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RREO TO
Harvard University Library
Bought firom the
ARTHUR TRACY CABOT
BEQUEST
For the Purchase of
Books on Fine Arts
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UNSTDENKMÄLER
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DER PROVINZ
HANNOVER.
HERAUSGEGEBEN
IM AUFTRAGE DER PROVINZIAL- KOMMISSION ZUR ERFORSCHUNG UND
ERHALTUNG DER DENKMÄLER IN DER PROVINZ HANNOVER
VOH
Dr. PHIL. CARL WOLFF,
STADTBAÜBATH.
III. REGIERUNGSBEZIRK LÜNEBURG.
1. KREISE BÜRGDORF UND FALLINGBOSTEL.
MIT 2 TAFELN UND 62 TEXTABBILDUNGEN.
IIAN.NOVKII.
SELBSTVERLAG DER PROVINZIALVERWALTUNG.
THEODOR SCHÜLZES BUCHHAKDLUNG.
1902.
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UNIVCRSITY
UBRARY
Hof buchdruckerei Gebrüder Jänecke, Hannover.
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Burg-dorf und Falling'bostel
Unter der Leitung des Herausgebers bearbeitet von
Heinrich Fischer und Dr. Fritz Traugott Schulz.
Vorwort.
^ie Bearbeitung der vorliegenden Lieferung erfolgte unter der Leitung des
^^^^^ Unterzeichneten durch den Architekten Heinrich Fischer, welcher mit
der Anfertigung der Denkmälerbeschreibungen beschäftigt wurde und nach
dessen Abgang durch Dr. Fritz Traugott Schulz, z. Z. Assistent am Germa-
nischen Museum in Nürnberg, welcher den geschichtlichen Theil, die beiden
Einleitungen und die Zusammenstellung der Litteratur und Quellen übernahm
und die Beschreibungen ergänzte. Die Benutzung der Archive wurde durch
das freundliche Entgegenkommen des Vorstandes des Königlichen Staatsarchivs,
Geheimen Archivraths Dr. Doebner und des Archiv- Assistenten Dr. Fink,
sowie des Vorstandes des Stadtarchivs in Hannover, Stadtarchivars Dr. Jürgens,
welcher ausserdem auf manche bemerkenswerthe Nachricht aufmerksam machte,
wesentlich erleichtert. Auch konnten einige Mittheilungen des Architekten
R. Philipp Bromme über die Kapelle in Immensen und die Kirche in
Stellichte, des, Grafen von der Schulenburg-Wolfsburg auf Haus Rethmar
über Rethmar und des Geheimen Bauraths Schuster über Ahlden verwerthet
werden. Femer hatten der Amtsrichter E. v. Bennigsen in Syke seine
geschichtlichen Notizen und der Geheime Rath Doebner das Register zum
achten Bande seines Urkundenbuches, soweit es fertig gedruckt war, bereit-
willigst zur Verfügung gestellt.
Die Aufnahmen sind in der Hauptsache durch den Architekten Fischer,
einige derselben durch Dr. Schulz angefertigt. Der Architekt Bromme lieferte
in dankenswerther Weise die Aufnahmen Fig. 51 und 53 — 59, die Architekten
Echtermeyer und Franz A. Krüger Fig. 42—44, Pastor Junker in
^Schwarmstedt Fig. 45—48, Pastor ü hl hörn in Ricklingen Fig. 14, 15, 17 und 19,
-tHg IV 8^
Architekt Wendebourg Fig. 12 und 20 und die Firma Henning & Andres
Fig. 66. Zu Fig. 16 konnte eine Aufnahme des Ereisbauinspektors Schlöbcke
benutzt werden.
Die Verzeichnisse wurden von dem Regierungsbaumeister Siebern
aufgestellt, welcher sich in Gemeinschaft mit dem Bibliothekar Dr. Thimme
auch an der Korrektur des Werkes betheiligte.
Den Druck besorgte die Hofbuchdruckerei von Gebrüder Jänccke,
die Herstellung der Lichtdrucktafeln die Eunstanstalt von G. Alpers jr., die
Druckstöcke der Textabbildungen die Eunstanstalt von L. Hemmer, sämmtlich
in Hannover.
Allen, welche zum Gelingen des Werkes beigetragen haben, sei auch
an dieser Stelle der herzlichste Dank ausgesprochen.
Hannover, 20. September 1902.
Carl Wolff.
Ortsverzeichniss.
(Auf den stärker gedmckten Seiten ist der Ort im Zusammenhang behandelt.)
Seite
Abbensen 5
Ahlden . . 105, 114, 117, 120, 122, 128, 133,
134, 138, 142, 148, 181
AWten 6, 46
Aligse 21, 52
Alt-Schwarmstedt 148
Bässen 106
Bennemühlen 11, 13, 73
Bergen 106
Bierde 111
Bilm 12, 46
Bissendorf 11, 13, 16, 27, 32, 73
Böhme 111
Bokholt 148
Bothmer 113, 164
Braunschweig 71, 81
Bremen 165
Breiingen 16, 27, 32, 75
Buchholz 13, 148
Burgdorf (Kreis) 1
Burgdorf 7, 18, 33, 52, 59, 76, 78, 79, 90, 99
Burgwedel 23, 27, 90
Celle 1, 114, 121, 144
Dolgen 31, 34, 88
Dollbergen 148, 32
Dorfmark 106, 114, 122, 142, 181
Dfishom ... .106, 111, 117, 122, 142
Eddesse 90
£demi8sen 90
Eiekeloh 106, 118
Eickenrode 90
Eilte 120
Elze 32, 90
Engensen 21, 33, 99
Eseringen 19
Essel
Evern
Seite
148
• • • • V*; ö«/
Fallingbostel (Kreis) 101
Fallingbostel 106, 121, 171
Fuhrberg 27, 36
Gailhof 13
Garvesen 19
Gilgen 34
Gilten 106, 123, 141, 164, 166, 167
Glashof 166
Göttingen 81
Gretenberg 31, 88
Gross-Burgwedel 25, 36
Gross-Grindau 148
Gross-Horst 59
Hademsdorf 119
Haimar 30, 31, 34, 39, 71, 88
Hainhaus 13
Hameln 134, 135
Hänigsen 37
Hannover 1, 20, 81, 148
Harber 42
Heessel 18
Helen 106
Hellendorf 11, 13, 73
Heisdorf 5, 13
Hermborg lOG
Heselingen 19
Hildesheim . . 1, 46, 54, 70, 78, 79, 87, 88,
94, 97, 164
Hodenhagen 127, 128
Hohenhameln 39, 43, 90
Horst 7, 59
Höver 45, 46
Hoya 144, 155, 164
-tHg VI 8^
Seite
Hudemühlen 127
Hussen 106
Ickhorst 13
Jeversen 148
Usede 90
Uten 6, 9, 12, 23, 45, 46
ImmenBen 21, 52, 95
Isernhagen 27, 53
Kirchboitzen 119, 132
Kirchhorst 7, 21, 27, 59, 90
Kirchrode 9
Kirchwahlingen 111, 133, 168
Klein-Burgwedel 26, 27
Lehrte • . . . 31, 70, 88
Lindage 90
Loccnm 5
Lohne 59
Lübbecke 107
Lühnde 6, 39, 45, 70, 80, 87
Lüneburg 71, 144, 145
Mandelsloh . 5, 16, 17, 73, 75, 123, 141, 164
Mariensee 13, 123, 141, 164
Markeldorp 148
Maspe 13
Mehmm 90
Meinerdingen 137, 166, 122, 106
Meinersen 23, 37, 99
Meilendorf 13, 27, 72
Minden . . . 54^ 79, 105, 106, 122, 128, 128,
138, 144, 146, 155, 166
Mohlmühlen 13
Negenbom 75
Neuen -Warmbüchen 27
Neustadt 13, 106, 141
Neustadt a. R. 164
Niederstöcken 141
Norddrebber 141
Northeim 81
Obershagen 76
Oedingen 19
Oelerse 77
Oldhorst 27
Ostenholz 141
Otze 78
Peine 90
Seite
Quedlinburg 166
Ramlingen 79
Rethem 144
Rethmar
Scherenbostel 13
Schlage 13
Schmedenstedt 27
Schomsteinhagen 76
Schwarmessen 106
Schwarmstedt 27, 148, 113, 164
Schwüblingsen 85, 90
Sehnde 31, 87
Sievershausen . . 13, 21, 22, 24, 27, 32, 33,
52, 59, 77, 85, 89, 94, 97, 99
Soltau 106, 114, 122, 154
Sommerbostel 13
Steimke 166
Steinwedel 21, 52, 71, 90, 94
Stelle 7, 21, 59
Stellichte 154, 170
Steterburg 87
Stöcken 147
Suderbruch 163
Südwinsen 148
Thönse 33, 21, 99
Twenge 13
Uetze 37, 90, 97
Verden 138, 144, 154, 171
Vöhrum 90
Wahlingen 146
Wahlnigsen 106
Walsrode . 106, 119, 122, 123, 138, 155, 164
Wellingsen 19
Wennebostel 13
Wense 180
Wettmar 21, 27, 33, 90, 99
Wichendorf 13
Wienhausen 32, 33, 43, 77, 85, 90
Winsen 106, 148
Wipshausen 90
Wistendorp 106
Wolterdingen 138
Woltingerode 87
Wunstorf 5, 105, 106
Zeven 133
^*ö
Verzeichniss der Abbildungen.
Pignr
1
2
3
4
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29-30
31
32
33
34
a5
36
37
38
39
40
41
Der Kreis Burgdorf
Kapelle in Änderten; Grundriss
Kirche in Bissendorf
Tj 71 n Grabmal
Kirche in Gross-Burgwedel; Grabstein
Kirche in Harber; Schallöflfnungen
„ „ „ Altarlenchter
Kirche in Uten; Altar . .
^ y, ^ Gedenktafel
Kirche in Isernhagen; Fenster
„ „ ^ Taufstein
Kirche in Kirchhorst; oberer Grundriss vor der Wieder-
herstellung
J^ -n V Vorhalle
n .^ „ Wand- und Deckenmalereien. .
„ „ „ Chor vor der Wiederherstellung
n v n Grabstein
n 7) n Grabmal
„ „ alte ThUr
Herrenhaus in Rethmar; Thür
Kapelle in Schwüblingsen; Crucifixus
Kirche in Sievershausen; Thür
Der Kreis Fallingbostel
Kirche in Ahlden; Altarleuchter
Schloss in Ahlden; Hofseite
Kapelle in Böhme; Grundriss
Kirche in Dorfmark; TaufgefUss
Kirche in DU shorn; Figurengruppen
Kirche in Gilten; Fenster
n T) n Altarleuchter
Kirche in Hudemlihlen
Kirche in Kirchwahlingen; Thür
n n n Altarleuchter
Kirche in Meinerdingen; Grundriss
V 77 71
n V n Zinnvase
Kirche in Ostenholz; Grundriss
„ „ „ Südseite
Schloss in Kethem; Konsole ^ . . .
Seite
2
9
14
15
29
43
44
48
51
56
58
60
61
62
63
64
65
66
68
69
84
86
93
102
108
110
112
116
118
124
125
129
135
136
138
189
140
142
143
147
Tafel
-^ VIII 8^
Figur Seite
42—44 Kirche in Schwarmstedt; Längenschnitt, Querschnitt,
Grundriss 149
4o „ „ „ Altar '.
46 — 48 „ ^ Yi Grabmale und Crucifixus. . . 151
49 Kirche in Stelliehte; Grundriss vor der Wiederherstellung 156
50 n n ri Nordseite 157
51 „ „ „ Thürlaibung der Südseite 158
52 „ „ „ Fenster 158
53 — 57 „ ^ „ HolzfUUungen der Chorschrankc . . 159
58—59 1, n n Grabmäler 162
(50 — 62 7) rt T) Orgel, Taufbecken und Kanzel . .
63 Kirche in Walsrode; Westseite 172
64 n n n Glockeninschrift 173
65 Kloster in Walsrode 175
66 „ „ „ Glasmalereien 177
Tafel
I
II
Sachverzeichniss.
(Die stärker gedmckten Seiten
Altäre 5, 7, 14, 28, 87, 88, 41, 45, 41, 58,
57, 63, 74, 77, 78, 83, 86, 88, 98, 96,
112, 115, 117, 125, 180, 136, 141, 142,
150, 160, 174, 181.
Alt*rkanzeln 14, 41, 45, 49, 74, 83, 96,
112, 130, 141, 142.
Altarleuchter 11, 14, 38, 42, 44, 49, 53,
63, 71, 74, 77, 78, 80, 93, 96, IM, 112,
115, 117, 122, 125, 130, 136, 140, 141,
143, 150, 160, 174.
Altarwand 173.
Amtshänser Bissendorf 13, Burgdorf 18,
Gross-Burgwedel 25, Rethem 147.
Armenhaus Burgdorf 18f
Becher 49.
Bildwerke 80, 117, 175.
Chorschranken 159.
Chronostichon 94.
Ciborien 49, 63, 109, 117, 125, 130, 143, 160.
Crücifixe 63, 71, 77, 86, 109, 130, 151, 176.
Dachreiter 7, 12, 32, 34, 37, 38, 45, 75,
77, 79, 86, 113, 130, 176.
Denkmal 120.
Elle 70.
Emporen 7, 10, 12, 14, ,24, 27, 38, 41, 45,
50, 82, 88, 96, 122, 125, 130, 140, 142,
150, 181.
Emporenbrtistung 65.
ErbbegräbnisB 53, 82, 134. •
Gedenktafeln 15, 126, 130, 160, 173.
Gemälde 7, 28, 46, 50, 80, 94, 109, 115,
118, 151, 161, 176.
Gerichtsgebäude Rethem 144.
GJasgemälde 78, 80, 131, 140, 164, 176.
Glocken 7, 11, 12, 15, 17, 28, 31, 37, 38,
42, 44, 46, 50, 57, 65, 71, 74, 78, 83, 88,
96, 115, 120, 122, 126, 151, 161, 174.
Glockenstnhl 57.
beziehen sich auf Abbildungen.)
Glockenthürme 115, 122.
Goldschmiedzeichen 30, 49, 50, 51, 63,
69, 70, 109, 140, 143, 150, 153.
Gräben 12, 25, 111, 121.
Grabgewölbe 120, 159.
Grabkapelle Eickeloh 119.
Grabmäler und Grabsteine 15, 16, 17,
18, 24, 25, 28, 29, 38, 42, 44, 50, 57, 65,
66, 67, 68, 71, 72, 83, 89, 96, 99, 109
118, 126, 131, 132, 136, 152, 153, 160,
162, 164, 174, 176, 181.
Gruft 112, 113, 117, ISa
Herrenhäuser BennemUhlenll,Rethmar 80,
Uetze 97, Böhme 111, Eilte 120, Stel-
lichte 154.
Kannen 29, 38, 44, 50, 109, 132.
Kanzeln 7, 11, 39, 53, 57, 80, 88, 118, 126,
137, 153, 162, 182.
Kapellen Abbensen 5, Ahlten 6, Alten-
WarmbUchen 7, Änderten 8, Arpke 11,
Bilm 12, Dolgen 80, Dollbergen 32,
Elze 32, Engensen 33, Evem 34, Fuhr-
berg 36, Höver 45, Immensen 52, Negen-
bom 75, Oelerse 77, Otze 78, Ram-
lingen 79, Schwüblingsen 85^ Böhme 111,
Bothmer 113, Norddrebber 141 , Wense 180.
Kelche 16, 29, 45, 51, 57, 69, 72, 74, 84,
109, 115, 118, 120, 123, 126, 132, 133,
137, 140, 143, 153, 163, 164.
Kirchen Bissendorf 13, Breiingen 16,
Burgdorf 18, Gross-Burgwedel 25,
Hänigsen 37, Haimar 39, Harber 42,
Uten 46, Isemhagen 53, Kirchhorst 59,
Lehrte 70, Meilendorf 72, Obershagen 76,
Rethmar 80, Sehnde 87, Sievershausen 89,
Steinwedel 94> Uetze 97, Wettmar 99,
Ahlden 105, Dorfmark 114, Düshom 117,
Eickelohll8, Fallingbostell21, Gilten 123,
HudemUhlen 127, Kirchboitzen 132, Kirch-
-^ X H-
wahlingen 138, Meinerdingen 137, Osten-
holz 141, Schwarmstedt 148, Stellichte 154,
Suderbruch 163, Walsrode 164.
Kirchenstühle 159.
Kirchthürme 14, 24, 27, 33, 41, 43, 49, 56,
63, 71, 82, 88, 93, 96, 108, 125, 136, 140,
142, 150, 159, 173.
Klöster Mariensee 9, 123, 141, 164, Steter-
burg 87, Woltingerode 87, zur Sülte 88,
Bartholomäuskloster in Hildesheim 88,
Michaeliskloster in Hildesheim 88, 94, 97,
Zeven 133, St. Martini in Minden 141,
Moritzkloster auf dem Werder bei
Minden 148, Walsrode 164, Wienhausen
32, 33, 48, 77, 85, 90.
Kl oster chor Walsrode 164.
Kronleuchter 140.
Maasswerk 43, 55, 62, 130, 174.
Orgeln 24, 51, 109, 125, 154, 163.
Paramente 108, 150.
Patronatsstuhl 70.
Rathhaus Walsrode 164.
Beliqnienschrein 176.
Bittergut Ahlten 6.
Sakristeien 125, 135, 150.
Sarg 85.
Schloss Ahlden 105.
Schränke 137, 177.
Siegel 57, 140, 177, 180.
Sonnenuhren 30, 55, 142, 150.
Taufbecken aus Holz 42, 143, 163, aus
MetaU 30, 51, 74» 116, 120, 132.
Taufengel 70, 140.
Tauf steine 5, 7, 39, 57, 89, 96, 123, 137,
140, 154.
Thür 70.
Thurm 127.
Triumphkreuz 30.
Uhr 178.
Vasen 140.
Wand- und Deckenmalereien 30, 64.
Wappen 15, 17, 28, 42, 44, 47, 49, 50, 51,
57, 58, 63, 65, 69, 71, 78, 80, 82, 83, 85,
96, 99, 109, 110, 118, 114, 120, 125, 126,
181, 132, 136, 137, 140, 147, 151, 152,
153, 154, 158, 160, 161, 162, 163, 164,
174, 175, 176, 177, 178, 180, 181, 182.
Wetterfahne 53.
Wohnhaus 53.12 _.
Zifferblätter 154.
Zinngiesserzeichen 49, 57, 71.
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Künstlerverzeichniss.
Adam, Dietrich (Goldschmied), 148.
Anthoni, Assmns (französischer Gärtner-
meister), 108.
B, N (N. B.) (Bildhauer), 58.
Bamewitz (Bildhauer), 66.
Bartels, Daniel (Bildhauer), 60.
Bartels, Heinrich Conrad (Bildschnitzer), 169.
Becker, C. A. (Glockengiesser), 65, %.
Becker, Peter August (Glockengiesser), 55.
Behrens, Hans (Maler), 54.
Behrens, M., Johann (Maler), 40.
Bock (Glockengiesser), 11.
Brfiggemann (Maler), 80.
BrUggemann (Bildschnitzer), 168.
Campenius, Adolphus (Orgelbauer), 169.
Gasten, Hans (Orgelbauer), 22.
Christ, Hans (Architekt), 22.
Cordes (Tischlermeister), 53.
Damm, H. L. (Glockengiesser), 28, 65, 71, 151.
Diisterdich (Glasermeister), 53.
Dreier, Cord (Bildschnitzer), 169.
Flegel, Just, Ludwig (Zinngiesser), 49.
Gerd (Architekt), 148.
Getelde, Hans (Maler), 91.
Havtsch, Johann Christoph (Glocken-
giesser) 115.
Hawer, Henning (Maler), 81.
Heyde, Kord van der (Glockengiesser), 138.
Höyer, Anton (Bildhauer), %.
Hoyer, J. B. (Bildhauer), 89.
Hüsemann (Orgelbauer), 41.
Jäger, Henning (Maler), 95.
Kahlen, H. (Stückgiesser), 22.
Keusser, Justus (Orgelbauer), 149.
Keyser, Justus (Orgelbauer), 169.
Knust, Berend (Bathsmaurermeister), 169.
Körber, Jakob (Glockengiesser), 95.
Lampen, M. Henni (Glockengiesser), 89, 95.
Lippold (Kgl. Festungsmaurermeister), 95.
Mare, M. Märten de (Orgelbauer) 163.
Mathias (Goldschmied), 77.
Meier, Johann (Glockengiesser), 38, 55, 57,
79, 120.
Meuten, Diderich (Glockengiesser), 42.
Meyfeld, Just Andreas (Glockengiesser), 38.
N., H. (H. N.) (Bildhauer), 15.
Ochsenkopf, Heinrich (Bildschnitzer), 81.
Olpke, M. Johann (Maler), 52.
Ossenkopf, M. Cnrt (Bildschnitzer), 40, 54.
Pelckinck, Hans (Glockengiesser), 53.
Rade, Hermann und Caspar y. (Maler), 168.
Riedeweg, M. Thomas (Glockengiesser), 23,
44, 50, 54, 122, 123, 149, 174.
Ritterhof, Conrad (Bildhauer und Maler), 170.
S. J. G. (J. G. S.) (Bildhauer), 115.
Schultz (Maler), 47.
Siegfried, Ludolf (Glockengiesser), 40, 47,
50, 151.
Strauss (Ingenieur), 108.
Symon, Thomas (Glockengiesser), 168.
Thies, Franz Jürgen (Klempnermeister), 23.
Uhle, Hans Jakob (Bildhauer), 66.
Yick (Landbaumeister), 166.
Vos, M., Pawel (Glockengiesser), 71.
W., H. (H. W.) (Bildhauer), 83.
Weidemann, Joh. Heinr. Christ. (Glocken-
giesser), 17, 38, 44, 54, 74, 176.
Wiegel, Jonas (Orgelbauer), 47.
Wilhelm, Hans (Maler), 81.
WUbbers, J. (Zinngiesser), 23.
Wulff (Goldschmied), 54.
Ziegner, M. Johann Georg (Glocken-
giesser), 37.
Zuberbier, Johann Andreas (Orgelbauer), 95.
Der Kreis Burgfdorf.
Einleitung.
^er Ejreis Burgdorf wird im Westen vom Regierungsbezirk Hannover, im
Süden und Südosten vom Regierangsbezirk Hildesheim, im Nordosten
vom Kreis Gelle und im Norden vom Kreis Fallingbostel begrenzt.
Er ist 837,82 qkm gross und setzt sich aus zwei Stadtgemeinden, 81 Land-
gemeinden und zwei selbständigen Gutsbezirken zusammen. Der Boden, welcher
die Merkmale der Lüneburger Heide trägt, ist, abgesehen von kleineren Er-
hebungen im Süden, Osten und namentlich im Nordwesten, flach. Bei Bissen-
dorf, Burgdorf und Uten trifft man auf Ejreideschichten. Reichere Waldungen
finden sich bei Ahlten, zwischen Burgdorf und Uetze, sowie im Nordwesten.
Moore giebt es bei Alten -Warmbüchen, Oldhorst, nördlich von Wettmar und
in der Gegend von Meilendorf. Bewässert wird der Kreis von der Fuhse, Aue
und Wietze mit ihren Zuflüssen. Die Zahl der dem niedersächsischen Stamme
angehörenden Bewohner beläuft sich auf rund 36000. Sie treiben in erster
Linie Viehzucht und Ackerbau und handeln mit den Erzeugnissen ihrer Thätig-
keit. Ziegeleien finden sich an vielen Orten; auch sind einzelne Zuckerfabriken
imd Cementfabriken vorhanden. Windmühlen sind über das ganze Land hin
zerstreut. Als Hauptverkehrswege dienen die Chausseen Hannover-Walsrode
und Hannover-Celle, sowie die in Fig. 1 angegebenen Landstrassen. Folgende
Eisenbahnlinien durchschneiden den Kreis: Hannover - Lehrte - Hildesheim,
Hannover -Lehrte -Braunschweig, Hanno ver - Oebisfelde, Hannover - Uelzen und
Hannover -Soltau. Eine Aussenstrecke der elektrischen Bahn verbindet die an
der Landstrasse Hannover-Haimar belegenen Orte mit einander.
Der Kreis ist im ehemaligen Fürstenthum Lüneburg und nur zum kleinen
Theil im Fürstenthum Galenberg belegen. Zu letzterem gehört nur der den
Gemeinden Uten und Bilm bei der Theilung zugefallene Antheil am sogenannten
Eisenwinkel vom Bezirke des alten Amtes Hannover. Der Kreis theilt die
wechselreichen Geschicke des Fürstenthums, die nur in schwachen Umrissen
angedeutet sein mögen : Im Jahre 1235 erhielt Otto das Kind das neu begründete
Herzogthum Braunschweig - Lüneburg als erbliches Reichslehen und wurde
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Reichsfurst. Seine Söhne Albrecht und Johann theilten 1267 die Lande: Johann
erhielt das Herzogthum Lüneburg und die Stadt Hannover^ Albrecht das Herzog-
thum Braunschweig sowie Galenberg und Göttingen. Diese Theilung begründete
die Trennung der Lande Braunschweig und Lüneburg. Als Johanns Enkel,
Wilhelm von Lüneburg, ohne Söhne starb, entbrannte über die Nachfolge der
grosse Lüneburgische Erbfolgekrieg zwischen Magnus Torquatus und Albrecht
von Sachsen. Die mannigfachen Zwistigkeiten fanden ihren Abschluss durch
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KREIS
CELLE
NEUSTADT
HANNOVER
KREIS
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Flg. 1. Der Kreis Bargdorf.
die Theilung vom Jahre 1409: Bernhard erhielt das Braunschweigische, Heinrich
das Lüneburgische Land. Bei einer weiteren Theilung im Jahre 1428 wählte
dann Bernhard den Lüneburgischen Theil. Unter seinen Nachkommen ist Ernst
der Bekenner als eifriger Vorkämpfer der Reformation bekannt. Seine Enkel,
die Söhne Wilhelms, beschlossen 1610 zu Gelle die Untheilbarkeit des Fürsten-
thums Lüneburg. Herzog Georg, 1641 gestorben, bestimmte in seinem Testament
die Theilung von Lüneburg und Calenberg. Georg Ludwig, 1714 auf den eng-
lischen Thron berufen, vereinigte durch seine Heirath mit Dorothea von Gelle
die sämmtlichen weifischen Lande.
Eine Sonderstellung innerhalb des Kreises nimmt das sogenannte «grosse
Freie" ein, welches die Ortschaften Ahlten, Änderten, Höver, Bilm, Uten, Lehrte,
Sehnde, Gretenberg, Rethmar, Evem, Dolgen, Haimar, Harber und Klein-
Lopke umfasst. Die Freien sind ein Rest der gemeinen Freien, deren Rechte
die Freiheit der Person und des Eigenthums zum Kern hatten. 1248 übergab
Graf Heinrich von Lauenrode die „comitia major" gegen eine jährliche Rente
von 20 Mark an Otto das Kind. Die weifische Herrschaft befestigte sich hier
seit der Mitte des XIV. Jahrhunderts. Im Vertrage zu Minden, 1512, erhielt
Heinrich der Mittlere von Lüneburg die Freien vor dem Walde, und seitdem
gehören sie endgültig zu Lüneburg.
Die Ortschaften gehören in ihrem grösseren Theil der Hildesheimschen
Diöcese an. Was jedoch westlich der Wietze, welche im Allgemeinen als die
Grenze angesehen werden darf, belegen ist, gehörte ehedem zum Mindener
Archidiakonat Mandelsloh im Loingau. Von den übrigen zu Hildesheim
gerechneten Orten gehören die nördlichen dem Pagus Flutwide, die südlichen
dem Pagus Hastfala an. Beide Gaue stossen zwischen Aligse und Lehrte
zusammen.
Hervorragende Kunstwerke hat der Kreis nicht aufzuweisen, doch bietet
er eine Fülle von interessanten Gegenständen der kirchlichen Kleinkunst. Dass
auch hier die Kunst ehedem gepflegt wurde, das geht aus den geschichtlichen
Nachrichten zur Genüge hervor. Doch haben die Fehden zu Beginn des
XV. und XVI. Jahrhunderts, besonders aber der dreissigjährige Krieg das ihrige
gethan, um sie in ihrem Aufblühen niederzutreten. Die romanische Zeit wird
durch einen Crucifixus zu Kirchhorst sowie einen Thurm in Ilten vertreten.
Spätgothische Kirchen sind in Gross-Burgwedel, Isemhagen, Kirchhorst und Meilen-
dorf, letztere mit der Zahl 1497, erhalten. Kapellen aus dieser Zeit finden sich
an vielen Orten; die zu Höver trägt die Jahreszahl 1494. Bemerkenswerth ist
der mit Scharten versehene Kirchthurm zu Gross-Burgwedel. Einfache Herrenhäuser
werden an einigen Orten angetroffen. Von den Altären steht neben einigen
aus der spätgothischen Zeit der zu Ilten vom Jahre 1724 obenan. Ein Altar-
leuchter mit der Jahreszahl 1556 ist in Harber vorhanden, andere zeigen viel-
fach gothische AufiTassung. Spätgothische Crucifixe haben Oelerse und Schwüb-
lingen aufzuweisen. An Glocken ist ein grosser Reichthum vorhanden; eine zu
Gross-Burgwedel zeigt Formen des XIV. Jahrhunderts, eine andere zu Otze
die Zahl 1461; weitere gehören dem XVI. und namentlich dem XVIII. Jahr-
hundert an. Schöne Grabsteine sind in Gross-Burgwedel, Kirchhorst und Lehrte
vorhanden. Die Meister Barnewitz und Hoyer haben besonders gute Stücke
geliefert. Spätgothische Wandmalereien sind in Gross-Burgwedel gefunden
worden und ähnliche in Kirchhorst erneuert in ihrer vollen Pracht zu sehen.
1*
Abbensen.
Kapelle.
Litte rat nr: Doebner III, Nachträge; Janicke; von Hodenberg, Calenberger
ürknndenbnch III; Sudendorf; Wippennann, Bnkkigan; Manecke II; Mithoff, Kunst-
denkmale lY; derselbe, Kirchenbeschreibungen; Holscher, Beschreibung des Bisthums
Minden; Grütter, Amtsvogteien im Fürstenthum Lüneburg, Hannov. GeschichtsbL, 3. Jahrg.;
Schulz, Bissendorf, ebendort, 4. Jahrg.
Abbensen, seit Alters Filial zu Heistorf, gehörte ehedem mit diesem Geschichte,
zum Mindener Archidiakonat Mandelsloh im Loingau. Es war der Amtsvogtei
Bissendorf zugetheilt. Im Jahre 1287 resignieren der Ritter Hildemar von
Oberg und der Edelherr Eonrad von Amheim dem Mindener Bischof Volquin
zu Gunsten des Klosters Loccum den Zehnten in «Abbenhusen*. In seiner
heutigen Namensform taucht der Ort 1353 und in einem Einnahmeverzeichniss
des Schlosses Celle aus den Jahren 1381/82 auf. 1353 erklärt Ritter Johann
Pickard, dass nach seinem Tode seine Güter, darunter ,en hof to Abbensen',
dem Herzog Wilhelm von Braunschweig und Lüneburg, seinen Erben oder
Nachfolgern anheimfallen solle.
Nach des Canonicus Jordan Güterverzeichniss der Abtei Wunstorf,
welches zwischen 1376 und 1379 abgefasst sein wird, gehörte zur Abtei ,De
hof to Abbensen Is En echte hof jn den Bordung wolt". 1472 thun die Testa-
mentarien des Magnus Lauenrode, Propstes zu Mariensee, kund, dass das Kloster
von des Testators Nachlasse disponiertermassen den Zehnten zu Abbensen,
worauf 100 Gulden stehen, wieder lösen solle.
Die einfache, mit abgeschrägten Ecken im Osten versehene, mit Sattel- Beschreibung.
dach überdeckte FachwerkkapeUe hat eine gerade geputzte Decke mit vor-
stehenden Balken und Holzkonsolen an den Seitenwänden. Auf der Südseite
liegt die halbkreisförmig geschlossene Eingangsthür mit der Jahreszahl 1665
im Sturz. Die kleinen Fenster haben rechteckige Form.
Auf dem mit einer Steinplatte abgedeckten, gemauerten Altar steht Altar.
ein spätgothisches, farbig behandeltes, stark verwahrlostes Schnitzwerk mit dem
Gekreuzigten im Mittelsdirein.
Ein einfacher gothischer Taufstein ist aus Sandstein gearbeitet. Tanfstein.
-e-S 6 IK-
Geschichte.
A h 1 1 e n.
Kapelle.
Litteratur: Sudendorf; Doebner VI; Lüntzel, die ältere Diöcese Hildesheim ;
Manecke II; von Hodenberg, LUneburger Lehnregister; Regenten-Sahl 16d8; Böttger,
Diöcesan- und Gau-Grenzen; Kayser, Kirchenvisitationen 1897; Heise, die Freien; Weber,
die Freien bei Hannover 1898; ttithoff, Kunstdenkmale lY; Kniep, die Freien vor dem
Walde, Hanno V. GeschichtsbL, 3. Jahrg.
Quellen: Urkunden desKgl. Staatsarchivs zu Hannover; Stadtarchiv zu Hannover,
Redecker, historische CoUectanea; Yerzeichniss der kirchlichen Kunstdenkmäler von 1896.
Beschreibung.
Das im grossen Freien belegene Dorf, ehemals mit Uten, wohin es
noch heute eingepfarrt ist, zum Archidiakonat Lühnde und zum Gau Hastfala
gehörig, begegnet in der älteren Zeit meist in der Form «Alten* ; so zwischen
1220 und 1240 in dem ältesten Exemplar des Lehnsregisters des Luthard von
Meinersen (ein anderes Exemplar aus der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts
schreibt dafür „Altem"), im Jahre 1359; in der Descriptio bonorum prae-
positurae Hildensemensis ecclesiae tempore Nicolai (de Huet) praeposili vom
Jahre 1382 und im Jahre 1428. 1491 lautet es .Altenn*. Bei der 1360 vom
Herzog Wilhelm vorgenommenen Neubelehnung erhielt Wulver von Reden
,de vogedie to Alten". Die Gebrüder Martin und Dietrich von Alten bekamen
,To Alten . IX . morgere vnde . I . wort . de vorlenet se*. 1458 wird es
durch Herzog Bernhard in Asche gelegt. Die Kapelle war zu Beginn des
XVI. Jahrhunderts bereits vorhanden. 1500 verkauft Wulbrand von Reden dem
Herzog Heinrich von Braunschweig und Lüneburg Obrigkeit und Gericht ,in
vnde buten dem dorpe Alten • • • • in dem karspel tho Dten belegen*. 1530 und
1541 wird der Hildesheimsche Domherr Arnold Freitag als «Obedienciarius der
Obediencien Alten* (Althen, Altenn) bezeichnet. Nach dem Visitationsprotokoll
vom Jahre 1543 gehörten zur »Vpkumpst des pastors tho Uten* 30 Morgen
Landes „vor Althen*; und in der zubehörigen Klage heisst es: »VI gülden X sz
in veer Jaren nhagebleuen veertide gelt jn Uten, Billem, Höuerde vnd Althen,
dat mi vorentholden wert mit jtliken Schincken*. Als Patrone werden die 1647
ausgestorbenen Herren von Rutenberg genannt. Die Folgen des dreissigjährigen
Kri^es machten sich auch bezüglich der Kapelle fühlbar. Der Dtener Pastor
von Broitzem schreibt nämlich Folgendes: , Gleich wie bei Antretung meiner
unwürdigen Bedienung [14. Mai 1648] alle B^pellen in einem elenden Zustande
gefunden, also absonderlich diese Ahltische; sie ist mehr einem Viehestall, als
Gotteshause ähnlich gewesen*.
Das Rittergut zu Ahlten wurde von Stats Schlüter in den Jahren 1580
und 1582 gegründet. Herzog Ernst 11. von Lüneburg hat 1593 dem Gute alle
adeligen Freiheiten, Gerechtigkeiten und Immunitäten ertheilt.
Die massive, durch das halbe Achteck im Osten geschlossene, geputzte
gothische Kapelle mit gerader Bretterdecke trägt im Westen einen viereckigen
->^ 7 8^
Dachreiter. Die drei Chorfenster und die Fenster der Nordseite zeigen innen
spitzbogig geschlossene Nischen und aussen geraden Sturz. Die in einer Spitz-
bogennische liegende Eingangsthür und zwei flachbogige Fenster sind an der
Südseite angebracht. Zu beiden Seiten der Thüre sind inwendig im Mauerwerk
die Oeffnungen für das Querholz noch vorhanden. Oben am westlichen Giebel
sind zwei Steine mit Kreuzen eingemauert. Hölzerne Emporen befinden sich
an der West- und theilweise an der Süd- und Nordseite. Bemerkenswerth sind
die tauförmigen Verzierungen an den Tragbalken der südlichen Empore. Auf
den beiden Ständern an den Längsseiten ist die Zahl 21 zu lesen.
Der gemauerte Altartisch ist mit Platte und Schräge in Sandstein Altar,
abgedeckt.
Die Kanzel enthält auf den Füllungen die auf Holz gemalten Brustbilder Gemälde,
des ,S. Philippvs, S. Petrvs, S. Bartholomaevs, S. Andreas, S. Simon" und
,S. Johannes*. Darunter befindet sich an der Altarwand eine Darstellung des
Abendmahls und oben Gott Vater in den Wolken. Die Gemälde dürften noch
dem XV. Jahrhundert angehören.
Eine im Jahre 1563 gegossene, 52 cm im Durchmesser grosse Glocke Glocke,
trägt am Halse eine Inschrift, darunter einen gothischen Omamentstreifen und
am Rande fönf herumlaufende scharfkantige Erhöhungen.
Ein schöner, farbig behandelter, 1,14 m hoher und 0,78 m im Durch- Taufstein.
messer grosser Taufstein aus Sandstein trägt auf dem runden profilierten Fusse
die Jahreszahl 1613. Auf dem sechseckigen, mit Akanthusblättem und Figuren
verzierten Schaft liegt ein ebensolches Becken, welches mit Sprüchen aus
Markus 10, Johannes 3 und Matthaeus 28 und den Darstellungen der Anbetung,
Jesu als Einderfreundes und der Taufe im Jordan geschmückt ist.
Alten-Warmbüchen.
KapeUe.
Litteratnr: LUntzel, die ältere Diöcesc Hildesheim ; Sudendorf; Origines
Guelficae; Gmpen, Origines et Antiquitates Hanoverenses; Urkundenbuch der Stadt
Hannover; Manecke II; von Hodenberg, LUneburger Lehnregister; Regenten-Sahl 1698;
Böttger, Diöcesan- und Gau -Grenzen; Kayser, Kirchenvisitationen 1897; Uhlhom, die
Kirche in Kirchhorst und ihre Kunstdenkmälcr, Zeitschr. d. bist. Ver. f. Nieders. 1899;
Neues Vaterl. Archiv 1823.
Quellen: Akte des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover.
Im Jahre 1329 lösten sich Horst, Stelle und Alten- Warmbüchen um
zwei Mark reinen Silbers von der Kirche zu Burgdorf los, bauten die Kapelle in
Horst zur Kirche um und weihten sie dem heiligen Nikolaus. Seitdem ist das
Dorf nach Kirchhorst eingepfarrt. Es war ehedem einer der Grenzorte des
Pagus Flutwide gegen den Pagus Hastfala. Sämmtliche Höfe zu Alten- Warm-
buchen waren zuvor Lehnshöfe derer von Alten. Aus einem Schreiben vom
Jahre 1664 ersehen wir, dass die Alten- Warmbüchener darum bitten, mit einer
Reparation der vor dem Dorf stehenden Kapelle verschont zu werden. Dieselbe
sei, so heisst es darin, «vor Zeiten** ,ad cultum sacnun". erbaut, aber mit
Einführung der Reformation verlassen und «wüste* geworden, «indem aus dem
Dorfif bald einer dies der ander das hingenommen*. Es wird daher von Celle
aus angeordnet^ dass der Schullehrer des Sonntags Nachmittags mit den
Kindern in der KapeUe ein «examen catecheticum* anstellen und mit ihnen
singen und beten solle, wozu auch die Alten kommen möchten. Jeden vierten
Sonntag sollten sie jedoch zur Horster Mutterkirche gehen. Die Kapelle wird
zu diesem Zweck auf das Nothdürftigste ausgebessert, 1803 jedoch mit Ausnahme
der Glocke dem Halbhöfner Hans Henning Wöhler als Meistbietendem für
96 rthlr. verkauft. Seitdem als Wohnhaus benutzt, hat sie mannigfache
Aenderungen erfahren.
Die durch das halbe Achteck im Osten geschlossene, aus Ort- und
Backsteinen errichtete Kapelle hat 12,8 m äussere Länge und 6^8 m Breite.
Der profilierte Ghorbogen und das mit vortretenden Bimstabrippen versehene
Chorgewölbe sind noch erhalten. Auf der Nordseite liegt eine flachbogige
Eingangsthür in einer einen halben Stein tiefen, den einfachen Viertelstab
zeigenden Spitzbogennische. Sämmtliche Fenster sind flachbogig geschlossen.
Änderten.
KapeUe.
Litteratnr: LUntzel, die ältere Diöcese Hildesheim ; Janicke; Leibniz, Scriptores
reram BrnnsTicensium ; Sudendorf; von Hodenberg, Marienroder Urkundenbnch ; derselbe,
Lttneburger Lehnregister; Urknndenbuch der Stadt Hannover; Doebner I und VI;
Manecke II; Mithoif, Kunstdenkmale I und IV; derselbe, Kirchenbeschreibungen; Weber,
die Freien bei Hannover 1898; Kniep, die Freien vor dem Walde, Hannov. Geschichtsbl.,
8. Jahrg.; Kayser, Kirchenvisitationen 1897 ; Regenten-Sahl 1698; Holscher, Beschreibung
des Bisthums Minden; Förstemann, Ortsnamen; Böttcher, Geschichte des Kirchspiels Kirch-
rode. — Ueber die Familie siehe von Meding, Nachrichten von adelichen Wapen 11, und
die einschlägigen Register.
Quellen: Urkunde des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover.
Geschichte. Das zum grossen Freien gehörige Dorf blickt auf ein hohes Alter
zurück. Wie Lüntzel und nach ihm Weber anm'mmt, ist es identisch mit dem
»Ondertunum*, welches in der um 990 aufgesetzten, aber nur in einem Schrift-
stück des XI. Jahrhunderts vorliegenden Aufzeichnung über die auf Befehl
Ottos n. festgestellten Grenzen zwischen Ostfalen und Engem und die Grenzen
zwischen den Bisthümern Hildesheim und Minden vorkommt. In dem genannten
Grenzprotokoll erscheint unter den Zeugen «Bernhard Bidonis filius de Onder-
tunum". Nach dem «Ghronicon episcoporum Hildeshemensium' verpfändet
der Bischof Eonrad II., 1221—1246, dem Lippold von Escherde ein Vorwerk
in , Änderten". Diese Namensform wird von nun an die übliche. 1291 ver-
kaufen die Gebrüder Ludolf und Burchard von Gramme dem Erlöster Marien-
rode ,tres mansos sitos in Änderten et medietatem decime totius ville Änderten
et vnum molendinum jbidem cum omnj jure jn villa et extra villam**, welche
Güter sie vom Hildesheimschen Bischof Siegfried zu Lehen trugen. 1298 ver-
kauft der Ritter Dietrich von Alten demselben Kloster «quatuor mansos cum
decimis eorum in Änderten sitos cum duabus areis et edifitijs in eisdem con-
structis", welche er vom Mindener Bischof Ludolf zu Lehen getragen hatte,
und genehmigt 1301 den Tausch von zwei Hausstellen zu ,Anderthen" zwischen
dem Kloster und dem Heinrich Siegering, Bürger zu «Änderten". Im Lehns-
register des Bisthums Minden zwischen 1304 und 1320 begegnet die Form
»Thandertam*. 1348 verkauft das Kloster Marienrode dem -ÄJtare St. Johannis
in der Kreuzkirche zu Hannover zwei Höfe in »Änderten*. Bei der im
Jahre 1360 vom Herzog Wilhelm vorgenommenen Neubelehnung erhielten die
Gebrüder Martin und Dietrich von Alten ,to Änderten. IL houe de vorlenet se*.
1661 wüthete ein grosser Brand, welcher mitten durch das Dorf ging und alle
dortigen Höfe in Asche legte.
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Flg. 2 Kapelle in Änderten; Gmndriss.
Die Kapelle war dem Pfründenverzeichniss zu Folge bereits 1534 vor-
handen. Der Ort war ursprünglich nach Uten eingepfarrt; laut Visitations-
protokoll von 1543 hatten die Bewohner von Änderten das Vierzeitengeld an
den Geistlichen von Uten zu zahlen, wie es denn auch Thatsache ist, dass die
Elapellenrechnungen seit 1554 vom Iltener Pfarrer geführt worden sind.
1597 jedoch war die Kapelle bereits Filial zu Kirchrode. Noch 1662 wurde
vom Amtsvogt OsthoflF die ursprüngliche Zugehörigkeit zum Iltener Erchspiel
wieder herzustellen versucht; und der Iltener Pastor Joachim von Broitzem,
1648—1683, schreibt, dass er auf Befehl des Hochfürstlichen Gonsistorii daselbst
in der Kapelle gottesdienstliche Handlungen vorgenommen habe. Bei der
grossen Feuersbrunst im Jahre 1661 brannte das Innere der Kapelle aus. Sie
2
-^ 10 8^
Beschreibung^.
wurde 1663 wieder ausgebaut und von Neuem eingeweiht. 1670 wird Änderten
in den Freien mit einer Kapelle als Filial von Earchrode angegeben, wohin es
noch heute gehört. Nach Manecke (1858) ist das Dorf zwar nach Eirchrode ein-
gepfarrt, doch ist der Prediger zu Uten perpetuus Oeconomus des Eapellen-Aerarii.
Nach dem Dorfe ist ein Hannoversches Patriziergeschlecht, welches
1596 die Bestätigung seines alten Adels erwirkt hat, benannt.
Die in gothischen Formen errichtete, einfache Backsteinkapelle mit
flacher Decke (Fig. 2) hat im Jahre 1884 einen neuen Westthurm erhalten.
An den äusseren Flächen des alten Mauerwerkes befinden sich glasierte Ziegel.
Die Langseiten werden durch je drei Strebepfeiler mit Pultdächern gestützt. Die
spitzbogig überwölbte Eingangsthüre im Westgiebel — jetzt Durcligang vom Thurm
zur Kapelle — zeigt den viermal zurückgesetzten Viertelstab. Drei sehr
beschädigte Ghorfenster und eine Nische im Inneren des Chores sind mit dem Spitz-
bogen geschlossen und haben, wie die flachbogige Nische an der Aussenseite der
Ostwand, als Einfassung einen doppelten Viertelstab. Letzterer ist auch an
der Nord- und Ostseite als Theil des Hauptgesimses erhalten. Zwei rechteckige
Fenster befinden sich an der Südseite. Auf einem Holzständer an der Südwand
im Inneren ist die Jahreszahl 1661 und aussen auf einem Eckquader die Inschrift:
1663
M. H. F. AD.
angebracht.
Emporen sind an der West- und Nordseite vorhanden.
A p p k e.
Kapelle.
Litteratnr: Doebner VI und VIT; Sudendorf; Ltintzel, die ältere Diöcese
Hildesheim; Manecke II; Mithoff, Knnstdenkmale IV; derselbe, Kirchenbeschreibungen;
Fromme, kleine Chronik der Primariatpfarre zu Sievershausen 1889; Weber, die Freien
bei Hannover 1898; Regenten - Sahl 1698; Böttger, Diöcesan- und Gau-Grenzen; Eayeer,
Kirchenvisitationen 1897.
Quellen: Urkunden und Akten des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover.
Geschichte.
Das nach Sievershausen eingepfarrte Dorf, welches ehedem zu den
Grenzorten des Pagus Flutwide gegen den Pagus Hastfala gehörte, begegnet
in der älteren Zeit meist als »Arbeke*, so in den Jahren 1382, 1406, 1448,
1462 und 1466. Daneben findet sich 1459 die Form ,Erbeke«. 1487 erklärt
der Herzog Wilhelm von Braunschweig und Lüneburg, dass Otraven von Bervelde
-^ 11 8^
«dem hilgen cruce to Arebke* ein «kotbleck* daselbst und ein Pfund Wachs
von einer Wiese «to ewigen tyden by dem godesz huse to bliuen'' gegeben
habe. 1555 wurde das erste «Arbsche Capellen-Register'^ angelegt. In der
.Dtgaue'' der Sievershäuser Kirche vom Jahre 1574 sind verzeichnet: «Utgegeuen
VI. fl vnd in mattier, to Notwendiger buwung der Cappellen*, in der «Uthgaue**
för die Jahre 1582 bis 1590: »Vor de Bonen to leggende In de Cappellenn.
II fl. 15 grossen*, «Item I fl. vor venster to flickende In der Cappellen*.
1595 besassen die Herren von Rutenberg den Zehnten in unserem Dorfe.
1622 wurde das Eapellenärar beraubt. 1666 übertrug der Superintendent
gelegentlich der Revision das Auf- und Zuschliessen der Kapelle, welches bis
dahin vom Kuhhirten besorgt wurde, dem Schullehrer.
Die alte Kapelle wurde in den Jahren 1857—1859 durch ein neues
Bauwerk aus Backsteinen nach dem Entwürfe Hases ersetzt.
Zwei Altarleuchter zeigen die gothische Auffassung. Der Körper ruht Altarleuchter.
auf drei Füssen. Der walzenförmige Schaft wird in der Mitte durch einen
Knauf getheilt.
Die 50 cm im Durchmesser grosse Glocke trägt in der Inschrift den Glocke.
Namen Maria sowie den Namen des Glockengiessers Bock und zeigt das Hochbild
der Maria mit dem Kinde in flammenstrahlender Mandorla.
Die schlichte Altarkanzel ist in den Formen des Zopfstils gehalten. Kanzel.
Bennemühlen.
Herrenhaus.
Litte ratur: Lüntzel, die ältere Diöcese Hildesheim; Manecke II; von Hoden-
berg, Lüneburger Urkundenbucb XV; Zeitschr. d. bist. Ver. f. Niedere. 1885; GrUtter,
Amtsvoigteien im Filrstentbum Lüneburg, Hannov. Geschicbtsbl., 3. Jabrg.; Schulz, Bissen-
dorf, ebendort, 4. Jahrg.; Böttger, DiOcesan- und Gau -Grenzen.
Das nach Bissendorf eingepfarrte, im Mindener Loingau belegene Dorf
enthält einen (adelig freien landtagsfähigen) Hof der Familie von Bothmer.
Diesen besass zuvor ein im XV. Jahrhundert im Füirstenthum Lüneburg blähendes
adeliges Geschlecht von Bendemühlen, welches sich , zweifelsohne' (Manecke)
nach dem Ort benannte. 1513 genehmigt der Herzog Heinrich zu Braunschweig
und Lünebui-g^ dass die Vettern Ludolf und Melchior von Campen auf ihre
Lehnguter zu Mellendorf, Hellendorf und Bennemühlen 1500 Rh. Gulden auf-
nehmen. Der Zehnte von diesem Dorfe gehörte denen von Bobers. Der Ort
war der Amtsvogtei Bissendorf zugetheilt.
Das einfache, aus Fachwerk errichtete Rittergut trägt auf der Setz-
schwelle des zum Theil erneuerten Nordflügels die Inschrift: ,Zur Erhaltung
2*
-*^ 12 8^
der Güter und beim ewigen Andencken erbauet ANNO 1733 von den Hoch-
wollgebohrnen Herrn Obristen* sowie weiter darunter die Worte «Augast
Christian Friderich von Bothmer' und ist von einem zum grössten Theil noch
erhaltenen Graben umgeben. Der südwestliche Theil, das eigentliche Herren-
haus, ist später angebaut und trägt einen hölzernen Dachreiter mit Uhr.
Geschichte.
Beschreibung.
Glocke.
Bilm.
KapeUe.
Litteratur: Doebner I und II; Sudendorf; LUntzel, die ältere Diöcese Hildes-
heim; Manecke II; Mithoff, Kunstdenkmale IV; Weber, die Freien bei Hannover 1898;
Kniep, die Freien vor dem Walde, Hannov. Geschichtsbl., 3. Jahrg.; Regenten-Sahl 1698;
Kayser, Kirchenvisitationen 1897.
Quellen: Yerzeichniss der kirchlichen Kunstdenkmäler von 18%; Schulchronik
in Bilm; Urkunden des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover.
Das im grossen Freien und im Gau Hastfala belegene, seit Alters
nach nten eingepfarrte Dorf begegnet 1333 als «Billem", in welcher Form
es 1382, 1406 («Byllem") und 1438 wiederkehrt. Daneben findet sich die
Schreibweise „Billum". 1359 überweist der Bischof Heinrich von Hildeshehn
dem Kapitel St. Grucis eine Hufe «in campis ville Billum'* („Byllum") und
verleiht ihm das Obereigenthum über vier weitere Hufen daselbst. Auch ein
Schreiben des Dompropstes Nikolaus Hud vom Jahre 1382 redet von dem
campus , ville Billum". In der Klage des Iltener Pfarrers vom Jahre 1543
lesen wir: .VI gülden X sz in veer Jaren nhagebleuen veertide gelt jn Jlten,
Billem, Höuerde vnd Althen, dat mi vorentholden wert mit jtliken Schincken*.
Nach dem Ort ist eine im XIV. und XV. Jahrhundert vorkommende
Bürgerfamilie in Hildesheim benannt, von der ein Herbort als in Hannover
ans&ssig erwähnt wird.
Die rechteckige, aussen 12,50 m lange und 7,35 m breite, aus Bruch-
steinen erbaute, geputzte, gothische Kapelle mit geputzter Balkendecke hat auf
dem Satteldach einen viereckigen Dachreiter und zum Theil flachbogige, zum
Theil schlitzförmige Fenster. Der Sockel zeigt an allen Seiten des Gebäudes eine
grosse Schräge. Die spitzbogige, an der Südseite liegende Eingangsthür hat in den
beiden Bogenstücken den alten Fasen noch erhalten. Die Kanzelthür stammt
aus dem XVII. Jahrhundert, eine Empore befindet sich an der Westseite. Im
Wetterhahn steht die Jahreszahl 1681.
Die Glocke trägt die Lapidarinschrift:
Christofer Hortenbarch
me fecit
Anno.Dmi 1578.
Kichert Olers
Engelke Engelken.
-►4 13 8-»-
Bissendorf.
Kirche. Amtshaas.
Litte ratur: Sadendorf; Lüntzel, die ältere Diöcese Hildesheim; Wippennann,
Bükkigau; Spilcker, Geschichte der Grafen von Wölpe; Holscher, Beschreibung des Bis-
thnms Minden; von Hodenberg, Lüneburger Urkundenbuch XY; derselbe, Pagus Flutwide,
Lenthe^s Archiv VI; derselbe, Lüneburger Lehnregister; Manecke II; Kayser, Kirchen-
visitationen 1897; Mithoff, Kunstdenkmale lY; derselbe, Kirchenbeschreibungen; BOttger,
Diöcesan- und Gau-Grenzen ; von Bennigsen, Beitrag zur Feststellung der Diöcesangrenzen,
Zeitschr. d. bist Yer. f. Nieders. 186B; GrÜtter, Amtsvogteien im Fürstenthum Lüneburg
und der Loingau, Hanno v. GeschichtsbL, 3. Jahrg; Graeven, Messkelch und Patene aus
Bissendorf, ebendort, 4. Jahrg.; Schulz, Bissendorf, ebendaselbst.
Quellen: Urkunden des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover; Mittheilungen des
Pastors Nutzhom zu Bissendorf; Yerzeichniss der kirchlichen Kunstdenkmäler von 18%;
Grtttterseber Nachlass im Stadtarchiv zu Hannover.
Nach Grupen gehörte Bissendorf mit Bennemühlen, Gailhof> Hellendorf, Geschichte.
Sommerbostel, Ickhorst, Scherenbostel, Buchholz, Wennebostel, Wichendorf,
zwei Höfen von Mellendorf, Mohlmühle, Schlage, Hainhaus, Maspe und Twenge
zum Hildesheimschen Banne Sievershausen. Während Böttger und Bennigsen
ebenfalls die Zugehörigkeit zu Hildesheim vertreten, fand Lüntzel jene Vertheilung
der Parochieen zweifelhaft. Bestimmter wie Lüntzel drückt sich bereits
Wippermann aus. Und dann heisst es in einem Yerzeichniss der zur Corveischen
Präpositur gehörigen Güter: «in dioecesi Mindensi in parochia Mandelsloh". Es
folgen sodann mehrere als Mindensch nachgewiesene Parochieen: Mariensee,
Neustadt, Heistorf, und dann lesen wir: «in parochia Bissendorpe in villa
Scheremborstelle*. Bissendorf kann demnach nur als zum Mindener Archidiakonat
Mandelsloh zubehörig und im Loingau belegen aufgefasst werden, welche
Ansicht auch Holscher und von Hodenberg theilen. Das im Jahre 1295 erwähnte,
in der Diöcese Hildesheim belegene «Biscopiustorpe* darf mit unserem Ort
nicht in Zusammenhang gebracht werden. Bei der im Jahre 1360 durch den
Herzog Wilhelm vorgenommenen Neubelehnung erhielt Johann von Mandelsloh,
Hermann Sohn: «den tegheden to Biscopinghedorpe vnde dat andere dat dar
to hört, darsulues twene houe. vnde en kot*. Am 21. Juli 1393 schreiben
die «Zateslude to Honouere'* den «Zatesluden to Luneborgh*^, dass sie mit den
Satesleuten der Umgegend von Hannover («in vsen Jeghenen**) sowie mit den
Rittern und Knappen aus Veranlassung dessen, was ihnen von den Herzögen
geschieht, am 25. Juli Morgens «to Bispingdorpe" eine Zusammenkunft veran-
stalten wollen, welche auch thatsächlich stattfand. Im XV. Jahrhundert kommt
der Ort theils als «Bissendorpe* theils als «Bispendorppe" vor. In den Fehden,
welche in den Jahren 1457—1459 zwischen dem Herzog Bernhard in Gemeinschaft
mit dem Verdener Bischof Johann gegen den Herzog Wilhelm von Braun-
schweig-Wolfenbüttel stattfanden, wurde er mit Feuer und Schwert verwüstet
(GrÜtter). Im Jahre 1487 wird Henning Dedeken als «plebanus* genannt.
1523 war Diderich von Bothmer Pfarrer, 1534 Brun van Wulle, 1543 Albertus.
H^ 14 g-*-
Die jetzige Kirche wurde mit AusDahme ihres Westthurmes im Jahre 1768
massiv erbaut
Das Amtshaus diente ehedem als Jagdablagerhaus der Cellescheo Herzöge.
BeschreibQDg. Die Kirche besteht aus Westthurm und Schiff (Fig. 3)-
Schiff. Das rechteckige mit Sandsteinsockel, Eckquadem, hßlzemem Haupt-
gesims und Flachbogenfenstem in Sandsteineinfassungen versehene, massive
Schiff von 26,3 m äusserer Länge und 12,3 m Breite hat ein im Osten
abgewalmtes Pfannendach. Der innere, im östlichen Theile um eine Stufe
erhöhte und auf mehreren Seiten mit Emporen versehene Raum wird durch
eine gerade geputzte Decke, welche mit der Hohlkehle zur Wand übergeht,
abgeschlossen.
Der fast quadratische, zum grössten Tfaeil aus Ortsteinen errichtete
Thurm hat flachbogige Oeffnungen und eine ebensolche, mit glatten Sand-
steingewänden eingefasste Westthür. Ein halbkreisförmig QberwAlbter Durch-
gang verbindet Thurm und Schiff.
Die hölzerne, aus dem XVin. Jahrhundert stammende Altarwand mit
eingebauter Kanzel erhebt sich hinter einem gemauerten Tisch. Zwei seithche
glatte Säulen tragen ein verkröpftes Gebälk.
Zwei aus dem XVII. Jahrhundert herräfarende schöne Altarleuchter aus
Bronze haben die Inschriflen:
Georgivs ■ Marreck Ambts Voget H ■ Leopoldvs ■ Collen ■ Pastor: zv
Bissendorf.
und
Hans • Volcker • Wolder • Oldenbostel ■ K. G. zv Bissendorf.
-w§ 15 S*
Leop. Cöllenius war 1617—1652 Pastor.
Am Scbulfaause ist eine Gedenktafel aus Stein aufgerichtet, welche Gedenktafel,
in der Mitte ein Haus und daneben das Brustbild einer männlichen und einer
weiblichen Figur mit je einem Wappen enthält; darunter ist zu lesen:
Cvrdt von Bestenborstel ■ Tnd Calharina von Weihe • haben diese
Schvle, Got ZV den Ehren ■ avf ihre eigen Vnkosten • gestiftet vnd
erbavwen lassen, Anno dm 1603.
In diesen Stein ist das Meisterzeichen H. N. eingemeisselt.
Die 55 cm im Durchmesser grosse Glocke — jetzt ausser Gebrauch — Glocke,
bat zwischen Riemchen über einem Omamentstreifen die Inschrift in gothischen
Kleinbuchstaben :
Anno ■ ^ ■ m ■ d ■ xl
Fig. *. Klrclia in Blwendoif ; Grabmal
Auf dem in die äussere Südwand eingelassenen, aus Sandstein gearbeiteten Gr&bmäler.
Grabmale (Fig. 4) ist in der Mitte der Gekreuzigte, und es sind darunter eine
knieende mfinnliche und eine knieende weibliche Figur, sowie auf jeder Seite
vier Wappen zu sehen. Die Umschrift in Lapidaren lautet:
Anno • 1 ■ 6 • 2 ■ 1 ■ den ■ 23 ■ Aprilis ■ ist ■ der • edler vnd ehmvester •
Cordt ■ V. Bestcnbostel ■ in ■ Got ■ selig ■ entslapen.
Ao ■ 1610 ■ den • 21 ■ Febrv ■ ist ■ de • edle ■ vnd • vieldvget-
same • Catarina ■ v • Weihe ■ Cort ■ v ■ Bestenbostels • eli w ■
in ■ Got ■ selig ■ entslapen.
Im untern Theile stehen zwei Bibelsprüche.
Grabstein.
Kelch.
Amtshftus.
-^ 16 8^
Der schöne, farbig behandelte, fast ganz durch eine Holzwand verdeckte
Grabstein des 1652 gestorbenen Pastors Cölle (Cöllenius) ist innen in die
Nordwand des Schiffs eingemauert. Derselbe zeigt in einer Bogenniscbe eine
stehende männliche Figur im Priestergewande.
Ein kleiner, silbervergoldeter, die spätgothiscbe Form zeigender Kelch
wird als Eigenthum der Gemeinde im Eestner-Museum zu Hannover aufbewahrt.
Der Sechsblattfuss trägt einen aufgehefteten Grucifixus und ein aufgeheftetes
silbernes Schild mit eingraviertem Lamm und Baum. Auf der unteren
Seite ist in gothischen Kleinbuchstaben die Inschrift «Hans Bick dedit'' sowie
als Beschauzeichen ein Löwe und als Meisterzeichen ein G angebracht. Auf
den Zapfen des mit gothischem Maasswerk verzierten Knaufes sowie auf der
Handhabe ist in Grossbuchstaben je der Name Jhesus zu sehen. Der Becher,
imten kugelförmig, geht in die Trichterform über. Die silbervergoldete Patene
zeigt ein eingraviertes Kreuz.
Das aus Fachwerk errichtete Amtshaus lässt unter der Tünche ver-
schiedene Schnitzarbeiten erkennen.
Breiingen.
Kirche.
Litteratur: Sudendorf; Janicke; Lüntzel, die ältere Diöcese Hildesheim ^ Wipper-
mann, Bukkigau; von Hodenberg, LUnebnrger Urkundenbnch XY; derselbe, Ltinebnrger
Lehnregister; derselbe, Pagus Flutwide, Lenthe^s Archiv VI; Maneeke II; von Bennigsen,
Beitrag zur Feststellung der Diöcesangrenzen, Zeitsehr. d. hist. Yer. f. Nieders. 1863;
Fiedeler, geschichtliche Notizen über Mandelslohs Vorzeit, ebendort 1857 ; Böttger, Diöcesan-
und Gau-Grenzen; Bertram, Geschichte des Bisthums Hildesheim; Holscher, Beschreibung
des Bisthums Minden; Kayser, Kirchenvisitationen 1897; Mithoff, Kunstdenkmale lY; der-
selbe, Kirchenbeschreibungen; FOrstemann, Ortsnamen; Grütter, der Loingau und Amts-
vogteien im Fttrstenthum Lüneburg, Hannov. Geschichtsbl., 3. Jahrg.
Quellen: Urkunde und Akte des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover; Yerzeichniss
der kirchlichen Kunstdenkmäler von 1896; Kirchenbuch zu Breiingen; dasselbe, mit
Zusätzen von Müller; beides in der Pfarrregistratur.
Geschichte.
Breiingen blickt auf ein hohes Alter zurück. Es ist nämlich nicht
unwahrscheinlich, dass es mit dem „Bredanlagu" in einem Schriftstück des
XI. Jahrhunderts identisch ist, welches die Grenzen zwischen Ostfalen und
Engem sowie die Grenzen zwischen den Bisthümem Hildesheim und Minden
angiebt, wie sie auf Geheiss König Ottos II. um 990 festgestellt wurden. Es gehörte
ehedem zum Mindener Archidiakonat Mandelsloh und war im Loingau belegen.
In weltlicher Beziehung war es der Amtsvogtei Bissendorf zugetheilt. Bei der
im Jahre 1360 vom Herzog Wilhelm vorgenommenen Neubelehnung eiiiielt
Johann von Reize „to Bredelege . I , kot".' In dem Verzeichniss der Geller Schloss-
einnahmen vom 12. November 1381 bis 31. Mai 1382 kommt der Ort als
-^ 17 H-
„Bredelge* vor. 1385 empfängt Gerhard von Bothmer vom Mindener Bischof
Otto »theyen Houe to Bredelaghe* zu Lehen mid 1391 „den Tegheden to
Bredeleghe vp dem wede*. 1385 bekommt femer »Dyderich Runteshorn den
thegheden to Bredeleghe*. 1407 war „Hinryk kercher to Bredelaghe*. Eine
Urkmide vom 9. September 1438, betreffend eine Memorienstiflmig des Dechanten
Heinrich Notberg zu Mandelsloh, bringt unseren Ort in kirchlicher Hinsicht zu
Mandelsloh in Beziehung. Der Genannte stiftet in seinem Testament eine ewige
Messe sowie drei Gedächtnisse und Memorien. Bezüglich derselben heisst es:
«De ersten schal me don in der kerken tho Mandeslo des achten dages Godes
lichammen, des avendes mit vigilie und des vrigdage morgens mit zelemissen.
Dartho scholen sin twe heren, de dar resideren, und der kerken Helstorpe,
Bredelinge und Buren kerkheren.* Auch sollten deren Küster zugegen sein.
In einer Celler Urkunde vom Jahre 1473 ist von dem Kirchspiel zu »Bredelage*
die Rede. 1479 war Johann Gharbordes »karckher to Bredelingh*, und noch
1487 befand er sich (»Johann Gherbordus*") zu »Bredelage'' als Kirchherr im
Amte. Nach einer Urkunde des Jahres 1482 sollte der Kirchherr zu »Bredelage*
den dritten Schlüssel zu der »olderkisten* bei sich haben, und keiner von den
Aelterleuten sie zuschliessen in dessen Abwesenheit, und so auch auf der
anderen Seite. 1483 besass die Kirche nocli keinen Chor. 1487 hören wir
von einem Briefe, welcher mit «der kerken Bredelage ingesegle*^ besiegelt war.
Johann van Teckelnborch, 1534 Pastor, 1580 gestorben, war der erste
lutherische Prediger im Orte. Zur Zeit des Pastors Hinrich Nieman (1649 — 1670)
ist die .schlechte'' Kanzel durch eine neue ersetzt worden und eine neue Uhr
sowie ein neuer silbervergoldeter Kelch, welcher über 40 rthlr. gekostet,
angeschafft worden. Während des Krieges hatte sich die Gemeinde mit einem
»schlechten* Kelch behelfen müssen, da ihr die beiden silbervergoldeten Kelche
1620 gestohlen waren. Zu des Nachfolgers Michael Müllers Zeiten, 1711 gestorben,
kam 1695 aus freiwilligen Beiträgen eine neue Orgel in die Kirche.
Da sich die alte Kirche als zu klein erwies, entschloss sich die Gemeinde
1847 zum Bau eines neuen Gotteshauses, welcher in den Jahren 1848/49 aus.
geführt wurde. Der 1827 erbaute Westthurm wurde beibehalten.
Die 1,03 m im Durchmesser grosse Glocke hat zwischen Ornament- Beschreibung,
streifen am Halse die zweizeilige Lapidarinschrift: Glocke.
Ich • ruffe • die • Läbendigen • zur • Busse :
Und • die • Todten • zur • Ruhe :
Am Glockenrande ist zwischen einem Omamentstreifen in Lapidaren
zu lesen:
Johann • Heinrich • Christoffer • Weidemann • goss • mich • Hannover •
Anno • 1772 •
Das bemerkenswerthe, aus Sandstein gearbeitete^ farbig behandelte, mit Grabmal,
figürlichem Beiwerk und Fruchtgehängen reich ausgestattete Grabmal des im
Jahre 1711 zu Breiingen verstorbenen Pastors Michael Müller ist innen in die
Westwand des Schiffes eingelassen. In der Bekrönung sieht man St. Georg
mit dem Drachen, darunter zwei Wappen, Zahnrad und ein von drei Messern
3
-^ 18 H-
Grabstein.
durchbohrtes Herz, im oberen Theile unter dem Gekreuzigten die Familie des
Verstorbenen. Der untere Theil enthält in einer von drei Engelsköpfen
begleiteten Umrahmung die Grabinschrift.
Auf dem alten Kirchhof steht ein einfacher Grabstein aus dem Anfang
des XIX. Jahrhunderts.
Geschichte.
Burgdorf.
Kirche. Amtshans. Armenhaus.
Litteratur: Origines Gnelficae; Leibniz, Scriptores rerum Brunsvicensinm
Merian^ Pfeffinger, Historie 11-, (Koch) Versuch einer pragmatischen Geschichte 1764
Bünting) Chronik 1584; Rehtmeier, Chronik; Grupen, Origines et Antiquitates Hanoverenses
Braunschweigische Anzeigen 1751; Hannoversches Magazin 1825; Regenten - Sahi 1698
Neues vateri. Archiv 1823; Vaterl. Archiv 1844; Lüntzel, die ältere Diöcese Hildesheim
derselbe, Geschichte der Diöcese und Stadt Hildesheim II; Sudendorf; Doebner I — ^VII
Meinardus, Urkundenbuch des Stiftes und der Stadt Hameln 1887 ; Urkundenbuch der Stadt
Hannover; von Hodenberg, Pagus Flutwide, Lenthe's Archiv VI; Bertram, Geschichte des
Bisthums Hildesheim; Manecke II; Havemann; Meyer, die Provinz Hannover 1888; Mithoff,
Kunstdenkmale IV; derselbe, Kirchenbeschreibungen; Kayser, Kirchenvisitationen 1897;
Meyer, Rede unter freiem Himmel zu Burgdorf nebst Beschreibung des Brandes 1809;
Böttger, Diöcesan- und Gau-Grenzen; Braunschweigisches Magazin 1900; Uhlhom, die Kirche
in Kirchhorst und ihre Kunstdenkmäler, Zeitschr. d. hist. Ver. f. Nieders. 1899; Fromme,
kleine Chronik der Primariatpfarre zu Sie vershausen ; Weber, die Freien bei Hannover 1898;
Schulz, Bissendorf, Hann. Geschichtsbl. 4. Jahrg.; Meyer, die Kirche zu Burgdorf und die
Gründung der Sekundariatpfarrc daselbst, ebendort; zwei Pläne des Ortes bewahrt die
Bibliothek des hist. Ver. f. Nieders. auf, siehe Katalog; eine Ansicht giebt Merlan.
Quellen: Urkunden und Akten des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover; GrUtterscher
Nachlass im Stadtarchiv ebendort
Die Kreisstadt Burgdorf an der Aue, welche die Alt- und Neustadt
sondert, blickt auf ein hohes Alter und eine wechselreiche Geschichte zurück,
hat aber theils durch Kriege, theils durch Brände derart zu leiden gehabt; dass
von den früheren Kunstschätzen und Denkmälern so gut wie nichts auf unsere
Zeit gekommen ist. Der Ort hat früher eine grosse Bedeutung gehabt; denn
nicht nur haben hier des öfteren die Geschlechts- oder Familientage des Gesammt-
hauses Braunschweig-Lüneburg stattgefunden, sondern es war auch ehedem eine
überaus grosse Anzahl von Dörfern dorthin eingepfarrt. Wie der Name besagt,
hat sich der Ort im Anschluss an eine Burg gebildet. Welches diese Bui^ war,
ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen, da drei Burgen in der Nähe gelegen haben
sollen, die eine an der Aue unweit der Depenauer Mühle, die andere beim Dorfe
Heessel und eine dritte an einer nicht näher anzugebenden Stelle des linken
Aueufers. Im Jahre 1226 waren die Brüder Lippold und Dietrich von Escherde
Vögte zu Elze imd Burgdorf und theilweise Besitzer des Schlosses Depenau.
Otto I., Bischof von Hildesheim, 1260—1279, kaufte von Lippold von Escherde
für 40 Pfund die Vogtei in Burgdorf „nach der Haide* (advocatiam in Borg-
dorpe versus Miricam, castrum Borchdorp). 1299 bekundet Konrad von Salder,
-*^ 19 8^
dass er vom Uildesheimer Bischof Siei^ried die Mühle zu Burgdorf (Molendinum
in Borchdorpe) gekauft und zu Lehen erhalten hat. 1341 in den Fasten kommt
ein Gogreve von »Borchtorp* (Borchtorpe) vor. Die Namensform lautet im
XIV. Jahrhundert im Allgemeinen »Borchtorpe*. 1403 scheint Burgdorf bereits eine
städtische oder stadtähnliche Verfassung besessen zu haben ; denn ein Schreiben der
Consules Hildensemenses von diesem Jahre ist «An den rad to Borchtorpe unde
dem meygere* gerichtet. 1412 waren die Hildesheimschen Bürgermeister Ludeke
Broyger und Ludeleff van Harlsem „mit unsem heren van Hildensem to daghe ....
to Borchtorpe*. 1414 finden wir Albert von Mollem und Ludelfif von Herlsem „to
Borchtorpe • • • mit unsem hern • • tighen de herteghen umme dat Humborgessche
land*. In der zwischen dem Herzog Bernhard und dem Bischof Johann von Hildes-
heim 1420 ausgebrochenen Fehde spielt der Ort eine grosse Rolle. Der Streit
wurde nach der 1421 erfolgten Einnahme der Veste Grohnde durch Vermittelung
des Erzbischofs Dietrich von Köln dahin beigelegt, dass die weifischen Fürsten das
während der Fehde gegen das Stift von ihnen erbaute Schloss Burgdorf nebst
dem Dorfe mit allen dazu gehörigen Gütern gegen eine Entschädigung behielten.
An dem Schloss wurde bereits 1421 gebaut; in der Hildesheimschen Stadt-
rechnung findet sich unter den Aufzeichnungen dieses Jahres die Notiz: „Cord
Gottingh unde de hovetman mit den deneren to Goslar vordan, do men Borgh-
awe (nach Doebner unser Ort) buwede, 80 p. 6^ s.* Ausserdem erfahren
wir aus derselben, dass Burgdorf in Brand gesteckt (do men Borchtorpe
ghebrant hadde) und geplündert wurde; denn es heisst: „Van der name, de
to Borchtorpe ghehalt wart. 37 p. 6^ s.* und „Erovert van der buete van
Borchtorpe 12^^ s." Wenn wir den Akten Glauben schenken dürfen, wurde
das Schloss an der Stelle, an welcher früher die Pfarre gestanden, erbaut. Herzog
Otto von der Heide erweiterte den Ort, besonders als sich die Einwohner der
im Kriege zerstörten benachbarten Dörfer Eseringen, Garvesen, Wellingsen,
Hetelingen und Oedingsen auf seine Veranlassung zum Theil daselbst nieder-
liessen. 1433 führte er das Schloss von Neuem auf und umgab es mit Wall
und Graben. Die Ausfahrt erfolgte über zwei Brücken, von welchen die eine
über den Arm der Aue, die andere über den Graben führte. Der Ort wurde
über die Hälfte vergrössert sowie mit Wall und Graben versehen. Er erhielt
drei Thore: das Celler, Hannoversche und Braunschweigsche. Auch bestimmte
Otto die Richtung der Strassen. 1423 hören wir von dem Vogt zu „Borchtorppe",
ebenso 1449; 1426 war es Hans Eock. 1425 verspricht der Hildesheimsche
Bischof Magnus, die Zerstörung des von den Herzögen von Braunschweig
und Lüneburg „in praeterita gwerra* errichteten, befestigten Ortes (for-
talicium) „Borchtorpe in merica* erstreben zu wollen. Das Gleiche stellt 1472
der Bischof Henning und 1562 der Bischof Burchard in Aussicht. 1427 ver-
pflichten sich die Herzöge Wilhelm und Heinrich von Braunschweig und Lüne-
burg, sich innerhalb der nächsten sechs Jahre mit dem Bischof Magnus und
dem Hildesheimschen Stift über »Borchtorpe uppe der Auwe" zu vergleichen,
anderenfalls aber demselben nach Ablauf derselben 2000 Gulden zu zahlen.
La der Hildesheimschen „Utghave" vom Jahre 1429 findet sich die Notiz: »Gegeven
unsem heren to hulpe darto, dat me dat slot to Borchtorpe bybrak, hundert g.
3*
-^ 20 8^
negen g. veyr s. gerekent vor 114^^ p. 3 s/ In diesem Jahre gestatten die
Herzöge Bernhard, Otto, Friedrich, Wilhehn und Heinrich den Städten Braun-
schweig, Lüneburg und Hannover, das Schloss «Borchow*" auf den Grund nieder-
zureissen, Thürme, Bollwerke, Planken, Zäune und Gräben wegzuräumen und
die Gräben zuwerfen zu lassen. Als im Jahre 1441 die Herzöge Otto und
Heinrich Land und Leute ihrem Vetter Heinrich für 200 Mark Silber verschreiben,
wird vBorchtorppe" mit aufgeführt. 1466 gelangten die von Marenholz auf dem
Wege der Pfandschaft in den Besitz des Schlosses. Die Namensform lautet im
XV. Jahrhundert meist »Borchtorpe".
In der Hildesheimschen Stiftsfehde wurde der Ort 1519 von den Herzögen
Erich dem Aelteren von Calenberg und Heinrich dem Jüngeren von Braun-
schwdg belagert, geplündert und sammt dem Schloss in Asche gelegt Die
Stadt erholte sich bald wieder. Jenseits der Aue entstand die Neustadt, und
diesseits wurde der Wächterstieg bebaut. 1547 musste die Stadt an Erich von
Galenberg 1000 Gulden Brandschatzung zahlen. 1553 zog der Markgraf Albrecht
von Brandenburg am Tage vor der Schlacht bei Sievershausen durch Burgdorf.
1591 hielt sich Dorothea, Elerzogin zu Braunschweig und Lüneburg, in Burgdorf
auf, woselbst sie von der Markgräfin von Brandenburg besucht wurde.
Besonders arg hatte die Stadt im XVII. Jahrhundert zu leiden. Zu
Anfang desselben wurde sie von einer verheerenden Pest heimgesucht. 1626 hatte
sie den ersten Sturm der Pappenheimschen Truppen auszuhalten. 1632 erschien
Pappenheim zum zweiten Mal. Obwohl sie eine Eriegskontribution von
12438 Thaler an denselben zahlte, wurde sie von der Brandfackel nicht
verschont. Der Lüneburgische Oberst von Wurmb wurde vor den Thoren
geschlagen und selbst gefangen. Das Schlossgebäude wurde eingeäschert, die
Stadt ausgeplündert. 1641 wurde Burgdorf während der Belagerung von Wolfen-
büttel vom kaiserlichen Oberst Heister eingenommen. 1642 liess der Herzog
Friedrich durch den Hauptmann von Wurmb statt des niedergebrannten
Schlosses ein neues Ablagergebäude aufführen und 1648 seinen Namen und
sein Wappen ^vom Hause" anbringen. 1650 liess der Herzog Christian Ludwig
an der Ostseite von Norden nach Süden ein Küchen- und Brauhaus als Flügel
daran setzen. Letzteres wurde in neuerer Zeit ausgebaut. 1658 wurden durch
eine Feuersbrunst gegen 140 Häuser in Asche gelegt. 1685 wurde das Amtshaus
neu gebaut und 1714 erweitert.
1710 befand sich das Schloss in keinem guten Zustande; die Brücke
vor demselben war «fast impassable' geworden, die Mauer unter der Brücke,
welche das Gewölbe zur Einfahrt des Schlosses mit unterstützte, eingestürzt
Die Fensterrahmen waren zum grössten Theil verfault und vom Winde heraus-
geworfen. Das Gebäude «überhalb Thors*, durch welches die Einfahrt zum
Amt stattfand, drohte Niedersturz. 1750 erfahren wir Näheres über die Ablager-
gebäude, welche dem Landdrosten als Wohnung dienen und auf Pfeilern im
Wasser stehen, über das Amtshaus, worin der Amtmann wohnt, und über die
zum Vorwerk gehörigen Gebäude. Sämmtliche Gebäude sind Fach werkbauten.
Was an Denkmälern etwa noch vorhanden war, fand seinen Untergang
in den Flammen des grossen Brandes vom 25. Juni 1809, welcher einen scharfen
-i^ 21 8^
Emschnitt in die Entwickelung des Ortes machte. Nur 82 Häuser blieben von
283 übrig. Das «einzige* Schlossgebäude blieb verschont, obwohl das Feuer
dasselbe viermal ergriffen hatte. Sämmtliche Nebengebäude des Amtes, das
erst vor Kurzem neugebaute Rathhaus, die Kirche, zum Theil der Kirchthurm,
die Superintendenten-, Organisten- und Küsterwohnung, die Schule imd des
zweiten Predigers Wohnung sanken in Trümmer. Und dabei hatte die Stadt
noch vor dem Brand sechs Jahre lang unter französischer Einquartierung zu
leiden gehabt, 1823 wurde abermals ein ansehnlicher Theil der eben ent-
standenen Stadt eingeäschert.
Als Pfandinhaber begegnen ausser den bereits genannten von Marenholz
von 1473 — 1536 die von Dagevörde, von denen als letzter Heinrich das Amt
inne hatte. Das Geschlecht ist vor 1616 im Mannesstamm erloschen. Von da
ab ist die Reihe der Pfandinhaber, welche zugleich als Hauptmänner bestellt
waren, bekannt. Der letzte war Friedrich Schenk von Winterstedt, 1659 gestorben.
Von dessen Wittwe Agnese von der Schulenburg löste 1666 der Herzog Georg
Wilhelm zu Celle das Amt um 16 000 rthb:. ein. 1667 wurde es Heinrich
Redecker, 1673 dem Amtmann Henning Kaufmann verpachtet.
Das Geschlecht derer von Burgdorf, von denen sich aus früher Zeit
Adelhardus de Burchtorpe 1154, Amoldus de Burchtorp 1187, Alardus de
Borchtorp 1218, Alardus de Borchtorpe 1292 urkundlich nachweisen lassen,
ist aller Wahrscheinlichkeit gemäss nach dem Burgdorf bei Schiaden benannt.
In Burgdorf, welches im Hildesheimschen Pagus Flutwide belegen war
und zum Archidiakonat Sievershausen gehörte, hat schon im XIII. Jahrhimdert
ein Gotteshaus bestanden. Am 8. Juli 1295 giebt der Officialis curiae Hilden-
semensis neben anderen auch dem Pfarrer zu .Borchdorpe'' den Befehl, die
geschärfte Exkommunikation des Hildesheimschen Rathes durch die ihm unter-
gebenen Pfarrer verkündigen zu lassen. Die Pfarre hatte ehedem eine überaus
grosse Ausdehnung; denn es waren früher 21, vielleicht sogar 26 Ortschaften dahin
eingepfarrt. Kein Wunder, wenn daher Lüntzel die Vermuthung nicht unbegründet
findet, dass ehemals ein Archidiakonat auf Burgdorf geruht und seine Umgebung
mit jenen 21 Dörfern ein Land gebildet hat. 1306 begegnet unter den Zeugen
einer Urkunde des Bartholomaeistiftes zu Hildesheim ein Johannes plebanus in
Burchtorpe neben einem Thidericus plebanus in Rethmere und einem Thidericus
plebanus in Stenwede. 1307 lösen sich Wetmar, Thönse imd Engensen,
1329 Kirchhorst, Stelle und Alten-Warmbüchen, 1355, vielleicht schon vor 1302,
Inunensen, Steinwedel und Aligse von der Burgdorfer Pfarre los. 1329 war
Henricus plebanus in Borchdorpe. 1330 verkaufen Hugo, Johann, Ludolf,
Dietrich und Rembert von Escherde der Kirche zu Burgdorf für neun Mark reinen
Silbers einen Meierhof zu Sorgensen. Die Kapelle der Maria Magdalena, von
denen von Escherde zu Depenau erbaut, war 1454 noch vorhanden. 1464 wird
Helmold Molen als Pfarrer genannt. 1465 war Helmold Kolshorn Kirchherr
zu Borchtorpe uppe der heyde. Aus Urkunden der Jahre 1488, 1499 und 1500
ersehen wir, dass die Parochialkirche den heiligen Pancratius zum Schutzpatron
hatte, und dass ein Altar in derselben dem Leichnam Christi geweiht war.
HH« 22 8-5-
1512 wurde neben der Pfarre eine Kaplanei begründet, deren Patronat
in den Händen der Bürger geblieben ist. Sie wurde 1538 neu begründet. Schon
1526 war ein evangelischer Prediger, Ludolf Müller mit Namen, in Burgdorf an-
gestellt. Er starb 1564. Das Visitationsprotokoll vom Jahre 1543 giebt genaue
Auskunft über die „vpkumpst des pastors tho Borchtorpp*", die »vpkumpst des
Capellans tho Borchtorpe " , die „vpkumpst des kosters tho Borchtorp'' und die
„vpkuropst der kercken tho Borchtorp'*. Damals waren folgende Kapellen im
Kirchspiel belegen »vnd an dat husz Borchtorp gelecht*: ,1 Capelle tho Otze.
1 Capelle tho Ramlingesze (Ramlingen). 1 Capelle tho Dachmisse, is afgebroken.
1 Capelle Marie Magdalene, ock afgebroken (schon 1534) vnd doch de guder
dusser Gapellen bi dat hus Borchtorp gelecht •*. Hier in Burgdorf verlebte die
Prinzessin Magdalene, eine Tochter Herzog Emst's des Bekenners, die letzten
Tage ihres Lebens. Sie kehrte nach dem vor dem 1. Oktober 1566 erfolgten
Tode ihres Gemahls, des Grafen Arnold IlL von Bentheim - Steinfurt, in die
Heimath zurück imd liess sich 1583 in Burgdorf nieder, woselbst sie am
3. Juni 1586 starb. Sie wurde vor dem Altar der Stadtkirche beigesetzt. Sie
liess auf dem neu angelegten Kirchhof vor dem Hannoverschen Thore eine
Kapelle bauen, welche den Namen Magdalenenkapelle erhielt und 1815 ab-
gebrochen wurde. Aus derselben stammt angeblich der obere Theil eines der
ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts angehörenden, mit meist alttestamentlichen
Darstellungen verzierten Taufsteins, welcher sich jetzt im Provinzialmuseum
befindet. Das ansehnliche Epitaph, welches ihr Neffe und ihr Bruder, die
Herzöge Ernst und Heinrich, ihr 1595 in der Kirche aufrichten Hessen (siehe
Braunschweigisches Magazin 1900), ist bei dem grossen Brande vom Jahre 1809
den Flammen zum Opfer gefallen. 1592 schliessen der Pfarrer Johann Möller
(Müller), der Kaplan Ludolf Bolte, der Amtmann Niclas Wenigel, sowie
Bürgermeister und Rath zu „Burgtorff* mit dem „kunstreichen* Meister Hans
Christ aus Braunschweig bezüglich des Wiederaufbaues des eingestürzten
Glockenthurmes einen Kontrakt ab. Darnach soll derselbe das Fundament auf
der Stelle des alten anlegen, aber dasselbe drei Fuss breiter machen. Ferner
soll er über der Thüre oben an das Wappen Herzog Wilhelms zu Braunschweig
und Lüneburg (unsers Gnädigen Fürsten undt Herrn), unten an eines ehrbaren
Raths Wappen und zwischen beiden die Jahreszahl, Tageszeit und Anfang des
Gebäudes setzen. 1601 war das Mauerwerk bis auf die Spitze fertig, und erhält
der « kunstreiche '^ Meister Claus Möller in Dorne den Auftrag, eine solche
100 Schuh hoch, inwendig mit einer Stube und Kammer, zu bauen. Die Kirche
zu Sievershausen gab nach der Ausgabe derselben 1597 „denen von Borch-
törpffe 20 fl. zubehueff ihres gebet erten Thurmbs*.
1612 wird eine vom Orgelbauer Hans Casten aus Braunschweig für
300 Thaler gebaute Orgel aufgestellt. Vom Pastor Gustav Molanus, 1686-1694,
heisst es, dass er nicht allein die Burgdorfer Kirche „Bey nahe gantzNeu gebauet,
und in einen so Lüstren Stand, als sie jetzo ist, gesetzet'', sondern dass er
auch viele Kirchen in der damals sehr ausgedehnten Inspektion ganz neu erbaut
habe. 1702 erhält der fürstlich Cellische Stückgiesser H. Kahlen den Auftrag,
aus der alten zerborstenen Uhrglocke eine neue zu giessen, was in demselben
-^ 23 8^
Jahre auch geschieht. 1735 wird dem Thomas Riedeweg zu Hamiover auf-
getragen, die alte zerborstene Glocke umzugiessen und kleiner zu machen, damit sie
der anderen gleich sei und mit ihr harmoniere. Sie solle ein Chronostichon, welches
die Jahreszahl 1735 in sich fasst, erhalten. 1747 wird eine neue Prieche «unter
der Orgel" angelegt, 1754 eine solche durch Ludolph Mohwinckel «südwärts
von Ost in West*. 1757 fertigt der Elempnermeister Franz Jürgen Thies zwei
messingene Kelche und zwei Oblatenteller für 4 Thaler 6 Mariengroschen.
1760 werden die den Einsturz drohenden Pilare und die Mauer an der grossen
Kirchthür repariert sowie ein neues «Angebäude so zur Befestigung und Ver-
Schliessung der Kirche von aussen gereichet, wo durch die Treppe zum Herr-
schaffllichen Kirchen Stuhl gehet", angelegt. 1775 liefert der Zinngiesser
J. Wübbers zu Hannover eine zinnerne Flasche zur Taufe. Das Inventar vom
Jahre 1791 nennt an silbernen Geräthen: einen grossen vergoldeten Kelch,
eine inwendig vergoldete Kanne, zwei Oblatenschachteln, zwei kleine Kelche,
eine Weinflasche, drei Teller; an messingenen: zwei grosse und zwei «mittel-
massige" Altarleuchter, einen Dreifuss mit zwei Leuchterarmen, «so auf der
Kanzel [in der Frühpredigt] gebraucht wird", ein Taufbecken, drei grosse Kron-
leuchter, einen alten Kelch mit Patene, letztere ausser Gebrauch. 1795 werden
die umgefallenen und beschädigten Engelsfiguren vor dem Chor wiederher-
gestellt. 1799 verfertigt der Uhrmacher C. H. Bussmann aus Wettmar eine
neue Thurmuhr.
Wie für den Ort, so sollte auch für die Kirche der Brand vom
Jahre 1809 verhängnissvoll werden. Sie brannte sammt dem «schönen" Thurm
nieder. Orgel, Thurmuhr sowie das aus zwei grossen und zwei kleinen Glocken
bestehende Geläute gingen mit zu Grunde. Die Kirche wurde zunächst ohne
Thurm aufgebaut und 1815 vollendet. Der Bau eines neuen Thurmes wurde
erst 1850 beschlossen. Das alte Mauerwerk vnirde, soweit es nicht der Brand
vernichtet hatte, benutzt. 1816 wurden, da die Kirche zu wenig Licht und
Luftzug hatte, sechs neue Dachfenster angelegt. Die Rechnung vom Jahre 1814
nennt ein Taufbecken von Blech sowie zwei grosse Altarleuchter von Zinn.
1815 wird ein neues Taufbecken für 9 rthlr. 22 Groschen 5 Pfennig aus
Braunscliweig gekauft, eine neue Orgel gebaut und vom Glockengiesser Damm
zu Hildesheim eine neue Glocke gegossen, 1816 eine neue Thurmuhr vom
Uhrmacher Bussmann zu Wettmar geliefert. 1810 wurde ein Kirchensiegel für
die Superintendentur, 1819 ein solches für den Diakonen angeschafft. Neuer-
dings ist die Kirche durch den Architekten Wiener auf der Ostseite mit einem
grossen Dacherker und mit je einem Treppenvorbau in der Mitte der Langseiten
versehen worden. Femer sind auf der Ostseite zwei rechteckige gekuppelte
Fenster angeordnet worden. Mithoff erwähnt noch eine Viertelstundenglocke
mit der Jahreszahl 1500.
Es erübrigt, noch einige Worte über die Prediger zu sagen. Der Nach-
folger des oben genannten Ludolf Müller war Johann Müller, 1564^1595.
Diesem war schon im Jahre 1565 Caspar Fricke als erster Prediger vorgesetzt,
welcher 1575 zum Superintendenten über alle Pfarren in den Aemtern Burgdorf,
Burgwedel, Uten und Meinersen erhoben wurde. Sein Grabmal war noch 1740
-^ 24 8^
Beschreibnng.
Kirche.
Schiff.
Thurin.
Orgel.
Grabsteine.
in der Kirche am Chor zu sehen. Als Johann C!hristoph Cläre 1724 Super-
intendent wurde, wurden zwölf Pfarren abgezweigt und die Inspektion Sievers-
hausen daraus gebildet. Die Reihenfolge der Prediger ist bekannt. Noch jetzt
besitzt die Burgdorfer Pfarre eine verhältnissmässig grosse Ausdehnung.
Die Kirche besteht aus Schiff und Westthunn.
Das als Saalkirche ausgebildete, rechteckige, massive, geputzte Schiff
zeigt einen schlichten Sandsteinsockel, Eckquadereinfassung sowie ein hölzernes
Hauptgesims und trägt ein im Osten abgewalmtes, auf den Langseiten mit je
drei im Flachbogen geschlossenen Dachgauben belebtes Dach. Die geputzte,
von den durchgehenden Emporenständem getragene Holzdecke ist über den
Seitenemporen flach gehalten, über dem Hauptraum aber im Korbbogen
geschlossen. Je sechs hohe, halbkreisförmig geschlossene Fenster mit Sand-
steingewänden befinden sich auf den Langseiten. Auf der Ostseite ist zu
beiden Seiten der im geschichtlichen Theil erwähnten neueren Fenster je ein
rundbogig geschlossenes Fenster mit darunter liegender rechteckiger Thür vor-
handen, lieber den Thüren befinden sich Inschriften, aus welchen das Jahr des
Brandes 1809 und des Baues 1813 hervorgehen. Emporen sind an der Nord-,
Süd- und Westseite zu sehen. Der östliche Theil des Schiffes ist um zwei
Stufen erhöht.
Der massive, geputzte, fast quadratische, nach oben zweimal abgesetzte
Thurm mit profiliertem Sandsteinquadersockel bewahrt die alten, zwischen
1592 und 1601 aufgeführten Umfassungsmauern und ist 1851 restauriert. Auf
der Westseite ist eine mit glatten Sandsteingewänden und geradem Sturz
versehene Thür vorhanden; auf allen Seiten sind schmale, halbkreisförmig
geschlossene, zum Theil gekuppelte Oefihungen zu sehen. Das Hauptgesims
wird von Konsolen getragen. Das beschieferte, geschweifte Dach trägt eine
achteckige offene Laterne mit schlanker beschieferter Spitze.
Die reich behandelte Orgel zeigt die Formen des Empirestiles.
Auf dem Kirchhofe sind acht bemerkenswerthe Grabsteine aufgerichtet.
Der Grabstein des 1618 geborenen und 1683 gestorbenen Hans Hinrich
zeigt in seinem oberen Theile unter einer Barockbekrönung mit einem Engels-
kopf Christus am Kreuz und darunter links den Gatten mit den drei Söhnen
und rechts die Gattin Anna Hilfers mit der Tochter.
Der Grabstein des 1656 geborenen und 1703 gestorbenen M. Hans
Hinrich Fasser, Bürgers und Töpfers zu Burgdorf, zeigt im oberen Theile
unter einer schlichten Spätbarockbekrönung mit Muschel und Engelskopf den
Gekreuzigten, darunter links den Gatten mit den beiden Söhnen und redits die
Gattin Ilse Haferkost mit zwei Töchtern; eine dritte liegt im Leichengewande
im Sarge.
Auf dem Grabstein des 1649 geborenen und 1713 gestorbenen Hans
Fricke aus Beinhom sind unter dem Gekreuzigten links der Gatte mit drei
Söhnen, rechts die beiden Frauen und drei Töchter zu sehen.
lieber der von gutem Rokokoomament umrahmten Inschrift auf dem
Grabstein des 1727 geborenen und 1752 gestorbenen Hans Colshom halten zwei
Engel ein Schild mit den Worten: »Die Grone der Ehren*.
HH« 25 8^
Gates Rokokoornament weist ebenfalls der mit einem Engelskopf in
der Bekrönmig versehene Grabstein des 1665 geborenen mid 1753 gestorbenen
Eirchenvorstehers Henning Kracken auf. Einfach behandelt ist der Grabstein
des 1785 gestorbenen Johann Friederich Krull und der dem XVIII. Jahrhundert
angehörende Grabstein der Familie Plass. Ein anderer Grabstein des XVIII. Jahr-
hunderts trägt jetzt eine neuere Inschrift.
Das Grabmal des 1751 geborenen und 1810 gestorbenen Johann Friedrich Grabmal,
von Ompteda, Drosten und Beamten zu Burgdorf, auf dem Kirchhof trägt auf
massivem Postament eine Vase.
Das aus dem XVII. Jahrhundert stammende Amtshaus, auch Schloss Amtshans.
genannt, trägt ein steiles Dach mit vielen Gauben. Es ist ein grosses, recht-
eckiges Gebäude aus Fachwerk mit einem Flügelanbau auf der Ostseite. Auf
dem massiven Untergeschoss erhebt sich mit vorragenden Balkenköpfen das
Erdgeschoss und über diesem ebenfalls mit vorragenden Balkenköpfen das
Obergeschoss. Der Schlossgraben ist noch zum Theil vorhanden.
Das im Jahre 1660 durch den Superintendenten Käseberg neu begründete, Annenhaiis.
vor dem Hannoverschen Thore aus Fachwerk errichtete, schlichte Armenhaus
enthält in dem oberen Eckgefach des Ostgiebels an der Strassenseite ein
farbig behandeltes Sandsteinrelief, welches die Geschichte vom reichen Mann
und armen Lazarus darstellt. Ersterer sitzt mit vier Freunden und einer
weiblichen Person, welche einer der Männer umfasst hält, an einer reich-
besetzten Tafel, der letztere dagegen, über und über mit Geschwüren bedeckt,
mit zum Gebet erhobenen Händen rechts seitwärts davon am Boden. Zwei
Hunde belecken seine Geschwüre. Rechts oben erscheinen Abraham und
Lazarus vom Strahlenglanze umgeben über den. Wolken, daneben in gleicher
Höhe In einem Flammenbündel der Reiche jammernd. Die dreizeilige, von
beschwingten Engelsköpfen gehaltene Unterschrift lautet:
Lazarus Werd ich genannt. Wie ich Muste hunger leiden Bey des
reichen mannes freuden. So leb hie mit leerer band Brich . du
Ghriste, mir dein brodt, Gott hilft wieder in der noth.
Auf der Setzschwelle des ersten Stockwerkes darüber steht zu lesen :
Wohl Dem, Der Barmherzig Ist, Erstreuet Aus ündt Gibt den
Armen, seine Gerechtigkeit bleibet Ewiglich, Sein Hörn Wird Erhöhet
Mit Ehren Psalm ....
Gross-BurgAvedel.
Kirche. Amtshans.
Litteratur: Sudendorf; Grnpen, Origines et Antiquitates Hanoverenses ; Lüntzel,
die ältere Diöcese Hildesheim; Urkundenbuch der Stadt Hannover; Manecke II; Regenten-
Sahl 1698; Doebner VI und VII; von Hodenberg, Pagus Flutwide, Lenthe's Archiv VI;
Havemann; Bertram, .Geschichte des Bisthums Hildesheim; Kayser, Kirchenvisitationen
1897; Holscher, Beschreibung des Bisthums Minden; Mithofif, Kunstdcnkmale IV; derselbe,
4
-^ 26 8^
Kirchenbeschreibungen ; Warnecke, Nachrichten zur Vorgeschichte des Kirchspiels Isem-
hagen 1890; Keimers, alte Wand- und Deckenmalereien in der Provinz Hannover, Denkmal-
pflege 1900 und Hannoversche Geschichtsbl., 3. Jahrg.; Uhlhom, die Kirche in Kirchhorst
und ihre Kunstdenkmäler, Zeitschr. d. bist. Ver. f. Nieders. 1899; Weber, die Freien bei
Hannover 1898.
Quellen: Urkunden und Akten des Staatsarchivs zu Hannover; Urkunde vom
Jahre 1489 und Grütterscher Nachlass im Stadtarchiv zu Hannover; Yerzeichniss der kirch-
lichen Kunstdenkmäler von 18%.
Geschichte. l^^r Name des in älterer Zeit als «Borchwede^ erscheinenden Ortes
deutet auf den Zusammenhang mit einer Burg hin. Nachrichten über dieselbe
liegen nicht vor. Nur berichtet Manecke: «Von einem festen Schlosse, das
hier gestanden haben soll, heisst es in den Jahrbüchern der Stadt Hannover
beim Jahr 1426, dass die Feste Burgwedel auf Befehl der Herzöge von Braun-
schweig-Lüneburg von den Bürgern zu Braunschweig, Lüneburg und Hannover
heruntergerissen sei^. Dagegen wird über den Ort Bestimmtes berichtet.
1324 bekundet Bodo von Homburg, Domscholaster zu Hildesheim^ dass dem
Herzoge Otto von Braunschweig und Lüneburg sowie dessen Söhnen der Wieder-
kauf des dem Bischöfe Otto und dem Stifte verkauften Dorfes «to groten
Borchwede" gestattet sei. In dem gleichen Jahre wird die «Grafschaft des
Moors von Gr. Borchwede* erwähnt. Von Klein-Burgwedel hören wir zwischen
1330 und 1352; darnach hatte «Her Dideric van Alten Lutteken-Borchwede ane
twene hove unde den tegeden darsulves* von den Herzögen Otto und Wilhelm
zu Lehen. 1353 erklärt Ritter Johann Pickard, dass nach seinem Tode der ihm
gehörige Zehnte zu «Borchwede" dem Herzog Wilhelm, dessen Erben oder Nach-
folgern anheimfallen solle. 1371 verpfändet der Herzog Magnus mehreren seiner
Räthe die Grafschaft zu «Borchwede*.
In der Klageschrift des Bischofs Johann von Hildesheim wider die
Herzöge Bernhard imd Heinrich vom 23. Juni 1406 ist von den herzoglichen
Vögten und Männern «vte der graueschop to Borchwedele^ die Rede. In den
Hildesheimschen Stadtrechnungen heisst es 1422: «Erovert van der Name to
Borchwedele 5 p. 8 s." und weiter: «De hovetman mit den deneren unde endeil
unser borghere vordan to Peyne, do men Borchwedele brande, 10^ p.* Aus
einer Hildesheimschen Stadturkunde vom Jahre 1460 erfahren wir, dass sich
die «undersaten in deme karspel to Borch wedelte*^ im Bann befinden. 1489 schlägt
der Herzog Heinrich der Mittlere als Patronatsherr dem Theoderich von Schulen-
burg, Archidiakon in der Hildesheimschen Kirche «banni Smedenstede eins in
hac parte officiali", für die Pfarrkirche des Ortes (ville) „Borchwede* nach dem
Tode des früheren Lehnsbesitzers Johannes Houemester den Gerhard von Zerssen,
Propst in Walsrode, als Lehnsträger vor.
1509 wird des Vogtes von «Borchwedell« gedacht und 1512 (Lüntzel 1572)
von den armen «Undersaten ute der Graveschaflfl Borchwedel* gesprochen.
In der Hildesheimschen Stiftsfehde wurde Burgwedel am Pfingsttage 1519 von
den Herzögen Heinrich dem Jüngeren von Braunschweig und Erich dem Aelteren
von Calenberg eingeäschert. Im Jahre 1543 gehörten zur »Vogedie Borchwedel* :
i
•-t-8 27 8^
Borchwedel [Burgwedel], Isemhagen, Wethmer [Weltmar], Bissendorpe [Bissen-
dorf], Mellingendorpe [Mellendorf], Breiinge [Breiingen], Thor hörst [Eirchhorst]
und Swarmstede [Schwarmstedt]. Ursprünglich umfasste dieselbe nur die
Kirchspiele Isemhagen, Burgwedel und Wettmar. Ein Schreiben vom Jahre 1568
redet von einem Gericht in der Vogtei »Burgwedell*. Im Frühling 1671 traf
Rudolph August auf Betrieb seines Bruders Anton Ulrich mit den Fürsten des
Gellischen Hauses in Bui^wedel zusammen, um die Mittel zur Unterwerfung
Braunschweigs zu berathen und mit den Vettern im Voraus die ihm verbleibende
Hoheit an der Stadt und die dagegen zu leistenden Entschädigungen zu verein-
baren. 1676 wird eine neue Kanzel angefertigt und 1733 das Dach des Eirch-
thurms einer grösseren Ausbesserung unterzogen.
Nach Grupen gehörte der Ort mit Klein-Burgwedel, Fuhrberg (nach
Holscher nebst der Mohrmühle), Neuenwarmbüchen (nach Holscher nebst der
Hesterholzmühle), Oldhorst sowie dem Landgute und Vorwerk Lohne zum
Bann Sievershausen im Pagus Flutwide, mithin zur Diöcese Hildesheim. Noch
jetzt sind diese dahin eingepfarrt. Auffallend aber ist es, dass es in der oben
angezogenen Urkunde vom Jahre 1489 zum Bann Schmedenstedt gezählt wird.
Ehedem befanden sich hier nach Manecke zwei «adelich freie*^ Höfef
Den einen besassen die Tietz, genannt Schlüter, aus der Grafschaft Nassau
gebürtig, der andere gehörte den Herren von Eltz im Hildesheimschen. 1718 wurde
letzterer nach Absterben des Obristlieutenants und Amtsvogts Ludolf Henning
von Eltz (siehe unten Grabmal) auf die von Reinbold vererbt, welche ihn bis
1807 besessen haben.
Die Kirche besteht aus dem Schiff mit zwei rechteckigen Anbauten am Beschreibung.
Mitteljoch, einer Sakristei auf der Südseite und einem Westthurme.
Das im Chor durch das halbe Achteck geschlossene, geputzte, massive Chor.
Schiff ist mit Ausnahme des westlichen Joches, dessen Wölbung fehlt, von 8chiff.
Kreuzgewölben mit Bimstabrippen überspannt. Der Triumphbogen zeigt auf
der Chorseite den doppelt zurückgesetzten spätgothischen Viertelstab, während
die andere Ecke scharfkantig ausgeführt ist. Die drei Joche werden durch
spitzbogige Gurtbögen von rechteckigem Querschnitte getrennt. Zwei rechteckige,
mit geputzten Decken versehene Anbauten liegen auf der Süd- und Nordseite.
Der Ausbau an der Nordseite hat eine spitzbogige Thür, über derselben die
Jahreszahl 1880, der an der Südseite eine halbkreisförmig geschlossene mit
Kämpfer, deren Sandsteingewände die Renaissanceprofile zeigen. Eine spitz-
bogige, gefaste Thür liegt auf der Nordseite des Schiffes. Mit Ausnahme des
mit Sandsteingewänden in Renaissanceformen eingefassten Sakristeifensters sind
die Fenster spitzbogig geschlossen; zwei Chorfenster lassen das alte Profil —
den doppelt zurückgesetzten Viertelstab — unter dem Putze noch erkennen.
Vier an den Chorecken und je zwei an den Langseiten angeordnete Strebe-
pfeiler sind theil weise nach oben abgesetzt und mit Pfannen gedeckt. Alle
Seiten sind durch Emporen verbaut. Auf dem Putze des Kreuzgewölbes im
Mitteljoch ist die Jahreszahl 1639 sichtbar.
Der viereckige, aus Eisensteinen und Findlingen erbaute Thurm hat Thuma.
dieselbe Breite wie das Schiff und ist mit einem sehr schlanken achteckigen,
4*
->^ 28 8^
Altar.
Gemälde.
Glocke.
Grabmal.
Grabsteine.
bescbieferten Helm bedeckt. Die Schallöfihungen sind mit geknickten Flach-
bögen überwölbt und mit Backsteinen eingefasst; sie haben aussen spät-
gothische Profile und innen den doppelt zurückgesetzten Viertelstab. Der Sockel
bildet eine einfache Schräge. Interessant sind die auf allen Seiten des Thurmes
in mehreren Geschossen unregelmässig übereinander angebrachten, zum Theil
In schräger Richtung angelegten, schmalen, rechteckigen, nach hinten erweiterten
Schartenöfihungen mit einem Querholz ungefähr in der Mauermitte. Eine flach-
bogige Eingangsthür, welche im Inneren die Oeffnungen zur Aufnahme des schweren
Balkenverschlusses zeigt, liegt auf der Südseite. Unten im Inneren lassen sich
die Widerlager zum Kreuzgewölbe noch erkennen. An der äusseren Westseite
des Thurmes ist unter einer Verdachung ein stark beschädigtes, aus dem XVI. Jahr-
hundert herrührendes Sandsteinrelief mit dem Gekreuzigten zwischen Maria und
Johannes zu sehen.
Die mit zwei glatten Säulen und verkröpftem Gebälk ausgestattete
Altarwand zeigt die Formen des späten Barock ; auf der Rückseite befindet sich
die Jahreszahl 1690.
In der Sakristei hängt das Oelbild eines Pfarrers; in der linken oberen
Ecke ist zu lesen:
Natus Aö 1634 d. 16 Januar.
Eine 1,25 m im Durchmesser grosse schöne Glocke, ohne Inschrift, hat
am Halse vier über Kreuz geknotete Schnüre. Auf dem Mantel sind der
Gekreuzigte mit hochgezogenen Beinen in der Form des XIV. Jahrhunderts,
Petrus, Paulus und ein Bischof erhaben dargestellt ; zwischen diesen Hochbildem
ist je ein Brakteat angebracht. Der Glockenstuhl trägt die Inschrift:
an • • dny • m ccccc l x i •
Im südlichen Anbau hängt ein hölzernes Grabmal mit dem Wappen
der Familie v. Eltz in den Formen des mit Regence gemischten späten Barock;
die Unterschrift lautet:
Herr Obrist Lieutenant und Amtsvoigt
zu . Burgwedel :
Ludolfh Henning von Eltz, auss altem Stam ensprossen Hat stets
mit Recht, den Ruhm des Redlichen, genossen Als Ghriste, Krieges-
mann, und Ambts- Voigt, bis ans Ende Die Erd bewahrt den Leib
Die Seele Gottes Hände.
„. ,, . r gebohren im Jahre, 1649 . den 15. Junii .
' gestorben im Jahre 1718, den . 10 Maii .
Ebendort ist ein sehr schön gearbeiteter, farbig behandelter Grabstein
(Fig. 5) aufgestellt; in einer halbkreisförmig überdeckten Nische steht der Ver-
storbene im Harnisch, umgeben von Helm, Handschuhen, Waffenstücken und
Siegeszeichen mannigfacher Art. Oben befinden sich zwei Wappen, bezeichnet:
»Lvdolf V. Eltz" und „Anna Zigemeier*. Auf einem Felde oberhalb der
Nische steht:
In dieser weldt ist nichts den Mvhe Angst vnd unruhe Aber ich
weis das mein Erlöser . Jesus Christus lebet und in ihme wirdt meine
Sehle Ruhe habenn.
i
Die unterste Zeile der Lapidarumschrift wird vom Fussboden verdeckt;
die freie Inschrift lautet:
Der emrester fThmetuuer vnd manhafter Lvdolf von Eltz Frrstl :
Bravnschw : LmebTTgischer bestalter Harptman vnd Ambtsvoig . .
ti^ zwischen 2. vnd 3. Vhren in Got sehlig
endschlaffen seines Alters 67. Jahr.
KIrebe In Grau-Bargvsdel ; OrabsUln.
Auf dem Kirchhofe stehen fOnf Grabsteine der Familie t. Alten aus
der Zeit um die Wende des XVIII. Jahrhunderts. la die äussere Ostwand der
Kirche ist der beschädigte Theil eines Grabsteins eingelassen, auf welchem der
Gekreuzigte und darunter eine knieende weibliche Figur zu sehen sind.
Eine silberrergoldete Eanne ist in den Formen der Mitte des XVm. Jahr- Kanne,
bonderts ausgeführt.
Ein silberrergoldeter Eelcb mit rundem Fusse und Patene hat auf dem Kelch.
Becher ein Wappen mit der Umschrift: .Heinrich von Dassell Ritmeister . 1722".
Sonnenuhr.
Taufbecken.
->^ 30 8^
Unter dem Fusse sind zwei Zeichen^ das springende Pferd und die Buchstaben
JPM, angebracht.
Eine Sonnenuhr auf einer Sandsteinplatte ist auf der Südseite des
Schiffes angebracht.
Das einfache, silberne Taufbecken trägt unter dem Boden als Zeichen
das springende Pferd und ein Zeichen, m welchem die Buchstaben S E L
erkennbar sind, sowie die Inschrift:
H . K . C . A . 1734 .
Triumphkreuz. Im südlichen Anbau ist jetzt das farbig behandelte, aus Holz geschnitzte
Renaissance-Triumphkreuz, noch auf dem alten Balken stehend, untergebracht.
Der 1,25 m hohe Gekreuzigte ist von Maria und Johannes umgeben.
Wand- Von den alten Malereien auf dem Chorgewölbe sind augenblicklich
maiereien, einzelne Theile freigelegt (Krönung der Maria, Paulus und Ornamente), welche,
soweit sich erkennen lässt, den Malereien in Kirchhorst ähnlich sind und dem
XV. Jahrhundert angehören.
Das Amtshaus ist ein einfaches, zweigeschossiges Fachwerkgebäude
ohne Inschriften auf massivem Sockel mit einem an den Schmalseiten
abgewalmten Dach.
Amtshaus.
D o 1 g e n.
Kapelle.
Litteratur: Origines Guelficae; Sudendorf; Volger, Urkunden der Bischöfe von
Hildesheim ; Lüntzel, die ältere Diöcese Hildesheim; Doebner II, IV und VII; von Hodenberg,
Marienroder Urkundenbuch; Urkundenbuch der Stadt Braunschweig; Hassel und Bege,
Beschreibung der FürstenthUmer WolfenbUttel und Blankenburg II; Kayser, Kirchen-
visitationen 1897 ; Maneckell; Mithoff, Kunstdenkmale IV; Weber, die Freien bei Hannover
1898; Heise, die Freien; Kniep, die Freien vor dem Walde, Hann. Geschichtsbl., 3. Jahrg.
Quellen: Kirchenbuch zu Haimar; Designatio corporis bonorum von der Kirche
zu Haimar und denen dazu gehörigen beyden Capellen Dollgen und Evem, 17S4 aufgesetzt
Geschichte.
Das zum grossen Freien gehörige und nach Haimar eingepfarrte Dorf
lässt sich mit Sicherheit erst für das Jahr 1400 nachweisen. Zwar kommt ein
Ort von gleicher Namensform bereits früher urkundlich vor. Doch ist dies
nicht der unsrige. Aus einem Schreiben des Hildesheimschen Raths vom
Jahre 1400 an die Herzöge Bernhard und Heinrich erfahren wir, dass deren
Vögte und Diener Burchard van Gramme und Ringelwole mit ihren Helfern
mehreren seiner Mitbürger »toDolghen, toEveren unde to Retmer* Vieh geraubt
haben. Später wechselt die Namensform. 1430 finden wir die Hildesheimschen
-^ 31 8^
Bürger Heinrich und Hans Galle mit 14^ Hufen Landes und | des Zehnten zu
^Dollingen" von Äschwin von Salder^ weiland Burchards Sohn, belehnt.
1441 kommt die Namensform «Doligen'^ und um 1460 «Dalgen' vor. 1534 wird
als j,verus Pastor von Heymer* angegeben »Hinricus Eynem, itzunth prawsth tho
Demeborch, als Caplan her Johan Kün alleyne*^, der auch die .Capelle tho
Doluen" versah. 1543 begegnet der Ort als »Dollinge*. 1578 beschweren sich
die Dörfer Lehrte, Sehnde, Dolgen, Haimar und Gretenberg gegen Uebergriffe des
Bodo und Hans von Rutenberg. Das Gericht zu Dolgen war zwischen den Lüne-
burgischen Fürsten und den Herren von Rutenberg getheilt, wie ein Gerichts-
protokoll vom 14. Oktober 1631 beweist. Später wurde der Antheil derer von
Rutenberg an den Geheimen Eammerrath von Bülow in Hannover verliehen,
welcher denselben 1650 für ein Fuder Korn an Celle wieder abtrat. Konrad
Steuerwald, 1630 — 1679 Pastor zu Haimar, schreibt in der Pfarrchronik: »Die
Gapelle zu Dolgen hat eine feine hellklingende glocken, vnd einen seiger, • • • •
item einen Altar aber ohne zierath*. Femer sagt er, sie sei alt, habe aber
Besserung nöthig und sei «sub Papatu dedicirt in memorlam sanctae Margarethae*.
Aus des Pfarrers Nebershausen's Notizen ist ersichtlich, dass die Kapellen zu
Dolgen und Evern bis 1699 weder Stühle noch Beichtstuhl hatten. Er führte
darin die Quartalsgottesdienste ein. Am 10. Juli 1696 hielt er die erste Kapellen-
predigt zu Dolgen. Die Designatio corporis bonorum vom Jahre 1734 sagt über
die Kapelle folgendes: .Das Gebäude der Capelle ist lang im lichten 38 Fuss,
breit im lichten 19 Fuss, es ist aber sehr baufällig, und hat eine starke reparation
nöthig. Die Capelle hat eine Kleine Haube, in welcher die Glocke hänget.
Es findet sich auch eine Schlag-ühr in selbiger*. Sie wurde 1884 mit Gement
verputzt und inwendig ausgebessert.
Der einfache, aussen und innen verputzte, im Grundriss rechteckige Beschreibung.
Fachwerkbau von 11,5 m äusserer Länge und 6,4 m Breite ist mit einer
muldenförmig gewölbten, geputzten Bretterdecke überspannt und enthält eine
rechteckige Thür mit Holzgewänden und einfache rechteckige Fenster. Das
flachbogige Fenster der massiven Westseite stammt sammt dieser aus dem
Jahre 1899. Die das Dach tragenden Balken stehen an den Langseiten über.
Das mit Pfannen behängte, an der Ostscite mit Mönchen und Nonnen eingedeckte
Walmdach trägt auf der westlichen Hälfte einen quadratischen, mit kleinen
Schallöffnungen versehenen Dachreiter. Im Glockenbalken ist die Jahreszahl
1660, in der Wetterfahne die Jahreszahl 1792, an der Südseite in einer Gaube
die Uhr angebracht.
Die 58 cm im Durchmesser grosse Glocke war der Lischrift gemäss der Glocke.
Ursula geweiht und 1534 gefertigt.
-^ 32 8^
Geschichte.
Beschreibung.
Dollbepgen.
Kapelle.
Litteratur: Sndendorf; von Hodenberg, Calenberger Urkundenbuch V ; derselbe,
Ltinebnrger Urkundenbuch XV; derselbe, Lüneburger Lebnregister; derselbe, Pagus
Flutwide, Lenthe^s Archiv VI; Regenten -Sahl 1698; Doebner I; Janicke; Lttntzel, die
ältere Diöcese Hildesheim; Manecke II; Kayser, Kirchenvisitationen 1897; Mithoff, Kunst-
denkmale IV; derselbe, Kirchenbeschreibungen; Fromme, kleine Chronik der Primariat-
pfarre zu Sievershausen 1889.
Quellen: Urkunde des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover.
lieber das nach Sievershausen eingepfarrte Dorf liegen nur spärliche
Nachrichten vor. Ob das Geschlecht derer von Dolberge (Dolberke, Dolbere)
mit unserem Orte im Zusammenhang steht, lässt sich nicht mit Bestimmtheit
sagen. In dem älteren Zehnt-, Geld- und Fruchtregister des Klosters Wienhausen
aus dem Ende des XIII. Jahrhunderts wird unser Ort als ^Dolberghe' auf-
geführt und vom Glossist des XIV. Jahrhunderts zu »Mey* gerechnet. 1360 erhielt
Johann von Garsenbüttel bei der vom Herzog Wilhelm vorgenommenen Neu-
belehnung das Burglehen zu Meinersen mit neun Hufen und drei Hütten zu
vDolberge'' zu Lehen. In einer Urkunde des Stiftes Wienhausen vom Jahre 1505
ist von einer Wiese, ,vffe dem Schermbeke twischen Olerse vnnd Dolberge"
gelegen, die Rede. 1632 musste der Unsicherheit wegen der Gottesdienst statt
in Sievershausen in Dollbergen abgehalten werden. 1746 am 4. August wurden
bei einem plötzlich sich entladenden Gewitter in der Kapelle filnf Menschen
vom Blitz erschlagen.
Die schlichte, mit dreiseitigem Chorschluss im Osten versehene und
durch eine muldenförmige Decke im Iimeren abgeschlossene Fachwerkkapelle
von 14,1 m äusserer Länge und 8,2 m Breite hat rechteckige Fenster. Die
Thüren an der West- und an der Südseite haben flachbogig ausgeschnittenen
Sturz. Der viereckige Dachreiter hat ein Satteldach und die Wetterfahne die
Jahreszahl 1783.
Elze.
Kapelle.
Litteratur: Sndendorf; Lttntzel, die ältere DiOcese Hildesheim; Manecke II;
Kayser, Kirchenvisitationen 1897; Holscher, Beschreibung des Bisthums Minden; Zeitschr.
d. hist Ver. f Nieders. 1864 und 1867; Mithoff, Kunstdenkmale IV; derselbe, Kirchen-
beschreibungen; von Hodenberg, LUneburger Lehnregister; GrUtter, Loingau, Hannov.
Geschichtsbl., 2. Jahrgang.
Das nach Breiingen eingepfarrte Dorf gehörte ehedem mit diesen^,
zur Diöcese Minden und zum Loingau. £s war der Amtsvogtei Bissendorf zu-
geordnet. Zwischen 1330 und 1352 bekam Gerbert van Elsensenne von den
Herzögen Otto und Wilhelm einen Hof »to Elsensen*" zu Lehen. 1360 erhielten
-^ 33 8^
Kurt von Mandelsloh eine Hufe ^to Elsensen'', Johann von Mandelsloh «to Elzensen
enen hof, nach Manecke « Moorhof * genannt, Johann von Reize einen Hof und
zwei Kothen und Gebhard von Bothmer einen halben Hof daselbst. 1385 erhält
Gerhard von Bothmer vom Mindener Bischof Otto einen Hof «to Elsenhtisen'^
zu Lehen.
Da die Kapelle, wie auch die Brelinger Kirche, im Mindener Archi-
diakonats- und Pfarrregister nicht genannt wird, so wird zu Elze vor dem
späten Mittelalter kein Gotteshaus bestanden haben. Jedenfalls war zu Anfang
des XVIL Jahrhunderts daselbst eine Kapelle vorhanden, deren viereckiger,
hölzerner Glockenthurm, von einem Zeltdach bedeckt, noch heute steht. 1849 wurde
ein neues Schiff in Fachwerk angebaut.
Den dortigen adelig freien, landtagsfähigen Hof erhielten nach denen
von Bünau die Gapellini, genannt von Stechinelli, 1705 zu Reichsfreiherren
von Wickenburg, 1790 zu Reichsgrafen erhoben, zu Besitz.
Engensen.
Kapelle.
Litteratur: Janicke; Lüntzel, die ältere Diöcese Hildesheim; Sndendorf;
Gmpen, Origines et Antiqnitates Hanoverenses; Regenten-Sahl 1698; Manecke II; von
Hodenberg, Pagos Flutwide, Lenthe's Archiv VI; Böttger, Diöcesan- und Gau-Grenzen;
Kayser, Kirchenvisitationen 1897; Holscher, Beschreibung des Bisthums Minden; Mithoff,
Kunstdenkmale IV; derselbe, Kirchenbeschreibungen; Neues Vaterl. Archiv 1823.
Quellen: Urkunden des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover.
Ob das heute nach Wettmar eingepfarrte Dorf mit dem «Eddinkhusen*' Geschichte.
in der Bestfttigungsurkunde des St. Michaelisklosters vom Jahre 1022 identisch ist,
darüber gehen die Ansichten auseinander. Es heisst in der betreffenden Urkunde:
9 in pago Fiutwidde in prefectura Thammonis : Alenhusen, Eddinkhusen, Scel-
hiisen, Wendelingeroth, Hardeshem, Utisson, Siradisson, Scheplice, Waditlagun*".
Der Umstand, dass es als im Gau Flutwide belegen aufgeführt wird, spricht für
unseren Ort. Im Jahre 1278 überträgt der Bischof Otto von Hildesheim dem
Kloster Wienhausen den Zehnten in «Engese', welchen dieses von Johann von
Qffenhusen und Walther von Osbemshusen gekauft hatte. Der Ort gehörte mit
Wettmar und Thönse zum Bann Sievershausen. Sie waren anfangs nach Burgdorf
eingepfarrt, kauften sich aber von dort 1307 um 50 Pfund Hildesheimscher
Münze los und bauten eine dem heiligen Magnus geweihte Kirche zu Wettmar.
1361 lautet die Namensförm „Enghese", 1382 .Enghese* und „Enghesen''.
Izn Landsteuerverzeichniss wird 1534 als Pastor zu Wettmar Gert Polde genannt,
welcher ausser der Pfarrkirche die Kapellen zu »Furberge* (Fuhrberg) und
5
Beschreibung.
HHg 34 8^
Engensen zu bedienen hatte. Der Freihof daselbst gehörte ehedem denen von
Dankwerth, später den Hetzer.
In der aus Ortsteinen und Findlingen erbauten Kapelle von 9,5 m
äusserer Länge und 6,5 m Breite befindet sich jetzt die Schule. Das Bauweit
wird auf der Ostseite durch drei Seiten des Achtecks geschlossen und enthält
hier einen viereckigen Dachreiter mit beschiefertem Helm. Die auf der Südseite
liegende spitzbogige Eingangsthür zeigt den neunmal zurückgesetzten Viertelstab
aus Backsteinen; je ein halber Stein ist dreimal gegliedert. Sämmtliche Fenster
sind spitzbogig und mit Backsteinen eingefasst. An den Ghorfenstem ist ein
dreimal zurückgesetzter Viertelstab erhalten.
Geschichte.
Evern.
KapeUe.
Litteratur: Doebner I, II und V; Janicke; Sudendorf; LUntzel, die ältere
Diöcese Hildesheim; derselbe, Geschichte der Diöcese und Stadt Hildesheim I; Urkunden-
bnch der Stadt Lüneburg I; Lauenstein, diplomatische Historie des Bisthnms Hildesheim 1740;
Manecke II; Kayser, Kirchenvisitationen 1897; Mithoff, Kunstdenkmale IV; Weber, die
Freien bei Hannover 1898; Feise, Capellen -Weihe au Evem 1852; Bertram, Geschichte
des Bisthnms Hildesheim I; Heise, die Freien; Kniep, die Freien vor dem Walde, Hann.
Geschichtsbl., 3. Jahrg.
Quellen: Urkunden und Akte des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover; Kirchenbuch
im Pfarrarchiv zu Haimar; Register von 1652—1730, ebendort; Designatio corporis
Bonorum von der Kirche zu Haimar und denen dazu gehörigen beiden Kapellen Dolgen
und Evem, 1734 aufgesetzt, ebendort; Kapellenrechnungen in Evem.
Das nach Haimar eingepfarrte und zum grossen Freien gehörige Dorf,
welches ehedem dem Bann J^ühnde im Pagus Hastfala zugezahlt war, nimmt
durch seine Geschichte eine bemerkenswerthe Stellung ein. Schon im Jahre 1117
hat daselbst eine Kirche bestanden. Am 11. Mai dieses Jahres giebt der Graf
Adalbert zu Haimar mit Zustimmung seines Sohnes Bertold dem Pfarrer
Adalbert in Lühnde 24 Morgen mit einer Hausstelle in „Schutellobeke* (wüst
bei Gross- und Elein-Lopke), wozu er ausserdem „in usum sacerdotis predicti
Adelberti* eine Mark Silber fügt, dazu, dass ein Dörfchen, ^Eberen* mit
Namen, von der Mutterkirche in Lühnde abgetrennt werde und dieser nur
noch das Synodalrecht zustehe, während es sich aber nicht weigern dürfe, so
oft die Nothwendigkeit es erheische, der Mutterkirche zur Herstellung der
Gebäude und zur Anschaffung des Kirchenschmuckes sowie anderen nothwendigen
Ausgaben eine Beihülfe zu geben. Die Kirche zu Evern (redemptam ecclesiam)
verwaltete der Priester Eberhard. Dieses Gotteshaus zu Evem war ursprünglich
die Parochialkirche des Kirchspiels Haimar, welches ausser Haimar und Evern
noch Dolgen und das wüste Gilgen umfasste. Doch muss die Verlegung der
Parochialkirche nach Haimar sehr früh erfolgt sein, da fortan nur noch Geist-
liche von Haimar genannt werden. Zwischen 1220 und 1240 begegnet der
Ort als jiEuerringe'^. Das Dorf bildete ursprünglich einen Theil des grossen
Allodialbesitzes der Grafen von Wernigerode in und um Haimar. Diese hatten
es denen von Salder zu Lehen gegeben.
Am 20. Juni 1386 wird bekundet, dass der Ritter Gebhard von Salder
die Erklärung abgegeben habe, er habe das Dorf ^to Eueren'^ und den Zehnten
daselbst mit allem Zubehör und der Gerichtsbarkeit an den Dompropst und
das Domkapitel zu Hildesheim verkauft. Die Einwilligung der Oberlehnsherren,
der Grafen von Wernigerode, erfolgte im gleichen Jahre. Von nun an waren
die Dompröpste wie die Landesherren in Evem. Sie besassen dort selbst einen
freien Hof, auf welchen sie als Golonus ihren Vogt setzten.
Streitigkeiten zwischen dem Dompropst und dem eigentlichen Landes-
herm wurden durch den Vergleich vom 16. Dezember 1621 beigelegt. Dem-
zufolge sollte der Herzog die landesfdürstliche Obrigkeit über das Dorf behalten,
dagegen der Dompropst auch in Zukunft als «unmittelbarer Gerichtsherr und
Obrigkeit '^ anerkannt werden.
1664 wird berichtet, dass vor der Kapelle zu Evem das Wappen des
Landesherm angebracht sei. Pastor Steuerwald in Haimar (1630—1679) schreibt:
«Die Capelle zu Evem hat nunmehr auch eine bessere Glocken, vnd einen seiger
gezeuget, • • • auch einen Altar aber ohne zierath*. Sie sei alt, habe aber
Besserung nöthig und sei «sub Papatu dedicirt in memoriam Sancti Georgü'^.
Aus den Notizen des Pastors Nebershausen ersehen wir, dass die Kapellen zu
Dolgen imd Evem bis 1699 weder Stühle noch Beichtstuhl hatten. Er führte
die Quartalsgottesdienste darin ein. Am 19. Juni 1696 hat er die erste Kapellen-
predigt zu Evem gehalten. 1715 hatte die Kapelle unter einem heftigen Sturm
zu leiden. 1717 schenkte Philipp Adam zu Eltz einen Taufstein, welcher
vormals in der Kirche zu Rethmar gestanden, in die Kapelle zu Evem.
1723 wurde sie neu gebaut. Die Designatio corporis Bonomm vom Jahre 1734
besagt: .Das Gebäude der Capelle ist lang im lichten 38 Fuss, breit im lichten
20 Fuss, es ist gegenwärtig in einem recht guten Stande, denn es ISö : 1723
von Grund auf erst neu gebauet. • • • • Auf der Capelle befindet sich eine Kleine
Spitze, in welcher die Glocke hänget, eine Schlag-Uhr ist auch vorhanden'^.
Femer besitze sie zwei zinneme Leuchter. 1825 wurde das Dorf von einem
schweren Brande heimgesucht. 42 Wohnhäuser und 40 Nebengebäude sanken
in Trümmer; die Schule und auch die Kapelle wurden ein Raub der Flammen,
nur die äusseren Mauem blieben von letzterer stehen. Die neue Kapelle wurde
am 21. September 1852 geweiht.
In welcher Beziehung das Geschlecht derer von Evem zu unserem Orte
steht, lässt sich nicht mit Bestimmtheit entscheiden.
Von der einfachen, aus Bmchsteinen erbauten Kapelle sind nur die Beschreibung.
Umfassungsmauem älteren Urspmngs. Im Jahre 1851 erhielt das Bauwerk ein
im Osten abgewalmtes und mit Pfannen gedecktes Satteldach sowie einen
beschieferten viereckigen Dachreiter im Westen. Die Kapelle bildet im Grundriss
ein Rechteck von 12,4 m Länge und 7,7 m Breite. In der Süd- und
5*
Nordwand sind je zwei mit glatten Sandsteingewänden und geradem Sturz
eingefasste Fenster angeordnet. Eine mit dem Eorbbogen geschlossene Eingangs-
thür im Westgiebel hat Sandsteineinfassung sowie vortretenden Kämpfer und
Schlussstein; die Inschrift auf dem letzteren lautet:
Reno
vatvm
Anno
1723
Sämmtliche Ecken sind in Quadermauerwerk aufgeführt.
Fuhrberg.
KapeUe.
Litteratur: Sudendorf; von Hodenberg, Lünebnrger Urkundenbnch XV; derselbe,
Pagas Flutwide, Lenthe^s Archiv VI; Lüntzel, die ältere Diöcese Hildesheim; Mithoff,
Kunstdenkmale IV; derselbe, Kirchenbeschreibungen; Manecke II-; Kayser, Kirchen-
visitationen 1897; Holscher, Beschreibung des Bisthums Minden; Regenten-Sahl 1698; von
Bennigsen, Beitrag zur Feststellung der Diöcesangrenzen, Zeitschr. d. bist. Ver. f. Nieders. 1863 ;
Böttger, Diöcesan- und Gau-Grenzen; Grütter, Loingau, Hannov. Geschichtsbl., 3. Jahrg.
Quellen: Akte des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover; Verzeichniss der kirchlichen
Kunstdenkmäler von 1896.
Geschichte. Das zum Kirchspiel Gross-Burgwedel gehörige Dorf war ehedem einer
der Grenzorte des Hildesheimschen Pagus Flutwide gegen den Mindenschen
Loingau. Im Jahre 1323 verkaufen Hugo und Johannes von Escherde mit
Einwilligung ihrer Erben dem Walsroder Propst Heinrich für 20 Mark Bremischen
Silbers und Gewichtes ihr Landgut (villa) in „Wurberghen* (Wrberghen), „que
et duuelshus dicitur*'. Zwei 1377 aufgestellte Verzeichnisse über den Schaden,
welchen der Herzog Otto von Braunschweig und dessen Leute dem Herzog
Albrecht von Sachsen und Lüneburg sowie dessen Unterthanen während der
Sühne und des Friedens zugefügt, berichten auch von Räubereien .Tho deme
Vurberge" (Vurberge). Im Landsteuerverzeichniss von 1534 wird Gert Polde,
Pastor zu Wettmar, genannt, welcher ausser der Pfarrkirche die Kapellen zu
^Furberge^ und Engensen zu bedienen hatte. Am 7. Februar 1768 beschloss die
Gemeinde «bevorstehenden Sommer vor die hiesige alte, Baufällige Cappelle eine
neue zu bauen". Die alte Kapelle stand an der Seite des Dorfes nahe an des
Einwohners Brehling Hofe, von einem kleinen Kirchhof umgeben. 1769 am
1. Adventssonntag wurde zum ersten Mal in der neuen, mitten im Dorfe
errichteten Kapelle Gottesdienst gehalten.
HHg 37 8^
Die einfache, mit Backsteinen ausgemauerte Fachwerkkapelle hat ein Beschreibung.
Satteldach mit halben Walmen und einen viereckigen Dachreiter in der Mitte.
Eine geputzte, bogenförmig gekrümmte Holzdecke schliesst den Innenraum ab.
Die Fenster sind rechteckig.
Der mit einer Sandsteinplatte abgedeckte, gemauerte Altar hat eine -A.ltar.
hölzerne Altarwand mit gewundenen Säulen. Zwei übereinander befindliche,
auf Holz gemalte Bilder stellen das Abendmahl und die Kreuzigung dar. Auf
der Wand steht die Inschrift:
Otto Johann Frese F • B • L • Wolbestalter Oberförster zvm Fvhrberge
dieses Altahr verehret
und seitlich davon: „Anno • 1687 '^.
Die 61 cm im Durchmesser grosse Glocke ist von M. Johann Georg Ziegner Glocke,
im Jahre 1761 in Hannover gegossen.
Hänigsen.
Kirche.
Litteratnr: Sudendorf; Mithoff, Kunstdenkmale IV; derselbe, Kirchen-
beschreibungen; Manecke II; von Hodenberg, Pagus Flutwide, Lenthe's Archiv VI;
derselbe, Lüneburger Lehnregister; Regenten-Sahl 1698; Kayser, Kirchenvisitationen 1897;
Weber, die Freien bei Hannover 1898; Meyer, die älteste Kirchenrechnung von Hänigsen,
Hann. Geschicbtsbl., 3. Jahrg., 209 ff.
Quellen: Urkunden und Akten des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover; Verzeichniss
der kirchlichen Kunstdenkmäler von 1896.
Das ehedem zum Amt Meinersen und zur Vogtei Uetze gehörige Dorf Geschichte.
begegnet bereits in der ersten Hälfte des Xill. Jahrhunderts. Nach dem zwischen
1220 und 1240 niedergeschriebenen Theil des Lehnsregisters des edelen Herrn
Luthard von Meinersen trugen Lippold von Escherde und sein Bruder 20 Hufen
und zwei Mühlen in »Henighusen*. zu Lehen. Auch von der Kirche ist früh die
Rede. Nach dem ums Jahr 1274 aufgestellten Lehnsregister der edelen Herren
Luthard und Burchard von Meinersen hatte »Dominus . Jo . de Escerte .
ecclesiam. Heninghusen et . IUI . curias ibidem . et duas dimidias decimas"
zu Lehen. In dem älteren Zehnt-, Geld- und Fruchtregister des Klosters Wien-
hausen aus dem Ende des XIII. Jahrhunderts wird der Ort als »Henigghesen*
aufgeführt und vom Glossist des XIV. Jahrhunderts zu ,Mey* gerechnet.
1453 war Heinrich Heymberch Kirchherr zu »Hennigessen*. 1555 erhält die
Kirche einen Predigtstuhl. Nach der »ütgaue** der Sievershäuser Kirche
vom Jahre 1561 bekommt ein Hans von Henningensen 10 Gulden 3 Groschen
dafür, dass er das Gestühl daselbst gefertigt. 1564 wird dem Pastor ein
Gulden ,vor den seiger tho stellende" gegeben und 1565 dem Pastor „vp
-<^ 38 H-
Beschreibung.
Altar.
Altarleuchter.
Glocken.
Grabstein.
Kanne.
dem Obergeshagenn'^ ein Thaler «vor sine wege ynd arbeyth dat he tho
vns kam do wy nenen pastor haddenn'^. 1578 wird eine dicke Mauer aus der
Kirche .wechgehowen'^ ; es werden neue Stühle gemacht und zwei neue
Priechen angelegt. 1591 bekam die Kirche eine neue Taufe. 1605 heisst es in
der Kirchenrechnung: «3 g. vor S. Peter, zu flicken; 6 g. einem gegeben so
denselbigen vom Thurm geholet rndt wider auffgebracht''. 1648 wurde das
Dorf eingeäschert, wobei auch das Gotteshaus «ruiniret vndt verdorbenn*
wurde. Der entstandene Schaden wurde 1659 wieder ausgebessert. Pfingsten
1693 wurde das Dorf abermals von einer Feuersbrunst heimgesucht. 1742
wurde mit des Glockengiessers Just Andreas Meyfeld nachgelassener ^ttwe
Dse Dorothea wegen Umgiessung der geborstenen Glocke ein Kontrakt geschlossen.
1756 wurde der Thurm, namentlich an der Westseite, ausgebessert. 1817
wütete abermals ein Brand. 1854 wurde eine Orgel angeschafft, deren die
Kirche bislang entbehrte. In der Notitia ecclesiast. duc. Lyneburg. p . 217
heisst es nach Kayser: «Patroni sunt Bortfeldii sive Hanensei [Nachtrag: hodie
von Gram] Habet Heiningsen et curias Geeze (Krätze) et Altmerdingen'^. Noch
heute sind die von Gramm Patronatsherren. Im Uebrigen verweisen wir auf
die nach Abschluss der vorliegenden Arbeit erschienene Geschichte des Kirch-
spiels Hftnigsen von Pastor Meyer. Siehe Hann. Geschichtsbl., 4. Jahrg.; 430.
Erwähnt seien noch die von Henyngessen, welche von denen von
Meinersen den halben Zehnten zu Dachtmissen zu Lehen hatten.
Das aus Ortsteinen eii)aute Schiff hat flachbogige Fenster und in den
Langseiten zwei gegenOberliegende Thüren mit gefasten Sandsteingewänden und
geradem Sturz. Drei gekuppelte, spitzbogige Fenster mit Hohlkehlprofil befinden
sich in der Ostwand. Eine gewölbte Bretterdecke überspannt das im östlichen
Theil um eine Stufe erhöhte Schiff. Hölzerne Emporen sind auf der West-
und Nordseite angebracht.
Der viereckige, westliche Dachreiter mit achteckigem, beschiefertem Helm
hat flachbogige Schallöffhungen.
Auf dem mit einer Sandsteinplatte abgedeckten, massiven Tisch steht
das Mittelstück eines Schnitzaltares, welches die Kreuzigung Christi darstellt.
Zwei Altarleuchter aus Bronze haben nach gothischer Art einen
walzenförmigen Schaft mit drei Füssen und drei Knäufen.
Die 1,06 m im Durchmesser grosse Glocke trägt unter einem Ornament-
streifen am Halse eine sechszeilige und auf der gegenüberliegenden Seite eine
fiin&eflige Lapidar-Inschrift. Am Glockenrande sind der Meister Johann Heinrich
Ghristoffer Weidemann aus Hannover und die Jahreszahl 1743 angegeben.
Die kleinere 1,00 m im Durchmesser grosse Glocke ist 1787 von
J. Meier in Gelle gegossen.
Die Schlagglocke trägt nach Angabe in der Inschrift die Jahreszahl 1649.
Auf dem Kirchhofe steht ein schlichter Grabstein aus dem Ende des
XVm. Jahrhunderts.
Eine Kanne aus Zinn hat auf dem Deckel die Bezeichnung:
AE VE
1759
-^ 39 8^
Unter dem Anstrich der einfachen hölzernen Kanzel ist die Jahreszahl Kanzel.
1723 zu lesen.
Im P&rrgarten liegt em stark beschädigter Taufstein mit dec Umschrift : Tanfstem.
Godt maket yns salich dorch dat Badt der Wedergebordt . ad Tit. 3.
H a i m a r.
Kirche.
Litteratur: Janicke; Doebner II, V und VI; Lttntzel, die ältere Diöcese
Hildesheim; Urknndenbnch der Stadt Hannover; Manecke ü; von Hodenberg, Pagus Flut-
wide, Lenthe'B Archiv VI; Regenten-Sahll6d8; Böttger, Diöcesan- und Gau-Grenzen; Kayser,
Kirchenvisitationen 1897; Mithoff, Kunstdenkmale IV; derselbe, Kirchenbeschreibungen;
Weber, die Freien bei Hannover 1898; Zeitschr. d. Harzver., Jahrg. 4; Bertram, Geschichte
des Bisthums Hildesheim I ; Kniep, die Freien vor dem Walde, Hann. Geschichtsbl., 8. Jahrg.
Quellen: Buch der Kirche zu Haimar in den Freien, 1669 angelegt und bis
1894 fortgeführt; Verzeichniss der Prediger, Patrone u. s. w., 1782 angelegt; Register von
1652 — 1780; Designatio corporis Bonorum von der Kirche zu Haimar und denen dazu
gehörigen beiden Kapellen Dolgen und Evem, 1784 aufgesetzt; Beilagen zu dem Corpus
bonorum der Parochie Haimar von 1833; sänmiliich im Pfarrarchiv zu Haimar; Verzeichniss
der kirchlichen Kunstdenkmäler von 1896; Beschreibung der Kirchen und Kapellen im
Kgr. Hannover, Band 8, 1861 angefertigt, in der BibL d. bist. Ver. f. Nieders.
Das im grossen Freien belegene Dorf gehörte ehedem zum Pagus Geschichte
Hastfala und zum Archidiakonat Hohenhameln. Hier sassen, dem Kirchenbuch
zu Folge, vor Alters die Herren von Barmeke. Die erste Nachricht Qber den
Ort bringt eine Urkunde vom Jahre 1117. Am 11. Mai dieses Jahres gab der
yComes Adelbertus de villa Heymbere'^ mit Zustimmung seines Sohnes Bertold
dem Pfarrer Adalbert zu Lühnde 24 Morgen mit einer Hausstelle in «Schutellobeke*
sowie eine Mark Silber zur Loslösung des Dörfchens «Eberen'^ (Evem, siehe
dieses) von der Mutterkirche in Lühnde. Dieser Graf «Adelbertus'^ ist, wie Bode
nachgewiesen hat, der älteste, bekannte Stammvater der Grafen von Wernigerode
und der Erbauer der Burg Wernigerode. Die reichen Besitzungen der Wemigeröder
Grafen im grossen Freien und dessen Nachbarschaft rOhren von ihm her.
Das Gotteshaus zu Evem war ursprünglich die Parochialkirche des Kirchspiels
Haimar. Die Verlegung derselben nach Haimar ist bald darnach erfolgt, da
fortan nur noch Geistliche von Haimar genannt werden. Am 7. Mfirz 1160
bestätigt der Bischof Bruno dem Godehardikloster unter anderem eine demselben
geschenkte Hufe in «Heimbere*. 1204 bezeugt der Bischof Hartbert, dass der
«Willehelmus presbyter de Heinbere'^ dem Andreasstifte »pro remedio anime sue'^
42 Mark zum Erwerb von Gütern übereignet hat. Ein Priester Hermann zu
Haimar kommt 1256 (Hermannus de Heimbere sacerdos), 1257 (dominus
Hennannus de Hembere sacerdos) sowie 1259 (Hermannus sacerdos in Hembere)
und ein .Conradus plebanus in Heymbere*" in einer Urkunde vom 14. Mai 1325 vor.
-5^ 40 §•*-
Das 1669 angelegte Kirchenbuch sieht in der auf der Marienglocke an-
gebrachten Bischofsfigur einen Herrn von Rutenberg, «sintemahl einer von
Rautenberg soll sub Papatu Bischoff des Stiffls Hildesheirab gewesen sein, auch
die von Rautenbeige droben in ihrem wapen eine rote mitram Episcopalem
fuhren, wie in den fenstem in der Kirchen, vnd auf der pfarr zu sehen".
Unter dem Bild ist das Rutenbergsche Wappen angebracht. Zu Beginn des
XVL Jahrhunderts nahm der Ort wesentlich an Grösse zu, da sich die Ein-
wohner des in der Hildesheimschen Stiftsfehde (1519) verwüsteten und nieder-
gebrannten Dorfes Gilgen oder Ilgen daselbst ansiedelten. 1598 und 1599
wurden zwei neue Glocken für 262 Thaler 18 Groschen gefertigt.
1625 zerschmetterte der Blitz den Thurm vollständig, üeber die Kirche
und deren Geräthe berichtet das Inventarium Ecclesiasticum des Ejrchenbuchs.
Pastor Steuerwald II, 1630—1679, schreibt darin, er habe bei seiner Ankunft
an Kirchengeräthen drei Messgewänder, darunter ein mit Bildern gesticktes, drei
Kelche, zwei Alben und den Zierrath des Aliars vorgefunden. Als nun 1631/3
und in den folgenden Jahren der Krieg in diesen Landen überhand genommen
habe, da sei die Kirche wiederholt gestürmt und geplündert und die Mess-
gewänder, die Alben, der Zierrath des Altars und die beiden kleineren Kelche
geraubt worden. Der dritte grosse, silbervergoldete Kelch mit silberner Patene,
woran ein vergoldetes Zeichen, wäre in Braunschweig verwahrt gewesen und
noch vorhanden. Als damals vorhanden zählt er femer noch auf eine
zinnernen Krankenkelch mit Patene, eine zinnerne Kanne, zwei Leuchter aus
Messing, einGefäss .von grapen guthe, gleich einem runden eimer, in welchem
der Küster das wasser in die tauffe treget'', drei feine, gut klingende Glocken,
ein grosses und starkes Uhrwerk, einen Altarkasten und Gotteskasten »mit
eisern vnd schlossern wol verwahret*. Der weithin sichtbare, weisse Thurm
habe ein sehr dickes und starkes Gemäuer und drei Böden. Die Kirche sei
„sub Papatu dedicirt in memoriam Sancti Udalrici*^, dessen Bildniss mit einem
grossen Christel auf der Brust in den Kriegsjahren weggekommen sei. Sie sei
für das Volk aus den drei eingepfarrten Dörfern geräumig genug, der Chor
gewölbt, mit genügend Fenstern versehen, aussen an den Ecken mit starken
Pfeilern von Stein gegen Wind und Wetter geschützt, habe starke Balken mit
doppeltem Boden, dazwischen die Balken liegen, sowie starkes Sparrwerk mit
einem guten Dache. 1653 erhielt die Kirche neue Fenster mit Wappenscheiben,
worin die Wappen des Superintendenten zu Burgdorf, des Amtsvogts zu Uten,
der Patrone, des Rittmeisters Hans Störr und seines Sohnes Doktor Störr; es
wurden die beiden alten Glocken und die zinnerne Taufe durch Ludolf Siegfried,
Bürger und Rothgiesser zu Hannover, umgegossen. 1658 wurde die grosse
Glocke gebessert, 1660 ein neuer Leuteboden angelegt und der Chor durch
M. Johann Behrens aus Peine bemahlt; und zwar erhielt der Meister «für die
zwölflf Apostell vnd Salvatoren, für das mahlwerck oben am gewölbe, vmb die
Fenster, vnd unten die gardienen, Pastors beide gestühlte, Juraten, Schulmeisters
vnd der Pastörschen gestühlte, item für das vergülden an der tauffe unten an
dem Zinnen '^ 53 Thaler. M. Curt Ossenkopf, Bildschnitzer in Hildesheim, lieferte
einen neuen Altar und Predigtstuhl. 1661 wurden das Dach und die Pfeiler
um die Kirche gebessert sowie letztere auswendig geweisst, 1662 der Thurm
geweisst sowie Kessel, Kreuz und Hahn vergoldet und .vermahlt*. 1671 sudite
dne Feuersbninst den Ort heim. 1699 wurde das vom Sturm verbogene
Wetterkreuz wieder aufgerichtet. 1702 wütete abermals ein Brand. 1722 wurde
eine kleine Orgel geschenkt. 1730 beklagte sich die Gemeinde, dass die Kirche
zu eng wäre und ein Neubau erforderlich sei. Die Designatio corporis Bonorum
vom Jahre 1734 giebt die Maasse des Gotteshauses an. Es hatte in der Länge
im Lichten 88 Fuss, in der Breite auf dem Chor im Lichten 20 und in dem
andern Theile 25 Fuss. Es wird als in gutem Stande befindlich bezeichnet. Die
Kirche besass damals drei gute Glocken, zwei silbervergoldete Kelche, einen
silbervergoldeten Oblatenteller, eine von »Grap* gemachte und mit Leder über-
zogene Oblatenschachtel, eine zinnerne Weinkanne und zwei Leuchter aus
Messing. 1748 wurde das alte Wetterkreuz durch ein neues ersetzt. 1753 schenkte
der Patron Philipp Adam von Hardenberg einen grossen silbernen, inwendig
vergoldeten Kelch mit vergoldeter Patene. Im Jahre 1784 wurde die alte
Kirche, da sie sich für die Gemeinde als zu klein erwies, abgerissen. Die beiden
kleinen Glocken wurden, da die grössere geborsten war, nach Hannover gebracht,
um aus beiden eine giessen zu lassen. Das neue Gotteshaus wurde 1788 geweiht.
1805 fertigte der Orgelbauer Hüsemann in Braunschweig eine neue Orgel.
1821 hatte der Ort durch Brand zu leiden. 1833 besass die 1785 neu gebaute
Kirche zwei fast gleich grosse Glocken, drei silberne, ganz vergoldete Kelche,
einen vergoldeten Oblatenteller aus Messing, zwei grosse Altarleuchter aus
Messing, zwei zinnerne Teller für dieselben und einen kleinen Kasten mit
zinnernem Kelch, Oblatenkapsel, Oblatenteller und Weinflasche.
Das Patronatsrecht, welches an dem adeligen Hof zu Rethmar haftet,
übten anfangs die Grafen von Wernigerode aus. Von diesen erhielten es die
Herren von Rutenberg zu Lehen, welche 1647 ausstarben. Es folgten bis
1727 die von Eltz, dann die von Hardenberg, und seit 1771 die von dem
Busche. Jetzt ist der Graf v. d. Schulenburg- Wolfsburg Patron.
Die auf Sandsteinsockel errichtete Kirche besteht aus Schiff und Westthurm. Beschreibung.
Das einfache, rechteckige, massive, weissgeputzte Schiff von 28,2 m Schiff,
äusserer Länge und 13,8 ra äusserer Breite hat Eckquadern, hölzernes Haupt-
gesims und auf den Langseiten je sechs flachbogig geschlossene Fenster mit
Sandsteingewänden und in der Mitte je eine flachbogig geschlossene Thür mit
der Jahreszahl 1785. Das Schiff wird von einer geputzten Schaldecke, welche
mit grosser Hohlkehle zur Wand überleitet, überspannt und zeigt hölzerne
Emporen auf allen Seiten. Das Satteldach ist im Osten abgewalmt.
Der drei Stockwerke hohe, quadratische, geputzte Thurm zeigt Sand- Thurm.
Steinsockel, Eckquadern und hölzernes Hauptgesims. Er enthält flachbogige
Oeffoungen und Kreisfenster und ausserdem auf der Westseite eine flachbogig
geschlossene Thür. Die Oefltaungen haben sämmtlich Sandsteingewände und
Schlusssteine. Der viereckige Helm ist mit Biberschwänzen eingedeckt.
Die hölzerne, aus einem höheren Mittelbau und zwei rundbogigen, mit Altar.
Thüren versehenen Seitentheilen bestehende Altarwand mit eingebauter Kanzel Kanzel.
6
-t-8 42 8^
Altarleuchter.
Glocken.
stammt aus der Zeit der Erbaumig der Kirche. Im Aufbau ist die aufgeschlagme
Biblia sacra zu sehen.
Die beiden Altarleuchter aus Bronze in spätgothischer AufiEassung mit
drei Füssen und einem walzenförmigen, durch einen Knauf getheilten Schaft
waren nach dem Kirchenbuch 1632 vorhanden.
Eine schöne gothische Glocke von 1,23 m Durchmesser und tadellosem
Guss trägt am Halse zwischen zwei Omamentstreifen in gothischen Kleinbuch-
staben die Inschrift:
© Anno dm m • cccccvui dar bi ghoedt Härmen Koster my vocor maria.
Auf der einen Seite des Mantels ist das Hochbild der Maria mit dem
Jesuskinde in der flammenden Mandorla, auf der anderen das Hochbild eines
Bischöfe mit dem Stabe und darunter das Rutenbergsche Wappen zu sehen.
Die zweite Glocke, ebenfalls von 1,23 m Durchmesser, zeigt zwischen
zwei schönen Omamentstreifen am Halse die Lapidarinschrift:
• Anno 1621 • Arendt von Wobersnaw • F • B • Obristr vnd Raht
mich in die Ehre Gottes gegeben hadt.
Auf der Mitte der einen Seite des Mantels befinden sich zwei erhabene
Wappen mit der Umschrift:
Arendt • von • Wobersnaw • Obrister.
und
Lvcia von • Bordtfeldt • S • F • H.
Auf der anderen Seite sehen wir das Hochbild des Paulus mit dem
Schwert und der Bezeichnung:
Pavlvs.
Ausserdem sind die vier Evangelisten mit ihren Sinnbildern dargestellL
Unter dem Omamentstreifen am Rande der 1623 gegossenen Glocke
ist der Meister Diderich Menten vermerkt.
Auf dem alten Kirchhofe befinden sich mehrere Grabdenkmäler aus der
denkmaer. Zeit um 1800.
Taufbecken. Ein schön geschnitztes, auf drei Füssen ruhendes, hölzernes Taufbecken
rührt aus dem Ende des XVIII. Jahrhunderts her.
Grab-
H a r b e r.
Kirche.
Litteratur: Leibniz, Scriptores remm Bmnsvicensinm ; Janicke; Sndendorf;
Doebner I, II, III, V, VI und YII; Urkundenbuch der Stadt Hannover; Lüntzel, die
ältere Diöcese Hildesheim; Regenten-Sahl 1698; Manecke II; von Hodenberg, Pagns Flut-
Wide, Lenthe^s Archiv VI; derselbe, Lttneburger Lehnregister; Mithoff, Kunstdenkmale IV;
derselbe, Kirchenbeschreibungen; Kay ser, Kirchen Visitationen 1897 Weber, die Freien bei
-HS 43 H-
Hannover 1888; Heise, die Freien; Kniep, die Freien vor dem Walde, Hann. Oeschichtsbl.,
3. Jahrg.; Schutze, GeacfaichtlicheB aas dem LUnebnrgiaoheo, 1877-
Qaellen: Urknnden des Kgl. StAstsarchivB za HannoTer; VeraeichnisB der Urch-
licben RnnstdenkmUer von 18d6.
Das im groseen Freien bel^^ene und ehedem wahrscheinlicb zur Geschichte.
Vogtei Hohenbameln gehörige Dorf hat bereits im Hittelalter ein Gotteshaus
gehabt. Es war der heiligen Katharina geweiht. Der Ort selbst war wohl
schon im XII. Jafarhondert vorhanden.
Nach dem Liber donationum ecclesiae c~'- -; . i^^- -^ ~L^2ZSlr^''~ "^ 'IZi^
Hilde^emensi factarum schenkte ~ ' ""
(Reinaldus Coloniensis Archiepiscopus
frater noster ■ • • ■ cum Praepositurae
nostrae fungeretur ofBcio', 1140—1161,
dem von ihm erbauten Hospital unter
anderem vier Hufen in «Herlbere*. Es
ist nicht ausgeschlossen, dass dieses
mit dem heutigen Harber identisch ist.
Das Dorf stand in einem besonderen
Abhfingigkeitsverhfiltniss zum Kloster
Wienhausen, welches bereits am 1255
daselbst begötert war. 1379 war Hilde- .
brand Pfarrer zu, Hertbere". DieOrts-
Daehrichten nennen als ersten Pastoren,
den man nach der Reformation zu nennen
weiss, Chr. Ludolphus Eöbler 1567.
Der dreissigjfihrige Krieg verschonte
auch Harber nicht. 1631 waren die
Kaiserlichen daselbst, töteten dreissig
der Einwohner, zündeten den Ort an ^^^ Kirch. i= H«b.r; flch^6ffnnng.n.
drei Stellen an und belf^erten das
Gotteshaus, in welches ein Tbeil der Einwohner geflüchtet war. Noch 1861
zeigte die sehr starke, eichene, mit dickem Eisen beschlagene ThOr die Spuren
der an ihr verübten GewalUhfitig^eÜ
Zu der Familie derer tod Harber ist zu bemerken, dass ein Luhtbertus
(Lrtbertus) de Hertbere als Zenge in einer Urkunde des Bisdiob Si^rfried vom
Jahre 1230 sowie als Zeuge in der die beiden Freien betreffenden Urkunde
des Bischofs Konrad vom 17. Februar 1236 vorkommt.
Das Schiff der Kirche, welches bei Mithoff beechrieben ist, wurde in
neuerer Zeit abgebrochen und durch einen Backsteinbau ersetzt. Der Thurm
blieb bestehen.
Der durch eine flachbogige Thüröffnung mit dem Schiff verbundene Beschreibung,
rechteckige, massive lliunn hat scharfkantig behauene Ecksteine und einen Thnrm.
achteck^en Helm. Der Sandsteinsockel zeigt eine grosse Schräge und das
Hauptgesims eine von der Mauer übei^ende Hohlk^e mit Platte, hi jeder
6»
H>^ 44 8^
^
Altarleuchter.
Glocken.
Grabsteine.
Kanne.
Altarievte
Seite sind zwei spitzbogige, gekuppelte Schallöffnungen mit einfacher Fase und
stark vorspringenden Nasen sichtbar (Fig. 6) ; bei den westlichen ist der Tfaeilungs-
pfosten nicht mehr vorhanden. Ein einfaches Fenster an der Südseite hat
dieselbe Ausführung.
Zwei gleichgeartete, 23 cm hohe Altarleuchter sind in der Fig. 7 wieder-
gegeben. Auf einem derselben ist die Jahreszahl 1556 angebracht.
Die 1,29 m Im Durchmesser grosse Glocke enthält am Halse zwischen
Riemchen und zwei Ornamentstreifen die Lapidarinschrift:
Friderich Lvdewig Avgvst von dem Bvssche • Oberhauptmann •
Otto Benjamin Lasivs • Svpperintendent •
Johann Joachim Nahrstedt • Pastor •
Lvdolph Heinrich Bvsse-Kvster vnd Schvlmeister •
Gegenüber auf der anderen Seite:
Hennig Weickopf • \
Johann Heinrich Bleckwen • '
Hennig Christian Bleckwen • Voigt •
Barnstorf Hennig Woltorf • Bavrmeister •
Am Gfdc^enrande ist von einem
Omamentstreifen unterbrochen zu lesen:
Joh : Heinr : Christ : Weidemann • goss mich
• Hannover • 1767 •
Die kleinere Glocke von 1,12 m
Durchmesser hat am Halse zwischen zwei
Omamentstreifen die Lapidarinschrift:
Otto Nahrsted Pastor
Darunter ist auf derselben Seite
in der Mitte zu lesen:
Melchior Bruclihorgen : Vogt
Wolbert Weinkopf \
Harman Bühren (
Kirchenjuraten
Flg. 7. Kirche in Harber ; Altarleaditer.
Die Inschrift am Rande lautet:
M : Thomas Rideweg gos mich in Hannover
Anno 1717.
Der Grabstein des 1726 gestorbenen Vogts Barnstorff Köhler steht auf
dem Kirchhofe. Oben sind zwei Wappen, darunter der Gekreuzigte und die
Familie des Verstorbenen zu sehen. Auf einem länglich runden, mit Ornamenten
umgebenen Felde befindet sich eine Inschrift. Der Grabstein des Bruno Heinrich
Woltorf, geb. 1605, zeigt in einer von Engeln begleiteten Bogennische zwei
knieende Figuren, eine männliche und eine weibliche, und darüber den
Gekreuzigten. Die Inschrift ist stark verwittert.
Die einfache Zinnkanne trägt auf dem Deckel die Inschrift:
• Hans • Carl •
• Brüchhagen •
• 1 • 7 • 3 • 8 •
-<^ 45 8^
Ein silbervergoldeter Kelch zeigt auf dem sechstheiligen Fasse einen Kelch,
aufgehefteten Cruzifixus und die Inschrift:
• Bruno • Heinrich • Woltorp • Altannann • Anna • Haarstrick s e H F Ao 1667
Unter dem Fusse steht:
• J • Ericus • Nohrius • Past • z • H •
Eine silbervergoldete Patene enthält die Umschrift:
• Tiele • Dorrtemann • Elisabeth • Bokelmanns • s • e • H • F •
H ö V e p.
KapeUe.
Litte ratur: Doebner II — VII; Sudendorf; Urkundenbuch der Stadt Hannover;
Yon Hodenberg, Marienroder Urkundenbuch; derselbe, Lüneburger Lehnregister; Janicke;
Lfintzel, die ältere Diöcese Hildesheim; Grupen, Origines et Antiquitates Hanoverenses;
Regenten - Sah] 1698; Manecke II; Kayser, Kirchenvisitationen 1897; Mithoff, Kunst-
denkmale IV; derselbe, Kirchenbeschreibungen ; Weber, die Freien bei Hannover 1898;
Kniep, die Freien vor dem Walde, Hann. Geschichtsbl., 3. Jahrg.
Quellen: Verzeichniss der kirchlichen Kunstdenkmäler von 1896.
Das im grossen Freien belegene Dorf ist von Alters her nach Uten Geschichte,
eingepfarrt, mit welchem es ehedem zum Archidiakonat Lühnde und demgemäss
zum Pagus Hastfala gehörte. 1360 erhalten Martin und Dietrich von Alten vom
Herzog Wilhelm drei Hufen ,to Houedem** zu Lehen. Gegen Ende des
XIV. Jahrhunderts, besonders aber im XV. Jahrhundert wird der Ort wiederholt
als Versammlungs- und Gerichtsstätte genannt. 1595 besassen die von Ruten-
berg einen Meierhof und den Antheilzehnten in Höver als von den Voreltern
ererbte Lehngüter.
Die massive, im Osten durch das halbe Achteck geschlossene, aussen Beschreibung,
geputzte Kapelle trägt auf dem westlichen Ende des Daches einen viereckigen,
auf den Seiten mit Steinplatten behängten Dachreiter, welcher mit einem
beschieferten Helm bedeckt ist. Ueber der spitzbogigen, am Sandsteingewände
mit einfacher Fase versehenen Eingangsthüre an der Südseite ist in gothischen
Kleinbuchstaben die Jahreszahl 1494 eingemeisselt.
Drei spitzbogig geschlossene Fenster, von welchen das mittlere zugemauert
ist, sind in den drei Chorseiten angebracht, je ein flachbogiges mit Schlussstein
▼ersehenes Fenster auf den beiden Langseiten. Die gerade Balkendecke ist
geputzt. Eine Empore befindet sich auf der Westseite.
Der gemauerte Altar ist mit einer überstehenden, abgeschrägten Stein- Altar,
platte bedeckt. Die hölzerne Altarwand mit eingebauter Kanzel stammt nach
einem über der Kanzelthür befindlichen Schriftstück aus dem Anfange des
XIX. Jahrhunderts.
Gemälde.
Glocke.
-^ 46 8^
Drei bemalte Füllungen — - wahrscheinlich ein Stück Emporenbrüstung —
aus dem Jahre 1658 zeigen die Geburt, die Kreuzigung und die Auferstehung
Christi. Sie sind im Innern an der Nordseite angebracht.
Die 51 cm im Durchmesser grosse Glocke trägt keine Inschrift, doch
zeigen die vier glatten vortretenden Streifen am Halse und das Profil am
Glockenrand die zur Zeit der Entstehung der Kapelle übliche Form.
Greschichte.
Uten.
Kirche.
Litte ratur: Origines Gnelficae; Sudendorf; Doebner VI; LUntzel, die ältere
Diöcese Hildesheim; Begenten-Sahl 1698; Manecke II; von Hodenbei^, Pagas Flntwide,
Lenthe^s Archiv VI; Bertram, Geschichte des Bisthnms Hildesheim; BOttger, DiOcesan-
und Gau-Grenzen; Mithoff, Knnstdenkmale lY; derselbe, Kirchenbeschreibungen; Kayser,
Kirchenvisitationen 1897 ; Weber, die Freien bei Hannover 1898; Heise, die Freien; Kniep,
die Freien vor dem Walde, Hann. Geschichtsbl., 3. Jahrg.; Heraldische Mittheilnngen,
herausgegeben vom Verein „Zum Kleeblatt^ in Hannover, YIII. Jahrg., 1897.
Ueber die Familie von Uten siehe die Register zu Sudendorf; Doebner II — VIII;
zum Walsroder und Hoyer Urkdb.; Urkdb. der Stadt Hannover; zum Urkdb. des Stiftes
und der Stadt Hameln; der Stadt Lüneburg II; zum Lüneburger Lehnregister; zu
Havemantf; zu Pfeffingers Historie I und III; zu Köcher, Geschichte von Hannover und
Braunschweig 1648—1714, 1. Theil; zu von Hake, Geschichte der Familie v. Hake; siehe
femer Grupen, Origines et Antiquitates Hanoverenses, mit Wappenabb. auf S. 63, 66
und 880; Hefner, neues Wappenbuch des blühenden Adels, 1862, sowie das Personen-
register zu Manecke.
Quellen: Urkunden des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover; Kirchenchronik in
Uten; Yerzeichniss der kirchlichen Kunstdenkmäler von 1896.
Das Dorf Hten, welches als Vorort des in^ssen Freien eine Sonder-
stellung einnimmt^ gehörte mit den noch heute dorthin eingepfarrten Dörfern
Ahlten, Bilm und Höver ehedem zum Archidiakonat Lühnde und war im Grau
Hastfala belegen. Im Jahre 1240 erklärt der Herzog Otto von Braunschweig,
dass er von Konrad von Dorstadt drei Hufen in ^Iltene* erhalten habe. Hier
besass der Hildesheimsche Bischof einen sogenannten «Salhof. Es ist der
heutige Ziegenmeyershof. 1299 übertrug der Bischof Siegfried II. dieses «allodium*
zu „nten" (,Ylten') dem Konrad von Salder, dessen Gemahlin Hille und Erben
fQr 60 Mark Silber zu Lehen. 1406 ist von dem .kerspele to Uten*" sowie
von dem «Ganpelde to Iltem' die Rede. 1423 heisst es in den Hildesheimschen
Stadtrechnungen : „Dammanne vor gant mit der vorsten breve an ore voghede
to Uten, to Borchtorpe unde to der Nyenstad 5 s**. Als das Goding auf dem
Hassel bei Lühnde einging, wurde das Freiending nach Dten verlegt, wahr-
scheinlich gegen Ende des XV. Jahrhunderts. Lühnde blieb Hildesheimisch. Im
Jahre 1501 war Barlold Schemergen Vogt, der erste Vogt in den Freien, tb&c
-^ 47 ij^
welchen sichere Kunde kommt. Der erste evangelische Prediger war Johann
Hertens, welcher vielleicht 1534 nach Dten kam. 1565 schreibt der Küster:
,Ock js hire eyn Szeygher by myne tyt ghetuget, ouer derhaluen göre nichtes
by den denst gheledit*. 1595 besassen die von Rutenberg einen Meierhof
in nten.
Im XVII. Jahrhundert ging das Freiending allmählich in das Land-
gericht über, welches unter dem Vorsitz des fürstlichen Grossvogts zweimal
jährlich in Gegenwart der Freien gehalten wurde. Der erste Amtsvogt, welcher
seinen Wohnsitz in dem Amtsvogteigebäude nahm, war Wilhelm Schlüter,
1611 — 1619. Dasselbe lag an der Stelle des jetzigen Amtshauses, südlich von der
Kirche. Die Schrecken des dreissigjährigen Krieges machten sich auch in Ilten
fiM>ar. Im Jahre 1626 beschaffte die Gemeinde ein Kännchen, einen Kelch und
Altarleuchter aus Zinn; das goldene Geräth hatten im Jahre vorher Tillys
Schaaren geraubt. 1629 bekommt der Höver Schmied 1 fl. 16 gr., weil er die
im Kri^ zerschlagene ^Altarkaste' wieder gemacht. 1635 erhielt die Kirche
fünf neue Fenster. 1641 wurde sie von den Schweden geplündert und das Dorf
zur Hälfte niedergebrannt, darunter auch das Pfarrhaus. Eine besonders eifrige
Tbätigkeit entfaltete der Pfarrer Joachim von Broitzem, 1648—1683. Er
veranlasste den Bau einer Orgel. Dieselbe wurde 1652 durch den Meister Jonas
Wi^el aus Braunschweig an Ort und Stelle gebaut und kostete nebst drei
Priechen rund 700 Thaler. 1660 liess er die noch vorhandene grosse Glocke
durch den Meister Ludolf Siegfried, fürstlichen Stückgiesser zu Celle, im Pfarr-
garten umgiessen. Der Umguss kostete 198 Thaler. 1661 beschenkte der
Amtsvogt Georg Konrad Osthof, 1660—1674, den Altar mit zwei grünen, von
Laken überzogenen Bänken sowie zwei grünen Laken von gewässertem Tafft
mit schönen goldenen Fransen. Besonders reich wurde die Kirche im
XVm. Jahrhundert bedacht. Der erste Bülow auf Haus Ahlten, 1711—1744,
der Oberforst- und Jägermeister Carl Jakob von Bülow, schenkte ihr den
silbervprgoldeten Abendmahlskelch. Am 31. Oktober 1722 wurde der Grund-
stein zum heutigen Gotteshause gelegt; der alte Thurm blieb bestehen. Bei
dem Neubau sind 1724 die Grabgewölbe mehrerer Amtsvögte und anderer
Notabein, »als die alte Kirche ausgeräumt und darauf niedergerissen wurde,
soviel in der Eile geschehen können, mit Erde ausgefüllt und bedecket worden*.
In dem gleichen Jahre wurde die Orgel durch eine neue ersetzt sowie ein
neuer Altar gebaut. 1725 schenkte der Amtsvogt Hans Otto Freiherr von
Bülow, 1691—1725, der Kirche die Abendmahlskanne und die Hostiendose.
1731 schmückte der Maler Schultz aus Hildesheira die Decke und Emporen für
113 Thaler mit Gemälden. Im gleichen Jahre verehrte der Amtsvogt und
Oberhauptmann Wilhelm Johann von Reden, 1725—1751, das schwere, silber-
vergoldete Taufbecken. Zu seinen Zeiten wurde das Amtshaus, ein massives,
schlossartiges Gebäude, erbaut. Es trägt die Jahreszahl 1738 und eine steinerne,
allerdings entstellte Nachbildung des Wappens der Freien. Das ursprüngliche
Wappen ist vom Verein »Zum Kleeblatt* in Hannover heraldisch festgestellt: ,1m
rothen Schilde em aufrechter blaugezungter und blaubewehrter goldener (gelber)
Löwe. Auf dem Schilde ein Helm, der als Kleinod eine hohe goldene Blätterkrone
trägt. Die Helmdecke ist aussen roth und innen golden (geib)'. 1738 wurde der
zinaeime Becher gefertigt. Bei dem Einfall der Franzosen 1757 waren die Kostbar-
keiten der Kirche vermauert.
Flg. B. KItub« In UMn; Altftr.
Von dieäem Dorf hat sich die Familie derer von Uten benannt, welche
zu den ältesten Geschlechtem der Kalenbergschen Ritterschaft gehOrt. Als ni
frühest vorkommend wird Ulrich genannt in einer zwischen 1225 und 1247
ausgestellten Urkunde, dann 1234 und 1259.
Beachreibnng. Die Kirche besteht aus einem SchiEF und einem Westtbunn. Das in
Schiff. Bruchsteinmauerwerk errichtete, mit Eckquadern eingefasste, rediteckige, als
->^ 49 8^
Saalkirche ausgebildete Schiff hat einen abgeschrägten Sandsteinsockel, eine
bogenförmige, geputzte Holzdecke und in der Nord- und Südwand je vier mit
Schlusssteinen versehene, halbkreisförmig geschlossene Fenster. Zwei gegen-
äberliegende, in diesen Seiten befindliche Eingangsthüren mit vorspringendem
Sockel und Kämpfer tragen im Schlussstein die Inschrift «Anno 1723*'; über
den Thüren zeigt sich je ein rundes Fenster. Der im Osten mit drei Seiten
des Sechsecks geschlossene, um eine Stufe erhöhte und als Chor benutzte Theil
des Sdiiffes wird durch drei Rundbogenfenster erleuchtet; unter dem mittleren
Fenster befindet sich noch ein Eingang. Sämmtliche Oeffhungen sind mit
glatten Sandsteingewänden eingefasst.
Der rechteckige, aussen 4,50 m breite und 8,35 m lange Westthurm ist Thurm.
in Quadermauerwerk ausgeführt und hat einen achteckigen beschieferten Helm.
In der Westseite liegt die spitzbogige, mit gefasten Sandsteingewänden ein-
gefasste Thür. Bemerkenswerth sind die gekuppelten, rundbogigen romanischen
Schallöffhungen, von denen zwei an der Nordseite und eine an der Südseite
erhalten sind. Die Säulchen haben Basen ohne Eckblatt, Würfelkapitäl und
Sattelsteine. Im imteren Theile des Thurmes sind drei Schlitzfenster erhalten.
Oben an der Westseite kragt das Mauerwerk über und wird durch eine
Sandsteinhohlkehle unterstützt.
In den reichgeschnitzten, mit figürlichem Schmuck versehenen, hölzernen Altar.
Barockaltar aus dem Jahre 1724 (Fig. 8) ist die Kanzel eingebaut. Die Vorder- Kanzel.
Seite der letzteren trägt die Darstellungen von Petrus, Moses und Paulus. Ueber
dem Altartische ist in einer Nische das heilige Abendmahl geschnitzt aufgestellt.
Zwei ki*äftige gewundene Säulen mit Laubgewinden tragen das verkröpfte
Gebälk mit der Bekrönung. Die beiden über der Kanzel befindlichen* Wappen
enthalten die Unterschriften:
Johann Frantz Agnese Dorothea
Schmidt Meinerings
Seitlich befinden sich die vier Evangelisten mit ihren Sinnbildern und
zwei Durchgänge mit Thüren und schönem Schnitzwerk. Der Altar ist weiss
und vergoldet. Oben sehen wir den Auferstandenen mit der Siegesfahne. Das
Ganze ist ein prächtiges Beispiel des späten kräftigen Barock mit einzelnen
R^encemotiven.
Ein Gemälde an der Kanzelrückwand zeigt Jesus als Knaben im Tempel,
ein anderes in der Bekrönuiig die Kreuzigung; beide Gemälde sind auf
Leinwand gemalt.
Zwei schwere Barock-Altarleuchter aus Messing sind 44 cm hoch. Altarleuchter.
Ein Becher aus Zinn in lebendiger Form, mit vielen Namen trägt im Becher.
Deckel und unter dem Fusse je zwei Zeichen mit der Jahreszahl 1725 und
den Namen Just Ludwig Flegel.
Eine silbervergoldete Dose ist mit dem Bülowschen Wappen versehen Ciborium.
und der Inschrift:
H.O.F.V.B.
Auf der unteren Seite stehen zwei Zeichen, das springende Pferd mit
der 2^ahl 12 darunter und die Buchstaben J . P . M .
7
-^ 50 g^
Gemälde. ' Die Himmelfahrt Christi ist an der Decke dargestellt. 38 Getnälde
befinden sich an den Emporen der West-, Süd- und Nordseitß mid zeigen
Darstellmigen aus der Geschichte des neuen Testaments.
Glocken. Eine 1,26 m im Durchmesser grosse Glocke trägt zwischen zwei
Ornamentstreifen am Halse die Inschrift:
Psalm . C V I . y . XLVIII . Gelobet sey der Herr • der Gott Israel • von
Ewigkeit in Ewigkeit • vndt • alles Volck spreche : Amen . Halleluia .
Auf der Mitte der einen Seite ist zu lesen :
Im Jahre nach vnsers Erlösers Gebvrt • M • DG • LX • Haben zv Gottes
Ehren vndt Befoderung ihrer Seeligkeit die sämbtlichen Eingepfarreten
des Kirchspiels Uten diese Glocken vmbgiessen lassen.
lieber dieser Inschrift befindet sich ein erhabener geflügelter Engels-
kopf. Auf der anderen Seite sind die Namen der Vorstandsmitglieder angebracht :
H • Joachim von Bröitzem Pastor •
Hans Kracke • Jasper Engelke •
Stephan Bartels • Hinrich Kracke •
Samptliche Juraten-
Darüber steht ein gekröntes, verschlungenes C.L., von drei Engels-
köpfen eingefasst, und am Glockenrand die einzeilige Inschrift : ,Lvdolf Siegfriedt
gössen Anno Christi: 1660 im Monat • Jvlio ."
Die kleinere Glocke von 1,05 m Durchmesser zeigt am Halse zwischen
zwei Omamentstreifen die einzeilige Inschrift:
M : Thomas Rideweg goss mich in Hannover Anno 1725.
Auf der Mitte der einen Seite findet sich die Inschrift:
H.F.Prilop.P.T.Past
und auf der Mitte der anderen Seite:
Heinrich Rogge
Hans Joachim Wehler
Ernst Warmbolt
Valentin Füllekraus.
Am Glockenrande steht die einzeilige Inschrift:
Ich mus den Lebenden zum Gottes Dienste klingen und auch weni
leichen sind die Klage Lieder singen.
Sämmtliche Buchstaben sind Lapidare.
Grabmal Die in Empireformen ausgeführte Gedenktafel (Fig. 9) aus dem Jahre 1804
ist zum Andenken an den Amtmann Georg Christoph Noodt und dessen Gemahlin
Anne Lucie Juliane geb. Klapperott gefertigt und in die westliche Thurmwand
eingemauert.
Kanne. Eine Kanne aus Silber, vergoldet, hat auf dem Deckel das Bülowsche
Wappen und an den Seiten die Bezeichnung:
Anno H 0 F V B 1725.
Unter dem Fuss sehen wir als Zeichen ein Kleeblatt und die Buch-
staben H J B (?).
• '*'io J^X ••*
Auf dem Fusse eines Kelches ist ein erhabener Grucifixus und ein Kelche.
Wappen mit der Umschrift
Carl Jakob • T • Bühlaw von Hause Ahlten.
ausbracht.
Er trägt als Zeichen ein springendes Pferd mit der Zahl 12 und die
Buchstaben J . G . 6 .
Ä^i|»AV4VirA
Flg. 9. Kirche In Uten; OedenktafeL
Der zweite (grössere) Kelch zeigt theilweise geriefelten Knauf und unter
dem Fusse die Inschrift: .59 Loht mit der Patein*.
Kelche und Patenen sind aus Silber hergestellt und vergoldet.
Die Orgel stammt aus dem Jahre 1724. Orgel.
Das inwendig vergoldete, silberne Taufbecken hat auf der Unterseite Taafbecken.
«ein Wappen mit der Bezeichnung :
C.F.v.R.
1731.
und darunter als Zeichen ein springendes Pferd mit der Zahl 12 und die
zusammengezogenen Buchstaben MB.
7*
-1-8 52 i^
Immensen.
Kapelle.
Litteratnr: Lüntzel, die ältere Diöcese Hildesheim; Kegenten-Sahl, 1698;
Manecke II ; von Hodenberg, Pagus Flutwide, Lenthe^s Archiv VI; Mithoff, Kunstdenkmale lY;
Neues Vaterl. Archiv 1823; Braunschw. Anzeigen 1751; Böttger, Diöcesan- und Gau-
Grenzen; Bertram, Geschichte des Bisthums Hildesheim I; Kayser, Eirchenvi8itationenl897;
Heise, die Freien, Zeitschr. d. hist. Ver. f. Nieders. 1856; Weber, die Freien bei Hannover 1898;
Uhlhom, die Kirche in Kirchhorst und ihre Kunstdenkmäler, Zeitschr. d. hist Ver. für
Nieders. 1899.
Quellen: -Akten des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover; Kapellenrechnungen im
Schulhause.
Geschichte. Immensen, woselbst vormals die Grafen von Wernigerode begütert
waren, gehörte ehedem mit Steinwedel, wohin es noch heute eingepfarrt ist,
zmn Archidiakonat Sievershausen und zum Gau Flutwide. Im Jahre 1341
verkaufen die von Escherde denen von Gadenstedt das Dorf Immensen.
1355 trennten sich Immensen, Steinwedel und Aligse von Burgdorf, zahlten
3^ Mark löthigen Silbers und weihten die neue ^rche den Heiligen Nikolaus
und Petrus. Die Zahl 1355 ist Jedoch mit Vorsicht aufzunehmen, da die Kirche
zu Steinwedel bereits 1302 und ein »Tldericus plebanus in Stenwede* 1307
genannt werden. Ein Gotteshaus besass der Ort bereits zu Beginn des XV. Jahr-
hunderts; denn 1414 wurde »nach Ausweisung des Ecksteins^ der hinterste
Theil der Kirche angebaut. Ob dies dieselbe alte Kapelle (von Holz?) ist,
welche einem Aktenstück zufolge bereits vor 1526 gestanden und in den
Jahren 1769/70 durch einen Neubau ersetzt wurde, sei dahingestellt. 1655 wurde
die Kapelle dem Kunstmaler M. Johann Olpke aus Solshausen für 60 Gulden
verdingt, »dieselbe aufs Künstlichste mit schönen Historien von Oelfarben zu
vermählen*. 1671 verehrte Henni Hampenfrawe in Aligse (Alesze) den zinnernen
Napf zum Taufstein. 1675 wurde ein kleiner Krankenkelch geschenkt, 1686 der
Kommunionskelch gegen einen grösseren mit Hinzuzahlung von vier Gulden
einem Groschen vertauscht und 1691 eine zinnerne Weinflasche für einen Gulden
einen Groschen gekauft. Ein Inventar der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts
zählt an Geräthen auf: zwei grosse messingene Altarleuchter, von Ludeke Henke
zu Burgdorf geschenkt, drei weissleinene und ein buntes Altarlaken, zwei Kelche
verschiedener Grösse mit Patenen, einen Krankenkelch mit Patene, zwei zinnerne
Weinflaschen verschiedener Grösse, einen Klingelbeutel, sowie auf dem Thurm
zwei Glocken, eine grosse und eine kleine, nebst der „Seigerglocke*'. In den
Jahren 1769/70 erfolgte dann der Neubau, welcher 1771 geweiht wurde. Die
Kosten des Neubaus ; von der Kapellenkasse getragen, beliefen sich auf
1540 rthlr. 20 Groschen. Die Uhr der alten Kapelle .wurde in die neue verlegt.
Grundriss, Aufriss und Querschnitt der Kapelle sind noch vorhanden. Vor der
Wiederherstellung 1900 war der alte Theil der Kapelle 15 m lang und 8,30 m
->^ 53 g^
breit, einschiffig, rechteckig mit einfachem Sockel, hölzernem Renaissance-
Hauptgesims und Eckquadem versehen und hatte eine auf Holz geputzte flach-
bogige Decke, auf der Nordseite und auf der Südseite drei flachbogig geschlossene
Fenster mit massiven Gewänden. Der Eingang lag im Westen : Emporen befanden
sich an den Langseitea-und der Westseite. Das Satteldach trug einen jv£stlichen
bescfaieferten Dachreiter mit geschweifter Spitze und Wetterfahne. 1771 lieferte
der Tischlermeister Cordes für 74 rthhr. 24 Groschen einen neuen Altar mit
Kanzel. Der Glasermeister Düsterdich erhielt für , Vermahlung und Uebergüldung''
des Altars 38 rthhr. 12 Groschen. 1785 wurde die vom lÜirmacher Bussmann
aus Wettmar für 85 rthhr. gelieferte Uhr aufgestellt. Das Inventar von 1789
zählt an Geräthen auf: einen silbernen Kelch, zwei kupferne Leuchter, ein
blaues und ein weisses Laken. 1824 wurden vier Dachfenster angelegt. Die
Kapelle erhielt vor etwa 30 Jahren durch C. W. Hase einen halbkreisförmig
geschlossenen Chor in romanischen Formen und wurde im Jahre 1900 durch
Professor E. Mohrmann durch Anbau eines zweiten Schiffes und eines Thurmes
zur Kirche umgewandelt.
Das Patronatsrecht übten bis in das Ende des XIX. Jahrhunderts die
von Gadenstedt zu Gadenstedt im Kreis Peine.
Der 1771 vom Tischlermeister Cordes angefertigte Altar besteht aus Altar,
einem Hauptrahmen, welcher von zwei glatten Säulen begleitet wird. Der mit
Schnitzwerk ausgefüllte Giebel trägt in der durchbrochenen Spitze einen gleich-
zeit^n Crucifixus.
Die beiden Altarleuchter aus Messing zeigen gothische Auffassung. Der Altarleuchter.
walzenförmige Schaft ruht auf drei Füssen und wird in der Mitte durch einen
Knauf getheilt.
Die 57 cm im Durchmesser grosse Glocke trägt zwischen zwei Ornament- Glocke,
streifen am Halse die einzeilige Inschrift: «Anno 1557 Jar do goth mich Hans
Pelckinck in Hildensheim das ist war*. Auf dem alten 1900 entfernten Glocken-
stuhl befand sich die Jahreszahl 1769.
Darunter befinden sich vier runde Siegel.
Die schmucklose Altarkanzel, welche einem neueren Oelgemälde hat E^anzel.
Platz machen müssen, wird im Schulhause aufbewahrt.
Ebendort befindet sich die alte Wetterfahne mit der Jahreszahl 1769. Wetterfahne.
Isepnhagen.
Kirche. ErhhegrähnlBs. Wohnhaus.
Litteratur: Doebner III und VII; Sudendorf II, III, V und X; Wippennann,
Bukki-Gau 1859; von Hodenberg, Lüneburger Lehnregister; derselbe, Pagus Flutwide,
Lenthe*8 AtcMt VI; Havemann; Manecke II; von Bennigsen, Beitrag zur Feststellung der
DiGcesangrenzen, Zeitschr. d. hist Ver. f. Niedere. 1863; Regenten - Sahl 1698; Kayser^
KiTchenvisitationenl897; Bertram, Geschichte des Bisthums Hildesheim I; Böttger, DiOcesan-
I
1
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4md£^au-QreföeQ(! HnliiKh^ Q^schveEbimi^ dksfBiBthumsrMindeA*^ Mithoff^ Kunstdiettkmale lY^
.^eraelbe, Kirchen^^chreibai]^0ii ; ]^9fnecke) ^ Nachrichten ^ ^ur V org^sthichte d^s Kircbspißlß
Qu ^11^,1^: Akten d^s Kgl. St9^t^arc)iiv8 z.u Hajiiio,yer;|' Verzeichnis^ der kifch-
liche^ 'Künstäenkniäler von 1^9^. . ,.V ,„ * ,"!'^ ~ •
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Geschichte. . : r ' jsemha^en^} 'östlich^ der Wietze lifil 'Pagus f^lutwid^ i)eleitpe^i "^^ ehedem
eioftr der 6ireni:orte;^dei3 Btethüsofs Hildesheiin^ gegen d^'Bisthum Mindeii. Das
Dorfi^t seiner LäQj^i^v^en in^tS^ Bauerschaften getkeiltV von welken die
Eircher Bau^ischaft dels GoUöshaifö' enthält j hi der Fairster Bauerschaft befaiid
sieh ^näohüManecke v^^hiicüb' einfFt^ehst^^ 'UlM^2i^hMflr^^ der Laiff^ereck ttnd
Tlot Er&ffimng^ des' Harzies^Ualsoi vordeii^rRegierungs^^ilitie Vo^l^ (t 93^j
ein ..berühiÜtet lEisensteiabrueb.-'^ Seri^Ort, wo niall vor' Zeiten^ daä> -Eisen
jDehandeUilund' die Brändtiütte gestanden hat, ih^st ;die Bi^i^Hde^. Dfe
Kirche ist isiun! Theil aus dem dort gewonneneti ^ Rias^^eiäetlst^ib aufgeführt^
und auch der Name des Ortes wird damit zusammenhänget!; Im JäÜke 1353
'örkläiirdeeL Ritter. TöHana^PiökaiiJäfiiäassi^ Mn gehörige Zehnte^ »vppe deme
Ysemehaghene*' nach seinem Tod^d^ Uerz<^Wiltitdft^vbb'Bräld9yhW und
. lainebürg uhd däsisen ^beir oider NaxMölgerh anhlähify[4n ^ölte, und 1358l)ekundet
Dietrich SdiÜette^^Kä^^enmeister dei Letiterön^^^öili diesem den »Meygk'h'of ^^pe
demi^rsernehagUenfel^auf iLeb^29stt eibaltieii .zu haben/ AW erster lutherischer
Prediger wird 1534 Hinrick Traphagen genannt. Das noch gültige Kttiehensiegcä
\ ml! deraiahreszkhll5Ö7(trägt\da6^i]d der Mariärlntit^^^ wacher die
Kirche. gewieMi*ar.U • ' 'v; Um i-.- .' Li-' '..'ti l'.in L ■.:; t.i;' -..lir* :-[nv/
1654 wird ,bey verrichter Kirchennvisitation '^ verordnet, dass die^iobeiSte
; Prittch€roSier:;^'Bohrkirche'^,dasieJi[vnMtz,^3miät^^
dieFüntersteriPi^che ^al>er erweitotuddii.ifaiSftirlichier'' gebaut wtkHk, iäödäss'die
StäilideVonifaiÄteQ erhöht ^irördltti^ damit' ilifier öbet^^ den ^atide^^^^ die ß^
I hinab sehen könne. Femer solle die 6emeinde^^Läl^'j%tadt deisä vnaiisebnlichenn
] altenn* ein neues Crucifix anfertigen ItfSileili '46b5 iKmrde^ile Mauet^'zwischen
! \. der Sakristei und: dem rLeichtlaus&^iz6r^£rw)^to^^ w^enommen.
I 1660 findet sich m der Jldsgttb^I die Notiz t'^lM«. VVyfE'des'goHsi^hmtd^ gese^n
' . dem iteäi.vom^el<äXöLGtold^) *czaMet^. ^^^M^ ,ge-
^ hauenen Steinen übersetzt*^ und mit vollständig neuem Gestühl ausgestattet
^ 1672 schenken der wohlhabende Gamhändler Heinrich Wismer und Margarethe
Behrens den Altar. Cordt Ochsenkopf hat ihn gefertigt (sculpsit), Hans Behrens
' bemalt (pinxit). Das Ältargemälde, darstellend die Grablegung Christi, ist 1819
i gemalt. Die von der Ilse Wedekinci 1690 gestiftete, inwendig ganz, aussen zum
Theil vergoldete Kanne ' wurde «ammt Oblatendose und vergoldetem, durch-
brochenem Löffel 1784 gestohlen. . Wahrscheinlich 1703 wurde auf der Südseite
die Sakristei angefugt. Die 705 erbaute, 1749 und 1777 gebesserte Orgel, welche
\ ursprünglich an der Nprdseite lag, erhielt 1820 ihren J€/lrigen Platz. 1715 goss
M. Thomas Riedeweg in Hannover die eine der grossen Glocken um, ein abermaliger
Umguss fand 1750 durch den G^ockengiesser Jofa. Henr. Gust. Weidemann statt.
1751 barst die grössere, von Riedeweg 1721 gegossene Glocke. Sie wurde 1753 von
-H; 55 iH-
(tohann Meyc^r in Gelle umgegossen. 1777 wurde die kleine geborstene Glocke durch
Peter August Becker aus Hannover umgegossen und 1861/62 abermals vom Glocken-»
giesser Dr^er in lindem 1765 wurde eine Tbürmuhr angeschafiFt.^ Das Corpus
bonorum vom Jahre 1776 giebt uns Aufschiuss über den damaligen Zustand der
Kirche: Der kleine Chor war gewölbt, dias übrige Gebäude mit Balken über«^
zogen und unterwärts mit Dielen bekleidet. Eine schadhafte Orgiel war an der
Seite aufgestellt, der starke Thurm: aus Eisensteinen aufgeführt Es waren .
zwei grosse Glockea und eine Uhrgloeke vorhanden sowie eine kleine Glocke,
am das .Signal'^ zum Anfang des Gottesdienstes zu geben, ferner eine Schläguhr.
Die Kirche besass ein altes Siegel mit einem Marienbild, welches unter die
flhestilluhgen gedHickt "würde. An Geräthen werden genannt : ein grossier
silbervergoldeter Kelch mit vor Kurzem vergrössertem Pokal, ein kleinerer
ebensolcher Kelch, ein kleiner ebensolcher Krankenkelch mit einer kleinen
silbervergoldeten Oblatenschachtel, eine grosse silberne Oblatenschachtel, eine
.ansehnliche' silberne, inwendig ganz, . auswendig etwas vergoldete Altarkanne,
zwei wohl ausgearbeitete englische Altarleuchter von Zinn, zwei messingene
Altarleuchter nebst zwei Armleuchtern, eine messingene Lichterkrone, ein
grosses zinnernes Becken, ein kleines messingenes Becken zum Taufstein und
mehrere alte, nicht mehr gebrauchte Altargeräthe von Zinn. Ein weiterer Kelch
nebst Oblatendose und Teller zur Sakramentsaustheilung wurde 1819 angeschafEt.
Die aus Ortsteinen erbaute Kirche besteht aus Chor mit einem Beschreibung.
Erweiterungsbau im Norden und Sakristei im Süden, Schiff und Westthurm.
Das rechteckige, geputzte Schiff von 14,9 m äusserer Länge und 11,2m Chor.
Breite wird durch einen kräftigen, spätgothisch gegliederten Triumphbogen mit Schiff,
dem aussen 7,2 m langen und 9,4 m breiten Chor verbunden. Das Schiff wird Sakristei.
im Innern durch eine bogenförmige, geputzte Bretterdecke, der Chor durch ein
Kreuzgewölbe mit Hohlkehlrippen abgeschlossen. An der südlichen Chorseite
sind die beiden, zur Aufnahme der Rippen dienenden Eckkonsolen noch erhalten.
Auf der Nordseite des Schiffes ist eine spitzbogige, gothische, mit Bimstab
profilierte Eingangsthür mit rechteckig herumgeführtem, gothischem Gesims
angeordnet. Ebendort befinden sich drei mit Pultdächern abgedeckte Strebe-
pfeiler. Vier ähnlich behandelte Strebepfeiler stützen die Südwand und zwei
^weitere, diagonal gestellte die östlichen Chorecken. Auf allen Seiten sind
hölzerne Emporen angebracht. Die ältesten Fenster sind spitzbogig und lassen
<lie Ansätze des in Sandstein gehauenen spätgothischen Maasswerks, welches in
der äusseren Mauerflucht lag, noch deutlich erkennen. Einige kleinere Fenster
sind theils geradlinig, theils flachbogig geschlossen. Der Sockel zeigt eine
grosse Fase aus Sandstein. Die steilen gothischen Ostgiebel von Schiff und
Chor tragen je einen Sandsteinknauf. In der Spitze des Chorgiebels ist eine
Dreipassöffnung zu sehen. Auf einem Strebepfeiler der Südseite sind noch
Theile einer in die Quaderung eingeritzten Sonnenuhr erhalten. Eine weitere,
auf einer Simdsteinplatte angebrachte Sonnenuhr trägt die Bezeichnung:
Anno 1[8]06
J. F. W.
F. A. Z.
— « 56 S«-
Der massive Erweiterungsbau auf der Nordseite bt mit dem Chor durch
eine halbkreisförmig geschlossene Oeffimi^ veri)unden und hat eine spitzbogige
Eingangsthür, deren jetzt geputzte grosse Schräge die alten Profile verdeckt
Zwei gekuppelte, profilierte Fenster mit Sandsteingewftnden sind in Fig. 10
wiedergegeben. Die auf der sQdlichen Chorseite angebaute Sakristei ist ein
schlichter Fachwerkbau aus dem XVm. Jahrhundert.
Der rechteckige, geputzte Thurm von 9,4 m äusserer Länge und 11,2 m
Breite trägt einen in das Achteck übergeführten, mit Mönchen und Nonnen
gedeckten Helm. Auf den vier Seiten sind oben grosse spitzbogige Oeffnungen,
welche innen und aussen den dreinjal zurückgesetzten, aus Backstein gearbeiteten
Viertelstab zeigen, angebracht. In derselben liegen vertieft je zwei kleinere
Flg. 10. Klrdia In iMmtusea; PensUr.
spitzbogige, gekuppelte Oeffbungen und darüber eine runde, an einer Seite
tüdbrunde Oefihung, sämmtlich in roher Ausführung. Unten sind mehrere
rechteckige, schmale Oef&iimgen, von welchen einzelne mit dem Kleeblattbc^^en
geschlossen sind, sichtbar. Die spitzbogige Thür auf der Nordseite veii>irgt
unter der jetzt geputzten grossen Schräge die alten Profile. In die Westwand
sind vier gothische Ereuzsteine eingelassen.
Im untern Theile der Ostwand ist inwendig eine spitzbogige, tiefe Nische
vorhanden; auch sind hier die Widerlager zu einem Kreuzgewölbe bemeiUwr.
Zwei Blocktreppen, von denen eine mit genagelten, die andere mit au^edollten,
dreieckigen Stufen versehen ist, befinden sich auf dem Glockenboden.
-o!8 57 8^
Der gemauerte Altar trägt die sehlichte hölzerne Altarwand in Barock- Altar,
formen mit dem aus dem Jahre 1819 stammenden Altargemälde, welches die
Grablegung darstellt.
Eine 1,37 m im Durchmesser grosse Glocke hat zwischen zwei Ornament- Glocke,
streifen am Halse eine einzeilige Inschrift. Auf der Mitte der einen Seite ist
zu lesen:
Andacht . Traver . Noth vnd Frevden .
Zeich ich an mit meinem Schall .
Gott! Yersvsse bittres Leiden,
Wen ma mich hört . vberall .
Die Mitte der anderen Seite trägt die Namen der damals amtierenden
Personen sowie die Jahreszahl 1753. Am Rande ist der Giesser Johann Meyer
aus Celle vermerkt.
Eine Lapidarinschrifl auf dem Holme des Glockenstuhles lautet: Glockenstnhl
M.Lindeman.So oft ich hör den Glockenschlag das ich mein Ende
1716 betrachten mach.
An der Südseite des Schiffes ist der schöne Grabstein des 1669 Gral)8teine.
gestorbenen Wöhler Wöhlers aufgerichtet; um. drei Wappen in der Mitte
gruppiert sich eine vielzellige Inschrift.
Der Grabstein des Jordan Witte auf dem Kirchhofe zeigt in der Bekrönung
den Gekreuzigten und darunter eine betende männliche Figur; der Verstorbene
wurde, wie die Grabinschrift erzählt, am 29. November 1633 zur Mittagszeit
in der Hausthür seines Nachbars stehend von einem Soldaten ohne irgend
welche Ursache erschossen.
Einige einfache Grabsteine aus späterer Zeit sind ebenfalls auf dem
Kirchhofe aufgestellt; jedoch ist es unverkennbar, dass zu einzelnen Steinen
ältere Platten verwandt wurden, da dieselben in der Bekrönung die Formen
des XVII. Jahrhunderts aufweisen.
Die einfache, zum Theil erneuerte Kanzel zeigt die Formgebung der Kanzel.
Spätrenaissance.
Ein silbervergoldeter Kelch mit Patene zur Krankenkommunion hat auf Kelch,
dem runden Fusse die Lapidarinschrift: ,Hans Hanebut 1695''.
Ein weiterer zinnerner Kelch mit Sechsblattfuss, kugelförmigem Knauf
und oben geschweiftem Becher trägt unter dem Fuss ein Zeichen (Engel). Die
Patene mit der Jahreszahl 1750 hat ebenfalls ein Zeichen auf der Unterseite.
Das runde, mit der Jahreszahl 1587 versehene ESrchensiegel ist heute Siegel,
noch im Gebrauch; es hat in der Mitte Maria mit dem Jesuskinde und die
Lapidarumschrift : .Provisor • eccles . in • Isemhagen*.
Der schöne, sechseckige, 1,04 m hohe, in neuerer Zeit ausgebesserte Tanfstein
Taufstein (Fig. 11), dessen Schaft von drei Engeln in tragender Stellung ver-
ziert ist, zeigt auf den Feldern des Beckens die vier Evangelisten mit ihren
Sinnbildern, die Taufe des Herrn durch Johannes imd ein Wappen mit der
Bezeichnung :
Anno 1654
Anna Halberstat.
8
■■ i-i- Die Fortsetzung der Schrift auf dem anderen Felde lautet:'
' ' - ■■" ^ ' ' • "''Tonies Greten.W. '
Oben auf dem Becken. steht: .NB".
). ' " ' . Das massive Erbbegräbniss der Familie Von Hattorf aus dem Ende, des
Xviir. Jahrhunderts, vor der Westseite des Thiirmes gel^n, ist in neuerer
Zeit ausgebessert. In die ThQrt)ekr&nung ist daS' Wappen der Familie eiti-
gelassen.
Fig. II. Kirche In iMmhaseii; T*u(U«iD.
Äp einem Fachwerkhaus, dem ehemaligen Pfarrwittwenhause, neben
der Kirche n^t, äberge;etztem Obergeschoss und Giebel bemerkt man einen
Spruch auf der Setzschwelle, zwischen d^a Balkenköpfen starke Füllhölzer und
über fler Rundbogenthür die Laptdarinschrift :. ,M. D. Depken . Anno . 1691'.
Im Innern ist eine schöne Treppe in kräftigen Barockfomien mit gewundenen
I)o.(;ken erhalten.
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. Litteratur: Ltj^tzol, dJQ ^Itjere Di^e^e^r JÜWßsheipi; Regepten - Sahl 1698;
Manec'ke II; ^er1^a,m, Geschient^ des Biathiima ^i^ilesiieim'l;. Kayäer, "^^irchenvisitationeu
1897; Böttger, IMöcesai-^uid'Öati-Gr^zeti; SÖhifei<4^^^ landwirtÄsibäftiiche BeBchreibtinf^
der Dorfdchafi Kirchborst, Neues HAimoy. Mkigäri^in ' 1807 ; Neb^ vatetk • At^bi^ 1828^,
Wolff, ,alte: WaQdmülefeien in .der ÜCii^be yw ^ttkhoxity Denkmülp^oge I; 'Waiäiecke,
Nachrichten,|Z^r Yorjge^clfifhte des Elirchspiels Isemha^u 18|^; Mithoff,' Konstdenk^
male IV; derselbe, Kirchepbes^hreib.i;ngen ', Ram^oh^, jiiri^tisch^ ^fthrungeu.ÜI; vou
Hodenb'erg, Paguß Flut^vta^, LenUie^s ArcJii^'Yl; derselbß, Calenb^^er jlTrliundeiibucli V;
ühlhom, diV^Kirche iii^ÖrfctfWrst und ihte' KunstÄeiiSmäler; ^etteöhr/'ä. bist VeJr. ftt*
»ieders., 1899: ^ ' '' • iv; •:. .^Z [r- [ tj j:I ^'10/ 'Y hrri-^^rr-r^'-iu / '.T - '.
Quellen: Uf ku^)l des Kgl. SUatüiäi^cbiivs zu Hannover'; 1 Verzeiehniss der' kfrek^
liehen Kün8tdQnkniSJei:nröÄ;]1896,:' .. 'i \ i ! ■■ \-' - .1
r ,
Kirchhorst gehörte ehedem mit Gross-Horst, Alten- Warmbüchen, Stelle Geschichte,
und Lohne (Ziegelei), welche sämmtlich noch heute dorthin eingepfarrt sind, zum
Archidiakonat Sievershausen und war im Pagus Flutwide belegen. Von Alters
sind die Herren von Gramm Patrone. Vermuthlich hat der Ort bereits
im Xn. Jahrhundert ein Gotteshaus besessen. Dasselbe hatte in der
Mitte der Westseite eine Thür; geradlinigen AbscMuss im Osten, eine gerade
Balkendecke und in der Nord- und Südwand je drei ungefähr zwei Meter
über dem Füssboden vbefindliche kleine Fenster. Im Jahre 1329 lösten sich
die Dörfer Horst, jetzt kirchhorst und Grosshorst, Stelle und Alteh-Warmbüchen
von Burgdor^ los, zahlten dem heiligen Pankratius zwei Mark reinen Silbers
und bauten zu Horst ein eigenes Gotteshaus, welches sie dem St. Nicolaus
weihten. Die äussere -Veranlassung zur Lostrennüng gaben die Herren
von Gramm, indem sie zwei durch Aussterben ihnen zugefallene Höfe in der
Horst, welche vermuthlich vormals das Rittergut Horst bildeten, zur Dotation
der Kirche, Pfarre imd Küsterei schenkten. Nach erfolgter Lostrennung wurde
die vorhandene Kapelle zu einer Kirche ausgebaut. Es wurde der Ghor angefügt.
Die Aussenw&nde deß Sphiffes wurden um etwa 1 m erhöht« das 3chiff selbst
mit drei Kreuzgewölben geschlossen, die ursprünglichen, kleinen Fenster in
grosse, gothische Fenster umgewandelt und mit Backstein-Maasswerk versehen.
Fj*' '"'f r,i--
Die Reformation^ wrfr um '5540 waht*^cJSemlich ächon eingeführt^ der - ei:ste
lutherische Prediger' 'war Bartoläüs Poipp^.' 1588 wurde oer kleine silberne
Krankenkelch furf- 4 rthlr. 5 Groschen gtekäüff[ 1589 eine -KanzeFgaautf /Sie
stand auf dem JSiltat' de*^ Sti^ ' Nicolaus am Triumphbogen.-^ D^-j4tzig6 hölzerne
Thurm wird 1594 erwähnt und 1608 eine zinnerne WeinKanne für 1 Gulden
8 GroscheI^angeschäfft^ ' ^' ^ •
Dei"'*dreissigjähHi?e Eri^g mit seinem Unheil ging^ch än'Erchhorst
nicht sptorlos v^iräber; -Ifa/ Jahre 1626 raubten die Kaiserlichen die *1 622 gekaufte,
mit dem biscli^ich förstlich^n Bilde geschmückte Kirchenbibelj nahmen die AÜar^
lichter niit foi^t üiid ei4)rächen den Kirchfenblock. Von der 'Kirche ist in diteem
8*
Jahre als einer .zerbrochenen* die Rede. 1632 plQnderte das .Pappenheimbsche
EriegsToli* die Kirche, erbrach den Eircbenblock und zerschlug das Haasswerk
der Fenster und die Glasmalereien. Holz vom Kirchthurm ward zum Feuer
benutzt. 1641 plünderten .die Schwedischen aus dem Lager für Wolffenhöttel*
abermals die Kirche. Die Einwohner flohen im Herbat dieses Jahres nach Hanoorer.
1661 wurden die Wandmalereien überweisst und 1662 emfache weisse
Fenster statt der im Kriege zertrümmerten bunten eingesetzt. 1664 wurde
eine neue Prieche an der Nordwand des Schiffes angelegt. Beim Umbau
der Kirche fand sie als Wandtäfelung in der Sakristei Verwendung. Ein
Tischlermeister aus Bui^orf hatte sie gefertigt. In den Jahren 1676 bis
1678 wurden Steinplatten in den Gängen und auf dem Chore gel^ft, sowie
ein neuer Beichtstuhl auf diesem gebaut. 1678 wurde der Chorraum bis an
die Triumphbogenwand voi^erückt und erhöht, sowie der Altar mit einem
neuen Altarblatt au^estattet. Es ist von Andreas Cortnum, Bürger, Ratbsherr
und Knochenhauer -Amtsmeister in Hannover, und dessen EhefVau Cathaiina
Flg. It. Kirch« 1d KlrchhorBt; obarer Orandrlu vor der WledsrhantelloDB.
geb. Düsterhof gestiftet. Die Schnitzarbeiten stammen von dem Haimoveiscfaen
Bildhauer Daniel Bartels. Die Seitentheile gingen 1774 bei der Umgestaltung
des Altars verloren. 1679 wurde die Kanzel abgerissen, der Altar des
St. Nicolaus beseitigt, von der Pastorin Falkenhagen, geb. Bokelmann, der
Taufengel verehrt imd die im unteren Ende der Kirche nach Westen stehende
Taufe entfernt 1678/79 wurde das Gestühl im Schiff gebaut. 1774 wurde
eine kleine altgekaufte Oi^l aufgestellt. Um Platz für dieselbe zu gewinnen,
wurde durch den Chor eine Prieche angelegt. Von dem Cortniunschen Altar-
blatt blieb nur der mittlere Theil mit der Auferstehung erhalten, welcher aber
auch zugleich als Stütze für die darüber befindliche Prieche dienen mossite.
-*^ 61 S«-
Das südliche Ghorfenster wurde erweitert, die nördliche Chorwand nach der
Sakristei hin durchbrochen und hinter dem Altar eine Thfir zum Aufgang auf
die Prieche geschaffen. 1775 eiiiieltea die Eirchhorster einen ansehnlichen
Theil von dem hinter ihren Mooren liegenden, herrschaftlichen Moore zum
E^enthum. 1836 wurde eine neue Orgel auf der Westprieche angelegt,
das mittlere Gewölbe des SchifTes als hindernd, Licht und Platz raubend
at^brochen, das von Crammsche Epitaph dick mit Oelfarbe übermalt und die
Flg. 13. Kirche In Klrchhorat; Vocball«,
andere H&lFle der nördlichen Ghorwand über der Sakristeithür durchbrochen.
1898 fand dann eine gründliche Renovierung namentlich der inneren Kirche
durch den Architekten Wendebout^ und den Maler Ebeling statt, und steht
dieselbe jetzt in herrlichem Schmucke da.
Die Kirche (Fig. 12) besteht aus Schiff, Chor mit angebauter Sakristei BeBchreibang.
im Norden, einer Vorhalle im Süden und einem Westthurm.
Das rechteckige, aus Feldsteinen erbaute Schiff hat im Osten einen mit Chor,
dem halben Achteck geschlossenen, in spätgothischen Formen aus Backsteinen Sctuff.
errichteten Chor. Die drei Kreuzgewölbe aus Backsteinen, welche das Schiff Anbaaten.
überdecken, werden durch zwei spitzbogige Gurtbögen von rechteckigem Quer-
schnitt getrennt; ;^ Btammen jedoch' 4ie .beideii, westlk^e^' Joche von der
1898 erfQlgtGQ Wiederherstellung her- DieiTOT^henc|eDRipi«n zeägengothisdies
BinistiibiH;«9I..upd ruhen mit. den, Qurtap auf Sand^teinkpnsoleii. Def um
eine Stufe erbölite Chor wiid .durch diß I}fljfle.^e.ines rechteckigep Kreuzgewölbe
und fü^f Kappen d^s (^orßcbli^sea Oberdßcktr . der, spitzbogige, rechteckige
Gurtbogen, ^dcher beide trepnt, ;^Otzt< sich:.9uf mn^n Pfeiler yon demselb^
Fle. 14. Kirche tn Klrchhorst', Wuid- nud DeckenmUereten.
Querschnitt Die Bimstabrippen setzen sich hier auf gemauerte, runde Back-
steindienste auf. Der spitzbogige Triumphbogen ist reich .gegliedert. An den
spitzl)DgJgen, auch < am SchiS mit Backsteinen eingefas^Hi tmd mit Maa^swerk
versehenen Fenstern' herrscht der Bund- und Viertelqtab vor. Das Backstein-
maasswerk aller Fenster ist neu und mit Ausnahme des Ostfeo^rs nach einem
tüten, zugemauerten, im Chor befindlichen letzthin eingerichtet. Die aus Ort-
steinen mit untermischten Findlingen ohne Verband an die Nordseite des
Chores angefügte Sakristei ist durdi eine flachbögige Thüir mit demselben ver-
bunden. Eine Eingangsthür und ein spitzbi^iges Fenster mit Backstemmaass-
wcrk liegen auf der Ostseite. In der äusseren Nordwand befindet sich ein
rechteckiger Stein mit eiqem erhabenen, grossen und fünf klemen Kreuzen. .
■*^ 63 g->~
Die aq die Södseite des Schiffes angefO^e Vorhalle' (fig^ ]3) ist ein -
spätgothischer Backsteinbau init Staffelgiebel und geputzten BI«idnischei);>,in -
räier Rundbogetuiische. liegt die fl^chbogige EingangsthÜr, an welcher der alte,
gotfaische Ring wieder angebracht ist. Das Torberrscbjende Profil i^t ,der,
dreiipai zurückgeset^e Viertelstab.
Der überaus einfache, viereckige, hölzerne, mit Steinplatten behängte Thnnn.
Thorm trfigt einen viej^ckigen beschieferten Helm.
Der gemauerte, romanische Altar ist mit Platte und Schrfige aus Altar.
Sandstein abgedeckt. Der alte hölzerne Ältaraufsatz, welcher von Andreas
Cortnvm und dessen Eheftau Catharina Dvsterhof gesUflet wurde, hängt jetzt
in der Sakristei; derselbe ist in Barockformen mit gewundenen S&ulen hergestellt
und enthalt als Hauptbild den Gekreuzi^en mit dem Stiller, darunter das heilige
Abendmahl, oben die Auferstehung und die Himmelfahrt. In der Bekrönung
ist die Jahreszahl 1678, darunter sind die Wappen der Stifter angebracht.
