
von  einer  wenig  geschickten  Wiederherstellung  des  Jahres  1833.  Die  beiden 
seitlichen,  nach  Süden  und  Norden  gelegenen  Giebel  sind  durch  fünl  lange, 
spltzbogig  geschlossene  Blenden  belebt,  die  durch  Pfosten  geteilt  werden  (Fig.  16).  Im 
nördlichen  Giebel  befinden  sich  über 
den  Blenden  noch  Kreise,  deren  ver- 
tiefte Flächen  geputzt  und  mit  ge- 
mauerten Kreuzen  geziert  sind.  Alle 
Kanten  sind  profiliert.  Der  östliche 
Giebel  ist  durch  einen  großen,  die 
Dreieckseiten  fast  berührenden  Kreis, 
in  dem  Putzflächen  mit  glasierten 
Steinen  abwechseln,  geteilt,  die  übrig 
bleibenden  Dreieckzwickel  werden 
durch  Spitzbogenblenden  und  Dreipässe 
ausgefüllt  (Fig.  16).  In  dem  großen 
Kreise  liegt  ein  Hexagramm,  das  durch 
Pässe  wieder  geteilt  ist  Unter  den 
Giebeln  zieht  sich  ein  Dreipaßfries  hin. 
Die  beiden  Glockengeschosse  werden 
von  je  vier  großen  Öffnungen  auf 
allen  vier  Seiten  durchbrochen.  Die 
Öffnungen  haben  profiherte,  teilweise 
glasierte  Kanten  und  sind  spitzbogig 
geschlossen.  Einige  sind  bei  einer 
Restaurierung  zugemauert,  weil  der 
Turm  bedenkliche  Risse  zeigte.  Zwischen 
den  Fensterreihen  zieht  sich  eben- 
Fig.  IG.  jobaniiiBkirch«}  Tnnngi«b>i.  falls  ein  Dreipaßfries  um  den  Turm. 

Unter  der  unteren  Fensterreihe  springt 
das  Mauerwerk  vor.  Die  Abdeckung  des  Vorsprunges  ist  durch  große  Feld- 
steine hergestellt  Der  Turmkörper  zeigt  von  dieser  Abdeckung  bis  zur  Erde 
ruhige  glatte  Mauerflächen,  unterbrochen  von  wenigen  Öffnungen,  dem  Haupt- 
portal und  einigen  Strebepfeilern.  An  der  Südseite  sitzt  zwischen  der  oberen 
Fensterreihe  eine  Steintafel  mit  der  Inschrift:  RENOV.  1733.  Das  spitzbogige 
Portal  ist  im  oberen  Bogenteüe  alt  und  zeigt  eine  tiefe,  pi-ofiherte  Leibung, 
teilweise  mit  glasierten  Steinen.  Der  untere  Teil  des  Turmes  wird  durch  die 
anschließenden  Pultdächer  der  zweigeschossigen  Kapellenbauten  gestützt.  In 
der  Vorderfront  sichtbar  werden  noch  die  durchschießenden  Dächer  der  äulSeren 
Seitenschiffe,  deren  Giebel  nur  durch  Rundfenster  belebt  werden  (Fig.  15).  Die  Seiten- 
ansichten des  Bauwerks  werden  durch  die  großen  Fenster  und  starken  Strebepfeiler 
geteilt,  die  zwischen  die  Strebepfeiler  eingeschobenen  Kapellen  beleben  den  unteren 
Teil  der  Ansichten.  Das  Kupferdach  ist  über  die  Strebepfeiler  herunter  gezogen.  An 
der  Chorseite  wirkt  vor  allem  die  reiche  GUederung  durch  den  mittleren,  stark 


^    87    ä- 

vortretenden  Cliorschluß  und  die  vier  Abschlüsse  der  Seitenschiffe.  Durch 
das  Zusammenziehen  des  Daches  über  den  Schluß  der  inneren  Seitenschiffe  und 
den  Chorschluß  sind  malerische  architektonische  Zufälligkeiten  entstanden.  An 
der  nördlichen  Seite  der  Choransicht  sind  verschiedene  Rfiste  von  Friesen 
und  Flächenverzierungen  erhalten.  Am  Schluß  des  äußeren  Seitenschiffes  liegt  unter 
dein  Dachgesims  ein  Blattfries  mit  sich  überschlagenden  gotischen  Blättern  (Fig.  18)- 
Am  Chorsehluß  ist  zwischen  den  Strebepfeilern  das  alte  Gesims  des  dreischiffigen 
Baues  erhalten,    darunter  zieht    sich    ein   Fries   mit  Weinhlätteni    und   Trauben 


FIk.  n,  IS,    Jobiumlaklrehe;  Friese  un  Chor. 

hin  (Fig.  17).    Unter  dem  Fenster  des  inneren  Seitenschiffschlusses  befindet  sich 
eine  größere  Fläche,    die   mit  Vierpässen    bedeckt  ist.    Der  Grund   ist  geputzt. 
An  der  Seite  dieses  Fensters  ist  eine  kleine  Fläche  bedeckt  mit  braunglasierteii 
Platten,  die  in  der  Mitte  ein  kreisrundes  Loch  haben.    An  der  Vorderfläche  der 
äußeren  Chorstrebepfeiler  sitzen   zwei   kreisrunde  Vertiefungen,   die   mit   einem 
Sechspaß  gefüllt  sind.    Einen  Sockel  hat  die  Kirche  nicht,   nur  an  der  Südseite 
zeigt  sich  am  westlichen  Teile  eine  Schicht  aus  Schilteteingips   direkt  über  der 
Erde,   die  als   Sockel    bezeichnet  werden   könnte.     An   einem    der    nördlichen 
Strebepfeiler  befindet  sich  eine  Steintafel  mit  der  Inschrift: 
....  (unleserlich)  .... 
A.  I.  FANNING. 
CONIVRATO 
C.  H.  TiMMERMAN. 
RENOVATAE.  SVNT.  FENESTRAE 
ANNO  1746. 
Der  Chor  ist  um  4  Stufen  über  das  Schiff  erhöht,  hat  zwei  große  .Joche  ( 
und  ist  im  halben  Zehneck  geschlossen.    Die  Seitenmauern,  gegen  die  Ka|>eilen, 
zeigen  hinter  dem  Choi^estühl  in  jedem  .Joch  zwei  NistJien  mit  profilierten  Ein- 
fassungen.    Die  Nischen  in  den  Zehnecksseiten  sind  jetzt  verputzt.    Ober  diesen 
Nischen  zieht  sich  ein  neuer  gotischer  Laubwerkfries,  aus  Gips  gegossen,  hin,  der  am 


Chorschiuß  aufhört.  An  der  ersten  nördlichen  Zehnecksseite  befindet  sich  eine 
eigenartige  Backsteingalerie  (Fig.  19).  Unter  den  Gewölberippen  geben  reich 
profilierte  Dienste  bis  zum  Fußboden,  dort,  wo  das  Choi^estühl  steht,  teilweise 
abgehauen.  Das  mittlere  Profil  dieser  Dienste  läuft  als  starker  Gurtbogen 
herum,  die  seitlichen  Teile  dienen  als  Aufstand  für  die  Rippen  und  die  profilierten 
Schildbögen.  Die  Kapitelle  der  Dienste  zeigen  Laubwerk  auf  einer  Kelehgrond- 
form.  Die  Gewölbe  setzen  in  derselben  Höhe  an  wie  die  des  Mittelschiffes. 
Die  Fenster  sind  dreiteilig,   im   Spitzbogen   geschlossen    und    mit  neuen  Glas- 


JobuiDlsklrche ;  Friei  Im  Chor. 


maiereien  versehen.  Die  Schlußsteine  bestehen  aus  Gips  mit  darunter  gehängter 
ornamentierter  Holzplatte.  Unt«r  dem  Schlußstein  des  Chorschlusses  hängt  eine 
große  Holzplatte  mit  dem  Lamm,  umgeben  von  sechs  geschnitzten  spät- 
gotischen Blättern. 

Die  gewaltige  fünfschifflge  Halle  ist  vom  Turm  bis  zum  Chor  vier  Joche 
lang  und  durchweg  mit  Kreuzgewölben,  die  geputzte  Kappen  haben,  überspannt. 
Zwischen  Mittel-  und  inneren  Seitenschiffen  werden  die  Gewölbe  von  starken 
runden  Pfeilern  unterstützt,  die  mit  je  vier,  aus  drei  Rundstäben  gebildeten 
Diensten  besetzt  sind.  Die  Dienste  hören  jetzt  in  etwa  2  m  Höhe  über  dem  Fuß- 
boden auf  und  nihen  auf  Konsolen,  gingen  aber  früher  bis  zum  Fußboden.  Der 
Sockel  der  runden  Pfeiler  ist  geputzt,  bestand  jedoch  früher,  wie  an  einer 
Stelle  erkennbar,  aus  Werkstein  und  war  profiliert.   Um  die  Kämpfer  der  Pfeiler 


-^    89    8-^ 

und  der  Dienste  ziehen  sich  bandartig  Kapitelle  in  Kelchform,  aus  Gipsmörtel 
geschnitten.  Auf  den  Dienstkapitellen  des  Mittelschiffes  setzen  die  Gurt-  und 
die  beiden  Kreuzrippen,  aus  Birnstabprofilen  gebildet,  an.  Die  spitzbogigen 
Gurtbogen  nach  den  inneren  Seitenschiffen  werden  durch  nach  der  Mitte  zu  sich 
abtreppende  Fasensteine,  die  Mitte  durch  das  herumlaufende  Dienstprofil  gebildet. 
Das  Gewölbe  über  der  Orgel  sitzt  höher  als  die  übrigen  Gewölbe  des  Mittel- 
schiffes. Die  Schlußsteine  aller  Gewölbe  sind  aus  Gipsmörtel  in  kreisförmigem 
Grundriß  zwischen  die  Kreuzrippen  eingesetzt  und  tragen  an  der  Unter- 
seite eine  runde  Holzplatte  mit  neuem  geschnitztem  und  bemaltem  gotischen 
Ornament 

Die  Gewölbe  der  Seitenschiffe  setzen  tiefer  an  und  sind  im  übrigen  ebenso 
ausgebildet  wie  die  des  Mittelschiffes,  nur  die  äußeren  Seitenschiffe  zeigen 
fünfteilige  Gewölbe  mit  der  Mittelrippe  nach  der  Fensterseite.  Dementsprechend 
sind  auch  in  jedem  Joche  zwei  dreiteilige  Pfostenfenster  angeordnet.  Die  Pfeiler 
zwischen  den  Seitenschiffen  haben  rechteckigen,  etwa  kreuzförmigen  Grundriß, 
der  dadiurch  entstanden  ist,  daß  die  Strebepfeiler  des  dreischiffigen  Baues  für 
den  Weiterbau  benutzt  worden  sind.  Diese  alten  Strebepfeiler  ragen  im  nördlichen 
äußeren  Seitenschiff  planlos  in  die  Gewölbe  hinein,  im  südlichen  Seitenschiff 
sind  sie  zu  breiten  Gurtbögen  benutzt  worden,  die  hier  die  Joche  trennen.  Die 
PfeUer  zeigen  an  ihren  den  inneren  Seitenschiffen  zugekehrten  Seiten  dasselbe 
Dienstprofil  wie  im  Mittelschiff,  nach  den  äußeren  Seitenschiffen  ist  nur  im 
nördlichen  Seitenschiff  ein  Dienst,  aus  drei  Rundfasensteinen  bestehend,  vorgesetzt, 
das  südliche  Seitenschiff  hat  hier  keine  Dienste.  Die  Pfeiler  haben  keine  Sockel, 
Kapitelle  nur  die  Dienste  und  die  rechteckigen  Pfeilerteile  nach  den  äußeren  Seiten- 
schiffen. Die  Gewölbe  des  inneren  Seitenschiffes  haben  dieselben  Rippenprofile 
wie  das  Mittelschiff,  die  äußeren  Seitenschiffe  ein  kleineres,  dem  noch  auf  beiden 
Seiten  ein  Wulst  unter  dem  Anschnitt  der  Kappen  angefügt  ist.  Die  spitz- 
bogigen  Gurtbögen  des  nördlichen  Außenseitenschiffes  werden  durch  Wulste,  die 
sich  nach  der  Mitte  des  Bogens  verjüngen,  gebildet  und  wachsen  ohne  Kapitell, 
etwa  in  der  Breite  der  Dienste,  aus  diesen  heraus.  Die  Mittelrippen  der  fünf- 
teiligen Gewölbe  haben  ebenfalls  kleine,  aus  einem  Rundstab  bestehende  Dienste, 
die  in  Kämpferhöhe  aufhören  und  jetzt  nm*  die  Stelzung  der  Rippe  andeuten, 
früher  aber  bis  zum  Kaffgesims  heruntergingen.  Zwischen  dem  dritten  und 
vierten  Joch  des  südlichen  Außenseitenschiffes,  vom  Turm  gerechnet,  wird  der 
Gurtbogen  durch  profilierte  Steine  mit  Fasen  und  Viertelstäben  gebildet. 
In  diesem  Schiffe  werden  die  Gurtbögen  durch  starke  Pfeilervorlagen  an  der 
Außenwand  gestützt.  Unter  den  Fenstern  ziehen  sich  an  beiden  Seiten  der 
äußeren  Seitenschiffe  Maßwerkfriese,  aus  Gipsmörtel  gegossen,  hin.  (Vergl.  Fig.  23.) 
Der  im  nördlichen  Seitenschiff  ist  höher  als  der  gegenüberhegende  und  besteht 
aus  Rosetten  mit  wechselndem  Paß-  und  Fischblasenmuster,  zwischen  denen 
kleine  reich  ausgebildete  Fialen  mit  spätgotischen  Kreuzblumen  und  Krabben 
stehen;  der  Fries  an  der  südhchen  Seitenschiffwand  zeigt  ähnliche  Rosetten, 
dazwischen  kleine  Strebepfeiler. 

Die  spitzbogigen  Fenster  der  Seitenschiffe  sind  dreiteüig,  mit  zwei  Pfosten 
die  in  Spitzbögen  auslaufen.    Die  Verglasung,    erneuert  1746  wie  vom  erwähnt, 

12 


besteht  aus  senkrecht  und  wagerecht  laufenden  Bleistreifen,  zwischen  denen  die 
kleinen  Scheiben  sitzen.    Die  südlichen  Fenster  haben  neue  Glasmalereien  erhalten. 

Die  Kapellen  zw^ischen  den  Strebepfeilern  öffnen  sich  gegen  die  Seiten- 
schiffe in  jedem  Joche  mit  zwei  Rundbögen.  Sie  sind  überdeckt  mit  je  zwei 
kleinen  Kreuzgewölben  mit  Bimstabrippen  auf  Gipskonsolen  und  haben  dem- 
entsprechend zwei  dreigeteilte  Fenster.  Die  Schlußsteine  sind  aus  Gips  gefonnt 
und  mit  Rosetten  verziert.  Das  Dach  schließt  als  Pultdach  unter  den  Fenstern 
der  Seitenschiffe  an.  Fast  alle  Teile  dieser  Kapellen  sind  1833  neu  hergestellt 
worden.    In  den  Fenstern  sitzen  Teile  von  imbedeutenden  Glasmalereien. 

An  den  Pfeilern  zwischen  den  äußeren  und  den  inneren  Seitenschiffen 
befinden  sich  in  der  Längsrichtung  der  Pfeiler  an  beiden  Seiten  neue  Figuren- 
konsolen, mit  Baldachinen  und  Apostelfiguren  aus  Gips. 

Die  Seitenschiffe  sind  neben  dem  Chor  noch  zwei  Joche  weitergeführt 
und  mit  drei  Seiten  des  Achtecks  geschlossen.  Vom  Schiffe  sind  sie  durch  Gurt- 
bögen getreimt,  im  Norden  durch  einfache  breite,  im  Süden  durch  reich  profilierte 
Spitzbögen.  Die  Rippen,  Schlußsteine  und  Kapitelle  sind  die  gleichen  wie  im 
Schiff.  Die  Trennung  gegen  den  Chor  ist  durch  breite  Gurtbögen  hergestellt, 
der  Pfeiler  zwischen  den  Fortsetzungen  der  Seitenschiffe  ist  im  Norden  achteckig, 
im  Süden  rund,  beide  sind  mit  vier  Diensten  besetzt.  Der  achteckige  Pfeiler  im 
Norden  hat  ein  Ziegelsteinkapitell,  aus  gerader  Platte  mit  darunterliegendem 
Viertelstab  und  Kehle  bestehend. 

Zu  beiden  Seiten  des  Chores  sind  KapeUen  angelegt,  die  sich  in  seiner 
ganzen  Länge  erstrecken,  im  Norden  die  Breite  des  inneren  Seitenschiffes,  im 
Süden  die  Breite  beider  Seitenschiffe  einnehmen  und,  entsprechend  dem  Abschluß 
der  Seitenschiffe,  einen  beziehungsweise  zwei  polygonale  Abschlüsse  nach  Osten 
haben,  über  den  Kapellen  befinden  sich  Emporen,  nach  Volger  Lektoren 
genannt,  im  Süden  der  sogenannte  Ratslektor,  im  Norden  der  Junkerulektor. 
Die  nördliche  Kapelle  ist  in  zw^ei  Räume  geteilt,  der  nach  Westen  liegende  ist 
gegen  das  äußere  nördliche  Seitenschiff  mit  einem  großen  Rundbogen  geöffnet 
und  vermittelt  durch  eine  gewendelte  Treppe  den  Zugang  zur  Empore.  Diese 
Treppe  hatte  früher  eine  Spitzbogentür  nach  dem  Chor.  Der  nach  Osten  liegende 
Raum  hat  Türen  nach  dem  Chor  und  dem  Seitenschiff  (Frohnleichnams- 
kapelle.  Vergleiche  vorn  Seite  69  und  70).  Unter  beiden  Räumen  liegen  Begräbnis- 
gewölbe, ebenso  unter  dem  Seitenschiffe.  An  der  Wand  nach  dem  Seitenschiff 
befindet  sich  ein  eingemauertes  farbloses  Sandsteiiu-elief,  das  die  Auferweckung 
des  Lazarus  darstellt  Die  Kapelle  an  der  Südseite  des  Chores  dient  als  Sakristei. 
Der  obere  runde  Pfeiler  und  die  Außenpfeiler  gehen  bis  zum  Fußboden  der 
Sakristei  durch,  dazwischen  stehen  Backsteinpfeiler  aus  Profilsteinen;  die  ent- 
stehenden Felder  sind  mit  Kreuzgewölben  überspannt.  Die  beiden  Seiten- 
kapellen zwischen  den  Strebepfeilern  sind  zur  Sakristei  gezogen.  Die  Emporen 
haben  Holzbrüstungen,  die  bis  auf  ein  Feld  neu  sind.  Dieses  eine  Feld  zeigt 
sechs  geschnitzte  Füllungen  aus  verschiedenfarbigen  Hölzern,  durch  Säulehen 
getrennt,  in  den  Füllungsmitten  Kreise  mit  den  Wappen  der  Schomacker,  Witzen- 
dorf, Stadt  Lüneburg,  Garlopen  und  Töbing,  im  letzten  Kreise  einen  Frauenkopf. 
Die  Kreise  sind  umgeben  von  reichem  Ornament  im  Charakter  des  ausgehenden 


i~ 


-^    91     S-^- 

16.  Jahrhunderts.  In  der  Sakristei  wird  eine  kleine  Darstellung  der  Verkündigung, 
aus  Sandstein,  von  ganz  hervorragender  Arbeit,  aufbewahrt.  Ferner  befindet 
sich  hier  eine  kleine  Bronzeplatte  mit  der  Inschrift:  „anno  dni  m®  cccc^  xlv^ 
sexto  idus  aprilis  erecta  et  pptura  ecclesie  säcti  johls  in  luneburg.  cui'  tunc 
rector  et  pptus  primus  fuit  dnus  johanes  de  minda." 

Die  nach  dem  Chor  Hegende  Achteckseite  des  nordlichen  inneren  Seiten- 
schiffschlusses und  die  erste  Zehneckseite  des  Chores  sind  über  der  Empore 
durch  einen  offenen  dreiseitigen  Raum  verbunden,  der  ein  dreiteihges  Fenster 
hat  und  mit  einem  dreiteihgen  Kreuzgewölbe  überdeckt  ist.  Die  Abschlüsse  der 
Seitenschiffe  haben  zweiteilige  Fenster  mit  mittlerem  Pfosten,  der  mit  den  Fenster- 
leibungeii  durch  Spitzbögen  verbunden  ist,  darüber  ein  Rundfenster,  das  Ganze  * 
diu"ch  den  Fensterspitzbogen  eingefaßt.  Auch  in  den  Verlängerungen  neben  dem 
Chor  haben  die  äußeren  Seitenschiffe  fünfteiüge  Gewölbe,  nur  das  über  der 
Sakristei  nach  Westen  liegende  Joch  hat  ein  gewöhnliches  Kreuzgewölbe  erhalten 
und  dementsprechend  auch  ein  großes  fünfteiliges  Spitzbogenfenster.  Den  Grund 
für  die  Änderung  gegen  die  übrigen  Joche  bildet  eine  Wendeltreppe  in  der  Außen- 
mauer, die  früher  den  Zugang  zur  Empore  über  der  Sakristei  vermittelte  und 
auch  eine  Tür  nach  außen  hat.  Jetzt  bildet  eine  direkt  ansteigende  steile 
Treppe  zwischen  Schiff  und  Sakristei  den  Zugang  zur  Empore. 

An  der  Ostseite  der  nördhchen  Kapellenreihe  zwischen  den  Strebepfeilern 
befindet  sich  ebenfalls  eine  gemauerte  Wendeltreppe  neben  einem  Eingang  von 
außen.    Diese  Treppe  führt  nur  zum  Dachboden. 

Im  letzten  Joch  der  Verlängerung  des  äußeren  südUchen  Seitenschiffs 
neben  dem  Chor  sind  Reste  einer  älteren  Malerei  in  einer  Gewölbekappe  gefunden 
worden.  Eine  große  weibHche  Figur  füllt  die  ganze  Höhe  der  Kappe  aus  und 
steht  auf  einem  Spruchband,  das  in  gotischen  Minuskeln  die  Inschrift  „sancta'' 
erkennen  läßt.  Die  Figur,  in  leichten  grünen  und  gelben  Farben,  hat  langes, 
gelbes  Haar,  Nimbus,  einen  Blumenkranz  um  das  Haupt  und  ein  langes  Schwert 
in  der  Hand.    (St  Barbara?) 

Unter  dem  Kaffgesims  des  verlängerten  südlichen  Seitenschiffes, 
das  hier  höher  liegt  wie  im  anschüe!? enden  Schiffteil,  sitzt  ein  Maßwerk- 
fries, aus  Gipsmörtel  gegossen:  reiches  Fischblasenmuster,  dazwischen  Fialen 
mit  Krabben  und  Kreuzblumen,  unter  den  Fialen  kleine  Kapitelle,  die 
die  Bekrönung  profilierter,  auf  dem  Fußboden  stehender  Backsteinpfosten 
bilden.  Unter  dem  großen  Fenster  sitzen  sechs  solcher  Maßwerkfelder,  unter 
dem  nach  Osten  liegenden  Fenster  des  zweiten  Joches  vier  Felder.  Der  Fries, 
der  sich  unter  dem  nach  Westen  liegenden  Fenster  dieses  Joches  befindet, 
besteht  auch  aus  vier  Teilen,  zeigt  aber  ein  anderes  Muster,  in  dem  Spitz-  und 
Kleeblattbögen  mit  Fischblasen  vermischt  sind. 

Der  Turm  erhebt  sich  bis  zu  einer  Höhe  von  etwa  105  Metern.  Im  Unter-  Turm, 
geschoß  enthält  er  eine  hohe,  mit  einem  Kreuzgewölbe  überdeckte  Halle,  die 
diu'ch  Windfangtüren  mit  der  Kirche  verbunden  ist.  In  den  Ecken  unterstützen 
Dienste  aus  drei  Wülsten  die  Gewölbe.  Über  den  Türen  läuft  auf  einem 
Mauerabsatz  ein  Umgang  herum.  Das  Gewölbe  hat  eine  große  Öffnung  für 
das  Aufziehen  der  Glocken.    Ober  den  Windfangtüren  hängt  eine  lange  Holz- 

12* 


_J 


-*^    92    8^ 

tafel,  aus  acht  Feldern  bestehend.  Die  Felder  sind  durch  geschnitzte  korinthische 
Säulen  getrennt,  oben  und  unten  befinden  sich  geschnitzte  Friese,  unten  eine 
ausgeschnittene  und  durchbrochene  Kantenverzierung.  Die  Felder  zwischen  den 
Säulen  waren  bemalt 

Über  der  Halle  erhebt  sich  der  Turm  in  drei  Geschossen,  durch  die  der 
große  Glockenstuhl  geht.  Die  beiden  oberen  Geschosse  sind  von  den  Schall- 
öffnungen durchbrochen.  Die  Glocken  hängen  im  obersten  Geschoß.  Das 
Mauerwerk  besteht  aus  Pfeilern,  die  mit  Bögen  verbunden  sind,  zwischen  ihnen 
Hegen  dünne  Füllwände.  Der  Helm  baut  sich  in  sechs  Konstruktionsgeschossen, 
aber  mit  vielen  Unterteilungen,  auf. 

Neben  dem  Turm  befinden  sich  auf  jeder  Seite  in  der  Fortsetzung  des 
inneren  Seitenschiffes  zweigeschossige  Bauten,  die  patrizische  Begräbniskapellen 
enthalten.  Die  unteren  Geschosse  sind  durch  große  Bögen  mit  der  Turmhalle 
und  dem  Kircheninnern  verbunden.  Nördhch  vom  Turm  liegt  im  Erdgeschoß 
die  Kapelle  der  Familie  v.  Dassel,  früher  der  Famihe  Garlop  gehörig.  Unter  der 
Kapelle  Hegt  eine  zweigeschossige  Gruft,  warscheinHch  gehört  die  untere  der 
Familie  Garlop.  Die  Kapelle  wird  von  drei  einfachen  Kreuzgewölben  überspannt, 
deren  bimstabförmige  Rippen  auf  geschnittenen  Gipskonsolen  ruhen.  Die 
farbigen  Schlußsteine,  ebenfalls  aus  Gips,  zeigen  den  Pelikan  mit  seinen  Jungen, 
das  Lamm  mit  der  Fahne  und  das  Dasselsche  Wappen.  Die  Dasselsche  Kapelle 
öffnet  sich  gegen  das  Kirchenschiff  mit  einem  großen  Bogen,  der  in  der  Barock- 
zeit einen  reichen  Einbau  mit  vier  Fenstern  und  üppiger  Bekrönung,  das 
Dasselsche  Wappen  einschließend,  erhalten  hat.  Vor  dieser  Öffnung  befinden  sich 
in  der  KapeUe  erhöhte  Sitze,  der  sogenannte  Dasselsche  Kirchenstuhl,  der  von 
der  Kapelle  durch  eine  Holzwand,  die  bis  zu  den  Gewölben  reicht,  abgeschlossen 
wird.  Diese  Holzwand  hat  in  ihren  oberen  Füllungen  nach  der  Kapelle  zu 
reiche  und  feine  Schnitzereien  aus  der  Barockzeit. 

Der  über  der  Dasselschen  Kapelle  Hegende  Raum  ist  zugängig  durch 
eine,  in  der  Nordmauer  des  Turmes  Hegende  steinerne  Treppe.  Dieser  Raum  ist 
nicht  fertig  geworden.  Er  soUte  drei  Joche  Kreuzgewölbe  erhalten,  davon  sind 
aber  nur  die  Schildbögen  ausgeführt,  die  Gewölbe  sind  nie  eingespannt  worden. 
Jetzt  ist  der  Raum  durch  eine  Balkenlage  in  zwei  Geschosse  geteilt,  die  durch 
eine  Wendeltreppe  mit  verzierter  Wange  und  ausgeschnittenem  Brettergeländer 
(18.  Jahrhundert)  verbunden  werden.  In  der  Nordmauer  dieses  Raumes  ist  die 
Vermauerung  des  Strebepfeilers  der  dreischiffigen  Kirche  erkennbar.  Der  Raum 
öffnet  sich  in  seiner  ganzen  Breite  mit  einem  niedrigen  Stichbogen  gegen  das 
Schiff.  Vor  diesem  Bogen  liegt  ein  Balkon  mit  geschnitzter  Brüstung,  Maßwerk, 
Fischblasenornament  in  viereckigen  Feldern,  in  deren  Mitte  Patrizierwappen 
angebracht  sind.  Diese  Anlage  kann  nicht  alt  sein,  wahrscheinHch  hat  die 
Brüstung  ursprüngHch  am  Junkernlektor  gesessen.  In  der  Kirchenwand  ist 
neben  dem  Turme  ein  zugemauertes  Fenster  des  dreischiffigen  Baues  mit  Kehlen- 
profil sichtbar. 

Von  diesem  Räume  gelangt  man  auf  den  Umgang  der  Turmhalle  und 
weiter  durch  eine  gemauerte  enge  Wendeltreppe  in  die  oberen  Geschosse 
des  Turmes.   Außerdem  führt  eine  Tür  in  den  über  der  nordöstHchen  Eingangs- 


-8-8    93    8^ 

haUe  gelegenen  sogenannten  Dasselschen  Saal,  einen  ganz  schmucklosen  Raum 
mit  gerader  Balkendecke  und  vier  zweiteiligen  Spitzbogenfenstern.  Die  darunter 
liegende  nordöstliche  Eingangshalle  ist  ebenso  schmucklos.  Der  in  der  Ecke  an 
der  Außenwand  liegende  dicke  Pfeiler  enthält  wohl  eine  vermauerte  Wendel- 
treppe, die  zum  Dasselschen  Saal  geführt  hat.  In  letzterem  werden  eine  Menge 
Reste  von  zerst-örten  Epitaphien  aufbewahrt,  die  die  Verständnislosigkeit  früherer 
Wiederherstellungen  in  einem  grellen  Lichte  erscheinen  lassen.  Der  Dasselsche 
Saal  öffnet  sich  gegen  das  nördliche  Seitenschiff  mit  einem  großen  Spitzbogen, 
dessen  Brüstimg  eine  Holzgalerie  bildet,  die  aus  sehmalen  und  hohen  Maßwerk- 
feldern, unterbrochen  von  Strebepfeilern,  besteht  und  wohl  ursprünglich  sein  wird. 

Der  südhch  sich  an  den  Turm  anlehnende  zweigeschossige  Bau  enthält 
im  unteren  Teile  drei  Gewölbejoche,  von  denen  zwei  jetzt  abgeteilt  sind  und  als 
Sakristei  benutzt  werden.  Diese  Kapelle  öffnete  sich  ebenfalls  im  großen  Bogen 
(jetzt  Windfangtür)  gegen  das  südUche  Seitenschiff  und  war  die  Begräbniskapelle 
der  Familie  v.  d.  Molen,  ihr  Wappen  ist  schwach  erkennbar  an  einem  Schluß- 
steine, in  Gips  geformt.  Im  Joch  nach  dem  Schiffe  zu  ruhen  die  Birnstabrippen 
auf  mit  Blattwerk  ornamentierten,  aus  Gipsmörtel  geformten  kleinen  Konsolen; 
die  anderen  Konsolen  sind  glatt. 

Der  Zugang  zu  dem  darüberliegenden,  ebenfalls  dreijochigen  Räume  erfolgt 
durch  eine  Treppe,  die  in  der  südlichen  Turmmauer  liegt,  aber  nicht  weiter  führt. 
Auf  dieser  Turmseite  ist  der  Raum  mit  Kreuzgewölben  versehen,  die  auf 
Baldachinen  ruhen,  darunter  Figurenkonsolen.  Baldachine  und  Konsolen  sind  neu. 
Eine  große  Spitzbogenöffnung  verbindet  den  Raum  mit  dem  Seiteuschiff.  Vor 
dieser  Öffnung  hegt  eine  ähnliche  Galerie,  wie  vor  dem  entsprechenden  Raum 
an  der  Nordseite.  Auch  hier  gilt  das  dort  Gesagte.  Die  drei  Schlußsteine  der 
Kreuzgewölbe  sind  aus  Gipsmörtel  hergestellt  und  zweimal  mit  dem  Wappen  der 
Viskule  geschmückt,  der  mittlere  enthält  Ornament. 

Von  den  vielen  Altären  die  einst  in  der  Kirche  standen,  haben  sich  nur  Altäre, 
wenige  aus  gotischer  Zeit  erhalten,  diese  aber  sind  von  hervorragender  Schönheit. 

Der  Hauptaltar  steht  unter  dem  Schlußstein  des  Chores  und  ist  ein 
reich  geschnitzter  und  bemalter  Flügelaltar  mit  vier  Flügeln.  (Fig.  21.)  Seine  Formen 
gehören  dem  15.  Jahrhundert  an  (vgl.  S.  77).  Die  äußeren  Flügel  sind  ganz  bemalt, 
die  inneren  Flügel  nur  an  der  Außenseite.  Die  Innenseite  der  inneren  Flügel 
und  der  Mittelschrein  werden  ganz  ausgefüllt  von  geschnitztem  Bildwerk, 
das  reich  vergoldet  und  bemalt  ist.  Der  Tisch  ist  von  Stein  und  neu.  Die 
verhältnismäßig  hohe  Predella  hat  in  der  Mitte  ein  vergittertes  Reliquien- 
schränkchen,  zu  beiden  Seiten  davon  in  je  drei  Nischen  mit  Maßwerk- 
bekrönung  die  sitzenden  Figuren  von  Propheten.  Die  geschnitzten  Darstellungen 
des  Mittelschreines  bauen  sich  in  drei  Abteilungen  übereinander  auf.  In  der 
unteren  Reihe  stehen  16  Figuren  von  weiblichen  Heihgen  in  Bogennischen 
mit  seitlichen  Maßwerkstretfen ,  darüber  erscheinen  in  hohen  Abteilungen, 
die  mit  reichsten  Maßwerkbaldachinen  bekrönt  und  durch  fialenartige  Scheide- 
wände getrennt  sind,  figurenreiche  Darstellungen  aus  der  Lebens-  und 
Leidensgeschichte  des  Erlösers.  Die  mittlere  Darstellung  geht  bis  zum  oberen 
Rande  des  Schreines  und  stellt  in  der  Breite  von  zwei  Feldern  eine  vollständige 


->^    95    8^ 

Kreuziguiigsgruppe  dar.  Die  ruhig  wirkenden  Szenen,  von  links  nach  rechts, 
bedeuten:  Gethsemane,  Verrat  des  Judas,  Christus  an  der  Martersäule,  Geißelung, 
Dornenkronung,  Verurteilung  und  Kreuztragung,  dann  die  Kreuzgruppe  (Mitte),  dann 
Kreuzabnahme,  Christus  im  Schöße  der  Maria,  Grablegung,  Auferstehung,  Höllen- 
fahrt, Himmelfahrt  und  Ausgießung  des  Heiligen  Geistes.  Die  obere  Abteilung 
ist  ausgefüllt  durch  maßwerkverzierte  Vorbauten  im  halben  Sechseck.  Zwischen 
je  zwei  dieser  Vorbauten,  über  den  Fialentrennungen  der  mittleren  Abteilung, 
sind  Dreiviertelfiguren  von  Aposteln  angebracht.  Der  Raum  reichte  nur  zur 
Darstellung  von  10  Aposteln  aus.  Alle  Figuren  sind  reich  vergoldet  und  farbig 
bemalt.  Eine  Bekrönung  fehlt,  sie  soll  früher  aus  aneinander  gereihten  LUien 
bestanden  haben  (Mithoff).  Die  mit  Temperafarben  auf  Kreidegtnnd  gemalten 
Büder  der  sechs  übrigbleibenden  Flügelseiten  stellen  auf  den  äußersten  Flügeln 
die  Legende  des  Heiligen  Jakobus  und  die  Kreuzigung  dar,  die  Innenseiten  dieser 
Flügel  und  die  Außenseiten  der  geschnitzten  Flügel  zeigen  farbige  Darstellungen 
aus  dem  Leben  der  Heüigen:  Johannes  der  Täufer,  Georg,  Katharina  und  Ursula. 

Zum  Schulze  der  Predella  dienten  zwei  Gemälde,  die  jetzt  im  Viskulen- 
saal  liegen,  sie  sind  je  0,82  m  hoch,  1,04  m  lang  und  stellen  Auferstehung 
und  Abendmahl  dar.  Die  Auferstehung  ist  bezeichnet  mit  1572,  auf  dem 
Abendmahl  steht  Renovatum  1607.  Es  sind  gute  Ölgemälde  auf  Holz  in  der 
Art  des  Daniel  Frese. 

Die  Rückseite  des  großen  Mittelschreines  ist  bemalt  mit  einer  farbigen 
Darstellung:  Christus  als  Lebensbrunnen,  am  Fuße  des  Brunnens  Menschen- 
gruppen. Links  oben  im  Bilde  kleines  Abendmahl,  rechts  eine  Kreuzigung,  über 
beiden  Schrifttafeln  mit  den  bezüglichen  Bibelstellen.  Am  Fuße  des  Bildes 
befand  sich  eine  jetzt  zugemalte  Inschrift.  Unter  dem  BUde  Schränke  mit 
verzierten  Eisenbeschlägen. 

Im  nördlichen  äußeren  Seitenschiffe  steht  die  Rückwand  eines  Altars 
mit  großem  baldachinartigem  Überbau,  ebenfalls  in  spätgotischen  Formen  (Fig.  22). 
Der  davorstehende  Altartisch  ist  neu.  Die  Rückwand  ist  dreigeteilt,  in  der 
Mitte  ein  vertiefter  Schrein,  in  dem  die  heilige  Barbara  mit  Kelch  als  freistehende 
Figur  erscheint.  Zu  beiden  Seiten  rechteckige  Füllungen  mit  Malereien  auf 
Goldgrund,  der  mit  eingepreßten  Figuren  ornamentiert  ist:  links  die  heilige 
Anna  selbdritt,  rechts  Maria  mit  dem  Kinde  und  Joseph.  Zu  beiden  Seiten  der 
Bilder  laufen  senkrecht  vergoldete  Streifen  mit  eingepreßtem  Ornament,  das  die 
Buchstaben:  „IHES"  und  „MARIA"  in  gotischen  Majuskeln  wiederkehrend  zeigt. 
Den  oberen  Abschluß  des  Mittelschreines  bildet  frei  gearbeitetes  durchbrochenes 
gotisches  Ranken-  und  Blattwerk.  Über  diesen  Darstellungen  kragt  der  obere 
Teil  des  Altars  in  Form  einer  kleinen  bemalten  Hohlkehle  aus,  darüber  zieht 
sich  in  ganzer  Breite  eine  Füllung  mit  feinem,  frei  gearbeitetem  Blattwerk  hin. 
Über  diesem  Priese  strebt  die  hohe  baldachin artige  Kehle,  durch  Rippen  geteilt, 
heraus.  In  den  durch  die  Rippenteilung  hergestellten  drei  spitzbogigen  Flächen 
sitzen  die  Wappen  der  Töbing,  Döring  und  Schneverding,  von  reichem 
heraldischem  Schmuck  umgeben.  Die  Dreiteilung  kehrt  auch  in  der  Bekrönung 
des  Baldachins  wieder  und  wird  betont  durch  Fialen,  zwischen  denen  durch- 
brochenes   gotisches   Rankenwerk    mit   Blattwerkspitzen    den   Abschluß    bildet. 


Die  Fialen  werden  von  drei  kleinen  Spitzen  begleitet.    Vor  den  Fialen  sitzen 
vier  Wappenschilder,  zweimal  mit  dem  Wappen  der  Töbing  an  den  äußeren 


■   JobannlsUrche;  Altar  Im  DardllchcD  Seltenschtir. 


Ecken  und  den  Wappen  der  Döring  und  der  Schneverding  in  der  Mitte.    Die 
Bekrönung  durch  Rankenwerk  wiederholt  sich  an  der  Seite  der  großen  Kehle. 


.    JohanaliUrcha ;  AlUr  Im  iQdllchcn  8' 


-^    98     JH- 

An  der  südlichen  Außenwand  steht  auf  einem  neueren  Steinunterbau 
ein  schöner  gotischer  Altarschrein  mit  zwei  Flügeln  (Fig.  23).  Der  Mittelschrein 
und  die  Innenseite  sind  mit  bemalten  und  vergoldeten  omamentalen  und  figuralen 
Schnitzereien  ausgefüllt,  die  plastisch  vor  dem  Goldgrunde  der  Rückwand  stehen. 
Im  Mittelschrein  erscheint  eine  große  Kreuzigungsgruppe  mit  vielen  Gestalten 
am  Fuße  der  Kreuze.  Links  und  rechts  von  ihr  stehen  auf  verzierten  Säulen 
unter  reichen  Baldachinen  Johannes  der  Täufer  und  St  Georg.  Der  obere  Teil 
über  den  Darstellungen  wird  ganz  mit  reich  ornamentierten  Baldachinen  aus- 
gefüllt. In  den  Flügeln  stehen  in  zwei  Abteilungen  übereinander  je  sechs  Apostel, 
getrennt  durch  Säulen  und  bedeckt  von  Baldachinen.  Hinter  jedem  Kopf  ist  in 
den  Grund  ein  Nimbus  mit  dem  Namen  des  Apostels  eingepreßt  Am  Rande 
des  Mittelschreines  und  der  Flügel  liegen  in  einer  Mauerkehle  geschmiedete  und 
vergoldete  eiserne  Blätter.  Zu  Füßen  der  Darstellungen  zieht  sich  ein  feiner 
Omamentfries  mit  Figuren  hin.  Die  Ornamentik  des  Altars  ist  von  wunderbar 
feiner  Erfindung  und  hervorragender  Arbeit  Die  Außenseiten  der  Flügel  sind 
bemalt  mit  je  zwei  Darstellungen  übereinander;  die  Szenen  aus  dem  Leben  der 
Heiligen  Georg  und  Katharina,  darstellen. 

Über  diesem  Altarwerk  befindet  sich  ein  kleiner  gotischer  Altarschrein,  der 
früher  wohl  eingemauert  gewesen  ist,  0,44  m  breit,  1,14  m  hoch,  0,18  m  tief.  In  der 
von  gedrehten  Säulen  eingefaßten  und  oben  mit  durchbrochenem  Rankenwerk 
baldachinartig  abgeschlossenen  Nische  steht  frei  Maria  mit  dem  Kinde,  von 
Engeln  mit  Weihrauchgefäßen  umgeben.  Unten  hängt  ein  Schild  mit  dem  Wappen 
der  Erpensen.    Alle  Teile   sind  stark  vergoldet  und  farbig,  meist  blau   bemalt. 

An  der  Lektorenwand  des  südlichen  Außenseitenschiffs  steht  ein  gemalter 
Altar  mit  zwei  Flügeln  und  zwei  seitlichen  Rückwänden  in  der  Größe  der 
Flügel.  Das  Mittelbild  stellt  eine  große  Kreuzigung  mit  landschaftlichem  Hinter- 
grunde und  goldener  Luft  dar.  Der  Rahmen  ist  vergoldet  und  zeigt  an  drei 
Seiten  die  sich  wiederholenden  Namen:  IHES  und  MARIA,  an  der  Unterseite: 
E :  T :  DOLOR  •  S :  T  •  PIETAS  •  NON  ME  TVERENE  •  Die  Innenseite  der 
Flügel  zeigt  hnks  übereinander  St  Gregorius  und  St.  Nikolaus.  Auf  dem  oberen 
und  unteren  vergoldeten  Rande  stehen  die  Namen  der  Heiligen  in  gotischen 
Majuskeln,  am  inneren  Rande  wieder:  IHES  und  MARIA.  Auf  der  rechten 
Flügelseite  sind  St.  Thomas  und  St  Katharina  dargestellt,  mit  den  Namen  auf 
den  unteren  Rändern.  Die  Außenseiten  und  die  Rückwand  auf  beiden  Seiten 
sind  ebenfalls  bemalt,  aber  ohne  Gold.  Die  Malereien  stellen  Heilige  dar,  auf 
den  Flügeln  Georg,  Gregor,  Antonius  und  Christophorus.  Die  linke  Rückwand 
zeigt  die  Namen  der  dargestellten  Heiligen:  oben  s.'  f  a  b  i  a  n'  und  s:  i  e  r  o  n  i  m ', 
unten  scts  Sebastian'  und  s'  jost  Die  rechte  Rückwand  hat  keine 
Schrift.  Das  Ganze  einschließlich  der  Flügel  wird  bekrönt  von  einem  durch- 
brochenen, feingezeichneten  Laubwerkornament,  das  vergoldet  ist  Die  Malereien, 
die  der  gotischen  Zeit  angehören,  sind  hervorragend. 

Im    Lüneburger  Museum    befinden   sich    folgende  Altäre    die    aus   der 
Johanniskirche  stammen. 
1.   Ein   Altarschrein    1,78  m   hoch,  0,86  m  breit,   0,37  m  tief.     Die  vorderen 
Kanten  werden  eingefaßt  von  spätgotischem  Ornament,  der  obere  Abschluß 


-H    99    »«- 

wird  gebildet  voq  zwei  Maßwerkbaldachinen  mit  Kielbogenlinien.    Im  Schrein 
steht  eine  große  Figurengruppe,  Maria  selbdritt  darstelleod.     Überall  sind 
Spuren  von  Bemalung  erhalten. 
2.   ESn  kleiner  Altarschrein  0,44  m  breit,  0.85  m  hoch,  0,12  m  tief,  auf  einem 
Sockel ,    mit    kielbogenför- 
migem Baldachin,  unter  dem 
eine  Maria  mit  Kiod  steht, 
mit    starken    Farbenspuren. 
Der     reich      gegUederte 
Körper    eines    65,5  cm     hohen 
Bronzeleuchters     besitzt     einen 
weiiausladenden  runden  Fuß,  der 
auf  drei  Kugeln  steht.    Die  (JUe- 
derungen    des    Körpers    werden 
durch  zwei  Bänder  unterbrochen, 
die  zwischen  spätgotischem  Or- 
nament in  gotischen  Buchstaben 
dielnschriften :  „Hynryck ,  EHbeke" 
und    „metke  •  syn  '  husfrow  '  " 
1521  ■  tragen  {Fig.  24). 

In  der  Sakristei  befindet 
sich  ein  31  cm  hoher  Measing- 
bronceteuchter,  dessen  Mittel- 
körpet  als  Frauenleib  ausge- 
bildet ist  Die  Arme  tragen  die 
Lichtteller,  der  fischschwanz- 
artig  auslaufende  Unterkörper 
steht  auf  einem  runden  Fuß. 
(16.  Jahrb.). 

Im  nördhchen  Neben- 
schiff hängt  am  westlichen  Pfeiler 
ein  großes  Marienbild  in  Lebens- 
größe. Die  Ölfarbe  ist  plastisch 
aufgetragen,  so  daß  sie  als  Relief 
wirkt.  Zu  den  Füßen  Marias, 
die  eine  große  Krone  trägt  und 
von  Engeln  umgeben  ist,  stobt 
das  Kind  in  rotem  Mantel,  neben 
ihm  liegt  ein  Hund.  Am  unteren 
Rande  steht  „Pinx;  1410",  wahrscheinhch  später  hingeschrieben.  Das 
1,65  m  breite,  2,50  m  hohe  Bild  ist  offenbar  eine  gute  gotische  Arbeit,  die  aber 
mehrfach  übermalt  ist  Ober  dem  Bilde  ist  ein  bemaltes  ausgeschnittenes  Brett 
angebracht  In  der  Mitte  ein  Kreis  mit  zwei  Wappen  und  der  Umschrift:  „Hanss 
Daimeman,  gebohr.  1572,  D.  13.  December,  gestorben  1635,  Margarete  Wessels, 
Simon   Danneman,   Pater,    gebohren    1-4'9Ö.    Starb    1596,    uxor    Ilsabe   Calms. 


Flg.  H.    Johuiatsklrcb«',  AlUrlsachtor. 


-^    100    8^ 

Kasten  Wessel,  gebohren  15.75,  gestorb.  16.35,  uxor  Elisabeth  v.  D.  Mohlen." 
Neben  dem  Kreis  ein  Band  mit  der  Inschrift:  „Renovari  Fecit  Simonis 
Abnepos  Dieterich  Wilhelm  Danneman,  uxor  Beata  Elisabetha  Gätken."  Da- 
zwischen, unter  dem  Kreise,  die  roh  eingesetzte  Jahreszahl  1733.  Ob  dieser 
Aufsatz  in  Beziehung  zu  dem  Bilde  steht,  ist  unbekannt 

In  den  nördlichen  Kapellen  hängen  drei  große  Ölgemälde:  1)  Luther 
mit  dem  Schwan,  geschenkt  vom  Stadtbaumeister  Johann  Philipp  Häseler, 
2)  Melanchton,  geschenkt  von  Ludolf  Heinrich  Metzendorf,  und  3)  Johann  Huß. 

Femer  steht  hier  ein  langes  Gemälde  mit  oberen  halbkreisförmigem 
Abschluß,  in  der  Mitte  die  Himmelfahrt,  links  Gethsemane,  rechts  Auferstehung 
darstellend  und  wahrscheinlich  dem  16.  Jahrhundert  entstammend.  Auf  dem 
Rande  steht:  Ren.  1726. 

Im  Schiff  hängt  ein  Ölgemälde  des  Superintendenten  Caspar  Gödemann, 
gest.  1603. 
Geatühl.  An  beiden  Langseiten  des  Chores  ist  ein  reiches  Chorgestühl  erhalten. 

(Fig.  25,  vergl.  auch  Fig.  20.)  Der  untere  Teil  und  die  Wangen  sind  gotisch,  jeder 
Platz  ist  mit  hohen  Seitenlehnen  versehen  imd  hat  einen  aufklappbaren  Sit« 
mit  einer  Misericordia,  die  geschnitzt  ist.  Die  Lehnenwangen  sind  bis  zum 
Fußboden  an  der  Vorderkante  mit  Säulchen  versehen.  Die  beiden  am  östlichen 
Ende  erhaltenen  gotischen  Wangen  sind  einfache  viereckige  Holzplatten,  auf 
beiden  Seiten  mit  figürlichen  Schnitzereien  geschmückt.  Die  nördliche  Wange 
(Fig.  26  imd  27)  zeigt  auf  der  Außenseite  eine  obere  und  eine  untere  Darstellung, 
jede  unter  einem  mit  Hängekante,  Ejrabben  und  Kreuzblume  verzierten  Kiel- 
bogen und  eingefaßt  von  Säulchen,  auf  denen  Fialen  stehen.  Im  oberen 
Felde  sind  Bartolomäus  und  Jacobus  d.  J.  dargestellt,  unten  zwei  gekrönte 
Jungfrauen,  eine  mit  Kelch  und  Fahne,  die  andere  nur  mit  Kelch.  (Fig.  26.) 
Die  innere  Seite  ist  ausgefüllt  von  einer  großen  gekrönten  Frauengestalt,  wohl 
der  Heiligen  Ursula.  (Fig.  27.)  Die  südliche  Wange  hat  an  der  Außenseite 
ebenfalls  zwei  Darstellungen,  oben  unter  zwei  Wimpergen  zwei  Männergestalten 
mit  Schwertern,  wohl  zwei  Apostel,  unten  unter  schönem  gotischem  Blattwerk 
zwei  FraueÄestalten,  die  eine  mit  zerbrochener  Fahne  und  verbundenen  Augen, 
nach  Mithbp  die  unterUegende  Synagoga,  die  andere  mit  umgekehrtem  Kelch. 
Die  Innenseite  zeigt  eine  hohe  Frauengestalt  mit  Rosenstab  und  einem  Grefäß 
in  der  rechten  Hand.  Über  den  gotischen  Sitzen  befindet  sich  eine  reiche 
Renaissancevertäfelung.  (Fig.  25.)  Über  den  vorgezogenen  Wangen  stehen 
geschnitzte  Hermen,  Tugenden  und  Laster  darstellend,  mit  oberem  verkröpften 
Gesims  und  auslaufend  in  konsolaxtige  Glieder,  die  über  das  bekrönende 
Gesims  hinweggreifen.  Zwischen  den  Hermen  aufgesetzte  BogenfüUung  mit  ein- 
gelegten Streifen,  zwischen  Architrav  und  bekrönendem  Gesims  geschnitzter  Fries. 
Die  baldachinartige  Überdeckung  ist  neu.  Die  Vertäfelung  stammt  von  Wamecke 
Burmester  (vgl.  oben  S.  77)  und  ist  auf  der  Rückseite  eines  Frieses  mit  der  Jahres- 
zahl 1593  bezeichnet.  Vor  diesem  Chorgestühl  soll  eine  zweite  Bankreihe  ge- 
standen haben  und  1856  beseitigt  worden  sein. 

Im  Museum  wird  eine  gotische  Wangenbekrönung,  die  aus  der  Johannis- 
kirche  stammt,  aufbewahrt.    Sie  ist  wimpergartig  ausgebildet,  die  Schrägen  sind 


-W  I  I  I  I  I  I 


Flg.  !5.    JohmnUkUclie;  ChorgMtühL    T«tl. 


-t-S     102    8^ 

mit  Krabben  besetzt.    Auf  der  etDen  Seite  erscheint  das  Stadtwappen,  auf  der 
anderen  das  der  Viskule. 
GUamslereien.  In  den  Kapellenfenstem  befinden  sich  mehrere  unbedeutende  und  stark 

verletzte  Glasfenster,  welche  Evangelisten  Apostel  und  Reformatoren  darstellen 
und  aus  jüngerer  Zeit  stammen. 


kielte -nach-den  Alfaf 


liiH  I  I  M  I  I  I  I  I  T 1= 

Flg.  M,  17.    Joluanliklrcliai  Wuige  TOin  CborBeatUil. 


-^    103    8^ 

Im  Turm  der  Johanniskirche  hängen  9  Qlocken.  Glocken. 

Die  Apostelglocke  mit  1,955  m  Durchmesser,  1436  vom  Meister  Gerd 
Klinghe  gegossen,  hat  oben  doppelte  Inschriftreihe  mit  gotischem  Ornament  und 
am  Klangbort  einen  Blattwerkfries.  Am  Mantel  ist  nach  Westen  ein  Marienbild 
mit  dem  Gruß  des  Erzengels  Gabriel  im  Nimbus,  darunter  als  Gießerzeichen 
eine  kleine  Glocke,  nach  Osten  ein  Bild  Johannes  des  Täufers  mit  dem  Lamm 
angebracht. 

Die  große  Schelle  hat  0,89  m  Durchmesser;  obere  Umschrift  und  Ornament 
in  der  Art  Gerd  Klinghes;  1436  gegossen. 

Die  Stundenglocke,  1516  von  Hinrick,  von  Kampen  als  Schlagglocke  für 
eine  Uhr  gegossen,  hat  1,50  m  Durchmesser,  obere  Umschrift  und  Blattfries  darunter. 

Die  kleine  Schelle  hat  0,77  m  Durchmesser,  obere  Inschrift  mit  demselben 
Blattfries  wie  an  der  Stundenglocke  und  ist  1519,  wahrscheinlich  auch  von 
Hinrick  von  Kampen  gegossen. 

Die  Viertelglocke  mit  0,825  m  Durchmesser  und  einer  in  zwei  Zeilen 
herumlaufenden  Inschrift  ist  1600  von  Andreas  Heinecke  gegossen. 

Die  Probeglocke  von  1607,  mit  1,35  m  Durchmesser,  hat  oben  zweizeiUge 
Inschrift  mit  Palmettenfries  und  ist  von  Paul  Voß  gegossen. 

Die  Schusterglocke  mit  42,5  cm  Durchmesser,  von  1681,  mit  Inschrift 
auf  dem  Mantel. 

Die  Wachtglocke  von  1687  hat  1,97  m  Durchmesser  imd  am  oberen 
Rande  vierzeilige  Inschrift,  darüber  einen  Fries  mit  den  wiederkehrenden  Gestalten 
von  Josua  und  Caleb,  die  die  Traube  tragen.  Sie  ist  aus  einer  früheren,  1516 
gegossenen  Glocke  1687  von  Arnold  Kleimann  aus  Lübeck  und  der  Witwe 
des  Johannes  Voß  aus  Lüneburg  umgegossen  worden. 

Die  Sonntagsglocke  hat  1,60  m  Durchmesser  und  ist  aus  einer  älteren 
Glocke  1718  durch  Johann  Christian  Ziegner  umgegossen.  Sie  hat  obere  Um- 
schrift, Inschriften  am  Mantel  und  am  Klangbord. 

Die  1516  gegossene  große  Glocke  ist  1792  vernichtet  worden.  Ihr 
Meister  war  Hinrick  von  Kampen. 

Die  Inschriften  der  Glocken  sind  mit  vielen  Abbildungen  veröffentUcht 
in  den  Lüneburger  Museimisblättem,  Heft  1. 

In  der  Kirche  sind  eine  Anzahl  Grabmäler  erhalten,  die  zum  Teil  Meister-  Grabmäler. 
werke  ihrer  Zeit  sind.    Sie  sind  hier  in  der  Reihenfolge,  wie  sie  in  der  Kirche 
hängen,  verzeichnet,  beginnend  mit  der  Westwand. 

An  der  Turmwand  hängt  südlich  eine  marmorne  Gedenktafel  des  Bürger- 
meisters Christian  Kruse,  gestorben  1709.  Ein  gemaltes  Brustbild  wird  umgeben 
von  Figuren,  darunter  ist  die  Inschrifttafel  angebracht,  die  besagt,  daß  das 
Denkmal  von  der  Frau  des  Verstorbenen  gestiftet  worden  ist.  Der  untere 
Abschluß  wird  durch  das  Ehewappen  und  einen  Engel  gebildet. 

An  derselben  Wand  nördlich  hängt  ein  bemaltes  kleines  Sandstein- 
grabmaJ  des  Bürgermeisters  Hieronymus  Töbing,  gestorben  1575,  das  ihm  von 
seiner  Witwe,  geborenen  von  Dassel,  und  seinen  Kindern  1621  gesetzt  worden  ist. 
Über  einem  schweren  Gesims,  das  durch  Konsolen  mit  dazwischen  angeordneten 
Schrifttafeln  unterstützt  wird,    ist   in   einem  Rundbogen   eine  kleine  plastische 


-^    104    8^ 

Auf erstehung  dargesteUt,  flankiert  von  zwei  Säulen  und  begleitet  von  Omament- 
ajüaufem.  Darüber  Architrav,  Pries  und  Gesims.  Dem  Pries  vorgehängt  ist 
ein  Dasselsches  Wappen.  Die  Bekrönung  besteht  aus  einer  Sonne  mit  hebräischen 
Schriftzeichen.  Die  Breite  ist  0,95  m,  die  Höhe  2,20  m.  Das  Ganze  ist  farbig, 
meist  schwarz  und  weiß,  behandelt. 

Über  diesem  Grabmal  ist  hoch  oben  an  der  Westwand  eine  Brömsensche 
Gedenktafel  aus  Holz,  farbig  bemalt,  angebracht  Aus  einer  Schriftplatte  wächst 
ein  Baum  in  zwei  Zweigen,  die  sich  nach  rechts  und  links  abbiegen,  mit 
Patrizierwappen  besetzt  sind  und  ein  großes  Wappen  mit  Doppeladler  um- 
schüeßen.  Die  Inschrift  besagt,  daß  die  Tafel  zum  Gedächtnis  des  Nikolaus 
Brömsen  von  seiner  Tochter  Magdalene,  der  Witwe  Hartwig  Töbings,  am 
5.  Januar  1600  gestiftet  worden  ist 

An  der  Fensterwand  des  nördlichen  Seitenschiffes  hängt  eine  Reihe  von 
Denkmälern,  als  erstes  eine  Holztafel  mit  dem  geschnitzten  und  bemalten 
Wappen  des  Bürgermeisters  LudoU  von  Dassel,  gestorben  1537,  dann  folgt  eine 
ähnliche  Tafel  des  Bürgermeisters  Hartwig  Dithmers,  gestorben  1674,  mit 
Omamentumrahmung.  Eine  weitere  Tafel  ist  dem  Bürgermeister  Statins  Töbing, 
gestorben  1637,  gewidmet 

An  dem  nächsten  Pensterpfeiler  ist  ein  großes  Marmorgrabmal  des  bei 
der  Belagerung  von  Philipsburg  gefallenen  23  jährigen  Hauptmanns  Franz 
von  Witzendorf,  gestorben  1676,  angebracht  In  einem  Lorbeerkranz  erscheint 
das  plastische  Brustbüd  des  Hauptmanns  im  Haxnisch,  von  zwei  sitzenden 
Prauengestalten  umgeben.  Auf  dem  geschweiften  Bekrönungsgesims  über  diesen 
Bildwerken  liegen  zu  beiden  Seiten  Harnische,  in  der  Mitte  auf  einem  Konsol 
zwischen  den  Gesimsendigungen  sitzt  eine  weibliche  Pigur  mit  dem  Wappen 
der  Witzendorf. 

Am  nächsten  Pfeiler  hängt  eine  Holztafel  mit  dem  Wappen  des 
Bürgermeisters  LudoU  Ditmers,  gestorben  1644.  Eine  Erinnerung  an  den 
schwedischen  Obersten  Duval  befindet  sich  an  einem  Pensterpfeiler  des 
verlängerten  Seitenschiffes. 

An  dem  zweiten  östlichen  Pfeiler  in  der  Verlängerung  des  äußeren  nörd- 
heben  Seitenschiffes  hängt  ein  großes  schönes  Marmordenkmal  des  Johann 
Georg  Domkrell  von  Eberhertz,  gestorben  1701,  und  seiner  Prau  Magdalene 
Domkrell,  geborenen  Dohmsen,  gestorben  1706.  Die  aufrecht  stehende  Schrift- 
tafel wird  gehalten  von  zwei  weibUchen  Piguren  und  eingerahmt  und  bekrönt 
von  reichem  Blattwerk*  Darüber  steht  ein  nackter  Knabe,  zu  beiden  Seiten 
desselben  in  Ornamentovalen  die  Bildnisse  der  Verstorbenen.  Die  Spitze  bildet 
ein  ebensolches  Oval  mit  einer  symboUschen  Darstellimg.  Das  Ganze  steht 
auf  einem  starken,  reich  ornamentierten  Gesims,  dessen  imterer  Abschluß 
durch  ein  Elhewappen,  von  Blattwerk  umgeben  gebildet  wird.  Der  Schild 
rechts  ist  einfach  senkrecht  geteilt,  auf  dem  linken  Schild  ist  ein  Turm  dar- 
gestellt.   Die  Arbeit  ist  meisterhaft 

Am  östUchen  Pfeiler  des  nördhchen  Seitenschiffes  ist  ein  schönes  Grab- 
mal aus  schwarz  bemaltem  Sandstein  und  weißem  Marmor  angebracht,  dem 
Andenken  des  Bürgermeisters  Albert  Elver,  gestorben  1628,  seiner  ersten  Prau 


->^    105    8^ 

Anna,  geborenen  Brömsen,  gestorben  1601,  und  seiner  zweiten  Frau  Gertrud, 
geborenen  Witzendorf  (Sterbezahl  ist  hier  nicht  ausgefüllt)  gewidmet  Auf  einem 
schweren  Gesims,  das  durch  Konsolen  gestutzt  wird,  stehen  vier  korinthische 
Säulen,  vor  ihnen  Figuren,  dahinter  in  den  drei  entstehenden  Feldern  in  der 
Mitte  ein  Relief  des  jüngsten  Gerichts,  zu  beiden  Seiten  Adam  und  Eva.  Über  den 
Säulen  liegt  ein  das  Ganze  zusammenfassendes  Gesims,  auf  dem  in  der  Achse 
der  Säulen  vier  Figuren  stehen.  Über  dem  mittleren  Felde  erhebt  sich  ein 
Aufbau  mit  zwei  Säulen  und  Anläufern,  ein  Mittelbild,  Himmelfahrt  Christi, 
umschließend.  Auch  auf  diesen  Säulen  stehen  Figinren,  zwischen  denen  ein 
Oval  mit  Christi  Versuchung  angebracht  ist  und  auf  dem  Johannes  der  Täufer 
steht  Das  ganze  Denkmal  wird  jseitiich  von  Anläufern  eingefaßt  und  unten 
durch  schneckenartiges  Ornament  abgeschlossen.  Vor  das  untere  Gesims  legen 
sich  drei  Wappen,  in  der  Mitte  Elver,  rechts  und  links  Witzendorf. 

In  der  nördlich  vom  Chor  liegenden  KapeDe  hängt  ein  gut  gearbeitetes 
Marmordenkmal  des  Bürgermeisters  Hieronymus  Laffert,  gestorben  1687;  ein 
gemaltes  Brustbild,  umrahmt  von  Barockomament,  in  dem  oben  die  drei 
Wappen,  Zerstede,  Laffert,  Stöterogge,  sitzen.  Den  unteren  Abschluß  bildet  die 
Schrifttafel,  umrahmt  von  weit  ausladendem  schönem  Barockblattwerk. 

An  der  Wand  dieser  Kapelle,  im  inneren  Seitenschiff,  befindet  sich  das 
1575  errichtete  Grabmal  des  Stadthauptmanns  Fabian  Ludich,  der  1571  starb. 
Das  gut  erhaltene,  aus  grauem  Sandstein  gearbeitete  Denkmal,  Fig.  28,  ist  ein 
schönes  Werk  Alberts  von  Soest,  des  Meisters  der  Ratsstube.  Auf  einer  großen 
Inschriftplatte,  deren  Ränder  aufgerollt  sind,  stehen  zwei  reich  mit  Blattwerk 
und  Köpfen  ornamentierte  Pfeiler  mit  kleinem  Kapitellgesims,  oben  mit  einem 
ornamentierten  Rundbogen  verbunden.  Die  Pilaster  werden  von  Anläufern, 
der  Rundbogen  im  Innern  von  einem  auf  Konsolen  in  Kämpferhöhe  aus- 
kragenden Bogen  begleitet  über  dem  Rundbogen  Architrav,  Fries  mit 
SchriftsteUen  und  Hauptgesims  mit  Frontgiebel,  in  dem  Gott  Vater  in  starker 
Bewegung  erscheint  Die  Zwickel  über  dem  Bogen  werden  durch  zwei  geflügelte 
Frauengestalten,  Fides  und  Spes,  ausgefüllt  Von  der  Pilasterarchitektur  ein- 
geschlossen wird  eine  reiche  Darstellung,  in  der  Mitte  Christus  am  Kreuz,  rechts 
imd  links  vom  Kreuzstamm  Fabian  Ludich  und  seine  Frau  Gertrud  Wilde, 
zwischen  ihnen  die  Wappenschilder  Ludich  und  Wüde  unter  einem  Helm,  im 
Mittelgrunde  um  den  Kreuzstamm  Küegergestalten  in  heftiger  Bewegung,  auf 
dem  Schild  der  einen  Figur  das  Künstlerzeichen  Alberts  von  Soest:  ^J%^  -  Im 
Hintergründe  ein  Bild  der  Stadt  Lüneburg,  rechts  und  links  unter  dem  Querarm 
des  Kreuzes  Sonne  und  Mond,  über  dem  Kreuz  ein  großer  Strahlenkranz  mit  der 
Taube.  Das  Denkmal  erinnert  an  italienische  Vorbilder,  ist  in  seinen  Verhält- 
nissen fein  abgestimmt  und  in  seinen  Einzelheiten  von  großer  Schönheit 
(Inschrift  bei  Behncke,  Albert  von  Soest,  Straßburg  1901,) 

An  der  entsprechenden  Stelle  des  südlichen  Seitenschiffes  sind  Reste  eines 
farbig  behandelten  Denkmales  ohne  Bezeichnung  eingemauert,  in  der  Mitte 
erscheint  ein  großes  Bild,  Christus  als  Lebensbrunnen,  mit  vielen  Gestalten  um 
den  Rand  des  Brunnenbeckens.  Das  Bildwerk  wird  eingerahmt  von  reichem 
Schnecken-  und  Rankenwerk  mit  Blumen  und  Früchten,  die  jetzt  stumpf  gegen 


die    Bildtafel    stoßeo.     Auf    der    Spitze    erscheint    der    Vogel    Phönix,    der 
untere    Abschluß   wird    gebildet    durch    eine    Kartusche,    mit    der    Bibelstelle 


Flg.  M.    Johumliklrch«;  Qubmal  des  Fabian  Lndich. 

Johannes  4.    Das  Denkmal  ist  eine  gute  Arbeit,  die  wahrscheinlich  um  1600 
entstanden  ist 


-^     107     8^- 

Im  südlichen  Seitenschiffe  hängt  nach  Osten  zu  ein  großes  Grabmal  des 
Ratsherrn  und  Bibliothekars  Tobias  Reimers,  gestorben  22.  Februar  1716.  Auf 
einem  Mannorgesims  baut  sich  eine  Pilasterstellung  mit  Sockel  und  Gebälk 
auf,  neben  den  Pilastem  stehen  zwei  Putten,  über  dem  Gebälk  reiche  Omament- 
bekrönung,  zwischen  den  Pilastern  hängt  ein  rundes  Wappen.  Unter  dem 
Marmorgesims  ist  eine  tuchartig  gefaltete  Inschrifttafel,  gehalten  von  zwei 
Putten,  angebracht  Aufbau  und  unterer  Abschluß  sind  von  weiß  und  schwarz 
gestrichenem  Holze. 

Im  westlichen  Teile  des  südlichen  Seitenschiffs  ist  an  einem  Fenster- 
pfeiler ein  reich  ausgebildetes  Marmordenkmal  des  Daniel  Johann  von 
Braunschweig,  gestorben  1718,  angebracht.  Die  Mitte  nehmen  die  beiden 
Wappen  Braunschweig  und  Dassel  ein,  über  ihnen,  fast  auf  den  Wappen 
ruhend,  eine  große  geflügelte,  weibliche  Figur  in  lebhafter  Bewegung,  unter 
den  Wappen  ein  Sockel  mit  Inschrift.  Links  neben  dem  Sockel  steht 
eine  geflügelte  nackte  männliche  Figur  mit  Schild,  in  dessen  Mitte  „Effugio'' 
zu  lesen  ist,  rechts  kauert  der  Tod  mit  Sense  und  Stundenglas.  Den 
unteren  Abschluß  bilden  Konsolen  und  reiches  Barocklaubwerk,  in  dessen 
Mitte  eine  Schrifttafel  eingelassen  ist.  Die  hervorragend  schöne  Arbeit 
scheint   sich   an   der   ursprünglichen   Stelle    zu    befinden. 

An  allen  Pfeilern  des  Mittelschiffs  sollen  im  Mittelalter  große  Grab- 
denkmäler von  Patriziern  vorhanden  gewesen  sein,  erhalten  sind  nur  zwei  davon 
an  den  westhchen  Pfeilern  und  zwar  nach  Süden  das  Denkmal  des  Bün^ermeisters 
Hartwäg  Stöterogge,  gestorben  1539,  nach  Norden  das  des  Bürgermeisters 
Nikolaus  Stöterogge,  gestorben  1561.  Das  Denkmal  Hartwigs  von  Stöterogge 
(Fig.  29)  ist  1552  erbaut,  es  folgt  in  seiner  Grundform  der  runden  Umrißlinie 
des  Schiffpfeilers  und  besteht  aus  einem  großen  Mittelfelde,  in  dem  die  Auf- 
erstehung plastisch  dargestellt  ist,  umrahmt  von  zwei  reich  ornamentierten 
Pilastem  und  bekrönt  von  Architrav,.  Fries  und  Hauptgesims  mit  Frontgiebel. 
Das  Gebälk  ist  über  den  Pilastem  verkröpft.  Das  Mittelbild  wird  von  einer 
großen,  dem  Grabe  entsteigenden  Christusfigur  beherrscht,  zu  Füßen  derselben 
links  und  rechts  die  knienden  Figuren  Hartwig  Stöterogges  und  seiner  Frß.u 
Margareta;  zwischen  den  Figuren  das  Ehewappen.  Unter  diesen  Figuren 
eine  große  Kartusche,  von  zwei  Figuren  gehalten,  mit  lateinischer  In- 
schrift Die  Pilaster  sind  mit  feinem  Omament  und  Reliefköpfen  ge- 
schmückt, außerdem  zeigen  sie  Inschriften,  die  im  oberen  Teile  Bibel- 
sprüche, im  unteren  Teile  links  den  Tod  Hartwig  Stöterogges,  13.  Febmar 
1539,  rechts  den  seiner  Hausfrau  Margaret,  14.  August  1540,  betreffen. 
Ferner  steht  ganz  unten  am  Unken  Pilaster  in  schönen  Schriftzeichen: 
GESZKE  UX  :  0  T  1493,  am  rechten  Pilaster:  MARGARETE  UX:0T  1483, 
über  den  Inschriften  links  das  Wappen  der  Hoyermann,  rechts  das  Wappen 
der  Elver. 

Im  Fries  befindet  sich  eine  Darstellung  der  Geschichte  von  Jonas  und 
dem  Walfisch,  links  davon  das  Wappen  der  Stöterogge,  rechts  das  Wappen  der 
Stoketo.  Im  Frontspieß  tritt  aus  einem  Kreise  in  voller  Plastik  ein  männlicher 
Kopf  stark  hervor,  der  Kreis  wird  von  knienden  Engeln  gehalten.    Mithoff  hält 

14* 


den  Kopf  für  das  Porträt  des  Bildhauers.    Das  ganze  Denkmal  ist  etwa  5  m 
hoch,  aus  Sandstein  beigestellt  uod  farbig  bemalt 


.   Johann Isklrcbe;  Orabmnl  Il>rtwlcb  StStnonw. 


Das  gegenüberliegende    Denkmal   Nikolaus  Stöterogges  {Fig.  30)    ist    in 
zwei   Teilen   übereinander  aufgebaut.     Es  hat    ebenfalls  kreiss^mentförmigen 


Grundriß,  dem  Pfeilerumriß  folgend.  Der  untere  Teil  ist  von  zwei  freistehende» 
wilden    Männern    umrahmt,     die    ionische    Kapitelle    tragen,    das    Mittelfeld 


Ptg.  W.   Jolianiittklrcfae;  arkbrnklNlkoUatStOterosses. 

enthält  die  große  Inachrifttafel,  die  an  den  RMidem  kartuschenartig  aufgerollt 
ist,  darüber  drei  große  Wappen,  Elver,  Stöterogge,  Glöden.  Der  obere  Teil  ist 
durch  reiches  Gebälk,  dessen  Pries  eine  lange  lateinische  hischrift  (Bibelstelle) 


-Hl     110     8*^ 

enthält  und  das  über  den  Figuren  verkröpft  ist,  vom  unteren  Teile  getrennt 
Das  obere  Mittelfeld  wird  von  zwei  ionischen  Säulen  flankiert  und  zeigt  eine 
figurenreiche  plastische  Darstellung  des  jüngsten  Gerichts  in  naturalistischer 
Auffassung.  Den  Mittelpunkt  bildet  wieder  Christus  auf  der  WeltkugeL  Ein 
reich  ornamentiertes  Gebälk  schließt  diese  Darstellung  nach  oben  ab.  Auf  dem 
Hauptgesims  steht  eine  geschwungene  Bekrönung  mit  starkem  Gesims  und  kreis- 
förmigen Anläufern,  in  denen  sich  Engelköpfe  befinden.  In  der  Bekrönung  ist  in 
Relief  die  Dreieinigkeit  dargestellt  Das  Denkmal  ist  etwa  6  V2  ™  l^ocl^  ^^^ 
aus  Sandstein,  der  bemalt  ist,  hergestellt  Dr.  W.  Behncke  a.  a.  o.  halt 
das  Denkmal  für  ein  Werk  Alberts  yoii  Soest  Inschriften  beider  Epitaphien 
bei  Behncke. 

In  der  nordwestlichen  Vorhalle  befinden  sich  zwei  Wanddenkmäler  der 
Familie  von  Dassel,  ein  großes  schönes  Marmorwerk  des  Hartwig  von  Dassel 
gestorben  1716,  und  ein  Sandsteindenkmal  des  Bürgermeisters  Ludolf  von  Dassel, 
gestorben  1537. 

Das  Marmordenkmal  ist,  wie  es  scheint,  nicht  mehr  vollständig  erhalten. 
Auf  einem  schräg  aus  der  Wand  vortretenden  Sargunterteil  in  monumentalen 
Formen  stehen  die  beiden  Wappen  Hartwigs  von  Dassel  und  seiner  Frau 
Elisabeta  Dorothea  Braunschweig,  gestorben  1704,  von  zwei  Putten  gehalten 
Darüber  baut  sich  eine  reiche,  ornamental  behandelte  Pilasterarchitektur  auf,  die 
eine  dunkle  Schriftplatte  mit  Goldbuchstaben  umgibt. 

Das  Sandsteingrabmal  Ludolfs  ist  eine  rechteckige  Platte  mit  Postament, 
1,60  m  breit,  3,10  m  hoch.  In  der  Mitte  befindet  sich  eine  die  ganze  Fläche 
ausfüllende  heraldische  Darstellung  mit  drei  Wappen,  etwas  höher  stehend  das 
Dasselsche  Wappen,  rechts  das  der  Familie  Stöterogge,  links  das  der  Familie 
Sankenstede,  über  den  Wappen  zwei  Putten,  die  eine  Schrifttafel  halten. 
(Fig.  31.)  Das  Ganze  wird  eingerahmt  von  zwei  flachen  ornamentierten  Säulen, 
auf  denen  ein  Gesims  mit  halbkreisförmiger  Bekrönung  liegt.  In  dem  Halbkreis 
liegt  ein  schlafender  nackter  Knabe  mit  Totenkopf  und  Sanduhr,  darüber  ein 
Schriftband  „nascendo  morimur".  Die  Zwickel  neben  dem  Bogen  werden  durch 
wappenhaltende  Putten  ausgefüllt,  links  der  Schild  der  Stöterogge,  der  rechte 
Schild  ist  leer.  Unter  der  heraldischen  Darstellung  eine  den  Raum  zwischen 
den  Säulen  einnehmende  Schrifttafel,  deren  Ränder  aufgerollt  sind.  Dieser 
obere  Teil  steht  auf  einem  ornamentierten  Gesims  mit  Zahnschnitt,  das  den 
oberen  Abschluß  des  Postamentes  bildet,  darunter  sind  die  Flächen  bis  zum 
Sockel  ganz  mit  einem  feinen,  künstlerisch  sehr  wertvollen,  leider  aber  schon 
arg  zerstörten  Ornament  bedeckt,  das  den  Charakter  der  Friese  in  der  großen 
Ratsstube  hat  und  seine  Übereinstimmung  mit  den  Terrakottenornamenten  an 
der  Neuen  Sülze,  namentlich  im  Gesims,  nicht  verleugnen  kann.  Vielleicht 
haben  wir  es  hier  mit  Werken  des  Bildhauers  Gert  Suttmeyer  zu  tun.  Die 
Figuren  und  Ornamente  des  oberen  Teiles  sind  weniger  gut  und  scheinen  von 
anderer  Hand  zu  stammen.    Auf  allen  Teilen  sind  echte  Farbenspuren  zu  entdecken. 

In  einer  der  nördlichen  Kapellen  befindet  sich  ein  Wanddenkmal  der 
Jungfrau  Catharina  Sophia  Baumgarten,  gestorben  1676,  Tochter  des  Syndikus 
Johann    Burchard   Baumgarten   und    seiner  Frau   Sophie   Catarina,   geborenen 


-^     111     8-^ 

Usler.    Die  mittlere  Schriftplatte  ist  zu  beiden  Seiten  von  einer  Wappenreihe 
eingefaßt. 

In  der  Tunnhalle  stehen  drei  steinerne  Grabdenkmäler  an  der  Wand. 
An  der  Südwand  sieht  man  als   erstes  eine  rechteckige   Saadsteinplatte   von 


Flg.  II.    JohtumllklTcha;  Onbrnal  Lndolft  v 


guter  reifer  Arbeit,  1,72  m  breit,  2,56  m  hoch,  ganz  fiirbig  bemalt.  In  der  Mitte 
erscheint  eine  große  männliche  Figur,  die  zwei  Wappen,  Glöde  und  Schomaker, 
hält,  unter  der  Figur  Schrifttafel  mit  lateinischem  Gedicht.    Das  Ganze  wird 


->*8     112    8^ 

umrahmt  von  einer  Umschrift  in  römischen  Majuskeln,  die  in  den  Ecken  von 
vier  Kreisen  mit  Wappenschildern  unterbrochen  werden.  Die  Umschrift  lautet: 
MARTINVS .  GLOEDE  •  J :  V.  DOCTOR.  AC  •  INCLUTI  •  SENATVS  •  SYNDICUS  • 
OBHT  .  ANNO  •  MDXXffll  •  ALTERA  •  MAURITII  •  ELISABET  •  ÜXOR  •  OBIIT  • 
ANNO .  MDXXXVI  •  IN  •  PROFESTO  •  VALENTINI  • 
oben  rechts  Wappen  mit  Adlerfuß  und  Umschrift: 

.ESTE .  GLADOW  • 
oben  links  das  Glödesche  Wappen  mit  der  Umschrift: 

WICHMANN  •  GLOD  • 
unten  hnks  Wappen  der  Glöde  mit  Umschrift: 

GORGES . GLODE • 
unten  rechts  Wappen  mit  Weinranken  und  Umschrift: 

BARBARA • LANGENS  • 
Das    Renaissancelaubwerk    der   heraldischen   Darstellungen    ist   gut  gearbeitet 
Auch  diese  Arbeit  hängt  ihrem  Ursprünge  nach  wohl  mit  dem  Dasselschen  Epitaph 
in    der   nordwestlichen  Vorhalle   und    den  dort  genannten  Arbeiten  zusanunen. 

Das  zweite  Steiijdenkmal  an  der  Südseite,  dem  Doktor  Stephanus 
Gerkius  gewidmet,  ist  eine  rechteckige  Steinplatte,  mit  Gesims  und  einem 
bekrönenden  Bildwerk,  der  Erschaffung  der  Eva.  Den  unteren  Teil  des  Steines 
bildet  eine  Schriftplatte  mit  aufgerollten  Rändern.  An  der  Seite  dieser  Schrift- 
platte  ist  auf  den  Rand  des  Steines:  OBHT  •  ANNO  •  1546,  links  an  der  ent- 
sprechenden Stelle:  IN  •  DIE  •  CATHARINiE  •  gesetzt.  Das  Mittelfeld  enthält  in 
Bogenumrahmung  ein  FlachreKef,  die  Himmelfahrt,  mit  seitUchem  Ornament, 
unter  dieser  Darstellung  rechts  und  Knks  die  knienden  Gestadten  der 
Verstorbenen,  dazwischen  Wappen:  rechts  Gerkius,  links  ein  Wappen,  geteilt 
mit  Adlerflügel  und  Traube.  Das  Gesims  ist  noch  gotisch,  das  Ganze  Hand- 
werkerarbeit. 

An  der  Westwand  steht  hnks  vom  EÜngang  eine  1,46  m  breite,  2,40  m 
hohe  rechteckige  Steinplatte,  dem  Andenken  des  Stadthauptmanns  Joachim 
von  Gule,  der,  35  Jahre  alt,  1559  erschossen  wurde,  gewidmet  In  einem 
Rundbogen  steht  ein  geharnischter  Ritter,  wohl  der  Stadthauptmann,  unten 
links  ist  das  Wappen,  ein  rotes  Einhorn  im  weißen  Felde  angebracht  Das 
Ganze  eine  ungeschickte  Handwerkerarbeit,  die  wohl  eher  dem  Verfasser  des 
vorhergehenden  Steines  als  Albert  von  Soest,  wie  es  Behnke  (a.  a.  0.)  will, 
zuzuschreiben  ist.    Das  Zeichen  Soests  ist  nicht  vorhanden. 

In  der  Dasselschen  Kapelle  neben  dem  Turm  befinden  sich  folgende 
Grabdenkmäler:  Eine  viereckige  Platte  des  Ludolf  von  Dassel,  gestorben  1609, 
mit  dem  von  einem  Oval  umschlossenen  Wappen  der  Dassel,  darunter  Schrift; 
eine  zweite  Platte  mit  derselben  Anordnung  von  Wappen  und  Schrift,  dem 
fürstlich  Gottorpschen  Kammerschreiber  Georg  von  Dassel,  gestorben  1632, 
gewidmet,  und  eine  dritte  Platte,  die  das  Wappenbild  der  Dithmers  mit  der 
Jahreszahl  1601  zeigt  und  dem  Andenken  der  Gemahlin  Ludolfs  von  Dassel, 
Elisabeth,  geborenen  Dithmers,  geweiht  ist.  Ein  Mannordenkmal  des  Bürger- 
meisters Leonhard  von  Dassel,  gestorben  17.  November  1706,  zeigt  in  der  Mitte 
eine   oval  umschlossene,   in   Bogenform   heraustretende  Schriftplatte,   umgeben 


i 


-^     113    S^ 

von  seitlichen  Wappenreihen,  die  einem  Stammbaum  aufgeheftet  sind,  der  aus 
einem  den  unteren  Abschluß  bildenden  Totenkopf  herauswächst  An  der  süd- 
lichen Wand  der  Kapelle  steht  das  schöne  Marmordenkmal  [des  Bürgermeisters 
Georg  von  Dassel,  gestorben  1751,  die  ganze  Höhe  der  Schildbogennische  ein- 
nehmend. Auf  einem  Sockel  mit  schweren  Schneckenanläufem  steht  ein  hoher 
Aufbau;  der  seiÜich  von  barocken  Konsolen  mit  freistehenden  Figuren  begleitet 
wird  und  im  unteren  Teile  die  Schriftplatto  enthält,  über  der  eine  freie  Fläche 
gebildet  wird.  Auf  dieser  Fläche  hing  früher  der  jetzt  verschwundene  Holzschild 
mit  dem  Dasselschen  Wappen.  Das  Denkmal  ist  von  einem  eisernen  Gitter  aus 
derselben  Zeit  umgeben. 

Im  Fußboden  der  nördlichen  Kapellenreihe  liegen  folgende  Grabsteine:  Grabsteine. 

Schriftplatte  für  Joachim  Jacob  Reincke,  'gestorben  1745  und  seine 
Frau  Anna  Catharina,  geborene  Munter. 

Ein  großer  Stein  mit  drei  Wappen  für  den  Senator  Christian  Papei 
geboren  1623,  gestorben  1692,  und  Elisabetha  Gr  .  .  en  und  Anna  MargareÄa 
Rhebinders. 

Grabstein  mit  großem  stark  erhabenen  Wappen  und  der  Unterschrift: 
„Erbbegräbnis  der  Familie  von  Stern,  renov.  1855." 

Grabstein  für  Ludolph  von  Döring,  gestorben  1723,  imd  seine  Frau  Anna 
Catharina,  geborene  Lüde.  .  .  .,  oben  Ehewappen. 

Steinplatte  mit  zwei  Wappen,  für  Hartwich  Jochen  Soltow  —  Sterbezahl 
nicht  ausgefüllt  —  imd  seine  Frau  Elisabeth  Anna,  geborene  Bansauen,  ge- 
storben 1755. 

Steinplatte  mit  zwei  Wappen  in  der  Mitte  und  vier  Muscheln  an  den 
Ecken,  für  die  Brüder  Christian  Daniel  Biehle,  gestorben  1742,  imd  Johann 
Heinrich  Biehle,  gestorben  1728. 

Steinplatte  des  Hauptmanns  Wilhelm  Boye,  —  ohneJSterbezahl  —  und 
seiner  Frau  Catharine  Dorothee,  geborenen  von  Dassel,  gestorben  1716,  mit  Ehe- 
wappen in  der  Mitte  und  vier  Rosetten  in  den  Ecken. 

In  der  vierten  Kapelle  von  Westen  wird  eine  Schriftplatte-  mit  vergoldeten 
Buchstaben  auf  blauem  Grunde,  der  Grabstein  für  den  Ratmann  Hans  Audorf, 
gestorben  1618,  und  seine  Frau  Ursula  Puffe,  aufbewahrt. 

In  der  Sakristei  liegen  zwei  Deckplatten  von  Erbbegräbnissen,  und  zwar 
der  FamiUe  Biehle-Nieper,  ohne  Jahreszahl,  und  der  Familie  Panning  mit  der 
Aufschrift:  Johann  Peter  Panning,  geboren  1695,  gestorben  1743,  Margarete 
Ilsabe,  geborene  Biehlen,  gestorben  1760. 

Außerdem  liegt  hier  noch  eine  halbe  zerstörte  Platte,  auf  der  der  Name 
Christoph  Greve,  geboren  1738,  gestorben  1819,  erkennbar  ist. 

In  die  Wände  der  Turmhalle  sind  drei  Grabsteine  eingelassen,  an  der 
Westwand  der  des  Nikolaus  Holste,  gestorben  1742,  und  seiner  Frau  Margarete 
Elisabet,  geborenen  Störbecken,  gestorben  1742,  mit  dem  Ehewappen,  an  der 
Nordseite  links  der  des  Hieronymus  Friedrich  Zarstedt,  gestorben  1709,  und  seiner 
Frau  Dorothea  Elisabeth,  geborenen  Töbing,  gestorben  17  .  .,  rechts  der  des  Georg 
Töbing,  gestorben  1703,  und  seiner  Frau  Elisabeth,  Catharine,  geborenen  Braun- 
schweig, gestorben  1743. 

15 


-^     114    8^ 

In  der  Dasselschen  Kapelle  neben  dem  Turm  liegt  eine  Grabplatte  für 
Georg  von  Dassel,  gestorben  1635  und  seine  Frau  Catharine,  geborene  Düsterhop, 
und  eine  zweite  für  Georg  von  Dassel,  gestorben  1629. 

An   der   Chorseite   der  Kirche   befindet   sich   ein  Grabstein   des  Tobias 
Meyer  ohne  Jahreszahl,  aber  mit  einer  Hausmarke. 
Hostiendosen.  Eine  kreisrunde  Hostienschachtel  zeigt  flaches  eingeritztes  Ornament  der 

Renaissance.     Der   anscheinend   zugehörige  Löffel   tragt   die   Inschrift:    AD.  D. 
•   LAMBERT-  ANNO'  1645. 

In  der  Sakristei  wird  eine  silberne  ovale  Hostienschachtel  mit  dem 
Stempel  HGK.  und  eine  silberne  viereckige  mit  Omamentbekrönung  auf  dem 
dachförmigen  Deckel,  mit  dem  Stempel:  zwei  gekreuzte  Schwerter,  aufbewahrt. 
Ein  Hostienlöffel  mit  Traube  am  Stiel  zeigt  auf  dem  Rücken  der  Schale  ein 
Wappen  und  am  Stiel  die  Inschrift:  LVCOB-  DANCKWERS*  IVRATVS'  1656. 
,  Zwei  gleiche   silberne  Hostiendosen  des  18.  Jahrhimderts   für  Kranken- 

kommunion sind  rechteckig,   mit  eingra^dertem  Ornament  auf  allen  Seiten,   eine 
kleine  runde  aus  derselben  Zeit  zeigt  an  der  Oberseite   ein   eingeritztes  Kreuz. 
Kelche.  Es   sind    14  Kelche   vorhanden,!   die   teilweise   aus   der  Lambertikirche 

stammen,  (vgl.  S.  129). 

1)  Ein  18,5  cm  hoher  Kelch  hat  auf  dem  sechsblättrigen  Fuß  ein  aufgeheftetes 
Kruzifix  und  am  Knauf  sechs  Nägel  mit  den  Buchstaben:  IHESVS.  Am 
Fuß  die  Inschrift:  AD  QVARTAM  VIKARIVM  STEPHANI  FVNDATVM 
PER  DONMINV  FREDERCV  HORNINGH  1523.  Die  einfache  Patene  hat  ein 
eingeritztes  Ejreuz. 

2)  Ein  20  cm  hoher  Kelch  hat  auf  dem  sechsblättrigen  Fuße  ein  Kruzifix, 
darüber  das  Wappen  der  Sanckenstede,  links  ein  solches  der  Töbing,  rechts 
der  Sanckenstede.  Die  Wappen  sind  in  Grubenschmelz  ausgeführt.  Dem 
Kruzifix  gegenüber  sind  drei  gefaßte  Perlen,  angebUch  Flußperlen  aus  der 
Lüneburger  Heide,  auf  den  Fuß  geheftet.  Der  Knauf  hat  sechs  Nägel  mit 
i  h  e  f  V  s  in  Grubenschmelz.  Am  Halse  über  und  unter  dem  Knauf  i  h  e  f  v  s 
und  maria.    Die  Patene  hat  ein  eingeritztes  Kreuz. 

3)  Ein  prächtiger  31,4  cm  hoher  gotischer  Kelch  mit  gerader  Kuppa  hat 
geradlinig  begrenzten  sechsseitigen  Fuß  mit  einem  aufgehefteten  silbernen 
Kruzifix  über  eingraviertem  Ornamentgnmd  auf  einer  Seite,  die  anderen 
fünf  Seiten  sind  graviert  mit  Heiligenfiguren  zwischen  Ornament,  und  zwar 
rechts  vom  Kruzifixus  Johannes,  Petrus,  ein  Bischof  am  Kreuz,  Paulus  und 
Maria.  Am  Rande  des  Fußes  läuft  die  Inschrift  herum:  „Missam  qui  dicis 
in  honore(m)  dei  genitricis  Hoc  vas  pro  dante  tu  post  orabis  et  ante  amen." 
Der  Knauf  ist  mit  durchbrochenem  Maßwerk  verziert,  die  sechs  Nägel 
tragen  die  Buchstaben  i  h  e  f  u  s  in  grünem  Schmelz.  Über  dem  Knauf  am 
Hals:  „ave  ma",  darunter  „ria  gracia  pl".  Die  Patene  ist  rund  mit  ein- 
gepreßtem vertieftem  Vierpaß  und  Weihkreuz. 

4)  Gotischer  15  cm  hoher  Kelch  mit  sechsblättrigem  P^iße,   dem  ein  Christus- 
körper  auf   eingeritztem  Kreuz  aufgeheftet  ist.    Der  runde  Knauf  hat  vier 
Nägel  mit  silbernen  Rosetten,  zwischen  ihnen  die  Inschrift:  ihefus/crift' 
filius/vginis.    Über  dem  Knauf  ist  der  Hals  halb  abgeschnitten,  mit 


!  -^     115     8^ 


den  unteren  Teilen  der  Buchstaben  i  h  e  /  f  u  s,   unter  dem  Knauf  am  Hals 
crif/tvs.    Auf  der  Innenseite  des  Fußes  steht  „metteke  stokers". 

5)  Ein  gotischer  Kelch,  15,4  cm  hoch,  mit  rundem  glattem  Fuß,  dem  auf  der 
einen  Seite  ein  Christuskörper,  auf  der  anderen  ein  Wappen  mit 
Eber  und  Weinranke  in  grünem  Schmelz  aufgeheftet  ist,  hat  einen  Knauf 
mit  sechs  Nägeln,  in  denen  die  Buchstaben  IHESVS  erscheinen.  Der 
Hak  ist  ornamentiert  An  der  Unterseite  des  Fußes  ist  eingeritzt:  „Domin' 
gherbert'  Euerwyn  dedit  anno  dm  1498".  Die  Patene  hat  ein  Kreuz  und  an  der 
Unterseite  dieselbe  Inschrift  mit  den  ausgeschriebenen  beiden  Anfangsworten. 

6)  Ein  30,4  cm  hoher  Kelch  mit  achtblättrigem  Fuß  und  aufgeheftetem 
Christuskörper  auf  eingeritztem  Kreuz  hat  einen  Eiiauf  mit  den  Buchstaben 
IHESVS  und  zwei  Rosetten  in  den  acht  Nägeln.  Die  Formen  sind  grob 
und  gehören  wohl  dem  Ende  des  16.  Jahrhunderts  an.   Die  Patene  ist  glatt. 

7)  Ein  dem  vorigen  in  den  Formen  ähnlicher,  28,5  cm  hoher  Kelch,  ebenfalls 
mit  achtblättrigem  Fuß  von  tief  eingeschnittener  Form  und  aufgeheftetem 
Kruzifix.  Beide  Kelche  tragen  das  gleiche  Meisterzeichen,  zwei  gekreuzte 
Schwerter,  neben  dem  Lüneburger  Löwen.    Die  Patene  hat  ein  Ejreuz. 

8)  Ein  kleiner  Kelch  mit  einfach  profiUertem  Hals  und  rundem  Fuß  9,8  cm 
hoch,  zeigt  an  der  Unterseite  die  Inschrift:  „E.  calice  ab  1606  aegro.  dicato 
confic.  cur.  J.  C.  Beyer.   Jur.  adm.  ad  aed.  St.  Lamb:  1807". 

9)  Ein  Kelch  von  gleicher  Form  10,4  cm  hoch,  hat  die  Inschrift:  „E  calice  ab 
1596.  aegro.  dicato  confic:  cur:  J.C.Beyer:  Jur:  adm:  ad  aed:  St.  Lamb:  1808". 

10)  Renaissancekelch,  12,9  cm  hoch,  mit  rundem  Fuß  und  Knauf  mit  plumpem 
Ornament.  Auf  dem  Fuße  die  Inschrift:  „HOC*  CALICE*  VTITVR-  TEM- 
PLVM  D:  LAMBERTI  PRO  iE  GROTANTIBVS-  ANO  1606".  Darunter: 
RENOVATÜM-  1-6-37.  Patene  glatt,  mit  Umschrift  an  der  Unterseite: 
„F.  PH-  Adm:  Jur:   ad  St:  Lamb:  Anno  1753". 

11)  Spätrenaissancekelch,  23  cm  hoch,  mit  rundem  Fuß,  der  Hals  in  Vasenform 
mit  Blattornament.   Am  imteren  Rande  der  Stempel  G.  F.  K.  Patene  mit  Kreuz. 

12)  Drei  kleine  schmucklose  Kelche  mit  rundem  Fuß,  für  E^rankenkommunion, 
sind  9  cm  hoch.  Zwei  davon  haben  am  Fuße  die  Stempel:  Halbmond 
neben  12  und  „WiUe". 

13)  Fünf  runde  einfache  Zinnkelche. 

Zu  den  Kelchen  gehören  zwei  Saugröhrchen,  ein  großes  in  einfachen 
Formen  und  ein  kleines,  reicher  [mit  Blattwerk  ornamentiert,  beide  Silber, 
vergoldet 

Im  Mittelschiff  hängen  drei  Messingkronen.  Die  westlichste  hat  an  Kronleuchter 
profiliertem  Mittelkörper  16  Arme  in  zwei  Abteilungen  übereinander.  An  der 
Kugel  erscheint  ein  Ehewappen  mit  den  Namen :  HINRIK  KROGER  imd  ANNA 
KROGEIRS.  Der  mittlere  Leuchter  hat  ebenfalls  16  Lichtträger  in  zwei  Abteilungen 
übereinander.  Auf  der  einen  Seite  steht  unter  einem  Wappen: 
H.  CHRISTIAN  BVSKE  DER  ELTER  SELIGER.  WELCHER  NACHDEM  ER  IM 
EHSTANDE  38  •  lAR  FRIDLICH  GELEBET.  EIE  •  VND  HOCHW  •  RAHTS 
MITGLIED   28 .  lAR .  DIE  KAMMEREY   19  lAR  TREVLIG  VERWALTET  •  IM 

75 .  LVR  SEINES  ALTERS  GESTORBEN  1666. 

15* 


JohumisUroha ;  PG 
Kronlgnelitcr'im  Clio"       "t' 


Auf  der  anderen  Seite,  eben- 
falls unter  einemWappen:  „Salome 
Wisseis"  und  darunter  ein  Bibel- 
spruch. Im  letsrten  Gewölbejoch 
am  Chor  hängt  eine  reich  aus- 
gebildete Krone  mit  32  Armen 
in  drei  Abteilungen  übereinander. 
Der  reich  profilierte  Mittelkörper 
endigt  unten  in  einer  großen 
Kugel,  die  ganz  mit  Schrift  und 
zweiWappen  bedecktisi  Zwischen 
den  Wappen  steht  auf  der  einen 
Seite:  IN  ■  DEI  ■  0:  M:  HONORE- 
ORNAME  -  ALBERTI  ■  MUTZE- 
LTINI •  ET  .  ANN^  •  LECTISS  : 
PARENTVS :  CHARISS  ■  HAEC  - 
VERO  .  ID  :  IVN  :  A  :  C  ;  RE  . 
MEMOR  :  FILR  -  FILLEQ  ■  AO  : 
SA  PAR : 
_  Aul  der  anderen  Seite: 
TV  •  H  VS -.EDISS  AC :  ATQ  ■  V:  CL  ■ 
TOBINGjE  ■  VXOR:  EIVS  -FOEM  ■ 
Q  VORV  ■  ILLE  -  VI  ■  NON :  MAD  ■ 
l-5-8.6:PIE-IN-DN0-0BlE- 
SVPERSTIrME-  F:F:  1.5.8.7; 

Alle  drei  Kronen  haben  als 
oberen  Abschluß  einen  doppel- 
köpfigen  Adler. 

Im  Chor  hängt  eine  Krone, 
die  10  Lichtträger  und  außerdem 
viele  Arme  hat,  die  nur  als 
Schmuck  angebracht  sind,  ohne 
Lichtträger  zu  sein.  (Fig.  32.) 
Sie  ist  zum  Andenken  an  die 
im  Wochenbett  1662  gestorbene 
Elisabeth  Höllner  von  ihrem 
Gatten  Georg  Laffert  gewidmet 
1667.  Der  obere  Abschluß  wird 
gebildet  durch  eine  geflügelte 
weibliche  Gestalt. 

Im  nördlichen  Seitenschiff 
hängt  ein  prächtiger  gotischer 
Leuchter  aus  bemaltem  und 
vei^oldetem  Holze.  (Fig.  33  und 
34.)    Auf  einem  von  hängendem 


I   I   I   It  I   I   I   I  T 

Flg.  3S.    JahumUklnsbc;  Ibrienleachter. 


-^    118    8^ 

Maßwerk  umgebenen,  thronaxtigen  Postament  stehen  an  beiden  Seiten  geschnitzte 
hohe  Pfosten,  die  einen  reichen,  sechsseitigen  Baldachin  tragen.  Die  Pfosten 
endigen  in  Fialen  und  sind  an  den  Außenseiten  mit  Engels-  und  Heihgenfiguren 
besetzt  Ein  mit  geschmiedeten  Blättern  besetzter  Eisenbügel  hält  an  den  Pfosten- 
enden den  ganzen  2,50  m  hohen  Aufbau.  Unter  dem  Baldachin  stehen  auf  dem 
Postament  in  tiefblauer  Mandorla  zwei  Figuren,  mit  dem  Rücken  aneinander- 
gelehnt,  auf  der  einen  Seite  Maria  mit  dem  Kinde,  auf  der  anderen  Seite  eine 
Bischofsgestalt,  Erasmus  (?).  Maria  ist  von  einer  Strahlenglorie  umgeben.  Auf 
der  ornamentierten  Mandorla  sitzen  an  beiden  Seiten  je  sechs  musizierende  Engel, 


-fwniit- 


^ 


Flg.  84.   Johannisldrche;  Marienleuchter,  Grandrifi. 


Leuchter. 


auf  der  Spitze  erscheint  Gott  Vater  mit  der  Weltkugel.  An  dem  Postament 
sind  sechs  gebogene  Arme  mit  Lichttellem  angebracht  In  dem  oberen 
eisernen  Bügel  hängt  ^ein  beiderseitig  bemalter  Schild,  auf  der  einen  Seite  ein 
Wappen  (das  der  Wollweber?),  auf  der  anderen  Geräte  zeigend.  Das  Kirnst- 
werk  entstammt  dem  15.  Jahrhimdert 

Im  südhchen  Seitenschiff  hängt  ein  eigenartiger  gotischer  Leuchter.  (Fig.  35.) 
Eine  kreisrunde  flache  Blechplatte  mit  aufgebogenem  Rande  wird  von  drei  mit 
je  zwei  goldenen  Kugeln  besetzten  Bügeln  getragen.  An  der  Platte  sind  die 
Lichtteller  angebracht,  zwischen  ihnen  hängen  sechs  Schilder,  in  der  Mitte  der 
Platte  hängt  ein  siebenter  Schild.  Der  Plattenrand  war  mit  Schriftzeichen  bemalt, 
die  Schilder  mit  Wappen.  In  der  Mitte  der  Platte  steht  eine  vierte  Kerze. 
Inschrift  und  Wappen  sind  nicht  mehr  zu  erkennen. 

Neben  der  Kanzel  befindet  sich  ein  spätgotischer  Lichthalter,  etwa  3  m 
hoch,  aus  Holz  geschnitzt     Auf  einer  gedrehten  Säule  mit  Perlen  und  gotischer 


-^    119    H- 


Bekrönung  steht  Johannes  mit  einem  Kelch, 
in  blauem  Gewände,  neben  ihm  eine  kleine 
ornamentierte  Säule,  mit  geschmiedetem 
Kerzenteller.  Im  Schiff  hängen  sechs  Wand- 
arme  für  je  eine  Kerze,  mit  großer  Wand- 
rosette imd  ein  gotischer  Wandarm  für 
drei  Kerzen,  mit  einfachem  Ornament,  zwei 
Tierköpfen  und  drei  leeren  Schildern. 

In  der  Sakristei  stehen  drei  gotische 
Schränke.  (Fig.  36  und  37.)  Der  eine  ist 
in  sechs  Abteilungen  nebeneinander  ge- 
teilt, 4,60  m  lang  und  hat  im  oberen  Teil 
Maßwerkfriese,  darüber  eine  reiche  durch- 
brochene Omamentkante  zwischen  den  hoch- 
gehenden Rahmhölzem.  (Fig.  37.)  Die 
Türen  siad  reich  beschlagen.  Auf  einer 
Tür  ein  gemaltes  Töbingsches  Wappen. 
Ein  anderer  2,70  m  langer  Schrank  (Fig.  36) 
hat  nur  drei  Abteilungen  nebeneinander, 
als  oberen  Abschluß  wieder  eine  durch- 
brochene Kante  und  einfache  Beschläge. 
Ein  kleiner  0,80  m  langer  Schrank  hat  reiche 
Beschläge  und  als  oberen  Abschluß  einen 
Zinnenkranz.  Außerdem  befinden  sich  in  der 
Sakristei:  eine  gotische  Bank  mitMaßwerk- 
wangen,  ein  bemalter  Renaissancetisch  mit 
den  noch  schwach  erkennbaren  Evangelisten- 
symbolen in  den  Ecken,  ein  kleiner  gotischer 
Wandschrank  mit  dem  Wappen  der  Lafferde 
und  eine  Standuhr  aus  der  Barockzeit 

Zwischen  den  beiden  Halbrundpf eilem, 
die  sich  im  Westen  des  Schiffes  an  die 
Turmwand  anlehnen,  ist  die  Orgel  einge- 
baut. (Vergl.  Fig.  20.)  Sie  füllt  die  ganze 
Höhe  bis  zum  Scheitel  des  hier  höher  ge- 
zogenen Kreuzgewölbes  aus  und  baut  sich 
über  einem  niedrigen  freien  Durchgang  in 
zwei  galerieartigen  Geschossen  segment- 
förmig  aus  der  geraden  Front  heraus. 
Über  der  oberen  Galerie  hegen  erst  die 
groi^n,  stark  gegUederten  und  von  reichstem 
Ornament  mngebenen  und  bekrönten  Orgel- 
pfeifen. Die  Brüstungen  der  beiden  Galerien 
sind  in  Felder  geteilt,  die  von  feinem 
Ornament    umrahmt    werden.     Die    obere 


Möbel. 


Orgel. 


Fig.  35. 

Johannlskirche ;  Kronleuchter  im  sfidllehen 

SeiteDBchiff. 


-»4     120    8«- 

Galerie  tritt-  über  die  untere  vor.  In  der  Mitte  der  oberen  Galerie  ist  eine  Gruppe 
kleinerer  Pfeifen  heiausgebaut,  von  geschnitzten  Blattwerkomamenten  umgeben 
und  von  musizierenden  Engeln  bekrönt.  Die  Bekrönung  der  großen  Pfeifen 
endigt  imter  dem  Gewölbe  kuppelartig,  die  mittlere  Spitze  bildet  ein  musi- 
zierender Engel 


jimiiii'    I    I    I    M    I    I    I    I  1 f 

Flg.  BS,  BT.    JobaODUUrehB;  Schrinka  In  4er  Hikrl.t.L    1«U& 

Die  Orgel  trägt  die  aufgemalte  Inschrilt: 

RBNOVATO  I  ANNO  1 1634  1  HP. 

HOC  ORGANUM  |  REPARAM  ET  AUOERI 1  DURA  VIT  |  DOMINDS  |  PETER 

JOCHIM I FANNING  SENATOR] ANNO  1715. 


J 


->^    121     8^ 

Dieser  Orgelprospekt  ist  ein  Meisterwerk  feinster  Barockkimst  Unter 
der  Orgelempore  erscheinen  die  Postamente  zweier  kannelierter  Säulen;  vielleicht 
gehören  sie  noch  zu  der  älteren  Orgel. 

Zwölf  gleiche  Kissen,  GobeUnarbeit,  zeigen  in  der  Mitte  das  Stadtwappen  Paramente. 
mit  der  Zahl  1606,  umgeben  von  naturalistisch  ausgeführtem  farbigem  Ornament 

Drei  quadratische  Kelchunterlagen  sind  mit  Goldfäden  und  Seide  auf 
rotem  Seidengrund  gestickt.  In  der  Mitte  •  I  •  H  •  S  •  Zwei  Unterlagen  haben 
die  gleiche  Inschrift: 

HAEC .  FIERI  •  CVRAVIT  •  ANNO  •  1647  •  PETER .  SCHRÖDER ., 
die  dritte: 

SEL .  ANDREAS  •  CRVWELMAN  •  HELMHOLTS  •  WlT  •  CATARINA  • 

Einige  quadratische  Taufdecken  mit  farbiger  Stickerei  auf  Leinen  tragen 
die  Jahreszahlen  1641,  1768,  1771  und  1783  ohne  weitere  Bezeichnung. 

Eine  leinene  Altardecke  ist  bestickt  mit:   SAF  1791. 

In  der  Sakristei  werden  drei  Taschen  für  Abendmahlsgeräte  aufbewahrt. 
Die  eine  zeigt  in  Kreuzstich  einfache  Ornamente  auf  golddurchwirktem  Grunde 
und  hat  auf  der  Rückseite  vier  durchbrochene  Knöpfe  aus  Goldblech.  Die  zweite 
Tasche  ist  auf  beiden  Seiten  mit  farbiger  Seide  bestickt  und  mit  vergoldetem 
Leder  gefüttert.  Auf  der  einen  Seite  erscheint  Maria  mit  dem  Kinde,  auf  der 
anderen  Seite  ein  Kruzifix.  Eine  dritte  Tasche  besteht  aus  rotem  Samt,  mit 
Goldborte  besetzt  und  hat  auf  der  Innenseite  die  Zahl  1787. 

Die  sogenannte  goldene  Kirche,  ein  prächtiger  gotischer  Reliquienschrein  Reliquien- 
auf Holzuntersatz,  besteht  aus  einem  rechteckigen  25,3  cm  langen,  15,2  cm  behälter. 
breiten  Kasten  und  einem  gebogenen  dachähnüchen  Deckel,  alles  aus  stark  ver- 
goldetem Silberblech  hergestellt  Der  Kasten  hat  einen  profilierten  Sockel  mit 
großer  Kehle,  in  der  gefaßte  Edelsteine  und  silberne  Rosetten  liegen,  das  Gesims 
unter  dem  Dach  ist  ebenso  ausgebildet  und  bekrönt  von  einer  durchbrochenen 
Blätterkante.  An  der  Langseite  erscheinen  fünf,  an  der  Breitseite  drei  blinde  Maß- 
werkfenster, auf  den  Pfeilern  dazwischen  sind  Fialen  angebracht  An  den 
Ecken  knien  vier  geflügelte  Gestalten  mit  den  Marterwerkzeugen.  In  die 
Dachfläche  sind  Ziegellinien  eingegraben,  die  Grate  sind  mit  Kreuzblumen  besetzt, 
auf  dem  First  ist  eine  durchbrochene  Omamentkante  angebracht,  die  seitlich  in 
Kreuzblumen  endigt,  und  in  der  Mitte  von  einer  dachreiterartigen  Bildung  mit 
einer  Kreuzigungsgruppe  unterbrochen  wird.  Auf  den  Dachflächen  stehen  sechs 
reich  mit  Fialen  und  durchbrochenem' Maßwerk  geschmückte  Dachfenster,  In 
diesem  Reliquienschrein  liegen:  eine  schmucklose,  silberne  Hostiendose,  eine 
silberne  Weinflasche  von  flacher  runder  Form  mit  eingeritzter  Kreuzigung  und 
Auferstehung  und  mehrere  Reliquien. 

Ein  ReUquienbehälter  in  Form  eines  aus  Holz  geschnitzten  Frauenkopfes, 
der  farbig  bemalt  ist  und  an  der  Vorderseite  die  Buchstaben  sancta  cecilia 
tragt,  enthält  in  einer  seidenen  Tasche  die  Reste  eines  Schädels.  In  die  dick 
aufgetragene  Farbe  des  Halsschmucks  sind  Glasflüsse  eingelassen. 

Zwei  ReUquienbehälter  haben  die  Form  von  griechischen  Kreuzen,  19,5 
beziehimgsweise  20,5  cm  groß,  beide  6,5  cm  dick.    Das  eine  Kreuz  besteht  aus 

Holz,    der  Deckel   aus   vergoldetem   Kupferblech,    mit   einem   Kruzifix  besetzt. 

16 


Am  Rande  eingraviertes  Ornament  Das  andere  Kreuz  besteht  ganz  aus  Kupfer- 
blech, der  Deckel  ist  oben  vergoldet  und  hat  in  der  Mitte  ein  aufgeheftetes 
Kruzifix,  das  von  eingraviertem  Ornament  umgeben  ist  Beide  Kreuze  sind  gotisdi. 
Im  Museum  befindet  sich  ein  aus  der  Kirche  stammendes  gotisches 
19  cm  hohes  Tragkreuz,  das  ajs  ReUquienbehälter  gedient  hat    Es  besteht  aus 

vergoldeter  Bronze,  hat  an  der 
Vorderseite  einen  aufgehefteten 
ChristuskÖrper,  an  den  Kreuz- 
armen die  Evangelistenzeichen. 
Die  Rückseite  zeigt  eingravierte 
Ornamente.  Unter  dem  Kreuz- 
fuß ist  ein  Knauf  angebracht, 
der  Stiel  ist  hohl. 

Ferner  wird  im  Museum 
ein  31  cm  langer,  26  cm  breiter, 
12  cm  hoher  Holzkasten  auf- 
bewahrt, der  auf  dem  Deckel 
und  an  den  Längsseiten  Male- 
reien auf  Goldgrund  zeigt,  und 
zwar  auf  dem  Deckel  eine  Kreu- 
zigung, an  den  Seiten  Johannes 
den  Täufer  und  Maria.  Der 
Kasten  ist  gotisch  und  hat 
wobt  auch  zur  Aufbewahrung 
von  Reliquien  gedient 

Im  Chor  befindet  sich  ein 
bronzenes  Taufbecken  aus  der 
Lambertikirche  (Fig.  38).  Vier 
Figuren  mit  Spruchbändern  stehen 
auf  einem  Sockel  und  tragen 
den  großen  Kessel  Die  Kessel- 
wände sind  am  oberen  und 
unteren  Rande  mit  einer  Oma- 
mentkante  besetzt  In  derMtte 
die  Inschrift: 

DVSSE  DOPE  HEBBEN 
DE  -  SVLFMESTER  GHETEN 
LATEN  ■  NA  CHRISTVS  VNSES 
HEREN  GEBORT  MDXL  - 

Auf  dem  Sockebande  steht 
die  Inschrift: 
HUNDERT  ■  FERCIH  •  SIVERT  ■ 


Flg.  SS.   Jobumlsklrche;  T»gfke*Bel. 

ANNO  ■  DOMINI  ■  DOVSENT  ■  FEINF 
BARCHMANN  ■    (Vgl.  Seite  129.) 

Der    aus    späterer    Zeit    stammende 


Deckel    ist     aus    Holz,    farbig 
bemalt   Zwischen    Ornament    erscheinen    die    Wappen    der    TÖbing,    Witzen- 


-*4     123    S-H 

dorf    und    das   einer  imbekannten   Familie.     Auf    der  Spitze    steht  ein   Kind 
mit  Lfunm. 

In  einer  der  südlichen  Kapellen  befindet  sich  ein  Taufbecken  aus  Sand- 
stein (Fig.  39).  Am  Unterbau  fünf  geflügelte  tanzende  Putten.  Der  Deckel  ist 
von  Holz  mit  barockem  Ornament  und  zwei  sich  küssenden  Putten. 

Ein  Taufbecken  aus  vergoldetem 
Messing  hat  an  der  rechten  Seite  die  ein- 
gravierte Figur  Johannes  des  Täiifers  mit 
der  Überschrift:  S  •  lOHAN  ■  1597  ■ 

Ein  zweites  Taufbecken  aus  ver- 
goldeter Bronze  zeigt  auf  dem  Rande  ein- 
geschlagene Omamentstempel ,  in  der  Mitte 
die  getriebene  Darstellung  der  Verkündigung 
mit  einer  Umschrift  aus  sich  wiederholenden 
Buchstaben,  die  aber  unleserhch  sind.  Die 
Form  der  Schrift  läßt  auf  das  lö.  Jahr- 
hundert schheßen. 

In  der  Sakristei   wird   eine   28,5  cm  Weinkaimen, 

hohe  silberne  Weinkanne  mit  dem  Stempel 
H  G  K  am  Rande  des  Fußes  und  der  Inschrift 
an  der  Deckelunterseite: 

DEO  •  ET  ■  ECCLESLE  ■  GEORG  - 
JOACfflM  •  TIMMERMANN  •  P  •  T  •  ADMINI- 
STRATOR-1719  ■ 
aufbewahrt     Auf  dem  Deckel  befindet  sich 
eine  stehende  Traube. 

Eüne  kleine  8  cm  hohe  silberne  Wein- 
kanne trägt  die  Inschrift: 

8VMPTIBVS  ■  TEMPLI  •  S  :  LAM- 
PERTI  -  FIERI  ■  CVRAVIT  PETER  SCHRÖDER  -  ANNO  1647. 

Die  Kirche  besitzt  mehrere  Bibeln  von  1664  und  1642;  der  Einband  der  VerecUedenee. 
einen  hat  an  den  Ecken  silbernen  Beschlag  von  1666;  femer  ein  Evangelienbuch 
von   1414    mit   Holzdeckeln,    die    mit    rotem    Leder    bezogen    sind,    und    eine 
Hamburger  Chronik  von  1648. 

Im  Museum  werden  zwei  aus  der  Kirche  stEimmende  große  HoMiguren, 
Maria  und  Johannes,  angeblich  von  dem  Triumphkreuz,  aufbewahrt,  femer  eine 
Hotzskulptur,  die  Krönung  Maria  darstellend,  und  ein  Holzkasten,  der  ganz 
eigenartig  ornamentiert  ist.  Deckel  und  Seitenflächen  sind  duich  plastisch, 
anscheinend  aus  Gipa  aufgetragene  Ornamente  mit  Lilien  in  viereckige  Felder  geteilt, 
die  an  den  Seitenflächen  ausgefüllt  werden  durch  Malereien  auf  einer  braunen 
porösen  Masse  und  an  den  Querseiten  phantastische  Tiere,  an  den  Längsseiten 
Wappenschilder  mit  Adler  und  Löwe  darstellen.  Auf  den  Feldern  des  Deckels  waren 
runde  Gegenstände  aufgeklebt,  die  aber  verschwunden  sind,  anscheinend  Münzen. 

In  der  Dasselachen  Kapelle  hegt  der  Rest  einer  großen  Kreuzigung  aus 
Sandet«in. 

16* 


Jobuiniskirchei  Tftuf stein. 


-H     124    8^ 


Die  Lambeptikirche. 


Quellen:  Unedierte  Urkunden,  Akten  und  Pläne  des  Stadtarchivs;  LÜnebnrger 
Urkundenbuch,  herausgegeben  von  W.  v.  Hodenberg,  7.  Abteilung,  Archiv  des  Klosters 
St.  Michaelis;  Urkundenbuch  der  Stadt  Lüneburg,  herausgegeben  von  Yolger,  L  und  IIL; 
Schomakers  Chronik;   U.  F.  C.  Maneckes  Sammlungen,  Band  25  und  26. 

Literatur:  Manecke,  Top. -bist.  Beschreibungen,  S.  11  f.,  woselbst  die  ältere 
Literatur  z.  vgl. ;  Volger,  die  Kirchen  in  Lüneburg,  Lüneburger  Johannisblatt  1857  (Lttnebnrger 
Blätter  S.  110 ff.);  Mithoff,  Kunstdenkmale  S.  149 ff.;  Wrede,  die  Glocken  der  Stadt  Lttnebni^ 
(LUneburger  Museumsblätter  I.  23-34  und  53). 


Geschichte  und  Die    in   den  Jahren   1860  und  61  abgebrochene  Lambertikirche   stand 

Beschreibung,    mit   ihrem   Westportal    und   der   entsprechenden   Schauseite   des   Turmes   dem 

Haupteingange  zur  Saline  genau  gegenüber  und  kennzeichnete  schon  dadurch 
ihre  nahe  Beziehung  zu  dem  beherrschenden  Industriewerke  der  Stadt,  dem  sie, 
ob  mittelbar  oder  unmittelbar,  ihren  Ursprung  zweifellos  verdankt  „Die  Saline 
beim  Heiligen  Lambert"  (apud  beatum  Lambertum),  so  nennt  Herzog  Johann 
in  einem  Diplom  von  1269  die  alte  Sülze  im  Gegensatz  zu  einem  neuen  Salz- 
werk und  gibt  damit  die  früheste  Erwähnung  des  Gotteshauses.  Aus  dem 
letzten  Viertel  des  13.  Jahrhunderts  sind  einige  für  St  Lamberti  ausgestellte 
Sülzrentebriefe  erhalten,  und  auch  ein  Lamberti-Siechenhaus  (hospitale  s.  Lam- 
berti 1287,  domus  infirmorum  adjacens  ecclesie  s.  Lamberti  1292),  wird  wieder- 
holt bedacht,  ja,  nach  einem  Ablaßbriefe  von  1300  könnte  man  meinen,  daß 
die  Kirche  zunächst  nur  ein  Zubehör  eben  dieses  Hospitals  gewesen  sei,  heißt 
sie  doch  hier  „ecclesia  hospitalis"  s.  Lamperti.  Zwei  Jahrzehnte  später  wurde 
das  Siechenhaus  von  St.  Lambert  losgelöst,  und  die  Kapelle  nahm  ihre  selb- 
ständige Entwicklung.  Immer  in  fester  Verbindung  mit  der  Sülze.  Die  ältesten 
Barmeister  als  Vertreter  der  SaJzjunker  übten  bei  Besetzung  der  Stelle  eines 
ersten  Geistlichen  der  Kirche  das  Patronatsrecht  aus;  Sache  der  Barmeister  war 
die  Erhaltung  des  Kirchturms,  soweit  er  über  die  Glocken  hinaufreichte,  des 
Uhrwerks,  der  Sakristei,  des  Altars  und  der  Kanzel,  der  Dope  und  der  Orgel«» 
eines  eisernen  Gitters  im  Chor,  des  Barmeistereistuhls  und  auch  der  Amts- 
wohnungen der  Prediger  und  Kirchenbedienten.  Um  das  Vermögen  der  Kirche 
zu  erhöhen,  legten  sich  die  Sülfmeister  im  Jahre  1491  eine  außerordentliche 
Beisteuer  von  20  Mark  auf,  die  fortan  jedes  neue  Mitglied  ihrer  Körperschaft  an 
die  Kirchenbaukasse  zu  entrichten  hatte.  Versammlungen  der  Sülfmeister  fanden 
in  der  Lambertikirche  statt  Einmal  im  Jahre  umging  nach  Volgers  Mitteilung 
die  gesamte  Geistlichkeit  des  Gotteshauses  mit  Heiligenbildern  imd  Reliquien  in 
feierlicher  Prozession  die  Sülze  und  den  Lindenberg,  wo  die  Hauptadem  des 
Solezuflusses  vermutet  wurden,  um  Gottes  Segen  auf  den  unersetzlichen  Quell 
herabzurufen. 

Erst  in  der  Reformationszeit  hat  St  Lamberti  Pfarrrechte  erhalten, 
obschon  das  Gotteshaus  in  den  vorhergehenden  Jahrhunderten  ebenso  oft  als 
ecclesia  wie  als  capella  bezeichnet  wurde.    Der  Rektor  der  Kapelle,  zuerst  1293 


'<^    125    8^ 

begegnend,  stand  in  Abhängigkeit  vom  Pfairer  zu  St.  Johannis,  dem  er  bei 
Strafe  des  Interdiktes  jährlich  2  Mark,  seit  1327  sämtliche  „oblationes"  seiner 
Kapelle  abzuliefern  hatte.  Als  Bischof  Bertold  von  Verden  in  der  Lamberti- 
kapelle  einen  besondem  Gottesdienst  eingerichtet  hatte,  bezeichnete  der  Propst 
von  St  Johannis  das  als  einen  Eingriff  in  seine  geistlichen  Rechte  (1475)  und 
appellierte  an  den  Papst  Eine  Verordnung  des  Verdener  Bischofs  (1379),  alle 
Benefizien  der  mit  dem  Abbruch  bedrohten  Gyriakskirche  in  die  Lambertikapelle 
zu  übertragen,  ist  nicht  zur  Ausführung  gekommen,  da  die  erstere  bis  weit 
über  die  Reformation  hinaus  fortbestanden  hat.  Außer  dem  Hochaltare  gab  es 
zu  St  Lamberti  22  Altäre,  an  denen  in  hochkatholischer  Zeit  79  Vikare  und 
Kommendisten  sich  betätigten.  Die  Schutzpatrone  der  einzelnen  Altäre  waren 
Antonius  (in  der  Sakristei),  der  Evangelist  Johannes,  Alexius,  Stephanus  und 
Alle  Heiligen,  die  Zehntausend  Ritter,  Martin,  die  Dreifaltigkeit,  Philipp-Jacobus 
imd  Mathias  (an  der  Ostseite),  Andreas,  Anna  (in  der  Kreuzkapelle),  Brigitta 
(aut  Sepulcri),  Katharina,  Barbara,  Hulpert,  Thomas  und  Gertrud,  Petrus  und 
Paulus,  Laurentius,  Mauricius,  Magdalena  und  die  drei  Könige,  das  hl.  Kreuz. 
Dem  Namenspatron  der  Kirche,  dem  Hl.  Lambertus,  war  neben  dem  Hochaltar 
noch  ein  anderer  Altar  gewidmet,  ebenso  war  die  Jungfrau  Maria  durch  zwei  Altäre 
geehrt;  der  eine  lag  im  ostlichen  Chor  der  Hören  (in  quo  höre  b.  Marie  virg. 
decantari  solent  1476),  der  andere  lag  im  neuen  Chor  nach  Norden  hin  (1440). 
Die  Präsentation  für  die  erste  Vikarie  am  Hochaltar  und  im  Armarium 
beanspruchte  der  Herzog  von  Lüneburg.  Dem  Hulpertsaltar  war  die  Hulperts- 
gilde  der  Sodeskumpane  naJae  verbunden,  während  die  Sülfmeister  sich  zur  wohl- 
habenden Fronleichnamsgilde,  „to  des  hiUigen  lychammes  gilde  den  de  sulff- 
mester  holden  to  sunte  Lamberde^^  zusammengeschlossen  hatten;  diesen  Gilden 
standen  ein  Ratmann  und  zwei  Bürger  (Sülfmeister)  als  Älterleute  vor.  An 
jedem  Dienstag  wurden  „van  der  bede  to  sunte  Lamberde*'  Almosen  verteilt, 
deren  Verwaltung  zeitweise  einem  Ratmann,  vier  Bürgern  und  den  drei  Kirchen- 
geschworenen oblag  (1476).  Vier  Provisoren  eines  ewigen  Lichtes  werden  1404 
zuerst  erwähnt. 

Protestantische  Prädikanten  lehrten  zu  St.  Lamberti  bereits]  1529, 
Ostern  1531  wurde  mit  Zustimmung  des  Urbanus  Rhegius  Herr  Caspar 
Rumeshagen  aus  Dithmarschen  als  HauptgeistUcher  eingeführt,  und  fortan 
waren  3  Prediger,  seit  1742  noch  zwei,  ein  Hauptpastor  und  ein  Diakonus, 
als  Seelsorger  tätig. 

Ober  die  Erbauimg  der  Kirche  liegen  nur  zwei  Nachrichten  vor.  Nach 
der  einen  wurde  im  Jahre  1382,  nach  Bartolomaei,  die  „gerwekamer",  die 
Sakristei,  eingeweiht;  nach  der  andern,  von  Volger  und  Sudendorf  in  das  Jahr  1398 
gesetzt,  war  unter  der  gemeinsamen  Regierung  der  Herzöge  Bernd  und  Hinrik 
die  Verlegung  einer  herzoglichen  Zollbude  notwendig  geworden,  weil  dieselbe 
der  Errichtung  des  Lambertiturmes  im  Wege  stand.  Beide  Angaben  führen  zu 
dem  Schlüsse,  daß  die  Kirche  in  ihrem  großen  Umfange,  wie  sie  manchem 
noch  aus  eigener  Anschauung  und  sonst  aus  zahlreichen  Abbildungen  bekannt 
ist,  Lüneburgs  Blütezeit  nach  dem  Erbfolgekriege  entstammt,  derselben  Periode, 
in  welcher  die  neue  Michaeliskirche   in   ihrer   östlichen  Hälfte  emporwuchs,   in 


LsmlMTtl 


-^    127     8*<- 

welcher  auch  für  den  Ausbau  von  St  Johannis  so  viel  geschehen  ist,  nachdem 
die  Cyriakskirche  aus  der  Ummauerung  ausgeschlossen  war  und  als  Stadtkirche 
kaum  mehr  in  Betracht  kommen  konnte. 