Tlg. IS, Kfrcha in Klrchhont; Wmnd- und J>«ck«ninBlcreleD. '
Die beiden kupfernen Altarleuchter haben nach gothischer Art drei Aitarfeuchter.
FOsse und einen walzenförmigen Schaft mit einem Knauf in der Mitte.
Die schUchtgehaltene, silberne Oblatendose trftgt auf der unteren Seite Ciborium.
die Inschrift: ,A • L ■ Elapperott Past; Zur Horst C - D • Klapperotten • geb:
Wehnnannen Aö: 1731-' sowie als Zeichen ein Kleeblatt und einen verschlungenen
Namen, beide auf vertieftem Grunde.
Ein aus Elichenholz geschnitzter, romanischer Cniciflxus, dessen Efirper Crucifixas.
eine Höhe von 1,3S m hat, ist leider stark beschädigt; derselbe ist aus einem
Stücke geschnitzt; die Arme sind aus zwei g^enCLberliegenden, waagerecht
gewachsenen Aesten gearbeitet. Derselbe gehört der Mitte des XU. Jahrhunderte
an und wird jetzt in der Sakristei aufbewahrt.
-*S 64 g«^
Alte Decken- Alle, wohl aus der ersten Hfilfle des XV. Jahrhunderts herrührende
-^^*?^"i^Wand- und Gewölbemalereien sind nach der Freilegung mit grossem Ver-
*"'™' stfindniss*! wiederhergestellt; dieselben sind mit Casein- bezw. Temperafarben
auf den Putz der Gewölbe und Wände oder das Backsleinmauerwerk aufgetragen,
nachdem der Grund mit einem Lokaltone überlegt war. In der mittleren
Flg. 18. Kirche In Klrchhont; Chor vor der WiederticntellanB.'
GewOlbekappe des Chores Ober dem Altar ist Christus. Maria krönend, dargestellt
In der gegenüberliegend»! Stichkappe ist der heilige Nikolaus im bischöflichen
Ornate mit dem Hirtenstabe in der Linken und segnend erhobener Rechten zu
sehen; rechts knieen in betender Stellung der Patron von Gramm und links
seine drei Söhne. In den rechts an die Krönung Mariae sich anschliessenden
Kappen sind paarweise einander gegenfkberstehend Johannes, Jacobus der
Aeltere, Matthäus und Bartholomäus dargestellt; links davon folgen Paulus,
Petrus, Jacobus der Jüngere und Judas Thaddäus. Die übrigen Apostel und
einige Heilige sind an den Wänden zu sehen. Das Rankenwerk der Flächen
'^ flott gezeichnet (vers^. Fig. 14 und 15; Fig. 16 zeigt den Zustand des Chors
^Tor der Wiederbersteilaog')- I<n Schiff zeigen ^ch die Gem&lde des Christophorus
""ut dem Jesusknaben und des St. Georg, welcher den Drachen tötet, sämmt-
tiche Figuren sind mit scharfen Umrissen gezeichnet.
Die 1664 gefertigte Emporenbrüstung dient jetzt als Vertäfeluug der Emporen-
Sakristei. brttBtmig.
Die 1,13 m im Durchmesser grosse Glocke hat zwischen zwei Ornament- Glocke,
pfeifen am Halse die Lapidarinschnft:
Gegossen von C ■ Ä ■ Becker und H ■ L ■ Damm in Hildesheim.
Auf der Mitte einer Seite steht die dräizeilige Inschrift:
. Bey Gott ist kein Ding unmöglich ■
G - H ■ Kuhlemann Pastor
■ Kirchspiel Horst 1816 -
Flg. II. Kircbe In Klrchhor
Ein einfacher Grabstein, mnen in die Nische der Ostwand eingeUssen,
trägt ein erhabenes, gothisches Kreuz ohne jede Bezeichnung.
Auf dem Kirchhof befinden sich 17 meist gut erhaltene und bemerkens-
werthe Grabsteine. Der Grabstein des Pastors Bemhardus Bokelman,
gestorben 1615, und seiner Gattin Margreta Poppen, gestorben 1621, zeigt in
seinem obo^n Tbeile unter zwei sich berührenden Banken Christus am Kreuz,
darunter die knieende Familie, links zwei Männer und einen Knaben, rechte
vier Frauen, und je ein Wappenschild zu beiden Seiten.
Zwei der zweiten H&lfte des XVII. Jahrhunderts angehörende Grabsteine
zeigen ebenfalls in ihrem oberen Theile den Gekreuzigten und darunter stehend
die Familie oder das Ehepaar, im unteren
unter einem Engelskopf mit grossen Schwin-
gen eine Lapidarinschrift in schöner Barock-
umrahmung. Es sind dies der Grabstan
des Pastors Berhardus Bokelman, gestorben
1676, mit zwei oben angebrachten Wappen
und der des Berendt Deneken zur Horst,
gestorben 1680, mit der Bezeichnung des
Künstlers H^ (Hans Jakob Uhle in Han-
nover) und dem Datum der Anfertigung 1681
(Fig. 17).
Aus dem Ende des XVIL Jahrhunderts
stammen zwei interessante Kindei^rabsteine,
der eines Mädchens und eines Knaben, auf
denen ein E^gel das Kind umfasst, um es
zum Himmel hinauf zu fithren; auf letzterem
ist neben der Gruppe ein kleiner schmaler
Crucifixus angebracht.
Zwei Grabsteine mit Barockomament
zeigen den Entschlafenen in ganzer, fast
leben^p*osser Figur, den Hut unter dem
Arm, in der Hand die Handschuhe. Der
eine der beiden ist dem Hans Greten aus
der Alten Warmbüchen, gestorben 1734, ge-
setzt; der Verstorbene hält in der Rechten
eine Rose.
Von besonderem Interesse sind die
15. .s. Ki,.i. » iii,a,bo„.i o,.w.... ^^ij^^ ^^^ Bildhauer Baniewilz gefertigten
Grabsteine. Der Grabstein des Cordt
Rudolph Rfineke in Stelle, gestorben 1737, zeigt den Verstorbenen in ganzer
Figur, Hut und Handschuhe ip der Linken, die Rechte im Busen. Der
Grabstein des Hanns Heinrich Rahlwes {Fig. 18) war ursprünglich farbig
behandelt und ist letzthin neu bemalt worden. In seinem oberen Theile
ist Jakobs Traum von der Himmelsleiter dai^estellt. In den Wolken
erscheint in einer Strahlenglorie auf einem dreieckigen Schilde der Name
Gottes in hebräischer Schrift. (Das Hebräische ist nicht ganz richtig.)
Der untere Theil enthält, von hübschem Rokokomuschelwerk umrahmt, die
Inschrift:
-«-8 67 8^
Hier ruhet in Gott,
der Jungeselle
Hanns Heinrich Rahlwes
ist gebohren A : 1736. d : 20. Junij • sein
Vater ist, Heinrich Rahlwes.
seine Mutter war,
Margaretha Könige.
er ist gestorben, 1758. d:5.
MsBrtz Alt 21.
Jahr 8. Monat
Auf der Rückseite steht folgende Inschrift:
Grab Schriflft.
Hiob. 14. C:V:1. 2.
Der Mensch vom Weibe gebohren, lebet
kurtze zeit, und ist voller Unruhe.
Stehet auf wie eine Blume, und
fället ab; Fleucht wie ein Schatten,
und bleibet nicht.
Gutte nacht ihr meine Freunde; All ihr
meine lieben. Alle die ihr um mich weinet,
Lasset euch nicht Betrüben, Diessen
abtrit den ich thue. In die Erde Nieder,
Schauet die Sonne gehet zur Ruhe;
Kommt doch Moi^en wieder.
Darunter Muschel werk im Flachrelief.
Der kleine, mit Barockomament verzierte Grabstein des Garolus Henricus
Elapperott trägt unter einer Krone in emer Umrahmung die Lapidarinschrift:
Carolo Henrico
Klapperott
Optimse indolis ac • magnse spei
Filiolo ad maiora Aö 1736 d : 17 Ap :
Nato ad maxima ad coelestia
Aö 1739. d: 14 Feb: mortis
PrsBmatur» beneficio promoto
MHP.F.
Moestissimi parentes
A. L. Klapperott
Past. Horstensis
A. C. D. Wehrmannen.
Auf dem kleinen, mit Rokokoornament verzierten Grabstein des 1751
geborenen und 1752 gestorbenen Peter Brandes in der Grot Horst ist das Kind
in ganzer Figur mit Blumen in den über dem Leib gefalteten Händen dargestellt.
Der grosse Grabstein des 1756 gestorbenen Pastors Anton Ludolph Klapprot
zeigt schönes, mit Blumen untermischtes Rokokoomament. Die Lapidarinschrift
9*
des oberen Theiles ist auf einer Erhöhung in Gestalt eines Tuches angebracht,
welches von einem Ei^I gehalten wird.
Auf einem der Mitte des XVm. Jahibunderts angehörenden Grabstein
sehen wir einen Knaben und ein Mädchen, welche ein Engel zum Himmel
emporfOhrt. Der Grabstein der 1766 gestorbenen Dsabey Volckmers ist vom
Bildhauer J. Völcke gefertigt und zeigt oben den Auferstandenen Ober den Wolken.
Flg. 19. Klrclie tn Klrebhont; OribmaL
Drei Grabsteine aus dem Anfang des XIX. Jahrhunderts mit charak-
teristischer Bekrönimg sind einfach gehalten. Es sind die Grabsteine des
Barthold Heinrich Grethe, unten bezeichnet .A. W. B. 1808.*, der des Jürgen
Heinric Kracke, Schullehrers zu Altwarmbücben, gestorben 1818, und der des
Joban Heinrich Cahmann.
Die grosse, nur mit einer Lapidarinschrifl bedeckte, mftchtige Grabplatte
des August Christoph Gottlieb Hoflrnann gehört dem XVIU. Jahrhundert an.
Das sehr schöne, farbig behandelte Renaissance-Grabmal der Familie
T. Gramm (Fig. 19) ist aus Holz gefertigt und an der inneren Nordseite des Chores
aufhängt. In der Bekrönung steht: ,Fatvm mmdi*. Darunter bemerken wir
zwei Wappen mit der Bezeichnung t. Gramme und v. Veitheim, sowie die Jahres-
zahl 1579. Das Haaptbild zeigt zwei betende männliche Figuren — v. Cratnm,
Vater und Sohn — und die Gemahlin des ersteren, eine geborene t. Veltheim,
Darüber befindet sich zwischen zwei SAulen das Bild der heiligen Dreieinigkeit.
Zwischen beiden Bildern ist zu lesen: ,Patroni . eccle^e . huius*. Die noch
vorhandenen Wappen sind bezeichnet:
V. Schleinitz. v. Rautenberg.
T. Heimbui^. v. Rheden.
T. Moeochliausen. v. Harenholz.
V. Heringen. t. Moenchhausen.
V. StuUCTheim. v. Schulenburg.
ng. XI. Ktrob« In KiTCbborst; ■ItiThflr.
Ein silberner, inwendig vei^oldeter, 21,4 cm hober Kelch mit fünffach Kelche.
getheiltem, reich profiliertem Fuss zeigt gewundene, vertiefte Unienverzierungen
und trägt oben an dem glatten, halbkugelfönnigen Becher mit geschweiftem
Rande die aus eingestochenen Punkten bestehende Inschrift:
Voltmer Vollmers : Ilsabe . Vollmers.
Gbr : Ebelings . Ao. 1770 : .
Am Rande des Kusses ist als Zeichen ein Kleeblatt, darunter die Zahl 19,
femer ein C und in rechteckiger Vertiefung der Name Schmidt zu sehen.
Die zubeh6rige silberne Patene tragt auf der Rückseite die aus ein-
gestochenen Punkten bestehende Inschrift:
,V ■ Vollmers : • I : Vollmers • Gbr : Eblings : ■ Ao. 1770'.
Der kleinere, 14,2 cm hohe, silberne Kelch, dessen Becher Irichter-
fOrmie ist, trägt auf den Zapfen des kugeligen, mit moasswerkähnlichen
-<^ 70 8-*-
Verzierungen versehenen Wulstes den Namen Ihesvs in Lapidaren. Auf einem
Blatte des sechstheiligen Fusses mit vertikalem, schön verziertem Rande sind
die Buchstaben B. H. und das Gewicht verzeichnet.
Der 16 cm hohe, silbervergoldete Kelch mit zubehöriger Patene hat
einen glatten, runden Fuss mit gebuckeltem, vertikalem Rande, runden Schaft,
kugeligen Wulst mit Maasswerkverzierungen und sechs runden Zapfen, sowie
emen Becher, welcher aus der Halbkugel in die Trichterform übergeht.
Die Patene hat ein Weihekreuz auf schraffiertem Grunde und in der
Vertiefung einen eingeritzten grossen Vierpass.
Patronatsstnhl. Der aus dem XVII. Jahrhundert stammende, mit Holzgittem und Fratzen
versehene Patronatsstnhl ist jetzt zu einem Paramentenschrank eingerichtet.
Taufengel. Ein in Barockformen gehaltener, bemalter Taufengel mit einer Messing-
muschel in der Rechten hängt in einer Ecke der Sakristei.
Tbür. Der Durchgang von der Vorhalle zum Schiff wird durch die alte,
eichene Thür (Fig. 20) verschlossen, welche mit starkem Eisenbeschlage und
Nägeln reich versehen ist. Sie ist mit fünf Bändern besetzt, von welchen das
oberste und unterste mit vertieften Linien in einfacher Weise verziert sind. Auf
Elle, der Rückseite ist die alte eiserne Normalelle angebracht.
Lehrte.
Kirche.
Litteratur: Doebner I — ^V und VII-, Janicke; Sudendorf; Lüntzel, die ältere
Diöcese Hildesheim; Regenten -Sahl 16d8; Manecke II; von Hodenberg, Pagus Flutwide,
Lenthe's Archiv VI; Bertram, Geschichte des Bisthums Hildesheim I; Böttger, Diöcesan-
und Gau-Grenzen; Kayser, Kirchenvisitationen 1897; Mithoff, Kunstdenkmale lY; derselbe,
Eirchenbeschreibungen; Weber, die Freien bei Hannover 1898; Heise, die Freien; daselbst
eine Wiedergabe des Grabsteins des Bartheld Molsen; Kniep, die Freien vor dem Walde,
Hann. Geschichtsbl., 8. Jahrg.
Quellen: Urkunden des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover; Kirchenbuch zuHaimar.
Geschichte. Der im grossen Freien belegene Ort, welcher am 1. April 1898 Stadt-
rechte erlangte, gehörte ehedem zum Archidiakonat Lühnde im Pagus Hastfiala.
Er war einer der Grenzorte des letzteren gegen den Pagus Flutwide. Nach
der Bestätigungsurkunde der Besitzungen und Privilegien des Bartholomäus-
stiftes von Seiten Bischof Bemhard's vom 13. October 1147 übereignete Odelricus
canonicus sancte Crucis ,ad utiUtatem fratrum^ .in Lereht decimam viUe*.
Das Patronatsrecht über die Kirche in .Leerthen' (»Leerthe') stand seit Alters dem
Michaeliskloster in Hildesheim zu und wurde 1302 vom Bischof Siegfried aus-
drücklich anerkannt, welcher sich zugleich im genannten Jahre aller Ansprüche
I
I HHg 71 8^
I
bezüglich derselben begiebt. Im Jahre 1352 löst der Hildesheimsche Bischof
Heinrich die Bürger von .Lerethe* aus dem Parochialverbande der Kirche in
yStenwede' und bestimmt, dass die Kapelle zu «Lerethe'' «pro se sit beneficium
et ecclesia parrochialis specialemque Rectorem habeat*. 1366 erklärt der Bischof
Gerhard von Hildesheim, dass er auf Bitten des Herzogs Wilhelm von Braun-
schweig und Lüneburg die «Capellam in villa Leerthe • • • ab ecclesia sua matrice
in Stenwede* eximiert, dieselbe ,a jure parrochiali spirituali quo eidem ecclesie
in Stenwede et eins Rectori astricta fuerat' befreit imd ihr selbst Parochial-
rechte verliehen habe (.vt ipsa. Ecclesia in Leerthe per se parrochia existat')*
Doch solle sie eine Rekognitionsgebühr von vier Schilling Hildesheimscher
Pfennige an den Pfarrer in «Stenwede* alljährlich zu Michaelis bezahlen.
1604 gab die Kirche zu Haimar zum Bau des Thurmes zu Lehrte 16 rthlr.
Die 1815 neu ausgebaute und anfangs der achtziger Jahre zur Schule Beschreibnng.
Yt)llständig umgeänderte Kirche besteht aus Schiff, Chor und Westthurm.
Das rechteckige Schiff und der rechteckige schmalere Chor sind aus Ort- Schiff,
steinen erbaut ; der Sockel und das Gesims zeigen noch die alte steile Hohlkehle. Chor.
Der fast quadratische, aus Ort- und Bruchsteinen erbaute Westthurm Thurm.
mit Backsteinsockel hat im Korbbogen geschlossene Schallöffhungen, auf der
Westseite eine flachbogige Eingangsthür und einen ins Achteck übergeführten,
schlanken, beschieferten Helm.
Zwei hohe Zinnleuchter der neuen Kirche zeigen am Fuss in recht- Altarlenchter.
eckiger Umrahmung die Inschrift: ,1 H A Wubbers Hofzinngiesser' und in
länglich runder Umrahmung einen Engel mit Waage und Palme und der Umschrift:
,J H A Wubbers Hannover 1775.*
Ein kleiner zinnerner Crucifixus des XVL Jahrhunderts auf neuem Cmcifixus.
Kreuz steht auf dem Altar der neuen Kirche und ist aus der alten entnommen.
Die 1,07 m im Durchmesser grosse, stark beschädigte Glocke trägt Glocken,
den Namen des Pastors August Ehrhart und zwischen zwei Omamentstreifen
am Halse die Lapidarinschrifl :
Gegossen von H-L-Damm* in Hildesheim Anno 1814.
Die andere 1,01 im Durchmesser grosse Glocke wurde im Jahre 1638
durch M. Pawel Vos in Lüneburg gegossen. Sie trägt am Halse unter zwei
Omamentstreifen zwischen riemenmrtigen Erhöhungen eine zweizeilige, unsaubere,
stark verwischte Inschrift, aus welcher das Entstehungsjahr und der Name des
Giessers hervorgehen.
Besonders bemerkenswerth sind fünf schöne, neuerdings aufgebesserte Grabsteine.
Grabsteine.
Der Grabstein des 1668 gestorbenen Hinrich Kracken zeigt in seinem
ober^i Theile den Gekreuzigten, darunter links den Gatten, rechts die Gattin,
im Hintergrunde eine Stadt und im unteren Theile unter einem beschwingten
Engelskopf eine Lapidarinschrift in guter Barockumrahmung.
Ein zweiter Grabstein ist der 1679 gestorbenen Dorothea Stiers gesetzt.
Im oberen Theile ist in der Mitte der Gekreuzigte zu sehen, links das
Wappen des Mannes und darunter er selbst mit den drei Söhnen, rechts das
-^ 72 »^
Wappen der Frau und darunter sie selbst mit den fünf Töchtern. Der untere
Theil trägt unter einem Engelskopf mit grossen Schwingen eine Lapidarinschrift
in Barockumrahmung.
Von Interesse ist der für die kriegerische Tracht der Freien bezeichnende
Grabstein des Bartheld Molsen. Unter einer Spätbarockbekrönung sehen wir
einen Mann in fast voller Lebensgrösse, mit wallenden Locken, die Rechte
im Busen, den Hut unter dem linken Arm, in der Hand die Handschuhe, an
der Seite den Degen. Darunter steht die Lapidarinschrift:
Aö 1680 ist Bartheld Molsen zu Lehrte auff diese Welt gebohren seyn
Vater ist Oswald Molsen die Mutter Anna Eilers und Ao 1709 den
15 Septemb im Herrn sehlig entsghlaffen seines Alters 29 Jahr dessen
Seel ruhet in Gott.
Der Grabstein des Osewaldt Molsen, geboren 1655 und 1712 gestorben,
zeigt in der Barockbekrönung einen Spruch und das Lamm, auf dem
Stuhle sitzend. In der Mitte sehen wir den Gekreuzigten, darunter die
ßieben Söhne und vier Töchter und das in Leichengewänder gehüllte Ehepaar
in Särgen liegend. Unter zwei beschwingten Engelsköpfen ist in schöner
Barockumrahmung eine Lapidarinschrift eingemeisselt.
Der fünfte Grabstein ist dem Heinrich MoUsen, Eirchenvorsteher zu
Lehrte, 1755 gestorben, gewidn^et. Im oberen Theile sehen wir imter einem
schwebenden Engel, welcher die Posaune bläst, links den Gatten und die fünf
Söhne, sämmtlich die Rechte im Busen, unter dem linken Arm den Hut und
in der Hand die Handschuhe, rechts die Gattin mit den beiden Töchtern.
Kelche. Von den beiden silbervergoldeten Kelchen zeigt der grössere mit
trichterförmigem Becher auf dem sechstheiligen Fusse die aufgeheftete Kreuzigung
und am untersten Gliede des Fusses einen senkrechten, von Vierpässen durch-
brochenen Rand. Der kugelige Wulst trägt Maasswerk und auf den sechs
Zapfen in gothischen Kleinbuchstaben die Inschrift: .ihesus". Am oberen
Theile des Schaftes ist .help got^, am unteren «maria' zu lesen.
Der kleinere Kelch zeigt auf den sechs grün emaillierten Schildchen des
mit Maasswerk versehenen kugeligen Knaufes in gothischen Kleinbuchstaben
den Namen Jhesvs und auf dem runden Fusse einen Crucifixus auf eingraviertem
Kreuz und daneben in vertieften Linien einen betenden Mönch. Der Becher
geht aus der Halbkugel in die Trichterform über, der Schaft ist rund. Eine
silbervergoldete Patene mit Weihekreuz auf schrafiiertem Grunde.
Mellendopf.
Kirche.
Litteratur: Sudendorf; Doebner VI; LUntzel, die ältere Diöcese HildeBheim ;
von Hodenberg, Lüneburger Urkundenbuch V ; derselbe, Lllneburger Lehnregister; Wipper-
mann, Bakki-Gau; Manecke II; Holseher, Beschreibung des Bisthums Minden; Btfttger,
-^ 73 8^
DiOcesan* und Gau-Grenzen; Schulz, Bissendorf, Hannor. Geächichtsbl., 4. Jahrg.; Kayser,
Kirchenvisitationen 1897; Mithoff, Kunstdenkmale IV; derselbe, Kirehenbeschreibungen;
Zeitschr. d. hist Yer. f. Niedere. 1885; GrUtter, der Loingau, Hannov. GeschichtsbL, 8. Jahrg.
Quellen: Urkunden des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover; GrUtterscher Kachlass
im Stadtarchiv ebendort; Pfarmachrichten zu Mellendorf.
Der Kirchort Mellendorf westlich der Wietze gehörte seiner Lage nach Geschichte.
ehedem zum Mindener Archidiakonat Mandelsloh und war im Loingau belegen.
Er ist ohne eingepfarrte Ortschaften und hat vormals wahrscheinlich zur
Parochie Bissendorf, wohin noch bis in die neuere Zeit zwei Höfe eingepfarrt
wareUf gehört. Den Pfarmachrichten zu Folge ist die Kirche zu Melendorp,
Mellhigendorpe, bis dahin Filial zu Bissendorf, von einem kinderlos verstorbenen
Herrn von Melliendorf als Pfarrkirche gegründet worden. Bei den in der
Zeit von 1330 bis 1352 von den Herzögen Otto und Wilhelm vorgenommenen
Belehnungen erhielten Heinrich (?) und Johann von Escherde »twe scok mäste
?an dem meger houe to Melinghedorpe*" und Reiner von Escherde »den
meyerhof to Melinghedorpe mit dem kerclene darsulues**. 1360 bekam Ludolf
Campe vom Herzog Wilhelm ,den tegheden to Melinghedorpe '• 1487 war
Johannes Lindemann Viceplebanus in »Melliendorppe*. Das Güter- und Renten-
verzeichniss der Kirche zu »Melliendorppe'' vom Jahre 1529 nennt an Gütern
folgende: ,Item dat hoghe altare [dem St. Georg geweiht] myt der kledie
11 kelcke de en vorguldet dat ander ein klein sulueren / / Ein Munstrancie X VIU
golden wert noch 1 is sodenmissinck / / Ein oltgulden stucker / / noch ein bunt
siden is thoreten vnde ander alt tugh is samtlick bisloten Ein Hantuert [gemeint
ist wohl Hantwerk] // Marien Rock itlicke spanghen dar vppe mit der krönen
vnde der anderen hilghen Glenodia sin besloten / / II luchter 11 clene klocken / /
Item noch II altare gheblotet vnde bighelecht vnde der luchthe bighelecht / / Vp
dem thome II klocken vnde Ein clene klocke^. 1628 wird eine Uhrglocke für
79 Gulden angeschafft, 1640 eine Uhr für 55 rthlr. 22 Mgr. Der Pastor
Bruno Henstorff; 1634—1657, l&sst eine grosse Glocke giessen. Eine bereits
Tor dieser vorhandene, grosse Glocke war zur Erlegung einer Brandschatzung
nach Wienhausen gekommen. 1661 wird eine Prieche, 1714 die Sakristei und
1715 der Altar nebst Kanzel gebaut. Ein Inventar vom Jahre 1773 nennt von
Geräthen unter anderem zwei metallene Leuchter, ein Grucifix, einen silber-
vergoldeten Kelch mit Patene, einen kleinen zinnernen Kelch mit Patene, eine
zinnerne Giesskanne, eine zinnerne Oblatenschachtel und eine kleine zinnerne
Flasche zur Krankenkommunion. 1833 wurde zum ersten Mal eine altgekaufte
Orgel gespielt, 1834 das Gestühl renoviert und vermalt, sowie der Thurm neu
gegründet, um 1894 durch einen Neubau ersetzt zu werden. Nach Manecke
gehörte der Zehnte von diesem Dorfe, von Bennemühlen und Hellendorf denen
Ton Bobers.
Die alte Altardecke, welche Mithoff beschreibt, und der hölzerne Tauf-
engel sind nicht mehr vorhanden.
Die Kirche besteht aus Schiff mit Sakristei im Osten, Chor und neuerem Beschreibung.
Westthurm.
10
Altar.
Altarleuchter.
-^ 74 «•<-
Schiff. Das aus Ort* und Backsteinen erbaute, mit hölzernem Hauptgesims ver-
^^^^' sehene Schiff ist im Osten durch das halbe Achteck geschlossen. An den
Ghorecken befinden sich Tier, an der Nordseite drei und an der S&dseite sechs
Strebepfeiler. In einen derselben ist die Jahreszahl MCGCGXGVII eingemeisselt.
Das Innere wird durch drei rechteckige Kreuzgewölbe aus Backsteinen und
durch das Ghorgewölbe, sämmtlich mit rundem Schlussstein, abgeschlossen; die
Rippen zeigen das Bimstabprofil. Zwischen den beiden westlichen Gewölben
befindet sich ein breiter Bogen. In der Südwand liegt die jetzt zugemauerte,
spitzbogige Eingangsthör. Die Fenster in den Langseiten und im Chor sind
im Wesentlichen ebenfalls spitzbogig; vollständig unberührt von späteren
Aenderungen sind jedoch nur die Ghorfenster geblieben, welche aussen feine, spät-
gothische Profile und innen den doppelt zurückgesetzten ^ertelstab haben. Die
im Osten angebaute, mit abgeschrägten Ecken versehene Sakristei ist aus Fachwerk
errichtet und trägt über der Thür die Inschrift: «Anno 1714".
Auf dem massiven, mit Platte und Schräge aus Sandstein abgedeckten
Altar erhebt sich die hölzerne Altarwand mit eingebauter Kanzel zwischen zwei
Säulen mit verkröpftem Gebälk. Sie trägt die Merkmale des Regencestiles in
schöner Ausführung.
Zwei gleichgrosse, auf drei Füssen ruhende, 0,28 cm hohe Altarleuchter
aus Bronze zeigen gothische Auffassung und haben einen walzenförmigen
Schaft mit rundem Knaufe. Sie tragen oben die Lapidarinschriften:
Diese beiden • Levchter • hat • Albert . Thies • vnd Dorotia • Svrings • der •
Kirchen • zv • Melliendorf • vorehrt • zvm • Gedechtnvs •
und
H • Brvno • Honstorp • Pastor • zv • Melliendorf • Hans Wichmans • vnd •
Jvrgen Beschenbostel Kirchen • Juraten • zv Melliendorf*
Die 1^02 m im Durchmesser grosse Glocke hat am Halse zwischen
Riemchen und unter einem Omamentstreifen die Lapidarinschrift :
Komt • last uns anbeten • und • knien • und • niderfallen • F • H •
darunter als Hochbild einen Mann, welcher die Harfe spielt.
In der Mitte sind zwei vierzeilige Inschriften angebracht, in welcher
Vogt, Pastor, Küster und Juraten angegeben sind. In der Unterbrechung eines
Omamentstreifens am Rande ist zu lesen:
Joh • Heinr • Christ • Weidemann • goss mich • Hannover • 1765 •
Ein Kelch aus Zinn hat am Becher eine Inschrift mit der Jahreszahl 1739«
Das einfache Taufbecken aus Messing von 0,29 m oberem Durchmesser
stammt laut Inschrift aus dem Jahre 1638.
Glocke.
Kelch.
Taufbecken.
•<-l 75 8«-
Negenbopn.
Kapelle.
Litteratnr: Origines Guelficae; Treuer, GeBchlechts- Historie der Herren
von Münchhaasen, Anhang; Sndendorf; Doebner II, Personenregister nnd Y, Register;
von Hodenberg, Calenberger Urkundenbnch I; derselbe, Archiv des EJosters Walsrode;
derselbe, Pagus Flutwide, Lenthe's Archiv VI; Urknndenbach der Stadt Hannover; Lüntzel,
die ältere DiOcese Hildesheim; Grupen, Origines et Antiqnitates Hanoverenses; Bertram,
Geschichte des Bisthnms Hildesheim I; Manecke II; Holscher, Beschreibung des Bisthums
Minden; Böttger, Diöcesan- und Gan-Grenzen; Kayser, Kirchenvisitationen 1897; von Ben-
nigsen, Beitrag zur Feststellung der DiOcesangrenzen, Zeitschr. d. bist. Ver. f. Kieders. 1863;
ebendort 1857; Hithoff, Kunstdenkmale lY; derselbe, Kirchenbeschreibungen.
Quellen: Urkunden des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover; Grütterscher Nachlass
im Stadtarchiv ebendort; Aufzeichnungen bei den Kapellenrechnungen in Negenbom;
Pfarmachrichten zu Meilendorf.
Das im Loingau belegene, zum Mindener Archidiakonat Mandelsloh Geschichte.
gehörige Dorf ist nach Breiingen eingepfarrt. Im Yerzeichniss der Celler
Schlosseinnahmen vom 12. November 1381 bis zum 31. Mai 1382 begegnet es als
«N^enbome*. Als Asche von Mandelsloh und seine Brüder am 6. Mai 1493
den Liebfrauenaltar in der BCirche zu Mandelsloh stiften, begaben sie ihn unter
Anderem mit «XXIIII gülden van dem samtgude to Negenbom und in der
Surser molen, dat steit von dem Schwentzer*". Zur Zeit des Pastors Michael
Müller, 1670 — 1711, wurde die Kapelle, welche «viel ihar lang wüst und baw-
Mig gestanden, und fast bey Menschen-gedencken der Gottesdienst nicht darin
verrichtet*, «wieder gebessert und in zimblichen stand gebracht". Dies wird
im Jahre 1696 geschehen sein.
Bezüglich der wahrscheinlich nach unserem Ort benannten Familie sei
bemerkt, dass ein Johannes de Negenbumen in einem Yerzeichniss von Adligen
1297 genannt wird.
Die im Jahre 1696 erneuerte, aussen 5,7 m breite und 14,2 m lange, Beschreibung,
im Osten mit grossen abgeschrägten Ecken versehene Fachwerkskapelle ist von
einem Pfannendache mit westlichem Dachreiter bedeckt. In der in neuerer Zeit
errichteten massiven Westwand liegt die Eingangsthür. Die Fenster sind
rechteckig. Der Innenraum wird durch eine gerade, geputzte Decke mit
vorstehenden Balken und Holzkonsolen an den Seitenwänden abgeschlossen.
10»
-<«8 76 H-
Obershagen.
Kirche.
Litteratur: Lüntzel, die ältere Diöcese Hildesheim; Manecke II; Regenten-
Sahl 1698; Kayser, Kirchenvisitationen 1897; Nenes vaterl. Archiv 1823; Havemann I;
Hodenbergj Ltineburger Lehnregister; derselbe, Pagns Flntwide, Lenthe's Archiv VI;
Mithoffy Kunstdenkmale IV ; derselbe, Kirchenbeschreibungen; Gmpen, Origines Germaniae IL
Quellen: Akten des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover.
Geschichte. VY ie aus den vorhandenen Nachrichten hervorzugehen scheint, ist das
heutige, an der Aue gelegene Kirchdorf Obershagen um die Mitte des XIV. Jahr-
hunderts an die Stelle des sammt seiner Kirche vom Erdboden verschwundenen
Ortes Schomsteinshagen, welcher zwischen Dachtmissen und Hetelingen gelegen
haben mag, getreten. Ein Herr von Oberg soll der Erbauer gewesen sein.
Das nach Burgdorf eingepfarrte Dorf Sehomsteinshagen erhielt 1249 eine dem
heiligen Nikolaus geweihte Kirche. Die Gebrüder WuUbrand und Berthold
von Reden schenkten ihr 1307 20 Mark Bremischen Silbers, und die Aebtissin
von Quedlinburg bereicherte sie mit Dachtmisser Gütern. Bei den zwischen
1330 und 1352 vorgenommenen Belehnungen der Herzöge Otto und Wilhelm
erhielten Heinrich (?) und Johann von Escherde »de vogedie Bedingerdorpe vnde
Scorstenhagen*'. Femer bekam Reiner von Escherde ,to dem Obergeshagen dat
kerclen*. Von nun an schwindet der Name Schomsteinshagen. Bei der 1360 vom
Herzog Wilhelm vorgenommenen Neubelehnung erhielt Lippold von Escherde
,dat dorp Obergheshagen*. 1496 wurde Barteides Prediger. Aus dem Vokation&-
brief desselben ist ersichtlich, dass ihn die Aebtissin von Quedlinburg zur
Kapellanei von Dachtmissen bemfen, und der dortige Kaplan die Officia eines
Predigers von Obershagen mit versehen hat. Infolge der Reformation trat
eine Aendemng ein. Das liegende Gut der Kapelle wurde zum fürstlichen
Domanio geschlagen, das Einkommen an Zinsgefällen aber zum Theil dem
Prediger zu Obershagen zugewiesen. Ein interessantes Verhältniss ei^eben die
Aufzeichnungen in der ,,vthgaue'' der Kirche „tho Henyngsenn''; 1554 lesen
vnr daselbst: „2 grossen vnd 1 wittenn dem pastori thom Obergeshagen' ;
1565: „Dem pastori vp dem Obergeshagenn gegeuen einen daler vor sine
wege vnd arbeyth dat he tho vns kam do wy neuen pastor haddenn* ; 1572:
9 Dem pastor vp dem Obergeshagen VII kordtlinck so ome jarliches geboren*
und 1575: ,2 Mariengrossen vnd 2 gosler dem pastori thom Obergeshagen
so ome jarliches gehören". 1598 wird eine Glocke angeschafft. Die vor dem
jetzigen, 1843 auf den alten Sockelmauern neu erbauten Gotteshause vorhanden
gewesene Kirche trug die Jahreszahl 1661. 1737 wurde der Kirchthurm einer
grösseren Ausbesserung unterzogen. Die Kosten betrugen rund 82 Thaler.
Das Corpus bonorum vom Jahre 1811 nennt an Geräthen: 2 Altarleuchter,
1 Kmg, 1 grossen und 1 kleinen Kelch, 1 grossen und 1 kleinen Oblaten-
-^ 77 8^
teller, 1 Taufbecken, 1 Oblatenschachtel, 1 Flasche, sämmtlich von Zinn, und
1 Eüngebeutel von rothem Plüsch mit messingenem Glöckchen, wozu das
Corpus bonorum vom Jahre 1812 noch hinzufügt : 1 Altarumhang von geblümtem
.Gros de Tour', einen anderen von weissem Leinen sowie den Eanzelumhang
von rothem Bombassin mit weissen Fransen. 1812 barst die grüsste der Glocken.
1815 wurde ein Eirchensiegel angeschafft und 1817 ein grosser silberner
Kelch mit Patene, 41 (36) Loth schwer, vom Gold- und Silberarbeiter Mathae
(Matthias) in Hannover gefertigt. 1821 wurde der für sich gesondert stehende
Thurm gebessert und 1839 die Kirche geweisst.
Zwei 19 cm hohe Altarleuchter aus Messing zeigen nach gothischer Art Altarleuchter.
einen Knauf in der Mitte des walzenförmigen Schaftes.
O e 1 e p s e.
KapeUe.
Litteratur: Regenten - Sahl 1698; LUntzel, die ältere DiOcese Hildesheim;
Manecke II; Kayser, Eirchenvisitationen 1897; von Hodenberg, Pagus Flutwide, Lenthe's
Archiv VI; Mithoff, Kunstdenkmale IV; derselbe, Kirchenbeschreibungen.
Quellen: Urkunden des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover; Yerzeichniss der kirch-
lichen Kunstdenkmäler von 1896.
Das nach Sievershausen eingepfarrte Dorf begegnet in dem älteren Geschichte.
Zehnt-, Geld- und Fruchtregister des EHosters Wienhausen vom Ende des
Xm. Jahrhunderts als «Olerdessen' und wird daselbst vom Glossist des
XIV. Jahrhunderts zu «Mey" gerechnet. In einer Urkunde vom Jahre 1505 ist
von einer Wiese, ,vffe dem Schermbeke twischen Olerse vnnd Dolberge'
gelegen, die Rede. 1534 wird die Kapelle zu ,01res* genannt. 1773 wurde
die jetzige erbaut.
Die aussen 10,3 m lange und 6,6 m breite, mit einer Bruchsteinmauer Beschreibung.
auf der Westseite versehene, geputzte Fachwerkkapelle mit gerader geputzter
Holzdecke und vorstehenden Balken ist im Osten durch das halbe Achteck
geschlossen. Auf dem westlichen Ende des hier abgewalmten Pfannendaches
erhebt sich der mit Satteldach überdeckte Dachreiter. In dem Riegel der
Eingangsthür an der SQdseite ist die Jahreszahl 1773 eingeschnitten; ausserdem
befindet sich die Inschrift:
Anno 1801
in schwarzer Farbe oben an der sfidwestlichen Ecke der Mauer. Die Fenster
sind flachbogig.
Der aus dem Ende des XV. Jahrhunderts stammende, farbig behandelte, Altarschrein,
geschnitzte Altarschrein zeigt im Mittelstück Christus vor erhöhtem Kreuze stehend,
darunter zwei betende Figuren und seitlich davon eine Gruppe. In den beiden
Flügehi sind die Figuren der zwölf Apostel zu sehen.
Ein bemalter, hölzerner Grucifixus stammt aus dem Ende des Crucifixus.
XV. Jahrhunderts.
-*4 78 «-1-
Otze.
Kapelle.
Litteratur: Sudendorf; von Hodenberg, Lünebnrger Lehnregister; Lttntzel, die
ältere Diöcese Hildesheim; Regenten-Sahl 1698; Manecke II; Eayser, Kirchenvisitationen
1897; Neues vaterl. Archiv 1823 und 1824; Mithoff, Kunstdenkmale IV.
Quellen: Urkunden des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover; Verzeichniss der kirch-
lichen Kunstdenkmäler von 18%.
Geschichte.
Beschreibung.
Altar.
Altarleuchter.
Glasmalereien.
Glocken.
Das Dorf Otze ist seit Alters nach Burgdorf eingepfarrt. Bei den
zwischen 1330 und 1352 vorgenommenen Belehnimgen der Herzöge Otto und
Wilhelm erhielt Johann von Solvelde »to Ottessen enen meyger vnde de molen*.
1338 verpfänden die genannten Herzöge dem Kloster Ebstorf »to Otessen twene
houe*. 1339 verkauft Johann von Solvelde dem Werner von Otbemshusen
und dem Henning von Marenholz den Meierhof und die Mühle «to OteSsen*,
reserviert aber den Herzögen Otto und Wilhelm das Recht des Wiederkaufe.
Im Jahre 1418 belehnt der Abt Heinrich vom St. Michaeliskloster zu Hildesheim
den Henning Cordes zu «Otze" mit 42 Morgen Land, 6 Wiesen und 2 Hufen
in dem Dorf und auf dem Feld zu «Otze''. Das Visitationsprotokoll vom
Jahre 1543 besagt, die Kapelle zu Otze sei «belegen im kaspelde Borchtorp vnd
an dat husz Borchtorp gelecht''.
Die durch das ha,lbe Achteck im Osten geschlossene Backsteinkapelle
hat eine bemalte, mit spätgothischen Maasswerkschnitzereien versehene, gerade
Holzdecke. Die Fenster sind flach- oder spitzbogig geschlossen. Die in einer
Spitzbogennische liegende flachbogige Eingangsthür ist auf der Nordseite an-
geordnet. Unter dem Fenster der Ostwand ist aussen eine flache, rechteckige Nische
sichtbar. Das Mauerwerk ist mit glasierten Köpfen untermischt, auch bestehen
die Schrägen in den Chorfenstem aus Glasuren. Ein Theil der Ostabwalmung
ist mit Mönchen und Nonnen, die übrige Dachfläche mit Pfannen gedeckt.
Auf dem massiven Altartisch steht der einfache, mit drei Kielbögen
und spätgothischem Maasswerk verzierte Flügelaltar mit drei Figuren, darunter
Christus und Maria.
Zwei Altarleuchter aus Messing haben einen walzenförmigen Schaft nach
gothischer Art.
Drei kleine, länglich runde Glasmalereien sind in die Bleiverglasung der
Fenster eingesetzt; auf der ersten ist ein Wappen mit der Unterschrift:
Johan Schvltze • 1645
auf den beiden anderen sind Petrus und Andreas zu sehen. Ausserdem ist noch
eine Malerei — Christus am Kreuze — vorhanden.
In dem mit etwa 50 cm Zwischenraum vor der Mitte der Westwand
errichteten hölzernen, mit Mönchen und Nonnen gedeckten, viereckigen Glocken-
-^ 79 8^
thurm hängen zwei Glocken. Die erste mit einem Durchmesser von 82 cm
trägt zwischen zwei Omamentstreifen am Halse die Lapidarinschrift:
Lobet den • Herrn mit hellen Cymbeln • Lobet ihn mit wohl-
klingenden Cymbeln.
Auf der Mitte der einen Seite ist zu lesen:
Johann Meyer Eönigl.
Stück Gieser in Gelle
goss mich. 1763.
Die gegenüberliegende Inschrift lautet:
Singet Gott! Lobsinget seinem Nahmen
Machet Bahn dem der da sanft herfäret
Er heisset Herr! Und freuet euch vor ihm.
Sämmtliche Buchstaben sind Lapidare. An einzelnen Stellen sind
Omamentstücke mit figürlichen Darstellungen angebracht.
Die kleinere, 79 cm im Durchmesser grosse Glocke hat in gothischen
Kleinbuchstaben am Halse zwischen zwei Riemchen eine zweizeilige Inschrift
mit der Jahreszahl 1461.
Ramlingen.
KapeUe.
Litteratur: Lüntzel, die ältere Diöcese Hildesheim-, Manecke 11; Begenten-
Sahl 1698 ; Kayser, Kirchenvisitationen 1897 ; von Bennigsen, DiöcesangreHzen, Zeitschr. des
hiBt Ter. f. Nieders. 1863; Mithoff, Kunstdenkmale IV.
Quellen: Urkunde des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover; Verzeichniss der kirch-
lichen Ktinstdenkmäler von 1896; Schul chronik in Ramlingen.
Ramlingen, auch Rammeln, war ehedem einer der Grenzorte der Geschichte.
Diöcese Hildesheim gegen die Diöcese Minden und ist seit Alters nach Burgdorf
eingepfarrt. Eine Urkunde vom Jahre 1509 handelt von einem Vertrag zwischen
den Herzog Heinrich dem Jüngeren, denen von Dagevorde und sämmtlichen
Einwohnern des Dorfes «Ramling tho Borchtorp tobehorich*. Das Visitations-
protokoll vom Jahre 1543 besagt, die Kapelle «tho Ramlingesze* sei i, belegen
im kaspelde Borchtorp vnd an dat husz Borchtorp gelecht'. «Der Dorfzehnte
gehört denen von Lüneburg zu Waatlingen.'' [Manecke.]
Die durch das halbe Sechseck im Osten geschlossene, einfache Fach- Beschreibung.
werkkapelle von 12,5 m äusserer Länge und 6,3 m Breite hat ein im Westen
abgewalmtes Dach mit viereckigem Dachreiter im Westen. Die glatte Bretter-^
decke ruht an den Seiten auf schlichten Holzkonsolen. Eingangsthür und
Fenster sind rechteckig. Ueber der Tliür befindet sich auf einer besonderen
Tafel die Inschrift:
Kommt lasst euch den
Herren lehren.
Anno 1698.
Altarleuchter.
Bildwerke.
Gemälde.
Glasmalerei.
Kanzel.
-^ 80 X^
Die beiden Altarleuchter haben nach gothischer Art drei Fasse und
einen walzenförmigen Schaft mit drei Knäufen.
Drei aus Holz geschnitzte Bildwerke werden hinter dem Altar auf-
bewahrt. Das erste, eine handwerksmässig gearbeitete Heiligenfigur mit einem
Buch in der Linken^ stammt aus dem Anfang des XV. Jahrhunderts, das zweite,
Maria mit dem Leichnam Christi, sowie eine leidlich gefertigte Bischofsfigur
mit fehlenden Armen aus dem Anfang des XVI. Jahrhunderts.
Ein Oelgemälde, 26,5 cm breit und 35,5 cm hoch, zeigt Christus am
Kreuz mit der klagenden Mutter. Auf der Rückseite steht der Name des
Künstlers Brüggemann und darunter auf dem Holzrahmen die Jahreszahl 1782.
Eine Glasmalerei ist in ein Fenster der Nordseite eingesetzt. Sie enthält
Wappen imd Namen des fürstlich Braunschw. Lüneburgischen Amtmanns zu
Burgdorf H. Philip Günter Rimpau.
Die über dem Altar stehende Kanzel gehört dem XVII. Jahrhundert an.
R e t h m a p.
Kirche. Herrenhaus.
Litteratur: Doebner I, II, V und VI; Janicke; Sudendorf; Lüntzel, die
ältere Diöcese Hildesheim; Manecke II; Regenten - Sahl 1698; von Hodenberg, Ltine-
burger Lehnregister; Böttger, DiOcesan- und Gau -Grenzen; Nolte, die Salzburger in
Rethmar, Zeitschr. d. bist Yer. f. Nieders. 1876; Kayser, Kirchenvisitationen 1897;
Bertram, Geschichte des Bisthums Hildesheim I; Havemann; Mithoff, Kunstdenkmale IV;
derselbe, Kirchenbeschreibungen; Weber, die Freien bei Hannover 1898; Heise, die Freien;
Heraldische Mittheilungen 1897; von Orgies- Rutenberg, Geschichte der von Rutenberg und
von Orgies gen. Rutenberg, Dohlen 1899.
Quellen: Urkunden des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover; Yerzeichniss der kirch-
lichen Kunstdenkm&ler von 1896; Kirchenrechnungen zu Rethmar; Pfarmachrichten ;
Geschichtliche Notizen des Herrn Grafen von der Schulenburg- Wolfsburg.
Geschichte.
Das im grossen Freien belegene Dorf gehörte vormals zum Archi-
dlakonat Lühnde (»De banno Luende'') und zum Pagus Hastfala. Bereits das
Ende des XII. Jahrhunderts bringt sichere Kunde von dem Vorhandensein des Ortes.
Am Schluss des Güterverzeichnisses der Obedienz Ludengers aus dieser Zeit
lesen wir nämlich: «Mansi duo, unus in Huiringe, I solidus, alter in Rethmeer**
1306 ist ein „Thidericus plebanus in Rethmere' (sacerdos) Zeuge; es ist
vielleicht derselbe Thidericus, welcher 1311 ebenfalls als „plebanus in Retmere*
aufgeführt wird. Im Jahre 1332 verpflichten sich Siegfried von Rutenberg und
seine Söhne Siegfried und Hildemar nebst anderen Rittern und Knappen dem
Hildesheimschen Rath zu gegenseitigem Beistand auf 20 Jahre. Sie standen mit
diesem auf Seiten des vom Papst Johann XXII. als Gegenbischof aufgestellten
Erich, eines Sohnes des Grafen Adolf von Schaumburg. Sie machten sich
hierdurch dem Bischof Heinrich und den Herzögen Otto und Wilhelm arg
-^ 91 ^
verhasst. Dieselben berannten 1332 das feste Haus zu Rethmar, müssten jedoch
unverrichteter Sache wieder abziehen. Am 15. September des genannten Jahres
gelobt der Bischof Heinrich, dem Herzog Otto, seinem Vetter, während der
nächsten anderthalb Jahre dreimal vier Wochen lang mit 50 Mannen und
nöthigen Falls mit seiner ganzen Macht Kriegshülfe zu leisten und ihm zugefügten
Schaden zu ersetzen, jedoch „ane den schaden de vor Retmere scach . van der
stunde dat it berant wart wente dat men van dennen ret*. Ferner gelobt er:
„Dat hus to Retmere dat schulle we vh willen breken vn vsem vedderen helpen
weren igt dar yenigman weder buwen wolde binnen der tid dat de breue vn
Yse deghedlnghe wäret", also das Schloss um jeden Preis zu brechen und
dessen Wiederaufbau zu hindern. Gemäss einer Urkunde vom Jahre 1361 wird
eine Schenkung von 5 Hufen und 3 Kothöfeii «an dem Velde gheleghen des
dorpes to Retmere" „to dem Altäre der juncvrowen sente Caterinen in der
kerken to Retmere' seitens der von Rutenberg durch den Lehnsherrn Grafen
Johann von Spiegelberg genehmigt und zugleich bestimmt, dass dieselben »des
altares un des lenes und ore Erwen schullen ewigliken un immermer rechte
len Herren wesen". Die Urkunde befindet sich seit 1864 im Thurmknopfe.
In einer Urkunde vom Jahre 1540 wird unter den castellis (kleiner befestigter
Ort, kleine Burg), welche die Herzöge Erich und Heinrich von Braunschweig
und die Städte Braunschweig, Hannover, Northeim und Göttingen zur Zeit des
Bischofs Johann dem Stifte entzogen und mit Gewalt genommen haben, auch
.Retmer" genannt.
Der erste lutherische Prediger war der Inschrift seines Grabsteines
gemäss Johannes Schrader aus Göttingen, 1586—1638.
1615 reinigt und bessert der Uhrmacher von Hildesheim den »seiger*.
1618 werden die Fenster theils neu gemacht, theils ausgeflickt; den „seiger"
brachte man nach Peine zum Ausbessern. 1619 wird eine neue zinnerne Kanne
auf den Altar für 24 Groschen beschafiTt.
1628 hören wir in den Kirchenrechnungen von vielen Beschädi-
gungen der Kirche; unter Anderem werden 2 fl. 10 Gr. für zwei zinnerne
Kelche mit Patenen bezahlt; ferner 2 fl. um die 'Kirchenfenster wieder zu
flicken, 1629 1 Thlr. 9 Gr. für einen neuen Kelch, da der alte geraubt, und
2| Thlr. für zwei neue Altarleuchter; auch wurden Kirche und Thurm neu
gedeckt und vielleicht auch eine neue Taufe gefertigt. 1632 wird der von den
Kriegsleuten zerschlagene Seiger geflickt.
1647 wurde die Kirche vor dem Gewölbe und Taufstein gepflastert
sowie 1648 die Orgel gebessert. 1651 erhält der Maler Henning Hawer
aus Hildesheim für den neuen Altar, für den er bereits Geld empfangen,
noch weiter 30 rthlr. und Heinrich Ochsenkopf, Bildschnitzer ebendaher,
zu dem bereits Erhaltenen noch 15 rthlr. 1649 schmückt der Braun-
schweigische Meister Hans Wilhelm eine Prieche mit den 16 Ruten-
bergischen Urahnenwappen und vermalt Henning Hawer den Predigtstuhl.
1655 bekonnnt Heinrich Ochsenkopf für den neuen Taufdeckel 27 Gulden und
Henning Hawer ebensoviel. 1657 wird die Kirche gründlich ausgebessert und
1659 der Beichtstuhl und das Pult auf dem Chor niedriger gemacht. In
11
-^ 82 8^
Beschreibung.
Schiff.
letzterem Jahre vermalt Hemiing Hawer die Kirche «mit passions midt andern
Historien auch dem jüngsten Gericht undt sonsten Künstlich^. 1663 erhält
dieselbe neues Gestühl. 1716 lässt Philipp Adam zu Eltz eine neue Spitze auf
die Kirche setzen, 1717 schenkt er einen Taufstein aus der Kirche in die
Kapelle zu Evem. In diesem Jahre wurde der Thurm imd 1724 die Kirche
umgebaut. Die bogenförmige Holzdecke, der Altar und die Sakristei stammen
aus dem Jahre 1774. Der nördlichen CEhorseite wurde gegen Ende des
XVII. Jahrhunderts die Krypta Eltziana angefügt. Hier in Rethmar haben die
1731 aus ihrer Heimath vertriebenen Salzburger ein kurzes Refugium gehabt
Der damalige Gutsherr wollte sie für den Anbau seines Landes benutzen, doch
nahmen die Hörigen des Gutes ihr Anrecht auf Gutsarbeit in Anspruch. Der
Entscheid des Oberappellationsgerichtes zu Gelle lautete ungünstig ßa die Salz-
burger, und so mussten sie 1735 den Ort wieder verlassen. Ein Theil des
Dorfes erhielt nach ihnen den Namen «die Salzburg'*.
Das Patronat ruht seit Alters auf dem Hause Rethmar, welches nach
Heise landtagsfähig und von Steuern befreit war. Es besass ein eigenes
Patrimonialgericht über das Gut und die zu Rethmar wohnenden Junkerleute.
Bis zu ihrem Aussterben im Jahre 1647 waren die Herren von Rutenberg
Patrone.
Die Kirche besteht aus Chor, Schiff und Westthurm und hat einen
Anbau auf der Nordseite.
Das rechteckige Schiff imd der durch das halbe Achteck geschlossene,
Chor, schmalere Chor sind aus Bruchsteinen erbaut und haben hölzernes Haupt-
gesims. Durch eine gewölbte, geputzte Holzdecke wird das Innere der einfachen,
durch Flachbogenfenster erleuchteten Saalkirche abgeschlossen; Wand und
Decke sind durch ein Holzgesims getrennt. Eine mit glatten SandsteingeWänden
eingefasste Thüre befindet sich auf der Nordseite; im geraden Sturz ist die
Inschrift eingemeisselt:
Anno • 1724.
An die Nordseite des Schiffes ist das Erbbegräbniss der Familie Ernst
angebaut mit der Jahreszahl 1861 am Eingangsthor.
In der Kirche ist an der Nordseite ein jetzt zugemauerter, mit Sandstein-
gewänden und Kämpfern versehener Eingang zum vorgenannten Raum sichtbar
und trägt im Schlussstein die Inschrift:
Grypta,
Eltziana.
Hölzerne Emporen sind an der West- und Nordseite angebracht Im
Inneren an der Südseite ist ein runder Stein eingemauert mit dem Wappen
der Familie v. Rutenbei^ und der Umschrift in gothischen Kleinbuchstaben:
Anno • domini • m • cccc • Ixi.
Zu bemerken ist noch ein aussen eingemauertes Mordkreuz an der
Nordseite und ein runder Stein mit dem Rutenbergschen Wappen an der
Westseite.
Der aus Bruchsteinen erbaute, fast quadratische Westthurm von rund
5,5 m Seitenlänge trägt in der Wetterfahne die Jahreszahl 1717 und wird von
Thunn.
-^ 83 8^
einem achteckigen, in seinen unteren Theilen geschwungenen und durch ein
Gesims unterbrochenen^ beschieferten Helm bedeckt. Unten im Thurm liegt
das Grabgewölbe der Familie von Rutenberg. Auf der S&d- und Nordseite ist
je eine rondbogige Schallöffiiung angeordnet.
Altar und Kanzel sind aus Holz gearbeitet und mit einander verbunden. Altar.
Sie stammen aus dem XVIII. Jahrhundert. Die Altarwand zeigt zwei seitliche Kanzel.
Durchgänge.
Eine Glocke ohne Inschrift von 79 cm Durchmesser trägt am Halse Glocke,
zwei doppelte glatte Riemchen.
An der Thurmwand im Schiff ist der sehr schöne und gut erhaltene Grabsteine.
Grabstein des Bode von Rautenberge aufgerichtet. Auf demselben ist in einer
breiten Nische die Gestalt des Verstorbenen in der Rüstung sichtbar. Sechzehn
Wappen sind oberhalb und zu beiden Seiten angebracht und in Lapidarschrift,
wie folgt, bezeichnet:
V. Rvtenberg v. Adelevessen
V. Bartensie v. Salder
V. Swich V. Bovente
V. d. Asseb v. Steinb
V. Botmer v. Elven
V. d. Schvl V. Velthem
V. Krame v. Bodenhv
V. Hoym v. Havs
Die Umschrift in lateinischer Schrift lautet:
Ano Chri 1597 am 21. Septemb: abents zwisschen 5*vnd 6 vhren,
Jst der Edler vnd Ehrnühester Bode von Rautenberge in dem Herrn
selig entshlaffen, welcher tag des 64. Jhars S. E. gebürtstag gewesen.
vnd ruhet alhie in Grott.
Ein Grabstein mit dem Meisterzeichen H W ist in die westliche Aussenwand
desThurmes eingelassen; er ist derjenige der im Jahre 1611 gestorbenen Jungfrau
Margaretsi Elisabeth von Rvtenberg und hat an den Ecken die Wappen der
V. Rutenberg v. Velthem
V. Steinberg v. Salder.
Ein verwitterter Stein mit der Figur eines Enieenden vor dem
Gekreuzigten und dem Wappen der von Vechelde auf derselben Seite des
Tburmes hat das gleiche Meisterzeichen. Die Jahreszahl 1618 steht in der
unteren linken Ecke und ist ausserdem in einzelnen grösseren Buchstaben der
Au&chrift enthalten; die Letztere lautet, so weit sie lesbar ist:
Je hoher die Noth. Je naher ist Got.
Beatis manibus
Pietate probitate et doctrina or-
natissimi viri juvenis Dn: Alber:
ti de Vecheld dantiscani patri
u. candidati • nobilissimo
de Rautenberg et c: olim ab
archivis fldelissimi
11*
->4 84 S«-
Ein schßner, silbervergoldeter, 27 cm hoher Kelch mit dem Eltz'schen
Wappen auf dem Sechsblattfuss wird von dem Patron aufbewahrt. Er trggt
als Zeichen den sprin^nden Löwen und die Inschrift P. H., sowie auf der
unleren Seite des Fusses die Angabe: ,■ 1 MÄRZ 86 ANNO ■ 1706 ••
Fig. XI. Herrenhaas In Betbmar; Tbüre.
E^n innen vergoldeter, silberner Kelch hat die Lapidarinscbrift :
Den Fleissigen Einwohnern
zu Rethmar
Andenken
Der Gemeinheitstheilung
von 1812
von
der Landwirthschaftlichen
Gesellschaft
zu Celle.
->^ 85 8^
Das Ernst'sche Erbbegräbniss enthält den mit vielen Wappen, guten Sarg.
Ornamenten und interessantem Crueifix ausgestatteten Sarg des Philipp Adam,
Herrn zu Eltz, 21. Oktober 1727 gestorben.
Ein einfaches Taufbecken aus Messing trägt auf dem Rande die TanfschUsscl.
Inschrift in Lapidaren:
H • Johan • Bvntten • Ilse Sanders • 1 • 6 • 4 • 7 •
Das einfache, in Hufeisenform mit Mansardendächem erbaute Herren- Herrenhaus,
haus zeigt ausser den beiden Eingängen keine Eunstform; über der nördlichen
Eingangsthür sind in der Bekrönung die Wappen der Familien von Hardenberg
und von Steinberg angebracht. Links sind die Buchstaben P • A • V • H und
rechts • D • L • V • S eingemeisselt. Ueber der Regenceverdachung steht die
Jahreszahl 1735.
Die nach dem Hofe liegende Eingangsthür hat in der Bekrönung das
Wappen der Familie von Eltz und daneben die Buchstaben P A E — H Z E
sowie die Jahreszahl 1710.
Das Nebengebäude ist älteren Ursprungs, hat mit profilierten Sandstein-
gewänden — in welchen die Hohlkehle vorherrscht — eingefasste, gekuppelte
Fenster. Die Gewände und die Bekrönung der Thür sind mit figürlichen
Darstellungen geschmückt (Fig. 21). Zwei Wappen, diejenigen der Familien
von Rutenberg und von Steinberg, sind in der Bekrönung untergebracht und,
wie folgt, bezeichnet:
B O : V : R V : 1 • 5 • 7 • 5 • Cat : V : Steinberg • sein ehliche Hvsfraw.
An einem Nebengebäude ist ein Stein eingemauert mit dem Ruten-
bergschen und Veltheimschen Wappen und der Lapidar-Inschrift:
1613 am Ostertage ist dis Vorwerck in den Grvnd abgebrand. vnd
in demselbigen Jare wider angevangen zv bavwen.
Unten stehen die Namen:
Bartolt von Margareta
Rvtenberg von Veltem.
Schwüblingsen.
Kapelle.
Litteratnr: LUntzel, die ältere DiÜceseHildcsheim; Maneckell; von Ilodcnberg
Pagns Flutwide, Lenthe'ß Archiv VI; Kayser, Kirchenvisitationen 1897; Mithoff, Kunst-
denkmale IV; derselbe, Kirchenbeschreibungen; Fromme, kleine Chronik der Primariat-
pfarre zu Sievershausen 1889.
Das nach Sievershausen eingepfarrte Dorf begegnet in dem älteren Geschichte.
Zehnt-, Geld- und Fruchtregister des Klosters Wienhausen vom Ende des
XIII. Jahrhunderts als »Swibbelinghe" und wird daselbst vom Glossist des
XIV. Jahrhunderts zu ,Mey" gerechnet. Eine vom Kloster Wienhausen am
[
23. ]uni 1305 ausgestellte Urkunde besagt, dass das Dorf mit allen Gerechtsamen
und AufkQnflen an das Kloster gefallen sei und dieses dafür dem Priester zu
SieTersbausen und seinem Glöckner gewisse jähriidie Einkünfte zukommen lassen
werde. 1634 wird die Kapelle zu .Schwübling' genannt.
Flg. i». Kapelle In SchirftbllDKHD ; Craclflina.
Die Fachwerkkapelle hat einen mit Satteldach versehenen Dachreiter
im Westen, rechteckige Fenster, eine Eingangstbür in der Westseite und eine
glatte Bretterdecke.
Der aus dem XV. Jahrhundert stammende Schnitzaltar ist reich mit
Farbe und Gold behandelt. Im Mittelschrein steht die Figur der Anna Selbdritt ; auf
jeder Seite daneben beSnden sich Gruppen mit Darstellungen aus der Geschichte
Christi. Die beiden Flügel zeigen im Ganzen zwölf geschnitzte Figuren.
Ein etwa 50 cm grosser, vergoldeter, hölzerner, gut erhaltener Crucifiiua
stammt aus dem XV. Jahrhundert (Fig. 22).
-^ 87 8^
' S e h n d e.
Kirche.
Litteratur: Leil)niz, ScriptoreB renun BransvicenBinm; Janicke; Doebner I, II,
ni und VII; Sudendorf; Urkundenloach der Stadt Hannover; ürkundenbuch der Stadt
Braunschweig; Yolger, Urkunden der Bischöfe von Hildesheim; LUntzel, die ältere Diöcese
HUdesheim; Regenten -Sahl 1698; Manecke II; von Hodenberg, LUneburger Lehnregister;
Bertram, Geschichte des Bisthums Hildesheim I; Kayser, Kirchenvisitationen 1897; Böttger,
Diöcesan- und Gau-Grenzen ; Hithoff, Kunstdenkmale IV; derselbe, Kirchenbeschreibungen;
Heise, die Freien; Weber, die Freien bei Hannover 1898.
Quellen: Ürkundenbuch des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover; Stadtarchiv zu
Hannover, Redecker; Kirchenchronik in Sehnde; Yerzeichniss der kirchlichen Kunst-
denkmäler von 18%.
Das im grossen Freien belegene Dorf gehörte ehedem zmn Pfarrbezirk Geschichte,
der Kirche zu Lähnde. Wie aus der am 13. Oktober 1147 vom Bischof
Bernhard ausgestellten Bestätigungsurkunde der Besitzungen und Privilegien
des Bartholomäusstiftes hervorgeht, hätte der Odelricus canonicus sancte Grucis
demselben ,ad utilitatem fratrum* ,in Senethe viginti quatuor iugera cum
una area* geschenkt. 1187 übereignet Frederundis, Wittwe Berthold's von
Schartfeldi dem Kloster Steterburg 4 Hufen mit einem Hofe in Sehnde. Als
der Bischof Bemo 1191 dem Propst Gerhard von Steterburg den Besitz der
von ihm (de novo conquisita) für sein Kloster erworbenen Güter bestätigt und
ihm die Vogtei über dieselben übertrftgt, werden «Senethe tres mansi* und
«dedma in Senethe* genannt. Die Parochie wurde im Jahre 1207 gegründet.
Am 8. Mai 1207 giebt der Bischof Hartbert bekannt, dass die Sehnder zur
bequemeren Verriditung des Grottesdienstes die von ihnen gebaute Kapelle von
der Mutterkirche in Lühnde getrennt haben, jedoch ausbenommen das Synodal-
recht und nothwendige Bauten. Für die Auflösung des kirchlichen Verbandes
überweisen sie der Mutterkirche 2 Mark Silber und eine Hufe, von welcher
2 Solidi zu den Lichtem derselben verwandt werden sollten. Der Propst Hiddo
zur Sülte und sein Nachfolger Bernhard gaben ihre Zustimmung. Unter den
Zeugen erschemt Volbemus sacerdos de Seynede. Am 6. Oktober 1216
bestätigt der Papst Honorius III. dem Kloster Wöltingerode unter Anderem «in
Senede tres mansos*. In dem um 1250 aufgestellten Lehnsregister des Klosters
Steterburg heisst es: ,,Senedhe una curia et dicima super curiam. filii Florini
habent et filius Gonstin habet quosdam agros'.
1274 bestätigt der Papst Gregor X. der Kirche St. Bartholomaei zu
Hildesheim die «ecclesias de Lülene, de Lobeke, de maiori Sehnede et de Hotzenem
cum Omnibus pertinentiis earunden*". Am 26. November 1298 bezeugt der
Graf Gerhard von Hallermund die Erklärung der Bürger von «Senedhe' («Sende"),
dass sie weder das Recht, die E[irche «in uilla Sende" zu übertragen, noch das
Prfisentationsrecht an derselben besitzen und dasselbe auch nicht dem Herzog;
von Lüneburg übertragen haben, so dass sie irgend eine Belästigung vom
-^ 88 8^
Beschreibung.
Schiff.
Thnrm.
Altar.
Glocke.
Kloster zur SüIte deshalb erleiden könnten. 1448 und am Ambrosiustage 1449
bestätigt der Bischof Magnus von Hildesheim dem Bartholomäuskloster das
Patronatsrecht über die Kirche in Sehnde (,Senede*).
Zur Reformationszeit eignete die Landesherrschaft sich das Patronats-
recht an. Im Jahre 1578 beschweien sich die Dörfer Lehrte, Sehnde, Dolgen,
Haimar und Gretenberg gegen Uebergriffe des Bodo und Hans von Rutenberg.
1625 brannte der Fachwerkoberbau des Kirchthurms ab, wobei auch das Geläute
zerschmolzen wurde. Die Wiederherstellung erfolgte 1626 — 1655. Der jetzige
massive Thurm ward 1640 (Inschrift am Holm des Glockensluhls) vollendet.
1737 wurde die jetzige Kirche an den älteren Thurm angebaut, wozu 1300 Thaler
geliehen werden mussten, welche in Theilzahlungen wieder abgetragen wurden.
1842 erfolgte dann die Ablösung des Zehnten, welcher aus Sehnde an das
Michaeliskloster zu Hildesheim entrichtet werden musste.
Ein Johann von Sehnde (servus) begegnet zuerst 1204 in einer Urkunde
Bischof Harlbert's.
Die Kirche besteht aus Schiff, Wesllhurm und Sakristei.
Das auf einem Sandsteinsockel aus Bruchsteinen erbaute Schiff mit
Holzgesims ist als Saalkirche ausgebildet und wird durch eine geputzte, aus
Holz hergestellte, gewölbte Decke nach oben abgeschlossen. Gemalte Ornamente,
welche sich auf den Füllungen der hölzernen Emporen an der West-, Süd-
und Nordseite vorfanden, sind später wieder aufgefrischt. Das mit seiner
Längsachse von Süden nach Norden gerichtete Schiff hat mit Sandsteinquadem
eingefasste Ecken und ist mit seiner Längsseite an den älteren Thurm angebaut.
Auf jeder Seite sind zwei flachbogige und in der Süd- und Nordwand je ein
länglich rundes Fenster über den Eingangsthüren angebracht. Die im Osten
angebaute Sakristei hat eine Eingangsthür, welche im Sturz die Jahreszahl 1737
trägt. Sämmtliche Fenster und Thüren sind mit glatten Sandsteingewänden
eingefasst.
Der massive, aus Bruchsteinen erbaute, mit einem hohen, achteckigen
Helme bedeckte und mit korbbogig geschlossenen Schallöffnungen versehene,
viereckige Westthurm hat in etwa vier Meter Höhe einen sockelartigen Absatz;
der letztere wird durch einen, neben der flachbogigen Eingangsthür auf der
Westseite stehenden Strebepfeiler gestützt. Ein spitzbogiger Durchgang nach
dem Schiff ist jetzt vermauert. Die Gewölb^linien sind im Inneren des Thurmes
noch sichtbar.
Der unter Benutzung einiger älteren Figuren hergestellte neue Altar
steht in der Mitte der östlichen Längswand; mit ihm ist die Kanzel vereinigt.
Die aus dem Jahre 1653 herrührende schöne Glocke von 1,01 m Dureh-
messer trägt zwischen zwei Omamentstreifen am Halse die Lapidarinschrift:
venite ad nyptias qvia parata svnt omnia. Matth. 22.
Als Schluss ist ein Kopf angebracht. Die bischrift auf der einen Seite
der Glocke lautet:
Altarlevte Bvsso Nettelrots
Dieterich Rikelman
-^ 89 8^
Zu beiden Seiten beflnden sich zwei Blumen und darunter drei kleine
Köpfe. In der Mitte der anderen Seite ist zu lesen:
Joachimus Mvller Pastor
Anno Pastoratvs. 28.
Zu beiden Seiten sind wiederum zwei Blumen angebracht, darunter ein
erhabener, schöner Crucifixus mit flatterndem Lendentuche, von drei Köpfen
umgeben. Am Glockenrand steht zwischen zwei Köpfen die Inschrift:
Anno MDCLIII gos mich M. Hcnni Lampen in Hildesheim.
Hinter dem Altar im Inneren der Kirche ist ein gut gearbeiteter Grab- Grabsteine,
stein eingemauert, auf welchem der Pastor Jochim Mvller, gestorben am
4. Dezember 1655, ein Buch in der linken Hand haltend, dargestellt ist. Ein
einfacherer Grabstein der Sophia Dorothea Müller, gestorben 1732, steht in der
äusseren, westlichen Thurmwand. Der Stein des Hinrich Breithaur auf dem
Kirchhofe, gestorben 1725, zeigt in einer von zwei gewundenen Säulen seitlich
begrenzten Bogennische eine männliche Figur mit einem Knaben und eine
weibliche mit einem Mädchen zu den Seiten des Gekreuzigten. Der Grabstein
des Junggesellen Henning Boden zeigt die Figur des im Jahre 1753 Verstorbenen.
Der Stein ist auf der Seite bezeichnet: Hoyer. Ein kleiner Grabstein mit dem
Bilde der 1746 Verstorbenen ist einem kleinen Mädchen gewidmet. Der Grab-
stein des 1752 gestorbenen Junggesellen Anthon Klünder zeigt den Verstorbenen
in ganzer Figur. Die Grabsteine des 1746 gestorbenen Ludolf Jürgen Rust und
des Gasten Hapken (XVIIl. Jahrhundert) enthalten Darstellungen des Gekreuzigten
mit den Familien und die Bezeichnung J. B. Hoyer und Hoyer. Ein weiterer
Grabstein des XVIII. Jahrhunderts enthält eine Darstellung des Gekreuzigten.
Verschiedene stark verwitterte Steine lassen die Schrift nur noch schwach
erkennen.
Das mit beflügelten Engelsköpfen verzierte Becken eines Taufsteins von Taufstein.
0,59 m oberem Durchmesser wird jetzt im Pfarrgarten aufbewahrt. Der obere
Band trägt die Inschrift: „Lasset die Kindlein zv mir komen vnnd w[eh]ret
inen nicht Denn solcher Ist Das reich Gottes*. Die übrige Inschrift ist durch -
Moos verdeckt, jedoch die Jahreszahl 1593 wohl zu erkennen.
Sievershausen.
Kirche.
Litteratur: Rethmeicr, Chronika II; BUnting, Chronika II ; Pfcffinger, Historie I;
Doebner II und III; Sudendorf; Vogell, Geschlechts-Geschichte der von Schwicheldt
1823, Urkundensammlung; LUntzei, die ältere Diöcese Hildesheim; Manecke II; Regenten-
Sahl 1698; Havemann, neues vaterl. Archiv 1824 und 1828; Zeitschr. d. hist. Ver.
f. Nieders. 1853 und 1858; Böttger, Diöcesan- und Gau-(irenzen; Ännalen der Braun-
gchweig-Lüneburgischen Churlandc VI; Schulze, Geschichtliches aus dem Llineburgschen
1877 ; von Hodenberg, Pagus Flutwide, Lenthe's Archiv VI; von Hake, Geschichte der Familie
von Hake; Bertram, Geschichte des Bisthums Hildesheim I; Kayser, Kirchenvisitationen
12
-^ 90 8^
1897; Mithoff, Eunstdenkmale lY; derselbe, Kirchenbeschreibnngen; Fromme, kleine
Chronik der Primariatpfarre zu Sievershausen 1889; Weber, die Freien bei Hannover 1898;
Schulz, Bissendorf, Hannoversche Geschichtsbl. 4. Jahrg.; Förstemann, Ortsnamen; Meyer,
die Provinz Hannover 1888; Görges, Vaterländische Geschichten und Denkwürdigkeiten TL
Quellen: Urkunden und Akten des Egl. Staatsarchivs zu Hannover; Yerzeichniss
der kirchlichen Kunstdenkmäler von 1896; Stadtarchiv zu Hannover, Redecker.
Geschichte. öievershausen, jetzt Sitz einer Superintendentur, war ehedem Archi-
diakonatskircbe und im Gau Flutwide belegen. Zu ihrem Bann gehörten
Sievershausen, üetze, Rindage oder Lindage (wüst); Burgdorf, Steinwedel,
Eirchhorst, Wettmar, Edemissen, Eickenrode, Eddesse und vielleicht Burgwedel.
Die Gefälle aus den Kirchspielen Eltze, Wipshausen, Eddesse, Eickenrode,
Edemissen, Vöhrum, Mehrum und Hohenhameln lassen aber auf eine ehemals
noch grössere Ausdehnung des Taufkirchenbezirks schliessen.
In einer etwa zwischen 1243 und 1246 geschriebenen Urkunde ist
Henricus sacerdos de Syuerdishusen Zeuge. Am 8. JuU 1295 giebt der «OfBcialis
curiaeHildensemensis*' neben Anderen auch dem Pfarrer zu „Siverdeshusen* auf,
die geschärfte Exkommunikation des Hildesheimschen Rathes durch die ihm
untergebenen Pfarrer verkündigen zu lassen. 1296 ist «Arnoldus dictus Woltmann
plebanus in Siuerdeshusen* Zeuge. Eine Urkunde des Klosters Wienhausen vom
23. Juni 1305 besagt, dass, nachdem das Dorf Schwüblingsen mit allen Gerecht-
samen und Aufkünften an das Kloster gefallen sei, dieses dem Priester zu
Sievershausen und seinem Glöckner gewisse jährliche Einkünfte zukommen lassen
werde; auch werde das Kloster nach wie vor das Aerar der Sievershäuser
Kirche unterstützen. 1349 verpfänden Günther und Huner von Bartensieben
denen von Schwicheldt ,dat Dorp to Syverdeshusen voghedige vn alle dat we
dar hebbet mid alleme rechte vn mid aller slachte nud*. Bei dem 1428 auf
30 Jahre abgeschlossenen Erbvergleich der Brüder Brand, Kurt des Aelteren,
Heinrich, Heinrichs Sohn und Kurt des Jüngeren erhalten Brand und der ältere
Kurt unter Anderem ^dat Dorp to Ziverdeshusen mit gerichte vnde vogedye
vnde mit alleme rechte*. Aus einer Urkunde vom Jahre 1520 geht hervor,
dass Aschwin von Schwicheldt und sein Sohn Barthbld die Dörfer «lutken
Ilsede* und ^Siverdeshusen* geplündert haben.
Der erste lutherische Prediger war Johannes Harden, vormals Amtmann
zu Peine; er wird 1534 genannt und ist 1554 ge&torben. 1539 verkaufen die
Söhne Aschwins von Schwicheldt ihren Vettern unter Anderem ,de helffle der
twier Dorpe lutken Ilsede vnd Sivershusen mit aller gerechticheit an gerichte
vngerichte Vogedie acker tegeden holten grase watere vnd weyde nichtes vth-
bescheden zusampt dem kerklene". 1555 haben die Beamten von Meinersen
und Uetze die Kirchenkasse revidiert. Damals wurde die erste Sievershäuser
Kirchenrechnung, betitelt „Rekenschoflf der Olderlüde der Kerken tho Siuers-
hausen* angelegt. 1556 wird ein Kelch für 6 Gulden 1 Ort gemacht und eine
kleine Weinflasche für 1 Ort gekauft. 1558 wird den Aelterleuten der Kelch
gestohlen, 1562 eine Weinflasche für 13 Groschen gekauft; 1567 werden
18 Groschen für ein grünseidenes Tuch zu einem neuen Messgewand (»aluen')
-►4 91 fr»-
bezahlt, 1569 15 Groschen «vor Einen Eelck wedder tho makende' und
2 Groschen für eine Oblatenbüchse, 1570 21 Gulden den ,segers vnd timmer-
luden, so bi orer egen kost, de Prichen [2] macheden, vnd dat Eine liekhusz
(Halle vor der Kirche) buweden'; 1572 11 Gulden für einen sübemen, zu
Braunschweig gemachten Kelch. 1573 legt Hans Hanneker »Hwe bonen' vp der
Kercken* an. 1575 wurde das Kirchspiel der Burgdorfer Superintendentur
untergeordnet. 1579 verehrte «der dicke Büring, Molitor in der nien Molen*
den ersten Gotteskasten und Henichen Hoyer (Höper) einen Klingebeutel. Die
vUtgaue" von 1581 enthält zwei Abrechnungen, welche überschrieben sind:
,De Kercke Siuershusen tho buwende gekostet, wi folget .Ao 81 (1581).' und
gleich darauf «De Bonne In der.Kerkenn, Ao 81 (1581) gebuwet kostet wi
folget*. In der »üthgaue* fttr die Jahre 1582—1590 lesen wir: .De Timmerlude
hebben gearbeide In der kerken, vnd dar In gebuwet, 11 vnderslege dar de
bone vppe licht vnd I prichen . . . .' 1585 wurde «de dope' umgesetzt, und es
wurden zwei «kelekdoke* für einen halben Gulden gekauft. 1589 erhält der Maler-
meister Haus Getelde 60 Gulden. 1596 wird ein zerbrochener Kelch neu
«auszpolirt* und 1598 eine Thür vor dem Predigtstuhl angelegt. 1632 musste
der Gottesdienst der Unsicherheit wegen im benachbarten Dollbergen abgehalten
werden. 1641 um Pfingsten wurde der Ort von schwedischem Kriegsvolk über-
fallen; viele Bewohner wurden getötet, der Gotteskasten beraubt, das Getreide
verdorben und die Felder verwüstet. Wer mit dem Leben davon kam, liess
seine Habe im Stich und floh. Im Jahre 1688 wurde die dem heiligen Martin
geweihte Kirche an der Südseite um 13 Fuss in der Breite erweitert. Der
Anbau wurde an die Südseite des Thurmes angelehnt. Zugleich wurde eine
3 bis 4 Fuss betragende Erhöhung vorgenommen. Mehrere Jahre darnach erhielt
die Kirche ihre erste Orgel. 1691 wurde das Gotteshaus erbrochen und der
Altargeräthe beraubt. Trotz des kurz voraufgegangenen Umbaus vermochte die
Kirche, wie eine 1706 durch Einschneiden kassierte Urkunde ausweist, dem
Herzog Georg Wilhelm von Braunschweig und Lüneburg im Jahre 1697 550 Thaler
vorzustrecken. Kurz vor dem Tode des Joachim Elias Fricke, 1696—1723,
vnirde in Sievershausen eine Superintendentur errichtet und Fricke zum Super-
intendenten ernannt. Dieser machte sich um die Ausstattung des Inneren der
Kirche sehr verdient. Er schenkte derselben eine silbervergoldete Hostiendose,
einen kleinen, silbervergoldeten Abendmahlskelch, einen Klingebeutel und anderes
mehr. 1814 wurde eine zweite Predigerstelle geschaffen. 1819 fand abermals
eine Vergrösserung des Kirchengebäudes statt. Sie bestand in einer Verlängerung
nach Osten. Die Kosten wurden theils aus dem Kirchenärar, theils durch eine
doppelte Kirchenvorrathskollekte und endlich durch einen Zuschuss von 600 rthlr.
auis dem Vermögen der Kapelle zu Arpke aufgebracht. Die innere Ausstattung
vnirde eine völlig andere. Es wurden eine neue Kanzel, ein neuer Altar und
eine neue Orgel aufgestellt. Die Kanzel, bisher an der Nordseite der Kirche,
wurde nun über dem Altar an die Altarwand geheftet; der Taufstein, bislang
vom auf dem C!hore stehend, wurde entfernt und letzterer auf beiden Seiten
mit Kirchenstühlen besetzt. Die Orgel, welche ihren Platz an der Südseite der
Kirche, der Kanzel gegenüber, gehabt, wurde an die Westseite unter den Thurm
12»
-^ 92 8^
Beschreibung.
Schiff.
verlegt. Die Leichensteine der Pastöre und ihrer Angehörigen fanden als Tritl-
und Pflastersteine Verwendung. Zu den Zeiten des Superintendenten Johann
Andreas Freytag, 1854 — 1876, wurde das Innere der Kirche neu vermalt, die
jetzige Thurmspitze gebaut, sowie eine neue Thürmuhr und eine Schlagglocke
angeschafft, endlich 1877 ein neuer Glockenstuhl gebaut.
Hier, zwischen Sievershausen und Arpke, fand am 9. Juli 1553 »auff
grauer heidt im freyen feldt" die berühmte Sievershäuser Schlacht statt
Markgraf Albrecht von Brandenburg-Kulmbach focht gegen den Churiursten
Moritz von Sachsen, auf dessen Seite Herzog Heinrich der Jüngere von Braun-
schweig-Wolfenbüttel mit seinen Söhnen Philipp Magnus und Karl Victor, sowie
Herzog Friedrich von Lüneburg, Herzog Ernsts Sohn, kämpften. Der Markgraf
wurde geschlagen, doch war der Sieg theuer erkauft. Philipp Magnus und Karl
Victor fielen im Kampf. Der Ghurfürst Moritz starb zwei Tage nach der Schlacht,
Herzog Friedrich elf Tage darnach. 4038 Mann bedeckten tot die Wahlstatt;
4 Fürsten, 9 Grafen, 300 vom Adel (darunter Just Hake) lagen auf beiden
Seiten erschlagen. Des Churfürsten Eingeweide wurden unter dem Taufstein
in der Kirche eingesenkt, der Körper in der Domkirche zu Freiberg in Sachsen
bestattet. Neun Gefallene vom Adel wurden in der Kirche begraben. Der
Pastor Vincentius Harden dichtete ein Lied auf die Schlacht, der Pastor
Conrad Breiger, ein wohlhabender Mann, wird das Bild haben anfertigen lassen.
Es ist von einem tüchtigen Maler gefertigt. Links im Vordergrunde ist Arpke
angedeutet, rechts sieht man die Kirche und einige Häuser von Sievershausen.
Dazwischen wüthet der Kampf. In der Mitte des Vordergrundes ficht Karl Victor;
sein Bruder Philipp Magnus liegt tot am Boden; Friedrich von Lüneburg sinkt
tötlich getroffen vom Pferde. Das Gemälde hing früher rechts von der Kirchthür
an der Südseite des Schiffes. 1819 wurde es hinter der Kanzel an der Mauer
aufgehängt. 1825 und 1853 wurde es vom Schmutz gesäubert.
Die Kirche besteht aus dem Schiff, einer kleinen Sakristei im Osten und
einem Westthurm.
Das als Saalkirche ausgebildete, mit einer geputzten, bogenförmigen
Holzdecke überspannte, massive Schiff hat hölzerne Emporen an der Süd-,
Nord- und Westseite und ist im östlichen Theile um eine Stufe erhöht. Fenster
und Thüren sind geradlinig geschlossen, die Strebepfeiler mit Sandsteinplatten
abgedeckt. Das im Osten abgewalmte Satteldach hat Pfannendeckung. Die
ganze Kirche ist aussen geputzt. Drei Inschrifttafeln sind aussen in die Süd-
wand eingelassen; diejenige an der östlichen Ecke lautet:
Vergrössert
und
neu ausgebauet
1819
V. During, Drost
Walbaum, Superintend
Thöri Pastor
Plate und Niewerth
Juraten.
-*-g 93 »-*-
Auf der mittleren ist zu lesen:
De slacht • twisken • MavriÜo -H-v. C-z-S-H-H-z-B-v-L- vnd
Alberto ■ Marcbgrav z ■ N • Twisken Arpke vnd Sivershavsen den
IX Jvli ■ Anno ■ 1553 ■ gescehen.
Die westliche Tafel ist über der mit einer Hohlkehle profilierten, Spitz-
bergen Thür eingemauert. Diese ThAre führt in einen Raum, durch welchen
das Schiff, sowie auch der Thurm betreten werden kann. In die Tafel ist die
Inschrift eingenieissett:
-^ D-O-M.
'i P-Q Suo ChrisUano
sub
Ser . ""> Regimine
t Georg II Gvilielmi
Ducis Bruns ■ et ■ Lüneb
Aedes haec
1 Denuo exstruda
Opus ctirante
Guslavo Molano
Superint
et
M ■ Johanne Valenkamp
MD-GXXCVIÜ-
Der viereckige, massive, an der Tharm.
nordwestlichen Ecke stehende, auf der
Siüd- und Ostseite eingebaute Thurm
hat in neuerer Zeit einen Backstein-
aufbau erhalten. Innen in der Ostwand
ist eine grosse, jetzt zugemauerte, mit
Sandsleinen überwölbte, halbkreis-
förmige OefTnung sichtbar. Eine mit
vortretenden Kämpfersteinen — Platte
und Wulst — versehene, in einer
halbkreisfürmigen Bogennische liegende.
Flg. SS. Kirch« In Bi6TM.h»u«Di Thür. Aachbogig Überwölbte Thür befindet
sich in der südlichen Thurmwand
(Fig. 23). West-, Süd- und Nordseite haben je zwei spilzbogige, hoblgekehlle
Schallöffnungen.
Die in den Formen des Klassizismus ausgeführte hölzerne Altarwand Altar.
mit zwei seitlichen Durchgängen stammt aus dem Anfange des X(X. Jahrhunderts.
Zwei schwere Altarleuchter aus Bronze haben Inschriften am Fusse und Altarlcnchter.
einen walzenförmigen Schalt.
Die Inschrift des ersten lautet:
D Zv • der • Ehre ■ Gottes - hat ■ Hinrich ■ Altena ■ diese ■ Levchter • in •
die • Kirche ■ zv ■ Sivershvsen ■ verehrt ■ Anno 1 - 6 ■ 28 ■
Die Inschrift des zweiten Leuchters nennt denselben Stifter.
-'1
I
-•-8 94 g^
Gemälde. Das auf Holz angefertigte Gemälde der Schlacht bei Sievershausen hat
folgende Ueb^rschrift:
Die
Schlachtung für
Sievershausen gehalten,
Anno Quisti, 1553 : d. 9 Julii.
Darunter befindet sich eine Erklärung der Standorte der Streitenden.
Die Unterschrift lautet:
I Sic Sigfridhusi pugnatum est acriter olim,
Annos nosse LIbet Dat tibi penta Meter
Gadmeam hanc dixis pugnam : Victoribus illa
Scilicet et victis exitiosa fuit:
I Ensifer elector globulo Mairitius actus
I Huius in aediculae viscera misit humum.
\ Magne Philippe et Garole victor et o Friderice
ßrunonum et Lunae sanguis avite ducum,
Vos hanc heroo decorastis sanguine arenam
Vobiscumque pari sorte novem comites
Trecentum cum quinquaginta nobilis ortus
Sed de plebe cadunt milia qiiiinque virum
Marchiadum Albertus, vivus sed victus abivit
Pluribus exque suis triste valere dedit.
i Gonr: Breiger P.S.
In der zweiten Zeile geben die grossen Buchstaben als Zahlen betrachtet
zusammen die Jahreszahl 1553.
f
S t (B i n w^ e d e L
Kirche.
Litteratnr: Doebner I; Sudendorf; Lüntzel, die ältere DiOcese Hildesheim;
Begenten - Sahl 1698; Braunschweigische Anzeigen 1751; Manecke II; Havemann;
Bertram, Geschichte des Bisthnms Hildesheim I; von Hodenberg, Pagos Flutwide, Lenthe's
Archiv VI; BOttger, Diöcesan- und Gau -Grenzen; Eayser, Kirchenvisitationen 1897;
Mithoff, Kunstdenkmale lY; derselbe, Kirchenbeschreibungen; Neues vaterl. Archiv 1828;
Uhlhom, die Kirche in Kirchhorst und ihre Kunstdenkmäler, Zeitschr. d. hist Yer. ftir
Nieders. 1899.
Quellen: Urkunden und Akten des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover; Pfarrbuch
in Steinwedel; Yerzeichniss der kirchlichen Kunstdenkmäler von 1896.
Geschichte. Das an der Aue belegene Dorf gehörte ehedem zum Archidiakonat
Sievershausen und zum Pagus Flutwide. Das Patronatsrecht übte bis zu seiner
Aufhebung das Michaeliskloster zu Hildesheim aus. Diesem stand auch die
halbe Untervogtei zu, und es liess alle Jahre vor des Klosters Hofe ein Gericht
j
-•-8 95 «H^-
haltea Nach Böttger kommt der Ort bereits 1022 vor. Es war dahin vormals
die der heiligen Maria Magdalena gewidmete Kapelle, welche zur Burg der
1282 ausgestorbenen Edlen Herren von Depenau gehörte, eingepfarrt. Das
Patronat derselben stand ebenfalls dem Kloster zu. Die Emkünfte der Kapelle
wurden «bey der Ruinirung' zur Steinwedeischen Kirche geschlagen. In dem
Güterverzeichm'ss des Klosters aus dem XIV. Jahrhundert heisst es : .Beneficium
altaris s. M. M. in Depenaw et spectat ad ecclesiam in Steenwedel". 1302 erklärt der
Bischof Siegfried von Hildesheim, dass er den zwischen ihm und dem Abt des
Ifichaelisklosters wegen des Patronatsrechtes über die Kirche in ^Eveningherode*
(Everode) bei Winzenburg bestehenden Streit dahin beigelegt habe, dass der Abt
und der Konvent des Klosters auf dieses Recht gegen Uebertragung des Patronats-
rechtes über dieKuxhe zu «Stenwede* zu des Bischofs Gunsten verzichten. 1306
verkaufen die Gebrüder Ekbert und Hermann, genannt von Wolfenbüttel («dicti
de Wlflebutle*), dem Kloster das Dorf — «proprietatem ville cuiusdam dicte
Stenwede*. In diesem und dem darauf folgenden Jahre begegnet Dietrich als
«plebanus in Stenwede*. Bereits 1320 werden Gross- und Klein-Sleinwedei
unterschieden. 1352 löst der Bischof Heinrich die Kapelle in «Lerethe* aus dem
Parochialverbande der Earche in «Stenwede* (siehe Lehrte). Der Ueberlieferung zu
Folge trennten sich im Jahre 1355 Immensen (siehe dieses), Stemwedel und Aligse
von Burgdorf, gaben für die Goncession 3 halbe Mark löthigen Silbers und
bauten ihre Kirche zu Stemwedel. Zu ihren Schutzpatronen wählten sie die
Heiligen Nicoläus und Petrus. Da die Kirche aber bereits 1302 genannt wird,
so kann die Zahl 1355 nur mit Vorbehalt aufgenommen werden. 1494 wurde
einem Aktenstück zu Folge das vor der 1627 zerstörten Kirche bestehende
Gotteshaus gebaut und dem Apostel Petrus geweiht. Dass sich diese Notiz
nur auf einen Umbau oder Neubau der früheren Kirche (siehe oben) beziehen
kann, dürfte aus den angeführten Nachrichten zur Genüge hervorgehen.
1543 werden im Visitationsprotokoll aufgefiUirt: .Glenodia : III Silb.
kilcfae mit den patenen vorgult. 1 Miszegewand mit seiner zubehörung*.
1627 wurde die Slirche von den Soldaten Tilly's in Brand gesteckt und in Asche
gelegt. 1662 wurde sie wieder aufgebaut, doch blieb der Thurm baufällig.
Die Zahl 1662 befindet sich sowohl in der alten Wetterfahne^ welche früher
auf dem Thurme stand, als auch an diesem selbst im Thürsturz. 1651 schenkten
die Aelterleute der Immensener Kapelle der Kirche zu Steinwedel auf Bitten des
Pastors zum Deckel über dem Predigtstuhl 18 Gulden .wiewol er das Geldt
nimmermehr werth ist*. 1656 wurde durch «Hennig Lampe und Jacob Körber
in Hildesheim ' eine Glocke gegossen. Das neugebaute Gotteshaus war sehr klein,
etwa zwanzig Fuss breit und vierundvierzig Fuss bis an den Thurm lang und hatte
nur vier Fenster. 1751 wurde das Schiff abgerissen und in den Jahren 1752/53 vom
KgL Festungs-Mauermeister Lippold zu Hannover neu gebaut ; der Thurm wurde
beibehalten. Der Altar mit eingebauter Kanzel nebst Schalldeckel zum neuen
Gotteshause wurde vom Tischlermeister Rühring und dem Mahler Henning
Jäger aus Gelle verfertigt. Es wurde der Altar in der Neuenh&user Kirche vor
•
Gelle zum Modell genommen. 1753 wurde die Kirche geweiht. 1768 lieferte
der Orgelbauer Johann Andreas Zuberbier aus Hannover, thätig in Obem-Kirchen,
-^ 96 8^
Beschreibung.
Schiff.
Thurm.
Altar.
Kanzel.
Altarleuchter.
Glocke.
Grabmal.
Grabsteine.
Taufstein.
eine neue Otgel. In einer Akte vom Jahre 1831 wird die Kirche zu Steinwedel
als unvermögend, dagegen die Kapelle zu Immensen als sehr bemittelt hingestellt.
Das Bauwerk besteht aus Schiff und Westthurm.
Das mit gefastem Sandsteinsockel, Eckquadern und hölzernem Haupt-
gesims versehene, geputzte Schiff hat ein im Osten abgewalmtes Satteldach.
Das Innere ist als Saalkirche ausgebildet und durch eine bogenförmige, geputzte
Holzdecke abgeschlossen, in welche auf jeder Langseite drei Dachgauben
einschneiden. Einfache Emporen aus Holz befinden sich auf der West- und
theilweise auf der Süd- und Nordseite. Zehn mit glatten Sandsteingewänden
eingefasste, rechteckige Fenster und zwei halbkreisförmig überwölbte Eingangs-
thüren mit vortretenden Sockel-, Kämpfer- und Schlusssteinen sind in den
beiden Langseiten angeordnet. Eine kleinere Eingangsthür an der Ostseite
hat dieselbe Construction. In der Wetterfahne auf dem Schiff steht die Inschrift:
A. F.
1662.
Der geputzte, viereckige, massive Thurm ist durch eine mit gefastem
Sandsteingewände eingefasste Thür im Westen zugänglich; im geraden Sturz
ist zu lesen:
Renovalum. Aö. MDCLXII.
Einige kleinere Fenster auf der Süd- und Nordseite zeigen dieselbe
Ausführung wie die Eingangsthür. Innen in der Ostwand ist eine grosse, jetzt
zugemauerte, spitzbogige Oeffnung sichtbar.
Altarwand und Kanzel sind mit einander verbunden und stammen aus
der Mitte des XVIII. Jahrhunderts. Der Aufbau des Altars besteht aus zwei
seitlichen, glatten Säulen, welche ein verkröpftes Gebälk tragen. Auf dem
Schalldeckel ist ein Crucifixus angebracht.
Zwei schöne Altarleuchter aus Bronze zeigen die spätgothische Auffassung.
Die 1,11 m im Durchmesser grosse Glocke ist von G. A. Becker im
Jahre 1802 in Hildesheim gegossen.
Das einfache Grabmal des Andreas Francke und seiner Gemahlin
Elisabetha Artmans, gestorben 1689; ist aussen in die Ostwand des Schififes
eingemauert. Ueber der Inschrift sind die beiden Wappen, seitwärts davon
Ornamente und darunter zwei Bibelsprüche angebracht.
«
Von den Grabsteinen stehen derjenige der Dorothea Elisabeth Dohrs,
geboren 1737, und derjenige des Barteidt Köneckeir, gestorben 1740, auf dem
alten Kirchhofe; der Grabstein der Geese Buchholtz, gestorben 1725, und ihres
Mannes, des Küsters Johannes Götting, gestorben 1734, ist in die Ostwand des
Schiffes eingelassen und von dem Meister Anton Höyer verfertigt.
Ein im Pfarrgarten aufgestelltes, mit Ornamenten verziertes Taufbecken
aus Sandstein ruht auf einem sechseckigen, mit Köpfen versehenen Schaft und
hat die Inschrift:
Wer gelvbt vnd sich tavfen let sol d durch sei • wer Anno 1636.
-•-8 97 8«^-
U e t z e.
Kirche. Herrenhans.
Litteratnr: Origines Guelficae; Meriaa; Janicke; Doebner III; von Hoden-
bergy Calenberger Urkundenbuch VI; derselbe, Hoyer Urkandenbuch; derselbe, LUne-
bnrger Lehnregister; derselbe, Pagns Flutwlde, Lenthe^s Archiv VI; Sudendorf; Vogell,
Geschlechtsgeschichte der von Schwicheldt 1828, Urkundensammlung; Gmpen, Origines
et Antiqnitates Hanoverenses; Urkundenbuch der Stadt Hannover; Lttntzel, die ältere-
DiOcese Hildesheim; Begenten-Sahl 1698; Havemann; Maneckell; Bertram, Geschichte des
Bisthums Hildesheim I; Kayser, Kirchenvisitationen 1897; Schulze, Geschichtliches aus dem
Lttneburgischen ; Böttger, DiOcesan- und Gau-Grenzen; Mithoff, Kunstdenkmale IV; derselbe,
Kirehenbeschreibungen; Lütkemann, Uetze 1898; Zeitschr. d. bist Yer. f. Nieders. 1864.
Ueber die Familie siehe von Meding, Nachrichten von adelichen Wapen I und
die einschlägigen Begister.
Quellen: Urkunden und Akten des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover.
Uetze gehörte vormals zum Archidiakonat Sievershausen und zum Geschichte.
Pägus Flutwide. Es ist an der Fuhse belegen, welche den Vorort »der Damm'
genannt, vom eigentlichen Orte trennt. Gemäss einer dem Anfange des
Xn. Jahrhunderts angehörenden Urkunde hatte das Michaeliskloster Besitzungen
(predia) in «Utisson', belegen «in pago Flutwidde in prefectura Thammonis*.
Ein Gotteshaus muss hier schon frQh bestanden haben. In einer am 15. August
1215 zu Brocke! ausgestellten Urkunde des Bischofs Hartbert ist ein «Conradus
sacerdos de Uttessem' Zeuge. Der Ort hat seinen Namen von dem Gute derer
von Uttensen, welche nebst dem Gute das Dorf mit den Niedergerichten,
Zehnten und dem Pfarrpatronat vom Hildesheimschen Stift zu Lehen trugen
und auch die Stifter der Kirche gewesen sein werden. Der ftltest Bekannte
dieses Geschlechtes dürfte der Ministeriale Erewicus de Utissen oder Harwicus
de Vtesseim sein, welcher 1203 zweimal in Urkunden begegnet. Auch 1218 kommt
ein Herwicus de Uttensen und zwar im Gefolge Kaiser Otto's IV. vor. Die Besitzer
des Gutes wechselten mehrfach, bis Herzog August dasselbe 1636 den 1625 vom
Kaiser Ferdinand geadelten Herren von Lüneburg vermachte. Die Gutsherren waren
zugleich Patrone. 1331 ist «Johannes plebanus in Utze* Zeuge. 1357 erhalten
Heinrich und Hans von Schwicheldt vom Bischof Heinrich ,den meyerhoff to
Ytze enem hoff darsulves de os los ward van hem Frederike Reghem' zu
Lehen. 1434 erklfirt Herwich van Ytze, Sohn Herwich's, vom Bischof Magnus
den ySedelhoff to Ytze mit allen synen tobehoringen den tegeden vnde ok dat
kerklen to Ytze' als Lehen empfangen zu haben. 1480 giebt Hartmann von
HQdenqrm, Bürger zu Braunschweig, kund, dass er und seine Gattin Hflborch
«eyne wisch in de karken to Ytze* nach ihrem Tode gegeben haben und zwar-
Gott, Haria. und St. Johannes. 1482 überlassm Jasper von Uetze, Hartwig's
Sohn, und seine Gattin Margaretha den Dorfzehnten mit Einwilligung des Bischofs
Berthold fKr 1000 Gulden an Heinrich, Otto und Lambert von Dageförde
wiederkAuflich,. und diese haben ihn 1487 an Ernst von Bothmer für eine
gleiche Summe abgetreten, welch letzterer' 1491 ausserdem noch den halben
18
-^ 98 8^
Gogräfenbof von Jasper kaufte. 1503 aber hat Heinrich der Jüngere den
Heinrich Haverbier mit diesen Gütern belehnt. 1515 wurde der Ort von einem
schweren Brandunglück betroffen; 88 Gebäude, darunter 44 Wohnhäuser, sanken
in Trümmer. 1545 wurde der Ort bis auf vier Häuser eingeäschert. 1550 vnirden
Schiff und Thurm neu eingedeckt. 1553 werden zwei zinnerne Weinflaschen
für zweieinhalb Gulden acht Mariengroschen gekauft. Dieses Jahr sollte für die
Kirche sehr verhängnissvoll werden. Sie wurde von den Knechten Herz(%
Heinrich's von Braunschweig »Do de slacht vor Syuershusen geschacgh'
„gebracken vnde berouet*, die Altarkiste erbrochen und die Kelche sowie der
übrige Inhalt geraubt. 1554 lassen , Vincenzius Klumper phemer^ und die Aelter-
leute Tyle Sandtman und Hans Wreden für fünf Gulden einen Kelch sowie eine
Schale, «dar men mede tho den krancken ghet', für einen halben Gulden einen
Ort, beides „van Gontrofyn' machen. In diesem Jahre war Jürgen Schrader
Vogt zu üetze; er starb 1563. Der Vogteibezirk umfasste die Kirchspiele üetze,
Hänigsen und Sievershausen. 1562 wurde ein »Szeyerhus* (Glockenthurm)
gebaut. Der „Seyer" (Schlaguhr) kam 1563 nach üetze und kostete 52^ Gulden
1 Mariengroschen. 1565 finden wir 25 Mariengroschen verzeichnet »vor eynen
Essschen bluck tho snidende tho den predyckstole* ; 1568 „1 daller vor de
stole vp dat khor vor de langen vnde hynder de dopke vnde an der wandt".
Im gleichen Jahre wurde eine neue Prieche gebaut, welche mit Schnitzereien
versehen wurde. Ferner wurden ausgegeben 25 Mariengroschen »vor dat venster
tho houwen dorch de muren vnde wedder tho slychten*. 1585 werden Gewölbe
angelegt. 1586 brannte der halbe Ort sammt dem Vogteigebäude nieder. Nach
der Ausgabe vom Jahre 1613 hatte die Kirche zwei Glocken. 1615 verehrt
Heinrich Salder einen sammeten Klingebeutel mit einem silbernen Glöcklein.
1617 wurde der Thurm ausgebessert, wozu 1000 breite Dachsteine verwendet
wurden. 1626 raffte die Pest 366 Menschen dahin; durch eine Feuersbrunst
wurden 5 Häuser zerstört. 1657 wurde ein neuer Thurm gebaut. 1687 bittet
die Gemeinde um Holz zum Bau ihres Kirchthurmes, welcher einen gänzlichen
Niederfall drohe, da die Mauer von oben nach unten mittendurch gebrochen
sei. Am 9. April 1695 wurde der Ort Marktflecken.
Das Jahr 1734 bringt eme Beschreibung des Gotteshauses, welche bei
Lütkemann wiedergegeben ist.
1782 sujGbte abermals ein Brandunglück den Ort heim. 17 Wohnhäuser
fielen den Flammen zur Beute. 1816 genehmigt das K]gl. Kabinetsministerium
den Bau einer neuen Orgel. 1837 wurde ein neues Gotteshaus nach dem Plan
des Baumeisters Hellner gebaut. Das Gewölbe der Familie von Hasthausen,
von welcher die Kirche eiü L^at besass, wurde nach dem Abbruch der Kirche
repariert. Der massive Thurm der alten Kirche wurde beibehalten und
restauriert. Doch sollte dieses Gotteshaus keinen langen Bestand haben. Am
21. April 1863 brach ein furchtbares Brandunglück über den Ort herein. Die
Kirche, 84 Wohngebäude und 25 Nebengebäude, darunter die Pfarre und
2 Schulhäuser, brannten nieder. Der Kirchthurm stürzte in sich zusanmien.
Eine kleine silbervergoldete Kanne mit der Inschrift ^Hildebrandt Von Saliern 1655*
und ein , kleiner silberner Kelch mit dem Namen und Wappen Friedrich's von
-^ 99 8^
Lüneburg kamen bei dem Brande mit dem übrigen Inhalt um. Die jetzige
Kirche wurde mit Benutzung der stehengebliebenen Seitenmauem nach dem
Plane Hase's gebaut und 1867 geweiht.
üetze hat bis 1852 zum Amt Meinersen gehört, um erst dann dem
Amte Burgdorf zugetheilt zu werden.
• In die südliche Aussenwand ist ein Wappenstein über dem Eingange Kirche,
zum Grabgewölbe eingelassen, welcher die Bezeichnung trägt:
Agnesa Juliana von Lüneburgen.
Das einfache, jetzt geputzte, aus Fachwerk errichtete Herrenhaus bietet Herrenhaus,
nichts Bemerkenswerthes.
We 1 1 m a ?•
Kirche.
Litteratar: Sudendorf; Urknndenbuch der Stadt Hannover; LUntzel, die ältere
Diöcese Hildesheim; Regenten -Sah! 1698; Manecke II; von Hodenberg, Pagus Fiutwide,
Lenthe^s Archiv VI; Kayser, Kirchenvisitationen 1897; Böttger, Diöcesan- und Gau-
Grenzen; Bertram, Geschichte des Bisthums Hildesheim I; Holscher, Beschreibung des
Bisthums Minden; Mithoff, Kunstdenkmale IV; derselbe, Kirchenbeschreibungen; von Ben-
nigsen, Diöcesangrenzen , Zeitschr. d. hist. Ver. f. Nieders. 1863; Uhlhorn, die Kirche in
Kirchhorst und ihre Kunstdenkmftler, ebendort 1899; Neues vaterl. Archiv 1823, 331.
Quellen: Urkunde und Akte des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover.
\T ettraar gehörte vormals zum Archidiakonat Sievershausen und ist
im Pagus Flutwide belegen. Nach Böttger kommt es bereits 1022 als , Wethmer"
vor. In dem älteren Zehnt-, Geld- und Fruchtregister des Klosters Wienhausen
vom Ende des XHI. Jahrhunderts findet sich der Ort als «Wetemere'', vom
Glossist des XIV. Jahrhunderts zu ,Broch oder Borch' gerechnet. 1307 am
St. Katharinentage kauften sich die Dorfschaften Wettmar, Thönse und Engensen
um 50 Pfund Hildesheimscher Münze von der Kirche zu Burgdorf los und
erbauten sich eine dem heiligen Magnus geweihte Kirche zu Wettmar. 1361 verkauft
Aschwin von Alten »to Wetemer enen hof*. Am 24. Juni 1850 brannte das
Dorf zur Hälfte nieder, wobei auch die Kirche und der Thurm ein Raub der
Flammen wurden. Der neue Bau wurde nach Hase*s Entwurf 1855 vollendet.
1365 b^egnet ,ver Alheyd Ekhardes wedewe van Wetmere*. Ein
Echardus de Wetemere wurde nach dem Bürgerbuche 1327 oder 1332 Bürger
zu Hannover.
Auf dem Kirchhofe befindet sich ein beschädigter Grabstein der 1672 Grabstein.
gestorbenen Geese Behren. In einer Bogexuaische ist Christus über den Wolken
mit erhobener Rechten und der Weltkugel in der Linken dargestellt, darunter
die Familie.
f
13*
J
Der Kreis Pallingbostel.
Einleitung.
^er Kreis Fallingbostel, ein TheO der Lüneburger Haide, wird im Westen
von den Regierungsbezirken Hannover und Stade^ im Norden und Nord-
osten vom Kreis Soltau, im Osten vom Kreis Celle und im Süden vom
Kreis Burgdorf begrenzt. Er ist 983,02 qkm gross und setzt sich aus 91 Land-
gemeinden, unter denen sich zwei StAdte, zwei Flecken und zwei selbständige
Gutsbezirke befinden^ zusammen. Er ist im Süden, der Marsch- und Brucb-
gegend, eben und flach, im Norden ht^elig, überall quellenreich und mit
grösseren und kleineren Wftldem reichlich versehen. Das Ackerland ist
grösstentheils lehmhaltig. Torfmoore sind allerorts vorhanden; genaimt sei nur
das grosse Moor im Südosten. Wiesenanlagen grösseren Umfangs sind in
neuerer Zeit namentlich an der Böhme entstanden. Die Hauptflüsse sind die
AQer und Leine, welche sich bei Eickeloh vereinigen. Das Bett derselben hat
im Laufe der Jahrhunderte vielfach Aenderungen erfahren. Die Aller nimmt
die Meisse und die Böhme auf. Die Bevölkerung, deren IZahl sich auf rund
30000 beläuft, ist im Allgemeinen niedersächsischen Ursprunges; doch ist hier
und dort eine Vermischung mit anderen Stämmen, namentlich Wenden,
bemerkbar. Der wichtigste Erwerbszweig ist der Ackerbau. Die Viehzucht ist
in gutem Stande. An Fabriken sind Gerbereien, Ziegeleien, Dampfsägemühlen
und in der Nähe von Walsrode und Fallingbostel Pulvermühlen vorhanden.
Windmühlen wei^den namentlich im Süden angetroffen. Als Hauptverkehrswege
dienen die Chausseen Walsrode -Verden, Wiüsrode- Hannover und Walsrode-
Soltau, sowie die in Fig. 24 angegebenen Landstrassen. Die einzige Eisen-
bahnlinie, welche den Kreis durchschneidet, ist die Strecke Hannover-Soltau,
von welcher die Strecke Walsrode -Visselhövede abzweigt
Der Kreis ist im ehemaligen Fürstenthum Lüneburg belegen, dessen
Schicksale er in gleicher Weise wie der Kreis Burgdorf theilt. Nur die bis 1859
zum Amt Neustadt am Rübenberge gehörigen Gemeinden Nienhagen, Nord-
drebber, Suderbruch und von der Gemeinde Gross-Grindau das Dorf Klein-
Grindau liegen im früheren Fürstenthum Calenberg.
-^ 102 8^
In kirchlicher Hinsicht gehörte der Kreis zur Diöcese Minden; nur bei
Stellichte greift er in das Bisthum Verden hinüber. Von den in Betracht
kommenden Ortschaften sind Gilten, Suderbruch und Norddrebber im Archi-
diakonat Mandelsloh, die übrigen im Archidiakonat Ahlden belegen. Der Gau,
welchem der Kreis zugetheilt war, führt den Namen Loingau.
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Flg. 24. Kreis FallingbosteL
Der Kreis, welcher der landschaftlichen Reize nicht entbehrt, hat an
Kunstdenkmälem nicht viel aufzuweisen. Aus der romanischen Zeit hat nur
der Thurm in Kirchwahlingen dem Sturm der Zeiten getrotzt. Reicher ist die
gothische Zeit vertreten, in welcher mehrere Gotteshäuser gebaut wurden
Von späteren Kirchen ist die in Stellichte vom Jahre 1610 wegen ihrer fast
vollständig noch erhaltenen inneren Ausstattung besonders bemerkenswerth.
Bei den Kirchen in Dorfmark und Fallingbostel steht der Thurm in einiger
Entfernung von der Kirche. Herrenhäuser werden an vielen Orten angetroffen.
-^ 103 8^
Berähmt ist namentlich wegen seiner Geschichte das Schloss zu Ahlden. Reste
Yon froheren Burgen finden sich bei Ahlden, Bierde und Hudemühlen. Ältar-
leuchter sind aus den Jahren 1594, 1640 und 1722 erhalten; vielfach ist die
gothische Form vertreten. Zwei Cruciflxe in Walsrode imd in Hudemühlen
stammen aus dem XV. Jahrhundert. Aeltere Glocken sind reichlich vorhanden.
Die zu Gilten kann noch der romanischen Zeit angehören; die Marienglocke in
der Walsroder Stadtkirche ist 1437 gegossen. Gute Grabsteine finden wir in
Eirchwahlingen und in Walsrode vortreffliche Glasmalereien aus dem Ende
des XV. Jahrhunderts. Die Kirche zu Düshom bewahrt zwei Figurengruppen
aus der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts auf. Erwähnt sei noch das Tauf-
gefäss in Dorfmark vom Jahre 1465.
Ahlden.
Kirche. Scbloss.
Litteratur: Origines Guelficae; Leibniz, Scriptores renim Bransvicensium ;
von Hodenberg, Lttneburger Urkundenbuch XV; derselbe, Hodenberger Urkundenbnch;
derselbe, Hoyer Urkundenbuch; derselbe, Calenberger Urkundenbuch V; derselbe, Lttne-
bnrger Lehnregister; Sudendorf; Urkundenbuch der Stadt Lüneburg II; Doebner II;
Meinardus, Urkundenbuch des Stiftes und der Stadt Hameln; Urkundenbuch der Stadt
Braunschweig II; Lüntzel, die <ere Diöcese Hildesheim; Yogell, Geschlechtsgeschichte
der Herten Behr; Merian; Manecke; Begenten-Sahl 1698; Pfeffinger, Historie II; Meding,
Nachrichten von adelichen Wappen I; Neues Hannoversches Magazin 1806 und 1810;
Zeitschr. d. bist Yer. f. Nieders. 1867 und 1885; Spilcker, Geschichte der Grafen y. Wölpe;
Koch, pragmatische Geschichte des Hauses Braunschweig und Lüneburg 1764; Wipper-
mann, Bukki-Gau; Havemann; Kayser, Kirchenvisitationen 1897 ; Böttger, DiOcesan- und
Gau-Grenzen; Holscher, Beschreibung des Bisthums Minden; Görges, Yaterl&ndische Ge-
schichten und Denkwürdigkeiten der Vorzeit II; Mithoff, Kunstdenkmale I 145 und lY;
derselbe, Kirchenbeschreibnngen ; Grütter, Arbeiten über den Loingau, Hannoy. Ge-
schichtsbl., 3. Jahrg.
Quellen: Urkunden und Akten des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover ; GrUtter^scher
Nachläse im Stadtarchiv daselbst
Der Flecken Ahlden lag Yonnals hart an der Aller, bis diese sich 1618 Geschichte,
ein neues Bett suchte. Der alte Lauf f&hrt jetzt den Namen .alte Leine*.
Der Bischof Siward, 1120—1140, überlfisst im Jahre 1140 der Nonne Rasmoda
in Wunstorf unter Anderem auch einen Theil der Einkünfte aus seinen Gütern
in .Alethen*. Auch besass er einen bedeutenden Haupthof (curtis, curia) da-
selbst. Der Edelherr Mirabilis beschenkte die Mindener Kirche um 1160 mit
weiteren Gütern in ,Alden', um 1188 erwarb der Bischof Detmar noch 16 Hufen
daselbst, vereinigte dann seine in und um Ahlden belegenen Güter und übertrug
gegen Zahlung jährlicher Einkünfte das Amt eines villicus der Familie Yon
Ahlden. Daneben verpfändete er ihr den Haupthof selbst. Von diesem 1762
im Mannesstamme erloschenen und namentlich in den Aemtem Ahlden und
Rethem begüterten Geschlecht kommen Rottherus de Althen et filius eins
Hartmannus bereits 1198 urkundlich vor. Am 25. Mai 1285 verkauft dei;
Bischof Volquin aus Geldnoth den Gebrüdem von Ahlden die Einkünfte, welche
sie ihm für das Amt des villicus zu zahlen hatten und belehnt sie mit diesen
und dem Haupthofe. Nach dem Lehnsregister des Bischofs Gottfried,
1304—1824, war Konrad von Amheim mit der bischöflichen Vogtei in Ahlden
belehnt. Doch werden bereits in demselben Verzeichniss die Herren von Ahlden
als bischöfliche Lehnsträger der Vogtei aufgeführt; auch trugen sie seit 1870
das den Herzögen von Sachsen -Lauenburg zustehende Gogericht daselbst zu
14
i
-^ 106 8^
Lehen. In den Fehden von 1457—1459 wurde der Ort mit Feuer und Schwert
verwüstet. 1543 umfasste das Amt .tho Olden" die Kirchspiele »Eckel"
(Eickeloh), .Gilthen« (Gilten) und .Olden« (Ahlden). 1592 uberlftsst Herzog
Ernst von Braunschweig und Lüneburg dem Drosten zu Ahlden, Friedrich von
Bothmer, das Amt Ahlden auf Lebenszeit. 1620 ist Johann Behr Drost daselbst.
1632 wurde der Flecken von Pappenheim und TQly «aussgebrandf. 1683 wurde
der ganze Ort durch Nachlässigkeit des Häxthausischen Gesindes vom Feuer
^verzehref^. Am 20. April 1715 wurden 98 Gebäude durch eine Feuersbrunst
in Asche gelegt.
Ahlden war ehedem der Sitz eines zum Bisthum Minden gehörigen
Archidiakonats. Zu ihm zählten 1632 folgende, namentlich aufgeführte Kirchen :
Alden, Schwarmessen, Nienstadt, Bässen, Wahlnigen, Vollingborstell, Dorpe-
marck, Duszhome, Bergen, Winsen, Helen, Wistendorp, Meinerdingi Soltaw,
Hermborg, Bussen und Walsrode. Es umfasste demgemäss die nördliche
Hälfte des Loingaues. Neustadt gehörte zwar ursprünglich zum Archidiakonat
Mandelsloh, dodi wurden 1280 die Synodalrechte über die Kirche zu Neustadt
dem Archidiakon in Ahlden übertragen, der zugleich Domherr in Minden war.
Eine Zeitlang war das Ahldener Archidiakonat mit dem Wunstorfschen ver-
bimden. Von 1263 bis 1279 war z. B. Amoldus de Schinna Archidiakon in
Ahlden und in Wunstorf, desgleichen Gyso Vosz 1291—1309. 1412 war
Hinrick Kercher tho Alden eyn vorwarer des bannes der Costerye tho Minden.
Die Kirche in Ahlden war Johannes dem Täufer gewidmet. 1200 und
1202 wird Ludolfus als Priester genannt und 1241 Johannes als plebanus.
1296 trennte sich das Dorf Eickeloh ab und gründete eine eigene Pfarre. Nach
einem um 1370 geschriebenen Lehnsregister war «dat ganse Kerspel to Alden*
Lehen der Grafen von Hoya. Im XVIL und XVXII. Jahrhundert ist die Wals-
roder Superintendentur dreimal mit der Pfarre verbunden gewesen. 1715 wurde
die Kirche durch Brand zerstört, aber bald danach wieder aufgebaut. In der
Kirche befand sich über der Thür des Amtsstuhles ein Fenster mit den
Wappen des Johann Behr und seiner Gemahlin Marie von Bothmer vom
Jahre 1612, in welchem sie auch eine silberne Giesskanne mit ihren Wappen
und den Bezeichnungen ,J. B.* und ^M. v. B." schenkten. 1751 wird ein in
der südlichen Kirchenmauer befestigtes Epitaph des Friedrich von Bothmer,
geboren 1544, gestorben 1610, erwähnt, welches mit dem Böthmerschen
Wappen «ausgezieret*^ war. In der Sakristei, unter welcher sich das Haxt-
hausische Erbbegräbniss befand, war das Epitaph des 1690 gestorbenen Arnold
Ludwig Haxthausen angebracht imd mit dem Wappen der Familie ^ausgezieret*.
Ausserdem befand sich in der Kirche an der Nordseite ein hölzernes, mit
schwarzem Sammet überzogenes Monument mit dem Wappen derer von Haxt-
hausen. Die Pfarrstelle sowie die Priesterstelle an dem St. Nicolaus-Altar hatte
ehedem der Archidiakon zu besetzen.
In der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts hat auf kurze Zeit auch
ein Kloster in Ahlden bestanden. Der Archidiakon Amoldus de Schinna und
der Pfarrpriester Reinold Reimers (1261—1274), welch' Letzterer der erste
Dechant an demselben wurde, hatten es begründet. Der Bischof Otto von
-^ 107 8^
Minden gab am 29. März 1274 seine Bestätigung. 1280 jedoch wurde das
Kloster nach Neustadt am Rübenberge und 1295 von dort nach Lübbecke bei
Minden verlegt. Der St. Nicolaus-Altar war bei der Gründung des Klosters
eingegangen.
Ahlden gegenüber an der Aller, der jetzigen alten Leine^ lag vormals
die Veste Bunkenburg. In einer Urkunde vom 15. Mai 1310 nennt sich Ritter
Johann von Escherde Vogt in Bunkenburg — «Aduocatus in Bunckenborgh".
In einer Urkunde vom 25. November des gleichen Jahres erscheinen die Ritter
Heinrich von Hodenberg und Konrad von Fulda an der Spitze der Burgmänner
zu Bunkenburg — «castrenses in Bunkenborg*^. Femer heisst es in den um
1340 geschriebenen Bückener Annalen: ,Do buweden se den Hodenhagen
nicht ferne von de Allere bouen der Buckenburg*. Vermuthlich wurde die
Bunkenburg schon im Laufe des XIV. Jahrhunderts zerstört. In den bekannten
Urkunden des XV. Jahrhunderts , in welcher die fürstlichen Schlösser im
Lüneburgischen aufgeführt werden, wird ihrer nicht mehr gedacht. Zu Beginn
des XVn. Jahrhunderts soll Herzog Christian die letzten Reste abgebrochen imd
zum Ausbau des Schlosses verwandt haben. Jetzt ist nur noch ein Theil des
früheren Walles vorhanden.
Am 13. Mai 1344 geloben die Gebrüder Ludolf, Lambert und Otto von
Alden, ,De Kemenaden • de dar Buwet is in vsen hof in Deme Dorpe to Alden.
ane tenerleye vortoch vnde wedd^ersprake" zu brechen, sobald die Herzöge
Otto und Wilhelm von Braunschweig und Lüneburg es fordern. Zu Beginn
des XV. Jahrhunderts hat Herzog Heinrich von Lüneburg ihnen das Schloss
mit Gewalt genommen, es ihnen aber gegen das Versprechen, daraus keine
Fehde oder Räuberei anzufangen, 1414 wieder überlassen. 1422 erklären die
Herzöge Wilhelm und Heinrich von Braunschweig, bei den Herzögen Otto und
Friedrich keine Forderungen «vme Alden willen" zu stellen. Eryke van Alden
soll sein Besitzthum wiedererhalten «vthgesecht de woninghe to Alden dar
schal he nicht buwen*^. 1431 wurde denen von Ahlden ihr Schloss abermals
und zwar diesmal auf immer genommen. Das Gogericht, der Haupthof mit
dem Schlosse, sowie das Obereigenthum der bischöflichen Leute und Güter
wurden in herzogliches Eigenthum umgewandelt und denen von Ahlden ihre
Güter bis auf Böhme, Fulde und Campen entzogen. Während seiner Fehde
mit den Herzögen Wilhelm und Heinrich von Braunschweig (um 1431) behauptete
der Bischof das »castmm Aelden non sine maximis expensis et damnis*.
1433 wird es von dem Herzog Bernhard und dessen Söhnen Otto und Friedrich
in dem Vertrage, welchen sie mit dem Herzog Heinrich schlössen, unter den
derzeit verpfändeten landesherrlichen Schlössern mit aufgeführt. In der Hildes-
heimschen Stiftsfehde wurde das Schloss 1519 dem Herzog Heinrich dem
JtLDgeren vom Herzog Erich zu Calenberg genommen. Von den erhaltenen
Baur^stern ist eines überschrieben: „Dasz Newe Hausz zw Aldenn. A. 49
[1549] zw bauwenn ahngefangenn". 1573 wurde das Vorwerk mit Schilfrohr,
1574 «nd 1575 mit Stroh eingedeckt. Ein Bauregister aus der zweiten Hälfte
des XVI. Jahrhunderts nennt an Gebäuden des Schlosses folgende: das Eorn-
haus im «knickhe*^, das .vorwerck**, den „ Schaff koffenn*, die Scheune beim
-^ 108 8^
»kraudtgarten'*, die Scheune beim Steinwege und die Scheune .ober der
Brack*. Einen Theil des Schlosses hat Herzog Christian 1613 durch seinen
Drosten Johann Behr «gantz new von grund auff bawen lassen*. Er «ist ins
geyierdte mit vielen schoenen giebeln gebawet mit einem tieffen Wassergraben
ynd Walle auch noch einem ausswendigen Graben vmbgeben*. Im dreissig-
jährigen Kriege ist das Schloss «als eine Landes - Festung' von kaiserlichen
Völkern besetzt gewesen, welche es gegen 800 Mann dänischer Belagerer mit
Erfolg vertheidigten. 1694 wurde der Ingenieur Strauss vom Herzog Georg
Wilhehn nach Ahlden geschickt behuf «Palicadirung* des fürstlichen Schlosses.
In diesem Gebäude vertrauerte die unglückliche
Prinzessin Sophia Dorothea nach ihrer 1695 er-
folgten Verbannung ihr Leben und starb hier am
13. November 1726.
Sie schenkte der Kirche zwei silberne
Altarleuchter, ein Ciborium^ einen Kelch, eine
Kanne, die Altar- imd Kanzelbekleidung und
stiftete die Orgel. Sie hatte sich auch einen
eigenen Kirchenstuhl bauen lassen, doch durfte
sie das Gotteshaus nicht besuchen.
1700 wird ein französischer Gärtner-
Meister Assmus Anthoni genannt, . welcher sich
zu Ahlden aufgehalten und den Garten allda
gebauet hat*^.
1788 erfuhr das Schloss im Inneren
mehrere Veränderungen, indem es zu einer Woh-
nung für den Drosten eingerichtet und zugleich
die PfÖrtnerwohnung, die Amtsstuben und das
Gefängniss hineingelegt wurden.
Von der in den Jahren 1846 bis 1848
neugebauten Kirche erweist sich nur der Thurm
und zwar in seinem grösseren unteren Theile als
alt. Er ist besonders auf seiner Ost- imd Nord-
seite aus überaus rohem Mauerwerk hergestellt.
Auf allen Seiten sind unregelmässig vertheilte, recht-
eckige, nach innen sich in Form von Scharten erweiternde Oefihungen an-
gebracht. Ein spitzbogig überwölbter Durchgang befindet sich als einzige Oeffnung
auf der Ostseite.
Zwei Altarleuchter aus Messing von 35,7 cm Höhe zeigen nach gothischer
Art einen reich profilierten, runden Fuss und einen mit drei Knäufen ver-
sehenen, walzenförmigen Schaft.
Die beiden anderen schönen, silbernen Leuchter ohne Zeichen tragen
auf dem runden Fusse eine Krone und darunter die Inschrift .S D 1722* (Fig. 25).
Sie sind ein Geschenk der Prinzessin Sophia Dorothea.
AI tar-n. Kanzel- Die rothdamastseidene , mit Goldborde besetzte Altar- und Kanzel-
bekleidung. bekleidung ist ebenfalls von der Sophia Dorothea geschenkt.
Beschreibang.
Kirche.
Fig. 2Ö.
Kirche in Ahlden; Altarlenchter.
Altarlenchter.
-<-g 109 8^
Das silbervergoldete Ciborium trägt unter einer Krone die gleiche Giboriom.
Inschrift wie die Leuchter und als Zeichen das springende Pferd mit darunter
befindlicher 12 und die Buchstaben J G S* (?).
In der Sakristei befindet sich ein gut gearbeiteter Crucifixus in farbiger Crncifixns.
Behandlung von rund 1 m Höhe aus dem XVIII. Jahrhundert,
Ebendort ist ein schlecht erhaltenes Oelbild mit einer Darstellung des Gemälde.
Abendmahles aus dem Anfang des XVIII. Jahrhunderts aufgehängt.
In dem erwähnten Durchgange des Thurmes steht das mächtige Grabmale.
Hauptstück eines mit zahlreichen Wappen geschmückten Sandsteingrabmals
des 1690 gestorbenen Amoldus Lydovicus De Haxthausen.
Der obere Theil vielleicht desselben Grabmales mit einer verstümmelten
Darstellung des Gekreuzigten mit Jerusalem im Hintergrunde befindet sich
im oberen Theile der inneren Ostwand des Thurmes. An Wappen sind
folgende sichtbar:
v: Werder. v: Bothmer. D: Fresen.
v: Heimbrock. v: Hasberge. v: Zerssen.
v: Landesberge. Der Klover. D: Rehbocke,
v: Mandelslo. v: Warpe. v: Boldessem.
Auf dem alten Kirchhofe steht das Grabmal des Bernhard Gottfried
Spindler, weiland Predigers zu Ahlden, 1814 gestorben.
Eine 0,16 m hohe, silbervergoldete Kanne zeigt imter einer Krone die Kanne.
Inschrift ,17 S. D 22" und die gleichen Zeichen wie das Ciborium.
Eine andere 0,13 m hohe, silbervergoldete, aus dem XVIII. Jahrhundert
stammende Kanne trägt als Zeichen eine Rose und die Buchstaben DB.
ESn 0,25 m hoher, silbervergoldeter Kelch von 0,13 m oberem Durch- Kelch,
messer hat auf dem Fuss einen aufgehefteten Crucifixus, am Becher unter
emer Krone die Inschrift
S. D.
1722.
und die gleichen Zeichen wie das Ciborium.
Die 1721 von der Sophia Dorothea gestiftete Orgel ist 1847 erneuert. Orgel.
Das Schloss oder Amtshaus zeigt im Grundriss die Hufeisenform. Der SchloBs.
frühere Wall ist ganz, der Graben nur zum Theil noch erhalten.
Das mit hohem Satteldach versehene Hauptgebäude hat ein Erdgeschoss
in Backstein. Das in Fachwerk ausgeführte Obergeschoss trägt unter der Vor-
kragung sowie unter dem Dach in den Formen der Renaissance farbig
behandeltes Schnitzwerk. Die Giebel sind mehrfach übergesetzt. Der Nord-
giebel zeigt unter den Vorkragungen gleiches Schnitzwerk. Oben ist unter
einem Stern die 2^ahl 1613 zu sehen, lieber der Durchfahrt befindet sich ein
in Sandstein gearbeitetes, von den Figuren der Pietas und Justitia seitlich
begleitetes Wappen mit folgender Unterschrift:
Von Gottes Gnaden Christian erwehl*
ter Bischof des Stifts Minden Hertzock
zue Bravnschweigk vnd Leuneburgk.
Anno 1613.
-*4 110 g-H
Der südliche d6r beiden in Fachwerk ausgeführten, zweigeschossigen
Hofflügel hat aaf der Hofseite gut geschnitzte Konsolen mit tauförmigem Wulst
und trägt auf den FöDhölzem und der Setzschwelle des oberen Stockweiles
reiches Schnitzwerk. An den unteren Enden der Stiele ist FScherschinuck
angebracht (Fig. 26). In einer der FOllui^n des oberen Stockwerkes befindet
Fig. iE. Bchlo» In Abidenj Horseite.
sich das mit Gold und Farbe behandelte Braunschweig-Lüneburgische Wappen
mit folgender Unterschrift:
Von Götz Bischoff Wilhelm
der Jvnger Hertzoge zv Brvn
ssweig vnd LTuebvrch •
Darunter ist auf der Setzschwelle zu lesen:
Anno Domini
m ccccc 1 XI IX 1579-
-»4 111 8^
B i e r d e.
Litteratnr: Hadenberg, Hodenberger Urknndenbiich; derselbe, Lttnebnrger
Urknndenbuch XY; derselbe, Hoyer Urkundenbuch ; derselbe, Lttnebnrger Lebnregister,
Lenthe^s Archiv IX; Sndendorf, Urknndenbnch der Stadt Lüneburg I; Spilcker, Geschichte
der Grafen von Wölpe; Pfeffinger, Historie I; Manecke II; Holscher, Beschreibung des
Bisthnms Minden; Kayser, Kirchenvisitationen 1897; Mithoff, Knnstdenkmale IV; derselbe,
Kirehenbeschreibungen ; Grütter, Arbeiten über den Loingau, Hannov. Geschichtsbl.,
3. Jahrgang.
In den Jahren 1258 und 1259 stellt der Herzog Albert von Braun-
schweig in yBirdhen' bezw. yBirethe*^ Urkunden aus. 1267 war Conradus de
Hemwide advocatus in Birede. 1282 werden Alverich und Gebhard Schucke
als Burgmänner daselbst genannt. Das Schloss wird, wie Grütter vermuthet,
1289 seinen Untergang gefunden haben.
Das landtagsfähige Gut daselbst mit dem Gräflich Hoyer Zehnten
besassen bis zu ihrem Aussterben 1798 die Herren von Fulde, dann Graf von
Oeynhausen und schliesslich bis zu ihrem Aussterben die von Ende.
Am Ende des XIV. Jahrhunderts wird der Ort als zum Earchspiel
Düshom gehörig, 1489 aber als in der Parochie „Aelden* belegen bezeichnet.
Bezüglich der dem hefligen Vitus geweihten Kapelle sagt Mithoff in seinen
Kirchenbeschreibungen: «Verfallenes hölzernes Gebäude, zum Abbruch bestimmt*^.
Die frühere Veste kennzeichnet sich noch heute als ein zum Theil mit
Bäumen bestandener und mit den Resten von zwei Gräben und zwei Wällen
umgebener Platz in der Bierder Koppel, nahe der Aller und südlich vom Orte.
Böhme.
KapeUe. Herrenhaus.
Litteratnr: Hodenberg, Hodenberger Urknndenbnch; derselbe, LUnebnrger
Urknndenbnch XV; derselbe, Hoyer Urknndenbnch; derselbe, Lttnebnrger Lehnregister,
Lenthe^s Archiv IX; Sndendorf; Vogell, Geschlechtsgeschichte der vonBehr; Manecke II;
Holscher, Beschreibnng des Bisthnms Minden, Zeitschr. f. westfftl. Gesch. n. Alterthnmsk.,
Band 34; Mithoff, Knnstdenkmale IV.
Quellen: Urkunde des Kgl. Staatsarchivs zn Hannover; GrUtterscher.Nachlass
im Stadtarchiv.
JjBS am gleichnamigen Flusse belegene Dorf ist nach Kirchwahlingen Geschichte.,
eingepforrt. Zwischen 1830 und 1352 erhielt Godeko Tomey .den tegeden tor
Bomene' von den Herzögen Otto und Wilhelm zu Lehen. Femer wird der
Ort im Jahre 1407 und 1408 genannt. 1562 lautet die Namensform .Bome*.
1613 begegnet Joachim von Ahlden zur Beume Erbgesessen^
-^ 112 8^
Die Kapelle wurde 1715 von dem Geheimen Rath von Hatlorf erbaut
und 1716 vom Superintendenten Müller zu Schwarmstedt eingeweiht.
In Böhme haben ehedem zwei adelig freie landtagsfähige Höfe bestanden,
der eine war Schaumburgsches, der andere Hildesheimsches Lehen; ihre Be-
sitzer haben öfter gewechselt.
'""'-' \ \ \ \ i 1 i 1 1 J
Flg. 87. Kapelle in BOhme; Onmdriss.
BeBchreibung. Die massive, geputzte, aus der ersten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts
Kapelle, stammende Kapelle ist innen rund, aussen achteckig und mit einem Mansarden-
dache bedeckt (Fig. 27). Der Innenraum wird durch ein geputztes, auf einem
Gesimse ruhendes Brettergewölbe in Kuppelform, welches durch gezogene
Profile gut .gegliedert ist, abgeschlossen. Der rechteckige Vorbau im Westen
mit der Eingangsthür ist an der Vorderseite mit Hausteinen verblendet und
mit einer Freitreppe versehen; von hier aus ist auch die imter der Kapelle
befindliche Gruft der Familie von Amswaldt zugänglich. Die Fenster des Vor-
baues sind rechteckig, die übrigen halbkreisförmig geschlossen und in ebensolchen
Nischen angeordnet. Sämmtliche Fenster haben glatte Sandsteingewände.
Der von zwei seitlichen Säulen begrenzte, hölzerne Altar stammt aus
der Zeit der Erbauung der Kapelle und enthält noch den Schalldeckel der früher
eingebaut gewesenen Kanzel,
Zwei zinnemei auf drei Füssen ruhende Altarleuchter sind in Barock*
formen gehalten.
Die hölzerne Kanzel steht jetzt an einem Pfeiler der Südseite.
Das einfache, auf hohem, massivem Sockel in Fachwerk und zwei Ge-
schossen errichtete, rechteckige Herrenhaus trägt ein Mansardendach« . Auf der
Südseite ist eine Freitreppe vorhanden. Das. Gebäude rührt aus der ersten
Hälfte des XVIII. Jahrhunderts her. . Am Hofeingange . stehen yior Backstein^,
pfeiler mit Sandsteinsockel und Bekrönung; die. beiden mitUeren traget
Altar.
Altarleuchter.
Kanzel.
Herrenhaus.
113
Insehriften mit den Namen des .Johann Philipp von Hattorf" und der .Sophie
Dorothee von Hattorf gebohrne Groten aus dem Hause Sdinega' sowie die
Jahreszahl 1731.
B o t h m e p.
KapeUe. Henrwihaiis.
Litteratnr: Origines Gnelficae; Hodenberg, Hodenberger ürkundenbuch; der-
selbe, floyer Ürkundenbuch; derselbe, Calenberger Ürkundenbuch III und V; derselbe,
Verdener Gesehichtsquellen; derselbe, Lttneburger Lehnregister, Lenthe^s Archiv IX;
Doebner VI; Sndendorf; Yogell, Geschlechtsgeschichte der Herren Behr; Spilcker, Geschichte
der Grafen von Wölpe; Pfeffinger, Historie II; Regenten -Sahl 1698; LUntzel, die ältere
Diöcese Hildesheim; Holscher, Beschreibung des Bisthums Minden, Zeitschr. f. westflU.
Gesch. n. Alterthumsk., Band 84; Eayser, Kirchenvisitation 1897; Manecke II; Meding,
Nachrichten von adelichen Wapen I; Mithoff, Eunstdenkmale IV.
Quellen: Urkunden des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover.
Das an der Leine belegene Dorf ist nach Schwarmstedt eingepfarrt. Geschichte.
Nach demselben hat sich ein noch heute blühendes, 1696 vom Kaiser Leopold
in den Freiherrenstand erhobenes Geschlecht benannt, von welchem ein Ulrich
(de Botmer, Botmere, Botmare, Bothmare) zwischen 1181 und 1185 sowie in .
den Jahren 1187 und 1196 urkundlich begegnet. 1728 hören wir von dem
adeligen Gute des Christian Behr in Bothmer.
Die nur f&r die adeligen Höfe der Herren von Bothmer bestimmte, im
Jahre 1610 der Inschrift gemäss erbaute Kapelle wurde 1822 mit Schwarmstedt
vereinigt, ging bald darauf aber ein und dient gegenwärtig als Speicher.
Das 1596 gebaute Herrenhaus war ehedem mit Dacherkem, der
Treppenthurm mit hoher Spitze und das Gutsgehöft mit Zugbrücke und Graben
versehen.
Die rechteckige, mit einer Gruft versehene Kapelle ist aus Backsteinen Beschreibung,
erbaut, hat hölzernes Hauptgesims und trägt einen viereckigen, hölzernen Dach* Kapelle,
rdter im Westen; Auf der Nordseite sind drei und auf der Südseite vier zum
TheSL arg verfallene Strebepfeiler angeordnet. Die Fenster , sowie die im
Süden liegende Eingangsthür sind mit Korbbögen geschlossen. Ein aus Sand-
stein gut gearbeitetes Wappen über dem Eingange hat die Lapidarunterschrift:
Yä Gottes Gnade Conradt
van Bothmar • Apt vndt Her
vam Havse zv S. ]&Gchael in Lvnae
bvrch. Aö salvtis nostrae • 1610.
Das in Renaissanceformen errichtete rechteckige Herrenhaus aus Fach- Herrenhaus.
weriL mit massivem Westgiebel besteht aus Erd- und Obergeschoss; letzteres
ist vorgesetzt und hat zwischen den Balkenköpfen ein gut erhaltenes Zahn-
schnittgesims aus Holz mit geschnitztem Eierstab imd einer Inschrifti welche
15
-^ 114 8^
an der Südseite durch eine Bretterverschalung verdeckt wird. Der Backstein-
giebel mit angebautem, achteckigem Treppenthurm ist wie dieser mehrfach
durch Sandsteingesimse g^liedert; die Ecken haben Quadereinfassung. Drei
kleine Sandsteinfiguren^ von denen eine die Mitte bekrönt, eine andere in einer
spitzbogigen Nische untergebracht ist, sind auf dem Giebel vertheilt. In dem
mit Pfannen gedeckten Thurm befindet sich eine aus Sandstein gearbeitete
Wendeltreppe. Bei den meistens zugemauerten Oeffnungen herrscht der Korb-
bogen vor. Die Sandsteinthür am Thurm hat Renaissanceformen und die
Inschrift: ,• Ghristvs • spes • nra •*; Darüber das Bothmersche Wappen mit der
Jahreszahl 1596 imd als Bekrönung Christus mit der Weltkugel.
Dopfmark.
Kirche.
Litteratnr: von Hodenberg, LUnebnrger Urknndenbuch VII und XV; Snden-
dorf; Regenten - Sahl 1698; Manecke II; Wippermann, Beschreibung des Bnkki- Gaues;
Kayser, Kirchenvisitationen 1897; Böttger, Diöcesan- und Gau -Grenzen; Holscher,
Beschreibung des Bisthums Minden; Freudenthal, Heidefahrten; Mithoff, Kunstdenkmale IV;
derselbe, Kirchenbeschreibungen ; Grütter, Arbeiten über den Loingau, Hannov. GeschichtsbL
in den Jahrgängen 2—4.
Quellen: Verzeichniss der kirchlichen Kunstdenkmäler von 1896.
Geschichte. Das an der Böhme belegene Kirchdorf Dorfmark gehörte ehedem zum
Archidiakonat Ahlden im Loingau und bildete vormals mit seinem ; ausgedehnten
Kirchspiel eine eigene Vogtei. Im April des Jahres 1006 übertrug der König
Heinrich IL seinem Kapellan Dietrich neben Anderem ^in pago • • Lainga curtem
quae vocatur Thormarca*.
Der Ort wird dann in den Jahren 1270; 1288 und 1329 genannt.
1378 wurde in Dorfmark Goding und Holting abgehalten. Auch hat
daselbst ein Schloss gestanden. In einem Verzeichniss der Ausgaben und Ein-
nahmen auf Schloss Celle vom 12. November 1381 bis 31. Mai 1382 lesen wir
nämlich: «Dit is dat ik Vricke voged op hebbe genomen, van mynes heren
wegen van LuneC vn des Voghedes w^en tho Tzelle, dat. op dem.e Slothe to
Dorfmarke is vordaen*. Auch hören wir von den .hof luden to Dorfmarke' und
den Kirchspielleuten, sowie von dem «Kerspel to Dorpmarke". Dorfmark hatte
damals Stadtrechte, die aber erloschen, als Soltau 1388 damit begabt wurde.
1475 erscheint «der Cord van der Metzen Kerkhare tho Dorpmarke".
Der adelig freie landtagsfähige Hof in Dorfmark kam von denen von
Jettebruch, welche 1701 oder 1703 ausstarben, an^die von der Wense, weiche
auch Patronatsherren wurden.
Beschreibung. Die mit dreiseitigem, um zwei Stufen erhöhtejn , Cho]:schlusse und
Schiff, hölzernem Hauptgesimse versehene, aus Bruchsteinen errichtete, aussen neuer-
dings mit Putz gequaderte Saalkirche hat eine kleine Sakristei im Norden sowie
-^ 115 8^
eine bogenförmige, geputzte, auf einem Wandgesims ruhende Schaldecke. Das
Dach ist im Westen zur Hälfte abgewalmt. Die Wetterfahne enthält die Inschrift:
Gebaut
A 1708.
Mit Ausnahme von zwei kleineren, flachbogigen Fenstern in der West-
wand sind sämmtliche Fenster und Thüren halbkreisförmig geschlossen. Neue,
gut durchgebildete Emporen sind auf der West-, Nord- und Südseite angeordnet
und laufen im Osten gegen einen triumphbogenartig, m Holz ausgebildeten
neueren Abschluss zwischen Chor und Schiff, lieber der östlichen ThOr der
Nordwand befindet sich eine Inschrift mit der Jahreszahl der Erbauung 1708.
Der viereckige, auf der Nordseite in einiger Entfernung von der Kirche
freistehende, mit einem Zeltdach versehene hölzerne Glockenthurm hat in der
Wetterfahne die Inschrift:
J.M
J.H.M
1.7.5.1
Die Aussenseiten desselben sind mit Brettern benagelt.
Die spätgothische, mit Gold und Farbe behandelte Altarwand ist von Altar.
Hase wiederhergestellt und ergänzt. Der Plan für die Ergänzung ist noch
vorhanden. Sie enthält im Hauptfelde den Gekreuzigten zwischen den Schachern.
Am Fusse des Kreuzes sind mehrere Berittene, die um den Mantel würfelnden
Kriegsknechte und eine Gruppe mit Maria zu sehen. Seitlich vom Mitteltheil
haben je drei Felder Platz gefunden. Die vier oberen grösseren Felder ent-
halten: Christus vor dem Hohenpriester^ die Kreuztragung, die Abnahme vom
Kreuz und den Heiland in der Vorhölle, welche als geöflheter Rachen dargestellt
ist. Die beiden kleineren Felder zeigen die Brustbilder der zwölf Apostel. Die
Gruppe unter dem Miltelschrein stellt Christus betend am Oelberg dar mit den
schlafenden Jüngern, während in der Bekrönung die Auferstehung dargestellt ist.
Zwei 37 cm hohe einfache Altarleuchter haben einen walzenförmigen Altarlenchter.
Schaft mit Knauf und drei Füsse in gothischer Auffassung.
Das Oelgemälde des 1649 gestorbenen Pastors Johannes Wezelius hängt Gemälde,
an der Nordwand im Chor.
Die 1,18 m im Durchmesser haltende Glocke von schlechtem Guss trägt Glocke,
die Lapidarinschrifl:
Dvrchs Fever flos ich
Johann Christoph Havtsch
avs Lvnebvrch gosz mich
anno 1765 den 14 Avgvst,
Die Mitte der Rückseite weist eine fünfzehnzeilige Inschrift auf.
Auf dem Kirchhofe liegt ein zerbrochener Grabstein aus dem Ende des Grabstein.
XVII. Jahrhunderts mit der Bezeichnung des Meisters J. G. S.
Ein silbervergoldeter Kelch mit sanft geschweiftem Becher trägt auf Kelch.
! dem sechstheiligen Fusse einen Crucifixus. Auf den sechs viereckigen Schildchen
des Knaufes sowie darüber und darunter am sechseckigen Stiel ist jedesmal zu
lesen: .Jhesvs*.
15*
[
Das schöne, rtmde Tauf^f&ss aus Messing wird von vier stehenden,
männlichen Figuren getragen. Das Becken ist 51 cm, mit Figur«! 97 cm hoch,
bei 83 cm oberem und 64 cm unterem Durchmesser {Fig. 28).
PIk. SS, Kirche in DorTmark; TanfgefKu.
Am oberen Rande steht in gothischer Schritl:
Neyn • mynsche ■ hyr ■ up • erden ■
mach - ane • de • dope • sellcb • werden •
De • dope - den • raynschen ■ also • vor • clart ■
Dat ■ he - to ■ godde . wort • varet .
Die Schrift schliesst mit einem Drachen. Die Inschrift in der Hitte lautet :
Anno - domyn; • mylesymo - cccc ■ in ■
dem ■ vyf ■ vnde ■ sestigesten • iare •
wart • dusse • dope ■ goten • dat • is -
war .
->4 117 1^
D ü 8 h o r n.
Kirche.
Litteratur: Sndendorf; Hodenberg, LUneburger Urknndenbuch XV; derselbe,
Hodenberger Urknndenbuch; derselbe, Hoyer Urknndenbuch; derselbe, Calenberger
Urknndenbuch VI; derselbe, Verdener Geschichtsquellen; Lüntzel, die ältere Diöcese
HildeBheim; Begenten-Sahl 1698; Pfannkuche, ältere Geschichte des Bisthums Verden;
Wippermann, Beschreibung des Bukki-Gaues; Manecke II; Böttger, Diücesan- und Gau-
Grenzen; Eayser, Kirchenvisitation 1897; Holscher, Beschreibung des Bisthums Minden;
Mithoff, Kunstdenkmale IV; derselbe, Kirchenbeschreibungen; Grtttter, Arbeiten über den
Loingau, Hannov. Geschichtsbl., 2. und 3. Jahrg.
Quellen: Urkunde des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover; GrUtterscher Nachlass
im Stadtarchiv ebendaselbst
Das ehedem zum Mindener Archidiakonat Ahlden im Loingau gehörige Geschichte.
Kirchdorf hat frOh ein Grotteshaus besessen. In einer zwischen 1223 und 1235
ausgestellten Mindener Urkunde kommt ein Gerhardus sacerdos de Dushome
und m weiteren Mindener Urkunden der Jahre 1250 und 1252, sowie in einer
Urkunde Hermanns von Hodenberg aus dem Jahre 1255 ein Burchard als
Pfarrer in Dushome bezw. Duzhom vor. 1275 begegnen Hermannus et
Volcqwardus Gberhardus in Dushome vicarii. 1321 erwirbt der Pfarrer Johannes
namens seiner Kirche von Albert ProYesting dessen Mindenschen Lehnhof und
Kothe im Orte. Von dem .Eerspelde to Diishora* ist in einem Verzeichniss
der zum Schloss Gelle gehörenden Hebungen aus den letzten Jahrzehnten des
XIV. Jahrhimderts die Rede. In den Fehden der Jahre 1457—59 wurde der
Ort mit Feuer und Schwert verwüstet. 1824 suchte ein grosser Brand den Ort
heim. 1843 erfolgte der Umbau der Kirche. 1851 wüthete abermals eine
Feuersbrunst.
Das massive Schiff mit flacher, geputzter Holzdecke und einem im Beschreibung.
Westen halb abgewalmten Dach hat im Süden eine rechteckige Sakristei mit
darunter befindlicher Gruft und einen durch f&nf ungleich grosse Seiten
gebildeten C!hor.
Der aus Backsteinen gemauerte Altartisch hat auf der Nord- und Süd- Altar.
sdte je zwei flachbogig geschlossene, gothisch profilirte Nischen.
Zwei 40 cm hohe Altarleuchter aus Bronze haben einen walzenförmigen Altarleiichter.
Schaft mit drei Knäufen in gothischer Auffassung.
Zwei schöne, aus Holz geschnitzte, ehemals zu einer Ereuzigungs- Bildwerke.
darstellung gehörige Figurengruppen, von denen die eine die zusammenbrechende
Maria zeigt, sind in den Figuren 29 und 30 wiedergegeben. Sie erweisen sich als
eine gute Arbeit aus der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts.
Eine einfache, silberne Dose trägt unter einer Krone die Bezeichnung: Ciborium.
DLB
J. J.R
1690.
-t-g 118 i-»-
In der Sakristei hfingl das auf Holz gemalte Bildniss eines Pfarrers mit
der Inschrift:
Hennii^s Thomas
Anno 1616. Aetatis,
svae 35.
14 jetzt als Einfriedigung am Kirchhofe au^estellte Grabsteine enthalten
zum Theil die ganzen Figuren der Verstorhenen und räbren aus dem XVII. und
XVm. Jahrhundert her.
E^K. n und 30. Kirche In DÜBbom; FiKurenBTDppan.
Kanzel. Eine gut geschnitzte Renaissancekanzel wird jetzt als Lesepult benutzt.
Kelch. Der einfache, silberrergoldete Eelch hat auf dem runden Fusse den
Gekreuzigten zwischen Maria und Johannes und die Lapidarinschrift:
In • die • Kirchen ■ zt • Düshom Anno : 1650.
Eickeloh.
Grobfcitpelle, Kirche.
LitterntDr: Von Hodenberg, UodenbergerUrkundenbucfa; derselbe, LUnebnrger
Urkundcnbuch XV-, derselbe, LUneburger LehnregiBter, Lenthe'a Archiv IX; Sndendorf;
Spilcker, Geschichte der Grafen von Wülpe; Uegenten-Saibl ]698; Hanecke II; Holscher,
-^ 119 8^
BeschreibuDg des Bisthoms Minden; Kayser, Kirchenvisitationen 1897; Wippermann,
Beschreibnng des Bnkki-Gaues; Pratje^ Altes und Neues X, 261; Mithoff^ KunstdenkpialelV;
derselbe, Kirchenbeschreibnngen; Grtttter, Loingau, Hannov. Geschichtsbl., 3. Jahrg.
Quellen: Grtttterscher Nachlass im Stadtarchiv zu Hannover.
Das Kirchdorf Eickeloh begegnet bereits in der ersten Hälfte des Geschichte:
Xni. Jahrhunderts. Im Jahre 1237 erwirbt Hermann von Hodenberg vom
Kloster Walsrode durch Tausch sechs Hufen daselbst, von denen zwei der
Gräfin Sophie von Osterburg gehört hatten. Hierdurch kam das Dorf bis auf
einen Hof ganz in die Hände der Herren von Hodenberg. Am 6. Oktober 1295
verkauft das nach Läbbecke verlegte, ehemalige Ahldener Kloster dem Ritter
Herbord von Mandelsloh neben Anderem den grossen und kleinen Zehnten zu
Eickeloh. 1296 stifteten Heinrich von Hodenberg, seine Gemahlin Hedwig,
sowie seine Söhne Hermann und Heinrich die Kirche («Basilica') zu Eickeloh
für die ihnen fast ganz gehörigen und bis dahin nach Ahlden eingepfarrten
Dörfer Eickeloh und Hademstorf, da die Ahldener Pfarrkirche durch die Aller
von diesen getrennt war, die Bewohner bei nassen Zeiten nicht hinüberkommen
konnten und, virie die Urkunde sagt, es sich selbst ereignete, dass einige auf
dem Wege zur Kirche in den Fluthen der Aller umgekommen waren. Die von
Hodenberg beschenkten sie reichlich. Der Mindener Bischof gab seine Zustimmung
und setzte zugleich die näheren Verhältnisse der neuen Kirche fest. Es wurden
ihr alle Eingesessenen zwischen Aller und Meisse zugeordnet; sie erhielt eine
selbständige Stellung als Pfarrkirche, musste aber der Ahldener Mutterkirche
jährlich zu Michaelis eine Geldabgabe (»septem fertones bremensis argentj)'
zahlen; im übrigen blieb sie dem Archidiakon in Ahlden unterworfen und
sollten die Eingepfarrten zur Synode nach Ahlden gehen. Das Patronat vmrde
auf ewige Zeiten den Stiftern zugesichert, welche den ausgewählten Pfarrer dem
Ahldener Archidiakon präsentiren sollten. Bei den zwischen 1330 und 1352
von den Herzögen Otto und Wilhelm vorgenommenen Belehnungen erhielten
«De riddere van Hodenberge' «dat dorp al to Ekle . ane enen hof zu Lehen.
1489 wird «Eklo* als in der Parochie «Botzem* (Kirchboitzen) belegen be-
zeichnet. 1776 wurde eine alte geborstene Glocke umgegossen. Die alte, wohl
noch im Wesentlichen den 1296 aufgeführten Bau zeigende Kirche dient jetzt
den Freiherren von Hodenberg als Familienbegräbniss; statt ihrer wurde ein
neues Grotteshaus gebaut und am 19. Dezember 1868 geweiht.
Von dem früheren Herrenhause des adelig freien landtagsfähigen Hofes
derer von Hodenberg ist heute nur noch ein Platz an der Aller in der Eicke-
loher Marsch zu sehen, welcher mit Wall und Graben umgeben ist und die
Burg genannt wird.
Das Schiif der gothischen, im Grundriss rechteckigen, mit massivem Beschreibung.
Hauptgesiros versehenen und in Backstein ausgeführten Grabkapelle wird durch örabkapelle.
eine massive Wand/ welche in der Mitte eine grosse, halbkreisförmig
geschlossene Oeifnung und zu beiden Seiten je einen fiachbogigen Durchgang
aufweist, von dem* erhöhten Chor getrennt. Der letztere, ein rechteckiger
Raun>/ wird von einem Kreuzgewölbe mit rechteckigen Rippen überspannt.
-^ 120 8^
. Der Ostgiebel ist durch spitzbogige Blendnischen g^liedert; darunter befinden
• sich zwei spitzbogigCt gekuppelte Fenster mit darfiberliegender, runder Oeffiiung
in einer zweimal zurückgesetzten Nische. Die Eingangsthür und drei kleine
Fenster in" der Südseite zeigen den Spitzbogen.
Kirche. Die 1 m im Durchmesser grosse Glocke hat zwischen zwei Omamait-
Glocke. streifen am Halse die Lapidarinschrift:
, Soli Deo gloria.
Am Rande ist unter einem Ornamentstreifen zu lesen:
Johann Meyer in Gelle •
herrscha£ftl : Stück- u. Glocken
Gieser goss mich 1776.
Kelch. Ein silbervergoldeter Kelch hat auf dem sechslheiligen Fusse einei
aufgelegten Grucifixus mit der Jahreszahl 1664. Daneben sind zwei Wappen
zu sehen, deren Umschriften lautend
Avgvstvs • Friederich • von • HodeiAerg •
und
Anna • Dorothea -von • örtzen •
Auf dem Knaufe steht: Jhesvs.
Taufbecken. Das aus Messing gearbeitete, alte Taufbecken hat auf dem Boden eine
sehr beschädigte Inschrift und eine Darstellung des Sündenfalls.
Eilte.
Denkmal, Grabgewölbe, Henrenhaiui.
Litteratur: Hodenberg , Hodenberger Urkundenbneh ; derselbe, Lttnebnrger
Urknndenbnch XV; derselbe, Galenberger Urknndenbnch V; derselbe, Hoyer Urkunden-
bnch; derselbe, LUnebnrger Lehnregister, Lenthe^s Archiv IX; Urknndenbnch der Stadt
Lüneburg II nnd III; Sndendorf; Meinardns, Urknndenbnch des Stiftes nnd der Stadt
Hameln; Manecke II; Spiloker, Geschichte der Grafen von Wölpe; Regenten-Sahl IGdS;
Vogell, Geschlechtsgeschiohte der Herren Behr; Holsoher, Beschreibung des Bisthoms
Minden, Zeitschr. f. westf&l. Gesch. n. Alterthnmsk., Band 88 nnd 84; Kayser, Kirchen-
Visitationen 1897 ; Mithoff, Knnstdenkmale IV; Meding, Nachrichten von adelichen Wapen L
Quellen: Schulchronik su Eilte; Urkunden des Kgl. Staatsarchivs su Hannover;
Grütterscher Nachlass im Stadtarchiv ebendaselbst
Geschichte.
D(ia n{^<A Ahlden eingepfarrte Dorf ist an der Aller belegen. Graf
Burchard von Wölpe stellte 1267 »apud villam Elethe in ripa Allere** und
1268 ,in Rypa Allere prope Elthe* Urkunden aus: Zwischen 1330 und 1352
erhielt Eylerd van Alden von den Herzögen Otto und Wilhelm dit-'Haus »to
Elthe' zu Lehen. Bei der 1360 vom Herzog Wilhelm vorgenommenen Neu-
belehnung bekamen «Alle de van Alden . . . To Elten I. hof ', Henric van
Hodenberge ,n. houe to Elte' und Johan van Bordesie ,To Elten ü. hone
-^ 121 H-
vnde Uli. cot*. Um 1368 wurde Albert van Botmere mit einer Hufe Landes
yto Elte' belehnt. 1495 erklart Bartbold von Mandelsloh, dass er mit Ein-
willigung des Herzogs Heinrich dem Heinrich von Dagef&rde und Dietrich
Olemann, Bürgermeister zu Celle, den .tegeden to Elte luttick vnd grot',
welcher zur Burg (Borch) Alden gehört, verpf&ndct habe; er verpflichtet sich,
wenn der Herzog oder dessen Erben die Burg «Alden* wieder von ihm «loszen
vnde fryhenn', seinerseits den genannten Zehnten wieder einzulösen. 1567 über-
geben die Herzöge Heinrich und Wilhelm «die jüngere' dem Balthasar Klammer
9 vor eine widerstattung' eine Hofslelle im Dorf .Elthen*, welche zum Hause
Ahlden gehört, zujr Bebauung. 1620 erbaute sich der Grossvogt Balthasar
Klammer eine Hauskapelle zu Eilte, welche er auch dotirle. Nadi dem Erb-
register des Amtes Ahlden vom Jahre 1667 hatten die von Honstedt das
Patronat inne. 1813 brannte die Kapelle sammt dem Herrenhause nieder.
Nur das letztere wurde wieder aufgebaut.
Der adelig freie landtagsfSliige Hof un Orte war ehedem das Stamm-
haus der nach demselben benannten Familie von Eilte. Die Familie erlosch
1560 mit Dietrich von Eilte, worauf das Gut an den Kanzler Klammer, von
dessen Enkel 1685 an die von Honstedt kam.
Dem 1793 zu Mons gestorbenen Georg Wilh. von Honstedt {st auf dem Denkmal.
Wall nahe dem Herrenhause ein Denkmal gesetzt. Dasselbe trägt als Bekrönung
eine Vase.
Von der Kapelle ist nichts weiter als ein mit Erde bedecktes Grab- Grabgewölbe,
gewölbe übrig geblieben.
Das rechteckige, mit neueren Anbauten versehene, einstöckige Herren- Herrenhaup.
haus ist im Anfange des XIX. Jahrhunderts in Fachwerk auf einem hohen,
massiven Sockel errichtet In der Mitte der Vorder- und Hinterseite sind zwei
Giebel ausgebaut. Die Schmalseiten zeigen den halben Walm. Der alte
Wassergraben ist noch vollständig erhalten.
FallingbosteL
Kirche.
Litteratnr: Janicke ; Sndendorf ; von Hodenberg, Hodenberger Urknndenbuch .
derselbe, LUneburger Urkundenbuch XV; derselbe, Hoyer Urknndenbach ; Urkundenbnch
der Stadt Lüneburg I; Lttntzel, die ältere DiOcese Hildesheim; Regenten-Sahl 1698;
Wippennann, Bukki-Gan; Spilcker, Geschichte der Grafen von Wölpe; Böttger, DiOcesan-
nnd Gan-Grenzen; Manecke II; Kayser, KirchenviBitationen 1897; Holscher, Beschreibung
\ des Bisthams Minden; Frendenthali Haidcfahrtcn I; Mithoff, Knnstdenkmale IV; derselbe,
I Kirehenbeschreibnngen ; Jürgens, ein Amtsbach des Klosters Walsrode, Hannov.
I Gescfaichtsbl., 2. Jahrg.; Grütter, Arbeiten über den Loingan, ebendort, a Jahrg.
Quellen: Urkunden des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover; Gftttterscher Nachlass
im Stadtarehiv ebendaselbst
16
-^ 122 8^
Geschichte.
Beschreibung.
Altarlenchter.
Glocken.
Das Kirchdorf Fallingbostel am Westufer der Böhme, in landschaft-
licher Beziehung der am schönsten belegene Ort ' des Böhmethaies, gehörte
ehedem zum Archidiakonat Ahlden im Loingau. Er rechnet zu den Ältesten
des Landes, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass es mit dem .Vastullnge-
burstalle' in dem aus dem XI. Jahrhundert stammenden Schriftstück identisch
ist, welches die um 990 auf Befehl Otto's II. festgestellten Grenzen zwischen
Ostfalen und Engem sowie zwischen den Bisthümern Hildesheim und Minden
angiebt. Zur Zeit des Mindener Bischofs Werner, 1153—1170, schenkte der
Edelherr Mirabilis der Mindener Kirche Güter in «Vastelmgeburstolde*.
1293 wird die Parochie «Valingeborstle* genannt. Der Ort kommt dann 1295,
1306, 1337 und 1338 vor. 1339 hören wir von Hermannus de Ottenstene
sacerdos quondam plebanus in Valingeborstelde. 1344 war Conradus plebanus
de Vallingeborstel. 1378/79 ist von dem »rychte van Valingborstele* die Rede.
1402 und 1407 hören wir von dem Vogt Frederik Stalknecht zu FaUingbostel.
Zur Vogtei Fallingbostel gehörten 1543 Düszhom, Meinerdingk, Dorpmarcke und
Valligenborstell. 1549 wurde der alte .Bargfrede' (Amtslagerbuch) an der
Böhme gebaut. Femer wurde 1595 »daß rechte Vogtey - Wohnhauß darin das
Vorwerk mit begriffen ist nebenst dem Herrn -Hauß'^ (Amtslagerbuch) neu
erbaut. Der Vogt Lade erhielt 1552 den «Diestelhof* vor Fallingbostel, den
Zehnten von dem von ihm bewohnten Hofe und die Deilinger Höfe für einen
Jahreszins auf Lebenszeit eingethan. Nach ihm wurde zwischen 1552 und 1595
die Amtsvogtei errichtet und mit einem adeligen Amtsvogt besetzt. 1757 wurde
die Amtsvogtei Soltau mit der Fallingbostelschen vereinigt und 1835 auch das
Klosteramt Walsrode. Sie wurde 1852 aufgehoben. 1774 wurde ein neues
Amtshaus gebaut. Am 9. Januar 1784 brannten das Amts-, Prediger- und
Schulhaus sowie 24 Häuser nieder. 1829/30 wurde die alte Kirche durch einen
Neubau ersetzt. Soweit der von Mithoff auf Tafel I gegebene Grundriss
erkennen lässt, war sie eine gothische Kirche mit dreiseitig geschlossenem Chor,
rechteckiger Sakristei im Nordosten und rundem älteren Westthurm.
Die neue, massive, innen und aussen geputzte, im Osten und Westen
drdseitig geschlossene, einfache Saalkirche hat je fOnf Rundbogenfenster auf
den Langseiten und drei gleiche Fenster in jedem Schluss. Je eine Tbiir
befindet sich in der Mitte im Norden, Osten, Süden und Westen. Das Bauwerk
ist mit Holzgesims und Pfannendach abgeschlossen. Die geputzte Holzdecke
bt in der Mitte gewölbt und über den seitlichen Emporen, deren Stützen die
Decke tragen, flach. Eine einfache Orgel steht im Westen, eine hölzerne
Altarwand mit Kanzel im Osten. Der in einiger Entfernung von der Kirche
stehende hölzerne, viereckige Glockenthurm zeigt in der Wetterfahne die
Jahreszahl 1793.
Zwei 35 cm hohe, frühgothische Altarleuchter aus Bronze zeigen einen
walzenförmigen Schaft mit drei ringförmigen Knäufen. Die drei Fasse slad
als plumpe Thiergestalten ausgebildet.
Die beiden 1,35 m und 1,13 m im Durchmesser grossen Glocken sind
von M. Thomas Rideweg im Jahre 1719 in Hannover gegossen; sie tragen
-^ 123 H-
zwischen zwei Omamentstreifen am Halse den Namen des Giessers und an
verschiedenen Stellen Engelsköpfe.
Der silbervergoldetef 17,6 cm hohe Kelch hat trichterförmigen Becher, Kelch.
kugeligen, mit Maasswerk verzierten Knauf und einen runden Fuss mit auf-
geheftetem Grucifixus. Der Schaft trägt Worte in gothischen Kleinbuchstaben,
deren Zusammenhang nicht deutlich ist. Es ist eine Arbeit des XV. Jahrhunderts.
Ein stark beschädigter, einfacher Taufstein mit rundem Becken und Tanfstein.
achteckigem Fuss wird jetzt im Pfarrgarten aufbewahrt. Er wird der gothischen
Zeit entstammien.
Güten.
Kirche.
Litteratnr: Von Hodenberg, HodenbergerUrknndenbnch; derselbe, LUnebnrger
Urknndenbnch V nnd XV; derselbe, Calenberger Urknndenbuch V: derselbe, Hoyer
Urknndenbuch; derselbe, LUnebnrger Lehnregister; Sndendorf; Urknndenbnch der Stadt
Lflnebnrg II; Pfeffinger, Historie I nnd II; Manecke II; Regenten -Sahl 1698; Spilcker,
Geschichte der Grafen von WOlpe; Vogell, Geschlechtsgeschichte der Herren Behr;
derselbe, Geschlechtsgeschichte derer von Schwicheldt; von Meding, Nachrichten von
adelichen Wapen I; Wippennann, Beschreibnng des Bnkki-Ganes; BOttger, DiOcesan- nnd
Gan-Grenzen ; Kayser, Kirchenvisitationen 1897; Holscher, Beschreibnng des Bisthnms
Minden; Mithoff, Knnstdenkmale IV; derselbe, Kirchenbeschreibnngrn ; Katalog der Bibl.
d. hist. Yer. f. Nieders., Heft 1; Grütter, Arbeiten über den Loingan, Hannov. Ge-
schichtsbl., 2. Jahrg.
Quellen: Verzeichniss der kirchlichen Knnstdenkmäler von 1896; Kirchen-
rechnnngen in Güten; Urkunden nnd Akten des Kgl. Staatsarchivs zn Hannover;
Grtttterseher Nachlass im Stadtarchiv ebendaselbst
Das ehedem zum Archidiakonat Mandelsloh im Mindenschen Loingau Geschichte,
gehörige Kirchdorf begegnet bereits 1242 als selbst&ndige Parochie. Am
10. August dieses Jahres verkauft Hermann Hodo dem Kloster Mariensee den
.indaginem sitam in parrochia Ghiltene (Geltene) iuxta aliam indaginem que
Yocatur Grawithe' (jetzt Grewjede) mit dem Zehnten und allem Zubehör.
1265 wird Luderus de Ghiltene unter den ecclesiarum rectores aufgeführt.
Kirche und Pfarre werden mit ihren Grundstöcken als Mindensches Lehngut
bezeichnet. Am 10. März 1314 verkauft Hermann von Hodenberg dem Kloster
Walsrode die ihm zustehende Hälfte an dem Dorfe « Ghiltene' und überlässt
demselben seinen Antheil am Patronatsrecht ober die Kirche daselbst. 1319 ver-
sichern Propsty Priorin und Convent zu Walsrode dem Heinrich von Hodenberg,
welcher ihnen bei der durch Ableben des Pfarrers Heinrich entstandenen
Pfarrvakanz der Giltener Kirche deren Besetzung durch den Walsroder Kapellan
Bernhard «de Stenlage' zugestanden hat, dass er diese Pfarrstelle bei der
16*
TJF--
Beaclireibang.
Schiff.
Chor.
-t-( 124 fr*-
DftchstfolgfendeD Vakanz allein besetzen solle. Am 29. April 1330 schenkt
Henrich von Hodenberg dem Kloster die ihm zustehende andere Hälfte des
Patronats Aber die Kirche zu .Ghilten Mindensis dioecesis*. 1337 bekommen
die von Schlepegrell vom Kloster Walsrode das Patronat. 1594 werden zehn
Grosehen für den Draht, welcher den Kneppel zur Schla^locke führt, aus-
g^^eben; femer 13 Groschen für den Riemen zur Glocke, von Bremen gebMcht,
sowie sechs Groschen für das Seil zur Glocke. 169Ö wird ein Stundenglas für
den Predigtstuhl angeschafft; es werden 12 Fenster im Thunn gemacht und
drei Thaler weniger ein Ort für SttUde und Bänke ausgegeben. 1598 Ondeo
wir sechs Groschen für einen Riemen in die kleine Glocke verzeichnet. 1602 wird
der Predigtstuht gebessert, 1603
der Thurm neu gemacht und
geflickt, sowie 1604 das Hess-
gewand dreimal geOickt. 1666/67
wird der Thurm zum Theil neu
gedeckt sowie der Hahn gebessert
und 1669/70 die Kirchenubr
reparirt. 1685/86 folgte eine
abermalige £3ndeckung und Aus-
besserung des Thurmes. 1768 er-
halten die Tischler für die an-
gefertigte Kanzel noch neun rthlr.
SO Groschen. 1769 werden für
eine neue .Unie* zum Au&deh^
des Engels 13 Mariengrosdien
vier Pfenn^ bezahlt. 1775 wird
eine ThürüSnung durch die
Thunnmauer gebrochen, 1780 ein
neuer Fussboden in der Sakristei
gelegt, 1781 die Kirche inwendig
und auswendig geweisst und
gestrichen sowie das Dach ge-
bessert. 1782 wird auf da- Nord-
und Südseite je ein Fenster
durchgebrochen, um für die
westliche Querpriedte mehr Licht zu schaffen. 1797 finden wir eine neue Uhr-
scbeibe verzeichnet. Die vorhandene Kirche ist dem heiligen Paulus gewdht;
das Schiff wurde 1766 neu gebaut und 1849 die Thurmspitze erneuert.
In Güten bestanden drei adelig freie landlagsfähige Höfe. Zwei dtr-
selben brachten die von Bothmer im XV. Jahriiundert durch Kauf an sich. Der
dritte ist das Stammhaus derer von Güten. Von dieser nach dem Ort benannten
Familie kommt ein Eckehardus de Gilten 1271 vor. Sie starb 1775 aus.
Die Kirche besteht aus Schiff, Chor mit Sakristei im Norden und Westtbrirm.
Das Schiff ist in Fachwerk errichtet und mit hölzernem Hauptgesims
versehen. Der schmälere €3ior ist aus Ort- and Backstein«! erbaut und hat
Tlg. 11. Kirche In OUten; Fsniter.
-^ 125 8^
dreiseitigen Schluss. Die geputzte Schaldecke ist aber den Seitenemporen flach
gehalten, zwischen denselben aber tonnenf&rmig gewölbt Der flach gehaltene
Theil wird im Schiff von den durchgehenden Emporenstftndem, im Chor von
besonderen S&ulen getragen. Der alte, zum grössten Theil noch erhaltene
Fttssboden im Schiff ist mit kleinen Kieselsteinen gepflastert , welche zu
Ornamenten zusammengesetzt sind. Im C3ior sind nodi drei alte Fenster in
der Form der Fig. 31 erhalten. Ausserdem ist hier an der äusseren Nordseite
ein zugemauertes, spitzbogiges, durch die vorgebaute Sakristei zum Theil ver-
decktes Fenster sichtbar. Zwei weitere, vormals vorhandene Oeffnungen der
Nordseite lassen sich im Inneren noch erkennen. Die Hehrzahl der Licht-
Öffnungen ist flachbogig geschlossen, ebenso die beiden Eingangsthüren an der
Südseite; diejenige im Chor ist mit profiliertem
Sandsteingewände eingefasst und trägt folgende In-
schrift: «Cordt Rodenbörch • Cordt • Peters- 1 •5-56*.
Die Sakristei, von einem Kreuzgewölbe mit Sakristei.
Bimstabrippen und rundem Schlussstein überdeckt,
ist der älteren Nordseite des Chores vorgebaut und
zeigt einen Backsteingiebel, durch spitzbogige Blend-
nischen gegliedert. Die Eingangsthür an der Ostseite
ist mit dem flachen Spitzbogen, die Verbindungsthür
nach dem Chor mit einem Halbkreisbogen geschlossen.
Die Nordwand enthält zwischen zwei Steinkugeln
einen Wappenstein mit folgender Umschrift in
gothischen Kleinbuchstaben : «Anno . Mcccc 1 xxxxii .
Henninch . v& . Ghilten . dem got • ghenedich • sy.'
Die Fensternischen sind innen und aussen spitzbogig
sowie zweimal gegliedert.
Der viereckige Westthurm ist unten aus Ort- Thurm.
steinen, oben aus Backsteinen erbaut, zf igt als Sockel
eine grosse Fase, in halber Höhe einep Absatz und
trägt einen achteckigen Helm. Die Oeffnungen sind
bis auf zwei kleine rechteckige Schlitzfenster flach-
bogig geschlossen und mit Backsteinen ausgemauert
Eine Nbche in der Westseite enthält eine stark ver-
witterte, dem XIV. Jahrhundert angehörende Darstellung der ' Kreuzigung.
Darunter befindet sich unter einer gothisch profilierten Verdachung ein ein-
gelassener Stein mit einem Wappen und der Unterschrift in gothischen Klein-
buchstaben:
Henningh von Güten de olde mccccc vn XVIII.
Die Altarwand mit Orgel stammt aus dem Jahr^ 1820. Altar.
Die beiden 40 cm hohen Altarleuchter aus Messing (Fig. 32) tragen die Altarleuchter.
Bezeichnung: «Hannen • Borstling • zv Gilten • Ao • 1 • 6 • 40.'
Eine schön getriebene, ovale, silberne Oblatendose trägt auf dem Boden ciborion.
die Inschrift:
A. J. V L. W. V. G. Aö. 1704.
lig.Si.
Kircbe In OUton; Altarlenchter
->« 126 8^
Gedenktafel.
Glocke.
Grabstein.
Kanzel.
Kelche.
Die kleinere, theilweise vergoldete, silberne, runde Oblatendose zeigt
einen aufgelegten Cruciflxus und innen das von Bothmersche Wappen sowie
die Buchstaben «J. v. J3/
In die äussere Ostwand des Chores ist eine in Renaissanceformen gut
gearbeitete Gedenktafel aus Sandstein eingelassen. Unter der von zwei Pfeilern
getragenen Giebelverdachung ist in einer im Eorbbogen geschlossenen Nische
der Gekreuzigte mit Maria und Johannes zu sehen. Darunter befinden sich
zwei Wappen mit der Unterschrift:
Cordt von Bothmer • Dorethea von Rheden • C • V • B • eliche Havsfrawe selige.
Darunter lesen wir: ■
Godt dem Almechtigen zvn
Eheren sich vnd den Seinen avch der
gantzen Gemeine zvm Besten
hat Obgemelter • C • V • B • diesen
newen Chor av£f spine
Bekostvng bawen lassen
anno Dni
1595.
Zu den Seiten der Verdachung liegen zwei Engel, von welchen der
eine einen Totenkopf, der andere eine Sanduhr hält; den oberen Abschluss
bildet eine Frauengestalt.
Die 95 cm im Durchmesser grosse Glocke hat Oehre von kreisförmigem
Querschnitt und eine aufgelegte Schnur über dem Schlagringe. Der Mantel
zeigt durch je zwei vertiefte Linien hergestellte, in ungleichmässigen Abständen
von oben nach unten laufende Streifen, welche durch ebensolche Streifen unter-
einander ohne bestimmten Grundsatz verbunden sind. Der Guss ist fehlerhaft.
Von der aus gothischen Kleinbuchstaben bestehenden Umschrift des
stark abgetretenen Grabsteins eines Geistlichen in der Eingangsthür zum Schiff
ist nur noch ein Theil zu lesen: «Anno . domi . m in vigilia bti Jacobi
apli obiit dns Gherardvsi . Ghilte . ple/
Die Kanzel stammt aus der Zeit der Erbauung des Schiffs.
Der grosse, silbervergoldete Kelch mit eingraviertem Wappen am Becher
hat folgende Inschrift:
Christian, von Güten, Erb-Herr, auf Gilten und Wrestädt • d 16^ Aug: 1770.
An der Kirche geschenckt, da der vorige von dieser Familie gestohlen worden.
Gott bewahre femer dafür.
Auf der dazugehörigen Patene ist derselbe Stifter mit seinem Wappen
vermerkt.
Ein zweiter Kelch mit Patene aus demselben Metall trägt ein Doppel-
wappen am Becher unjji die Umschrift:
E. A. V. Bothmer. J. E. v. Sebo. 1770.
j
-♦«8 127 g-t-
Hudemühlen.
Kirche.
Litteratur: Von Hodenberg, Hodenberger Urkundenbuch ; derselbe, LUnebnrger
Urkandenbach XV; derselbe, LUneburger Lehnregister; Urkundenbuch der Stadt Lüne-
burg UI; Doebner VI; Sudendorf; Merlan; Pfeffinger, Historie II; Regenten-Sahl 1698;
Ifanecke II; Neues vaterl. Archiv 1824; Ejiyser, Kirchenvisitationen 1897; Holscher,
Beschreibung des Bisthums Minden; Mithoff, Kunstdenkmale IV; derselbe, Kirchen-
beschreibungen; Zeitschr. d. tust Ver. f. Nieders. 1864» 368 f.; GrUtter, Loingau, Hannov.
Geschichtsbl. 3. Jahrg.
Quellen: Urkunden und Akten des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover ; Grütterscher
Nachlass im Stadtarchiv ebendaselbst; Kirchenbuch im Pfarrarchiv.
Die Geschichte des Fleckens und der Burggemeinde Hudemühlen Geschichte.
knüpft an die Zerstörung der Veste Hodenhagen an, welche die danach sich
benennenden Herren von Hodenhagen, späteren Freiherren von Hodenberg,
erbauten« Die Veste wird 1244 zum ersten Male genannt. Sie lag an der
Bremer Heerstrasse, eine halbe Stunde ostwärts vom heutigen Hudemühlen an
der Meisse im niedrigen und sumpfigen Bruche, welche Lage hauptsächlich zu
ihrem Schutze dienen sollte. Neben der Burg sind des öfteren Pfähle in der
Meisse gefunden worden; dies lässt darauf schliessen, dass hier ehedem eine
Mühle, durch deren Stau die Umg^end der Burg unter Wasser gesetzt werden
konnte, und eine Brücke, welche den Uebergang der Heerstrasse über die
Meisse vermittelte, vorhanden waren. Die Veste war ehedem mit Wall und
Graben umgeben. Jetzt findet man nur noch geringe Spuren alten Gemäuers
auf dem mit Bäumen bestandenen Platze. Neben Anderem sind die Fundamente
eines starken Thurmes von 37 Fuss äusserem Durchmesser und mit neun Fuss
starken Mauern gefunden worden. Westlich vom Haupthof, ebenfalls an der
Meisse, befand sich ein von einem Graben umgebener Vorhof, und dort hat
die Mühle, anscheinend auch eine Schmiede gestanden. Der Landschafts-
direktor Wilhelm von Hodenberg hat in dem Urkundenbuch seines Geschlechts
eine Skizze der vorgefundenen Reste gegeben, und der Senior der Familie
Friedrich von Hodenberg liess 1866 einen Denkstein auf dem alten Burgplatz
errichten. Auf der Veste befand sich auch eine Kapelle. 1253 kommt ein
Eghardus sacerdos Capellanus noster in einer Urkunde Hermann's III. von
Hodenberg, welche «in Hodenhachenn' ausgestellt idt, als Zeuge vor. Am
12. Juni 1289 übertrugen Heinrich I. von Hodenhagen und seine Söhne dem
Herzog Albert von Sachsen und dessen Bruderssöhnen , den Herzögen von
Sachsen -Lauenburg, ihre Veste Hodenhagen zu rechtmässigem Lehen. Bald
darauf, als Albert nach Lauenburg zurückgekehrt war, zog er gegen den
Hodenhagen und zwang Heinrich, ihm denselben zu unterwerfen, was am
27. August des Jahres geschah. Die Veste wurde abgebrochen, um nicht wieder
aufgebaut zu werden. In den Urkunden geschieht ihrer nicht mehr Er-
wähnung, und die Herren von Hodenhagen nennen sich seitdem Edelherren
von Hodenberg.
-^ 128 8^
Nach der Zerstörung des Hodenhagen^s scheinen sie ihren Wohnsitz
zunächst zwischen diesem und dem heutigen Hudemühlen und erst später an
letzterem Orte selbst gewählt zu haben. Die früher beim Hodenhagen befind-
liche Mühle wurde vermuthlich zunächst an die Stelle des heutigen Hudemühlen
verlegt und wird darauf Hermann, als der erste Wohnsitz aufgegeben wurde,
bei dieser Mühle einen neuen Sitz, die spätere Burg, erbaut haben. Zugleich
fand eine Verl^^g der Bremer Heerstrasse vom Hodenhagen weg in der
Richtung auf Hudemühlen statt. Neben dem neuen Sitze siedelten sich
sogenannte kleine Leute an, welche dem Flecken zum Damme oder zur Hude
seine Entstehung gaben, welcher schon zu Anfang des XV. Jahrhunderts bestand,
1360 empfing Lutherd van Hodenberge vom Herzog Wilhelm «den hof
tor Hodenmolen* zu Lehen. Dieser Ausdruck deutete den Wohnsitz an. Als
solcher wird Hudemühlen auch in dem um 1377 abgefassten Wunstorfer Güter-
verzeichniss bezeichnet.
Um 1422 erscheinen Marquard von Hodenberg und seine Gemahlin
Heilewig Elencke als Schenkgeber eines noch erhaltenen Kelches mit Patene
aus vergoldetem Silber. Die 1422 erfolgte Freisprechung von dem weg&k
Landfriedensbruches über Marquard verhängten Banne wird die Veranlassung
zur Schenkung gegeben halben. Der Kelch wurde 1843 aus dem Nachlaas des
letzten Herrn Schenk von Winterstedt zu Scfawachhausen zurückgekauft.
Am 27. Juli 1424 vergleichen sich der Kirchherr zu Ahlden Richard
Oldebuck sammt seinen Kirchspielleuten auf der einen und die Herren von
Hodenberg auf der anderen Seite «van der Gapellen, wegen, de gebuwet is bj
de Hudemolen in dat Kerspel to Eklo': Die Kapelle soll hinfort Filial der Sarche
zu Ahlden sein; die Herren von Hodenberg haben das Recht, einen ihnen
genehmen fronünen Priester für die Kapelle einzusetzen, welcher aber dem
Ahldener Pfarrer unterstellt ist; derselbe soll die Handlungen eines Pfarr-
geistlichen verrichten, wenn die Hudemühlener durch Unbilden der Witterung
oder Kriegsgefahr veriiindert sind, nach Ahlden zu kommen, dagegen den
Herren von Hodenberg und ihren Angehörigen zu Diensten stehen, so oft sie
dessen begehren. Dieser Vergleich, sowie die Dotierung der Kapelle von Seiten
der Familie von Hodenberg mit der Curie zum Kampe, einer Curie zu
Hademstorf und der kleinen Buchhorst wurde im darauf folgenden Jahre vom
Mindener Bischof Wulbrand bestätigt. Die Kapelle, welche zuvor ein «alt ver-
fallenes' Bethäuslein war, wurde 1424 von den Herren von Hodenberg erneuert
und 1426 der heiligen Jungfrau und dem Apostel Thomas geweiht Noch heute
bildet die Burggemeinde die eigentliche, selbständige Ku*chengemeindey während
der Flecken nach Ahlden eingepfarrt ist. Wie vor Alters sind noch heute die
Herren von Hodenberg Patrone.
1429 verpfändet Thomas von Hodenberg den Herzögen Bernhard, Otto
und Friedrich .de helfte des houes to der Hudemölen*. Deshalb wird «Hude-
molen' 1433 unter den «Sloten wekbelden vnde dorpem' aufgeführt, an
welchen jene Herzöge «Pandescoppen' hatten. 1439 erklären die Herzöge Otto
und Friedrich, dem Marquard und Segeband von Hodenberg den ihnen von
Thomas von Hodenberg verpfändeten ,deel der Hudemolen mit erer to
bdiorin^* g^eo Zahlung von 400000 Mark Lüneburgisdier Geldwäbrung
zurückgebeu zu wollen. Als Burg wird Rudemühlen zuerst 1448 genannt. Die
Befestigung war jedoch «eher schon vorher erfolgt. Ihre spätere stattliche
ÄusfQIuiiag erhielt die Bui^ aber erst zu Anfang des XVI. Jahrhunderts.
1469 ordnet der Herzog Otto an, dass die Herren von Hodenbei^ den in der
Erteile aufgerichteten Tau&tein wieder entfernen sollen; der EJipellan soll hin-
fort nur mit j^nwilligung des Ähldener Pfarrers und als ein Kapellan der
Ahldener Kirche Tauf handlungen Tomehmen.
Flg. U. Kirche In Hiiil«müU«ii.
iSne Ansicht des Schlosses giebt Herian und bemerkt: ,Auff dem
Hause seyn drey Adeliche Wohnungen fast in einem Triangel gelegen md ist
dasselbe mit Wall vnd Graben verwahret*. Von den adeligen Höfen wird nach
Hanecke der eine Obristen-, der andere Eammeijunkers- und der dritte
Lientenantshof genannt. Hanecke sah von dem Scbloss noch den Wall und
das Pfarrhaus. Jetzt ist nur noch der erhöhte Platz mit dem noch zum Theil
erhaltenen Graben zu sehen. Am 29. Juli 1767 Qbet^ebt der Pastor Friedrich
Wilhelm Klockenhring .wegen besorgen der Eriegs-Gefahr* dem Siegfried
Wilhelm von Hodenberg einen grossen silhervergoldeten Kelch, eine silber-
vergoldete Weinflasche, eine silberne Oblatenschachtel und einen silbervergoldeten
•Hl
Beschreibung.
Schiflf.
Altarkanzel.
• i
Altarleuchter.
Ciborium.
CmcifixuB.
Gedenktafel.
-«^ ISO >>-
Deckel auf 'dem Oblatenteller : zur '. Aufbewahrung (E[ircheiibuch). 1 768 lassen
die von Hod^nberg ^ihre hiesige alte und sehr baufällige Kirdie grossen Theils
abbrechen^ und durch den Zimmermeister Joachim Gämpeii aus.Eick^öh und
den Mauermeister Lindig aus Soltau «von neuen erbauen und vergrössem*.
1769 wurde der Gottesdienst in derselben wieder eröffnet urid von' den Herren
von Hodenberg der noch vorhandene Altar mit daran befindlichem Predigt-
stuhl geschenkt. - ;i.' .; ..
Die Kirche besteht aus dem Schiff mit östlicher Sakristei üifd. einer iin
Norden angebauten, rechteckigen, zugemauerten Gruft der Herren von Hodenberg.
Das massive, im Osten durch das halbe Achteck geschlossene Schiff
hat hölzernes Hauptgesims und über dem Westgiebel einen viereckigen geputzten
Dachreiter aus Fachwerk (Fig. 33). Von den spitzbogigen Fenstern mit zwei
nasenbesetzten, spitzbogigen Theilungsbögen in dem spätgothischen Sandstein-
masswerk sind drei noch im Chor erhalten. Die Laibungen sind mit Back-
steinen eingefasst und zeigen aussen den doppelt zurückgesetzten Viertelstab.
Die übrigen Fenster, sowie die Eingangsthür auf der Westseite sind flachbogig.
In der Nordseite befindet sich ein zugemauertes, gothisches Fenster und eine
innen sichtbare, spitzbogige Thürnische. Auf der Nord-, West- und Südseite
sind Emporen angeordnet. Der gewölbte Chor wird durch einen halbkreis-
förmigen Triumphbogen von dem durch eine geputzte, bogenförmige Bretter-
decke überspannten Schiffe getrennt. Die Gewölberippen aus Backstein ruhen
auf kleinen Pfeilern. An den Chorecken und zum Theil an der Südseite des
Schiffes sind mit Pfannen abgedeckte Strebepfeiler angebracht.
Hinter dem gemauerten Altare erhebt sich bis dicht unter das Chor-
gewölbe die in Rokokoformen ausgeführte, 1769 von den Herren von Hoden-
berg geschenkte, stattliche, hölzerne Altarwand mit eingebauter Kanzel. Den
Hauptrahmen mit segmentförmiger Bekrönung begleiten zwei glatte, auf hohen
Sockeln stehende, korinthische Säulen mit verkröpftem Gebälk. Ueber der Kanzel
schwebt der heilige Geist in den Wolken in Gestalt einer Taube. Im segment-
förmigen Giebel ist das Auge Gottes sichtbar.
Zwei 36 cm hohe Altarleuchter aus Messing gehören dem Anfang des
XVIII. Jahrhunderts an.
Das silberne, runde Ciborium trägt auf seinem Deckel den heiligen
Geist in Gestalt einer Taube, darunter den Gekreuzigten und die Lapidar-
umschrift: „Hoc • est • corpvs • mevm • qvod • pro • vobis • datvr • in • remissionem •
peccatorvm**; femer die Worte: „H • G • V • C • W • Marqvardt • v • Hoden-
barch - Cristofers • Sohn • 1605 •«
Ein farbig behandelter, dem Ende des XV. Jahrhunderts angehörender
Grucifixus hängt an der östlichen Wand unter der Decke des Schiffs.
Neben der Eingangsthür ist eine aus Sandstein gearbeitete Gedenktafel
eingelassen, welche folgende Inschrift trägt:
Mit den Beystand Gottes
ist diese Kirche vergrosert
von.
Siegf -Wilhelm • Adam Ferdi
-<-8 131 8^
nand • vnd Wemer Anthon
Friedrich • Gevettem • von Ho
denberg • vnte Direction
Siegfried Wilhelms Sohn
Joachim Lvdewig Avgyst
von Hodenberg •
Erbauet den • 20 • July
Anno • 1768.
Adam Lindig • M • Meister.
In die Chorfenster sind kleine bemalte Glasscheiben, welche Wappen Glasmalerei.
enthalten, eingesetzt; sie haben die Bezeichnungen:
1. Cristoffer • v. Hvdenbarg 1587,
2. Lefin • van Hodenberch Christoflfer • seligen • Sohn • 1598 •,
3. Adelheit • von Hodenberch Ortgiesen s. Dochter • Lefin • van
Hodenberch elicke • Hvsfrow •,
4. das Wappen der Elisabeth v. Hodenberg, geborenen v. Marenholz
mit der Jahreszahl 1632 und
5. das Marenholzsche Wappen.
Ausserdem sind eine aus dem Jahre 1587 stammende Auferstehung
und auf zwei weiteren, kleinen, runden Scheiben je ein Evangelist daselbst
zu sehen.
Ein schönes, grosses, farbig behandeltes, an der Nordwand angebrachtes Grabmal.
Sandsteingrabmal ist von einem Giebel bekrönt, in welchem Gott Vater zwischen
den Wolken mit der Weltkugel sichtbar ist. Die halbrund geschlossene Nische
darunter zeigt in der Mitte den Gekreuzigten und zu den Seiten die Sprüche:
I. Joh : 2. Dat Blvdt Jesv u. s. w. und Ephe. L Christvs heft vns erlSset u. s. w.
Unter dem Kreuze knieen zwei weibliche und eine männliche Figur in betender
Stellung. Am Sockel steht die Inschrift:
Ao • 3ni • 1 • 5 • 95 • de • 8 • Jvlii • starf de erbar vnd
ehmtveste, Ordtgise vä" Hvdeberch • d • G • g •
Ao • dm • 1 • 5 • 95 • de • 18 • Jvlii • slarf, de edle vnd
emdogetrike Vrovwe Madlena va Bötmer • d • G • g •
Ganz unten ist zu lesen:
Ao • 1 -5- 77 - Is dvsce Gedechtenisce gemak:
üeber der Bogennische befindet sich der Vers: »Also heft Got de Welt
gelevet u. s. w.". Die angebrachten 16 Wappen sind der Reihenfolge nach
wie folgt bezeichnet:
V. Hvdenb. v. Botmer.
V. Sporken. v. Glvbete.
V. Mvnchvs. v. Cersen.
V. Hitsker. v. Otterste.
V. Elencke. v. Mandels.
V. Langle. v. Sertwit.
V. Alden. v. Svrcen.
V. Davorde. v. Platen.
17*
-^ 132 8^
Grabsteine. Ein farbig behandelter Grabstein ist im Innern des Chors an der Nord-
seite aufgestellt. Derselbe zeigt einen Ritter und eine weibliche Gestalt in
betender Stellung. Von den beiden Wappen ist das eine das Hodenbergsche.
Die zum Theil verdeckte Inschrift lautet:
„Anno • dm • 1542 • am • dage
am • midweke • na • E^dii • starf •
mar • qwart • vi hodebarge • god der
almechtige • si em gnedich.*^
Weitere, jedoch meist verdeckte Grabsteine liegen im Fussboden
des Chores.
Kanne. Eine einfache, sechseckige, zinnerne Kanne hat die Jahreszahl 1659.
Auf einem, aus Silber gearbeiteten, sechseckigen, als Weinflasche
dienenden Gefässe mit Deckel sind die Vornamen der drei Stifter ,C. S., LW.
und J C aus dem Geschlechte Hodenberg vermerkt; femer sieht man das
Hodenbergsche Wappen und die Jahreszahl 1695.
Kelche. Ein schöner, silbervergoldeter, um 1422 verehrter Kelch (s. Geschichte)
mit gothischem Becher und Masswerk am Knaufe hat einen dreieckigen Fuss,
dessen Seiten eine halbkreisförmige Ausbuchtung zeigen. Am Knaufe steht in
Kleinbuchstaben der Name „i«h-e-c*v-s-'. Auf dem Fusse befinden
sich das Hodenbergsche und Klenckesche Wappen.
Die dazu gehörige Patene hat einen vertieft gearbeiteten Vierpass und
die Bezeichnung in gothischen Kleinbuchstaben: ,,Marqvardh • de • Hvdenberghe-
Heylewich • vxcor • eiy".
Der andere schöne Kelch aus demselben Metall hat gothischen Becher,
späthgothisches Masswerk und sechs viereckige Zapfen mit dem Namen
J-h-e-s«v-s am Knaufe, sowie auf dem Sechsblattfusse einen Cracifixus
in aufgelegter Arbeit; daneben sieht man auf der einen Seite den heiligen
Antonius und das Wappen der v. Hodenberg, auf der anderen den heiligen
Georg und das Wappen der v. Münchhausen.
Taufbecken. Auf dem Boden des aus Messing getriebenen Taufbeckens ist eine
Darstellung des Pelikans mit seinen Jungen angebracht.
Wappen. Neben dem Eingange im Westen ist das Hodenbergsche Wappen , in
Sandstein gearbeitet, zu sehen; es hat die Jahreszahl 1598 und die Bezeichnung
in Lapidaren:
Die von
Hodenberg.
Auf einer Holztafel im Innern sind fünf Bronceplatten befestigt; die
mittlere enthält das Wappen derer v. Hodenberg.
Kirchboitzen.
Kirche.
Litteratur: Hodenberg, Hodenberger Ürkundenbuch ; derselbe, LUnebnrger
Urkundenbuch XV; Meinardus, ürkundenbuch des Stiftes und der Stadt Hameln; Suden-
dorf; Spilcker, Geschichte der Grafen von Wölpe; Manecke II; Regenten - Sahl 1698;
-^ 133 8^
B(Sttger, DiOceBan- und Gau - Grenzen ; Kayser, Kirchenvisitationen 1897; Holscher, Be-
schreibung des Bisthums Mind«n, Zeitschr. f. westf. Gesch. u. Alterthumsk., Band 33 u. 34;
Mithoff, Kunstdenkmale IV; derselbe, Kirchenbeschreibungen ; Grlitter, Arbeiten über den
Loingau, Hannov. GeschichtsbL, 2. und 3. Jahrg.
Quellen: Grütterscher Nachlass im Stadtarchiv zu Hannover.
Das zum Archidiakonat Ahlden gehörige Kirchdorf wird bereits 1203 Geschichte.
genannt. 1226 bestätigt der Erzbischof Gerhard zu Bremen dem Kloster Zeven
die demselben verliehenen Privilegien und Güter, darunter auch „ Botsem . cum
medietate ecclesie **. 1276 begegnet der sacerdos Johannes de Botsem.
1342 kommt der plebanus Ludolfus in Bötzem vor. Das Pfründenverzeichniss
von 1034 erwähnt „eine Gapelle tho Olden Boetzem binnen dem Dorpe und
eine Capelle tho Kerckbotzem; ist de Parkercke**. 1625 kam der Brüggemannsche
Altar aus Walsrode in die Kirche (vergl. Walsrode). Am 2. September 1724
^^Ihete, einer Inschrift der grösseren Glocke zu Folge, eine Feuersbrunst,
^reiche auch den Kirchthurm ergriff und das Geläute vernichtete. 1742 wurde
die Kirche auf zwei Drittel von Westen her erneuert und um 1861 das Schiff
und der obere Theil des Thurmes neu gebaut.
Von der alten Kirche ist nur die untere Hälfte des viereckigen West- Thurm.
thurmes erhalten, welche auf der Nordseite zwei jetzt zugemauerte, rechteckige,
schlitzartige Oeffhungen enthält und aus Findlingen erbaut ist.
Die 1,17 m im Durchmesser grosse Glocke hat zwischen zwei Ornament- Glocken.
streifen am Halse die Inschrift:
M: Thomas Rideweg goss mich in Hannover.
In der Mitte und am Rande befmdet sich je eine zweizeilige Inschrift.
Die letztere enthält das Jahr des Gusses 1725, sowie die im geschichtlichen
Theil gegebene Nachricht
Die kleinere, 92 cm im Durchmesser grosse Glocke trägt zwischen zwei
Omamentstreifen am Halse die Inschrift:
«M: Thomas Rideweg goss mich in Hannover Anno 1725.*'
Ausserdem ist in der Mitte eine dreizeilige und am Rande eine einzeilige
Inschrift angebracht. Sämmtliche Buchstaben sind Lapidare.
Unter dem Sechsblattfuss des einfachen, silbervergoldeten Kelches sind Kelche.
die Namen der Stifter und als Zeitangabe die Zahl 1730 angegeben.
Ein zweiter Kelch aus demselben Metall, welcher auf seinem runden
Fusse einen aufgelegten Grucifixus zeigt, ist in den Formen des XVin. Jahr-
hunderts gehalten.
KipchTxrahlingen.
Skirche.
Litteratnr: Von Hodenberg, LUneburger Urkundenbuch XV; derselbe, Hoyer
Urknndenbnch; derselbe, Hodenberger Urknndenbuch ; derselbe, Lüneburger Lehnregister;
MeiAftrdiiB, Urknndenbach des Stiftes und der Stadt Hameln ; Vogell, Geschlechtsgeschichte
-^ IM %^
der Herren Behr; Sndendorf; Manecke II; Regenten-Sahl 1698 ; Wippermunn, Beschreibung
des Bukki-Gaues; ßöttger, DiOcesan- und Gau-Grenzen; Kayser, Kirchenvisitationen 1897;
Holscher, Beschreibung des Bisthnms Minden; Mithoff, Kunstdenkmale IV; derselbe,
Kirchenbeschreibungen; Grütter, Arbeiten über den Loingau, Hannov. Geschichtsbl.,
3. Jahrg. und Stiftung des Klosters Walsrode durch den Grafen Walo, Walsrode 1886.
Quellen: Urkunden des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover; Verzeichniss der
kirchlichen Kunstdenkmäler von 1896; Kirchenrechnungen und Pfarmachrichten in Kirch-
wahlingen; Grlltterscher Nachlass im Stadtarchiv zu Hannover.
Geschichte. Das ehedem zum Ärchidiakonat Ählden gehörige Dorf besitzt eine
Kirche, welche dem heiligen Kreuze geweiht war. Hier hat bereits in romanischen
Zeiten ein Gotteshaus bestanden, dessen wuchtiger Thurm in seinem grösseren
Theile die Jahrhunderte überdauert hat. Nach einer zwischen 1237 und 1247
geschriebenen Aufzeichnung hatte der Schultheisse zu Hameln vom dortigen
Propste neben Anderem „jus suum in bonis Walige et Himelendorpe" zu
Lehen. Femer heisst es dort: „tale jus, sicut scultetus habuit in curia Walie,
concessit villico'*. 1265 wird Albertus de Walie unter den ecclesiarum rectores
aufgeführt. Zwischen 1330 und 1352 erhielt „Her Roder van der Etzene beyder
dorpe to Walige" von den Herzögen Otto und Wilhelm zu Lehen. 1360 empfing
«Hilmer van der Ecenden tegeden to Kerualinge. den tegeden to Olden Walge**
zu Lehen. Nach der Zerstörung der Bunkenburg verlegten die Burgmänner
den Sitz ihres Gerichtes nach Kirchwahlingen. 1392 hören wir von dem
„gherichte to Walye**. 1434 erkennen die Herzöge Otto und Friedrich dem
Dietrich Rotermund und Erben ihre Schuld von 50 Lübecker Mark in ihrem
Meierhof „to Waly" an. 1445 belehnt der Hameler Propst Graf Ludolf von
Spiegelberg den Dietrich Rotermund und dessen Erben mit dem Meierhof «to
Walinge ''. Dem genannten Propst stand 1454 auch das CoUaturrecht über die
Kirche zu Walie zu, dem Archidiakon zu Ahlden aber die Einführung. 1459 er-
klärt der Kirchherr zu Walie „Her Otte Vulle" sowie die Aelterleute, dass
Werner Behre und seine Gattin Sydeke zum Bau des Chores („tho dem Khore
to huwende"") 50 gute rheinische Gulden in Gold zur Ehre der heiligen fünf
Wunden, unserer lieben Frau und des heiligen Kreuzes gegeben haben, wofür
ihm und seiner Gattin jährlich fünf Messen und. Vigilien mit fünf Priestern in
der Kapelle zu Rethem gehalten werden sollen. Diese Summe hatten die Vor-
steher des heiligen Kreuzes zu Walige 1465 zum ^gebuwe vnde nutt des
hilligen Cruces" verwandt. 1699 wurde der Thurm, nachdem in der Weihnachts-
nacht 1698 die Spitze heruntergeweht war, um 18 Fuss niedriger gemacht.
1701 wurde das romanische Portal auf der Westseite des Thurmes zugemauert
und in demselben ein Erbbegräbniss der von Hedemann angelegt. 1730 Hess
Katharina Dorothea Behr das Erbbegräbniss ihrer Familie erneuern. 1742 zer-
störte ein Brand die Thurmspitze und den angrenzenden Theil des Kirchen-
daches, welche deshalb einer Neuerung unterzogen werden mussten. Der Thurm
wurde um weitere 18 Fuss verkürzt. 1747 wurden die beiden Glocken gegossen.
1783 kam ein neuer Altar an die Stelle des 1513 gefertigten in die Eurche,
welcher 140 Thaler kostete. Ausserdem wurde die Kanzel ausgebessert und
-4 135 S-»-
dem Altar ähnlich bemalt. 1842 stürzte das Choi^wölbe ein und wurde duich
eine geputzte Holzdecke ersetzt. Am 10. April 1901 schlug der Blitz in den
KirchtburiD und brannte denselben aus, wobei auch das Geläute zu Grunde
^Dg. Hier befanden sich nach Manecke zwei freie schriflsässige, aber nicht
landtagsfähige Höfe. Das Patranat tlbte 1454 Graf Ludotf von Spiegelherg,
Propst des S. Bonifatius-Stiftes zu Hameln, später die Landesherrschaft, welche
es'i dem Johann Philipp von Hattorf auf Böhme iJberliess. Dieser legte es za
dem .Gute in Böhme.
Die Kirche besteht aus Schiff, Chor, Sakristei rnid Westthurm. Beschreibung.
Das durch einen breiten, spitzbogigen, unprofilierten Triumphbogen mit Schiff und
dem Chore verbundene Schiff ist aus Eisensteinen, Backsteinen und Findlingen "
erbaut. Es wird von zwei gothischen
Kreuzgewölben aus Backsteinen mit .'J. "
Eimstabrippen und glatten, runden —
Schlusssteinen überspannt. EUn halb- ^
kretsl&rmiger, ungegliederter GuHbogen
trennt die beiden Joche. Die Rippen ,~ .
■werden von Sandsteinkonsolen, welche ^
auch im Chor noch erhalten sind, unter- ^ .
stützt. Der letztere ist im Osten durch "^ .
das halbe Zehneck geschlossen, in Back- ™
steinmauerwerk errichtet und hat jetzt -^■
eine geputzte Holzdecke. Eine Fläche T.
über dem Chore ist mit Mönchen und f* '
Nonnen, das übrige Dach mit Pfannen '"
gedeckt. Sechs pultdachförmig ab- I.
gedeckte Strebepfeiler stützen die Chor- ":
ecken, drei die Nord- und fünf die
Südseite des Schiffes. Die niedrigen
Fenster im Schiff schliessen mit un- .^ :
regelmässig gearbeiteten, flachen Bl^^en,
die Chorfenster, bei denen das Rund- ^ :
und das Viertelstabprofil vorherrscht, '-^'
sind flachbogig geschlossen und sitzen
^ : , . , , , ™ . Fl«, M. Kirche in Kirtliwahllngen i TUüre.
IQ bpitzbogennischen. In den 1 nür-
Ttegel des in Fachwerk ausgeführten,
gc^enannten Brauthauses ist die Jahreszahl 1764 eingeschnitten ; dasselbe wurde
vor die spitzbogige Eingangsthür in der Nordseite gesetzt. Auf derselben Seite
liegt in einer spitzbogigen Nische mit Rundstabeinfassung ein flachbogiger Eingang,
dessen alte Holzthür noch erhalten ist (Fig. 34). In die Emporen an der West-,
Iford- und theilweise Südseite ist ein Stück Renaissancebrüstung eingebaut. An
^inem einfach gehaltenen Kirchenstuhte ist zu lesen: „U B M 1777". In den
Chorwänden sind mehrere rundbogige und flachbogige Nischen angebracht.
Die in Fachwerk ausgeführte Sakristei auf der Südseite ist durch eine SukriBtei.
flachbogige, mit dem Rundstabe profilierte Thür mit der Kirche verbunden.
-** 136 !-t-
Der schwere, aus lageriiafl bearbeiteten Findlingen und einzelnen Eisen-
steinen auf abgeschrägtem Sockel errichtete, romanische Westthurm hat 10,1 m
Süssere Länge und 9,9 m Breite. Eine 0,90 m im Liebten breite, überwölbte
Thurmtreppe fährt in dem 2,3 m starken Hauerwerk der SQd- und Westsäte
nach dem Glocbenstuhl. Auf den drei freien Seiten des Thurmes ist je eine
in einer Rundbogennische liegende, romanische Schallöffnung mit zwei Tlieilui^s-
säulen angeordnet Der zugemauerte, romanische Eingai^; mit darüber befind-
lichem, in tiefer, schräger Laibung liegendem Ereisfenster im Westen, die
Relhemerthür genannt, verschliesst die Gruft der
Familie t. Hedemann. Ausserdem sind mehrere
rechteckige Schlitzfenster |und eine Vierpassöffnung
auf den Seiten zu sehen.
Die Altarwand stammt aus, dem Jahre 1783.
Zwei seitliche, glatte Säulen tragen ein verkröpftes
Gebälk mit segmentfflrmigem, oberem Abschluss.
Unten ist das Abendmahl auf Holz, darüber Chiisti
Auferstehung auf Leinwand gemalt.
Ein 39 cm hoher, gothisdier Altarleuchter
aus Hesüng trägt auf dem Fuss zwei länglich
runde Schildchen mit je einem Wappen und den
Bezeichnungen: .Arendt • t - Honnslede — Drost-
z • Nienborch und Margreta • t • Elte*. Auf beiden
Schildchen ist die Zahl 1594 vermerkt (Fig. 35).
Ausserdem sind noch zwei 3ö cm hohe, gothische
Altarleuchter mit zwei Knäufen am walzenförmigen
Schaft vorhanden.
Ein hölzernes, geschnitztes, farb^ be-
handeltes Grabmal an der Südseite im Chor enthält
in der Mitte mehrere Familienwappen, kriegerische
Sinnbilder und das Wappen des 1726 verstorbenen
Obersten Bodo Ludwig v. Tomey, Auf dem
länglich runden Felde unter der Inschrift sind
14 gemalte Wappen angebracht.
Ein Grabstein zeigt in einer Bogennische den Gekreuzigten zwischen
einem in Brustbildern daifrestellten, betenden Ehepaare und folgende von zwei
Pilastem eingefosste Lapidarinschrift:
, Anno den ist der edle vnd ehmveste Arendt • von - Honstede,
in Gott den Hemn entschlafen dem Got gnedig sei, vmb Christi Jbesv
wiellen amenn".
,Anno • 1 ■ 5 • 6 • 9 • am Tage cantate, ist die edle vnd woltvgentsame
Margreta von • Elten ■ Arendt • von Honstede eliche Havs&aw in Got den
Hern entschlafen der Gott gnedig se vmb Christi Jhesv willen amen*.
Neben der Schrift sehen wir vier Wappen mit der Bezdc^ung:
D. V, Honstede. D. v. Elten.
D. V. Hom. D. V. Zerzen.
i •
-^ 137 H-
Ausllerdem ist an dem Steine ein Meisterteichen angebracht, welches
die Buchstaben Y, 6, H und E erkennen lässt.
Ein räderer Grabstein an der inneren Sftdwand des SchiflFes zeigt in
einer Bogednische ron den Ahnenwappen umgeben einen Ritter und eine
Edclfrau knj^eQd unter dem Gekreuzigten. Darüber stehen in schrfig gestellten
Lapidaren die Worte: »Also heft Godt de Werlt gelevet u. s. w.** und darunter:
,Anno 15... ist er edle vnde emreste Ernst van Alden in Godt den Hern
entalapen dem godt gnedich si*.
Eine weitere Inschrift in gerade gestellten Lapidaren lautet:
„Anno 1574 den 5 Avgysti ist de edle erbare vnde voldvgentsame
Anna van Hi(denbarge Ems van Alden elige Hvsfrvwe in Godt vor-
stolrven der seien Godt gnedich sL"
Der Grabstein des 1424 gestorbenen Ortgis Behr mit dem zubehörigen
Wappen ist im Chor aufgestellt.
Ein weiterer Stein wird jetzt durch den Holzfussboden des Chores
verdeckt. Nach MithoflF lautet die Inschrift:
,anno dn? mccclxiii achte dage na lichtmessen starf eilhard . . • aide . . •".
Der Grtibstein des 1683 gestorbenen Cord Erich Bartels auf dem Kirch-
hofe zeigt <fen Verstorbenen in ganzer Figur und einen geflügelten Engelskopf
in der BekrÖnimg.
Die einfache, hölzerne Kanzel mit Säulchen an den Ecken und Kanzel.
Renaissancegesimse hat ih den FOllungen und am Schalldeckel Formen aus dem
Ende des XVIII. Jahrhunderts.
Der silbervergoldete Kelch mit Patene hat auf dem sechstheiligen Fusse Kelch.
ein Wappen mit der Lapidarinschrift: . Christian Ofner le-SQ**" und dem
gegenüber die Buchstaben I H S. Auf den viereckigen Zapfen des Knaufes ist
der Name jlle^vs zu lesen.
In die Mauer des Chores ist ein zierliches, von zwei Fialen begleitetes, Schränkchen.
roth bemaltes, gothisches Holzschrftnkchen eingesetzt von 95 cm Höhe und
63 cm Breite. Auf der Thür desselben ist in Malerei eine von zwei Engeln
gehaltene Monstranz dargestellt, von einem Schriftband mit den Worten:
,o vere digna hostia'' umgeben. Das Ganze ist eine Arbeit des XV. Jahrhunderts.
Ein gothischer, aus Sandstein gearbeiteter, zum Theil neu hergestellter Tauf stein.
Taufstein trägt auf dem sechseckigen, mit vier S&ulchen ausgestatteten Fuss
ein halbkugelf&rmiges Becken voa 90 cm Durchmesser. Das Becken ist am
Rande mit aufgelegtem Blattwerk versehen.
Meinerdingen,
Kirohe«
Litteratnr; Von Hodenberg, LUnebnrger Urkundenbuch XV; derselbe, Hoden-
berger ürknndenbnch; derselbe, LUnebnrger Lehnregister; Sndendorf; Pratje, Altes nnd
Neues VII und IX; Maneeke II; Regenten -Sahl 16d8; Wippermann, Beschreibung des
18
-<-8 138 S^
Bukki-OaneB; Eayser, Barchenvisitationen 1897; Böttger, Didctsan- ^nnd Gaä-Qrenzen ;
Holschcr, BeBchreibung des BiethnmB Minden; Preudenthal, Heidefahrten; Mithoff, Knofft-
^enkmale IV; derselbe, Kirch cnbeBcbreibnngQn; Grllttcr, Arbeiten Über den Loingan,
HannoT. Geschicbtsbl., 3^ Jahrg.; Jürgens)' ein Amtsbnch des' Klosiers '(f'alsrode, ebeu-
dort, 2. Jahrg. ' , '."''.
Quellen: ' Orlttterscher Nachbisa im Stadtarchiv zu ITannover; Kirchcnbacfa
im Pfarrurchiv. '
Das Dorf Meinerdingen gehörte mit seiner dem heiligen Gwrg geweihten
Kirche vormals zum Bisthum Verden, wurde aber später gegen 'Wolterdingen
an idas Fürstentimm Lüneburg abgetreten und kam so ß.a das Hindener Archi-
diakonat Ahlden. 1251 b^egnet Johannes plebanus de l^eyderdinge. Am
2. Dezember 1269 schenken die Edelherren 'Wedekind und Ludinger Gebrüder
und ihr Vetter Johann von Garrssenbüttel dem Kloster 'Walsrode für die Auf-
nahme von Wedekind's Tochter in das Kloster die Kirche zu Meyderdinghe,
Flg. se, Kirche In UalnerdlnK^n; Gnuidrias
und der Mindener Bischof Gottfried übertrug dieselbe am 6. Oktober 1307 dem
gedachten Kloster. Von dem ,kerspelde to Meynerdinghe" ist gegen Ende des
XIV. Jahrhunderts die Rede. Auf einer 1855 umgegossenen Glocke befand sich'
das Bild des Schutzheiligen. Es war der Inschrift zu Folge eine Marienglocke,-
1507 von Kord van der Heyde gegossen. 1517 erklären Otto und Herbord von
Ahlden, Gebrüder, Söhne Kurts, dass ihre verstorbene Mutter dem Gotteshause
einen Kelch verkauft habe, welchen sie von ihrem Schinuck und Silber-
geschmeide habe machen lassen. 1648 verehrte Lükke Hermann! einen Kelch.
1653 wurde der Altar erneuert. Das 1663 begonnene Kirchenbuch nennt an
Geräthen neben Anderen folgende: einen silbernen, innen vei^ldeten Kelch,
einen 1699 für 14 Mgr. gekauften, zinnernen Erankenkeleh, emen kleinen
zinnernen Kelch vom Jahre 1586, welcher 1699 dem Kanngiesser unter Hinzu-
bezahlung von 26 Mgr. gegen einen neuen Kelch, einen Teller und eine Flasche
g^eben wurde; eine zinnerne Weinflasche von 1590; eine hölzerne Hostiendose;
-«« 139 8^
zwei messibgene Altarleuchter; einen Taufstein; einen alten kleinen Beutel,
woran Christus am KreuK zwischen Maria und Johannes u. A* m. 1705 wurde
die grosse steinerne Taufe vom Chor vor dem Altar weggenommen. 1720 ver-
ehrte der Pastor Johann Christoph Cläre bei seinem Al)gang nach Bui^dorf
einen silbernen, innen vergoldeten Krankenkeldi. 1745 wurde die Kirche innen
geweisst. 1768 schenkte Dietrich Friedrich Dammann, Bü^r und Brauer in
Hamburg, einen neuen Altar und liess den TauTengel neu vermalen und
vergolden; auch schenkte er ein Bild, das Kreuz Christi darstellend. Sein
Halbbruder H. Jungen Peter Meyer liess zur gleichen Zeit die Kanzel neu
vermalen.
Die Kirche, welche der gothischen Zeit angehört, besteht aus Schiff, Beschreibung.
Chor, Westthurm, einer angebauten Sakristei im Süden und einer Vorhalle
im Norden.
■ptg, 57. Klrcho In MetnerdlnBsn.
Das unten aus Feldsteinen, oben aus Backsteinen erbaute, mit dem
schmaleren Chor durch einen spitzbogtgen, ungegliederten Triumphbogen ver-
bundene, aussen und innen geputzte Schiff (Fig. 36 und 37) wird von zwei
Fechteckigen Kreuzgewölben aus Backsteinen überspannt. Die Gewölbe haben
ebenso wie das Chorgewölbe scharf vorgezogene Grate. Der Chorgiebel wird
durch Blendnischen gegliedert. Drei pultdachförmig abgedeckte Strebepfeiler
aus Backsteinen stützen die östlichen Ecken des Chors und die südwestliche
Ecke des Schiffs. Die Fenster sind, abgesehen von einigen neueren, eintheilig
und spitzbogig; in zweien an der Südseite sind die vorgezogenen Nasen im
Bogen noch erhalten. In der Nordseite liegt eine gefaste, spitzbogige Eingangs-
thür mit einer Vorhalle. In der Westwand befindet sich eine grosse, spitzbogige
Oeffnung und in der Nordwand eine flachbogige Nische. Der rechteckige,
18»
-^ 140 8^
Altarlenchter.
GUumuderei.
i^
schmalere Chor ist um eine Stufe erhöht« Emporen mit gut profilierten Kopf-
bftndem sind auf der West- und Südseite angeordnet.
Thnnii. Der hölzerne, quadratische, aussen mit Bohlen verkleidete Westthnnn
ist durch einen kleinen Zwischent)au mit dem Schiffe verbunden und trägt
einen viereckigen Helm.
Zwei 56 cm hohe Altarleuchter aus Messing zeigen nach gothischer Art
einen walzenförmigen, mit drei Knäufen versehenen Schaft und ruhen auf je
drei Füssen.
Zwei kleine, länglich runde, mit Wappen versehene Glasgemälde in
einem Fenster der Südseite haben die Lapidarunterschriften:
lletl,e • Marshalck • vxor • selige •
und
Andreas • v Mandelslo o a s s 1623.
Auf einem Glasgemälde in einem anderen Fenster derselben Seite ist
der Auferstandene sichtbar; die Bezeichnung lautet:
Anneke • to • Vtzing
Der Godt gnedich si.
Kelch. Ein kleiner, silbervergoldeter Kelch
mit zubehöriger Patene trägt auf dem
runden Fusse die Jahreszahl 1720 und die
Buchstaben IFM.
Die Lapidarinschrift des oben mit
dem Doppeladler geschmückten Bronze-
kronleuchters lautet: «Andreas • Lvdewjg •
Tränier — Anna • Elisabet • Tränier •
gebome • Lvdersen • 1733.''
Siegel. Das runde Kirchensiegel zei^t den
St Georg als Drachentöter. In der Um-
schrift ist zu lesen: «Sänct • Gregörivs*.
Der in Weiss und Gold gehaltene,
hölzerne, ausser Gebrauch befindliche Tauf-
engel hängt unten im Thurm. Die mit
Zinn ausgelegte Muschel, welche er früher Fig. SS. Kirche in Meinerdingen; Zinnvmse.
in der Hand hielt, trägt die Inschrift:
«Hans Friedrich Moritz 1729', femer als Zeichen eine Rose und einen geflügelten
Engel mit Pahne und der Zahl 1707.
Der 0,44 m hohe Fuss des einfachen achteckigen Taufsteins steht bei
der Kirche. Das 83 cm im Durchmesser grosse Becken befindet sich m VorbrQck
bei Walsrode.
Vasen. In die beiden Zinnvasen sind die Namen der Stifter und die Jahres-
zahlen 1702 und 1728 eingraviert (Fig. 38).
Kronleuchter.
Tanfengel.
Taufstein.
-*^ 141 8«^
Nopddrebber.
Kapelle.
Litteratnr: Von Hodenberg, Calenberger Urknndenbaeli V; derselbe, LUne-
bnrger Lehnregister; Kayser, Kirchenvisitationen 1897; Orlitter, Loingaiii Hannoy.
GrescfaichtebL, 2. Jahig.
Quellen: YerzeicbniBB der kirchlichen Knnstdenkmller yon 1896; Kapellen-
rechnungen von Korddrebber in Güten.
Das westlich der Leine im ehemaligen Archidiakonat Bfandelsloh Oeachichte.
gel^ene, bis 1869 zmn Amt Neustadt gezählte Dorf gehört jetzt zur Pfarre
Güten. Am 10. Juli 1033 bestätigte der Kaiser KonlnSid ü. die Schenkungen
für das neu gestiftete Kloster St. Martini in Minden, darunter Güter in pago
Loinga im ' Dorfe »Triburin', nach Grütter dem jetzigen Norddrebber.
Am 4. Dezember 1251 schenkte der Graf Konrad von Wölpe dem Kloster
Mariensee das Obereigenthum von Gütern in «Northtreueice" und in ,Suttreuera',
liirelche seiq Vasall Albert von Schwarmstedt dem Kloster verkauft hat Nach
dem Visitatiitasprotokoll vom Jahre 1543 erhielt der Pfarrer von Niedernstöcken
jährlich einen Gulden aus der Kapelle »Nordreber, das er bisweilen dahin gehe
Tnd predige*. 1690 gehörte die Kapelle ziff Parochie Gilten.
Die Kapelle stammt mit ihrer ganzen Einrichtung aus der Mitte des Beschreibung.
XVIIL Jahrhunderts.
Die rechteckige, auf einem Backsteinsockel errichtete Fachwerkkapelle
von 12,5 m äusserer Länge und 7,10 m Breite hat ein im Osten abgewalmtes
Satteldach und einen Glockenstuhl im Westen. Das Innere wird durch eine
bogenförmig gekrümmte, geputzte Holzdecke abgeschlossen. Die auf der Süd-
seite liegende Eingangsthür und sämmtliche Fenster sind mit geradem Sturz
versehen.
Vor einer Sakristeithür ist auf einer Schwelle die Inschrift: «Anno 1757"
zu lesen.
Die mit der Kanzel verbundene, schlicht gehaltene Altarwand steht auf Altar,
einem gemauerten Tisch. Kamel.
Zwei hölzerne Altarleuchter in Barockformen zeigen einen ge- AltarlenchtHr.
wmidenen Schaft.
Ostenholz.
Kirche.
Liitteratur: Sndendorf; von Hodenberg, Lttnebnrger Urkundenbnch XV; der-
selbe, Hodenberger Urknndenbnch ; Manecke II; Meyer, die Provinz Hannover; Holscher,
Beschreibung des Bisthnms Minden; Mithoff, Knnstdenkmale IV; derselbe, Kirchen-
beschreibnngen ; Wippermann, Bnkki-Gau; Grütter, Arbeiten über den Loingan, Hannov.
Geschichtsbl., 8. Jahrg.
Quellen: Urknnde des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover.
H>*8 142 8^
Geschichte.
Beschreibung.
Schiff.
Ostenholz, jetzt Kirchdorf, ist innerhalb des Archidiakonats Ahlden im
Mindener Loingau belegen. Im Jahre 1360 erhielt Heinrich von Hodenberg
vcnn Herzog Wilhelm zu Braunschw6ig und Lüneburg . einen Hof ,to Osterholte"
zu Lehen. Der Ort wird im Jahre 1381/82 zum Kirchspiel Dorfmark gerechnet.
1489 wird das Dorf zur Parochie Düshorn gezählt, wohin es bis 1711 gehört hat
Die Kirche besteht aus Schiff und Westthurm.
Das auf massivem Sockel in Fachwerk errichtete Schiff hat schlichte,
rechteckige Fenster, hölzernes Hauptgesims und ist im Osten durch das halbe
Z^hneck geschlossen (Fig.- 39 und 40).» In den Langseiten liegt je eine Eingangs-
r'mrfß»
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Fig. 31). Ktrehe In Oätcnholz; Grundrisi^.
ITiurm.
Altar.
thür. lieber der Thor an der Südseite hängt eine Holztafel mit dem Vers
Matth: 11, 28 und der Zeitangabe ,den 15*«E October 1724*. Hierüber befindet
sich auf einer Uolztafel eine Spnnenuhr mit dem Spruch:
Mit euch, o Freunde werd ich mich
Von Sonn zu Sonnen schwingen.
Mit euch dem Welten Schöpfer Dank«
Und Preis und Ehre singen.
Unten stehen die Worte: „Von etlichen Wohlthätigen Gliedern der
Gemeine zu Ostenholz angeschafft 1781 '.
Ueber den hölzernen Emporen an der West-, Nord- und Südseite
ist die geputzte Holzdecke flach gehalten und zwischen denselben tonnen-
förmijf gewölbt.
Der Thulm ist unten quadratisch, oben achteckig und mit Brettern
verschalt. Der Helm trägt in der Wetterfahne die Jahreszahl 1724.
Die hölzerne, mit Weiss und Gold behandelte Altarwand zeigt eine von
zwei glatten Säulen getragene, segmentförmige Bekrönung. Die eingebaute Kanzel
ist mit gutem Ornament und Engelsköpfen verziert. Der Schalldeckel zeigt
-»4 143 »-»-
iHusch^tfelffc und'hoeh oben den Gekreuzigten. ' Unten steht- 2u den Seiteil des
'Eanzelfiisses : ...
Christoph Winkehnann.'
Adelheit Catharine Köning.
Anno - 1725.
und der Vers 1. Cor. 11. 28.
Zwei 33 cm hohe Altarleuehter aus Messing zeigen die Formen der Aitarleuchter.
ersten Hälfte des XVllI. JahrbuQderts. ~
Auf einer 10,6 cm langen und 3,5 cm hohen, silbernen, zum Theil Ciborium.
vei^oldelen Oblatendose sind die Namen der Stifter Hans Chrisloffer Maller und
Anna Dorothea Müllers, sowie die Jahreszahl 1726 auf dem Deckel vermerkt. Die
untere Seite trägt als Zeichen das springende Pferd mit darunter befindlicher 12
und die Buchstaben I C S.
FIk. W. KJrcb« in Oiitaohalz; SQdtiaite.
Der 1726 angefertigte, 21,5 cm hohe, silbervergoldcte Kelch mit Kolcho.
zubehöriger Patene zeigt auf dem runden, profitierten Fusse die Spuren eines
aufgehefteten Grudfixus und hat feinen Becher mit leicht geschweiftem Rand,
sowie dieselben Zeichen wie das Ciborium,
Der andere, fast gleich grosse und ähnlich gearbeitete Kelch trägt auf
der Patene die Inschrift: ,E. H. v. D. 1780." und hat als Zeichen das
springende Pferd mit darunter befindlicher 12 und nicht mehr erkennbare
Buclistaben {L V E N?).
Das mit Weiss und Gold behandelte, zugleich als i Lesepult benutzte Taufbecken.
Taufbecken hat auf einem einfachen Sockel einen viereckigen Fuss mit leicht
-^ 144 «H-
geschwungenem Becken. Das Ganze ist mit Engelsköpfen mid Fruchtgehängen
verziert. Auf dem Rande des Beckens stehen die Worte: ,Cord Eoenlng
Maria Elisabeth Boeschen. Ao 1725*.
R e t h e m.
Gebäude auf dem Schlosshofe; Gerichtsgehttnde.
Litteratnr: Merian; von Hodenberg, LUnebnrger Uvkundenbach XY; derselbe,
Hodenberger Urkundenbnch ; derselbe, Hey er Urkandenbnch; derselbe, Galenberger
UrkundenbuchVI; derselbe, Lüneburger Lehnregister; DoebnerlV; Sudendorf; Urkunden-
buch der Stadt Lüneburg II und III; Urkundenbuch der Stadt Hannover; Vogell, Geschlechts-
geschichte der Herren Behr; Manecke II; Regenten-Sahl 1698; Wippermann, Bukkigan;
Havemann; Pfeffinger, Historie II; Kayser, Kirchenvisitationen 1897; Spilcker, Geschichte
der Grafen von Wölpe; Holscher, Beschreibung des Bisthums Minden; Böttger, Diöcesan-
und Gau-Grenien; Neues Hannov. Magazin 1810; Görges, Vaterland. Geschichten und
Denkwürdigkeiten; Mithoff, Kunstdenkmale IV; derselbe, Kirchenbeschreibungen; Zeitschr.
d. bist. Ver. f. Nieders. 1878, 49 ff.; Grütter, Arbeiten über den Loiügau, Hannov.
Geschichtsbl., 3. und 4. Jahrg.
Quellen: Akten und Urkunden des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover; Grtttterscher
Kachlass im Stadtarchiv ebendasellüst
Geschichte. Die am Zusammenfluss von Alpe und Aller belegene Stadt war vor-
mals einer der Grenzorte des Bisthums Minden gegen das Bislhum Verden.
Zwar wird der OH urkundlich erst 1239 (in seiner heutigen Namensform)
genannt, doch kommt ein Conradus de Rethem bereits 1216 vor.
Um 1270 erhielt Amoldus de Daum von den Grafen von Hoya .in
Rethim 4. mansos quos habuit Bemhardus de Rothe miles, Item ibidem sex
mansos, quos habuit Conradus miles et frater suns** zu Lehen. Der Zehnte
stand 1273 der Mindensr Kirche zu. 1313 verkaufen die Herren von Hoden-
berg ihre Besitzungen in Rethem dem Grafen von Hoya. 1367 wird Rethem
unter die Lünebur^^schen «wicbelde" gerechnet. 1371 befand sich der Magistrat
des Ortes unter denen, welche vom Kaiser in die Rdichsacht erklärt worden«
weil sie im Lüneburg- Sächsischen Erbfolgekriege zu den Braunschweigischen
Herzögen gehalten. 1372 und 1373 wird das Gericht zu Celle und Rethem
genannt. 1382 wird der Ort als Stadt aufgeführt. Am 13. Juli dieses Jahres
erklären Burchard von Lutter, Johann von Escherte, Henning und Ludolf Knigge
sowie Hermann Frese, dass die Herzöge Wenzlaus und Albrecht von Sachsen
und Lüneburg ihnen bis zum 22. März 1383 „Rethem hus vn stat gans* in der
Weise verpfändet haben, dass sie daselbst Vögte der Herzöge sein sollen. Bei
der 1407 von den Gebrüdem von Behr vorgenommenen Erbtheilung bekam
Ortgis neben Anderem «ene koten vppe dem Kerkhoue to Rethem* und den
dritten Theil an dem Hofe ta Rethem. Im dreissigjährigen Kriege hat die
/
-<^ 145 8^
Stadt viel ausstehen müssen. 1653 wurden Dach und Sparrenwerk des Amts»
hauses als allzu hoch und steil niedriger gemacht. Am 18. Oktober 1704
brannten 114 Wohnhäuser und 39 Nebengebäude nieder. Im siebenjährigen
Kriege hat der Ort wiedenmi arg gelitten ; vom 24. August 1757 bis 21. Februar 1758
ist er von Einquartierung nie frei gewesen. Wie bereits zu Merians Zeit theilt
sich das Städtlein in die Bürgerei, Amtsvorburg und Junkcrnvorburg. Das
Siegel des Magistrats zeigt einen Löwen, welcher aufrecht steht und den Rachen
auf^)errty sowie die Umschrift: Signeta Rethen 1634. Die Amtsvorburg stand
früher unter der Jurisdiktion des Amtes; die Junkernvorbuig und die Buten-
thorsche Acht, zu welcher die Stellen vor dem Thore gehörten, standen unter
dem Bunkenburger Junkemgericht zu Wahlingen. Auf der Amtsvorburg stehen
die Grebäude des ehemaligen Amtes Rethem. In der Junkemvorburg lagen
12 adelige Burgmannssitze, welche nach Manecke in folgender Weise vertheilt
sind: Die von Schlepegrell zwei, die von Tomey zwei, die von Behr zwei, die
von Uten einen, die von Spörken einen, die von Möller einen, die von Bothmer
einen, die von Duve zwei. Ausser dem Zugange über die Allerbrücke sind das
Celler- oder Heinholzerthor sowie das Mühlenthor vorhanden. Ein grosser
Brand verheerte am 3. Juni 1834 den grössten Theil des Ortes. /
1311 hören wir von dem Hauptmann (capitaneus) und den Burgmännem
(castellani) zu Rethem. Am 13. März 1314 wird die Burg selbst genannt. Sie
gehörte vermuthlich den Herren von Rethem. 1316 gestatten die auf dem
Schloss wohnenden Gebrüder Johann und Dethard von Riden dem Herzoge
Otto, einige Häuser in Bierde und Campe wieder einzulösen, sobald sie nicht
mehr ,in Castro Rethem* wohnen werden. 1350 wird Ludolf Havekhorst als
früherer herzoglicher Vogt zu Celle und Rethem bezeichnet. 1357 nimmt der
Herzog Wilhelm den Grafen Gerhard von Schauenburg auf sechs Jahre in seinen
Dienst und Schutz. Geräth der Herzog in einen Krieg, so verpflichtet sich der
Graf, ihm 20 Gewaffnete in dessen Schloss ^tho der Nyenstad eder tho Rethem'
zu stellen und ihm im Nothfall mit seiner ganzen Macht zu helfen.. Damals
war also der Herzog zu Braunschweig und Lüneburg Inhaber , des Schlosses.
1371 verpfändet der Herzog Magnus dasselbe dem Bischof Heinrich von Verden,
dem Domkapitel daselbst sowie mehreren Rittern, und gestattet ihnen: «Ok
moget se In Rethem • an • steynwerke • vorbuwen hundert lodyghe mark
Brunswikescher wichte vnde witte." Der Verpfändung seitens der Herzöge
Wenzlaus und Albrecht im Jahre 1382 ist oben bereits gedacht. Die vom Vogt
Ludeke Juncher zu Celle für die Zeit vom 23. November 1382 bis 8. November 1383
gefäbrle Rechnung über Ausgaben auf dem Schloss Rethem erwähnt mehrere
Gegenstände zu dem «groten stenwerk*"; dasselbe wird eingedeckt, auch sind
Zimmerleute dabei beschäftigt, und femer wird ein Tau zur Winde desselben
angeschafft. 1388 wird Rethem unter den der Stadt Lüneburg von der Landes-
herrschaft verpfändeten Schlössern genannt. Erstere hatte in den Jahren 1386
bis 1389 Lambers von Alden, Ludeke von der Hecktlinge und Ortgis Kienkok
nacheinander als Drosten daselbst bestellt. 1389 nehmen Ortgis und Gerhard
Kienkok das Schloss vom Rathe der Stadt Lüneburg in Pfandschaft.
1392 erklärt Ortgis Elencke, mit dem ihm gehörigen Sclilosse Rethem nimmer
19
->« 146 8^
den Herzögen behülf lieh sein zu wollen, um ein Mitglied der Säte zu schädigen,
vielmehr, wenn letzteres gekränkt werde, sich mit seinem Schlosse auf die
Seite der Satesleute gegen seinen Lehnsherrn stellen zu wollen. 1394 beschuldigen
die Satesleute die Herzöge Bernhard und Heinrich, dass sie das Schloss, welches
sie von den bei der Aufrichtung der Säte erhaltenen 50000 Mark von der Stadt
Lünebui^ eingelöst haben, an Leut;e, welche der Säte nicht angehören, verpfändet
haben. Sie ersuchen daher die Herzöge, das Schloss wieder einzulösen oder die
Leute zu veranlassen, die Säte ebenfalls zu beschwören. 1400 verschreiben
dieselben Herzöge der Herzogin Sophie, Gemahlin Heinrichs, Schloss, Haus und
Stadt Rethem zum Leibgedinge. 1405 verpfänden sie das Schloss der Adelheid,
Wittwe des Ortgis Elencke, und deren Söhnen. Sophie erhält als Ersatz das
Schloss Celle. 1426 wurde es von den Herzögen Otto und Friedrich wiederum
an Lüneburg verpfändet, welches zunächst bis 1504 im Besitz desselben blieb.
Bis 1455 hat diese Stadt 2000 Lübecksche Mark an Baukosten für Rethem
verwandt. 1471 belehnte Friedrich der Aeltere die von Ahlden „mit enem
Borchlehne und veer Hove Landes bynnen und vor Rethem belegen",
1475 wurde das Schloss zwar von dem Afterpfandträger des Rathes Johann
von Oppershausen wieder eingelöst, jedoch noch in demselben Jahre dem
Dietrich von Mandelslo und Dietrich von Ahlden verpfändet. Als Pfandinhaber
der Stadt werden genannt: Roleff von Botmer 1487—1491, Diederick von Alden
1492—1496, Ruleff von Hudenberg 1499 und Hinrick Bere 1504. Bald darnach
scheint das Schloss vom Landesherm eingelöst worden zu sein. 1519 wurde
dasselbe in der Hildesheimschen Stiftsfehde vom Herzog Erich von Galenberg
dem Herzog Heinrich von Lüneburg genommen. Doch ist dieser bald darauf
wieder in den Besitz des Schlosses gelangt und verpfändete es abermals an die
Stadt Lüneburg. Es kommen Hinrick von Saldern 1520, Lippold von Stocken 1523,
Cord von Ahlden 1539 und Hermann Schütte als städtische Pfandbesitzer vor.
Kurze Zeit darauf hatte Bruno von Bothmer Rethem inne. 1544 — 1559 war
Dietrich von Mandelsloh städtischer Drost, 1559 — 1567 Jobst von Münchhausen.
1571 jedoch war Jürgen von der Wense fürstlicher Drost in Rethem; dieses
war also wieder eingelöst. Als Burgmänner zu Rethem werden genannt: Die
von Bücken, von Behr, von Tomey und von Ahlden; femer waren es die von
Bamebrock, von Hälsingen, von Schlepegrell, von Honstedt, anscheinend auch
die von Ride, von Eitzen, Haverber und von Fulde; später die von Bothmer
und von Elencke.
Bezüglich des an der Stelle des alten Schlosses errichteten Amtshauses
sagt Merian: „Das Hauss ist ein altes Gebaew ins gevierdte auffgerichtet vnd
in vier Stockwercken bestehend deren eins fast hoch ist vnd sehr dicke Mauren
biss an das Dach hat. Ist aber bey diesem Kriegswesen sehr ruinieret.*
1407 ist von dem „Eerkhoue to Rethem^ die Rede. Rethem besass
anfangs nur eine Kapelle, welche Filial zu Wahlingen war. Am 17. Dezember 1454
genehmigt der Mindener Bischof Albert, dass Werner Behr und dessen Gemahlin
Sydeke einen Altar in capella sancte Marie virginis in suburbio Rethem in
parochia Walie nostre dioecesis in laudem et honorem sancte et individue
trinitatis patris filii et spiritus sancti et ejus matris gloriose virginis Marie et
-«-8 147 ^1-
sancti Georgii martiris de noslro ac venerabilium virorum dominorum nobilis
Ludolfi comitis de Speyg^elberch prepo^U ecclede sancti Bonifacii Hamelensis
antedicti diocesis ad quem collatio parochialis ecclesie in Walie nee non AlberU
Weygewynt Tbesauraü et Archidiaconi in Alden in ecclesia Hindensi ad quem
eiusdem ecclesie in Walie institutio dinoscitur pertinere ac domini Ottonls de
Vtillen ejusdem ecclesie rectoris consensu asserto et volunlate gründen und mit
Gütern zu Stöcken, Alten -Wabltngen und mit einer Geldrente dotieren und
Oberträgt der Familie das Patronatsrecbt der neubegründeten Vikarie. Ueber
das von demselben Bebr der Eircbe zu Wablingen gemachte Geschenk von
50 Gulden siehe Kirchwahlingen. Durch die Reformation ymide die Kapelle
zu einer eigenen Pfarrkirche erhoben. Das Amts-Erbregisler vom Jahre 1609
bezeichnet dieselbe als reparaturbedürftig; sie sei an sich nur klein, von einem
Lüneburgiscben Herzog durch Anl)aoung des
Chores vergr&ssert worden; sie sei von Steinen
gebaut und habe einen platten hölzernen Altar.
In den Jahren 1697—1699 wurde die Kirche
einer Reparatur unterzogen. Die Kosten beliefen
sich auf 1305 Tbaler 18 Mariengroschen. Nach
einem Aktenstück des Jahres 1756 war die
Kirche 90 Fuss lang und 35 Fuss breit. 1765
wurde an der Kirche abermals eine grössere
Reparatur vorgenommen; die Kosten betn^en
rund 722 Reidisthaler. Im Frühling 1828 stürzte
die schon lange baufällige Kirche ein. 1837 begann ^ ^^ ^^_ ,„ ^^^^^. ^^^^^,,
der Neutrau, nachdem ein Theil der Grundmauer
schon vorher gelegt war. Am 3. Februar 1839 wurde die neue Kirche geweiht
(Mittbeilung von Pastor Fabricius),
Das schlichte, aus Fachwerk mit massivem Sockel und Mansardendach Bescbreibung.
errichtete, frühere Amtshaus, jetzt Eigenthum des Herrn von Behr in Hoya, AmtshauB.
zeigt vor der Eintiittsslufe die Jahreszahl 1733.
Auf dem zubebörigen Hofe, dem früheren Schlosshofe, stehen noch die
alten Stallui^en. Die nadi der Hofseite liegende Wand ist aus Fachwerk mit
starken Stfindeni hergestellt. Das Dach wird von Holzkonsolen (Fig. 41)
getragen. Die Aussenwfinde sind aus Backstein hergestellt. Auch ist ein Theil
der alten Mauer noch erhalten.
Das frühere Gerichtsgebäude hat ein massives Erdgeschoss und ein Gerichta-
Obergeschoss aus Fachwerk. Das an den Schmalseiten zur Hälfte abgewalmte gcbäudc.
Dach bt mit breiten Gauben belebt. Die flachbogige Eingangsthür und die
einfiachen, recbteck^^n, in der äusseren Mauerflucht des Erdgeschosses liegenden
Fenster werden von SandsteingewAnden eingefasst. Oben im Giebel des in der
Hitte der Torderseite eingebauten Dacberkers steht die Jahreszahl 1792.
In die Aussenwand eines Hauses auf der Junkemstrasse ist das von Wappen.
Schepegrellsche Wappen mit der Bezeichnung ,A. F. V. S.' eingelassen.
-t-8 148 8^
Sch^w^armstedt.
Kirche.
Litteratur: von Hodenberg, Calenberger Urkundenbuch V; derselbe, Lüne-
burger Urkundenbuch V und XV; derselbe, Hodenberger Urkundenbuch; derselbe, Hoyer
Urkundenbuch; derselbe, Lüneburger Lehnregister; Sudendorf; Urkundenbuch der Stadt
Hannover; Begenten-Sahl 1698; Lüntzel, die ältere Diöcese Hildesheim; Spilcker, Geschichte
der Grafen von Wölpe; Manecke II; Wippennann, Bukkigau; Böttger, Diöcesan- und
Gau -Grenzen; Eayser, Kirchenvisitationen 1897; Holscher, Beschreibung des Bisthnms
Minden; Mithoff, Kunstdenkmale IV; derselbe, Kirchenbeschreibungen; Grütter, Arbeiten
über den Loingau, Hannov. Geschichtsbl., 3. Jahrg.
Quellen: Yerzeichniss der kirchlichen Kunstdenkmäler von 18%; Kirchenbücher
und Kirchenrechnungen in Schwarmstedt; Urkunden des hist. Yer. f. Nieders., siehe
Katalog, Heft 1.
Geschichte. Das frühere, zum Archidiakonat Ahlden gehörige Dorf besitzt eine dem
Siegel gemäss dem heiligen Laurent ius geweihte Kirche aus gothischer Zeit.
Zwischen 1153 und 1170 schenkte der Edelherr Mirabilis dem Moritzkloster
auf dem Werder bei Minden neben Anderem die Kirche in i,Swarmenstidde*,
und der Papst Lucius bestätigte zwischen 1181 und 1185 diese Schenkung.
1221 wird ein Hartwigus de Swarmstede unter den sacerdotes aufgeführt, und
1251 war Gerhardus sacerdos de Swarmsten. Um 1300 wird die .Parochia
Swarmstede" gensmnt. Am 6. Juli 1345 leiht der Rath zu Hannover von
Hartbert von Gramm, Pleban in Schwarmstedt, ein Kapital. Bei den 1360 vom
Herzog Wilhelm vorgenommenen Neubelehnungen bekam Heiir. van Hademe-
storpe den Meierhof ,|to Swarmsten'^. Dieses Gut besass die Familie noch im
XVII. Jahrhundert; später erscheinen die von Lenthe als Inhaber desselben.
1361 wird Olricus de Swarmstede unter den presbiteri genannt. 1368 begegnet
Euerd Beere van Suarmsten. Im Hebungsregister des Vogtes zu Gelle aus den
Jahren 1378/79 wird der Ort unter Winsen mit aufgeführt, wohin er vielleicht
damals gehörte (Grütter). Am 1. Mai 1385 verpfänden die Herzöge Wenzlaus
und Albrecht von Sachsen und Lüneburg den Gebrüdern Brand und Ludwig
von dem Hus Zins und Rente ,in deme Swarmestedeschen Kerspelde* zu Gross-
Grindau, Essel, Buchholz, Jeversen, Südwinsen, Alt * Schwarmstedt und «to
Swarmesteden*. 1489 werden folgende Orte als zur Parochie Swarmsten
gehörig bezeichnet: Ezele, Bokholt, Markeldorp, Olden Swarmstede und Grinde w.
1597 wurde ein Altarlaken von Lüneburg für vier Thaler gekauft. 1598 wurde
eine Thür, wohl die nach Westen führende an der Sakristei, zugemauert.
Ausserdem wurde in diesem Jahre das Gestühl gebaut, wobei die Zimmerleute
Henning Nochwer, Arendt Hardeke und Johann Rust thätig waren. 1602 erhält
der Meister Gerd 14 Thaler dafür, dass er rund umher die Kirche befestigt und
das Dach ausgebessert hat. 1604 wurde das Uhrwerk ausgebessert und 1608
die Kanzel geschenkt. 1655 wurde ein Kelch gebessert, eine neue Zinnflasche
auf den Altar gekauft und vom Goldschmied Dietrich Adam in Celle ein neuer
-0^ 149 »->-
silberner Kelch für rund 34 rthlr. geliefert, 1665 fertigte Jastus Keusser,
Bürger und Orgelroacher zu Celle, eine Oi^el von 11 Stimmen für 160 rthlr.
1668 wird der grosse Kelch vei^ldet und 1695 eine Glocke umgegossen.
1791 oiaaai Thnmno RioHi^ivPff _hi>eta1lpr R\fif\ und privilegirter glockeU giessef
xhe wird augenblicklich nach
P""-^*'"''^.
nover, der Altar, Crucifixus,
r ebendort renoviert,
freie landtagsfShige Höfe, von
li und die SchlQter einen inne
Js denen von Ha vertier gehört.
-WS 150 g-t-
Von der nach dem Ort benannten, früh erloschenen Familie kommt ein
Ritter Albert von Schwarmstedt 1233, 1237, 1242, 1251 und 1259 tbeils im
Gefolge Herraann's m. von Hodenberg, theils als Vasall K
Wölpe vor.
Die gothische Kirche besteht aus ScbifT, Chor, Sakristei und
reibnng. Die dreischiffige, aus Backsteinen erbaute, geputzte
Schiff. ^Fig, 42—44) wird durch einen spitzbt^igen Triumphbogen, von (
Cbor. gt„fg erhöhten , durch das halbe Ächteck geschlossenen, sctuD
getrennt. Leider wird die .innere Wirkung durch die auf allen
gebauten, hölzernen Emporen stark beeinträchtigt. Das breiter
und die schmaleren Seitenschiffe haben vier Joche, deren äv
19,9 m beträgt. Die voi-tretenden Hohlkehlrippen der Kreuzgewfilb
stumpf auf die mit schlichten Sockeln versehenen, quadratischen
aus Backstein und mit einfach profilierten Ecken, während sie an
von Eonsolen getragen werden. Der Chor wird ausser dem eigen«
stabrippen versehenen Gewölbe noch durch ein halbes Ereuzgewöll
kehlrippen, welches sich mit seinem Scheitel gegen den Triumpl]
überspannt; in den Ecken des Chorschlusses sind Reste von mm
vorhanden. Die spateren flachbogigcn Kirchenfenster befinden
alten spitzbogigen, aussen und innen gothisch proßlierten Oeffr
altes, ursprüngliches, jedoch vermauertes Fenster auf der Nordseit«
zeigt drei schmale, gekuppelte, im Kleeblattbogen geschlosseue 0
einer Spitzbogennische. Zwei Vorbauten mit Eiagangslhüren si
Westseite neben dem Thunne angeordnet. Die Strebepfeiler sim
Steinplatten abgedeckt. An einem derselben an der Südseite bt ein
vom Jahre 1771 erhalten. Der Eingang zur Orgelempore führt
Anbau auf der Ostseite.
akristei. Die Sakristei auf der Nordseite hat ein Kreuzgewölbe mit Bi
und ist mit dem Chor durch eine flachbogige Thür, welche de
Viertelstab aufweist, verbunden.
Tbnno. Der viereckige, im Putz gequaderte, aus Ortsteinen anfgel
thurm trägt einen achteckigen, beschieferten Helm und zeigt e
Hauptgesims, sowie zwei flachboglge Schaltöffnungen auf jeder Seil
Altar. Ein mit Farbe und Gold behandeltes, spätgothisches Mitti
Flügelaltars (Fig. 45) enthält Masswerkschnitzereien und in der Mi
vier Figuren Maria mit dem Kinde von Flammenstrahlen umgeben,
irdccke. Eine schwarze, seidene Decke mit Silberkante und zwei sil
Wappen ist bezeichnet:
G. L. V. L.
E. D. H. L. V.
54.
Altarleuchter. Zwei 36 cm hohe, schwere, gothische Altarleuchler aus Mi
einen walzenförmigen Schaft mit einem Knaufe in der Mitte and y
Zwei silberne Altarleuchter von 1821 sind 55 cm hoch.
-*^ 151 8-K
Eine silberne, innea vergoldete, runde Oblatendose von 10,6 m Durch-
messer trägt zwei unter einer Krone vereinigte Wappen und die Unterschrift:
,Ar>. 1714*. Auf dem Boden sind die Buchstaben vermerkt:
A. L. V. E.
S. M. V. B.
Von Zeichen ist nur das spiingende Pferd erkennbar.
Der hölzerne, 1,60 m hohe Crucifixus (F^. 47) gehört dem XVI. Jahr-
hundert an.
Das Brustbild des Pastors Johann Christoph Heideman wird von einem Gemälde,
schön geschnitzten Barockrahmen eingefasst. Ein anderes Gemälde stellt den
1814 gestorbenen Superintendenten Arnold Anton Bacmeister dar.
Auf einer umrahmten Holztafel ist das Wappen der v. Bothmer
zu sehen.
Eine 1,39 m im Durchmesser grosse Glocke hat zwischen zwei Ornament- Glocken,
streifen am Halse eine dreizeilige, auf der Mitte einer Seite eine siebenzeilige
und gegenüberliegend wiederum eine dreizeilige Inscbrifl. Eine Nachricht am
Rande besagt, dass Lvdolf Siegfried von Hannover im Jahre 11)57 die Glocke in
Schwannstedt goss. H. L. Damm in Hildesheim verfert^te 11:119 die kleinere
Glocke von 1,23 m Durchmesser.
-<-8 152 8^
Grabmale. Ein schönes, steinernes, renoviertes Grabmal ist innen in die Nordost-
wand des Schiffes eingelassen. In dem von zwei Pfeilern begrenzten Haupt-
felde knieen, durch den Gekreuzigten getrennt, auf der einen Seite der Vat^
mit acht Söhnen und auf der anderen die Mutter mit fünf Töchtern. Den
Hintergrund füllt eine Ansicht von Jerusalem. Hierüber sind in einer Reihe
acht und auf den beiden Pfeilern je zwei Wappen zu sehen. Dieselben tragen
folgende Bezeichnungen: von Svirssen, von Holttorp, von der Wensse, von
Easzenbrock, die Eniggen, die Friedach, von Staf borst, von Extrem, von
Mandcslo, die Rebocke, von Qverhm, von Dvmstorp. Ueber dem Hauptfelde
ist folgende Lapidarinschrift angebracht:
Dyse Worde hat Johan van Bothmar in
sinem lesten geredet: Here
Jhesv Christ warer Minsch vnd Got
de dv ledest Marter Angs vnd
Spot vor mi am Crvze ock endlick star-
vest vnd mi dines Vaders Hvld
E]rwarvest ick bidde dorch bitter Liden
din dv woldes mi Svnder gnedich sin
Wen ick nv kome in Stervensnot vnd
ringen werde mit dem Dodt.
Unter den männlichen Figuren ist zu lesen:
Im • Jare • 1586 • is • Johan • van • Both-
mar • den • 7 • Janvary • sines
Alters • 85 • Jhar • selichlichen • in •
Godt • entslaffen.
Johan • van • Bothmar • der • Vader: Johan •
Lippolr • Ems.
Gehcrdr • Frederich • Otto • Cvrdt • Levin:
sin • Sons.
Daneben unter den weiblichen:
Im • . . . . Ilse van dem • Werder die
Moder.
Helena • Ilse Anna
Dorothea Anna irhe • Dochter.
Ganz unten aber:
Job: 19: Yck wet dat min Erloser levet u. s. w.
In einer Bogennische der Bekrönung ist der Auferstandene, die Mächte
der Finstemiss überwindend, dargestellt. Daneben befinden sich auf jeder Seile
zwei Wappen, bezeichnet von Bothmar, v. d. Werder, von Zerszen, von Has-
perge. Das Brustbild des seine Arme ausbreitenden Heilandes bildet den
oberen Abschluss. Die Nische des Auferstandenen hat die Umschrift: Ich bin
der • Avferstehvn • vnd • das • Leben • wer • an • mich • glvbet • der • wirt •
lebe, ob • er • glich stvrbe • Johan • am XI.
-<-8 153 8^
Auf dem Fries darüber stehen die Worte:
So • jemandt • min • Wort • wert • hol-
den • de • wert
den • Dodt • nicht • sehen • ewichlick:
Joh • am • 8.
Das Grabmal des im Jahre 1607 gestorbenen Superintendenten Collenius
ist aus Holz gearbeitet und enthält zwei Säulchen und verkröpftes Gebälk. In
der Mitte steht der Qekreuzigte zwischen den Schachern auf Holz gemalt,
darunter eine Figurengruppe. Unten sehen wir die männlichen und weiblichen
Mitglieder der Familie.
Ausserdem sind noch drei weitere, aus Holz gefertigte Grabmale vor-
handen. Eines derselben (Fig. 48) in Renaissanceformen zeigt direkt auf die
hölzerne Rückwand gemalt den Gekreuzigten und darunter den Vater mit vier
Söhnen und die Mutter mit fünf Töchtern. Oben steht der Spruch in Lapidaren:
Das Blvt Jhesv Christi des jSons Gottes, reiniget vns von allen vnseren Svnden •
und unten: Also hat Gott die Welt geliebet u. s. w.
Ein weiteres, farbig behandeltes Grabmal mit der Jahreszahl 1643 stellt
den Gekreuzigten, auf Leinwand gemalt, zwischen einer männlichen und einer
weiblichen Figur in knieender Stellung dar und trägt die Unterschrift:
Her Jesv in dine Hende befehle
Ick mine Sele, du Getrvwcr
Got dv hefst mi erlöset.
Das kleine Barockgrabmal (Fig. 46) des Hans Ernst v. Bothmer,
gestorben am 25. September 1678, ist mit Schnitzereien versehen und bemalt.
Zwei vortretende Säulchen tragen ein Gebälk und als Bekrönung das
V. Bothmersche Wappen.
Die geschnitzte, mit Säulen verzierte, hölzerne Renaissancekanzel mit Kanzel.
Schalldeckel trägt ein Wappen und die Bezeichnung: ^Herr Conradt von Bothmer,
Abt vndt Herr vom Havs zu S. Michael in Lvnebvrch f. f. anno Domini 1608. *
Der Foss ist neu. Am Fries der Kanzel steht die Inschrift aus Matth. 7: «Es
werden nit alle die zv mir sagen'' u. s. w. und die Jahreszahl 1608.
Ein silbervergoldetor, dem XVI. Jahrhundert angehöriger, 0,28 m hoher Kelche.
Kelch mit zubehöriger Patene hat Renaissancebecher, Sechsblattfuss und an den
vortretenden Zapfen des Knaufs die Buchstaben: „J. E. S. V. S. f.*
Der andere, fast gleiche, silbervergoldete, ebenfalls aus dem XVI. Jahr-
hundert stammende, 0,29 cm hohe Kelch mit zubehöriger Patene trägt auf den
sechs vortretenden Zapfen am Knaufe den Namen .Jehsvs* sowie auf dem
sechstheiligen Fusse einen Grucifixus und den heiligen Laurentius in aufgelegter
Arbeit und als Zeichen ein D.
Ein kleinerer Kelch mit einem Grucifixus auf dem Sechsblattfusse hat
an seinem Becher zwei Wappen und die Bezeichnungen: ^Ivo von Bothmer'^
und ^Elisabeth • Agnesa '• v • Hodenberg'', am Knauf jedoch nur fönf viereckige
Zapfen mit den Buchstaben «J. E. S. V. S''. Nach dem Kirchenbuche lebte Ivo
von Bothmer 1618—1682 und seine Gemahlin starb am 19. Oktober 1685.
20
Orgel.
Tanfstein.
Zifferblätter.
-^ 154 8^
Die hinter dem Altartisch sich erbebende Orgel zeigt die Formen des
XVni. Jahrhunderts und Darstellungen . der Himmelfahrt und des Abendmahls.
Das einfache, sechseckige Becken des Taufsteins ruht auf neuem Fussc.
Dasselbe hat an einer Seite ein Wappen und die . Umschrifl; : „Ernest von
Hademstorf Anno 1528**.
Auf dem Eirchenboden liegen zwei hölzerne Zifferblätter, eins mit
der Zahl 1585.
Geschichte.
Stelliehte.
Kirche; Herrenhaiis.
Litte ratur: Origines Guelficae; Merian; Sudendorf; von Hodenberg, LUnebnrger
Urkundenbuch XV; derselbe, Hoyer Urkundenbuch ; derselbe, Hodenberger Ürknnden-
buch; derselbe, Verdener Geschichtsquellen; Vogell, Geschlechtsgeschichte ;der Herren
Behr; Manecke II; Regenten - Sah! 1698; Meding, Nachrichten von adelichen Wapen I,
Böttger, Diöcesan- und Gau -Grenzen; Zeitschr. d. hist. Ver. f. Nieders. 1858; Spilcker;
Geschichte der Grafen von Wölpe; Havemann; Wippermann, Bukkig'au; Freudenthal,
Heidefahrten; Holscher, Geschichte des Bisthums Minden; Mithoff, Knnstdenkmale IV^
derselbe, Kirchenbeschreibungen ; GrUtter, Arbeiten über den Loingau, Hannov. Geschichtsbl.,
2. und 3. Jahrg.; Jürgens, ein Amtsbuch des Klosters Walsrode, ebendort, 2. Jahrg.
Quellen: Urkunden des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover; Grütterscher Nachlass
im Stadtarchiv ebendaselbst.
Das Dorf Stellichte kommt bereits 1069 als „Steinlaga'* vor und zwar
in der Urkunde, in welcher die Aebtissin Adelheid von Quedlinburg das Gehöft
Soltau unter den Schutz des Herzogs Magnus Billung von Sachsen stellt. Die
Einwohner sollen, wenn der Herzog auf seinen Reisen den Ort berührt, ihm
mit Wagen und Pferden dienen und sein Reisegepäck „de Salto we in AUendorp
vel Steinlaga sine Vdecsineburstalde'* befördern. In späteren Urkunden wird
es Stenlage, Stellage oder Stelleghe genannt; bereits vor 1302 waren die Grafen
von Hoya vom Herzoge Otto mit einem Hofe zu „Stenlage'' belehnt worden.
Hier in Stellichte hart am Landesgebiet des Verdenschen Bischofs stand vormals
eine Grenzveste der Lüneburgischen Herzöge. Im Jahre 1405 beschweren sich
Rath und Stadt Lüneburg, dass die Herzöge Heinrich und Bernhard „dat Slot
eder veste to Steighede "^ haben „nye buwen^ lassen; und in Urkunden des
Jahres 1409 spricht der Herzog Heinrich von „vnse Slot Stelleghe'' und .vnse
slod Stellage*. 1427 wurde das Schloss «Stellege'' sammt zwei Höfen daselbst
seitens der Herzöge Bernhard und Wilhelm dem Bischof und dem Stifte zu
Verden neben vielem Anderen verpfändet. 1470 gestattet der Herzog Ö(to dem
Heinrich Behr, das „Slott Stelgede dat dem Stiebte to Verden pandes steyt"
nach vorher erfolgter Pfandaufkündigung seinerseits einzulösen. Danach soll er
es von ihm zu einem erblichen Lehngut empfangen, und er und seine Erben
mögen dasselbe ^na orer bequemicheit In HoUwergk muren Begrauen vnd
-<-8 155 8^
Beplanken", doch solle das Schloss ihm jederzeit offen stehen. Die Uebergabe
erfolgte im darauffolgenden Jahre. Zugleich kam das mit dem Schloss ver-
bundene adelige Gericht Stellichte, welches früher der Familie von Schlepegrell
gehörte, in den Besitz der Herren von Behr. Es ivurde 1852 aufgehoben.
1493 belehnt der Herzog Heinrich den Ulrich Behr «mit der veste vnd horch
to Stelgede*. Nach einer von Dietrich Behr, Ulrichs Sohn, 1567 veranlassten
Au£zeichnung hatten dieser und sein Bruder Heinrich, Landdrost zu Hoya, zu
.Stelligt, Hoya vnd Huszlem* über 10000 Thaler verbaut. 1704 Hess Johann
Georg Wilhelm Behr das alte massive Schloss, welches vorhin etwas weiter als
jetzt auf dem Burgplatze zurückstand und bei Merian wiedergegeben ist,
abbrechen und baute das neue Wohnhaus nahe am Schlossgraben, welcher
dasselbe von dem Vorhof und von den Vorwerksgebäuden trennt. Ein Theil
der alten Keller der vormaligen Burg ist wieder benutzt, das Uebrige aber
verschüttet.
1475 gestattet Reymbertus Sindorp, des Mindenschen Bischofs General-
Vikar und -Offizial in geistlichen und weltlichen Angelegenheiten, dem Heinrich
and Johann Behr „famulis nostre diocesis*^ auf ihrem Wohnsitz (habitatione) zu
«Stelgede' durch einen geeigneten Presbyter .in altari portatili temporibus
debitis' Messe lesen zu lassen. Femer erlaubt der Verdener Bischof Berthold
im Jahre 1479, dass Heinrich Behr, famulus seiner Diöcese, .in laudem et
honorem omnipotentis Dei beateqqe deigenetricis virginis Marie ac beatorum
Georgii et Christofori marlirum et sancli Jodoci confessoris'^ am gegenüber
liegenden Ufer der Lehre .ante et prope habitationem suam Stellige in loco
nostre diocesis* eine Kapelle errichte.
Das Schloss gehörte, als auf dem linken Ufer der Lehre belegen, zur
Diöcese Minden, die auf dem durch den Bach vom Schlosse getrennten Platz
errichtete Kapelle dagegen zum Verdener Boden; doch wurde sie durch eine
besondere Vergünstigung des Bischofs mit Genehmigung des Visselhöveder Pfarrers,
in dessen Sprengel der Platz lag, von der Verdener Kirche eximiert. 1574 be-
stimmt Dietrich Behr in seinem Testament, dass die von ihm gebaute Kirche
zu Stellichte von seinen Söhnen und Nachkommen .in bauwlichen wesen''
unterhalten werden solle. Femer fügt er zu den bereits von seinem Bruder
Heinrich zur Ehre Gottes gegebenen 1000 Thalem noch weitere 1000 Thaler,
welche zinsbar angelegt werden sollen. Von den mindestens 100 Thaler betragen
sollenden Zinsen soll ein gelehrter Mann, der zu Stellichte ein Pastor sein
könne, besoldet und unterhalten werden. Derselbe solle in der Woche dreimal
in der Kapelle predigen, und was einem Pastor gebühre, thun. 1610 Hess
Dietrich Behr die kleine Kapelle abbrechen und statt ihrer eine grössere
erbauen, wie dies zwei rechts und links von der Orgel hängende Inschrifttafeln
darthun (vergl. Beschreibung).
1643 liess Johann Friedrich Behr eine Glocke giessen^ 1702 wurde die
bis dahin nach Walsrode gehörige Kirche zur Pfarrkirche erhoben. 1704 baute
Johann Georg Wilhelm Behr ausserhalb am Thurme der Kirche ein neues
Begrdbnissgewölbe und hoch ein zweites ausserhalb an der Südseite. Um die
Mitte des XVIII. Jahrhunderts wurde das Dorf auf Ansuchen der Herren von Behr
20*
-t^ 156 S-1-
in allen geistlichen Dingen nach Stellichte gelegt, jedoch mit dem Vorbehalt,
dass die Eingesessenen nach wie vor alle Lasten, Bau- und Reparaturkosten
unverändert tragen müssten.
Erwähnt sei noch, dass ein dominus Bemardus de Stenlage 1319 als
Kapellan des Klosters Walsrode begegnet.
Eine im Jahre 1901 in dem Thunnknauf untergebrachte Urkunde giebt
davon Nachricht, wie in diesem Jahre die fast noch unberührte Kirche unter
Schonung der erhaltbaren, alten Heile und genauer Anpassung der neu herzu-
stellenden an die vorhandenen Kunstformen durch den Professor Karl Mohrmann
aus Hannover wiederhergestellt wurde. Das Aussenmauerwerk wurde sorgfältig
ausgebessert und an den gerissenen Stellen verankert, die beiden Weststrebe-
pfeiler wurden vergrössert, die Sandsteintheile nachgearbeitet oder erneuert.
Flg. M. Kllclis In Btelllchta; Onuidttw vor der Wled«rbentsllaaK 1901.
Dachkonstruktion und Dachdeckung wurden ausgebessert, die Thunnspitze
erhielt eine Kupferverkleidung und eine neue Eisenspitze mit Wetterfahne und
Blitzableiter; alle Theile der Thurmspitze sind den alten Formen genau nach-
gebildet. ]fa alten Tburmknauf wurde nichts gefunden.
Altar, Kanzel, Patronatsgestühl, Taufhecken, Chorscbränke, Gedenktafdn
ond Grabmäler, Orgel und Orgelempore und Holzdecke sind in den reichen
Holzschnitzereien sorg^tig wiederhergestellt, die Malereien aufgefrischt und
ergänzt worden, die zum grossen Theil wurmstichige Decke ist durch einm
Doppelboden von oben befestigt. Die Holzfenster sind in der alten Foroa
erneuert, sechs Fenster mit dem vorhandenen Antikglas verglast, drei Fenster
mit einfacher (nicht vorhandener) farbiger Glasmalerei versehen. Der einfarbqre
Wandanstrich ist dem ersten Anstrich entsprechend wiederhergestellt. Der
Fussboden ist erneuert. Die glasierten Chorfliesen sind den alten nachgebildet,
die noch brauchbaren, alten Chorfliesen sind im Thurm verl^t. Die ursprüi^lkh
-t-§ 157 S«-
angelegten, später aber zi^ebauten Wandgänge sind oeben dem Bfittelgang bei
dem Gestühl wieder eingerichtetf das Gestühl und der PEarrsland dem alten
nachgebildet.
Neu hergestellt sind folgende Gegenstände, die nach vorhandenen nach-
gebildet werden konnten: Chorstufen aus Granit, Chorstufenbrüstungen, Altar-
brOstungen, gestickte Altar- und Kanzelbekleidungen, ein Crucifiz, Lederpolsterung
im Patronat^estOhl und im Pfarrsfand, vier äussere ThQren und ein Windfang
mit den Beschlägen, zwei Tafeln zur Erinnerung an die Wiederherstellung,
zwei Nümmertafein, ein Opferstock im Tburm, zwei Holzdecken, eine Treppe
und die Bälgekammerverkleidung.
Flg. so. Kirche In BCalUchta; Nordsslte.
Bei dieser Wiederherstellung bal sich als wahrscheinlich et^ben, dass
die allen Kapellenmauern bei dem Bau der Kirche im Anfang des XVII. Jahr-
hunderts etwa 5 m hoch beibehalten sind und nur etwa 2 m hoch neues
Mauerwerk hergestellt worden ist. Der Thurm dagegen ist um 1610 neu auf-
geführt. Die Thurmform ist nicht mehr genau die alte von 1610. Unter dem
Kupfergeäms fand sich ein profiliertes, farbig bemaltes, verwittertes Holzgesims,
dessen Wiederherstellung wegen der ßist völligen Verstümmelung nicht möglich
war. Am Gestühl fand sich die Jahreszahl 1611. Die Wiederherstellung wurde
im Februar 1901 b^onnen und im Oktober 1901 beendet-, als Bauleiter war
unter Professor Hohrmann der Architekt R. Ph.Bromme thätig.
-^ 158 H-
Beschreibnog. Die im AnGange des XVII. Jahrhunderts in den Formen der Renaissance
und des begionendeti Barock erbaute Kirche ist mit ihrer fast vollständig
erhaltenen und einheitlich durchgefahrten, inneren Ausstattung ein gutes Beispiel
der um 1600 errichteten Gotteshäuser, Dem wenig ansprechenden Aeusseren
steht eine vorzügliche Innenwirkimg gegenäber, indem hier die reich geschnitzten
Stücke der Einrichtung von den einfach gehaltenen, weissen Wänden und der
bescheidenen Holzdecke sich vortheilhaft abheben.
Schiff. Die Kirche besteht aus SchifT und Westthurm und enthält zwei Grab-
Cbor. gewölbe. Das in Backsteinraauerwerk mit Sandsteinsockel und hölzernem
Hauptgesims erbaute
Schiff (Rg. 49 und 50) rjT, , ..-,.' ', . , , y
ist im Osten dreiseitig ■-' ' ' ' ^~^ ■ '
geschlossen. Pultdach- '
förmig abgedeckte
Strebepfeiler befinden
sich an den Langseiten
des Schiffes und am
Chor. Der Innenraum
der Saalkirche wird
durch eine gerade,' farbig
behandelte Holzdecke
abgeschlossen; die letz-
lere ist durch Leisten in
rechteckige, in der Mitte
durch vergoldete Ro-
setten oder geflügelte
Engelsköpfe ausgezeich-
nete Füllungen getheilt,
welche wiederum in
kleinere Felder von ver-
schiedener Form zerl^
werden. Unter derDecke
bildet ein zierlichesHolz-
, gesims mit Zahnschnitt
und Konsolen den Ueber-
gang zur Wand. Die in
der Südseite lie-
gende Eingangs-
li (ü Ih ""T»«!: thür, in Barock- '^^ '^-'■-> > ^^fi > > >' i i l U *
formen ausSand-
Vig. 51. Ktrche In Btelllchta; -tain rraophaitof Flg. bt. Kirche Id Btellichte;
ThörUlbang der Bödthür. ^'^'" gearoeiiei, Fenster.
hat eine mit
Flachomament gezierte Laibung (Fig. 51) und ein von zwei glatten Säulen
getragenes Gebälk, dessen durchbrochene, mit Figuren geschmückte Verdachung
das V. Behrsche Wappen zeigt; in seitlichen Nischen sind die Apostel Petrus
und Paulus zu sehen. Die zweitheili^en, nindbogigen Fenster mit Sandstein-
gew&nden sitzen in halbkreisförmig geschlossenen, abgefasten Backstetnnischen
{Fig. 53). Der um Tier Stufen erhöhte, als Chor ausgebildete östliche Theil
des Schiffes wird durch
eine reiche, in Holz aus-
^(ührte Brüstung mit
grossem Eielbc^ndurch-
gang von dem Schiff
getrennt; einige Holz-
füllungen der Chor-
schranke sind in Fig. 53
bis 57 wiedergegeben.
Diese eigenartige Einrieb-
tong, welche in der Er-
innerung an den mittel-
alterlichen Lettner und
Triumphbogen entstand,
ist wohl das interessan-
teste Stück des Gebäudes.
An der Westseite des
Schiffes zu beiden Seiten
des Thurmes ist je
eine Gruft angelegt. Ein
grösseres Grabgewölbe
liegt im Chor vor dem
AUar, zwei kleinere be-
finden sich im Schiff vor
den Chorstufen und hinter
dem Eingang zur Kirche.
Die im Chor au^estellten,
für den Patron bestimmten
Stühle, welcheanderRück-
wand halbkreisförmig ge-
schlossene Fällungen und
E^lasterstellangen auf-
weisen, haben eine mit
Säulen verzierte Brüstung.
Einfacheres Gestühl be-
findet sich im Schiff und
hinter dem Altar der
Pfarrstand.
Der durch eine halbkreisförmige Oeffnung mit dem Schiffe verbundene Thm
viereckige Westthurm aus Backsteinmauerwerk hat Sandsteiiisockel und flach-
bt^ig überwölbte Schallöffnungen und Fenster mit hohem Stich. Das flaclio
Zeltdach und der untere viereckige Theil des Aufbaues haben Schieferdeckung;
hh8 160 8^
Altar.
Altarlcnchter.
Ciborien.
Gedenktafeln.
die mehrfach gegliederte Spitze ist mit Kupfer bekleidet. Unterhalb derselben
sind Tier Wasserspeier über Eck angebracht; die Wetterfahne enthftlt die
Jahreszahl 1614. Am miteren Theile des Thurmes befindet sich auf der West-
seite in geschmiedeten Zahlen die Zeitangabe 1608. Der schöne Westeingang
ist von einem Sandsteingewände in Renaissanceformen eingeEasst
Die hölzerne, in ihren Abtheilungen mit Gemülden ausgestattete Altar-
wand trägt auf der Predella eine Darstellung des Abendmahles und seitwärts
die Einsetzungsworte, im Hauptfelde eine Darstellung der Kreuzigung und auf
dem Gesimse zwei Figuren mit Wappenschilden, deren Bezeichnung lautet:
»Johan Behr 1610*" und „Maria v. Bothmer 1610^ Der Altar enthält seitlich
zwei Säulen und wird von einem durchbrochenen Giebel bekrönt.
Zwei 31 cm hohe Altarleuchter aus Messing haben einen walzenförmigen
Schaft mit mehreren scharf profilierten Knäufen.
Ein schön gearbeiteter, silberner Oblatenbehälter in Buchform ist mit
Kette und Ring zum Anhängen eingerichtet. Auf der äusseren Seite des Deckels
steht in lapidaren:
Zv . Gottes . Ehr
machen • lies Johan • Bher
Dann folgt das Behrsche Wappen und darunter die Inschrift:
In • die • Stellichter • Kirch,
• 1 • 5 • 9 • 0 •
Im Innern sehen wir einen eingravierten Grucifixus zwischen den
Inschriften :
»Avgvslinvs accipite • hoc • in • pane qvod • pependet • in crvcc*.
und:
«Chrysostomvs sensvs • fallere potest • verba • Christi • fallere • non •
possvnt.*
Eine andere, einfache, runde, silberne Oblatcndose mit Goldrändern
enthält die Namen:
G : D : W :. Behrn :•
• :• H : Behrn •:•
•:• 1743 •:•
Die Inschrift auf der Tafel rechts von der Orgel lautet:
,Aö Christi. 1450, Henricvs Behr Henr. fil. Wem. nep. Wer. pron.
sacellvm hie voto pio primvs p. aetate cadvcvm Thcodoricvs Behr
Joan. fil. Theod. nep. Vir. pron. Henr. abnep. dirvi novvmq fvndilvs
praesenti forma opere suptvoso in honorem, individvae trinitatis f. f.
ario Christi 1610.«
Die Inschrift links von der Orgel lautet:
«Durch Gottes segen hülff vnd raht
Mich Diettrich Behr erbauwet hat
Als Tausend iahr nach Christi gburtl
Sechshundert Zehn geschriben wurtt
Der Herr nach sein verheisen thuc
Das Abrahamss segen vff ihn ruhe.'
-^ 161 8^
Die Zahl 1450 ist, wie oben zu ersehen, unrichtig, auch die Angabe
der Voreltern fehlerhaft
An der Südwand hängt ein grosses, stark zerstörtes Gemälde im halb- Gemälde,
kreisförmigen Rahmen, welches die Himmelfahrt darstellt.
Die im Jahre 1621 gegossene Glocke hat 99 cm Durchmesser und unter Glocke,
dem Omamentstreifen am Halse eine Lapidarinschrift und zwei Wappen.
Eine Holztafel stellt auf einem länglich runden, von acht Wappen Grabmäler.
umgebenen Felde die Auferstehung der Todten dar und hat die Umschrift:
.Spricht der Herr: Ich wil ewere Gräber auflhü, u. s. w. Ezech. 37.**
•
Die Unterschrift lautet:
»Der weiland Wol Edler gestrenger vnd Vester Frantz Joachim
Spörke auf Moltzen vndt Emendorf Erbgesessen, ist in diese Welt
gebohf alss man geschriben 1600. Achte tage vor Martiny vndt von
dieser Welt gescheiden • Zv Stellichte den 27. February . 1637, seines
Alters gewesen 36 • Jahr • 3 • Monat vnd • 14 • Tage."
«
Die Wappen sind bezeichnet: D. Sporken, D. Behren, D. Sporken,
D. V. Dagevord, v. d. Wense, D. v. Heinbrock, D. v. Munnichhausen, D. v. Berge.
Ein schönes, grosses, mit Figuren und Säulen geschmücktes, hölzernes
Grabmal enthält folgende Inschrift:
Theodoricvs Behr
Joan - fil: Theod: nep: Vir: pron:
sibi
nato
4. Decembr: ao. Christi 1575. hör. 9. vesper:
jam. denato
2. Decembr. ao. Chpsti. 1632. hör. 6. vespert:
aetatis. 57. demtis. 2. dieb. et. 3 hör.
et dehvmatv.
8. Janvarii. ao: Christi. 1633:
nee non.
Dvlciss: conivgib:
Elisae Magdal: Dorotheae
Botmariae Assebvrgiae
obiit
6. Jan. äo. 1607 vesp.
vixit
an. 23. m. 10. d. 21.
Mortalitatis.
monvmentvm
aetemitatis
memoriam
viws. P.
21
Darunter steht auf einem kleinen Feld(>:
Ossa vestra
germinabvnt.
Esa. 66.
und ganz unten:
Äiio
Christiano
■ M ■ D G ■ XV .
Die Grabmäler des im Jahre 1700 gestorbenen Friedrich Behr und des
1664 gestorbenen Johann Behr sind in Fig. 58 und 59 wiedenregebeD.
Flg. »I und GS. Klrclio in SIelllchte; GrabniHler.
Innen an der Ghorwand ist ein Grabstein aufgerichtet, • welcher in
erhabener Arbeit einen betenden Ritter in einer Bogennische und folgende
Lapidarumschrift zeigt;
»Aiio ■ 1585 ■ den • 13 ■ Novembris den ■ Abendt vmb - 8 ■ Vhr • ist
der ■ gestrenge • edle ■ vnd • enivheste - Vlridi ■ Behr ■ in Godt •
sehglich ■ entsclilafen."
Zwischen der Inschrift sind acht Wappen sichtbar.
Die schöne, aus Holz geschnitzte Kanzel an der Nordseite des Schiffes,
deren Ecken mit Säulen besetzt sind, ist vom Chor aus zugänglicli {Fig. 62).
Am oberen Rande steht in Lapidaren; .EvangeUvm virtvs dei in saivtem öni
I
I
J
-^ 163 8^
credeli*; am unteren Rande: .Verbvm Domini manet in aeteravm". Die In-
schrift am Bande des reich gearbeiteten, kronenartig ausgebildeten Schall-
deckels lautet:
yAd legem ad testimöivm'
und
,2. Petri. 1. Wihr haben ein festes prophetisches Wort, vnd ihr
th^ wol das ihr dar avf achtet.*
Ein silbervergoldeter, spätgothischer Kelch hat auf dem Sechsblattfusse Kelch,
einen aufgelegten Grucifixus. Auf den sechs vortretenden viereckigen Zapfen
am roasswerkverzierten Knauf ist zu lesen: j^Jhesvs', darüber am sechseckigen
Stiel derselbe Name und unter dem Knaufe: , Maria 6*.
Die mit kunstvoll geschnitztem Gehäuse ausgestattete Orgel (Fig. 60) Orgel.
hat die mit ^Dieterich Behr* und „Dorothea • B • y • d • Assebürgk bezeichneten
Wappen und die Inschrift: ,Anno domini 1.6.1.0", sowie ganz unten den
Namen des Meisters M • Märten • de • Mare • Orgelmacher.
Das äusserst reich aus Holz geschnitzte Taufbecken ist viereckig und Taufbecken.
mit abgestumpften Ecken versehen. Dasselbe hat als Umschrift: „Galat. 3.
Wie viel vnser getavffett sein, die haben Christvm angezogen.*, und auf vier
Felder vertheilt: ,Eph. 4. Ein Herr — ein Glaub, ein Taüffe — ein Gott vnd
Vater* u. s. w. Die Taufschale besteht aus Messing; im Boden desselben sind *
Adam und Eva in getriebener Arbeit dargestellt; Der Deckel des Taufbeckens
ist kronenartig aufgebaut. Das Ganze ruht auf vier Füssen. Das Becken ist
in Fig. 61 dargestellt ; im Hintergrunde sieht man den hölzernen Ghorabschluss
und einen Pfeiler des oben genannten Durchgangsbogens.
Ueber der Thür des in neuerer Zeit vollständig umgebauten Herren- Herrenhaus,
hauses befinden sich zwei Wappen mit der Bezeichnung: „ Johann Georg
Wilhelm Behr*^ und »Charlotte Justine von Nettelhorsten'', dazwischen die
Jahreszahl 1703. Der Burggraben ist unversehrt erhalten. Ueber einem alten
Eellerfenster steht (unter der neueren Bretterverkleidung) die Inschrift
«Olrick Behr 1585\
Suderbruch.
Kirche.
Litteratnr: Sudendorf; Hodenberg, Calenberger Urkundenbuch V; Spilcker
Geschichte der Grafen von Wülpe; Wippermann, Bukkigau; Büttger, Diöcesan- und Gau-
Grenzen; Kayser, Kirchenvisitationen 1897; Holscher, Beschreibung des Bisthums Minden,
Zeitschr. f. westf. Gesch. u. Alterthumsk., Band 34; Mithoff, Kunstdenkmale I; derselbe,
Kirchenbeschreibungen.
Quellen: Urkunde nnd Akte des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover; Verzeichniss
der kirchlichen Kunstdenkmäler von 1896.
21*
Geschichte.
Ohismalerei.
Grabstein.
Kelch.
-'-S 164 g^
Suderbruch gehörte bis zum Jahre 1859 zum Amt Neustadt am Rüben-
berge und ist im ehemaligen Fürstenthum Calenberg belegen. Der catalogus
parochiarum vom Jahre 1632 rechnet das Dorf als , Sunderborg' zum Archi-
diakonat Mandelsloh. Die frühere Kirche war der heiligen Catharina geweiht.
1240 schenkte der Mindener Bischof Wilhelm dem Kloster Mariensee das
Obereigenthum über den Zehnten in „Suderbroke*" bezw. Sutherbroke, welchen
ihm der frühere Lehnsträger Graf Konrad von Wölpe resigniert hatte. Am
6. Januar 1320 verpfänden der Herzog Otto und seine Söhne dem Grafen
Günther von Kefemberg, dem Bischof Otto von Hildesheim, den Grafen Otto
von Hoya und Siegfried von Regenstein die Schlösser Neustadt und Wölpe
nebst Zubehör, ausbenommen neben Anderem «dat Suderbruch'' (Suderbrok).
1341 war Willehelmus rector ecclesiae in Suderbroke. Auch werden in diesem
Jahre die Kirchen Vorsteher in « Suderbrocke ' genannt. 1543 besass die Kirche
zu .Surbrock*' einen Kelch und zwei Messgewänder. 1851 wurde das bisherige,
in Fach werk errichtete Gotteshaus abgebrochen, um einem Neubau Platz zu
machen, welcher 1853 vollendet wurde. Bis 1869 hat der Ort zur Inspektion
Neustadt am Rübenberge gehört und wurde dann der Inspektion Schwarmstedt
zugetheilt. Das Patronat hat sich bisher stets in den Händen der Besitzer der
von Bothmerschen Güter in Bothmer, Güten und Schwarmstedt befunden.
Ein aus der alten Kirche herübergenommenes kleines Glasgemälde zeigt
das Wappen der von Bothmer.
Der Grabstein des 1705 gestorbenen Pastors Johannes Meyer liegt auf
dem Kirchhofe. Auf der Mitte des Steins ist ein Oelbaum sichtbar.
Ein silberner, theilweise vergoldeter Kelch hat einen aufgelegten Cruci-
fixus auf dem runden Fusse; er zeigt die im XVIII. Jahrhundert übliche Form.
Wa 1 s p o d e.
Kirche; Klosterchor; Kloster; Bathhaiis.
Litteratur: Origines Guelficae; Leibniz, Bcriptores reram Brunsvicensiuin ;
Merlan; Rethmeier, Chronik; Pfeffinger, Historie I; von Hodenberg, Lüneburger Urkunden-
buch V und XV; derselbe, Hodenberger Urkundenbuch; derselbe, Hoyer Urkundenbach;
derselbe, Yerdener Geschichtsquellen; Urkundenbuch der Stadt Braunschweig II; Suden-
dorf; Urkundenbuch der Stadt Lüneburg I und III; Urkundenbuch des Stiftes und der
Stadt Hameln; Yogell, Geschlechtsgeschichte der Herren Behr; Grütter, der Loingan, alt-
deutsches Recht und Gericht im Loingau, Markgenossenschaften und Holzgerichte im Loin-
gau, yolksthümliche Ueberlieferungen im Loingau, Hannov. Geschichtsbl., 2. Jahrg.; der-
selbe, Amtvoigteien im Fürstenthum Lüneburg, Aemter und Gerichte im Fttrstenthnm
Lüneburg, ebendort, 3. Jahrg.; derselbe, Stiftung des Klosters Walsrode 1886; Jürgens,
eine Arbeit über den Loin-Gau, ein Amtsbuch des Klosters Walsrode, Hannov. Geschichtsbl.,
2. Jahrg.; Spilcker, Geschichte der Grafen von Wölpe; derselbe, Neues vaterl. Archiv 1825;
Regenten - Sahl 16d8; Manecke II; Wippermann, Bukkigau; Böttger, Diöcesan- und Gau-
Grenzen; Holscher, Beschreibung des Bisthums Minden* Havemann; Kayser, Kirchen-
-^ 165 8^
yisitationen 1897; Freudenthal, Heidefahrten; Görges, vaterländische Geschichten und
Denkwürdigkeiten III; MithofT, Kunstdenkmale lY; derselbe, Kirchenbeschreibungen;
Bettinghaus, zur Heimathskunde des Lüneburger Landes; Neues Hannov. Magazin, 1810,295;
Doebner, des Bildschnitzers und Malers Hans Brüggemann Geburtsort, Repertorium für
Kunstwissenschaft, 1901.
Quellen: Urkunden und Akten des Kgl. Staatsarchivs zu Hannover; Grtttterscher
Nachlass im Stadtarchiv zu Hannover; Stadtarchiv zu Waisrode, No. 18 Akte No. 1.
Zwischen der ersten Erwähnung des Klosters und der frühesten Nach- Geschichte,
rieht über den Ort liegen fast volle 400 Jahre. Es ist daher anzunehmen, dass
sich die am Zusammenschluss von Fulde und Böhme gelegene Stadt aus kleinen
Verhältnissen heraus innerhalb dieser Zeit entwickelt hat und ihre Entstehung
der geistlichen Stiftung verdankt.
Um*s Jahr 1361 oder 1366 geschieht der Stadt, welche damals noch
Dorf war, zum ersten Mal Erwähnung. Zu jener Zeit wurde in der Streitsache
zwischen dem Bremer Erzbischof und dem Herzog Magnus dem Frommen über
die Wahl seines Sohnes Albrecht zum Erzbischof von Bremen zu Waisrode eine
Zusammenkunft festgesetzt, welche auch stattfand, aber zu keinem Ergebniss
führte. Während des bald darauf ausbrechenden Erbfolgekrieges. 1369—1389,
hatte der «Ort sehr zu leiden. Um 1377 wurde er von Mannen der von Veitheim
vom Schlosse Gif hom überfallen und ausgeraubt. Während der Feindseligkeiten
der von Behr, von Mandelsloh, von Elencke und Weyhe, welche in das Erzstifl
Bremen eingefallen waren, wurde der Ort 1381 durch die Erzbischöflichen unter
dem Stiftsvogt von Langwedel, Friedrich Schulte, in Asche gelegt.
1383 erhielt der Ort von den Herzögen Wenzlaus und Albrecht Stadt-
rechte, welche 1450 bestätigt wurden, und die Erlaubniss, das neue Weichbild
zu befestigen. Aus der Urkunde geht hervor, dass bereits damals ein Rath und
ein stadtähnliche Verfassung vorhanden waren. Die Bürger erhalten Braun-
schweigisches Recht in der Weise, wie die Bürger zu Gelle es hatten. Auch
bestimmten die Herzöge, dass das Goding und Holting fortan draussen vor der
Brücke abgehalten werden sollen.
1392 wird in dem Verzeichniss der zur Säte gehörigen Schlösser und
Weichbilder auch das Weichbild Waisrode genannt. In den Jahren 1457 — 1459
erlitt auch Waisrode allerlei Drangsale. Am 25. Januar 1486 verordnete der
Herzog Heinrich der Mittlere der Stadt einen steten, festen, ewigen, bleibenden
Rath, welcher aus zwei Bürgermeistern und sechs Rathmännem bestand.
1626 fiel das Tillysche Volk unvermuthet in die Stadt. Die Langestrasse
wurde von einem Thor zum anderen abgebrannt und die Stadt selbst aus-
geplündert. 120 Wohnhäuser, darunter auch das Rathhaus, sanken in Asche.
1660 wurde es wieder aufgebaut.
Am 12. Dezember 1747 suchte ein furchtbarer Sturm den Ort heim,
wobei nicht nur grosser Schaden an Gebäuden angerichtet wurde, sondern auch
viele eine völlige Zerstörung erfuhren. Bei dem grossen Brande am 6. Juli 1757
sanken 226 Wohnhäuser mit den Nebengebäuden in Asche. Auch das Rathhaus
wurde abermals ein Raub der Flammen. 1760 wurde es nach den Plänen des
HHg 166 8^
Landbaumeisters Vick wieder aufgebaut. Am 10. Februar 1795 riss die
angesehwollene Böhme die eben neuerbaute steinerne Brücke in die Fluthen.
Am 12. März 1850 brach abermals eine Feuersbrunst über die Stadt
herein. In den Jahren 1852— -1860 wurde das Rathhaus vergrössert und
umgebaut. Thore waren von jeher vier vorhanden : das Hagenthor, das Brückenthor,
das Langestrasse- oder Bremerthor, sowie das Moor- oder Rotenbui^er Thor.
Sie waren mit Zugbrücken und Schlagbäumen versehen und enthielten Wacht-
Stuben für die Mannschaften.
Das allgemeine Landgericht für das Land; sowie das besondere für die
Bürger fanden auf dem Klosterhofe statt. 1282 begegnet ein Halto de Wals-
rode als Zeuge, und 1289 werden Hermannus, Johannes, Hinricus et Halcus
fratres dicti de Walsrode genannt.
Am östlichen Ende der Stadt, durch den früheren Kirchhof von dieser
getrennt, liegt das uralte, einst Johannes dem Täufer und der Jungfrau Maria
geweihte, nur für Nonnen bestimmte Kloster von der Regel des heiligen
Benedict. Fromme Sagen umwehen auch hier die frühe Gründung des Klosters.
Nur eine Nachricht dringt erhellend in das bestehende Dunkel: Am 7. Mai 986
schenkte König Otto, als nachmaliger Kaiser Otto IIL, auf Bitten der Aebtissin
Mechthild zu Quedlinburg und des Grafen Wale dem Kloster „Rode", welches
dieser und seine Gemahlin Odelint zur Ehre Gotte «nouiter* gebaut hatten, das
von ihm bis dahin dem Grafen Wale zur lehnbaren Nutzung überlassene Dorf
„Zitowe**, ,in pago Zirimudis dicto et in comitatu Geronis Gomitis' belegen.
Das Kloster bestand also bereits, und zwar war es kurz vor dem angegebenen
Zeitpunkt gegründet worden. Wir werden daher wohl nicht fehl gehen, wenn
wir, Grütter's Ausführungen uns anschliessend, das Jahr 969, vielleicht das
Jahr 968 als Stiflungsjahr ansehen. Der erste Ort, welcher dem neugegründeten
Kloster geschenkt wurde, ,Zitowe", erhielt als Schenkung des Stifters den
Namen »Walestorpe*, jetzt Wohlsdorf im anhaltschen Amte Köthen an der
Ziethe, wie das Kloster als seine Stiftung »Walesroth* genannt ist.
1176 erwarb das Kloster die Kirdie zu Walsrode, welche nach einer
Urkunde vom Jahre 1197 Johannes dem Täufer gewidmet war. 1251 wird
Euerhardus Capellanus de Walsrode genannt. Am 29. November 1255 schenkt
der Mindener Bischof Wedekind, zu dessen Diöcese das Kloster gehörte, diesem
das Obereigen thum des Zehnten zu »Walesrode". Am 2. Dezember 1269
schenken die Edelherren von Garssenbültel dem Kloster die Kirche zu
Meinerdingen. Diese Schenkung wurde im Jahre 1307 vom Mindener Bischof
Gottfried vervollständigt, indem er die Kirche ausdrücklich dem Kloster als nahe
bei demselben belegen übertrug, mit dem vollen Rechte sowohl weltlichem wie
geistlichem, um durch den Propst oder dessen Kapellane die kirchlichen
Sakramente dort verwalten zu lassen. 1293 wird die Parochie Walsrode
genannt. 1310 erwarb das Kloster von den Herren von Hodenberg durch Kauf
die Dörfer Steimke und Glashof sowie Lehen und Patronat über die Kirche zu
Steimke. Am 10. März 1314 verkaufte Hermann von Hodenberg dem Kloster
die ihm zustehende Hälfte des Dorfes Gilten und übertrug demselben zugleich
seinen Antheil am Patronat über die dortige Kirche. Die andere Hälfte des
-^ 167 8^
Patronats schenkte ani 29. April 1330 Heinrich von Hodenberg in dankbarem
Andenken an die ihm und seiner Gemahlin verliehene Brüderschaft und an die
ihm auf dem KlosterkircI;ihof eingeräumten Begräbnissplätze. Im Jahre 1337
schliessen Propst, Priorin und Konvent mit Konrad Haverber i;nd den Gevettem
von Schlepegrell über die von dem Geschlechte derer von Schlepegrell her-
gegebenen Güter des Altars St. Nicolai zu Walsrode einen Vergleich, in welchem
dem Propst und Konvent die Besetzung des Altars mit einem Kapellan ein-
geräumt wu-d imd die Familie von Schlepegrell das Patronat über die Kirche
zu Güten erhält. Die Eingriffe der im Jahre 1383 mit Stadtrechten versehenen
Büi^er in die Rechte des Klosters veranlassten die Herzöge Wenzlaus und
Bernhard, am 30. November 1386 einen Schutzbrief zu erlassen, welcher dem
Kloster alle Rechte und Privilegien in der Stadt bestätigte. 1390 wird eine
.Capella Corporis Jhesu Christi'' genannt, nach Grütter eine Grabkapelle in dem
neben der Aebtissinwohnung stehenden Gebäude, welche zum Theil noch
erhalten ist und jetzt als Wagenremise und Komlager dient. 1396 scheint das
Kloster durch Mannen der Stadt Lüneburg geplündert und gebrandschatzt,
worden zu sein.
„Des mydwekensz in den pinKsten** des Jahres 1482 traf das Kloster
das Unglück, mit der Kirche in Folge eines Blitzschlages durch Feuer verheert
zu werden, wobei alle Möbel sowie sämmtliche Briefschaften und Privilegien
bis auf die Kopiare und einige wenige Originale vernichtet wurden. Dem Ein-
fluss des Propstes Gerhard von Zerssen, welcher zugleich herzoglicher Kanzler
zu Celle war, wird es zuzuschreiben sein, dass sich Herzog Heinrich ^der Mittlere
des Klosterbaues annahm und dem Kloster 1486 gegen die Uebergriffe der
Stadt seinen Schutz angedeihen Hess. Und Heinrich wiederum wusste 1496 den
Kurfürsten Johann von Brandenburg zu veranlassen, dass für den Wiederaufbau
des Klosters in dessen Landen eine Kollekte veranstaltet wurde. 1489 werden
als zur Parochie Walsrode gehörig aufgezählt: Vtzingh, dat vorwerk, Gresebeke,
Vulle, Syuerdingh, Odestmgh, Westerharlingh, Iddesingh, Ebbingh, Benfeit,
Nunningh, Borch, Cordingh, Huntzingh und Jerningh. Am 4. April 1490 wird
eine ewige, täglich „vor dem Altar belegen in dat Norden vor dem Chore in
unser Kerken to Walsrode gebeten der van Hudenberge altar" zu haltende
Messe gestiftet. Am 31. März 1496 wird der Sonntag nach Johannis des
Täufers Geburt zum Weihefeste des Hauptaltars der nach dem Brande wieder
aufgebauten Parochialkirche des Klosters zu Walsrode bestimmt. Die Zer-
störung der Kirche durch den Brand vom Jahre 1482 war keine vollständige
gewesen. Nur das Kirchendach, der Thurm und das letzte östliche Gewölbe
waren beschädigt. Auch scheinen die Umfassungsmauern den Brand überdauert
zu haben.
Die Kirche bestand nach Mithoff, welcher Grundriss und Querschnitt
abbildet, aus einem im Lichten 26,65 m langen und 13,14 m breiten Langhause
und einem an der Nordseite um 2,05 m in der Breite eingezogenen, im Osten
funfseitig gestalteten und im Lichten 11,83 m langen Chor. Das Langhaus
war durch vier Säulen mit schwachen Kämpfern in zwei gleich breite Schiffe
getheilt und mit überhöhten kuppelartigen Gewölben zwischen halbrunden
-^ 168 g^
Längs- und Quergurten überdeckt. Das eingestürzte Chorgewölbe war durch
eine einfache Holzdecke ersetzt worden. Die Kirche enthielt ein Begräbniss-
gewölbe. Auch der yormals neben der Kirche an der Klosterseite gelegene
Kreuzgang war in älterer Zeit ganz mit Begräbnissgewölben ausgefüUt. Unter
Anderem hatten die Herren von Hodenberg zu Hudemühlen dort ein besonderes
Erbbegräbniss.
Am 23. August 1506 wird das Einweihungsfest des Hauptaltares von
Sonntag nach des heiligen Johannes Enthauptung auf Sonntag nach Johannis
des Täufers und des Hodenberger Altares Symonis et Judae von Sonntag nach
Jacobi auf Sonntag vor Maria -Magdalena verlegt. Im Jahre 1518 trat das
Kloster in die Brüderschaft des Hospitals St. Spiritus in Saxia de Urbe ein.
Am 5. August 1523 schliessen Propst^ Rath und Aelterleute mit dem Meister
Hans Brüggemann — wie Doebner im Repertorium für Kunstwissenschaflf
1901, nachweist, in Walsrode geboren — einen Vertrag: er soll für den Früh-
messen-Altar ein Altarblatt fertigen, im Haupttheile die Himmelfahrt Mariae
mit den 12 Aposteln, in den beiden Flügeln und dem Fusse den Patron
St. Johannes den Täufer sammt den anderen Patronen, welche sie begehren
werden, enthalten. Mit der Vergütung von 55 Gulden erklärt sich Brüggemann
auch für den Fall einverstanden, dass Sachverständige nach Vollendung der
Arbeit deren Werth höher einschätzen sollten, da er als Walsroder Kind geboren
sei und seine Eltern dort begraben habe. Auf der Rückseite der von Doebner
mitgetheilten Urkunde steht von zwei verschiedenen Händen XVII. und
XVIII. Jahrhunderts geschrieben: «Fürschriebung des Altares Anno 1523*" und
, Diese Taffei ist nachgehends nach Kirchboizen zum Altar verkauffet''. Diese
Tafel kam 1625 nach Boitzen in die Kirche; in Kirchboitzen, dessen Kirche
1861 neu gebaut wurde, ist der Altar jedoch nicht mehr vorhanden. Ein
Kirchensiegel vom Jahre 1527, das einzig erhaltene aus der Zeit vor der
Reformation, zeigt das Bild der Jungfrau Maria mit dem Christkinde. Das
Kirchensiegel, wie es seit der Reformation gebraucht wird, zeigt Johannes den
Täufer. Die Reformation wurde 1528 eingeführt. Der erste lutherische Prediger
war Henning Kelp, 1528 — 1575. Mit der Reformation kam auch die Super-
intendentur nach Walsrode. 1532 werden ein grosses vergoldetes Kreuz, ein
vergoldetes Sakramentshaus, vier silberne Ampeln^ zwei kleine silberne Kreuze,
füuf Kelche mit Patenen und zwei kleine silberne Röhre genannt. Diese
Kleinodien sind jetzt nicht mehr vorhanden. 1573 wurde die Kirche gedeckt,
1575 der Altar auf dem Chore von Caspar und Hermann vom Rade vermalt.
In dem gleichen Jahre wurde die Orgel umgelegt. Die genannten Maler
schmückten die Decke mit Gemälden, darstellend die Dreieinigkeit; Gott Vater
und Sohn thronen nebeneinander in den Wolken, die Füsse auf den Erdball
als Schemel gestellt, während über ihnen der heilige Geist in Gestalt einer
Taube erscheint. 1583 wurde die Orgel ausgebessert und 1598 ein neuer
Predigtstuhl gefertigt.
Im Jahre 1600 wurde der Thurm, welcher zuvor mit „Spondack*
bedeckt war, gebessert und mit Kupfer belegt, sowie der Knopf von neuem
vergoldet. 1621 goss Thomas Symon, ein Glockengiesser aus Lothringen, die
-^ 169 8^
damals grösste Glocke um. 1625 erhielt der Orgelmacher Adolphus Campenius
zu Hannover den Auftrag, die Orgel zu erneuern und chormässig zu stimmen.
1626 wurden Kirche und Kloster von den Schaaren Tilly's geplündert, auch
wurden die Güter des Klosters gegen Vermachung eines Deputats eingezogen
und der fürstlichen Kammer überlassen. Die Aebtissin Salome Daldorf,
1620—1631, verehrte einen vergoldeten Abendmahlskelch zum Klosteraltar.
1633 wird die Kirche als baufällig bezeichnet und 1639 drohte das ganze
Kirchengebäude auseinander zu weichen, Uhr und Glocke wurden aus dem
Thurm entfernt. Da die Orgel in den Kriegszeiten arg gelitten hatte, so ward
dem erwähnten Campenius 1639 abermals der Auftrag zu Theil; dieselbe zu
bessern. Doch ging derselbe in der Ausführung schlecht und betrügerisch zu
Werke. 1647 nahm darum Justus Keyser eine weitere Ausbesserung vor.
1640 legte Berend Knust, Rathsmauermeister zu Bremen, für 234 rthlr. sieben
grosse Pfeiler an die Kirche und reparierte dieselbe auch sonst. In demselben
Jahre liess Peter Stratemann auf seine Kosten eine Uhr auf den Thurm setzen.
1644 wird gesagt, dass die hohe, unumgängliche Nothdurft erfordere, dass der
grosse, unten an der Kirche stehende Thurm abgetragen werde. 1648 schenkte
der Amtmann Carolus Dieterichs einen silbervergoldeten Kelch mit Patene.
1659 musste der verfallene Thurm abgenommen werden. Statt seiner wurde
ein niedriger Thurm auf dem Kirchhof gebaut^ in welchem man die Glocken
aufhing. 1672 umgab man den Altar auf dem Chore mit einem Gitterwerk;
die Säulen und Knöpfe hatte Cord Dreier gefertigt. 1677 verehrten Barthold
Gerber, Kanonengiesser, und seine Gattin Adelheid Magdalena Schillings eine
zinnerne Weinkanne. 1684 wurde das Dach über dem Chor neu aufgebaut.
1687 fertigten der Meister Karl Pi'öschen und sein ältester Sohn Henning in
Walsrode auf Kosten der Elisabeth Twieten, Wittwe des Bürgermeisters Christoffer
Schillings, einen Beichtstuhl mit ihrem und ihres Gatten Wappen. 1690 schenkte
Edna Juliana von Damm eine silberne Kapsel oder Schachtel. 1691 wird von
dem Fürstlich Braunschweig-Lüneburgischen Hofrichter Werner Hermann Spörken
in Vorschlag gebracht und f&r gut angesehen, dass die alten zum Theil bau-
und niederfälligen Klostergebäude abgetragen und dafür ein Gebäude aufgeführt
würde, worin sämmtliche 12 Konventualinnen wohnen könnten. 1693 gründete
und begabte Rudolph von Hodenberg einen Altar an der Nordwand. Ein
zwischen 1693 und 1695 angefertigter Auszug aus dem Corpus bonorum erwähnt
einen alten, aus gegossenem Glockengut gefertigten Taufstein ohne Jahreszahl
mit den erhabenen Darstellungen der Empfängniss, der Geburt, der Gefangen-
nehmung, der Geisselung, der Ausführung, der Kreuzigung, des Begräbnisses,
des Grabes Christi mit der Erscheinung der Engel und Besuchung der Weiber,
der Auferstehung, der Offenbarung und Himmelfahrt Christi. Der Deckel war
1656 von Salome Kokes verehrt worden. 1695 schenkte Gesche Schnitze,
Wittwe des Hans Meier, ein grosses ausgetriebenes und ein kleines messingenes
Becken. In den Jahren 1699/1700 wurde die Kirche geweisst.
1702 wurde die hart an der Mauer belegene Kanzel etwas vorgerückt
und mit den vier Evangelisten, Kragsteinen und anderem Zierrath geschmückt.
Das Schnitzwerk fertigte Heinrich Conrad Bartels in Celle. Als bei dem
22
-^ 170 8^
neunwöchigen Trauergeläute aus Anlass des 1705 erfolgten Ablebens des Herzogs
Georg Wilhelm zu Celle die kleine Klosterglocke zersprang, liess sie die Aebtissin
von Stolzenbui^ auf ihre Kosten durch eine neue ersetzen. 1705 wurde femer
eine gründliche Ausbesserung der Orgel vorgenommen. 1706 schenkten die
Kinder des weiland Diakons Dietrich Günther eine silberne, inwendig vergoldete
Kanne. 1710 lieferte der Bildhauer und Maler Conrad Ritterhoff, wohnhaft zu
Smoke bezw. Thedinghausen, einen neuen Kanzeldeckel. 1717 befiehlt Herzog
Georg, dass mit dem Abbruch des alten und der Erbauung des neuen Kloster-
gebäudes der Anfang gemacht werde, was 1719 geschah. An Stelle des alten
zweistöckigen Wohnhauses entstand der .lange Gang'', welcher 1720 bezogen
wurde und für sechs Konventualinnen eingerichtet war. 1729 wurde ein neues
Wasch- und Brauhaus sowie eine neue Klostermauer zu bauen begonnen. Das
Inventar vom Jahre 1730 nennt an Gebäuden zum Kloster gehörig:
1) Das Aebtissinhaus, welches aber wegen vollständigen Verfalles nicht
bewohnbar sei,
2) das neue Klostergebäude oder Konventualinnenhaus, von sechs Kon-
ventualinnen bewohnt,
3) einen alten Stall oder Wohnhaus (Grabkapelle?), welchen die Aebtissin
hn Gebrauch habe,
4) die Holz-y Torf- und Wagenscheuer, worin die Konventualinnen ihre
Feuerung aufheben,
5) das alte Wasch- und Brauhaus, »welches neue gebauet wird und ietzo
abgebrochen ist*.
Ausserdem standen auf des Klosters Grund und Boden noch sieben Privat-
gebäude.
1737 wurde das Klosterthor renoviert, 1745 liess der Oberamtmann
Philipp von Hagen den alten Hochaltar durch einen auf seine Kosten gefertigten
ersetzen. Um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts wurde das Dorf Stellichte auf
Ansuchen des Herrn von Behr in allen geistlichen Dingen nach Stellichte gelegt,
jedoch mit dem Vorbehalt, dass die Eingesessenen nach wie vor alle Lasten,
Bau- und Reparaturkosten unverändert tragen müssten. 1775 wurde der Thurm
des Klosterthores ganz und letzteres bis aufs Mauerwerk heruntergenommen
und von Neuem wieder aufgeführt. 1786 wurde der auf dem Kirchhof stehende
Glockenthurm vom Jahre 1659 beseitigt und auf Kosten der Stadt- und Land-
gemeinde der jetzt noch stehende Kirchthurm aufgeführt.
Besonders unruhige Tage sollte das Kloster in der Franzosenzeit sehen.
In den Jahren 1812/13 wurden die bei der Aufhebung des EJosters geraubten,
meist zu geistlichen Zwecken bestimmten Effekten sammt dem Mobiliar durch
den französischen Receveur Lehmann öffentlich verkauft. Nur wenige fanden
sich, bewogen durch private Vorstellungen des Landraths und Klosterkommissairs
von der Wense, sowie durch seine Aufforderung in dem 50. Stück der Hannover-
schen Anzeigen vom Jahre 1814, bereit, einen Theil des an sich gebrachten
Klostereigenthums zurückzugeben. Namentlich war der Chor seiner zum Gottes-
dienst nothwendigen Geräthe beraubt worden. Erst 1814 konnten die Damen
-^ 171 8^
in's Kloster zurückkehren. Um einen grösseren Raum für die Gemeinde zu
schaffen, wurde 1817 der Bau einer neuen Prieche genehmigt. Am 18. August 1835
wurde dann endlich auch das EHosterarat aufgehoben, und damit schwand der
letzte Schimmer einstiger Grösse. 1845 wurde der theilweise Umbau der Kirche
beschlossen. Als aber der Konsistorialbaumeister Hcllner den Vorschlag machte, eine
ganz neue Kirche zu bauen, trat man dem bei. Der Neubau wurde 1847 in Angriff
genommen und währte bis zum Jahre 1850. Der Thurm und der Klosterchor
wurden beibehalten. Der letztere war vor dem Neubau mit der Stadtkirche
durch eine grosse Oeffnung verbunden, vor welcher die Damen in ihrer Kirche
erhöhte, durch Vorhänge nach Belieben abzuschliessende Sitze hatten. Dies
wurde bei dem Neubau geändert. Die nördliche Klosterchor\vand wurde neu
hergestellt, durch zwei Durchgänge mit der Stadtkirche verbunden und mit
Fenstern versehen. Die somit für sich abgeschlossene Klosterkirche wird jetzt
nur bei der Wahl und Einführung der Aebtissinnen und der Einführung der
Ghanoinessen, sowie bei der Feier des Abendmahls und den Begräbnissen '
benutzt. Um am Gottesdienst der Gemeinde Theil nehmen zu können, müssen
die Damen jetzt durch ihre Kirche hindurch in die Hauptkirche gehen, wo ihnen
ein bevorzugter Kirchenstuhl auf dem Chore eingeräumt ist.
Ueber die Vogt ei erfahren wir in den auf uns gekommenen Nachrichten
erst 1228 Näheres. In diesem Jahre belehnt Graf Iso von Wölpe, Bischof zu
Verden, auf Bitten der verwittweten Herzogin Helene von Lüneburg deren Sohn
mit der Vogtei »Walesrothe*, welche dieser jedoch wiederum dem Sohne
Bernhards von Wölpe als Lehen übertragen solle. 1237 erwählen Propst und
Konvent, «multis malorum insultibus compulsi'', den Herzog Otto von Braun-
schweig und dessen Söhne zu «Tutores Dominos et defensores'^. 1386 erhält
der Herzog Wenzlaus von Sachsen und Lüneburg von der Verdener Kirche die
Vogtei zu Walsrode.
An der Spitze der Verwaltung des Klosters stand anfangs ein Propst
für die weltlichen und eme Priorin für die geistlichen Angelegenheiten. Am
22. Juli 1529 aber Hess sich der Herzog Ernst vom Propst Johann Wichmann
die Administration und Verwaltung des Klosters abtreten und ernannte ihn zum
Vorsteher und Verweser desselben. Eine Zeit lang hat Wichmann dem Kloster
in dieser Eigenschaft noch vorgestanden. Dann traten fürstliche Amtmänner
an seine Stelle und eine Domina an die der Priorin. Neben der Domina wird
1614 eine Priorin und vom Jahre 1495 bis 1655 eine Subpriorin genannt.
Seit 1704 werden Klosterkommissaire von der Ritterschaft bestellt. Von 1734
an wird die Domina Aebtissin genannt. 1835 wurde das Amt aufgehoben und
mit der Amtsvogtei Fallingbostel verbunden.
Ueber die inneren Verhältnisse des Klosters sei Folgendes bemerkt:
Am 12. Juli 1399 wurde wegen der althergebrachten «annua pensio* der
.seculares puelle in eodem monasterio ciun ceteris monialibus commorantes*^
ein geschärfter Befehl erlassen. Am 23. Mai 1475 erliess der Herzog Friedrich
der Aeltere die Vorschrift, dass das Kloster verschlossen bleiben und der Propst
dasselbe vor jedem Thore von aussen und die Priorin von innen zuschliessen'
und einen bestellen solle, welcher diejenigen ein- und auszulassen habe, welche
22*
-^ 172 $*■
eine Eriauboiss vom Propste und der Priorin halten. Ferner bestimmte er,
dass alle Klosterdameo im .Remter* essen, stets zmn Chore geben mid das
Kloster nicht zum Besuche ihrer Freunde auf acht Tage verlassen sollen. Die
Zahl der statt der or^rünglichen .vii^nes de online sancti Benedict! abbatis*
dort Torhandenen .canonicae Reguläres* ist vor 1483 auf 24 edle Kloster-
jui^rauen and nicht vom Adel angegeben. Kurz vor Ostern 1482 stellte Amia
von Nassau, Herzogin zu Braunscbweig und Lüneburg die strenge Regel des
Fig. W. Kirche in WslBtode; Waslaelte.
Benedictinerordens wieder her und schaffte die canonicae reguläres ab.
1494 hatte sich die Zahl der Mitglieder auf mehr als 80 erhöht. 1518 waren
ausser der Priorin 31 Elosterschwestem, 5 Novizen und 20 Laiensdiwestem,
1625 34 Choigungfrauen und 16 Konverse vorhanden. 1691 befanden sich mit
der Domina 12 Konventualinnen im Kloster, von denen fünf im Elostergebfiude
wohnten, während die übrigen ihre eigenen erkauften oder erbauten Hauser
hatten. 1699 bestimmte der Herzog Georg Wilhelm von Celle, dass die Stellen
im Kloster künftig für die Töchter der adeligen Landsassen des Ffirstenthums
-^ 173 8^
Lüneburg allein verbleiben sollten, eine Bestimmung, welche durch Georg
Ludwig 1711 eine Erneuerung erfuhr. Das Kloster besteht xur Zeit als welt-
liches Fräuleinstift.
Der yiereddge, in der unteren Hälfte aus Findlingen mit Eckquader- Beschreibung.
einfassung, in der oberen aus theilweise ausgemauertem, aussen mit Schindeln l^irche.
bekleidetem Fachwerk errichtete Westthurra der Stadtkirche zeigt hölzernes ^"^™-
Hauptgesims und einfache Oeffnungen (Fig. 63). Im Inneren des unteren
Theiles ist auf der Nord- und Südseite je ein korbbogig geschlossenes zu-
gemauertes Fenster zu sehen. Ein ebenso geschlossenes Fenster mit Sandstein-
gewände ist über der flachbogigen Eingangsthür an der Westseite angebracht.
Darüber steht auf einem Quader die Inschrift: «Anno 1786". Dieselbe Jahres-
zahl ist in der Wetterfahne enthalten, während ein hölzernes Zifferblatt auf der
Westseite die Zahl 1787 aufweist. Der mit Kupfer belegte Helm geht in
geschwungener Linie in's Achteck über und trägt eine achteckige offene Laterne.
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Flg. 64. Kirche In Walsrode; GlockenlnBchrtft.
Auf der oberen Westprieche der Stadtkirche steht eine nicht mehr Altarwand.
benutzte Altarwand in ausgeprägten Regenceformen aus dem Jahre 1745
(siehe Geschichte).
Auf. der darunter befindlichen Priecbe hängt an der Thunnwand eine Gedenktafel.
1659 aus Holz gefertigte Tafel. Dieselbe zeigt oben eine Darstellung der
Kreuzigung mit Jerusalem im Hintergrunde unter schwer bewölktem Himmel,
von reichbehandeltem Barockomament umrahmt. Die darunter befindliche In-
schrift feiert das «Ehrengedächtnis'' der ersten drei lutherischen Prediger:
1. des Henning Eelp, 1498 geboren, derselbe führte 1528 die lutherische
Lehre ein und dankte 1575 ab,
2. des Jacobus Kelp, seines Sohnes und Nachfolgers, 1540 geboren^
1606 gestorben,
3. des Joan Kelp^ seinem Vater 1603 beigeordnet, 1576 geboren und
1659 gestorben.
Ganz unten befindet sich der Spruch 1. Corinth. 16, 13.
-^ 174 8^
Glocken.
Grabmale.
Rlostercfaor.
Altar.
Altarleuchter.
Die 1,40 m im Durchmesser grosse Glocke trägt am Halse zwischen
Riemchen, deren unterstes schönes Blattwerk zeigt, eine zweizeilige Inschrift in
gothischen Kleinbuchstaben (Fig. 64), enthaltend die Jahreszahl 1437 und den
Namen der Glocke ,,Maria". Auf dem Mantel ist das Hochbild der Maria mit
dem Kinde und die Umschrift «santa> Maria", auf der gegenüberliegenden Seite
das Hochbild des Johannes mit dem Lamme und die Bezeichnung ,,sante • Johanes'
angebracht. Der Rand weist als Verzierung einen mit Äkanthusblättem um-
wundenen Stab auf.
Die andere, 1,17 m im Durchmesser haltende Glocke ist der Lapidar-
inschrift am Halse gemäss 1727 von M. Thomas Rideweg in Hannover grossen.
Am Rande stehen die Worte: „Gott rufiEl durchs Wortes Schall bis an der
Welt ihr Ende mein Thon rühr aller Hertz das sich zu Gott stets wende.* Auf
dem Mantel ist eine vierzeilige Inschrift angebracht.
Im Inneren der Kirche befinden sich an der Ostwand des Thurmes zwei
eingemauerte Grabmale in Sandstein, den Verstorbenen in lebensgrosser Figur
zeigend. Das erste ist dem Pastor Primarius Gabriel Meier, gestorben 1679,
gewidmet, das zweite dem Rvdolphvs Lodeman, Pastor Primarius und Super-
intendent, 1714 gestorben. Beide Grabmale zeigen gute Ausführung und trafen
fein gearbeitete Bekrönungen.
Der in Backstein errichtete, rechteckige, höher liegende Klosterchor fügt
sich an die Südseite der Stadtkirche an (Fig. 65). Eine schlichte Bretterdecke,
welche mit Fruchtgehängen, Muschelwerk und anderem Zierrath in den Formen
der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts bemalt ist, schliesst den Innenraum
ab. Das Dach ist abgewalmt und trägt im Westen einen mit Kupfer belegten
Dachreiter. Von den durchgehends spitzbogigen Fenstern ist das mittlere, grosse
der Ostseite dreitheilig und zeigt wie die beiden zweitheiligen der Südseite
Backsteinmasswerk. Die Wetterfahne enthält die Jahreszahl 1775.
Der an der Südseite stehende, in Regenceformen aus Holz geschnitzle
Aebtissinsitz trägt ein Wappen mit der Bezeichnung: «Anna Elisabeth von
Luttermann angenommen Ostern 1751.*
Die hölzerne, in Regenceformen gehaltene Altarwand trägt ein ver-
kröpftes, von zwei Säulen getragenes Gebälk, auf welchem zwei Engelsfiguren
angebracht sind. Unten befinden sich drei Wappen mit den Bezeichnungen:
1. Dorothea Eleonora von Ompteda.
zur Conventualin angenommen den 6. October. 1741.
2. Ilse Gatharina von Ahlden.
zur Conventualin angenommen den 24 Decemb. 1742.
3. Helena Frederica Hinriette von Wallmo.den.
zur Conventualin angenommen den 25 Septem: 1743.
Die seitlichen, aus Rankenwerk gebildeten Endigungen enthalten je eine
länglich runde Inschrifttafel mit je einem Spruch aus Johannes. Die Bekrönung
zeigt von Wolken umgeben auf einem dreieckigen Schilde den Namen Jehovah
in hebräischer Schrift.
Zwei 0,44 cm hohe Altarleuchter aus Messing zeigen nach gothischer
Art einen walzenförmigen Schaft mit drei Knäufen.
-*-i 175 S->-
lo einer Nische der Südwand über dem Sitze der Aebtissin steht auf Bildwerke,
einem mit Vierpässen geschmückten Sockel das mit Ausnahme der Füsse aus
anem Stück Eichenholz geschnitzte Bild des Klosterstiflers in blauem Gewände
und rothem Hantel. Die Rechte hält ein Schwert mit herumgewundenem
Tr^emen, die Linke ein Kirchenmodell. Das Ganze zeigt die au^eprSgten
Formen der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts.
Fig. Ci. Kloster In W&Urods.
Unter dem Bilde ist eine Tafel mit einem Wappen und folgender
Lapidarinschrift angebracht:
Illustris princeps Walo de Ahnbolt,
Comes in Ascania ■ Dominus in Bemborg
fundator huius monastery
anno 986.
Ein kleines, aus einem Stück Holz geschnitztes, bemaltes und theilweise
vergoldetes Bildwerk auf dem Altar stellt das heilige Abendmahl dar.
-^ 176 8->-
Cracifixns. Ein an den Händen beschädigter, auf dem Boden des sogenannten
langen Ganges aufbewahrter, hölzerner Crucifixus von 1,80 m Höhe hängt an
einem Kreuze, welches die aufgemalte Jahreszahl 1693 trägt. Das ursprüngliche
natürliche Haar fehlt jetzt. Der höchst interessante Körper gehört in die zweite
Hälfte des XV. Jahrhunderts.
Gemälde. An der Südwand hängen neben mehreren neueren die Oelgemälde
folgender Aebtissinnen :
Dorothea Magdalena von Stoltzenberg, gestorben 1737.
Christiana Veronica von Pvfendorflf, gestorben 1765.
Dorothea Eleonora von Ompteda, gestorben 1775.
Sophie Anne Dorotee von Hinvber, gestorben 1803.
Auch hängt dort eine auf Holz gemalte, schlecht erhaltene Darstellung
von Christi Gebet am Oelberge, anscheinend dem XVIII. Jahrhundert angehörend.
Glasmalereien. Die Fenster der Ostwand enthalten beachtenswerthe, dem Ende des
XV. Jahrhunderts angehörende, zum Theil erneuerte Glasgemälde. Dieselben
bilden den Hauptschmuck des Chores. In dem mittleren grossen Fenster sehen
wir den Gekreuzigten zwischen Maria und Johannes, in dem kleineren zur Linken
Johannes den Täufer mit dem Lamm, in dem gleich grossen zur Rechten einen
Abt mit dem Krummstab unter einem reichbehandelten Baldachin mit der
Unterschrift :
«Santvs bendicktvs. Mcccclxxxni Jar.'
In die beiden Fenster der Südseite sind 16 Wappenscheiben von An-
gehörigen des Klosters, grössere Scheiben mit bildlichen Darstellungen, darunter
eine mit der Jahreszahl 1490 (Fig. 66) und ein kleines rundes Glasbild eingesetzt ;
letzteres zeigt einen Engel, wie er eine Jungfrau davon abhält, sich in das
unten fliessende Wasser hinabzustürzen. In den kreisförmigen Oeffnungen des
Masswerks sind ein Städtewappen (Thor mit drei Thürmen und schreitendem
Löwen), sowie Gott Vater in den Wolken zu sehen.
Glocken. Im Dachreiter über dem Klosterchor hängen zwei Glocken mit fein-
gearbeiteten Ornamenten. Die eine, 0,58 cm im Durchmesser grosse Glocke ist
1643 auf Kosten des Johann Friedrich Behr (siehe Geschichte) gemacht. Die
andere, 0,65 cm im Durchmesser grosse Glocke wurde 1743 von Christoph
Weidemann gegossen.
Grabsteine. E^lf stark verwitterte, dem XVII. und XVIII. Jahrhundert entstammende,
mit Wappen versehene Grabsteine werden auf dem Klosterkirchhof aufbewahrt.
Die Sandsteinpfosten am Eingang desselben tragen als Bekrönung grosse Kugeln
mit der Jahreszahl 1751.
Reliquien- Ein kleines, zweiflügeliges Reliquienschränkchen an der Nordwand ist
schrank, mit gothischen Verzierungen versehen und enthält zwei, der ersten Hälfte des
Xiy. Jahrhunderts angehörende Figuren, Christus mit geöffneten Malen und der
Siegesfahne dem ungläubigen Thomas erscheinend. Die Reliquien sind in
kleinen, viereckigen Kästchen untergebracht, welche die entsprechenden Namen
tragen und schachbrettförmig angeordnet sind.
-*4 177 g-t-
föl riafacber Sdirank zeigt in der Bekrönung ein geschnitztes Wappen Schrank,
mit der BexskimxiDg: .JnUaiie Wilhehnine fViderique von Bothmer zur Conven-
tnalin angenommen UichaeU 1772.'
Plg. «t. KloMer in WkliTode; GUimktsreL
Das Elostersieget toh spitzovaler Form zeigt den mit zottigem Felle
bekleideteD nnd mit einer MAtze bedeckten Johannes, wie er, in der eriiobenen
Rechten einen Krug in on^^estürzter Lage haltend, Christus tauft, welcher, die
Rechte zum Sefen eilioben, bis zur Hälfte des Leibes im Jordan steht.
I^ UmschrUt lautet: ,f S Honasterü • in • Walsrode f *.
-Ng 178 8^
Stickerei.
Uhr.
Wappen.
Eine durch Streifen von roihem Sammet unterbrochene Altardecke zeigt
in guter Stickerei und in den Formen des XVI. Jahrhunderts den Gekreuzigten
zwischen Maria und Johannes.
Das Uhrgehäuse an der Westwand zeigt auf den drei freien Seiten je
ein in Holz geschnitztes Wappen mit den Bezeichnungen:
«Anne Justine von Wersebe aufgenomen Michaeli 1780*,
„Eleonore Louise Friederique Leopoldine von Dreves angenommen
Michaelii 1790»
und in der Mitte der Vorderseite:
«Henriette Eleonora Friderica von Pufendorf zur Conventualin
angenommen Michaeli 1768 "•
Das letzte Wappen ist auch mit der gleichen Beseichnung auf eine
Füllung der Vorderseite gemalt.
Eine hölzerne, mit Weiss und Gold behandelte Tafel enthält 16 runde,
auf Blech gemalte Wappen von Aebtissinnen. Das Ganze wird durch das
geschnitzte Wappen der von Uslar bekrönt. Die unter letzterem befindlicfaey
aus Lapidaren bestehende Inschrift lautet:
Anne Sophie Dorothea von Uslar
in diesem adlichen Kloster zur
Conventualin angenomen Michaeli 1777.
Darunter steht auf der Tafel selbst:
Nach der Reformation Lutheri sindt
im Kloster
Walsrode nacheinander als Domina
oder Abbatissinnen
gefolget
Die Unterschriften der einzelnen Wappen lauten:
1-
Anna Behr.
7. Anna Magdalena .
Gestorben 1548.
von Jettebnwii.
2.
Anna von Weihe.
Erwählet 1631,
3.
nsabe Surborg.
Gestorben 1656.
4.
Giessel Klencke.
8. Magdalena Klencke
Erwählet 1574
Erwählet 1656.
Gestorben 1615.
Gestorben d. 20. Dec: 1671.
Alt 74 Jahr.
Alt 71 Jahr.
5.
Elisabeth von Ehlte.
9. Friderique von Fulda.
Erwählet 1615.
Erwählet 1672.
Gestorben 1620.
Gestorben d. 26 Oct: 1689.
6.
Solome von Daldorf.
10. Margaretha Elisabeth
Erwählet 1620.
von Estorf.
Gestorben d. U. Jun. 1631.
Erwählet d. H. Dec: 1689.
Alt 81 Jahr.
Gestorben 1692.
-n8 179 «H^-
11. Dorothea Magdalena
von Stoltzenberg.
Erwählet d. 21. Jun: 1692.
Confirmiret u. beeidiget
d. 5. Juli. 1692.
Gestorben d. 8. Nov: 1737
Alt 90 Jahr.
12. Christiana Veronica
von Pufendorf.
Erwählet d. 18. Jan: 1738.
Confirmiret u. beeidiget
d. 30 Jan: 1738.
Gestorben 1765. d. 21 Feb:
Alt 75 Jahr.
13. Dorothea Eleonora
von Ompteda.
Erwählet d. 21. Mart: 1765
Confirmiret u. beeidiget
d. 3. Apr: 1765.
Gestorben 1775. d. 8 Jan:
Alt 68 Jahr.
14. Sophie Anne
Dorothea von Hinüber
Erwählet d. 21. Febr: 1775.
Confirmiret u. beeidiget
d. 14 Mart: 1775.
Gestorben den2^ Julii. 1804
Alt 73 Jahr.
15. Henriette Christine
Eleonore Friderike
von Pufendorf.
Erwählet und beeidiget
den 28*?5 Februar 1806
Gestorben den 31 Oct:'1832.
Alt 82 Jahr.
16. Louise Caroline
Marschalck.
Erwählet u. beeidiget
den 12*?H Decemb: 1832.
Gestorben den 29 Sept: 1862
Alt 72 Jahr.
Auf einer anderen Holztafel sind die Wappen auf länglich runde
PorzeDanschilder gemalt und tragen die Bezeichnungen:
17. Caroline Louise 18. Therese von Plato
von Düring Erwählt Erwählt, d^ 23:: Mai, 1871.
d. 14« Novs 1862, bestätigt Bestätigt, und, beeidigt,
und, beeidigt, d:: 30= Dec« 1862. d= 27= JuU 1871.
Gestorben, d= 3= April 1871 Gestorben, d= 18= März 1899
Alt, 66, Jahr. Alt, 77, Jahr.
Ausserdem sind noch die aus Holz geschnitzten Einzelwappen der
.I&dewig Sophie Caroline von Gadenstedt, aufgenomm^i 1777", und der
Aebtissin Sophie Anne Dorothea von Hinüber mit der Jahreszahl 1776 vorhanden.
Den Mittelpunkt des Klosters bildet der sich an den Elosterchor Kloster.
anfugende, den Klosterkirchhof einschliessende sogenannte lange Gang, bestehend
aus einem einstöckigen Ost- und Südflügel (siehe Fig. 65). Das Dach ist mit
zahlreichen Gauben belebt. Das Gebäude enthält sechs Wohnungen und ein
Gastzimmer. Im Osten stehen die Aebtissinwohnung und drei Nebengebäude,
von denen das neben der ersteren belegene mit der 1390 genannten Kapelle
(siehe Geschichte) identisch sein dürfte. Es wird jetzt durch eine Fachwerkwand
in zwei Theile getrennt und zeigt innen eine grosse Anzahl zugemauerter Fenster,
welche im Flachbogen, einmal im Spitzbogen geschlossen sind. Auch sind
mehrere Spitzbogennischen an den Wänden angebracht. Der wahrscheinlich
als Grabgewölbe dienende Keller wurde durch flachbogige Oeffnungen erhellt.
23*
HHi 180 g^
Die Ostwand zeigt jetzt zwei neuere Durchfahrten. Dieses, sowie das daneben
stehende Gebäude sind nicht mehr im Besitz des Klosters.
Im Süden befinden sich
1. Der Remter, auch Speisehaus genannt, 1475 erwähnt. Das aus
Backsteinen errichtete Erdgeschoss ist älter als das aus FachweriL
bestehende und mit übergesetzten, verschalten Giebeln versehene
Obergeschoss. Es dient als Wohnung für eine Dame.
2. Das Brauhaus, 1730 gebaut, jetzt als Wohnung für den Wärter
dienend.
3. Ein Wohnhaus mit übergesetzten Giebeln. Den Raum unter den
Vorkragungen füllen abgerundete starke Bohlen.
Im Westen steht das von Bothmersche Wohnhaus mit übergesetzten
Giebeln. Es dient als Wohnung für zwei Damen und zeigt auf der Rückseite
das von Bothmersche Wappen.
Die Sandsteinpfosten des nordwestlichen Eingangsthores zum Kloster
werden von zwei Vasen bekrönt, an deren Fuss sich die Zahl 1780 befindet.
RAthhaus. Das einfach gehaltene, auf massivem Sockel in Fachwerk errichtete, an
den Schauseiten in Putz gequaderte Rathhaus hat hölzernes Hauptgesims und
ein abgewalmtes Dach. Der schlanke, zierlich geschwungene Helm des sechs-
eckigen, liurchbrochenen, mit Schindeln behängten Dachreiters ist mit Kupfer-
blech gedeckt. In der Wetterfahne stehen die Zahlen 1383 und 1897. Das
Ganze zeigt abgesehen von dem im XIX. Jahrhundert erfolgten Erweiterungsbau
im Norden (siehe Geschichte) die Formen der Mitte des XVIII. Jahrhunderts,
Siegel. Auf dem Rathhause wird eine Anzahl von Siegeln aufbewahrt, unter
denen wir das alte Stadtsiegel und folgende mit Jahreszahl versehenen auf!Qhren:
Siegel des Krameramtes zu Walsrode 1674,
, des Bäckeramtes zu Walsrode 1741,
, des Amtes Rethem und Walsrode 1744,
j, der Schloss-, Huf- und Nagelschmiede in Walsrode 1762,
9 des Glaseramtes zu Walsrode 1789,
• des Tischleramtes zu Walsrode 1794.
We n s e.
Kapelle.
Litteratur: Merian; von Hodenberg, Lünebnrger Urknndenbnch XV; derselbe,
LUncbnrger Lehnregister, Lenthe's Archiv IX; Manecke II; Holscher, BeBchreibnne^ des
Bisthums Minden; Freudenthal, Heidefahrten; Mithoff, Kunstdenkmale lY. Ueber die Familie
J
-Ng 181 1^
•iehe Medisg, Nachrichten yon adeliehen Wapen I; Havemann; Pfeffinger, Historie II;
Hodenberg, Hoyer ürknndenbnch; YogeU, Geschlechtsgeschichte der Herren Behr; Snden-
dorf ; Hefiter, Wappenbnch.
In dem innerhalb des Archidiakonats Ählden belegenen, nach Dorfmark Geschichte.
dngq>farrten Dorfe befindet sich auf dem adeligen Hofe eine im Jahre 1869
erneuerte Kapelle, in welcher der Pfarrer aus Dorfinark alle vier Wochen
Gottesdienst zu halten hat. Zwischen 1330 und 13^2 erhielt Johan van Wense
von den Herzögen Otto und Wilhelm .twene houe to Wense' zu Lehen. Hier
stand zuvor das Stammhaus der Familie von der Wense, von welchem Merian
dne Ansicht giebt und Folgendes bemerkt: ,Ist bey diesem Kriegswesen
angezuendet vnd das beste gebaeuwe davon eingeaeschert worden/ Es ging
also im dreissigjährigen Kriege in Feuer auf. Jetzt ist nur noch der Platz, wo
es ehedem stand, und der Graben, welcher es umgab, zu erkennen. 1673 wurde
der KapeDe die Kanzel verehrt und 1674 der Altar gefertigt, welcher 1869
erneuert wurde.
Die im Grundriss rechteckige, mit einer bemalten, bogenförmig gekrfimmten Kapelle.
Bretterdecke versehene Kapelle von 17,3 m äusserer Länge und 9,3 m Breite Beschreibung,
wurde nach einer Inschrift im Jahre 1869 erneuert. Die Ghorecken werden
durch zwei, die Nord-, Süd- und Ostseite durch je einen Strebepfeiler gestützt,
unter dem um vier Stufen eriiöhten, östlichen Theile liegt das Grabgewölbe der
Familie von der Wense. Emporen sind auf der Westseite und theilweise auf
der Süd- und Nordseite angebracht. Die Vorderseite des Ghorgestfihls zeigt
in den Füllungen die bildlichen Darstellungen der Propheten.
Der aus Holz geschnitzte, 1674 gefertigte und 1869 ausgebesserte Altar Altar,
wird von zwei glatten Säulen begleitet und ist farbig behandelt Auf der
Predella befindet sich eine Darstellung des Abendmahls, darüber der Gekreuzigte
zwischen Maria und Johannes und im oberen Theile die Auferstehung.
Das in die äussere Südwand eingelassene, aus Sandstein gearbeitete, Grabmale,
jedoch beschädigte Grabmal des 1572 gestorbenen Georg von der Wense zeigt
(len Verstorbenen in der Rüstung und betend in einer Bogennische. Ausserdem
sind noch acht Wappen sichtbar. ESne ähnliche Ausfilhrung hat das Grabmal
der Hadalena von der litt, der THttwe des Jürgen v, d. Wense.
Zwei einfache, rechteckige Sandsteinplatten in der äusseren Westseite
mit je acht Wappen sind der 1637 gestorbenen Dorotheen v. d. Wense, geborenen
V. Altmanshoven und dem 1641 gestorbenen Wilhelm v. d. Wense zum Andenken
gesetzt
Das schöne, aus Holz geschnitzte, bemalte Epitaphium des Friderich
Wilhelm v. d. Wense wurde im Jahre 1695 in Halberstadt angefertigt. Es
enthält in der Mitte den Gekreuzigten mit zwei männlichen und einer weiblichen
Figur in knieender SteDung. Der rechteckige Rahmen wird aus aneinander
gereihten Wappen gebildet, deren Hauptwappen die der Familien v. d. Wense
und V. Amelvnisen sind. Die äussere freie Endigung zeigt schweres und volles
Ornament, in welchem oben und unten eine Inschrifltafel angebracht ist.
-Hg 182 8^
Kftnsel. Die farbig behacfdelte, höherae Kanzel, deren Ecken mit S&ulen besetzt
sind, zeigt an der Vorderseite das v. d. Wensesche Wappen und darunter die
Jahreszahl M . D C . L XX m. Am oberen Rande steht:
»Fürchte Gott vnd halte seine 6el)ot*»
Der Schalldeckel gehört derselben Zeit an, die Umschrift lautet:
,Luc X . V XX Vni Seelig • sind • die • das • Wort • Gottes • hören • vnd bewaren*.
Das geschnitzte Eanzelgelftnder setzt sich auch als Brüstung zwischen Chor und
Schiflf fort
\
i
DIE
HANNOVER.^
HERAUSGEGEBEN
IM AUPTKAGE DER PROVINZIAL-KOMMISSION ZUR ERFORSCHUNG UND
ERHALTUNG DER DENKMÄLER IN DER PROVINZ HANNOVER
VOK
Dr. PHIL. CARL WOLFF,
8TADTBADRAT.
III. REGIERUNGSBEZIRK LÜNEBURG.
2. UND 3. STADT LÜNEBURG.
BEARBEITET VON
FRANZ KRCGRR, UND I)R. WII.HKLM RRI.MECKE,
ARCHITKKT BTADTAOCHIVAB.
MIT Xll TAFELN UND 190 TEXTABBILDÜNGEW.
HANNOVER.
SELBSTVERLAG DER PROVINZIALVERWALTUNG.
THEODOR SCHUI-ZES BUCHHANDLUNG.
1906.
HKXTT S UND 4S J>E» 0£:S.A.M.XlVE:RKiaS.
l^
yyo^,
HARVARD
UNIVERSITY
LIBRARY
Berichtignngen.
Seite 61 Zeile 5 von unten lies: Lüne mit Adendorf, Thomasburg, Reinstorf mit Wendhansen,
Neetze usw.
„ 71 „ 12 „ „ „ schon im 15. Jahrhundert (statt im 16. Jahrhundert).
„ 78 „ 19 lies: 1857 (statt 1865).
„ 137 gehören Zeile 3 und 4 vor Zeile 1 und 2.
n 174 Zeile 6 fiige hinzu: Das Konventssiegel fuhrt einen betenden Mönch in knieender
Haltung unter einer Verkündigung Maria ; Umschrift: „S. COVET'
1 HILGHEDALE PMüSTTES ORDIS'.''
„ 427 n 15 von unten lies: Salzwedel (statt Stendal).
Hofbnchdmckerei Gebrüder Jänecke, flannover.
Vor^wort.
|er Arbeitsplan für die Aufnahme der Kunstdenkmäler in der Provinz
--^> Hannover ist bereits im ersten Heft des Gesamtwerkes ausführlich mit-
geteilt worden. Nach demselben sollen vorchristliche Denkmäler nur Aufnahme
finden, wenn ihre Bedeutung eine solche ist, daß sie im Rahmen dieser Arbeit
nicht entbehrt werden können. Angaben über Lage, Größe, Natur, Bevölkerungs-
verhältnisse, über ethnographische und frühere poUtische und kirchliche Zustände,
über Handel und Verkehr, Straßen und Wege sowie über das Kunsthandwerk
sollen in der Einleitung möglichst beschränkt und stets nur soweit gegeben
werden, als sie zum Verständnis der Denkmäler unerläßlich sind. Es bleibt
vorbehalten, derartige zusammenhängende, die ganze Provinz betreffende An-
gaben im Schlußbande des Werkes zu machen. Alle Denkmäler werden auf-
genommen, welche dauernd in der Provinz vorhanden sind, gleichviel in welchem
Besitze sie sich befinden. Die Beschreibung erfolgt auf Grund der geschicht-
lichen Angaben imd der technischen und stilistischen Merkmale in mögUchst
knapper Form; Mitteilungen über diesen Rahmen hinaus sowie Eingehen auf
wissenschaftliche Streitfragen werden vermieden. Inschriften werden nicht
sämtlich, aber in möglichst großer Zahl gegeben. Das Bauernhaus ist von der
Bearbeitung ausgenommen. Unser Denkmälerverzeichnis soll umfassende
wissenschaftUche Untersuchungen vermeiden, nur dasjenige geben, was auf
Grund örtlicher Untersuchung und des Quellenstudiums als feststehend zu be-
trachten ist, es soll eine Sammelstelle der kunstgeschichtlichen QueUen und eine
Grundlage für weitere Arbeiten bilden und femer geeignet sein, Material zu
Uefem zu einer umfassenden, aUgemeinen deutschen Kunstgeschichte.
Nun beansprucht das alte Lüneburg mit seinen vielen Kunstdenkmälern
unter den Städten der Provinz Hannover eine besondere Beachtung. Bei der
Fülle und Bedeutimg des hier vorhandenen Stoffes war es geboten, die Denk-
mäler und ihre Geschichte so eingehend zu behandeln, wie es der Arbeitsplan
irgend zuließ, ähnlich wie dies bei der Aufnahme der Denkmäler in Goslar im
-o*8 IV 8^
zweiten und dritten Heft geschehen ist In dankenswerter Weise hat die Stadt
Lüneburg einen Zuschuß zu den Herstellungskosten gegeben, so daß es möglich
war, eine würdige und vornehme Veröffentlichung zustande zu bringen.
Wie seinerzeit in Goslar, so ist es auch hier gelungen, zwei mit der
Geschichte und den Denkmälern der Stadt vertraute Bearbeiter, die Herren
Stadtarchivar Dr. Wilhelm Reinecke und Architekt Franz Krüger, beide
in Lüneburg, zu gewinnen. Dr. Reinecke hat die Einleitimg, die Geschichte der
Denkmäler, das Ortsverzeichnis und das Künstlerverzeichnis, Krüger alle Be-
schreibungen, ferner den Abschnitt Wohnhäuser und Straßen und die übrigen
Verzeichnisse geliefert. Die Figuren 1—3 sind nach alten Stichen des
Lüneburger Museums, Figur 40 nach einer alten Zeichnung im Archiv,
Figur 139 nach einer Aufnahme des Architekten Wilhelm Matthies in
Bardowiek, die Figuren 62, 67, 69, 79, 81, 89—94 und 102 nach Aufnahmen
des verstorbenen Photographen Lühr in Lüneburg wiedergegeben. Die zeichne-
rischen Aufnahmen und die Aufnahme zu Figur i^5 hat Architekt Krüger, die
übrigen photographischen Aufnahmen Photograph Riege in Lüneburg geliefert.
Die Druckstöcke hat die Kunstanstalt L. Hemmer in Hannover, die Licht-
drucktafeln die Kunstanstalt G. Alpers jun. in Hannover, den Druck die Hof-
buchdruckerei von Gebrüder Jänecke in Hannover besorgt.
Da es mir bei meiner jetzigen Stellung in der Stadtverwaltung von
Hannover zu meinem großen Bedauern wegen umfangreicher Dienstgeschäfte
nicht möglich ist, mich den Kunstdenkmälem im einzelnen noch weiter zu
widmen, so trete ich mit dieser Lieferung von der Herausgabe und Bearbeitung
des Werkes zurück, an welchem ich mit besonderer Liebe und Hingabe seit
dem Jahre 1899 tätig gewesen bin. Allen, welche mit mir gemeinsam im
Interesse unserer Denkmäler, ihrer Auf Zeichnung und Pflege gearbeitet haben, sage
ich an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank mit dem Wunsche, daß das be-
gonnene Werk rüstig fortschreiten und glücklich zu Ende geführt werden möge.
Als Mitglied der Provinzialkommission zur Erforschung und Erhaltung der
Denkmäler in der Provinz Hannover sowie des für die Herausgabe des Buches
eingesetzten besonderen Ausschusses ist es mir zu meiner Freude noch vergönnt,
mit dem schönen Unternehmen auch femer in Verbindung zu bleiben.
Hannover, 20. Jimi 1906.
Carl Wolff.
Inhaltsverzeichni s.
Seite
Eiiileitang 1
I. Kirchen, Kapellen und Stiftmi^n.
Die Michaoliskirche 23
Die Cyriakakirche 58
Die Johanniskirche 61
Die Lambertikirche 124
Die Nikolaikirche 131
Die Marienkirche und das Barfüßer-
kloster 159
Das Kloster Heiligental 170
Die Gamisonkirche 174
Die Ratskapelle zum heiligen Geist 175
Fricdhofskapellen 176
Das Hospital zum heiligen Geist bei
der Sülze 182
Der Lange Hof 187
Der Gral und sonstige Stiftungen . 188
U- Weltliche Bauwerke.
Das herzogliche Schloß 195
Das Rathaus 197
Andere städtische Bauwerke. . . . 297
Kaufhaus und Kran ..... 298
Seite
Das Glockenhaus 303
Der ehemalige Schütting 306
Das Kalandshaus 307
Die Garlopenwohnungen 307
Das ehemalige Wandhaus und das
Stadtgefängnis 310
Die drei Mühlen 311
Der sogen. Abts Wasserturm . . . 316
Die Saline 317
lU. Wohnhftiiaer und Straften .... 320
Die Steinbauten 322
Giebelhäuser 327
Reihenhäuser 361
Backsteinbauten im 18. Jahrhundert 373
Fachwerkhäuser 379
Haustüren 418
Zimmertüren 420
Sonstige Denkmäler 420
Brunnen 426
Denkmäler in öffentlichen Samm-
lungen 427
IV. Die Befestigung 431
-.-i.
Ortsverzeichnis.
Seite
Adenbruch 69
Adendorf 61, 180
Altena 137, 310
Amsterdam 78
Anklam 17
Antwerpen 78
Arendsee in der Mark 179
Artlenbnrg 34
Avendorf 34
Ayignon 66
Bardengan 15, 61
Bardewik 2, 5, 24 f., 26, 59, 61, 64 f., 133 f.,
160, 179, 194, 198, 219, 275, 431, 434
Basel 14, 37
Beetzendorf 61
Bergen 27
Berlin 22, 256, 290, 427, 430
Bleckede 34, 61, 135
BOhmsholz 183
Boltersen 34
Braunschweig 3, 5, 12, 17, 26, 36, 41, 159,
199, 212 f.
Bredenwlsch 192
Bremen .... 12, 38, 159, 161, 164, 430
Bueckenberg, Bnkenborg (BUckeburg) 164, 343
Bütlingen 34
Bursfelde 37
Celle 4, 30, 38, 41, 161, 197, 428
Dänemark 11, 40, 65
Dahlenbnrg 27
Dandorf 212
Diepholz 128
Dierkshausen 162
Difltorf 178
Dithmarschen 125, 220
Dömitz 222
Drage 84
Dresden 219, 427
Bberhertz 104, 358, 429
Ebstorf 29, 178, 276
Elbe 34, 222
Heite
Elbmündung, Departement der .... 166
Embsen 61
England 40
Erfurt 164
Fallingbostel 34
Fliegenberg 34
Fosselde 212
Gerdau 27
Göttingen 206
Goslar 159
Gottorp 112
Halberstadt 162
Hamburg 12 f., 22, 29, 35, 41, 72 f., 74, 77 f.,
80, 83, 123, 135, 137, J42, 159 f., 161, 163,
165, 201, 210f., 212, 217, 219, 222, 255,
298 f., 306, 332, 369, 427, 429 f.
Hannover 12, 42, 60, 55 f., 80, 83, 129, 137 f.,
141, 196, 219, 298, 427.
Harburg 15, 164
Hasenburg 434
Havelberg 164
Haverbeck 162
Heiligental 171, 173
Helmstedt 299
Herzogenbusch 78
Hildesheim 37, 64, 159, 161
Hittbergen 27
Holland 137, 153
Holstein 164, 221
Hoopte 34
Hoya 128
Husum 164
Isenhagen 178
Island 210
Italien 26, 161
Kampen 42, 153
Kircbgellersen 162, 171
Kirchwerder 34
Köln a. Rh 24, 59
-^ vn 8^
Seite
Kopenhagen 219, 427
Kreitenkule 33
Leipiig. 209, 222
Lesekp 221
Levoste 9
Lindonberg 124
Lübeck 11 f., 17, 35, 38, 41, 59, 63, 72, 77 f.,
80 f., 103, 132 f., 161, 165, 199, 201 f., 206,
212, 221 f., 313
Lüne 10, 14, 26, 28 f., 61, 65, 136, 161, 171 f.,
178, 192, 198, 276, 311, 316, 327, 422
Luhe 221
Luthmenhof 32
Magdeburg 60, 69, 165
Mainz 37
Mecklenburg 3, 132, 184, 222
Medingen 29, 34 f., 172, 178, 275
Meißen 5
Melbeck 182
Modestorf 2, 61 f., 63 f., 160, 17 J, 202, 432
Mölln 222
Nahrendorf 27
Neetze 35, 61
Nicolaihof 134
N'iederdeutschland 159, 161, 182
Norwegen 24
Nürnberg 15
Oberdeutschland 182
Obermarschacht 34
Ochtmissen 32, 177, 434
Oedeme 180
Oldenbrügge, Goh 61
Oldenstadt 34 f., 178
Oldesloe 3
Osnabrück 35
Palästina 26
Paris (164), 166, 196
Passau . . . * 162
Philippsburg 104
Quedlinburg 24
Eatzeburg 27, 3;'), 63, 221
Reinfeld 63 f., 65, 178
Reinstorf 61
Reppenstedt 434
Ricklingen 30
Beite
Rom 59, 64, 179, 200
Rotenburg 179
Rote Schleuse 434
Sachsen 159, 161, 164
Salzwedel 219, 427
Sankt Dionys 137
Schaale 12, 221
Schamebeck .... 29, 132, 134 178 f., 388
Schnellenberg 42, 434
Schwerin 11, 63 427
Seeve 35
Siebelingsborstel 171
Siebeneichen 164
Sigmaringen 219, 427
Soest 218
Soltau 34, 434
Stade 159
Stadthagen 65
Stecknitzkanal 12
Stendal 44
Stockte 34
Stralsund 17
Tespe 34
Thomasburg 61
Tiergarten . 183
Tostedt 34
Uelzen 29, 35, 38, 68, 171, 429
Ungarn 25
Veerßen 27
Velpke 299
(Venedig) 209
Verden 23 f., 25, 28, 35 f., 37 f., 60 f., 62 f.,
64, 66, 68, 72, 126, 131, 160 f., 162, 171 f.,
179 f., 202, 818
Vögelsen 434
Wendhausen 61
Wichmannsburg 35
Wienbausen 178, 219
Winsen a. d. Aller 9
Winsen a. d. Luhe . . 34, 160 f., 171, 222
Wismar 12, 222
Wittenberg 4
Zeltberg 171
Zerbst 202
Zollenspieker 221 f
Verzeichnis der Abbildungen.
1 Lüneburg um 1580
2 — 3 Lüneburg nach Brnn-Hohenberg (1574) und Merian.
(Nach 1650)
4 Siegel der Stadt Lüneburg
5 Michaeliskirche; Grundriß
6 — 7 „ Südseite und Querschnitt
8 „ Backsteinglieder
9 „ Nordseite
10 „ Blick ins Mittelschiff
11 „ Kanzel
12 Johanniskirche; Grundriß
13 — 14 ^ Südseite und Querschnitt
15 „ Blick vom Sande auf den Turm
16 „ Turmgiebel
17—18 „ Friese am Chor
19 „ Fries im Chor
20 „ Blick ins Mittelschiff
21 „ Hauptaltar
22 ^ Altar im nördlichen Seitenschiff
23 „ Altar im südlichen Seitenschiff
24 „ Altarleuchter
25 „ Chorgestühl, Teil
26—27 „ Wange vom Chorgestühl
28 n Grabmal des Fabian Ludich
29 „ Grabmal Hartwig Stöterogges
30 ^ Grabmal Nikolaus Stöterogges
31 „ Grabmal Lüdolfs von Dassel
32 „ Kronleuchter im Chor
33—34 7) Marienleuchter, Ansicht und Grundriß . . .
35 r) Kronleuchter im südlichen Seitenschiff. . .
36—37 n Schränke in der Sakristei. Teile
38 n Taufkessel
39 „ Taufstein. . . ,
40 Lambertikirche; Grundriß
41 Nikolaikirche; Grundriß
42 ri Pfeilergrundriß
43 „ Querschnitt
44 r» Blick ins Mittelschiff
45 n Krypta
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04 IX «H-
Fignr
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101
102
Nikolaikirche; Eingang zur Krypta
„ TUrgitter
n Grabmal des Heinrich Yiskule
r, Gemälde im Chor
„ Stickereien
Giebel der Stadtbibliothek (ehemaliges Franziskaner-
Kloster)
Ehemaliges Franziskaner-Kloster; Grundriß, Schnitte und
Schlußsteine
Architektur im Hofe des ehemaligen Franziskaner-
Klosters
Stift St Benedikt
Dachreiter vom Heiligengeist-Hospital; Gesamtansicht
und Einzelheiten
Stift Boter Hahn; Rotehahnstraßc 14—19
Rathaus; Grundriß in Höhe der Laube
^ Blick in die Laube
j^ Querschnitt durch die Laube
n Querschnitt durch die Säle
y, Fenster und Kapitellornamente in der Laube ....
,, Wandmalerei in der Laube
y, TUr zum alten Archiv
n Wandschrank in der Laube
jy Fußboden in der Laube
J^ Teil vom Ratsstuhl in der Laube
y, Glasmalerei in der Laube
jy Grundriß. Ansichten und Decke der Körkammer
„ Altes Archiv
^ Ansicht vom Markte
r, Gitter in der Halle am Ochsenmarkte
,, Grundriß des Obergeschosses am Markte
^ Blick in den Fürstensaal
^ Kamine im FUrstensaal
r, Wandverkleidung im Fiirstensaal
,, Kronleuchter im FUrstensaal
n Wandverkleidung im Vorzimmer der Ilatsstubc . . .
r) Friese in der großen Batsstube
„ Bekrönnng der vorderen Bankwange in der großen
Ratsstube
7, Die Justitia an der Tür zur Laube in der großen
Ratsstube
„ TUr zum Vorzimmer in der großen Ratsstube. . . .
„ Stutze der Tür Figur 93
<n Tür zur Sülfmeister-Körkammer
7, Tür in der großen Kommissionsstube
^ Wandverkleidung im Standesamt
„ Kamin in der Sülfmeister-Körkammer
yy Decke in der Sülfmeister-Körkammer
„ Giebel des Kämmereigebäudes
f, Ansicht vom Marienplatz
yy Ratssilber
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154
:;l
Stuckdecke
Kran und Kaufhaus
Kaufhaus; Giebel an der LUnerstraße
„ Ostseite
Kran
Glockenhaus; Ansicht und Grundriß
„ Querschnitt
Reitende Dienerstraße 9—17; (Garlopenhäuser)
„ „9; Medaillon
Ratsmllhle; Ansicht und Grundriß
„ Querschnitt
Lüner Mühle; Ostseite
Wasserturm der Abtskunst
Saline; Querschnitt durch das Siedehaus Nr. 7 . .
Am Sande 49; Grundriß und Schnitte
Auf dem Kauf 9
r, V Ti 9; Portal
Am Berge 35; Hofgiebel
n r) 3o;
n D ob
An der Münze 8; Giebel
Am Berge 5; Giebel
Grapengießerstraße 45; Giebelprofil
^ 45; Kamin
An der Münze 7
Am Sande 53; Giebel
„ „ 49; Giebel
r, ri 8? Haustür
„ „ 46; Giebel
An der Münze 4
Große Bäckerstraße 9; Portal
„ „ 30; Portal
Grapengießerstraße 3; Treppe
15
Am Markte 5; Stuckdecke
Salzstraße 19; Giebel
Lünertorstraße 4
Am Sande 1
Am Ochsenmarkt 1; Giebel
„ „ 1; Portal
Untere Schrangenstraße 4
Am Sande 31; Haustür
r, ^ 31; Zimmerdecke
Bardowickerstraße 32
Am Berge 37; Portal
„ „ 37; Hofarchitektur
Grapengießerstraße 7; Hofarchitektnr
Am Berge 37; Fensterpfosten
Graalstraße 1; Wappen
Lünerstraße 21
An der Münze 8A und B; Ansicht und Teilzeiclmungen
Neue Sülze 8
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T
Tafel
XI
->« XI «•<-
Figur
155 Schröderstraße 16
156 Am Berge 27; Portal
1Ö7— 158 Pfarrhäuser der Johanniskirche; Ansicht und Grundriß .
159 Untere neue Torstraße 1
160 „„ „ 19; Portal
161 Salzstraße 28
162 Große Bäckerstraße 15; Flügelbau
163 ^ „ 15; Giebel
164 „ ri 15; Schrank in der Diele
165 Hinter der Bardowickcr Mauer 7
166 „ „ „ „8; TUrsturz
167 j) j) T» til2
168 Banmstraße 3
169 Am Berge 13; Fachwerk in der Durchfahrt
170 Grapengießerstraße 13
171 „ 45; FlUgelbau im Hofe
172 n 45; Fensterpfosten
173—174 Am Kreideberg 7; Ansicht, Grundriß, Schnitt. ,
175 Lünerstraße 5; Hintergebäude
176 Bei der Nikolaikirche 3
177 Untere Ohlingerstraße 8; Giebel
178 „ V 40
179 Papenstraße 1; TUrsturz
180 Salzbrückerstraße 53A— 63; Neuer Hof
181 Am Sande 31; Hintergebäude
182 Untere Schrangenstraße 9
183 Obere Schrangenstraße 5
184—185 Im Wendischen dorf 3; (Viskulenhof) Grundriß und Ansicht
186 Am Werder 6
187 Auf dem Meere 14; Schwelle
188 „„ „ 17; Schwelle
189—191 Am Sande 40, 41 und Am Berge 15; Dacherker
192 Am Berge 18; Dacherker
193 Große Bäckerstraße 2; Dacherker
194 Am Berge 15; Haustilr
195 Katzenstraße 2; Haustür
196 Auf dem Meere 14; Haustür
197 „ „ „ 17; Haustür
198 Schröderstraße 7; Haustor.
199 Im Wendischendorf 5; Haustür
200 „ „ 23; Haustür
201 Graalstraße lA; Zimmertür
202 Neue Sülze 27; Portal
203 „ n 27; Wandverkleidung
204 Brunnenbecken am Sande
205 Blick auf den Bardowicker Wall
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420
423
424
426
433
Tafel
XU
--^l^'
Sachverzeichnis.
(Die stärker gedruckten Seiten beziehen sich auf Abbildungen.)
Altäre 25, 27, 28, 40, 41, 44, 50, 55, 56, 57,
58, 60, 70, 71, 77, 93—99, 125, 132 f., 141,
148, 163, 175, 177, 191, 428 f.
Altarleuchter 51, 99, 277 f.
Aquamanile s. Gießgefäße.
Bauhof 305.
Befestigung 60, 318, 432 f
Beischläge 209, 216, 231, 340, 425, 428.
Bildwerke 52, 56f, 91, 123, 130f., 149f.,191,
218, 258, 286, 290 f, 318, 425.
Brunnen 426.
Burg 1, 2, 4, 5, 24, 26, 174, 195 f.
Bücher 56, 76, 123, 158.
Bürgereidkästen 277, 290 f.
Dacherker 279, 392, 413 f.
Dachreiter 182, 185, 258.
Denkmäler 8f., 42, 45, 47, 51f., 91, 103—113,
128, 150, 154, 170, 175, 313, 318.
Eisenarbeiten 42, 56, 147, 178, 246 f.
Emporen 146.
Friedhöfe 60.
Friedhofskap eilen; Gertrudenkapelle 176 f.,
Antoniikapelle 177 f., Kapelle auf dem
Neuen Friedhofe 178.
Friese 86, 87f., 91, 143f., 147, 228, 279, 287-,
305 f.
Fußböden 232, 235, 241, 260, 278.
Gemälde 42,51,77,95,99,130,148, 150f., 158,
217, 220 f., 252 f., 257 f., 259,262, 272 f., 429.
Gießgefäße 295.
Gilden 18, 19, 60, 76, 125, 132, 176.
Gitter s. Eisenarbeiten.
Glasgemälde 80, 81, 102,132,141,215, 232 f.,
238, 283, 287.
Glocken 27, 42, 51, 68 f, 103, 137, 153, 187,
201, 303.
Gotteskasten 154.
Grabsteine 45, 51, 52, 113f., 142, 155.
Gruft 24, 25, 27 f., 30, 44 f., 51, 133, 145.
Hanse 12, 13.
Hausmarken 114, 389, 394, 400.
Häuser; Glockenhaus 21, 303 f., Garlopen-
wohnungen 307 f., Kaufhaus 21, 298 f.,
Kaiandhaus 307, Münze 369, Prediger-
häuser 376, 400, Eatsapotheke 343, Scharf-
richterhaus 328, Schütting 306 f., Wand-
haus 310.
Altenbrückertorstraße (6) 414. — Auf
der Altstadt (5) 343, 409, (8) 380, (12) 421,
(16) 421, (32) 358, (35) 409, (40, 41, 42) 361,
(43) 331, 340, 380, (44) 343, (46) 421, (52)
380. — Apothekenstraße (5) 415, (10) 409.
- Große Bäckerstraße (2) 9, 416, (5) 332,
(6) 358, 409, (7) 374, 421, (9) 343, (10) 340,
(12) 340, (13) 340, 421, (14) 417, (15) 331,
380, (18) 358, 383, (19) 385, (20) 385, (24)
385, (26) 331, 361, (27, 28) 421, (30) 345.
— Kleine Bäckerstraße (4) 420, 421, (11)
421, (14) 421. — Hinter der Bardowicker
Mauer (7) 385, (8) 386, (9) 409, (12) 388. —
Bardowickerstraße (8) 347, (9) 347, (29),
421, (32) 362. — Baumstraße (1) 415,
(3) 388. — Am Berge (5) 332, (7) 347, (8)
421, (13) 389, (15) 414, 419, (18) 416 (25)
390, (27) 374, (33) 409, (35) 331, (36) 421,
(37) 179, 364, (40) 421, (44) 347, (46) 421,
(51) 421. — An den Brodbänken (6) 347,
(8) 340, (10) 421. — Burmesterstraße (10)
409. — Conventstraße (2) 421. — Glocken-
straße (1, 2) 366, (5, 6, 7) 409. — Graal-
straße (1) 366, 421, (1 A) 201. — Im
Grimm 32. — Grapengießerstraße (2) 361,
(3) 347, (4) 411, 421, (5) 340, 390, (7) 373,
422, (9) 422, (11) 422, (12) 392, (13) 392,
(14) 411, (15) 347, (17) 348, (27, 28) 348,
(30) 411, (38) 422, (45) 332, 392, (46) 422. —
-*^ xin 8^
HHuser; Auf dem Harz (4,5,6) 411.— Heiligen-
geiststraße (7)367, (8) 367, (10) 358, (12) 422,
(20) 367, (27) 358, (34) 348, (39) 348, (40)
348, (41)348, (40)411. — Bei der Johannis-
kirche (2, 3, 4) 376, (13) 358. — Katzen-
straße (2) 419. — Auf dem Kauf (1) 411,
(9) 327, (13) 349, (14) 422, (17) 342, (19)
422, (Eckhaus) 422. — Kaufhausstraße
(1) 349. - Koltmannstraße (9 A, 9B) 411. —
Am Kreideberge (7) 394. — LUnerstraße
(3) 352, 411, (5) 394, (7) 421, (8) 422, (9)
369, (13) 422. — LUnertorstraße (1) a52,
(4) 352, (21) 369. - Marienplatz (1) 422 -
Am Markte (2) 422, (5) 349. — Auf dem
Meere (12) 422, (13) 350, (14) 411, 419,
(17) 411, 419, (21) 369, (27) 422, (35) 422,
(36) 340. — Bei der Michaeliskirche (4)
350, (7) 350. — An der Münze (4) 342,
(7) 333, 342, (8) 331, (8A u. B) 369, (15)
354. — Neue Straße (7) 411, (11) 414,
(IIA) 414, (13—23) 422. — Neue SUlze
(6) 373, (11) 422, (22) 397, (26) 370, (27)
422, (30) 424, (31) 397, (32) 397, (33) 425,
(36) 425. - Obere Neuetorstraße (1) 377,
(19) 377. — Bei der Nikolaikirche (3) 397. -
Am Ochsenmarkte (1) 354. — Obere Oh-
lingerstraße (10) 399, (13) 399. — Untere
Ohlingerstraße (7) 399, (8) 399, (13) 425,
(28) 415, (40) 400. - Papenstraße (1) 400.
— Reitende Dienerstraße (5) 400, (7) 310,
(9—17) 307 f. — Ritterstraße (4) 411. —
Rosenstraße (5) 415, (10) 327. — Rote-
hahnstraße (6) 370, (7) 374, (14—19 Roter
Hahn) 192 f (20) 400. — Rotestraße (1)
4J5, (6) 371. — Salzbrückerstraßc (24)
400, (42) 412, (53A-63) 400, (65) 425. —
Salzstraße (an den Vierorten) (15) 412,
(17) 373, 400, (18) 401, (19) 350, (28) 371.
— Salzstraße (am Wasser) (2) 401, (3)
371. — Am Sande (1) 352, (2) 354, (4)414,
(6 u. 7) a50, 412, (8) 337, 342, (12) 358,
(13) 350, (15) 342, (16) 358, (20) 350, 401,
(27) 414, (30) 401, (31) 359, 401, (36) 340,
(40) 413, (41) 414, (46) 340, (48) 361, (49)
324, 335, (50) 329, 402, (53) 22, 333, 342. —
Schlägertwiete (5C)403, (6)403. — Obere
Schrangenatraße (2) 412, (5) 404, (12) 350. —
Untere Schrangenstraße (Ecke) 373, (4)
356, (7) 412, (9) 404, (13) 358, (15) 425,
(17) 425. — Schröderstraße (4) 404, (6)
425, (7) 420, (12) 404, (16) 373. - Schul-
straße (2) 425. — Am Stintmarkt (4) 425. —
In der Techt 403. — Im Timpen (1) 412. —
Viskulenhof 406. — Wandfärberstraße
(4) 425, (6) 406, (7) 406. — Im Wendischen-
dorfe (3) 406, (5) 420, (23) 406, 420, (27)
342. — Am Werder (6) 406, 426. — Am
Wüstenort (2) 408, (6) 426, (11 u. 12) 412.
Heizungen 199, 222, 235, 337.
Hospitäler; St. Benedikt 26, 180-182, zum
I gr. heiligen Geist 182—187, Gotteshäuser
' 192, Graal 188—191, der lange Hof 187 f.
Roter Hahn 192—194, Nikolaihof 194,
Lazarett in der breiten Wiese 191 f.
Hostiendosen 52, 114, 274, 276 f.
Kaland 19, 66, 307.
Kamine 235, 241, 247, 249 f, 256, 258, 278,
286, 332 f, 402, 425, 429.
Kannen 55, 123, 276.
Kanäle 12.
Kanzeln 41, 42, 52, 78, 130, 141.
Kapellen; Annenkapclle 67, 133, Antoni- oder
Krämerkapelle 70, Allerheiligenkapelle
66 f, 133, Barbarachor 67 f, Bartholomäus-
kapelle 67, Cecilienkapelle 70, Dreifaltig-
keitskapellc 67, 133, Dreikönigckapelle 67,
Elisabethkapelle 66 f., Erasmikapelle 68,
Fronleichnamkapelle (Laffertsche Ka-
pelle) 70, 90, (irablegungskapelle 68,
Jakobikapelle 26, Johanniskapelle (Dassel-
sche Kapelle) 67, 92, Kaldaunenkapelle 58,
Lange Kapelle 58, Leonhardikapelle 70,
Marienkapelle 67, 133, Nikolaikapelle (van
der Mölenkapelle) 66 f., 93, Ratskapelle
zum heiligen Geist 175 f., 198, St. Ursula-
kapelle (Kapelle der elftausend Jungfrauen)
9, 67, Witzendorf kapeile 70.
Kelche 40, 54, 74 f., 114 f., 155, 275 f.
Kirchen; Cyriakskirche 20, 28, 58-61, Gar-
nisonkirche 174 f., Johann iskirche 9, 15,
61-123, Lambertikirche 21i 124-131,147,
153, Marienkirche (BarfUßcrkirche) 154,
159—170, Michaeliskirche 28—58, Nikolai-
kirche 20, 21, 131—159.
Kirchengestuhl 72, 77, 81, 92, 100 f., 119,
150, 153.
Kirchturme 29, 31, 44, 49f., 59, 68f., 72f.,
86, 91 f., 127, 183, 136 f., 139, 148.
Klosterhöfc 178—180.
Klöster; BarfUßerkloster 20, 154, 159-170,
Benediktinerkloster 2, 4, 20 f., Franzis-
kanerkloster s. BarfUßerkloster, Kloster
Heiligental 20, 21, 170—174, Kloster LUne
26, Kloster Scharnebek 134.
Kran 301 f.
Kreuzgänge 30, 381.
Kronleuchter 54, 115 f., 130, 241, 255f., 278.
Kruzifixe 51. 55, 123, 150, 276.
-^ XIV 8^
Krypta 8. Graft.
Landwehr 434.
LichtpntzBchere 277.
Löffel 297.
Maßwerk 89, 91 f., 93, 143, 226, 241, 252.
Monstranz 275.
Museen; Lüneburg 9, 18, 42, 47, 50, 57, 158,
159, 187, 191, 427 f. — Hannover 42, 50,
55f ., 255. — Berlin 430. — Hamburg 430. —
Bremen 430.
Mühlen 88, 35. 89, 311 f.
Münzen 277.
Orgeln 42, 46, 54f., 78, 80, 119f., 130, 142.
Paramente 121, 155 f., 274.
Pokale 291f.
Rathaus 21, 175, 197—297.
Ratssilber 13, 17, 21, 223, 256, 290—297, 430.
Reliquienbehälter 27, 41, 55f., 121f., 274.
Rüstzeug 208.
Saline 2, 3, lOf., 13f., 16f., 32, 124, 317f.,
430.
Särge 42, 145.
Schloß 195—197.
Schalen 277, 291 f.; s. auch Waschbecken.
Schränke 119, 187, 215, 230f., 246f., 383,
425, 428 f.
Schulen 12, 31 f., 58, 63.
Schüsseln s. Schalen.
Siegel 16, 22, 39 f., 162, 174.
Silberschatz s. Ratssilber.
Stifte s. Hospitäler.
Stickereien 216 f., 241, 243, 273, 388 8. auch
Paramente.
Taufbecken 27,42,61, 77 f., 122f., 141, 158.
Tische 232, 241.
Treppen 145, 170, 197, 260, 327, 329, S47,
350, 356, 421, 422.
Türen 57, 170, 207, 228 f., 241, 247, 255, 262,
264 f., 279 f., 282, 284, 287, 290, 327, 331,
338, 342, 350, 352, 359 f., 366, 368, 374,
418 f., 421, 429.
Türklopfer 47, 338, 352.
Trinkhorn 291.
Uhren 73, 119, 187.
Valvationstabellen 277.
Waschbecken 236, 295 f.
Wälle s. Befestigungen.
Wandleuchter 119, 154 f., 252, 256, 262.
Wand- und Deckenmalereien 9, 81, 91,
216 f., 221, 228, 236 f., 247, 249, 255, 257,
262 f., 286, 350, 366, 421, 422.
Wappen 17, 41, 51 f., 54, 57, 81, 90, 92 f., iXi,
98, 102 f., 122, 151, 153 f, 157, 235, 238,
241, 262, 279, 290 f, 309, 330, 345, SfA,
362, 367, 370, 401, 403, 424.
Wasserleitungen 316.
Wasserturm 316.
Webereien s. Stickereien und Paramente.
Wein kann en s. Kannen.
Wendeltreppen 50, 91f., 144, 164, 235, 247,
260, 280, 331, 352, 358, 368, 388, 421, 429.
Ziegeleien 29, 30, 69, 164, 198, 209.
Künstlerverzeichnis.
A. C. B., GoldschmiedsBtempel 55.
Ambrosins, EiBBenmacher 217.
Amman, Jost, Maler 219.
Andreaszen, Joan, Baumeister 210.
Andresz (Andreas), Snitker 203, 215 f.
Anger, Organist 80.
Augnstin, Snitker 164 f.
Bach, Johann Sebastian 78.
Barchmann, Sivert, Grapengießer 122, 129.
Barchmann (Bargmann), Valentin, Glocken-
gießer 154, 310.
Benc (Benhe), Henning, Snitker 130, 212.
Benthem, Johan van, Steinhauer 164.
Berigel, Michael, Orgelbauer 80.
Betemann, Bertram, Glockengießer 69.
Blekesche, die, Malerin 215.
Böhm, Georg, Organist 78, 80.
Bonn, Otto Heinrich von, Oberlandbau-
me ister 49.
Borchmann, Oberbaumeister 196.
Borne, Lucas upm, Maler 209.
Borne, Peter up dem, Maler 209, 218, 263.
Brandt, J. H., Maler 300.
Bremer, Hinrik, Mauermeister 29.
Brillo, Bildhauer 142.
Broning, Johann, Mauermeister 29.
Brugenatz, Wamike, Snitker 77.
Brullo, M., Bildhauer 154.
Brnnswik, Konrad van, Zimmermeister 176.
Bubeling, Meister Kaspar, Orgelbauer 130.
Buckendal, Johann, Snitker 77.
Burmester, Maler 42, 223, 257 f.
Burmester, Evert, Sohn Warnekes, Snitker 77.
Burmester, Joachim, Maler 297 f.
Burmester (Buermester), Wameke, Snitker
77, 100, 164 f., 216, 223, 283.
Glasen, Mauermeister 376.
Clauws, Mester, Steinhauer 209, 222.
Clovestene, Maler 204.
C'oler, Märten, Steinhauer 77, 209, 210, 343.
Cord, Meister, Kissenmacher 217.
Crotogino, Joseph, Baumeister 31.
Grusen, Frau Olrik, Kissen Wirkerin 216.
Debo, Bauinspektör 138.
Dehnicke, Johann, Schwerdtfeger u. Kupfer-
stecher 300.
D. J. K., KUnstlermarke 54.
Dirick, Kupferdecker 73.
Ditmer, der braune. Malergesell 255.
Dorszen, Johan, Maler 216.
Dropa siehe Tropa.
Elers, Hans, Snitker, 164.
Ellenbarch, Jochim, Snitker 164.
Eptzenrad, Hans, Maler 204.
Fabel, Hans, Kistenmaker 77.
Fischbach, Maler 228.
Frese (Friesze), Daniel, Maler 21, 73, 81, 95,
130, 210 f., 212, 217 f., 220 ff., 282, 246,
255, 262 f., 272, 286.
Gar(ven), Albert, Snitker 77.
Gerd siehe Suttmeier.
G. F. K., Goldschmiedsstempel 115.
Gronouw, Glaser 205.
Gronouw, Hans, Glasmaler 141.
Gronouw, Hinrik, Glasmaler 203.
Häseler, Johann Philipp, Stadtbaumeister
100, 128, 130, 299.
Hagen, Hans van dem, Glaser 202.
Haue, Gerd, Maler 78, 81, 165, 216.
Hans,Meister,Malerod.Gold8chläger77,148,207
Hans, Meister, Steinhauer 73.
Harbord, Jürgen, Snitker 77.
Hartig, Gelbgießer 54.
Hartmann, Hugo Friedrich, Maler 224.
Hartwig, Caspar, Snitker 78.
Hase, C. W., Baurat 138 f., 142.
Heemskerk, Märten van, Maler 219.
Heineke(n), Andreas, Glockengießer 69,
103, 154.
Helfreich, Philipp, Kupferdecker 211.
Helfrich, Hans, Kupferdecker 221.
Hermen, Mester, Zinngießer 72.
11. G. K., Goldschmiedsstempel 114, 123.
H. H. S., Glockengießer 69.
Hinrick, Mester, Molemester 207, 302.
Hoen, Bartelt, Glasewerker 164.
Hoiers (Hoigers), Dirick, Orgelmacher 80,
163, 165.
Holste, Stadtbaumeister 74, 138, 235.
Hom, Plans, Maler 77.
H. P., Architekt 178.
H. P., Orgelbauer 120.
Jacob, Meister, Snitker 76, 78.
Jacop, Meister, Uhrmacher 73.
Jagouw, Gort, Maler 163, 207, 217.
Jagow, Jochim, Maler 81, 165.
-^ XVI 8-^
Johansen, Jasper, Orgelmacher 78, 80.
Kampen, Hinrick van, Glockengießer 69,
103, 137, 154, 166.
Kampf, Stadtbaiimeister 139.
Kiltenhof (Kyltenhoff), Hans, Maler 206, 216 f.
Kleimann, Arnold, Glockengießer 103.
Klinghe, Gerd, Glockengießer 69, 103, 129, 1 54.
Knöt, Jacob, Snitker 215.
Köler siehe Coler.
Krumradt, Liitke, Snitker 216.
Laflfert, Hans, Goldschmied 291.
Lange, Evert, Snitker 164.
Langelo, Liitke, Maler 255.
Levenstede, Hinrik, Maler 173.
Malz, Heinrich, Snitker 78.
Man, Matz, Orgelmacher 80.
Märten, Maler 216.
Märten, Meister, siehe Coler und Rose.
Martens, Peter, Baumeister 210.
Maske, Stadtbaumeister 138.
Meiger, Hans, Grapengießer 77, 154.
Merten, Zimmermann 206.
Meshusen, Hans, Maler 207.
Meyer, E., Hoforgelbauer 80.
Moller, Clawes, Ingenieur 316.
Molmester siehe Hinrick.
Münster, Dietrich von, Glockengießer 69.
Niegehoff, Clav es, Orgelbauer 78.
Niegehoff, Hinrik, Orgelbauer 78.
N. M., Goldschmiedsstempel 54.
Ohmes, Hermann, Maler 205.
Olrichs, Hans, Wappenstecher 73.
Olricus (Ulricus), Meister, Glockengießer
27, 42, 61, 141, 158.
Omes, Hinrik, Maler 217.
Paris (Paries), Hinrich von, Mauermeister
164, 210.
Penz, Maler 219.
Perinetti, Jacob, Stuckateur, 196.
Petersen, Andreves, Snitker 77.
Planerd, Johan, Baumeister 81.
Polman, Berendt, Snitker 208.
Rapup, Christoffer, Snitker 77.
Rechten, Nicolaus, Orgelbauer 80.
Reimers (Reymers), Hinrik, Maler 206 f., 215.
Reinstorf, Hans, Mauermeister 29.
Rembrandt 153.
Ripe, Lorenz, Mauermann 209.
Ripe, Paul, Ratsmauermann 208 f.
Roggenbuck, Christoph, Steinhauer 222.
Roese, Lutke, Zimmermann 164.
Rose (Roesze), Märten, Ratszimmermann
164, 208 f.
Roose, Dieric, Glockengießer 137.
RoBsi, Domeniko Antonio, Mauermeister 196.
Ruest, Frans van der, Deckenmacber 217.
Rüge, Hans, Schlosser 247, 261.
Sceidel, Hermen, Tischler 215.
Schaper, Hans, Snitker 215.
Schnaase, C, Baumeister 133.
Schröder, Eduard, Maler 223.
Schröder, F. N., Uhrmacher 187.
Schröder, Hans, Maler und Bildhauer 130,
210 f., 212.
Schultz, Georg, Stadtbaumeister 213, 243 f., 247.
Scoeuweshuesen, Hinrich, Bildhauer 164.
Servest, Peter van, Mauermann 202.
Smedeken, Andreas, Orgelbauer 142.
Smedt, Christoffer, Snitker 77.
Snitteker (Snytker), Cord, Snitker 72, 205.
Soest, Albert von, Bildensnider 21, 51 f.,
105, 110, 112, 164 f., 218 ff., 264 f., 266,
268, 270, 272, 427, 429.
Solls, Virgil, Maler 219.
Soltau, Maler 427.
Sonnin, E. G., Baumeister 74, 135, 142, 310,
317, 376.
Spetzler, Stadtbaumeister 74, 83, 137, 178.
Stapel, Glaser 206.
Steffens, Johannes, Organist 78.
Stehn, Georg, Lautenspieler 163.
Stein, Georg, Orgelbauer 142.
Stelwagen, Friedrich 80.
Stern, Buchdrucker 158.
Suttmeier, Gerd, Snitker (Gerd de Snitker)
21, 110, 163, 215 f., 218, 220, 264 f., 266.
Testorpe, Swibert, Maler 217.
Teygeler, Dytmar, Maurer 199.
THP., Goldschmiedsstempel 52.
Tonnies, Kupferdecker 164.
Tostede, Diderik, Schlosser 215.
Tropa (Dropa), Mathias, Orgelbauer 42, 54, 80.
Tyle, Maler 77.
Tyle, Meister, Kunstschlosser 203.
Ulricus siehe Olricus.
Voß, Johann, Glockengießer 69, 103.
Voß, Paul, Glockengießer 69, 103, 129, 137,
163 f., 177.
Vredis, Jodocus, Bildner 428.
Wille, Goldschmied 115.
Winter, Peter, Glasewerker 207, 209.
Wou, Gerhard von, Glockengießer 42, 51,
129, 153.
Wulbrandt, Ludewig, Kircbentiscbler 81.
Wulf, Albert, Steinhauer 209.
Wulf, Gerd, Glaser 204.
Ziegner, Johann Christian, Glockengießer
103, 129, 154, 178, 187, 191.
Einleitung.
Literatur: U. F. C. Manecke, y,Kurze Beschreibung und Geschichte der Stadt
Lüneburg^, 1816| mit guter Obersicht der älteren Literatur (Neudruck des Werkes in desselben
Verfassers ^Topographisch- historische Beschreibungen der Städte, Aemter und adelichen
Gerichte im FQrstenthum Lüneburg^, 1858, S. 1—114); Jürgens, „Geschichte der Stadt Lüneburg^
Hannover 1891, mit Literaturverzeichnis fQr die Zwischenzeit und Quellennachweis S. 116 ff. ;
Görges, „Geschichte der Stadt Lüneburg^ (Führer durch Lüneburg und Umgebung, neueste
Auflage 1905). Im übrigen wird für die Angabe der Quellen und Literatur auf die nach-
folgenden baugeschichtlichen Einführungen verwiesen.
Die Stadt Lüneburg (öS® 15' n. Br., 10 • 25' ösÜ. L. v. Gr.) liegt 17,25 m (Marktplatz)
aber dem Meeresspiegel an der schiffbaren Ilmenau, einem linken Nebenflusse der Elbe, der etwa
18 km oberhalb Hamburgs in den Strom einmündet Knotenpunkt der Bahnlinien Hamburg-Frank-
fiirt a. M. und Berlin-Bremerhafen, Ausgangsstation der Bahnen nach Lübeck und Bleckede.
Lüneburg ist Sitz einer Königlichen Regierung, deren Verwaltungsbezirk mit den Grenzen der
früheren Landdrostei bzw. des ehemaligen Fürstentums zusammenfällt, eines Landratsamts fUr
den Landkreis Lüneburg, eines Landgerichts, einer Eisenbahn -Betriebsinspektion und einer
Landesbauinspektion; Standort des 2. Hannoverschen Dragoner-Regiments Nr. 16; Provinzial-
Heil- und Pflege-Anstalt; Solbadeanstalt Kirchen: 3 evangelische, 1 katholische, 1 Synagoge.
Schulen: Johanneum (Gymnasium und Realgymnasium), Schullehrerseminar, Präparanden-
anstalt, Höhere Mädchenschule mit Lehrerinnenseminar, Mittelschule, Heiligengeistschule I,
n, m. Schule der römisch-katholischen Gemeinde, der israelitischen Gemeinde, Handelsschule,
Gewerbliche Fortbildungsschule, Landwirtschaftliche Kreiswinterschule, Provinzial-Hufbeschlag-
Lehrschmiede. Einwohnerzahl am 1. Dezember 1900: 24693, davon evangelisch 28603,
katholisch 873, Juden 130, nach dem vorläufigen Ergebnis der Volkszählung am 1. Dezember 1905:
26554 Einwohner
^er Name Lüneburg (älteste Schreibweise „Luniburc", „Lhiuniburg"), in Geschichte,
seiner Stammsilbe noch nicht hinreichend erklärt, sagt ims zuverlässig
das eine, daß die Stadt gleich vielen blühenden Gemeinwesen, deutschen
und außerdeutschen, einer Burg ihre Entstehung verdankt. Der „Kalkberg",
der diese Burg trug, ist noch in seiner jetzigen Trünunergestalt ein Natur-
denkmal vornehmster Axt. Aus den mächtigen Ablagerungen einer jüngeren
Gletscherwelt, aus denen die ganze norddeutsche Tiefebene sich aufgebaut hat,
ragt seine Zechsteinkuppe als Stück des Urgebirges der Landschaft, ein
gewachsenes Monimient, empor. Seit streitbare Männer ihn erschauten, muß
der Ealkberg mit seinen jähen Hängen einen Zufluchtsort für kriegerische Tage
1
geboten haben, und wenn die Sage seine Höhe mit der Verehrung eines Götzen-
bildes in Zusammenhang bringt, so hören wir daraus einen Nachklang alt-
germanischer Zeit, der uns verrät, daß der Berg auch als vorchristliche Kult-
stätte Bedeutung hatte.
Die Erbauung der Lüneburg, eines festen Schlosses auf dem Platze der
alten, bis dahin vermutlich nicht ständig bewohnten Volksburg, wird Hermann
Billung zugeschrieben, der als Markgraf und Herzog von Sachsen auf dem
Kalkberge seinen Herrensitz nahm und in unmittelbarer Nähe, noch innerhalb
der Burgmauern, ein Benediktinerkloster zu Ehren des Erzengels Michael
gründete. Die älteste Urkunde des Klosterarchivs, vom 13. August 956, nennt
zum ersten Male den Namen Lüneburg und ist für die Anfänge der Stadt auch
in anderer Hinsicht bemerkenswert. Auf Fürbitte des Markgrafen gibt König
Otto L dem jungen Kloster seine Huld zu erkennen, indem er ihm den Zoll bei
der Lüneburg, „der aus den Salinen gewonnen werde", zum Geschenk macht
Siedelung imd Sülze, in ihrer Geschichte kaum zu trennen, zeigen sich
schon bei ihrer ersten Begegnung miteinander vereint. Die Zechsteinbildung,
wie sie im Kalkberge zutage tritt, setzt sich in unterirdischen großen Stein-
salzlagem fort, und ihnen entspringt eine starke Solquelle, deren Ausbeute, mehr
oder weniger kundig, gewiß schon manches Jahrhundert im Schwange war,
bevor der Salzzoll vom Könige verschenkt wurde. Die Burg mit ihrem Schutze
und die Sülze mit ihrem Gewinn — zwei treffliche Lebensbedingungen für eine
aufstrebende Bevölkerung, deren Machtbereich freilich mit Naturnotwendigkeit
bis zu der wichtigen Wasserstraße, der nahen Ilmenau (Elmenouwe), nach Osten
vorgeschoben werden mußte. Eine alte Gohbrücke überspannte den Fluß, dort
lag auch eine größere Ansiedelung, der Ort Modestorpe, seit Errichtung des
Bistums Verden Stätte einer Taufkirche und eines Archidiakonates. Die Ver-
schmelzung Lüneburgs mit Modestorf vollzog sich, wie wir glauben dürfen,
alsbald nach der Zerstörung Bardewiks durch Heinrich den Löwen (1189), wie
denn der Untergang dieses älteren, angesehenen Handelsplatzes Lüneburg von
einer allzu nahe wohnenden, imbequemen Nebenbuhlerin befreite.
Die jenem Ereignisse voraufgehende Überlieferung ist für die Geschichte
der Stadt wenig ergiebig. Die Billunger Herzöge, vielfach als Herzöge von
Lüneburg bezeichnet, büeben ihrem Hochsitz auf dem Kalkberge bis über den
Tod hinaus getreu und ließen sich in der Klosterkirche von St Michael beisetzen;
während ihrer Lebenszeit hatten sie und ihre weifischen Nachfolger um das
angestammte Schloß manch heißen Strauß zu bestehen. Das Ilmenaugebiet
bildete die Grenze zwischen den Sachsen und Wenden und mußte* schon deshalb
beständig feindlichen Überfalls gewärtig sein, und nicht minder gefährlich als die
Bedrohungen von dieser Seite war ein Anschlag König Heinrich IV., dem es im
Juli 1071 gelang, die Lüneburg, obschon nur für wenige Wochen, mit einem
Aufgebote auserlesener schwäbischer Ritter zu besetzen. Aus den Jahren 1134
und 35 wird berichtet, daß Kaiser Lothar wiederholt in Lüneburg weilte; nicht
lange darauf eroberte Albrecht der Bär im Kampfe gegen die Weifen das
Sachsenland, indem er sich ebenfalls des Gastrums auf dem Kalkberge, von
dessen Besitz die Herrschaft Lüneburg abhing, vorübergehend bemächtigte (1139).
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Heinrich des Löwen lange Regiemngszeit hatte für die Entfaltung der
Stadt, wo der Herzog mit Vorliebe Hof hielt und die Großen des Landes um
sich versammelte, unschätzbare Bedeutimg, ging doch die Fürsorge des Fürsten
soweit, daß er die Schließung einer Saline in Oldesloe durchsetzte, weil die
Lüneburger sich über deren Konkurrenz bei ihm beklagt hatten. Jüngere Chronisten
sagen geradezu, daß Lüneburg erst durch den großen Weifenherzog aus einem
Dorfe zur Stadt erhoben worden sei, eine Behauptung, die zwar den Tatsachen
keineswegs entspricht, denn schon im Jahre 959 wird Lüneburg urkundlich eine
Stadt genannt, und in gleich zuverlässiger Weise erzählt Thietmar von Merseburg
zum Jahre 1013 von einem gewaltigen Erdrutsch, der „die Stadt" heimgesucht habe.
Es ist bekannt, daß Herzog Heinrich nach der Zertrümmerung seiner
Herrschaft durch Friedrich Barbarossa auf seine Eigengüter beschränkt wurde
und Kaiser Friedrich U. in einem Reichslehnsbriefe von 1235 eben diese Allode,
das Castrum Lüneburg und die Stadt Braunschweig, mit dem gesamten Zubehör
an Land und Leuten zu einem Herzogtum verschmolz. Eine Teilung des Territoriums
trat im Jahre 1267 ein, und Lüneburg war fortan die Hauptstadt eines besonderen,
gleichnamigen Fürstentums. Die Herzöge residierten im alten Billungerschlosse
auf dem Kalkberge, und die Stadt hatte nur Nutzen davon, denn wie Otto das Kind
war der ganze Alt-Lüneburgische Zweig des Weifenhauses städtefreundlich. Eine
lange Reihe herzoglicher Verf assungs- und Handelsprivilegien förderte die Selbst-
verwaltung der Gemeinde und ihren Wohlstand, und die Schrecknisse des Pestjahres
1350 wurden unter dem „gar gnädigen Regimente" Wilhelm des Edlen schnell
verwunden. Bezeichnend dafür ist es, daß die Zahl der Neubürger in den drei
nächstfolgenden Jahren eine in drei Jahrhunderten einzig dastehende Höhe erreicht
hat. Nur zu bald sollte die friedUche Entwicklung der Stadt ein Ende nehmen.
Herzog Wilhelm starb auf der Lüneburg im November 1369 ohne männUchen
Nachwuchs. Er hatte zu seinem Mitregenten und Nachfolger den Junker Magnus
aus der braunschweigischen Linie seines Geschlechts ernannt und durch diese
Anordnung die Ansprüche seines Tochtersohnes Albrecht von Sachsen- Wittenberg
mißachtet, obgleich dieser von seinen Oheimen, den Kurfürsten Rudolf und Wenzel,
vor allem aber von Karl IV. imterstützt wurde. Die Bürgerschaft Lüneburgs hatte
dem Braunschweiger gehuldigt, nicht aus Nachgiebigkeit, sondern im vollen
Bewußtsein ihrer für die Erbfolge ausschlaggebenden Haltung nur gegen schwer-
wiegende Zugeständnisse. Alle die teuer erkauften Privilegien, die die Grund-
lage bildeten für das Emporblühen der Stadt, mußte Magnus anerkennen imd
bestätigen. Aber schon in den ersten Monaten des neuen Regiments kam es
zwischen Magnus und dem Lüneburger Rat zum Konflikt. Der Herzog hatte in
einer Fehde mit Mecklenburg den kürzeren gezogen und wollte sich am Lüne-
burger Salinbesitz mecklenburgischer Prälaten schadlos halten. Dazu versagte
der Rat, der die Verantwortung für das Sülzwesen längst zu seinen wichtigsten
ObUegenheiten zählte, die Einwilligung, habe doch Magnus selber es verbrieft,
daß jedermanns Gut auf der Saline unangefochten bleiben solle. Der Herzog
dachte den Eigenwillen seiner Untertanen bald zu brechen imd war in seinen
Maßnahmen weder zaghaft noch wählerisch. Nach einem vergeblichen Versuche,
die Stadtgemeinde gegen ihre Obrigkeit aufzuhetzen, und einem mißlungenen
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Anschlage auf einige Mitglieder des Rates forderte er zur Beschwichtigung seines
Unmutes ein ungeheures Sühnegeld. Darauf zwang er den Rat, die Schlüssel zu den
Toren und Türmen der Stadt herauszugeben, imd besetzte diese Werke so lange, bis
im August 1370 Rat imd Bürgerschaft auf alle in den letzten Jahren von ihm
imd Herzog Wilhelm erwirkten Freiheiten und Gerechtigkeiten förmlich ver-
zichteten. Das schirmende Kalkbergschloß wandelte Magnus in eine Zwingveste
um. Er nahm eine starke Besatzung auf, beschaffte Wurfgeschütze und Kriegs-
maschinen, ließ das Burgtor schließen und nutzte sogar den Giebel der Kloster-
kirche zu einem Angriffswerk, indem er Erker für Geschosse imd Armbrüste
daran anbretchte.
Eins war nach solchen Vorgängen gewiß: gelang es Magnus, sich gegen
die Ansprüche der Sachsen -Wittenberger in seiner Herrschaft zu behaupten, so
war es lun die gesunde Fortentwicklung der Stadt Lüneburg vorerst geschehen.
Während nun der Rat darauf denken mußte, die Teilzahlungen des
Sühnegeldes beizubringen, kamen verschärfte Erlasse des Kaisers mit der
Mahnung, dem Braunschweiger Herzoge, der den sächsischen Fürsten wider-
rechtlich ihr Land vorenthalte, zu entsagen imd vielmehr Letzteren, als den
rechten und natürlichen Erbherren, zu huldigen. Die kaiserlichen Mandate
trafen den Rat in der empfänglichsten Stimmung. Herzog Magnus hatte seine
Gewalt mißbraucht; die Entwindung der städtischen Gerechtsame konnte leicht
als offener Treubruch aufgefaßt werden, der die Stadt ihrerseits aller Ver-
pflichtungen gegen den tyrannischen Herrn enthob. Um ganz sicher zu gehen,
hielten die Ratmannen eine Umfrage bei rechtsverständigen Herren und Marmen;
erst als die Antworten dahin lauteten, die Lüneburger möchten auf des Kaisers
Gebot mit Ehre imd mit Recht den Herzog Magnus verlassen, tat der Rat unter
kluger Benutzung von Zeit und Umständen den entscheidenden Schritt Er
sandte eine Botschaft an die Schützlinge des Kaisers und knüpfte Verhandlungen
darüber an, wie Jene sich zu den Privilegien der Stadt stellen würden, wenn
ihnen die Herrschaft Lüneburg zufalle. Das Entgegenkommen der sächsischen
Herzöge war außerordentlich groß und zeigt am deutlichsten, wie hoch sie die
Stellungnahme der Landeshauptstadt für die bevorstehenden Kämpfe um die
Erbfolge einschätzten. Unter den Zugeständnissen, die am 6. Januar 1371 in
Wittenberg urkundlich festgelegt wurden, und die eine neue Epoche in der
Geschichte der Stadt bezeichnen, befand sich die „besondere Gnade^', daß das
Haus und die Burg zu Lüneburg von Rat und Bürgerschaft gebrochen und auf
dem Kalkberge in ewigen Zeiten keinerlei Bau oder Wohnung wieder errichtet
werden dürfe.
Wie ernst es mit diesem Vorhaben gemeint war, erwies sich wenige
Wochen später. Am 31. Januar schickte der Lüneburger Rat an Magnus, der
sich in Celle aufhielt, einen Absagebrief. Am folgenden Abend, dem Abend
vor Lichtmeß, pflegte die Einwohnerschaft Lüneburgs die Vesperandacht in der
Michaeliskirche zu besuchen, weil dort zu Ehren des Reinigungsfestes Maria
reiche Ablaßverleihungen zu gewinnen waren. In diesem Jahre nun ordnete
der Rat an, daß in der Schar der Frauen und Jungfrauen, als Mägde ver-
kleidet, bewaffnete junge Burschen einhergehen, und daß sich gleichzeitig die
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Bürger unauffällig zu zweien oder dreien einfinden sollten, mit voller Rüstung
unter ihren weiten Mänteln. Eine kleine Gruppe erhielt den Auftrag, unter
irgend einem Vorwand an der oberen Schloßpforte Einlaß zu erbitten, den
Pförtner sogleich niederzumachen und, verstärkt durch die nachdrängende wehr-
hafte Menge, die Burg zu besetzen. Die List gelang. Das oberste Haus wurde
schnell besetzt, der Schloßhauptmann erschlagen und die Besatzung entwaffnet
Nach Erzählung des Chronisten kam in der Nacht darauf ein Bote des Herzogs
Magnus am f\iße des Kalkberges an. Er machte sich durch Zuruf bemerkbar,
um den Burghauptmann vor einem Überfall der Lüneburger zu warnen imd
ihm für den nächsten Tag Entsatz anzukündigen. Aber die höhnende Antwort
gab ein Bürgerposten mit Steinwurf und Büchsenschuß. Da schrie der Bote
klagend auf „o wehe, o wehe, vorlaren is de crone der herschop van Luneburch" !
Der Einnahme des Schlosses folgte unverzüglich die Zerstörung bis auf
den Grund, und für Herzog Magnus bedeutete der Verlust der Landeskrone in
der Tat den Verlust seiner Liineburger Herrschaft Aber langwierige Kämpfe
waren zu bestehen, ehe das Fürstentum ziun Frieden gelangte. Der Braunschweiger
gab keinen Augenblick die Hoffnung auf, die abtrünnige Hauptstadt wieder-
zugewinnen. Nach Verlust des KaJkberges zog er sich in sein Stammland
zurück, um hinreichende Streitkräfte zu sammeln, indes Herzog Albrecht seinen
dauernden Aufenthalt in Lüneburg nahm und dort seitens der Büi^erschaft
tatkräftige Hülfe fand. Die Geldmittel des jungen Fürsten waren nur gering,
und die ganze Last des Krieges fiel eigentlich der Stadt allein zu. Wenn es
galt, Bundesgenossen zu werben, Söldnertruppen zu mieten, Besatzungs-
mannschaften auszurüsten und zu verpflegen: immer mußte der Lüneburger
Rat aushelfen, und die städtischen Finanzen haben unter den Folgen dieser
übergroßen Inanspruchnahme lange Jahrzehnte schwer geütten.
Magnus sorgte dafür, daß er nicht vergessen wurde. Eine Abteilung
seines Heeres drang am 22. März bis in die nächste Nähe Lüneburgs vor und
brannte fast das ganze Bardewik nieder, und daß man sogar nach dem Abschlüsse
eines Waffenstillstandes, der bis ziun Martinsfeste dauern sollte, vor seinen
Anschlägen auf der Hut sein mußte, bewies die Gefangennahme einer Kriegs-
schar von 60 Mann, die im Dienste Lüneburgs gekämpft hatte und an
Braunschweig vorüber in ihre Heimat Meißen zurückkehren wollte.
Am 13. Oktober erheß Karl IV. gegen Herzog Magnus die Reichsacht,
und schon waren Truppen ausgerüstet, um unter kaiserlichem Banner gegen den
Geächteten vorzurücken. Schmerzhcher als je mußte der Herzog in dieser
Notlage den Verlust Lüneburgs empfinden. Wie, wenn es ihm glückte, die
wohl befestigte Stadt im Versehens wieder in seine Gewalt zu bringen! Der
Herzog von Sachsen hatte sich entfernt, vielleicht war die Stadt wegen der
Waffenruhe ohnehin weniger geschützt, ein kecker Gewaltstreich mochte, wenn
überhaupt, gerade jetzt gelingen. Es ist nicht überUefert, von wem der Flau,
Lüneburg nächtlicher Weile zu überrumpeln, ausgegangen ist Magnus nahm
persönlich an dem Abenteuer nicht teil. Daß aber die Vorbereitung und Durch-
führung des wohlbedachten Unternehmens nur mit seiner stillschweigenden oder
ausdrücklichen Billigung erfolgen konnte, unterliegt keinem Zweifel. Der Bruch
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des Waff enstiUstandes ist nicht eben hart zu beurteilen. Die Lüneburger Bürger-
schaft steckte wegen der Niederreißung des Michaelisklosters, das mit der
Herzogsburg ein gleiches Geschick hatte teilen müssen, im Kirchenbanne, und
diese Erwägung hätte auch ängstliche Gewissen beruhigt
Es war in der Nacht vom 20. auf den 21. Oktober, am Kalendertage
der Heüigen Ursula und der Elftausend Jungfrauen, als ein Korps von 6 bis 800
gewappneten Rittern und Knechten sich in der Niederung zwischen Kalkberg
und SiÜze, im Westen der Stadt, zusammenfand. Alle die Reisigen waren Anhänger
des Herzogs Magnus, viele aus den vornehmsten Adelsgeschlechtem des Landes.
Die Stadt war durch Wälle befestigt, aber gerade in der Mitte zwischen Kalk-
berg und Sülze, wo ein kleiner Bach, die Gumma genannt, in die Stadt ein-
mündet, scheint der Wallgürtel, auch in späterer Zeit noch, durch einen Ein-
schnitt unterbrochen gewesen zu sein. Am Festungsturm Fredeke gelang es dem
Feinde, Leitern an die Stadtmauer zu legen, und die ganze Schar kam über die
Befestigung hinweg glücklich in die Stadt hinein. Der Cbeifall war sehr behut-
sam ins Werk gesetzt, dennoch konnte er um so weniger ganz imbemerkt bleiben,
als die Lünebinrger vom Bischof von Minden gewarnt waren. Die ersten, die
sich dem Feinde entgegenstellten, waren Mitglieder des Rates; sie hatten ver-
mutlich selber auf der Wacht gestanden. An ihrer Seite kämpften die wenigen
Bürger, die schnell genug herbeieilen konnten, und unmittelbar da, wo die
„instiginge", das Einsteigen, geschehen war, fand das erste heftige Scharmützel
statt Es fielen auf städtischer Seite der Ratmann Clawes Garlop, ein Sülf-
meister und ein Bürger. Ihrer Übermacht vertrauend drangen die Ritter nun-
mehr in das Innere der Stadt vor, dem Rathause entgegen. Der Weg ging die
Salzbrückerstraße hinauf, durch die Techt, eine Strecke auf der Altstadt, dann
auf dem Meere hinab bis an den Marienplatz. Aber je lauter der Waffenlarm
erscholl, lun so schneller verbreitete sich die Schreckenskunde von der Über-
listung der Stadt, um so stärker wurde die eiligst zusammengeraffte kämpfende
Bürgerschar. Der Feind konnte nicht unaufhaltsam vorrücken, vielmehr kam
es an mehreren Stellen des bezeichneten Weges zu hitzigen Gefechten. An der
Kapelle des Benediktstiftes wurde der Ratmann Gheverd van der Molen getötet
beim St. Jürgensblock auf der Altstadt fielen ein SüUmeister und zwei Bürger,
und nun hatten auch die Herzoglichen ihre ersten schweren Verluste. Inzwischen
hatte sich ein Fähnlein rüstiger Bürger imter dem Stadthauptmann Ulrich von
Maltitz, gen. von Weißenburg, auf dem Neuenmarkte geordnet aufgestellt und
warf sich den Anstürmenden entgegen, beim Zusammenstoß nahe der Lieb-
frauenkirche wiurde Bürgermeister Hinrik van der Molen tötlich am Kopfe
verwundet
Nun begann der Morgen zu grauen — die Nacht war sehr düster gewesen —
und der Feind wurde auf dem Meere ein gut Stück zurückgedrängt. Doch die
Bürger hatten Unglück. Es galt, den Wachtposten auf der Stadtmauer eiligst
einen Befehl zu überbringen, und Bürgermeister Hinrik Viscule machte sich
persönlich auf, den gefährlichen Gang zu wagen. Vermutlich wollte er den
kürzesten Weg durch die Untere Ohlingerstraße nehmen, er geriet jedoch in die
Hände des Feindes, wurde erkannt und erbarmungslos niedergestochen. Einem
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erneuten Vorstoße des Gegners mußte die Bürgerschaft weichen, der Tod
80 vieler ihrer angesehensten Vertreter mochte eine Entmutigimg hervorrufen;
als es lichter Tag wurde, waren die Herzoglichen siegreich bis auf den Markt-
platz gelangt.
Der nächste Akt des blutigen Dramas ist in seinem Verlaufe nicht völlig
klar. Am meisten Wahrscheinlichkeit hat folgende Überlieferung für sich. Der
herzogliche Hauptmann, Siegfried von Saldem, springt auf eine der Fischbänke
und fordert die Bürger auf, die Schlüssel ziun Rathaus und zu den Toren abzu-
liefern, um weiteres unnützes Blutvergießen zu vermeiden. Der Befehlshaber
der bürgerlichen Streitkräfte stellt sich, als ob er bereitwillig auf diesen Vor-
schlag eingehe und die Mahnung zum Frieden bei den Seinen befürworte. Man
laßt die Waffen ruhen und Ulrich von Weißenbinrg reitet zwischen den Parteien
hin und her, anscheinend eifrig bemüht, die Ergebung der Stadt zu vermitteln,
in Wirklichkeit nur, um Zeit zu gewinnen. Denn während die Ritter die Türen
zum wohlgefüllten Weinkeller der Stadt aufbrechen und mancher seinen Durst
im Übermaße stillt, ordnen sich auf dem Sande die Bürger zu neuem Kampfe,
und es wird ein schlauer Plan eingefädelt, wie man mit Benutzung der Straßen-
züge die Eindringlinge am sichersten überwältigen kann. Als die Vorbereitungen
erledigt, die Bürger zur Fortsetzung des Waffenganges bereit sind, verkündet
Ulrich dem übertölpelten Feinde: von Ergebung könne nun nicht mehr die Rede
sein, erst wolle man sich ordentlich raufen — und schon rückt von den Brod-
bänken herauf die städtische Streitmacht an. So begann auf dem Marktplatze
ein neues Kampfgetümmel. Der wackere Weißenburg fiel nach verzweifelter
Gegenwehr als einer der Ersten, aber auch die Herzoglichen verloren mehrere
ihrer Führer. Ob ihre Widerstandskraft wirklich durch Trunkenheit geschwächt
war, genug, daß die Bürger die Oberhand bekamen und ihre Widersacher in die
Bäckerstraße hineindrängten. Hier sausten von allen Seiten Steine und sonstige
Wurfgeschosse aus den Fenstern hernieder, denn auch die Frauen wollten sich
in ihrer Weise an der Wahrung der städtischen Freiheit beteiligen.
Auf dem Sande blieben die Feinde eine Weile ungestört. Sie kühlten
ihr Mütchen, indem sie etliche Häuser aufbrachen und plünderten, andere in
Brand steckten. Da trat unversehens eine Verwirrung ein, vermutlich weil die
Bürger von verschiedenen Seiten her ihren Angriff wieder aufnahmen, und als
der Ruf erscholl, das Rote Tor sei offen, suchten die Herzoglichen schleunigst
jenen Ausweg zu erreichen. Die Streiter teilten sich, die einen entwichen durch
die Rote Straße, die anderen liefen die Hl. Geiststraße hinauf. Diese wurden am
Hl. Geistkirchhofe zum Stehen gebracht, und es bheben der Hauptmann
Siegfried von Saldem und sein Sohn Johann, viele wurden gefangen. Erstere
kamen nicht besser weg. Das vermeintlich offene Rote Tor war durch den Rat
wohl verwahrt, und die Geängstigten nahmen nun in wilder Flucht ihren Weg
an der Stadtmauer entlang in der Richtung auf das Sülztor und den Platz der
Instiginge. Während die verfolgenden Bürger den Fliehenden hart auf der
Ferse blieben, marschierte von St. Lamberti her eine bewaffnete Menge heran,
vom und im Rücken also drohte das Verderben. Zum Überfluß war die fortan
sogenannte Ritterstraße am oberen Ende auf Anordnung des Rates von dem
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Sülzvolke besetzt und mit Wagen fest verbarrikadiert Weitaus die meisten der
Herzoglichen fielen beim nunmehrigen Entscheidungskampfe, der Bannerherr
Heiniich von Homburg wurde gefangen genommen. Auch von der Bürgerschaft
mußte noch mancher den Tod für die Vaterstadt sterben, u. a. am Turme
„Van baven" der Ratmann Heinrich vom Sande.
Der Sieg gehörte den Lüneburgem, und nicht ein einziger von den Ein-
gestiegenen soll entschlüpft sein. Im ganzen wurden auf der feindlichen Seite
54 Tote, 522 Gefangene gezählt, Verluste, denen gegenüber die Zahl der gefallenen
Lüneburger nicht allzu erheblich war; immerhin werden fünf Angehörige adliger
Geschlechter genannt, die für die Dauer des Krieges in den Sold der Stadt
getreten waren, der Heldentod zweier Bürgermeister imd dreier Ratmannen wurde
bereits erwähnt, außerdem starben nach einer im Stadtarchiv erhaltenen gleich-
zeitigen Liste 22 „gute Bürger".
Die Leichen der Herzoglichen sollen drei Tage lang unbestattet geblieben
sein, dann wurden sie in zwei Massengräbern an der Südseite des Johannis-
kirchturms beigesetzt Von den Gefangenen wurden alle, die auf einer Liste
des Rates als Straßenräuber vermerkt waren, auf dem Marktplatze hingerichtet
Heinrich von Homburg erhielt im Februar 1372 seine Freiheit zurück, die große
Mehrzahl der Gefangenen erst beim Friedensschlüsse im Herbst des folgenden
Jahres.
Wir haben die beiden großen Ereignisse von 1371, den Fall des Weifen-
schlosses und die stürmischen Vorgänge der Ursulanacht, an dieser Stelle ein-
gehender behandelt, weniger deshalb, weil die doppelte Katastrophe für den
Verlauf des Erbfolgekrieges und die fernere Landesgeschichte von hoher Be-
deutung geworden ist, auch nicht, weil der Ruhm Lüneburgs und die Kunde
von dem mannhaften Verhalten der Bürgerschaft sich weit über die Grenzen
des Fürstentums hinaus verbreiten mußte, vielmehr in der Erwägung, daß die
Kenntnis der Waffentaten jener Zeit für das Verständnis einer ganzen Gruppe
von Kunstdenkmälem der Stadt unerläßlich ist.
Der Opfermut der in der Ursulanacht gefallenen Bürger verlangte, daß
man ihr Andenken späteren Geschlechtem in dankbarer Ehrung überlieferte.
Die vornehmsten Toten, die beiden Bürgermeister und die drei Ratmannen,
erhielten daher, jeder an dem Platze, wo er von Feindeshand bezwungen war,
einen würdigen Denkstein. Am Turme Fredeke wurde das Bildnis des Klaus
Garlop in Stein gehauen an der Stadtmauer angebracht Die Hand des
Dajgestellten trug eine zerbrochene Fahne; eine lateinische Inschrift bedeutete:
„Im Jahre des Herrn 1371 ist an dieser Stelle Herr Nicolaus Garlop getötet:
seine Seele ruhe in Frieden!" Das obere Eckhaus der Unteren Ohlingerstraße
am Meere wurde durch einen hohen Stein geschmückt, der z. Zt in der Nicolai-
kirche angebracht ist und das Bild eines in einer Nische knieenden Mannes
darstellt (Fig. 48) ; darunter standen die Worte, ebenfalls lateinisch: „Im Jahre 1371 in
der Nacht der elftausend Jungfrauen ist Heinrich Viscule hier von den Feinden
niedergestoßen. Jesu, Sohn Gottes, erbarme Dich meiner!" Ein entsprechendes
Denkmal zierte die Mauer des Langen Hofes und fraglos auch die übrigen im
Laufe der Darstellung bezeichneten Orte. Die Wappenschilder der gefallenen
j
Bürgermeister und Ratsherren wurden in der Hauptkirche der Stadt am nord-
östhchen Pfeiler des Chors angebracht, in ihrer Nähe die erbeuteten Fahnen
und andere Siegeszeichen. In der Verlängerung der nördlichen Seitenschiffe zu
St. Johannis wurde eine große Kapelle angebaut zu Ehren der Hl. Ursula imd
der elftausend Jungfrauen, deren hülfreicher Mitwirkung man den Sieg vom
21. Oktober wesentiich zuschrieb. Derselbe Tag wurde zu einem Gedenkfeste
der Stadt erhoben. In allen Gotteshäusern Lüneburgs sollte hinfort alljährlich
für die Gefallenen gebetet und von den Predigtstühlen herab auf die hohe
Bedeutung des Tages hingewiesen werden; reiche Spenden flössen aus den
Mitteln der Sülfmeister, der Kämmereikasse und privaten Stiftungen zusammen,
um am Ursulatage zur Erinnerung an die Rettung Lüneburgs unter die
Geistlichkeit, unter Arme und Kjanke verteilt zu werden. Hauptmomente der
stürmischen Zeit wurden im Bilde festgehalten. Das Lüneburger Museum besitzt
eine Bilderchronik des 16. Jahrhunderts, welche die Ereignisse von Herzog
Wilhelms Tod bis zur Instiginge auf sieben Folioblättem farbig darstellt. Das
Kostüm der handelnden Personen, der Maßstab, die ganze Auffassung des Künstlers
deutet auf ältere Vorlagen, und es ist eine plausible Vermutung des jüngst ver-
storbenen Dr. Graeven, daß diese Vorlagen in Wandgemälden zu suchen sind, die ehe-
mals einen Saal des Rathauses geschmückt haben. Von den Deckengemälden der
Rathauslaube aus dem 15. Jahrhundert zeigt das eine noch jetzt, wie Herzog Magnus
aus der Hand des Lüneburger Boten den Absagebrief entgegennimmt. Eine in Holz
geschnitzte Figur an einem Giebel der Großen Bäckerstraße dankt der Sage,
die den Kern der geschichÜichen Begebenheiten bald mit einem reizvollen
Phantasiegewande umspann, ihren Ursprung; sie verewigt das Bild des tapferen
Bäckers, der in der Ursulanacht 22 Feinde erschlug. Auf dem Johanniskirchhofe,
wo die beiden schon erwähnten Massengräber gegraben wurden, befand sich
bis ins 19. Jahrhundert hinein ein großer Leichenstein, auf dem nebeneinander
22 Striche eingemeißelt waren. Man hat die Zeichen vielfach mit der Zahl der
vom Bäcker Erschlagenen in Verbindung gebracht, wahrscheinlicher ist es, daß
sie ein Denkmal an die 22 „guten Bürger" bildeten.
Elindrucksvoller als die geschriebene Überlieferung geben alle diese Er-
innerungszeichen kimd, daß die Bürgerschaft die Abwehr der herzoglichen
Tyrannei als ihren Freiheitskrieg auffaßte — der Kampf um die Erbfolge des
Fürstentums Lüneburg bedeutet für die Stadtgeschichte ihre Heldenzeit.
Die Fehde zwischen Magnus und den sächsischen Herzogen setzte sich
nach dem mißlimgenen Überfall Lüneburgs fort, aber Magnus gewann Haupt-
stadt und Herrschaft nicht zurück. Er fiel im Treffen bei Leveste von
der Hand eines Grafen von Schauenburg, der mit Lüneburger Gelde zu Albrechts
Bundesgenossen gewonnen war. Darauf kam ein Ausgleich zustande, wonach
das Land abwechselnd von den sachsen-wittenbergischen und den braunschwei-
gischen Fürsten regiert werden sollte. Albrecht heiratete die Witwe des Herzogs
Magnus. Später begann die Fehde von neuem und wurde nimmehr zugunsten
der Weifen entschieden; Lüneburg jedoch verstand es trotz seiner Niederlage
in der Schlacht bei Winsen a. d. Aller (1388), die mit Blut und Gut erstrittene
Selbständigkeit zu behaupten und zu festigen.
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Die Tage der friedlichen Entwicklung kamen freilich nicht wieder.
„Wie das Rebhuhn unter dem Habicht", um den Vergleich eines Chronisten zu
gebrauchen, so mußte die edle Stadt Lüneburg vor Herzog Magnus, seinen
Kindern und Kindeskindem auf der Hut sein, und der große Streit, den die
Stadt im fünfzehnten Jahrhimdert durchzukämpfen hatte, der sogenannte
Pralatenkrieg, ging in seinen Ursachen bis auf die Anfänge des Erbfolge-
krieges zurück.
Wir erinnern uns, daß der Rat die Einziehung von Sülzgut mecklen-
burgischer Prälaten verhindert und dadurch den Zomesausbruch des Herzogs
Magnus heraufbeschworen hatte. So war der nachfolgende Freiheitskampf ge-
wissermaßen eine Verteidigimg der Saline gewesen, und alle Geldopfer, die
fernerhin für die Erweiterung der städtischen Gerechtsame, zumal den Ausbau
der Handelsprivilegien, für den Schutz des Gemeinwesens durch verstärkte Be-
festigungsanlagen, für Geschütze und Söldner, für Pfandschaften und Darlehen
an die Herzöge, für die kostspielige Teilnahme an einem Hansekriege und für
andere kriegerische Verwicklungen gebracht werden mußten, kamen mittelbar
oder unmittelbar dem heimischen Salzverkehr zugute. In gerechter Würdigung
solcher Sachlage steuerten die Sülzprälaten — unter diesem Titel wurden die
zahlreichen geistlichen Salinbegüterten zusammengefaßt — wiederholt erhebliche
Teilsummen ihres Reingewinnes zu den Ausgaben der Stadt bei; das hinderte
jedoch nicht, daß Lünebinrgs Schuldenlast um 1450 auf rund 600000 lüb. Mark, mehr
als 2 V2 Millionen Mark heutigen Geldes, anwuchs. Der Rat sah aus diesem auf
die Dauer unhaltbaren Zustande keinen anderen Ausweg als die erhöhte Be-
steuerung der Sülzbegüterten, die sich im Jahre 1445 verpflichten sollten, die
volle Hälfte ihrer Einkünfte, zunächst auf vier Jahre, zur Deckung der Stadt-
schulden abzuführen. Vielleicht wäre auch diesem Begehren willfahrt, wenn
nicht der Propst von Lüne, Dietrich Schaper, der als vormaliger Ratssekretar
von Lüneburg in dem Rufe stand, mit den Angelegenheiten der Stadt wohl
vertraut zu sein, gegen die Forderungen des Rates Stellung genommen und.
durch ungerechte Anschuldigungen die Mehrzahl der Sülzprälaten auf seine Seite
gebracht hätte. Als der Rat nicht säumte, gegen Schaper und seine Anhänger
vorzugehen, wurde der Propst nur um so feindseliger, und er verstand es, sich am
römischen Hofe Bundesgenossen zu erwerben. Ein Prozeßverfahren, das von
dort aus gegen den Rat eingeleitet wurde, führte im Jahre 1452 zur Verhängimg
des Kirchenbanns, und die Gesandtschaften, welche die betroffene Stadtobrigkeit
zu ihrer Rechtfertigung und zur Berufung an den päpstlichen Stuhl ausschickte,
erfuhren dort die schnödeste Abweisung. Nun griff auch der Rat zu einem Zwangs-
mittel, indem er die Salingüter der unfügsamen Prälaten bis auf weiteres einzog und
im übrigen gegen die Entscheidung des Papstes an ein künftiges allgemeines
Konzil appellierte. Da wurde im Herbst 1454 an vielen Orten des Herzogtums
und in den benachbarten Hansestädten eine Bulle Papst Nicolaus V. ange-
schlagen, die das Verhalten des Rates bedingungslos verurteilte, den Bann
erneuerte und der Lüneburger Bürgerschaft aufgab, innerhalb 30 Tagen die
bisherigen Ratmannen ihres Amtes zu entsetzen. Es fehlte in Lüneburg jener
Zeit nicht an unzufriedenen Elementen. Ein Teil der Ratsmitglieder war
-<^ 11 8^
unbeliebt, die erwähnte Kassation des Sülzgutes wurde vielfach mißbilligt, die
Einstellung alles kirchlichen Lebens schreckte die Gläubigen, auch gab es Ehr-
geizige, die einen Sitz im Ratsstuhle oder gar eine Umgestaltung des Stadt-
regiments im demokratischen Sinne erstrebten. So kam es nach dem Beispiel,
das Lübeck einige Jahrzehnte zuvor gegeben hatte, zunächst zur Bildung eines
aus 60 Mitgliedern bestehenden Bürgerausschusses, einige Wochen darauf, am
23. November 1454, zur Abdankung des alten und Einsetzung eines neuen Rates.
Die persönUche Freiheit der bisherigen Ratmannen und die Unantastbarkeit
ihres Vermögens wurde trotz eidlicher Versprechungen nicht respektiert, alle
Abgedankten mußten Einlager halten und die vier Bürgermeister in das Ge-
fängnis w^andem; einer von ihnen, Johannes Springintgud, erfuhr eine so schlechte
Behandlung, daß er nach vierteljährlicher Haft in dem nach ihm benannten
Turme verschied.
Die Amtszeit des neuen Rates, der sich in keiner Hinsicht vor dem alten
hervortat, vielmehr die Position der Stadt durch finanzielle Zugeständnisse an
den Herzog und beständige Rücksicht auf die Prälaten noch mehr schwächte,
dauerte nur zwei Jahre. Dann war das Vertrauen der Bürgerschaft erschöpft.
Auf ein kaiserhches Mandat gestützt, zwang die Gemeinde unter Mitwirkung
der zmneist interessierten Hansestädte den neuen Rat, die Privilegien der Stadt
und die Torschlüssel herauszugeben, und der alte Rat wurde feierlich in sein
Amt wieder eingeführt Der Prälatenkrieg war damit noch nicht erloschen.
Zv^ar gelang es dem Bischof von Verden am 1. August 1457, eine sog. Sülz-
konkordie aufzustellen, nach welcher die Salingüter entweder durch eine einmalige
namhafte Zahlung für alle Zeiten von der Inanspruchnahme durch den Rat
befreit oder bis zur etwaigen Ablösung mit einer entsprechenden jährlichen
Abgabe belastet wurden, aber es dauerte lange Jahre, bis alle Sülzprälaten sich
dieser Vereinbarung unterwarfen. Die Sache des alten Rates konnte erst als
gewonnen gelten, als im Dezember 1462 durch König Christian I. von Dänemark
sowie die Bischöfe von Lübeck und Schwerin ein Schiedsspruch verkündet wurde,
der den zähe verfochtenen Standpunkt der Stadtobrigkeit billigte. Nun erst
wurden die Ratmannen auch aus dem Kirchenbanne, der inzwischen so oft
erneuert und widerrufen war, daß er seine Wirkung gänzlich eingebüßt hatte,
förmhch gelöst.
Lünebiurg war auf der Höhe seiner Entwicklung angelangt Unter dem
bewährten Regiment des alten patrizischen Rates gewann die Stadt, zumal in
den letzten Regierungsjahren des greisen Herzogs Friedrich (f 1478) und in den
nächstfolgenden Jahrzehnten, als Heinrich der Mittlere noch nicht zum Manne
herangereift war, eine solche Unabhängigkeit, daß die nominell fortbestehende
herzogliche Hoheit kaum mehr in Betracht kam.
Rat und Bürgerschaft leisteten ihren fürstlichen Herrn erst dann die
Huldigung, wenn die Privilegien der Stadt von neuem anerkannt waren. Dank
diesen Privilegien besaß Lüneburg gegen eine jährliche Abschlagszahlung Exemtion
von den Landessteuern, eine ausgedehnte Zollfreiheit im ganzen Fürstentum,
wichtige Vorrechte für den Salzvertrieb und das einkömmliche Stapelrecht; der
Rat versah die hohe und niedere Gerichtsbarkeit, sorgte für den Ausbau des
2*
-^ 12 8^
bedeutsamen Lüneburger Stadtrechts, übte die Münzhoheit, schloß Bündnisse
und Vertrage mit auswärtigen Mächten und sicherte sich den Rückhalt einer
achtbaren miUtärischen Macht, die zum Teil aus der wehrfähigen Bürgerschaft
bestand, ziun Teil aus Söldnern imter berufsmäßigen EaupÜeuten. Im Bunde
der Hansestädte nahm Lüneburg den Platz ein, den es durch seine Geschichte,
seine Lage, seine weit reichenden Handelsbeziehimgen und seinen Wohlstand
verdiente. Vom Kalkberge aus wai* die erste Eroberung der slawischen Lande
durch Hermann Billung ausgegangen; ebendort hatte Heinrich der Löwe einen
Mittelpunkt seiner Macht, als er jene Gebiete für alle Zeiten dem Deutschtum
einfügte und damit die Vorbedingung schuf für die Existenz und das Gedeihen
der Ostseestädte. Lüneburg, mit der Elbe und Nordsee durch eine schiffbare
Wasserstraße von jeher unmittelbar verbunden, stand seit Eröffnung des Steknitz-
kanals (1395) in direkter Wasserverbindung auch mit Lübeck imd der Ostsee;
und als die Benutzung dieser Straße allerlei Unzuträglichkeiten zeitigte, waren
die Lüneburger kühn und hartnäckig genug zur Anlange \md Unterhaltung der
Schaalf ahrt, eines für die Holzzufuhr der Saline unentbehrlichen Kanals von der
Elbe bis in den mecklenburgischen Schaalsee, imd an Lüneburg lag es nicht,
daß dieser Kanal sein Endziel Wismar niemals erreichte. Die unmittelbaren
Handelsbeziehungen zu dem Vorort der Hanse, zu den anderen wendischen
Städten imd zu Hamburg ergaben als natürliche Folge, daß Lüneburg mit dieser
Städtegruppe beständige und nahe Fühlung hielt, die zumal in den Münzvertragen
von großem praktischen Wert war; andrerseits sah sich die Stadt territorial
mehr auf Braunschweig und Hannover angewiesen, und auch dieses Verhältnis
wurde wiederholt durch Sonderbündnisse, unter Zuziehung der anderen sog.