Das  aus  Backsteinen  erbaute  Gotteshaus  von  St.  Lamberti  war  eine 
dreischiffige  gotische  Hallenkirche  (vgl.  Fig.  40),  von  der  Ostwand  des  Turmes  bis 
zur  Chormauer  46,73  m  lang,  23,95  m  im  Lichten  breit  (ohne  die  Kapellen 
zwischen  den  Strebepfeilern)  und  bis  zum  Gewölbescheitel  16  m  hoch.*)  Das 
Mittelschiff  setzte  sich  aus  vier  Jochen  mit  reichen  Sterngewölben  zusammen, 
die  mit  Emporen  versehenen  Seitenschiffe  aus  ebensovielen  Kreuzgewölben. 
Der  mit  drei  Seiten  eines  Achtecks  abschließende  Chor  war  um  eine  Stufe 
erhöht,  desgl.  der  durch  eine  schmiedeeiserne  Schranke  abgesonderte  Altarraum. 
In  der  Verlängerung  des  südhchen  Seitenschiffes  befand  sich  die  Sakristei, 
darüber  der  Schüler-  oder  Musiklektor,  im  verlängerten  nördlichen  Seitenschiffe 
eine  Kapelle,  auch  sie  mit  einer  oberen  Prieche.  Der  Predigtstuhl  bzw.  die 
Kanzel  war  am  südhchen  Mittelpfeiler  angebracht.  Außer  dem  schon  erwähnten 
Westportal  hatte  die  Kirche  fünf  Türen:  an  der  Nordseite  zunächst  dem  Turm 
die  Tür  (und  Treppe),  die  zum  Barmeisterstuhl  führte,  unmittelbar  daneben  die 
Peterstür,  im  östiichen  Gewölbejoche  die  Brauttür,  in  der  Nordostecke  die 
Adamstür;  an  der  Südseite,  der  Brauttür  gegenüber,  die  sogen.  Große  Harztür, 
d.  h.  die  Tür,  welche  vom  „Höre",  dem  alten  Markt-  und  Gerichtsplatz,  herein- 
führte, und  die  Kleine  Harztür,  mit  einer  Verschiebung  nach  Osten  zur  Peterstür 
korrespondierend.  Das  gewaltige  Kirchendach  war  mit  Kupfer  gedeckt  und  trug 
noch  1657  in  seiner  Mitte  einen  Dachreiter.  Der  einfache  viereckige  Turm 
wetteiferte  in  der  Höhe  seiner  schlanken  Pyramidenspitze  mit  dem  Kirchturm 
von  St.  Johannis. 

Damit  ist  in  groben  Umrissen  die  Gestalt  der  Kirche  skizziert,  wie  sie 
sich  in  den  Ansichten  der  Stadt  aus  dem  15.  bis  17.  Jahrhundert  darbietet  und 
wie  sie  um  die  Wende  des  14.  Jahrhunderts  entstanden  sein  wird.  Schon  im 
Laufe  dieser  Zeit  und  namentUch  späterhin  hat  sie  im  einzelnen  mancherlei 
Veränderungen  und  Entstellungen  erfahren.  Der  Baugrund  der  Kirche,  ein  mit 
Gipsteilen  vermischter  schlüpfriger  Ton,  war  an  sich  ungünstig,  und  unter- 
irdische Soladem  sollen  dazu  beigetragen  haben,  seine  Festigkeit  noch  frag- 
würdiger zu  machen.  Die  Bodensenkung  nach  Westen,  die  sich  an  alten 
Häusern  der  Neuen  Sülze  und  Salzstraße  zeigt,  hatte  auch  die  Lambertikirche 
in  Mitleidenschaft  gezogen  und  drohte  zeitweise  den  ganzen  Turm  niederzureißen 
und  damit  das  Gotteshaus  seiner  gegebenen  Stütze  zu  berauben.  Die  ursprüng- 
Uche  schwere  Turmspitze  hatte  man  schon  im  Jahre  1491  durch  eine  leichtere 
ersetzt,  um  das  Mauerwerk  zu  entlasten,  aber  auch  diese  mußte  schon  1545 
erneuert  werden,  da  sie  sich  in  einem  halben  Jahrhundert  um  11  Fuß  nach 
Westen  geneigt  hatte.  Wo  die  neue  Turmspitze  nach  Beseitigung  von  vier 
gemauerten  Spitzgiebeln  ansetzte,  wurde  ein  charakteristischer  Umgang  mit 
Galerie  und  vier  Türmchen  angebracht,  die  durch  einen  Knopf  auf  eiserner 
Stange  bekrönt  waren.    „Anno  domini  1545  up  MichaeUs"  war  nach  Angabe 


*)   Nach  Mithoff,  auf  dessen  ergänzende  Baubeschreibung  hier  verwiesen  wird. 


-<^    128    8^ 

einer  im  Stadtarchiv  verwahrten  Kupfertafel  der  Bau  vollendet    Eäne  zweite 
Kupfertafel  meldet  folgendes: 

„Anno  1574  sondages  den  24  januarii  morgens  to  6  uren  is  de 
olde  knop,  stange  und  mekeler  [Tragebalken],  32  vote  langk,  dorch 
suedtwesten  storm  herunder  gestorttet.  Aver  24  stunde  hema  is  de 
burgermeister  her  Frans  Witzendorp  in  Got  vorstorven.  Und  düsse  nie 
knop  volgende  Johanni  [Juni  24]  wedder  gerichttet,  als  Dirick  Dusterhop, 
Albb.  Semmelbecker  barmester  und  Albb.  Radeke  karcksware  und 
dusses  buwes  bovelhebber  gewesen.  Laus  Deo!  Do  galt  de  sossei 
roggen  2  marck,  1  punt  botter  4  schillingk.^' 

Die  Widerstandsfähigkeit  des  Turmes  soll  durch  den  Sturz  so  stark 
erschüttert  sein,  daß  man  das  Glockenläuten  einstellte.  Und  von  schlimmerem 
Unheil,  das  die  Gewalt  eines  Südweststurmes  über  die  Kirche  brachte,  berichtet 
eine  dritte  Kupferplatte: 

„Anno   1703   den    8.   december  Vormittages    zwischen    10  und 
11  uhr  warff  der  ungemeine  und  einen  orcan  nicht  ungleiche  sturmwindt 
aus  Südwesten  die  spitze  des  St.  Lambertithurms  bis  auff  das  gemauer 
herunter   auff   den   kirchhoff,    mit  nicht   geringen   schaden   der  daran 
stehenden   kirch   und   saltzbude,   und   sind  in  den  knopff  2  kupffeme 
platen  gefunden.   Darauf f  ist  anno  1712  nach  vielfeltiger  berahtschlagung 
beliebet,  einen  kleinen  thurm  wieder  auffzubauen.    Der  groiz  Gott  wolle 
denselben  vor  bösen  zufeilen  in  gnaden  bewahren!    Aelste  bahrmeister 
sind   gewesen:   Ludolff  Döring,   Statz  Ludolff  von   Zarstaedt,   Hinrich 
Müther,  Georg  Daviedt  von  Dassel;  Hinreh  Döring,  jüngster." 
Die  Erbauung   des  im  Oktober  1712  vollendeten,  vorstehend  erwähnten 
„kleinen  Turms",  d.  h.  einer  dachförmigen  niedrigen  Haube  mit  offener  Laterne 
und  Zwiebelknopf,  nahm  der  Kirche  viel  von  ihrer  einheitUchen  Schönheit.   Und 
des  Restaurierens   war  fortan   kein   Ende.    Das   Mauerwerk   des   Gotteshauses 
hatte   offenbar  mehr   geUtten,    als   wieder   gut   gemacht  war,    der  Zug  nach 
Westen  hielt  an,  und  seit  dem  Jahre  1730  erwies  sich  eine  umfassende  Her- 
stellung als  dringend  notwendig.   Der  obere  Teil  des  Turmes  geriet  beim  Lauten 
in   sichtbare   Bewegung,   und  Ausgang   1732    ereignete    es   sich   wahrend   des 
Gottesdienstes,  daß  einige  Schlußsteine  des  Mittelschiffs  in  die  Kirche  hinunter- 
fielen.   Nach  Einholung  mehrerer  Gutachten  von  auswärtigen  Baumeistern  kam 
in  den  Jahren  1736  ff.  ein  Entwurf  des  Stadtbaumeisters  Haeseler  zur  Ausführung. 
Die  Mauern  wurden   innen  und   außen  gefestigt,  die  Kirche  samt  den  Innen- 
pfeilem  durch  Streben  abgestützt,  die  massiven  Gewölbe  des  Mittelschiffs,  deren 
Kappen    recht    nachlässig    angeklebt    waren,    durch    gipsbekleidetes  Holzwerk 
ersetzt   Am  ersten  Adventssonntage  1738  konnte  der  Gottesdienst,  der  inzwischen 
nach  St  Marien   verlegt  war,  wieder   an   alter  Statte  begangen  werden.     Die 
Kosten  des  Baues  waren  zum  großen  Teil  durch  Sammlungen  innerhalb  Lüne- 
burgs beschafft.    Im  Dezember  1750  bewiUigte  Georg  ü.  eine  Hauskollekte  für 
das  Gebiet  des  ganzen  Fürstentums  einschUeßlich  der  Grafschaften  Hoya  und 
Diepholz,  um  nunmehr  den  Lambertiturm  zu  retten,  der  „einen  fast  unvermeid- 
Hchen   Umsturz"   drohte   und   mit  der   Kirche   auch   die   nahe   gelegene   Sülze 


_i 


->^    129    8^ 

gefährdete.  Diesmal  wurden  unter  Leitung  des  schon  genannten  Stadtbaumeisters 
die  zu  hoch  angebrachten  Glocken,  die  mit  ihrem  Schwünge  in  kurzer  Zeit  alles 
wieder  zerrissen  hatten,  um  ein  Stockwerk  tiefer  gehängt,  und  der  Turm  erhielt 
an  seiner  Westfront  zwei  riesige  Strebepfeiler,  so  daß  er  sich  jetzt  in  Form 
einer  abgekürzten  vierseitigen  Pyramide  darstellte.  Aber  auch  dieses  Mittel 
erwies  sich  auf  die  Dauer  als  unzulänglich.  Kostspielige  Reparaturen  waren 
auch  im  19.  Jahrhundert  (1818,  1829/30)  wiederholt  erforderlich.  Die  herrlichen 
Glocken*)  wurden  zuletzt  nicht  mehr'  in  Schwung  gebracht,  sondern  nur  noch 
mit  dem  Klöppel  angeschlagen,  und  im  Sommer  1858  mußte  der  Gottesdienst 
abermals  eingestellt  werden,  da  die  Kirchgänger  durch  die  baufälligen  Gewölbe  der 
Seitenschiffe  in  Lebensgefahr  kamen;  nur  die  Sakristei  und  eine  daran  anstoßende 
Beichtkammer  blieben  als  sicher  und  fest  noch  in  Benutzung.  So  gewann  ein 
Gedanke  mehr  imd  mehr  Anhänger,  der  um  1730  zuerst  laut  geworden,  noch 
im  Jahre  1809  von  der  Regierung  in  Hannover  zurückgewiesen  war,  der  Gedanke, 
das  Gotteshaus  ganz  eingehen  zu  lassen.  Er  wurde  unter  dem  Druck  der 
KgL  Landdrostei  zur  Tat  im  Februar  1860.  Am  17.  genannten  Monats  erließ 
der  Lüneburger  Magistrat  in  den  öffentlichen  Blättern  die  Bekanntmachimg: 
„es  soll  die  hiesige  Sankt-Lambertikirche  nebst  Turm  zum  Abbruch  meist- 
bietend verkauft  werden^',  und  bald  darauf  erhielten  2jimmermeister  Westphal 
und  Maurermeister  von  der  Heide  gegen  ein  Höchstgebot  von  13050  Talern 
den  Zuschlag.  Im  Verlaufe  der  Abbruchsarbeiten  zeigte  es  sich,  daß  das 
Mauerwerk  des  Gotteshauses  keineswegs  so  hinfällig  war,  wie  man  geglaubt 
hatte,  mußte  man  doch  zu  Sprengmitteln  seine  Zuflucht  nehmen,  um  den 
Abbruch  durchzuführen.  Im  Oktober  1861  war  die  letzte  sichtbare  Spur  der 
alten  Salinkirche  verschwujaden,  und  in  dem  Gesamtbilde  der  Stadt,  wie  Mithoff 
dazu  bemerkt,  eine  empfindliche  Lücke  entstanden. 

Was  von  dem  Inventar  des  Gotteshauses  gerettet  ist,  hat  zumeist  in 
den  Kirchen  von  St.  Johannis  und  St.  Nikolai  einen  würdigen  Platz  erhalten, 
und  da  es  in  den  zugehörigen  Abschnitten  seine  Beschreibung  findet,  so  können 
wir  uns  an  dieser  Stelle  kurz  fassen.  Die  einstigen  Lambertikirchglocken  lassen 
jetzt  ihre  Stimme  hoch  vom  Nikolaiturme  herab  erschallen,  wo  die  vornehmste 
imter  ihnen,  die  Marienglocke  Gerhards  von  Wou,  dreimal  tägUch  als  Betglocke  ertönt; 
die  Stundenglocke  dient  seit  1871  der  Uhr  des  HL  Geisttürmchens.  Der  große 
Hauptaltar  aus  dem  15.  Jahrhundert,  mit  reichem  Schnitzwerk  und  schöner  Be- 
malung,  sowie  eine  jüngere  Vorsetztafel  schmücken  den  Hochaltar  der  Nikolai- 
kirche, während  die  22  Nebenaltäre  bis  auf  einen  schon  vor  dem  Abbruch  beseitigt 
waren.  Der  Nikolaikirche  fiel  sodann  eine  große  silberne  Kanne  von  1650  zu, 
ein  silbernes  Oblatenkästchen  imd  ein  kleines  Altarlaken  aus  weißem  Drell  mit 
Spitzen  besetzt.  Eine  Dope  hatte  die  Lambertikirche  erst  am  2.  Februar  1541 
erhalten,   ein  Werk  des  Lüneburger  Grapengießers    Sivert  Barchman,   das  die 


*)  Die  Katharinenschelle  von  Gerd  Klinghe  (1445),  die  Marienglocke  von  Gerhard 
von  Won  (1491),  eine  kleinere  Yossische  Glocke  (1650),  die  Vossische  Schelle  (1619),  die 
Sonntagsglocke  von  Christian  Ziegner  (1712),  die  große  Vossische  Glocke  (1723).  Vgl.  des 
Näheren  Wrede,  am  eingangs  zitierten  Ort. 

17 


-^     130    §^ 

SäUmeister  nach  langen  Beratschlagungen  hatten  gießen  lassen,  und  dessen  Guß 
zweimal  mißlungen  war.  Es  steht  jetzt  im  Chor  der  Johanniskirche  und  wird 
mit  einem  ebenfalls  aus  St.  Lamberti  stammenden  kupfernen  Taufbecken  hier 
als  Taufgefäß  benutzt.  Der  Johanniskirche  ist  auch  die  Mehrzahl  der  Kultgerate 
zuteil  geworden:  zwei  vergoldete  Kelche  mit  Patenen  und  Saugröhren,  zwei 
silberne  Kelche  mit  einer  Patene,  zwei  silberne  Becher,  drei  Oblatenteller,  zwei 
Oblatendosen,  eine  silberne  Flasche,  ein  vergoldeter  Löffel,  drei  Kelche  mit 
Patenen  aus  Zinn,  je  zwei  Altarleuchter  aus  Kupfer  und  Messing,  eine  eiserne 
Feuerpfanne,  ein  mit  Seide  gesticktes  Futteral,  eine  Anzahl  von  Altartüchern 
und  Decken  und  ein  Kniekissen  aus  grünem  Leinen.  Eine  große  unbezeichnete 
Krone  aus  Messingbronze,  die  in  den  dreißiger  Jahren  vom  Gewölbe  der  Kirche 
herabgestürzt  und  nicht  wiederhergestellt  war,  bildet  seit  1899  eine  Zierde  des 
neuen  Stadtarchivs. 

Unter  den  verloren  gegangenen  Kunstwerken  der  Kirche  sind  drei  Bilder 
der  Reformatoren  Huß,  Luther  und  Melanchthon  zu  nennen,  die  im  18.  Jahr- 
hundert auf  Veranlassung  des  Stadtbaumeisters  Haeseler  kopiert  wurden.  Cber 
dem  Chorgestühle  befanden  sich  Ölmalereien  in  großen  Dimensionen  auf  Lein- 
wand; das  eine  Bild  stellte  das  Lagerleben  der  Juden  in  der  Wüste  dar,  das 
andere,  von  Daniel  Frese  (1594),  die  Stadt  Jerusalem  mit  dem  Tempel.  Die 
Orgel,  durch  Meister  Kaspar  Bubeling  1519 — 21  zum  Ersatz  einer  älteren  ange- 
fertigt und  später  wiederholt  erneuert,  soll  sich  eines  besonderen  Rufes  erfreut 
haben.  Eine  Kanzel  war  1618  von  Henning  Bene  in  Lüneburg  geliefert,  das 
Schnitzwerk  (an  der  Treppenwange  die  vier  Evangelisten,  an  der  Brüstung 
fünf  „Historien,"  Geburt,  Taufe,  Kreuzigung,  Auferstehung,  Himmelfahrt),  und 
acht  Bilder  dazu  lieferte  Hans  Schröder.  Das  Kanzelpult  mit  einem  vergoldeten 
Pelikan  wurde  vor  dem  Abbruche  der  Kirche  inventarisiert,  war  aber  gleich 
vielen  anderen  Kunstgegenständen  später  nicht  wieder  aufzufinden.  Ein  geschnitztes 
farbiges  sog.  Vesperbild,  Maria  mit  dem  Leichname  ihres  Sohnes,  in  einem 
sechseckigen  gotischen  Kasten  aus  Stein  von  88  cm  Höhe,  war  nach  Mithoff  beim 
Eingange  angebracht,  der  in  die  Sakristei  des  Diakonus  führte.  Silberne  Heiligenbilder 
imd  Kleinodien  sind  schon  im  Jahre  1574  der  Lüneburger  Münze  zum  Opfer  gefallen. 

Einige  Gegenstände  aus  der  Lambertikirche  befinden  sich  im  Lüneburger 
Museum: 

1)  Fünf  flache  Holzschnitzereien  in  viereckigem  Rahmen,  der  mit  barocken 
Ornamenten  verziert  ist.  Die  Gruppen  stellen  dar  Maria  Empfängnis,  Geburt, 
Kreuzigung,  Auferstehung  und  Himmelfahrt  Christi. 

2)  Zwei  gleich  ausgebildete  2,75  m  hohe  Stützen,  vermutUch  von  einer  Piieche. 
Auf  einem  Konsol  in  schwülstigen  Formen  steht  ein  bärtiger  Mann  mit 
Strahlenglorie,  ohne  weitere  Abzeichen,  der  Unterkörper  wird  verdeckt  durch 
einen  großen  Schild.  Auf  dem  einen  Schild  steht:  „ Jerusale  Jerusale  die  du 
todeest  die  propheten  und  steinigest  die  zu  dir  gesand  sind  wie  offt  habe 
ich  deine  kinder  versamK  wolle  wie  eine  hene  versandet  ire  kuchir  unter  ire 
flugel  un  dir  habe  nicht  gewolt:  MATT.  23."  Der  andereSchild  trägt  die  Inschrift: 
„Jerusale  denckt  in  dieser  zeit  wie  elend  und  verlasse  sie  ist.imd  wie  viel 
guts  sie  von  alters  her  gehabt  hat  weil  alle  ir  volck  darunder  ligt  unter  de 


-^    131    8^ 

Feinde  und  ir  niemand  hilfft  ire  Feinde  sehe  ire  last  an  ir  und  spotte  irer 
Sabbaten". 

Beide  Stützen  sind  farbig  bemalt.  Ihre  Entstehungszeit  fällt  wohl  nach  1600. 

Einige  ornamentale  Holzschnitzereien  gotischen  und  barocken  Charakters 
und  eine  spätgotische  Tür  aus  der  Lambertikirche  befinden  sich  in  dem 
Hause  Grapengießerstraße  Nr.  7  im  Privatbesitz. 


Die  Nikolaikirche. 

Qn eilen:  Ungedrnckte  Urkunden  und  Akten  des  Stadtarchivs;  Gebhardi,  Collec- 
tanea  Bd.  11;  U.  F.  C.  Maneckes  Sammlungen  Bd.  26. 

Literatur:  Manecke,  top.-hist.  Beschreibungen  S.  10  f.  (mit  Angabe  der  älteren 
Literatur);  Volger,  die  Kirchen  in  Lüneburg  (Lüneburger  Johannisblatt  1857,  LUneburger 
Blätter  S.  109  ff.);  Mithoff,  Kunstdenkmale  S.  151  ff.;  Wrede,  die  Glocken  der  Stadt  Lüne- 
burg (Lüneburger  Museumsblätter  I,  23). 

Die  bisherige  Annahme,  daß  an  der  Stelle  der  jetzigen  Nikolaikirche  Geschichte, 
schon  im  14.  Jahrhundert  eine  gleichnamige  Kapelle  gestanden  habe,  ist  unhaltbar. 
Sie  stützt  sich  auf  die  Aufzeichnung  eines  alten  Stadtbuches,  wonach  da.s  Ge- 
dächtnis der  in  der  Ursulanacht  für  die  Freiheit  der  Stadt  Gefallenen  mit  Vigiüen 
und  Seelenmessen  alljährlich  in  Kirchen  und  Kapellen  Lüneburgs  begangen 
wurde,  auch  in  „Sunte  Nicolai  bi  deme  Watere".  Die  Aufzeichnung  stammt 
von  der  Hand  des  Ratsschreibers  Hinrik  Kule,  der  sein  Amt  erst  am  7.  März  1899 
antrat  Ist  es  demnach  von  vornherein  mißlich,  jene  Notiz  für  das  14.  Jahr- 
hundert als  Beweis  anzuführen,  so  spricht  die  urkundliche  Überlieferung 
entschieden  dafür,  daß  Hinrik  Kule  die  Eintragung  erst  gegen  Ende  seiner 
Amtszeit  (spätestens  März  1411)  vorgenommen  hat. 

Der  Ursprung  der  Nikolaikirche  gehört  in  das  erste  Jahrzehnt  des 
15.  Jahrhunderts.  In  den  Verhandlungen  mit  dem  Verdener  Domkapitel, 
welche  dazu  führten,  daß  der  Lüneburger  Rat  das  lange  begehrte  Patronatsrecht 
von  St.  Johannis  errang,  soll  im  Jahre  1406  auch  die  Erlaubnis  zur  Erbauung 
der  NLkolaikapelle  erwirkt  sein.  Der  früheste  hier  anzuführende  urkundliche 
Beleg  des  Stadtarchivs  datiert  vom  15.  Februar  1407.  An  jenem  Tage  ver- 
kauften die  Geschworenen  der  Johanniskirche  mit  Zustimmung  des  Rates  eine 
Leibrente,  die  nach  des  Rentners  Tode  zum  Bau  einer  Kirche  im  Wasserviertel 
verwandt  werden  sollte:  vorausgesetzt  daß  der  Bau  wirklich  zustande  komme; 
wenn  nicht,  so  sollte  die  Rente  an  die  Baukasse  vom  St.  Johannis  zurückfallen. 
Noch  war  also  die  Errichtung  einer  neuen  Kirche  nur  eine  Absicht,  deren  Be- 
weggrund aus  den  Worten  „in  quarta  parte  civitatis,  videhcet  Aque"  unzwei- 
deutig erhellt  Obgleich  die  Stadt  keine  Territorialparochien  kannte,  empfand 
man  es  als  lästig,  daß  gerade  die  Bewohner*  des  Wasserviertels,  in  welchem  die 
Neustadt  Lüneburg  emporblühte,  für  ihre  kirchlichen  Bedürfnisse  auf  die  drei 
anderen  Stadtviertel  angewiesen  waren  —  hier  sollte  nunmehr  Wandel 
geschafft  werden. 


-t^     132    8^- 

Der  Bauplatz  für  das  neue  Gotteshaus  wurde,  wohl  nur  zum  Teil,  vom 
Kloster  Schamebeck  abgetreten,  dessen  Stadtkurie  den  späteren  Nikolaikirchhof 
im  Norden  begrenzte.  Die  Abtretung  vollzog  sich  nach  Mitteilung  Gebhardis 
im  Jahre  1407.  Am  Tage  Pauli,  d.  h.  nach  guter  Oberüeferung  am  Tage  Petri 
imd  Pauli,  dem  29.  Juni  1409*),  empfing  die  Nikolaikapelle  ihre  erste  Weihe,  am 
1.  Juli  desselben  Jahres  hören  wir  gelegentlich  einer  Vikarienstiftung  durch 
einen  Lüneburger  Ratmann  zuerst  von  einem  Rektor  der  Kapelle. 

Als  Gotteshaus  des  Wasserviertels  wurde  die  Kirche  auch  durch  die 
Wahl  ihres  Namenspatrons  charakterisiert,  galt  doch  der  Hl.  Nikolaus  als  vor- 
nehmster Schutzheiliger  der  Schiffahrt  und  aller  Wagemutigen,  die  sich  in  ihren 
Dienst  stellten.  Ein  Nikolai -Altar,  der  außer  dem  Hochaltar  die  Kirche  zierte, 
hieß  bezeichnenderweise  der  Schifferaltar;  Eichen-  und  Böterschiffer  lieferten 
bis  in  die  neuere  Zeit  hinein  Wachskerzen  zur  Beleuchtung  und  machten  sich 
auch  um  die  Ausschmückung  der  Kirche  verdient;  ein  bemaltes  Fenster  von 
1581  trug  die  Inschrift:  „dusse  luchtfinster  hebben  de  schippers  geben";  es 
zeigte  ein  Schiff,  das  mit  Salztonnen  befrachtet  war.  Die  reiche  Gilde  der  Salz- 
tonnenböttcher  hielt  sich  ebenfalls  zur  Nikolaildrche,  in  deren  unmittelbarer 
Nähe  das  Gildehaus  stand.  Sie  hatte  dort  gleich  den  Schiffern  in  einer  be- 
sonderen Kapelle  einen  großen  Altax,  dessen  Bezeichnung  als  Marien- Altar  hinter 
dem  Namen  „Böttcheraltar"  ganz  zurücktrat,  und  lieferte  in  der  älteren  Zeit  die 
Kerzen  für  vier  Leuchter,  später  den  Geldbetrag  für  eine  Wachsspende.  Sog. 
Schifferalmosen  („der  schiplude  almissen")  wurden  in  der  Kirche  an  jedem 
Mittwoch  und  Sonnabend  ausgegeben;  sie  unterstanden  der  Obhut  von  vier 
Vorstehern  (1485).  Schiffer  und  Böttcher  besaßen  an  bevorzugter  Stelle  des 
Gotteshauses  feste  Plätze  und  hatten  für  ihre  Amtsangehörigen  Anspruch  auf 
ein  freies  Begräbnis  im  Nikolaikirchhofe;  für  das  Trauergeläute  hatten  wenigstens 
die  Böttcher  nur  die  halbe  Gebühr  zu  bezahlen.  Eine  noch  engere  Beziehimg 
zu  „Sunte  Nicolaus"  verrät  der  bis  1799  geübte  alte  Brauch,  daß  das  Tagewerk 
der  Salztonnenböttcher  durch  eine,  in  einem  zierlichen  Dachreiter  der  Kirche 
angebrachte  Meßglocke  morgens  und  abends  um  5  Uhr  ein-  und  ausgeläutet 
wurde.  Die  Vermutung  hegt  nahe,  daß  die  Schiffer  und  namentlich  die  Sakfr* 
tonnenböttcher,  deren  Amt  dank  dem  großen  Verbrauch  der  Saline  im  15.  Jahr- 
hundert 80  Meister  zählte,  zur  Erbauung  der  Kirche  wesentlich  beigesteuert  haben. 

Die  Nikolaikirche  ist  die  jüngste  unter  den  mittelalterUchen  Karchen 
Lüneburgs.  Dennoch  wissen  wir  über  ihre  Baugeschichte  außerordenüich  wenig. 
Nirgends  eine  Spur  davon,  wer  der  geniale  Baumeister  gewesen  ist,  der  den  zu- 
grunde liegenden,  niemals  zur  Ausführung  gelangten  Bauplan  nach  dem  Vor- 
bilde einer  von  Lübeck  ausgehenden,  im  Mecklenburgischen  ausgebildeten  Gruppe 
hervorragender  Basiliken  entworfen  hat  Um  den  Bauplan  zu  begreifen,  muß 
maji  sich  vergegenwärtigen,  daß  die  Kirche  in  ihrer  jetzigen  Gestalt  zur  größeren 
Hälfte  nur  aus  dem  ursprünglichen,  in  mächtigen  Verhältnissen  angelegten  Chor 
besteht,  zu  dem  ein  Kreuzschiff  imd  ein  Langhaus  in  entsprechend  großen 
Verhältnissen  offenbar  hinzukommen  sollten.    Wie  so  oft  haben  die  Mittel  zur 


*)  Zunächst  würde  man  annehmen  am  Tage  Pauli  Bekehrung,  dem  25.  Januar. 


j 


-^8     133    g^ 

Durchführung  des  riesenhaften  Planes  nicht  ausgereicht,  und  das  Langhaus  hat 
in  seinem  Westturm  einen  frühzeitigen  Abschluß  erhalten,  während  man  auf 

das  Querschiff  ganz  verzichtete.*) 

Fraglos  ist  die  Krypta,  mit  einem  Cosmas-  und  Damiani- Altar,  zuerst 
entstanden.  Ein  Marienaltax,  nach  seiner  Lage  auch  Mariae  Grucis  genannt, 
wird  1409  erwähnt  Mit  vier  Vikarien  wurde  1416  der  Bartolomaei-Altar  an 
der  Nordseite  des  Gotteshauses  ausgestattet,  durch  den  Lübecker  Bürger 
Herman  Tzyrenberch,  der  jenen  Altar  selber  hatte  errichten  lassen.  Am  drei 
Könige-,  Peter-,  Paulus-,  Georg-  und  Veitsaltar  hinter  dem  Chor  der  Kapelle 
stiftete  Bürgermeister  Hinrik  Viscule  1420  eine  Vikarie  zum  Gedächtnisse  seiner 
Eltern;  ein  Simon-  und  Judasaltar,  durch  einen  Bardewiker  Domherrn  ausgestattet, 
begegnet  1424;  im  selben  Jahre  wird  auf  dem  „sunte  Nik.  kerkhove"  eine 
Rechtshandlimg  vollzogen.  Lassen  diese  Angaben,  so  dürftig  sie  sind,  immerhin 
erkennen,  daß  der  Gottesdienst  der  neuen  Kapelle  gleich  in  den  ersten  Jahr- 
zehnten ihres  Bestehens  würdig  ausgestaltet  wurde,  so  schritt  der  Außenbau 
nicht  in  demselben  Maße  fort.  Vielleicht  geschah  es  deshalb,  daß  sich  der  Rat 
1431  der  Kirche  energischer  annahm,  jedenfalls  ernannte  er  wie  für  die  übrigen 
Kirchen  und  Kapellen  der  Stadt  seit  dem  genannten  Jahre  zwei  Provisoren  oder 
Structurare  auch  für  St  Nikolai,  und  zwar  an  erster  Stelle  achtmal  hinter- 
einander den  Batmann  Ludolf  Töbing.  Unter  dem  Druck  des  alsbald  folgenden 
Prälatenkrieges  wird  man  die  Unmöglichkeit  eingesehen  haben,  die  Kirche  in  der 
geplanten  Größe  zu  vollenden. 

Der  Bau  des  Turmes  wurde  am  Veitsabend  (Juni  14)  1460  begonnen, 
im  nächsten  Jahre  bis  zur  Höhe  von  172  Fuß  gebracht,  um  dann  für  mehr  als 
ein  Jahrhundert  stecken  zu  bleiben.  Erst  am  3.  Oktober  1587  war  der  kupfer- 
gedeckte „Seyertom",  im  neuen  Stile  seiner  Entstehungszeit  mit  zwei  Latemen- 
geschossen,  so  weit  vollendet,  daß  Knopf  und  Hahn  aufgesetzt  werden  konnten. 
Am  Tage  vorher  schlug  die  Stundenglocke  zum  ersten  Male.  Die  Baukosten 
wurden  von  den  Kirchswaren  auf  rund  6450  Mk.  berechnet. 

Am  Fuße  des  Turmes  waren  1482  zwei  Kapellen  erbaut,  die  südliche  zu 
Ehren  der  Jungfrau  Maria  durch  den  Ratmann  Johann  vame  Lo,  die  nördliche 
zu  Ehren  Aller  Heiligen,  durch  seinen  Amtsgenossen  Hinrik  von  Erpensen.  An 
Kapellen  werden  sonst  aufgeführt  die  Annenkapelle  an  der  Nordseite  des  Chors 
und  die  Dreifaltigkeits-  oder  Dasselkapelle.  Schutzpatrone  von  Nebenaltären, 
soweit  sie  noch  nicht  erwähnt  sind,  waren  Antonius,  Anna,  Elisabeth,  Martin, 
Peter  und  Paul  (über  der  Allerheiligenkapelle),  endlich  Jodocus,  dessen  Altar 
auch  Braueraltar  hieß,  weil  seine  Erhaltung  den  Älterleuten  der  Jostensgilde 
und  den  Büssenschaffem  der  Brauer  oblag.  Auch  die  Brauerknechtegesellschaft 
war  der  Kirche  mit  einer  Spende  für  Wachslichter  verpfUchtet,  hatte  einen  freien 
Kirchenstand  und  freie  Begrabnisse.  Insgesamt  faßte  die  Kirche  am  Ausgange 
der  katholischen  Zeit  achtzehn  Altäre  mit  fünfzig  Vikarien  oder  Kommenden. 
Gleichwohl  hatte  die  Nikolai-  so  wenig  wie  die  Lambertikirche  damals  Pfarr- 
rechte, wenn  sie  in  den  Urkunden  auch  oftmals  als  ecclesia  bezeichnet  wird. 


*)  Gutachten  von  C.  Schnaase,  1860;   Hs.  des  Stadtarchivs. 


->^     134    8^ 

Am  31.  Mai  1451  verpflichteten  sich  Abt,  Prior  und  Konvent  des  Klosters 
Schamebeck,  eine  in  ihrem  schon  erwähnten  Klosterhofe  befindliche  Kapelle, 
die  dem  Nikolaikirchhofe  benachbart  war,  zumauern  zu  lassen  und  ohne  Er- 
laubnis des  Rates  fernerhin  nicht  mehr  zum  Gottesdienste  zu  benutzen;  hingegen 
wollten  sie  von  der  Anheimgabe  des  Rates  Gebrauch  machen,  aus  ihrem 
stadtischen  Klosterwesen  über  der  Erde  einen  verdeckten  und  verschließbaren 
Gang  in  das  obere  Stockwerk  der  Nikolaikirche  anzulegen,  um  dort  an  einem 
eigenen  Altar,  vermutlich  dem  Peter-  und  Pauls-Altar,  ihre  Andachten  zu  ver- 
richten. Der  Vertrag  bedeutet  nach  seiner  ganzen  Fassung  ein  Zugeständnis 
des  Klosters  aji  den  Rat,  dem  daran  gelegen  war,  die  Konkurrenz  der  Mönchs- 
kapelle zugunsten  des  Gottesdienstes  in  St.  Nikolai  zu  unterbinden.  Für  die 
mehrfach  ausgesprochene  Vermutung,  daß  seit  dieser  Zeit  der  Kapellenherr  zum 
Pfarrer  geworden  sei,  findet  sich  kein  Anhalt,  es  heißt  in  maßgebenden  Urkunden, 
z.  B.  in  einem  Notariatsinstrument  des  Lüneburger  Propstes  von  1477,  nach  wie 
vor  „capella  sancü  Nicolai",  erst  den  veränderten  Bedürfnissen  der  Reformations- 
bewegung ist  die  Erhebung  zur  iPfarrkirche  zuzuschreiben.  „Capella  maior'' 
heißt  die  Kirche  (1470)  nicht  etwa  im  Gegensatze  zur  Nikolai-  oder  van  der 
Molen-Kapelle  in  St  Johannis,  sondern  zur  gleichnamigen  Kapelle,  die  mit  dem 
Siechenhause  zu  Nikolaihof  vor  Bardewik  verbunden  war. 

Von  den  Nikolaikirchgeschworenen  erfahren  wir  1434,  daß  sie  einen 
eigenen  Kirchenstuhl  inne  hatten  und  daß  aus  diesem  allwöchentlich  Almosen 
verteilt  wurden,  Almosen  „de  men  ghifft  to  sunte  Nikolaus  binnen  Luneborg 
van  der  swomen  stolinge".  Die  Zahl  der  Juraten  betrug  zwei,  1474  ausnahms- 
weise drei,  seit  der  Reformationszeit  bis  zur  Einführung  des  Kirchenvorstandes 
im  Jahre  1866  vier.  Über  die  Memorienstiftungen  führten  die  Geschworenen  ein 
„bock  der  ewigen  dechtnisse"  (1474).  Almosen  zu  Ehren  der  Dreifaltigkeit  und 
der  zwölf  Apostel  kamen  an  jedem  Montag  und  Freitag  zur  Verteilung;  sie  wurden 
zuerst  von  einem  Ratmann  und  einem  Bürger  (1475),  später  (1485)  von  zwei 
Ratmannen  verwaltet.  Zum  Almosenfonds  —  ob  zu  diesem,  ob  zum  vorerwähnten, 
oder  zu  den  Schifferalmosen,  muß  dahingestellt  bleiben  —  gehörte  ein  Haus  an 
der  Ilmenau,  als  „domus  beate  virginis"  bezeichnet  (1462).  Von  älteren  Ver- 
mächtnissen, die  an  die  Kirche  fielen,  sei  erwähnt,  daß  einBarbier,  Meister  Jacob, 
in  seinem  Testamente  dem  Gotteshause  zum  Bau  tausend  Steine  verschrieb. 

Die  Nikolaikirche  ist  in  der  Reformationsgeschichte  der  Stadt  dadurch 
bekannt,  daß  in  ihr  zuerst,  am  Sonntage  Invocavit  (6.  März)  1530,  die  Glaubens- 
änderung vollzogen  worden  ist.  Als  der  Rat  das  ungestüme  Drängen  der 
Bürgerschaft  nach  Einführung  der  neuen  Lehre  nicht  mehr  zurückdämmen 
konnte,  gab  er  zunächst  soweit  nach,  daß  in  einer  IQrche,  imd  zwar  „to  sunte 
Nicolause^',  „evangelico  more  de  misse  geholden  und  gecommunicert'^  werden 
durfte.  Magister  Friedrich  Henniges,  der  nachherige  Superintendent  zu  St  Johannis 
predigte  zuerst  das  Evangelium  und  las  deutsch  die  Messe,  während  die  Ge- 
meinde schon  einige  Wochen  vorher  deutsche  Gesänge  angestimmt  hatte,  „nun 
wol  uns  Gott  gnedich  sein"  und  „Gott  der  vater  wohn  uns  bei".  Ein  Jahr  darauf 
wurde  der  Mönchsgang,  der  die  Nikolaikirche  mit  dem  Schamebecker  Hofe 
verband,  abgebrochen. 


-^    135    8^ 

So  spärlich  die  Nachrichten  über  die  Entetehung  der  Kirche  fließen,  so 
gering  ist  auch  die  Ausbeute  der  Akten  für  ihre  Baugeschichte  bis  weit  ins 
19.  Jahrhundert  hinein.  Im  September  1651  hören  wir  von  der  Bewilligung 
einer  Kollekte  zur  Reparation  des  Kirchturms,  dessen  Südwestecke  mit  dem 
anstoßenden  Gewölbe  gefährdet  war,  aber  die  Klagen  der  Juraten  über  schlechte 
Fundamente  und  das  allenthalben  löcherige  Kirchendach  hören  darum  nicht  auf. 
Durchgreifende  Maßregeln  wurden  erst  getroffen,  nachdem  der  Rat  in  einer  be- 
weglichen Kundgebung  von  allen  Kanzeln  herab  die  Mildtätigkeit  der  Stadt- 
gemeinde in  Anspruch  genommen  hatte.  Die  Motive  des  Aufrufs  sind  für  den 
Geist  jenes  Geschlechtes  bezeichnend;  es  heißt  da:  „gleich  wie  nun  aus  allen 
geschichten  erweislich,  wo  man  die  Gottesheuser  nicht  bawen,  bessern  und 
erhalten  wil,  da  machet  Gott  eine  schwindtsucht  unter  den  menschenkindern 
und  allem  ihrigen,  und  ob  sie  wol  viel  an  zeitüchen  und  irdischen  gütern  ver- 
dienen, erringen,  erkargen  und  beysammen  bringen,  . . .  dennoch  solches  alles,  wie 
der  staub  in  der  sonnen  vom  starken  winde  zerstöret  wirt,  vergehen  und  ver- 
wehet werden  mus".  —  Wieviel  bei  der  nachfolgenden  Kollekte  erübrigt  wurde, 
scheint  nicht  überliefert  zu  sein;  aus  der  Ausgaberechnung  von  1672  geht 
hervor,  daß  eine  ansehnliche  Menge  Holz  zum  Turmbau  vom  Zöllner  zu  Bleckede 
angekauft  wurde,  u.  a.  eine  Partie  starke  märkische  Fichtenständer  und  6  Eich- 
bäume  von  30—40  Fuß  Länge,  deren  Anfuhr  bis  auf  die  Winterszeit  verschoben 
werden  mußte;  daß  femer  etwa  13000  Mauersteioe  und  8000  Pfannensteine 
verbraucht  wurden  und  eine  größere  Summe  der  Kupferschmied  erhielt  für 
Wiederherstellung  des  kupfernen  und  bleiernen  Daches  auf  dem  oberen  Kirchen- 
gewölbe. Aus  Hamburg  wurde  ein  Baumeister  verschrieben,  der  mit  seinem 
Sohne  den  Turm  begutachtete  und  außer  den  Reisekosten  10  Taler  bekam  „pro 
discretione,  wegen  der  besichtigung  und  seines  guten  rats^'.  Hoch  auf  dem 
Dach  des  Gewölbes  wurde  ein  Stück  Blei  mit  vergoldeter  Jahreszahl  angebracht. 

Neue  Klagen  der  Juraten  über  den  baufälligen  Zustand  des  Turmes  und 
des  Kirchendaches  waren  schon  1680  laut  geworden,  fanden  aber  erst  1710 
Berücksichtigung,  als  sie  durch  die  Verordneten  der  vier  Stände  unterstützt 
wurden.  Große  Summen  sind  im  ganzen  18.  Jahrhundert  für  die  Erhaltung  der 
Kirche  nicht  verausgabt  Der  Turm  und  einige  Pfeiler  nahmen  eine  so  be- 
denkliche Neigung  nach  Westen,  daß  man  im  Juni  1760  das  Läuten  der  Glocken 
einstellte  und  zwei  Jahrzehnte  später  den  bekannten  Baumeister  Sonnin  zu 
einem  Gutachten  aufforderte.  Sonnin  sprach  sich  beruhigend  aus.  Das  starke 
Überhängen  des  Turmes  lasse  keine  plötzliche  Gefahr  besorgen,  denn  es  sei  in 
der  Hauptsache  eine  an  der  Westseite  als  Stütze  vorgezogene  Mauer,  die  sich 
von  dem  Bruchsteinmauerwerk  des  Turmes,  das  noch  recht  gut  erhalten  sei, 
losgelöst  habe  und  nun  so  fürchterlich  in  die  Augen  falle;  notwendig  sei  nur 
eine  sorgsame  Aufsicht,  ob  die  Borsten  und  Risse  in  den  Kapellen  imd  am 
Mauerwerk  sich  vergrößern  würden,  sowie  die  Einsetzung  neuer  Fenster  in 
neuen  Pfeilern  auf  gerader  Brüstung,  um  die  Krümmungen  eines  großen  Turm- 
fensters zu  beseitigen. 

Bemerkenswert  ist  es,  daß  die  Anlage  eines  Blitzableiters  im  Juli  1775 
am  Widerstände   der  Kirchgeschworenen   scheiterte.     „An  Orten,   wo   schwere 


-^     136    8^ 

und  gefährliche  Donnerwetter  gespürt  würden,  möchte  es  eine  sehr  gemeinnützige 
und  notwendige  Sache  sein,  wenn  man  die  elektrische  Materie  und  den  Blitz 
ableiten  könne,  aber  in  Lüneburg  verspüre  man  wegen  der  Fläche  des  Bodens 
umher  keine  starken  Gewitter,  man  habe  auch  an  der  feuchten  salpeterreichen 
Luft  einen  natürlichen  Gewitterabieiter,  so  daß  man  gegen  den  Schaden  der 
Donnerwetter  ziemlich  gesichert  sei;  auch  sei  ein  Gewitterabieiter  teuer  und 
dadurch  gefährlich,  daß  bei  einer  kaum  vermeidUchen  geringsten  Berührung  der 
Stange  die  elektrische  Materie]  herausfahre;  wenn  die  Maschine  innerhalb  der 
Stadt  angebracht  werden  sollte,  so  würden  die  Eigentümer  oder  Bewohner  der 
benachbarten  Häuser  in  großer  Furcht  stehen  imd  nicht  ohne  Grund  wider  die 
Anlegung  protestieren."  Das  Verhängnis  wollte,  daß  ein  Blitz  im  Jahre  1811 
die  Turmspitze  in  Brand  steckte  und  bis  in  das  neue  Orgelwerk  zerstörend 
hemiederfuhr. 

Über  die  wechselvolle  Baugeschichte  der  Kirche  im  19.  Jahrhimdert  sind 
wir  besser  unterrichtet.  Die  vier  ersten  Dezennien  geben  kein  erfreuliches  Bild. 
Der  vom  Sturm  arg  mitgenommene  schmucke  Dachreiter  wurde  1801  herunter- 
genommen. Im  folgenden  Jahre  stellten  die  Juraten  den  Antrag,  einen  vor  dem 
Altare  stehenden  siebenarmigen  Bronzeleuchter  im  Gewicht  von  409  Pfund, 
nach  Volger  mit  der  Jahreszahl  1400  und  einem  lateinischen  Bittspruch,  für 
den  Metallwert  zu  verkaufen,  und  da  die  Böterschiffer,  welche  drei  Lichter,  und 
der  Abts-  und  der  Lüner  Müller,  die  gemeinsam  ein  Licht  auf  dem  Leuchter 
unterhalten  mußten,  mit  dem  Verkauf  einverstanden  waren,  fand  auch  der 
Magistrat  nichts  dabei  zu  erinnern.  Als  im  Jahre  1815  die  Stelle  eines  Predigers 
eingezogen  wurde,*)  verkaufte  man,  um  einen  Vorschuß  zu  decken,  den  einer 
der  Juraten  geleistet  hatte,  die  „entbehrlichen"  Geräte  des  Kirchenschatzes, 
nämlich  folgende  Gegenstände  aus  Silber:  1)  einen  Kelch  mit  der  Zahl  1578, 
dem  Witzendorffschen  Wappen  und  dem  Namen  der  vier  Kirchgeschworenen 
Johann  v.  d.  Heide,  Daniel  Otte,  Hans  Hoppenstedt  und  Gasten  Wessel 
2)  eine  große  Kanne,  bezeichnet  1704  mit  der  Inschrift  „H.  Hartwig  d.  Dassel, 
H.  Christian  Timmermann  sen.,  assessores,  Joachim  Schröder,  Leonhard  Warmers, 
Johann  Dieterich  Meyer,  adm.  jurat.  1704";  3)  drei  unbezeichnete  Hostiendosen; 
4)  eine  kleine  Flasche,  die  von  den  Erben  des  Predigers  Hieronymus  Kolteman 
zur  Kommunion  für  Kranke  geschenkt  war;  5)  eine  Dose  unbekannter  Bestimmung. 

Für  die  Festigung  des  Turmes  mußte  man  um  1817  abermals  zu  einer 
Sammlung  seine  Zuflucht  nehmen,  ohne  daß  ein  dauernder  Erfolg  damit  erzielt 
wäre,  und  das  anhaltende  Trauergeläute  nach  dem  Ableben  der  Königin 
Charlotte  (1818),  König  Georg  ffl.  (1820)  und  Georg  IV.  (1830)  trug  daau  bei, 
die  Gefa.hr  eines  Einsturzes  näher  \md  naher  zu  rücken.  An  große  Aufwendungen 
für  eine  gründliche  Abhülfe  war  bei  dem  öffentlichen  und  privaten  Unvermögen 
nicht  zu  denken  —  so  erklärt  sich  der  Entschluß,  den  Turm  abzubrechen.  Die 
Ausführung  geschah  ohne  Verzug.    Im  November  1830  wurden  Turmhahn  und 


*)  Seit  der  Keformation  hatte  die  Kirche  drei  Prediger,  seit  1789  einen  Hanptprediger 
und  einen  Diakonus;  die  Stelle  eines  zweiten  Geistlichen  ist  erst  seit  dem  1.  April  190S 
wieder  besetzt. 


-^    137    8^ 

Kirchenvermögen  das  allzii  knappe  Bargeld  bringen  sollten.  Nachdem  die  alten 
kupfernen  Dachplatten  veräußert  waren,  schritt  man  zu  einem  Verkaufstermin 
Knopf  und  die  vier  kleineren  Glocken  heruntergelassen,  im  Januar  1831  die 
drei  großen  Glocken,  und  alsbald  begannen  die  Versteigerungen,  die  dem 
für  die  Kirchenglocken.  Stadtbaumeister  Spetzler  hatte  sich  gegen  den  Verkauf 
ausgesprochen  und  angeregt,  faUs  man  denn  durchaus  verkaufen  müsse,  eine 
Kommune  als  Käuferin  zu  suchen,  welche  die  Glocken  im  Gebrauch  behalten 
werde.  Vergebens.  Die  Sonntagsglocke  von  1516,  die  Bet-  oder  Sturmglocke 
von  1518,  beides  Meisterwerke  Hinriks  van  Kampen,  die  Große  Glocke,  vom 
Lüneburger  Glockengießer  Paul  Voß  gegossen  (1634),  wurden  gegen  ein  Höchst- 
gebot von  4  Ggr.  und  einigen  Pfennigen  für  das  Pfund  Aren  Jacobi  aus 
Hannover  und  dem  Lüneburger  Schutzjuden  Simon  Heinemann  zugesprochen 
imd  in  Stücke  zerschlagen.  Am  2.  Juli  1833  folgte  der  Verkauf  der  großen 
Stundenglocke  aus  der  Kuppel  des  Turmes;  sie  war  ein  Werk  des  Holländers 
Dieric  Rose  und  trug  die  Inschrift:  „+  ioncvrouwe  •  iehenne  •  de  •  cunighem  + 
maertin  •  es  •  minen  •  name  •  dieric  •  roose  •  maecte  •  mi  •  int  •  iaer  •  m  •  v^  •  en  •  viere." 
Diese  Glocke  wurde  nicht  zertrümmert,  sondern  nach  St.  Dionys  im  Landkreise 
Lüneburg  überführt  Der  Vernichtung  preisgegeben  wurde  femer  die  sog.  Neben- 
oder Bimmelglocke,  zwar  nachdem  sie  gegen  die  Franziskusschelle  aus  St.  Marien 
eingetauscht  worden  war.*)  Die  Abräumungsarbeiten  am  Turme  dauerten  bis 
in  den  Sommer  1832,  dann  wurden  sie  eingestellt,  um  dem  Kirchengebäude 
seine  westUche  Stütze  nicht  ganz  zu  entziehen,  zeigte  sichs  doch  gar  bald, 
daß  nunmehr  das  hohe  Mittelschiff  zu  wanken  begann  und  die  ganze  Kirche 
in  ein  so  hoffnungsloses  Stadium  des  Verfalls  geriet,  daß  ihre  völUge  Beseitigung 
unabwendbar  erschien. 

Kein  Wunder,  daß  die  Ratsassessoren  von  St.  Nikolai,  an  der  Spitze 
Dr.  Th.  Meyer,  im  Frühling  1840  die  „Modesucht,  Antiquitäten  einen  besonderen 
Wert  beizulegen",  benutzten,  um  das  Holzschnitzwerk  des  alten  Hochaltars  zu 
Gelde  zu  machen.  Soweit  die  Schnitzereien  nicht  vom  ünterküster  im  Laufe 
der  Jahre  als  Brennholz  verwandt  waren,  lagen  sie  z.  T.  auf  einem  Boden  hinter 
dem  Singchor,  z.  T.  in  einer  kleinen  Kapelle  hinter  dem  Altare  als  Gerumpel 
herum;  von  28  geschnitzten  Szenen  aus  dem  Leben  Christi  waren  angeblich  noch 
zehn,  von  acht  Propheten  noch  sieben  vorhanden.  Als  Reflektant  trat  ein 
Antiquitätenhändler  Martens  aus  Altena  auf,  der  bereits  „eine  große  Menge  z.  T. 
wertlos  scheinender  Gegenstände  für  schweres  Geld"  in  Lüneburg  zusammen- 
gekauft hatte  und  durch  einen  der  Juraten  auf  das  bezeichnete  Holzwerk  auf- 
merksam gemacht  war.**) 

Die  Rettung  der  Kirche  in  ihrer  überUeferten  Gestalt  ist  das  Verdienst 
des  St  Nikolaikirchenbauvereins  und  eins  der  ehrenreichsten  Blätter  in  der  Bau- 
geschichte Lüneburgs.  Es  war  im  Februar  und  März  1843,  als  der  Oberküster 
zu  St  Nikolai,    E.  Klingemann,   angeregt  durch  das  Beispiel   des   Hamburger 

*)  Vergl.  Wrede  angegebenen  Orts.  Die  „Schelle"  von  1597  (ib.  Nr.  19)  hieß  ehemals  die 
„Schoßglocke'',  die  Nikolausglocke  (Nr.  22)  ist  mit  der  Sonntagsglocke  identisch,  die  Moritz- 
glocke (Nr.  23)  mit  der  Bet-  oder  Sturmglocke. 

*•)  Vergl.  jedoch  unten  S.  141. 

18 


-<-8     138    g-ä- 

Schillingsvereins,  mit  einem  begeisternden  Aufruf  hervortrat,  in  welchem  er  die 
Bewohner  Lüneburgs  zur  Gründung  eines  Vereins  für  die  Restauration  der 
St  Nikolaikirche  und  die  Herstellung  ihres  Turmes  aufforderte.  Nach  den  bei- 
gefügten Satzimgen  sollten  die  zur  Förderung  und  Erreichung  des  Zweckes  not- 
wendigen Mittel  beigebracht  werden  a.  durch  eine  Sammlung  einmaliger  größerer 
Beiträge,  b.  durch  eine  wöchentliche  Beisteuer  von  vier  oder  acht  Pfennigen 
für  jedes  VereinsmitgUed,  c.  durch  öffentliche  Bitten  um  milde  Gaben.  Gleich 
in  den  ersten  Monaten  ^'traten  mehr  als  2000  Lüneburger  dem  Verein  bei,  der 
durch  einen  Ausschuß,  zunächst  gebildet  aus  den  Herren,  welche  die  Original- 
ausfertigung der  Satzungen  unterschrieben  hatten,  sowie  durch  einen  aus  elf 
Mitgliedern  zusammengesetzten  Vorstand  vertreten  wurde.  Bürgermeister  und  Rat 
machten  es  sich  zur  Aufgabe,  Bedenken  zu  zerstreuen,  welche  die  Regierung  dem 
Wollen  und  Können  des  Vereins  vorerst  entgegenbrachte.  „Die  Erfahrung  aller 
Zeiten  habe  es  gelehrt'^  so  heißt  es  in  einem  Schreiben  des  Magistrats  an  die 
Königliche  Landdrostei  vom  Februar  1844,  „daß  wo  etwas  Außerordentliches 
erreicht  werden  solle,  auf  eine  sonst  pflichtmäßige,  ängstliche  Sicherheit  bei 
Berechnung  der  Mittel  verzichtet  werden  müsse,  daß  vielmehr  ein  kühnes  Ver- 
trauen dabei  vor  allem  nötig  sei",  ein  hoher  Standpunkt,  der  zeitweise  einem 
gewissen  Kleinmut  wich,  durch  die  zähe  Ausdauer  der  Führer  des  Vereins,  eines 
Superintendenten  Hölty,  eines  W.  F.  Volger,  jedoch  glänzend  gerechtfertigt  worden 
ist.  Eine  große  Ermutigung  bedeutete  es,  als  die  zahlreichen  Fürstlichkeiten, 
die  im  Herbst  1843  zur  Teilnahme  an  den  Manövern  des  zehnten  Bundeskorps 
in  Lüneburg  versammelt  waren,  den  jungen  Verein  durch  namhafte  Beiträge 
unterstützten,  und  von  Mund  zu  Mund  ging  ein  Wort  des  kunstsinnigen  Königs 
von  Preußen,  Friedrich  Wilhelm  IV.,  der  mit  der  größten  Gabe  eintrat:  „Lüne- 
burger, diese  Kirche  dürft  ihr  nicht  sinken  lassen^^  Später,  als  die  Baukosten 
drohten,  die  Grenzen  des  Leistungsmöglichen  zu  überschreiten,  hat  der  König 
von  Hannover  den  Verein  mit  bedeutenden  Zuschüssen  wiederholt  aus  schwieriger 
Lage  befreit  In  allen  Kirchen  Lüneburgs  fand  lange  Zeit  hindurch  am  zweiten 
Pfingsttage  eine  Beckenkollekte  zum  Besten  der  Vereinskasse  statt. 

Die  Herstellung  des  Gotteshauses  erfolgte  nach  einem  gewissenhaft  aus- 
gearbeiteten Plane  des  Stadtbaumeisters  Holste  in  einzelnen  Abschnitten,  je  nach 
den  vorhandenen  Mitteln.  In  den  ersten  sieben  Baujahren,  von  1845 — 53  (1848 
wurde  nicht  gebaut)  wurden  die  unteren  Ringmauern,  22  äußere  Strebepfeiler, 
28  Fenster  und  vier  Türen  erneuert,  für  eine  Gesamtsmnme  von  12232  Th. 
7  Ggr.  4^2  ^.  Damit  war  der  erste  Teil  des  Restaurierungsplans  erfüllt  Nun 
setzte  eine  kritische  Periode  ein.  Ehe  die  schwierige  Frage  entschieden  war, 
wie  man  die  Arbeiten  am  zweckmäßigsten  fortzusetzen  habe,  geriet  ein  Teil  der 
hohen  Mittelgewölbe  in  solchen  Zustand,  daß  ihr  Zusammenbruch  drohte  und 
die  Kirche  im  Oktober  1856  für  gottesdienstliche  Handlimgen  geschlossen  werden 
mußte.  Jetzt  war  es  die  Landdrostei,  die  den  Kirchenbauverein  gegen  den 
Magistrat  in  Schutz  nahm,  da  dieser  große  Geneigtheit  zeigte,  die  Herstellungs- 
arbeiten ganz  fallen  zu  lassen  und  lieber  eine  neue  Kirche  aufzuführen.  Baurat  Hase, 
Bauinspektor  Debo  in  Hannover  und  Stadtbaumeister  Maske  in  Lüneburg  erhielten 
Auftrag,   sich  über  das  Für  und  Wider  eingehend  zu  äußern.    Eine  soi^ältige 


-^    139    8-^ 

Untersuchung  der  Grundmauern,  die  bei  dieser  Gelegenheit  vorgenommen  wurde, 
ergab,  daß  die  Fundamentierung  der  beiden  westlichen  Innenpfeiler  außerordentlich 
mangelhaft  war,  beide  ruhten  auf  Schutt  und  reichten  nur  bis  auf  2'  9"  unter  den 
Fußboden  der  Kirche;  im  Gegensatz  dazu  —  ein  interessanter  Beleg  für  die 
oben  angedeutete  Entstehungsgeschichte  des  Baues  —  erwiesen  die  Fimdamente 
des  ganzen  östlichen  Teils  der  Kirche  eine  gewissenhafte  und  gute  Ausführung. 

Infolge  der  Verhandlungen  des  Vereins  mit  den  einzelnen  Behörden  und 
dieser  untereinander  sowie  der  wiederholten  Berufimg  von  Sachverstandigen 
blieb  die  Restaurierungsfrage  mehrere  Jahre  in  der  Schwebe.*)  Als  die  Kirche  am 
1.  Juni  1860  bis  auf  weiteres  abermals  geschlossen  war,  ging  begreiflicherweise 
auch  das  Interesse  für  den  Kirchenbauverein  merklich  zurück,  und  die  Samm- 
lungen mußten  ganz  eingestellt  werden.  Eine  neue  Epoche  der  Tat  begann  erst^ 
als  der  Magistrat  sich  endgültig  dazu  entschloß,  die  Restaurierung  der  Kirche, 
die  von  berufener  Seite  als  das  herrUchste  Baudenkmal  der  Stadt  bezeichnet 
war,  durchzuführen  und  im  Herbst  1864  einen  Vertrag  mit  Hase  abschloß, 
wonach  diesem  die  Bauleitung  übertragen  wurde.  Es  war  das  beste  Zeugnis 
für  die  Wiedererstarkung  Lüneburgs,  daß  die  Stadtverwaltung  die  Deckung  der 
beträchtlichen  Kosten  zwar  unter  Heranziehung  des  Vermögens  der  drei  Hospitäler 
und  der  Lambertikirche,  aber  ohne  irgend  eine  staatUche  Unterstützung  nun- 
mehr selber  in  die  Hand  nahm.  Und  sogleich  trat  auch  der  Kirchenbauverein 
mit  seinen  Sammlungen  wieder  in  Aktion,  brachte  erhebliche  Gelder  für  die 
innere  Ausschmückimg  des  Gotteshauses  auf  imd  überwies  seine  Ersparnisse 
einem  Fonds  für  die  Erbauung  eines  würdigen  Kirchturmes. 

Schon  ehe  nämlich  die  Wiederherstellung  der  Kirche  allen  Gefahren  und 
Hemmnissen  zum  Trotz  glückUch  vollendet  war,  regte  sich  in  weiten  Kreisen  der 
Lüneburger  Einwohnerschaft  der  lebhafte  Wunsch,  statt  des  zunächst  vor- 
gesehenen schmalen  Turms  mit  Dachreiter  das  Restaurierungswerk  mit  einem 
würdigeren,  den  imposanten  Verhältnissen  des  Gotteshauses  entsprechenden 
Kirchturm  zu  krönen.  Ein  zweites  Projekt  Hases,  später  durch  den  Stadt- 
baumeister Kampf  in  seine  endgültige  Form  gebracht,  wurde  zur  Ausführung 
angenommen,  und  auch  dieses  große  Unternehmen,  das  einen  neuen  Kosten- 
aufwand von  annähernd  100000  Mark  verursachte,  ist  dank  der  Opferfreudig- 
keit und  zähen  Ausdauer  aller  BeteiUgten  zum  Ende  geführt.  Mehr  als  ein 
Vierteljahrhundert  lag  freiUch  zwischen  der  Einweihung  der  hergestellten  Kirche, 
am  1.  Ostertage  1869,  und  dem  kirchhchen  Weiheakt  zur  Vollendung  des  Turmes, 
am  6.  Oktober  1895.  Vom  alten  Turm  konnte  nur  das  vorzüglich  ausgeführte 
Fundament  imd  ein  Wandstück  an  der  Südseite  in  Höhe  eines  Geschosses 
stehen  bleiben. 

In  der  traurigen  Zeit,  als  St.  Nikolai  zur  Ruine  entstellt  war,  ist  von 
den  Kunstaltertümem  der  Kirche  viel  zugrunde  gegangen.  Voran  die  bemalten 
Fenster,  deren  einige,   mit  den  Wappen   der  Krämer,  Vollhaken,  Eichenschiffer, 


*)  U.  a.  sprach  sich  das  geistliche  Ministerium  der  Stadt  für  eine  Wiederherstellung 
aus,  das  Kollegium  der  Bürgervorsteher  nannte  sie  unzweckmäßig  und  lehnte  jede  Mit- 
verantwortung ab. 

18* 


Pig.  «1.   Nlkolalkln:ha;6niiidTiA. 


-^    141     8^ 

Boterschiffer  und  Salztonnenböttcher,  im  Jahre  1782  eine  Erneuerung  erfahren 
hatten;  zwei  Glasgemäl^e  mit  Christi  Geburt  und  Auferstehung  waren  ein 
Geschenk  der  Brauergilde  von  1578,  die  jungen  Kaufleute  hatten  1580  ein  von 
Hans  Gronouw  gearbeitetes  Fenster  für  den  Chor  verehrt,  und  aus  demselben 
Jahrhimdert  stammte  ein,  Wappenfenster  des  Abtes  Eberhard  von  St  Michaelis. 
Ein  Fenster  der  Schiffer  von  1581  ist  schon  im  anderen  Zusammenhange  erwähnt. 
Auch  des  alten  Altarschreins  vom  Hauptaltar  ist  oben  kurz  gedacht  Er  bestand 
nach  Gebhardi,  dessen  Beschreibung  von  Mithoff  zitiert  wird,  aus  einem  Mittel- 
stück mit  28  geschnitzten  Darstellungen  aus  dem  Leben  Jesu,  die  sich  um  ein 
Kruzifix,  da^s  Lamm  Gottes  und  einen  segnenden  Heiland  gruppierten;  auch  die 
Innenflügel  enthielten  holzgeschnitzte  Gruppen;  die  Außenflügel  waren  in 
Temperafarben  kunstvoll  bemalt,  an  der  Innenseite  mit  je  acht  Bildern  zum 
Leben  der  Hl.  Andreas  und  Laurentius,  an  der  Außenseite  mit  dem  Opfer 
Melchisedechs  und  der  ältesten  Ansicht  von  Lüneburg,  bzw.  der  Anbetung  durch 
die  drei  Könige;  an  der  Predella  sah  man  die  Propheten  angebracht,  die  vom 
Heiland  geweissagt  haben.  Was  von  dem  Altarschrein  erhalten  ist,  und  das  ist 
mehr,  als  man  nach  jenem  Beschlüsse  der  Ratassessoren  von  1840  vermuten 
sollte,  befindet  sich  bis  auf  die  beiden  großen  Temperagemälde,  die  in  den 
Besitz  des  Lüneburger  Museums  gelangt  sind,  zurzeit  an  der  Außenwand  der 
Chorschranke.  Volger  weiß  zu  berichten,  daß  die  goldene  Bilderwelt  des 
Schreins  den  Kirchgeschworenen  anstößig  geworden  war  und  deshalb  hinter 
einer  mit  zwei  antiken  Urnen  bemalten  Leinwand  verschwinden  mußte;  als 
man  die  Leinwand  wieder  entfernte,  war  eine  Anzahl  der  Figuren  gestohlen, 
die  z.  Tl.  wieder  erneuert  wurden.  Die  äußeren  Klappen  des  Schreins  dienten 
nach  derselben  Quelle  noch  i.  J.  1857,  mit  grauem  Olfarbenanstrich  versehen, 
als  Wandbekleidung  des  Chors. 

Von  den  18  Nebenaltären  der  Kirche  ist  keiner  mehr  vorhanden.  Eine 
i.  J.  1576  für  die  Patrizier  eingerichtete  Prieche  mit  18  gemalten  Brüstungs- 
füllungen beschreibt  Mithoff,  andere  verlorene  Kunstwerke  werden  von  Volger, 
auf  den  hier  verwiesen  sei,  kurz  aufgeführt. 

Die  älteste  Kanzel  der  Kirche,  von  der  wir  Kunde  haben,  war  mit  den 
Bildern  der  Reformatoren  und  namhafter  Theologen  geschmückt  und  entstammte 
dem  Jahre  1576;  sie  wurde  1643  erneuert.  Die  neue  Kanzel  war  größtenteils 
aus  Lindenholz  gearbeitet  und  durch  Wurmfraß  schließlich  so  beschädigt,  daß 
sie  bei  der  Restaurierung  der  Kirche  nicht  wieder  zur  Verwendung  gelangen 
konnte;  sie  wanderte  daher  als  ein  Geschenk  des  Magistrats  in  das  Weifen- 
museum nsich  Hannover. 

Die  Dope,  ein  Werk  des  Glockengießers  Meister  Ulricus  aus  der  ersten 
Hälfte  des  14.  Jahrhunderts*),  wurde  der  Kirche  i.  J.  1656  von  einem  Bürger 
des  Namens  Nicolaus  Timmermann  \md  Frau  Anna  Knovels  zum  Geschenk 
gemacht  Die  Wahrscheinlichkeit  kommt  der  Gewißheit  nahe,  daß  das  Tauf- 
gefäß von  der  Cyriakskirche  erworben  wurde,  als  diese  1639  (1651)  dem  Abbruch 
verfiel.  Der  ehemalige  Deckel,  „ein  achtseitiger  durchbrochener  Tempel  mit 
vielem  Bildwerke",  soll  1729  durch  einen  Blitz  zerschmettert  sein. 
*)   Vergl.  Wrede,  1.  c.  S.  48. 


L 


-^    142    8^ 

Else  Visculen  schenkte  dem  Gotteshause  1492  eine  Orgel.  Eine  von 
Andreas  Smedeken  gefertigte  kleine  Orgel  stand  von  1503 — 1715  im  nördlichen 
Seitenschiffe,  neben  dem  Sängerchor.  Eine  große  Orgel  wurde  von  einem 
Hamburger  Meister  1594  gebaut  und  1678  erneuert.  In  den  Jahren  1783/85 
wurden  abermals  4450  Taler  für  die  Beschaffung  einer  neuen  Orgel  aus- 
gegeben; die  Summe  war  zur  Hälfte  durch  Sammlungen  aufgebracht  und 
fiel  an  den  Orgelbauer  fleorg  Stein,  den  Bildhauer  Brillo  und  den  Bau- 
meister Sonnin. 

Sehr  erheblich  muß  auch  zu  St.  Nikolai  die  Zahl  alter  Leichensteine 
und  Grabdenkmäler  gewesen  sein,  zeigte  es  sich  doch  bei  der  Beseitigung  der 
Kirchengräber  in  den  60  er  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts,  daß  die  Särge  unter 
dem  Fußboden  des  Gotteshauses  in  zwei  und  drei  Schichten  übereinander  standen. 
Zu  den  entschwundenen  Denkmälern  gehört  u.  a.  der  Grabstein  des  durch  seine 
Geschichts-  und  Altertumsforschungen  hochverdienten,  1746  gestorbenen  Stadt- 
sekretärs Johann  Heinrich  Büttner;  seine  Grabinschrift  besagte,  daß  der 
Entschlafene  an  Gelehrsamkeit,  Forschungsdrang  und  lauterem  Sinn  einzig 
gewesen  sei. 

Beschreibung.  Die  jüngste  Kirche  Lüneburgs  zeigt  eine  von  den  beiden  anderen  Kirchen 

ganz  abweichende  Form.  Sie  ist  eine  fünf  schiff  ige  Basilika.  (Fig.  41)  mit  im 
halben  Sechseck  geschlossenen  Chor,  Chorumgang,  KapeUenkranz  und  Krypta 
unter  dem  Chor.  Das  Material  ist  Backstein  wie  bei  den  anderen  Gotteshäusern. 
Im  Äußern  ist  die  Kirche  fast  vollkommen  neu,  nur  wenige  alte  Backstein- 
flächen sind  noch  vorhanden,  und  auch  im  Innern  sind  die  Pfeiler  und  viele 
andere  Teile  bei  der  Wiederherstellung  durch  C.  W.  Hase  1864 — 1869  neu  auf- 
gebaut; die  Mauern  waren  durch  schlechte  Fundierung  ins  Wanken  geraten 
und  die  alten  Wände  im  Innern  zeigen  noch  ihre  außerordentliche  Schieflage. 
Durch  die  Freilegung  der  Strebebögen  über  dem  Dach  der  Seitenschiffe  —  früher 
lagen  sie  unkonstruktiv  unter  diesem  Dache  —  wurden  die  Ansichten  der 
Kirche  wesentlich  verändert,  und  der  frühere  ganz  schlichte  Bau  erhielt  das 
jetzige  reiche  Aussehen  einer  Kathedral-Kirche.  Hinzu  kommt  die  Neuherstellung 
des  Turmes,  der  außer  den  Glocken  nichts  Altes  enthält.  Eine  frühere  Ansicht 
der  Turmfront  bildet  Mithoff  nach  Gebhardi  ab.  Der  Turm  endigte  damals  in 
einer  wälschen  Haube  von  wenig  schöner  Form.  Eine  Zeichnung  der  alten 
Turmfront  besitzt  auch  das  Lüneburger  Museum. 
Chor.  Der    Chorbau    umfaßt    den    eigentiichen    Chor,    bestehend    aus   einem 

schmalen  Gewölbejoch  und  dem  halben  Sechseckschluß,  und  den  Umgang  in 
der  Fortsetzung  der  inneren  Seitenschiffe  mit  dem  Kapellenkranz.  Der  Chor  ist 
entsprechend  dem  basilikalen  Mittelschiff  hoch  herausgezogen  und  wird  von 
reich  geteilten  Sterngewölben  überdeckt,  deren  Last  die  außen  sichtbaren 
Strebebögen  auf  die  Strebepfeiler  zwischen  den  Kapellen  übertragen.  Vom 
Umgang  wird  er  durch  achtseitige  Pfeiler  getrennt,  deren  Flächen  konkav 
gebildet  sind  (Fig.  42),  die  Ecken  werden  durch  ein  dreifaches  Rundstabbündel 
verstärkt.  Das  innere  Rundstabbündel  ist  als  Gewölbedienst  hochgeführt,  die 
übrigen  endigen  unter  dem  bandförmigen  Kapitell  aus  Gips,  auf  dem  die  reich 


->^     143    8^ 

profilierten  Gurtbogen  aufsetzen.  Über  den  Gurtbögen  zieht  sich  ein  Maßwerk- 
fries aus  Gips  herum,  darüber  treten  die  Fenstermauem  stark  zurück  und  bilden 
so  einen  Gang,  den  sogenannten  Mönchsgang,  vgl.  Fig.  43  und  44.  Die  Pfeiler 
für  die  Gewölbe  sind  in  Höhe  dieses  Ganges  durchbrochen.  Die  Fenster  sind 
spitzbogig  geschlossen  und  haben  zwei  Pfosten,  die  ebenfalls  spitzbogig 
zusammengezogen    sind.     Die    Gewölbe    des    Umganges    sind    mit    denen   der 


/> 


Flg.  42.    Nikolaikirctae;  Pfeilergrandrifi. 


Kapellen  zu  Stemgewölben  zusammengezogen.  Die  letzte  Kapelle  auf  jeder 
Seite  des  Chorbaues,  gegen  das  Schiff  hin,  ist  flacher  gebildet.  Hinter  ihr 
Hegt  ein  kleiner  zweigeschossiger  Raum,  der  unten  als  Eingang  dient, 
oben  zu  den  Emporen  der  äußeren  Seitenschiffe  gezogen  und  mit  einem 
besonderen  Kreuzgewölbe  überdeckt  ist.  Gegen  die  flachen  Kapellen 
öffnen  sich  diese  Emporen  durch  Spitzbögen,  so  den  Blick  auf  den 
Chor    freilassend.      In    den    Außenpfeilern    zwischen    Chorhaupt    und    Schiff 


-t-S  144  ab- 
liegt >uf  jeder  Seite  eine  Wendeltreppe,  die  den  Zugang  zu  den  Elmporen  und 
dem  Dachboden  bildet.  Unter  dem  Kaffgesims  der  Kapellenfenster  werden  die 
Außenwände  durch  eine  zweite  Fensterreihe  mit  Pfostenteilung  durchbrochen, 
in  den  übrigen  Wänden  liegen  Nischen,  zwischen  diesen  und  dem  Katfgeeims 
zieht  sich  an   allen  Wänden  ein  neun   Schichten  hoher  gotisch   gezeichneter 


Fig.  43.    HikoUlklrehe;  QDerBchnltt 


Plattenfries  aus  gebranntem  Ton  hin.  Er  besteht  in  der  Höhe  aus  drei  Teilen, 
einem  schmalen  oberen  und  unteren  Fries  aus  sich  überschlagenden  Blättern, 
und  einem  mittleren  hohen  Blattfries. 

Der  eigenüiche  Chor  ist  um   fünf  Stufen  über  das  Schiff  erhöht,  der 
Umgang  und  die  Kapellen  liegen  in  Schiffhöbe.   Im  nördlichen  Teil  des  Umganges 


NIKOLAIKIRCHE;    BLICK  INS  MITTELSCHIFF. 


-t^  146  ge- 
führt eine  Treppe  von  11  Stufen  durch  eine  Tür  mit  fallendem  profiliertem 
Sturz  (Fig.  46)  zu  der  unter  dem  Chor  liegenden  Krypta  (Fig.  45).  Sie  ist  im 
Grundriß  sechseckig  mit  drei  tiefen  Nischen  in  den  westlichen  drei  Seiten.  Ihr 
Licht  erhält  sie  dm^h  drei  niedrige  Stichbogenfeuster  vom  Ghorumgang  aus. 
hl  der  Mitte  steht  eine  runde  Backsteinsäule  mit  Fuß  und  Kapitell  aus  Gips. 


H"!  I  I  I  I  M  I  I  I  i- 


riK.  U.    HlkoUlUrehe;  KrypU, 

Von  diesem  Pfeiler  gehen  nach  den  Ecken  der  Krj-pta  Gurtrippen,  zwischen 
denen  dreigeteilte  Kappen  mit  Bimstabrippen  und  Schlußsteinen  liegen.  Die 
Gurtrippen  werden  in  den  Ecken  von  einfachen  Konsolen  aus  Gips  unterstützt. 
Die  Ecken  der  Pfeiler  an  Fenstern  und  Nischen  sind  mit  Rundstäben  eingefaßt. 

In  diesem  Raum  steht  der  Sai^  des  Syndikus  Kraut  mit  reichem  Metall- 
beschlag von  1771.    Die  Krypta  soU  mumifizierende  Eigenschaften  haben. 

Der  fünfschiffige  Bau  ist  durch  vier   Gewöibejoche  geteilt    Das  hoch-  Schiff. 
gezogene  Mittelschiff  wird  durch  achtseitige  Pfeiler  mit  konkaven  Flächen  und 
Rundfltabbüadeln  auf  den  Ecken  von  den  niedr^en  Seitenschiffen  getrennt.    Die 


-*-i     146     8-^ 

Gurtbögen  über  den  Bandkapitellen  der  Pfeiler  sind  reich  profiliert,  darüber  li^t 
wieder  der  Gipsfries  und  dann  der  Möncbsgang  mit  zurücktreteaden  Fenster- 
wändea  der  Obermauem.  Die  Widerlagspfeiler  der  Gewölbe,  mit  dem  hoch- 
gezogenen  Riindstabbündel  als  Dienst,  sind  in  Höhe  des  Mönchsganges  durch- 
brochen, so  daß  der  letztere  um  das  ganze  Mittelschiff  läuft  und  in  den  Turm- 
mauem  verschwindet  Oberdeckt  wird  das  Mittelschiff  von  reichen  Stersgewölben 
(Pig.  44)  mit  Bimstabrippen.    Die  Fenster  sind  durch  zwei  Pfosten  dreigeteilt. 


fwiif    I — I — I — 1— ^H — \ — \ — 1~+- 


b. 


h 


Flg.  4S.   Nlkoltlklrche;  ElDgaog  lur  Krypta. 

mit  spitzbogigem  Abschluß.    Die  Dreiteilung  der  Fenster  geht  nischenföimig  bis 
zum  Boden  des  Mönchsganges  herunter. 

Die  inneren  Seitenschiffe  werden  von  den  äußeren  getrennt  durch  recht- 
eckige Pfeiler  mit  starken  einfach  profiÜerten  Gurtbögen.  Gegen  das  innere 
Seitenschiff  sind  Gewölbedienste  angeordnet,  im  äul^ren  Seitenschiffe  sind 
Quergurte  in  der  ganzen  Breite  der  Pfeiler  durchgeführt  Das  innere  Seitenschiff 
ist  mit  einfacheren  Stemgewölben  überdeckt,  das  äußere  hat  Kreuz- 
gewölbe. Letzteres  ist  durch  eine  massive  Empore  in  zwei  Geschosse  geteilt. 
Die  Emporen  sind  unterwölbt  mit  Kreuzgewölben  und  öffnen  sieb  gegen  das 
innere  Seitenschiff  mit  großen  profilierten  Spitzbögen.  Auch  unter  den  Emporen 


-^    147    g«- 

liegen  die  breiten  Quergurte.  Die  Brüstung  besteht  aus  Holz  und  ist  neu.  In 
Höhe  dieser  Brüstung  erscheint  zwischen  ihr  und  dem  Qewölbediensta  d&r 
PlattenMes  des  Chores  wieder.  Die  Fenster  der  Außenmauem  liegen  in  zwei 
Reihen  übereinander,  unter  und  über  den  Emporen,  sie  sind  dreigeteilt  und  im 
Spitzbogen  geschlossen. 


Wi  I  M  I  n  I  I  n 


Flg.  47.    NlkolKlkircbe;  TttrKitter. 

Die  vier  seitlichen  Eingänge  an  der  Nord-  und  Südseite  sind  mit  zwei- 
flügeligen kunstvollen  Gittern  aus  Schmiedeeisen  verschlossen.  (Fig.  47.)  Die 
Gitter  stammen  aus  der  abgebrochenen  Lambertikirche  und  gehören  dem 
16.  Jahrhundert  an, 

Die  Turmwand  Öffnet  sich  gegen  das  Mittelschiff  in  zwei  großen  Bögen 
übereinander.    Der  untere  wird  von  einem  neuen  hölzernen  Windfang  ausgefällt, 


-^    148    8^ 

hinter    dem    oberen   erscheint  die  neue  Orgel,   vor  ihm  liegt  eine  neue,   aus- 
gekragte Orgelempore. 
Turm.  Der  Turm  ist  ganz  neu.    Er  wurde  1895  vollendet 

Altar.  Auf  einem  neuen  Unterbau  von  Backsteinen  steht  der  große  Altar  mit  vier 

Flügeln,  er  stammt  aus  der  1861  abgebrochenen  Lambertildrche  (vgl.  oben  S.  129). 
Die  Predella  besteht  aus  Eichenholz  und  ist  bemalt  mit  sechs  Halbfiguren,  von 
Propheten,  die  Spruchstander  tragen.    Die  Inschriften  der  Spruchbänder  lauten: 

Moyses:   Apparuit  deus  in  flamma  ignis  de  medio  rubi. 

Isaias:   Ecce  virgo  pariet  silium  et  vocabitur  nomen  ejus. 

Baruch:   In  terris  visus  est  cimi  hominibus  conversatus  est 

Jeremias:   Tradidit  in  mortem  dilectam  animam  suam. 

Osea:   Post  dies  duos  vivificabit  nos. 

Micheas:  Ascendet  iter  pandens  ante  nos. 
Die  Bilder  sind  in  Temperafarben  auf  Kreidegrund  gemalt  Darüber 
erhebt  sich  der  Altarschrein,  der,  wie  die  inneren  Seiten  der  Flügel,  ganz  mit 
vergoldetem  imd  bemaltem  Schnitzwerk  ausgefüllt  ist  In  der  Mitte  befindet 
sich  eine  Darstellung  der  ICreuzigung,  die  ganze  Höhe  einnehmend,  zu  beiden 
Seiten  derselben  erscheinen  im  Mitt^lschrein  noch  je  vier,  in  den  Flügeln  je 
sechs  Gruppen  übereinander  angeordnet,  alle  unter  vergoldeten  Baldachinen  mit 
feiner  spätgotischer  Schnitzerei.  Die  Gruppen  veranschauhchen  die  Lebens-  und 
Leidensgeschichte  Jesu,  in  der  oberen  Reihe  die  Verkündigung,  Heimsuchung, 
Geburt,  Beschneidung,  Darstellung  im  Tempel,  Kindermord,  Flucht,  Gang  zum 
Tempel  imd  Jesus  im  Tempel.  Die  untere  Reihe  stellt  dar:  Gethsemane, 
Gefangennahme,  Verhör  vor  Kaiphas,  Geißelung,  ICreuztragung,  Grablegung, 
Höllenfahrt,  Auferstehung,  Himmelfahrt,  Ausgießung  des  Heiligen  Geistes.  Die 
Arbeit  ist  vorzüglich. 

Die  äußeren  Seiten  der  inneren  Flügel  und  die  Innenseiten  der  äußeren 
Flügel  zeigen  hervorragende  Temperamalereien.  Die  Bilder  links  sind  der  Tjegende 
des  Judas  Tadeus  und  Simon,  die  rechts  der  Legende  des  Laurentius  entnommen, 
alle  mit  Vergoldung  und  farbig  fein  abgestimmt.  Links  erscheint  ein  altes 
Stadtbild  von  Lüneburg  auf  dem  einen  Gemälde.  Die  Außenseiten  der  äußeren 
Flügel  sind  ebenfalls  mit  Temperamalerei,  aber  aufgefrischt,  links  Opferung 
Isaaks,  rechts  eine  Kreuzigung,  bedeckt. 
Altarreste.  ^^®  Reste  des  früheren  Altars  der  Nikolaikirche  (vgl.  S.  141)  sind  teils  im  Chor- 

Umgang  aufgestellt,  teils  liegen  sie  auf  der  südlichen  Empore.  Sie  lassen  erkennen,  daß 
der  Altar  von  ganz  ähnlicher  Arbeit  gewesen  sein  muß  wie  der  aus  St.  Lamberti, 
in  Einzelheiten  stimmen  beide  Altäre  völlig  überein.  Im  nördlichen  Chorumgang 
stehen  in  der  Trennwand  zwischen  Chor  und  Umgang  sechs  vergoldete  und 
bemalte  Gruppen:  Gefangennahme,  Verhöhnung,  Verhör  vor  Pilatus,  Höllenfahrt, 
Auferstehimg,  Ausgießung  des  Heiligen  Geistes.  In  der  östlichen  Außenwand 
steht  noch  eine  Gruppe:  Jesus  im  Tempel.  In  der  südUchen  Trennwand  von 
Chor  und  Umgang  stehen  ebenfalls  sechs  Gruppen:  Gang  zum  Tempel,  Trauung 
Josephs  und  Maria,  Verkündigung,  Heimsuchung,  Flucht,  Taufe  durch  Johannes,  an 
der  östiichen  Außenwand :  Gethsemane.  Femer  befindet  sich  hier  an  der  östlichen 
Außenwand  eine  gotische  Kreuzigung  mit  den  beiden  freistehenden  Figuren  des 


-t-g     149     g-j- 

Johannes  und  der  Maria.  Auf  der  südlichen  Empore  hegen  zwei  Reste  von 
aneinandergereihten  Baldachinen,  spätgotisch,  mit  vergoldeten  Schnitzereien.  In 
der  Krypta  weiden  noch  sechs  Grappen:  Versuchung  durch  den  Teufel,  Kreuz- 
tragung,  Darstellung  im  Tempel,  Grablegung,  Ausgießung  des  Heihgen  Geistes, 


.    KlkolalUrcbe-,  Crtbmal  dM  Bclnrlcb  Vlaknie. 


Beschneidung,   und  ein  gotisches  Kruzifix  aufbewahrt,   die   auch  von  dem  alten 
Altar  stammen. 

Im  nördlichen  Chorumgang  sind  zwei  Bildwerke  in  die  Wand  eingelassen,  Bildwerke, 
eine  anscheinend  aus  Gips  beigestellte  Pieta,  von  einfacher  großer  Auffassung 
unter  einem  spätgotiscben  Baldachin,  alles  farbig  bemalt,  und  ein  MarmorreUef, 
Christus  am  Olberg,  anscheinend  aus  dem  IS.  Jahrhundert 


-^     150    8^ 

Auf  der  nördlichen  Empore  liegen  vier  Marmorfiguren,  wahrscheinlich 
von  einem  Epitaph  aus  der  Barockzeit  und  ein  hölzerner  Wappenschild  mit  dem 
Stadtwappen. 

An  der  Westseite  des  südlichen  inneren  Seitenschiffes  ist  ein  Bildwerk 
aus  Kalkstein  in  die  Wand  eingelassen,  das  früher  im  Freien  stand  und  für 
den  in  der  Ursulanacht  1371  gefallenen  Bürgermeister  Viskule  errichtet  worden 
war.  (Fig.  48.)  In  einer  rundbogig  überdeckten  Nische  erscheint  eine  kniende 
Rittergestalt  mit  betend  aufgehobenen  Händen.  Vor  ihr  steht  der  Schild  mit 
dem  Wappen  der  Viskule  imd  dem  Helm  darüber,  oben  ein  Spruchband  mit 
dem  Ausruf:  „0  fili  dei  miserere  mei".  Nach  Aufzeichnung  bei  Gebhardi  lautet 
die  Inschrift  am  schrägen  Rande  des  sehr  zerstörten  Steines :  „Anno  dei  millesimo 
trecentesimo  septuagesimo  primo  in  nocte  vndecim  mylium  virginü  hinricus 
viscule  hie  ab  hostibus  est  interfectus."  Der  Abschlußbogen  ist  baldachinartig 
mit  Kreuzblume  imd  Krabben  geschmückt,  die  Zwickel  bis  zum  geraden  Abschluß 
des  Steines  sind  giit  Maßwerk  ausgefüllt. 
Chorgestühl.  In  den  vier  Chorseiten  neben  dem  Altar  stehen  zwischen  den  Pfeilern 

Teile  des  alten  Chorgestühls.  Je  vier  Sitze  von  gotischer  Form,  aber  un- 
bedeutender späterer  Arbeit,  haben  auf  beiden  Seiten  Wangen,  von  denen  drei 
gotisch  sind.  An  der  nördlichen  und  südUchen  Seite  stehen  zwei  hohe  Wangen 
mit  oberem  Kielbogenabschluß  und  je  zwei  Krabben.  Unter  den  Bögen 
Nischen  mit  geknickten  Säulchen  als  Einfassung.  In  der  Nische  der  nördlichen 
Wange  Maria  mit  dem  Kinde,  über  den  Köpfen  ein  Wappenschild  mit  einem 
Buchstaben,  anscheinend  A,  darüber  der  Bogen  ausgefüllt  mit  Maßwerk,  südlich 
steht  in  der  Nische  eine  Bischofsfigur  ohne  Sinnbild.  Hier  sind  Maßwerk  und 
Schild  abgebrochen.  Die  dritte  niedrigere  Wange  hat  einen  runden  Kopf  mit 
vier  Knollen  und  geradem  Unterteil.  Im  Kopf  ist  ein  Affe  mit  Spiegel  dargestellt, 
danmter  eine  Bischofsgestalt. 
Kruzifixe.  Außer  den  zum  alten  Altar  gehörigen  Kruzifixen  hängt  noch  ein  solches 

über  dem  Viskulengrabstein.    Die  Formen  sind  schlecht 

Auf    der  Mensa    des   Altars   steht   ein   kleines,    aber    gutes   gotisches 
Kruzifix  aus  Holz. 
Gemälde.  Hinter  dem  Altar  hängt  zwischen    den  Pfeilern  ein  großes  Ölbild    auf 

Leinwand,  Christus  und  die  Kinder  darstellend  und  1608  gestiftet  von  Hans  Bocks 
Testamentarien,  Ludolf  Weidemann,  Markus  Martens,  Joachim  Schröder  und 
Albert  Rodeck.    Die  Wappen  der  Stifter  sind  auf  dem  Bilde  angebracht 

Ferner  sind  im  Chorumgang  noch  zwischen  den  westUchen  Pfeilern  je 
vier  Bilder  auf  jeder  Seite  angebracht.  (Fig.  49  und  50.)  Die  Bilder  stammen  von 
dem  alten  Altarwerk;  sie  sind  ganz  hervorragende  gotische  Malereien  (vgl  S.  141). 
Die  Farben  sind  fein  abgestinunt,  der  Hintergrund  meist  landschaftiich,  die  Liift 
gold.  Sie  stellen  Begebenheiten  aus  dem  Leben  der  Heiligen  Laurentius  und 
Andreas  dar.  Die  Bilder  sind  0,75  m  breit  und  1,05  m  hoch  und  auf  Holz- 
platten  mit  Temperafarben  gemalt. 

Im  südlichen  Teile  des  Chorumganges  hängt  eine  große  Kreuzabnahme 
mit  den  Frauen,  eine  gute  Arbeit,  die  anscheinend  dem  16.  Jahrhimdert  angehört, 
femer  zwischen  zwei  Pfeilern  unter  den  Altarresten  ein  1878  erneuertes  Abend- 


-^     153    8^ 

mahL  Im  nördlichen  Chorumgang  ist  an  derselben  Stelle  ein  sohmales  langes 
Ölbild  auf  Holz  von  1577,  die  Sakramente  in  Sinnbildern  darstellend,  angebracht, 
das  links  oben  die  Wappen  der  Witzendorf  und  Garlop,  [rechts  oben  die  der 
Töbing  und  Elver,  links  unten  das  Wappen  der  Witzendorf,  rechts  unten  das 
der  Töbing  zeigt.  Es  ist  ebenfalls  1878  erneuert  und  soll,  nach  Mithoff,  einst 
als  Schutzwand  der  Altarpredella  gedient  haben.  Femer  hängt  im  südhchen 
Chorumgang  ein  großes  Gemälde,  Christus  auf  der  Weltkugel,  eine  gute  Arbeit, 
und  im  mittleren  Teile  hinter  dem  Altar  eine  unbedeutende  Kopie  nach 
Rembrands  Kreuzabnahme.  An  der  Nordempore  sind  drei  kleine  Ölbilder 
angebracht,  an  der  Südempore  deren  vier,  bibUsche  Szenen  des  alten  und 
neuen  Testaments  darstellend  und  dem  Anfang  des  17.  Jahrhunderts 
entstanmiend. 

An.  der  Nordempore  ist  ein  großes^ Bild  aufgehängt,  die  Gesetzgebung 
am  Sinai  darstellend;  1649  von  den  Schiffern  gestiftet.  Das  Bild  ist  lt.  In- 
schriften 1784  und  1816  renoviert. 

Vier  ölbüder  in  ovalem  geschnitztem  Rahmen,  Pastoren  der  Kirche 
darstellend,  sind  unter  den  Emporen  angebracht.  Zwei  davon  sind  bezeichnet, 
unter  der  Nordempore:  Hieronimus  Koltemann,  geboren  1620,  gestorben  1689, 
unter  der  Südempore:   Henricus  Brasch,  1697  gestorben. 

An  der  Südempore  hängt  ein  großes  Ölbild,  Christus  am  Kreuz,  am 
Kreuzfuße  zwei  Männer,  die  sich  die  Hände  reichen,  gestiftet  1765  von  der  „Treuen 
Brüderschaft",  einer  Totenkasse;  femer  eine  Kreuzigung,  am  Fuße  des  Kreuzes 
die  knienden  Stifter,  darunter  drei  Wappen,  von  denen  das  mittlere  das  der 
Famihe  Timmermann  ist. 

Das  Gestühl  ist  neu,  nur  im  nördlichen  Seitenschiff  sind  noch  Gestühl, 
fünf  alte  Bankwangen  erhalten.  Die  mittleren  drei  haben  runde  Köpfe 
mit  vier  Knollen  und  geradem  Unterteil.  In  den  mnden  Köpfen  erscheint 
je  ein  Wappenschild  mit  Anker  bzw.  Ruderhaken.  Die  beiden  äußeren 
Wangen  haben  als  oberen  Abschluß  eine  langgezogene  ionische  Kapitell- 
schnecke, darunter  flache  Schnitzerei,  mit  Anker  und .  Ruderhaken.  Auf  der 
Wange  links:  RENOVATVM,  rechts:  1783.  Je  zwei  der  Wangen  nach 
Westen  sind  mit  zwei  eisernen  Bügeln,  als  Durchgang,  überspannt.  Die 
höchsten  Punkte  der  Bügel  werden  durch  eine  geschmiedete  Blume  und  ein 
Schiff  aus  Eisenblech  betont. 

Die   Nikolaikirche    besitzt   noch  zwei   Glocken    des   alten    Turmes,   eine  Glocken. 
Glocke  aus  der  Marienkirche,  eine  kleine  aus  dem  Heiligengeistturm  und   sechs 
Glocken  aus  der  1861    abgebrochenen  Lambertikirche.    Vier  Glocken   des   alten 
Turmes  sind  1832  verkauft  und  zerschlagen  worden. 

Die  sechs  Glocken  aus  der  Lambertikirche  sind: 

1.  Die  Marienglocke  von  1491,  mit  oberer  von  Friesen  eingefaßter  Um- 
schrift und  einem  Relief  auf  jeder  Seite  des  Mantels:  Maria  mit  dem  Kinde 
im  Flammenkranze,  auf  einem  Halbmonde  stehend.  Die  Glocke  hat  1,90  m 
Durchmesser  und  ist  von  Gerhard  von  Wou  aus  Kampen  in  Holland  gegossen. 

2.  Die  große  Vossische  Glocke  von  1723  mit  1,713  m  Durchmesser,  vom 
Lüneburger  Glockengießer  Paul  Voß,  mit  oberer  Inschrift  und  zwei  kleinen 

20 


-^    154     8^ 

Reliefs:   Christus   am  Kreuz   und   die  Schlange   am   Kreuz.     Das  Glocken- 
material  entstammt  einer  früheren  1650  umgegossenen  Glocke. 

3.  Die  kleine  Vossische  Glocke,  von  demselben  Gießer,  1650,  mit  1,524  m 
Durchmesser,  mit  oberer  Umschrift  und  den  beiden  Reliefs:  Christus  am 
Kreuz  mit  Maria  und  Johannes,  gegenüber  die  Schlange  am  Kreuz. 

4.  Die  Sonntagsglocke,  mit  1,491  m  Durchmesser,  von  Meister  Johann  Christian 
Ziegner  1712  gegossen. 

5.  Die  Katharinenschelle  mit  0,83  m  Durchmesser  und  oberer  Umschrift,  von 
Gert  Klinge  1445  gegossen. 

6.  Die  Vossische  Schelle  mit  0,754  m  Durchmesser,  1619  von  Paul  Voß  gegossen. 

Die  Franziskusschelle  stammt  aus  der  Marienkirche.  Sie  hat  0,73  m 
Durchmesser  und  ist  1516  wahrscheinlich  von  Heinrich  von  Kampen  gegossen. 
Sie  zeigt  zwei  Reüefs,  auf  der  einen  Seite  das  Brustbild  der  Maria  mit  dem 
Kinde,  im  Flammenkranze  und  von  einem  Kreise  von  Rosen  umgeben,  auf  der 
anderen  Seite  Franz  von  Assisi  zwischen  Katharina  und  Johannes  dem  Täufer, 
zu  des  letzteren  Füßen  das  Wappen  der  Familie  Döring. 

Die  Viertelglocke  des  alten  Turmes  ist  1587  von  Hans  Meyer  gegossen 
und  hat  0,56  m  Durchmesser. 

Eine  Schelle  des  alten  Turmes  ist  1597  von  Andreas  Heineke  gegossen 
und  hat  0,803  m  Durchmesser. 

Die  Barchmannsche  Schelle  aus  dem  HeiUgengeistturme  von  1560  hat 
0,545  m  Durchmesser  und  ist  von  Valentin  Barchmann  gegossen. 

Inschriften  und  Abbildungen  in  den  Lüneburger  Museumsblättem,  Heft  1. 
Gotteskasten.  An  der  Westwand  steht  ein  Gotteskasten,  dessen  Fuß  mit  einer  stehenden 

farbigen  Bischofsfigur  bemalt  ist  (St.  Nikolaus?).  Der  Kasten  ist  mit  schweren  einfachen 

Beschlägen  versehen  und  stammt  anscheinend  aus  dem  Anfang  des  16.  Jahrhunderts. 

Grabdenkmäler.  An  der  Westwand  hängt  ein  Grabmal  des  Handelsmanns  Jürgen  Martens, 

1736  von  dem  Bildhauer  M.  Brullo  ausgeführt  Die  schwarze  Schrifttafel  wird 
eingefaßt  von  einem  Sandsteinrahmen  und  begleitet  von  ornamentierten  Pilastem. 
Über  dem  Gesims  hängt  vor  einem  steinernen  Aufbau  das  Bildnis  Martens.  Der 
untere  Abschluß  wird  gebildet  durch  krause  Wolken,  die  von  einer  weiblichen 
Figur  und  Putten  belebt  werden.  Neben  und  unter  dem  Epitaph  hängen  drei 
große  Messingleuchter,  mit  Löwenköpfen  als  Wandbefestigung. 

Im  äußeren  Snördlichen  Seitenschiff  hängt  auf  der  Empore  an  der  Ostwand 
ein  großes  Bild  des  Archidiakons  Brand  Ludolf  Raphel,  geboren  1710,  gestorben 
1753,  darunter  eine  Schriftplatte  aus  Holz,  umgeben  von  Putten.  Ein  ebensolches 
Epitaph  des  Georg  Nikolaus  Eggers,  1688  geboren,  1751  gestorben,  befindet  sich 
an  derselben  Stelle  auf  der  Südempore. 

Im  inneren  südüchen  Seitenschiff  ist  eine  Gedächtnistafel  für  sieben 
Kinder  des  Pastors  Sigismund  Scher  von  St.  Lamberti  angebracht;  er  verlor 
diese  Kinder  im  Jahre  1626  infolge  der  Pest  Das  mittlere  Ölgemälde  zeigt  den 
Stifter  mit  seinen  Kindern.  Es  wird  eingefaßt  durch  zwei  korinthische 
Säulen  mit  Schnörkelanläufem  und  bekrönt  von  einem  Frontgiebel  mit 
Engel.  Das  Ganze  ist  einfach  farbig  behandelt.  Pastor  Scher  starb  1639,  wie 
die  Tafel  angibt. 


J 


-^    155    8^ 

An  der  nördlichen  Empore  befindet  sich  ein  hölzernes  Grabmal  des  Johann 
Harms,  geboren  1665,  gestorben  1703,  mit  einem  ölbilde:  Christus  predigt 
vom  Schiff  aus;  darunter  hängt  ein  dreiarmiger  Messingleuchter  von  guter  Form. 

Einige  einfache  Grabplatten  liegen  an  den  Eingängen  der  Kirche  und  Grabplatten, 
im  nördlichen  Seitenschiffe,  und  zwar  in  letzterem  die  des  Senators  und  Camera- 
rius  Martin  Leonhard  Warmers,  geboren  1703,  gestorben  1788,  und  seiner  Frau 
Rachel  Dorothea,  geborenen  Horsten,  1,49  m  breit,  2,12  m  lang  aus  Sandstein. 
Der  in  der  Mitte  angebrachte  Wappenschild  ist  geteilt  und  enthält  beide  Wappen- 
bilder. In  den  vier  Ecken  Ovale  mit  Sinnbildern,  daneben  vier  eiserne  Ringe. 
Die  Platte  im  nordwestUchen  Eingang  ist  dem  Gedächtnis  des  Syndikus  Bernhard 
Maneke,  geboren  1678,  gestorben  1747,  und  seiner  Frau  Anna  Christiana, 
geborenen  Langens,  gewidmet  In  der  Mitte  die  beiden  Wappen.  Im  südwestlichen 
Eingang  hegt  eine  Platte,  gestiftet  dem  Geistüchen  Georg  Heinrich  Oldekop,  ge- 
boren 1704,  gestorben  1742,  seiner  Frau  Sophie  Friederike,  geborenen  Schultz,  und 
deren  zweitem  Mann,  dem  Syndikus  Johann  Paul  Kraut,  geboren  19.  April  1709, 
gestorben  1.  Dezember  1771,  von  ihren  Söhnen  Christian  Friedrich  Oldekop  und 
Otto  Friedrich  Kraut. 

Die  Kirche  besitzt  vier  Kelche,  von  denen  zwei  der  Mitte  des  16.  Jahr-  Kelche, 
hunderts  entstammen.  Einer  derselben,  20,6  cm  hoch,  ist  aus  dem  Fünfeck 
entwickelt  mit  fünfseitigem  Fuß,  dem  ein  Kruzifix,  mit  Maria  imd  Johannes  zu 
beiden  Seiten,  aufgeheftet  ist.  Darunter  ein  Wappenschild  mit  dem  Wappen  der 
Hoyken  tmd  dem  Buchstaben  g  auf  jeder  Seite  des  Schildes.  Das  Ornament  des 
Fujßes  und  der  Handhabe  ist  flach  eingeritzt  und  hat  Renaissance-Charakter 
Der  Knauf  ist  rund  und  mit  fünf  Nägeln  besetzt,  deren  Köpfe  kleine  farbige 
Rosen  in  blauem  Email  tragen.  Zwischen  den  Nägeln  in  blauem  Email  die 
Inschrift:  „gloriam  da  deo"  mit  gotischen  Minuskeln.  Am  Hals  unter  der 
Kuppa  IHESVS  und  CRISTVS.  Auf  der  Innenseite  des  Fußes  ist  eingeritzt: 
hoeke(?),  eine  Marke  fehlt.  Der  andere  16,6  cm  hohe  Kelch  ist  sechsseitig,  mit 
demselben  Ornament  wie  der  vorige.  Dem  Fuß  ist  ein  silberner  Christuskörper 
aufgeheftet.  Der  runde  Knauf  hat  vier  Nägel  mit  Rosetten.  Zwischen  ihnen  die 
Inschrift:  „ihsus  cristus  filius  vginis".  Am  Hals  über  und  unter 
dem  Knauf:  „ihesus  cristu  s."  Auf  dem  Fuß  ist  die  Inschrift  eingeschnitten : 
„lambert  bordenowe  unde  grete  sin  husvrowe",  an  der  Unterseite  des  Fußes:  „de 
dervt  me  nicolao". 

Die  beiden  anderen  Kelche  gehören  der  Spätrenaissance  an,  sind  27  und 
25,5  cm  hoch  und  haben  gebuckelte  runde  Füße  und  eben  solchen  Knauf.  Am 
Hals  des  größeren  Kelches  sind  aus  Silber  gegossene  Männerköpfe  angebracht, 
an  der  Fußunterseite  des  kleineren  Kelches  die  Zahl  LVin. 

In  der  Kirche  werden  folgende  Paramente  aufbewahrt:  Paramente. 

1.  Eine  kleine  gotische  Tasche  aus  blauem  Samt,  der  übersät  ist  mit  kleinen 
Metallblättchen.  Darauf  stark  erhabene  Goldstickerei:  Christus,  dem  Thomas 
seine  Wunden  zeigend;  über  der  Gruppe  das  Wappen  der  Garlop,  ein 
anderes  Wappen  ist  verloren  gegangen. 

2.  Zwei  Unterlagen  für  Kelche,  deren  eine,  16,5X18  cm  groß,  in  der  Mitte 
Christus  am  Kreuz,   daneben  Maria   und  Johannes   in   flacher  Goldstickerei 

20* 


-*^  156  ge- 
zeigt In  der  Ecke  Ornamente,  zwischen  ihnen  die  Inschrift:  GRVWELMANS  - 
Wir  ■  CATRINA  HELMHOLTS.  Auf  der  Rückseite  steht  die  Jahieezahl  1643. 
Die  zweit«  Unterlage  hat  auf  Leisengrund  grüne  und  goldene  Stickerei  und 
die  Umschrift:  „W.  ILSE  TOBINGES  •  S.  H.  LEONHART  •  TOBING. 
ANNO  1634". 

3.  Zwei  quadratische  Leinentücher,  von  denen  dae  eine  farhige  Stickerei  aus 
dem  18.  Jahrhundert  zeigt,  das  andere  mit  Blumen  in  roter  Seide  bestickt 
ist  In  der  Mitte  des  letzteren  das  Lamm,  darunter  die  Buchstaben: 
M.  L.  W.  FGS.  1761. 

4,  Zwei  große  Kommuniontücher  von  hervorragender  Arbeit;  das  eine  ist 
6,82  m  lang,  0,52  m  breit  (Fig.  51).  Auf  der  grauen  Leinenunterlage  sind 
mit  farbiger  Seide  in  Kettenstich  10  Darstellungen  in  kranzfönniger  Ein- 
rahmung gestickt.  Die  einzelnen  Bilder  sind  umgeben  von  verschieden 
gezeichnetem  Ornament  mit  Blättern,  Blumen  und  Früchten  und  stellen  in 
der  Mitte  Gott  Vater  mit  erhobener  Hand  dar,  links  fünf  kluge,  rechts  fünf 


Fig.  fil.    NlkoUlUrcbe;  KominDiiioDtncb. 

törichte  Jungfrauen.     Um  jede  Figur  schlingen  sich  Spruchbänder,   die  bei 

den  klugen  Jungfrauen  lauten :    „  mora  -  sponsi  •  dilatio  ■  novissimi  ■  est  ■  diei  ■  | 

Iter  ■  ad  ■  sposvm  -  est  ■  trasitus  ■  ad  ■  iudiciv  •  |  nos  ■  qvinqve  •  sapientes  •  electos 

e — vs  •  I  Nos  ■  de;ce  ■  virgines  ■  svmvs  ■  höies  •  in  ■  ecclia  •  |  Regnv  ■  celorvm  ■  Christiana 

est  •  ecclesia."  |  bei  den  törichten  Jungfrauen:.  ,nos  •  qvinqve  ■  fatvae  -  dam/natos  •  (e) 

sig'nificamvs  •  |  Clamor  ■  est  -  tvba  -  angeh  an/te  ■  aduetv  •  xpi  •  [  media  ■  n/ox  ■ 

tempvs  •  ad:  uent\'s  •  xpi  ■  |  petimvs  ■  olevm  -  id  ■  est  -  fidem  -  et  ■  bona  ■  spera  ■  |Vox 
xpi  -  nescio  -  vos  -  reprohorvm  ■  codenatio  ■  est  ■  "  Zur  rechten  Hand  des  thronenden 
Christus  steht:  „Venite  ■  benedicti  ■  in  -regnv  pti-s-mei  •  q  ■  paiatv ■  est ■  vobi  •  ab 
initio  ■  mondi  ■  Matthei  •  25  ■  "  Zur  linken  Hand :  „  Discedite  -  a  ■  me  ■  maledicti  •  in 
ignem  -  aetemvm  •  qvi  •  paratos  •  es  •  diabolo  ■  cvm  ■  agelia  -svis  ■  " 

Die  Figuren  und  die  Ornamente  sind  nur  in  den  Umrissen  gestickt, 
die  Minuskehl  der  Schrift  rot,  die  Umrisae  der  Bänder  sind  schwarz  vor- 
gezeichnet, aber  nicht  ausgestickt.  In  den  Ecken  sind  leere  Wappenschilder 
angebracht. 

Das  andere  Kommuniontuch  ist  6,85  m  lang  und  0,87  m  breit  Es 
ist  in  dei-selben  Art  gestickt,  hat  auf  den  Seiten  eine  einrahmende  farbig 
gestickte  Kante  von  stihsiertem  Renaissanceomament  und  als  mittlere 
Darstellungen  Bilder  in  12  Kreisen,  von  denen  je  zwei  verschlungen  sind. 


— S    157    8-- 

(Fig.  52.)  Die  KreispiiaFe  sind  von  naturalistisdiem,  fein  gezeichnetem 
Ornament  mit  Blätteni,  Bltmien,  Früchten  und  Tieren  umgeben.  In  jedem 
Bilde  befindet  sich  ein  Sprachband,  das  aber  nur  aufgezeichnet,  nicht  aus- 
gestickt ist  und  die  Erklärung  zu  dem  betreffenden  Bilde  liefert: 

„  Alse  de  dre  Engel  tho  abraha  kamen.  Gene.  XVIII.  |  Wo  Abraham  vnd 
Sara  schlachten  dat  kalb.  |  Hir  eten  de  dre  menner  vnder  dem  bom.  |  Hir  geit 
abraham  mit  de  dre  mener  vordw^s.  |  Hir  steit  abraha  vn  süt  de  beiden  stede 
an.  I  Hir  redet  de  konnig  abimelech  mit  abraham.  |  Sara  telde  abraham  einen 
son  genoraet  Isaac.  |  Hir  maket  abraham  einen  grote  collacie.  |  Hir  bewiset  abra- 
ham dat  he  goth  fruchtete.  |  Hir  gift  Rebecca  abrahams  knecht  to  driuke.  |  Hir 
bringet  de  knecht  rebecca  mit  to  hus.  |  Hir  nimpt  Isaac  rebecca  to  ener  frouweu, 
gene.  XXH." 


Flg.  Sl    KikoUilkiToha;  KommnnJDDtach. 

Unter  den  DarstelluDgeu  sind  Tiere  angebracht.  Einige  Figuren 
sind  nicht  ausgesticki  In  den  Ecken  erscheinen  die  Wappen  Joh.  v.  Töbing 
und  seiner  Frau  Gesche  Schomacker,  au  der  rechten  schmalen  Seite  ist  die 
Jahreszahl  MDXLII  nicht  ausgestickt. 

5)  Gotisches  Antependium,  2,80  m  lat^,  1,15  m  breit,  (Fig.  53.)  (Mithoff 
nennt  dies  Stück  Fußteppich.)  Farbige  Aufnäharbeit  mit  Stickereien,  auf 
schwarzem  Leinen  (?).  Der  Grund  ist  durch  rote  Streifen  in  zehn  Felder 
geteilt  In  der  Mitte  jedes  Feldes  befindet  sich  ein  Bild  in  kranzförmiger 
EÜiu^mung,  umgeben  von  naturalistischem  Ornament.  Die  Bilder  stellen 
dar:  das  Lamm,  Erschaffung  des  Menschen,  Adam  und  Eva,  Vertreibung  aus 
dem  Paradiese  und  wieder  das  Lamm;  in  der  unteren  R«ihe:  Maria  mit  dem 
Einhorn  im  Schöße,  Verkündigung,  Heimsuchung,  Geburt,  Christus.  Die 
aufgenähten  Teile  bestehen  aus  Leder  und  Seide  und  sind  teilweise 
überstickt. 

6)  Ein  Schultervelum  aus  schwerem,  mit  Goldfäden  durchzogenem  Seidendamast, 
auf  den  ein  Längsstreifen  oben  und  drei  herabhängende  Querstreifen  mit 
guten  mittelalterlichen  Stickereien  aufgenäht  sind.  Auf  den  Streifen 
Gestalten     in     architektonischer      Einrahmung,      aufgenäht     und     dann 


-<^     1B8     8-«- 

farbig  überstickt.  Auf  dem  mittleren  Streifen  ein  Wappen  (ein  zweites 
ist  verloren  gegangen),  im  Schild  drei  Granatäpfel,  angeblich  Familie 
Upleger.  Auf  den  äußeren  Streifen  am  unteren  Ende  zwei  Evangelisten- 
symbole. 

7)  Ein  Tauftuch,  weiße  Stickerei  auf  grauem  Leinen,  in  lier  Mitte  das  Lamm. 

8)  Eine  farbige  Stickerei,  in  der  Mitte  Christus  am  Kreuz.    Tauftuch. 

Im  südlichen  Ghorumgang  befindet  sich  der  bronzene  gotische  Taufkessel 
von  einfacher  Form,  auf  vier  Brouzefiguren  stehend.  Um  den  oberen  Rand  zieht 
sich  ein  Linienornament,  Weintaub  mit  Traube;  am  unteren  Rande  sind  kleine 
Reliefs,    abwechselnd   mit  gotischen  Lilien  und  Münzbildem  angebracht     Der 


Flg.  SS.   NtkoUlklrchej  Autep«Ddlnm. 


Taufkessel  soll  von  Meister  Ulricus,  einem  Lüneburger  Glockengießer  aus  dem 
ersten  Viertel  des  15.  Jahrhunderts,  stammen  (Lünebuiger  Museumsblätter» 
Heft  1,  wo  auch  das  obere  Ornament  abgebildet  ist.    Vgl.  vom  S.  61  u.  141.1 

Yerschiedenea.  Im  Alüirschrein  werden    zwei  farbige   kleine  Holzschilder   des  Weber- 

amtes von  1701  aufbewahrt,  ferner  ein  Messingschild  des  Braueramtes  und 
zwei  kleine  Messingschilder  unbekannten  Ursprungs. 

Die  Kirche  besitzt  mehrere  große  Stemsche  Bibeln. 

GegensUnde  im  Im  Lüneburger  Museum   werden  zwei   Sehutzflügel  des  früheren  Altais 

LUnebarger  aufbewahrt  Das  eine  gut  erhaltene,  1,4;^  m  breite,  2  m  hohe  Temperabild 
Mneenn.  ^eigt  die  Begegnung  Abrahams  und  Melchisedeks.  Im  Vordergrunde  steht  links 
Melchisedek  und  rechts  Abraham,  beide  mit  ihrem  Gefolge.  Über  einen  zwischen 
ihnen  befindhchen  Tisch  mit  vergoldeter  Vorderwand  reicht  Melchisedek  dem 
Abraham  Brot  und  Wein.  Weit  im  Hintergrunde,  fast  am  oberen  Rande  des 
Bildes,  ist  eine  Ansicht  von  Lüneburg  mit  allen  Kirchen  imd  der  Burg  auf  dem 
Kalkberge  dargestellt  Wiesengründe  mit  allerlei  Figuren  trennen  die  Stadt- 
ansicht von  der  Begegnungsgruppe.  Das  Bild  soll  um  1450  entstanden  sein  und 
ist  gut  erhalten,  anscheinend  auch  restauriert. 


->^     159    8^ 


Die  zweite  Tafel,  1,20  m  breit  2  m  hoch,  ist  unvollständig  und  schlecht 
erhalten.  Dargestellt  ist  das  Abendmahl  in  einem  geschlossenen  Räume  mit 
drei  Fenstern. 


Die  Marienkipche  und  das  Barfüsserkloster. 

Quellen:  Unedierte  Urkunden,  Akten  und  Pläne  des  Stadtarchivs-,  hand- 
schriftliche Chroniken  des  Stadtarchivs  und  Museums;  Schomakers  .Chroüik;  Volgers 
Urkundenbuch  der  Stadt  Lüneburg;   Gebhardi,  Collectanea  Bd.  IX. 

Literatur:  Bertram,  das  Evangelische  Lüneburg  S.  32  ff.;  Gebhardi,  von  dem 
Barfüßer  St  Marienkloster  zu  Lüneburg  (Hist.  geneal.  Abhandlungen,  1767,  IV.  173 ff.); 
Manecke,  Top.-hist.  Beschreibungen  I.  17  f.;  Volger,  Lüneburger  Neujahrsblatt  und  Pfingst- 
blatt  1858  (Lüneburger  Blätter  127  bzw.  135) ;  Wrede,  die  Einführung  der  Reformation  im 
LUneburgischen  (1887)  S.  110  ff. ;  Banasch,  die  Niederlassungen  der  Minoriten  zwischen  Weser 
und  Elbe  im  13.  Jahrhundert  (1891);  Lemmens,  Niedersächsische  Franziskanerklöster  im 
Mittelalter  (1896);  Wrede,  die  Glocken  der  Stadt  Lüneburg  (Lüneburger  Museums- 
blHtter  I,  34  ff.). 


Die  Marienkirche  („ecclesia  fratrum  minorum  beate  Marie  virginis'', 
„domus  beate  Marie  virginis  fratrum  minorum  ordinis  sancti  Francisci",  „Unser 
leven  frouwen  kerke",  „kerke  to  den  mynren  broderen",  auch  schlechthin  „to 
den  bruderen",  „kercke  dive  virginis")  hängt  in  ihrer  Geschichte  mit  der  Ordens- 
niederlassung der  „minderen  Brüder"  —  Barfüßer  vom  Franziskanerorden  — 
aufs  engste  zusammen.  Deren  planmäßige  Propaganda,  die  schon  in  den  letzten 
Lebensjahren  des  Ordensstifters  Franz  von  Assisi  und  alsbald  nach  seinem  Tode 
(1226)  das  nördliche  Deutschland  in  ihren  Bereich  zog,  führte  wie  in  Hildesheim, 
Braunschweig,  Goslar,  Stade,  Hamburg,  so  auch  in  Lüneburg  zur  Gründung  eines 
Klosters,  und  zwar  unter  der  Gönnerschaft  Otto  des  Kindes.  Der  Klostergründung 
soll  die  Erbauung  einer  Kapelle  zu  Ehren  der  Jungfrau  Maria  um  sechs  Jahre  vor- 
aufgegangen und  dieses  Kirchlein  mit  dem  daran  anstoßenden  Gelände  den  am 
1.  September  1235  in  Lüneburg  einziehenden  Mönchen  abgetreten  worden  sein. 
Die  Lage  des  Gebäudes  wird  als  recht  unwirtlich  geschildert:  „auf  dem  Göse- 
brink,  einer  rings  von  schlammigen  Wassern  umgebenen,  schutzlosen  Anhöhe 
außerhalb  der  alten  Stadtmauern".  Für  die  Zeit  der  Klostergründung  kann 
diese  sagenhafte  Beschreibung  kaum  noch  zutreffen,  war  doch  die  Stätte, 
welche  die  Bettelmönche  für  ihre  Niederlassung  erhielten,  vielmehr  der  aus- 
gezeichnetste Bauplatz,  den  es  in  der  Stadt  geben  konnte,  ein  großes  Grund- 
stück in  unmittelbarer  Nähe  des  neuen  Marktes  und  Rathauses. 

Das  Lüneburger  Marienkloster  gehörte  zur  sächsischen  Ordensprovinz, 
zur   Kustodie   Bremen.     Vorsteher    war    der   Gardian,    neben    ihm   treten    der 


Geschichte. 


-^     160    8^ 

„Vacante",  der  Vizegardian,  der  oberste  Lesemeister  und  ein  Gegenlesemeister 
hervor.  Eine  Zweigniederlassung  des  Klosters  erfolgte  unter  Vermittlung 
der  Herzöge  Otto  imd  Wilhelm  in  Winsen  an  der  Luhe,  anscheinend  im 
Jahre  1348. 

Die  Franziskaner  scheinen  sich  bis  zur  Reformationszeit  einer  großen 
Beliebtheit  erfreut  zu  haben.  In  zahlreichen  Memorienstiftungen  von  Bürgern 
und  Bürgerinnen  wird  ihrer  mit  mehr  oder  minder  reichen  Gaben  gedacht,  ein 
Begräbnis  im  Bereich  ihres  E3osters  wurde  vielfach  bevorzugt  —  noch  von  dem 
letzten  katholischen  Propst  von  St.  Johannis  (f  1536)  —  manche  Bürger  kauften 
sich  in  der  Mönchskirche  einen  erblichen  Kirchenstuhl,  die  Fischer  sowie  die  zur 
Katharinenbrüderschaft  vereinigten  Steinschneider  und  Zimmerleute  ließen  zu 
St.  Marien  allwöchentlich  eine  Seelenmesse  für  ihre  verstorbenen  Mitglieder 
lesen.  Das  Einkommen  der  Brüder,  die  nach  der  Ordensregel  kein  Privateigentum 
besitzen  durften,  wurde  von  einem  Batmanne  als  Prokurator  verwaltet 
(Nikolaus  van  der  Molen  1301),  und  die  nahe  Beziehung  des  Klosters  zur 
Stadtobrigkeit  kommt  im  letzten  Viertel  des  13.  Jahrhs.  auch  darin  zum  Ausdruck, 
daß  der  Gardian  mit  seinem  Konvent  dem  Hamburger  Rate  aus  einem  der 
Lüneburger  Stadtbücher  einen  wörtiichen  Auszug  wichtiger  Zollbestimmungen 
mitzuteilen  in  der  Lage  ist  Im  April  1462  nahmen  Bürgermeister  und  Rat  das 
Kloster  in  ihren  besondern  Schutz  imd  versprachen,  mit  den  Sülzprälaten  keinen 
Frieden  zu  schheßen,  ohne  den  Konvent  mit  hineinziehen  und  ihn  schadlos  zu 
halten.  Der  Ratmann  Johannes  Schele  legte  im  Jahre  1478  sein  Amt  nieder, 
entledigte  sich  all  seiner  Güter  und  begnügte  sich  mit  einer  Prabende  bei 
den  Barfüßern. 

Die  günstige  Lage  des  Klosters  in  der  Mitte  zwischen  dem  Rathaus- 
komplex, dem  Herzogsschlosse  (nach  1371)  und  dem  Verdener  Bischofshofe  war 
wohl  der  Hauptgrund,  weshalb  seine  großen  Räumlichkeiten,  zumal  das 
Refektorium,  gern  zu  Versammlungen  benutzt  wurden,  die  für  die  ganze  Stadt 
oder  weitere  kirchliche  Kreise  von  Bedeutung  waren.  Im  Jahre  1282  finden  wir 
die  Herzöge  Otto  und  Heinrich  mit  großem  Gefolge  bei  den  Franziskanem, 
1333  hielt  Bischof  Johann  von  Verden  im  Kloster  eine  allgemeine  Synode  ab, 
Bischof  Heinrich  I.  versammelte  dort  das  Domkapitel  von  Bardewik  (1376), 
Johann  III.  brachte  „in  refectorio  fratrum  minorum"  unter  feierlichem  Geprange 
die  wichtige  Sülzkonkordie  vom  1.  August  1457  zustande.  Verhandlungen  der 
Sülzprälaten  mit  dem  60er  Ausschuß  der  Bürgerschaft  fanden  ebenfalls  im 
Reventer  des  Liebfrauenklosters  statt  —  und  noch  aus  der  Reformationszeit 
heißt  es  „die  Bürger  hielten  diese  Tage  ihren  Rat  in  Unser  lieben  Frauen  Kloster, 
das  sie  sich  öffnen  Ueßen,  und  da  versammleten  sie  sich,  wann  sie  vom  Rat 
was  fodem  wollten".  „In  ambitu  fratrum  minorum"  sind  zahlreiche,  vorzugs- 
weise vom  Archidiakon  von  Modestorpe  ausgestellte  Urkunden  entstanden 
der  Kreuzgang  war  also  eine  beliebte  Statte  für  die  Ausübung  geistlicher 
Gerichtsbarkeit. 

Klerikale  Eifersucht  führte  zu  mancherlei  Reibungen  zwischen  den 
Mönchen  und  den  städtischen  Pfarrern.  Am  1.  Dezember  1296  brachte  der 
Bischof  von  Verden  eine  Versöhnung  der  Parteien    dadurch  zustande,    daß  er 


i 

1 


-^    161    IK- 

die  kirchlichen  Befugnisse  der  Ordensbrüder  beschrankte.  Sie  sollten  auch 
fernerhin  Beichte  hören,  predigen  und  auf  ihrem  eigenen  Kirchhofe  bestatten 
dürfen,  an  den  Festtagen  jedoch  sollte  ihre  Predigt  nicht  vor  dem  Hochamte 
der  Pfarrkirchen  stattfinden,  ausgenommen  an  den  Festtagen  der  Hl.  Franziskus, 
Clara,  Antonius  und  der  Kirch  weihe;  die  letzte  Ölung  und  die  Spende  des 
Abendmahls  sollte  ihnen  nur  zustehen  bei  ihren  ständigen  Dienern  und  Dienerinnen, 
ihrem  Prokurator  imd  der  Prokuratrix;  übrigens  sollten  Pfarrer  und  Mönche  sich 
gegenseitig  nach  Möghchkeit  förderlich  sein.  Berufungs-  und  Vergleichs- 
urkimden  aus  dem  14.  und  15.  Jahrhundert  beweisen,  daß  diese  Mahnung  nicht 
sonderlich  beherzigt  wurde;  nach  einem  Abkommen,  das  im  Jahre  13S6  auf 
Veranlassung  des  Rates  durch  den  Lüner  Propst  und  den  Lüneburger  Proto- 
notar  vermittelt  wurde,  mußten  sich  die  Franziskaner,  gehorsam  einer  Bulle 
Bonifaz  VIII.,  verpflichten,  V4  der  ihnen  dargebrachten  Oblationes  an  den  Pfarrer 
von  St  Johannis  abzuführen. 

Das  Klosterleben  hatte  sich  von  der  Befolgung  der  strengen  Ordensregel 
nach  und  nach  weit  entfernt  Ein  Schreiben  des  sachsischen  Provinzials 
Eberhard  Hyllemann  vom  2.  Mai  1481,  das  sich  im  Lüneburger  Stadtarchiv 
findet  und  auf  eine  Beschw^erde  des  Rates  beim  päpstlichen  Stuhle  zurückzuführen 
ist,  suchte  durch  vier  Artikel  die  Zucht  der  Ordensbrüder  wiederherzustellen: 
durch  das  Verbot,  Geld  anzimehmen,  die  Klausurtür  offen  zu  halten,  das  Kloster 
zu  verlassen  und  gesonderte  Mahlzeiten  zu  halten.  Eine  reformierende  Wirkung 
jedoch  übte  der  Erlaß  nicht  aus,  das  zeigte  sich  acht  Jahre  später,  als  Bischof 
Bartold  von  Hildesheim,  Administrator  von  Verden,  auf  Geheiß  des  Papstes 
eine  Visitation  des  Klosters  vornahm.  Da  ist  vom  Bruch  der  Klausur,  von 
Trinkgelagen  innerhalb  und  außerhalb  des  Klosters,  von  Enichtxmg  einer 
Klosterschenke,  von  sonntäglichen  Geldverteilungen,  von  privatem  Hausgerät, 
goldenen  und  silbernen  Kleinodien  der  einzelnen  Klosterinsassen,  von  Vergehen 
gegen  die  Sittlichkeit  die  Rede.  Und  nun  wurde  kin^er  Prozeß  gemacht  Die 
„gaudenten"  Mönche  mußten  die  Schlüssel  zur  Kirche,  zum  Kloster  und  zu  den 
Kleinodien  herausgegeben  imd  erhielten  Befehl,  ihren  Sitz  zu  räumen.  An  ihre 
Stelle  traten  sog.  Observanten,  Anhänger  einer  Reformrichtung,  die  von  Mittel- 
italien ausgehend  in  zahlreichen  anderen  norddeutschen  Klöstern  des  Franzis- 
kanerordens bereits  Eingang  gefunden  hatte.  Fortan  ließ  die  Führung  der 
Mönche  nichts  zu  wünschen,  noch  im  Jahre  1512  stellte  der  Rat  ihnen  das 
Zeugnis  aus,  es  seien  „lauter  Leute,  die  durch  gut  Exempel,  Leben,  Gottesdienst 
und  Ftegiment"  sich  hervortäten. 

In  den  Reformationstagen  erlebte  die  Klosterkirche  stürmische  Auftritte. 
Eine  Predigt  des  Gardians  im  Frühling  1530  wurde  von  der  aufgeregten  Gemeinde 
durch  unmutigen  Zuruf  und  Lärmen  unterbrochen,  ein  andermal  kam  es  gar  zu 
einer  Schlägerei,  bei  welcher  die  Kirchenstühle  zerbrochen  und  als  Waffen 
benutzt  wurden.  Der  Rat  schützte  die  Mönche,  die  sich  durch  den  Zuzug  ihrer 
flüchtigen  Ordensbrüder  aus  Winsen  (Juli  1528),  Celle  (August  desselben  Jahres), 
Bremen,  Lübeck,  Hamburg  verstärkt  hatten,  solange  es  ihm  möglich  war,  aber 
ihre  Weigerung,  das  reine  EvangeUum  zu  predigen,  erbitterte  das  Volk  so,  daß 
mit  der  Zerstörung  des  Klosters  gedroht  wurde.   Da  blieb  der  weltlichen  Obrigkeit 

21 


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nichts  übrig,  als  die  Barfüßer  aus  Lüneburg  auszuweisen.  Am  25.  August  1530 
verließ  der  Konvent  die  .  Stadt;  nur  die  Kranken  und  Bürgerkinder,  etwa 
zwölf  an  der  Zahl,  blieben  zurück  und  wurden  hinfort  vom  Rate  unterhalten. 
Im  Herbst  1554  waren  noch  drei  „bekleidete  Personen"  übrig,  darunter  ein 
Astronom,  der  sich  auch  mit  Schwarzseherkimst  befaßte;  auch  sie  räumten  im 
genannten  Jahre  das  Feld  und  begaben  sich  nach  Halberstadt. 