„overheideschen'' Städte, bekräftigt So wurde Lüneburg das berufene Bindeglied
zwischen den wendischen Seestädten und den sächsischen Binnenstädten des
Hansebundes, ein Moment, das in der Geschichte der Hanse oft und deutlich
hervortritt. Der Salzhandel Lüneburgs ist für die Betätigung des Hansebundes
von erheblicher Bedeutung gewesen. Die Wohlhabenheit der Stadt zeigte sich
darin, daß Lüneburg in gleicher Höhe wie Bremen und Braunschweig zu den
Auflagen des Bundes beizusteuern hatte.
Der politischen und wirtschaftlichen Stellung der Stadt nach Beendigung
des Prälatenkrieges entsprach die Regsamkeit ihres geistigen Lebens. War das
Gymnasium Johanneum schon 1406 gegründet, so plante man zwei Menschen-
alter später die Errichtung einer Universität in Lüneburg, und am 8. August
1471 verlieh der Kaiser Rat und Bürgern in Anerkennung ihres wissenschaft-
lichen Strebens die Gnade, eine juristische Fakultät zu begründen mit dem Rechte,
Promotionen vorzunehmen. Leider schweigen sich die Quellen darüber aus, an
welcher K3ippe das Unternehmen in letzter Stunde noch scheiterte. Lüneburg
ist die einzige Stadt der Braunschweig-Lüneburgischen Lande, die schon im
fünfzehnten Jahrhundert eine Druckerei in ihren Mauern hatte.
Im sechzehnten Jahrhundert, als die Machtfülle der weltlichen Fürsten
auch im Lande Lüneburg erstarkte, bUeben schwere Konflikte zwischen den
Herzögen imd ihrer übermächtigen Hauptstadt nicht aus. Dank der treuen
Stütze, die der Rat wie von alters an der Bürgerschaft besaß, gelang es jedoch,
H>nJ 13 8^
wenn auch nur unter großen Geldopfem, die Privilegien der Stadt nicht nur
aufrecht zu erhalten, sondern durch die käufliche Erwerbung der heizoglichen
Vogtei (1576) noch zu erweitem. Eine vorübergehende Trübung des guten
Einvernehmens zwischen Rat und Bürgerschaft hatte die Reformationsbewegung
im Gefolge, die sich im ganzen doch ohne nachhaltige Störungen, insbesondere
ohne Schwächung der eigenartigen kirchlichen Selbständigkeit der Stadt, vollzog. *
Die evangelische Lehre gelangte zum Siege im Jahre 1530; an der maßvollen
Überleitung der alten in die neuen Verhältnisse gebührt ein großes Verdienst
Urbanus Rhegius, dem Verfasser der Lünebiu:gischen Kirchenordnung.
Zweifellos ist „das glänzendste Jahrhundert der Welt" die glänzendste
Periode auch in der Vergangenheit Lüneburgs gewesen. Aber der Boden, der
auf allen Gebieten wirtschaftlichen Lebens das üppigste Wachstum erzeugte,
ließ an Fruchtbarkeit doch schon bedenklich nach, lange bevor der dreißigjährige
ICrieg seinen verheerenden Gang antrat. Während die heimische Fürstengewalt
inuner kräftiger emporstieg, ging es mit dem hansischen Städtebunde allmählich
aber unaufhaltsam abwärts, und schlimmer als die Verschiebung des Welthandels
niachte sich der Umstand fühlbar, daß die Sülze, die Hauptquelle des Wohl-
standes der Stadt, infolge verschärfter Konkurrenz, nicht minder der Teuerung
des Brennmaterials und mancher anderen Umstände nicht imstande war, ihre
Leistungen auf der alten Höhe zu behaupten. Wieder geriet die Stadt in
Schulden, die aus den laufenden Mitteln nicht zu bestreiten waren, die Bürger-
schaft mußte mehrfach mit außerordentlicher Beihülfe einspringen, und wieder
erwachte eine Afißstimmung gegen das Ratsregiment, gegen dessen aristokratische
Zusammensetzung eben vor Ausbruch des großen Krieges eine lebhafte Agitation
anhub. Die nächste Folge war eine Ei^änzung des Rates durch fünf bürgerliche
Mitglieder im Jahre 1619, und der regierende Herzog war bei der Neugestaltung
der Dinge mit seiner Vermittlung, die seinen Einfluß nur stärken konnte, gern
und gleich zur Hand gewesen.
Von den Schrecknissen des dreißigjährigen Krieges ist Lüneburg nicht
verschont geblieben. Die Stadt galt als wohl befestigt, der Zufluß einer zahl-
reichen schutzsuchenden Landbevölkerung hatte jedoch den Ausbruch der Pest
zur Folge, die in kaum drei Jahren, von 1625 — 27, sechs- bis achttausend
Menschen dahinraffte. Der Handel stockte, zumal das Salz fand so geringen
Absatz, daß von den 54 Siedehäusem der Saline zeitweise nur 15 im Betrieb
waren; das Land ringsum wurde weit und breit verwüstet, die Lieferung von
Proviant an kaiserliche und antikaiserliche Truppen wollte nicht aufhören,
namhafte monatliche Kontributionen in bar, vom Dezember 1627 — 36 allein
an Tilly 118000 Taler, schwächten das Vermögen der Bürgerschaft auf das
äußerste. Als im Jahre 1636 Sturm imd Plünderung durch ein schwedisches
Belagerungsheer mit 34000 Talern abgekauft werden mußten, reichten die vor-
handenen Barmittel nicht mehr aus; Gold, Silber und Geschmeide wurden ein-
gesammelt, und ein Teil des Ratssüberschatzes für 4500 Taler nach Hamburg
verkauft. . Folgenschwerer jedoch als all dieses Ungemach wurde die Aufnahme
einer schwedischen Besatzung am 14. August des letztgenannten Jahres. Nach
allem was voraufgegangen war, mußte sie der Stadtobrigkeit als unabwendbar
->*8 14 g^
erscheinen, dennoch gab sie den Anlaß, daß die Mehrheit der Bürgerschaft, die
wie schon bemerkt dem gewiß nicht mehr einwandsfreien patrizischen Regiment
unmutig gegenüberstand, sich vom Rate lossagte und den Herzog geradezu auf-
forderte, in die Angelegenheiten der Stadt abermals einzugreifen. Am 7. September
1637 kapitulierte die schwedische Besatzung des Kalkberges unter dem Obersten
* Stammer vor den Truppen des Herzogs Georg, am 13. Dezember desselben Jahres
wurde das Ratskollegium nach einer Untersuchung seiner bisherigen Tätigkeit
des Amtes enthoben. Zwar erfolgte am 21. Mai 1639 die Wiedereinsetzung, da
der Interimsrat, ganz wie im Prälatenkriege, es nicht vermocht hatte, der
wachsenden Zerrüttung des städtischen Haushalts abzuhelfen, aber der Rezeß,
der an jenem Tage von den beiden Herzögen Friedrich und Georg im Kloster
Lüne ausgefertigt und von der Stadt anerkannt wurde, bedeutete nichts weniger
als den endgültigen Sturz der hergebrachten Stadtverfassung und die Preisgabe
der privilegierten Sonderstellung Lüneburgs, der „angestammten uralten Erb-
und Landstadt", wie sie von den Herzögen fortan mit Recht genannt werden
konnte. Von den neun Artikeln des R^ezesses, die sich sämtlich mehr oder weniger zu-
gunsten der fürstlichen Landeshoheit aussprechen, ist für die Ohnmacht des Rates
am bezeichnendsten der fünfte, nach welchem der Kalkberg, da er „vorhin nicht
gebührlich verwahret", der Stadt, die sich seit der Zerstörung des Weifenschlosses
in seinem Besitz behauptet hatte, wieder genommen wurde und in die Hand
der Herzöge zurückkehrte, zu dem ausgesprochenen Zweck, ihn zu befestigen.
In der Tat, Lüneburg hat sich als selbständige politische Macht nicht
ferner betätigen können, die äußere Geschichte der Stadt fällt weiterhin zusammen
mit der des Fürstentums. In wirtschaftlicher Beziehung hatte das Gemeinwesen
am Ausgang des dreißigjährigen Krieges keineswegs den tiefsten Stand erreicht.
Mit der Ausbeute der Saline ging es, teils mit, teils ohne Verschulden der Be-
teiligten, immer weiter bergab, bis im Jahre 1799 eine Umgestaltung des gesamten
veralteten Betriebes von Grund aus vorgenommen wurde. Lüneburg behielt im
18. Jahrhundert und in den ersten Dezennien des neunzehnten größere Bedeutung
nur als Stapelplatz und durch ein ausgebildetes Speditionswesen. Eine der Haupt-
handelsstraßen vom Norden in das innere Deutschland führte über Lüneburg.
Die Waren erreichten die Stadt auf dem Wasserwege, um von hier aus auf
Frachtwagen weiterbefördert zu werden, und manch einträglicher Gewinn ergab
sich aus diesem mehr oder weniger lebhaften Durchgangsverkehr, der in der Periode
zwischen den Friedensschlüssen zu Basel und Luneville, imoi die Wende des
18. Jahrhunderts, einen letzten achtbaren Aufschwung nahm. Das deutlichste
Bild von dem Rückgang des wirtschaftlichen Lebens seit Beginn des dreißig-
jährigen Krieges gewähren die Bevölkerungsziffern. Im Jahre 1620 hatte Lüne-
burg nach Jürgens 14000 Einwohner, 1680 nur noch 11000; im siebenjährigen
Kriege, der der Stadt nebst anderen Drangsalen eine mehrmonatliche Besetzung
durch die Franzosen unter dem Herzog von Richelieu brachte (1757), ging die
Zahl von 9400 auf 8500 zurück, und von den 2148 Wohnhäusern standen am
Ausgange des Krieges 243 leer.
Kaum begann die Einwohnerschaft, sich von den „hochbeschwerlichen,
nahrlosen" Zeiten etwas zu erholen, als das Jahrzehnt der französischen Fremd-
-*4 15 8^
herrschait die kargen Hülfsmittel der Stadt völlig aussog. Um so jubelnder
wurde das verhaßte IJoch abgeschüttelt, als die Preußen und Russen zur Be-
freiung herannahten. In den Straßen Lüneburgs und vor den Toren der Stadt
erstritten die Verbündeten am 2. April 1813 ihren ersten glorreichen Sieg.
In der unvergleichlichen modernen Entwicklung der deutschen Städte,
wie sie im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts eingesetzt hat, ist
Lüneburg nicht zurückgeblieben, obgleich seine Bevölkerung kein so rapides
Wachstum aufweist wie etwa im benachbarten Harburg. Die Einwohnerzahl
betrug im Jahre 1815 rund 11000, um 1860 war der Stand von 1620 wieder
erreicht, 1880 fanden sich 19000 Seelen, und am 1. Dezember 1905 wird die
Zahl 26 000 überschritten sein. Den veränderten Verkehrsverhältnissen hat
Lüneburg sich sehr glücklich angepaßt, denn im großen Eisenbahnnetz bildet
die Stadt einen wichtigen Knotenpunkt, wahrend die Ilmenau als Wasserstraße
ihren Wert behalten hat —
Versuchen wir, mit wenigen Strichen auch.die inneren Zustände der Stadt innere
bis zum Beginne ihres Verfalls zu kennzeichnen. Zustände.
Die Einwohnerschaft war nach ihrer überwiegenden Mehrheit von Haus
aus langobardisch-sächsischer Abkunft, und die heimatliche Landschaft, zumal
das umliegende Gebiet des Bardengaues, lieferte in erster Linie auch die Ein-
wanderer, die im 13. und 14. Jahrhundert das Lüneburger Bürgerrecht erwarben
imd in der Stadt ansässig wurden. Der Kern der Bevölkerung, die Bürgerschaft,
gliederte sich in ihren oberen Schichten in drei Stände, die Sülfmeister, die Brauer
und die Kagelbrüder. Die Sülfmeister, d. h. die Eigentümer oder die Besieder
der Sülzpfannen, bildeten das Patriziat der Stadt und vermieden es, sich mit den
anderen Ständen zu vermischen. Noch zu Anfang des 17. Jahrhunderts wurden
Lüneburg und Nürnberg als die einzigen deutschen Städte gerühmt, in welchen
die „virginitas patriciae dignitatis" sich ungeschwächt erhalten habe. Die Sülf-
meister hatten einen entsprechenden Vorrang vor ihren Mitbürgern dadurch, daß
der Besitz von Sülzgut oder die Besiedung einer Sülzpfanne seit Anbeginn der
Lüneburger Stadtverfassung die Vorbedingung für die Ratsfähigkeit war. Die
Besetzung der Ratsstellen, deren Zahl in der älteren Zeit schwankte, seit etwa
1300 die 24 m'cht mehr überstieg, geschah durch Kooptation auf Lebenszeit.
Das Ratskollegium mit vier Bürgermeistern an der Spitze war das Organ der
Stadtgemeinde für alle Zweige der Verwaltung, eingeschlossen die Gesetzgebung,
die obere imd niedere Rechtssprechung, die militärische Führung mit der Für-
sorge für die Sicherheit der Stadt, die Vertretung der Gemeinde nach außen hin.
Die ungemein vielseitigen Geschäfte wurden in der Weise geführt, daß je zwei
Ratmannen für einen bestimmten Zweig der Verwaltung abgeordnet wurden.
Beispielsweise gab es im Jahre 1386 je zwei Kämmerer, Richter, Weinherren,
Bierherren, Vorsteher für den Gästeschoß, für den Marstall, für das Bauamt und
das Ziegelhaus, für den Pram und die Holzhude, für die Hospitäler, für die
Kirchen von St. Johannis und St. Cyriak, für die Weide, für das Badewesen,
außerdem je zwei Ratmannen als Beigeordnete der zwölf Innungen. Die
Ämter wurden alljährlich neu besetzt. Zwölf Ratmannen pflegten in den
Urkunden aufgeführt zu werden, die durch das Stadtsiegel beglaubigt
wurden;*) es waren die „consules actu regeotes", die jeweilig regiereodea Rat-
mannen unter zwei regierenden Bürgermeistern, deren einer daa Wort fährte.
Waren die Befugnisse der Stadtobrigkeit in der ältesten Periode durch den herzog-
Uchen Vogt beschränkt, so kam die Amtsgewalt des Rates in der Blütezeit der
Stadt, als im zielbewußten Streben ein fürstliches Hoheitsrecht nach dem andereo
erworben war, einer völlig unabhängigen Regierung gleich. Aus der Reihe der
Sülimeister wurden naturgemäß auch die höheren Beamten der Saline gewählt,
der oberste unter ihnen, der Sodmeister, und die mit polizeilichen Befugnissen
ausgestatteten Barmeister, insbesondere Vorsteher des Hauses, in welchem die
Sulzpfannen gegossen wurden.
Ihrer beherrschenden Stellung entsprechend, genossen die Salzjunker
nach außen hin wie innerhalb der Stadtgemeinde eines hohen Ansehens, und
die Bürgerschaft schenkte ihrer Obrigkeit volles Vertrauen. Wiederholte
Versuche der Fürsten, gegen den Rat Stimmung zu machen, schlugen fehl So
heißt es im Jahre 1436 in einem Antwortschreiben der Qilden und Einwohner
an die Herzöge Otto und Friedrich: „Wir habmi unsem ehrhchen Rat, der sich
um sotane Sachen zu bekümmern pQegt und uns gleich wie sich selbst schützt
... So ist es zur Zeit unsrer Vorfahren gebalten, und Lüneburg hat dabei
bislang mit Gottes Hülfe seinen Bestand gehabt" Ein gegen den Rat gerichteter
Beschwerdebrief Heinrich des Mittleren (1517) an die Werke, Qilden und ganze
Gemeine von Lüneburg wurde uneröffnet dem Rate übergeben, bei dem sie,
*) Das Stadtsiegel wurde nm 1250 erneuert, ohne dafi wesentliche Verlnderongei»
der Zeichnung vorgenommen würen; wir sehen in beiden Siegelbildero und anch im Stadt-
Flg. 1. Dai Blegal der 8Udt LDneboTK-
sekret ein dreitUrmiges Stadttor mit dem Wappenschild des FUratentnms LUnebni^
offenen Torbogen.
-^ n %^
die Adressaten, „als ihrem Haupte in der Stadt mit Leib und Gut zu bleiben
gedächten." Von Aufstanden und Unruhen, wie sie Braunschweig, Anklam,
Stralsimd, Lübeck und andere Hansestädte schon im 14. Jahrhundert heim-
suchten, blieb Lüneburg bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts ganz verschont,
UQd als der Prälatenstreit mit der Niederlage der Aufrührer endete, saßen die
Patrizier fester im Sattel als je zuvor. Der Einfluß der Sülfmeister wurde
erhöht durch ihren Reichtum. Der Anteil an der Ausbeute der Saline vererbte
sich von Geschlecht zu Geschlecht imd sicherte dem Inhaber eine feste Ein-
nahme, die bedeutend war, so lange die wertvollen Handelsprivilegien der Stadt
Gültigkeit behielten. Eine Ansprache, die einer der hervorragendsten Lüneburger
Burgermeister, Nikolaus Stoketo, im Jahre 1484 an den herzogUchen Kanzler
und seine Rate richtete, gibt davon Zeugnis. Der Bürgermeister weist stolz
darauf hin, daß hierzulande die Städte ein gut Teil kraftvoller seien als
etwa im inneren Deutschland; durch Gottes Gnade gäbe es in Lüneburg über
30 namhafte Bürger, deren jeder eines Grafen Gut besitze; damit lasse sich zur
Not schon etwas ausrichten. Daß die alten Ratsgeschlechter, wenn das Wohl
oder Wehe der Stadt es erheischte, sich unbedenklich zu schweren persönlichen
Opfern bereit fanden und durchweg ausgezeichnet waren durch einen hohen
gemeinnützigen Sinn, ließe sich durch zahlreiche Beispiele bis in die Zeit der
deutschen Freiheitskriege hinein belegen. — Es erscheint nur natürUch, daß, wo so-
viel Wohlhabenheit herrschte, auch die Pflege der Kunst tatkräftige Förderung
fand. Der weitberühmte Lüneburger Ratssilberschatz besteht in der Hauptsache
aus Geschenken, welche die Stadt von ihren Patriziern erhalten hat, imd wir
wissen, daß es imter den Lüneburger Goldschmieden nicht an Meistern fehlte,
die imstande waren, derartige Aufträge mit vollendeter Kunst auszuführen. Die
Wappenschilder der ehemaligen Ratsfamilien begegnen in den Straßen der
Stadt vielerorts noch heute, und das Äußere und Innere ihrer Wohnhäuser läßt
noch jetzt erkennen, wie feinsinnig sie sich auf das Leben und leben lassen
verstanden haben. Die Söhne dieser Häuser erhielten nsich dem Besuch der
lateinischen Schule und der Universität den Abschluß ihrer Erziehung auf
großen Auslandsreisen, der beste Schutz der künftigen Machthaber gegen jede
Kirchturmspohtik. Die Sülfmeister hielten sich dem Adel gleich und vsrurden
als EdeUeute anerkannt; Eheschließungen mit den altadeUgen Geschlechtern
des Landes waren nichts Seltenes. Ein kaiserliches Adelsdiplom holten erst die
jüngeren Familien ein, ziuneist im 17. Jahrhundert. Rittermäßig war auch das
äußere Auftreten der Salzjunker. Sie übten sich in Waffendienst und Turnieren,
und niemand vnnrde in den Kreis der Sülfmeister aufgenommen, der nicht zuvor
die Kope geführt hatte. Der Tag der Kopefahrt in der Fastnachtszeit war das
vornehmste Belustigungsfest der Stadt. In langem Festzuge mit Musikanten,
Spaßmachern, allegorischen Gestalten und allerhand Mummenschanz ritten die
prächtig gekleideten Sülfmeister durch die Straßen, in ihrer Mitte der neue
Sülfmeister auf einem feurigen Hengst, der vor ein mit Steinen gefülltes Faß,
die sog. Kope, gespannt war imd offenbar nur durch einen gewiegten Reiter im
Zaum gehalten werden konnte. Auf einem freien Platze der Saline war ein
mächtiger Holzstoß errichtet; hier wurde das Faß unter dem Jubel des Sülz-
3
-^ 18 H-
Volkes verbrannt, dann begaben sich die Herren als Gäste ihres jungen Genossen
zum üppigen Einführungsmahl. Die letzte Kopefahrt, in einem gleichzeitigen
Aquarell des Lüneburger Museums dargestellt, hat im Jahre 1629 stattgefunden.
Viele der alten Ratsgeschlechter sind schon im 15. Jahrhundert im
Mannesstamme ausgestorben, die Hoyer, Dicke, Abbenborg, Grabow, Springintgud,
Sodmester, Hout, von Braunschweig, von Erpensen, von Sankenstede; andere
folgten im 16., zumal um die Mitte des Jahrhunderts, nach, als wollten sie den
Niedergang der Stadt nicht mehr erleben: die ScheUepeper, Lange, Viscule,
Gaxlop, van der Molen; im 17. Jahrhundert erloschen die Familien Schomaker,
Düsterhop, Semmelbecker, im 19. Jahrhundert die Töbing und Stöterogge, und
bis zur Gegenwart haben sich von den ehemaligen Patrizierfamilien nur erhalten
die von Brömbse, von Dassel, von Döring, von Laffert und von Witzendorff.
Anzeichen des Verfalls, Verschwendung, Übermut imd Ausschweifungen, be-
gannen erst gegen Ausgang des 16. Jahrhunderts unter den Sülzjimkem sich
breit zu machen, wie es zu gehen pflegt, gerade dann, als die Vermögensver-
hältnisse mit den überspannten Lebensansprüchen nicht mehr Schritt hielten.
Es war der Anfang vom Ende, aber auch dieses noch ist bezeichnend dafür,
was der Patrizierstand für Lüneburg geleistet hat: mit dem Sturz des aristokra-
tischeUiRegiments war auch die Freiheit und Selbständigkeit der Stadt unwieder-
bringlich dahin.
Im Vergleich zu den Sülfmeistern hatten die Brauer und Kagelbrüder
nur geringe Bedeutung. In wichtigen Angelegenheiten, zumal bei den außer-
ordentUchen Geldbewilligungen, konnte der Rat nicht umhin, die Bürgerschaft
um ihre Meinung zu befragen, und wiederholt kam es zur Bildimg von mehr
oder weniger langlebigen Bürgerausschüssen. Wir haben Grund anzunehmen,
daß solche Ausschüsse sich vorzugsweise und seit dem ausgehenden 16. Jalir-
hundert wohl ausschließlich zusammensetzten aus Mitgliedern des w^ohlhabenden
Brauerkollegiums und aus Kagelbrüdem — diese so genannt nach ihrer Kapnze,
ihres Zeichens Kaufleute im weiteren Sinne. Sprecher der Bürgerschaft war um
1580 der Chronist Jürgen Hammenstede, der Ältermann der Brauergilde.
Merkwürdig genug hatten die übrigen Güden und Zünfte in Lüneburg
keinerlei Anspruch auf Teilnahme an der Stadtverwaltung, bis sie durch den
Rezeß von 1639 als vierter Stand anerkannt wurden und nunmehr ihre Vei^
treter zur Mitberatung wichtiger städtischer Angelegenheiten abordneten. Es wäie
sehr verfehlt, daraus den Schluß zu ziehen, daß Handwerk und Gewerbe im
mittelalterlichen Lüneburg geringere Bedeutung gehabt hätten als in Städten
mit demokratischer Verfassung. Eher ist das Gegenteil der Fall. Die Be-
tätigung der Berufsgenossenschaften war auf ihrem eigensten Gebiete vielleicht
mn so wirksamer, je weniger sie durch poUtische Ränke gestört wurde. Wie
Lüneburgs Zunfturkunden in ihrer reichen Mannigfaltigkeit beweisen, war das
Zunftwesen daselbst vom 13. bis ins 17. Jahrhundert außerordentlich entwickelt.*)
Als die ersten hatten sich die Krämer, Hoken, Bäcker, Pelzer, Schuster,
*) Vcrgl. Bodemaniiy Die älteren Zunfturkunden der Stadt Lüneburg (Quellen und
Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, Band I), Hannover 1883.
->^ 19 8^
Knochenhauer, Gerber, Schmiede, Kannengießer, Weber und Schröder zu einer
Innung zusammengeschlossen; hinzu kamen die Goldschmiede, die Riemen-
Schneider und Beutler, die Tischler, die Maler und die Glaser. Letztere drei
Gewerke waren lange Zeit in einer gemeinsamen Innung vereinigt, 1524 trennten
sich von den |Tischlem oder Kuntormakem die Maler und Glaser, und diese
wiederum lösten ihren Bund im Jahre 1595. Nur die Mitglieder einer Innung
hatten das Recht, Waren zur Schau auszulegen. Zu Ämtern oder Gilden waren
außer den Brauern und Kagelbrüdem die Bader, Gewandschneider, Garbrater,
Böttcher, die Schiffer (Böter- und Eichenschiffer, Enterlöper und Haberführer),
Barbiere, Seiler, Hutmacher, Zimmerleute, Maurer, Rotgießer, endlich die
Stell- imd Rademacher zusammengetreten. Mit den gewerblichen Interessen
waren die religiösen Bedürfnisse eng verknüpft. Alle diese Genossenschaften
hatten bis zur Reformation ihren Schutzheiligen und zu dessen Verehrung
einen eigenen Altar, wenn nicht eine besondere Kapelle in einer der
Stadtkirchen.
Von den rein geistlichen Brüderschaften war die vornehmste imd reichste
der Kaland, der regelmäßige Andachtsübungen in der Johanniskirche abhielt,
daneben aber eine rege Geselligkeit im nahen Kalandshause pflegte. Der Kaland läßt
sich bis ins 13. Jahrhundert zurück verfolgen, seine Auflösung geschah 1532.
Die Stadtobrigkeit, kraft ihres Bestätigungs- und Aufsichtsrechtes jeder-
zeit befugt, in die Wirksamkeit der einzelnen Korporationen einzugreifen,
verstand es, eine Harmonie herzustellen zwischen genossenschaftlicher Freiheit
und staatlicher Einheit. In wirtschaftlicher Beziehung ließ sich der Rat eben-
sosehr die Sorge für die Lebensfähigkeit der Produzenten angelegen sein wie
das Wohl der Käufer und Konsumenten. Charakteristisch in letzterer Hinsicht
sind die Artikel der ZunfferoUen über die Meisterprüfungen, wovon einige Bei-
spiele hier am Platze sind. Wer (seit 1400) in das Werk der Goldschmiede
Aufnahme finden wollte, mußte drei Meisterstücke unter Aufsicht anfertigen,
1) einen durchbrochenen goldenen Pingerring mit Drachenköpfen, 2) ein Paar
eingelegte („amlegerte") Dolchringe mit Schwibbogen und Tierchen darin, 3) eine
eingelegte Verlobungsspange mit eingegrabener Schrift. Auch vom Maler wurden
drei Meisterstücke verlangt (1595): erstiich eine hölzerne Schüssel aus geputztem
Golde, zum anderen eine in Ölfarbe auf eine Tafel gemalte „histori", fünf Quartir
hoch und eine Elle breit, zum dritten eine Landschaft von Wasserfarben,
anderthalb Ellen breit und eine Elle hoch. Ein angehender Maurermeister wurde
von den Bauherren geprüft; er mußte mit dem nötigsten Hülfspersonal persönlich
einen neuen Giebel aufführen, ein Kellergewölbe ziehen, eine Kammer auf-
mauem oder etliche Gewölbe schließen (1570). Wer sich als Tischler (snitker)
selbständig machen wollte, hatte im Hause des Ältermannes aus eigenem Holze
ebenfalls drei „Stücke Werkes" herzustellen, nämlich ein viertüriges Schapp mit
doppelten Fugen, in der Mitte eine auf beiden Seiten gefaßte Klappe für Schenk-
geschirr („schenkeschyve"), ein durchgezogenes Gesims („dorgetagen wyntberch'')
mit Distellaub beschnitzt und eine mit Füßen versehene Truhe (1498). Was
an solchen Arbeiten erhalten ist, zeugt am besten von der hohen technischen
Ausbildung der alten Lüneburger Innungsmeister.
3*
-^ 20 H-
Wichtig für die Unabhängigkeit und Sicherheit der Stadt war die Pflicht
der Zünfte, für die Verteidigung der Wälle und Mauern und erforderlichenfalls
für den Schutz der Straßen einzutreten.
Das Büd, das wir uns von der Einwohnerschaft der vorreformatorischen
Städte zu machen haben, gewinnt seine eigenartige Färbung durch das starke
Kontingent der Geistlichkeit, deren Vertreter nicht zu den Bürgern gehörteiL
Ihre Zahl war auch in Lüneburg recht erheblich. An den Kirchen und KapeUen
neben dem Hauptgeistlichen die große Schar der Vikare und Benefiziaten, dazu
an Ordensgeistlichen die Benediktiner von Sankt Michaelis, die Barfüßer des
Liebfrauenklosters und die Prämonstratenser vom Kloster Heiligental. Die Be-
deutung der Ritterfamilien, die gleichfalls außerhalb der Bürgerschaft standen,
trat nach der Zerstörung des Kalkbergschlosses stark zurück; lebhaftere Be-
ziehungen des Landadels zur Stadt ergaben sich erst nach Umwandlung des
Michaelisklosters in eine Ritterakademie (1655). —
Denkmäler. Nichts ist geeignet, die einzelnen Epochen in der Entwicklung Lüneburgs
besser zu illustrieren als die im nachfolgenden versuchte Geschichte der hervor-
ragendsten Baudenkmäler der Stadt.
Der ersten großen Blütezeit, dem 14. Jahrhundert, entstammt das Gottes-
haus von St. Johannis mit seinem weit über die Heide hinwegschauenden Turm.
Die Kirche schHeßt den größten Platz der Stadt, den Sand, im Osten ab und
ist bis auf den heutigen Tag der beredteste Ausdruck für den Bürgerstolz und die
Kraft der Generation, die in der Straßenschlacht von 1371 für die Freiheit der
Vaterstadt ihr Blut vergoß. Hinter St. Johannis, als der Hauptpfarrkirche, war
die Bedeutung der ältesten Pfarrkirche St. Cyriak am Fuße des KaJkberges schon
vor Ausbruch des Erbfolgekrieges so sehr zurückgetreten, daß ihre Preisgabe
nach der Zerstörung der Herzogsburg offenbar kein sonderliches Opfer darstellte.
Längst hatte sich das Schwergewicht Lüneburgs nach der Ilmenau verschoben.
In der Nähe des Neumarktes wurde in der ersten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts die Nicolaikirche erbaut, auch sie nach einem höchst imposanten Bau-
plan, der freilich niemals auch nur annähernd zur Ausführung gelangt ist Die
Vorwehen des Prälatenkrieges mußten sich für das Fortschreiten des Baues um
so hemmender fühlbar machen, als in eben jener Zeit auch das Michaeliskloster
samt der zugehörigen Kirche unter opferwilliger Mitwirkung der Bürgerschaft
von Grund aus neu erstand. Von der Eigenart Lüneburgs als der Salzstadt und
der beherrschenden Stellung des Salzwerkes in ihrem Wirtschaftsleben zeugte die
Lambertikirche, die zur Saline in den engsten Beziehungen stand und deren
Turm im 15. Jahrhundert in gleicher Höhe wie der von St Johannis
emporragte.
Sehen wir von den Kapellen ab, so sind andere städtische Gotteshäuser
fernerhin nicht entstanden. Da^ erklärt sich zimi Teil durch die ungewöhnliche
Ausdehnung der Johanniskirche, zum Teil gewiß auch dadurch, daß der Pralaten-
krieg eben gegen die Geistlichkeit bis hinauf zum Papst durchgefochten werden
mußte. Als der Sieg endlich errungen war, säumte man nicht, dem Bürgermeister
Springintgud zu St. Johannis ein ehrenreiches Begräbnis zu sichern und über
seiner Ruhestatt eüie prunkvolle Kapelle zu errichten, aber der Monumentalbau^
-^ 21 8^
der diese Periode städtischen Aufschwungs recht eigentlich zum Ausdruck bringt,
ist nicht eine Kirche, sondern ein Profanbau, das Rathaus der Stadt. In der
Ratslaube mit dem kleinen Archivgewölbe und der Alten Kanzlei, in der Kör-
kammer, dem Furstensaal, im Kämmereigiebel und auch im Büchsen- oder
Glockenhause sind uns die Denkmäler der Zeit von etwa 1460 — 1500 überliefert,
und welche Pergamenturkunde wüßte uns so anschaulich den Geist und das
hohe künstlerische Vermögen des damals blühenden Geschlechtes vor Augen
zu führen!
Die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts hat den Renaissancemittelbau
des Rathauses mit der Großen Ratsstube Gerd Suttmeiers und Meister
Alberts von Soest nebst den allegorischen Gemälden Daniel Frese's geschaffen,
und wie haben Auftraggeber und Künstler es verstanden, auch in diesem einzigen
Räume ihrem Wohlvermögen, ihrem vollendeten technischen Können, ihrem feinen
Kunstgeschmack ein bleibendes Denkmal zu setzen!
Die letzte bauliche Leistung der Stadt vor dem großen Kriege war die
Wiederherstellung der gotischen Rathausfassade mit ihren „fünf Türmen", d. h.
einem mittleren Glockenturm und je zwei seithchen Fialen, wie alte Lüneburger
Stadtansichten sie uns vorführen. Naich hundert Jahren bedurfte die Fassade
einer abermaUgen Emeuenmg, die nach VoUendung des benachbarten, von
Georg Wilhelm für die Herzogin Eleonore d'Olbreuse erbauten Schlosses in An-
griff genommen und in den Formen, wie sie imganzen bis heute erhalten sind,
im Jalire 1720 fertiggestellt wurde. Gegen die Mitte des 18. Jahrhunderts ist
das Kaufhaus entstanden, da es sich als notwendig erwies, für den zunehmenden
Durchgangsverkehr weitere Lagerräume zu schaffen, als das alte Kaufhaus sie
bieten konnte; für die Zeit bis zur Vollendung des Baues sollte das einstöckige
Außenkaufhaus südlich der Warburg dienen. Zu anderen Neubauten fehlte
den beiden Jahrhunderten des Niederganges das Bedürfnis, mangelten noch mehr
die Mittel. Nicht einmal daß man die von den Vätern ererbten Bauwerke vor
dem Verderben schützen konnte. Im Jahre 1801 wurde die Kirche des Prämon-
stratenserklosters Heiligental auf Abbruch verkauft, 1818 die zum ehemahgen
Franziskanerkloster gehörige Marienkirche niedergelegt; im Jahre 1839 ver-
schleuderte man die wertvolle Rüstkammer als altes Eisen, 1860 verkaufte der
Magistrat die Lambertikirche ebenfalls auf Abbruch, und das nämliche Schicksal
drohte fast imabwendbar auch der Nicolaikirche. Der letzte beklagenswerte
Schritt auf dieser Bahn war die Veräußerung des bis dahin durch alle Fährnisse
glücklich geretteten Ratssilberschatzes, dem keine andere Stadt des deutschen
Vaterlandes Gleichwertiges an die Seite zu setzen hatte. Nach einem ein-
heUigen Ratsbeschlusse vom 5. November 1476 sollte keines der zur Ehre der
Stadt dem Rate geschenkten Kleinodien von Silberwerk jemals wieder ver-
äußert, verschenkt oder weggegeben werden, vielmehr sollten alle Stücke zu
ewigen Zeiten auf dem Rathause bleiben, es wäre denn, daß der Rat imd die
Stadt durch die äußerste Not gezwungen würde, sie anzugreifen. Zweifellos
würde dieser Beschluß auch nach vier Jahrhunderten noch respektiert sein,
wenn man ihn maßgebenden Orts gekannt hätte. Bedauerlicherweise war mit
den Bauwerken der Stadt auch das Stadtarchiv in Verwahrlosimg geraten und
-^ 22 8^
niemand war da, der als Hüter der axchivalischen Schätze jenen Ratsbeschluß
seiner Vergessenheit entziehen und ihn für die Erhaltung auch des Silberschatzes
hätte geltend machen können. Der im Jahre 1850 durch das Verdienst
W. F. Volgers gegründete Altertumsverein hatte nach kurzer lobenswerter Wirk-
samkeit sein Arbeitsfeld brach liegen lassen, als sein Gründer die lange be-
wahrte geistige Spannkraft unter der Last des Alters allmählich doch einbüßte,
und der Museumsverein für das Fürstentum Lüneburg konstituierte sich erst am
4. Februar 1878, vier Jahre nachdem die Ratskleinodien in das Berliner Museum
für Kunst imd Gewerbe überführt waren.
Kein so vollständiges Bild des Auf- und Absteigens der Stadtgeschichte ge-
währen Lüneburgs Privatbauten. Nur wenige Bürgerhäuser mit rein gotischer
Fafisade sind erhalten, imd eines der ältesten imter ihnen, Am Sande 53, ist streng
genommen als städtisches Gebäude zu bezeichnen, da es ursprünglich als einer
der drei von Ratswegen verpachteten Hamburger Bierkeller diente. Die an-
sehnlichsten Privatbauten Lüneburgs entstammen dem zweiten und dritten
Viertel des 16. Jahrhunderts, und das ist ebenso bezeichnend wie die Tatsache,
daß auch in der Folgezeit, bis in den dreißigjährigen Krieg hinein, und wiederum
in der Zeit von etwa 1740 bis 1800 noch manches ansehnliche Bürgerhaus
entstanden ist. Wir ersehen daraus die Bestätigung dafür, daß der Wohlstand
Lüneburgs seine höchste Blüte im 16. Jahrhundert erreichte, seitdem be-
trächtlich abnahm, aber nach einem Aufschwung im 18. Jahrhimdert erst unter
dem Druck der Fremdherrschaft ganz dahinschwand.
Seit Gründung des Museumsvereins ist auch in der an Kunstaltertümem
immer noch reichen Heidestadt für die Denkmalpflege viel geschehen. Davon
zeugt das im Jahre 1891 eröffnete Museumsgebäude mit den reichen Sammlungen
des Museumsvereins, dem im Januar 1904 unter dem Vorsitz des Oberbürger-
meisters ein zweiter Verein an die Seite getreten ist, mit der besonderen Auf-
gabe, die Baudenkmäler der Stadt zu schützen. Nach Wiederbesetzung der seit
dem Tode des verdienten Lüneburger Geschichtsforschers Johann Heinrich
Büttner (1746) nicht mehr fachmännisch versehenen Stelle eines Stadtarchivars
ist 1899 auf dem Boden des ältesten Gebäudes der Rathausgruppe, unter
Schonung des ältesten Mauerwerkes der Stadt, ein neues Archivgebäude errichtet
Es birgt neben etwa 20000 Originalurkunden und einem beträchtlichen Bestand
an Akten, Stadtbüchem imd kostbaren Handschriften, u. a. die Münzstempel
der Stadt, die Siegelstempel der Innungen und, was hier zumeist interessiert,
eine bemerkenswerte Fülle von Zeichnungen imd Plänen zu baulichen und
anderen Kunstwerken aus Lüneburgs Vergangenheit. Manch neuen zuverlässigen
Anhaltspimkt hat das Archiv zu den nachfolgenden geschichtlichen Einführungen
gegeben, aber zu reich fließt der Born, als daß wir erwarten dürften, ihn ganz
erschöpft zu haben. Jedes Jahr der fortschreitenden Ordnungsarbeiten wird
ergänzenden Aufschluß bringen — das sei vorweg gesagt, ehe wir das zusammen-
fassen, was die Forschung zurzeit mitteilen kann.
I. Kirchen, Kapellen und
Stiftungen.
Die Michaeliskirche.
Quellen: Chronicon Sancti Michaelis Luneburgensis ed. Weiland, Monumenta
Germaniae, Scriptores XXm. 391 — 99 ; Chronicon Lnneburgicum vemacula Saxonum inferiornm
dialecto ed. Leibniz, SS. Brunsvicensia illu^tr. ni. 172 ff. ; de fnndatione qvaniDdam Saxoniae
ecclesiarnm (ib. I. 260 f.); Necrologium monasterii Sancti Michaelis ed. Wedekind, Noten zu
einigen Geschichtschreibern des deutschen Mittelalters lEL 1 ff. (vergl. daselbst I. 403 ff.,
n. 267 ff.) ; Johannis Buschii libri IV. de reformatione monasteriomm complurium per Saxo-
niam (Leibniz, 1. c. in. 852 ff.) ; LUneburger Urkundenbuch, herausgegeben von W. y. Hoden-
berg, 7. Abt, Urkundenbuch des Klosters St. Michaelis zu Lüneburg (bis 1500); Gebhardi,
Collectanea (Kön. Bibl. zu Hannover) Bd. I, V, VI u. a.; Sudendorf, Urkundenbuch zur
Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg, 10 Bände, 1859 ff.
Literatur: Bertram, Das evangelische Lüneburg oder Kirchen-Historie der Stadt
Lüneburg (1719); Gebbardi, J. L. L., Dissertatio secularis de re literaria coenobii
S. Michaelis (1755) ; Gebhardi, L. A., Kurze Geschichte des Klosters St Michaelis in Lüneburg
(verfaßt 1771, veröffentlicht 1857); Manecke, U. F. C, Kurze Beschreibung ... § 3 bzw.
Topographisch-historische Beschreibungen S. 8 ff. (daselbst in den Anmerkungen ausführlicher
Nachweis über die ältere Literatur); Wedekind, Noten I. 224 ff., U. 60 ff., 286 ff., 326 ff.);
V. Weyhe-Eimke, Die Achte des Klosters St Michaelis zu Lüneburg (1862); Volger, Die
Kirchen in Lüneburg (Lüneburger Johannisblatt 1857 bzw. Lün. Blätter S. 115 ff.) ; Wrede,
Einführung der Reformation im Lüneburgischen (1887) S. 146 ff.; Mithoff, Kunstdenkmale
und Altertümer im Hannoverschen (1871), IV. 157 ff.; Görges, Die Schulen des Michaelis-
klosters in Lüneburg, I. Die Ritterakademie, U. Die Michaelisschule (Jahresberichte des
Johanneums zu Lüneburg 1901 u. 2); Hosmann, Sigismund, Fürtreffliches Denck-Mahl der
Göttlichen Regierung, bewiesen an der . . . GtUdenen Tafel ... (5. Aufl. 1718); Graeven,
Die drei ältesten Handschriften im Michaeliskloster zu Lüneburg (Zeitschrift des Historischen
Vereins für Niedersachsen 1901, S. 276 ff.); derselbe, Heinrichs des Löwen siebenarmige
Leuchter (ib. 1902, S. 449 ff.).
Die Geschichte der aus einer Klosteranlage hervorgegangenen Michaelis- Geschichte,
kirche läßt sich von der vielbewegten Geschichte dieses Klosters nicht trennen.
Um 950 entstanden, ist das Michaeliskloster eine Gründung Hermann
Billungs und seines Bruders Amelung, Bischofs von Verden. Es lag auf dem
->^ 24 «--
Kalkberge, unterhalb der herzoglichen Burg, mit dieser durch eine besondere
Befestigung geschützt. Nach alter Überlieferung ist der Stiftung des Michaelis-
klosters eine ähnliche Stiftung voraufgegangen, denn schon der Ludolfinger
Otto, Vater König Heinrich I., soll im Jahre 906, gemeinsam mit Bischof
Wikbert von Verden aus Wittekinds Stamm, „auf dem Berge von Lüneburg"
ein Kloster für Wühelmiten, sog. „witte papen" des Augustinerordens, errichtet
haben.
Hermann Billung sicherte der jungen Gründung die wertvolle Gönnerschaft
des sächsischen Königs- imd Kaiserhauses. Die älteste Urkimde mit dem
Namen Lüneburg enthält eine Schenkung Otto L für das zu Ehren des Heiligen
Michael erbaute Kloster: die dort dem Herrn dienenden Kleriker erlangen zum
Seelenheil des Königs und der Königin freie Verfügung über den Lüneburger
Salzzoll (956). Wenige Jahre später (959 April 9) zog der König das gesamte
Eigengut eines aufsässigen Großen ein — Höfe, Häuser, Hörige, Land und
Äcker, Wiesen und Weiden, Wald und Gewässer — und schenkte alles „dem
Heiligen Michael und seiner in Lüneburg erbauten Kirche^', welch letztere in
ihrer Urgestalt damals also schon bestanden haben muß. Zwei andere
Schenkungsurkunden Ottos sind aus seiner Kaiserzeit, beide vom 1. Oktober 965
und bis auf den entscheidenden Satz fast wörtlich gleichlautend. In der einen
gewährt der Herrscher „den Brüdern in Lüneburg, die Gott und dem Heiligen
Michael dienen", den fünften Teil des Marktzolls daselbst, in der anderen den
zehnten Teil seiner Zollerträge aus Münze und allen anderen Nutzungen in
Bardewik. Endlich verfügte Otto (967), daß auch die Hälfte vom Nachlaß de«
Grafen Wichmann, eines Neffen Hermann Billungs, dem Kloster in Lüneburg
zufallen solle.
Als Erbauer des Klosters wollte Herzog Hermann auch darin begraben
werden. Es geschah nach Überfühnmg seiner Leiche aus Quedlinburg „in
medio monasterio", richtig verstanden „mitten in der Klosterkirche", wo er
mitsamt seüier Gemahlin HUdegard ehrenvoll beigesetzt wurde. Seinem Beispiele
sind sämtliche Nachfolger billungschen Stamms und mit wenigen Ausnahmen
auch die Lüneburger Herzöge aus weifischem imd sächsischem Geschlecht
gefolgt, St. Michaelis zu Lüneburg wurde für ein halbes Jahrtausend das
Mausoleum des regierenden Herzogshauses.
Was Hermann Billung begonnen, baute sein Sohn Benno (973 — 1011)
mit gleichem Eifer aus, nicht aber ist die Ansicht stichhaltig, daß Er erst das
Michaehskloster begründet habe. Diese Ansicht stützt sich vomehmUch auf die
dem Vorstehenden in keiner Weise widersprechende Erzählung des Chronisten,
daß Herzog Bernhard es war, der aus dem Panthaleonskloster in Köln a. Rh.
einen frommen Mann mit Namen Lüder als Abt berief und damit die Ordens-
regel des Hl. Benedikt zur Einführung brachte. Herzog Bennos Beisetzung
erfolgte in der Krypta vor dem Marienaltar, neben ihm ruhte sein Bruder, Graf
Lüder. Bernhard IL (t 1059) fand vor dem Kreuzaltar seine letzte Ruhestätte;
mitten in der Klosterkirche wurde Herzog Ordulf (f 1071) mit seiner Gemahlin
Wulfhilt, einer Tochter Olav des Heiligen von Norwegen, beigesetzt, und auch
der letzte männliche Sproß billungischen Geschlechts, Magnus (f 1106), nebst
-«-8 25 8^
seiner Witwe, Sophie von Ungarn. Einige der lateinischen Grab- und Denk-
inschriften, insbesondere die auf Herzog Hermann und seine beiden Sohne, sind
uns im Wortlaut überliefert*)
Merkwürdig spät erst soll die Einweihimg der Klosterkirche geschehen
sein, nämlich mehr als hundert Jahre nach erfolgter Stiftung. Man wird jedoch
annehmen müssen, daß uns der Weiheakt nur für ein jüngeres, vermutUch
erweitertes Gotteshaus überliefert worden ist, das an Stelle eines älteren erbaut
wurde; erscheint es doch wenig glaubhaft, daß die Weihe deshalb so lange
versagt geblieben sei, weil Hermann Bülung im Kirchenbanne gestorben war.
Die ünterkirche, die am 12. März 1048, zur Amtszeit des Abtes Albuin, eingeweiht
wurde, sollte zu Ehren der Dreifaltigkeit und des Heihgen Kreuzes dienen;
außer dem Hochaltar für die Jungfrau Maria wird ein Gregor- und Ambrosius-
altar an der Südseite, ein Gecilienaltar an der Nordseite erwähnt. Nach
acht Sommern, am 1. Oktober 1055, vollzog Bischof Sigibert von Verden die
Weihe der oberen Kirche, wieder zu Ehren der Dreifaltigkeit, des heiligen Kreuzes
imd der Jungfrau Maria, Namenspatron aber und Schirmherr des Hochaltars
blieb der Erzengel Michael, der „Fürst der himmlischen Heerschar", dem die
Apostel Petrus und Paulus und der erste Märtyrer, Sankt Stephanus, als Patrone
des Altars rechts vom Hochaltar bzw. des Nordaltars zur Seite gestellt wurden.
Im Verein mit der BiQungischen Herzogsburg hielt das Kloster die östliche
Grenzwacht für das Deutschtum und Christentum, da war gewiß nicht ohne
tiefere Bedeutung derjenige zimi obersten Schutzheiligen gewählt, dessen Bild
den Kriegern derzeit als Siegesbanner vorangetragen wurde. Ein vierter oben
schon erwähnter Altar wurde zu Ehren des heiligen Kreuzes und des
EvangeUsten Johannes geweiht.
Hören wir von den Königen fränkischen Stammes nicht, daß sie für das
Benediktinerkloster in Lüneburg irgend ein Interesse gezeigt hätten, so erfreute
sich die Billungerstiftung der besonderen Gunst Kaiser Lothars von Supphnburg.
Als dieser im Mai 1134 mit Tochter und Schwiegersohn in Lüneburg weilte,
besuchte er auch den Abt Anno und bestätigte die Verleihung vom zehnten Teil
des Markt- und Münzzolls zu Bardewik. Beim nächstjährigen Besuche gewährte
er dem Abt, der seinen Herrscher bald darauf nach Italien begleitete, bedeutsame
Vergünstigungen, um dadurch „mannigfaltigen Nöten" der Lüneburger Kirche
abzuhelfen. Zahlreiche Abteilehen waren in die Hände von Freien gelangt; der
Kaiser gab sie dem Kloster zurück mit der Anheimgabe, daß künftig kein Abt
irgend ein Benefizium an einen Nichtministerialen verleihen dürfe (Bestätigung
Otto des Kindes 1225). Die Pflichten und Ansprüche des Klostervogts wurden
genau umgrenzt; er hatte dreimal jährlich zu Gericht zu sitzen, und unter keinen
Umständen sollte ein Untervogt ihn vertreten, wohl aber wurde er angewiesen,
auf Wunsch des Abtes einen genehmen Sendboten zu ernennen, um nach An-
ordnung des Prälaten der Familia des Klosters Recht zu verschaffen. Kloster-
leute soUten weder mit Einquartierung noch mit Auflagen, Beden oder Gespann-
dienst belastet werden, die Ministerialen des Klosters, deren Schar sich aus den
*) Wedekind, Noten lU, 107 ff.
->^ 26 8^
angesehensten Geschlechtem von Stadt und Land zusammensetzte, desselben
freien Rechts genießen, wie des Kaisers eigene Ministerialen.
Verursachte die Elroberung Lüneburgs durch Albrecht den Bäxen dem
Kloster keine nennenswerte Einbuße, so konnte es nicht ausbleiben, daß die
große Zeit Heinrich des Löwen der frommen Stiftung auf dem Kalkberge manchen
Gewinn brachte. Von den Äbten jener Periode finden wir namentlich Marquard
(1158—70) sehr häufig in der Umgebung des Herzogs, auch wenn dieser nicht, wie
er es damals mit Vorliebe tat, in Lüneburg Hof hielt. Abt Bertold nahm an
der Pilgerfahrt Heinrichs nach Palästina teil und fand unterwegs seinen Tod.
Auf Geschenke des Herzogs werden wir noch zurückkommen. Die Bestätigung
des Markt- und Münzzolls von Bardewik, die der Herzog vom Kaiser Friedrich
erwirkte (1172), verlor mit der Zerstörung der alten Handelsstadt (1189) unerwartet
schnell ihre Bedeutung, ein Verlust, der sich doppelt fühlbar machte, weil die
Bestätigung statt eines Zehntels der Zollerträge ein Fünftel überwiesen hatte.
Auf ein Aufblühen des Klosters deutet die Erbauimg einer Kapelle nahe der
Herzogsburg, die am 13. Dezember 1157 durch den Verdener Bischof, ebenfalls
zu Ehren der Hl. Dreifaltigkeit und der Jimgfrau Maria, unter dem Namen
Jacobikapelle geweiht wurde, jedoch der besonderen Verehrung des Ordensstifters,
des Hl. Benedikt, vorbehalten war. Ein Hospital zum Hl. Benedikt soll schon
drei Jahrzehnte früher gestiftet sein, imd es ist zu vermuten, daß die Kapelle
mit dem Hospital verbunden wurde. Auch die Gründung des Klosters der Bene-
diktinerinnen in Lüne erheischt an dieser Stelle eine Erwähnimg, da sie von
einem Mönch des Michaelisklosters ausging und von den Äbten, zumal den beiden
letztgenannten, tatkräftig gefördert wurde. Die Lüner Pröpste wurden bis
zum Jahre 1270 dem Mönchskonvent von St. Michaelis entnommen, ein Aus-
druck der Abhängigkeit, in welcher das Nonnenkloster ein Jahrhundert hindurch
verharrte. In jene Periode gehört auch die Weihe eines Apostelaltars, der auf
persönliches Verwenden Herzog Heinrichs errichtet und am 20. Juni 1179 geweiht
wurde, endlich die am nächsten Tage folgende Einweihung einer vom Kloster
abhängigen Marien- und Johanniskapelle auf dem Kalkberge, wohl einer Burg-
kapelle, über die sonstige Nachrichten nicht vorliegen.
Von den Söhnen Heinrich des Löwen erhielt Wilhelm das Allodium
Lüneburg, und das enge Verhältnis des Fürstenhauses zum Schloß und Kloster
auf dem Kalkberge, das durch des Vaters lange Abwesenheit und seine Bei-
setzung im Dom zu Braimschweig gelockert zu werden drohte, war damit wieder-
hergestellt Durch Wilhelms Vermittlung erneuerte Papst Innocens IIL dem Abte
von St. Michaelis die Befugnis, Gewänder für den Gottesdienst einzusegnen und
an hohen Festtagen eine Bischofsmütze, die Infula, zu tragen (1205), ein Vorrecht,
das die Lüneburger Äbte schon früher besessen aber durch die Mißgunst einer
ungenannten regierenden Frau verloren h^^tten. Wilhelms Begräbnis erfolgte
nach altem Brauch mitten in der Klosterkirche (1213). Deren romanische Gestalt
bewährte sich nicht als sonderlich lebenskräftig. Wie die Schenkung einer Salzrent«
durch Herzog Johann (f 1277) und die Ablaßbriefe zahlreicher Erzbischöfe
und Bischöfe von 1280/86 bekunden, waren die Klostergebäude damals schon
in hohem Maße emeuerungsbedürftig. Die Herstellung, mehr ein Neubau von
-^ 27 8^
Grund aus, wurde unter den Auspizien Herzog Otto des Strengen und seiner Gemahlin
Mechtild von Bayern in Angriff genommen, wie der Chronist sagt „nicht ohne
große Anstrengungen und Ausgaben des Abtes und seiner Mönche, mit den
frommen Gaben von Rittern und Knappen und anderen guten Menschen'^ Um
den Bau in den gewünschten Verhältnissen diu:chführen zu können, wurde im
Jahre 1301 durch eine Ablaßverheißung des Bischofs von Ratzeburg noch einmal
die öffentliche Mildtätigkeit aufgerufen und Bonifaz VIII. inkorporierte dem
Kloster zur Erhöhung seiner Einkünfte die Pfarrkirchen zu Bergen, Dahlenburg,
Gerdau, Hittbergen, Nahrendorf und Veersen (1302).
Im Oktober 1303 war die Krypta („sive capella") unter dem Chore so weit
gediehen, daß sie eingeweiht werden konnte. Sie enthielt drei Altäre und wurde
der Jungfrau Maria gewidmet; der Mittelaltar umschloß die heiligsten Reliquien
des Klosters, unter anderem Haar und Stücke vom Gewand Maria; der zweite
und dritte Altar .gehörte allen heiligen Jungfrauen bzw. allen Bischöfen imd
Bekennern. Die Weihe der Oberkirche begann am 18. September 1305 und
nahm drei Tage in Anspruch. Am ersten wurde das Kirchengebäude und der
Hochaltar geweiht, zu Ehren des Hl. Michael, an den beiden nächsten Tagen
die übrigen acht Altäre. Das Fest der Kirchweihe büeb auch fernerhin dem
Remigiustage (Oktober 1) vorbehalten, an welchem das alte Kloster im Jahre 1055
seine Weihe empfangen hatte; seither hatte sich die kirchliche Feier mit dem
großen Lüneburger Michaelismarkte zu fest verknüpft, als daß man auf die
Vorteile einer solchen Verbindung hätte verzichten mögen.
Die neue Michaeliskirche sollte gar nur zwei Menschenalter den Kalk-
bei^ zieren. Der kriegerische Ausbruch des in der Einleitung dargelegten Erb-
folgestreites führte nicht nur zur Beseitigung der herzoglichen Burg (1371 Februar 1),
sondern auch zur Abtragung des Benediktinerklosters, war doch die hochgelegene
Klosterkirche zu einer offenkimdigen Gefahr für die Sicherheit der Stadt dadurch
geworden, daß Herzog Magnus sich nicht scheute, den Giebel des Gotteshauses
zu durchbrechen, ihn mit Erkern zu versehen und diese durch Geschütze und
Armbrüste für den Angriff herzurichten. Wurde aber das Herzogsschloß als
Zwingburg nach Kriegsrecht zerstört, so erfolgte die Entfernung des Klosters
zweifellos weniger gewaltsam. Schon wochenlang vor der Einnahme des Kalk-
berges bestand auf selten der Bürgerschaft der Plan, den Mönchen von der
Burg im Innern der Stadt einen Bauplatz für ein neues Münster anzuweisen,
und ob nun der derzeitige Abt, Johann von Schlepegrell, sich mit der Verlegung
des Klosters sogleich aussöhnte oder nicht, gewiß ist, daß ihm Zeit genug
gelassen wurde, wertvolle Mobilien und den gesamten Klosterschatz in Sicher-
heit zu bringen. Eine Glocke vom Jahre 1325, die Meister Olricus gegossen
hatte, ein hervorragendes Stück mittelalterlichen Erzgusses, wurde herunter-
genommen imd später im neuen Kirchturm wieder aufgehängt; das Taufgefäß
desselben Meisters wurde ebenfalls gerettet,*) auch wird ausdrücklich berichtet,
daß die Kleinodien des Klosters, zumal die Reliquien in ihren kostbaren Behältern
und andere für den Gottesdienst gebrauchte Prunkstücke, femer die Rechts-
*) Mithoff gibt 8, 165 nach Gebhardi eine Abbildung nnd Beschreibung der Döpe.
4*
■^ 28 H-
Urkunden, Privilegien, Briefe, Bücher und sonstige Wertobjekte in gute Obhut
genommen wurden. Schwerlich hätte man es auch gewagt, den Frieden der
Fürstengruft durch rohe Gewalttat zu stören. Die fürstlichen Gebeine wurden
mit großem Kirchengepränge in feierücher Prozession in die nahe Gyriakskirche
überführt, um dort bis zur Vollendung der neuen Michaeliskirche ihren Platz zu
behalten, und der Zeitpunkt, an welchem die Überführung von statten ging, ist
vielsagend genug: es war um Mitte Juni, ja erst am Laurentiustage, dem
10. August, soll die letzte Messe auf dem Kalkberge gelesen sein — die Ab-
tragung der Bauhchkeiten hatte also Monate gedauert, und die Nachricht, daß
das Kloster am 1. Februar zugleich mit der Burg demoliert worden sei, ist
unhaltbar.
Immerhin mußten sich Abt imd Konvent mehrere Jahre hindurch ohne
ein eigenes Heim behelfen. Sie fanden Unterkunft im verwandten Ordenskloster
zu Lüne und in Lüneburger Bürgerhäusern. Erst am 25. November 1373 hatte
sich der Sturm des Krieges soweit beruhigt, daß die Herzöge Albrecht und
Wenzel von Sachsen- Lüneburg, im Namen auch der Braunschweiger Herzöge
Friedrich und Bernhard, und wie sich versteht im vollen Einvernehmen mit Rat
und Bürgerschaft von Lüneburg, die förmliche Übertragung eines neuen Bau-
geländes vornehmen konnten. Der neue Bauplatz hieß „die hohle Eiche" (de
hole Eek) und lag innerhalb der neuen Stadtmauern unweit der alten Bloster-
siedelung östlich am Fuße des Kalkberges; er wurde dem Benediktinerkonvent
abgaben- und lastenfrei unwiderruflich ausgeantwortet, und seitens der Herzöge
wurde eine Bausumme von 100 Mark reinen Silbers hinzugefügt; zugleich erhielt
das Kloster alle den Herzögen als Patronen der Gyriakskirche gebUebenen Rechte
als Ersatz für die verlorene Schloßgemeinde.
Mit der Beschwichtigung kirchlicher Bedenken, vielleicht auch mit dem
Entwurf der Baupläne und Beschaffung des Baumaterials vergingen abermals
mehrere Jahre; erst am 14. Juli 1376 vollzog Bischof Heinrich von Verden die
feierUche Grundsteinlegung. Drei Jahre später war die Kxypta vollendet, die
man mit ihren drei Altären dem Muster der alten Kluft nachbildete. Von der
größeren Krypta wird schon 1394 eine kleinere unter der Sakristei gelegene
Krypta mit einem Marienaltar unterschieden, bald auch eine Abtskapelle imter
dem Hochaltar (1412); ihre Entstehung ist w^ohl dem Bedürfnis nach mehreren
Sakristeien zuzuschreiben, da die Kluft bis zur Fertigstellung der oberen Kirche
von den Mönchen als eigentliches Gotteshaus benutzt wurde. Der Einzug in
die Klostergebäude geschah im Sommer 1388. Von der oberen Kirche wurde
zunächst die vordere, nach Osten liegende Hälfte in Angriff genommen und
deren Einweihung mit dem Hochaltar und einem Marienaltar auf dem Chor
am 10. August 1390 ausgeführt. Das offizielle Kirch weihfest behielt seine
Verbindung mit dem Michaelismarkte, es soUte tauch fernerhin zw^ar nicht am
1. Oktober, wohl aber am ersten Sonntage nach Michaelis, also einem annähernd
gleichen Termine, begangen werden (Erlaß des Verdener Bischofs von 1408
September 13). Nach einer Pause von 19 Jahren erst wiu'de der Bau fortgesetzt
und nun in einem Dezennium zu Ende gebracht; am Tage der Oberführung des
Hl. Benedikt, am 11. Juli 1418, stand das Gotteshaus bis auf den Turm
->^ 29 8^
vollendet da. In den nächsten hundert Jahren wurde die Kirche durch zahl-
reiche Kapellen mit neuen Altären mannigfach ausgestaltet, in welcher Weise,
darüber gibt der 6. Band der Gebhardischen Sammlungen manchen, hier zu
weit führenden Aufschluß. Über die Leitung und technische Ausführung des
Baues liegen nur dürftige Angaben vor. Am 12. März 1379 nahm der Kloster-
konvent einen gewissen Hinrik Bremer als Maurermeister an,*) der seine Be-
zahlung vom „Baumeister^' des Klosters empfing, einem der Kapitularen.
L. A. Gebhardi weiß mitzuteilen, daß der Lüneburger Rat (1376) die Bau-
ausführung übernommen, zwei Ratmannen, Henrich Sothmeister und Brand
von Zerstede, zu Aufsehern ernannt und zur Herstellung der Steine den Ziegelhof
vor dem Altenbrücker Tore angelegt habe, Nachrichten, die nicht genügend
verbürgt und an sich unwahrscheinlich sind. Es gibt urkundliche Belege dafür,
daß das Einvernehmen zwischen dem Klosterkonvent und dem Rate in den
nächsten Jahrzehnten nach Wegräumung des alten Klosters keineswegs ungestört
war, die Verstimmung der durch den Gewaltakt der Bürgerschaft angeblich um
30000 Goldgulden geschädigten Mönche mochte doch nachhaltiger wirken, und
gerade der Neubau gab Anlaß genug zu allerlei Konflikten. Am 16. und
17. Oktober 1406 wurde unter Vermittlung der Äbte von Uelzen und Schamebeck,
des Hamburger Dekans Werner Miles sowie der Pröpste von Ebstorf, Lüne
und Medingen Friede geschlossen. Bürgermeister und Ratmannen verpflichteten
sich, an erster Stelle die Portführung des Klosterbaues nach bester Möglichkeit
zu fördern, während Abt und Konvent ihrer Bautätigkeit zugunsten eines
Anfsichtsrechts der Stadtobrigkeit allerlei Beschränkungen auferlegten. Das
Kloster war jenerzeit noch nicht völlig ummauert, aus den Vertragsartikeln
ergibt sich, das der Rat auf der Ummauenmg bestand. Insbesondere nach
Osten hin, wo das Baugelände durch Ankäufe noch erweitert wurde, hielt der
Rat eine Mauer für wünschenswert, damit aus den Wohnhäusern der Mönche
keine Wege in die Stadt führten, und auch nach Norden wurde, wie es scheint,
nicht die kleinste Pforte genehmigt. Nach Süden hin lagen an der Straße
Klosterhäuser und Buden, die an Bürger vermietet wurden, diese wiederum
durften keinen Ausgang nach dem Kloster hin behalten, und die Fenster der
Rückfront mußten mit Gittern versehen werden, die ein Durchsteigen ausschlössen.
Allen zum Hauptbau des Klosters und zur Mauer nötigen Kalk versprach der
Rat brechen zu lassen und kostenfrei abzugeben.
Die Erbauung des groß angelegten, aber unvollendet gebUebenen Turmes
war ein Werk eines der ausgezeichnetsten Äbte des Klosters, Balduins von
Wenden (1419—41), seit 1434 zugleich Erzbischof s von Bremen. Am 21. Mai 1430
schlössen Abt, Prior, Küster und Kämmerer mit dem Bürger Hans Reinstorf
einen Vertrag ab, worin dem Letztgenannten unter Mitwirkung des Bürgers
Johann Broning die Oberaufsicht beim Bau des Glockenturmes übertragen wurde,
und durch zahlreiche Leibrentenverträge jenes sowie des nächstfolgenden Jahres
wurden nahmhafte Barmittel für den Bau beschafft Die Anlage eines be-
*) £inen „Bremere, lapicida^ erwähnt das älteste Stadtbuch z. J. 1346, ein Hinrick B.
tritt als BUrge auf 1383.
-<-8 30 iK-
souderen Ziegelhofes für die baulichen Bedürfnisse des Klosters, des sogenannten
Abtsziegelhofs, fällt in jene Zeit.
Der ganze Gebäudekomplex scheint von vornherein in denselben großen
Verhältnissen angelegt zu sein, wie sie noch heute zu erkennen sind. Von
einzelnen Häusern werden neben der Abtskurie (aestuarium 1395) erwähnt ein
besonders eingefriedigter Prioratshof (1432), die Wohnxmg des Küsters und
Schatzmeisters (1449), ein Schlafhaus für die gemeinsam wohnenden Mönche
(1412), Baderäume (Bademeister 1412, Wasserleitung 1442). Die Klostergebäude
schlössen sich an die Nordseite der Kirche an, und zwar in zwei Flügeln, die
durch ein Quergebäude rechtwinklig verbunden waren; in der Mitte lag der
IQosterfriedhof , rings vom Kreuzgang eingefaßt. Die Gesamtkosten der Anlage
müssen sehr beträchtlich gewesen sein, und es ist wohl außer Frage, daß die
Stadt wesentlich dazu beisteuerte. Die freiwillige Gebefreudigkeit war durch
päpstUche Ablaßbriefe vom April 1379 imd Mai 1400 angefeuert; durch besonders
reiche Gaben zeichneten sich aus die Mutter des Abtes Ulrich von Berfelde,
die einen Altar stiftete (1390), Johann Steenberg, ein Geistlicher, der 100 Mark
in Gold zum Bau des Turmes spendete (1430 März), ein Knappe, Henning von
Noberdenhusen (f 1441), der 90 Mark aussetzte zur Herstellung eines Estrichs
(pavimentum) in der Kirche.
Unverändert erhielt sich dasIQoster die Gunst des herzoglichen Hauses.
Auch die Herzöge von Sachsen-Lüneburg, Ktuiürst Albrecht (gest vor Eick-
lingen 1385) mit seiner Gemahlin, Katharine von Anhalt, und Kurfürst Wenzel
(t 1388) wurden nach ihrem Tode aus dem Kriegslager in die Gruft von
St Michaelis überführt. Die Herzöge Bernd und Hinrik bestätigten alle von
ihren Vorfahren, die im Münster von St. Michael „ore bigraf ghekoren" hätten,
dem Kloster erteilten Privilegien (1389 Februar 5), und Herzog Bernd erwählte
gleichzeitig in urkundlicher Form sein eigenes Grab im Michaeliskloster, „wo
seine liebe Mutter, seine Hausfrau und deren Eltern beigesetzt seien". Von
Bernhards Söhnen erwies sich .Herzog Otto (f 1446) als ein besonderer Gönner
des Klosters, er sowie seine Neffen Bernhard IL (f 1464) imd Otto (f 1471)
wurden mit ihren Frauen ebenfalls zu St. Michaelis bestattet; sein Bruder,
Herzog Friedrich der Fromme (f 1478), war der erste, der seine Grabstätte in
Celle wählte und damit die Lüneburger Fürstengruft außer Gebrauch setzte.
Erst in der Reformationszeit geriet das Kloster, das dem Eindringen der
lutherischen Lehre zimächst zähen Widerstand leistete, in einen schweren
Konflikt mit dem regierenden Herzoge, ja in große Gefahr, mit zahlreichen
anderen Erlöstem des Landes dem Schicksal der Säkularisation zu verfallen.
Gefahr drohte auch von selten der Stadtbevölkerung, denn es kam Fastnacht
1532 zur Erstürmung der lOosterkirche durch die Wollwebergesellen, nachdem
im Sommer 1530 Verordnete des Rates und des Bürgerausschusses vergebens
die Abstellung der katholischen Bräuche gefordert und den Besuch des Michaelis-
gotteshauses für alle nicht zum Kloster gehörigen Einwohner der Stadt ver-
boten hatten. Gleichwohl zelebrierte Abt Boldewin von Mahrenholtz, ein über-
zeugter Anhänger des alten Glaubens, noch am Michaelistage 1532 auf dem
Hochaltare, dessen Benutzung dem Abte vorbehalten war, eine feierliche Messe,
->^ 31 8^
um freilich im selben Jahre noch zu erleben, daß die Mehrzahl seines Konvents,
unter Führung des Priors Herbord von Holle, vor dem Kreuzaltar das Abend-
mahl in beiderlei Gestalt nahm. Wenige Tage später, am 13. Dezember, starb
Boldewin; der Schmerz über den unerwarteten Abfall seiner Klosterbrüder hatte
ihn getötet Sein Nachfolger, der bisherige Prior, hatte die außerordentlich
schwierige Aufgabe, den Fortbestand des Klosters nach zwei Seiten hin, gegen
Herzog Ernst und gegen den Lüneburger Rat, zu verteidigen. Es ist ihm
gelungen, indem er sich mit der Stadtobrigkeit gegen den Herzog verbündete
und eine Art Schutzhoheit des Rates, die er selber anrief, klug benutzte; die
Abneigung des Urbanus Rhegius gegen die Einziehung der Klostergüter imd das
Interesse des Lüneburgischen Adels an der Erhaltung der lOosterpf runden kamen
ihm dabei zu statten. ÄußerUch gelangte der Obergang zum protestantischen
Bekenntnis auch dadurch zum Ausdruck, daß der größere Teü des Konvents im
Jahre 1533 das Mönchsgewand mit „langen, ehrUchen Priesterröcken" vertauschte,
nur wenige bUeben bis an den Tod in ihrer Ordenstracht.
In der imnatürhchen Gestalt eines protestantischen Männerklosters, mit
Ehelosigkeit, gemeinsamem Leben, Gesang von Vespern und Metten, beharrte
St Michaelis bis über den dreißigjährigen Krieg hinaus, nachdem ein Versuch
des Generals Tilly, auf Grund des Restitutionsedikts den Benediktinerorden in
seinen ehemaUgen Sitz wieder einzuführen, fehlgeschlagen war (1629). Erst im
Jahre 1655 wurde die Klosterverfassung, deren völlige Umänderung einige der
Konventualen selber für notwendig hielten, aufgelöst, und Herzog Christian
Ludwig wandelte das Kloster im Einklänge mit den Wünschen der Lüneburger
Ritterschaft um in eine Schule für den ansässigen Adel des Fürstentums (Haupt-
rezeß vom 17. Oktober 1655 bzw. 7. Januar 1656). Die Ritterschule, mit
welcher die noch zu erwähnende Partikularschule Hand in Hand ging, trat an
Stelle der bisherigen inneren Klosterschule und wurde aus den vereinigten Ein-
künften der Abtei und des Klosters unterhalten. Ein Gymnasium illustre mit
erweiterten Lehrzwecken nach Art einer Universität, das unter der Gönnerschaft
des Herzogs im Jahre 1660 daneben eingerichtet und vorzugsweise für den
Besuch auswärtiger Schüler berechnet war, konnte sich nicht halten und ging
1686 wieder ein. Der inneren Umwandlung folgte der Abbruch der alten
Klosterhäuser und die Errichtung eines nach Nordosten hin ausgedehnten Neu-
baus im ersten und zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts; 1715 war das
sogenannte Akademische Gebäude vollendet, 1716 das Haus des Ausreuters,
der die Landbesitzxmgen des Klosters verwaltete. Baiuneister war Joseph
Crotogino, ein Italiener. Um 1750 wurde das dreifache Dach der Kirche herunter-
genommen und durch ein einziges ersetzt (vollendet 20. Dezember 1751), im
nächsten Jahrzehnt (1764) trug man das spitze Zeltdach des Kirchturms ab und
krönte die erhöhten Turmmauem durch die noch vorhandene Latemenkuppel.
In den achtziger und neunziger Jahren desselben Jahrhunderts wurde die
Kirche, wie noch auszuführen sein wird, im Innern all ihrer bis dahin bewahrten
hervorragenden Kxmstschätze entkleidet. Umfassende Herstellungsbauten werden
namens der Königlichen Klosterkammer seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts
ausgeführt.
-^ 32 8^
Die Aufhebung der Ritterakademie, so genannt seit 1692, erfolgte durch
Gesetz vom 6. August 1850 zum 1. Oktober jenes Jahres; das gesamte Ver-
mögen des ehemaligen Klosters wurde dem allgemeinen Hannoverschen Kloster-
fonds überwiesen.
Auf die interessanten Besitzverhältnisse des Klosters, für welche ein
reiches Urkundemnaterial vorUegt, näher einzugehen, ist hier nicht der Raam,
wir müssen uns mit einigen kurzen Hinweisen begnügen. Auch ohne urkundliche
Belege würde es einleuchten, daß das Kloster in der Nähe seines eigensten Grund und
Bodens, also auf Lüneburgischem Gebiete im engeren Sinne, sich festzusetzen
verstand. An der Ausbeute der Saline als des ältesten und ergiebigsten industriellen
Werkes der Stadt waren die Benediktiner sowohl als Pf anneneigentümer wie als
Rentner sehr wesentlich beteihgt. Nach den Ablosungsbriefen der Jahre 1458 — 75
wurden Pfannen- und Chorusanteüe des Klosters mit der ansehnlichen Summa
von mehr als 38000 lüb. Mark von dem vertragsmäßigen Jahrgelde zur Tilgung
der Stadtschulden befreit. Femer befand sich ein großer Teü des in imd um.
Lüneburg liegenden Geländes im Eigentum von St MichaeUs. Sogar auf dem
rämnlich beschränkten Plateau des Kalkberges gelang es dem Kloster, seinen
Grundbesitz zu vergrößern, indem es nicht lange vor der Zerstörung den an
die Kurie des Abtes angrenzenden Burgmannshof derer vom Berge ankaufte (1354).
Zahlreich waren die Erwerbungen im Grimm, jenem ländlich bebauten Vorort,
der sich nach Westen hin unmittelbar an den Kalkberg anlehnt und ursprüng-
lich ganz an Burgmannen vergeben war. So überließen die Schwerin dem
Kloster vier Katen daselbst, deren eine als Bordell gedient hatte („unam casam
seu kot cum suis pertinentiis in qua pulcre mulieres seu publice antea babitant
cum omni jure et proprietate^S 1343), ein Haus an der Reppenstedterstraße (1343),
ein freies Haus (1355), Haus und Hof (1362); xmd ähnliche Entäußerungen
geschahen seitens der Burgmannenfamilien Grote, Kind, von Ödeme, von Meding.
Das Vogteirecht und Servitium über das ganze klösterliche AUod im Grinun
hatte Herzog Otto schon im Jahre 1309 dem Abte Thomas verliehen, aus Dank-
barkeit für dessen Verdienste um seine Söhne. Andere Erwerbungen deuten
darauf hin, daß das Kloster bemüht war, seinen Grundbesitz über den Grimm
hinaus, zumal nach Nordwesten und Norden hin zu erweitem und abzurunden.
Als Verkäufer treffen wir auch hier zumeist Mitglieder der alten Burgmannen-
geschlechter. Für die beträchtliche Pfandsumme von 550 Mark übernahm das
Kloster im Jahre 1426 von der FamiUe vom Berge ein Gehölz innerhalb der
Landwehr bei Ocht missen, die sog. „Luthmen" samt einem wüsten Hof, dem
Luthmenhof ; nur der letztere wurde 1481 für 100 Mark wieder eingelöst Eän
anderes Klostergehölz, „des abbetes holt'' genannt, lag auf dem Zeltberge, es
wurde gemäß einem Vertrage zwischen Rat und Sülfmeistem auf der einen,
Abt und Konvent von St. Michaelis auf der anderen Seite im Jahre 1396 nieder-
gehauen ; während die Nutzung des Hauholzes gegen eine Zahlxmg von 1000 Marie:
im wesentlichen der Stadt bzw. der Saline zugute kam, bUeb der Grund und
Boden unter der Einschränkung, daß er in Ackerland verwandelt wurde, im
Eigentum des Klosters. Die Stadt nahm deshalb ein Interesse an der Entfernung
des Waldes, weil derselbe in einer voraufgegangenen Fehde den Truppen des
H>^ 33 8^
Feindes als Rückhalt gedient hatte. Auch die Kreitenkule beim Kreitenberge,
1408 an Heinrich Viskule verkauft, gehörte bis dahin dem Kloster. Weniger
beträchtlich als vor dem Neuen und dem Bardewiker Tore war der Landbesitz des
Klosters vor den östlichen und südlichen Toren der Stadt. Innerhalb des
ummauerten Stadtgebietes lag der Besitz des Klosters gleichfalls vorwiegend in
seinem engeren Bereich, in der Altstadt ein durch Vermächtnis (1344) erworbenes
Wohnwesen und zwei Burgmannenhöfe, auf dem Meere zwei der Stadt zins-
pflichtige Häuser. Die klösterlichen Haus- und Grrundrenten mögen unberück-
sichtigt bleiben; es sei nur erwähnt, daß der Lehnsinhaber der herzoghchen
Lachskule in der Ilmenau zur Fastenzeit von alters zwei Lachse an das Kloster
abliefern mußte (bestätigt 1389). Die untere Mühle an der Ilmenau, die seither
sogenannte Abtsmühle, machte Heinrich der Löwe dem Kloster am 1. November 1147
ziun Geschenk, als er in Lüneburg sein durch einen xmglücklichen Sturz vom
Tische verlorenes Söhnchen erster Ehe vor dem Kreuzaltare zu St. MichaeUs
begraben ließ. Sein Enkel, Herzog Otto, bestätigte die Schenkung und ergänzte
sie durch Übertragung der Mühlenvogtei (1234). Die Mühle befand sich im
14. Jahrhundert gegen Zinsabgabe im Lehnsbesitz der Ratsfamilie van der Molen,
wurde aber ungeachtet der Schenkungsurkunden, welche nur das Halsgericht
dem Herzoge vorbehielten, durch die herzoghchen Amtleute und Vögte mit Hof-
dienst und anderen Unpflichten belästigt, bis auf die Klage des Abtes Daniel
Herzog Wilhelm und sein Präsumtivnachfolger, Junker Ludwig, die Ansprüche
des Klosters abermals feierUch bestätigten (1365).
Noch ist einer für die geistige Wirksamkeit des Klosters bedeutsamen
herzoglichen Schenkung zu gedenken. Wahrscheinlich war mit St Michaelis
seit seinen ersten Anfängen eine Schule verknüpft für Söhne vornehmer Eltern.
Gebhardi nimmt sogar an, die Stiftung Hermann BUlungs sei eigens „zur
Er2dehung tüchtiger Missionarien imd zur Schule für wendische Kinder" ins
Leben gerufen. Gewiß ist, daß der Wendenfürst Gottschalk, der auf einem
Eroberungszuge im Jahre 1066 seinem Bekehrungseifer zum Opfer fiel, im
Kloster auf dem Kalkberge seine Ausbildung erfahren hatte („liberaUbus
erudiebatur studiis") ; dort traf ihn die Kunde von der Ermordung seines Vaters
(1032). Die Fortdauer dieser Beziehungen wird durch die Nachricht verbürgt,
daß Gottschalks Sohn, König Heinrich (f 1126) in der Klosterkirche von
St. Michael begraben wurde und Herzog Pribislav, der später auf einem Lüne-
burger Turnier ums Leben kam und neben jenem Könige seine letzte Ruhestatt
erhielt, im Michaeliskloster die Taufe empfangen hatte (1164). Auch die vier Söhne
Herzog Otto des Strengen wurden (um 1309) im Kloster erzogen. Daneben gab
es, wie sich versteht, zu St. MichaeUs eine IQosterschule im engeren Sinne,
bestimmt, für den Eintritt in den geistUchen Stand vorzubereiten. Aber auch
außerhalb des Klosters gab es eine Schule; es war die „Untere Schule" („scolae
inferiores"), so genannt nicht wegen geringerer Leistungen, etwa als Vorschule,
sondern wegen ihrer Lage unterhalb des Michaelisstifts, „vor der Burg", nach
Gebhardi am Fuße des Kalkberges, während ja das Kloster mit dem Schlosse
im Castrum vereinigt war. Die Schule war herzoghch, bis sie durch
Herzog Otto, eine Sohn Otto des Strengen, ebenfalls dem Michaeliskloster
^^ 34 ?•<-
übertragen wurde. Die Bestatigungsurkunde seines Bruders, Herzog Wilhelms,
vom 13. Januar 1353, gibt nähere Auskunft darüber. Das Kloster erhielt
danach das Aufsichtsrecht samt allen anderen bis dahin herzoglichen Rechten,
Freiheiten und Einkünften, insbesondere bekam der Abt die Fürsorge für einen
geeigneten Rektor. Aus eben jenen Einkünften — und das war die Gegenleistung
des Klosters — sollten alljährlich kirchliche Gedächtnisfeiern für die verstorbenen
MitgUeder des Herzogshauses begangen werden. Um die Ausführung dieser
Absicht zu sichern, versprach der Herzog weder innerhalb noch außerhalb
Lüneburgs eine andere öffentliche oder private Schule einzurichten oder zu
dulden, welche der Unteren Schule Abbruch tun und den Besuch des Kirchen-
chors von Seiten der Schüler schwächen könne. Ein Vertrag von 1378 belehrt
uns, daß der damalige Rektor, Herr Sander Plighe, die Schule vom Abt, Prior,
Küster und Konvent mietete und zwar auf weitere vier Jahre, gegen eine
Jahresmiete von 36 Mark; Abt und Kapitel waren verpflichtet, dem Rektor in
Ausübung seines Amtes behülflich zu sein. Die Einrichtung einer von der
Stadtverwaltung zum mindesten stark begünstigten öffentlichen Schule durch
die nach Lüneburg übergesiedelten Prämonstratenser von HeiUgental entfachte
zwischen den beiden beteiligten Klöstern einen heftigen Konkurrenzkampf, in
welchem die Benediktiner unterlagen; die Folge war die Gründung einer
besonderen Stadtschule, des Johanneums (1406). Die einstige Untere Schule
hat unter der Bezeichnung „Partikularschule", „schola maior", „Michaelisschule",
bis zum Jahre 1818 fortbestanden.
Die Besitzungen des Klosters außerhalb der städtischen Landwehr er*
streckten sich, von wenigen Schenkungen abgesehen, räumlich nicht sehr weit;
auch hier ist das Bestreben unverkennbar, das nähere Gut dem entfernteren,
zusammenliegendes dem zerstreuten vorzuziehen. KlösterUcher Besitz, Kloster-
rechte und Klosterabgaben, die durch Schenkung oder Vermächtnis, durch Kauf,
Tausch und Pfandschaft, Leibrenten- und Präbendenverträge, Brüderschafts-
verleihungen oder auf welchem Wege sonst St. Michaelis zugefallen waren, finden
sich vomehmUch im Landkreise Lüneburg, alsdann im früheren Amte Medingen
und im Landkreise Winsen. Aus den anderen Kreisen des ilegierungsbezirks
sind allenfalls die ehemaligen Ämter Bleckede und Oldenstadt zu nennen, während
die Ämter Tostedt, Soltau und FaUingbostel ganz zurücktreten und andere
überhaupt nicht in Frage kommen. Von den 78 gegenwärtig bestehenden Land-
gemeinden im Landkreise Lüneburg waren, wenn wir das EndjaJir des Urkunden-
buches von St. Michaelis, das Jahr 1500, zugrunde legen, 43, in denen das
Kloster Fuß gefaßt hatte ; von größeren Ortschaften des Bezirks schieden aus
nur der ehemals Lauenburgische Flecken Artlenburg, die Dörfer Obermarschacht,
Tespe, Avendorf (früher auch Lauenburgisch), Bütlingen und Boltersen, bis auf
das letztgenannte auffallenderweise sämtlich an der Elbe oder in nächster Nähe
des Stromes gelegen. Unter den 75 Landgemeinden des Kreises Winsen verteilen
sich Besitz und Einnahme des Klosters auf 26 Ortschaften, und es ist gewiß
kein Zufall, daß von zehn ausscheidenden größeren Dörfern wiederum genau die
Hälfte (Drage, Fliegenberg, Hoopte, Kirchwerder und Stockte) dem unmittelbaren
Eibgebiete angehört. Ähnlich ist das Verhältnis beim früheren Amte Medingen
H>^ 35 8^
im Kreise Uelzen, wo von 96 Landgemeinden an 33 das Kloster interessiert war,
was bei nur sieben unter den 125 Gemeinden des Amtes Oldenstadt nachweisbar
ist Untersuchen wir die Lage der dem Michaeliskloster irgendwie verbxmdenen
Ortschaften nach rein geographischen Gesichtspunkten, so läßt sich leicht erkennen,
daß die Klostergüter überwiegend dem Gebiete zwischen Seeve und Neetze
angehörten und das Ilmenautal stark bevorzugt wurde. Die Ilmenau hatte als
Wasserstraße noch größere Bedeutung als heute, denn sie wurde bis Medingen,
ja bis Uelzen hinauf, für den Gütertransport benutzt. Bei der Lage des Land-
besitzes von St. Michaelis um so begreiflicher, daß das Kloster darauf bedacht
war, die Schiffahrt des Flußes ungestört zu erhalten. Laut Urkunde von 1332
verpflichtete sich ein Ritter von Schwerin mit seinem Sohne, eine Mühle in
Wichmannsburg abzubrechen xmd zwischen Lüneburg und Medingen nicht wieder
aufzubauen, damit die Schiffahrt keine Behinderung erleide; im Einvernehmen
mit den Herzögen traten Vater und Sohn all ihr Recht an der Ilmenau den Klöstern
St Michaelis und Medingen ab.
Die Angaben über die gesamten Jahreseinnahmen des Klosters sind kaum
miteinander in Einklang zu bringen, auch wenn die mannigfachen Schwankungen
und Veränderungen im Besitz klar vorgeführt werden könnten. Papst Bonif az VQL
schätzte die Einnahme auf höchstens 1000 Mark reinen Silbers (1302); nach Aussage
des Abtes Werner betrugen sie nicht über 500 Talente Lün. Denare (1327), und
im Jaiu^ 1384 bekundete das Domkapitel zu Verden, das Kloster habe auch in
seiner besten Zeit niemals mehr als 41 Mark 10 Schilling Lün. Münze an Zehnten
entrichtet In jedem Falle ist die Michaelisstiftung nicht nur das älteste, sondern
auch das reichste Kloster des ganzen Fürstentums gewesen. Einkünfte und
Lasten des Klostergutes waren nach einer päpstlichen Bestatigimg von 1401
gemäß uralter Satzung zwischen Abt imd Konvent geteilt, offenbar zu
gleichen Teilen.
Klagen über Beeinträchtigung der Klosterfinanzen durch Ein- und Über-
griffe Unbefugter, Krieg und Fehde, Betrug und Entlaufen von Klosterleuten
sind häufig, und auch an Gegenmaßregeln der Päpste, Könige und Herzöge
fehlt es nicht Gregor IX. stellte in zwei Originalbullen von 1229 und 40 die
Personen und den Ort des Klosters mit allen gegenwärtigen und zukünftigen
rechtmäßigen Besitzungen unter des Hl. Petrus imd des päpstlichen Stuhles
Obhut; das gleiche tat Alexander IV. unter besonderer Betonung der Freiheiten
des Klosters (1266), desgleichen, aus besonderem Anlaß, Urban V. (1369) und
Urbaai VI. (1384); Bonifaz IX. gab den Bischöfen von Ratzeburg und Lübeck
sowie dem Hamburger Domdechanten den Auftrag, St. Michael zu Lüneburg
vor den vielfältigen Belästigungen und Unbilden geistlicher und weltlicher Macht-
haber zu schirmen (1395); Martin V. betraute den Domdechanten von Osnabrück
mit dem Versuch, die dem [Kloster entfremdeten Güter dem rechtmäßigen Eigen-
tümer zurückzugewinnen (1418). Eine umfassende Besitzbestätigung (erneuert
durch Friedrich IIL 1442) erging sodann von Kaiser Sigismund (1436), der vor
anderen Lüneburger Klöstern dem Michaeliskloster die Freiheit vom weltUchen
Gericht, von gerichtlichen Auflagen, von der Pflicht der Herberge, der Stellung
von Pferden, Hunden, Jägern, Knechten und anderen im Fürstentum Lüneburg
5*
->^ 36 8^
beliebten Servitien bei Strafe von 50 Mark feinen Goldes neu zusicherte, und
indem er die Klöster unter seinen eigenen Schutz nahm, sie zugleich dem Schutz
der Lüneburger Stadtobrigkeit anbefahl. Der jüngste kaiserhche Schutzbrief, aus-
gestellt durch Ferdinand 11., datiert vom 6. Oktober 1623.
Wesentiich für den ganzen Charakter und das Ansehen des Lüneburger
Michaelisklosters waa* die Zusammensetzung seines Konvents. Er bestand vorzugs-
weise aus Sprößlingen der im Lande ansässigen, z. T. auch auswärtigen adligen Ge-
schlechter, denen sich in geringerer Zahl Söhne aus Patrizierfamihen hinzugesellten.
MitgUeder des Kapitels im Jahre 1364 waren z.B. neben Abt xmd Prior die adligen
Mönche v. Melbeck, v. Ödeme, v. Zesterfleth, Grote, v. Remstedt, v. Broke, v. Reden,
Slepegrelle, Ribe, Schack, v.Ylten, Kind, v.Saldem, sodann Dietrich Schiltsten aus der
Lüneburger und Eggeling vame Kerckhove aus der braunschweigischen Ratsfamilie.
Die Zahl der Mönche schwankte. Nach einer Verfügung des Abtes Thomas von 1309
sollte sie einschließlich der Novizen, jedoch ausschüeßlich des Abtes 24 nicht
überschreiten. Die Wahl des Abtes, in ältester Zeit ein Vorrecht des Herzogs,
wurde später Sache des Konvents und sollte frei sein. So erkannte Herzog Wilhelm
(1368) an, daß den Klöstern seines Herzogtums Lüneburg von alters freie Wahl
der Äbte bzw. Pröpste zustehe und er selber sich keineswegs befugt halte,
die Erwählten, sofern sie nur geeignet seien, zu verwerfen; die Präsentation
habe freilich zu erfolgen, aber nur deshalb, damit nicht Ungeeignete und Aus-
wärtige die Leitung des Klosters in die Hände bekämen — landsässigen Ge-
schlechtem also war die WaMfähigkeit zum Abte vorbehalten. Für den Todes-
fall des Abtes Werner hatte sich der Papst die Auswahl einer geeigneten Persön-
lichkeit angemaßt, und er beharrte formell auf seinem Anspruch, als er die
Wahl Ulrichs von Berfelde annullierte, dann allerdings seinerseits für eben
denselben entschied (1384). Die Beförderung des Priors Boldewin von Wenden
zmn Abt (1419) erfolgte durch direkten Erlaß des Papstes, während spätere
Wahlen (z. B. 1477, 85, 1532) in gewohnter Weise durch den Konvent geschahen
und der Verdener Bischof seine Bestätigung erteilte.
Mit der aristokratischen Zusammensetzung des Klosterkonvents wurde
es erklärt, daß die Mönche, obwohl sie sich zum Benediktinerorden bekannten,
dennoch durch die strenge Ordensregel des Hl. Benedikt nicht gebunden sein
wollten. Gegen Ausgang des 13. Jahrhunderts muß das Leben der Mönche
sogar höchst anstößig gewesen sein, denn die Herzogin Matilde wurde von
Bischof Konrad von Verden ersucht, mit ihrer weltlichen Macht der Kirchenzucht
zu Hülfe zu kommen: „wie er von vielen und häufig erfahre, gäben die Mönche
vom Kalkberge wenig auf ihre Ehrbarkeit acht, noch kümmerten sie sich irgendwie
um seine Gebote; unbesorgt um ihre Ordensregel streiften sie bei Tag und bei
Nacht durch die Straßen und nach Belieben auch außerhalb der Stadt mnher,
so daß es wohl angebracht sei, wenn der Vogt und die herzogHchen Diener die
Betroffenen festnähmen und einsperrten". Eine Ursache des Ärgernisses scheint
darin gelegen zu haben, daß die Klosterpfründen vielfach reifen Jünglingen über-
tragen wurden, die für den Beruf des Mönchs gar nicht oder nur ungenügend
vorbereitet waren. Dem suchte Abt Ulrich von Uten abzuhelfen. Er ordnete
nämUch an (1350), daß hinfort nur Knaben unter zwölf Jahren im Kloster
-^ 37 8^
Aufnahme finden und erst nach zwölfjähriger Schulzeit und drei weiteren Probe-
jahren fähig sein sollten, selbständig eine der erledigten Pfründen zu genießen.
Die Zahl der Pfründeninhaber sollte nur 18 betragen, nändich 14 Priester, drei
Diakonen und einen Subdiakon, und ihre Ergänzung aus sechs jüngeren der Schulzeit
erwachsenen Anwärtern vor sich gehen. Viel Nutzen scheint die Verordnung
nicht gebracht zu haben, denn schon nach dem Tode Ulrichs, der wie sein
Vorganger das Kloster in Schulden zurückgelassen hatte, erging abermals eine
bischöfliche Mahnimg: die Mönche sollten sich im Essen und in ihrer Kleidung
mäßigen.
Eine Sonderstellung beanspruchte das Kloster namentlich in der großen
vom Baseler Konzil ausgehenden Reformbewegung. Als um die Mitte des
15. Jahrhunderts Mainzer Visitatoren die Benediktinerklöster der Erzdiözese besucht
und auch in Lüneburg manches Besserungsbedürftige gefunden hatten, trat auf
die Vorstellung des Abtes und der Konventsmitgheder, daß sie alle rittermäßigen
Standes und durch Konstitutionen der Päpste Lmocens UI. und Bonifaz XIL
bevorrechtet seien, Papst Nicolaus V. selber für St Michaelis ein. Er gab dem
Bischof von Verden anheim, die erfolgten Maßnahmen zu untersuchen, notwendige
Verbesserungen einzuführen, ungerechte Forderungen aber abzuweisen, und einer
der Kardinäle erneuerte gleichzeitig im Namen des Papstes die Erlaubnis, daß
die Mönche wegen des rauhen Lüneburger Klimas, zur Abwehr von Krankheiten
und mit Rücksicht auf den Mangel an Fischen leinene Kleider tragen bzw. an
gewissen Wochentagen Fleisch essen dürften. Das Vorgehen der Visitatoren
wurde vom Verdener Bischof für ungerechtfertigt erklärt, sie selber mit Ex-
kommunikation bedroht, falls sie sich nicht fügen würden. Nach solchen
Vorgängen war es kein Wunder, daß der Anschluß des Klosters an die Burs-
felder Union nur mit äußerstem Widerstreben erfolgte, obschon Herzog Otto
persönlich mit großer Energie dafür eintrat. Visitatoren waren in diesem Falle
die Äbte von St Godehard und St. Michael in Hildesheim, die mit ihrem Geleite
im Gefolge des Herzogs in Lüneburg einzogen. Die Bürgerschaft stand auf
Seite der widerstrebenden Mönche, es kam zu bewaffneten Unruhen, der Herzog
selber mußte fliehen, und es bedurfte des ganzen Einflusses besonnener Rat-
mannen, auch die stark bedrohten Hildesheimer Äbte in Sicherheit aus der Stadt
zu schaffen (Oktober 1470). Wenn einige Wochen später die Union dennoch
angenonmien wurde, so war das nur ein äußerUches Zugeständnis an den Herzog,
dem es nichts nützte, daß er der Lüneburger Stadtobrigkeit das Versprechen
abnahm, zur dauernden Durchführung der Reform Hülfe zu leisten. Kaum war
Otto — wie schon erwähnt der letzte Herzog, der zu St. Michael seine Beisetzung
fand, — gestorben (1471 Januar 9), als Bischof und Abt im Bunde die Union wieder
fallen Ueßen; und die Kundgebung eines päpstlichen Kommissars von 1478 sowie
deren Bestätigung durch Innocenz VUI. (1489) beweisen, daß das Kloster seinen
Willen durchsetzte.
Das Michaeliskloster, im engen Verein mit der herzogKchen Residenz
emporgewachsen, das älteste Kloster im Fürstentum Lüneburg, dem die an-
gesehensten Adelsgeschlechter des Landes ihre Söhne, sei es zur dauernden
Aufnahme, sei es für begrenzte Zeit zur Erziehung und zum Unterricht zu-
->^ 38 8^
schickten, mußte bei dem großen Einfluß, den die hohe Geistlichkeit im Mittel-
alter ohnehin ausübte, auch in den weltlichen Angelegenheiten des Fürstentums
die höchste Bedeutung erlangen. Der Abt, in seinem geistlichen Charakter dem
Bischof von Verden unterstellt, bildete die Spitze des gesamten Lüneburgischen
Klerus, und da der Prälatenstand dem Stande der Ritter und der Städte
voraufging, so gebührten ihm Vorsitz und Leitung in den Versammlungen der
Landstände. Der Michaelisabt wurde Präsident des von Friedrich dem Frommen
in Uelzen errichteten, von Elmst dem Bekenner lungestalteten und nach Celle
verlegten Landgerichts; in Lüneburg nahm er teil an der Wahl des Sodmeisters,
des höchsten Beamten der Saline. Häufig war er der persönliche Berater, in
katholischer Zeit auch der Kaplan des Herzogs, und der Einfluß des Amtes steigerte
sich naturgemäß, wenn ein Mann von persönlicher Bedeutung, wie etwa
Boldewin von Wenden, die Abtswürde bekleidete. Des Genannten Wirksamkeit
erstreckte sich, schon ehe er den erzbischöflichen Stuhl zu Bremen bestieg,
weit über die Grenzen des Herzogtums hinaus. Dank seiner umfassenden
Kenntnisse — er war „einer der berühmtesten Rechtsgelehrten des Landes" —
und seines ungewöhnlichen diplomatischen Geschicks mußte er Fürsten, Städten
und anderen weltlichen Herren seine Vermittlung leihen, und sein Name ist mit
der Landesgeschichte jener Periode (ca. 1415—41) eng und bedeutsam verknüpft.
Sein Nachfolger, Ludolf von Hitzacker, verwaltete das Kloster in der schwierigen
Zeit des Prälatenkrieges. Dessen glückliche Beilegung ist nicht am wenigsten
seiner entschlossenen Initiative zugunsten des alten Ratsregimentes zu danken,
die nicht davor zurückschreckte, das Kloster für geraume Zeit in päpstlichen
Bann zu bringen. Der hervorragendste Abt des 16. Jahrhunderts war Eberhard
von Holle (1555 — 86), der „zu den größesten Geistern seines Zeitalters" gehörte
und neben seiner Abtswürde die Würde eines Bischofs von Lübeck und
Administrators des Bistums Verden inne hatte. In den verwickelten Streitig-
keiten der Stadt Lüneburg mit ihren Herzögen gelang ihm die Aufstellung
eines epochemachenden Vergleichs (1562), im ganzen Stift Verden brachte er
die Reformation zur Durchführung, und auf den Reichstagen nahm er rühmlichen
Anteil an den Staatsgeschäften. Abt Christof von Bardeleben (1642—55), iu
weltlichen Dingen wohl erfahren, hatte die Aufsicht über die Befestigung des
Kalkberges. Aus dem 18. Jahrhundert nennen wir Friedrich Ernst von Bülow
(1780—1802), jenen echtesten Vertreter der Aufklärung, der, so beklagenswert
nüchtern und unduldsam er die Kunstschätze der alten Klosterkirche behandelte,
auf anderen Gebieten, insbesondere für die Reform des Salinwesens und die
Hebung der Landwirtschaft, ungemein segensreich gewirkt hat
Der Titel des Abtes machte mit der Änderung der Klosterverfassung
imd unabhängig davon wiederholte Wandlungen durch. In der ältesten Zeit, hier
und da noch im späten 14. Jahrhundert lautet er schlechthin „abbas de (in) Lune-
biu-g", „abbas Luneburgensis", „abbet to Limeborg"; seit Mitte des 13. Säkulums
wird die voUere Form „abbas sancti Michahelis in Luneburch", bis zur Verlegung
des Klosters gern auch „in Castro Lüneburg^' gewählt und am Eingange der Abts-
urkunden „Dei gratia" oder „van der gnade Godes" (1366 vereinzelt „Dei et
apostolicae sedis gratia^') hinzugefügt. Eine viel gebrauchte, urkundUch seit 1354
-<-8 39 8^
belegte Bezeichnung lautete: der Abt „uppe dem Huse" to Luneborg, d h. auf
dem Herzogshause, dem Schloß, der Burg auf dem Kalkberge, später in unver-
standener Weise zum ständigen Titel „der Herr vom Hause^' umgemodelt. Eber-
hard von Holle nahm den Titel „Herr vom Hause" 1564 selber auf, gebrauchte
ihn zunächst statt des Titels „Abt", bis er beide Bezeichnungen, zuerst auf dem
Denkstein an der Ratsmühle von 1578, vereinigte. Ebenfalls um die Mitte des
14. Jahrhimderts kommt zu „abbas monasterii s. Mich." der Zusatz auf „ordinis
S. Benedicti", in deutschen Urkunden „sunte Benedicti levendes", oder ähnhch,
merkwürdigerweise noch 1642, so lange Zeit nach der Reformation, beibehalten.
Schon im 16. Jahrhundert gab man dem Abte, der sich mit einem fürstlichen
Hofstaat samt Hofnarren umgab, die sonst den Fürsten gebührende Benennung
„Ew. Gnaden". Gelegentiich der Aufhebung der Klosterverfassung wurde der
zum Abt bereits gewählte Staz Friedrich von Post als solcher vom Herzog nicht
bestätigt, er wurde jedoch zum Vorsteher der Ritterschule ernannt und erhielt
nun die Benennung „Landhofmeister", mit dem Range nach dem herzoglichen
Statthalter, dazu die Prälatentitulatur „würdig" ; in den Lehnsbriefen nannte er sich
„von Gottes Gnaden des Herzogtums Lüneburg erwehlter imd bestätigter Landhof-
meister und Herr vom Hause zu St. Michael in Lüneburg". Er bheb der Ein-
zige seines Zeichens, schon sein nächster Nachfolger, Ludolf Otto von Estorff,
hieß Oberaufseher der Ritterschule imd „Landschaftsdirektor", ein Titel, der sich
bis zur Auflösung der Akademie gehalten hat
Zahlreiche Veränderungen lassen sich auch an den Siegeln der Äbte
verfolgen. Das älteste, an einer Urkunde von 1214, ist rund und zeigt den Abt
mit Stab und Evangehenbuch, noch ohne Bischofsmütze, auf einem Thron; in
spitzovalen Siegehi, die von 1227 — 61 nachweisbar sind, trägt der Abt die Inful,
er ist stehend dargestellt, ebenfalls mit Stab und Evangehenbuch; die Um-
schrift lautet: „.D(E)I GRA(TIA) ABBA(S) (IN)LVNEBORH" ; in jüngeren spitz-
ovalen Siegeln, spätestens seit 1291, sehen wir den Abt wieder auf dem Thron-
sessel sitzen, die rechte Hand erteUt den Segen, die Linke hält den Stab. Im Jahre
1320 ließ Abt Werner unter Zugrundelegung des bisherigen SiegelbUdes ein
BÜbemes Petschaft anfertigen, welches so eingerichtet war, daß der Name des Abtes
in der Siegelumschrift beUebig oft erneuert werden konnte; dieses Siegel, mit der
Legende „S • • • DEI • GRACIA • ABBATIS • IN LVNEBORCH", wurde bis 1586
benutzt Das Sekret des Abtes, ein kreisrundes kleines Siegel mit dem Abt als
Halbfigur im Sechspaß, wurde nach jeder Abtswahl neu hergestellt und seit
1586 ausschheßUch gebraucht
Besondere Abtswappen sind von Herbord und Eberhard von Holle und
zahlreichen Nachfolgern bekannt.*)
Das älteste Konventssiegel enthält dasBrustbUd eines Engels ohne Arme;
in Siegeln von 1247 — 61 findet sich bereits die ganze geflügelte Figur des Erz-
engels, wie er auf dem Rücken eines Lindwurms steht, in der linken Hand den
Buckelschild, während die Rechte mit langer Lanze den Hals des Tieres durch-
*) Vergl. Gebhardi; Kurze Geschichte S. 79 f. und 99 f., Abbildungen im Urkunden-
buch des Klosters.
-^ 40 8^
bohrt; seit 1291, wenn nicht schon früher, bediente sich der Konvent desselben
Siegelbildes in einer größeren, weniger künstlerischen Ausführung; die Um-
schrift heißt: „fS' CONVENTVS SANCTI MICHAELIS IN- LVNEBVRH". —
In unserem Bericht über die Besitzungen des Michaelisklosters haben wir
den Kirchenschatz noch außer acht gelassen, nicht weil er bis auf wenige Reste
langst entschwunden ist, sondern weil ein kurzes Verweilen bei den untergegangenen
Kunstwerken uns am besten einführt in die nachfolgende Beschreibung des
gegenwärtigen Gotteshauses. Mit kostbaren Pnmkstücken soll schon Hermann
BiUimg sein Kloster ausgestattet haben. Zwei sUbeme Kronen im Reingewicht
von 290 Pfund, zwei silberne Löwen und zwei goldene Kandelaber wurden
später nebst anderen Geschenken Hermanns seinem Sohne, Herzog Bernhard,
überlassen, der nach einleuchtender Vermutung des älteren Gebhardi die
berühmte goldene Altartafel daraus anfertigen Heß. Auch die Beschaffung
reich mnhüllter Gebeine namhafter Heiliger und anderer Reliquien, deren einige
von einem viel bewunderten Onyx umschlossen waren oder von ihm herabhingen,
wird auf den Gründer des Klosters zurückgeführt, und von vielen FürstUchkeiten
seines Hauses meldet die Überlieferung, daß sie die Kirche immer schöner aus-
zuschmücken suchten, in welcher ihre Grabstätte bereitet war. Auch Heinrich
der Löwe setzte seiner Frömmigkeit zu St MichaeUs ein Denkmal — es heißt,
daß er aus dem Orient jenen großen siebenarmigen Messingleuchter mitgebracht
habe, der an der Fürstengruft aufgestellt war und während der fürstlichen
Seelenmessen im Kerzenglanze erstrahlte. Zwei mit Schmelz verzierte kupferne
Gießbecken soll seine zweite Gemahlin, Matilde von England, geschenkt haben;
seine Schwiegertochter, Helena von Dänemark, stiftete Altarzeug, Meßgewänder
und einen vergoldeten Kelch, Matilde, die Gemahlin Otto des Strengen, einen
Wandbehang („tapetum"), eine violette, mit Perlen besetzte Kasula und einen
goldenen Kelch. Eine außergewöhnliche Bereicherung des Kirchenschatzes geschah
im Jahre 1432 durch Herzog Bernd, als dieser St Michaelis zu seiner Begräbnis-
stätte erwählte. Er Ueß sich zum Heil seiner Seele in die Brüderschaft des
Klosters aufnehmen, bedang sich jährlich vier Gedächtnisfeiern aus und eine
ewige, d. h. täglich zu zelebrierende Messe; dafür opferte er dem Kloster die in
seinem freien Eigentum befindlichen Heihgtümer und Kleinodien; es waren
Reliquien in kunstvollen Fassungen, die mit des Herzogs Namen und Wappen
versehen waren oder alsbald damit versehen werden sollten. Wedekind
weiß aus seiner Zeit (um 1836) von den Überbleibseln der goldenen Tafel noch
fünf Stücke anzuführen, die das herzogUche Wappen trugen und die Bezeichnung
„Bemardus dux dedit'^: einen tragbaren Altar mit Reliquien, zwei verbUchene
Brustbilder aus schwarz bemaltem Holz mit goldenen Kronen, zwei Straußeneier
in Form einer Monstranz mit kleinen Türmen und Kruzifixen aus vergoldetem
Kupfer. Da derselbe Herzog sich vorbehielt, auch die Fürstengruft von St. Michaelis
„zu bessern und zu zieren^S und stilistische Anhaltspunkte auf eben diese Ent-
stehungszeit deuten, so dürfen wir annehmen, daß Bernd I. von KünsÜerhand
auch das Grabmal herrichten Ueß, das im Mittelschiff der Kirche Aufstellung
fand und den Platz bezeichnete, wo die fürstiichen Gebeine ruhten. Die holz-
geschnitzte, ursprünglich bemalte Umfassung befindet sich jetzt im Lünebmrger
Museum, während von zwei schweren bronzenen Deckplatten mit den lebens-
großen Figuren Herzog Otto des Strengen und seiner Gemahlin Matilde nur
ivenige kleine Bruchstücke vor dem Einschmelzen gerettet sind. *)
Von kunstsinnigen Äbten des Klosters sind zu nennen Boldewin von
Wenden, der in 24 Bildern das Martyrium des Hl. Benedikt für seine Kirche
darstellen, das Gotteshaus mit einem Estrich versehen ließ und wohl auch seinen
ICammerer Wilhelm von Ütze anregte, drei große holzgeschnitzte, mit) Wappen
geschmückte Figuren zu schenken ; ferner Abt und Bischof Eberhard von Holle, der
eine Tafel mit den Wappen seiner Vorganger anbrachte und für die Kapitelstube
sein Porträt stiftete, ein Beispiel, das seine Nachfolger nachahmten. Die noch
erhaltene schöne Kanzel führt L. A. Gebhardi auf den Abt Konrad von Bothmer
und das Jahr 1602 zurück, während Monogramm und Inschrift auf den Land-
hofmeister Staz Friedrich von Post deuten; der Widerspruch ist bisher unauf-
geklärt. Zahlreichen Insassen des Klosters wird aus den verschiedensten Zeiten
ein tätiges Interesse für die ausgezeichnete Klosterbibliothek bezeugt, die von
allen Zöglingen der Ritterschule durch einen einmaligen Beitrag von 10 Talern
unterstützt wurde.
Der Stolz der Michaeliskirche, eine Hauptzierde und Sehenswürdigkeit
Lüneburgs imd eines der ältesten Kunstdenkmäler weit und breit, war die schon
mehlfach erwähnte goldene Tafel, d.h. der große Schrein des Hauptaltars. Seine
Mittelwand bestand aus vielen bildlichen Darstellungen in getriebener Arbeit
aus gediegenem Golde, an den Seiten waren Fächer angebracht, und diese
enthielten eine Fülle von Kunstgegenständen mannigfacher Art, Gold- und
Silberarbeiten, Elfenbein- und Bemsteinbildnisse, Holzschnitzereien, geschliffene
Gläser und Kristalle, Bücher in kostbaren Einbänden, Schaumünzen, Stickereien
und dergleichen mehr, Reliquien, aber auch bloße Raritäten ; die hervortretenden
Leisten waren dicht besetzt mit Perlen, Edelsteinen und Glasflüssen, soweit die
Gliederung nicht durch gotische Fialen und Maßwerk feinster Arbeit gebildet
wurde, in reicher, mit Blau abgesetzter Vergoldung.**) Es war in der Nacht auf
den 7. März 1698, als eine berüchtigte Diebesbande, die in ganz Nord- und
Mitteldeutschland ihr Unwesen trieb und während des vorhergehenden Halbjahres
auch im Hamburger Dom und in der Katharinenkirche zu Braunschweig ein-
gebrochen war, sich in raffinierter Weise Eingang in die Michaeliskirche ver-
schaffte und die goldene Tafel schonungslos ausplünderte. Der Diebstahl wurde
verhältnismäßig früh bemerkt, als einige Tage darauf Fremde das Kunstdenkmal
zu besichtigen wünschten und der Küster ein Schloß sowie die äußeren und
iimeren Verschlußflügel nicht wie gewohnt öffnen konnte. Die Verfolgung des
Gesindels wurde mit Geschick aufgenommen, die Hauptverbrecher wurden ge-
laßt, in Celle abgeurteilt und schauerlich hingerichtet Leider war ihre Beute
in Hambtu'g und Lübeck bereits zu Gelde gemacht und bis auf wenige Stücke
nicht wieder einzubringen. Immerhin hatten die Diebe nicht aUes fortschleppen
können und mancherlei in der Tafel zurückgelassen: u.a. drei Reliquienkästchen,
*) Abbildung bei Rehtmeyer (Chronik, 1. Tafel V) und Origines Guelficae, Band IV
**) Eingehend beschreibt Mithoff die Tafel (Knnstdenkmale 161 ff.).
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H>»8 42 8^
sechs EltenbeinschnitzereieQ, drei Kruzifixe, eine EvaDgelienhandschrift mit
wertvollem Deckel, zwei Rauchfässer, eine goldene Schelle, Kristallbecher, ein
Bemsteinbildnis, ein in Silber gefaßtes Haupt des Johannes, ein Goldstück an
goldener Kette, 2 Perlen, 234 vermeintliche Edelsteine, die später als GlasfLüsse
erkannt wurden, und geringe Überbleibsel der Tafel selber. Alle diese Schatze,
mit ihnen fast alle Kunstdenkmäler, welche die Kirche sonst gerettet hatte, sind
ihr unter dem oben erwähnten Landschaftsdirektor von Bülow in den Jahren
1791 — 94 verloren gegangen. Man wollte ein modernes Gotteshaus, imd zu den
Anschauimgen modernster Aufklärung paßte der künstlerische Nachlaß des alten
Glaubens so wenig wie die bunten Kirchenfenster. Und so systematisch ging
die Auskehr vor sich, daß Volger berichten kann, außer den Mauern, den
Pfeilern und der im Jahre 1708 von Mathias Tropa erbauten Orgel sei vom
alten Zustande eigentUch nichts übrig geblieben. „Die Kirche wurde völlig aus-
geräumt: Altar, Kanzel (die zwar nur versetzt wurde), Tauf stein, sämtliche
Priechen und das ganze Gestühl mußten weichen, . . . selbst die Denkmäler
wurden nicht verschont . . . Nachdem so die Kirche mit nackten Wänden und
Pfeilern dastand, stieg man in die Grüfte der Toten hinab und reformierte auch
hier gründlich. Die vorhandenen Särge und aufgefundenen Gebeine wurden
nach dem neuen Kirchhofe gebracht und die Gewölbe verschüttet, die Leichen-
steine des Fußbodens sämtlich weggenommen und entweder den beteiligten
Familien ausgeliefert oder verkauft . . . selbst die Ruhestatt der alten BiUinger
wie des regierenden Fürstenhauses ward nicht verschont" Das Denkmal für
Herzog Otto den Strengen und seine Gemahlin kam zunächst auf einen Saal,
dann in die als Polterkammer verwandte Krypta. Dort wurden die beiden
Bronzeplatten im Jahre 1833 gestohlen, in Stücke zerschlagen und nach Hannover
in den Schmelztigel befördert. Nicht einmal das weit berühmte Glockenspiel
der Kirche, ein Meisterwerk Gerhards von Wou aus Kampen (1492), wurde ge-
schont, denn von elf vorhandenen Glocken wurden sechs verkauft, darunter die
drei größten, und mit üinen samt dem Taufgefäße die ehrwürdige Glocke des
Meisters Olricus, die fast ein halbes Jahrhundert hindurch schon vom KaJkberge
herab die Gläubigen zusammengerufen hatte.*) Die Reste der goldenen Tafel, soweit
sie nicht veräußert werden konnten, und einige andere Kunstgegenstände sind
in die Reliquienkammer der Schloßkirche bzw. in das Weifenmuseum zu
Hannover gelangt, ein Teil wird im Museimi zu Lüneburg aufbewahrt Ein
schmiedeeisernes Gitter in gotischen Formen, das den Chor der Kirche vom
Mittelschiff abschloß, erwarb die Familie von Meding, um es, hoffentlich nicht allzu-
lange, als Einfahrtstor zu ihrem nahe gelegenen Stammsitz Schnellenberg zu benutzen.
Eine anschauhche Vorstellung vom Innern der Michaeliskirche vor jener
großen Reinigung, nämlich aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts, vermittelt uns
der Lüneburger Maler Burmester in einem großen Gemälde, das eine Zierde des
Lüneburger Museums bildet.
Die Michaeliskirche ist eine dreischiffige Hallenanlage mit einem durch
esc ei nng. gj^^^^^ Seiten eines Zwölfecks geschlossenen Chor (Fig. 5). Der starke West-
*) Nähere Angaben über die Glocken der Kirche bei Wrede, Lünebnrger Mnseums-
blätter L, S. 42 ff.
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tunn ist unvollendet geblieben, sowohl im Mauerwerk als auch in der oberen
Endigung. Unter dem Chor befindet sich eine Unterkirche mit zwei kleinen
Kapellen. An die Seiteaschiffe schließen sich nach Osten, neben dem Chor, zwei
niedrige Kapellen an. Die Kirche ist durchweg gewölbt, aus Backsteinen
erbaut imd mit Ziegelpfannen gedeckt, die Bedachung des Turmhelms besteht aus
Kupfer. Die Profile der Backsteine, namentlich am Chor (vergl. Fig. 8), zeigen
eine auffallende Ähnlichkeit mit den Profilen des Domes St Nikolaus
in Stendal.
Chor. Das Kreuzgewölbe des Chores wird durch Bimstabrippen gestutzt. In
den Ecken stehen profilierte Dienste mit bandartig ausgebildetem Kämpfer. Die
drei nach Osten liegenden Fenster sind spitzbogig geschlossen und haben je zwei
Pfosten, die oben in Spitzbögen zusammenlaufen. Die übrigen Fenster sind ver-
mauert, zeigen aber noch die Pfostenteilung. Unter dem Kaffgesims liegt in
jeder Chorseite eine tiefe Nische. Zwei dieser Nischen, gegenüberliegend im
Süden und Norden, sind zu Türen mit reich profiliertem, fallendem Sturz aus-
gebildet (vergl. Fig. 8) imd führen zu den Kapellen, die in der Verlängerung
der Seitenschiffe, aber tiefer als diese, liegen.
Zu der nördlichen Kapelle führen zwölf Stufen vom Chor herab. Sie ist im
halben Zehneck mit ungleichen Seiten nach Osten geschlossen und reicht mit zwei
Gewölbejochen bis zur Abschluß wand des nördlichen Seitenschiffes. Kreuzgewölbe
mit vortretenden Rippen überdecken den jetzt als Sakristei dienenden Raum. Die
Rippen stehen auf profilierten Diensten, die bis zum Fußboden herabgehen und
mit einfachem Kapitellband aus Gips geschmückt sind. Beleuchtet wird die
Kapelle durch drei kleine zweiteiUge Pfostenfenster. Die Schlußsteine bestehen
aus Gipsmörtel imd zeigen an der Unterseite gotisches Blattomament, am mittleren
befindet sich ein Fabeltier.
Zur südlichen Kapelle steigt man auf nur sechs Stufen herab; sie ist aus-
gebildet wie die nördliche und dient jetzt auch als Sakristei. In der Südwand
ist ein gotischer Schrank mit Beschlägen eingemauert.
Onterkirche. Die Unterkirche liegt unter dem Chor und reicht westlich bis zur Mitte
desselben. 25 Stufen vermitteln den Zugang von beiden Seitenschiffen aus. Die
neben der Unterkirche befindlichen beiden Kapellen liegen unter den oberen
Kapellen neben dem Chor imd sind entsprechend niedriger. Beide haben eben-
falls polygonen Abschluß nach Osten und sind ebenso wie die oberen mit Kreuz-
gewölben überdeckt Die Rippen der Gewölbe stehen auf queiigelegten Profil-
steinen. Die südliche Nebenkapelle hat zwei Ausgangstüren, die zu der umt
drei Stufen höher liegenden Straße führen. Das Gelände fällt nach dem Chor
hin so stark, daß diese Ausgänge möglich waren. Erhellt wird dieser Raum
durch zwei Fenster. Die nördliche Kapelle liegt drei Stufen tiefer als die Unter-
kirche und hat zwei kleine Pfostenfenster. Hier steht auch ein gemauerter Altar
mit zwei tiefen seitlichen Nischen imd einer Abdeckplatte aus Gipsmörtel Vier
Türen vermitteln den Zugang von den Seitenkapellen zur Unterkirche, die unab-
hängig von der oberen Teilung dreischiffig mit vier Jochen und einem Ghorjoch
ausgebildet ist. Die Schiffe sind gleich breit und durch dünne profilierte Pfeiler
mit Kapitell und Sockel getrennt Die Kreuzgewölbe haben Bippen mit Bim-
-•-8 45 8*^
Stabprofilen. Die einfach profilierten runden Schlußsteine zeigen an der Unter-
seite plastische Verzierungen, u. a. Darstellimgen vom Adler, Hirsch, Löwen,
Pelikan. An den Wänden stehen die Rippen auf Konsolen. Die drei tiefen
Fensternischen sind mit kleinen Kreuzgewölben geschlossen, auf deren Schluß-
steinen menschliche Gestalten abgebildet sind. Ein eigentlicher Altar ist nicht
vorhanden. Auf der ausgemauerten Brüstimg der mittleren Fensternische steht
ein neues Holzkreuz. In der Vorderseite dieser Mauer ist eine Sandsteinplatte
eingelassen, die in großen römischen Buchstaben die Inschrift
HERMANNUS PRIMUS DUX SAXONIE
FUNDATOR HUIUS CENOBÜ VI. KAL. APRIL. DCCCCLXXm
trägt. An der nördlichen Wand ist eine Sandsteinplatte aufgestellt, deren Ober-
fläche sehr zerstört ist, aber noch einen gotischen Baldachin mit großer mittlerer
Figur imd Umschrift in Minuskeln am Plattenrande, alles flach erhaben, erkennen
läßt. Von der Umschrift ist oben noch zu lesen: anno . d . mccc
Es ist, nach Qebhardi, der Grabstein des Priors Borchard von dem Berge, der
1415 starb. Die kleine Orgel und das Gestühl sind neu.
In den letzten Jahren des 19. Jalirhunderts ist die Unterkirche erneuert,
namentlich sind die Pfeiler ganz neu aufgemauert worden.
Das Äußere des Chores mit Unterkirche und Kapellen baut sich mit
starken Strebepfeilern auf den Polygonecken hoch auf (vgl. Fig. 6). Wie
schon erwähnt, liegt die Straße hier tiefer als am Schiff, so daß auch die
Fenster der Unterkirche ganz in die Erscheinung treten. Zwischen den Strebe-
pfeilern liegen die einfachen Spitzbogenfenster mit Pfostenteilung. Die
Strebepfeiler selbst gehen bis unters Dach und sind mit Ziegelpfannen ab-
gedeckt Durch die angebauten Kapellen erhält der mächtige Ghorabschluß
einen malerischen Charakter.
Das Schiff umfaßt sechs Joche in der Richtung von Westen nach Osten. Schiff.
Die beiden östlichen Joche des Mittelschiffes sind zum Chor hinzugezogen.
Mauern in Emporenhöhe trennen diese Joche des Mittelschiffes von denen des
Seitenschiffes und letztere von dem übrigen Schiffe. Dadurch entstehen zwei
kapeUenartige Räume in den letzten östlichen Jochen der Seitenschiffe, über die
jetzt die Emporen des übrigen Schiffes hinweggehen und über denen früher wohl
Lektoren sich befanden, wie in der Johanniskirche. Die Mauern mit Spitzbogen-
nischen sind jedenfalls alt
Die mit Birnstabrippen besetzten Kreuzgewölbe des Schiffes werden
gestützt von runden, mit vier Diensten besetzten Pfeilern (Fig. 7 und 10). In
Kampferhöhe läuft ein einfaches Kapitellband herum. Das Dienstprofil wird
gebildet durch die drei zusammenschießenden Rippenprofile auf den Kämpfern.
Die Seitenschiffe haben fünfteilige Gewölbe mit zwei spitzbogigen Pfostenfenstem
in jedem Joche. Die Emporen sind im 19. Jahrhundert in neugotischen Formen
eingebaut und zerschneiden die Fenster in unschöner Weise. Unter dem Kaff-
gesims liegen auch hier Spitzbogennischen, die früher zum Teil zu Kapellen
führten (Gebhardi, Kollektaneen XII). An der Nordseite sind noch Reste von
diesen Kapellen erhalten und zwar vier tiefe, mit Kreuzgewölben überdeckte
Nischen. Sie bildeten anscheinend die Verbindung mit dem an der Nordseite
-^ 46 8^
liegenden Gebäude, das jetzt im Erdgeschoß die Heizung, im Obergeschoß das
Archiv enthält Im Erdgeschoß lagen nach Gebhardi die'rKapeUen der v. d. Berge,
V. Grote und v. Weihe. Dieses Gebäude ist wohl gleichzeitig mit der Kirche
oder nur wenig später erbaut; es schließt sich mit seinen fünf Gewölbejochen
der Ausbildung imd der Art der Gewölbe in der Kirche eng an. Sein Dach liegt
in der Schräge des Kirchendaches (vergl. Fig. 9).
Im letzten westlichen Joche des Mittelschiffes steht die Orgel auf einer
neuen zweigeschossigen Orgelempore in neugotischen Holzformen. Die westlichen
Joche der Seitenschiffe sind imter der Empore durch Mauern gegen das Sdiiff
abgeschlossen und enthalten einfache Treppenajilagen aus dem 18. Jahrhundert
•Bogen proji h'm-Clooi*-
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Fig. & Ifichaalislriretae; BAcksteingUeder.
Unter der Orgelempore ist gegen den Turm ein Vorraum abgetrennt, der die
Treppenhäuser verbindet Hier stehen noch zwei runde Holzsaulen mit aus-
geschnittenen Konsolen, darüber, im ersten Geschoß der Orgelempore steht eine
dritte Säule.
Die Kanzel steht am zweiten nördlichen Pfeiler. In der Mitte des Schiffes
hegt im Fußboden eine eiserne Tafel mit der Inschrift: „In diesem 1388 hierher
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verlegten Grabe ruhen die Reste der während des halben Jahrtausends von 973 bis
1471 in Lüneburg beigesetzten Landesherren und ihrer Gemahlinnen, der Herzoge
von Sachsen von Hermann Billimg f 973 bis auf Magnus f 1106 und der Herzöge
von Lüneburg von Wilhelm, dem Ahnherrn der Weifen, bis auf Otto f 1471."
An dieser Stelle stand das Fürstengrab, ein 2,10 m breites, 2,40 m langes und
0,75 m hohes Postament aus bemaltem Eichenholz, von zwei Bronzeplatten mit
den Gestalten des Herzogs Otto imd seiner Gemahlin Mechtildis bedeckt Das
Postament, das jetzt im Museum zu Lüneburg aufbewahrt wird, zeigt an den
Seiten tief geschnitzte Bogenstellungen mit reichem spätgotischem Schmuck, und
zwar an der einen Langseite sieben Bogenfelder mit männlichen Figuren, im
mittleren Feld Si Michael mit dem Draschen, an der anderen Langseite ebenfalls
sieben Felder, aber mit Frauenfiguren, im Mittelfeld Maria mit dem Kinde. Die
Breitseiten sind in vier Bogenfelder geteilt, die durch Wappen ausgefüllt werden.
Die Ecken des Postamentes werden durch Strebepfeiler belebt. Von den Bronze-
platten besitzt das Museum einige kleine Reste.
Bemerkenswert ist der spätgotische Beschlag der TCr ziun Archiv an
der Nordseite. Der Türklopfer ist befestigt auf einem sechsblättrigen eisernen
Schild, von dessen Ecken strahlenförmig kleine Blätter ausgehen. Der Klopfer
selbst ist dreiseitig mit runden Ecken, aus denen Eicheln herauswachsen, aus-
gebildet
An der Westwand des Schiffes sind Reste eines gotischen Backstein-
frieses über einem Nasengesims vermauert.
In dem südhchen kapellenartigen Räume neben dem Chor ist eine Sand-
steinplatte mit barocker Umrahmung eingelassen. Die auf die Geschichte der
Kirche bezügUche Inschrift in großen römischen Buchstaben lautet:
„Deo. auspice. perillustris. ac. venerabilis. dominus, dominus. Joachimus.
Fridericus. de. Lüneburg, director: statuum. ducatus. Limeburgici. domnus. de«
domo, sancti. Michaelis, dynasta. in. Wahtlingen, Utze. reL tempU. quod. post
sinistra. in monte. fata. hie. loci. Wemero. Grotiade. abbate. anno. MCCCLXXVI.
resuscitari. coeptum. et. braesule. Ulrico. Barveldio. anno. MCDVHI. in-
auguratum. fuerat fomices. ruinam. ex. vetustate. mina. tos. reficL tectum.
olim. trifidum. soUdiori. uno. commutari. pileo. que. aeneo. m. Nov. MDCCLL
imposito. claudi. columnas. et lateritia. exesas. firmiere, robore. donari. pavi-
mentum. novo, latere. recentari. aedem. interiorem. nitida, facie. indutam sere-
niore luce beari ardui. operis. et. ingentis. impensae. fabricam. mense. februario.
a. MDGGL. inchoatam. biennio . nondum . exacto. absolvi. penetraUa. sacris.
consuetis. die. XXV. decemb. a. MDCCLL rursus. aperiri. tot qve. moni-
mentis. conspicuis. sibi. monimentum. aere. perennius. P. C. pie. solerter.
feliciter."
Die Verbindung mit dem Dachboden vermitteln zwei Wendeltreppen,
eine im letzten südöstlichen Pfeiler des Schiffes, die andere in der nördlichen
Außenmauer. Letztere führte auch zum Archiv im nördlichen Anbau.
Der Haupteingang zur Kirche, die sogenannte Brauttür, liegt an der
Südseite, zwei weitere Eingänge hegen einander gegenüber in dem letzten
westUchen Schiffjoche.
-^ 48 s«-
Durch die fünfteiligen Gewölbe der Nebenschiffe erhält die Außenseite
in jedem Joche zwei echlaake Fenster, die von Strebepfeilern eingefaßt weiden.
Die Südseite der Kirche läßt die zwölf Fenster mit den dreizehn Strebepfeilern
Flg. 9. Mlebaeltaklrclia; NardMfte.
voll in die Erscheinung treten und gestaltet sich hier unter dem hohen Zi^el-
dach zu einer mächtigen Front (Fig. 6), die früher auch malerisch gewesen ist,
als noch die kleinen Kapellen am Fuße der Wand lagen und vor dem spitz-
-^ 49 8^
bogigen Haupteingang im dritten Joche sich das „Segenhaus'^, eine Eingangs*
halle mit prächtig verziertem Staffelgiebel, aufbaute. Alle diese Teile, die uns
Gebhardi in seinen Aufnahmen und Beschreibungen erhalten hat, sind im letzten
Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts von dem Landschaftsdirektor von Bülow
abgerissen worden. Die Nordseite ist ebenso ausgebildet wie die Südseite, hier
wird etwas malerische Bewegung in die starren Massen der Strebepfeiler ge-
tragen durch den Anbau mit dem ArchiV; dessen schwere Strebepfeiler die auf-
steigenden Linien unterbrechen (Fig. 9). Eine Eigentümlichkeit zeigen die im
Spitzbogen geschlossenen Pfostenabschlüsse in den Fenstern an dieser Seite.
Diese Spitzbögen haben maßwerkähnliche Nasen aus gebranntem Ton.
Das Dach des Schiffes ist 1760 aufgesetzt worden (Fig. 7), nachdem
das alte dreigeteilte Längsdach, das dem der Johanniskirche ähnlich sah,
beseitigt worden war.
Der 11,50 m im Quadrat starke Turm ist imvollendet geblieben. Sein Turm.
Mauerkörper zeigt am äußeren auf allen Seiten Ansätze, Verzahnungen und
Spuren, die auf einen bestimmten, nicht vollendeten Bauplan deuten. Auch
die jetzige Spitze des Turmes ist nicht die ursprünglich geplante, zu dem
schweren glatten Mauerkörper stimmende; sie wurde, nachdem Jahrhunderte
lang ein Notdach den Turmstumpf bedeckte, 1766 durch den Oberlandbamneister
Otto Heinrich von Bonn erbaut.
Wahrscheinlich sollte der Turm in seinem Innern einen prächtigen
hohen Saal bilden; die Architekturteile sind von einem Reichtum imd einer
Größe der Ausbildung, wie sie sicher nicht für eine unbenutzte Turmhalle auf-
gewendet worden wären. Ober einem hohen, bis zum Gewölbe des Schiffes
reichenden Geschosse, daß jetzt durch zwei Balkenlagen geteilt ist, befindet
sich ein zweites, das ebenfalls aus der Erbauungszeit der Kirche stammt. Das
darüberliegende Glockengeschoß gehört der Barockzeit an (1766).
Das untere hohe Geschoß öffnet sich nach dem Schiff zu in voller
Spitzbogenöffnung mit reichem Gewände (die Öffnung ist jetzt durch die
Rückwand der Orgel verbaut), nach den drei anderen Seiten öffnen sich in der
Mitte jeder Schildwand schmälere, durch die Mauerstärke gehende Nischen,
die jetzt teils vermauert sind, teils, nach Westen, ein später eingebautes Fenster
enthalten. Diese Nischen haben eigene Kreuzgewölbe mit Bimstabrippen und
ornamentierten Schlußsteinen, die Dienste gehen bis zum Fußboden und das
Verschwinden der Profile in der Vermauerung, sowie die Wiederkehr von
Diensten und Profilen an der Außenseite des Turmes nach Norden zeigen, daß
hier ein beabsichtigter Bau nicht zu Binde geführt wurde. Es ist denkbar, daß
die Seitenschiffe bis zur Vorderkante des Turmes verlängert und * mit dem
Mittelraume im Turm verbunden werden sollten, so einen großen, quer vor der
Kirche liegenden Saal für IQosterzwecke bildend. Schon während des Baues
muß der Plan verlassen worden sein, denn das Gewölbe des Mittelraumes ist
nicht ausgeführt worden. Alle Ecken, Pfeilervorlagen und Dienste des Mittel-
raumes sind für Gewölbebau, reich profiliert angelegt, die Schildbögen sind ebenfalls
ausgeführt. Die schlanken Verhältnisse des Raumes im Verein mit dem
gruppierten Grundrisse imd der reichen Ausstattung mit Profilen sind von großer
7
Schönheit Die Profile der Pfeiler in Erdhöhe siixd anders ausgebildet als die
des eben beschriebenen Raumes, so daß, wenn keine spätere Veränderung vor-
liegt, hier eine Decke, vielleicht in Höhe der Orgelempore, vorhanden war.
Das obere Turmgeschoß entspricht in seiner Teilung dem unteren; es
ist aber viel einfacher ausgebildet. Eine Wendeltreppe im südwestlichen Turm-
pfeiler bildet den Zugang zu diesem Geschoß. Hier beginnt die Unterkonstruktion
für den Glockenstuhl, auf dem [die achteckige Spitze des Turmes steht Das
Glockengeschoß,' zugänglich durch eine Wendeltreppe im südöstlichen Turm-
pfeiler, ist 1766 erbaut
Die Mauern des Turmes steigen glatt bis zum Hauptgesims auf. An
der südlichen Seite (Fig. 7) erscheinen im unteren Teile zwei flache Nischen,
zwischen beiden ein vermauerter dritter Bogen. Die nördliche Seite zeigt die-
selbeif Nischen, aber noch mit profilierten Schildbögen und Diensten auf
den Pfeüem zwischen den drei Schildbögen. Die Dienste stehen auf Eonsolen.
An den freistehenden Turmecken befinden sich unten kleine spätere Strebe-
pfeiler, oben Verzahnungen.
Die Turmfläche wird nur unter dem Hauptgesims von rundbogigen
größeren Offnungen durchbrochen. Über dem hölzernen Hauptgesims beginnt
die mit Kupfer gedeckte Haube, die in einem achteckigen, durchbrochenen Be-
krönungsgeschoß mit einer pyramidalen Spitze endigt. Der Körper des Turmes
erhebt sich nur wenig über den First des Schiffdaches.
Altäre. Der jetzige Altar ist neu, mit einer Grablegung als Mittelbild.
Von dem früheren Hochaltar, der die berühmte 1698 durch Nickel List
beraubte goldene Tafel enthielt, befinden sich im Provinzialmuseum zu Hannover
die vier Flügel, mit denen der Altarschrein verschlossen werden konnte. Die
inneren Flügel sind an der Innenseite mit vergoldeter gotischer Baldachin-
architektur geschmückt, in der auf Konsolen in zwei Reihen übereinander 20 be-
malte und reich vergoldete Figuren stehen. Im ehemals nördlichen Flügel stehen
in der oberen Reihe: Maria Magdalena, Stephan, Benedikt, Lorenz und der Erz-
engel Michael, in der unteren Reihe: Bartholomäus, Johannes d. Ev. und die
Apostel Thomas, Andreas und Philippus. Im vormals südlichen Flügel befinden
sich in der oberen Reihe: Johannes d. T., die Apostel Jacobus d. J., Matthaus,
Simon, sowie Georg, in der unteren Reihe: Maria mit dem Kinde und die Apostel
Petrus, Paulus, Matthias und Jacobus d. Ä. Die Baldachine werden zwischen
den Figuren durch Strebepfeiler gestützt, die in halber Höhe von zierlichen
weiblichen Figuren unterbrochen werden.
Die Außenseiten der Innenflügel und die Innenseiten der Schutzflügel
zeigen 36 quadratische Bilder in drei Reihen übereinander, jeder Flügel also
neun Bilder mit Darstellungen, die der Geschichte Jesu und seiner Mutter
entnommen sind imd die Mithoff im einzelnen anführt Die Außenseiten der
Schutzflügel sind mit zwei großen Temperagemälden auf gemustertem Goldgrund —
die Aufrichtung der ehernen Schlange und die Kreuzigung Christi darstellend —
bedeckt
Kleine vergoldete Reste gotischer Maßwerkarchitektur, die ehemals zum
Altarschrein gehörten, befinden sich im Lüneburger Museum.
MICHAELISKIRCHE; BLICK INS MITTELSCHIFF.
-*^ 51 8«<-
Die zwei Altarleuchter aus Messing haben reich 3)rofillerte Mittelkorper, Altarleuchter,
die auf je drei Lawen ruhen.
Im nördlichen Seitenschiff hängt an der Ostwand ein farbiger, an- Kruzifixe,
scheinend spätgotischer Chitstuskörper an neuem Kreuz.
Im Chor hängen vier neue Gemälde, die Evangelisten darstellend. Gemälde.
Im südlichen Seitenschiff hängt am Ostende eine schmale eichene Tafel,
1,75 m hoch, 4,53 m lang, mit den Wappen von 35 Äbten bis auf Eberhard von
Holle 1586. Die linke Seite dieser Tafel nimmt eine stehende männUche Gestalt,
Hermann Billung darstellend, ein; zwischen ihr und den Abtswappen ein Gedicht
auf Hermann Billung. Die Tafel soll früher in der Gruft der Äbte, die unter
dem Ostende des südlichen Seitenschiffs lag, gehangen haben.
Im Archiv befinden sich 4 Bildnisse von Äbten.
Von den drei Läuteglocken zeigt die älteste eine bimförmige Form ohne Glocken.
Inschrift oder Verzierung, zwei weitere sind aus dem Jahre 1492. Die größte
hat 1,385 m Durchmesser und 1,00 m Höhe ohne Krone, am oberen Rande
einen spätgotischen Fries und darunter eine lateinische Umschrift mit der
Jahreszahl. Die kleinere der Glocken hat 1,08 m Durchmesser bei 80 cm Höhe
mit oberer Umschrift. Beide Glocken sind von Gerhard von Wou gegossen.
(Inschriften und Abbildungen in den Lüneburger Museumsblättem. Heft I. 1904.)
Der Grabstein der Unterkirche wurde schon erwähnt Einige weitere Grabsteine.
Grabsteine sind im südlichen Seitenschiff, in dem abgetrennten Räume neben
dem Chor, an den Wänden aufgestellt. An der Außenwand steht das schöne
Denkmal Herbeii; von Helles, des ersten lutherischen Abtes, der 1555 staxb.
Das Denkmal wird wenig später entstanden sein. Auf dem 1,42 m breiten,
2,38 m hohen Stein erscheint über einer unteren Schrifttafel die knieende
Gestalt des Abtes mit Bischofsstab in Lebensgröße, ein großes Kruzifix an-
betend. Der Abt kniet auf einem Stein mit der Inschrift:
OB. AN 1555/12 DECEMB. AETAT. SVAE 63/ SEDITQ. AN 25/ MINUS, UNO/ DIE.
Links von dem Stein ist das Abtswappen angebracht, das sich zuerst an diesem
Stein vorfindet, ein viergeteilter Schild, im ersten und vierten Felde sitzt ein
Abt mit Bischofsstab, das zweite und dritte Feld nimmt das Stammwappen von
Helles ein. Über dem Schild hegt eine Bischofsmütze mit zwei Abtsstäben.
Die Darstellung wird an beiden Seiten eingefaßt durch ornamentierte Pilaster
mit Blätterkapitellen. Auf jedem Pilaster liegen fünf flache Ringe, die oben
und unten Wappen, dazwischen männUche Köpfe umschließen. Die Köpfe scheinen
Zeitgenossen des Abtes darzustellen. Die Wappen sind links oben von Holle, rechts
oben vonMandelsloh, links unten vonSaldem, rechts unten von Landsberg. Zwischen
dem Kruzifix und dem Kopf des Abtes ein Schriftband. Behncke*) hält das aus
farbig bemaltem Sandstein bestehende Grabmal für ein Werk Alberts von Soest.
An derselben Wand steht ein Grabdenkmal des Abtes Johannes
von Harling, gestorben 19. Oktober 1604. Eine fast lebensgroße Gestalt in der
Tracht lutherischer Pfarrer steht, die Hände faltend, aufrecht unter einem Bogen,
dessen Kämpfer von Engelköpfen getragen wird. In den Bogenzwickeln und
*) Behncke, Albert von Soest. Straßburg 1901.
7*
-^ 52 8^
in den unteren Ecken Wappen. An den Plattenrandem zieht sich die In-
schrift herum:
ANÖ 1604 DIE 19 OCTO. OBHT REVEREND' ET NOBILIS DK
JOANNES AB HARLING COENOBH HVIVS SENIOR ET CELLART
QVI FRATRES HENRIC ET CHRISTIAN' HOC MONUMETÜ PP.
An der Langseite befindet sich eine zweite Schriftreihe:
rechts: DOMIN^ ADIVTOR ET REDEMPTOR MEVS.
links: GOT MEIN HELPFER VNDT ERRETTER
Die Platte ist aus Sandstein und 1,20 X 2,00 m groß.
An der gegenüberliegenden Wand, nach dem Chor zu, ist ein 1,42 m
breiter, 2,28 m hoher Grabstein für Johannes Wilkinus von Weihe, geb. 1659,
gest. 23. Februar 1623, eingemauert. In der Mitte sitzt eine Kartusche, von
zwei Engeln gehalten, darin ein Wappen mit dem Schild der Familie. Unter
und über der Kartusche ist eine Inschrifttafel mit aufgerollten Rändern
angebra.cht. Am Rande eine Umschrift aus großen römischen schräg-
liegenden Buchstaben, die in den Ecken durch Kreise mit Wappen unter-
brochen wird.
An dieser Wand sind noch zwei ReUefs aus Sandstein eingelassen; eine
farbige Auferstehung mit guter Christusfigur, die früher (nach Gebhardi) das
Grabdenkmal von HoUes bekrönte und, nach Behncke, ebenfalls von Albert
von Soest stammen soll; ferner eine Kreuzabnahme, deren Figuren in lebhafter
Bewegung fein gearbeitet sind und über der Gott Vater in Wolken schwebt
In dem nördlichen kapellenartigen Räume neben dem Chor, sind in die
Chorwand vier kleine Sandsteinreliefs, wohl auch von Grabdenkmälern stammend,
eingelassen, oben zwei hoch erhabene Köpfe, Luther und Melanchton in halb-
runder Nische mit Um- und Unterschrift, die Behnke für Werke Soests
hält, unten links ein St Michael mit dem Drachen, im Rundbogen, von guter
Arbeit Im Rundbogen steht die Zahl 1595, unter dem Bildwerk sind die Buch-
staben G. M. H. V. E. angebracht Auf dem Kleide St Michaels ist ein Wappen-
schild der Harling angebracht Das Relief rechts zeigt in einem von vertieften
Gewänden getragenen Bogen ein Kreuz, im Hintergrunde eine Stadt. An dem
Kreuz hängt ein Christuskörper von Zink, aus späterer Zeit.
HostiendoBen. Dröi ovale silberne Hostiendosen besitzt die Kirche, eine ist von 1689,
mit eingraviertem St Michael; eine zweite von 1664 zeigt auf dem Deckel die
Namen vieler Soldaten in kreisförmiger Anordnung (Stempel THP); auf dem
Deckel der dritten von 1666 ist ein Kruzifix eingraviert, daneben die Namen
von Soldaten.
Für Krankenkommunionen sind noch zwei silberne Hostiendosen vor-
handen; der Deckel der einen ist mit eingraviertem St. Michael geschmückt
Kanzel. ^^^ S^'^ ^^^ Sandstein hergestellte schöne Kanzel ist ein Werk des
17. Jahrhunderts (Fig. 11). Sie wird getragen von einem achteckigen, unter dem
Fußgesims der Brüstung stark auskragenden Pfeiler mit Fußgesims. Vor dem
Pfeiler steht die fast lebensgroße Gestalt des Apostels Paulus mit Schwert und
Buch, in stark bewegtem Gewände. Das mit Eierstab ornamentierte Puß-
gesims der Kanzelbrüstung setzt sich auch an der halbgewundenen Treppe fort;
über ihm baut sich die reich mit Figuren und Gruppen geschmückte Brüstung
mit dem Ahschlußgesims auf. Die Brüstung ist in 15 Felder geteilt, von denen
Ftg. 11. UicfaielliUrcbei Kkniel.
ins erste, zweite, zehnte und fünfzehnte Kartuschen mit Bibelsprüchen oder
Monogrammen enthält Das dritte bis neunte Feld enthält die Geschichte Christi,
-^ 54 8^
das elfte bis vierzehnte Feld die sitzenden Figuren der Evangelisten mit ihren
Symbolen. Jede dieser Darstellungen steht in einer flachen, halbkreisförmig
überdeckten Nische. Zwischen den Nischen sind auf Konsolen die Gestalten
von Männern, darunter die Apostel, angeordnet Unter jeder Nische steht eine
auf die Bilder bezügliche lateinische Inschrift.
Unter dem zehnten Felde mit dem verschlimgenen Monogramme SFP. steht
die auf den Erbauer Statz Friedrich von Post bezügliche Inschrift:
PRiESVLIS. HOC. PIETAS. PVLCHRO. CONAMINE . POSTL
FECIT. GRATA. COLET. QUOD. PIA. POSTERITAS.
Im vierzehnten Felde mit dem Apostel Matthäus stehen unter dem
lateinischen Verse die unerklärten Buchstaben: MFDIR.
Die Figuren und namentlich die Gruppen sind außerordentlich fein und
lebensvoll gearbeitet. Die Kanzel soll früher farbig bemalt gewesen sein. Der
Kanzeldeckel ist neu. Wiederhergestellt wurde die Kanzel laut Inschrift im letzten
Brüstungsfeld 1865 unter der Regierung des Königs Georg V. Sein Monogramm
ist auf der Kartusche angebracht
Kelche/ Ein 18,7 cm hoher Kelch hat noch gotische Formen, gehört aber der
Mitte des 16. Jahrhunderts an. Der Fuß ist sechsblättrig, mit aufgeheftetem
Kruzifix auf der einen Seite und einem Schild mit dem Wappen der Bothmer
auf der anderen Seite. Am Hals über dem Knauf mit sechs Nägeln die Inschrift:
IHESVS, darunter: MARIA.
Ein 21,8 cm hoher Kelch zeigt ähnliche Formen. Der Fuß ist
sechsblättrig, der Knauf hat sechs Nägel. Auf dem Fuße ein silberner
Christuskörper. Die Flächen sind mit eingeritztem Ornament bedeckt Die
Marke ist gegenüber dem Ghristuskörper auf der Oberseite des Fußes ein-
gepreßt Ah der Unterseite des Fußes eingeritzt: ANNO 1562 57 LOT 3 quT'.
Die Patene hat eingraviertes Mittelornament mit dem Schweißtuche der
Veronika.
Eine zweite Patene hat ein Weihkreuz.
Ein Kelch mit rundem Fuß ist 17,7 cm hoch, von einfachen Formen,
mit einem Christuskörper auf dem Fuß, seine Patene hat ein Weihkreuz.
Ein 24,7 cm hoher Kelch zeigt auf dem sechsblättrigen Fuß das Mono-
gramm: CL. und den Stempel NM. Der Knauf hat sechs Nägel.
Ein 17,6 cm hoher Kelch mit rundem Fuß hat die Inschrift: „H. G. Lohausen.
Major imd Conmiandant 1664" und auf der anderen Seite: „1822".
Femer sind noch vorhanden drei kleine Kelche für Krankenkommunionen:
10,2 cm hoch, von 1666 mit den Namen von Soldaten; 8,30 cm und
9,20 cm hoch, letzterer auf dem Fuß mit eingraviertem St Michael. Alle Patenen
haben Kreuze.
Leuchter. ^ Mittelschiffe hängt ein 16 armiger Messingleuchter, zum Gedächtnis
an Pastor Görges 1885 gestiftet und hergestellt von J. Hartig, Lüneburg, nach
dem Modelle des mittleren Leuchters im Schiff der Johanniskiche.
Q j Die Orgel ist 1708 durch Matthias Tropa erbaut Sie steht auf der oberen
Empore des letzten Mittelschiff] oches am Turm und wird seitlich von zwei hohen reich
ornamentierten Aufbauten begleitet, die als oberen Abschluß je eine große Königs-
-<-S 55 8^
Mnseum
zu Hannover.
kröne tragen. Der mittlere Aufbau wird ebenso bekrönt Die Gesimse sind reich
gegliedert, mit scharfen Verkröpf ungen.
Die silberne Kanne ist 29,5 cm hoch und hat auf dem Deckel Weinkanne,
das eingravierte Wappen des Landschaftsdirektors Ernst Wilhelm von
Spörken (Schild viergeteilt, im ersten und vierten Felde St Michael, im
zweiten und dritten Felde das Stammwappenbild). Am Henkel die Jalures-
zahl 1721.
Eine kleine Kanne für Krankenkonununionen ist an der Vorderseite mit
einem eingeritzten St Michael geschmückt. (Stempel A. G. B.)
In der Unterabteilung „Weifen -Museum" des Provinzial- Museums zu Gegenstände im
Hannover befindet sich eine Anzahl Gegenstande, die früher der Reüquien- Provinzial-
kammer des Welfen-Museiuns angehört haben. Für die Reihenfolge ist der
Katalog des Provinzial-Museums maßgebend gewesen.
1) Zwei Reliquienarme von Holz, romanisch. Der frühere Beschlag
fehlt Am unteren Ende die Inschriften: SCS • VALERIV und
SANCTVS • PANCRATroS •, aus der goldenen Tafel.
2) Zwei Büsten mit Reliquien von den 11000 Jungfrauen, schwarz
bemalt und zum Teil vergoldet. Inschrift: B'nard' «dvx'dedit
3) WeibUche bemalte Büste, mit Steinen und Glasflüssen be-
setzt, gotisch.
4) Zwei Reliquienbehälter, jeder auf vergoldetem Fuße mit dem auf-
gehefteten [fürstlichen Wappenschild und der Inschrift wie bei 2,
ein Straußenei tragend. Auf der Spitze ein gotisches Türmchen
mit Kruzifix.
5) Kruzifix-Fuß aus vergoldeter Bronze. Ein flach nach oben ge-
wölbter durchbrochener Schild ruht auf vier Greifenfüßen, über
denen kleine Evangelistenfiguren vor einem aufgeschlagenen Buche
schreibend sitzen. Auf der Mitte des Schildes ein sargähnlicher
Kasten, in dem Adam, mit dem Leichentuche bedeckt, sichtbar
wird. Zu beiden Seiten des Kastens halten geflügelte Engel
einen runden Schaft (Inschriften bei Mithoff.) Nach dem
Katalog des Museums soll d£ks Stück von Bischof Bemward an-
gefertigt sein.
5) ReUquienkästchen auf vier kugeligen Füßen, kupfer-vergoldet imd
emailliert, mit an den Kanten abgeschrägtem Deckel; vorn imd an
den Seiten figurale Darstellungen, auf dem Deckel Tiere.
6) Reliquienkästchen aus Holz mit einem Überzug aus vergoldetem
Silberblech. Auf dem Deckel eingeritzt das Opfer Kain und Abels,
an den Seiten 16 sitzende getriebene Figürchen.
7) Reliquienkästchen, mit Leder überzogen und bemalt mit den
Evangelistenzeichen, Fabeltieren und Köpfen.
8) Drei Kästchen aus Elfenbein, mit Messingbeschlag.
9) ReUquienbüchse, achtseitig, mit gepreßtem Leder überzogen.
10) Ein kleines Diptychon von Elfenbein, mit den Darstellimgen der
Himmelfahrt und des Pfingstfestes.
-^ 56 8^
11) Rotes Holzkästchen in Form eines Triptychons, mit vielen Reliquien
hinter Homscheiben.
12) Reliquienbehälter in Form eines Triptychons, mit grüner Seide
überzogen. Reliquien hinter Gittern.
13) Zwei runde Büchsen von Elfenbein.
14) Zwei Jagdmesser, das eine mit Hirschhorn-, das andere mit
Elfenbeingriff.
15) Eine Bischofsmütze, Schuhe, verschiedene Decken von roter und
weißer Seide imd von rotem Samt
16) Verschiedene Glasgefäße.
17) Ein Kästchen mit gesticktem Überzug.
18) Reliquienschädel, Pergamentschriften, Steine.
19) Verschiedene Bücher.
20) Zwei runde Schüsseln von geschlagenem Kupfer, emailliert Jede
•hat auf dem inneren Boden ein Wappenbild (im roten Felde drei
übereinandergehende goldene Leoparden), das den Kern eines Sternes
bildet, dessen Spitzen von lilienartigen Blumen besetzt sind. Der
Raum zwischen den Bogenstücken wird durch sechs von Ornamenten
begleitete Medaillons ausgefüllt, von denen jedes einen mit Keule
imd rundem Schild bewaffneten Ringer enthält Eine der Schüsseln
hat am Rande einen vortretenden Schlangenkopf mit viereckiger
Öffnung.
21) Maria mit dem Kinde, Elfenbein, gotisch.
22) Rot bemalter imd ornamentierter gotischer Holzkasten*
23) Elfenbeintäfelchen von einem Diptychon, oben die Kreuzigung, unten
die heiligen drei Könige enthaltend.
24) Maria aus Bernstein, gotisch.
25) Buchdeckel mit Elfenbeinschnitzwerk, oben eine Kreuzigung, unten
eine Kreuzabnahme darstellend, zwischen beiden zwei Elngel-
Brustbilder, bezeichnet Michael imd Gabriel Hervorragende
romanische Arbeit
26) Tragaltar mit Abrahams Opfer, Holz mit vergoldeter Kupferplatte,
romanisch.
27) Hölzerner Kasten, mit Bleiguß belegt, gotisch.
28) Zehn Bleikistchen aus verschiedenen Altären, mit ReUquien.
29) Gewand der heiligen Anna.
30) Ein Kasten mit verschiedenen Reliquien.
Die angegebenen Bezeichnungen und Datierungen stützen sich auf den
Katalog des Provinzial-Museums.
Im Provinzial-Museum zu Hannover befinden sich femer noch folgende,
aus der Michaeliskirche stammende Gegenstände: zwei große Holzfiguren, Maria
mit dem Kinde und Maria Magdalena, vier Stücke eines geschmiedeten eisernen
Gitters und acht knieende Alabasterfiguren, angeblich Porträtfiguren von einem
Grabmal des Werner von Meding f 1655.
-^ 57 8^
Im Lüneburger Museum werden folgende Gegenstande, die sich einst in OegenBt&nde im
der Michaeliskirche befanden, aufbewahrt: Lüneburger
1) Ein Ältarschrein, 1,28 m breit, 1,60 m hoch, 0,37 m tief, mit zwei bemalten
Flügeln. Die Temperamalereien stellen auf der Innenseite der Flügel das
Abendmahl imd Qethsemane dar, auf der Außenseite Gott Vater mit
Christus im Schöße, und die Ejreuzigung. Rückwand und Seiten des Schreines
zeigen Reste von gepreßter Vergoldung, der obere Teil wird von einem maßwerk-
artig ausgebildeten Baldachin ausgefüllt. Im Innern steht eine geschnitzte
Figurengruppe mit der Darstellung Job., Kap. 8, V. 7.
2) Ein bemalter Altarflügel aus Eichenholz, gotisch. Die Malerei zeigt in einer
Darstellung die Fußwaschung und das Abendmahl.
3) Eine< kleine Tür aus Eichenholz, 0,43 m breit, 0,59 m hoch, mit eingelegter
Arbeit aus farbigen Hölzern.
4) Mehrere Einzelfiguren und Gruppen aus Eichenholz, darunter Johannes der
EvangeUst, Adam und Eva, Maria mit der Leiche Christi, St. Georg mit
dem Lindwurm.
5) Verschiedene Architekturteile aus Holz, Marmor imd Sandstein, darunter
mehrere gut gearbeitete Karyatiden, Kapitelle und Säulen.
6) Eine Wappentafel aus künstlichem Marmor mit dem Abtswappen von Bülow.
7) Eine Wappentafel aus Eichenholz mit dem Abtswappen von Spörcken.
8) Einige ReUquien aus der goldenen Tafel, darunter ein Blatt mit koptischen
Schriftzeichen.
9) Zwei runde farbige Totenschilde für Werner von Meding, gest.
1499, und Boldewin von Meding, gest. 1517. Die voll ausgebildeten Wappen
mit 'gotischen Helmdecken werden von einem Ring mit gemalter Inschrift
umgeben.
10) Drei 3,87 m hohe Karyatiden aus Eichenholz, die einst die Stützen einer
Prieche bildeten. Die Sockel sind reich mit Kartuschen, deren Ränder auf-
gerollt sind, und mit Fruchtgehängen geschmückt Die weiblichen kräftig
ausgebildeten Oberkörper tragen ein jonisches KapitelL Der Übergang vom
Körper zum Sockel wird durch ein Wappen verdeckt. Auf jeder Kartusche
am Sockel befindet sich eine Inschrift, und zwar unter dem Wappen von
Prese: FIDES ANNO 1591, unter dem Abtswappen von Bothmer: IVSTITIA
ANNO 1591, unter dem Wappen von Harling: SPES MEA CHRISTVS
ANNO DOMINI 1591.
Die Reste des früheren Altarschreins imd des Fürstengrabes wurden
bereits vorn erwähnt
Im rechten Winkel stoßen an die Nordseite der Kirche die früheren Kloster- Klostergebäude.
gebäude, jetzt Seminar, Amtsgericht und Landratsamt Von den alten Gebäuden
des Klosters ist nichts mehr erhalten ; die vorhandenen tragen den Charakter des
18. Jahrhunderts. Gebhardi hat noch das Pfort- oder Tafeldeckhaus, an der
Stelle der jetzigen Reithalle am Springintgut, einen zierlichen Bau mit oberem
Fachwerkgeschoß und achteckigem Treppenturm, von 1580, aufgezeichnet, ebenso
den Pferdestall der Ausreuterei von 1568. Beide Häuser sind 1787 abgebrochen
8
-^ 58 8«H
worden. An der Südseite der Kirche lag neben dem Chor die ehemalige Michaelis-
schule, unten massiv, oben Fachwerk, von der Oebhardi eine Zeichnung gibt,
und die 1568 erbaut worden war; sie wurde 1792 abgebrochen.
Die Cyriakskipche.
Quellen: Chronicon St Mich. (Wedekind, Noten 1, 413) ; Lttnebnrger Urkandenbuch,
herausgegeben von W. v. Hodenberg, 7. Abt., Archiv des Klosters St. Mich.; Urkundenbneh
der Stadt Lüneburg, hrsg. von Volger (1872 ff); Lüneburgs ältestes Stadtbuch, hrsg. von
Reinecke (Quellen und Darstellungen, Band 8); Inedita des Lüneburger Stadtarchivs; ü. F. C.
Manecke's Sammlungen (Ms. der Stadtbibliothek in Lüneburg), Band 26.
Literatur: Gebhardi, Kurze Geschichte des Klosters St Michaelis; Manecke, Top.-
bist Beschreibungen, S. 19 (daselbst die ältere Literatur); Wedekind, Noten ü, 293 f.; Volger,
Die Kirchen in Lüneburg (Lüneburger Johannisblatt 1857, Lüneburger Blätter S. 124 ff.);
Mithoff, Kunstdenkmale, S. 148 f.
Geschichte. ^^^ Cyriakskirche („Sunte Cyriakes kerke", „ecclesia Sancti Ciriaci",
auch mit dem Zusätze „Antique civitatis^') war die Pfarrkirche der alten Stadt
Lüneburg, jener Siedelung, die unter dem Schutze der Burg entstanden, das
Gelände zwischen Kalkberg und Sülze einnabm, imi sich von dort im langsamen,
gesunden Wachstum nach Osten hin vorzuschieben. Die Kirche lag vor dem
Ausgange der jetzigen Neuentorstraße, ein wenig nach Norden hin*), und es
wäre von großem Interesse, durch eine Ausgrabung in dem heutigen Seminar-
garten festzustellen, ob nicht die Gnmdmauem des Gotteshauses, das über der
Erde keine Spur hinterlassen hat, noch erhalten oder zu bestimmen sind. Große
Raumverhaltnisse hat St. Cyriak nicht gehabt, schon weil der Bauplatz im
Westen durch den Anstieg des Kalkberges beschränkt war. Der Haupteingang
befand sich allem Anscheine nach an der Südseite, wo die Salzbrückerstraße
in ihrer Verlängerung ausmündete; eine „stegele^', ein Stufengang, führte zu
ihm und zu einer Vorhalle (porticus) hinauf. Im Norden schloß sich eine Kapelle
mit einem Aldegundis- und Johanmsaltar an die Kirche an (erwähnt 1347),
eine zweite Kapelle mit einem Gertrudenaltar gehörte der Ritterfamilie Grote
(1336), eine dritte, „in porticu ecclesiae", mit einem Allerheiligenaltar, hieß die
Kaidunenkapelle, eine vierte mit einem Veitsaltar die Lange Kapelle („Longa
capella'^). Nach Niederlegung des Michaelisklosters auf dem Kalkberge im
Sonuner 1371 waren die in ihrer Ruhe gestörten fürstlichen Gebeine zunächst
in der Cyriakskirche untergebracht, bis sie von da in die neue MichaeUsldrche
überführt wurden; der Name Kaldunenkapelle scheint anzudeuten, daß die
fürstlichen Eingeweide bis zum Untergange des Gotteshauses daselbst ver-
blieben sind.
*) Vergl. Gebhardi, S. 15, Manecke, S. 19, Wedekind II. 293 N., Volger, LUnebnrger
Blätter 124 N. 2.
-tng 59 8^
Die erste Abbildung der Kirche, in einer gegen 1400 entstandenen
Handschrift des Sachsenspiegels auf der Lüneburger Stadtbibliothek, zeigt uns
ein Langhaus mit rotem Dach ohne Reiter, schlanke, rundbogige Fenster und
nach Osten hin einen kleinen Chor; zwei gedrungene Rundtürme mit rotgedecktem
Zeltdach, die unmittelbar hinter der Kirche emporragen, gehören zur Stadtmauer,
aber auch St. Cyriak wird ursprünglich einen Turm gehabt haben, da der
Glocken und eines Glöckners, der seine Amtswohnung in der Altstadt hatte
(1351), wiederholt Erwähnimg geschieht (z. 6. 1308 u. 38). Dürftig nimmt sich
die Kirche in den Stadtansichten des 15. bis 17. Jahrhimderts aus — ein
kurzes Langhaus mit Chor und, wo dieser sich anschließt, auf dem Dach-
first ein einfaches Kreuz. Die nahe gelegene Pfarrei wurde 1348 durch
einen angrenzenden Hof vergrößert, den Bischof Johann von Lübeck zum Ge-
schenk machte.
Wann St Cyriak entstanden ist, darüber fehlt jeder sichere Anhalt
Die Wahl des Schutzpatrons weist mögUcherweise auf Kölnischen Einfluß, deim
der Hauptheilige des Namens Cyriak begleitete nach der Legende die 11000
rheinischen Jungfrauen nach Rom und wurde auf der Heimfahrt mit ihnen
hingeschlachtet. Erinnern wir uns, daß der erste Benediktinerabt auf dem
Kalkberge aus dem Panthaleonskloster zu Köln berufen wurde, so liegt der
Schluß nahe, daß die Cyriakskirche nicht lange nach der Gründung des
Michaelisklosters, noch in der zweiten Hälfte des zehnten Jahrhunderts,
erbaut wurde, eine Mutmaßung, die manches für sich hat Mußen wir
doch in einer Kirche der Altstadt auch das Gotteshaus suchen, welches bei
dem großen, von Thietmar von Merseburg erwähnten Erdrutsch von 1013
gefährdet war.
Die Kirche stand unter dem Patronat der Herzöge. Die bauliche Erhaltung
des Gotteshauses war der Obhut zweier Ratmannen, den „provisores structure^',
anvertraut denen Bürger als Kirchgeschworene zur Seite standen. Die Jahres-
einkünfte der Kirche wurden auf 16 Mark Silbers geschätzt, die sich vornehmlich
aus Sülz-, Haus- und Grundrenten, auch den Erträgen einer Badestube am
Lindenberger Tor zusammensetzten.
Herzog Magnus, der letzte Billunger (f 1106), machte die Kirche dem
Michaeliskloster zum Geschenk, und eine urkundliche Nachricht von 1259, in
welcher der Abt von St Michaelis das Patronatsrecht für St Cyriak in Anspruch
nimmt, stimmt mit dieser chronikalisöhen Überlieferung überein. Die Rückgabe
des Rechtes war wohl voraufgegangen, als die Herzöge Albrecht und Johann
die Bardewiker Domherrn zum Umzug nach Lüneburg zu bewegen suchten und
dem Dekan und seinem Kapitel unter anderen imwirksamen Lockmitteln das
Patronatsrecht über St Cyriak zusicherten (1266 und 75).
In schwere Bedrängnis kam die Cyriakskirche durch die Zerstörung der
Burg und die Verlegung des Michaelisklosters, deshalb vor allem, weil der Kalk-
berg mit seiner Umgebung fortan außerhalb der Stadtmauern blieb und damit
die alte Lüneburger Pfarrkirche aus dem engeren Stadtgebiete ausschied. Durch
die große Umwälzung schrumpfte der ganze Pfarrsprengel so zusammen, daß der
Pleban in seiner Existenz bedroht war. Da nun auch die Michaeliskirche ihre
8*
H>^ 60 8^
Gemeinde eingebüßt hatte, übertrugen die Herzöge den Patronat über St Gyriak
mit allen Ertragen, Ehren und Rechten abermals dem Benediktinerkonvent; zu-
gleich verfügte der Bischof von Verden, daß nach dem Tode oder dem Verzicht
des derzeitigen Pfarrers, Dietrich von Lembeke, der sein Amt bereits 1377 nieder-
legte und sich mit einer Leibrente zufrieden gab, die Gyriaksgemeinde zur Michaelis-
kirche übergehen und dort durch einen vom Abte eingesetzten, jedoch dem
Archidiakon von St. Johannis unterstellten WeltgeistUchen ihre Seelsorge erhalten
solle. Für den Fall einer Niederlegung von St Gyriak, mit der man also
rechnete, erhielt eben der Archidiakon von Modestorpe die Befugnis, am Prüh-
messenaltar von St. Michaelis zweimal alljährUch die Gemeinde zur Synode um
sich zu versammeln. *)
Im Jahre 1379 gab der Verdener Bischof Auftrag, die St. Gyriak ver-
bliebenen Kirchenlehen wegen des mangelhaften Besuchs der Kirche an die
Lambertikapelle zu verlegen, vorausgesetzt, daß die zuständigen Patrone damit
einverstanden seien. Ob dieses Einverständnis nicht zu erlangen war, ob aus
anderem Beweggrunde: St Gyriak wurde weder abgebrochen, noch verlor es seine
Vikarien. Nach einer Aufzeichnimg des Lüneburger Stadtarchivs von 1525
zählte die Kirche jenerzeit noch acht Altäre, außer dem Hochaltar einen
Allerheiligen-, Gyriaks-, Gertruden-, Kreuz-, Phüipp- und Jakobsaltar
<supra lectorium), einen Veits- und einen Wilhads- Altar; ein „altare
Eucharistie", 1300 erwähnt, war eingegangen, ebenso der Ewaldsaltar
in der Sakristei Von 18 Vikarien oder Kommenden der Kirche waren 13
damals noch besetzt.
Dasselbe Verzeichnis gibt eine Aufzählung der zu jedem Lehn gehörigen
Meßgeräte, Gewänder, Bücher, Seidenstoffe, Stickereien, goldenen und silbernen
Ausstattungsstücke; auch drei auf Pergament geschriebene MissaUa und ein in
Magdeburg gedrucktes Meßbuch sind aufgeführt Von sonstigen Kunstschätzen
der Kirche verlautet wenig. Die Gilde Unser lieben Frau in der Altstadt
erwarb im Jahre 1359 eine Rente, imi damit an • hohen Festtagen einen
neuen Kandelaber vor dem Hochaltar mit Wachskerzen zu versorgen; der
Goldschmied Gord Hagen stiftete testamentarisch die Unterhaltung eines
Lichtes „uppe dem hecken" vor dem Frühmessenaltare, vor Unser heben Frauen
BUd (1518 März 15).
Als im 30 jährigen Kriege der Kalkbeig nach Verdrängung der
schwedischen Besatzung durch Herzog Georg neue Befestigungsanlagen erhielt,
erwies es sich als notwendig, gerade auf dem Platze, auf welchem die
Cyriakskirche stand, ein Außenwerk anzulegen. Die Kirche wurde daher
bis auf eine einzige Kapelle, die bis 1651 ihr Dasein fristete, im Jahre
1639 abgebrochen und ist weder an alter noch an neuer Stelle wieder
aufgebaut Auch der imi die Kirche herum liegende Friedhof ist dsunals ein-
gegangen, an seiner Statt wurde der neue Friedhof östlich vom Mönchsgarten
angelegt
*) Urkunden von 1375 August 10, 1376 Juli 14, 1384 Februar 23 (Bestätigunga-
bulle Urban VI.) und 1389 April 4.
•^ 61 8^
Das einzige Stück, das aus Si Cyiiak erhalten ist, besitzt Lüneburg
aller Wahrscheinlichkeit nach an dem Tauf getäße von Si Nikolai, einem schonen
Kunstwerke des Meisters Ulricus aus der ersten Hälfte des 14 Jahrhunderts.
Die Johanniskipche.
Quellen: Volgers Urkundenbuch; Inedita des Stadtarchivs; Eegistratur der
Johanniskirche ; Schomakerchronik, hrsg. von Th. Meyer (1904); Büttners Chronik (Hs. des
Stadtarchivs); Maneckes Sammlungen Band 26; Gebhardis Collectaneen, Band VIII.
Literatur: Bttttner, Genealogien der Patriziengeschlechter (1704); Manecke, Top.-
hist. Beschreibungen S. 8 ff. ; Yolger, Die Johanniskirche (Liineburger Pfingstblatt 1856, Lüne-
burger Blätter S. 88 ff.) ; v. Hammerstein-Loxten, Der Bardengau (1869), S. 449 ff. ; Mithoff, Kunst-
denkmale S. 141 ff.; Reinecke, Geschichte des Lüneburger Kalands (Jahresberichte des
Museums-Vereins 1891/5); Wrede, Die Glocken der Stadt Lüneburg (Lüneburger Museums-
blätter, 1. Heft 1904, S. 5 ff.); Reinecke, Entstehung des Johanneums zu Lüneburg (ebenda,
2. Heft 1905).
Die oftmals erwogene Frage, ob der Cyriaks- oder der Johanniskirche — Geschichte,
jener als der Pfarrkirche des ältesten Lüneburg, dieser als der Statte des
zustandigen Archidiakonates — der Altersvorrang gebühre, hat Volger mit gutem
Grunde dahin entschieden, daß, wenn die Gyriakskirche schon zu der Zeit
bestanden hätte, als die Diözese Verden in Synodalsprengel eingeteilt wurde,
der Archidiakon in Lünebvurg selber, nicht im Nachbarorte Modestorpe seinen
Wohnsitz erhalten haben würde. Dieser Schluß erscheint auch uns so zwingend,
daß wir die Johannes dem Täufer geweihte Kirche nahe der uralten Gaubrücke
über die Ilmenau zu den- ältesten Taufkirchen zwischen Weser und Elbe zählen
und ihren Ursprung bis in die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts zurückführen.
Sehr viel später freilich beginnt die urkundliche Überlieferung. In etwas imklarer
Weise wird 1174 ein Richmarus „von Muddestorp" genannt, ein Geistlicher,
vielleicht der Pfarrer, der aus der Feiertagskollekte seiner Kirche eine Jahres-
spende aussetzt für die Domherrn zu Verden und Bardewik. Ein Menschen-
alter später (1205) findet der Archidiakonat Modestorpe mit den anderen sechs
Archidiakonaten des Bistums in einer für den Verdener Bischof bestimmten
Wahlkapitulation seine erste Erwähnung — nur ein Verdener Domkapitular soll
die Archidiakonatswürde bekleiden.
Der Archidiakonat Modestorpe umfaßte mit Ausschluß der Bajdewiker
Propstei das nordöstiiche Viertel des Bardengaues, die Kirchspiele Beetzendorf,
Embsen, Lüne (mit Adendorf, Reinstorf, Thomasburg und Wendhausen), Neetze
(wahrscheinlich auch die Kirchen des dem Goh Oldenbrügge benachbarten Landes
Bleckede), und die Stadt Lüneburg selber. Hier waren, zumal nachdem Modestorf
und Altstadt sich verschmolzen hatten, Konflikte zwischen der kirchUchen und
weltlichen Obrigkeit unausbleiblich. Je mehr die Machtfülle des Lfineburger
-*^ 62 8^
Rates und die Selbständigkeit der Stadt sich festigte, um so empfindlicher mußte
jeder wirkliche oder vermeintliche Übergriff, jede gewollte oder ungewollte Miß-
achtung von Seiten des geistlichen Herrn sich fühlbar machen.
Der Archidiakon Amilius z. 6. erregte dadurch Anstoß, daß er Lünebui^er
Bürger häufig vor seinen Richterstuhl nach Verden lud. Der Rat beschwerte
sich darüber beim Domkapitel (um 1365) und stellte, noch etwas unsicher, den
Satz auf, daß der Archidiakon als solcher überhaupt nicht das Recht habe, in
Verden Gericht zu halten, daß er zumal in städtischen Angelegenheiten selber
nach Lüneburg kommen oder einen Vertreter abordnen müsse. Harmonischer
wird das Verhältnis im ersten Viertel desselben Jahrhunderts gewesen sein, als
Heinrich von Boyceneborg, ein Bruder des Pfarrers von St Johannis, die
Archidiakonatswürde inne hatte. In jedem Falle mußte das Bestreben des
Lüneburger Rates dahin gehen, Einfluß auf die PersönUchkeit zu gewinnen,
welche das wichtige Amt eines Archidiakons bekleidete, und die Ausübung
der geistlichen Amtstätigkeit ein für allemal an die Archidiakonatskirche zu
binden. So mag man es gern gutgeheißen haben, daß um 1390 Archidiakonat
und Pfarramt von St Johannis „aus besonderer Vergünstigung des apostolischen
Stuhles" in der einen Person des Eggerd Oldendorp vereinigt wurden. Gerade
damals aber drohte der Johanniskirche Gefahr, ganz unter den Einfluß Verdens
zu gelangen. Schon die Bischöfe Johann von Tzestervlet (1381 — 88) und Otto,
ein Sohn Herzogs Magnus mit der Kette (1388 — 95), sollen ihrem Domkapitel,
das angebUch einer Aufbesserung seiner Einnahmen dringend bedurfte, das Zu-
geständnis gemacht haben, sich die wohldotierte Hauptkirche Lüneburgs ein-
zuverleiben. Papst Bonifaz IX. bestätigte diese Anordnung, imd Eggerd Oldendorp
leistete formell auf sein Pfarramt Verzicht, wenn auch nur, um es einem aus-
drückUchen Wunsche des Rates gemäß vom Domkapitel zurückzuerhalten. Und
dasselbe Domkapitel plante Veränderungen, die für die Entwicklung Lüneburgs von
folgenschwerster Bedeutung hätten werden müssen: es versuchte imter Auf-
wendung großer Geldmittel, die päpstliche Sanktion zur Verlegimg des Bischofs-
sitzes von Verden nach Lüneburg zu erlangen. Schon war die Genehmigung
Bonifaz IX. erwirkt (1401 März 19), da erfolgte ein Widerruf des Papstes
(1402 April 13), ehe noch die erhoffte Übersiedelung ins Werk gesetzt werden
konnte, und St Johannis blieb die Ehre, zur Kathedralkirche erhoben zu
werden, versagt.
Derartige Bestrebungen des Verdener Domkapitels zeigen uns am besten,
welch' hohen Ansehens die Johanniskirche sich erfreute. Hauptpfarrkirche der
Stadt zweifellos schon seit der Vereinigung Modestorfs mit dem alten Lüneburg,
war sie nach Ausscheidung der am Fuße des Kalkberges gelegenen Cyriakskirche
aus dem engeren Stadtbezirk die einzige Pfarrkirche innerhalb der Mauern, und
der große Aufsch^oing auf allen Gebieten städtischen Lebens nach den stürmischen
Ereignissen des Jahres 1371 kam, dem frommen Sinn der Zeit entsprechend, dem
Gotteshause allermeist zu statten. Um so weniger vertrugen sich die eigen-
nützigen Pläne einer auswärtigen Geistlichkeit, welche unter der Einwohnerschaft
Lüneburgs lebhafte Mißstimmung hervorgerufen hatten, mit dem Selbstverfügungs-
drang der in ihrem Machtbewußtsein außerordentlich gestärkten Stadtobrigkeit
-^ 63 8^
Das Ergebnis langwieriger Verhandlungen, die in ihren einzelnen Phasen hier
nicht zu verfolgen sind, war ein Vertrag, der am 16. bzw. 21. Juli 1406 von
Bürgermeistern, Ratmannen und dem Domkapitel „umme de lenware der kerken
to sunte Johanse^' abgeschlossen wurde. Das Patronatsrecht über die Kirche
sollte hinfort und auf ewige Zeiten dem Lüneburger Rate zustehen; die Dom-
herren erhielten eine ausgiebige Entschädigung aus dem Salingut, verloren aber
jeden Anspruch auf die Besetzung des Pfarramtes, nur daß der Archidiakon
von Modestorf den vom Rat präsentierten Geistlichen in seine Würde einzuführen
hatte. Die Bestätigung des Paktes durch den Bischof von Verden erfolgte wenige
Monate später, indes der Papst dem Lübecker Bischof die Befugnis erteilte, die
Angelegenheit in seinem Namen zu sanktionieren. Der schon erwähnte Magister
Oldendorp legte nunmehr sein Pfarramt endgültig nieder, bUeb aber bis zu
seinem Tode Archidiakon; Pfarrer an seiner Statt (als solcher zuerst erwähnt
1407 März 17) wurde der Lüneburger Ratsschreiber, Herr Hinrik Kule.
In die nämliche Periode fällt die Gründung der städtischen höheren
Lehranstalt zu Lüneburg, der noch jetzt blühenden „Sunte Johannis schole^', die
den Glanz des gleichnamigen Gotteshauses, mit dem sie aufs engste verknüpft
wurde, noch erhöhte.
Der Sohn eines Lüneburger Ratmanns, Cord Abbenborg, Archidiakon
seit 1415, wurde auf Präsentation des Rates im März 1419 durch den vom
Verdener Bischof beauftragten Abt Boldewin von Wenden auch in die Stellung
eines Kirchherm von St. Johannis eingeführt, so daß beide kirchUchen Ämter
abermals etwa zwei Jahrzehnte hindurch in einer Hand vereinigt waren. Dann
leistete der Genannte zugimsten seines gleichnamigen Neffen, Cord Abbenborg
des Jüngern, auf die Archidiakonatswürde Verzicht und begnügte sich mit der
Wirksamkeit eines Pfarrers und obersten Vorstehers der zur Johanniskirche
gehörigen großen Kalandsbrüderschafi
Es ist nicht unwahrscheinhch, daß dieser Entschluß mit einem Anschlage
zusammenhing, der wiederum von Verden ausging und diesmal darauf abzielte,
die Selbständigkeit des Lüneburger Archidiakonates zu Falle zu bringen.
Bisehof Johann IIL, der Lüneburg später im Prälatenkriege so wertvolle Dienste
leistete, wußte in den Jaiuren 1436/37 mit Unterstützung der Herzöge Otto und
Friedlich von Braunschweig-Lüneburg Papst Eugen IV. dazu zu bringen, daß
er den Archidiakonat von Modestorpe mit der in ihrer Leistungsfähigkeit stark
erschöpften bischöflichen Tafel vereinigte. Das Domkapitel hatte bereits seine
Einwilligung dazu erteUt, als es den Vorstellungen einer Lüneburger Gesandt-
schaft gelang, den Papst umzustimmen. Am 30. Juni 1437 erklärte Eugen in
drei Bullen zwei frühere Erlasse, welche die Einverleibung des Erzdekanates be-
kundeten, für null und nichtig; er hob hervor, daß der Archidiakon nach
Satzungen und Herkommen bei Strafe verpflichtet sei, an seiner Archidiakonats-
kirche zu residieren, und beauftragte die Bischöfe von Schwerin und Ratzeburg
sowie den Abt von Reinfeld, Lüneburg gegen die Gelüste Bischof Johanns und
seiner Anhänger in Schutz zu nehmen. E^ eigenhändiger Verzicht vom
18. Oktober des Jahres, in welchem Bischof Johann die vom Papst erworbene
Vergünstigung seinerseits aufgab, scheint mit Mißtrauen aufgenommen zu sein,
-^ 64 8^
enthielt doch ein Freundschaftsvertrag Lüneburgs mit Bischof und Domkapitel,
ausgetauscht am 6. Dezember 1440 in Verden, als einen der Hauptartikel
wiederum die Forderung des Rates, daß der Archidiakonat von Modestorpe in
alter Selbständigkeit erhalten, nicht der bischöflichen Tafel angegUedert werden
imd in seiner Gerichtsbarkeit keine Beschränkung erfahren dürfe.
Schon damals wird der Gedanke erwogen sein, die ganze Archidiakonats-
frage in einer Weise zu regeln, welche der wachsenden Bedeutung der Haupt-
stadt des Fürstentums entsprach und der allzuoft genährten Beunruhigung der
Johannisgemeinde ein Ende machen mußte.
Konrad Abbenborg des Älteren Nachfolger im Pfarramte war der Stadt-
schreiber Johann von Minden. Ihm war es vorbehalten, den Archidiakon von
Modestorpe — diese veraltete Bezeichnung wurde bis zum Erlöschen des Amtes
mit Vorliebe gebraucht — ganz zu verdrängen und dessen Amtspflichten unter
dem Titel eines Propstes seiner Befugnis als Kirchherr anzugliedern. Papst und
Bischof wurden imter großen Geldopfem gewonnen. Der Chronist Schomaker
erzählt, daß der Rat, um sein Ziel zu erreichen, in Rom 1000, in Verden 2000
Gtdden habe ausgeben müssen. Zähen Widerstand setzte der Diu*chführung des
Planes vorcehmlich der letzte Inhaber der Archidiakonatswürde, zugleich Dekan
von Bardewik, Konrad Abbenborg der Jüngere, entgegen, unterstützt von der
Mehrheit des Verdener Domkapitels, von Lüneburger Vikaren und auch durch
einflußreiche Laien. Die wichtigsten Daten des für jene Zeit höchst charakte-
ristischen Streitverfahrens sind folgende. Am 27. Juni 1444 hebt Papst Eugen IV.
die freundliche Aufnahme hervor, die er Lüneburgs Abgesandten hat zuteil
werden lassen; am 7. Juli trägt er dem Abt von Reinfeld und anderen Geist-
lichen auf, die Vereinigung des Lüneburger Archidiakonats mit der Pfarrkirche
von St Johannis auszuführen; am 20. November verpflichten sich Bürgermeister
und Ratmannen auf ihre Gegenleistungen an den Verdener Bischof; a«m
23. Dezember bekundet Johann von Minden die Besitznahme des Archidiakonats;
am 7. April 1445 erhebt Eugen IV. den Pfarrer von St Johannis wegen des
Ansehens der Stadt Lünebvurg zmn Propst mit dem Vorrang vor allen anderen
Pröpsten und Pfarrern der Diözese Verden; am 7. Mai zitiert der EQldesheimer
Dompropst den als Archidiakon sich gerierenden Magister Abbenborg samt
seinen Anhängern zu einem Gerichtstag in seine Wohnung; am 26. September
gibt der Bischof von Verden durch eigenhändige Unterschrift seine Zustimmung
zvur Errichtung der Propstei; am 23. Februar 1446 nimmt Dr. Malatesta de
Captaneis, Kaplan des Papstes, im Auftrage seines Herrn alle Maßnahmen in
der Angelegenheit der Lüneburger Propstei zurück; am 16. März erklären
Schiedsleute die Beilegung des aus der Errichtung der Propstei herrührenden
Streites zwischen dem Verdener Domkapitel auf der einen, Propst Johann von
Minden und Rat zu Lüneburg auf der anderen Seite; am 15. April erhält
Eugen IV. die Erhebimg des Pfarrers von St. Johannis zum Propst trotz wieder-
holter Appellation aufrecht. — Konrad Abbenborg freilich gab seine Hoffnung
auf Wiedereinsetzung noch immer nicht auf: er ermüdete nicht, in Rom
persönlich seine Ansprüche zu verfechten, starb aber dort im Jahre 1448, und
mit dem Archidiakonat von Modestorpe war es endgültig aus.
-^ 65 8^
Johann von Minden trat in eben jenem Jahre von seinem kirchlichen
Amte in Lüneburg zurück, blieb jedoch auch als Lübecker Domherr in engen
Beziehungen zur Salzstadt. Sein Nachfolger wurde Leonhard Lange, der Sproß
einer angesehenen Lüneburger PatrizierfamiUe, der fast ein Menschenalter als
Propst von St Johannis wirkte, als solcher während des Prälatenkrieges treu
zum alten Rat stand imd ein neues Propsteihaus, die spätere Superintendentur,
erbaute. Letzter kathoUscher Propst war der langjährige Stadtschreiber Johann
KoUer (Köhler), gebürtig aus Stadthagen. Bis an seinen Tod (1536) eifriger An-
hänger des alten Glaubens, konnte er doch dem sieghaften Vordringen der
neuen Lehre nicht wehren imd mußte im Jahre 1531 einen wesentlichen Teil
seiner Amtsbefugnisse, gerade die Tätigkeit als Geistlicher, sm die nunmehrige
Superintendentur abgeben. Aufgehoben wurde die Propstei nicht; es blieb ihr
die Gerichtsbarkeit in kirchlichen Lehnssachen und damit die Verfügung über
Vikarien, Kommenden und andere Kirchenpfründen, soweit dieselben die
Reformation überdauerten. Von 1546—63 war der Bardewiker Dekan Jacob
Schomaker, bekannt als Lüneburger Chronist, Propst von St Johannis. Seit
Mitte des 17. Jahrhunderts pflegte einer der Bürgermeister nebenamtUch den
Dienst der Propstei wahrzunehmen; erst durch die Verfassungsurkunde von
1846 gingen sämtUche Geschäfte der bisherigen Präpositur auf den verwaltenden
Magistrat über. Die Superintendentur ist der Kirche geblieben, ihrem Inhaber
stehen zwei Prediger zur Seite.
An kirchUchen Benefizien war St. Johannis bis zur Reformation
außerordentUch reich. Eugen FV. pries in einer seiner Bullen von 1444 die Tatsache,
daß die Johanniskirche in Lüneburg mit mehr als achtzig ständigen Vikarien
ausgestattet sei und der Gottesdienst daselbst und die kanonischen Hören
ebenso feierUch begangen zu werden pflegten wie an Kollegiatkirchen. Volger
berichtet, daß an den Altären der Kirche nicht weniger als 160 Gedächtms-
stiftungen hafteten, eine Angabe, mit welcher ein Verzeichnis des Jahres 1525
ziemlich übereinstimmt, indem es 157 Benefizien ausdrücklich namhaft macht.
War oftmals auch eine Person zu gleicher Zeit mit mehreren Lehen bedacht,
so umgab den Pleban doch ein gewaltiger Stab von Vikaren und Konmiendisten,
die großenteils in eigenen Vikariatshäusem wohnten und dank der Freigebigkeit
der Stifter und Stifterinnen durchweg ihr gutes Auskommen hatten. Für den
eigentUchen Pfarrdienst standen dem Kirchherm drei Kapläne, fünf Scholaren
(scholre) imd der Opfermann (campanista) zur Seite, auch wird des öfteren ein
Vizerektor erwähnt (1389, 1416). Das Patronatsrecht über die einzelnen
Benefizien blieb in der Regel vorerst der FamiUe des Stifters, um nach deren
Aussterben an den Rat zu fallen, der allmäMich die Mehrzahl der Präsentationen
in seine Hand bekam. Daneben hatten geisthche und weltUche Brüderschaften,
die sich der Kirche angliederten, gewisse Vikarien zu vergeben, zumal die an-
gesehenste unter ihnen, die Kalandsbrüderschaft; über andere Lehen verfügte der
Pfarrer oder der Archidiakon, welch letzterem bzw. dem Propste in allen Fällen
die Einfuhrung des Präsentierten oblag. Eine der ältesten Vikarien vergab das
Kloster Reinfeld, und nach dessen Einziehung der König von Dänemark, je eine
andere das Kloster Lüne und das Bardewiker Domkapitel, vier imterstanden
9
-o^ 66 8^
der Verfügung der Herzöge von Lüneburg. Da sämtliche Inhaber eines kirch-
lichen Lehens am Orte desselben wohnen mußten und ihre regelmäßigen Messen
zu lesen hatten, so wurde schon im Jahre 1394 über den allzu sehr störenden
,,concursus missarum^' und darüber Klage geführt, daß der an vielen Altären gleich-
zeitig abgehaltene Gottesdienst, mit dem Lärmen der Menge im Gefolge, bei der
großen Zahl der zu St Johannis Eingepfarrten die Andacht mehr und mehr ablenke.
Die Kalandsgilde holte darum, obwohl sie sich von alters als zugehörig zur
Johanniskirche betrachtete, vom Archidiakon die Erlaubnis ein, außer an dem
gewohnten Kalandsaltar auch in städtischen Kappellen außerhalb von St. Johannis
ihre Vigilien und Gedächtnisfeiern zu begehen.
Von der ersten Erbauung der Johanniskirche erzählt ims weder eine
schriftliche Kunde noch ein bildnerisches Denkmal. Wir können nur vermuten, daß
die älteste Gestalt des Gotteshauses, etwa ein rohes Holz- oder Fa^chwerkgebäude,
durch einen Bau aus Findlingen, nach Art der in imserer Heide hier und da
noch erhaltenen Landkirchen, vielleicht auch durch ein aus Gipsblöcken vonn
nahen Schildstein geschichtetes Mauerwerk abgelöst wurde, bis das größere Ge-
bäude aus gebranntem Stein an die Stelle trat. Von romanischen Überresten ist
keine Spur mehr vorhanden.
Die früheste urkundliche Nachricht zur Baugeschichte der Kirche belehrt
uns, daß im Jahre 1297 der Kirchhof erweitert wurde, und zwar durch den
Abbruch einer Chorkapelle, in welcher der Lüneburger Rat an einem besonders
dotierten Altare tägUch eine Messe lesen Ueß. Mit dieser Maßnahme stand ein
Ausbau der Kirche, der „Antiqua ecclesia'^ im Zusammenhang, denn im selben
Jahre erteilten 15 Erzbischöfe und Bischöfe zugunsten der Johanniskirche einen
Ablaß, der durch Beteiligung am Bau (f abrica) und an seiner Erhaltung sowie durch
Spenden von Lichtern, Gewändern, Ausstattungsstücken und sonst zum Gottes-
dienste Notwendigem erlangt werden konnte. Ein Ablaßbrief des nächstfolgenden
Jahres gedenkt insbesondere der Jungfrau Maria und der Hl. Katharina, zu deren
Verehrung ein neuer Altar erbaut worden sei Das Kirchweihfest, welches am
29. August, dem Tage der Enthauptung des Täufers Johannes, begangen zu
werden pflegte, sollte nach einer Anordnung Bischof Friedrichs von Verden
U300 — 12) künftig am nächstgelegenen Sonntage gefeiert werden, eine Regelung,
die wohl durch eine neue Kirchweihe veranlaßt ist. Alsdann deuten zwei
Ablaßbriefe aus Avignon von 1333 und 37, zwei andere aus den Jahren 1357
und 83 regere Bauperioden an, und die sonstige urkundliche Oberlieferung gibt
uns einige festere Ümrißlinien dazu.
Bis ins 14. Jahrhundert zurück führt nämlich die Erbauung auch der
Mehrzahl der Kapellen, die sich allgemach im weiten Kranz an das innere Gottes-
haus anschlössen. Die mit der Sakristei identische Elisabethkapelle, schon 1261
genannt, wurde im Jahre 1333 erhebUch vergrößert*) Eine Kapelle links vom
Haupteingange unter dem Turme wird mit dem Turm selber 1319 zuerst erwähnt.
Die Allerheiligenkapelle wurde im folgenden Jahre erbaut und durch den Bürger
Nikolaus Kind mit vier Vikarien ausgestattet. Von der Nikolai- oder van der
Mölenkapelle an der Südseite des Turmes hören wir 1342; im selben Jahre von
*) Noch 1361 heißt sie „seu^ armarium^ 1848 rM'^ armario.
H>^ 67 8^
einer Kapelle des Evangelisten Johannes im Untergeschoß des Turmes, anscheinend
identisch mit der Kapelle von 1319. Eine vom Bürger Ludeke Stöterogge gestiftete
Drei Königekapelle „juxta parietes" begegnet 1365, die Marienkapelle („Annuncia-
tionis Mariae^') an der Südseite des Langhauses 1369. Die EÜtausend Mägde-
oder Ursulakapelle an der Nordseite des Gotteshauses wurde im Jahre 1372
erbaut aus Dankbarkeit für die Abwehr des feindlichen Oberfalls in der Ursula-
nacht Der Barbarachor („chorus seu capella'') über der Nikolaikapelle verdankte
seine Entstehung der frommen Absicht des Ratmanns Heinrich Viscule (1393).
Weitere Ergänzung erfahren diese Daten durch eine im 26. Bande der
handschriftlichen Sammlungen U. F. G. Maneckes überlieferte Aufzeichnung über
Lüneburger Kirchenlehen im 16. Jahrhundert.
Die Elisabethkap^Ue oder Sakristei, die wohl schon im Jahre 1333 bis
zu ihrer jetzigen Ausdehnung erweitert worden ist, lag südlich vom Chor. An
der Längsseite des südhchen Außenschiffes schlössen sich an die Allerheiligen-,
die Drei Könige-, die Annen- imd die Marienkapelle.*) Die dem Evangelisten
Johannes geweihte Kapelle im Erdgeschoß des Turmes wurde von den Beginen
benutzt und lag nach Norden hin, im Süden entsprach ihr die Nikolaikapelle.
Soweit läßt sich die Ausgestaltung des Gotteshauses durch urkundUche Nach-
richten bis zum Ausbruch des Erbfolgekrieges belegen. Schon vor der Zerstörung
der Lüneburg auf dem Kalkberge imd dem Ausschlüsse der Cyriakskirche aus
dem ummauerten Stadtgebiete war die Johanniskirche im Süden und Westen
mit einer geschlossenen Kapellenreibe versehen, sie war demnach offenbar schon
vor 1370 in den großartigen Verhältnissen einer fünfschiffigen Hallenkirche
vollendet, wenn auch nach Norden hin und korrespondierend zur Sakristei die
Kapellen noch fehlten.
Eine erneute Baulust macht sich in den nächstfolgenden Jahrzehnten
bemerkbar. Als unmittelbarer Ausklang der Ereignisse von 1371 entsteht, wie
schon erwähnt, die Elftausend Mägdekapelle. Sie lag am Ostflügel des nördlichen
Außenschiffs da, wo die Schüler ihren Eingang hatten, um auf den Chor zu
gelangen, und eröffnet die nördliche Kapellenreihe, während gleichzeitig die
Bartolomaeikapelle am Westflügel den Anfang macht**) lind in der Dreif altigkeits-
*) Die beiden letzteren scheinen nrnprUnglich vereinigt gewesen zu sein, denn es
lieifit in einer Urkunde von 1369 der (Andreas- und) Annenaltar zu St. Johannis in der nach
Süden hin gelegenen Marienkapelle.
**) Es ist nicht immer möglich, den gemeinten Altar nach seinem urkundlichen
Namen einwandsfrei zu bestimmen. Durchweg hatte ein Altar mehrere Schutzheilige, und
wenn in der Regel der zuletzt Genannte den Namen gibt, so ist das doch nicht ausnahmslos
der Fall. Maria stand als Patronin einer ganzen Reihe von Altären vor, und auch der
Hl. Bartholomäus ist an drei Altären nachzuweisen. In der 11 000 Mägde- oder Ursulakapelle
^b es einen Bartholomäus-, Jakobus- und Jakobus Zebedei-, femer einen Bartholomäus- und
10 000 Märtyreraltar, beide sind von dem Bartholomäus- (Simon- und Judas-)altar in der
gleichnamigen Kapelle zu unterscheiden, alle drei mögen jedoch später mit ihren Vikarien
zusammengelegt sein. Auch einen Dreifaltigkeitsaltar gab es in der Ursulakapelle, deren
Hauptaltar wie der Altar der Barbarakapelle zugleich den Aposteln Petrus und Paulus
geweiht war. Fraglos umfaßte die Johanniskirche im 15. Jahrhundert mehr Altäre noch
als im Jahre 1525, u. a. befand sich ein dritter Liebfrauenaltar an der Nordseite der
Antoninskapelle (1472).
9*
-^ 68 8^
und der Erasmikapelle — letztere mit einer Vikarie dotiert von den Erbinnen des in
der Ursulanacht gefallenen Bürgers Albert Remensnider — sogleich fortgesetzt wird.
Über der NikolaikapeUe erhebt sich der gleichfalls schon genannte Barbara- oder
Visculenchor, und in der Südwestecke der Kirche, zwischen Nikolai- imd Marien-
kapelle wird die im Jahre 1600 wieder abgebrochene Grablegungskapelle
eingefügt, „dar me in deme Guden vridaghe vor Passchen dat cruce ane to
grave bringt", erbaut 1410 durch Bürgermeister Viscule. In dieser Bauperiode
entsteht auch der Ratschor oder Ratslektor über der Sakristei, zuerst nach-
weisbar 1409.
Auch am Johanniskirchturm ist fin den letzten Dezennien des 14. Jahr-
hunderts rüstig weitergebaut Daß seiner Existenz bereits 1319 Erwähnung
geschieht, wurde bemerkt. Er trug mehrere Glocken. Im Jahre 1333 ist von
einer Betglocke die Rede, welche in der Dänunerung erklang, 1349 werden mit
einer Spende diejenigen bedacht, welche „die größeren Glocken" läuten („pulsantes
campanas maiores"). Ein zuverlässiges Datum für seinen Ausbau finden wir in
einem Sülzrentebriefe vom 13. Dezember 1384. Der Rat verkaufte an jenem
Tage zwei halbe Wispel Salz für 430 Mark Lün. Pf. an einen Uelzener Bürger-
meister imd verwandte die genannte Summe „pro structura et tectura turris
parochialis ecclesie beati Johannis baptiste" — für Bau» „und Deckung" des
Turmes, ein Hinweis auf die nahe Beendigung des Werkes. Volger und nach
ihm Mithoff führen eine Urkimde aus dem darauf folgenden Jahre an, mit der
Nachricht, daß der Rat ein Kapital von 325 Mark angeUehen habe, „um den
Turm zu decken"; beide Urkunden lassen sich gut miteinander vereinen, doch
muß es dahin gestellt bleiben, woher Volger seine Kenntnis genonmien hat
Ein schwerer Blitzschlag traf das Gotteshaus am 25. März 1406, dem
Festtage Maria Verkündigung, und der Turm brannte bis auf das Mauerwerk
herunter. Die Schomaker-Chronik weiß über das Ereignis nur die wenigen Worte
zu berichten: „Annuntiationis Marie brende de tom to Sunte Johanse aP' —
„dat sunte Johanse merliken groten scaden dede", wie eine andere Quelle hin-
zufügt Büttner in seiner Chronik erzählt, daß viele Menschen dabei ums
Leben gekommen seien. Er beruft sich auf folgende Inschrift einer inzwischen
verloren gegangenen, ehemals in der Sakristei befindUchen Gedenktafel:
„Jam Domino nato milleno sex sociato
Cum quadrigentis virtute rogi vehementis
Sub tantis annis turris fuit usta Johannis
Virginis in feste, dum sumpsit ave Gabrielis
Redduntur quaesto campaneUis Michaelis
Ethereum fulmen tantum discrimen agebat:
Factum mox fuit horrida nox non laetitiae vox,
Multi prostrati laesi sunt fulminis ictu,
Quidam servati vita remanent sine victu,
Evitare velis si poenas ulteriores,
Daemonis a teils studeas convertere mores."
Wohl imter dem Eindruck des elementaren Ereignisses trug Bischof
Konrad von Verden noch im Oktober des Jahres dem Pleban von St. Johannis
-^ 69 8^-
sowie dessen Kaplänen und Scholaren auf, an jedem Freitag zur Vesper und
an jedem Sonnabend zur Frühmesse die Mutter Gottes im Chor der Kirche durch
Gesang zu verehren, und allen an diesen Hören teilnehmenden Christen wurde
ein Ablaß zugesichert, der gewiß auch den Zweck verfolgte, die Baukasse der
Kirche neu zu füllen. Daß die Wiederherstellung des Kirchturmes alsbald
erfolgte, erhellt aus einer Urkunde vom Mai 1410, wonach die Juraten oder
Structurare eine Summe von 75 Mark mit Zustimmung des Rates „bekannter-
maßen" zum Turmbau verwandt haben. Es war in eben jenem Jahre, als
Meister Dietrich von Münster gen. „Clockengetere" im Auftrage der Kirchen-
geschworenen den Guß mehrerer Glocken übernahm, darunter der Sonntagsglocke,
die 1687 und 1718 wieder umgegossen worden ist*)
Zeitweise war für den Johanniskirchenbau eine besondere Ziegelei im
Setrieb. Am 14. August 1421 gestattete der Pfarrer gegen eine Rente von
24 Schilling, daß auf seinem Pfarracker südUch vom Adenbruch, zwischen diesem
und dem BQ. Geistkamp, Tonerde zu Nutz und Frommen seiner Kirche gegraben
werde. Ein zweiter Vertrag ist vom 23. März 1425 datiert. Dstmach erhielten
Bürgermeister und Rat, insbesondere die als Vorsteher jenes Ziegelhauses ab-
geordneten Ratmannen, Erlaubnis, sowohl acht besaete als auch zwei kurze,
unbesäete Ackerstücke, die zur Johannispfarre gehörten', abzugraben und die
Elrde zum Nutzen des Johannisziegelhauses zu gebrauchen und brennen zu
lassen; als Entschädigung wurden dem Pfarrer bis zur Rückgabe des Landes
jährlich zu Martini zwei Wichimten reinen Roggens und tausend Dachsteine
zugesichert; nach Einstellung der Ausbeute sollte der Kamp mit guter Erde
wieder aufgefüllt, geebnet und alsdann sechs Jahre lang im Dienste des Rates
mit dem Pflug bearbeitet und bestellt werden.)
Leider haben wir keinerlei urkimdlichen Anhaltspunkt, zu welchem
besonderen Zweck der Johannisziegelhof in dieser Zeit gedient hat Da das
eigenthche Gotteshaus im wesentlichen vollendet dastand, liegt es nahe, an den
gewaltigen Turm zu denken, der nach dem Brande von 1406 vielleicht in
größeren Verhältnissen als zuvor aufgebaut wurde — eine Annahme, welche
mit der stilistischen Ausführung der ältesten Giebelfassade zum mindesten nicht
im Widerspruch steht
Eine letzte Bauperiode erst brachte die Kapellenreihe ganz zur Vollendung,
das Dezennium nach Abschluß des Pralatenkrieges, etwa von 1461—70. Damals
wurde über dem Grabe des Bürgermeisters Springintgud nördlich vom Chor,
d. h. zwischen Chor und Ursulakapelle ein Gewölbe errichtet, und korrespon-
dierend zum Ratschor erhob sich darüber der Chor der Sülzjunker, damals erst
scheint auch die Lücke in der nördlichen Kapellenreihe ausgefüllt zu sein: es
*) Man vergleiche den Aufsatz Wredes über die Glocken der Stadt Lüneburg in den
Lfinebnrger Museumsblättem, Heft 1. Hier nur die Namen und Zahlen: Im Jahre 1436 goß
Gherd Klinghe die Apostelglocke und die Große [Schelle; 1461 goß Bertram Beteman aus
Magdeburg die Große Glocke um, eine Aufgabe, die Hinrick van Kampen 1516 ein zweites
Mal und besser löste. Im selben Jahre goß Hinrick van Kampen die Stundenglocke; 1519
(derselbe Meister) die Kleine Schelle; 1600 Andreas Heineken die Viertelglocke; 1607 Paul
Voß die Probeglocke, 1681 HHS. die Schusterglocke; 1687 Johann Voß die Wachtglocke.
-o^ 70 g-J-
entstand die Antoni- oder Kramerkapelle (1463), östlich davon die Cecüien- oder
Witickkapelle (1467 zuerst erwähnt), westiich die Leonhardikapelle (1470). *)
Die Namen der einzelnen KapeUen haben sich im Laufe der Zeit oftmals
verändert. Die Bezeichnung nach den Schutzheiligen trat seit der Reformation
zurück, und sie wurde, naturgemäß mit mannigfacher Verschiebxmg, ersetzt durch
die Namen der vornehmen Familien, welche die Kapellen als Begräbnisplatz
benutzt haben. Die Frohnleichnamskapelle mit dem Grabe des Bürgermeisters
Springintgud wurde später zur Laffertschen Kapelle. Bürgermeister Lutke von
Dassel (f 1537) hatte nach einem Zeugnis der Juraten von 1544 einen Raum
innerhalb der Kirche am Eingange der nördlichen Seitentür, genannt „dat Segen-
huesz", zum Dormitorium oder Erbbegräbnis seiner Familie erwählt, und seine
Nachkommen erwarben vier Dezennien später die Beginenkapelle, die damals
durchbrochen wurde, hinzu. 1585 hören wir von einer Lukas Möllers KapeUe^
einer Elvers-, Borchholt-, Musseltins-, Leonardikapelle. Die Nordkapellen waren
um 1700 im Besitz der Kagelbrüder (später derer v. Stern), der Familien Lange
mit dem Panther im Wappen, der Elvers, Ditmers, Mollner und Düsterhop. Vor
dem Haupteingange des Gotteshauses hatte die Familie von Witzendorf eine
Kapelle inne, die im Jahre 1802 abgebrochen ist. Die v. Dasselsche Kapelle ist
die einzige, in welcher auch nach 1811 noch Beisetzungen stattgefunden haben;
im genannten Jahre verfügte die französische Behörde, daß fortan inner-
halb der Stadt keine Beerdigungen mehr geduldet werden dürften.
Eine interessante Parallele zur Entstehung der Kapellen mit ihren Neben-
altären bietet die Ausschmückung der Pfeiler im Innern des Gotteshauses, die
wie jene nach und nach ausnahmelos mit einem besonderen Altar ausgestattet
wurden. Zwölf Altäre von St Johannis werden schon in einer Gedächtnisstiftung
vom 6. April 1320 aufgeführt, als jeder von ihnen 1 Pfund Wachskerzen zu
einem sog. Spendlicht erhält. Unter Zuhülfenahme des Verzeichnisses vou
Manecke läßt sich erkennen, daß die Urkunde ihre Altäre bereits in einer Reihen-
folge aufführt, wie sie der Überlieferung des 16. Jahrhunderts genau entspricht.
Schon im Jahre 1320 lagen hergddisch rechts und links vom Aufgang zum Chor
der Marien- und der Kreuzaltar an den Innenpfeilem, an den Außenpfeilem der
Kalands- (Aller Apostel- und Aldegundis-, Petri et Aldegundis-) Altar und der
Altar des ersten Märtyrers Stephanus, im Jahre 1469 vergrößert und von neuem
geweiht. Von den sechs Pfeilern des Mittelschiffs waren die vier dem
Chor zunächst stehenden gleichfalls bereits mit einem Altar geschmückt; an der
Nordseite erhob sich vor dem Marien- der Jacobisdtaj, gegenüber dem Predigt-
stuhle der Katharinenaltar (gegründet 1298), an der Südseite entsprechend der
Martinialtar, dessen erste Vikarie schon 1244 gestiftet worden ist, bzw. der
*) Im Jahre 1516 wurde die Kapelle der Garlop gebaut, einer Pa^füerfamilie, die
schon um die Mitte jenes Jahrhunderts im Mannesstamme erlosch. Büttner bemerkt dazu in
seinen Stammregistem : „I)ie so genannte Garlopen Capelle an St. Johannis-Kirchen ist Anno
1516 von Ihnen erbauet worden, als solches die Verse ausweisen, welche außen über derselben
unter dem Marien Bilde stehen und nunmehr fast unleserlich sind, wesshalben ich sie hieher
zu setzen kein Bedenken trage „Garlopum domus hoc Marie statuere sacellum, Dlins et
gnati ut concilietur amor. Anno XV C. XVP. Wahrscheinlich handelt es sich hier om eineo
Ausbau der Beginenkapelle.
-^ 71 8^
Magdalenenaltar; der Thomas- und Philipp- Jacobialtar, die sodann genannt
werden, lagen an den beiden östlichsten Pfeilern der Seitenschiffe. Der Vier
Doktoren- und der Gregorsaltar werden in jener Stiftung nicht bedacht, jedoch
ist der erstere, am Mittelpfeiler des südlichen Seitenschiffs, schon 1318, der
letztere, am Mittelpfeiler des nördlichen Seitenschiffs, im Jahre 1326 urkundlich
belegt Die w^estliche Pfeilerreihe ist der Altare vorerst ledig gebUeben.
In der Bauperiode nach dem Erbfolgekriege tritt am vorderen Südpfeiler
des Mittelschiffs der Matheusaltar auf (1379), der im Juli 1555 dem Stöterogge-
denkmal weichen mußte; später, am Pfeiler südlich davon, der Theodori- oder
Junkemaltar („altare dormicellorum", an Bedeutung zurücktretend hinter dem
gleichnamigen Altar auf dem Junkemlektor), und an den entsprechenden Pfeilern
links vom Haupteingange ein Vincenz- und ein Hieronymusaltar (vor 1504).
Im ganzen zahlte die Kirche zu Beginn der Reformation 40 Altäxe.
Deren 33 sind vorstehend genannt Es kommen hinzu 1) der Gosmas- und
Damianialtar, zuerst erwähnt 1318; er lag unter der Orgel („sub organis"), wurde
aber verlegt an einen Platz südlich vom Stephanusaltar, zwischen Chor und
Treppe, die nach dem Ratslektor hinaufführte („boven de gherwkameren^^, „super
armario'^, „up des rades chor", „vor des rades stolinge"); 2) der Agnesaltar in
der Nikolaikapelle; 3) der Veitsaltar (4. Vikarie 1416) auf dem Ratschor; 4) der
Marianialtar (Vikariengründung 1438), ebendaselbst; 5) der Altar zum Namen
Jesu oder Fronleichnamsaltar in der Springintgudkapelle (1463); 6) der Mathias-
altar, vor der BeginenkapeUe unter dem Turm (1476); 7) der Georgsaltar (1410),
seitens der Georgsbrüderschaft mit einer Kommende dotiert, der Lage nach
unbekannt
Wie der Gyriakskirche und den städtischen Kapellen, so standen auch
der Johanniskirche zwei Ratmannen vor. Sie werden als procuratores (provisores)
structure im Jahre 1332 zuerst erwähnt und zwar mit den Kirchgeschworenen
zusammen, deren zwei, Nicolaus von Toppenstede und Nicolaus von Odem, schon
hn Jahre 1320 auftreten. Mit den Juraten gemeinsam hatten die Provisoren
vornehmlich die Aufsicht über die Erhaltung und den Ausbau des Gotteshauses.
Vermächtnisse „in usus structure", „to dem buwe'', fielen nominell bald an die
Provisoren, bald an die Juraten, welch' letztere insofern leicht maßgebend
werden konnten, als sie nicht wie die Ratsverordneten alljährlich wechselten;
ihre Bedeutung sprach sich seit dem 16. Jahrhundert auch in der Dreizahl aus.
Bei wichtigen Entscheidungen war die Zustimmimg des Gesamtrates erforderlich.
Die Baukasse (fabrica) der Kirche hatte bestimmte Einnahmen („bona ad struc-
turam pertinentia" 1320), die im Bedarfsfalle mit Rentenverschreibungen „ex
redditibus, fructibus et precaria structm-e", „ute der bede und ute den redesten
sunte Johannis korken gudem** belastet wurden. Welcher Art die Einnahmen
waren, ersehen wir aus den Kirchenrechnungen, die von einem der Juraten
geführt wurden und von 1574 an in geschlossenen Bänden vorliegen. Schon
der älteste Band unterscheidet folgende Einnahmetitel: „van wispelgude" (Sülz-
einkünfte), „van segel und breven" (Verschreibungen), „van hußrenten", „van
den 13 Tvaningen by S. Michael", „van den 7 waningen up S. Johans kerck-
have", „van begreffenissen und lijckstenen", „van stolen und ludegelde",
-^ 72 8^
„tovellige inname^^ Ein Kirchenstuhl zu St. Johannis wird im Jahre 1408
testamentarisch vermacht, später waren die Stühle „auf den Leib geschrieben^',
sie mußten daher in jedem Sterbefalle neu bezahlt werden. Ein Begräbnis im
Innern der Kirche, die Anbringung eines Grab- oder Gedenksteines und auch
die Beerdigung von Fremden auf dem zimächst der bürgerUchen Gemeinde vor-
behaltenen Kirchhofe brachte manchen Gewinn. In der Hauptsache wuchs das
Vermögen der Kirche aus freiwilligen Gaben heran. Im Stadtarchiv findet sich
kaum ein einziges größeres Testament, in welchem nicht für die Johannis-
pfarrkirche eine Summe ausgesetzt ist Ablaß Verleihungen suchten die Gebe-
freudigkeit auch im 15. Jahrhundert noch mehr anzuspornen. Im Jahre 1420
wurde eine Freitagsandacht zu Ehren des Hl. Kreuzes eingeführt und den Teil-
nehmern ein Ablaß verheißen, 1443 richtete die Witwe des Lübecker Bürgermeisters
Rapesulver für jeden Donnerstag und Sonnabend fromme Gesänge zu St Johannis
ein und erwirkte dafür einen Ablaß; zu gunsten der Kapelle des Evangelisten
Johannes wurde im April 1446 ein Ablaß verkündigt, für die Johanmskirche
als solche im Juh 1451, zu gunsten des Junkemchors 1463 und 67. Zwei Jahre
später genehmigte der Bischof von Verden die Aufstellung eines Sammelstocks
zur Erweiterung der Kirche. Eine Serie von Ablaßbriefen wußte sich der Kaland
von St. Johannis zu verschaffen, wie in der eingangs zitierten Geschichte der
Lüneburger Kalandsbrüderschaft des näheren dargelegt ist Wesentliche Stärkung
erfuhr die Baukaase gegen 1418 durch das von Bürgermeistern und Ratmannen
erkämpfte Zugeständnis des päpstUchen Stuhles, daß die Einkünfte vakanter
Ejrchenlehen ein Jahr hindurch dem Baufonds zufließen sollten. Im Jahre 1477
überwiesen die Vorsteher der sog. Alten Kauf leute - und auch die der Neuen Kauf-
leute - Almosen ein Drittel ihrer Einkünfte den Juraten zum Kirchenbau.
Die bauhche Erhaltung des großartigen Gotteshauses ist in den mehr
als vier Jahrhunderten, die seit seiner Vollendung verstrichen sind, von der
Lüneburger Bürgerschaft im ganzen als eine Ehrenpflicht verstanden. Wohl
sind in Zeiten wirtschaftlichen Niedergangs notwendige Instandsetzungen länger
als zulässig hinausgeschoben, dafür haben jüngere Generationen Versäumtes
wieder gutgemacht
Auffallend, daß schon im Jahre 1466 seitens der Kirchgeschworenen
über offenkundige Schäden geklagt wird: die Südseite der Kirche müsse not-
wendig gedeckt und auch der Turm für mindestens 300 Mark ausgebessert
werden, denn jedermann könne sehen, „dat dar grod gebrek anne is". Die
Herstellung geschah im nachfolgenden Jahrzehnt; der Chor erhielt eine Bedeckung
von Schieferstein*), „für die Erbauung einer neuen Turmspitze" (nach einer
Notiz des 16. Jahrhunderts) wurden über 6000 Ziegelsteine verbraucht Das
Material zu einem kupfernen Turmdach wurde aus Lübeck bezogen und in
Hamburg verarbeitet; 24 Schilling kostete es „den hauen uttohouwende"; für
etwa 16 Mark Gold kam zum „tynappel", Cord Snitteker lieferte die kupferne
„bussen" dazu und „mester Hermen" erhielt an die 73 Mark, „dat he den
tynappel upsat".
*) Später ersetzt durch ein Kupferdach; vom Dach über der Sakristei wurde im
Jahre 1685 Kupfer gestohlen.
-Hl 73 8^
Clenau ein Jahrhundert später, 1575 ff., wurde das Kupferdach des Turmes
vom Kupferdecker Dirick erneuert.*) Unter den Materialien werden 51 Sack
Spöne angeführt, um das Kupfer damit zu glühen. Zu den Baukosten schoß
der Rat die Summe von 1000 Mark vor, und zwar auf vier Jahre unverzinslich,
„dewilen der kercken dit jhar (1578) veel schweres buwendes vorgefallen". Um
den Kirchhof her wurden acht Steine mit Schrift gesetzt, die der Maler Daniel
(Frese) auf blauem Grunde vergoldete, und die vemmtlich das Andenken an
die HersteUungsarbeiten erhalten sollten. Derselbe Maler, bekannt durch seine
Allegorien in der Großen Ratsstube des Rathauses, vergoldete im Oktober 1582
die Scheibe der Turmuhr, und aus dem folgenden Jahre wird berichtet, daß
zum Kranze über der Stundenglocke am Turm 100 glasierte „stertwunden" und
12 glasierte „hele man" kamen.**) Ein neues Uhrwerk für Stunden- und
Viertelglocke wurde um die Wende des Jahrhunderts an Meister Jacop „den
seyermaker" verdungen***), indes Daniel Frese die „Visierung des Turmes mit drei
Scheiben" ausführte und den Knopf vergoldete; Hans Olrichs stach „umb den
newen seyer" die Wappen der Stadt, der Ratsbeisitzer und der Juraten.
Wahrscheinlich ist die letzterwähnte Bedeckung des Turmes keine
vollständige gewesen, da aus dem Jahre 1611 berichtet wird, „daß an der
Turmspitze die nordwestliche Seite zu decken angefangen und bis an die 4 Knöpfe
aufgeführt"; Cornelius de Werth in Hamburg Ueferte das Dachkupfer, das alte
Material wurde ihm zum Umschlagen zugeschickt.
Die Bedeckung der Kirche, soweit sie mit Pfannensteinen erfolgt war,
verursachte nach jedem Sturmwind große Ausgaben; im Jahre 1582 suchte
man Besserung zu schaffen, indem man 4^2 Tausend Dachsteine aufhängte,
ein Verfahren, das sich, wie wir sehen werden, auf die Dauer nicht bewährte.
Eine umfassende Herstellung der Kirche, an der sich wieder „allerhand
beschwerliche baufellige örter" zeigten, wurde im Juli 1614 durch eine von
allen Kanzeln angekündigte öffentUche Sammlung unter allen Hausgesessenen
gefördert; die Herstellung begann mit dem Aufbau zweier Pfeiler und der
Mauer am Herrenlektor, also an der südöstUchen Chorseite; die Kupferdeckung
der beiden Pfeiler kostete 41 Mark, Meister Hans, der Steinhauer, brachte die
Jahreszahl an.
Im April 1703 wurde der Turm abermals durch einen Blitzschlag schwer
beschädigt, wie denn Heimsuchungen der Kirche „durch das Donnerwetter" noch
*) Bis zum Jahre 1686 befand sich am Turm ein Lamm Gottes mit der Zahl 1503
oder 1505, ebenfalls ein Hinweis auf eine Wiederherstellung ; die Tafel wurde damals, obgleich
es sich nur um eine belanglose Reparatur handelte, durch eine andere mit dem Namen eines
Juraten ersetzt.
**) An sonstigen Bezeichnungen fUr Formsteine entnehmen wir den Johanniskirchen-
rechnungen folgende: kapsteen, campersteen, schneden steen, schlichten man (Mond), halven
man, emsen halven man, dubbelden man, wunden man, poste, vinsterposte, glip, sprengel,
semese, stnve und schneden semese, flacke egge^ grote astrick.
*•*) Von einem sehr kostspieligen Uhrwerk hören wir schon aus der Amtszeit der
rührigen Juraten Modwedel und Buldermans (1487): ^do wart de seyger henget to sunte
Johannes . . . unde de seyger heft ghekostet (teinde half) hundert mark^. Die Uhrglocken
hingen nach Westen hin, außerhalb des Turmes.
10
-o^ 74 g^
aus vielen andern Jahren, 1477, 1581, 1599, 1666, überliefert sind. Ein Sturm
des Jahres 1747 fegte die Turmspitze nieder, ein Unwetter des Jahres 1800 den
neu aufgesetzten Knopf und Hahn. Die Anlage eines Blitzableiters geschah auf
Anregung des Architekten Sonnin, der bei einer Besichtigung der Kirche im
Juni 1775 auf die NützUchkeit eines „Gewitterabieiters" hinwies. Der erste Blitz-
ableiter auf dem Kontinent war im Jahre 1769 am Jacobikirchturm in Hamburg
angebracht.
Die große Restaurierung des 19. Jahrhunderts wurde im Jahre 1833 in
Angriff genommen. Der vormalige Stadtbaumeister Spetzler legte in einem Gut-
achten, dem sein Nachfolger Holste im wesentlichen zustimmte, die Haupt-
gesichtspunkte dar, nach denen die Erneuerung des Gotteshauses zu geschehen
habe; er stützte die Höhe seiner Forderungen durch den Hinweis, daß die
Lambert!- und Nikolaikirche wegen allzu teuerer Erhaltung doch denmächst ein-
gezogen werden müßten, darum solle man wenigstens die Johanniskirche retten.
Das Mauerwerk des Turmes war im Laufe der Zeit rissig geworden, und die
Ziegelbedachung des Hauptschiffs (bis auf die Chorseite) sowie der kirchen-
seitigen Flächen der Abseitendächer wurde, wie ehemals die Bedeckung mit
Pfannensteinen, von jedem Windstoße so mitgenommen, daß der Regen frei
hineinströmen und großen Schaden anrichten konnte.
Die Baukosten betrugen rund 50000 Reichstaler. Die Westseite des
Turmes wxmie erneuert, das Mauerwerk durch Verankerungen befestigt, mehrere
Schall-Luken wurden geschlossen, die außen hängende Stunden- und Viertelglocke
hineingenommen, die vorerwähnte Ziegelbedachung durch Schiefer ersetzt, die
verunzierten Kapellen wiederhergestellt
Um die Wende des 19. Jahrhunderts hat der Turm abermals ein neues
Kupferdach erhalten. —
Der großen Anzahl ihrer Kapellen und Altäre entsprechend, war die
Hauptkirche Lüneburgs ehemals an Kunstschätzen mannigfacher Art, wenn
auch nicht der Klosterkirche von St Michael ebenbürtig, so doch reicher als
jedes andere Gotteshaus der Stadt und reicher als manche Eathedralkirche.
Die Angehörigen der einzelnen Altäre, d. h. die FamiUen der Stifter und die
zahlreichen Gilden, wetteiferten untereinander in der Beschaffung von Kult-
geräten, Meßgewändern und Meisterwerken der Kirnst, lun zugleich die Fürbitte
ihres Schutzpatrons zu erwerben und ihrem eigenen Ansehen Ausdruck zu ver-
leihen. Zur Ausrüstung der Allerheiligenkapelle gehörten schon im Jahre 1325,
also kurze Zeit nach ihrer Gründung, 2 Kelche, 2 Missalbücher, 1 Psalterium,
1 zweibändiges Breviarium gen. „Verdebük", 2 Kappen (Pluviales), 5 Caseln
mit ihren Besatzstücken (preparamentis), 2 Fastengewänder (jejuniales), 6 Altar-
decken (palle) und 1 „Plenarium", welches die 4 Evangelien enthielt Vom
Ausgang des Jahres 1430 ist uns ein Inventar überliefert, welches der Presbiter
Werner Korff, vermutlich der Bewahrer des zum Hochaltar und Frühmessenaltar
gehörigen Kirchenschatzes, beim Empfang seiner „Kleinodien" ausfertigte. Das
bisher unbekannte, in einem seltsamen Gemisch von Latein und Niederdeutsch
abgefaßte Schriftstück verdient an dieser Stelle eine Wiedergabe im vollen
Wortlaut
-<-8 75 8^
„Anno domini M® CCCC® XXXI®, feria sexta infra octavam Nativitatis
Christi [1430 Dez. 29], ego dominus Wernerus Korff presbiter recognosco, me
recepisse infrascripta clenodia ecclesie sancti Johannis baptiste in Luneborg:
videlicet 10 calices cum 10 patene et 3 vorgulden pypen, dar me mede plecht
de lüde to communicerende ; item 9 corporalen voder, dat eyn besmydet —
dominus Antonius van Thune dedit; item unser vrouwen beide to der hemmel-
vart; item unser vrouwen beide der zunnen; item eyn cruce dat me des
sondaghes umme hoff draghet — her Kule dedit; item de olde monstranchie;
item de lylya — her Kule dedit; item de beste plenarius; item de ander ple-
narius demme alle sondaghe umme hoff draghet — her Kule dedit istas ambas;
item sunte Peters kede; item eyn grot bryl dar is hilghedom ynne; item eyn holten
cruce dat me ok umme hoff drecht; item 2 hovede undecim milia virginum;
item 2 sulveren wyrikvate; item 2 sulveren appollen [Kannen]; item 8 span,
der is 5 vorguldet, in dem eynen steyt sunte Johannes bilde, in dem anderen
miser vrouwen bilde, in dem drudden sunte Georgen bilde, in dem verden
sunte Cecilien bilde, in dem veften sunte Katherinen bilde, de andern 3 sunt
van parlen; item eyn cleyne sulveren tafelen de st^yt uppe twen enghelen;
item 1 swart gherve [Meßgewand] mit twen roden rokken — her Kule dedit;
item 1 rode cappen — her Curt Boltzen dedit; item 2 rode cappen — her
Ludolft van der Suiten dedit; item 2 grone cappen — her Johan Semmelbecker
de sotmester dedit; item eyn witte cappen — her Johan Langhe dedit; item
eyn rode kappen dar unser leven vrouwen bilde ynne steyt; item eyn blawe
cappen-Stoteroghe dedit; item ene blawe cappen — herteghe Wilhelm dedit;
item eyn grone ghulden cappe — magister Eggherd archidiaconus dedit; item
2 grone kyndercappen; item 1 grone syden cappen; item eyn rot gherve, eyn
pari liste; item eyn brun gherve myt dem omate — Ditmer Säbel dedit myt
dem or[nate]; item eyn blaw stucke [Tuch] — her Vyscule dedit; item eyn
wit stucke; item eyn blaw stucke dar de hauen ynne stan; item eyn gron
stucke — her Nycolaus van der Molen dedit; item eyn blaw stucke dar de
s\^an ynne stan; item eyn brun stucke myt euer parlden listen; item eyn rot
stucke dar de sparen ynne stan; item eyn rot stucke dar sunte Johannes ynne
steyt — her Sander Schellepeper dedit; item eyn gülden nackenstucke; item
eyn rot stucke dar unser vrouwen bodeschop ynne steyt — her Springhentgud
dedit; item eyn rot sammyt; item eyn nackenstucke myt speghelen; item eyn
rot stucke myt lysten; item ein gel stucke und twe rocke; item eyn rot flüvel
— her Albert Hoyke dedit; item eyn rot stucke myt lindwormen; item eyn
wit syden stucke — Hintze Upieggher dedit; item eyn blaw gülden stucke myt
eynen parlden crucifixe upme rugghe — her Albert van der Molen dedit; item
eyn blaw syden stucke myt gülden stripen — de Sanckenstedessche dedit;
item eyn rot gülden stucke — her Handorp dedit; item 31 stucke des me alle
daghe bruket; item 13 par dyakon rocke; item 14 alterdwelen gud unde qu&t;
item 4 lysten to dem Hoghen altare; item 3 lyste to dem Vromissen altare;
item 1 rot, 1 wyt, eyn ghel, eyn blaw antependia; item 4 patenendwelen ;
item 4 dwelen to communicerende; item 1 dwelen wan me dat sacrament
plecht to dreghende; item 5 vürschapen [Wärmepfannen]; item 2 misseboke,
10*
-o*S 76 8^
eyn sommerstucke unde 1 wj'^nterstucke — her Anthonius de Thüae dedit illos:
item 2 ander mysseboke; item 3 votivarie; item 2 de besten mysseboke, de de
ryke Gherardus gaff; item eyn bück dat is to sunte Nycolaes; item eyn olt
missal. Ffidiiussores Hinrick Rybe, Hans Reghegher".
Das in mehrerer Hinsicht bemerkenswerte Blatt zeigt uns die große
Freigiebigkeit der mittelalterlichen Gemeinde. Die alten Lüne burger Ratsfamilien,
die Boltze, Lange, Hoyke, van der Molen, Sankenstede, Schellepeper, Semmel-
becker, Springintgud, Stöterogge, van der Suiten, Viscule, Zabel, haben samt-
lich zur Vermehrung des Kirchenschatzes beigetragen, und ein Gleiches dürfen
wir von anderen wohlhabenden Familien der Stadt annehmen, wenn ihrer auch
nicht ausdrücklich Erwähnung geschieht; aus anderer Quelle wissen wir beispiels-
weise, daß der Ratmann Hinrick Miles im Testament von 1366 der Johanniskirche
seinen silbernen Gürtel vermachte zur Anfertigung eines Kelches. Von Interesse
ist es, daß auch Herzog Wilhelm (f 1369) unter den Geschenkgebem aufgeführt
wird. Von den drei Pfarrern, die als Wohltater ihres Gotteshauses genannt
sind, hat Hinrik Kule der Johanniskirche und dem zugehörigen Pfarrhause so
große Geldopfer gebracht, daß Bürgermeister und Rat ihm in Anerkennung dieser
Verdienste eine Leibrente bewilligten (1410 April 4).
Die verhältnismäßig frühen Angaben über die Kleinodien des Hochaltars
lassen ermessen, wie reich sich die Hauptkirche der Stadt im Gegensatz zu ihrer
zwar imposanten, aber verhältnismäßig einfachen äußeren Gestalt im Innern
schmückte, und wie die Pracht des Gotteshauses von Jahrzehnt zu Jahrzehnt
sich üppiger entfalten mußte. Aus der geringen Aiisbeute der urkundlichen
Überlieferung, die freilich nur bis 1490 berücksichtigt werden konnte, werden einige
weitere Belege willkommen sein. Vor dem Hochaltäre brannten zwei ewige
Lichter, das eine an der Nordseite „vor deme hilgen Uchame" (1393 und 1474
erwähnt), das andere nach der Sakristei hin, „in der vorguldeden luchten" (1434);
für eins von beiden, femer für ein Licht auf dem Ursulaaltare, für ein Licht
„vor dem Kreuze" und für das sog. StadtUcht hinter dem Ratsstuhle hatte die
Kämmerei Sorge zu tragen. Auch vor dem Marienaltare brannten mehrere ewige
Lichter, eins „in unser Vrowen ere" (1393), eins „vor dem Marienbilde", von der
Marienbrüderschaft unterhalten (1407), ein drittes „up dem bome", der Obhut
der St Jürgens-Gilde empfohlen. Marienlichter auf einem Baume („super arborem")
werden auch vor dem Hochaltar erwähnt; es waren 13 Stück, die ebenfalls von
der Mariengilde besorgt wurden (1402). Der mehrfach begegnenden Bücherei
(„liberie") zu St Johannis vermachte der kinderlose Apotiiieker Mathias van
der Most 1474 „dat rode bock dar vita Alexandri ynne steyt". Die Bücherei
ist in der Reformationszeit mit der Ratsbibliothek vereinigt. Die Beschaffung
kostbarer Meßgewänder für die Vorsteher der Kalandsbrüderschaft sieht ein
Testament von 1477 vor; das Vermächtnis eines Bürgers vom Mai 1481 über-
weist 5 Mark „to deme nyen sülveren schryne to simte Johanse", vermutlich
die noch heute erhaltene sog. „goldene Kirche". Ein älteres Kleinod war dem
Gotteshause im Jahre 1472 gestohlen.
Noch in den siebenziger Jahren wurde vom Meister Jacob, einem Snitker
oder Kistenmaker, „des rades stolinge" angefertigt, ein neues Ratsgestühl, das
->^ 77 8^
nach dem Chore zu diirch eine hohe Schranke abgeschlossen war; gleichzeitig
fertigte der Kistenmaker Hans Fabel einen besonderen Bürgermeisterstuhl. Eben
damals erhielt der Chor Rückenlaken aus Leinwand^ mit Gemälden aus dem
Leben der fil. Johannes und Jürgen. Ein Maler mit Namen Tyle bemalte ein
Brett, auf dem- die zehn Gebote standen, ein anderer Namens Hans Hom ein
Schap, das zur Aufnahme des Hl. Kreuzes diente.
Der Hochaltar wurde in derselben Periode, nämlich 1484/85, mit seinem
jetzigen Auf satze geschmückt: „do wart de nygen tafele uppe dat homyssen altar
ghesettet, by Dirick Modwedel unde Dirick Buldermans tyden, do de kerck-
swaren weren". Die Ausgabeposten der Kirchenrechnung lassen erkennen, daß
ein Hamburger Maler und ein Lübecker Goldschläger, von denen der eine
anscheinend Meister Hans genannt wurde, sich in die Hauptarbeit teilten. Die
betreffenden Auszüge lauten: „Item utgeven 20 Mark de ik sende to Hamborch
dem maier; 8 s. vor eyn holt to der tafelen; 4 s. vor eyne droge delen to der
tafelen; 13 d. vor negele; 3 Mark myn 3 s. to dachlon do wy de tafelen setten
unde eyne s. to ber; 60 Mark deme goltsleger to Lubeke van unser tafelen
wegene; 5 s. mester Hans, do he de tafelen to rechte sette; 23 Mark unde 4 s.
deme smede do de tafel settet was; 3 Mark deme biscope de de tafele wigede;
45 Mark der msderschen [der Frau des Malers?] to Hamborch unde eyne r. gülden
den ik er baven yn gaJEf; 1 Mark vor 12 eilen lennewandes to deme laken uppe
dat hoge £dter to der tafelen ; 20 s. deme maier vor dat laken to malende uppe
dat homissenaltar; (4 Mark vor dat rode arresck to deme laken up dat hoge
altar in deme roden sondage)." Es fällt auf, daß von einem „Bildensnider" an
dieser Stelle gar keine Rede ist.
Um so erfreulicher, daß wir den Kunsthandwerker nennen können,
der im Jahre 1588 f. das schöne, kürzlich von seinem häßlichen Anstrich
befreite Chorgestühl gearbeitet hat. Gelegentlich der Reinigung kam auf der
Rückseite eines Pilasters folgende mit Kohle geschriebene Notiz zutage : „Wamike
Burmester so he(t) de meister ; de gesellen : Andreues Petersen, Johan Buckenda(l),
Christoffer Rapup, Jürgen Harbord, Christoffer Smedt, Albert Gar(uen?), Evert
Burmester, des meister sone, Wamike Brugenatz, de lerjunge; Anno domini 1589,
den . november; dat arbeidt hefft gekostet . . .". Die Inschrift läßt sich an
der Hand der Kirchenrechnung ergänzen. Zu Ostern 1588 wurde der rechnungs-
führende Jurat mit dem Schnitker Wameke Burmester, aus dem Rathause
bekannt durch die Täfelung der Konunissionsstube, handelseinig. Der Meister
übernahm es, den Chor auf beiden Seiten neu zu pannelieren, „de pannelinge
in brune ramen, de piler krusz und up ider siden baven dem panneelwerke twe
gesemse mit angesichten und utgeschneden bilderen^^ Der Preis sollte ins-
gesamt 114 Reichstaler (235 Mark 2 s.) betragen, es erfolgte jedoch eine Nach-
zahlung von 40 Mark.
Wie das Chorgestühl wurde auch die Dope im Jahre 1588 ff. erneuert,
und zwar vom Grapengießer Hans Meiger, dem das alte Taufgefäß und altes
Gut aus dem „Gießhause" „angetan" wurde. Die neue Dope wog 989 Lb. und
kostete 151 Mark 5 s. Das Fundament aus gehauenen Steinen lieferte der
Steinhauer Märten Köler, ein Verdeck, „bilde und ummeganck" wurde einem
-^ 78 8^
ungenannten Schnitter für 103 Mark verdimgeD^ und der Maler Gerd Haue
übernahm für 134 Mark die Vergoldung und Bemalung. Der eigentliche „kerken-
schnitker" jener Zeit, von den Jiuraten alljährlich (1587 — 95) mit Aufträgen
bedacht, war Meister Caspar Hartwig; er wurde, weil das Verdingen der Dope
ihm zu nahe war, durch 12 Reichstaler entschädigt.
Die Dope stand nicht im Chor, sondern im Mittelschiff nahe der Orgel,
so daß sie mit ihrem hohen Deckel und Umgang den Stühlen imter dem Turm
die Aussicht nahm. Eine Beschwerde darüber im Jahre 1685 gab den Anlaß,
daß ein aus einem Gipsblocke des Schildsteins gehauenes neues Taufgefäß an-
geschafft wurde; dieses fand auf dem Chor seinen Platz, bis es in jüngerer
Zeit durch den Taufstein der zerstörten Lambertikirche von dort verdrängt
worden ist Die Dope des 16. Jahrhunderts wurde zum Guß der Wachtglocke
mit verwandt, der größten Glocke im Lüneburgischen (1687).
Von der Kanzel berichtet Volger, daß sie im Jahre 1569 für 100 Reichs-
taler von dem Lübecker Heinrich Malz verfertigt wurde, und zwar ganz nach
dem Muster der Kanzel in der Lübecker Katharinenkirche. Nach dem Urteil
eines Sachverständigen von 1833 war sie der Kirche eine Zierde, „die vielleicht
in Norddeutschland vergel)ens ihres Gleichen suchen würde". An ihre Stelle
trat 1865 die heutige Kanzel, ein Geschenk König G^org des Fünften
von Hannover.
Einer besondem Fürsorge hat sich von jeher da43 Orgelwerk der Johannis-
kirche zu erfreuen gehabt, wie denn die Kirchenmusik in Lüneburg schon seit
dem 15. Jahrhundert und wohl noch früher aufs eifrigste gepflegt worden ist
Oi^anisten von großem Ruf sind gerade zu St Johannis tätig gewesen, ein
Johannes Steffens (1589 — 1616), der als Orgelspieler „zu einer europäischen
Berümtheit^' gelangte, Georg Böhm (1715—32), der bedeutendste Orgelkomponist
der Vor-Bachschen Zeit, und Johann Sebastian Bach selber hat bekanntlich in
Lünebui^ sein Studium der Musik begonnen und ist von Böhm in hohem Grade
beeinflußt
Schon im Jahre 1444 wird eine Aufwendung von 218 Mark 13 s. erwähnt,
die seitens der Kämmerer auf Geheiß der Büi^rmeister für die Orgel von
St Johannis zugeschossen wurde. Eine zweite kleinere Orgel für den Chor
gaben die Juraten 1479 in Auftrag, und der Snitker und Kistenmaker, Mester
Jacob, machte die Holzarbeiten dazu. Das große Orgelwerk, welches den Kern
der noch heute gebrauchten mächtigen Orgel bildet, stammt aus Herzogenbusch
und ist von Meister Jasper Johansen geliefert Laut Vertrages vom 25. August
1551 verpflichtete sich der Genannte, zugleich im Namen des abwesenden
Meisters Hinrik Niegehoff und dessen Sohnes Claves Niegehoff, der Kirche die
große Oi^el in seinem Hause „tor Hertigen Büschen" an Holz und Piepwerk
ganz und gar neu zu machen. Bis Pfingsten sollte die Ablieferung stattfinden.
Den Transport bis Amsterdam hatte der Meister zu tragen, und bis Lüneburg
auch die Gefahr, die „eventure", während die Fracht von Amsterdam über
Hamburg bis zum Bestimmungsort von den Ejrchgeschworenen übernommen
wurde. Der vereinbarte Preis betrug 1000 Jochimsdaler, von denen 200 in
Antwerpen vor der Hand zur Auszahlung gelangten, 400 bei der AbUeferung,
-4-8 80 g^
400 nach Aufstellung und Abnahme folgten. Johansen leistete für sechs Jahre
Gewähr; als Entgelt für eine Extragabe von 20 Talern beim Vertragsschlusse
versprach er, seinem Werke ein besonderes Geläute zu verehren.
Eine erhebUche Verbesserung der Orgel wurde schon 1577 vorgenommen,
als der Orgelmacher Dirick Hoigers aus Hamburg einen neuen Baß einsetzte
und bei dieser Gelegenheit das ganze Werk umschrob imd renovierte; einige
Jahre später trafen die Juraten ein Abkommen mit dem ebenfalls auswärtigen
Orgelmacher, Meister Matz Man, der gegen eine bestimmte Vergütung die Orgel
instand halten mußte. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts führte der bestallte
Orgelmacher der Stadt Lübeck, Friedrich Stelwagen, eine große Reparatur aus,
aber schon 1669 wurde eine abermalige Herstellung für notwendig erachtet,
deren Kosten der Orgelmacher Michael Berigel auf mindestens 700 Mark Lüb.
veranschlagte. VermutUch schreckte diese Summe die Juraten ab, und so geriet
die Orgel sehr in Verfall. Im Mai 1712 finden wir daher den schon genannten
Organisten Georg Böhme mit den drei Juraten zwecks mündlicher Vorstellungen
auf der Schreiberei des Rathauses. Mit dem Hinweis, daß das Werk sich
täglich verschlimmere und es fast dahin geraten sei, daß nichts Tüchtiges mehr
darauf gespielt werden könne, wurde ein Projekt der Herstellung überreicht, das
von dem in Lüneburg wohnenden Orgelbauer Dropa, der auch die Orgel zu
St Michaelis repariert hatte, entworfen war und ihm bald darauf zur Aus-
führung übertragen wurde. So hat die Orgel in den Jahren 1712 — 15 die Gestalt
erhalten, die ihr im Ganzen bis heute geblieben ist Es sollte kein üppiger und
imnötiger Bau gemacht werden, aber Matthias Dropa, der auch die Bildhauer-
und Tischlerarbeiten zu den neuen Baßtürmen übernahm, meinte, die Orgel
werde eine gute Parade machen und übrigens auch so eingerichtet sein wie
keine andere Orgel in Lüneburg. Sein Entgelt bestand in 1800 Talern zu
24 Mariengroschen oder 32 s. und scheint recht knapp bemessen zu sein. — Eine
Beckenkollekte in den drei städtischen Kirchen im Jahre 1808 sollte wiederum
dem traurigen Zustand der Johannisorgel abhelfen; die Vollendung dieser
Reparatur, durch den Orgelbauer Nicolaus Rechten, erfolgte im Juni des folgenden
Jahres. Gegen Mitte des Jahrhunderts ist die letzte gründliche Herstellung
erfolgt Der Organist Anger fand die Orgel, „ein nach dem Urteil Sachverständiger
großartiges Werk", schon bei seinem Dienstantritt, Ostern 1842, in sehr ver-
fallenem Zustand und ruhte nicht, bis die Herstellung beschlossen war. Zum Orgel-
baufonds steuerten die Testamentare und die Landesklöster mehr als ein Drittel bei,
die Landdrostei gab 200 Taler, und Anger vergrößerte die Summe durch den
Ertrag seiner Konzerte. Der Hoforgelbauer E. Meyer in Hannover lieferte zum
Weihnachtsfest 1852 das Werk ab, die Gesamtkosten betrugen 2175 Taler, alles
wurde dauerhaft und gut befunden.
Wenige Nachrichten liegen vor über die Glasmalereien der Kirche, die,
nach den herrlichen Fenstern des Rathauses zu schließen, gewiß von hohem
künstlerischen Wert gewesen sind. Die ältesten sollen sich in den Fenstern an
der Südseite befunden haben. Die Verständnislosigkeit des Jahres 1743 zeitigte
die Maßnahme, alle farbigen Fenster, deren Bleifassung zwar bedenklich ver-
wahrlost war, zu beseitigen. Eines über dem Altar hatte der Superintendent mit
^>^ 81 8^
„ob zwar neuen doch altförmigen, Rhombischen Scheiben" besetzt, aber die
Juraten hielten es für nötig, daß alle neu gemacht und „mit modernen quadrat
und weit verhellemden Scheiben" vertauscht würden. Nur ein kleiner Bruchteil
der Fenster bUeb verschont, darunter das Wappen des Rates im Mittelfenster
des Chors, das diesen vornehmsten Platz schmückte, um dadurch den Patronat
des Rates über das Gotteshaus zum Ausdruck zu bringen; es war im Jahre 1605
erneuert und ist erst vor 50 Jahren entfernt.
Im April 1585 wurde eine Bemalung der Gewölbe in Angriff genommen,
die zuvor mit achtzehn Tonnen englischer Kreide geweißt waren. Die Malerei
war für 300 Mark an Gert Haue und Jochim Jagow verdungen, 40 Mark
wurden für zwei Historien auf dem Chor, 16 Mark für eine Historie über der
Dope gezahlt, auch wird die Bemalung von 30 (33) gedrehten Sternen erw^ähnt,
die miter das Gewölbe kamen, und die Vergoldung zweier großer Rosen unter
dem Gewölbe auf dem Chor. Die Maler wurden während ihrer Arbeit „zaghaftig'*,
da sie erkannten, daß sie zu billig abgeschlossen hatten; die Juraten bewilligten
daher 100 Mark extra, indem sie sich damit trösteten, daß Daniel Frese die
Arbeit nicht unter 500 Taler hatte übernehmen wollen und schheßlich gewiß
700 gefordert haben würde.
Die große Raumwirkung des inneren Gotteshauses, durch die zahlreichen
Altäre der katholischen Zeit schon wesentlich beschränkt, ging durch Einbauten
von Kirehenstühlen und Priechen allmählich ganz verloren. Für einen neu-
erbauten Lektor, vermutlich die Empore unter der Orgel, zahlten die Juraten
im Jahre 1655 dem Kirchentischler Ludewig Wulbrandt 430 Mark, und der
Rat selber ließ drei Jahrzehnte später durch den Baumeister Johan Planerd,
gegenüber der Kanzel einen Rats- und Bürgermeisterstuhl (dieser mit 6 auf-
schlagenden Fenstern und einem * purpurfarbenen Teppich) errichten, der 1739
durch eine Juratenprieche fortgesetzt wurde. Daß die Stühle im jeweiligen
Geschmack ihrer Entstehungszeit mit Wappen, „hilligen scheppen'* und sonstigem
bildnerischen Schmuck verziert, daß ferner Mauern, Pfeiler und Säulen im Laufe
der Jahrhunderte mit vielen kostbaren Denktafeln und Epitaphien ausgestattet
waren, versteht sich, und es ist ja nicht schwer, von all der entschwundenen
Pracht eine ungefähre Vorstellung zu gewinnen, wenn man sich etwa - das
Innere der Marienkirche im benachbarten Lübeck vergegenwärtigt, wo der
Charakter des Gotteshauses als einer ehrwürdigen Gedächtnishalle für lange
Generationen sich glücklicher bewahrt hat, als es der alten Pfarrkirche Lüneburgs
beschieden gewesen ist.
Die Veräußerungen der Kunstwerke von St. Johannis, die in einem
eingehenden Inventar kurz vor Einführung der Reformation noch einmal
zusammengestellt wurden, haben schon im 16. Jahrhundert begonnen,
denn zwanzig Werke der Goldschmiedekunst erw^arb der Rat im Jahre 1573
für 5750 Mark zur Vermehrung seines Silberschatzes.*) Im übrigen möchten
*) Der Keinbecksehen Chronik des Museums entnehmen wir das nachfolgende Ver-
zeichnis. ^Folgende Stücke sein aus der Bede genommen — ist der Standt, darinne itzo die
Diacen stehen: 1) 1 groß silbern Crucifix Uberguldet und mit Johannis und Marienbilde
2) 1 Cruciiix Uberguldet und mit einem kupferen Fus 3) 1 Crucifix mit fünf Cristallen 4) 1 klein
11
-^ 82 8^-
wir glauben, daß das Jahrhundert der Reformation mit den Denkmälern und
Altertümern der Kirche nicht so gründlich aufgeräumt hat, wie Volger es an-
nimmt. Ergibt sich doch aus den obigen Darlegungen, daß gerade im zweiten
und letzten Drittel des 16. Jahrhunderts große Summen zur Erhaltung und
Verschönerung des Gotteshauses aufgewandt sind, und ein Antrag der Ge-
schworenen, die Meßgewänder, Ornate usw. zum Besten der Kirche zu verkaufen^
scheiterte noch im Jahre 1607 an dem Verbot des Rates. Sogar der Verkauf
der berühmten Großen Glocke im Jahre 1792 vollzog sich, wie die Akten er-
geben, keineswegs unter gleichgültiger Haltung oder gar auf Betreiben der
Gemeinde, die Veräußerung wurde von den geldbedürftigen Juraten unter dem
ansteckenden Einfluß des Landschaftsdirektors von Bülow gegen den Einspruch
pietätvoller Männer durchgesetzt.
Dem 19. Jahrhundert war es vorbehalten, mit der inneren Ausgestaltung
der Kirche, wie sie fast organisch erwachsen war, kurzerhand aufzuräumen.
Viel Unerläßliches gab es zu tun. Um immer noch mehr Stühle und Lektoren
anzubringen, hatte man sich nicht gescheut, die Tragrippen und vorspringenden
Ecken der Pfeiler wegzuhauen; die Stühle erwiesen sich z. T. als lebensgefährlich
schadhaft, der Fußboden war durch die vielen Beisetzungen und die unregel-
mäßige Lage alter und neuerer Grabsteine so uneben geworden, daß man
darüber stolperte, die bunte Malerei der Gewölbe des Hauptschiffs war verwischt.
Monstrancie mit einer großen C^rystallen 6) 1 silberne mittelmessige Monstrancie mit Heilig-
tume 7) 1 kleine silberne Monstrancie mit einer Crystallen darinne Heiligtnme 8) Noch zwo
kleine Monstrancien Ubergüldet und mit Crystallen 9) 1 silbern St. Jürgen mit den Dracken
und Schwerde, weinig geguldet und mit einer kleinen Büxen und Schilde 10) 1 silbern St. Peter
mit dem Schlüssel und Bocke, ein wenig geguldet 11) 1 silbern Johannis mit dem Bocke,
darauf das Lamb Gottes, weinig geguldet mit einen Corallenschnor und kleinen Creutz 12) die
Auferstehung Christi von Silber mit der Fahnen, weinig geguldet 13) 1 silberne Maria mit
dem Kinde und Cepter mit zween Ringen und einen Corallenschnür 14) 1 silbern
St. Ursula mit Stralen, einem Bocke, Coralenföftig und vier Ringen 15) 1 silberne St Anna,
mit zween silb. Agnus Dei, einem kleinem Bmstschmide, mit achte Knöpfen klein und
groß mit zween Ringen und einer silb. Ketten 16) 1 silberne St Cathrine mit dem Schwerte,
Bocke, Corallenschnor und einem kleinen Agnus Dei 17) St Ursula, ein silbern Brustbilde
mit einer gülden Ketten daran ein klein Creutz mit 5 Steinen etwas tiberguldet 18) 1 kleine
silberne Monstrancie 19) 1 silbern (Ciborium), darinne silbern Büxe und Löffel 20) l silbern
Olie Buxe.
Volgende Stücke sein aus der (Jlarbekammer St. Johannis genohmen und auf das
Rathaus bracht worden zu gleicher Zeit mit den vorigen: 1) 1 silb. überguldet Crucifix
daranne etwas verehrt Silber gehangen 2) 1 kl. silb. Monstrancie mit Reliquien und
überguldet 3) 1 silbern überguldeter Fuß darinne 1 eisen Leth aus Petrus Ketten 4) 1 gr.
silb. Monstrancie überguldet und mit einem gülden Ringe und etzlichen Edelgesteinen
5) 1 silb. überguld. Crone mit zween silb. überguld. Ringen daranne 1 silb. Kette
mit einem Creutz u. einer kl. überguld. Cronen 6) 1 silb. Johannis mit Edel-
gesteinen u. Perlen auch etzlichen kleinen geopferten silbern Platen u. einem gülden
Ringe 7) 1 silb. überguldet Marienbild mit etzlichen anhangenden silbern Kleynodien und
5 gülden Ringe u. einen Corallen Rosencrantz 8) 1 silb. Düve mit einem Fuß 9) 1 silb.
Wirockfas mit der Ketten 10) 1 silb. Schrein etwas geguldet' 11) 1 gr. silb. Pontificat
überguld. u. mit Perlen 12) sechs silb. Span überguldet 13) drey silbern überguld. Knöpfe
14) zwe lange Corallenvöfftig mit 6 Rosencrentzen von Barenstein. — Durch Conradum Baleman
secretarium verzeichnet."
->^ 83 S^
Da mußte erneuert, beseitigt, gebessert werden. Es geschah nach dem Geschmack
der damals maßgebenden Persönlichkeiten und ihrer Zeit. Schon in dem Gut-
achten des Baumeisters Spetzler von 1833 hieß es, das Ansehen der Kirche
werde gewinnen, wenn man die Gewölbemalerei ganz weglasse; alles müsse
zierlich aber einfach ausgeweißt werden, ,,die einfach weiße Kalktinte hebt
stets den imposanten Eindruck eines Doms''; verschließbare Stuhle sollten nur
in den kleinen Kapellen angebracht werden, alles übrige Stuhlwerk müsse die
gleiche dreifüßige Brüstungshöhe erhalten und sei in „altdeutscher" Form in
geöltem Eichenholz anzufertigen.
Mehr als zwei Jahrzehnte gingen darüber hin, ohne daß die Neuerungen
zur Ausführung kamen. Die angedeuteten Mißstände wurden immer offen-
kundiger, während die verfügbare Restaurierungssumme durch die Erhaltung
des äußeren Baues verschluckt war. Um die erforderlichen Geldmittel zu
beschaffen, kamen die Juraten im Jahre 1852 auf den unseligen Gedanken,
,,die entbehrlichen Schönheiten des Gotteshauses, deren manche noch aus katho-
lischer Zeit vorhanden seien", feilzubieten; und der verantwortliche Stadtbaumeister
tat leider nichts, die Ausführung des Planes zu verhindern. Auch er sprach
den Wunsch aus, die veralteten und defekten historischen Bilder an den Seiten-
wänden des Chors zu beseitigen, die unschönen Epitaphien an Säulen und
Pfeilern bis auf die besseren und wertvollen abzubrechen, alle stilwidrigen
Auswüchse und Anhängsel aus neuerer Zeit von den freistehenden Säulen und
Mittelpfeilern zu entfernen, die alten Ölbilder, zumal die Porträts der früheren
Prediger, in die sogen. Mönchshalle neben dem Turm zu überführen, und was
dergleichen Vorschläge mehr waren, die auf nur allzu fruchtbaren Boden fielen.
In drei w^eit und breit bekannt gemachten öffentlichen Auktionen des Jahres
1856, am 26. März, 26. Juni und 20. Oktober, wurden jene „Schönheiten" und
„stilwidrigen" Auswüchse der Kirche zu Geld gemacht, und es nützte nichts,
daß W. F. Volger als Worthalter der Bürgervorsteher mündlich, schriftlich und
in gedruckter Äußerung seine mahnende und warnende Stimme erhob. Die
drei Auktionsverzeichnisse sind erhalten und liefern, wenn auch in dürftigster
Form, den aktenmäßigen Beweis, was alles an Kimstwerken damals erst dem
Gatteshause verloren gegangen ist. Den höchsten Preis (55 Taler) erzielte der
„Makrinische StuW nebst Treppe, sodann ein „Monument von Holz" (50 Taler),
beides erworben von Herrn Selig aus Hannover, der mit Herrn Auerbach aus
Hamburg als Käufer der ersten Auktion wetteiferte; vieles auch gelangte in
Lüneburger Privatbesitz. Für 6 Taler erstand man ein Monument von Stein,
für 5 Taler ein Vorlesepult, für 2—3 Gutegrosehen ein Gemälde, für 1 Taler
4 Ggr. fünf alte Türen, für 20 Taler den alten Magistratsstuhl, für 6 Taler
12 Ggr. „eine Partie altes Schnitzwerk" (Herr Selig aus Hannover). Fünf
Bilder und fünfzehn Ölgemälde fanden erst in der dritten Auktion ihren Käufer.
Die gesamte Ausbeute belief sich auf etwa 736 Taler.
Die Absicht, da^ ganze Innere der Kirche nach gründlicher Herstellung
mit einem farbigen, nämlich ,, kalksteingrauen" Anstrich zu versehen, scheiterte
an der Feuchtigkeit der Gewölbe, Pfeiler und Mauern, man nahm daher zu
einer gewöhnlichen Kalkweiße seine Zuflucht. Als die Arbeit fertig war, fand
11*
J
->^ 85 8^
der Baumeister selber, daß die Kirche ein „sehr monotones" Ansehen erhalten
habe, und er versuchte nun, wenigstens die vorspringenden Rippen kalksteingrau
zu tönen, aber auch das mißlang. Die neuen Earchenstühle aus preußischem
Pöhrenholz wurden „eichenlarbig" angestrichen. Zum Glück sah man wenigstens
von dem Plane ab, die Außenschiffe durch Scherwände abzuteilen xmd somit
innerhalb der großen eine kleine Kirche zu schaffen.
Im Jahre 1904 ist das wie durch ein Wunder erhaltene Chorgestühl in
wohl gelungener Weise von seinem Anstrich befreit und nach der notwendigen
Untermauerung der östlichen Pfeiler ist der Anfang damit gemacht, das Mauerwerk
bis auf die verputzten und weiß getönten Gewölbekappen im Rohbau herzustellen.
Das Gotteshaus ist eine gotische fünfschiffige Hallenkirche von fast Beschreibung,
quadratischer Grundform (Fig. 12). Im Westen steht ein starker Turm mit
seitlichen Anbauten, nach Osten sind aUe fünf Schiffe polygonal geschlossen.
Zwischen den Strebepfeilern des Schiffes sind Seitenkapellen eingebaut. Drei
Dächer liegen über den fünf Schiffen; die mittleren drei Schiffe sind zu einem
Dache zusammengefaßt, das jetzt mit Schiefer gedeckt ist, die beiden äußeren
Seitenschiffe haben je ein mit Kupfer gedecktes steiles Dach, dessen leuchtende
schöne Patina mit dem gewaltigen Turm der Kirche die eigenartigsten Merkmale
des Lüneburger Stadtbildes sind.
Ursprünglich war die Kirche dreischiffig angelegt, das Mittelschiff im
Chor weitergeführt, die beiden Seitenschiffe am Anfang des Chores rechteckig
abgeschlossen. Im Dachboden ist das alte Gesims voUständig umlaufend an
den Schiff- und Chormauem erhalten, die Dachkonstruktion des mittleren
Daches liegt auf den alten Umfassungsmauern (vgl. Fig. 14), und in der Sakristei
ist an der Außenseite des Chores ein kurzes Stück vom Sockel der alten Kirchen-
außenwand erhalten. Das alte Hauptgesims besteht aus kräftigem Wulst in
RoDschichtform, Kehle und kleinem unteren Wulst und ist im ganzen etwa
32 cm hoch. Der Sockel besteht aus oberer braun glasierter Kehle und unterem
kräftigen Wulst In der Ecke zwischen Chor und südlichem Seitenschiff, jetzt
innerem Seitenschiff, fand man Spuren vom Anschnitte eines Kreuzgewölbes,
dessen Größe etwa der eines Joches der jetzt bestehenden Verlängerung des
südlichen inneren Seitenschiffes entspricht. Hier hat also eine kleine
KapeUe bestanden, solange die Kirche ein dreischiffiger Bau war. Die Er-
weiterung der ICirche auf fünf Schiffe muß bald nach Fertigstellung des drei-
schiffigen Baues erfolgt sein; die Formen beider Bauzeiten liegen nur
wenig auseinander, und die im Dach sichtbaren früheren Außenmauem sind
nicht gefugt.
Die Kirche ist ganz aus Backsteinen erbaut und einfach durchgebildet, ^ n
eigentliche Schmuckformen fehlen fast ganz. Die architektonische Gliederung Architektur.
wird erreicht durch die sich aus dem Grundriß und den verschiedenen Erbauungs-
zeiten ergebende Gruppe (Fig. 13 und 15). Beherrscht wird das Bauwerk
durch den mächtigen quadratischen Turm (Fig. 15), der ebenfalls schmucklos
bis zu den vier Giebeln ansteigt; diese allein sind reicher durchgebildet,
über und zwischen ihnen setzt der achteckige, mit Kupfer gedeckte Helm
an. Am Fuße der Giebel sind einfache Wasserspeier angeordnet. Die Tunn-
giebe] sind nicht aus einer Zeit. Der vordere, nach West«n schauende, stammt
von einer wenig geschickten Wiederherstellung des Jahres 1833. Die beiden
seitlichen, nach Süden und Norden gelegenen Giebel sind durch fünl lange,
spltzbogig geschlossene Blenden belebt, die durch Pfosten geteilt werden (Fig. 16). Im
nördlichen Giebel befinden sich über
den Blenden noch Kreise, deren ver-
tiefte Flächen geputzt und mit ge-
mauerten Kreuzen geziert sind. Alle
Kanten sind profiliert. Der östliche
Giebel ist durch einen großen, die
Dreieckseiten fast berührenden Kreis,
in dem Putzflächen mit glasierten
Steinen abwechseln, geteilt, die übrig
bleibenden Dreieckzwickel werden
durch Spitzbogenblenden und Dreipässe
ausgefüllt (Fig. 16). In dem großen
Kreise liegt ein Hexagramm, das durch
Pässe wieder geteilt ist Unter den
Giebeln zieht sich ein Dreipaßfries hin.
Die beiden Glockengeschosse werden
von je vier großen Öffnungen auf
allen vier Seiten durchbrochen. Die
Öffnungen haben profiherte, teilweise
glasierte Kanten und sind spitzbogig
geschlossen. Einige sind bei einer
Restaurierung zugemauert, weil der
Turm bedenkliche Risse zeigte. Zwischen
den Fensterreihen zieht sich eben-
Fig. IG. jobaniiiBkirch«} Tnnngi«b>i. falls ein Dreipaßfries um den Turm.
Unter der unteren Fensterreihe springt
das Mauerwerk vor. Die Abdeckung des Vorsprunges ist durch große Feld-
steine hergestellt Der Turmkörper zeigt von dieser Abdeckung bis zur Erde
ruhige glatte Mauerflächen, unterbrochen von wenigen Öffnungen, dem Haupt-
portal und einigen Strebepfeilern. An der Südseite sitzt zwischen der oberen
Fensterreihe eine Steintafel mit der Inschrift: RENOV. 1733. Das spitzbogige
Portal ist im oberen Bogenteüe alt und zeigt eine tiefe, pi-ofiherte Leibung,
teilweise mit glasierten Steinen. Der untere Teil des Turmes wird durch die
anschließenden Pultdächer der zweigeschossigen Kapellenbauten gestützt. In
der Vorderfront sichtbar werden noch die durchschießenden Dächer der äulSeren
Seitenschiffe, deren Giebel nur durch Rundfenster belebt werden (Fig. 15). Die Seiten-
ansichten des Bauwerks werden durch die großen Fenster und starken Strebepfeiler
geteilt, die zwischen die Strebepfeiler eingeschobenen Kapellen beleben den unteren
Teil der Ansichten. Das Kupferdach ist über die Strebepfeiler herunter gezogen. An
der Chorseite wirkt vor allem die reiche GUederung durch den mittleren, stark
^ 87 ä-
vortretenden Cliorschluß und die vier Abschlüsse der Seitenschiffe. Durch
das Zusammenziehen des Daches über den Schluß der inneren Seitenschiffe und
den Chorschluß sind malerische architektonische Zufälligkeiten entstanden. An
der nördlichen Seite der Choransicht sind verschiedene Rfiste von Friesen
und Flächenverzierungen erhalten. Am Schluß des äußeren Seitenschiffes liegt unter
dein Dachgesims ein Blattfries mit sich überschlagenden gotischen Blättern (Fig. 18)-
Am Chorsehluß ist zwischen den Strebepfeilern das alte Gesims des dreischiffigen
Baues erhalten, darunter zieht sich ein Fries mit Weinhlätteni und Trauben
FIk. n, IS, Jobiumlaklrehe; Friese un Chor.
hin (Fig. 17). Unter dem Fenster des inneren Seitenschiffschlusses befindet sich
eine größere Fläche, die mit Vierpässen bedeckt ist. Der Grund ist geputzt.
An der Seite dieses Fensters ist eine kleine Fläche bedeckt mit braunglasierteii
Platten, die in der Mitte ein kreisrundes Loch haben. An der Vorderfläche der
äußeren Chorstrebepfeiler sitzen zwei kreisrunde Vertiefungen, die mit einem
Sechspaß gefüllt sind. Einen Sockel hat die Kirche nicht, nur an der Südseite
zeigt sich am westlichen Teile eine Schicht aus Schilteteingips direkt über der
Erde, die als Sockel bezeichnet werden könnte. An einem der nördlichen
Strebepfeiler befindet sich eine Steintafel mit der Inschrift:
.... (unleserlich) ....
A. I. FANNING.
CONIVRATO
C. H. TiMMERMAN.
RENOVATAE. SVNT. FENESTRAE
ANNO 1746.
Der Chor ist um 4 Stufen über das Schiff erhöht, hat zwei große .Joche (
und ist im halben Zehneck geschlossen. Die Seitenmauern, gegen die Ka|>eilen,
zeigen hinter dem Choi^estühl in jedem .Joch zwei NistJien mit profilierten Ein-
fassungen. Die Nischen in den Zehnecksseiten sind jetzt verputzt. Ober diesen
Nischen zieht sich ein neuer gotischer Laubwerkfries, aus Gips gegossen, hin, der am
Chorschiuß aufhört. An der ersten nördlichen Zehnecksseite befindet sich eine
eigenartige Backsteingalerie (Fig. 19). Unter den Gewölberippen geben reich
profilierte Dienste bis zum Fußboden, dort, wo das Choi^estühl steht, teilweise
abgehauen. Das mittlere Profil dieser Dienste läuft als starker Gurtbogen
herum, die seitlichen Teile dienen als Aufstand für die Rippen und die profilierten
Schildbögen. Die Kapitelle der Dienste zeigen Laubwerk auf einer Kelehgrond-
form. Die Gewölbe setzen in derselben Höhe an wie die des Mittelschiffes.
Die Fenster sind dreiteilig, im Spitzbogen geschlossen und mit neuen Glas-
JobuiDlsklrche ; Friei Im Chor.
maiereien versehen. Die Schlußsteine bestehen aus Gips mit darunter gehängter
ornamentierter Holzplatte. Unt«r dem Schlußstein des Chorschlusses hängt eine
große Holzplatte mit dem Lamm, umgeben von sechs geschnitzten spät-
gotischen Blättern.
Die gewaltige fünfschifflge Halle ist vom Turm bis zum Chor vier Joche
lang und durchweg mit Kreuzgewölben, die geputzte Kappen haben, überspannt.
Zwischen Mittel- und inneren Seitenschiffen werden die Gewölbe von starken
runden Pfeilern unterstützt, die mit je vier, aus drei Rundstäben gebildeten
Diensten besetzt sind. Die Dienste hören jetzt in etwa 2 m Höhe über dem Fuß-
boden auf und nihen auf Konsolen, gingen aber früher bis zum Fußboden. Der
Sockel der runden Pfeiler ist geputzt, bestand jedoch früher, wie an einer
Stelle erkennbar, aus Werkstein und war profiliert. Um die Kämpfer der Pfeiler
-^ 89 8-^
und der Dienste ziehen sich bandartig Kapitelle in Kelchform, aus Gipsmörtel
geschnitten. Auf den Dienstkapitellen des Mittelschiffes setzen die Gurt- und
die beiden Kreuzrippen, aus Birnstabprofilen gebildet, an. Die spitzbogigen
Gurtbogen nach den inneren Seitenschiffen werden durch nach der Mitte zu sich
abtreppende Fasensteine, die Mitte durch das herumlaufende Dienstprofil gebildet.
Das Gewölbe über der Orgel sitzt höher als die übrigen Gewölbe des Mittel-
schiffes. Die Schlußsteine aller Gewölbe sind aus Gipsmörtel in kreisförmigem
Grundriß zwischen die Kreuzrippen eingesetzt und tragen an der Unter-
seite eine runde Holzplatte mit neuem geschnitztem und bemaltem gotischen
Ornament
Die Gewölbe der Seitenschiffe setzen tiefer an und sind im übrigen ebenso
ausgebildet wie die des Mittelschiffes, nur die äußeren Seitenschiffe zeigen
fünfteilige Gewölbe mit der Mittelrippe nach der Fensterseite. Dementsprechend
sind auch in jedem Joche zwei dreiteilige Pfostenfenster angeordnet. Die Pfeiler
zwischen den Seitenschiffen haben rechteckigen, etwa kreuzförmigen Grundriß,
der dadiurch entstanden ist, daß die Strebepfeiler des dreischiffigen Baues für
den Weiterbau benutzt worden sind. Diese alten Strebepfeiler ragen im nördlichen
äußeren Seitenschiff planlos in die Gewölbe hinein, im südlichen Seitenschiff
sind sie zu breiten Gurtbögen benutzt worden, die hier die Joche trennen. Die
PfeUer zeigen an ihren den inneren Seitenschiffen zugekehrten Seiten dasselbe
Dienstprofil wie im Mittelschiff, nach den äußeren Seitenschiffen ist nur im
nördlichen Seitenschiff ein Dienst, aus drei Rundfasensteinen bestehend, vorgesetzt,
das südliche Seitenschiff hat hier keine Dienste. Die Pfeiler haben keine Sockel,
Kapitelle nur die Dienste und die rechteckigen Pfeilerteile nach den äußeren Seiten-
schiffen. Die Gewölbe des inneren Seitenschiffes haben dieselben Rippenprofile
wie das Mittelschiff, die äußeren Seitenschiffe ein kleineres, dem noch auf beiden
Seiten ein Wulst unter dem Anschnitt der Kappen angefügt ist. Die spitz-
bogigen Gurtbögen des nördlichen Außenseitenschiffes werden durch Wulste, die
sich nach der Mitte des Bogens verjüngen, gebildet und wachsen ohne Kapitell,
etwa in der Breite der Dienste, aus diesen heraus. Die Mittelrippen der fünf-
teiligen Gewölbe haben ebenfalls kleine, aus einem Rundstab bestehende Dienste,
die in Kämpferhöhe aufhören und jetzt nm* die Stelzung der Rippe andeuten,
früher aber bis zum Kaffgesims heruntergingen. Zwischen dem dritten und
vierten Joch des südlichen Außenseitenschiffes, vom Turm gerechnet, wird der
Gurtbogen durch profilierte Steine mit Fasen und Viertelstäben gebildet.
In diesem Schiffe werden die Gurtbögen durch starke Pfeilervorlagen an der
Außenwand gestützt. Unter den Fenstern ziehen sich an beiden Seiten der
äußeren Seitenschiffe Maßwerkfriese, aus Gipsmörtel gegossen, hin. (Vergl. Fig. 23.)
Der im nördlichen Seitenschiff ist höher als der gegenüberhegende und besteht
aus Rosetten mit wechselndem Paß- und Fischblasenmuster, zwischen denen
kleine reich ausgebildete Fialen mit spätgotischen Kreuzblumen und Krabben
stehen; der Fries an der südhchen Seitenschiffwand zeigt ähnliche Rosetten,
dazwischen kleine Strebepfeiler.
Die spitzbogigen Fenster der Seitenschiffe sind dreiteüig, mit zwei Pfosten
die in Spitzbögen auslaufen. Die Verglasung, erneuert 1746 wie vom erwähnt,
12
besteht aus senkrecht und wagerecht laufenden Bleistreifen, zwischen denen die
kleinen Scheiben sitzen. Die südlichen Fenster haben neue Glasmalereien erhalten.
Die Kapellen zw^ischen den Strebepfeilern öffnen sich gegen die Seiten-
schiffe in jedem Joche mit zwei Rundbögen. Sie sind überdeckt mit je zwei
kleinen Kreuzgewölben mit Bimstabrippen auf Gipskonsolen und haben dem-
entsprechend zwei dreigeteilte Fenster. Die Schlußsteine sind aus Gips gefonnt
und mit Rosetten verziert. Das Dach schließt als Pultdach unter den Fenstern
der Seitenschiffe an. Fast alle Teile dieser Kapellen sind 1833 neu hergestellt
worden. In den Fenstern sitzen Teile von imbedeutenden Glasmalereien.
An den Pfeilern zwischen den äußeren und den inneren Seitenschiffen
befinden sich in der Längsrichtung der Pfeiler an beiden Seiten neue Figuren-
konsolen, mit Baldachinen und Apostelfiguren aus Gips.
Die Seitenschiffe sind neben dem Chor noch zwei Joche weitergeführt
und mit drei Seiten des Achtecks geschlossen. Vom Schiffe sind sie durch Gurt-
bögen getreimt, im Norden durch einfache breite, im Süden durch reich profilierte
Spitzbögen. Die Rippen, Schlußsteine und Kapitelle sind die gleichen wie im
Schiff. Die Trennung gegen den Chor ist durch breite Gurtbögen hergestellt,
der Pfeiler zwischen den Fortsetzungen der Seitenschiffe ist im Norden achteckig,
im Süden rund, beide sind mit vier Diensten besetzt. Der achteckige Pfeiler im
Norden hat ein Ziegelsteinkapitell, aus gerader Platte mit darunterliegendem
Viertelstab und Kehle bestehend.
Zu beiden Seiten des Chores sind KapeUen angelegt, die sich in seiner
ganzen Länge erstrecken, im Norden die Breite des inneren Seitenschiffes, im
Süden die Breite beider Seitenschiffe einnehmen und, entsprechend dem Abschluß
der Seitenschiffe, einen beziehungsweise zwei polygonale Abschlüsse nach Osten
haben, über den Kapellen befinden sich Emporen, nach Volger Lektoren
genannt, im Süden der sogenannte Ratslektor, im Norden der Junkerulektor.
Die nördliche Kapelle ist in zw^ei Räume geteilt, der nach Westen liegende ist
gegen das äußere nördliche Seitenschiff mit einem großen Rundbogen geöffnet
und vermittelt durch eine gewendelte Treppe den Zugang zur Empore. Diese
Treppe hatte früher eine Spitzbogentür nach dem Chor. Der nach Osten liegende
Raum hat Türen nach dem Chor und dem Seitenschiff (Frohnleichnams-
kapelle. Vergleiche vorn Seite 69 und 70). Unter beiden Räumen liegen Begräbnis-
gewölbe, ebenso unter dem Seitenschiffe. An der Wand nach dem Seitenschiff
befindet sich ein eingemauertes farbloses Sandsteiiu-elief, das die Auferweckung
des Lazarus darstellt Die Kapelle an der Südseite des Chores dient als Sakristei.
Der obere runde Pfeiler und die Außenpfeiler gehen bis zum Fußboden der
Sakristei durch, dazwischen stehen Backsteinpfeiler aus Profilsteinen; die ent-
stehenden Felder sind mit Kreuzgewölben überspannt. Die beiden Seiten-
kapellen zwischen den Strebepfeilern sind zur Sakristei gezogen. Die Emporen
haben Holzbrüstungen, die bis auf ein Feld neu sind. Dieses eine Feld zeigt
sechs geschnitzte Füllungen aus verschiedenfarbigen Hölzern, durch Säulehen
getrennt, in den Füllungsmitten Kreise mit den Wappen der Schomacker, Witzen-
dorf, Stadt Lüneburg, Garlopen und Töbing, im letzten Kreise einen Frauenkopf.
Die Kreise sind umgeben von reichem Ornament im Charakter des ausgehenden
i~
-^ 91 S-^-
16. Jahrhunderts. In der Sakristei wird eine kleine Darstellung der Verkündigung,
aus Sandstein, von ganz hervorragender Arbeit, aufbewahrt. Ferner befindet
sich hier eine kleine Bronzeplatte mit der Inschrift: „anno dni m® cccc^ xlv^
sexto idus aprilis erecta et pptura ecclesie säcti johls in luneburg. cui' tunc
rector et pptus primus fuit dnus johanes de minda."
Die nach dem Chor Hegende Achteckseite des nordlichen inneren Seiten-
schiffschlusses und die erste Zehneckseite des Chores sind über der Empore
durch einen offenen dreiseitigen Raum verbunden, der ein dreiteihges Fenster
hat und mit einem dreiteihgen Kreuzgewölbe überdeckt ist. Die Abschlüsse der
Seitenschiffe haben zweiteilige Fenster mit mittlerem Pfosten, der mit den Fenster-
leibungeii durch Spitzbögen verbunden ist, darüber ein Rundfenster, das Ganze *
diu"ch den Fensterspitzbogen eingefaßt. Auch in den Verlängerungen neben dem
Chor haben die äußeren Seitenschiffe fünfteiüge Gewölbe, nur das über der
Sakristei nach Westen liegende Joch hat ein gewöhnliches Kreuzgewölbe erhalten
und dementsprechend auch ein großes fünfteiliges Spitzbogenfenster. Den Grund
für die Änderung gegen die übrigen Joche bildet eine Wendeltreppe in der Außen-
mauer, die früher den Zugang zur Empore über der Sakristei vermittelte und
auch eine Tür nach außen hat. Jetzt bildet eine direkt ansteigende steile
Treppe zwischen Schiff und Sakristei den Zugang zur Empore.
An der Ostseite der nördhchen Kapellenreihe zwischen den Strebepfeilern
befindet sich ebenfalls eine gemauerte Wendeltreppe neben einem Eingang von
außen. Diese Treppe führt nur zum Dachboden.
Im letzten Joch der Verlängerung des äußeren südUchen Seitenschiffs
neben dem Chor sind Reste einer älteren Malerei in einer Gewölbekappe gefunden
worden. Eine große weibHche Figur füllt die ganze Höhe der Kappe aus und
steht auf einem Spruchband, das in gotischen Minuskeln die Inschrift „sancta''
erkennen läßt. Die Figur, in leichten grünen und gelben Farben, hat langes,
gelbes Haar, Nimbus, einen Blumenkranz um das Haupt und ein langes Schwert
in der Hand. (St Barbara?)
Unter dem Kaffgesims des verlängerten südlichen Seitenschiffes,
das hier höher liegt wie im anschüe!? enden Schiffteil, sitzt ein Maßwerk-
fries, aus Gipsmörtel gegossen: reiches Fischblasenmuster, dazwischen Fialen
mit Krabben und Kreuzblumen, unter den Fialen kleine Kapitelle, die
die Bekrönung profilierter, auf dem Fußboden stehender Backsteinpfosten
bilden. Unter dem großen Fenster sitzen sechs solcher Maßwerkfelder, unter
dem nach Osten liegenden Fenster des zweiten Joches vier Felder. Der Fries,
der sich unter dem nach Westen liegenden Fenster dieses Joches befindet,
besteht auch aus vier Teilen, zeigt aber ein anderes Muster, in dem Spitz- und
Kleeblattbögen mit Fischblasen vermischt sind.
Der Turm erhebt sich bis zu einer Höhe von etwa 105 Metern. Im Unter- Turm,
geschoß enthält er eine hohe, mit einem Kreuzgewölbe überdeckte Halle, die
diu'ch Windfangtüren mit der Kirche verbunden ist. In den Ecken unterstützen
Dienste aus drei Wülsten die Gewölbe. Über den Türen läuft auf einem
Mauerabsatz ein Umgang herum. Das Gewölbe hat eine große Öffnung für
das Aufziehen der Glocken. Ober den Windfangtüren hängt eine lange Holz-
12*
_J
-*^ 92 8^
tafel, aus acht Feldern bestehend. Die Felder sind durch geschnitzte korinthische
Säulen getrennt, oben und unten befinden sich geschnitzte Friese, unten eine
ausgeschnittene und durchbrochene Kantenverzierung. Die Felder zwischen den
Säulen waren bemalt
Über der Halle erhebt sich der Turm in drei Geschossen, durch die der
große Glockenstuhl geht. Die beiden oberen Geschosse sind von den Schall-
öffnungen durchbrochen. Die Glocken hängen im obersten Geschoß. Das
Mauerwerk besteht aus Pfeilern, die mit Bögen verbunden sind, zwischen ihnen
Hegen dünne Füllwände. Der Helm baut sich in sechs Konstruktionsgeschossen,
aber mit vielen Unterteilungen, auf.
Neben dem Turm befinden sich auf jeder Seite in der Fortsetzung des
inneren Seitenschiffes zweigeschossige Bauten, die patrizische Begräbniskapellen
enthalten. Die unteren Geschosse sind durch große Bögen mit der Turmhalle
und dem Kircheninnern verbunden. Nördhch vom Turm liegt im Erdgeschoß
die Kapelle der Familie v. Dassel, früher der Famihe Garlop gehörig. Unter der
Kapelle Hegt eine zweigeschossige Gruft, warscheinHch gehört die untere der
Familie Garlop. Die Kapelle wird von drei einfachen Kreuzgewölben überspannt,
deren bimstabförmige Rippen auf geschnittenen Gipskonsolen ruhen. Die
farbigen Schlußsteine, ebenfalls aus Gips, zeigen den Pelikan mit seinen Jungen,
das Lamm mit der Fahne und das Dasselsche Wappen. Die Dasselsche Kapelle
öffnet sich gegen das Kirchenschiff mit einem großen Bogen, der in der Barock-
zeit einen reichen Einbau mit vier Fenstern und üppiger Bekrönung, das
Dasselsche Wappen einschließend, erhalten hat. Vor dieser Öffnung befinden sich
in der KapeUe erhöhte Sitze, der sogenannte Dasselsche Kirchenstuhl, der von
der Kapelle durch eine Holzwand, die bis zu den Gewölben reicht, abgeschlossen
wird. Diese Holzwand hat in ihren oberen Füllungen nach der Kapelle zu
reiche und feine Schnitzereien aus der Barockzeit.
Der über der Dasselschen Kapelle Hegende Raum ist zugängig durch
eine, in der Nordmauer des Turmes Hegende steinerne Treppe. Dieser Raum ist
nicht fertig geworden. Er soUte drei Joche Kreuzgewölbe erhalten, davon sind
aber nur die Schildbögen ausgeführt, die Gewölbe sind nie eingespannt worden.
Jetzt ist der Raum durch eine Balkenlage in zwei Geschosse geteilt, die durch
eine Wendeltreppe mit verzierter Wange und ausgeschnittenem Brettergeländer
(18. Jahrhundert) verbunden werden. In der Nordmauer dieses Raumes ist die
Vermauerung des Strebepfeilers der dreischiffigen Kirche erkennbar. Der Raum
öffnet sich in seiner ganzen Breite mit einem niedrigen Stichbogen gegen das
Schiff. Vor diesem Bogen liegt ein Balkon mit geschnitzter Brüstung, Maßwerk,
Fischblasenornament in viereckigen Feldern, in deren Mitte Patrizierwappen
angebracht sind. Diese Anlage kann nicht alt sein, wahrscheinHch hat die
Brüstung ursprüngHch am Junkernlektor gesessen. In der Kirchenwand ist
neben dem Turme ein zugemauertes Fenster des dreischiffigen Baues mit Kehlen-
profil sichtbar.
Von diesem Räume gelangt man auf den Umgang der Turmhalle und
weiter durch eine gemauerte enge Wendeltreppe in die oberen Geschosse
des Turmes. Außerdem führt eine Tür in den über der nordöstHchen Eingangs-
-8-8 93 8^
haUe gelegenen sogenannten Dasselschen Saal, einen ganz schmucklosen Raum
mit gerader Balkendecke und vier zweiteiligen Spitzbogenfenstern. Die darunter
liegende nordöstliche Eingangshalle ist ebenso schmucklos. Der in der Ecke an
der Außenwand liegende dicke Pfeiler enthält wohl eine vermauerte Wendel-
treppe, die zum Dasselschen Saal geführt hat. In letzterem werden eine Menge
Reste von zerst-örten Epitaphien aufbewahrt, die die Verständnislosigkeit früherer
Wiederherstellungen in einem grellen Lichte erscheinen lassen. Der Dasselsche
Saal öffnet sich gegen das nördliche Seitenschiff mit einem großen Spitzbogen,
dessen Brüstimg eine Holzgalerie bildet, die aus sehmalen und hohen Maßwerk-
feldern, unterbrochen von Strebepfeilern, besteht und wohl ursprünglich sein wird.
Der südhch sich an den Turm anlehnende zweigeschossige Bau enthält
im unteren Teile drei Gewölbejoche, von denen zwei jetzt abgeteilt sind und als
Sakristei benutzt werden. Diese Kapelle öffnete sich ebenfalls im großen Bogen
(jetzt Windfangtür) gegen das südUche Seitenschiff und war die Begräbniskapelle
der Familie v. d. Molen, ihr Wappen ist schwach erkennbar an einem Schluß-
steine, in Gips geformt. Im Joch nach dem Schiffe zu ruhen die Birnstabrippen
auf mit Blattwerk ornamentierten, aus Gipsmörtel geformten kleinen Konsolen;
die anderen Konsolen sind glatt.
Der Zugang zu dem darüberliegenden, ebenfalls dreijochigen Räume erfolgt
durch eine Treppe, die in der südlichen Turmmauer liegt, aber nicht weiter führt.
Auf dieser Turmseite ist der Raum mit Kreuzgewölben versehen, die auf
Baldachinen ruhen, darunter Figurenkonsolen. Baldachine und Konsolen sind neu.
Eine große Spitzbogenöffnung verbindet den Raum mit dem Seiteuschiff. Vor
dieser Öffnung hegt eine ähnliche Galerie, wie vor dem entsprechenden Raum
an der Nordseite. Auch hier gilt das dort Gesagte. Die drei Schlußsteine der
Kreuzgewölbe sind aus Gipsmörtel hergestellt und zweimal mit dem Wappen der
Viskule geschmückt, der mittlere enthält Ornament.
Von den vielen Altären die einst in der Kirche standen, haben sich nur Altäre,
wenige aus gotischer Zeit erhalten, diese aber sind von hervorragender Schönheit.
Der Hauptaltar steht unter dem Schlußstein des Chores und ist ein
reich geschnitzter und bemalter Flügelaltar mit vier Flügeln. (Fig. 21.) Seine Formen
gehören dem 15. Jahrhundert an (vgl. S. 77). Die äußeren Flügel sind ganz bemalt,
die inneren Flügel nur an der Außenseite. Die Innenseite der inneren Flügel
und der Mittelschrein werden ganz ausgefüllt von geschnitztem Bildwerk,
das reich vergoldet und bemalt ist. Der Tisch ist von Stein und neu. Die
verhältnismäßig hohe Predella hat in der Mitte ein vergittertes Reliquien-
schränkchen, zu beiden Seiten davon in je drei Nischen mit Maßwerk-
bekrönung die sitzenden Figuren von Propheten. Die geschnitzten Darstellungen
des Mittelschreines bauen sich in drei Abteilungen übereinander auf. In der
unteren Reihe stehen 16 Figuren von weiblichen Heihgen in Bogennischen
mit seitlichen Maßwerkstretfen , darüber erscheinen in hohen Abteilungen,
die mit reichsten Maßwerkbaldachinen bekrönt und durch fialenartige Scheide-
wände getrennt sind, figurenreiche Darstellungen aus der Lebens- und
Leidensgeschichte des Erlösers. Die mittlere Darstellung geht bis zum oberen
Rande des Schreines und stellt in der Breite von zwei Feldern eine vollständige
->^ 95 8^
Kreuziguiigsgruppe dar. Die ruhig wirkenden Szenen, von links nach rechts,
bedeuten: Gethsemane, Verrat des Judas, Christus an der Martersäule, Geißelung,
Dornenkronung, Verurteilung und Kreuztragung, dann die Kreuzgruppe (Mitte), dann
Kreuzabnahme, Christus im Schöße der Maria, Grablegung, Auferstehung, Höllen-
fahrt, Himmelfahrt und Ausgießung des Heiligen Geistes. Die obere Abteilung
ist ausgefüllt durch maßwerkverzierte Vorbauten im halben Sechseck. Zwischen
je zwei dieser Vorbauten, über den Fialentrennungen der mittleren Abteilung,
sind Dreiviertelfiguren von Aposteln angebracht. Der Raum reichte nur zur
Darstellung von 10 Aposteln aus. Alle Figuren sind reich vergoldet und farbig
bemalt. Eine Bekrönung fehlt, sie soll früher aus aneinander gereihten LUien
bestanden haben (Mithoff). Die mit Temperafarben auf Kreidegtnnd gemalten
Büder der sechs übrigbleibenden Flügelseiten stellen auf den äußersten Flügeln
die Legende des Heiligen Jakobus und die Kreuzigung dar, die Innenseiten dieser
Flügel und die Außenseiten der geschnitzten Flügel zeigen farbige Darstellungen
aus dem Leben der Heüigen: Johannes der Täufer, Georg, Katharina und Ursula.
Zum Schulze der Predella dienten zwei Gemälde, die jetzt im Viskulen-
saal liegen, sie sind je 0,82 m hoch, 1,04 m lang und stellen Auferstehung
und Abendmahl dar. Die Auferstehung ist bezeichnet mit 1572, auf dem
Abendmahl steht Renovatum 1607. Es sind gute Ölgemälde auf Holz in der
Art des Daniel Frese.
Die Rückseite des großen Mittelschreines ist bemalt mit einer farbigen
Darstellung: Christus als Lebensbrunnen, am Fuße des Brunnens Menschen-
gruppen. Links oben im Bilde kleines Abendmahl, rechts eine Kreuzigung, über
beiden Schrifttafeln mit den bezüglichen Bibelstellen. Am Fuße des Bildes
befand sich eine jetzt zugemalte Inschrift. Unter dem BUde Schränke mit
verzierten Eisenbeschlägen.
Im nördlichen äußeren Seitenschiffe steht die Rückwand eines Altars
mit großem baldachinartigem Überbau, ebenfalls in spätgotischen Formen (Fig. 22).
Der davorstehende Altartisch ist neu. Die Rückwand ist dreigeteilt, in der
Mitte ein vertiefter Schrein, in dem die heilige Barbara mit Kelch als freistehende
Figur erscheint. Zu beiden Seiten rechteckige Füllungen mit Malereien auf
Goldgrund, der mit eingepreßten Figuren ornamentiert ist: links die heilige
Anna selbdritt, rechts Maria mit dem Kinde und Joseph. Zu beiden Seiten der
Bilder laufen senkrecht vergoldete Streifen mit eingepreßtem Ornament, das die
Buchstaben: „IHES" und „MARIA" in gotischen Majuskeln wiederkehrend zeigt.
Den oberen Abschluß des Mittelschreines bildet frei gearbeitetes durchbrochenes
gotisches Ranken- und Blattwerk. Über diesen Darstellungen kragt der obere
Teil des Altars in Form einer kleinen bemalten Hohlkehle aus, darüber zieht
sich in ganzer Breite eine Füllung mit feinem, frei gearbeitetem Blattwerk hin.
Über diesem Priese strebt die hohe baldachin artige Kehle, durch Rippen geteilt,
heraus. In den durch die Rippenteilung hergestellten drei spitzbogigen Flächen
sitzen die Wappen der Töbing, Döring und Schneverding, von reichem
heraldischem Schmuck umgeben. Die Dreiteilung kehrt auch in der Bekrönung
des Baldachins wieder und wird betont durch Fialen, zwischen denen durch-
brochenes gotisches Rankenwerk mit Blattwerkspitzen den Abschluß bildet.
Die Fialen werden von drei kleinen Spitzen begleitet. Vor den Fialen sitzen
vier Wappenschilder, zweimal mit dem Wappen der Töbing an den äußeren
■ JobannlsUrche; Altar Im DardllchcD Seltenschtir.
Ecken und den Wappen der Döring und der Schneverding in der Mitte. Die
Bekrönung durch Rankenwerk wiederholt sich an der Seite der großen Kehle.
. JohanaliUrcha ; AlUr Im iQdllchcn 8'
-^ 98 JH-
An der südlichen Außenwand steht auf einem neueren Steinunterbau
ein schöner gotischer Altarschrein mit zwei Flügeln (Fig. 23). Der Mittelschrein
und die Innenseite sind mit bemalten und vergoldeten omamentalen und figuralen
Schnitzereien ausgefüllt, die plastisch vor dem Goldgrunde der Rückwand stehen.
Im Mittelschrein erscheint eine große Kreuzigungsgruppe mit vielen Gestalten
am Fuße der Kreuze. Links und rechts von ihr stehen auf verzierten Säulen
unter reichen Baldachinen Johannes der Täufer und St Georg. Der obere Teil
über den Darstellungen wird ganz mit reich ornamentierten Baldachinen aus-
gefüllt. In den Flügeln stehen in zwei Abteilungen übereinander je sechs Apostel,
getrennt durch Säulen und bedeckt von Baldachinen. Hinter jedem Kopf ist in
den Grund ein Nimbus mit dem Namen des Apostels eingepreßt Am Rande
des Mittelschreines und der Flügel liegen in einer Mauerkehle geschmiedete und
vergoldete eiserne Blätter. Zu Füßen der Darstellungen zieht sich ein feiner
Omamentfries mit Figuren hin. Die Ornamentik des Altars ist von wunderbar
feiner Erfindung und hervorragender Arbeit Die Außenseiten der Flügel sind
bemalt mit je zwei Darstellungen übereinander; die Szenen aus dem Leben der
Heiligen Georg und Katharina, darstellen.
Über diesem Altarwerk befindet sich ein kleiner gotischer Altarschrein, der
früher wohl eingemauert gewesen ist, 0,44 m breit, 1,14 m hoch, 0,18 m tief. In der
von gedrehten Säulen eingefaßten und oben mit durchbrochenem Rankenwerk
baldachinartig abgeschlossenen Nische steht frei Maria mit dem Kinde, von
Engeln mit Weihrauchgefäßen umgeben. Unten hängt ein Schild mit dem Wappen
der Erpensen. Alle Teile sind stark vergoldet und farbig, meist blau bemalt.
An der Lektorenwand des südlichen Außenseitenschiffs steht ein gemalter
Altar mit zwei Flügeln und zwei seitlichen Rückwänden in der Größe der
Flügel. Das Mittelbild stellt eine große Kreuzigung mit landschaftlichem Hinter-
grunde und goldener Luft dar. Der Rahmen ist vergoldet und zeigt an drei
Seiten die sich wiederholenden Namen: IHES und MARIA, an der Unterseite:
E : T : DOLOR • S : T • PIETAS • NON ME TVERENE • Die Innenseite der
Flügel zeigt hnks übereinander St Gregorius und St. Nikolaus. Auf dem oberen
und unteren vergoldeten Rande stehen die Namen der Heiligen in gotischen
Majuskeln, am inneren Rande wieder: IHES und MARIA. Auf der rechten
Flügelseite sind St. Thomas und St Katharina dargestellt, mit den Namen auf
den unteren Rändern. Die Außenseiten und die Rückwand auf beiden Seiten
sind ebenfalls bemalt, aber ohne Gold. Die Malereien stellen Heilige dar, auf
den Flügeln Georg, Gregor, Antonius und Christophorus. Die linke Rückwand
zeigt die Namen der dargestellten Heiligen: oben s.' f a b i a n' und s: i e r o n i m ',
unten scts Sebastian' und s' jost Die rechte Rückwand hat keine
Schrift. Das Ganze einschließlich der Flügel wird bekrönt von einem durch-
brochenen, feingezeichneten Laubwerkornament, das vergoldet ist Die Malereien,
die der gotischen Zeit angehören, sind hervorragend.
Im Lüneburger Museum befinden sich folgende Altäre die aus der
Johanniskirche stammen.
1. Ein Altarschrein 1,78 m hoch, 0,86 m breit, 0,37 m tief. Die vorderen
Kanten werden eingefaßt von spätgotischem Ornament, der obere Abschluß
-H 99 »«-
wird gebildet voq zwei Maßwerkbaldachinen mit Kielbogenlinien. Im Schrein
steht eine große Figurengruppe, Maria selbdritt darstelleod. Überall sind
Spuren von Bemalung erhalten.
2. ESn kleiner Altarschrein 0,44 m breit, 0.85 m hoch, 0,12 m tief, auf einem
Sockel , mit kielbogenför-
migem Baldachin, unter dem
eine Maria mit Kiod steht,
mit starken Farbenspuren.
Der reich gegUederte
Körper eines 65,5 cm hohen
Bronzeleuchters besitzt einen
weiiausladenden runden Fuß, der
auf drei Kugeln steht. Die (JUe-
derungen des Körpers werden
durch zwei Bänder unterbrochen,
die zwischen spätgotischem Or-
nament in gotischen Buchstaben
dielnschriften : „Hynryck , EHbeke"
und „metke • syn ' husfrow ' "
1521 ■ tragen {Fig. 24).
In der Sakristei befindet
sich ein 31 cm hoher Measing-
bronceteuchter, dessen Mittel-
körpet als Frauenleib ausge-
bildet ist Die Arme tragen die
Lichtteller, der fischschwanz-
artig auslaufende Unterkörper
steht auf einem runden Fuß.
(16. Jahrb.).
Im nördhchen Neben-
schiff hängt am westlichen Pfeiler
ein großes Marienbild in Lebens-
größe. Die Ölfarbe ist plastisch
aufgetragen, so daß sie als Relief
wirkt. Zu den Füßen Marias,
die eine große Krone trägt und
von Engeln umgeben ist, stobt
das Kind in rotem Mantel, neben
ihm liegt ein Hund. Am unteren
Rande steht „Pinx; 1410", wahrscheinhch später hingeschrieben. Das
1,65 m breite, 2,50 m hohe Bild ist offenbar eine gute gotische Arbeit, die aber
mehrfach übermalt ist Ober dem Bilde ist ein bemaltes ausgeschnittenes Brett
angebracht In der Mitte ein Kreis mit zwei Wappen und der Umschrift: „Hanss
Daimeman, gebohr. 1572, D. 13. December, gestorben 1635, Margarete Wessels,
Simon Danneman, Pater, gebohren 1-4'9Ö. Starb 1596, uxor Ilsabe Calms.
Flg. H. Johuiatsklrcb«', AlUrlsachtor.
-^ 100 8^
Kasten Wessel, gebohren 15.75, gestorb. 16.35, uxor Elisabeth v. D. Mohlen."
Neben dem Kreis ein Band mit der Inschrift: „Renovari Fecit Simonis
Abnepos Dieterich Wilhelm Danneman, uxor Beata Elisabetha Gätken." Da-
zwischen, unter dem Kreise, die roh eingesetzte Jahreszahl 1733. Ob dieser
Aufsatz in Beziehung zu dem Bilde steht, ist unbekannt
In den nördlichen Kapellen hängen drei große Ölgemälde: 1) Luther
mit dem Schwan, geschenkt vom Stadtbaumeister Johann Philipp Häseler,
2) Melanchton, geschenkt von Ludolf Heinrich Metzendorf, und 3) Johann Huß.
Femer steht hier ein langes Gemälde mit oberen halbkreisförmigem
Abschluß, in der Mitte die Himmelfahrt, links Gethsemane, rechts Auferstehung
darstellend und wahrscheinlich dem 16. Jahrhundert entstammend. Auf dem
Rande steht: Ren. 1726.
Im Schiff hängt ein Ölgemälde des Superintendenten Caspar Gödemann,
gest. 1603.
Geatühl. An beiden Langseiten des Chores ist ein reiches Chorgestühl erhalten.
(Fig. 25, vergl. auch Fig. 20.) Der untere Teil und die Wangen sind gotisch, jeder
Platz ist mit hohen Seitenlehnen versehen imd hat einen aufklappbaren Sit«
mit einer Misericordia, die geschnitzt ist. Die Lehnenwangen sind bis zum
Fußboden an der Vorderkante mit Säulchen versehen. Die beiden am östlichen
Ende erhaltenen gotischen Wangen sind einfache viereckige Holzplatten, auf
beiden Seiten mit figürlichen Schnitzereien geschmückt. Die nördliche Wange
(Fig. 26 imd 27) zeigt auf der Außenseite eine obere und eine untere Darstellung,
jede unter einem mit Hängekante, Ejrabben und Kreuzblume verzierten Kiel-
bogen und eingefaßt von Säulchen, auf denen Fialen stehen. Im oberen
Felde sind Bartolomäus und Jacobus d. J. dargestellt, unten zwei gekrönte
Jungfrauen, eine mit Kelch und Fahne, die andere nur mit Kelch. (Fig. 26.)
Die innere Seite ist ausgefüllt von einer großen gekrönten Frauengestalt, wohl
der Heiligen Ursula. (Fig. 27.) Die südliche Wange hat an der Außenseite
ebenfalls zwei Darstellungen, oben unter zwei Wimpergen zwei Männergestalten
mit Schwertern, wohl zwei Apostel, unten unter schönem gotischem Blattwerk
zwei FraueÄestalten, die eine mit zerbrochener Fahne und verbundenen Augen,
nach Mithbp die unterUegende Synagoga, die andere mit umgekehrtem Kelch.
Die Innenseite zeigt eine hohe Frauengestalt mit Rosenstab und einem Grefäß
in der rechten Hand. Über den gotischen Sitzen befindet sich eine reiche
Renaissancevertäfelung. (Fig. 25.) Über den vorgezogenen Wangen stehen
geschnitzte Hermen, Tugenden und Laster darstellend, mit oberem verkröpften
Gesims und auslaufend in konsolaxtige Glieder, die über das bekrönende
Gesims hinweggreifen. Zwischen den Hermen aufgesetzte BogenfüUung mit ein-
gelegten Streifen, zwischen Architrav und bekrönendem Gesims geschnitzter Fries.
Die baldachinartige Überdeckung ist neu. Die Vertäfelung stammt von Wamecke
Burmester (vgl. oben S. 77) und ist auf der Rückseite eines Frieses mit der Jahres-
zahl 1593 bezeichnet. Vor diesem Chorgestühl soll eine zweite Bankreihe ge-
standen haben und 1856 beseitigt worden sein.
Im Museum wird eine gotische Wangenbekrönung, die aus der Johannis-
kirche stammt, aufbewahrt. Sie ist wimpergartig ausgebildet, die Schrägen sind
-W I I I I I I
Flg. !5. JohmnUkUclie; ChorgMtühL T«tl.
-t-S 102 8^
mit Krabben besetzt. Auf der etDen Seite erscheint das Stadtwappen, auf der
anderen das der Viskule.
GUamslereien. In den Kapellenfenstem befinden sich mehrere unbedeutende und stark
verletzte Glasfenster, welche Evangelisten Apostel und Reformatoren darstellen
und aus jüngerer Zeit stammen.
kielte -nach-den Alfaf
liiH I I M I I I I I T 1=
Flg. M, 17. Joluanliklrcliai Wuige TOin CborBeatUil.
-^ 103 8^
Im Turm der Johanniskirche hängen 9 Qlocken. Glocken.
Die Apostelglocke mit 1,955 m Durchmesser, 1436 vom Meister Gerd
Klinghe gegossen, hat oben doppelte Inschriftreihe mit gotischem Ornament und
am Klangbort einen Blattwerkfries. Am Mantel ist nach Westen ein Marienbild
mit dem Gruß des Erzengels Gabriel im Nimbus, darunter als Gießerzeichen
eine kleine Glocke, nach Osten ein Bild Johannes des Täufers mit dem Lamm
angebracht.
Die große Schelle hat 0,89 m Durchmesser; obere Umschrift und Ornament
in der Art Gerd Klinghes; 1436 gegossen.
Die Stundenglocke, 1516 von Hinrick, von Kampen als Schlagglocke für
eine Uhr gegossen, hat 1,50 m Durchmesser, obere Umschrift und Blattfries darunter.
Die kleine Schelle hat 0,77 m Durchmesser, obere Inschrift mit demselben
Blattfries wie an der Stundenglocke und ist 1519, wahrscheinlich auch von
Hinrick von Kampen gegossen.
Die Viertelglocke mit 0,825 m Durchmesser und einer in zwei Zeilen
herumlaufenden Inschrift ist 1600 von Andreas Heinecke gegossen.
Die Probeglocke von 1607, mit 1,35 m Durchmesser, hat oben zweizeiUge
Inschrift mit Palmettenfries und ist von Paul Voß gegossen.
Die Schusterglocke mit 42,5 cm Durchmesser, von 1681, mit Inschrift
auf dem Mantel.
Die Wachtglocke von 1687 hat 1,97 m Durchmesser imd am oberen
Rande vierzeilige Inschrift, darüber einen Fries mit den wiederkehrenden Gestalten
von Josua und Caleb, die die Traube tragen. Sie ist aus einer früheren, 1516
gegossenen Glocke 1687 von Arnold Kleimann aus Lübeck und der Witwe
des Johannes Voß aus Lüneburg umgegossen worden.
Die Sonntagsglocke hat 1,60 m Durchmesser und ist aus einer älteren
Glocke 1718 durch Johann Christian Ziegner umgegossen. Sie hat obere Um-
schrift, Inschriften am Mantel und am Klangbord.
Die 1516 gegossene große Glocke ist 1792 vernichtet worden. Ihr
Meister war Hinrick von Kampen.
Die Inschriften der Glocken sind mit vielen Abbildungen veröffentUcht
in den Lüneburger Museimisblättem, Heft 1.
In der Kirche sind eine Anzahl Grabmäler erhalten, die zum Teil Meister- Grabmäler.
werke ihrer Zeit sind. Sie sind hier in der Reihenfolge, wie sie in der Kirche
hängen, verzeichnet, beginnend mit der Westwand.
An der Turmwand hängt südlich eine marmorne Gedenktafel des Bürger-
meisters Christian Kruse, gestorben 1709. Ein gemaltes Brustbild wird umgeben
von Figuren, darunter ist die Inschrifttafel angebracht, die besagt, daß das
Denkmal von der Frau des Verstorbenen gestiftet worden ist. Der untere
Abschluß wird durch das Ehewappen und einen Engel gebildet.
An derselben Wand nördlich hängt ein bemaltes kleines Sandstein-
grabmaJ des Bürgermeisters Hieronymus Töbing, gestorben 1575, das ihm von
seiner Witwe, geborenen von Dassel, und seinen Kindern 1621 gesetzt worden ist.
Über einem schweren Gesims, das durch Konsolen mit dazwischen angeordneten
Schrifttafeln unterstützt wird, ist in einem Rundbogen eine kleine plastische
-^ 104 8^
Auf erstehung dargesteUt, flankiert von zwei Säulen und begleitet von Omament-
ajüaufem. Darüber Architrav, Pries und Gesims. Dem Pries vorgehängt ist
ein Dasselsches Wappen. Die Bekrönung besteht aus einer Sonne mit hebräischen
Schriftzeichen. Die Breite ist 0,95 m, die Höhe 2,20 m. Das Ganze ist farbig,
meist schwarz und weiß, behandelt.
Über diesem Grabmal ist hoch oben an der Westwand eine Brömsensche
Gedenktafel aus Holz, farbig bemalt, angebracht Aus einer Schriftplatte wächst
ein Baum in zwei Zweigen, die sich nach rechts und links abbiegen, mit
Patrizierwappen besetzt sind und ein großes Wappen mit Doppeladler um-
schüeßen. Die Inschrift besagt, daß die Tafel zum Gedächtnis des Nikolaus
Brömsen von seiner Tochter Magdalene, der Witwe Hartwig Töbings, am
5. Januar 1600 gestiftet worden ist
An der Fensterwand des nördlichen Seitenschiffes hängt eine Reihe von
Denkmälern, als erstes eine Holztafel mit dem geschnitzten und bemalten
Wappen des Bürgermeisters LudoU von Dassel, gestorben 1537, dann folgt eine
ähnliche Tafel des Bürgermeisters Hartwig Dithmers, gestorben 1674, mit
Omamentumrahmung. Eine weitere Tafel ist dem Bürgermeister Statins Töbing,
gestorben 1637, gewidmet
An dem nächsten Pensterpfeiler ist ein großes Marmorgrabmal des bei
der Belagerung von Philipsburg gefallenen 23 jährigen Hauptmanns Franz
von Witzendorf, gestorben 1676, angebracht In einem Lorbeerkranz erscheint
das plastische Brustbüd des Hauptmanns im Haxnisch, von zwei sitzenden
Prauengestalten umgeben. Auf dem geschweiften Bekrönungsgesims über diesen
Bildwerken liegen zu beiden Seiten Harnische, in der Mitte auf einem Konsol
zwischen den Gesimsendigungen sitzt eine weibliche Pigur mit dem Wappen
der Witzendorf.
Am nächsten Pfeiler hängt eine Holztafel mit dem Wappen des
Bürgermeisters LudoU Ditmers, gestorben 1644. Eine Erinnerung an den
schwedischen Obersten Duval befindet sich an einem Pensterpfeiler des
verlängerten Seitenschiffes.
An dem zweiten östlichen Pfeiler in der Verlängerung des äußeren nörd-
heben Seitenschiffes hängt ein großes schönes Marmordenkmal des Johann
Georg Domkrell von Eberhertz, gestorben 1701, und seiner Prau Magdalene
Domkrell, geborenen Dohmsen, gestorben 1706. Die aufrecht stehende Schrift-
tafel wird gehalten von zwei weibUchen Piguren und eingerahmt und bekrönt
von reichem Blattwerk* Darüber steht ein nackter Knabe, zu beiden Seiten
desselben in Ornamentovalen die Bildnisse der Verstorbenen. Die Spitze bildet
ein ebensolches Oval mit einer symboUschen Darstellimg. Das Ganze steht
auf einem starken, reich ornamentierten Gesims, dessen imterer Abschluß
durch ein Elhewappen, von Blattwerk umgeben gebildet wird. Der Schild
rechts ist einfach senkrecht geteilt, auf dem linken Schild ist ein Turm dar-
gestellt. Die Arbeit ist meisterhaft
Am östUchen Pfeiler des nördhchen Seitenschiffes ist ein schönes Grab-
mal aus schwarz bemaltem Sandstein und weißem Marmor angebracht, dem
Andenken des Bürgermeisters Albert Elver, gestorben 1628, seiner ersten Prau
->^ 105 8^
Anna, geborenen Brömsen, gestorben 1601, und seiner zweiten Frau Gertrud,
geborenen Witzendorf (Sterbezahl ist hier nicht ausgefüllt) gewidmet Auf einem
schweren Gesims, das durch Konsolen gestutzt wird, stehen vier korinthische
Säulen, vor ihnen Figuren, dahinter in den drei entstehenden Feldern in der
Mitte ein Relief des jüngsten Gerichts, zu beiden Seiten Adam und Eva. Über den
Säulen liegt ein das Ganze zusammenfassendes Gesims, auf dem in der Achse
der Säulen vier Figuren stehen. Über dem mittleren Felde erhebt sich ein
Aufbau mit zwei Säulen und Anläufern, ein Mittelbild, Himmelfahrt Christi,
umschließend. Auch auf diesen Säulen stehen Figinren, zwischen denen ein
Oval mit Christi Versuchung angebracht ist und auf dem Johannes der Täufer
steht Das ganze Denkmal wird jseitiich von Anläufern eingefaßt und unten
durch schneckenartiges Ornament abgeschlossen. Vor das untere Gesims legen
sich drei Wappen, in der Mitte Elver, rechts und links Witzendorf.
In der nördlich vom Chor liegenden KapeDe hängt ein gut gearbeitetes
Marmordenkmal des Bürgermeisters Hieronymus Laffert, gestorben 1687; ein
gemaltes Brustbild, umrahmt von Barockomament, in dem oben die drei
Wappen, Zerstede, Laffert, Stöterogge, sitzen. Den unteren Abschluß bildet die
Schrifttafel, umrahmt von weit ausladendem schönem Barockblattwerk.
An der Wand dieser Kapelle, im inneren Seitenschiff, befindet sich das
1575 errichtete Grabmal des Stadthauptmanns Fabian Ludich, der 1571 starb.
Das gut erhaltene, aus grauem Sandstein gearbeitete Denkmal, Fig. 28, ist ein
schönes Werk Alberts von Soest, des Meisters der Ratsstube. Auf einer großen
Inschriftplatte, deren Ränder aufgerollt sind, stehen zwei reich mit Blattwerk
und Köpfen ornamentierte Pfeiler mit kleinem Kapitellgesims, oben mit einem
ornamentierten Rundbogen verbunden. Die Pilaster werden von Anläufern,
der Rundbogen im Innern von einem auf Konsolen in Kämpferhöhe aus-
kragenden Bogen begleitet über dem Rundbogen Architrav, Fries mit
SchriftsteUen und Hauptgesims mit Frontgiebel, in dem Gott Vater in starker
Bewegung erscheint Die Zwickel über dem Bogen werden durch zwei geflügelte
Frauengestalten, Fides und Spes, ausgefüllt Von der Pilasterarchitektur ein-
geschlossen wird eine reiche Darstellung, in der Mitte Christus am Kreuz, rechts
imd links vom Kreuzstamm Fabian Ludich und seine Frau Gertrud Wilde,
zwischen ihnen die Wappenschilder Ludich und Wüde unter einem Helm, im
Mittelgrunde um den Kreuzstamm Küegergestalten in heftiger Bewegung, auf
dem Schild der einen Figur das Künstlerzeichen Alberts von Soest: ^J%^ - Im
Hintergründe ein Bild der Stadt Lüneburg, rechts und links unter dem Querarm
des Kreuzes Sonne und Mond, über dem Kreuz ein großer Strahlenkranz mit der
Taube. Das Denkmal erinnert an italienische Vorbilder, ist in seinen Verhält-
nissen fein abgestimmt und in seinen Einzelheiten von großer Schönheit
(Inschrift bei Behncke, Albert von Soest, Straßburg 1901,)
An der entsprechenden Stelle des südlichen Seitenschiffes sind Reste eines
farbig behandelten Denkmales ohne Bezeichnung eingemauert, in der Mitte
erscheint ein großes Bild, Christus als Lebensbrunnen, mit vielen Gestalten um
den Rand des Brunnenbeckens. Das Bildwerk wird eingerahmt von reichem
Schnecken- und Rankenwerk mit Blumen und Früchten, die jetzt stumpf gegen
die Bildtafel stoßeo. Auf der Spitze erscheint der Vogel Phönix, der
untere Abschluß wird gebildet durch eine Kartusche, mit der Bibelstelle
Flg. M. Johumliklrch«; Qubmal des Fabian Lndich.
Johannes 4. Das Denkmal ist eine gute Arbeit, die wahrscheinlich um 1600
entstanden ist
-^ 107 8^-
Im südlichen Seitenschiffe hängt nach Osten zu ein großes Grabmal des
Ratsherrn und Bibliothekars Tobias Reimers, gestorben 22. Februar 1716. Auf
einem Mannorgesims baut sich eine Pilasterstellung mit Sockel und Gebälk
auf, neben den Pilastem stehen zwei Putten, über dem Gebälk reiche Omament-
bekrönung, zwischen den Pilastern hängt ein rundes Wappen. Unter dem
Marmorgesims ist eine tuchartig gefaltete Inschrifttafel, gehalten von zwei
Putten, angebracht Aufbau und unterer Abschluß sind von weiß und schwarz
gestrichenem Holze.
Im westlichen Teile des südlichen Seitenschiffs ist an einem Fenster-
pfeiler ein reich ausgebildetes Marmordenkmal des Daniel Johann von
Braunschweig, gestorben 1718, angebracht. Die Mitte nehmen die beiden
Wappen Braunschweig und Dassel ein, über ihnen, fast auf den Wappen
ruhend, eine große geflügelte, weibliche Figur in lebhafter Bewegung, unter
den Wappen ein Sockel mit Inschrift. Links neben dem Sockel steht
eine geflügelte nackte männliche Figur mit Schild, in dessen Mitte „Effugio''
zu lesen ist, rechts kauert der Tod mit Sense und Stundenglas. Den
unteren Abschluß bilden Konsolen und reiches Barocklaubwerk, in dessen
Mitte eine Schrifttafel eingelassen ist. Die hervorragend schöne Arbeit
scheint sich an der ursprünglichen Stelle zu befinden.
An allen Pfeilern des Mittelschiffs sollen im Mittelalter große Grab-
denkmäler von Patriziern vorhanden gewesen sein, erhalten sind nur zwei davon
an den westhchen Pfeilern und zwar nach Süden das Denkmal des Bün^ermeisters
Hartwäg Stöterogge, gestorben 1539, nach Norden das des Bürgermeisters
Nikolaus Stöterogge, gestorben 1561. Das Denkmal Hartwigs von Stöterogge
(Fig. 29) ist 1552 erbaut, es folgt in seiner Grundform der runden Umrißlinie
des Schiffpfeilers und besteht aus einem großen Mittelfelde, in dem die Auf-
erstehung plastisch dargestellt ist, umrahmt von zwei reich ornamentierten
Pilastem und bekrönt von Architrav,. Fries und Hauptgesims mit Frontgiebel.
Das Gebälk ist über den Pilastem verkröpft. Das Mittelbild wird von einer
großen, dem Grabe entsteigenden Christusfigur beherrscht, zu Füßen derselben
links und rechts die knienden Figuren Hartwig Stöterogges und seiner Frß.u
Margareta; zwischen den Figuren das Ehewappen. Unter diesen Figuren
eine große Kartusche, von zwei Figuren gehalten, mit lateinischer In-
schrift Die Pilaster sind mit feinem Omament und Reliefköpfen ge-
schmückt, außerdem zeigen sie Inschriften, die im oberen Teile Bibel-
sprüche, im unteren Teile links den Tod Hartwig Stöterogges, 13. Febmar
1539, rechts den seiner Hausfrau Margaret, 14. August 1540, betreffen.
Ferner steht ganz unten am Unken Pilaster in schönen Schriftzeichen:
GESZKE UX : 0 T 1493, am rechten Pilaster: MARGARETE UX:0T 1483,
über den Inschriften links das Wappen der Hoyermann, rechts das Wappen
der Elver.
Im Fries befindet sich eine Darstellung der Geschichte von Jonas und
dem Walfisch, links davon das Wappen der Stöterogge, rechts das Wappen der
Stoketo. Im Frontspieß tritt aus einem Kreise in voller Plastik ein männlicher
Kopf stark hervor, der Kreis wird von knienden Engeln gehalten. Mithoff hält
14*
den Kopf für das Porträt des Bildhauers. Das ganze Denkmal ist etwa 5 m
hoch, aus Sandstein beigestellt uod farbig bemalt
. Johann Isklrcbe; Orabmnl Il>rtwlcb StStnonw.
Das gegenüberliegende Denkmal Nikolaus Stöterogges {Fig. 30) ist in
zwei Teilen übereinander aufgebaut. Es hat ebenfalls kreiss^mentförmigen
Grundriß, dem Pfeilerumriß folgend. Der untere Teil ist von zwei freistehende»
wilden Männern umrahmt, die ionische Kapitelle tragen, das Mittelfeld
Ptg. W. Jolianiittklrcfae; arkbrnklNlkoUatStOterosses.
enthält die große Inachrifttafel, die an den RMidem kartuschenartig aufgerollt
ist, darüber drei große Wappen, Elver, Stöterogge, Glöden. Der obere Teil ist
durch reiches Gebälk, dessen Pries eine lange lateinische hischrift (Bibelstelle)
-Hl 110 8*^
enthält und das über den Figuren verkröpft ist, vom unteren Teile getrennt
Das obere Mittelfeld wird von zwei ionischen Säulen flankiert und zeigt eine
figurenreiche plastische Darstellung des jüngsten Gerichts in naturalistischer
Auffassung. Den Mittelpunkt bildet wieder Christus auf der WeltkugeL Ein
reich ornamentiertes Gebälk schließt diese Darstellung nach oben ab. Auf dem
Hauptgesims steht eine geschwungene Bekrönung mit starkem Gesims und kreis-
förmigen Anläufern, in denen sich Engelköpfe befinden. In der Bekrönung ist in
Relief die Dreieinigkeit dargestellt Das Denkmal ist etwa 6 V2 ™ l^ocl^ ^^^
aus Sandstein, der bemalt ist, hergestellt Dr. W. Behncke a. a. o. halt
das Denkmal für ein Werk Alberts yoii Soest Inschriften beider Epitaphien
bei Behncke.
In der nordwestlichen Vorhalle befinden sich zwei Wanddenkmäler der
Familie von Dassel, ein großes schönes Marmorwerk des Hartwig von Dassel
gestorben 1716, und ein Sandsteindenkmal des Bürgermeisters Ludolf von Dassel,
gestorben 1537.
Das Marmordenkmal ist, wie es scheint, nicht mehr vollständig erhalten.
Auf einem schräg aus der Wand vortretenden Sargunterteil in monumentalen
Formen stehen die beiden Wappen Hartwigs von Dassel und seiner Frau
Elisabeta Dorothea Braunschweig, gestorben 1704, von zwei Putten gehalten
Darüber baut sich eine reiche, ornamental behandelte Pilasterarchitektur auf, die
eine dunkle Schriftplatte mit Goldbuchstaben umgibt.
Das Sandsteingrabmal Ludolfs ist eine rechteckige Platte mit Postament,
1,60 m breit, 3,10 m hoch. In der Mitte befindet sich eine die ganze Fläche
ausfüllende heraldische Darstellung mit drei Wappen, etwas höher stehend das
Dasselsche Wappen, rechts das der Familie Stöterogge, links das der Familie
Sankenstede, über den Wappen zwei Putten, die eine Schrifttafel halten.
(Fig. 31.) Das Ganze wird eingerahmt von zwei flachen ornamentierten Säulen,
auf denen ein Gesims mit halbkreisförmiger Bekrönung liegt. In dem Halbkreis
liegt ein schlafender nackter Knabe mit Totenkopf und Sanduhr, darüber ein
Schriftband „nascendo morimur". Die Zwickel neben dem Bogen werden durch
wappenhaltende Putten ausgefüllt, links der Schild der Stöterogge, der rechte
Schild ist leer. Unter der heraldischen Darstellung eine den Raum zwischen
den Säulen einnehmende Schrifttafel, deren Ränder aufgerollt sind. Dieser
obere Teil steht auf einem ornamentierten Gesims mit Zahnschnitt, das den
oberen Abschluß des Postamentes bildet, darunter sind die Flächen bis zum
Sockel ganz mit einem feinen, künstlerisch sehr wertvollen, leider aber schon
arg zerstörten Ornament bedeckt, das den Charakter der Friese in der großen
Ratsstube hat und seine Übereinstimmung mit den Terrakottenornamenten an
der Neuen Sülze, namentlich im Gesims, nicht verleugnen kann. Vielleicht
haben wir es hier mit Werken des Bildhauers Gert Suttmeyer zu tun. Die
Figuren und Ornamente des oberen Teiles sind weniger gut und scheinen von
anderer Hand zu stammen. Auf allen Teilen sind echte Farbenspuren zu entdecken.
In einer der nördlichen Kapellen befindet sich ein Wanddenkmal der
Jungfrau Catharina Sophia Baumgarten, gestorben 1676, Tochter des Syndikus
Johann Burchard Baumgarten und seiner Frau Sophie Catarina, geborenen
-^ 111 8-^
Usler. Die mittlere Schriftplatte ist zu beiden Seiten von einer Wappenreihe
eingefaßt.
In der Tunnhalle stehen drei steinerne Grabdenkmäler an der Wand.
An der Südwand sieht man als erstes eine rechteckige Saadsteinplatte von
Flg. II. JohtumllklTcha; Onbrnal Lndolft v
guter reifer Arbeit, 1,72 m breit, 2,56 m hoch, ganz fiirbig bemalt. In der Mitte
erscheint eine große männliche Figur, die zwei Wappen, Glöde und Schomaker,
hält, unter der Figur Schrifttafel mit lateinischem Gedicht. Das Ganze wird
->*8 112 8^
umrahmt von einer Umschrift in römischen Majuskeln, die in den Ecken von
vier Kreisen mit Wappenschildern unterbrochen werden. Die Umschrift lautet:
MARTINVS . GLOEDE • J : V. DOCTOR. AC • INCLUTI • SENATVS • SYNDICUS •
OBHT . ANNO • MDXXffll • ALTERA • MAURITII • ELISABET • ÜXOR • OBIIT •
ANNO . MDXXXVI • IN • PROFESTO • VALENTINI •
oben rechts Wappen mit Adlerfuß und Umschrift:
.ESTE . GLADOW •
oben links das Glödesche Wappen mit der Umschrift:
WICHMANN • GLOD •
unten hnks Wappen der Glöde mit Umschrift:
GORGES . GLODE •
unten rechts Wappen mit Weinranken und Umschrift:
BARBARA • LANGENS •
Das Renaissancelaubwerk der heraldischen Darstellungen ist gut gearbeitet
Auch diese Arbeit hängt ihrem Ursprünge nach wohl mit dem Dasselschen Epitaph
in der nordwestlichen Vorhalle und den dort genannten Arbeiten zusanunen.
Das zweite Steiijdenkmal an der Südseite, dem Doktor Stephanus
Gerkius gewidmet, ist eine rechteckige Steinplatte, mit Gesims und einem
bekrönenden Bildwerk, der Erschaffung der Eva. Den unteren Teil des Steines
bildet eine Schriftplatte mit aufgerollten Rändern. An der Seite dieser Schrift-
platte ist auf den Rand des Steines: OBHT • ANNO • 1546, links an der ent-
sprechenden Stelle: IN • DIE • CATHARINiE • gesetzt. Das Mittelfeld enthält in
Bogenumrahmung ein FlachreKef, die Himmelfahrt, mit seitUchem Ornament,
unter dieser Darstellung rechts und Knks die knienden Gestadten der
Verstorbenen, dazwischen Wappen: rechts Gerkius, links ein Wappen, geteilt
mit Adlerflügel und Traube. Das Gesims ist noch gotisch, das Ganze Hand-
werkerarbeit.
An der Westwand steht hnks vom EÜngang eine 1,46 m breite, 2,40 m
hohe rechteckige Steinplatte, dem Andenken des Stadthauptmanns Joachim
von Gule, der, 35 Jahre alt, 1559 erschossen wurde, gewidmet In einem
Rundbogen steht ein geharnischter Ritter, wohl der Stadthauptmann, unten
links ist das Wappen, ein rotes Einhorn im weißen Felde angebracht Das
Ganze eine ungeschickte Handwerkerarbeit, die wohl eher dem Verfasser des
vorhergehenden Steines als Albert von Soest, wie es Behnke (a. a. 0.) will,
zuzuschreiben ist. Das Zeichen Soests ist nicht vorhanden.
In der Dasselschen Kapelle neben dem Turm befinden sich folgende
Grabdenkmäler: Eine viereckige Platte des Ludolf von Dassel, gestorben 1609,
mit dem von einem Oval umschlossenen Wappen der Dassel, darunter Schrift;
eine zweite Platte mit derselben Anordnung von Wappen und Schrift, dem
fürstlich Gottorpschen Kammerschreiber Georg von Dassel, gestorben 1632,
gewidmet, und eine dritte Platte, die das Wappenbild der Dithmers mit der
Jahreszahl 1601 zeigt und dem Andenken der Gemahlin Ludolfs von Dassel,
Elisabeth, geborenen Dithmers, geweiht ist. Ein Mannordenkmal des Bürger-
meisters Leonhard von Dassel, gestorben 17. November 1706, zeigt in der Mitte
eine oval umschlossene, in Bogenform heraustretende Schriftplatte, umgeben
i
-^ 113 S^
von seitlichen Wappenreihen, die einem Stammbaum aufgeheftet sind, der aus
einem den unteren Abschluß bildenden Totenkopf herauswächst An der süd-
lichen Wand der Kapelle steht das schöne Marmordenkmal [des Bürgermeisters
Georg von Dassel, gestorben 1751, die ganze Höhe der Schildbogennische ein-
nehmend. Auf einem Sockel mit schweren Schneckenanläufem steht ein hoher
Aufbau; der seiÜich von barocken Konsolen mit freistehenden Figuren begleitet
wird und im unteren Teile die Schriftplatto enthält, über der eine freie Fläche
gebildet wird. Auf dieser Fläche hing früher der jetzt verschwundene Holzschild
mit dem Dasselschen Wappen. Das Denkmal ist von einem eisernen Gitter aus
derselben Zeit umgeben.
Im Fußboden der nördlichen Kapellenreihe liegen folgende Grabsteine: Grabsteine.
Schriftplatte für Joachim Jacob Reincke, 'gestorben 1745 und seine
Frau Anna Catharina, geborene Munter.
Ein großer Stein mit drei Wappen für den Senator Christian Papei
geboren 1623, gestorben 1692, und Elisabetha Gr . . en und Anna MargareÄa
Rhebinders.
Grabstein mit großem stark erhabenen Wappen und der Unterschrift:
„Erbbegräbnis der Familie von Stern, renov. 1855."
Grabstein für Ludolph von Döring, gestorben 1723, imd seine Frau Anna
Catharina, geborene Lüde. . . ., oben Ehewappen.
Steinplatte mit zwei Wappen, für Hartwich Jochen Soltow — Sterbezahl
nicht ausgefüllt — imd seine Frau Elisabeth Anna, geborene Bansauen, ge-
storben 1755.
Steinplatte mit zwei Wappen in der Mitte und vier Muscheln an den
Ecken, für die Brüder Christian Daniel Biehle, gestorben 1742, imd Johann
Heinrich Biehle, gestorben 1728.
Steinplatte des Hauptmanns Wilhelm Boye, — ohneJSterbezahl — und
seiner Frau Catharine Dorothee, geborenen von Dassel, gestorben 1716, mit Ehe-
wappen in der Mitte und vier Rosetten in den Ecken.
In der vierten Kapelle von Westen wird eine Schriftplatte- mit vergoldeten
Buchstaben auf blauem Grunde, der Grabstein für den Ratmann Hans Audorf,
gestorben 1618, und seine Frau Ursula Puffe, aufbewahrt.
In der Sakristei liegen zwei Deckplatten von Erbbegräbnissen, und zwar
der FamiUe Biehle-Nieper, ohne Jahreszahl, und der Familie Panning mit der
Aufschrift: Johann Peter Panning, geboren 1695, gestorben 1743, Margarete
Ilsabe, geborene Biehlen, gestorben 1760.
Außerdem liegt hier noch eine halbe zerstörte Platte, auf der der Name
Christoph Greve, geboren 1738, gestorben 1819, erkennbar ist.
In die Wände der Turmhalle sind drei Grabsteine eingelassen, an der
Westwand der des Nikolaus Holste, gestorben 1742, und seiner Frau Margarete
Elisabet, geborenen Störbecken, gestorben 1742, mit dem Ehewappen, an der
Nordseite links der des Hieronymus Friedrich Zarstedt, gestorben 1709, und seiner
Frau Dorothea Elisabeth, geborenen Töbing, gestorben 17 . ., rechts der des Georg
Töbing, gestorben 1703, und seiner Frau Elisabeth, Catharine, geborenen Braun-
schweig, gestorben 1743.
15
-^ 114 8^
In der Dasselschen Kapelle neben dem Turm liegt eine Grabplatte für
Georg von Dassel, gestorben 1635 und seine Frau Catharine, geborene Düsterhop,
und eine zweite für Georg von Dassel, gestorben 1629.
An der Chorseite der Kirche befindet sich ein Grabstein des Tobias
Meyer ohne Jahreszahl, aber mit einer Hausmarke.
Hostiendosen. Eine kreisrunde Hostienschachtel zeigt flaches eingeritztes Ornament der
Renaissance. Der anscheinend zugehörige Löffel tragt die Inschrift: AD. D.
• LAMBERT- ANNO' 1645.
In der Sakristei wird eine silberne ovale Hostienschachtel mit dem
Stempel HGK. und eine silberne viereckige mit Omamentbekrönung auf dem
dachförmigen Deckel, mit dem Stempel: zwei gekreuzte Schwerter, aufbewahrt.
Ein Hostienlöffel mit Traube am Stiel zeigt auf dem Rücken der Schale ein
Wappen und am Stiel die Inschrift: LVCOB- DANCKWERS* IVRATVS' 1656.
, Zwei gleiche silberne Hostiendosen des 18. Jahrhimderts für Kranken-
kommunion sind rechteckig, mit eingra^dertem Ornament auf allen Seiten, eine
kleine runde aus derselben Zeit zeigt an der Oberseite ein eingeritztes Kreuz.
Kelche. Es sind 14 Kelche vorhanden,! die teilweise aus der Lambertikirche
stammen, (vgl. S. 129).
1) Ein 18,5 cm hoher Kelch hat auf dem sechsblättrigen Fuß ein aufgeheftetes
Kruzifix und am Knauf sechs Nägel mit den Buchstaben: IHESVS. Am
Fuß die Inschrift: AD QVARTAM VIKARIVM STEPHANI FVNDATVM
PER DONMINV FREDERCV HORNINGH 1523. Die einfache Patene hat ein
eingeritztes Ejreuz.
2) Ein 20 cm hoher Kelch hat auf dem sechsblättrigen Fuße ein Kruzifix,
darüber das Wappen der Sanckenstede, links ein solches der Töbing, rechts
der Sanckenstede. Die Wappen sind in Grubenschmelz ausgeführt. Dem
Kruzifix gegenüber sind drei gefaßte Perlen, angebUch Flußperlen aus der
Lüneburger Heide, auf den Fuß geheftet. Der Knauf hat sechs Nägel mit
i h e f V s in Grubenschmelz. Am Halse über und unter dem Knauf i h e f v s
und maria. Die Patene hat ein eingeritztes Kreuz.
3) Ein prächtiger 31,4 cm hoher gotischer Kelch mit gerader Kuppa hat
geradlinig begrenzten sechsseitigen Fuß mit einem aufgehefteten silbernen
Kruzifix über eingraviertem Ornamentgnmd auf einer Seite, die anderen
fünf Seiten sind graviert mit Heiligenfiguren zwischen Ornament, und zwar
rechts vom Kruzifixus Johannes, Petrus, ein Bischof am Kreuz, Paulus und
Maria. Am Rande des Fußes läuft die Inschrift herum: „Missam qui dicis
in honore(m) dei genitricis Hoc vas pro dante tu post orabis et ante amen."
Der Knauf ist mit durchbrochenem Maßwerk verziert, die sechs Nägel
tragen die Buchstaben i h e f u s in grünem Schmelz. Über dem Knauf am
Hals: „ave ma", darunter „ria gracia pl". Die Patene ist rund mit ein-
gepreßtem vertieftem Vierpaß und Weihkreuz.
4) Gotischer 15 cm hoher Kelch mit sechsblättrigem P^iße, dem ein Christus-
körper auf eingeritztem Kreuz aufgeheftet ist. Der runde Knauf hat vier
Nägel mit silbernen Rosetten, zwischen ihnen die Inschrift: ihefus/crift'
filius/vginis. Über dem Knauf ist der Hals halb abgeschnitten, mit
! -^ 115 8^
den unteren Teilen der Buchstaben i h e / f u s, unter dem Knauf am Hals
crif/tvs. Auf der Innenseite des Fußes steht „metteke stokers".
5) Ein gotischer Kelch, 15,4 cm hoch, mit rundem glattem Fuß, dem auf der
einen Seite ein Christuskörper, auf der anderen ein Wappen mit
Eber und Weinranke in grünem Schmelz aufgeheftet ist, hat einen Knauf
mit sechs Nägeln, in denen die Buchstaben IHESVS erscheinen. Der
Hak ist ornamentiert An der Unterseite des Fußes ist eingeritzt: „Domin'
gherbert' Euerwyn dedit anno dm 1498". Die Patene hat ein Kreuz und an der
Unterseite dieselbe Inschrift mit den ausgeschriebenen beiden Anfangsworten.
6) Ein 30,4 cm hoher Kelch mit achtblättrigem Fuß und aufgeheftetem
Christuskörper auf eingeritztem Kreuz hat einen Eiiauf mit den Buchstaben
IHESVS und zwei Rosetten in den acht Nägeln. Die Formen sind grob
und gehören wohl dem Ende des 16. Jahrhunderts an. Die Patene ist glatt.
7) Ein dem vorigen in den Formen ähnlicher, 28,5 cm hoher Kelch, ebenfalls
mit achtblättrigem Fuß von tief eingeschnittener Form und aufgeheftetem
Kruzifix. Beide Kelche tragen das gleiche Meisterzeichen, zwei gekreuzte
Schwerter, neben dem Lüneburger Löwen. Die Patene hat ein Ejreuz.
8) Ein kleiner Kelch mit einfach profiUertem Hals und rundem Fuß 9,8 cm
hoch, zeigt an der Unterseite die Inschrift: „E. calice ab 1606 aegro. dicato
confic. cur. J. C. Beyer. Jur. adm. ad aed. St. Lamb: 1807".
9) Ein Kelch von gleicher Form 10,4 cm hoch, hat die Inschrift: „E calice ab
1596. aegro. dicato confic: cur: J.C.Beyer: Jur: adm: ad aed: St. Lamb: 1808".
10) Renaissancekelch, 12,9 cm hoch, mit rundem Fuß und Knauf mit plumpem
Ornament. Auf dem Fuße die Inschrift: „HOC* CALICE* VTITVR- TEM-
PLVM D: LAMBERTI PRO iE GROTANTIBVS- ANO 1606". Darunter:
RENOVATÜM- 1-6-37. Patene glatt, mit Umschrift an der Unterseite:
„F. PH- Adm: Jur: ad St: Lamb: Anno 1753".
11) Spätrenaissancekelch, 23 cm hoch, mit rundem Fuß, der Hals in Vasenform
mit Blattornament. Am imteren Rande der Stempel G. F. K. Patene mit Kreuz.
12) Drei kleine schmucklose Kelche mit rundem Fuß, für E^rankenkommunion,
sind 9 cm hoch. Zwei davon haben am Fuße die Stempel: Halbmond
neben 12 und „WiUe".
13) Fünf runde einfache Zinnkelche.
Zu den Kelchen gehören zwei Saugröhrchen, ein großes in einfachen
Formen und ein kleines, reicher [mit Blattwerk ornamentiert, beide Silber,
vergoldet
Im Mittelschiff hängen drei Messingkronen. Die westlichste hat an Kronleuchter
profiliertem Mittelkörper 16 Arme in zwei Abteilungen übereinander. An der
Kugel erscheint ein Ehewappen mit den Namen : HINRIK KROGER imd ANNA
KROGEIRS. Der mittlere Leuchter hat ebenfalls 16 Lichtträger in zwei Abteilungen
übereinander. Auf der einen Seite steht unter einem Wappen:
H. CHRISTIAN BVSKE DER ELTER SELIGER. WELCHER NACHDEM ER IM
EHSTANDE 38 • lAR FRIDLICH GELEBET. EIE • VND HOCHW • RAHTS
MITGLIED 28 . lAR . DIE KAMMEREY 19 lAR TREVLIG VERWALTET • IM
75 . LVR SEINES ALTERS GESTORBEN 1666.
15*
JohumisUroha ; PG
Kronlgnelitcr'im Clio" "t'
Auf der anderen Seite, eben-
falls unter einemWappen: „Salome
Wisseis" und darunter ein Bibel-
spruch. Im letsrten Gewölbejoch
am Chor hängt eine reich aus-
gebildete Krone mit 32 Armen
in drei Abteilungen übereinander.
Der reich profilierte Mittelkörper
endigt unten in einer großen
Kugel, die ganz mit Schrift und
zweiWappen bedecktisi Zwischen
den Wappen steht auf der einen
Seite: IN ■ DEI ■ 0: M: HONORE-
ORNAME - ALBERTI ■ MUTZE-
LTINI • ET . ANN^ • LECTISS :
PARENTVS : CHARISS ■ HAEC -
VERO . ID : IVN : A : C ; RE .
MEMOR : FILR - FILLEQ ■ AO :
SA PAR :
_ Aul der anderen Seite:
TV • H VS -.EDISS AC : ATQ ■ V: CL ■
TOBINGjE ■ VXOR: EIVS -FOEM ■
Q VORV ■ ILLE - VI ■ NON : MAD ■
l-5-8.6:PIE-IN-DN0-0BlE-
SVPERSTIrME- F:F: 1.5.8.7;
Alle drei Kronen haben als
oberen Abschluß einen doppel-
köpfigen Adler.
Im Chor hängt eine Krone,
die 10 Lichtträger und außerdem
viele Arme hat, die nur als
Schmuck angebracht sind, ohne
Lichtträger zu sein. (Fig. 32.)
Sie ist zum Andenken an die
im Wochenbett 1662 gestorbene
Elisabeth Höllner von ihrem
Gatten Georg Laffert gewidmet
1667. Der obere Abschluß wird
gebildet durch eine geflügelte
weibliche Gestalt.
Im nördlichen Seitenschiff
hängt ein prächtiger gotischer
Leuchter aus bemaltem und
vei^oldetem Holze. (Fig. 33 und
34.) Auf einem von hängendem
I I I It I I I I T
Flg. 3S. JahumUklnsbc; Ibrienleachter.
-^ 118 8^
Maßwerk umgebenen, thronaxtigen Postament stehen an beiden Seiten geschnitzte
hohe Pfosten, die einen reichen, sechsseitigen Baldachin tragen. Die Pfosten
endigen in Fialen und sind an den Außenseiten mit Engels- und Heihgenfiguren
besetzt Ein mit geschmiedeten Blättern besetzter Eisenbügel hält an den Pfosten-
enden den ganzen 2,50 m hohen Aufbau. Unter dem Baldachin stehen auf dem
Postament in tiefblauer Mandorla zwei Figuren, mit dem Rücken aneinander-
gelehnt, auf der einen Seite Maria mit dem Kinde, auf der anderen Seite eine
Bischofsgestalt, Erasmus (?). Maria ist von einer Strahlenglorie umgeben. Auf
der ornamentierten Mandorla sitzen an beiden Seiten je sechs musizierende Engel,
-fwniit-
^
Flg. 84. Johannisldrche; Marienleuchter, Grandrifi.
Leuchter.
auf der Spitze erscheint Gott Vater mit der Weltkugel. An dem Postament
sind sechs gebogene Arme mit Lichttellem angebracht In dem oberen
eisernen Bügel hängt ^ein beiderseitig bemalter Schild, auf der einen Seite ein
Wappen (das der Wollweber?), auf der anderen Geräte zeigend. Das Kirnst-
werk entstammt dem 15. Jahrhimdert
Im südhchen Seitenschiff hängt ein eigenartiger gotischer Leuchter. (Fig. 35.)
Eine kreisrunde flache Blechplatte mit aufgebogenem Rande wird von drei mit
je zwei goldenen Kugeln besetzten Bügeln getragen. An der Platte sind die
Lichtteller angebracht, zwischen ihnen hängen sechs Schilder, in der Mitte der
Platte hängt ein siebenter Schild. Der Plattenrand war mit Schriftzeichen bemalt,
die Schilder mit Wappen. In der Mitte der Platte steht eine vierte Kerze.
Inschrift und Wappen sind nicht mehr zu erkennen.
Neben der Kanzel befindet sich ein spätgotischer Lichthalter, etwa 3 m
hoch, aus Holz geschnitzt Auf einer gedrehten Säule mit Perlen und gotischer
-^ 119 H-
Bekrönung steht Johannes mit einem Kelch,
in blauem Gewände, neben ihm eine kleine
ornamentierte Säule, mit geschmiedetem
Kerzenteller. Im Schiff hängen sechs Wand-
arme für je eine Kerze, mit großer Wand-
rosette imd ein gotischer Wandarm für
drei Kerzen, mit einfachem Ornament, zwei
Tierköpfen und drei leeren Schildern.
In der Sakristei stehen drei gotische
Schränke. (Fig. 36 und 37.) Der eine ist
in sechs Abteilungen nebeneinander ge-
teilt, 4,60 m lang und hat im oberen Teil
Maßwerkfriese, darüber eine reiche durch-
brochene Omamentkante zwischen den hoch-
gehenden Rahmhölzem. (Fig. 37.) Die
Türen siad reich beschlagen. Auf einer
Tür ein gemaltes Töbingsches Wappen.
Ein anderer 2,70 m langer Schrank (Fig. 36)
hat nur drei Abteilungen nebeneinander,
als oberen Abschluß wieder eine durch-
brochene Kante und einfache Beschläge.
Ein kleiner 0,80 m langer Schrank hat reiche
Beschläge und als oberen Abschluß einen
Zinnenkranz. Außerdem befinden sich in der
Sakristei: eine gotische Bank mitMaßwerk-
wangen, ein bemalter Renaissancetisch mit
den noch schwach erkennbaren Evangelisten-
symbolen in den Ecken, ein kleiner gotischer
Wandschrank mit dem Wappen der Lafferde
und eine Standuhr aus der Barockzeit
Zwischen den beiden Halbrundpf eilem,
die sich im Westen des Schiffes an die
Turmwand anlehnen, ist die Orgel einge-
baut. (Vergl. Fig. 20.) Sie füllt die ganze
Höhe bis zum Scheitel des hier höher ge-
zogenen Kreuzgewölbes aus und baut sich
über einem niedrigen freien Durchgang in
zwei galerieartigen Geschossen segment-
förmig aus der geraden Front heraus.
Über der oberen Galerie hegen erst die
groi^n, stark gegUederten und von reichstem
Ornament mngebenen und bekrönten Orgel-
pfeifen. Die Brüstungen der beiden Galerien
sind in Felder geteilt, die von feinem
Ornament umrahmt werden. Die obere
Möbel.
Orgel.
Fig. 35.
Johannlskirche ; Kronleuchter im sfidllehen
SeiteDBchiff.
-»4 120 8«-
Galerie tritt- über die untere vor. In der Mitte der oberen Galerie ist eine Gruppe
kleinerer Pfeifen heiausgebaut, von geschnitzten Blattwerkomamenten umgeben
und von musizierenden Engeln bekrönt. Die Bekrönung der großen Pfeifen
endigt imter dem Gewölbe kuppelartig, die mittlere Spitze bildet ein musi-
zierender Engel
jimiiii' I I I M I I I I 1 f
Flg. BS, BT. JobaODUUrehB; Schrinka In 4er Hikrl.t.L 1«U&
Die Orgel trägt die aufgemalte Inschrilt:
RBNOVATO I ANNO 1 1634 1 HP.
HOC ORGANUM | REPARAM ET AUOERI 1 DURA VIT | DOMINDS | PETER
JOCHIM I FANNING SENATOR] ANNO 1715.
J
->^ 121 8^
Dieser Orgelprospekt ist ein Meisterwerk feinster Barockkimst Unter
der Orgelempore erscheinen die Postamente zweier kannelierter Säulen; vielleicht
gehören sie noch zu der älteren Orgel.
Zwölf gleiche Kissen, GobeUnarbeit, zeigen in der Mitte das Stadtwappen Paramente.
mit der Zahl 1606, umgeben von naturalistisch ausgeführtem farbigem Ornament
Drei quadratische Kelchunterlagen sind mit Goldfäden und Seide auf
rotem Seidengrund gestickt. In der Mitte • I • H • S • Zwei Unterlagen haben
die gleiche Inschrift:
HAEC . FIERI • CVRAVIT • ANNO • 1647 • PETER . SCHRÖDER .,
die dritte:
SEL . ANDREAS • CRVWELMAN • HELMHOLTS • WlT • CATARINA •
Einige quadratische Taufdecken mit farbiger Stickerei auf Leinen tragen
die Jahreszahlen 1641, 1768, 1771 und 1783 ohne weitere Bezeichnung.
Eine leinene Altardecke ist bestickt mit: SAF 1791.
In der Sakristei werden drei Taschen für Abendmahlsgeräte aufbewahrt.
Die eine zeigt in Kreuzstich einfache Ornamente auf golddurchwirktem Grunde
und hat auf der Rückseite vier durchbrochene Knöpfe aus Goldblech. Die zweite
Tasche ist auf beiden Seiten mit farbiger Seide bestickt und mit vergoldetem
Leder gefüttert. Auf der einen Seite erscheint Maria mit dem Kinde, auf der
anderen Seite ein Kruzifix. Eine dritte Tasche besteht aus rotem Samt, mit
Goldborte besetzt und hat auf der Innenseite die Zahl 1787.
Die sogenannte goldene Kirche, ein prächtiger gotischer Reliquienschrein Reliquien-
auf Holzuntersatz, besteht aus einem rechteckigen 25,3 cm langen, 15,2 cm behälter.
breiten Kasten und einem gebogenen dachähnüchen Deckel, alles aus stark ver-
goldetem Silberblech hergestellt Der Kasten hat einen profilierten Sockel mit
großer Kehle, in der gefaßte Edelsteine und silberne Rosetten liegen, das Gesims
unter dem Dach ist ebenso ausgebildet und bekrönt von einer durchbrochenen
Blätterkante. An der Langseite erscheinen fünf, an der Breitseite drei blinde Maß-
werkfenster, auf den Pfeilern dazwischen sind Fialen angebracht An den
Ecken knien vier geflügelte Gestalten mit den Marterwerkzeugen. In die
Dachfläche sind Ziegellinien eingegraben, die Grate sind mit Kreuzblumen besetzt,
auf dem First ist eine durchbrochene Omamentkante angebracht, die seitlich in
Kreuzblumen endigt, und in der Mitte von einer dachreiterartigen Bildung mit
einer Kreuzigungsgruppe unterbrochen wird. Auf den Dachflächen stehen sechs
reich mit Fialen und durchbrochenem' Maßwerk geschmückte Dachfenster, In
diesem Reliquienschrein liegen: eine schmucklose, silberne Hostiendose, eine
silberne Weinflasche von flacher runder Form mit eingeritzter Kreuzigung und
Auferstehung und mehrere Reliquien.
Ein ReUquienbehälter in Form eines aus Holz geschnitzten Frauenkopfes,
der farbig bemalt ist und an der Vorderseite die Buchstaben sancta cecilia
tragt, enthält in einer seidenen Tasche die Reste eines Schädels. In die dick
aufgetragene Farbe des Halsschmucks sind Glasflüsse eingelassen.
Zwei ReUquienbehälter haben die Form von griechischen Kreuzen, 19,5
beziehimgsweise 20,5 cm groß, beide 6,5 cm dick. Das eine Kreuz besteht aus
Holz, der Deckel aus vergoldetem Kupferblech, mit einem Kruzifix besetzt.
16
Am Rande eingraviertes Ornament Das andere Kreuz besteht ganz aus Kupfer-
blech, der Deckel ist oben vergoldet und hat in der Mitte ein aufgeheftetes
Kruzifix, das von eingraviertem Ornament umgeben ist Beide Kreuze sind gotisdi.
Im Museum befindet sich ein aus der Kirche stammendes gotisches
19 cm hohes Tragkreuz, das ajs ReUquienbehälter gedient hat Es besteht aus
vergoldeter Bronze, hat an der
Vorderseite einen aufgehefteten
ChristuskÖrper, an den Kreuz-
armen die Evangelistenzeichen.
Die Rückseite zeigt eingravierte
Ornamente. Unter dem Kreuz-
fuß ist ein Knauf angebracht,
der Stiel ist hohl.
Ferner wird im Museum
ein 31 cm langer, 26 cm breiter,
12 cm hoher Holzkasten auf-
bewahrt, der auf dem Deckel
und an den Längsseiten Male-
reien auf Goldgrund zeigt, und
zwar auf dem Deckel eine Kreu-
zigung, an den Seiten Johannes
den Täufer und Maria. Der
Kasten ist gotisch und hat
wobt auch zur Aufbewahrung
von Reliquien gedient
Im Chor befindet sich ein
bronzenes Taufbecken aus der
Lambertikirche (Fig. 38). Vier
Figuren mit Spruchbändern stehen
auf einem Sockel und tragen
den großen Kessel Die Kessel-
wände sind am oberen und
unteren Rande mit einer Oma-
mentkante besetzt In derMtte
die Inschrift:
DVSSE DOPE HEBBEN
DE - SVLFMESTER GHETEN
LATEN ■ NA CHRISTVS VNSES
HEREN GEBORT MDXL -
Auf dem Sockebande steht
die Inschrift:
HUNDERT ■ FERCIH • SIVERT ■
Flg. SS. Jobumlsklrche; T»gfke*Bel.
ANNO ■ DOMINI ■ DOVSENT ■ FEINF
BARCHMANN ■ (Vgl. Seite 129.)
Der aus späterer Zeit stammende
Deckel ist aus Holz, farbig
bemalt Zwischen Ornament erscheinen die Wappen der TÖbing, Witzen-
-*4 123 S-H
dorf und das einer imbekannten Familie. Auf der Spitze steht ein Kind
mit Lfunm.
In einer der südlichen Kapellen befindet sich ein Taufbecken aus Sand-
stein (Fig. 39). Am Unterbau fünf geflügelte tanzende Putten. Der Deckel ist
von Holz mit barockem Ornament und zwei sich küssenden Putten.
Ein Taufbecken aus vergoldetem
Messing hat an der rechten Seite die ein-
gravierte Figur Johannes des Täiifers mit
der Überschrift: S • lOHAN ■ 1597 ■
Ein zweites Taufbecken aus ver-
goldeter Bronze zeigt auf dem Rande ein-
geschlagene Omamentstempel , in der Mitte
die getriebene Darstellung der Verkündigung
mit einer Umschrift aus sich wiederholenden
Buchstaben, die aber unleserhch sind. Die
Form der Schrift läßt auf das lö. Jahr-
hundert schheßen.
In der Sakristei wird eine 28,5 cm Weinkaimen,
hohe silberne Weinkanne mit dem Stempel
H G K am Rande des Fußes und der Inschrift
an der Deckelunterseite:
DEO • ET ■ ECCLESLE ■ GEORG -
JOACfflM • TIMMERMANN • P • T • ADMINI-
STRATOR-1719 ■
aufbewahrt Auf dem Deckel befindet sich
eine stehende Traube.
Eüne kleine 8 cm hohe silberne Wein-
kanne trägt die Inschrift:
8VMPTIBVS ■ TEMPLI • S : LAM-
PERTI - FIERI ■ CVRAVIT PETER SCHRÖDER - ANNO 1647.
Die Kirche besitzt mehrere Bibeln von 1664 und 1642; der Einband der VerecUedenee.
einen hat an den Ecken silbernen Beschlag von 1666; femer ein Evangelienbuch
von 1414 mit Holzdeckeln, die mit rotem Leder bezogen sind, und eine
Hamburger Chronik von 1648.
Im Museum werden zwei aus der Kirche stEimmende große HoMiguren,
Maria und Johannes, angeblich von dem Triumphkreuz, aufbewahrt, femer eine
Hotzskulptur, die Krönung Maria darstellend, und ein Holzkasten, der ganz
eigenartig ornamentiert ist. Deckel und Seitenflächen sind duich plastisch,
anscheinend aus Gipa aufgetragene Ornamente mit Lilien in viereckige Felder geteilt,
die an den Seitenflächen ausgefüllt werden durch Malereien auf einer braunen
porösen Masse und an den Querseiten phantastische Tiere, an den Längsseiten
Wappenschilder mit Adler und Löwe darstellen. Auf den Feldern des Deckels waren
runde Gegenstände aufgeklebt, die aber verschwunden sind, anscheinend Münzen.
In der Dasselachen Kapelle hegt der Rest einer großen Kreuzigung aus
Sandet«in.
16*
Jobuiniskirchei Tftuf stein.
-H 124 8^
Die Lambeptikirche.
Quellen: Unedierte Urkunden, Akten und Pläne des Stadtarchivs; LÜnebnrger
Urkundenbuch, herausgegeben von W. v. Hodenberg, 7. Abteilung, Archiv des Klosters
St. Michaelis; Urkundenbuch der Stadt Lüneburg, herausgegeben von Yolger, L und IIL;
Schomakers Chronik; U. F. C. Maneckes Sammlungen, Band 25 und 26.
Literatur: Manecke, Top. -bist. Beschreibungen, S. 11 f., woselbst die ältere
Literatur z. vgl. ; Volger, die Kirchen in Lüneburg, Lüneburger Johannisblatt 1857 (Lttnebnrger
Blätter S. 110 ff.); Mithoff, Kunstdenkmale S. 149 ff.; Wrede, die Glocken der Stadt Lttnebni^
(LUneburger Museumsblätter I. 23-34 und 53).
Geschichte und Die in den Jahren 1860 und 61 abgebrochene Lambertikirche stand
Beschreibung, mit ihrem Westportal und der entsprechenden Schauseite des Turmes dem
Haupteingange zur Saline genau gegenüber und kennzeichnete schon dadurch
ihre nahe Beziehung zu dem beherrschenden Industriewerke der Stadt, dem sie,
ob mittelbar oder unmittelbar, ihren Ursprung zweifellos verdankt „Die Saline
beim Heiligen Lambert" (apud beatum Lambertum), so nennt Herzog Johann
in einem Diplom von 1269 die alte Sülze im Gegensatz zu einem neuen Salz-
werk und gibt damit die früheste Erwähnung des Gotteshauses. Aus dem
letzten Viertel des 13. Jahrhunderts sind einige für St Lamberti ausgestellte
Sülzrentebriefe erhalten, und auch ein Lamberti-Siechenhaus (hospitale s. Lam-
berti 1287, domus infirmorum adjacens ecclesie s. Lamberti 1292), wird wieder-
holt bedacht, ja, nach einem Ablaßbriefe von 1300 könnte man meinen, daß
die Kirche zunächst nur ein Zubehör eben dieses Hospitals gewesen sei, heißt
sie doch hier „ecclesia hospitalis" s. Lamperti. Zwei Jahrzehnte später wurde
das Siechenhaus von St. Lambert losgelöst, und die Kapelle nahm ihre selb-
ständige Entwicklung. Immer in fester Verbindung mit der Sülze. Die ältesten
Barmeister als Vertreter der SaJzjunker übten bei Besetzung der Stelle eines
ersten Geistlichen der Kirche das Patronatsrecht aus; Sache der Barmeister war
die Erhaltung des Kirchturms, soweit er über die Glocken hinaufreichte, des
Uhrwerks, der Sakristei, des Altars und der Kanzel, der Dope und der Orgel«»
eines eisernen Gitters im Chor, des Barmeistereistuhls und auch der Amts-
wohnungen der Prediger und Kirchenbedienten. Um das Vermögen der Kirche
zu erhöhen, legten sich die Sülfmeister im Jahre 1491 eine außerordentliche
Beisteuer von 20 Mark auf, die fortan jedes neue Mitglied ihrer Körperschaft an
die Kirchenbaukasse zu entrichten hatte. Versammlungen der Sülfmeister fanden
in der Lambertikirche statt Einmal im Jahre umging nach Volgers Mitteilung
die gesamte Geistlichkeit des Gotteshauses mit Heiligenbildern imd Reliquien in
feierlicher Prozession die Sülze und den Lindenberg, wo die Hauptadem des
Solezuflusses vermutet wurden, um Gottes Segen auf den unersetzlichen Quell
herabzurufen.
Erst in der Reformationszeit hat St Lamberti Pfarrrechte erhalten,
obschon das Gotteshaus in den vorhergehenden Jahrhunderten ebenso oft als
ecclesia wie als capella bezeichnet wurde. Der Rektor der Kapelle, zuerst 1293
'<^ 125 8^
begegnend, stand in Abhängigkeit vom Pfairer zu St. Johannis, dem er bei
Strafe des Interdiktes jährlich 2 Mark, seit 1327 sämtliche „oblationes" seiner
Kapelle abzuliefern hatte. Als Bischof Bertold von Verden in der Lamberti-
kapelle einen besondem Gottesdienst eingerichtet hatte, bezeichnete der Propst
von St Johannis das als einen Eingriff in seine geistlichen Rechte (1475) und
appellierte an den Papst Eine Verordnung des Verdener Bischofs (1379), alle
Benefizien der mit dem Abbruch bedrohten Gyriakskirche in die Lambertikapelle
zu übertragen, ist nicht zur Ausführung gekommen, da die erstere bis weit
über die Reformation hinaus fortbestanden hat. Außer dem Hochaltare gab es
zu St Lamberti 22 Altäre, an denen in hochkatholischer Zeit 79 Vikare und
Kommendisten sich betätigten. Die Schutzpatrone der einzelnen Altäre waren
Antonius (in der Sakristei), der Evangelist Johannes, Alexius, Stephanus und
Alle Heiligen, die Zehntausend Ritter, Martin, die Dreifaltigkeit, Philipp-Jacobus
imd Mathias (an der Ostseite), Andreas, Anna (in der Kreuzkapelle), Brigitta
(aut Sepulcri), Katharina, Barbara, Hulpert, Thomas und Gertrud, Petrus und
Paulus, Laurentius, Mauricius, Magdalena und die drei Könige, das hl. Kreuz.
Dem Namenspatron der Kirche, dem Hl. Lambertus, war neben dem Hochaltar
noch ein anderer Altar gewidmet, ebenso war die Jungfrau Maria durch zwei Altäre
geehrt; der eine lag im ostlichen Chor der Hören (in quo höre b. Marie virg.
decantari solent 1476), der andere lag im neuen Chor nach Norden hin (1440).
Die Präsentation für die erste Vikarie am Hochaltar und im Armarium
beanspruchte der Herzog von Lüneburg. Dem Hulpertsaltar war die Hulperts-
gilde der Sodeskumpane naJae verbunden, während die Sülfmeister sich zur wohl-
habenden Fronleichnamsgilde, „to des hiUigen lychammes gilde den de sulff-
mester holden to sunte Lamberde^^ zusammengeschlossen hatten; diesen Gilden
standen ein Ratmann und zwei Bürger (Sülfmeister) als Älterleute vor. An
jedem Dienstag wurden „van der bede to sunte Lamberde*' Almosen verteilt,
deren Verwaltung zeitweise einem Ratmann, vier Bürgern und den drei Kirchen-
geschworenen oblag (1476). Vier Provisoren eines ewigen Lichtes werden 1404
zuerst erwähnt.
Protestantische Prädikanten lehrten zu St. Lamberti bereits] 1529,
Ostern 1531 wurde mit Zustimmung des Urbanus Rhegius Herr Caspar
Rumeshagen aus Dithmarschen als HauptgeistUcher eingeführt, und fortan
waren 3 Prediger, seit 1742 noch zwei, ein Hauptpastor und ein Diakonus,
als Seelsorger tätig.
Ober die Erbauimg der Kirche liegen nur zwei Nachrichten vor. Nach
der einen wurde im Jahre 1382, nach Bartolomaei, die „gerwekamer", die
Sakristei, eingeweiht; nach der andern, von Volger und Sudendorf in das Jahr 1398
gesetzt, war unter der gemeinsamen Regierung der Herzöge Bernd und Hinrik
die Verlegung einer herzoglichen Zollbude notwendig geworden, weil dieselbe
der Errichtung des Lambertiturmes im Wege stand. Beide Angaben führen zu
dem Schlüsse, daß die Kirche in ihrem großen Umfange, wie sie manchem
noch aus eigener Anschauung und sonst aus zahlreichen Abbildungen bekannt
ist, Lüneburgs Blütezeit nach dem Erbfolgekriege entstammt, derselben Periode,
in welcher die neue Michaeliskirche in ihrer östlichen Hälfte emporwuchs, in
LsmlMTtl
-^ 127 8*<-
welcher auch für den Ausbau von St Johannis so viel geschehen ist, nachdem
die Cyriakskirche aus der Ummauerung ausgeschlossen war und als Stadtkirche
kaum mehr in Betracht kommen konnte.
Das aus Backsteinen erbaute Gotteshaus von St. Lamberti war eine
dreischiffige gotische Hallenkirche (vgl. Fig. 40), von der Ostwand des Turmes bis
zur Chormauer 46,73 m lang, 23,95 m im Lichten breit (ohne die Kapellen
zwischen den Strebepfeilern) und bis zum Gewölbescheitel 16 m hoch.*) Das
Mittelschiff setzte sich aus vier Jochen mit reichen Sterngewölben zusammen,
die mit Emporen versehenen Seitenschiffe aus ebensovielen Kreuzgewölben.
Der mit drei Seiten eines Achtecks abschließende Chor war um eine Stufe
erhöht, desgl. der durch eine schmiedeeiserne Schranke abgesonderte Altarraum.
In der Verlängerung des südhchen Seitenschiffes befand sich die Sakristei,
darüber der Schüler- oder Musiklektor, im verlängerten nördlichen Seitenschiffe
eine Kapelle, auch sie mit einer oberen Prieche. Der Predigtstuhl bzw. die
Kanzel war am südhchen Mittelpfeiler angebracht. Außer dem schon erwähnten
Westportal hatte die Kirche fünf Türen: an der Nordseite zunächst dem Turm
die Tür (und Treppe), die zum Barmeisterstuhl führte, unmittelbar daneben die
Peterstür, im östiichen Gewölbejoche die Brauttür, in der Nordostecke die
Adamstür; an der Südseite, der Brauttür gegenüber, die sogen. Große Harztür,
d. h. die Tür, welche vom „Höre", dem alten Markt- und Gerichtsplatz, herein-
führte, und die Kleine Harztür, mit einer Verschiebung nach Osten zur Peterstür
korrespondierend. Das gewaltige Kirchendach war mit Kupfer gedeckt und trug
noch 1657 in seiner Mitte einen Dachreiter. Der einfache viereckige Turm
wetteiferte in der Höhe seiner schlanken Pyramidenspitze mit dem Kirchturm
von St. Johannis.
Damit ist in groben Umrissen die Gestalt der Kirche skizziert, wie sie
sich in den Ansichten der Stadt aus dem 15. bis 17. Jahrhundert darbietet und
wie sie um die Wende des 14. Jahrhunderts entstanden sein wird. Schon im
Laufe dieser Zeit und namentUch späterhin hat sie im einzelnen mancherlei
Veränderungen und Entstellungen erfahren. Der Baugrund der Kirche, ein mit
Gipsteilen vermischter schlüpfriger Ton, war an sich ungünstig, und unter-
irdische Soladem sollen dazu beigetragen haben, seine Festigkeit noch frag-
würdiger zu machen. Die Bodensenkung nach Westen, die sich an alten
Häusern der Neuen Sülze und Salzstraße zeigt, hatte auch die Lambertikirche
in Mitleidenschaft gezogen und drohte zeitweise den ganzen Turm niederzureißen
und damit das Gotteshaus seiner gegebenen Stütze zu berauben. Die ursprüng-
Uche schwere Turmspitze hatte man schon im Jahre 1491 durch eine leichtere
ersetzt, um das Mauerwerk zu entlasten, aber auch diese mußte schon 1545
erneuert werden, da sie sich in einem halben Jahrhundert um 11 Fuß nach
Westen geneigt hatte. Wo die neue Turmspitze nach Beseitigung von vier
gemauerten Spitzgiebeln ansetzte, wurde ein charakteristischer Umgang mit
Galerie und vier Türmchen angebracht, die durch einen Knopf auf eiserner
Stange bekrönt waren. „Anno domini 1545 up MichaeUs" war nach Angabe
*) Nach Mithoff, auf dessen ergänzende Baubeschreibung hier verwiesen wird.
-<^ 128 8^
einer im Stadtarchiv verwahrten Kupfertafel der Bau vollendet Eäne zweite
Kupfertafel meldet folgendes:
„Anno 1574 sondages den 24 januarii morgens to 6 uren is de
olde knop, stange und mekeler [Tragebalken], 32 vote langk, dorch
suedtwesten storm herunder gestorttet. Aver 24 stunde hema is de
burgermeister her Frans Witzendorp in Got vorstorven. Und düsse nie
knop volgende Johanni [Juni 24] wedder gerichttet, als Dirick Dusterhop,
Albb. Semmelbecker barmester und Albb. Radeke karcksware und
dusses buwes bovelhebber gewesen. Laus Deo! Do galt de sossei
roggen 2 marck, 1 punt botter 4 schillingk.^'
Die Widerstandsfähigkeit des Turmes soll durch den Sturz so stark
erschüttert sein, daß man das Glockenläuten einstellte. Und von schlimmerem
Unheil, das die Gewalt eines Südweststurmes über die Kirche brachte, berichtet
eine dritte Kupferplatte:
„Anno 1703 den 8. december Vormittages zwischen 10 und
11 uhr warff der ungemeine und einen orcan nicht ungleiche sturmwindt
aus Südwesten die spitze des St. Lambertithurms bis auff das gemauer
herunter auff den kirchhoff, mit nicht geringen schaden der daran
stehenden kirch und saltzbude, und sind in den knopff 2 kupffeme
platen gefunden. Darauf f ist anno 1712 nach vielfeltiger berahtschlagung
beliebet, einen kleinen thurm wieder auffzubauen. Der groiz Gott wolle
denselben vor bösen zufeilen in gnaden bewahren! Aelste bahrmeister
sind gewesen: Ludolff Döring, Statz Ludolff von Zarstaedt, Hinrich
Müther, Georg Daviedt von Dassel; Hinreh Döring, jüngster."
Die Erbauung des im Oktober 1712 vollendeten, vorstehend erwähnten
„kleinen Turms", d. h. einer dachförmigen niedrigen Haube mit offener Laterne
und Zwiebelknopf, nahm der Kirche viel von ihrer einheitUchen Schönheit. Und
des Restaurierens war fortan kein Ende. Das Mauerwerk des Gotteshauses
hatte offenbar mehr geUtten, als wieder gut gemacht war, der Zug nach
Westen hielt an, und seit dem Jahre 1730 erwies sich eine umfassende Her-
stellung als dringend notwendig. Der obere Teil des Turmes geriet beim Lauten
in sichtbare Bewegung, und Ausgang 1732 ereignete es sich wahrend des
Gottesdienstes, daß einige Schlußsteine des Mittelschiffs in die Kirche hinunter-
fielen. Nach Einholung mehrerer Gutachten von auswärtigen Baumeistern kam
in den Jahren 1736 ff. ein Entwurf des Stadtbaumeisters Haeseler zur Ausführung.
Die Mauern wurden innen und außen gefestigt, die Kirche samt den Innen-
pfeilem durch Streben abgestützt, die massiven Gewölbe des Mittelschiffs, deren
Kappen recht nachlässig angeklebt waren, durch gipsbekleidetes Holzwerk
ersetzt Am ersten Adventssonntage 1738 konnte der Gottesdienst, der inzwischen
nach St Marien verlegt war, wieder an alter Statte begangen werden. Die
Kosten des Baues waren zum großen Teil durch Sammlungen innerhalb Lüne-
burgs beschafft. Im Dezember 1750 bewiUigte Georg ü. eine Hauskollekte für
das Gebiet des ganzen Fürstentums einschUeßlich der Grafschaften Hoya und
Diepholz, um nunmehr den Lambertiturm zu retten, der „einen fast unvermeid-
Hchen Umsturz" drohte und mit der Kirche auch die nahe gelegene Sülze
_i
->^ 129 8^
gefährdete. Diesmal wurden unter Leitung des schon genannten Stadtbaumeisters
die zu hoch angebrachten Glocken, die mit ihrem Schwünge in kurzer Zeit alles
wieder zerrissen hatten, um ein Stockwerk tiefer gehängt, und der Turm erhielt
an seiner Westfront zwei riesige Strebepfeiler, so daß er sich jetzt in Form
einer abgekürzten vierseitigen Pyramide darstellte. Aber auch dieses Mittel
erwies sich auf die Dauer als unzulänglich. Kostspielige Reparaturen waren
auch im 19. Jahrhundert (1818, 1829/30) wiederholt erforderlich. Die herrlichen
Glocken*) wurden zuletzt nicht mehr' in Schwung gebracht, sondern nur noch
mit dem Klöppel angeschlagen, und im Sommer 1858 mußte der Gottesdienst
abermals eingestellt werden, da die Kirchgänger durch die baufälligen Gewölbe der
Seitenschiffe in Lebensgefahr kamen; nur die Sakristei und eine daran anstoßende
Beichtkammer blieben als sicher und fest noch in Benutzung. So gewann ein
Gedanke mehr imd mehr Anhänger, der um 1730 zuerst laut geworden, noch
im Jahre 1809 von der Regierung in Hannover zurückgewiesen war, der Gedanke,
das Gotteshaus ganz eingehen zu lassen. Er wurde unter dem Druck der
KgL Landdrostei zur Tat im Februar 1860. Am 17. genannten Monats erließ
der Lüneburger Magistrat in den öffentlichen Blättern die Bekanntmachimg:
„es soll die hiesige Sankt-Lambertikirche nebst Turm zum Abbruch meist-
bietend verkauft werden^', und bald darauf erhielten 2jimmermeister Westphal
und Maurermeister von der Heide gegen ein Höchstgebot von 13050 Talern
den Zuschlag. Im Verlaufe der Abbruchsarbeiten zeigte es sich, daß das
Mauerwerk des Gotteshauses keineswegs so hinfällig war, wie man geglaubt
hatte, mußte man doch zu Sprengmitteln seine Zuflucht nehmen, um den
Abbruch durchzuführen. Im Oktober 1861 war die letzte sichtbare Spur der
alten Salinkirche verschwujaden, und in dem Gesamtbilde der Stadt, wie Mithoff
dazu bemerkt, eine empfindliche Lücke entstanden.
Was von dem Inventar des Gotteshauses gerettet ist, hat zumeist in
den Kirchen von St. Johannis und St. Nikolai einen würdigen Platz erhalten,
und da es in den zugehörigen Abschnitten seine Beschreibung findet, so können
wir uns an dieser Stelle kurz fassen. Die einstigen Lambertikirchglocken lassen
jetzt ihre Stimme hoch vom Nikolaiturme herab erschallen, wo die vornehmste
imter ihnen, die Marienglocke Gerhards von Wou, dreimal tägUch als Betglocke ertönt;
die Stundenglocke dient seit 1871 der Uhr des HL Geisttürmchens. Der große
Hauptaltar aus dem 15. Jahrhundert, mit reichem Schnitzwerk und schöner Be-
malung, sowie eine jüngere Vorsetztafel schmücken den Hochaltar der Nikolai-
kirche, während die 22 Nebenaltäre bis auf einen schon vor dem Abbruch beseitigt
waren. Der Nikolaikirche fiel sodann eine große silberne Kanne von 1650 zu,
ein silbernes Oblatenkästchen imd ein kleines Altarlaken aus weißem Drell mit
Spitzen besetzt. Eine Dope hatte die Lambertikirche erst am 2. Februar 1541
erhalten, ein Werk des Lüneburger Grapengießers Sivert Barchman, das die
*) Die Katharinenschelle von Gerd Klinghe (1445), die Marienglocke von Gerhard
von Won (1491), eine kleinere Yossische Glocke (1650), die Vossische Schelle (1619), die
Sonntagsglocke von Christian Ziegner (1712), die große Vossische Glocke (1723). Vgl. des
Näheren Wrede, am eingangs zitierten Ort.
17
-^ 130 §^
SäUmeister nach langen Beratschlagungen hatten gießen lassen, und dessen Guß
zweimal mißlungen war. Es steht jetzt im Chor der Johanniskirche und wird
mit einem ebenfalls aus St. Lamberti stammenden kupfernen Taufbecken hier
als Taufgefäß benutzt. Der Johanniskirche ist auch die Mehrzahl der Kultgerate
zuteil geworden: zwei vergoldete Kelche mit Patenen und Saugröhren, zwei
silberne Kelche mit einer Patene, zwei silberne Becher, drei Oblatenteller, zwei
Oblatendosen, eine silberne Flasche, ein vergoldeter Löffel, drei Kelche mit
Patenen aus Zinn, je zwei Altarleuchter aus Kupfer und Messing, eine eiserne
Feuerpfanne, ein mit Seide gesticktes Futteral, eine Anzahl von Altartüchern
und Decken und ein Kniekissen aus grünem Leinen. Eine große unbezeichnete
Krone aus Messingbronze, die in den dreißiger Jahren vom Gewölbe der Kirche
herabgestürzt und nicht wiederhergestellt war, bildet seit 1899 eine Zierde des
neuen Stadtarchivs.
Unter den verloren gegangenen Kunstwerken der Kirche sind drei Bilder
der Reformatoren Huß, Luther und Melanchthon zu nennen, die im 18. Jahr-
hundert auf Veranlassung des Stadtbaumeisters Haeseler kopiert wurden. Cber
dem Chorgestühle befanden sich Ölmalereien in großen Dimensionen auf Lein-
wand; das eine Bild stellte das Lagerleben der Juden in der Wüste dar, das
andere, von Daniel Frese (1594), die Stadt Jerusalem mit dem Tempel. Die
Orgel, durch Meister Kaspar Bubeling 1519 — 21 zum Ersatz einer älteren ange-
fertigt und später wiederholt erneuert, soll sich eines besonderen Rufes erfreut
haben. Eine Kanzel war 1618 von Henning Bene in Lüneburg geliefert, das
Schnitzwerk (an der Treppenwange die vier Evangelisten, an der Brüstung
fünf „Historien," Geburt, Taufe, Kreuzigung, Auferstehung, Himmelfahrt), und
acht Bilder dazu lieferte Hans Schröder. Das Kanzelpult mit einem vergoldeten
Pelikan wurde vor dem Abbruche der Kirche inventarisiert, war aber gleich
vielen anderen Kunstgegenständen später nicht wieder aufzufinden. Ein geschnitztes
farbiges sog. Vesperbild, Maria mit dem Leichname ihres Sohnes, in einem
sechseckigen gotischen Kasten aus Stein von 88 cm Höhe, war nach Mithoff beim
Eingange angebracht, der in die Sakristei des Diakonus führte. Silberne Heiligenbilder
imd Kleinodien sind schon im Jahre 1574 der Lüneburger Münze zum Opfer gefallen.
Einige Gegenstände aus der Lambertikirche befinden sich im Lüneburger
Museum:
1) Fünf flache Holzschnitzereien in viereckigem Rahmen, der mit barocken
Ornamenten verziert ist. Die Gruppen stellen dar Maria Empfängnis, Geburt,
Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt Christi.
2) Zwei gleich ausgebildete 2,75 m hohe Stützen, vermutUch von einer Piieche.
Auf einem Konsol in schwülstigen Formen steht ein bärtiger Mann mit
Strahlenglorie, ohne weitere Abzeichen, der Unterkörper wird verdeckt durch
einen großen Schild. Auf dem einen Schild steht: „ Jerusale Jerusale die du
todeest die propheten und steinigest die zu dir gesand sind wie offt habe
ich deine kinder versamK wolle wie eine hene versandet ire kuchir unter ire
flugel un dir habe nicht gewolt: MATT. 23." Der andereSchild trägt die Inschrift:
„Jerusale denckt in dieser zeit wie elend und verlasse sie ist.imd wie viel
guts sie von alters her gehabt hat weil alle ir volck darunder ligt unter de
-^ 131 8^
Feinde und ir niemand hilfft ire Feinde sehe ire last an ir und spotte irer
Sabbaten".
Beide Stützen sind farbig bemalt. Ihre Entstehungszeit fällt wohl nach 1600.
Einige ornamentale Holzschnitzereien gotischen und barocken Charakters
und eine spätgotische Tür aus der Lambertikirche befinden sich in dem
Hause Grapengießerstraße Nr. 7 im Privatbesitz.
Die Nikolaikirche.
Qn eilen: Ungedrnckte Urkunden und Akten des Stadtarchivs; Gebhardi, Collec-
tanea Bd. 11; U. F. C. Maneckes Sammlungen Bd. 26.
Literatur: Manecke, top.-hist. Beschreibungen S. 10 f. (mit Angabe der älteren
Literatur); Volger, die Kirchen in Lüneburg (Lüneburger Johannisblatt 1857, LUneburger
Blätter S. 109 ff.); Mithoff, Kunstdenkmale S. 151 ff.; Wrede, die Glocken der Stadt Lüne-
burg (Lüneburger Museumsblätter I, 23).
Die bisherige Annahme, daß an der Stelle der jetzigen Nikolaikirche Geschichte,
schon im 14. Jahrhundert eine gleichnamige Kapelle gestanden habe, ist unhaltbar.
Sie stützt sich auf die Aufzeichnung eines alten Stadtbuches, wonach da.s Ge-
dächtnis der in der Ursulanacht für die Freiheit der Stadt Gefallenen mit Vigiüen
und Seelenmessen alljährlich in Kirchen und Kapellen Lüneburgs begangen
wurde, auch in „Sunte Nicolai bi deme Watere". Die Aufzeichnung stammt
von der Hand des Ratsschreibers Hinrik Kule, der sein Amt erst am 7. März 1899
antrat Ist es demnach von vornherein mißlich, jene Notiz für das 14. Jahr-
hundert als Beweis anzuführen, so spricht die urkundliche Überlieferung
entschieden dafür, daß Hinrik Kule die Eintragung erst gegen Ende seiner
Amtszeit (spätestens März 1411) vorgenommen hat.
Der Ursprung der Nikolaikirche gehört in das erste Jahrzehnt des
15. Jahrhunderts. In den Verhandlungen mit dem Verdener Domkapitel,
welche dazu führten, daß der Lüneburger Rat das lange begehrte Patronatsrecht
von St. Johannis errang, soll im Jahre 1406 auch die Erlaubnis zur Erbauung
der NLkolaikapelle erwirkt sein. Der früheste hier anzuführende urkundliche
Beleg des Stadtarchivs datiert vom 15. Februar 1407. An jenem Tage ver-
kauften die Geschworenen der Johanniskirche mit Zustimmung des Rates eine
Leibrente, die nach des Rentners Tode zum Bau einer Kirche im Wasserviertel
verwandt werden sollte: vorausgesetzt daß der Bau wirklich zustande komme;
wenn nicht, so sollte die Rente an die Baukasse vom St. Johannis zurückfallen.
Noch war also die Errichtung einer neuen Kirche nur eine Absicht, deren Be-
weggrund aus den Worten „in quarta parte civitatis, videhcet Aque" unzwei-
deutig erhellt Obgleich die Stadt keine Territorialparochien kannte, empfand
man es als lästig, daß gerade die Bewohner* des Wasserviertels, in welchem die
Neustadt Lüneburg emporblühte, für ihre kirchlichen Bedürfnisse auf die drei
anderen Stadtviertel angewiesen waren — hier sollte nunmehr Wandel
geschafft werden.
-t^ 132 8^-
Der Bauplatz für das neue Gotteshaus wurde, wohl nur zum Teil, vom
Kloster Schamebeck abgetreten, dessen Stadtkurie den späteren Nikolaikirchhof
im Norden begrenzte. Die Abtretung vollzog sich nach Mitteilung Gebhardis
im Jahre 1407. Am Tage Pauli, d. h. nach guter Oberüeferung am Tage Petri
imd Pauli, dem 29. Juni 1409*), empfing die Nikolaikapelle ihre erste Weihe, am
1. Juli desselben Jahres hören wir gelegentlich einer Vikarienstiftung durch
einen Lüneburger Ratmann zuerst von einem Rektor der Kapelle.
Als Gotteshaus des Wasserviertels wurde die Kirche auch durch die
Wahl ihres Namenspatrons charakterisiert, galt doch der Hl. Nikolaus als vor-
nehmster Schutzheiliger der Schiffahrt und aller Wagemutigen, die sich in ihren
Dienst stellten. Ein Nikolai -Altar, der außer dem Hochaltar die Kirche zierte,
hieß bezeichnenderweise der Schifferaltar; Eichen- und Böterschiffer lieferten
bis in die neuere Zeit hinein Wachskerzen zur Beleuchtung und machten sich
auch um die Ausschmückung der Kirche verdient; ein bemaltes Fenster von
1581 trug die Inschrift: „dusse luchtfinster hebben de schippers geben"; es
zeigte ein Schiff, das mit Salztonnen befrachtet war. Die reiche Gilde der Salz-
tonnenböttcher hielt sich ebenfalls zur Nikolaildrche, in deren unmittelbarer
Nähe das Gildehaus stand. Sie hatte dort gleich den Schiffern in einer be-
sonderen Kapelle einen großen Altax, dessen Bezeichnung als Marien- Altar hinter
dem Namen „Böttcheraltar" ganz zurücktrat, und lieferte in der älteren Zeit die
Kerzen für vier Leuchter, später den Geldbetrag für eine Wachsspende. Sog.
Schifferalmosen („der schiplude almissen") wurden in der Kirche an jedem
Mittwoch und Sonnabend ausgegeben; sie unterstanden der Obhut von vier
Vorstehern (1485). Schiffer und Böttcher besaßen an bevorzugter Stelle des
Gotteshauses feste Plätze und hatten für ihre Amtsangehörigen Anspruch auf
ein freies Begräbnis im Nikolaikirchhofe; für das Trauergeläute hatten wenigstens
die Böttcher nur die halbe Gebühr zu bezahlen. Eine noch engere Beziehimg
zu „Sunte Nicolaus" verrät der bis 1799 geübte alte Brauch, daß das Tagewerk
der Salztonnenböttcher durch eine, in einem zierlichen Dachreiter der Kirche
angebrachte Meßglocke morgens und abends um 5 Uhr ein- und ausgeläutet
wurde. Die Vermutung hegt nahe, daß die Schiffer und namentlich die Sakfr*
tonnenböttcher, deren Amt dank dem großen Verbrauch der Saline im 15. Jahr-
hundert 80 Meister zählte, zur Erbauung der Kirche wesentlich beigesteuert haben.
Die Nikolaikirche ist die jüngste unter den mittelalterUchen Karchen
Lüneburgs. Dennoch wissen wir über ihre Baugeschichte außerordenüich wenig.
Nirgends eine Spur davon, wer der geniale Baumeister gewesen ist, der den zu-
grunde liegenden, niemals zur Ausführung gelangten Bauplan nach dem Vor-
bilde einer von Lübeck ausgehenden, im Mecklenburgischen ausgebildeten Gruppe
hervorragender Basiliken entworfen hat Um den Bauplan zu begreifen, muß
maji sich vergegenwärtigen, daß die Kirche in ihrer jetzigen Gestalt zur größeren
Hälfte nur aus dem ursprünglichen, in mächtigen Verhältnissen angelegten Chor
besteht, zu dem ein Kreuzschiff imd ein Langhaus in entsprechend großen
Verhältnissen offenbar hinzukommen sollten. Wie so oft haben die Mittel zur
*) Zunächst würde man annehmen am Tage Pauli Bekehrung, dem 25. Januar.
j
-^8 133 g^
Durchführung des riesenhaften Planes nicht ausgereicht, und das Langhaus hat
in seinem Westturm einen frühzeitigen Abschluß erhalten, während man auf
das Querschiff ganz verzichtete.*)
Fraglos ist die Krypta, mit einem Cosmas- und Damiani- Altar, zuerst
entstanden. Ein Marienaltax, nach seiner Lage auch Mariae Grucis genannt,
wird 1409 erwähnt Mit vier Vikarien wurde 1416 der Bartolomaei-Altar an
der Nordseite des Gotteshauses ausgestattet, durch den Lübecker Bürger
Herman Tzyrenberch, der jenen Altar selber hatte errichten lassen. Am drei
Könige-, Peter-, Paulus-, Georg- und Veitsaltar hinter dem Chor der Kapelle
stiftete Bürgermeister Hinrik Viscule 1420 eine Vikarie zum Gedächtnisse seiner
Eltern; ein Simon- und Judasaltar, durch einen Bardewiker Domherrn ausgestattet,
begegnet 1424; im selben Jahre wird auf dem „sunte Nik. kerkhove" eine
Rechtshandlimg vollzogen. Lassen diese Angaben, so dürftig sie sind, immerhin
erkennen, daß der Gottesdienst der neuen Kapelle gleich in den ersten Jahr-
zehnten ihres Bestehens würdig ausgestaltet wurde, so schritt der Außenbau
nicht in demselben Maße fort. Vielleicht geschah es deshalb, daß sich der Rat
1431 der Kirche energischer annahm, jedenfalls ernannte er wie für die übrigen
Kirchen und Kapellen der Stadt seit dem genannten Jahre zwei Provisoren oder
Structurare auch für St Nikolai, und zwar an erster Stelle achtmal hinter-
einander den Batmann Ludolf Töbing. Unter dem Druck des alsbald folgenden
Prälatenkrieges wird man die Unmöglichkeit eingesehen haben, die Kirche in der
geplanten Größe zu vollenden.
Der Bau des Turmes wurde am Veitsabend (Juni 14) 1460 begonnen,
im nächsten Jahre bis zur Höhe von 172 Fuß gebracht, um dann für mehr als
ein Jahrhundert stecken zu bleiben. Erst am 3. Oktober 1587 war der kupfer-
gedeckte „Seyertom", im neuen Stile seiner Entstehungszeit mit zwei Latemen-
geschossen, so weit vollendet, daß Knopf und Hahn aufgesetzt werden konnten.
Am Tage vorher schlug die Stundenglocke zum ersten Male. Die Baukosten
wurden von den Kirchswaren auf rund 6450 Mk. berechnet.
Am Fuße des Turmes waren 1482 zwei Kapellen erbaut, die südliche zu
Ehren der Jungfrau Maria durch den Ratmann Johann vame Lo, die nördliche
zu Ehren Aller Heiligen, durch seinen Amtsgenossen Hinrik von Erpensen. An
Kapellen werden sonst aufgeführt die Annenkapelle an der Nordseite des Chors
und die Dreifaltigkeits- oder Dasselkapelle. Schutzpatrone von Nebenaltären,
soweit sie noch nicht erwähnt sind, waren Antonius, Anna, Elisabeth, Martin,
Peter und Paul (über der Allerheiligenkapelle), endlich Jodocus, dessen Altar
auch Braueraltar hieß, weil seine Erhaltung den Älterleuten der Jostensgilde
und den Büssenschaffem der Brauer oblag. Auch die Brauerknechtegesellschaft
war der Kirche mit einer Spende für Wachslichter verpfUchtet, hatte einen freien
Kirchenstand und freie Begrabnisse. Insgesamt faßte die Kirche am Ausgange
der katholischen Zeit achtzehn Altäre mit fünfzig Vikarien oder Kommenden.
Gleichwohl hatte die Nikolai- so wenig wie die Lambertikirche damals Pfarr-
rechte, wenn sie in den Urkunden auch oftmals als ecclesia bezeichnet wird.
*) Gutachten von C. Schnaase, 1860; Hs. des Stadtarchivs.
->^ 134 8^
Am 31. Mai 1451 verpflichteten sich Abt, Prior und Konvent des Klosters
Schamebeck, eine in ihrem schon erwähnten Klosterhofe befindliche Kapelle,
die dem Nikolaikirchhofe benachbart war, zumauern zu lassen und ohne Er-
laubnis des Rates fernerhin nicht mehr zum Gottesdienste zu benutzen; hingegen
wollten sie von der Anheimgabe des Rates Gebrauch machen, aus ihrem
stadtischen Klosterwesen über der Erde einen verdeckten und verschließbaren
Gang in das obere Stockwerk der Nikolaikirche anzulegen, um dort an einem
eigenen Altar, vermutlich dem Peter- und Pauls-Altar, ihre Andachten zu ver-
richten. Der Vertrag bedeutet nach seiner ganzen Fassung ein Zugeständnis
des Klosters aji den Rat, dem daran gelegen war, die Konkurrenz der Mönchs-
kapelle zugunsten des Gottesdienstes in St. Nikolai zu unterbinden. Für die
mehrfach ausgesprochene Vermutung, daß seit dieser Zeit der Kapellenherr zum
Pfarrer geworden sei, findet sich kein Anhalt, es heißt in maßgebenden Urkunden,
z. B. in einem Notariatsinstrument des Lüneburger Propstes von 1477, nach wie
vor „capella sancü Nicolai", erst den veränderten Bedürfnissen der Reformations-
bewegung ist die Erhebung zur iPfarrkirche zuzuschreiben. „Capella maior''
heißt die Kirche (1470) nicht etwa im Gegensatze zur Nikolai- oder van der
Molen-Kapelle in St Johannis, sondern zur gleichnamigen Kapelle, die mit dem
Siechenhause zu Nikolaihof vor Bardewik verbunden war.
Von den Nikolaikirchgeschworenen erfahren wir 1434, daß sie einen
eigenen Kirchenstuhl inne hatten und daß aus diesem allwöchentlich Almosen
verteilt wurden, Almosen „de men ghifft to sunte Nikolaus binnen Luneborg
van der swomen stolinge". Die Zahl der Juraten betrug zwei, 1474 ausnahms-
weise drei, seit der Reformationszeit bis zur Einführung des Kirchenvorstandes
im Jahre 1866 vier. Über die Memorienstiftungen führten die Geschworenen ein
„bock der ewigen dechtnisse" (1474). Almosen zu Ehren der Dreifaltigkeit und
der zwölf Apostel kamen an jedem Montag und Freitag zur Verteilung; sie wurden
zuerst von einem Ratmann und einem Bürger (1475), später (1485) von zwei
Ratmannen verwaltet. Zum Almosenfonds — ob zu diesem, ob zum vorerwähnten,
oder zu den Schifferalmosen, muß dahingestellt bleiben — gehörte ein Haus an
der Ilmenau, als „domus beate virginis" bezeichnet (1462). Von älteren Ver-
mächtnissen, die an die Kirche fielen, sei erwähnt, daß einBarbier, Meister Jacob,
in seinem Testamente dem Gotteshause zum Bau tausend Steine verschrieb.
Die Nikolaikirche ist in der Reformationsgeschichte der Stadt dadurch
bekannt, daß in ihr zuerst, am Sonntage Invocavit (6. März) 1530, die Glaubens-
änderung vollzogen worden ist. Als der Rat das ungestüme Drängen der
Bürgerschaft nach Einführung der neuen Lehre nicht mehr zurückdämmen
konnte, gab er zunächst soweit nach, daß in einer IQrche, imd zwar „to sunte
Nicolause^', „evangelico more de misse geholden und gecommunicert'^ werden
durfte. Magister Friedrich Henniges, der nachherige Superintendent zu St Johannis
predigte zuerst das Evangelium und las deutsch die Messe, während die Ge-
meinde schon einige Wochen vorher deutsche Gesänge angestimmt hatte, „nun
wol uns Gott gnedich sein" und „Gott der vater wohn uns bei". Ein Jahr darauf
wurde der Mönchsgang, der die Nikolaikirche mit dem Schamebecker Hofe
verband, abgebrochen.
-^ 135 8^
So spärlich die Nachrichten über die Entetehung der Kirche fließen, so
gering ist auch die Ausbeute der Akten für ihre Baugeschichte bis weit ins
19. Jahrhundert hinein. Im September 1651 hören wir von der Bewilligung
einer Kollekte zur Reparation des Kirchturms, dessen Südwestecke mit dem
anstoßenden Gewölbe gefährdet war, aber die Klagen der Juraten über schlechte
Fundamente und das allenthalben löcherige Kirchendach hören darum nicht auf.
Durchgreifende Maßregeln wurden erst getroffen, nachdem der Rat in einer be-
weglichen Kundgebung von allen Kanzeln herab die Mildtätigkeit der Stadt-
gemeinde in Anspruch genommen hatte. Die Motive des Aufrufs sind für den
Geist jenes Geschlechtes bezeichnend; es heißt da: „gleich wie nun aus allen
geschichten erweislich, wo man die Gottesheuser nicht bawen, bessern und
erhalten wil, da machet Gott eine schwindtsucht unter den menschenkindern
und allem ihrigen, und ob sie wol viel an zeitüchen und irdischen gütern ver-
dienen, erringen, erkargen und beysammen bringen, . . . dennoch solches alles, wie
der staub in der sonnen vom starken winde zerstöret wirt, vergehen und ver-
wehet werden mus". — Wieviel bei der nachfolgenden Kollekte erübrigt wurde,
scheint nicht überliefert zu sein; aus der Ausgaberechnung von 1672 geht
hervor, daß eine ansehnliche Menge Holz zum Turmbau vom Zöllner zu Bleckede
angekauft wurde, u. a. eine Partie starke märkische Fichtenständer und 6 Eich-
bäume von 30—40 Fuß Länge, deren Anfuhr bis auf die Winterszeit verschoben
werden mußte; daß femer etwa 13000 Mauersteioe und 8000 Pfannensteine
verbraucht wurden und eine größere Summe der Kupferschmied erhielt für
Wiederherstellung des kupfernen und bleiernen Daches auf dem oberen Kirchen-
gewölbe. Aus Hamburg wurde ein Baumeister verschrieben, der mit seinem
Sohne den Turm begutachtete und außer den Reisekosten 10 Taler bekam „pro
discretione, wegen der besichtigung und seines guten rats^'. Hoch auf dem
Dach des Gewölbes wurde ein Stück Blei mit vergoldeter Jahreszahl angebracht.
Neue Klagen der Juraten über den baufälligen Zustand des Turmes und
des Kirchendaches waren schon 1680 laut geworden, fanden aber erst 1710
Berücksichtigung, als sie durch die Verordneten der vier Stände unterstützt
wurden. Große Summen sind im ganzen 18. Jahrhundert für die Erhaltung der
Kirche nicht verausgabt Der Turm und einige Pfeiler nahmen eine so be-
denkliche Neigung nach Westen, daß man im Juni 1760 das Läuten der Glocken
einstellte und zwei Jahrzehnte später den bekannten Baumeister Sonnin zu
einem Gutachten aufforderte. Sonnin sprach sich beruhigend aus. Das starke
Überhängen des Turmes lasse keine plötzliche Gefahr besorgen, denn es sei in
der Hauptsache eine an der Westseite als Stütze vorgezogene Mauer, die sich
von dem Bruchsteinmauerwerk des Turmes, das noch recht gut erhalten sei,
losgelöst habe und nun so fürchterlich in die Augen falle; notwendig sei nur
eine sorgsame Aufsicht, ob die Borsten und Risse in den Kapellen imd am
Mauerwerk sich vergrößern würden, sowie die Einsetzung neuer Fenster in
neuen Pfeilern auf gerader Brüstung, um die Krümmungen eines großen Turm-
fensters zu beseitigen.
Bemerkenswert ist es, daß die Anlage eines Blitzableiters im Juli 1775
am Widerstände der Kirchgeschworenen scheiterte. „An Orten, wo schwere
-^ 136 8^
und gefährliche Donnerwetter gespürt würden, möchte es eine sehr gemeinnützige
und notwendige Sache sein, wenn man die elektrische Materie und den Blitz
ableiten könne, aber in Lüneburg verspüre man wegen der Fläche des Bodens
umher keine starken Gewitter, man habe auch an der feuchten salpeterreichen
Luft einen natürlichen Gewitterabieiter, so daß man gegen den Schaden der
Donnerwetter ziemlich gesichert sei; auch sei ein Gewitterabieiter teuer und
dadurch gefährlich, daß bei einer kaum vermeidUchen geringsten Berührung der
Stange die elektrische Materie] herausfahre; wenn die Maschine innerhalb der
Stadt angebracht werden sollte, so würden die Eigentümer oder Bewohner der
benachbarten Häuser in großer Furcht stehen imd nicht ohne Grund wider die
Anlegung protestieren." Das Verhängnis wollte, daß ein Blitz im Jahre 1811
die Turmspitze in Brand steckte und bis in das neue Orgelwerk zerstörend
hemiederfuhr.
Über die wechselvolle Baugeschichte der Kirche im 19. Jahrhimdert sind
wir besser unterrichtet. Die vier ersten Dezennien geben kein erfreuliches Bild.
Der vom Sturm arg mitgenommene schmucke Dachreiter wurde 1801 herunter-
genommen. Im folgenden Jahre stellten die Juraten den Antrag, einen vor dem
Altare stehenden siebenarmigen Bronzeleuchter im Gewicht von 409 Pfund,
nach Volger mit der Jahreszahl 1400 und einem lateinischen Bittspruch, für
den Metallwert zu verkaufen, und da die Böterschiffer, welche drei Lichter, und
der Abts- und der Lüner Müller, die gemeinsam ein Licht auf dem Leuchter
unterhalten mußten, mit dem Verkauf einverstanden waren, fand auch der
Magistrat nichts dabei zu erinnern. Als im Jahre 1815 die Stelle eines Predigers
eingezogen wurde,*) verkaufte man, um einen Vorschuß zu decken, den einer
der Juraten geleistet hatte, die „entbehrlichen" Geräte des Kirchenschatzes,
nämlich folgende Gegenstände aus Silber: 1) einen Kelch mit der Zahl 1578,
dem Witzendorffschen Wappen und dem Namen der vier Kirchgeschworenen
Johann v. d. Heide, Daniel Otte, Hans Hoppenstedt und Gasten Wessel
2) eine große Kanne, bezeichnet 1704 mit der Inschrift „H. Hartwig d. Dassel,
H. Christian Timmermann sen., assessores, Joachim Schröder, Leonhard Warmers,
Johann Dieterich Meyer, adm. jurat. 1704"; 3) drei unbezeichnete Hostiendosen;
4) eine kleine Flasche, die von den Erben des Predigers Hieronymus Kolteman
zur Kommunion für Kranke geschenkt war; 5) eine Dose unbekannter Bestimmung.
Für die Festigung des Turmes mußte man um 1817 abermals zu einer
Sammlung seine Zuflucht nehmen, ohne daß ein dauernder Erfolg damit erzielt
wäre, und das anhaltende Trauergeläute nach dem Ableben der Königin
Charlotte (1818), König Georg ffl. (1820) und Georg IV. (1830) trug daau bei,
die Gefa.hr eines Einsturzes näher \md naher zu rücken. An große Aufwendungen
für eine gründliche Abhülfe war bei dem öffentlichen und privaten Unvermögen
nicht zu denken — so erklärt sich der Entschluß, den Turm abzubrechen. Die
Ausführung geschah ohne Verzug. Im November 1830 wurden Turmhahn und
*) Seit der Keformation hatte die Kirche drei Prediger, seit 1789 einen Hanptprediger
und einen Diakonus; die Stelle eines zweiten Geistlichen ist erst seit dem 1. April 190S
wieder besetzt.
-^ 137 8^
Kirchenvermögen das allzii knappe Bargeld bringen sollten. Nachdem die alten
kupfernen Dachplatten veräußert waren, schritt man zu einem Verkaufstermin
Knopf und die vier kleineren Glocken heruntergelassen, im Januar 1831 die
drei großen Glocken, und alsbald begannen die Versteigerungen, die dem
für die Kirchenglocken. Stadtbaumeister Spetzler hatte sich gegen den Verkauf
ausgesprochen und angeregt, faUs man denn durchaus verkaufen müsse, eine
Kommune als Käuferin zu suchen, welche die Glocken im Gebrauch behalten
werde. Vergebens. Die Sonntagsglocke von 1516, die Bet- oder Sturmglocke
von 1518, beides Meisterwerke Hinriks van Kampen, die Große Glocke, vom
Lüneburger Glockengießer Paul Voß gegossen (1634), wurden gegen ein Höchst-
gebot von 4 Ggr. und einigen Pfennigen für das Pfund Aren Jacobi aus
Hannover und dem Lüneburger Schutzjuden Simon Heinemann zugesprochen
imd in Stücke zerschlagen. Am 2. Juli 1833 folgte der Verkauf der großen
Stundenglocke aus der Kuppel des Turmes; sie war ein Werk des Holländers
Dieric Rose und trug die Inschrift: „+ ioncvrouwe • iehenne • de • cunighem +
maertin • es • minen • name • dieric • roose • maecte • mi • int • iaer • m • v^ • en • viere."
Diese Glocke wurde nicht zertrümmert, sondern nach St. Dionys im Landkreise
Lüneburg überführt Der Vernichtung preisgegeben wurde femer die sog. Neben-
oder Bimmelglocke, zwar nachdem sie gegen die Franziskusschelle aus St. Marien
eingetauscht worden war.*) Die Abräumungsarbeiten am Turme dauerten bis
in den Sommer 1832, dann wurden sie eingestellt, um dem Kirchengebäude
seine westUche Stütze nicht ganz zu entziehen, zeigte sichs doch gar bald,
daß nunmehr das hohe Mittelschiff zu wanken begann und die ganze Kirche
in ein so hoffnungsloses Stadium des Verfalls geriet, daß ihre völUge Beseitigung
unabwendbar erschien.
Kein Wunder, daß die Ratsassessoren von St. Nikolai, an der Spitze
Dr. Th. Meyer, im Frühling 1840 die „Modesucht, Antiquitäten einen besonderen
Wert beizulegen", benutzten, um das Holzschnitzwerk des alten Hochaltars zu
Gelde zu machen. Soweit die Schnitzereien nicht vom ünterküster im Laufe
der Jahre als Brennholz verwandt waren, lagen sie z. T. auf einem Boden hinter
dem Singchor, z. T. in einer kleinen Kapelle hinter dem Altare als Gerumpel
herum; von 28 geschnitzten Szenen aus dem Leben Christi waren angeblich noch
zehn, von acht Propheten noch sieben vorhanden. Als Reflektant trat ein
Antiquitätenhändler Martens aus Altena auf, der bereits „eine große Menge z. T.
wertlos scheinender Gegenstände für schweres Geld" in Lüneburg zusammen-
gekauft hatte und durch einen der Juraten auf das bezeichnete Holzwerk auf-
merksam gemacht war.**)
Die Rettung der Kirche in ihrer überUeferten Gestalt ist das Verdienst
des St Nikolaikirchenbauvereins und eins der ehrenreichsten Blätter in der Bau-
geschichte Lüneburgs. Es war im Februar und März 1843, als der Oberküster
zu St Nikolai, E. Klingemann, angeregt durch das Beispiel des Hamburger
*) Vergl. Wrede angegebenen Orts. Die „Schelle" von 1597 (ib. Nr. 19) hieß ehemals die
„Schoßglocke'', die Nikolausglocke (Nr. 22) ist mit der Sonntagsglocke identisch, die Moritz-
glocke (Nr. 23) mit der Bet- oder Sturmglocke.
*•) Vergl. jedoch unten S. 141.
18
-<-8 138 g-ä-
Schillingsvereins, mit einem begeisternden Aufruf hervortrat, in welchem er die
Bewohner Lüneburgs zur Gründung eines Vereins für die Restauration der
St Nikolaikirche und die Herstellung ihres Turmes aufforderte. Nach den bei-
gefügten Satzimgen sollten die zur Förderung und Erreichung des Zweckes not-
wendigen Mittel beigebracht werden a. durch eine Sammlung einmaliger größerer
Beiträge, b. durch eine wöchentliche Beisteuer von vier oder acht Pfennigen
für jedes VereinsmitgUed, c. durch öffentliche Bitten um milde Gaben. Gleich
in den ersten Monaten ^'traten mehr als 2000 Lüneburger dem Verein bei, der
durch einen Ausschuß, zunächst gebildet aus den Herren, welche die Original-
ausfertigung der Satzungen unterschrieben hatten, sowie durch einen aus elf
Mitgliedern zusammengesetzten Vorstand vertreten wurde. Bürgermeister und Rat
machten es sich zur Aufgabe, Bedenken zu zerstreuen, welche die Regierung dem
Wollen und Können des Vereins vorerst entgegenbrachte. „Die Erfahrung aller
Zeiten habe es gelehrt'^ so heißt es in einem Schreiben des Magistrats an die
Königliche Landdrostei vom Februar 1844, „daß wo etwas Außerordentliches
erreicht werden solle, auf eine sonst pflichtmäßige, ängstliche Sicherheit bei
Berechnung der Mittel verzichtet werden müsse, daß vielmehr ein kühnes Ver-
trauen dabei vor allem nötig sei", ein hoher Standpunkt, der zeitweise einem
gewissen Kleinmut wich, durch die zähe Ausdauer der Führer des Vereins, eines
Superintendenten Hölty, eines W. F. Volger, jedoch glänzend gerechtfertigt worden
ist. Eine große Ermutigung bedeutete es, als die zahlreichen Fürstlichkeiten,
die im Herbst 1843 zur Teilnahme an den Manövern des zehnten Bundeskorps
in Lüneburg versammelt waren, den jungen Verein durch namhafte Beiträge
unterstützten, und von Mund zu Mund ging ein Wort des kunstsinnigen Königs
von Preußen, Friedrich Wilhelm IV., der mit der größten Gabe eintrat: „Lüne-
burger, diese Kirche dürft ihr nicht sinken lassen^^ Später, als die Baukosten
drohten, die Grenzen des Leistungsmöglichen zu überschreiten, hat der König
von Hannover den Verein mit bedeutenden Zuschüssen wiederholt aus schwieriger
Lage befreit In allen Kirchen Lüneburgs fand lange Zeit hindurch am zweiten
Pfingsttage eine Beckenkollekte zum Besten der Vereinskasse statt.
Die Herstellung des Gotteshauses erfolgte nach einem gewissenhaft aus-
gearbeiteten Plane des Stadtbaumeisters Holste in einzelnen Abschnitten, je nach
den vorhandenen Mitteln. In den ersten sieben Baujahren, von 1845 — 53 (1848
wurde nicht gebaut) wurden die unteren Ringmauern, 22 äußere Strebepfeiler,
28 Fenster und vier Türen erneuert, für eine Gesamtsmnme von 12232 Th.
7 Ggr. 4^2 ^. Damit war der erste Teil des Restaurierungsplans erfüllt Nun
setzte eine kritische Periode ein. Ehe die schwierige Frage entschieden war,
wie man die Arbeiten am zweckmäßigsten fortzusetzen habe, geriet ein Teil der
hohen Mittelgewölbe in solchen Zustand, daß ihr Zusammenbruch drohte und
die Kirche im Oktober 1856 für gottesdienstliche Handlimgen geschlossen werden
mußte. Jetzt war es die Landdrostei, die den Kirchenbauverein gegen den
Magistrat in Schutz nahm, da dieser große Geneigtheit zeigte, die Herstellungs-
arbeiten ganz fallen zu lassen und lieber eine neue Kirche aufzuführen. Baurat Hase,
Bauinspektor Debo in Hannover und Stadtbaumeister Maske in Lüneburg erhielten
Auftrag, sich über das Für und Wider eingehend zu äußern. Eine soi^ältige
-^ 139 8-^
Untersuchung der Grundmauern, die bei dieser Gelegenheit vorgenommen wurde,
ergab, daß die Fundamentierung der beiden westlichen Innenpfeiler außerordentlich
mangelhaft war, beide ruhten auf Schutt und reichten nur bis auf 2' 9" unter den
Fußboden der Kirche; im Gegensatz dazu — ein interessanter Beleg für die
oben angedeutete Entstehungsgeschichte des Baues — erwiesen die Fimdamente
des ganzen östlichen Teils der Kirche eine gewissenhafte und gute Ausführung.
Infolge der Verhandlungen des Vereins mit den einzelnen Behörden und
dieser untereinander sowie der wiederholten Berufimg von Sachverstandigen
blieb die Restaurierungsfrage mehrere Jahre in der Schwebe.*) Als die Kirche am
1. Juni 1860 bis auf weiteres abermals geschlossen war, ging begreiflicherweise
auch das Interesse für den Kirchenbauverein merklich zurück, und die Samm-
lungen mußten ganz eingestellt werden. Eine neue Epoche der Tat begann erst^
als der Magistrat sich endgültig dazu entschloß, die Restaurierung der Kirche,
die von berufener Seite als das herrUchste Baudenkmal der Stadt bezeichnet
war, durchzuführen und im Herbst 1864 einen Vertrag mit Hase abschloß,
wonach diesem die Bauleitung übertragen wurde. Es war das beste Zeugnis
für die Wiedererstarkung Lüneburgs, daß die Stadtverwaltung die Deckung der
beträchtlichen Kosten zwar unter Heranziehung des Vermögens der drei Hospitäler
und der Lambertikirche, aber ohne irgend eine staatUche Unterstützung nun-
mehr selber in die Hand nahm. Und sogleich trat auch der Kirchenbauverein
mit seinen Sammlungen wieder in Aktion, brachte erhebliche Gelder für die
innere Ausschmückimg des Gotteshauses auf imd überwies seine Ersparnisse
einem Fonds für die Erbauung eines würdigen Kirchturmes.
Schon ehe nämlich die Wiederherstellung der Kirche allen Gefahren und
Hemmnissen zum Trotz glückUch vollendet war, regte sich in weiten Kreisen der
Lüneburger Einwohnerschaft der lebhafte Wunsch, statt des zunächst vor-
gesehenen schmalen Turms mit Dachreiter das Restaurierungswerk mit einem
würdigeren, den imposanten Verhältnissen des Gotteshauses entsprechenden
Kirchturm zu krönen. Ein zweites Projekt Hases, später durch den Stadt-
baumeister Kampf in seine endgültige Form gebracht, wurde zur Ausführung
angenommen, und auch dieses große Unternehmen, das einen neuen Kosten-
aufwand von annähernd 100000 Mark verursachte, ist dank der Opferfreudig-
keit und zähen Ausdauer aller BeteiUgten zum Ende geführt. Mehr als ein
Vierteljahrhundert lag freiUch zwischen der Einweihung der hergestellten Kirche,
am 1. Ostertage 1869, und dem kirchhchen Weiheakt zur Vollendung des Turmes,
am 6. Oktober 1895. Vom alten Turm konnte nur das vorzüglich ausgeführte
Fundament imd ein Wandstück an der Südseite in Höhe eines Geschosses
stehen bleiben.
In der traurigen Zeit, als St. Nikolai zur Ruine entstellt war, ist von
den Kunstaltertümem der Kirche viel zugrunde gegangen. Voran die bemalten
Fenster, deren einige, mit den Wappen der Krämer, Vollhaken, Eichenschiffer,
*) U. a. sprach sich das geistliche Ministerium der Stadt für eine Wiederherstellung
aus, das Kollegium der Bürgervorsteher nannte sie unzweckmäßig und lehnte jede Mit-
verantwortung ab.
18*
Pig. «1. Nlkolalkln:ha;6niiidTiA.
-^ 141 8^
Boterschiffer und Salztonnenböttcher, im Jahre 1782 eine Erneuerung erfahren
hatten; zwei Glasgemäl^e mit Christi Geburt und Auferstehung waren ein
Geschenk der Brauergilde von 1578, die jungen Kaufleute hatten 1580 ein von
Hans Gronouw gearbeitetes Fenster für den Chor verehrt, und aus demselben
Jahrhimdert stammte ein, Wappenfenster des Abtes Eberhard von St Michaelis.
Ein Fenster der Schiffer von 1581 ist schon im anderen Zusammenhange erwähnt.
Auch des alten Altarschreins vom Hauptaltar ist oben kurz gedacht Er bestand
nach Gebhardi, dessen Beschreibung von Mithoff zitiert wird, aus einem Mittel-
stück mit 28 geschnitzten Darstellungen aus dem Leben Jesu, die sich um ein
Kruzifix, da^s Lamm Gottes und einen segnenden Heiland gruppierten; auch die
Innenflügel enthielten holzgeschnitzte Gruppen; die Außenflügel waren in
Temperafarben kunstvoll bemalt, an der Innenseite mit je acht Bildern zum
Leben der Hl. Andreas und Laurentius, an der Außenseite mit dem Opfer
Melchisedechs und der ältesten Ansicht von Lüneburg, bzw. der Anbetung durch
die drei Könige; an der Predella sah man die Propheten angebracht, die vom
Heiland geweissagt haben. Was von dem Altarschrein erhalten ist, und das ist
mehr, als man nach jenem Beschlüsse der Ratassessoren von 1840 vermuten
sollte, befindet sich bis auf die beiden großen Temperagemälde, die in den
Besitz des Lüneburger Museums gelangt sind, zurzeit an der Außenwand der
Chorschranke. Volger weiß zu berichten, daß die goldene Bilderwelt des
Schreins den Kirchgeschworenen anstößig geworden war und deshalb hinter
einer mit zwei antiken Urnen bemalten Leinwand verschwinden mußte; als
man die Leinwand wieder entfernte, war eine Anzahl der Figuren gestohlen,
die z. Tl. wieder erneuert wurden. Die äußeren Klappen des Schreins dienten
nach derselben Quelle noch i. J. 1857, mit grauem Olfarbenanstrich versehen,
als Wandbekleidung des Chors.
Von den 18 Nebenaltären der Kirche ist keiner mehr vorhanden. Eine
i. J. 1576 für die Patrizier eingerichtete Prieche mit 18 gemalten Brüstungs-
füllungen beschreibt Mithoff, andere verlorene Kunstwerke werden von Volger,
auf den hier verwiesen sei, kurz aufgeführt.
Die älteste Kanzel der Kirche, von der wir Kunde haben, war mit den
Bildern der Reformatoren und namhafter Theologen geschmückt und entstammte
dem Jahre 1576; sie wurde 1643 erneuert. Die neue Kanzel war größtenteils
aus Lindenholz gearbeitet und durch Wurmfraß schließlich so beschädigt, daß
sie bei der Restaurierung der Kirche nicht wieder zur Verwendung gelangen
konnte; sie wanderte daher als ein Geschenk des Magistrats in das Weifen-
museum nsich Hannover.
Die Dope, ein Werk des Glockengießers Meister Ulricus aus der ersten
Hälfte des 14. Jahrhunderts*), wurde der Kirche i. J. 1656 von einem Bürger
des Namens Nicolaus Timmermann \md Frau Anna Knovels zum Geschenk
gemacht Die Wahrscheinlichkeit kommt der Gewißheit nahe, daß das Tauf-
gefäß von der Cyriakskirche erworben wurde, als diese 1639 (1651) dem Abbruch
verfiel. Der ehemalige Deckel, „ein achtseitiger durchbrochener Tempel mit
vielem Bildwerke", soll 1729 durch einen Blitz zerschmettert sein.
*) Vergl. Wrede, 1. c. S. 48.
L
-^ 142 8^
Else Visculen schenkte dem Gotteshause 1492 eine Orgel. Eine von
Andreas Smedeken gefertigte kleine Orgel stand von 1503 — 1715 im nördlichen
Seitenschiffe, neben dem Sängerchor. Eine große Orgel wurde von einem
Hamburger Meister 1594 gebaut und 1678 erneuert. In den Jahren 1783/85
wurden abermals 4450 Taler für die Beschaffung einer neuen Orgel aus-
gegeben; die Summe war zur Hälfte durch Sammlungen aufgebracht und
fiel an den Orgelbauer fleorg Stein, den Bildhauer Brillo und den Bau-
meister Sonnin.
Sehr erheblich muß auch zu St. Nikolai die Zahl alter Leichensteine
und Grabdenkmäler gewesen sein, zeigte es sich doch bei der Beseitigung der
Kirchengräber in den 60 er Jahren des vorigen Jahrhunderts, daß die Särge unter
dem Fußboden des Gotteshauses in zwei und drei Schichten übereinander standen.
Zu den entschwundenen Denkmälern gehört u. a. der Grabstein des durch seine
Geschichts- und Altertumsforschungen hochverdienten, 1746 gestorbenen Stadt-
sekretärs Johann Heinrich Büttner; seine Grabinschrift besagte, daß der
Entschlafene an Gelehrsamkeit, Forschungsdrang und lauterem Sinn einzig
gewesen sei.
Beschreibung. Die jüngste Kirche Lüneburgs zeigt eine von den beiden anderen Kirchen
ganz abweichende Form. Sie ist eine fünf schiff ige Basilika. (Fig. 41) mit im
halben Sechseck geschlossenen Chor, Chorumgang, KapeUenkranz und Krypta
unter dem Chor. Das Material ist Backstein wie bei den anderen Gotteshäusern.
Im Äußern ist die Kirche fast vollkommen neu, nur wenige alte Backstein-
flächen sind noch vorhanden, und auch im Innern sind die Pfeiler und viele
andere Teile bei der Wiederherstellung durch C. W. Hase 1864 — 1869 neu auf-
gebaut; die Mauern waren durch schlechte Fundierung ins Wanken geraten
und die alten Wände im Innern zeigen noch ihre außerordentliche Schieflage.
Durch die Freilegung der Strebebögen über dem Dach der Seitenschiffe — früher
lagen sie unkonstruktiv unter diesem Dache — wurden die Ansichten der
Kirche wesentlich verändert, und der frühere ganz schlichte Bau erhielt das
jetzige reiche Aussehen einer Kathedral-Kirche. Hinzu kommt die Neuherstellung
des Turmes, der außer den Glocken nichts Altes enthält. Eine frühere Ansicht
der Turmfront bildet Mithoff nach Gebhardi ab. Der Turm endigte damals in
einer wälschen Haube von wenig schöner Form. Eine Zeichnung der alten
Turmfront besitzt auch das Lüneburger Museum.
Chor. Der Chorbau umfaßt den eigentiichen Chor, bestehend aus einem
schmalen Gewölbejoch und dem halben Sechseckschluß, und den Umgang in
der Fortsetzung der inneren Seitenschiffe mit dem Kapellenkranz. Der Chor ist
entsprechend dem basilikalen Mittelschiff hoch herausgezogen und wird von
reich geteilten Sterngewölben überdeckt, deren Last die außen sichtbaren
Strebebögen auf die Strebepfeiler zwischen den Kapellen übertragen. Vom
Umgang wird er durch achtseitige Pfeiler getrennt, deren Flächen konkav
gebildet sind (Fig. 42), die Ecken werden durch ein dreifaches Rundstabbündel
verstärkt. Das innere Rundstabbündel ist als Gewölbedienst hochgeführt, die
übrigen endigen unter dem bandförmigen Kapitell aus Gips, auf dem die reich
->^ 143 8^
profilierten Gurtbogen aufsetzen. Über den Gurtbögen zieht sich ein Maßwerk-
fries aus Gips herum, darüber treten die Fenstermauem stark zurück und bilden
so einen Gang, den sogenannten Mönchsgang, vgl. Fig. 43 und 44. Die Pfeiler
für die Gewölbe sind in Höhe dieses Ganges durchbrochen. Die Fenster sind
spitzbogig geschlossen und haben zwei Pfosten, die ebenfalls spitzbogig
zusammengezogen sind. Die Gewölbe des Umganges sind mit denen der
/>
Flg. 42. Nikolaikirctae; Pfeilergrandrifi.
Kapellen zu Stemgewölben zusammengezogen. Die letzte Kapelle auf jeder
Seite des Chorbaues, gegen das Schiff hin, ist flacher gebildet. Hinter ihr
Hegt ein kleiner zweigeschossiger Raum, der unten als Eingang dient,
oben zu den Emporen der äußeren Seitenschiffe gezogen und mit einem
besonderen Kreuzgewölbe überdeckt ist. Gegen die flachen Kapellen
öffnen sich diese Emporen durch Spitzbögen, so den Blick auf den
Chor freilassend. In den Außenpfeilern zwischen Chorhaupt und Schiff
-t-S 144 ab-
liegt >uf jeder Seite eine Wendeltreppe, die den Zugang zu den Elmporen und
dem Dachboden bildet. Unter dem Kaffgesims der Kapellenfenster werden die
Außenwände durch eine zweite Fensterreihe mit Pfostenteilung durchbrochen,
in den übrigen Wänden liegen Nischen, zwischen diesen und dem Katfgeeims
zieht sich an allen Wänden ein neun Schichten hoher gotisch gezeichneter
Fig. 43. HikoUlklrehe; QDerBchnltt
Plattenfries aus gebranntem Ton hin. Er besteht in der Höhe aus drei Teilen,
einem schmalen oberen und unteren Fries aus sich überschlagenden Blättern,
und einem mittleren hohen Blattfries.
Der eigenüiche Chor ist um fünf Stufen über das Schiff erhöht, der
Umgang und die Kapellen liegen in Schiffhöbe. Im nördlichen Teil des Umganges
NIKOLAIKIRCHE; BLICK INS MITTELSCHIFF.
-t^ 146 ge-
führt eine Treppe von 11 Stufen durch eine Tür mit fallendem profiliertem
Sturz (Fig. 46) zu der unter dem Chor liegenden Krypta (Fig. 45). Sie ist im
Grundriß sechseckig mit drei tiefen Nischen in den westlichen drei Seiten. Ihr
Licht erhält sie dm^h drei niedrige Stichbogenfeuster vom Ghorumgang aus.
hl der Mitte steht eine runde Backsteinsäule mit Fuß und Kapitell aus Gips.
H"! I I I I M I I I i-
riK. U. HlkoUlUrehe; KrypU,
Von diesem Pfeiler gehen nach den Ecken der Krj-pta Gurtrippen, zwischen
denen dreigeteilte Kappen mit Bimstabrippen und Schlußsteinen liegen. Die
Gurtrippen werden in den Ecken von einfachen Konsolen aus Gips unterstützt.
Die Ecken der Pfeiler an Fenstern und Nischen sind mit Rundstäben eingefaßt.
In diesem Raum steht der Sai^ des Syndikus Kraut mit reichem Metall-
beschlag von 1771. Die Krypta soU mumifizierende Eigenschaften haben.
Der fünfschiffige Bau ist durch vier Gewöibejoche geteilt Das hoch- Schiff.
gezogene Mittelschiff wird durch achtseitige Pfeiler mit konkaven Flächen und
Rundfltabbüadeln auf den Ecken von den niedr^en Seitenschiffen getrennt. Die
-*-i 146 8-^
Gurtbögen über den Bandkapitellen der Pfeiler sind reich profiliert, darüber li^t
wieder der Gipsfries und dann der Möncbsgang mit zurücktreteaden Fenster-
wändea der Obermauem. Die Widerlagspfeiler der Gewölbe, mit dem hoch-
gezogenen Riindstabbündel als Dienst, sind in Höhe des Mönchsganges durch-
brochen, so daß der letztere um das ganze Mittelschiff läuft und in den Turm-
mauem verschwindet Oberdeckt wird das Mittelschiff von reichen Stersgewölben
(Pig. 44) mit Bimstabrippen. Die Fenster sind durch zwei Pfosten dreigeteilt.
fwiif I — I — I — 1— ^H — \ — \ — 1~+-
b.
h
Flg. 4S. Nlkoltlklrche; ElDgaog lur Krypta.
mit spitzbogigem Abschluß. Die Dreiteilung der Fenster geht nischenföimig bis
zum Boden des Mönchsganges herunter.
Die inneren Seitenschiffe werden von den äußeren getrennt durch recht-
eckige Pfeiler mit starken einfach profiÜerten Gurtbögen. Gegen das innere
Seitenschiff sind Gewölbedienste angeordnet, im äul^ren Seitenschiffe sind
Quergurte in der ganzen Breite der Pfeiler durchgeführt Das innere Seitenschiff
ist mit einfacheren Stemgewölben überdeckt, das äußere hat Kreuz-
gewölbe. Letzteres ist durch eine massive Empore in zwei Geschosse geteilt.
Die Emporen sind unterwölbt mit Kreuzgewölben und öffnen sieb gegen das
innere Seitenschiff mit großen profilierten Spitzbögen. Auch unter den Emporen
-^ 147 g«-
liegen die breiten Quergurte. Die Brüstung besteht aus Holz und ist neu. In
Höhe dieser Brüstung erscheint zwischen ihr und dem Qewölbediensta d&r
PlattenMes des Chores wieder. Die Fenster der Außenmauem liegen in zwei
Reihen übereinander, unter und über den Emporen, sie sind dreigeteilt und im
Spitzbogen geschlossen.
Wi I M I n I I n
Flg. 47. NlkolKlkircbe; TttrKitter.
Die vier seitlichen Eingänge an der Nord- und Südseite sind mit zwei-
flügeligen kunstvollen Gittern aus Schmiedeeisen verschlossen. (Fig. 47.) Die
Gitter stammen aus der abgebrochenen Lambertikirche und gehören dem
16. Jahrhundert an,
Die Turmwand Öffnet sich gegen das Mittelschiff in zwei großen Bögen
übereinander. Der untere wird von einem neuen hölzernen Windfang ausgefällt,
-^ 148 8^
hinter dem oberen erscheint die neue Orgel, vor ihm liegt eine neue, aus-
gekragte Orgelempore.
Turm. Der Turm ist ganz neu. Er wurde 1895 vollendet
Altar. Auf einem neuen Unterbau von Backsteinen steht der große Altar mit vier
Flügeln, er stammt aus der 1861 abgebrochenen Lambertildrche (vgl. oben S. 129).
Die Predella besteht aus Eichenholz und ist bemalt mit sechs Halbfiguren, von
Propheten, die Spruchstander tragen. Die Inschriften der Spruchbänder lauten:
Moyses: Apparuit deus in flamma ignis de medio rubi.
Isaias: Ecce virgo pariet silium et vocabitur nomen ejus.
Baruch: In terris visus est cimi hominibus conversatus est
Jeremias: Tradidit in mortem dilectam animam suam.
Osea: Post dies duos vivificabit nos.
Micheas: Ascendet iter pandens ante nos.
Die Bilder sind in Temperafarben auf Kreidegrund gemalt Darüber
erhebt sich der Altarschrein, der, wie die inneren Seiten der Flügel, ganz mit
vergoldetem imd bemaltem Schnitzwerk ausgefüllt ist In der Mitte befindet
sich eine Darstellung der ICreuzigung, die ganze Höhe einnehmend, zu beiden
Seiten derselben erscheinen im Mitt^lschrein noch je vier, in den Flügeln je
sechs Gruppen übereinander angeordnet, alle unter vergoldeten Baldachinen mit
feiner spätgotischer Schnitzerei. Die Gruppen veranschauhchen die Lebens- und
Leidensgeschichte Jesu, in der oberen Reihe die Verkündigung, Heimsuchung,
Geburt, Beschneidung, Darstellung im Tempel, Kindermord, Flucht, Gang zum
Tempel imd Jesus im Tempel. Die untere Reihe stellt dar: Gethsemane,
Gefangennahme, Verhör vor Kaiphas, Geißelung, ICreuztragung, Grablegung,
Höllenfahrt, Auferstehung, Himmelfahrt, Ausgießung des Heiligen Geistes. Die
Arbeit ist vorzüglich.
Die äußeren Seiten der inneren Flügel und die Innenseiten der äußeren
Flügel zeigen hervorragende Temperamalereien. Die Bilder links sind der Tjegende
des Judas Tadeus und Simon, die rechts der Legende des Laurentius entnommen,
alle mit Vergoldung und farbig fein abgestimmt. Links erscheint ein altes
Stadtbild von Lüneburg auf dem einen Gemälde. Die Außenseiten der äußeren
Flügel sind ebenfalls mit Temperamalerei, aber aufgefrischt, links Opferung
Isaaks, rechts eine Kreuzigung, bedeckt.
Altarreste. ^^® Reste des früheren Altars der Nikolaikirche (vgl. S. 141) sind teils im Chor-
Umgang aufgestellt, teils liegen sie auf der südlichen Empore. Sie lassen erkennen, daß
der Altar von ganz ähnlicher Arbeit gewesen sein muß wie der aus St. Lamberti,
in Einzelheiten stimmen beide Altäre völlig überein. Im nördlichen Chorumgang
stehen in der Trennwand zwischen Chor und Umgang sechs vergoldete und
bemalte Gruppen: Gefangennahme, Verhöhnung, Verhör vor Pilatus, Höllenfahrt,
Auferstehimg, Ausgießung des Heiligen Geistes. In der östlichen Außenwand
steht noch eine Gruppe: Jesus im Tempel. In der südUchen Trennwand von
Chor und Umgang stehen ebenfalls sechs Gruppen: Gang zum Tempel, Trauung
Josephs und Maria, Verkündigung, Heimsuchung, Flucht, Taufe durch Johannes, an
der östiichen Außenwand : Gethsemane. Femer befindet sich hier an der östlichen
Außenwand eine gotische Kreuzigung mit den beiden freistehenden Figuren des
-t-g 149 g-j-
Johannes und der Maria. Auf der südlichen Empore hegen zwei Reste von
aneinandergereihten Baldachinen, spätgotisch, mit vergoldeten Schnitzereien. In
der Krypta weiden noch sechs Grappen: Versuchung durch den Teufel, Kreuz-
tragung, Darstellung im Tempel, Grablegung, Ausgießung des Heihgen Geistes,
. KlkolalUrcbe-, Crtbmal dM Bclnrlcb Vlaknie.
Beschneidung, und ein gotisches Kruzifix aufbewahrt, die auch von dem alten
Altar stammen.