Die  Klostergüter  und  Kleinodien  waren  rechtzeitig  inventarisiert  und 
fielen  an  den  Rat  Das  Wertvollste  war  offenbar  der  klösterliche  Grundbesitz 
mit  seinen  Baulichkeiten  in  nächster  Nachbarschaft  des  Rathauses,  femer  eine 
vortreffliche  Klosterbibliothek,  die  vereint  mit  der  Bücherei  des  Rates  den 
Grundstock  der  jetzigen  Stadtbibhothek  bildet.  Auswärtige  Besitzungen  scheint 
das  Kloster  nicht  mehr  besessen  zu  haben.  Von  einem  Landgut  in  Dierks- 
hausen,  das  der  Graf  von  Wölpe  der  neu  gegründeten  Marienkirche  schenkte 
(„ad  lumen  et  ad  fenestras  reparandas"),  hören  wir  nichts  weiter,  als  daß  sein 
Sohn,  Graf  Burchard  von  Wölpe,  i.  J.  1288  die  Schenkung  bestätigte.  Ein  Hof 
in  Haverbeck,  dessen  Einkünfte  zur  Unterhaltung  der  ewigen  Lampe  von 
St.  Marien  diente,  war  schon  im  Jahre  1301  gegen  eine  Honigrente  aus 
dem  Salinsod  umgetauscht,  ein  Garten  vor  dem  Lünertore  i.  J.  1481 
für  15  Mark  veräußert.  Nach  Einführung  der  Observanz  scheinen  auch 
die  Rentenzahlungen  aufgehört  zu  haben,  wird  doch  Ostern  1492  eine 
Kirchenrente  von  8  Schillingen  in  eine  Kapitalzahlung  von  10  Mark 
zugunsten  des  Klosterbaufonds  umgewandelt,  unter  der  Begründung  „nadem 
de  brodere  ok  neyne  renthe  unde  eghendom  myt  alle  hebben  moten  edder 
schollen". 

Das  spitzovale  Siegel  des  Klosters  stellt  die  Verkündigung  Maria  dar, 
darunter  betet  in  kniender  Stellung  ein  Ordensbruder.  Die  Umschrift  lautet: 
„S.  fratrvm  minorvm  in  Lvneborch". 

Ein  Versuch,  das  Kloster  für  den  Orden  zurückzugewinnen,  wurde 
während  des  30jährigen  Krieges  gemacht.  Im  Mai  1631  nämlich  erschien  ein 
Franziskanerpater  mit  zwei  Begleitern  beim  worthaltenden  Bürgermeister  von 
Lüneburg,  xun  auf  Grund  des  Restitutionsediktes  die  Rückgabe  des  Klosters  zu 
fordern,  da  dasselbe  erst  nach  dem  Passauer  Vertrage  säkularisiert  worden  sei. 
Einen  Erfolg  hatte  die  Vorstellung  nicht 

Wir  wenden  uns  zur  Baugeschichte  des  Klosters,  insbesondere  der 
Klosterkirche.  Wie  schon  mitgeteilt,  errichtete  Otto  das  Kind  auf  dem  Gösebrink 
zunächst  eine  Kapelle.  Er  soll  durch  eine  Trarmierscheinimg  dazu  veranlaßt 
sein  und  um  nur  schnell  zum  Ziele  zu  kommen,  einen  just  fertig  gewordenen 
Kornspeicher,  den  er  in  Kirchgellersen  bemerkte,  von  dort  nach  Lüneburg  über- 
führt imd  für  den  Gottesdienst  eingerichtet  haben.  Später  ersetzte  der  Herzog 
die  Kapelle  durch  eine  ansehnliche  Kirche  in  Form  eines  Kreuzes,  und  am  Tage 
der  Weihe  soll  seine  Gemahlin  Mechtild  persönlich  ein  kostbares  Marienbild 
Zinn  Schmuck  des  Altars  herbeigetragen  haben.  Die  Elinweihung  wird  dem 
Verdener  Bischof  Gerhard  zugeschrieben;  ist  diese  Angabe  richtig,  so  hat  der 
Akt  nicht  schon  am  Einzugstage  der  Mönche,  am  1.  September  1235,  oder  gar 
noch  früher  stattgefunden,    sondern,   wie  das  wahrscheinUcher  ist,   in  der  Zeit 


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von  1251—68;  eine  ältere  Weihe  galt  wohl  dem  Erstlingsbau,  der  Kapelle. 
Besondere  Gunst  genossen  die  Barfüßer  bei  Otto  dem  Strengen,  der  das  Kloster, 
insbesondere  den  Reventer,  ausbaute.  Rat  und  Bürgerschaft  stifteten  den 
Observanten  ein  neues  Bücherhaus.  Die  Kirche  soll  bis  zur  Reformation  nur 
einen  einzigen  Zugang,  vom  Kloster  aus,  gehabt  haben,  der  im  Jahre  1544 
vermauert  imd  durch  einen  anderen  ersetzt  wurde.  Es  gab  neben  dem  Haupt- 
altar zu  Ehren  der  Maria  mindestens  vier  andere  Altäre,  einen  Marienaltar  am 
Eingange,  einen  Franziskusaltar,  einen  Katharinenaltar  und  einen  Michaelisaltar 
(„in  nova  capella",  1400). 

Als  der  Rat  das  Kloster  übernahm,  wurde  die  Klosterkirche  die  Nach- 
folgerin der  Ratskapelle  zum  Hl.  Geist,  aber  sie  war  sehr  baufäUig.  Ein 
Dezembersturm  warf  im  Jahre  1539  den  Turm  durch  das  Gewölbe  in  die  Kirche 
hinab,  imd  fortan  war  des  Restaurierens  kein  Ende.  Uhr  und  Orgel  wurden  in 
den  60er  Jahren  hergestellt,  die  letztere  vom  Snitker  Gerd  Suttmeier,  und  der 
Maler  Cort  Jagouw  übernahm  die  Aufbesserung  eines  Gemäldes,  das  vom  Regen 
verdorben  war.  Die  Predigt,  die  außer  am  Sonntagmittag  an  jedem  Dienstag 
und  Donnerstag,  morgens  vor  den  Ratssitzungen,  stattfand,  mußte  1569  eingestellt 
werden,  und  tiefe  Grabungen  zur  Untersuchung  der  Fundamente  führten  zu  dem 
Entschluß,  die  großenteils  bereits  eingefallene  Kirche  bis  auf  den  Chor  vollends 
niederzubrechen  \md  von  Grund  aus  neu  aufzubauen.  Am  1.  November  1574 
ward  der  Anfang  damit  gemacht.  Das  Blei  und  Kupfer  wurde  vom  Turme 
heruntergenommen,  die  Orgel  durch  den  Orgelmacher  DirickHoiers  aus  Hamburg 
zerlegt  und  in  Obhut  gebracht,  das  Mauerwerk  mit  Hülfe  alter  Schiffsmaste 
„umgeschroben^'  und  in.  Stücke  zerschlagen.  Dabei  zeigte  sich's^  daß  alles  mit 
„gaetekalck"  gemauert  war,  so  daß  über  16000  Karren  Grus  weggefahren 
werden  mußten.  Am  4.  April  1576  wurde  der  Grundstein  zum  Neubau  gelegt, 
um  den  sich  nach  einer  von  Bertram  überheferten  Inschrift  der  Kämmerer 
Georg  Töbing  besonders  verdient  machte;  Juraten  werden  nicht  erwähnt.  Statt 
der  Kreuzesform  erhielt  die  Kirche,  wohl  einer  der  ersten  protestantischen  Neu- 
bauten in  ganz  Deutschland,  die  Gestalt  einer  Lyra  oder  Laute,  worin  nach 
der  Erklärung  Bertrams  der  Chor  den  Hals,  die  eigentliche  Kirche  den  Bauch 
bildete.  Vielleicht  hatte  man  diese  Form  gewählt,  weil  vor  dem  Hochaltare 
i.  J.  1571  ein  weitberühmter  Lautenspieler  Namens  Georg  Stehn  seine  letzte 
Ruhestatt  gefunden  hatte.  Seine  (lateinische)  Grabschrift,  vermutlich  von 
Lucas  Lossius  verfaßt,  zeugte  von  einer  ungemein  freien  kirchlichen  Auffassung 
der  damaligen  Zeit: 

„Stehn,  er  ruhet  nun  hier.    Die  Laute  spielt'  er  so  trefflich, 
Daß  seinesgleichen  man  fand  nirgend  im  Deutschen  Land. 
Als  er  entschhef,  riefen  wehe  die  Musen,  die  Grazien  erbebten, 
Traurig,  die  Leier  verbannt,  weinte  Apollo  ihm  nach. 
Aber  die  Götter  sie  lächeln,  denn  er,  der  die  Menschen  ergötzte. 
Singt  nun  sein  liebUches  Lied  ihm  dem  erhabensten  Gott." 
Im    ganzen    war    die    neue    Marienkirche    kleiner    als    die    ehemalige 
Pranziskanerkirche.    Die  Baurechnung  ist  sorgfältig  geführt  und  wohl  erhalten. 

In  ortsüblicher  Weise  wurde  das  Fundament  aus  Feldsteinen  zusammengefügt, 

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das  Mauerwerk  aus  roten  Ziegelsteinen,  die  zu  vier  Fünfteln  (ca.  200000  Stück) 
aus  der  Ratsziegelei,  zu  etwa  einem  Fünftel  aus  Harburg  beschafft  wurden. 
Die  „zarten"  Steine,  d.  h.  die  Formsteine  im  Gegensatz  zu  den  unprofilierten 
Mauersteinen,  lieferte  samtlich  der  Ratsziegelhof.  Die  Rechnung  unterscheidet 
„camperstein,  scaerpstein,  holen  und  (wunden)  halven  maen,  gliep,  flackegge, 
caepstein,  finsteipoest  (duppelde  finsteipoest,  wangenpost),  hantgrep,  wiendel 
und  spiellenstein."  Zu  den  Ziegelsteinen  kamen  die  Hausteine  für  die  sechs 
Pfeiler  der  Kirche  („nedden  imd  baven'*)  und  für  die  Bekrönung  der  Kirchhofs- 
mauer, 108  Fuder  „Bueckenberger"  Stein  (aus  Bremen)  für  die  ornamentalen 
Teile,  endlich  18 100  „astroeck",  Estrichplatten  für  den  Fußboden,  aus  dem 
Abtsziegelhof.  Das  Balkenwerk  imd  sonstige  Bauholz,  bis  auf  zehn  große  Eich- 
bäume, die  der  Bischof  Eberhard  von  Lübeck  und  Verden  als  Abt  von 
St.  Michaelis  schenkte,  wurde  größtenteils  aus  Havelberg  bzw.  aus  Siebeneichen 
im  Lande  Sachsen  bezogen,  die  Kupferplatten  von  Paul  Hoier  aus  Erfurt  Als 
Mauermann  wird  Mester  Hinrich  von  Paries  (Hinrich  Paris)  genannt,  vielleicht 
ein  Emigrant,  der  mit  seinen  Knechten  für  rund  4500  Mark  das  ganze  Mauer- 
werk aufführte,  einschHeßUch  der  Kirchhofsmauer,  soweit  dieselbe  erneuert 
werden  mußte.  Die  Steinhauerarbeiten  hatte  Johan  van  Bentem  in  Auftrag, 
der  sein  Bestes  anscheinend  an  den  Türumrahmungen,  zumal  am  südhchen 
Hauptportale,  leistete.  Eine  in  Stein  gehauene  Darstellung  des  jüngsten  Gerichts 
freiUch,  die  gerade  an  diesem  Portal  angebracht  wiurde,  hatte  der  Rat  am 
Kran  „wegnehmen^^  lassen;  sie  wurde  Hinrich  Scoeuweshuesen  aus  Bremen 
mit  18  Mark  vergütet  und  hatte  eigentlich  als  Grabstein  dienen  soUen.  Außer  dem 
Südportal  hatte  die  Kirche  einen  Eingang  im  Westen  und  gegenüber  dem 
Kammereigebäude  eine  östliche  Tür  „so  up  den  windelstein  geit".  Zimmermann 
war  Mester  Märten  Roesze.  Er  errichtete  den  Dachstuhl  für  Kirche  und  Turm, 
den  Lektor  und  das  Holzwerk  für  ein  Beigenhaus  hinter  der  Kirche;  im  Jahre 
1580  wurde  er  abgelöst  durch  Lutke  Reese,  der  das  Chorgewölbe  einschalte  und 
das  Chorgestühl,  doch  wohl  eine  Empore,  beschaffte.  Die  Bedachung  des 
Gotteshauses  wurde  an  einen  auswärtigen  „kopperdecker",  Tonnies  genannt, 
aus  Husum  im  Lande  Holstein,  verdungen.  Der  Glasewerker  Bartelt  Hoen 
üeferte  eine  „lucht"  mit  einem  Marienbilde  und  eine  zweite  mit  dem  Ratswappen 
für  den  Chor,  femer  29  neue  Fenster  in  die  Sakristei,  32,  davon  die  Hälfte  mit 
Wappen,  in  die  beiden  Vorkapellen,  15  für  die  drei  Wendeltreppen.  Von  den 
Innenarbeiten  interessieren  hier  vornehmlich  die  der  Snitker  und  Maler.  Die 
Snitker  Hans  Elers  und  Jochim  Ellenbarch  verfertigten  die  Frauen-  imd  Männer- 
stühle für  Kirche,  Lektor  und  Orgel,  femer  die  Täfelung  des  Chors  mit  dem 
zugehörigen  Gestühl;  der  Predigtstuhl  imd  der  Bürgermeisterstuhl,  sowie  das 
Hauptgesims  der  Altartafel  wurde  von  Augustin,  einem  Gesellen  der  Witwe  des 
Snitkers  Evert  Lange,  hergestellt;  der  Snitker  Wamecke  Buermester,  schon 
genannt  als  Meister  des  Chorgestühls  von  St.  Johannis,  Ueferte  unter  das 
Kirchengewölbe  sechs  Scheiben  „van  wagenscotte,  van  seinem  eigen  holte  to 
makende".  Auch  Albert  von  Soest  sehen  wir  beteiUgt.  Er  allein  wird  Buden- 
snider  genannt  und  ist  im  Jahre  1579  tätig,  indem  er  ein  großes  vor  dem  Chore 
hängendes  Kmzifix   samt  den  Nebenfiguren   des  Johannes  und  der  Maria  „an 


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Händen  und  Füßen  und  wo  die  sonst  gebrechlich"  ausbessert;  das  Material  zur 
Vergoldung  der  Gruppe  wurde  aus  Magdeburg  beschafft.  An  Malern  werden 
zwei  genannt.  Jochim  Jagouw  wurde  schon  erwähnt.  Er  vergoldete  die 
Wetterfahne  nebst  einer  Krone,  sowie  alle  großen  und  kleinen  Turmknöpfe, 
schmückte  vier  Kupferplatten  vor  den  vier  Dachfenstern  mit  Bildern  und  strich 
zuletzt  den  Turm  an,  malte  auch  „etliche  angesichte  und  fantasie"  darauf. 
Der  zweite  Maler,  Gert  Hane,  betätigte  sich  noch  vielseitiger.  Er  tränkte  die 
(Tritt)  Steine  der  drei  Portale  mit  öl,  die  behauenen  Steine  mit  Bleiweiß  und 
etwas  Farbe  und  strich  die  Mauersteine  braunrot,  die  eigentlichen  Türen  grün 
an;  eine  Historie  über  der  Westtür  hob  er  durch  Gold  und  Farben,  ebenso  die 
kleinen  „Flüger"  obenauf,  reiche  Vergoldung  erhielt  auch  das  Hauptportal. 
Predigtstuhl  und  Orgel  vergoldete  Gert  auf  blauem  Grunde,  eine  Uhrscheibe 
im  Innern  der  Kirche  versah  er  mit  den  Ziffern  und  firnißte  einen  darüber 
befindlichen  gedrehten  Glockenturm.  Auf  vier  der  von  Buermester  gelieferten 
Scheiben  malte  er  in  öl  je  einen  Evangelisten,  auf  die  fünfte  den  Salvator,  auf 
die  sechste  die  Dreifaltigkeit.  Die  große  Altartafel  reinigte  er,  besserte  sie  aus, 
bemalte  die  Flügel  außen  grau  in  grau  mit  Historien  und  zierte  sowohl  den  Aufsatz 
des  Snitkers  Augustin  wie  das  große  von  Albert  von  Soest  restaurierte  Kruzifix 
mit  dem  Johannes,  der  Maria  .,und  den  twien  poesten",  durch  Farbe  und  Gold.  Den 
Fuß  der  Altartafel,  „da  etwa  in  olden  tiden  dat  sacramentshueselin  gestanden", 
ersetzte  er  durch  ein  Brett,  auf  welchem  dreierlei  Historien  aus  der  Bibel,  ins- 
besondere die  Taufe  Christi,  dargestellt  waren.  Das  Haupthonorar,  250  Mark,  bezog 
er  für  die  Bemalung  des  ganzen  KirchengewSlbes  einschließlich  des  Chores.  Dirick 
Hoiers,  der  im  Hause  des  Organisten  von  St.  Johannis  mit  fünf  Knechten 
ebensoviele  Wochen  beköstigt  wurde,  stellte  die  alte  Orgel  wieder  auf  und 
verbesserte  sie  durch  ein  neues  Positiv.  Die  Beleuchtung  der  Kirche  wurde  vor- 
bereitet durch  Anbringen  von  zehn  schwarzen  eisernen  Platten  mit  Pipen  für 
die  Kerzen,  während  der  Chor  von  den  sog.  Stallbrüdem  eine  Messingkrone  zum 
Geschenk  erhielt.  Für  den  Predigtstuhl  lieferte  der  Hannekenmaker  einen 
besonderen  Leuchter  mit  zwei  Pipen;  ein  Stundenglas  von  vier  Gläsern 
mit  Eierschellen,  „im  geliken  up  den  prediegstoU  gekamen",  war  in  Lübeck 
bestellt 

Als  die  Kirche  vollendet  war,  wurden  rings  um  die  Mauern,  auch  im 
Kreuzgangshofe,  unter  den  Tropfenfall  Knutten  mit  „plueslem"  vermischt  an 
das  Fundament  geschüttet  und  festgerammt,  um  ein  besseres  Abziehen  des 
Wassers  herbeizuführen  und  so  die  Grundmauern  zu  schützen. 

Die  Gesamtkosten  des  Baues,  einschließlich  der  für  70  Mk.  an  einen 
Steinbrügger  aus  Hamburg  verdungenen  Neupflasterung  des  Kirchhofs  und  eines 
Teils  der  im  Westen  anliegenden  Straße  betrugen  39  461  Mk.,  die  kaum  zu 
einem  Zehntel  aus  den  Mitteln  des  ehemaligen  Klosterkonvents,  zu  ungefähr 
einem  Fünftel  durch  freiwillige  Gaben  zusammengebracht  wurden;  mit  der 
Hauptsumme  mußte  die  Bürgermeisterkasse  eintreten.  Ein  Beweis  edlen  Ge- 
meinsinns ist  aus  den  Jahren  1584  und  1585  überliefert,  indem  jeder  vornehme 
Bürger  damals  3'/2  Taler  beisteuerte,  damit  sämtliche  Füllbretter  des  Lektors 
bemalt  werden  konnten. 


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Am  3.  Januar  1581  wurde  in  der  neuen  Marienkirche  unter  großen 
musikalischen  Veranstaltungen  der  erste  Gottesdienst  abgehalten.  ^  Die  letzte 
Predigt  fand  statt  am  26.  Juni  1803.  Die  Greschichte  der  Zwischenzeit  ist  mit 
wenigen  Worten  gegeben.  Der  Bau  des  Pariser  Meisters  bewährte  sich  nicht, 
sei  es,  daß  unsolide  gebaut  war,  sei  es,  daß  der  als  „nicht  köstUch"  geschilderte 
Grund  und  Boden  die  Mitschuld  trug.  Schon  1590  mußten  die  Fundamente 
verstärkt,  das  Mauerwerk  verankert  werden,  imd  kostspielige  Reparaturen  und 
ELmeuerungen  wiederholten  sich  im  zweiten,  sechsten  imd  letzten  Dezennium 
des  17.  sowie  nach  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts.  Lange  Perioden  hindurch 
war  die  Kirche  geschlossen.  Da  kam  die  französische  Okkupation,  und 
St  Marien,  gerade  damals  baulich  gut  imstande,  wiu*de  in  eine  Kaserne, 
später  in  ein  Kriegsmagazin  verwandelt.  In  diesem  Stadium  ging  die 
Innenausstattimg  zugrunde,  nur  die  Messingkrone  des  Chors  wurde  auf 
das  Rathaus  gerettet  Nach  dem  Abmarsch  der  Franzosen  fehlten  die 
Mittel,  die  ausgeplünderte,  sogar  ihrer  Fenster  beraubte  Kirche  auch 
nur  provisorisch  wieder  herzurichten;  zuletzt  exerzierten  darin  die  Musizi  des 
Land  Wehrbataillons.  Im  Frühling  1818  schritt  man  zum  Abbruch  des  Gottes- 
hauses. 

Die  Gestalt  der  Kirche  nach  all'  den  Restaurierungen,  von  denen  die  um 
1700  eine  verkleinerte  Erneuerung  von  Grund  aus  genannt  wird,  ist  von  Mithoff 
in  einer  Skizze  nach  Gebhardi  wiedergegeben.  Ein  im  Archiv  verwahrter 
„Grundriß  von  den  gesambden  Stühlen  und  Klappen  der  Marienkirche"  zeigt 
einen  rechteckigen  Mittelbau  mit  dem  polygonal  geschlossenen  Chor  im  Osten 
und  ein  fünfseitig  geschlossenes  Orgelhaus  im  Westen.  Über  dem  Südportal 
scheint  bei  Gebhardi-Mithoff  ein  Treppenhaus  (Windelstein)  zu  liegen,  das  mit 
einem  glockenförmigen  Dach  geschlossen  ist;  auf  dem  Hauptdache  erhebt  sich 
in  der  Linie  eben  dieses  Portals  ein  latemenförmiger  Dachreiter  mit  Glocke  und 
Wetterfahne. 

Die  im  Jahre  1516  gegossene  schöne  Franziskusschelle  Hinriks  van  Kampen 
ist  nach  dem  Abbruch  des  Gotteshauses  nach  St.  Nikolai  überführt  und  dient 
dort  seit  1895  der  neuen  Turmuhr  als  Viertelglocke. 

Von  den  Baulichkeiten  des  alten  Franziskanerklosters  wurde  das  der 
Kirche  am  nächsten  stehende  Haus  (Fig.  54)  in  seinem  Hauptgeschosse  zur 
Ratsliberie,  für  welche  im  Jahre  1586  größere  Aufwendungen  gemacht  wurden. 
Der  Remter  imd  die  kleineren  Häuser  im  Klosterhofe  wurden  als  Witwen- 
wohnungen benutzt.  Das  Hauptgebäude  ist  i.  J.  1675/76  in  ein  Armenhaus  um- 
gewandelt, dieses  in  ein  Zucht-  und  Waisenhaus  (Neubau  1699—1701),  und 
dieses  wiederum,  bald  nach  1850,  in  ein  Werk-  und  Armenhaus.  Im  Jahre  1757 
wurde  auch  in  den  Häuseni  des  Klosterhofes  ein  französisches  Hospital  eirichtet, 
von  1811 — 13  war  die  Anstalt  ein  Korrektionshaus  für  das  Departement  der 
Eibmündung. 

Beschreibung.  ^^^  ^^^  Klostergebäuden  ist  ein  kleiner  Teil  in  den  Räumen  der  jetzigen 

Stadtbibliothek  erhalten.   (Fig.  55.)    Der  Nordflügel  des  als  Armenhaus  benutzten 
Gebäudes  zeigt  noch  Reste  von  gotischem  Mauerwerk. 


-«S     167     g-*- 

Im  Erdgeschoß  der  StadtbibKothek  befindet  sich  ein  mit  Kreuzgewölben 
überdeckter  zweischiffiger  Saal  —  vielleicht  das  Refektorium  der  Mönche  —  der 
westlich  an  den  Rest  des  auch   mit  Kreuzgewölben  überdeckten  Kreuzganges 


FiK-  H.   Gtebsl  dar  Btadtbibllotbek  (ehemallgea  FumiskaDcrklogter). 


anschließt  (Fig.  55.)  Die  Gewölbe  des  Saales  werden  durch  eine  mittlere  Reihe 
gemauerter  Pfeiler  unterstützt  Von  diesen  Pfeilern  bildet  einer  im  Grundriß 
einen  Kreis,  die  anderen  sind  aus  vier  Halbkreisen  zusammengesetzt  Die 
groben  Formen  der  Sockel  und  Kapitelle  bestehen  aus  Gipsmörtel,   Die  Gewölbe- 


Jnjjfvslsffinp. 


Flf.  U.    EhimallKu  Fraiiil»kanerkIo«tar.    GrondrU,  Bcbnltt«  u 


gurte  sind,  soweit  sichtbar,  aus  Tausteuien  gemauert    An  den  Aul^nwäDden 
stehen  Gurte    und   Rippen    atil  Konsolen    aus    Gipsmörtel.     Die    wechselnden 


JJJJJJJJJJJJJJJJJjJjJJJJJJJJkjJJJJJJJJ 


Flg.  K.   Arebltcktnr  im 


illgen  FranzlBkaDcrklaBtars. 


Formen  der  Schlußsteine  sind  reizvoll  ausgebildet  (Fig.  55).   In  den  Fensteröffnun- 
gen des  Kreuzgaoges  ist  noch  die  Dreiteilung  durch  Pfosten  und  der  Fensterfalz 


-^    170    8^ 

erkennbar.    Über  dem  Saal,  der  jetzt  durch  Quer-  und  Längswände  verbaut  ist, 
liegt  das  schmucklose  Magazin  der  Stadtbibliothek. 

Die  Sudseite  des  Gebäudes  zeigt  vorgelegte  dreiseitige  Pfeiler,  die  unter 
dem  Dach  endigen.  Die  Schildbögen  der  Kreuzgewölbe  sind  zwischen  diesen 
Pfeilern  sichtbar.  Die  Fenster  sind  später  verändert  An  derselben  Außenseite 
hegt  ein  kleiner  Vorbau  mit  ebenfalls  dreiseitigen  Pfeilern.  Er  birgt  im  Innern 
ein  malerisches  Treppenhaus  aus  dem  18.  Jahrhundert,  jetzt  der  Aufgang  zur 
Stadtbibliothek.  Der  Giebel  am  Ochsenmarkt  (Fig.  54)  Jiat  schlanke  Umrißlinien 
in  Form  von  langgezogenen  Schnecken  und  eine  kleine  Bekrönung  mit 
Anläufem.  In  einer  Nische  im  oberen  Teü  des  Giebels  steht  eine  Figur.  An 
der  Giebelfläche  sind  noch  Reste  von  spätgotischen  Architekturteilen  erkennbar. 

Der  nach  Norden  sich  anschließende  Flügel  des  Armenhauses  ist  an  seiner 
Ostseite  durch  schlanke  Backsteinpilaster  mit  korinthischen  Kapitellen  aus  Gips- 
mörtel geteilt  (Fig.  56).  Das  Kapitell  über  dem  Korbbogen  der  Durchfahrt  zeigt 
als  Mitte  das  Stadtwappen.  In  der  Leibung  des  Bogens  befindet  sich  ein 
Mauerstein  mit  der  eingekratzten  Inschrift:  RENOV.  1776.  Eine  an  der  sonst 
schmucklosen  Hofseite  dieses  Flügels  angebrachte  Steinplatte  trägt  neben  den 
Wappen  der  Arndt  und  Stöterogge  die  Inschrift: 

HVC  CIVIS  QVICVNQVE  SIS  AVT  HOSPES  OGV/LOS  ET  ANIMVM 
ADVERTE/HOC  ERGASTVLVM/SVOS  QVOS  HABET  ERGASTVLARIOS  NON 
IN  SER/VILEM  CONDITIONEM  SED  IN  MELIOREM  SPEM/PIETATIS  ET  BONAE 
FRVGIS  VLTRONEOS  VEL  INVl/TOS  INVITAT  INDVCIT  TV  NE  INSTITVTVM 

GARPAS  CAVE. 
PROVISORES .  Aä  1675. 

Neben  den  Wappen  steht:   H  •  ARND  •  ARNDS  ADMINIST  • 

H .  BRAND  LVDOLF  STOTEROG  • 
darunter  ist  eine  zweite  Platte  eingelassen  mit  RENOV  •  1848. 

An  einem  zum  Armenhause  gehörigen  Fachwerkflügel  befinden  sich 
zwei  Türen  mit  ausgeschnittenen  Holmen,  eine  dritte  Tür  besitzt  als  oberen 
Abschluß  einen  profilierten  und  mit  Perlstäben  besetzten  Kielbogen.  Der  Schmuck 
des  Bogens  setzt  sich  an  den  seitlichen  Ständern  fort.  Die  Verzierungsweise 
erinnert  an  die  der  Tür  hinter  der  Bardowickermauer  Nr.  7.   (Vergl.  Fig.  165.) 


Das  Kloster  Heiligental. 

Quellen:  Otto  KUltzing,  narratio  de  fundatione  et  translatione  monasterii  sui  in 
Luneborch  (Leibniz,  SS.  Bransv.  ill.  U.  888  ff.);  Urkunden  des  Klosters  im  Stadtarchiv;  Güter- 
verzeichnis des  Klosters  von  1456  mit  Nachträgen,  ebenda;  JoL  Buschius,  de  reformatione 
monasteriorum  per  Saxoniam  (Leibniz,  1.  c.  837);  Gebhardi,  CoUectanea  U;  Sudendorfs 
Urkundenbuch;   Volgers  Urkundenbuch  n  und  in. 

Literatur:  Schlöpken,  Chronicon  der  Stadt  Bardewick  519  ff. ;  Bertram,  evangelisches 
Lüneburg  S.  8  ff. ;  Manecke,  Top.-hist.  Beschreibungen  S.  19 ;  Volger,  LUnebui^er  Pfingstblatt  1858 
(Lüneburger  Blätter  136  ff.);  Mithoff,  Kunstdenkmale  170  ff.;  Reinecke,  Entstehung  des 
Johanneums  (Ltineburger  Museumsblätter,  Heft  2). 


--8     171    S^ 

Zum  Michaelis-  und  Marienkloster  gesellte  sich  als  dritte  und  jüngste  Geschichte. 
Ordensniederlassung  Lüneburgs  das  Prämonstratenserkloster  Heiligental.  Es  war 
auf  Betreiben  eines  Ordensbruders  Namens  Eberhard  durch  Ritter  Lippold  von 
Doren  und  dessen  Gemahlin  Irmgard  im  Jahre  1314  gegründet,  und  zwar  in 
KirchgeUersen  im  Landkreise  Lüneburg,  war  aber  bald  darauf  nach  dem  be- 
nachbarten Orte  Siebelingsborstel  verlegt,  das  fortan  Heiligental  genannt  wurde. 
Auch  dort  fand  das  Kloster  keine  bleibende  Statte.  Es  mangelte  an  Quellwasser, 
der  sumpfige  Boden  machte  die  Luft  ungesund,  und  Kröten  und  allerhand 
Ungeziefer  nahmen  überhand.  In  den  schlimmen  Jahren  des  Lüneburger  Erb- 
folgekrieges wurde  das  Bedürfnis  nach  einem  geeigneteren  Wohnorte  erst  recht 
fühlbar,  und  so  kam  es  zur  Übersiedelung  des  Klosters  nach  Lüneburg.  Der 
damalige  Propst,  Otto  Kültzing  aus  Uelzen,  hat  die  mühseligen  Verhandlungen, 
die  diesem  Ereignisse  voraufgingen,  aufs  anschaulichste  geschildert  Es  galt, 
die  Herzöge,  den  Bischof  von  Verden,  das  Verdener  Domkapitel,  den  Archidiakon 
von  Modestorf,  den  Pfarrer  von  St.  Johannis  und  vor  allem  das  Lüneburger 
Ratskollegium  zu  gewinnen.  Gerade  bei  dem  letzteren  fand  der  Propst  bereit- 
wiUiges  Entgegenkommen.  Kültzing  selbst  nennt  zwei  Lüneburger  Bürgermeister 
neben  dem  Propst  von  Lüne  die  eigentlichen  Vorkämpfer  seiner  Sache,  und  es 
ist  sehr  wahrscheinlich,  daß  der  Lüneburger  Rat  das  Prämonstratenserkloster 
dazu  ausersehen  hatte,  die  Absicht  einer  Schulgründung  zu  verwirklichen.  Die 
anderen  vorgenannten  Machthaber  wurden  durch  Geldleistungen  zugänglich 
gemacht,  Herzog  Albrecht  erhielt  400  Mk.,  die  der  Rat  vorschoß,  der  Bischof 
100  Mk.,  sein  Kapitel  91,  der  Archidiakon  und  der  Pleban  je  80  Mk.,  und  was 
an  Nebenausgaben  hinzukam.  Am  schwierigsten  zeigte  sich  der  Pfarrer  von 
St.  Johannis.  Der  Propst  mußte  ihm  die  Ablieferung  sämtlicher  Oblationen, 
%  der  Legate  und  die  Hälfte  von  gelobten  Geldern  zugestehen;  kein  weltliches 
Lehen  sollte  im  Kloster  errichtet  werden,  Beichte  und  Erteüung  anderer 
Sakramente  von  selten  der  Konventualen  nur  an  Angehörige  des  Klosters 
erfolgen,  Gemeindemitgliedern  von  St.  Johannis  sollte  in  Heiligental  kein  Be- 
gräbnis gewährt  werden.  Andere  Vorschriften  galten  dem  öffnen  der  Kloster- 
pforten am  Morgen,  ihrem  Verschluß  am  Abend,  der  Stimde  der  Predigt,  endlich 
sollten  die  Klostergebäude  nur  bis  zu  einer  vereinbarten  Grenze  an  die  Johannis- 
kirche  heranrücken. 

Am  26.  August  1382  ging  der  feierliche  Einzug  der  Prämonstratenser 
vor  sich.  Herzog  Albrecht  ließ  es  sich  nicht  nehmen,  die  Einführung  selber  zu 
vollziehen.  Er  kam  mit  seinem  Gefolge  vom  Schloß  zu  Winsen  nach  Lüneburg 
geritten,  obgleich  hier  die  Pest  wütete  und  täglich  50  Einwohner  dahinraffte.  Am 
Zeltberge  wurde  der  Fürst  vom  Michaelisabte,  dem  Lüner  Propste  und  dem  Rats- 
kollegium, an  die  60  Pferde  stark,  empfangen,  indes  Propst  Otto  mit  seinem 
Prior  und  16  Konventualen  unter  dem  Barde  wikertore  desHerzogs  harrte.  Der  f  estUche 
Zug  ging  durch  die  Bardewikerstraße,  über  -den  Markt,  durch  die  Bäckerstraße 
und  die  später  sogenannte  Glockenstraße  dem  Heiligentaler  Hofe  zu,  der  unter 
Gesang  und  Ansprache  seiner  neuen  Bestimmung  endgültig  überwiesen  wurde. 

Das  Besitztum  des  Klosters   umfaßte  einen  großen  Komplex  zwischen 

den  Straßen  Am  Berge,  Wandfärber-  und  Konventstraße.    Es  war  begründet 

22» 


-^    172    8^ 

durch  die  Schenkung  eines  früheren  Propstes,  Hinrick  von  Bücken,  der  im 
Jahre  1338  ein  vom  Kloster  Lüne  erworbenes  Wohnwesen,  östlich  vom  Medinger 
Klosterhofe,  seinen  Ordensbrüdern  vermacht  hatte.  Dieses  Grundstück  wurde 
im  Jahre  1373  durch  den  Ankauf  einer  Kurie  der  Ratsfamihe  van  der  Suiten 
für  den  Kaufpreis  von  600  Mk.  Lün.  Pf.  sehr  vergrößert,  und  zwei  Jahre  darauf 
fand  daselbst  unter  Verleihung  eines  Ablasses  die  Einweihung  einer  Kapelle 
statt  zu  Ehren  der  Hl.  Dreifaltigkeit,  der  Jungfrau  Maria  und  der  Hl.  Andreas, 
Laurentius  und  Augustinus.  Es  scheint,  daß  diese  Gebäude,  als  die  Pramon- 
stratenser  in  Lüneburg  ihren  festen  Wohnsitz  nahmen,  niedergelegt  wnrden, 
denn  es  wird  berichtet,  daß  der  Propst  an  jenem  Einführungstage  zunächst  seine 
Kaminata  als  Kapelle  eingerichtet  habe,  und  daß  die  Glocken  einstweilen  „in 
lobio  caminatae"  auf  einem  freien  Ausbau  vor  jenem  Gemache  aufgehängt 
wurden.  Zur  selben  Zeit  nun,  als  im  westlichen  Teile  der  Stadt  die  Michaelis- 
kirche neu  erstand,  vollzog  sich  in  der  Nähe  der  Ilmenau  die  Erbauung  des 
Klosters  Heiligental.  Die  Urkunde  des  Rates,  welche  die  förmliche  Erlaubnis 
zum  Bau  erteilte  und  den  Klosterbesitz  gegen  einmalige  Zahlung  von  2000  Mk. 
auf  ewige  Zeiten  von  aller  Stadt-  und  Bürgerpflicht  freisprach,  ist  wohl  nach- 
träglich, nämlich  erst  am  7.  Dezember  1384,  ausgestellt. 

Über  die  wirtschaftlichen  Verhältnisse  des  Klo.sters  sind  wir  gut  unter- 
richtet. Im  Jahre  1374  berechneten  Bischof  und  Domkapitel  zu  Verden  den  von 
den  Heiligentalem  zu  erhebenden  Zehnten  auf  12  Talente  Lün.  Den.  Die  Cber- 
siedelung  nach  Lünebiirg  verursachte,  wie  wir  gesehen  haben,  große  Kosten, 
und  erhebliche  Opfer  an  Geld  und  Gut  waren  in  den  nächsten  Jahren  zu  bringen, 
als  die  Eröffnung  der  schon  erwähnten  Schule  zu  einem  Konflikt  mit  dem 
Michaeliskloster  und  den  Herzögen  führte  und  Heiligental  nach  einem  langwierigen 
Prozeß  vom  päpstUchen  Stuhle  in  den  Bann  gesteckt  wurde.  Es  hieß,  daß  das 
Kloster  durch  diese  Heimsuchung  völlig  verarmt  sei,  offenbar  eine  starke  Über- 
treibung. Zum  mindesten  hatte  sich  das  klösterliche  Vermögen  um  die  Mitte 
des  16.  Jahrhunderts  wieder  sehr  gehoben.  Das  zeigt  uns  ein  bisher  unbekanntes, 
im  Stadtarchiv  aufgefundenes  Güterverzeichnis  des  Klosters  aus  dem  Jahre  1456, 
auf  welches  näher  einzugehen  hier  nicht  der  Ort  ist.  Der  wertvollste  Besitz 
lag  auf  der  Lünebiirger  Sülze  und  wird  im  Register  mit  Fug  vorangestellt;  es 
folgen  die  Einnahmen  aus  Grundzinsen,  großen  und  kleinen  Zehnten,  Roggen- 
und  Hühnerzinsen,  Nutzungen  aus  Mühlen,  Wiesen  und  Hofdienst,  und  es  ist 
bemerkenswert,  wie  weit  die  Besitzungen  und  Berechtigungen  des  Klosters 
zerstreut  lagen;  an  dritter  Stelle  sind  die  Garten-,  Haus-  und  sonstigen  Renten 
aus  dem  städtischen  Umkreise  zusammengestellt;  sie  rührten  zumeist  aus 
Memorienstiftungen  her,  und  ihre  große  Menge  beweist,  daß  das  Kloster  sich 
bei  Rat  und  Bürgerschaft  großer  Gunst  erfreute. 

Auch  hören  wir  aus  der  kurzen  Geschichte  des  Klosters  nichts  von  einem 
Zerwürfnisse  der  Ordensbrüder  mit  der  Stadtobrigkeit,  vielmehr  gingen  Rat  und 
Kloster  seit  den  Tagen  des  großen  Schulstreites  vielfach  Hand  in  Hand,  zumal 
im  Prälatenkriege  stand  Heiligental  auf  der  Seite  des  alten  Rates.  Das  gute 
Verhältnis  hielt  bis  zur  Auflösung  des  Klosters  an.  Während  die  Franziskaner 
den  Reformationsbestrebimgen    schroffen  Widerstand  entgegensetzten,   berichtet 


-^     173    8^- 

Schomakers  Chronik  von  den  Prämonstratensennönchen:  „de  nemen  körten  rat 
und  vorleten  alle  ehre  guder,  suitegut,  holtüxge,  meyer,  dem  erbaren  rade  ganz 
und  gar  up;  den  dar  weren  vele  schulde  inne;  und  leten  sick  mit  lylrenten 
afdrepen;  denn  einem  idem  worden  voftich  mark  assignert  und  frye  waninge 
syn  levedage;  de  dar  wolde,  mochte  im  kloster  blyven,  averst  da  blef  na 
körten  dagen  nemant/' 

Es  war  im  Jahre  1530,  als  diese  Verhandlungen  ziun  Abschluß  kamen, 
und  das  Kloster,  dessen  Insassen  schon  vorher  sehr  zusammengeschmolzen  waren, 
hatte  damit  aufgehört  zu  existieren.  Freilich  ein  ganz  so  leichtes  Spiel,  wie  es 
nach  Schomaker  scheinen  könnte,  hatte  der  Rat  doch  nicht  Herzog  Ernst  erhob 
gegen  die  Vereinbarung  Einspruch,  forderte  das  gesamte  Klostergut  für  sich 
selber  und  belegte  den  Besitz  außerhalb  der  Stadt  mit  Beschlag.  Erst  im  großen 
Rezeß  von  1562  einigte  man  sich  dahin,  „das  der  radt  sol  die  guter  binnen  der 
Stadt"  —  es  waren  vorzugsweise  die  Baulichkeiten  des  Klosters  und  das  Sülz- 
gut —  „und  die  fürsten  die  landtgüter  außerhalb  der  stadt  belegen, 
wie  sie  ein  jeder  jetz  in  besitzt  hat,  behalten".  Der  Rat  vereinigte  seinen 
Gewinn  mit  dem  Vermögen  des  Hauses  der  Barmherzigkeit  im  Oral,  die 
auswärtigen  Besitzungen  des  Klosters  wurden  zum  landtagsfähigen  Gut 
Heiligental  erhoben. 

Von  den  Klostergebauden  ist  in  stark  verändertem  Zustande  nur  die  alte 
Propstei  erhalten,  an  der  Südecke  der  Conventstraße  und  der  Straße  Am  Berge; 
das  Mauerwerk  zeigt  nach  Süden  hin  Ansätze  zu  Spitzbögen  —  es  sind  Reste 
vom  nördhchen  Seitenschiffe  der  ehemaligen  Klosterkirche.  Dieses  Gotteshaus, 
nach  seinem  obersten  Schutzheiligen  auch  als  Andreaskirche  bezeichnet,  war 
gemäß  einer  von  Volger  im  Wortlaute  überlieferten  Inschrift  aus  dem  Knopfe 
des  Turmes  im  Jahre  1391  vollendet.  Der  Dachreiter  soll  sich  nach  einer  von 
Mithoff  angezweifelten  Nachricht  200  Fuß  über  den  Dachfirst  erhoben  haben, 
und  das  Mittelschiff  der  Kirche  war  nächst  St.  Nikolai  das  höchste  Gebäude  der 
Stadt  Die  ungefähre  Gestalt  des  Dachreiters  ergibt  sich  aus  den  Ansichten  der 
Stadt  vor  1715;  in  diesem  Jahre  wurde  er  heruntergenommen,  da  die  Kirche  ihn 
nicht  mehr  zu  tragen  vermochte.  Die  dreischiffige,  mit  runden  Arkadenbögen 
versehene  Hallenkirche,  im  Langhause  etwa  15  m  lang,  IIV2  ^  breit,  scheint 
nach  der  Reformation  für  den  Gottesdienst  nicht  mehr  benutzt  zu  sein;*)  sie 
wurde  durch  Scherwände  in  kleinere  Räume  abgeteilt,  die  als  Salzspeicher  dienten. 
Der  Westgiebel  des  Gotteshauses  stand  unmittelbar  an  der  Straße  Am  Berge, 
der  Chor  war  im  halben  Zehneck  geschlossen.  Einige  nähere  Details  bringen 
Gebhardi  und  Mithoff.  Der  letztere  gibt  auch  einige  Nachrichten  über  das 
Innere  der  Kirche  und  erwähnt  insbesondere  einen  Altar  der  von  Malern  imd 
Glasern  gebildeten  Lukasgilde,  die  sogenannte  „sunte  Lucas  tafelen",  die  in  den 
Jahren  1515  und  1516  von  Hinrik  Levenstede  hergestellt  wurde.  Ein  heftiger 
Sturm  zerstörte  im  November  1800  das  Heiligentaler  Kirchendach,  im  nächsten 
Jahre    wurde    das    ganze    Gebäude    für    3780    Taler    auf    Abbruch    verkauft. 


*)  Der  Kirchhof  des  Klosters  war  noch  gegen  Ausgang  des  17.  Jahrhunderts  in 
Benutzung. 


-^    174    8^ 

Die  Klostergebäude  sind  zum  Teil  schon  1564  abgebrochen,  [das  Dormitorium 
über  dem  Kreuzgange  folgte  1773,  die  übrigen  Baulichkeiten  teilten  das 
Schicksal  der  Kirche. 

Das  Heiligentaler  Propsteisiegel  ist  spitzoval  (55 :  36  mm).  Es  zeigt  unter 
einem  Baldachin  stehend  den  Hl.  Andreas,  unter  ihm  einen  knienden  Mönch. 
Die  Umschrift  lautet:  „S.  prepositi  in  Hilghendale". 


Die  Garnisonkipche. 

Literatur:  Manecke,  Top.-hist.  Beschreibungen  S.  20;  Volger,  Lüneburger  Neu- 
jahrsblatt 1858  (LUneburger  Blätter  S.  126  f.);  Mithoff,  Eunstdenkmale  S.  156.  Vgl.  auch 
Gebhardi,  Collectanea  Band  IV. 


Geschichte. 


Uie  Besetzung  des  Kalkberges  durch  die  Truppen  Herzog  Georgs  von 
Braunschweig-Lüneburg  im  Jahre  1639  hatte  nicht  nur  die  Anlage  von  Ver- 
teidigungswerken auf  der  militärisch  wichtigen  Höhe  zur  Folge,  sondern  auch 
die  Errichtung  einer  ständigen  Garnison.  Ein  Teil  der  herzoglichen  Truppe  lag 
in  der  Stadt,  bis  er  nach  einem  Zugeständnisse  Christian  Ludwigs  vom 
27.  Oktober  1651  herausgezogen  und  durch  75  Mann  unter  einem  Stadt- 
hauptmann ersetzt  wurde,  der  sich  nicht  nur  dem  Herzoge,  sondern  auch  dem 
Rate  eidlich  verpflichten  mußte.  Der  Kern  der  Besatzungstruppe  lag  wie 
die  Kommandantur  innerhalb  der  Ummauerung  des  Kalkberges,  und  dort  wurde, 
auf  halber  Höhe,  auch  eine  Gainisonkirche  errichtet,  nachdem  der  Militar- 
gottesdienst  neun  Jahre  hindurch  in  einem  Zeughause  begangen  war.  Die 
Einweihimg  geschah  am  14.  Juni  1663.  Die  Kirche  hat  kein  langes  Leben 
gehabt  Die  Festungswerke  des  Kalkberges  verloren  nach  dem  siebenjährigen 
Kriege  ihre  Bedeutung  und  gingen  ein;  das  Gotteshaus  blieb  noch  eine  Weile 
stehen,  bis  seine  Baufalligkeit  allzu  bedrohlich  wurde:  am  stillen  Freitage  1783 
hielt  der  Gamisongeistliche  den  letzten  Gottesdienst  darin  ab,  dann  wurde  die 
Kirche  abgebrochen.  Offenbar  war  die  Kirche  nur  sehr  leicht  gebaut;  Volger 
berichtet,  es  sei  „ein  einfaches  ziemlich  geschmackloses  Haus  aus  Fachwerk 
ohne  Turm"  gewesen,  im  Innern  ohne  Zierde  bis  auf  ein  Gemälde  über  dem 
Altar,  einige  herzogliche  Wappenfenster  und  Fahnen  über  den  Gräbern  der 
Kommandanten.  Ein  ungestmdes  Pfarrhaus  lag  ebenfalls  auf  dem  Kalkbei^e, 
auch  gab  es  eine  besondere  Gamisonschule. 

Als  die  Ejrche  aufgegeben  war,  siedelte  die  Militärgemeinde  zunächst  in 
die  Marienkirche  über;  mit  dem  Jahre  1795  übernahm  der  Diakonus  von 
St  Michaelis  das  Amt  eines  Gamisonpredigers,  und  die  Michaeliskirche  wurde 
der  Garnison  zur  Mitbenutzung  überwiesen. 

Den  Platz  der  Garnisonkirche  auf  dem  Kalkberge  bezeichnete  ein  Obelisk 
aus  Sandstein,  dessen  kaum  noch  lesbare  Inschrift  das  Gedächtnis  der  in  der 
Kirche  beigesetzten  Offiziere  überliefern  soll  und  nach  Volger  also  lautet: 


-^    175    8^ 

,,In  memoriam  vironim  in  armis  et  toga  iUustrium  de  Soubiron, 
de  Nettelhorst  et  Besendahl  alionimque  quorum  ossa  hac  sepulchrali 
terra  conduntur  hoc  monumentum  templo  praesidii  Luneburgen^is  ob 
imminentem  ruinam  destructo  Gancellaria  bellica  Hannoverana  extrui 
jussit  A[imo]  P[08t]  C[ii8tum]  N[atiim]  MDCCLXXXffl." 
Der  Denkstein  ist  vor  mehreren  Jahrzehnten  von  seinem  alten  Tlatze 
entfernt  und  ein  gut  Stück  weiter  nach  Norden  gerückt. 


Die  Ratskapelle  zum  Heiligen  Geist 

Qn eilen:  Urkunden  des  Stadtarchivs;  Yolgers  Urknndenbuefa ;  Lüneburgs  ältestes 
Stadtbnch. 

Literatur:  Manecke,  Top.-hist.  Beschreibungen  S.  20;  Volger,  Neujahrsblatt  1850 
(LUneburger  Blätter  S.  131  f.) ;  Mlthoff,  Eunstdenkmale  S.  175. 


Die  bisherige  Forschung  hat  auf  Grund  einer  vom  Bischof  Konrad  von  Geschichte. 
Verden  ausgestellten  Urkunde  des  Stadtarchivs  einhellig  angenommen,  daß  die 
Heiligengeistkapelle  im  Jahre  1297  erbaut  worden  sei.*)  Im  genannten  Jahre 
nämlich  wurde  ein  vom  Lüneburger  Rate  gestifteter  Altar  aus  dem  Chor  der 
Johannisldrche  in  die  Heiligengeistkapelle  überführt,  die  fortan  einen  von  den 
Ratmannen  zu  präsentierenden  Rektor  erhielt.  Der  Wortlaut  jener  Urkunde  läßt 
indes  sehr  wohl  die  Deutung  zu,  daß  die  Kapelle  als  solche  schon  vorher 
bestanden  hat,  eine  Deutung,  die  durch  das  älteste  Stadtbuch  insofern  gestützt 
wird,  als  unter  den  Neubürgem  des  Jahres  1289  bereits  der  Name  Heyne  „apud 
Sanctum  Spiritum"  begegnet.  Diese  FeststeUung  ist  nicht  unwichtig,  weil  die 
HeiUgengeistkapelle  als  Ratskapelle  mit  dem  Rathause  auf  dem  Neuen  Markte 
verbunden  war  und  ihre  Datierung  für  die  Baugeschichte  auch  des  Rathauses 
ins  Gewicht  fällt.  Die  Kapelle,  zunächst  schlechthin  capella  s.  Spiritus  genannt, 
hieß  nach  Gründung  des  gleichfalls  mit  einer  Kapelle  ausgestatteten  Heiligen- 
geisthospitals bei  der  Saline,  spätestens  seit  1320,  die  Heiligengeistkapelle  am 
Neuen  Markt,  „capella  s.  Spiritus  prove  novum  forum**  (novi  fori,  1476:  „by  dem 
Nygen  markede  an  deme  radhusze",  sonst  wohl  „zum  Alten"  und  gern  „zum 
Kleinen  Heiligen  Geist"  „tome  lutken  hilgen  Gheyste'*).  Ihr  erster  Rektor  hieß 
Ludolf,  er  und  seine  Nachfolger  waren  zugleich  die  obersten  Stadtschreiber. 
Schon  im  Jahre  1304  stand  dem  Rektor  oder  Kapellarius  ein  Vikar  zur  Seite, 
jedoch  wurde  die  Kapelle  damals  noch  als  bedürftig  bezeichnet  Infolge 
neuer  Vikariengründimgen  wuchs  die  Zahl  der  Kapellengeistlichen  bis  auf  17  an, 
die  an  vier  Altären,  dem  Hochaltar,  dem  Frühmessenaltar,  dem  Kreuz-,  Petrus- 
und  Nikolaus-  und  dem  Paulusaltar,  tätig  waren.  Eines  Glöckners  geschieht 
zuerst  1317  Erwähnung;  wenn  die  Abendglocke  erklang,  war  seit  1365  ein 
Ablaß  zu  gewinnen.  Die  Kapelle  lag  in  der  Nordfront  des  späteren  Rathauses, 
ihre   Gewolbereihe   wurde   durch   die   große   Rathaustreppe   unterbrochen.     Die 

*)  Wenn  Manecke  das  Jahr  1247  nennt,  so  ist  das  ein  Schreib-  oder  Druckfehler. 


-^    176    8-3- 

Ratmannen  pflegten  die  Kapelle  vor  ihren  Sitzungen  zu  besuchen,  und  an  jedem 
Donnerstag  fand  ein  mit  einem  Ablasse  beliehener  Gottesdienst  zu  EIhren  des 
Leibes  Christi  statt.  WochentUch  einmal  wurden  nach  der  Messe  Almosen  ver- 
teilt Nach  einer  urkundlich  nicht  zu  stützenden  Inschrift  am  Heiligen  Geist- 
hospital soll  mit  der  Hatskapelle  bis  1322  eine  Armenanstalt  verbunden  gewesen 
sein.  'Zur  Kapelle  hielt  sich  die  Dreifaltigkeitsgilde  (1407:  die  Äiterleute  „des 
gildes  der  hilgen  drevaldicheit,  den  men  holt  to  dem  Hilghen  Geiste  up  dem 
Nyenmarkede"),  und  die  Juraten  der  Wandschneider  erwarben  1424  eine  Haus- 
rente zur  Unterhaltung  der  Lichter  vor  dem  Hochaltare.  Kapellenvorsteher 
waren  zwei  Mitglieder  des  Rates  und  zwei  Geschworne.  Ein  Ausbau  der  Kapelle 
wurde  1466  begonnen  und  war,  wie  wir  aus  Rentenverkäufen  der  Geschwomen 
und  einem  Ablaßbriefe  schließen  dürfen,  ein  Jahrzehnt  später  noch  nicht 
vollendet.  Die  Kapelle,  an  deren  Stelle  für  die  religiösen  Bedürfnisse  des  Rates 
die  benachbarte  Marienkirche  trat,  ist  nach  der  Reformation  eingegangen.  Ihre 
Gewölbe  wurden  profanen  Zwecken  dienstbar  gemacht,  u.  a.  fanden  das  Nieder- 
gericht und  eine  Buchhandlung  Unterkunft  in  dem  einstigen  Gotteshause,  dessen 
Gestalt  durch  die  Entstehimg  des  Renaissancebaues  nach  1560  und  die  Ein- 
richtung des  Huldigungssaales  (spätestens  1706)  wesentUche  Einbuße  erlitten 
haben  muß.  Das  Vermögen  der  Kapelle  fiel  der  Marienkirche  zu,  das  der  ein- 
zelnen Vikarien  dem  Kirchenkasten  bzw.  den  Stipendienkassen. 


Fpiedhofskapellen. 

1.  Die  Gertradenkapelle. 

Quellen:  Inedita  des  Stadtarchivs;  U.  F.  C.  Maneckes  Sammlungen  Band  26; 
Volgers  Urkundenbuch. 

Literatur:  Volger,  Lüneburger  Neujahrsblatt  1858  (Lünebui^er  Blätter  S.  132); 
Mithoff,  Eunstdenkmale  S.  156. 


Geschichte.  l^i©  Gertrudenkapelle  („capella  beate  Gertnidis  extra  Rubeam  vaJvam" 

1358,  „extra  muros"  1399)  zwischen  dem  Roten-  und  Sülztore  ist  als  eine 
Schöpfung  des  Lüneburger  Rates  nach  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  entstanden. 
Ihre  Einweihung  stieß  auf  Schwierigkeiten;  das  erhellt  aus  einer  Urkunde  vom 
28.  Dezember  1358,  wonach  der  Zimmermeister  Konrad  van  Brunswik  in  seinem 
Testamente  15  Mk.  aussetzte,  um  der  Kapelle  ihre  Weihe  zu  verschaffen,  eine 
anderweitige  Verwendung  der  Summe  jedoch  für  den  Fall  vorsah,  daß  die  Weihe 
bis  Ostern  1363  noch  nicht  stattgefunden  habe.  Die  Kapelle  unterstand  einem 
GeistUchen  als  Rektor  oder  Kapellenherm  und  hatte  zwei  Bürger  als  Juraten. 
An  jedem  Montag  wurde  die  Verteilung  von  Almosen  vorgenommen,  deren  Ver- 
waltung einem  Ausschuß  von  4  bis  5  Bürgern  oblag.  Enge  Beziehungen  zur 
Kapelle  imterhielt  die  Gertrudengilde,  die  deshalb  die  Gertrudengilde  vor  dem 
Roten  Tore  genannt  wurde,  nach  Volger  ferner  die  Jürgensgilde,  die  ihren  Altar 


-^     177     8^ 

im  Jahre  1478  mit  dem  silbernen  Bilde  ihres  Patrons  schmückte,  und  auch  die 
Kalandsbrüderschaft,  die  nach  Bedarf,  d.  h.  wenn  die  Johanniskirche  zu  sehr  in 
Anspruch  genommen  war,  ihren  Gottesdienst  abwechsehid  zu  St.  Lamberti  und 
zu  St  Gertrud  abhielt. 

Als  im  15.  Jahrhundert  die  Festungswerke  der  Stadt  verstärkt  wurden, 
mußte  die  Gertrudenkapelle  ihren  Erstlingsplatz  räumen.  Am  14.  Mai  1441  gab 
Bischof  Johann  von  Verden  seine  Zustimmung  zur  Verlegung,  und  im  Sommer 
1444  begann  ein  Neubau  der  Kapelle,  der  unter  Aufsicht  des  Ratskämmerers 
Hinrik  Lange  mit  einem  Aufwand  von  3180  M.  6  s.  4  ^  innerhalb  dreier  Jahre 
vollendet  wurde.  Am  20.  August  1447  fand  die  Einweihung  statt  Die  Kapelle 
war  mit  sechs  Altären  ausgestattet,  an  denen  neben  dem  Rektor  14  Vikare 
wirkten.  Die  Bezeichnungen  der  Nebenaltäre  waren  Kreuz-  (Simon  u.  Judas,  vier 
Doktoren),  Andreas-,  Marien-,  Allerseelen-  und  Matheus-  (Petrus -)altar,  der 
letztere  lag  in  der  Sakristei.  1516  und  1529  wurde  die  Kapelle  durch  Einbruchs- 
diebstahl geschädigt,  das  erstemal  wurden  4  Kelche  und  3  silberne  Pacificalia. 
das  zweitemal  3  Kelche  gestohlen. 

Die  neue  Kapelle  stand  nur  wenig  länger  als  hundert  Jahre,  denn  schon 
1553  wurde  sie  unter  Zustimmung  der  ganzen  Bürgerschaft  niedergerissen,  ver- 
mutlich weü  sie  baufällig  war.  Die  nicht  lange  zuvor  aufgestellte  Orgel  wurde  auf 
den  Chor  der  Johanniskirche  überführt;  dieser  fiel  auch  das  Vermögen  der  Kapelle 
zu,  die  von  der  Hauptpfarrkirche  der  Stadt  von  jeher  abhängig  gewesen  war. 

Ältere  Ansichten  der  Stadt  lassen  die  Kapelle  erkennen,  und  zwar  als 
ein  kleines,  im  Osten  und  Westen  im  Eck  geschlossenes  Gebäude  mit  schlankem 
Dachreiter,  einer  doppelten  Fensterreihe  und  einem  südlichen  Eingange. 

Der  Gertrudenkirchhof,  als  „Sunte  Gerderde  kerkhof"  schon  1382 
erwähnt  und  bis  1811  zum  Begräbnis  von  Nichtbürgern  benutzt,  bewahrt  in 
seinem  Namen  die  letzte  lebendige  Erinnerung  an  die  einstige  Kapelle.  Das 
jetzt  noch  stehende  Fachwerkhäuschen  ist  um  1830  errichtet,  angebUch  an  Stelle 
der  alten  Sakristei,  die  beim  Abbruch  der  Kapelle  verschont  gebüeben  sein  soll. 
Der  Dachstuhl  trägt  eine  Glocke  des  Lüneburger  Glockengießers  Paul  Voß  mit 
der  Inschrift:    „M  •  Pawel  •  Vos  •  anno  •  1  •  6  •  0  •  1.    Soli  •  Deo  •  gloria'^ 


8.  Die  Antoniikapelle. 

Quellen:   Stadtansichten  und  Akten  des  Archivs. 

Literatur:    Manecke,  Top.-hist.  Beschreibungen  S.  20,  Volger,  Neujahrsblatt  1858 
(Lüneburger  Blätter  S.  laS),  Mithoff,  Kunstdenkmale  156. 


Auf  den  Ansichten  der  Stadt  aus  der  zweiten  Hälfte  des  16.  JBihrhunderts 
findet  sich  außerhalb  des  Bardewikertores  eine  kleine  Kapelle,  die  als  „S.  Tonis" 
bezeichnet  und  leicht  als  die  Kapelle  des  Antonii-  oder  Bardewiker  Friedhofes 
zu  erkennen  ist.  über  ihre  Entstehungszeit  fehlt  bisher  jede  Nachricht  Sie  war 
abhängig  von  der  Nikolaikirche,  deren  Geschworne  Antoniikapelle  und  Friedhof 
mit  verwalteten.  Der  letztere  gewährte  den  Bauern  in  Ochtmissen,  die  als 
Gegenleistung   einen   Teil   der  Friedhofsumzäunung  zu  unterhalten  hatten,  freie 

23 


Geschichte. 


-^     178    8^ 

Begräbnisplätze.  Ein  Neubau  der  Kapelle  aus  Fachwerk  in  Form  eines  länglichen 
Zwölf ecks  scheint  im  Jahre  1684  in  AngrifiE  genommen  zu  sein,  eine  dahin 
deutende  Zeichnung  des  Archivs  trägt  die  Marke  HP.  Diese  Kapelle  wurde  1826 
wegen  ihres  Verfalls  abgebrochen,  und  der  Magistrat  bewilligte  den  Juraten  für 
das  folgende  Jahr  eine  KoUekte  zu  einem  abermaligen  Neubau.  Der  ausführende 
Baumeister  war  Architekt  Spetzler,  der  sich  für  seinen  Bau  aus  einem  Lager- 
räume des  Rathauses  alte,  vermutlich  aus  der  Marienkirche  stammende  bemalte 
Fenster  erbat  und  eine  Glocke  aus  dem  ehemaligen  Glockenspiele  des  Rathause& 


3.  Die  KapeUe  auf  dem  Xenen  Friedhofe. 

Literatur:   Manecke,  Top.-hist.  Beschreibungen  S.  21. 


Die  Kapelle  auf  dem  nach  Aufhebung  des  Kirchhofes  von  St.  Cyriak  um 
die  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  eingerichteten  Neuen-  oder  Michaelisfriedhofe  ist 
unter  dem  Landschaftsdirektor  von  Bülow  erbaut  worden,  zunächst  für  die 
Vorsteher  der  Ritterschule.  Ober  der  bemerkenswerten  schmiedeeisernen  Ein- 
gangstür steht  ein  Bibelspruch  und  das  Datum  der  Erbauung  „Anno  1791'^ 

Die  Kapelle  auf  dem  Zentralfriedhofe  ist  nur  deshalb  hier  anzufügen, 
weil  auf  ihrem  Dache  i.  J.  1883  die  Glocke  der  Gral -Kapelle  aufgehängt  worden 
ist  Die  Inschrift  der  Glocke  lautet:  „Soli  •  Deo  •  gloria  •  Me  fecit  •  J .  C .  Z[iegner]  • 
anno  •  1708". 


Klostephöfe  und  Stiftshäuser. 

Quellen:  Urkunden  des  Stadtarchivs;  Lüneburgs  ältestes  Stadtbuch;  Yolgers  Ur- 
kundenbuch;  Gebhardi,  Coli.  Y. 

Literatur:  Manecke,  Top.-Hist.  Beschr.  41  ff.,  Mithoff,  Eunstdenkmale  172  f. 


Die  mittelalterlichen  Landklöster  pflegten  in  der  Stadt,  zu  welcher  sie 
nähere  Beziehungen  unterhielten,  ein  Absteigequartier  zu  besitzen,  das  in  Kriegs- 
zeiten für  Leib  und  Gut  auch  wohl  als  Zufluchtsort  benutzt  wurde.  Lüneburg 
stand  durch  die  Ausbeute  der  Saline,  an  deren  Gewinn  die  Geistlichkeit 
hervorragend  beteiligt  war,  mit  einer  ungewöhnlich  großen  Zahl  auswärtiger 
Prälaten  in  standiger  Verbindung.  Infolge  davon  läßt  sich  eine  große  Zahl 
solcher  Klosterhöfe,  die  zumeist  die  Befreiung  von  den  Bürgerpflichten  erlangt 
hatten,  in  den  Mauern  der  Stadt  nachweisen.  Der  Lüner  Propsteihof  wird  schon 
1282  erwälmt,  Lüner  Klosterhäuser  lagen  Am  Berge,  Auf  dem  Kauf  (Fig.  116  u.  117) 
an  der  Lüner-  und  an  der  Bäckerstraße;  der  Ebstorfer  Hof  lag  in  der  Nähe  der 
Sülzbrücke  bzw.  an  der  Rübekule ;  der  Schamebecker  Hof  nördlich  von  St.  Nikolai 
(Fig.  168),  ein  Reinfelder  Hof  am  Ziegenmarkt,  der  Hof  des  IQosters  Isenhagen  in 
der  Techt  bzw.  an  der  Ilmenau.  Das  Medinger  Propsteihaus  befand  sich  an  der 
Wandfärberstraße,  ebendort  das  Oldenstädter  Klosterhaus,  der  Medinger  Klosterhof 
lag  am  Berge,  das  Wienhäuser  Auf  der  Altstadt,  das  Distorfer  in  der  Konvent- 


-^     179    8^ 

Straße.  Ein  großes  Besitztum  nordöstlich  des  Micbaelisklosters  gehörte  dem 
Bischof  bzw.  dem  Domkapitel  von  Verden,  dieser  sog.  Verdener  Hof  (curia 
episcopalis)  wurde  durch  den  R>otenburger  Hof  erweitert;  die  Domherrenhäuser 
des  Bardewiker  Kapitels  lagen  an  der  Bardewikerstraße,  ein  zugehöriges  Back- 
haus und  Böticherhaus  an  der  Burmesterstraße.  Durchweg  sind  diese  Kurien 
im  Laufe  der  Zeit  in  den  Besitz  der  Stadt  gelangt,  alsdaun  mit  der  Büi^erpflicht 
belegt  und  an  Private  wieder  veräußert. 

Die  Einreihung  der  Klosterhöfe  und  Stiftshäuser  an  dieser  Stelle  recht- 
fertigt sich  dadurch,  daß  wohl  alle  diese  Gebäude  {auch  eine  Kapelle  gehabt 
haben.  Der  Gottesdienst  in  der  Kapelle  des  Schamebecker  Hofes  tat  sogar,  wie 
in  anderem  Zusammenhange  schon  erwähnt,  der  jimgen  Nikolaikirche  solchen 
Abbruch,  daß  der  Rat  im  Jahre  1451  ihre  Schließung  durchsetzte.  Was  von  aU 
diesen  Häusern  an  Kunstdenkmälem  erhalten  ist,  wird  unten  bei  der  Beschreibung 
der  Privathäuser  dargelegt  werden. 

Keine  sichtbare  Spur  ist  erhalten  von  den  Konventhäusem  der  Lüneburger 
Beginen  und  Baguten.  Wir  erfahren  von  ihrer  Existenz  zuerst  aus  einem  in 
Rom  erworbenen  Ablaßbriefe  vom  Jahre  1290,  laut  welchem  die  „filie  begine" 
der  Stadt  vorhatten,  ihr  Wohnwesen  mit  einem  Aufwände,  der  ihre  eigenen 
Kräfte  überstieg,  neu  aufzubauen  („de  novo  opere  magis  sumptuoso  domos 
mansionesque  edificare").  Mehrere  Bischöfe  von  Verden  bestätigten  den  Ablaß 
als  Diözesanbischöfe.  Im  Jahre  1340  trat  der  Konvent  in  eine  geistige  Gemein- 
schaft zum  Kloster  Arendsee  in  der  Mark.  Ein  Vermächtnis  von  1344  galt 
„den  armen  Mädchen  des  Konvents  am  Wasser",  1351  wird  ein  Bachinenkonvent, 
den  Albert  van  der  Molen  erbaut  hatte,  mit  einer  Tonne  Häringe  bedacht,  und 
aus  anderen  Urkunden  ergibt  sich,  daß  ebendieser  Konvent  der  Beginen  (Baguten)- 
Konvent  an  der  Umenau  war.  Die  Bezeichnungen  Beginen  und  Baguten  gehen 
hier  durcheinander.  Der  Name  „Blauer  Konvent"  taucht  1366  auf,  wohl  zur 
Unterscheidung  von  einem  durch  Hermann  Hout  (f  1353)  gegründeten  Baguten- 
konvent.  Verhängnisvoll  wurde  dem  letzteren  und  einem  Begardenkonvent,  von 
dem  wir  sonst  nichts  wissen,  das  Jahr  1370,  als  im  Auftrage  Urban  V.  und 
Kaiser  Karls  ein  Predigermöncb  Namens  Johannes  von  Odelevessen  die  deutschen 
Städte  bereiste  zur  Vertilgung  des  Sektenwesens.  Er  hob  in  Lüneburg  die  Sekte 
der  Begarden  und  Beginen  —  „que  vulgariter  clamat  „brod  dor  God"  —  auf  als 
verabscheuungswürdig;  ihre  beiden  Wohnwesen  an  der  Konventstraße  (an  der 
Stadtmauer,  östlich  vom  Heiligentalerhofe)  wurden  eingezogen  und  für  90  Mark 
verkauft;  vom  EJrlös  fiel  ein  Drittel  an  die  Armen,  ein  Drittel  an  den  Visitator, 
ein  Drittel  an  die  Kämmereikasse  zum  Unterhalt  der  Stadtmauern.  Der  Blaue 
Baguten-  oder  Beginenkonvent  bestand  weiter,  und  zwar  bis  über  die  Reformation 
hinaus  unter  der  Vorsteberschaft  eines  Mitgliedes  der  Familie  van  der  Molen. 
Im  Jahre  1550  wurden  die  verfallenen  Baulichkeiten  des  Konvents  auf  Betreiben 
des  Rates  hergestellt,  sieben  Jahre  später  stürzte  das  Hauptgebäude  zusammen 
und  wurde  nicht  wieder  aufgebaut  Michaelis  1566  verkaufte  der  Rat  das  ganze 
Wohnwesen  für  616  Taler  an  Albert  Musseltin.  der  für  seine  eigenen  Bedürfnisse 
einen  noch  jetzt  vorhandenen  Neubau  aufführen  Meß  (Am  Berge  37).  Die  letzte 
Begine,  Witwe  eines  Predigers  am  Großen  Heiligen  Geist,  starb  1568. 

23* 


->^     180    8^- 

Daß  auch  solche  Konventhäuser  mit  einer  Kapelle  versehen  waren,  ist 
mit  Gewißheit  anzunehmen ;  eine  Beginenkapelle  im  Untergeschoß  des  Kirchturms 
von  St.  Johannis  ist  in  der  Geschichte  der  Johanniskirche  erwähnt. 

Mit  einem  Worte  sei  hier  verzeichnet,  das  auch  Pauliner  in  Lüneburg 
gewohnt  haben  (nach  Volger  an  der  Wandfärberstraße),  und  zwar  als  Schreib- 
und Rechenmeister.  Eines  Hofes  der  „fratres  predicatores"  oder  „Pewelere"  wird 
in  zwei  Urkunden  von  1421  gedacht.  Schomaker  erzählt,  daß  der  neue  Rat 
zu  Ausgang  1454  neben  andern  mißliebigen  Geistlichen  auch  die  beiden  „Terminarii 
in  deme  Pauler  huse",  Hermann  Wandtsleve  und  Hinrick  van  Hamborch, 
ausgewiesen  habe. 


Kapelle  und  Hospital  St  BenedictL 

Quellen:  Narratio  de  eonfiecratione  monasterii  saneti  Michaelis  (Wedekind^  Noten!. 
420;  vgl.  ib.  11.  296);  Gebhardi,  Collectanea  Bd.  IX;  Urkundenbuch  des  Kloster  St.  Michaelis, 
herausgegeben  von  v.  Hodenberg. 

Literatur:  Gebhardi,  Geschichte  des  Michaelisklosters;  Manec^e,  Top.-hist. 
Beschreibungen  S.  29;  Volger,  Lüneburger  Neujahrsblatt  1859  (Lüneburger  Blätter  S.  170); 
Mithoff,  Eunstdenkmale  S.  174. 


Geschichte.  Nach  der  chronikalischen  Oberlieferung  des  13.  Jahrhunderts  erhielt  am 

13.  Dezember  1157  eine  Kapelle,  die  von  Seiten  des  Michaelisklosters  neben  der 
Burg,  „juxta  capitolium",  errichtet  war,  ihre  Weihe  zu  Ehren  des  Ordensstifters, 
des  Hl.  Benedikt.  Wedekind  bemerkt  dazu,  wohl  auf  Grund  der  Hausinschrift, 
daß  ein  Hospital  gleichen  Namens  („sunte  Benedictes  hospital")  schon  drei  Jahr- 
zehnte früher  entstanden  sein  solle,  und  es  ist  wohl  kein  Zweifel,  daß  wir  in 
dem  Benediktshospital  die  älteste  Lüneburger  Stiftung  ihrer  Art  vor  ims  haben, 
sowie  daß  Hospital  imd  Kapelle  seit  ihrer  Gründung  zusammengehörten.  Schon 
aus  der  Zeit  des  Abtes  Gerhard  (1244 — 62)  ist  eine  Urkunde  erhalten,  nach 
welcher  der  Provisor  des  Hospitals  gegen  Preisgabe  einiger  schwer  einzubringenden 
Zollerträge  eine  Lüneburger  Salzrente  und  ein  Haus  in  Adendorf  erwarb.  Nach 
dem  Nekrologium  des  Klosters  sollten  die  Aufkünfte  eines  Hofes  in  Ödeme  den 
im  Hospital  aufzunehmenden  Reisenden  zugute  kommen.  In  eben  dieser  Quelle 
heißt'  das  Hospital  auch  Siechenhaus,  domus  infirmorum,  infirmaria,  und  es 
geschieht  eines  Infirmarius,  Pflegers,  Erwähnung.  Das  letztere  Amt  war  mit  dem 
des  Provisors  (Hospitalarius)  häufig  vereint,  dieser  hatte  die  Rechnung  und 
Aufsicht  zu  führen  und  wurde  vom  Benediktinerabte  ernannt.  Seit  dem 
16.  Jahrhundert  war  das  Amt  stets  in  den  Händen  von  Klosterherren.  Der 
verdienstvolle  Abt  Boldewin  von  Wenden  machte  sich  in  der  Geschichte  der 
Anstalt  dadurch  einen  Namen,  daß  er  Hospital  und  Kapelle  da,  wo  die  Techt  in 
die  Salzbrückerstraße  einmündet,  neu  aufbaute,  auch  vergrößerte  er  das  Besitz- 
tum durch  den  Ankauf  eines  Eckhauses,  das  dem  Hospital  gegenüber  lag, 
w^ährend  ein  Verdener  Vikar  zwei  benachbarte  Häuser  hinzusehenkte ;  der 
Verdener  Bischof  unterstützte   den  Abt   durch   die  Erteilung  eines  Ablasses  am 


-«*    181    ä«- 

18.  Januar  1428.  Mithoff  beschreibt  das  HospitaJ,  wie  6s  bis  1787  bestanden 
hat,  nach  Gebhaidi  als  ein  langes  einstöckiges  Backsleinhaus  mit  steilen  (riebeln, 
am  Hof  ende  eine  quer  durchieichende  mittels  einer  Zwergwand  abgesonderte 
ungewölbte  KapeUe,  auf  dem  Dachfirst  ein  Qlöcklein.  „In  dem  übrigen  Itaume 
waren  zu  beiden  Seiten  einer  Längsdiele  die  je  mit  einem  Kamin  versehenen 
Kammern  der  Prövener  und  neben  der  Haustür  die  „Gemeine  Stube"  angeordnet". 
Auch   die   wenigen  KunstdenkmäJer  der  Kapelle,   insbesondere  der  geschnitzte 


Flg.  ST.    Stift  Bc,  Banftdikt 

und  bemalte  Altarschrein  und  ein  in  Sandstein  ausgehauener  kniender  Benedik- 
tinermönch,   sind  von   Mithoff  auf  Qrund   derselben  Quelle    näher  bezeichnet. 

Das  Vermögen  der  Anstatt  dient  bis  auf  den  heutigen  Tag  der  Unter- 
stützung Bedürftiger  und  wird  zu  diesem  Zweck  von  der  Königlichen  Kloster- 
kammer gesondert  verwaltet.  Das  jetzige  Benediktshospital  ist  im  Jahre  1787 
vom  Landschaftsdirektor  von  Bülow  erbaut,  es  gewährt  zurzeit  sieben  Pröv- 
nerinnen  ein  Unterkommen  und  enthält  zugleich  die  Wohnung  des  Küsters  von 
St.  Michaelis. 

Das  Hospitalgebäude,   von  rechteckigem  Grundriß,   hegt  an   der  Salz-  Beschreibang. 
brückerstraße,   dem  Kalkberg  gegenüber.    Das   Äußere   ist    im   GhaiaJtter   der 
Ziegelstoinbauten  des  18.  Jahrhunderts  ausgebildet  (Fig.  57).    Die  Ecken  werden 


-^    182    8«ä- 

durch  gemauerte  Backsteinquader  betont,  die  Mitte  ist  zu  einem,  mit  zieriichem 
Dachreiter  geschmückten  Vorbau  herausgezogen.  Die  Fenster  liegen  in  flachen 
Nischen.  Cber  der  Haustür  ist  eine  Sandsteinplatte  eingemauert,  deren  Inschrift 
lautet:  HOSPITAL  ST.  BENEDICTI  IST  GESTIFTET  1127,  ZVM  ZWEITEN 
MAL  ERBAVET  1400  VND  HIEHER  VERSETZET  VON  DEM  ABT  VND 
LANDSCHAFTSDIRECTOR  F-  E-  V-  BVLOW  1787. 


Das  Hospital  zum  Heiligen  Greist. 

Quellen:  Urkunden  und  Handschriften  des  Stadtarchivs;  Volgers  Urkundenbnch. 
Literatur:  Manecke,  Top.-hist.  Beschr.  26;  Yolger,  Neujahrsblatt  1858  und  1859 
(LUneburger  Blätter  S.  150  ff.);  Mithoff,  Kunstdenkmale  174. 


Geschichte.  Das  Hospital  zum  Heiligen  Geist  bei  der  Sülze  ist  aus  einer  gleichartigen 

Anstalt  hervorgegangen,  die  dem  Hl.  Lambert  gewidmet  und  wenn  nicht  auf 
demselben  Bauplatze,  so  doch  ganz  in  der  Nähe  gelegen  war.  Das  Lamberti- 
hospital  wird  von  Manecke  mit  der  Lambertigilde  der  Sodeskumpane  in  Ver- 
bindung gebracht,  und  ein  gewisser  Zusammenhang  zwischen  der  Saline  und  dem 
Hospital  wird  gewiß  von  alters  bestanden  haben.  Um  so  bemerkenswerter  ist 
die  früheste  Nachricht  über  das  Lambertihaus,  eine  Urkunde  von  1282,  die 
einen  Ratmann  als  Vorsteher  des  Hospitals  aufführt.  Ablaßbriefe  von  1287,  1299 
und  1300  bezeugen  die  rege  Energie,  mit  welcher  die  Entwicklung  des  Hospitals 
betrieben  wurde,  und  belehren  uns  zugleich  über  den  ursprüngUchen  Zweck  der 
Anstalt.  In  einer  der  drei  Urkunden  heißt  es,  zu  St  Lamberti  sollten  die 
Bedürftigen  und  Kranken,  wie  sie  aus  allen  Gegenden  zusammentrafen, 
unterstützt  und  nicht  allein  gastfreundUch  aufgenommen,  sondern  auch  wieder 
gesund  gemacht  oder  doch  im  Sterbefalle  mit  dem  Notwendigen  versehen  werden, 
auch  wolle  man  Reisenden  und  Pilgern,  ob  geistlichen  oder  weltlichen  Berufes 
und  einerlei  von  welchem  Stande  oder  Ansehen,  auf  Verlangen  ein  entsprechendes 
Nachtquartier  gewähren.  Zum  Lambertihospital  gehörte  die  gleichnamige  Kapelle, 
die  sich  in  der  Folge  selbständig  entfaltete. 

Im  Jahre  1310  wird  zum  ersten  Male  der  Name  des  Heiügen  Geistes  mit 
dem  Hospital  verbunden,  als  nämlich  Graf  Nicolaus  von  Dannenbei^  das  Eigentum 
an  einem  Roggenzins  in  Melbeck  „dem  Siechenhause  zum  HL  Geiste  und  zum 
Hl.  Lambert  in  Lüneburg"  zubilUgt  Woher  der  neue  Name?  Wahrscheinlich 
wurde  er  bei  Begründung  eines  Neubaues  oder  doch  beim  Einzug  in  einen  solchen 
angenommen,  denn  als  die  Bezeichnung  Lambertihospital  zum  letzten  Male 
gebraucht  wird,  im  Jahre  1320,  heißt  es  „das  neue"  Lambertihospital.  Die 
Anknüpfung  an  den  Hl.  Geist,  auf  dessen  Antrieb  man  alle  Werke  der  Barmherzigkeit 
zurückführte,  war  für  derartige  Hospitäler,  wie  zahlreiche  Beispiele  aiis  Ober- 
und  Niederdeutschland  kundtun,   außerordentUch  beliebt.    Zur  Aimahme   eines 


18S 

Neubaues  stimmt  die  Eirichtuiiff  einer  neuen  Hoepitalkapelle,  die  am  18.  Oktober  1322 
zu  Ehren  der  Maria  Magdalena  eingeweiht  worden  ist  Ob  in  diesem  Jahre, 
wie  eine  Gedenktaiel  es  will,  ein  Heiligengeisthospiial  vom  Neumackte  in  die 
Nähe  der  Sülze  veriegt  worden  ist,  muß  dfldiingestellt  bleiben. 

Das  Heiligengasthoepital,  meist  „zum  EQ.  Geist  bei  der  Suke",  im  Gegen- 
satz zur  Ratskapelle  auch  wohl  „der  Neue^'  oder  „Groite  Hl.  Geist^'  genannt, 
hat  sich  blühender  entwickelt  als  irgend  eine  der  verwandten  Anstalten  Lüneburgs. 
Durch  Schenkungen,  deren  ertragreichste  das  sog.  Bedensalz  war,  durch  Memorien- 
Stiftungen,  Leibrentenverträge,  Aufnahmegelder,  EIrbschaften  und  Oberschüsse 
des  großen  Wirtschaftsbetriebes  gewann  das  Hospital  schon  früh  die  Mittel, 
vorteilhiaite  Ankäufe  zu  machen.  Das  geschah  in  erster  Linie  durch  den  Erwerb 
von  Sülzgütern,  die  allmählich  zu  einer  beträchtlichen  Höhe  anwuchsen,  von 
ausgedehntem  Grundbesitz,  sowie  durch  die  Gewinnung  von  Zehnten  und  Grund- 
renten. Zum  Grundbesitz  des  Hospitals  gehört,  um  nur  zwei  besonders  wertvolle 
Objekte  anzidühren,  seit  dem  Jahre  1410  bis  auf  den  heutigen  Tag  das  Böhmsholz 
imd  seit  dem  letzten  Jahrzehnt  jenes  Jahrhunderts  der  durch  Pfandschaft  von 
den. Herzögen  erworbene  Tiergarten.  Die  Ländereien  wurden  bis  ins  18.  Jahr- 
hundert selbständig  bewirtschaftet,  später  mit  günstigerem  Ergebnis  verpachtet 
Der  Charakter  des  Hospitals  ist  schon  im  14.  Jahrhundert  der  eines 
Stiftes  für  Prövner  und  Prövnerinnen  geworden,  über  deren  Hausordnung,  Ver- 
pflegung und  sonstige  Lebensführung  ein  kulturgeschichtlich  wertvolles,  ungemein 
reiches  Material  vorliegt.  Sehr  begehrt  waren  namentlich  die  „größeren"  Präbenden; 
sie  wurden  vom  Rate  vielfach  als  Belohnung  zuerkannt.  Die  Zahl  der  Insassen 
des  Hauses  betrug  zeitweise  mehr  als  100  Personen,  gegenwärtig  haben 
32  Prövnerinnen  imd  sechs  Prövner  Aufnahme  gefunden. 

Wie  schon  bemerkt,  ist  der  Einfluß  des  Lüneburger  Rß.tes  auf  die  Ver- 
waltung des  Hospitals  von  dessen  ersten  sichtbaren  Anfängen  an  maßgebend 
gewesen.  Die  ältesten  Urkunden  ergeben,  daß  entweder  ein  Ratmann  Vorsteher 
des  Stifts  war,  oder  doch,  daß  wichtige  geschäftliche  Maßnahmen  der  ausdrücklichen 
Billigung  des  Rates  bedurften.  In  der  ersten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts 
bildete  es  sich  als  feste  Norm  aus,  daß  alljährlich  zwei  Vertreter  des  Rates  mit 
der  Vorsteherschaft  des  Hospitals  betraut  wurden.  Sie  hießen  Provisoren, 
Prokuratoren,  Rektoren,  niederdeutsch  „de  vorstendere**.  Als  das  Institut  immer 
mehr  an  Bedeutung  gewann,  wurde  der  Ratsausschuß  auf  drei  Mitglieder  ergänzt, 
imd  durchweg  finden  wir  die  Bürgermeister  selber  an  der  Spitze  des  Ausschusses; 
ein  Amtsbuch  des  Hospitals  von  etwa  1492  nennt  sich  geradezu  „Über  proconsulum 
provisorum  Sancti  Spiritus".  Das  wichtigste  Amt  für  den  inneren  Betrieb  des 
Gotteshauses,  bald  von  einem  Geistlichen,  bald  von  einem  Laien  versehen,  war 
das  des  Gastmeisters  („magister  hospitum"),  dem  eine  „gastmestersche"  zur  Seite 
stand.  Der  Gastmeister  war  den  Provisoren  zu  Gehorsam  verpflichtet,  hatte 
aber  als  der  eigentliche  Verwalter  gleichwohl  eine  einflußreiche  Stellung.  Eigen- 
tümlich und  echt  mittelalterlichen  Geistes  sind  die  Repräsentationspflichten,  die 
mit  seinem  Amte  verbunden  und  für  das  gesellige  Leben  der  höheren  Kreise 
Lüneburgs  von  Bedeutung  waren.  Bei  seinen  Festmahlen  hatte  er  das  reiche 
Silbergeschirr    des    Hospitals   zur  Verfügung,    gegen  1500   u.  a.  sechs  silberne 


-<-8     184    8^ 

Schalen  mit  Füßen ;  in  der  einen  war  die  Hl.  Elisabeth  abgebildet,  in  der  andern 
S.  Thomas,  in  der  dritten  die  Hl.  Katharina,  in  der  vierten  das  Wappen  der 
Patrizierfamilie  Witick,  in  der  fünften  und  sechsten  Wappen  früherer  Gastmeister; 
femer  waren  da  sechs  silberne  Becher  mit  Schuppenmuster  („myt  vlomen,  der 
eyn  in  den  anderen  gheid"),  22  silberne  Löffel,  vier  silberne  Gabeln,  vier  Hand- 
becken, drei  lange  Weinkannen,  viel  Zinn-  und  Messinggerät,  ein  grünseidenes 
Kissen  „myt  veer  vorguldeden  knopen".  Daß  es  dem  Hospital  auch  sonst  an 
Kunstgegenstanden  nicht  fehlte,  beweist  die  gotische  Abteilung  des  Lüneburger 
Museums,  deren  an  anderer  Stelle  gedacht  werden  wird. 

Die  Hospitalgebäude  sind  nach  einer  an  der  Außenmauer  angebrachten 
Gedenktafel  im  Jahre  1586  und  dann  wieder  1724  erneuert  In  der  Zeit  der 
französischen  Okkupation  wurde  das  Hospital  von  den  Prövnem  geräumt  und 
mitsamt  der  Heiligengeistkapelle  als  Kaserne  xmd  für  sonstige  militärische  Zwecke 
eingerichtet  (1803).  Die  dadurch  verursachte  Störung  und  Veränderung  war  so 
nachhaltig,  daß  der  vorherige  Zustand  niemals  wiederhergestellt  ist.  Ein  Teil 
der  Kirche  und  das  obere  Stockwerk  des  Hospitals  wurden  im  Jahre  1816  zu 
einer  Bürger-  und  einer  Freischule  ausgebaut.  Statt  der  Bürgerschule,  die  1855 
verlegt  wurde,  erhielt  die  Gewerbeschule  im  Heiligen  Geist  Aufnahme,  und  1867 
wurde  auch  der  nach  Osten  hin  liegende  Teil  der  Kapelle  —  „eine  Ruine,  die  auf 
den  Abbruch  wartete' '  —  zu  Schulzwecken  umgebaut  Als  bei  dieser  Gelegenheit 
eine  Grabstätte  der  Familie  von  Döring  zerstört  werden  mußte,  wurden 
zwei  marmorne  Grabplatten  des  Heinrich  von  Döring  (f  1750)  imd  Leonhard 
von  Döring  (f  1765)  in  eine  Grabkapelle  der  Familie  nach  Mecklenburg  über- 
führt. Ein  Teil  der  kirchlichen  Geräte  wird  seit  1854  im  Rathause  verwahrt 
Von  der  alten  Kapelle  ist  nichts  erhalten  als  der  zierUche  Dachreiter.  Der 
Gottesdienst  im  Heiligen  Geist  hatte  seit  der  französischen  Zeit  ganz  aufgehört 
Bis  zur  Reformation  wirkten  an  der  Kapelle  12  Vikare,  die  am  Hochaltar,  in  der 
Sakristei,  am  Simon-  und  Judas-,  am  Zehntausend  Ritter-  und  am  Marienaltar 
ihre  Messen  lasen.  Im  Hospital,  und  zwar  im  sog.  „Langen  Hause^',  befand 
sich  ein  besonderer  Altar,  dem  Evangelisten  Johannes  geweiht  und  von  zwei 
Vikaren  bedient.  Nach  der  Reformation  erhielt  die  Hospitalkapelle  einen  eigenen 
Prediger,  der  letzte  des  Amtes  starb  1804. 

Beschreibung.  Das    langgestreckte    schmucklose   Gebäude   liegt   an   der   Heiligengeist- 

straße. Spuren  von  Spitzbögen  und  einige  Strebepfeiler  an  der  Nord- 
seite lassen  den  gotischen  Ursprung  des  Baues  erkennen.  An  einem  der  in  der 
Nähe  des  Eingangs  hegenden  Strebepfeiler  befinden  sich  zwei  Steinplatten  mit 
dem  Text  der  Bibelstellen  I.  Corinth.  15  V.  42  und  Jesaia  58  V.  7.  Ein  großes 
Stadtwappen  aus  Sandstein  ist  an  der  Nordseite  des  nach  dem  Lambertiplatz 
zu  hegenden  Flügels  im  Obergeschoß  eingemauert,  darunter,  im  Erdgeschoß,  eine 
Steinplatte  mit  der  Inschrift: 

JESV  CHRISTO  PAVPERVM  PATRONO-  SDOMVM 
HANG  HOSPITALEM  ANTE  QVINGENTOS  ET  FORTASSIS 
PLVRES  ANNOS  FVNDATAM  DIVOQVE  LAMBERTO 
PRO     SAECVLI     RELIGIONE     DEDICATAM     PROVIDA 


•*^    186    H- 

MAIORVM  PIETAS-  TRANSLATIS  ANNO  DOMINI  M  •  CCC  • 

XXÜE  CAPBLLA  SANCTI  SPIRITVS  IN  NOVO  FORO 

PAVPERIBVS  NOVO  TEMPLO  INSTRVXIT  NOVO  SANCTI 

SPmiTVS  NOMINE  INSIGNIVITNOVISQVE  FVNDIS  BONIS 

ET  E  SALINIS  PROVENTIBVS  DOTAVIT  VETVSTAQVE 

OOLLABBSCENTEM    ANNO    DOMINI    M  •  D  ■  LXXXVI . 

RESTITVIT  QVORVM  PIAM  EGENOS  rVVANDI  VOLVN- 

TATEM  PRAESENS  DnTATVRA  POSTBRITAS  RVINAS 

OB    VETVSTATEM    ITERVM    MINITANTEM    A    SOLO 

DIRVTAM    REPEOIT    ANNO    DOMINI    M  ■  DCC  •  XXffll 

SPIRITVS  SANOn  GRATIA  NOS  ADFWET   SEMPER 

Von  der  1867   abgebrochenen  Kirche  des  Hospitals  stanunt   der  schöne 

Dachreiter,  der  jetzt  auf  dem  neuen  Schulhause  in  der  Verlängerung   der  alten 

Hospitalgebäude    steht  (Fig.  58).    Sein  Grundriß   ist  sechseckig,  die  Ecken   sind 


FlK'  SD.   D>chielt>r  vom  HclUgsngelst-HoipItaL    W>tunp«ler,  Kreuzblume  und  Krabbe. 

mit  Strebepfeilern  besetzt,  die  vom  Dache  aufsteigen  und  miter  dem  Fußgesims 
des  Helmes  fialeuartig  mit  Giebel  und  Kreuzblume  endigen.  In  den  SeitenflächeD 
des  geraden  Körpers  sitzen  je  zwei,  mit  Kleeblattbögen  überdeckte  öffaungeo. 
Über  dem  Fußgesims  des  Helmes  bauen  sich  an  allen  Seiten  schlanke  Giebel 
auf,  deren  Kanten  mit  Krabben  besetzt  sind.  Auf  den  Giebelspitzen  stehen 
hohe  Kreuzblumen  (Fig.  59).  Zwischen  den  Giebelfüßen  sind  Wasserspeier 
angebracht.  Die  Grate  des  schlanken  Helmes  sind  mit  Krabben  besetzt  (vgl. 
Fig.  59),  die  Helmspitze  ziert  eine  Kugel  mit  Blattwerk  und  ein  neues  eisernes 
Kreuz.    Der  untere  Teil  des  Dachreiters  bis  zum  Fußgesims  des  Helmes  ist  mit 


-^    187    8^ 

Blei  gedeckt,  der  ganz  obere  Teil  mit  Kupferblech.  Alle  ornamentalen  Teile 
bestehen  ebenfalls  aus  Kupferblech.  Ein  grossei  Teil  der  Krabben  ist  abgefallen; 
zwei  sind  nach  dem  Lüneburger  Museum  gelangt. 

Im  Glockenstuhle  des  Dachreiters  hängen  zwei  Glocken.  Die  Stunden- 
glocke mit  70  cm  Durchmesser  ist  1712  von  J.  C.  Ziegner  gegossen,  die  Viertel- 
glocke hat  52  cm  Durchmesser,  auf  ihrem  Mantel  befinden  sich  Abdrücke  von  sechs 
Brakteaten,  ein  Kreuz  und  ein  Gießerzeichen  (vgl.  Lüneburger  Museumsblatter,  Heft  1). 
Die  Uhr  stammt  aus  der  abgebrochenen  Lambertikirche.  Sie  ist  aus  Schmiedeeisen 
hergestellt  und  hat  am  Rahmengestell  die  Inschriften :  J.  v.  Dassel.  H.  F.  v.  Töbing, 
Baumeister  anno  1775.    P.  N.  Schröder  Uhrmacher  in  Lüneburg.     1775. 

Dem  Heiligengeist-Hospitale  entstammt  ein  gotischer  Schrank,  der  jetzt 
im  Lüneburger  Museum  steht  Er  ist  1,00  m  breit,  2,46  m  hoch  und  0,38  m 
tief.  Die  Vorderwand  wird  seitlich  begrenzt  durch  ein  geschnitztes  Blattomament 
Der  obere  Abschluß  ist  in  Form  einer  Kielbogenlinie  geführt,  die  mit  Krabben 
besetzt  ist  und  deren  Tympanon  mit  spätgotischem  Ornament  ausgefüllt  ist 
Die  beiden  Türen  sind  mit  Temperamalereien  auf  besterntem  roten  Grunde 
bedeckt;  imten  befindet  sich  eine  Kreuzigung,  oben  zwei  kniende  Engel  mit 
einer  Monstranz  in  der  Mitte.  Die  Innenseite  ist  grün  gestrichen,  die  Seiten- 
wände sind  mit  Rosetten  auf  rotem  Grunde  bemalt  Alle  omamentalen  Teile 
sind  ebenfalls  farbig  bemalt. 

Die  erhaltenen  kirchlichen  Geräte  sind  bei  der  Beschreibung  des  Rathauses 
aufgeführt 


Der  Lange  Hof. 


Quellen:   Urkunden  und  Akten  des  Stadtarchivs;  Volgers  Urkundenbuch. 
Literatur:  Manecke  S.  31;  Volger,  Johannisblatt  1859  (LUneburger  Blätter  166  ff.); 
Mithoff  175  f.  

Der  Lange  Hof,  eine  Gründung  des  Knappen  und  Burgmannen  Segeband  Geschichte, 
von  Wittorf  des  Älteren,  ist  das  einzige  Hospital  der  Stadt,  dessen  Stiftungs- 
urkunde vorliegt  Sie  ist,  in  Form  einer  an  den  Rat  gerichteten  öffentlichen 
Bekundung,  ausgestellt  am  Margretentag  1352,  nachdem  Segeband  schon  in 
seinem  Testament  vom  27.  März  desselben  Jahres  die  Absicht  seiner  Stiftung 
formuliert  hatte.  Segeband  bestimmte  seinen  Hof  in  der  Alten  Stadt,  nämlich 
an  der  südlichen  Ecke  der  Salzbrückerstraße  und  der  Techt,  „in  perpetuum 
hospicium  peregrinorum",  zu  einem  immerwährenden  Obdach  für  arme  fVemde; 
von  einer  Sülzrente,  die  er  außerdem  schenkte,  sollte  zweimal  im  Jahre  an  die 
im  Hospiz  Beherbergten  eine  außerordentUche  Gabe  verabfolgt  werden;  zu 
Verwaltern  seines  Stiftes  ersah  er  den  Pfarrer  von  St.  Johannis  und  den  amts- 
ältesten Kämmerer  des  Rates.  Segebands  Hospital  führt  seit  dem  15.  Jahr- 
hundert durchweg  die  Bezeichnung  „Langer  Hof''  (longa  curia)  und  gliederte 
sich  in  den  Großen  Langen  Hof  mit  dem  Langen  Hause  und  einem  Gasthause 
sowie  in  den  Kleinen  Hof  mit  zwei  sogen.  Gotteshäusern.    Eins  dieser  beiden 

letzteren  diente  i.  J.  1504  zur  Aufnahme  Kranker,  die  auf  den  Kirchhöfen  die 

24* 


-^     188    8^ 

öffentliche  Mildtätigkeit  anriefen,  im  übrigen  hatte  sich  die  Anstalt  damals 
schon  zu  einem  Armenhause  umgewandelt,  das  etwa  50  Bedürftigen  Unterkunft 
gewähren  konnte.  Die  Aufsicht  über  den  inneren  Betrieb  führte  ein  Hofmeister. 
Eine  Kapelle  erhielt  der  Lange  Hof  erst  durch  Bürgermeister  Leonhard  Elver 
(t  1511);  sie  war  Maria  geweiht  und  durch  den  Stifter  mit  einer  Vikarie,  femer 
seitens  der  Brüderschaft  der  Zimmerleute  mit  einer  Spende  für  eine  Wochen- 
messe ausgestattet. 

Wie  alle  diese  Stiftungen,  so  wurde  auch  der  Lange  Hof  durch  milde 
Gaben,  zumal  durch  Vermächtnisse,  reich  genug  bedacht,  daß  seine  gesunde 
Fortentwicklung  bis  über  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  hinaus  gesichert  war. 
Ein  reges  Interesse  für  die  Anstalt  bewies  namentlich  der  erste  Propst  zu 
St.  Johannis,  Johann  von  Minden,  und  sein  letzter  katholischer  Nachfolger, 
Johann  Koller.  In  der  Reformationszeit  wurde  das  Vermögen  des  Kleinen 
Hl.  Geistes  mit  dem  des  Langen  Hofes  vereinigt,  und  dieser  war  in  der  Lage, 
neben  seinem  eigensten  Zweck  Studierende  zu  unterstützen,  Bücher  für  die 
Stadtbibliothek  anzukaufen,  die  Ekbauung  eines  städtischen  Krankenhauses  zu 
fördern.  Später  schrumpften  die  Mittel  der  Stiftimg  stark  zusammen,  vornehmlich 
infolge  der  baulichen  Unterhaltungskosten,  mit  deren  Steigerung  die  Einnahmen 
des  Hospitals  nicht  Schritt  hielten.  Im  Februar  1758  wurde  die  Schlaf kammer 
der  armen  Leute  zu  einem  Lazarett  für  die  hannoverschen  und  hessischen 
Truppen  eingerichtet;  3  Jahrzehnte  später  beschloß  der  Rat,  den  Langen  Hof  ein- 
gehen zu  lassen.  Da  eine  öffentliche  Versteigerung  im  Juli  1789  und  nach- 
folgende Verkaufsverhandlungen  kein  annehmbares  Gebot  brachten,  zog  sich 
die  Auflösung  der  Anstalt  hin  bis  ins  19.  Jahrhundert  hinein;  1801  wurde  ein 
Teil  des  Grundstücks  veräußert,  die  letzten  Insassen  des  Stiftes  starben  1807. 
Der  Nachlaß  des  Langen  Hofes  fiel  an  eine  verbesserte  städtische  Armenanstalt, 
die  i.  J.  1787  nahe  der  Stammersbrücke  am  rechten  Ufer  der  Ilmenau  in  einer 
vom  Rate  angekauften  ehemaligen  Kattundruckerei  eingerichtet  wurde. 


Der  Gral  und  sonstige  Stiftungen. 

Quellen:  Urkunden,  Akten,  Rechnungen,  Chroniken  etc.  des  Stadtarchivs; 
Gebhardi,  CoUectanea. 

Literatur:  Lossius,  Lunaeburga  Saxoniae  S.  116  f.;  J.  H.  B(üttner),  Ausführliche 
Beschreibung  des  in  diesem  1706.  Jahre  neuerbauten  Hauses  der  Barmherzigkeit  im  Grahl  zu 
Lüneburg; Manecke,  Top.-hist.  Beschreibungen  S.  28  u.  80;  Volger,  LUneburger  Johannisblatt  1859, 
Neujahrsblatt  1859  und  1860,  (LUneburger  Blätter  S.  156  ff.) ;  Mithoff,  Eunstdenkmale  8. 175  ff.; 
Wrede,  Die  Glocken  der  Stadt  Lüneburg  (LUneburger  Museumsblätter  I.  55). 


Geschichte.  ■L'®^   Ausdruck   „Gral",    im    Mittelniederdeutschen    für    eine    lärmende 

Fröhlichkeit  (gralen,  grölen)  gebraucht,  ist  in  mehreren  Städten  Norddeutschlands 
an  einem  ehemaligen  Fest-  oder  Spielplatze  haften  geblieben  und  dadurch  zu 
einer  Ortsbezeichnung  geworden.  Auch  in  Lüneburg.  „Im  Gral"  lag  das 
Prioratshaus  des  Michaelisklosters  (1617),   „beym  Grael"  der  Springintgudturm, 


-^    189    j^ 

„achter  dem  Gral"  der  neue  Wall  (1534).  Es  war  um  die  Wende  des  15.  Jahr- 
hunderts, als  „im  GraP'  ein  Haus  für  „arme,  kranke,  elende  Leute^'  erbaut 
wurde,  „dat  hüsz  der  barmeherticheit^^  zuerst  erwähnt  1501.  Da  die  Stadt  sich 
des  Besitzes  mehrerer  solcher  Anstalten  rühmen  durfte,  so  hieß  die  jüngste  unter 
ihnen  Jahrhunderte  hindurch  „das  Haus  der  Barmherzigkeit  im  Gral^S  bis,  ver- 
einzelt nachweisbar  schon  1595,  der  unterscheidende  Zusatz  zum  Namen  des 
Stiftshauses  wurde  und  dieses  schlechthin  „der  Gral^^  hieß. 

Mit  der  Entstehung  des  Grals  wird  nach  alter  Überlieferung  Bürgermeister 
Cord  Lange  in  Verbindung  gebracht,  der  zumeist  als  der  eigentliche  Gründer 
gut.  Cord  Lange  saß  von  1474 — 1506  im  Lüneburger  Rate,  bekleidete  von 
1475 — 80  das  Amt  eines  Kämmerers,  wurde  1486  zum  Bürgermeister  erwählt  und 
führte  in  den  Jahren  1487, 1490, 1494, 1497, 1498, 1501,  1502.und  1505  das  Wort  der 
Stadt;  offenbar  gehörte  er  zu  deren  einflußreichsten  PersönUchkeiten.  Er  war 
vermählt  mit  Gebeke  Schomakers  und  starb  kinderlos  als  Witwer.  Die  älteste 
Urkxmde,  in  welcher  unseres  Stiftshauses  gedacht  wird,  ist  am  14.  Februar  1503 
von  ihm  ausgestellt  Ihr  Inhalt  ist  folgender:  Cord  Lange  setzt  aus  seinem 
ersparten  Gute  eine  Sülzrente  von  36  Mark  aus  für  die  Insassen  des  neuen 
Hauses  imGrale,  „dat  de  erszame  raedt  to  Luneborg  hefft  laten  buwen". 
Dieser  Nachsatz  läßt  sich  nicht  wohl  anders  auffassen,  als  daß  der  Gesamtrat 
es  gew^esen  ist,  der  das  Haus  der  Barmherzigkeit  gebaut  hat:  die  Anstalt  ist 
also  öffentUchen  Ursprungs,  nicht  aus  einer  Privatstiftung  hervorgegangen.  Daß 
Cord  Lange  als  Bürgermeister  für  das  Zustandekommen  des  wohltätigen  Unter- 
nehmens das  Seine  getan  und  es  mit  Liebe  gefördert  hat,  dafür  spricht  mehr 
als  seine  Schenkung  als  solche  der  Schlußpassus  jener  Urkunde,  wo  der 
Geschenkgeber  folgende  Weisung  hinzufügt:  die  bezeichnete  Rente  soll  nach 
dem  Ermessen  des  Rates  rechten  frommen  Hausarmen  und  elenden  kranken 
Leuten  in  Lüneburg  zufallen,  falls  das  Haus  der  Barmherzigkeit  wieder  ein- 
gehen werde  —  „des  ick  my  doch  nicht  vorhope". 

Der  Charakter  des  Grals  hat  sich  nicht  lange  nach  seiner  Entstehung 
völlig  verändert.  UrsprüngUch  war  er  als  Kranken-  und  Armenhaus  eingerichtet. 
Cord  Lange  gibt  seine  Rente  „den  armen  krancken  elenden  luden  des  Stiftes^^, 
dessen  Bezeichnung  als  „Haus  der  Barmherzigkeit^^  ebenfalls  darauf  hindeutet, 
daß  es  auf  die  Linderung  wirklicher  Not  abgesehen  war.  Die  Einkünfte  aus 
dem  Grundvermögen,  aus  allerlei  milden  Zuwendungen  und  dem  Wirtschafts- 
betriebe reichten  jedoch  nicht  aus,  die  Bedürfnisse  des  Stiftes  zu  decken,  obgleich 
nach  Einziehung  des  Klosters  Heiligental  die  Klostergüter  dem  Gral  überwiesen 
wurden;  das  Jahr  1565  schloß  mit  einem  Fehlbetrage  von  140  Mark.  So  kam 
man  schon  im  16.  Jahrhxmdert  dazu,  eine  Einkaufssumme  zu  erheben,  deren 
Höhe  dem  Alter,  den  Mitteln  und  auch  wohl  früheren  Leistungen  des  Aufzu- 
nehmenden angepaßt  war  und  mit  der  Tendenz  einer  allmählichen  Steigerung 
starke  Schwankungen  aufweist  (1591:  30  Mark,  1595:  c.  40  Mark,  1746  zwischen 
200  und  1000  Mark).  Die  Insassen  des  Hauses  hießen  nunPrövner.  Um  die  Mitte 
des  18.  Jahrh.  gab  es  deren  32,  sieben  Männer  und  25  Frauen  im  Alter  von 
31  bis  zu  86  Jahren;  die  Höchstzahl  scheint  42  gewesen  zu  sein.  Die  Gralleute 
hatten  außer  der  freien  Wohnimg  einschließUch  Feuerung  und  Licht  auch  freie 


-^     190    8^ 

Verpflegung,  die  in  natura  verabreicht  wurde.  Auf  einstimmigen  Antrag  der 
Prövner  und  Prövnerinnen  wurde  die  Naturalverpflegimg  im  Jahre  1657  durch 
wöchentliche  Kostgelder  ersetzt,  „dieweil  das  gemeine  Sprichwort  lautet,  daß 
Alter  ein  schweres  Malter,  und  in  solchem  Stande  sich  ein  jeder  darnach  richten 
muß,  was  die  Natur  in  Speis'  und  l^ank  leiden  will".  Verweser  des  Grals  war 
von  jeher  ein  Bürgermeister,  dem  als  Oberprovisor  im  18.  Jahrhundert  zwei 
Mitglieder  des  Rates  als  Komprovisoren  zur  Seite  standen.  Die  Elinkaufe  und 
Rechnungsführung  besorgte  ein  Administrator,  die  innere  Aufsicht  übte  ein 
Gralvater  bzw.  eine  Gralmutter.  Die  Seelsorge  oblag  dem  Diakonus  von 
St  Nicolai.  Als  das  Vermögen  der  Anstalt  anwuchs,  wurde  es  mit  dem  sog. 
Kirchenkasten  vereinigt  xmd  zur  Unterstützung  von  Predigerwitwen,  zu  Lehrer- 
besoldungen imd  anderen  öffentlichen  Lasten  herangezogen,  während  der  Gral 
sich  allmählich  ganz  zu  einem  Damenstifte  imibildete. 

Von  der  ältesten  Gestalt  des  Gralgebäudes  spricht  keine  Oberlieferung; 
gewiß  ist  nur,  daß  es  auch  eine  Kapelle  enthielt,  an  der  ein  Kommendist  dreimal 
wöchentlich  Messe  zu  lesen  hatte.  Die  Kommende  war  vermutüch  von  dem 
Ratmann  Hinrik  Grönhagen  errichtet,  denn  nach  einer  Aufzeichnung  von  1525 
war  sie  mit  einer  Rente  von  20  Mark  aus  dessen  Sülzgütem  begabt  An  Kult- 
gerät gehörten  der  Kapelle  1  vergoldeter  Kelch,  1  silberne  Hostiendose  mit  Löffel 
und  Röhre  („ad  communicandum  pauperes'^),  1  silbernes  Lamm  Gottes  als 
Pacificale,  2  gedruckte  Meßbücher,  2  Zinnkannen,  6  Korporaltücher  und  6  Ornate. 
Ein  Ausbau  des  Hauses  muß  in  den  Jaliren  1537  und  1539  entstanden  sein  und 
trug  die  Wappen  des  genannten  Ratmanns  und  seiner  Frau  Margarete  Sankensteden. 
Schon  1552  ging  nach  dem  Chronisten  Schomaker  „dat  husz  der  barmeherticheit 
im  Grale  tom  merendele  to  gründe'^,  durch  einen  Einsturz  des  Hauptgebäudes; 
nur  der  Speiseraum  blieb  verschont,  wo  die  Gxalleute  sich  just  zur  Mahlzeit 
versammelt  hatten. 

Weitere  Daten  zur  Baugeschichte  des  Grals  überliefert  die  Inschrift  einer 
Sandsteintafel,  welche  den  Haupteingang  des  alten  Hauses  der  Barmherzigkeit 
krönte  und  auf  dem  Eingangsflur  des  jüngst  vollendeten  Grals  wieder  angebracht 
ist:  „Domvs  misericordiae,  Ante  CC  qvasi  annos  primvm  fvndata  annisque  p. 
Chr.  n,  M.  D.  LX.  et  M.  DC.  VQ.  instavrata,  cvm  itervm  in  rvinam  prona  videretvr, 
a  fvndamentis  disiecta,  denvo  extructa  est.  Anno  domini  MDCCVHL  Devs 
misereatur  nostri  et  benedicat  nobis"!  Damach  war  der  Neubau  im  Jahre  1560 
vollendet,  forderte  aber  schon  1607  eine  Wiederherstellung  und  drohte  100  Jahre 
später  den  abermaUgen  Einsturz;  das  Haus  wurde  daher  bis  auf  den  Grund 
abgetragen  und  im  Jahre  1708  neu  aufgebaut.  Um  die  Durchführung  dieses 
Baues  erwarb  sich  der  Bürgermeister  Brand  Lüdolph  von  Stöterogge  besondere 
Verdienste. 

Im  siebenjährigen  Kriege  wurde  der  Gral  mit  den  umliegenden  Höfen 
von  den  Franzosen  in  ein  allgemeines  Militärbackhaus  lungewandelt,  das  Haupt- 
gebäude diente  als  Brot-  und  Mehlmagazin;  Kanzel,  Altar  xmd  Kirchenstühle 
wurden  weggerissen,  die  Graldamen  mußten  sehen,  wo  sie  in  der  Stadt  ein 
Unterkommen  fanden  (Nov.  1757).  Nach  dem  Abzüge  der  Franzosen  wurden 
wiederum  bauliche  Veränderungen  vorgenommen. 


H>4        191        «M- 

Die  Gralkapelle  wurde  nach  Schließung  der  Nikolaikirche  für  die  Zeit 
von  1860 — 69  der  Nikolaigemeinde  zum  Gottesdienst  überwiesen. 

Die  Gestalt,  die  der  Gral  im  Jahre  1877  hatte,  beschreibt  Mithoff  aus 
eigener  Kenntnis  als  „ein  aus  verschiedenen  Teilen  zusammengesetztes  zwei- 
stöckiges Fachwerkhaus  von  etwa  80  Schritt  Länge  mit  einem  durch  beide 
Geschosse  reichenden  Kapellenraum,  über  welchem  ein  Dachreiter  sich  erhob*'. 
Drei  Jahre  später  wurde  das  Gralhaus,  als  im  hohen  Grade  baufälUg,  mitsamt 
dem  zugehörigen  Garten  zum  Zwecke  der  Erweiterung  des  Königlichen  Land- 
gerichts an  die  Justizverwaltung  auf  Abbruch  verkauft  Vom.  Verkauf  aus- 
geschlossen wurden  der  Altar,  die  Kanzel  nebst  Zubehör,  das  gesamte  feste  imd 
bewegliche  Gestühl  der  Kirche  einschüeßlich  der  Rückenlehnen  an  den  Wänden, 
die  Glocke,  die  in  der  Kapelle  befindlichen  Bilder  und  die  schon  erwähnte  Tafel 
mit  Inschrift  Die  Glocke,  ein  Werk  J.  C.  Ziegners  von  1708,  ist  später  auf 
dem  Dach  der  Zentralfriedhofskapelle  angebracht,  eine  Anzahl  der  kleineren 
Kunstgegenstände  verwahrt  das  Lüneburger  Museum. 

Die  Zahl  der  Prövnerinnen  war  im  Jahre  1880  fast  ganz  zusammen- 
geschmolzen, da  Neuaufnahmen  nicht  mehr  stattfanden;  die  einzig  überlebende 
Gralmutter  bewohnte  eine  Privatwohnung. 

EIrst  in  den  Jahren  1904/5  ist  der  Gral  als  städtisches  Damenstift  an  der 
Ecke  der  Volger-  und  Feldstraße  von  neuem  erstanden.  Der  fest  gemauerte 
imposante  Bau  verheißt  eine  längere  Lebensdauer,  als  alle  seine  Vorgänger  sie 
besessen  haben. 

Im  Lüneburger  Museum  befinden  sich  die  folgenden,  aus  dem  Gral 
stammenden  Gegenstände: 

1.  Fünf  geschnitzte,  stark  erhaben  gearbeitete  Gruppen  vom  ehemaligen  Altare, 
die  Szenen  aus  dem  Leben  der  heiligen  Elisabeth  darstellen,  meist  auf 
landschaftlichem  Hintergrunde.  Perspektivisch  zum  Teil  stark  verzeichnet, 
steckt  doch  viel  inneres  Leben  in  den  Gruppen.  Sie  sind  gotischen  Ur- 
sprungs und  zeigen  Spuren  reicher  Vergoldung  und  farbiger  Bemalung. 

2.  Ein  kleiner  Altar  aus  Holz  mit  zum  Teil  vergoldetem  Mittelbild  aus  Alabaster, 
die  Auferstehung  darstellend.  Das  Bild  wird  von  zwei  Säulen  mit  ver- 
kröpftem  Gebälk  eingerahmt  Über  dem  Gebälk  befindet  sich  ein  Aufsatz 
mit  einem  Bild  aus  Alabaster:  Christus  und  eine  Frauengestalt,  und  darüber 
ein  kleines  Tympanon  mit  Gott  Vater.  Alle  Flächen  sind  mit  einem  feinen 
vergoldeten  Ornament  auf  blauem  Grunde  bedeckt.  Das  Werk  zeigt 
italienischen  Einfluß  und  gehört  wohl  ins  16.  Jahrhundert. 

3.  Eine  kleine  farbige  Kreuzigung  aus  Papiermasse,  die  auf  einem  Brett 
befestigt  ist.  Neben  dem  Kreuz  stehen  Maria  und  Johannes,  zwischen  ihnen 
und  dem  Kreuzesstamm  ein  Flachrelief,  die  Burg  auf  dem  Kalkberge,  die 
Lamberti-  und  die  Michaeliskirche  darstellend. 

4.  Mehrere  Figuren  von  Heiligen  aus  Eichenholz. 

5.  Eine  Sammlung  alter  italienischer  und  deutscher  Gewebe. 

In  den  Ausgaberechnungen  des  Langen  Hofes  vom  Jahre  1563  und  lö66    Das  Lazarett 
finden   sich   20  bzw.  66  Mark   gebucht   zur   Erbauung   „des    gadeshuses   odder  ^   .J^  ^51. 


->^    192    «^ 

lazaretts  vor  dem  Bardewikem  dare^^  Die  Erbauung  dieses  Lazaretts  sollte  zur 
Abwehr  der  Pest  dienen,  jener  schrecklichen  Seuche,  die  Lüneburg  im  16.  Jahr- 
hundert wiederholt  heimsuchte  und  in  den  genannten  Jahren  besonders  heftig 
wütete.  Das  Lazarett  lag  weit  von  der  Stadt  entfernt  am  linken  Ufer  der 
Ilmenau,  genauer  bezeichnet  an  der  südwestlichen  Ecke  der  sog.  „6redenwisch'\ 
der  Breiten  Wiese,  gegenüber  dem  Amtshause  des  Klosters  Lüne.  Da  das 
Hospital  kein  eigenes  Vermögen  besaß,  beabsichtigte  der  Rat  im  Jahre  1666, 
eine  Hauskollekte  zu  veranstalten  zwecks  Ansammlung  eines  Kapitals,  ein 
Plan,  der  nicht  ausgeführt  zu  sein  scheint  Noch  im  19.  Jahrhundert  erhielt  das 
Lazarett  von  den  Kirchenkollekten  die  Hälfte  des  Geldes  aus  einem  schwarzen 
Klingelbeutel,  während  die  Hälfte  aus  dem  roten  an  das  Waisen-  und  Werkhaus 
fiel.  Als  die  Gefahr  der  Pestkrankheit  vorüber  war,  wurde  der  Pesthof  vielfach 
schlechthin  „die  Breite  Wiese^'  genannt,  als  Anstalt  für  Irre  und  Schwachsinnige 
eingerichtet,  eine  Maßnahme,  durch  welche  die  Lüneburger  Stadtverwaltung  in 
der  Geschichte  der  Irrenpflege  einen  führenden  Platz  erworben  hat  Im  sieben- 
jährigen Kriege  wurden  die  27  Insassen  des  von  den  Franzosen  in  ein  Lazarett 
umgewandelten  Zucht-  und  Armenhauses  in  das  Lazarett  zur  Breitenwiese 
überführt   1816  ist  das  Irrenhaus  aufgehoben  und  zwei  Jahre  später  abgebrochen. 

^  GotteBhänser.^  Kleinere    sog.   „Gotteshäuser'^   zur  Aufnahme   von  Armen    gab    es    in 

Lüneburg  mehrere.  Der  Bürger  Tytke  Ellenbarch  und  seine  Frau  Beke  stifteten 
im  September  1432  eine  westlich  vom  Pfarrhause  von  St.  Johannis  hinter  ihrem 
eigenen  Wohnwesen  gelegene  Bude  („am  Schweinemarkt")  für  die  Beherbergung 
von  6  bis  7  oder  mehr  armen  Jungfrauen  und  kinderlosen  Witwen.  Das  Ellen- 
barchsche  Gotteshaus  wurde  von  den  Geschwomen  der  Johanniskirche  verwaltet 
und  ist  1812  verkauft 

Hylleke,  die  Witwe  des  Hans  Blickershusen,  traf  am  28.  August  1499 
eine  ähnliche  letztwillige  Verfügung.  Drei  hinter  ihrem  Hause  gelegene  Buden 
an  der  Papenstraße  (Fig.  179)  sollten  zu  einem  Gotteshause  gemacht,  „arme  lüde 
darinne  to  settende",  und  diesen  jährUch  2  M.  für  Feuerung  verabfolgt  werden. 
Das  Haus  ist  1811  durch  Verkauf  seiner  Bestimmung  entzogen. 

Der  sog.  Kleine  Kaland  oder  Rodengang  hinter  der  Altenbrückermauer, 
in  jüngster  Zeit  zum  Abbruch  verurteilt,  setzte  sich,  wie  der  nahe  Sassenhof, 
ebenfalls  aus  Freiwohnungen  zusammen,  die  vermutlich  von  der  Kalands- 
brüderschaft  gestiftet  waren. 

Dem  gleichen  Zweck  gehörte  bis  zu  seinem  kürzlich  erfolgten  Abbruch 
der  benachbarte  Kronenhof,  so  bezeichnet  nach  einem  früheren  Eigentümer 
Namens  Albert  Krone  (1632  ff.)  und  im  Jahre  1697  aus  den  Mitteln  eines 
Testamente  erworben. 

Ein  anderes  Gotteshaus,  das  Doppelersche  oder  Dankwertshof,  1806 
veräußert,  lag  am  Schweinemarkt. 

Die  Mehrzahl  dieser  Gotteshäuser  ist  eingegangen,  weil  ihre  Unterhaltung 

aus  den  vielfach  achtlos  verwalteten  Stiftungsmitteln  nicht  mehr  möglich  war. 

Roter  Hahn.  Ks  auf  den  heutigen  Tag   in  seinem  malerischen  Reiz   erhalten   ist  das 

Gotteshaus   zum   Roten  Hahn   in   der  Roten  Hahnstraße.     Ein  Hausbrief  vom 


-^    193    %■*- 

Januar  1478  gibt  die  älteste  Erwähnung  dieses  Hofes.  Jenerzeit  gehörte  ein 
Haus  „tem  Roden  Haue"  dem  Ratmann  Hinrik  Grpensen,  und  dieser  mag  sein 
Besitztum  selber  zu  einem  Ootteshause  bestimmt  haben,  denn  er  war  durch 
wohltätigen  Sinn  ausgezeichnet,  und  schon  1537  beißt  dei  Hof  „hospitale  quod 
ad  Rubeum  Gallum  vulgariter  nuncupatur". 

Die   erhaltenen  Gebäude   des   Stiftes    bauen  sich  an   der  Straße   mit 
massivem  Untergeschoß,  einem  in  der  Fläche  hegenden  Fachwerkgeschoß  und 


FtK-  K.    satt  Bot«r  Balw.    Rola  Hkhnitnae  14-1«. 

drei  vorgekragten  Pachwerkgiebeln  auf  (Fig.  60).  Die  Fußstreben  smd  voll, 
ohne  weiteren  Schmuck.  Die  Knaggen  unter  den  Giebeln  und  den  Schwellen 
sind  einfach  profiliert  Alle  Fächer  sind  in  Ziegeimustem  ausgemauert.  Der 
hoka  Giebel  trägt  am  ausgeschnittenen  Überlagsholm  der  Luke  die  Inschrift: 
ANNO  DNI  1576,  der  rechte  Giebel  an  derselben  Stelle  die  Zahl  „1596".  Um 
den  malerischen  Hof  liegen  einstöckige  Gebäude,  teilweise  in  Fachwerk  aus- 
geführt Der  nördhche  Plügelbau  ist  massiv,  mit  Rundbogentüren  und  darüber- 
hegenden  Archivolten  von  Taustäben.  In  der  Mitte  eine  Sandsteiuplatte  mit 
ANNO  DNI  1631.    An  dem  Hintei^ebäude  die  Inschrift;  ANNO  DOMINI  16*6. 


-<-8     194    g^ 

In  den  Hintergebäuden  befinden  sich  kleine  Wohnungen,  die  den  im  Abschnitt 
„Wohnhäuser   imd  Straßen'^   zu   besprechenden   Arbeiterhaus -Grundriß  zeigea 

Kikolaihof.  Mit  seinem  reichen  Besitz  wohlerhalten  ist  endUch  auch  der  Nikolaihof, 

ursprüngUch  ein  Leprosenhaus,  nach  dem  Erlöschen  des  Aussatzes  eine  Anstalt 
für  Prövner  und  Prövnerinnen.  Die  Geschichte  dieses  Hospitals,  das  zu  den 
großen  Stiftungen  der  Stadt  gehört,  geht  zurück  bis  in  das  13.  Jahrhundert  Die 
zugehörige  Kirche  ist  vom  Bürgermeister  Hinrik  Lange  1435  errichtet  An  dieser 
Stelle  scheidet  der  Nikolaihof  aus,  denn  er  lag  von  jeher  außerhalb  des  Stadt- 
bezirks und  wird  als  zum  Flecken  Bardewik  gehörig  im  Zusajnmenhange  mit 
den  Kunstdenkmälem  des  Landkreises  Lüneburg  behandelt  werden. 


II  Weltliche  Bau^werke. 


Das  herzogliche  Schloss. 

Quellen:  Sndendorfs  Urkandenbuch;  Volgers  Urkandenbnch;  Schomakers  Chronik; 
Gebhardi,  Collectanea  Bd.  U,  IX,  Xni,  XIV. 

Literatar:  Manecke,  Top.-lÜBt.  BeBchreibnngen  S.  41;  von  Hammentein,  Bardengan 
S.  140  und  502;  Mithoff,  Eunstdenkmale  S.  177;  de  Beaucaire,  Eleonore  Desmier  d^Olbrenze 
(ins  Deutsche  übertragen  von  Frh.  Grote,  1886). 


Die  einzige  bildliche  Darstellung  der  im  Februar  1371  zerstörten  Burg  Geschichte, 
auf  dem  Kalkberge,  „der  Krone  der  Herrschaft  Lüneburg^',  besitzen  wir  in  einer 
Handschrift  des  Sachsenspiegels  der  Lüneburger  Stadtbibliothek.  Die  Handschrift 
ist  nach  ihrem  Schriftcharakter  tun  die  Wende  des  14.  Jahrhunderts  entstanden, 
so  daß  es  obenein  fraglich  ist,  ob  der  Zeichner  die  Burg  aus  eigener  Anschauung 
noch  gekannt  hat.  Das  betreffende  Tafelbild  stellt  die  Belehnung  des  Sachsen- 
wittenbergischen  Fürsten  mit  dem  Herzogtum  Lüneburg  durch  Karl  IV.  dar; 
im  Hintergrunde  erhebt  sich  der  Kalkberg  imd  auf  seiner  Kuppe  das  Weifenschloß. 
Es  besteht  aus  einem  hohen  Hauptgebäude  mit  einer  HaUe  im  Obergeschoß  imd 
einem  Flügelbau  an  der  äußeren  Längsseite;  das  Untergeschoß  springt  mäßig 
vor  und  ist  durch  ein  besonderes  Schrägdach  geschützt;  an  die  innere  Längsseite 
schließt  sich  ein  Parallelgebäude  an  und  an  den  der  Stadt  abgewandten  Giebel 
ein  drittes  ansehnliches  Haus.  Die  Gruppe  wird  überragt  durch  einen  mit  Zinnen- 
kranz und  Spitzhelm  versehenen  Rundturm,  der  inmitten  eines  Schloßhofes 
gestanden  zu  haben  scheint.  Das  Schloß  war,  wenn  die  Farbengebung  des 
Blattes  nicht  willkürlich  ist,  aus  roten  Backsteinen  gebaut  und  mit  einem 
Kupferdache  gedeckt*)  Erhalten  ist  von  den  BauUchkeiten  der  Burg  nur  ein 
romanisches  Säulenkapitell  aus  Gipsmörtel,  das  vor  Jahren  im  Schutt  des 
Kalkberges  gefunden  wurde  und  im  Museum  verwahrt  wird,  femer  eine  bei  der 


*)  Mithoff  reproduziert  die  Ansicht  aus  dem  Sachsenspiegel  Tafel  XI. 