Im nördlichen Chorumgang sind zwei Bildwerke in die Wand eingelassen, Bildwerke,
eine anscheinend aus Gips beigestellte Pieta, von einfacher großer Auffassung
unter einem spätgotiscben Baldachin, alles farbig bemalt, und ein MarmorreUef,
Christus am Olberg, anscheinend aus dem IS. Jahrhundert
-^ 150 8^
Auf der nördlichen Empore liegen vier Marmorfiguren, wahrscheinlich
von einem Epitaph aus der Barockzeit und ein hölzerner Wappenschild mit dem
Stadtwappen.
An der Westseite des südlichen inneren Seitenschiffes ist ein Bildwerk
aus Kalkstein in die Wand eingelassen, das früher im Freien stand und für
den in der Ursulanacht 1371 gefallenen Bürgermeister Viskule errichtet worden
war. (Fig. 48.) In einer rundbogig überdeckten Nische erscheint eine kniende
Rittergestalt mit betend aufgehobenen Händen. Vor ihr steht der Schild mit
dem Wappen der Viskule imd dem Helm darüber, oben ein Spruchband mit
dem Ausruf: „0 fili dei miserere mei". Nach Aufzeichnung bei Gebhardi lautet
die Inschrift am schrägen Rande des sehr zerstörten Steines : „Anno dei millesimo
trecentesimo septuagesimo primo in nocte vndecim mylium virginü hinricus
viscule hie ab hostibus est interfectus." Der Abschlußbogen ist baldachinartig
mit Kreuzblume imd Krabben geschmückt, die Zwickel bis zum geraden Abschluß
des Steines sind giit Maßwerk ausgefüllt.
Chorgestühl. In den vier Chorseiten neben dem Altar stehen zwischen den Pfeilern
Teile des alten Chorgestühls. Je vier Sitze von gotischer Form, aber un-
bedeutender späterer Arbeit, haben auf beiden Seiten Wangen, von denen drei
gotisch sind. An der nördlichen und südUchen Seite stehen zwei hohe Wangen
mit oberem Kielbogenabschluß und je zwei Krabben. Unter den Bögen
Nischen mit geknickten Säulchen als Einfassung. In der Nische der nördlichen
Wange Maria mit dem Kinde, über den Köpfen ein Wappenschild mit einem
Buchstaben, anscheinend A, darüber der Bogen ausgefüllt mit Maßwerk, südlich
steht in der Nische eine Bischofsfigur ohne Sinnbild. Hier sind Maßwerk und
Schild abgebrochen. Die dritte niedrigere Wange hat einen runden Kopf mit
vier Knollen und geradem Unterteil. Im Kopf ist ein Affe mit Spiegel dargestellt,
danmter eine Bischofsgestalt.
Kruzifixe. Außer den zum alten Altar gehörigen Kruzifixen hängt noch ein solches
über dem Viskulengrabstein. Die Formen sind schlecht
Auf der Mensa des Altars steht ein kleines, aber gutes gotisches
Kruzifix aus Holz.
Gemälde. Hinter dem Altar hängt zwischen den Pfeilern ein großes Ölbild auf
Leinwand, Christus und die Kinder darstellend und 1608 gestiftet von Hans Bocks
Testamentarien, Ludolf Weidemann, Markus Martens, Joachim Schröder und
Albert Rodeck. Die Wappen der Stifter sind auf dem Bilde angebracht
Ferner sind im Chorumgang noch zwischen den westUchen Pfeilern je
vier Bilder auf jeder Seite angebracht. (Fig. 49 und 50.) Die Bilder stammen von
dem alten Altarwerk; sie sind ganz hervorragende gotische Malereien (vgl S. 141).
Die Farben sind fein abgestinunt, der Hintergrund meist landschaftiich, die Liift
gold. Sie stellen Begebenheiten aus dem Leben der Heiligen Laurentius und
Andreas dar. Die Bilder sind 0,75 m breit und 1,05 m hoch und auf Holz-
platten mit Temperafarben gemalt.
Im südlichen Teile des Chorumganges hängt eine große Kreuzabnahme
mit den Frauen, eine gute Arbeit, die anscheinend dem 16. Jahrhimdert angehört,
femer zwischen zwei Pfeilern unter den Altarresten ein 1878 erneuertes Abend-
-^ 153 8^
mahL Im nördlichen Chorumgang ist an derselben Stelle ein sohmales langes
Ölbild auf Holz von 1577, die Sakramente in Sinnbildern darstellend, angebracht,
das links oben die Wappen der Witzendorf und Garlop, [rechts oben die der
Töbing und Elver, links unten das Wappen der Witzendorf, rechts unten das
der Töbing zeigt. Es ist ebenfalls 1878 erneuert und soll, nach Mithoff, einst
als Schutzwand der Altarpredella gedient haben. Femer hängt im südhchen
Chorumgang ein großes Gemälde, Christus auf der Weltkugel, eine gute Arbeit,
und im mittleren Teile hinter dem Altar eine unbedeutende Kopie nach
Rembrands Kreuzabnahme. An der Nordempore sind drei kleine Ölbilder
angebracht, an der Südempore deren vier, bibUsche Szenen des alten und
neuen Testaments darstellend und dem Anfang des 17. Jahrhunderts
entstanmiend.
An. der Nordempore ist ein großes^ Bild aufgehängt, die Gesetzgebung
am Sinai darstellend; 1649 von den Schiffern gestiftet. Das Bild ist lt. In-
schriften 1784 und 1816 renoviert.
Vier ölbüder in ovalem geschnitztem Rahmen, Pastoren der Kirche
darstellend, sind unter den Emporen angebracht. Zwei davon sind bezeichnet,
unter der Nordempore: Hieronimus Koltemann, geboren 1620, gestorben 1689,
unter der Südempore: Henricus Brasch, 1697 gestorben.
An der Südempore hängt ein großes Ölbild, Christus am Kreuz, am
Kreuzfuße zwei Männer, die sich die Hände reichen, gestiftet 1765 von der „Treuen
Brüderschaft", einer Totenkasse; femer eine Kreuzigung, am Fuße des Kreuzes
die knienden Stifter, darunter drei Wappen, von denen das mittlere das der
Famihe Timmermann ist.
Das Gestühl ist neu, nur im nördlichen Seitenschiff sind noch Gestühl,
fünf alte Bankwangen erhalten. Die mittleren drei haben runde Köpfe
mit vier Knollen und geradem Unterteil. In den mnden Köpfen erscheint
je ein Wappenschild mit Anker bzw. Ruderhaken. Die beiden äußeren
Wangen haben als oberen Abschluß eine langgezogene ionische Kapitell-
schnecke, darunter flache Schnitzerei, mit Anker und . Ruderhaken. Auf der
Wange links: RENOVATVM, rechts: 1783. Je zwei der Wangen nach
Westen sind mit zwei eisernen Bügeln, als Durchgang, überspannt. Die
höchsten Punkte der Bügel werden durch eine geschmiedete Blume und ein
Schiff aus Eisenblech betont.
Die Nikolaikirche besitzt noch zwei Glocken des alten Turmes, eine Glocken.
Glocke aus der Marienkirche, eine kleine aus dem Heiligengeistturm und sechs
Glocken aus der 1861 abgebrochenen Lambertikirche. Vier Glocken des alten
Turmes sind 1832 verkauft und zerschlagen worden.
Die sechs Glocken aus der Lambertikirche sind:
1. Die Marienglocke von 1491, mit oberer von Friesen eingefaßter Um-
schrift und einem Relief auf jeder Seite des Mantels: Maria mit dem Kinde
im Flammenkranze, auf einem Halbmonde stehend. Die Glocke hat 1,90 m
Durchmesser und ist von Gerhard von Wou aus Kampen in Holland gegossen.
2. Die große Vossische Glocke von 1723 mit 1,713 m Durchmesser, vom
Lüneburger Glockengießer Paul Voß, mit oberer Inschrift und zwei kleinen
20
-^ 154 8^
Reliefs: Christus am Kreuz und die Schlange am Kreuz. Das Glocken-
material entstammt einer früheren 1650 umgegossenen Glocke.
3. Die kleine Vossische Glocke, von demselben Gießer, 1650, mit 1,524 m
Durchmesser, mit oberer Umschrift und den beiden Reliefs: Christus am
Kreuz mit Maria und Johannes, gegenüber die Schlange am Kreuz.
4. Die Sonntagsglocke, mit 1,491 m Durchmesser, von Meister Johann Christian
Ziegner 1712 gegossen.
5. Die Katharinenschelle mit 0,83 m Durchmesser und oberer Umschrift, von
Gert Klinge 1445 gegossen.
6. Die Vossische Schelle mit 0,754 m Durchmesser, 1619 von Paul Voß gegossen.
Die Franziskusschelle stammt aus der Marienkirche. Sie hat 0,73 m
Durchmesser und ist 1516 wahrscheinlich von Heinrich von Kampen gegossen.
Sie zeigt zwei Reüefs, auf der einen Seite das Brustbild der Maria mit dem
Kinde, im Flammenkranze und von einem Kreise von Rosen umgeben, auf der
anderen Seite Franz von Assisi zwischen Katharina und Johannes dem Täufer,
zu des letzteren Füßen das Wappen der Familie Döring.
Die Viertelglocke des alten Turmes ist 1587 von Hans Meyer gegossen
und hat 0,56 m Durchmesser.
Eine Schelle des alten Turmes ist 1597 von Andreas Heineke gegossen
und hat 0,803 m Durchmesser.
Die Barchmannsche Schelle aus dem HeiUgengeistturme von 1560 hat
0,545 m Durchmesser und ist von Valentin Barchmann gegossen.
Inschriften und Abbildungen in den Lüneburger Museumsblättem, Heft 1.
Gotteskasten. An der Westwand steht ein Gotteskasten, dessen Fuß mit einer stehenden
farbigen Bischofsfigur bemalt ist (St. Nikolaus?). Der Kasten ist mit schweren einfachen
Beschlägen versehen und stammt anscheinend aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts.
Grabdenkmäler. An der Westwand hängt ein Grabmal des Handelsmanns Jürgen Martens,
1736 von dem Bildhauer M. Brullo ausgeführt Die schwarze Schrifttafel wird
eingefaßt von einem Sandsteinrahmen und begleitet von ornamentierten Pilastem.
Über dem Gesims hängt vor einem steinernen Aufbau das Bildnis Martens. Der
untere Abschluß wird gebildet durch krause Wolken, die von einer weiblichen
Figur und Putten belebt werden. Neben und unter dem Epitaph hängen drei
große Messingleuchter, mit Löwenköpfen als Wandbefestigung.
Im äußeren Snördlichen Seitenschiff hängt auf der Empore an der Ostwand
ein großes Bild des Archidiakons Brand Ludolf Raphel, geboren 1710, gestorben
1753, darunter eine Schriftplatte aus Holz, umgeben von Putten. Ein ebensolches
Epitaph des Georg Nikolaus Eggers, 1688 geboren, 1751 gestorben, befindet sich
an derselben Stelle auf der Südempore.
Im inneren südüchen Seitenschiff ist eine Gedächtnistafel für sieben
Kinder des Pastors Sigismund Scher von St. Lamberti angebracht; er verlor
diese Kinder im Jahre 1626 infolge der Pest Das mittlere Ölgemälde zeigt den
Stifter mit seinen Kindern. Es wird eingefaßt durch zwei korinthische
Säulen mit Schnörkelanläufem und bekrönt von einem Frontgiebel mit
Engel. Das Ganze ist einfach farbig behandelt. Pastor Scher starb 1639, wie
die Tafel angibt.
J
-^ 155 8^
An der nördlichen Empore befindet sich ein hölzernes Grabmal des Johann
Harms, geboren 1665, gestorben 1703, mit einem ölbilde: Christus predigt
vom Schiff aus; darunter hängt ein dreiarmiger Messingleuchter von guter Form.
Einige einfache Grabplatten liegen an den Eingängen der Kirche und Grabplatten,
im nördlichen Seitenschiffe, und zwar in letzterem die des Senators und Camera-
rius Martin Leonhard Warmers, geboren 1703, gestorben 1788, und seiner Frau
Rachel Dorothea, geborenen Horsten, 1,49 m breit, 2,12 m lang aus Sandstein.
Der in der Mitte angebrachte Wappenschild ist geteilt und enthält beide Wappen-
bilder. In den vier Ecken Ovale mit Sinnbildern, daneben vier eiserne Ringe.
Die Platte im nordwestUchen Eingang ist dem Gedächtnis des Syndikus Bernhard
Maneke, geboren 1678, gestorben 1747, und seiner Frau Anna Christiana,
geborenen Langens, gewidmet In der Mitte die beiden Wappen. Im südwestlichen
Eingang hegt eine Platte, gestiftet dem Geistüchen Georg Heinrich Oldekop, ge-
boren 1704, gestorben 1742, seiner Frau Sophie Friederike, geborenen Schultz, und
deren zweitem Mann, dem Syndikus Johann Paul Kraut, geboren 19. April 1709,
gestorben 1. Dezember 1771, von ihren Söhnen Christian Friedrich Oldekop und
Otto Friedrich Kraut.
Die Kirche besitzt vier Kelche, von denen zwei der Mitte des 16. Jahr- Kelche,
hunderts entstammen. Einer derselben, 20,6 cm hoch, ist aus dem Fünfeck
entwickelt mit fünfseitigem Fuß, dem ein Kruzifix, mit Maria imd Johannes zu
beiden Seiten, aufgeheftet ist. Darunter ein Wappenschild mit dem Wappen der
Hoyken tmd dem Buchstaben g auf jeder Seite des Schildes. Das Ornament des
Fujßes und der Handhabe ist flach eingeritzt und hat Renaissance-Charakter
Der Knauf ist rund und mit fünf Nägeln besetzt, deren Köpfe kleine farbige
Rosen in blauem Email tragen. Zwischen den Nägeln in blauem Email die
Inschrift: „gloriam da deo" mit gotischen Minuskeln. Am Hals unter der
Kuppa IHESVS und CRISTVS. Auf der Innenseite des Fußes ist eingeritzt:
hoeke(?), eine Marke fehlt. Der andere 16,6 cm hohe Kelch ist sechsseitig, mit
demselben Ornament wie der vorige. Dem Fuß ist ein silberner Christuskörper
aufgeheftet. Der runde Knauf hat vier Nägel mit Rosetten. Zwischen ihnen die
Inschrift: „ihsus cristus filius vginis". Am Hals über und unter
dem Knauf: „ihesus cristu s." Auf dem Fuß ist die Inschrift eingeschnitten :
„lambert bordenowe unde grete sin husvrowe", an der Unterseite des Fußes: „de
dervt me nicolao".
Die beiden anderen Kelche gehören der Spätrenaissance an, sind 27 und
25,5 cm hoch und haben gebuckelte runde Füße und eben solchen Knauf. Am
Hals des größeren Kelches sind aus Silber gegossene Männerköpfe angebracht,
an der Fußunterseite des kleineren Kelches die Zahl LVin.
In der Kirche werden folgende Paramente aufbewahrt: Paramente.
1. Eine kleine gotische Tasche aus blauem Samt, der übersät ist mit kleinen
Metallblättchen. Darauf stark erhabene Goldstickerei: Christus, dem Thomas
seine Wunden zeigend; über der Gruppe das Wappen der Garlop, ein
anderes Wappen ist verloren gegangen.
2. Zwei Unterlagen für Kelche, deren eine, 16,5X18 cm groß, in der Mitte
Christus am Kreuz, daneben Maria und Johannes in flacher Goldstickerei
20*
-*^ 156 ge-
zeigt In der Ecke Ornamente, zwischen ihnen die Inschrift: GRVWELMANS -
Wir ■ CATRINA HELMHOLTS. Auf der Rückseite steht die Jahieezahl 1643.
Die zweit« Unterlage hat auf Leisengrund grüne und goldene Stickerei und
die Umschrift: „W. ILSE TOBINGES • S. H. LEONHART • TOBING.
ANNO 1634".
3. Zwei quadratische Leinentücher, von denen dae eine farhige Stickerei aus
dem 18. Jahrhundert zeigt, das andere mit Blumen in roter Seide bestickt
ist In der Mitte des letzteren das Lamm, darunter die Buchstaben:
M. L. W. FGS. 1761.
4, Zwei große Kommuniontücher von hervorragender Arbeit; das eine ist
6,82 m lang, 0,52 m breit (Fig. 51). Auf der grauen Leinenunterlage sind
mit farbiger Seide in Kettenstich 10 Darstellungen in kranzfönniger Ein-
rahmung gestickt. Die einzelnen Bilder sind umgeben von verschieden
gezeichnetem Ornament mit Blättern, Blumen und Früchten und stellen in
der Mitte Gott Vater mit erhobener Hand dar, links fünf kluge, rechts fünf
Fig. fil. NlkoUlUrcbe; KominDiiioDtncb.
törichte Jungfrauen. Um jede Figur schlingen sich Spruchbänder, die bei
den klugen Jungfrauen lauten : „ mora - sponsi • dilatio ■ novissimi ■ est ■ diei ■ |
Iter ■ ad ■ sposvm - est ■ trasitus ■ ad ■ iudiciv • | nos ■ qvinqve • sapientes • electos
e — vs • I Nos ■ de;ce ■ virgines ■ svmvs ■ höies • in ■ ecclia • | Regnv ■ celorvm ■ Christiana
est • ecclesia." | bei den törichten Jungfrauen:. ,nos • qvinqve ■ fatvae - dam/natos • (e)
sig'nificamvs • | Clamor ■ est - tvba - angeh an/te ■ aduetv • xpi • [ media ■ n/ox ■
tempvs • ad: uent\'s • xpi ■ | petimvs ■ olevm - id ■ est - fidem - et ■ bona ■ spera ■ |Vox
xpi - nescio - vos - reprohorvm ■ codenatio ■ est ■ " Zur rechten Hand des thronenden
Christus steht: „Venite ■ benedicti ■ in -regnv pti-s-mei • q ■ paiatv ■ est ■ vobi • ab
initio ■ mondi ■ Matthei • 25 ■ " Zur linken Hand : „ Discedite - a ■ me ■ maledicti • in
ignem - aetemvm • qvi • paratos • es • diabolo ■ cvm ■ agelia -svis ■ "
Die Figuren und die Ornamente sind nur in den Umrissen gestickt,
die Minuskehl der Schrift rot, die Umrisae der Bänder sind schwarz vor-
gezeichnet, aber nicht ausgestickt. In den Ecken sind leere Wappenschilder
angebracht.
Das andere Kommuniontuch ist 6,85 m lang und 0,87 m breit Es
ist in dei-selben Art gestickt, hat auf den Seiten eine einrahmende farbig
gestickte Kante von stihsiertem Renaissanceomament und als mittlere
Darstellungen Bilder in 12 Kreisen, von denen je zwei verschlungen sind.
— S 157 8--
(Fig. 52.) Die KreispiiaFe sind von naturalistisdiem, fein gezeichnetem
Ornament mit Blätteni, Bltmien, Früchten und Tieren umgeben. In jedem
Bilde befindet sich ein Sprachband, das aber nur aufgezeichnet, nicht aus-
gestickt ist und die Erklärung zu dem betreffenden Bilde liefert:
„ Alse de dre Engel tho abraha kamen. Gene. XVIII. | Wo Abraham vnd
Sara schlachten dat kalb. | Hir eten de dre menner vnder dem bom. | Hir geit
abraham mit de dre mener vordw^s. | Hir steit abraha vn süt de beiden stede
an. I Hir redet de konnig abimelech mit abraham. | Sara telde abraham einen
son genoraet Isaac. | Hir maket abraham einen grote collacie. | Hir bewiset abra-
ham dat he goth fruchtete. | Hir gift Rebecca abrahams knecht to driuke. | Hir
bringet de knecht rebecca mit to hus. | Hir nimpt Isaac rebecca to ener frouweu,
gene. XXH."
Flg. Sl KikoUilkiToha; KommnnJDDtach.
Unter den DarstelluDgeu sind Tiere angebracht. Einige Figuren
sind nicht ausgesticki In den Ecken erscheinen die Wappen Joh. v. Töbing
und seiner Frau Gesche Schomacker, au der rechten schmalen Seite ist die
Jahreszahl MDXLII nicht ausgestickt.
5) Gotisches Antependium, 2,80 m lat^, 1,15 m breit, (Fig. 53.) (Mithoff
nennt dies Stück Fußteppich.) Farbige Aufnäharbeit mit Stickereien, auf
schwarzem Leinen (?). Der Grund ist durch rote Streifen in zehn Felder
geteilt In der Mitte jedes Feldes befindet sich ein Bild in kranzförmiger
EÜiu^mung, umgeben von naturalistischem Ornament. Die Bilder stellen
dar: das Lamm, Erschaffung des Menschen, Adam und Eva, Vertreibung aus
dem Paradiese und wieder das Lamm; in der unteren R«ihe: Maria mit dem
Einhorn im Schöße, Verkündigung, Heimsuchung, Geburt, Christus. Die
aufgenähten Teile bestehen aus Leder und Seide und sind teilweise
überstickt.
6) Ein Schultervelum aus schwerem, mit Goldfäden durchzogenem Seidendamast,
auf den ein Längsstreifen oben und drei herabhängende Querstreifen mit
guten mittelalterlichen Stickereien aufgenäht sind. Auf den Streifen
Gestalten in architektonischer Einrahmung, aufgenäht und dann
-<^ 1B8 8-«-
farbig überstickt. Auf dem mittleren Streifen ein Wappen (ein zweites
ist verloren gegangen), im Schild drei Granatäpfel, angeblich Familie
Upleger. Auf den äußeren Streifen am unteren Ende zwei Evangelisten-
symbole.
7) Ein Tauftuch, weiße Stickerei auf grauem Leinen, in lier Mitte das Lamm.
8) Eine farbige Stickerei, in der Mitte Christus am Kreuz. Tauftuch.
Im südlichen Ghorumgang befindet sich der bronzene gotische Taufkessel
von einfacher Form, auf vier Brouzefiguren stehend. Um den oberen Rand zieht
sich ein Linienornament, Weintaub mit Traube; am unteren Rande sind kleine
Reliefs, abwechselnd mit gotischen Lilien und Münzbildem angebracht Der
Flg. SS. NtkoUlklrchej Autep«Ddlnm.
Taufkessel soll von Meister Ulricus, einem Lüneburger Glockengießer aus dem
ersten Viertel des 15. Jahrhunderts, stammen (Lünebuiger Museumsblätter»
Heft 1, wo auch das obere Ornament abgebildet ist. Vgl. vom S. 61 u. 141.1
Yerschiedenea. Im Alüirschrein werden zwei farbige kleine Holzschilder des Weber-
amtes von 1701 aufbewahrt, ferner ein Messingschild des Braueramtes und
zwei kleine Messingschilder unbekannten Ursprungs.
Die Kirche besitzt mehrere große Stemsche Bibeln.
GegensUnde im Im Lüneburger Museum werden zwei Sehutzflügel des früheren Altais
LUnebarger aufbewahrt Das eine gut erhaltene, 1,4;^ m breite, 2 m hohe Temperabild
Mneenn. ^eigt die Begegnung Abrahams und Melchisedeks. Im Vordergrunde steht links
Melchisedek und rechts Abraham, beide mit ihrem Gefolge. Über einen zwischen
ihnen befindhchen Tisch mit vergoldeter Vorderwand reicht Melchisedek dem
Abraham Brot und Wein. Weit im Hintergrunde, fast am oberen Rande des
Bildes, ist eine Ansicht von Lüneburg mit allen Kirchen imd der Burg auf dem
Kalkberge dargestellt Wiesengründe mit allerlei Figuren trennen die Stadt-
ansicht von der Begegnungsgruppe. Das Bild soll um 1450 entstanden sein und
ist gut erhalten, anscheinend auch restauriert.
->^ 159 8^
Die zweite Tafel, 1,20 m breit 2 m hoch, ist unvollständig und schlecht
erhalten. Dargestellt ist das Abendmahl in einem geschlossenen Räume mit
drei Fenstern.
Die Marienkipche und das Barfüsserkloster.
Quellen: Unedierte Urkunden, Akten und Pläne des Stadtarchivs-, hand-
schriftliche Chroniken des Stadtarchivs und Museums; Schomakers .Chroüik; Volgers
Urkundenbuch der Stadt Lüneburg; Gebhardi, Collectanea Bd. IX.
Literatur: Bertram, das Evangelische Lüneburg S. 32 ff.; Gebhardi, von dem
Barfüßer St Marienkloster zu Lüneburg (Hist. geneal. Abhandlungen, 1767, IV. 173 ff.);
Manecke, Top.-hist. Beschreibungen I. 17 f.; Volger, Lüneburger Neujahrsblatt und Pfingst-
blatt 1858 (Lüneburger Blätter 127 bzw. 135) ; Wrede, die Einführung der Reformation im
LUneburgischen (1887) S. 110 ff. ; Banasch, die Niederlassungen der Minoriten zwischen Weser
und Elbe im 13. Jahrhundert (1891); Lemmens, Niedersächsische Franziskanerklöster im
Mittelalter (1896); Wrede, die Glocken der Stadt Lüneburg (Lüneburger Museums-
blHtter I, 34 ff.).
Die Marienkirche („ecclesia fratrum minorum beate Marie virginis'',
„domus beate Marie virginis fratrum minorum ordinis sancti Francisci", „Unser
leven frouwen kerke", „kerke to den mynren broderen", auch schlechthin „to
den bruderen", „kercke dive virginis") hängt in ihrer Geschichte mit der Ordens-
niederlassung der „minderen Brüder" — Barfüßer vom Franziskanerorden —
aufs engste zusammen. Deren planmäßige Propaganda, die schon in den letzten
Lebensjahren des Ordensstifters Franz von Assisi und alsbald nach seinem Tode
(1226) das nördliche Deutschland in ihren Bereich zog, führte wie in Hildesheim,
Braunschweig, Goslar, Stade, Hamburg, so auch in Lüneburg zur Gründung eines
Klosters, und zwar unter der Gönnerschaft Otto des Kindes. Der Klostergründung
soll die Erbauung einer Kapelle zu Ehren der Jungfrau Maria um sechs Jahre vor-
aufgegangen und dieses Kirchlein mit dem daran anstoßenden Gelände den am
1. September 1235 in Lüneburg einziehenden Mönchen abgetreten worden sein.
Die Lage des Gebäudes wird als recht unwirtlich geschildert: „auf dem Göse-
brink, einer rings von schlammigen Wassern umgebenen, schutzlosen Anhöhe
außerhalb der alten Stadtmauern". Für die Zeit der Klostergründung kann
diese sagenhafte Beschreibung kaum noch zutreffen, war doch die Stätte,
welche die Bettelmönche für ihre Niederlassung erhielten, vielmehr der aus-
gezeichnetste Bauplatz, den es in der Stadt geben konnte, ein großes Grund-
stück in unmittelbarer Nähe des neuen Marktes und Rathauses.
Das Lüneburger Marienkloster gehörte zur sächsischen Ordensprovinz,
zur Kustodie Bremen. Vorsteher war der Gardian, neben ihm treten der
Geschichte.
-^ 160 8^
„Vacante", der Vizegardian, der oberste Lesemeister und ein Gegenlesemeister
hervor. Eine Zweigniederlassung des Klosters erfolgte unter Vermittlung
der Herzöge Otto imd Wilhelm in Winsen an der Luhe, anscheinend im
Jahre 1348.
Die Franziskaner scheinen sich bis zur Reformationszeit einer großen
Beliebtheit erfreut zu haben. In zahlreichen Memorienstiftungen von Bürgern
und Bürgerinnen wird ihrer mit mehr oder minder reichen Gaben gedacht, ein
Begräbnis im Bereich ihres E3osters wurde vielfach bevorzugt — noch von dem
letzten katholischen Propst von St. Johannis (f 1536) — manche Bürger kauften
sich in der Mönchskirche einen erblichen Kirchenstuhl, die Fischer sowie die zur
Katharinenbrüderschaft vereinigten Steinschneider und Zimmerleute ließen zu
St. Marien allwöchentlich eine Seelenmesse für ihre verstorbenen Mitglieder
lesen. Das Einkommen der Brüder, die nach der Ordensregel kein Privateigentum
besitzen durften, wurde von einem Batmanne als Prokurator verwaltet
(Nikolaus van der Molen 1301), und die nahe Beziehung des Klosters zur
Stadtobrigkeit kommt im letzten Viertel des 13. Jahrhs. auch darin zum Ausdruck,
daß der Gardian mit seinem Konvent dem Hamburger Rate aus einem der
Lüneburger Stadtbücher einen wörtiichen Auszug wichtiger Zollbestimmungen
mitzuteilen in der Lage ist Im April 1462 nahmen Bürgermeister und Rat das
Kloster in ihren besondern Schutz imd versprachen, mit den Sülzprälaten keinen
Frieden zu schheßen, ohne den Konvent mit hineinziehen und ihn schadlos zu
halten. Der Ratmann Johannes Schele legte im Jahre 1478 sein Amt nieder,
entledigte sich all seiner Güter und begnügte sich mit einer Prabende bei
den Barfüßern.
Die günstige Lage des Klosters in der Mitte zwischen dem Rathaus-
komplex, dem Herzogsschlosse (nach 1371) und dem Verdener Bischofshofe war
wohl der Hauptgrund, weshalb seine großen Räumlichkeiten, zumal das
Refektorium, gern zu Versammlungen benutzt wurden, die für die ganze Stadt
oder weitere kirchliche Kreise von Bedeutung waren. Im Jahre 1282 finden wir
die Herzöge Otto und Heinrich mit großem Gefolge bei den Franziskanem,
1333 hielt Bischof Johann von Verden im Kloster eine allgemeine Synode ab,
Bischof Heinrich I. versammelte dort das Domkapitel von Bardewik (1376),
Johann III. brachte „in refectorio fratrum minorum" unter feierlichem Geprange
die wichtige Sülzkonkordie vom 1. August 1457 zustande. Verhandlungen der
Sülzprälaten mit dem 60er Ausschuß der Bürgerschaft fanden ebenfalls im
Reventer des Liebfrauenklosters statt — und noch aus der Reformationszeit
heißt es „die Bürger hielten diese Tage ihren Rat in Unser lieben Frauen Kloster,
das sie sich öffnen Ueßen, und da versammleten sie sich, wann sie vom Rat
was fodem wollten". „In ambitu fratrum minorum" sind zahlreiche, vorzugs-
weise vom Archidiakon von Modestorpe ausgestellte Urkunden entstanden
der Kreuzgang war also eine beliebte Statte für die Ausübung geistlicher
Gerichtsbarkeit.
Klerikale Eifersucht führte zu mancherlei Reibungen zwischen den
Mönchen und den städtischen Pfarrern. Am 1. Dezember 1296 brachte der
Bischof von Verden eine Versöhnung der Parteien dadurch zustande, daß er
i
1
-^ 161 IK-
die kirchlichen Befugnisse der Ordensbrüder beschrankte. Sie sollten auch
fernerhin Beichte hören, predigen und auf ihrem eigenen Kirchhofe bestatten
dürfen, an den Festtagen jedoch sollte ihre Predigt nicht vor dem Hochamte
der Pfarrkirchen stattfinden, ausgenommen an den Festtagen der Hl. Franziskus,
Clara, Antonius und der Kirch weihe; die letzte Ölung und die Spende des
Abendmahls sollte ihnen nur zustehen bei ihren ständigen Dienern und Dienerinnen,
ihrem Prokurator imd der Prokuratrix; übrigens sollten Pfarrer und Mönche sich
gegenseitig nach Möghchkeit förderlich sein. Berufungs- und Vergleichs-
urkimden aus dem 14. und 15. Jahrhundert beweisen, daß diese Mahnung nicht
sonderlich beherzigt wurde; nach einem Abkommen, das im Jahre 13S6 auf
Veranlassung des Rates durch den Lüner Propst und den Lüneburger Proto-
notar vermittelt wurde, mußten sich die Franziskaner, gehorsam einer Bulle
Bonifaz VIII., verpflichten, V4 der ihnen dargebrachten Oblationes an den Pfarrer
von St Johannis abzuführen.
Das Klosterleben hatte sich von der Befolgung der strengen Ordensregel
nach und nach weit entfernt Ein Schreiben des sachsischen Provinzials
Eberhard Hyllemann vom 2. Mai 1481, das sich im Lüneburger Stadtarchiv
findet und auf eine Beschw^erde des Rates beim päpstlichen Stuhle zurückzuführen
ist, suchte durch vier Artikel die Zucht der Ordensbrüder wiederherzustellen:
durch das Verbot, Geld anzimehmen, die Klausurtür offen zu halten, das Kloster
zu verlassen und gesonderte Mahlzeiten zu halten. Eine reformierende Wirkung
jedoch übte der Erlaß nicht aus, das zeigte sich acht Jahre später, als Bischof
Bartold von Hildesheim, Administrator von Verden, auf Geheiß des Papstes
eine Visitation des Klosters vornahm. Da ist vom Bruch der Klausur, von
Trinkgelagen innerhalb und außerhalb des Klosters, von Enichtxmg einer
Klosterschenke, von sonntäglichen Geldverteilungen, von privatem Hausgerät,
goldenen und silbernen Kleinodien der einzelnen Klosterinsassen, von Vergehen
gegen die Sittlichkeit die Rede. Und nun wurde kin^er Prozeß gemacht Die
„gaudenten" Mönche mußten die Schlüssel zur Kirche, zum Kloster und zu den
Kleinodien herausgegeben imd erhielten Befehl, ihren Sitz zu räumen. An ihre
Stelle traten sog. Observanten, Anhänger einer Reformrichtung, die von Mittel-
italien ausgehend in zahlreichen anderen norddeutschen Klöstern des Franzis-
kanerordens bereits Eingang gefunden hatte. Fortan ließ die Führung der
Mönche nichts zu wünschen, noch im Jahre 1512 stellte der Rat ihnen das
Zeugnis aus, es seien „lauter Leute, die durch gut Exempel, Leben, Gottesdienst
und Ftegiment" sich hervortäten.
In den Reformationstagen erlebte die Klosterkirche stürmische Auftritte.
Eine Predigt des Gardians im Frühling 1530 wurde von der aufgeregten Gemeinde
durch unmutigen Zuruf und Lärmen unterbrochen, ein andermal kam es gar zu
einer Schlägerei, bei welcher die Kirchenstühle zerbrochen und als Waffen
benutzt wurden. Der Rat schützte die Mönche, die sich durch den Zuzug ihrer
flüchtigen Ordensbrüder aus Winsen (Juli 1528), Celle (August desselben Jahres),
Bremen, Lübeck, Hamburg verstärkt hatten, solange es ihm möglich war, aber
ihre Weigerung, das reine EvangeUum zu predigen, erbitterte das Volk so, daß
mit der Zerstörung des Klosters gedroht wurde. Da blieb der weltlichen Obrigkeit
21
-^ 162 8^
nichts übrig, als die Barfüßer aus Lüneburg auszuweisen. Am 25. August 1530
verließ der Konvent die . Stadt; nur die Kranken und Bürgerkinder, etwa
zwölf an der Zahl, blieben zurück und wurden hinfort vom Rate unterhalten.
Im Herbst 1554 waren noch drei „bekleidete Personen" übrig, darunter ein
Astronom, der sich auch mit Schwarzseherkimst befaßte; auch sie räumten im
genannten Jahre das Feld und begaben sich nach Halberstadt.
Die Klostergüter und Kleinodien waren rechtzeitig inventarisiert und
fielen an den Rat Das Wertvollste war offenbar der klösterliche Grundbesitz
mit seinen Baulichkeiten in nächster Nachbarschaft des Rathauses, femer eine
vortreffliche Klosterbibliothek, die vereint mit der Bücherei des Rates den
Grundstock der jetzigen Stadtbibhothek bildet. Auswärtige Besitzungen scheint
das Kloster nicht mehr besessen zu haben. Von einem Landgut in Dierks-
hausen, das der Graf von Wölpe der neu gegründeten Marienkirche schenkte
(„ad lumen et ad fenestras reparandas"), hören wir nichts weiter, als daß sein
Sohn, Graf Burchard von Wölpe, i. J. 1288 die Schenkung bestätigte. Ein Hof
in Haverbeck, dessen Einkünfte zur Unterhaltung der ewigen Lampe von
St. Marien diente, war schon im Jahre 1301 gegen eine Honigrente aus
dem Salinsod umgetauscht, ein Garten vor dem Lünertore i. J. 1481
für 15 Mark veräußert. Nach Einführung der Observanz scheinen auch
die Rentenzahlungen aufgehört zu haben, wird doch Ostern 1492 eine
Kirchenrente von 8 Schillingen in eine Kapitalzahlung von 10 Mark
zugunsten des Klosterbaufonds umgewandelt, unter der Begründung „nadem
de brodere ok neyne renthe unde eghendom myt alle hebben moten edder
schollen".
Das spitzovale Siegel des Klosters stellt die Verkündigung Maria dar,
darunter betet in kniender Stellung ein Ordensbruder. Die Umschrift lautet:
„S. fratrvm minorvm in Lvneborch".
Ein Versuch, das Kloster für den Orden zurückzugewinnen, wurde
während des 30jährigen Krieges gemacht. Im Mai 1631 nämlich erschien ein
Franziskanerpater mit zwei Begleitern beim worthaltenden Bürgermeister von
Lüneburg, xun auf Grund des Restitutionsediktes die Rückgabe des Klosters zu
fordern, da dasselbe erst nach dem Passauer Vertrage säkularisiert worden sei.
Einen Erfolg hatte die Vorstellung nicht
Wir wenden uns zur Baugeschichte des Klosters, insbesondere der
Klosterkirche. Wie schon mitgeteilt, errichtete Otto das Kind auf dem Gösebrink
zunächst eine Kapelle. Er soll durch eine Trarmierscheinimg dazu veranlaßt
sein und um nur schnell zum Ziele zu kommen, einen just fertig gewordenen
Kornspeicher, den er in Kirchgellersen bemerkte, von dort nach Lüneburg über-
führt imd für den Gottesdienst eingerichtet haben. Später ersetzte der Herzog
die Kapelle durch eine ansehnliche Kirche in Form eines Kreuzes, und am Tage
der Weihe soll seine Gemahlin Mechtild persönlich ein kostbares Marienbild
Zinn Schmuck des Altars herbeigetragen haben. Die Elinweihung wird dem
Verdener Bischof Gerhard zugeschrieben; ist diese Angabe richtig, so hat der
Akt nicht schon am Einzugstage der Mönche, am 1. September 1235, oder gar
noch früher stattgefunden, sondern, wie das wahrscheinUcher ist, in der Zeit
j
-^ 163 8^
von 1251—68; eine ältere Weihe galt wohl dem Erstlingsbau, der Kapelle.
Besondere Gunst genossen die Barfüßer bei Otto dem Strengen, der das Kloster,
insbesondere den Reventer, ausbaute. Rat und Bürgerschaft stifteten den
Observanten ein neues Bücherhaus. Die Kirche soll bis zur Reformation nur
einen einzigen Zugang, vom Kloster aus, gehabt haben, der im Jahre 1544
vermauert imd durch einen anderen ersetzt wurde. Es gab neben dem Haupt-
altar zu Ehren der Maria mindestens vier andere Altäre, einen Marienaltar am
Eingange, einen Franziskusaltar, einen Katharinenaltar und einen Michaelisaltar
(„in nova capella", 1400).
Als der Rat das Kloster übernahm, wurde die Klosterkirche die Nach-
folgerin der Ratskapelle zum Hl. Geist, aber sie war sehr baufäUig. Ein
Dezembersturm warf im Jahre 1539 den Turm durch das Gewölbe in die Kirche
hinab, imd fortan war des Restaurierens kein Ende. Uhr und Orgel wurden in
den 60er Jahren hergestellt, die letztere vom Snitker Gerd Suttmeier, und der
Maler Cort Jagouw übernahm die Aufbesserung eines Gemäldes, das vom Regen
verdorben war. Die Predigt, die außer am Sonntagmittag an jedem Dienstag
und Donnerstag, morgens vor den Ratssitzungen, stattfand, mußte 1569 eingestellt
werden, und tiefe Grabungen zur Untersuchung der Fundamente führten zu dem
Entschluß, die großenteils bereits eingefallene Kirche bis auf den Chor vollends
niederzubrechen \md von Grund aus neu aufzubauen. Am 1. November 1574
ward der Anfang damit gemacht. Das Blei und Kupfer wurde vom Turme
heruntergenommen, die Orgel durch den Orgelmacher DirickHoiers aus Hamburg
zerlegt und in Obhut gebracht, das Mauerwerk mit Hülfe alter Schiffsmaste
„umgeschroben^' und in. Stücke zerschlagen. Dabei zeigte sich's^ daß alles mit
„gaetekalck" gemauert war, so daß über 16000 Karren Grus weggefahren
werden mußten. Am 4. April 1576 wurde der Grundstein zum Neubau gelegt,
um den sich nach einer von Bertram überheferten Inschrift der Kämmerer
Georg Töbing besonders verdient machte; Juraten werden nicht erwähnt. Statt
der Kreuzesform erhielt die Kirche, wohl einer der ersten protestantischen Neu-
bauten in ganz Deutschland, die Gestalt einer Lyra oder Laute, worin nach
der Erklärung Bertrams der Chor den Hals, die eigentliche Kirche den Bauch
bildete. Vielleicht hatte man diese Form gewählt, weil vor dem Hochaltare
i. J. 1571 ein weitberühmter Lautenspieler Namens Georg Stehn seine letzte
Ruhestatt gefunden hatte. Seine (lateinische) Grabschrift, vermutlich von
Lucas Lossius verfaßt, zeugte von einer ungemein freien kirchlichen Auffassung
der damaligen Zeit:
„Stehn, er ruhet nun hier. Die Laute spielt' er so trefflich,
Daß seinesgleichen man fand nirgend im Deutschen Land.
Als er entschhef, riefen wehe die Musen, die Grazien erbebten,
Traurig, die Leier verbannt, weinte Apollo ihm nach.
Aber die Götter sie lächeln, denn er, der die Menschen ergötzte.
Singt nun sein liebUches Lied ihm dem erhabensten Gott."
Im ganzen war die neue Marienkirche kleiner als die ehemalige
Pranziskanerkirche. Die Baurechnung ist sorgfältig geführt und wohl erhalten.
In ortsüblicher Weise wurde das Fundament aus Feldsteinen zusammengefügt,
21*
-^ 164 8^
das Mauerwerk aus roten Ziegelsteinen, die zu vier Fünfteln (ca. 200000 Stück)
aus der Ratsziegelei, zu etwa einem Fünftel aus Harburg beschafft wurden.
Die „zarten" Steine, d. h. die Formsteine im Gegensatz zu den unprofilierten
Mauersteinen, lieferte samtlich der Ratsziegelhof. Die Rechnung unterscheidet
„camperstein, scaerpstein, holen und (wunden) halven maen, gliep, flackegge,
caepstein, finsteipoest (duppelde finsteipoest, wangenpost), hantgrep, wiendel
und spiellenstein." Zu den Ziegelsteinen kamen die Hausteine für die sechs
Pfeiler der Kirche („nedden imd baven'*) und für die Bekrönung der Kirchhofs-
mauer, 108 Fuder „Bueckenberger" Stein (aus Bremen) für die ornamentalen
Teile, endlich 18 100 „astroeck", Estrichplatten für den Fußboden, aus dem
Abtsziegelhof. Das Balkenwerk imd sonstige Bauholz, bis auf zehn große Eich-
bäume, die der Bischof Eberhard von Lübeck und Verden als Abt von
St. Michaelis schenkte, wurde größtenteils aus Havelberg bzw. aus Siebeneichen
im Lande Sachsen bezogen, die Kupferplatten von Paul Hoier aus Erfurt Als
Mauermann wird Mester Hinrich von Paries (Hinrich Paris) genannt, vielleicht
ein Emigrant, der mit seinen Knechten für rund 4500 Mark das ganze Mauer-
werk aufführte, einschHeßUch der Kirchhofsmauer, soweit dieselbe erneuert
werden mußte. Die Steinhauerarbeiten hatte Johan van Bentem in Auftrag,
der sein Bestes anscheinend an den Türumrahmungen, zumal am südhchen
Hauptportale, leistete. Eine in Stein gehauene Darstellung des jüngsten Gerichts
freiUch, die gerade an diesem Portal angebracht wiurde, hatte der Rat am
Kran „wegnehmen^^ lassen; sie wurde Hinrich Scoeuweshuesen aus Bremen
mit 18 Mark vergütet und hatte eigentlich als Grabstein dienen soUen. Außer dem
Südportal hatte die Kirche einen Eingang im Westen und gegenüber dem
Kammereigebäude eine östliche Tür „so up den windelstein geit". Zimmermann
war Mester Märten Roesze. Er errichtete den Dachstuhl für Kirche und Turm,
den Lektor und das Holzwerk für ein Beigenhaus hinter der Kirche; im Jahre
1580 wurde er abgelöst durch Lutke Reese, der das Chorgewölbe einschalte und
das Chorgestühl, doch wohl eine Empore, beschaffte. Die Bedachung des
Gotteshauses wurde an einen auswärtigen „kopperdecker", Tonnies genannt,
aus Husum im Lande Holstein, verdungen. Der Glasewerker Bartelt Hoen
üeferte eine „lucht" mit einem Marienbilde und eine zweite mit dem Ratswappen
für den Chor, femer 29 neue Fenster in die Sakristei, 32, davon die Hälfte mit
Wappen, in die beiden Vorkapellen, 15 für die drei Wendeltreppen. Von den
Innenarbeiten interessieren hier vornehmlich die der Snitker und Maler. Die
Snitker Hans Elers und Jochim Ellenbarch verfertigten die Frauen- imd Männer-
stühle für Kirche, Lektor und Orgel, femer die Täfelung des Chors mit dem
zugehörigen Gestühl; der Predigtstuhl imd der Bürgermeisterstuhl, sowie das
Hauptgesims der Altartafel wurde von Augustin, einem Gesellen der Witwe des
Snitkers Evert Lange, hergestellt; der Snitker Wamecke Buermester, schon
genannt als Meister des Chorgestühls von St. Johannis, Ueferte unter das
Kirchengewölbe sechs Scheiben „van wagenscotte, van seinem eigen holte to
makende". Auch Albert von Soest sehen wir beteiUgt. Er allein wird Buden-
snider genannt und ist im Jahre 1579 tätig, indem er ein großes vor dem Chore
hängendes Kmzifix samt den Nebenfiguren des Johannes und der Maria „an
-^ 165 8^
Händen und Füßen und wo die sonst gebrechlich" ausbessert; das Material zur
Vergoldung der Gruppe wurde aus Magdeburg beschafft. An Malern werden
zwei genannt. Jochim Jagouw wurde schon erwähnt. Er vergoldete die
Wetterfahne nebst einer Krone, sowie alle großen und kleinen Turmknöpfe,
schmückte vier Kupferplatten vor den vier Dachfenstern mit Bildern und strich
zuletzt den Turm an, malte auch „etliche angesichte und fantasie" darauf.
Der zweite Maler, Gert Hane, betätigte sich noch vielseitiger. Er tränkte die
(Tritt) Steine der drei Portale mit öl, die behauenen Steine mit Bleiweiß und
etwas Farbe und strich die Mauersteine braunrot, die eigentlichen Türen grün
an; eine Historie über der Westtür hob er durch Gold und Farben, ebenso die
kleinen „Flüger" obenauf, reiche Vergoldung erhielt auch das Hauptportal.
Predigtstuhl und Orgel vergoldete Gert auf blauem Grunde, eine Uhrscheibe
im Innern der Kirche versah er mit den Ziffern und firnißte einen darüber
befindlichen gedrehten Glockenturm. Auf vier der von Buermester gelieferten
Scheiben malte er in öl je einen Evangelisten, auf die fünfte den Salvator, auf
die sechste die Dreifaltigkeit. Die große Altartafel reinigte er, besserte sie aus,
bemalte die Flügel außen grau in grau mit Historien und zierte sowohl den Aufsatz
des Snitkers Augustin wie das große von Albert von Soest restaurierte Kruzifix
mit dem Johannes, der Maria .,und den twien poesten", durch Farbe und Gold. Den
Fuß der Altartafel, „da etwa in olden tiden dat sacramentshueselin gestanden",
ersetzte er durch ein Brett, auf welchem dreierlei Historien aus der Bibel, ins-
besondere die Taufe Christi, dargestellt waren. Das Haupthonorar, 250 Mark, bezog
er für die Bemalung des ganzen KirchengewSlbes einschließlich des Chores. Dirick
Hoiers, der im Hause des Organisten von St. Johannis mit fünf Knechten
ebensoviele Wochen beköstigt wurde, stellte die alte Orgel wieder auf und
verbesserte sie durch ein neues Positiv. Die Beleuchtung der Kirche wurde vor-
bereitet durch Anbringen von zehn schwarzen eisernen Platten mit Pipen für
die Kerzen, während der Chor von den sog. Stallbrüdem eine Messingkrone zum
Geschenk erhielt. Für den Predigtstuhl lieferte der Hannekenmaker einen
besonderen Leuchter mit zwei Pipen; ein Stundenglas von vier Gläsern
mit Eierschellen, „im geliken up den prediegstoU gekamen", war in Lübeck
bestellt
Als die Kirche vollendet war, wurden rings um die Mauern, auch im
Kreuzgangshofe, unter den Tropfenfall Knutten mit „plueslem" vermischt an
das Fundament geschüttet und festgerammt, um ein besseres Abziehen des
Wassers herbeizuführen und so die Grundmauern zu schützen.
Die Gesamtkosten des Baues, einschließlich der für 70 Mk. an einen
Steinbrügger aus Hamburg verdungenen Neupflasterung des Kirchhofs und eines
Teils der im Westen anliegenden Straße betrugen 39 461 Mk., die kaum zu
einem Zehntel aus den Mitteln des ehemaligen Klosterkonvents, zu ungefähr
einem Fünftel durch freiwillige Gaben zusammengebracht wurden; mit der
Hauptsumme mußte die Bürgermeisterkasse eintreten. Ein Beweis edlen Ge-
meinsinns ist aus den Jahren 1584 und 1585 überliefert, indem jeder vornehme
Bürger damals 3'/2 Taler beisteuerte, damit sämtliche Füllbretter des Lektors
bemalt werden konnten.
-^ 166 8^
Am 3. Januar 1581 wurde in der neuen Marienkirche unter großen
musikalischen Veranstaltungen der erste Gottesdienst abgehalten. ^ Die letzte
Predigt fand statt am 26. Juni 1803. Die Greschichte der Zwischenzeit ist mit
wenigen Worten gegeben. Der Bau des Pariser Meisters bewährte sich nicht,
sei es, daß unsolide gebaut war, sei es, daß der als „nicht köstUch" geschilderte
Grund und Boden die Mitschuld trug. Schon 1590 mußten die Fundamente
verstärkt, das Mauerwerk verankert werden, imd kostspielige Reparaturen und
ELmeuerungen wiederholten sich im zweiten, sechsten imd letzten Dezennium
des 17. sowie nach der Mitte des 18. Jahrhunderts. Lange Perioden hindurch
war die Kirche geschlossen. Da kam die französische Okkupation, und
St Marien, gerade damals baulich gut imstande, wiu*de in eine Kaserne,
später in ein Kriegsmagazin verwandelt. In diesem Stadium ging die
Innenausstattimg zugrunde, nur die Messingkrone des Chors wurde auf
das Rathaus gerettet Nach dem Abmarsch der Franzosen fehlten die
Mittel, die ausgeplünderte, sogar ihrer Fenster beraubte Kirche auch
nur provisorisch wieder herzurichten; zuletzt exerzierten darin die Musizi des
Land Wehrbataillons. Im Frühling 1818 schritt man zum Abbruch des Gottes-
hauses.
Die Gestalt der Kirche nach all' den Restaurierungen, von denen die um
1700 eine verkleinerte Erneuerung von Grund aus genannt wird, ist von Mithoff
in einer Skizze nach Gebhardi wiedergegeben. Ein im Archiv verwahrter
„Grundriß von den gesambden Stühlen und Klappen der Marienkirche" zeigt
einen rechteckigen Mittelbau mit dem polygonal geschlossenen Chor im Osten
und ein fünfseitig geschlossenes Orgelhaus im Westen. Über dem Südportal
scheint bei Gebhardi-Mithoff ein Treppenhaus (Windelstein) zu liegen, das mit
einem glockenförmigen Dach geschlossen ist; auf dem Hauptdache erhebt sich
in der Linie eben dieses Portals ein latemenförmiger Dachreiter mit Glocke und
Wetterfahne.
Die im Jahre 1516 gegossene schöne Franziskusschelle Hinriks van Kampen
ist nach dem Abbruch des Gotteshauses nach St. Nikolai überführt und dient
dort seit 1895 der neuen Turmuhr als Viertelglocke.
Von den Baulichkeiten des alten Franziskanerklosters wurde das der
Kirche am nächsten stehende Haus (Fig. 54) in seinem Hauptgeschosse zur
Ratsliberie, für welche im Jahre 1586 größere Aufwendungen gemacht wurden.
Der Remter imd die kleineren Häuser im Klosterhofe wurden als Witwen-
wohnungen benutzt. Das Hauptgebäude ist i. J. 1675/76 in ein Armenhaus um-
gewandelt, dieses in ein Zucht- und Waisenhaus (Neubau 1699—1701), und
dieses wiederum, bald nach 1850, in ein Werk- und Armenhaus. Im Jahre 1757
wurde auch in den Häuseni des Klosterhofes ein französisches Hospital eirichtet,
von 1811 — 13 war die Anstalt ein Korrektionshaus für das Departement der
Eibmündung.
Beschreibung. ^^^ ^^^ Klostergebäuden ist ein kleiner Teil in den Räumen der jetzigen
Stadtbibliothek erhalten. (Fig. 55.) Der Nordflügel des als Armenhaus benutzten
Gebäudes zeigt noch Reste von gotischem Mauerwerk.
-«S 167 g-*-
Im Erdgeschoß der StadtbibKothek befindet sich ein mit Kreuzgewölben
überdeckter zweischiffiger Saal — vielleicht das Refektorium der Mönche — der
westlich an den Rest des auch mit Kreuzgewölben überdeckten Kreuzganges
FiK- H. Gtebsl dar Btadtbibllotbek (ehemallgea FumiskaDcrklogter).
anschließt (Fig. 55.) Die Gewölbe des Saales werden durch eine mittlere Reihe
gemauerter Pfeiler unterstützt Von diesen Pfeilern bildet einer im Grundriß
einen Kreis, die anderen sind aus vier Halbkreisen zusammengesetzt Die
groben Formen der Sockel und Kapitelle bestehen aus Gipsmörtel, Die Gewölbe-
Jnjjfvslsffinp.
Flf. U. EhimallKu Fraiiil»kanerkIo«tar. GrondrU, Bcbnltt« u
gurte sind, soweit sichtbar, aus Tausteuien gemauert An den Aul^nwäDden
stehen Gurte und Rippen atil Konsolen aus Gipsmörtel. Die wechselnden
JJJJJJJJJJJJJJJJJjJjJJJJJJJJkjJJJJJJJJ
Flg. K. Arebltcktnr im
illgen FranzlBkaDcrklaBtars.
Formen der Schlußsteine sind reizvoll ausgebildet (Fig. 55). In den Fensteröffnun-
gen des Kreuzgaoges ist noch die Dreiteilung durch Pfosten und der Fensterfalz
-^ 170 8^
erkennbar. Über dem Saal, der jetzt durch Quer- und Längswände verbaut ist,
liegt das schmucklose Magazin der Stadtbibliothek.
Die Sudseite des Gebäudes zeigt vorgelegte dreiseitige Pfeiler, die unter
dem Dach endigen. Die Schildbögen der Kreuzgewölbe sind zwischen diesen
Pfeilern sichtbar. Die Fenster sind später verändert An derselben Außenseite
hegt ein kleiner Vorbau mit ebenfalls dreiseitigen Pfeilern. Er birgt im Innern
ein malerisches Treppenhaus aus dem 18. Jahrhundert, jetzt der Aufgang zur
Stadtbibliothek. Der Giebel am Ochsenmarkt (Fig. 54) Jiat schlanke Umrißlinien
in Form von langgezogenen Schnecken und eine kleine Bekrönung mit
Anläufem. In einer Nische im oberen Teü des Giebels steht eine Figur. An
der Giebelfläche sind noch Reste von spätgotischen Architekturteilen erkennbar.
Der nach Norden sich anschließende Flügel des Armenhauses ist an seiner
Ostseite durch schlanke Backsteinpilaster mit korinthischen Kapitellen aus Gips-
mörtel geteilt (Fig. 56). Das Kapitell über dem Korbbogen der Durchfahrt zeigt
als Mitte das Stadtwappen. In der Leibung des Bogens befindet sich ein
Mauerstein mit der eingekratzten Inschrift: RENOV. 1776. Eine an der sonst
schmucklosen Hofseite dieses Flügels angebrachte Steinplatte trägt neben den
Wappen der Arndt und Stöterogge die Inschrift:
HVC CIVIS QVICVNQVE SIS AVT HOSPES OGV/LOS ET ANIMVM
ADVERTE/HOC ERGASTVLVM/SVOS QVOS HABET ERGASTVLARIOS NON
IN SER/VILEM CONDITIONEM SED IN MELIOREM SPEM/PIETATIS ET BONAE
FRVGIS VLTRONEOS VEL INVl/TOS INVITAT INDVCIT TV NE INSTITVTVM
GARPAS CAVE.
PROVISORES . Aä 1675.
Neben den Wappen steht: H • ARND • ARNDS ADMINIST •
H . BRAND LVDOLF STOTEROG •
darunter ist eine zweite Platte eingelassen mit RENOV • 1848.
An einem zum Armenhause gehörigen Fachwerkflügel befinden sich
zwei Türen mit ausgeschnittenen Holmen, eine dritte Tür besitzt als oberen
Abschluß einen profilierten und mit Perlstäben besetzten Kielbogen. Der Schmuck
des Bogens setzt sich an den seitlichen Ständern fort. Die Verzierungsweise
erinnert an die der Tür hinter der Bardowickermauer Nr. 7. (Vergl. Fig. 165.)
Das Kloster Heiligental.
Quellen: Otto KUltzing, narratio de fundatione et translatione monasterii sui in
Luneborch (Leibniz, SS. Bransv. ill. U. 888 ff.); Urkunden des Klosters im Stadtarchiv; Güter-
verzeichnis des Klosters von 1456 mit Nachträgen, ebenda; JoL Buschius, de reformatione
monasteriorum per Saxoniam (Leibniz, 1. c. 837); Gebhardi, CoUectanea U; Sudendorfs
Urkundenbuch; Volgers Urkundenbuch n und in.
Literatur: Schlöpken, Chronicon der Stadt Bardewick 519 ff. ; Bertram, evangelisches
Lüneburg S. 8 ff. ; Manecke, Top.-hist. Beschreibungen S. 19 ; Volger, LUnebui^er Pfingstblatt 1858
(Lüneburger Blätter 136 ff.); Mithoff, Kunstdenkmale 170 ff.; Reinecke, Entstehung des
Johanneums (Ltineburger Museumsblätter, Heft 2).
--8 171 S^
Zum Michaelis- und Marienkloster gesellte sich als dritte und jüngste Geschichte.
Ordensniederlassung Lüneburgs das Prämonstratenserkloster Heiligental. Es war
auf Betreiben eines Ordensbruders Namens Eberhard durch Ritter Lippold von
Doren und dessen Gemahlin Irmgard im Jahre 1314 gegründet, und zwar in
KirchgeUersen im Landkreise Lüneburg, war aber bald darauf nach dem be-
nachbarten Orte Siebelingsborstel verlegt, das fortan Heiligental genannt wurde.
Auch dort fand das Kloster keine bleibende Statte. Es mangelte an Quellwasser,
der sumpfige Boden machte die Luft ungesund, und Kröten und allerhand
Ungeziefer nahmen überhand. In den schlimmen Jahren des Lüneburger Erb-
folgekrieges wurde das Bedürfnis nach einem geeigneteren Wohnorte erst recht
fühlbar, und so kam es zur Übersiedelung des Klosters nach Lüneburg. Der
damalige Propst, Otto Kültzing aus Uelzen, hat die mühseligen Verhandlungen,
die diesem Ereignisse voraufgingen, aufs anschaulichste geschildert Es galt,
die Herzöge, den Bischof von Verden, das Verdener Domkapitel, den Archidiakon
von Modestorf, den Pfarrer von St. Johannis und vor allem das Lüneburger
Ratskollegium zu gewinnen. Gerade bei dem letzteren fand der Propst bereit-
wiUiges Entgegenkommen. Kültzing selbst nennt zwei Lüneburger Bürgermeister
neben dem Propst von Lüne die eigentlichen Vorkämpfer seiner Sache, und es
ist sehr wahrscheinlich, daß der Lüneburger Rat das Prämonstratenserkloster
dazu ausersehen hatte, die Absicht einer Schulgründung zu verwirklichen. Die
anderen vorgenannten Machthaber wurden durch Geldleistungen zugänglich
gemacht, Herzog Albrecht erhielt 400 Mk., die der Rat vorschoß, der Bischof
100 Mk., sein Kapitel 91, der Archidiakon und der Pleban je 80 Mk., und was
an Nebenausgaben hinzukam. Am schwierigsten zeigte sich der Pfarrer von
St. Johannis. Der Propst mußte ihm die Ablieferung sämtlicher Oblationen,
% der Legate und die Hälfte von gelobten Geldern zugestehen; kein weltliches
Lehen sollte im Kloster errichtet werden, Beichte und Erteüung anderer
Sakramente von selten der Konventualen nur an Angehörige des Klosters
erfolgen, Gemeindemitgliedern von St. Johannis sollte in Heiligental kein Be-
gräbnis gewährt werden. Andere Vorschriften galten dem öffnen der Kloster-
pforten am Morgen, ihrem Verschluß am Abend, der Stimde der Predigt, endlich
sollten die Klostergebäude nur bis zu einer vereinbarten Grenze an die Johannis-
kirche heranrücken.
Am 26. August 1382 ging der feierliche Einzug der Prämonstratenser
vor sich. Herzog Albrecht ließ es sich nicht nehmen, die Einführung selber zu
vollziehen. Er kam mit seinem Gefolge vom Schloß zu Winsen nach Lüneburg
geritten, obgleich hier die Pest wütete und täglich 50 Einwohner dahinraffte. Am
Zeltberge wurde der Fürst vom Michaelisabte, dem Lüner Propste und dem Rats-
kollegium, an die 60 Pferde stark, empfangen, indes Propst Otto mit seinem
Prior und 16 Konventualen unter dem Barde wikertore desHerzogs harrte. Der f estUche
Zug ging durch die Bardewikerstraße, über -den Markt, durch die Bäckerstraße
und die später sogenannte Glockenstraße dem Heiligentaler Hofe zu, der unter
Gesang und Ansprache seiner neuen Bestimmung endgültig überwiesen wurde.
Das Besitztum des Klosters umfaßte einen großen Komplex zwischen
den Straßen Am Berge, Wandfärber- und Konventstraße. Es war begründet
22»
-^ 172 8^
durch die Schenkung eines früheren Propstes, Hinrick von Bücken, der im
Jahre 1338 ein vom Kloster Lüne erworbenes Wohnwesen, östlich vom Medinger
Klosterhofe, seinen Ordensbrüdern vermacht hatte. Dieses Grundstück wurde
im Jahre 1373 durch den Ankauf einer Kurie der Ratsfamihe van der Suiten
für den Kaufpreis von 600 Mk. Lün. Pf. sehr vergrößert, und zwei Jahre darauf
fand daselbst unter Verleihung eines Ablasses die Einweihung einer Kapelle
statt zu Ehren der Hl. Dreifaltigkeit, der Jungfrau Maria und der Hl. Andreas,
Laurentius und Augustinus. Es scheint, daß diese Gebäude, als die Pramon-
stratenser in Lüneburg ihren festen Wohnsitz nahmen, niedergelegt wnrden,
denn es wird berichtet, daß der Propst an jenem Einführungstage zunächst seine
Kaminata als Kapelle eingerichtet habe, und daß die Glocken einstweilen „in
lobio caminatae" auf einem freien Ausbau vor jenem Gemache aufgehängt
wurden. Zur selben Zeit nun, als im westlichen Teile der Stadt die Michaelis-
kirche neu erstand, vollzog sich in der Nähe der Ilmenau die Erbauung des
Klosters Heiligental. Die Urkunde des Rates, welche die förmliche Erlaubnis
zum Bau erteilte und den Klosterbesitz gegen einmalige Zahlung von 2000 Mk.
auf ewige Zeiten von aller Stadt- und Bürgerpflicht freisprach, ist wohl nach-
träglich, nämlich erst am 7. Dezember 1384, ausgestellt.
Über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klo.sters sind wir gut unter-
richtet. Im Jahre 1374 berechneten Bischof und Domkapitel zu Verden den von
den Heiligentalem zu erhebenden Zehnten auf 12 Talente Lün. Den. Die Cber-
siedelung nach Lünebiirg verursachte, wie wir gesehen haben, große Kosten,
und erhebliche Opfer an Geld und Gut waren in den nächsten Jahren zu bringen,
als die Eröffnung der schon erwähnten Schule zu einem Konflikt mit dem
Michaeliskloster und den Herzögen führte und Heiligental nach einem langwierigen
Prozeß vom päpstUchen Stuhle in den Bann gesteckt wurde. Es hieß, daß das
Kloster durch diese Heimsuchung völlig verarmt sei, offenbar eine starke Über-
treibung. Zum mindesten hatte sich das klösterliche Vermögen um die Mitte
des 16. Jahrhunderts wieder sehr gehoben. Das zeigt uns ein bisher unbekanntes,
im Stadtarchiv aufgefundenes Güterverzeichnis des Klosters aus dem Jahre 1456,
auf welches näher einzugehen hier nicht der Ort ist. Der wertvollste Besitz
lag auf der Lünebiirger Sülze und wird im Register mit Fug vorangestellt; es
folgen die Einnahmen aus Grundzinsen, großen und kleinen Zehnten, Roggen-
und Hühnerzinsen, Nutzungen aus Mühlen, Wiesen und Hofdienst, und es ist
bemerkenswert, wie weit die Besitzungen und Berechtigungen des Klosters
zerstreut lagen; an dritter Stelle sind die Garten-, Haus- und sonstigen Renten
aus dem städtischen Umkreise zusammengestellt; sie rührten zumeist aus
Memorienstiftungen her, und ihre große Menge beweist, daß das Kloster sich
bei Rat und Bürgerschaft großer Gunst erfreute.
Auch hören wir aus der kurzen Geschichte des Klosters nichts von einem
Zerwürfnisse der Ordensbrüder mit der Stadtobrigkeit, vielmehr gingen Rat und
Kloster seit den Tagen des großen Schulstreites vielfach Hand in Hand, zumal
im Prälatenkriege stand Heiligental auf der Seite des alten Rates. Das gute
Verhältnis hielt bis zur Auflösung des Klosters an. Während die Franziskaner
den Reformationsbestrebimgen schroffen Widerstand entgegensetzten, berichtet
-^ 173 8^-
Schomakers Chronik von den Prämonstratensennönchen: „de nemen körten rat
und vorleten alle ehre guder, suitegut, holtüxge, meyer, dem erbaren rade ganz
und gar up; den dar weren vele schulde inne; und leten sick mit lylrenten
afdrepen; denn einem idem worden voftich mark assignert und frye waninge
syn levedage; de dar wolde, mochte im kloster blyven, averst da blef na
körten dagen nemant/'
Es war im Jahre 1530, als diese Verhandlungen ziun Abschluß kamen,
und das Kloster, dessen Insassen schon vorher sehr zusammengeschmolzen waren,
hatte damit aufgehört zu existieren. Freilich ein ganz so leichtes Spiel, wie es
nach Schomaker scheinen könnte, hatte der Rat doch nicht Herzog Ernst erhob
gegen die Vereinbarung Einspruch, forderte das gesamte Klostergut für sich
selber und belegte den Besitz außerhalb der Stadt mit Beschlag. Erst im großen
Rezeß von 1562 einigte man sich dahin, „das der radt sol die guter binnen der
Stadt" — es waren vorzugsweise die Baulichkeiten des Klosters und das Sülz-
gut — „und die fürsten die landtgüter außerhalb der stadt belegen,
wie sie ein jeder jetz in besitzt hat, behalten". Der Rat vereinigte seinen
Gewinn mit dem Vermögen des Hauses der Barmherzigkeit im Oral, die
auswärtigen Besitzungen des Klosters wurden zum landtagsfähigen Gut
Heiligental erhoben.
Von den Klostergebauden ist in stark verändertem Zustande nur die alte
Propstei erhalten, an der Südecke der Conventstraße und der Straße Am Berge;
das Mauerwerk zeigt nach Süden hin Ansätze zu Spitzbögen — es sind Reste
vom nördhchen Seitenschiffe der ehemaligen Klosterkirche. Dieses Gotteshaus,
nach seinem obersten Schutzheiligen auch als Andreaskirche bezeichnet, war
gemäß einer von Volger im Wortlaute überlieferten Inschrift aus dem Knopfe
des Turmes im Jahre 1391 vollendet. Der Dachreiter soll sich nach einer von
Mithoff angezweifelten Nachricht 200 Fuß über den Dachfirst erhoben haben,
und das Mittelschiff der Kirche war nächst St. Nikolai das höchste Gebäude der
Stadt Die ungefähre Gestalt des Dachreiters ergibt sich aus den Ansichten der
Stadt vor 1715; in diesem Jahre wurde er heruntergenommen, da die Kirche ihn
nicht mehr zu tragen vermochte. Die dreischiffige, mit runden Arkadenbögen
versehene Hallenkirche, im Langhause etwa 15 m lang, IIV2 ^ breit, scheint
nach der Reformation für den Gottesdienst nicht mehr benutzt zu sein;*) sie
wurde durch Scherwände in kleinere Räume abgeteilt, die als Salzspeicher dienten.
Der Westgiebel des Gotteshauses stand unmittelbar an der Straße Am Berge,
der Chor war im halben Zehneck geschlossen. Einige nähere Details bringen
Gebhardi und Mithoff. Der letztere gibt auch einige Nachrichten über das
Innere der Kirche und erwähnt insbesondere einen Altar der von Malern imd
Glasern gebildeten Lukasgilde, die sogenannte „sunte Lucas tafelen", die in den
Jahren 1515 und 1516 von Hinrik Levenstede hergestellt wurde. Ein heftiger
Sturm zerstörte im November 1800 das Heiligentaler Kirchendach, im nächsten
Jahre wurde das ganze Gebäude für 3780 Taler auf Abbruch verkauft.
*) Der Kirchhof des Klosters war noch gegen Ausgang des 17. Jahrhunderts in
Benutzung.
-^ 174 8^
Die Klostergebäude sind zum Teil schon 1564 abgebrochen, [das Dormitorium
über dem Kreuzgange folgte 1773, die übrigen Baulichkeiten teilten das
Schicksal der Kirche.
Das Heiligentaler Propsteisiegel ist spitzoval (55 : 36 mm). Es zeigt unter
einem Baldachin stehend den Hl. Andreas, unter ihm einen knienden Mönch.
Die Umschrift lautet: „S. prepositi in Hilghendale".
Die Garnisonkipche.
Literatur: Manecke, Top.-hist. Beschreibungen S. 20; Volger, Lüneburger Neu-
jahrsblatt 1858 (LUneburger Blätter S. 126 f.); Mithoff, Eunstdenkmale S. 156. Vgl. auch
Gebhardi, Collectanea Band IV.
Geschichte.
Uie Besetzung des Kalkberges durch die Truppen Herzog Georgs von
Braunschweig-Lüneburg im Jahre 1639 hatte nicht nur die Anlage von Ver-
teidigungswerken auf der militärisch wichtigen Höhe zur Folge, sondern auch
die Errichtung einer ständigen Garnison. Ein Teil der herzoglichen Truppe lag
in der Stadt, bis er nach einem Zugeständnisse Christian Ludwigs vom
27. Oktober 1651 herausgezogen und durch 75 Mann unter einem Stadt-
hauptmann ersetzt wurde, der sich nicht nur dem Herzoge, sondern auch dem
Rate eidlich verpflichten mußte. Der Kern der Besatzungstruppe lag wie
die Kommandantur innerhalb der Ummauerung des Kalkberges, und dort wurde,
auf halber Höhe, auch eine Gainisonkirche errichtet, nachdem der Militar-
gottesdienst neun Jahre hindurch in einem Zeughause begangen war. Die
Einweihimg geschah am 14. Juni 1663. Die Kirche hat kein langes Leben
gehabt Die Festungswerke des Kalkberges verloren nach dem siebenjährigen
Kriege ihre Bedeutung und gingen ein; das Gotteshaus blieb noch eine Weile
stehen, bis seine Baufalligkeit allzu bedrohlich wurde: am stillen Freitage 1783
hielt der Gamisongeistliche den letzten Gottesdienst darin ab, dann wurde die
Kirche abgebrochen. Offenbar war die Kirche nur sehr leicht gebaut; Volger
berichtet, es sei „ein einfaches ziemlich geschmackloses Haus aus Fachwerk
ohne Turm" gewesen, im Innern ohne Zierde bis auf ein Gemälde über dem
Altar, einige herzogliche Wappenfenster und Fahnen über den Gräbern der
Kommandanten. Ein ungestmdes Pfarrhaus lag ebenfalls auf dem Kalkbei^e,
auch gab es eine besondere Gamisonschule.
Als die Ejrche aufgegeben war, siedelte die Militärgemeinde zunächst in
die Marienkirche über; mit dem Jahre 1795 übernahm der Diakonus von
St Michaelis das Amt eines Gamisonpredigers, und die Michaeliskirche wurde
der Garnison zur Mitbenutzung überwiesen.
Den Platz der Garnisonkirche auf dem Kalkberge bezeichnete ein Obelisk
aus Sandstein, dessen kaum noch lesbare Inschrift das Gedächtnis der in der
Kirche beigesetzten Offiziere überliefern soll und nach Volger also lautet:
-^ 175 8^
,,In memoriam vironim in armis et toga iUustrium de Soubiron,
de Nettelhorst et Besendahl alionimque quorum ossa hac sepulchrali
terra conduntur hoc monumentum templo praesidii Luneburgen^is ob
imminentem ruinam destructo Gancellaria bellica Hannoverana extrui
jussit A[imo] P[08t] C[ii8tum] N[atiim] MDCCLXXXffl."
Der Denkstein ist vor mehreren Jahrzehnten von seinem alten Tlatze
entfernt und ein gut Stück weiter nach Norden gerückt.
Die Ratskapelle zum Heiligen Geist
Qn eilen: Urkunden des Stadtarchivs; Yolgers Urknndenbuefa ; Lüneburgs ältestes
Stadtbnch.
Literatur: Manecke, Top.-hist. Beschreibungen S. 20; Volger, Neujahrsblatt 1850
(LUneburger Blätter S. 131 f.) ; Mlthoff, Eunstdenkmale S. 175.
Die bisherige Forschung hat auf Grund einer vom Bischof Konrad von Geschichte.
Verden ausgestellten Urkunde des Stadtarchivs einhellig angenommen, daß die
Heiligengeistkapelle im Jahre 1297 erbaut worden sei.*) Im genannten Jahre
nämlich wurde ein vom Lüneburger Rate gestifteter Altar aus dem Chor der
Johannisldrche in die Heiligengeistkapelle überführt, die fortan einen von den
Ratmannen zu präsentierenden Rektor erhielt. Der Wortlaut jener Urkunde läßt
indes sehr wohl die Deutung zu, daß die Kapelle als solche schon vorher
bestanden hat, eine Deutung, die durch das älteste Stadtbuch insofern gestützt
wird, als unter den Neubürgem des Jahres 1289 bereits der Name Heyne „apud
Sanctum Spiritum" begegnet. Diese FeststeUung ist nicht unwichtig, weil die
HeiUgengeistkapelle als Ratskapelle mit dem Rathause auf dem Neuen Markte
verbunden war und ihre Datierung für die Baugeschichte auch des Rathauses
ins Gewicht fällt. Die Kapelle, zunächst schlechthin capella s. Spiritus genannt,
hieß nach Gründung des gleichfalls mit einer Kapelle ausgestatteten Heiligen-
geisthospitals bei der Saline, spätestens seit 1320, die Heiligengeistkapelle am
Neuen Markt, „capella s. Spiritus prove novum forum** (novi fori, 1476: „by dem
Nygen markede an deme radhusze", sonst wohl „zum Alten" und gern „zum
Kleinen Heiligen Geist" „tome lutken hilgen Gheyste'*). Ihr erster Rektor hieß
Ludolf, er und seine Nachfolger waren zugleich die obersten Stadtschreiber.
Schon im Jahre 1304 stand dem Rektor oder Kapellarius ein Vikar zur Seite,
jedoch wurde die Kapelle damals noch als bedürftig bezeichnet Infolge
neuer Vikariengründimgen wuchs die Zahl der Kapellengeistlichen bis auf 17 an,
die an vier Altären, dem Hochaltar, dem Frühmessenaltar, dem Kreuz-, Petrus-
und Nikolaus- und dem Paulusaltar, tätig waren. Eines Glöckners geschieht
zuerst 1317 Erwähnung; wenn die Abendglocke erklang, war seit 1365 ein
Ablaß zu gewinnen. Die Kapelle lag in der Nordfront des späteren Rathauses,
ihre Gewolbereihe wurde durch die große Rathaustreppe unterbrochen. Die
*) Wenn Manecke das Jahr 1247 nennt, so ist das ein Schreib- oder Druckfehler.
-^ 176 8-3-
Ratmannen pflegten die Kapelle vor ihren Sitzungen zu besuchen, und an jedem
Donnerstag fand ein mit einem Ablasse beliehener Gottesdienst zu EIhren des
Leibes Christi statt. WochentUch einmal wurden nach der Messe Almosen ver-
teilt Nach einer urkundlich nicht zu stützenden Inschrift am Heiligen Geist-
hospital soll mit der Hatskapelle bis 1322 eine Armenanstalt verbunden gewesen
sein. 'Zur Kapelle hielt sich die Dreifaltigkeitsgilde (1407: die Äiterleute „des
gildes der hilgen drevaldicheit, den men holt to dem Hilghen Geiste up dem
Nyenmarkede"), und die Juraten der Wandschneider erwarben 1424 eine Haus-
rente zur Unterhaltung der Lichter vor dem Hochaltare. Kapellenvorsteher
waren zwei Mitglieder des Rates und zwei Geschworne. Ein Ausbau der Kapelle
wurde 1466 begonnen und war, wie wir aus Rentenverkäufen der Geschwomen
und einem Ablaßbriefe schließen dürfen, ein Jahrzehnt später noch nicht
vollendet. Die Kapelle, an deren Stelle für die religiösen Bedürfnisse des Rates
die benachbarte Marienkirche trat, ist nach der Reformation eingegangen. Ihre
Gewölbe wurden profanen Zwecken dienstbar gemacht, u. a. fanden das Nieder-
gericht und eine Buchhandlung Unterkunft in dem einstigen Gotteshause, dessen
Gestalt durch die Entstehimg des Renaissancebaues nach 1560 und die Ein-
richtung des Huldigungssaales (spätestens 1706) wesentUche Einbuße erlitten
haben muß. Das Vermögen der Kapelle fiel der Marienkirche zu, das der ein-
zelnen Vikarien dem Kirchenkasten bzw. den Stipendienkassen.
Fpiedhofskapellen.
1. Die Gertradenkapelle.
Quellen: Inedita des Stadtarchivs; U. F. C. Maneckes Sammlungen Band 26;
Volgers Urkundenbuch.
Literatur: Volger, Lüneburger Neujahrsblatt 1858 (Lünebui^er Blätter S. 132);
Mithoff, Eunstdenkmale S. 156.
Geschichte. l^i© Gertrudenkapelle („capella beate Gertnidis extra Rubeam vaJvam"
1358, „extra muros" 1399) zwischen dem Roten- und Sülztore ist als eine
Schöpfung des Lüneburger Rates nach der Mitte des 14. Jahrhunderts entstanden.
Ihre Einweihung stieß auf Schwierigkeiten; das erhellt aus einer Urkunde vom
28. Dezember 1358, wonach der Zimmermeister Konrad van Brunswik in seinem
Testamente 15 Mk. aussetzte, um der Kapelle ihre Weihe zu verschaffen, eine
anderweitige Verwendung der Summe jedoch für den Fall vorsah, daß die Weihe
bis Ostern 1363 noch nicht stattgefunden habe. Die Kapelle unterstand einem
GeistUchen als Rektor oder Kapellenherm und hatte zwei Bürger als Juraten.
An jedem Montag wurde die Verteilung von Almosen vorgenommen, deren Ver-
waltung einem Ausschuß von 4 bis 5 Bürgern oblag. Enge Beziehungen zur
Kapelle imterhielt die Gertrudengilde, die deshalb die Gertrudengilde vor dem
Roten Tore genannt wurde, nach Volger ferner die Jürgensgilde, die ihren Altar
-^ 177 8^
im Jahre 1478 mit dem silbernen Bilde ihres Patrons schmückte, und auch die
Kalandsbrüderschaft, die nach Bedarf, d. h. wenn die Johanniskirche zu sehr in
Anspruch genommen war, ihren Gottesdienst abwechsehid zu St. Lamberti und
zu St Gertrud abhielt.
Als im 15. Jahrhundert die Festungswerke der Stadt verstärkt wurden,
mußte die Gertrudenkapelle ihren Erstlingsplatz räumen. Am 14. Mai 1441 gab
Bischof Johann von Verden seine Zustimmung zur Verlegung, und im Sommer
1444 begann ein Neubau der Kapelle, der unter Aufsicht des Ratskämmerers
Hinrik Lange mit einem Aufwand von 3180 M. 6 s. 4 ^ innerhalb dreier Jahre
vollendet wurde. Am 20. August 1447 fand die Einweihung statt Die Kapelle
war mit sechs Altären ausgestattet, an denen neben dem Rektor 14 Vikare
wirkten. Die Bezeichnungen der Nebenaltäre waren Kreuz- (Simon u. Judas, vier
Doktoren), Andreas-, Marien-, Allerseelen- und Matheus- (Petrus -)altar, der
letztere lag in der Sakristei. 1516 und 1529 wurde die Kapelle durch Einbruchs-
diebstahl geschädigt, das erstemal wurden 4 Kelche und 3 silberne Pacificalia.
das zweitemal 3 Kelche gestohlen.
Die neue Kapelle stand nur wenig länger als hundert Jahre, denn schon
1553 wurde sie unter Zustimmung der ganzen Bürgerschaft niedergerissen, ver-
mutlich weü sie baufällig war. Die nicht lange zuvor aufgestellte Orgel wurde auf
den Chor der Johanniskirche überführt; dieser fiel auch das Vermögen der Kapelle
zu, die von der Hauptpfarrkirche der Stadt von jeher abhängig gewesen war.
Ältere Ansichten der Stadt lassen die Kapelle erkennen, und zwar als
ein kleines, im Osten und Westen im Eck geschlossenes Gebäude mit schlankem
Dachreiter, einer doppelten Fensterreihe und einem südlichen Eingange.
Der Gertrudenkirchhof, als „Sunte Gerderde kerkhof" schon 1382
erwähnt und bis 1811 zum Begräbnis von Nichtbürgern benutzt, bewahrt in
seinem Namen die letzte lebendige Erinnerung an die einstige Kapelle. Das
jetzt noch stehende Fachwerkhäuschen ist um 1830 errichtet, angebUch an Stelle
der alten Sakristei, die beim Abbruch der Kapelle verschont gebüeben sein soll.
Der Dachstuhl trägt eine Glocke des Lüneburger Glockengießers Paul Voß mit
der Inschrift: „M • Pawel • Vos • anno • 1 • 6 • 0 • 1. Soli • Deo • gloria'^
8. Die Antoniikapelle.
Quellen: Stadtansichten und Akten des Archivs.
Literatur: Manecke, Top.-hist. Beschreibungen S. 20, Volger, Neujahrsblatt 1858
(Lüneburger Blätter S. laS), Mithoff, Kunstdenkmale 156.
Auf den Ansichten der Stadt aus der zweiten Hälfte des 16. JBihrhunderts
findet sich außerhalb des Bardewikertores eine kleine Kapelle, die als „S. Tonis"
bezeichnet und leicht als die Kapelle des Antonii- oder Bardewiker Friedhofes
zu erkennen ist. über ihre Entstehungszeit fehlt bisher jede Nachricht Sie war
abhängig von der Nikolaikirche, deren Geschworne Antoniikapelle und Friedhof
mit verwalteten. Der letztere gewährte den Bauern in Ochtmissen, die als
Gegenleistung einen Teil der Friedhofsumzäunung zu unterhalten hatten, freie
23
Geschichte.
-^ 178 8^
Begräbnisplätze. Ein Neubau der Kapelle aus Fachwerk in Form eines länglichen
Zwölf ecks scheint im Jahre 1684 in AngrifiE genommen zu sein, eine dahin
deutende Zeichnung des Archivs trägt die Marke HP. Diese Kapelle wurde 1826
wegen ihres Verfalls abgebrochen, und der Magistrat bewilligte den Juraten für
das folgende Jahr eine KoUekte zu einem abermaligen Neubau. Der ausführende
Baumeister war Architekt Spetzler, der sich für seinen Bau aus einem Lager-
räume des Rathauses alte, vermutlich aus der Marienkirche stammende bemalte
Fenster erbat und eine Glocke aus dem ehemaligen Glockenspiele des Rathause&
3. Die KapeUe auf dem Xenen Friedhofe.
Literatur: Manecke, Top.-hist. Beschreibungen S. 21.
Die Kapelle auf dem nach Aufhebung des Kirchhofes von St. Cyriak um
die Mitte des 17. Jahrhunderts eingerichteten Neuen- oder Michaelisfriedhofe ist
unter dem Landschaftsdirektor von Bülow erbaut worden, zunächst für die
Vorsteher der Ritterschule. Ober der bemerkenswerten schmiedeeisernen Ein-
gangstür steht ein Bibelspruch und das Datum der Erbauung „Anno 1791'^
Die Kapelle auf dem Zentralfriedhofe ist nur deshalb hier anzufügen,
weil auf ihrem Dache i. J. 1883 die Glocke der Gral -Kapelle aufgehängt worden
ist Die Inschrift der Glocke lautet: „Soli • Deo • gloria • Me fecit • J . C . Z[iegner] •
anno • 1708".
Klostephöfe und Stiftshäuser.
Quellen: Urkunden des Stadtarchivs; Lüneburgs ältestes Stadtbuch; Yolgers Ur-
kundenbuch; Gebhardi, Coli. Y.
Literatur: Manecke, Top.-Hist. Beschr. 41 ff., Mithoff, Eunstdenkmale 172 f.
Die mittelalterlichen Landklöster pflegten in der Stadt, zu welcher sie
nähere Beziehungen unterhielten, ein Absteigequartier zu besitzen, das in Kriegs-
zeiten für Leib und Gut auch wohl als Zufluchtsort benutzt wurde. Lüneburg
stand durch die Ausbeute der Saline, an deren Gewinn die Geistlichkeit
hervorragend beteiligt war, mit einer ungewöhnlich großen Zahl auswärtiger
Prälaten in standiger Verbindung. Infolge davon läßt sich eine große Zahl
solcher Klosterhöfe, die zumeist die Befreiung von den Bürgerpflichten erlangt
hatten, in den Mauern der Stadt nachweisen. Der Lüner Propsteihof wird schon
1282 erwälmt, Lüner Klosterhäuser lagen Am Berge, Auf dem Kauf (Fig. 116 u. 117)
an der Lüner- und an der Bäckerstraße; der Ebstorfer Hof lag in der Nähe der
Sülzbrücke bzw. an der Rübekule ; der Schamebecker Hof nördlich von St. Nikolai
(Fig. 168), ein Reinfelder Hof am Ziegenmarkt, der Hof des IQosters Isenhagen in
der Techt bzw. an der Ilmenau. Das Medinger Propsteihaus befand sich an der
Wandfärberstraße, ebendort das Oldenstädter Klosterhaus, der Medinger Klosterhof
lag am Berge, das Wienhäuser Auf der Altstadt, das Distorfer in der Konvent-
-^ 179 8^
Straße. Ein großes Besitztum nordöstlich des Micbaelisklosters gehörte dem
Bischof bzw. dem Domkapitel von Verden, dieser sog. Verdener Hof (curia
episcopalis) wurde durch den R>otenburger Hof erweitert; die Domherrenhäuser
des Bardewiker Kapitels lagen an der Bardewikerstraße, ein zugehöriges Back-
haus und Böticherhaus an der Burmesterstraße. Durchweg sind diese Kurien
im Laufe der Zeit in den Besitz der Stadt gelangt, alsdaun mit der Büi^erpflicht
belegt und an Private wieder veräußert.
Die Einreihung der Klosterhöfe und Stiftshäuser an dieser Stelle recht-
fertigt sich dadurch, daß wohl alle diese Gebäude {auch eine Kapelle gehabt
haben. Der Gottesdienst in der Kapelle des Schamebecker Hofes tat sogar, wie
in anderem Zusammenhange schon erwähnt, der jimgen Nikolaikirche solchen
Abbruch, daß der Rat im Jahre 1451 ihre Schließung durchsetzte. Was von aU
diesen Häusern an Kunstdenkmälem erhalten ist, wird unten bei der Beschreibung
der Privathäuser dargelegt werden.
Keine sichtbare Spur ist erhalten von den Konventhäusem der Lüneburger
Beginen und Baguten. Wir erfahren von ihrer Existenz zuerst aus einem in
Rom erworbenen Ablaßbriefe vom Jahre 1290, laut welchem die „filie begine"
der Stadt vorhatten, ihr Wohnwesen mit einem Aufwände, der ihre eigenen
Kräfte überstieg, neu aufzubauen („de novo opere magis sumptuoso domos
mansionesque edificare"). Mehrere Bischöfe von Verden bestätigten den Ablaß
als Diözesanbischöfe. Im Jahre 1340 trat der Konvent in eine geistige Gemein-
schaft zum Kloster Arendsee in der Mark. Ein Vermächtnis von 1344 galt
„den armen Mädchen des Konvents am Wasser", 1351 wird ein Bachinenkonvent,
den Albert van der Molen erbaut hatte, mit einer Tonne Häringe bedacht, und
aus anderen Urkunden ergibt sich, daß ebendieser Konvent der Beginen (Baguten)-
Konvent an der Umenau war. Die Bezeichnungen Beginen und Baguten gehen
hier durcheinander. Der Name „Blauer Konvent" taucht 1366 auf, wohl zur
Unterscheidung von einem durch Hermann Hout (f 1353) gegründeten Baguten-
konvent. Verhängnisvoll wurde dem letzteren und einem Begardenkonvent, von
dem wir sonst nichts wissen, das Jahr 1370, als im Auftrage Urban V. und
Kaiser Karls ein Predigermöncb Namens Johannes von Odelevessen die deutschen
Städte bereiste zur Vertilgung des Sektenwesens. Er hob in Lüneburg die Sekte
der Begarden und Beginen — „que vulgariter clamat „brod dor God" — auf als
verabscheuungswürdig; ihre beiden Wohnwesen an der Konventstraße (an der
Stadtmauer, östlich vom Heiligentalerhofe) wurden eingezogen und für 90 Mark
verkauft; vom EJrlös fiel ein Drittel an die Armen, ein Drittel an den Visitator,
ein Drittel an die Kämmereikasse zum Unterhalt der Stadtmauern. Der Blaue
Baguten- oder Beginenkonvent bestand weiter, und zwar bis über die Reformation
hinaus unter der Vorsteberschaft eines Mitgliedes der Familie van der Molen.
Im Jahre 1550 wurden die verfallenen Baulichkeiten des Konvents auf Betreiben
des Rates hergestellt, sieben Jahre später stürzte das Hauptgebäude zusammen
und wurde nicht wieder aufgebaut Michaelis 1566 verkaufte der Rat das ganze
Wohnwesen für 616 Taler an Albert Musseltin. der für seine eigenen Bedürfnisse
einen noch jetzt vorhandenen Neubau aufführen Meß (Am Berge 37). Die letzte
Begine, Witwe eines Predigers am Großen Heiligen Geist, starb 1568.
23*
->^ 180 8^-
Daß auch solche Konventhäuser mit einer Kapelle versehen waren, ist
mit Gewißheit anzunehmen ; eine Beginenkapelle im Untergeschoß des Kirchturms
von St. Johannis ist in der Geschichte der Johanniskirche erwähnt.
Mit einem Worte sei hier verzeichnet, das auch Pauliner in Lüneburg
gewohnt haben (nach Volger an der Wandfärberstraße), und zwar als Schreib-
und Rechenmeister. Eines Hofes der „fratres predicatores" oder „Pewelere" wird
in zwei Urkunden von 1421 gedacht. Schomaker erzählt, daß der neue Rat
zu Ausgang 1454 neben andern mißliebigen Geistlichen auch die beiden „Terminarii
in deme Pauler huse", Hermann Wandtsleve und Hinrick van Hamborch,
ausgewiesen habe.
Kapelle und Hospital St BenedictL
Quellen: Narratio de eonfiecratione monasterii saneti Michaelis (Wedekind^ Noten!.
420; vgl. ib. 11. 296); Gebhardi, Collectanea Bd. IX; Urkundenbuch des Kloster St. Michaelis,
herausgegeben von v. Hodenberg.
Literatur: Gebhardi, Geschichte des Michaelisklosters; Manec^e, Top.-hist.
Beschreibungen S. 29; Volger, Lüneburger Neujahrsblatt 1859 (Lüneburger Blätter S. 170);
Mithoff, Eunstdenkmale S. 174.
Geschichte. Nach der chronikalischen Oberlieferung des 13. Jahrhunderts erhielt am
13. Dezember 1157 eine Kapelle, die von Seiten des Michaelisklosters neben der
Burg, „juxta capitolium", errichtet war, ihre Weihe zu Ehren des Ordensstifters,
des Hl. Benedikt. Wedekind bemerkt dazu, wohl auf Grund der Hausinschrift,
daß ein Hospital gleichen Namens („sunte Benedictes hospital") schon drei Jahr-
zehnte früher entstanden sein solle, und es ist wohl kein Zweifel, daß wir in
dem Benediktshospital die älteste Lüneburger Stiftung ihrer Art vor ims haben,
sowie daß Hospital imd Kapelle seit ihrer Gründung zusammengehörten. Schon
aus der Zeit des Abtes Gerhard (1244 — 62) ist eine Urkunde erhalten, nach
welcher der Provisor des Hospitals gegen Preisgabe einiger schwer einzubringenden
Zollerträge eine Lüneburger Salzrente und ein Haus in Adendorf erwarb. Nach
dem Nekrologium des Klosters sollten die Aufkünfte eines Hofes in Ödeme den
im Hospital aufzunehmenden Reisenden zugute kommen. In eben dieser Quelle
heißt' das Hospital auch Siechenhaus, domus infirmorum, infirmaria, und es
geschieht eines Infirmarius, Pflegers, Erwähnung. Das letztere Amt war mit dem
des Provisors (Hospitalarius) häufig vereint, dieser hatte die Rechnung und
Aufsicht zu führen und wurde vom Benediktinerabte ernannt. Seit dem
16. Jahrhundert war das Amt stets in den Händen von Klosterherren. Der
verdienstvolle Abt Boldewin von Wenden machte sich in der Geschichte der
Anstalt dadurch einen Namen, daß er Hospital und Kapelle da, wo die Techt in
die Salzbrückerstraße einmündet, neu aufbaute, auch vergrößerte er das Besitz-
tum durch den Ankauf eines Eckhauses, das dem Hospital gegenüber lag,
w^ährend ein Verdener Vikar zwei benachbarte Häuser hinzusehenkte ; der
Verdener Bischof unterstützte den Abt durch die Erteilung eines Ablasses am
-«* 181 ä«-
18. Januar 1428. Mithoff beschreibt das HospitaJ, wie 6s bis 1787 bestanden
hat, nach Gebhaidi als ein langes einstöckiges Backsleinhaus mit steilen (riebeln,
am Hof ende eine quer durchieichende mittels einer Zwergwand abgesonderte
ungewölbte KapeUe, auf dem Dachfirst ein Qlöcklein. „In dem übrigen Itaume
waren zu beiden Seiten einer Längsdiele die je mit einem Kamin versehenen
Kammern der Prövener und neben der Haustür die „Gemeine Stube" angeordnet".
Auch die wenigen KunstdenkmäJer der Kapelle, insbesondere der geschnitzte
Flg. ST. Stift Bc, Banftdikt
und bemalte Altarschrein und ein in Sandstein ausgehauener kniender Benedik-
tinermönch, sind von Mithoff auf Qrund derselben Quelle näher bezeichnet.
Das Vermögen der Anstatt dient bis auf den heutigen Tag der Unter-
stützung Bedürftiger und wird zu diesem Zweck von der Königlichen Kloster-
kammer gesondert verwaltet. Das jetzige Benediktshospital ist im Jahre 1787
vom Landschaftsdirektor von Bülow erbaut, es gewährt zurzeit sieben Pröv-
nerinnen ein Unterkommen und enthält zugleich die Wohnung des Küsters von
St. Michaelis.
Das Hospitalgebäude, von rechteckigem Grundriß, hegt an der Salz- Beschreibang.
brückerstraße, dem Kalkberg gegenüber. Das Äußere ist im GhaiaJtter der
Ziegelstoinbauten des 18. Jahrhunderts ausgebildet (Fig. 57). Die Ecken werden
-^ 182 8«ä-
durch gemauerte Backsteinquader betont, die Mitte ist zu einem, mit zieriichem
Dachreiter geschmückten Vorbau herausgezogen. Die Fenster liegen in flachen
Nischen. Cber der Haustür ist eine Sandsteinplatte eingemauert, deren Inschrift
lautet: HOSPITAL ST. BENEDICTI IST GESTIFTET 1127, ZVM ZWEITEN
MAL ERBAVET 1400 VND HIEHER VERSETZET VON DEM ABT VND
LANDSCHAFTSDIRECTOR F- E- V- BVLOW 1787.
Das Hospital zum Heiligen Greist.
Quellen: Urkunden und Handschriften des Stadtarchivs; Volgers Urkundenbnch.
Literatur: Manecke, Top.-hist. Beschr. 26; Yolger, Neujahrsblatt 1858 und 1859
(LUneburger Blätter S. 150 ff.); Mithoff, Kunstdenkmale 174.
Geschichte. Das Hospital zum Heiligen Geist bei der Sülze ist aus einer gleichartigen
Anstalt hervorgegangen, die dem Hl. Lambert gewidmet und wenn nicht auf
demselben Bauplatze, so doch ganz in der Nähe gelegen war. Das Lamberti-
hospital wird von Manecke mit der Lambertigilde der Sodeskumpane in Ver-
bindung gebracht, und ein gewisser Zusammenhang zwischen der Saline und dem
Hospital wird gewiß von alters bestanden haben. Um so bemerkenswerter ist
die früheste Nachricht über das Lambertihaus, eine Urkunde von 1282, die
einen Ratmann als Vorsteher des Hospitals aufführt. Ablaßbriefe von 1287, 1299
und 1300 bezeugen die rege Energie, mit welcher die Entwicklung des Hospitals
betrieben wurde, und belehren uns zugleich über den ursprüngUchen Zweck der
Anstalt. In einer der drei Urkunden heißt es, zu St Lamberti sollten die
Bedürftigen und Kranken, wie sie aus allen Gegenden zusammentrafen,
unterstützt und nicht allein gastfreundUch aufgenommen, sondern auch wieder
gesund gemacht oder doch im Sterbefalle mit dem Notwendigen versehen werden,
auch wolle man Reisenden und Pilgern, ob geistlichen oder weltlichen Berufes
und einerlei von welchem Stande oder Ansehen, auf Verlangen ein entsprechendes
Nachtquartier gewähren. Zum Lambertihospital gehörte die gleichnamige Kapelle,
die sich in der Folge selbständig entfaltete.
Im Jahre 1310 wird zum ersten Male der Name des Heiügen Geistes mit
dem Hospital verbunden, als nämlich Graf Nicolaus von Dannenbei^ das Eigentum
an einem Roggenzins in Melbeck „dem Siechenhause zum HL Geiste und zum
Hl. Lambert in Lüneburg" zubilUgt Woher der neue Name? Wahrscheinlich
wurde er bei Begründung eines Neubaues oder doch beim Einzug in einen solchen
angenommen, denn als die Bezeichnung Lambertihospital zum letzten Male
gebraucht wird, im Jahre 1320, heißt es „das neue" Lambertihospital. Die
Anknüpfung an den Hl. Geist, auf dessen Antrieb man alle Werke der Barmherzigkeit
zurückführte, war für derartige Hospitäler, wie zahlreiche Beispiele aiis Ober-
und Niederdeutschland kundtun, außerordentUch beliebt. Zur Aimahme eines
18S
Neubaues stimmt die Eirichtuiiff einer neuen Hoepitalkapelle, die am 18. Oktober 1322
zu Ehren der Maria Magdalena eingeweiht worden ist Ob in diesem Jahre,
wie eine Gedenktaiel es will, ein Heiligengeisthospiial vom Neumackte in die
Nähe der Sülze veriegt worden ist, muß dfldiingestellt bleiben.
Das Heiligengasthoepital, meist „zum EQ. Geist bei der Suke", im Gegen-
satz zur Ratskapelle auch wohl „der Neue^' oder „Groite Hl. Geist^' genannt,
hat sich blühender entwickelt als irgend eine der verwandten Anstalten Lüneburgs.
Durch Schenkungen, deren ertragreichste das sog. Bedensalz war, durch Memorien-
Stiftungen, Leibrentenverträge, Aufnahmegelder, EIrbschaften und Oberschüsse
des großen Wirtschaftsbetriebes gewann das Hospital schon früh die Mittel,
vorteilhiaite Ankäufe zu machen. Das geschah in erster Linie durch den Erwerb
von Sülzgütern, die allmählich zu einer beträchtlichen Höhe anwuchsen, von
ausgedehntem Grundbesitz, sowie durch die Gewinnung von Zehnten und Grund-
renten. Zum Grundbesitz des Hospitals gehört, um nur zwei besonders wertvolle
Objekte anzidühren, seit dem Jahre 1410 bis auf den heutigen Tag das Böhmsholz
imd seit dem letzten Jahrzehnt jenes Jahrhunderts der durch Pfandschaft von
den. Herzögen erworbene Tiergarten. Die Ländereien wurden bis ins 18. Jahr-
hundert selbständig bewirtschaftet, später mit günstigerem Ergebnis verpachtet
Der Charakter des Hospitals ist schon im 14. Jahrhundert der eines
Stiftes für Prövner und Prövnerinnen geworden, über deren Hausordnung, Ver-
pflegung und sonstige Lebensführung ein kulturgeschichtlich wertvolles, ungemein
reiches Material vorliegt. Sehr begehrt waren namentlich die „größeren" Präbenden;
sie wurden vom Rate vielfach als Belohnung zuerkannt. Die Zahl der Insassen
des Hauses betrug zeitweise mehr als 100 Personen, gegenwärtig haben
32 Prövnerinnen imd sechs Prövner Aufnahme gefunden.
Wie schon bemerkt, ist der Einfluß des Lüneburger Rß.tes auf die Ver-
waltung des Hospitals von dessen ersten sichtbaren Anfängen an maßgebend
gewesen. Die ältesten Urkunden ergeben, daß entweder ein Ratmann Vorsteher
des Stifts war, oder doch, daß wichtige geschäftliche Maßnahmen der ausdrücklichen
Billigung des Rates bedurften. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts
bildete es sich als feste Norm aus, daß alljährlich zwei Vertreter des Rates mit
der Vorsteherschaft des Hospitals betraut wurden. Sie hießen Provisoren,
Prokuratoren, Rektoren, niederdeutsch „de vorstendere**. Als das Institut immer
mehr an Bedeutung gewann, wurde der Ratsausschuß auf drei Mitglieder ergänzt,
imd durchweg finden wir die Bürgermeister selber an der Spitze des Ausschusses;
ein Amtsbuch des Hospitals von etwa 1492 nennt sich geradezu „Über proconsulum
provisorum Sancti Spiritus". Das wichtigste Amt für den inneren Betrieb des
Gotteshauses, bald von einem Geistlichen, bald von einem Laien versehen, war
das des Gastmeisters („magister hospitum"), dem eine „gastmestersche" zur Seite
stand. Der Gastmeister war den Provisoren zu Gehorsam verpflichtet, hatte
aber als der eigentliche Verwalter gleichwohl eine einflußreiche Stellung. Eigen-
tümlich und echt mittelalterlichen Geistes sind die Repräsentationspflichten, die
mit seinem Amte verbunden und für das gesellige Leben der höheren Kreise
Lüneburgs von Bedeutung waren. Bei seinen Festmahlen hatte er das reiche
Silbergeschirr des Hospitals zur Verfügung, gegen 1500 u. a. sechs silberne
-<-8 184 8^
Schalen mit Füßen ; in der einen war die Hl. Elisabeth abgebildet, in der andern
S. Thomas, in der dritten die Hl. Katharina, in der vierten das Wappen der
Patrizierfamilie Witick, in der fünften und sechsten Wappen früherer Gastmeister;
femer waren da sechs silberne Becher mit Schuppenmuster („myt vlomen, der
eyn in den anderen gheid"), 22 silberne Löffel, vier silberne Gabeln, vier Hand-
becken, drei lange Weinkannen, viel Zinn- und Messinggerät, ein grünseidenes
Kissen „myt veer vorguldeden knopen". Daß es dem Hospital auch sonst an
Kunstgegenstanden nicht fehlte, beweist die gotische Abteilung des Lüneburger
Museums, deren an anderer Stelle gedacht werden wird.
Die Hospitalgebäude sind nach einer an der Außenmauer angebrachten
Gedenktafel im Jahre 1586 und dann wieder 1724 erneuert In der Zeit der
französischen Okkupation wurde das Hospital von den Prövnem geräumt und
mitsamt der Heiligengeistkapelle als Kaserne xmd für sonstige militärische Zwecke
eingerichtet (1803). Die dadurch verursachte Störung und Veränderung war so
nachhaltig, daß der vorherige Zustand niemals wiederhergestellt ist. Ein Teil
der Kirche und das obere Stockwerk des Hospitals wurden im Jahre 1816 zu
einer Bürger- und einer Freischule ausgebaut. Statt der Bürgerschule, die 1855
verlegt wurde, erhielt die Gewerbeschule im Heiligen Geist Aufnahme, und 1867
wurde auch der nach Osten hin liegende Teil der Kapelle — „eine Ruine, die auf
den Abbruch wartete' ' — zu Schulzwecken umgebaut Als bei dieser Gelegenheit
eine Grabstätte der Familie von Döring zerstört werden mußte, wurden
zwei marmorne Grabplatten des Heinrich von Döring (f 1750) imd Leonhard
von Döring (f 1765) in eine Grabkapelle der Familie nach Mecklenburg über-
führt. Ein Teil der kirchlichen Geräte wird seit 1854 im Rathause verwahrt
Von der alten Kapelle ist nichts erhalten als der zierUche Dachreiter. Der
Gottesdienst im Heiligen Geist hatte seit der französischen Zeit ganz aufgehört
Bis zur Reformation wirkten an der Kapelle 12 Vikare, die am Hochaltar, in der
Sakristei, am Simon- und Judas-, am Zehntausend Ritter- und am Marienaltar
ihre Messen lasen. Im Hospital, und zwar im sog. „Langen Hause^', befand
sich ein besonderer Altar, dem Evangelisten Johannes geweiht und von zwei
Vikaren bedient. Nach der Reformation erhielt die Hospitalkapelle einen eigenen
Prediger, der letzte des Amtes starb 1804.
Beschreibung. Das langgestreckte schmucklose Gebäude liegt an der Heiligengeist-
straße. Spuren von Spitzbögen und einige Strebepfeiler an der Nord-
seite lassen den gotischen Ursprung des Baues erkennen. An einem der in der
Nähe des Eingangs hegenden Strebepfeiler befinden sich zwei Steinplatten mit
dem Text der Bibelstellen I. Corinth. 15 V. 42 und Jesaia 58 V. 7. Ein großes
Stadtwappen aus Sandstein ist an der Nordseite des nach dem Lambertiplatz
zu hegenden Flügels im Obergeschoß eingemauert, darunter, im Erdgeschoß, eine
Steinplatte mit der Inschrift:
JESV CHRISTO PAVPERVM PATRONO- SDOMVM
HANG HOSPITALEM ANTE QVINGENTOS ET FORTASSIS
PLVRES ANNOS FVNDATAM DIVOQVE LAMBERTO
PRO SAECVLI RELIGIONE DEDICATAM PROVIDA
•*^ 186 H-
MAIORVM PIETAS- TRANSLATIS ANNO DOMINI M • CCC •
XXÜE CAPBLLA SANCTI SPIRITVS IN NOVO FORO
PAVPERIBVS NOVO TEMPLO INSTRVXIT NOVO SANCTI
SPmiTVS NOMINE INSIGNIVITNOVISQVE FVNDIS BONIS
ET E SALINIS PROVENTIBVS DOTAVIT VETVSTAQVE
OOLLABBSCENTEM ANNO DOMINI M • D ■ LXXXVI .
RESTITVIT QVORVM PIAM EGENOS rVVANDI VOLVN-
TATEM PRAESENS DnTATVRA POSTBRITAS RVINAS
OB VETVSTATEM ITERVM MINITANTEM A SOLO
DIRVTAM REPEOIT ANNO DOMINI M ■ DCC • XXffll
SPIRITVS SANOn GRATIA NOS ADFWET SEMPER
Von der 1867 abgebrochenen Kirche des Hospitals stanunt der schöne
Dachreiter, der jetzt auf dem neuen Schulhause in der Verlängerung der alten
Hospitalgebäude steht (Fig. 58). Sein Grundriß ist sechseckig, die Ecken sind
FlK' SD. D>chielt>r vom HclUgsngelst-HoipItaL W>tunp«ler, Kreuzblume und Krabbe.
mit Strebepfeilern besetzt, die vom Dache aufsteigen und miter dem Fußgesims
des Helmes fialeuartig mit Giebel und Kreuzblume endigen. In den SeitenflächeD
des geraden Körpers sitzen je zwei, mit Kleeblattbögen überdeckte öffaungeo.
Über dem Fußgesims des Helmes bauen sich an allen Seiten schlanke Giebel
auf, deren Kanten mit Krabben besetzt sind. Auf den Giebelspitzen stehen
hohe Kreuzblumen (Fig. 59). Zwischen den Giebelfüßen sind Wasserspeier
angebracht. Die Grate des schlanken Helmes sind mit Krabben besetzt (vgl.
Fig. 59), die Helmspitze ziert eine Kugel mit Blattwerk und ein neues eisernes
Kreuz. Der untere Teil des Dachreiters bis zum Fußgesims des Helmes ist mit
-^ 187 8^
Blei gedeckt, der ganz obere Teil mit Kupferblech. Alle ornamentalen Teile
bestehen ebenfalls aus Kupferblech. Ein grossei Teil der Krabben ist abgefallen;
zwei sind nach dem Lüneburger Museum gelangt.
Im Glockenstuhle des Dachreiters hängen zwei Glocken. Die Stunden-
glocke mit 70 cm Durchmesser ist 1712 von J. C. Ziegner gegossen, die Viertel-
glocke hat 52 cm Durchmesser, auf ihrem Mantel befinden sich Abdrücke von sechs
Brakteaten, ein Kreuz und ein Gießerzeichen (vgl. Lüneburger Museumsblatter, Heft 1).
Die Uhr stammt aus der abgebrochenen Lambertikirche. Sie ist aus Schmiedeeisen
hergestellt und hat am Rahmengestell die Inschriften : J. v. Dassel. H. F. v. Töbing,
Baumeister anno 1775. P. N. Schröder Uhrmacher in Lüneburg. 1775.
Dem Heiligengeist-Hospitale entstammt ein gotischer Schrank, der jetzt
im Lüneburger Museum steht Er ist 1,00 m breit, 2,46 m hoch und 0,38 m
tief. Die Vorderwand wird seitlich begrenzt durch ein geschnitztes Blattomament
Der obere Abschluß ist in Form einer Kielbogenlinie geführt, die mit Krabben
besetzt ist und deren Tympanon mit spätgotischem Ornament ausgefüllt ist
Die beiden Türen sind mit Temperamalereien auf besterntem roten Grunde
bedeckt; imten befindet sich eine Kreuzigung, oben zwei kniende Engel mit
einer Monstranz in der Mitte. Die Innenseite ist grün gestrichen, die Seiten-
wände sind mit Rosetten auf rotem Grunde bemalt Alle omamentalen Teile
sind ebenfalls farbig bemalt.
Die erhaltenen kirchlichen Geräte sind bei der Beschreibung des Rathauses
aufgeführt
Der Lange Hof.
Quellen: Urkunden und Akten des Stadtarchivs; Volgers Urkundenbuch.
Literatur: Manecke S. 31; Volger, Johannisblatt 1859 (LUneburger Blätter 166 ff.);
Mithoff 175 f.
Der Lange Hof, eine Gründung des Knappen und Burgmannen Segeband Geschichte,
von Wittorf des Älteren, ist das einzige Hospital der Stadt, dessen Stiftungs-
urkunde vorliegt Sie ist, in Form einer an den Rat gerichteten öffentlichen
Bekundung, ausgestellt am Margretentag 1352, nachdem Segeband schon in
seinem Testament vom 27. März desselben Jahres die Absicht seiner Stiftung
formuliert hatte. Segeband bestimmte seinen Hof in der Alten Stadt, nämlich
an der südlichen Ecke der Salzbrückerstraße und der Techt, „in perpetuum
hospicium peregrinorum", zu einem immerwährenden Obdach für arme fVemde;
von einer Sülzrente, die er außerdem schenkte, sollte zweimal im Jahre an die
im Hospiz Beherbergten eine außerordentUche Gabe verabfolgt werden; zu
Verwaltern seines Stiftes ersah er den Pfarrer von St. Johannis und den amts-
ältesten Kämmerer des Rates. Segebands Hospital führt seit dem 15. Jahr-
hundert durchweg die Bezeichnung „Langer Hof'' (longa curia) und gliederte
sich in den Großen Langen Hof mit dem Langen Hause und einem Gasthause
sowie in den Kleinen Hof mit zwei sogen. Gotteshäusern. Eins dieser beiden
letzteren diente i. J. 1504 zur Aufnahme Kranker, die auf den Kirchhöfen die
24*
-^ 188 8^
öffentliche Mildtätigkeit anriefen, im übrigen hatte sich die Anstalt damals
schon zu einem Armenhause umgewandelt, das etwa 50 Bedürftigen Unterkunft
gewähren konnte. Die Aufsicht über den inneren Betrieb führte ein Hofmeister.
Eine Kapelle erhielt der Lange Hof erst durch Bürgermeister Leonhard Elver
(t 1511); sie war Maria geweiht und durch den Stifter mit einer Vikarie, femer
seitens der Brüderschaft der Zimmerleute mit einer Spende für eine Wochen-
messe ausgestattet.
Wie alle diese Stiftungen, so wurde auch der Lange Hof durch milde
Gaben, zumal durch Vermächtnisse, reich genug bedacht, daß seine gesunde
Fortentwicklung bis über die Mitte des 16. Jahrhunderts hinaus gesichert war.
Ein reges Interesse für die Anstalt bewies namentlich der erste Propst zu
St. Johannis, Johann von Minden, und sein letzter katholischer Nachfolger,
Johann Koller. In der Reformationszeit wurde das Vermögen des Kleinen
Hl. Geistes mit dem des Langen Hofes vereinigt, und dieser war in der Lage,
neben seinem eigensten Zweck Studierende zu unterstützen, Bücher für die
Stadtbibliothek anzukaufen, die Ekbauung eines städtischen Krankenhauses zu
fördern. Später schrumpften die Mittel der Stiftimg stark zusammen, vornehmlich
infolge der baulichen Unterhaltungskosten, mit deren Steigerung die Einnahmen
des Hospitals nicht Schritt hielten. Im Februar 1758 wurde die Schlaf kammer
der armen Leute zu einem Lazarett für die hannoverschen und hessischen
Truppen eingerichtet; 3 Jahrzehnte später beschloß der Rat, den Langen Hof ein-
gehen zu lassen. Da eine öffentliche Versteigerung im Juli 1789 und nach-
folgende Verkaufsverhandlungen kein annehmbares Gebot brachten, zog sich
die Auflösung der Anstalt hin bis ins 19. Jahrhundert hinein; 1801 wurde ein
Teil des Grundstücks veräußert, die letzten Insassen des Stiftes starben 1807.
Der Nachlaß des Langen Hofes fiel an eine verbesserte städtische Armenanstalt,
die i. J. 1787 nahe der Stammersbrücke am rechten Ufer der Ilmenau in einer
vom Rate angekauften ehemaligen Kattundruckerei eingerichtet wurde.
Der Gral und sonstige Stiftungen.
Quellen: Urkunden, Akten, Rechnungen, Chroniken etc. des Stadtarchivs;
Gebhardi, CoUectanea.
Literatur: Lossius, Lunaeburga Saxoniae S. 116 f.; J. H. B(üttner), Ausführliche
Beschreibung des in diesem 1706. Jahre neuerbauten Hauses der Barmherzigkeit im Grahl zu
Lüneburg; Manecke, Top.-hist. Beschreibungen S. 28 u. 80; Volger, LUneburger Johannisblatt 1859,
Neujahrsblatt 1859 und 1860, (LUneburger Blätter S. 156 ff.) ; Mithoff, Eunstdenkmale 8. 175 ff.;
Wrede, Die Glocken der Stadt Lüneburg (LUneburger Museumsblätter I. 55).
Geschichte. ■L'®^ Ausdruck „Gral", im Mittelniederdeutschen für eine lärmende
Fröhlichkeit (gralen, grölen) gebraucht, ist in mehreren Städten Norddeutschlands
an einem ehemaligen Fest- oder Spielplatze haften geblieben und dadurch zu
einer Ortsbezeichnung geworden. Auch in Lüneburg. „Im Gral" lag das
Prioratshaus des Michaelisklosters (1617), „beym Grael" der Springintgudturm,
-^ 189 j^
„achter dem Gral" der neue Wall (1534). Es war um die Wende des 15. Jahr-
hunderts, als „im GraP' ein Haus für „arme, kranke, elende Leute^' erbaut
wurde, „dat hüsz der barmeherticheit^^ zuerst erwähnt 1501. Da die Stadt sich
des Besitzes mehrerer solcher Anstalten rühmen durfte, so hieß die jüngste unter
ihnen Jahrhunderte hindurch „das Haus der Barmherzigkeit im Gral^S bis, ver-
einzelt nachweisbar schon 1595, der unterscheidende Zusatz zum Namen des
Stiftshauses wurde und dieses schlechthin „der Gral^^ hieß.
Mit der Entstehung des Grals wird nach alter Überlieferung Bürgermeister
Cord Lange in Verbindung gebracht, der zumeist als der eigentliche Gründer
gut. Cord Lange saß von 1474 — 1506 im Lüneburger Rate, bekleidete von
1475 — 80 das Amt eines Kämmerers, wurde 1486 zum Bürgermeister erwählt und
führte in den Jahren 1487, 1490, 1494, 1497, 1498, 1501, 1502.und 1505 das Wort der
Stadt; offenbar gehörte er zu deren einflußreichsten PersönUchkeiten. Er war
vermählt mit Gebeke Schomakers und starb kinderlos als Witwer. Die älteste
Urkxmde, in welcher unseres Stiftshauses gedacht wird, ist am 14. Februar 1503
von ihm ausgestellt Ihr Inhalt ist folgender: Cord Lange setzt aus seinem
ersparten Gute eine Sülzrente von 36 Mark aus für die Insassen des neuen
Hauses imGrale, „dat de erszame raedt to Luneborg hefft laten buwen".
Dieser Nachsatz läßt sich nicht wohl anders auffassen, als daß der Gesamtrat
es gew^esen ist, der das Haus der Barmherzigkeit gebaut hat: die Anstalt ist
also öffentUchen Ursprungs, nicht aus einer Privatstiftung hervorgegangen. Daß
Cord Lange als Bürgermeister für das Zustandekommen des wohltätigen Unter-
nehmens das Seine getan und es mit Liebe gefördert hat, dafür spricht mehr
als seine Schenkung als solche der Schlußpassus jener Urkunde, wo der
Geschenkgeber folgende Weisung hinzufügt: die bezeichnete Rente soll nach
dem Ermessen des Rates rechten frommen Hausarmen und elenden kranken
Leuten in Lüneburg zufallen, falls das Haus der Barmherzigkeit wieder ein-
gehen werde — „des ick my doch nicht vorhope".
Der Charakter des Grals hat sich nicht lange nach seiner Entstehung
völlig verändert. UrsprüngUch war er als Kranken- und Armenhaus eingerichtet.
Cord Lange gibt seine Rente „den armen krancken elenden luden des Stiftes^^,
dessen Bezeichnung als „Haus der Barmherzigkeit^^ ebenfalls darauf hindeutet,
daß es auf die Linderung wirklicher Not abgesehen war. Die Einkünfte aus
dem Grundvermögen, aus allerlei milden Zuwendungen und dem Wirtschafts-
betriebe reichten jedoch nicht aus, die Bedürfnisse des Stiftes zu decken, obgleich
nach Einziehung des Klosters Heiligental die Klostergüter dem Gral überwiesen
wurden; das Jahr 1565 schloß mit einem Fehlbetrage von 140 Mark. So kam
man schon im 16. Jahrhxmdert dazu, eine Einkaufssumme zu erheben, deren
Höhe dem Alter, den Mitteln und auch wohl früheren Leistungen des Aufzu-
nehmenden angepaßt war und mit der Tendenz einer allmählichen Steigerung
starke Schwankungen aufweist (1591: 30 Mark, 1595: c. 40 Mark, 1746 zwischen
200 und 1000 Mark). Die Insassen des Hauses hießen nunPrövner. Um die Mitte
des 18. Jahrh. gab es deren 32, sieben Männer und 25 Frauen im Alter von
31 bis zu 86 Jahren; die Höchstzahl scheint 42 gewesen zu sein. Die Gralleute
hatten außer der freien Wohnimg einschließUch Feuerung und Licht auch freie
-^ 190 8^
Verpflegung, die in natura verabreicht wurde. Auf einstimmigen Antrag der
Prövner und Prövnerinnen wurde die Naturalverpflegimg im Jahre 1657 durch
wöchentliche Kostgelder ersetzt, „dieweil das gemeine Sprichwort lautet, daß
Alter ein schweres Malter, und in solchem Stande sich ein jeder darnach richten
muß, was die Natur in Speis' und l^ank leiden will". Verweser des Grals war
von jeher ein Bürgermeister, dem als Oberprovisor im 18. Jahrhundert zwei
Mitglieder des Rates als Komprovisoren zur Seite standen. Die Elinkaufe und
Rechnungsführung besorgte ein Administrator, die innere Aufsicht übte ein
Gralvater bzw. eine Gralmutter. Die Seelsorge oblag dem Diakonus von
St Nicolai. Als das Vermögen der Anstalt anwuchs, wurde es mit dem sog.
Kirchenkasten vereinigt xmd zur Unterstützung von Predigerwitwen, zu Lehrer-
besoldungen imd anderen öffentlichen Lasten herangezogen, während der Gral
sich allmählich ganz zu einem Damenstifte imibildete.
Von der ältesten Gestalt des Gralgebäudes spricht keine Oberlieferung;
gewiß ist nur, daß es auch eine Kapelle enthielt, an der ein Kommendist dreimal
wöchentlich Messe zu lesen hatte. Die Kommende war vermutüch von dem
Ratmann Hinrik Grönhagen errichtet, denn nach einer Aufzeichnung von 1525
war sie mit einer Rente von 20 Mark aus dessen Sülzgütem begabt An Kult-
gerät gehörten der Kapelle 1 vergoldeter Kelch, 1 silberne Hostiendose mit Löffel
und Röhre („ad communicandum pauperes'^), 1 silbernes Lamm Gottes als
Pacificale, 2 gedruckte Meßbücher, 2 Zinnkannen, 6 Korporaltücher und 6 Ornate.
Ein Ausbau des Hauses muß in den Jaliren 1537 und 1539 entstanden sein und
trug die Wappen des genannten Ratmanns und seiner Frau Margarete Sankensteden.
Schon 1552 ging nach dem Chronisten Schomaker „dat husz der barmeherticheit
im Grale tom merendele to gründe'^, durch einen Einsturz des Hauptgebäudes;
nur der Speiseraum blieb verschont, wo die Gxalleute sich just zur Mahlzeit
versammelt hatten.
Weitere Daten zur Baugeschichte des Grals überliefert die Inschrift einer
Sandsteintafel, welche den Haupteingang des alten Hauses der Barmherzigkeit
krönte und auf dem Eingangsflur des jüngst vollendeten Grals wieder angebracht
ist: „Domvs misericordiae, Ante CC qvasi annos primvm fvndata annisque p.
Chr. n, M. D. LX. et M. DC. VQ. instavrata, cvm itervm in rvinam prona videretvr,
a fvndamentis disiecta, denvo extructa est. Anno domini MDCCVHL Devs
misereatur nostri et benedicat nobis"! Damach war der Neubau im Jahre 1560
vollendet, forderte aber schon 1607 eine Wiederherstellung und drohte 100 Jahre
später den abermaUgen Einsturz; das Haus wurde daher bis auf den Grund
abgetragen und im Jahre 1708 neu aufgebaut. Um die Durchführung dieses
Baues erwarb sich der Bürgermeister Brand Lüdolph von Stöterogge besondere
Verdienste.
Im siebenjährigen Kriege wurde der Gral mit den umliegenden Höfen
von den Franzosen in ein allgemeines Militärbackhaus lungewandelt, das Haupt-
gebäude diente als Brot- und Mehlmagazin; Kanzel, Altar xmd Kirchenstühle
wurden weggerissen, die Graldamen mußten sehen, wo sie in der Stadt ein
Unterkommen fanden (Nov. 1757). Nach dem Abzüge der Franzosen wurden
wiederum bauliche Veränderungen vorgenommen.
H>4 191 «M-
Die Gralkapelle wurde nach Schließung der Nikolaikirche für die Zeit
von 1860 — 69 der Nikolaigemeinde zum Gottesdienst überwiesen.
Die Gestalt, die der Gral im Jahre 1877 hatte, beschreibt Mithoff aus
eigener Kenntnis als „ein aus verschiedenen Teilen zusammengesetztes zwei-
stöckiges Fachwerkhaus von etwa 80 Schritt Länge mit einem durch beide
Geschosse reichenden Kapellenraum, über welchem ein Dachreiter sich erhob*'.
Drei Jahre später wurde das Gralhaus, als im hohen Grade baufälUg, mitsamt
dem zugehörigen Garten zum Zwecke der Erweiterung des Königlichen Land-
gerichts an die Justizverwaltung auf Abbruch verkauft Vom. Verkauf aus-
geschlossen wurden der Altar, die Kanzel nebst Zubehör, das gesamte feste imd
bewegliche Gestühl der Kirche einschüeßlich der Rückenlehnen an den Wänden,
die Glocke, die in der Kapelle befindlichen Bilder und die schon erwähnte Tafel
mit Inschrift Die Glocke, ein Werk J. C. Ziegners von 1708, ist später auf
dem Dach der Zentralfriedhofskapelle angebracht, eine Anzahl der kleineren
Kunstgegenstände verwahrt das Lüneburger Museum.
Die Zahl der Prövnerinnen war im Jahre 1880 fast ganz zusammen-
geschmolzen, da Neuaufnahmen nicht mehr stattfanden; die einzig überlebende
Gralmutter bewohnte eine Privatwohnung.
EIrst in den Jahren 1904/5 ist der Gral als städtisches Damenstift an der
Ecke der Volger- und Feldstraße von neuem erstanden. Der fest gemauerte
imposante Bau verheißt eine längere Lebensdauer, als alle seine Vorgänger sie
besessen haben.
Im Lüneburger Museum befinden sich die folgenden, aus dem Gral
stammenden Gegenstände:
1. Fünf geschnitzte, stark erhaben gearbeitete Gruppen vom ehemaligen Altare,
die Szenen aus dem Leben der heiligen Elisabeth darstellen, meist auf
landschaftlichem Hintergrunde. Perspektivisch zum Teil stark verzeichnet,
steckt doch viel inneres Leben in den Gruppen. Sie sind gotischen Ur-
sprungs und zeigen Spuren reicher Vergoldung und farbiger Bemalung.
2. Ein kleiner Altar aus Holz mit zum Teil vergoldetem Mittelbild aus Alabaster,
die Auferstehung darstellend. Das Bild wird von zwei Säulen mit ver-
kröpftem Gebälk eingerahmt Über dem Gebälk befindet sich ein Aufsatz
mit einem Bild aus Alabaster: Christus und eine Frauengestalt, und darüber
ein kleines Tympanon mit Gott Vater. Alle Flächen sind mit einem feinen
vergoldeten Ornament auf blauem Grunde bedeckt. Das Werk zeigt
italienischen Einfluß und gehört wohl ins 16. Jahrhundert.
3. Eine kleine farbige Kreuzigung aus Papiermasse, die auf einem Brett
befestigt ist. Neben dem Kreuz stehen Maria und Johannes, zwischen ihnen
und dem Kreuzesstamm ein Flachrelief, die Burg auf dem Kalkberge, die
Lamberti- und die Michaeliskirche darstellend.
4. Mehrere Figuren von Heiligen aus Eichenholz.
5. Eine Sammlung alter italienischer und deutscher Gewebe.
In den Ausgaberechnungen des Langen Hofes vom Jahre 1563 und lö66 Das Lazarett
finden sich 20 bzw. 66 Mark gebucht zur Erbauung „des gadeshuses odder ^ .J^ ^51.
->^ 192 «^
lazaretts vor dem Bardewikem dare^^ Die Erbauung dieses Lazaretts sollte zur
Abwehr der Pest dienen, jener schrecklichen Seuche, die Lüneburg im 16. Jahr-
hundert wiederholt heimsuchte und in den genannten Jahren besonders heftig
wütete. Das Lazarett lag weit von der Stadt entfernt am linken Ufer der
Ilmenau, genauer bezeichnet an der südwestlichen Ecke der sog. „6redenwisch'\
der Breiten Wiese, gegenüber dem Amtshause des Klosters Lüne. Da das
Hospital kein eigenes Vermögen besaß, beabsichtigte der Rat im Jahre 1666,
eine Hauskollekte zu veranstalten zwecks Ansammlung eines Kapitals, ein
Plan, der nicht ausgeführt zu sein scheint Noch im 19. Jahrhundert erhielt das
Lazarett von den Kirchenkollekten die Hälfte des Geldes aus einem schwarzen
Klingelbeutel, während die Hälfte aus dem roten an das Waisen- und Werkhaus
fiel. Als die Gefahr der Pestkrankheit vorüber war, wurde der Pesthof vielfach
schlechthin „die Breite Wiese^' genannt, als Anstalt für Irre und Schwachsinnige
eingerichtet, eine Maßnahme, durch welche die Lüneburger Stadtverwaltung in
der Geschichte der Irrenpflege einen führenden Platz erworben hat Im sieben-
jährigen Kriege wurden die 27 Insassen des von den Franzosen in ein Lazarett
umgewandelten Zucht- und Armenhauses in das Lazarett zur Breitenwiese
überführt 1816 ist das Irrenhaus aufgehoben und zwei Jahre später abgebrochen.
^ GotteBhänser.^ Kleinere sog. „Gotteshäuser'^ zur Aufnahme von Armen gab es in
Lüneburg mehrere. Der Bürger Tytke Ellenbarch und seine Frau Beke stifteten
im September 1432 eine westlich vom Pfarrhause von St. Johannis hinter ihrem
eigenen Wohnwesen gelegene Bude („am Schweinemarkt") für die Beherbergung
von 6 bis 7 oder mehr armen Jungfrauen und kinderlosen Witwen. Das Ellen-
barchsche Gotteshaus wurde von den Geschwomen der Johanniskirche verwaltet
und ist 1812 verkauft
Hylleke, die Witwe des Hans Blickershusen, traf am 28. August 1499
eine ähnliche letztwillige Verfügung. Drei hinter ihrem Hause gelegene Buden
an der Papenstraße (Fig. 179) sollten zu einem Gotteshause gemacht, „arme lüde
darinne to settende", und diesen jährUch 2 M. für Feuerung verabfolgt werden.
Das Haus ist 1811 durch Verkauf seiner Bestimmung entzogen.
Der sog. Kleine Kaland oder Rodengang hinter der Altenbrückermauer,
in jüngster Zeit zum Abbruch verurteilt, setzte sich, wie der nahe Sassenhof,
ebenfalls aus Freiwohnungen zusammen, die vermutlich von der Kalands-
brüderschaft gestiftet waren.
Dem gleichen Zweck gehörte bis zu seinem kürzlich erfolgten Abbruch
der benachbarte Kronenhof, so bezeichnet nach einem früheren Eigentümer
Namens Albert Krone (1632 ff.) und im Jahre 1697 aus den Mitteln eines
Testamente erworben.
Ein anderes Gotteshaus, das Doppelersche oder Dankwertshof, 1806
veräußert, lag am Schweinemarkt.
Die Mehrzahl dieser Gotteshäuser ist eingegangen, weil ihre Unterhaltung
aus den vielfach achtlos verwalteten Stiftungsmitteln nicht mehr möglich war.
Roter Hahn. Ks auf den heutigen Tag in seinem malerischen Reiz erhalten ist das
Gotteshaus zum Roten Hahn in der Roten Hahnstraße. Ein Hausbrief vom
-^ 193 %■*-
Januar 1478 gibt die älteste Erwähnung dieses Hofes. Jenerzeit gehörte ein
Haus „tem Roden Haue" dem Ratmann Hinrik Grpensen, und dieser mag sein
Besitztum selber zu einem Ootteshause bestimmt haben, denn er war durch
wohltätigen Sinn ausgezeichnet, und schon 1537 beißt dei Hof „hospitale quod
ad Rubeum Gallum vulgariter nuncupatur".
Die erhaltenen Gebäude des Stiftes bauen sich an der Straße mit
massivem Untergeschoß, einem in der Fläche hegenden Fachwerkgeschoß und
FtK- K. satt Bot«r Balw. Rola Hkhnitnae 14-1«.
drei vorgekragten Pachwerkgiebeln auf (Fig. 60). Die Fußstreben smd voll,
ohne weiteren Schmuck. Die Knaggen unter den Giebeln und den Schwellen
sind einfach profiliert Alle Fächer sind in Ziegeimustem ausgemauert. Der
hoka Giebel trägt am ausgeschnittenen Überlagsholm der Luke die Inschrift:
ANNO DNI 1576, der rechte Giebel an derselben Stelle die Zahl „1596". Um
den malerischen Hof liegen einstöckige Gebäude, teilweise in Fachwerk aus-
geführt Der nördhche Plügelbau ist massiv, mit Rundbogentüren und darüber-
hegenden Archivolten von Taustäben. In der Mitte eine Sandsteiuplatte mit
ANNO DNI 1631. An dem Hintei^ebäude die Inschrift; ANNO DOMINI 16*6.
-<-8 194 g^
In den Hintergebäuden befinden sich kleine Wohnungen, die den im Abschnitt
„Wohnhäuser imd Straßen'^ zu besprechenden Arbeiterhaus -Grundriß zeigea
Kikolaihof. Mit seinem reichen Besitz wohlerhalten ist endUch auch der Nikolaihof,
ursprüngUch ein Leprosenhaus, nach dem Erlöschen des Aussatzes eine Anstalt
für Prövner und Prövnerinnen. Die Geschichte dieses Hospitals, das zu den
großen Stiftungen der Stadt gehört, geht zurück bis in das 13. Jahrhundert Die
zugehörige Kirche ist vom Bürgermeister Hinrik Lange 1435 errichtet An dieser
Stelle scheidet der Nikolaihof aus, denn er lag von jeher außerhalb des Stadt-
bezirks und wird als zum Flecken Bardewik gehörig im Zusajnmenhange mit
den Kunstdenkmälem des Landkreises Lüneburg behandelt werden.
II Weltliche Bau^werke.
Das herzogliche Schloss.
Quellen: Sndendorfs Urkandenbuch; Volgers Urkandenbnch; Schomakers Chronik;
Gebhardi, Collectanea Bd. U, IX, Xni, XIV.
Literatar: Manecke, Top.-lÜBt. BeBchreibnngen S. 41; von Hammentein, Bardengan
S. 140 und 502; Mithoff, Eunstdenkmale S. 177; de Beaucaire, Eleonore Desmier d^Olbrenze
(ins Deutsche übertragen von Frh. Grote, 1886).
Die einzige bildliche Darstellung der im Februar 1371 zerstörten Burg Geschichte,
auf dem Kalkberge, „der Krone der Herrschaft Lüneburg^', besitzen wir in einer
Handschrift des Sachsenspiegels der Lüneburger Stadtbibliothek. Die Handschrift
ist nach ihrem Schriftcharakter tun die Wende des 14. Jahrhunderts entstanden,
so daß es obenein fraglich ist, ob der Zeichner die Burg aus eigener Anschauung
noch gekannt hat. Das betreffende Tafelbild stellt die Belehnung des Sachsen-
wittenbergischen Fürsten mit dem Herzogtum Lüneburg durch Karl IV. dar;
im Hintergrunde erhebt sich der Kalkberg imd auf seiner Kuppe das Weifenschloß.
Es besteht aus einem hohen Hauptgebäude mit einer HaUe im Obergeschoß imd
einem Flügelbau an der äußeren Längsseite; das Untergeschoß springt mäßig
vor und ist durch ein besonderes Schrägdach geschützt; an die innere Längsseite
schließt sich ein Parallelgebäude an und an den der Stadt abgewandten Giebel
ein drittes ansehnliches Haus. Die Gruppe wird überragt durch einen mit Zinnen-
kranz und Spitzhelm versehenen Rundturm, der inmitten eines Schloßhofes
gestanden zu haben scheint. Das Schloß war, wenn die Farbengebung des
Blattes nicht willkürlich ist, aus roten Backsteinen gebaut und mit einem
Kupferdache gedeckt*) Erhalten ist von den BauUchkeiten der Burg nur ein
romanisches Säulenkapitell aus Gipsmörtel, das vor Jahren im Schutt des
Kalkberges gefunden wurde und im Museum verwahrt wird, femer eine bei der
*) Mithoff reproduziert die Ansicht aus dem Sachsenspiegel Tafel XI.
25*
-<-8 196 8^
Beschreibung des Rathauses zu besprechende kunstvolle Tür mit Gangpforte und
Klopfring, die von den siegreichen Bürgern angeblich als Trophäe heimgebracht
worden ist imd noch zu Mithoffs Zeit (1877) das Hauptportal der Ratsküche,
d. h. des ältesten Rathauses, schmückte. Später ist sie in die Rathauslaube
überführt
Die Burg (castellum) war durch einen doppelten Mauerring befestigt
Das äußere Burgtor lag nahe der Gyriakskirche und führte zunächst zum
Michaeliskloster. Ob das sog. „Abtstor" (valva abbatis) die Außen- oder die
Innenmauer durchbrach, ist zweifelhaft. Von den Burgmannen, denen die Ver-
teidigung des Schlosses oblag, hatte wohl nur das Geschlecht derer vom Berge
seinen festen Sitz innerhalb der Burgmauern, die übrigen Burgmannenhöfe lagen
im Vororte Giimm oder in der Altstadt.
Nach der Zerstörung des Schlosses durch die Bürgerschaft blieb Lüneburg
ein Jahrzehnt hindurch ohne Fürstensitz. Im Jahre 1381 jedoch gelang nach
Schomakers Überlieferung dem herzoglichen Großvogte Everd von Marenholz der
Ankauf eines bürgerlichen Wohnwesens an der Ecke des Ochsenmarktes und
der Reitendendienerstraße, also an bevorzugter Lage im Mittelpunkt des städtischen
Verkehrs, dem Westflügel der Rathausgruppe gegenüber. Dieses Haus wandte
der Großvogt nach dem Ausdrucke der Chronik seinem Herzoge zu, xmd es blieb
fortan „der hertogen husz", wiewohl keineswegs als dauernde Residenz. Der
Lüneburger Rat wußte die eigenartige Beschränkxmg durchzusetzen, daß das
neue Schloß keine Küche haben durfte, und so war der Herzog, wenn er doch
in Lüneburg weilte, bis über die Mitte des 16. Jahrhunderts hinaus auf die
Gastlichkeit der Stadt angewiesen. Der feste Brauch, daß der Sodmeister ihm
alsdann täglich 8 Gerichte liefern mußte, ist in seinem Ursprünge noch nicht
genügend aufgeklärt
Heinrich der Mittlere soll das Schloß 1508 neu aufgebaut und mit den
Standbildern der Kaiser geschmückt haben. Stadtansichten des 16. Jahrhunderts
zeigen uns ein durch seine Höhe auffallendes Gebäude mit zwei Türmchen an
der südlichen Giebelfront und zahlreichen Fialen.
Einen abermaligen Neubau unternahm der letzte Celler Herzog, Georg
Wilhelm, um seiner Gemahlin, der Herzogin Eleonore, einen würdigen Witwen-
sitz zu errichten und die viel angefeindete hohe Frau der Sphäre des Hannoverschen
Hofes möglichst zu entrücken. Das alte Schloß wurde niedergelegt, dann aber
mißfiel die Lage, und der Herzog verschaffte sich durch den Ankauf mehrerer
Bürgerhäuser*) den großen Bauplatz zwischen Bardewiker- und Burmesterstraße,
so daß das neue Schloß die ganze Nordseite des Marktplatzes ausfüllte. Von
1693—98 ist unter dem Oberbaumeister Borchmann daran gebaut, bis zum
Jahre 1696 von dem italienischen Mauermeister Domeniko Antonio Rossi, der
zuvor in Paris die neuesten Bauwerke hatte studieren müssen. Im Januar 1696
maß der Italiener Jacob Perinetti die Zimmerdecken des Schlosses auf zur Her^
*) 1693 Mai 27 wurde für 5500 Thaler das Töbingsche Haus erstanden, 1695 Januar 29
für 5000 Thaler das Witzendorffsche Wesen, das zum Teil erhalten geblieben ist, 1697/8 fiir
3980 Thaler noch vier Bürgerhäuser.
H>4 197 8^
Stellung der Stuckarbeiten. Nach dem Ableben ihres Gemahls (August 1705)
siedelte die Herzogin nach Lüneburg über und lebte hier in aller Zurückgezogenheit,
bis sie im Jahre 1717 vom Kurfürsten und Könige Erlaubnis erhielt, nach Gelle
zurückzukehren, wo sie dem Verbannungsorte ihrer unglücklichen Tochter naher
war. Ein interessantes Möbelverzeichnis des Schlosses zu Lüneburg vom
12. Juni 1708 hat Beaucaire in seinem oben genannten Buche (S. 210ff.)
veröffentiicht
Nach dem Wegzuge der Herzogin hat das Schloß Mitglieder der fürst-
hchen FamiUe nur vorübergehend beherbergt. Ein Teil des Gebäudes wurde
herzoglichen Beamten als Dienstwohnung überwiesen, u. a. dem Amtsschreiber
und dem Zöllner (1750—85). Seit 1866 dient das Schloß als Kaserne.
Das Schloß liegt mit seiner Hauptfront an der Nordseite des Marktes. BeBchreibung.
Zwei Flügel, von denen der eine an die Bardewikerstraße grenzt, umschließen
einen düstem Hof. Die Außenseiten sind einfach ausgebildet Das Portal am
Markte wird von zwei dorischen Säulen eingefaßt, die ein schweres Gebälk mit
dem herzoghchen Wappen tragen. Im Innern ist nicht mehr viel erhalteut
Einige Flure sind mit ornamentierten Kreuzgewölben überdeckt, in den Wänden
sind Figurennischen angebracht, den Kämpfer der Gewölbe bildet eine schwere
Platte. Die Podeste der zweiläufigen Granittreppe zum ersten Geschoß sind mit
Kreuzgewölben überdeckt, deren Kämpfer durch Pilaster unterstützt werden.
Bemerkenswert sind drei farbige Stuckdecken im Erdgeschoß, deren Flächen
durch breite gegliederte Leisten mit dazwischenUegendem Ornament geteilt
werden. Eine reiche schöne Decke im Obergeschoß ist mit dem von Putten
gehaltenen Monogramm Georg Wilhelms geschmückt; femer ist noch eine ein-
fache, durch Leisten geteilte Stuckdecke vorhanden, mehrere andere sind 1903
und 1904 zerstört worden.
Das Rathaus.
Quellen: Urkunden, Akten, Kümmereirechnnngen des Stadtarchivs; Gebhardi,
Collectanea XIII; Volgers Urkundenbuch; Lüneburgs ältestes Stadtbuch.
Literatur: v. üffenbach, merkwürdige Reisen (t Teil [1710] hrsg. 1753, S. 497 ff.) 5
Albers, Beschreibung der Merkwürdigkeiten des Rathauses zu Lüneburg, mit 4 Tafeln (Lüne-
burg 1843), mit Zusätzen und Berichtigungen sowie einer Geschichte des Rathauses von
Volger 1856 herausgegeben vom Altertumsverein zu Lüneburg, Lieferung 3; Mithoff, Kunst-
denkmale S. 179 ff.; Bode, Ansichten der Stadt Lüneburg (Jahresbericht des Museumsvereins,
1879) ; Reinecke, das Rathaus zu Lüneburg (1903, Festschrift zur 21. Versammlung des Hanno v.
Provinzial-Lehrervereins S. 68 ff.) ; Stiehl, das deutsche Rathaus im Mittelalter (1905), S. 153 ff. ;
V. Benst, über die Luft-Heizungs-Anlage im Schloß Marienburg und dem alten Rats-Saal zu
Lüneburg, mit 4 Tafeln (1830); Reinecke, das Stadtarchiv zu Lüneburg (Jahresberichte des
Museumsvereins 1896/8); derselbe, aus dem Stadtarchiv (ebenda 1899/1901); derselbe, zur
Geschichte des Ratsweinkellers (ebenda); Behncke, Albert von Soest (Studien zur deutschen
Kunstgeschichte, 28. Heft, 1901 (vgl. dazu die Besprechung des Buches in den letztzitierten
Jahresberichten).
-^ 198 8^
Geschichte.*) In einer Urkunde für das Kloster Lüne, ausgestellt im August 1200
durch Wilhelm, den Sohn Heinrich des Löwen, zeigt sich die früheste Spur
eines Lüneburger Gemeinderates. Wo das älteste Rathaus der Stadt seinen
Platz gehabt hat, muß dahingestellt bleiben, denn wenn wir die Vermutung
aussprechen, daß es dem alten Markte nahegelegen habe, so gibt doch keinerlei
Ortsbezeichnung mehr davon Kunde, wo denn dieser seine Stätte hatte, ob am
Cyriakskirchhofe, ob vor der Sülze, ob, wie Dr. Sprengeil, ein kundiger Lokal-
forscher, es vermutete, am nordöstlichen Eingange zur Rübekule.
Das Rathaus am Neuen Markte konnte erst mit der Anlage eines solchen,
also erst dann entstehen, als die Stadt ihre alten Grenzen gesprengt und sich
nach der Ilmenau zu erweitert hatte. Sahen wir den Ausgangspunkt dieser
Entwicklung in der Zerstörung Bardewiks (1189), so darf als Endtermin das
Jahr 1244 gelten, denn in diesem Jahre führt ein Ratmann bereits den Namen
Johannes j,Niemarket", „de Novo foro".
Das älteste Gebäude der heute vorhandenen großen Rathausgruppe ist
äas jetzige Stadtarchiv. Im Gegensatz zum ganzen übrigen Gebäudekomplex
war das Haus bis in die jüngste Zeit hinein nicht unterkellert, der Rest des
ursprünglichen Mauerwerkes ist aus Gipsblöcken aufgeschichtet, und die Giebel-
front schaut südwärts, d. h. nach der Saline und der Altstadt. Alle drei
Momente sprechen für das hohe Alter dieses Gebäudes, dessen Entstehungszeit
durch die genannten beiden Daten näher bestimmt wird; seine Größenverhältnisse
aber, 15 m Länge . bei 6 V2 ni Breite, sind ansehnlich genug, daß wir in ihm
nicht nur den Kern der Rathausgruppe erkennen, sondern das Gebäude für sich
genommen als das älteste Rathaus der erweiterten Stadt bezeichnen dürfen.
In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts kam das Brennen von Ziegeln
in Lüneburg auf. Im Februar 1282 wird zuerst ein Ratsziegelhaus erwähnt,
und aus dem Jahre* 1295 hören wir, daß auf dieser Ziegelei Hohlsteine („holsten",
Mönch und Nonne) zum Decken von Häusern angefertigt wurden. Es ist die
Zeit, in welcher das Rathaus in der Ratskapelle zum Heiligen Geist seine Ergänzung
erhielt (vgl. oben S. 175), und diese Kapelle mag eines der ältesten Backstein-
bauwerke Lüneburgs gewesen sein. Die Heiligengeistkapelle schloß sich, durch
einen vermutlich von vornherein überbauten Zwischenraum getrennt, im rechten
Winkel an den Nordgiebel des Rathauses an. Anscheinend lagen die West-
fassade der Kapelle und die des Rathauses in einer Fläche, während nach
Osten zu Schiff und Chor der Kapelle, wenigstens in späterer Zeit, soweit etwa
vorsprangen, wie nach Süden hin der Frontgiebel des Rathauses.
*) Die nachfolgende Darlegung ist der erste Versuch, die Baugeschichte des Lüne-
burger Rathauses, bekanntlich eines der interessantesten Profanbauwerke Deutschlands, an
der Hand der urkundlichen Überlieferung zu erforschen. Die Bedeutung des Gegenstandes
machte es zur Pflicht, die wichtigsten Quelienstellen im Wortlaute einzufügen. Hat die
Lesbarkeit des Aufsatzes dadurch nicht gewonnen, so ist doch die Möglichkeit gegeben, die
Ergebnisse der Untersuchung, zumal die Schlüsse des Bearbeiters, im einzelnen nachzuprüfen.
Dem Aufmerksamen wird es nicht entgehen, daß eine Anzahl von Fragen offen bleibt Vor-
aussichtlich wird das noch ungeordnete Material des Stadtarchivs in absehbarer Zeit die
Lücken schließen.
->^ 199 8^
Unter Herzog Otto dem Strengen (1277—1330) soll nach einer Über-
lieferung Gebhardis Lüneburg zuerst den Schmuck weiter und hoher Bauten
erhalten haben und insbesondere das Rathaus, die „curia senatorum^', höher
aufgeführt, mit Tünnen versehen und imi des stattlicheren Eindrucks willen von
der Nachbarschaft einiger engen Straßen befreit sein. Die ältesten Kämmerei-
rechnungen der Stadt, die bisher aufgefunden sind, entstammen den Jahren
1321, 1328 und 1330 und ermögUchen eine gewisse Kontrolle jener Nachricht. Da
werden 5 M. und 5 Schilling „ad prelobiimi", zu einer Vorlaube, einem über-
dachten Vorbau, ausgegeben, und auf dem Neumarkt wird ein gepflasterter
Weg (via lapidea) hergestellt (1321); Nicolaus Garlop und Borchard Hoyers
erhalten als Bauherren 256 M. „ad edificandum celarium vini^', zur Erbauung
des Batsweinkellers, femer 63 M. für den Einkauf von Wein (1328); da ist
endlich geradezu von einem Neuen Rathause die Rede, woselbst ein Estrich
gelegt wird („in novo consistorio ad pavimentum" 1330). In der Tat ist also
gegen Ausgang der Regierung Otto |des Strengen ein neuer Rathausbau entstanden,
und zwar, wie wir noch sehen werden, ein Parallelbau zum ältesten Rathause,
die jetzt sogenannte Laube in ihrer ersten Gestalt.
Schon um die Wende des 13. Jahrhunderts war die Rathausgruppe nach
einer anderen Richtung hin vervollständigt. Eine Aufzeichnung der städtischen
Einkünfte, die wir dem ersten Rektor der Heiligen Geistkapelle verdanken, stellt
die Erträge aus den Ständen und Kisten des „Gewandhauses^^ voran. Dieses
städtische Gebäude mit seinen Verkaufsstellen für die Gewandschneider war
in Lüneburg, wie in Braunschweig, Lübeck und vielen anderen Städten, mit
dem Rathause unmittelbar verbunden. Aus späteren Quellen geht hervor, daß
der Mittelbau der jetzigen östUchen Rathausfront als Gewandhaus diente, und
schon in jener Quelle von 1302 wird ein unteres und oberes Gewandhaus unter-
schieden („inferior'^ und „superior domus pannicidarum^^ „ad pannum incidendum'^) ;
ersteres erkennen wir über dem Vorsaale des heutigen Ratsweinkellers, das
letztere ist nur durch ein schmiedeeisernes Gitter von der Rathaushalle geschieden,
und zeigt noch die Spuren seiner einstigen Bestimmung, obschon es durch einen
Vorbau vöUig verdunkelt ist.
Aus der für die Baugeschichte des Rathauses vermutlich sehr bedeutsamen
Zeit vom Tode Otto des Strengen bis gegen Ausgang des Erbfolgekrieges fehlt
bisher jede einschlägige Oberlieferung, denn diese setzt erst mit einer Rechnung
der Ratsbauherren von 1386/88 wieder ein. Hier nehmen folgende Eintragungen
auf das Rathaus Bezug. Dytmar Teygeler, der 75 000 Steine für ein unbezeich-
netes Bauwerk liefert, erhält 14 SchilUng „vor den oven to makende"; „by
deme wanthuse" werden die Rönnen geteert; Steinwerchten, d. h. Steinmetzen
oder Maurer, arbeiten mit ihren Handlangern an „des rades domsen"; Stein-
brügger pflastern „vor dem winkelre und den scherbuden"; 5^2 M. werden
ausgegeben „vor dat raathus und des hilghen gheistes kerken uppe dem
markede to bestighende", d. h. für die Ausbesserung der betreffenden Dächer; „bi
des raades kokene" wird ein Bretterzaun gezogen. Zur Erläutenmg der wort-
kargen Posten ist einiges hinzuzufügen. Der erwähnte Ofen scheint uns der
Ofen des Rathauses zu sein, derselbe, der in jüngeren Rechnungen gemeint ist.
H>^ 200 8->-
wenn wir alljährlich eine Ausgabe für den Rathausschließer gebucht finden
„vor den oven to bittende". Es ist die Luftheizungsanlage, der sog. „pipoven"
(Röhrenofen) unter der Laube, und die jetzige Laube identisch mit „des rades
dornse", denn die Dömse ist eben der heizbare Raum eines Hauses. Burger-
meister und Ratmannen stellen im Oktober 1390 eine Urkunde aus „in
estuario consulari, in quo solito (ad reddendum jura et respondendum
questionibus hominum) hyemali tempore congregantur", offenbar die lateinische
Umschreibung für den einfachen Ausdruck „domse"; die Dömse bildete demnach
den Wintersitzungssaal des Rates, während die öffentliche Betätigung der
Stadtoberen zur Sommerszeit nach altgermanischem Brauch imter freiem Himmel
vor sich ging. So heißt es in einer Bekundung vom 13. September genannten
Jahres, daß einige Bürger vor dem Rate erschienen seien „de do under dem
rychtehuse sammelt was".*) Die Notiz der Rechnung, daß beim Wandhaus
die Rönnen geteert wurden, führt, da jener Zeit nur eine Rönne zwischen zwei
Paralleldächem gemeint sein kann, zu dem Schlüsse, daß sich unmittelbar neben
dem Wandhause ein anderer Bau erhoben hatte, und die Wendung „under
dem rychtehuse" ist zwanglos dahin zu deuten, daß dieser Bau sich an der
nördlichen Längsseite an das Gewandhaus anschloß. Noch im 19. Jahrhundert
war die Stätte der peinlichen Gerichtsbarkeit des Rates jene durch ein Gitter
eingefriedigte Nische an der Nordostecke des Rathauses, und es ist von vorn-
herein wahrscheinlich, daß diese Gerichtsstätte all die Jahrhunderte hindurch,
nicht erst seit 1607, wo sie ihren Bilderschmuck erhielt, dieselbe geblieben ist
Eine solche Voraussetzung erklärt „das Richtehaus" als das Haus über der
Gerichtsstätte, was natürlich nicht ausschließt, das es in seinem Innern, sei es
ganz oder zu einem Teile, ebenfalls den Bedürfnissen der Rechtspflege
vorbehalten war.
Vielsagend ist der Hinweis auf „des rades kokene". „Die alte Rats-
küche", so heißt heutzutage noch das Gebäude des jetzigen Stadtarchivs. Es
ist nach den obigen Darlegungen das älteste Rathaus selber, das schon in der
ersten großen Blüteperiode der Stadt als Rathausküche eingerichtet worden ist
Das Bedürfnis nach einer Ratsküche zeigt am ansch«ulichsten, welche
Bedeutung mit dem wachsenden Ansehen Lüneburgs der vornehmste Profanbau
der Stadt gewonnen hatte. Lange vor der ersten großen Hansetagung im
April 1412 lassen sich im Lüneburger Rathause ansehnliche Versammlungen
von Fürsten und Ratssendeboten nachweisen; da fand der gastliche Brauch
nach dem Ernst der Geschäfte Veranlassung genug zu froher Bewirtung, auch
wurde es schon im 14. Jahrhundert üblich, daß größere Feste, sei es des Gesamt-
rates, sei es einzelner Ratsfamilien, in den Räumen des Rathauses gefeiert
wurden. Von Interesse und mit dem Ansehen des Platzes am Herd wohl
*) Die allgemeinere Fonn „coram consulibns in domo consulatos^, „vor dem rade
uppe dem radhuse^, ist sonst schon in den Urkunden des 14. Jahrhunderts die übliche.
Besonders wichtige Versammlungen wurden durch einen vereidigten Ratsboten einberufen.
Als im November 1453 drei Bürgermeister und 13 Ratmannen zusammentreten, um den
vierten Bürgermeister, Albert van der Molen, nach Rom zu entsenden, heißt es, „ad vocem
nuncii nostri jurati more solito in domo consulari congregati^.
->^ 201 8^
vereinbar ist es, daß die Ratskücbe trotz ihrer wirtschaftUchen Bestimnmng
auch fernerhin gern für Versammlungszwecke benutzt wurde. Zumal im Prälaten-
kriege spielten sich einige Hauptszenen der Handlung „in des rades kokene"
ab. Hier unterwarfen die Herzöge, Prälaten und Mannen ihre MißheUigkeiten
mit dem Rate im Mai 1452 einem Schiedsgericht, hier wählte die Bürgerschaft
den Sechzigerausschuß, hier wurde dem abdankenden Ratskollegium in Gegenwart
der Verordneten Lübecks und Hamburgs die Unverletzlichkeit eidlich: zugesichert,
hierhin wurde Bürgermeister Springintgud aus seinem Einlager vorgeladen, und
von hier mußte er seinen Gang in den Turm, d. h. seinen Todesgang, antreten.
Und immer reicher wurde die Rathausgruppe ausgestaltet. Im Süden
schloß sich an das Gewandhaus die vor 1375 nachweisbare Stadtwage an,
nicht unmittelbar, sondern durch ein städtisches Wohnhaus davon getrennt
Im März 1410 nimmt ein Bürger die Wage der Stadt mit allem Zubehör, ein-
schließUch des Hauses „by dem seygertome allemegest belegen unde mit dem
hove unde make de darto boren" für 300 M. in Pacht. Identisch mit diesem
Wohnwesen scheint ein städtisches Besitztum zu sein, das in Mietsverträgen
von 1374, 1376 und 1384 bezeichnet wird als „bei der Treppe belegen, auf der
man zum Wandhause hinaufsteigt", „prope gradus quibus ascenditur ad domum
panniscidarum".
In dem soeben angezogenen Pachtbriefe erhalten wir auch die erste
urkundliche Erwähnung eines Rathausturmes, der als „seygertorn" mit einem
Uhrwerke verbunden war. Die Jahreszahl 1385 der Rathausglocke gibt uns ein
Recht, die Vollendung dieses Turmes bis ebendahin zurück zu verlegen. Die
Rathausglocke ist die älteste datierte Glocke der Stadt und hat ihren ehrwürdigen
Platz als das einzig Bleibende bei den zahlreichen Umwandlungen ihres Gehäuses
bis zur Gegenwart behauptet
Nahe dem Rathause haben wir auch den städtischen Eichhof zu suchen,
wo die Ratmannen 1391 und 1397 versammelt sind. Im Jahre 1410 vermietete
der Rat einem der Stadtbedienien ein Wohnhaus nebst einem Gange, der zum
Brunnen im „Amehove" führte. Eine Ratsdienerwohnung befand sich bis über
die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus an der Wagestraße, westlich von der
Ratsküche, und nördlich davon muß der Eichhof gelegen haben, denn ein Haus
an der Nordseite des Ochsenmarktes, das der Rat im Jahre 1400 an den Bürger
Ludolf von Wynsen verkaufte, lag dem Amehof gegenüber („ex opposito ciurie in
vulgo dicte Amehoff").
Weniger genau ist die Lage der gleichzeitigen Ratsschreiberei zu bestimmen.
Daß auch sie von Anfang an mit dem Rathause verknüpft war, möchte man
als selbstverständlich annehmen; aber ein Hausbrief vom Mai 1418, der die
Schreiberei beiläufig zum ersten Male nennt, macht uns ihre Belegenheit nicht
klar. Von einem zum Verkauf gelangenden Privatbesitztum wird ausgesagt, es
befinde sich „citra scriptoriam, in latere versus occidentem, in platea per quam
directe ascenditur a platea Pistorum ad Novam salinam^^ Als Käufer tritt ein
Bürger Namens Eghard Snewertinge auf. Nun erwähnen zwei Urkunden vom
Ausgange 1433 „de olde scriverie", die in eine Doppelwohnung umgewandelt
ist und zur einen Hälfte dem Stadtschreiber Johann von Minden, zur andern
26
->^ 202 8^
der Witwe eines Ratmannes auf Lebenszeit überlassen wird. Die alte Schreiberei
ist mit jener „scriptoria'^ identisch, denn sie liegt neben dem Erbe des Ecgerd
Snewerdingh, eine Gewißheit, die uns freilich die örtliche Bestimmung nicht
erleichtert Um so wertvoller ist der Ausdruck „alte" Schreiberei, denn er läßt
erkennen, daß spätestens im Jahre 1433 eine neue Schreiberei (vielleicht nur in
Gestalt eines Anbaues) angelegt war. Eine Abrechnung zwischen Verordneten
des Rates und Vertretern des Verdener Bischofs erfolgt ,,in der scrivekamere
des radhuses to Luneborch" (1439); wir verzeichnen auch diese Nachricht,
halten jedoch die Benennungen „Schreibkammer" und „Schreiberei" nicht für
gleichbedeutend.
Einer Kämmereirechnung von 1428 ist zu entnehmen, daß der Mauer-
mann Peter van Servest (Zerbst) mit seinen Knechten in der Ratsküche einen
Estrich legte*), daß zwischen den Uhrturm und das Wandhaus eine Rönne
gelegt wurde, daß Badergesellen am Röhrenofen arbeiteten und Hans van dem
Hagen „boven unde neden", wenn wir richtig verstehen, in der Laube und in der
Küche, Glasfenster ausbesserte. „In domo consulari superiori", also im oberen
Rathause, verkündete der Bischof von Lübeck 1447 seinen Schiedsspruch im
Streite des Rates mit dem letzten Archidiakon von Modestorf, und die Laube
oder das obere Rathaus ist wohl auch gemeint, wenn der Stadtschreiber die
Sülzkonkordie von 1457 im „größeren Saale" (in aula majori) zur Verlesung bringt
Erst vom Jahre 1443 an sind die städtischen Kämmereirechnungen ohne
nennenswerte Unterbrechung erhalten, und damit fließt dem Forscher für die
Baugeschichte des Rathauses eine Fülle von Einzelangaben zu. Leider sind
alte Rechnungsbücher ein spröder Arbeitsstoff. Die Eintragungen sind in ihrer
Fassung durchweg dürftig und oft von einer Zurückhaltung, die rätselhaft
erscheinen könnte, wenn sie nicht durch die mangelnde Einheitlichkeit des
mittelalterlichen Rechnungswesens erklärt würde. Für das Rathaus kommt
verdunkelnd der Umstand hinzu, daß hier manches schöne Stück der Einrichtung
und Ausstattung durch Schenkung überwiesen ist und daher unter den Aus-
gabeposten der betreffenden Jahre nur zufällig einmal erwähnt wird. Dennoch
bleibt der Einzelforschung ein mannigfaltiges Material, das hier, wo es sich nur
um die Aufstellung eines organischen Gerippes handeln kann, keine Berück-
sichtigung findet.
In den ältesten Rechnungsbänden suchen wir aus stilistischen Gründen
zunächst einen Aufschluß über den Bau des Fürstensaaiea, über die Entstehung
der an die Laube anstoßenden Gemächer und die BIrrichtung des Kämmerei-
gebäudes. Merkwürdig genug setzt ein umfassender Ausbau der Rathausgruppe im
Jahre 1449 ein, also gerade in einem Zeitpunkte, als die Schuldenlast der Stadt
ihren höchsten Stand erreicht hatte, während man doch meinen sollte, daß der
Prälatenkrieg mit seinen Vorwehen und Nachwirkungen erst hätte verwimden
sein müssen, ehe dem Rat größere Summen für bauliche Zwecke zur Verfügung
standen. Es war das Wandhaus, für welches in den Jahren 1449—60 erhebliche
*) £8 geschah anläßlich einer Hanseversammlung, die nach dem Sonntage Letare
stattfand, so daß sich die Bewirtung ans der Ratsküche auf Fastenspeisen beschränkte.
-^ 203 8^
Aufwendungen gemacht wurden. Die nicht näher erläuterte Hauptausgabe
„tom buwe des wandhuses", rund 722 M., erfolgte 1453, nachdem im Jahre
vorher unter anderem 21 000 glasierte Steine angekauft waren. Für einen Platz
„auf der Laube vor dem Wandhause" fertigte Meister Tue ein eisernes Gatter
(1455), und 1460 wurden die „tynappele" abgeliefert, die den neuen Giebel über
dem Wandhause krönten. Man ist versucht, die Erneuerung des Wandhauses
mit dem Aufbau des darüber liegenden Stockwerkes, eben des Fürstensaales, in
Zusammenhang zu bringen, und findet dafür leicht allerlei Anhaltspunkte.
Zunächst befremdet es, daß die gewohnten Mietseinnahmen des Rates aus den
Wandkisten seit 1452 von Jahr zu Jahr zurückgehen; der eigentliche Zweck
des Baues kann darnach aus dem Bedürfnisse der Wandschneider nicht erklärt
werden, sondern muß ein anderer gewesen sein. Sodann werden im Herbst 1450
Matten für die Fenster „uppe dem Nigen huse" angeschafft, und 1451 wird
„dat lange hus" gedeckt — zwei bemerkenswerte Eintragungen. Durchweg \mter-
scheiden nämlich die Rechnungen jener Jahre vom Rathause im engeren Sinne, also
der jetzigen Laube, die Küche und die Schreiberei; der Ausdruck „neues Haus"
weist auf etwas Hinzugekommenes, und ebenso die Benennung „langes Haus",
die hier zuerst auftritt; beide Namen gelten wohl dem neuen Wandhause als
Träger des geräumigen Festsaales im Obergeschoß. Trifft unsere Folgerung zu,
so muß in jener Bauperiode auch die Alte Kanzlei entstanden sein, ein Raum,
der tmter dem Fürstensaale liegt und sich mit seiner schmalen Eingangs-
seite an die Laube, mit seiner inneren Längswand südlich an das Wand-
haus anschließt. In der Tat wird 1457 von Meister Tue ein Schap auf der
„Neuen Kammer" beschlagen, und für die „Neue Kammer" oder das „Neue
Gemach" liefert der Snitker Andresz die Fimiierung und der Maler Hinrik
Gronouw bunte Fenster (14 Tafeln mit Schilden, 1460). Immerhin sind die
angeführten Notizen mehrdeutig — man könnte auch an die Erbauung des
später sogenannten Kämmereigebäudes, der Schreiberei, denken — aber jüngere
Ausgabeposten der Rechnung schließen jeden Zweifel aus. Im Jahre 1464
wird ein Anker angebracht „an der Ecke im neuen Giebel des neuen Rathauses",
und Hinrik Gronouw bezieht 1467 seine Bezahlung für Fensterwerk „in des rades
nigen huse uppe dem markede", ein Hinweis, unter welchem nach zahlreichen
Belegstellen nur der große Marktplatz östlich der Rathausgruppe verstanden
werden kann. Damit sind die Daten für die Entstehung des später sog. Fürsten-
saales festgelegt, sie werden begrenzt durch die Zahlen 1449—64.
Es ist nicht anders denkbar, als daß bei der Neugestaltung des Mittel-
baues die ganze östliche Rathausfassade in Mitleidenschaft gezogen wurde, und
die Bezeichnung im „neuen Giebel des neuen Rathauses" weist ausdrücklich
darauf hin. Wahrscheinlich ist auch der Rathausturm schon damals verändert
worden. Auf den um die Mitte des 15. Jahrhunderts entstandenen drei ältesten
Ansichten der Stadt ist an der Marktfront des Rathauses nur ein einziger Turm
wahrnehmbar, der „seygertom", ein viereckiger Unterbau mit einem von Säulen
getragenen spitzen Helmdache. Anders auf einer Stadtansicht im Fürstensa^le.
Hier sehen wir einen mit mehr als acht Geschossen im Sechseck emporstrebenden,
reich gegliederten Mittelturm, der auf beiden Seiten von je zwei Türmen (Fialen)
26*
-^ 204 g^
verschiedener Höhe flankiert wird. Die Entstehung des Bildes, dem diese Stadt-
ansicht als Hintergrund dient, geht in das 15. Jahrhundert zxurück, da es in
jüngeren Zeiten jedoch wiederholt übermalt ist, bietet es für die Datierung der
fünftürmigen Fassade keine ausreichende Grundlage. Auch hier geben die
Kämmereirechnungen die erwünschte Klarheit Die Ausgaben für den Turm,
soweit sie als solche gebucht werden, sind nicht zahlreich. E]in gewisser
Clovestene erhält 10 M. „vor de schiven [die ührscheibe, das Zifferblatt] to
malende an dem zeygertome uppe dem markede" (1445), und „uppe dem tome
dar de zeyger hanget'^ werden Fenster ausgebessert Im Jahre 1464 geschieht
eine größere Ausgabe. Maurer und Zimmerleute beziehen rund 122 M. „den
piler tome tome to makende", für 48 M. Kalk wird dazu verwandt, 46 M. werden
für Anker ausgegeben und 17'/2 M. wiederum „vor den zeyger to verdigende".
Im Jahre 1464 ist also mit dem Pfeiler zum Turme, d. h. dem Mittelturme
selber, eine gewichtigere Veränderung vorgegangen, und da 1475 auch die Türme
über dem Weinkeller bereits erwähnt werden, so ist es offenbar, daß die neue
Ostfassade, wie jene Stadtansicht sie uns vorführt, nach Beendigung des Prälaten-
krieges entstanden ist — ein Denkmal der Wiedererstarkung des alten Rates.
Hier und da ist in alten Nachrichten, z. B. im Lobgesange des Lucas
Lossius auf das schöne Lüneburg (1566), von einem sechstürmigen Rathause
die Rede. Der sechste Turm ist nicht etwa ein Dachreiter der Hl. Geistkapelle,
sondern ein in seinem Unterbau erhaltener Treppenturm an der Südwestecke des
Rathausvorbaues.
Von der Erbauung des Alten Archivs und der Körkammer bekonmien
wir aus dem archivalischen Material kein deutliches Bild. Eine „lutke kamere vor
deme radhusze" erhält 1491 einen Fensteranstrich durch Hans Elptzenrad, der im
nachfolgenden Jahre diese Kammer bemalt. Man ist geneigt, diese Notiz auf
die Körkammer zu beziehen, da die Malerei über dem Kamin daselbst das Datum
1491 trägt. Es kann jedoch auch ein Gemach gemeint sein, das, wie wir noch
sehen werden, sonst als Laube bezeichnet wird. Jedenfalls ist neben Eptzenrad
auch Gherd Wulf zu nennen, der 1495 eine Nachzahlung erhält für die Fenster
„uppe der lutken nyen kamere uppe deme radhuse" und für die Fenster „in
der lutken malden kamere benedden deme radhuse in nye bly to stande^^
Das Alte Archiv trägt am Gewölbe die Zahl 1521; sie bezieht sich wohl
auf die Einspannung dieses Gewölbes, denn der Raum als solcher muß wegen
des wunderlichen dunklen Stufenganges zur Körkammer älter sein als diese.
Die handschriftlichen Quellen bringen hier keinen festen Anhalt
Das jetzt sog. Kämmereigebäude hieß noch im 1 9. Jahrhundert die Schreiberei
und wird von alten Lüneburgem noch heute so bezeichnet. Aus seiner Erbauung sind
in den Jahren 1476 ff. alle diejenigen Ausgaben erwachsen, welche entweder die
„scriverie" geradezu nennen oder „deme nyen buwe by deme radhuse" zugeschrieben
werden. Die Kämmerer bezahlen im genannten Jahre u. a. 47 1/2 Tausend Mauer-
und Formsteine, 550 Pfund Glasur („glades"), 116 Wispel Kalk, 4^2 Tausend
Dachsteine, ferner einen größeren Posten Schiefersteine, die aus Braunschweig
bezogen wurden. Das Gebäude ist in kurzer Zeit in die Höhe gebracht In
demselben Jahre noch finden wir eine Ausgabe für Blei, Kupfer und Gold, „dat
-^ 205 8-i-
qwam io den tynappeln und uiume de rönnen hehr^', und der Maler Hermann
Ohmes erhält 14 M. ,.vor 10 Schilde, 1 sunne unde 8 stemen to snidende unde
to vorguldende unde dat gebüw vor uth to strikende". Bis zur Vollendung des
Baues verstrieben immerhin noch mehrere Jahre; 1480 erst wurden die preußischen
Dielen verarbeitet für die beiden R«(ggenboden im Dachgeschoß, und 1481 empfing
Cord Snytker 77 Mark „vor soven beide de in de scriverie qwemen to stände".
Allem Anscheine nach sind es die sieben geschnitzten Heiligenbilder, die dem
Gebäude bis zur Gegenwart geblieben sind, drei an der Giebelfront, vier an der
Längsseite nach dem Marienplatze hin. Eine Position des Jahres 1482, wonach
„dat nyge buw gedecket und de gefel nyge gemaket" wurde, bezieht sich wohl
auf die letzten Ablieferungsarbeiten; von der Gesamtsumme von ca. 55 M. bezog
u. a. Hermen Ohmes 3 M. „vor de schilde to renoverende unde de vluger to
vorguldende".
Es ist im Vorangegangenen wiederholt der Ausdruck „Laube" angewandt,
und zwar nach dem Brauch der Gegenwart für den reich bemalten, mit einem
Tonnengewölbe überdeckten Saal mit dem Ratstuhl. Dieser Sprachgebrauch ist
jüngeren Ursprungs. Die jetzt sogenannte Laube heißt in Urkunden und Rech*
nungen das ganze Mittelalter hindurch „das Rathaus", und wenn bis um 1700
der Ausdruck „Laube" begegnet, bedeutet er etwas anderes als heute. „Laube",
so hieß ehemals nicht jener gewölbte Raum mit seinem durchbrochenen Süd-
giebel, sondern im weiteren Sinne die davor liegende Eingangshalle, im engeren
eigentUchen Sinne ein Ausbau derselben nach dem Ochsenmarkte hin. Wir
erinnern uns, daß sich an dieser Stelle im Erdgeschoß die Ratskapelle zum
Heiligen Geist befand. Die niedrigen Gewölbe dieser Kapelle trugen die Rat-
haushalle, während die Laube entweder in ganzer oder, was wahrscheinUcher
ist, in halber Breite der Halle über das durch die Kapellengewölbe gebildete
Untergeschoß vorsprang. Mit dem Rathaus hat die Laube im Wechsel der
Jahrhunderte mannigfache Umbildungen erfahren, bis sie von der Straßenfront
ganz verschwand und der Name an dem Ratssaale haften blieb, der sich in
dem alten Langbau von jeher an die Laube anschloß und mit ihr ein einheit-
hches Ganzes bildete.
Hier die Belege. Ein „prelobium" wurde bereits 1321 erwähnt und
sinngemäß durch die Übersetzung „Vorlaube, überdachter Vorbau" wiedergegeben;
schon damals also war das Rathaus mit einem Anbau ausgestattet, der in erster
Linie, wie sich aus jüngeren Quellen ergibt, für Kundgebungen des Rates an die
versammelte Bürgerschaft bestimmt war. Die Laube wurde von 1409/12 neu
aufgebaut, vermutlich an ihrem alten Platze. Eine von Büttner im Auszuge
überlieferte Bauamtsrechnung jener Jahre enthält die Posten: 94 M. „vor de
rathuses loven to buwende", 9*/2 M. „vor sten, Ion, lern to der radhuses lovene",
14 M. „vor de rathuses domse to astrekende unde de loven to malende". Die
letzte Nachricht unterscheidet die Rathauslaube ausdrücklich von der Rathaus-
dömse, d. h. dem Ratssaale mit dem Röhrenofen. Ähnlich 1460, als Curd Snitker
Blei zu den Rönnen „auf das Rathaus" liefert und einen „tynappel", der „uppe
dem lowenhuse" prangen soll. „To deme kapfinstere vor der loven" hatte
Gronouw im Jahre vorher Fenster geliefert. Die Umrißlinien der Laube sind
->^ 206 8^
dadurch angedeutet. Ein Lauben haus mit bekrönendem Kopf setzt eine
besondere Bedachung voraus,*) und das „kapvenster", nach Lübben-Walther ein
„Guckfenster, kleines Dachfenster", muß hier eine Utlucht, ein Erker gewesen
sein. Wie es scheint, wurde die Laube von zwei Pfeilern getragen, denn es
heißt 1471, daß „de twe pylre vor deme rathuse" wiederhergestellt und ver-
ankert worden seien. Der Giebel über der Laube („baven der lovinge") ver-
ursachte 1478 einige Ausgaben, und zehn Jahre später wurden „im Rathaus,
up der loven, und in der Ratsküche" — wieder sind die verschiedenen Räumlichkeiten
selbständig nebeneinander gestellt — Fenster repariert Aus dem Jahre 1489
erhalten wir den für die geplante Erneuerung der Rathaushalle beachtenswerten
Hinweis, daß die Haupttreppe zum Rathaus gleich der Laube überdacht, also
entweder in gerader Richtung weit nach außen vorgeschoben war**) oder, wie
etwa beim Göttinger und Lübecker Rathaus, von der Seite aus hinaufführte.
An den „gadderen uppe der lovinge" vor dem Rathause wurde 1496 und 1498
gearbeitet, und es sei wiederholt, daß „auf der Laube vor dem Wandhause"
— hier war unter der Bezeichnung Laube die ganze Rathaushalle verstanden —
schon 1455 ein eisernes Gitter angebracht wurde. Noch jetzt wird der obere
Wandhaussaal von der Rathaushalle durch ein kunstvoll geschmiedetes Eisengitter
abgeschlossen. Eine neue Hochzeitsordnung, die der Rat 1513 bekannt machte,
hing „uppe der lovyen" auf einem dazu angeschafften neuen Brett.***) Häufige
Aufwendungen verursachten die Fenster der Laube. Im letztgenannten Jahre
verausgabten die Kämmerer 15 M. für Blei und Arbeit zu den drei Fenstern
„baven der lovyen des rathuses to deckende", und Hinrick Reymers erhielt
2 M. für die goldenen Knöpfe und Bleiweiß dazu. Nach einer anderen Notiz
waren die Fenster „up de loven" bezeichnender Weise mit den Bildern der
Propheten geschmückt, die 1515 neu in Blei gefaßt wurden. Ein gewisser Stapel
lieferte 1526 für das Rathaus eine beträchtliche Menge „Tafeln", Fensterscheiben,
u. a. 16 „grote tafel in dat fijnster uppe de lofen", 4 Schildtafeln zu je 12 und
die anderen zu je 8 Schill., ferner 8 Tafeln „baven in dat kapfijnster", 4 Schildtafeln
und 4 sog. „rijttafel", Bruchscheiben. Die Bezeichnung Kapfenster an dieser Stelle
darf an der oben gegebenen Deutung nicht irre machen. Das „kapvinster" wird 1527
zweimal erwähnt, einmal als das Fenster, das andere Mal als das Kapfenster
„dar men de bürsprake affsecht" ; es wird vom Glaser ausgeflickt und gewaschen,
und Mester Hans Kyltenhoff bemalt es und streicht das Dach bleiweiß an«
Allerdings wird um die nämliche Zeit neben einem Kapfenster „to dem nijgen
sale" auch ein solches „vor der sijsebode" und ein drittes „baven der groten
dare" (über dem Hauptportal des Rathauses) angeführt, und das letztere muß
gleichfalls der Rathaushalle, der Laube im weiteren Sinne, ihr Licht zugeführt
und zu ihr gehört haben.
Unter dem Titel „tor loven vorbuwet" sind 1539 mehrere Ausgaben
zusammengefaßt, deren größte (33 M.) dem Zimmermann Herten zufließt; da
*) 1502 wird „baven der lofen" gedeckt.
**) 11 8. 4 <«$ „dat dack to vligende boven der treppen tome radhuse, dar weren
welke leke".
***) 1550 hing eine Ordinantientafel „vor der [Rats-] Kapelle*^
H>4 207 »^
werden 2000 Dachsteine gekauft und 7 Wispel Kalk, 36 Tannendielen, 1 Schock
Latten, 3 große Tanneubalken „to den underslegen beider bonen upper loven",
sodann Sparren und anderes Bauholz zum Dach und „arckener^^ Vielleicht ist im
genannten Jahre die weite] Rathaushalle durch die beiden eingespannten Boden-
räume beengt, die jetzt einen Teil der großen Registratiur bilden und demnächst
wieder beseitigt werden sollen. 1551 wurde die Laube vor dem Rathause
gedeckt, 1556 lieferte ein Pütker anderthalb Tausend Estrichplatten, mit denen
die Laube späterhin übersetzt werden sollte, im nächsten Jahr der Qlasewerter
Peter Winter 7 Fenster mit Ratswappen „up de lawen" und bald darauf wurde
ein Teil der Laube durch Cord Jagouw gestrichen und bemalt. Von ein-
schneidender Bedeutung für Rathaushalle und Laube muß die Errichtung des
nördlichen Mittelbaues des Rathauses gewesen sein, in den sechziger Jahren
des 16. Jahrhunderts. Ehe wir darauf eingehen, holen wir nach, was die
Rechnungen seit der Erbauung des Fürstensaales und des Kämmerei-
gebäudes sonst Wesentliches über die Ausgestaltung der Rathausgruppe zu
berichten wissen.
Ein umfassender Umbau, bei dem u. a. 37 000 Mauersteine, 6 V2 Tausend
Dachsteine, 109 Wispel Kalk zur Verwendung kamen, wurde im Jahre 1480 an
der Wage ausgeführt; 1492 arbeiteten Maurer und Zimmerleute an einem nicht
näher bezeichneten Neubau beim Rathause nach der Straße hin („to der strathe
wert^^), 1502 ließ der Rat den Turm auf dem Markte diurch Hinrik Reymers
vergolden und neu anstreichen, während Hals und Turmknopf abgenommen
wurden, um durch einen neuen Hals ersetzt zu werden; erst 1516 erhielt Reymers,
der im Vorjahre auf zwei Markttürmen je 1 Tynnappel und 1 Vluger vergoldet
hatte, seine Bezahlung „vor den knop to vorguldende, de up den tome upt market
wart geseth*^ Zum Ablauf des Wassers vom Rathause wurden „by dem nigen
buwe^' große. neue Siele angelegt. Ebenfalls 1516 findet sich eine Ausgabe von
3 M. 12 s. „vor twe nyge dare alsze men up dat rathus ghan wiP^ ; gemeint
sind wohl die beiden großen Türflügel mit dem Stadtmarkenmuster, die noch
jetzt den Haupteingang des Rathauses schließen. Fünf Jahre später werden
„tho der dore dar men up dat rathus geyt^^ Mauer- und Formsteine angeschafft
und große (Tritt) Steine gelegt; Hinrik Reimers streicht die „Porte" vor dem
Rathause an. Von Türen, vermutiich den beiden Nordtüren der jetzigen Laube
bzw. ihres Vorraumes, ist auch 1526 und 1527 wiederholt die Rede, als Mester
Hinrik Molmester und die Snitker „dede up der dore arbeiden" 58 M. beziehen
und zur Tür vor dem Rathause sechs preußische Dielen und eine große Quantität
Wagenschoß verarbeitet werden. Die „große Tür" wird damals von Master Hans
(Meshusen) von innen und außen grün angestrichen und heißt fortan zumeist die
grüne Tür. Wir werden darauf zurückkommen, daß in dieser Bauperiode der
Ratssitzungssaal sein Tonnengewölbe und seine Bemalung erhalten hat. Auch der
Turm verursachte damals neue Kosten. Molmester mußte ihn „verbinden", Meshusen
schnitt, stoffierte und bemalte drei um den Turm gelegte Bretter (1527), 1529
wurde er innen mit Blei gedeckt und geflickt, 1532 erhielten zwei Türme ein
Kupferdach, im folgenden Jahre „der eine Turm", und 1538 wurde für die
mittleren Türme wiederum für 126 M. Kupfer beschafft
-^ 206 8^
Eine Umwandlung ging auch mit der jetzigen Polizeidirektion, dem
Gebäude vor, das wir als Qerichtshaus angesprochen haben, und das sich nach
dem Ochsenmarkte hin an die Längsseite des Wandhauses anschloß. Das
Wandhaus als solches hatte, wie bemerkt, nach dem Umbau seine Bedeutung
verloren. Es wird in den Jahresrechnungen auch fernerhin regelmäßig erwähnt,
aber nicht mehr anläßlich der Einnahme aus den Kisten der Wandschneider,
sondern weil alljährlich beim Herannahen des Michaelismarktes für den Markt-
vogt \md die als Nachtwache aufgezogenen Bürger „up dat wandhus" Kohlen
geliefert werden. So wurde aus dem Wandhause allmählich ein Wachthaus
und dieses zugleich als Speicher für Hafer und Roggen, für Heu und Stroh zum
Gebrauch der Ratspferde, namentlich aber auch als Aufbewahrungsort für das
städtische Rüstzeug benutzt. Im Jahre 1539 ist zuerst von dem Harnisch auf
dem „Alten" Wandhause die Rede; 1551 wird daselbst ein Hängeboden
angebracht, das „belligenhus" niedergehauen und eine Tür zugemauert; 1558
wird ein neues Gemach erwähnt, auf welchem Brennholz lagert, und ein Glaser
liefert etUche neue Fenster „baven dat richtehusz dar men den market
Michaelis aver waket;*) gleichzeitig erhält das neue Wachthaus über dem
Richtehause ein Panneel und Bänke ringsumher. Es scheint nach allem,
daß ein besonderes Wachthaus an der Stelle des jetzigen Traubensaales
eingerichtet wurde, während das Wandhaus in seinem Obergeschoß fortan
ausschließlich als Rüstkammer diente; 1569 wurde letztere mit einer Täfelung
aus dünnen Tannendielen versehen, „daranne de dubbelde schyvenhaken und
rore gelecht werden".
Mit allerlei Rüstzeug war übrigens auch der Rathaussaal, samt seiner
Eingangshalle (der Laube) ausgestattet. Hier empfingen den Eintretenden — ein
imposanter Ausdruck der städtischen Kriegsbereitschaft — die sauber gehaltenen
Harnische, Speere und ausgesuchte Turnierrüstungen, dort hingen u. a. die Streit-
häramer, für welche der Snitker Berendt Polman 126 schwarz gestrichene Staken
aus Eschenholz fertigte (1519).**)
Der mehrerwähnte Renaissancebau des Rathauses, der sich nach Westen
hin an die Rathaushalle anschließt, trägt an seiner Front die Jahreszahl 1567.
Er ist unter dem Ratsbauherrn Hartwich Semmelbecker von dem „Mauennann"
des Rates, Paul Ripe, und dem Ratszimmermann Mester Märten Rose (Roesze)
1564ff. erbaut. Drei Jahre zuvor wurde das Dach der „kercke zum lutken
hilligen geist" abgebrochen und nur die eine Hälfte wieder gedeckt, während die
andere Hälfte mit Pfannensteinen behängt wurde. „Dat finster up der cappellen",
d. h. das Bursprakenfenster oder die Laube im engeren Sinne, von wo aus im
*) Zu unterscheiden von der zum Michaelismarkt für acht Nächte in Ansprach
genommenen BUrgerwache ist die das ganze Jahr hindurch gehaltene sog. „slupwacht" ; diese
hatte ihr W^achlokal nicht Über, sondern „under dem richtehusze^.
**) Ein neues Wandhaus im eigentlichen Sinne, „vor die wantsnider in sanct
Michaelismarkede to gebrukende^, wurde spätestens im Jahre 1578 im Remter des ehemaligen
Liebfrauenklosters eingerichtet; ein anderes Gebäude des Klosterkomplexes erhielt um 1615
seine Bestimmung als städtisches Zeughaus, da eine Entlastung der Rathausräume sich als
notwendig erwies.
-*4 209 H-
Jahre 1562 seitens der Herzöge Wilhelm und Heinrich der Huldigungseid der
Bürger entgegengenommen wurde, erhielt aus diesem Anlasse eine Einfassung
(lesten) aus gehauenem Stein, in Länge von 18 Fuß.
Für „dat nie rathus^^ sind 1564 folgende im Ratsziegelhofe gebrannte
Steine bezahlt: 46000 Viertelmauersteine, IV2 Tausend glasierte Mauersteine
(strecksten und bantsten), 5V2 Tausend allerlei Formsteine (sUchten und gewunden
man, stertwunden, glip, semse, kielsten und siven); Paul Bipe bezog für seine
Arbeit am Rathaus imd an der Schreiberei 475, Mester Märten 245 M.; Mester
Clauws, der Steinhauer, erhielt 9 M. ^,vor einen louwen und einen datum ut
houwen sten to houwende, szo vorne an dat nie rathus gesettet", femer 23 M.
für zwei runde, 12 Fuß hohe gehauene Steinpfeiler unter das Kreuzgewölbe in
„dat nie buw'^ und 19 M. für 27 Stück Haustein zu eben diesem Kreuzgewölbe.
Wahrscheinlich sind Neubau und Neues Rathaus hier identisch, wenngleich es
auffällt, daß der Glasewarker Peter Winter in demselben Jahre 20 Fenster „up
dat nye buw" und 68 Fenster „up dat nie rathus" liefert Der Lüneburger
Kaufmann Lukas Daming besorgte für die Rathausfenster aus Leipzig eine Kiste
venetiamsches Scheibenglas. Der Bau wurde in den nächsten Jahren fortgeführt,
der Fußboden zur jetzigen großen Registratur, über der neuen Ratsstube, erst
1571 gelegt, und erst 1584 legte Albert Wulf eine neue gehauene steinerne
Treppe „szo men dorch die groten doer up dat rathus geit"; gleichzeitig wurde
der Anstrich der großen Ratstür erneuert und auch eine kleinere benachbarte
Tür, „do men up de zieseboden und nie buw geit", grün angestrichen.
Die Nordfassade des Rathauses ist im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts
auch sonst vielfach verändert. Die Schreiberei erhielt 1571 einen neuen Tritt-
stein mit einer Bank und einem kleinen mit dem Stadtwappen geschmückten
Beischlag, der von Peter up dem Borne mit Ölfarbe bemalt wurde, 10 Jahre
später ein ausgesetztes, mit Kupfer gedecktes Fenster. Das alte ausgesetzte Fenster
über der Kapelle wurde 1574 abermals ausgebessert und die Laube 1589/91
vollständig erneuert Sie wird nunmehr als ein „Qemach^^ bezeichnet, denn der
Zimmermann muß „die loven davon de bursprake jerlichs af gelesen wert^'
abbrechen und „datsulve gemak^' wiederum „balken und bonen'^; vier „kumdelen^^
kommen zum Fenster am Markte „vor der loven", der Steinhauer Märten Coler
setzt „up de loven oder dat gemak vor deme rathuse" einen Schornstein, d. h.
einen Kamin, und erhält 104 M. „vor die arbeit, darup dat venster an jenem
gemake gesettet" (und vor dat dorspreng vor der kerken des hiUigen geistes am
markede); gleichzeitig (1590) ist der Mauermann Lorenz Ripe beschäftigt, am
Dache der Kapelle „und der loven damegst angelegen" das alte Fenster aus-
zuhauen und das Mauerwerk für das neue Fenster einzurichten, die Laube wird
mit Estrich (1024 Stück) übersetzt und das Mauerwerk der Kapelle vom Wein-,
keller bis an die grüne Tür des Rathauses braun gestrichen. Endlich hat der
Maler Lucas upm Borne Auftrag, „dat venster so am markede bei des hilligen
geistes kerken vor der loven vorgesettet, wie dan ok dat nie dorspreng an
gedachter kerken, den Schornstein der loven..." samt der Decke mit Farbe
und Gold zu zieren und „die love, ein gemack, mit gemelten und anderem
malwerke to vorfertigen und buten demselben gemake [in der Rathaushalle]
27
-<-% 210 8^
den boQ und dat murwerk betto an dat rathns mit varven uttostriken und to
illumineren".*)
Kaum war der Renaissancebau vollendet, als kostspielige Herstellungs-
bauten an der eigentlichen Schauseite des Rathauses, insbesondere am Mittel-
turme, sich als notwendig erwiesen. Schon 1577 wurden große Feldsteine „to mate'^
gehauen, „damit die pieler up dem markede under dem tome scollen gebetert
werden", 1585 dreikantige Feldsteine für das Fundament und etwa 85000
glasierte und unglasierte Mauer- und Formsteine bereit gehalten, die gleichfalls
für den Rathausturm bestimmt waren. Vielleicht schob man die Ausführung
des Baues damals hinaus, weil man sich über die Lösung des Problems — es
handelte sich um eine Unterfangung des Turmes — nicht schlüssig werden
konnte. Im September 1602 beriefen die Bürgermeister die beiden Baumeister
des Hamburger Rates, Joan Andreaszen und Peter Martens, die sich zur Abgabe
eines Gutachtens drei Tage in Lüneburg aufhielten. In den Jahren vorher hatte
der Maler und Kartograph Daniel Frese „etzliche patroen [Muster, Modelle] und
abriß" des Baues angefertigt, und seine Entwürfe dienten den Maurern als
Vorlage.**) An Mauersteinen wurden folgende Sorten verwandt: kapstehn, stuve
semse, glyppe, (klever) poste, halbe staff, dubbelde staff, halbe hale kegel, ende
glippe, krutzstehn, rosen, scharpstehn, suchte halbe und suchte hele man, fiacke
egge, stertwunden, krackstehn, kämpf erstehn und sprenge. Im Jahre 1603
arbeiteten die Maurer 26 Wochen, und Meister Märten Köler üeferte einen
kleinen behauenen Stein mit der Jahreszahl, „bonedden an den seyertom des
marktes nach dem Weinkeller wäxts zu setzen"; „unter die marckturm" wurden
neue geschlossene Bögen gemauert und der mittelste und größte Turm „oben
und umb mit nyen schiengen und stender gefasset und ganz nye xmibher
bekleidet"; der Westpfeiler wurde neu aufgeführt, die unterste Turmwohnung
samt den zugehörigen Gesimsen und „posten" mit Blei beschlagen. Im nächsten
Jahre, in welchem Daniel Frese zur Beschaffung von Gold und Farbe für die
Stoffierung der fünf Türme 60 Taler vorweg erhielt und Märten Köler am
Mittelturm eine „Luchte" von Haustein anbrachte, dauerte die Arbeitszeit der
Maurer 27, im Jahre 1605 32 Wochen. Fünf große Steinbilder zwischen den
Türmen wurden mit je 28 Talern bezahlt und von Meister Hans Schröder
hergestellt, der ferner eine namhafte Summe erhielt für Gesims und Trag-
steine unter diese Bildwerke, für ein großes neues Stadtwappen -oben am
Turm, „mit dem lampet und dem kleinsten türm in's norden und ein
renovatum stein inwendig dem mittelsten türm in den windelstein'^ Der
*) Mester Hinrich von Paris, der Erbaner der neuen Marienkirche, war um 1580
auch an den Arbeiten fUr die Kathausgruppe wiederholt beteiligt. — Einen eigenartigen
Schmuck erhielt im Jahre 1592 die Bathauswage in einem Walfischgerippe von 11 Ellen
Länge, das ein Hamburger Kaufmann, Mathias Eggers, aus Island mitgebracht und dem Bat
verehrt hatte; es wurde beim Umbau 1706 wieder entfernt.
**) Daß hier der Maler zugleich als Architekt tätig war, beweist deutlicher noch
eine Eintragung von 1605: ^Daniel Fresen, dem maier, Yor die underscheidtliche abriss und
schaefelun [?] der marckettürme und gantzen ostengeyels des radthanses, so er nun etzliche
jhar hero wegen des gebewtes, darnach anzuordnen, gefertiget, uf sein erinnern ime
10 taler geben."
=i
-^ 211 8^
Fürstensaal, durchweg als der große oder lange Tanzsaal bezeichnet, erhielt
auch an seiner äußeren Längswand steinerne Fenstenunrahmungen (sechs
zu 9 und eine zu 6 Talern an Arbeitslohn), und zwar ebenfalls von der
Hand . des Hans Schröder, der femer einen großen gehauenen Schornstein
„ohne Wange" lieferte — es ist der Kamin mit dem lateinischen Denk-
spruche — sowie sechs Tragsteine für den einen Turm und zwei Datum-
steine. Aus Hamburg wurde das Dachkupfer für den Marktturm bezogen, vom
alten Turm wurden 2600 Pfund unbrauchbares Blei verkauft. Im Jahre 1606
geschah der Ausbau des südlichen Treppentürmchens, der Süd- und der West-
giebel der Markttürme wurden voUendet, das südliche Mauerwerk des Tanzsaales
und dessen hoher Westgiebel mit den daran gelegenen fünf Schornsteinen instand
gesetzt. Der Kupferdecker Philipp Helfreich setzte auf den einen Turm und den
neuen großen Giebel das „Cronement",*) Daniel Frese stoffierte und vergoldete
neun Schilder, die „zwischen und an beiden Markttürmen" sowie am Südgiebel
nach der Wage zu standen.
Von besonderem Interesse ist es, daß das Rathaus im Anschlüsse an die
Herstellung seiner Hauptschauseite eine Ausbesserung bzw. Erneuerung auch an
demjenigen Gebäudeteile erfuhr, der sich am Ochsenmarkte an den Mittelbau
anschließt, der heutigen Polizeidirektion. Das Gebäude heißt nun ausdrückUch
das Richtehaus. Zu dem oberen vmd unteren Mauerwerk des Richtehauses und
zu den Pfeilern und Gewölben wurden 1607 22 Fuder Kalk gebraucht, die
mittelste Kolumne unter dem Richtehause erhielt ein neues Kapitell aus hartem '
Kalkberger Stein von der Hand des Hans Schröder, und demselben Meister
wurden um den Preis von 21 Talern für das Stück neun Standbilder verdungen,
fünf Tugenden und vier Kaiserbildnisse, die aus gutem Buckenberger Stein
„zirlich und wol kunstreich" gehauen und „oben van außen ans richtbaus,
ins Osten und norden, in die steinscheppe" gesetzt werden soUten. Ein
Zimmermeister arbeitete selbander an dem aus 40 gedrehten Pfeilern zusammen-
*) Am 19. September 1704 fand man im Knopf der Tarmspitze von einer hölzernen
nnd kupfernen Büchse umschlossen eine fein beschriebene Pergamentrolle folgenden Inhalts:
„Deo temno snmmo maximo dnce et auspice ! Anno post natum salvatorem nostmm
Christum Jhesum millesimo sexcentesimo secundo circa festum Michaelis post varias et multi-
plices amplissimi senatus Lunaeburgcnsis consultationes ac artificum adhibitomm diversimodas
opinioneSy unanimi praedicti senatus consensu, decretum est, hanc turrim cuViae, quae cum
adhaerentibus ruinam minitari videbatur, reparare et restaurare ; atqne partes hae demandatae
sunt clarissimo et praestantissimo viro domino Georgio a Dassel, Johannis filio, seniori per
septennium camerario, qui a fundamentorum disruptorum consolidatione opus solerter et
artificiose auspicatus est, progressus itidem circumspecte, ut favente numine anno millesimo
sexcentesimo quinto post festum Paschatos ad ipsam usque summitatem ac reparationem
pinnaculi hnjus turris pervenerit eique die Martis post dominicam Jubilate, vigesimo tertio
nimirum Aprilis, qui Georgio etiam in calendariis adscribitur, novum hunc globum et vexillum
imponi curaverit. Opus mehercule, quod et primo intuitu et initio satis difficile visum est,
sane temporis tractu et ipso eventu perdifficile laboriosissimum maximorumque sumptuum
repertum est...^ (es folgen die Namen des Kaisers, der LandesfUrsten, der ftlnf Konsuln und
zehn Senatoren, sowie eine Angabe Über den Roggenpreis nebst Schlußformel, vgl. Büttner,
Genealogiae, Blatt Fffff).
27*
-^ 212 H-
gesetzten Qitterwerk unter dem Richtehause; das neue Paneel daselbst mit
den Füllungen zu den Gemälden lieferte der Tischler Henning Benhe; auf dem
Dache brachte ein Scheuerdecker aus Hamburg einen neuen Erker an, der an-
scheinend einer neu eingerichteten Limtenkammer Licht geben sollte. Aus
Lübeck bezog man 20 Platten Dachkupfer „zu behuf der gülden schrift umb's
richthaus zu gebrauchend^ Der vielgenannte Stein- und Bildhauer Hans Schröder
begab sich auf Veranlassung des Rates auf die Steinhütte zu Dandorf bei
Fosselde im Lande Braunschweig, um daselbst etliche Pflastersteine zu kaufen,
mit denen das Richtehaus „überlegt" werden sollte.*) Daniel Frese brachte
den unentbehrlichen Farbenschmuck an\ sowohl inwendig am Gewölbe, an
den Heilern und Kapitellen, an Schrankwerk und Täfelung, wie außen
durch Bemalung der vom Puckelmacher mit Szepter, Krone, Kreuz und dgl.
versehenen neuen Steinbilder, Vergoldung der Skriptur, Stoffierung der Wetter-
fahnen (vluger) imd Knöpfe, Herstellung alter Wappen, auch fertigte er „aufs
zirlichste" die Gemälde in die Bogen, das extremum judiciimi und das Judicium
Salomonis et Danielis.
Der schwierige Umbau nebst den damit verbundenen Herstellungen im
Innern des Rathauses war im Jahre 1607 glückUch zu Ende gebracht, und
erleichtert machte der Ratskämmerer Jürgen von Dassel, der sich während der
siebenjährigen Verwaltung seines Amtes um das Gelingen des Werkes verdient
gemacht hatte, in seinem Rechnungsbuche den Vermerk: „damit were die arbeidt
der fünfe new ausgebesserten markettürme wie auch des großen dantzsals und
des richthauses Gott lob und dank gefertiget ... woran nun also zeit anno
1603 und also fünf gantze jar mit besimderm fleis und sorgfaltigheit (onhe
unzeittigen ruhem zu setzen) ist laboriret worden. Der Almechtige woll es
dieser guten stadt lange in wolstande und gedeUichem wesen erhalten — solches
von dem heben Godt ich für meine persone van hertzen thue wünschen
und bitten".
Der Wunsch sollte nicht in ErfüUimg gehen. Die neue Schauseite des
Rathauses hatte kaum 100 Jahre bestanden, als ihre BaufäUigkeit zu einer
offenkundigen Gefahr wurde. Am 8. Dezember 1703 war es nahe daran, daß
der heftige Sturm, welcher die Spitze des Lambertikirchturms herunterfegte,
auch den Einsturz der Rathaustarme herbeiführte. Aus diesem Anlasse beschloß
der Senat, die Fassade unter Schonung ihrer Fundamente**) abtragen zu lassen
und einen neuen Vorbau zu errichten. Im Herbst 1704 wurde der Beschluß zur
Tat und die Turmspitze heruntergenommen. Entsprechend langsam rückte das
ganze Unternehmen vorwärts, denn nach 16 Jahren erst war das Gebäude
wieder unter Dach. Der Turm fehlte noch. Dank dem Eingreifen des Bürger-
meisters Brand Ludolf von Stöterogge wurde am 3. April 1720 auch dieser in
Angriff genommen; im August war das Mauerwerk fertig. Anfang September
begann man mit dem neuen Dache und der Spitze, und am 11. Nov. wurden unter
Trompetenschall Kranz, Krone und die Fahnen aufgesetzt. Auf dem Marktplatze
•*) Die Steine scheinen später ans Hamburg bezogen zn sein.
**) Nur der Nordpfeiler (des Mitteltnrmes?) wurde von Grund auf neu gebaut
-^ 213 H-
war eine große Menschenmenge zusammengeströmt, und der Baiuneister
Georg Schultz hielt hoch vom Turme herab eine Dankrede.*)
Das Uhrwerk des alten Mittelturmes hatte mit einem Glockenspiele in
Verbindung gestanden, welches die Melodie zum Text „da pacem domine in
diebus nostiis'^ stündlich zu Gehör brachte und wahrscheinlich kurz vor E^inführung
der Reformation eingerichtet war. Sämtliche Glocken wurden 1704 mit dem
Turm heruntergenommen, und nur zwei von ihnen, die Stundenglocke von 1385
und die Viertelglocke von 1526 fanden im neuen Turm Verwendung. Sieben
Glocken wurden im Jahre 1833 verkauft, darunter die Elisabethglocke von 1516,
die Katharinenglocke, undatiert, die Marienglocke von 1526 und die Glocke
Johannes des Täufers, nach Büttner gleichfalls von 1526.
Die Marktfassade des Bathauses ist im ganzen in der äußeren Gestalt
auf die Gegenwart gekommen, wie sie durch den Ausbau des vorgenannten
Stadtbaumeisters erwachsen ist, wenngleich jüngere Restaurierungen (1763, 1860ff.)
den geschlossenen Barockcharakter im einzelnen doch stark beeinträchtigt haben.
Wesentliche Umgestaltungen sind auch an der langen Nordfront imd am Kämmerei-
gebäude im 18. und 19. Jahrhimdert nicht mehr erfolgt Um so merklicher hat
die südhche Schauseite des Rathauskomplexes ihr Gesicht verändert Die zwei-
geschossige, von einem Zinnenkranze umgebene Stadtwage an der Südostecke
ist gegen 1860 abgetragen und die südliche Grenzlinie des Rathauskomplexes
zu gunsten einer Erweiterung der bis dahin nur eine schmale Gasse bildenden
Wagestraße um etwa 8 m eingezogen. In eben jener Zeit sind alle die Baulich-
keiten entstanden, welche durch ihr gelbes Backsteinmaterial den Gesamteindruck
*) Die in den Knopf des TnnneB gelegte Inschrift ist in der Chronik Büttners
überliefert nnd hatte folgenden Wortlaut:
„Dei ter optimi terqne maximi nntn et auxiliis! Cnm anno post Christum natum
millesimo septingentesimo tertio, die vero decembris octavo, immoderata ventorum vis et
rabies quinque quibus hec curia olim omata fuit turres, vetnstate aliquatenns deformatos,
affixisset, nt propter metum minarum amplissimus reipublicae hujus senatns peritorum
architectorum consiliis eosdem denioliendos esse censeret, anno sequenti MDCCIYto, post
Michaelis archangeli festum, factum est hujus demolitionis initium. Praeterlapsis deinde ob
varia que intervenerunt impedimenta sedecim annis opns hoc denuo inceptnm dexteritatique
generosissimi domini Brand Lndolphi nobilis de Stoterogge, reipublicae hujus senioris et
primi consulis, demandatnm fuit. Qui, assumptis in adjutorium viris magnific(is) amplissimis
et prudentissimis dn. Johanne Schrödero consule, dn. Johanne Dieterico Meyero et dn.
Henrico a Mttther senatoribus, in omamentum urbis reaedificationem summo cum fervore ac
laudabili circnmspectione die tertia Aprilis anni millesimi septingentesimi et vigesimi aggressns
tanto ursit snccessu^ ut post triginta duarum hebdomadum decursum die tertia et decima
NoTcmbris ejusdem anni Corona summa turris nove apici et sie finis operi, tota civitate
applaudente tubisque et tympanis sonantibus, feliciter imponeretur, adstante praeter civium
et incolarum, militum quoque et peregrinantium multitudine civitatis hujus; sub felicissimo
Serenissimi ac potent principis ac dni. Georgi Imi . . . regimine, magistratum gerentibus . . .
Germania, cujus sceptra serenissimus et invictissimus princeps ac dominus CarolusVI. Rom.
Imperator augustissimus nunc gerit, pacem cum nniversa fere colit Europa, quam praeter
Russiae monarchiam cum Suecis bella gereutem infestat nemo. Religio evangelica in hoc
ducatu et vicinitate floret. Anonae nbertas per Dei gratiam maxima, ita nt modius magnus
Ben Brnnsvicensis siliginis nna marca Lun. seu duodecim grossis, tritia vero sedecim grossis
et Tendatur et ematur^ . . .
-^ 214 8^
des Rathauses stören, der Vorbau für den Ratbausvogt an Stelle der ehemaligen
Dienstwohnung des Protonotars (später des Stadtphysikus), die vielbefehdete
Gartenmauer, der Giebel des alten Rathauses (der sog. Laube) und das Gebäude,
welches auf dem Baugrunde der Wage entstanden ist Kleinere Dienstwohnungen
für städtische Beamte, insbesondere das alte Haus des Rathausvogts westlich
nahe dem jetzigen Archiv, Holz- und Kohlenschuppen, Mauern und Zäune, wie ein
von Mithoff, Tafel DC, überlieferter Grundriß vom Jahre 1815 das alles erkennen
läßt, sind damals verschwunden. Der schon erwähnte Ausbau der alten Rats-
küche zum städtischen Archiv und die Errichtung des Archivgiebels hat im
Sommer 1899 stattgefunden, 1900 ist das alte Treppentürmchen an der Nord-
westecke des Rathausgartens wiederhergesteUt
In seiner ruhigen Geschlossenheit inmitten des städtischen Verkehrs ist
dieser rings von hohen Mauern eingefaßte große Rathausgarten eine Errungenschaft
der neueren Zeit. Bis zur Aufhebung der einzelnen Dienstwohnungen teilte er sich
in mehrere kleinere Gärten und sog. Grashöfe, denen schon im Mittelalter eine sorg-
same Pflege zu teil wimie. Aus dem Jahre 1505 wird berichtet, daß ein „Wein-
meister'' die Reben vor dem Rathause zu beschneiden und aufzubinden hatte.
Wir kehren noch einmal zur langen Nordfront des Rathauses zurück.
Die dem Straßengiebel des in den 70 er Jahren des vorigen Jahrhunderts
restaurierten Kämmereigebäudes östlich benachbarten Teile der Rathausgruppe
sind im vorstehenden noch gar nicht berücksichtigt Sie stellen die Verbindung
mit dem Renaissancemittelbau her. Allem Anscheine nach haben sie von jeher
Dienstwohnungen enthalten, für den Küster der Hl. Geistkapelle, den Ratssekretär,
den Syndikus, zeitweise für den Oberbürgermeister. Der westUche Flügel des
Gebäudes war während des 19. Jahrhunderts als städtisches Leihhaus eingerichtet,
das kleine Gebäude mit den schmalen spitzbogigen Fensteröffnungen, am
weitesten nach Osten hin, barg bis 1899 die Urkundenkammer, die nach
Erbauung des Archivgebäudes in das Sitzungszimmer des Magistrats umgewandelt
ist. In entsprechender Weise haben die ungezählten Räume des ganzen
Rathauskomplexes ihre Bestimmung je nach dem Bedürfnisse der lebenden
Generation oftmals gewechselt Hier würde es zu weit führen, darauf einzugehen.
Das auf den ersten Blick unentwirrbar erscheinende Durcheinander der
einzelnen Rathausgebäude löst sich nach der voraufgehenden Darlegung, um
das Ergebnis in aller Kürze zusammenzufassen, in folgendes Grundschema auf.
Das älteste Rathaus am Neuen Markte ist ein von Norden nach Süden
gewandter einfacher Langbau (jetziges Stadtarchiv), vermutlich mit Vorhalle nach
Norden hin (Zimmer des Archivars, Durchgang und Nebenregistratur). Ein
Parallelbau schließt sich mit einem Abstand von ca. 8 m als „Altes Rathaus''
östlich an das „Älteste Rathaus'' an, ebenfalls mit einer Vorhalle, die als Laube
ausgebildet ist. Ältestes und Altes Rathaus sind an ihren Nordflügeln verbunden
durch die Kapelle zum Heiligen Geist, später auch im Mittelbau durch das Alte
Archiv mit einem darunter liegenden Gewölbe sowie durch die noch nicht
erwähnte sog. „Grüne Dörntze" (Benutzerzimmer des Archivs) und die
Körkammer. Das vom Westen nach Osten gerichtete Wandhaus, in seinem
Obergeschoß von der Rathaushalle zugänglich, wird zum „Großen Rathaus" durch
-^ 215 g^
den Aufbau des Fürstensaales, und die turmgekrönte Ostfassade, südlich durch
die Stadtwage, nördlich durch den Richtehausgiebel verlängert, wird nun die
eigentliche Schauseite der ganzen Gebäudegruppe. Zur selben Zeit entsteht als
dritter Parallelbau, mit weitem Abstand nach Westen hin, die Kämmerei oder
Schreiberei. Auch sie ist durch Zwischenbauten (Eichamt und Dienstwohnungen etc.)
mit der RatskapeUe im Zusammenhang; inmitten dieser Nordfront ersteht im
16. Jahrhundert das „Neue Rathaus".*) —
Die innere Einrichtung der Rathausräimie konnte bisher nur gestreift
werden und muß in der Hauptsache künftigen Einzelforschungen vorbehalten
bleiben. Wir begnügen uns mit einer Feststellung der wichtigsten Daten und
einer kleinen Auslese derjenigen Meister, deren Werke dem aufmerksamen
Besucher des Rathauses vorzugsweise vertraut sind.
Beginnen wir imsern Rimdgang in der Laube, dem Rathause im engeren
Sinne,**) und ihren Nebengemächem. Leider ist von den prächtigen Glasmalereien
nur zu sagen, daß wir über ihren Meister nichts wissen, sei es nun, daß ihre
Entstehung über 1443, das Anfangsjahr der städtischen Rechnungsbände, hinaus
zurückgeht, sei es, daß sie dem Rate verehrt worden sind. Die „schenkeschive",
unter welchem Namen die wohl verwahrten, zum Teil reich ausgestatteten
Wandschränke zusammengefaßt werden, war dazu bestimmt, das Ratssilber-
zeug aufzunehmen; sie wird 1474 erwähnt, als Meister Jacob Knot, die
Blekesche und Diderik Tostede 57 V2 M. erhalten „in beredinge der schenke-
schiven"; die drei Personen mögen den Snitker, die Malerin und den Schlosser
bezeichnen. Freilich heißt es in den Jahren 1487 und 1488, daß der Snitker
Andreas „an den schappen uppe deme radhus" arbeitete. Der Genannte schnitzte
auch zwei wilde Männer, die bemalt wurden.***) Größere Ausgaben für die
Schenkeschive sowie für die Täfelung und die Schränke der Kämmerei geschehen
sodann 1521. Da werden hundert Wagenschot (Eichendielen) beschafft „de
gekomen sin to der schenkeschyven unde in de kemerie, to schottilligende unde
de scheppe darin to makende". Wie schon oben bemerkt, tragen die Gewölbe
des mit der Laube verbundenen Alten Archivs am Schlußstein die nämliche
Jahreszahl, das Alte Archiv war offenbar ursprünglich die Kämmerei. f) Als
Snitker wird nun Hans Schaper genannt, als Maler Hinrik Reimers. Die Schenke-
schive wird vergoldet und innen und außen mit Blumen bemalt; es ist von
Schnitzwerk, insbesondere von geschnitzten Bildern die Rede, imd gleichzeitig
streicht Reimers die- Pforten vor dem Rathause, die Wappen, sowie innen und
außen die Kämmerei an. Zwischen den Schenkeschiven zum „sulversmide" wird
1542 eine vom Snitker Gerd ausgeführte Eichenbank aufgestellt.
*) Die Bcharfsinnige Analyse Stiehls am eingangs zitierten Ort dUrfte sich nach
der obigen quellenmäßigen BeweisfUhmng ohne weitere Polemik berichtigen.
**) Wir wenden im folgenden den Ausdruck „Laube" dem heutigen Sprachgebrauch
entsprechend an.
***) Es ist wohl die Türfüllung zum Alten Archiv ; die ^AußentUr vor der Kämmerei**
versieht Hermen Sceidel 1538 „mit pannelinge^, die innere Kupfertür ist 1540 in Auftrag
gegeben. Andreas lieferte 1487 auch „Schrägen^ für das neue Rathaus (den Fürstensaal),
t) Vgl. die vorstehende Note.