25* 


-<-8     196    8^ 

Beschreibung  des  Rathauses  zu  besprechende  kunstvolle  Tür  mit  Gangpforte  und 
Klopfring,  die  von  den  siegreichen  Bürgern  angeblich  als  Trophäe  heimgebracht 
worden  ist  imd  noch  zu  Mithoffs  Zeit  (1877)  das  Hauptportal  der  Ratsküche, 
d.  h.  des  ältesten  Rathauses,  schmückte.  Später  ist  sie  in  die  Rathauslaube 
überführt 

Die  Burg  (castellum)  war  durch  einen  doppelten  Mauerring  befestigt 
Das  äußere  Burgtor  lag  nahe  der  Gyriakskirche  und  führte  zunächst  zum 
Michaeliskloster.  Ob  das  sog.  „Abtstor"  (valva  abbatis)  die  Außen-  oder  die 
Innenmauer  durchbrach,  ist  zweifelhaft.  Von  den  Burgmannen,  denen  die  Ver- 
teidigung des  Schlosses  oblag,  hatte  wohl  nur  das  Geschlecht  derer  vom  Berge 
seinen  festen  Sitz  innerhalb  der  Burgmauern,  die  übrigen  Burgmannenhöfe  lagen 
im  Vororte  Giimm  oder  in  der  Altstadt. 

Nach  der  Zerstörung  des  Schlosses  durch  die  Bürgerschaft  blieb  Lüneburg 
ein  Jahrzehnt  hindurch  ohne  Fürstensitz.  Im  Jahre  1381  jedoch  gelang  nach 
Schomakers  Überlieferung  dem  herzoglichen  Großvogte  Everd  von  Marenholz  der 
Ankauf  eines  bürgerlichen  Wohnwesens  an  der  Ecke  des  Ochsenmarktes  und 
der  Reitendendienerstraße,  also  an  bevorzugter  Lage  im  Mittelpunkt  des  städtischen 
Verkehrs,  dem  Westflügel  der  Rathausgruppe  gegenüber.  Dieses  Haus  wandte 
der  Großvogt  nach  dem  Ausdrucke  der  Chronik  seinem  Herzoge  zu,  xmd  es  blieb 
fortan  „der  hertogen  husz",  wiewohl  keineswegs  als  dauernde  Residenz.  Der 
Lüneburger  Rat  wußte  die  eigenartige  Beschränkxmg  durchzusetzen,  daß  das 
neue  Schloß  keine  Küche  haben  durfte,  und  so  war  der  Herzog,  wenn  er  doch 
in  Lüneburg  weilte,  bis  über  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  hinaus  auf  die 
Gastlichkeit  der  Stadt  angewiesen.  Der  feste  Brauch,  daß  der  Sodmeister  ihm 
alsdann  täglich  8  Gerichte  liefern  mußte,  ist  in  seinem  Ursprünge  noch  nicht 
genügend  aufgeklärt 

Heinrich  der  Mittlere  soll  das  Schloß  1508  neu  aufgebaut  und  mit  den 
Standbildern  der  Kaiser  geschmückt  haben.  Stadtansichten  des  16.  Jahrhunderts 
zeigen  uns  ein  durch  seine  Höhe  auffallendes  Gebäude  mit  zwei  Türmchen  an 
der  südlichen  Giebelfront  und  zahlreichen  Fialen. 

Einen  abermaligen  Neubau  unternahm  der  letzte  Celler  Herzog,  Georg 
Wilhelm,  um  seiner  Gemahlin,  der  Herzogin  Eleonore,  einen  würdigen  Witwen- 
sitz zu  errichten  und  die  viel  angefeindete  hohe  Frau  der  Sphäre  des  Hannoverschen 
Hofes  möglichst  zu  entrücken.  Das  alte  Schloß  wurde  niedergelegt,  dann  aber 
mißfiel  die  Lage,  und  der  Herzog  verschaffte  sich  durch  den  Ankauf  mehrerer 
Bürgerhäuser*)  den  großen  Bauplatz  zwischen  Bardewiker-  und  Burmesterstraße, 
so  daß  das  neue  Schloß  die  ganze  Nordseite  des  Marktplatzes  ausfüllte.  Von 
1693—98  ist  unter  dem  Oberbaumeister  Borchmann  daran  gebaut,  bis  zum 
Jahre  1696  von  dem  italienischen  Mauermeister  Domeniko  Antonio  Rossi,  der 
zuvor  in  Paris  die  neuesten  Bauwerke  hatte  studieren  müssen.  Im  Januar  1696 
maß  der  Italiener  Jacob  Perinetti  die  Zimmerdecken  des  Schlosses  auf  zur  Her^ 


*)  1693  Mai  27  wurde  für  5500  Thaler  das  Töbingsche  Haus  erstanden,  1695  Januar  29 
für  5000  Thaler  das  Witzendorffsche  Wesen,  das  zum  Teil  erhalten  geblieben  ist,  1697/8  fiir 
3980  Thaler  noch  vier  Bürgerhäuser. 


H>4     197    8^ 

Stellung  der  Stuckarbeiten.  Nach  dem  Ableben  ihres  Gemahls  (August  1705) 
siedelte  die  Herzogin  nach  Lüneburg  über  und  lebte  hier  in  aller  Zurückgezogenheit, 
bis  sie  im  Jahre  1717  vom  Kurfürsten  und  Könige  Erlaubnis  erhielt,  nach  Gelle 
zurückzukehren,  wo  sie  dem  Verbannungsorte  ihrer  unglücklichen  Tochter  naher 
war.  Ein  interessantes  Möbelverzeichnis  des  Schlosses  zu  Lüneburg  vom 
12.  Juni  1708  hat  Beaucaire  in  seinem  oben  genannten  Buche  (S.  210ff.) 
veröffentiicht 

Nach  dem  Wegzuge  der  Herzogin  hat  das  Schloß  Mitglieder  der  fürst- 
hchen  FamiUe  nur  vorübergehend  beherbergt.  Ein  Teil  des  Gebäudes  wurde 
herzoglichen  Beamten  als  Dienstwohnung  überwiesen,  u.  a.  dem  Amtsschreiber 
und  dem  Zöllner  (1750—85).    Seit  1866  dient  das  Schloß  als  Kaserne. 

Das  Schloß  liegt  mit  seiner  Hauptfront  an  der  Nordseite  des  Marktes.  BeBchreibung. 
Zwei  Flügel,  von  denen  der  eine  an  die  Bardewikerstraße  grenzt,  umschließen 
einen  düstem  Hof.  Die  Außenseiten  sind  einfach  ausgebildet  Das  Portal  am 
Markte  wird  von  zwei  dorischen  Säulen  eingefaßt,  die  ein  schweres  Gebälk  mit 
dem  herzoghchen  Wappen  tragen.  Im  Innern  ist  nicht  mehr  viel  erhalteut 
Einige  Flure  sind  mit  ornamentierten  Kreuzgewölben  überdeckt,  in  den  Wänden 
sind  Figurennischen  angebracht,  den  Kämpfer  der  Gewölbe  bildet  eine  schwere 
Platte.  Die  Podeste  der  zweiläufigen  Granittreppe  zum  ersten  Geschoß  sind  mit 
Kreuzgewölben  überdeckt,  deren  Kämpfer  durch  Pilaster  unterstützt  werden. 
Bemerkenswert  sind  drei  farbige  Stuckdecken  im  Erdgeschoß,  deren  Flächen 
durch  breite  gegliederte  Leisten  mit  dazwischenUegendem  Ornament  geteilt 
werden.  Eine  reiche  schöne  Decke  im  Obergeschoß  ist  mit  dem  von  Putten 
gehaltenen  Monogramm  Georg  Wilhelms  geschmückt;  femer  ist  noch  eine  ein- 
fache, durch  Leisten  geteilte  Stuckdecke  vorhanden,  mehrere  andere  sind  1903 
und  1904  zerstört  worden. 


Das  Rathaus. 

Quellen:  Urkunden,  Akten,  Kümmereirechnnngen  des  Stadtarchivs;  Gebhardi, 
Collectanea  XIII;  Volgers  Urkundenbuch;  Lüneburgs  ältestes  Stadtbuch. 

Literatur:  v.  üffenbach,  merkwürdige  Reisen  (t  Teil  [1710]  hrsg.  1753,  S.  497  ff.) 5 
Albers,  Beschreibung  der  Merkwürdigkeiten  des  Rathauses  zu  Lüneburg,  mit  4  Tafeln  (Lüne- 
burg 1843),  mit  Zusätzen  und  Berichtigungen  sowie  einer  Geschichte  des  Rathauses  von 
Volger  1856  herausgegeben  vom  Altertumsverein  zu  Lüneburg,  Lieferung  3;  Mithoff,  Kunst- 
denkmale S.  179  ff.;  Bode,  Ansichten  der  Stadt  Lüneburg  (Jahresbericht  des  Museumsvereins, 
1879) ;  Reinecke,  das  Rathaus  zu  Lüneburg  (1903,  Festschrift  zur  21.  Versammlung  des  Hanno v. 
Provinzial-Lehrervereins  S.  68  ff.) ;  Stiehl,  das  deutsche  Rathaus  im  Mittelalter  (1905),  S.  153  ff. ; 
V.  Benst,  über  die  Luft-Heizungs-Anlage  im  Schloß  Marienburg  und  dem  alten  Rats-Saal  zu 
Lüneburg,  mit  4  Tafeln  (1830);  Reinecke,  das  Stadtarchiv  zu  Lüneburg  (Jahresberichte  des 
Museumsvereins  1896/8);  derselbe,  aus  dem  Stadtarchiv  (ebenda  1899/1901);  derselbe,  zur 
Geschichte  des  Ratsweinkellers  (ebenda);  Behncke,  Albert  von  Soest  (Studien  zur  deutschen 
Kunstgeschichte,  28.  Heft,  1901  (vgl.  dazu  die  Besprechung  des  Buches  in  den  letztzitierten 
Jahresberichten). 


-^     198    8^ 

Geschichte.*)  In  einer  Urkunde   für  das  Kloster   Lüne,    ausgestellt  im  August  1200 

durch  Wilhelm,  den  Sohn  Heinrich  des  Löwen,  zeigt  sich  die  früheste  Spur 
eines  Lüneburger  Gemeinderates.  Wo  das  älteste  Rathaus  der  Stadt  seinen 
Platz  gehabt  hat,  muß  dahingestellt  bleiben,  denn  wenn  wir  die  Vermutung 
aussprechen,  daß  es  dem  alten  Markte  nahegelegen  habe,  so  gibt  doch  keinerlei 
Ortsbezeichnung  mehr  davon  Kunde,  wo  denn  dieser  seine  Stätte  hatte,  ob  am 
Cyriakskirchhofe,  ob  vor  der  Sülze,  ob,  wie  Dr.  Sprengeil,  ein  kundiger  Lokal- 
forscher, es  vermutete,  am  nordöstlichen  Eingange  zur  Rübekule. 

Das  Rathaus  am  Neuen  Markte  konnte  erst  mit  der  Anlage  eines  solchen, 
also  erst  dann  entstehen,  als  die  Stadt  ihre  alten  Grenzen  gesprengt  und  sich 
nach  der  Ilmenau  zu  erweitert  hatte.  Sahen  wir  den  Ausgangspunkt  dieser 
Entwicklung  in  der  Zerstörung  Bardewiks  (1189),  so  darf  als  Endtermin  das 
Jahr  1244  gelten,  denn  in  diesem  Jahre  führt  ein  Ratmann  bereits  den  Namen 
Johannes  j,Niemarket",  „de  Novo  foro". 

Das  älteste  Gebäude  der  heute  vorhandenen  großen  Rathausgruppe  ist 
äas  jetzige  Stadtarchiv.  Im  Gegensatz  zum  ganzen  übrigen  Gebäudekomplex 
war  das  Haus  bis  in  die  jüngste  Zeit  hinein  nicht  unterkellert,  der  Rest  des 
ursprünglichen  Mauerwerkes  ist  aus  Gipsblöcken  aufgeschichtet,  und  die  Giebel- 
front schaut  südwärts,  d.  h.  nach  der  Saline  und  der  Altstadt.  Alle  drei 
Momente  sprechen  für  das  hohe  Alter  dieses  Gebäudes,  dessen  Entstehungszeit 
durch  die  genannten  beiden  Daten  näher  bestimmt  wird;  seine  Größenverhältnisse 
aber,  15  m  Länge .  bei  6  V2  ni  Breite,  sind  ansehnlich  genug,  daß  wir  in  ihm 
nicht  nur  den  Kern  der  Rathausgruppe  erkennen,  sondern  das  Gebäude  für  sich 
genommen   als   das  älteste   Rathaus   der  erweiterten  Stadt  bezeichnen   dürfen. 

In  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  kam  das  Brennen  von  Ziegeln 
in  Lüneburg  auf.  Im  Februar  1282  wird  zuerst  ein  Ratsziegelhaus  erwähnt, 
und  aus  dem  Jahre*  1295  hören  wir,  daß  auf  dieser  Ziegelei  Hohlsteine  („holsten", 
Mönch  und  Nonne)  zum  Decken  von  Häusern  angefertigt  wurden.  Es  ist  die 
Zeit,  in  welcher  das  Rathaus  in  der  Ratskapelle  zum  Heiligen  Geist  seine  Ergänzung 
erhielt  (vgl.  oben  S.  175),  und  diese  Kapelle  mag  eines  der  ältesten  Backstein- 
bauwerke Lüneburgs  gewesen  sein.  Die  Heiligengeistkapelle  schloß  sich,  durch 
einen  vermutlich  von  vornherein  überbauten  Zwischenraum  getrennt,  im  rechten 
Winkel  an  den  Nordgiebel  des  Rathauses  an.  Anscheinend  lagen  die  West- 
fassade der  Kapelle  und  die  des  Rathauses  in  einer  Fläche,  während  nach 
Osten  zu  Schiff  und  Chor  der  Kapelle,  wenigstens  in  späterer  Zeit,  soweit  etwa 
vorsprangen,  wie  nach  Süden  hin  der  Frontgiebel  des  Rathauses. 


*)  Die  nachfolgende  Darlegung  ist  der  erste  Versuch,  die  Baugeschichte  des  Lüne- 
burger  Rathauses,  bekanntlich  eines  der  interessantesten  Profanbauwerke  Deutschlands,  an 
der  Hand  der  urkundlichen  Überlieferung  zu  erforschen.  Die  Bedeutung  des  Gegenstandes 
machte  es  zur  Pflicht,  die  wichtigsten  Quelienstellen  im  Wortlaute  einzufügen.  Hat  die 
Lesbarkeit  des  Aufsatzes  dadurch  nicht  gewonnen,  so  ist  doch  die  Möglichkeit  gegeben,  die 
Ergebnisse  der  Untersuchung,  zumal  die  Schlüsse  des  Bearbeiters,  im  einzelnen  nachzuprüfen. 
Dem  Aufmerksamen  wird  es  nicht  entgehen,  daß  eine  Anzahl  von  Fragen  offen  bleibt  Vor- 
aussichtlich wird  das  noch  ungeordnete  Material  des  Stadtarchivs  in  absehbarer  Zeit  die 
Lücken  schließen. 


->^     199    8^ 

Unter  Herzog  Otto  dem  Strengen  (1277—1330)  soll  nach  einer  Über- 
lieferung Gebhardis  Lüneburg  zuerst  den  Schmuck  weiter  und  hoher  Bauten 
erhalten  haben  und  insbesondere  das  Rathaus,  die  „curia  senatorum^',  höher 
aufgeführt,  mit  Tünnen  versehen  und  imi  des  stattlicheren  Eindrucks  willen  von 
der  Nachbarschaft  einiger  engen  Straßen  befreit  sein.  Die  ältesten  Kämmerei- 
rechnungen der  Stadt,  die  bisher  aufgefunden  sind,  entstammen  den  Jahren 
1321,  1328  und  1330  und  ermögUchen  eine  gewisse  Kontrolle  jener  Nachricht.  Da 
werden  5  M.  und  5  Schilling  „ad  prelobiimi",  zu  einer  Vorlaube,  einem  über- 
dachten Vorbau,  ausgegeben,  und  auf  dem  Neumarkt  wird  ein  gepflasterter 
Weg  (via  lapidea)  hergestellt  (1321);  Nicolaus  Garlop  und  Borchard  Hoyers 
erhalten  als  Bauherren  256  M.  „ad  edificandum  celarium  vini^',  zur  Erbauung 
des  Batsweinkellers,  femer  63  M.  für  den  Einkauf  von  Wein  (1328);  da  ist 
endlich  geradezu  von  einem  Neuen  Rathause  die  Rede,  woselbst  ein  Estrich 
gelegt  wird  („in  novo  consistorio  ad  pavimentum"  1330).  In  der  Tat  ist  also 
gegen  Ausgang  der  Regierung  Otto  |des  Strengen  ein  neuer  Rathausbau  entstanden, 
und  zwar,  wie  wir  noch  sehen  werden,  ein  Parallelbau  zum  ältesten  Rathause, 
die  jetzt  sogenannte  Laube  in  ihrer  ersten  Gestalt. 

Schon  um  die  Wende  des  13.  Jahrhunderts  war  die  Rathausgruppe  nach 
einer  anderen  Richtung  hin  vervollständigt.  Eine  Aufzeichnung  der  städtischen 
Einkünfte,  die  wir  dem  ersten  Rektor  der  Heiligen  Geistkapelle  verdanken,  stellt 
die  Erträge  aus  den  Ständen  und  Kisten  des  „Gewandhauses^^  voran.  Dieses 
städtische  Gebäude  mit  seinen  Verkaufsstellen  für  die  Gewandschneider  war 
in  Lüneburg,  wie  in  Braunschweig,  Lübeck  und  vielen  anderen  Städten,  mit 
dem  Rathause  unmittelbar  verbunden.  Aus  späteren  Quellen  geht  hervor,  daß 
der  Mittelbau  der  jetzigen  östUchen  Rathausfront  als  Gewandhaus  diente,  und 
schon  in  jener  Quelle  von  1302  wird  ein  unteres  und  oberes  Gewandhaus  unter- 
schieden („inferior'^  und  „superior  domus  pannicidarum^^  „ad  pannum  incidendum'^) ; 
ersteres  erkennen  wir  über  dem  Vorsaale  des  heutigen  Ratsweinkellers,  das 
letztere  ist  nur  durch  ein  schmiedeeisernes  Gitter  von  der  Rathaushalle  geschieden, 
und  zeigt  noch  die  Spuren  seiner  einstigen  Bestimmung,  obschon  es  durch  einen 
Vorbau  vöUig  verdunkelt  ist. 

Aus  der  für  die  Baugeschichte  des  Rathauses  vermutlich  sehr  bedeutsamen 
Zeit  vom  Tode  Otto  des  Strengen  bis  gegen  Ausgang  des  Erbfolgekrieges  fehlt 
bisher  jede  einschlägige  Oberlieferung,  denn  diese  setzt  erst  mit  einer  Rechnung 
der  Ratsbauherren  von  1386/88  wieder  ein.  Hier  nehmen  folgende  Eintragungen 
auf  das  Rathaus  Bezug.  Dytmar  Teygeler,  der  75  000  Steine  für  ein  unbezeich- 
netes  Bauwerk  liefert,  erhält  14  SchilUng  „vor  den  oven  to  makende";  „by 
deme  wanthuse"  werden  die  Rönnen  geteert;  Steinwerchten,  d.  h.  Steinmetzen 
oder  Maurer,  arbeiten  mit  ihren  Handlangern  an  „des  rades  domsen";  Stein- 
brügger  pflastern  „vor  dem  winkelre  und  den  scherbuden";  5^2  M.  werden 
ausgegeben  „vor  dat  raathus  und  des  hilghen  gheistes  kerken  uppe  dem 
markede  to  bestighende",  d.  h.  für  die  Ausbesserung  der  betreffenden  Dächer;  „bi 
des  raades  kokene"  wird  ein  Bretterzaun  gezogen.  Zur  Erläutenmg  der  wort- 
kargen Posten  ist  einiges  hinzuzufügen.  Der  erwähnte  Ofen  scheint  uns  der 
Ofen  des  Rathauses  zu  sein,  derselbe,    der  in  jüngeren  Rechnungen  gemeint  ist. 


H>^    200    8->- 

wenn  wir  alljährlich  eine  Ausgabe  für  den  Rathausschließer  gebucht  finden 
„vor  den  oven  to  bittende".  Es  ist  die  Luftheizungsanlage,  der  sog.  „pipoven" 
(Röhrenofen)  unter  der  Laube,  und  die  jetzige  Laube  identisch  mit  „des  rades 
dornse",  denn  die  Dömse  ist  eben  der  heizbare  Raum  eines  Hauses.  Burger- 
meister und  Ratmannen  stellen  im  Oktober  1390  eine  Urkunde  aus  „in 
estuario  consulari,  in  quo  solito  (ad  reddendum  jura  et  respondendum 
questionibus  hominum)  hyemali  tempore  congregantur",  offenbar  die  lateinische 
Umschreibung  für  den  einfachen  Ausdruck  „domse";  die  Dömse  bildete  demnach 
den  Wintersitzungssaal  des  Rates,  während  die  öffentliche  Betätigung  der 
Stadtoberen  zur  Sommerszeit  nach  altgermanischem  Brauch  imter  freiem  Himmel 
vor  sich  ging.  So  heißt  es  in  einer  Bekundung  vom  13.  September  genannten 
Jahres,  daß  einige  Bürger  vor  dem  Rate  erschienen  seien  „de  do  under  dem 
rychtehuse  sammelt  was".*)  Die  Notiz  der  Rechnung,  daß  beim  Wandhaus 
die  Rönnen  geteert  wurden,  führt,  da  jener  Zeit  nur  eine  Rönne  zwischen  zwei 
Paralleldächem  gemeint  sein  kann,  zu  dem  Schlüsse,  daß  sich  unmittelbar  neben 
dem  Wandhause  ein  anderer  Bau  erhoben  hatte,  und  die  Wendung  „under 
dem  rychtehuse"  ist  zwanglos  dahin  zu  deuten,  daß  dieser  Bau  sich  an  der 
nördlichen  Längsseite  an  das  Gewandhaus  anschloß.  Noch  im  19.  Jahrhundert 
war  die  Stätte  der  peinlichen  Gerichtsbarkeit  des  Rates  jene  durch  ein  Gitter 
eingefriedigte  Nische  an  der  Nordostecke  des  Rathauses,  und  es  ist  von  vorn- 
herein wahrscheinlich,  daß  diese  Gerichtsstätte  all  die  Jahrhunderte  hindurch, 
nicht  erst  seit  1607,  wo  sie  ihren  Bilderschmuck  erhielt,  dieselbe  geblieben  ist 
Eine  solche  Voraussetzung  erklärt  „das  Richtehaus"  als  das  Haus  über  der 
Gerichtsstätte,  was  natürlich  nicht  ausschließt,  das  es  in  seinem  Innern,  sei  es 
ganz  oder  zu  einem  Teile,  ebenfalls  den  Bedürfnissen  der  Rechtspflege 
vorbehalten  war. 

Vielsagend  ist  der  Hinweis  auf  „des  rades  kokene".  „Die  alte  Rats- 
küche", so  heißt  heutzutage  noch  das  Gebäude  des  jetzigen  Stadtarchivs.  Es 
ist  nach  den  obigen  Darlegungen  das  älteste  Rathaus  selber,  das  schon  in  der 
ersten  großen  Blüteperiode  der  Stadt  als  Rathausküche  eingerichtet  worden  ist 

Das  Bedürfnis  nach  einer  Ratsküche  zeigt  am  ansch«ulichsten,  welche 
Bedeutung  mit  dem  wachsenden  Ansehen  Lüneburgs  der  vornehmste  Profanbau 
der  Stadt  gewonnen  hatte.  Lange  vor  der  ersten  großen  Hansetagung  im 
April  1412  lassen  sich  im  Lüneburger  Rathause  ansehnliche  Versammlungen 
von  Fürsten  und  Ratssendeboten  nachweisen;  da  fand  der  gastliche  Brauch 
nach  dem  Ernst  der  Geschäfte  Veranlassung  genug  zu  froher  Bewirtung,  auch 
wurde  es  schon  im  14.  Jahrhundert  üblich,  daß  größere  Feste,  sei  es  des  Gesamt- 
rates, sei  es  einzelner  Ratsfamilien,  in  den  Räumen  des  Rathauses  gefeiert 
wurden.     Von  Interesse   und   mit   dem   Ansehen   des  Platzes  am   Herd   wohl 


*)  Die  allgemeinere  Fonn  „coram  consulibns  in  domo  consulatos^,  „vor  dem  rade 
uppe  dem  radhuse^,  ist  sonst  schon  in  den  Urkunden  des  14.  Jahrhunderts  die  übliche. 
Besonders  wichtige  Versammlungen  wurden  durch  einen  vereidigten  Ratsboten  einberufen. 
Als  im  November  1453  drei  Bürgermeister  und  13  Ratmannen  zusammentreten,  um  den 
vierten  Bürgermeister,  Albert  van  der  Molen,  nach  Rom  zu  entsenden,  heißt  es,  „ad  vocem 
nuncii  nostri  jurati  more  solito  in  domo  consulari  congregati^. 


->^    201     8^ 

vereinbar  ist  es,  daß  die  Ratskücbe  trotz  ihrer  wirtschaftUchen  Bestimnmng 
auch  fernerhin  gern  für  Versammlungszwecke  benutzt  wurde.  Zumal  im  Prälaten- 
kriege spielten  sich  einige  Hauptszenen  der  Handlung  „in  des  rades  kokene" 
ab.  Hier  unterwarfen  die  Herzöge,  Prälaten  und  Mannen  ihre  MißheUigkeiten 
mit  dem  Rate  im  Mai  1452  einem  Schiedsgericht,  hier  wählte  die  Bürgerschaft 
den  Sechzigerausschuß,  hier  wurde  dem  abdankenden  Ratskollegium  in  Gegenwart 
der  Verordneten  Lübecks  und  Hamburgs  die  Unverletzlichkeit  eidlich:  zugesichert, 
hierhin  wurde  Bürgermeister  Springintgud  aus  seinem  Einlager  vorgeladen,  und 
von  hier  mußte  er  seinen  Gang  in  den  Turm,  d.  h.  seinen  Todesgang,  antreten. 

Und  immer  reicher  wurde  die  Rathausgruppe  ausgestaltet.  Im  Süden 
schloß  sich  an  das  Gewandhaus  die  vor  1375  nachweisbare  Stadtwage  an, 
nicht  unmittelbar,  sondern  durch  ein  städtisches  Wohnhaus  davon  getrennt 
Im  März  1410  nimmt  ein  Bürger  die  Wage  der  Stadt  mit  allem  Zubehör,  ein- 
schließUch  des  Hauses  „by  dem  seygertome  allemegest  belegen  unde  mit  dem 
hove  unde  make  de  darto  boren"  für  300  M.  in  Pacht.  Identisch  mit  diesem 
Wohnwesen  scheint  ein  städtisches  Besitztum  zu  sein,  das  in  Mietsverträgen 
von  1374,  1376  und  1384  bezeichnet  wird  als  „bei  der  Treppe  belegen,  auf  der 
man  zum  Wandhause  hinaufsteigt",  „prope  gradus  quibus  ascenditur  ad  domum 
panniscidarum". 

In  dem  soeben  angezogenen  Pachtbriefe  erhalten  wir  auch  die  erste 
urkundliche  Erwähnung  eines  Rathausturmes,  der  als  „seygertorn"  mit  einem 
Uhrwerke  verbunden  war.  Die  Jahreszahl  1385  der  Rathausglocke  gibt  uns  ein 
Recht,  die  Vollendung  dieses  Turmes  bis  ebendahin  zurück  zu  verlegen.  Die 
Rathausglocke  ist  die  älteste  datierte  Glocke  der  Stadt  und  hat  ihren  ehrwürdigen 
Platz  als  das  einzig  Bleibende  bei  den  zahlreichen  Umwandlungen  ihres  Gehäuses 
bis  zur  Gegenwart  behauptet 

Nahe  dem  Rathause  haben  wir  auch  den  städtischen  Eichhof  zu  suchen, 
wo  die  Ratmannen  1391  und  1397  versammelt  sind.  Im  Jahre  1410  vermietete 
der  Rat  einem  der  Stadtbedienien  ein  Wohnhaus  nebst  einem  Gange,  der  zum 
Brunnen  im  „Amehove"  führte.  Eine  Ratsdienerwohnung  befand  sich  bis  über 
die  Mitte  des  19.  Jahrhunderts  hinaus  an  der  Wagestraße,  westlich  von  der 
Ratsküche,  und  nördlich  davon  muß  der  Eichhof  gelegen  haben,  denn  ein  Haus 
an  der  Nordseite  des  Ochsenmarktes,  das  der  Rat  im  Jahre  1400  an  den  Bürger 
Ludolf  von  Wynsen  verkaufte,  lag  dem  Amehof  gegenüber  („ex  opposito  ciurie  in 
vulgo  dicte  Amehoff"). 

Weniger  genau  ist  die  Lage  der  gleichzeitigen  Ratsschreiberei  zu  bestimmen. 
Daß  auch  sie  von  Anfang  an  mit  dem  Rathause  verknüpft  war,  möchte  man 
als  selbstverständlich  annehmen;  aber  ein  Hausbrief  vom  Mai  1418,  der  die 
Schreiberei  beiläufig  zum  ersten  Male  nennt,  macht  uns  ihre  Belegenheit  nicht 
klar.  Von  einem  zum  Verkauf  gelangenden  Privatbesitztum  wird  ausgesagt,  es 
befinde  sich  „citra  scriptoriam,  in  latere  versus  occidentem,  in  platea  per  quam 
directe  ascenditur  a  platea  Pistorum  ad  Novam  salinam^^  Als  Käufer  tritt  ein 
Bürger  Namens  Eghard  Snewertinge  auf.  Nun  erwähnen  zwei  Urkunden  vom 
Ausgange  1433  „de  olde  scriverie",  die  in  eine  Doppelwohnung  umgewandelt 
ist  und  zur  einen  Hälfte  dem  Stadtschreiber  Johann  von  Minden,  zur  andern 

26 


->^    202    8^ 

der  Witwe  eines  Ratmannes  auf  Lebenszeit  überlassen  wird.  Die  alte  Schreiberei 
ist  mit  jener  „scriptoria'^  identisch,  denn  sie  liegt  neben  dem  Erbe  des  Ecgerd 
Snewerdingh,  eine  Gewißheit,  die  uns  freilich  die  örtliche  Bestimmung  nicht 
erleichtert  Um  so  wertvoller  ist  der  Ausdruck  „alte"  Schreiberei,  denn  er  läßt 
erkennen,  daß  spätestens  im  Jahre  1433  eine  neue  Schreiberei  (vielleicht  nur  in 
Gestalt  eines  Anbaues)  angelegt  war.  Eine  Abrechnung  zwischen  Verordneten 
des  Rates  und  Vertretern  des  Verdener  Bischofs  erfolgt  ,,in  der  scrivekamere 
des  radhuses  to  Luneborch"  (1439);  wir  verzeichnen  auch  diese  Nachricht, 
halten  jedoch  die  Benennungen  „Schreibkammer"  und  „Schreiberei"  nicht  für 
gleichbedeutend. 

Einer  Kämmereirechnung  von  1428  ist  zu  entnehmen,  daß  der  Mauer- 
mann Peter  van  Servest  (Zerbst)  mit  seinen  Knechten  in  der  Ratsküche  einen 
Estrich  legte*),  daß  zwischen  den  Uhrturm  und  das  Wandhaus  eine  Rönne 
gelegt  wurde,  daß  Badergesellen  am  Röhrenofen  arbeiteten  und  Hans  van  dem 
Hagen  „boven  unde  neden",  wenn  wir  richtig  verstehen,  in  der  Laube  und  in  der 
Küche,  Glasfenster  ausbesserte.  „In  domo  consulari  superiori",  also  im  oberen 
Rathause,  verkündete  der  Bischof  von  Lübeck  1447  seinen  Schiedsspruch  im 
Streite  des  Rates  mit  dem  letzten  Archidiakon  von  Modestorf,  und  die  Laube 
oder  das  obere  Rathaus  ist  wohl  auch  gemeint,  wenn  der  Stadtschreiber  die 
Sülzkonkordie  von  1457  im  „größeren  Saale"  (in  aula  majori)  zur  Verlesung  bringt 

Erst  vom  Jahre  1443  an  sind  die  städtischen  Kämmereirechnungen  ohne 
nennenswerte  Unterbrechung  erhalten,  und  damit  fließt  dem  Forscher  für  die 
Baugeschichte  des  Rathauses  eine  Fülle  von  Einzelangaben  zu.  Leider  sind 
alte  Rechnungsbücher  ein  spröder  Arbeitsstoff.  Die  Eintragungen  sind  in  ihrer 
Fassung  durchweg  dürftig  und  oft  von  einer  Zurückhaltung,  die  rätselhaft 
erscheinen  könnte,  wenn  sie  nicht  durch  die  mangelnde  Einheitlichkeit  des 
mittelalterlichen  Rechnungswesens  erklärt  würde.  Für  das  Rathaus  kommt 
verdunkelnd  der  Umstand  hinzu,  daß  hier  manches  schöne  Stück  der  Einrichtung 
und  Ausstattung  durch  Schenkung  überwiesen  ist  und  daher  unter  den  Aus- 
gabeposten der  betreffenden  Jahre  nur  zufällig  einmal  erwähnt  wird.  Dennoch 
bleibt  der  Einzelforschung  ein  mannigfaltiges  Material,  das  hier,  wo  es  sich  nur 
um  die  Aufstellung  eines  organischen  Gerippes  handeln  kann,  keine  Berück- 
sichtigung findet. 

In  den  ältesten  Rechnungsbänden  suchen  wir  aus  stilistischen  Gründen 
zunächst  einen  Aufschluß  über  den  Bau  des  Fürstensaaiea,  über  die  Entstehung 
der  an  die  Laube  anstoßenden  Gemächer  und  die  BIrrichtung  des  Kämmerei- 
gebäudes. Merkwürdig  genug  setzt  ein  umfassender  Ausbau  der  Rathausgruppe  im 
Jahre  1449  ein,  also  gerade  in  einem  Zeitpunkte,  als  die  Schuldenlast  der  Stadt 
ihren  höchsten  Stand  erreicht  hatte,  während  man  doch  meinen  sollte,  daß  der 
Prälatenkrieg  mit  seinen  Vorwehen  und  Nachwirkungen  erst  hätte  verwimden 
sein  müssen,  ehe  dem  Rat  größere  Summen  für  bauliche  Zwecke  zur  Verfügung 
standen.    Es  war  das  Wandhaus,  für  welches  in  den  Jahren  1449—60  erhebliche 


*)  £8  geschah  anläßlich  einer  Hanseversammlung,  die  nach  dem  Sonntage  Letare 
stattfand,   so   daß   sich   die  Bewirtung  ans   der  Ratsküche  auf  Fastenspeisen  beschränkte. 


-^    203    8^ 

Aufwendungen  gemacht  wurden.  Die  nicht  näher  erläuterte  Hauptausgabe 
„tom  buwe  des  wandhuses",  rund  722  M.,  erfolgte  1453,  nachdem  im  Jahre 
vorher  unter  anderem  21  000  glasierte  Steine  angekauft  waren.  Für  einen  Platz 
„auf  der  Laube  vor  dem  Wandhause"  fertigte  Meister  Tue  ein  eisernes  Gatter 
(1455),  und  1460  wurden  die  „tynappele"  abgeliefert,  die  den  neuen  Giebel  über 
dem  Wandhause  krönten.  Man  ist  versucht,  die  Erneuerung  des  Wandhauses 
mit  dem  Aufbau  des  darüber  liegenden  Stockwerkes,  eben  des  Fürstensaales,  in 
Zusammenhang  zu  bringen,  und  findet  dafür  leicht  allerlei  Anhaltspunkte. 
Zunächst  befremdet  es,  daß  die  gewohnten  Mietseinnahmen  des  Rates  aus  den 
Wandkisten  seit  1452  von  Jahr  zu  Jahr  zurückgehen;  der  eigentliche  Zweck 
des  Baues  kann  darnach  aus  dem  Bedürfnisse  der  Wandschneider  nicht  erklärt 
werden,  sondern  muß  ein  anderer  gewesen  sein.  Sodann  werden  im  Herbst  1450 
Matten  für  die  Fenster  „uppe  dem  Nigen  huse"  angeschafft,  und  1451  wird 
„dat  lange  hus"  gedeckt  —  zwei  bemerkenswerte  Eintragungen.  Durchweg  \mter- 
scheiden  nämlich  die  Rechnungen  jener  Jahre  vom  Rathause  im  engeren  Sinne,  also 
der  jetzigen  Laube,  die  Küche  und  die  Schreiberei;  der  Ausdruck  „neues  Haus" 
weist  auf  etwas  Hinzugekommenes,  und  ebenso  die  Benennung  „langes  Haus", 
die  hier  zuerst  auftritt;  beide  Namen  gelten  wohl  dem  neuen  Wandhause  als 
Träger  des  geräumigen  Festsaales  im  Obergeschoß.  Trifft  unsere  Folgerung  zu, 
so  muß  in  jener  Bauperiode  auch  die  Alte  Kanzlei  entstanden  sein,  ein  Raum, 
der  tmter  dem  Fürstensaale  liegt  und  sich  mit  seiner  schmalen  Eingangs- 
seite an  die  Laube,  mit  seiner  inneren  Längswand  südlich  an  das  Wand- 
haus anschließt.  In  der  Tat  wird  1457  von  Meister  Tue  ein  Schap  auf  der 
„Neuen  Kammer"  beschlagen,  und  für  die  „Neue  Kammer"  oder  das  „Neue 
Gemach"  liefert  der  Snitker  Andresz  die  Fimiierung  und  der  Maler  Hinrik 
Gronouw  bunte  Fenster  (14  Tafeln  mit  Schilden,  1460).  Immerhin  sind  die 
angeführten  Notizen  mehrdeutig  —  man  könnte  auch  an  die  Erbauung  des 
später  sogenannten  Kämmereigebäudes,  der  Schreiberei,  denken  —  aber  jüngere 
Ausgabeposten  der  Rechnung  schließen  jeden  Zweifel  aus.  Im  Jahre  1464 
wird  ein  Anker  angebracht  „an  der  Ecke  im  neuen  Giebel  des  neuen  Rathauses", 
und  Hinrik  Gronouw  bezieht  1467  seine  Bezahlung  für  Fensterwerk  „in  des  rades 
nigen  huse  uppe  dem  markede",  ein  Hinweis,  unter  welchem  nach  zahlreichen 
Belegstellen  nur  der  große  Marktplatz  östlich  der  Rathausgruppe  verstanden 
werden  kann.  Damit  sind  die  Daten  für  die  Entstehung  des  später  sog.  Fürsten- 
saales  festgelegt,  sie  werden  begrenzt  durch  die  Zahlen  1449—64. 

Es  ist  nicht  anders  denkbar,  als  daß  bei  der  Neugestaltung  des  Mittel- 
baues die  ganze  östliche  Rathausfassade  in  Mitleidenschaft  gezogen  wurde,  und 
die  Bezeichnung  im  „neuen  Giebel  des  neuen  Rathauses"  weist  ausdrücklich 
darauf  hin.  Wahrscheinlich  ist  auch  der  Rathausturm  schon  damals  verändert 
worden.  Auf  den  um  die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  entstandenen  drei  ältesten 
Ansichten  der  Stadt  ist  an  der  Marktfront  des  Rathauses  nur  ein  einziger  Turm 
wahrnehmbar,  der  „seygertom",  ein  viereckiger  Unterbau  mit  einem  von  Säulen 
getragenen  spitzen  Helmdache.  Anders  auf  einer  Stadtansicht  im  Fürstensa^le. 
Hier  sehen  wir  einen  mit  mehr  als  acht  Geschossen  im  Sechseck  emporstrebenden, 
reich  gegliederten  Mittelturm,  der  auf  beiden  Seiten  von  je  zwei  Türmen  (Fialen) 

26* 


-^    204    g^ 

verschiedener  Höhe  flankiert  wird.  Die  Entstehung  des  Bildes,  dem  diese  Stadt- 
ansicht als  Hintergrund  dient,  geht  in  das  15.  Jahrhundert  zxurück,  da  es  in 
jüngeren  Zeiten  jedoch  wiederholt  übermalt  ist,  bietet  es  für  die  Datierung  der 
fünftürmigen  Fassade  keine  ausreichende  Grundlage.  Auch  hier  geben  die 
Kämmereirechnungen  die  erwünschte  Klarheit  Die  Ausgaben  für  den  Turm, 
soweit  sie  als  solche  gebucht  werden,  sind  nicht  zahlreich.  E]in  gewisser 
Clovestene  erhält  10  M.  „vor  de  schiven  [die  ührscheibe,  das  Zifferblatt]  to 
malende  an  dem  zeygertome  uppe  dem  markede"  (1445),  und  „uppe  dem  tome 
dar  de  zeyger  hanget'^  werden  Fenster  ausgebessert  Im  Jahre  1464  geschieht 
eine  größere  Ausgabe.  Maurer  und  Zimmerleute  beziehen  rund  122  M.  „den 
piler  tome  tome  to  makende",  für  48  M.  Kalk  wird  dazu  verwandt,  46  M.  werden 
für  Anker  ausgegeben  und  17'/2  M.  wiederum  „vor  den  zeyger  to  verdigende". 
Im  Jahre  1464  ist  also  mit  dem  Pfeiler  zum  Turme,  d.  h.  dem  Mittelturme 
selber,  eine  gewichtigere  Veränderung  vorgegangen,  und  da  1475  auch  die  Türme 
über  dem  Weinkeller  bereits  erwähnt  werden,  so  ist  es  offenbar,  daß  die  neue 
Ostfassade,  wie  jene  Stadtansicht  sie  uns  vorführt,  nach  Beendigung  des  Prälaten- 
krieges  entstanden  ist   —    ein  Denkmal  der  Wiedererstarkung  des  alten  Rates. 

Hier  und  da  ist  in  alten  Nachrichten,  z.  B.  im  Lobgesange  des  Lucas 
Lossius  auf  das  schöne  Lüneburg  (1566),  von  einem  sechstürmigen  Rathause 
die  Rede.  Der  sechste  Turm  ist  nicht  etwa  ein  Dachreiter  der  Hl.  Geistkapelle, 
sondern  ein  in  seinem  Unterbau  erhaltener  Treppenturm  an  der  Südwestecke  des 
Rathausvorbaues. 

Von  der  Erbauung  des  Alten  Archivs  und  der  Körkammer  bekonmien 
wir  aus  dem  archivalischen  Material  kein  deutliches  Bild.  Eine  „lutke  kamere  vor 
deme  radhusze"  erhält  1491  einen  Fensteranstrich  durch  Hans  Elptzenrad,  der  im 
nachfolgenden  Jahre  diese  Kammer  bemalt.  Man  ist  geneigt,  diese  Notiz  auf 
die  Körkammer  zu  beziehen,  da  die  Malerei  über  dem  Kamin  daselbst  das  Datum 
1491  trägt.  Es  kann  jedoch  auch  ein  Gemach  gemeint  sein,  das,  wie  wir  noch 
sehen  werden,  sonst  als  Laube  bezeichnet  wird.  Jedenfalls  ist  neben  Eptzenrad 
auch  Gherd  Wulf  zu  nennen,  der  1495  eine  Nachzahlung  erhält  für  die  Fenster 
„uppe  der  lutken  nyen  kamere  uppe  deme  radhuse"  und  für  die  Fenster  „in 
der   lutken   malden   kamere   benedden    deme   radhuse  in  nye  bly   to   stande^^ 

Das  Alte  Archiv  trägt  am  Gewölbe  die  Zahl  1521;  sie  bezieht  sich  wohl 
auf  die  Einspannung  dieses  Gewölbes,  denn  der  Raum  als  solcher  muß  wegen 
des  wunderlichen  dunklen  Stufenganges  zur  Körkammer  älter  sein  als  diese. 
Die  handschriftlichen  Quellen  bringen  hier  keinen  festen  Anhalt 

Das  jetzt  sog.  Kämmereigebäude  hieß  noch  im  1 9.  Jahrhundert  die  Schreiberei 
und  wird  von  alten  Lüneburgem  noch  heute  so  bezeichnet.  Aus  seiner  Erbauung  sind 
in  den  Jahren  1476  ff.  alle  diejenigen  Ausgaben  erwachsen,  welche  entweder  die 
„scriverie"  geradezu  nennen  oder  „deme  nyen  buwe  by  deme  radhuse"  zugeschrieben 
werden.  Die  Kämmerer  bezahlen  im  genannten  Jahre  u.  a.  47 1/2  Tausend  Mauer- 
und  Formsteine,  550  Pfund  Glasur  („glades"),  116  Wispel  Kalk,  4^2  Tausend 
Dachsteine,  ferner  einen  größeren  Posten  Schiefersteine,  die  aus  Braunschweig 
bezogen  wurden.  Das  Gebäude  ist  in  kurzer  Zeit  in  die  Höhe  gebracht  In 
demselben  Jahre  noch  finden  wir  eine  Ausgabe  für  Blei,  Kupfer  und  Gold,  „dat 


-^    205    8-i- 

qwam  io  den  tynappeln  und  uiume  de  rönnen  hehr^',  und  der  Maler  Hermann 
Ohmes  erhält  14  M.  ,.vor  10  Schilde,  1  sunne  unde  8  stemen  to  snidende  unde 
to  vorguldende  unde  dat  gebüw  vor  uth  to  strikende".  Bis  zur  Vollendung  des 
Baues  verstrieben  immerhin  noch  mehrere  Jahre;  1480  erst  wurden  die  preußischen 
Dielen  verarbeitet  für  die  beiden  R«(ggenboden  im  Dachgeschoß,  und  1481  empfing 
Cord  Snytker  77  Mark  „vor  soven  beide  de  in  de  scriverie  qwemen  to  stände". 
Allem  Anscheine  nach  sind  es  die  sieben  geschnitzten  Heiligenbilder,  die  dem 
Gebäude  bis  zur  Gegenwart  geblieben  sind,  drei  an  der  Giebelfront,  vier  an  der 
Längsseite  nach  dem  Marienplatze  hin.  Eine  Position  des  Jahres  1482,  wonach 
„dat  nyge  buw  gedecket  und  de  gefel  nyge  gemaket"  wurde,  bezieht  sich  wohl 
auf  die  letzten  Ablieferungsarbeiten;  von  der  Gesamtsumme  von  ca.  55  M.  bezog 
u.  a.  Hermen  Ohmes  3  M.  „vor  de  schilde  to  renoverende  unde  de  vluger  to 
vorguldende". 

Es  ist  im  Vorangegangenen  wiederholt  der  Ausdruck  „Laube"  angewandt, 
und  zwar  nach  dem  Brauch  der  Gegenwart  für  den  reich  bemalten,  mit  einem 
Tonnengewölbe  überdeckten  Saal  mit  dem  Ratstuhl.  Dieser  Sprachgebrauch  ist 
jüngeren  Ursprungs.  Die  jetzt  sogenannte  Laube  heißt  in  Urkunden  und  Rech* 
nungen  das  ganze  Mittelalter  hindurch  „das  Rathaus",  und  wenn  bis  um  1700 
der  Ausdruck  „Laube"  begegnet,  bedeutet  er  etwas  anderes  als  heute.  „Laube", 
so  hieß  ehemals  nicht  jener  gewölbte  Raum  mit  seinem  durchbrochenen  Süd- 
giebel, sondern  im  weiteren  Sinne  die  davor  liegende  Eingangshalle,  im  engeren 
eigentUchen  Sinne  ein  Ausbau  derselben  nach  dem  Ochsenmarkte  hin.  Wir 
erinnern  uns,  daß  sich  an  dieser  Stelle  im  Erdgeschoß  die  Ratskapelle  zum 
Heiligen  Geist  befand.  Die  niedrigen  Gewölbe  dieser  Kapelle  trugen  die  Rat- 
haushalle, während  die  Laube  entweder  in  ganzer  oder,  was  wahrscheinUcher 
ist,  in  halber  Breite  der  Halle  über  das  durch  die  Kapellengewölbe  gebildete 
Untergeschoß  vorsprang.  Mit  dem  Rathaus  hat  die  Laube  im  Wechsel  der 
Jahrhunderte  mannigfache  Umbildungen  erfahren,  bis  sie  von  der  Straßenfront 
ganz  verschwand  und  der  Name  an  dem  Ratssaale  haften  blieb,  der  sich  in 
dem  alten  Langbau  von  jeher  an  die  Laube  anschloß  und  mit  ihr  ein  einheit- 
hches  Ganzes  bildete. 

Hier  die  Belege.  Ein  „prelobium"  wurde  bereits  1321  erwähnt  und 
sinngemäß  durch  die  Übersetzung  „Vorlaube,  überdachter  Vorbau"  wiedergegeben; 
schon  damals  also  war  das  Rathaus  mit  einem  Anbau  ausgestattet,  der  in  erster 
Linie,  wie  sich  aus  jüngeren  Quellen  ergibt,  für  Kundgebungen  des  Rates  an  die 
versammelte  Bürgerschaft  bestimmt  war.  Die  Laube  wurde  von  1409/12  neu 
aufgebaut,  vermutlich  an  ihrem  alten  Platze.  Eine  von  Büttner  im  Auszuge 
überlieferte  Bauamtsrechnung  jener  Jahre  enthält  die  Posten:  94  M.  „vor  de 
rathuses  loven  to  buwende",  9*/2  M.  „vor  sten,  Ion,  lern  to  der  radhuses  lovene", 
14  M.  „vor  de  rathuses  domse  to  astrekende  unde  de  loven  to  malende".  Die 
letzte  Nachricht  unterscheidet  die  Rathauslaube  ausdrücklich  von  der  Rathaus- 
dömse,  d.  h.  dem  Ratssaale  mit  dem  Röhrenofen.  Ähnlich  1460,  als  Curd  Snitker 
Blei  zu  den  Rönnen  „auf  das  Rathaus"  liefert  und  einen  „tynappel",  der  „uppe 
dem  lowenhuse"  prangen  soll.  „To  deme  kapfinstere  vor  der  loven"  hatte 
Gronouw  im  Jahre  vorher  Fenster  geliefert.     Die  Umrißlinien  der  Laube  sind 


->^    206    8^ 

dadurch  angedeutet.  Ein  Lauben  haus  mit  bekrönendem  Kopf  setzt  eine 
besondere  Bedachung  voraus,*)  und  das  „kapvenster",  nach  Lübben-Walther  ein 
„Guckfenster,  kleines  Dachfenster",  muß  hier  eine  Utlucht,  ein  Erker  gewesen 
sein.  Wie  es  scheint,  wurde  die  Laube  von  zwei  Pfeilern  getragen,  denn  es 
heißt  1471,  daß  „de  twe  pylre  vor  deme  rathuse"  wiederhergestellt  und  ver- 
ankert worden  seien.  Der  Giebel  über  der  Laube  („baven  der  lovinge")  ver- 
ursachte 1478  einige  Ausgaben,  und  zehn  Jahre  später  wurden  „im  Rathaus, 
up  der  loven,  und  in  der  Ratsküche"  —  wieder  sind  die  verschiedenen  Räumlichkeiten 
selbständig  nebeneinander  gestellt  —  Fenster  repariert  Aus  dem  Jahre  1489 
erhalten  wir  den  für  die  geplante  Erneuerung  der  Rathaushalle  beachtenswerten 
Hinweis,  daß  die  Haupttreppe  zum  Rathaus  gleich  der  Laube  überdacht,  also 
entweder  in  gerader  Richtung  weit  nach  außen  vorgeschoben  war**)  oder,  wie 
etwa  beim  Göttinger  und  Lübecker  Rathaus,  von  der  Seite  aus  hinaufführte. 
An  den  „gadderen  uppe  der  lovinge"  vor  dem  Rathause  wurde  1496  und  1498 
gearbeitet,  und  es  sei  wiederholt,  daß  „auf  der  Laube  vor  dem  Wandhause" 
—  hier  war  unter  der  Bezeichnung  Laube  die  ganze  Rathaushalle  verstanden  — 
schon  1455  ein  eisernes  Gitter  angebracht  wurde.  Noch  jetzt  wird  der  obere 
Wandhaussaal  von  der  Rathaushalle  durch  ein  kunstvoll  geschmiedetes  Eisengitter 
abgeschlossen.  Eine  neue  Hochzeitsordnung,  die  der  Rat  1513  bekannt  machte, 
hing  „uppe  der  lovyen"  auf  einem  dazu  angeschafften  neuen  Brett.***)  Häufige 
Aufwendungen  verursachten  die  Fenster  der  Laube.  Im  letztgenannten  Jahre 
verausgabten  die  Kämmerer  15  M.  für  Blei  und  Arbeit  zu  den  drei  Fenstern 
„baven  der  lovyen  des  rathuses  to  deckende",  und  Hinrick  Reymers  erhielt 
2  M.  für  die  goldenen  Knöpfe  und  Bleiweiß  dazu.  Nach  einer  anderen  Notiz 
waren  die  Fenster  „up  de  loven"  bezeichnender  Weise  mit  den  Bildern  der 
Propheten  geschmückt,  die  1515  neu  in  Blei  gefaßt  wurden.  Ein  gewisser  Stapel 
lieferte  1526  für  das  Rathaus  eine  beträchtliche  Menge  „Tafeln",  Fensterscheiben, 
u.  a.  16  „grote  tafel  in  dat  fijnster  uppe  de  lofen",  4  Schildtafeln  zu  je  12  und 
die  anderen  zu  je  8  Schill.,  ferner  8  Tafeln  „baven  in  dat  kapfijnster",  4  Schildtafeln 
und  4  sog.  „rijttafel",  Bruchscheiben.  Die  Bezeichnung  Kapfenster  an  dieser  Stelle 
darf  an  der  oben  gegebenen  Deutung  nicht  irre  machen.  Das  „kapvinster"  wird  1527 
zweimal  erwähnt,  einmal  als  das  Fenster,  das  andere  Mal  als  das  Kapfenster 
„dar  men  de  bürsprake  affsecht" ;  es  wird  vom  Glaser  ausgeflickt  und  gewaschen, 
und  Mester  Hans  Kyltenhoff  bemalt  es  und  streicht  das  Dach  bleiweiß  an« 
Allerdings  wird  um  die  nämliche  Zeit  neben  einem  Kapfenster  „to  dem  nijgen 
sale"  auch  ein  solches  „vor  der  sijsebode"  und  ein  drittes  „baven  der  groten 
dare"  (über  dem  Hauptportal  des  Rathauses)  angeführt,  und  das  letztere  muß 
gleichfalls  der  Rathaushalle,  der  Laube  im  weiteren  Sinne,  ihr  Licht  zugeführt 
und  zu  ihr  gehört  haben. 

Unter  dem   Titel   „tor  loven  vorbuwet"  sind  1539   mehrere   Ausgaben 
zusammengefaßt,  deren  größte   (33  M.)  dem  Zimmermann  Herten   zufließt;  da 

*)  1502  wird  „baven  der  lofen"  gedeckt. 

**)  11  8.  4  <«$  „dat  dack  to  vligende  boven  der  treppen  tome  radhuse,  dar  weren 
welke  leke". 

***)  1550  hing  eine  Ordinantientafel  „vor  der  [Rats-]  Kapelle*^ 


H>4    207    »^ 

werden  2000  Dachsteine  gekauft  und  7  Wispel  Kalk,  36  Tannendielen,  1  Schock 
Latten,  3  große  Tanneubalken  „to  den  underslegen  beider  bonen  upper  loven", 
sodann  Sparren  und  anderes  Bauholz  zum  Dach  und  „arckener^^  Vielleicht  ist  im 
genannten  Jahre  die  weite]  Rathaushalle  durch  die  beiden  eingespannten  Boden- 
räume beengt,  die  jetzt  einen  Teil  der  großen  Registratiur  bilden  und  demnächst 
wieder  beseitigt  werden  sollen.  1551  wurde  die  Laube  vor  dem  Rathause 
gedeckt,  1556  lieferte  ein  Pütker  anderthalb  Tausend  Estrichplatten,  mit  denen 
die  Laube  späterhin  übersetzt  werden  sollte,  im  nächsten  Jahr  der  Qlasewerter 
Peter  Winter  7  Fenster  mit  Ratswappen  „up  de  lawen"  und  bald  darauf  wurde 
ein  Teil  der  Laube  durch  Cord  Jagouw  gestrichen  und  bemalt.  Von  ein- 
schneidender Bedeutung  für  Rathaushalle  und  Laube  muß  die  Errichtung  des 
nördlichen  Mittelbaues  des  Rathauses  gewesen  sein,  in  den  sechziger  Jahren 
des  16.  Jahrhunderts.  Ehe  wir  darauf  eingehen,  holen  wir  nach,  was  die 
Rechnungen  seit  der  Erbauung  des  Fürstensaales  und  des  Kämmerei- 
gebäudes sonst  Wesentliches  über  die  Ausgestaltung  der  Rathausgruppe  zu 
berichten  wissen. 

Ein  umfassender  Umbau,  bei  dem  u.  a.  37  000  Mauersteine,  6  V2  Tausend 
Dachsteine,  109  Wispel  Kalk  zur  Verwendung  kamen,  wurde  im  Jahre  1480  an 
der  Wage  ausgeführt;  1492  arbeiteten  Maurer  und  Zimmerleute  an  einem  nicht 
näher  bezeichneten  Neubau  beim  Rathause  nach  der  Straße  hin  („to  der  strathe 
wert^^),  1502  ließ  der  Rat  den  Turm  auf  dem  Markte  diurch  Hinrik  Reymers 
vergolden  und  neu  anstreichen,  während  Hals  und  Turmknopf  abgenommen 
wurden,  um  durch  einen  neuen  Hals  ersetzt  zu  werden;  erst  1516  erhielt  Reymers, 
der  im  Vorjahre  auf  zwei  Markttürmen  je  1  Tynnappel  und  1  Vluger  vergoldet 
hatte,  seine  Bezahlung  „vor  den  knop  to  vorguldende,  de  up  den  tome  upt  market 
wart  geseth*^  Zum  Ablauf  des  Wassers  vom  Rathause  wurden  „by  dem  nigen 
buwe^'  große. neue  Siele  angelegt.  Ebenfalls  1516  findet  sich  eine  Ausgabe  von 
3  M.  12  s.  „vor  twe  nyge  dare  alsze  men  up  dat  rathus  ghan  wiP^ ;  gemeint 
sind  wohl  die  beiden  großen  Türflügel  mit  dem  Stadtmarkenmuster,  die  noch 
jetzt  den  Haupteingang  des  Rathauses  schließen.  Fünf  Jahre  später  werden 
„tho  der  dore  dar  men  up  dat  rathus  geyt^^  Mauer-  und  Formsteine  angeschafft 
und  große  (Tritt)  Steine  gelegt;  Hinrik  Reimers  streicht  die  „Porte"  vor  dem 
Rathause  an.  Von  Türen,  vermutiich  den  beiden  Nordtüren  der  jetzigen  Laube 
bzw.  ihres  Vorraumes,  ist  auch  1526  und  1527  wiederholt  die  Rede,  als  Mester 
Hinrik  Molmester  und  die  Snitker  „dede  up  der  dore  arbeiden"  58  M.  beziehen 
und  zur  Tür  vor  dem  Rathause  sechs  preußische  Dielen  und  eine  große  Quantität 
Wagenschoß  verarbeitet  werden.  Die  „große  Tür"  wird  damals  von  Master  Hans 
(Meshusen)  von  innen  und  außen  grün  angestrichen  und  heißt  fortan  zumeist  die 
grüne  Tür.  Wir  werden  darauf  zurückkommen,  daß  in  dieser  Bauperiode  der 
Ratssitzungssaal  sein  Tonnengewölbe  und  seine  Bemalung  erhalten  hat.  Auch  der 
Turm  verursachte  damals  neue  Kosten.  Molmester  mußte  ihn  „verbinden",  Meshusen 
schnitt,  stoffierte  und  bemalte  drei  um  den  Turm  gelegte  Bretter  (1527),  1529 
wurde  er  innen  mit  Blei  gedeckt  und  geflickt,  1532  erhielten  zwei  Türme  ein 
Kupferdach,  im  folgenden  Jahre  „der  eine  Turm",  und  1538  wurde  für  die 
mittleren  Türme  wiederum  für  126  M.  Kupfer  beschafft 


-^    206    8^ 

Eine  Umwandlung  ging  auch  mit  der  jetzigen  Polizeidirektion,  dem 
Gebäude  vor,  das  wir  als  Qerichtshaus  angesprochen  haben,  und  das  sich  nach 
dem  Ochsenmarkte  hin  an  die  Längsseite  des  Wandhauses  anschloß.  Das 
Wandhaus  als  solches  hatte,  wie  bemerkt,  nach  dem  Umbau  seine  Bedeutung 
verloren.  Es  wird  in  den  Jahresrechnungen  auch  fernerhin  regelmäßig  erwähnt, 
aber  nicht  mehr  anläßlich  der  Einnahme  aus  den  Kisten  der  Wandschneider, 
sondern  weil  alljährlich  beim  Herannahen  des  Michaelismarktes  für  den  Markt- 
vogt \md  die  als  Nachtwache  aufgezogenen  Bürger  „up  dat  wandhus"  Kohlen 
geliefert  werden.  So  wurde  aus  dem  Wandhause  allmählich  ein  Wachthaus 
und  dieses  zugleich  als  Speicher  für  Hafer  und  Roggen,  für  Heu  und  Stroh  zum 
Gebrauch  der  Ratspferde,  namentlich  aber  auch  als  Aufbewahrungsort  für  das 
städtische  Rüstzeug  benutzt.  Im  Jahre  1539  ist  zuerst  von  dem  Harnisch  auf 
dem  „Alten"  Wandhause  die  Rede;  1551  wird  daselbst  ein  Hängeboden 
angebracht,  das  „belligenhus"  niedergehauen  und  eine  Tür  zugemauert;  1558 
wird  ein  neues  Gemach  erwähnt,  auf  welchem  Brennholz  lagert,  und  ein  Glaser 
liefert  etUche  neue  Fenster  „baven  dat  richtehusz  dar  men  den  market 
Michaelis  aver  waket;*)  gleichzeitig  erhält  das  neue  Wachthaus  über  dem 
Richtehause  ein  Panneel  und  Bänke  ringsumher.  Es  scheint  nach  allem, 
daß  ein  besonderes  Wachthaus  an  der  Stelle  des  jetzigen  Traubensaales 
eingerichtet  wurde,  während  das  Wandhaus  in  seinem  Obergeschoß  fortan 
ausschließlich  als  Rüstkammer  diente;  1569  wurde  letztere  mit  einer  Täfelung 
aus  dünnen  Tannendielen  versehen,  „daranne  de  dubbelde  schyvenhaken  und 
rore  gelecht  werden". 

Mit  allerlei  Rüstzeug  war  übrigens  auch  der  Rathaussaal,  samt  seiner 
Eingangshalle  (der  Laube)  ausgestattet.  Hier  empfingen  den  Eintretenden  —  ein 
imposanter  Ausdruck  der  städtischen  Kriegsbereitschaft  —  die  sauber  gehaltenen 
Harnische,  Speere  und  ausgesuchte  Turnierrüstungen,  dort  hingen  u.  a.  die  Streit- 
häramer,  für  welche  der  Snitker  Berendt  Polman  126  schwarz  gestrichene  Staken 
aus  Eschenholz  fertigte  (1519).**) 

Der  mehrerwähnte  Renaissancebau  des  Rathauses,  der  sich  nach  Westen 
hin  an  die  Rathaushalle  anschließt,  trägt  an  seiner  Front  die  Jahreszahl  1567. 
Er  ist  unter  dem  Ratsbauherrn  Hartwich  Semmelbecker  von  dem  „Mauennann" 
des  Rates,  Paul  Ripe,  und  dem  Ratszimmermann  Mester  Märten  Rose  (Roesze) 
1564ff.  erbaut.  Drei  Jahre  zuvor  wurde  das  Dach  der  „kercke  zum  lutken 
hilligen  geist"  abgebrochen  und  nur  die  eine  Hälfte  wieder  gedeckt,  während  die 
andere  Hälfte  mit  Pfannensteinen  behängt  wurde.  „Dat  finster  up  der  cappellen", 
d.  h.  das  Bursprakenfenster  oder  die  Laube  im  engeren  Sinne,  von  wo  aus  im 


*)  Zu  unterscheiden  von  der  zum  Michaelismarkt  für  acht  Nächte  in  Ansprach 
genommenen  BUrgerwache  ist  die  das  ganze  Jahr  hindurch  gehaltene  sog.  „slupwacht" ;  diese 
hatte  ihr  W^achlokal  nicht  Über,   sondern  „under  dem  richtehusze^. 

**)  Ein  neues  Wandhaus  im  eigentlichen  Sinne,  „vor  die  wantsnider  in  sanct 
Michaelismarkede  to  gebrukende^,  wurde  spätestens  im  Jahre  1578  im  Remter  des  ehemaligen 
Liebfrauenklosters  eingerichtet;  ein  anderes  Gebäude  des  Klosterkomplexes  erhielt  um  1615 
seine  Bestimmung  als  städtisches  Zeughaus,  da  eine  Entlastung  der  Rathausräume  sich  als 
notwendig  erwies. 


-*4    209    H- 

Jahre  1562  seitens  der  Herzöge  Wilhelm  und  Heinrich  der  Huldigungseid  der 
Bürger  entgegengenommen  wurde,  erhielt  aus  diesem  Anlasse  eine  Einfassung 
(lesten)  aus  gehauenem  Stein,  in  Länge  von  18  Fuß. 

Für  „dat  nie  rathus^^  sind  1564  folgende  im  Ratsziegelhofe  gebrannte 
Steine  bezahlt:  46000  Viertelmauersteine,  IV2  Tausend  glasierte  Mauersteine 
(strecksten  und  bantsten),  5V2  Tausend  allerlei  Formsteine  (sUchten  und  gewunden 
man,  stertwunden,  glip,  semse,  kielsten  und  siven);  Paul  Bipe  bezog  für  seine 
Arbeit  am  Rathaus  imd  an  der  Schreiberei  475,  Mester  Märten  245  M.;  Mester 
Clauws,  der  Steinhauer,  erhielt  9  M.  ^,vor  einen  louwen  und  einen  datum  ut 
houwen  sten  to  houwende,  szo  vorne  an  dat  nie  rathus  gesettet",  femer  23  M. 
für  zwei  runde,  12  Fuß  hohe  gehauene  Steinpfeiler  unter  das  Kreuzgewölbe  in 
„dat  nie  buw'^  und  19  M.  für  27  Stück  Haustein  zu  eben  diesem  Kreuzgewölbe. 
Wahrscheinlich  sind  Neubau  und  Neues  Rathaus  hier  identisch,  wenngleich  es 
auffällt,  daß  der  Glasewarker  Peter  Winter  in  demselben  Jahre  20  Fenster  „up 
dat  nye  buw"  und  68  Fenster  „up  dat  nie  rathus"  liefert  Der  Lüneburger 
Kaufmann  Lukas  Daming  besorgte  für  die  Rathausfenster  aus  Leipzig  eine  Kiste 
venetiamsches  Scheibenglas.  Der  Bau  wurde  in  den  nächsten  Jahren  fortgeführt, 
der  Fußboden  zur  jetzigen  großen  Registratur,  über  der  neuen  Ratsstube,  erst 
1571  gelegt,  und  erst  1584  legte  Albert  Wulf  eine  neue  gehauene  steinerne 
Treppe  „szo  men  dorch  die  groten  doer  up  dat  rathus  geit";  gleichzeitig  wurde 
der  Anstrich  der  großen  Ratstür  erneuert  und  auch  eine  kleinere  benachbarte 
Tür,  „do  men  up  de  zieseboden  und  nie  buw  geit",  grün  angestrichen. 

Die  Nordfassade  des  Rathauses  ist  im  letzten  Drittel  des  16.  Jahrhunderts 
auch  sonst  vielfach  verändert.  Die  Schreiberei  erhielt  1571  einen  neuen  Tritt- 
stein mit  einer  Bank  und  einem  kleinen  mit  dem  Stadtwappen  geschmückten 
Beischlag,  der  von  Peter  up  dem  Borne  mit  Ölfarbe  bemalt  wurde,  10  Jahre 
später  ein  ausgesetztes,  mit  Kupfer  gedecktes  Fenster.  Das  alte  ausgesetzte  Fenster 
über  der  Kapelle  wurde  1574  abermals  ausgebessert  und  die  Laube  1589/91 
vollständig  erneuert  Sie  wird  nunmehr  als  ein  „Qemach^^  bezeichnet,  denn  der 
Zimmermann  muß  „die  loven  davon  de  bursprake  jerlichs  af gelesen  wert^' 
abbrechen  und  „datsulve  gemak^'  wiederum  „balken  und  bonen'^;  vier  „kumdelen^^ 
kommen  zum  Fenster  am  Markte  „vor  der  loven",  der  Steinhauer  Märten  Coler 
setzt  „up  de  loven  oder  dat  gemak  vor  deme  rathuse"  einen  Schornstein,  d.  h. 
einen  Kamin,  und  erhält  104  M.  „vor  die  arbeit,  darup  dat  venster  an  jenem 
gemake  gesettet"  (und  vor  dat  dorspreng  vor  der  kerken  des  hiUigen  geistes  am 
markede);  gleichzeitig  (1590)  ist  der  Mauermann  Lorenz  Ripe  beschäftigt,  am 
Dache  der  Kapelle  „und  der  loven  damegst  angelegen"  das  alte  Fenster  aus- 
zuhauen und  das  Mauerwerk  für  das  neue  Fenster  einzurichten,  die  Laube  wird 
mit  Estrich  (1024  Stück)  übersetzt  und  das  Mauerwerk  der  Kapelle  vom  Wein-, 
keller  bis  an  die  grüne  Tür  des  Rathauses  braun  gestrichen.  Endlich  hat  der 
Maler  Lucas  upm  Borne  Auftrag,  „dat  venster  so  am  markede  bei  des  hilligen 
geistes  kerken  vor  der  loven  vorgesettet,  wie  dan  ok  dat  nie  dorspreng  an 
gedachter  kerken,  den  Schornstein  der  loven..."  samt  der  Decke  mit  Farbe 
und  Gold  zu  zieren  und  „die  love,  ein  gemack,  mit  gemelten  und  anderem 
malwerke   to   vorfertigen  und  buten   demselben   gemake   [in  der  Rathaushalle] 

27 


-<-%    210    8^ 

den  boQ  und  dat  murwerk  betto  an  dat  rathns  mit  varven  uttostriken  und  to 
illumineren".*) 

Kaum  war  der  Renaissancebau  vollendet,  als  kostspielige  Herstellungs- 
bauten an  der  eigentlichen  Schauseite  des  Rathauses,  insbesondere  am  Mittel- 
turme, sich  als  notwendig  erwiesen.  Schon  1577  wurden  große  Feldsteine  „to  mate'^ 
gehauen,   „damit  die  pieler  up  dem  markede  under  dem  tome  scollen  gebetert 
werden",    1585  dreikantige    Feldsteine   für   das   Fundament  und   etwa   85000 
glasierte  und  unglasierte  Mauer-  und  Formsteine  bereit  gehalten,   die  gleichfalls 
für  den  Rathausturm  bestimmt  waren.     Vielleicht  schob  man  die  Ausführung 
des  Baues  damals  hinaus,  weil  man  sich  über  die  Lösung  des  Problems  —  es 
handelte   sich   um   eine   Unterfangung   des  Turmes   —    nicht  schlüssig  werden 
konnte.     Im  September  1602  beriefen  die  Bürgermeister  die  beiden  Baumeister 
des  Hamburger  Rates,  Joan  Andreaszen  und  Peter  Martens,  die  sich  zur  Abgabe 
eines  Gutachtens  drei  Tage  in  Lüneburg  aufhielten.    In  den  Jahren  vorher  hatte 
der  Maler  und  Kartograph  Daniel  Frese  „etzliche  patroen  [Muster,  Modelle]  und 
abriß"   des   Baues  angefertigt,   und  seine   Entwürfe    dienten   den  Maurern  als 
Vorlage.**)  An  Mauersteinen  wurden  folgende  Sorten  verwandt:  kapstehn,  stuve 
semse,  glyppe,  (klever)  poste,  halbe  staff,  dubbelde  staff,  halbe  hale  kegel,  ende 
glippe,  krutzstehn,  rosen,  scharpstehn,  suchte  halbe  und  suchte  hele  man,  fiacke 
egge,    stertwunden,   krackstehn,    kämpf erstehn   und   sprenge.     Im    Jahre    1603 
arbeiteten   die  Maurer  26   Wochen,  und   Meister   Märten   Köler   üeferte   einen 
kleinen  behauenen  Stein  mit  der  Jahreszahl,    „bonedden   an   den  seyertom  des 
marktes  nach  dem  Weinkeller  wäxts  zu  setzen";  „unter  die  marckturm"  wurden 
neue  geschlossene  Bögen  gemauert  und  der  mittelste  und  größte  Turm  „oben 
und  umb   mit  nyen   schiengen   und   stender   gefasset   und   ganz   nye   xmibher 
bekleidet";  der  Westpfeiler  wurde  neu  aufgeführt,    die  unterste  Turmwohnung 
samt  den  zugehörigen  Gesimsen  und  „posten"  mit  Blei  beschlagen.    Im  nächsten 
Jahre,  in  welchem  Daniel  Frese  zur  Beschaffung  von  Gold  und  Farbe  für  die 
Stoffierung   der  fünf   Türme   60  Taler  vorweg   erhielt   und  Märten  Köler  am 
Mittelturm  eine   „Luchte"  von  Haustein  anbrachte,  dauerte  die  Arbeitszeit  der 
Maurer  27,  im  Jahre  1605  32  Wochen.     Fünf  große  Steinbilder  zwischen  den 
Türmen  wurden   mit  je   28    Talern    bezahlt  und  von  Meister  Hans  Schröder 
hergestellt,   der  ferner   eine  namhafte   Summe   erhielt  für    Gesims    und  Trag- 
steine  unter   diese   Bildwerke,    für    ein   großes   neues   Stadtwappen  -oben  am 
Turm,     „mit    dem    lampet    und    dem    kleinsten    türm    in's    norden    und    ein 
renovatum    stein    inwendig    dem    mittelsten    türm   in   den   windelstein'^     Der 

*)  Mester  Hinrich  von  Paris,  der  Erbaner  der  neuen  Marienkirche,  war  um  1580 
auch  an  den  Arbeiten  fUr  die  Kathausgruppe  wiederholt  beteiligt.  —  Einen  eigenartigen 
Schmuck  erhielt  im  Jahre  1592  die  Bathauswage  in  einem  Walfischgerippe  von  11  Ellen 
Länge,  das  ein  Hamburger  Kaufmann,  Mathias  Eggers,  aus  Island  mitgebracht  und  dem  Bat 
verehrt  hatte;  es  wurde  beim  Umbau  1706  wieder  entfernt. 

**)  Daß  hier  der  Maler  zugleich  als  Architekt  tätig  war,  beweist  deutlicher  noch 
eine  Eintragung  von  1605:  ^Daniel  Fresen,  dem  maier,  Yor  die  underscheidtliche  abriss  und 
schaefelun  [?]  der  marckettürme  und  gantzen  ostengeyels  des  radthanses,  so  er  nun  etzliche 
jhar  hero  wegen  des  gebewtes,  darnach  anzuordnen,  gefertiget,  uf  sein  erinnern  ime 
10  taler  geben." 


=i 


-^    211     8^ 

Fürstensaal,  durchweg  als  der  große  oder  lange  Tanzsaal  bezeichnet,  erhielt 
auch  an  seiner  äußeren  Längswand  steinerne  Fenstenunrahmungen  (sechs 
zu  9  und  eine  zu  6  Talern  an  Arbeitslohn),  und  zwar  ebenfalls  von  der 
Hand  .  des  Hans  Schröder,  der  femer  einen  großen  gehauenen  Schornstein 
„ohne  Wange"  lieferte  —  es  ist  der  Kamin  mit  dem  lateinischen  Denk- 
spruche —  sowie  sechs  Tragsteine  für  den  einen  Turm  und  zwei  Datum- 
steine. Aus  Hamburg  wurde  das  Dachkupfer  für  den  Marktturm  bezogen,  vom 
alten  Turm  wurden  2600  Pfund  unbrauchbares  Blei  verkauft.  Im  Jahre  1606 
geschah  der  Ausbau  des  südlichen  Treppentürmchens,  der  Süd-  und  der  West- 
giebel der  Markttürme  wurden  voUendet,  das  südliche  Mauerwerk  des  Tanzsaales 
und  dessen  hoher  Westgiebel  mit  den  daran  gelegenen  fünf  Schornsteinen  instand 
gesetzt.  Der  Kupferdecker  Philipp  Helfreich  setzte  auf  den  einen  Turm  und  den 
neuen  großen  Giebel  das  „Cronement",*)  Daniel  Frese  stoffierte  und  vergoldete 
neun  Schilder,  die  „zwischen  und  an  beiden  Markttürmen"  sowie  am  Südgiebel 
nach  der  Wage  zu  standen. 

Von  besonderem  Interesse  ist  es,  daß  das  Rathaus  im  Anschlüsse  an  die 
Herstellung  seiner  Hauptschauseite  eine  Ausbesserung  bzw.  Erneuerung  auch  an 
demjenigen  Gebäudeteile  erfuhr,  der  sich  am  Ochsenmarkte  an  den  Mittelbau 
anschließt,  der  heutigen  Polizeidirektion.  Das  Gebäude  heißt  nun  ausdrückUch 
das  Richtehaus.  Zu  dem  oberen  vmd  unteren  Mauerwerk  des  Richtehauses  und 
zu  den  Pfeilern  und  Gewölben  wurden  1607  22  Fuder  Kalk  gebraucht,  die 
mittelste  Kolumne  unter  dem  Richtehause  erhielt  ein  neues  Kapitell  aus  hartem  ' 
Kalkberger  Stein  von  der  Hand  des  Hans  Schröder,  und  demselben  Meister 
wurden  um  den  Preis  von  21  Talern  für  das  Stück  neun  Standbilder  verdungen, 
fünf  Tugenden  und  vier  Kaiserbildnisse,  die  aus  gutem  Buckenberger  Stein 
„zirlich  und  wol  kunstreich"  gehauen  und  „oben  van  außen  ans  richtbaus, 
ins  Osten  und  norden,  in  die  steinscheppe"  gesetzt  werden  soUten.  Ein 
Zimmermeister  arbeitete  selbander  an  dem  aus  40  gedrehten  Pfeilern  zusammen- 


*)  Am  19.  September  1704  fand  man  im  Knopf  der  Tarmspitze  von  einer  hölzernen 
nnd  kupfernen  Büchse  umschlossen  eine  fein  beschriebene  Pergamentrolle  folgenden  Inhalts: 

„Deo  temno  snmmo  maximo  dnce  et  auspice !  Anno  post  natum  salvatorem  nostmm 
Christum  Jhesum  millesimo  sexcentesimo  secundo  circa  festum  Michaelis  post  varias  et  multi- 
plices  amplissimi  senatus  Lunaeburgcnsis  consultationes  ac  artificum  adhibitomm  diversimodas 
opinioneSy  unanimi  praedicti  senatus  consensu,  decretum  est,  hanc  turrim  cuViae,  quae  cum 
adhaerentibus  ruinam  minitari  videbatur,  reparare  et  restaurare ;  atqne  partes  hae  demandatae 
sunt  clarissimo  et  praestantissimo  viro  domino  Georgio  a  Dassel,  Johannis  filio,  seniori  per 
septennium  camerario,  qui  a  fundamentorum  disruptorum  consolidatione  opus  solerter  et 
artificiose  auspicatus  est,  progressus  itidem  circumspecte,  ut  favente  numine  anno  millesimo 
sexcentesimo  quinto  post  festum  Paschatos  ad  ipsam  usque  summitatem  ac  reparationem 
pinnaculi  hnjus  turris  pervenerit  eique  die  Martis  post  dominicam  Jubilate,  vigesimo  tertio 
nimirum  Aprilis,  qui  Georgio  etiam  in  calendariis  adscribitur,  novum  hunc  globum  et  vexillum 
imponi  curaverit.  Opus  mehercule,  quod  et  primo  intuitu  et  initio  satis  difficile  visum  est, 
sane  temporis  tractu  et  ipso  eventu  perdifficile  laboriosissimum  maximorumque  sumptuum 
repertum  est...^  (es  folgen  die  Namen  des  Kaisers,  der  LandesfUrsten,  der  ftlnf  Konsuln  und 
zehn  Senatoren,  sowie  eine  Angabe  Über  den  Roggenpreis  nebst  Schlußformel,  vgl.  Büttner, 
Genealogiae,  Blatt  Fffff). 

27* 


-^    212    H- 

gesetzten  Qitterwerk  unter  dem  Richtehause;  das  neue  Paneel  daselbst  mit 
den  Füllungen  zu  den  Gemälden  lieferte  der  Tischler  Henning  Benhe;  auf  dem 
Dache  brachte  ein  Scheuerdecker  aus  Hamburg  einen  neuen  Erker  an,  der  an- 
scheinend einer  neu  eingerichteten  Limtenkammer  Licht  geben  sollte.  Aus 
Lübeck  bezog  man  20  Platten  Dachkupfer  „zu  behuf  der  gülden  schrift  umb's 
richthaus  zu  gebrauchend^  Der  vielgenannte  Stein-  und  Bildhauer  Hans  Schröder 
begab  sich  auf  Veranlassung  des  Rates  auf  die  Steinhütte  zu  Dandorf  bei 
Fosselde  im  Lande  Braunschweig,  um  daselbst  etliche  Pflastersteine  zu  kaufen, 
mit  denen  das  Richtehaus  „überlegt"  werden  sollte.*)  Daniel  Frese  brachte 
den  unentbehrlichen  Farbenschmuck  an\  sowohl  inwendig  am  Gewölbe,  an 
den  Heilern  und  Kapitellen,  an  Schrankwerk  und  Täfelung,  wie  außen 
durch  Bemalung  der  vom  Puckelmacher  mit  Szepter,  Krone,  Kreuz  und  dgl. 
versehenen  neuen  Steinbilder,  Vergoldung  der  Skriptur,  Stoffierung  der  Wetter- 
fahnen (vluger)  imd  Knöpfe,  Herstellung  alter  Wappen,  auch  fertigte  er  „aufs 
zirlichste"  die  Gemälde  in  die  Bogen,  das  extremum  judiciimi  und  das  Judicium 
Salomonis  et  Danielis. 

Der  schwierige  Umbau  nebst  den  damit  verbundenen  Herstellungen  im 
Innern  des  Rathauses  war  im  Jahre  1607  glückUch  zu  Ende  gebracht,  und 
erleichtert  machte  der  Ratskämmerer  Jürgen  von  Dassel,  der  sich  während  der 
siebenjährigen  Verwaltung  seines  Amtes  um  das  Gelingen  des  Werkes  verdient 
gemacht  hatte,  in  seinem  Rechnungsbuche  den  Vermerk:  „damit  were  die  arbeidt 
der  fünfe  new  ausgebesserten  markettürme  wie  auch  des  großen  dantzsals  und 
des  richthauses  Gott  lob  und  dank  gefertiget ...  woran  nun  also  zeit  anno 
1603  und  also  fünf  gantze  jar  mit  besimderm  fleis  und  sorgfaltigheit  (onhe 
unzeittigen  ruhem  zu  setzen)  ist  laboriret  worden.  Der  Almechtige  woll  es 
dieser  guten  stadt  lange  in  wolstande  und  gedeUichem  wesen  erhalten  —  solches 
von  dem  heben  Godt  ich  für  meine  persone  van  hertzen  thue  wünschen 
und  bitten". 

Der  Wunsch  sollte  nicht  in  ErfüUimg  gehen.  Die  neue  Schauseite  des 
Rathauses  hatte  kaum  100  Jahre  bestanden,  als  ihre  BaufäUigkeit  zu  einer 
offenkundigen  Gefahr  wurde.  Am  8.  Dezember  1703  war  es  nahe  daran,  daß 
der  heftige  Sturm,  welcher  die  Spitze  des  Lambertikirchturms  herunterfegte, 
auch  den  Einsturz  der  Rathaustarme  herbeiführte.  Aus  diesem  Anlasse  beschloß 
der  Senat,  die  Fassade  unter  Schonung  ihrer  Fundamente**)  abtragen  zu  lassen 
und  einen  neuen  Vorbau  zu  errichten.  Im  Herbst  1704  wurde  der  Beschluß  zur 
Tat  und  die  Turmspitze  heruntergenommen.  Entsprechend  langsam  rückte  das 
ganze  Unternehmen  vorwärts,  denn  nach  16  Jahren  erst  war  das  Gebäude 
wieder  unter  Dach.  Der  Turm  fehlte  noch.  Dank  dem  Eingreifen  des  Bürger- 
meisters Brand  Ludolf  von  Stöterogge  wurde  am  3.  April  1720  auch  dieser  in 
Angriff  genommen;  im  August  war  das  Mauerwerk  fertig.  Anfang  September 
begann  man  mit  dem  neuen  Dache  und  der  Spitze,  und  am  11.  Nov.  wurden  unter 
Trompetenschall  Kranz,  Krone  und  die  Fahnen  aufgesetzt.   Auf  dem  Marktplatze 


•*)  Die  Steine  scheinen  später  ans  Hamburg  bezogen  zn  sein. 

**)  Nur  der  Nordpfeiler  (des  Mitteltnrmes?)  wurde  von  Grund  auf  neu  gebaut 


-^    213    H- 

war  eine  große  Menschenmenge  zusammengeströmt,  und  der  Baiuneister 
Georg  Schultz  hielt  hoch  vom  Turme  herab  eine  Dankrede.*) 

Das  Uhrwerk  des  alten  Mittelturmes  hatte  mit  einem  Glockenspiele  in 
Verbindung  gestanden,  welches  die  Melodie  zum  Text  „da  pacem  domine  in 
diebus  nostiis'^  stündlich  zu  Gehör  brachte  und  wahrscheinlich  kurz  vor  E^inführung 
der  Reformation  eingerichtet  war.  Sämtliche  Glocken  wurden  1704  mit  dem 
Turm  heruntergenommen,  und  nur  zwei  von  ihnen,  die  Stundenglocke  von  1385 
und  die  Viertelglocke  von  1526  fanden  im  neuen  Turm  Verwendung.  Sieben 
Glocken  wurden  im  Jahre  1833  verkauft,  darunter  die  Elisabethglocke  von  1516, 
die  Katharinenglocke,  undatiert,  die  Marienglocke  von  1526  und  die  Glocke 
Johannes  des  Täufers,  nach  Büttner  gleichfalls  von  1526. 

Die  Marktfassade  des  Bathauses  ist  im  ganzen  in  der  äußeren  Gestalt 
auf  die  Gegenwart  gekommen,  wie  sie  durch  den  Ausbau  des  vorgenannten 
Stadtbaumeisters  erwachsen  ist,  wenngleich  jüngere  Restaurierungen  (1763, 1860ff.) 
den  geschlossenen  Barockcharakter  im  einzelnen  doch  stark  beeinträchtigt  haben. 
Wesentliche  Umgestaltungen  sind  auch  an  der  langen  Nordfront  imd  am  Kämmerei- 
gebäude im  18.  und  19.  Jahrhimdert  nicht  mehr  erfolgt  Um  so  merklicher  hat 
die  südhche  Schauseite  des  Rathauskomplexes  ihr  Gesicht  verändert  Die  zwei- 
geschossige, von  einem  Zinnenkranze  umgebene  Stadtwage  an  der  Südostecke 
ist  gegen  1860  abgetragen  und  die  südliche  Grenzlinie  des  Rathauskomplexes 
zu  gunsten  einer  Erweiterung  der  bis  dahin  nur  eine  schmale  Gasse  bildenden 
Wagestraße  um  etwa  8  m  eingezogen.  In  eben  jener  Zeit  sind  alle  die  Baulich- 
keiten entstanden,  welche  durch  ihr  gelbes  Backsteinmaterial  den  Gesamteindruck 


*)  Die  in   den  Knopf  des  TnnneB  gelegte  Inschrift  ist  in  der  Chronik  Büttners 
überliefert  nnd  hatte  folgenden  Wortlaut: 

„Dei  ter  optimi  terqne  maximi  nntn  et  auxiliis!  Cnm  anno  post  Christum  natum 
millesimo  septingentesimo  tertio,  die  vero  decembris  octavo,  immoderata  ventorum  vis  et 
rabies  quinque  quibus  hec  curia  olim  omata  fuit  turres,  vetnstate  aliquatenns  deformatos, 
affixisset,  nt  propter  metum  minarum  amplissimus  reipublicae  hujus  senatns  peritorum 
architectorum  consiliis  eosdem  denioliendos  esse  censeret,  anno  sequenti  MDCCIYto,  post 
Michaelis  archangeli  festum,  factum  est  hujus  demolitionis  initium.  Praeterlapsis  deinde  ob 
varia  que  intervenerunt  impedimenta  sedecim  annis  opns  hoc  denuo  inceptnm  dexteritatique 
generosissimi  domini  Brand  Lndolphi  nobilis  de  Stoterogge,  reipublicae  hujus  senioris  et 
primi  consulis,  demandatnm  fuit.  Qui,  assumptis  in  adjutorium  viris  magnific(is)  amplissimis 
et  prudentissimis  dn.  Johanne  Schrödero  consule,  dn.  Johanne  Dieterico  Meyero  et  dn. 
Henrico  a  Mttther  senatoribus,  in  omamentum  urbis  reaedificationem  summo  cum  fervore  ac 
laudabili  circnmspectione  die  tertia  Aprilis  anni  millesimi  septingentesimi  et  vigesimi  aggressns 
tanto  ursit  snccessu^  ut  post  triginta  duarum  hebdomadum  decursum  die  tertia  et  decima 
NoTcmbris  ejusdem  anni  Corona  summa  turris  nove  apici  et  sie  finis  operi,  tota  civitate 
applaudente  tubisque  et  tympanis  sonantibus,  feliciter  imponeretur,  adstante  praeter  civium 
et  incolarum,  militum  quoque  et  peregrinantium  multitudine  civitatis  hujus;  sub  felicissimo 
Serenissimi  ac  potent  principis  ac  dni.  Georgi  Imi  . . .  regimine,  magistratum  gerentibus  . . . 
Germania,  cujus  sceptra  serenissimus  et  invictissimus  princeps  ac  dominus  CarolusVI.  Rom. 
Imperator  augustissimus  nunc  gerit,  pacem  cum  nniversa  fere  colit  Europa,  quam  praeter 
Russiae  monarchiam  cum  Suecis  bella  gereutem  infestat  nemo.  Religio  evangelica  in  hoc 
ducatu  et  vicinitate  floret.  Anonae  nbertas  per  Dei  gratiam  maxima,  ita  nt  modius  magnus 
Ben  Brnnsvicensis  siliginis  nna  marca  Lun.  seu  duodecim  grossis,  tritia  vero  sedecim  grossis 
et  Tendatur  et  ematur^ . . . 


-^    214    8^ 

des  Rathauses  stören,  der  Vorbau  für  den  Ratbausvogt  an  Stelle  der  ehemaligen 
Dienstwohnung  des  Protonotars  (später  des  Stadtphysikus),  die  vielbefehdete 
Gartenmauer,  der  Giebel  des  alten  Rathauses  (der  sog.  Laube)  und  das  Gebäude, 
welches  auf  dem  Baugrunde  der  Wage  entstanden  ist  Kleinere  Dienstwohnungen 
für  städtische  Beamte,  insbesondere  das  alte  Haus  des  Rathausvogts  westlich 
nahe  dem  jetzigen  Archiv,  Holz-  und  Kohlenschuppen,  Mauern  und  Zäune,  wie  ein 
von  Mithoff,  Tafel  DC,  überlieferter  Grundriß  vom  Jahre  1815  das  alles  erkennen 
läßt,  sind  damals  verschwunden.  Der  schon  erwähnte  Ausbau  der  alten  Rats- 
küche zum  städtischen  Archiv  und  die  Errichtung  des  Archivgiebels  hat  im 
Sommer  1899  stattgefunden,  1900  ist  das  alte  Treppentürmchen  an  der  Nord- 
westecke des  Rathausgartens  wiederhergesteUt 

In  seiner  ruhigen  Geschlossenheit  inmitten  des  städtischen  Verkehrs  ist 
dieser  rings  von  hohen  Mauern  eingefaßte  große  Rathausgarten  eine  Errungenschaft 
der  neueren  Zeit.  Bis  zur  Aufhebung  der  einzelnen  Dienstwohnungen  teilte  er  sich 
in  mehrere  kleinere  Gärten  und  sog.  Grashöfe,  denen  schon  im  Mittelalter  eine  sorg- 
same Pflege  zu  teil  wimie.  Aus  dem  Jahre  1505  wird  berichtet,  daß  ein  „Wein- 
meister'' die  Reben  vor  dem  Rathause  zu  beschneiden  und  aufzubinden  hatte. 

Wir  kehren  noch  einmal  zur  langen  Nordfront  des  Rathauses  zurück. 
Die  dem  Straßengiebel  des  in  den  70  er  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts 
restaurierten  Kämmereigebäudes  östlich  benachbarten  Teile  der  Rathausgruppe 
sind  im  vorstehenden  noch  gar  nicht  berücksichtigt  Sie  stellen  die  Verbindung 
mit  dem  Renaissancemittelbau  her.  Allem  Anscheine  nach  haben  sie  von  jeher 
Dienstwohnungen  enthalten,  für  den  Küster  der  Hl.  Geistkapelle,  den  Ratssekretär, 
den  Syndikus,  zeitweise  für  den  Oberbürgermeister.  Der  westUche  Flügel  des 
Gebäudes  war  während  des  19.  Jahrhunderts  als  städtisches  Leihhaus  eingerichtet, 
das  kleine  Gebäude  mit  den  schmalen  spitzbogigen  Fensteröffnungen,  am 
weitesten  nach  Osten  hin,  barg  bis  1899  die  Urkundenkammer,  die  nach 
Erbauung  des  Archivgebäudes  in  das  Sitzungszimmer  des  Magistrats  umgewandelt 
ist.  In  entsprechender  Weise  haben  die  ungezählten  Räume  des  ganzen 
Rathauskomplexes  ihre  Bestimmung  je  nach  dem  Bedürfnisse  der  lebenden 
Generation  oftmals  gewechselt   Hier  würde  es  zu  weit  führen,  darauf  einzugehen. 

Das  auf  den  ersten  Blick  unentwirrbar  erscheinende  Durcheinander  der 
einzelnen  Rathausgebäude  löst  sich  nach  der  voraufgehenden  Darlegung,  um 
das  Ergebnis  in  aller  Kürze  zusammenzufassen,  in  folgendes  Grundschema  auf. 
Das  älteste  Rathaus  am  Neuen  Markte  ist  ein  von  Norden  nach  Süden 
gewandter  einfacher  Langbau  (jetziges  Stadtarchiv),  vermutlich  mit  Vorhalle  nach 
Norden  hin  (Zimmer  des  Archivars,  Durchgang  und  Nebenregistratur).  Ein 
Parallelbau  schließt  sich  mit  einem  Abstand  von  ca.  8  m  als  „Altes  Rathaus'' 
östlich  an  das  „Älteste  Rathaus''  an,  ebenfalls  mit  einer  Vorhalle,  die  als  Laube 
ausgebildet  ist.  Ältestes  und  Altes  Rathaus  sind  an  ihren  Nordflügeln  verbunden 
durch  die  Kapelle  zum  Heiligen  Geist,  später  auch  im  Mittelbau  durch  das  Alte 
Archiv  mit  einem  darunter  liegenden  Gewölbe  sowie  durch  die  noch  nicht 
erwähnte  sog.  „Grüne  Dörntze"  (Benutzerzimmer  des  Archivs)  und  die 
Körkammer.  Das  vom  Westen  nach  Osten  gerichtete  Wandhaus,  in  seinem 
Obergeschoß  von  der  Rathaushalle  zugänglich,  wird  zum  „Großen  Rathaus"  durch 


-^    215    g^ 

den  Aufbau  des  Fürstensaales,  und  die  turmgekrönte  Ostfassade,  südlich  durch 
die  Stadtwage,  nördlich  durch  den  Richtehausgiebel  verlängert,  wird  nun  die 
eigentliche  Schauseite  der  ganzen  Gebäudegruppe.  Zur  selben  Zeit  entsteht  als 
dritter  Parallelbau,  mit  weitem  Abstand  nach  Westen  hin,  die  Kämmerei  oder 
Schreiberei.  Auch  sie  ist  durch  Zwischenbauten  (Eichamt  und  Dienstwohnungen  etc.) 
mit  der  RatskapeUe  im  Zusammenhang;  inmitten  dieser  Nordfront  ersteht  im 
16.  Jahrhundert  das  „Neue  Rathaus".*)  — 

Die  innere  Einrichtung  der  Rathausräimie  konnte  bisher  nur  gestreift 
werden  und  muß  in  der  Hauptsache  künftigen  Einzelforschungen  vorbehalten 
bleiben.  Wir  begnügen  uns  mit  einer  Feststellung  der  wichtigsten  Daten  und 
einer  kleinen  Auslese  derjenigen  Meister,  deren  Werke  dem  aufmerksamen 
Besucher  des  Rathauses  vorzugsweise  vertraut  sind. 

Beginnen  wir  imsern  Rimdgang  in  der  Laube,  dem  Rathause  im  engeren 
Sinne,**)  und  ihren  Nebengemächem.  Leider  ist  von  den  prächtigen  Glasmalereien 
nur  zu  sagen,  daß  wir  über  ihren  Meister  nichts  wissen,  sei  es  nun,  daß  ihre 
Entstehung  über  1443,  das  Anfangsjahr  der  städtischen  Rechnungsbände,  hinaus 
zurückgeht,  sei  es,  daß  sie  dem  Rate  verehrt  worden  sind.  Die  „schenkeschive", 
unter  welchem  Namen  die  wohl  verwahrten,  zum  Teil  reich  ausgestatteten 
Wandschränke  zusammengefaßt  werden,  war  dazu  bestimmt,  das  Ratssilber- 
zeug aufzunehmen;  sie  wird  1474  erwähnt,  als  Meister  Jacob  Knot,  die 
Blekesche  und  Diderik  Tostede  57  V2  M.  erhalten  „in  beredinge  der  schenke- 
schiven";  die  drei  Personen  mögen  den  Snitker,  die  Malerin  und  den  Schlosser 
bezeichnen.  Freilich  heißt  es  in  den  Jahren  1487  und  1488,  daß  der  Snitker 
Andreas  „an  den  schappen  uppe  deme  radhus"  arbeitete.  Der  Genannte  schnitzte 
auch  zwei  wilde  Männer,  die  bemalt  wurden.***)  Größere  Ausgaben  für  die 
Schenkeschive  sowie  für  die  Täfelung  und  die  Schränke  der  Kämmerei  geschehen 
sodann  1521.  Da  werden  hundert  Wagenschot  (Eichendielen)  beschafft  „de 
gekomen  sin  to  der  schenkeschyven  unde  in  de  kemerie,  to  schottilligende  unde 
de  scheppe  darin  to  makende".  Wie  schon  oben  bemerkt,  tragen  die  Gewölbe 
des  mit  der  Laube  verbundenen  Alten  Archivs  am  Schlußstein  die  nämliche 
Jahreszahl,  das  Alte  Archiv  war  offenbar  ursprünglich  die  Kämmerei. f)  Als 
Snitker  wird  nun  Hans  Schaper  genannt,  als  Maler  Hinrik  Reimers.  Die  Schenke- 
schive wird  vergoldet  und  innen  und  außen  mit  Blumen  bemalt;  es  ist  von 
Schnitzwerk,  insbesondere  von  geschnitzten  Bildern  die  Rede,  imd  gleichzeitig 
streicht  Reimers  die-  Pforten  vor  dem  Rathause,  die  Wappen,  sowie  innen  und 
außen  die  Kämmerei  an.  Zwischen  den  Schenkeschiven  zum  „sulversmide"  wird 
1542  eine  vom  Snitker  Gerd  ausgeführte  Eichenbank  aufgestellt. 


*)  Die   Bcharfsinnige  Analyse  Stiehls  am   eingangs   zitierten   Ort  dUrfte  sich  nach 
der  obigen  quellenmäßigen  BeweisfUhmng  ohne  weitere  Polemik  berichtigen. 

**)  Wir  wenden  im  folgenden  den  Ausdruck  „Laube"  dem  heutigen  Sprachgebrauch 
entsprechend  an. 

***)  Es  ist  wohl  die  Türfüllung  zum  Alten  Archiv ;  die  ^AußentUr  vor  der  Kämmerei** 
versieht  Hermen  Sceidel  1538  „mit  pannelinge^,   die   innere  Kupfertür  ist  1540  in  Auftrag 
gegeben.    Andreas  lieferte  1487  auch  „Schrägen^  für  das  neue  Rathaus   (den  Fürstensaal), 
t)  Vgl.  die  vorstehende  Note. 


-^    216    8^ 

Die  Wandmalerei  der  Laube  ist  bezeichnet  ,,1529'^  Die  einschlägige 
Kammereirechnung  ergänzt  diese  Angabe  durch  die  Mitteilung,  daß  dem  Maler 
Märten  140  M.  ausgehändigt  wurden  „vor  dat  rathus  baven  to  vormalende  unde 
vor  farve'^  Der  Ausdruck  „baven'^,  deutet  zunächst  auf  die  Deckenmalerei;  da  in 
den  beiden  voraufgehenden  Jahren  viel  Bauholz  und  Dielen  für  das  Rathaus 
verbraucht  sind,  so  ist  es  wahrscheinlich,  daß  der  Saal  erst  1526/7  mit  seinem 
Tonnengewölbe  überdeckt  wurde.  Über  dem  Kamin  befand  sich  ein  Gemälde 
auf  Leinwand,  das  1582  nur  noch  aus  Stücken  bestand  imd  daher  von 
Qert  Haue  auf  vier  Ellen  Leinen  neu  gemalt  wurde;  bei  dieser  Gelegenheit 
erhielt  der  Schornstein  „in  sich",  sowie  der  große  Pfeiler  samt  den.  beiden 
Schwibbogen  einen  neuen  Anstrich. 

In  vielen  Jahresrechnungen  tritt  der  Ratsstuhl  der  Laube  uns  entgegen. 
Zuerst  1451,  als  der  schon  genannte  Snitker  Andreas,  der  sechs  Jahre  spater 
die  neue  Kammer  täfelte,  die  Bekleidimg  des  Ratsstuhles,  doch  wohl  zum  Zwecke 
ihrer  Erneuerung,  abbricht.  Ein  Schapp  „dar  de  borgermestere  sitten"  wurde 
1464  angefertigt,  ein  Steinschapp  beim  Ratsstuhle  1487  geflickt.  In  der  Ecke 
am  Kamin  wird  der  Ratsstuhl  durch  die  Beischlagwange  mit  der  DarsteUimg  de3 
Strebkatzenziehens  abgeschlossen.  Das  sinnige  Kunstwerk*)  ist  ein  Geschenk 
des  Ratmanns  und  Richteherm  Claus  Viskule  und  1497  zur  Aufstellung  gelangt 
Die  damit  verbundenen  Kosten  sind  in  der  Rechnung  folgendermaßen  gebucht: 
„8  M.  4  s.  hefft  kostet  dat  byslach  to  houwende  dat  uppe  deme  radhuse  steit 
vor  deme  scharsteine,  item  3  M.  mester  Johanne  Dorszen  to  malende  unde  to 
vorguldende  (mit  deme  byslage  erede  hem  Claus  Vischkule  den  rade  mede)".  Der 
Schornstein  „in  dem  orde^^  des  Ratsstuhles  führte  aus  dem  Weinkeller  herauf; 
als  er  1505  ausgebessert  wurde,  brachte  der  Snitker  Lutke  Krumradt  die 
beschädigte  Täfelung  wieder  in  Ordnung.  Hans  KUtenhof  teilte  1540  die  Spruche 
über  dem  Ratsstuhle  und  malte  sie  wieder  „mit  blomwerk",  nachdem  der  Snitker 
Gerd  die  „panneUnge^^  aufgebrochen  imd  die  langen  Bänke  repariert  hatte. 
Den  Steinhauer,  Meister  Märten  Coler,  sehen  wir  1593  am  Ratsstuhle  beschäftigt; 
er  verfertigt  aus  dem  Vorrat  der  Stadt  die  noch  wohlerhaltene  steinerne  Wand 
(Schranke)  nebst  einer  Bank  „up  dem  rathuse  twischen  dem  schorstene  daselbst 
und  dem  ingange  in  den  radstol".  Im  nächstfolgenden  Jahre  wurde  die  andere 
Schranke  erneuert,  und  zwar  durch  Wameke  Burmester,  der  „vor  den  nigen 
gemakeden  radstol  up  dem  groten  rathusze  van  sinem  holte^'  156  M.  erhielt.**) 

Schon  im  ältesten  Rechnungsbande  findet  sich  ein  Hinweis  auf  die 
Stuhl-  oder  Bankkissen,  die  im  Festsaale  und  in  den  Diensträumen  des  Rathauses 
im  ständigen  Gebrauch  waren  und  deren  in  der  Körkammer  eine  beträchtliche 
Anzahl  erhalten  ist  Frau  Olrik  Crusen  bezieht  im  Jahre  1449  „vor  24  wrachte 
[gewirkte]  kussenburen  de  se  maked  heft  uppe  dat  radhus^^  21 V2  M. ;  das  Leder 


*)  Vgl.  Graeven,  das  Strebkatzenziehen  auf  einer  LUneburger  Beischlagwange  (Hannov. 
Geschichtsblätter,  5.  Jahrg.,  1902). 

**)  Die  BezeichnuBg  ^Großes  Rathaus^  für  die  Laube  ist  ungewöhnlich  und  hier 
wohl  im  Gegensatz  zur  Schreiberei  gebraucht,  wo  Burmester  ebenfalls  tätig  war.  £in  Zweifel, 
dafi  die. Laube  wirklich  gemeint  ist,  kann  nicht  obwalten,  da  die  eingelegte  Schranke,  daselbst 
die  Zahl  1594  trägt 


tz 


-^    217    8«- 

dazu  kaufen  die  Kämmerer  von  einem  Manne  aus  Hamburg.  Zwei  Jahre 
später  erstehen  sie  60  Ellen  Lernwand  „to  den  pusten'^  Dem  Krüppel  Meister 
Cord  werden  1480  nebst  einem  Opfer-  und  Trinkgelde,  auch  einem  Mietszuschusse, 
37^2  M.  ausgezahlt  „uppe  de  kussenbäre''  (n^^^  ^^^  küssen  efte  pustebure 
wegen"),  die  ein  Maler  entworfen  hat.  Neue  Puste  werden  1490  in  einer  neuen 
Kiste  (Truhe)  verwahrt  Ein  Banklaken  für  den  Bürgermeisterplatz  fertigt  1520 
die  Frau  des  obersten  Rathausknechtes,  für  den  Ratsstuhl  ein  gewisser  Ambrosius 
(1528).  Der  Deckenmacher  Frans  van  der  Ruest  liefert  auf  das  Große  Rathaus 
36  neue  „pusteblaede",  weil  die  alten  nichts  mehr  taugten  (1576);  der  Beutler 
lederte  sie  für  36  M.,  auch  alle  sonstigen  Auslagen  (Leinwand,  Zwirn  etc.)  pflegten 
besonders  vergütet  zu  werden.  Kissen  für  die  „Laube"  und  die  „Grüne  Kammer" 
wurden  1592  angeschafft 

„Grüne  Kammer"  oder  „grone  domtze"  ist  die  alte  Bezeichnung  des 
nachherigen  Bauamts,  d.  h.  des  jetzt  zimi  Stadtarchiv  gehörenden  Arbeitszimmers 
mit  der  Eichenholztäfelung  von  1585.  Im  16.  Jahrhundert  diente  das  Gemach 
den  KoUektoren  als  Arbeitsstube,  zu  Uffenbachs  Zeit  (1710)  war  es  der  Warte- 
raum für  vornehme  Bürger,  die  um  eine  Audienz  nachgesucht  hatten.  Hier  hing 
von  der  Decke  herab  die  jetzt  im  Alten  Archiv  verwahrte  „große  runde 
Leuchte  mit  crystallenen  Gläsern,  in  welcher  ein  Fuß  oder  Schinken  von  der 
schwarzen  Sau  hanget,  so  das  Salzwerk  oder  die  Quellen  allhier  soll  entdecket 
haben".  Uffenbach,  der  bei  seiner  Besichtigung  des  Rathauses  diese  Mitteilungen 
erhielt,  ließ  sich  von  seinem  Führer  erzählen,  daß  ein  anderes  Viertel  des 
findigen  Tieres  auf  dem  Kalkberge,  das  dritte  auf  der  Sülze,  das  vierte  anderswo 
aufgehoben  werde,  „daß  also  diese  Sau  in  alle  Teile  der  Stadt  verteilet  worden". 

Der  Fürstensaal,  das  eigentliche  „Große  Rathaus",  wurde  für  die  Hanse- 
versammlung von  1535  festlich  hergerichtet.  Aus  diesem  Anlaß  erhalten  wir 
die  erste,  nicht  anders  zu  deutende  Erwähnung  der  Gemälde,  die  im  Original 
oder  in  mehr  oder  weniger  gelungenen  Nachbildungen  den  Saal  noch  jetzt 
schmücken.  Wie  eine  Untersuchung  an  Ort  und  SteUe  ergibt,  war  die  älteste 
Malerei  des  Saales  unmittelbar  auf  dem  imverputzten  Mauerwerk  angebracht,  wo 
bei  Ausbesserungsaxbeiten  des  Jahres  1904  auf  einem  der  Fensterpfeiler  eine 
männliche  Ganzfigur  in  voUer  Rüstung  mit  Lanze,  stark  mitgenommen,  aber 
noch  deutlich  erkennbar,  ziun  Vorschein  kam.  Die  älteste  Bemalung  wurde 
verdeckt  und  ersetzt  durch  Bilder  auf  Leinwand,  und  das  muß  sehr  bald 
geschehen  sein,  denn  ein  Teil  der  Gemälde  bedurfte  schon  gelegentlich  jener 
Hanseversammlimg  einer  WiederhersteUung.  Es  war  der  Maler  Hans  Kiltenhoff, 
der  24  M.  erhielt  „vor  1  nigen  doeck,  de  boleninge  des  keyser(s)  to  malende  und 
2  olde  wedder  to  vorhevende"  [wieder  aufzurichten],  während  der  Maler  Cordt 
Jagow  für  53  M.  43  Bilder  flickte  und  wieder  aufrichtete.  Das  fernere  Schicksal 
der  Fürstenporträts  knüpft  sich  mit  der  sonstigen  malerischen  Ausschmückung 
des  Saales  eng  an  den  Namen  des  schon  mehr  genannten  Daniel  Frese,  dessen 
Wirksamkeit  wir  sogleich  im  Zusammenhange  skizzieren  werden.  Eine  (neue) 
Bemalung  durch  Hinrik  Omes,  erhielten  1535  auch  die  nur  hier  erwähnte 
„Gapelle"    und    die    „hoerkamer"    auf    dem   Großen   Rathause,     sodann    das 

„Vorhaus",  durch  Swybert  Testorpe. 

28 


-^    218    8^ 

Der  Kern  des  Renaissancebaues  und  dessen  vornehmster  Raum  ist  die 
Große  Ratsstube  mit  den  „weltberühmten"  Schnitzereien.  Ihre  ältesten 
Bezeichnungen  sind  „dat  nige  gemack",  „de  nie  doemtze",  „die  neue  Ratsstube'', 
auch  wohl  „die  Gerichtsstube".  Sie  sollte  dem  Gesamtrate  als  Wintersitzungs- 
saal dienen,  während  die  Sitzungen  den  Sommer  über  wohl  längst  im  kühlen 
tonnengewölbten  Saale  des  Alten  Rathauses  abgehalten  wurden.  Um  von  der 
Rathaushalle  in  die  Große  Ratsstube  zu  gelangen,  muß  man  einen  kleinen 
getäfelten  Vorraum  durchschreiten.  Hier  saßen  die  Rathausdiener.*)  Die  Wände 
über  der  Täfelung  waren  bis  in  die  jüngste  Zeit  mit  den  auf  Leinwand 
gemalten  eingerahmten  Wappen  der  Lüneburger  Kämmerer  von  1450 — 1651 
geschmückt  Im  Sommer  1905  entdeckte  man  unter  diesen  Bildern  eine 
inzwischen  freigelegte  graublaue  Wandmalerei  mit  Sprüchen  und  der  Zahl  1567. 
Die  Kämmereirechnung  verrät,  daß  im  genannten  Jahre  der  Maler  Peter  up 
dem  Borne  das  Vorgemach   „daer  de  huesdiener  sitten"  anstrich  und  vermalte. 

Peter  up  dem  Borne  war  auch  an  der  Grossen  Ratsstube  mitbeschäftigt, 
aber  hier  sind  es  an  erster  Stelle  drei  andere  Meister,  durch  deren  Zusanunen- 
wirken  der  herrliche  Raum  entstanden  ist:  Gerd  Suttmeier,  Albert  von  Soest 
und  Daniel  Frese. 

Gerd  Suttmeier  (Sudtmeier,  Sudtmeiger)**)  wurde  im  Jahre  1539  Bürger 
in  Lüneburg,  ohne  daß  wir  wissen,  woher  er  eingewandert  ist.  Er  stand  als 
Kunsttischler  und  Eichmeister  von  1559—67  im  Solde  des  Rates  und  hatte  eine 
Dienstwohnung  inne.  1568  und  1569  wird  seine  Witwe  erwähnt  Gerd,  als 
„Gerd  der  Snitker"  oben  schon  einigemal  genannt,  hat  das  Paneel  für  den 
Vorraum  angefertigt.  Am  „neuen  Gemach"  arbeitete  er  von  1564 — 67.  Er  ist 
es,  der  die  Fensterrahmen  geUefert  hat,  die  Wandschränke,  Bänke,  die  Täfelung, 
die  fünf  Türen,  den  Ratsstuhl,  94  geschnitzte  Rosen  für  die  Kassettendecke, 
und,  um  das  Vollendetste  zuletzt  anzuführen,  die  Friese  über  dem  Paneel.  An 
den  beiden  Wangen  des  Ratsstuhles  haben  sich  Gerd  Suttmeier  und  Albert,  sein 
jüngerer  Mitarbeiter,  gemeinsam  betätigt 

Albert  von  Soest  verdient  an  dieser  Stelle  eine  etwas  eingehendere 
Würdigung.  Ob  er  seinen  Zunamen  von  seiner  Herkunft  führte,  läßt  sich  nicht 
sagen.  Möglich  ist  es  sehr  wohl,  denn  ein  geborener  Lüneburger  war  er  nicht, 
wennschon  der  Name  „von  Soest"  unter  den  Bürgerfamilien  der  Stadt  seit 
Beginn  des  14.  Jahrhunderts  mehrfach  begegnet  Ober  das  Leben  des  Künstlers 
liegen  nur  wen^e  Daten  vor.  Im  Jahre  1567  wird  er  in  den  Schoßregistem 
zuerst  erwähnt  1583  ist  er  Bürger  geworden,  und  die  Tatsache,  daß  die  Neu- 
bürgerroUe  ihn  aufführt,  ist  zugleich  der  Beweis,  daß  Albert  nicht  eines  Lüne- 
burger Bürgers  Sohn  war,  denn  geborene  Bürgerkinder  schieden  aus  der  Rolle 
aus.  Albert  war  vermählt.  Ein  Kind  wurde  ihm  im  Jahre  1586  geboren,  und 
Bürgermeister  Lütke  von  Dassel  übernahm  in  Person  die  Patenschaft  Des 
Meisters  Wohnung  befand  sich  der  Reihe  nach  im  Sand-,  Markt-  und  Sülzviertel, 
im  letzteren  12—15  Jahre.  Albert  starb  spätestens  1590,  da  in  der  Steuerliste 
dieses  Jahres  seine  Witwe  auftritt;  ein  hohes  Alter  hat  er  nicht  erreicht 

*)  Ein  entsprechender  Vorraum  ist  auch  vor  der  Laube  abgeteilt. 
**)  Wohl  =  Sodmeier,  der  am  Brunnen  wohnt? 


-^    219    8^ 

Besser  als  über  die  Lebensumstände  sind  wir  über  die  vielseitige 
Wirksamkeit  des  Meisters  unterrichtet  Sie  läßt  sich  in  drei  Gebiete  sondern. 
Albert  war  Bildensnider,  Bildhauer  und  Former,  d.  h.  er  verstand  in  gleicher 
Weise  das  Holz  wie  den  Stein  zu  bearbeiten  und  hatte  eine  besondere  Technik, 
mittels  einer  Form  Bildwerke  aus  Papiermasse  herzusteUen,  die  in  ihrer  feinen 
Bemalung  und  ihren  klassischen  Rahmen  höchst  anziehende  Erzeugnisse  einer 
alsbald  wieder  verschwimdenen  Kleinkunst  bilden.  Alberts  gewohnte  Bezeichnung 
ist  „der  bildensnider";  damit  ist  sein  eigenster  Beruf,  seine  Haupttätigkeit 
gekennzeichnet  Als  Bildensnider  bekam  er  den  Auftrag,  die  Kreuzigungsgruppe 
in  der  Marienkirche  wiederherzustellen,  und  das  Werk,  das  seinem  Namen  in 
der  Kunstgeschichte  für  alle  Zeiten  einen  Ehrenplatz  gesichert  hat,  .ist  die 
Eichenholzschnitzerei  in  der  Großen  Ratsstube.  Für  vier  von  den  fünf  Tür- 
umrahmimgen  des  Raumes  liegen  die  Daten  fest.  Die  Tür  mit  dem  jüngsten 
Gericht  ist  1568  vollendet,  die  mit  dem  Opfer  Noahs  1577,  die  Drehsäulen  der 
Haupteingangstür  tragen  die  Jahreszahl  1580,  das  Gesims  darüber  ist  1582 
abgeliefert,  die  Tür  mit  der  Hinrichtimg  des  Sohnes  des  Manlius  Torquatus  1584. 
Von  den  Bildwerken  des  Meisters  aus  Stein  sind  einige  in  anderem  Zusammen- 
hange schon  besprochen.  Mit  seiner  Marke  bezeichnet  ist  das  Epitaph  des 
Lüneburger  StadÜiauptmanns  Fabian  Ludich  zu  St.  Johannis  (1575),  sowie 
das  Denkmal  des  Chronisten  Jacob  Schomaker  im  Dom  zu  Bardewik  (1579)^ 
Nicht  sicher  beglaubigt,  aber  doch  wohl  von  Alberts  Hand  sind  sodann  jdas 
Portal  des  Hauses  Am  Berge  37  (1568),  das  Epitaph  des  Abtes  Herbord  von 
Holle  zu  St.  Michaelis  und  das  Denkmal  des  Bürgermeisters  Nikolaus  Stöterogge 
in  der  Johanniskirche,  beide  undatiert  Von  bezeichneten  Papierreliefs  sind 
bekannt  1  Christus  als  Schmerzensmann  (Museum,  Lüneburg),  1  Profilkopf 
Christi  (je  1  Exemplar  im  Museum  zu  Lüneburg  und  im  Museum  für  Kunst 
und  Gewerbe  zu  Hamburg),  1  Christus  als  Weltheiland  (Altertumsmuseum, 
Dresden),  1  Dreieinigkeit  (2  Exemplare  im  Museum  zu  Lüneburg,  1  Exemplar  im 
Provinzialmuseum  zu  Hannover),  1  Anbetung  der  Hirten  (Museum  in  Lünebxirg 
und  Salzwedel),  1  Porträt  Luthers  (Nordisches  Museum,  Kopenhagen),  1  Porträt 
des  Erasmus  (ebendort),  1  Porträt  Melanchthons  (in  einer  Dorfkirche);  von 
unbezeichneten  oder  nicht  einwandsfrei  bezeichneten:  1  Christkind  als  Welt- 
heiland (Museum,  Lüneburg),  1  Christus  mit  Kreuz  (Sammlung  Campe,  Hamburg), 
1  Verkündigung  Maria  (2  Exemplare  im  Lüneburger  Museum,  1  Exemplar  im 
Kloster  Wienhausen),  1  Porträt  des  Matthias  Flacius  Illyricus  (Fürstliches  Museum, 
Sigmaringen). 

Als  echtes  Kind  seiner  Zeit  hat  Albert  von  Soest  Vorlagen  und  Entwürfe 
anderer  Meister  gern  und  häufig  benutzt,  wann  und  wo  es  ihm  gut  dünkte. 
Behncke  hat  in  seiner  Monographie  u.  a.  Zusammenhänge  mit  Märten  van 
Heemskerk,  Jost  Amman,  Penz,  Virgil  Solis  aufgedeckt.  Nirgends  aber  hat 
Albert  sich  ängstlich  an  seine  Vorlagen  geklammert  —  das  war  eigentlich  schon 
dadurch  ausgeschlossen,  daß  es  zumeist  darauf  ankam,  kleine  Zeichnungen  in 
plastische  Form  zu  bringen  und  in  große  Verhältnisse  zu  übertragen.  Gerade 
die  Art,  wie  der  Bildner  Gegebenes  in  vöUig  freier  und  selbständiger  Auf- 
fassung umwandelte,   spricht  für   sein   hohes   künstlerisches  Vermögen.    Nicht 

28* 


->^    220    8^ 

alles,  was  Albert  geschaffen  hat,  ist  gleichwertig;  um  so  mehr  fesselt  es,   die 
Entwicklung  des  Künstlers  an  der  Hand  seiner  eigenen  Werke  zu  verfolgen.   In 
der  Großen  Ratsstube  darf  man  natürUch  nicht  außer  acht  lassen,  daß  Albert  auch 
nach  dem  Ausscheiden  Suttmeiers  nicht  allein,   sondern  mit  Qesellen  arbeitete. 
Eine    nicht    weniger   vielseitige  Persönlichkeit,   als  Albert  von   Soest, 
wenn  auch  in   seiner   künstlerischen  Betätigung   minder   hochstehend,   ist   der 
Maler  Daniel  Frese  (Friesze).    Aus   der  Großen  Ratsstube   mag  man   die   noch 
immer  leuchtenden  warmen  Farbentöne  seiner  Ölgemälde,   welche  die  Penster- 
pfeiler  und   an   den   beiden  Hauptwänden   die  ganze  Fläche  über  der  Täfelung 
bedecken,   nicht  hinwegdenken,    aber    der   Gegenstand   der  Bilder,    leicht   zu 
deutende    oder     auch    tiefsinnige,     selbst     erfundene    Allegorien     nach     dem 
Geschmacke  jener  Zeit,   zieht   uns   nicht  an.    Frese  malte,  wie  die  Unterschrift 
seiner  Bilder  besagt   und  die  Kämmereirechnungen  es  bestätigen,  für  die  Große 
Ratsstube   von  1573—78.*)    Das  erstgenannte  Jahr  ist  auch  das  erste,   welches 
von  der  Existenz  des  Malers  in  Lüneburg  —  seine  Wiege  soll  in  Dithmarschen 
gestanden   haben  —  Kunde   gibt.    Zugleich   mit  seinem  Auftrage  für  die  Neue 
Dömze    wurde   er  vom  Rate   damit    betraut,   einige   Bilder   im   Fürstensaale, 
dem  „dantzhuse  up  dem  bavensten  rathuse'^,  zu  erneuern,   und   damit  kommen 
wir  in  den  Festsaal  des  Rates  wieder  zurück.    Von  den  fürstlichen  Porträts 
«waren  sieben  Stück  durch  ihre  Berührung  mit  der  Mauer  so  verrottet,  „dat  die 
nicht  to  beterende  woeren,  noch  densulvigen  jennigerleywiesze  to  helpende  stunt^^ 
Die  Kämmerer  beschafften  daher  6  Stiege  und  1  Elle  grobe  ungebleichte  Lein- 
wand, imd  Frese  übernahm  es  für  200  M.,  die  sieben  Bilder,   „aller  gestalt  den 
olden  van  farven,  personen,  lantschaften  geUekformich  imd  gantz  einich,  nie  to 
malende".  Drei  der  Gemälde  waren  16  Fuß,  die  vier  anderen  12  Fuß  breit  und  alle- 
samt 10  Fuß  hoch.   Um  die  Herstellung  der  Fürstenbilder  sehen  wir  Daniel  später 
noch  wiederholt  bemüht.    Im  Jahre  1585  waren  es  drei  Fürstenporträts  an  den 
Pfeilern,   die   für   ein  Honorar  von   20  M.   „den   vorigen   olden  gantz   gelick'^ 
erneuert  werden  mußten,  und  20  Jahre  später  begann  abermals  eine  umfassende 
Restaurierung,   denn   wieder  war  ein  Teil   der   „keyser,  koninge  und  Fürsten- 
gemelter"    schadhaft    geworden,    so    daß    sie    „illuminiert'^     oder    ganz    neu 
gemacht    werden    mußten.      Der    Künstler    gebrauchte    für    seine    Arbeit    im 
Jahre  1606  52^/4  EUen  Leinwand,  im  Jahre  darauf  61 V2  EUen  (in  vier  Rahmen) 
und  stellte   zunächst   10  im  Osten   und  Süden   stehende  Bildnisse  wieder  her; 
„alles   nach   den   alten,  wie   die   gewesen^',   nur  daß  er  einen  kurzen  Vermerk 
über   die  Lebensdaten    und   die  Regierungszeit   der  einzelnen   Persönlichkeiten 
hinzufügte.    Sodann  kamen   22   fürstliche   Bildnisse   an   der  Nordseite   an  die 
Reihe,   auch   eine   abermalige  Renovierung  „des   Stückes   Gemälde,   da  Kaiser 
Friedrich   der  Andere  Herzog  Otten   mit   dem  Fürstentumb   Braimschweig   und 
Lüneburgk  belehnet''.    Nun  bUeben  noch  11  Porträts  übrig,  die  im  Westen  und 
Südwesten  standen,  und  auch  ihre  Herstellung  wurde  dem  Maler,  zugleich  mit 
den  Kaminen  und  Türen  des  Saales,  im  Jahre  1607  verdungen. 


*)  Einige  der  Gemälde  führen  die  Bezeichnung  „invenit  et  fecit^,  andere  das  blofie 
y,invenit^,  auch  Frese  arbeitete  mit  Gesellen. 


-^    221     IK- 

Es  war  zur  selben  Zeit,  als  Frese  die  Decke  des  Fürstensaales  schuf, 
wie  sie  sich  uns  darbietet,  indem  er  „alle  die  Kaiser  und  Köninge  des  Römischen 
Reichs  in  Brustbildnissen  an  den  Böhn  des  ganzen  Dantzsaales,  mit  deren  Zu- 
behörigen und  Scriptur"  daia,n  anbrachte*).  Und  der  Farbenpracht  im  Festsaale 
war  es  noch  nicht  genug.  Daniel  stoffierte  die  vier  alten  Kronen  aufs  zierUchste, 
gab  den  Fensterwänden  „inwendig^'  eine  neue  Bemalung  und  bemalte  imd  firnißte 
auch  das  Paneel;  die  Sitzbänke  und  Fußschemel  bekamen  einen  Anstrich  von 
schwarzer  Ölfarbe.  Den  Beschluß  machte  die  Ausschmückung  des  „bigemacks^^, 
das  geweißt  wurde,  während  die  Täfelung  einen  Anstrich  mit  Wasserfarben 
erhielt  (1608). 

Bewahren  die  Qroße  Ratsstube  und  der  Fürstensaal  bis  auf  den  heutigen 
Tag  ein  deutUches  Bild  der  künstlerischen  Eigenart  Daniel  Freses,  so  ist  von 
den  größeren  Arbeiten,  die  er  sonst  noch  für  das  Rathaus  Ueferte,  im  guten 
Zustande  nicht  viel  mehr  erhalten.  In  einem  Gemach  auf  der  Schreiberei  stellte 
der  Künstler  einen  auf  Leinwand  gemalten,  durchlöcherten  und  fast  ganz  ver- 
dorbenen Stammbaimi  der  Landesfürsten,  insbesondere  an  den  Angesichten  und 
Wappen,  wieder  her  und  führte  die  Stammlinie  in  einem  „ganz  neuen  Stück 
Malwerks'S  das  in  demselben  Gemache  über  dem  Kamin  aufgehängt  wurde, 
bis  zum  Jahre  1584  fort.  Ein  großes  Gemälde  verehrte  er  dem  Rate  für  dessen 
Sitzungszimmer  in  der  Schreiberei,  wofür  die  Stadtoberen  sich  mit  einem  Geschenk 
von  30  Talern  erkenntUch  zeigten  (1586).  Die  vornehmsten  städtischen  Dienst- 
wohnungen, die  des  Frotonotars,  die  Fortsetzung  des  Kämmereigebäudes  nach 
Süden  hin,  und  die  des  Stadtsyndikus,  damals  wie  es  scheint  an  der  Wagestraße 
gelegen,  erhielten  ebenfalls  mannigfachen  Bilderschmuck  von  seiner  Hand. 
Beispielsweise  hatte  der  Kupferdecker  Hans  Helfrich  im  neu  hergerichteten 
Studorium  des  Syndikus  unter  dem  Gewölbe  acht  kupferne  Scheiben  und  eine 
kupferne  Rose  angebracht,  Frese  bemalte  diese  Scheiben  in  Ölfarbe  mit  B[istorien 
und  vergoldete  die  Rose  (1576),  er  bemalte  femer  drei  Kamine  (1578),  eine  Bett- 
stelle, eine  Zimmerdecke  mit  vier  Gemälden  im  Rahmen,  drei  Kammern,  einen 
langen  Saal  und  einen  Windelstein  (1591  und  1592).  Mit  besonderer  Liebe  sind 
die  Karten  entworfen  und  ausgeführt,  die  Daniel  im  Auftrage  des  Rates  gegen 
gute  Bezahlung  anfertigte  und  deren  mehrere  im  Archiv  verwahrt  werden. 
Schon  1574  lieferte  er  einen  Abriß  der  Stadt  und  der  städtischen  Landwehr, 
„mit  cloestem  und  doerpem  und  allem  szo  darinne  gelegen'^;  1580  entwarf  er 
einen  kleinen  Abriß  der  alten  Landwehr  nebst  der  neu  angewiesenen  Landwehr 
am  rechten  Ilmenauufer,  „mit  allen  upgeworpenen  snebergen'^;  ein  Abriß  der 
Schaalfahrt  folgte  1587,  im  selben  Jahre  die  Fahrt  „so  die  von  Lübeck  vor- 
hebben  sein  soUen  ut  der  Schale  betto  in  den  Ratzeburger  see'S  sodann  ein 
Abriß  der  Stadt  Lüneburg,  der  Henrich  Rantzau,  dem  Holsteinischen  Statthalter 
des  Königs  von  Dänemark,  vom  Rate  zum  Geschenk  gemacht  wurde.  Ein  Abriß 
der  Fahrt  aus  der  Ilmenau  in  die  Leseke  bis  zum  Zollenspiker  beschäftigte  den 
Künstler  1591.     In  drei  Exemplaren  führte  er   eine  Zeichnung   der  Luhe   aus 


*)  Die  Malergesellen  erhielten  4  Taler  Trinkgeld,  „weil  sie  an  dem  Bönhe  aufm 
Dantzsale  fleißig  gearbeidet,  unangesehn  alda  ttbel  und  beschwerlich  zn  arbeidende  gehabt'^ 


-^    222    §^ 

„da  die  in  die  Elbe  fließt,  und  des  ZoUenspikers^',  zum  besondem  Gebrauch  der 
dort  anlegenden  Schiffer;  ein  Exemplar  erhielt  der  Rat  von  Hamburg,  das  zweite 
die  Lübecker  Obrigkeit,  das  dritte  blieb  in  Lüneburg  (1600).  Von  ungewöhnlicher 
Größe  ist  der  Abriß  der  „neuen  Mecklenburgischen  Schiffahrt"  von  Wismar  bis 
Dömitz  mit  allen  anliegenden  Holzungen,  Städten,  Dörfern  und  Schleusen,  eine 
auf  Leinen  gemalte  Rolle  von  nahezu  6  m  Länge,  die  in  ihren  bunten  Farben 
auf  einige  Entfemimg  bildartig  wirkt  (1605).  Auch  die  kleineren  Aufträge,  die 
der  Rat  dem  fleißigen,  die  Handwerksarbeit  nicht  verschmähenden  Kunstler 
zuteil  werden  ließ,  sind  von  Interesse.  Da  mußten  die  beiden  großen  Holzfässer 
„dar  men  up  Letare  dat  kruede  vor  einen  erbam  rade  plecht  inne  unune  to 
dragende"  neu  vergoldet  (1584),  das  Marktbanner  ausgebessert  (1589),  ein  vom 
Steinhauer  Christoph  Roggenbuck  gemeißeltes  Epitaphium  für  den  Konrektor  der 
Johannisschule  Amoldus  Pretorius  illuminiert  und  vergoldet  (1590),  die  Büchsen 
der  Ratsboten  angestrichen  werden  (1605).  Herbergswirte  in  Mölln  imd  Winsen, 
bei  denen  die  Ratmannen  abzusteigen  pflegten,  wurden  durch  ein  Herbergsschild 
geehrt,  das  Daniel  beiderseits  mit  dem  Lüneburger  Ratswappen  schmückte 
(1578  bzw.  1589).  —  Was  Frese  für  die  äußere  Gestalt  des  Rathauses  geleistet 
hat,  ist  in  anderm  Zusammenhange  schon  behandelt*)  Fast  zu  jedem  Jahre 
von  1573 — 1610  finden  sich  in  den  Kämmereirechnungen  Ausgabeposten,  welche 
diese  Tätigkeit  des  Malers  illustrieren,  nur  in  der  Zeit  von  1593 — 1599  geschieht 
seiner  mit  keinem  einzigen  Auftrage  Erwähnung.  Man  möchte  annehmen,  daß 
Frese  diese  Jahre  außerhalb  Lüneburgs  verbracht  hat,  jedoch  haben  sich 
bestimmtere  Anhaltspunkte   für   eine   solche  Vermutung   bisher  nicht  ergeben. 

Die  Große  Ratsstube  war,  obgleich  sie  nach  Norden  hegt,  zum  Winter- 
sitzungssal  des  Rates  bestimmt.  Das  setzt  eine  besondere  Fürsorge  für  die 
Erwärmung  des  Raumes  voraus.  Wir  hören  denn  auch,  daß  durch  Vermittlung 
Lucas  Damings  für  teures  Geld  ein  eiserner  Ofen  aus  Leipzig  bezogen  wurde, 
dessen  vier  Füße  in  Löwengestalt  Meister  Clauws,  der  Steinhauer,  lieferte  (1565). 
Auf  andere  Einzelheiten  der  Ausstattung  des  Raumes  einzugehen,  müssen  wir 
uns  versagen. 

Den  Beschluß  des  Rimdganges  im  Rathause  pflegt  ein  Besuch  des 
Huldigungs-  und  des  Traubensaales  zu  machen.  Über  beide  nur  wenige  Worte. 
Der  Huldigungssaal  führt  diesen  Namen  seit  Ausgang  1706,  denn  in  diesem 
Jahre  wurde  er  gelegentlich  der  Huldigung  für  den  Kurfürsten  Georg  Ludwig 
„sauber  ausgemalet^^  Es  ist  die  letzte  förmliche  Huldigungsfeier  gewesen,  die 
in  Lüneburg  stattgefunden  hat.  Nachdem  in  der  Großen  Ratsstube  im  Namen 
des  Landesherm  der  Schutz  der  städtischen  Privilegien  zugesichert  und  das 
RatskoUegiimi  vereidigt  worden  war,  begab  sich  der  nachherige  König  von  England 
in  das  „übergelegene^^  Zimmer,  trat  an  ein  durch  eine  rote  Sammetdecke  mit 
goldenen  Frangen  bezeichnetes  Fenster  und  nahm  von  der  auf  der  Straße 
postierten  Bürgerschaft   den  Erb-Huldigungseid    entgegen.    Die   Deckengemälde 

*)  Hier  sei  nachgetragen,  daß  nach  Vollendung  der  Ostfassade  und  des  Richthuses 
die  ganze  übrige  Nordfront  ,,de  schriverey  langst  her  van  Hartinges  [des  StadtsekretHrs] 
bnse  bett  zu  dem  ende  mit  dem  groten  geyel  nedden  und  aben^',  auch  ^,de  dubbelden  lesten 
van  der  gronen  dar  an  bis  Hartinges  huse^^  von  Frese  „stoffiert"  wurden. 


-^    223    H- 

des  Saales  sind  vom  Lüneburger  Maler  Burmester  gemalt,  die  lebensgroßen 
Portrats  des  Herzogs  Georg  Wilhelm  und  des  Kurfürsten  Georg  Ludwig  sind  ein 
Geschenk  des  Kammerpräsidenten  von  Görtz  aus  dem  Jahre  1710.  An  der 
Innenwand  befand  sich  unter  dem  Ghronostichon  „In  ReCTo  DeCVs  OMne"  ein 
Kamin  der  zu  Beginn  des  19.  Jahrhvmderts  abgerissen  ist. 

Die  Bezeichnung  „Traubensaal' ^  rührt  daher,  daß  vom  Schlußsteine  eines 
darunter  liegenden  zum  Ratsweinkeller  gehörenden  Gewölbes  eine  Traube  herabhing. 
Auch  der  Parterreraum  unter  dem  Traubensaale  war  im  18.  Jahrhundert  dem 
Kellerpächter  überlassen,  und  dieser  hatte  die  Erlaubnis,  den  Saal  für  größere 
Festlichkeiten  zu  benutzen.  Der  jetzige  Eingang  zur  Polizeidirektion  lag  bis  1860 
unter  dem  Flur  zwischen  Huldigungs-  und  Traubensaal,  von  hier  führte  eine 
Treppe  unmittelbar  in  das  Obergeschoß.  Die  Deckenmalerei  des  Traubensaales 
stammt  ebenfalls  aus  dem  Jahre  1706.  Eine  Nachricht,  wann  die  beiden  Säle, 
wie  sie  sich  jetzt  dem  Auge  darbieten,  erbaut  worden  sind,  hat  sich  bisher 
nicht  finden  wollen. 

Nicht  minder  prächtig  als  die  östliche  Hälfte  der  Rathausgruppe  war 
ehemals  auch  der  Westflügel,  das  Kämmereigebäude,  in  seinem  Innern  ausgestattet, 
hier  aber  sind  die  zahlreichen  Umbauten,  zumal  im  19.  Jahrhundert,  gar  zu 
einschneidend  gewesen,  als  daß  sich  von  Kunstdenkmälem  viel  erhalten  hätte. 
Der  großen  Blütezeit  der  Stadt,  dem  letzten  Viertel  des  16.  Jahrhunderts, 
entstammt  das  Getäfel  der  Großen  Konunissionsstube,  ein  Werk  des  Ratssnitkers 
Wameke  Burmester  (1583  und  1584).  Der  Genannte  war  im  Dienste  des  Rates 
der  Nachfolger  Gerd  Suttmeiers  und  ist  uns  schon  bekannt  durch  das  Ghorgestühl 
der  Johanniskirche  und  die  Längsschranke  des  Ratsstuhles  in  der  Laube. 

Ein  besonderes  Kapitel  würde  seiner  hohen  künstlerischen  Bedeutung 
gemäß  der  Silberschatz  des  Rates  beanspruchen.  Er  war  einst  noch  ungleich 
reicher,  als  der  große  Schauschrank  im  Kunstgewerbemuseum  zu  Berlin  ahnen 
läßt  Die  Gastfreundschaft  des  Rates  äußerte  sich  nach  altem  Brauch  gern  in 
der  Weise,  daß  angesehene  Gäste  einen  Krug,  einen  Pokal,  eine  Schale  oder 
dergleichen  aus  der  „Schenkeschive''  als  Erinnerungszeichen  erhielten.  Die 
Känmierer  hatten  die  Aufgabe,  jede  derart  entstandene  Lücke  durch  neuen 
Ankauf  alsbald  wieder  zu  füllen,  daher  geben  ihre  Rechnungen  uns  Kenntnis 
von  beinahe  zahllosen  Werken  Lüneburgischer  Goldschmiedekunst;  wir  erfahren, 
wann  und  von  wem  die  Stücke  angefertigt  sind,  und  wer  die  Bevorzugten 
waren,  in  deren  Eigentum  sie  als  „Verehrung^'  übergingen.  Eine  Monographie 
über  den  Silberschatz  ist  in  Vorbereitung,  um  so  mehr  sind  wir  berechtigt,  den 
Gegenstand  hier  auszuscheiden. 

Das  Lüneburger  Rathaus  ist  Jahrhunderte  hindurch  eine  hohe  Pflege- 
stätte der  bildenden  Kunst  gewesen.  Als  es  mit  dem  Reichtum  der  Stadt  bergab 
ging  und  ihre  Selbständigkeit  zu  Fall  gebracht  war,  mußte  in  dem  ehrwürdigen 
Gebäude  auch  die  Betätigung  der  Kunst  verkümmern  und  leider  auch  das  Ver- 
ständnis für  die  Kunst.  Doch  die  Baugeschichte  des  Rathauses  braucht  nicht 
düster  auszuklingen.  Lüneburgs  neue  Blüte  gibt  sich  auch  in  der  künstlerischen 
Ausgestaltung  des  Rathauses  in  neuen  Schöpfungen  kund:  davon  zeugen  das 
1899  erbaute   Stadtarchiv  mit   seiner  Deckenmalerei  von  Eduard  Schröder,  das 


Besdureibmi^. 


224 

wiedeihergestellte  Treppentunnchen  im  Winkel  des  Ratsgartens,  die  Wiedergeburt 
des  1832  außer  Betrieb  gesetzten  Ratsweinkellers  mit  seinen  Gemälden  von  Hugo 
Friedrich  Hartmann«  Einen  freudigen  EKnweis  verdient  endlich  der  Plan,  die 
Alte  Kanzlei  von  dem  verdunkelnden  Ballast  ihrer  Aktengestelle  und  Schranke 
zu  befreien  und  den  stimmungsvollen  Raum  als  Rathausmuseum  erst  ganz  zur 
Geltung  zu  bringen. 

Das  Rathaus  bildet  ein  großes  an  vier  Straßenzügen  gelegenes  Gebäude- 
viereck (Fig.  61),  innerhalb  dessen  eine  Anzahl  Bauwerke  verschiedener  Zeiten 
aneinandergereiht  ist.     Geschlossen  sind   die  Rathausfronten   am  Markte,    am 


Flg.  63.    Rathaus;  Querschnitt  durch  die  Laube. 

Ochsenmarkte,  am  Marienplatze;  gegen  die  Wagestraße  öffnen  sich  drei  ver- 
schieden große  Höfe,  zwischen  denen  sich  Flügel  nach  der  Straße  zu  als  Giebel- 
bauten entwickeln.  Außerdem  liegt  noch  mitten  in  den  Gebäuden  ein  kleiner 
Hof.  Die  ältesten  erhaltenen  Teile  des  Rathauses  liegen  an  der  Wagestraße; 
die  Bauten  am  Marienplatze  und  am  Ochsenmarkte  sind  jünger,  die  eigentliche 
Hauptfront  am  Markte  (Fig.  80)  stammt  in  ihrer  jetzigen  Gestalt  aus  dem 
Anfang  des  18.  Jahrhunderts.  Der  Haupteingang  befindet  sich  am  Ochsen- 
markt, einen  größeren  Eingang  besitzt  noch  das  Kämmereigebäude.  Nach 
einem  älteren  Plane,  den  auch  Mithoff  abbildet,  bestand  früher  die  Wagestraße 
nur  als  schmaler  Weg,  so  daß  damals  das  Rathaus  mit  seinen  geschlossenen 
Fronten  an  drei  Straßenzügen  lag  imd  nur  innere  Höfe  hatte.  Das  erklärt  auch, 
daß  äußerlich  alle  Gebäudeansichten  an  der  Wagestraße  bei  Verbreiterung  der^ 
selben   in  den   letzten   Jahrzehnten   des  19.  Jahrhunderts  neu  erbaut  wurden. 


-^    226    g^ 

Für  die  nachfolgende  Beschreibung  ist  das  Gebäude  geteilt  in  den 
Laubenbau  mit  altem  Archiv,  Körkammer  und  neuem  Archiv,  in  den  Saalbau 
am  Markte  mit  allen  großen  Sälen  bis  zum  Haupteingang  am  Ochsenmarkte,  in 
den  Bau  von  1567  mit  der  Ratsstube  und  Nebenräumen  und  in  den  Kämmereibau 
am  Ochsenmarkt  und  Marienplatz. 

Lanbenban.  Der  älteste   erhaltene  Teil   des  Rathauses   steckt  in   der  Ostwand   des 

1898  erbauten  Stadtarchives  an  der  Wagestraße.  Er  besteht  aus  einem 
Mauerrest  von  großen  unregelmäßigen  Qipsblöcken,  die  mit  Gipsmörtel 
verbimden  sind.  Ehemals  befand  sich  hier  die  sogenannte  Küche,  ein  einfacher 
Bau,  der  ganz  aus  Gipsblöcken  errichtet  war  und  in  Verbindung  mit  der  Kapelle 
des  kleinen  heiligen  Geistes  stand.  Diese  Kapelle  hatte  ihre  Front  am  Ochsen- 
markte, sie  lag  etwa  imter  der  jetzigen  großen  Ratsstube  und  diente  als 
Ratskapelle.  Ostlich  vom  Stadtarchiv  steht  der  zweigeschossige  Bau  mit  der 
Laube  im  oberen  Stockwerk.  Auf  derselben  Höhe  liegen  die  Körkammer,  das 
alte  Archiv,  die  alte  Kanzlei  und  die  große  Rathaushalle  am  Ochsenmarkt;  alle 
diese  Räume  sind  unmittelbar  mit  der  Laube  verbunden. 

Die  Laube.  Die  Laube  (Fig.  62)  ist  ein  großer  20,40  m  langer  imd  9,10  m   breiter, 

von  einem  flachen,  in  das  Dach  hineinragenden  Tonnengewölbe  aus  Holz  über- 
deckter Raum  mit  drei  Fenstern  nach  Süden  und  vier  Fenstern  nach  Osten. 
Im  nördlichen  Teile  steht  ein  runder  Pfeiler,  durch  drei  ungleich  weitgespannte 
Bögen  mit  den  Wänden  verbunden  (Fig.  63).  Er  bildet  das  Fundament  für  die 
nordwestliche  Ecke  des  darüberliegenden  Fürstensaales,  der  wohl  gleichzeitig 
oder  kurz  nach  der  Laube  erbaut  wurde.  Die  Westseite  der  Laube  ist  in  der 
letzten  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts  neu  gebaut,  die  Ostseite  zeigt  auikn  starke 
Strebepfeiler.  Drei  Fenster  dieser  Seite  sind  dreiteilig  mit  Steinpfosten  unter 
dem  einfassenden  Flachbogen  ausgebildet  (Fig.  64).  Die  Bögen  über  den  Pfosten 
haben  Nasen  und  bestehen  aus  gegossenem  Gips  (Fig.  65).  Das  vierte  Fenster 
ist  vierteiUg  mit  hölzernen  reich  geschnitzten  Pfosten  der  Renaissancezeit.  Die 
drei  Fenster  der  Südseite  haben  neues  Sandsteinmaßwerk,  das  dem  alten,  wie 
es  scheint,  nachgebildet  ist    Mithoff  beschreibt  noch  das  alte. 

In  der  südwestlichen  Ecke  der  Laube  ist  ein  Raum  durch  teils  hölzerne, 
teils  steinerne  Schranken  abgeteilt,  an  deren  Innenseiten,  ebenso  wie  an  den 
innerhalb  der  Schranken  liegenden  Außenwänden  sich  Bänke  hinziehen.  Neben 
dej  steinernen  Schranke,  etwa  in  der  Mitte  der  Westwand,  liegt  ein  neuer  Kamin. 

Der  runde  Pfeiler  mit  seinen  Bögen,  der  den  niedrigen  vorraumartigen 
Teil  der  Laube  von  dem  gewölbten  Teile  trennt,  besteht  aus  roten  Ziegelsteinen. 
Der  kürzere  Bogen,  nach  der  Körkammer  zu,  verschwindet  in  der  Mauer,  der 
längere  Bogen  steht  auf  einer  halbrund  vor  die  Wand  gelegten  Ziegelsteinsäule. 
Die  Säulen  haben  ornamentierte  Kapitelle,  die  verschieden  ausgebildet,  aus  Gips- 
mörtel hergestellt  und  farbig  bemalt  sind  (Fig.  66).  Die  Bögen  haben  nach  der  Laube 
zu  ein  stark  zurücktretendes  Profil.  An  der  Laubenseite  steht  zwischen  den 
Bögen  in  einer  Nische  ein  vergoldetes  Marienbild.  Cber  dem  Gurtbogen  nimmt 
die  ganze  Fläche  des  Schildbogens  ein  großes  gotisches  Bild,  auf  Holz  gemalt, 


ein.  Alle  Figuren  stehen  auf  tiefblauem  Grrunde,  in  der  Mitte  der  Heiland  als 
Weltenrichter  auf  einem  Regenbogen,  rechts  und  links  die  knienden  Figuren 
Johannes   des   Tätifers  und   der  Maria,    ganz  in  der  Nähe  der  Kämpfer  zwei 


kl'' 
im 


zusammengedrückte  Männeigestalten  mit  Sprucbbäadem,  auf  dem  Spruchband 
rechts:  „Pauperis  ■  non  ■  misereberis  ■  in  ■  iudicio",  links:  ,,iudic)um  •  sine  ■  miseri- 
cordia  ■  fiat  -  iUi  •  qui  •  misericordiam  •  non  -  fecit".     Unter  dem  Bilde  ist  in  der 

29« 


-^    228    8^ 

ganzen  Breite  in  gotischen  Minuskeln  eingeschnitten :  „diligite  •  iusticiam  •  qui  • 
iudicatis  •  terrain  •  Sap  •  p^.  Audi  partem  alteram.  Apostolus  p^  •  ad  thimotheü  quFto. 
Justo  iudicio  pauperie  f  diviti  iudicium'^  Wände  und  Decke  der  Laube  sind  ganz 
mit  bemalten  Brettern  bekleidet.  In  Kämpferhöhe  des  Tonnengewölbes  zieht 
sich  ein  geschnitzter  Fries  hin,  ein  sich  überschlagendes  Blatt,  eingerahmt  von 
Profilen,  nach  oben  abgeschlossen  durch  Hohlkehle  mit  Zinnenkranz,  nach  unten 
durch  aneinandergereihte  Lilien.  Die  Blätter  sind  vergoldet,  die  Profile  farbig 
abgesetzt  Die  Decke  ist  durch  profilierte  Rippen,  die  mit  vergoldeten  Blattern 
besetzt  sind,  in  fünf  querlaufende,  mit  Ornament  und  Figuren  bemalte  Felder 
geteilt  Die  Mitte  der  Felder  büden  Kreise,  die  zweimal  Wappen  der  Stadt 
und  des  Landes,  im  übrigen  figürUche  Darstellungen  enthalten.  Neben  den 
Kreisen  laufen  nach  beiden  Seiten  große,  gemalte  Architekturen  bis  zum  Kämpfer 
herunter.  Diese  Architekturen  umschUeßen  figürliche  Darstellungen  aus  der 
biblischen,  griechischen  und  lüneburgischen  Geschichte,  die  zum  Teil  noch  nicht 
erklärt  sind.  Zwischen  den  Architekturen  und  auf  diesen  befindet  sich  ein 
gemaltes  Ornament  der  Renaissancezeit  Die  Fensterwände  sind  ebenfalls  mit 
OmamentmaJerei  bedeckt,  an  der  Ostwand  erscheint  neben  dem  halbrunden 
Pfeiler  eine  Figur  in  Patriziertracht. 

Die  Westwand  zwischen  Fenster  und  Kamin  zeigt  fünf  große  Dar- 
stellungen mit  je  zwei  Figuren,  von  profiliertem  Rahmen  umgeben.  Gleichzeitig 
bilden  diese  Rahmen  fünf  Wandschränke  mit  je  vier  Türen,  deren  reiche  Be- 
schläge übermalt  sind.  Die  Figuren  stehen  auf  landschaftlichem  Hintergrunde, 
jede  von  ihnen  hat  ein  Spruchband  mit  einem  kurz  gefaßten  Spruch,  die  richter- 
liche Tätigkeit  betreffend.  Im  zweiten  Bilde  von  der  Fensterwand  befindet  sich 
die  Jahreszahl  1529,  das  Entstehungsjahr  der  Malereien.  Zwischen  den  Rahmen 
baut  sich  ein  kandelaberartiges  Ornament  auf,  aus  dessen  oberer  schalenartiger 
Endigung  eine  Figur  herauswächst;  alle  übrigen  Flächen  sind  mit  Ornament 
bedeckt  Dicht  an  der  Fensterwand  befindet  sich  noch  ein  kleiner  Rahmen,  der 
ebenfalls  einen  Wandschrank  enthält  und  mit  einer  männUchen  Figur  übermalt  ist 

Die  Westwand  hat  hinter  dem  Kamin  drei  Türen,  die  zum  alten  Archiv, 
zur  Körkammer  imd  zu  einem  Ausgang  nach  dem  Hofe  führen.  Von  den  Türen 
ist  nur  die  zum  Archiv  reicher  ausgebildet,  die  zur  Körkammer  ist  übermalt,  die 
zum  Ausgang  neu.  Zwischen  Archivtür  und  Kamin  ist  in  reicher  gemalter 
Architektur  ein  Reiter  auf  landschaftiichem  Hintergrunde  dargestellt,  der  in  der 
feinen  und  reichen  Malerei  an  süddeutsche  Vorbüder  erinnert  Die  übrigen 
Wandmalereien  sind  künstierisch  weniger  bedeutend.  In  dem  niedrigen  Raimie 
hinter  der  Bogenstellung  erscheinen  an  der  Decke  die  Balken  des  Fürstensaales, 
die  mit  demselben  ungeschickten  Ornament  bemalt  sind  wie  hier  die  Wände. 
Viel  mag  bei  der  Wiederherstellung  der  Arbeiten  verdorben  sein.  Die  Ausgangs- 
tür nach  der  Rathaushalle  am  Ochsenmarkt  ist  mit  gemalter  Architektur  um- 
geben,  rechts  davon  eine  Frauengestalt  in  Patriziertracht,  auf  der  Tür  selbst  die 
Inschrift:  „Renovatum  1882"  (Maler  Fischbach). 

Die  erwähnte  Tür  zum  Archiv  besteht  aus  Eichenholz  und  ist  in  fünf 
Füllungen  geteilt  (Fig.  68).  Die  mittiere,  querliegende  Füllung  zeigt  das  Wappen 
der  Stadt,   von  zwei  wilden  Männern  gehalten,  farbig  auf  rotem  Grunde,   die 


s 


übrigen  Füllungen  besiteen  senkrechtes  Faltwerit  auf  abwechselnd  blauem  und 
rotem  Gruiide.  Eingefaßt  wird  die  Tür  von  einer  mit  Tausteinen  profilierten 
Nische.    An  der  Nordwfind,  im  niedrigen  Teil  der  Laube  befindet  sich  ein  großes 


gotisches  Spitzbogentor  mit  Spitzbogenpforte;  die  dichtliegenden  Rahmhölzer 
bilden  kleine  quadratische  Füllungen.  Der  Beschlag  ist  sehr  reich  und  fein.  Die 
Tür  befand  sich  zuletzt  in  der  alten  Rathausküche  und  soll  nach  der  unbewiesenen 
Überlieferung  von  der  Burg  auf  dem  Kalkberge  stammen. 


An  der  Fensterwand  nach  Süden  Bind  zwischen  den  Fenstern  zwei 
aue  Gips  g^ossene  Konsolen  mit  Baddachinen  angebracht,  die  bemalt  waren. 
Die  Figuren  fehlen. 


Flg.  89.    Bstlutni;  Wandaohruik  In  d«r  Laabe. 


In  die  Fensterpfeiler  der  Ostwand  sind  drei  bis  zum  Kämpfer  reichende 
Wandschränke  mit  reicher  gotischer  Vorderwand  eingebaut  {vgl.  Fig.  64).    Der 


-t^    231    h^ 

erste  Wandschrank,  nach  Süden,  ist  in  drei  Abteilungen  aufgebaut,  eingefaßt 
von  gedrehten  imd  ornamentierten,  vergoldeten  und  von  Figuren  unterbrochenen 
Säulen  und  bekrönt  von  einem  hohen  Fries,  der  zwischen  Ornament  vier  Figuren, 
die  heiligen  drei  Könige  mit  Maria,  zeigt.  Die  Türen  sind  auf  Rahmen  und 
Füllung  gearbeitet,  die  der  mittleren  Abteilung  zum  Klappen  mit  Stützen  von 
Schmiedeeisen  eingerichtet.  Die  Füllungen  der  oberen  l'üren  zeigen  plastisch 
Sonne  und  Mond,  umgeben  von  einem  vergoldeten  Kranz  aus  Zweigen  auf 
blauem  Grunde,  die  Füllungen  der  Klapptür  Wappen  des  Landes  und  der  Stadt, 
von  Mannern  in  Ritter-  \md  Patriziertracht  gehalten,  teils  vergoldet,  teils  farbig 
auf  blauem  Qrunde.  Die  unteren  Füllungen  sind  mit  einem  feinen  gotischen 
Ornament,  hellgrün,  gelb  und  rot  auf  dunkelgrünem  Grunde  bemalt.  Alle  Rahm- 
hölzer sind  rot  gestrichen,  die  Beschläge  der  Türen  reich.  Der  zweite,  mittlere 
Wandschrank  (Fig.  69)  ist  ebenso  aufgebaut  wie  der  erste,  die  seitlichen  Säulen 
bestehen  hier  aus  übereinandergesetzten  Fialen,  die  Bekrönung  wird  durch 
reiches  und  schönes  spätgotisches  Maßwerk  gebildet.  Die  Türfüllungen  enthalten 
dieselben  Darstellungen  wie  beim  ersten  Schrank,  nur  einfacher.  Die  Wappen 
sitzen  ohne  Figuren  frei  in  der  Fläche,  das  gemalte  Ornament  ist  gröber.  Die 
Beschläge  sind  hier  sehr  reich  und  zierlich.  Der  dritte  Wandschrahk,  vielleicht 
der  älteste,  ist  einfacher.  Der  dreiteilige  Aufbau  ist  der  gleiche.  Die  drei 
AbteUimgen  werden  durch  vergoldete  Omamentstreifen  getrennt.  Auf  den  hier 
glatten  Türen  sind  dieselben  Darstellungen  befestigt,  wie  bei  den  vorhergehenden 
Schränken,  aber  die  Beschläge  sind  einfacher,  der  ganze  Reichtum  ist  auf  der 
einfassenden  Architektur  und  der  schönen  Bekrönimg  vereinigt.  Der  glatte  Mittelteil 
des  Schrankes  wird  eingefaßt  von  gedrehten  Säulen  und  Fialenspitzen,  die  nach 
außen  von  einem  vergoldeten,  in  einer  roten  Kehle  liegenden  erhaben  gearbeiteten 
Ornament  begleitet  werden.  Neben  dem  Ornament  streben  auf  jeder  Seite  noch 
zwei  Reihen  aufeinandergesetzter  Fialen  nach  oben.  Die  Bekrönung  wird 
beherrscht  von  einer  kielbogenartigen  Gesimslinie,  die  in  einer  Kreuzblume  endigt, 
darüber  und  dazwischen  durchbrochenes  Maßwerk.  In  diesen  Schränken  wurde 
ehemals  das  Ratssilber  aufbewahrt  und  bei  festlichen  Anlässen  zur  Schau  gestellt. 

Der  Fußboden  der  Laube  (Fig.  70)  besteht  aus  rautenförmigen  braun 
glasierten  und  roten  Ziegelplatten,  dazwischen  liegen  quadratische  Gipsplättchen, 
mit  blaugefärbten  gotischen  Einlagen,  abwechselnd  den  lüneburgischen  Löwen 
und  ein  kreuzartiges  Blatt  darstellend.  In  den  Schranken  liegt  ein  reicher 
Fußboden  mit  einem  aus  vier  Platten  zusammengesetzten  Muster,  grün  und  weiß 
glasiert    Dieser  Fußboden  hat  aber  ursprünglich  nicht  hier  gelegen. 

Die  Schranken  der  Gerichtsstätte  bestehen  nach  Norden  (am  Kamin)  aus 
Stein.  Dicht  am  Kamin  steht  eine  gotische  Bankwange,  auf  deren  Vorderseite, 
nach  der  Laube,  im  runden  Kopfe  das  Stadtwappen,  darunter  in  architektonischer 
Umrahmung  zwei  Tierfiguren,  das  sogenannte  Strebkatzenziehen  darstellend, 
sich  befinden.  Auf  der  Rückseite  das  Stadtwappen.  (Jahresbericht  des  Museums- 
vereins für  das  Fürstentum  Lüneburg  1899/1901.  Hannoversche  Geschichts- 
blätter 1902,  S.  241  ff.)  Die  Steinschranke  ist  ornamentiert  mit  einem  flachen 
Bandwerk,  in  der  Mitte  Löwenköpfe  und  das  Stadtwappen.  Der  Abschluß  der 
Schranke  wird  durch  eine  Wange  gebildet,  die  ebenso  ornamentiert  ist,  im  Fries 


die  Jahreszahl  1594  zeigt  und  eine  geschwungene  Bekrönong  hat  Die  Holz- 
Bchranke  nach  Osten  steht  frei  (Abb.  71),  zeigt  auf  der  Außenseite  nach  der 
Laube  Bogenstellungen  mit  eingelegten  Ornamenten  zwischen  kannelierten 
Pilastern  und  hat  zwei  reiche  geschnitzte  beiderseitig  bearbeitete  Abschlußwangen. 
Die  Bekrönung  der  WaDge  naich  Norden  stellt  in  einem  von  zwei  schönen 
Frauengestalten,  Prudentia  und  Pax,  gehaltenen  Kreise  das  Stadtwappen  mit 
der  Zahl  1594  dar.  Der  Kreis  ist  umgeben  von  Ornament  und  belöönt  von 
einer  sitzenden  Frauengestalt  Die  Rückseite  zeigt  in  omamentalem  Rande  eine 
lateinische  Inschrift,  den  Psalm  71.  Die  Wangenbekrönung  nach  Süden  stellt 
ebenfalls  das  Stadtwappen  im  Kreise  dat,  hier  von  zwei  Löwen  gehalten  und 


FIc- 10'   Batlidnii  PuBbodes  In  dar  Lkabe. 


bekrönt  von  einer  aäulentragenden  Fraueogestali  Der  Kreis  wird  von  Bollwerk 
uDirahmt  Unter  dem  Kreis  die  JahreBZabl  1594.  Die  Rückseite  zeigt  eine 
figürUche  Darstellung,  die  in  Lüneburg  oft  verwendet  worden  ist  und  wohl  von 
einem  Bilde  des  Daniel  Frese  in  der  großen  Ratsstube  entliehen  ist  In  der 
Mitte  tront  eine  weibliche  Figur,  die  Stadtregierung  darstellend,  im  Schöße  den 
Frieden,  zu  beiden  Seiten  die  Gerechtigkeit  und  die  Einigkeit,  über  dem  Ganzen 
Gott  Vater,  aUe  Figuren  mit  Sinnbildern  und  lateinischer  Bezeichnung.  In  der 
Mitte  der  Schranken  steht  ein  Tisch  mit  schönen  Spätrenaissance-OiDiunenten 
am  Unterbau. 

Die  neuen  Fenster  naxh  der  Südseite  haben  die  alten  Glasgemälde 
wieder  erhalten,  teilweise  ei^änzt  Die  Glasbilder  zeigen  große,  geharnischte, 
je  mit  einem  Wappeaschild  versehene  Gestalten,  die  unter  Baldeicfainen  stehen 
und  zu  ihren  Füßen  lateinische,  teilweise  verloren  gegangene  Unterschriften 
tragen.  Die  Felder  des  Maßwerks  werden  durch  Halbfiguren  mit  Spruch- 
bändern und  Ornament  ausgefüllt  Die  Vierpässe  des  Mittelfeldes  enthalten 
zweimal   das   Stadtwappen,   der  Dreipaß  über  dem   mittleren  Fensteifeld  das 


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-»4     234     g-1- 

Wappea  mit  dem  lünebuigischen  Löwen.  Die  Glasbilder  stellen  die  im  Mittel- 
alter häufig  veiwendeten  neun  guten  Helden  dar,  und  zwar,  von  links  nach 
rechte,  Judas  Makkabäus,  König  David,  Josua,  Gottfried  von  Bouillon,  König 
Karl,  König  Artus,  Kaiser  Julius,  König  Alexander  und  Hektor  von  Troja.  Je 
drei  der  Helden  gehören  dem  Judentum,  dem  Christentum  und  dem  Heidentum 
slh,  und  zwar  etehen  hier  die  drei  christlichen  Helden  in  der  Mitte.    Die  Namen 


Flg.  IE.   BathMl;  OlkBinalsrei  1d  der  Laob«. 

befinden  sich  an  den  Vorderseiten  der  bekrönenden  Baldachine.  Die  lateinischen 
Inschriften  am  Fuße  sind,  soweit  lesbar,  bei  Mithoff  und  Albers*)  abgedruckt 

Die  vier  Fenster  der  Ostwand  haben  im  allgemeinen  einfache  Rauten- 
bleiverglasung.  Dazwischen  sitzen  in  den  ersten  diel  Fenstern  mit  den  Stein- 
pfosten  Stücke  von  Glasmalereien,  und  zwar  oben  Halbfiguren  in  Kreisen  mit 
umlaufenden  Spruchbändern,  deren  Inschriften  gotisch  sind,  unten  geneigte 
Wappenschilder,    teils   mit  dem  Stadtwappen,   teils  mit  dem  Löwen,  von  spät- 

*)  Albers,  Beschreibung  des  Rathausea  zn  LUnebarg.  1813. 


gotischem  Ornament  umgeben  (Fig.  72).  Zwei  Schilder  verzeichnen  die  Namen  von 
Rats-  und  Bürgerkollegium  von  1853,  dem  Jahre  der  Wiederherstellung  der  Laube. 

Im  vierten  Fenster,  mit  den  Holzpfosten,  sind  in  zwei  Reihen  kleine 
Wappenschilde  eingesetzt,  oben  mit  dem  Löwen,  darunter  mit  dem  Stadtwappen. 
In  den  unteren  Fensterflügeln  befinden  sich:  links  das  Wappen  Georg  von 
Dassels,  in  gemaltem  Rahmen,  mit  der  Unterschrift:  MODERNIS  RENOVATVM 1607, 
darüber  ein  Engelkopf;  in  den  Mittelfenstem  zwei  kleine  gemalte  Architekturen, 
in  der  einen  das  Stadtwappen,  in  der  anderen  eine  neue  Glasscheibe  mit  der 
Inschrift:  „RENOVATVM  1853  durch  Holste,  Stadtbaumeister",  unter  beiden  die 
Jahreszahl  1592 ;  rechts  das  Wappen  des  Kämmerers  Albertus  von  Dassel  mit  der 
Zahl  1607.  In  allen  Fenstern  der  Ostseite  sitzt  in  der  Mitte  eine  kleine  rauten- 
förmige Scheibe  mit  der  gelb  eingebrannten  Schrift:  RENOVATVM  1607. 

Im  Fußboden  zwischen  den  Schranken  befinden  sich  vor  den  Bänken 
kleine  runde  Löcher  mit  abnehmbaren  Metalldeckeln.  Es  sind  die  Ausströmungs- 
öffnungen für  eine  einfache  Luftheizung,  die  in  zwei  Gewölben  unter  der  Laube 
lag.  In  diesen  Gewölben  wurden  auf  eisernen  Rosten  Feldsteine  erhitzt,  die  ihre 
Wärme  an  die  in  die  Laube  aufsteigende  Luft  abgaben.  Von  der  alten  Ein- 
richtung der  Heizung  ist  außer  den  Deckeln  nichts  mehr  vorhanden. 

Das  Geschoß  imter  der  Laube  enthält  Gefängnisse  und  einige  weitere 
Räume  ohne  Bedeutung. 

Der  Keller  ist  gewölbt  und  steht  mit  den  übrigen  Kellern  in  Verbindung. 
Er  enthält  neben  kleineren  Räumen  einen  großen,  an  der  Wagestraße  liegenden 
quadratischen  Raum  mit  einem  runden  Mittelpfeiler,  von  dem  sich  vier  Gurt- 
bögen nach  den  Wänden  wölben.  Zwischen  den  Gurtbögen  sind  Kreuzgewölbe 
mit  profiherten  Rippen  eingespannt.  An  der  Westseite  befindet  sich  ein  von 
Tausteinen  eingefaßter  Kamin.  Der  Raum  wird  von  Mithoff  als  Trinkstube 
bezeichnet  ohne  Quellenangabe.  Mithoff  wird  durch  den  Kamin  zu  dieser 
Annahme  veranlaßt  worden  sein,  denn  der  Keller  weist  sonst  keine  Spuren 
einer  Benutzung  als  Trinkstube  auf.  Ein  Kamin  befindet  sich  aber  auch  im 
Keller  unter  dem  Kämmereigebäude.  Es  ist  möglich,  daß  die  Kamine  nur  zum 
Anwärmen  des  Raumes,  in  dem  die  Südweine  lagerten,  dienten. 

Im  Fußboden  der  Laube  befindet  sich  in  der  nordöstlichen  Ecke  eine 
Klappe,  die  eine  gemauerte  zum  Keller  führende  Wendeltreppe  bedeckt. 

Von  der  Laube  gelangt  man  durch  einen  schmalen,  dunklen  Gang  zu  Körkammer, 
der,  zwischen  der  Laube  \md  der  alten  Ratsküche,  jetzt  Stadtarchiv,  gelegenen 
Bürgermeister  Körkammer,  einem  kleinen  längÜchen  Räume,  der  sich  noch  ganz 
unberührt  in  seiner  mittelalterUchen  Erscheinimg  erhalten  hat  (Fig.  73—78) 
Die  Wände  sind  bis  zur  wagerechten  Balkendecke  ganz  vertäfelt,  ein  großes 
farbiges  Fenster  erhellt  den  Raum.  Fast  in  der  Mitte  der  Ostwand  (Fig.  74)  steht 
ein  großer  gemauerter  Kamin  mit  herausgezogener  bogenförmiger  Cberdeckung 
und  abgeschlossen  durch  ein  Backsteinprofil.  Darüber  ist  die  Ummauerung 
des  Rauchfanges  mit  einem  auf  Leinwand  gemalten  Bilde  bedeckt,  auf  dem 
eine  thronende  Frauenfigur  rechts  und  links  das  Stadtwappen  hält.  Über  dem 
Wappen  steht  in  gotischen  Minuskeln:  anno  dm  m  cccc  xci.    In  späterer  Zeit 

30* 


-^    236    H- 

war  der  Kamin  einmal  übermalt  Die  Wandverkleidung  zwischen  dem  Kamin 
und  der  glatten  Tür  hat  zwei  Nischen,  ebenfalls  mit  Holz  verkleidet  In  der 
einen  befindet  sich  ein  steinernes,  profiHertes  Waschbecken.  Zwischen  Kamin 
und  Fensterwand  ist  in  der  Vertaf elung  eine  Sitznische  ausgespart  Aufklappbare 
Bänke  ziehen  sich  an  den  übrigen  drei  Wänden  herum.  In  der  Vertäfelung  der 
Wand  gegenüber  dem  Kamin  (Fig.  77)  befinden  sich  offene  Bücherbörte  und 
vier  Wandschränke,  deren  Türen  reiche  Beschläge  zeigen.  Die  Wand  gegenüber 
dem  Fenster  (Fig.  75)  ist  ganz  in  Bücherbörte  aufgelöst,  der  Bretterhintergrund 
dieser  Borte  ist  abwechselnd  blau  und  rot  gestrichen. 


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Flg.  7a.   Rathaas;  KOrkammer,  Onmdrifi. 

Die  Wandverkleidung  besteht  aus  Tannenholz.  Die  Rahmhölzer  sind  pro- 
filiert imd  mit  einem  einfachen  gelben  Bandomament  auf  dimkelgrünem  (jrunde 
bemalt,  die  Profile  blau,  gelb  und  rot  gestrichen.  Die  Füllungen  sind  natur- 
farbig gelassen  und  haben  jetzt  eine  braune  Färbung  angenommen.  Sie  waren 
vielleicht  für  besondere  Stoffdekorationen  bei  den  Bürgermeisterwahlen  bestimmt 

Die  Rahmhölzer  der  Wandverkleidung  sind  oben,  unter  der  Decke  bogen- 
fö^nig  zusammengezogen.  Jeder  Bogen  wird  von  farbigem  durchbrochenem 
Ornament  ausgefüllt,  da.s  mit  rotem  und  blauem  Papier  unterlegt  ist  und  teils 
Maßwerk,  teils  allerlei  Tiere,  Elefanten,  Löwen,  Fabeltiere,  auch  das  Lamm  mit 
der  Fahne,  darstellt 

Das  Fenster  (Fig.  76)  ist  vierteilig,  mit  geschnitzten  gotischen  Holz- 
pfosten imd  einem  Kämpfer.  Ober  dem  Kämpfer  bilden  kleine  verbleite  Scheiben 
die  Verglasung,  in  den  unteren  Fenstern  sind  vier  schöne  farbige  Glasmalereien, 


teilweise  ergänzt,  erhalten,  vier  Bürgermeister  in  ganzer  Figur  daretollend.  Jeder 
Büigermeieter  hat  unten  links  sein  Wappenschild,  um  den  Kopf  ein  Spruchband 
mit  lateinischer   Inschrift.      Die    Bürgermeister    sind   von    links    nach  rechts: 


Flg.  TS.    Brnthmnl;  SörkamnMr,  HordwMkd. 


Flg.  IS.   Bkthaas;  KSrlcaminer,  Südwuiil. 


Sanckenstede,  Langens,  Sanckenstede  und  Schomsiker.     An  der  Innenseite  der 
Fenster  befindet  sich  ein  eisernes  Gitter  aus  schräglaufenden  durchgesteckten  Stäben. 


-*^    240    8^ 

Die  Deckenbalken  (Fig.  78)  sind  mit  Brettern  verkleidet,  die  profiliert 
und  mit  fortlaufendem  gotischem  Blattwerk,  gelb,  rot  und  blau  auf  dimkel- 
grunem  Grunde  bemalt  sind.    Die  Deckenfelder  sind  durch  profilierte  und  bemalte 


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Leisten  in  zwei  Füllungen  geteilt  Die  Leisten  sind  an  beiden  Enden  bogen- 
förmig zusammengezogen.  In  diesen  Bögen  laufen  die  Profile  der  Leisten  in 
maßwerkähnliches  Ornament  mit  Nasen  imd  Blumen  aus,  ebenfalls  mit  farbigem 
Papier  imterlegt  Die  Füllungen  zwischen  den  Leisten  sind  ebenso  naturfarbig 
gelassen  wie  die  FüUxmgen  der  Wandvertäfelung. 

Auf  den  Bänken  liegen  sieben  gestickte  Kissen,  von  denen  vier  dieselbe 
gotische  Zeichnung  —  in  der  Mitte  das  Lamm  mit  Fahne,  mngeben  von  Ornament  — 
zeigen.  Die  drei  anderen  Kissen  sind  ebenfalls  gleich  gezeichnet:  in  der  Mitte 
das  Stadtwappen,  umgeben  von  Renaissanceomament  Femer  ist  hier  vorfanden 
ein  schmales  langes  Stück  eines  Gewebes. 

Im  Kamin  stehen  zwei  Kaminböcke  aus  der  Barockzeit,  untei)  durch 
Blechomament  verdeckt,  oben  von  großen  Kugeln  bekrönt. 

In  der  Mitte  der  Körkammer  steht  ein  kräftiger,  gotischer  Tisch  aus 
Eichenholz,  dessen  Platte  grün  gestrichen  ist 

Das  alte  Archiv  besitzt  außer  der  oben  bezeichneten  Tür  noch  eine  innere  Das  alte  Archiv, 
aus  Kupferblech,  mit  Eisenbändem  verstärkt  Der  kleine,  fast  quadratische  Raum 
(Fig.  79)  ist  überdeckt  von  einem  Kreuzgewölbe  mit  Tausteinrippen.  Unter  dem 
stark  hervortretenden  Schlußstein  aus  Gipsmörtel  hängt  das  Stadtwappen  aus 
Holz.  Die  Rippen  stehen  auf  profilierten  Konsolen  aus  Gips,  vor  denen  wieder 
je  ein  hölzernes  Stadtwappen  hängt.  An  der  Unterseite  der  Rippen  ist  in  der 
Nähe  des  Schlußsteines  viermal  ein  Tierkopf  aus  Gipsmörtel  befestigt,  das 
Wappentier  des  Schomakerschen  Schildes  darstellend.  An  der  dem  Fenster 
zugewandten  Seite  des  Schlußsteins  befindet  sich  ein  Band  mit  der  Zahl  1521, 
wohl  die  Zeit  der  Ausstattung  des  Gemaches  bezeichnend.  Das  Fenster  ist  an 
die  Seite  gerückt  und  mit  Tausteinen  eingefaßt,  an  der  inneren  Seite  ist  ein 
starkes  Gitter  angebracht  Die  Wände  sind  bis  zum  Kämpfer  mit  Eichenholz  getäfelt 
und  fast  ganz  ii>  Wandschränke  aufgelöst,  deren  Türen  reiche,  durchbrochene, 
mit  farbigem  Papier  unterlegte  Beschläge  haben.  Den  Abschluß  dieser  Verkleidung 
in  Kämpferhöhe  bildet  ein  Fries  von  wechselndem  Maßwerkmuster  auf  farbigem 
Grunde.  In  der  der  Tür  gegenüberliegenden  Wand  befinden  sich  noch  Wandschränke, 
die  fast  bis  zum  Scheitel  des  Gewölbes  reichen  und  als  oberen  Abschluß  wieder 
Maßwerkfriese  haben.  An  den  übrigen  Seiten  sind  über  dem  Paneel  offene 
Borte  in  späterer  Zeit  angebracht  Der  Fußboden  ist  hergestellt  aus  Ziegelstein- 
platten imd  Formsteinen,  die  in  den  Gipsestrich  eingedrückt  sind  imd  Muster 
bilden.  Von  dem  Schlußstein  hängt  eine  zierliche  sechsarmige  Leuchterkrone 
aus  Messing  herab.  Die  gotisch  ornamentierten  Arme  gehen  von  einem  massiven 
runden  Mittelkörper  aus,  der  von  einem  sitzenden  Löwen  bekrönt  ist  Den 
unteren  Abschluß  bildet  ein  Tierkopf  mit  zwei  Löchern,  in  denen  wahrscheinlich 
ein  Schild  mit  dem  Stadtwappen  hing.  Die  Decke  ist  mit  unbedeutenden  Orna- 
menten des  18.  Jahrhunderts  bemalt. 

In  diesem  Räume  wird  eine  Menge  kleiner  Kunstgegenstände  auf- 
bewahrt, alte  Schlüssel  mit  gotischen  Schildern,  zinnerne  Krüge  und  Pokale  von 
einfachen   Formen,    Sanduhren,    Pistolen,    Messingschilder,    ein    kleines   Ölbild, 

angeblich  mit  dem  sterbenden  Bürgermeister  Springintgut,  eine  schöne  Marien- 

31 


■*%    242    8-H 

figur,  offenbar  von  einem  Leuchter,  alte  Bücher  und  Stempelformen,  außerdem 
viele  kleine  Kasten  und  Truhen,  unter  denen  ein  kleiner  rotbenuklter  Kasten 
auffällt.      Er    zeigt    an    der    Vorderseite    neben    dem    Schloß    zwei    gotische 


ttg.  19.    HatbMu;  ftltes  Archiv. 


MaßwerkfüUungen,  darunter  zwei  gemalte  Wappen,  von  denen  links  Sanckenstede 
erkennbar  ist;  die  drei  anderen  Seiten  sind  geschmückt  mit  gotiBchen  Minuskeln: 
Mala,  anna,  ihs.  Der  Beschlag  ist  einfach,  der  Deckel  profiliert.  Femer  befindet 
sich  hier  ein  Lederkasten  aus  der  Frührenaissancezeit,  der  dachförmige  Deckel 


-^    243    8^ 

ist  mit  gepreßten  Ornamenten  auf  allen  Seiten  bedeckt,  wiederholt  ist  ein  Bild, 
Simson  mit  dem  Löwen,  dargestellt  neben  einer  Gruppe  von  zwei  sich  gegenüber- 
stehenden Löwen;  an  den  Seiten  ist  ein  Rosenomament  eingepreßt.  Der  Beschlag 
ist  reich  und  zierhch.  In  einem  Kästen  wird  ein  großes  Stück  Goldbrokat  auf- 
bewahrt, aus  drei  Bahnen  zusammengenäht,  auf  dem  König  Georg  I.  1706  bei 
der  Huldigung  gesessen  h.aben  soll. 

Unter  der  Körkanmier  liegt  noch  ein  Raum  von  der  gleichen  Größe 
wie  diese,  früher  Bauamtsstube,  jetzt  Arbeitszimmer  für  das  Stadtarchiv, 
mit  1,90  m  hohem,  dimkel  gebeiztem  Eichenholzpaneel,  das  durch  kannelierte 
Pilaster  geteilt  und  von  einem  Konsolengesims  bekrönt  wird.  An  einem  der 
Wandschranke,  die  in  das  Paneel  eingebaut  sind,  ist  die  Jahreszahl  1585 
angebracht. 

Der  Teil  des  Rathauses,  in  dem  die  großen  Säle  liegen,  wird  begrenzt  Saalbaa. 
vom  Markt  und  Ochsenmarkt    Die  Mitte  nimmt,  auch  äußerlich  erkennbar,  der 
Fürstensaal  ein,  dessen  Schmalseite  vom  Markte,  die  Langseite  nach  Süden  vom 
Hofe   an  der  Wagestraße  Licht  erhält.    Neich  Norden  —  am  Ochsenmarkte  — 
hegen    neben    dem   Fürstensaal    der  Huldigungs-  und   der  Traubensaal.     Die 
Trennmauer  zwischen  Fürstensaal  einerseits  xmd  Huldigungs-  und  Traubensaal 
andererseits  geht  in  erhebhcher  Stärke  undurchbrochen  bis  zimi  Keller  herunter; 
hier  nur  sind  einige  Türen  vorhanden.    Die  Fußbodenhöhen  beider  Saalbauten 
sind  verschieden;   der  Fürstensaal  liegt  im   dritten  Stockwerk   über   der  Erde, 
die  beiden  anderen  Säle  im  U.  Stockwerk.    Die  Dachkonstruktion  des  Mittel- 
baues   liegt    auf    den   Umfassungen    des   Fürstensaales,    das    Dach   über  den 
anderen  Sälen  ist  gegen  das  Mitteldach  geschleppt.    Man  erkennt  an  der  höher 
geführten  Trennwand  der  Säle  im  Dachgeschoß  den  Anschnitt  einer  Dachkehle. 
Nach  alledem  ist  nicht  zu  bezweifeln,  daß  der  Mittelbau,  vorl3*etend  vor  dem 
Saalbau  am  Ochsenmarkt;  ein  Dach  für  sich  hatte,  ebenso  wie  der  Saalbau  am 
Ochsenmarkt  sein  besonderes  Dach  hatte.    Vor  der  zurücktretenden  Front  des 
Baues  am  Ochsenmarkt  lag  in  der  nordöstlichen  Ecke  auf  den  Granitsäulen  mit 
ihren  Kreuzgewölben  ein  Altan,  denn  die  starke  Wand  hinter  der  jetzigen  Front- 
wand, also  die  damalige  Außenwand  des  Traubensaales,  zeigt  gotische  Fenster- 
profiUerungen.     Die    Außenseite  am  Ochsenmarkt  läßt  zugemauerte   profilierte 
Spitzbogenfenster   erkennen.     Es  sei  ausdrückUch  bemerkt,   daß  das  Bestehen 
dieses  Altans  über  der  Bogenhalle  nur  auf  Grund  der  baulichen  Untersuchimg. 
angenommen  wurde,  daß  aber  urkundhche  Belege  dafür  nicht  vorhanden  sind 
Gegen  die  Annahme,  daß  über  der  Bogenhalle  ein  Dach  an  die  Mauern  anschloß, 
sprechen  die  bis  zur  Decke  der  Haue  heruntergezogenen  Profile  der  Ostwand 
des  Traubensaales.    Der  südliche  Anbau  am  Mittelbau,  wie  ihn  eine  Zeichnung 
von    1605   angibt   —  Mithoff  bildet  sie  ab  — ,   kann   aber  in   gotischer   Zeit 
noch   nicht   bestanden   haben,   denn  hier  ist  eine  kleine  Platte  zwischen  den 
Bögen    eingelassen,    die   ausdrücklich    angibt:    „Exstruktum   Anno    1720^^     In 
diesem   Jahre    ist    die   ganze   Rathausfront   durch  den   Stadtbaumeister   Georg 
Schultz    in    den    jetzigen    Formen    umgeändert    worden    (Fig.   80)    und   dieser 
Anbau  lediglich  aus  Symmetriegründen  erbaut.     Nie  ist  der  Traubensaal  bis 

31* 


-^    244    S^ 

zur  Marktfront  durchgeführt  gewesen,  wie  die  große  Fenstergruppe  jener  Zeichnung 
von  1605  angibt;  denn  dann  hätte  man  die  gotische  Wand,  die  hinter  dieser 
Fenstergruppe  liegt,  abbrechen  müssen.  Jene  Zeichnung  wird  also  wohl  nur 
einen  Wiederherstellungsentwurf  irgend  eines  Architekten  der  Zeit  um  1700 
vorstellen,  der  vorschlug,  den  Traubensaal  bis  zum  Markte  durchzuführen.  Es 
hegen  im  Archiv  noch  mehrere  solcher  Entwürfe,  die  eine  Umgestaltung  der 
Rathausfront  um  1700  betreffen,  auch  der  Originalentwurf  von  Georg  Schulz, 
der  ausgeführt  wurde,  ist  noch  erhalten. 

Der  Mittelbau  hat  unter  seinen  drei  Geschossen  einen  mit  Kreuzgewölben 
überdeckten  Keller,  ebenso  der  Seitenbau  am  Ochsenmarkt.  Der  Keller  unter 
dem  Mittelbau  ist  eine  zweischiff  ige  Halle,  deren  Gurte  und  birnstabförmige 
Rippen  in  der  Mitte  auf  viereckigen,  an  den  Kanten  gefasten  Pfeilern  sitzen, 
an  den  Seiten  auf  ebensolchen  Wandpfeilern.  Neben  diesem  KeUer  hegt  nach 
Süden  eine  Reihe  Räume,  ebenfalls  mit  Kreuzgewölben  überdeckt,  die  aber  höher 
sind  imd  das  über  der  Mittelhalle  liegende  niedrige  I.  Stockwerk  mit  umfassen. 
Am  Ochsenmarkt  liegt  unter  der  oberen  Saalflucht  eine  Reihe  ebenfalls  höherer 
Kellerräume,  durch  einige  Türöffnungen  mit  dem  MittelkeUer  verbunden.  Im 
vorderen  Teile  dieser  Kellerreihe,  der  an  den  Markt  grenzt,  hegen  drei  Joche 
einer  zweischiffigen  Halle,  deren  Gewölbe  auf  achteckigen  Pfeilern  mit  Kapitell- 
profil und  Sockel  ruhten,  die  hinteren  Keller  sind  durch  Mauern  abgetrennt;  sie 
haben  je  zwei  Gewölbe,  darunter  einen  Raum  mit  zwei  fünfteiligen  Gewölben. 
Hinter  beiden  Kellerfluchten  liegt  quer  ein  weiterer  Kellerraum,  oben  der  Rat- 
haushalle entsprechend,  der  sogenannte  „tiefe  KeUer",  an  den  sich  noch  einige 
kleinere  Kellerräume  und  ein  jetzt  zugemauerter  Ausgang  zu  dem  von  den 
Gebäuden  umschlossenen  Höf  chen  reihen.  Im  hinteren  Ende  der  mittleren  Keller- 
halle befindet  sich  die  Verbindung  zu  den  Kellern  unter  dem  Laubenbau. 

Über  dem  Keller  des  Mittelbaues  befindet  sich  in  Geländehöhe  ein  durch 
Tonnengewölbe  überdeckter  ebenfalls  zweischiffiger  Raum,  vor  dem  die  offene 
Halle,  die  das  Untergeschoß  der  Marktfront  bildet,  Hegt     (Vergl.  S.  199.) 

Das  II.  Stockwerk  enthält  im  Mittelbau  und  den  Seitenbauten  an  der 
Marktfront  eine  Wohnung,  dahinter  liegt  im  Mittelbau  ein  dunkler  Raum,  der 
sich  bis  zur  Rathaushalle  am  Ochsenmarkt  erstreckt  und  gegen  diese  mit  einem 
großen  Bogen  öffnet.  (Vergl.  Fig.  61.)  Neben- diesem  Raum  erstreckt  sich  nach 
Süden  die  alte  Kanzlei  bis  zur  Laube.  Die  Bedeutung  des  dunklen  Raumes  ist 
im  geschichtlichen  Teile  erklärt  (S.  199).  Ein  kleiner  Teil  seiner  Seitenwände  hat 
uEich  der  Eingangshalle  zu  feste  Bänke,  darüber  1,85  m  hohe  eichene  Wand- 
verkleidung auf  Rahmen  und  Füllung.  Über  diesem  Paneel  smd  die  Wände 
mit  ungehobelten  Brettern  verkleidet  Im  hinteren  Teile  sind  einige  Teile 
der  Wand  mit  rauhen  Brettern  bekleidet  Die  Deckenbalken  werden  durch 
einen  Unterzug  gestützt,  der  auf  zwei  starken  gotisch  profiUerten  Stützen  mit 
Sattelhölzem  und  Konsolen  ruht.  Balken,  Unterzug  und  Ständer  sind  mit  einem 
flüchtigen  roten  Linienornament  auf  hellem  Grunde  bemalt.  Der  Fußboden 
wird  durch  quadratische  Ziegelplatten  gebildet.  In  der  Abschlußwand  erkennt 
man  noch  die  drei  jetzt  zugemauerten  Backsteinbögen,  die  sich  einst  nach  der 
Marktseite  öffneten.     In  diesem  Räume  werden  aufbewahrt:    Ein  Kasten  mit 


-»^    246    S-^ 

gotischem  Beechlag,  eine  Truhe  mit  gemattem  Wappen  und  der  Zahl  1652,  ein 
schöner  viert«iUger  Renaissanceschrank  mit  gotischem  Beschlag  und  ein  aUe- 
gorisches  Bild  von  Daniel  Frese. 

Die  Öffnung  des  dunklen  Raumes  nach  der  Rathausdiele  wird  geschlossen 
durch  ein  prächtiges  geschmiedetes  Gitter,  Fig.  81,  dessen  Stäbe  oben  in  reichen 


-j-8    247    8^ 

Blumen  endigen.  Die  Füllungen  werden  gebildet  aus  durchgesteckten  eng 
zusammengerollten  Spiralen.  Ober  den  Türfeldem  des  Gitters  ist  das  geschmiedete 
Wappen  der  Stadt  mit  der  Jahreszahl  1576  und  dem  Namen  des  Herstellers, 
HANS  RVGE  angebracht. 

Die  alte  Kanzlei  ist  durch  eine  profilierte  Flachbogentür  von  der  Alte  Kanzlei. 
Laube  aus  zugängig,  sie  hat  fünf  niedrige  Fenster  in  Flachbogennischen  nach 
dem  Hofe  an  der  Wagestraße  und  ist  einmal  geteilt  durch  eine  gemauerte  Wand 
mit  profilierter  Flachbogentür  und  vergitterter  Öffnung.  Der  Raum  hat  sich 
unberührt  und  vor  allem  unrestauriert  in  seiner  ganzen  einfachen  gotischen 
Schönheit  erhalten.  Wände  und  Decken  sind  mit  großzügigem  gotischem 
Laubwerk,  grün  und  rot  mit  schwarzen  Konturen,  vermischt  mit  Blumen  und 
Früchten,  in  einer  flotten  und  sicheren  Technik  übermalt.  In  der  Ecke  an  der 
Laube  steht  ein  Backsteinkamin,  die  bleiverglasten  Fenster  sind  zweigeteilt 
diu'ch  eichene  profilierte  seitliche  und  mittlere  Pfosten.  An  der  Innenseite  der 
Fenster  befinden  sich  eiserne  Gitter.  An  der  Seite  nach  dem  dimkeln  Raum 
sind  neben  Nischen  mit  offenen  Borten  10  Wandschränke  in  verschiedenen 
Abmessungen  eingebaut  Alle  Wandschränke  haben  reichen,  durchbrochenen 
Eisenbeschlag,  die  Rahmholzer  sind  profiliert,  die  Bekrönungen  teilweise  durch 
Laubwerk  und  Maßwerk,  teilweise  durch  zinnenartige  Ausschnitte  gebildet.  Die 
beiden  Türen  haben  aufgelegte  profilierte  Rahmhölzer,  die  oben  zu  Bögen 
zusammengezogen  sind.  Diese  Bögen  und  der  über  ihnen  entstehende  Zwickel 
sind  mit  Maßwerk,  darunter  Fischblasenmuster,  ausgefüllt  Der  Fußboden  besteht 
aus  gebrannten  glasierten  Tonplatten.  In  dem  Räume  stehen  zwei  bis  zur  Decke 
reichende  Registraturschränke  der  Renaissancezeit,  eingefaßt  von  kannelierten 
Pilastern.  In  den  Fensternischen  der  beiden  letzten,  nach  Osten  liegenden  Fenster 
stehen  zwei  lange  Truhen  mit  gotischen  Schlössern.  Unter  verschiedenen  Kästen 
imd  Truhen,  die  hier  aufbewahrt  werden,  befindet  sich  ein  kleiner  Kasten  mit 
BogensteUung  an  der  Vorderwand,  im  Bogen  eine  schwarz  eingelegte  Architektur. 
^  Das  obere  Geschoß  des  Mittelbaues  nimmt  der  Fürstensaal  ein  (Fig.  82  FUrstensaal. 

und  83).  Er  hegt  nicht  hinter  der  ganzen  Breite  des  Mittelbaues,  sondern  nimmt 
nur  die  drei  nördlichen  Fensterachsen  ein,  hinter  der  vierten  Fensterachse  hegt 
ein  Nebenraum,  der  mit  dem  Fürstensaal  durch  eine  Spitzbogentür  verbunden 
ist,  außerdem  aber  in  der  südöstlichen  Ecke  eine  gemauerte  Wendeltreppe 
besitzt,  die  ihren  Ausgang  unter  der  offenen  Haue  am  Markt  hat. 

Der  Zugang  zum  Fürstensaal,  wie  zu  allen  Sälen,  erfolgt  durch  die 
Eingangshalle  am  Ochsenmarkte.  Die  spitzbogige  Eingangstür  des  Fürstensaales 
hat  profiliertes  Backsteingewände.  Die  aufgelegten  Rahmhölzer  der  gotischen 
Tür  sind  tief  profiliert  und  bilden  fast  quadratische  Füllungen.  Den  Verschluß 
bewirkt  noch  das  alte  gotische  Riegelschloß.  Die  Rückseite  der  Tür  ist  glatt 
und  mit  einem  großen  Reichsadler  bemalt,  auf  dessen  Flügeln  die  Wappen  der 
Reichsstände  angebracht  sind,  darüber  die  Inschrift:  „Das  Heilig  Römisch  Reich 
inn  seinen  gliedern." 

Gegenüber  dieser  Tür,  in  etwa  5  m  Entfernung  von  der  Fensterwand 
am  Markt  ist  der  Saal  quergeteilt  durch  eine  dreifache  BogensteUung  mit 
korinthischen  Pilastern.    Diese  BogensteUung  baute  Georg  Schultz  1720  ein,  um 


-<-g    248    H- 


^^ 


Flg.  3L   Batluas)  QnuidrU  dsl  ObarB«*cb(iMM  Bin  Hukte. 


— i    249    i->- 

die  hinteren  Mauern  seines  höbergeführten  Mittelbaues  zu  stützen.  Der  spätere 
Einbau  der  Mauer  ist  auch  im  darunterliegenden  Geschoß  zu  erkennen.  Hinter 
der  Bogenstellung  ist  der  Fußboden  um  eine  Stufe  erhöht,  die  Decke  ist  hier 
geputzt  und  hat  eine  einfache  Verzierung  durch  gezogene  Gipsleisten  erhalten. 
Die  Decke  des  übrigen  Teiles  zeigt  die  Dachbalken,  die  in  der  Mitte  unterstützt 
werden  von  einem  an  der  Dachkonstruktion  aufgehängten  Uiiterzug.  Diese  Decke  ist 
ganz  bemalt,  die  Füllungen  mit  150  Bildnissen  römischer  und  deutscher  Kaiser 


FJg.  B3.    RatbftD«;  Blick  ID  dcnFantansutl. 

von  Augustus  bis  auf  Rudolf  IL,  die  Balken  mit  Ornament  und  Inschrifttafeln, 
deren  Text  sieh  auf  die  Bildnisse  in  den  Füllungen  bezieht.  Der  Unterzug  ist 
bemalt  mit  Wappen  und  Namen  Lüneburger  Ratsmitglieder.  Am  östlichen  Ende 
ist  undeutlich  die  Jahreszahl  1607,  als  Entstehungsjahr  der  Deckenmalerei,  zu 
lesen.  An  einem  Teil  des  Unterzuges  ist  ein  Stück  gotische  Malerei,  die  unter 
der  jetzigen  sich  befand,  freigelegt.  Sie  zeigt  auf  rotem  Grunde  feines  schwarz 
und  gelbes  Ornament  mit  farbigen  Blumen  und  Halbfiguren  mit  Spruchbändern. 
Die  Wand  nach  Süden  hat  sechs  Fenster  in  Stichbogenumrahmung  und  zwei 
Kamine  neben  den  äußeren  Fenstern.  Der  westliche  gotische  Kamin  (Fig.  84) 
ist  aus  Backsteinen  erbaut  und  reicht   bis  zur  Decke.    Die  große  Feuemische 


Flg.  U.    Batbani;  Kunio  im  FäntmuAL 


-^    252    8^ 

ist  überdeckt  von  einem  stark  herausgezogenen  flachen  Bogen  mit  oberem 
Abschlußgesims,  darüber  bauen  sich  Tausteinpfosten  auf,  die  durch  Kleeblatt- 
bögen geschlossen  sind.  Den  oberen  Abschluß  in  Höhe  der  Deckenbalken  bildet 
ein  Backsteingesims.  An  dem  herausgezogenen  Bogen  sind  gotische  Wandarme 
mit  je  drei  Kerzentellern  befestigt  und  rechts  und  links  zwei  eiserne  Ringe,  die 
wohl  zur  Aufnahme  von  Fackeln  dienten.  Der  östliche  Kamin  (Fig.  85) 
entstammt  dem  Jahre  1606 ;  die  Jahreszahl  steht  an  dem  rechten  Konsol.  Er  ist 
anscheinend  an  der  Stelle  eines  gotischen  Kamins  erbaut  (vgl.  S.  211).  1,55  m  über 
dem  Fußboden  kragen  zwei  starke  Konsolen,  über  denen  Architrav,  Fries  und 
Hauptgesims  liegen,  aus  der  Wand.  Die  seitlichen  Abschlüsse  des  Frieses 
bilden  zwei  über  den  Konsolen  liegende  Kartuschen  mit  den  .Wappen  des 
Landes  und  der  Stadt,  dazwischen  steht  ein  lateinisches  Gedicht  (abgedruckt 
bei  Mithoff  und  Albers).  Rechts  neben  dem  Kamin  ist  eine  kleine  kleeblatt- 
bogenartig  überdeckte  Nische  erhalten. 

Die  Westwand,  in  der  die  spitzbogige  Eingangstür  liegt,  ist  unverputzt 
und  gegUedert  durch  Nischen  mit  profilierten  Kanten.  In  den  Ecken  liegen  zwei 
Flachbogentüren,  von  denen  die  nördliche  zum  Raum  über  der  Eingangshalle, 
jetzt  Registratur,  die  südliche  zu  einem  Nebenraum  führt  (Fig.  82).  Beide  Lang- 
seiten des  Saales  haben  Sitzbänke  mit  Fußbrett,  darüber  schöne  gotische  Wand- 
verkleidung aus  Eichenholz  mit  pfostenartig  profilierten  senkrechten  Rahm- 
hölzern  (Fig.  86).  Die  Bekrönung  wird  gebildet  durch  einen  Fries,  der  von  zwei 
profilierten  querlaufenden  Rahmhölzem  eingerahmt  wird  und  in  schmalen  recht- 
eckigen Feldern  wechselndes  spätgotisches  Maßwerk  auf  farbigem  Grunde  enthält 
In  der  Holzverkleidung  sind  eine  Anzahl  Wandschränke  verteilt.  Ober  dem 
Maßwerkfries  liegt  ein  später  aufgesetztes  Renaissancegesims  mit  Konsolen,  das 
auch  an  der  Türwand  herumläuft  An  dem  Gesims  sind  eine  große  Anzahl  ein- 
facher gotischer  Wandarme  mit  je  drei  Kerzenleuchtem  angebracht.  Ober  dem 
Gesims,  bis  zur  Decke  reichend,  sind  an  allen  Wänden  die  lebensgroßen  Bilder 
der  sächsischen  und  braunschweigisch-lüneburgischen  Fürsten  imd  Fürstinnen 
angebracht,  die  mit  Temperafarben  auf  Leinwand  gemalt  sind  und  dem  Saale 
den  Namen  gegeben  haben.  Die  Figuren,  teils  in  Harnischen,  teils  in  Pracht- 
gewändem,  stehen  vor  landschaftlichem  Hintergrunde,  darunter  auch  die  Stadt 
Lüneburg,  und  haben  zu  Füßen  die  zugehörigen  Wappenschilder,  über  dem  Kopfe 
Tafeln  mit  Angabe  der  Abstanmiung,  des  Sterbejahres  und  der  Begräbnisstätte. 
Unter  den  Bildern  stehen  die  Namen  der  dargestellten  Persönlichkeiten. 

Im  erhöhten  Raum  an  der  Marktseite  hängen: 

1.  Kaiser  Heinrich  der  Vogeler  von  Braunschweig  und  Lüneburg. 

2.  Machthilde  von  Ringelheim,  beide  an  den  Pfeilern  der  Bogenstellung. 

3.  Kaiser  Otto  L,  Herzog  von  Braunschweig  imd  Lüneburg. 

4.  Editha,  die  Königin  von  Engelland,  an  der  Südwand. 

5.  Theophania. 

6.  Kaiser  Otto  11.,  der  Rote  von  Braunschweig  imd  Lüneburg. 

7.  Maria  von  Arragonien. 

8.  Kaiser  Otto  der  Rive  von  Braunschweig  imd  Lüneburg. 

9.  Kaiser  Lotharius,  Herzog  von  Braunschweig  und  Lüneburg. 


->4    253    g— 

10.  Gr.  Richenza  v.  Northeim,  an  der  Fensterwand. 

11.  Kaisei  Otto  von  Braunschweig  und  Lüneburg. 

12.  Beatrix  von  Schwaben,  an  der  Nordseite. 

Dann  folgt  das  große  Büd  der  Belehnung  Ottos  des  Kindes  durch 
Kaiser  iPiiedrich  II. 

Im  übrigen  Teile  des  Fürstensaales  hängen,  an  der  Nordseite  angefangen : 

13.  Herzog  Otto  von  Braunschweig  und  Lüneburg. 

14.  Mechtild  von  Brandenburg. 


Flg.  8«.    BcUutot;  WandvarklaiduDg  Im  FaratensuL 


1 


-^    254    8^ 

15.  Herzog  Albrecht  von  Braunschweig  und  Lüneburg. 

16.  Elisabeth  von  Brabant 

17.  Herzog  Johannes  von  Braunschweig  und  Lüneburg. 

18.  Luitgard,  Gräfin  zu  Schauenburg. 

19.  Herzog  Otto  zu  Braunschweig  und  Lüneburg. 

20.  Mechtild,  Pfalzgrafin  am  Rhein. 

21.  Otto,  Herzog  zu  Braunschweig  und  Lüneburg. 

22.  Margareta,  Herzogin  zu  Mecklenburg. 

23.  Herzog  Wilhelm  von  Braunschweig  imd  Lüneburg. 

24.  Helena,  des  Königs  von  Schweden  Tochter. 

25.  Herzog  Magnus  von  Braunschweig  und  Lünebui^. 

26.  Catharine  von  Brandenburg. 

27.  Herzog  Albrecht  von  Sachsen  und  Lüneburg. 

28.  Catharyna  von  Brandenburg. 

29.  Wentzelaus,  Herzog  von  Sachsen  und  Lüneburg. 

30.  Ziliota  von  Garraria. 

31.  Herzog  Bemt  von  Braunschweig  und  Lüneburg. 

32.  Margareta  von  Sassen, 

33.  Herzog  Heinrich  von  Braunschweig  und  Lüneburg. 

34.  Sopheia,  Herzogin  zu  Barth  imd  Wolgast, 

(bei  diesem  Bilde  in  der  Ecke  die  Angabe:  FIERVNT  •  1608  •). 

35.  Margaretha,  Landgrafin  von  Hessen. 

36.  Herzog  Otto  von  Braunschweig  und  Lüneburg. 

37.  Elisabet,  Gräfin  zu  Eberstein. 

38.  Herzog  Wilhelm  von  Braunschweig  und  Lüneburg. 

39.  Gäcüie  von  Brandenburg. 

40.  Mechilt,  Gräfin  zu  Schauwenburg. 

41.  Ernst,  Herzog  zu  Braunschweig  und  Lüneburg. 

42.  Dorothea,  Königs  Christian  zu  Dänemark  Tochter. 

43.  Herzog  Wilhehn  zu  Braunschweig  und  Lüneburg. 

44.  Margareta,  Herzogin  zu  Sachsen. 

45.  Herzog  Heinrich  von  Braunschweig  und  Lüneburg. 

46.  Anna  de  Greuynne  tho  Nassow. 

47.  Herzog  Otto  von  Braunschweig  und  Lüneburg. 

48.  Machilt,  Grevin  zu  Schauenburg. 

49.  Herzog  Berend  von  Braunschweig  und  Lüneburg. 

Das  Bild,  das  die  Belehnung  Ottos  des  Kindes  durch  Kaiser  Friedrich  II. 
darstellt,  ist  3,20  m  lang  und  2,60  m  hoch.  Der  Kaiser  sitzt  auf  einem  Thron 
in  der  Mitte  und  überreicht  dem  links  vor  ihm  knienden  Herzog  Otto  die 
Urkunde.  Links  stehen  Kurfürsten,  rechts  Bischöfe.  Die  Füße  des  Kaisers 
ruhen  auf  einem  Kissen  mit  der  Inschrift:  KEISAR  FREDERICK  DER  ANDER, 
davor  hegt  ein  Teppich  mit  dem  Reichsadler,  der  einen  Brustschild  mit  drei 
übereinander  angebrachten  schwarzen  Löwen  trägt.  An  den  Thronstufen  sind 
links  vier,  rechts  drei  Wappen  angebracht;  davor  hegen  Unks  vier,  rechts 
acht  Wappenschilde.    Die  obere  Reihe  der  Wappenschilde  zeigt  links  die  Wappen 


r 


-^    255     8^ 

der  weltlichen,  rechts  die  der  geistlichen  Kurfürsten.  Rechts  und  links  oben 
neben  dem  Thron  sind  zwei  Tnschrif ttafeln  angebracht,  rechts  über  den  geistlichen 
Kurfürsten  der  Spruch  Dan.  5,  links  über  den  weltlichen:  „Keiser  Fridrich  der 
ander  belehnet  Hertzog  Otten  mit  dem  Fürstenthum  Brauns,  vnd  Lüneburgh, 
gesehen  aufm  Reichstage  zu  Meintz  im  Monat  AVGVSTO  •  A.  C.  1235." 

Über  die  Geschichte  der  Bilder  ist  das  Nähere  vom  S.  220  ff.  angegeben. 
Zu  erwähnen  ist  noch,  daß  unter  der  vorhandenen  Farbschicht  gute  gotische 
Malereien  entdeckt  wurden.  Auf  der  Rückseite  eines  Bildes  fand  man  flott  und 
sicher  skizzierte  Frauengestalten  gotischen  Ursprungs.  Daniel  Frese,  der  die 
Bilder  wiederherstellte,  hat  natürlich  auch  mit  Gesellen  gearbeitet,  und  diese 
haben  ihre  Namen  der  Nachwelt  hinterlassen.  Auf  der  Rückseite  des  Budes 
Kaiser  Otto  imd  Editha  fand  sich  die  Inschrift:  „lutke  langelo  lueneborch  gensis 
vnd  der  brün  ditmer  sen  tis  (?)  gesellen  do  bi  samen  west  A  0  1608"  mit  einem 
Künstlerwappen. 

Bei  einer  Wiederherstellung  im  Herbst  1904  wurden  auf  den  Fenster- 
pfeilem  der  Süds^te  des  Saales  Reste  von  Wandmalereien  gefunden.  Eine  gut 
erhaltene  Figur  stellt  einen  flott  und  sicher  gezeichneten  Ritter  in  stahlblauer 
Rüstung  dar,  dessen  linke  Hand  sich  auf  einen  langen  blauen  Schild  stützt. 

Die  kleine  Tür,  die  nördlich  von  der  Haupttür  zum  Obergeschoß  über 
der  Eingangshalle  führt,  hat  aufgelegte  Quer-  und  Längsrahmen.  Die  Längs- 
rahmen sind  oben  zu  zwei  Spitzbögen  zusammengeführt  und  hier  sowie  im 
Zwickel  mit  feinem  spätgotischen  Maßwerk  ausgefüllt. 

Am  Unterzug  hängen  in  der  Mitte  des  Saales  fünf  spätgotische  Kron- 
leuchter (Fig.  87),  der  sechste  befindet  sich  im  Provinzialmuseum  in  Hannover. 
Große  Geweihe  sind  an  einem  Mittelkörper  von  Holz,  der  teils  ornamentiert, 
teils  als  Tierkopf  oder  auch  einmal  konsolartig  endigt,  befestigt,  und  an  ihren 
oberen  Enden  durch  eiserne,  mitgeschmiedeten  Blättern  besetzte  Bügel  zusammen- 
geführt. Von  den  Mittelkörpem,  auf  denen  teils  vergoldete,  teils  farbige  Figuren, 
Maria  mit  dem  Kinde,  St.  Georg,  Johannes  der  Täufer,  St  Barbara  und  eine 
Frauengestalt  mit  Schwert  und  Buch,  stehen,  gehen  je  sechs  Eisen  aus,  die  einen 
geschmiedeten  Ring  mit  angenieteten  Kreissegmenten  tragen.  Am  Ringe  sind 
sechs  gebogene  eiserne  Arme  mit  drei  Lichttellem  befestigt,  an  den  Spitzen  der 
Kreissegmente  hängen  Wappenschilde  oder,  an  einem  der  Leuchter,  getriebene 
Rosetten.  Auf  dem  Mittelkörper  des  Leuchters  im  Provinzialmuseum  zu  Hannover 
steht  ein  doppelseitiges  Bildwerk:  Maria  mit  dem  Kinde  und  Jacobus  den  Älteren 
darstellend.  Alle  Teile  der  Leuchter  sind  farbig,  gold  und  rot  vorherrschend, 
behandelt,  die  Geweihe  in  den  Stadtfarben,  blau,  rot  weiß,  gestrichen. 

Im  Scheitel  jedes  Bogens  der  östiichen  Querteilung  hängt  eine  Messing- 
krone, in  der  Mitte  eine  spätgotische,  in  den  seitlichen  Bögen  je  eine  aus  der 
Renaissancezeit.  Die  gotische  Krone  hat  einen  reich  gegliederten  Mittelkörper, 
der  nach  unten  konsolenartig  ausläuft  und  in  einem  Löwenkopf  mit  zwei  Löchern 
endigt.  Die  Bekrönung  bildet  ein  geharnischter  Ritter  mit  Schild  und  Doppel* 
adler.  Die  Lichtteller  werden  von  sechs  gebogenen,  mit  Blattwerk  geschmückten 
Armen  getragen.  Der  Kronleuchter  im  südlichen  Bogen  trägt  auf  seinem  pro- 
fiUerten  Mittelkörper  einen  sitzenden  Löwen  mit  dem  Stadtwappen,  den  unteren 


SronltDClitet  Im  F 


Abschluß  bildet  ein  Tieikopf  mit 
Ring.  Acht  untere  und  acht  obere 
ornamentierte  Arme  tragen  die 
Lichtteller.  Die  im  nördlichen 
Bogen  hängende  Krone  hat  unten 
sechs,  oben  ebenfalls  sechs  orna- 
mentierte Arme,  der  Mittelkörper 
endigt  in  einer  Kugel  und  trägt 
als  BekrÖnung  einen  Doppeladler. 

In  der  Nähe  der  Bogeostellung 
hängen  ^r  alte  zerrissene  Fahnen. 

Im  vorderen  erhöhten  Teile  am 
Markte  werden  in  zwei  Schränken 
die  Nachbildungen  des  1874  an  das 
Berliner  Kunstgewerbemuseum 
verkauften  Silberschatzes,  der 
weiter  unten  beschrieben  wird, 
aufbewahrt 

Femer  stehen  im  Fürstensaal 
noch;  ein  ganz  mit  EÜsenbändem 
beschlagener,  bemalter  Karten  aus 
der  Barockzeit  mit  sechs  Schlös- 
sern, eine  Truhe  mit  einfacher 
geschnitzter  Vorderwand  aus  dem 
18.  Jahrhundert  und  eine  zum 
Bieramt  gehörige  Lade  von  1662 
mit  Schloßbeschlag  und  den  ge- 
malten Wappen  des  Landes  und 
der  Stadt. 

Im  vorderen  erhöhten  Teil 
liegt  in  der  Südwand  eine  reich 
profilierte  Backsteinnische  mit 
Stichbogentür  und  Formstein- 
rosette darüber.  Die  Tür  führt 
zu  einem  Nebenraum,  der  wahr- 
scheinlich als  Küche  bei  festlichen 
Gelegenheiten  diente;  unter  dem 
Fenster  nach  dem  Hofe  befindet 
sieb  noch  der  alte  steinerne  Aus- 
guß mit  Wasserspeier  nach  außen. 
Ein  Kamin  in  diesem  Nebenraum 
hat  die  übliche  einfache  Form. 
Über  dem  Kamingesims  sind  an 
derWandzwei  messingene  Wand- 
leuchter aus  der  Renaissancezeit 


-^    257    8^ 

befestigt.  Der  Fußboden  besteht  aus  Ziegelplatten.  An  der  Wand  hängt  eine 
Holztafel  bemalt  mit  Patrizierwappen.  Femer  werden  hier  aufbewahrt  zwei 
große  Ölbilder  auf  Holz,  je  einen  aus  dem  Geschlechte  der  Töbing  in  Ratsherren- 
tracht darstellend,  eins  davon  bezeichnet  mit  der  Jahreszahl  1586.  In  einem 
Renaissanceschrank  mit  ionischen  kanneüerten  Pilastem  werden  Richtschwerter, 
verschiedene  Folterinstrumente,  wie  Kopf-  und  Daiunenschrauben,  Brennstempel 
mit  Galgen,  und  ein  zinnerner  Schoppen  von  1744  mit  seitlicher  Ausflußöffnung 
aufbewahrt. 

Die  schon  erwähnte  kleine  Stichbogentür  südlich  der  Haupttür  des 
Fürstensaales  führt  in  einen  Nebenraum,  der  einen  Kamin  und  einen  großen 
steinernen  Ausguß  hat,  wohl  eine  zweite  Küche  für  große  Festlichkeiten.  Hier 
befinden  sich  noch  einige  alte  Eichgewichte,  Tische,  Kästen,  darunter  einer  mit 
der  Inschrift  „Grohl  Kasten  1716"  und  alte  Gewehre. 

Der   Huldigungssaal  liegt  mit  drei  großen  Fenstern  am  Ochsenmarkte    Haldigungssaal. 
und   ist   ebenfalls  von  der  Rathausdiele  zugängig.    Die  zweiflügelige  Tür  liegt 
ganz   in   der   Ecke,   der  Fußboden   ist   über   den   der  Rathausdiele   um   sechs 
Stufen  erhöht. 

Die  Wände  sind  mit  Leinwand  bespannt  und  diese  mit  phantastischen 
Landschaften  ohne  künstlerische  Bedeutung  bemalt.  An  der  Längswand  nach 
Süden  befindet  sich  über  dem  Bilde  eine  Kartusche  mit  der  Inschrift: 

IkeeCto  DeCVs  oMne, 
damit  die  Entstehungszeit  der  Bilder  —  1706,  Huldigung  Georg  Ludwigs  — 
bezeichnend.  Den  Übergang  zur  Decke  vermittelt  ein  Stuckgesims  mit  Eierstab* 
Die  Teilung  der  Decke  in  ein  großes  ovales  Mittelfeld  und  kleinere  Kreise  auf 
jeder  Seite  desselben  erfolgt  durch  stark  vortretende  Gipsleisten.  Das  ovale 
Mittelfeld  enthält  ein  großes  Bild,  Gäsars  Triumphzug,  von  der  Hand  des  Lüneburger 
Malers  Burmester  aus  dem  Anfang  des  18.  Jahrhunderts.  Cäsar  reitet  in  rotem 
Mantel  auf  einem  Schimmel  an  der  Spitze  eines  Zuges  von  Kriegern  imd  Priestern.  * 

Ein  geflügelter  Genius  hält  über  seinem  Haupt  eine  Krone,  drei  andere  Genien 
tragen  die  Erdkugel.  In  den  beiden  seitUchen  Kreisen  ist  östlich  die  Gerechtigkeit 
und  zwei  Frauen,  westlich  die  Weisheit  mit  Schwan  und  zwei  weiblichen 
Figuren  dargestellt  In  den  Ecken  sind  erhaben  angetragen  vier  Muscheln.  Die 
übrigen  Flächen  werden  durch  gemaltes  Akanthusomament,  in  dem  die  Bildnisse 
von  vier  römischen  Kaisem  erscheinen,  ausgefüllt.  Die  beiden  zweiflügeligen 
Türen  sind  glatt,  haben  aber  reichen,  durchbrochenen  und  vergoldeten  Beschlag 
im  Charakter  des  Barock.  An  der  Ostwand  hängen  zwei  Bilder  in  reich 
geschnitztem  und  vergoldetem  Rahmen  mit  figürlicher  Bekrönung,  die  Herzöge 
Georg  Wilhelm  und  Georg  Ludwig  darstellend.  An  der  Nordwand  befindet  sich 
ein  Spiegel  in  geschnitztem  und  vergoldetem  Rahmen  mit  reichem  ornamentalem 
Aufbau,  von  der  Decke  hängen  zwei  sechsarmige  Kristallkronleuchter  mit 
Ornamenten  aus  Glas  herab. 

Der  Traubensaal  ist  vom  Huldigungssaal  durch  ein  schmales  Treppenhaus  Tranbensaal. 

mit  Treppe  zum  Dachboden  getrennt,    er  hat  den  Namen  von  seiner  früheren 

Verbindung  mit  dem  Ratskeller  erhalten.    In  einem  großen  Mittelfeld  der  Decke 

ist  Orpheus  unter  den  Tieren  dargestellt;  in  vier  ovalen  Füllungen  in  den  Ecken 

33 


^>^    258    8^ 

Sinnbilder.  In  der  Mitte  der  Ostwand  befindet  eich  ein  vermauerter  Kamin  mit 
viereckiger  profilierter  Bekleidung  imd  bekrönendem  Qesims.  Auf  dem  Gesims 
stehen  zwei,  das  Stadtwappen  haltende  Löwen.  An  der  Südwand  hängt  ein 
grof^s  Bild,  Belsazars  Mahl  darstellend.  Das  Bild  scheint  von  Burmester 
herzurühren.  Außerdem  hängen  hier  die  Bildnisse  der  Herzöge  Ernst  (flßll), 
Christian  (f  1633),  Christian  Ludwig  (t  1665),  Georg  Wilhehn,  seiner  Gemahlin 
Eleonore  d'Olbreuse  und  noch  mehrerer  anderer  Fürsten. 

Die   Räume    imter    Huldigungs-    und    Traubensaal  dienen   städtischen 
Verwaltungszwecken. 
Äußere  Die  Ansicht  des  Rathauses  nsLch  dem  Markte  (Fig.  80)  ist  klax  geghedert 

durch  den  hohen,  mit  einem  Dachreiter  bekrönten  Mittelbau  imd  die  niedrigeren 
Seitenbauten.  Der  Mittelbau  wird  geteilt  durch  fünf  starke  Pfeiler,  die  in  ihren 
Gnmdlagen  von  dem  gotischen  Bau  herrühren  und  jetzt  über  den  Fenstern  des 
Fürstensaales  endigen.  Zu  ebener  Erde  liegt  die  schon  erwähnte  Halle, 
die  sich  mit  Stichbögen  zwischen  den  PfeUem  gegen  den  Markt  öffnet  und  die 
auch  unter  den  Seitenbauten  durchgeführt  ist.  Diese  Halle  ist  im  Mittelbau 
überdeckt  mit  Kreuzgewölben,  deren  aus  Gips  gegossene  Schlußsteine  mit 
Rosetten  ornamentiert  sind.  Die  Rippen  und  die  Gurtbögen  hinter  den  Pfeilern 
verschwinden  am  Kämpfer  in  der  Mauer,  eine  Rippe  steht  auf  einem  spätgotisch 
ornamentierten  Sandsteinkonsol.  Die  Pfeiler  werden  im  IV.  Stockwerk  der  Front 
von  freistehenden  weibUchen  Figuren  bekrönt,  und  zwar  von  links  nach  rechts 
mit  den  Emblemen:  einer  Säule,  eines  Merkurstabes  (Handel),  einer  Palme 
(Friede),  Wage  und  Schwert  (Gerechtigkeit)  und  Krug  und  Becher.  Unter  den 
Postamentgesimsen  dieser  Figiuren  sind  gotische  Holzschilde  mit  den  Wappen 
des  Landes  und  der  Stadt  angebracht  In  Höhe  des  I.  Stockwerkes  und  des 
Fürstensaales  werden  die  Pfeiler  von  architektonisch  eingerahmten  Nischen 
unterbrochen,  in  denen  Figuren  mit  folgenden  Bezeichnimgen  am  Fuße  stehen: 
in  der  oberen  Reihe:  „SEVERITAS",  „CLEMENTIA",  „MISERICORDIA  • 
GLORIATVR  .  ADVERSVS  .  JVDICIVM"  (Mitte)  „VERITAS",  „PRVDENTIA" 
in  der  unteren  Reihe:  „JVSTINIANVS  •  1  ",  „CAROLVS  •  MAGNVS"  „JVSTITIA- 
CVIQVE .  SWM .  TRIBVIT ."  „FREDERICVS  •  2  "  „CAROLVS-5." 

Die  Fenster  zwischen  den  Pfeilern  haben  geputzte  profilierte  Umrahmungen. 
Die  drei  mitüeren  Pfeiler  sind  über  den  Fenstern  des  Fürstensaales  durch 
ausgekragte  Sandsteinplatten  verbunden  und  bilden  einen  Balkon,  der  mit 
geschmiedetem  Gitter  eingefaßt  ist.  Das  IV.  Geschoß  ist  geghedert  durch  ein 
mittleres  Risalit  mit  vier  flachen  Pilastem  und  einem  Frontgiebel,  in  dem  das 
Stadtwappen,  von  zwei  Löwen  gehalten,  erscheint.  Zwischen  den  Pilastem  ist  ein 
großes  Zifferblatt  über  der  Tür  zum  Balkon  angeordnet.  Der  Mittelbau  wird  bekrönt 
von  einem  Mansarddach  mit  achteckigem  in  zwei  Geschossen  aufgebauten  Dach- 
reiter, der  mit  Kupfer  gedeckt  ist  und  in  einer  geschmiedeten  und  vergoldeten 
Wetterfahne  endigt.  Im  Dachreiter  hängen  zwei  Glocken,  die  ^oße  Marktglocke 
von  1385,  mit  mehreren  Reliefs,  imd  eine  Schlagglocke  von  1526  (Museumsbl.  1). 

Die  Hallen  der  beiden  zum  Mittelbau  symmetrisch  hegenden  Seitenbauten 
öffnen  sich  gegen  den  Markt  in  je  zwei  Bögen,  gegen  die  Wagestraße  und  den 
Ochsenmarkt   in   je   einem  Bogen.    Die  Bögen  ruhen  auf  starken  Granitsäulen. 


-^    259    8^ 

In  der  nördlichen  Halle  haben  diese  Granitsaulen  niedrige  Kapitelle  mit  spät- 
gotischem, bemaltem  Ornament,  das  in  einer  Kehle  hegt,  die  Bimstabrippen  des 
Kreuzgewölbes  ruhen  in  der  Mitte  der  Wand  auf  einem  weitvorkragenden,  mit 
spätgotischem  Rankenwerk  geschmückten  Sandsteinkonsol.  Diese  Halle  war 
öffentliche  Gerichtsstätte  und  wurde  1607  mit  der  jetzigen  Ausstattung  versehen. 
An  den  geschlossenen  Wänden  ziehen  sich  Holzbänke  hin,  darüber  erstreckt 
sich  bis  zum  Gewölbekämpfer  eine  Holzverkleidung,  die  durch  PUaster  in  senk- 
rechte Felder  geteilt  und  von  einem  Konsolengesims  bekrönt  wird.  Über  dieser 
Vertäfelimg  sind  in  zwei  Gewölbeschildbögen  Gemälde  auf  Holzgrund  angebracht, 
deren  eines  das  jüngste  Gericht  darstellt,  das  andere  ist  unkenntlich.  Im  dritten 
Gewölbefelde  fehlt  die  Holzverkleidung,  hier  steht  auf  der  Bank  ein  hölzerner 
Aufbau  mit  Sockel,  einfassenden  Pilastem  und  Triglyphengeslms,  in  der  Mitte 
mit  einem  gemalten  Stadtwappen,  von  zwei  Löwen  gehalten.  Am  Wappen 
oben  die  Zeitangabe  ANSfO  1607,  unten  RENOVATVM  1803.  An  der  Außen- 
seite ist  zwischen  den  Bögen,  über  der  mittleren  _Säule,  eine  Steintafel 
eingemauert  mit  der  Inschrift  RENOVATVM  •  ANNO  DNI  1763. 

Die  Halle  unter  dem  südlichen  Seitenbau  ist  der  imter  dem  nördUchen 
nachgebildet,  die  Ornamente  verraten  aber  deutlich  ihren  barocken  Charakter. 
Die  Grate  der  Kreuzgewölbe  sind  mit  dünnen  Bimstabrippen  besetzt,  die  aus 
Gips  gegossenen  Schlußsteine  tragen  die  Zeitangabe :  ANNO  MDCGXX.  Zwischen 
den  Bögen  ist  eine  Sandsteintafel  eingemauert  mit  der  Inschrift  EXSTRVCTUM 
ANNO  DNI  1720. 

Die  viereckigen  Fenster  in  den  Obergeschossen  beider  Seitenbauten  sind 
mit  darüber  angeordneten  hochovalen  Fenstern  durch  Einrahmimgen,  Konsolen- 
gesimse und  Anläufer  zu  einer  Gruppe  zusammengezogen.  Die  Fenster  der 
Dacl^eschosse  liegen  dicht  unter  der  Traufkante  der  sich  an  den  Mittelbau 
anlehnenden  Mansarddächer. 

Die  Seitenansicht  nach  dem  Ochsenmarkt  zeigt  nur  die  viereckigen 
Fenster  der  Säle  und  der  darunterüegenden  Geschäftsräume.  Dicht  neben  dem 
Haupteingang,  liegt  ein  stark  restauriertes  Rundbogenportal,  von  gequaderten 
Pilastem  eingefaßt  und  bekrönt  von  einem  flachen  Aufbau  mit  einer  Darstellung 
von  Jakobs  Traum.  Unter  dem  Bilde  die  Inschrift  Renov.  1881,  rechts  und 
links  neben  dem  Aufbau  zwei  ornamentierte  Obelisken  mit  dem  Stadtwappen, 
im  Postament  der  Pilaster  zwei  Löwenköpfe. 

An  der  Südseite  des  Saalbaues,  nach  dem  Hofe  an  der  Wagestraße, 
erscheinen  die  Fenster  der  alten  Kanzlei,  in  Stichbogennischen  mit  Rimdfasen- 
profil  hegend,  und  darüber  die  Fenster  des  Fürstensaales,  die  von  großen  Stich- 
bogennischen mit  Kehlprofil  eingefaßt  werden.  Dicht  unter  den  Stichbogen 
erkennt  man  Sandsteinreste  mit  Bogenanfängen,  die  auf  eine  frühere  Dreiteilung 
der  Fenster  durch  Sandsteinpfosten  schließen  lassen.  Die  seithchen  Gewände 
der  Fenster  bestehen  noch  jetzt  aus  Sandstein.  Ein  Dachgesims  fehlt.  Der  tiefe 
Schatten  des  überstehenden  Daches  bildet  hier  den  oberen  Abschluß,  wie  bei 
allen  Bauten  aus  gotischer  Zeit.  Erst  die  Renaissance  führte  die  profiUerten 
Dachgesimse  aus  Holz  an  der  Marktseite  und  einem  Teil  der  Ochsenmarktseite 
ein.   An  der  Hofecke  des  Mittelbaues  erscheint  die  zum  Nebenraum  des  Fürsten- 

38* 


-^    260    H- 

Saales  führende  Wendeltreppe  in  achteckiger  Form,  mit  Schrägsteinen  dachförmig 

abgedeckt      Unter   der  Abdeckung   gemauerte  Kreise   mit  geputzten   Flächen. 

Der  Bau  von  Der  etwa  in  der  Mitte  am  Ochsenmarkt  liegende  Bau  von  1567  mit  dem 

1667 

Hauptportal  des  Rathauses,  der  durch  seine  reiche  Architektur  neben  der  sonst 
fast  imgegUederten  übrigen  Fläche  des  Rathauses  auffällt,  baut  sich  in  drei 
Geschossen  übereinander  auf.  Im  unteren  Geschoß  zu  ebener  Erde  lag  ehemals 
die  Kapelle  zum  kleinen  heiligen  Geist,  teilweise  noch  nach  Osten  unter  den 
Huldigungssaal  reichend.  Spuren  davon  sind  nicht  mehr  erhalten.  Die  Räume 
unter  dem  Haupteingange  dienen  Verwaltungszwecken. 

Die  Tür  neben  dem  Haupteingang  bildet  jetzt  die  Verbindimg  des  Ochsen- 
marktes mit  dem  kleinen  Hofe  innerhalb  der  Gebäudegruppe  und  den  Zugang 
zu  dem  bei  Mithoff  „Niedergericht"  genannten  Räume,  der  jetzt  durch  zwei  neue 
Bögen,  die  auf  einer  mittleren  Säule  und  zwei  seitlichen  Wandsäulen  stehen, 
geteilt  ist.  Die  Säulen  sind  alt  und  haben  Blattkapitell  und  einfachen  Sockel 
in  Renaissanceformen.  Die  Decke  ist  gerade.  In  der  östlichen  Wand  befindet 
sich  ein  Wandschrank,  der  in  der  Mitte  vier  Türen  mit  gotischem  Beschlag, 
rechts  und  links  zwei  Reihen  von  Schubladen  übereinander  hat.  Die  Schubladen 
sind  mit  Renaissancebeschlägen  verziert  und  bemalt.  Das  Ganze  wird  bekrönt 
von  einem  durchgehenden  Konsolengesims.   In  diesem  Räume  werden  aufbewahrt: 

1.  Eine  Tafel  mit  Wappen  von  Ratsmitgliedem  beginnend  mit  dem  Jahre  1504. 

2.  Eine  Tür,  die  mit  einem  gekreuzigten  Christus  bemalt  ist  und  anscheinend 
dem  Ende  des  16.  Jahrhunderts  angehört. 

3.  Mehrere  Renaissance-Konsolen,  -Schlußsteine  ^und  -Figuren. 

4.  Eine  kupferne  Wetterfahne  in  Form  eines  gut  gezeichneten  Hahnes  vom 
Jahre  1748,  angeblich  von  der  Michaeliskirche. 

Die  zweite,  weiter  westUch  gelegene  Außentür  führt  zu  einem  mit  flachen 
Kreuzgewölben  überdeckten  Räume,  der  nach  dem  Rathaushofe  an  der  Wage- 
straße offen  ist  und  wohl  immer  als  Durchgang  gedient  hat.  Die  Rippen  sind 
tausteinförmig  gebildet  und  in  außerordentUch  flachen  Korbbögen  gespannt. 
Die  Kappen  sind  geputzt. 
Rathaüshalle.  Durch  das  Hauptportal  gelangt  man  auf   18  steinernen  Stufen  in  die 

Rathaushalle,  die  den  Zugang  zu  allen  Sälen  bildet  Rechts  von  der  ein- 
schneidenden Treppe  geht  der  Hallenfußboden  bis  zum  Fenster  in  gleicher  Höhe 
durch  und  ist  gegen  die  Treppe  durch  eine  hölzerne  Schranke  mit  fester  Sitzbank 
abgeschlossen.  Gegenüber  ist  die  Wand  mit  einem  einfach  profiherten  Paneel 
bekleidet,  vor  dem  ebenfalls  eine  Sitzbank  angebracht  ist,  so  daß  das  Ganze 
einen  erkerartigen  Bauteil  im  Räume  bildet.  Im  Fußboden  dieses  Teiles  hegt  eine 
kleine  quadratische  Sandsteinplatte  mit  der  Zahl  1584.  Gegenüber  dem  Eintritt 
führt  eine  Treppe  aus  der  Barockzeit  ziun  Fürstensaal.  Die  Treppe  ist  sehr  breit, 
hat  ausgeschnittenes  Brettergeländer  und  zwei  Endpfosten,  auf  denen  weibliche 
Holzfiguren,  Hnks  die  Gerechtigkeit,  rechts  der  Friede  stehen.  Dieser  Treppenlauf 
führt  auf  ein  breites  Podest,  von  dem  zwei  kurze  Treppenläufe  mit  wenigen 
Stufen  zum  Fürstensaal  und  zum  Raum  über  der  Halle,  der  in  gleicher  Höhe  mit 
dem  Fürstensaal  hegt,  geleiten.  Die  Pfosten  des  Treppenlaufs  zum  Fürstensaal 
tragen  zwei  schildhaltende  blaue  Löwen  mit  den  Wappen  des  Landes  und  der  Stadt. 


-^    261    g^ 

Links  neben  dem  Aufgang  zur  Halle  liegt  die  zweiflügelige  Tür  des 
erhöhten  Huldigungssaales,  dahinter  der  große  Bogen  mit  dem  Gitter  von  Rüge, 
geradeaus  führt  eine  Tür  unter  dem  Treppenpodest  ^ur  Laube;  rechts,  neben 


^     i 


dem    erkerartigen   Teil,    befindet    sich    die    Tür    zum  Vorzimmer  der    großen 
Ratsstube.   (VergL  Fig.  61.) 


-^    262    8^ 

Die  Backsteinwände  der  Halle  sind  gegliedert  durch  Pfeiler  und  Nischen, 
die  Decke  wird  durch  sichtbare  gefaste  Balken  gebildet,  die  auf  einem  pro- 
filierten Unterzug  liegen.  Dieser  endigt  frei  über  der  Treppe  und  ist  hier  an 
der  Dachkonstruktion  aufgehängt.  Bevor  die  Barocktreppe  eingebaut  wurde, 
muß  der  Unterzug  irgendwie  unterstützt  oder  fortgeführt  gewesen  sein.  Die 
Decke  über  dem  Treppenpodest  ist  entsprechend  der  in  das  Dach  hineinragenden 
Spitzbogentür  des  Fürstensaales  zum  Teil  in  Form  eines  spitzbogigen  Tonnen- 
gewölbes roh  aus  Holz  hergestellt  und  mit  einem  farbigen  Ornament  bemalt 

Der  Fußboden  der  Halle  besteht  aus  quadratischen  Ziegelplatten.  An  den 
beiden  Längswänden  hängen  zwei  große  Tafeln  mit  den  Wappen  Lüneburger 
Ratsmitglieder,  von  1450—1651  und  von  1652—1699. 

Auf  dem  Treppenpodest  ist  ein  großes  allegorisches  Gemälde  auf  Leinwand 
mit  der  Jahreszahl  1600  angebracht.  Links  sitzt  ein  Richter,  neben  ihm  oben  die 
Weisheit  und  unten  die  Habsucht  Vor  dem  Richter  stehen  die  Laster.  Ein 
Baum  mit  einer  Kartusche  und  der  Inschrift  „der  Ehren  Schildf'  teilt  das  Bild, 
rechts  davon  erscheinen  die  Tugenden  (beschrieben  bei  Albers).  Das  Gemälde 
verrät  die  Schule  Daniel  Freses. 

Ober  der  Tür  zum  Vorzimmer  der  Ratsstube  hängt  ein  geschnitztes 
Stadtwappen  im  vollen  heraldischen  Schmuck,  aus  der  ersten  Hälfte  des 
18.  Jahrhunderts.  Am  Treppenaufgang  sind  an  der  Wand  zwei  messingene 
Armleuchter  befestigt  Die  Form  der  gebogenen  Arme  ist  spätgotisch,  die 
Wandplatte  ist  in  Form  eines  vortretenden  Löwenkopfes,  dessen  langau^ezogene 
Haare  an  einen  begrenzenden  Bing  stoßen,  ausgebildet  Der  Lichtteller 
ist  gebuckelt 
Yonimmer  Die  Wände  des  Vorzimmers  zur  großen  Ratsstube  sind  mit  einer  1,95  m 

der  RatsBtnbe.  holten  Wandverkleidung  aus  Eichenholz  (Fig.  88)  bedeckt  An  der  einen  Seite  steht 

eine  einfach  verzierte  lose  Bank.  Die  Tür  zur  Rathausdiele  ist  eingefaßt  von 
ionischen  Pilastem,  über  denen  lange  Konsolen  das  Hauptgesims  tragen. 
Zwischen  den  Konsolen  liegt  eine  bogenförmige  glatte  Fläche,  in  deren  Zwickeln 
zwei  Schilde  mit  ANO  und  1604  erscheinen.  Die  Enden  der  Türbänder  sind 
ornamental  ausgeschmiedet  Die  Tür  zur  Ratsstube  ist  doppelt  Die  äußere 
Tür  nach  dem  Vorzimmer  ist  vorgesetzt  und  hat  ebenfalls  geschmiedete  Beschläge. 
Die  Einfassimg  aus  Eichenholz,  auf  der  Wand  liegend,  besteht  aus  zwei 
ionischen  Pilastem,  mit  Architrav  und  geschnitztem  schönen  Fries  mit  heraus- 
tretenden Köpfchen.  Über  dem  Hauptgesims  steht  ein  Aufbau,  der  durch  senk- 
rechte Streifen  in  zwei  Felder  geteilt  wird.  In  der  Mitte  jedes  Feldes  ist  ein  hervor- 
tretender Kopf  in  kreisförmiger  Füllung,  in  dem  den  Aufbau  bekrönenden 
Frontgiebel  ein  Engelskopf  angebracht  Ober  der  Wandverkleidung  hängen  an 
zwei  Seiten  große  Tafeln  mit  den  Wappen  von  Ratsmitgliedem  von  1699 — 1803. 

Unter  diesen  Tafeln  sind  kürzlich  Wandgemälde  entdeckt  und  freigelegt 
worden.  Die  Pfeiler  und  Bögen  der  Südwand  sind  ganz  bedeckt  von  schwerem, 
grau  in  grau  gemaltem  Ornament  auf  dunkelrotem  Grunde,  in  welchem  auf 
dem  mittleren  Pfeiler  eine  männliche  Gestalt  in  der  Tracht  der  Zeit  erscheint 
Über  dem  Kopf  der  Gestalt  befindet  sich  ein  Spruchband  mit  dem  Verse: 
„Ick    ker    den    hoiken    (Mantel)     na  dem    winde.      Dat    is    de    beste   nering 


i 


->^    263    8^ 

(Nahrung)  de  ick  vinde/^  Unter  der  Gestalt  steht  die  Jahreszahl  1567.  Die 
Nische  links  ist  ausgefüllt  von  einer  großen  Darstellung:  Christus  und  die 
Ehebrecherin.  Die  Mitte  wird  eingenommen  von  der  Ehebrecherin,  die  von 
zwei  Männern  zu  Christus  geführt  wird,  der  rechts  im  Bilde  in  gebückter 
Stellung  steht,  im  Begriffe,  Zeichen  in  den  Sand  zu  schreiben.  Mehrere  Manner 
umgeben  die  Gruppe.  Auf  der  Architektur  im  Hintergrunde  hängt  eine  Tafel 
mit  der  Inschrift:  „Johannis  am  VIII  Capittel".  Unter  dem  Bilde  stehen  in  der 
ganzen  Breite  Sprüche,  von  denen  aber  nur  der  erste  lesbar  ist.  Er  lautet: 
„Menniger  secht  van  eynC  andere  quat  |  De  suluest  weinig  doget  an  sich  hat". 
Die  übrigen  Sprüche  sind  verwischt.  In  der  Nische  rechts  vom  Pfeiler  befindet 
sich  eine  männliche  Figur  mit  Schriftband,  halb  zerstört. 

Die  Malerei  an  der  Ostwand  besteht  aus  einer  Türumrahmung  mit 
Pilastem  und  einem  Frontgiebel,  in  dem  der  Weltheiland  mit  Kreuz  erscheint. 
Links  befindet  sich  über  ähnlichem  Ornament  wie  an  der  Südseite  ganz  oben  ein 
schmales  Büd,  ziemUch  verwischt,  „DE  •  fflSTORIA  •  VAN  •  DER  •  SVSANNA"  dar- 
stellend, wie  eine  Inschrift  angibt  In  der  Mitte  erkennt  man  schwach  Susanna  am 
Rande  eines  Wasserbeckens,  rechts  davon  ihre  Freundinnen  und  Dienerinnen,  links 
stehen  hinter  einem  Baume  ein  alter  und  ein  junger  Mann.  Die  Deckenbalken 
des  von  seiner  geputzten  Decke  befreiten  Raumes  zeigen  wieder  Ornament,  grau 
in  grau  auf  rotem  Grunde,  die  Deckenfelder  sind  mit  farbigen  Strichen  und 
einer  Rosette  in  der  Mitte  verziert  Die  Malerei  des  Raumes  ist  von  Meister 
Peter  up  dem  Borne  (vgl.  vom  Seite  218)  hergestellt 

Lüneburgs  größtes  Kunstzeitalter,  die  zweite  Hälfte  des  16.  Jahr-  RatBstabe. 
hunderts,  hat  uns  in  der  großen  Ratsstube  wohl  sein  reichstes  und  schönstes 
Denkmal,  in  der  Hauptsache  unberührt,  überliefert  Der  Raum  wurde  als 
Sitzungszimmer  des  Gesamtrates  in  der  Zeit  von  1564  bis  1584  eingerichtet 
(Vergleiche  vom  Seite  208  und  218  f.)  Das  Äußere  des  Gebäudes  wird  erst  1567 
fertig.  Die  große  Ratsstube  ist  ein  fast  quadratischer  Raum,  tiefer  als  breit, 
und  an  den  Wänden  2,45  m  hoch  mit  Eichenholz  vertäfelt  Die  Türumrahmungen 
sind  besonders  reich  behandelt  Über  der  Wandverkleidung  sind  bis  zur  Decke 
reichende  Ölgemälde  angebracht  Die  Decke  besteht  aus  verkleideten  Balken, 
die  von  einem  querlaufenden  Unterzuge  gestützt  werden.  Die  Balkenfelder  sind 
durch  profilierte  Leisten  in  kleine  quadratische  Füllungen  geteilt,  deren  Mitten 
durch  vortretende  vergoldete  Rosetten  betont  werden.  Die  Decke  ist  grau 
gestrichen.  In  der  südöstUchen  Ecke  der  Ratsstube  ist  ein  kleiner  Nebenramn 
abgetrennt,  in  dem  sich  zwei  Ausgüsse  mit  Wasserspeier  nach  außen  befinden. 
Zwischen  der  Tür  zum  Vorzimmer  und  diesem  Nebenraum  ist  die  Wand  nicht 
vertäfelt,  sie  zeigt  sich  jetzt  als  schwarzgestrichene  Backsteinmauer,  in  die  zwei 
hohe  Wandschränke  mit  Tischlerarbeit  späterer  Zeit  eingelassen  sind.  Daß  diese 
Wand  früher  einmal  anders  behandelt  gewesen  ist,  beweist  ein  Bild  Daniel  Freses, 
das  im  dunklen  Raum  unter  dem  Fürstensaal  aufbewahrt  wird  und  einst  an 
dieser  Wand  gehangen  haben  muß,  denn  im  Rahmen  des  Bildes  ist  noch  der 
Ausschnitt  für  den  Unterzug  der  Decke  vorhanden.  An  dieser  Ostwand  steht 
jetzt  ein  grüner  Kachelofen,  wohl  an  derselben  Stelle,  an  welcher  der  frühere 
eiserne  Ofen  stand. 


Die  Holzarbeiten  des  Zimmers  sind  von  den  Bildhauern  G«rt  Suttmeier 
und  Albert  von  Soest  ausgeführt,  und  zwar  hat  Gert  Suttmeier  die  Paneele 
mit  den  Friesen,  die  Decke  und  die  Türen,  sowie  Teile  der  mittleren  Schranke 
in  den  Jahren  1564 — 67  geschaffen,  während  Albert  von  Soest  die  reichen 
Türumrahmungen  und  die  Wangen  der  mittleren  Schranke  von  1568—84  her- 
stellte. (Vergl,  Albert  von  Soest  von  Dr.  Behncke,  28.  Hett  der  Studien  zur 
deutschen  Kunstgeschichte,  Straßbmg  1901,  wo  auch  die  Schnitzereien  eingehend 
beschrieben  sind  und  die  Besprechung  des  Buches  in  den  Jahresberichten  des 
Museumsvereins  für  das  Fürstentum  Lüneburg  1899 — 1901  durch  Dr.  Reinecke 
S.  134  ff.) 

Die  große  Ratsstube  hat  vier  ungleich  große  Fenster  nach  dem  Ochseo- 
markte  und  fünf  Türen,  die  immer  in  den  Ecken  des  Raumes  angeordnet  sind. 


FlE.  89.    S&thaue;  FrEel  In  dar  groBen  BaMstub«. 

Die  nach  dem  Ocheenmarkte  liegende  Tür  in  der  Westwand  führt  zu  einem 
kleinen  Zimmer,  der  Bürgermeisterkammer,  die  andere  Tür  dieser  Wand  zu  der 
KoUektorei,  dem  früheren  Sitzungszimmer  des  Magistrats.  In  der  Südwand  liegt 
eine  Äusgangstür,  die  über  verschiedene  Treppen  den  Zugang  zur  Laube  ver^ 
mittelt  Die  Tür  zu  dem  kleinen  Nebenraum,  der  von  der  Ratsstube  abgetrennt 
ist,  hat  einfache  Formen,  während  die  Tür  ziun  Vorzimmer  die  reichste 
Umrahmung  zeigt  In  der  Mitte  steht  eine  Schranke  mit  Sitzbänken  und  zwei 
reich  geschnitzten  Wangen. 

Die  Wandverkleidung  Gert  Suttmeiers  zeigt  auf  einem  hoben  Sockel 
einfache  Füllungen,  darüber  ist  die  Fläche  durch  kannelierte  Pilaster,  die  auf 
Konsolen  stehen,  in  senkrechte  Felder  geteilt,  die  Füllungen  mit  bogenförmigen 
Einsätzen  haben.  Das  Gebälk  ist  über  den  Pilastem  verkröpft  Die  Pries- 
verkröpfung ist  mit  Köpfen  und  Masken  besetzt  Die  Friese  zwischen  den 
Filasterverkröpfungen  sind  ornamental  mit  Blattwerk  behandelt,  in  dessen  Mitte 
aus  einer  Kreisfüllung  ein  Köpfchen  stark  hervortritt.  Die  Friesomamente  und 
die  Köpfehen  wechseln  in  jedem  Felde  und  sind  von  höchster  künstlerischer 
Feinheit  (Fig.  89,  90). 


-«-8    265     i^ 

Die  Wangen  des  Ratsstuhles  oder  der  Schranke  sind  nur  an  den  dem 
Lichte  zugekehrten  Seiten  geschnitzt.    Die  hinteren  Seiten  sind  glatt 

Die  vordere  Wange  baut  sich  in  drei  Abteilungen  übereinander  auf. 
Die  untere  Abteilung  —  der  Sockel  —  wird  eingefaßt  von  zwei  in  Füllungen 
stehenden  Hermen.  Die  Mitte  füllt  das  Lüneburger  Stadtwappen  mit  drei 
Putten  aus.  Das  Mittelstück  hat  über  den  Hermen  eine  weibliche  und  eine 
männUche  Karyatide,  die  Körbe  mit  Früchten  tragen,  zwischen  ihnen  ist  im  Relief 
das  Urteil  Salomonis  dargestellt.  Architrav,  Fries  und  Gesims  verkröpfen  sich 
über  den  Karyatiden.  Die  Verkröptungen  des  Frieses  enthalten  in  Füllungen 
zwei   weibliche  Köpfe,    im  mittleren   Teil  sitzt  ein  kartuschenartig  aufgerolltes 


Tlg.  M.    BatliKiia;  Fries  In  dsr  ^oBcn  Ratsstab«. 

Band  mit  der  Jahreszahl  1566.  Das  Gesims  wird  von  einer  reichen  tempelartigen 
Architektur  bekrönt  (Fig.  91).  Zwischen  den  Säulen  ist  eine  figinenreiche 
Verlesung  des  Gesetzes  im  Tempel  durch  König  Josias  (2.  Buch  der  Könige, 
Kap.  23,  1  und  2)  dargestellt,  die  zu  den  schönsten  Schnitzereien  des  Zimmers 
gehört.  Der  mittlere  Aufbau  des  Tempels,  der  im  Fries  die  Jahreszahl  1567 
zeigt,  wird  von  nackten  Männern  begleitet,  die  auf  den  niedrigen  Anbauten  des 
Tempels  sitzen.  Die  Mitte  des  TerapeUrontgiebels  bekrönt  Moses  mit  den 
Gesetzestafeln,  auf  den,  den  Tempel  stützenden  Säulen  und  Hermen  stehen 
bewegte  Figuren,  unter  denen  man  rechts  Mucius  Scävola  erkennt.  Die 
Schnitzereien  der  hinteren  Wange  beginnen  über  dem  Sitzbrett  der  Bank  mit 
einer  sitzenden  weibhchen  Figur,  der  Gerechtigkeit,  in  perspektivisch  vertiefter 
Bogenstellung  mit  Umschrift  Die  Bogenstellung  wird  begrenzt  von  senkrechten 
ornamentierten  Füllungen.  In  der  Bogenleibung  sind  dicht  über  dem  Kämpfer 
die  Marken  der  Künstler,  links  die  Gert  Suttmeiers,  rechts  die  Soests  (abgebildet 
bei  Behncke)  angebracht.  Das  Gebälk  ist  wieder  verkröpft  Auf  den  Fries- 
verkröpfungen sitzen  Masken  in  Füllungen,  zwischen  ihnen  ein  an  den  Rändern 


-^    266    h<^ 

aufgerolltes  Band  mit:  ANNO  •  DONI  •  1  •  5  •  6  •  7.  Der  Aufbau  über  dem  Gesims 
erscheint  als  zierliche  Architektur  eines  zweigeschossigen  Gebäudes,  in  der  Mute 
unten  mit  offener  Halle,  in  der  eine  Szene  aus  dem  5.  Buch  Moses,  Kap.  5,  Yen  1, 
daxgestellt  ist,  daneben  auf  jeder  Seite  drei  Hermen,  über  denen  sich  eine  Galerie 
mit  spätgotischem  Maßwerk  hinzieht  Das  zweite  Geschoß  wird  gebildet  dmrdi 
korinthische  Pilaster,  zwischen  denen  Rundbogenfenster  mit  Maßwerkveiziemng 
sitzen.  In  dem  geknickten  Frontgiebel  erscheint  Moses  in  Wolken,  die  Bekronang 
bildet  die  B.eiterfigur  des  Marcus  Curtius,  daneben  standen  noch  zwei  Figurni, 
die  leider  abgebrochen  sind.  Auf  den  erhaltenen  Sockeln  steht  links:  MVTjVS 
SCEVOLVS,  rechts  MARCVS  CVRTIVS.  Die  Schranke  zwischen  den  Wangen 
zeigt  ähnliche  Architektur  wie  die  Wandverkleidung,  nur  einfacher;  das  Gesims 
ist  niedriger  als  das  der  Wangen.  (Über  den  Anteil  der  Künstler  am  RatsstoUe 
bei  Behncke,  Seite  11  ff.) 

Die  Türen,  die  noch  von  Gert  Suttmeier  hergestellt  wurden,  sind 
einflügelig,  die  imtere  Füllung  ist  kassettiert,  die  obere  Füllung  unter  einem 
Stichbogen  mit  zwei,  auf  kannelierten  Pilastem  stehenden  Bögen  ausgefüllt 
(vgl.  Fig.  93).  Der  Beschlag  ist  einfach.  Die  Tür  zur  Bürgermeisterkammer  hat 
ein  kunstvolles  Schloß. 

Die  erste  Türumrahmung  Albert  von  Soests  umgibt  die  Tür  zur  Bürger- 
meisterkammer. Sie  ist  an  der  Karyatide  links  bezeichnet  mit  ANNO  1568,  an 
der  rechts  mit  ALBERTVS  SVZATIEN  FECIT.  Die  flachbogig  überdeckte 
Tür  wird  seitlich  eingerahmt  von  zwei  früchtetragenden  Karyatiden,  einer  männ- 
lichen und  einer  weiblichen,  deren  untere  Glieder  in  durchbrochenen  korbartigen 
Gestellen  mit  herausquellenden  Früchten  stehen.  Das  Gebälk  ist  verkröpft,  der 
Pries  mit  Lowenköpfen  besetzt,  der  dazwischenliegende  Teil  des  Frieses  zeigt 
omamentales  Blattwerk,  das  sich  um  zwei  Löwenköpfe  rankt  Die  Gebälkver- 
kröpfungen tragen  die  Figuren  der  Apostel  Paulus  und  Petrus  mit  großen 
Inschrifttafeln.  Auf  dem  Gesims  steht  ein  bis  zur  Decke  reichender  Aufbau, 
eingefaßt  von  zwei  karyatidenartigen  Pilastem,  mit  einer  großen  figurenreichen 
Reliefbildschnitzerei,  das  jüngste  Gericht  darstellend.  Auf  Wolken  thront  in  der 
Mitte  Christus  auf  der  Weltkugel,  umgeben  von  Engeln  und  Seligen,  unter  ihm 
links  die  von  Engeln  begleiteten  Frommen,  rechts  die  von  Teufeln  umschwärmten 
Sünder.  An  einem  Stein  die  Marke  y^5^ .  Einzelne  Figuren  sind  unterarbeitet,  das 
Ganze  von  höchster  technischer  und  künstlerischer  Vollendimg.  Die  einfassenden 
Karyatidenpilaster  werden  von  flachen,  an  der  Wand  liegenden  Anläufem  in 
Form  von  geflügelten  Phantasiegeschöpfen  begleitet.  Das  Gebälk  des  Aufbaues 
ist  über  den  Pilastem  verkröpft.  Der  Fries  ist  mit  Masken  imd  Blattomament 
geschmückt  Über  dem  Gebälk  ein  Frontgiebel,  auf  diesem  und  auf  den  Ver^ 
kröpfungen  der  Pilaster  stehen  Apostelgestalten^  hinter  großen  Inschrifttafeln 
versteckt  Auf  dem  Frontgiebel  liegen  zwei  nackte  Männergestalten  mit  Blumen 
und  Früchten.  Das  Giebelfeld  wird  von  einer  Kartusche  mit  Inschrift  ausgefüllt 
(Alle  Inschriften  abgedmckt  bei  Behncke.) 

Die  Tür  zur  Kollektorei  ist  sehr  in  die  Ecke  gedrückt,  so  daß  die  auf  der 
linken  Seite  stehende  Figur  der  Veritas  halb  in  der  Wand  verschwindet  Rechts 
steht   die  Gestalt   der  Pmdentia,   an  ihrem   Sockel   befindet  sich   das  Stadt- 


Wappen.  Ober  den  Figuren 
sind  Engel  mit  aufgeschlage- 
nen Büchern  und  zwei  reich 
omamentieTten  Konsolen,  die 
das  verkröpft«  Gebälk  tragen, 
angebracht  Der  Fries  ist  mit 
Löwenköpfen  zwischen  Früch- 
ten und  Blumen  geschmückt 
Auf  den  Gesimsverkröpfungen 
stehen  zwei  Gestalten,  fast  ganz 
von  großen  Inschrifttafeln  ver- 
deckt, Paulus  und  Petrus.  Der 
bis  zur  Decke  reichende  Auf- 
bau auf  dem  Gesims  steht 
schief  zur  Türachse.  Durch 
zwei  senkrechte  Omament- 
streifen  wird  ein  großes  Mittel- 
relief, Noahs  Opfer,  einge- 
rahmt und  bekrönt  von  einem 
Gesims  mit  Frontgiebel.  Auf 
der  Spitze  des  Frontgiebels 
steht  hmter  einer  Inschrifttafel 
eine  Figur.  Seitlich  wird  der 
Aufbau  begleitet  von  Ornamen- 
ten mit  nackten  Männern  und 
Gefäßen.  An  dem  Sockel,  auf 
dem  diese  Männer  sitzen,  er- 
scheinen zwei  vortretende 
Köpfe,  von  denen  Behncke  den 
hnken  für  das  Selbstporträt 
Alberts  von  Soest  hält.  Das 
Giebelfeld  wird  von  einem  ge- 
flügelten EtigelskopfmitFrüch- 
ten  und  Blättern  ausgefüllt.  Auf 
den  Giebelseiten  liegt  reiches, 
fein  gearbeitetes  Blattoma- 
meut.  Die  Wandflächen  neben 
der  Giebelfigur  werden  ausge- 
füllt von  schwebenden  Engeln, 
die  WappenschUde  halten,  links 
mit  einem  Halbmond,  rechtsdas 
Stadtwappen.  An  dem  Altar 
des  Reliefs,  das  bedeutend 
flacher  gearbeitet  ist,  als  das 
jüngste  Gericht  und  im  Hintei^ 


Bathans;  Tflr  mm  Vanlmnirr  In  in  gT0D*n  Batutnbe. 