-^ 216 8^
Die Wandmalerei der Laube ist bezeichnet ,,1529'^ Die einschlägige
Kammereirechnung ergänzt diese Angabe durch die Mitteilung, daß dem Maler
Märten 140 M. ausgehändigt wurden „vor dat rathus baven to vormalende unde
vor farve'^ Der Ausdruck „baven'^, deutet zunächst auf die Deckenmalerei; da in
den beiden voraufgehenden Jahren viel Bauholz und Dielen für das Rathaus
verbraucht sind, so ist es wahrscheinlich, daß der Saal erst 1526/7 mit seinem
Tonnengewölbe überdeckt wurde. Über dem Kamin befand sich ein Gemälde
auf Leinwand, das 1582 nur noch aus Stücken bestand imd daher von
Qert Haue auf vier Ellen Leinen neu gemalt wurde; bei dieser Gelegenheit
erhielt der Schornstein „in sich", sowie der große Pfeiler samt den. beiden
Schwibbogen einen neuen Anstrich.
In vielen Jahresrechnungen tritt der Ratsstuhl der Laube uns entgegen.
Zuerst 1451, als der schon genannte Snitker Andreas, der sechs Jahre spater
die neue Kammer täfelte, die Bekleidimg des Ratsstuhles, doch wohl zum Zwecke
ihrer Erneuerung, abbricht. Ein Schapp „dar de borgermestere sitten" wurde
1464 angefertigt, ein Steinschapp beim Ratsstuhle 1487 geflickt. In der Ecke
am Kamin wird der Ratsstuhl durch die Beischlagwange mit der DarsteUimg de3
Strebkatzenziehens abgeschlossen. Das sinnige Kunstwerk*) ist ein Geschenk
des Ratmanns und Richteherm Claus Viskule und 1497 zur Aufstellung gelangt
Die damit verbundenen Kosten sind in der Rechnung folgendermaßen gebucht:
„8 M. 4 s. hefft kostet dat byslach to houwende dat uppe deme radhuse steit
vor deme scharsteine, item 3 M. mester Johanne Dorszen to malende unde to
vorguldende (mit deme byslage erede hem Claus Vischkule den rade mede)". Der
Schornstein „in dem orde^^ des Ratsstuhles führte aus dem Weinkeller herauf;
als er 1505 ausgebessert wurde, brachte der Snitker Lutke Krumradt die
beschädigte Täfelung wieder in Ordnung. Hans KUtenhof teilte 1540 die Spruche
über dem Ratsstuhle und malte sie wieder „mit blomwerk", nachdem der Snitker
Gerd die „panneUnge^^ aufgebrochen imd die langen Bänke repariert hatte.
Den Steinhauer, Meister Märten Coler, sehen wir 1593 am Ratsstuhle beschäftigt;
er verfertigt aus dem Vorrat der Stadt die noch wohlerhaltene steinerne Wand
(Schranke) nebst einer Bank „up dem rathuse twischen dem schorstene daselbst
und dem ingange in den radstol". Im nächstfolgenden Jahre wurde die andere
Schranke erneuert, und zwar durch Wameke Burmester, der „vor den nigen
gemakeden radstol up dem groten rathusze van sinem holte^' 156 M. erhielt.**)
Schon im ältesten Rechnungsbande findet sich ein Hinweis auf die
Stuhl- oder Bankkissen, die im Festsaale und in den Diensträumen des Rathauses
im ständigen Gebrauch waren und deren in der Körkammer eine beträchtliche
Anzahl erhalten ist Frau Olrik Crusen bezieht im Jahre 1449 „vor 24 wrachte
[gewirkte] kussenburen de se maked heft uppe dat radhus^^ 21 V2 M. ; das Leder
*) Vgl. Graeven, das Strebkatzenziehen auf einer LUneburger Beischlagwange (Hannov.
Geschichtsblätter, 5. Jahrg., 1902).
**) Die BezeichnuBg ^Großes Rathaus^ für die Laube ist ungewöhnlich und hier
wohl im Gegensatz zur Schreiberei gebraucht, wo Burmester ebenfalls tätig war. £in Zweifel,
dafi die. Laube wirklich gemeint ist, kann nicht obwalten, da die eingelegte Schranke, daselbst
die Zahl 1594 trägt
tz
-^ 217 8«-
dazu kaufen die Kämmerer von einem Manne aus Hamburg. Zwei Jahre
später erstehen sie 60 Ellen Lernwand „to den pusten'^ Dem Krüppel Meister
Cord werden 1480 nebst einem Opfer- und Trinkgelde, auch einem Mietszuschusse,
37^2 M. ausgezahlt „uppe de kussenbäre'' (n^^^ ^^^ küssen efte pustebure
wegen"), die ein Maler entworfen hat. Neue Puste werden 1490 in einer neuen
Kiste (Truhe) verwahrt Ein Banklaken für den Bürgermeisterplatz fertigt 1520
die Frau des obersten Rathausknechtes, für den Ratsstuhl ein gewisser Ambrosius
(1528). Der Deckenmacher Frans van der Ruest liefert auf das Große Rathaus
36 neue „pusteblaede", weil die alten nichts mehr taugten (1576); der Beutler
lederte sie für 36 M., auch alle sonstigen Auslagen (Leinwand, Zwirn etc.) pflegten
besonders vergütet zu werden. Kissen für die „Laube" und die „Grüne Kammer"
wurden 1592 angeschafft
„Grüne Kammer" oder „grone domtze" ist die alte Bezeichnung des
nachherigen Bauamts, d. h. des jetzt zimi Stadtarchiv gehörenden Arbeitszimmers
mit der Eichenholztäfelung von 1585. Im 16. Jahrhundert diente das Gemach
den KoUektoren als Arbeitsstube, zu Uffenbachs Zeit (1710) war es der Warte-
raum für vornehme Bürger, die um eine Audienz nachgesucht hatten. Hier hing
von der Decke herab die jetzt im Alten Archiv verwahrte „große runde
Leuchte mit crystallenen Gläsern, in welcher ein Fuß oder Schinken von der
schwarzen Sau hanget, so das Salzwerk oder die Quellen allhier soll entdecket
haben". Uffenbach, der bei seiner Besichtigung des Rathauses diese Mitteilungen
erhielt, ließ sich von seinem Führer erzählen, daß ein anderes Viertel des
findigen Tieres auf dem Kalkberge, das dritte auf der Sülze, das vierte anderswo
aufgehoben werde, „daß also diese Sau in alle Teile der Stadt verteilet worden".
Der Fürstensaal, das eigentliche „Große Rathaus", wurde für die Hanse-
versammlung von 1535 festlich hergerichtet. Aus diesem Anlaß erhalten wir
die erste, nicht anders zu deutende Erwähnung der Gemälde, die im Original
oder in mehr oder weniger gelungenen Nachbildungen den Saal noch jetzt
schmücken. Wie eine Untersuchung an Ort und SteUe ergibt, war die älteste
Malerei des Saales unmittelbar auf dem imverputzten Mauerwerk angebracht, wo
bei Ausbesserungsaxbeiten des Jahres 1904 auf einem der Fensterpfeiler eine
männliche Ganzfigur in voUer Rüstung mit Lanze, stark mitgenommen, aber
noch deutlich erkennbar, ziun Vorschein kam. Die älteste Bemalung wurde
verdeckt und ersetzt durch Bilder auf Leinwand, und das muß sehr bald
geschehen sein, denn ein Teil der Gemälde bedurfte schon gelegentlich jener
Hanseversammlimg einer WiederhersteUung. Es war der Maler Hans Kiltenhoff,
der 24 M. erhielt „vor 1 nigen doeck, de boleninge des keyser(s) to malende und
2 olde wedder to vorhevende" [wieder aufzurichten], während der Maler Cordt
Jagow für 53 M. 43 Bilder flickte und wieder aufrichtete. Das fernere Schicksal
der Fürstenporträts knüpft sich mit der sonstigen malerischen Ausschmückung
des Saales eng an den Namen des schon mehr genannten Daniel Frese, dessen
Wirksamkeit wir sogleich im Zusammenhange skizzieren werden. Eine (neue)
Bemalung durch Hinrik Omes, erhielten 1535 auch die nur hier erwähnte
„Gapelle" und die „hoerkamer" auf dem Großen Rathause, sodann das
„Vorhaus", durch Swybert Testorpe.
28
-^ 218 8^
Der Kern des Renaissancebaues und dessen vornehmster Raum ist die
Große Ratsstube mit den „weltberühmten" Schnitzereien. Ihre ältesten
Bezeichnungen sind „dat nige gemack", „de nie doemtze", „die neue Ratsstube'',
auch wohl „die Gerichtsstube". Sie sollte dem Gesamtrate als Wintersitzungs-
saal dienen, während die Sitzungen den Sommer über wohl längst im kühlen
tonnengewölbten Saale des Alten Rathauses abgehalten wurden. Um von der
Rathaushalle in die Große Ratsstube zu gelangen, muß man einen kleinen
getäfelten Vorraum durchschreiten. Hier saßen die Rathausdiener.*) Die Wände
über der Täfelung waren bis in die jüngste Zeit mit den auf Leinwand
gemalten eingerahmten Wappen der Lüneburger Kämmerer von 1450 — 1651
geschmückt Im Sommer 1905 entdeckte man unter diesen Bildern eine
inzwischen freigelegte graublaue Wandmalerei mit Sprüchen und der Zahl 1567.
Die Kämmereirechnung verrät, daß im genannten Jahre der Maler Peter up
dem Borne das Vorgemach „daer de huesdiener sitten" anstrich und vermalte.
Peter up dem Borne war auch an der Grossen Ratsstube mitbeschäftigt,
aber hier sind es an erster Stelle drei andere Meister, durch deren Zusanunen-
wirken der herrliche Raum entstanden ist: Gerd Suttmeier, Albert von Soest
und Daniel Frese.
Gerd Suttmeier (Sudtmeier, Sudtmeiger)**) wurde im Jahre 1539 Bürger
in Lüneburg, ohne daß wir wissen, woher er eingewandert ist. Er stand als
Kunsttischler und Eichmeister von 1559—67 im Solde des Rates und hatte eine
Dienstwohnung inne. 1568 und 1569 wird seine Witwe erwähnt Gerd, als
„Gerd der Snitker" oben schon einigemal genannt, hat das Paneel für den
Vorraum angefertigt. Am „neuen Gemach" arbeitete er von 1564 — 67. Er ist
es, der die Fensterrahmen geUefert hat, die Wandschränke, Bänke, die Täfelung,
die fünf Türen, den Ratsstuhl, 94 geschnitzte Rosen für die Kassettendecke,
und, um das Vollendetste zuletzt anzuführen, die Friese über dem Paneel. An
den beiden Wangen des Ratsstuhles haben sich Gerd Suttmeier und Albert, sein
jüngerer Mitarbeiter, gemeinsam betätigt
Albert von Soest verdient an dieser Stelle eine etwas eingehendere
Würdigung. Ob er seinen Zunamen von seiner Herkunft führte, läßt sich nicht
sagen. Möglich ist es sehr wohl, denn ein geborener Lüneburger war er nicht,
wennschon der Name „von Soest" unter den Bürgerfamilien der Stadt seit
Beginn des 14. Jahrhunderts mehrfach begegnet Ober das Leben des Künstlers
liegen nur wen^e Daten vor. Im Jahre 1567 wird er in den Schoßregistem
zuerst erwähnt 1583 ist er Bürger geworden, und die Tatsache, daß die Neu-
bürgerroUe ihn aufführt, ist zugleich der Beweis, daß Albert nicht eines Lüne-
burger Bürgers Sohn war, denn geborene Bürgerkinder schieden aus der Rolle
aus. Albert war vermählt. Ein Kind wurde ihm im Jahre 1586 geboren, und
Bürgermeister Lütke von Dassel übernahm in Person die Patenschaft Des
Meisters Wohnung befand sich der Reihe nach im Sand-, Markt- und Sülzviertel,
im letzteren 12—15 Jahre. Albert starb spätestens 1590, da in der Steuerliste
dieses Jahres seine Witwe auftritt; ein hohes Alter hat er nicht erreicht
*) Ein entsprechender Vorraum ist auch vor der Laube abgeteilt.
**) Wohl = Sodmeier, der am Brunnen wohnt?
-^ 219 8^
Besser als über die Lebensumstände sind wir über die vielseitige
Wirksamkeit des Meisters unterrichtet Sie läßt sich in drei Gebiete sondern.
Albert war Bildensnider, Bildhauer und Former, d. h. er verstand in gleicher
Weise das Holz wie den Stein zu bearbeiten und hatte eine besondere Technik,
mittels einer Form Bildwerke aus Papiermasse herzusteUen, die in ihrer feinen
Bemalung und ihren klassischen Rahmen höchst anziehende Erzeugnisse einer
alsbald wieder verschwimdenen Kleinkunst bilden. Alberts gewohnte Bezeichnung
ist „der bildensnider"; damit ist sein eigenster Beruf, seine Haupttätigkeit
gekennzeichnet Als Bildensnider bekam er den Auftrag, die Kreuzigungsgruppe
in der Marienkirche wiederherzustellen, und das Werk, das seinem Namen in
der Kunstgeschichte für alle Zeiten einen Ehrenplatz gesichert hat, .ist die
Eichenholzschnitzerei in der Großen Ratsstube. Für vier von den fünf Tür-
umrahmimgen des Raumes liegen die Daten fest. Die Tür mit dem jüngsten
Gericht ist 1568 vollendet, die mit dem Opfer Noahs 1577, die Drehsäulen der
Haupteingangstür tragen die Jahreszahl 1580, das Gesims darüber ist 1582
abgeliefert, die Tür mit der Hinrichtimg des Sohnes des Manlius Torquatus 1584.
Von den Bildwerken des Meisters aus Stein sind einige in anderem Zusammen-
hange schon besprochen. Mit seiner Marke bezeichnet ist das Epitaph des
Lüneburger StadÜiauptmanns Fabian Ludich zu St. Johannis (1575), sowie
das Denkmal des Chronisten Jacob Schomaker im Dom zu Bardewik (1579)^
Nicht sicher beglaubigt, aber doch wohl von Alberts Hand sind sodann jdas
Portal des Hauses Am Berge 37 (1568), das Epitaph des Abtes Herbord von
Holle zu St. Michaelis und das Denkmal des Bürgermeisters Nikolaus Stöterogge
in der Johanniskirche, beide undatiert Von bezeichneten Papierreliefs sind
bekannt 1 Christus als Schmerzensmann (Museum, Lüneburg), 1 Profilkopf
Christi (je 1 Exemplar im Museum zu Lüneburg und im Museum für Kunst
und Gewerbe zu Hamburg), 1 Christus als Weltheiland (Altertumsmuseum,
Dresden), 1 Dreieinigkeit (2 Exemplare im Museum zu Lüneburg, 1 Exemplar im
Provinzialmuseum zu Hannover), 1 Anbetung der Hirten (Museum in Lünebxirg
und Salzwedel), 1 Porträt Luthers (Nordisches Museum, Kopenhagen), 1 Porträt
des Erasmus (ebendort), 1 Porträt Melanchthons (in einer Dorfkirche); von
unbezeichneten oder nicht einwandsfrei bezeichneten: 1 Christkind als Welt-
heiland (Museum, Lüneburg), 1 Christus mit Kreuz (Sammlung Campe, Hamburg),
1 Verkündigung Maria (2 Exemplare im Lüneburger Museum, 1 Exemplar im
Kloster Wienhausen), 1 Porträt des Matthias Flacius Illyricus (Fürstliches Museum,
Sigmaringen).
Als echtes Kind seiner Zeit hat Albert von Soest Vorlagen und Entwürfe
anderer Meister gern und häufig benutzt, wann und wo es ihm gut dünkte.
Behncke hat in seiner Monographie u. a. Zusammenhänge mit Märten van
Heemskerk, Jost Amman, Penz, Virgil Solis aufgedeckt. Nirgends aber hat
Albert sich ängstlich an seine Vorlagen geklammert — das war eigentlich schon
dadurch ausgeschlossen, daß es zumeist darauf ankam, kleine Zeichnungen in
plastische Form zu bringen und in große Verhältnisse zu übertragen. Gerade
die Art, wie der Bildner Gegebenes in vöUig freier und selbständiger Auf-
fassung umwandelte, spricht für sein hohes künstlerisches Vermögen. Nicht
28*
->^ 220 8^
alles, was Albert geschaffen hat, ist gleichwertig; um so mehr fesselt es, die
Entwicklung des Künstlers an der Hand seiner eigenen Werke zu verfolgen. In
der Großen Ratsstube darf man natürUch nicht außer acht lassen, daß Albert auch
nach dem Ausscheiden Suttmeiers nicht allein, sondern mit Qesellen arbeitete.
Eine nicht weniger vielseitige Persönlichkeit, als Albert von Soest,
wenn auch in seiner künstlerischen Betätigung minder hochstehend, ist der
Maler Daniel Frese (Friesze). Aus der Großen Ratsstube mag man die noch
immer leuchtenden warmen Farbentöne seiner Ölgemälde, welche die Penster-
pfeiler und an den beiden Hauptwänden die ganze Fläche über der Täfelung
bedecken, nicht hinwegdenken, aber der Gegenstand der Bilder, leicht zu
deutende oder auch tiefsinnige, selbst erfundene Allegorien nach dem
Geschmacke jener Zeit, zieht uns nicht an. Frese malte, wie die Unterschrift
seiner Bilder besagt und die Kämmereirechnungen es bestätigen, für die Große
Ratsstube von 1573—78.*) Das erstgenannte Jahr ist auch das erste, welches
von der Existenz des Malers in Lüneburg — seine Wiege soll in Dithmarschen
gestanden haben — Kunde gibt. Zugleich mit seinem Auftrage für die Neue
Dömze wurde er vom Rate damit betraut, einige Bilder im Fürstensaale,
dem „dantzhuse up dem bavensten rathuse'^, zu erneuern, und damit kommen
wir in den Festsaal des Rates wieder zurück. Von den fürstlichen Porträts
«waren sieben Stück durch ihre Berührung mit der Mauer so verrottet, „dat die
nicht to beterende woeren, noch densulvigen jennigerleywiesze to helpende stunt^^
Die Kämmerer beschafften daher 6 Stiege und 1 Elle grobe ungebleichte Lein-
wand, imd Frese übernahm es für 200 M., die sieben Bilder, „aller gestalt den
olden van farven, personen, lantschaften geUekformich imd gantz einich, nie to
malende". Drei der Gemälde waren 16 Fuß, die vier anderen 12 Fuß breit und alle-
samt 10 Fuß hoch. Um die Herstellung der Fürstenbilder sehen wir Daniel später
noch wiederholt bemüht. Im Jahre 1585 waren es drei Fürstenporträts an den
Pfeilern, die für ein Honorar von 20 M. „den vorigen olden gantz gelick'^
erneuert werden mußten, und 20 Jahre später begann abermals eine umfassende
Restaurierung, denn wieder war ein Teil der „keyser, koninge und Fürsten-
gemelter" schadhaft geworden, so daß sie „illuminiert'^ oder ganz neu
gemacht werden mußten. Der Künstler gebrauchte für seine Arbeit im
Jahre 1606 52^/4 EUen Leinwand, im Jahre darauf 61 V2 EUen (in vier Rahmen)
und stellte zunächst 10 im Osten und Süden stehende Bildnisse wieder her;
„alles nach den alten, wie die gewesen^', nur daß er einen kurzen Vermerk
über die Lebensdaten und die Regierungszeit der einzelnen Persönlichkeiten
hinzufügte. Sodann kamen 22 fürstliche Bildnisse an der Nordseite an die
Reihe, auch eine abermalige Renovierung „des Stückes Gemälde, da Kaiser
Friedrich der Andere Herzog Otten mit dem Fürstentumb Braimschweig und
Lüneburgk belehnet''. Nun bUeben noch 11 Porträts übrig, die im Westen und
Südwesten standen, und auch ihre Herstellung wurde dem Maler, zugleich mit
den Kaminen und Türen des Saales, im Jahre 1607 verdungen.
*) Einige der Gemälde führen die Bezeichnung „invenit et fecit^, andere das blofie
y,invenit^, auch Frese arbeitete mit Gesellen.
-^ 221 IK-
Es war zur selben Zeit, als Frese die Decke des Fürstensaales schuf,
wie sie sich uns darbietet, indem er „alle die Kaiser und Köninge des Römischen
Reichs in Brustbildnissen an den Böhn des ganzen Dantzsaales, mit deren Zu-
behörigen und Scriptur" daia,n anbrachte*). Und der Farbenpracht im Festsaale
war es noch nicht genug. Daniel stoffierte die vier alten Kronen aufs zierUchste,
gab den Fensterwänden „inwendig^' eine neue Bemalung und bemalte imd firnißte
auch das Paneel; die Sitzbänke und Fußschemel bekamen einen Anstrich von
schwarzer Ölfarbe. Den Beschluß machte die Ausschmückung des „bigemacks^^,
das geweißt wurde, während die Täfelung einen Anstrich mit Wasserfarben
erhielt (1608).
Bewahren die Qroße Ratsstube und der Fürstensaal bis auf den heutigen
Tag ein deutUches Bild der künstlerischen Eigenart Daniel Freses, so ist von
den größeren Arbeiten, die er sonst noch für das Rathaus Ueferte, im guten
Zustande nicht viel mehr erhalten. In einem Gemach auf der Schreiberei stellte
der Künstler einen auf Leinwand gemalten, durchlöcherten und fast ganz ver-
dorbenen Stammbaimi der Landesfürsten, insbesondere an den Angesichten und
Wappen, wieder her und führte die Stammlinie in einem „ganz neuen Stück
Malwerks'S das in demselben Gemache über dem Kamin aufgehängt wurde,
bis zum Jahre 1584 fort. Ein großes Gemälde verehrte er dem Rate für dessen
Sitzungszimmer in der Schreiberei, wofür die Stadtoberen sich mit einem Geschenk
von 30 Talern erkenntUch zeigten (1586). Die vornehmsten städtischen Dienst-
wohnungen, die des Frotonotars, die Fortsetzung des Kämmereigebäudes nach
Süden hin, und die des Stadtsyndikus, damals wie es scheint an der Wagestraße
gelegen, erhielten ebenfalls mannigfachen Bilderschmuck von seiner Hand.
Beispielsweise hatte der Kupferdecker Hans Helfrich im neu hergerichteten
Studorium des Syndikus unter dem Gewölbe acht kupferne Scheiben und eine
kupferne Rose angebracht, Frese bemalte diese Scheiben in Ölfarbe mit B[istorien
und vergoldete die Rose (1576), er bemalte femer drei Kamine (1578), eine Bett-
stelle, eine Zimmerdecke mit vier Gemälden im Rahmen, drei Kammern, einen
langen Saal und einen Windelstein (1591 und 1592). Mit besonderer Liebe sind
die Karten entworfen und ausgeführt, die Daniel im Auftrage des Rates gegen
gute Bezahlung anfertigte und deren mehrere im Archiv verwahrt werden.
Schon 1574 lieferte er einen Abriß der Stadt und der städtischen Landwehr,
„mit cloestem und doerpem und allem szo darinne gelegen'^; 1580 entwarf er
einen kleinen Abriß der alten Landwehr nebst der neu angewiesenen Landwehr
am rechten Ilmenauufer, „mit allen upgeworpenen snebergen'^; ein Abriß der
Schaalfahrt folgte 1587, im selben Jahre die Fahrt „so die von Lübeck vor-
hebben sein soUen ut der Schale betto in den Ratzeburger see'S sodann ein
Abriß der Stadt Lüneburg, der Henrich Rantzau, dem Holsteinischen Statthalter
des Königs von Dänemark, vom Rate zum Geschenk gemacht wurde. Ein Abriß
der Fahrt aus der Ilmenau in die Leseke bis zum Zollenspiker beschäftigte den
Künstler 1591. In drei Exemplaren führte er eine Zeichnung der Luhe aus
*) Die Malergesellen erhielten 4 Taler Trinkgeld, „weil sie an dem Bönhe aufm
Dantzsale fleißig gearbeidet, unangesehn alda ttbel und beschwerlich zn arbeidende gehabt'^
-^ 222 §^
„da die in die Elbe fließt, und des ZoUenspikers^', zum besondem Gebrauch der
dort anlegenden Schiffer; ein Exemplar erhielt der Rat von Hamburg, das zweite
die Lübecker Obrigkeit, das dritte blieb in Lüneburg (1600). Von ungewöhnlicher
Größe ist der Abriß der „neuen Mecklenburgischen Schiffahrt" von Wismar bis
Dömitz mit allen anliegenden Holzungen, Städten, Dörfern und Schleusen, eine
auf Leinen gemalte Rolle von nahezu 6 m Länge, die in ihren bunten Farben
auf einige Entfemimg bildartig wirkt (1605). Auch die kleineren Aufträge, die
der Rat dem fleißigen, die Handwerksarbeit nicht verschmähenden Kunstler
zuteil werden ließ, sind von Interesse. Da mußten die beiden großen Holzfässer
„dar men up Letare dat kruede vor einen erbam rade plecht inne unune to
dragende" neu vergoldet (1584), das Marktbanner ausgebessert (1589), ein vom
Steinhauer Christoph Roggenbuck gemeißeltes Epitaphium für den Konrektor der
Johannisschule Amoldus Pretorius illuminiert und vergoldet (1590), die Büchsen
der Ratsboten angestrichen werden (1605). Herbergswirte in Mölln imd Winsen,
bei denen die Ratmannen abzusteigen pflegten, wurden durch ein Herbergsschild
geehrt, das Daniel beiderseits mit dem Lüneburger Ratswappen schmückte
(1578 bzw. 1589). — Was Frese für die äußere Gestalt des Rathauses geleistet
hat, ist in anderm Zusammenhange schon behandelt*) Fast zu jedem Jahre
von 1573 — 1610 finden sich in den Kämmereirechnungen Ausgabeposten, welche
diese Tätigkeit des Malers illustrieren, nur in der Zeit von 1593 — 1599 geschieht
seiner mit keinem einzigen Auftrage Erwähnung. Man möchte annehmen, daß
Frese diese Jahre außerhalb Lüneburgs verbracht hat, jedoch haben sich
bestimmtere Anhaltspunkte für eine solche Vermutung bisher nicht ergeben.
Die Große Ratsstube war, obgleich sie nach Norden hegt, zum Winter-
sitzungssal des Rates bestimmt. Das setzt eine besondere Fürsorge für die
Erwärmung des Raumes voraus. Wir hören denn auch, daß durch Vermittlung
Lucas Damings für teures Geld ein eiserner Ofen aus Leipzig bezogen wurde,
dessen vier Füße in Löwengestalt Meister Clauws, der Steinhauer, lieferte (1565).
Auf andere Einzelheiten der Ausstattung des Raumes einzugehen, müssen wir
uns versagen.
Den Beschluß des Rimdganges im Rathause pflegt ein Besuch des
Huldigungs- und des Traubensaales zu machen. Über beide nur wenige Worte.
Der Huldigungssaal führt diesen Namen seit Ausgang 1706, denn in diesem
Jahre wurde er gelegentlich der Huldigung für den Kurfürsten Georg Ludwig
„sauber ausgemalet^^ Es ist die letzte förmliche Huldigungsfeier gewesen, die
in Lüneburg stattgefunden hat. Nachdem in der Großen Ratsstube im Namen
des Landesherm der Schutz der städtischen Privilegien zugesichert und das
RatskoUegiimi vereidigt worden war, begab sich der nachherige König von England
in das „übergelegene^^ Zimmer, trat an ein durch eine rote Sammetdecke mit
goldenen Frangen bezeichnetes Fenster und nahm von der auf der Straße
postierten Bürgerschaft den Erb-Huldigungseid entgegen. Die Deckengemälde
*) Hier sei nachgetragen, daß nach Vollendung der Ostfassade und des Richthuses
die ganze übrige Nordfront ,,de schriverey langst her van Hartinges [des StadtsekretHrs]
bnse bett zu dem ende mit dem groten geyel nedden und aben^', auch ^,de dubbelden lesten
van der gronen dar an bis Hartinges huse^^ von Frese „stoffiert" wurden.
-^ 223 H-
des Saales sind vom Lüneburger Maler Burmester gemalt, die lebensgroßen
Portrats des Herzogs Georg Wilhelm und des Kurfürsten Georg Ludwig sind ein
Geschenk des Kammerpräsidenten von Görtz aus dem Jahre 1710. An der
Innenwand befand sich unter dem Ghronostichon „In ReCTo DeCVs OMne" ein
Kamin der zu Beginn des 19. Jahrhvmderts abgerissen ist.
Die Bezeichnung „Traubensaal' ^ rührt daher, daß vom Schlußsteine eines
darunter liegenden zum Ratsweinkeller gehörenden Gewölbes eine Traube herabhing.
Auch der Parterreraum unter dem Traubensaale war im 18. Jahrhundert dem
Kellerpächter überlassen, und dieser hatte die Erlaubnis, den Saal für größere
Festlichkeiten zu benutzen. Der jetzige Eingang zur Polizeidirektion lag bis 1860
unter dem Flur zwischen Huldigungs- und Traubensaal, von hier führte eine
Treppe unmittelbar in das Obergeschoß. Die Deckenmalerei des Traubensaales
stammt ebenfalls aus dem Jahre 1706. Eine Nachricht, wann die beiden Säle,
wie sie sich jetzt dem Auge darbieten, erbaut worden sind, hat sich bisher
nicht finden wollen.
Nicht minder prächtig als die östliche Hälfte der Rathausgruppe war
ehemals auch der Westflügel, das Kämmereigebäude, in seinem Innern ausgestattet,
hier aber sind die zahlreichen Umbauten, zumal im 19. Jahrhundert, gar zu
einschneidend gewesen, als daß sich von Kunstdenkmälem viel erhalten hätte.
Der großen Blütezeit der Stadt, dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts,
entstammt das Getäfel der Großen Konunissionsstube, ein Werk des Ratssnitkers
Wameke Burmester (1583 und 1584). Der Genannte war im Dienste des Rates
der Nachfolger Gerd Suttmeiers und ist uns schon bekannt durch das Ghorgestühl
der Johanniskirche und die Längsschranke des Ratsstuhles in der Laube.
Ein besonderes Kapitel würde seiner hohen künstlerischen Bedeutung
gemäß der Silberschatz des Rates beanspruchen. Er war einst noch ungleich
reicher, als der große Schauschrank im Kunstgewerbemuseum zu Berlin ahnen
läßt Die Gastfreundschaft des Rates äußerte sich nach altem Brauch gern in
der Weise, daß angesehene Gäste einen Krug, einen Pokal, eine Schale oder
dergleichen aus der „Schenkeschive'' als Erinnerungszeichen erhielten. Die
Känmierer hatten die Aufgabe, jede derart entstandene Lücke durch neuen
Ankauf alsbald wieder zu füllen, daher geben ihre Rechnungen uns Kenntnis
von beinahe zahllosen Werken Lüneburgischer Goldschmiedekunst; wir erfahren,
wann und von wem die Stücke angefertigt sind, und wer die Bevorzugten
waren, in deren Eigentum sie als „Verehrung^' übergingen. Eine Monographie
über den Silberschatz ist in Vorbereitung, um so mehr sind wir berechtigt, den
Gegenstand hier auszuscheiden.
Das Lüneburger Rathaus ist Jahrhunderte hindurch eine hohe Pflege-
stätte der bildenden Kunst gewesen. Als es mit dem Reichtum der Stadt bergab
ging und ihre Selbständigkeit zu Fall gebracht war, mußte in dem ehrwürdigen
Gebäude auch die Betätigung der Kunst verkümmern und leider auch das Ver-
ständnis für die Kunst. Doch die Baugeschichte des Rathauses braucht nicht
düster auszuklingen. Lüneburgs neue Blüte gibt sich auch in der künstlerischen
Ausgestaltung des Rathauses in neuen Schöpfungen kund: davon zeugen das
1899 erbaute Stadtarchiv mit seiner Deckenmalerei von Eduard Schröder, das
Besdureibmi^.
224
wiedeihergestellte Treppentunnchen im Winkel des Ratsgartens, die Wiedergeburt
des 1832 außer Betrieb gesetzten Ratsweinkellers mit seinen Gemälden von Hugo
Friedrich Hartmann« Einen freudigen EKnweis verdient endlich der Plan, die
Alte Kanzlei von dem verdunkelnden Ballast ihrer Aktengestelle und Schranke
zu befreien und den stimmungsvollen Raum als Rathausmuseum erst ganz zur
Geltung zu bringen.
Das Rathaus bildet ein großes an vier Straßenzügen gelegenes Gebäude-
viereck (Fig. 61), innerhalb dessen eine Anzahl Bauwerke verschiedener Zeiten
aneinandergereiht ist. Geschlossen sind die Rathausfronten am Markte, am
Flg. 63. Rathaus; Querschnitt durch die Laube.
Ochsenmarkte, am Marienplatze; gegen die Wagestraße öffnen sich drei ver-
schieden große Höfe, zwischen denen sich Flügel nach der Straße zu als Giebel-
bauten entwickeln. Außerdem liegt noch mitten in den Gebäuden ein kleiner
Hof. Die ältesten erhaltenen Teile des Rathauses liegen an der Wagestraße;
die Bauten am Marienplatze und am Ochsenmarkte sind jünger, die eigentliche
Hauptfront am Markte (Fig. 80) stammt in ihrer jetzigen Gestalt aus dem
Anfang des 18. Jahrhunderts. Der Haupteingang befindet sich am Ochsen-
markt, einen größeren Eingang besitzt noch das Kämmereigebäude. Nach
einem älteren Plane, den auch Mithoff abbildet, bestand früher die Wagestraße
nur als schmaler Weg, so daß damals das Rathaus mit seinen geschlossenen
Fronten an drei Straßenzügen lag imd nur innere Höfe hatte. Das erklärt auch,
daß äußerlich alle Gebäudeansichten an der Wagestraße bei Verbreiterung der^
selben in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts neu erbaut wurden.
-^ 226 g^
Für die nachfolgende Beschreibung ist das Gebäude geteilt in den
Laubenbau mit altem Archiv, Körkammer und neuem Archiv, in den Saalbau
am Markte mit allen großen Sälen bis zum Haupteingang am Ochsenmarkte, in
den Bau von 1567 mit der Ratsstube und Nebenräumen und in den Kämmereibau
am Ochsenmarkt und Marienplatz.
Lanbenban. Der älteste erhaltene Teil des Rathauses steckt in der Ostwand des
1898 erbauten Stadtarchives an der Wagestraße. Er besteht aus einem
Mauerrest von großen unregelmäßigen Qipsblöcken, die mit Gipsmörtel
verbimden sind. Ehemals befand sich hier die sogenannte Küche, ein einfacher
Bau, der ganz aus Gipsblöcken errichtet war und in Verbindung mit der Kapelle
des kleinen heiligen Geistes stand. Diese Kapelle hatte ihre Front am Ochsen-
markte, sie lag etwa imter der jetzigen großen Ratsstube und diente als
Ratskapelle. Ostlich vom Stadtarchiv steht der zweigeschossige Bau mit der
Laube im oberen Stockwerk. Auf derselben Höhe liegen die Körkammer, das
alte Archiv, die alte Kanzlei und die große Rathaushalle am Ochsenmarkt; alle
diese Räume sind unmittelbar mit der Laube verbunden.
Die Laube. Die Laube (Fig. 62) ist ein großer 20,40 m langer imd 9,10 m breiter,
von einem flachen, in das Dach hineinragenden Tonnengewölbe aus Holz über-
deckter Raum mit drei Fenstern nach Süden und vier Fenstern nach Osten.
Im nördlichen Teile steht ein runder Pfeiler, durch drei ungleich weitgespannte
Bögen mit den Wänden verbunden (Fig. 63). Er bildet das Fundament für die
nordwestliche Ecke des darüberliegenden Fürstensaales, der wohl gleichzeitig
oder kurz nach der Laube erbaut wurde. Die Westseite der Laube ist in der
letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts neu gebaut, die Ostseite zeigt auikn starke
Strebepfeiler. Drei Fenster dieser Seite sind dreiteilig mit Steinpfosten unter
dem einfassenden Flachbogen ausgebildet (Fig. 64). Die Bögen über den Pfosten
haben Nasen und bestehen aus gegossenem Gips (Fig. 65). Das vierte Fenster
ist vierteiUg mit hölzernen reich geschnitzten Pfosten der Renaissancezeit. Die
drei Fenster der Südseite haben neues Sandsteinmaßwerk, das dem alten, wie
es scheint, nachgebildet ist Mithoff beschreibt noch das alte.
In der südwestlichen Ecke der Laube ist ein Raum durch teils hölzerne,
teils steinerne Schranken abgeteilt, an deren Innenseiten, ebenso wie an den
innerhalb der Schranken liegenden Außenwänden sich Bänke hinziehen. Neben
dej steinernen Schranke, etwa in der Mitte der Westwand, liegt ein neuer Kamin.
Der runde Pfeiler mit seinen Bögen, der den niedrigen vorraumartigen
Teil der Laube von dem gewölbten Teile trennt, besteht aus roten Ziegelsteinen.
Der kürzere Bogen, nach der Körkammer zu, verschwindet in der Mauer, der
längere Bogen steht auf einer halbrund vor die Wand gelegten Ziegelsteinsäule.
Die Säulen haben ornamentierte Kapitelle, die verschieden ausgebildet, aus Gips-
mörtel hergestellt und farbig bemalt sind (Fig. 66). Die Bögen haben nach der Laube
zu ein stark zurücktretendes Profil. An der Laubenseite steht zwischen den
Bögen in einer Nische ein vergoldetes Marienbild. Cber dem Gurtbogen nimmt
die ganze Fläche des Schildbogens ein großes gotisches Bild, auf Holz gemalt,
ein. Alle Figuren stehen auf tiefblauem Grrunde, in der Mitte der Heiland als
Weltenrichter auf einem Regenbogen, rechts und links die knienden Figuren
Johannes des Tätifers und der Maria, ganz in der Nähe der Kämpfer zwei
kl''
im
zusammengedrückte Männeigestalten mit Sprucbbäadem, auf dem Spruchband
rechts: „Pauperis ■ non ■ misereberis ■ in ■ iudicio", links: ,,iudic)um • sine ■ miseri-
cordia ■ fiat - iUi • qui • misericordiam • non - fecit". Unter dem Bilde ist in der
29«
-^ 228 8^
ganzen Breite in gotischen Minuskeln eingeschnitten : „diligite • iusticiam • qui •
iudicatis • terrain • Sap • p^. Audi partem alteram. Apostolus p^ • ad thimotheü quFto.
Justo iudicio pauperie f diviti iudicium'^ Wände und Decke der Laube sind ganz
mit bemalten Brettern bekleidet. In Kämpferhöhe des Tonnengewölbes zieht
sich ein geschnitzter Fries hin, ein sich überschlagendes Blatt, eingerahmt von
Profilen, nach oben abgeschlossen durch Hohlkehle mit Zinnenkranz, nach unten
durch aneinandergereihte Lilien. Die Blätter sind vergoldet, die Profile farbig
abgesetzt Die Decke ist durch profilierte Rippen, die mit vergoldeten Blattern
besetzt sind, in fünf querlaufende, mit Ornament und Figuren bemalte Felder
geteilt Die Mitte der Felder büden Kreise, die zweimal Wappen der Stadt
und des Landes, im übrigen figürUche Darstellungen enthalten. Neben den
Kreisen laufen nach beiden Seiten große, gemalte Architekturen bis zum Kämpfer
herunter. Diese Architekturen umschUeßen figürliche Darstellungen aus der
biblischen, griechischen und lüneburgischen Geschichte, die zum Teil noch nicht
erklärt sind. Zwischen den Architekturen und auf diesen befindet sich ein
gemaltes Ornament der Renaissancezeit Die Fensterwände sind ebenfalls mit
OmamentmaJerei bedeckt, an der Ostwand erscheint neben dem halbrunden
Pfeiler eine Figur in Patriziertracht.
Die Westwand zwischen Fenster und Kamin zeigt fünf große Dar-
stellungen mit je zwei Figuren, von profiliertem Rahmen umgeben. Gleichzeitig
bilden diese Rahmen fünf Wandschränke mit je vier Türen, deren reiche Be-
schläge übermalt sind. Die Figuren stehen auf landschaftlichem Hintergrunde,
jede von ihnen hat ein Spruchband mit einem kurz gefaßten Spruch, die richter-
liche Tätigkeit betreffend. Im zweiten Bilde von der Fensterwand befindet sich
die Jahreszahl 1529, das Entstehungsjahr der Malereien. Zwischen den Rahmen
baut sich ein kandelaberartiges Ornament auf, aus dessen oberer schalenartiger
Endigung eine Figur herauswächst; alle übrigen Flächen sind mit Ornament
bedeckt Dicht an der Fensterwand befindet sich noch ein kleiner Rahmen, der
ebenfalls einen Wandschrank enthält und mit einer männUchen Figur übermalt ist
Die Westwand hat hinter dem Kamin drei Türen, die zum alten Archiv,
zur Körkammer imd zu einem Ausgang nach dem Hofe führen. Von den Türen
ist nur die zum Archiv reicher ausgebildet, die zur Körkammer ist übermalt, die
zum Ausgang neu. Zwischen Archivtür und Kamin ist in reicher gemalter
Architektur ein Reiter auf landschaftiichem Hintergrunde dargestellt, der in der
feinen und reichen Malerei an süddeutsche Vorbüder erinnert Die übrigen
Wandmalereien sind künstierisch weniger bedeutend. In dem niedrigen Raimie
hinter der Bogenstellung erscheinen an der Decke die Balken des Fürstensaales,
die mit demselben ungeschickten Ornament bemalt sind wie hier die Wände.
Viel mag bei der Wiederherstellung der Arbeiten verdorben sein. Die Ausgangs-
tür nach der Rathaushalle am Ochsenmarkt ist mit gemalter Architektur um-
geben, rechts davon eine Frauengestalt in Patriziertracht, auf der Tür selbst die
Inschrift: „Renovatum 1882" (Maler Fischbach).
Die erwähnte Tür zum Archiv besteht aus Eichenholz und ist in fünf
Füllungen geteilt (Fig. 68). Die mittiere, querliegende Füllung zeigt das Wappen
der Stadt, von zwei wilden Männern gehalten, farbig auf rotem Grunde, die
s
übrigen Füllungen besiteen senkrechtes Faltwerit auf abwechselnd blauem und
rotem Gruiide. Eingefaßt wird die Tür von einer mit Tausteinen profilierten
Nische. An der Nordwfind, im niedrigen Teil der Laube befindet sich ein großes
gotisches Spitzbogentor mit Spitzbogenpforte; die dichtliegenden Rahmhölzer
bilden kleine quadratische Füllungen. Der Beschlag ist sehr reich und fein. Die
Tür befand sich zuletzt in der alten Rathausküche und soll nach der unbewiesenen
Überlieferung von der Burg auf dem Kalkberge stammen.
An der Fensterwand nach Süden Bind zwischen den Fenstern zwei
aue Gips g^ossene Konsolen mit Baddachinen angebracht, die bemalt waren.
Die Figuren fehlen.
Flg. 89. Bstlutni; Wandaohruik In d«r Laabe.
In die Fensterpfeiler der Ostwand sind drei bis zum Kämpfer reichende
Wandschränke mit reicher gotischer Vorderwand eingebaut {vgl. Fig. 64). Der
-t^ 231 h^
erste Wandschrank, nach Süden, ist in drei Abteilungen aufgebaut, eingefaßt
von gedrehten imd ornamentierten, vergoldeten und von Figuren unterbrochenen
Säulen und bekrönt von einem hohen Fries, der zwischen Ornament vier Figuren,
die heiligen drei Könige mit Maria, zeigt. Die Türen sind auf Rahmen und
Füllung gearbeitet, die der mittleren Abteilung zum Klappen mit Stützen von
Schmiedeeisen eingerichtet. Die Füllungen der oberen l'üren zeigen plastisch
Sonne und Mond, umgeben von einem vergoldeten Kranz aus Zweigen auf
blauem Grunde, die Füllungen der Klapptür Wappen des Landes und der Stadt,
von Mannern in Ritter- \md Patriziertracht gehalten, teils vergoldet, teils farbig
auf blauem Qrunde. Die unteren Füllungen sind mit einem feinen gotischen
Ornament, hellgrün, gelb und rot auf dunkelgrünem Grunde bemalt. Alle Rahm-
hölzer sind rot gestrichen, die Beschläge der Türen reich. Der zweite, mittlere
Wandschrank (Fig. 69) ist ebenso aufgebaut wie der erste, die seitlichen Säulen
bestehen hier aus übereinandergesetzten Fialen, die Bekrönung wird durch
reiches und schönes spätgotisches Maßwerk gebildet. Die Türfüllungen enthalten
dieselben Darstellungen wie beim ersten Schrank, nur einfacher. Die Wappen
sitzen ohne Figuren frei in der Fläche, das gemalte Ornament ist gröber. Die
Beschläge sind hier sehr reich und zierlich. Der dritte Wandschrahk, vielleicht
der älteste, ist einfacher. Der dreiteilige Aufbau ist der gleiche. Die drei
AbteUimgen werden durch vergoldete Omamentstreifen getrennt. Auf den hier
glatten Türen sind dieselben Darstellungen befestigt, wie bei den vorhergehenden
Schränken, aber die Beschläge sind einfacher, der ganze Reichtum ist auf der
einfassenden Architektur und der schönen Bekrönimg vereinigt. Der glatte Mittelteil
des Schrankes wird eingefaßt von gedrehten Säulen und Fialenspitzen, die nach
außen von einem vergoldeten, in einer roten Kehle liegenden erhaben gearbeiteten
Ornament begleitet werden. Neben dem Ornament streben auf jeder Seite noch
zwei Reihen aufeinandergesetzter Fialen nach oben. Die Bekrönung wird
beherrscht von einer kielbogenartigen Gesimslinie, die in einer Kreuzblume endigt,
darüber und dazwischen durchbrochenes Maßwerk. In diesen Schränken wurde
ehemals das Ratssilber aufbewahrt und bei festlichen Anlässen zur Schau gestellt.
Der Fußboden der Laube (Fig. 70) besteht aus rautenförmigen braun
glasierten und roten Ziegelplatten, dazwischen liegen quadratische Gipsplättchen,
mit blaugefärbten gotischen Einlagen, abwechselnd den lüneburgischen Löwen
und ein kreuzartiges Blatt darstellend. In den Schranken liegt ein reicher
Fußboden mit einem aus vier Platten zusammengesetzten Muster, grün und weiß
glasiert Dieser Fußboden hat aber ursprünglich nicht hier gelegen.
Die Schranken der Gerichtsstätte bestehen nach Norden (am Kamin) aus
Stein. Dicht am Kamin steht eine gotische Bankwange, auf deren Vorderseite,
nach der Laube, im runden Kopfe das Stadtwappen, darunter in architektonischer
Umrahmung zwei Tierfiguren, das sogenannte Strebkatzenziehen darstellend,
sich befinden. Auf der Rückseite das Stadtwappen. (Jahresbericht des Museums-
vereins für das Fürstentum Lüneburg 1899/1901. Hannoversche Geschichts-
blätter 1902, S. 241 ff.) Die Steinschranke ist ornamentiert mit einem flachen
Bandwerk, in der Mitte Löwenköpfe und das Stadtwappen. Der Abschluß der
Schranke wird durch eine Wange gebildet, die ebenso ornamentiert ist, im Fries
die Jahreszahl 1594 zeigt und eine geschwungene Bekrönong hat Die Holz-
Bchranke nach Osten steht frei (Abb. 71), zeigt auf der Außenseite nach der
Laube Bogenstellungen mit eingelegten Ornamenten zwischen kannelierten
Pilastern und hat zwei reiche geschnitzte beiderseitig bearbeitete Abschlußwangen.
Die Bekrönung der WaDge naich Norden stellt in einem von zwei schönen
Frauengestalten, Prudentia und Pax, gehaltenen Kreise das Stadtwappen mit
der Zahl 1594 dar. Der Kreis ist umgeben von Ornament und belöönt von
einer sitzenden Frauengestalt Die Rückseite zeigt in omamentalem Rande eine
lateinische Inschrift, den Psalm 71. Die Wangenbekrönung nach Süden stellt
ebenfalls das Stadtwappen im Kreise dat, hier von zwei Löwen gehalten und
FIc- 10' Batlidnii PuBbodes In dar Lkabe.
bekrönt von einer aäulentragenden Fraueogestali Der Kreis wird von Bollwerk
uDirahmt Unter dem Kreis die JahreBZabl 1594. Die Rückseite zeigt eine
figürUche Darstellung, die in Lüneburg oft verwendet worden ist und wohl von
einem Bilde des Daniel Frese in der großen Ratsstube entliehen ist In der
Mitte tront eine weibliche Figur, die Stadtregierung darstellend, im Schöße den
Frieden, zu beiden Seiten die Gerechtigkeit und die Einigkeit, über dem Ganzen
Gott Vater, aUe Figuren mit Sinnbildern und lateinischer Bezeichnung. In der
Mitte der Schranken steht ein Tisch mit schönen Spätrenaissance-OiDiunenten
am Unterbau.
Die neuen Fenster naxh der Südseite haben die alten Glasgemälde
wieder erhalten, teilweise ei^änzt Die Glasbilder zeigen große, geharnischte,
je mit einem Wappeaschild versehene Gestalten, die unter Baldeicfainen stehen
und zu ihren Füßen lateinische, teilweise verloren gegangene Unterschriften
tragen. Die Felder des Maßwerks werden durch Halbfiguren mit Spruch-
bändern und Ornament ausgefüllt Die Vierpässe des Mittelfeldes enthalten
zweimal das Stadtwappen, der Dreipaß über dem mittleren Fensteifeld das
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-»4 234 g-1-
Wappea mit dem lünebuigischen Löwen. Die Glasbilder stellen die im Mittel-
alter häufig veiwendeten neun guten Helden dar, und zwar, von links nach
rechte, Judas Makkabäus, König David, Josua, Gottfried von Bouillon, König
Karl, König Artus, Kaiser Julius, König Alexander und Hektor von Troja. Je
drei der Helden gehören dem Judentum, dem Christentum und dem Heidentum
slh, und zwar etehen hier die drei christlichen Helden in der Mitte. Die Namen
Flg. IE. BathMl; OlkBinalsrei 1d der Laob«.
befinden sich an den Vorderseiten der bekrönenden Baldachine. Die lateinischen
Inschriften am Fuße sind, soweit lesbar, bei Mithoff und Albers*) abgedruckt
Die vier Fenster der Ostwand haben im allgemeinen einfache Rauten-
bleiverglasung. Dazwischen sitzen in den ersten diel Fenstern mit den Stein-
pfosten Stücke von Glasmalereien, und zwar oben Halbfiguren in Kreisen mit
umlaufenden Spruchbändern, deren Inschriften gotisch sind, unten geneigte
Wappenschilder, teils mit dem Stadtwappen, teils mit dem Löwen, von spät-
*) Albers, Beschreibung des Rathausea zn LUnebarg. 1813.
gotischem Ornament umgeben (Fig. 72). Zwei Schilder verzeichnen die Namen von
Rats- und Bürgerkollegium von 1853, dem Jahre der Wiederherstellung der Laube.
Im vierten Fenster, mit den Holzpfosten, sind in zwei Reihen kleine
Wappenschilde eingesetzt, oben mit dem Löwen, darunter mit dem Stadtwappen.
In den unteren Fensterflügeln befinden sich: links das Wappen Georg von
Dassels, in gemaltem Rahmen, mit der Unterschrift: MODERNIS RENOVATVM 1607,
darüber ein Engelkopf; in den Mittelfenstem zwei kleine gemalte Architekturen,
in der einen das Stadtwappen, in der anderen eine neue Glasscheibe mit der
Inschrift: „RENOVATVM 1853 durch Holste, Stadtbaumeister", unter beiden die
Jahreszahl 1592 ; rechts das Wappen des Kämmerers Albertus von Dassel mit der
Zahl 1607. In allen Fenstern der Ostseite sitzt in der Mitte eine kleine rauten-
förmige Scheibe mit der gelb eingebrannten Schrift: RENOVATVM 1607.
Im Fußboden zwischen den Schranken befinden sich vor den Bänken
kleine runde Löcher mit abnehmbaren Metalldeckeln. Es sind die Ausströmungs-
öffnungen für eine einfache Luftheizung, die in zwei Gewölben unter der Laube
lag. In diesen Gewölben wurden auf eisernen Rosten Feldsteine erhitzt, die ihre
Wärme an die in die Laube aufsteigende Luft abgaben. Von der alten Ein-
richtung der Heizung ist außer den Deckeln nichts mehr vorhanden.
Das Geschoß imter der Laube enthält Gefängnisse und einige weitere
Räume ohne Bedeutung.
Der Keller ist gewölbt und steht mit den übrigen Kellern in Verbindung.
Er enthält neben kleineren Räumen einen großen, an der Wagestraße liegenden
quadratischen Raum mit einem runden Mittelpfeiler, von dem sich vier Gurt-
bögen nach den Wänden wölben. Zwischen den Gurtbögen sind Kreuzgewölbe
mit profiherten Rippen eingespannt. An der Westseite befindet sich ein von
Tausteinen eingefaßter Kamin. Der Raum wird von Mithoff als Trinkstube
bezeichnet ohne Quellenangabe. Mithoff wird durch den Kamin zu dieser
Annahme veranlaßt worden sein, denn der Keller weist sonst keine Spuren
einer Benutzung als Trinkstube auf. Ein Kamin befindet sich aber auch im
Keller unter dem Kämmereigebäude. Es ist möglich, daß die Kamine nur zum
Anwärmen des Raumes, in dem die Südweine lagerten, dienten.
Im Fußboden der Laube befindet sich in der nordöstlichen Ecke eine
Klappe, die eine gemauerte zum Keller führende Wendeltreppe bedeckt.
Von der Laube gelangt man durch einen schmalen, dunklen Gang zu Körkammer,
der, zwischen der Laube \md der alten Ratsküche, jetzt Stadtarchiv, gelegenen
Bürgermeister Körkammer, einem kleinen längÜchen Räume, der sich noch ganz
unberührt in seiner mittelalterUchen Erscheinimg erhalten hat (Fig. 73—78)
Die Wände sind bis zur wagerechten Balkendecke ganz vertäfelt, ein großes
farbiges Fenster erhellt den Raum. Fast in der Mitte der Ostwand (Fig. 74) steht
ein großer gemauerter Kamin mit herausgezogener bogenförmiger Cberdeckung
und abgeschlossen durch ein Backsteinprofil. Darüber ist die Ummauerung
des Rauchfanges mit einem auf Leinwand gemalten Bilde bedeckt, auf dem
eine thronende Frauenfigur rechts und links das Stadtwappen hält. Über dem
Wappen steht in gotischen Minuskeln: anno dm m cccc xci. In späterer Zeit
30*
-^ 236 H-
war der Kamin einmal übermalt Die Wandverkleidung zwischen dem Kamin
und der glatten Tür hat zwei Nischen, ebenfalls mit Holz verkleidet In der
einen befindet sich ein steinernes, profiHertes Waschbecken. Zwischen Kamin
und Fensterwand ist in der Vertaf elung eine Sitznische ausgespart Aufklappbare
Bänke ziehen sich an den übrigen drei Wänden herum. In der Vertäfelung der
Wand gegenüber dem Kamin (Fig. 77) befinden sich offene Bücherbörte und
vier Wandschränke, deren Türen reiche Beschläge zeigen. Die Wand gegenüber
dem Fenster (Fig. 75) ist ganz in Bücherbörte aufgelöst, der Bretterhintergrund
dieser Borte ist abwechselnd blau und rot gestrichen.
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I M t I t > I I t ♦
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Flg. 7a. Rathaas; KOrkammer, Onmdrifi.
Die Wandverkleidung besteht aus Tannenholz. Die Rahmhölzer sind pro-
filiert imd mit einem einfachen gelben Bandomament auf dimkelgrünem (jrunde
bemalt, die Profile blau, gelb und rot gestrichen. Die Füllungen sind natur-
farbig gelassen und haben jetzt eine braune Färbung angenommen. Sie waren
vielleicht für besondere Stoffdekorationen bei den Bürgermeisterwahlen bestimmt
Die Rahmhölzer der Wandverkleidung sind oben, unter der Decke bogen-
fö^nig zusammengezogen. Jeder Bogen wird von farbigem durchbrochenem
Ornament ausgefüllt, da.s mit rotem und blauem Papier unterlegt ist und teils
Maßwerk, teils allerlei Tiere, Elefanten, Löwen, Fabeltiere, auch das Lamm mit
der Fahne, darstellt
Das Fenster (Fig. 76) ist vierteilig, mit geschnitzten gotischen Holz-
pfosten imd einem Kämpfer. Ober dem Kämpfer bilden kleine verbleite Scheiben
die Verglasung, in den unteren Fenstern sind vier schöne farbige Glasmalereien,
teilweise ergänzt, erhalten, vier Bürgermeister in ganzer Figur daretollend. Jeder
Büigermeieter hat unten links sein Wappenschild, um den Kopf ein Spruchband
mit lateinischer Inschrift. Die Bürgermeister sind von links nach rechts:
Flg. TS. Brnthmnl; SörkamnMr, HordwMkd.
Flg. IS. Bkthaas; KSrlcaminer, Südwuiil.
Sanckenstede, Langens, Sanckenstede und Schomsiker. An der Innenseite der
Fenster befindet sich ein eisernes Gitter aus schräglaufenden durchgesteckten Stäben.
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Die Deckenbalken (Fig. 78) sind mit Brettern verkleidet, die profiliert
und mit fortlaufendem gotischem Blattwerk, gelb, rot und blau auf dimkel-
grunem Grunde bemalt sind. Die Deckenfelder sind durch profilierte und bemalte
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Leisten in zwei Füllungen geteilt Die Leisten sind an beiden Enden bogen-
förmig zusammengezogen. In diesen Bögen laufen die Profile der Leisten in
maßwerkähnliches Ornament mit Nasen imd Blumen aus, ebenfalls mit farbigem
Papier imterlegt Die Füllungen zwischen den Leisten sind ebenso naturfarbig
gelassen wie die FüUxmgen der Wandvertäfelung.
Auf den Bänken liegen sieben gestickte Kissen, von denen vier dieselbe
gotische Zeichnung — in der Mitte das Lamm mit Fahne, mngeben von Ornament —
zeigen. Die drei anderen Kissen sind ebenfalls gleich gezeichnet: in der Mitte
das Stadtwappen, umgeben von Renaissanceomament Femer ist hier vorfanden
ein schmales langes Stück eines Gewebes.
Im Kamin stehen zwei Kaminböcke aus der Barockzeit, untei) durch
Blechomament verdeckt, oben von großen Kugeln bekrönt.
In der Mitte der Körkammer steht ein kräftiger, gotischer Tisch aus
Eichenholz, dessen Platte grün gestrichen ist
Das alte Archiv besitzt außer der oben bezeichneten Tür noch eine innere Das alte Archiv,
aus Kupferblech, mit Eisenbändem verstärkt Der kleine, fast quadratische Raum
(Fig. 79) ist überdeckt von einem Kreuzgewölbe mit Tausteinrippen. Unter dem
stark hervortretenden Schlußstein aus Gipsmörtel hängt das Stadtwappen aus
Holz. Die Rippen stehen auf profilierten Konsolen aus Gips, vor denen wieder
je ein hölzernes Stadtwappen hängt. An der Unterseite der Rippen ist in der
Nähe des Schlußsteines viermal ein Tierkopf aus Gipsmörtel befestigt, das
Wappentier des Schomakerschen Schildes darstellend. An der dem Fenster
zugewandten Seite des Schlußsteins befindet sich ein Band mit der Zahl 1521,
wohl die Zeit der Ausstattung des Gemaches bezeichnend. Das Fenster ist an
die Seite gerückt und mit Tausteinen eingefaßt, an der inneren Seite ist ein
starkes Gitter angebracht Die Wände sind bis zum Kämpfer mit Eichenholz getäfelt
und fast ganz ii> Wandschränke aufgelöst, deren Türen reiche, durchbrochene,
mit farbigem Papier unterlegte Beschläge haben. Den Abschluß dieser Verkleidung
in Kämpferhöhe bildet ein Fries von wechselndem Maßwerkmuster auf farbigem
Grunde. In der der Tür gegenüberliegenden Wand befinden sich noch Wandschränke,
die fast bis zum Scheitel des Gewölbes reichen und als oberen Abschluß wieder
Maßwerkfriese haben. An den übrigen Seiten sind über dem Paneel offene
Borte in späterer Zeit angebracht Der Fußboden ist hergestellt aus Ziegelstein-
platten imd Formsteinen, die in den Gipsestrich eingedrückt sind imd Muster
bilden. Von dem Schlußstein hängt eine zierliche sechsarmige Leuchterkrone
aus Messing herab. Die gotisch ornamentierten Arme gehen von einem massiven
runden Mittelkörper aus, der von einem sitzenden Löwen bekrönt ist Den
unteren Abschluß bildet ein Tierkopf mit zwei Löchern, in denen wahrscheinlich
ein Schild mit dem Stadtwappen hing. Die Decke ist mit unbedeutenden Orna-
menten des 18. Jahrhunderts bemalt.
In diesem Räume wird eine Menge kleiner Kunstgegenstände auf-
bewahrt, alte Schlüssel mit gotischen Schildern, zinnerne Krüge und Pokale von
einfachen Formen, Sanduhren, Pistolen, Messingschilder, ein kleines Ölbild,
angeblich mit dem sterbenden Bürgermeister Springintgut, eine schöne Marien-
31
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figur, offenbar von einem Leuchter, alte Bücher und Stempelformen, außerdem
viele kleine Kasten und Truhen, unter denen ein kleiner rotbenuklter Kasten
auffällt. Er zeigt an der Vorderseite neben dem Schloß zwei gotische
ttg. 19. HatbMu; ftltes Archiv.
MaßwerkfüUungen, darunter zwei gemalte Wappen, von denen links Sanckenstede
erkennbar ist; die drei anderen Seiten sind geschmückt mit gotiBchen Minuskeln:
Mala, anna, ihs. Der Beschlag ist einfach, der Deckel profiliert. Femer befindet
sich hier ein Lederkasten aus der Frührenaissancezeit, der dachförmige Deckel
-^ 243 8^
ist mit gepreßten Ornamenten auf allen Seiten bedeckt, wiederholt ist ein Bild,
Simson mit dem Löwen, dargestellt neben einer Gruppe von zwei sich gegenüber-
stehenden Löwen; an den Seiten ist ein Rosenomament eingepreßt. Der Beschlag
ist reich und zierhch. In einem Kästen wird ein großes Stück Goldbrokat auf-
bewahrt, aus drei Bahnen zusammengenäht, auf dem König Georg I. 1706 bei
der Huldigung gesessen h.aben soll.
Unter der Körkanmier liegt noch ein Raum von der gleichen Größe
wie diese, früher Bauamtsstube, jetzt Arbeitszimmer für das Stadtarchiv,
mit 1,90 m hohem, dimkel gebeiztem Eichenholzpaneel, das durch kannelierte
Pilaster geteilt und von einem Konsolengesims bekrönt wird. An einem der
Wandschranke, die in das Paneel eingebaut sind, ist die Jahreszahl 1585
angebracht.
Der Teil des Rathauses, in dem die großen Säle liegen, wird begrenzt Saalbaa.
vom Markt und Ochsenmarkt Die Mitte nimmt, auch äußerlich erkennbar, der
Fürstensaal ein, dessen Schmalseite vom Markte, die Langseite nach Süden vom
Hofe an der Wagestraße Licht erhält. Neich Norden — am Ochsenmarkte —
hegen neben dem Fürstensaal der Huldigungs- und der Traubensaal. Die
Trennmauer zwischen Fürstensaal einerseits xmd Huldigungs- und Traubensaal
andererseits geht in erhebhcher Stärke undurchbrochen bis zimi Keller herunter;
hier nur sind einige Türen vorhanden. Die Fußbodenhöhen beider Saalbauten
sind verschieden; der Fürstensaal liegt im dritten Stockwerk über der Erde,
die beiden anderen Säle im U. Stockwerk. Die Dachkonstruktion des Mittel-
baues liegt auf den Umfassungen des Fürstensaales, das Dach über den
anderen Sälen ist gegen das Mitteldach geschleppt. Man erkennt an der höher
geführten Trennwand der Säle im Dachgeschoß den Anschnitt einer Dachkehle.
Nach alledem ist nicht zu bezweifeln, daß der Mittelbau, vorl3*etend vor dem
Saalbau am Ochsenmarkt; ein Dach für sich hatte, ebenso wie der Saalbau am
Ochsenmarkt sein besonderes Dach hatte. Vor der zurücktretenden Front des
Baues am Ochsenmarkt lag in der nordöstlichen Ecke auf den Granitsäulen mit
ihren Kreuzgewölben ein Altan, denn die starke Wand hinter der jetzigen Front-
wand, also die damalige Außenwand des Traubensaales, zeigt gotische Fenster-
profiUerungen. Die Außenseite am Ochsenmarkt läßt zugemauerte profilierte
Spitzbogenfenster erkennen. Es sei ausdrückUch bemerkt, daß das Bestehen
dieses Altans über der Bogenhalle nur auf Grund der baulichen Untersuchimg.
angenommen wurde, daß aber urkundhche Belege dafür nicht vorhanden sind
Gegen die Annahme, daß über der Bogenhalle ein Dach an die Mauern anschloß,
sprechen die bis zur Decke der Haue heruntergezogenen Profile der Ostwand
des Traubensaales. Der südliche Anbau am Mittelbau, wie ihn eine Zeichnung
von 1605 angibt — Mithoff bildet sie ab — , kann aber in gotischer Zeit
noch nicht bestanden haben, denn hier ist eine kleine Platte zwischen den
Bögen eingelassen, die ausdrücklich angibt: „Exstruktum Anno 1720^^ In
diesem Jahre ist die ganze Rathausfront durch den Stadtbaumeister Georg
Schultz in den jetzigen Formen umgeändert worden (Fig. 80) und dieser
Anbau lediglich aus Symmetriegründen erbaut. Nie ist der Traubensaal bis
31*
-^ 244 S^
zur Marktfront durchgeführt gewesen, wie die große Fenstergruppe jener Zeichnung
von 1605 angibt; denn dann hätte man die gotische Wand, die hinter dieser
Fenstergruppe liegt, abbrechen müssen. Jene Zeichnung wird also wohl nur
einen Wiederherstellungsentwurf irgend eines Architekten der Zeit um 1700
vorstellen, der vorschlug, den Traubensaal bis zum Markte durchzuführen. Es
hegen im Archiv noch mehrere solcher Entwürfe, die eine Umgestaltung der
Rathausfront um 1700 betreffen, auch der Originalentwurf von Georg Schulz,
der ausgeführt wurde, ist noch erhalten.
Der Mittelbau hat unter seinen drei Geschossen einen mit Kreuzgewölben
überdeckten Keller, ebenso der Seitenbau am Ochsenmarkt. Der Keller unter
dem Mittelbau ist eine zweischiff ige Halle, deren Gurte und birnstabförmige
Rippen in der Mitte auf viereckigen, an den Kanten gefasten Pfeilern sitzen,
an den Seiten auf ebensolchen Wandpfeilern. Neben diesem KeUer hegt nach
Süden eine Reihe Räume, ebenfalls mit Kreuzgewölben überdeckt, die aber höher
sind imd das über der Mittelhalle liegende niedrige I. Stockwerk mit umfassen.
Am Ochsenmarkt liegt unter der oberen Saalflucht eine Reihe ebenfalls höherer
Kellerräume, durch einige Türöffnungen mit dem MittelkeUer verbunden. Im
vorderen Teile dieser Kellerreihe, der an den Markt grenzt, hegen drei Joche
einer zweischiffigen Halle, deren Gewölbe auf achteckigen Pfeilern mit Kapitell-
profil und Sockel ruhten, die hinteren Keller sind durch Mauern abgetrennt; sie
haben je zwei Gewölbe, darunter einen Raum mit zwei fünfteiligen Gewölben.
Hinter beiden Kellerfluchten liegt quer ein weiterer Kellerraum, oben der Rat-
haushalle entsprechend, der sogenannte „tiefe KeUer", an den sich noch einige
kleinere Kellerräume und ein jetzt zugemauerter Ausgang zu dem von den
Gebäuden umschlossenen Höf chen reihen. Im hinteren Ende der mittleren Keller-
halle befindet sich die Verbindung zu den Kellern unter dem Laubenbau.
Über dem Keller des Mittelbaues befindet sich in Geländehöhe ein durch
Tonnengewölbe überdeckter ebenfalls zweischiffiger Raum, vor dem die offene
Halle, die das Untergeschoß der Marktfront bildet, Hegt (Vergl. S. 199.)
Das II. Stockwerk enthält im Mittelbau und den Seitenbauten an der
Marktfront eine Wohnung, dahinter liegt im Mittelbau ein dunkler Raum, der
sich bis zur Rathaushalle am Ochsenmarkt erstreckt und gegen diese mit einem
großen Bogen öffnet. (Vergl. Fig. 61.) Neben- diesem Raum erstreckt sich nach
Süden die alte Kanzlei bis zur Laube. Die Bedeutung des dunklen Raumes ist
im geschichtlichen Teile erklärt (S. 199). Ein kleiner Teil seiner Seitenwände hat
uEich der Eingangshalle zu feste Bänke, darüber 1,85 m hohe eichene Wand-
verkleidung auf Rahmen und Füllung. Über diesem Paneel smd die Wände
mit ungehobelten Brettern verkleidet Im hinteren Teile sind einige Teile
der Wand mit rauhen Brettern bekleidet Die Deckenbalken werden durch
einen Unterzug gestützt, der auf zwei starken gotisch profiUerten Stützen mit
Sattelhölzem und Konsolen ruht. Balken, Unterzug und Ständer sind mit einem
flüchtigen roten Linienornament auf hellem Grunde bemalt. Der Fußboden
wird durch quadratische Ziegelplatten gebildet. In der Abschlußwand erkennt
man noch die drei jetzt zugemauerten Backsteinbögen, die sich einst nach der
Marktseite öffneten. In diesem Räume werden aufbewahrt: Ein Kasten mit
-»^ 246 S-^
gotischem Beechlag, eine Truhe mit gemattem Wappen und der Zahl 1652, ein
schöner viert«iUger Renaissanceschrank mit gotischem Beschlag und ein aUe-
gorisches Bild von Daniel Frese.
Die Öffnung des dunklen Raumes nach der Rathausdiele wird geschlossen
durch ein prächtiges geschmiedetes Gitter, Fig. 81, dessen Stäbe oben in reichen
-j-8 247 8^
Blumen endigen. Die Füllungen werden gebildet aus durchgesteckten eng
zusammengerollten Spiralen. Ober den Türfeldem des Gitters ist das geschmiedete
Wappen der Stadt mit der Jahreszahl 1576 und dem Namen des Herstellers,
HANS RVGE angebracht.
Die alte Kanzlei ist durch eine profilierte Flachbogentür von der Alte Kanzlei.
Laube aus zugängig, sie hat fünf niedrige Fenster in Flachbogennischen nach
dem Hofe an der Wagestraße und ist einmal geteilt durch eine gemauerte Wand
mit profilierter Flachbogentür und vergitterter Öffnung. Der Raum hat sich
unberührt und vor allem unrestauriert in seiner ganzen einfachen gotischen
Schönheit erhalten. Wände und Decken sind mit großzügigem gotischem
Laubwerk, grün und rot mit schwarzen Konturen, vermischt mit Blumen und
Früchten, in einer flotten und sicheren Technik übermalt. In der Ecke an der
Laube steht ein Backsteinkamin, die bleiverglasten Fenster sind zweigeteilt
diu'ch eichene profilierte seitliche und mittlere Pfosten. An der Innenseite der
Fenster befinden sich eiserne Gitter. An der Seite nach dem dimkeln Raum
sind neben Nischen mit offenen Borten 10 Wandschränke in verschiedenen
Abmessungen eingebaut Alle Wandschränke haben reichen, durchbrochenen
Eisenbeschlag, die Rahmholzer sind profiliert, die Bekrönungen teilweise durch
Laubwerk und Maßwerk, teilweise durch zinnenartige Ausschnitte gebildet. Die
beiden Türen haben aufgelegte profilierte Rahmhölzer, die oben zu Bögen
zusammengezogen sind. Diese Bögen und der über ihnen entstehende Zwickel
sind mit Maßwerk, darunter Fischblasenmuster, ausgefüllt Der Fußboden besteht
aus gebrannten glasierten Tonplatten. In dem Räume stehen zwei bis zur Decke
reichende Registraturschränke der Renaissancezeit, eingefaßt von kannelierten
Pilastern. In den Fensternischen der beiden letzten, nach Osten liegenden Fenster
stehen zwei lange Truhen mit gotischen Schlössern. Unter verschiedenen Kästen
imd Truhen, die hier aufbewahrt werden, befindet sich ein kleiner Kasten mit
BogensteUung an der Vorderwand, im Bogen eine schwarz eingelegte Architektur.
^ Das obere Geschoß des Mittelbaues nimmt der Fürstensaal ein (Fig. 82 FUrstensaal.
und 83). Er hegt nicht hinter der ganzen Breite des Mittelbaues, sondern nimmt
nur die drei nördlichen Fensterachsen ein, hinter der vierten Fensterachse hegt
ein Nebenraum, der mit dem Fürstensaal durch eine Spitzbogentür verbunden
ist, außerdem aber in der südöstlichen Ecke eine gemauerte Wendeltreppe
besitzt, die ihren Ausgang unter der offenen Haue am Markt hat.
Der Zugang zum Fürstensaal, wie zu allen Sälen, erfolgt durch die
Eingangshalle am Ochsenmarkte. Die spitzbogige Eingangstür des Fürstensaales
hat profiliertes Backsteingewände. Die aufgelegten Rahmhölzer der gotischen
Tür sind tief profiliert und bilden fast quadratische Füllungen. Den Verschluß
bewirkt noch das alte gotische Riegelschloß. Die Rückseite der Tür ist glatt
und mit einem großen Reichsadler bemalt, auf dessen Flügeln die Wappen der
Reichsstände angebracht sind, darüber die Inschrift: „Das Heilig Römisch Reich
inn seinen gliedern."
Gegenüber dieser Tür, in etwa 5 m Entfernung von der Fensterwand
am Markt ist der Saal quergeteilt durch eine dreifache BogensteUung mit
korinthischen Pilastern. Diese BogensteUung baute Georg Schultz 1720 ein, um
-<-g 248 H-
^^
Flg. 3L Batluas) QnuidrU dsl ObarB«*cb(iMM Bin Hukte.
— i 249 i->-
die hinteren Mauern seines höbergeführten Mittelbaues zu stützen. Der spätere
Einbau der Mauer ist auch im darunterliegenden Geschoß zu erkennen. Hinter
der Bogenstellung ist der Fußboden um eine Stufe erhöht, die Decke ist hier
geputzt und hat eine einfache Verzierung durch gezogene Gipsleisten erhalten.
Die Decke des übrigen Teiles zeigt die Dachbalken, die in der Mitte unterstützt
werden von einem an der Dachkonstruktion aufgehängten Uiiterzug. Diese Decke ist
ganz bemalt, die Füllungen mit 150 Bildnissen römischer und deutscher Kaiser
FJg. B3. RatbftD«; Blick ID dcnFantansutl.
von Augustus bis auf Rudolf IL, die Balken mit Ornament und Inschrifttafeln,
deren Text sieh auf die Bildnisse in den Füllungen bezieht. Der Unterzug ist
bemalt mit Wappen und Namen Lüneburger Ratsmitglieder. Am östlichen Ende
ist undeutlich die Jahreszahl 1607, als Entstehungsjahr der Deckenmalerei, zu
lesen. An einem Teil des Unterzuges ist ein Stück gotische Malerei, die unter
der jetzigen sich befand, freigelegt. Sie zeigt auf rotem Grunde feines schwarz
und gelbes Ornament mit farbigen Blumen und Halbfiguren mit Spruchbändern.
Die Wand nach Süden hat sechs Fenster in Stichbogenumrahmung und zwei
Kamine neben den äußeren Fenstern. Der westliche gotische Kamin (Fig. 84)
ist aus Backsteinen erbaut und reicht bis zur Decke. Die große Feuemische
Flg. U. Batbani; Kunio im FäntmuAL
-^ 252 8^
ist überdeckt von einem stark herausgezogenen flachen Bogen mit oberem
Abschlußgesims, darüber bauen sich Tausteinpfosten auf, die durch Kleeblatt-
bögen geschlossen sind. Den oberen Abschluß in Höhe der Deckenbalken bildet
ein Backsteingesims. An dem herausgezogenen Bogen sind gotische Wandarme
mit je drei Kerzentellern befestigt und rechts und links zwei eiserne Ringe, die
wohl zur Aufnahme von Fackeln dienten. Der östliche Kamin (Fig. 85)
entstammt dem Jahre 1606 ; die Jahreszahl steht an dem rechten Konsol. Er ist
anscheinend an der Stelle eines gotischen Kamins erbaut (vgl. S. 211). 1,55 m über
dem Fußboden kragen zwei starke Konsolen, über denen Architrav, Fries und
Hauptgesims liegen, aus der Wand. Die seitlichen Abschlüsse des Frieses
bilden zwei über den Konsolen liegende Kartuschen mit den .Wappen des
Landes und der Stadt, dazwischen steht ein lateinisches Gedicht (abgedruckt
bei Mithoff und Albers). Rechts neben dem Kamin ist eine kleine kleeblatt-
bogenartig überdeckte Nische erhalten.
Die Westwand, in der die spitzbogige Eingangstür liegt, ist unverputzt
und gegUedert durch Nischen mit profilierten Kanten. In den Ecken liegen zwei
Flachbogentüren, von denen die nördliche zum Raum über der Eingangshalle,
jetzt Registratur, die südliche zu einem Nebenraum führt (Fig. 82). Beide Lang-
seiten des Saales haben Sitzbänke mit Fußbrett, darüber schöne gotische Wand-
verkleidung aus Eichenholz mit pfostenartig profilierten senkrechten Rahm-
hölzern (Fig. 86). Die Bekrönung wird gebildet durch einen Fries, der von zwei
profilierten querlaufenden Rahmhölzem eingerahmt wird und in schmalen recht-
eckigen Feldern wechselndes spätgotisches Maßwerk auf farbigem Grunde enthält
In der Holzverkleidung sind eine Anzahl Wandschränke verteilt. Ober dem
Maßwerkfries liegt ein später aufgesetztes Renaissancegesims mit Konsolen, das
auch an der Türwand herumläuft An dem Gesims sind eine große Anzahl ein-
facher gotischer Wandarme mit je drei Kerzenleuchtem angebracht. Ober dem
Gesims, bis zur Decke reichend, sind an allen Wänden die lebensgroßen Bilder
der sächsischen und braunschweigisch-lüneburgischen Fürsten imd Fürstinnen
angebracht, die mit Temperafarben auf Leinwand gemalt sind und dem Saale
den Namen gegeben haben. Die Figuren, teils in Harnischen, teils in Pracht-
gewändem, stehen vor landschaftlichem Hintergrunde, darunter auch die Stadt
Lüneburg, und haben zu Füßen die zugehörigen Wappenschilder, über dem Kopfe
Tafeln mit Angabe der Abstanmiung, des Sterbejahres und der Begräbnisstätte.
Unter den Bildern stehen die Namen der dargestellten Persönlichkeiten.
Im erhöhten Raum an der Marktseite hängen:
1. Kaiser Heinrich der Vogeler von Braunschweig und Lüneburg.
2. Machthilde von Ringelheim, beide an den Pfeilern der Bogenstellung.
3. Kaiser Otto L, Herzog von Braunschweig imd Lüneburg.
4. Editha, die Königin von Engelland, an der Südwand.
5. Theophania.
6. Kaiser Otto 11., der Rote von Braunschweig imd Lüneburg.
7. Maria von Arragonien.
8. Kaiser Otto der Rive von Braunschweig imd Lüneburg.
9. Kaiser Lotharius, Herzog von Braunschweig und Lüneburg.
->4 253 g—
10. Gr. Richenza v. Northeim, an der Fensterwand.
11. Kaisei Otto von Braunschweig und Lüneburg.
12. Beatrix von Schwaben, an der Nordseite.
Dann folgt das große Büd der Belehnung Ottos des Kindes durch
Kaiser iPiiedrich II.
Im übrigen Teile des Fürstensaales hängen, an der Nordseite angefangen :
13. Herzog Otto von Braunschweig und Lüneburg.
14. Mechtild von Brandenburg.
Flg. 8«. BcUutot; WandvarklaiduDg Im FaratensuL
1
-^ 254 8^
15. Herzog Albrecht von Braunschweig und Lüneburg.
16. Elisabeth von Brabant
17. Herzog Johannes von Braunschweig und Lüneburg.
18. Luitgard, Gräfin zu Schauenburg.
19. Herzog Otto zu Braunschweig und Lüneburg.
20. Mechtild, Pfalzgrafin am Rhein.
21. Otto, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg.
22. Margareta, Herzogin zu Mecklenburg.
23. Herzog Wilhelm von Braunschweig imd Lüneburg.
24. Helena, des Königs von Schweden Tochter.
25. Herzog Magnus von Braunschweig und Lünebui^.
26. Catharine von Brandenburg.
27. Herzog Albrecht von Sachsen und Lüneburg.
28. Catharyna von Brandenburg.
29. Wentzelaus, Herzog von Sachsen und Lüneburg.
30. Ziliota von Garraria.
31. Herzog Bemt von Braunschweig und Lüneburg.
32. Margareta von Sassen,
33. Herzog Heinrich von Braunschweig und Lüneburg.
34. Sopheia, Herzogin zu Barth imd Wolgast,
(bei diesem Bilde in der Ecke die Angabe: FIERVNT • 1608 •).
35. Margaretha, Landgrafin von Hessen.
36. Herzog Otto von Braunschweig und Lüneburg.
37. Elisabet, Gräfin zu Eberstein.
38. Herzog Wilhelm von Braunschweig und Lüneburg.
39. Gäcüie von Brandenburg.
40. Mechilt, Gräfin zu Schauwenburg.
41. Ernst, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg.
42. Dorothea, Königs Christian zu Dänemark Tochter.
43. Herzog Wilhehn zu Braunschweig und Lüneburg.
44. Margareta, Herzogin zu Sachsen.
45. Herzog Heinrich von Braunschweig und Lüneburg.
46. Anna de Greuynne tho Nassow.
47. Herzog Otto von Braunschweig und Lüneburg.
48. Machilt, Grevin zu Schauenburg.
49. Herzog Berend von Braunschweig und Lüneburg.
Das Bild, das die Belehnung Ottos des Kindes durch Kaiser Friedrich II.
darstellt, ist 3,20 m lang und 2,60 m hoch. Der Kaiser sitzt auf einem Thron
in der Mitte und überreicht dem links vor ihm knienden Herzog Otto die
Urkunde. Links stehen Kurfürsten, rechts Bischöfe. Die Füße des Kaisers
ruhen auf einem Kissen mit der Inschrift: KEISAR FREDERICK DER ANDER,
davor hegt ein Teppich mit dem Reichsadler, der einen Brustschild mit drei
übereinander angebrachten schwarzen Löwen trägt. An den Thronstufen sind
links vier, rechts drei Wappen angebracht; davor hegen Unks vier, rechts
acht Wappenschilde. Die obere Reihe der Wappenschilde zeigt links die Wappen
r
-^ 255 8^
der weltlichen, rechts die der geistlichen Kurfürsten. Rechts und links oben
neben dem Thron sind zwei Tnschrif ttafeln angebracht, rechts über den geistlichen
Kurfürsten der Spruch Dan. 5, links über den weltlichen: „Keiser Fridrich der
ander belehnet Hertzog Otten mit dem Fürstenthum Brauns, vnd Lüneburgh,
gesehen aufm Reichstage zu Meintz im Monat AVGVSTO • A. C. 1235."
Über die Geschichte der Bilder ist das Nähere vom S. 220 ff. angegeben.
Zu erwähnen ist noch, daß unter der vorhandenen Farbschicht gute gotische
Malereien entdeckt wurden. Auf der Rückseite eines Bildes fand man flott und
sicher skizzierte Frauengestalten gotischen Ursprungs. Daniel Frese, der die
Bilder wiederherstellte, hat natürlich auch mit Gesellen gearbeitet, und diese
haben ihre Namen der Nachwelt hinterlassen. Auf der Rückseite des Budes
Kaiser Otto imd Editha fand sich die Inschrift: „lutke langelo lueneborch gensis
vnd der brün ditmer sen tis (?) gesellen do bi samen west A 0 1608" mit einem
Künstlerwappen.
Bei einer Wiederherstellung im Herbst 1904 wurden auf den Fenster-
pfeilem der Süds^te des Saales Reste von Wandmalereien gefunden. Eine gut
erhaltene Figur stellt einen flott und sicher gezeichneten Ritter in stahlblauer
Rüstung dar, dessen linke Hand sich auf einen langen blauen Schild stützt.
Die kleine Tür, die nördlich von der Haupttür zum Obergeschoß über
der Eingangshalle führt, hat aufgelegte Quer- und Längsrahmen. Die Längs-
rahmen sind oben zu zwei Spitzbögen zusammengeführt und hier sowie im
Zwickel mit feinem spätgotischen Maßwerk ausgefüllt.
Am Unterzug hängen in der Mitte des Saales fünf spätgotische Kron-
leuchter (Fig. 87), der sechste befindet sich im Provinzialmuseum in Hannover.
Große Geweihe sind an einem Mittelkörper von Holz, der teils ornamentiert,
teils als Tierkopf oder auch einmal konsolartig endigt, befestigt, und an ihren
oberen Enden durch eiserne, mitgeschmiedeten Blättern besetzte Bügel zusammen-
geführt. Von den Mittelkörpem, auf denen teils vergoldete, teils farbige Figuren,
Maria mit dem Kinde, St. Georg, Johannes der Täufer, St Barbara und eine
Frauengestalt mit Schwert und Buch, stehen, gehen je sechs Eisen aus, die einen
geschmiedeten Ring mit angenieteten Kreissegmenten tragen. Am Ringe sind
sechs gebogene eiserne Arme mit drei Lichttellem befestigt, an den Spitzen der
Kreissegmente hängen Wappenschilde oder, an einem der Leuchter, getriebene
Rosetten. Auf dem Mittelkörper des Leuchters im Provinzialmuseum zu Hannover
steht ein doppelseitiges Bildwerk: Maria mit dem Kinde und Jacobus den Älteren
darstellend. Alle Teile der Leuchter sind farbig, gold und rot vorherrschend,
behandelt, die Geweihe in den Stadtfarben, blau, rot weiß, gestrichen.
Im Scheitel jedes Bogens der östiichen Querteilung hängt eine Messing-
krone, in der Mitte eine spätgotische, in den seitlichen Bögen je eine aus der
Renaissancezeit. Die gotische Krone hat einen reich gegliederten Mittelkörper,
der nach unten konsolenartig ausläuft und in einem Löwenkopf mit zwei Löchern
endigt. Die Bekrönung bildet ein geharnischter Ritter mit Schild und Doppel*
adler. Die Lichtteller werden von sechs gebogenen, mit Blattwerk geschmückten
Armen getragen. Der Kronleuchter im südlichen Bogen trägt auf seinem pro-
fiUerten Mittelkörper einen sitzenden Löwen mit dem Stadtwappen, den unteren
SronltDClitet Im F
Abschluß bildet ein Tieikopf mit
Ring. Acht untere und acht obere
ornamentierte Arme tragen die
Lichtteller. Die im nördlichen
Bogen hängende Krone hat unten
sechs, oben ebenfalls sechs orna-
mentierte Arme, der Mittelkörper
endigt in einer Kugel und trägt
als BekrÖnung einen Doppeladler.
In der Nähe der Bogeostellung
hängen ^r alte zerrissene Fahnen.
Im vorderen erhöhten Teile am
Markte werden in zwei Schränken
die Nachbildungen des 1874 an das
Berliner Kunstgewerbemuseum
verkauften Silberschatzes, der
weiter unten beschrieben wird,
aufbewahrt
Femer stehen im Fürstensaal
noch; ein ganz mit EÜsenbändem
beschlagener, bemalter Karten aus
der Barockzeit mit sechs Schlös-
sern, eine Truhe mit einfacher
geschnitzter Vorderwand aus dem
18. Jahrhundert und eine zum
Bieramt gehörige Lade von 1662
mit Schloßbeschlag und den ge-
malten Wappen des Landes und
der Stadt.
Im vorderen erhöhten Teil
liegt in der Südwand eine reich
profilierte Backsteinnische mit
Stichbogentür und Formstein-
rosette darüber. Die Tür führt
zu einem Nebenraum, der wahr-
scheinlich als Küche bei festlichen
Gelegenheiten diente; unter dem
Fenster nach dem Hofe befindet
sieb noch der alte steinerne Aus-
guß mit Wasserspeier nach außen.
Ein Kamin in diesem Nebenraum
hat die übliche einfache Form.
Über dem Kamingesims sind an
derWandzwei messingene Wand-
leuchter aus der Renaissancezeit
-^ 257 8^
befestigt. Der Fußboden besteht aus Ziegelplatten. An der Wand hängt eine
Holztafel bemalt mit Patrizierwappen. Femer werden hier aufbewahrt zwei
große Ölbilder auf Holz, je einen aus dem Geschlechte der Töbing in Ratsherren-
tracht darstellend, eins davon bezeichnet mit der Jahreszahl 1586. In einem
Renaissanceschrank mit ionischen kanneüerten Pilastem werden Richtschwerter,
verschiedene Folterinstrumente, wie Kopf- und Daiunenschrauben, Brennstempel
mit Galgen, und ein zinnerner Schoppen von 1744 mit seitlicher Ausflußöffnung
aufbewahrt.
Die schon erwähnte kleine Stichbogentür südlich der Haupttür des
Fürstensaales führt in einen Nebenraum, der einen Kamin und einen großen
steinernen Ausguß hat, wohl eine zweite Küche für große Festlichkeiten. Hier
befinden sich noch einige alte Eichgewichte, Tische, Kästen, darunter einer mit
der Inschrift „Grohl Kasten 1716" und alte Gewehre.
Der Huldigungssaal liegt mit drei großen Fenstern am Ochsenmarkte Haldigungssaal.
und ist ebenfalls von der Rathausdiele zugängig. Die zweiflügelige Tür liegt
ganz in der Ecke, der Fußboden ist über den der Rathausdiele um sechs
Stufen erhöht.
Die Wände sind mit Leinwand bespannt und diese mit phantastischen
Landschaften ohne künstlerische Bedeutung bemalt. An der Längswand nach
Süden befindet sich über dem Bilde eine Kartusche mit der Inschrift:
IkeeCto DeCVs oMne,
damit die Entstehungszeit der Bilder — 1706, Huldigung Georg Ludwigs —
bezeichnend. Den Übergang zur Decke vermittelt ein Stuckgesims mit Eierstab*
Die Teilung der Decke in ein großes ovales Mittelfeld und kleinere Kreise auf
jeder Seite desselben erfolgt durch stark vortretende Gipsleisten. Das ovale
Mittelfeld enthält ein großes Bild, Gäsars Triumphzug, von der Hand des Lüneburger
Malers Burmester aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts. Cäsar reitet in rotem
Mantel auf einem Schimmel an der Spitze eines Zuges von Kriegern imd Priestern. *
Ein geflügelter Genius hält über seinem Haupt eine Krone, drei andere Genien
tragen die Erdkugel. In den beiden seitUchen Kreisen ist östlich die Gerechtigkeit
und zwei Frauen, westlich die Weisheit mit Schwan und zwei weiblichen
Figuren dargestellt In den Ecken sind erhaben angetragen vier Muscheln. Die
übrigen Flächen werden durch gemaltes Akanthusomament, in dem die Bildnisse
von vier römischen Kaisem erscheinen, ausgefüllt. Die beiden zweiflügeligen
Türen sind glatt, haben aber reichen, durchbrochenen und vergoldeten Beschlag
im Charakter des Barock. An der Ostwand hängen zwei Bilder in reich
geschnitztem und vergoldetem Rahmen mit figürlicher Bekrönung, die Herzöge
Georg Wilhelm und Georg Ludwig darstellend. An der Nordwand befindet sich
ein Spiegel in geschnitztem und vergoldetem Rahmen mit reichem ornamentalem
Aufbau, von der Decke hängen zwei sechsarmige Kristallkronleuchter mit
Ornamenten aus Glas herab.
Der Traubensaal ist vom Huldigungssaal durch ein schmales Treppenhaus Tranbensaal.
mit Treppe zum Dachboden getrennt, er hat den Namen von seiner früheren
Verbindung mit dem Ratskeller erhalten. In einem großen Mittelfeld der Decke
ist Orpheus unter den Tieren dargestellt; in vier ovalen Füllungen in den Ecken
33
^>^ 258 8^
Sinnbilder. In der Mitte der Ostwand befindet eich ein vermauerter Kamin mit
viereckiger profilierter Bekleidung imd bekrönendem Qesims. Auf dem Gesims
stehen zwei, das Stadtwappen haltende Löwen. An der Südwand hängt ein
grof^s Bild, Belsazars Mahl darstellend. Das Bild scheint von Burmester
herzurühren. Außerdem hängen hier die Bildnisse der Herzöge Ernst (flßll),
Christian (f 1633), Christian Ludwig (t 1665), Georg Wilhehn, seiner Gemahlin
Eleonore d'Olbreuse und noch mehrerer anderer Fürsten.
Die Räume imter Huldigungs- und Traubensaal dienen städtischen
Verwaltungszwecken.
Äußere Die Ansicht des Rathauses nsLch dem Markte (Fig. 80) ist klax geghedert
durch den hohen, mit einem Dachreiter bekrönten Mittelbau imd die niedrigeren
Seitenbauten. Der Mittelbau wird geteilt durch fünf starke Pfeiler, die in ihren
Gnmdlagen von dem gotischen Bau herrühren und jetzt über den Fenstern des
Fürstensaales endigen. Zu ebener Erde liegt die schon erwähnte Halle,
die sich mit Stichbögen zwischen den PfeUem gegen den Markt öffnet und die
auch unter den Seitenbauten durchgeführt ist. Diese Halle ist im Mittelbau
überdeckt mit Kreuzgewölben, deren aus Gips gegossene Schlußsteine mit
Rosetten ornamentiert sind. Die Rippen und die Gurtbögen hinter den Pfeilern
verschwinden am Kämpfer in der Mauer, eine Rippe steht auf einem spätgotisch
ornamentierten Sandsteinkonsol. Die Pfeiler werden im IV. Stockwerk der Front
von freistehenden weibUchen Figuren bekrönt, und zwar von links nach rechts
mit den Emblemen: einer Säule, eines Merkurstabes (Handel), einer Palme
(Friede), Wage und Schwert (Gerechtigkeit) und Krug und Becher. Unter den
Postamentgesimsen dieser Figiuren sind gotische Holzschilde mit den Wappen
des Landes und der Stadt angebracht In Höhe des I. Stockwerkes und des
Fürstensaales werden die Pfeiler von architektonisch eingerahmten Nischen
unterbrochen, in denen Figuren mit folgenden Bezeichnimgen am Fuße stehen:
in der oberen Reihe: „SEVERITAS", „CLEMENTIA", „MISERICORDIA •
GLORIATVR . ADVERSVS . JVDICIVM" (Mitte) „VERITAS", „PRVDENTIA"
in der unteren Reihe: „JVSTINIANVS • 1 ", „CAROLVS • MAGNVS" „JVSTITIA-
CVIQVE . SWM . TRIBVIT ." „FREDERICVS • 2 " „CAROLVS-5."
Die Fenster zwischen den Pfeilern haben geputzte profilierte Umrahmungen.
Die drei mitüeren Pfeiler sind über den Fenstern des Fürstensaales durch
ausgekragte Sandsteinplatten verbunden und bilden einen Balkon, der mit
geschmiedetem Gitter eingefaßt ist. Das IV. Geschoß ist geghedert durch ein
mittleres Risalit mit vier flachen Pilastem und einem Frontgiebel, in dem das
Stadtwappen, von zwei Löwen gehalten, erscheint. Zwischen den Pilastem ist ein
großes Zifferblatt über der Tür zum Balkon angeordnet. Der Mittelbau wird bekrönt
von einem Mansarddach mit achteckigem in zwei Geschossen aufgebauten Dach-
reiter, der mit Kupfer gedeckt ist und in einer geschmiedeten und vergoldeten
Wetterfahne endigt. Im Dachreiter hängen zwei Glocken, die ^oße Marktglocke
von 1385, mit mehreren Reliefs, imd eine Schlagglocke von 1526 (Museumsbl. 1).
Die Hallen der beiden zum Mittelbau symmetrisch hegenden Seitenbauten
öffnen sich gegen den Markt in je zwei Bögen, gegen die Wagestraße und den
Ochsenmarkt in je einem Bogen. Die Bögen ruhen auf starken Granitsäulen.
-^ 259 8^
In der nördlichen Halle haben diese Granitsaulen niedrige Kapitelle mit spät-
gotischem, bemaltem Ornament, das in einer Kehle hegt, die Bimstabrippen des
Kreuzgewölbes ruhen in der Mitte der Wand auf einem weitvorkragenden, mit
spätgotischem Rankenwerk geschmückten Sandsteinkonsol. Diese Halle war
öffentliche Gerichtsstätte und wurde 1607 mit der jetzigen Ausstattung versehen.
An den geschlossenen Wänden ziehen sich Holzbänke hin, darüber erstreckt
sich bis zum Gewölbekämpfer eine Holzverkleidung, die durch PUaster in senk-
rechte Felder geteilt und von einem Konsolengesims bekrönt wird. Über dieser
Vertäfelimg sind in zwei Gewölbeschildbögen Gemälde auf Holzgrund angebracht,
deren eines das jüngste Gericht darstellt, das andere ist unkenntlich. Im dritten
Gewölbefelde fehlt die Holzverkleidung, hier steht auf der Bank ein hölzerner
Aufbau mit Sockel, einfassenden Pilastem und Triglyphengeslms, in der Mitte
mit einem gemalten Stadtwappen, von zwei Löwen gehalten. Am Wappen
oben die Zeitangabe ANSfO 1607, unten RENOVATVM 1803. An der Außen-
seite ist zwischen den Bögen, über der mittleren _Säule, eine Steintafel
eingemauert mit der Inschrift RENOVATVM • ANNO DNI 1763.
Die Halle unter dem südlichen Seitenbau ist der imter dem nördUchen
nachgebildet, die Ornamente verraten aber deutlich ihren barocken Charakter.
Die Grate der Kreuzgewölbe sind mit dünnen Bimstabrippen besetzt, die aus
Gips gegossenen Schlußsteine tragen die Zeitangabe : ANNO MDCGXX. Zwischen
den Bögen ist eine Sandsteintafel eingemauert mit der Inschrift EXSTRVCTUM
ANNO DNI 1720.
Die viereckigen Fenster in den Obergeschossen beider Seitenbauten sind
mit darüber angeordneten hochovalen Fenstern durch Einrahmimgen, Konsolen-
gesimse und Anläufer zu einer Gruppe zusammengezogen. Die Fenster der
Dacl^eschosse liegen dicht unter der Traufkante der sich an den Mittelbau
anlehnenden Mansarddächer.
Die Seitenansicht nach dem Ochsenmarkt zeigt nur die viereckigen
Fenster der Säle und der darunterüegenden Geschäftsräume. Dicht neben dem
Haupteingang, liegt ein stark restauriertes Rundbogenportal, von gequaderten
Pilastem eingefaßt und bekrönt von einem flachen Aufbau mit einer Darstellung
von Jakobs Traum. Unter dem Bilde die Inschrift Renov. 1881, rechts und
links neben dem Aufbau zwei ornamentierte Obelisken mit dem Stadtwappen,
im Postament der Pilaster zwei Löwenköpfe.
An der Südseite des Saalbaues, nach dem Hofe an der Wagestraße,
erscheinen die Fenster der alten Kanzlei, in Stichbogennischen mit Rimdfasen-
profil hegend, und darüber die Fenster des Fürstensaales, die von großen Stich-
bogennischen mit Kehlprofil eingefaßt werden. Dicht unter den Stichbogen
erkennt man Sandsteinreste mit Bogenanfängen, die auf eine frühere Dreiteilung
der Fenster durch Sandsteinpfosten schließen lassen. Die seithchen Gewände
der Fenster bestehen noch jetzt aus Sandstein. Ein Dachgesims fehlt. Der tiefe
Schatten des überstehenden Daches bildet hier den oberen Abschluß, wie bei
allen Bauten aus gotischer Zeit. Erst die Renaissance führte die profiUerten
Dachgesimse aus Holz an der Marktseite und einem Teil der Ochsenmarktseite
ein. An der Hofecke des Mittelbaues erscheint die zum Nebenraum des Fürsten-
38*
-^ 260 H-
Saales führende Wendeltreppe in achteckiger Form, mit Schrägsteinen dachförmig
abgedeckt Unter der Abdeckung gemauerte Kreise mit geputzten Flächen.
Der Bau von Der etwa in der Mitte am Ochsenmarkt liegende Bau von 1567 mit dem
1667
Hauptportal des Rathauses, der durch seine reiche Architektur neben der sonst
fast imgegUederten übrigen Fläche des Rathauses auffällt, baut sich in drei
Geschossen übereinander auf. Im unteren Geschoß zu ebener Erde lag ehemals
die Kapelle zum kleinen heiligen Geist, teilweise noch nach Osten unter den
Huldigungssaal reichend. Spuren davon sind nicht mehr erhalten. Die Räume
unter dem Haupteingange dienen Verwaltungszwecken.
Die Tür neben dem Haupteingang bildet jetzt die Verbindimg des Ochsen-
marktes mit dem kleinen Hofe innerhalb der Gebäudegruppe und den Zugang
zu dem bei Mithoff „Niedergericht" genannten Räume, der jetzt durch zwei neue
Bögen, die auf einer mittleren Säule und zwei seitlichen Wandsäulen stehen,
geteilt ist. Die Säulen sind alt und haben Blattkapitell und einfachen Sockel
in Renaissanceformen. Die Decke ist gerade. In der östlichen Wand befindet
sich ein Wandschrank, der in der Mitte vier Türen mit gotischem Beschlag,
rechts und links zwei Reihen von Schubladen übereinander hat. Die Schubladen
sind mit Renaissancebeschlägen verziert und bemalt. Das Ganze wird bekrönt
von einem durchgehenden Konsolengesims. In diesem Räume werden aufbewahrt:
1. Eine Tafel mit Wappen von Ratsmitgliedem beginnend mit dem Jahre 1504.
2. Eine Tür, die mit einem gekreuzigten Christus bemalt ist und anscheinend
dem Ende des 16. Jahrhunderts angehört.
3. Mehrere Renaissance-Konsolen, -Schlußsteine ^und -Figuren.
4. Eine kupferne Wetterfahne in Form eines gut gezeichneten Hahnes vom
Jahre 1748, angeblich von der Michaeliskirche.
Die zweite, weiter westUch gelegene Außentür führt zu einem mit flachen
Kreuzgewölben überdeckten Räume, der nach dem Rathaushofe an der Wage-
straße offen ist und wohl immer als Durchgang gedient hat. Die Rippen sind
tausteinförmig gebildet und in außerordentUch flachen Korbbögen gespannt.
Die Kappen sind geputzt.
Rathaüshalle. Durch das Hauptportal gelangt man auf 18 steinernen Stufen in die
Rathaushalle, die den Zugang zu allen Sälen bildet Rechts von der ein-
schneidenden Treppe geht der Hallenfußboden bis zum Fenster in gleicher Höhe
durch und ist gegen die Treppe durch eine hölzerne Schranke mit fester Sitzbank
abgeschlossen. Gegenüber ist die Wand mit einem einfach profiherten Paneel
bekleidet, vor dem ebenfalls eine Sitzbank angebracht ist, so daß das Ganze
einen erkerartigen Bauteil im Räume bildet. Im Fußboden dieses Teiles hegt eine
kleine quadratische Sandsteinplatte mit der Zahl 1584. Gegenüber dem Eintritt
führt eine Treppe aus der Barockzeit ziun Fürstensaal. Die Treppe ist sehr breit,
hat ausgeschnittenes Brettergeländer und zwei Endpfosten, auf denen weibliche
Holzfiguren, Hnks die Gerechtigkeit, rechts der Friede stehen. Dieser Treppenlauf
führt auf ein breites Podest, von dem zwei kurze Treppenläufe mit wenigen
Stufen zum Fürstensaal und zum Raum über der Halle, der in gleicher Höhe mit
dem Fürstensaal hegt, geleiten. Die Pfosten des Treppenlaufs zum Fürstensaal
tragen zwei schildhaltende blaue Löwen mit den Wappen des Landes und der Stadt.
-^ 261 g^
Links neben dem Aufgang zur Halle liegt die zweiflügelige Tür des
erhöhten Huldigungssaales, dahinter der große Bogen mit dem Gitter von Rüge,
geradeaus führt eine Tür unter dem Treppenpodest ^ur Laube; rechts, neben
^ i
dem erkerartigen Teil, befindet sich die Tür zum Vorzimmer der großen
Ratsstube. (VergL Fig. 61.)
-^ 262 8^
Die Backsteinwände der Halle sind gegliedert durch Pfeiler und Nischen,
die Decke wird durch sichtbare gefaste Balken gebildet, die auf einem pro-
filierten Unterzug liegen. Dieser endigt frei über der Treppe und ist hier an
der Dachkonstruktion aufgehängt. Bevor die Barocktreppe eingebaut wurde,
muß der Unterzug irgendwie unterstützt oder fortgeführt gewesen sein. Die
Decke über dem Treppenpodest ist entsprechend der in das Dach hineinragenden
Spitzbogentür des Fürstensaales zum Teil in Form eines spitzbogigen Tonnen-
gewölbes roh aus Holz hergestellt und mit einem farbigen Ornament bemalt
Der Fußboden der Halle besteht aus quadratischen Ziegelplatten. An den
beiden Längswänden hängen zwei große Tafeln mit den Wappen Lüneburger
Ratsmitglieder, von 1450—1651 und von 1652—1699.
Auf dem Treppenpodest ist ein großes allegorisches Gemälde auf Leinwand
mit der Jahreszahl 1600 angebracht. Links sitzt ein Richter, neben ihm oben die
Weisheit und unten die Habsucht Vor dem Richter stehen die Laster. Ein
Baum mit einer Kartusche und der Inschrift „der Ehren Schildf' teilt das Bild,
rechts davon erscheinen die Tugenden (beschrieben bei Albers). Das Gemälde
verrät die Schule Daniel Freses.
Ober der Tür zum Vorzimmer der Ratsstube hängt ein geschnitztes
Stadtwappen im vollen heraldischen Schmuck, aus der ersten Hälfte des
18. Jahrhunderts. Am Treppenaufgang sind an der Wand zwei messingene
Armleuchter befestigt Die Form der gebogenen Arme ist spätgotisch, die
Wandplatte ist in Form eines vortretenden Löwenkopfes, dessen langau^ezogene
Haare an einen begrenzenden Bing stoßen, ausgebildet Der Lichtteller
ist gebuckelt
Yonimmer Die Wände des Vorzimmers zur großen Ratsstube sind mit einer 1,95 m
der RatsBtnbe. holten Wandverkleidung aus Eichenholz (Fig. 88) bedeckt An der einen Seite steht
eine einfach verzierte lose Bank. Die Tür zur Rathausdiele ist eingefaßt von
ionischen Pilastem, über denen lange Konsolen das Hauptgesims tragen.
Zwischen den Konsolen liegt eine bogenförmige glatte Fläche, in deren Zwickeln
zwei Schilde mit ANO und 1604 erscheinen. Die Enden der Türbänder sind
ornamental ausgeschmiedet Die Tür zur Ratsstube ist doppelt Die äußere
Tür nach dem Vorzimmer ist vorgesetzt und hat ebenfalls geschmiedete Beschläge.
Die Einfassimg aus Eichenholz, auf der Wand liegend, besteht aus zwei
ionischen Pilastem, mit Architrav und geschnitztem schönen Fries mit heraus-
tretenden Köpfchen. Über dem Hauptgesims steht ein Aufbau, der durch senk-
rechte Streifen in zwei Felder geteilt wird. In der Mitte jedes Feldes ist ein hervor-
tretender Kopf in kreisförmiger Füllung, in dem den Aufbau bekrönenden
Frontgiebel ein Engelskopf angebracht Ober der Wandverkleidung hängen an
zwei Seiten große Tafeln mit den Wappen von Ratsmitgliedem von 1699 — 1803.
Unter diesen Tafeln sind kürzlich Wandgemälde entdeckt und freigelegt
worden. Die Pfeiler und Bögen der Südwand sind ganz bedeckt von schwerem,
grau in grau gemaltem Ornament auf dunkelrotem Grunde, in welchem auf
dem mittleren Pfeiler eine männliche Gestalt in der Tracht der Zeit erscheint
Über dem Kopf der Gestalt befindet sich ein Spruchband mit dem Verse:
„Ick ker den hoiken (Mantel) na dem winde. Dat is de beste nering
i
->^ 263 8^
(Nahrung) de ick vinde/^ Unter der Gestalt steht die Jahreszahl 1567. Die
Nische links ist ausgefüllt von einer großen Darstellung: Christus und die
Ehebrecherin. Die Mitte wird eingenommen von der Ehebrecherin, die von
zwei Männern zu Christus geführt wird, der rechts im Bilde in gebückter
Stellung steht, im Begriffe, Zeichen in den Sand zu schreiben. Mehrere Manner
umgeben die Gruppe. Auf der Architektur im Hintergrunde hängt eine Tafel
mit der Inschrift: „Johannis am VIII Capittel". Unter dem Bilde stehen in der
ganzen Breite Sprüche, von denen aber nur der erste lesbar ist. Er lautet:
„Menniger secht van eynC andere quat | De suluest weinig doget an sich hat".
Die übrigen Sprüche sind verwischt. In der Nische rechts vom Pfeiler befindet
sich eine männliche Figur mit Schriftband, halb zerstört.
Die Malerei an der Ostwand besteht aus einer Türumrahmung mit
Pilastem und einem Frontgiebel, in dem der Weltheiland mit Kreuz erscheint.
Links befindet sich über ähnlichem Ornament wie an der Südseite ganz oben ein
schmales Büd, ziemUch verwischt, „DE • fflSTORIA • VAN • DER • SVSANNA" dar-
stellend, wie eine Inschrift angibt In der Mitte erkennt man schwach Susanna am
Rande eines Wasserbeckens, rechts davon ihre Freundinnen und Dienerinnen, links
stehen hinter einem Baume ein alter und ein junger Mann. Die Deckenbalken
des von seiner geputzten Decke befreiten Raumes zeigen wieder Ornament, grau
in grau auf rotem Grunde, die Deckenfelder sind mit farbigen Strichen und
einer Rosette in der Mitte verziert Die Malerei des Raumes ist von Meister
Peter up dem Borne (vgl. vom Seite 218) hergestellt
Lüneburgs größtes Kunstzeitalter, die zweite Hälfte des 16. Jahr- RatBstabe.
hunderts, hat uns in der großen Ratsstube wohl sein reichstes und schönstes
Denkmal, in der Hauptsache unberührt, überliefert Der Raum wurde als
Sitzungszimmer des Gesamtrates in der Zeit von 1564 bis 1584 eingerichtet
(Vergleiche vom Seite 208 und 218 f.) Das Äußere des Gebäudes wird erst 1567
fertig. Die große Ratsstube ist ein fast quadratischer Raum, tiefer als breit,
und an den Wänden 2,45 m hoch mit Eichenholz vertäfelt Die Türumrahmungen
sind besonders reich behandelt Über der Wandverkleidung sind bis zur Decke
reichende Ölgemälde angebracht Die Decke besteht aus verkleideten Balken,
die von einem querlaufenden Unterzuge gestützt werden. Die Balkenfelder sind
durch profilierte Leisten in kleine quadratische Füllungen geteilt, deren Mitten
durch vortretende vergoldete Rosetten betont werden. Die Decke ist grau
gestrichen. In der südöstUchen Ecke der Ratsstube ist ein kleiner Nebenramn
abgetrennt, in dem sich zwei Ausgüsse mit Wasserspeier nach außen befinden.
Zwischen der Tür zum Vorzimmer und diesem Nebenraum ist die Wand nicht
vertäfelt, sie zeigt sich jetzt als schwarzgestrichene Backsteinmauer, in die zwei
hohe Wandschränke mit Tischlerarbeit späterer Zeit eingelassen sind. Daß diese
Wand früher einmal anders behandelt gewesen ist, beweist ein Bild Daniel Freses,
das im dunklen Raum unter dem Fürstensaal aufbewahrt wird und einst an
dieser Wand gehangen haben muß, denn im Rahmen des Bildes ist noch der
Ausschnitt für den Unterzug der Decke vorhanden. An dieser Ostwand steht
jetzt ein grüner Kachelofen, wohl an derselben Stelle, an welcher der frühere
eiserne Ofen stand.
Die Holzarbeiten des Zimmers sind von den Bildhauern G«rt Suttmeier
und Albert von Soest ausgeführt, und zwar hat Gert Suttmeier die Paneele
mit den Friesen, die Decke und die Türen, sowie Teile der mittleren Schranke
in den Jahren 1564 — 67 geschaffen, während Albert von Soest die reichen
Türumrahmungen und die Wangen der mittleren Schranke von 1568—84 her-
stellte. (Vergl, Albert von Soest von Dr. Behncke, 28. Hett der Studien zur
deutschen Kunstgeschichte, Straßbmg 1901, wo auch die Schnitzereien eingehend
beschrieben sind und die Besprechung des Buches in den Jahresberichten des
Museumsvereins für das Fürstentum Lüneburg 1899 — 1901 durch Dr. Reinecke
S. 134 ff.)
Die große Ratsstube hat vier ungleich große Fenster nach dem Ochseo-
markte und fünf Türen, die immer in den Ecken des Raumes angeordnet sind.
FlE. 89. S&thaue; FrEel In dar groBen BaMstub«.
Die nach dem Ocheenmarkte liegende Tür in der Westwand führt zu einem
kleinen Zimmer, der Bürgermeisterkammer, die andere Tür dieser Wand zu der
KoUektorei, dem früheren Sitzungszimmer des Magistrats. In der Südwand liegt
eine Äusgangstür, die über verschiedene Treppen den Zugang zur Laube ver^
mittelt Die Tür zu dem kleinen Nebenraum, der von der Ratsstube abgetrennt
ist, hat einfache Formen, während die Tür ziun Vorzimmer die reichste
Umrahmung zeigt In der Mitte steht eine Schranke mit Sitzbänken und zwei
reich geschnitzten Wangen.
Die Wandverkleidung Gert Suttmeiers zeigt auf einem hoben Sockel
einfache Füllungen, darüber ist die Fläche durch kannelierte Pilaster, die auf
Konsolen stehen, in senkrechte Felder geteilt, die Füllungen mit bogenförmigen
Einsätzen haben. Das Gebälk ist über den Pilastem verkröpft Die Pries-
verkröpfung ist mit Köpfen und Masken besetzt Die Friese zwischen den
Filasterverkröpfungen sind ornamental mit Blattwerk behandelt, in dessen Mitte
aus einer Kreisfüllung ein Köpfchen stark hervortritt. Die Friesomamente und
die Köpfehen wechseln in jedem Felde und sind von höchster künstlerischer
Feinheit (Fig. 89, 90).
-«-8 265 i^
Die Wangen des Ratsstuhles oder der Schranke sind nur an den dem
Lichte zugekehrten Seiten geschnitzt. Die hinteren Seiten sind glatt
Die vordere Wange baut sich in drei Abteilungen übereinander auf.
Die untere Abteilung — der Sockel — wird eingefaßt von zwei in Füllungen
stehenden Hermen. Die Mitte füllt das Lüneburger Stadtwappen mit drei
Putten aus. Das Mittelstück hat über den Hermen eine weibliche und eine
männUche Karyatide, die Körbe mit Früchten tragen, zwischen ihnen ist im Relief
das Urteil Salomonis dargestellt. Architrav, Fries und Gesims verkröpfen sich
über den Karyatiden. Die Verkröptungen des Frieses enthalten in Füllungen
zwei weibliche Köpfe, im mittleren Teil sitzt ein kartuschenartig aufgerolltes
Tlg. M. BatliKiia; Fries In dsr ^oBcn Ratsstab«.
Band mit der Jahreszahl 1566. Das Gesims wird von einer reichen tempelartigen
Architektur bekrönt (Fig. 91). Zwischen den Säulen ist eine figinenreiche
Verlesung des Gesetzes im Tempel durch König Josias (2. Buch der Könige,
Kap. 23, 1 und 2) dargestellt, die zu den schönsten Schnitzereien des Zimmers
gehört. Der mittlere Aufbau des Tempels, der im Fries die Jahreszahl 1567
zeigt, wird von nackten Männern begleitet, die auf den niedrigen Anbauten des
Tempels sitzen. Die Mitte des TerapeUrontgiebels bekrönt Moses mit den
Gesetzestafeln, auf den, den Tempel stützenden Säulen und Hermen stehen
bewegte Figuren, unter denen man rechts Mucius Scävola erkennt. Die
Schnitzereien der hinteren Wange beginnen über dem Sitzbrett der Bank mit
einer sitzenden weibhchen Figur, der Gerechtigkeit, in perspektivisch vertiefter
Bogenstellung mit Umschrift Die Bogenstellung wird begrenzt von senkrechten
ornamentierten Füllungen. In der Bogenleibung sind dicht über dem Kämpfer
die Marken der Künstler, links die Gert Suttmeiers, rechts die Soests (abgebildet
bei Behncke) angebracht. Das Gebälk ist wieder verkröpft Auf den Fries-
verkröpfungen sitzen Masken in Füllungen, zwischen ihnen ein an den Rändern
-^ 266 h<^
aufgerolltes Band mit: ANNO • DONI • 1 • 5 • 6 • 7. Der Aufbau über dem Gesims
erscheint als zierliche Architektur eines zweigeschossigen Gebäudes, in der Mute
unten mit offener Halle, in der eine Szene aus dem 5. Buch Moses, Kap. 5, Yen 1,
daxgestellt ist, daneben auf jeder Seite drei Hermen, über denen sich eine Galerie
mit spätgotischem Maßwerk hinzieht Das zweite Geschoß wird gebildet dmrdi
korinthische Pilaster, zwischen denen Rundbogenfenster mit Maßwerkveiziemng
sitzen. In dem geknickten Frontgiebel erscheint Moses in Wolken, die Bekronang
bildet die B.eiterfigur des Marcus Curtius, daneben standen noch zwei Figurni,
die leider abgebrochen sind. Auf den erhaltenen Sockeln steht links: MVTjVS
SCEVOLVS, rechts MARCVS CVRTIVS. Die Schranke zwischen den Wangen
zeigt ähnliche Architektur wie die Wandverkleidung, nur einfacher; das Gesims
ist niedriger als das der Wangen. (Über den Anteil der Künstler am RatsstoUe
bei Behncke, Seite 11 ff.)
Die Türen, die noch von Gert Suttmeier hergestellt wurden, sind
einflügelig, die imtere Füllung ist kassettiert, die obere Füllung unter einem
Stichbogen mit zwei, auf kannelierten Pilastem stehenden Bögen ausgefüllt
(vgl. Fig. 93). Der Beschlag ist einfach. Die Tür zur Bürgermeisterkammer hat
ein kunstvolles Schloß.
Die erste Türumrahmung Albert von Soests umgibt die Tür zur Bürger-
meisterkammer. Sie ist an der Karyatide links bezeichnet mit ANNO 1568, an
der rechts mit ALBERTVS SVZATIEN FECIT. Die flachbogig überdeckte
Tür wird seitlich eingerahmt von zwei früchtetragenden Karyatiden, einer männ-
lichen und einer weiblichen, deren untere Glieder in durchbrochenen korbartigen
Gestellen mit herausquellenden Früchten stehen. Das Gebälk ist verkröpft, der
Pries mit Lowenköpfen besetzt, der dazwischenliegende Teil des Frieses zeigt
omamentales Blattwerk, das sich um zwei Löwenköpfe rankt Die Gebälkver-
kröpfungen tragen die Figuren der Apostel Paulus und Petrus mit großen
Inschrifttafeln. Auf dem Gesims steht ein bis zur Decke reichender Aufbau,
eingefaßt von zwei karyatidenartigen Pilastem, mit einer großen figurenreichen
Reliefbildschnitzerei, das jüngste Gericht darstellend. Auf Wolken thront in der
Mitte Christus auf der Weltkugel, umgeben von Engeln und Seligen, unter ihm
links die von Engeln begleiteten Frommen, rechts die von Teufeln umschwärmten
Sünder. An einem Stein die Marke y^5^ . Einzelne Figuren sind unterarbeitet, das
Ganze von höchster technischer und künstlerischer Vollendimg. Die einfassenden
Karyatidenpilaster werden von flachen, an der Wand liegenden Anläufem in
Form von geflügelten Phantasiegeschöpfen begleitet. Das Gebälk des Aufbaues
ist über den Pilastem verkröpft. Der Fries ist mit Masken imd Blattomament
geschmückt Über dem Gebälk ein Frontgiebel, auf diesem und auf den Ver^
kröpfungen der Pilaster stehen Apostelgestalten^ hinter großen Inschrifttafeln
versteckt Auf dem Frontgiebel liegen zwei nackte Männergestalten mit Blumen
und Früchten. Das Giebelfeld wird von einer Kartusche mit Inschrift ausgefüllt
(Alle Inschriften abgedmckt bei Behncke.)
Die Tür zur Kollektorei ist sehr in die Ecke gedrückt, so daß die auf der
linken Seite stehende Figur der Veritas halb in der Wand verschwindet Rechts
steht die Gestalt der Pmdentia, an ihrem Sockel befindet sich das Stadt-
Wappen. Ober den Figuren
sind Engel mit aufgeschlage-
nen Büchern und zwei reich
omamentieTten Konsolen, die
das verkröpft« Gebälk tragen,
angebracht Der Fries ist mit
Löwenköpfen zwischen Früch-
ten und Blumen geschmückt
Auf den Gesimsverkröpfungen
stehen zwei Gestalten, fast ganz
von großen Inschrifttafeln ver-
deckt, Paulus und Petrus. Der
bis zur Decke reichende Auf-
bau auf dem Gesims steht
schief zur Türachse. Durch
zwei senkrechte Omament-
streifen wird ein großes Mittel-
relief, Noahs Opfer, einge-
rahmt und bekrönt von einem
Gesims mit Frontgiebel. Auf
der Spitze des Frontgiebels
steht hmter einer Inschrifttafel
eine Figur. Seitlich wird der
Aufbau begleitet von Ornamen-
ten mit nackten Männern und
Gefäßen. An dem Sockel, auf
dem diese Männer sitzen, er-
scheinen zwei vortretende
Köpfe, von denen Behncke den
hnken für das Selbstporträt
Alberts von Soest hält. Das
Giebelfeld wird von einem ge-
flügelten EtigelskopfmitFrüch-
ten und Blättern ausgefüllt. Auf
den Giebelseiten liegt reiches,
fein gearbeitetes Blattoma-
meut. Die Wandflächen neben
der Giebelfigur werden ausge-
füllt von schwebenden Engeln,
die WappenschUde halten, links
mit einem Halbmond, rechtsdas
Stadtwappen. An dem Altar
des Reliefs, das bedeutend
flacher gearbeitet ist, als das
jüngste Gericht und im Hintei^
Bathans; Tflr mm Vanlmnirr In in gT0D*n Batutnbe.
-^ 270 H-
grunde eine Ansicht Lüneburgs zeigt, steht Soests Künstlennaxke ,^^j||i . Die
Vollendung der Tür erfolgte nach der Angabe auf der Inschrifttafel Pauli löTZ»
Die Pfosten der zur Laube führenden Tür sind ebenfalls von zwei
Figuren geschmückt, links der Fides, rechts der Justitia (Fig. 92). Die Fides ist
arg in die Ecke gedrückt worden und deshalb etwas lang geraten. Um dieses
Mißverhältnis zu verdecken, stellte Soest vor die unteren Glieder der Figur
einen hohen Schild. Die Justitia ist eine der schönsten Figuren des Raumes.
Beide Figuren stehen auf mit Masken verzierten Sockeln; über ihnen schwebt
Gott Vater mit der Weltkugel. Auf dem Strahlenkranz Gott Vaters setzen die
reich ornamentierten Konsolen an, die das verkröpfte Gebälk tragen. Der Fries
ist wieder mit Löwenköpfen zwischen Ornament geschmückt. Der Aufbau
besteht in der Hauptsache aus dem großen Mittelrelief, das hier seitlich begrenzt
wird von zwei karyatidenartigen weiblichen Halbfiguren auf hohen gebogenen
Konsolen. Das Gesims hat Zahnschnitt, den Fries füllt eine Inschrift aus.
Auf der Giebelspitze und den Gesimsseiten stehen verzierte Gefäße mit kleinen
Sockeln, auf den Giebelseiten liegt Ornament. Das MittelreUef stellt die Hin-
richtung von Titus Manlius Torquatus Sohn dar. In der Mitte steht eine
Köpfmaschine, der Guillotine ähnlich, unter dem Fallbeil hegt der Verbrecher. Im
Hintergrunde stehen Krieger. Am Fuß der Köpfmaschine steht die Marke
Alberts von Soest
Die Tür zimi Vorzimmer, die Haupteingangstür, hat den reichsten
Schmuck erhalten (Fig. 93). Das unverkröpfte Gesims liegt auf drehbaren
Stützen, die aus Architektxuiieilen, Ornamenten und Figuren aufgebaut sind (Fig. 94).
Alles an diesen Stützen reißt zur Bewunderung hin; der neue Gedanke des
Ganzen, die hohe Schönheit und die technische Meisterschaft Der Charakter
des Tragens ist trotzdem nicht verloren gegangen, denn das Ornament erscheint
um einen Säulenkem herumgelegt, dessen Fuß durch eine attische Basis, dessen
Kapitell von vier geflügelten Engelsköpfen und einem darüberliegenden Abakus
gebildet wird. Der Aufbau der Stützen ist klar. Cber der Basis wachsen aus
dem Säulenkem vier Konsolen mit nackten Männerleibem, auf denen ein, das
Ganze zusammenfassendes, bandartiges Ornament, aus architektonischen GUedem
Masken und Rollwerk zusammengesetzt, hegt Darüber stehen auf Postamenten,
die mit Putten verTiiert sind, vier Figuren vor baldachingeschmückten Pfosten,
die durch gegliederte Rundbögen verbunden werden. In den so gebildeten
Nischen stehen vier größere Figuren. Die Rundbögen bilden wieder mit reichem
figurendurchzogenem Ornament ein breites zusammenfassendes Band, das an den
Ecken mit säulenhaltenden Putten, in der Mitte mit Gestalten auf kapitellartigen
Sockeln bekrönt wird. Hinter diesen Gestalten sind um den Säulenkem reiche
gotische Architekturen mit Maßwerkfenstem und Türmchen gelegt, die unter dem
Kapitell endigen. Die dargestellten Figuren haben Täfelchen mit ihren Namen und
sind an der rechten Stütze : in den großen Nischen Darius, Julius Caesar, Alexander
und Cyrus; auf den Ecken stehen die kleineren Figuren Temperentia, Pmdentia,
Fortitudo, Patientia ; über Darius* steht Jesus mit Maria, eine der wundervollsten
Figuren des ganzen Raumes, trotz ihrer Kleinheit An der linken Seite stehen:
in den großen Nischen Judas Maccabäus, David, Hektor, Gottfried Dux und
Tig. M. Bathtni; BtütMn dar TAr Fig. M.
-^ 272 8^
Arthur Rex zusammen, diagonal: Ghaiitas, Fides, ^pes und Justitia; über Judas
Maccabäus Jael, über Gottfried und Arthur zwei Frauengestalten mit Schildern
ohne Bezeichnung. Hinter den Drehstützen befinden sich an der Wand pilaster-
artige Vorlagen mit flachen runden Nischen. Am Schild Hektors ist die Marke
angebracht: J^S^ 1580,
Der Fries ist geschmückt mit Rankenwerk, in dem Putten, Frauengestalten,
geflügelte Köpfchen imd Phantasietiere verschlungen sind. Das Gesims wird im
Untergliede durch ornamentierte Konsolen gestützt
Der bis zur Decke reichende Aufbau ist in drei Abteilungen zerlegt.
In der Mitte wird das figurenreiche Relie.f, das die Freigabe einer karthagischen
Jungfrau durch Scipio darstellt, eingefaßt von zwei flachen männlichen Karyatiden,
deren Beine in ähnlichen Gestellen stecken, wie die der Karyatiden an der Tür zur
Bürgermeisterkammer. An den Sockeln Widderköpfe. Das Gebälk dieses mittleren
Teiles ist unverkröpft, der Fries hat vier Triglyphen, dazwischen eine Inschrift
Über dem Gesims ist ein Giebel gebildet, der einen Löwenkppf mit Früchten
enthält und auf dessen Seiten zwei Bären mit dem Stadtschilde angebracht sind.
Auf dem Giebel steht in der Mitte ein kleiner schildtragender Bär, rechts
und links von ihm liegen auf der Giebelseite omamentale Gebilde mit nackten
Männerleibem dazwischen. Spiralförmige Anläufer vermitteln den Übergang
vom mittleren Teil zu den niedrigeren seitlichen Teilen des Aufbaues, die wieder
je ein Relief umfassen. Links ist der Todesspmng des Marcus Curtius, rechts
die Marterung des Regulus dargestellt. An den Außenseiten dieser Reliefs
stehen wieder zwei Männerkaryatiden, im Fries darüber eine auf die Darstellimg
bezügliche Inschrift. Auf dem glatten Gesims erscheinen an den Außenseiten
posaunenblasende geflügelte Gestalten, zwischen ihnen und dem Mittelbau die
bereits erwähnten Anläufer. Hinter diesen ist an der Wand auf jeder Seite
ein schwerttragender Engel sichtbar. An dem inneren Rahmen der Tür werden
zum ersten Male einfache Intarsien verwendet (alle Inschriften sind bei Behncke
abgedruckt). Die Tür ist 1584 vollendet worden, mit ihr schheßen die Arbeiten
Soests in der Ratsstube. Die Tür zu dem Nebenraum in der Südwestecke liegt
ganz imter dem Paneelgesims. Sie wird seitlich eingefaßt von zwei, mit Laub-
und Rollwerk ornamentierten Pilastern mit korinthischem Kapitell. Die Tür
selbst hat Stichbogenabschluß. In den Zwickeln rechts und links je eine
menschUche Figur, deren Beine verschlungene Fischschwänze sind. Das Gebälk
des Paneels läuft diu-ch. Es ist anzunehmen, daß Albert von Soest auch diese
Umrahmung hergestellt hat, bezeichnet ist sie nicht
Die mit Ölfarbe auf Leinwand gemalten Bilder des Lüneburger Malers
Daniel Frese sind wohl von vornherein nur als dekorative Ausschmückung gedacht.
An der Fensterseite hängen vier Gemälde, die durch gemalte Spruchbänder über
den Fensterbögen miteinander verbimden sind. An der West- und Südwand
sind je drei, an der Ostwand, und zwar über dem Paneel des abgetrennten Neben-
raumes zwei Bilder angebracht. AUe Bilder haben allegorischen Inhalt, die
Pflichten des Richters, den Frieden, die Stadtregierung, das neue Jerusalem,
die deutsche Reichsversammlung und anderes darstellend. An der Fensterwand
zeigen die Gemälde Moses, David, Petrus und Paulus. Die Bilder sind färben-
-^ 273 8^
freudige gute Arbeiten. Die Fensterleibungen sind merkwürdigerweise als rohe
Backsteinwände stehen geblieben.
Am Unterzug der Decke hängt ein achteckiger Beleuchtungskörper, mit
neuen Butzenscheiben, anscheinend der späteren Renaissance angehörend.
In den erwähnten Wandschränken an der Ostseite werden folgende
Gegenstände aufbewahrt:
1. Fünf genähte Kissen mit prächtig erhaltenen Farben, 56 cm lang
imd breit Die Darstellung zeigt einen nackten Mann hinter einem Schild mit
dem Stadtwappen, umgeben von Blattwerk und Fruchten, die grün und gelb auf
schwarzem Grunde stehen, in den Ecken erscheinen rote Rosen.
2. Zwei je 4,05 m lange, 0,83 m breite bestickte Streifen, die an den
Schmalseiten zusammengehängt wurden, hi acht aneinander gereihten figuren-
reichen Bildern wird die Geschichte von Massinissa und Sophonisbe dargestellt
In jedem Bilde befindet sich oben eine Inschrift, die teilweise unleserlich ist
I. Bild: wo conelius Scipio de yun ger unde des uorig' p: Scipi: | Son
tom houetman tege de vo kartag gewelet vn . . . . ges | chikt
und kartago gwunne.
n. Bild: van groter doget un kuscheyt Scipio: dith | beschon juck frön iücfrön
sopine itronerigd itat | Karta Ihilpa: gfä aus ätwort sik in grotere lo.
m. Bild:| wo Massinissa in wert | to enem koningk ghe | krönet
IV. Bild: wo sick Massinissa mit der kon | gin Sophonisbe vortrwen leet |
un beslep se.
V. Bild: wo de konig Sophonisbe to | fote uel un begeret ir gna | de von
den romeren.
VL Bild: wo Sipionis den Massinissa hertichliken straffet von we | gen der
Sophonisbe.
VIL Bild : wo Sipio der kongn sof onis | be schickt er ene dranck dat se
steruen muste«
Vni. Bild: wo Massinissa dorch houeske wort un ade | Uch gebere Sophonisbe
beweg warer • trost 1 tosage dö un er levet et(ch)at elik trwet beslape.
Der zusammengesetzte Streifen hat links und rechts unten das Stadt-
wappen und wird an den Außenseiten durch einen breiten, ebenfalls bestickten
Rand abgeschlossen, am unteren Rande hängen noch Troddeln. Die Stücke
gehören der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts an.
3. Fünf lange schmale bestickte Streifen, die ebenso wie die. vorigen
an den Wänden der Ratsstube bei festlichen Gelegenheiten aufgehängt wurden.
Die fünf Stücke passen zu den Kissen, ihre Fläche ist ganz mit farbigem
Ornament auf schwarzem Grunde, dem der Kissen gleich, bestickt, zwischen
denen in bestimmten Abständen wieder die nackten Männer mit dem Schilde
stehen. Unterbrochen wird das Ornament durch senkrecht aufstrebende Blumen-
zweige, die in einfachen Gefäßen stecken. Unter zwei der nackten Männer
steht die Jahreszahl 1579.
4. Zwei je 4,67 m lange, 0,62 m breite Wandbehänge mit gelb und
grünen Blättern auf schwarzem Grunde und Stadtwappen, unter dem die Jahres-
zahl 1584 steht. Der Rand ist gelb, mit Troddeln.
35
-^ 274 8^
Die Technik der unter 1—4 genannten Arbeiten ist eine gobelinartige,
die Bildfäden sind eingenäht in eine Fläche aus gespannten Fäden.
5. Eine Altardecke, 1,87X0,80 m groß, in vier aneinander gereihte,
abwechsehid blau und rote Abteilungen durch gestickte Streifen geteilt Auf
den Flächen sind gotisch geformte Blätter aus grauem Leinen aufgenäht Die
Blätter sind dann teils überstickt, teils bemalt auf Kreidegrund. Die äußeren
und der mittlere Teilungsstreifen zeigen wiederholt das Lamm, erhaben gestickt
Unten wird die Decke ebenfalls durch einen bestickten Streifen abgeschlossen.
Die Omamentstickerei der Streifen hat als Kern Kupferdraht, der umwickelt imd
dann auf der Unterlage festgestickt ist Das Stück gehört dem Ende des
15. Jahrhunderts an.
6. Ein gotisches Antependiiun vom Ende des 15. Jahrhunderts. Der
graue Leinenuntergnmd ist durch schmale blaue Streifen in drei Abteilungen
getrennt Die Flächen sind ausgefüllt mit zierlichem gesticktem Rankenwerk, in
dem Grün vorherrscht. Im Mittelfelde wird die Mitte betont durch eine Mandorla
mit sitzendem Christus. In den Seitenfeldem sind rechts und links je zwei
Wappenschilder mit dem Löwen und dem Stadtwappen verteilt Der breite
Rand ist ebenfalls mit Rankenwerk, in den Ecken des unteren Randes rechts
und links mit dem Brustbild eines Engels bestickt. Größe 1,96X1,05 m.
7. Eine grünsammetne Altardecke mit Spitzen und der Zahl 1746 auf
der Rückseite.
8. ReUquienkästchen, 14 cm lang, 6 cm breit, 13 cm hoch mit dach-
förmigem Deckel. Der Holzkörper ist mit vergoldetem Kupferblech überzogen und
emailUert Auf der geraden imd der dachförmigen Vorderseite sind je drei Kreise
mit geflügelten Halbfiguren, die Nimbus und Buch haben imd auf Wolken
stehen, dargestellt Zwischen den Figuren und den Kreisen ist der Grund mit
dunkelblauem Email ausgelegt Die Wolken bestehen ebenfalls aus EmaiL Die
Gewandlinien der Figuren sind eingeritzt Zwischen, den Kreisen in den
Zwickeln sind Rosetten in grünem und weißem Email eingelegt. Die Köpfe
der Figuren sind aufgesetzt und modelliert aus vergoldetem Silber. Die Rück-
seite bedeckt ein schachbrettartiges Rautenmuster, das abwechselnd Rauten von
blauem und grünem Email und Gold vom stehengebUebenen Grundmetall zeigt
Auf den Seiten sind zwei ganze Figuren mit Nimbus und Buch dargestellt auf
einem Grunde, der aus blauen, grünen und goldenen Rauten besteht Die
schöne Arbeit scheint sehr alt zu sein.
9. Ein Hostienkasten aus Holz, 23 cm lang, 22,5 cm breit, 9 cm hoch,
aus dem 15. Jahrhundert Der Deckel zeigt in der Mitte eine profiherte Mandorla
mit einem sitzenden Christus. In den Ecken sind die vier Evangelistenzeichen
eingelassen, die aus vergoldetem Metall auf farbigem Emailgnmde bestehen. Die
in Vierpässen liegenden Tierbilder haben Schriftbänder mit gotischen Majuskeln.
Jede Seite des Kastens ist in zwei Füllungen geteilt, die gegossene, vergoldete
Metallornamente enthalten. Diese Ornamente, die unter sich gleiche Muster
zeigen, sind durchbrochen und bestehen aus je vier Ejreisen, die in der Mitte
ein Vierblatt einschließen. In den Kreisen sind kleine Figuren, oben Ritter zu
Pferde, unten Gehamischte zu Fuß, in lebhafter Bewegung dargestellt Der
-^ 275 »^
Holzgrund der Ornamente ist blau bemali Der Deckel des Kastens ist innen
bemalt mit einem gekreuzigten Christus, neben dem Maria und Jobannes stehen.
Die Oruppe wird umschlossen von einer Mandorla. In den vier Ecken sind die
Evangelistensymbole dargestellt, die Tierbilder oben halten Schriftbänder mit
Majuskeln, die unteren nicht. Der Grund des Bildes ist rot, die Gewänder und
einzelne andere Teile gold, die Tierbilder in naturUchen Farben bemalt, das
übrige Innere des Kastens ist rot gestrichen.
10. Kleine silbervergoldete Monstranz aus dem großen Heiligen Geist,
bestehend aus hohem Fuße und runder Kapsel, 17,5 cm hoch. Die Kapsel hat
5 cm Durchmesser. Der Fuß hat einen Knauf. Die Kapsel wird von einem
Kreuz mit kleinem Ghristuskörper bekrönt. Die Vorderseite der Kapsel zeigt ein
Mittelfeld mit einer plastischen Kreuzgruppe, Maria und Johannes neben dem
Gekreuzigten, in feiner Arbeit, über dem Kreuz „in • r • i •" neben der Gruppe, aber
noch innerhalb des Kreises die Inschrift: „iaspar • melchior • baltazar •'' Um das
Mittelfeld läuft am Rande der Kapsel die Inschrift: „ihesvs | nazarenvs | rex |
ivdeorv*'^ Die Rückseite zeigt im Mittelfeld die gekrönte Maria mit dem Kinde
auf einem Halbmond, in das Metall eingeschnitten, mit der Umschrift: „ave |
maria | gracia | plena | dns | tec.'' Die zwischen den beiden Deckeln liegende
schmale Zylinderiläche besteht aus Vierecken mit Vierpässen.
11. Eine große, silbervergoldete Monstranz, die angebUch in einem Wand-
schranke der Kirche zu Nikolaihof in Bardowick gefunden sein soll. Auf einem
Kelchfuß steht ein architektonischer Aufbau. Der Rand des Fußes besteht aus
sechs Kreisteilen, die eingeritzte Engelfiguren mit Emblemen zeigen. Der Schaft
hat einen kleinen Knauf. Über und imter dem freien Raum für die Hostie sind
ornamentierte Teller angebracht, zwischen ihnen seitlich strebepfeilerartige
Architektiuren. Die Bekrönimg bildet eine . turmartige Architektur. Am unteren
Teller die Inschrift: „ecce • panis • angelo(rum) • ecce • panis • angeloru(m*)"
12. Kelch mit Patene aus dem Gral, 17,5 cm hoch. Der Fuß wird aus
sechs Kreisteilen gebildet, auf der einen Seite ist ein plastisches Kruzifix aufgeheftet,
auf der anderen Seite ein goldener Wappenschild mit einem bärtigen Kopf in
braunem Email, Wappen der Famihe von Winsen. Die sechs Nägel des Knaufes
sind emailliert. Am Schaft unter dem Knauf die Inschrift: „maria,'' über dem
Schaft: „ihesvs," in gotischen Minuskeln. Die Patene hat innerhalb des glatten
Randes einen Fünfpaß, auf dem Rande ein eingeritztes Weihkreuz.
13. Kelch mit glattem Fuß, 17,5 cm hoch, aus dem Gral, Knauf reich
verziert mit Maßwerk, auf den Nägeln plastische Engelköpfe, auf dem nmden
Fuß eingeritztes Kruzifix. Unter dem Fuß steht die Inschrift: „Closter Meding.
Anno 1708." Die Patene ist glatt, am Rande ein eingeritztes Weihkreuz.
14. Kelch mit Patene aus dem großen Heiligen Geist. Der Fuß ist
begrenzt durch sechs Kreisteile, deren Ränder ein fortlaufendes Schriftband tragen
mit der Inschrift : ANNO • DOMINI • MCCCC • XVXK • DEDIT • MÄRTEN • BECKKER •
DESSEN • KELLICK • IN • DE • ERE • DAR • HILLEGEN • DREVALDICHEIT •
VNDE • ALLE • CR(I)STEN • SELE • Auf dem Fuß ein plastischer Christuskörper
an einem eingeritzten Kreuz. Der senkrechte Rand des Fußes ist mit Dreipässen
durchbrochen. Der Knauf ist mit Maßwerk verziert, auf den Nägeln steht
35*
->4 276 8^
MARIIA, über dem Knauf am Schaft fflESVS, unten CMSTVS. Die Patene
hat eingedrückten Vierpaß.
15. Kelch, dessen Fuß, Schaft, Knauf und unterer Teil des Bechers mit
gegossenen Silberomamenten, Engelköpfe zwischen Blattwerk, verziert sind.
Am Rande des Bechers ist ein Wappen eingeritzt, das in der Mitte geteilt ist
und in der oberen Hälfte einen wilden Mann, in der unteren drei Blumen zeigt
Die Helrazier ist ebenfalls ein wilder Mann. Ober dem Wappen die Buch-
staben: C-K-, darunter BVRGEMEISTER.
16. Kelch, 27,5 cm hoch, mit Patene, aus dem Gral. Der sechsteilige
Fuß hat durchbrochenen Rand, eine kleine plastische Kreuzgruppe mit Maria
und Johannes neben dem Gekreuzigten und am Rande die Umschrift: „DORGH
GOT • VNDE . BIDDET • VOR • DIDERICK • HESSEBEKEN • SELE • DAT • OM
GOT • GNEDICH • SI • DOT". Unt«r dem Fuß steht: „D • NICOLAVS • DE
TZERSTEDE • D • GEORGIVS • BORCHOLT • GEORGIVS • DITMERS • ET • ANDREAS
DE . BAVENTEN • TESTAMENTARH • CONRADI • SLVTERS • DEDERVNT
DOMVI . MISERICORDIE • ANNO • 1566 •" Die Kuppa ist anscheinend später
aufgesetzt Der Knauf hat eingeritztes Ornament, die Nägel zeigen die Buch-
staben: IHESVS. Ober dem Knauf im Schaft die Buchstaben: IHESVS CHRIST,
übereinander, unter dem Knauf: MARIA.
17. Kelch, 17,5 cm hoch, der Fuß mit sechs KreisteUen und aufgeheftetem
Ghristuskörper an eingeritztem Kreuz. Knauf mit eingeschnittenem Ornament
und vier Nägeln mit emaillierten Kreisen. Ober dem Knauf: ihesvs • crist
18. Kruzifix mit hölzernem Postament und silbernem Körper. Gesims
und Sockel des Postamentes sind ornamentiert, auf dem mittleren glatten Teil
ist ein Ehewappen gemalt Der rechte Schild zeigt drei Büsche, der linke drei Bäume,
die eingefriedigt sind. Das Kreuz ist glatt. Auf der Rückseite aufgemalt die Inschrift :
„Herr Georg Büsche ältester Bürgermeister und Provisor des Hospitals zum großen
Heiligen geist in Lüneburg, und Fraue Beate, Dorothe Baumgarten, uxor, haben
dieses Cruzifix samt dem Rohten Sametten Altar-Laken zur Ehre Gottes v.
ihren gedechtnis besagtem Hospital verehret. Ao. 1708."
19. Silberne, innen vergoldete Kanne, 22 cm hoch, deren Deckel und
Fuß gepreßtes einfaches Ornament zeigt. Auf dem Deckel links Wappen, rechts
Figur mit Nimbus, Schwert und Kreuz, darunter: KLOSTER • LVNA • 1708.
20. Silberne, iimen vergoldete Kanne, 29,5 cm hoch.
21. Vergoldetes Saugröhrchen aus dem Gral. Die Vorderseite ist blatt-
ähnlich gebildet
22. Hostienbehälter, rund, 8 cm Durchmesser, 5 cm hoch, aus Silber,
mit schmalem, gepreßtem Rand. Die Scharniere sind in Form von Lilien auf
dem Deckel befestigt Der Knauf auf dem Deckel ist vielflächig mit durch-
brochenen Dreipässen.
23. Hostienbehälter, oval, silbervergoldet, mit eingepreßtem Spät-
renaissancerand. Auf dem Deckel eingeritzte Figur und die InscIuift:
CLOSTER • EBSTORFF • 1708.
24. Eine Tasche aus grünem Sammet, mit Goldstickerei am Rande, im
Innern rote Seide. Die Tasche enthält: eine kleine silbervergoldete sechsseitige
-^ 277 %^
Weinkanne mit Deckelverschraubung, auf den sechs Seiten sind die Marter-
werkzeuge Christi eingeritzt, ganze Höhe 9,5 cm; einen durchbrochenen runden
vergoldeten Löffel und eine runde silbervergoldete Hostienbüchse, auf deren
Deckel ein Kruzifix eingegraben ist, am Boden steht: HAGELBERG. Diese
Gegenstande gehören dem 17. Jahrhundert an.
25. Eine runde silberne Hostienbüchse mit gepreßten Ornamenten, unter
dem Boden steht: „R • D • REIMERN • geboh • von STÖTTEROGEN • 1710- dieses •
geschenckt".
26. Zwei silberne Altar-Leuchter, teilweise vergoldet. Der Schaft ist
bündeiförmig gestaltet. Auf dem Fuß ist ein Ehewappen mit fünfzackiger
Krone darüber eingeritzt. Zwischen den Wappen steht: 1708, darunter links:
B • L • V • S •, (Stöterogge), rechts: C • K • (Kroger).
27. Eine halbkugelförmige silbervergoldete Schale mit Henkel, auf drei
kugeligen Füßen mit Blattomament stehend.
' 28. Ein aus Holz geschnitztes Kästchen mit Aufbau zum Auflegen der
Finger bei Eidesleistungen. Auf einem rechteckigen, mit ornamentiertem Sockel
und Bekrönung abgeschlossenen, massiven Unterbau liegt eine herumlaufende
Kehle, mit Plattform. Auf dieser ist in der Mitte ein walzenförmiger Körper
befestigt, auf den die Schwurfinger gelegt wurden, neben ihm stehen zwei
Stangen imd hinter diesen knien zwei geflügelte Gestalten. Die Vorderseite des
Unterbaues zeigt plastisch den Gekreuzigten mit Maria und Johannes, auf blauem
Grunde. Rand und Gewänder sind vergoldet. An der Rückseite ist Gott Vater
auf dem Regenbogen, zu Füßen die Weltkugel, dargestellt, neben ihm zwei
musizierende EngeL An der schmalen Seite befindet sich rechts St Georg, links
Johannes der Täufer. Unter dem Boden steht: GERT • GARSTENKORN • 1597,
außerdem sind hier zwei auf Papier gemalte Wappen aufgeklebt.
29. Ein ebensolcher, aber einfacherer und am Unterbau nur bemalter
Bürgereidkasten aus späterer Zeit Die Form ist dieselbe wie bei Nr. 27. Die
knienden Figuren sind nicht geflügelt. An der Vorderseite des Unterbaues
erscheint in der Mitte Christus, rechts und Unks eine schwebende weibliche
und männliche Gestalt in Wolken, auf der Rückseite die heilige Dreieinigkeit,
links JVSTITLV mit Schwert und Wage, rechts VERITAS mit Stab.
30. Eine silberne Lichtputzschere mit ornamentierten Füßen, am Boden
die Stadtmarke.
31. Ein goldener Schlüssel, dessen Kopf mit Empireornament verziert
ist, mit schmucklosem Kissen.
32. 16 silberne Probiemadeln mit Stein, für die Prüfung des Feingehalts
von Gold, vom Leihhause.
33. Fünf Stempel der Goldschmiede.
34. Mehrere Medaillen.
35. Ein sehr wertvolles Münzbuch mit eingehefteten 36 Gold- und
34 Sübermünzen Lüneburgs, aus dem 15. Jahrhundert.
36. Die Valvationstabellen mit angehängten Münzen aus derselben Zeit.
37. Ein gotischer Holzkasten, außen mit einfarbigem Anstrich auf
Kreidegrund. Die Innenseite des Deckels ist mit zwei Apostelfiguren in farbiger
-<-8 278 8^
Tempera auf Goldgrund bemalt; der Kasten enthält fünf getriebene, vei^oldete
Silberbleche, die je eine Nische, von zwei turmartigen Gebilden begleitet, dar-
stellen. In der Nische steht auf emailliertem Grunde eine massive Silberfigur,
Maria mit dem Kinde und eine andere Heiligenfigur abwechselnd. Die Bleche
scheinen die Seitenverzierung eines Kastens gebildet zu haben; sie wurden beim
Abbruch des alten Gralgebäudes gefunden.
38. Eine Holzschachtel enthält Teile eines Rosenkranzes aus schwarzen
Homperlen, abwechselnd mit vielflächigen, durchbrochenen Silberknöpfen; den
Stempel für ein kleines städtisches Kämmereisiegel; ein kleines Reliquienkreuz
mit eingeritztem Kruzifix und Reste eines anderen Reliquienkreuzes.
39. Ein bronzener Leuchter mit profiliertem Mittelkörper, für eine Kerze.
Auf demrundenFuße steht die hischrift:KAMMEREY: ANNO. DONI 1 •683—1.5.88;
am Anfang der Schrift das Töbingsche Wappen, * zwischen den 2jahlen das
Witzendorf sehe Wappen, eingeritzt.
Bürgermeister- Die Bürgermeisterkammer, östüch von der großen Ratsstube, hat an den
Wänden 2,30 m hohe Holzverkleidung, die durch kanneherte ionische Pilaster
geteilt wird. Im Gebälk sitzt über jedem Pilaster ein Konsol. Die Tür zur
Ratsstube ist im Stichbogen gewölbt und hat in den Zwickeln eingelegte Augen.
Die Postamente der Pilaster sind ebenfalls eingelegt Der Fußboden besteht aus
glasierten Platten mit grünem Blattmuster auf gelbem Grunde. Unter dem
Fenster läuft eine Bank hin, deren Sitz aufklappbar ist. Die Vorderteile der
Bank zeigen eingelegte Linien.
Sonstige Räume. Von diesem Zimmer führte eine jetzt vermauerte Tür zum alten Archiv,
jetzigem Magistratssitzungssaal, eine andere Tür vermittelt den Zugang zur
Kollektorei, einem schmucklosen Räume, der wieder mit der groiten Ratsstube
verbunden ist.
Im Obergeschosse des Baues von 1567 hegt über der Ratsstube und
dem Nebenzimmer ein flachgedeckter großer Raum, der jetzt als Registratur
benutzt wird. Er enthält an der Ostseite einen aus Gipsputz beigestellten
großen Kamin aus der Mitte des 18. Jahrhunderts.
Äußere Die äußere Ansicht des Baues von 1567 nach dem Ochsenmarkt ist in
drei Geschosse geteilt. Das untere Geschoß ist einfach und hat als Schmuck-
teile nur die beiden kleinen Türen zu den Durchgängen aufzuweisen. Diese
Türen sind im Stichbogen geschlossen und liegen in einer mit Tausteinen und
Bimstäben eingefaßten Spitzbogennische. Das Feld über den Stichbögen wird
ausgefällt mit einem von Tausteinen eingefaßten geneigten Schild, der das aus
Holz hergestellte imd bemalte Stadtwappen enthält Das große Portal geht
durch die beiden unteren Geschosse und ist mit einem Spitzbogen, der zweimal
gebrochen ist, überwölbt. Die Leibungen des Portals zeigen dreimal zurück-
springende Glieder, aus Tausteinen imd einem Bimstab gebildet Der Spitzbogen
wird begleitet von einem geputzten, durch Taustäbe eingerahmten Fries. Auf
der Spitze des Bogens steht eine kleine von Tausteinen eingerahmte Nische mit
einem Bildwerk, Simson und den Löwen darstellend; zu Füßen des BUdwerks
ist der Stadtschild angebracht. Rechts und links neben der Nische befinden
sich zwei gegeneinander geneigte, von Tausteinen umrahmte Schilde mit dem
Architektur.
■^ 279 »^
Wappen des Landes und der Stadt Über dem Portal im Obergeschoß ein Kreis
aus Tausteinen, in der unregelmäßigen, offenbar später veränderten Wandfläche
sind noch Spuren von Kreisen und der Anschnitt der „Laube" (vergl. S. 205)
erkennbar.
Die beiden oberen Geschosse sind rechts neben dem Portal durch Reihen
von Nischen in jedem Geschosse zusammengefaßt, so daß zwei große Horizontal-
motive entstehen, die unterstützt werden durch fortlaufende geputzte Friese
imter den Fensterreihen. Die Friese und die Nischen sind von Tausteinen
eingefaßt. Der untere Fries wird von Kreisen aus Tausteinen unterbrochen.
Der obere Fries zeigt nur in der Mitte eine Unterbrechung durch ein von
Tausteinen eingerahmtes rechteckiges Feld, das ein Sandsteinrelief enthält, eine
an den Ecken aufgerollte Tafel, von zwei geflügeltön Figuren gehalten. Auf
der Tafel in zwei Reihen die Inschrift: ANNO DOÄflNI MDLXVE.
In den Nischen der Geschosse liegen die viereckigen Fenster ohne weitere
Umrahmung. Über den Pfeilern der Nischenreihe des mittleren Geschosses sind
abwechselnd Kreise und Wappenschilde, aus Tausteinen gemauert, angebracht.
Die Kreise enthalten Holztafeln mit farbigen großen Sternen, die Schilder das
Stadt- und das Landeswappen. Das Hauptgesims wird durch ausgekragte
Profilsteine gebildet, über welche das Dach vortritt
Die ganze Ansicht zeigt die absolute Herrschaft des Tausteines, neben
dem die wenigen anderen Profilsteine ganz verschwinden.
Die Türen haben stark profilierte Rahmhölzer, bei den kleinen Türen
schrägliegend, beim Portal in Form der Stadtmarke S.
Die Rückseite dieses Baues ragt über die anderen Dächer hinaus und
ist in einfachem Fachwerk ausgebildet Ein kleiner anschließender Dacherker
zeigt hier reichere gotische Holzformen, sein kleines Giebelfeld ist mit Kerbschnitt-
mustem bedeckt Am Fußholze der Lukenöffnung steht die Jahreszahl 1539.
An den oben beschriebenen Bau von 1567 schließt nach Osten ein Zwischen-
kleiner Bauteil an, der im Obergeschoß einen jetzt als Magistratssitzungssaal
dienenden mit zwei Kreuzgewölben überdeckten Raum enthält Die Kreuzgewölbe
sind 1900 umgebaut Früher befand sich hier das Archiv. Unter diesem Saal
lagen zwei kleine fensterlose, mit Kreuzgewölben überdeckte Räiune, deren
Gewölbe bei dem Umbau von 1900 beseitigt wurden. Besonders schön ist die
äußere Architektur dieses kleinen Bauteiles. Über einer hohen schmucklosen
Fläche liegt eine Reihe von Spitzbogennischen. Die Spitzbögen sind von doppelten
Profilsteinen eingerahmt. Die Nischen werden unter dem Kämpfer durch zwei
profilierte Backsteinpfosten mit einfachem Fuß und 'Kapitell in drei tiefliegende
Flächen geteilt, die mit kleeblattförmigen Steinen überdeckt sind. In der Fläche
darüber liegt ein von Profilsteinen gebildeter Kreis. Unter der Nischenreihe zieht sich
ein geputzter von Nasensteinen gebildeter Fries^hin, über den Pfeilern hegen zwischen
den Spitzbögen schräge Schilder, aus Backsteinen gemauert, in ihnen abwechselnd
die aus Holz hergestellten Wappen der Stadt und des Landes, das Hauptgesims
wird durch das überschießende Dach gebildet Die Nischenreihe scheint früher
nach Osten weitergegangen zu sein. Die innere Teilung des Gewölbes paßte
nicht zu der Außenarchitektur, erst durch den Umbau von 1900, bei dem an
-^ 280 %^
der Außenseite nichts geändert wurde, ist die innere Gewölbeteilung der Teilung
der Nischen entsprechend abgeändert worden. Die Rückseite des Baues, der
außerordentlich starke Mauern hat, ist mit einem Treppenhause zugebaut, enthielt
aber früher Fenster. Im Dache ist noch der westliche Giebel, der vor Herstellung
des Baues von 1567 frei lag, zum Teil erhalten. Er hatte nur eine Mittelstaffel
und zwei untere Staffeln, in der Mitte saß eine schlanke Spitzbogennische mit
Pfostenteilung, die Dachhnie wurde betont durch ein schräg nach oben laufendes
Nasengesims. Der Taustein fehlt an diesem Bauwerk, das der letzten Hälfte
des 15. Jahrhunderts angehören wird, noch vollständig. Der verbindende Gebäudo-
flugel zwischen dem beschriebenen Bau und dem Kämmereigebäude am Marienplatz
enthält nur Verwaltungsräume, die mehrfach umgebaut worden sind. Die Außen-
seite am Ochsenmarkte zeigt noch die Spuren einer Reihe von Stichbogennischen,
in denen ehemals die Fenster saßen. Im Erdgeschoß erkennt man Reste von
Spitzbogenöffnungen. An dieser Seite war das Mauerwerk mit grünen Glasur-
schichten, die mit den roten Ziegelsteinen abwechseln, geschmückt An der
Hofseite ist die obere Nischenreihe sichtbar. Im Dach ist der östliche Giebel
noch teilweise erhalten, er zeigt lange Nischenteilung mit frühen Profilen, die
über dem östlich anschließenden Dache liegen. Die Keller sind von Tonnen-
gewölben, die auf Pfeilern mit Rundecken stehen, überdeckt
Kämmerei- In der Ecke nach dem Kämmereigebäude liegt im Hofe eine gemauerte
S^ ^ e- Wendeltreppe mit neuem Dach.
Diele. Das, mit zu den frühesten Bauten des Rathauses gehörende Kämmerei-
gebäude liegt am Marienplatz, mit dem nördlichen Giebel bis zum Ochsenmarkte
reichend. Es enthält im Erdgeschosse eine große Diele, mit Zugang vom
Ochsenmarkte, die durch zwei Geschosse reicht und mancherlei neue Einbauten
zeigt. Rechts von der Diele, nach dem Marienplatze, befindet sich eine Reihe
von Räumen übereinander, unten Keller, oben die sogenannte Große Kommissions-
stube und das Standesamt
Zu einem der Kellerräume führt eine Tür in späten Renaissanceformen.
Sie hat im unteren Teile a<;ht Füllungen zwischen profilierten Rahmen, darüber
ein ausgebildetes Gebälk mit drei Verkröpfungen, unter denen Konsolen sitzen.
Der Zwickel zwischen Gesims und Stichbogenschluß wird ausgefüllt von
flachem Ornament, einem Engelskopf zwischen Füllhörnern.
In der südlichen Wand der Diele führen zwei Türen zur Sülfmeister-
körstube und zu einem Nebenraum. Diese Türen sind im Stichbogen überdeckt
und liegen in hohen Spitzbogennischen, über dem Stichbogen befindet sich ein
Nasengesims, innerhalb der Spitzbögen liegen gemauerte Wappenschilde mit den
Wappen des Landes und der Stadt Die Tür zur Sülfmeisterkörstube gehört zu
den schönsten Teilen der erhaltenen spätgotischen Holzarbeiten (Fig. 95). Sie
ist in 32 Füllungen durch profiUerte Rahmhölzer geteilt Jede der Füllungen
enthält zierhches, sehr gut gezeichnetes Maßwerk auf blauem oder rotem Grunde
in verschiedenen Mustern. In der Ostwand der Diele unter der neuen Treppe
befindet sich noch eine spätgotische Tür mit acht FüUimgen, deren Flächen
aufgerolltes Bandwerk mit Ornament ziert.* In dem neuen Spitzbogen über
dieser Tür sitzt ein altes Stadtwappen.
■*4 2S1 i*-
Ober einer Tür in der westlichen Wand der Diele hängt eine spät-
gotische Schlußsteinrosetie aus Holz.
Auf den ÄnfangspfeUern der Treppe stehen zwei Sandsteinlöwen mit
den Wappen der Stadt und des Landes.
Einige Türen haben bemerkenswert« Beschläge.
Die sogenannte große Kommissionsstube ist ein rechteckiger Raum mit Croßi! Kom-
je zwei Fenstern nach dem Ochsenmaxkte und dem Marienplatze. Die Fenster
bilden in den starken Mauern tiefe Nischen, die am Ochsenmarkt« zu Sitzplätzen
ausgenutzt sind. Die Fensterwände
und die östliche Laagwand sind bis
zur Decke mit reicher Holzverklei-
dung bedeckt, an der Südwand be-
findet sich nur die reich ausge-
bildete Tür.
Die Wandverkleidung steht auf
einem hohen Sockel, vor dem sich
an den Langseiten Wandbänke hin-
ziehen. Diese Bänke ruhen auf Kon-
solen, über denen ein mit ange-
schnittenem, aufgelegtem Ornament
verziertes Brett liegt, das den Sitz
tr^t Cber den Bänken ist die
Wandfläche bis 2,35 m Höhe geteilt
durch stark vortretende hennenartige
Pfeiler, deren oberer Teil aus weib-
lichen und männlichen Figuren be-
steht, die aus omamentalem ba-
rockem Ornament herauswachsen.
Die sich nach unten verjüngenden
Pfeiler unter den Figuren stehen auf
Postamenten mit eingelegten Vorder-
flächen. Über den Köpfen der Figuren
vermitteln Muscheln mit konnthi- „^.^ iuti..u.;Türznr 80]fmei.wr-K»rk«nn..r.
sehen Kapitellen, teilweise auch
Früchte und Rollwerk den Cbergang zu dem reichen Gebälk, das über den
Figuren verkröpft ist. Der Fries zwischen den VerkrÖpfungen ist reich mit
phantastischem Rollwerk verziert, deren Mittelpunkte stark hervortretende
Köpfchen bilden. Auf den FriesverkiÖpfungeii sitzen ebenfalls Köpfeben. Das
Gesims wird belebt durch Eierstab und Zahn schnitt. Zwischen den hermen-
artigen Figuren sind auf den FüUungsflächen Bogenstellimgen angebracht,
bestehend aus Fußgesims, korinthischen Pilastern, bekrönendem Gesims und
ornamentalem Obei^ang zum Architrav. Alle Flä<:hen sind eingelegt, teil-
weise mit farbigen und gebrannten Hölzern. Über dem Gesims setzt sich die
untere Teilung fort durch kannelierte ionische Pilaster, über denen ein ein-
faches Gesims den Gbei^ang zur Decke vermittelt Zwischen den Pilastem ist
die Fläche durcli Leisten in einfache Füllungen geteilt, die teilweise mit Intamen,
teilweise mit autgelegtem ausgesägtem Ornament verziert sind.
Die nach Süden liegende Doppeltür wird nach dem Zimmer zu ein-
gerahmt von zwei freistehenden kannelierten korinthischen Säulen mit omamen-
Tlg. w. BBtliBD«; Tür lD_d«r KroSsii KommlailooaMnb«.
-^ 283 8^
tiertem unteren Schaftende (Fig. 96). Das Postament unter den Säulen zeigt Intar-
sien. Das ausgebildete Gebälk wird in der Mitte durch einen reichen Rollwerk-
iries mit einem Engelkopf und Rosetten geschmückt, das Gesims ist belebt durch
Eierstab und Zahnschnitt Hinter den Säulen ist die Wand von Holzwerk
bekleidet, das imterbrochen wird von flachen Nischen mit Muschelbekrönung und
dessen Flächen reich eingelegt sind. Über dem Gesims erhebt sich ein bis unter
die Decke reichender Aufbau, dessen omamentales Mittelfeld von zwei konsolen-
artigen Stützen eingerahmt wird. Diese Stützen treten weit vor, endigen im
oberen Teile in einer nackten menschlichen Halbfigur von sehr feiner Arbeit
und werden seitlich begleitet von durchbrochenen omamentalen Anläufem.
Das Ornament des Mittelfeldes besteht aus Schneckenlinien und Früchten mit
Blättern, die einen Kopf umgeben. Im Fries des Gebälkes sitzen Konsolen.
Über dem Gesims stößt ein flacher Frontgiebel bis dicht unter die Decke. Im
Türflügel baut sich über einer imteren schlichten Füllung eine eigenartig und
reich gegUederte Bogenstellimg auf. Auf durchgehendem, reich ornamentiertem
Postament stehen zwei weibhche Figuren, die ionische Kapitelle tragen. Auf den
Kapitellen setzt ein profilierter Kielbogen an, der ein Gebälk mit zwei Front-
giebeln trägt, zwischen denen ein Konsol hervortritt Die Bogenzwickel sind
mit Engelköpfen gefüllt. Das Feld unter dem Bogen und die untere Füllung
sind reich eingelegt mit farbigen Hölzern, die Pflanzen- und Tiermotive dar-
stellen. Die Rahmenflächen der Tür sind mit helleren, teilweise gebrannten
Omamenten eingelegt
Die Decke des Raumes besteht aus verkleideten Balken. Die Ver-
kleidxmg ist in Rahmen und Füllung geteilt, ebenso die Felder zwischen den
Balken. Die Rahmen sind mit Intarsien, die Füllungen mit ausgesägten und
aufgelegten Omamenten verziert Die Rahmenprofile zeigen an den Balken
Zahnschnitt, an den Feldern Eierstab.
Die äußere Tür ist schlicht in Rahmen und Füllungen verschiedener
Form geteilt Der geschmiedete Beschlag entstammt derselben Zeit wie das
ganze Zimmer.
Die Fenster bestehen aus kleinen, in breiten Bleistreifen gefaßten grün-
lichen Gläsern. Das eine Fenster an der Westseite zeigt noch einige bemalte
Scheiben, links eine mit ANNO, aber aus späterer Zeit, darunter eine besondere
mit der Zahl 1583, rechts eine Scheibe mit dem Stadtwappen und barocken
Helmdecken.
Die Einrichtung des Zimmers ist eine Schöpfung des Lüneburger Bild-
hauers Wameke Burmester. Sie wurde beendet im Jahre 1584.
Gegenüber hegt das Zimmer des jetzigen Standesamtes, von Albers noch Standesamt.
Schreiberei genannt, mit zwei gekuppelten tiefen Fenstern nach dem Marienplatz.
Die dem Fenster und der Tür gegenüberliegenden Wände sind bis zur Decke
mit Holz verkleidet Die Verkleidung (Fig. 97) wird über einem 1 m hohen
glatten Sockel durch kannelierte ionische Pilaster geteilt, deren untere Schaft-
enden mit Einlagen aus dunklerem Holze belebt sind. Das über den Pilastern,
direkt unter der Decke liegende Gebälk hat im Fries über jedem Pilaster ein
Konsol. Zwischen den Konsolen ist der Fries mit ausgesägtem Ornament
36*
-»^ 284 S-"
bekleidet Die Felder zwischen dea Filastem ^d in zwei Füllungen mit vor^
tretendem RabmenprofU geteilt und dienen teilweise als Wandschränke. An der
dem Fenster gegenüberliegenden Wand befindet sich eine Sitzbank. Die Tür
-H-
Flg. 97. RUhttui; WudvcrkltldonK
wird eingerahmt von zwei hohen kanneUerten Pilastem mit unter die Decke
Btoßendem Gebälk. Die Tür selbst ist mit schönen Einlagen in architektonischen
Formen verziert Die AufSenseite der Tür ist schUcht
Die Deckenbalken sind verkleidet Die Verkleidungen der Balken und
der dazwischenliegenden Felder sind in Rahmen und Füllui^en geteilt Die
FtK- W. Bfttbu»; Kkmln In dar Bäirmetstar-K
-^ 286 8^
Fonnen weisen eine gewisse Verwandtschaft mit der Wandverkleidung der
Bürgermeißterkammer auf und werden wohl von derselben Hand gegen Ende
des 16. Jahrhunderts geschaffen sein.
Sülfmeister- Das hinter der Diele hegende Sülfmeisterkörgemach ist jetzt zur Spai-
r ammer. jj-^^g^ umgebaut und enthält einen hohen Sandsteinkamin (Fig. 98). Zwei
Hermen,, links eine weibhche, * rechts eine männliche, tragen ionische Kapitelle,
über denen ein Gebälk hegt Über den Hermen befinden sich im Fries Wappen-
schilder mit den Wappen des Landes imd der Stadt, dazwischen steht in
erhabenen Buchstaben : TOLLE • FILIVM • TVVM • VNIGENTTVM • Q VEM • DILIGIS •
ISAAC . ET . VADE • TN • TERRAM • VISIONIS • AT 93 • IBI • OFFERES • EVM - IN •
HOLOCA VSTVM • S VPER • VNVM • MONTIVM • QVEM • MONSTRA • VERO • TIBI •
GEN • 22. Über dem Gesims erhebt sich in zwei Abteilungen übereinander ein
hoher Aufbau. Im unteren Teile wird ein Mittelbild, Isaaks Opferung, umrahmt
von zwei Pilastern, die von ornamentierten Anläufem begleitet werden, über
dem Ganzen hegt ein schwächeres Gebälk mit Fruchtgehängen und Löwenköpfen
im Fries. In dem handwerksmäßigen Relief der Opferung Isaaks hängt über
dem Altar ein Schriftband m der Luft mit: NO EXTEDAS MANV TVA
SVPERPVER. Auf dem Gebälk steht die obere Abteilung des Aufsatzes, eine
Bogenstellung mit einfachen Pilastem, die begleitet wird von ornamentierten
Anläufem und ein Mittelbild, Christus mit erhobenen Händen auf Wolken
schwebend, umschließt. Neben Christus erscheint über den Wolken links der
Kopf eines betenden Mannes, rechts der Kopf Moses mit den Gesetzestafeln. Im
Bogen die Umschrift: HIC EST FILIVS MEVS DILECTVS IN QVO MIHI
COMPLACITVM EST HVNC AVDITE • MAT • 12 • in doppelter Reihe. Auf der
Mitte des Bogens schwebt als höchster Punkt Gott Vater mit der Weltkugel
in Wolken.
Rechts und Unks vom Kamin stehen in Mauernischen zwei weibliche
Sandsteinfiguren, links mit zwei Kindern, rechts mit Taube und Anker (die
Hoffnung).
Die Decke dieses Raumes ist neu, aber der alten, die nicht wieder-
herzustellen war und unter der neuen Decke unberührt hegt, genau nachgebildet
Die Balken und die Felder werden von freihändig und flott gezeichnetem
farbigen Rankenwerk in gemalten Füllungen überzogen. Die Figur 99 ist nach
der alten Decke aufgenommen.
Das riesige Bild vom Monarchienmanne, von Daniel Frese gemalt, das
Albers und Mithoff erwähnen, wird noch aufbewahrt
Sonstige Räume. Die übrigen Räume des Erdgeschosses enthalten nichts Bemerkenswertes.
Das Obergeschoß des Kämmereigebäudes enthält wieder die große, hier
erhebUch niedrigere Diele und eine Reihe Zimmer am Marienplatz und hinter
der Diele, in denen aber Bemerkenswertes nicht erhalten ist.
In der Diele steht ein Kamin aus Gipsputz, dessen Formen stark über-
strichen sind. Neben der Feueröffnung stehen zwei Halbsäulen mit korinthischen
Kapitellen. Auf dem Gebälk baut sich der mit zwei großen Schnecken und
barockem Ornament verzierte Rauchmantel auf. Der Kamin scheint nach 1600
entstanden zu sein.
■*-i 287 S->-
Die TUT zum Büi^ervorsteherzimmer hat verkröpfte Füllungen und
schönen geschmiedeten - Beschlag.
Die Tür zu der bereits erwILhnten Wendeltreppe hat gotischen Beschlag.
In den vier Scheiben des verbleiten Fensters nach dem Ochsenmarkte
sind gotische Glasmalereien erhalten, die in jeder der oberen Scheiben einen
Stechhelm mit reichem heratdiscixem Schmuck darstellen, in den unteren Scheiben
links ein Wappenbild, schreitender gelber Löwe auf rotem Grund, rechte den
Lüneburger Landesschild: blauer Löwe auf mit Rosenblättem bestreutem gelbem
Grunde. Die Keime in den oberen Scheiben haben als Helmzier : links
springendes weißes Pferd, rechte zwei Homer mit spätgotischem Ornament
Flg. M. Battumi i Dtckc In dar SftlfmelBtar-KSrkunmer.
Auf dem oberen Treppenabsatz steht ein schildhaltender Löwe aus
Sandstein. Auf dem kartuschenartigen Schild die Inschrift: „Die gerechten
Selen sindt in gottes Handt-aet: Sapi: 3-6-0-3."
Die Keller dieses Gebäudes sind tonnenförmig gewölbt. Die Pfeiler
haben runde Kanten aus Formsteinen. An der Westseite befindet sich ein
gemauerter Kamin mit herausgezogenem Bogen.
Die am Ochsenmarkte liegende Giebelfront des K&mmereigebäudes zeigt inßere
außer dem wiederhergestellten Giebel nur noch Reste der früheren Schmuck- " '
mittel Die in Spuren noch erkennbare Spitzbogentür ist in eine Rundbogentür
mit schräger Leibung umgebaut. Die Fenster sitzen schmucklos in den Flächen.
Unter dem Fenster des Oberschosses laufen zwei Friese übereinander, durch
drei Bänder von Nasensteinen gebildet Im unteren geputzten Fries sind noch
zwei Schilder, aus Nasensteinen gemauert und die Holzwappen des Landes
und der Stadt umschließend, erhalten. Neben den Fenstern des Obergeschosses
stehen auf dem oberen Friese drei Spitzbogennischen, seitiich begleitet von pro-
\.^v^V/^^;^v!
Klg IDT. R>tbaD8j GIcbfll des KümmarelseblDries
-*4 290 8-j-
filierten Pfostengteinen, die in Kämpferhöhe aufhören, früher aber, nach Spuren
zu urteilen, wimpergartig die Nischen bekrönten. In den Nischen stehen drei
Holzfiguren: eine männliche Gestalt mit Buch, eine gekrönte Maria mit Kind
und ein St Georg.
Über einem in Höhe des DachfulSes liegenden geputzten Pries baut sich
der reich gegliederte siebenteilige Staffelgiebel auf (Fig. 100). Die Pfeiler sind
durch viermal zurückspringende Backsteinprofile gegliedert Die beiden äußeren
Profile bilden unter der Abdeckung der Staffeln den viereckigen Rahmen, die
beiden inneren Profile den Spitzbogen. Die Giebelarchitektur ist in vier Geschosse
geteilt, deren jedes betont wird durch eine Reihe von gekuppelten kleinen
Offnungen, die kleeblattförmig überdeckt sind und die ganze Breite eines Staffel-
feldes einnehmen. In den Endfeldem und den Spitzbögen der inneren Pfeilerglieder
werden diese Öffnungen zu Nischen, das Feld im Spitzbogen wird durch einen Kreis
ausgefüllt, der sich auch über den anderen Öffnungen wiederholt. Die Pfosten
zwischen den gekuppelten Öffnungen sind profiliert imd haben Kapitell und Fuß.
Glasierte Schichten wechseln mit roten Schichten, auch schon im Obergeschoß.
Die Ansicht am Marienplatz (Fig. 101) zeigt als Hauptteilung wieder die
beiden übereinanderliegenden Friese, von denen der obere mit Steinmustem aus-
gefüllt, der imtere geputzt ist Die gemauerten Schilde liegen hier in beiden
Friesen und umschließen wieder Holzschilde mit den Wappen des Landes und
der Stadt Die hohe Fläche unter den Friesen ist fast ungeteilt, die schmuck-
losen Fenster zerschneiden nach Bedürfnis die Fläche. Der Sockel besteht aus be-
hauenen Granitsteinen. Zwei Eingangstüren, mit profilierten Stichbögen geschlossen
und in Spitzbogennischen hegend, unterbrechen die Fläche des Erdgeschosses. Die
nördUch gelegene Tür zeigt über dem Stichbogen eine Holzplatte mit dem Stadt-
wappen, von spätgotischem Ornament umgeben. Die südhch gelegene Tür hat
im Bogenfelde einen gemauerten Schild mit dem Stadtwappen; der Türflügel
stammt aus der Barockzeit
Die Fensterreihe des Obergeschosses wird unterbrochen von vier Figuren-
nischen, die im Spitzbogen geschlossen sind. Die farbig behandelten Figuren
stellen von links nach rechts dar: Maria, Petrus, eine männUche Figur mit
Buch, Maria. Das Hauptgesims besteht aus Holz und entstammt späterer Zeit.
Die übrigen Seiten des Kämmereigebäudes sind schmucklos.
Im Garten des Rathauses steht auf einer Renaissancesäule von Sandstein,
die aus dem Niedergericht stammen soll, ein farbiger schildtragender Löwe mit
dem Wappen der Stadt.
Ober einer Laube befindet sich ein farbiges Holzrehef mit dem Wappen
der Stadt.
Das EatBfiilber. Das Ratssilber (Fig. 102) besteht aus 37 Stücken, von denen sich
eins in Lüneburg, die übrigen im Kunstgewerbemuseum zu Berlin befinden.
Von 28 Stücken sind im Fürstensaale des Rathauses galvanoplastische Nach-
bildungen aufgestellt. Im Kunstgewerbemuseum zu Berlin befinden sich:
1. Der sogenannte Bürgereidkristall, ein silbernes, stark vergoldetes
Kästchen, auf dessen oberer Wölbung ein etwa 7 cm langer, 5 cm starker,
-^ 291 8^
hohler zylinderförmiger Kristall angebracht ist. Ursprünglich soll das Kästchen
als Rehquiarium gedient haben, seinen Namen hat es daher, daß der KristaU
von den Bürgern bei der Eidesleistung mit den Fingern berührt werden mußte.
Das Kästchen ist reich mit figürlichem Schmuck und Edelsteinen verziert, an
der Vorderseite befindet sich ein thronender Heiland^ über dem in blauem Email
die Worte „Ite, venite" stehen. Auf der 'Rückseite ist die Kreuzigung dargestellt,
neben ihr sind vier Apostelfiguren angebracht. Die schöne Arbeit wurde 1444
von dem Lüneburger Goldschmied Hans Laffert hergestellt.
2. Eine aus der Propstei zu St. Johann stammende, 58 cm hohe silberne
Figur der Maria mit dem Kinde. Der Sockel ist mit gotischem Maßwerk geschmückt.
3. Ein vergoldetes, in Silber gefaßtes, 1,12 m langes Trinkhom, aus dem
Stoßzahn eines Elefanten hergestellt Die Fassung ist mit reicher gotischer
Ornamentik über die ganze Fläche des Elfenbeines verteilt, die Spitze endigt
in einer Kreuzblume. In der oberen breiten Einfassung steht die Jahreszahl 1486.
Der Fuß wird gebildet von zwei silbernen Elefanten mit hohen gotischen Türmen,
an dem diese verbindenden Bogen erscheinen die Wappen der Schomaker imd
der Langen.
4. Ein Pokal, der Schoßbecher, der bei den zurzeit der Schoßerhebung
gegebenen t^ühstücken benutzt wurde. Am Fuße drei Löwen, in der Mitte
des gravierten Körpers ein Band von frei gearbeitetem Blattwerk mit Putten.
Auf dem Deckel ein Löwe mit dem Stadtwappen, am Rande ein Stadtwappen
auf einer Tonne. .
5. Ein 34 cm hoher Pokal, mit reichen Ornamenten verziert, auf den
Absätzen sind bewegliche Frösche angebracht, auf dem Deckel Eidechsen. Die
Bekrönimg bildet ein Blumenstrauß.
6. Ein Pokal in Kelchform, dessen Trinkschale aus einem hohlen Achat
besteht Am oberen Rande die zweizeihge Inschrift: „dit klenade hefft de hoch-
geborene herr frederich to Brunswigk un Luneborgh hertoge zeugen hertoge
bemdes sone dem rade to Luneborg gegeven • anno dm m • cccc • Ixxii." Auf
dem Deckel steht ein Ritter mit dem herzoghchen Wappen.
7. Eine Schüssel mit getriebener Arbeit, in der Mitte der Schale ein
Wappen in einem Kranze von Granatäpfeln, am Fuße steht „Hans Rode".
8. Eine runde Schüssel mit drei Füßen in Form von knienden Rittern,
die durch einen Ring mit Maßwerk verbunden sind. In der Mitte der Schale
ein Hirsch auf einem Berge, der mit einem Zaun eingefriedigt ist, das Ganze
imigeben von einem Kranz mit Ranken werk, in dem vier Wappen: Gadenstedt,
Lohe und Töbing (nach Angabe von Albers) liegen. Der Rand der Schale ist
gebuckelt
Das in Lüneburg befindhche Stück ist
9. ein silberner schwerer Krug, an der Außenfläche mit erhabenen
mythologischen Darstellungen. Im Deckel sind die Wappenbilder Stöterogge,
Krögher, Krögher, Stöterogge in viergeteiltem Schild angebracht Am Boden
steht die Inschrift: „B. L. Edler von Stöteroggen. S. R J. Eques, natus
Luneb. d. 12. Mai. 1641, Senator Patriae electus 1671, Consull688, ConsiUarius
Ser. ac Potentiss. Elect. Bruns. Limeb. nunc M. B. Regis 1712. Praepositus
37*
-^ 292 S^
ad D. Job. 1713 obiit d 638brl722. Hunc cantharum ex fact Rev. Minist Luneb.
in perpet. sui. memor. dooavit ea lege ut nunquam in tilienas manus deveoiat. 1.
abaUenetur; prout ex ipsius autographo clarius eluc-escit Dat. Luneb, A. D. 1720."
Tis- ><»■ Bftthaai; Batsitlbar.
Die im Fürstensaale zu Lüneburg aufbewahrten galvanoplastischen
Nachbildungen sind folgende:
10. Pokal mit stark gebuckeltem Körper und frei gearbeitetem Ranken-
werk, 66 cm hoch. Auf dem Deckel steht Christopborus mit dem Wappen der
-^ 293 8-j-
Garlop, am Rande die Inschrift: „DNS • L VDOLPHVS • G ARLOP • PROCONSVL •
DEDIT OBÜT . ANNO -DOMINI • 1486 • IN • PROPESTO-ANDREE. APPOSTOLI."
Am Fuße die Wappen der Garlop imd Tzerstede.
11. Pokal, 60 cm hoch, gebuckelt Unter dem Fuße der Städtschild, auf
dem Deckel ein kleiner Kriegsmann mit Schild,_in dem das Wappen der Barum
erscheint. Am Rande die Inschrift: „DNS lOHANES BARVM DOCTOR PPTVS
IN LVNEBORG OBYT ANNO 1501 XV IVLY DONAVIT HOC CLENODIVM."
Zwischen der Inschrift zweimal das Wappen der Barum, im Deckel dasselbe
Wappen in grünem Schmelz.
12. Pokal mit Buckeln und frei gearbeitetem Laubwerk, 36 cm hoch,
am Rande die Inschrift: „CORT HAGEN DE DEIT NA DER GEBORT CRISTE
XV^ VN XXII." Im Deckel und unter dem Boden Blume mit grünem Schmelz,
am Boden des Bechers die Buchstaben I H S.
13. Kleiner Pokal in Becherform, auf drei Füßen mit Engelkopf en
stehend, 21 cm hoch; die Außenfläche des Bechers ist graviert, in der Mitte
Hegt ein Band mit durchbrochenem Ornament. Am Deckelrande aneinander-
gereihte freistehende Lilien, darüber die zweizeilige Inschrift: „DICTVM • EOBANI-
HESSI . PVRO • CORDE • DEVM • COLE • DILIGE • | HAEC • FIDEISVMMAEST
HIC . PIETATIS • APEX • CONSVLI • FRATRI." Am Fuße verwischt die Buch-
staben: H . G • D . Am Fußrande: „JOHAN - | TOBING DD • ANNO • MDXII-
MENSE • FEBRVA "
14 Pokal, 60 cm hoch, Interimsbecher genannt. Auf dem Deckel steht
ein vielköpfiges Tier, mit einer Frauengestalt als Reiterin (Offenbarung Johannis 17),
daneben ein Schild mit den Wappen der Witzendorf xmd Töbing. An der Deckel-
oberflache erscheinen vier Gruppen einander gegenüber kniender Personen: Papst
und Kardinal, Kaiser und König, zwei Ritter, Priester und Mönch. Der Körper
hat die Gnmdform eines Vierpasses, auf den Seiten getriebene Bilder aus der
Geschichte Jesu, am Rande die zugehörigen Inschriften: „HIC« EST« FILIVS-
MEVS • DILECT ' • IN « QVO • MI | HI « BENE • COMPLACVI • IPSVM « AVDITE •
M Att . 1 7 . ABI • SATANA^SCRJPT VM « EST • ENIM • DOM « DEVM « T WM « ADO-
RABIS • ET JLLVM . SOLV . COLES . MAT 4«
ETI ASI • NOS . AVT • ANGEL^- E « COELO • PREDICAVERIT « VOBIS «
EVANGELIVM « PRETER • ID • QVOD PDICAVIM^ GALA « 1 «HIC « EST • PILIVS •
MEVS . DILECTVS • IN « QVO • MIHI « BENE « COMPLACITVM « EST « MATE « 3 ."
Auf der Innenseite des Deckels erscheinen die emaillierten Wappen
Witzendorf und Garlop mit der Zahl 74 [1574]. Der Becher ruht auf der stehenden
Figur Christi, unter dessen Füßen ein dreiköpfiger Drache liegt. Am Rande des
Fußes die Inschrift: „INTERIM « ORTVM . AVGVSTAE « VINDELICORVM « SVB «
CAROLO . QVINTO • IMPERATORE • MAXIMO « ANNO «SALVTISM • D.XLVIÜ «
EX . TINCTVM_. VERO « AVSPICUS • MAVRITR • ELETORIS • ET « CONFOEDE-
RATORV • ANO « 1552 ''
15. Pokal, 54 cm hoch. Auf dem Fuße liegt die Gestalt eines Greises,
aus dessen Leibe ein starker, oben verästelter und mit durchbrochenem Laub-
werk geschmückter Baum hervorwächst, der den aus drei halben Zylindern
zusammengesetzten Becherkörper trägt. Die Fläche des Körpers ist mit getriebenen
-^ 294 8^
Ornamenten und Reliefs, Könige daxstellend, verziert Am Rande des Bechers
die zweizeilige Inschrift:
„JVCHEIE . IN . GOD • DINEM r HEREN • DAT • HEET • DI • MIT • BILICHHEIT •
NEMANDT • TO • YORKEREN •
MIT . DANCKSEDim^GE • DRINCK • VNDE • IT • GODT • SIN • WORT • VNDE •
DER . ARMEN • NVMER • VORGIT •
WES . PROICH . MIT • DINEN • GESTEN •/ ITT • VNDE • DRINCK • DES • BESTEN-
SVLKES . KAN • GOT • WOL • LIDEN • OVER • DEN • AVERVLOT • SCHOLTV •
MIDEN- _
VND • WESDI . GODT • MER • HEFT • VORBADE • DAR • MEDE • SCHOLTV • DIN •
HARTE . NICHT • BELADEN - "
Die Oberfläche des Deckels trägt die Darstellungen von sechs Brustbildern, am
Rande die sich auf die Bedeutung des Pokalschmuckes beziehende Inschrift:
„GENEALOGIA • DOMINI • ET - SERVATORIS • NOSTRl • JESV • CHRISTI - EX •
SEMINE . DAVID • MATTHEI • 1 • LVCE • 3 • CAPITIL • EXARATA • HIC •
VTCVNQVE . OB • OCVLOS • POSITA • EST • ANO • A • NATVITATE • EVSDE •
1562." Die Bekrönung des Deckels bildet Maria mit dem Kinde, auf einem
Blattknauf knieend. Im Deckel erscheinen die emaillierten Wappen der Stöterogge,
Elver, Glöden, mit der Zahl 1562, am Fuße des Pokals steht auf einem Schild:
„D : NICOLA : STOTEROGGE : CONSVL : CIVITAT • LVNEBVRG : INCLITO :
SENATVI : LEGAVIT : 1560 "
16. 73 cm hoher, reich verzierter Doppelpokal. In den Körperflächen
erscheinen zwischen Ornament die Wappen der Kroger, Koller (Köhler) und
Senden (?). An den Rändern der Becher steht die Inschrift: „DER- SEGEN-
DES . HERN - MACHET • REICH • OHNE • ALLE - MVHE - HINRICH - KROGER-
Ao.1585-"
17. Pokal mit Jonas und dem Walfisch als Bekrönung, (>3 cm hoch,
gebuckelt, mit freiem Ornament am Deckel. Im Deckel die Emailwappen Langen,
Schomaker, Langen. Am Rande des Körpers die Inschrift: SPECTABfLIS-
VIR - DNE - CONRAD VS - LAGE - PRECOSVL - LVNEBORGESIS • QVI • OBITT -
IN.D1E-PRISSE.VIRGINIS.ANO-DNI.156 (1506) DON A VIT - HOC - CLENODIV -
CVIVS - ANIME - REQVIESCAT - IN - PACE -"
18. Pokal, 56 cm hoch, mit Buckeln und freiem Blattwerk, am Fuße
die drei Emailwappen Dassel, Stöterogge, Sanckenstede. Auf der flachen
Bekrönung dieselben Wappen. Im Deckel die Inschrift: „DNS - LVDOLPHVS A
DASSEL REBVS EXVTVS HVMANIS AMPLISS SENATV LVNEBVR - HOC
SCIPHO DONA . ANNO • 1537 - Am Rande des Körpers die Jahreszahl 1538.
19. Pokal, 48 cm hoch, am Fuße die beiden Email wappen Dassel-
Dithmers, auf der anderen Seite ein großer Schild mit dem brandenburgischen
Wappen. Am Fußrande: VIDE- INFRA. Unter dem Fuße die Inschrift: „ANNO 1586
MENSE rVNIO- cum illust: et potentisi princeps D Johannes Georg elector
Brandet p aliquot Dies cum Filio D. Joachime Friderico in aedib' D Ludolphi
a Dassel pemoctasset hunc Cyatum in perpetuam sui memoriam Dono dedit Quem
Iterum D Ludolph' a Dassel Consul Lu: Claris: Senatuy Lünaeb inter alia
-^ 295 8^
omametaSenatusponeda in perpetuäsui memoria dono ddt ipse D Consul senatui
post lectä ut dr Bursprache propria persona obtulit 28 7 bris Ao 1606/^
20. Pokal, 60 cm hoch, reich mit getriebener Arbeit geschmückt Am
Fuße zwei Wappenschilder, Witzendorf und Garlop, mit dem Spruchband:
„H. FRANZ . WITZENDORP • VRSVLA • GARLOP • VXOR" Die Oberfläche des
Pokals ist bedeckt mit 14 Darstellungen aus der römischen Geschichte. Um den
Körper stehen 7 Kurfürsten des heiUgen römischen Reiches, neben ihnen ihre
Wappen. Im Deckel ist das Bad der Bathseba dargestellt, auf der Spitze steht
ein geharnischter Ritter.
21. Der sogenannte Münzpokal, 47 cm hoch, von breiter, gedrungener
Form. Die Bekrönung bildet ein Januskopf, auf dessen Brust neun sUbeme
Brakteaten eingelötet sind, darunter dieJJmschrif t : „ JANUS • BIFRONS • PRVDETIS •
SPECIMEN . PRETERITV • PSENS • VETVRVRESPICE.PRVDENS." In der Mitte
des Deckels sind neun Goldmünzen so eingelötet, daß ihre Vorderseite außen,
ihre Rückseite innen sichtbar ist, unter ihnen _steht die Umschrift: „DE WISE
MAN SICHT HINDE VN VOR» WES VORGÄGE ITZICH VND NOCH VOR DER
DO^ . AFBROCK • DER • MVTE DEIT VNS LERE • WO SICK DER WERLDE
SCHEFTE • VOR KEREN." Am Rande des Deckels sind wieder 16 Silbermünzen
angebracht. Im Deckel befindet sich ein emailliertes Wappen mit der_Inschrift:
„JOHANES KOLLER FMV SE'CTARI' DE HINC PROTHONiM' DEMV PROSIT'
LVEBVRGES' DONO DEDIT ANO/DNI 1536." Am Rande des Körpers die Buch-
staben POLN und DIVA.
22. Pokal, reich ornamentiert, 69 cm hoch. Auf der Spitze steht ein
Ritter mit dem Wappen der Borcholt und Stöterogge, am Körper erscheinen
mythologische Darstellungen , zwischen ihnen das Borcholtsche Wappen. Am
unteren Rande sind Jagdszenen dargestellt. Am Fuße die Inschrift: „H • J\'RGEN
BORCHOLT . 1600."
23. Pokal, 36 cm hoch, gebuckelt, mit frei gearbeitetem Rankenwerk.
Die Bekrönung bildet ein bemalter Blumenstrauß aus Silberblech.
24. Ein großer stehender Löwe als Gießgefäß (Aquamanile) dienend.
Auf dem Rücken des Löwen kriecht ein Drache, im Rachen befinden sich zwei
Ausgußröhren. Die rechte Tatze liegt auf einem Schilde, der die emaiUierten
Wappenbilder der Stöterogge und Stoketo und die Inschrift: „D-HARTVIC
STÖTEROGGE • PROTHOCÖSVL • INCLITO • DEDIT • SENATVI • 1 540" enthält.
25. Ein kleines Gießgefäß in Form eines stehenden Löwen. An der
Brust erscheint der emaillierte Schild der Döring. Am Bauche steht die Inschrift:
„HERR DIRICK VND JOHANN DARRINK ANO 154L"
26. Ein großes Waschbecken, 60,5 cm Durchmesser, ohne Fuß. In
der Mitte des Beckens erscheinen die Wappen Witzendorf- Stöterogge mit
heraldischem Beiwerk und über ihnen links die Wappenbilder Witzendorf-Langen,
rechts Stöterogge-Stocketo in je einem Schilde, im Kreise mit der Umschrift:
„LIBERTATEM • QVAM • PEPERE • MAIORES • SVMMA • CVRA • STVDEANT •
RETINERE • MINORES.^'
Ein zweiter Kreis in dem glatten Boden enthält die Inschrift:
„HIERONIMVS WITZENDORP IN REPVB LVNEBVGEN SENATORIO
->^ 296 8^
MVNERE XVI CONSVLARI XXIII ANNOS FVNGENS AETATIS SVAE LXffl
DIE Vni MENS IVNU ANO DNI MDLVI AB HAC • MORTALI • VITA • PIE •
DECEDES • AMORIS - REPVB • ERGO • HOC • PIERI • VOLVIT."
Auf dem breiten Rande sind erhabene Darstellungen aus der römischen
Geschichte angebracht, abwechsehid mit Kreisen, die von den Wappen der
Witzendorf-Urden, Stöterogge-Hoyermann, Stoketo-Elver, Langen-Sankenstede
ausgefällt werden, und mit Tafeln, die die Erklärungen zu den Darstellimgen
geben in folgender Reihenfolge:
a) SEX TARQVINI REGIS TARQ FILF LVCRETIAM VI STVPRAT
b) LVCRETIA OB STVPRVM ILLATVM PNTIB SVIS VITAM GLADIO FINIT
c) BRVTVS AD FVNVS LVCRET PORRO.PRO LIBERTATE CONVOCAT
d) TARQVIN REX CVM SVIS OB FACINVS FILII ROMA EXVLAT
e) PORSENA HETRVR ILLATO ROMA BELLO TARQ REDVCRE CONATVR
f) HORATIVS COCL . PONTE DVM DEIICERETVR DEFENDESPER TIBERI.
RO AD
g) M : SCEVOLA PORSE:RO : HOSTE CONFOSSVRVS ERRORE IN SCRIBAM
INCIDIT _ _
h) SCEVOLA CAPTVS RENTE REGE OB COMISSV IN CEDE ERROR: DEXTRA
SIBi ADVRIT.
27. Ein rundes Becken von 32 cm Durchmesser, auf vier Füßen stehend
Die Füße bilden Nischen von gotischem Maßwerk, in denen freigearbeitete
Figuren sitzen, und zwar ein Papst, zwei Bischöfe und ein Kardinal. Der Papst
und die Bischöfe halten offene Bücher mit Schriftzeichen in den Händen. Die
Füße werden durch einen Ring mit Maßwerk verbunden. Die Mitte der
Schale nimmt ein emailliertes Wappen mit drei grünen Zweigen und der
Umschrift: „HANC • APOTECARIVS • TRIBVIT • DOMMS • MATHIAS • MVST •
1476^', auffälligerweise in großen Antiquabuchstaben, ein.
28. Ein rundes Becken, 31 cm im Durchmesser, auf vier Füßen stehend,
die als Evangelistensymbole unter gotischen Baldachinen ausgebildet sind. Die
Füße sind durch einen Ring mit Maßwerk verbunden. In der Mitte der Schale
erscheint die Figur des segnenden Heilandes mit Rosenzweig und Schwert zu
Seiten des Kopfes. Die Umschrift lautet: „ite • maledicti • in • igne • etemü •/
venite • benedicti • in • regnü • dei«"
29. Eine Schüssel von 35 cm Durchmesser, auf hohem gebuckelten Fuße.
In der Mitte der Schale liegt erhöht ein Hirsch auf grün emailliertem Berge, der
von einem goldenen Zaun umgeben ist. An den Zaun sind die Wappenschilder
der Schomaker und Langen geheftet. Um die mittlere Darstellung zieht sich das
ReUef einer Jagd, zwischen Rankenwerk. Der Rand der Schale ist gebuckelt
30. Eine Schüssel auf hohem gebuckelten Fuße. Die Schale ist eben-
falls gebuckelt, in der Mitte dieselbe Darstellung wie vorher. Am Zaun ein
emailliertes Wappen, ein silberner Büttel in grünem Felde auf einer silbernen
Mauer. Unter dem Fuße die Inschrift: „peter • harsevelt • bormester • dedit •" imd
die Gewichtsangabe 11 marck 11 lot 1 quit.
31. Eine Schüssel von 31 cm Durchmesser mit gebuckeltem Fuße. Die
gebuckelte Schale hat in der Mitte ein erhöhtes Bildwerk: der heihge Andreas
-^ 297 8^
mit einer zweiten Figur liegt auf einem Berge, der von einer Mauer umschlossen
ist und an der die Wappenschilder der Erpensen, Wülschen und Töbing lehnen.
32. Eine silberne Schüssel von 26 cm Durchmesser, auf drei niedrigen
Füßen, die die Form von Granatäpfeln haben. In der Mitte der mit langen
Buckeln verzierten Schale zwei emaiUierte Wappen im Kreise, um diesen herum
sechs Granatapfel.
33. Eine gebuckelte Schale von 18 cm Durchmesser, ohne Fuß, in der
Mitte ein emailliertes Wappen, einen halben springenden Hirsch auf grünem
Grunde in der einen Hälfte, in der anderen einen Zaun darstellend.
34. Eüne flache Schüssel mit getriebenen Ornamenten auf dem Rande,
40 cm Durchmesser, in der Mitte das Stadtwappen. Der Fuß ist gebuckelt und
mit Akanthusomamenten verziert
35 u. 36. Zwei Konfektlöffel, die nach Abheben der unteren Schale auch als
Gubeln dienen konnten, mit dem Stadtwappen und gotischen Ornamenten verziert
37. Eine Schüssel ohne Fuß, von 19 cm Durchmesser. In der Mitte ein
emaillierter Schild mit einem springenden Pferd in schräg geteiltem Feld.
(Wappen v. d. Lohe?)
• q^
Andere städtische Bauwerke.
Quellen: Lttnebnrgs ältestes Stadtbuch; Volgers Urkundenbuch; Kämmereirech-
nungen, Baubücher, Akten des Stadtarchivs; LUneburger Chroniken; Büttners Aufzeichnungen
(Stadtarchiv) ; Gebhardi, Collectanea m. V. IX. u. a. a. 0.
Literatur: Manecke, topographisch-historische Beschreibungen S. 38 ff.; die Alter-
tümer der Stadt Lüneburg, herausgegeben vom Altertumsverein in Lüneburg; Mithoff, Kunst-
denkmale 194 f.
^er Grundbesitz der Stadt innerhalb der Mauern war ehemals erheblich
großer als heute. Der alte, so gut wie unabhängige Rat bedurfte zu
seiner vielseitigen Wirksamkeit neben dem reich ausgestalteten eigentlichen
Verwaltungsgebäude zahlreicher Häuser, die nach dem Sturz des selbständigen
Regiments mehr oder weniger entbehrUch wurden und geradezu als Ballast
gelten konnten, als die Stadt wirtschaftlich zu schwach schien, auch nur die
Unterhaltungskosten zu tragen. So sind, zumeist im 18. Jahrhimdert, viele
städtische Gebäude in Privatbesitz gelangt, u. a. das alte Syndikatshaus beim
Marienkirchhofe (schon 1642), das ehemaUge Sekretariatshaus (ebendort, 1694),
drei Wohnungen auf dem sog. Mühlenteich und drei andere, die der Maler
Joachim Burmester erwarb, in der Alten neuen Straße (1 705), das Pischmengerhaus,
38
auch Spiker genaoat, auf dem Plan (1706), die Badstube in der Münzstraße (1715),
das Loßbäckerhaus in der Qrapeogießerstraße (1716), ein Haus vor der Sülze
(1717), die sog. RübAuhl (einer der drei Hamburger Bierkellet) auf der Altstadt
(1730), das Scbmiedehaus vor dem Mühlenhofe (ebenfalls 1730). Die Regierung
in Hannover tat das Ibrige, den Prozeß möglichst zu beschleunigen. Im Jahre 1731
verfügte sie, daß der Rat die Kunze, die Herrenschmiede, das Ratsmusikantenbaus,
die neue Apotheke, zwei in der Neuen Straße liegende Dienstwohnungen, femer
den Schütting mit einem Nebenhause, drei Ratsdienerhäuser an den Brodbänken,
den Sandkeller, endlich die Frobnerei an den Meistbietenden losschlagen solle.
Qewicbtige Einwendungen der Stadtbehörde fanden keinerlei Verständnis, die
Versteigerungen mußten anberaumt werden und verfehlten ihren Zweck nicht,
nur für die erwähnten beiden Dienstwohnungen war kein Käufer da. Fast
hätte auch das Haus veräußert werden müssen, welches sich als ein unlösbares
Glied der Rathausgruppe unmittelbar an den Sudgiebel des Kämmereigebäudes
anschloß und derzeit vom Stadtsyndikus bewohnt wurde. — Eine „Häuser-
Licitation" von 1733 brachte ein Gonstapelhaus und das Rademacherhaus am
Roten Tore, sowie das Kalkmeister- und Kalkföhrerhaus im Gral unter den
Hammer, im nächsten Jahre folgte ein anderes Constapelhaus, das Tischler-
und das Sporamacberhaus, 1740 das Physikatshaus an der Großen Bäekerstraße,
1744 das Haus des früheren Rösemeisters bei der Kalkmühle, 1748 ein kleines
Constapelhaus an der Gralwallspforte und ein Haus gegenüber der Kalkmühle,
1784 das vorher bereits verpeicbtete große Gebäude des Marstalls an der Burmester-
straße, 1799 die Impoststube, 1800 das Offizialhaus eines städtischen Akzise-
einnehmers, 1802 die alte Wache beim Altenbrückertor, 1824 die Weisladerei
am Sande, 1844 der um 1800 in städtischen Besitz gelangte Visli
Ebensowenig wie die vorstehende Aufzählung mache
Bemerkungen, mit denen die Vergangenheit einiger der wichtigs
Bauwerke im folgenden berührt werden wird, den Anspruch,
sein, auch auf diesem Gebiete bleibt der Spezialforschung viel
KanfhauB und Kran.
Nächst dem Salz war der Hering im mittelalterlichen Lüneburg der
wichtigste Handelsartikel. Das kommt nirgends so greifbar zum Ausdruck,
wie deirin, daß das Kaufhaus bis in das 15. Jahrhimdert hinein als das
Heringhaus (domus allecium, haringhusj bezeichnet wurde. Es hatte seinen
gegebenen Platz von jeher am Hafen und lag schon um 1300 „ante Novum
pontem", vor der jenerzeit noch neuen Lünerbrücke. Mit dem Heringhaus sind
die Heringbuden |,,casa in qua abluitur allec") nicht zu verwechseln, nach ihrer
Lage auf einei schmalen Ilmenaubrücke nahe der Abtsmühle auch unter dem
Namen „heringstegele" zusammengefaßt; sie hatten gegen einen Jahreszins an
die Kämmereikasse die Gerechtsame des Kleinverkaufs, sei es nur für jenen
begehrtesten Fisch, sei es für den Fischhandel überhaupt.
Aul einem Stadtplane von 1730 — 1740 ist zu beiden Seiten des Ktans
je ein Gebäude eingetragen und das größere, nördlich der Lüneistraße, als das
„Altö", das andere als das „Neue" Kaufhaus bezeichnet Das letztere, „das
Kaufhaus bei der Lüner Mühle", ist verschwunden, ohne eine Spur zu Mntet-
lasseti, das erstere ist in seiner jetzigen Gestalt nach dem Entwurf und unter
Aufsicht des Stadtbaumeisters Haeseler von 1741 — 1745 aufgebaut
Knn und Kknfli&Da.
Aus der Baugesehichte des „Alten" Kaufhauses sei nur erwähnt, daß
es im Jahre 1574 um ein Viertel verlängert und ,,der ganze Heringplatz" dahinter
von einem Steinbrügger aus Hamburg neu gepflastert wurde, daß femer das
Gebäude bis auf die Glocke, die Uhr und ,,alte Bildnisse" 1741 zum Zwecke
des Abbruchs für 554 Mark in den Besitz des Senaters Johann Peter Busch überging.
Der Neubau Haeseiers war schon in den dreißiger Jahren durch die
Heranscbaffung des Materials, insbesondere der „Völpischen" Quader- und Band-
steine"), vorbereitet. Zu den Arbeiten am Fundament benutzten die Zimmer-
*) Velpke im Kreise Rclmateclt.
-*4 300 f«-
leute eine „neu inventierte" Ramme. Zur Feier der ersten Gxundsteinl^pmg,
am 27. September 1741, gaben die Kämmerei Bioyban, Tabak, Pfeifen, Kringel
und Käse zum besten; eine äbnlicbe Feier schloß eich an die „Aufrichtung der
ersten Balkenzulage" oder Schließung des Kellergewölbes an, sowie an das
Flg. IIM. KanfhaDs; Olebel ui dar Länentride.
Aufstecken des Kranzes (1743 Juli 24 bzw. Dez. 18). Der Maler J. H. Brandt ver-
goldete den Knopf des kupfergedeckten Türmchens und „das Schiff statt der
Fahne", strich auch den Giebel dreimal an; der Schwerdtfeger und Kupferstecher
Johann Dehnicke stach zwei Kupferplatten, die vermutlich den Inhalt des Knopfes
bilden. Die Baukosten betrugen rund 80000 Mark.
-<^ 301 ««-
Um für die mehrjährige Bauperiode nach dem Abbruch des alten Kauf-
hauses einen Ersatz zu schaffen, war 1739 das „Kaufhaus-Schauer auf der
Hude", da« jetzt sog. Außenkaufhaus, errichtet.
Zum Kaufhaus gehörte der Kran, urktmdHch zuerst erwähnt 1346.
In diesem Jahre verfügte der Rat, daß in keinem der jenseits des Flusses am
I
i
^t-
Ftg. IM. Sru.
Kran und Neubrückeitor („juxta Cran et
apud valvam Nove pontie") erbauten Häuser
Salz oder Heringe gelagert werden dürften.
Die bauliche Unterhaltung des Krans machte
fast alljährlich Aufwendungen erforderlich. Ein
großer Umbau fand 1482 statt, als u. a. 6000
Mauersteine verwandt wurden, die Zimmer-
leute270M. erhielten und 126 Pfund Tafelblei
zur ,,lodinge des steynen hovedes" kamen;
sodann im Jahre 1537, als der Molemester
Hinrick den Kran, wie es scheint, nach einem
-^ 303 ^^
neuen System umgestaltete, indem er ihn auf vier große Eisenplatten stellte;
der Turmdecker beschlug den Kranhals mit Kupfer, den Kranz mit Blei: auch
das „oberste Dach" trug eine Kupferdecke.
Das im Grundriß ein langgestrecktes Rechteck bildende Kaufhaus liegt Beschreibung,
mit seiner Westseite an der Ilmenau. Die südHche Straßenseite (Fig. 103 und 104)
ist reich mit Verwendung von Sandsteinteilen ausgebildet, die übrigen drei
Seiten bauen sich in der einfachen, aber großzügigen Backsteinarchitektur des
18. Jahrhunderts auf (Fig. 105). Die Ost- und Westseite sind gleichmäßig
behandelt; die Mitte wird durch einen großen Giebel mit Schneckenanläufem
betont, zu beiden Seiten bauen sich je zwei kleinere Giebel mit einfacheren
Anlaufen! auf (Fig. 105). Die Ecken aller Giebelaufbauten werden durch Back-
steinquader in der glatten Mauerfläche bis herab zum Erdboden angedeutet.
Fenster, Tore und Luken sind in die Backsteinflächen eingeschnitten. Die Unter-
geschosse der Südseite werden durch vier dorische Pilasterpaare mit Triglyphen-
gesims geteilt (Fig. 104). In der diu'ch große Schnecken begrenzten Giebel-
fläche stehen auf einer durchgehenden ornamentierten Brüstung zwei ionische
Pilasterpaare, die in der Mitte ein rundbogiges Fenster und ein darüberUegendes
farbiges Stadtwappen einschließen. Das Hauptgesims der ionischen Pilaster
bildet einen in der Mitte unterbrochenen Frontgiebel, zwischen dem sich ein
kleiner Dachreiter mit kupfergedeckter Kuppel aufbaut In dem Dachreiter
hängt eine Glocke von 56 V2 ^^ Durchmesser und der kaum noch lesbaren
Inschrift: f 0 • rex • glorie • xpe • veni • cum • pace • ave • maria • gracia • plena. f
Der alte malerische Kran an der Lünertorstraße ist ein Meisterwerk
mittelalterUcher Ingenieurkunst, seine äußeren Formen sind ohne Schmuckmittel
ausgebildet, nur durch Zweckmäßigkeitsgründe bestimmt, und gerade deshalb
wirken sie so künstlerisch überzeugend. Die Grundform ist ein Kreis, in dessen
Mittelpunkt die senkrechte starke Welle sich dreht (Fig. 106). Die horizontale
Drehung wird durch zwei lange Stangen bewirkt. Ein Kranz, der durch die
Außenwände und das flache Dach gestützt wird, bildet die obere Führung der
Welle. Auf dem oberen Teil der Welle ist das Häuschen mit dem Kranarm
aufgebaut Die Aufzugsvorrichtung besteht aus Ketten, die durch zwei große
Treträder auf eine kleine horizontale Welle aufgewickelt werden. Die ganze
Konstruktion ist an der senkrechten Welle befestigt Die Wände des Unterbaues
und des Häuschens sind mit Brettern verschalt, die Dächer mit Kupfer gedeckt
Das Olockenhans.
Die Glockenstraße (Clockenstrate 1445, platea campanaris, campanalis, Geschichte,
campanarum; 1472 vereinzelt platea fusorum campanarum) führt ihren Namen
vom Glockenhofe („uppe deme klockenhave" 1444) und dem darauf erbauten
Glockenhause. Das letztere hatte schon gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts
die Bedeutung eines Zeughauses erhalten, denn hier wurden die städtischen
Geschütze samt den steinernen Wurfgeschossen und allerhand Kriegsgerät ver-
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-^ 305 8^
wahrt, ja der Name Glockenhaus wich zeitweise der nun zutreffenderen
Bezeichnung ,ybus8enhus^', die sich zwar auf die Dauer nicht behaupten konnte.*)
Das Olockenhaus, wie es sich jetzt darstellt, stammt aus dem Jahre 1482, eine
Nachricht, die uns der Chronist Schomaker mit den Worten überliefert: „dat
bussenhusz, itzt dat klockenhusz genant, is desse jax dorch die buheren gebuwet^'.
Die Kämmereirechnung schweigt sich darüber aus.
Die Böden des Glockenhauses wurden gleich den Böden der Rathaus-
gruppe, des Schüttings, des Kalandshauses, als Lagerraimi für Korn und Mehl
benutzt
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Flg. 108. Gloekenhaiu; Qaersehnltt
Aus dem Glockenhofe ist der städtische Bauhof geworden, falls er nicht
von jeher damit verbunden war; schon 1487 heißt es: „des rades buwhoff by
deme clockenhuse''.
Das langgestreckte Gebäude liegt mit seiner Hauptfront an der engen Besohreibniig.
Glockenstraße, seine Rückseite grenzt an den Bauhof. Die drei Stockwerke
kennzeichnen sich außen durch Reihen kleiner, stichbogig überwölbter Offnungen,
zwischen denen in Balkenlagenhöhe grün glasierte Plattenfriese liegen (Fig. 107).
*) Ein anderes Zenghans im Dormitorinm des ehemaligen BarfUßerklosters ist mit
den Bttstkammem des Rathauses im anderen Zusammenhange erwähnt Die Stadt war mit
Geschützen, Flinten, Stoß- und Hiebwaffen, mit kostbaren Rüstungen, Fußangeln u. dgl. mehr
wohl versehen, vgl. darüber, auch über ihren Verbleib, Manecke S. 46, Mithoff S. 194 Note 8
und S. 206.
39
-<-% 30ß %^
Über dem unteren Stockwerk hat der Fries die Form von aneinandergereihten,
auf der Spitze stehenden Quadraten, deren Seitenstege mit Nasen besetzt sind.
Der obere Fries zeigt wechselnd 3—4 Platten mit Weinlaub und 3 Platten mit
einem stehenden gut stilisierten Löwen. Das große, in der Mitte der Straßen-
seite liegende Tor ist spitzbogig überwölbt Der Spitzbogen wurde früher
begleitet von einem schmalen grün glasierten Plattenfries mit einem sich
wiederholenden Fabeltier. Auf der Spitze stand, etwas vertieft, die Gestalt des
heil. Qeorg mit dem Drachen, grün glasiert. Auf der freistehenden östlichen
Giebelseite erscheint im oberen Teile die aus glasierten Steinen gemauerte
Stadtmarke. Mehrere gemauerte Schilde mit hölzernen Stadtwappen sind auf
der Straßenfront und der (riebelseite verteilt Im Innern sind die Balken durch
kraftige Stander und Unterzüge gestützt (Fig. 108).
Der ehemalige SchttttiDg.
Geschichte und Der Schütting*) lag der Hauptfront des Rathauses gegenüber an der
^"^" nördlichen Ecke des Marktplatzes und der Rosenstraße (später genannt „An den
Brodbänken"). Das schon bebaute Grundstück wurde von selten des Rates
„to enem schütting und des rades her dar to tappende" angekauft und das
ganze Wesen im Jahre 1466 mit einem Aufwand von 868 Mark ausgebaut.