-^    270    H- 

grunde  eine  Ansicht  Lüneburgs  zeigt,  steht  Soests  Künstlennaxke  ,^^j||i  .  Die 
Vollendung  der  Tür  erfolgte  nach  der  Angabe  auf  der  Inschrifttafel  Pauli  löTZ» 

Die  Pfosten  der  zur  Laube  führenden  Tür  sind  ebenfalls  von  zwei 
Figuren  geschmückt,  links  der  Fides,  rechts  der  Justitia  (Fig.  92).  Die  Fides  ist 
arg  in  die  Ecke  gedrückt  worden  und  deshalb  etwas  lang  geraten.  Um  dieses 
Mißverhältnis  zu  verdecken,  stellte  Soest  vor  die  unteren  Glieder  der  Figur 
einen  hohen  Schild.  Die  Justitia  ist  eine  der  schönsten  Figuren  des  Raumes. 
Beide  Figuren  stehen  auf  mit  Masken  verzierten  Sockeln;  über  ihnen  schwebt 
Gott  Vater  mit  der  Weltkugel.  Auf  dem  Strahlenkranz  Gott  Vaters  setzen  die 
reich  ornamentierten  Konsolen  an,  die  das  verkröpfte  Gebälk  tragen.  Der  Fries 
ist  wieder  mit  Löwenköpfen  zwischen  Ornament  geschmückt.  Der  Aufbau 
besteht  in  der  Hauptsache  aus  dem  großen  Mittelrelief,  das  hier  seitlich  begrenzt 
wird  von  zwei  karyatidenartigen  weiblichen  Halbfiguren  auf  hohen  gebogenen 
Konsolen.  Das  Gesims  hat  Zahnschnitt,  den  Fries  füllt  eine  Inschrift  aus. 
Auf  der  Giebelspitze  und  den  Gesimsseiten  stehen  verzierte  Gefäße  mit  kleinen 
Sockeln,  auf  den  Giebelseiten  liegt  Ornament.  Das  MittelreUef  stellt  die  Hin- 
richtung von  Titus  Manlius  Torquatus  Sohn  dar.  In  der  Mitte  steht  eine 
Köpfmaschine,  der  Guillotine  ähnlich,  unter  dem  Fallbeil  hegt  der  Verbrecher.  Im 
Hintergrunde  stehen  Krieger.  Am  Fuß  der  Köpfmaschine  steht  die  Marke 
Alberts  von  Soest 

Die  Tür  zimi  Vorzimmer,  die  Haupteingangstür,  hat  den  reichsten 
Schmuck  erhalten  (Fig.  93).  Das  unverkröpfte  Gesims  liegt  auf  drehbaren 
Stützen,  die  aus  Architektxuiieilen,  Ornamenten  und  Figuren  aufgebaut  sind  (Fig.  94). 
Alles  an  diesen  Stützen  reißt  zur  Bewunderung  hin;  der  neue  Gedanke  des 
Ganzen,  die  hohe  Schönheit  und  die  technische  Meisterschaft  Der  Charakter 
des  Tragens  ist  trotzdem  nicht  verloren  gegangen,  denn  das  Ornament  erscheint 
um  einen  Säulenkem  herumgelegt,  dessen  Fuß  durch  eine  attische  Basis,  dessen 
Kapitell  von  vier  geflügelten  Engelsköpfen  und  einem  darüberliegenden  Abakus 
gebildet  wird.  Der  Aufbau  der  Stützen  ist  klar.  Cber  der  Basis  wachsen  aus 
dem  Säulenkem  vier  Konsolen  mit  nackten  Männerleibem,  auf  denen  ein,  das 
Ganze  zusammenfassendes,  bandartiges  Ornament,  aus  architektonischen  GUedem 
Masken  und  Rollwerk  zusammengesetzt,  hegt  Darüber  stehen  auf  Postamenten, 
die  mit  Putten  verTiiert  sind,  vier  Figuren  vor  baldachingeschmückten  Pfosten, 
die  durch  gegliederte  Rundbögen  verbunden  werden.  In  den  so  gebildeten 
Nischen  stehen  vier  größere  Figuren.  Die  Rundbögen  bilden  wieder  mit  reichem 
figurendurchzogenem  Ornament  ein  breites  zusammenfassendes  Band,  das  an  den 
Ecken  mit  säulenhaltenden  Putten,  in  der  Mitte  mit  Gestalten  auf  kapitellartigen 
Sockeln  bekrönt  wird.  Hinter  diesen  Gestalten  sind  um  den  Säulenkem  reiche 
gotische  Architekturen  mit  Maßwerkfenstem  und  Türmchen  gelegt,  die  unter  dem 
Kapitell  endigen.  Die  dargestellten  Figuren  haben  Täfelchen  mit  ihren  Namen  und 
sind  an  der  rechten  Stütze :  in  den  großen  Nischen  Darius,  Julius  Caesar,  Alexander 
und  Cyrus;  auf  den  Ecken  stehen  die  kleineren  Figuren  Temperentia,  Pmdentia, 
Fortitudo,  Patientia ;  über  Darius*  steht  Jesus  mit  Maria,  eine  der  wundervollsten 
Figuren  des  ganzen  Raumes,  trotz  ihrer  Kleinheit  An  der  linken  Seite  stehen: 
in  den  großen  Nischen  Judas  Maccabäus,  David,  Hektor,  Gottfried  Dux  und 


Tig.  M.   Bathtni;  BtütMn  dar  TAr  Fig.  M. 


-^    272    8^ 

Arthur  Rex  zusammen,  diagonal:  Ghaiitas,  Fides,  ^pes  und  Justitia;  über  Judas 
Maccabäus  Jael,  über  Gottfried  und  Arthur  zwei  Frauengestalten  mit  Schildern 
ohne  Bezeichnung.  Hinter  den  Drehstützen  befinden  sich  an  der  Wand  pilaster- 
artige  Vorlagen  mit  flachen  runden  Nischen.  Am  Schild  Hektors  ist  die  Marke 
angebracht:    J^S^    1580, 

Der  Fries  ist  geschmückt  mit  Rankenwerk,  in  dem  Putten,  Frauengestalten, 
geflügelte  Köpfchen  imd  Phantasietiere  verschlungen  sind.  Das  Gesims  wird  im 
Untergliede  durch  ornamentierte  Konsolen  gestützt 

Der  bis  zur  Decke  reichende  Aufbau  ist  in  drei  Abteilungen  zerlegt. 
In  der  Mitte  wird  das  figurenreiche  Relie.f,  das  die  Freigabe  einer  karthagischen 
Jungfrau  durch  Scipio  darstellt,  eingefaßt  von  zwei  flachen  männlichen  Karyatiden, 
deren  Beine  in  ähnlichen  Gestellen  stecken,  wie  die  der  Karyatiden  an  der  Tür  zur 
Bürgermeisterkammer.  An  den  Sockeln  Widderköpfe.  Das  Gebälk  dieses  mittleren 
Teiles  ist  unverkröpft,  der  Fries  hat  vier  Triglyphen,  dazwischen  eine  Inschrift 
Über  dem  Gesims  ist  ein  Giebel  gebildet,  der  einen  Löwenkppf  mit  Früchten 
enthält  und  auf  dessen  Seiten  zwei  Bären  mit  dem  Stadtschilde  angebracht  sind. 
Auf  dem  Giebel  steht  in  der  Mitte  ein  kleiner  schildtragender  Bär,  rechts 
und  links  von  ihm  liegen  auf  der  Giebelseite  omamentale  Gebilde  mit  nackten 
Männerleibem  dazwischen.  Spiralförmige  Anläufer  vermitteln  den  Übergang 
vom  mittleren  Teil  zu  den  niedrigeren  seitlichen  Teilen  des  Aufbaues,  die  wieder 
je  ein  Relief  umfassen.  Links  ist  der  Todesspmng  des  Marcus  Curtius,  rechts 
die  Marterung  des  Regulus  dargestellt.  An  den  Außenseiten  dieser  Reliefs 
stehen  wieder  zwei  Männerkaryatiden,  im  Fries  darüber  eine  auf  die  Darstellimg 
bezügliche  Inschrift.  Auf  dem  glatten  Gesims  erscheinen  an  den  Außenseiten 
posaunenblasende  geflügelte  Gestalten,  zwischen  ihnen  und  dem  Mittelbau  die 
bereits  erwähnten  Anläufer.  Hinter  diesen  ist  an  der  Wand  auf  jeder  Seite 
ein  schwerttragender  Engel  sichtbar.  An  dem  inneren  Rahmen  der  Tür  werden 
zum  ersten  Male  einfache  Intarsien  verwendet  (alle  Inschriften  sind  bei  Behncke 
abgedruckt).  Die  Tür  ist  1584  vollendet  worden,  mit  ihr  schheßen  die  Arbeiten 
Soests  in  der  Ratsstube.  Die  Tür  zu  dem  Nebenraum  in  der  Südwestecke  liegt 
ganz  imter  dem  Paneelgesims.  Sie  wird  seitlich  eingefaßt  von  zwei,  mit  Laub- 
und Rollwerk  ornamentierten  Pilastern  mit  korinthischem  Kapitell.  Die  Tür 
selbst  hat  Stichbogenabschluß.  In  den  Zwickeln  rechts  und  links  je  eine 
menschUche  Figur,  deren  Beine  verschlungene  Fischschwänze  sind.  Das  Gebälk 
des  Paneels  läuft  diu-ch.  Es  ist  anzunehmen,  daß  Albert  von  Soest  auch  diese 
Umrahmung  hergestellt  hat,  bezeichnet  ist  sie  nicht 

Die  mit  Ölfarbe  auf  Leinwand  gemalten  Bilder  des  Lüneburger  Malers 
Daniel  Frese  sind  wohl  von  vornherein  nur  als  dekorative  Ausschmückung  gedacht. 
An  der  Fensterseite  hängen  vier  Gemälde,  die  durch  gemalte  Spruchbänder  über 
den  Fensterbögen  miteinander  verbimden  sind.  An  der  West-  und  Südwand 
sind  je  drei,  an  der  Ostwand,  und  zwar  über  dem  Paneel  des  abgetrennten  Neben- 
raumes zwei  Bilder  angebracht.  AUe  Bilder  haben  allegorischen  Inhalt,  die 
Pflichten  des  Richters,  den  Frieden,  die  Stadtregierung,  das  neue  Jerusalem, 
die  deutsche  Reichsversammlung  und  anderes  darstellend.  An  der  Fensterwand 
zeigen  die  Gemälde  Moses,  David,  Petrus  und  Paulus.    Die  Bilder  sind  färben- 


-^    273    8^ 

freudige  gute  Arbeiten.  Die  Fensterleibungen  sind  merkwürdigerweise  als  rohe 
Backsteinwände  stehen  geblieben. 

Am  Unterzug  der  Decke  hängt  ein  achteckiger  Beleuchtungskörper,  mit 
neuen  Butzenscheiben,  anscheinend  der  späteren  Renaissance  angehörend. 

In  den  erwähnten  Wandschränken  an  der  Ostseite  werden  folgende 
Gegenstände  aufbewahrt: 

1.  Fünf  genähte  Kissen  mit  prächtig  erhaltenen  Farben,  56  cm  lang 
imd  breit  Die  Darstellung  zeigt  einen  nackten  Mann  hinter  einem  Schild  mit 
dem  Stadtwappen,  umgeben  von  Blattwerk  und  Fruchten,  die  grün  und  gelb  auf 
schwarzem  Grunde  stehen,  in  den  Ecken  erscheinen  rote  Rosen. 

2.  Zwei  je  4,05  m  lange,  0,83  m  breite  bestickte  Streifen,  die  an  den 
Schmalseiten  zusammengehängt  wurden,  hi  acht  aneinander  gereihten  figuren- 
reichen Bildern  wird  die  Geschichte  von  Massinissa  und  Sophonisbe  dargestellt 
In  jedem  Bilde   befindet   sich   oben   eine  Inschrift,    die  teilweise  unleserlich  ist 

I.  Bild:   wo   conelius  Scipio   de   yun   ger  unde  des   uorig'  p:   Scipi:  |   Son 

tom    houetman    tege   de  vo  kartag  gewelet  vn  . . .    .  ges  |  chikt 

und  kartago  gwunne. 

n.  Bild:   van  groter  doget  un  kuscheyt  Scipio:  dith  |  beschon  juck  frön  iücfrön 

sopine  itronerigd  itat  |  Karta  Ihilpa:  gfä  aus  ätwort  sik  in  grotere  lo. 

m.  Bild:|  wo  Massinissa  in  wert  |  to  enem  koningk  ghe  |  krönet 

IV.  Bild:   wo  sick  Massinissa  mit  der  kon  |  gin  Sophonisbe  vortrwen  leet  | 

un  beslep  se. 

V.  Bild:   wo  de  konig  Sophonisbe  to  |  fote  uel  un  begeret  ir  gna  |  de  von 

den  romeren. 
VL  Bild:   wo  Sipionis  den  Massinissa  hertichliken  straffet  von  we  |  gen  der 

Sophonisbe. 
VIL  Bild :   wo  Sipio  der  kongn   sof onis   |  be   schickt   er   ene  dranck  dat  se 

steruen  muste« 
Vni.  Bild:   wo  Massinissa  dorch  houeske  wort  un  ade  |  Uch  gebere  Sophonisbe 

beweg  warer  •  trost  1  tosage  dö  un  er  levet  et(ch)at  elik  trwet  beslape. 
Der  zusammengesetzte  Streifen   hat   links   und  rechts  unten  das  Stadt- 
wappen und  wird  an  den  Außenseiten  durch  einen  breiten,  ebenfalls  bestickten 
Rand    abgeschlossen,   am   unteren  Rande   hängen   noch  Troddeln.    Die  Stücke 
gehören  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  an. 

3.  Fünf  lange  schmale  bestickte  Streifen,  die  ebenso  wie  die.  vorigen 
an  den  Wänden  der  Ratsstube  bei  festlichen  Gelegenheiten  aufgehängt  wurden. 
Die  fünf  Stücke  passen  zu  den  Kissen,  ihre  Fläche  ist  ganz  mit  farbigem 
Ornament  auf  schwarzem  Grunde,  dem  der  Kissen  gleich,  bestickt,  zwischen 
denen  in  bestimmten  Abständen  wieder  die  nackten  Männer  mit  dem  Schilde 
stehen.  Unterbrochen  wird  das  Ornament  durch  senkrecht  aufstrebende  Blumen- 
zweige, die  in  einfachen  Gefäßen  stecken.  Unter  zwei  der  nackten  Männer 
steht  die  Jahreszahl  1579. 

4.  Zwei  je  4,67  m  lange,  0,62  m  breite  Wandbehänge  mit  gelb  und 
grünen  Blättern  auf  schwarzem  Grunde  und  Stadtwappen,  unter  dem  die  Jahres- 
zahl 1584  steht.    Der  Rand  ist  gelb,  mit  Troddeln. 

35 


-^    274    8^ 

Die  Technik  der  unter  1—4  genannten  Arbeiten  ist  eine  gobelinartige, 
die  Bildfäden  sind  eingenäht  in  eine  Fläche  aus  gespannten  Fäden. 

5.  Eine  Altardecke,  1,87X0,80  m  groß,  in  vier  aneinander  gereihte, 
abwechsehid  blau  und  rote  Abteilungen  durch  gestickte  Streifen  geteilt  Auf 
den  Flächen  sind  gotisch  geformte  Blätter  aus  grauem  Leinen  aufgenäht  Die 
Blätter  sind  dann  teils  überstickt,  teils  bemalt  auf  Kreidegrund.  Die  äußeren 
und  der  mittlere  Teilungsstreifen  zeigen  wiederholt  das  Lamm,  erhaben  gestickt 
Unten  wird  die  Decke  ebenfalls  durch  einen  bestickten  Streifen  abgeschlossen. 
Die  Omamentstickerei  der  Streifen  hat  als  Kern  Kupferdraht,  der  umwickelt  imd 
dann  auf  der  Unterlage  festgestickt  ist  Das  Stück  gehört  dem  Ende  des 
15.  Jahrhunderts  an. 

6.  Ein  gotisches  Antependiiun  vom  Ende  des  15.  Jahrhunderts.  Der 
graue  Leinenuntergnmd  ist  durch  schmale  blaue  Streifen  in  drei  Abteilungen 
getrennt  Die  Flächen  sind  ausgefüllt  mit  zierlichem  gesticktem  Rankenwerk,  in 
dem  Grün  vorherrscht.  Im  Mittelfelde  wird  die  Mitte  betont  durch  eine  Mandorla 
mit  sitzendem  Christus.  In  den  Seitenfeldem  sind  rechts  und  links  je  zwei 
Wappenschilder  mit  dem  Löwen  und  dem  Stadtwappen  verteilt  Der  breite 
Rand  ist  ebenfalls  mit  Rankenwerk,  in  den  Ecken  des  unteren  Randes  rechts 
und  links  mit  dem  Brustbild  eines  Engels  bestickt.    Größe  1,96X1,05  m. 

7.  Eine  grünsammetne  Altardecke  mit  Spitzen  und  der  Zahl  1746  auf 
der  Rückseite. 

8.  ReUquienkästchen,  14  cm  lang,  6  cm  breit,  13  cm  hoch  mit  dach- 
förmigem Deckel.  Der  Holzkörper  ist  mit  vergoldetem  Kupferblech  überzogen  und 
emailUert  Auf  der  geraden  imd  der  dachförmigen  Vorderseite  sind  je  drei  Kreise 
mit  geflügelten  Halbfiguren,  die  Nimbus  und  Buch  haben  imd  auf  Wolken 
stehen,  dargestellt  Zwischen  den  Figuren  und  den  Kreisen  ist  der  Grund  mit 
dunkelblauem  Email  ausgelegt  Die  Wolken  bestehen  ebenfalls  aus  EmaiL  Die 
Gewandlinien  der  Figuren  sind  eingeritzt  Zwischen,  den  Kreisen  in  den 
Zwickeln  sind  Rosetten  in  grünem  und  weißem  Email  eingelegt.  Die  Köpfe 
der  Figuren  sind  aufgesetzt  und  modelliert  aus  vergoldetem  Silber.  Die  Rück- 
seite bedeckt  ein  schachbrettartiges  Rautenmuster,  das  abwechselnd  Rauten  von 
blauem  und  grünem  Email  und  Gold  vom  stehengebUebenen  Grundmetall  zeigt 
Auf  den  Seiten  sind  zwei  ganze  Figuren  mit  Nimbus  und  Buch  dargestellt  auf 
einem  Grunde,  der  aus  blauen,  grünen  und  goldenen  Rauten  besteht  Die 
schöne  Arbeit  scheint  sehr  alt  zu  sein. 

9.  Ein  Hostienkasten  aus  Holz,  23  cm  lang,  22,5  cm  breit,  9  cm  hoch, 
aus  dem  15.  Jahrhundert  Der  Deckel  zeigt  in  der  Mitte  eine  profiherte  Mandorla 
mit  einem  sitzenden  Christus.  In  den  Ecken  sind  die  vier  Evangelistenzeichen 
eingelassen,  die  aus  vergoldetem  Metall  auf  farbigem  Emailgnmde  bestehen.  Die 
in  Vierpässen  liegenden  Tierbilder  haben  Schriftbänder  mit  gotischen  Majuskeln. 
Jede  Seite  des  Kastens  ist  in  zwei  Füllungen  geteilt,  die  gegossene,  vergoldete 
Metallornamente  enthalten.  Diese  Ornamente,  die  unter  sich  gleiche  Muster 
zeigen,  sind  durchbrochen  und  bestehen  aus  je  vier  Ejreisen,  die  in  der  Mitte 
ein  Vierblatt  einschließen.  In  den  Kreisen  sind  kleine  Figuren,  oben  Ritter  zu 
Pferde,    unten  Gehamischte  zu  Fuß,   in  lebhafter  Bewegung  dargestellt     Der 


-^    275    »^ 

Holzgrund  der  Ornamente  ist  blau  bemali  Der  Deckel  des  Kastens  ist  innen 
bemalt  mit  einem  gekreuzigten  Christus,  neben  dem  Maria  und  Jobannes  stehen. 
Die  Oruppe  wird  umschlossen  von  einer  Mandorla.  In  den  vier  Ecken  sind  die 
Evangelistensymbole  dargestellt,  die  Tierbilder  oben  halten  Schriftbänder  mit 
Majuskeln,  die  unteren  nicht.  Der  Grund  des  Bildes  ist  rot,  die  Gewänder  und 
einzelne  andere  Teile  gold,  die  Tierbilder  in  naturUchen  Farben  bemalt,  das 
übrige  Innere  des  Kastens  ist  rot  gestrichen. 

10.  Kleine  silbervergoldete  Monstranz  aus  dem  großen  Heiligen  Geist, 
bestehend  aus  hohem  Fuße  und  runder  Kapsel,  17,5  cm  hoch.  Die  Kapsel  hat 
5  cm  Durchmesser.  Der  Fuß  hat  einen  Knauf.  Die  Kapsel  wird  von  einem 
Kreuz  mit  kleinem  Ghristuskörper  bekrönt.  Die  Vorderseite  der  Kapsel  zeigt  ein 
Mittelfeld  mit  einer  plastischen  Kreuzgruppe,  Maria  und  Johannes  neben  dem 
Gekreuzigten,  in  feiner  Arbeit,  über  dem  Kreuz  „in  •  r  •  i  •"  neben  der  Gruppe,  aber 
noch  innerhalb  des  Kreises  die  Inschrift:  „iaspar  •  melchior  •  baltazar  •''  Um  das 
Mittelfeld  läuft  am  Rande  der  Kapsel  die  Inschrift:  „ihesvs  |  nazarenvs  |  rex  | 
ivdeorv*'^  Die  Rückseite  zeigt  im  Mittelfeld  die  gekrönte  Maria  mit  dem  Kinde 
auf  einem  Halbmond,  in  das  Metall  eingeschnitten,  mit  der  Umschrift:  „ave  | 
maria  |  gracia  |  plena  |  dns  |  tec.''  Die  zwischen  den  beiden  Deckeln  liegende 
schmale  Zylinderiläche  besteht  aus  Vierecken  mit  Vierpässen. 

11.  Eine  große,  silbervergoldete  Monstranz,  die  angebUch  in  einem  Wand- 
schranke der  Kirche  zu  Nikolaihof  in  Bardowick  gefunden  sein  soll.  Auf  einem 
Kelchfuß  steht  ein  architektonischer  Aufbau.  Der  Rand  des  Fußes  besteht  aus 
sechs  Kreisteilen,  die  eingeritzte  Engelfiguren  mit  Emblemen  zeigen.  Der  Schaft 
hat  einen  kleinen  Knauf.  Über  und  imter  dem  freien  Raum  für  die  Hostie  sind 
ornamentierte  Teller  angebracht,  zwischen  ihnen  seitlich  strebepfeilerartige 
Architektiuren.  Die  Bekrönimg  bildet  eine .  turmartige  Architektur.  Am  unteren 
Teller  die  Inschrift:  „ecce  •  panis  •  angelo(rum)  •  ecce  •  panis  •  angeloru(m*)" 

12.  Kelch  mit  Patene  aus  dem  Gral,  17,5  cm  hoch.  Der  Fuß  wird  aus 
sechs  Kreisteilen  gebildet,  auf  der  einen  Seite  ist  ein  plastisches  Kruzifix  aufgeheftet, 
auf  der  anderen  Seite  ein  goldener  Wappenschild  mit  einem  bärtigen  Kopf  in 
braunem  Email,  Wappen  der  Famihe  von  Winsen.  Die  sechs  Nägel  des  Knaufes 
sind  emailliert.  Am  Schaft  unter  dem  Knauf  die  Inschrift:  „maria,''  über  dem 
Schaft:  „ihesvs,"  in  gotischen  Minuskeln.  Die  Patene  hat  innerhalb  des  glatten 
Randes  einen  Fünfpaß,  auf  dem  Rande  ein  eingeritztes  Weihkreuz. 

13.  Kelch  mit  glattem  Fuß,  17,5  cm  hoch,  aus  dem  Gral,  Knauf  reich 
verziert  mit  Maßwerk,  auf  den  Nägeln  plastische  Engelköpfe,  auf  dem  nmden 
Fuß  eingeritztes  Kruzifix.  Unter  dem  Fuß  steht  die  Inschrift:  „Closter  Meding. 
Anno  1708."    Die  Patene  ist  glatt,  am  Rande  ein  eingeritztes  Weihkreuz. 

14.  Kelch  mit  Patene  aus  dem  großen  Heiligen  Geist.  Der  Fuß  ist 
begrenzt  durch  sechs  Kreisteile,  deren  Ränder  ein  fortlaufendes  Schriftband  tragen 
mit  der  Inschrift :  ANNO  •  DOMINI  •  MCCCC  •  XVXK  •  DEDIT  •  MÄRTEN  •  BECKKER  • 
DESSEN  •  KELLICK  •  IN  •  DE  •  ERE  •  DAR  •  HILLEGEN  •  DREVALDICHEIT  • 
VNDE  •  ALLE  •  CR(I)STEN  •  SELE  •  Auf  dem  Fuß  ein  plastischer  Christuskörper 
an  einem  eingeritzten  Kreuz.  Der  senkrechte  Rand  des  Fußes  ist  mit  Dreipässen 
durchbrochen.     Der  Knauf    ist   mit  Maßwerk   verziert,   auf  den   Nägeln   steht 

35* 


->4    276    8^ 

MARIIA,  über  dem  Knauf   am  Schaft  fflESVS,   unten   CMSTVS.    Die  Patene 
hat  eingedrückten  Vierpaß. 

15.  Kelch,  dessen  Fuß,  Schaft,  Knauf  und  unterer  Teil  des  Bechers  mit 
gegossenen  Silberomamenten,  Engelköpfe  zwischen  Blattwerk,  verziert  sind. 
Am  Rande  des  Bechers  ist  ein  Wappen  eingeritzt,  das  in  der  Mitte  geteilt  ist 
und  in  der  oberen  Hälfte  einen  wilden  Mann,  in  der  unteren  drei  Blumen  zeigt 
Die  Helrazier  ist  ebenfalls  ein  wilder  Mann.  Ober  dem  Wappen  die  Buch- 
staben: C-K-,  darunter  BVRGEMEISTER. 

16.  Kelch,  27,5  cm  hoch,  mit  Patene,  aus  dem  Gral.  Der  sechsteilige 
Fuß  hat  durchbrochenen  Rand,  eine  kleine  plastische  Kreuzgruppe  mit  Maria 
und  Johannes  neben  dem  Gekreuzigten  und  am  Rande  die  Umschrift:  „DORGH 
GOT  •  VNDE  .  BIDDET  •  VOR  •  DIDERICK  •  HESSEBEKEN  •  SELE  •  DAT  •  OM 
GOT  •  GNEDICH  •  SI  •  DOT".  Unt«r  dem  Fuß  steht:  „D  •  NICOLAVS  •  DE 
TZERSTEDE  •  D  •  GEORGIVS  •  BORCHOLT  •  GEORGIVS  •  DITMERS  •  ET  •  ANDREAS 
DE  .  BAVENTEN  •  TESTAMENTARH  •  CONRADI  •  SLVTERS  •  DEDERVNT 
DOMVI  .  MISERICORDIE  •  ANNO  •  1566  •"  Die  Kuppa  ist  anscheinend  später 
aufgesetzt  Der  Knauf  hat  eingeritztes  Ornament,  die  Nägel  zeigen  die  Buch- 
staben: IHESVS.  Ober  dem  Knauf  im  Schaft  die  Buchstaben:  IHESVS  CHRIST, 
übereinander,  unter  dem  Knauf:  MARIA. 

17.  Kelch,  17,5  cm  hoch,  der  Fuß  mit  sechs  KreisteUen  und  aufgeheftetem 
Ghristuskörper  an  eingeritztem  Kreuz.  Knauf  mit  eingeschnittenem  Ornament 
und  vier  Nägeln  mit  emaillierten  Kreisen.   Ober  dem  Knauf:  ihesvs  •  crist 

18.  Kruzifix  mit  hölzernem  Postament  und  silbernem  Körper.  Gesims 
und  Sockel  des  Postamentes  sind  ornamentiert,  auf  dem  mittleren  glatten  Teil 
ist  ein  Ehewappen  gemalt  Der  rechte  Schild  zeigt  drei  Büsche,  der  linke  drei  Bäume, 
die  eingefriedigt  sind.  Das  Kreuz  ist  glatt.  Auf  der  Rückseite  aufgemalt  die  Inschrift : 
„Herr  Georg  Büsche  ältester  Bürgermeister  und  Provisor  des  Hospitals  zum  großen 
Heiligen  geist  in  Lüneburg,  und  Fraue  Beate,  Dorothe  Baumgarten,  uxor,  haben 
dieses  Cruzifix  samt  dem  Rohten  Sametten  Altar-Laken  zur  Ehre  Gottes  v. 
ihren  gedechtnis  besagtem  Hospital  verehret.    Ao.  1708." 

19.  Silberne,  innen  vergoldete  Kanne,  22  cm  hoch,  deren  Deckel  und 
Fuß  gepreßtes  einfaches  Ornament  zeigt.  Auf  dem  Deckel  links  Wappen,  rechts 
Figur  mit  Nimbus,  Schwert  und  Kreuz,  darunter:  KLOSTER  •  LVNA  •  1708. 

20.  Silberne,  iimen  vergoldete  Kanne,  29,5  cm  hoch. 

21.  Vergoldetes  Saugröhrchen  aus  dem  Gral.  Die  Vorderseite  ist  blatt- 
ähnlich gebildet 

22.  Hostienbehälter,  rund,  8  cm  Durchmesser,  5  cm  hoch,  aus  Silber, 
mit  schmalem,  gepreßtem  Rand.  Die  Scharniere  sind  in  Form  von  Lilien  auf 
dem  Deckel  befestigt  Der  Knauf  auf  dem  Deckel  ist  vielflächig  mit  durch- 
brochenen Dreipässen. 

23.  Hostienbehälter,  oval,  silbervergoldet,  mit  eingepreßtem  Spät- 
renaissancerand. Auf  dem  Deckel  eingeritzte  Figur  und  die  InscIuift: 
CLOSTER  •  EBSTORFF  •  1708. 

24.  Eine  Tasche  aus  grünem  Sammet,  mit  Goldstickerei  am  Rande,  im 
Innern  rote  Seide.    Die  Tasche  enthält:  eine  kleine  silbervergoldete  sechsseitige 


-^    277    %^ 

Weinkanne  mit  Deckelverschraubung,  auf  den  sechs  Seiten  sind  die  Marter- 
werkzeuge Christi  eingeritzt,  ganze  Höhe  9,5  cm;  einen  durchbrochenen  runden 
vergoldeten  Löffel  und  eine  runde  silbervergoldete  Hostienbüchse,  auf  deren 
Deckel  ein  Kruzifix  eingegraben  ist,  am  Boden  steht:  HAGELBERG.  Diese 
Gegenstande  gehören  dem  17.  Jahrhundert  an. 

25.  Eine  runde  silberne  Hostienbüchse  mit  gepreßten  Ornamenten,  unter 
dem  Boden  steht:  „R  •  D  •  REIMERN  •  geboh  •  von  STÖTTEROGEN  •  1710-  dieses  • 
geschenckt". 

26.  Zwei  silberne  Altar-Leuchter,  teilweise  vergoldet.  Der  Schaft  ist 
bündeiförmig  gestaltet.  Auf  dem  Fuß  ist  ein  Ehewappen  mit  fünfzackiger 
Krone  darüber  eingeritzt.  Zwischen  den  Wappen  steht:  1708,  darunter  links: 
B  •  L  •  V  •  S  •,  (Stöterogge),  rechts:  C  •  K  •  (Kroger). 

27.  Eine  halbkugelförmige  silbervergoldete  Schale  mit  Henkel,  auf  drei 
kugeligen  Füßen  mit  Blattomament  stehend. 

'  28.  Ein  aus  Holz  geschnitztes  Kästchen  mit  Aufbau  zum  Auflegen  der 
Finger  bei  Eidesleistungen.  Auf  einem  rechteckigen,  mit  ornamentiertem  Sockel 
und  Bekrönung  abgeschlossenen,  massiven  Unterbau  liegt  eine  herumlaufende 
Kehle,  mit  Plattform.  Auf  dieser  ist  in  der  Mitte  ein  walzenförmiger  Körper 
befestigt,  auf  den  die  Schwurfinger  gelegt  wurden,  neben  ihm  stehen  zwei 
Stangen  imd  hinter  diesen  knien  zwei  geflügelte  Gestalten.  Die  Vorderseite  des 
Unterbaues  zeigt  plastisch  den  Gekreuzigten  mit  Maria  und  Johannes,  auf  blauem 
Grunde.  Rand  und  Gewänder  sind  vergoldet.  An  der  Rückseite  ist  Gott  Vater 
auf  dem  Regenbogen,  zu  Füßen  die  Weltkugel,  dargestellt,  neben  ihm  zwei 
musizierende  EngeL  An  der  schmalen  Seite  befindet  sich  rechts  St  Georg,  links 
Johannes  der  Täufer.  Unter  dem  Boden  steht:  GERT  •  GARSTENKORN  •  1597, 
außerdem  sind  hier  zwei  auf  Papier  gemalte  Wappen  aufgeklebt. 

29.  Ein  ebensolcher,  aber  einfacherer  und  am  Unterbau  nur  bemalter 
Bürgereidkasten  aus  späterer  Zeit  Die  Form  ist  dieselbe  wie  bei  Nr.  27.  Die 
knienden  Figuren  sind  nicht  geflügelt.  An  der  Vorderseite  des  Unterbaues 
erscheint  in  der  Mitte  Christus,  rechts  und  Unks  eine  schwebende  weibliche 
und  männliche  Gestalt  in  Wolken,  auf  der  Rückseite  die  heilige  Dreieinigkeit, 
links  JVSTITLV  mit  Schwert  und  Wage,  rechts  VERITAS  mit  Stab. 

30.  Eine  silberne  Lichtputzschere  mit  ornamentierten  Füßen,  am  Boden 
die  Stadtmarke. 

31.  Ein  goldener  Schlüssel,  dessen  Kopf  mit  Empireornament  verziert 
ist,  mit  schmucklosem  Kissen. 

32.  16  silberne  Probiemadeln  mit  Stein,  für  die  Prüfung  des  Feingehalts 
von  Gold,  vom  Leihhause. 

33.  Fünf  Stempel  der  Goldschmiede. 

34.  Mehrere  Medaillen. 

35.  Ein  sehr  wertvolles  Münzbuch  mit  eingehefteten  36  Gold-  und 
34  Sübermünzen  Lüneburgs,  aus  dem  15.  Jahrhundert. 

36.  Die  Valvationstabellen  mit  angehängten  Münzen  aus  derselben  Zeit. 

37.  Ein  gotischer  Holzkasten,  außen  mit  einfarbigem  Anstrich  auf 
Kreidegrund.    Die  Innenseite  des  Deckels  ist  mit  zwei  Apostelfiguren  in  farbiger 


-<-8    278    8^ 

Tempera  auf  Goldgrund  bemalt;  der  Kasten  enthält  fünf  getriebene,  vei^oldete 
Silberbleche,  die  je  eine  Nische,  von  zwei  turmartigen  Gebilden  begleitet,  dar- 
stellen. In  der  Nische  steht  auf  emailliertem  Grunde  eine  massive  Silberfigur, 
Maria  mit  dem  Kinde  und  eine  andere  Heiligenfigur  abwechselnd.  Die  Bleche 
scheinen  die  Seitenverzierung  eines  Kastens  gebildet  zu  haben;  sie  wurden  beim 
Abbruch  des  alten  Gralgebäudes  gefunden. 

38.  Eine  Holzschachtel  enthält  Teile  eines  Rosenkranzes  aus  schwarzen 
Homperlen,  abwechselnd  mit  vielflächigen,  durchbrochenen  Silberknöpfen;  den 
Stempel  für  ein  kleines  städtisches  Kämmereisiegel;  ein  kleines  Reliquienkreuz 
mit  eingeritztem  Kruzifix  und  Reste  eines  anderen  Reliquienkreuzes. 

39.  Ein  bronzener  Leuchter  mit  profiliertem  Mittelkörper,  für  eine  Kerze. 
Auf  demrundenFuße steht  die hischrift:KAMMEREY:  ANNO. DONI 1  •683—1.5.88; 
am  Anfang  der  Schrift  das  Töbingsche  Wappen,  *  zwischen  den  2jahlen  das 
Witzendorf  sehe  Wappen,  eingeritzt. 

Bürgermeister-  Die  Bürgermeisterkammer,  östüch  von  der  großen  Ratsstube,  hat  an  den 

Wänden  2,30  m  hohe  Holzverkleidung,  die  durch  kanneherte  ionische  Pilaster 
geteilt  wird.  Im  Gebälk  sitzt  über  jedem  Pilaster  ein  Konsol.  Die  Tür  zur 
Ratsstube  ist  im  Stichbogen  gewölbt  und  hat  in  den  Zwickeln  eingelegte  Augen. 
Die  Postamente  der  Pilaster  sind  ebenfalls  eingelegt  Der  Fußboden  besteht  aus 
glasierten  Platten  mit  grünem  Blattmuster  auf  gelbem  Grunde.  Unter  dem 
Fenster  läuft  eine  Bank  hin,  deren  Sitz  aufklappbar  ist.  Die  Vorderteile  der 
Bank  zeigen  eingelegte  Linien. 
Sonstige  Räume.  Von  diesem  Zimmer  führte  eine  jetzt  vermauerte  Tür  zum  alten  Archiv, 

jetzigem  Magistratssitzungssaal,  eine  andere  Tür  vermittelt  den  Zugang  zur 
Kollektorei,  einem  schmucklosen  Räume,  der  wieder  mit  der  groiten  Ratsstube 
verbunden  ist. 

Im  Obergeschosse   des  Baues  von  1567  hegt  über  der  Ratsstube  und 
dem  Nebenzimmer  ein  flachgedeckter   großer  Raum,   der  jetzt  als  Registratur 
benutzt  wird.     Er   enthält   an   der  Ostseite    einen  aus  Gipsputz  beigestellten 
großen  Kamin  aus  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts. 
Äußere  Die  äußere  Ansicht  des  Baues  von  1567  nach  dem  Ochsenmarkt  ist  in 

drei  Geschosse  geteilt.  Das  untere  Geschoß  ist  einfach  und  hat  als  Schmuck- 
teile nur  die  beiden  kleinen  Türen  zu  den  Durchgängen  aufzuweisen.  Diese 
Türen  sind  im  Stichbogen  geschlossen  und  liegen  in  einer  mit  Tausteinen  und 
Bimstäben  eingefaßten  Spitzbogennische.  Das  Feld  über  den  Stichbögen  wird 
ausgefällt  mit  einem  von  Tausteinen  eingefaßten  geneigten  Schild,  der  das  aus 
Holz  hergestellte  imd  bemalte  Stadtwappen  enthält  Das  große  Portal  geht 
durch  die  beiden  unteren  Geschosse  und  ist  mit  einem  Spitzbogen,  der  zweimal 
gebrochen  ist,  überwölbt.  Die  Leibungen  des  Portals  zeigen  dreimal  zurück- 
springende Glieder,  aus  Tausteinen  imd  einem  Bimstab  gebildet  Der  Spitzbogen 
wird  begleitet  von  einem  geputzten,  durch  Taustäbe  eingerahmten  Fries.  Auf 
der  Spitze  des  Bogens  steht  eine  kleine  von  Tausteinen  eingerahmte  Nische  mit 
einem  Bildwerk,  Simson  und  den  Löwen  darstellend;  zu  Füßen  des  BUdwerks 
ist  der  Stadtschild  angebracht.  Rechts  und  links  neben  der  Nische  befinden 
sich  zwei  gegeneinander  geneigte,  von  Tausteinen  umrahmte  Schilde  mit  dem 


Architektur. 


■^    279    »^ 

Wappen  des  Landes  und  der  Stadt  Über  dem  Portal  im  Obergeschoß  ein  Kreis 
aus  Tausteinen,  in  der  unregelmäßigen,  offenbar  später  veränderten  Wandfläche 
sind  noch  Spuren  von  Kreisen  und  der  Anschnitt  der  „Laube"  (vergl.  S.  205) 
erkennbar. 

Die  beiden  oberen  Geschosse  sind  rechts  neben  dem  Portal  durch  Reihen 
von  Nischen  in  jedem  Geschosse  zusammengefaßt,  so  daß  zwei  große  Horizontal- 
motive entstehen,  die  unterstützt  werden  durch  fortlaufende  geputzte  Friese 
imter  den  Fensterreihen.  Die  Friese  und  die  Nischen  sind  von  Tausteinen 
eingefaßt.  Der  untere  Fries  wird  von  Kreisen  aus  Tausteinen  unterbrochen. 
Der  obere  Fries  zeigt  nur  in  der  Mitte  eine  Unterbrechung  durch  ein  von 
Tausteinen  eingerahmtes  rechteckiges  Feld,  das  ein  Sandsteinrelief  enthält,  eine 
an  den  Ecken  aufgerollte  Tafel,  von  zwei  geflügeltön  Figuren  gehalten.  Auf 
der  Tafel  in  zwei  Reihen  die  Inschrift:  ANNO  DOÄflNI  MDLXVE. 

In  den  Nischen  der  Geschosse  liegen  die  viereckigen  Fenster  ohne  weitere 
Umrahmung.  Über  den  Pfeilern  der  Nischenreihe  des  mittleren  Geschosses  sind 
abwechselnd  Kreise  und  Wappenschilde,  aus  Tausteinen  gemauert,  angebracht. 
Die  Kreise  enthalten  Holztafeln  mit  farbigen  großen  Sternen,  die  Schilder  das 
Stadt-  und  das  Landeswappen.  Das  Hauptgesims  wird  durch  ausgekragte 
Profilsteine  gebildet,  über  welche  das  Dach  vortritt 

Die  ganze  Ansicht  zeigt  die  absolute  Herrschaft  des  Tausteines,  neben 
dem  die  wenigen  anderen  Profilsteine  ganz  verschwinden. 

Die  Türen  haben  stark  profilierte  Rahmhölzer,  bei  den  kleinen  Türen 
schrägliegend,  beim  Portal  in  Form  der  Stadtmarke  S. 

Die  Rückseite  dieses  Baues  ragt  über  die  anderen  Dächer  hinaus  und 
ist  in  einfachem  Fachwerk  ausgebildet  Ein  kleiner  anschließender  Dacherker 
zeigt  hier  reichere  gotische  Holzformen,  sein  kleines  Giebelfeld  ist  mit  Kerbschnitt- 
mustem  bedeckt    Am  Fußholze  der  Lukenöffnung  steht  die  Jahreszahl  1539. 

An  den  oben  beschriebenen  Bau  von  1567  schließt  nach  Osten  ein  Zwischen- 
kleiner Bauteil  an,  der  im  Obergeschoß  einen  jetzt  als  Magistratssitzungssaal 
dienenden  mit  zwei  Kreuzgewölben  überdeckten  Raum  enthält  Die  Kreuzgewölbe 
sind  1900  umgebaut  Früher  befand  sich  hier  das  Archiv.  Unter  diesem  Saal 
lagen  zwei  kleine  fensterlose,  mit  Kreuzgewölben  überdeckte  Räiune,  deren 
Gewölbe  bei  dem  Umbau  von  1900  beseitigt  wurden.  Besonders  schön  ist  die 
äußere  Architektur  dieses  kleinen  Bauteiles.  Über  einer  hohen  schmucklosen 
Fläche  liegt  eine  Reihe  von  Spitzbogennischen.  Die  Spitzbögen  sind  von  doppelten 
Profilsteinen  eingerahmt.  Die  Nischen  werden  unter  dem  Kämpfer  durch  zwei 
profilierte  Backsteinpfosten  mit  einfachem  Fuß  und 'Kapitell  in  drei  tiefliegende 
Flächen  geteilt,  die  mit  kleeblattförmigen  Steinen  überdeckt  sind.  In  der  Fläche 
darüber  liegt  ein  von  Profilsteinen  gebildeter  Kreis.  Unter  der  Nischenreihe  zieht  sich 
ein  geputzter  von  Nasensteinen  gebildeter  Fries^hin,  über  den  Pfeilern  hegen  zwischen 
den  Spitzbögen  schräge  Schilder,  aus  Backsteinen  gemauert,  in  ihnen  abwechselnd 
die  aus  Holz  hergestellten  Wappen  der  Stadt  und  des  Landes,  das  Hauptgesims 
wird  durch  das  überschießende  Dach  gebildet  Die  Nischenreihe  scheint  früher 
nach  Osten  weitergegangen  zu  sein.  Die  innere  Teilung  des  Gewölbes  paßte 
nicht  zu   der  Außenarchitektur,  erst  durch  den  Umbau  von  1900,   bei  dem  an 


-^    280    %^ 

der  Außenseite  nichts  geändert  wurde,  ist  die  innere  Gewölbeteilung  der  Teilung 
der  Nischen  entsprechend  abgeändert  worden.  Die  Rückseite  des  Baues,  der 
außerordentlich  starke  Mauern  hat,  ist  mit  einem  Treppenhause  zugebaut,  enthielt 
aber  früher  Fenster.  Im  Dache  ist  noch  der  westliche  Giebel,  der  vor  Herstellung 
des  Baues  von  1567  frei  lag,  zum  Teil  erhalten.  Er  hatte  nur  eine  Mittelstaffel 
und  zwei  untere  Staffeln,  in  der  Mitte  saß  eine  schlanke  Spitzbogennische  mit 
Pfostenteilung,  die  Dachhnie  wurde  betont  durch  ein  schräg  nach  oben  laufendes 
Nasengesims.  Der  Taustein  fehlt  an  diesem  Bauwerk,  das  der  letzten  Hälfte 
des  15.  Jahrhunderts  angehören  wird,  noch  vollständig.  Der  verbindende  Gebäudo- 
flugel  zwischen  dem  beschriebenen  Bau  und  dem  Kämmereigebäude  am  Marienplatz 
enthält  nur  Verwaltungsräume,  die  mehrfach  umgebaut  worden  sind.  Die  Außen- 
seite am  Ochsenmarkte  zeigt  noch  die  Spuren  einer  Reihe  von  Stichbogennischen, 
in  denen  ehemals  die  Fenster  saßen.  Im  Erdgeschoß  erkennt  man  Reste  von 
Spitzbogenöffnungen.  An  dieser  Seite  war  das  Mauerwerk  mit  grünen  Glasur- 
schichten, die  mit  den  roten  Ziegelsteinen  abwechseln,  geschmückt  An  der 
Hofseite  ist  die  obere  Nischenreihe  sichtbar.  Im  Dach  ist  der  östliche  Giebel 
noch  teilweise  erhalten,  er  zeigt  lange  Nischenteilung  mit  frühen  Profilen,  die 
über  dem  östlich  anschließenden  Dache  liegen.  Die  Keller  sind  von  Tonnen- 
gewölben, die  auf  Pfeilern  mit  Rundecken  stehen,  überdeckt 
Kämmerei-  In  der  Ecke  nach  dem  Kämmereigebäude  liegt  im  Hofe   eine  gemauerte 

S^    ^  e-    Wendeltreppe  mit  neuem  Dach. 

Diele.  Das,  mit  zu  den  frühesten  Bauten  des  Rathauses  gehörende  Kämmerei- 

gebäude liegt  am  Marienplatz,  mit  dem  nördlichen  Giebel  bis  zum  Ochsenmarkte 
reichend.  Es  enthält  im  Erdgeschosse  eine  große  Diele,  mit  Zugang  vom 
Ochsenmarkte,  die  durch  zwei  Geschosse  reicht  und  mancherlei  neue  Einbauten 
zeigt.  Rechts  von  der  Diele,  nach  dem  Marienplatze,  befindet  sich  eine  Reihe 
von  Räumen  übereinander,  unten  Keller,  oben  die  sogenannte  Große  Kommissions- 
stube und  das  Standesamt 

Zu  einem  der  Kellerräume  führt  eine  Tür  in  späten  Renaissanceformen. 
Sie  hat  im  unteren  Teile  a<;ht  Füllungen  zwischen  profilierten  Rahmen,  darüber 
ein  ausgebildetes  Gebälk  mit  drei  Verkröpfungen,  unter  denen  Konsolen  sitzen. 
Der  Zwickel  zwischen  Gesims  und  Stichbogenschluß  wird  ausgefüllt  von 
flachem  Ornament,  einem  Engelskopf  zwischen  Füllhörnern. 

In  der  südlichen  Wand  der  Diele  führen  zwei  Türen  zur  Sülfmeister- 
körstube  und  zu  einem  Nebenraum.  Diese  Türen  sind  im  Stichbogen  überdeckt 
und  liegen  in  hohen  Spitzbogennischen,  über  dem  Stichbogen  befindet  sich  ein 
Nasengesims,  innerhalb  der  Spitzbögen  liegen  gemauerte  Wappenschilde  mit  den 
Wappen  des  Landes  und  der  Stadt  Die  Tür  zur  Sülfmeisterkörstube  gehört  zu 
den  schönsten  Teilen  der  erhaltenen  spätgotischen  Holzarbeiten  (Fig.  95).  Sie 
ist  in  32  Füllungen  durch  profiUerte  Rahmhölzer  geteilt  Jede  der  Füllungen 
enthält  zierhches,  sehr  gut  gezeichnetes  Maßwerk  auf  blauem  oder  rotem  Grunde 
in  verschiedenen  Mustern.  In  der  Ostwand  der  Diele  unter  der  neuen  Treppe 
befindet  sich  noch  eine  spätgotische  Tür  mit  acht  FüUimgen,  deren  Flächen 
aufgerolltes  Bandwerk  mit  Ornament  ziert.*  In  dem  neuen  Spitzbogen  über 
dieser  Tür  sitzt  ein  altes  Stadtwappen. 


■*4    2S1    i*- 

Ober  einer  Tür  in  der  westlichen  Wand  der  Diele  hängt  eine  spät- 
gotische Schlußsteinrosetie  aus  Holz. 

Auf  den  ÄnfangspfeUern   der  Treppe  stehen  zwei   Sandsteinlöwen  mit 
den  Wappen  der  Stadt  und  des  Landes. 

Einige  Türen  haben  bemerkenswert«  Beschläge. 

Die  sogenannte  große  Kommissionsstube  ist  ein  rechteckiger  Raum  mit    Croßi!  Kom- 
je  zwei  Fenstern  nach  dem  Ochsenmaxkte  und  dem  Marienplatze.     Die  Fenster 
bilden  in  den  starken  Mauern  tiefe  Nischen,  die  am  Ochsenmarkt«  zu  Sitzplätzen 
ausgenutzt  sind.   Die  Fensterwände 
und  die  östliche  Laagwand  sind  bis 
zur  Decke  mit  reicher  Holzverklei- 
dung bedeckt,  an  der  Südwand  be- 
findet sich    nur  die   reich   ausge- 
bildete Tür. 

Die  Wandverkleidung  steht  auf 
einem  hohen  Sockel,  vor  dem  sich 
an  den  Langseiten  Wandbänke  hin- 
ziehen. Diese  Bänke  ruhen  auf  Kon- 
solen, über  denen  ein  mit  ange- 
schnittenem, aufgelegtem  Ornament 
verziertes  Brett  liegt,  das  den  Sitz 
tr^t  Cber  den  Bänken  ist  die 
Wandfläche  bis  2,35  m  Höhe  geteilt 
durch  stark  vortretende  hennenartige 
Pfeiler,  deren  oberer  Teil  aus  weib- 
lichen und  männlichen  Figuren  be- 
steht, die  aus  omamentalem  ba- 
rockem Ornament  herauswachsen. 
Die  sich  nach  unten  verjüngenden 
Pfeiler  unter  den  Figuren  stehen  auf 
Postamenten  mit  eingelegten  Vorder- 
flächen. Über  den  Köpfen  der  Figuren 

vermitteln  Muscheln  mit  konnthi-         „^.^  iuti..u.;Türznr  80]fmei.wr-K»rk«nn..r. 
sehen    Kapitellen,    teilweise    auch 

Früchte  und  Rollwerk  den  Cbergang  zu  dem  reichen  Gebälk,  das  über  den 
Figuren  verkröpft  ist.  Der  Fries  zwischen  den  VerkrÖpfungen  ist  reich  mit 
phantastischem  Rollwerk  verziert,  deren  Mittelpunkte  stark  hervortretende 
Köpfchen  bilden.  Auf  den  FriesverkiÖpfungeii  sitzen  ebenfalls  Köpfeben.  Das 
Gesims  wird  belebt  durch  Eierstab  und  Zahn  schnitt.  Zwischen  den  hermen- 
artigen Figuren  sind  auf  den  FüUungsflächen  Bogenstellimgen  angebracht, 
bestehend  aus  Fußgesims,  korinthischen  Pilastern,  bekrönendem  Gesims  und 
ornamentalem  Obei^ang  zum  Architrav.  Alle  Flä<:hen  sind  eingelegt,  teil- 
weise mit  farbigen  und  gebrannten  Hölzern.  Über  dem  Gesims  setzt  sich  die 
untere  Teilung  fort  durch  kannelierte  ionische  Pilaster,  über  denen  ein  ein- 
faches Gesims  den  Gbei^ang  zur  Decke  vermittelt     Zwischen  den  Pilastem  ist 


die  Fläche  durcli  Leisten  in  einfache  Füllungen  geteilt,  die  teilweise  mit  Intamen, 
teilweise  mit  autgelegtem  ausgesägtem  Ornament  verziert  sind. 

Die  nach  Süden   liegende  Doppeltür  wird  nach  dem  Zimmer  zu  ein- 
gerahmt von  zwei  freistehenden  kannelierten  korinthischen  Säulen  mit  omamen- 


Tlg.  w.   BBtliBD«;  Tür  lD_d«r  KroSsii  KommlailooaMnb«. 


-^    283    8^ 

tiertem  unteren  Schaftende  (Fig.  96).  Das  Postament  unter  den  Säulen  zeigt  Intar- 
sien. Das  ausgebildete  Gebälk  wird  in  der  Mitte  durch  einen  reichen  Rollwerk- 
iries  mit  einem  Engelkopf  und  Rosetten  geschmückt,  das  Gesims  ist  belebt  durch 
Eierstab  und  Zahnschnitt  Hinter  den  Säulen  ist  die  Wand  von  Holzwerk 
bekleidet,  das  imterbrochen  wird  von  flachen  Nischen  mit  Muschelbekrönung  und 
dessen  Flächen  reich  eingelegt  sind.  Über  dem  Gesims  erhebt  sich  ein  bis  unter 
die  Decke  reichender  Aufbau,  dessen  omamentales  Mittelfeld  von  zwei  konsolen- 
artigen Stützen  eingerahmt  wird.  Diese  Stützen  treten  weit  vor,  endigen  im 
oberen  Teile  in  einer  nackten  menschlichen  Halbfigur  von  sehr  feiner  Arbeit 
und  werden  seitlich  begleitet  von  durchbrochenen  omamentalen  Anläufem. 
Das  Ornament  des  Mittelfeldes  besteht  aus  Schneckenlinien  und  Früchten  mit 
Blättern,  die  einen  Kopf  umgeben.  Im  Fries  des  Gebälkes  sitzen  Konsolen. 
Über  dem  Gesims  stößt  ein  flacher  Frontgiebel  bis  dicht  unter  die  Decke.  Im 
Türflügel  baut  sich  über  einer  imteren  schlichten  Füllung  eine  eigenartig  und 
reich  gegUederte  Bogenstellimg  auf.  Auf  durchgehendem,  reich  ornamentiertem 
Postament  stehen  zwei  weibhche  Figuren,  die  ionische  Kapitelle  tragen.  Auf  den 
Kapitellen  setzt  ein  profilierter  Kielbogen  an,  der  ein  Gebälk  mit  zwei  Front- 
giebeln trägt,  zwischen  denen  ein  Konsol  hervortritt  Die  Bogenzwickel  sind 
mit  Engelköpfen  gefüllt.  Das  Feld  unter  dem  Bogen  und  die  untere  Füllung 
sind  reich  eingelegt  mit  farbigen  Hölzern,  die  Pflanzen-  und  Tiermotive  dar- 
stellen. Die  Rahmenflächen  der  Tür  sind  mit  helleren,  teilweise  gebrannten 
Omamenten  eingelegt 

Die  Decke  des  Raumes  besteht  aus  verkleideten  Balken.  Die  Ver- 
kleidxmg  ist  in  Rahmen  und  Füllung  geteilt,  ebenso  die  Felder  zwischen  den 
Balken.  Die  Rahmen  sind  mit  Intarsien,  die  Füllungen  mit  ausgesägten  und 
aufgelegten  Omamenten  verziert  Die  Rahmenprofile  zeigen  an  den  Balken 
Zahnschnitt,  an  den  Feldern  Eierstab. 

Die  äußere  Tür  ist  schlicht  in  Rahmen  und  Füllungen  verschiedener 
Form  geteilt  Der  geschmiedete  Beschlag  entstammt  derselben  Zeit  wie  das 
ganze  Zimmer. 

Die  Fenster  bestehen  aus  kleinen,  in  breiten  Bleistreifen  gefaßten  grün- 
lichen Gläsern.  Das  eine  Fenster  an  der  Westseite  zeigt  noch  einige  bemalte 
Scheiben,  links  eine  mit  ANNO,  aber  aus  späterer  Zeit,  darunter  eine  besondere 
mit  der  Zahl  1583,  rechts  eine  Scheibe  mit  dem  Stadtwappen  und  barocken 
Helmdecken. 

Die  Einrichtung  des  Zimmers  ist  eine  Schöpfung  des  Lüneburger  Bild- 
hauers Wameke  Burmester.    Sie  wurde  beendet  im  Jahre  1584. 

Gegenüber  hegt  das  Zimmer  des  jetzigen  Standesamtes,  von  Albers  noch  Standesamt. 
Schreiberei  genannt,  mit  zwei  gekuppelten  tiefen  Fenstern  nach  dem  Marienplatz. 
Die  dem  Fenster  und  der  Tür  gegenüberliegenden  Wände  sind  bis  zur  Decke 
mit  Holz  verkleidet  Die  Verkleidung  (Fig.  97)  wird  über  einem  1  m  hohen 
glatten  Sockel  durch  kannelierte  ionische  Pilaster  geteilt,  deren  untere  Schaft- 
enden mit  Einlagen  aus  dunklerem  Holze  belebt  sind.  Das  über  den  Pilastern, 
direkt  unter  der  Decke  liegende  Gebälk  hat  im  Fries  über  jedem  Pilaster  ein 

Konsol.     Zwischen    den    Konsolen    ist   der  Fries   mit   ausgesägtem   Ornament 

36* 


-»^    284    S-" 

bekleidet  Die  Felder  zwischen  dea  Filastem  ^d  in  zwei  Füllungen  mit  vor^ 
tretendem  RabmenprofU  geteilt  und  dienen  teilweise  als  Wandschränke.  An  der 
dem  Fenster  gegenüberliegenden  Wand  befindet  sich  eine  Sitzbank.     Die  Tür 


-H- 


Flg.  97.    RUhttui;  WudvcrkltldonK 


wird  eingerahmt  von  zwei  hohen  kanneUerten  Pilastem  mit  unter  die  Decke 
Btoßendem  Gebälk.  Die  Tür  selbst  ist  mit  schönen  Einlagen  in  architektonischen 
Formen  verziert    Die  AufSenseite  der  Tür  ist  schUcht 

Die  Deckenbalken  sind  verkleidet     Die  Verkleidungen  der  Balken  und 
der  dazwischenliegenden  Felder  sind  in  Rahmen    und  Füllui^en   geteilt    Die 


FtK-  W.    Bfttbu»;  Kkmln  In  dar  Bäirmetstar-K 


-^    286    8^ 

Fonnen  weisen    eine    gewisse   Verwandtschaft  mit   der  Wandverkleidung   der 
Bürgermeißterkammer  auf  und  werden  wohl  von  derselben  Hand  gegen  Ende 
des  16.  Jahrhunderts  geschaffen  sein. 
Sülfmeister-  Das  hinter  der  Diele  hegende  Sülfmeisterkörgemach  ist  jetzt  zur  Spai- 

r  ammer.  jj-^^g^  umgebaut  und  enthält  einen  hohen  Sandsteinkamin  (Fig.  98).  Zwei 
Hermen,,  links  eine  weibhche,  *  rechts  eine  männliche,  tragen  ionische  Kapitelle, 
über  denen  ein  Gebälk  hegt  Über  den  Hermen  befinden  sich  im  Fries  Wappen- 
schilder mit  den  Wappen  des  Landes  imd  der  Stadt,  dazwischen  steht  in 
erhabenen  Buchstaben :  TOLLE  •  FILIVM  •  TVVM  •  VNIGENTTVM  •  Q VEM  •  DILIGIS  • 
ISAAC .  ET .  VADE  •  TN  •  TERRAM  •  VISIONIS  •  AT  93  •  IBI  •  OFFERES  •  EVM  -  IN  • 
HOLOCA  VSTVM  •  S  VPER  •  VNVM  •  MONTIVM  •  QVEM  •  MONSTRA  •  VERO  •  TIBI  • 
GEN  •  22.  Über  dem  Gesims  erhebt  sich  in  zwei  Abteilungen  übereinander  ein 
hoher  Aufbau.  Im  unteren  Teile  wird  ein  Mittelbild,  Isaaks  Opferung,  umrahmt 
von  zwei  Pilastern,  die  von  ornamentierten  Anläufem  begleitet  werden,  über 
dem  Ganzen  hegt  ein  schwächeres  Gebälk  mit  Fruchtgehängen  und  Löwenköpfen 
im  Fries.  In  dem  handwerksmäßigen  Relief  der  Opferung  Isaaks  hängt  über 
dem  Altar  ein  Schriftband  m  der  Luft  mit:  NO  EXTEDAS  MANV  TVA 
SVPERPVER.  Auf  dem  Gebälk  steht  die  obere  Abteilung  des  Aufsatzes,  eine 
Bogenstellung  mit  einfachen  Pilastem,  die  begleitet  wird  von  ornamentierten 
Anläufem  und  ein  Mittelbild,  Christus  mit  erhobenen  Händen  auf  Wolken 
schwebend,  umschließt.  Neben  Christus  erscheint  über  den  Wolken  links  der 
Kopf  eines  betenden  Mannes,  rechts  der  Kopf  Moses  mit  den  Gesetzestafeln.  Im 
Bogen  die  Umschrift:  HIC  EST  FILIVS  MEVS  DILECTVS  IN  QVO  MIHI 
COMPLACITVM  EST  HVNC  AVDITE  •  MAT  •  12  •  in  doppelter  Reihe.  Auf  der 
Mitte  des  Bogens  schwebt  als  höchster  Punkt  Gott  Vater  mit  der  Weltkugel 
in  Wolken. 

Rechts  und  Unks  vom  Kamin  stehen  in  Mauernischen  zwei  weibliche 
Sandsteinfiguren,  links  mit  zwei  Kindern,  rechts  mit  Taube  und  Anker  (die 
Hoffnung). 

Die  Decke  dieses  Raumes  ist  neu,  aber  der  alten,  die  nicht  wieder- 
herzustellen war  und  unter  der  neuen  Decke  unberührt  hegt,  genau  nachgebildet 
Die  Balken  und  die  Felder  werden  von  freihändig  und  flott  gezeichnetem 
farbigen  Rankenwerk  in  gemalten  Füllungen  überzogen.  Die  Figur  99  ist  nach 
der  alten  Decke  aufgenommen. 

Das  riesige  Bild  vom  Monarchienmanne,   von  Daniel  Frese  gemalt,   das 
Albers  und  Mithoff  erwähnen,  wird  noch  aufbewahrt 
Sonstige  Räume.  Die  übrigen  Räume  des  Erdgeschosses  enthalten  nichts  Bemerkenswertes. 

Das  Obergeschoß  des  Kämmereigebäudes  enthält  wieder  die  große,  hier 
erhebUch  niedrigere  Diele  und  eine  Reihe  Zimmer  am  Marienplatz  und  hinter 
der  Diele,  in  denen  aber  Bemerkenswertes  nicht  erhalten  ist. 

In  der  Diele  steht  ein  Kamin  aus  Gipsputz,  dessen  Formen  stark  über- 
strichen sind.  Neben  der  Feueröffnung  stehen  zwei  Halbsäulen  mit  korinthischen 
Kapitellen.  Auf  dem  Gebälk  baut  sich  der  mit  zwei  großen  Schnecken  und 
barockem  Ornament  verzierte  Rauchmantel  auf.  Der  Kamin  scheint  nach  1600 
entstanden  zu  sein. 


■*-i    287    S->- 

Die  TUT  zum  Büi^ervorsteherzimmer  hat  verkröpfte  Füllungen  und 
schönen  geschmiedeten  -  Beschlag. 

Die  Tür  zu  der  bereits  erwILhnten  Wendeltreppe  hat  gotischen  Beschlag. 

In  den  vier  Scheiben  des  verbleiten  Fensters  nach  dem  Ochsenmarkte 
sind  gotische  Glasmalereien  erhalten,  die  in  jeder  der  oberen  Scheiben  einen 
Stechhelm  mit  reichem  heratdiscixem  Schmuck  darstellen,  in  den  unteren  Scheiben 
links  ein  Wappenbild,  schreitender  gelber  Löwe  auf  rotem  Grund,  rechte  den 
Lüneburger  Landesschild:  blauer  Löwe  auf  mit  Rosenblättem  bestreutem  gelbem 
Grunde.  Die  Keime  in  den  oberen  Scheiben  haben  als  Helmzier :  links 
springendes  weißes   Pferd,    rechte   zwei  Homer  mit  spätgotischem  Ornament 


Flg.  M.    Battumi  i  Dtckc  In  dar  SftlfmelBtar-KSrkunmer. 


Auf  dem  oberen  Treppenabsatz  steht  ein  schildhaltender  Löwe  aus 
Sandstein.  Auf  dem  kartuschenartigen  Schild  die  Inschrift:  „Die  gerechten 
Selen  sindt  in  gottes  Handt-aet:  Sapi:  3-6-0-3." 

Die  Keller  dieses  Gebäudes  sind  tonnenförmig  gewölbt.  Die  Pfeiler 
haben  runde  Kanten  aus  Formsteinen.  An  der  Westseite  befindet  sich  ein 
gemauerter  Kamin  mit  herausgezogenem  Bogen. 

Die  am  Ochsenmarkte  liegende  Giebelfront  des  K&mmereigebäudes  zeigt  inßere 
außer  dem  wiederhergestellten  Giebel  nur  noch  Reste  der  früheren  Schmuck-  "  ' 
mittel  Die  in  Spuren  noch  erkennbare  Spitzbogentür  ist  in  eine  Rundbogentür 
mit  schräger  Leibung  umgebaut.  Die  Fenster  sitzen  schmucklos  in  den  Flächen. 
Unter  dem  Fenster  des  Oberschosses  laufen  zwei  Friese  übereinander,  durch 
drei  Bänder  von  Nasensteinen  gebildet  Im  unteren  geputzten  Fries  sind  noch 
zwei  Schilder,  aus  Nasensteinen  gemauert  und  die  Holzwappen  des  Landes 
und  der  Stadt  umschließend,  erhalten.  Neben  den  Fenstern  des  Obergeschosses 
stehen  auf  dem  oberen  Friese  drei  Spitzbogennischen,  seitiich  begleitet  von  pro- 


\.^v^V/^^;^v! 


Klg   IDT.    R>tbaD8j  GIcbfll  des  KümmarelseblDries 


-*4    290    8-j- 

filierten  Pfostengteinen,  die  in  Kämpferhöhe  aufhören,  früher  aber,  nach  Spuren 
zu  urteilen,  wimpergartig  die  Nischen  bekrönten.  In  den  Nischen  stehen  drei 
Holzfiguren:  eine  männliche  Gestalt  mit  Buch,  eine  gekrönte  Maria  mit  Kind 
und  ein  St  Georg. 

Über  einem  in  Höhe  des  DachfulSes  liegenden  geputzten  Pries  baut  sich 
der  reich  gegliederte  siebenteilige  Staffelgiebel  auf  (Fig.  100).  Die  Pfeiler  sind 
durch  viermal  zurückspringende  Backsteinprofile  gegliedert  Die  beiden  äußeren 
Profile  bilden  unter  der  Abdeckung  der  Staffeln  den  viereckigen  Rahmen,  die 
beiden  inneren  Profile  den  Spitzbogen.  Die  Giebelarchitektur  ist  in  vier  Geschosse 
geteilt,  deren  jedes  betont  wird  durch  eine  Reihe  von  gekuppelten  kleinen 
Offnungen,  die  kleeblattförmig  überdeckt  sind  und  die  ganze  Breite  eines  Staffel- 
feldes einnehmen.  In  den  Endfeldem  und  den  Spitzbögen  der  inneren  Pfeilerglieder 
werden  diese  Öffnungen  zu  Nischen,  das  Feld  im  Spitzbogen  wird  durch  einen  Kreis 
ausgefüllt,  der  sich  auch  über  den  anderen  Öffnungen  wiederholt.  Die  Pfosten 
zwischen  den  gekuppelten  Öffnungen  sind  profiliert  imd  haben  Kapitell  und  Fuß. 
Glasierte  Schichten  wechseln  mit  roten  Schichten,  auch  schon  im  Obergeschoß. 

Die  Ansicht  am  Marienplatz  (Fig.  101)  zeigt  als  Hauptteilung  wieder  die 
beiden  übereinanderliegenden  Friese,  von  denen  der  obere  mit  Steinmustem  aus- 
gefüllt, der  imtere  geputzt  ist  Die  gemauerten  Schilde  liegen  hier  in  beiden 
Friesen  und  umschließen  wieder  Holzschilde  mit  den  Wappen  des  Landes  und 
der  Stadt  Die  hohe  Fläche  unter  den  Friesen  ist  fast  ungeteilt,  die  schmuck- 
losen Fenster  zerschneiden  nach  Bedürfnis  die  Fläche.  Der  Sockel  besteht  aus  be- 
hauenen  Granitsteinen.  Zwei  Eingangstüren,  mit  profilierten  Stichbögen  geschlossen 
und  in  Spitzbogennischen  hegend,  unterbrechen  die  Fläche  des  Erdgeschosses.  Die 
nördUch  gelegene  Tür  zeigt  über  dem  Stichbogen  eine  Holzplatte  mit  dem  Stadt- 
wappen, von  spätgotischem  Ornament  umgeben.  Die  südhch  gelegene  Tür  hat 
im  Bogenfelde  einen  gemauerten  Schild  mit  dem  Stadtwappen;  der  Türflügel 
stammt  aus  der  Barockzeit 

Die  Fensterreihe  des  Obergeschosses  wird  unterbrochen  von  vier  Figuren- 
nischen, die  im  Spitzbogen  geschlossen  sind.  Die  farbig  behandelten  Figuren 
stellen  von  links  nach  rechts  dar:  Maria,  Petrus,  eine  männUche  Figur  mit 
Buch,  Maria.    Das  Hauptgesims  besteht  aus  Holz  und  entstammt  späterer  Zeit. 

Die  übrigen  Seiten  des  Kämmereigebäudes  sind  schmucklos. 

Im  Garten  des  Rathauses  steht  auf  einer  Renaissancesäule  von  Sandstein, 
die  aus  dem  Niedergericht  stammen  soll,  ein  farbiger  schildtragender  Löwe  mit 
dem  Wappen  der  Stadt. 

Ober  einer  Laube  befindet  sich  ein  farbiges  Holzrehef  mit  dem  Wappen 
der  Stadt. 

Das  EatBfiilber.  Das    Ratssilber   (Fig.   102)  besteht    aus    37  Stücken,    von    denen  sich 

eins  in  Lüneburg,  die  übrigen  im  Kunstgewerbemuseum  zu  Berlin  befinden. 
Von  28  Stücken  sind  im  Fürstensaale  des  Rathauses  galvanoplastische  Nach- 
bildungen aufgestellt.    Im  Kunstgewerbemuseum  zu  Berlin  befinden  sich: 

1.  Der  sogenannte  Bürgereidkristall,  ein  silbernes,  stark  vergoldetes 
Kästchen,  auf   dessen   oberer  Wölbung    ein  etwa  7  cm  langer,  5  cm  starker, 


-^    291    8^ 

hohler  zylinderförmiger  Kristall  angebracht  ist.  Ursprünglich  soll  das  Kästchen 
als  Rehquiarium  gedient  haben,  seinen  Namen  hat  es  daher,  daß  der  KristaU 
von  den  Bürgern  bei  der  Eidesleistung  mit  den  Fingern  berührt  werden  mußte. 
Das  Kästchen  ist  reich  mit  figürlichem  Schmuck  und  Edelsteinen  verziert,  an 
der  Vorderseite  befindet  sich  ein  thronender  Heiland^  über  dem  in  blauem  Email 
die  Worte  „Ite,  venite"  stehen.  Auf  der  'Rückseite  ist  die  Kreuzigung  dargestellt, 
neben  ihr  sind  vier  Apostelfiguren  angebracht.  Die  schöne  Arbeit  wurde  1444 
von  dem  Lüneburger  Goldschmied  Hans  Laffert  hergestellt. 

2.  Eine  aus  der  Propstei  zu  St.  Johann  stammende,  58  cm  hohe  silberne 
Figur  der  Maria  mit  dem  Kinde.   Der  Sockel  ist  mit  gotischem  Maßwerk  geschmückt. 

3.  Ein  vergoldetes,  in  Silber  gefaßtes,  1,12  m  langes  Trinkhom,  aus  dem 
Stoßzahn  eines  Elefanten  hergestellt  Die  Fassung  ist  mit  reicher  gotischer 
Ornamentik  über  die  ganze  Fläche  des  Elfenbeines  verteilt,  die  Spitze  endigt 
in  einer  Kreuzblume.  In  der  oberen  breiten  Einfassung  steht  die  Jahreszahl  1486. 
Der  Fuß  wird  gebildet  von  zwei  silbernen  Elefanten  mit  hohen  gotischen  Türmen, 
an  dem  diese  verbindenden  Bogen  erscheinen  die  Wappen  der  Schomaker  imd 
der  Langen. 

4.  Ein  Pokal,  der  Schoßbecher,  der  bei  den  zurzeit  der  Schoßerhebung 
gegebenen  t^ühstücken  benutzt  wurde.  Am  Fuße  drei  Löwen,  in  der  Mitte 
des  gravierten  Körpers  ein  Band  von  frei  gearbeitetem  Blattwerk  mit  Putten. 
Auf  dem  Deckel  ein  Löwe  mit  dem  Stadtwappen,  am  Rande  ein  Stadtwappen 
auf  einer  Tonne.  . 

5.  Ein  34  cm  hoher  Pokal,  mit  reichen  Ornamenten  verziert,  auf  den 
Absätzen  sind  bewegliche  Frösche  angebracht,  auf  dem  Deckel  Eidechsen.  Die 
Bekrönimg  bildet  ein  Blumenstrauß. 

6.  Ein  Pokal  in  Kelchform,  dessen  Trinkschale  aus  einem  hohlen  Achat 
besteht  Am  oberen  Rande  die  zweizeihge  Inschrift:  „dit  klenade  hefft  de  hoch- 
geborene herr  frederich  to  Brunswigk  un  Luneborgh  hertoge  zeugen  hertoge 
bemdes  sone  dem  rade  to  Luneborg  gegeven  •  anno  dm  m  •  cccc  •  Ixxii."  Auf 
dem  Deckel  steht  ein  Ritter  mit  dem  herzoghchen  Wappen. 

7.  Eine  Schüssel  mit  getriebener  Arbeit,  in  der  Mitte  der  Schale  ein 
Wappen  in  einem  Kranze  von  Granatäpfeln,  am  Fuße  steht  „Hans  Rode". 

8.  Eine  runde  Schüssel  mit  drei  Füßen  in  Form  von  knienden  Rittern, 
die  durch  einen  Ring  mit  Maßwerk  verbunden  sind.  In  der  Mitte  der  Schale 
ein  Hirsch  auf  einem  Berge,  der  mit  einem  Zaun  eingefriedigt  ist,  das  Ganze 
imigeben  von  einem  Kranz  mit  Ranken  werk,  in  dem  vier  Wappen:  Gadenstedt, 
Lohe  und  Töbing  (nach  Angabe  von  Albers)  liegen.  Der  Rand  der  Schale  ist 
gebuckelt 

Das  in  Lüneburg  befindhche  Stück  ist 

9.  ein  silberner  schwerer  Krug,  an  der  Außenfläche  mit  erhabenen 
mythologischen  Darstellungen.  Im  Deckel  sind  die  Wappenbilder  Stöterogge, 
Krögher,  Krögher,  Stöterogge  in  viergeteiltem  Schild  angebracht  Am  Boden 
steht  die  Inschrift:  „B.  L.  Edler  von  Stöteroggen.  S.  R  J.  Eques,  natus 
Luneb.  d.  12.  Mai.  1641,  Senator  Patriae  electus  1671,  Consull688,  ConsiUarius 
Ser.    ac  Potentiss.    Elect.   Bruns.    Limeb.  nunc  M.  B.  Regis  1712.    Praepositus 

37* 


-^    292    S^ 

ad  D.  Job.  1713  obiit  d  638brl722.  Hunc  cantharum  ex  fact  Rev.  Minist  Luneb. 
in  perpet.  sui.  memor.  dooavit  ea  lege  ut  nunquam  in  tilienas  manus  deveoiat.  1. 
abaUenetur;  prout  ex  ipsius  autographo  clarius  eluc-escit  Dat.  Luneb,  A.  D.  1720." 


Tis-  ><»■   Bftthaai;  Batsitlbar. 


Die  im  Fürstensaale  zu  Lüneburg  aufbewahrten  galvanoplastischen 
Nachbildungen  sind  folgende: 

10.  Pokal  mit  stark  gebuckeltem  Körper  und  frei  gearbeitetem  Ranken- 
werk, 66  cm  hoch.    Auf  dem  Deckel  steht  Christopborus  mit  dem  Wappen  der 


-^    293    8-j- 

Garlop,  am  Rande  die  Inschrift:  „DNS  •  L VDOLPHVS  •  G ARLOP •  PROCONSVL • 
DEDIT  OBÜT .  ANNO -DOMINI •  1486 •  IN  •  PROPESTO-ANDREE. APPOSTOLI." 
Am  Fuße  die  Wappen  der  Garlop  imd  Tzerstede. 

11.  Pokal,  60  cm  hoch,  gebuckelt  Unter  dem  Fuße  der  Städtschild,  auf 
dem  Deckel  ein  kleiner  Kriegsmann  mit  Schild,_in  dem  das  Wappen  der  Barum 
erscheint.  Am  Rande  die  Inschrift:  „DNS  lOHANES  BARVM  DOCTOR  PPTVS 
IN  LVNEBORG  OBYT  ANNO  1501  XV  IVLY  DONAVIT  HOC  CLENODIVM." 
Zwischen  der  Inschrift  zweimal  das  Wappen  der  Barum,  im  Deckel  dasselbe 
Wappen  in  grünem  Schmelz. 

12.  Pokal  mit  Buckeln  und  frei  gearbeitetem  Laubwerk,  36  cm  hoch, 
am  Rande  die  Inschrift:  „CORT  HAGEN  DE  DEIT  NA  DER  GEBORT  CRISTE 
XV^  VN  XXII."  Im  Deckel  und  unter  dem  Boden  Blume  mit  grünem  Schmelz, 
am  Boden  des  Bechers  die  Buchstaben  I H  S. 

13.  Kleiner  Pokal  in  Becherform,  auf  drei  Füßen  mit  Engelkopf en 
stehend,  21  cm  hoch;  die  Außenfläche  des  Bechers  ist  graviert,  in  der  Mitte 
Hegt  ein  Band  mit  durchbrochenem  Ornament.  Am  Deckelrande  aneinander- 
gereihte freistehende  Lilien,  darüber  die  zweizeilige  Inschrift:  „DICTVM  •  EOBANI- 
HESSI  .  PVRO  •  CORDE  •  DEVM  •  COLE  •  DILIGE  •  |  HAEC  •  FIDEISVMMAEST 
HIC  .  PIETATIS  •  APEX  •  CONSVLI  •  FRATRI."  Am  Fuße  verwischt  die  Buch- 
staben: H .  G  •  D  .  Am  Fußrande:  „JOHAN  -  |  TOBING  DD  •  ANNO  •  MDXII- 
MENSE  •  FEBRVA  " 

14  Pokal,  60  cm  hoch,  Interimsbecher  genannt.  Auf  dem  Deckel  steht 
ein  vielköpfiges  Tier,  mit  einer  Frauengestalt  als  Reiterin  (Offenbarung  Johannis  17), 
daneben  ein  Schild  mit  den  Wappen  der  Witzendorf  xmd  Töbing.  An  der  Deckel- 
oberflache erscheinen  vier  Gruppen  einander  gegenüber  kniender  Personen:  Papst 
und  Kardinal,  Kaiser  und  König,  zwei  Ritter,  Priester  und  Mönch.  Der  Körper 
hat  die  Gnmdform  eines  Vierpasses,  auf  den  Seiten  getriebene  Bilder  aus  der 
Geschichte  Jesu,  am  Rande  die  zugehörigen  Inschriften:  „HIC«  EST«  FILIVS- 
MEVS  •  DILECT '  •  IN  «  QVO  •  MI  |  HI « BENE  •  COMPLACVI  •  IPSVM « AVDITE  • 
M Att .  1 7  .  ABI  •  SATANA^SCRJPT VM « EST  •  ENIM  •  DOM « DEVM « T WM « ADO- 
RABIS  •  ET  JLLVM .  SOLV .  COLES  .  MAT   4« 

ETI ASI  •  NOS  .  AVT  •  ANGEL^-  E  «  COELO  •  PREDICAVERIT  «  VOBIS « 
EVANGELIVM « PRETER  •  ID  •  QVOD  PDICAVIM^ GALA « 1  «HIC « EST •  PILIVS  • 
MEVS .  DILECTVS  •  IN  « QVO  •  MIHI « BENE  «  COMPLACITVM  « EST « MATE « 3 ." 

Auf  der  Innenseite  des  Deckels  erscheinen  die  emaillierten  Wappen 
Witzendorf  und  Garlop  mit  der  Zahl  74  [1574].  Der  Becher  ruht  auf  der  stehenden 
Figur  Christi,  unter  dessen  Füßen  ein  dreiköpfiger  Drache  liegt.  Am  Rande  des 
Fußes  die  Inschrift:  „INTERIM « ORTVM .  AVGVSTAE « VINDELICORVM « SVB « 
CAROLO .  QVINTO  •  IMPERATORE  •  MAXIMO  « ANNO  «SALVTISM  •  D.XLVIÜ « 
EX .  TINCTVM_.  VERO  «  AVSPICUS  •  MAVRITR  •  ELETORIS  •  ET  «  CONFOEDE- 
RATORV  •  ANO « 1552  '' 

15.  Pokal,  54  cm  hoch.  Auf  dem  Fuße  liegt  die  Gestalt  eines  Greises, 
aus  dessen  Leibe  ein  starker,  oben  verästelter  und  mit  durchbrochenem  Laub- 
werk geschmückter  Baum  hervorwächst,  der  den  aus  drei  halben  Zylindern 
zusammengesetzten  Becherkörper  trägt.  Die  Fläche  des  Körpers  ist  mit  getriebenen 


-^    294    8^ 

Ornamenten  und  Reliefs,  Könige  daxstellend,  verziert  Am  Rande  des  Bechers 
die  zweizeilige  Inschrift: 

„JVCHEIE  .  IN  .  GOD  •  DINEM  r  HEREN  •  DAT  •  HEET  •  DI  •  MIT  •  BILICHHEIT  • 

NEMANDT  •  TO  •  YORKEREN  • 

MIT  .  DANCKSEDim^GE  •  DRINCK  •  VNDE  •  IT  •  GODT  •  SIN  •  WORT  •  VNDE  • 

DER .  ARMEN  •  NVMER  •  VORGIT  • 

WES .  PROICH .  MIT  •  DINEN  •  GESTEN  •/  ITT  •  VNDE  •  DRINCK  •  DES  •  BESTEN- 

SVLKES .  KAN  •  GOT  •  WOL  •  LIDEN  •  OVER  •  DEN  •  AVERVLOT  •  SCHOLTV  • 

MIDEN-  _ 

VND  •  WESDI .  GODT  •  MER  •  HEFT  •  VORBADE  •  DAR  •  MEDE  •  SCHOLTV  •  DIN  • 

HARTE .  NICHT  •  BELADEN  -  " 

Die  Oberfläche  des  Deckels  trägt  die  Darstellungen  von  sechs  Brustbildern,  am 
Rande  die  sich  auf  die  Bedeutung  des  Pokalschmuckes  beziehende  Inschrift: 
„GENEALOGIA  •  DOMINI  •  ET  -  SERVATORIS  •  NOSTRl  •  JESV  •  CHRISTI  -  EX  • 
SEMINE  .  DAVID  •  MATTHEI  •  1  •  LVCE  •  3  •  CAPITIL  •  EXARATA  •  HIC  • 
VTCVNQVE  .  OB  •  OCVLOS  •  POSITA  •  EST  •  ANO  •  A  •  NATVITATE  •  EVSDE  • 
1562."  Die  Bekrönung  des  Deckels  bildet  Maria  mit  dem  Kinde,  auf  einem 
Blattknauf  knieend.  Im  Deckel  erscheinen  die  emaillierten  Wappen  der  Stöterogge, 
Elver,  Glöden,  mit  der  Zahl  1562,  am  Fuße  des  Pokals  steht  auf  einem  Schild: 
„D  :  NICOLA  :  STOTEROGGE  :  CONSVL  :  CIVITAT  •  LVNEBVRG  :  INCLITO : 
SENATVI :  LEGAVIT :  1560  " 

16.  73  cm  hoher,  reich  verzierter  Doppelpokal.  In  den  Körperflächen 
erscheinen  zwischen  Ornament  die  Wappen  der  Kroger,  Koller  (Köhler)  und 
Senden  (?).  An  den  Rändern  der  Becher  steht  die  Inschrift:  „DER- SEGEN- 
DES .  HERN  -  MACHET  •  REICH  •  OHNE  •  ALLE  -  MVHE  -  HINRICH  -  KROGER- 
Ao.1585-" 

17.  Pokal  mit  Jonas  und  dem  Walfisch  als  Bekrönung,  (>3  cm  hoch, 
gebuckelt,  mit  freiem  Ornament  am  Deckel.  Im  Deckel  die  Emailwappen  Langen, 
Schomaker,  Langen.  Am  Rande  des  Körpers  die  Inschrift:  SPECTABfLIS- 
VIR  -  DNE  -  CONRAD VS  -  LAGE  -  PRECOSVL  -  LVNEBORGESIS  •  QVI  •  OBITT - 
IN.D1E-PRISSE.VIRGINIS.ANO-DNI.156  (1506)  DON  A  VIT  -  HOC  -  CLENODIV  - 
CVIVS  -  ANIME  -  REQVIESCAT  -  IN  -  PACE  -" 

18.  Pokal,  56  cm  hoch,  mit  Buckeln  und  freiem  Blattwerk,  am  Fuße 
die  drei  Emailwappen  Dassel,  Stöterogge,  Sanckenstede.  Auf  der  flachen 
Bekrönung  dieselben  Wappen.  Im  Deckel  die  Inschrift:  „DNS  -  LVDOLPHVS  A 
DASSEL  REBVS  EXVTVS  HVMANIS  AMPLISS  SENATV  LVNEBVR  -  HOC 
SCIPHO  DONA .  ANNO  •  1537  -    Am   Rande   des  Körpers   die   Jahreszahl   1538. 

19.  Pokal,  48  cm  hoch,  am  Fuße  die  beiden  Email wappen  Dassel- 
Dithmers,  auf  der  anderen  Seite  ein  großer  Schild  mit  dem  brandenburgischen 
Wappen.  Am  Fußrande:  VIDE-  INFRA.  Unter  dem  Fuße  die  Inschrift:  „ANNO  1586 
MENSE  rVNIO-  cum  illust:  et  potentisi  princeps  D  Johannes  Georg  elector 
Brandet  p  aliquot  Dies  cum  Filio  D.  Joachime  Friderico  in  aedib'  D  Ludolphi 
a  Dassel  pemoctasset  hunc  Cyatum  in  perpetuam  sui  memoriam  Dono  dedit  Quem 
Iterum   D  Ludolph'  a  Dassel  Consul  Lu:    Claris:   Senatuy  Lünaeb    inter    alia 


-^    295    8^ 

omametaSenatusponeda  in  perpetuäsui  memoria  dono  ddt  ipse  D  Consul  senatui 
post  lectä  ut  dr  Bursprache  propria  persona  obtulit  28  7  bris  Ao  1606/^ 

20.  Pokal,  60  cm  hoch,  reich  mit  getriebener  Arbeit  geschmückt  Am 
Fuße  zwei  Wappenschilder,  Witzendorf  und  Garlop,  mit  dem  Spruchband: 
„H.  FRANZ .  WITZENDORP  •  VRSVLA  •  GARLOP  •  VXOR"  Die  Oberfläche  des 
Pokals  ist  bedeckt  mit  14  Darstellungen  aus  der  römischen  Geschichte.  Um  den 
Körper  stehen  7  Kurfürsten  des  heiUgen  römischen  Reiches,  neben  ihnen  ihre 
Wappen.  Im  Deckel  ist  das  Bad  der  Bathseba  dargestellt,  auf  der  Spitze  steht 
ein  geharnischter  Ritter. 

21.  Der  sogenannte  Münzpokal,  47  cm  hoch,  von  breiter,  gedrungener 
Form.  Die  Bekrönung  bildet  ein  Januskopf,  auf  dessen  Brust  neun  sUbeme 
Brakteaten  eingelötet  sind,  darunter  dieJJmschrif t :  „ JANUS  •  BIFRONS  •  PRVDETIS  • 
SPECIMEN .  PRETERITV  •  PSENS  •  VETVRVRESPICE.PRVDENS."  In  der  Mitte 
des  Deckels  sind  neun  Goldmünzen  so  eingelötet,  daß  ihre  Vorderseite  außen, 
ihre  Rückseite  innen  sichtbar  ist,  unter  ihnen _steht  die  Umschrift:  „DE  WISE 
MAN  SICHT  HINDE  VN  VOR»  WES  VORGÄGE  ITZICH  VND  NOCH  VOR  DER 
DO^  .  AFBROCK  •  DER  •  MVTE  DEIT  VNS  LERE  •  WO  SICK  DER  WERLDE 
SCHEFTE  •  VOR  KEREN."  Am  Rande  des  Deckels  sind  wieder  16  Silbermünzen 
angebracht.  Im  Deckel  befindet  sich  ein  emailliertes  Wappen  mit  der_Inschrift: 
„JOHANES  KOLLER  FMV  SE'CTARI'  DE  HINC  PROTHONiM'  DEMV  PROSIT' 
LVEBVRGES'  DONO  DEDIT  ANO/DNI  1536."  Am  Rande  des  Körpers  die  Buch- 
staben POLN  und  DIVA. 

22.  Pokal,  reich  ornamentiert,  69  cm  hoch.  Auf  der  Spitze  steht  ein 
Ritter  mit  dem  Wappen  der  Borcholt  und  Stöterogge,  am  Körper  erscheinen 
mythologische  Darstellungen ,  zwischen  ihnen  das  Borcholtsche  Wappen.  Am 
unteren  Rande  sind  Jagdszenen  dargestellt.  Am  Fuße  die  Inschrift:  „H  •  J\'RGEN 
BORCHOLT .  1600." 

23.  Pokal,  36  cm  hoch,  gebuckelt,  mit  frei  gearbeitetem  Rankenwerk. 
Die  Bekrönung  bildet  ein  bemalter  Blumenstrauß  aus  Silberblech. 

24.  Ein  großer  stehender  Löwe  als  Gießgefäß  (Aquamanile)  dienend. 
Auf  dem  Rücken  des  Löwen  kriecht  ein  Drache,  im  Rachen  befinden  sich  zwei 
Ausgußröhren.  Die  rechte  Tatze  liegt  auf  einem  Schilde,  der  die  emaiUierten 
Wappenbilder  der  Stöterogge  und  Stoketo  und  die  Inschrift:  „D-HARTVIC 
STÖTEROGGE  •  PROTHOCÖSVL  •  INCLITO  •  DEDIT  •  SENATVI  •  1 540"    enthält. 

25.  Ein  kleines  Gießgefäß  in  Form  eines  stehenden  Löwen.  An  der 
Brust  erscheint  der  emaillierte  Schild  der  Döring.  Am  Bauche  steht  die  Inschrift: 
„HERR  DIRICK  VND  JOHANN  DARRINK  ANO  154L" 

26.  Ein  großes  Waschbecken,  60,5  cm  Durchmesser,  ohne  Fuß.  In 
der  Mitte  des  Beckens  erscheinen  die  Wappen  Witzendorf- Stöterogge  mit 
heraldischem  Beiwerk  und  über  ihnen  links  die  Wappenbilder  Witzendorf-Langen, 
rechts  Stöterogge-Stocketo  in  je  einem  Schilde,  im  Kreise  mit  der  Umschrift: 
„LIBERTATEM  •  QVAM  •  PEPERE  •  MAIORES  •  SVMMA  •  CVRA  •  STVDEANT  • 
RETINERE  •  MINORES.^' 

Ein  zweiter  Kreis  in  dem  glatten  Boden  enthält  die  Inschrift: 
„HIERONIMVS     WITZENDORP    IN     REPVB      LVNEBVGEN      SENATORIO 


->^    296    8^ 

MVNERE  XVI  CONSVLARI  XXIII  ANNOS  FVNGENS  AETATIS  SVAE  LXffl 
DIE  Vni  MENS  IVNU  ANO  DNI  MDLVI  AB  HAC  •  MORTALI  •  VITA  •  PIE  • 
DECEDES  •  AMORIS  -  REPVB  •  ERGO  •  HOC  •  PIERI  •  VOLVIT." 

Auf  dem  breiten  Rande  sind  erhabene  Darstellungen  aus  der  römischen 
Geschichte  angebracht,  abwechsehid  mit  Kreisen,  die  von  den  Wappen  der 
Witzendorf-Urden,  Stöterogge-Hoyermann,  Stoketo-Elver,  Langen-Sankenstede 
ausgefällt  werden,  und  mit  Tafeln,  die  die  Erklärungen  zu  den  Darstellimgen 
geben  in  folgender  Reihenfolge: 

a)  SEX  TARQVINI  REGIS  TARQ  FILF  LVCRETIAM  VI  STVPRAT 

b)  LVCRETIA  OB  STVPRVM  ILLATVM  PNTIB  SVIS  VITAM  GLADIO  FINIT 

c)  BRVTVS   AD   FVNVS  LVCRET  PORRO.PRO  LIBERTATE  CONVOCAT 

d)  TARQVIN  REX  CVM  SVIS  OB  FACINVS  FILII  ROMA  EXVLAT 

e)  PORSENA  HETRVR  ILLATO  ROMA  BELLO  TARQ  REDVCRE  CONATVR 

f)  HORATIVS  COCL .  PONTE  DVM  DEIICERETVR  DEFENDESPER  TIBERI. 
RO  AD 

g)  M  :  SCEVOLA  PORSE:RO :  HOSTE  CONFOSSVRVS  ERRORE  IN  SCRIBAM 
INCIDIT  _  _ 

h)  SCEVOLA  CAPTVS  RENTE  REGE  OB  COMISSV  IN  CEDE  ERROR:  DEXTRA 
SIBi  ADVRIT. 

27.  Ein  rundes  Becken  von  32  cm  Durchmesser,  auf  vier  Füßen  stehend 
Die  Füße  bilden  Nischen  von  gotischem  Maßwerk,  in  denen  freigearbeitete 
Figuren  sitzen,  und  zwar  ein  Papst,  zwei  Bischöfe  und  ein  Kardinal.  Der  Papst 
und  die  Bischöfe  halten  offene  Bücher  mit  Schriftzeichen  in  den  Händen.  Die 
Füße  werden  durch  einen  Ring  mit  Maßwerk  verbunden.  Die  Mitte  der 
Schale  nimmt  ein  emailliertes  Wappen  mit  drei  grünen  Zweigen  und  der 
Umschrift:  „HANC  •  APOTECARIVS  •  TRIBVIT  •  DOMMS  •  MATHIAS  •  MVST  • 
1476^',  auffälligerweise  in  großen  Antiquabuchstaben,  ein. 

28.  Ein  rundes  Becken,  31  cm  im  Durchmesser,  auf  vier  Füßen  stehend, 
die  als  Evangelistensymbole  unter  gotischen  Baldachinen  ausgebildet  sind.  Die 
Füße  sind  durch  einen  Ring  mit  Maßwerk  verbunden.  In  der  Mitte  der  Schale 
erscheint  die  Figur  des  segnenden  Heilandes  mit  Rosenzweig  und  Schwert  zu 
Seiten  des  Kopfes.  Die  Umschrift  lautet:  „ite  •  maledicti  •  in  •  igne  •  etemü •/ 
venite  •  benedicti  •  in  •  regnü  •  dei«" 

29.  Eine  Schüssel  von  35  cm  Durchmesser,  auf  hohem  gebuckelten  Fuße. 
In  der  Mitte  der  Schale  liegt  erhöht  ein  Hirsch  auf  grün  emailliertem  Berge,  der 
von  einem  goldenen  Zaun  umgeben  ist.  An  den  Zaun  sind  die  Wappenschilder 
der  Schomaker  und  Langen  geheftet.  Um  die  mittlere  Darstellung  zieht  sich  das 
ReUef  einer  Jagd,  zwischen  Rankenwerk.     Der  Rand  der  Schale  ist  gebuckelt 

30.  Eine  Schüssel  auf  hohem  gebuckelten  Fuße.  Die  Schale  ist  eben- 
falls gebuckelt,  in  der  Mitte  dieselbe  Darstellung  wie  vorher.  Am  Zaun  ein 
emailliertes  Wappen,  ein  silberner  Büttel  in  grünem  Felde  auf  einer  silbernen 
Mauer.  Unter  dem  Fuße  die  Inschrift:  „peter  •  harsevelt  •  bormester •  dedit  •"  imd 
die  Gewichtsangabe  11  marck  11  lot  1  quit. 

31.  Eine  Schüssel  von  31  cm  Durchmesser  mit  gebuckeltem  Fuße.  Die 
gebuckelte  Schale  hat  in  der  Mitte  ein  erhöhtes  Bildwerk:  der  heihge  Andreas 


-^    297    8^ 

mit  einer  zweiten  Figur  liegt  auf  einem  Berge,  der  von  einer  Mauer  umschlossen 
ist  und  an  der  die  Wappenschilder  der  Erpensen,  Wülschen  und  Töbing  lehnen. 

32.  Eine  silberne  Schüssel  von  26  cm  Durchmesser,  auf  drei  niedrigen 
Füßen,  die  die  Form  von  Granatäpfeln  haben.  In  der  Mitte  der  mit  langen 
Buckeln  verzierten  Schale  zwei  emaiUierte  Wappen  im  Kreise,  um  diesen  herum 
sechs  Granatapfel. 

33.  Eine  gebuckelte  Schale  von  18  cm  Durchmesser,  ohne  Fuß,  in  der 
Mitte  ein  emailliertes  Wappen,  einen  halben  springenden  Hirsch  auf  grünem 
Grunde  in  der  einen  Hälfte,  in  der  anderen  einen  Zaun  darstellend. 

34.  Eüne  flache  Schüssel  mit  getriebenen  Ornamenten  auf  dem  Rande, 
40  cm  Durchmesser,  in  der  Mitte  das  Stadtwappen.  Der  Fuß  ist  gebuckelt  und 
mit  Akanthusomamenten  verziert 

35  u.  36.  Zwei  Konfektlöffel,  die  nach  Abheben  der  unteren  Schale  auch  als 
Gubeln  dienen  konnten,  mit  dem  Stadtwappen  und  gotischen  Ornamenten  verziert 

37.  Eine  Schüssel  ohne  Fuß,  von  19  cm  Durchmesser.  In  der  Mitte  ein 
emaillierter  Schild  mit  einem  springenden  Pferd  in  schräg  geteiltem  Feld. 
(Wappen  v.  d.  Lohe?) 


•  q^ 


Andere  städtische  Bauwerke. 


Quellen:  Lttnebnrgs  ältestes  Stadtbuch;  Volgers  Urkundenbuch;  Kämmereirech- 
nungen,  Baubücher,  Akten  des  Stadtarchivs;  LUneburger  Chroniken;  Büttners  Aufzeichnungen 
(Stadtarchiv) ;  Gebhardi,  Collectanea  m.  V.  IX.  u.  a.  a.  0. 

Literatur:  Manecke,  topographisch-historische  Beschreibungen  S.  38  ff.;  die  Alter- 
tümer der  Stadt  Lüneburg,  herausgegeben  vom  Altertumsverein  in  Lüneburg;  Mithoff,  Kunst- 
denkmale 194  f. 


^er  Grundbesitz  der  Stadt  innerhalb  der  Mauern  war  ehemals  erheblich 
großer  als  heute.  Der  alte,  so  gut  wie  unabhängige  Rat  bedurfte  zu 
seiner  vielseitigen  Wirksamkeit  neben  dem  reich  ausgestalteten  eigentlichen 
Verwaltungsgebäude  zahlreicher  Häuser,  die  nach  dem  Sturz  des  selbständigen 
Regiments  mehr  oder  weniger  entbehrUch  wurden  und  geradezu  als  Ballast 
gelten  konnten,  als  die  Stadt  wirtschaftlich  zu  schwach  schien,  auch  nur  die 
Unterhaltungskosten  zu  tragen.  So  sind,  zumeist  im  18.  Jahrhimdert,  viele 
städtische  Gebäude  in  Privatbesitz  gelangt,  u.  a.  das  alte  Syndikatshaus  beim 
Marienkirchhofe  (schon  1642),  das  ehemaUge  Sekretariatshaus  (ebendort,  1694), 
drei  Wohnungen  auf  dem  sog.  Mühlenteich  und  drei  andere,  die  der  Maler 
Joachim  Burmester  erwarb,  in  der  Alten  neuen  Straße  (1 705),  das  Pischmengerhaus, 

38 


auch  Spiker  genaoat,  auf  dem  Plan  (1706),  die  Badstube  in  der  Münzstraße  (1715), 
das  Loßbäckerhaus  in  der  Qrapeogießerstraße  (1716),  ein  Haus  vor  der  Sülze 
(1717),  die  sog.  RübAuhl  (einer  der  drei  Hamburger  Bierkellet)  auf  der  Altstadt 
(1730),  das  Scbmiedehaus  vor  dem  Mühlenhofe  (ebenfalls  1730).  Die  Regierung 
in  Hannover  tat  das  Ibrige,  den  Prozeß  möglichst  zu  beschleunigen.  Im  Jahre  1731 
verfügte  sie,  daß  der  Rat  die  Kunze,  die  Herrenschmiede,  das  Ratsmusikantenbaus, 
die  neue  Apotheke,  zwei  in  der  Neuen  Straße  liegende  Dienstwohnungen,  femer 
den  Schütting  mit  einem  Nebenhause,  drei  Ratsdienerhäuser  an  den  Brodbänken, 
den  Sandkeller,  endlich  die  Frobnerei  an  den  Meistbietenden  losschlagen  solle. 
Qewicbtige  Einwendungen  der  Stadtbehörde  fanden  keinerlei  Verständnis,  die 
Versteigerungen  mußten  anberaumt  werden  und  verfehlten  ihren  Zweck  nicht, 
nur  für  die  erwähnten  beiden  Dienstwohnungen  war  kein  Käufer  da.  Fast 
hätte  auch  das  Haus  veräußert  werden  müssen,  welches  sich  als  ein  unlösbares 
Glied  der  Rathausgruppe  unmittelbar  an  den  Sudgiebel  des  Kämmereigebäudes 
anschloß  und  derzeit  vom  Stadtsyndikus  bewohnt  wurde.  —  Eine  „Häuser- 
Licitation"  von  1733  brachte  ein  Gonstapelhaus  und  das  Rademacherhaus  am 
Roten  Tore,  sowie  das  Kalkmeister-  und  Kalkföhrerhaus  im  Gral  unter  den 
Hammer,  im  nächsten  Jahre  folgte  ein  anderes  Constapelhaus,  das  Tischler- 
und  das  Sporamacberhaus,  1740  das  Physikatshaus  an  der  Großen  Bäekerstraße, 
1744  das  Haus  des  früheren  Rösemeisters  bei  der  Kalkmühle,  1748  ein  kleines 
Constapelhaus  an  der  Gralwallspforte  und  ein  Haus  gegenüber  der  Kalkmühle, 
1784  das  vorher  bereits  verpeicbtete  große  Gebäude  des  Marstalls  an  der  Burmester- 
straße,  1799  die  Impoststube,  1800  das  Offizialhaus  eines  städtischen  Akzise- 
einnehmers, 1802  die  alte  Wache  beim  Altenbrückertor,  1824  die  Weisladerei 
am  Sande,  1844  der  um  1800  in  städtischen  Besitz  gelangte  Visli 
Ebensowenig  wie  die  vorstehende  Aufzählung  mache 
Bemerkungen,  mit  denen  die  Vergangenheit  einiger  der  wichtigs 
Bauwerke  im  folgenden  berührt  werden  wird,  den  Anspruch, 
sein,  auch  auf  diesem  Gebiete  bleibt   der  Spezialforschung  viel 


KanfhauB  und  Kran. 

Nächst  dem  Salz  war  der  Hering  im  mittelalterlichen  Lüneburg  der 
wichtigste  Handelsartikel.  Das  kommt  nirgends  so  greifbar  zum  Ausdruck, 
wie  deirin,  daß  das  Kaufhaus  bis  in  das  15.  Jahrhimdert  hinein  als  das 
Heringhaus  (domus  allecium,  haringhusj  bezeichnet  wurde.  Es  hatte  seinen 
gegebenen  Platz  von  jeher  am  Hafen  und  lag  schon  um  1300  „ante  Novum 
pontem",  vor  der  jenerzeit  noch  neuen  Lünerbrücke.  Mit  dem  Heringhaus  sind 
die  Heringbuden  |,,casa  in  qua  abluitur  allec")  nicht  zu  verwechseln,  nach  ihrer 
Lage  auf  einei  schmalen  Ilmenaubrücke  nahe  der  Abtsmühle  auch  unter  dem 
Namen  „heringstegele"  zusammengefaßt;  sie  hatten  gegen  einen  Jahreszins  an 
die  Kämmereikasse  die  Gerechtsame  des  Kleinverkaufs,  sei  es  nur  für  jenen 
begehrtesten  Fisch,  sei  es  für  den  Fischhandel  überhaupt. 


Aul  einem  Stadtplane  von  1730 — 1740  ist  zu  beiden  Seiten  des  Ktans 
je  ein  Gebäude  eingetragen  und  das  größere,  nördlich  der  Lüneistraße,  als  das 
„Altö",  das  andere  als  das  „Neue"  Kaufhaus  bezeichnet  Das  letztere,  „das 
Kaufhaus  bei  der  Lüner  Mühle",  ist  verschwunden,  ohne  eine  Spur  zu  Mntet- 
lasseti,  das  erstere  ist  in  seiner  jetzigen  Gestalt  nach  dem  Entwurf  und  unter 
Aufsicht  des  Stadtbaumeisters  Haeseler  von  1741 — 1745  aufgebaut 


Knn  und  Kknfli&Da. 


Aus  der  Baugesehichte  des  „Alten"  Kaufhauses  sei  nur  erwähnt,  daß 
es  im  Jahre  1574  um  ein  Viertel  verlängert  und  ,,der  ganze  Heringplatz"  dahinter 
von  einem  Steinbrügger  aus  Hamburg  neu  gepflastert  wurde,  daß  femer  das 
Gebäude  bis  auf  die  Glocke,  die  Uhr  und  ,,alte  Bildnisse"  1741  zum  Zwecke 
des  Abbruchs  für  554  Mark  in  den  Besitz  des  Senaters  Johann  Peter  Busch  überging. 

Der  Neubau  Haeseiers  war  schon  in  den  dreißiger  Jahren  durch  die 
Heranscbaffung  des  Materials,  insbesondere  der  „Völpischen"  Quader-  und  Band- 
steine"),  vorbereitet.     Zu  den  Arbeiten  am  Fundament  benutzten  die  Zimmer- 


*)  Velpke  im  Kreise  Rclmateclt. 


-*4    300    f«- 

leute  eine  „neu  inventierte"  Ramme.  Zur  Feier  der  ersten  Gxundsteinl^pmg, 
am  27.  September  1741,  gaben  die  Kämmerei  Bioyban,  Tabak,  Pfeifen,  Kringel 
und  Käse  zum  besten;  eine  äbnlicbe  Feier  schloß  eich  an  die  „Aufrichtung  der 
ersten  Balkenzulage"  oder  Schließung   des  Kellergewölbes  an,   sowie   an  das 


Flg.  IIM.    KanfhaDs;  Olebel  ui  dar  Länentride. 

Aufstecken  des  Kranzes  (1743  Juli  24  bzw.  Dez.  18).  Der  Maler  J.  H.  Brandt  ver- 
goldete den  Knopf  des  kupfergedeckten  Türmchens  und  „das  Schiff  statt  der 
Fahne",  strich  auch  den  Giebel  dreimal  an;  der  Schwerdtfeger  und  Kupferstecher 
Johann  Dehnicke  stach  zwei  Kupferplatten,  die  vermutlich  den  Inhalt  des  Knopfes 
bilden.    Die  Baukosten  betrugen  rund  80000  Mark. 


-<^    301    ««- 

Um  für  die  mehrjährige  Bauperiode  nach  dem  Abbruch  des  alten  Kauf- 
hauses einen  Ersatz  zu  schaffen,  war  1739  das  „Kaufhaus-Schauer  auf  der 
Hude",  da«  jetzt  sog.  Außenkaufhaus,  errichtet. 

Zum  Kaufhaus  gehörte  der  Kran,  urktmdHch  zuerst  erwähnt  1346. 
In  diesem  Jahre  verfügte  der  Rat,  daß  in  keinem  der  jenseits  des  Flusses  am 


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Ftg.  IM.    Sru. 


Kran  und  Neubrückeitor  („juxta  Cran  et 
apud  valvam  Nove  pontie")  erbauten  Häuser 
Salz  oder  Heringe  gelagert  werden  dürften. 
Die  bauliche  Unterhaltung  des  Krans  machte 
fast  alljährlich  Aufwendungen  erforderlich.  Ein 
großer  Umbau  fand  1482  statt,  als  u.  a.  6000 
Mauersteine  verwandt  wurden,  die  Zimmer- 
leute270M.  erhielten  und  126  Pfund  Tafelblei 
zur  ,,lodinge  des  steynen  hovedes"  kamen; 
sodann  im  Jahre  1537,  als  der  Molemester 
Hinrick  den  Kran,  wie  es  scheint,  nach  einem 


-^    303    ^^ 

neuen  System  umgestaltete,  indem  er  ihn  auf  vier  große  Eisenplatten  stellte; 
der  Turmdecker  beschlug  den  Kranhals  mit  Kupfer,  den  Kranz  mit  Blei:  auch 
das  „oberste  Dach"  trug  eine  Kupferdecke. 

Das  im  Grundriß  ein  langgestrecktes  Rechteck  bildende  Kaufhaus  liegt  Beschreibung, 
mit  seiner  Westseite  an  der  Ilmenau.  Die  südHche  Straßenseite  (Fig.  103  und  104) 
ist  reich  mit  Verwendung  von  Sandsteinteilen  ausgebildet,  die  übrigen  drei 
Seiten  bauen  sich  in  der  einfachen,  aber  großzügigen  Backsteinarchitektur  des 
18.  Jahrhunderts  auf  (Fig.  105).  Die  Ost-  und  Westseite  sind  gleichmäßig 
behandelt;  die  Mitte  wird  durch  einen  großen  Giebel  mit  Schneckenanläufem 
betont,  zu  beiden  Seiten  bauen  sich  je  zwei  kleinere  Giebel  mit  einfacheren 
Anlaufen!  auf  (Fig.  105).  Die  Ecken  aller  Giebelaufbauten  werden  durch  Back- 
steinquader in  der  glatten  Mauerfläche  bis  herab  zum  Erdboden  angedeutet. 
Fenster,  Tore  und  Luken  sind  in  die  Backsteinflächen  eingeschnitten.  Die  Unter- 
geschosse der  Südseite  werden  durch  vier  dorische  Pilasterpaare  mit  Triglyphen- 
gesims  geteilt  (Fig.  104).  In  der  diu'ch  große  Schnecken  begrenzten  Giebel- 
fläche stehen  auf  einer  durchgehenden  ornamentierten  Brüstung  zwei  ionische 
Pilasterpaare,  die  in  der  Mitte  ein  rundbogiges  Fenster  und  ein  darüberUegendes 
farbiges  Stadtwappen  einschließen.  Das  Hauptgesims  der  ionischen  Pilaster 
bildet  einen  in  der  Mitte  unterbrochenen  Frontgiebel,  zwischen  dem  sich  ein 
kleiner  Dachreiter  mit  kupfergedeckter  Kuppel  aufbaut  In  dem  Dachreiter 
hängt  eine  Glocke  von  56  V2  ^^  Durchmesser  und  der  kaum  noch  lesbaren 
Inschrift:  f  0  •  rex  •  glorie  •  xpe  •  veni  •  cum  •  pace  •  ave  •  maria  •  gracia  •  plena.  f 

Der  alte  malerische  Kran  an  der  Lünertorstraße  ist  ein  Meisterwerk 
mittelalterUcher  Ingenieurkunst,  seine  äußeren  Formen  sind  ohne  Schmuckmittel 
ausgebildet,  nur  durch  Zweckmäßigkeitsgründe  bestimmt,  und  gerade  deshalb 
wirken  sie  so  künstlerisch  überzeugend.  Die  Grundform  ist  ein  Kreis,  in  dessen 
Mittelpunkt  die  senkrechte  starke  Welle  sich  dreht  (Fig.  106).  Die  horizontale 
Drehung  wird  durch  zwei  lange  Stangen  bewirkt.  Ein  Kranz,  der  durch  die 
Außenwände  und  das  flache  Dach  gestützt  wird,  bildet  die  obere  Führung  der 
Welle.  Auf  dem  oberen  Teil  der  Welle  ist  das  Häuschen  mit  dem  Kranarm 
aufgebaut  Die  Aufzugsvorrichtung  besteht  aus  Ketten,  die  durch  zwei  große 
Treträder  auf  eine  kleine  horizontale  Welle  aufgewickelt  werden.  Die  ganze 
Konstruktion  ist  an  der  senkrechten  Welle  befestigt  Die  Wände  des  Unterbaues 
und  des  Häuschens  sind  mit  Brettern  verschalt,  die  Dächer  mit  Kupfer  gedeckt 


Das  Olockenhans. 

Die  Glockenstraße  (Clockenstrate  1445,  platea  campanaris,  campanalis,  Geschichte, 
campanarum;  1472  vereinzelt  platea  fusorum  campanarum)  führt  ihren  Namen 
vom  Glockenhofe  („uppe  deme  klockenhave"  1444)  und  dem  darauf  erbauten 
Glockenhause.  Das  letztere  hatte  schon  gegen  die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts 
die  Bedeutung  eines  Zeughauses  erhalten,  denn  hier  wurden  die  städtischen 
Geschütze  samt  den  steinernen  Wurfgeschossen  und  allerhand  Kriegsgerät  ver- 


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Flg.  lOT    Glaekenlim;  Aniteht  ond  OrnDibU. 


-^    305    8^ 

wahrt,  ja  der  Name  Glockenhaus  wich  zeitweise  der  nun  zutreffenderen 
Bezeichnung  ,ybus8enhus^',  die  sich  zwar  auf  die  Dauer  nicht  behaupten  konnte.*) 
Das  Olockenhaus,  wie  es  sich  jetzt  darstellt,  stammt  aus  dem  Jahre  1482,  eine 
Nachricht,  die  uns  der  Chronist  Schomaker  mit  den  Worten  überliefert:  „dat 
bussenhusz,  itzt  dat  klockenhusz  genant,  is  desse  jax  dorch  die  buheren  gebuwet^'. 
Die  Kämmereirechnung  schweigt  sich  darüber  aus. 

Die  Böden  des  Glockenhauses  wurden  gleich  den  Böden  der  Rathaus- 
gruppe, des  Schüttings,  des  Kalandshauses,  als  Lagerraimi  für  Korn  und  Mehl 
benutzt 


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Flg.  108.   Gloekenhaiu;  Qaersehnltt 

Aus  dem  Glockenhofe  ist  der  städtische  Bauhof  geworden,  falls  er  nicht 
von  jeher  damit  verbunden  war;  schon  1487  heißt  es:  „des  rades  buwhoff  by 
deme  clockenhuse''. 

Das  langgestreckte  Gebäude  liegt  mit  seiner  Hauptfront  an  der  engen  Besohreibniig. 
Glockenstraße,   seine  Rückseite  grenzt  an  den  Bauhof.     Die  drei  Stockwerke 
kennzeichnen  sich  außen  durch  Reihen  kleiner,  stichbogig  überwölbter  Offnungen, 
zwischen  denen  in  Balkenlagenhöhe  grün  glasierte  Plattenfriese  liegen  (Fig.  107). 

*)  Ein  anderes  Zenghans  im  Dormitorinm  des  ehemaligen  BarfUßerklosters  ist  mit 
den  Bttstkammem  des  Rathauses  im  anderen  Zusammenhange  erwähnt  Die  Stadt  war  mit 
Geschützen,  Flinten,  Stoß-  und  Hiebwaffen,  mit  kostbaren  Rüstungen,  Fußangeln  u.  dgl.  mehr 
wohl  versehen,  vgl.  darüber,  auch  über  ihren  Verbleib,  Manecke  S.  46,  Mithoff  S.  194  Note  8 
und  S.  206. 

39 


-<-%    30ß    %^ 

Über  dem  unteren  Stockwerk  hat  der  Fries  die  Form  von  aneinandergereihten, 
auf  der  Spitze  stehenden  Quadraten,  deren  Seitenstege  mit  Nasen  besetzt  sind. 
Der  obere  Fries  zeigt  wechselnd  3—4  Platten  mit  Weinlaub  und  3  Platten  mit 
einem  stehenden  gut  stilisierten  Löwen.  Das  große,  in  der  Mitte  der  Straßen- 
seite liegende  Tor  ist  spitzbogig  überwölbt  Der  Spitzbogen  wurde  früher 
begleitet  von  einem  schmalen  grün  glasierten  Plattenfries  mit  einem  sich 
wiederholenden  Fabeltier.  Auf  der  Spitze  stand,  etwas  vertieft,  die  Gestalt  des 
heil.  Qeorg  mit  dem  Drachen,  grün  glasiert.  Auf  der  freistehenden  östlichen 
Giebelseite  erscheint  im  oberen  Teile  die  aus  glasierten  Steinen  gemauerte 
Stadtmarke.  Mehrere  gemauerte  Schilde  mit  hölzernen  Stadtwappen  sind  auf 
der  Straßenfront  und  der  (riebelseite  verteilt  Im  Innern  sind  die  Balken  durch 
kraftige  Stander  und  Unterzüge  gestützt  (Fig.  108). 


Der  ehemalige  SchttttiDg. 

Geschichte  und  Der  Schütting*)  lag  der  Hauptfront  des  Rathauses  gegenüber  an  der 

^"^"  nördlichen  Ecke  des  Marktplatzes  und  der  Rosenstraße  (später  genannt  „An  den 
Brodbänken").     Das  schon    bebaute  Grundstück  wurde   von   selten  des  Rates 
„to  enem  schütting  und  des  rades  her  dar  to  tappende"  angekauft  und  das 
ganze  Wesen  im  Jahre   1466  mit   einem  Aufwand   von  868  Mark   ausgebaut. 
Der  Schütting  teilte  das  Vorrecht,  „des  Rates  Bier",  d.  h.  fremdes,  insbesondere 
Hamburger  Bier,  zu  verzapfen,  mit  einem   Bierkeller  Am  Sande  (Nr.  53,  dem 
Sandkeller),   und   einem,    gleich  jenen  beiden  vom  Rate   verpachteten,   dritten 
Ausschank  an  der  Ostecke  der  Altstadt  und  Rübekule,  schlechthin  als  Rübekde 
bezeichnet.      Wohlmögenden    Familien    der    Stadt    diente    der    Schütting   als 
Gesellschaftshaus,   1481  hatte  der  Rat  selber  gar  Herzog  Heinrich  den  Mittleren 
und  dessen  Mutter  auf  dem  Schütting  zu  Gast,  ein  Umstand,  d^r  darauf  schließen 
läßt,  daß  der  Fürstensaal  damals  noch  nicht  gebrauchsfähig  gewesen  ist    Auf 
dem  Schütting  pflegte  das  Festmahl  stattzufinden,   das  der  junge  SüUmeister 
seinen  Standesgenossen  geben  mußte,  auch  eine  von  den  Kämmerern  vergütete, 
alljährlich  stattfindende  Collatie  der  Büchsenschützen  (nachweisbar  1529—1532). 
Als  der  Schütting  versteigert  wurde,  nahmen  die  Schützenoberalten,  die  in  oder 
an  dem  Gebäude  aufgehängten  Scheiben  der  Schützengesellschaft  vom  Verkauf 
aus.     Schon  im   16.  Jahrhundert  war  der  Schütting  der  Ort  des  Stelldicheins 
auch  für  die  Gesellschaft   der  Kagelbrüder,   die  ihr  Silberzeug,   ihre  Wappen, 
Urkunden,  Gewänder  und  allerlei  Gerät  dort  in  Verwahrung  hielten,  und  noch 
1731  wies  der  Rat  darauf  hin,  daß  der  dritte  Stand  nach  dem  Übergang  des 
Schüttings  in  Privatbesitz  des  Hauses  beraubt  werden  könne,  wo  er  seine  Ver- 
sammlungen und  Beratungen  zu  halten  gewohnt  sei.    Andere  Ämter  und  Gilden, 
die  sich  wohl  erst  in  späterer  Zeit  zum  Schütting  hielten,  waren  die  Vollhaken, 
die  Schuster  und  Schmiede. 

Ein  Ausbau  des  Schüttings  hieß  das  „Finkenbur".  Hier  wurden  gelegentlich 
des  Hansetages  von  1535  die  Diener  der  Städte  auf  Kosten  des  Rates  bewirtet, 

*)  Yergl.  zur  Erklärung  des  Namens  Mithoff  S.  194  N.  3, 


i 


-^4    307    8^ 

und  als  Herzog  Ernst  mit  seinen  Brüdern  1593  zur  Huldigung  in  Lüneburg 
weilte,  bliesen  zum  Ein-  und  Auszuge  der  fürstlichen  Herren  die  Trompeter  des 
Rates  von  dort  ihre  Fanfaren. 

Nicht  lange  vor  dem  Verkauf  des  Schüttings  war  das  Gebäude,  ebenfalls 
auf  Drangen  der  Regierung,  im  Charakter  eines  feinen  „Traiteur-  imd  Herbergier- 
hauses"  restauriert  (1717). 

Das  Äußere  des  Schüttings,  der  längst  in  ein  Kaufmannshaus 
umgewandelt  ist,  zeigt  nach  Abtragung  des  mit  „obeliskenartigen  Säulchen'^ 
geschmückten  Giebels  und  Einrichtung  modemer  Schaufenster  Spuren  der  alten 
Architektur  nur  in  den  flachbogigen  Fensterumrahmungen  des  Obergeschosses 
und  in  den  wagerecht  überdeckten  Luken  und  Blenden.  Die  Keller  des  Hauses, 
vielleicht  ehemals  als  Trinkkeller  benutzt,  fallen  auf  durch  ihre  ungewöhnliche 
Höhe;  es  sind  mehrere  Tonnengewölbe,  an  die  sich  schmale  gangartige (Heizungs?) 
Keller  mit  einem  Kreuzgewölbe  anschließen. 


Daa  KalandBhans. 

Das  KaJandshaus,  dessen  Giebel  im  Jahre  1896  nach  dem  Muster  des  Geschichte, 
alten  Giebels  neu  aufgebaut  ist,  dient  seit  geraumer  Zeit  zu  Schulzwecken. 
Jahrhunderte  hindurch  war  es  das  Wohnhaus  des  Rektors  vom  Johanneum.  Es 
ist  in  den  Besitz  der  Stadt  gelangt  nach  Auflösung  der  Kalandsbrüderschaft  im 
Jahre  1532.  Ober  die  Erbauung  des  Hauses  liegt  keine  Nachricht  vor,  jedoch 
geschah  die  Absetzung  eines  KaJandsdechanten  im  Oktober  1455  bereits  „in 
domo  fratemitatis  Kalendarum''.  Bei  der  engen  Verbindung  der  Brüderschaft  zur 
Johanniskirche  ist  man  geneigt  anzunehmen,  daß  das  Kalandshaus  stets  in  der 
Nähe  dieses  Gotteshauses,  vielleicht  von  jeher  auf  seinem  jetzigen  Platze  gelegen 
hat.  Von  dem  Hauptgebäude  des  Kalands  wurde  ,„dat  lutke  hus  des  KaJandes' 
unterschieden  (1478). 

Grundriß  und  Aufbau  des  Gebäudes  schließen  sich  eng  an  den  Typus  Beschreibung, 
des  mittelalterlichen  gotischen  Bürgerhauses  an.  Im  Erdgeschoß  liegt  die  hohe 
Diele,  von  der  Straße  aus  zugängig  durch  ein  spitzbogiges  Portal,  neben  dem 
zwei  große  Fenster  liegen.  Über  der  Tür  sind  drei  Nischen,  an  der  Ecke  des 
Gebäudes  zwei  Wappen  des  Landes  und  der  Stadt  unter  einem  glasierten 
Laubwerkfries  angebracht  Das  niedrige  Erdgeschoß,  jetzt  ausgebaut,  öffnet  sich 
mit  drei  Fenstern  nach  der  Straße;  zwischen  den  Fenstern  liegen  spitzbogige 
Nischen.  Der  Giebel  ist  siebenteilig,  der  Taustein  reichlich  verwendet.  An  der 
Rückseite  des  Gebäudes  sind  Reste  des  alten  Giebels  erhalten,  an  der  freiliegenden 
Westseite  ist  das  Bodengeschoß  durch  Bogenstellungen  betont;  der  Unterbau 
ist  schmucklos. 

Die  OarlopenwohniingeiL 

Der  im  Jahre  1553  verstorbene  Bürgermeister  Hinrik  Garlop,  vermählt  mit  Geschichte. 
Anna  von  Bardewik,  hinterließ  seinen  Erben  „zu  seyner  ehrlichen  gedechtnusz,  dem 
lieben  vaterlandt  zu  nutz  unde  besten"  die  Verpflichtung,  ein  aus  sechs  Wohnimgen 

bestehendes  Gebäude  zu  errichten  und  solches  dem  Lüneburger  Rat  als  Wohnhaus 

39* 


Flg.  tot,    R«lt«ida  DlsnaritraO«  (—17. 


-«^    309    8^ 


für  die  Stallbrüder  oder  Reitenden  Diener  zur  Verfügung  zu  stellen.  Für  Keller 
und  Bodenraum  war  eine  besondere  Verwendung  vorgesehen;  sie  wurden  gegen 
Entschädigung  zunächst  der  Sodmeisterei  überlassen,  wahrend  der  Rat  mit  dem 
Gebäude  die  Fürsorge  für  einen  guten  baulichen  Zustand,  insbesondere  des 
Daches,  zu  übernehmen  hatte.  Der  Sülfmeister  Hinrik  Garlop  (f  1558)  und  der 
Ratmann  Franz  von  Witzendortf  (f  1574),  Sohn  bzw.  Schwiegersohn  des  genannten 
Bürgermeisters,  brachten  dessen  Wunsch  nicht  nur  pietätvoll  zur  Ausführung, 
sondern  sie  taten  ein  übriges,  indem  sie  statt  der  vorgesehenen  sechs  Wohnungen 
ein  aus  neun  Wohnhäusern  zusammengesetztes  Gebäude  erstehen  ließen.  Der 
Bau  wurde  auf  städtischem  Grund  und  Boden,  am  Liebfrauenkloster,  in  Angriff 
genommen  und  war  Ostern  1558  vollendet 

Die  Garlopenwohnungen  würden  zeitweise  mit  einer  gewissen  Willkür 
vergeben,  seit  1731  sind  sie  gegen  eine  Mietsentschädigung  stiftxmgsgemäß  den 
städtischen  Beamten  vorbehalten. 

Die    Gruppe    von    neun    aneinandergereihten    Häusern    hat  im    Ober-  BeBchreibang. 
geschosse  durchlaufende  Stichbogenblenden  mit  Tausteineinrahmung,  in  denen 
die  viereckigen   Fenster  sitzen  (Fig.  109).    Auf  den  Pfeilern  hegen  senkrechte 
Taustäbe,  oben  in  Kreisen  endigend,   die  unter  sich  durch  einen  Taustabfries 
verbunden  sind.  In  den  Kreisen  erscheinen 
wechselnd  unglasierte  Medaillons  mit  den 
Wappen  der  Garlop  (Fig.  110)  und  Bardo- 
wicks.    Unter  den  Blenden  ein  geputzter 
Fries,  von  Taustäben  eingerahmt,  der  am 
Hause   Nr.  17  in   einem  Schild  mit  dem 
Hokwappen   der   Garlop   endigt.      Neben 
den,    soweit  sie   alt    sind,    spitzbogigen, 
von  Tausteinen  eingerahmten  Türen  sind 
Taustabkreise    gemauert     Sie    enthalten 
Holzwappen  mit  Umschrift,  die  die  bezüg- 
hchen  Namen  und  an  einigen  die  Jahres- 
zahl 1554  nennen.    Am  Haus  Nr.  9  fehlen 
die  Wappen;   Haus   Nr.  10  zeigt    Hinrik 
Garlop  und  Anna  Bardowicks;  Haus  Nr.  11 
Johann  Garlop    und  Hilke   Springintgut ; 

Haus  Nr.  12  Johann  Garlop  und  Geweken  Töbing;  Haus  Nr.  13  Otto  Garlop 
und  nsabe  Grabow;  Haus  Nr.  14  Claves  Garlop  mit  der  Umschrift  „HER. 
CLAWS  •  GARLOP  •  PRO  •  PATRIAE  •  LIBERTATE  |  ANNO  •  13  •  71  •  IN  •  DIE  • 
VRSVLAE  •  OCGVBVIT  •"  und  Margarete  Dicke;  Haus  Nr.  15  Garlopwappen 
und  das  der  Katharine  Hitzacker;  Haus  Nr.  16  Claves  Garlop  und  Anna  von 
dem  Sande;  am  Haus  Nr.  17  fehlen  die  Wappen.  In  der  Mitte  der  Gebäude- 
gruppe befindet  sich  eine  Bronzetafel  mit  der  Inschrift: 

Dns  •  Henricus  •  Garlopp  •  vir  singulari  virtute  sapientia  et  integritate  consp  | 
icuus  •  senatorio  novem  consulari  mxmere  viginti  annos  perfungens  •  nemini 
debi  I  tor  nulU  obnoxius  suapte  sponte  et  UberaUtate  •  animoq5  ^^^^  consulari  • 


Fig.  110.   Reitende  Dienentrafle  9;  Medaillon. 


-^    310    SK- 

et  erga  pa  |  triam  •  S  •  P  •  Q  •  luneburgensem  benevolo  alco  •  et  ad  beneficiendum 
pro  pensilissimo  |  solum  permotus.  Insigne  hoc  aedifitium  •  ad  patriae  orna- 
tum  et  splendorem  et  |  Ad  amplissimi  senatus  comodum  ac  utilitatem  • 
8uaeq5  garlopiae  familiae  perpetut  |  monumentum  proprio  sed  maxiino  acre 
extruere  statuit  verum  cum  |  saeuus  morbus  mortem  minitaretur  totum 
conficiendi  instituti  |  operis  negotium  suis  charissimis  Francisco  Witzendorp  • 
ge  I  nero  et  Henrico  Garlopp  f ilio  suma  diligentia  comittit  •  qui  |  pietatis  in 
socerü  parentemqs  ergo  •  ipsius  iussis  audi  |  entes  prona  voluntate  in  def essoqj 
studio  •  omni  |  remora  pone  nüssa  •  manum  operi  admovet  •  |  postqs  plures 
exantlatos  labores   eidem  |  colophonem   imponunt  •  Anno   a  Christo  nato  • 

M .  D .  Lim 

Die  Seiten  der  Platte  sind  omamental  begrenzt,  rechts  xmd  links  erscheinen 
unten  die  Wappen  Garlop  und  Bardewicks,  in  der  rechten  unteren  Ecke  die 
Buchstaben  VB,  die  Anfangsbuchstaben  des  Glockengießers  Valentin  Bargmann. 
Am  Hause  Nr.  9  ist  eine  Bronzeplatte  mit  den  Wappen  der  Grarlop  und  Semmel- 
becker, der  Zahl  1555  und  einem  Zitat  aus  Euripides  angebracht,  eine  ähnliche 
Platte  mit  den  Wappen  der  Witzendorf  und  Garlop  trägt  ein  Zitat  aus  Thucidides. 


Daa  ehemalige  Wandhaus  und  Stadtgefangnis. 

Geschichte.  An  der  Bardewiker  Wallmauer,  westUch  vom  MarstaU  des  Rates,  ist 

im  Jahre  1594  das  Wandhaus  errichtet  Es  enthielt  eine  Lakenfabrik,  deren 
Geratschaften,  Webertaue,  Laken-  xmd  Schrulbänke,  dreißig  Spinnräder,  Spul- 
baxen  usw.  im  Jahre  1737  seitens  der  Kammerei  an  einen  Fabrikanten  in  Altona 
verkauft  wurden.  Das  Haus  war  zwei  Stockwerke  hoch,  ohne  Hofraum  und 
bestand  nur  aus  vier  massigen  Mauern  mit  vier  Böden,  dennoch  wollte  die 
Stadtverwaltung  es  ungern  preisgeben,  und  es  kam  ihr  gelegen,  daß  zwei 
Versteigerungstermine,  die  auf  Betreiben  der  Regierung  1736  und  1737  angesetzt 
wurden,  ergebnislos  verUefen.  Das  Wandhaus  wurde  nun  in  vier  Wohnhäuser 
umgewandelt,  1794  aber  ward  nach  einem  ausführUchen  Gutachten  des  Bau- 
meisters E.  G.  Sonnin*)  ein  abermaüger  Umbau  des  „Eingeweides"  vorgenommen, 
so  nämUch,  daß  das  vierte  Wohnhaus  zu  einem  Zivil-  und  Kriminalgefängnis 
für  26  Gefangene  abgeteilt  wurde,  während  die  drei  ersten  Wohnungen  den 
Gerichtsknechten,  vorbehalten  bheben. 

Nach  Aufhebung  der  städtischen  Gerichtsbarkeit  (1852)  ist  das  Stadt- 
gefangnis zu  gleichem  Zweck  vom  Staate  angekauft. 
Beschreibung.  ^^  Eckgebäude  Reitende  Dienerstraße  Nr.  7  ist  ein  schmuckloser  Bau 

mit  Fachwerk  im  Obergeschoß.  Auf  der  Ecke  zwei  Steinplatten,  von  Taustäben 
eingerahmt,  mit  Rollwerk  und  der  Schrift :  ANNO  •  1594  An  den  Enden  des 
Gebäudes  Kreise  mit  Stadtwappen. 

*)  De  dato  25.  April.    Da  Sonnin  schon  am  29.  Juli  genannten  Jahres  „verklirt*^ 
war,  muß  es  eine  seiner  letzten  Arbeiten  gewesen  sein. 


-*8    311     8^ 

Die  drei  Mühlen. 

Quellen:  Yolgers  ürkundenbach;  Urkunden  und  Akten  des  Stadtarchivs;  Rech- 
nungsbuch der  Abtswasserkunstgesellschaft  (Stadtarchiv). 

Literatur  fehlt.  

Die  Dmenaumühlen  gehörten  ursprünglich  der  Landesherrschafi  Die  Geschichte, 
untere,  nachmals  sog.  Abtsmühle,  gelangte  schon  gegen  die  Mitte  des  12.  Jahr- 
hunderts als  ein  Geschenk  Heinrich  des  Löwen  in  das  Eigentum  des  MichaeUs- 
klosters.  Im  14.  Jahrhundert  sehen  wir  diese  Mühle  im  Lehensbesitz  zweier 
Brüder  van  der  Molen.  Es  sind  Angehörige  der  bekannten  Lüneburger  Ratsfamilie, 
deren  Name  1216  zuerst  auftaucht  und  es  wahrscheinlich  macht,  daß  die  Vor- 
fahren jener  Beiden  schon  Generationen  hindurch  statt  des  Klosters  den  Mühlen- 
betrieb ausgeübt  hatten. 

Die  Oberen  Mühlen,  noch  1319  die  herzoglichen  genannt,  sonst  als  die 
Mühlen  an  der  Stadtmauer,  beim  Johanniskirchhof,  oder  „boven  des  abbetes 
molen^'  bezeichnet,  wurden  im  Jahre  1332  seitens  der  Herzöge  Otto  imd  Wilhelm 
an  Albert  van  der  Molen  und  seine  Söhne  Dithmer  und  Johann  verkauft,  wie 
es  in  der  Vertragsurkunde  heißt  „mit  büwe,  mit  wischen,  mit  kempen,  mit 
garden,  mit  allerleye  anschote^'.  Der  Preis  betrug  500  Mk.  lötiges  Silber,  außerdem 
mußten  die  Käufer  an  den  herzogUchen  Amtmann  zu  Lüneburg  einen  wöchent- 
lichen Mühlenzins  von  18  Scheffeln  Roggen  Uefem,  ausgenommen  die  Woche  zu 
Ostern,  Pfingsten,  Michaelis  und  Weihnachten.  Der  Zins  kam  unter  Herzog  Magnus 
1370  in  Besitz  eines  Lüneburger  Bürgers,  1483  wußte  der  Rat  ihn  an  sich  zu  bringen» 

Gegen  1400  waren  die  Oberen  Mühlen  verschuldet,  und  dieser  Umstand 
bot,  wie  es  scheint,  dem  Lüneburger  Rat  willkommene  Gelegenheit,  einzugreifen. 
In  einer  Urkimde  vom  5.  September  1407,  worin  der  Ratmann  Hartwich  van 
der  Molen  mit  den  Oberen  Mühlen  belehnt  wird,  erklären  die  Herzöge  Bernd  xmd 
ESnrik,  wenn  einmal  niemand  da  sei,  dem  das  Mühlenlehen  zukomme,  so  solle 
die  Belehnung  nach  dem  Vorschlage  des  Rates  erfolgen;  und  Hartwich  selber 
versichert  in  einer  Urkunde  vom  gleichen  Tage,  er  sei  nur  auf  Verwendung  der 
Bürgermeister  und  Ratmannen  belehnt:  gehörten  doch  diese  Mühlen  gänzlich  dem 
Rate,  an  den  er  sie  auf  Verlangen  ohne  Zögern  wieder  abgeben  müsse.  Eine 
nur  in  gleichzeitiger  Abschrift  bekannte  dritte  Urkunde,  ausgestellt  diu'ch  die 
genannten  Herzöge,  bestätigt  dieses  Rechtsverhältnis.  In  den  Kämmereirechnungen 
von  1443  an  lautet  die  ständige  Bezeichnung  der  Oberen  Mühlen  „des  rades 
molen".  Nach  einer  Baurechnung  von  1740  gehörten  zum  Ratsmühlenhofe  folgende 
„Gebäude  und  Baustücke*^:  1)  die  beiden  Kornmühlengebäude  mit  9  Grindeln; 
2)  drei  Gebäude,  die  Loh-,  Walk-  xmd  Beutlermühle ;  3)  die  Wohnung  des  Mühlen- 
meisters; 4)  das  Zimmerschauer;  5)  die  Pferde-  und  Schweineställe;  6)  die  Mühlen- 
brücken; 7)  die  Wasserbäume  unter  der  Stammersbrücke;  8)  das  gangbare  Zeug 
in  der  Kommühle.  Die  Ratsmühle  ist  erst  im  19.  Jahrhundert  an  einen  Privat- 
unternehmer verkauft. 

Die  Lüner  Mühle  gegenüber  der  Abtsmühle,  wie  diese  jetzt  ebenfalls  in 
Privatbesitz,  begegnet  in  den  Quellen  des  Stadtarchivs  erst  im  16.  Jahrhundert. 


Anrtclil  n«eb  d«m  WM>*r  n 


■M    313    I— 

Ad  einem  der  neuen  Mühlengebäude  der  ehemaligen  Abtemühle  ist  eine  BeMbreibnng. 
alte  Sandsteinplatte  angebracht,  die  unter  dem  voll  ausgebildeten  Abtswappen 
des  Abtes  Eberhard  von  Holle  auf  einer  Tafel  mit  aufgerollten  Rändern  die 
Inschrift  trägt:  VON  GOTTS  GNADEN  EBESHART  VON  HOLLE  BISCHOF 
ZV  LVBEKB  ADMINISTRATOR  DES  STIFTS  VERDEN  ABT  VND  HER 
VOM  HAVS  ZV  SANCT  MICHAEL  IN  LVNEBVRG  ■  1579. 


m  I  I  I .!  I  I  I  I  I  'I 


Flg.  tiib.   lUtUD&blai  QDanelmitt 

Von  der  alten  Anl^e  der  im  Südosten  der  Stadt  gelegenen  Ratsmühle 
sind  nur  zwei  malerische  Gebäude  und  der  untere  Teil  eines  Turmes  erhalten. 
Das  größere  der  beiden  Gebäude  dient  noch  jetzt  als  Mühle.  Ea  bat  kreuz- 
förmigen Grandriß,  auf  dessen  Armen  nördlich  und  südlich  steile  Giebel  aus- 
gebildet sind  (Fig.  111).  Die  Untergeschosse  des  Gebäudes  sind  zum  großen  Teil 
massiv,  das  Fachwerk  der  Giebel  zeigt  einfache  Formen.  Die  Fächer  sind  mit 
Zi^elmustern  ausgemauert.  An  der  Südseite  befindet  sich  eine  rundbogige  Tür- 
öffnung mit  Taust«in-Archivolte.  Ober  dem  Bogenscheitel  ist  ein  steinerner 
Aufbau  mit  einem  von  Löwen  gehaltenen  Stadtwappen  und  der  Inschrift  ANNO  - 
DOMINI  ■  1  ■  5  •  97  eingemauert  Das  kleinere  Gebäude  ist  äußerlich  in  ähnlicher 
Weise  ausgebildet 

40 


■^    316    %^ 

Am  Turm  sind  keine  Schmuckteile  erhalten.  Die  übrigen  Mühlengebaude 
stammen  teils  aus  dem  18.  Jahrhundert,  teils  aus  neuerer  Zeit 

Das  gut  erhaltene  zweigeschossige  Gebäude  der  Lüner  Mühle,  von 
1576,  besteht  ganz  aus  Fachwerk  (Fig.  112).  Das  Obei^eschoß,  mit  gekrümmten 
Kopf-  imd  Fußbändem,  kragt  auf  profilierten  Konsolen  über  dem  Erdgeschoß  vor. 
Die  Fächer  sind  mit  Ziegelmustem  ausgemauert.  Die  seitlichen  Giebel  haben 
Krüppelwahne.  Der  an  der  Vorderseite  liegende  Aufbau  enthält  die  Aufzugsluke 
und  ist  mit  seinem  steilen  Giebel  ebenso  ausgebildet  wie  das  darunter  hegende 
Fachwerk.  An  der  oberen  Giebelauskragung  des  Aufbaues  befinden  sich  zu 
beiden  Seiten  der  Luke  Halbmonde  an  den  Konsolen.  An  dem  Oberlagsholze 
der  Luke  im  zweiten  Geschoß  steht  die  Jahreszahl  1576. 


Der  sog.  Abtswassertnrm. 

Geschichte.  Lüneburg  war  schon  im  Mittelalter  mit  mehreren  Wasserleitungen  versoigt 

Der  Mönchsbrunnen  ist  angeblich  die  älteste  dieser  Anlagen;  er  soll  von  der 
Ratsmühle  nach  dem  neuerbauten  Kloster  Heiligental  geführt  haben.  Im  Jahre  1397 
legte  der  Sodmeister  für  die  obere  und  untere  Stadt  je  eine  Wasserleitung  an, 
den  Schierbrunnen  und  den  Kranken  Heinrich;  jedoch  bedarf  diese  Nachricht 
genauerer  Untersuchung.  Vom  Schierbrunnen  wurde  1498  der  Spillbrunnen 
abgezweigt,  und  etwa  gleichzeitig  mit  der  Abtswasserkimst  soll  die  Ratswasser- 
kimst  entstanden  sein. 

Über  die  Abtswasserkunst  sind  wir  urkundlich  unterrichtet  Sie  verdankt 
ihren  Ursprung  dem  Bedürfnisse  der  Brauer.  Diese,  24  an  der  Zahl,  21  Bürger 
und  3  Bürgerinnen,  schlössen  mit  dem  Abte  des  Michaelisklosters,  Boldewin 
von  Mahrenholz,  dem  Prior  Herbord  von  Holle,  dem  Kellner  Rolf  von  Weyhe 
und  dem  übrigen  Mönchskonvent  einen  Vertrag  ab,  worin  ihnen  die  Erbauung 
eines  Hauses  oder  Turmes  auf  einem  dazu  abgesteckten  Bauplatze  „bey  unser 
ebdie  Nedermölen^'  gestattet  wurde,  zum  Zwecke  der  Anlage  einer  Wasserkunst 
„Vor  das  erste  freie  ganth^^  des  Mühlengrundwerkes  sollten  sie  ein  Rad  hängen 
dürfen  und  auch  einen  Platz  behalten  „da  sie  die  hölzer  mögen  boren,  darin  sie 
das  wasser  in  die  stadt  mögen  leiten  ^^  Die  Baukosten  hatten  die  Brauer  selber 
zu  tragen,  dazu  mußten  sie  sich  verpflichten,  „eine  rönne  nach  dem  Grale  bis 
uf  des  convents  hof  in  die  schierkiste"  und  weiter  in  den  Abteihof  zu  legeiL 
Der  Bau  wurde  in  der  Woche  vor  Letare  1530  angefangen  und  im  nächsten 
Jahre  zu  Ende  gebracht  Schon  am  5.  Januar  1530  war  ein  Ausschuß  der 
Brauer  mit  Mester  Glawes  Moller  „unune  ene  waterkunst"  handelseinig  geworden; 
der  Meister  erhielt  als  Lohn  150  Mark  und  für  jeden  Arbeitstag  6  Schilling;  für 
ein  Mißlingen  seiner  Arbeit  hatte  er  selber  aufziikommen.  Nach  VoUendung  des 
Turmes  wurde  von  den  „Kunstangehörigen 'S  deren  Zahl  schon  im  16.  Jahr- 
hundert auf  66  wuchs,  eine  Umlage  erhoben;  25  Personen,  darunter  der  Abt, 
zahlten  120  Mark,  der  Prior  und  Konvent  gemeinsam  200  Mark. 

Die  veraltete  Einrichtung  der  Wasserkunst  ist  im  Jahre  1837  durch  ein 
zweckmäßiges  Druckwerk  verbessert. 


-^    317    8-^ 

Der  alte  Turm  der  Abtswasserkunst,  der  neben  der  früheren  Abtsmühle  Begchreibang. 
liegt,  ist  im  Grundriß  ein  rechteckiger  Bau,  dem  an  allen  Seiten  starke  Strebe- 
pfeiler vorgelegt  sind,  die  infolge  des  schlechteja  Baugrundes  dicht  am  Wasser  schon 
100  Jahre  nach  der  Erbauung  nötig  wurden.  Bekrönt  wird  der  Turm  von  einem 
Satteldach,  dessen  einfache  seitliche  Fachwerkgiebel  zu  Krüppelwalmen  ausgebildet 
sind  (Fig.  1 13).  An  der  Traufkante  liegt  im  Mauerwerk  ein  vertiefter  Fries  von 
Backsteinen;  darunter  und  im  Erdgeschoß  werden  die  Ecken  durch  vertieft 
liegende  leere  Wappenschilder  betont.  Im  obersten  Geschoß  stand  der  Wasser- 
behalter,  in  den  das  Wasser  durch  eine  Pumpe  mit  einem  an  der  Wasserseite 
liegenden  Mühlrade  gehoben  wurde.  Im  ersten  Obergeschosse  bestanden  früher 
Wohnräume,  das  zweite  Obergeschoß  wurde  von  einem  Saal  mit  einfachem 
Stuckkamin  eingenommen.  In  dem  aus  Tausteinen  gebildeten  Fries  an  der 
Stadtseite  des  Turmes  hegen  zwei  runde  Sandsteinplatten;  auf  der  linken  sind 
Fischer-  oder  Müllergerate  dargesteUt,  die  rechte  trägt  die  Inschrift:  T  •  A  •  I  •  S  •  | 
RENOVATVM  |  IN  ANNIS  1  •  632  •  1  •  6 •  33 •  ET  |  1  •  6 -34 •  C •  M. 

Im  Jahre  1904  ist  das  untere  Geschoß  des  Turmes  zu  einem  Durchgang 
umgebaut  worden. 

Die  Saline. 

Quellen:  Urkunden  und  Akten  des  Stadtarchivs;  Gebhardi,  Bericht  von  der  alten 
nnd  nenen  Verfassung  des  Lüneburgischen  Salzwesens  (Hs.  Stadtbibliothek);  Gebhardi, 
CoUectanea  an  verschiedenen  Orten. 

Literatur:  Maneckes  Beschreibungen,  S.  54 ff.  (daselbst  die  ältere  Literatur); 
Yolger,  die  Lttneburger  Sülze  (Neujahrsblatt,  Osterblatt  1861,  Neujahrsblatt  1862,  Lüneburger 
Blätter,  S.  201  ff.).  Eine  Geschichte  der  Saline  bis  1370,  verfaßt  von  L.  Zenker,  hrsg.  vom  Hist. 
Verein  für  Niedersachsen,  ist  im  Druck. 

Die   vorhandenen    alten   Baulichkeiten    der    im   Sudwesten    der   Stadt  Beschreibung, 
hegenden   Saline   stammen  «aus   dem   letzten  Jahrzehnt,  des   18.  Jahrhunderts. 
WahrscheinUch  sind  sie  alle  von  dem  Hamburger  Baumeister  Sonnin  errichtet. 

Zwei  große  Siedehäuser  sind  zweigeschossig.  Ihre  Ecken  sind  durch 
gemauerte  Quader  betont,  die  Flächen  unterbrochen  von  viereckigen  und  runden 
Fenstern  und  großen,  mit  Korbbögen  überdeckten  Öffnungen,  durch  die  früher 
die  großen  eisernen  Salzpfannen  eingebracht  wurden.  Diese  Salzpfannen  werden 
erst  seit  1797  verwendet,  die  früheren  waren  klein  —  etwa  1,05  m  lang  und 
breit  —  und  bestanden  aus  starkem  Blei.  Eine  dieser  Pfannen  ist  noch  erhalten. 
Am  Boden  ist  aufgemalt  „Original-Siedepfanne  von  1684".  Ein  weiteres  ein- 
geschossiges Siedehaus  (Nr.  7)  hat  ein  gebogenes  Dach  mit  bemerkenswerter 
Holzkonstruktion  (Fig.  114).  Mehrere  Schuppen  und  kleine  Wohnhäuser,  zum 
Teil  aus  Fachwerk  erbaut,  zeigen  gekrümmte  Dächer. 

Das  Häuschen  über  der  Salzquelle  ist  im  Grundriß  quadratisch  und  mit 
einer  flachen,  schiefergedeckten  Kuppel  abgeschlossen.  Die  quaderartige  Gliede- 
rung der  Wandflächen,  das  Triglyphengesims  imd  die  neben  der  Eingangstür 
stehenden  dorischen  Säulen  sind  aus  Holz  gebildet.  Das  kleine  Gebäude  ist 
umgeben  von  runden  Steinpfosten,  die  diurch  eiserne  Stangen  verbunden  sind. 


-^    318    8^ 

Mitten  im  Gelände  der  Saline  ist  noch  der  Rest  des  alten  Stadtwalles, 
jetzt  mit  Sole-Reservoiren  bebaut,  erhalten,  der  früher  die>  Grenze  der  Saline 
nach  außen  bildete.  Die  54  Siedehäuser  der  alten  Saline  lagen  innerhalb  des 
noch  deutlich  erkennbaren  Wallringes  und  um  das  Quellhäuschen  gruppiert 
Gegenüber  der  Wendischen  Straße  ist  noch  der  Walleinschnitt  mit  dem  alten 
Graben  kenntlich,  durch  den  in  der  Ursulanacht  des  Jahres  1371  die  700  Ritter 
des  Herzogs  Magnus  in  die  Stadt  eindrangen. 

In  einem  Magazin  steht  ein  alter  Koffer  mit  gewölbtem  Deckel,  auf  dem 
sich  die  Inschrift:  JOHAN  ZOHR  |  CLAVS  GAVSE  |  HANS  PVTESN  |  ANNO 
1661  I  DIRCK  MÖLER  |  JVRGEN  PIAS  befindet. 


H — h  -4---hH^ — \ — I — h--H-n 


Ffg.  114.    Saline;  Qaerscbnltt  durch  das  Sledehaas  Nr.  7. 


Eine  angeblich  aus  der  LambertUdrche  stammende  Steinplatte  trägt  die 
Inschrift:  HIE  ENTSTAND!  EIN  |  WASSERSCHADT  |  ANNO  1623  13.  NOV  | 
VNDT  WART  KVNDT  DVRCH  |  GOTTES  GNAD  |  ANNO  1624  9.  FEBR  | 
ERECTVM  ANNO  1659  |  CVRA. ...    Das  untere  Ende  ist  abgebrochen, 

Im  Gebäude  der  Salinendirektion,  Neue  Sülze  Nr.  26,  werden  noch 
neun  Bildwerke  (von  54)  aufbewahrt,  die  auf  den  alten  Siedehäusem  angebracht 
waren.  Diese  aus  dem  18.  Jahrhundert  stammenden  Bildwerke  sind  plastische 
Darstellungen,  aus  Kupferblech  getrieben.  Die  Namen  der  Häuser,  auf  denen 
sie  standen,  haben  sich  erhalten;  offenbar  sind  die  überkonunenen  Bildwerke 
aber  erst  nach  den  uralten  Namen  gebildet  Die  alte,  in  Urkimden  vorkommende 
Form  der  Namen  ist  in  Klammem  beigesetzt    Vorhanden  sind  noch: 

Eine  Henne   mit  goldener  Krone   und   dem   Namen  Heunering   (Heuringe). 
Ein,  einem  Bären  ähnliches  Fabeltier  mit  der  Bezeichnung  Baming  supra 
(Overen  Berdinge). 


i 


-5-8    319    8^ 

Ein  Ziegenkopf  mit  goldenem  Gehörn  und  Baxt  und  dem  Namen  Egbertinge. 
Ein  kniender  Mann  mit  Säule  und  der  Bezeichnung  bemding  (Beminghe). 
Eine  Mönchsfigur  mit  Rosenkranz  und  der  Unterschrift  Ebtzing  (Ebbetsinge). 
Ein  Ziegenbock  mit  goldenen  Hörnern  und  Bart  und  dem  Namen  Metting. 
Ein  wilder  Mann,   der  eine  Säule  trägt,  mit  dem  Namen   bemding  infra 

(Nedderen  Berdinge). 
Ein  Gebäude  mit  Landschaft  und  der  Bezeichnung  Brockhusen. 
Ein   springendes  Einhorn   mit   goldenem  Hom,  Bart  imd  Mähne  und  der 
Unterschrift  Enning. 


w^ 


in.  Wohnhäuser  \ind  Strassen. 


Quellen:  Stadtarchi  v,  insbesondere  Büttners  handschriftlich  niedergelegte  Forschungen, 
sowie  die  Stadtansichten  nnd  Pläne  (fast  vollständig  im  Lttnebuiger  Mnsenm.) 

Literatur:  Manecke,  Beschreibungen  S.  6 ff.;  Yolger,  Origines  Luneburgicae  1861 
(Lttneburger  Blätter  S.  Iff.);  Altertümer  der  Stadt,  hrsg.  vom  Altertums-Yerein,  Lief.  2  und  4; 
Mithoff,  Kunstdenkmale  S.  195 ff.*);  Bode,  Ansichten  der  Stadt  Lüneburg  (sweiter  Jahres- 
bericht des  Museumsvereins  für  das  Fürstentum  Lüneburg  1879). 


Die  an  den  Hauptstraßen  stehenden  mittelalterlichen  Wohnhäuser  Lüne- 
burgs sind  in  ihrer  Mehrzahl  aus  Backsteinen  erbaut,  nur  bei  wenigen  ist  zum 
Teil  Sandstein  verwendet  Die  Fachwerkhauser  der  Stadt,  meist  mit  massivem 
Untergeschosse,  stehen  größtenteils  an  Nebenstraßen  oder  Höfen.  Die  namentlich 
in  früherer  Zeit  ausschließliche  Verwendung  der  Backsteine  zum  Hausbau, 
auch  kleinerer  Gebäude,  hat  die  Stadt  vor  größeren  Branden  bewahrt,  so  daß 
eine  große  Anzahl  mittelalterlicher  Bauwerke  auf  unsere  Zeit  gekommen  ist, 
freilich  oft  in  verbautem  Zustande ;  sind  doch  ganze  Straßenteile  in  früherer  Zeit 
abgebrochen  oder  gänzlich  umgebaut  Eigenartig  ist  es,  daß  die  Grundlage  fast 
aller  Gebäude  dem  15.  und  16.  Jahrhundert  entstammt,  auch  wenn  sie  jetzt 
Außenseiten  des  18.  und  19.  Jahrhunderts  zeigen;  ein  Beweis  dafür,  daß  die  Stadt 
lange  Zeit  nicht  über  ihre  größte  Blüte  im  16.  Jahrhundert  hinausgekommen  ist 

Auf  der  weitgehenden  Verwendung  des  Backsteines  als  Baumaterial 
beruht  auch  jetzt  noch  das  einheitliche  Stadtbild  Lüneburgs. 

Die  Erbauungszeiten  der  Lüneburger  Wohnhäuser  sind  in  großen  Ab- 
schnitten erkennbar,  können  aber  nur  teilweise  durch  Datierungen  festgelegt 
werden.  Ein  romanisches  Kimstzeitalter  gibt  es  in  Lüneburg  nicht,  weder  der 
Form  noch  dem  Baugedanken  nach.  Der  einzige,  in  Lüneburg  bekannte  romanische 
Bauteil  ist  ein  aus  Gipsmörtel  hergestelltes  Kapitell  im  Museum,  das  angeblich 

*)  Eine  eingehende  Darstellung  der  topographischen  Entwicklung  Lüneburgs  mit 
besonderer  Berücksichtigung  der  Straßennamen  ist  in  Vorbereitung  und  wird  als  Sonderschrilt 
erscheinen. 


-^    321    H- 

von  der  Burg  auf  dem  KaJkberge  stammen  soll  und  zweifellos  dort  im  Schutt 
gefunden  ist    Auch  eine  Übergangszeit  ist  unbekannt. 

Die  Bauten,  die  für  die  ältesten  gehalten  werden,  zeigen  entwickelte 
gotische  Fonnen  und  den  gotischen  Baugedanken  der  Auflösung  aller  Mauem 
in  stützende  Pfeiler  und  ausfüllende  dünne  Nischenwände,  der  die  Grundlage 
für  alle  Lüneburger  Wohnhäuser  bis  ins  17.  Jahrhundert  hinein  bildet. 

Die  erhaltenen  ältesten  Wohnhäuser  sind  wahrscheinlich  nicht  vor  1400 
entstanden.  Im  14.  Jahrhundert  werden  in  der  Hauptsache  die  großen  Kirchen 
Lüneburgs  gebaut,  imd  es  ist  möglich,  daß  auch  damals  schon  einige  noch  vor- 
handene Wohnhäuser  entstanden  sind.  Über  diese  Zeit  fehlen  uns  aber  bestimmte 
Anhaltspimkte,  Sicherer  datierbar  werden  die  Formen  erst  gegen  die  zweite 
Hälfte  des  15.  Jahrhunderts,  um  welche  Zeit  auch  der  sogenannte  Taustein,  das 
gewundene  Stabbündel,  als  Backsteinprofil  auftritt.  Aus  dem  16.  Jahrhundert,  dem 
Jahrhundert  der  stärksten  und  reichsten  Entwicklung  Lüneburgs  auf  baulichem 
Gebiete,  sind  datierte  Backstein-  und  Fachwerkbauten  erhalten. 

Nach  1600  geht  die  gotische  Bauüberlieferung  fast  ganz  verloren,  es  werden 
bis  etwa  1740  nur  wenige  Bauten  neu  aufgeführt.  Eine  Anzahl  Giebel  mit  den 
Formen  dieser  2^iten  lassen  darauf  schließen,  daß  die  alten  gotischen  Giebel 
schadhaft  geworden  waren  —  wohl  hauptsächlich  durch  die  treibende  Wirkung 
des  teilweise  totgebrannten  Gipsmörtels  —  und  deshalb  umgebaut  werden  mußten. 

Eine  reichere  Bautätigkeit,  die  aber  nicht  entfernt  die  des  16.  Jahr- 
hunderts erreicht,  setzt  mit  dem  Anfange  des  18.  Jahrhunderts  wieder  ein  und 
dauert  bis  zum  Ende  des  Jahrhunderts. 

In  der  folgenden  Beschreibung  sind  die  Wohnhäuser  der  Stadt  in  Stein- 
bauten und  Fachwerkhäuser  eingeteilt.  Auf  diese  beiden  großen  Gruppen 
folgen  als  besondere  Gruppen  die  Türen,  die  Denkmäler,  welche  einzeln  an  oder 
in  später  veränderten  Wohnhäusern  erhalten  sind,  die  Brunnen  und  die  Denk- 
mäler in  öffentlichen  Sammlungen. 

Innerhalb  der  ersten  Gruppe  —  Steinbauten  —  befinden  sich  die  Unter- 
abteilungen Giebelhäuser,  Reihenhäuser  und  Bauten  des  18.  Jahrhunderts. 

Da  eine  Beschreibung  der  Bauten  in  chronologischer  Folge  nicht 
zuverlässig  möglich  war,  sind  die  Giebelbauten  nach  sieben  bestimmten  Giebel- 
grundformen geordnet,  die  sich  vermutlich  nacheinander  —  in  der  unten 
beschriebenen  Folge  —  entwickelt  haben,  die  aber,  wie  datierte  Bauten  beweisen, 
auch  nebeneinander  verwendet  wurden.  Soweit  eine  Bestimmung  möglich  war, 
ist  sie  bei  jedem  einzelnen  Gebäude  erwähnt;  ferner  umfaßt  die  Behandlung 
der  Stein-  und  Fachwerkbauten  gleichzeitig  die  erhaltenen  Denkmäler  aller 
Zeiten,  die  sich  an  oder  in  den  beschriebenen  Häusern  befinden. 

Innerhalb  der  so  gebildeten  Abteilungen  werden  die  Gebäude  in  der 
alphabetischen  Aufeinanderfolge  der  Straßen  beschrieben. 


41 


-Nf    322    8^ 


Die  Steinbauten. 

Die  Mehrzahl  der  Lüneburger  Häuser  ist  in  der  Tiefenrichtung  des  Bau- 
platzes entwickelt,  so  daß  der  Giebel  der  Straße  zugekehrt  ist  Namentlich  die 
älteren  Bauten  an  den  Hauptstraßen  zeigen  diese  Bauart,  kleinere  Gebäude  an 
den  Nebenstraßen  mögen  auch  in  früherer  Zeit  schon  als  Reihenhäuser  ausgebildet 
worden  sein,  allgemeiner  wird  diese  Bauweise  erst  im  16.  Jahrhundert,  auch 
für  Patrizierhäuser  und  namentlich  Fachwerkgebäude. 

Alle  stärkeren  Wände  werden  als  sogenanntes  Füllmauerwerk  ausgeführt, 
d.  h.  es  wird  an  der  Innen-  und  Außenseite  eine  Verblendung  von  V2  ^^  ^  ^^ 
Stärke  ausgeführt  und  der  Zwischenraum  durch  Gipsmörtel,  mit  Ziegelstücken 
vermischt,  ausgefüllt,  nur  ab  und  zu  geht  eine  Binderschicht  quer  durch  die 
ganze  Wand.  Diese  Bauweise  wird  sogar  bei  den  Giebelpfeilem  durchgeführt 
Die  Umfassungsmauern  der  Keller  werden  z.  T.  unabhängig  von  den  oft  aus  Feld- 
steinen bestehenden  Fundamenten  der  oberen  Mauern  ausgeführt 

Die  Maße  der  bis  etwa  1800  verwendeten  Backsteine  schwanken 
zwischen  27 — 29  cm  Länge,  7—9  cm  Dicke  und  12 — 13,5  cm  Breite;  sie  sind 
durchweg  mit  Gipsmörtel  vermauert 

Formsteine  und  Glasuren  sind  anscheinend  von  vornherein  verwendet 
worden,  denn  schon  am  Turm  der  Johanniskirche  kommen  beide  vor.  Die 
Formsteine  sind  in  den  verschiedensten  Profilen,  von  der  einfachen  Fase  bis 
zum  Stein  mit  drei  Profilen  und  zum  reichwirkenden  Taustein  gebraucht  worden. 
Daneben  werden  Rosettensteine,  Überdecksteine  in  Kleeblattbogenform  und 
omamentale  Friessteine  hergestellt.  Die  Glasuren  sind  grün  und  braun  bis  fast 
schwarz,  die  grüne  Glasur  bedeckt  den  Stein  nur  ganz  dünn  und  läßt  die  rote 
Oberfläche  durchschimmern,  die  braune  Glasur  wird  in  der  späteren  Zeit  dick- 
flüssig und  fast  als  Schmelzfarbe  auf  den  Stein  gebracht;  um  die  Mitte  des 
16.  Jahrhunderts  werden  dann  noch  MedaUlons  mit  Köpfen  und  figürlichen 
Darstellungen  verwandt,  die  mit  dicht  nebeneinander  sitzenden  bunten  Schmelz- 
farben glasiert  sind.  Der  Backsteinbau  des  18.  Jahrhunderts  verwendet  nur 
ganz  ausnahmsweise  Formsteine  bei  der  Bildung  von  Pilasterkapitellen  und 
Türgesimsen.  Eine  gute  Sammlung  vieler  Formsteine  und  Glasuren  befindet 
sich  im  Museum. 

Zum  Verständnis  der  Bauweise  des  Lüneburger  Wohnhauses  ist  der 
Grundriß  nötig,  der  ein  bestimmtes  typisches  Gepräge  erhalten  hat,  und 
zwar  einerseits  für  Patrizier-  und  Bürgerhäuser  und  anderejseits  für  Arbeiter- 
häuser,  wie  die  Wohnungen  für  kleine  Leute  hier  kurz  genannt  werden  sollen 
Dieser  Typus  ist  allen  Bauten  des  15.  und  16.  Jahrhunderts  mit  geiingeu 
Abänderungen  eigen. 

Der  gotische  Grundriß  des  großen  Wohnhauses  ist  ein  mehr  oder  weniger 
tiefes,  mit  der  Schmalseite  an  der  Straße  liegendes  Rechteck,  das  in  der  Tiefen- 
richtung, also  senkrecht  zur  Straße,  eine  durch  das  ganze  Gebäude  gehende 
Teilung  erhält.  Diese  Teilung  besteht  aus  einem  starken  Unterzug,  der  durch 
zwei  oder  mehr  starke  Holzsäulen  mit  Kopfbändem  unterstützt  wird  (Fig.  115). 


I    I    I    I    t    I    I    M   ■)    M    I    I  ■ 


■  Am  ^arift- 


-  Clenixbllftt 


Flg.  115.    Am  Buidfl  «9- 


Der  Unteizug  liegt  rechts  oder  links  aus  der  Mitte,  so  daß  für  die  in  der  tGtte 
der  Schmalseite  hegende  Tür  der  Platz  frei  bleibt.  Dadurch  wird  der  Grundriß 
in  zwei  verschieden  breite  Streifen  in  der  Längsrichtung  geteilt  Die  Säulen, 
Kopfbänder  und  der  ünterzug  mit  Sattelhölzem  sind  profiliert,  so  daß  wir 
uns  als  erste  Anlage   einen  völlig  freien  Raum,   mit  der  Feuerstelle  an  der 


Flg.  lie.    Auf  dem  Kauf  t. 

L&ngswand  des  schmäleren  Streifens,  nur  unterbrochen  durch  die  Stützen,  zu 
denken  haben.  Der  breite  Streifen  bleibt  Diele  und  erhält  an  der  Hofseite  ein 
die  ganze  Mauerfläche  einnehmendes  großes  Fenster;  die  Feuerstelle  wird  später 
in  der  Mitte  des  schmalen  Streifens  durch  Wände  zur  Küche  abgeteilt,  vorn 
und  hinten  entstehen  neben  ihr  zwei  oder  mehrere  Wohnrä,ume,  Diese  Wände 
mögen  ursprünglich  nur  aus  einer  Bretterverkleidung  bestanden  haben,  die  dano 
bemalt  wurde.  Beim  Abbruch  des  alten  Hauses  am  Sande  49  (Fig.  1 15)  fand  man  an 


der  Dielenwand  am  Zimmer  hinter  dei  Küche  eine  Bretterverkleidung,  die 
mit  Figuren  und  gotischem  Ornament  bemalt  war  und  von  der  sich  ein  Teil 
jetzt  im  Museum  befindet.  Wahrscheinlich  wurde  auch  von  Anfang  an  an 
der  Straßenseite  des  breiteren  Streifens  immer  schon  eine  Stube  eingebaut 
Dber  den  so  gebildeten  Zimmern,  nicht  auch  über  der  Küche,  lagen  ebenfalle 
Wohnräume,  die  durch  eine  Wendeltreppe  zugänglich  waren,  wenigstens  in 
späterer  Zeit,  gegen  Ende  des  15.  Jahrhunderts.  Die  Diele  nahm  dann  die  volle 
Höhe  des  Geschosses  ein,  die  Wohnzimmer  wurden  durch  die  Zweiteilung  nur 
halb  80  hoch.  Oft  lag  eine  Eliniahrt  in  den  Hofraum  neben  dem  Gebäude,  die 
später,  im  16.  Jahrhundert,  überbaut  wird.  Ebenfalls  im  16.  Jahrhundert  wird 
an  eiaer  Hofseite  bei  den  Patrizierhäusem  fast  immer  ein  Flügel  angebaut,  der 


Flg.  IIT.    Auf  dam  EkDf  9;  Portal. 

vielfach    einen    großen    Saal    im    Obergeschoß    enthielt    und    den    erweiterten 
Creselligkeitsbedürfnissen  der  reich  gewordenen  Patrizier  diente. 

Dieser  Grundriß,  der  sich  in  fast  allen  größeren  Wohnhäusern  nach- 
weisen läßt  —  meist  liegen  jetzt  noch  die  Küchen  an  den  alt«n  Stellen  — ,  ist 
ganz  unverändert  nirgends  auf  unsere  Zeit  gekommen.  Er  konnte  besonders  gut 
beim  Abbruch  des  Patrizierhauses  am  Sande  49  untersucht  werden.  (Veigl. 
Zeitschrift  für  Architektur  und  Ingenieurwesen,  Jahrg.  1902,  Heft  5.)    Nament- 


lieh    in    der    Barockzeit    sind    die   Wohnhäuser    dann   durch    Einbau    weitem 
Zimmer  und  durch  Galerien  verbaut  worden. 

Wahrscheinlich  gegen  Ende  des  16.  Jahrhunderts  tritt  ein  neues  Motiv, 
das  für  die  äußere  malerische  Gestaltung  von  Bedeutung  wird,  auf,  die  sog. 
Utluchten  oder  Ausluchteo,  welche  den  an  der  Straße  hegenden  Zimmern  etker- 
artig,  oft  in  der  ganzen  Höhe  des  Dielengeschosses,  vorgebaut  werden.    Gotische 


Fl«.  11».    Am  B«rKB  ü;  HofglBlML 

Utluchten  oder  solche  mit  frühen  Renaissanceformen  sind  nicht  erhalten,  haben 
vielleicht  auch  nie  bestanden,  dagegen  werden  sie  in  späteren  Zeiten  bis  zam 
Ende  des  18.  Jahrhunderts  so  häußg  verwendet,  daß  bald  kein  Haus  mehr  ohn« 
Utlucht  war.  Dadurch  bekam  das  Stadtbild  ein  malerisches  Gepräge,  das  teil- 
weise noch  erhalten  ist,  trotzdem  man  jetzt  aus  Verkehrsrücksichten  dia 
Utluchten  wieder  beseitigt 

Die  Häuser  bestanden  in  der  älteren  Zeit  aus  dem  Dielengesehoß  und 
einem  darüber  hegenden,  als  Dachboden  benutzten  niedrigen  Stockwerk,  auf  dem 


-^     327    8^ 

sich  das  Dach  aufbaute.  Erst  im  16.  Jahrhimdert  werden  Qebäude  mit  mehreren 
Wohngeschossen  gebaut  Die  Keller  sind  in  der  Tiefenrichtung  durch  Bogen - 
Stellungen  geteilt,  zwischen  sie  werden  Tonnengewölbe  gespannt,  die  stark  genug 
waren,  die  dünnen  Scheidewände  des  Erdgeschosses  aufzunehmen.  In  der 
Richtung  des  Unterzuges  lag  im  Keller  eine  Bogenreihe,  auf  der  die  Stander  des 
Unterzugs  standen. 

Der  Grundriß  des  Arbeiterwohnhauses  besteht  nur  aus  einem  großen 
Raum,  in  den  eine  kleine  Stube  an  der  Straßen-  oder  Hofseite  eingebaut  ist; 
hinter  dieser  Stube  liegt  die  Feuerstelle.  Diese  Häuser  waren  nicht  unterkellert, 
über  dem  Wohngeschoß  lag  das  Dach.    (Vgl.  hinten  Fig.  180.) 

Die  Grundrisse  der  Patrizier-  und  Bürgerhäuser  nach  1600  wechseln  in 
ihrer  Anlage  und  gehen  nicht  auf  den  gotischen  Grundriß  zurück;  gemeinsam 
ist  ihnen  nur  die  große  Diele  mit  der  meist  frei  eingebauten  Treppe. 

Aus  der  Beschreibung  des  Grundrisses  geht  hervor,  daß  das  für  die 
äußere  Gestaltung  wesentlichste  Architekturelement  der  mittelalterlichen  Stadt 
die  Giebelseite  und  hier  der  Giebel  im  besonderen  war,  der  auch  in  immer  sich 
steigernder  Entwicklung  bis  zu  den  reichsten  Formen  ausgebildet  wurde.  Die 
Schmuckmittel  der  Giebelseite  und  auch  der  späteren  Breitseite  werden  auf 
Portal  und  Giebel  oder  auf  das  oberste  Geschoß  —  bei  Reihenhäusem  —  verteilt; 
die  übrigen  Fensteröffnungen,  namentlich  des  Dielengeschosses,  bleiben  schmucklos. 

OiebelhäiiBer. 

Die  einfachste  und  vielleicht  älteste  Form  (15.  Jahrhundert)  ist  der  Giebel  form  L 
Dreiecksgiebel,  der  sich  der  Dachlinie  im  Umrisse  anschließt  und  dessen  Fläche 
entweder  glatt  und  von  Lichtöffnungen  durchbrochen  ist  oder  durch  senkrechte, 
spitzbogige  Blenden  geteilt  wird.  In  den  Blenden  sitzen  die  Lichtöffnimgen,  die 
teils  in  der  Breite  der  Blenden  mit  Stichbogen  überdeckt  werden,  teils  als 
gekuppelte  schmale  Offnungen  mit  mittleren  Pfosten  und  übergedeckten  Form- 
steinen in  die  Erscheinung  treten.  Diese  Form  findet  sich  an  den  Turmgiebeln 
der  Johanniskirche  und  an  folgenden  Gebäuden: 

Auf  dreigeschossigem  Unterbau  erhebt  sich  der  einfache  Giebel  (Fig.  116),  Auf  dem  Kaufs, 
dessen  Fläche  nur  durch  kleine  Spitzbogenblenden  in  regelmäßiger  Anordnung 
geteilt  wird.  In  den  Blenden  sitzen  Stichbogenöffnungen.  Die  Fenster  der 
imteren  Geschosse  liegen  in  Stichbogenblenden.  Alle  Ecken  der  Blenden  haben 
Kehlprofile.  An  der  Seite  nach  der  Lünerstraße  und  an  der  Hofseite  sind  ver- 
mauerte schmale  Offnungen  zu  erkennen,  die  mit  Spitzbögen  überdeckt  sind. 
Das  spitzbogige  Portal  hat  reich  profilierte  Leibung,  in  die  mehrere  Platten  mit 
der  Bezeichnung  der  späteren  Inhaber  des  Hauses  eingelassen  sind.  Vor  dem 
Portal  liegt  eine  Treppe  mit  zwei  eigenartig  geformten  und  ornamentierten 
Wangen  aus  dem  18.  Jahrhundert  (Fig.  117).  Das  Gebäude  gehörte  im  Mittel- 
alter dem  Kloster  Lüne  (vergl.  vom  S.  178  f.).  Bemerkenswert  ist  die  spät- 
barocke Tür. 

Einfacher  Dreiecksgiebel  auf  dreigeschossigem  Unterbau.    In  die  glatte  Rosenstraße  lo. 
Fläche  sind  rundbogige  Offnungen  in  regelmäßiger  Anordnung  eingesetzt    Ebenso 


ist  das  dritte  (Boden-)  Geschoß  ausgebildet  Die  Kanten  sind  mit  Riindecken 
profiliert,  der  Giebel  scheint  die  ursprüngliche  Form  zu  haben  und  würde  dami 
in  das  Ende  des  15.  Jahrhimderts  zu  setzen  sein.    Das  Gebäude  ist  das  ehemalige 


;:  Stackdfifka. 


Scharfrichterhaus.  In  einer  Nische  über  dem  Eingang  soll  früher  die  Gestalt 
eines  Scharfrichters  gestanden  haben.  Im  Erdgeschoß  sind  einige  gewölbt« 
Räume  —  Gefängnisse  —  erhalten.    Im  Keffer  befindet  sich  ein  großer  gewölbter 


Raum,  ia  dem  die  Gefangenen  gefoltert  wurden,  mit  Steinschranke  und  schwerer 
eichener  Tür  mit  eisernen  Beschlägen. 


Flg.  liO.   Am  Berga  SS;  Btackdecke. 

Hofgiebel.     Erhalten]    sind    die    drei    mittleren    Spit^bogennischen    mit  Am  Sande  sa 
gekuppelten  Öffnungen   ohne  Profil.    Von   den   übrigen  Nischen   erkennt  man 
Spuren.    Gotischer  Grundriß.    In  der  Diele  eine  reich  geschnitzte  Barocktreppe 


-»4    330    8^ 

mit  omamentierteD  Pfosten,  auf  denen  zwei  weibliche  Figuren  mit  Hunden 
stehea  Auf  einem  oberen  Treppenpfosteo  ein  Phönix.  An  der  Galerie  «äa 
reich  geschnitztes  Brett  mit  zwei  Wappen,  von  denen  Aas  heraldisch  rechts 
hegeode  der  Familie  Timmermann  angehört  Verschiedene  Barocktüren.  Int 
Obergeschoß  drei  omamental   behandelte  Qipsdecken,    eine   mit  Rokokoformen. 


Fig.  1>L   An  der  U&nia  8;  Oltbal. 


-^    331    8^ 

Durch  Anlage  von  Giebelecken  über  der  Spitze  und  am  Fuße  wird  der  Am  Berge  35. 
Dreiecksgiebel  bereichert,  und  zwar  am  Hofgiebel  dieses  zum  früheren  Kloster 
Heiligenthal  gehörigen  Hauses  (Fig.  1 18).  Die  Giebelflache  ist  in  sieben  Nischen 
geteilt,  die  kleine  gekuppelte  Offnungen  mit  übergedeckten  Formsteinen  und  Kreise 
aus  Profilsteinen  enthalten.  In  einem  der  Kreise  eine  Rosette.  Das  Haus  hat 
den  gotischen  Grundriß  mit  einer  großen  Diele,  in  die  malerische  Galerien 
später  eingebaut  sind.  Das  die  ganze  Wand  nach  dem  Hofe  einnehmende  Dielen- 
fenster hat  ornamentierte  Pfosten,  am  mittleren  die  Jahreszahl  1637.  Zu  einem 
Stimmer  führt  eine  Renaissancetür  mit  Bogenstellung  auf  der  oberen  Füllung. 
In  einem  niedrigen  Zimmer  ist  eine  reich  gegliederte  und  mit  Figurengruppen 
geschmückte  Decke  aus  Gips  erhalten,  bezeichnet  mit  der  Jahreszahl  1637. 
(Fig.  119  u.  120.)  Sie  ist  in  11  achteckige  Felder  geteilt,  zwischen  denen  kleinere 
rechteckige  mit  Früchten  und  Köpfen  liegen.  Die  großen  Felder  enthalten 
stark  vortretende  Figurengruppen,  teilweise  mit  Angabe  der  Bibelstelle.  Die 
Darstellungen  sind:  1)  Lucae  8,  2)  Schlafender  Knabe  mit  Sanduhr  imd  Totenkopf, 
3)  Lucae  16  (Fig.  119),  4)  Matth.  18,  6)  Matthaei  XX,  6)  Matthaei  22  (Fig.  120), 
7)  Jobs.  4,  8)  Luc.  10,  9)  Lucae  18.  Das  10.  und  11.  Feld  sind  zerstört,  erkennbar 
ist  ein  Affe  mit  einem  Apfel.  An  der  südUchen  Außenseite  des  Hauses  Reste 
des  ehemaligen  Kreuzganges.  Das  Portal  ist  spitzbogig,  mit  zwei  Kreisen  daneben. 
Vom  Straßengiebel  sind  nur  noch  Reste  der  senkrechten  Pfeiler  mit  Rundecken 
erhalten.    (Vgl.  S.  170  f.) 

Die  Giebelform  I  kommt  im  16.  Jahrhundert  noch  an  mehreren  Hof- 
giebeln vor,  so  an  der  Ratsapotheke,  am  Hause  Große  Bäckerstraße  15  (Fig.  163) 
Große  Bäckerstraße  26  u.  a. 

Die   weitere  Entwicklung   der   Giebelform   durch   die   Anordnung  einer  GieMfonn  IL 
Staffel  über  jeder  senkrechten  Nische  führt  zum  ausgebildeten  Staffelgiebel,  der 
in  seiner  einfachsten  Form  an  den  beiden  folgenden  Gebäuden  erhalten  ist: 

Sieben  hohe  Spitzbogenblenden  mit  Fasenprofil,  jetzt  ohne  Offnungen,   Aif^t^dt^Li 
nur  die    mittlere   Blende   hat   noch    Luken.     Im   Geschoß    unter  dem  Giebel 
Bogenstellungen.     Früher   befand   sich   in   einem   Zimmer    dieses  Hauses   eine 
Stuckdecke,  die  in  viereckigen  Feldern  die  Weltteile  in  Figuren  darstellte. 

Neun   senkrechte  Spitzbogennischen   mit   Fasenprofil,   die   durch  kleine  An  der  MUnze  a 
Offnungen  mit  Stichbogenschluß  geschoßweise  untergeteilt  werden,  entsprechen 
den  neun  Staffeln   (Fig.   121).    Im  Obergeschoß  ist  eine  Wendeltreppe  aus  Holz 
erhalten. 

Die  weitere  Entwicklung  der  Staffelgiebel  erfolgt  nur  noch  in  der  Giebaform  lli. 
Fläche,  und  zwar  zunächst  in  der  Weise,  daß  die  senkrechten  Pfeiler  zwischen 
den  Nischen  reicher  gegliedert  und  in  den  Giebelstaffeln  teils  im  vier- 
eckigen Rahmen,  teils  im  Spitzbogen  zusammengeführt  werden.  Die  meist 
geputzten  Flächen  in  den  Nischen  werden  durch  gekuppelte  kleine  Fenster,  mit 
Formsteinen  überdeckt,  oder  durch  ungeteilte  Offnungen  und  durch  gemauerte 

Kreise  mit  Rosetten   auf  den  Brüstungsflächen  belebt.    Vermutlich  sind  diese 

42* 


Giebel  vor  1500  entstaaden.  Der  reichste  und  schönste  Vertreter  dieser  noch 
ganz  das  gotische  VertikaJsystem  ausdrückenden  Gruppe  ist  der  bei  Beschreibung 
des  Rathauses  erwähnte  Giebel  des  Kämmereigebäudes.    Ferner  gehören  bieriier: 

Die  Giebelfläche  wird  durch  sechs  senkrechte  Blenden  mit  Kehlenprofil 
geteilt,  welche  sechs  Staffeln  entsprechen,  eine  siebente  steht  auf  der  Mitte  der 
beiden  oberen.  Gekuppelte  Nischen  sitzen  nur  in  den  Spitzbogenblenden  der 
Staffeln.    Die  LichtöÖnungen  für  den  Daehraum  sind  mit  Stichbögen  überdeckt 


Fig.  1«.    Am  Barg«  &;  Olabel. 

Am  Berge  5.  Ober  Dielen-  und  Bodengeschoß,  letzteres  mit  außen  sichtbaren  Bogen- 

blenden, steht  ein  siebenteiliger  Giebel,  dem  jetzt  die  Staffeln  fehlen  (Fig.  122). 
Die  Pfeiler  haben  Rundeckenprofile.  In  den  Giebelblenden  gekuppelte  Offnungen 
mit  kleeblattförmigen  Oherdecksteinen  und  Kreisen,  die  durch  Rosetten  ausgefüllt 
sind.    Das  Spitzbogenportal  ist  verputzt. 

Grapengje&er-  Von  einem  Staffelgiebel  mit  sieben  Blenden  ist  nur  ein  Teil  der  Keiler 

"      ^  mit  frühen  gotischen  Profilen  erhalten  (Fig.  123).    Das  Haus  hat  den  gotischen 

Grundriß  mit  der  Küche  an  der  alten  Stelle.    In  der  großen  Diele  mit  eingebauter 

Barocktreppe  stand  ein  schöner  Renaissancekamin  (Fig.  124),  der  jetzt  an  das 

Gewerbe-Museum  in  Hambui^  verkauft  ist;  sein  Standort  in  der  Diele  ist  nicht 


-^    333    S^ 

der  ursprüngliche  .gewesen,  zum  Hause  gehörte  er  aber  auch  früher.  Das  reich 
geschmückte  Qebälk  des  Kamins  wird  von  zwei  Figuren  gestützt,  die  auf 
Sockehi  mit  Löwenköpfen  ruhen,  links  ein  König  mit  Zepter,  Krone  und 
Schwert,  rechts  ein  Krieger  mit  Schwert  und  Helm.  Über  den  Köpfen  der 
Figuren  halbrunde  Konsolen.  Im  Fries  an  beiden  Enden  die  Wappen  Witzendorf 
und  Töbing,  in  der  Mitte  sinnbildliche  Darstellung  des  Stadtregiments.  Auf  der 
Mitte  des  Gesimses  eine  dem  Profil  folgende  gekrümmte  Tafel  mit  aufgerollten 
Rändern  und  der  Inschrift:  PVBLICA  RES  FELIX  CVIVS  CONCORDLS.  LiEVAM 
TVS(?)  DEXTRAM  STIPAT  PAX  FOVET  ALMA  SINVM. 

Das  zum  Gebäude  gehörige  Eckhaus  zeigt  im  oberen  Geschoß  eine 
eigenartige  Blendenverzierung.  Sechs  Stichbogen  ohne  Profil  wechseln  mit 
kleinen  Nischen,  die  mit  kleeblattförmigen  Überdecksteinen  geschlossen  sind; 
darüber  befinden  sich  wimpergartige  Streifen  mit  Krabben  und  einer  Kreuz- 
blume.    In    den    Stichbogenblenden    je    zwei    gekuppelte   Fensteröffnungen   in 


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Flg.  ISS.    OrapeDgiefierstrafle  4A;  Oiebelprofil. 


derselben  Behandlung   wie   die   kleinen   Nischen   zwischen   den   Blenden.     Die 
ornamentalen  Steine  sind  braun  glasiert.    An  der  Seite  nach  der  Engen  Straße 
befinden  sich  drei  Sandsteinplatten,  auf  der  ersten  ist  dargestellt  das  Ehewappen 
Witzendorf-Garlop  und  die  Zahl  1593,  die  anderen  Platten  sind  verwittert. 
Der  Pachwerkbau  im  Hofe  wird  weiter  unten  erwähnt 

(Heiligen-Geist-Schule.)  Viergeschossiger  Bau,  darüber  Giebel  mit  sieben  An  der  Münze  7. 
Blenden.  Die  Staffeln  fehlen.  Die  Pfosten  bestehen  aus  Rundecken  mit 
wechselnden  Glasuren.  In  den  Blenden  gekuppelte  Öffnungen  mit  Überdeck- 
steinen und  vertieften  Kreisen  darüber  (Fig.  125).  Das  niedrige  Geschoß  unter 
dem  Giebel  mit  vier  Stichbogenblenden,  in  denen  je  zwei  gekuppelte  kleine 
Öffnungen  sitzen.  Das  Portal  aus  dem  18.  Jahrhundert  hat  zu  beiden  Seiten 
zwei  gemauerte  dorische  Pilaster  und  gebogene  Bekrönung. 

Fünfteiliger  Giebel,  der  wohl  mit  zu  den  frühesten  gehört  und  sich  eng  Am  Sande  53. 
an  den  Giebel  des  Kämmereigebäudes  anlehnt  (Fig.  126).    Die  reich  profilierten 
Pfeiler  gehen  henmter  bis  auf  das  Dielengeschoß  und  umfassen  das  niedrige 


-•4    334    >-^ 


jetzt  zu  Wohnungen  umgebaute  Bodengeschoß.  Die  Teilungspfosten  der 
gekuppelten  Offnungen  in  den  hohen  Blenden  gehen  in  ganzer  Höhe  durch. 
In  der  Mitte  die  Aufzugsluke.  An  den  Oberdecksteinen  der  Öffnungen  siod 
wimpergartige  Ansätze,  m  den  Flächen  darüber  Spuren  dieser  Wimperge  zu 
erkennen.  Die  Staffeln  des  Qiebels  sind  schon  in  gotischer  Zeit  wiederhergestellt 
worden.     Trotz  der  Verstümmelung  des  Hauses  ist  die  Anlage  zu  erkennen. 


Der  Grundriß  ist  der  gotische,  die  Küche  liegt  an  der  alten  Stelle.    (Ratsbier- 
keiler, vgl.  vom  Seite  22  und  306.) 

Im  Frühjahr  1901  abgebrochen.  Der  Giebel  war  zwar  verstümmelt,  A"»  Sande  49. 
zeigte  aber  die  besprochene  Grundform  und  ist  bemerkenswert  (Fig.  127),  weil 
er  noch  die  wimpergartigen  Bekrönungen  der  gekuppelten  Öffnungen  mit  den 
als  Flachomanient  ausgebildeten  Krabben  und  Spitzenblumen  hatte  (sie  befinden 
sich  jetzt  im  Museum).  Der  Bau  enthielt  außerdem  interessante  Einzelheiten, 
eine  gotische  Zimmerdecke,  Renaissancedecken  und  im  KeUer  eine  zentrale 
Luftheizung  von   etwa  1480,  die  erste  bekannte  Anlage  in  einem  büi^erlichen 


Ftg.  IK.    Am  Sande  M;  Otab«L 


Wohnhause,   eiogehend  in  der  Zeitschrift  für  Architektur  und  Ingenieurwesen, 
Heft  5,  1902  beschrieben  und  abgebildet    (Vgl    vom  Fig.  llö.) 

Eine  weitere  Veränderung   der  Giebel  kennzeichnet  sich  dadurch,  daß  OiAelform  lY. 
der  Taustein  eindringt,  ohne  daß  die  Orundform  III  geändert  wird.    Ihre  Ent- 
stehungszeit ist  in  die  zweite  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  zu  setzen. 


Flg.  lil.    Am  Sftiide  4V;  Oteb«l. 

Der  am  besten  erhaltene  Giebel  dieser  Form.  Ober  dem  Dielengeschoß  Am  Sande  8. 
liegen  noch  zwei  Geschosse,  deren  oberstes  außen  durch  Öffnungen  mit  tiefen 
Leibungen  gekennzeichnet  ist  Am  Fuße  des  Giebels  ein  geputzter  Fries.  Der 
Giebel  ist  siebenteilig,  noch  mit  dem  viereckigen  Rahmen  in  den  Staffeln  über 
der  Bogennische.  Die  Pfeiler  werden  durch  Tausteine  gebildet.  Der  rundbogige 
Abschluß  der  Nischen  in  den  Staffeln  stammt  von  einer  späteren  Wieder- 
herstellung.   Der  gotische  Grundriß  ist  erkennbar,   die  Küche  liegt  an  der  alten 

4S 


^    338    S«^ 

Stelle.  In  der  großen  Diele  eine  Barocktreppe.  Besonders  schön  ist  die  Haustür 
(Fig.  12H).  Auf  der  alten  gotischen  Tür  mit  eisernen  Begehlägen  sitzt  noch  der 
alte  Broncetürklopfer,  ein  Löwenkopf,  umgeben  von  einer  kreisförmigen  Wein- 
ranke  mit  Blättern  und  Früchten  im  Charakter  der  Spätgotik  des  15.  Jahr- 


-JHlfHlj- 


T 


Flg.  ii8.    Am  Sande;  HiuslUr. 


ilMiiliiii 4— '-^f- 


FlK  119.    Am  Sande  tOj  Olab«l. 


HHg    340    S^ 

hunderts.  Die  reich  geschnitzte  halbrunde  Schlagleiste  entstammt  dem  Ende  des 
16.  Jahrhunderts. 

Am  Sande  46.  über  dem  jetzt  zweigeschossigen  Unterbau  steht  der  siebenteilige  Giebel, 

ebenso  ausgebildet  wie  der  vorhergehende  (Fig.  129).  Die  abwechsehid  grün 
glasierten  Pfeiler  haben  eine  halbrunde  Form,  die  zurückspringenden  Ecken  der 
Bogennischen  sind  aus  Tausteinen  gebildet.  In  den  Kreisen  aus  Taustäben 
Rosetten.  In  der  Türleibung  ist  ein  Beischlagrest  mit  dem  Wappen  der  bürger- 
lichen Familie  Kroger  und  der  Jahreszahl  1572  eingemauert.  (Abbildung  im 
Jahresbericht  des  Museums- Vereins  von  1899—1901.) 

Am  Sande  36.  Rest  eines  siebenteiligen  Giebels  in  derselben  Ausbildung  wie  der  vor- 

hergehende, nur  erscheinen  hier  schon  horizontale  Taustabe. 

Große  Bäcker-  Xut  dreigeschossigem  Unterbau  ein  siebenteiliger  Giebel  mit  ausschließ- 

licher Verwendung  des  Tausteines.  Wechselnde  Glasuren.  In  den  Kreisen  auf 
dem  Grunde  der  senkrechten  Blenden<liegen  Rosetten. 

■A.uf  Auf  hohem  Dielengeschoß  mit  Utlucht  und  niedrigem  Bodengeschoß  mit 

fünf  Stichbogennischen  ein  Giebel  mit  sieben  Blenden.  Die  Staffeln  fehlen  Jetzt 
In  den  Blenden  kleine  stichbogig  überdeckte  Öffnungen  mit  Kreisen  darüber. 
Das  im  Spitzbogen  geschlossene  Portal  hat  vierfaches  Gewändeprofil  aus 
Tausteinen. 

Giebelform  V.  Die   auf   die  vorhergehende  Form   folgenden  Giebel  werden  flacher  im 

Profil,  die  Bogennischen  unter  den  Ohren  fallen  fort,  die  Pfeilerprofile,  hier 
meist  Rundecken,  aber  auch  Tausteine,  schließen  oben  rechteckig  unter  der 
Staffeloberkante.  Zwischen  die  in  den  geradlinig  geschlossenen  Blenden  liegenden 
Öffnungen  schieben  sich  an  Stelle  der  Kreise  wagerechte  Taustabe,  zwei  und 
drei  übereinander,  kurze  horizontale  Friese  bildend.  Die  Teilung  der  Staffeln 
wird  durch  Taustabpfosten  mit  übergedeckten  Formsteinen  innerhalb  der  gerad- 
linig geschlossenen  Blenden  bewirkt.  Diese  Giebelbauten  sind  im  16.  Jalurhundert 
ausgeführt  worden,  bei  ihnen  kommt  in  der  Mehrzahl  schon  ein  Wohngeschoß 
über  dem  Dielengeschoß  hinzu,  ohne  daß  der  gotische  Grundriß  verändert  wird. 

Altstadt  43.  Rest   eines   siebenteiligen   Giebels.     Die   Pfeiler   bestehen    aus  schwarz 

glasierten  Rundecken.      Unter  den  Luken  sind   die   Taustabschichten  gekreuzt 
Das  Geschoß  unter  dem  Giebel  hat  vier  Bogenstellungen. 

Große  Bäcker-  Ober  dreigeschossigem  Unterbau  steht  ein  siebenteiUger  Giebel  mit  aus- 

schüeßUcher  Verwendung  des  Tausteines. 

Große  Bäcker-  Siebenteiliger    Giebel    über    dreigeschossigem    Unterbau.      Die    Staffeln 

fehlen.    Der  Taustein  wird  ausschließUch  verwendet. 

Brodbänken  8.  Über   einem  früheren   Dielengeschoß   steht  unmittelbar   der  Giebel  mit 

sieben  lotrechten  Blenden  unter  Verwendung  von  Tausteinen. 

Grapengießer-  SiebenteiUger    Giebel    auf    hohem    Untergeschoß,    ganz   aus    glasierten 

Steinen  erbaut,  die  Staffeln  fehlen.     In  der  Diele  besteht  die  Innenwand  aus 


Straße  5. 


->^    342    8-5- 

Fachwerk,  mit  in  Mustern  ausgesetzten  Fächern  und  profilierten  Konsolen  unter 
der  Decke.  Vom  Dielenfenster  sind  die  unteren  Teile  der  Pfosten  aus  dem 
16.  Jahrhundert  erhalten.  Die  kanneUerten  halbrunden  Schäfte  sind  in  halber 
Höhe  durch  Knäufe  mit  Köpfchen  unterbrochen  und  zeigen  über  der  Basis 
geschnitzte  Figuren  auf  Kartuschen.  In  der  Diele  einige  Zimmertüren  aus  dem 
18.  Jahrhundert. 

Auf  dem  Großer   elfteiliger  Giebel   mit  Rundeckenpfeilem.    Auf   der  Spitze    eine 

Kauf  17.  Wetterfahne  mit  H.  C.  B.  1781. 

An  der  Münze  4.  Kleines  gut  erhaltenes  Haus  mit  zwei  Geschossen  und  schmal  geteiltem 

Giebel  mit  sieben  Staffeln.  Das  Geschoß  unter  dem  Giebel  hat  drei  Stichbogen- 
nischen  mit  viereckigen  Fenstern.  Das  Portal  ist  im  Spitzbogen  überwölbt  Im 
Giebel  aufgemalt  die  Zahl  1839  (Fig.  130). 

An  der  Münze  7.  Kleiner  siebengeteilter  Giebel,  dem  die  Staffeln  fehlen.    Die  Pfeiler  mit 

Rundecken.  Das  unter  dem  Giebel  Hegende  Geschoß  hat  Pfeiler,  die  mit  Tau- 
steinen eingefaßt  sind  und  über  denen  Balken  liegen.  In  den  Rücksprüngen 
Hegen  die  Fenster.  Ebenso  behandelt  ist  die  Seite  nach  der  Kalzenstraße  und 
die  unter  der  Dachtraufe  liegende  Fortsetzung  des  Baues  an  der  Münze.  Ein  in 
der  Mauer  liegendes  Holz  hat  die  Inschrift:  ANO  1597.  Im  Obergeschosse  an 
der  Münze  vier  Fach  Fenster  mit  reich  geschnitzten  Pfosten  und  Seitenteilen  — 
16.  Jahrhundert  —  als  kanneUerte  Säulen,  die  mit  Masken  und  Kartuschen 
besetzt  sind,  ausgebildet.  Ferner  befindet  sich  im  Flügel  eine  Stuckdecke  mit 
schweren  Profilen  und  an  der  Hofseite  ein  Balken  mit  RENOVATUM  1754. 
Im  Hause  verteilt  Zimmertüren  aus  dem  18.  Jahrhundert. 

Am  Sande  8.  Auf  zweigeschossigem  Unterbau  mit  Utlucht  steht  ein  fünfteiliger  Giebel 

mit  Rundeckenpfeilem. 

Am  Sande  15.  Siebengeteilter  Giebel  mit  Rundeckenpfeilem  auf  hohem  Dielengeschoß. 

Am  Sande  53.  Auf  dreigeschossigem  Unterbau  fünfteiliger  Giebel.    Am  Fuße  Taustabfries 

mit  Fischgrätenmuster. 

Im  Wendischen-  Siebenteiliger  Giebel    mit  Rundeckenpfeilem.    Die  Staffeln  fehlen.    Die 

Luke  sitzt  nicht  in  der  Mittelblende,  sondern  seitHch.  Das  spitzbogig  überwölbte 
Portal  hat  Tausteinleibungen.  Über  der  Spitze  des  Bogens  werden  aus  Taustäben 
drei  Vierecke  gebildet;  das  mittlere,  breitere  mit  der  Jahreszahl  1575,  die  beiden 
seitüchen  enthalten  Wappen  mit  Hausmarken  und  Buchstaben:  links  H  W., 
rechts  A  W.  Der  Gmndriß  des  Hauses  ist  der  gotische,  mit  der  Küche  an  der 
alten  Stelle.    Die  große  Diele  hat  im  hinteren  Teile  profiüerte  Balken. 

Giebdfarm  VL  Die  nächste  Form  der  Staffelgiebel  zeigt  ein  Überwiegen  der  horizontalen 

Linie.  In  Höhe  jeder  Staffel  durchziehen  den  Giebel  breite,  von  Tausteinen 
eingefaßte  Friese,  teils  geputzt,  teils  fischgrätenartig  ausgemauert  Die  recht- 
eckigen Nischen  in  den  Staffeln  bleiben  mit  ihren  gekuppelten  Öffnungen,  die 
mittleren  Nischen  werden  unter  den  Friesen  in  jeder  der  Staffelhöhe  entsprechenden 
Abteilung  mit  Stichbogen  geschlossen,  in  ihnen  hegen  die  Öffnungen,  die  dem 
Dachstuhl  Licht  zuführen.    Der  Taustein  wird  reichlich  verwendet    Auch  hier 


dorfe  27. 


^^    343    8^ 

erscheint  oft  über  dem  Dielengeschoß  ein  höheres  Geschoß,  außen  durch  Bogen- 
stellungen  gekennzeichnet,  unter  dem  manchmal  noch  ein  Fries,  von  Formsteinen 
eingefaßt  liegt. 

Rest  eines  kleinen  Giebels,  mit  zwei  farbig  glasierten  Medaillons.  Altstadt  5. 

Über  hohem  Dielengeschoß  ein  siebenteiliger  Giebel,  die  Friese  werden  Altstadt  44. 
von  Nasensteinen  eingefaßt. 

(Ratsapotheke.)*)  Auf  hohem  dreigeschossigen  Unterbau  steht  der  neun-  Große 
teilige  Giebel.  Die  Staffeln  sind  mit  Steinplatten  abgedeckt.  An  Stelle  der  ß*^^^"*'*^^  9. 
Friese  durchziehen  den  Giebel  horizontale  Steingesimse.  Die  Staffeln  haben 
innerhalb  der  viereckigen  Umrahmung  die  üblichen  gekuppelten  Nischen.  Am 
Fuße  des  Giebels  ein  kiäftiges  Gesims  mit  darunter  liegendem  Fries,  der  die 
Inschrift:  „NEQVE  HERBA  NEQVE  MALAGMA  SANAVIT  EOS,  SED  TWS 
DNE  SERMO  QVI  SANAT  OMNIA''  enthält. 

Besonders  schön  ist  das  durch  zwei  Geschosse  reichende  Portal 
ausgebildet  (Fig.  131).  Unter  dem  Kämpfer  des  ornamentierten  Rundbogens 
stehen  zwei  Hermen  mit  Gefäßen,  links  eine  männliche,  rechts  eine  weibliche. 
Am  Sockel  zwei  Kartuschen,  aus  denen  seltsame  Tiere  kriechen.  Auf  dem 
Rundbogen  liegt  ein  Konsolengebälk,  die  Zwickel  darunter  werden  ausgefüllt 
von  zwei  weiblichen  Figuren;  neben  ihnen  zwei  kleine  Schrifttafeln  mit: 
CLEALTVS  und  GVST . . .  Auf  dem  Gesims  steht  ein  Aufbau  mit  dem  von 
zwei  Löwen  gehaltenen  Stadtwappen  —  rechts  und  links  neben  den  Löwen 
leere  Kartuschen  —  oben  abgeschlossen  durch  ein  horizontales  Gesims.  Darüber 
die  Inschrift:  CONSVLE  DASSELIO  SANCTO  STATVENTE  SENATV  | 
EXSTRVCTA    EST    GAZIS    HAEC   APOTHEKA    SVIS    HERBAE   ET   SVCCI 


*)  Die  Lünebarger  Apotheken  befanden  sich  bis  gegen  Ausgang  des  Mittelalters  im 
Privatbesitz.  Ein  Apotheker  Hinricas  besaß  im  Jahre  1294  ein  Haus  am  Cyriakskirchhof ; 
ein  anderer  desselben  Namens  wurde  1358  Bttrger  und  Mitglied  der  Kramerinnnng;  Meister 
Olrik,  Apotheker,  erwarb  das  Bürgerrecht  1879;  in  demselben  Jahre  gehörte  ein  Haus  am 
Neumarkt  dem  Apotheker  Johann  Slichting;  1897  wird  „apteker  Wilhelm"  genannt,  als 
Gläubiger  Herzog  Bernds-,  der  Apotheker  Laurentius  Lodewici  kaufte  sich  1409  an  der 
Großen  BSckerstraße  an.  Als  der  Apotheker  Mathias  van  der  Most  gestorben  war  (am 
30.  Nov.  1475),  brachten  seine  Testamentsvollstrecker  Verhandlungen  zum  Abschluß,  die  von 
den  Bürgermeistern  schon  mit  Mathias  selber  angeknüpft  waren,  und  seine  Apotheke  — 
Haus,  Hof  und  alles  Zubehör,  alle  Materialia,  die  ^^moszerbussen",  Kannen,  Kruken  und  alle 
Gerätschaften  —  ging  für  1650  Mk.  in  das  Eigentum  der  Stadt  über.  Fortan  wurde  die 
Apotheke  von  einem  besoldeten  „Ratsapotheker"  verwaltet,  dem  ein  Ratsausschuß,  bestehend 
zumeist  aus  einem  Bürgermeister  und  zwei  Ratmannen,  als  Aufsichtsrat  übergeordnet  war. 
In  jener  Zeit  scheint  nur  mehr  Eine  Apotheke  (an  der  Großen  Bäckerstraße)  bestanden  zu 
haben.  Später  unterhielt  die  Stadt  deren  mehrere,  die  in  Pacht  vergeben  wurden ;  1710  gab 
es  eine  große  und  eine  kleine  Apotheke,  welch  letztere  bald  wieder  einging.  Von  einer 
neuen  Apotheke,  die  1731  versteigert  wurde,  hieß  es,  sie  sei  der  alten  zu  nahe  angelegt, 
woraus  sich  tausenderlei  Unzuträglichkeiten  ergeben  hätten.  Der  noch  jetzt  sog.  Rats- 
apotheke an  der  Großen  Bäckerstraße  hat  sich  die  Stadt  1827  wieder  entäußert.  Ober  die 
Baugeschichte  des  nach  Abbruch  der  alten  Apotheke  im  Jahre  1598  neu  erstandenen 
Hauses  enthält  das  „Registrum  bonorum  apothecae"  mancherlei  Nachrichten;  die  Steinhauer- 
arbeiten aus  „Bukenborger"  Material  lieferte  Meister  Märten  (Köhler). 


^4    344    S^ 

VARIA  ET  MEDICAMINA  PROSTANT  QVAE  NVMERO  HIPPOORATBS  VEL 
PARACELSVS  HABET  AST  IN  PIXIDIBVS  CERTAM  SPBM  PONERB  VITAE 
NON  TVTVM  A  SVMMO  VITA  PETENDA  DEO  EROO  CHRISTE  PA  VE 
NATVRAE  SVFFICE  VIRES  SENTIAT   HING    VIRES    VT   MEDICINA    SVA. 


Flg.  ist.    GroBe  BKckenlrtfi«  t;  Portal 


^^    345    S->- 

An  der  Seite  nach  der  Apothekenstraße  unter  der  Da«bkante  Bogen- 
stelltingen  mit  Taustabfries.  Am  Ende  eine  bemalte  Sandsteinplatte  mit  der 
Zahl  1598.    Der  Hofgiebel  folgt  im  Umriß  der  DacMorm. 


Flg.  1S2,    OroSe  BiekeratraBe  30i  Portal. 


Ein  jetzt  verputzter  Giebel   mit  neun  Staffebi.     In  fünf  zugemauerte  Große  Bäcker- 
Öffnungen  sind  später  Ehewappen   mit  Inschriftband  darüber  eingesetzt     Die      *      *     ' 
Wappen  gehören  den  Familien:  Tobing-DÖring,  Düsterhop-Kruse,  Töbing-Döriog, 
Düsterhop-Döring,  Töbing-Schomaker.     Das  schöne  Portal  (Fig.  132)  wird  ein- 


->4     34ti     S^ 

gefaßt  von  zwei  korinthischen  Säulen  mit  ornamentierten  Schaftunterleilen,  die 
auf  Postamenten  mit  Löwenköpfen  stehen.  Die  Öffnung  ist  rundbogig.  In  iea 
Bogenzwickeln  liegen  geflügelte  weihliche  Figuren.  Hinter  den  fretstehenden 
Sauten  befinden  sich  flache  Nischen  mit  muschelartigem  oberem  Abschluß.    Das 


,    OnpangieBerstriBi  S;  Trspi». 


-!-S     347     8-^ 

Gebälk  ist  über  den  Säulen  verkröpft  und  trägt  Löwenköpfe,  in  der  Mitte  die 
Jahreszahl  1606. 

Ober  dem  zweigeschossigen  Unterbau  erhebt  sich  ein  neunteiliger  Giebel,  Bardowicker- 
dem  jetzt  die  Staffeln  fehlen.  Eigenartig  wird  der  Giebel  dadurch,  daß  im  *  '*  * 
mittleren  Felde  die  gekuppelten  Nischen  der  Staffeln  wiederkehren  und  zwar  in 
jeder  horizontalen  Giebelabteilung  in  Höhe  der  Staffeln.  Das  Portal  ist  rund- 
bogig  mit  schrägen  Gewänden.  Von  den  Gewänden  und  Bogenquadern  ist  einer 
um  den  andern  mit  einem  flachen  Ornament  bedeckt  Der  Schlußsteinquader 
zeigt-  außen  in  der  Gebäudeflucht  erhaben  gearbeitet  das  Wappen  der  Töbing, 
in  der  Leibung  die  Jahreszahl  1631,  die  beiden  Bogenquader  die  Wappen  der 
Töbing  uud  der  Dassel. 


Onpei^laSerstrala  IS. 


Siebenteiliger  Giebel  jetzt  nur  mit  Mittel-  und  Endstaffeln.    Friese  von  Bardowicker- 
Taustäben  eingefaßt.  "^^^^  *' 

Der  siebenteilige  Giebel  hat  seine  Staffeln  verloren.    Im  dritten  Geschoß  Am  Berge  7. 
Bogenblenden.    Ais  Profile  werden  viele  Tausteine  verwendet. 

Siebenteiliger   Giebel.    Portal  mit  Rundbogen.     Zu   dem  Hause  gehört  Am  Berge  44. 
ein  malerischer  Hof  (Ricks  Hof), 

Zweigeschossiger  Bau  mit  fünfteiligem  Staffelgiebel.  Brodbänkea  e. 

Siebenteiliger  Giebel.     Friese  geputzt,  mit  Nasensteinen  eingefaßt    Im  Grapengie&er- 
Erdgeschoß  eine  schön  geschnitzte  Treppe;   das  Geländer  wird  von  schweren      Straße  3. 
Akanthusranken  gebildet,    auf  dem  Pfosten    steht  eine  Figur  mit  Palme  und 
einer  durch  zwei  Wappen  geteilten  Kartusche,  darunter  „Anno  1699"  (Fig.  133). 

Siebenteiliger  Giebel    über  Dielen-    und  Bodengeschoß    mit  niedrigen  Grapengiefier- 
Blenden,  jetzt  ohne  Staffeln,  mit  Verwendung  von  Tausteinen.  straße  15. 

An  der  Seite  nach  der  Kuhstraße  im  Bodengeschoß  eine  Reihe  von 
spitzbogigen  Öffnungen  mit  Kehlprofil,  darunter  ein  durchgehendes  Gesims  aus 
Nasensteinen  (Fig.  134). 


*«    348    S*- 

Grapengießer-  Fünfteiliger  Giebel  auf  dreicescbossiifem  Unterbau. 

Straße  17. 
Orapengiefier-  Doppelhaus  mit  siebenteiligem  Giebel  über  einem  Dielengeschoß.    Einige 

Straße  27/28.    Nischen   sind  vermauert     Die   nebeneinanderliegenden  Portale   sind  spitzbogig 

überwölbt 
Heiligengeist-  Siebenteiliger  Giebel,  dem  jetzt  die  Staffeln  fehlen,  über  Dielengeschoß, 

*  '    *  mit  reicher  Verwendung  von  Tausteinen.    Überleitung  zur  folgenden  Giebelfomi. 


Flg.  ISS.    Am  lUrkU  5;  Btnckdecka 

in  den  Staffeln  über  den  kleinen  gekuppelten  Nischen  Kreise  und  Taustäbe  mit 
farbig  glasierten  Medaillons.    Auf  der  Spitze  eine  Wetterfahne  mit:  PAR  1806. 

Cber  einem  Dielengeschoß  gut  erhaltener  siebenteiliger  Giebel  mit 
ausschließlicher  Verwendung  des  Tausteines. 

Auf  hohem  Dielengeschoß  mit  zwei  Utluchten  und  eioem  darüber 
liegenden  Wohngeschoß,  mit  sechs  Bogenblenden  ein  neunteiliger  Giebel  mit 
teilweiser  Verwendung  von  Tausteinen,  jetzt  ohne  Staffeln. 

Siebenteiliger  Giebel  mit  Tausteinen  über  Dielen-  und  Bodengeschoß,  mit 
Bogenblenden,  ohne  Staffeln. 


-H    349    g-^ 

Giebel  mit  sieben  Staffeln,  die  Bogenblenden  gegen  die  Staffeln  vertikal  Auf  äem 
versetzt,  gut  erhalten;  die  danebenliegende  Durchfahrt  mit  kleinem  dreiteiligem  *" 
Giebel  überbaut.  Friese  mit  Taustäben.  Am  Giebelfuße  vier  Ankersplinte,  die 
die  Jahreszahl  1646  bilden.  Das  Portal  geschlossen  mit  Korbbogen,  darüber 
farbige  Sandsteinkartusche  mit  zwei  Wappen,  einem  Bibelspruch  und  den 
Buchstaben:  L.  M  |  A.  C.  M.  VXOR;  neben  den  Wappen  die  Zahl  1646 
und  RENOVATVM  1777.  Auf  der  Giebelspitze  eine  eiserne  Wetterfahne 
mit  Hausmarke  und  der  Jahreszahl  1646.    Das  Haus  hat  gotischen  Grundriß. 


Fl(c-  13«.   Am  tUrkta  &i  Stackdaoka 

Fünfteiliger  Giebel  mit  Taustabfriesen  und  Kreisen,  Übergang  zur  nächsten  Kanfhaua- 
Giebelform.  Unter  dem  Giebel  Blenden.  Bingangstür  aus  dem  18.  Jahrhundert,  *  ■*  ®  ■ 
mit  Messing-Türklopfer. 

Neunteiliger  Giebel  auf  viergeschossigem  Unterbau,  mit  Friesen  von  Am  Markte  6. 
Tausteinen.  Die  Staffeln  sind  mit  Steinplatten  abgedeckt  Das  Gebäude  ist 
das  höchste  mittelalterliche  Wohnhaus  der  Stadt.  Im  Obergeschosse  befindet  sich  eine 
schöne  Stuckdecke,  die  früher  ungeteilt  den  Abschluß  eines  großen  Saales  bildete 
(Fig.  135  und  136).  Die  Fläche  wird  geteilt  durch  viereckige  Felder,  zwischen 
denen  grol^s  flaches  Scbneckenomament  liegt.     Die  Felder  sind  ausgefüllt  mit 


-^    350    i^ 

plastischen  teilweise  unterarbeiteten  Darstellungen  aus  der  griechischen  Götter- 
geschichte und  den  zugehörigen  Inschriften:  Mars  (Fig.  136),  Luna,  Jupiter  (Fig.  135), 
Saturnus,  Venus,  Merkurius. 

Auf  dem  Giebel  mit  fünf  Staffeln  auf  glattem  Unterbau,  ohne  Friese.    Die  Blenden 

^^^^     •  sitzen  unregelmäßig  in  der  Giebelfläche.    Das  spitzbogige  Portal  hat  dreifaches 
Gewändeprofil. 

^kirche  4,  ^  Fünfteiliger  Giebel  über  zwei  Geschossen  mit  Priesen  aus  Taustaben. 

Bei  d.  Michaelis-  ^^  hohem  Dielengeschoß  siebenteihger  Giebel  mit  Friesen  aus  Taustaben. 

Salzstraße  19.  Der  große  neunteihge  Giebel  steht  auf  einem  dreigeschossigen  Unterbau, 

dessen  oberes  Geschoß  vier  Blenden  zeigt  (Fig.  137).  Die  horizontalen  Friese 
werden  von  Taustäben  eingerahmt  und  enthalten  Steinmuster  in  Fischgrätenfonn. 
Der  gotische  Grundriß  ist  erkennbar,  die  Küche  hegt  an  der  alten  Stelle.  Im 
hinteren  Teil  ist  ein  Ständer  erhalten,  der  unter  dem  Kopf  band  in  Form  einer 
korinthischen  Säule  mit  Kapitell  und  Basis  ausgebildet  ist  und  in  der  Mitte  ein 
bandartiges  Ornament  mit  vier  Köpfchen  zeigt.  Die  Kopfbänder  sind  profiliert, 
die  Enden  des  Sattelholzes  geschnitzt.  Unterzug  und  Deckenbalken  sind  profiüert, 
die  Deckenfelder  dazwischen  mit  großem  Rankenwerk  grau  in  grau  und  gelben 
Schatten  bemalt  Im  Obergeschoß  des  Hofflügels  ist  der  Rest  einer  bemalten 
Decke,  mit  zwei  von  Rankenornament  umgebenen  Kreisen,  erhalten.  In  den 
Kreisen  erscheinen  zwei  weibUche  Halbfiguren,  eine  davon  Justitia.  Die  Zimmertür 
dieses  Raumes  ist  im  Stichbogen  geschlossen  und  mit  einem  Konsolengesims 
bekrönt.  Auf  dem  Türflügel  aufgelegte  profilierte  Leisten,  die  Füllungen  ein- 
schließen.   Im  oberen  Felde  die  Wappen  Töbing-Semmelbecker  mit  der  Zahl  1563. 

Der  Teil  des  Flügels,  in  dem  dieser  Raum  sich  befindet,  gehörte  früher 
zu   dem   weiter  unten  beschriebenen   Fachwerkbau  im  Hofe  Schlägertwiete  6. 

Im  Fußboden  des  Dachgeschosses  ist  die  Jahreszahl  1612  eingeritzt  In 
der  Diele  befindet  sich  eine  2ümmertür  mit  verkröpften  Füllungsprofilen  aus  dem 
18.  Jahrhundert. 

Am  Sande  6/7.  Auf  zweigeschossigem  Unterbau   siebenteiliger  Giebel.    Friese  von  Tau- 

steinen eingefaßt    Am  Geschoß  unter  dem  Giebel  Stichbogenblenden. 

Am  Sande  13.  Siebenteiliger  Giebel  auf  glattem  zweigeschossigem  Unterbau. 

Am  Sande  20.  Schmaler  fünfteihger   Giebel    auf   hohem  Unterbau.     Friese  von  Tau- 

stäben eingefaßt. 

Ob.  Schrangen-  Der  Giebel   ist  jetzt  verputzt,   läßt  aber  die  alte   siebenteilige  Anlage 

^  "^^  ^  noch  erkennen.    Vier,  wahrscheinUch  spätere  Ankersplinte  im  Giebel  bilden  die 

Jahreszahl  1658.  In  der  verbauten  Diele  befindet  sich  eine  Treppe  mit 
geschnitzten  Anfängern.    Einer  derselben  hat  die  Inschrift:  -A- 0-1702. 

Giebelfarm  riL  Die    letzte  Form    der  Giebelausbildung  ist  eigentüch  nur  eine  reichere 

Behandlung  der  vorhergehenden,  deren  Grundlagen  beibehalten  werden,  aber  in 
überreicher  Ausstattung.  Der  Taustein  wird  fast  ausnahmslos  verwendet,  auf 
die  Pfeiler  werden  Taustäbe  aufgelegt,  die  auch  die  Bögen  begleiten,  Vierecke 
in  den  Giebelstaffeln  und  Kreise  in  den  Friesflächen  bilden.  Das  Ganze  schließt 
sich  zu  einem  Bilde  sinnverwirrenden  Reichtums,  der  sich  auch  auf  die  danmter- 


Fig.  IST     8>iutnA«  V. 


->^    352    8-5- 

liegenden  Geschosse  erstreckt  und  in  seiner  malerischen  Schönheit  im  jetzigen 
Zustande  verstärkt  wird  durch  meist  zwei  Utluchten  zu  beiden  Seiten  des  eben- 
falls von  Tausteinen  eingerahmten  Portales.  In  den  Kreisen  aas  Taustaben 
erscheinen  farbige  Medaillons,  Brustbilder  in  Patrizier-  und  antiker  Tracht  oder 
biblische  Szenen  darstellend.  Diese  Giebelbauten  sind  gegen  die  zweite  Hälfte 
des  16.  Jahrhunderts  entstanden.  Mit  ihnen  ist  die  gotische  ÜberUeferung  und 
ihre  Ausbildung    am    Ende,    wie    auch    das    größte   Kunstzeitalter   Lüneburgs. 

LUnerstraße  3.  Dreigeschossiger  Bau  mit  fünfteiügem  Giebel.    Im  zweiten  Geschoß  senk- 

recht aufgelegte  Taustäbe,  Friese  und  Kreise,  im  dritten  Geschoß  vier  Stich- 
bogenblenden. Letzteres  und  der  Giebel  ganz  mit  dunkel  glasierten  Taustaben 
verziert.  In  den  Kreisen  bunt  glasierte  Köpfe.  In  der  untersten  Kreisreihe  bunt 
glasierte  Darstellungen  aus  dem  Leben  Simsons:  1.  Simson  mit  den  Palasttüren, 
2.  Simson  im  Schöße  Delilas,  3.  Simsons  Kampf  mit  dem  Löwen.  Im  Erd- 
geschoß besitzt  ein  Raum  eine  Wandvertäfelung  aus  dem  Ende  des  16.  Jahr- 
hunderts. Auf  den  Rahmen  liegen  flache  ausgesägte  Ornamente,  der  Abschluß 
unter  der  Decke  wird  gebildet  durch  Architrav,  Fries  und  Gesims  mit  Eierstab. 

Lünertor-  Auf  glattem  zweigeschossigem  Unterbau  mit  Utlucht  siebenteihger  Giebel 

*  '*  ^    '  ohne  Medaillons.    Im  Erdgeschoß  eine  einfache  Stuckdecke. 

LUnertor-  Die  ganz  erhaltene  mittelalterhche  Giebelseite  gehört  zu  den  schönsten 

Lüneburgs  (Fig.  138).  Das  hohe,  jetzt  zweigeteilte  Dielengeschoß  hat  zwei 
Utluchten  mit  gebogenem  Kupferdach,  zwischen  ihnen  liegt  das  spitzbogige 
Portal  mit  Tausteinprofilen.  Über  diesem  Geschoß  baut  sich  ein  niedriges 
Bodenstockwerk  mit  fünf  Stichbogenblenden,  deren  Pfeiler  mit  Taustäben  besetzt 
sind,  auf.  Darüber,  am  Giebelfuß,  durchgehender  Fries,  in  den  Bogenzwickeln 
der  Blenden  Kreise.  Der  reich  mit  Taustäben  besetzte  Giebel  ist  siebenteiÜg. 
In  den  Kreisen  farbig  glasierte  Medaillons  mit  Köpfen.  Der  gotische  Grundriß 
mit  der  großen  Diele  an  der  Ecke  nach  dem  Werder  ist  deutiich  erkennbar. 
Die  innere  Längswand  der  Diele  ist  mit  Kegelmustern  ausgemauert.  Die  Küche 
liegt  an  der  alten  Stelle.  Ein  Ständer  der  Längswand  gotisch  profiliert  An 
der  Rückseite  hinter  der  Küche  Spuren  einer  gemauerten  Wendeltreppe.  Die 
Haustür  aus  dem  18.  Jahrhundert  ist  mit  geschwungenen  aufgelegten  Profilen 
und  schönem  Messing-Türklopfer  verziert.  Der  Messing-Türgriff  stammt  aus  der- 
selben Zeit.  Im  Innern  des  Hauses  befinden  sich  mehrere  Türgriffe  aus  der 
Empirezeit. 

Am  Sande  1.  Auf  dreigeschossigem  Unterbau  erhebt  sich  der  schöne  Giebel  mit  sieben 

Staffeln,  die  beiden  oberen  Geschosse  sind  außen  gekennzeichnet  durch  Stich- 
bogenblenden, in  denen  die  früher  viereckigen  Fenster  saßen  (Fig.  139).  Alle 
Pfeiler  sind  mit  Taustäben  besetzt,  die  Friese  von  denselben  Steinen  eingefaßt 
In  den  Bogenzwickeln  der  Geschoßblenden  imd  in  den  Friesen  des  Giebels 
Kreise,  von  Taustäben  eingerahmt  und  von  farbig  glasierten  Medaillons 
ausgefüllt.  Im  Giebel  fehlen  die  Medaillons,  die  über  den  Blenden  des  zweiten 
Geschosses  farbig  glasiert  die  Geschichte  Simsons  darstellen,  in  denselben  Formen 
wie  am  Giebel  Lünerstraße  3.  Das  hohe  im  gedrückten  Spitzbogen  geschlossene 
Portal  hat  Gewände  von  Tausteinen.    Zu  beiden  Seiten  je  ein  Kreis  mit  farbig 


Flg.  13».    Am  Saoda  l 


-^    354    8^ 

glasierten  Löwen.  Über  der  Spitze  eine  Platte  mit  der  Zahl  1548  und  zwei 
Gestalten.  An  der  Seite  nach  der  Grapengießerstraße  setzt  sich  die  Blenden- 
architektur mit  den  Medaillons  fort.  Das  Gebäude  ist  im  letzten  Jahrzehnt  des 
19.  Jahrhunderts  umgebaut  worden» 

Am  Sande  2.  Unterbau  von  derselben  Höhe  und  ebenso  ausgebildet  wie  beim  vorher- 

gehenden Bau.  In  den  Medaillons  wieder  die  Geschichte  Simsons.  Der  Giebel 
ist  wahrscheinUch  später  verändert;  er  zeigt  jetzt  eine  hohe  untere  Staffel- 
abteilung mit  fünf  Spitzbögen  und  drei  kleineren  Staffeln. 

Am  Markte,  Ein  Giebel,    der   zu   keiner  der  besprochenen  Formen,   wenigstens  nach 

Münze  15.        seiner  Wiederherstellung,  gehört.     Er  trägt  in  der  Spitze  die  Inschrift:     „Anno 

domini  MDLX.  Renovatum  anno  domini  MDCCC  XXXXVI",  und  ist  in  senkrechte 
Streifen  geteilt  durch  Pfeiler,  deren  Kanten  mit  tauf örmigen  Rundstäben  besetzt  sind. 
Diese  Pfeiler  enden  Jetzt  in  Obelisken  und  Kugeln  über  der  Dachlinie  und 
stehen  auf  Konsolen.  Horizontale  Teilungsgesimse  sind  um  die  Pfeiler  gekröpft 
Zwischen  den  letzteren  kleine  gekuppelte  Fenster.  Der  Umriß  des  Giebels 
besteht  aus  Schneckenlinien,  die  aber  der  Wiederherstellung  angehören.  In  den 
Brüstungen  sitzen  hervortretende  Köpfe.  Am  Erdgeschoß  sind  zwei  Wappen  der 
Glöde  und  Brömse  erhalten,  die  Schilder  werden  von  Putten  gehalten.  Im 
Obergeschoß  befinden  sich  einige  Stuckdecken  aus  dem  18.  Jahrhundert. 

Reste.                Von   allen  Giebelformen   sind   verbaute  Reste   an  vielen  Gebäuden  der 
Stadt  erhalten.  

Neben  den  Backsteingiebelbauten  erscheint  ein  Giebelhaus,  dessen 
Entstehungszeit  in  das  16.  Jahrhundert  fällt  und  bei  dem  einzelne  Teile  aus 
Sandstein  hergestellt  worden  sind. 

Am  ^     ^  Hervorragend  sind  an  diesem  Hause  Giebel  und  Portal  behandelt    Der 

Giebel  (Fig.  140)  hat  die  Grundform  des  Staffelaufbaues.  Die  Fläche  ist  glatt, 
von  einigen  Bsicksteinbändern  durchzogen.  Die  Öffnungen  sind  regelmäßig 
verteilt  und  mit  Stichbogen  geschlossen.  Auf  den  Staffeln  liegen  als  Übergang 
zur  Senkrechten  der  nächsten  Staffel  Bildwerke  aus  Sandstein  in  Form  von 
Delphinen.  Unter  den  die  Umrißlinie  bildenden  Delphinen  der  beiden  unteren 
Staffeln  hegen  wieder  Delphine,  auf  denen  Putten  reiten.  In  Schwanzhöhe  der 
oberen  Delphine  erscheinen  Konsolen  mit  Engelsköpfen.  Die  mittlere  Staffel 
ist  bekrönt  von  einem  Gebälk  mit  Frontgiebel.  Die  Öffnungen  im  Giebel  sind 
mit  Holzklappen  geschlossen,  auf  denen  kaum  sichtbare  Rautenornamente  und 
Wappenumrisse  erscheinen. 

Das  Portal  (Fig.  141)  hat  schräge  Leibungen  mit  flachen  runden  Nischen 
und  unteren  Sitzkonsolen.  Der  obere  Abschluß  der  Nischen  ist  muschelförmig, 
darüber  wird  in  den  schrägen  Flächen  der  Leibung  auf  jeder  Seite  ein  Rahmen 
von  sich  überschneidenden  Rundstäben  gebildet,  in  welchem  links  das  Wappen 
der  Witzendorf,  rechts  das  der  Haker  sitzt  (Hartwig  von  Witzendorf  j  1569, 
seine  Frau  war  Beata  Haker.)  Der  Sturz  der  Tür  wird  durch  ein  gerades 
Gebälk  gebildet.    Am  Flügel  an  der  Barmeisterstraße   ist   das    obere  Geschoß 


Ochsenmarkte  1. 


durch  SüchbogeDblendeii  betont  Die  Rückseite  im  Hof  zeigt  im  Obergeschoß 
Facbwerk  mit  zehn  Gefachen,  dessen  Flächen  mit  Backsteinen  in  Mustern  aus- 
gesetzt sind.  Die  Fußbänder  sind  mit  Ringen  und  Fächeromament  geschmückt, 
Füllhölzer  und  Unterkante  Schwelle  profiliert,  die  Schwelle  hat  schräglaufendes 
Perlenomament    Die  Konsolen  sind   im    Renaissancecharakter    profiliert    Der 


gotische  Grundriß  mit  der  Küche  an  der  alten  Stelle  ist  erkennbar.  Die  große 
Diele  hat  später  eingebaut«  umlaufende  Galerien.  Die  Treppenptosten  sind  in 
Form  von  sitzenden  Löwen  geschnitzt. 

17.  Jahrhundert.  Mit  dem   17.  Jahrhundert   wird  der  überlieferte   Stiiffelgiebel   gänzlich 

verlassen  und  die  geschwungene  Linie,  oft  in  Schneckenform,  für  den  Giebel- 
umriß aufgenommen.  Derartige  Giebelbauten  werden  auch  im  18.  Jahrtumdert 
noch  ausgeführt 

Unt.  SchrftD^eo-  Der  hervorragen dst«  Bau  dieser  Form  ist  durch  die  Wetterfahne  mit  der 

Bttsße  4.        Jahreszahl  1617  bestimmt  (Fig.  142).    Das  Portal  ist  rundbogig,  mit  schräger 


tllillllMI 1 1 »- 

Flg.  Ml.    IInl«re  etbnnganstnB«  l. 


hh8    358    iH>- 

Leibung  und  einfachem  Schlußstein.  Am  Giebelfuß  ein  wenig  vortretendes 
Backsteinband.  Darüber  baut  sich  der  einen  halben  Stein  zurücktretende  Giebel 
mit  geschwungenen,  unten  in  großen  Schnecken  endigenden  Umrißlinien  auf. 
In  der  Mitte  ist  die  Fläche  des  Unterbaues  bis  zur  Giebelspitze  durchgeführt 
und  bildet  eine  Vortage  mit  seitlichen  kehlenartigen  Anlauf  ern,  die  eine  Bekrönung 
mit  rundem  Abschluß  trägt  Alles  ist  aus  Backsteinen  hergestellt.  Auf  dem 
runden  Abschluß  ist  eine  eiserne  Wetterfahne  mit  kupferner  Kugel  und  Hansa- 
kreuz an  der  Spitze  angebracht.  Die  Wetterfahne  enthält  neben  der  Zahl  1617 
ein  Wappen  mit  Hausmarke. 

Am  Sande  16.  Hoher  Bau  mit  willkürUchen  Schneckenlinien,  die  auch  über  dem  Nebenbau 

mit  der  Durchfahrt  sich  fortsetzen.  Eingangstür  aus  dem  18.  Jahrhundert,  zwei- 
flügelig mit  aufgelegten  Profilen  und  geradem  Kämpfer.  Im  TüroberUcht  ist 
eine  Laterne  eingebaut.  Der  gotische  Grundriß  ist,  lang  nach  hinten  gezogen, 
noch  erkennbar,  mit  der  Küche  an  der  alten  Stelle.  Erhalten  ist  ein  starker 
Eichenholzständer,  der  vielflächig  abgeplattet,  als  Säule  wirkt,  mit  reich  profiliertem 
Kopfband.  Vor  der  Haustür- stehen  zwei  halb  zerstörte  gotische  Beischläge  mit 
den  Wappen  der  Famihe  Wülschen  und  zwei  Darstellungen  des  St  Georg  und 
der  Maria  mit  dem  Kinde.  (Abbildung  in  dem  Jahresberichte  des  Lüneburger 
Museumsvereins  1899—1901). 

Ähnliche  Bauwerke  stehen  noch:  Untere  Schrangenstraße  13,  am 
Sande  3,  11,  22,  Große  Bäckerstraße  6,  18,  Heiligengeiststraße  10,  27,  Altstadt  32 
(mit  der  Inschrift:  CUM  DEO  EXSTRVCTUM  ANNO  1749,  R  18  ....  undeutiich, 
neben  einem  Wappen). 

18.  Jährhufidert.  In  späterer  Zeit,  wahrscheinlich  schon  am  Ende  des  17.  Jahrhunderts, 

in  der  Hauptsache  aber  wohl  im  18.  Jahrhundert,  entstehen  die  zahlreichen 
Giebel,  die  sich  der  Dachlinie  anschließen,  am  Giebelfuße  je  ein  Ohr  mit  vertiefter 
Füllung  haben  und  deren  Spitze  mit  einem  gemauerten  Frontgiebel  bekrönt  ist 
Diese  Giebel  treten  last  immer  an  Stelle  von  älteren,  die  schadhaft  geworden 
waren.  Oft  sind  auch  die  Häuserfronten  im  ganzen  in  jener  Zeit  erneuert 
worden,  während  dahinter  der  alte  Bau  erhalten  blieb. 

Bei  d.  Johannis-  Dsis  stattUche  Gebäude  ist  das  Haus  des  Bürgermeisters  Domkrell.    Im 

irc  e  Flügel   befindet  sich   ein   großer  Saal   mit   Vorzimmer.     Beide   Räume   haben 

Stuckdecken,  teilweise  ornamentiert  Ober  der  Tür  des  Vorzimmers  ist  eine 
Sandsteinplatte  mit  den  Wappen  Domkrell-Dohmsen  und  der  Inschrift:  JOHAN: 
GEORG  :  DORNKRELL/VON  EBERHERTZ  :  ANNO  1696  :  SEN.  MAGDALENA: 
DOHM=.  eingemauert.  Bemerkenswert  ist  die  schöne  zweiflügelige  Haustür 
aus  dem  18.  Jahrhundert. 

Am  Sande  12.  Die  ganze  Hausfront  ist  erneuert.     Der  Grundriß  ist  gotisch,   bis  vor 

kurzem  lag  die  Küche  an  der  alten  Stelle.  Im  hinteren  Teile  Reste  einer 
steinernen  Wendeltreppe,  Im  Plügelbau,  der  jetzt  eingeschossig  ist,  sind  einige 
Gipsdecken  und  Türen  aus  dem  18.  Jahrhundert  erhalten,  femer  ein  Wandschrank 
und  ein  Stück  Vertafelung  aus  dem  16.  Jahrhundert.     Im  jetzigen  Dachgeschoß 


des  Flügels  befinden  sich  Reste  eines  Kamines  und  ein  Ziegelsteinfußboden,  die 
den  ehemals  hier  liegenden  Saal  schmückten. 


I     I     M     I     I     Mt     I     I     I 

FIk.  M.    Am  Sande  Sl ;  HaDStAt. 


-^ 


Ebenfalls  noch  mit  dem  gotischen  Grundriß  und  der  Küche  an  der  alten  Am  Saude  31. 
Stelle.     Die  Eingangstür  aus  dem  18.  Jahrhundert  ist  zweiflügelig  und  hat  auf- 
gelegte  geschwungene  Profile  in  der  Türfüllung  (Fig.  143).     Der  Kampfer  ist 
gerade,   der  Messingdrücker  aus  der   Empirezeit     Die  innere  Einrichtung   der 


^ — '^ — ^ — »1=. 


Flg.  IM,    Am  Bud«  Sl ;  Zlnunerdcek» 


-<-g    361    8-^ 

Diele  stammt  aus  dem  16.  und  18.  Jahrhundert;  die  Balken  sind  mit  Gipsprofilen 
versehen,  an  den  Wänden  erscheint  ein  flacher  Gipsfries.  Zu  den  Zimmern  neben 
der  Diele  führen  drei  Türen  mit  schönen  Umrahmungen,  bestehend  aus  korinthischen 
Pilastem  mit  Postament  und  Gebälk  mit  Masken.  Zwei  dieser  Türen  mit  einem 
gebrochenen,  runden  Giebelgesims,  in  dessen  Mitte  auf  Postamenten  mit  Masken 
Büsten  standen.  Der  massive  Flügelbau  ist  zweigeschossig  mit  Resten  von  Spitz- 
bogenblenden im  Obergeschoß.  Am  hinteren  Ende  der  Außenseite,  offenbar  einer 
späteren  Verlängerung  des  Flügelbaues,  sind  vier  Wappen  angebracht,  und  zwar 
die  des  Erbauers  Leonhard  von  Mver  und  seiner  ersten  Frau  Anna  von  Laffert 
mit  der  Jalireszahl  1572  imd  die  seiner  beiden  anderen  Frauen  Gatharina 
Köpping  und  Elisabeth  Stüver  mit  der  Jahreszahl  1588.  Das  Erdgeschoß  dieses 
Flügels  enthält  eine  schöne  Zimmerdecke  (Fig.  144),  deren  Balken  mit  Triglyphen- 
gesimsen  und  Füllungen  verkleidet  sind.  An  der  Wand  erscheint  zwischen  den 
Balken  ebenfalls  das  Triglyphengesims.  Gesimse  xmd  Rahmenprofile  sind  mit 
Eierstäben  geschmückt  Die  Rahmen  der  Balkenverkleidung  haben  gebrannte 
Elinlagen,  die  Füllungen  der  Felder  eingelegte  Linien. 

Gotischer  Grundriß.  In  der  Diele  befindet  sich  eine  Fensternische,  die  Am  Sande  4a 
mit  kleinem  Kreuzgewölbe,  dessen  Rippen  aus  Gips  gezogen  sind,  überdeckt  ist. 
Der  vordere  Bogen,  in  Ejelbogenform  geführt,  zeigt  an  der  Unterseite  eine  Hänge- 
kante von  halben  Dreipässen  imd  auf  den  Profilschrägen  Krabben;  er  ruht  auf 
Konsolen,  auf  denen  ehemals  Fialen  standen.  Die  Spitze  ist  mit.  einer  Kreuz- 
blume bekrönt    ADe  Teile  sind  aus  Gipsmörtel  hergestellt. 

Der   gotische   Grimdriß   und  die   Diele   mit   dem   großen   Fenster   sind  Grapengießer- 
erhalten.     Die  Eingangstür   aus  dem  18.  Jahrhundert  ist  zweiflügelig,  mit  auf-       ßtraße  2. 
gelegten,   geschwimgencQ   Profilen  und   Sockel.      Über   dem   geraden   Kämpfer 
schönes  Rokokooberlicht.    Der  alte  Messingdrücker  ist  noch  vorhanden. 

Reihenhäuser. 

Die  Reihenhäuser  werden  in  der  Hauptsache  wohl  erst  im  16.  Jahr- 
hundert und  später  ausgeführt  worden  sein,  mit  Ausnahme  kleiner  Häuser  an 
Nebenstraßen.  Zu  letzteren  mag  das  in  der  Rothehahnstraße  6  erhaltene  Haus 
gehören.  Die  Reihenhäuser  werden  meist  nur  im  obersten  Geschoß,  unter  der 
Dachkante,  mit  einer  Reihe  von  Stichbogenblenden  versehen,  in  denen  die  vier- 
eckigen Fenster  sitzen.  In  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhxmderts  folgen  dann 
reichere  Ausbildungen,  z.  T.  mit  Verwendung  von  Sandsteingliederungen. 

Ehemals   einheitliches  Haus   mit  Stichbogenblenden,   von   denen   sechs  Auf  der  Altstadt 
erhalten  sind.   Unter  der  Blendenreihe  eine  Steinplatte,  von  Tausteinen  umrahmt,        ^>  *^»  ^' 
mit  zwei  Wappen,  darunter  AÖDOMINI  •  1588. 

Über  die  Erbauung  des  Hauses  Große  Bäckerstraße  26  (Ecke  der  Münz-  Große  Bäcker- 
straße)   schreibt    der   Chronist   Hammenstedt    (nach   1680)    zxmi    Jahre    1509       «traße  26. 
folgendes :   „her  Luedtke  van  Dassel,  der  nhunmher  reich  und  stadtlich  bogudert 
durch   den   saltzkauf,   haet  gebauwet   das   schöne   haus   in  der  Beckerstraten, 
welkes  aJhie  an  der  Muntstraten  bolegen,  sampt  dem  gantzen  ohrde  die  lenge 

46 


-^    362    8^ 

in  der  kleinen  gassen  hinaus  und  dem  gemeinen  stoven  [der  öff.  Badestube],  wie 
noch  zu  besehende,  ...  er  haet  auch  in  seinem  burgermeisterstande  das  beihaus 
gekauft  und  bawen  lassen  —  das  sprenk  van  hauwen  stein  an  seiner  haustur 
sol  derzeit  gestanden  haben  500  M.  lub.  Er  war  ...  ein  Zuflucht  aller  frommen 
leut,  der  sich  auch  vihl  gunst  und  guten  willen  machte  bei  hem,  fürsten  imd 
vam  adel,  und  die  so  hier  ankemen,  mit  Weinschenken  und  gestereien  in  seinem 
hause  auf  seine  selbst  unkost  zuweilen  stahtlich  hat  thun  verehren  . .  .und  gibt 
auch  das  gebeuw  seines  hauses  in  der  zeit  hernach  seine  geschickUcheit  daraus 
sonderlich  wol  zuvomhemen,  weillen  er  und  de  Vischkulen  bei  der  Bohmkule 
ihren  standt  imd  vormugent  daran  trefflich  beweiset;  und  dergleichen  ander, 
als  her  Heinrich  Garlopen,  her  Nicolaus  Stoterogge  und  her  Frantz  Weitzendorpf , 
alle  drei  bürgermester,  sein  folgendes  bei  meiner  zeit  nachgefharen,  als  nur  die 
fumhemesten  in  dergleichen  gebeuwen  aufzurichten."  Die  Stelle  ist  trotz  ihrer 
sprachlichen  Ungeschicklichkeit  ein  schöner  Ausdruck  des  Bürgerstolzes  aus 
Lüneburgs  prächtigster  Bauperiode. 

An  der  Seite  nach  der  Münzstraße  Stichbogenblenden  in  verschiedenen 
Geschossen,  mit  Tausteinen  am  Flügelbau.  In  einer  Blende  am  Hauptbau  zwei 
gekuppelte  kleine  Öffnungen  mit  Pfostenprofil.  Über  dem  Erdgeschoß  befindet 
sich  ein  gotischer  Plattenfries  mit  Blättern,  die  sich  um  einen  Stab  schlingen, 
eingefaßt  von  Nasensteinen,  unter  der  oberen  Blendenreihe  ein  Fries  aus 
Vierpaßsteinen.  Im  Erdgeschoß  des  Flügelbaues  sind  profilierte  Balken  sichtbar. 
Die  Fensternischen  im  Innern  sind  mit  Tausteinen  eingefaßt.  An  der  Rückseite 
des  Hauses  ist  ein  Giebel  erhalten,  der  jetzt  der  Umrißlinie  des  spitzen  Daches 
folgt.  Die  Fläche  ist  durchbrochen  von  kleinen,  mit  Tausteinen  profilierten 
Lichtöffnungen.  Auf  den  so  gebildeten,  abwechselnd  mit  Glasurschichten 
gemauerten  Pfeilern  sitzen  lotrechte  Taustäbe,  in  den*  Brüstungen  Friese,  von 
Kreisen  unterbrochen.  Am  Giebelfuße  endigen  die  Friese  auf  beiden  Seiten  in 
gemauerten  Schilden.  Im  Hofe  werden  einige  große  Wappen  aufbewahrt, 
Schilde,  die  von  je  einem  Greifen  gehalten  werden  und  offenbar  zu  einem 
großen  Portalschmuck  gehört  haben;  sie  stellen  die  Wappenbilder  der  Dassel 
und  Stoterogge  dar.  Eine  Christophorusfigur  gehört  wohl  in  die  obere 
Giebelnische. 

Bardowicker-  Ein  ehemaliges  Patrizierhaus  mit  glattem,  von  Stichbogenöffnungen  und 

zwei  spitzbogigen  Portalen  belebtem  hohen  Untergeschoß  (Fig.  145).  Die  Portale 
und  das  mittlere  große  Tor  sind  von  Tausteinen  eingerahmt  Die  beiden  Ober- 
geschosse sind  durch  senkrechte,  ein  Stein  breite  Tausteinpfeiler  in  sieben  Felder 
geteilt,  in  denen  die  Stichbogenöffnungen  sitzen.  In  Brüstungs-  und  in  Balken- 
lagenhöhe  laufen  Steingesimse  durch,  die  um  die  Pfeiler  verkröpft  sind.  In  die 
so  gebildeten  Brüstungsfelder  sind  stark  vortretende  Köpfe  gesetzt,  im  mittleren 
Felde  erscheinen  zwei  Schriftplatten  mit  aufgerollten  Rändern.  Die  untere 
Platte  hat  die  Inschrift:  ANNO  MDLIX;  die  obere:  RENOVATÜM  ANNO 
MDCCCLXXX.  Das  Dachgesims  ist,  wie  überhaupt  die  ganze  Front,  bei  der 
Renovierung  verändert.  Im  Erdgeschoß  sind  vier  Kreise  mit  Wappen  angebracht« 
Die    beiden    äußeren    sind    Ehewappen,    links    Witzendorf -Stoterogge,    rechts 


L 


-^    363    i^ 

Garlop-Bardewick.     Die  mittleien  Wappen  neben  dem  Tore  [geboren  links  der 
Familie  Witzendorf,  rechts  der  Familie  Garlop. 

Ober  dem  Tore  befindet  sich  eine  unerklärte  kleine  Steinplatte  mit  der 
Darstellung  eines  Mannes  mit  Löffel  und  der  Umschrift:  DER  KO(C)H  ANNO 


DOMINI  1559,  darüber  ein  kurzes  Gesims  mit  zwei  Köpfen.    Von  der  inneren 
Teilut^  ist  nichts  mehi  vorbanden. 
Am  Berge  37.  Patrizierwohnhaus  von  1568.     Die  Durchfahrt  ist  besonders  behandelt 

rundbogig  überwölbt  und  flankiert  von  zwei  kannelierten  dorischen  Halbsäulen 


Fig.lU.   Am  Berge  »1  Portal. 

mit  TriglyphengebäJk  und  Frontgiebel.  In  letzterem  das  EJhewappen  Mutzeltin- 
Töbing.  Am  Schlußstein  des  Bogens  eine  Maske.  Die  Hausecken  sind  betont 
durch  zwei  hohe  kanneUerte  dorische  Halbsäulen  mit  rundem  Abakus.  Vom 
Oebälk  ist  nur  das  Gesims  erhalten,  das  über  den  Säulen  verkröpft  ist  und  hier 
einen  Kugelaufsatz  trägt    Die  schöne  Haustür  ist  rundbogig  überwölbt  (Fig.  146). 


i-  I 


-^>^    366    8-5- 


Zu  beiden  Seiten  stehen  hermenartige  Karyatiden,  die  aus,  nach  unten  sich 
verjüngenden  Postamenten  mit  Früchten  und  Laubwerk  herauswachsen  und 
Fruchtkörbe  tragen,  auf  denen  das  Gebälk  liegt.  Der  Fries  ist  mit  Löwen- 
köpfen besetzt  Über  den  Karyatiden  ist  das  Gebälk  verkröpft  und  trägt 
im  Fries  die  Jahreszahl  15-68.  Auf  diesen  Verkröpf ungen  stehen  zwei 
Figuren,  Friede  und  Gerechtigkeit,  mit  ihren  Emblemen.  In  den  Bogen- 
zwickeln  die  Wappen  Mutzeltin  und  Töbing.  Das  Gebäude  hat  noch  den 
gotischen  Grundriß,  stark  verbaut,  mit  der  Küche  an  der  alten  Stelle  und  einer 
aus  Backsteinen  gemauerten  Wendel- 
treppe dahinter.  Am  Äußeren  des  Flügel- 
baues zeigen  die  beiden  oberen  Geschosse 
Stichbogenblenden,  eingefaßt  von  Rund- 
ecken, die  abwechselnd  braun  glasiert 
sind  (Fig.  147).  Die  Fenster  in  den  Blenden 
sind  ebenfalls  stichbogig  geschlossen.  Im 
oberen  Geschosse  sind  noch  die  alten 
Fensterrahmen  mit  ihren  profilierten  und 
am  Fuße  geschnitzten  Pfosten  (Fig.  149) 
erhalten.  Im  Fußboden  des  Flügels  liegen 
hier  grün  glasierte  viereckige  Platten,  im 
Flur  des  zweiten  Obergeschosses  steht  ein 
Kamin  der  von  Tausteinen  eingefaßt  wird. 
Von  dem  alten  Saal,  bei  Mithof  „Türken- 
saal" wegen  der  früher  an  den  Wänden 
stehenden  Karyatiden  genannt,  ist  nichts 
als  ein  Teil  der  Deckenmalerei,  grau  in 
grau,  und  eine  grobgeschnitzte,  einem 
Türken  ähnelnde  Herme  erhalten.  Im 
Erdgeschoß  des  Vorderhauses  befinden 
sich  einige  einfache  Gipsdecken;  in  einem 
Zimmer  des  Obergeschosses  ist  noch  eine 
Decke  mit  rundem  Gemälde  erhalten. 


¥ig.  U9.    Am  Berge  87;  FensterpfoBten. 


Graalstraße  1. 


Glocken-  Durch    Spitzbogenblenden    geteilte 

8  ra  e      un      .  g^raß^ufront    mit    mittlerer    stichbogig 

überwölbter   Einfahrt  und   zwei  Spitzbogentüren   zu   beiden  Seiten.    Über  der 
Durchfahrt  fünf  kleine  Spitzbogennischen. 

Angeblich  altes  Burgmannenhaus.  Die  Straßenseiten  sind  schmucklos, 
Reste  eines  Frieses  mit  Fischgrätenmuster  sind  erkennbar.  An  der  Schmalseite 
ein  Wappen  (Fij?.  150)  in  ornamentiertem  ovalem  Rahmen  mit  Rollwerk  und 
der  Inschrift:  „FRITZE  •  VAN  •  DEM  •  BÄRGE  •  LEVEKE  •  HANE  •  V  -  D  •  M  •  I  •  E^* 
(Verbum  domini  usw.)    An  der  oberen  Seite,  schwach  erkennbar;  ANO- 1596(9). 

Die  Haustür  aus  dem  18.  Jahrhundert  ist  zweiflügelig,  hat  gebogenen 
schneckenförmig  aufgerollten  Kämpfer  und  Türfüllungen  mit  aufgelegten 
gebogenen  Profilen. 


Das  Obergeschoß  hat  fünf  mit  Tausteinen  eingefaßte  Stichbogenblenden,  Heiligengeist- 
deren  Pfeiler  mit  Taustaben  besetzt  sind,  die  oben  in  Kreisen  endigen.    Unter 
der  Blendenreihe  geputzter  Fries  mit  Kreisen. 


Flg.  IM.    OnalgtraSe  l;  Wkpptn. 


Obergeschoß  mit  drei  großen  Blenden,  deren  mittlere  gerade  überdeckt  Heiligengeist- 
ist;   die   Pfeiler  sind   mit  Taustäben  besetzt.    Der  untere  Pries  endigt  an  der 
Seite  in  Schilden,  die  mit  Tausteinen  eingefaßt  sind. 

Die   Straßenseite   läßt    die    Spuren    von    vier    Stichbogenblenden    mit  Heiligengeist- 
protiUerter  Einfassung  und  einer  hohen  Haustür  mit  demselben  Profil  erkennen. 
Im  Flur  eine  Zimmertür  mit  gekröpften  Füllungen  und  Omamentaufsatz,  in  dem 


die  Zahl  1666  steht  Der  Sturz  der  Tüizai^e  hat  feiaes  Omameiit  mit  lang- 
gezogenen Schnecken.  Die  gescbmiedetea  Beschläge  der  Tür  sind  bemerkenswert 
In  einem  Zimmer  des  Erdgeschosses  2,30  m  hohe  einfache  Wandverkleidung, 
im  Obergeschoß  Reste  einer  Wandvertäfelung  aus  dem  16.  Jahrhundert  und 
eine  einfache  Wendeltreppe  aus  Holz, 


Fig.  ISl.    LOiiergtraBe  *: 


-^    369    g^ 

Dreigeschossiges  Eckhaus  mit  Bogenblenden,  die  von  glasierten  Tausteinen  Lünerstraße  9. 
eingefaßt  werden;  die  Geschosse  sind  durch  Taustabfriese  mit  Kreisen  getrennt 
In  einem  der  Kreise  ist  ein  farbiges  Medaillon  mit  Kopf  erhalten. 

Das  jetzige  Königliche  Hauptsteueramt  ist  von  Peter  Böige  als  Bauherrn  LUnerstraße  21. 
erbaut  worden.  Peter  dankte  seine  Wohlhabenheit  dem  Pleiße  seiner  Mutter. 
Er  wurde  trotz  wendischer  Abkunft  der  Schwiegersohn  eines  Hamburger  Bürger- 
meisters, Vincent  Müller,  und  ließ  nach  Hammenstedts  Chronik  in  Hamburg 
„allen  Stein  fertigen  und  hawen  und  hir  anbringen^'.  Peter  starb  jung;  sein 
Sohn  Joachim,  der  nun  in  dem  Hause  wohnen  „und  keinen  geringen  staht  und 
ansehent  sich  mit  seinem  guthe  machen"  wollte,  erlag  der  Pest  bei  den  letzten 
Vorbereitungen  zur  Hochzeit  (1585  Mai  4). 

Eigenartiges  dreigeschossiges  Eckhaus  mit  Architekturteilen  aus  Sandstein 
(Fig.  151).  Die  Hauptfront  nach  der  Lühertorstraße  wird  durch  vier  ornamentierte 
dorische  Halbsäulen,  die  auf  Postamenten  mit  Löwenköpfen  stehen,  geteilt.  Die 
Säulen  gehen  durch  die  zwei  unteren  Geschosse.  Auf  dem  Gebälk  stehen  vier 
ionische  Säulen,  die  das  Obergeschoß  teilen  und  in  deren  Gebälk  die  Jahreszahl  1574 
angebracht  ist.  Die  Seite  nach  der  Kaufhausstraße  wird  durch  sieben  einfachere, 
teilweise  gemauerte  Püaster  in  derselben  Anordnung  wie  an  der  Vorderseite  belebt. 

Kleines  gotisches  eingeschossiges  Haus  mit  Utlucht  und  einer  die  ganze  Auf  dem 
Höhe  des  Hauses  einnehmenden  Tümische,  in  der  die  Spitzbogentür  und  darüber  **®^^®  ^• 
zwei  kleine  öffnxmgen  mit  Stichbogen  sitzen.   Am  später  erbauten  Dacherker  die 
Inschrift:   JOHAN  BERSSTEDT  ANNO  1720. 

Früheres  städtisches  Münzgebäude.    Die  beiden  Obergeschosse   des  drei-  An  der  Münze 
stöckigen  Hauses  zeigen  Stichbogenblenden,  von  glasierten  Tausteinen  eingerahmt  "^ 

(Fig.  152  und  153).  Im  zweiten  Geschoß  wechseln  die  Stich  bogenblenden  mit 
kleinen  spitzbogig  überdeckten  Nischen,  im  oberen  Geschoß  liegen  auf  den 
Pfeilern  senkrechte  Taustäbe,  die  unter  dem  Dach  in  Kreisen  endigen.  Zwischen 
den  Geschossen  ein  Taustabfries  mit  Kreisen  xmd  Fischgrätenmuster,  an  den 
Gebäudeecken  Schilde,  von  Taustäben  eingerahmt  In  den  Kreisen  erscheinen 
bunt  glasierte  Köpfe,  in  dem  Kreis  unter  der  mittelsten  Nische  Simson  mit 
dem  Löwen. 

Das  eigenartige  Haus  ist  an  der  Straßenseite  mit  Terrakotten  geschmückt,  Neue  Sülze  a 
einer  Verzierungsart,  die  sonst  in  Lüneburg  nicht  wieder  vorkommt.  Leider 
sind  nur  Reste  des  bedeutsamen  Schmuckes  auf  unsere  Zeit  gekommen,  die 
kein  ursprüngliches  Bild  des  Ganzen  mehr  geben.  Das  Haus  wird  jetzt  durch 
senkrechte  Streifen  von  Omamentplatten  geteilt,  deren  Anordnung  aber  nicht 
die  ursprüngliche  ist.  Diese  Streifen  sind  unterbrochen  von  Medaillons.  Einen 
Begriff  von  der  Feinheit  und  dem  Reichtum  der  Ornamentik  gibt  der  Schmuck 
des  Portals  (Fig.  154),  der  im  oberen  Teile  einigermaßen  erhalten  ist  Zu  beiden 
Seiten  der  Tür  standen  Püaster  mit  ornamentierten  Schäften,  deren  korinthi- 
sierende  Kapitelle  in  Resten  noch  vorhanden  sind.  Die  Gesimse  und  der 
Fries  sind  reich  mit  Blattwerk  'und  leeren  Schilden  geschmückt.  Die  Zwickel 
des  Türstichbogens  sind  mit  phantastischen  Tierleibem  ausgefüllt.  Auf  dem 
Gesims    baut    sich    ein    rundbogiges,    mit    ornamentierter    Sima    eingerahmtes 

47 


-H     370    S«- 

Bogenfeld  auf,  dessen  Mitte  ein  Kreis  mit  sehr  gut  erhaltenem  Brustbild  in 
Patriziertracht  einnimmt.  Die  übrigen  Flächen  des  Halbkreises  sind  mit  fein 
gezeichnetem  Blattwerk  ausgefällt.  Der  Kopf  scheint  Bildnis  zu  sein.  An  der 
Seite  des  Gebäudes  sind  noch  der  Rest  eines  Gesimses  und  vier  quadratische 
Friesplatten  vorhanden,  die  einen  doppelköpfigen  Adler,  einen  Greifen,  ein 
männliches  und  ein  weibliches  Brustbild  zeigen.  Zwischen  den  Streifen  an  der 
Straßenseite  sind  Reste  eines  Fischgrätenfrieses  sichtbar,  an  der  Rückseite  des 
Hauses  gotisch  profilierte  Konsolen  unter  dem  Dach. 
Seue  Sülze  2K.  An  der  Einfahrt  des  sonst  schmucklosen  Hauses  sind  die  Kämpfer  des 

Korbbogens    und    der    Schlußstein    ornamentiert.     In    den    Kämpf erquadem: 


„Anno"  „1706".  Cber  dem  Scheitel  des  Bogens  eine  Steinplatte  mit  den  drei 
Wappen  Laffert,  Witzendorf,  Dassel  und  der  Zahl  1706.  Im  Flügel  ein  Zimmer 
mit  Wanddekorationen  auf  Leinwand,  grau  in  grau,  aus  der  Rokokozeit:  in 
Feldern,  die  durch  gemalte  Pilaster  getrennt  sind,  erscheinen  symbolische  Figuren, 
von  Landschaften  umgeben. 

Zweigeschossiges  gotisches  Gebäude  mit  Resten  von  Spitzbogenöffnungen 
im  Erdgeschoß.  Darüber  liegt,  dicht  unter  der  Dachkante,  ein  gotischer  Fries 
mit  überschlagenden  Blättern,  eingefaßt  von  Nasensteinen  und  unterbrochen 
von  viereckigen  Fenstern. 


-H    371     8^ 

Die  beiden  oberen  Geschosse  des  vierstöckigen  Baues  sind  belebt  durch  Roteetraße  6. 
Blenden,  die  von  Tausteinen  eingerahmt  werden  und  auf  deren  Pfeilern  senk- 
rechte Taustäbe  sitzen.     Die  Geschosse  sind  durch  Taustahfriese  mit  Kreisen, 
in  denen  sich  bunt  glasiert«  Köpfe  befinden,  geteilt.    In  der  Mitte  des  unteren 
Frieses  die  Jahreszahl  1553. 


Flg.  1&3.   Ad  der  Uüdm  BA  und  8B. 