Der Schütting teilte das Vorrecht, „des Rates Bier", d. h. fremdes, insbesondere
Hamburger Bier, zu verzapfen, mit einem Bierkeller Am Sande (Nr. 53, dem
Sandkeller), und einem, gleich jenen beiden vom Rate verpachteten, dritten
Ausschank an der Ostecke der Altstadt und Rübekule, schlechthin als Rübekde
bezeichnet. Wohlmögenden Familien der Stadt diente der Schütting als
Gesellschaftshaus, 1481 hatte der Rat selber gar Herzog Heinrich den Mittleren
und dessen Mutter auf dem Schütting zu Gast, ein Umstand, d^r darauf schließen
läßt, daß der Fürstensaal damals noch nicht gebrauchsfähig gewesen ist Auf
dem Schütting pflegte das Festmahl stattzufinden, das der junge SüUmeister
seinen Standesgenossen geben mußte, auch eine von den Kämmerern vergütete,
alljährlich stattfindende Collatie der Büchsenschützen (nachweisbar 1529—1532).
Als der Schütting versteigert wurde, nahmen die Schützenoberalten, die in oder
an dem Gebäude aufgehängten Scheiben der Schützengesellschaft vom Verkauf
aus. Schon im 16. Jahrhundert war der Schütting der Ort des Stelldicheins
auch für die Gesellschaft der Kagelbrüder, die ihr Silberzeug, ihre Wappen,
Urkunden, Gewänder und allerlei Gerät dort in Verwahrung hielten, und noch
1731 wies der Rat darauf hin, daß der dritte Stand nach dem Übergang des
Schüttings in Privatbesitz des Hauses beraubt werden könne, wo er seine Ver-
sammlungen und Beratungen zu halten gewohnt sei. Andere Ämter und Gilden,
die sich wohl erst in späterer Zeit zum Schütting hielten, waren die Vollhaken,
die Schuster und Schmiede.
Ein Ausbau des Schüttings hieß das „Finkenbur". Hier wurden gelegentlich
des Hansetages von 1535 die Diener der Städte auf Kosten des Rates bewirtet,
*) Yergl. zur Erklärung des Namens Mithoff S. 194 N. 3,
i
-^4 307 8^
und als Herzog Ernst mit seinen Brüdern 1593 zur Huldigung in Lüneburg
weilte, bliesen zum Ein- und Auszuge der fürstlichen Herren die Trompeter des
Rates von dort ihre Fanfaren.
Nicht lange vor dem Verkauf des Schüttings war das Gebäude, ebenfalls
auf Drangen der Regierung, im Charakter eines feinen „Traiteur- imd Herbergier-
hauses" restauriert (1717).
Das Äußere des Schüttings, der längst in ein Kaufmannshaus
umgewandelt ist, zeigt nach Abtragung des mit „obeliskenartigen Säulchen'^
geschmückten Giebels und Einrichtung modemer Schaufenster Spuren der alten
Architektur nur in den flachbogigen Fensterumrahmungen des Obergeschosses
und in den wagerecht überdeckten Luken und Blenden. Die Keller des Hauses,
vielleicht ehemals als Trinkkeller benutzt, fallen auf durch ihre ungewöhnliche
Höhe; es sind mehrere Tonnengewölbe, an die sich schmale gangartige (Heizungs?)
Keller mit einem Kreuzgewölbe anschließen.
Daa KalandBhans.
Das KaJandshaus, dessen Giebel im Jahre 1896 nach dem Muster des Geschichte,
alten Giebels neu aufgebaut ist, dient seit geraumer Zeit zu Schulzwecken.
Jahrhunderte hindurch war es das Wohnhaus des Rektors vom Johanneum. Es
ist in den Besitz der Stadt gelangt nach Auflösung der Kalandsbrüderschaft im
Jahre 1532. Ober die Erbauung des Hauses liegt keine Nachricht vor, jedoch
geschah die Absetzung eines KaJandsdechanten im Oktober 1455 bereits „in
domo fratemitatis Kalendarum''. Bei der engen Verbindung der Brüderschaft zur
Johanniskirche ist man geneigt anzunehmen, daß das Kalandshaus stets in der
Nähe dieses Gotteshauses, vielleicht von jeher auf seinem jetzigen Platze gelegen
hat. Von dem Hauptgebäude des Kalands wurde ,„dat lutke hus des KaJandes'
unterschieden (1478).
Grundriß und Aufbau des Gebäudes schließen sich eng an den Typus Beschreibung,
des mittelalterlichen gotischen Bürgerhauses an. Im Erdgeschoß liegt die hohe
Diele, von der Straße aus zugängig durch ein spitzbogiges Portal, neben dem
zwei große Fenster liegen. Über der Tür sind drei Nischen, an der Ecke des
Gebäudes zwei Wappen des Landes und der Stadt unter einem glasierten
Laubwerkfries angebracht Das niedrige Erdgeschoß, jetzt ausgebaut, öffnet sich
mit drei Fenstern nach der Straße; zwischen den Fenstern liegen spitzbogige
Nischen. Der Giebel ist siebenteilig, der Taustein reichlich verwendet. An der
Rückseite des Gebäudes sind Reste des alten Giebels erhalten, an der freiliegenden
Westseite ist das Bodengeschoß durch Bogenstellungen betont; der Unterbau
ist schmucklos.
Die OarlopenwohniingeiL
Der im Jahre 1553 verstorbene Bürgermeister Hinrik Garlop, vermählt mit Geschichte.
Anna von Bardewik, hinterließ seinen Erben „zu seyner ehrlichen gedechtnusz, dem
lieben vaterlandt zu nutz unde besten" die Verpflichtung, ein aus sechs Wohnimgen
bestehendes Gebäude zu errichten und solches dem Lüneburger Rat als Wohnhaus
39*
Flg. tot, R«lt«ida DlsnaritraO« (—17.
-«^ 309 8^
für die Stallbrüder oder Reitenden Diener zur Verfügung zu stellen. Für Keller
und Bodenraum war eine besondere Verwendung vorgesehen; sie wurden gegen
Entschädigung zunächst der Sodmeisterei überlassen, wahrend der Rat mit dem
Gebäude die Fürsorge für einen guten baulichen Zustand, insbesondere des
Daches, zu übernehmen hatte. Der Sülfmeister Hinrik Garlop (f 1558) und der
Ratmann Franz von Witzendortf (f 1574), Sohn bzw. Schwiegersohn des genannten
Bürgermeisters, brachten dessen Wunsch nicht nur pietätvoll zur Ausführung,
sondern sie taten ein übriges, indem sie statt der vorgesehenen sechs Wohnungen
ein aus neun Wohnhäusern zusammengesetztes Gebäude erstehen ließen. Der
Bau wurde auf städtischem Grund und Boden, am Liebfrauenkloster, in Angriff
genommen und war Ostern 1558 vollendet
Die Garlopenwohnungen würden zeitweise mit einer gewissen Willkür
vergeben, seit 1731 sind sie gegen eine Mietsentschädigung stiftxmgsgemäß den
städtischen Beamten vorbehalten.
Die Gruppe von neun aneinandergereihten Häusern hat im Ober- BeBchreibang.
geschosse durchlaufende Stichbogenblenden mit Tausteineinrahmung, in denen
die viereckigen Fenster sitzen (Fig. 109). Auf den Pfeilern hegen senkrechte
Taustäbe, oben in Kreisen endigend, die unter sich durch einen Taustabfries
verbunden sind. In den Kreisen erscheinen
wechselnd unglasierte Medaillons mit den
Wappen der Garlop (Fig. 110) und Bardo-
wicks. Unter den Blenden ein geputzter
Fries, von Taustäben eingerahmt, der am
Hause Nr. 17 in einem Schild mit dem
Hokwappen der Garlop endigt. Neben
den, soweit sie alt sind, spitzbogigen,
von Tausteinen eingerahmten Türen sind
Taustabkreise gemauert Sie enthalten
Holzwappen mit Umschrift, die die bezüg-
hchen Namen und an einigen die Jahres-
zahl 1554 nennen. Am Haus Nr. 9 fehlen
die Wappen; Haus Nr. 10 zeigt Hinrik
Garlop und Anna Bardowicks; Haus Nr. 11
Johann Garlop und Hilke Springintgut ;
Haus Nr. 12 Johann Garlop und Geweken Töbing; Haus Nr. 13 Otto Garlop
und nsabe Grabow; Haus Nr. 14 Claves Garlop mit der Umschrift „HER.
CLAWS • GARLOP • PRO • PATRIAE • LIBERTATE | ANNO • 13 • 71 • IN • DIE •
VRSVLAE • OCGVBVIT •" und Margarete Dicke; Haus Nr. 15 Garlopwappen
und das der Katharine Hitzacker; Haus Nr. 16 Claves Garlop und Anna von
dem Sande; am Haus Nr. 17 fehlen die Wappen. In der Mitte der Gebäude-
gruppe befindet sich eine Bronzetafel mit der Inschrift:
Dns • Henricus • Garlopp • vir singulari virtute sapientia et integritate consp |
icuus • senatorio novem consulari mxmere viginti annos perfungens • nemini
debi I tor nulU obnoxius suapte sponte et UberaUtate • animoq5 ^^^^ consulari •
Fig. 110. Reitende Dienentrafle 9; Medaillon.
-^ 310 SK-
et erga pa | triam • S • P • Q • luneburgensem benevolo alco • et ad beneficiendum
pro pensilissimo | solum permotus. Insigne hoc aedifitium • ad patriae orna-
tum et splendorem et | Ad amplissimi senatus comodum ac utilitatem •
8uaeq5 garlopiae familiae perpetut | monumentum proprio sed maxiino acre
extruere statuit verum cum | saeuus morbus mortem minitaretur totum
conficiendi instituti | operis negotium suis charissimis Francisco Witzendorp •
ge I nero et Henrico Garlopp f ilio suma diligentia comittit • qui | pietatis in
socerü parentemqs ergo • ipsius iussis audi | entes prona voluntate in def essoqj
studio • omni | remora pone nüssa • manum operi admovet • | postqs plures
exantlatos labores eidem | colophonem imponunt • Anno a Christo nato •
M . D . Lim
Die Seiten der Platte sind omamental begrenzt, rechts xmd links erscheinen
unten die Wappen Garlop und Bardewicks, in der rechten unteren Ecke die
Buchstaben VB, die Anfangsbuchstaben des Glockengießers Valentin Bargmann.
Am Hause Nr. 9 ist eine Bronzeplatte mit den Wappen der Grarlop und Semmel-
becker, der Zahl 1555 und einem Zitat aus Euripides angebracht, eine ähnliche
Platte mit den Wappen der Witzendorf und Garlop trägt ein Zitat aus Thucidides.
Daa ehemalige Wandhaus und Stadtgefangnis.
Geschichte. An der Bardewiker Wallmauer, westUch vom MarstaU des Rates, ist
im Jahre 1594 das Wandhaus errichtet Es enthielt eine Lakenfabrik, deren
Geratschaften, Webertaue, Laken- xmd Schrulbänke, dreißig Spinnräder, Spul-
baxen usw. im Jahre 1737 seitens der Kammerei an einen Fabrikanten in Altona
verkauft wurden. Das Haus war zwei Stockwerke hoch, ohne Hofraum und
bestand nur aus vier massigen Mauern mit vier Böden, dennoch wollte die
Stadtverwaltung es ungern preisgeben, und es kam ihr gelegen, daß zwei
Versteigerungstermine, die auf Betreiben der Regierung 1736 und 1737 angesetzt
wurden, ergebnislos verUefen. Das Wandhaus wurde nun in vier Wohnhäuser
umgewandelt, 1794 aber ward nach einem ausführUchen Gutachten des Bau-
meisters E. G. Sonnin*) ein abermaüger Umbau des „Eingeweides" vorgenommen,
so nämUch, daß das vierte Wohnhaus zu einem Zivil- und Kriminalgefängnis
für 26 Gefangene abgeteilt wurde, während die drei ersten Wohnungen den
Gerichtsknechten, vorbehalten bheben.
Nach Aufhebung der städtischen Gerichtsbarkeit (1852) ist das Stadt-
gefangnis zu gleichem Zweck vom Staate angekauft.
Beschreibung. ^^ Eckgebäude Reitende Dienerstraße Nr. 7 ist ein schmuckloser Bau
mit Fachwerk im Obergeschoß. Auf der Ecke zwei Steinplatten, von Taustäben
eingerahmt, mit Rollwerk und der Schrift : ANNO • 1594 An den Enden des
Gebäudes Kreise mit Stadtwappen.
*) De dato 25. April. Da Sonnin schon am 29. Juli genannten Jahres „verklirt*^
war, muß es eine seiner letzten Arbeiten gewesen sein.
-*8 311 8^
Die drei Mühlen.
Quellen: Yolgers ürkundenbach; Urkunden und Akten des Stadtarchivs; Rech-
nungsbuch der Abtswasserkunstgesellschaft (Stadtarchiv).
Literatur fehlt.
Die Dmenaumühlen gehörten ursprünglich der Landesherrschafi Die Geschichte,
untere, nachmals sog. Abtsmühle, gelangte schon gegen die Mitte des 12. Jahr-
hunderts als ein Geschenk Heinrich des Löwen in das Eigentum des MichaeUs-
klosters. Im 14. Jahrhundert sehen wir diese Mühle im Lehensbesitz zweier
Brüder van der Molen. Es sind Angehörige der bekannten Lüneburger Ratsfamilie,
deren Name 1216 zuerst auftaucht und es wahrscheinlich macht, daß die Vor-
fahren jener Beiden schon Generationen hindurch statt des Klosters den Mühlen-
betrieb ausgeübt hatten.
Die Oberen Mühlen, noch 1319 die herzoglichen genannt, sonst als die
Mühlen an der Stadtmauer, beim Johanniskirchhof, oder „boven des abbetes
molen^' bezeichnet, wurden im Jahre 1332 seitens der Herzöge Otto imd Wilhelm
an Albert van der Molen und seine Söhne Dithmer und Johann verkauft, wie
es in der Vertragsurkunde heißt „mit büwe, mit wischen, mit kempen, mit
garden, mit allerleye anschote^'. Der Preis betrug 500 Mk. lötiges Silber, außerdem
mußten die Käufer an den herzogUchen Amtmann zu Lüneburg einen wöchent-
lichen Mühlenzins von 18 Scheffeln Roggen Uefem, ausgenommen die Woche zu
Ostern, Pfingsten, Michaelis und Weihnachten. Der Zins kam unter Herzog Magnus
1370 in Besitz eines Lüneburger Bürgers, 1483 wußte der Rat ihn an sich zu bringen»
Gegen 1400 waren die Oberen Mühlen verschuldet, und dieser Umstand
bot, wie es scheint, dem Lüneburger Rat willkommene Gelegenheit, einzugreifen.
In einer Urkimde vom 5. September 1407, worin der Ratmann Hartwich van
der Molen mit den Oberen Mühlen belehnt wird, erklären die Herzöge Bernd xmd
ESnrik, wenn einmal niemand da sei, dem das Mühlenlehen zukomme, so solle
die Belehnung nach dem Vorschlage des Rates erfolgen; und Hartwich selber
versichert in einer Urkunde vom gleichen Tage, er sei nur auf Verwendung der
Bürgermeister und Ratmannen belehnt: gehörten doch diese Mühlen gänzlich dem
Rate, an den er sie auf Verlangen ohne Zögern wieder abgeben müsse. Eine
nur in gleichzeitiger Abschrift bekannte dritte Urkunde, ausgestellt diu'ch die
genannten Herzöge, bestätigt dieses Rechtsverhältnis. In den Kämmereirechnungen
von 1443 an lautet die ständige Bezeichnung der Oberen Mühlen „des rades
molen". Nach einer Baurechnung von 1740 gehörten zum Ratsmühlenhofe folgende
„Gebäude und Baustücke*^: 1) die beiden Kornmühlengebäude mit 9 Grindeln;
2) drei Gebäude, die Loh-, Walk- xmd Beutlermühle ; 3) die Wohnung des Mühlen-
meisters; 4) das Zimmerschauer; 5) die Pferde- und Schweineställe; 6) die Mühlen-
brücken; 7) die Wasserbäume unter der Stammersbrücke; 8) das gangbare Zeug
in der Kommühle. Die Ratsmühle ist erst im 19. Jahrhundert an einen Privat-
unternehmer verkauft.
Die Lüner Mühle gegenüber der Abtsmühle, wie diese jetzt ebenfalls in
Privatbesitz, begegnet in den Quellen des Stadtarchivs erst im 16. Jahrhundert.
Anrtclil n«eb d«m WM>*r n
■M 313 I—
Ad einem der neuen Mühlengebäude der ehemaligen Abtemühle ist eine BeMbreibnng.
alte Sandsteinplatte angebracht, die unter dem voll ausgebildeten Abtswappen
des Abtes Eberhard von Holle auf einer Tafel mit aufgerollten Rändern die
Inschrift trägt: VON GOTTS GNADEN EBESHART VON HOLLE BISCHOF
ZV LVBEKB ADMINISTRATOR DES STIFTS VERDEN ABT VND HER
VOM HAVS ZV SANCT MICHAEL IN LVNEBVRG ■ 1579.
m I I I .! I I I I I 'I
Flg. tiib. lUtUD&blai QDanelmitt
Von der alten Anl^e der im Südosten der Stadt gelegenen Ratsmühle
sind nur zwei malerische Gebäude und der untere Teil eines Turmes erhalten.
Das größere der beiden Gebäude dient noch jetzt als Mühle. Ea bat kreuz-
förmigen Grandriß, auf dessen Armen nördlich und südlich steile Giebel aus-
gebildet sind (Fig. 111). Die Untergeschosse des Gebäudes sind zum großen Teil
massiv, das Fachwerk der Giebel zeigt einfache Formen. Die Fächer sind mit
Zi^elmustern ausgemauert. An der Südseite befindet sich eine rundbogige Tür-
öffnung mit Taust«in-Archivolte. Ober dem Bogenscheitel ist ein steinerner
Aufbau mit einem von Löwen gehaltenen Stadtwappen und der Inschrift ANNO -
DOMINI ■ 1 ■ 5 • 97 eingemauert Das kleinere Gebäude ist äußerlich in ähnlicher
Weise ausgebildet
40
■^ 316 %^
Am Turm sind keine Schmuckteile erhalten. Die übrigen Mühlengebaude
stammen teils aus dem 18. Jahrhundert, teils aus neuerer Zeit
Das gut erhaltene zweigeschossige Gebäude der Lüner Mühle, von
1576, besteht ganz aus Fachwerk (Fig. 112). Das Obei^eschoß, mit gekrümmten
Kopf- imd Fußbändem, kragt auf profilierten Konsolen über dem Erdgeschoß vor.
Die Fächer sind mit Ziegelmustem ausgemauert. Die seitlichen Giebel haben
Krüppelwahne. Der an der Vorderseite liegende Aufbau enthält die Aufzugsluke
und ist mit seinem steilen Giebel ebenso ausgebildet wie das darunter hegende
Fachwerk. An der oberen Giebelauskragung des Aufbaues befinden sich zu
beiden Seiten der Luke Halbmonde an den Konsolen. An dem Oberlagsholze
der Luke im zweiten Geschoß steht die Jahreszahl 1576.
Der sog. Abtswassertnrm.
Geschichte. Lüneburg war schon im Mittelalter mit mehreren Wasserleitungen versoigt
Der Mönchsbrunnen ist angeblich die älteste dieser Anlagen; er soll von der
Ratsmühle nach dem neuerbauten Kloster Heiligental geführt haben. Im Jahre 1397
legte der Sodmeister für die obere und untere Stadt je eine Wasserleitung an,
den Schierbrunnen und den Kranken Heinrich; jedoch bedarf diese Nachricht
genauerer Untersuchung. Vom Schierbrunnen wurde 1498 der Spillbrunnen
abgezweigt, und etwa gleichzeitig mit der Abtswasserkimst soll die Ratswasser-
kimst entstanden sein.
Über die Abtswasserkunst sind wir urkundlich unterrichtet Sie verdankt
ihren Ursprung dem Bedürfnisse der Brauer. Diese, 24 an der Zahl, 21 Bürger
und 3 Bürgerinnen, schlössen mit dem Abte des Michaelisklosters, Boldewin
von Mahrenholz, dem Prior Herbord von Holle, dem Kellner Rolf von Weyhe
und dem übrigen Mönchskonvent einen Vertrag ab, worin ihnen die Erbauung
eines Hauses oder Turmes auf einem dazu abgesteckten Bauplatze „bey unser
ebdie Nedermölen^' gestattet wurde, zum Zwecke der Anlage einer Wasserkunst
„Vor das erste freie ganth^^ des Mühlengrundwerkes sollten sie ein Rad hängen
dürfen und auch einen Platz behalten „da sie die hölzer mögen boren, darin sie
das wasser in die stadt mögen leiten ^^ Die Baukosten hatten die Brauer selber
zu tragen, dazu mußten sie sich verpflichten, „eine rönne nach dem Grale bis
uf des convents hof in die schierkiste" und weiter in den Abteihof zu legeiL
Der Bau wurde in der Woche vor Letare 1530 angefangen und im nächsten
Jahre zu Ende gebracht Schon am 5. Januar 1530 war ein Ausschuß der
Brauer mit Mester Glawes Moller „unune ene waterkunst" handelseinig geworden;
der Meister erhielt als Lohn 150 Mark und für jeden Arbeitstag 6 Schilling; für
ein Mißlingen seiner Arbeit hatte er selber aufziikommen. Nach VoUendung des
Turmes wurde von den „Kunstangehörigen 'S deren Zahl schon im 16. Jahr-
hundert auf 66 wuchs, eine Umlage erhoben; 25 Personen, darunter der Abt,
zahlten 120 Mark, der Prior und Konvent gemeinsam 200 Mark.
Die veraltete Einrichtung der Wasserkunst ist im Jahre 1837 durch ein
zweckmäßiges Druckwerk verbessert.
-^ 317 8-^
Der alte Turm der Abtswasserkunst, der neben der früheren Abtsmühle Begchreibang.
liegt, ist im Grundriß ein rechteckiger Bau, dem an allen Seiten starke Strebe-
pfeiler vorgelegt sind, die infolge des schlechteja Baugrundes dicht am Wasser schon
100 Jahre nach der Erbauung nötig wurden. Bekrönt wird der Turm von einem
Satteldach, dessen einfache seitliche Fachwerkgiebel zu Krüppelwalmen ausgebildet
sind (Fig. 1 13). An der Traufkante liegt im Mauerwerk ein vertiefter Fries von
Backsteinen; darunter und im Erdgeschoß werden die Ecken durch vertieft
liegende leere Wappenschilder betont. Im obersten Geschoß stand der Wasser-
behalter, in den das Wasser durch eine Pumpe mit einem an der Wasserseite
liegenden Mühlrade gehoben wurde. Im ersten Obergeschosse bestanden früher
Wohnräume, das zweite Obergeschoß wurde von einem Saal mit einfachem
Stuckkamin eingenommen. In dem aus Tausteinen gebildeten Fries an der
Stadtseite des Turmes hegen zwei runde Sandsteinplatten; auf der linken sind
Fischer- oder Müllergerate dargesteUt, die rechte trägt die Inschrift: T • A • I • S • |
RENOVATVM | IN ANNIS 1 • 632 • 1 • 6 • 33 • ET | 1 • 6 -34 • C • M.
Im Jahre 1904 ist das untere Geschoß des Turmes zu einem Durchgang
umgebaut worden.
Die Saline.
Quellen: Urkunden und Akten des Stadtarchivs; Gebhardi, Bericht von der alten
nnd nenen Verfassung des Lüneburgischen Salzwesens (Hs. Stadtbibliothek); Gebhardi,
CoUectanea an verschiedenen Orten.
Literatur: Maneckes Beschreibungen, S. 54 ff. (daselbst die ältere Literatur);
Yolger, die Lttneburger Sülze (Neujahrsblatt, Osterblatt 1861, Neujahrsblatt 1862, Lüneburger
Blätter, S. 201 ff.). Eine Geschichte der Saline bis 1370, verfaßt von L. Zenker, hrsg. vom Hist.
Verein für Niedersachsen, ist im Druck.
Die vorhandenen alten Baulichkeiten der im Sudwesten der Stadt Beschreibung,
hegenden Saline stammen «aus dem letzten Jahrzehnt, des 18. Jahrhunderts.
WahrscheinUch sind sie alle von dem Hamburger Baumeister Sonnin errichtet.
Zwei große Siedehäuser sind zweigeschossig. Ihre Ecken sind durch
gemauerte Quader betont, die Flächen unterbrochen von viereckigen und runden
Fenstern und großen, mit Korbbögen überdeckten Öffnungen, durch die früher
die großen eisernen Salzpfannen eingebracht wurden. Diese Salzpfannen werden
erst seit 1797 verwendet, die früheren waren klein — etwa 1,05 m lang und
breit — und bestanden aus starkem Blei. Eine dieser Pfannen ist noch erhalten.
Am Boden ist aufgemalt „Original-Siedepfanne von 1684". Ein weiteres ein-
geschossiges Siedehaus (Nr. 7) hat ein gebogenes Dach mit bemerkenswerter
Holzkonstruktion (Fig. 114). Mehrere Schuppen und kleine Wohnhäuser, zum
Teil aus Fachwerk erbaut, zeigen gekrümmte Dächer.
Das Häuschen über der Salzquelle ist im Grundriß quadratisch und mit
einer flachen, schiefergedeckten Kuppel abgeschlossen. Die quaderartige Gliede-
rung der Wandflächen, das Triglyphengesims imd die neben der Eingangstür
stehenden dorischen Säulen sind aus Holz gebildet. Das kleine Gebäude ist
umgeben von runden Steinpfosten, die diurch eiserne Stangen verbunden sind.
-^ 318 8^
Mitten im Gelände der Saline ist noch der Rest des alten Stadtwalles,
jetzt mit Sole-Reservoiren bebaut, erhalten, der früher die> Grenze der Saline
nach außen bildete. Die 54 Siedehäuser der alten Saline lagen innerhalb des
noch deutlich erkennbaren Wallringes und um das Quellhäuschen gruppiert
Gegenüber der Wendischen Straße ist noch der Walleinschnitt mit dem alten
Graben kenntlich, durch den in der Ursulanacht des Jahres 1371 die 700 Ritter
des Herzogs Magnus in die Stadt eindrangen.
In einem Magazin steht ein alter Koffer mit gewölbtem Deckel, auf dem
sich die Inschrift: JOHAN ZOHR | CLAVS GAVSE | HANS PVTESN | ANNO
1661 I DIRCK MÖLER | JVRGEN PIAS befindet.
H — h -4---hH^ — \ — I — h--H-n
Ffg. 114. Saline; Qaerscbnltt durch das Sledehaas Nr. 7.
Eine angeblich aus der LambertUdrche stammende Steinplatte trägt die
Inschrift: HIE ENTSTAND! EIN | WASSERSCHADT | ANNO 1623 13. NOV |
VNDT WART KVNDT DVRCH | GOTTES GNAD | ANNO 1624 9. FEBR |
ERECTVM ANNO 1659 | CVRA. ... Das untere Ende ist abgebrochen,
Im Gebäude der Salinendirektion, Neue Sülze Nr. 26, werden noch
neun Bildwerke (von 54) aufbewahrt, die auf den alten Siedehäusem angebracht
waren. Diese aus dem 18. Jahrhundert stammenden Bildwerke sind plastische
Darstellungen, aus Kupferblech getrieben. Die Namen der Häuser, auf denen
sie standen, haben sich erhalten; offenbar sind die überkonunenen Bildwerke
aber erst nach den uralten Namen gebildet Die alte, in Urkimden vorkommende
Form der Namen ist in Klammem beigesetzt Vorhanden sind noch:
Eine Henne mit goldener Krone und dem Namen Heunering (Heuringe).
Ein, einem Bären ähnliches Fabeltier mit der Bezeichnung Baming supra
(Overen Berdinge).
i
-5-8 319 8^
Ein Ziegenkopf mit goldenem Gehörn und Baxt und dem Namen Egbertinge.
Ein kniender Mann mit Säule und der Bezeichnung bemding (Beminghe).
Eine Mönchsfigur mit Rosenkranz und der Unterschrift Ebtzing (Ebbetsinge).
Ein Ziegenbock mit goldenen Hörnern und Bart und dem Namen Metting.
Ein wilder Mann, der eine Säule trägt, mit dem Namen bemding infra
(Nedderen Berdinge).
Ein Gebäude mit Landschaft und der Bezeichnung Brockhusen.
Ein springendes Einhorn mit goldenem Hom, Bart imd Mähne und der
Unterschrift Enning.
w^
in. Wohnhäuser \ind Strassen.
Quellen: Stadtarchi v, insbesondere Büttners handschriftlich niedergelegte Forschungen,
sowie die Stadtansichten nnd Pläne (fast vollständig im Lttnebuiger Mnsenm.)
Literatur: Manecke, Beschreibungen S. 6 ff.; Yolger, Origines Luneburgicae 1861
(Lttneburger Blätter S. Iff.); Altertümer der Stadt, hrsg. vom Altertums-Yerein, Lief. 2 und 4;
Mithoff, Kunstdenkmale S. 195 ff.*); Bode, Ansichten der Stadt Lüneburg (sweiter Jahres-
bericht des Museumsvereins für das Fürstentum Lüneburg 1879).
Die an den Hauptstraßen stehenden mittelalterlichen Wohnhäuser Lüne-
burgs sind in ihrer Mehrzahl aus Backsteinen erbaut, nur bei wenigen ist zum
Teil Sandstein verwendet Die Fachwerkhauser der Stadt, meist mit massivem
Untergeschosse, stehen größtenteils an Nebenstraßen oder Höfen. Die namentlich
in früherer Zeit ausschließliche Verwendung der Backsteine zum Hausbau,
auch kleinerer Gebäude, hat die Stadt vor größeren Branden bewahrt, so daß
eine große Anzahl mittelalterlicher Bauwerke auf unsere Zeit gekommen ist,
freilich oft in verbautem Zustande ; sind doch ganze Straßenteile in früherer Zeit
abgebrochen oder gänzlich umgebaut Eigenartig ist es, daß die Grundlage fast
aller Gebäude dem 15. und 16. Jahrhundert entstammt, auch wenn sie jetzt
Außenseiten des 18. und 19. Jahrhunderts zeigen; ein Beweis dafür, daß die Stadt
lange Zeit nicht über ihre größte Blüte im 16. Jahrhundert hinausgekommen ist
Auf der weitgehenden Verwendung des Backsteines als Baumaterial
beruht auch jetzt noch das einheitliche Stadtbild Lüneburgs.
Die Erbauungszeiten der Lüneburger Wohnhäuser sind in großen Ab-
schnitten erkennbar, können aber nur teilweise durch Datierungen festgelegt
werden. Ein romanisches Kimstzeitalter gibt es in Lüneburg nicht, weder der
Form noch dem Baugedanken nach. Der einzige, in Lüneburg bekannte romanische
Bauteil ist ein aus Gipsmörtel hergestelltes Kapitell im Museum, das angeblich
*) Eine eingehende Darstellung der topographischen Entwicklung Lüneburgs mit
besonderer Berücksichtigung der Straßennamen ist in Vorbereitung und wird als Sonderschrilt
erscheinen.
-^ 321 H-
von der Burg auf dem KaJkberge stammen soll und zweifellos dort im Schutt
gefunden ist Auch eine Übergangszeit ist unbekannt.
Die Bauten, die für die ältesten gehalten werden, zeigen entwickelte
gotische Fonnen und den gotischen Baugedanken der Auflösung aller Mauem
in stützende Pfeiler und ausfüllende dünne Nischenwände, der die Grundlage
für alle Lüneburger Wohnhäuser bis ins 17. Jahrhundert hinein bildet.
Die erhaltenen ältesten Wohnhäuser sind wahrscheinlich nicht vor 1400
entstanden. Im 14. Jahrhundert werden in der Hauptsache die großen Kirchen
Lüneburgs gebaut, imd es ist möglich, daß auch damals schon einige noch vor-
handene Wohnhäuser entstanden sind. Über diese Zeit fehlen uns aber bestimmte
Anhaltspimkte, Sicherer datierbar werden die Formen erst gegen die zweite
Hälfte des 15. Jahrhunderts, um welche Zeit auch der sogenannte Taustein, das
gewundene Stabbündel, als Backsteinprofil auftritt. Aus dem 16. Jahrhundert, dem
Jahrhundert der stärksten und reichsten Entwicklung Lüneburgs auf baulichem
Gebiete, sind datierte Backstein- und Fachwerkbauten erhalten.
Nach 1600 geht die gotische Bauüberlieferung fast ganz verloren, es werden
bis etwa 1740 nur wenige Bauten neu aufgeführt. Eine Anzahl Giebel mit den
Formen dieser 2^iten lassen darauf schließen, daß die alten gotischen Giebel
schadhaft geworden waren — wohl hauptsächlich durch die treibende Wirkung
des teilweise totgebrannten Gipsmörtels — und deshalb umgebaut werden mußten.
Eine reichere Bautätigkeit, die aber nicht entfernt die des 16. Jahr-
hunderts erreicht, setzt mit dem Anfange des 18. Jahrhunderts wieder ein und
dauert bis zum Ende des Jahrhunderts.
In der folgenden Beschreibung sind die Wohnhäuser der Stadt in Stein-
bauten und Fachwerkhäuser eingeteilt. Auf diese beiden großen Gruppen
folgen als besondere Gruppen die Türen, die Denkmäler, welche einzeln an oder
in später veränderten Wohnhäusern erhalten sind, die Brunnen und die Denk-
mäler in öffentlichen Sammlungen.
Innerhalb der ersten Gruppe — Steinbauten — befinden sich die Unter-
abteilungen Giebelhäuser, Reihenhäuser und Bauten des 18. Jahrhunderts.
Da eine Beschreibung der Bauten in chronologischer Folge nicht
zuverlässig möglich war, sind die Giebelbauten nach sieben bestimmten Giebel-
grundformen geordnet, die sich vermutlich nacheinander — in der unten
beschriebenen Folge — entwickelt haben, die aber, wie datierte Bauten beweisen,
auch nebeneinander verwendet wurden. Soweit eine Bestimmung möglich war,
ist sie bei jedem einzelnen Gebäude erwähnt; ferner umfaßt die Behandlung
der Stein- und Fachwerkbauten gleichzeitig die erhaltenen Denkmäler aller
Zeiten, die sich an oder in den beschriebenen Häusern befinden.
Innerhalb der so gebildeten Abteilungen werden die Gebäude in der
alphabetischen Aufeinanderfolge der Straßen beschrieben.
41
-Nf 322 8^
Die Steinbauten.
Die Mehrzahl der Lüneburger Häuser ist in der Tiefenrichtung des Bau-
platzes entwickelt, so daß der Giebel der Straße zugekehrt ist Namentlich die
älteren Bauten an den Hauptstraßen zeigen diese Bauart, kleinere Gebäude an
den Nebenstraßen mögen auch in früherer Zeit schon als Reihenhäuser ausgebildet
worden sein, allgemeiner wird diese Bauweise erst im 16. Jahrhundert, auch
für Patrizierhäuser und namentlich Fachwerkgebäude.
Alle stärkeren Wände werden als sogenanntes Füllmauerwerk ausgeführt,
d. h. es wird an der Innen- und Außenseite eine Verblendung von V2 ^^ ^ ^^
Stärke ausgeführt und der Zwischenraum durch Gipsmörtel, mit Ziegelstücken
vermischt, ausgefüllt, nur ab und zu geht eine Binderschicht quer durch die
ganze Wand. Diese Bauweise wird sogar bei den Giebelpfeilem durchgeführt
Die Umfassungsmauern der Keller werden z. T. unabhängig von den oft aus Feld-
steinen bestehenden Fundamenten der oberen Mauern ausgeführt
Die Maße der bis etwa 1800 verwendeten Backsteine schwanken
zwischen 27 — 29 cm Länge, 7—9 cm Dicke und 12 — 13,5 cm Breite; sie sind
durchweg mit Gipsmörtel vermauert
Formsteine und Glasuren sind anscheinend von vornherein verwendet
worden, denn schon am Turm der Johanniskirche kommen beide vor. Die
Formsteine sind in den verschiedensten Profilen, von der einfachen Fase bis
zum Stein mit drei Profilen und zum reichwirkenden Taustein gebraucht worden.
Daneben werden Rosettensteine, Überdecksteine in Kleeblattbogenform und
omamentale Friessteine hergestellt. Die Glasuren sind grün und braun bis fast
schwarz, die grüne Glasur bedeckt den Stein nur ganz dünn und läßt die rote
Oberfläche durchschimmern, die braune Glasur wird in der späteren Zeit dick-
flüssig und fast als Schmelzfarbe auf den Stein gebracht; um die Mitte des
16. Jahrhunderts werden dann noch MedaUlons mit Köpfen und figürlichen
Darstellungen verwandt, die mit dicht nebeneinander sitzenden bunten Schmelz-
farben glasiert sind. Der Backsteinbau des 18. Jahrhunderts verwendet nur
ganz ausnahmsweise Formsteine bei der Bildung von Pilasterkapitellen und
Türgesimsen. Eine gute Sammlung vieler Formsteine und Glasuren befindet
sich im Museum.
Zum Verständnis der Bauweise des Lüneburger Wohnhauses ist der
Grundriß nötig, der ein bestimmtes typisches Gepräge erhalten hat, und
zwar einerseits für Patrizier- und Bürgerhäuser und anderejseits für Arbeiter-
häuser, wie die Wohnungen für kleine Leute hier kurz genannt werden sollen
Dieser Typus ist allen Bauten des 15. und 16. Jahrhunderts mit geiingeu
Abänderungen eigen.
Der gotische Grundriß des großen Wohnhauses ist ein mehr oder weniger
tiefes, mit der Schmalseite an der Straße liegendes Rechteck, das in der Tiefen-
richtung, also senkrecht zur Straße, eine durch das ganze Gebäude gehende
Teilung erhält. Diese Teilung besteht aus einem starken Unterzug, der durch
zwei oder mehr starke Holzsäulen mit Kopfbändem unterstützt wird (Fig. 115).
I I I I t I I M ■) M I I ■
■ Am ^arift-
- Clenixbllftt
Flg. 115. Am Buidfl «9-
Der Unteizug liegt rechts oder links aus der Mitte, so daß für die in der tGtte
der Schmalseite hegende Tür der Platz frei bleibt. Dadurch wird der Grundriß
in zwei verschieden breite Streifen in der Längsrichtung geteilt Die Säulen,
Kopfbänder und der ünterzug mit Sattelhölzem sind profiliert, so daß wir
uns als erste Anlage einen völlig freien Raum, mit der Feuerstelle an der
Flg. lie. Auf dem Kauf t.
L&ngswand des schmäleren Streifens, nur unterbrochen durch die Stützen, zu
denken haben. Der breite Streifen bleibt Diele und erhält an der Hofseite ein
die ganze Mauerfläche einnehmendes großes Fenster; die Feuerstelle wird später
in der Mitte des schmalen Streifens durch Wände zur Küche abgeteilt, vorn
und hinten entstehen neben ihr zwei oder mehrere Wohnrä,ume, Diese Wände
mögen ursprünglich nur aus einer Bretterverkleidung bestanden haben, die dano
bemalt wurde. Beim Abbruch des alten Hauses am Sande 49 (Fig. 1 15) fand man an
der Dielenwand am Zimmer hinter dei Küche eine Bretterverkleidung, die
mit Figuren und gotischem Ornament bemalt war und von der sich ein Teil
jetzt im Museum befindet. Wahrscheinlich wurde auch von Anfang an an
der Straßenseite des breiteren Streifens immer schon eine Stube eingebaut
Dber den so gebildeten Zimmern, nicht auch über der Küche, lagen ebenfalle
Wohnräume, die durch eine Wendeltreppe zugänglich waren, wenigstens in
späterer Zeit, gegen Ende des 15. Jahrhunderts. Die Diele nahm dann die volle
Höhe des Geschosses ein, die Wohnzimmer wurden durch die Zweiteilung nur
halb 80 hoch. Oft lag eine Eliniahrt in den Hofraum neben dem Gebäude, die
später, im 16. Jahrhundert, überbaut wird. Ebenfalls im 16. Jahrhundert wird
an eiaer Hofseite bei den Patrizierhäusem fast immer ein Flügel angebaut, der
Flg. IIT. Auf dam EkDf 9; Portal.
vielfach einen großen Saal im Obergeschoß enthielt und den erweiterten
Creselligkeitsbedürfnissen der reich gewordenen Patrizier diente.
Dieser Grundriß, der sich in fast allen größeren Wohnhäusern nach-
weisen läßt — meist liegen jetzt noch die Küchen an den alt«n Stellen — , ist
ganz unverändert nirgends auf unsere Zeit gekommen. Er konnte besonders gut
beim Abbruch des Patrizierhauses am Sande 49 untersucht werden. (Veigl.
Zeitschrift für Architektur und Ingenieurwesen, Jahrg. 1902, Heft 5.) Nament-
lieh in der Barockzeit sind die Wohnhäuser dann durch Einbau weitem
Zimmer und durch Galerien verbaut worden.
Wahrscheinlich gegen Ende des 16. Jahrhunderts tritt ein neues Motiv,
das für die äußere malerische Gestaltung von Bedeutung wird, auf, die sog.
Utluchten oder Ausluchteo, welche den an der Straße hegenden Zimmern etker-
artig, oft in der ganzen Höhe des Dielengeschosses, vorgebaut werden. Gotische
Fl«. 11». Am B«rKB ü; HofglBlML
Utluchten oder solche mit frühen Renaissanceformen sind nicht erhalten, haben
vielleicht auch nie bestanden, dagegen werden sie in späteren Zeiten bis zam
Ende des 18. Jahrhunderts so häußg verwendet, daß bald kein Haus mehr ohn«
Utlucht war. Dadurch bekam das Stadtbild ein malerisches Gepräge, das teil-
weise noch erhalten ist, trotzdem man jetzt aus Verkehrsrücksichten dia
Utluchten wieder beseitigt
Die Häuser bestanden in der älteren Zeit aus dem Dielengesehoß und
einem darüber hegenden, als Dachboden benutzten niedrigen Stockwerk, auf dem
-^ 327 8^
sich das Dach aufbaute. Erst im 16. Jahrhimdert werden Qebäude mit mehreren
Wohngeschossen gebaut Die Keller sind in der Tiefenrichtung durch Bogen -
Stellungen geteilt, zwischen sie werden Tonnengewölbe gespannt, die stark genug
waren, die dünnen Scheidewände des Erdgeschosses aufzunehmen. In der
Richtung des Unterzuges lag im Keller eine Bogenreihe, auf der die Stander des
Unterzugs standen.
Der Grundriß des Arbeiterwohnhauses besteht nur aus einem großen
Raum, in den eine kleine Stube an der Straßen- oder Hofseite eingebaut ist;
hinter dieser Stube liegt die Feuerstelle. Diese Häuser waren nicht unterkellert,
über dem Wohngeschoß lag das Dach. (Vgl. hinten Fig. 180.)
Die Grundrisse der Patrizier- und Bürgerhäuser nach 1600 wechseln in
ihrer Anlage und gehen nicht auf den gotischen Grundriß zurück; gemeinsam
ist ihnen nur die große Diele mit der meist frei eingebauten Treppe.
Aus der Beschreibung des Grundrisses geht hervor, daß das für die
äußere Gestaltung wesentlichste Architekturelement der mittelalterlichen Stadt
die Giebelseite und hier der Giebel im besonderen war, der auch in immer sich
steigernder Entwicklung bis zu den reichsten Formen ausgebildet wurde. Die
Schmuckmittel der Giebelseite und auch der späteren Breitseite werden auf
Portal und Giebel oder auf das oberste Geschoß — bei Reihenhäusem — verteilt;
die übrigen Fensteröffnungen, namentlich des Dielengeschosses, bleiben schmucklos.
OiebelhäiiBer.
Die einfachste und vielleicht älteste Form (15. Jahrhundert) ist der Giebel form L
Dreiecksgiebel, der sich der Dachlinie im Umrisse anschließt und dessen Fläche
entweder glatt und von Lichtöffnungen durchbrochen ist oder durch senkrechte,
spitzbogige Blenden geteilt wird. In den Blenden sitzen die Lichtöffnimgen, die
teils in der Breite der Blenden mit Stichbogen überdeckt werden, teils als
gekuppelte schmale Offnungen mit mittleren Pfosten und übergedeckten Form-
steinen in die Erscheinung treten. Diese Form findet sich an den Turmgiebeln
der Johanniskirche und an folgenden Gebäuden:
Auf dreigeschossigem Unterbau erhebt sich der einfache Giebel (Fig. 116), Auf dem Kaufs,
dessen Fläche nur durch kleine Spitzbogenblenden in regelmäßiger Anordnung
geteilt wird. In den Blenden sitzen Stichbogenöffnungen. Die Fenster der
imteren Geschosse liegen in Stichbogenblenden. Alle Ecken der Blenden haben
Kehlprofile. An der Seite nach der Lünerstraße und an der Hofseite sind ver-
mauerte schmale Offnungen zu erkennen, die mit Spitzbögen überdeckt sind.
Das spitzbogige Portal hat reich profilierte Leibung, in die mehrere Platten mit
der Bezeichnung der späteren Inhaber des Hauses eingelassen sind. Vor dem
Portal liegt eine Treppe mit zwei eigenartig geformten und ornamentierten
Wangen aus dem 18. Jahrhundert (Fig. 117). Das Gebäude gehörte im Mittel-
alter dem Kloster Lüne (vergl. vom S. 178 f.). Bemerkenswert ist die spät-
barocke Tür.
Einfacher Dreiecksgiebel auf dreigeschossigem Unterbau. In die glatte Rosenstraße lo.
Fläche sind rundbogige Offnungen in regelmäßiger Anordnung eingesetzt Ebenso
ist das dritte (Boden-) Geschoß ausgebildet Die Kanten sind mit Riindecken
profiliert, der Giebel scheint die ursprüngliche Form zu haben und würde dami
in das Ende des 15. Jahrhimderts zu setzen sein. Das Gebäude ist das ehemalige
;: Stackdfifka.
Scharfrichterhaus. In einer Nische über dem Eingang soll früher die Gestalt
eines Scharfrichters gestanden haben. Im Erdgeschoß sind einige gewölbt«
Räume — Gefängnisse — erhalten. Im Keffer befindet sich ein großer gewölbter
Raum, ia dem die Gefangenen gefoltert wurden, mit Steinschranke und schwerer
eichener Tür mit eisernen Beschlägen.
Flg. liO. Am Berga SS; Btackdecke.
Hofgiebel. Erhalten] sind die drei mittleren Spit^bogennischen mit Am Sande sa
gekuppelten Öffnungen ohne Profil. Von den übrigen Nischen erkennt man
Spuren. Gotischer Grundriß. In der Diele eine reich geschnitzte Barocktreppe
-»4 330 8^
mit omamentierteD Pfosten, auf denen zwei weibliche Figuren mit Hunden
stehea Auf einem oberen Treppenpfosteo ein Phönix. An der Galerie «äa
reich geschnitztes Brett mit zwei Wappen, von denen Aas heraldisch rechts
hegeode der Familie Timmermann angehört Verschiedene Barocktüren. Int
Obergeschoß drei omamental behandelte Qipsdecken, eine mit Rokokoformen.
Fig. 1>L An der U&nia 8; Oltbal.
-^ 331 8^
Durch Anlage von Giebelecken über der Spitze und am Fuße wird der Am Berge 35.
Dreiecksgiebel bereichert, und zwar am Hofgiebel dieses zum früheren Kloster
Heiligenthal gehörigen Hauses (Fig. 1 18). Die Giebelflache ist in sieben Nischen
geteilt, die kleine gekuppelte Offnungen mit übergedeckten Formsteinen und Kreise
aus Profilsteinen enthalten. In einem der Kreise eine Rosette. Das Haus hat
den gotischen Grundriß mit einer großen Diele, in die malerische Galerien
später eingebaut sind. Das die ganze Wand nach dem Hofe einnehmende Dielen-
fenster hat ornamentierte Pfosten, am mittleren die Jahreszahl 1637. Zu einem
Stimmer führt eine Renaissancetür mit Bogenstellung auf der oberen Füllung.
In einem niedrigen Zimmer ist eine reich gegliederte und mit Figurengruppen
geschmückte Decke aus Gips erhalten, bezeichnet mit der Jahreszahl 1637.
(Fig. 119 u. 120.) Sie ist in 11 achteckige Felder geteilt, zwischen denen kleinere
rechteckige mit Früchten und Köpfen liegen. Die großen Felder enthalten
stark vortretende Figurengruppen, teilweise mit Angabe der Bibelstelle. Die
Darstellungen sind: 1) Lucae 8, 2) Schlafender Knabe mit Sanduhr imd Totenkopf,
3) Lucae 16 (Fig. 119), 4) Matth. 18, 6) Matthaei XX, 6) Matthaei 22 (Fig. 120),
7) Jobs. 4, 8) Luc. 10, 9) Lucae 18. Das 10. und 11. Feld sind zerstört, erkennbar
ist ein Affe mit einem Apfel. An der südUchen Außenseite des Hauses Reste
des ehemaligen Kreuzganges. Das Portal ist spitzbogig, mit zwei Kreisen daneben.
Vom Straßengiebel sind nur noch Reste der senkrechten Pfeiler mit Rundecken
erhalten. (Vgl. S. 170 f.)
Die Giebelform I kommt im 16. Jahrhundert noch an mehreren Hof-
giebeln vor, so an der Ratsapotheke, am Hause Große Bäckerstraße 15 (Fig. 163)
Große Bäckerstraße 26 u. a.
Die weitere Entwicklung der Giebelform durch die Anordnung einer GieMfonn IL
Staffel über jeder senkrechten Nische führt zum ausgebildeten Staffelgiebel, der
in seiner einfachsten Form an den beiden folgenden Gebäuden erhalten ist:
Sieben hohe Spitzbogenblenden mit Fasenprofil, jetzt ohne Offnungen, Aif^t^dt^Li
nur die mittlere Blende hat noch Luken. Im Geschoß unter dem Giebel
Bogenstellungen. Früher befand sich in einem Zimmer dieses Hauses eine
Stuckdecke, die in viereckigen Feldern die Weltteile in Figuren darstellte.
Neun senkrechte Spitzbogennischen mit Fasenprofil, die durch kleine An der MUnze a
Offnungen mit Stichbogenschluß geschoßweise untergeteilt werden, entsprechen
den neun Staffeln (Fig. 121). Im Obergeschoß ist eine Wendeltreppe aus Holz
erhalten.
Die weitere Entwicklung der Staffelgiebel erfolgt nur noch in der Giebaform lli.
Fläche, und zwar zunächst in der Weise, daß die senkrechten Pfeiler zwischen
den Nischen reicher gegliedert und in den Giebelstaffeln teils im vier-
eckigen Rahmen, teils im Spitzbogen zusammengeführt werden. Die meist
geputzten Flächen in den Nischen werden durch gekuppelte kleine Fenster, mit
Formsteinen überdeckt, oder durch ungeteilte Offnungen und durch gemauerte
Kreise mit Rosetten auf den Brüstungsflächen belebt. Vermutlich sind diese
42*
Giebel vor 1500 entstaaden. Der reichste und schönste Vertreter dieser noch
ganz das gotische VertikaJsystem ausdrückenden Gruppe ist der bei Beschreibung
des Rathauses erwähnte Giebel des Kämmereigebäudes. Ferner gehören bieriier:
Die Giebelfläche wird durch sechs senkrechte Blenden mit Kehlenprofil
geteilt, welche sechs Staffeln entsprechen, eine siebente steht auf der Mitte der
beiden oberen. Gekuppelte Nischen sitzen nur in den Spitzbogenblenden der
Staffeln. Die LichtöÖnungen für den Daehraum sind mit Stichbögen überdeckt
Fig. 1«. Am Barg« &; Olabel.
Am Berge 5. Ober Dielen- und Bodengeschoß, letzteres mit außen sichtbaren Bogen-
blenden, steht ein siebenteiliger Giebel, dem jetzt die Staffeln fehlen (Fig. 122).
Die Pfeiler haben Rundeckenprofile. In den Giebelblenden gekuppelte Offnungen
mit kleeblattförmigen Oherdecksteinen und Kreisen, die durch Rosetten ausgefüllt
sind. Das Spitzbogenportal ist verputzt.
Grapengje&er- Von einem Staffelgiebel mit sieben Blenden ist nur ein Teil der Keiler
" ^ mit frühen gotischen Profilen erhalten (Fig. 123). Das Haus hat den gotischen
Grundriß mit der Küche an der alten Stelle. In der großen Diele mit eingebauter
Barocktreppe stand ein schöner Renaissancekamin (Fig. 124), der jetzt an das
Gewerbe-Museum in Hambui^ verkauft ist; sein Standort in der Diele ist nicht
-^ 333 S^
der ursprüngliche .gewesen, zum Hause gehörte er aber auch früher. Das reich
geschmückte Qebälk des Kamins wird von zwei Figuren gestützt, die auf
Sockehi mit Löwenköpfen ruhen, links ein König mit Zepter, Krone und
Schwert, rechts ein Krieger mit Schwert und Helm. Über den Köpfen der
Figuren halbrunde Konsolen. Im Fries an beiden Enden die Wappen Witzendorf
und Töbing, in der Mitte sinnbildliche Darstellung des Stadtregiments. Auf der
Mitte des Gesimses eine dem Profil folgende gekrümmte Tafel mit aufgerollten
Rändern und der Inschrift: PVBLICA RES FELIX CVIVS CONCORDLS. LiEVAM
TVS(?) DEXTRAM STIPAT PAX FOVET ALMA SINVM.
Das zum Gebäude gehörige Eckhaus zeigt im oberen Geschoß eine
eigenartige Blendenverzierung. Sechs Stichbogen ohne Profil wechseln mit
kleinen Nischen, die mit kleeblattförmigen Überdecksteinen geschlossen sind;
darüber befinden sich wimpergartige Streifen mit Krabben und einer Kreuz-
blume. In den Stichbogenblenden je zwei gekuppelte Fensteröffnungen in
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Flg. ISS. OrapeDgiefierstrafle 4A; Oiebelprofil.
derselben Behandlung wie die kleinen Nischen zwischen den Blenden. Die
ornamentalen Steine sind braun glasiert. An der Seite nach der Engen Straße
befinden sich drei Sandsteinplatten, auf der ersten ist dargestellt das Ehewappen
Witzendorf-Garlop und die Zahl 1593, die anderen Platten sind verwittert.
Der Pachwerkbau im Hofe wird weiter unten erwähnt
(Heiligen-Geist-Schule.) Viergeschossiger Bau, darüber Giebel mit sieben An der Münze 7.
Blenden. Die Staffeln fehlen. Die Pfosten bestehen aus Rundecken mit
wechselnden Glasuren. In den Blenden gekuppelte Öffnungen mit Überdeck-
steinen und vertieften Kreisen darüber (Fig. 125). Das niedrige Geschoß unter
dem Giebel mit vier Stichbogenblenden, in denen je zwei gekuppelte kleine
Öffnungen sitzen. Das Portal aus dem 18. Jahrhundert hat zu beiden Seiten
zwei gemauerte dorische Pilaster und gebogene Bekrönung.
Fünfteiliger Giebel, der wohl mit zu den frühesten gehört und sich eng Am Sande 53.
an den Giebel des Kämmereigebäudes anlehnt (Fig. 126). Die reich profilierten
Pfeiler gehen henmter bis auf das Dielengeschoß und umfassen das niedrige
-•4 334 >-^
jetzt zu Wohnungen umgebaute Bodengeschoß. Die Teilungspfosten der
gekuppelten Offnungen in den hohen Blenden gehen in ganzer Höhe durch.
In der Mitte die Aufzugsluke. An den Oberdecksteinen der Öffnungen siod
wimpergartige Ansätze, m den Flächen darüber Spuren dieser Wimperge zu
erkennen. Die Staffeln des Qiebels sind schon in gotischer Zeit wiederhergestellt
worden. Trotz der Verstümmelung des Hauses ist die Anlage zu erkennen.
Der Grundriß ist der gotische, die Küche liegt an der alten Stelle. (Ratsbier-
keiler, vgl. vom Seite 22 und 306.)
Im Frühjahr 1901 abgebrochen. Der Giebel war zwar verstümmelt, A"» Sande 49.
zeigte aber die besprochene Grundform und ist bemerkenswert (Fig. 127), weil
er noch die wimpergartigen Bekrönungen der gekuppelten Öffnungen mit den
als Flachomanient ausgebildeten Krabben und Spitzenblumen hatte (sie befinden
sich jetzt im Museum). Der Bau enthielt außerdem interessante Einzelheiten,
eine gotische Zimmerdecke, Renaissancedecken und im KeUer eine zentrale
Luftheizung von etwa 1480, die erste bekannte Anlage in einem büi^erlichen
Ftg. IK. Am Sande M; Otab«L
Wohnhause, eiogehend in der Zeitschrift für Architektur und Ingenieurwesen,
Heft 5, 1902 beschrieben und abgebildet (Vgl vom Fig. llö.)
Eine weitere Veränderung der Giebel kennzeichnet sich dadurch, daß OiAelform lY.
der Taustein eindringt, ohne daß die Orundform III geändert wird. Ihre Ent-
stehungszeit ist in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts zu setzen.
Flg. lil. Am Sftiide 4V; Oteb«l.
Der am besten erhaltene Giebel dieser Form. Ober dem Dielengeschoß Am Sande 8.
liegen noch zwei Geschosse, deren oberstes außen durch Öffnungen mit tiefen
Leibungen gekennzeichnet ist Am Fuße des Giebels ein geputzter Fries. Der
Giebel ist siebenteilig, noch mit dem viereckigen Rahmen in den Staffeln über
der Bogennische. Die Pfeiler werden durch Tausteine gebildet. Der rundbogige
Abschluß der Nischen in den Staffeln stammt von einer späteren Wieder-
herstellung. Der gotische Grundriß ist erkennbar, die Küche liegt an der alten
4S
^ 338 S«^
Stelle. In der großen Diele eine Barocktreppe. Besonders schön ist die Haustür
(Fig. 12H). Auf der alten gotischen Tür mit eisernen Begehlägen sitzt noch der
alte Broncetürklopfer, ein Löwenkopf, umgeben von einer kreisförmigen Wein-
ranke mit Blättern und Früchten im Charakter der Spätgotik des 15. Jahr-
-JHlfHlj-
T
Flg. ii8. Am Sande; HiuslUr.
ilMiiliiii 4— '-^f-
FlK 119. Am Sande tOj Olab«l.
HHg 340 S^
hunderts. Die reich geschnitzte halbrunde Schlagleiste entstammt dem Ende des
16. Jahrhunderts.
Am Sande 46. über dem jetzt zweigeschossigen Unterbau steht der siebenteilige Giebel,
ebenso ausgebildet wie der vorhergehende (Fig. 129). Die abwechsehid grün
glasierten Pfeiler haben eine halbrunde Form, die zurückspringenden Ecken der
Bogennischen sind aus Tausteinen gebildet. In den Kreisen aus Taustäben
Rosetten. In der Türleibung ist ein Beischlagrest mit dem Wappen der bürger-
lichen Familie Kroger und der Jahreszahl 1572 eingemauert. (Abbildung im
Jahresbericht des Museums- Vereins von 1899—1901.)
Am Sande 36. Rest eines siebenteiligen Giebels in derselben Ausbildung wie der vor-
hergehende, nur erscheinen hier schon horizontale Taustabe.
Große Bäcker- Xut dreigeschossigem Unterbau ein siebenteiliger Giebel mit ausschließ-
licher Verwendung des Tausteines. Wechselnde Glasuren. In den Kreisen auf
dem Grunde der senkrechten Blenden<liegen Rosetten.
■A.uf Auf hohem Dielengeschoß mit Utlucht und niedrigem Bodengeschoß mit
fünf Stichbogennischen ein Giebel mit sieben Blenden. Die Staffeln fehlen Jetzt
In den Blenden kleine stichbogig überdeckte Öffnungen mit Kreisen darüber.
Das im Spitzbogen geschlossene Portal hat vierfaches Gewändeprofil aus
Tausteinen.
Giebelform V. Die auf die vorhergehende Form folgenden Giebel werden flacher im
Profil, die Bogennischen unter den Ohren fallen fort, die Pfeilerprofile, hier
meist Rundecken, aber auch Tausteine, schließen oben rechteckig unter der
Staffeloberkante. Zwischen die in den geradlinig geschlossenen Blenden liegenden
Öffnungen schieben sich an Stelle der Kreise wagerechte Taustabe, zwei und
drei übereinander, kurze horizontale Friese bildend. Die Teilung der Staffeln
wird durch Taustabpfosten mit übergedeckten Formsteinen innerhalb der gerad-
linig geschlossenen Blenden bewirkt. Diese Giebelbauten sind im 16. Jalurhundert
ausgeführt worden, bei ihnen kommt in der Mehrzahl schon ein Wohngeschoß
über dem Dielengeschoß hinzu, ohne daß der gotische Grundriß verändert wird.
Altstadt 43. Rest eines siebenteiligen Giebels. Die Pfeiler bestehen aus schwarz
glasierten Rundecken. Unter den Luken sind die Taustabschichten gekreuzt
Das Geschoß unter dem Giebel hat vier Bogenstellungen.
Große Bäcker- Ober dreigeschossigem Unterbau steht ein siebenteiUger Giebel mit aus-
schüeßUcher Verwendung des Tausteines.
Große Bäcker- Siebenteiliger Giebel über dreigeschossigem Unterbau. Die Staffeln
fehlen. Der Taustein wird ausschließUch verwendet.
Brodbänken 8. Über einem früheren Dielengeschoß steht unmittelbar der Giebel mit
sieben lotrechten Blenden unter Verwendung von Tausteinen.
Grapengießer- SiebenteiUger Giebel auf hohem Untergeschoß, ganz aus glasierten
Steinen erbaut, die Staffeln fehlen. In der Diele besteht die Innenwand aus
Straße 5.
->^ 342 8-5-
Fachwerk, mit in Mustern ausgesetzten Fächern und profilierten Konsolen unter
der Decke. Vom Dielenfenster sind die unteren Teile der Pfosten aus dem
16. Jahrhundert erhalten. Die kanneUerten halbrunden Schäfte sind in halber
Höhe durch Knäufe mit Köpfchen unterbrochen und zeigen über der Basis
geschnitzte Figuren auf Kartuschen. In der Diele einige Zimmertüren aus dem
18. Jahrhundert.
Auf dem Großer elfteiliger Giebel mit Rundeckenpfeilem. Auf der Spitze eine
Kauf 17. Wetterfahne mit H. C. B. 1781.
An der Münze 4. Kleines gut erhaltenes Haus mit zwei Geschossen und schmal geteiltem
Giebel mit sieben Staffeln. Das Geschoß unter dem Giebel hat drei Stichbogen-
nischen mit viereckigen Fenstern. Das Portal ist im Spitzbogen überwölbt Im
Giebel aufgemalt die Zahl 1839 (Fig. 130).
An der Münze 7. Kleiner siebengeteilter Giebel, dem die Staffeln fehlen. Die Pfeiler mit
Rundecken. Das unter dem Giebel Hegende Geschoß hat Pfeiler, die mit Tau-
steinen eingefaßt sind und über denen Balken liegen. In den Rücksprüngen
Hegen die Fenster. Ebenso behandelt ist die Seite nach der Kalzenstraße und
die unter der Dachtraufe liegende Fortsetzung des Baues an der Münze. Ein in
der Mauer liegendes Holz hat die Inschrift: ANO 1597. Im Obergeschosse an
der Münze vier Fach Fenster mit reich geschnitzten Pfosten und Seitenteilen —
16. Jahrhundert — als kanneUerte Säulen, die mit Masken und Kartuschen
besetzt sind, ausgebildet. Ferner befindet sich im Flügel eine Stuckdecke mit
schweren Profilen und an der Hofseite ein Balken mit RENOVATUM 1754.
Im Hause verteilt Zimmertüren aus dem 18. Jahrhundert.
Am Sande 8. Auf zweigeschossigem Unterbau mit Utlucht steht ein fünfteiliger Giebel
mit Rundeckenpfeilem.
Am Sande 15. Siebengeteilter Giebel mit Rundeckenpfeilem auf hohem Dielengeschoß.
Am Sande 53. Auf dreigeschossigem Unterbau fünfteiliger Giebel. Am Fuße Taustabfries
mit Fischgrätenmuster.
Im Wendischen- Siebenteiliger Giebel mit Rundeckenpfeilem. Die Staffeln fehlen. Die
Luke sitzt nicht in der Mittelblende, sondern seitHch. Das spitzbogig überwölbte
Portal hat Tausteinleibungen. Über der Spitze des Bogens werden aus Taustäben
drei Vierecke gebildet; das mittlere, breitere mit der Jahreszahl 1575, die beiden
seitüchen enthalten Wappen mit Hausmarken und Buchstaben: links H W.,
rechts A W. Der Gmndriß des Hauses ist der gotische, mit der Küche an der
alten Stelle. Die große Diele hat im hinteren Teile profiüerte Balken.
Giebdfarm VL Die nächste Form der Staffelgiebel zeigt ein Überwiegen der horizontalen
Linie. In Höhe jeder Staffel durchziehen den Giebel breite, von Tausteinen
eingefaßte Friese, teils geputzt, teils fischgrätenartig ausgemauert Die recht-
eckigen Nischen in den Staffeln bleiben mit ihren gekuppelten Öffnungen, die
mittleren Nischen werden unter den Friesen in jeder der Staffelhöhe entsprechenden
Abteilung mit Stichbogen geschlossen, in ihnen hegen die Öffnungen, die dem
Dachstuhl Licht zuführen. Der Taustein wird reichlich verwendet Auch hier
dorfe 27.
^^ 343 8^
erscheint oft über dem Dielengeschoß ein höheres Geschoß, außen durch Bogen-
stellungen gekennzeichnet, unter dem manchmal noch ein Fries, von Formsteinen
eingefaßt liegt.
Rest eines kleinen Giebels, mit zwei farbig glasierten Medaillons. Altstadt 5.
Über hohem Dielengeschoß ein siebenteiliger Giebel, die Friese werden Altstadt 44.
von Nasensteinen eingefaßt.
(Ratsapotheke.)*) Auf hohem dreigeschossigen Unterbau steht der neun- Große
teilige Giebel. Die Staffeln sind mit Steinplatten abgedeckt. An Stelle der ß*^^^"*'*^^ 9.
Friese durchziehen den Giebel horizontale Steingesimse. Die Staffeln haben
innerhalb der viereckigen Umrahmung die üblichen gekuppelten Nischen. Am
Fuße des Giebels ein kiäftiges Gesims mit darunter liegendem Fries, der die
Inschrift: „NEQVE HERBA NEQVE MALAGMA SANAVIT EOS, SED TWS
DNE SERMO QVI SANAT OMNIA'' enthält.
Besonders schön ist das durch zwei Geschosse reichende Portal
ausgebildet (Fig. 131). Unter dem Kämpfer des ornamentierten Rundbogens
stehen zwei Hermen mit Gefäßen, links eine männliche, rechts eine weibliche.
Am Sockel zwei Kartuschen, aus denen seltsame Tiere kriechen. Auf dem
Rundbogen liegt ein Konsolengebälk, die Zwickel darunter werden ausgefüllt
von zwei weiblichen Figuren; neben ihnen zwei kleine Schrifttafeln mit:
CLEALTVS und GVST . . . Auf dem Gesims steht ein Aufbau mit dem von
zwei Löwen gehaltenen Stadtwappen — rechts und links neben den Löwen
leere Kartuschen — oben abgeschlossen durch ein horizontales Gesims. Darüber
die Inschrift: CONSVLE DASSELIO SANCTO STATVENTE SENATV |
EXSTRVCTA EST GAZIS HAEC APOTHEKA SVIS HERBAE ET SVCCI
*) Die Lünebarger Apotheken befanden sich bis gegen Ausgang des Mittelalters im
Privatbesitz. Ein Apotheker Hinricas besaß im Jahre 1294 ein Haus am Cyriakskirchhof ;
ein anderer desselben Namens wurde 1358 Bttrger und Mitglied der Kramerinnnng; Meister
Olrik, Apotheker, erwarb das Bürgerrecht 1879; in demselben Jahre gehörte ein Haus am
Neumarkt dem Apotheker Johann Slichting; 1897 wird „apteker Wilhelm" genannt, als
Gläubiger Herzog Bernds-, der Apotheker Laurentius Lodewici kaufte sich 1409 an der
Großen BSckerstraße an. Als der Apotheker Mathias van der Most gestorben war (am
30. Nov. 1475), brachten seine Testamentsvollstrecker Verhandlungen zum Abschluß, die von
den Bürgermeistern schon mit Mathias selber angeknüpft waren, und seine Apotheke —
Haus, Hof und alles Zubehör, alle Materialia, die ^^moszerbussen", Kannen, Kruken und alle
Gerätschaften — ging für 1650 Mk. in das Eigentum der Stadt über. Fortan wurde die
Apotheke von einem besoldeten „Ratsapotheker" verwaltet, dem ein Ratsausschuß, bestehend
zumeist aus einem Bürgermeister und zwei Ratmannen, als Aufsichtsrat übergeordnet war.
In jener Zeit scheint nur mehr Eine Apotheke (an der Großen Bäckerstraße) bestanden zu
haben. Später unterhielt die Stadt deren mehrere, die in Pacht vergeben wurden ; 1710 gab
es eine große und eine kleine Apotheke, welch letztere bald wieder einging. Von einer
neuen Apotheke, die 1731 versteigert wurde, hieß es, sie sei der alten zu nahe angelegt,
woraus sich tausenderlei Unzuträglichkeiten ergeben hätten. Der noch jetzt sog. Rats-
apotheke an der Großen Bäckerstraße hat sich die Stadt 1827 wieder entäußert. Ober die
Baugeschichte des nach Abbruch der alten Apotheke im Jahre 1598 neu erstandenen
Hauses enthält das „Registrum bonorum apothecae" mancherlei Nachrichten; die Steinhauer-
arbeiten aus „Bukenborger" Material lieferte Meister Märten (Köhler).
^4 344 S^
VARIA ET MEDICAMINA PROSTANT QVAE NVMERO HIPPOORATBS VEL
PARACELSVS HABET AST IN PIXIDIBVS CERTAM SPBM PONERB VITAE
NON TVTVM A SVMMO VITA PETENDA DEO EROO CHRISTE PA VE
NATVRAE SVFFICE VIRES SENTIAT HING VIRES VT MEDICINA SVA.
Flg. ist. GroBe BKckenlrtfi« t; Portal
^^ 345 S->-
An der Seite nach der Apothekenstraße unter der Da«bkante Bogen-
stelltingen mit Taustabfries. Am Ende eine bemalte Sandsteinplatte mit der
Zahl 1598. Der Hofgiebel folgt im Umriß der DacMorm.
Flg. 1S2, OroSe BiekeratraBe 30i Portal.
Ein jetzt verputzter Giebel mit neun Staffebi. In fünf zugemauerte Große Bäcker-
Öffnungen sind später Ehewappen mit Inschriftband darüber eingesetzt Die * * '
Wappen gehören den Familien: Tobing-DÖring, Düsterhop-Kruse, Töbing-Döriog,
Düsterhop-Döring, Töbing-Schomaker. Das schöne Portal (Fig. 132) wird ein-
->4 34ti S^
gefaßt von zwei korinthischen Säulen mit ornamentierten Schaftunterleilen, die
auf Postamenten mit Löwenköpfen stehen. Die Öffnung ist rundbogig. In iea
Bogenzwickeln liegen geflügelte weihliche Figuren. Hinter den fretstehenden
Sauten befinden sich flache Nischen mit muschelartigem oberem Abschluß. Das
, OnpangieBerstriBi S; Trspi».
-!-S 347 8-^
Gebälk ist über den Säulen verkröpft und trägt Löwenköpfe, in der Mitte die
Jahreszahl 1606.
Ober dem zweigeschossigen Unterbau erhebt sich ein neunteiliger Giebel, Bardowicker-
dem jetzt die Staffeln fehlen. Eigenartig wird der Giebel dadurch, daß im * '* *
mittleren Felde die gekuppelten Nischen der Staffeln wiederkehren und zwar in
jeder horizontalen Giebelabteilung in Höhe der Staffeln. Das Portal ist rund-
bogig mit schrägen Gewänden. Von den Gewänden und Bogenquadern ist einer
um den andern mit einem flachen Ornament bedeckt Der Schlußsteinquader
zeigt- außen in der Gebäudeflucht erhaben gearbeitet das Wappen der Töbing,
in der Leibung die Jahreszahl 1631, die beiden Bogenquader die Wappen der
Töbing uud der Dassel.
Onpei^laSerstrala IS.
Siebenteiliger Giebel jetzt nur mit Mittel- und Endstaffeln. Friese von Bardowicker-
Taustäben eingefaßt. "^^^^ *'
Der siebenteilige Giebel hat seine Staffeln verloren. Im dritten Geschoß Am Berge 7.
Bogenblenden. Ais Profile werden viele Tausteine verwendet.
Siebenteiliger Giebel. Portal mit Rundbogen. Zu dem Hause gehört Am Berge 44.
ein malerischer Hof (Ricks Hof),
Zweigeschossiger Bau mit fünfteiligem Staffelgiebel. Brodbänkea e.
Siebenteiliger Giebel. Friese geputzt, mit Nasensteinen eingefaßt Im Grapengie&er-
Erdgeschoß eine schön geschnitzte Treppe; das Geländer wird von schweren Straße 3.
Akanthusranken gebildet, auf dem Pfosten steht eine Figur mit Palme und
einer durch zwei Wappen geteilten Kartusche, darunter „Anno 1699" (Fig. 133).
Siebenteiliger Giebel über Dielen- und Bodengeschoß mit niedrigen Grapengiefier-
Blenden, jetzt ohne Staffeln, mit Verwendung von Tausteinen. straße 15.
An der Seite nach der Kuhstraße im Bodengeschoß eine Reihe von
spitzbogigen Öffnungen mit Kehlprofil, darunter ein durchgehendes Gesims aus
Nasensteinen (Fig. 134).
*« 348 S*-
Grapengießer- Fünfteiliger Giebel auf dreicescbossiifem Unterbau.
Straße 17.
Orapengiefier- Doppelhaus mit siebenteiligem Giebel über einem Dielengeschoß. Einige
Straße 27/28. Nischen sind vermauert Die nebeneinanderliegenden Portale sind spitzbogig
überwölbt
Heiligengeist- Siebenteiliger Giebel, dem jetzt die Staffeln fehlen, über Dielengeschoß,
* ' * mit reicher Verwendung von Tausteinen. Überleitung zur folgenden Giebelfomi.
Flg. ISS. Am lUrkU 5; Btnckdecka
in den Staffeln über den kleinen gekuppelten Nischen Kreise und Taustäbe mit
farbig glasierten Medaillons. Auf der Spitze eine Wetterfahne mit: PAR 1806.
Cber einem Dielengeschoß gut erhaltener siebenteiliger Giebel mit
ausschließlicher Verwendung des Tausteines.
Auf hohem Dielengeschoß mit zwei Utluchten und eioem darüber
liegenden Wohngeschoß, mit sechs Bogenblenden ein neunteiliger Giebel mit
teilweiser Verwendung von Tausteinen, jetzt ohne Staffeln.
Siebenteiliger Giebel mit Tausteinen über Dielen- und Bodengeschoß, mit
Bogenblenden, ohne Staffeln.
-H 349 g-^
Giebel mit sieben Staffeln, die Bogenblenden gegen die Staffeln vertikal Auf äem
versetzt, gut erhalten; die danebenliegende Durchfahrt mit kleinem dreiteiligem *"
Giebel überbaut. Friese mit Taustäben. Am Giebelfuße vier Ankersplinte, die
die Jahreszahl 1646 bilden. Das Portal geschlossen mit Korbbogen, darüber
farbige Sandsteinkartusche mit zwei Wappen, einem Bibelspruch und den
Buchstaben: L. M | A. C. M. VXOR; neben den Wappen die Zahl 1646
und RENOVATVM 1777. Auf der Giebelspitze eine eiserne Wetterfahne
mit Hausmarke und der Jahreszahl 1646. Das Haus hat gotischen Grundriß.
Fl(c- 13«. Am tUrkta &i Stackdaoka
Fünfteiliger Giebel mit Taustabfriesen und Kreisen, Übergang zur nächsten Kanfhaua-
Giebelform. Unter dem Giebel Blenden. Bingangstür aus dem 18. Jahrhundert, * ■* ® ■
mit Messing-Türklopfer.
Neunteiliger Giebel auf viergeschossigem Unterbau, mit Friesen von Am Markte 6.
Tausteinen. Die Staffeln sind mit Steinplatten abgedeckt Das Gebäude ist
das höchste mittelalterliche Wohnhaus der Stadt. Im Obergeschosse befindet sich eine
schöne Stuckdecke, die früher ungeteilt den Abschluß eines großen Saales bildete
(Fig. 135 und 136). Die Fläche wird geteilt durch viereckige Felder, zwischen
denen grol^s flaches Scbneckenomament liegt. Die Felder sind ausgefüllt mit
-^ 350 i^
plastischen teilweise unterarbeiteten Darstellungen aus der griechischen Götter-
geschichte und den zugehörigen Inschriften: Mars (Fig. 136), Luna, Jupiter (Fig. 135),
Saturnus, Venus, Merkurius.
Auf dem Giebel mit fünf Staffeln auf glattem Unterbau, ohne Friese. Die Blenden
^^^^ • sitzen unregelmäßig in der Giebelfläche. Das spitzbogige Portal hat dreifaches
Gewändeprofil.
^kirche 4, ^ Fünfteiliger Giebel über zwei Geschossen mit Priesen aus Taustaben.
Bei d. Michaelis- ^^ hohem Dielengeschoß siebenteihger Giebel mit Friesen aus Taustaben.
Salzstraße 19. Der große neunteihge Giebel steht auf einem dreigeschossigen Unterbau,
dessen oberes Geschoß vier Blenden zeigt (Fig. 137). Die horizontalen Friese
werden von Taustäben eingerahmt und enthalten Steinmuster in Fischgrätenfonn.
Der gotische Grundriß ist erkennbar, die Küche hegt an der alten Stelle. Im
hinteren Teil ist ein Ständer erhalten, der unter dem Kopf band in Form einer
korinthischen Säule mit Kapitell und Basis ausgebildet ist und in der Mitte ein
bandartiges Ornament mit vier Köpfchen zeigt. Die Kopfbänder sind profiliert,
die Enden des Sattelholzes geschnitzt. Unterzug und Deckenbalken sind profiüert,
die Deckenfelder dazwischen mit großem Rankenwerk grau in grau und gelben
Schatten bemalt Im Obergeschoß des Hofflügels ist der Rest einer bemalten
Decke, mit zwei von Rankenornament umgebenen Kreisen, erhalten. In den
Kreisen erscheinen zwei weibUche Halbfiguren, eine davon Justitia. Die Zimmertür
dieses Raumes ist im Stichbogen geschlossen und mit einem Konsolengesims
bekrönt. Auf dem Türflügel aufgelegte profilierte Leisten, die Füllungen ein-
schließen. Im oberen Felde die Wappen Töbing-Semmelbecker mit der Zahl 1563.
Der Teil des Flügels, in dem dieser Raum sich befindet, gehörte früher
zu dem weiter unten beschriebenen Fachwerkbau im Hofe Schlägertwiete 6.
Im Fußboden des Dachgeschosses ist die Jahreszahl 1612 eingeritzt In
der Diele befindet sich eine 2ümmertür mit verkröpften Füllungsprofilen aus dem
18. Jahrhundert.
Am Sande 6/7. Auf zweigeschossigem Unterbau siebenteiliger Giebel. Friese von Tau-
steinen eingefaßt Am Geschoß unter dem Giebel Stichbogenblenden.
Am Sande 13. Siebenteiliger Giebel auf glattem zweigeschossigem Unterbau.
Am Sande 20. Schmaler fünfteihger Giebel auf hohem Unterbau. Friese von Tau-
stäben eingefaßt.
Ob. Schrangen- Der Giebel ist jetzt verputzt, läßt aber die alte siebenteilige Anlage
^ "^^ ^ noch erkennen. Vier, wahrscheinUch spätere Ankersplinte im Giebel bilden die
Jahreszahl 1658. In der verbauten Diele befindet sich eine Treppe mit
geschnitzten Anfängern. Einer derselben hat die Inschrift: -A- 0-1702.
Giebelfarm riL Die letzte Form der Giebelausbildung ist eigentüch nur eine reichere
Behandlung der vorhergehenden, deren Grundlagen beibehalten werden, aber in
überreicher Ausstattung. Der Taustein wird fast ausnahmslos verwendet, auf
die Pfeiler werden Taustäbe aufgelegt, die auch die Bögen begleiten, Vierecke
in den Giebelstaffeln und Kreise in den Friesflächen bilden. Das Ganze schließt
sich zu einem Bilde sinnverwirrenden Reichtums, der sich auch auf die danmter-
Fig. IST 8>iutnA« V.
->^ 352 8-5-
liegenden Geschosse erstreckt und in seiner malerischen Schönheit im jetzigen
Zustande verstärkt wird durch meist zwei Utluchten zu beiden Seiten des eben-
falls von Tausteinen eingerahmten Portales. In den Kreisen aas Taustaben
erscheinen farbige Medaillons, Brustbilder in Patrizier- und antiker Tracht oder
biblische Szenen darstellend. Diese Giebelbauten sind gegen die zweite Hälfte
des 16. Jahrhunderts entstanden. Mit ihnen ist die gotische ÜberUeferung und
ihre Ausbildung am Ende, wie auch das größte Kunstzeitalter Lüneburgs.
LUnerstraße 3. Dreigeschossiger Bau mit fünfteiügem Giebel. Im zweiten Geschoß senk-
recht aufgelegte Taustäbe, Friese und Kreise, im dritten Geschoß vier Stich-
bogenblenden. Letzteres und der Giebel ganz mit dunkel glasierten Taustaben
verziert. In den Kreisen bunt glasierte Köpfe. In der untersten Kreisreihe bunt
glasierte Darstellungen aus dem Leben Simsons: 1. Simson mit den Palasttüren,
2. Simson im Schöße Delilas, 3. Simsons Kampf mit dem Löwen. Im Erd-
geschoß besitzt ein Raum eine Wandvertäfelung aus dem Ende des 16. Jahr-
hunderts. Auf den Rahmen liegen flache ausgesägte Ornamente, der Abschluß
unter der Decke wird gebildet durch Architrav, Fries und Gesims mit Eierstab.
Lünertor- Auf glattem zweigeschossigem Unterbau mit Utlucht siebenteihger Giebel
* '* ^ ' ohne Medaillons. Im Erdgeschoß eine einfache Stuckdecke.
LUnertor- Die ganz erhaltene mittelalterhche Giebelseite gehört zu den schönsten
Lüneburgs (Fig. 138). Das hohe, jetzt zweigeteilte Dielengeschoß hat zwei
Utluchten mit gebogenem Kupferdach, zwischen ihnen liegt das spitzbogige
Portal mit Tausteinprofilen. Über diesem Geschoß baut sich ein niedriges
Bodenstockwerk mit fünf Stichbogenblenden, deren Pfeiler mit Taustäben besetzt
sind, auf. Darüber, am Giebelfuß, durchgehender Fries, in den Bogenzwickeln
der Blenden Kreise. Der reich mit Taustäben besetzte Giebel ist siebenteiÜg.
In den Kreisen farbig glasierte Medaillons mit Köpfen. Der gotische Grundriß
mit der großen Diele an der Ecke nach dem Werder ist deutiich erkennbar.
Die innere Längswand der Diele ist mit Kegelmustern ausgemauert. Die Küche
liegt an der alten Stelle. Ein Ständer der Längswand gotisch profiliert An
der Rückseite hinter der Küche Spuren einer gemauerten Wendeltreppe. Die
Haustür aus dem 18. Jahrhundert ist mit geschwungenen aufgelegten Profilen
und schönem Messing-Türklopfer verziert. Der Messing-Türgriff stammt aus der-
selben Zeit. Im Innern des Hauses befinden sich mehrere Türgriffe aus der
Empirezeit.
Am Sande 1. Auf dreigeschossigem Unterbau erhebt sich der schöne Giebel mit sieben
Staffeln, die beiden oberen Geschosse sind außen gekennzeichnet durch Stich-
bogenblenden, in denen die früher viereckigen Fenster saßen (Fig. 139). Alle
Pfeiler sind mit Taustäben besetzt, die Friese von denselben Steinen eingefaßt
In den Bogenzwickeln der Geschoßblenden imd in den Friesen des Giebels
Kreise, von Taustäben eingerahmt und von farbig glasierten Medaillons
ausgefüllt. Im Giebel fehlen die Medaillons, die über den Blenden des zweiten
Geschosses farbig glasiert die Geschichte Simsons darstellen, in denselben Formen
wie am Giebel Lünerstraße 3. Das hohe im gedrückten Spitzbogen geschlossene
Portal hat Gewände von Tausteinen. Zu beiden Seiten je ein Kreis mit farbig
Flg. 13». Am Saoda l
-^ 354 8^
glasierten Löwen. Über der Spitze eine Platte mit der Zahl 1548 und zwei
Gestalten. An der Seite nach der Grapengießerstraße setzt sich die Blenden-
architektur mit den Medaillons fort. Das Gebäude ist im letzten Jahrzehnt des
19. Jahrhunderts umgebaut worden»
Am Sande 2. Unterbau von derselben Höhe und ebenso ausgebildet wie beim vorher-
gehenden Bau. In den Medaillons wieder die Geschichte Simsons. Der Giebel
ist wahrscheinUch später verändert; er zeigt jetzt eine hohe untere Staffel-
abteilung mit fünf Spitzbögen und drei kleineren Staffeln.
Am Markte, Ein Giebel, der zu keiner der besprochenen Formen, wenigstens nach
Münze 15. seiner Wiederherstellung, gehört. Er trägt in der Spitze die Inschrift: „Anno
domini MDLX. Renovatum anno domini MDCCC XXXXVI", und ist in senkrechte
Streifen geteilt durch Pfeiler, deren Kanten mit tauf örmigen Rundstäben besetzt sind.
Diese Pfeiler enden Jetzt in Obelisken und Kugeln über der Dachlinie und
stehen auf Konsolen. Horizontale Teilungsgesimse sind um die Pfeiler gekröpft
Zwischen den letzteren kleine gekuppelte Fenster. Der Umriß des Giebels
besteht aus Schneckenlinien, die aber der Wiederherstellung angehören. In den
Brüstungen sitzen hervortretende Köpfe. Am Erdgeschoß sind zwei Wappen der
Glöde und Brömse erhalten, die Schilder werden von Putten gehalten. Im
Obergeschoß befinden sich einige Stuckdecken aus dem 18. Jahrhundert.
Reste. Von allen Giebelformen sind verbaute Reste an vielen Gebäuden der
Stadt erhalten.
Neben den Backsteingiebelbauten erscheint ein Giebelhaus, dessen
Entstehungszeit in das 16. Jahrhundert fällt und bei dem einzelne Teile aus
Sandstein hergestellt worden sind.
Am ^ ^ Hervorragend sind an diesem Hause Giebel und Portal behandelt Der
Giebel (Fig. 140) hat die Grundform des Staffelaufbaues. Die Fläche ist glatt,
von einigen Bsicksteinbändern durchzogen. Die Öffnungen sind regelmäßig
verteilt und mit Stichbogen geschlossen. Auf den Staffeln liegen als Übergang
zur Senkrechten der nächsten Staffel Bildwerke aus Sandstein in Form von
Delphinen. Unter den die Umrißlinie bildenden Delphinen der beiden unteren
Staffeln hegen wieder Delphine, auf denen Putten reiten. In Schwanzhöhe der
oberen Delphine erscheinen Konsolen mit Engelsköpfen. Die mittlere Staffel
ist bekrönt von einem Gebälk mit Frontgiebel. Die Öffnungen im Giebel sind
mit Holzklappen geschlossen, auf denen kaum sichtbare Rautenornamente und
Wappenumrisse erscheinen.
Das Portal (Fig. 141) hat schräge Leibungen mit flachen runden Nischen
und unteren Sitzkonsolen. Der obere Abschluß der Nischen ist muschelförmig,
darüber wird in den schrägen Flächen der Leibung auf jeder Seite ein Rahmen
von sich überschneidenden Rundstäben gebildet, in welchem links das Wappen
der Witzendorf, rechts das der Haker sitzt (Hartwig von Witzendorf j 1569,
seine Frau war Beata Haker.) Der Sturz der Tür wird durch ein gerades
Gebälk gebildet. Am Flügel an der Barmeisterstraße ist das obere Geschoß
Ochsenmarkte 1.
durch SüchbogeDblendeii betont Die Rückseite im Hof zeigt im Obergeschoß
Facbwerk mit zehn Gefachen, dessen Flächen mit Backsteinen in Mustern aus-
gesetzt sind. Die Fußbänder sind mit Ringen und Fächeromament geschmückt,
Füllhölzer und Unterkante Schwelle profiliert, die Schwelle hat schräglaufendes
Perlenomament Die Konsolen sind im Renaissancecharakter profiliert Der
gotische Grundriß mit der Küche an der alten Stelle ist erkennbar. Die große
Diele hat später eingebaut« umlaufende Galerien. Die Treppenptosten sind in
Form von sitzenden Löwen geschnitzt.
17. Jahrhundert. Mit dem 17. Jahrhundert wird der überlieferte Stiiffelgiebel gänzlich
verlassen und die geschwungene Linie, oft in Schneckenform, für den Giebel-
umriß aufgenommen. Derartige Giebelbauten werden auch im 18. Jahrtumdert
noch ausgeführt
Unt. SchrftD^eo- Der hervorragen dst« Bau dieser Form ist durch die Wetterfahne mit der
Bttsße 4. Jahreszahl 1617 bestimmt (Fig. 142). Das Portal ist rundbogig, mit schräger
tllillllMI 1 1 »-
Flg. Ml. IInl«re etbnnganstnB« l.
hh8 358 iH>-
Leibung und einfachem Schlußstein. Am Giebelfuß ein wenig vortretendes
Backsteinband. Darüber baut sich der einen halben Stein zurücktretende Giebel
mit geschwungenen, unten in großen Schnecken endigenden Umrißlinien auf.
In der Mitte ist die Fläche des Unterbaues bis zur Giebelspitze durchgeführt
und bildet eine Vortage mit seitlichen kehlenartigen Anlauf ern, die eine Bekrönung
mit rundem Abschluß trägt Alles ist aus Backsteinen hergestellt. Auf dem
runden Abschluß ist eine eiserne Wetterfahne mit kupferner Kugel und Hansa-
kreuz an der Spitze angebracht. Die Wetterfahne enthält neben der Zahl 1617
ein Wappen mit Hausmarke.
Am Sande 16. Hoher Bau mit willkürUchen Schneckenlinien, die auch über dem Nebenbau
mit der Durchfahrt sich fortsetzen. Eingangstür aus dem 18. Jahrhundert, zwei-
flügelig mit aufgelegten Profilen und geradem Kämpfer. Im TüroberUcht ist
eine Laterne eingebaut. Der gotische Grundriß ist, lang nach hinten gezogen,
noch erkennbar, mit der Küche an der alten Stelle. Erhalten ist ein starker
Eichenholzständer, der vielflächig abgeplattet, als Säule wirkt, mit reich profiliertem
Kopfband. Vor der Haustür- stehen zwei halb zerstörte gotische Beischläge mit
den Wappen der Famihe Wülschen und zwei Darstellungen des St Georg und
der Maria mit dem Kinde. (Abbildung in dem Jahresberichte des Lüneburger
Museumsvereins 1899—1901).
Ähnliche Bauwerke stehen noch: Untere Schrangenstraße 13, am
Sande 3, 11, 22, Große Bäckerstraße 6, 18, Heiligengeiststraße 10, 27, Altstadt 32
(mit der Inschrift: CUM DEO EXSTRVCTUM ANNO 1749, R 18 .... undeutiich,
neben einem Wappen).
18. Jährhufidert. In späterer Zeit, wahrscheinlich schon am Ende des 17. Jahrhunderts,
in der Hauptsache aber wohl im 18. Jahrhundert, entstehen die zahlreichen
Giebel, die sich der Dachlinie anschließen, am Giebelfuße je ein Ohr mit vertiefter
Füllung haben und deren Spitze mit einem gemauerten Frontgiebel bekrönt ist
Diese Giebel treten last immer an Stelle von älteren, die schadhaft geworden
waren. Oft sind auch die Häuserfronten im ganzen in jener Zeit erneuert
worden, während dahinter der alte Bau erhalten blieb.
Bei d. Johannis- Dsis stattUche Gebäude ist das Haus des Bürgermeisters Domkrell. Im
irc e Flügel befindet sich ein großer Saal mit Vorzimmer. Beide Räume haben
Stuckdecken, teilweise ornamentiert Ober der Tür des Vorzimmers ist eine
Sandsteinplatte mit den Wappen Domkrell-Dohmsen und der Inschrift: JOHAN:
GEORG : DORNKRELL/VON EBERHERTZ : ANNO 1696 : SEN. MAGDALENA:
DOHM=. eingemauert. Bemerkenswert ist die schöne zweiflügelige Haustür
aus dem 18. Jahrhundert.
Am Sande 12. Die ganze Hausfront ist erneuert. Der Grundriß ist gotisch, bis vor
kurzem lag die Küche an der alten Stelle. Im hinteren Teile Reste einer
steinernen Wendeltreppe, Im Plügelbau, der jetzt eingeschossig ist, sind einige
Gipsdecken und Türen aus dem 18. Jahrhundert erhalten, femer ein Wandschrank
und ein Stück Vertafelung aus dem 16. Jahrhundert. Im jetzigen Dachgeschoß
des Flügels befinden sich Reste eines Kamines und ein Ziegelsteinfußboden, die
den ehemals hier liegenden Saal schmückten.
I I M I I Mt I I I
FIk. M. Am Sande Sl ; HaDStAt.
-^
Ebenfalls noch mit dem gotischen Grundriß und der Küche an der alten Am Saude 31.
Stelle. Die Eingangstür aus dem 18. Jahrhundert ist zweiflügelig und hat auf-
gelegte geschwungene Profile in der Türfüllung (Fig. 143). Der Kampfer ist
gerade, der Messingdrücker aus der Empirezeit Die innere Einrichtung der
^ — '^ — ^ — »1=.
Flg. IM, Am Bud« Sl ; Zlnunerdcek»
-<-g 361 8-^
Diele stammt aus dem 16. und 18. Jahrhundert; die Balken sind mit Gipsprofilen
versehen, an den Wänden erscheint ein flacher Gipsfries. Zu den Zimmern neben
der Diele führen drei Türen mit schönen Umrahmungen, bestehend aus korinthischen
Pilastem mit Postament und Gebälk mit Masken. Zwei dieser Türen mit einem
gebrochenen, runden Giebelgesims, in dessen Mitte auf Postamenten mit Masken
Büsten standen. Der massive Flügelbau ist zweigeschossig mit Resten von Spitz-
bogenblenden im Obergeschoß. Am hinteren Ende der Außenseite, offenbar einer
späteren Verlängerung des Flügelbaues, sind vier Wappen angebracht, und zwar
die des Erbauers Leonhard von Mver und seiner ersten Frau Anna von Laffert
mit der Jalireszahl 1572 imd die seiner beiden anderen Frauen Gatharina
Köpping und Elisabeth Stüver mit der Jahreszahl 1588. Das Erdgeschoß dieses
Flügels enthält eine schöne Zimmerdecke (Fig. 144), deren Balken mit Triglyphen-
gesimsen und Füllungen verkleidet sind. An der Wand erscheint zwischen den
Balken ebenfalls das Triglyphengesims. Gesimse xmd Rahmenprofile sind mit
Eierstäben geschmückt Die Rahmen der Balkenverkleidung haben gebrannte
Elinlagen, die Füllungen der Felder eingelegte Linien.
Gotischer Grundriß. In der Diele befindet sich eine Fensternische, die Am Sande 4a
mit kleinem Kreuzgewölbe, dessen Rippen aus Gips gezogen sind, überdeckt ist.
Der vordere Bogen, in Ejelbogenform geführt, zeigt an der Unterseite eine Hänge-
kante von halben Dreipässen imd auf den Profilschrägen Krabben; er ruht auf
Konsolen, auf denen ehemals Fialen standen. Die Spitze ist mit. einer Kreuz-
blume bekrönt ADe Teile sind aus Gipsmörtel hergestellt.
Der gotische Grimdriß und die Diele mit dem großen Fenster sind Grapengießer-
erhalten. Die Eingangstür aus dem 18. Jahrhundert ist zweiflügelig, mit auf- ßtraße 2.
gelegten, geschwimgencQ Profilen und Sockel. Über dem geraden Kämpfer
schönes Rokokooberlicht. Der alte Messingdrücker ist noch vorhanden.
Reihenhäuser.
Die Reihenhäuser werden in der Hauptsache wohl erst im 16. Jahr-
hundert und später ausgeführt worden sein, mit Ausnahme kleiner Häuser an
Nebenstraßen. Zu letzteren mag das in der Rothehahnstraße 6 erhaltene Haus
gehören. Die Reihenhäuser werden meist nur im obersten Geschoß, unter der
Dachkante, mit einer Reihe von Stichbogenblenden versehen, in denen die vier-
eckigen Fenster sitzen. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhxmderts folgen dann
reichere Ausbildungen, z. T. mit Verwendung von Sandsteingliederungen.
Ehemals einheitliches Haus mit Stichbogenblenden, von denen sechs Auf der Altstadt
erhalten sind. Unter der Blendenreihe eine Steinplatte, von Tausteinen umrahmt, ^> *^» ^'
mit zwei Wappen, darunter AÖDOMINI • 1588.
Über die Erbauung des Hauses Große Bäckerstraße 26 (Ecke der Münz- Große Bäcker-
straße) schreibt der Chronist Hammenstedt (nach 1680) zxmi Jahre 1509 «traße 26.
folgendes : „her Luedtke van Dassel, der nhunmher reich und stadtlich bogudert
durch den saltzkauf, haet gebauwet das schöne haus in der Beckerstraten,
welkes aJhie an der Muntstraten bolegen, sampt dem gantzen ohrde die lenge
46
-^ 362 8^
in der kleinen gassen hinaus und dem gemeinen stoven [der öff. Badestube], wie
noch zu besehende, ... er haet auch in seinem burgermeisterstande das beihaus
gekauft und bawen lassen — das sprenk van hauwen stein an seiner haustur
sol derzeit gestanden haben 500 M. lub. Er war ... ein Zuflucht aller frommen
leut, der sich auch vihl gunst und guten willen machte bei hem, fürsten imd
vam adel, und die so hier ankemen, mit Weinschenken und gestereien in seinem
hause auf seine selbst unkost zuweilen stahtlich hat thun verehren . . .und gibt
auch das gebeuw seines hauses in der zeit hernach seine geschickUcheit daraus
sonderlich wol zuvomhemen, weillen er und de Vischkulen bei der Bohmkule
ihren standt imd vormugent daran trefflich beweiset; und dergleichen ander,
als her Heinrich Garlopen, her Nicolaus Stoterogge und her Frantz Weitzendorpf ,
alle drei bürgermester, sein folgendes bei meiner zeit nachgefharen, als nur die
fumhemesten in dergleichen gebeuwen aufzurichten." Die Stelle ist trotz ihrer
sprachlichen Ungeschicklichkeit ein schöner Ausdruck des Bürgerstolzes aus
Lüneburgs prächtigster Bauperiode.
An der Seite nach der Münzstraße Stichbogenblenden in verschiedenen
Geschossen, mit Tausteinen am Flügelbau. In einer Blende am Hauptbau zwei
gekuppelte kleine Öffnungen mit Pfostenprofil. Über dem Erdgeschoß befindet
sich ein gotischer Plattenfries mit Blättern, die sich um einen Stab schlingen,
eingefaßt von Nasensteinen, unter der oberen Blendenreihe ein Fries aus
Vierpaßsteinen. Im Erdgeschoß des Flügelbaues sind profilierte Balken sichtbar.
Die Fensternischen im Innern sind mit Tausteinen eingefaßt. An der Rückseite
des Hauses ist ein Giebel erhalten, der jetzt der Umrißlinie des spitzen Daches
folgt. Die Fläche ist durchbrochen von kleinen, mit Tausteinen profilierten
Lichtöffnungen. Auf den so gebildeten, abwechselnd mit Glasurschichten
gemauerten Pfeilern sitzen lotrechte Taustäbe, in den* Brüstungen Friese, von
Kreisen unterbrochen. Am Giebelfuße endigen die Friese auf beiden Seiten in
gemauerten Schilden. Im Hofe werden einige große Wappen aufbewahrt,
Schilde, die von je einem Greifen gehalten werden und offenbar zu einem
großen Portalschmuck gehört haben; sie stellen die Wappenbilder der Dassel
und Stoterogge dar. Eine Christophorusfigur gehört wohl in die obere
Giebelnische.
Bardowicker- Ein ehemaliges Patrizierhaus mit glattem, von Stichbogenöffnungen und
zwei spitzbogigen Portalen belebtem hohen Untergeschoß (Fig. 145). Die Portale
und das mittlere große Tor sind von Tausteinen eingerahmt Die beiden Ober-
geschosse sind durch senkrechte, ein Stein breite Tausteinpfeiler in sieben Felder
geteilt, in denen die Stichbogenöffnungen sitzen. In Brüstungs- und in Balken-
lagenhöhe laufen Steingesimse durch, die um die Pfeiler verkröpft sind. In die
so gebildeten Brüstungsfelder sind stark vortretende Köpfe gesetzt, im mittleren
Felde erscheinen zwei Schriftplatten mit aufgerollten Rändern. Die untere
Platte hat die Inschrift: ANNO MDLIX; die obere: RENOVATÜM ANNO
MDCCCLXXX. Das Dachgesims ist, wie überhaupt die ganze Front, bei der
Renovierung verändert. Im Erdgeschoß sind vier Kreise mit Wappen angebracht«
Die beiden äußeren sind Ehewappen, links Witzendorf -Stoterogge, rechts
L
-^ 363 i^
Garlop-Bardewick. Die mittleien Wappen neben dem Tore [geboren links der
Familie Witzendorf, rechts der Familie Garlop.
Ober dem Tore befindet sich eine unerklärte kleine Steinplatte mit der
Darstellung eines Mannes mit Löffel und der Umschrift: DER KO(C)H ANNO
DOMINI 1559, darüber ein kurzes Gesims mit zwei Köpfen. Von der inneren
Teilut^ ist nichts mehi vorbanden.
Am Berge 37. Patrizierwohnhaus von 1568. Die Durchfahrt ist besonders behandelt
rundbogig überwölbt und flankiert von zwei kannelierten dorischen Halbsäulen
Fig.lU. Am Berge »1 Portal.
mit TriglyphengebäJk und Frontgiebel. In letzterem das EJhewappen Mutzeltin-
Töbing. Am Schlußstein des Bogens eine Maske. Die Hausecken sind betont
durch zwei hohe kanneUerte dorische Halbsäulen mit rundem Abakus. Vom
Oebälk ist nur das Gesims erhalten, das über den Säulen verkröpft ist und hier
einen Kugelaufsatz trägt Die schöne Haustür ist rundbogig überwölbt (Fig. 146).
i- I
-^>^ 366 8-5-
Zu beiden Seiten stehen hermenartige Karyatiden, die aus, nach unten sich
verjüngenden Postamenten mit Früchten und Laubwerk herauswachsen und
Fruchtkörbe tragen, auf denen das Gebälk liegt. Der Fries ist mit Löwen-
köpfen besetzt Über den Karyatiden ist das Gebälk verkröpft und trägt
im Fries die Jahreszahl 15-68. Auf diesen Verkröpf ungen stehen zwei
Figuren, Friede und Gerechtigkeit, mit ihren Emblemen. In den Bogen-
zwickeln die Wappen Mutzeltin und Töbing. Das Gebäude hat noch den
gotischen Grundriß, stark verbaut, mit der Küche an der alten Stelle und einer
aus Backsteinen gemauerten Wendel-
treppe dahinter. Am Äußeren des Flügel-
baues zeigen die beiden oberen Geschosse
Stichbogenblenden, eingefaßt von Rund-
ecken, die abwechselnd braun glasiert
sind (Fig. 147). Die Fenster in den Blenden
sind ebenfalls stichbogig geschlossen. Im
oberen Geschosse sind noch die alten
Fensterrahmen mit ihren profilierten und
am Fuße geschnitzten Pfosten (Fig. 149)
erhalten. Im Fußboden des Flügels liegen
hier grün glasierte viereckige Platten, im
Flur des zweiten Obergeschosses steht ein
Kamin der von Tausteinen eingefaßt wird.
Von dem alten Saal, bei Mithof „Türken-
saal" wegen der früher an den Wänden
stehenden Karyatiden genannt, ist nichts
als ein Teil der Deckenmalerei, grau in
grau, und eine grobgeschnitzte, einem
Türken ähnelnde Herme erhalten. Im
Erdgeschoß des Vorderhauses befinden
sich einige einfache Gipsdecken; in einem
Zimmer des Obergeschosses ist noch eine
Decke mit rundem Gemälde erhalten.
¥ig. U9. Am Berge 87; FensterpfoBten.
Graalstraße 1.
Glocken- Durch Spitzbogenblenden geteilte
8 ra e un . g^raß^ufront mit mittlerer stichbogig
überwölbter Einfahrt und zwei Spitzbogentüren zu beiden Seiten. Über der
Durchfahrt fünf kleine Spitzbogennischen.
Angeblich altes Burgmannenhaus. Die Straßenseiten sind schmucklos,
Reste eines Frieses mit Fischgrätenmuster sind erkennbar. An der Schmalseite
ein Wappen (Fij?. 150) in ornamentiertem ovalem Rahmen mit Rollwerk und
der Inschrift: „FRITZE • VAN • DEM • BÄRGE • LEVEKE • HANE • V - D • M • I • E^*
(Verbum domini usw.) An der oberen Seite, schwach erkennbar; ANO- 1596(9).
Die Haustür aus dem 18. Jahrhundert ist zweiflügelig, hat gebogenen
schneckenförmig aufgerollten Kämpfer und Türfüllungen mit aufgelegten
gebogenen Profilen.
Das Obergeschoß hat fünf mit Tausteinen eingefaßte Stichbogenblenden, Heiligengeist-
deren Pfeiler mit Taustaben besetzt sind, die oben in Kreisen endigen. Unter
der Blendenreihe geputzter Fries mit Kreisen.
Flg. IM. OnalgtraSe l; Wkpptn.
Obergeschoß mit drei großen Blenden, deren mittlere gerade überdeckt Heiligengeist-
ist; die Pfeiler sind mit Taustäben besetzt. Der untere Pries endigt an der
Seite in Schilden, die mit Tausteinen eingefaßt sind.
Die Straßenseite läßt die Spuren von vier Stichbogenblenden mit Heiligengeist-
protiUerter Einfassung und einer hohen Haustür mit demselben Profil erkennen.
Im Flur eine Zimmertür mit gekröpften Füllungen und Omamentaufsatz, in dem
die Zahl 1666 steht Der Sturz der Tüizai^e hat feiaes Omameiit mit lang-
gezogenen Schnecken. Die gescbmiedetea Beschläge der Tür sind bemerkenswert
In einem Zimmer des Erdgeschosses 2,30 m hohe einfache Wandverkleidung,
im Obergeschoß Reste einer Wandvertäfelung aus dem 16. Jahrhundert und
eine einfache Wendeltreppe aus Holz,
Fig. ISl. LOiiergtraBe *:
-^ 369 g^
Dreigeschossiges Eckhaus mit Bogenblenden, die von glasierten Tausteinen Lünerstraße 9.
eingefaßt werden; die Geschosse sind durch Taustabfriese mit Kreisen getrennt
In einem der Kreise ist ein farbiges Medaillon mit Kopf erhalten.
Das jetzige Königliche Hauptsteueramt ist von Peter Böige als Bauherrn LUnerstraße 21.
erbaut worden. Peter dankte seine Wohlhabenheit dem Pleiße seiner Mutter.
Er wurde trotz wendischer Abkunft der Schwiegersohn eines Hamburger Bürger-
meisters, Vincent Müller, und ließ nach Hammenstedts Chronik in Hamburg
„allen Stein fertigen und hawen und hir anbringen^'. Peter starb jung; sein
Sohn Joachim, der nun in dem Hause wohnen „und keinen geringen staht und
ansehent sich mit seinem guthe machen" wollte, erlag der Pest bei den letzten
Vorbereitungen zur Hochzeit (1585 Mai 4).
Eigenartiges dreigeschossiges Eckhaus mit Architekturteilen aus Sandstein
(Fig. 151). Die Hauptfront nach der Lühertorstraße wird durch vier ornamentierte
dorische Halbsäulen, die auf Postamenten mit Löwenköpfen stehen, geteilt. Die
Säulen gehen durch die zwei unteren Geschosse. Auf dem Gebälk stehen vier
ionische Säulen, die das Obergeschoß teilen und in deren Gebälk die Jahreszahl 1574
angebracht ist. Die Seite nach der Kaufhausstraße wird durch sieben einfachere,
teilweise gemauerte Püaster in derselben Anordnung wie an der Vorderseite belebt.
Kleines gotisches eingeschossiges Haus mit Utlucht und einer die ganze Auf dem
Höhe des Hauses einnehmenden Tümische, in der die Spitzbogentür und darüber **®^^® ^•
zwei kleine öffnxmgen mit Stichbogen sitzen. Am später erbauten Dacherker die
Inschrift: JOHAN BERSSTEDT ANNO 1720.
Früheres städtisches Münzgebäude. Die beiden Obergeschosse des drei- An der Münze
stöckigen Hauses zeigen Stichbogenblenden, von glasierten Tausteinen eingerahmt "^
(Fig. 152 und 153). Im zweiten Geschoß wechseln die Stich bogenblenden mit
kleinen spitzbogig überdeckten Nischen, im oberen Geschoß liegen auf den
Pfeilern senkrechte Taustäbe, die unter dem Dach in Kreisen endigen. Zwischen
den Geschossen ein Taustabfries mit Kreisen xmd Fischgrätenmuster, an den
Gebäudeecken Schilde, von Taustäben eingerahmt In den Kreisen erscheinen
bunt glasierte Köpfe, in dem Kreis unter der mittelsten Nische Simson mit
dem Löwen.
Das eigenartige Haus ist an der Straßenseite mit Terrakotten geschmückt, Neue Sülze a
einer Verzierungsart, die sonst in Lüneburg nicht wieder vorkommt. Leider
sind nur Reste des bedeutsamen Schmuckes auf unsere Zeit gekommen, die
kein ursprüngliches Bild des Ganzen mehr geben. Das Haus wird jetzt durch
senkrechte Streifen von Omamentplatten geteilt, deren Anordnung aber nicht
die ursprüngliche ist. Diese Streifen sind unterbrochen von Medaillons. Einen
Begriff von der Feinheit und dem Reichtum der Ornamentik gibt der Schmuck
des Portals (Fig. 154), der im oberen Teile einigermaßen erhalten ist Zu beiden
Seiten der Tür standen Püaster mit ornamentierten Schäften, deren korinthi-
sierende Kapitelle in Resten noch vorhanden sind. Die Gesimse und der
Fries sind reich mit Blattwerk 'und leeren Schilden geschmückt. Die Zwickel
des Türstichbogens sind mit phantastischen Tierleibem ausgefüllt. Auf dem
Gesims baut sich ein rundbogiges, mit ornamentierter Sima eingerahmtes
47
-H 370 S«-
Bogenfeld auf, dessen Mitte ein Kreis mit sehr gut erhaltenem Brustbild in
Patriziertracht einnimmt. Die übrigen Flächen des Halbkreises sind mit fein
gezeichnetem Blattwerk ausgefällt. Der Kopf scheint Bildnis zu sein. An der
Seite des Gebäudes sind noch der Rest eines Gesimses und vier quadratische
Friesplatten vorhanden, die einen doppelköpfigen Adler, einen Greifen, ein
männliches und ein weibliches Brustbild zeigen. Zwischen den Streifen an der
Straßenseite sind Reste eines Fischgrätenfrieses sichtbar, an der Rückseite des
Hauses gotisch profilierte Konsolen unter dem Dach.
Seue Sülze 2K. An der Einfahrt des sonst schmucklosen Hauses sind die Kämpfer des
Korbbogens und der Schlußstein ornamentiert. In den Kämpf erquadem:
„Anno" „1706". Cber dem Scheitel des Bogens eine Steinplatte mit den drei
Wappen Laffert, Witzendorf, Dassel und der Zahl 1706. Im Flügel ein Zimmer
mit Wanddekorationen auf Leinwand, grau in grau, aus der Rokokozeit: in
Feldern, die durch gemalte Pilaster getrennt sind, erscheinen symbolische Figuren,
von Landschaften umgeben.
Zweigeschossiges gotisches Gebäude mit Resten von Spitzbogenöffnungen
im Erdgeschoß. Darüber liegt, dicht unter der Dachkante, ein gotischer Fries
mit überschlagenden Blättern, eingefaßt von Nasensteinen und unterbrochen
von viereckigen Fenstern.
-H 371 8^
Die beiden oberen Geschosse des vierstöckigen Baues sind belebt durch Roteetraße 6.
Blenden, die von Tausteinen eingerahmt werden und auf deren Pfeilern senk-
rechte Taustäbe sitzen. Die Geschosse sind durch Taustahfriese mit Kreisen,
in denen sich bunt glasiert« Köpfe befinden, geteilt. In der Mitte des unteren
Frieses die Jahreszahl 1553.
Flg. 1&3. Ad der Uüdm BA und 8B.
Das mächtige dreigeschossige gotische Gebäude ist im oberen Geschoß,
über einem von Nasensteinen eingefaßten und durch Schilde begrenzten Friese, '
mit wechselnden Spitzbogen- und Stichbogenblenden reich ausgebildet. Zu beiden
Seiten der mittleren Luke und an beiden Enden des Baues befinden sich spitz-
bogig überdeckte Nischen, zwischen denselben je fünf große Stichbogenstellungen
mit glasierten, gotisch profilierten Leibungen und Tausteinbögen. Im Geschoß
zu ebener Erde sind die Spuren vieler Türöffnungen erhalten, die die Eingänge
zu den Lagerräumen bildeten. Über diesen Eingängen eine Reihe kleiner mit
Stichbogen überdeckter Öffnungen. Das Innere ist in viele Böden eingeteilt, die
*""|> I I I I M I I I >
FIr. IS«. Sana B
-*-S 373 ä*-
darauf hinweisen, daß das Gebäude immer nur als Speicher gedient hat Es
gehört zum sogenannten Viskulenhof und war im Mittelalter Eigentum der
Familie Viskule.
An Resten ist erkennbar, daß die Straßenseit« in ganzer Höhe in Stich- Salzstnfie 17
bogenblenden geteilt war. In den Blenden sind Taustabfriese erhalten. Unter '"' ' '*"*'**'')•
dem Dache sitzen geschnitzte Holzknaggen.
Das zweigeschossige Haus ist in der ganzen Höhe durch Stichbogen- Unt Schrangen-
blenden mit Fasenprofi! geteilt Die niedrigen Fenst«r des Obei^eschosses ki^^efeä^ei^
sind gekuppelt (abgebrochen 1906). Btn&e.
Flg. ifS. SehrUarstrile is
In der Papenstraße ist eine Reihe kleiner Häuser erhalten, die noch
den gotischen Grundriß, oft mit Spitzbogentüren, zeigen. Femer sind einige
Häuser, deren oberes Geschoß von Stichbogenblenden belebt ist, vorhanden im
Hofe Grapengießerstraße 7 (Fig. 148), 10 und 41, Kaiandstraße 24, Kitterstraße 31,
Salzbrückerstraße 74, Salzstraße 8, Schröderstraße 16 (Fig.'löö), In der Techt 1.
Gebäude, an denen sich gotische ProfiUerungen befinden, bestehen noch Kaiand-
straße 32 und Neue Sülze 6 (letzteres mit einer Sandsteinplatte und der Inschrift:
HGVD, SM ANNO 1674), ohne daß damit die Reihe der Häuser mit derartigen
Schmuckformen erschöpft ist
Baoksteiabaaten im IB. Jahrhundwt.
Eine besondere Stellung nehmen die Backsteinbauten des 18. Jahr-
hunderts ein. Es herrscht in dieser Zeit, wie oben schon erwähnt ist, noch ein-
mal eine regere Bautätigkeit in Lüneburg, die sich in ganz bestimmten Formen
ausdrückte. Diese Formen werden sich entwickelt haben, darauf deuten Anfänge
bei den Giebelbauten des 17. Jahrhunderts hin. Etwa von Anfang des 18. Jalu'-
hunderts an bleiben aber die Architekturglieder dieselben bis zum Ende des
Jahrhunderts. Sie ahmen den Quaderbau der italienischen Renaissance im Back-
Bei d. Johaimis-
kirche 2,3,4.
->« 376 8^
aufgelegte gebogene Profile und Sprossenoberlicht. Erhalten sind Türklopf er und
Drücker mit Schlüsselschild aus Messing. Neben der mit Korbbogen überdeckten
Einfahrt sitzt eine Platte mit der Inschrift: „N. F. Peterson. Anno 1800'^ die
sich aber nicht auf die Erbauung des Hauses beziehen kann.
An Stelle der drei Predigerhäuser von St. Johannis erhob sich ehemals
die im Jahre 1448 von dem Lüneburger Propste Leonhard Lange erbaute
Propstei, die nachherige Superintendentur. Das Hauptgebäude samt seinen
Nebenbauten war „aus Versäumnis zeitiger Unterhaltung*' so schadhaft geworden,
daß im Jahre 1783 beschlossen wurde, es abzubrechen und durch drei neue gute
Häuser zu ersetzen. Die Ausführung des Baues nach einem Entwurf Sonnins
1»W I I I I -M I I I 'H
Flg. 158. Pfarrhäuser der Johanniskirche ; Gnmdrifi des mittleren Hauses.
wurde dem Maurermeister Glasen als „Entrepeneur" übertragen und im Frühling
1784 begonnen. Der Vertrag enthielt die Bestimmung: „sollte sich in dem alten
Propstey-Gebäude irgend an einem Orte ein^verborgener Schatz befinden ....
so wird derselbe hiermit ausdrücklich dem löblichen Magistrat vorbehalten" —
von einem Funde verlautet Jedoch nichts. Das östUch gelegene, für den
jedesmaligen Hauptpastor bestimmte Haus wurde im Dezember 1787, das west-
liche des Diakons im Oktober 1788 als letztes vollendet.
Die drei aneinandergebauten Predigerhäuser der Johanniskirche, von
Sonnin erbaut, zeigen den Backsteinbau der Barockzeit in planvoll durch-
gebildeter Art ohne Vergewaltigung des Materials. Die Ecken werden durch
gemauerte Quader betont (Fig. 157). Das Erdgeschoß des Mittelbaues ist in
derselben Weise behandelt und dadurch aus der sonst eintönig wirkenden Front
herausgehoben. Die Fenster liegen in flachen Nischen. Das Hauptgesims besteht
aus Holz. Das Hauptmotiv des Grundrisses bildet die große mittlere Diele mit
der frei eingebauten Treppe (Fig. 158).
-•^ 377 i^
Reicher behandelter zweigeschossiger Backsteinbau, bei dem das Back- untere neue
Steinmaterial teilweise vergewaltigt ist, mit breitem mittleren Risalit (Fig. 159).
Ober letzterem ist das hölzerne Hauptgesims zu einem Frontgiebel ausgebildet.
Die Gebäudeecken, auch am Risalit, sind in Form von Quadern aufgemauert.
Der Sockel besteht aus Bruchstein. Die Fenster sind von flachen Gfewände-
streifen umgeben. Das Portal ist mit dem darübcrliegendeu Fenster zu einer
-h-
Fls- 169. Cnlaie ii«a« Torttnfts I.
Gruppe zusammengezogen. Die balkonartig über dem geschwungenen Ziegel-
gesims des Portals vorgebaute Fensterbrüstung hat Gipsdocken; über dem
scheitrechten Sturz des Fensters flaches Muschelornament im Stichbogen. Der
Frontgiebel des Risalits enthält ein Ovalfenster, daneben Ziegelflechtmuster. Die
seith'chen Giebel sind Krüppelwahne.
Beispiel eines reicher ausgebildeten Rundhogenportals mit gequadertem Untere neue
Gewände. Der steinerne Schlußstein enthalt das Wappen der von Meding und '^*"*'*^*' ^^■
die Überschrift: F. v. B. 1713 (Fig. 160). Die zweiflügelige Tür hat verkröpfte
Füllungen und SprossenoberÜcht.
-«S 378 8*-
Salzstra&e 28. Großes Eckhaus (Fig. 161), das an der Salzstraße ein Risalit mit Dach-
geschoß und Frontgiebel, an der Grapengießerstraße dieselbe Anlage, das Dach-
geschoß aus der Fläche herauswachsend, zeigt. Die Ecken sind gequadert. In
Balkenlagenhöhe durchziehen flache Ziegelbänder die Flächen. Das Portal ist
Flg. l«D. DDterB Den« TorstraSe l>; Portkl.
scheitrecht, von einem Gewände aus kleinen Spitzquadern eingerahmt und mit
einem Gesims bekrönt.
Weitere Bauten dieser Art stehen:
Bei der Michaeliskirche 2, Altstadt II mit gequadertem Erdgeschoß,
8alzstraße 27, ebenfalls mit Zi(>gelquadeni im Erdgeschoß und Krüppelwahn als
-^ 379 8k^
Bekrönung, Neue Sülze 31 mit RundbogenportaJ, Reitende Dienerstraße 8,
Altenbrückertorstraße 13, An der Münze 5, Salzbrückerstraße 1, 2, 3 mit einfach
ausgebildeten Portalen.
Kleinere, aber charakteristische Gebäude dieses Zeitalters befinden sich
noch in der Salzbrückerstraße und Am Rotenbleicher Weg, letztere schon zu jener
Zeit vor den Toren der Stadt.
Fiff. ICi. Balzstraße 88.
Fach^verkhäuser.
Neben dem Backsteinbau hat auch der Fachwerkbau in Lüneburg seine
höchste Blütezeit im 16. Jahrhundert gehabt. Aus älterer Zeit sind keine Bauten
erhalten, die jüngeren sind mit wenigen Ausnahmen bedeutungslos. Die Fach-
werkgebäude sind meist auf massivem Untergeschoß erbaut. Sie stehen zum
Teil in den Höfen der älteren vornehmen Häuser, zum Teil auch an Straßen;
die ältesten erhaltenen Bauten stehen in kleineren Nebenstraßen. Die Mehrzahl
der Häuser mit Fachwerk ist bezeichnet.
Die ältesten Bauten, Baumstraße 3 von 1528, Untere OhUngerstraße 40
von 1535, Große Bäckerstraße 19 von 1538, Neue Sülze 22 von 1541 und die
in diese Gruppe gehörigen unbezeichneten Bauten Obere Schrangenstraße 5 und
Hinter der Bardowickermauer 12 kennzeichnen sich dadurch, daß die Fuß-
bänder und die unteren Enden der Stiele nicht verziert sind, und daß die
48*
-^ 380 8^
Kopfbänder unter der Auskragung noch gotisch profiliert sind, d. h. die Vorder-
fläche ist kehlenartig eingezogen und mit gedrehten Wülsten und anderen
horizontalen Gliedern besetzt. Die Schwellen werden bei der Mehrzahl
omamental behandelt, nur zwei Schwellen aus dieser Zeit zeigen niederdeutsche
Inschriften. Im Ornament macht sich überall die Renaissance schon geltend
Die zweite Gruppe umfaßt die Fachwerkbauten, deren Fußbänder imd
Schwellen reich mit omamentalen Schnitzereien, meist allerdings Handwerker-
arbeit, bedeckt sind und bei denen die Kopfbänder der Überkragungen zu
vorgenagelten Holzknaggen, konsolartig profiliert, zusammenschrumpfen. Die
Knaggen sind in der Längsrichtung mit handwerksmäßigen Schnitzereien
reich behandelt. Die Schwellen enthalten oft Inschriften.
Eine dritte Gmppe könnte genannt werden, bei der die Fußbänder
wieder ohne Verzierung bleiben, die Umrisse derselben aber in gebogenen Linien
geführt werden. Die beiden letzten Gruppen gehen aber zeitüch durcheinander.
Die wenigen Fach werk bauten des 17. Jahrhunderts bauen sich auf den
Überlieferungen des 16. Jahrhunderts auf. Noch spätere Bauten werden ganz
schmucklos.
Die Fächer zwischen den Holzteilen werden fast immer mit Ziegelmustem
ausgemauert.
Die Beschreibung der wichtigeren Fachwerkhäuser ist nach Straßen in
alphabetischer Reihenfolge gegeben.
Auf der Zehn Gefache langes Stockwerk auf massivem Erdgeschoß, im Früh-
jahr 1904 abgebrochen. Die Fußhölzer waren teils mit Ringen und kleeblatt-
förmigen Bögen, teils mit gut geschnitztem Rankenwerk auf der ganzen Fläche
geschmückt. Am mittleren Fußhölzerpaar eine Halbfigur mit Kugel und Kreuz
in der Unken Hand, die rechte Hand zum Schwur erhoben. An der Schwelle
stand die Inschrift: ALSO • HEFT • GOT • DE • WELT • GELEVET • DAT • HE •
SINEN . ENIGEN . BAREN . SONE . GAF . VP . DAT . ALLE . DE . AN . EN . GELOVEN .
NICH-VORLAREN.WERDEN.SVNDE(R.DAT.EV)IGE.LEVENT-HEBBEN.1568.
Anf der Flügel an der Oberen Ohlingerstraße, mit zehn Gefachen auf zweigeschossigem
massivem Unterbau. Die vollen Fußhölzer mit Kreisen und zusammengesetzten
KreisUnien, die Schwelle mit flachem Rankenwerk und der Inschrift ANNO 1593
geschmückt Die Luke hat profiUertes Sturzholz, die wenigen rundbogigen
Fenster in den mit Mustern ausgesetzten Fächern sind mit einer von Taustäben
gebildeten Archivolte überdeckt. Die Rückseite des Hauses ist ebenso ausgebildet
Auf der Einfaches Fachwerkhaus des 18. Jahrhunderts, mit vertiefter korb-
^ ' * bogenüberdeckter Nische an der Haustür und Kartusche im Frontgiebel des
Dachaufbaues.
Große Bäcker- Hofflügel, an der Glockenstraße sichtbar, mit schönem Fachwerk auf
massivem Erdgeschoß (Fig. 162). Die Fußbänder und der untere Teil der Ständer
sind mit profilierten Ringen geschmückt, in die je ein rechteckiges Feld mit
geschnitzten Köpfen, abwechselnd mit Rosetten, eingeschnitten ist. Die Inschrift
der Schwelle, die von zwei rechteckigen Feldern mit männlichen Köpfen — einer
Straße 15.
-*% 382 S-^
davon mit Krone — unterbrochen wird, lautet: „Des Her Segen maket Rick ane
moihe. Aüo 1558. Lucas Damingk PIERl ■ MEFECIT. Wat mi got dorch
cristum bescheret my gedyeth." In Brüstungshöhe befindet sich nur noch teil-
weise ein mit schräg laufenden Perlen besetzter Stab. Die Knaggen unter den
Dachbalkenköpfen sind mit Blättern ornamentiert. An der Dachschwelle
erscheint ein fortlaufendes Ornament, Weinblätter und Trauben.
Flg. 16S. GroB« BlrkeralraBa 1S;01«IMI.
Der Hauptbau an der Bäckerstraße hat no(* den gotischen Grundriß
mit der Küche an der alten Stelle. Der rückwärtige Giebel folgt der Umriß-
Unie des Daches, nur Fuß und Mitte sinä durch Staffeln mit gekuppelten
Nischen betont (Fig. 163|. Die unregelmäßig eingeschnittenen Öffnungen sind
von Tausteinen eingerahmt. Die Hausseite nach der Glockenstraße ist im oberen
Geschosse durch Stichbogenblenden mit Tausteinen eingerahmt, ihre Pfeiler sind
mit Taustäben besetzt, die oben in Eingen mit glasierten Köpfen endigen-
-*^ 383 8-1"
Friese, von Taustainen begrenzt, ziehen sich unter und über den Blenden hin.
Der obere Teil eines reich geschnitzten Schrankes in der Diele (Fig. 164) stammt
aus dem 16. Jahrhundert, seine Türen (auf dem Bilde nicht sichtbar) sind in
späterer Zeit aus zwei Waagenstücken einer Barocktreppe gebildet
Flg. lei, QtaSe BILckcntraas 16; Bchruik 1d d«r Diele.
Flügelbau im Hofe, auf massivem Erdgeschoß. Fußbänder mit gleich- Große Bäcker-
laufenden Ringen geschmückt Die Unterseite der Fußbänder in Ringform aus-
geschnitten. Auf dem unteren Ende der Ständer kleine geschnitzte Muscheln.
Die Schwelle trägt die Inschrift: VERBVM ■ DOMLNI - MANET ■ IN ■ ETERNVM •
ANO • 15 • 43 • LVCAS • DANÜNGK ■ FIERl ■ M ■ (E ■ FECIT ■ WAT) • MI • GOTT ■
BESCHEIHN) . . . DUETH(?) ■ VNDE ■ WOL ■ ERNER Die Schrift ist unterbrochen
von Ornamenten: Köpfen und Delphinen. Die oberen Knaggen unter dem Dach
M I I I I J' I I I I T"
Ftg. in. HlDtat dar BaMowickoniiaatr I.
aind in Konsolenform geschnitzt. Die Daehschwelle ist ornamentiert mit je zwei
in einem Balkenfelde nebeneinander liegenden Muscheln, die teils Hohlkehlen,
teils Wulstrippen zeigen.
Der Pachwerkflögel in dem engen Hofe hat keine Fußbänder und auch Große Bäcker-
sonst keinen Schmuck. Nur die wahrscheinhch von eißem anderen Bau herrührende ^ '^ ^
Schwelle zeigt die unklare Inschrift: „oth Hke wol liden dat oth schut ■ Anno
Dm M • CCCCC ■ XXXVUI ■ Hans wilkens tieri me fecit" in gotischen Buchstaben.
Die Schrift ist hinter „schut" durch ein feines nur teilweise noch vorhandenes
Ornament unterbrochen. Am Schlüsse der Schriftreihe ein Wappen und ein
flach geschnittenes Tier. Die Rückseite dieses Flügels zeigt eine eingemauerte
Schwelle mit der hischrift: Dat wort Codes ■ bli(ft) Ewich ■ Jot hat (t)et mennich ■
dat de , in denselben gotischen Buchstaben wie die andere Schwelle.
Zweifellos gehören beide Schwellen zusammen.
tlliM^ I I I I t I I I I T"
FtB. lee. Hinter der BardDvlcker Hsoer B; Tfiraturz,
;e nach der Zollstraße ist in e:
ANO ■ l*5-7-4- eingeschnitten, ohne weitere Formen.
Hofflügel mit massivem Untergeschoß. Die
Dreieck bis zum Ständer aus und sind mit geschnitzten Ringen, Muscheln und
Ornament verziert Die teilweise vorhandenen Füllhölzer sind profiliert, die
Knaggen sind dem äußeren Umriß eines Konsols . entsprechend gegliedert. Der
Bau ist anscheinend zu verschiedenen Zeiten entstanden, daher die in der Mitte
unterbrochene Inschrift auf der Schwelle: WOL - GODT VERTRVWET DE HAT
WOL GEßVWET 1 RT HE GEVEN VT GNADEN. DE SEGE DES HENRN ■
MAKET RIKE ANE MÖGE. KARKEN GANDT SVMET NICHT ALMISSEN
GEVEN ARMET NICH 1591.
Schlecht erhaltene Tür, die zu einem Gang unter dem Wall führt, in Hinter der
eingeschossigem Fachwerkhause. Der Türsturz ist in Form eines spätgotischen ^ Mauer"'?.^'^
Vorhangbogens ausgeschnitten und ornamentiert (Fig. 165). An den Gewände-
ständem läuft das Profil herum. In den Zwickeln des Bogens erscheint in der
49
Mitte die Stai]tmarke. links und rechts das Stadtwappen und das Landeswappen,
darüber: ANNO ■ D ■ M- 1544. Das Gefach über der Tür ist als Fenster aus-
gebildet und mit eisernen Stäben vergittert.
liiHtiml
Hlnrer der BariloiTickQr Unter IS.
Hinter aer Reich geschnitzter Türsturz (Fig. 166) von einem früheren Fachwerk-
sfaner'e*' gebäude, der in einer kartuschenartigen Platte mit aufgerollten Enden die
Inschi ift zeigt : BERHARD' SFES ■ FVTVROR VM • BONORVM • PRAF^ENTEM •
FORTVNAM • LENIT • ANO 15-90.
■^ 388 8^
Hinter der Auf massivem Untergeschoß bauen sich zwei Fachwerkgeschosse auf,
Mauer 12. ^^^ ^^ gotisch profilierten Kopfbändem in jedenj Geschosse vorkragen (Fig. 167).
Die geraden Fußbänder sind schmucklos. Die obere Schwelle hat, zwischen
profilierten Kreisen über jedem Balkenkopf, segmentförmige Abplattungen
mit gedrehtem Stab an der Balkenunterseite. Die untere Schwelle ist an der
Kante profiliert, über den Balken erscheinen wieder profiüerte Kreise. Im
IL Obergeschosse befand sich ein Saal in der ganzen Breite des Hauses (5,20 m)
und 7,5 m Tiefe, von dem noch ein Wandverkleidungsrest mit Zahnschnitt-
gesims und Sitzbank erhalten ist. Die Decke war früher bemalt, der Fußboden
besteht aus sechseckigen Backsteinplatten mit Gipsflächen dazwischen. Die
Türöffnung zum Saal ist rundbogig, die glatte Tür hat zwei lange gotische
Bänder. Die Fensterpfosten sind am unteren Ende gotisch profihert. Das
Gebäude gehört zu dem großen Hause an der Bardowickerstraße 25, das den
gotischen Grundriß mit der Küche an der alten Stelle erkennen läßt Im
hinteren Teile der großen Diele steht eine mit 1608 bezeichnete Wendeltreppe
aus Holz, mit dem Lüneburger Stadtwappen an der geschnitzten Wange. Im
Dache befindet sich eine geschnitzte ionische Holzsäule.
In diesem Hause wird eine auf Leinen gestickte, wahrscheinlich aus dem
16. Jahrhundert stammende Taufdecke als Erbstück aufbewahrt Die schöne Decke
zeigt sechs gestickte Felder, auf roter Seide aufgenäht, mit folgenden Gruppen: in der
oberen Reihe Begegnung zwischen EUsabeth und Maria, Verkündigung, mit den
Buchstaben A- M-G-P-D-T-B- IM-, Geburt Jesu mit GLORIA IN EXCELSIS, — in
der unteren Reihe Verkündigung mit AVE GRACIA PLENA, Geburt Jesu imd
Begegnung. Die Figuren mit fein gezeichnetem und verteiltem Faltenwurf sind
ganz von farbigem naturalistischem Ornament umgeben.
Baumstraße 3. Eingeschossiger jetzt verputzter Fachwerkbau auf massivem Untergeschoß,
von dem nur die Schwellen und die schönen Konsolen, auf denen das
Obergeschoß und die Dachkante überkragen, sichtbar sind (Fig. 168). Über den
Balkenköpfen trägt die untere Schwelle vertiefte Vierecke mit Köpfen, die von
links nach rechts darstellen: Junker, Patrizierfrau, Narr, Mönch, bartiger Mann,
Frau; zwischen ihnen segmentbogenförmige Abplattungen mit gedrehten Stäben,
deren Zwickel mit Blattomament und phantastischen Tiergestalten ausgefüllt
sind. Die Konsolen unter dieser Schwelle zeigen meisterhaft geschnitzte
Figuren auf großer Kehle liegend und von links nach rechts darstellend:
männüche Figur mit langem Stock, Bürger mit Trinkglas, Bürgerin mit Spindel,
Mann, der ein Schaf trägt, Frau mit Hahn. Die Schwelle für die Dach-
sparren trägt die Inschrift „ANNO • dm • m • v • xxviii • M • dfm • (fehlt ein Stück)
vges • va • vnde • dit • hvs • bvwen • laten". An beiden Enden der Schwelle je ein
Wappen mit Hausmarke. Die Konsolen unter dieser SchweUe sind ebenfalls
mit Gestalten geschmückt, und zwar von links nach rechts: Jäger, ein Wild-
schwein tragend, Frau, dem Jäger winkend, Mönch mit Dudelsack, neue
schlechte Figur, Mönch mit Geldbeutel, Nonne. Je zwei Figuren sind sich
zugekehrt und stehen in Beziehung zueinander. Das Haus soll die frühere
Zehntscheune des Klosters Schamebeek gewesen sein und hat zu dem Hofe
gehört, d«D das Kloster an der Straße Hinter der Nikolaikirche besessen hat
(vgL Seite 178 f.). Reste einer an dieser Straße liegenden zweiscbiffigen gewölbten
Halle sind 1902 beim Neubau des Pfarrhauses gefunden worden.
f I I I M I I I I f
Flg. ISO. Am B«rge IS; Ficbwark in dar Durchfkhrt.
Fachwerkwand in der Durchfahrt (Fig. 169). Alle Ständer und Riegel Am Berge 1
sind reich mit figürlichem und ornamentalem Schmuck bedeckt. Einzelne Riegel
sind mit niederdeutschen Sprüchen verziert. Unter der Decke der Durchfahrt
sitzen Knaggen mit Figuren ; die Füllhölzer zwischen den Konsolen haben
Muschelomament mit Engelsköpfen. Der Türsturz ist reich verziert, in der
Mitte mit zwei Wappenschilden, die links die Buchstabeo H W, rechts P W
zeigen. Die Fächer sind mit Mustern ausgemauert. Im Hofe befindet sich ein
Flügelbau mit Fachwerk im Obergeschoß, die Pußbänder sind mit Ringen, die
Schwelle ist mit Perlstäben bedeckt
Am Berge 25. Die Gebäudeseite nach der Papenstraße hat ein langes Fachwerkgeschoß
auf massivem Erdgeschoß. Die Schwelle trägt die Inschrift: ANNO DOMINI 1620 •
ALLE MEIN DONT ANFAXK MITEL VXD ENDE BEVEL ICH GOD IN
(DEI)NE HENDE DIE BEI MIR STEIDT FRO VND SP ADE B(IS ALLE MEIN
THVNDT EIN ENDE HAT.) Das Eingeklammerte nach Mithoff, der die Schrift
noch vollständig gesehen hat
Fig. 170. GnproBlakntniSa lt.
Fachwerk im Obergeschoß des Hofflügels, mit Ringen und dreipaß-
ähnlichen Kreisformen, in der Mitt« muschetartige Formen und Ornament auf
den Fußbändeni. Füllhölzer und Knaggen sind reich profiliert. Auf der
Schwelle die Inschrift: HEBE LAT MI DINE GNADE WEDDER FAREN-
DINE HVLPE NA DINEM WORT - DAT ICK ANTWARDEN MÖGE MINEN
LESTERERDEN (HER ICK VERLAT MI VP DIN WORT PS. 119). Die
eingeklammerte Stelle soll nach mündlicher Angabe auf einem jetzt beseitigten
Schwellenstück gestanden haben.
Im Erdgeschosse profilierte Balken, im Obergeschosse R«st einer bemalten
Decke; Medaillons mit Brustbildern zwischen breitflächigem Ornament, anscheinend
Grau in Grau. Cber einer Bodenluke die Angabe ANNO ■ 16:Ä>.
-^ 392 8^
Grapengießer-
Btraße 12.
Grapengießer-
straße 13.
GrapengieBer-
BtraBe 45.
'f^!mmm^^^^^
Fachwerk auf massivem Elrdgeschoß des langen Hofflügels, in der Mitte
ein großer Teil abgerissen. Auf den Fußbandern Ringe, innerhalb dieser auf
den Standern eingeschnittenes Ornament. Die an der Unterkante profilierte
Schwelle trägt die eingehauene Inschrift: (KARKEN GANDT SVMEDT NICHT •
ALMISSEN GEVENT ARMEDT NICHT • VNRECHT VERDICH GVDT DIET
NICHT . WENTE WOL VF GODT VORTRVWWEDT HEFT WOL GEBOWEDT)
DE SEGEN DES HEREN MAKET RICK • ANE MOIHE ANNO • 15 • 72 -, zwei
Wappen, von denen das erste das der
Jburgerlichen Familie Kroger ist, LOVE
LEVE TROWE EHR SLAPEN ALE 4.
Die eingeklammerte Stelle nach Mithoff,
der noch die ganze Inschrift gelesen hat
Das Schwellenstück mit: ALMISSEN bis
DIET NICHT ist später an der Rückseite
des Vorderhauses wieder angebracht.
An der Straße steht auf hohem,
jetzt geputztem Unterbau ein großer
Giebel (Fig. 170), der in drei aus-
kragenden Geschossen aufgebaut ist Die
Knaggen, Balkenköpfe und Schwellen
sind in üblicher Weise profiliert, die Fuß-
bänder haben gekrümmte Umrißhnien.
Die Felder sind in Mustern ausgemauert.
Der Hofflügel zeigt Fachwerk mit
Ringen und Muschelomament auf den
Fußhölzern, Rankenwerk auf einem Teil
der SchweUe und Brüstungsgesims mit
Perlstäben.
Der Hofflügel auf massivem Erd-
geschoß ist 18 Gefache lang und kragt
weit vor. Die vollen Fußbänder sind
verschieden ornamentiert (Fig. 171), teils
mit geschnitzten Ringen, teils mit klee-
blattförmigen Kreisen oder Blattwerk,
das die ganze Fläche bedeckt Auch
Köpfe sind in der Mitte der Ringe eingeschnitten. Auf einem der mittleren
Fußhölzerpaare sind Schilde mit den Wappen der Witzendorf und Töbing
dargestellt Unter dem Dache liegen Füllhölzer, die auf abgeschrägter Vorder-
fläche wechselndes flaches Ornament tragen. Die Schwelle ist mit flachem
Schnitzw^erk bedeckt Die Knaggen sind profiliert und ornamentiert, teilweise
mit flachen Köpfen. Die Fenster haben im Innern geschnitzte Pfosten (Fig. 172).
Gegenüber steht auf dem hinteren Teile des Hauptbaues ein Dacherker mit
geschnitzten Ständern, im ausgeschnittenen Überlagsholm die Zahl 1569, im
Giebel die Wappen Witzendorf-Töbing.
Fig. 172. Grapengleitorstrafle 45; Fensterpfoaten
-o4 394 8^
Am Freistehendes Gebäude mit zwei Fachwerkgeschossen (Fig. 173 u. 174).
rei e erge . ^^ Fachwerk des Stockwerks zu ebener Erde ist schmucklos, das des oberen
Stockwerks ist auf allen vier Seiten an den Knaggen, Fallhölzern und Schwellen
reich geschmückt Die verzierten Knaggen und Füllhölzer wiederholen sich
unter der Dachkante. Die seitlichen Giebel haben Krüppelwalme. Über der
Eingangstür hegt ein Sturzholz mit der Inschrift: DEN AVSGANG VND DEN
EINGANG MEIN LAS DIR 0 HERR BEFOLEN SEIN. ANNO : DOAflNI : 1644 -
DEN 14 MAI.
LUnerstraße 5.
H I I I I I I !
+
^
Flg. 174. Am Kreidebersre 7; Orandrlß und Schnitt
Die Schwelle trägt auf der Vorder- und Rückseite Inschriften, vom
den lateinischen Text der Bibelstelle 2. Kor. V. 1, hinten Ps. 127, 1 (Inschriften
im Jahresberichte des Museums- Vereins für das Fürstentum Lünebiu^g 1896/98).
Im Innern ist eine prächtige Wendeltreppe mit reich geschnitztem Anläufer,
verzierten Wangen und Geländer in Form kleiner Bogenstellungen erhalten.
Das Gebäude soll ein Patrizier-Gartenhaus gewesen sein.
Angebautes Speichergebäude im Hofe mit zehn übergekragten Gefachen —
zwei davon bilden Luken mit reich verziertem Gewände und Sturzholz — auf
massivem Erdgeschoß (Fig. 175). Die vollen Fußbänder sind mit freien Ornamenten
und ringförmigen Profilen mit Perlen und eingehauenen Strichen verziert. Die
Knaggen sind in der üblichen Weise profiliert und mit Blattwerk und Köpfen
geschmückt. Ein Fußhölzerpaar zeigt zwei Wappen, im linken eine Hausmarke
und die Buchstaben HM, im rechten einen Ajm mit Kranz, darunter einen
Stern. Über den Wappen ein geflügelter Kopf und die Jahreszahl 1594. Die
Füllhölzer imter dem Dache und dem Erdgeschosse sind mit muschelfönnigem
Ornament verziert, in dessen Mitte abwechselnd Köpfe und kleine Spitzquader
sitzen. Auf der unteren Schwelle die Inschrift: WEHN GOTT DER HERR
-«-8 395 8^
WILL ERNEHREN • DEM KANN SOLCHS NIEMANDT ERWEHREN • DAN
WER AVF GOTT VERTRAWEN THVT • DEN HELT ER STETS IN SEINER
HVTT • ANNO DOMENI • 15 • 94
i^i ■ m ■ I. ■ n iimi- 1 I I 1 .im .11» fi I 8 »1
i
9
•o
0
I
s
I
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s
^
50*
-^ 397 »*-
Hotflügel, ganz Fachwerk. Das Obergeschoß kragt auf gotisch profiHerten Neue suize 22.
Kopfbändem über, ebenso die Dachkante. Die Schwelle ist an der Unterkante
gotisch profiUert, und trägt die Inschrift: „soket den heren de wile dat he to
vindede is. ropet en an de wile dat he harde bi is, esaia. Iv- 1541."
ris- 1T7. Unter« OblingaretraBe B; Olebcl.
Am Hofflügel Obergeschoß mit Fachwerk. Fußhölzer mit grob ein- Keuo SUlie 81.
geschnittenen Ringen und freiem Ornament, An der Schwelle flaches Ornament und
die Inschrift: OMNIA-NEGOTIA-TVA EXIGE ADVERBVM DEl-EC-O-ÄÖ-löSö.
Am Hofflügel ein Fachwerkgeschoß auf massivem Erdgeschoß, mit Neue Sülze 32.
Ringen auf den Fußbändem und Rosetten auf den Ständern. Die Schwelle
trägt die teilweise verbaute Inschrift: TVA MORS CHRISTI FRAVS TERRAE
(■ GL)ORIA C(ELI (ET) DOLOR INFERNI SVNT MEDITANDA T1(BI).
Auf massivem Untergeschosse mit verputzter Rundbogentür vorgekragt Bei der Nikolai-
elf Gefache, von denen zwei an der rechten Seite erkerartig weiter vorgezogen
sind (Fig. 176). Die Fußbänder sind mit Ringen ornamentiert; die Schwelle hat
über jedem Balkenkopf eine Rosette, dazwischen Profil. Die Püllhölzer sind
gegliedert, die Knaggen in der üblichen Form verziert. Am neuen Dachaufbau
steht: ANNO ■ 1630 ■ RENO V ■ 1894. Die Erbauungszahl ist aber wahrscheinlich nicht
richtig angegeben. Das Gebäude wird Ende des 16. Jahrhunderts entstanden seia
fefe§M^^?$$:;^M
Zwei Hintergebäude mit Fachwerkobergeschossen. Die Schwelle des Obere Ohlinger-
einen ist mit schräglaufenden Perlstäben verziert, die Fußbänder mit einfachen
Ringen; die Schwelle des anderen Hauses trä^ft die Inschrift:
„Wo Gott zum Haus nicht gibt sein gunst.
So Arbeit iedermaim umbsonst
Wo Gott die Stat nicht selbst bewacht,
So ist (verloren der Wächter) Macht. Psal: CXXVII."
„Da dis haus new gebawet ist. nach der geburt des Herrn (so man) zelet
sechs zehnhimdert Jar. . .." Ein früherer Türstura dieses Hauses war
ausgeschnitten und trug die Jahreszahl 1600.
Hi ! I M M I i I ■*-
Flg. 178. PspsDStraB« t; TfltstQiz,
Das Obergeschoß besteht aus Fachwerk. Auf die Ständer sind breite Obere Oblinger-
korinthische Püaster aus Holz genagelt. Der Schlußstein des rundbogigen
Portales hat Ornament.
Kleiner Pachwerkgiebel, die Fußbänder mit Ringen verziert, die Konsolen UntereOblingcr-
profiliert Auf der Schwelle die Inschrift: „Mein anfang und mein ende (das
steht in) gottes hende. Der Gott vertraut. Hat woll gebaut"
Schmales Haus mit vorspringendem Fachwerkgiebel, der in drei aus- üntercOhlinger
kragenden Abteilungen übereinander aufgebaut ist (Fig. 177). Die Pußhölzer *'' * '
sind gebogen, die Fächer in Mustern ausgemauert
-^-8 400 8^
Untere Ohlinger- Sechs Gefache breites Geschoß auf massivem Unterbau, an der Straße
(Fig. 178). Die Konsolen unter der Auskragung, an der Dachkante und an der
Dachluke sind gotisch profiliert. Die Schwelle ist im unteren Teile über jedem
Balkenkopf mit einem vertieften Viereck, das Köpfe enthält, verziert, dazwischen
liegt eine dreifache Kehle, die an den genannten Vierecken rechtwinklig nach
unten umknickt. Den oberen Teil der Schwelle ziert ein durchlaufender
gotischer Ornamentfries. An der Schwelle die Jahreszahl 1535. Die Fächer
sind mit Ziegelmustem ausgemauert.
Papenstraße 1. Eingeschossiger Fach werkbau mit Dachluke und einer Tür, deren Um-
rahmung profiliert ist (Fig. 179). Der Überlagsholm ist ausgeschnitten, wie das
Gewände profiliert und trägt die Inschrift: DISSE • GADES • WANING • IS •
GESTIFTET • ANO • DNI • 1499 • VNDT • VAN • NIEGE • GEBVWET • ANO • DNI •
1594. Das Haus war ein sogenanntes Gotteshaus, eine Privatstiftung für Arme,
1499 von Hilke Blickershusen gestiftet, (vgl. S. 192).
Reitende Fachwerk auf massivem Erdgeschoß, in den Fußbändem profilierte
Dienerstraße 5. ^^^^^ ^ ^^^ Schwelle die Inschrift: „... NI • SVNT MEDITANDA TIBI:
Im Jare nach Christi unsers Heren Un(de Salichmakers Gebort Dusent) Vif
Hundertein unde Soventich. Sindt Disse Woninge Gebuwet unde "
Rote An der Straße auf hohem massivem Untergeschoß ein Fachwerkgeschoß,
dessen Fußhölzer mit fächerartigem Muster, die Schwelle mit wechselndem
Band- und Blattomament geschmückt sind.
SalzbrUcker Pfarrhaus der Michaeliskirche, ein schmuckloser Fachwerkbau aus dem
Ende des 18. Jahrhunderts. Am Fachwerkobergeschoß eines Nebengebäudes
etwa in der Mitte der Schwelle ist ein kleines Relief — St. Michael mit dem
Drachen, im Kreise — eingeschnitten, daneben die Jahreszahl 1. 5/92.
Salzbrücker Neuer Hof. In derartigen „Höfen" wurden Häuser mit Wohnungen für
e 53 —63. ^r][jeit^j. mn einen mittleren freien Hof herumgebaut oder nur an einen freien
Gang gelegt Sie sind in den verschiedensten Teilen der Stadt teilw^eise
erhalten, so hinter der Altenbrückermauer (Gagelmannsgang, Roter Gang, ehemals
zum Kaland gehörig, Glasings- oder Sassengang, Krügersgang, Kronenhof), Am
Berge (Rickshof), In der Salzbrückerstraße (Tatergang, neuer Hof, Göttgengang),
Hinter der Sülzmauer (Sassengang, Krögers- oder Thielengang), Im Wendischen
Dorfe (Soetbehrs Hof, Viskulen Hof), Wendische Straße (Im Kamapp). Die
Häuser im neuen Hofe haben alle den oben beschriebenen Arbeiterhausgrundriß
und sind eingeschossig (Fig. 180). Mit besonderer Liebe sind die Überlagsholme
der Türen behandelt, sie sind an der Unterseite ausgeschnitten und tragen auf
der Fläche außer der Nummer in einer flachen Füllung die Angaben AN/H,
Hausmarke M/DO und 15/H, Hausmarke M,98. Die Hausmarken und die Namen-
buchstaben sind dieselben, wie die an dem Hintergebäude Lünerstraße 5. Die
Knaggen unter der Dachkante sind einfach profiliert Die Gebäude sind 1905
abgebrochen worden, die ornamentierten Holzteile befinden sich im Museum.
Salzstraße 17. Hofflügel mit Fachwerk im Obergeschoß. Die Fußbänder sind außer-
ordentlich klar mit perlstabgeschmückten Ringen verziert. Auf den Ständern
-<-8 401 8^
innerhalb der Ringe kleines muschelförmiges Ornament. In Brüstungshöhe zieht
sich ein Holzgesims mit schräglaufendem Perlstab hin. Die Fächer sind in
Mustern ausgemauert. Die unterm Knaggen sind konsolartig gegliedert und
geschnitzt, die oberen, unter dem Dach sind einfacher, die Schwelle unter dem
Dachbalken und die untere Schwelle tragen Inschriften, zwischen deren Buch-
staben die Wappen der Laffert imd Dassel erscheinen. Auf der oberen Schwelle
steht: „De • XXXVII • pfalm • wachte • vp • den • heren • vnd • holt • fin • gebot • fo •
we(rd) • he • di • vorhogen • (Wappen Laffert) • dat • du • dat • landt • erveft • (Wappen
Dassel) • Du • werft • idt • fehen • dath • de • godtlofen • uthgera(det) werden «anno «dm*
m ccccc lix." Auf der unteren Schwelle steht : „Salomonis • x • de • Segen • def • heren •
maket • rike • ane • moie • (Wappen Laffert) • wol • vor • einen • andern • borge • wert •
de • wert • fchaden • hebben • (Wappen Dassel) • wol • averft • f ick • vor • gelaven •
wereth • de • ihf • feker • anno • dni • 1«5«59."
Hintergebäude mit Fachwerkobergeschoß. Die Fußbänder sind mit Salzstraße 18.
geraden Streifen, die im Ständer nach unten eingeknickt sind, ornamentiert.
Die Knaggen haben die gewöhnliche Form. Die Schwelle ist mit schräglaufenden
Perlstäben verziert, ebenso das in Brüstungshöhe durchlaufende Gesims. An
dem Bogen eines Nebenflügels steht die Jahreszahl 1755, die auch am Abdeckungs-
rand des Brunnens (Schierbrunnenwasserleitung) stehen soll.
Speichergebäude mit weit ausladendem Fachwerkgeschoß, auf massivem Salzstraße
Erdgeschoß mit vielen Eingangsöffnungen. Die Fußbänder sind mit Ringen und
fächerartigem Ornament geschmückt, die Schwelle trägt die nur zum Teil
erhaltene Inschrift: RQ 5 • PARAT (swei Löwen) NI • VIGIL • IPSE • DEVS •
MVROS • ET . MOENIA • SERV F(?)RVSTRA • MOENIA • MILES • OBIT •
ANNO • M • D. LXXIII." Die Rückseite dieses Hauses hat eine offene Fachwerk-
galerie ohne Schmuck.
Schmuckloser Fachwerkflügel im Hofe. An der Schwelle die Inschrift: Am Sande 20.
HINRICH JOACHIM BVCH • MARGARETA • GLASEN • PS • 118 • V • 25 • HER
HILF 0 HER LAS WOLGELINGEN • V • G • BVCH •
Auf zweigeschossigem massivem Unterbau mit zwei kleinen Wappen Am Sande 30.
Töbing und Elver (?) steht ein in der Mauerfläche liegendes Fachwerkgeschoß
mit Fußhölzem, die mit flachem stilisiertem Laubornament geschmückt sind.
Das Ornament zieht sich an den Ständern empor bis zu dem profilierten Gesims.
Am mittleren Ständer im Ornament die Zahl 1608. Die einflügelige Haustür mit
feststehendem schmalem Seitenteil ist in der Art der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts verziert. Die Flügel haben Bogenstellungen mit Ornamenten
und vortretenden Köpfen, die Schlagleiste hat im oberen Teil eine Figur mit
Kreuz und Kelch. Im Innern ist eine Zimmertür in ähnlichen Formen erhalten.
Das Haus hat den gotischen Grundriß, mit verbauter Diele und Barocktreppe.
Im Hofe steht ein kleines Fachwerkgebäude mit massivem Untergeschoß Am Sande 31.
(Fig. 181). Der Giebel ist verbrochen. Knaggen, Balkenköpfe und Schwellen
sind profiliert und geschnitzt. Die Fußbänder sind mit geraden, am Ständer
eingeknickten Streifen ornamentiert. Die Fußbänder des Giebels sind mit
51
-H 402 *^
Ringen und Rosetten verziert, die Felder in Mustern auBgemaueri Im
Obergeschoß des zierlichen Hauses steht ein aus Gips hergestellter Eckkamin,
dem 18. Jahrhundert angehörend. *
Flg. IBI. Am SuideSl: HlntcrgabJLude.
Am Sande 50i Im Hofe langer Fachwerkflügel mit ornamentierten Fußbändem und
einfach profiÜerten Konsolen. Am hinteren Teil der Schwelle: ano 1572 DoiiL
-*4 403 g-^
Zeho Gefache auf massivem Erdgeschoß. Die Luke hat ausgeschnitteneu in der Techt.
Hohn. Die oberen Knaggen sind gotisch profiliert Im Holm der Luke die
Angabe: ANNO ■ DNI • 1 • • 2.
Auf massivem Erdgeschoß mit rundbogigen Türöffnungen steht ein Bchl&gei-
schmuckloses vorgekragtes Fachwerkobergeschoß. Neben der Tür ist eingemauert
eine Sandsteinplatte mit den Wappen der Mutzeltin, TÖbing und Düsterhop.
fi i I H>l M U i| ^k- '^
Fts. IM. Unter« SchruiEUistraBs 9.
Über den Wappen steht: MAD ■ M ■ (Mutzeltin), H. T. (Töbing), MAR ■ D. (Düsterhop),
darunter ANNO • DNI ■ 1 - 6 • 10.
Im Hofe steht ein zweigeschossiges Fachwerkgebäude auf niedrigem |
Unterbau, der anscheinend schon im Mittelalter offen war. Die Fachwerk-
geschossfi kragen auf Knaggen über. Die Schwellen tragen gut gezeichnet«a
Rankenomament In der Mitte der oberen Schwelle erscheinen zwischen dem
Ornament die Buchstaben VdMIE (Verbum domlni usw.), an der unteren Schwelle
an den beiden Enden Schilde mit dem Töbingschen und dem Semmelbeckerschen
Wappen, in der Mitte die Jahreszahl 1560. Die Fußhölzer haben gebogenen
Umriß, sind sonst aber schmucklos. In Brüstungshöhe liegt ein profiUertes
Holzgesims.
61*
-^ 404 8^
Unt Schlangen- Vorgeklagtes Fachwerkgeschoß auf hohem massivem Untergeschoß,
^^ ^ ' Knaggen einfach profiliert Auf der Schwelle schräglaufende Perlstäbe; die
Fußbänder ornamentiert mit Ringen (Fig. 182). Auf dem ausgeschnittenen und
profilierten Holm der Luke die Zahl M • D • LIX. An der jetzt verbauten
Rückseite ist das Haus ebenso ausgebildet, auf der Schwelle die Inschrift: VON
GOTTES GVTE GNADE GABEN KOMPT ALLES SO WIR WACHTEN VND
HABEN.
Ob. Schrangen- Hofflügel, ganz aus Fachwerk erbaut, mit übergekragtem Obergeschoß
auf gotisch profilierten Konsolen. Die geraden Fußbänder sind schmucklos,
nur die Schwelle tragt über jedem Balkenkopf ein vertieftes Viereck mit
geschnitztem Brustbild oder Wappen, die in der Reihenfolge von Unks darstellen:
Patrizier, Dame in Patriziertracht, Wappen der Viskule, Wappen der Töbing,
Patrizier, sehr guter Frauenkopf (Fig. 183). Zwischen diesen Vierecken ist die
Schwelle in segmentformigen Ausschnitten abgeplattet und mit muschelartigem
Ornament gefüUi In den Zwickeln über den Segmenten Blattwerk. Die Felder
sind mit flachkantigem Ziegelmuster ausgemauert. Im Obergeschoß des Flügels
befindet sich eine Gipsdecke aus dem 18. Jahrhundert mit großer ornamentierter
Kehle, im Vorderhause des Grundstücks eine Gipsdecke aus derselben Zeit, mit
Leistenteilung, zwischen der Ornament liegt.
Schröder- Zweigeschossiger Hofflügel auf massivem Erdgeschoß. In die voUen
Fußbänder sind über den unteren Enden der Stander überhöhte kreisförmige
Profile eingeschnitten. Die Mitte wird durch Rosetten mit Kerbschnitt und
Blattwerk betont Die Knaggen sind einfach profiliert Die Schwellen tragen
Inschriften, und zwar die obere:
Woll • gott • vortruwet • de • hefft • woll • gebuwett •
darumme • gott • vortruwen • und (nicht vorz) agen •
glucke • und • gudt • kumpt • alle • dage •
gott • de • vor • ledt • de • sinen • nicht •
midt • gottes • hulpe • ist • dudt • bo (w • gericht)
Die untere:
0 • Minsche • wultu • datt • idt • di • woll • schall • gelingen •
so • fruchte • G(ott • für • allen • dingen • 1590) •
(vor • sta •) vnd • hebbe • gelesen •
datt • is • gott • fruchten • (unde • ein demodig • wesend.)
Die eingeklammerten Stellen sind nach Mithoff und mündlichen Angaben
ergänzt, jetzt sind sie verbaut Die Gefache sind mit flachkantigen Ziegeln in
einfachem Muster ausgemauert
Schröder- Dreigeschossiger Hofflügel mit zwei Fachwerkgeschossen; über dem
hinteren Teile des Flügels ein Giebel mit Luken. Die Fußbänder sind mit
Ringen profiliert, in denen Rosetten angebracht sind. In Höhe der Brüstungen
durchziehen Holzgesimse mit Perlstäben die Fläche. Die Gefache sind in
Mustern ausgemauert. Die Giebelschwelle trägt die Inschrift: „Dit • Het • Thonges
Son en • bovven • A • W."
-»4 405 S-t-
Die der Schwelle des zweiten Geschosses lautet: „Vor • lene • Vns • Irede •
gnedich ■ lick ■ Her ■ godt ■ Tho • Unsen • Thiden • Dar • Jis • nen • Ander ■ nicht •
Devot ■ Uns ■ Kunde ■ Striden Du Unser Here Godt Alleine -Also Heft Godt De
Welt Gelevet ■ 1580."
Die Inschrift der uatereo Schwelle ist abgehauen, erkennbar ist noch:
„Is ■ godt ■ Mit ■ Uns ■ Wol • Kan ■ Wedder ■ Un " Schild mit Hausmarke
„ANNO 1578."
Schmuckloser, über dem massiven Eidgeschoß ausgekra^r Fachwerkbau
mit der Jahreszahl 1583. Über der Spitzbogentür eine Archivolte von Taustäben.
Das Gebäude ist ganz aus Fachwerk, wahrscheinlich im 17. Jahrhundert
erbaut, das Obergeschoß kragt auf einfachen Knaggen über. Der Giebel baut
sich in drei übergekragten Geschossen auf. Alle Auskragungen haben runde
Füllhölzer; im übrigen ist das Holzwerk schmucklos. Die Gefache sind teilweise
in Ziegelmustom ausgemauert. Die zweiflügelige Tür hat aufgelegte gebogene
Profile und SprossenoberUcht
HH I I I I [ I I I i
Flg. IH. Im Wwtdlsahen Dorf« 9 (Vlfkulanbor); Omndrill.
Im WendiBchen Beispiel eines Speichergebäudes mit massivem Brdgeschoß, in dem die
(Viakolenhof). vielen Eingänge zu den einzelnen Lagerräumen sichtbar sind, und Pachwerk-
obeigeschoß in einfachen Formen, die Knaben profiliert; erbaut um die Mitte
des 16. Jahrhunderts (F^. 184 und 185).
I<n Wendischen Fachwerkgiebel auf massivem Untergeschoß, ohne weiteren Schmuck.
Dorfe 23. jjg^ Kehlbalken des Giebels trägt die Inschrift „WER • GOTT ■ VERTRVWET ■
HAT • WOL • GEBVWET", darüber im Fußband einen eingeschnittenen Schild
mit: ANNO 1603.
Am Werder 6. An der Straße gelegenes Fachwerkgeschoß über massivem Erdgeschoß
mit Utlucht und zwei kleinen rundbogigen Türen. Die vollen Fußhölzer sind
im äußeren Umriß gebogen, die Fläche wird mit fächerartigem Ornament
geschmückt (Fig. 186). In Brüstungshöhe und in halber Höhe des Facbwerkes
ziehen sich Stäbe mit schräglaufenden Perlen hin. Die Schwelle ist au den
Enden mit zwei Schilden, von denen das linke eine Hausmarke und die Buch-
-<-g 408 8^
stabeo H 0, das rechte halb abgeschnitten den Buchßtaben K erkennen läßt,
und der Inschrift: GODT ■ ALLENE ■ VERTRVWE ■ DHORECHT ■ NIEMAND (T ■
SCHVW] E : VERBVM ■ DOMINI ■ MANET ■ IN ■ AETERNVM ■ ANNO • DNI ■ 1Ö63
verziert
Giebelbau an der Straße, mit Pachwerkgeschoß über zweigeschossigem
massivem Unterbau und Fachwerkgiebel, der am Fuße und in Kehlbalkenhöbe
auf Knaggen auskragt Die Fußbänder des Giebels sind gekrümmt, im übrigen
4 1 1 1 Ml 1 1 i't
V\g. IM.
ohne Schmuck, nur die Schwellen des Giebels tragen Inschrift, und zwar die
obere Kehlbalkenschwelle: (C)AESTEN ■ BVSCHE ■ ANNO ..... (16) 12, die
Schwelle am Giebelfuße : ACH ■ GODT ■ HILF ■ MIR ■ ERWERBE (n ein) ERLICH ■
LEBENT ■ VND • SELICN ■ STERBENOD. Die Gefache sind mit Ziegelmustem
ausgemauert
WüBtenortSu.s. An der Straße liegendes übergekragtes Fachwerkgeschoß mit gebogenen
Fußbändern, nur in der einen Hälfte erhalten. Auf der Schwelle die Inschrift:
„WER . FLISSIG • IST ■ IN • SEINEM ■ STANDT ■ DEN ■ WIL ■ GODT ■ SEGN ■ MIT -
MILDER • HANDT ■ GODT • IST • ALLEIN ■ DIE ■ EHR." Im mittieren Fußhok ist
erhalten (DO) MINI, auf der rechten Seite ein Schild mit Hausmarke, den Buch-
staben KS und der Zahl 1624. Die kleine rundbogige Haustür hat eine
Taustab-Archivolte.
-H 409 g*-
Eine Reihe einfacher Faehwerkbauten stehen noch:
Altstadt 5. Hofflügel mit gebogenen Fußhölzem, auf der Schwelle
ANNO ■ 1614. — Altstadt 35. Hoülögel mit ornamentierter Schwelle.
Flg. in. Auf dem Heere
Apothekenstraße 10. Hofflügel mit zwei Fachwerkgeschoseen über
massivem Unterbau, die untere Schwelle mit aneinandeigereihtemMuschelomament.
Große Bäckerstraße 6. Hofflügel mit muschelartiger Verzierung in den
vollen Fußhölzem und gut gezeichnetem Rankenornament auf der SchweUe
Fig. tSB. Auf damUear* 17;Scl»Tgllg.
Hinter der Bardowicker Mauer 9. Reste von verzierten Fußhölzem.
1904 abgebrochen.
Am Berge 33. Fachwerkobergeschoß mit profiKerter Schwelle, Püll-
hölzern und Knaggen.
Buraieisterstraße 10. Mehrfach übertretender kleiner Fachwerkgiebel.
Glockenstraße 5, 6, 7. Fachwerkobergeschoß mit gebogenen Fußhölzem
und Knaggen.
^IP^^^
r^ •
8"
-H 411 g-s-
Grapengießerstraße 4. Im Hofe Fachwerkflügel mit weit vortretenden
gotisch profilierten Kopfbändem. An einem Balken über der Durchfahrt:
I P 1668. — Grapengießerstraße 14. Kleiner Fachwerkgiebel; an der Giebelseito
des Hofes die Angabe 1683 G. — Grapengießerstraße 30. An einer Bodenluke
mit ausgeachnittenem Sturzholm ANNO 1599.
Auf dem Harz 4, 5, 6,
Heiligengeiststraße 40, Hofflügel mit gebogenen Pußhölzem.
Auf dem Kauf 1. Rückseite des Hauses mit zwölf Gefachen auf
massivem EIrdgeschoß. Die vollen Fußbänder sind mit Ringen, die Schwellen
mit Blattranke, die sich um einen mittleren Stab schlingt, verziert
Flg. in. Am BergB 18; Duberker.
Koltmanosstraße 9 A und 9 B. Mit FEichwerkobergeschossen. Ober der
Tür eine Sandsteintafel mit unkeimtUchem Namen und der Zahl ANNO ■ 166 . .
Lünerstraße 3. Im Hofe ein dreistöckiger Fachwerkbau über massivem
Erdgeschoß. Die Konsolen sind gotisch profiliert Die untere Schwelle trägt
reiches Ornament von Perlstäben und nebeneinandergesetzten Muscheln, links
einen Schild mit der Zahl 1546, rechts einen Schild mit einer Rübe als
Wappenbild.
Auf dem Meere 14 und 17, mit ornamentierten Schwellen (Fig. 187,
und 188). — Auf dem Meere 35.
Neue Straße 7. An den beiden Luken des Fachwerkobergeschosses die
Inschrift: WER GOD VORTRVWET 1612 HAT WOL GEBWET.
Ritterstraße 4. Fachwerk im Obergeschoß.
52*
-<-S 412 8-^
Sabbmckerstraße 42, mit der Zahl 1685 im Dachaufbau. — Salzbrücker-
straße 31. Fachwerkbau au der Ecke mit mehrfach übergekra^m Giebel
Schwellen und Knaggen sind profiliert
Salzstraße 15. An der Rückseite Fachwerkobergeschoß. Die Schwelle
ist mit Perlstäben profiliert, die FuQhölzer haben einfache Ringe, die Knaggen
die gewöhnliche Form.
FtR. IM. GroBa Bickeritr>B« s;Dftehgrk«r.
Am Sande 6 und 7. In der Schwelle des Hofgiebels die Inschrift:
HR-I-B-FR-AE-B 1786 ■ RENOVIRET.
Obere Schrangenstraße 2. Hofflügel mit Kopfbändern in Form von
Konsolen unter der weitausladenden Auskragung des Obergeschosses.
Untere Schrangenstraße 7. Einfacher Flügelbau mit der Inschrift:
JOHAN ■ KERKEN . ANNO. 16U (?).
Im Timpen 1. Ganz Fachwerk (gotisch?).
Wüstenort 11 und 12; und einfache Fachwerkbauten in den meisten
anderen kleinen Straßen,
-^ 413 S-H
Bemerkenswert ist noch die Ausbildung der Dachluken, von denen Dacbloken.
einige bezeichnet sind. Meist kragt der kleine Giebel über den beiden Seiten-
ständem auf konsolartig profilierten Kopfbändern aas. Unter dem Giebel liegt
die Aufzugsiolle. Am Sande 40 (Fig. 189) steht im ausgeschnittenen Stuizholz
ANNO ■ M ■ DCXXIV, an der Schwelle die ineinandergeschriebenen Buchstaben
]
FtK. IH. Am B«rKe 15; HtlUtOr.
-!-I 414 g^
H. VERTRAWE- GOT -AVS- HERZEN, Am Sande 41 (Fig. 190) an zwei Dach-
luken im Sturzholz 1663. Fernere Dachluken befinden sich: Am Berge 15
(Fig. 191), Am Sande 4, zweigeschossig, Am Sande 27, Neue Straße 11 mit dei
Jahreszahl 15-96, Neue Straße IIa mit eii^eschnittener Stadtmarke und der
Jahreszahl 1536, und in vielen anderen Straßen.
Reichere Ausbildungen werden dadurch erreicht, daß zu beiden Seiten
der Luke noch Fenster angeordnet werden, wie Altenbrüekerthorstraße 6 und
FlK. IBS. KatMnatreB« liHMutar.
■^ 415 9^
Baumstraße 1, Apothekenstraße 5 mit eigenartiger Lukentür, Rosenstraße 5 mit
der Inschrift: ANNO • C : S 1694, Rote Straße 1 mit der Inschrift: H • P • KRVGER
SDMK 1789, Untere Ohlingerstraße 28 mit den Buchstaben HM.
t
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»WH h I I I M I I I
4 m.
-«.
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Fig. 196. Auf dem Meer« 14; HanBtdr.
-H 416 g-^
Im 18. Jahriiandert werden diese Aufbauten in der größeren Form
beibeluüten, mit einem Frontgiebel au^estattet und an den Seiten mit hölzernen
freistehenden Sctmeckenanläufem in feiner Weise zur Traufkante des Daches
übergeleitet, wie Am Berge 18 (Fig. 192) (malerisches Eckhaus), Große Bäcker-
straße 2 (Fig. 193) (in einer Nische des Frontgiebels eine ungeschickte Halbfigur
Aaf dem Heere 11; Uiuitfii.
-H 417 S-^
mit der Inschrift: „IS'^l i" St. Ursulaoacht hat der Becker 22 Mann erschlagen")
Am Fischmarkt 5, Salzbrückerstraße 41.
Ein Dacherker aus Stein, mit Schneckenanläufem, befindet sich auf dem
Hause Crroße Bäckerstraße 14.
>1b. im. BcbrederitrnB« T.
-^ 418 %^
HauBtttren«
Besonders gut erhalten sind eine Reihe schöner Haustüren, meist aus
dem 18. Jahrhundert. Oben wurden bereits die gotischen Türen des Rathauses
und die Renaissancetüren Am Sande 8 und 30 erwähnt, femer eine ganze
I
i^n::^^
^^^^^^^^^^^^
^^
A\V)ti,
K4 I I I M f I I I f
Fig. 199. Im Weodischen Dorfe 5; Haustür.
Anzahl Türen aus dem 18. Jahrhundert bei Beschreibung der einzelnen Häuser.
Die im letztgenannten Zeitraum entstandenen Türen haben meist einen ^oßen
Flügel, der mit geschwungenen oder verkröpften, profilierten Leisten besetzt
ist, und einen glatten, schmäleren, an dem der große Flügel hängt. Die Bänder
-^ 419 S^
werden durch einen Pilaster mit meist korinthischem Kapitell verdeckt Der
Kämpfer ist gerade oder geschwungen, das Oberlicht durch gekrümmte Sprossen
geteilt. Es kommen auch Türen vor, die zweiflügeUg, im übrigen aber ebenso
behandelt sind wie die vorhergenannten.
Bemerkenswerte Haustüren befinden sich: Altenbrückertorstraße 14,
zweiflügelig, Rokoko. Apothekenstraße 3. Große Bäckerstraße 13; 14 mit einem
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AiVK
iii4'4 I I I I M I I I
Fig. SOO. Im Wendischen Doife 88; Haustfir.
kleinen, auf Glas gemalten Töbingschen Wappen im OberUcht Bardowicker-
straße 29. Am Berge 15 mit Rokokoomamenten (Fig. 194). Am Fischmarkt 1;
5 mit den Buchstaben PS und der Zahl 1788 im Oberlicht Graalstraße 1,
zweiflügeUg. Grapengießerstraße 11 mit schönem Türklopfer; 17, 19, 22, 35.
HeiUgengeiststraße 4. Bei der Johanniskirche 12. Katzenstraße 2 besonders
schöne zweiflügelige Tür mit geschwungenem Kämpfer (Fig. 195). Kaufhaus-
straße 3. Auf dem Kauf 12, 16. Kuhstraße 4, 5. Auf dem Meere 14, mit
verkröpften Füllungen (Fig. 196); 17, schöne Rokoko tür mit Glasfüllungen in
den Flügehi (Fig. 197); 35, 41. Neue Straße 11. Obere Ohlingerstraße 13, 21.
53*
-^ 420 »-i-
Rackerstraße 16 mit schöner Schlagleiste. Am Sande 17. Schröderstraße 3, 16
mit Rokokooberlicht; 7 mit feinem dreiflügeligem Rokokotor nach der unteren
Schrangenstraße (Fig. 198). Im Wendischen Dorf e 5 einfache Form mit schönem
Türgriff (Fig. 199), 23 (Fig. 200). Am Werder 1.
J
gMB#"'- ■" ■ ^^^ ''' ' <^4^^<^^'^
Fig. SOI. OraalstraAe lA; Zimmertür.
Zimmertttren.
Von mittelalterlichen Zimmertüren sind wenige erhalten. Erwähnt
wurden bereits oben u. a. die Renaissancetüren Am Sande 30 und 31, Am
Berge 35, und dieBaroktüren Am Sande 12, Salzstraße 19, Heiligengeiststraße 20,
Grapengießerstraße 4 und 5. Ferner befinden sich noch schöne Türen aus dem
18. Jahrhundert in den Häusern Graalstraße 1 A (Fig. 201), Am Stintmarkt 4 mit
geschmiedeten Bändern, Katzenstraße 2 und in verschiedenen Gebäuden, die in
der folgenden Abteilung beschrieben werden. Zwei besonders schöne Zimmer-
türen sind erhalten Kleine Bäckerstraße 4 im Obergeschoß, um etwa 1600
entstanden. Sie bestehen aus zwei mit verkröpften Profilleisten umrahmten
Füllungen, die stark vortreten, auf den Rahmen sitzen flache Ornamente.
H-g 421 8^
Sonstige Denkmälep.
Eiine Anzahl von Gebäuden, die entweder keine weitere Bedeutung haben
oder später so verbaut wurden, daß von der ursprüngUchen Anlage nichts mehr
zu erkennen ist und die deshalb in den vorderen Abteilungen nicht unter-
gebracht werden konnten, haben an ihren Außenseiten oder im Innern einzelne
bemerkenswerte Denkmäler, deren Beschreibung in den nachfolgenden Zeilen
möglichst vollständig gegeben ist. Doch ist es nicht ausgeschlossen, daß es
noch eine ganze Reihe Denkmäler gibt, deren Vorhandensein nicht bekannt ist
Auf der Altstadt 12. Im Obergeschoß eine Stuckdecke und eine
hölzerne Wendeltreppe, Am Holm einer Tür des Dachbodens die Inschrift:
ANNO 1684. — 16. Am Obergeschoß eine bemalte Sandsteinplatte mit den
Wappen der Döring und Dithmers, von Löwen gehalten; darüber ANNO 1690,
darunter G. H. D. (Döring) A. R. V. D. (Dithmers). — 46. Die Wange der Treppe
ist reich geschnitzt und durchbrochen, etwa aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts.
Große Bäckerstraße 7. Am Hofflügel drei aus der Renaissancezeit
stammende geschnitzte Fensterpfosten. — 13. Gebäude mit großer Diele und
Galerien aus der Barockzeit. Eine Tür und ein Fenster haben geschwungenen
Sturz. — 27/28. Schöne Rokokodecke im Obergeschoß.
Kleine Bäckerstraße 4. Im Obergeschoß eine schöne Stuckdecke mit
Muscheln und fla,chen Ornamenten. — 11. Über der Tür eine Sandsteintafel mit
zwei Wappen und: H • R/A • R • W • 1709. — 14. Einfache Stuckdecke.
Bardowickerstraße 29. Zu beiden Seiten der Haustür zwei Wappen auf
Kartuschen mit den Buchstaben links: C. B. M., rechts A. E. H.
Am Berge 8. Im Erdgeschoß eine Stuckdecke mit allegorischer Malerei
im Mittelfelde. Eine zweiQügelige Tür aus dem 18. Jahrhundert hat verkröpfte
Füllungsprofile, die Pfosten der Treppe aus derselben Zeit sind reich geschnitzt
Im Hofe steht ein schildhaltender Löwe aus Sandstein. — 36. Im Schlußstein
des Portals zwei unerklärte Wappen. In die malerische Diele gotischen
Ursprungs sind im 18. Jahrhundert Galerien und eine Treppe mit zwei
geschnitzten Pfosten eingebaut. Ein Zimmer im Obergeschoß hat eine Stuck-
decke mit allegorischer Malerei im Mittelfelde und vier kleineren Bildern, die
Jahreszeiten darstellend. Einige Türen, dajimter eine bemalt, mit Beschlägen,
gehören ebenfalls dem 18. Jahrhundert an. Im Erdgeschoß befindet sich noch
eine Stuckdecke mit schweren Profilen. — 40. Auf dem neueren Giebel eine
gotische Kreuzblume aus Kupferblech. — 46. Im Hauseingange eine Trennwand
aus Holz, mit ausgesägten Omamentfüllungen des 18. Jahrhunderts und den
Buchstaben H. v. B. (H. von Borstel). — 51. Eine Wetterfahne mit der Zahl 1749.
Brodbänken 10. Im Obergeschoß des Flügels eine Stuckdecke mit
leeren Wappenschildern in den Ecken und der Bezeichnung ANNO 1726.
Conventstraße 2. Im Eckgebäude, das jetzt als Schuppen dient, sind
gotisch profilierte Ständer, Kopfbänder und Unterzüge erhalten.
Graalstraße 1. Zwei Stuckdecken mit Ornament.
Grapengießerstraße 4. Gebäude mit verbautem gotischem Grundriß und
der Küche an der alten Stelle. Im Obergeschoß eine Stuckdecke, femer im
-H 422 8^
ganzen Hause verteilt Zimmertüren mit Beschlägen aus dem 18. Jahrhundert —
7. Ein gemauerter Kamin im Keller. — 9. Stuckdecke im Obergeschoß. — 11. Ver-
putzter älterer Giebel, an dem vier Ankersplinte die Jahreszahl 1685 bilden. —
38. Mehrere Stuckdecken, von denen eine besonders schöne im Obergeschoß durch
schwere Profile geteilt wird und im Mittelfelde eine allegorische Malerei, in den
Ecken vier Medaillons mit den gemalten Darstellungen der Jahreszeiten zeigt —
46. Auf der Diele ein profilierter Stander mit Kopfbändem, an diesen die An-
gabe: ANNO/1620.
HeiUgengeiststraße 12. Zwei Utiuchten mit geschnitzten Standern aus
dem 18. Jahrhimdert. Im Flügel befand sich früher eine farbig bemalte Zimmer-
decke, die nach dem Museum gebracht worden ist.
Auf dem Kauf 14. Wetterfahne mit einem Schiff aus Kupferblech, an
Stelle der Kugel, imd der Jahreszahl 1647. In der Diele zwei geschnitzte
Treppenpfosten mit Kugelaufsätzen. — 19. Profilierte und geschnitzte Um-
rahmung der Haustür. — Eckhaus an einer schmalen Gasse. Am Obei^eschoß
zwei geschnitzte Fensterzargen des 16. Jahrhunderts.
Lünerstraße 7. Im Mittelalter Lüner Klosterhaus. An der sonst schmuck-
losen Straßenseite befindet sich eine Sandsteinplatte mit dem Medingschen
Wappen und der Unterschrift: DOROTHEA VON MEDING • DOMINA IN LVNE •
ANNO • 1612. — 8. Gehörte ebenfalls im Mittelalter zxmi Kloster Lüne, mit einer
der a|i Nr. 7 entsprechenden Sandsteinplatte mit dem heiligen Bartholomäus,
dem Schutzheiligen des Klosters Lüne, und der Unterschrift: DE VORSAMLING
IN LVNE . ANNO • 1612. — 13. An einem Nebengebäude hn Hof eine Stein-
platte mit: HERR FRIEDERICH JOHANN REHR^FRAV MARLV LVCIA MACHTS/
RENOVATVM 1749. Im Hause ein geschnitzter Geländeranfänger an der
Kellertreppe, aus dem 16. Jahrhimdert
Marienplatz 1. Zwei Stuckdecken und einige Zimmertüren aus dem
18. Jahrhundert, mit verkröpften Fällungen.
Auf dem Meere 12. Ein ornamentierter hölzerner Fensterpfosten mit der
Angabe M • H | C • C • H | NV | 1772. — 27. An der Straßenseite eine Steintafel
mit der Inschrift: I • W • B | M • C • H | RENOVATVM • 0 • 1717. — 35. Am
Türholm an der Hofseite H • 1690. Im Hofflügel eine Stuckdecke mit
angetragenen Putten.
Am Markt 2. Im Erdgeschoß des Hofflügels eine Stuckdecke. An der
Rückseite eine Schrifttafel mit Friedensengel, die den jetzt abgerissenen Gebäude-
teü der Straße bekrönte, und der Inschrift: FORM • • HVIVS DOMVS VETVSTATE
TEMPORIS COLLAPSAM IN MELIOREM HANG FORMAM REDIGERE C VRAVTT
HARDWICUS ä DASSELL MDCCK.
Neuestraße 13 — 23. Eine Reihe zusanmiengebauter kleiner Häuser mit
dem Grundriß für Arbeiterwohnungen. Das Erdgeschoß ist massiv, das Ober-
geschoß besteht aus Fachwerk. Die Eingangstüren sind stichbogig überwölbt
und liegen in einer Spitzbogenblende. (Veröffentlicht in den Jahresberichten des
Museums-Vereins für das Fürstentum Lüneburg 1896 — 1898.)
Neue Sülze 11. Zwei Stuckdecken. Im Flügelbau befanden sich früher
Glasfenster mit Patrizierwappen, darunter das der Töbing. — 27. Das Gebäude
enthielt im Erdgeschoß ein gut erhalteDes ReDaissance-Ziiamer mit Wand-
vertäfelung, die 1902 an das Oewerbemuseum in Hamburg verkauft worden ist
Ein reich geschnitzter Fries, von Konsolen unterbrochen, bildete den oberen
FIb, HH. Nena 8iUM ST; Portal.
Abschluß der hohen Vertäfelung (Fig. 203). Das niedrige Wandstück d2irüber,
bis zur Decke, war mit Stuekomamenten und in bestimmten Abständen wieder-
kehrenden, weiblichen Figuren bedeckt. Die Decke hatte in Rahmen und
hh8 424 8^
Füllung geteilte Holzvertäfelung, den Wandanschluß vermittelte ein Konsolen-
gesims. Die Tür war auf der Zimmerseite von zwei konrinthischen Säulen
eingerahmt, auf der Dielenseite von zwei ionischen Pilastem, die einen hohen
Aufsatz mit Hermen, Anläufem, Frontgiebel und zwei Wappen der Semmelbecker
und Töbing trugen. Das Straßenportal dieses Hauses ist mit profiliertem Rimd-
bogen überdeckt und eingerahmt von schrägem Gewände mit Sitznj^l^^ (Fig. 202).
Flg. 80t. Nene BÜIze 97; WandverUeiduDg.
Ober dem muschelförmigen Abschluß der Nischen zwei, jetzt leere Wappen.
Das letzte äußere Glied des Rundbogens ist in der Mitte zu einer Kielbogenform
hoch gezogen, enthält in den Zwickeln die Jahreszahl 1585 und ist an der
Spitze seitlich von zwei liegenden weiblichen Figuren, Gerechtigkeit und Friede,
begleitet. Über dem Kielbogen steht eine alte Ritterfigur, auf deren Schild
neu aufgemalt ist: 1585 • L • D • 1815 • R • D • 1878. — 30. Das Gebäude hat an der
Straße eine alte breite Utlucht, mit Triglyphengesims und über dem Tor zwei
Wappen und eine Steintafel mit der Inschrift: C • M • S • 1 • 6 • 76. Im Erdgeschoß
eine Stuckdecke, in deren Mitte sich ein von zwei Löwen gehaltenes und von einer
-^ 425 8^
Krone bedecktes Oval befindet — 33. Im Flügelbau befindet sich eine Stuckdecke
mit mittlerem Stem und Ornamenten, an einer Seite das Wappen der Friesen-
dorff, mit den Buchstaben W • V und A • 0 • 1712. Eine andere Decke in
demselben Flügel zeigt schwere Ornamente zwischen weit vortretenden Leisten
und zwei gemalte Medaillons mit Putten. In dem Räume, der diese Decke
enthalt, ist eine schöne Zimmertür des 18. Jahrhunderts, mit stark vortretenden
verkröpften Füllungen, Ornamenten in den Zwiekeln und reichen Beschlägen
erhalten. — 35. Ein früheres Patrizierhaus, im 18. Jahrhundert vielleicht auf
älterer Grundlage erbaut. Im Erdgeschoß werden zwei gotische Wandschranke
mit reichen Beschlägen und Faltwerk in den Füllungen aufbewahrt. Die
Schränke, mit Rankenwerk grau in grau übermalt, tragen jetzt die erst vor
kurzer Zeit willkürUch aufgemalten Jahreszahlen 1524 und 1529, sollen aber
früher die Jahreszahl 1629 gezeigt haben, die auch für die Malerei richtig
gewesen sein wird. Die Schränke selbst sind Anfang des 16. Jahrhunderts
entstanden. Ober einem der Schränke soll ein Dasselsches Wappen gesessen
haben. Im Erdgeschoß befindet sich eine Rokokodecke, femer eine ebensolche
im Obergeschoß, mit stark vortretender Figur in der Mitte. In dem mit dieser
Decke geschlossenen Räume befindet sich ein Eckkamin aus Stuck, dessen
Feueröffnung von einem kräftigen Profil umschlossen wird; darüber liegt ein
Gebälk mit der Jahreszahl 1764 im Fries. Die Fläche zwischen Gesims und
Decke wird von Rokokoomamenten bedeckt, in denen zwei Wappen, Dassel
und Friesendorff, unter einer Krone hegen. (Johann von Dassel heiratete
Margarete von Friesendorff 1745.) Das Haus enthält femer einige Zimmertüren
des 18. Jahrhunderts und den Rest einer Kamineinfassung in Form eines
hohen Konsols, das mit einem Kopf unter einem ionischen Kapitell endigt.
Untere Ohhngerstraße 13. Eine Sandsteintafel mit zwei Wappen und
M . C . M I C . M I ANNO | 1669.
Schulstraße 2. Im Garten des Hauses steht ein Sandsteinbildwerk, den
Tod der Maria darstellend; außerdem befinden sich hier zwei gotische Beischläge,
veröffenÜicht in den Jahresberichten des Museums- Vereins 1899 — 1901.
Salzbrückerstraße 65. An der Straßenseite eine Steintafel mit zwei
unbekannten Wappen.
Untere Schrangenstraße 15. Ober der Haustür eine Steinplatte mit
Wappenbild — eine ausgestreckte Hand, eine Wage haltend — darüber fünf zackige
Krone. Im Hause eine malerische Diele mit einer alten hölzernen Wendeltreppe. —
17. Im Erdgeschoß eine Stuckdecke mit ornamentierten Leisten. In der Mitte
zwei Schilde mit Krone und „1724", Unks: „J-K", rechts „C-A-H."
Schröderstraße 6. Eine Fensterzarge mit geschnitzten Pfostensockeln
aus der Renaissancezeit.
Am Stintmarkt 4. Malerische Diele mit Resten einer Wandvertäfelung,
die der im Vorzimmer zur Ratsstube des Rathauses (1600) gleicht, und einer
Treppe mit geschnitzten Anfangspfosten, vielleicht aus derselben Zeit.
Wandfärberstraße 4. Haus mit gotischem Grundriß und gotisch profiUertem
Ständer. Die Küche liegt an der alten Stelle. Die Haustür stammt aus dem
18. Jahrhundert.
54
H>« 426 8^
Am Werder. Die Stander einer ütlucht sind kanneliert und schuppen-
förmig profiliert.
Am Wüstenort 6. Am Hause eine Steinplatte mit den Wappen Elver-
Witzendorf und 159(6?).
1 — \ — r-*T — I — i
f ♦ M i f t I M f
4
4^
Fig. 204. Bmiinenbecken am Sande.
Brunnen.
Von den öffentlichen Brunnen, die auf den Namen eines Kunstdenkmals
Anspruch machen können, ist nur ein einziger, der Marktbrunnen, auf die
Gegenwart gekommen. Ein durch seine Einfachheit ansprechender Brunnen vor
der Einhomapotheke mit ovalem Becken aus dem 18. Jahrhundert (Fig. 204)
und einem Engel als Mittelfigur ist vor wenigen Jahren beseitigt; von anderen,
einem Steinbrunnen bei der Saline („fons lapideus apud salinam" 1465), dem
„Hilghenbom'* (1374), ebenfalls bei der Saline, einem Born auf dem Sande
(„de up deme sande steyt*') an welchem nach einer Sodmeistereirechnung von
-^ 427 8^
1475 vier Jahre lang gearbeitet war, ist nicht einmal der Platz genau zu
bestimmen, wo sie gestanden haben.*)
Der aus der Abtswasserkunst gespeiste Springbrunnen auf dem Markte
hatte im Jahre 1771 ein neues steinernes Wasserbecken erhalten, das um 1830
weggeräumt wurde, nachdem der Brunnen schon um die Wende des Jahrhunderts
außer Gebrauch gesetzt war. Der 1850 gegründete Lüneburger Altertums verein
unternahm es als seine erste Aufgabe, „dem Hauptplatze der Stadt seine alte
Zierde völlig zu erneuern" und ließ nach dem Entwurf des Malers Soltau in
Hamburg ein gußeisernes Becken herstellen, das inzwischem mit einem Sandstein-
becken ummauert ist Die weibliche Brunnenfigur, eine mit dem Halbmond
geschmückte Diana mit Pfeil und Bogen, weist auf die sagenhafte Deutung des
Namens Lüneburg als „Burg der Luna", der Mondgöttin. Am Rande der drei
Becken des metallenen Aufbaues sind menschliche und Tiergestalten als Wasser-
speier angebracht Die weibUchen unter diesen Gestalten spritzen nach italienischem
Vorbild das Wasser aus den Brüsten. Die gotisierenden Formen des Brunnens
gehören dem ersten Drittel des 16. Jahrhunderts an; Volger spricht die Ver-
mutung aus, daß der Marktbrunnen gleichzeitig mit der Abtswasserkunst (1530)
entstanden sei.
Denkmäler in öffentlichen Sammlungen.
In verschiedenen öffentlichen Sammlungen werden Denkmäler auf-
bewahrt, die aus Lüneburg stammen. Am bedeutendsten ist naturgemäß die
Sammlung des Lüneburger Museums. Bekannt sind dann noch die Gegenstände
in den Museen zu Berlin und Hamburg und die Papiermasse-Reliefs Alberts von
Soest im Altertums-Museum zu Dresden, in der Sammlung des Altmärkischen
Vereins zu Stendal, im Provinzial-Museum zu Hannover, im nordischen Museum
zu Kopenhagen, im Großherzoglichen Museum zu Schwerin und im Fürstlichen
Museum zu Sigmaringen. (Vergl. auch vorne Seite 219.)
1) Gotische Truhe mit geschnitzter Vorderwand. Maßwerk mit Wimpergen Museum
und Friesen, die aus Fabeltieren gebildet werden. Deckel mit zwei Vier- ^^ ^^ ^^'
passen. Hervorragende Arbeit des 15. Jahrhunderts.
2) Gotische Truhe. Vorderwand geschnitzt mit Maßwerk und kielbogenartigen
Wimpergen, die Flächen mit Blattwerk ausgefüllt, die Seitenwände mit dem
gotischen Rahmenbau. 15. Jahrhundert.
3) Gotische Truhe. Vorderwand mit Maßwerk und einander durchdringenden
Kielbögen, die mit Krabben besetzt sind. Seitenwände im Rahmenbau.
Um 1500.
4) Schmucklose gotische Truhe mit zwei Vierpässen auf dem Deckel.
5) Gotische Truhe mit Füllimgen, die durch Faltwerk ausgefüllt sind, an
allen Seiten. Deckel mit zwei Vierpässen. Nach 1500.
*) Alte Stadtansichten zeigen anf dem Sande zwei Brunnen, keiner von beiden stand
auf der Mittellinie des Platzes.
54*
H>^ 428 8«*-
6) Eichenholzplatte. Nischenaxtig ausgehöhlt und mit kleeblattföimigem Bogen
überdeckt In der Nische eine Bischofsgestalt, darüber die Inschrift: M- V^ • VÜL
7) Altarbildwerk aus Pfeifenton, aus der Kapelle des Hauses Am Sande 16.
Unter reichem, mit Maßwerk geschmücktem Baldachin eine Verkündigung,
umschlossen von einem Wohnramn mit gotischem Hausgerät, das aber schon
Renaissance-Einfluß zeigt Im Vordergrund eine Hauseinfriedigung (geflochtener
2^im) mit Haustieren innerhalb und wildlebenden Tieren außerhalb des
Zaunes. Hervorragende Arbeit (Jodocus Vredis?).
8) Zwei Holzgitter mit durchbrochenem gotischem Maßwerk.
9) Zwei kleine Türflügel mit gut stilisierten Schnitzereien in den Füllungen
(liegender Mann mit Landschaft darüber; zwei Frauen, von denen eine im
Begriff ist, sich zu erstechen, mit Landschaft).
10) Teil einer gotischen Wandverkleidung aus Eichenholz; sechs voUe und zwei
abgeschnittene Füllungen mit Bandwerk.
11) Teil einer Wandverkleidung mit drei Füllungen übereinander, die untere
Füllung mit Faltwerk, die mittlere mit Bandwerk, die obere schmale mit
laufendem Ornament ausgefüllt; gotisch; angeblich aus dem Hause Am
Sande 49.
12) Eine Kirchenstuhlwange unbekannter Herkunft, mit Maßwerk.
13) Adler eines Lesepultes, gotisch, farbig.
14) Gotischer Schrank mit vier Türen, deren Füllungen mit Faltwerk bedeckt
sind, mit reichem Beschlag.
15) Kleiner gotischer Schrank mit zwei Türen, reichem Beschlag und Zinnen-
bekrönung.
16) Eine größere Anzahl von Beischlägen (vergl. Lüneburger Museimisblätter,
Heft 1).
17) Ein romanisches Kapitell aus Gipsmörtel, im Schutt auf dem Kalkberge
gefunden.
1 8) Spätgotisches Kapitell einer runden Säule, mit Ornament im Kelch, aus Sandstein«
19) Runder Schaft einer Säule mit Basisansatz, aus weißem Marmor. Angeblich
die sogen. „Lunasäule*\ die bis 1371 auf dem Kalkberge gestanden haben
soll. Später stand sie in der Johanniskirche, wo sie als Stütze eines
Kapellengewölbes an der Nordseite gedient haben soll. (Vgl. Uffenbachs
Reisen. S. 519, 520.)
20) Eine Eichenholzplatte mit eingeritzter männlicher Figur und Spruchband,
gotisch.
21) Truhe des 16. Jahrhunderts, die Konstruktion ist noch gotisch. An der
Vorderwand Darstellimg der Geschichte Judiths in vier Bogenstellungen.
22) Vorderwand einer Truhe von 1588 mit Darstellimg der Geschichte Esthers
unter drei Bogenstellungen. An den Füßen zwei Wappen: Kroger und
Elver; hervorragende Arbeit.
23) Drei Holzplatten von einem Grabmal des Celleschen Großvogts Itel Rau f 1573
und seiner Frau Marg. v. Bodendorf. In der Mitte die Figuren der Verstorbenen
unter einem Kreuz, rechts und links Wappenreihen übereinander. Sehr gute,
farbige Arbeit.
-^ 429 8^
24) Auf Holz gemalte Auferstehung mit der Inschrift: „Hartwich Schomaker
Jacopus sone dedit 157 1^^
25) I^iinf Papiermasse-Arbeiten Albert von Soests, farbig: Bildnis Christi,
Himmelfahrt, Verkündigung, Anbetung, Christus als Schmerzensmann.
26) Teil einer Wandverkleidung aus dem Hause Am Sande 43, mit eingelegten
Bogenstellungen und Ornament in den oberen Füllungen.
27) Eine größere Anzahl Füllhölzer mit zum Teil hervorragend guten Schnitzereien,
Masken und Engelköpfe darstellend. (Vergl. Museumsblätter Heft 3.)
28) Eine Wendeltreppe aus dem Hause Obere Schrangenstraße 4, mit Masken
an der Spindel und am Pfosten.
29) Barocktür mit großer verkröpf ter Füllung an beiden Seiten und vortretendem
Spiegel, in den Zwickehi Ornament.
30) Treppenpfosten der Barockzeit, omamental, mit Maske.
31) Zweiflügelige barocke Haustür von dem abgebrochenen Hause Am Sande 5.
32) Zwei Kamin-Überdeckungen, die eine mit Darstellung des Stadtregiments
und den Wappen Töbing-Garlop, die andere mit Kartusche und der
Inschrift Anno 1583, an den beiden Enden Wappen des Landes und der
Stadt (A, V. Soest?)
33) Zwei kniende kleine Holzfiguren, darstellend den Stadtsyndikus Tobias
Domkrell von Eberhertz und seine Frau Barbara.
34) Teil eines Fachwerkgeschosses. Fußbänder mit Hausmajrken in Wappen-
schildern geschmückt. An der Schwelle die Inschrift: „GEVAL -WEN -WIR •
HABEN . VNSER • BEST • GEDAN • MVSSEN • WIR • WOL • VNDANCH • 3 •
LON...".
35) Türumrahmung. Die seitlichen Stander ornamentiert, die den Türbogen
bildenden Konsolen mit Figuren. Im Fries die Jahreszahl 1567, darüber
das Wappen der Stadt Uelzen zwischen zwei Löwen. (Aus Uelzen?)
36) Zweitüriger Schrank von 1681, Füllungen mit vortretendem Spiegel und
Flammleisten.
37) Umrahmung einer Tür, mit zwei korinthischen Pilastern, Stichbogen und
Palmenomament in den Zwickeln; aus dem Hause Am Sande 18.
38) Sogen. Wellenkampscher Schrank, aus Truhenwänden und einzelnen
Füllungen des 16. Jahrhunderts zusammengesetzt
39) „Hamburger Schapp", zweitüriger Schrank mit ornamentierten Pilastern und
zwei großen Füllungen mit vortretendem Spiegel; überreich mit Ornamenten
bedeckt.
40) Schrank des 18. Jahrhunderts, in edlen Formen; an den Ecken freistehende
Säulen, Schlagleiste als halbe Säule. Füllungen gerade, mit stark vortreten-
dem Spiegel und Flammleisten. Am Gesims Masken und flache Ornamente.
41) Geschnitzte Treppenbrüstung aus dem Hause Am Berge 35. Barockes
Blattwerk mit Putten und Wappen.
42) Zwei Balken aus dem Hause Brodbänken 10 mit aufgemalten Sprüchen.
43) Kannelierte Säule mit Kopfbändem von 1586.
44) Eine Truhenvorderwand mit Hermen und Bogenstellungen und den Wappen
des Franziskus Gering und der Anna von Dassel, verm. 1630.
KnnBtgewerbe-
Mnaenm
in Berlin.
Gewerbe-
Müseum
in Hamburg.
-^ 430 8^
45) Schrank, ganz mit Intarsien bedeckt, in der Mitte biblische Darstellungen.
46) Eine Sammlung von Ofen, vom 16. bis zum 19. Jahrhimdert, und von
Kacheln, zum Teil hervorragende Stücke.
47) Mehrere eiserne Ofenplatten mit biblischen Darstellungen, einige datiert
48) Eine fast vollständige Sammlung aller in Lüneburg verwendeten Backstein-
profile und Terrakotten.
49) Eine große Anzahl Stadtansichten und Bilder von Lüneburg.
50) Mehrere Bronzetischleuchter und Kronen.
51) Das Modell eines alten Siedehauses der Saline.
Das Museum enthält femer eine reiche Sammlung von Innungsgeraten,
Möbeln, Wetterfahnen, Grabplatten, Gittern, Beschlägen, Uhren, Stein- und
Holzteilen usw., die im einzelnen nicht aufgeführt werden können. Es wird
auf den in Arbeit befindlichen Katalog verwiesen.
1) Wandschrank aus Eichenholz, Ende des 15. Jahrhunderts. Oben imd unten
je zwei Türen, in der Mitte eine Tür zum Herunterklappen. Füllungen mit
gotischem Faltwerk. Reiche eiserne Beschläge.
2) Querfüllung aus Eichenholz, Mitte des 16. Jahrhunderts. In der Mitte der
hl. Philipp, neben ihm die Wappen von Hartwig und Margarete Stoketo.
3) Querfüllung wie Nr. 2 mit dem hl. Thomas und den Wappen von Heinrich
Erpensen und Gesche von Winsen.
4) Löffel, Silber vergoldet, um 1600. Inschrift: „Riht vor dich, nicht mich"
Stempel Lüneburger Löwe und Wappen mit den Buchstaben S. K.
5) Pokal in Traubenform, Silber vergoldet. 17. Jahrhundert. Stempel Lüne-
burger Löwe.*)
6) Das Ratssilber mit Ausnahme eines Schoppens. (Vergl. vom S. 290 f.)
1) Zwei spätgotische Truhen mit Maßwerk, Kielbögen und Fischblasen. Eine
dritte Truhe mit figürlichen Darstellungen und den Wappen der Brömse
und Schomaker, 15. Jahrhundert.
2) Zwei Spätrenaissance-Öfen.
3) Ein Kamin aus dem Hause Grapengießerstraße 45. (Vergl. vom S. 333.)
4) Decke, Wandtäfelung und Stuckfries eines Zimmers aus dem Hause Neue
Sülze 27. (Vergl. vom S. 422.)
Das Gewerbe-Museum zu Bremen besitzt die Vorderwand einer gotischen
Truhe, die anscheinend lüneburgischen Ursprungs ist
*) Die Angaben 1—5 verdanke ich Herrn Dr. Behncke, Berlin.
IV. Die BefestigTing*.
Quellen: Urkunden und Kämmereirechnungen des Stadtarchivs; Büttners Auf-
zeichnungen (ebenda); Stadtansichten und Pläne (zumeist im LUneburger Museum); Gebhardi^
CoUectanea II, lY, IX u. a.; Schomakers Chronik, hrsg. v. Meyer.
Literatur: Manecke, Top.-hist. Beschreibungen S. 4 ff.; Die Altertümer der Stadt
Lüneburg, hrsg. vom Altertumsverein, Lieferung 1 und 6; Volger, Origines Luneburgicae
(Lün. Blätter Iff.); Volger, Die Umgegend Lüneburgs (Neujahrsblatt 1860, Lün. Blätter 172 ff.);
Mithoff, Kunstdenkmale 204 ff.; Bode, Ansichten der Stadt Lüneburg (2. Jahresbericht des
Museumsvereins 1879); Ein Gang durch das alte Lüneburg, Beschreibung der Stadt nebst
einem Stadtplan aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, Lüneburg 1889; Jürgens,
Geschichte der Stadt Lüneburg S. 28 f.
Lüneburgs Bedeutung als befestigte Stadt kommt in zahlreichen bild- Geschichte,
hohen Darstellungen aus dem 15. bis in das 19. Jahrundert hinein zum imposanten
Ausdruck (vergl. Tafel 1). Manecke und Bode haben angeführten Orts die hier
zumeist in Betracht kommenden Aufrisse und Grundrisse nahezu vollständig
zusammengestellt, und wir dürfen von einer Wiederholung ihres Verzeichnisses
um so eher absehen, als die einschlägige Quellenuntersuchung zum vorhegenden
Inventar sich zu einer Sonderschrift über die topographische Entwicklung der
Stadt einschUeßUch ihrer Festungswerke ausgewachsen hat
Die älteste Befestigung der Stadt bestand aus Gräben und PaUisaden.
„Plancae civitatis" werden 1254 erwähnt, und noch zwei Jahrzehnte später
vermerkt das Verfestungsregister, daß ein Einbrecher die Planken übersteigt und
dem Wächter des nach Bardewik führenden Tores die Torschlüssel raubt; zur
selben Zeit ist von den Türriegelbalken (sere) und der Stadtbefestigung am
Abtstor die Rede. Stadtmauern (muri) begegnen uns zuerst 1297. An Toren
werden außer den schon erwähnten genannt: das Wellender 1272, das Grimmertor
(valva in Grimmone) 1283, das Rodedor (valva Rufa oder Rubea) 1289, das
Lindenberger Tor (valva Lindenberghe) 1302, das Neubrücker Tor (valva novi
pontis) 1346, das Sülztor (sultedor, valva saline) 1347, das Rennenbruchtor (valva
Rennenbruche ultra aquam Ehnenouwe) 1348, das Altenbrücker Tor (valva
antiqui pontis) 1354, das Spillekendor 1369, das Neue Tor (dat nyge dor by
Sunte Ciriacus) 1385, das Wassertor 1389, das Alte Tor (Antiqua valva) 1464,
das Lüner Tor (valva Lunensis, Lunaris) 1467. Über die Gestalt der jüngeren
Tore, die sämtlich aus einem durch ein Torgewölbe verbundenen, äußeren und
-^ 432 8^
inneren Bau bestanden, gibt Mithoff auf Grund von Aufzeichnungen Gebhardis
einige interessante Mitteilungen, auf die hier verwiesen wird.
Bis um 1200 umfaßte der Befestigungsgürtel nur die Altstadt, um nach
Vereinigung mit Modestorf und nach Anlage der Neustadt in eben dieser 2ieit
bis auf das rechte Ufer der Ilmenau vorgeschoben zu werden. Eine neue Epoche
begann mit der Zerstörung der Burg auf dem Kalkberge. In derselben Urkunde,
in welcher die Herzöge Wenzel und Albrecht den Gewaltakt der Bürger gut-
hießen, erlaubten sie ihnen, zwischen der Burg und Altstadt Mauer und Graben
zu ziehen, die außenbleibenden Gebäude sowie alle Häuser im Grimm, vor dem
Lindenberger, dem Roten und Sülztor niederzubrechen und die Stadt samt der
Ummauerung nach Belieben zu vergrößern (1371 Jan. 6). Nun erst konnte das
zur Ausführung gebracht werden, was die Herzöge Wilhelm und Magnus schon
am 27. Oktober 1369 zugestanden hatten: die Zumauerung des Grimmertors und
des Lindenbergertors, welch letzteres Rat und Bürgerschaft damals erst in eigene
Obhut bekamen. Etwa in der Mitte der beiden bisherigen Tore wurde das
Neue Tor angelegt.
Die Erfahrungen des Erbfolgekrieges legten der Stadt in erhöhtem Maße
die Pflicht auf, ihre Befestigung zu verstärken. Man begnügte sich nicht mehr
mit Stadtgraben und Mauerring, sondern legte, zunächst mit Ausscheidung des
weniger gefährdeten Gebietes am rechten Ufer der Ilmenau, im weiten Kreise
um die Stadt die Landwehr an. Die Erlaubnis der Herzöge dazu wurde im
Satebriefe vom 14. September 1392 gewonnen, und ein zweiter Vertrag vom
6. September 1407 beweist, daß das große Unternehmen inzwischen zur Aus-
führung gekommen war. Sodann wurden die Tore und Mauern verstärkt oder
erneuert, das Bardewiker Tor 1411, das Altenbrücker 1414, das Sülztor 1440.
Eine Mauer von hier bis an die Ilmenau entstand 1442, vom Kalkberg bis zur
Ilmenau 1443, während der Graben hinter der Ratsmühle bis zum Roten Tor
schon 1381 „geferdiget", d. h. verbreitert war. An Befestigungstürmen gab es
jenerzeit einen Turm bei der Baumkule, die Türme Fredeke und Van baven (1371),
den Blauen Turm und den Springintgudturm (erbaut 1424), den Turm Stur-
Lüne (1442). Der Wachtturm auf dem Kalkberge war das einzige Gebäude, das
von der Herzogsburg übrig geblieben war, er wurde 1491 erneuert. Fünf Jahre
später erstand ein großer runder Turm hinter der Ratsmühle. Ein abermaliger
Ausbau der Festungswerke erfolgte in den dreißiger Jahren des 16. Jahr-
hunderts. Es entstand das lange Gewölbe des Neuen Tores, der verstärkte
Wall von da bis an den Springintgudturm und ein großes „rundel" in der
Ilmenau bei der Baumkule, woselbst im Jahre 1536 ein großer Pulverturm in
die Luft flog.
An der Ostseite war Lüneburg außer durch Ilmenau und Stadtgraben
durch den schon 1299 nachweisbaren Lösegraben geschützt, an dessen Stelle
sich jetzt ein Bahndamm erhebt. Der Ilmenauhafen konnte in Höhe der Warburg
durch eine Kette und weiter südlich durch einen Baum gesperrt werden. Im
Norden wurde der breite Stadtgraben trocken gehalten, weil durch sein Wasser
der Gehalt der Solquellen beeinträchtigt worden war. Hier war daher der
Wall — der einzige, der in seiner größeren Hälfte noch erhalten ist — nicht
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nur durch eine Außen- und Innenmauer, sondern auch durch eine gleichfalls
erhaltene, weit vorspringende Bastion geschützt
Seit im dreißigjährigen Kriege der Kalkberg von der Landesherrschaft
zurückgenommen und als Sonderfestimg ausgebaut war, verloren die Festungs-
werke der Stadt, zumal da der hohe Springintgudturm abgetragen werden
mußte, erheblich an Bedeutung, und nach dem siebenjährigen Kriege büßte
auch die Kalkbergveste ihre militärische Bedeutung ein. Dann begann man,
Türme, Wälle und Mauern niederzulegen, ein notwendiger Prozeß, der erst in
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Stillstand und, so dürfen wir
hoffen, nunmehr zum Abschluß gelangt ist
BeBchreibnng. Von der Umwallung der Stadt sind nur spärliche Teile erhalten. Im
Südosten erhebt sich in der Nähe der Ilmenau ein Schutthügel, der letzte Rest
des „roten Walles", mit wenigen Mauerteilen an der Stadtseite. Im Nordwesten
steht noch ein stattliches Stück des „Bardowicker Walles" mit einer weit
vorspringenden Bastion. Dieser Wall wird von beiden Seiten gestützt durch
starke Mauern aus Findlingen und Ziegelsteinen. Die Außenseite der Mauer
läßt die Anlage eines runden Turmes erkennen, im übrigen ist das Mauerwerk
so stark zerbröckelt, daß es zwar sehr malerisch wirkt (Fig. 205), aber keine
Formen mehr zeigt Einige Offnungen mit schrägen Leibungen kann man für
Schießscharten ansehen. An der Stadtseite sind einem Teil der Mauer starke
Strebepfeiler vorgelegt, an den großem Teil sind kleine Häuser gebaut Die
Krone des Walles ist erhöht, so daß sich nach der Außenseite zu hinter der
Mauerbrüstung ein einem Wehrgange ähnlicher Weg ergibt Die Bastion besteht
nur aus Erdboden.
Von der äußeren Befestigungslinie, der sogen. Landwehr, ist im Nord-
westen der Stadt ein zusammenhängendes Stück erhalten, das bei dem Dorfe
Reppenstedt beginnt, dicht vor Vögelsen nach Osten abbiegt und zwischen
Ochtmissen und Bardowick, das erstgenannte Dorf einschließend, sich bis an
die Ilmenau heranzieht. Die Landwehr besteht jetzt aus drei bis fünf neben-
- einander liegenden Gräben, deren Böschungskronen mit Buschwerk und Wald
bestanden sind. An der Stadtseite fließt der Lajidwehrbach. Einige sumpfige
Buschwaldstreifen bei dem Gute Schnellenberg imd hhiter dem Forsthaus
„Bote Schleuse" werden ebenfalls für Teile der Landwehr gehalten.
Von den Befestigungen, die sich an den zur Stadt führenden Straßen
da befanden, wo die Landwehr durchbrochen wurde, steht nur noch ein Turm
der Hasenburg an der Straße nach Soltau. Der Turm ist im Grundriß
quadratisch. In der westlichen dicken Mauer hegen übereinander zwei
gemauerte Treppen, die das zweite, dritte und vierte Stockwerk miteinander
verbinden. Zum zweiten Stockwerk führte keine Treppe. Über dem Eingang
zu dem gewölbten Keller ist ein Balken mit der Inschrift: „AEDIFICATVM |
ANNO 1621" und den Wappen der Stadt und des Landes eingemauert, im
zweiten Stockwerk hegt in der Mauerdicke ein kleiner Raum, der mit einer
jetzt im Museum befindlichen, eisenbeschlagenen Tür verschlossen werden konnte
und der in Verbindung mit d&m darunter liegenden Geschosse gestanden haben
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soll. Dieser kleine Raum soll als Gefängnis gedient haben. Das Mauerwerk
des Turmes besteht aus starken Pfeilern, die durch Bögen verbunden sind, und
dazwischenliegenden dünneren Nischenwänden. Die Außenseiten der Mauerkörper
sind ungegUedert bis auf das vierte Geschoß, das auf jeder Seite fünf spitz-
bogige Blenden zeigt. An der Süd- imd Nordseite liegen in den äußersten
Blenden spätgotische Schilder mit den Wappen des Landes und der Stadt und
unter den Blenden große gemauerte Kreise mit Putzgrund. Die Traufkante des
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Zeltdaches wird über den Blenden unterstützt iuich gerade Knaggen, deren
Klappstiele am unteren Ende blattförmig ausgeschnitten sind.
An einer neben dem Turme liegenden Fachwerkscheune befindet sich
eine Steintafel mit der Inschrift: EXSTRVCTVM | J. G. v[on] D[öring] | F. G.
S[chütz] I CAMER[ariis] | Ao 1768.
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