Das  mächtige  dreigeschossige  gotische  Gebäude  ist  im  oberen  Geschoß, 
über  einem  von  Nasensteinen  eingefaßten  und  durch  Schilde  begrenzten  Friese,  ' 
mit  wechselnden  Spitzbogen-  und  Stichbogenblenden  reich  ausgebildet.  Zu  beiden 
Seiten  der  mittleren  Luke  und  an  beiden  Enden  des  Baues  befinden  sich  spitz- 
bogig  überdeckte  Nischen,  zwischen  denselben  je  fünf  große  Stichbogenstellungen 
mit  glasierten,  gotisch  profilierten  Leibungen  und  Tausteinbögen.  Im  Geschoß 
zu  ebener  Erde  sind  die  Spuren  vieler  Türöffnungen  erhalten,  die  die  Eingänge 
zu  den  Lagerräumen  bildeten.  Über  diesen  Eingängen  eine  Reihe  kleiner  mit 
Stichbogen  überdeckter  Öffnungen.    Das  Innere  ist  in  viele  Böden  eingeteilt,  die 


*""|>    I    I    I    I    M    I    I    I  > 

FIr.  IS«.    Sana  B 


-*-S     373    ä*- 

darauf  hinweisen,  daß  das  Gebäude  immer  nur  als  Speicher  gedient  hat  Es 
gehört  zum  sogenannten  Viskulenhof  und  war  im  Mittelalter  Eigentum  der 
Familie  Viskule. 

An  Resten  ist  erkennbar,  daß  die  Straßenseit«  in  ganzer  Höhe  in  Stich-  Salzstnfie  17 
bogenblenden  geteilt  war.  In  den  Blenden  sind  Taustabfriese  erhalten.  Unter  '"'  '  '*"*'**'')• 
dem  Dache  sitzen  geschnitzte  Holzknaggen. 

Das  zweigeschossige  Haus  ist  in  der  ganzen  Höhe  durch  Stichbogen-  Unt  Schrangen- 
blenden  mit  Fasenprofi!  geteilt  Die  niedrigen  Fenst«r  des  Obei^eschosses  ki^^efeä^ei^ 
sind  gekuppelt  (abgebrochen  1906).  Btn&e. 


Flg.  ifS.   SehrUarstrile  is 

In  der  Papenstraße  ist  eine  Reihe  kleiner  Häuser  erhalten,  die  noch 
den  gotischen  Grundriß,  oft  mit  Spitzbogentüren,  zeigen.  Femer  sind  einige 
Häuser,  deren  oberes  Geschoß  von  Stichbogenblenden  belebt  ist,  vorhanden  im 
Hofe  Grapengießerstraße  7  (Fig.  148),  10  und  41,  Kaiandstraße  24,  Kitterstraße  31, 
Salzbrückerstraße  74,  Salzstraße  8,  Schröderstraße  16  (Fig.'löö),  In  der  Techt  1. 
Gebäude,  an  denen  sich  gotische  ProfiUerungen  befinden,  bestehen  noch  Kaiand- 
straße 32  und  Neue  Sülze  6  (letzteres  mit  einer  Sandsteinplatte  und  der  Inschrift: 
HGVD,  SM  ANNO  1674),  ohne  daß  damit  die  Reihe  der  Häuser  mit  derartigen 
Schmuckformen  erschöpft  ist 

Baoksteiabaaten  im  IB.  Jahrhundwt. 

Eine  besondere  Stellung  nehmen  die  Backsteinbauten  des  18.  Jahr- 
hunderts ein.  Es  herrscht  in  dieser  Zeit,  wie  oben  schon  erwähnt  ist,  noch  ein- 
mal eine  regere  Bautätigkeit  in  Lüneburg,  die  sich  in  ganz  bestimmten  Formen 
ausdrückte.  Diese  Formen  werden  sich  entwickelt  haben,  darauf  deuten  Anfänge 
bei  den  Giebelbauten  des  17.  Jahrhunderts  hin.  Etwa  von  Anfang  des  18.  Jalu'- 
hunderts  an  bleiben  aber  die  Architekturglieder  dieselben  bis  zum  Ende  des 
Jahrhunderts.    Sie  ahmen  den  Quaderbau  der  italienischen  Renaissance  im  Back- 


Bei  d.  Johaimis- 
kirche  2,3,4. 


->«    376    8^ 

aufgelegte  gebogene  Profile  und  Sprossenoberlicht.  Erhalten  sind  Türklopf  er  und 
Drücker  mit  Schlüsselschild  aus  Messing.  Neben  der  mit  Korbbogen  überdeckten 
Einfahrt  sitzt  eine  Platte  mit  der  Inschrift:  „N.  F.  Peterson.  Anno  1800'^  die 
sich  aber  nicht  auf  die  Erbauung  des  Hauses  beziehen  kann. 

An  Stelle  der  drei  Predigerhäuser  von  St.  Johannis  erhob  sich  ehemals 
die  im  Jahre  1448  von  dem  Lüneburger  Propste  Leonhard  Lange  erbaute 
Propstei,  die  nachherige  Superintendentur.  Das  Hauptgebäude  samt  seinen 
Nebenbauten  war  „aus  Versäumnis  zeitiger  Unterhaltung*'  so  schadhaft  geworden, 
daß  im  Jahre  1783  beschlossen  wurde,  es  abzubrechen  und  durch  drei  neue  gute 
Häuser   zu   ersetzen.    Die  Ausführung  des  Baues  nach    einem  Entwurf   Sonnins 


1»W  I  I  I  I  -M  I  I  I  'H 


Flg.  158.   Pfarrhäuser  der  Johanniskirche ;  Gnmdrifi  des  mittleren  Hauses. 


wurde  dem  Maurermeister  Glasen  als  „Entrepeneur"  übertragen  und  im  Frühling 
1784  begonnen.  Der  Vertrag  enthielt  die  Bestimmung:  „sollte  sich  in  dem  alten 
Propstey-Gebäude  irgend  an  einem  Orte  ein^verborgener  Schatz  befinden  .... 
so  wird  derselbe  hiermit  ausdrücklich  dem  löblichen  Magistrat  vorbehalten"  — 
von  einem  Funde  verlautet  Jedoch  nichts.  Das  östUch  gelegene,  für  den 
jedesmaligen  Hauptpastor  bestimmte  Haus  wurde  im  Dezember  1787,  das  west- 
liche des  Diakons  im  Oktober  1788  als  letztes  vollendet. 

Die  drei  aneinandergebauten  Predigerhäuser  der  Johanniskirche,  von 
Sonnin  erbaut,  zeigen  den  Backsteinbau  der  Barockzeit  in  planvoll  durch- 
gebildeter Art  ohne  Vergewaltigung  des  Materials.  Die  Ecken  werden  durch 
gemauerte  Quader  betont  (Fig.  157).  Das  Erdgeschoß  des  Mittelbaues  ist  in 
derselben  Weise  behandelt  und  dadurch  aus  der  sonst  eintönig  wirkenden  Front 
herausgehoben.  Die  Fenster  liegen  in  flachen  Nischen.  Das  Hauptgesims  besteht 
aus  Holz.  Das  Hauptmotiv  des  Grundrisses  bildet  die  große  mittlere  Diele  mit 
der  frei  eingebauten  Treppe  (Fig.  158). 


-•^    377    i^ 

Reicher  behandelter  zweigeschossiger  Backsteinbau,  bei  dem  das  Back-  untere  neue 
Steinmaterial  teilweise  vergewaltigt  ist,  mit  breitem  mittleren  Risalit  (Fig.  159). 
Ober  letzterem  ist  das  hölzerne  Hauptgesims  zu  einem  Frontgiebel  ausgebildet. 
Die  Gebäudeecken,  auch  am  Risalit,  sind  in  Form  von  Quadern  aufgemauert. 
Der  Sockel  besteht  aus  Bruchstein.  Die  Fenster  sind  von  flachen  Gfewände- 
streifen   umgeben.    Das  Portal   ist  mit   dem  darübcrliegendeu  Fenster  zu  einer 


-h- 


Fls-  169.    Cnlaie  ii«a«  Torttnfts  I. 

Gruppe  zusammengezogen.  Die  balkonartig  über  dem  geschwungenen  Ziegel- 
gesims des  Portals  vorgebaute  Fensterbrüstung  hat  Gipsdocken;  über  dem 
scheitrechten  Sturz  des  Fensters  flaches  Muschelornament  im  Stichbogen.  Der 
Frontgiebel  des  Risalits  enthält  ein  Ovalfenster,  daneben  Ziegelflechtmuster.  Die 
seith'chen  Giebel  sind  Krüppelwahne. 

Beispiel  eines  reicher  ausgebildeten  Rundhogenportals  mit  gequadertem  Untere  neue 
Gewände.    Der  steinerne  Schlußstein  enthalt  das  Wappen  der  von  Meding  und  '^*"*'*^*'  ^^■ 
die  Überschrift:    F.  v.  B.  1713  (Fig.  160).    Die  zweiflügelige  Tür  hat  verkröpfte 
Füllungen  und  SprossenoberÜcht. 


-«S     378     8*- 

Salzstra&e  28.  Großes  Eckhaus  (Fig.  161),  das  an  der  Salzstraße  ein  Risalit  mit  Dach- 

geschoß und  Frontgiebel,  an  der  Grapengießerstraße  dieselbe  Anlage,  das  Dach- 
geschoß aus  der  Fläche  herauswachsend,  zeigt.  Die  Ecken  sind  gequadert.  In 
Balkenlagenhöhe  durchziehen  flache  Ziegelbänder  die  Flächen.    Das  Portal  ist 


Flg.  l«D.    DDterB  Den«  TorstraSe  l>;  Portkl. 

scheitrecht,  von  einem  Gewände  aus  kleinen  Spitzquadern  eingerahmt  und  mit 
einem  Gesims  bekrönt. 

Weitere  Bauten  dieser  Art  stehen: 

Bei   der  Michaeliskirche  2,   Altstadt  II    mit  gequadertem   Erdgeschoß, 
8alzstraße  27,  ebenfalls  mit  Zi(>gelquadeni  im  Erdgeschoß  und  Krüppelwahn  als 


-^    379    8k^ 

Bekrönung,  Neue  Sülze  31  mit  RundbogenportaJ,  Reitende  Dienerstraße  8, 
Altenbrückertorstraße  13,  An  der  Münze  5,  Salzbrückerstraße  1,  2,  3  mit  einfach 
ausgebildeten  Portalen. 

Kleinere,  aber  charakteristische  Gebäude  dieses  Zeitalters  befinden  sich 
noch  in  der  Salzbrückerstraße  und  Am  Rotenbleicher  Weg,  letztere  schon  zu  jener 
Zeit  vor  den  Toren  der  Stadt. 


Fiff.  ICi.    Balzstraße  88. 


Fach^verkhäuser. 

Neben  dem  Backsteinbau  hat  auch  der  Fachwerkbau  in  Lüneburg  seine 
höchste  Blütezeit  im  16.  Jahrhundert  gehabt.  Aus  älterer  Zeit  sind  keine  Bauten 
erhalten,  die  jüngeren  sind  mit  wenigen  Ausnahmen  bedeutungslos.  Die  Fach- 
werkgebäude sind  meist  auf  massivem  Untergeschoß  erbaut.  Sie  stehen  zum 
Teil  in  den  Höfen  der  älteren  vornehmen  Häuser,  zum  Teil  auch  an  Straßen; 
die  ältesten  erhaltenen  Bauten  stehen  in  kleineren  Nebenstraßen.  Die  Mehrzahl 
der  Häuser  mit  Fachwerk  ist  bezeichnet. 

Die  ältesten  Bauten,  Baumstraße  3  von  1528,  Untere  OhUngerstraße  40 
von  1535,  Große  Bäckerstraße  19  von  1538,  Neue  Sülze  22  von  1541  und  die 
in  diese  Gruppe  gehörigen  unbezeichneten  Bauten  Obere  Schrangenstraße  5  und 
Hinter  der  Bardowickermauer  12  kennzeichnen  sich  dadurch,  daß  die  Fuß- 
bänder  und   die    unteren  Enden    der  Stiele   nicht   verziert  sind,    und  daß    die 

48* 


-^    380    8^ 

Kopfbänder  unter  der  Auskragung  noch  gotisch  profiliert  sind,  d.  h.  die  Vorder- 
fläche ist  kehlenartig  eingezogen  und  mit  gedrehten  Wülsten  und  anderen 
horizontalen  Gliedern  besetzt.  Die  Schwellen  werden  bei  der  Mehrzahl 
omamental  behandelt,  nur  zwei  Schwellen  aus  dieser  Zeit  zeigen  niederdeutsche 
Inschriften.    Im  Ornament   macht   sich   überall   die  Renaissance   schon  geltend 

Die  zweite  Gruppe  umfaßt  die  Fachwerkbauten,  deren  Fußbänder  imd 
Schwellen  reich  mit  omamentalen  Schnitzereien,  meist  allerdings  Handwerker- 
arbeit, bedeckt  sind  und  bei  denen  die  Kopfbänder  der  Überkragungen  zu 
vorgenagelten  Holzknaggen,  konsolartig  profiliert,  zusammenschrumpfen.  Die 
Knaggen  sind  in  der  Längsrichtung  mit  handwerksmäßigen  Schnitzereien 
reich  behandelt.    Die  Schwellen  enthalten  oft  Inschriften. 

Eine  dritte  Gmppe  könnte  genannt  werden,  bei  der  die  Fußbänder 
wieder  ohne  Verzierung  bleiben,  die  Umrisse  derselben  aber  in  gebogenen  Linien 
geführt  werden.    Die  beiden  letzten  Gruppen  gehen  aber  zeitüch  durcheinander. 

Die  wenigen  Fach  werk  bauten  des  17.  Jahrhunderts  bauen  sich  auf  den 
Überlieferungen  des  16.  Jahrhunderts  auf.  Noch  spätere  Bauten  werden  ganz 
schmucklos. 

Die  Fächer  zwischen  den  Holzteilen  werden  fast  immer  mit  Ziegelmustem 
ausgemauert. 

Die  Beschreibung  der  wichtigeren  Fachwerkhäuser  ist  nach  Straßen  in 
alphabetischer  Reihenfolge  gegeben. 

Auf  der  Zehn  Gefache  langes  Stockwerk  auf  massivem  Erdgeschoß,   im  Früh- 

jahr 1904  abgebrochen.  Die  Fußhölzer  waren  teils  mit  Ringen  und  kleeblatt- 
förmigen Bögen,  teils  mit  gut  geschnitztem  Rankenwerk  auf  der  ganzen  Fläche 
geschmückt.  Am  mittleren  Fußhölzerpaar  eine  Halbfigur  mit  Kugel  und  Kreuz 
in  der  Unken  Hand,  die  rechte  Hand  zum  Schwur  erhoben.  An  der  Schwelle 
stand  die  Inschrift:  ALSO  •  HEFT  •  GOT  •  DE  •  WELT  •  GELEVET  •  DAT  •  HE • 
SINEN .  ENIGEN .  BAREN .  SONE .  GAF .  VP .  DAT .  ALLE .  DE .  AN .  EN .  GELOVEN . 
NICH-VORLAREN.WERDEN.SVNDE(R.DAT.EV)IGE.LEVENT-HEBBEN.1568. 

Anf  der  Flügel  an  der  Oberen  Ohlingerstraße,  mit  zehn  Gefachen  auf  zweigeschossigem 

massivem  Unterbau.  Die  vollen  Fußhölzer  mit  Kreisen  und  zusammengesetzten 
KreisUnien,  die  Schwelle  mit  flachem  Rankenwerk  und  der  Inschrift  ANNO  1593 
geschmückt  Die  Luke  hat  profiUertes  Sturzholz,  die  wenigen  rundbogigen 
Fenster  in  den  mit  Mustern  ausgesetzten  Fächern  sind  mit  einer  von  Taustäben 
gebildeten  Archivolte  überdeckt.   Die  Rückseite  des  Hauses  ist  ebenso  ausgebildet 

Auf  der  Einfaches    Fachwerkhaus    des    18.  Jahrhunderts,    mit    vertiefter    korb- 

^       '  *  bogenüberdeckter  Nische   an   der   Haustür   und   Kartusche   im  Frontgiebel  des 
Dachaufbaues. 

Große  Bäcker-  Hofflügel,   an  der  Glockenstraße  sichtbar,    mit  schönem  Fachwerk  auf 

massivem  Erdgeschoß  (Fig.  162).  Die  Fußbänder  und  der  untere  Teil  der  Ständer 
sind  mit  profilierten  Ringen  geschmückt,  in  die  je  ein  rechteckiges  Feld  mit 
geschnitzten  Köpfen,  abwechselnd  mit  Rosetten,  eingeschnitten  ist.  Die  Inschrift 
der  Schwelle,  die  von  zwei  rechteckigen  Feldern  mit  männlichen  Köpfen  —  einer 


Straße  15. 


-*%    382    S-^ 

davon  mit  Krone  —  unterbrochen  wird,  lautet:  „Des  Her  Segen  maket  Rick  ane 

moihe.    Aüo  1558.    Lucas  Damingk PIERl  ■  MEFECIT.    Wat  mi  got  dorch 

cristum  bescheret  my  gedyeth."  In  Brüstungshöhe  befindet  sich  nur  noch  teil- 
weise ein  mit  schräg  laufenden  Perlen  besetzter  Stab.  Die  Knaggen  unter  den 
Dachbalkenköpfen  sind  mit  Blättern  ornamentiert.  An  der  Dachschwelle 
erscheint  ein  fortlaufendes  Ornament,  Weinblätter  und  Trauben. 


Flg.  16S.    GroB«  BlrkeralraBa  1S;01«IMI. 

Der  Hauptbau  an  der  Bäckerstraße  hat  no(*  den  gotischen  Grundriß 
mit  der  Küche  an  der  alten  Stelle.  Der  rückwärtige  Giebel  folgt  der  Umriß- 
Unie  des  Daches,  nur  Fuß  und  Mitte  sinä  durch  Staffeln  mit  gekuppelten 
Nischen  betont  (Fig.  163|.  Die  unregelmäßig  eingeschnittenen  Öffnungen  sind 
von  Tausteinen  eingerahmt.  Die  Hausseite  nach  der  Glockenstraße  ist  im  oberen 
Geschosse  durch  Stichbogenblenden  mit  Tausteinen  eingerahmt,  ihre  Pfeiler  sind 
mit  Taustäben   besetzt,   die   oben  in  Eingen    mit  glasierten  Köpfen   endigen- 


-*^    383     8-1" 

Friese,  von  Taustainen  begrenzt,  ziehen  sich  unter  und  über  den  Blenden  hin. 
Der  obere  Teil  eines  reich  geschnitzten  Schrankes  in  der  Diele  (Fig.  164)  stammt 
aus  dem  16.  Jahrhundert,  seine  Türen  (auf  dem  Bilde  nicht  sichtbar)  sind  in 
späterer  Zeit  aus  zwei  Waagenstücken  einer  Barocktreppe  gebildet 


Flg.  lei,    QtaSe  BILckcntraas  16;  Bchruik  1d  d«r  Diele. 

Flügelbau  im  Hofe,  auf  massivem  Erdgeschoß.     Fußbänder  mit  gleich-  Große  Bäcker- 
laufenden Ringen  geschmückt    Die  Unterseite  der  Fußbänder  in  Ringform  aus- 
geschnitten.    Auf  dem  unteren  Ende  der  Ständer  kleine  geschnitzte  Muscheln. 
Die  Schwelle  trägt  die  Inschrift:  VERBVM  ■  DOMLNI  -  MANET  ■  IN  ■  ETERNVM  • 
ANO  •  15  •  43  •  LVCAS  •  DANÜNGK  ■  FIERl  ■  M  ■  (E  ■  FECIT  ■  WAT)  •  MI  •  GOTT  ■ 


BESCHEIHN) . . .  DUETH(?)  ■  VNDE  ■  WOL  ■  ERNER    Die  Schrift  ist  unterbrochen 
von  Ornamenten:  Köpfen  und  Delphinen.    Die  oberen  Knaggen  unter  dem  Dach 


M   I    I    I    I  J'  I   I    I    I  T" 

Ftg.  in.   HlDtat  dar  BaMowickoniiaatr  I. 

aind  in  Konsolenform  geschnitzt.  Die  Daehschwelle  ist  ornamentiert  mit  je  zwei 
in  einem  Balkenfelde  nebeneinander  liegenden  Muscheln,  die  teils  Hohlkehlen, 
teils  Wulstrippen  zeigen. 


Der  Pachwerkflögel  in  dem  engen  Hofe  hat  keine  Fußbänder  und  auch  Große  Bäcker- 
sonst  keinen  Schmuck.  Nur  die  wahrscheinhch  von  eißem  anderen  Bau  herrührende  ^  '^  ^ 
Schwelle  zeigt  die  unklare  Inschrift:  „oth  Hke  wol  liden  dat  oth  schut  ■  Anno 
Dm  M  •  CCCCC  ■  XXXVUI  ■  Hans  wilkens  tieri  me  fecit"  in  gotischen  Buchstaben. 
Die  Schrift  ist  hinter  „schut"  durch  ein  feines  nur  teilweise  noch  vorhandenes 
Ornament  unterbrochen.  Am  Schlüsse  der  Schriftreihe  ein  Wappen  und  ein 
flach  geschnittenes  Tier.  Die  Rückseite  dieses  Flügels  zeigt  eine  eingemauerte 
Schwelle  mit  der  hischrift:  Dat  wort  Codes  ■  bli(ft)  Ewich  ■  Jot  hat  (t)et  mennich  ■ 

dat  de ,  in  denselben  gotischen  Buchstaben  wie  die  andere  Schwelle. 

Zweifellos  gehören  beide  Schwellen  zusammen. 


tlliM^    I    I     I    I    t    I    I    I     I   T" 

FtB.  lee.   Hinter  der  BardDvlcker  Hsoer  B;  Tfiraturz, 

;e  nach  der  Zollstraße  ist  in  e: 
ANO  ■  l*5-7-4-  eingeschnitten,  ohne  weitere  Formen. 
Hofflügel  mit  massivem  Untergeschoß.  Die 
Dreieck  bis  zum  Ständer  aus  und  sind  mit  geschnitzten  Ringen,  Muscheln  und 
Ornament  verziert  Die  teilweise  vorhandenen  Füllhölzer  sind  profiliert,  die 
Knaggen  sind  dem  äußeren  Umriß  eines  Konsols .  entsprechend  gegliedert.  Der 
Bau  ist  anscheinend  zu  verschiedenen  Zeiten  entstanden,  daher  die  in  der  Mitte 
unterbrochene  Inschrift  auf  der  Schwelle:  WOL  -  GODT  VERTRVWET  DE  HAT 
WOL  GEßVWET  1  RT  HE  GEVEN  VT  GNADEN.  DE  SEGE  DES  HENRN  ■ 
MAKET  RIKE  ANE  MÖGE.  KARKEN  GANDT  SVMET  NICHT  ALMISSEN 
GEVEN  ARMET  NICH  1591. 

Schlecht  erhaltene  Tür,  die  zu  einem  Gang  unter  dem  Wall  führt,  in    Hinter  der 
eingeschossigem  Fachwerkhause.     Der  Türsturz  ist  in  Form  eines  spätgotischen  ^  Mauer"'?.^'^ 
Vorhangbogens  ausgeschnitten  und  ornamentiert  (Fig.  165).     An  den  Gewände- 
ständem  läuft  das  Profil  herum.     In  den  Zwickeln  des  Bogens  erscheint  in  der 

49 


Mitte  die  Stai]tmarke.  links  und  rechts  das  Stadtwappen  und  das  Landeswappen, 
darüber:  ANNO  ■  D  ■  M- 1544.  Das  Gefach  über  der  Tür  ist  als  Fenster  aus- 
gebildet und  mit  eisernen  Stäben  vergittert. 


liiHtiml 


Hlnrer  der  BariloiTickQr  Unter  IS. 


Hinter  aer  Reich  geschnitzter  Türsturz  (Fig.  166)  von  einem  früheren  Fachwerk- 

sfaner'e*'  gebäude,  der  in  einer  kartuschenartigen  Platte  mit  aufgerollten  Enden  die 
Inschi  ift  zeigt :  BERHARD'  SFES  ■  FVTVROR VM  •  BONORVM  •  PRAF^ENTEM  • 
FORTVNAM  •  LENIT  •  ANO    15-90. 


■^    388    8^ 

Hinter  der  Auf   massivem  Untergeschoß   bauen   sich   zwei  Fachwerkgeschosse  auf, 

Mauer  12.  ^^^  ^^  gotisch  profilierten  Kopfbändem  in  jedenj  Geschosse  vorkragen  (Fig.  167). 
Die  geraden  Fußbänder  sind  schmucklos.  Die  obere  Schwelle  hat,  zwischen 
profilierten  Kreisen  über  jedem  Balkenkopf,  segmentförmige  Abplattungen 
mit  gedrehtem  Stab  an  der  Balkenunterseite.  Die  untere  Schwelle  ist  an  der 
Kante  profiliert,  über  den  Balken  erscheinen  wieder  profiüerte  Kreise.  Im 
IL  Obergeschosse  befand  sich  ein  Saal  in  der  ganzen  Breite  des  Hauses  (5,20  m) 
und  7,5  m  Tiefe,  von  dem  noch  ein  Wandverkleidungsrest  mit  Zahnschnitt- 
gesims und  Sitzbank  erhalten  ist.  Die  Decke  war  früher  bemalt,  der  Fußboden 
besteht  aus  sechseckigen  Backsteinplatten  mit  Gipsflächen  dazwischen.  Die 
Türöffnung  zum  Saal  ist  rundbogig,  die  glatte  Tür  hat  zwei  lange  gotische 
Bänder.  Die  Fensterpfosten  sind  am  unteren  Ende  gotisch  profihert.  Das 
Gebäude  gehört  zu  dem  großen  Hause  an  der  Bardowickerstraße  25,  das  den 
gotischen  Grundriß  mit  der  Küche  an  der  alten  Stelle  erkennen  läßt  Im 
hinteren  Teile  der  großen  Diele  steht  eine  mit  1608  bezeichnete  Wendeltreppe 
aus  Holz,  mit  dem  Lüneburger  Stadtwappen  an  der  geschnitzten  Wange.  Im 
Dache  befindet  sich  eine  geschnitzte  ionische  Holzsäule. 

In  diesem  Hause  wird  eine  auf  Leinen  gestickte,  wahrscheinlich  aus  dem 
16.  Jahrhundert  stammende  Taufdecke  als  Erbstück  aufbewahrt  Die  schöne  Decke 
zeigt  sechs  gestickte  Felder,  auf  roter  Seide  aufgenäht,  mit  folgenden  Gruppen:  in  der 
oberen  Reihe  Begegnung  zwischen  EUsabeth  und  Maria,  Verkündigung,  mit  den 
Buchstaben  A- M-G-P-D-T-B- IM-,  Geburt  Jesu  mit  GLORIA  IN  EXCELSIS,  —  in 
der  unteren  Reihe  Verkündigung  mit  AVE  GRACIA  PLENA,  Geburt  Jesu  imd 
Begegnung.  Die  Figuren  mit  fein  gezeichnetem  und  verteiltem  Faltenwurf  sind 
ganz  von  farbigem  naturalistischem  Ornament  umgeben. 

Baumstraße  3.  Eingeschossiger  jetzt  verputzter  Fachwerkbau  auf  massivem  Untergeschoß, 

von  dem  nur  die  Schwellen  und  die  schönen  Konsolen,  auf  denen  das 
Obergeschoß  und  die  Dachkante  überkragen,  sichtbar  sind  (Fig.  168).  Über  den 
Balkenköpfen  trägt  die  untere  Schwelle  vertiefte  Vierecke  mit  Köpfen,  die  von 
links  nach  rechts  darstellen:  Junker,  Patrizierfrau,  Narr,  Mönch,  bartiger  Mann, 
Frau;  zwischen  ihnen  segmentbogenförmige  Abplattungen  mit  gedrehten  Stäben, 
deren  Zwickel  mit  Blattomament  und  phantastischen  Tiergestalten  ausgefüllt 
sind.  Die  Konsolen  unter  dieser  Schwelle  zeigen  meisterhaft  geschnitzte 
Figuren  auf  großer  Kehle  liegend  und  von  links  nach  rechts  darstellend: 
männüche  Figur  mit  langem  Stock,  Bürger  mit  Trinkglas,  Bürgerin  mit  Spindel, 
Mann,  der  ein  Schaf  trägt,  Frau  mit  Hahn.  Die  Schwelle  für  die  Dach- 
sparren trägt  die  Inschrift  „ANNO  •  dm  •  m  •  v  •  xxviii  •  M  •  dfm  •  (fehlt  ein  Stück) 
vges  •  va  •  vnde  •  dit  •  hvs  •  bvwen  •  laten".  An  beiden  Enden  der  Schwelle  je  ein 
Wappen  mit  Hausmarke.  Die  Konsolen  unter  dieser  SchweUe  sind  ebenfalls 
mit  Gestalten  geschmückt,  und  zwar  von  links  nach  rechts:  Jäger,  ein  Wild- 
schwein tragend,  Frau,  dem  Jäger  winkend,  Mönch  mit  Dudelsack,  neue 
schlechte  Figur,  Mönch  mit  Geldbeutel,  Nonne.  Je  zwei  Figuren  sind  sich 
zugekehrt  und  stehen  in  Beziehung  zueinander.  Das  Haus  soll  die  frühere 
Zehntscheune    des  Klosters  Schamebeek   gewesen   sein   und   hat   zu  dem  Hofe 


gehört,  d«D  das  Kloster  an  der  Straße  Hinter  der  Nikolaikirche  besessen  hat 
(vgL  Seite  178  f.).  Reste  einer  an  dieser  Straße  liegenden  zweiscbiffigen  gewölbten 
Halle  sind  1902  beim  Neubau  des  Pfarrhauses  gefunden  worden. 


f  I  I  I  M  I  I  I  I  f 


Flg.  ISO.    Am  B«rge  IS;  Ficbwark  in  dar  Durchfkhrt. 


Fachwerkwand  in  der  Durchfahrt  (Fig.  169).  Alle  Ständer  und  Riegel  Am  Berge  1 
sind  reich  mit  figürlichem  und  ornamentalem  Schmuck  bedeckt.  Einzelne  Riegel 
sind  mit  niederdeutschen  Sprüchen  verziert.  Unter  der  Decke  der  Durchfahrt 
sitzen  Knaggen  mit  Figuren ;  die  Füllhölzer  zwischen  den  Konsolen  haben 
Muschelomament  mit  Engelsköpfen.  Der  Türsturz  ist  reich  verziert,  in  der 
Mitte   mit  zwei  Wappenschilden,    die  links  die  Buchstabeo  H  W,  rechts  P  W 


zeigen.    Die  Fächer  sind  mit  Mustern  ausgemauert.    Im  Hofe  befindet  sich  ein 
Flügelbau  mit  Fachwerk  im  Obergeschoß,  die  Pußbänder  sind  mit  Ringen,  die 
Schwelle  ist  mit  Perlstäben  bedeckt 
Am  Berge  25.  Die  Gebäudeseite  nach  der  Papenstraße  hat  ein  langes  Fachwerkgeschoß 

auf  massivem  Erdgeschoß.  Die  Schwelle  trägt  die  Inschrift:  ANNO  DOMINI  1620  • 
ALLE  MEIN  DONT  ANFAXK  MITEL  VXD  ENDE  BEVEL  ICH  GOD  IN 
(DEI)NE  HENDE  DIE  BEI  MIR  STEIDT  FRO  VND  SP  ADE  B(IS  ALLE  MEIN 
THVNDT  EIN  ENDE  HAT.)  Das  Eingeklammerte  nach  Mithoff,  der  die  Schrift 
noch  vollständig  gesehen  hat 


Fig.  170.    GnproBlakntniSa  lt. 

Fachwerk  im  Obergeschoß  des  Hofflügels,  mit  Ringen  und  dreipaß- 
ähnlichen  Kreisformen,  in  der  Mitt«  muschetartige  Formen  und  Ornament  auf 
den  Fußbändeni.  Füllhölzer  und  Knaggen  sind  reich  profiliert.  Auf  der 
Schwelle  die  Inschrift:  HEBE  LAT  MI  DINE  GNADE  WEDDER  FAREN- 
DINE  HVLPE  NA  DINEM  WORT  -  DAT  ICK  ANTWARDEN  MÖGE  MINEN 
LESTERERDEN  (HER  ICK  VERLAT  MI  VP  DIN  WORT  PS.  119).  Die 
eingeklammerte  Stelle  soll  nach  mündlicher  Angabe  auf  einem  jetzt  beseitigten 
Schwellenstück  gestanden  haben. 

Im  Erdgeschosse  profilierte  Balken,  im  Obergeschosse  R«st  einer  bemalten 
Decke;  Medaillons  mit  Brustbildern  zwischen  breitflächigem  Ornament,  anscheinend 
Grau  in  Grau.    Cber  einer  Bodenluke  die  Angabe  ANNO  ■  16:Ä>. 


-^    392    8^ 


Grapengießer- 
Btraße  12. 


Grapengießer- 
straße  13. 


GrapengieBer- 
BtraBe  45. 


'f^!mmm^^^^^ 


Fachwerk  auf  massivem  Elrdgeschoß  des  langen  Hofflügels,  in  der  Mitte 
ein  großer  Teil  abgerissen.  Auf  den  Fußbandern  Ringe,  innerhalb  dieser  auf 
den  Standern  eingeschnittenes  Ornament.  Die  an  der  Unterkante  profilierte 
Schwelle  trägt  die  eingehauene  Inschrift:  (KARKEN  GANDT  SVMEDT  NICHT  • 
ALMISSEN  GEVENT  ARMEDT  NICHT  •  VNRECHT  VERDICH  GVDT  DIET 
NICHT .  WENTE  WOL  VF  GODT  VORTRVWWEDT  HEFT  WOL  GEBOWEDT) 
DE  SEGEN  DES  HEREN  MAKET  RICK  •  ANE  MOIHE  ANNO  •  15  •  72  -,  zwei 
Wappen,  von  denen  das  erste  das  der 
Jburgerlichen  Familie  Kroger  ist,  LOVE 
LEVE  TROWE  EHR  SLAPEN  ALE  4. 
Die  eingeklammerte  Stelle  nach  Mithoff, 
der  noch  die  ganze  Inschrift  gelesen  hat 
Das  Schwellenstück  mit:  ALMISSEN  bis 
DIET  NICHT  ist  später  an  der  Rückseite 
des  Vorderhauses  wieder  angebracht. 

An  der  Straße  steht  auf  hohem, 
jetzt  geputztem  Unterbau  ein  großer 
Giebel  (Fig.  170),  der  in  drei  aus- 
kragenden Geschossen  aufgebaut  ist  Die 
Knaggen,  Balkenköpfe  und  Schwellen 
sind  in  üblicher  Weise  profiliert,  die  Fuß- 
bänder haben  gekrümmte  Umrißhnien. 
Die  Felder  sind  in  Mustern  ausgemauert. 

Der  Hofflügel  zeigt  Fachwerk  mit 
Ringen  und  Muschelomament  auf  den 
Fußhölzern,  Rankenwerk  auf  einem  Teil 
der  SchweUe  und  Brüstungsgesims  mit 
Perlstäben. 

Der  Hofflügel  auf  massivem  Erd- 
geschoß ist  18  Gefache  lang  und  kragt 
weit  vor.  Die  vollen  Fußbänder  sind 
verschieden  ornamentiert  (Fig.  171),  teils 
mit  geschnitzten  Ringen,  teils  mit  klee- 
blattförmigen Kreisen  oder  Blattwerk, 
das   die   ganze   Fläche    bedeckt     Auch 

Köpfe  sind  in  der  Mitte  der  Ringe  eingeschnitten.  Auf  einem  der  mittleren 
Fußhölzerpaare  sind  Schilde  mit  den  Wappen  der  Witzendorf  und  Töbing 
dargestellt  Unter  dem  Dache  liegen  Füllhölzer,  die  auf  abgeschrägter  Vorder- 
fläche wechselndes  flaches  Ornament  tragen.  Die  Schwelle  ist  mit  flachem 
Schnitzw^erk  bedeckt  Die  Knaggen  sind  profiliert  und  ornamentiert,  teilweise 
mit  flachen  Köpfen.  Die  Fenster  haben  im  Innern  geschnitzte  Pfosten  (Fig.  172). 
Gegenüber  steht  auf  dem  hinteren  Teile  des  Hauptbaues  ein  Dacherker  mit 
geschnitzten  Ständern,  im  ausgeschnittenen  Überlagsholm  die  Zahl  1569,  im 
Giebel  die  Wappen  Witzendorf-Töbing. 


Fig.  172.    Grapengleitorstrafle  45;  Fensterpfoaten 


-o4    394    8^ 


Am  Freistehendes  Gebäude  mit  zwei  Fachwerkgeschossen  (Fig.  173  u.  174). 

rei  e  erge   .  ^^  Fachwerk  des  Stockwerks  zu  ebener  Erde  ist  schmucklos,  das  des  oberen 

Stockwerks  ist  auf  allen  vier  Seiten  an  den  Knaggen,  Fallhölzern  und  Schwellen 
reich  geschmückt  Die  verzierten  Knaggen  und  Füllhölzer  wiederholen  sich 
unter  der  Dachkante.  Die  seitlichen  Giebel  haben  Krüppelwalme.  Über  der 
Eingangstür  hegt  ein  Sturzholz  mit  der  Inschrift:  DEN  AVSGANG  VND  DEN 
EINGANG  MEIN  LAS  DIR  0  HERR  BEFOLEN  SEIN.  ANNO :  DOAflNI :  1644  - 
DEN  14  MAI. 


LUnerstraße  5. 


H  I  I  I  I  I  I  ! 


+ 


^ 


Flg.  174.    Am  Kreidebersre  7;  Orandrlß  und  Schnitt 


Die  Schwelle  trägt  auf  der  Vorder-  und  Rückseite  Inschriften,  vom 
den  lateinischen  Text  der  Bibelstelle  2.  Kor.  V.  1,  hinten  Ps.  127,  1  (Inschriften 
im  Jahresberichte  des  Museums- Vereins  für  das  Fürstentum  Lünebiu^g  1896/98). 
Im  Innern  ist  eine  prächtige  Wendeltreppe  mit  reich  geschnitztem  Anläufer, 
verzierten  Wangen  und  Geländer  in  Form  kleiner  Bogenstellungen  erhalten. 
Das  Gebäude  soll  ein  Patrizier-Gartenhaus  gewesen  sein. 

Angebautes  Speichergebäude  im  Hofe  mit  zehn  übergekragten  Gefachen  — 
zwei  davon  bilden  Luken  mit  reich  verziertem  Gewände  und  Sturzholz  —  auf 
massivem  Erdgeschoß  (Fig.  175).  Die  vollen  Fußbänder  sind  mit  freien  Ornamenten 
und  ringförmigen  Profilen  mit  Perlen  und  eingehauenen  Strichen  verziert.  Die 
Knaggen  sind  in  der  üblichen  Weise  profiliert  und  mit  Blattwerk  und  Köpfen 
geschmückt.  Ein  Fußhölzerpaar  zeigt  zwei  Wappen,  im  linken  eine  Hausmarke 
und  die  Buchstaben  HM,  im  rechten  einen  Ajm  mit  Kranz,  darunter  einen 
Stern.  Über  den  Wappen  ein  geflügelter  Kopf  und  die  Jahreszahl  1594.  Die 
Füllhölzer  imter  dem  Dache  und  dem  Erdgeschosse  sind  mit  muschelfönnigem 
Ornament  verziert,  in  dessen  Mitte  abwechselnd  Köpfe  und  kleine  Spitzquader 
sitzen.    Auf   der   unteren  Schwelle  die  Inschrift:   WEHN   GOTT   DER   HERR 


-«-8    395    8^ 

WILL  ERNEHREN  •  DEM  KANN  SOLCHS  NIEMANDT  ERWEHREN  •  DAN 
WER  AVF  GOTT  VERTRAWEN  THVT  •  DEN  HELT  ER  STETS  IN  SEINER 
HVTT  •  ANNO  DOMENI  •  15  •  94 


i^i  ■  m  ■  I.  ■  n  iimi-  1  I  I  1  .im  .11»  fi  I  8  »1 


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50* 


-^    397    »*- 

Hotflügel,  ganz  Fachwerk.    Das  Obergeschoß  kragt  auf  gotisch  profiHerten  Neue  suize  22. 
Kopfbändem  über,  ebenso  die  Dachkante.    Die  Schwelle  ist  an  der  Unterkante 
gotisch  profiUert,  und  trägt  die  Inschrift:  „soket  den  heren  de  wile  dat  he  to 
vindede  is.    ropet  en  an  de  wile  dat  he  harde  bi  is,    esaia.    Iv- 1541." 


ris-  1T7.   Unter«  OblingaretraBe  B;  Olebcl. 


Am  Hofflügel   Obergeschoß  mit  Fachwerk.      Fußhölzer  mit  grob  ein-  Keuo  SUlie  81. 
geschnittenen  Ringen  und  freiem  Ornament,   An  der  Schwelle  flaches  Ornament  und 
die  Inschrift:  OMNIA-NEGOTIA-TVA  EXIGE  ADVERBVM  DEl-EC-O-ÄÖ-löSö. 

Am   Hofflügel    ein    Fachwerkgeschoß    auf    massivem   Erdgeschoß,    mit  Neue  Sülze  32. 
Ringen  auf  den    Fußbändem  und  Rosetten  auf  den  Ständern.     Die  Schwelle 
trägt  die  teilweise  verbaute  Inschrift:    TVA  MORS  CHRISTI  FRAVS  TERRAE 
(■  GL)ORIA  C(ELI  (ET)  DOLOR  INFERNI  SVNT  MEDITANDA  T1(BI). 

Auf  massivem   Untergeschosse   mit  verputzter  Rundbogentür  vorgekragt  Bei  der  Nikolai- 
elf Gefache,  von   denen  zwei  an  der  rechten  Seite   erkerartig  weiter  vorgezogen 
sind  (Fig.  176).    Die  Fußbänder  sind  mit  Ringen  ornamentiert;  die  Schwelle  hat 


über  jedem  Balkenkopf  eine  Rosette,  dazwischen  Profil.  Die  Püllhölzer  sind 
gegliedert,  die  Knaggen  in  der  üblichen  Form  verziert.  Am  neuen  Dachaufbau 
steht:  ANNO  ■  1630  ■  RENO  V  ■  1894.  Die  Erbauungszahl  ist  aber  wahrscheinlich  nicht 
richtig  angegeben.    Das  Gebäude  wird  Ende  des  16.  Jahrhunderts  entstanden  seia 


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Zwei  Hintergebäude   mit   Fachwerkobergeschossen.     Die    Schwelle   des  Obere  Ohlinger- 
einen  ist  mit  schräglaufenden  Perlstäben  verziert,  die  Fußbänder  mit  einfachen 
Ringen;   die  Schwelle  des  anderen  Hauses  trä^ft  die  Inschrift: 
„Wo  Gott  zum  Haus  nicht  gibt  sein  gunst. 
So  Arbeit  iedermaim  umbsonst 
Wo  Gott  die  Stat  nicht  selbst  bewacht, 
So  ist  (verloren  der  Wächter)  Macht.   Psal:  CXXVII." 
„Da  dis   haus  new    gebawet  ist.  nach   der  geburt  des   Herrn  (so  man)  zelet 

sechs  zehnhimdert Jar. . .."    Ein  früherer  Türstura  dieses  Hauses  war 

ausgeschnitten  und  trug  die  Jahreszahl  1600. 


Hi  !  I  M  M  I  i  I  ■*- 

Flg.  178.    PspsDStraB«  t;  TfltstQiz, 

Das  Obergeschoß  besteht  aus  Fachwerk.    Auf  die  Ständer  sind  breite  Obere  Oblinger- 
korinthische   Püaster    aus   Holz    genagelt.      Der  Schlußstein    des  rundbogigen 
Portales  hat  Ornament. 

Kleiner  Pachwerkgiebel,  die  Fußbänder  mit  Ringen  verziert,  die  Konsolen  UntereOblingcr- 
profiliert     Auf  der  Schwelle  die  Inschrift:  „Mein  anfang  und  mein  ende  (das 
steht  in)  gottes  hende.    Der  Gott  vertraut.  Hat  woll  gebaut" 

Schmales  Haus   mit  vorspringendem  Fachwerkgiebel,    der  in  drei  aus-  üntercOhlinger 
kragenden  Abteilungen   übereinander  aufgebaut  ist  (Fig.  177).      Die  Pußhölzer        *''    *    ' 
sind  gebogen,  die  Fächer  in  Mustern  ausgemauert 


-^-8    400    8^ 

Untere Ohlinger-  Sechs  Gefache  breites  Geschoß  auf  massivem  Unterbau,  an  der  Straße 

(Fig.  178).  Die  Konsolen  unter  der  Auskragung,  an  der  Dachkante  und  an  der 
Dachluke  sind  gotisch  profiliert.  Die  Schwelle  ist  im  unteren  Teile  über  jedem 
Balkenkopf  mit  einem  vertieften  Viereck,  das  Köpfe  enthält,  verziert,  dazwischen 
liegt  eine  dreifache  Kehle,  die  an  den  genannten  Vierecken  rechtwinklig  nach 
unten  umknickt.  Den  oberen  Teil  der  Schwelle  ziert  ein  durchlaufender 
gotischer  Ornamentfries.  An  der  Schwelle  die  Jahreszahl  1535.  Die  Fächer 
sind  mit  Ziegelmustem  ausgemauert. 

Papenstraße  1.  Eingeschossiger  Fach  werkbau  mit  Dachluke  und  einer  Tür,  deren  Um- 

rahmung profiliert  ist  (Fig.  179).  Der  Überlagsholm  ist  ausgeschnitten,  wie  das 
Gewände  profiliert  und  trägt  die  Inschrift:  DISSE  •  GADES  •  WANING  •  IS  • 
GESTIFTET  •  ANO  •  DNI  •  1499  •  VNDT  •  VAN  •  NIEGE  •  GEBVWET  •  ANO  •  DNI  • 
1594.  Das  Haus  war  ein  sogenanntes  Gotteshaus,  eine  Privatstiftung  für  Arme, 
1499  von  Hilke  Blickershusen  gestiftet,  (vgl.  S.  192). 

Reitende  Fachwerk   auf   massivem   Erdgeschoß,    in    den    Fußbändem   profilierte 

Dienerstraße  5.  ^^^^^     ^  ^^^  Schwelle  die  Inschrift:    „...  NI  •  SVNT   MEDITANDA   TIBI: 

Im  Jare  nach  Christi  unsers  Heren  Un(de  Salichmakers  Gebort  Dusent)  Vif 
Hundertein  unde  Soventich.    Sindt  Disse  Woninge  Gebuwet  unde " 

Rote  An  der  Straße  auf  hohem  massivem  Untergeschoß  ein  Fachwerkgeschoß, 

dessen  Fußhölzer  mit  fächerartigem  Muster,  die  Schwelle  mit  wechselndem 
Band-  und  Blattomament  geschmückt  sind. 

SalzbrUcker  Pfarrhaus  der  Michaeliskirche,  ein  schmuckloser  Fachwerkbau  aus  dem 

Ende  des  18.  Jahrhunderts.  Am  Fachwerkobergeschoß  eines  Nebengebäudes 
etwa  in  der  Mitte  der  Schwelle  ist  ein  kleines  Relief  —  St.  Michael  mit  dem 
Drachen,  im  Kreise  —  eingeschnitten,  daneben  die  Jahreszahl  1.  5/92. 

Salzbrücker  Neuer  Hof.     In  derartigen  „Höfen"  wurden  Häuser  mit  Wohnungen  für 

e  53  —63.  ^r][jeit^j.  mn  einen  mittleren  freien  Hof  herumgebaut  oder  nur  an  einen  freien 
Gang  gelegt  Sie  sind  in  den  verschiedensten  Teilen  der  Stadt  teilw^eise 
erhalten,  so  hinter  der  Altenbrückermauer  (Gagelmannsgang,  Roter  Gang,  ehemals 
zum  Kaland  gehörig,  Glasings-  oder  Sassengang,  Krügersgang,  Kronenhof),  Am 
Berge  (Rickshof),  In  der  Salzbrückerstraße  (Tatergang,  neuer  Hof,  Göttgengang), 
Hinter  der  Sülzmauer  (Sassengang,  Krögers-  oder  Thielengang),  Im  Wendischen 
Dorfe  (Soetbehrs  Hof,  Viskulen  Hof),  Wendische  Straße  (Im  Kamapp).  Die 
Häuser  im  neuen  Hofe  haben  alle  den  oben  beschriebenen  Arbeiterhausgrundriß 
und  sind  eingeschossig  (Fig.  180).  Mit  besonderer  Liebe  sind  die  Überlagsholme 
der  Türen  behandelt,  sie  sind  an  der  Unterseite  ausgeschnitten  und  tragen  auf 
der  Fläche  außer  der  Nummer  in  einer  flachen  Füllung  die  Angaben  AN/H, 
Hausmarke  M/DO  und  15/H,  Hausmarke  M,98.  Die  Hausmarken  und  die  Namen- 
buchstaben sind  dieselben,  wie  die  an  dem  Hintergebäude  Lünerstraße  5.  Die 
Knaggen  unter  der  Dachkante  sind  einfach  profiliert  Die  Gebäude  sind  1905 
abgebrochen   worden,    die   ornamentierten   Holzteile  befinden  sich   im  Museum. 

Salzstraße  17.  Hofflügel   mit  Fachwerk  im  Obergeschoß.     Die  Fußbänder  sind  außer- 

ordentlich  klar   mit  perlstabgeschmückten  Ringen  verziert.     Auf  den  Ständern 


-<-8    401     8^ 

innerhalb  der  Ringe  kleines  muschelförmiges  Ornament.  In  Brüstungshöhe  zieht 
sich  ein  Holzgesims  mit  schräglaufendem  Perlstab  hin.  Die  Fächer  sind  in 
Mustern  ausgemauert.  Die  unterm  Knaggen  sind  konsolartig  gegliedert  und 
geschnitzt,  die  oberen,  unter  dem  Dach  sind  einfacher,  die  Schwelle  unter  dem 
Dachbalken  und  die  untere  Schwelle  tragen  Inschriften,  zwischen  deren  Buch- 
staben die  Wappen  der  Laffert  imd  Dassel  erscheinen.  Auf  der  oberen  Schwelle 
steht:  „De  •  XXXVII  •  pfalm  •  wachte  •  vp  •  den  •  heren  •  vnd  •  holt  •  fin  •  gebot  •  fo  • 
we(rd)  •  he  •  di  •  vorhogen  •  (Wappen  Laffert)  •  dat  •  du  •  dat  •  landt  •  erveft  •  (Wappen 
Dassel)  •  Du  •  werft  •  idt  •  fehen  •  dath  •  de  •  godtlofen  •  uthgera(det)  werden  «anno  «dm* 
m  ccccc  lix."  Auf  der  unteren  Schwelle  steht :  „Salomonis  •  x  •  de  •  Segen  •  def  •  heren  • 
maket  •  rike  •  ane  •  moie  •  (Wappen  Laffert)  •  wol  •  vor  •  einen  •  andern  •  borge  •  wert  • 
de  •  wert  •  fchaden  •  hebben  •  (Wappen  Dassel)  •  wol  •  averft  •  f ick  •  vor  •  gelaven  • 
wereth  •  de  •  ihf  •  feker  •  anno  •  dni  •  1«5«59." 

Hintergebäude  mit  Fachwerkobergeschoß.  Die  Fußbänder  sind  mit  Salzstraße  18. 
geraden  Streifen,  die  im  Ständer  nach  unten  eingeknickt  sind,  ornamentiert. 
Die  Knaggen  haben  die  gewöhnliche  Form.  Die  Schwelle  ist  mit  schräglaufenden 
Perlstäben  verziert,  ebenso  das  in  Brüstungshöhe  durchlaufende  Gesims.  An 
dem  Bogen  eines  Nebenflügels  steht  die  Jahreszahl  1755,  die  auch  am  Abdeckungs- 
rand des  Brunnens  (Schierbrunnenwasserleitung)  stehen  soll. 

Speichergebäude  mit  weit  ausladendem  Fachwerkgeschoß,  auf  massivem     Salzstraße 
Erdgeschoß  mit  vielen  Eingangsöffnungen.    Die  Fußbänder  sind  mit  Ringen  und 
fächerartigem   Ornament   geschmückt,    die   Schwelle    trägt    die    nur   zum   Teil 

erhaltene  Inschrift:  RQ  5  •  PARAT  (swei  Löwen)  NI  •  VIGIL  •  IPSE  •  DEVS  • 

MVROS  •  ET  .  MOENIA  •  SERV F(?)RVSTRA  •  MOENIA  •  MILES  •  OBIT  • 

ANNO  •  M  •  D.  LXXIII."  Die  Rückseite  dieses  Hauses  hat  eine  offene  Fachwerk- 
galerie ohne  Schmuck. 

Schmuckloser  Fachwerkflügel  im  Hofe.    An  der  Schwelle  die  Inschrift:  Am  Sande  20. 
HINRICH  JOACHIM  BVCH  •  MARGARETA  •  GLASEN  •  PS  •  118  •  V  •  25  •  HER 
HILF  0  HER  LAS  WOLGELINGEN  •  V  •  G  •  BVCH  • 

Auf  zweigeschossigem  massivem  Unterbau  mit  zwei  kleinen  Wappen  Am  Sande  30. 
Töbing  und  Elver  (?)  steht  ein  in  der  Mauerfläche  liegendes  Fachwerkgeschoß 
mit  Fußhölzem,  die  mit  flachem  stilisiertem  Laubornament  geschmückt  sind. 
Das  Ornament  zieht  sich  an  den  Ständern  empor  bis  zu  dem  profilierten  Gesims. 
Am  mittleren  Ständer  im  Ornament  die  Zahl  1608.  Die  einflügelige  Haustür  mit 
feststehendem  schmalem  Seitenteil  ist  in  der  Art  der  zweiten  Hälfte  des 
16.  Jahrhunderts  verziert.  Die  Flügel  haben  Bogenstellungen  mit  Ornamenten 
und  vortretenden  Köpfen,  die  Schlagleiste  hat  im  oberen  Teil  eine  Figur  mit 
Kreuz  und  Kelch.  Im  Innern  ist  eine  Zimmertür  in  ähnlichen  Formen  erhalten. 
Das  Haus  hat  den  gotischen  Grundriß,  mit  verbauter  Diele  und  Barocktreppe. 

Im  Hofe  steht  ein  kleines  Fachwerkgebäude  mit  massivem  Untergeschoß  Am  Sande  31. 
(Fig.  181).    Der  Giebel   ist  verbrochen.    Knaggen,   Balkenköpfe   und   Schwellen 
sind  profiliert   und   geschnitzt.    Die  Fußbänder  sind  mit   geraden,  am  Ständer 
eingeknickten    Streifen     ornamentiert.    Die    Fußbänder    des    Giebels    sind  mit 

51 


-H     402     *^ 

Ringen  und  Rosetten  verziert,  die  Felder  in  Mustern  auBgemaueri  Im 
Obergeschoß  des  zierlichen  Hauses  steht  ein  aus  Gips  hergestellter  Eckkamin, 
dem  18.  Jahrhundert  angehörend.  * 


Flg.  IBI.    Am  SuideSl:  HlntcrgabJLude. 

Am  Sande  50i  Im  Hofe   langer   Fachwerkflügel   mit  ornamentierten  Fußbändem  und 

einfach  profiÜerten  Konsolen.    Am  hinteren  Teil  der  Schwelle:   ano  1572  DoiiL 


-*4    403    g-^ 

Zeho  Gefache  auf  massivem  Erdgeschoß.    Die  Luke  hat  ausgeschnitteneu  in  der  Techt. 
Hohn.    Die   oberen  Knaggen  sind    gotisch  profiliert    Im  Holm  der  Luke   die 
Angabe:  ANNO  ■  DNI  •  1  •  •  2. 

Auf    massivem   Erdgeschoß    mit  rundbogigen  Türöffnungen    steht  ein   Bchl&gei- 
schmuckloses  vorgekragtes  Fachwerkobergeschoß.    Neben  der  Tür  ist  eingemauert 
eine  Sandsteinplatte   mit   den  Wappen   der  Mutzeltin,    TÖbing  und  Düsterhop. 

fi  i  I  H>l  M  U i| ^k- '^ 


Fts.  IM.    Unter«  SchruiEUistraBs  9. 

Über  den  Wappen  steht:  MAD  ■  M  ■  (Mutzeltin),  H.  T.  (Töbing),  MAR  ■  D.  (Düsterhop), 
darunter  ANNO  •  DNI  ■  1  -  6  •  10. 

Im  Hofe  steht  ein  zweigeschossiges  Fachwerkgebäude  auf  niedrigem  | 
Unterbau,  der  anscheinend  schon  im  Mittelalter  offen  war.  Die  Fachwerk- 
geschossfi  kragen  auf  Knaggen  über.  Die  Schwellen  tragen  gut  gezeichnet«a 
Rankenomament  In  der  Mitte  der  oberen  Schwelle  erscheinen  zwischen  dem 
Ornament  die  Buchstaben  VdMIE  (Verbum  domlni  usw.),  an  der  unteren  Schwelle 
an  den  beiden  Enden  Schilde  mit  dem  Töbingschen  und  dem  Semmelbeckerschen 
Wappen,  in  der  Mitte  die  Jahreszahl  1560.  Die  Fußhölzer  haben  gebogenen 
Umriß,  sind  sonst  aber  schmucklos.  In  Brüstungshöhe  liegt  ein  profiUertes 
Holzgesims. 

61* 


-^    404    8^ 

Unt  Schlangen-  Vorgeklagtes    Fachwerkgeschoß    auf    hohem    massivem    Untergeschoß, 

^^  ^   '       Knaggen   einfach   profiliert    Auf  der  Schwelle    schräglaufende   Perlstäbe;  die 

Fußbänder  ornamentiert  mit  Ringen  (Fig.  182).  Auf  dem  ausgeschnittenen  und 
profilierten  Holm  der  Luke  die  Zahl  M  •  D  •  LIX.  An  der  jetzt  verbauten 
Rückseite  ist  das  Haus  ebenso  ausgebildet,  auf  der  Schwelle  die  Inschrift:  VON 
GOTTES  GVTE  GNADE  GABEN  KOMPT  ALLES  SO  WIR  WACHTEN  VND 
HABEN. 

Ob.  Schrangen-  Hofflügel,  ganz  aus  Fachwerk  erbaut,  mit  übergekragtem  Obergeschoß 

auf  gotisch  profilierten  Konsolen.  Die  geraden  Fußbänder  sind  schmucklos, 
nur  die  Schwelle  tragt  über  jedem  Balkenkopf  ein  vertieftes  Viereck  mit 
geschnitztem  Brustbild  oder  Wappen,  die  in  der  Reihenfolge  von  Unks  darstellen: 
Patrizier,  Dame  in  Patriziertracht,  Wappen  der  Viskule,  Wappen  der  Töbing, 
Patrizier,  sehr  guter  Frauenkopf  (Fig.  183).  Zwischen  diesen  Vierecken  ist  die 
Schwelle  in  segmentformigen  Ausschnitten  abgeplattet  und  mit  muschelartigem 
Ornament  gefüUi  In  den  Zwickeln  über  den  Segmenten  Blattwerk.  Die  Felder 
sind  mit  flachkantigem  Ziegelmuster  ausgemauert.  Im  Obergeschoß  des  Flügels 
befindet  sich  eine  Gipsdecke  aus  dem  18.  Jahrhundert  mit  großer  ornamentierter 
Kehle,  im  Vorderhause  des  Grundstücks  eine  Gipsdecke  aus  derselben  Zeit,  mit 
Leistenteilung,  zwischen  der  Ornament  liegt. 

Schröder-  Zweigeschossiger  Hofflügel    auf  massivem   Erdgeschoß.     In   die  voUen 

Fußbänder  sind  über  den  unteren  Enden  der  Stander  überhöhte  kreisförmige 
Profile  eingeschnitten.  Die  Mitte  wird  durch  Rosetten  mit  Kerbschnitt  und 
Blattwerk  betont  Die  Knaggen  sind  einfach  profiliert  Die  Schwellen  tragen 
Inschriften,  und  zwar  die  obere: 

Woll  •  gott  •  vortruwet  •  de  •  hefft  •  woll  •  gebuwett  • 

darumme  •  gott  •  vortruwen  •  und  (nicht  vorz)  agen  • 

glucke  •  und  •  gudt  •  kumpt  •  alle  •  dage  • 

gott  •  de  •  vor  •  ledt  •  de  •  sinen  •  nicht  • 

midt  •  gottes  •  hulpe  •  ist  •  dudt  •  bo  (w  •  gericht) 

Die  untere: 

0  •  Minsche  •  wultu  •  datt  •  idt  •  di  •  woll  •  schall  •  gelingen  • 

so  •  fruchte  •  G(ott  •  für  •  allen  •  dingen  •  1590)  • 

(vor  •  sta  •)  vnd  •  hebbe  •  gelesen  • 

datt  •  is  •  gott  •  fruchten  •  (unde  •  ein  demodig  •  wesend.) 

Die  eingeklammerten  Stellen  sind  nach  Mithoff  und  mündlichen  Angaben 
ergänzt,  jetzt  sind  sie  verbaut  Die  Gefache  sind  mit  flachkantigen  Ziegeln  in 
einfachem  Muster  ausgemauert 

Schröder-  Dreigeschossiger  Hofflügel  mit  zwei  Fachwerkgeschossen;  über  dem 
hinteren  Teile  des  Flügels  ein  Giebel  mit  Luken.  Die  Fußbänder  sind  mit 
Ringen  profiliert,  in  denen  Rosetten  angebracht  sind.  In  Höhe  der  Brüstungen 
durchziehen  Holzgesimse  mit  Perlstäben  die  Fläche.  Die  Gefache  sind  in 
Mustern  ausgemauert.  Die  Giebelschwelle  trägt  die  Inschrift:  „Dit  •  Het  •  Thonges 
Son en  •  bovven  •  A  •  W." 


-»4    405    S-t- 

Die  der  Schwelle  des  zweiten  Geschosses  lautet:  „Vor  •  lene  •  Vns  •  Irede  • 
gnedich  ■  lick  ■  Her  ■  godt  ■  Tho  •  Unsen  •  Thiden  •  Dar  •  Jis  •  nen  •  Ander  ■  nicht  • 
Devot  ■  Uns  ■  Kunde  ■  Striden  Du  Unser  Here  Godt  Alleine -Also  Heft  Godt  De 
Welt  Gelevet  ■  1580." 


Die  Inschrift  der  uatereo  Schwelle  ist  abgehauen,  erkennbar  ist  noch: 

„Is  ■  godt  ■  Mit  ■  Uns  ■  Wol  •  Kan  ■  Wedder  ■  Un "   Schild  mit  Hausmarke 

„ANNO  1578." 

Schmuckloser,  über  dem  massiven  Eidgeschoß  ausgekra^r  Fachwerkbau 
mit  der  Jahreszahl  1583.    Über  der  Spitzbogentür  eine  Archivolte  von  Taustäben. 

Das  Gebäude  ist  ganz  aus  Fachwerk,  wahrscheinlich  im  17.  Jahrhundert 
erbaut,  das  Obergeschoß  kragt  auf  einfachen  Knaggen  über.  Der  Giebel  baut 
sich  in  drei  übergekragten  Geschossen  auf.  Alle  Auskragungen  haben  runde 
Füllhölzer;  im  übrigen  ist  das  Holzwerk  schmucklos.  Die  Gefache  sind  teilweise 
in  Ziegelmustom  ausgemauert.  Die  zweiflügelige  Tür  hat  aufgelegte  gebogene 
Profile  und  SprossenoberUcht 


HH  I  I  I  I  [  I  I  I  i 


Flg.  IH.    Im  Wwtdlsahen  Dorf«  9  (Vlfkulanbor);  Omndrill. 

Im  WendiBchen  Beispiel  eines  Speichergebäudes  mit  massivem  Brdgeschoß,  in  dem  die 

(Viakolenhof).    vielen  Eingänge  zu  den  einzelnen  Lagerräumen  sichtbar  sind,  und  Pachwerk- 

obeigeschoß  in  einfachen  Formen,  die  Knaben  profiliert;  erbaut  um  die  Mitte 

des  16.  Jahrhunderts  (F^.  184  und  185). 

I<n  Wendischen  Fachwerkgiebel    auf  massivem  Untergeschoß,    ohne   weiteren  Schmuck. 

Dorfe  23.       jjg^  Kehlbalken  des  Giebels  trägt  die  Inschrift    „WER  •  GOTT  ■  VERTRVWET  ■ 

HAT  •  WOL  •  GEBVWET",  darüber  im  Fußband  einen  eingeschnittenen  Schild 

mit:  ANNO  1603. 

Am  Werder  6.  An  der  Straße  gelegenes  Fachwerkgeschoß  über  massivem  Erdgeschoß 

mit  Utlucht  und  zwei  kleinen  rundbogigen  Türen.    Die  vollen  Fußhölzer  sind 

im    äußeren    Umriß   gebogen,    die   Fläche   wird   mit    fächerartigem    Ornament 

geschmückt  (Fig.   186).    In  Brüstungshöhe  und  in  halber  Höhe  des  Facbwerkes 

ziehen  sich  Stäbe  mit  schräglaufenden  Perlen  hin.     Die  Schwelle  ist   au  den 

Enden  mit  zwei  Schilden,  von  denen  das  linke  eine  Hausmarke  und  die  Buch- 


-<-g    408     8^ 

stabeo  H  0,  das  rechte  halb  abgeschnitten  den  Buchßtaben  K  erkennen  läßt, 
und  der  Inschrift:  GODT  ■  ALLENE  ■  VERTRVWE  ■  DHORECHT  ■  NIEMAND  (T  ■ 
SCHVW]  E :  VERBVM  ■  DOMINI  ■  MANET  ■  IN  ■  AETERNVM  ■  ANNO  •  DNI  ■  1Ö63 
verziert 

Giebelbau  an  der  Straße,  mit  Pachwerkgeschoß  über  zweigeschossigem 
massivem  Unterbau  und  Fachwerkgiebel,  der  am  Fuße  und  in  Kehlbalkenhöbe 
auf  Knaggen  auskragt    Die  Fußbänder  des  Giebels  sind  gekrümmt,  im  übrigen 


4 1 1 1  Ml  1 1  i't 


V\g.  IM. 


ohne  Schmuck,  nur  die  Schwellen  des  Giebels  tragen  Inschrift,  und  zwar  die 
obere  Kehlbalkenschwelle:  (C)AESTEN  ■  BVSCHE  ■  ANNO  .....  (16)  12,  die 
Schwelle  am  Giebelfuße :  ACH  ■  GODT  ■  HILF  ■  MIR  ■  ERWERBE  (n  ein)  ERLICH  ■ 
LEBENT  ■  VND  •  SELICN  ■  STERBENOD.  Die  Gefache  sind  mit  Ziegelmustem 
ausgemauert 
WüBtenortSu.s.  An  der  Straße  liegendes  übergekragtes  Fachwerkgeschoß  mit  gebogenen 

Fußbändern,  nur  in  der  einen  Hälfte  erhalten.  Auf  der  Schwelle  die  Inschrift: 
„WER .  FLISSIG  •  IST  ■  IN  •  SEINEM  ■  STANDT  ■  DEN  ■  WIL  ■  GODT  ■  SEGN  ■  MIT  - 
MILDER  •  HANDT  ■  GODT  •  IST  •  ALLEIN  ■  DIE  ■  EHR."  Im  mittieren  Fußhok  ist 
erhalten  (DO)  MINI,  auf  der  rechten  Seite  ein  Schild  mit  Hausmarke,  den  Buch- 
staben KS  und  der  Zahl  1624.  Die  kleine  rundbogige  Haustür  hat  eine 
Taustab-Archivolte. 


-H    409    g*- 

Eine  Reihe  einfacher  Faehwerkbauten  stehen  noch: 
Altstadt  5.     Hofflügel    mit   gebogenen  Fußhölzem,   auf  der  Schwelle 
ANNO  ■  1614.  —  Altstadt  35.    Hoülögel  mit  ornamentierter  Schwelle. 


Flg.  in.    Auf  dem  Heere 


Apothekenstraße  10.  Hofflügel  mit  zwei  Fachwerkgeschoseen  über 
massivem  Unterbau,  die  untere  Schwelle  mit  aneinandeigereihtemMuschelomament. 

Große  Bäckerstraße  6.  Hofflügel  mit  muschelartiger  Verzierung  in  den 
vollen  Fußhölzem   und  gut  gezeichnetem   Rankenornament   auf   der   SchweUe 


Fig.  tSB.   Auf  damUear*  17;Scl»Tgllg. 

Hinter  der  Bardowicker  Mauer  9.  Reste  von  verzierten  Fußhölzem. 
1904  abgebrochen. 

Am  Berge  33.  Fachwerkobergeschoß  mit  profiKerter  Schwelle,  Püll- 
hölzern  und  Knaggen. 

Buraieisterstraße   10.    Mehrfach   übertretender    kleiner   Fachwerkgiebel. 

Glockenstraße  5,  6,  7.  Fachwerkobergeschoß  mit  gebogenen  Fußhölzem 
und  Knaggen. 


^IP^^^ 


r^  • 


8" 


-H    411     g-s- 

Grapengießerstraße  4.  Im  Hofe  Fachwerkflügel  mit  weit  vortretenden 
gotisch  profilierten  Kopfbändem.  An  einem  Balken  über  der  Durchfahrt: 
I P 1668.  —  Grapengießerstraße  14.  Kleiner  Fachwerkgiebel;  an  der  Giebelseito 
des  Hofes  die  Angabe  1683  G.  —  Grapengießerstraße  30.  An  einer  Bodenluke 
mit  ausgeachnittenem  Sturzholm  ANNO  1599. 

Auf  dem  Harz  4,  5,  6, 

Heiligengeiststraße  40,    Hofflügel  mit  gebogenen  Pußhölzem. 

Auf  dem  Kauf  1.  Rückseite  des  Hauses  mit  zwölf  Gefachen  auf 
massivem  EIrdgeschoß.  Die  vollen  Fußbänder  sind  mit  Ringen,  die  Schwellen 
mit  Blattranke,  die  sich  um  einen  mittleren  Stab  schlingt,  verziert 


Flg.  in.    Am  BergB  18;  Duberker. 

Koltmanosstraße  9  A  und  9  B.  Mit  FEichwerkobergeschossen.  Ober  der 
Tür  eine  Sandsteintafel  mit  unkeimtUchem  Namen  und  der  Zahl  ANNO  ■  166 . . 

Lünerstraße  3.  Im  Hofe  ein  dreistöckiger  Fachwerkbau  über  massivem 
Erdgeschoß.  Die  Konsolen  sind  gotisch  profiliert  Die  untere  Schwelle  trägt 
reiches  Ornament  von  Perlstäben  und  nebeneinandergesetzten  Muscheln,  links 
einen  Schild  mit  der  Zahl  1546,  rechts  einen  Schild  mit  einer  Rübe  als 
Wappenbild. 

Auf  dem  Meere  14  und  17,  mit  ornamentierten  Schwellen  (Fig.  187, 
und  188).  —  Auf  dem  Meere  35. 

Neue  Straße  7.  An  den  beiden  Luken  des  Fachwerkobergeschosses  die 
Inschrift:   WER  GOD  VORTRVWET  1612  HAT  WOL  GEBWET. 

Ritterstraße  4.    Fachwerk  im  Obergeschoß. 

52* 


-<-S    412    8-^ 

Sabbmckerstraße  42,  mit  der  Zahl  1685  im  Dachaufbau.  —  Salzbrücker- 
straße  31.  Fachwerkbau  au  der  Ecke  mit  mehrfach  übergekra^m  Giebel 
Schwellen  und  Knaggen  sind  profiliert 

Salzstraße  15.  An  der  Rückseite  Fachwerkobergeschoß.  Die  Schwelle 
ist  mit  Perlstäben  profiliert,  die  FuQhölzer  haben  einfache  Ringe,  die  Knaggen 
die  gewöhnliche  Form. 


FtR.  IM.    GroBa  Bickeritr>B«  s;Dftehgrk«r. 

Am  Sande  6  und  7.  In  der  Schwelle  des  Hofgiebels  die  Inschrift: 
HR-I-B-FR-AE-B  1786  ■  RENOVIRET. 

Obere  Schrangenstraße  2.  Hofflügel  mit  Kopfbändern  in  Form  von 
Konsolen  unter  der  weitausladenden  Auskragung  des  Obergeschosses. 

Untere  Schrangenstraße  7.  Einfacher  Flügelbau  mit  der  Inschrift: 
JOHAN  ■  KERKEN  .  ANNO.  16U  (?). 

Im  Timpen  1.    Ganz  Fachwerk  (gotisch?). 

Wüstenort  11  und  12;  und  einfache  Fachwerkbauten  in  den  meisten 
anderen  kleinen  Straßen, 


-^    413     S-H 

Bemerkenswert  ist    noch  die   Ausbildung   der  Dachluken,    von   denen  Dacbloken. 
einige  bezeichnet  sind.    Meist  kragt  der  kleine  Giebel  über  den  beiden  Seiten- 
ständem  auf  konsolartig  profilierten  Kopfbändern  aas.    Unter  dem  Giebel  liegt 
die  Aufzugsiolle.    Am  Sande  40  (Fig.  189)  steht  im  ausgeschnittenen  Stuizholz 
ANNO  ■  M  ■  DCXXIV,    an  der  Schwelle  die  ineinandergeschriebenen  Buchstaben 


] 


FtK.  IH.    Am  B«rKe  15;  HtlUtOr. 


-!-I    414    g^ 

H.  VERTRAWE- GOT -AVS- HERZEN,  Am  Sande  41  (Fig.  190)  an  zwei  Dach- 
luken im  Sturzholz  1663.  Fernere  Dachluken  befinden  sich:  Am  Berge  15 
(Fig.  191),  Am  Sande  4,  zweigeschossig,  Am  Sande  27,  Neue  Straße  11  mit  dei 
Jahreszahl  15-96,  Neue  Straße  IIa  mit  eii^eschnittener  Stadtmarke  und  der 
Jahreszahl  1536,  und  in  vielen  anderen  Straßen. 

Reichere  Ausbildungen  werden  dadurch  erreicht,   daß  zu  beiden  Seiten 
der  Luke  noch  Fenster  angeordnet  werden,  wie  Altenbrüekerthorstraße  6  und 


FlK.  IBS.    KatMnatreB«  liHMutar. 


■^    415    9^ 

Baumstraße  1,  Apothekenstraße  5  mit  eigenartiger  Lukentür,  Rosenstraße  5  mit 
der  Inschrift:  ANNO  •  C :  S  1694,  Rote  Straße  1  mit  der  Inschrift:  H  •  P  •  KRVGER 
SDMK  1789,  Untere  Ohlingerstraße  28  mit  den  Buchstaben  HM. 


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»WH    h  I    I    I    M    I    I    I 


4   m. 


-«. 


rm^ 


Fig.  196.    Auf  dem  Meer«  14;  HanBtdr. 


-H    416    g-^ 

Im  18.  Jahriiandert  werden  diese  Aufbauten  in  der  größeren  Form 
beibeluüten,  mit  einem  Frontgiebel  au^estattet  und  an  den  Seiten  mit  hölzernen 
freistehenden  Sctmeckenanläufem  in  feiner  Weise  zur  Traufkante  des  Daches 
übergeleitet,  wie  Am  Berge  18  (Fig.  192)  (malerisches  Eckhaus),  Große  Bäcker- 
straße 2  (Fig.  193)  (in  einer  Nische  des  Frontgiebels  eine  ungeschickte  Halbfigur 


Aaf  dem  Heere  11;  Uiuitfii. 


-H    417     S-^ 

mit  der  Inschrift:  „IS'^l  i"  St.  Ursulaoacht  hat  der  Becker  22  Mann  erschlagen") 
Am  Fischmarkt  5,  Salzbrückerstraße  41. 

Ein  Dacherker  aus  Stein,  mit  Schneckenanläufem,  befindet  sich  auf  dem 
Hause  Crroße  Bäckerstraße  14. 


>1b.  im.   BcbrederitrnB«  T. 


-^    418    %^ 

HauBtttren« 

Besonders  gut  erhalten  sind  eine  Reihe  schöner  Haustüren,  meist  aus 
dem  18.  Jahrhundert.  Oben  wurden  bereits  die  gotischen  Türen  des  Rathauses 
und  die  Renaissancetüren  Am  Sande   8   und  30  erwähnt,  femer   eine    ganze 


I 


i^n::^^ 


^^^^^^^^^^^^ 


^^ 


A\V)ti, 


K4   I    I   I    M   f    I    I    I   f 

Fig.  199.    Im  Weodischen  Dorfe  5;  Haustür. 

Anzahl  Türen  aus  dem  18.  Jahrhundert  bei  Beschreibung  der  einzelnen  Häuser. 
Die  im  letztgenannten  Zeitraum  entstandenen  Türen  haben  meist  einen  ^oßen 
Flügel,  der  mit  geschwungenen  oder  verkröpften,  profilierten  Leisten  besetzt 
ist,  und  einen  glatten,  schmäleren,  an  dem  der  große  Flügel  hängt.    Die  Bänder 


-^    419    S^ 


werden  durch  einen  Pilaster  mit  meist  korinthischem  Kapitell  verdeckt  Der 
Kämpfer  ist  gerade  oder  geschwungen,  das  Oberlicht  durch  gekrümmte  Sprossen 
geteilt.  Es  kommen  auch  Türen  vor,  die  zweiflügeUg,  im  übrigen  aber  ebenso 
behandelt  sind  wie  die  vorhergenannten. 

Bemerkenswerte  Haustüren   befinden    sich:     Altenbrückertorstraße   14, 
zweiflügelig,  Rokoko.    Apothekenstraße  3.    Große  Bäckerstraße  13;  14  mit  einem 


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Fig.  SOO.    Im  Wendischen  Doife  88;  Haustfir. 


kleinen,  auf  Glas  gemalten  Töbingschen  Wappen  im  OberUcht  Bardowicker- 
straße  29.  Am  Berge  15  mit  Rokokoomamenten  (Fig.  194).  Am  Fischmarkt  1; 
5  mit  den  Buchstaben  PS  und  der  Zahl  1788  im  Oberlicht  Graalstraße  1, 
zweiflügeUg.  Grapengießerstraße  11  mit  schönem  Türklopfer;  17,  19,  22,  35. 
HeiUgengeiststraße  4.  Bei  der  Johanniskirche  12.  Katzenstraße  2  besonders 
schöne  zweiflügelige  Tür  mit  geschwungenem  Kämpfer  (Fig.  195).  Kaufhaus- 
straße 3.  Auf  dem  Kauf  12,  16.  Kuhstraße  4,  5.  Auf  dem  Meere  14,  mit 
verkröpften  Füllungen  (Fig.  196);  17,  schöne  Rokoko tür  mit  Glasfüllungen  in 
den  Flügehi  (Fig.  197);  35,  41.    Neue  Straße  11.    Obere  Ohlingerstraße  13,  21. 

53* 


-^    420    »-i- 

Rackerstraße  16  mit  schöner  Schlagleiste.  Am  Sande  17.  Schröderstraße  3,  16 
mit  Rokokooberlicht;  7  mit  feinem  dreiflügeligem  Rokokotor  nach  der  unteren 
Schrangenstraße  (Fig.  198).  Im  Wendischen  Dorf e  5  einfache  Form  mit  schönem 
Türgriff  (Fig.  199),  23  (Fig.  200).    Am  Werder  1. 


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Fig.  SOI.    OraalstraAe  lA;  Zimmertür. 


Zimmertttren. 

Von  mittelalterlichen  Zimmertüren  sind  wenige  erhalten.  Erwähnt 
wurden  bereits  oben  u.  a.  die  Renaissancetüren  Am  Sande  30  und  31,  Am 
Berge  35,  und  dieBaroktüren  Am  Sande  12,  Salzstraße  19,  Heiligengeiststraße  20, 
Grapengießerstraße  4  und  5.  Ferner  befinden  sich  noch  schöne  Türen  aus  dem 
18.  Jahrhundert  in  den  Häusern  Graalstraße  1 A  (Fig.  201),  Am  Stintmarkt  4  mit 
geschmiedeten  Bändern,  Katzenstraße  2  und  in  verschiedenen  Gebäuden,  die  in 
der  folgenden  Abteilung  beschrieben  werden.  Zwei  besonders  schöne  Zimmer- 
türen sind  erhalten  Kleine  Bäckerstraße  4  im  Obergeschoß,  um  etwa  1600 
entstanden.  Sie  bestehen  aus  zwei  mit  verkröpften  Profilleisten  umrahmten 
Füllungen,  die  stark  vortreten,  auf  den  Rahmen  sitzen  flache  Ornamente. 


H-g    421    8^ 

Sonstige  Denkmälep. 

Eiine  Anzahl  von  Gebäuden,  die  entweder  keine  weitere  Bedeutung  haben 
oder  später  so  verbaut  wurden,  daß  von  der  ursprüngUchen  Anlage  nichts  mehr 
zu  erkennen  ist  und  die  deshalb  in  den  vorderen  Abteilungen  nicht  unter- 
gebracht werden  konnten,  haben  an  ihren  Außenseiten  oder  im  Innern  einzelne 
bemerkenswerte  Denkmäler,  deren  Beschreibung  in  den  nachfolgenden  Zeilen 
möglichst  vollständig  gegeben  ist.  Doch  ist  es  nicht  ausgeschlossen,  daß  es 
noch  eine  ganze  Reihe  Denkmäler  gibt,  deren  Vorhandensein  nicht  bekannt  ist 

Auf  der  Altstadt  12.  Im  Obergeschoß  eine  Stuckdecke  und  eine 
hölzerne  Wendeltreppe,  Am  Holm  einer  Tür  des  Dachbodens  die  Inschrift: 
ANNO  1684.  —  16.  Am  Obergeschoß  eine  bemalte  Sandsteinplatte  mit  den 
Wappen  der  Döring  und  Dithmers,  von  Löwen  gehalten;  darüber  ANNO  1690, 
darunter  G.  H.  D.  (Döring)  A.  R.  V.  D.  (Dithmers).  —  46.  Die  Wange  der  Treppe 
ist  reich  geschnitzt  und  durchbrochen,  etwa  aus  dem  Anfang  des  18.  Jahrhunderts. 

Große  Bäckerstraße  7.  Am  Hofflügel  drei  aus  der  Renaissancezeit 
stammende  geschnitzte  Fensterpfosten.  —  13.  Gebäude  mit  großer  Diele  und 
Galerien  aus  der  Barockzeit.  Eine  Tür  und  ein  Fenster  haben  geschwungenen 
Sturz.  —  27/28.  Schöne  Rokokodecke  im  Obergeschoß. 

Kleine  Bäckerstraße  4.  Im  Obergeschoß  eine  schöne  Stuckdecke  mit 
Muscheln  und  fla,chen  Ornamenten.  —  11.  Über  der  Tür  eine  Sandsteintafel  mit 
zwei  Wappen  und:  H  •  R/A  •  R  •  W  •  1709.  —  14.  Einfache  Stuckdecke. 

Bardowickerstraße  29.  Zu  beiden  Seiten  der  Haustür  zwei  Wappen  auf 
Kartuschen  mit  den  Buchstaben  links:  C.  B.  M.,  rechts  A.  E.  H. 

Am  Berge  8.  Im  Erdgeschoß  eine  Stuckdecke  mit  allegorischer  Malerei 
im  Mittelfelde.  Eine  zweiQügelige  Tür  aus  dem  18.  Jahrhundert  hat  verkröpfte 
Füllungsprofile,  die  Pfosten  der  Treppe  aus  derselben  Zeit  sind  reich  geschnitzt 
Im  Hofe  steht  ein  schildhaltender  Löwe  aus  Sandstein.  —  36.  Im  Schlußstein 
des  Portals  zwei  unerklärte  Wappen.  In  die  malerische  Diele  gotischen 
Ursprungs  sind  im  18.  Jahrhundert  Galerien  und  eine  Treppe  mit  zwei 
geschnitzten  Pfosten  eingebaut.  Ein  Zimmer  im  Obergeschoß  hat  eine  Stuck- 
decke mit  allegorischer  Malerei  im  Mittelfelde  und  vier  kleineren  Bildern,  die 
Jahreszeiten  darstellend.  Einige  Türen,  dajimter  eine  bemalt,  mit  Beschlägen, 
gehören  ebenfalls  dem  18.  Jahrhundert  an.  Im  Erdgeschoß  befindet  sich  noch 
eine  Stuckdecke  mit  schweren  Profilen.  —  40.  Auf  dem  neueren  Giebel  eine 
gotische  Kreuzblume  aus  Kupferblech.  —  46.  Im  Hauseingange  eine  Trennwand 
aus  Holz,  mit  ausgesägten  Omamentfüllungen  des  18.  Jahrhunderts  und  den 
Buchstaben  H.  v.  B.  (H.  von  Borstel).  —  51.  Eine  Wetterfahne  mit  der  Zahl  1749. 

Brodbänken  10.  Im  Obergeschoß  des  Flügels  eine  Stuckdecke  mit 
leeren  Wappenschildern  in  den  Ecken  und  der  Bezeichnung  ANNO  1726. 

Conventstraße  2.  Im  Eckgebäude,  das  jetzt  als  Schuppen  dient,  sind 
gotisch  profilierte  Ständer,  Kopfbänder  und  Unterzüge  erhalten. 

Graalstraße  1.    Zwei  Stuckdecken  mit  Ornament. 

Grapengießerstraße  4.  Gebäude  mit  verbautem  gotischem  Grundriß  und 
der  Küche  an  der  alten  Stelle.     Im  Obergeschoß   eine   Stuckdecke,   femer  im 


-H    422    8^ 

ganzen  Hause  verteilt  Zimmertüren  mit  Beschlägen  aus  dem  18.  Jahrhundert  — 
7.  Ein  gemauerter  Kamin  im  Keller.  —  9.  Stuckdecke  im  Obergeschoß.  —  11.  Ver- 
putzter älterer  Giebel,  an  dem  vier  Ankersplinte  die  Jahreszahl  1685  bilden.  — 
38.  Mehrere  Stuckdecken,  von  denen  eine  besonders  schöne  im  Obergeschoß  durch 
schwere  Profile  geteilt  wird  und  im  Mittelfelde  eine  allegorische  Malerei,  in  den 
Ecken  vier  Medaillons  mit  den  gemalten  Darstellungen  der  Jahreszeiten  zeigt  — 
46.  Auf  der  Diele  ein  profilierter  Stander  mit  Kopfbändem,  an  diesen  die  An- 
gabe: ANNO/1620. 

HeiUgengeiststraße  12.  Zwei  Utiuchten  mit  geschnitzten  Standern  aus 
dem  18.  Jahrhimdert.  Im  Flügel  befand  sich  früher  eine  farbig  bemalte  Zimmer- 
decke, die  nach  dem  Museum  gebracht  worden  ist. 

Auf  dem  Kauf  14.  Wetterfahne  mit  einem  Schiff  aus  Kupferblech,  an 
Stelle  der  Kugel,  imd  der  Jahreszahl  1647.  In  der  Diele  zwei  geschnitzte 
Treppenpfosten  mit  Kugelaufsätzen.  —  19.  Profilierte  und  geschnitzte  Um- 
rahmung der  Haustür.  —  Eckhaus  an  einer  schmalen  Gasse.  Am  Obei^eschoß 
zwei  geschnitzte  Fensterzargen  des  16.  Jahrhunderts. 

Lünerstraße  7.  Im  Mittelalter  Lüner  Klosterhaus.  An  der  sonst  schmuck- 
losen Straßenseite  befindet  sich  eine  Sandsteinplatte  mit  dem  Medingschen 
Wappen  und  der  Unterschrift:  DOROTHEA  VON  MEDING  •  DOMINA  IN  LVNE  • 
ANNO  •  1612.  —  8.  Gehörte  ebenfalls  im  Mittelalter  zxmi  Kloster  Lüne,  mit  einer 
der  a|i  Nr.  7  entsprechenden  Sandsteinplatte  mit  dem  heiligen  Bartholomäus, 
dem  Schutzheiligen  des  Klosters  Lüne,  und  der  Unterschrift:  DE  VORSAMLING 
IN  LVNE .  ANNO  •  1612.  —  13.  An  einem  Nebengebäude  hn  Hof  eine  Stein- 
platte mit:  HERR  FRIEDERICH  JOHANN  REHR^FRAV  MARLV  LVCIA  MACHTS/ 
RENOVATVM  1749.  Im  Hause  ein  geschnitzter  Geländeranfänger  an  der 
Kellertreppe,  aus  dem  16.  Jahrhimdert 

Marienplatz  1.  Zwei  Stuckdecken  und  einige  Zimmertüren  aus  dem 
18.  Jahrhundert,  mit  verkröpften  Fällungen. 

Auf  dem  Meere  12.  Ein  ornamentierter  hölzerner  Fensterpfosten  mit  der 
Angabe  M  •  H  |  C  •  C  •  H  |  NV  |  1772.  —  27.  An  der  Straßenseite  eine  Steintafel 
mit  der  Inschrift:  I  •  W  •  B  |  M  •  C  •  H  |  RENOVATVM  •  0  •  1717.  —  35.  Am 
Türholm  an  der  Hofseite  H  •  1690.  Im  Hofflügel  eine  Stuckdecke  mit 
angetragenen  Putten. 

Am  Markt  2.  Im  Erdgeschoß  des  Hofflügels  eine  Stuckdecke.  An  der 
Rückseite  eine  Schrifttafel  mit  Friedensengel,  die  den  jetzt  abgerissenen  Gebäude- 
teü  der  Straße  bekrönte,  und  der  Inschrift:  FORM  •  •  HVIVS  DOMVS  VETVSTATE 
TEMPORIS  COLLAPSAM  IN  MELIOREM  HANG  FORMAM  REDIGERE  C VRAVTT 
HARDWICUS  ä  DASSELL  MDCCK. 

Neuestraße  13 — 23.  Eine  Reihe  zusanmiengebauter  kleiner  Häuser  mit 
dem  Grundriß  für  Arbeiterwohnungen.  Das  Erdgeschoß  ist  massiv,  das  Ober- 
geschoß besteht  aus  Fachwerk.  Die  Eingangstüren  sind  stichbogig  überwölbt 
und  liegen  in  einer  Spitzbogenblende.  (Veröffentlicht  in  den  Jahresberichten  des 
Museums-Vereins  für  das  Fürstentum  Lüneburg  1896 — 1898.) 

Neue  Sülze  11.  Zwei  Stuckdecken.  Im  Flügelbau  befanden  sich  früher 
Glasfenster  mit  Patrizierwappen,  darunter  das  der  Töbing.  —  27.  Das  Gebäude 


enthielt  im  Erdgeschoß  ein  gut  erhalteDes  ReDaissance-Ziiamer  mit  Wand- 
vertäfelung, die  1902  an  das  Oewerbemuseum  in  Hamburg  verkauft  worden  ist 
Ein  reich   geschnitzter  Fries,    von  Konsolen  unterbrochen,   bildete   den   oberen 


FIb,  HH.    Nena  8iUM  ST;  Portal. 

Abschluß  der  hohen  Vertäfelung  (Fig.  203).  Das  niedrige  Wandstück  d2irüber, 
bis  zur  Decke,  war  mit  Stuekomamenten  und  in  bestimmten  Abständen  wieder- 
kehrenden,   weiblichen   Figuren   bedeckt.     Die  Decke    hatte  in  Rahmen   und 


hh8    424    8^ 

Füllung  geteilte  Holzvertäfelung,  den  Wandanschluß  vermittelte  ein  Konsolen- 
gesims. Die  Tür  war  auf  der  Zimmerseite  von  zwei  konrinthischen  Säulen 
eingerahmt,  auf  der  Dielenseite  von  zwei  ionischen  Pilastem,  die  einen  hohen 
Aufsatz  mit  Hermen,  Anläufem,  Frontgiebel  und  zwei  Wappen  der  Semmelbecker 
und  Töbing  trugen.  Das  Straßenportal  dieses  Hauses  ist  mit  profiliertem  Rimd- 
bogen  überdeckt  und  eingerahmt  von  schrägem  Gewände  mit  Sitznj^l^^  (Fig.  202). 


Flg.  80t.   Nene  BÜIze  97;  WandverUeiduDg. 

Ober  dem  muschelförmigen  Abschluß  der  Nischen  zwei,  jetzt  leere  Wappen. 
Das  letzte  äußere  Glied  des  Rundbogens  ist  in  der  Mitte  zu  einer  Kielbogenform 
hoch  gezogen,  enthält  in  den  Zwickeln  die  Jahreszahl  1585  und  ist  an  der 
Spitze  seitlich  von  zwei  liegenden  weiblichen  Figuren,  Gerechtigkeit  und  Friede, 
begleitet.  Über  dem  Kielbogen  steht  eine  alte  Ritterfigur,  auf  deren  Schild 
neu  aufgemalt  ist:  1585  •  L  •  D  •  1815  •  R  •  D  •  1878.  —  30.  Das  Gebäude  hat  an  der 
Straße  eine  alte  breite  Utlucht,  mit  Triglyphengesims  und  über  dem  Tor  zwei 
Wappen  und  eine  Steintafel  mit  der  Inschrift:  C  •  M  •  S  •  1  •  6  •  76.  Im  Erdgeschoß 
eine  Stuckdecke,  in  deren  Mitte  sich  ein  von  zwei  Löwen  gehaltenes  und  von  einer 


-^    425    8^ 

Krone  bedecktes  Oval  befindet  —  33.  Im  Flügelbau  befindet  sich  eine  Stuckdecke 
mit  mittlerem  Stem  und  Ornamenten,  an  einer  Seite  das  Wappen  der  Friesen- 
dorff,  mit  den  Buchstaben  W  •  V  und  A  •  0  •  1712.  Eine  andere  Decke  in 
demselben  Flügel  zeigt  schwere  Ornamente  zwischen  weit  vortretenden  Leisten 
und  zwei  gemalte  Medaillons  mit  Putten.  In  dem  Räume,  der  diese  Decke 
enthalt,  ist  eine  schöne  Zimmertür  des  18.  Jahrhunderts,  mit  stark  vortretenden 
verkröpften  Füllungen,  Ornamenten  in  den  Zwiekeln  und  reichen  Beschlägen 
erhalten.  —  35.  Ein  früheres  Patrizierhaus,  im  18.  Jahrhundert  vielleicht  auf 
älterer  Grundlage  erbaut.  Im  Erdgeschoß  werden  zwei  gotische  Wandschranke 
mit  reichen  Beschlägen  und  Faltwerk  in  den  Füllungen  aufbewahrt.  Die 
Schränke,  mit  Rankenwerk  grau  in  grau  übermalt,  tragen  jetzt  die  erst  vor 
kurzer  Zeit  willkürUch  aufgemalten  Jahreszahlen  1524  und  1529,  sollen  aber 
früher  die  Jahreszahl  1629  gezeigt  haben,  die  auch  für  die  Malerei  richtig 
gewesen  sein  wird.  Die  Schränke  selbst  sind  Anfang  des  16.  Jahrhunderts 
entstanden.  Ober  einem  der  Schränke  soll  ein  Dasselsches  Wappen  gesessen 
haben.  Im  Erdgeschoß  befindet  sich  eine  Rokokodecke,  femer  eine  ebensolche 
im  Obergeschoß,  mit  stark  vortretender  Figur  in  der  Mitte.  In  dem  mit  dieser 
Decke  geschlossenen  Räume  befindet  sich  ein  Eckkamin  aus  Stuck,  dessen 
Feueröffnung  von  einem  kräftigen  Profil  umschlossen  wird;  darüber  liegt  ein 
Gebälk  mit  der  Jahreszahl  1764  im  Fries.  Die  Fläche  zwischen  Gesims  und 
Decke  wird  von  Rokokoomamenten  bedeckt,  in  denen  zwei  Wappen,  Dassel 
und  Friesendorff,  unter  einer  Krone  hegen.  (Johann  von  Dassel  heiratete 
Margarete  von  Friesendorff  1745.)  Das  Haus  enthält  femer  einige  Zimmertüren 
des  18.  Jahrhunderts  und  den  Rest  einer  Kamineinfassung  in  Form  eines 
hohen  Konsols,  das  mit  einem  Kopf  unter  einem  ionischen  Kapitell  endigt. 

Untere  Ohhngerstraße  13.  Eine  Sandsteintafel  mit  zwei  Wappen  und 
M .  C .  M  I  C .  M  I  ANNO  |  1669. 

Schulstraße  2.  Im  Garten  des  Hauses  steht  ein  Sandsteinbildwerk,  den 
Tod  der  Maria  darstellend;  außerdem  befinden  sich  hier  zwei  gotische  Beischläge, 
veröffenÜicht  in  den  Jahresberichten  des  Museums- Vereins  1899 — 1901. 

Salzbrückerstraße  65.  An  der  Straßenseite  eine  Steintafel  mit  zwei 
unbekannten  Wappen. 

Untere  Schrangenstraße  15.  Ober  der  Haustür  eine  Steinplatte  mit 
Wappenbild  —  eine  ausgestreckte  Hand,  eine  Wage  haltend  —  darüber  fünf  zackige 
Krone.   Im  Hause  eine  malerische  Diele  mit  einer  alten  hölzernen  Wendeltreppe.  — 

17.  Im  Erdgeschoß  eine  Stuckdecke  mit  ornamentierten  Leisten.  In  der  Mitte 
zwei  Schilde  mit  Krone  und  „1724",  Unks:  „J-K",  rechts  „C-A-H." 

Schröderstraße  6.  Eine  Fensterzarge  mit  geschnitzten  Pfostensockeln 
aus  der  Renaissancezeit. 

Am  Stintmarkt  4.  Malerische  Diele  mit  Resten  einer  Wandvertäfelung, 
die  der  im  Vorzimmer  zur  Ratsstube  des  Rathauses  (1600)  gleicht,  und  einer 
Treppe  mit  geschnitzten  Anfangspfosten,  vielleicht  aus  derselben  Zeit. 

Wandfärberstraße  4.  Haus  mit  gotischem  Grundriß  und  gotisch  profiUertem 
Ständer.    Die  Küche  liegt  an  der  alten  Stelle.    Die  Haustür  stammt  aus  dem 

18.  Jahrhundert. 

54 


H>«    426    8^ 

Am  Werder.  Die  Stander  einer  ütlucht  sind  kanneliert  und  schuppen- 
förmig  profiliert. 

Am  Wüstenort  6.  Am  Hause  eine  Steinplatte  mit  den  Wappen  Elver- 
Witzendorf  und  159(6?). 


1 — \ — r-*T — I — i 


f  ♦  M  i  f  t  I  M  f 


4 


4^ 


Fig.  204.    Bmiinenbecken  am  Sande. 


Brunnen. 

Von  den  öffentlichen  Brunnen,  die  auf  den  Namen  eines  Kunstdenkmals 
Anspruch  machen  können,  ist  nur  ein  einziger,  der  Marktbrunnen,  auf  die 
Gegenwart  gekommen.  Ein  durch  seine  Einfachheit  ansprechender  Brunnen  vor 
der  Einhomapotheke  mit  ovalem  Becken  aus  dem  18.  Jahrhundert  (Fig.  204) 
und  einem  Engel  als  Mittelfigur  ist  vor  wenigen  Jahren  beseitigt;  von  anderen, 
einem  Steinbrunnen  bei  der  Saline  („fons  lapideus  apud  salinam"  1465),  dem 
„Hilghenbom'*  (1374),  ebenfalls  bei  der  Saline,  einem  Born  auf  dem  Sande 
(„de  up  deme  sande  steyt*')  an  welchem  nach  einer  Sodmeistereirechnung  von 


-^    427    8^ 

1475   vier  Jahre   lang   gearbeitet  war,   ist  nicht   einmal   der  Platz   genau  zu 
bestimmen,  wo  sie  gestanden  haben.*) 

Der  aus  der  Abtswasserkunst  gespeiste  Springbrunnen  auf  dem  Markte 
hatte  im  Jahre  1771  ein  neues  steinernes  Wasserbecken  erhalten,  das  um  1830 
weggeräumt  wurde,  nachdem  der  Brunnen  schon  um  die  Wende  des  Jahrhunderts 
außer  Gebrauch  gesetzt  war.  Der  1850  gegründete  Lüneburger  Altertums  verein 
unternahm  es  als  seine  erste  Aufgabe,  „dem  Hauptplatze  der  Stadt  seine  alte 
Zierde  völlig  zu  erneuern"  und  ließ  nach  dem  Entwurf  des  Malers  Soltau  in 
Hamburg  ein  gußeisernes  Becken  herstellen,  das  inzwischem  mit  einem  Sandstein- 
becken ummauert  ist  Die  weibliche  Brunnenfigur,  eine  mit  dem  Halbmond 
geschmückte  Diana  mit  Pfeil  und  Bogen,  weist  auf  die  sagenhafte  Deutung  des 
Namens  Lüneburg  als  „Burg  der  Luna",  der  Mondgöttin.  Am  Rande  der  drei 
Becken  des  metallenen  Aufbaues  sind  menschliche  und  Tiergestalten  als  Wasser- 
speier angebracht  Die  weibUchen  unter  diesen  Gestalten  spritzen  nach  italienischem 
Vorbild  das  Wasser  aus  den  Brüsten.  Die  gotisierenden  Formen  des  Brunnens 
gehören  dem  ersten  Drittel  des  16.  Jahrhunderts  an;  Volger  spricht  die  Ver- 
mutung aus,  daß  der  Marktbrunnen  gleichzeitig  mit  der  Abtswasserkunst  (1530) 
entstanden  sei. 


Denkmäler  in  öffentlichen  Sammlungen. 

In  verschiedenen  öffentlichen  Sammlungen  werden  Denkmäler  auf- 
bewahrt, die  aus  Lüneburg  stammen.  Am  bedeutendsten  ist  naturgemäß  die 
Sammlung  des  Lüneburger  Museums.  Bekannt  sind  dann  noch  die  Gegenstände 
in  den  Museen  zu  Berlin  und  Hamburg  und  die  Papiermasse-Reliefs  Alberts  von 
Soest  im  Altertums-Museum  zu  Dresden,  in  der  Sammlung  des  Altmärkischen 
Vereins  zu  Stendal,  im  Provinzial-Museum  zu  Hannover,  im  nordischen  Museum 
zu  Kopenhagen,  im  Großherzoglichen  Museum  zu  Schwerin  und  im  Fürstlichen 
Museum  zu  Sigmaringen.     (Vergl.  auch  vorne  Seite  219.) 

1)  Gotische  Truhe   mit  geschnitzter  Vorderwand.     Maßwerk  mit  Wimpergen       Museum 
und  Friesen,   die  aus  Fabeltieren  gebildet  werden.     Deckel  mit  zwei  Vier-  ^^      ^^  ^^' 
passen.    Hervorragende  Arbeit  des  15.  Jahrhunderts. 

2)  Gotische  Truhe.  Vorderwand  geschnitzt  mit  Maßwerk  und  kielbogenartigen 
Wimpergen,  die  Flächen  mit  Blattwerk  ausgefüllt,  die  Seitenwände  mit  dem 
gotischen  Rahmenbau.     15.  Jahrhundert. 

3)  Gotische  Truhe.  Vorderwand  mit  Maßwerk  und  einander  durchdringenden 
Kielbögen,  die  mit  Krabben  besetzt  sind.  Seitenwände  im  Rahmenbau. 
Um  1500. 

4)  Schmucklose  gotische  Truhe  mit  zwei  Vierpässen  auf  dem  Deckel. 

5)  Gotische  Truhe  mit  Füllimgen,  die  durch  Faltwerk  ausgefüllt  sind,  an 
allen  Seiten.    Deckel  mit  zwei  Vierpässen.    Nach  1500. 

*)  Alte  Stadtansichten  zeigen  anf  dem  Sande  zwei  Brunnen,  keiner  von  beiden  stand 
auf  der  Mittellinie  des  Platzes. 

54* 


H>^    428    8«*- 

6)  Eichenholzplatte.  Nischenaxtig  ausgehöhlt  und  mit  kleeblattföimigem  Bogen 
überdeckt  In  der  Nische  eine  Bischofsgestalt,  darüber  die  Inschrift:  M-  V^  •  VÜL 

7)  Altarbildwerk  aus  Pfeifenton,  aus  der  Kapelle  des  Hauses  Am  Sande  16. 
Unter  reichem,  mit  Maßwerk  geschmücktem  Baldachin  eine  Verkündigung, 
umschlossen  von  einem  Wohnramn  mit  gotischem  Hausgerät,  das  aber  schon 
Renaissance-Einfluß  zeigt  Im  Vordergrund  eine  Hauseinfriedigung  (geflochtener 
2^im)  mit  Haustieren  innerhalb  und  wildlebenden  Tieren  außerhalb  des 
Zaunes.    Hervorragende  Arbeit  (Jodocus  Vredis?). 

8)  Zwei  Holzgitter  mit  durchbrochenem  gotischem  Maßwerk. 

9)  Zwei  kleine  Türflügel  mit  gut  stilisierten  Schnitzereien  in  den  Füllungen 
(liegender  Mann  mit  Landschaft  darüber;  zwei  Frauen,  von  denen  eine  im 
Begriff  ist,  sich  zu  erstechen,  mit  Landschaft). 

10)  Teil  einer  gotischen  Wandverkleidung  aus  Eichenholz;  sechs  voUe  und  zwei 
abgeschnittene  Füllungen  mit  Bandwerk. 

11)  Teil  einer  Wandverkleidung  mit  drei  Füllungen  übereinander,  die  untere 
Füllung  mit  Faltwerk,  die  mittlere  mit  Bandwerk,  die  obere  schmale  mit 
laufendem  Ornament  ausgefüllt;  gotisch;  angeblich  aus  dem  Hause  Am 
Sande  49. 

12)  Eine  Kirchenstuhlwange  unbekannter  Herkunft,  mit  Maßwerk. 

13)  Adler  eines  Lesepultes,  gotisch,  farbig. 

14)  Gotischer  Schrank  mit  vier  Türen,  deren  Füllungen  mit  Faltwerk  bedeckt 
sind,  mit  reichem  Beschlag. 

15)  Kleiner  gotischer  Schrank  mit  zwei  Türen,  reichem  Beschlag  und  Zinnen- 
bekrönung. 

16)  Eine  größere  Anzahl  von  Beischlägen  (vergl.  Lüneburger  Museimisblätter, 
Heft  1). 

17)  Ein  romanisches  Kapitell  aus  Gipsmörtel,  im  Schutt  auf  dem  Kalkberge 
gefunden. 

1 8)  Spätgotisches  Kapitell  einer  runden  Säule,  mit  Ornament  im  Kelch,  aus  Sandstein« 

19)  Runder  Schaft  einer  Säule  mit  Basisansatz,  aus  weißem  Marmor.  Angeblich 
die  sogen.  „Lunasäule*\  die  bis  1371  auf  dem  Kalkberge  gestanden  haben 
soll.  Später  stand  sie  in  der  Johanniskirche,  wo  sie  als  Stütze  eines 
Kapellengewölbes  an  der  Nordseite  gedient  haben  soll.  (Vgl.  Uffenbachs 
Reisen.    S.  519,  520.) 

20)  Eine  Eichenholzplatte  mit  eingeritzter  männlicher  Figur  und  Spruchband, 
gotisch. 

21)  Truhe  des  16.  Jahrhunderts,  die  Konstruktion  ist  noch  gotisch.  An  der 
Vorderwand  Darstellimg  der  Geschichte  Judiths  in  vier  Bogenstellungen. 

22)  Vorderwand  einer  Truhe  von  1588  mit  Darstellimg  der  Geschichte  Esthers 
unter  drei  Bogenstellungen.  An  den  Füßen  zwei  Wappen:  Kroger  und 
Elver;  hervorragende  Arbeit. 

23)  Drei  Holzplatten  von  einem  Grabmal  des  Celleschen  Großvogts  Itel  Rau  f  1573 
und  seiner  Frau  Marg.  v.  Bodendorf.  In  der  Mitte  die  Figuren  der  Verstorbenen 
unter  einem  Kreuz,  rechts  und  links  Wappenreihen  übereinander.  Sehr  gute, 
farbige  Arbeit. 


-^    429    8^ 

24)  Auf  Holz  gemalte  Auferstehung  mit  der  Inschrift:  „Hartwich  Schomaker 
Jacopus  sone  dedit  157 1^^ 

25)  I^iinf  Papiermasse-Arbeiten  Albert  von  Soests,  farbig:  Bildnis  Christi, 
Himmelfahrt,  Verkündigung,  Anbetung,  Christus  als  Schmerzensmann. 

26)  Teil  einer  Wandverkleidung  aus  dem  Hause  Am  Sande  43,  mit  eingelegten 
Bogenstellungen  und  Ornament  in  den  oberen  Füllungen. 

27)  Eine  größere  Anzahl  Füllhölzer  mit  zum  Teil  hervorragend  guten  Schnitzereien, 
Masken  und  Engelköpfe  darstellend.    (Vergl.  Museumsblätter  Heft  3.) 

28)  Eine  Wendeltreppe  aus  dem  Hause  Obere  Schrangenstraße  4,  mit  Masken 
an  der  Spindel  und  am  Pfosten. 

29)  Barocktür  mit  großer  verkröpf  ter  Füllung  an  beiden  Seiten  und  vortretendem 
Spiegel,  in  den  Zwickehi  Ornament. 

30)  Treppenpfosten  der  Barockzeit,  omamental,  mit  Maske. 

31)  Zweiflügelige  barocke  Haustür  von  dem  abgebrochenen  Hause  Am  Sande  5. 

32)  Zwei  Kamin-Überdeckungen,  die  eine  mit  Darstellung  des  Stadtregiments 
und  den  Wappen  Töbing-Garlop,  die  andere  mit  Kartusche  und  der 
Inschrift  Anno  1583,  an  den  beiden  Enden  Wappen  des  Landes  und  der 
Stadt    (A,  V.  Soest?) 

33)  Zwei  kniende  kleine  Holzfiguren,  darstellend  den  Stadtsyndikus  Tobias 
Domkrell  von  Eberhertz  und  seine  Frau  Barbara. 

34)  Teil  eines  Fachwerkgeschosses.  Fußbänder  mit  Hausmajrken  in  Wappen- 
schildern geschmückt.  An  der  Schwelle  die  Inschrift:  „GEVAL  -WEN  -WIR  • 
HABEN  .  VNSER  •  BEST  •  GEDAN  •  MVSSEN  •  WIR  •  WOL  •  VNDANCH  •  3  • 
LON...". 

35)  Türumrahmung.  Die  seitlichen  Stander  ornamentiert,  die  den  Türbogen 
bildenden  Konsolen  mit  Figuren.  Im  Fries  die  Jahreszahl  1567,  darüber 
das  Wappen  der  Stadt  Uelzen  zwischen  zwei  Löwen.    (Aus  Uelzen?) 

36)  Zweitüriger  Schrank  von  1681,  Füllungen  mit  vortretendem  Spiegel  und 
Flammleisten. 

37)  Umrahmung  einer  Tür,  mit  zwei  korinthischen  Pilastern,  Stichbogen  und 
Palmenomament  in  den  Zwickeln;  aus  dem  Hause  Am  Sande  18. 

38)  Sogen.  Wellenkampscher  Schrank,  aus  Truhenwänden  und  einzelnen 
Füllungen  des  16.  Jahrhunderts  zusammengesetzt 

39)  „Hamburger  Schapp",  zweitüriger  Schrank  mit  ornamentierten  Pilastern  und 
zwei  großen  Füllungen  mit  vortretendem  Spiegel;  überreich  mit  Ornamenten 
bedeckt. 

40)  Schrank  des  18.  Jahrhunderts,  in  edlen  Formen;  an  den  Ecken  freistehende 
Säulen,  Schlagleiste  als  halbe  Säule.  Füllungen  gerade,  mit  stark  vortreten- 
dem Spiegel  und  Flammleisten.    Am  Gesims  Masken  und  flache  Ornamente. 

41)  Geschnitzte  Treppenbrüstung  aus  dem  Hause  Am  Berge  35.  Barockes 
Blattwerk  mit  Putten  und  Wappen. 

42)  Zwei  Balken   aus   dem  Hause  Brodbänken  10   mit  aufgemalten   Sprüchen. 

43)  Kannelierte  Säule  mit  Kopfbändem  von  1586. 

44)  Eine  Truhenvorderwand  mit  Hermen  und  Bogenstellungen  und  den  Wappen 
des  Franziskus  Gering  und  der  Anna  von  Dassel,  verm.  1630. 


KnnBtgewerbe- 

Mnaenm 

in  Berlin. 


Gewerbe- 

Müseum 

in  Hamburg. 


-^     430    8^ 

45)  Schrank,  ganz  mit  Intarsien  bedeckt,  in  der  Mitte  biblische  Darstellungen. 

46)  Eine  Sammlung   von  Ofen,   vom    16.   bis   zum    19.   Jahrhimdert,   und  von 
Kacheln,  zum  Teil  hervorragende  Stücke. 

47)  Mehrere   eiserne   Ofenplatten   mit  biblischen   Darstellungen,  einige   datiert 

48)  Eine  fast  vollständige  Sammlung  aller  in  Lüneburg  verwendeten  Backstein- 
profile und  Terrakotten. 

49)  Eine  große  Anzahl  Stadtansichten  und  Bilder  von  Lüneburg. 

50)  Mehrere  Bronzetischleuchter  und  Kronen. 

51)  Das  Modell  eines  alten  Siedehauses  der  Saline. 

Das  Museum  enthält  femer  eine  reiche  Sammlung  von  Innungsgeraten, 
Möbeln,  Wetterfahnen,  Grabplatten,  Gittern,  Beschlägen,  Uhren,  Stein-  und 
Holzteilen  usw.,  die  im  einzelnen  nicht  aufgeführt  werden  können.  Es  wird 
auf  den  in  Arbeit  befindlichen  Katalog  verwiesen. 

1)  Wandschrank  aus  Eichenholz,  Ende  des  15.  Jahrhunderts.  Oben  imd  unten 
je  zwei  Türen,  in  der  Mitte  eine  Tür  zum  Herunterklappen.  Füllungen  mit 
gotischem  Faltwerk.    Reiche  eiserne  Beschläge. 

2)  Querfüllung  aus  Eichenholz,  Mitte  des  16.  Jahrhunderts.  In  der  Mitte  der 
hl.  Philipp,  neben  ihm   die  Wappen  von  Hartwig  und  Margarete  Stoketo. 

3)  Querfüllung  wie  Nr.  2  mit  dem  hl.  Thomas  und  den  Wappen  von  Heinrich 
Erpensen  und  Gesche  von  Winsen. 

4)  Löffel,  Silber  vergoldet,  um  1600.  Inschrift:  „Riht  vor  dich,  nicht  mich" 
Stempel  Lüneburger  Löwe  und  Wappen  mit  den  Buchstaben  S.  K. 

5)  Pokal  in  Traubenform,  Silber  vergoldet.  17.  Jahrhundert.  Stempel  Lüne- 
burger Löwe.*) 

6)  Das  Ratssilber  mit  Ausnahme  eines  Schoppens.    (Vergl.  vom  S.  290  f.) 

1)  Zwei  spätgotische  Truhen  mit  Maßwerk,  Kielbögen  und  Fischblasen.  Eine 
dritte  Truhe  mit  figürlichen  Darstellungen  und  den  Wappen  der  Brömse 
und  Schomaker,  15.  Jahrhundert. 

2)  Zwei  Spätrenaissance-Öfen. 

3)  Ein  Kamin  aus  dem  Hause  Grapengießerstraße  45.    (Vergl.  vom  S.  333.) 

4)  Decke,  Wandtäfelung  und  Stuckfries  eines  Zimmers  aus  dem  Hause  Neue 
Sülze  27.    (Vergl.  vom  S.  422.) 

Das  Gewerbe-Museum  zu  Bremen  besitzt  die  Vorderwand  einer  gotischen 
Truhe,  die  anscheinend  lüneburgischen  Ursprungs  ist 

*)  Die  Angaben  1—5  verdanke  ich  Herrn  Dr.  Behncke,  Berlin. 


IV.  Die  BefestigTing*. 


Quellen:  Urkunden  und  Kämmereirechnungen  des  Stadtarchivs;  Büttners  Auf- 
zeichnungen (ebenda);  Stadtansichten  und  Pläne  (zumeist  im  LUneburger  Museum);  Gebhardi^ 
CoUectanea  II,  lY,  IX  u.  a.;  Schomakers  Chronik,  hrsg.  v.  Meyer. 

Literatur:  Manecke,  Top.-hist.  Beschreibungen  S.  4 ff.;  Die  Altertümer  der  Stadt 
Lüneburg,  hrsg.  vom  Altertumsverein,  Lieferung  1  und  6;  Volger,  Origines  Luneburgicae 
(Lün.  Blätter  Iff.);  Volger,  Die  Umgegend  Lüneburgs  (Neujahrsblatt  1860,  Lün.  Blätter  172  ff.); 
Mithoff,  Kunstdenkmale  204 ff.;  Bode,  Ansichten  der  Stadt  Lüneburg  (2.  Jahresbericht  des 
Museumsvereins  1879);  Ein  Gang  durch  das  alte  Lüneburg,  Beschreibung  der  Stadt  nebst 
einem  Stadtplan  aus  der  ersten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts,  Lüneburg  1889;  Jürgens, 
Geschichte  der  Stadt  Lüneburg  S.  28  f. 


Lüneburgs  Bedeutung  als  befestigte  Stadt  kommt  in  zahlreichen  bild-  Geschichte, 
hohen  Darstellungen  aus  dem  15.  bis  in  das  19.  Jahrundert  hinein  zum  imposanten 
Ausdruck  (vergl.  Tafel  1).  Manecke  und  Bode  haben  angeführten  Orts  die  hier 
zumeist  in  Betracht  kommenden  Aufrisse  und  Grundrisse  nahezu  vollständig 
zusammengestellt,  und  wir  dürfen  von  einer  Wiederholung  ihres  Verzeichnisses 
um  so  eher  absehen,  als  die  einschlägige  Quellenuntersuchung  zum  vorhegenden 
Inventar  sich  zu  einer  Sonderschrift  über  die  topographische  Entwicklung  der 
Stadt  einschUeßUch  ihrer  Festungswerke  ausgewachsen  hat 

Die  älteste  Befestigung  der  Stadt  bestand  aus  Gräben  und  PaUisaden. 
„Plancae  civitatis"  werden  1254  erwähnt,  und  noch  zwei  Jahrzehnte  später 
vermerkt  das  Verfestungsregister,  daß  ein  Einbrecher  die  Planken  übersteigt  und 
dem  Wächter  des  nach  Bardewik  führenden  Tores  die  Torschlüssel  raubt;  zur 
selben  Zeit  ist  von  den  Türriegelbalken  (sere)  und  der  Stadtbefestigung  am 
Abtstor  die  Rede.  Stadtmauern  (muri)  begegnen  uns  zuerst  1297.  An  Toren 
werden  außer  den  schon  erwähnten  genannt:  das  Wellender  1272,  das  Grimmertor 
(valva  in  Grimmone)  1283,  das  Rodedor  (valva  Rufa  oder  Rubea)  1289,  das 
Lindenberger  Tor  (valva  Lindenberghe)  1302,  das  Neubrücker  Tor  (valva  novi 
pontis)  1346,  das  Sülztor  (sultedor,  valva  saline)  1347,  das  Rennenbruchtor  (valva 
Rennenbruche  ultra  aquam  Ehnenouwe)  1348,  das  Altenbrücker  Tor  (valva 
antiqui  pontis)  1354,  das  Spillekendor  1369,  das  Neue  Tor  (dat  nyge  dor  by 
Sunte  Ciriacus)  1385,  das  Wassertor  1389,  das  Alte  Tor  (Antiqua  valva)  1464, 
das  Lüner  Tor  (valva  Lunensis,  Lunaris)  1467.  Über  die  Gestalt  der  jüngeren 
Tore,  die  sämtlich  aus  einem  durch  ein  Torgewölbe  verbundenen,  äußeren  und 


-^    432    8^ 

inneren  Bau  bestanden,  gibt  Mithoff  auf  Grund  von  Aufzeichnungen  Gebhardis 
einige  interessante  Mitteilungen,  auf  die  hier  verwiesen  wird. 

Bis  um  1200  umfaßte  der  Befestigungsgürtel  nur  die  Altstadt,  um  nach 
Vereinigung  mit  Modestorf  und  nach  Anlage  der  Neustadt  in  eben  dieser  2ieit 
bis  auf  das  rechte  Ufer  der  Ilmenau  vorgeschoben  zu  werden.  Eine  neue  Epoche 
begann  mit  der  Zerstörung  der  Burg  auf  dem  Kalkberge.  In  derselben  Urkunde, 
in  welcher  die  Herzöge  Wenzel  und  Albrecht  den  Gewaltakt  der  Bürger  gut- 
hießen, erlaubten  sie  ihnen,  zwischen  der  Burg  und  Altstadt  Mauer  und  Graben 
zu  ziehen,  die  außenbleibenden  Gebäude  sowie  alle  Häuser  im  Grimm,  vor  dem 
Lindenberger,  dem  Roten  und  Sülztor  niederzubrechen  und  die  Stadt  samt  der 
Ummauerung  nach  Belieben  zu  vergrößern  (1371  Jan.  6).  Nun  erst  konnte  das 
zur  Ausführung  gebracht  werden,  was  die  Herzöge  Wilhelm  und  Magnus  schon 
am  27.  Oktober  1369  zugestanden  hatten:  die  Zumauerung  des  Grimmertors  und 
des  Lindenbergertors,  welch  letzteres  Rat  und  Bürgerschaft  damals  erst  in  eigene 
Obhut  bekamen.  Etwa  in  der  Mitte  der  beiden  bisherigen  Tore  wurde  das 
Neue  Tor  angelegt. 

Die  Erfahrungen  des  Erbfolgekrieges  legten  der  Stadt  in  erhöhtem  Maße 
die  Pflicht  auf,  ihre  Befestigung  zu  verstärken.  Man  begnügte  sich  nicht  mehr 
mit  Stadtgraben  und  Mauerring,  sondern  legte,  zunächst  mit  Ausscheidung  des 
weniger  gefährdeten  Gebietes  am  rechten  Ufer  der  Ilmenau,  im  weiten  Kreise 
um  die  Stadt  die  Landwehr  an.  Die  Erlaubnis  der  Herzöge  dazu  wurde  im 
Satebriefe  vom  14.  September  1392  gewonnen,  und  ein  zweiter  Vertrag  vom 
6.  September  1407  beweist,  daß  das  große  Unternehmen  inzwischen  zur  Aus- 
führung gekommen  war.  Sodann  wurden  die  Tore  und  Mauern  verstärkt  oder 
erneuert,  das  Bardewiker  Tor  1411,  das  Altenbrücker  1414,  das  Sülztor  1440. 
Eine  Mauer  von  hier  bis  an  die  Ilmenau  entstand  1442,  vom  Kalkberg  bis  zur 
Ilmenau  1443,  während  der  Graben  hinter  der  Ratsmühle  bis  zum  Roten  Tor 
schon  1381  „geferdiget",  d.  h.  verbreitert  war.  An  Befestigungstürmen  gab  es 
jenerzeit  einen  Turm  bei  der  Baumkule,  die  Türme  Fredeke  und  Van  baven  (1371), 
den  Blauen  Turm  und  den  Springintgudturm  (erbaut  1424),  den  Turm  Stur- 
Lüne  (1442).  Der  Wachtturm  auf  dem  Kalkberge  war  das  einzige  Gebäude,  das 
von  der  Herzogsburg  übrig  geblieben  war,  er  wurde  1491  erneuert.  Fünf  Jahre 
später  erstand  ein  großer  runder  Turm  hinter  der  Ratsmühle.  Ein  abermaliger 
Ausbau  der  Festungswerke  erfolgte  in  den  dreißiger  Jahren  des  16.  Jahr- 
hunderts. Es  entstand  das  lange  Gewölbe  des  Neuen  Tores,  der  verstärkte 
Wall  von  da  bis  an  den  Springintgudturm  und  ein  großes  „rundel"  in  der 
Ilmenau  bei  der  Baumkule,  woselbst  im  Jahre  1536  ein  großer  Pulverturm  in 
die  Luft  flog. 

An  der  Ostseite  war  Lüneburg  außer  durch  Ilmenau  und  Stadtgraben 
durch  den  schon  1299  nachweisbaren  Lösegraben  geschützt,  an  dessen  Stelle 
sich  jetzt  ein  Bahndamm  erhebt.  Der  Ilmenauhafen  konnte  in  Höhe  der  Warburg 
durch  eine  Kette  und  weiter  südlich  durch  einen  Baum  gesperrt  werden.  Im 
Norden  wurde  der  breite  Stadtgraben  trocken  gehalten,  weil  durch  sein  Wasser 
der  Gehalt  der  Solquellen  beeinträchtigt  worden  war.  Hier  war  daher  der 
Wall  —  der  einzige,  der  in  seiner  größeren  Hälfte  noch  erhalten  ist  —  nicht 


-^    434    8^ 

nur  durch  eine  Außen-  und  Innenmauer,  sondern  auch  durch  eine  gleichfalls 
erhaltene,  weit  vorspringende  Bastion  geschützt 

Seit  im  dreißigjährigen  Kriege  der  Kalkberg  von  der  Landesherrschaft 
zurückgenommen  und  als  Sonderfestimg  ausgebaut  war,  verloren  die  Festungs- 
werke der  Stadt,  zumal  da  der  hohe  Springintgudturm  abgetragen  werden 
mußte,  erheblich  an  Bedeutung,  und  nach  dem  siebenjährigen  Kriege  büßte 
auch  die  Kalkbergveste  ihre  militärische  Bedeutung  ein.  Dann  begann  man, 
Türme,  Wälle  und  Mauern  niederzulegen,  ein  notwendiger  Prozeß,  der  erst  in 
der  zweiten  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts  zum  Stillstand  und,  so  dürfen  wir 
hoffen,  nunmehr  zum  Abschluß  gelangt  ist 

BeBchreibnng.  Von  der  Umwallung  der  Stadt  sind  nur  spärliche  Teile  erhalten.    Im 

Südosten  erhebt  sich  in  der  Nähe  der  Ilmenau  ein  Schutthügel,  der  letzte  Rest 
des  „roten  Walles",  mit  wenigen  Mauerteilen  an  der  Stadtseite.  Im  Nordwesten 
steht  noch  ein  stattliches  Stück  des  „Bardowicker  Walles"  mit  einer  weit 
vorspringenden  Bastion.  Dieser  Wall  wird  von  beiden  Seiten  gestützt  durch 
starke  Mauern  aus  Findlingen  und  Ziegelsteinen.  Die  Außenseite  der  Mauer 
läßt  die  Anlage  eines  runden  Turmes  erkennen,  im  übrigen  ist  das  Mauerwerk 
so  stark  zerbröckelt,  daß  es  zwar  sehr  malerisch  wirkt  (Fig.  205),  aber  keine 
Formen  mehr  zeigt  Einige  Offnungen  mit  schrägen  Leibungen  kann  man  für 
Schießscharten  ansehen.  An  der  Stadtseite  sind  einem  Teil  der  Mauer  starke 
Strebepfeiler  vorgelegt,  an  den  großem  Teil  sind  kleine  Häuser  gebaut  Die 
Krone  des  Walles  ist  erhöht,  so  daß  sich  nach  der  Außenseite  zu  hinter  der 
Mauerbrüstung  ein  einem  Wehrgange  ähnlicher  Weg  ergibt  Die  Bastion  besteht 
nur  aus  Erdboden. 

Von  der  äußeren  Befestigungslinie,  der  sogen.  Landwehr,  ist  im  Nord- 
westen der  Stadt  ein  zusammenhängendes  Stück  erhalten,  das  bei  dem  Dorfe 
Reppenstedt  beginnt,  dicht  vor  Vögelsen  nach  Osten  abbiegt  und  zwischen 
Ochtmissen  und  Bardowick,  das  erstgenannte  Dorf  einschließend,  sich  bis  an 
die  Ilmenau  heranzieht.  Die  Landwehr  besteht  jetzt  aus  drei  bis  fünf  neben- 
-  einander  liegenden  Gräben,  deren  Böschungskronen  mit  Buschwerk  und  Wald 
bestanden  sind.  An  der  Stadtseite  fließt  der  Lajidwehrbach.  Einige  sumpfige 
Buschwaldstreifen  bei  dem  Gute  Schnellenberg  imd  hhiter  dem  Forsthaus 
„Bote  Schleuse"  werden  ebenfalls  für  Teile  der  Landwehr  gehalten. 

Von  den  Befestigungen,  die  sich  an  den  zur  Stadt  führenden  Straßen 
da  befanden,  wo  die  Landwehr  durchbrochen  wurde,  steht  nur  noch  ein  Turm 
der  Hasenburg  an  der  Straße  nach  Soltau.  Der  Turm  ist  im  Grundriß 
quadratisch.  In  der  westlichen  dicken  Mauer  hegen  übereinander  zwei 
gemauerte  Treppen,  die  das  zweite,  dritte  und  vierte  Stockwerk  miteinander 
verbinden.  Zum  zweiten  Stockwerk  führte  keine  Treppe.  Über  dem  Eingang 
zu  dem  gewölbten  Keller  ist  ein  Balken  mit  der  Inschrift:  „AEDIFICATVM  | 
ANNO  1621"  und  den  Wappen  der  Stadt  und  des  Landes  eingemauert,  im 
zweiten  Stockwerk  hegt  in  der  Mauerdicke  ein  kleiner  Raum,  der  mit  einer 
jetzt  im  Museum  befindlichen,  eisenbeschlagenen  Tür  verschlossen  werden  konnte 
und  der  in  Verbindung  mit  d&m  darunter  liegenden  Geschosse  gestanden  haben 


-^    435    8^ 

soll.  Dieser  kleine  Raum  soll  als  Gefängnis  gedient  haben.  Das  Mauerwerk 
des  Turmes  besteht  aus  starken  Pfeilern,  die  durch  Bögen  verbunden  sind,  und 
dazwischenliegenden  dünneren  Nischenwänden.  Die  Außenseiten  der  Mauerkörper 
sind  ungegUedert  bis  auf  das  vierte  Geschoß,  das  auf  jeder  Seite  fünf  spitz- 
bogige  Blenden  zeigt.  An  der  Süd-  imd  Nordseite  liegen  in  den  äußersten 
Blenden  spätgotische  Schilder  mit  den  Wappen  des  Landes  und  der  Stadt  und 
unter  den  Blenden  große  gemauerte  Kreise  mit  Putzgrund.    Die  Traufkante  des 

4  

Zeltdaches  wird  über  den  Blenden  unterstützt  iuich  gerade  Knaggen,  deren 
Klappstiele  am  unteren  Ende  blattförmig  ausgeschnitten  sind. 

An  einer  neben  dem  Turme  liegenden  Fachwerkscheune  befindet  sich 
eine  Steintafel  mit  der  Inschrift:  EXSTRVCTVM  |  J.  G.  v[on]  D[öring]  |  F.  G. 
S[chütz]  I  CAMER[ariis]  |  Ao  1768. 


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