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Full text of "Die Kunst des Übersetzens: Ein Hilfsbuch für den lateinischen und griechischen Unterricht"

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Die 



Kunst des Übersetzens 



Ein Hilfsbuch 



für den 



lateiniscben nnd griecbiscben Unterriclit 



Von 



Paul Cauer. 



Dritte, vielfach verbesserte und vermehrte Auflage. 



Mit einem Exkurs über das Präparieren. 



Berlin. 

Weidmannsche Buchhandlung. 

1903. 



Das Maß, das der Verstand an die Dinge 
legt, geht nie rein auf. Das meiste in der 
Welt wird durch inkommensurable Größen 
gemacht. 

Rembrandt als Erzieher. 




( 



Den alten Freunden 






Ewald Bruhn Anton Funck 

in Frankfurt a. M. in Sondershausen 

in treuem Gedenken 

an die 

gemeinsamen Kieler Jahre 



J 



1 P^rri !^c\ 



Vorwort. 



Elf Jahre ist es her, daß ich zum ersten Mal, als Privat- 
dozent an der Universität Kiel, „über philologischen Unterricht 
an Gymnasien" las. Aus einem Teil jenes Kollegs ist das 
vorliegende Buch erwachsen, das Ende 1893 in erster, Ostern 1896 
in zweiter Auflage erschien. Daß es seine Wirkung getan hat, 
wird u. a. durch die mancherlei Arbeiten bestätigt, die daran an- 
geknüpft haben, im Grundgedanken übereinstimmend, im be- 
sonderen natürlich vielfach abweichend. Emmerich Cornelius, 
„Über Wechselbeziehungen zwischen dem Lateinischen und 
dem Deutschen in der Sexta und Quinta des Gymnasiums" 
(Pleckeisens Jahrbb.- 156 [1897] S. 423 ff. 474 ff.), hat sich die 
lohnende Aufgabe gestellt, die Hilfen aufzusuchen, durch die 
schon der Anfangsunterricht einer späteren verständigen An- 
wendung der Sprache beim Übersetzen vorarbeiten kann. 
Ferdinand Saxl, „Die Verdeutschung lateinischer Dichter, ins- 
besondere Vergils" (Progr. Gzernowitz 1899), und Gottfried 
Kentenich, „Wie sollen wir die antiken Dichter in der Schule 
übersetzen?" (Neue Jahrbb. UI [1900] S. 543 ff.), verfolgen den 
Gedanken, daß die Sprache in der Übertragung eines Dichters 
nicht ins Alltägliche fallen dürfe. Andere haben auf einzelne 
der von mir berührten Fragen im Zusammenhang eigner 
Ausführungen bezug genommen. Nach dem allen erscheint 
es nicht notwendig, was zur Erklärung und Begründung des 
ganzen Versuchs ursprünglich gesagt wurde, noch einmal zu 
wiederholen. 

In der neuen Auflage sind vielfach Beispiele durch gleich- 
artige doch wirksamere ersetzt, der Kreis der Beobachtungen 
ist erweitert worden; im Anschluß daran konnte hier und 
da auch die Untersuchung vertieft werden. Zu all solchen 



VI Vorwort. 

Bereicherungen gab fortgesetzter eigener Unterricht, noch mehr 
vielleicht der Anteil den Stoff und die Anregung, den ich als 
Direktor an der Tätigkeit von älteren und jüngeren Berufsge- 
genossen nehmen darf. Auf gemeinsamer Arbeit und gemeinsam 
gesammelten Erfahrungen beruht namentlich der Exkurs „über 
das Präparieren", den ich beigegeben habe, um an meinem 
Teile die Gefahr zu bekämpfen, mit der uns eine gewisse Sorte 
nicht verbotener und gesetzlich nicht anfechtbarer Hilfsmittel 
bedroht. Die neuere Entwickelung, in der gelehrte Forschung 
und Praxis des Unterrichtes, jede auf ihrem Gebiete sich ver- 
vollkommnend, mehr und mehr auseinandergehen, bringt es mit 
sich, daß unter den Ausgaben Kommentaren Wörterbüchern 
diejenigen an Zahl und Verbreitung zunehmen, die der Jugend 
am wenigsten Arbeit und eignes Denken zumuten. Der Yer- 
flachung und Verarmung, die so in den philologischen Unter- 
richt eindringen will, gilt es zu widerstehen. Man kann ja 
nicht leicht jemand hindern, seinen Unterricht auf dem ge- 
drückten Niveau zu halten, auf dem Speziallexika und „Schüler- 
präparationen" als Wohltat empfunden werden. Doch kann 
man immer wieder das Bessere und Kräftigere dagegen stellen 
und mit Wort und Tat für die Überzeugung protestieren, daß 
Gängelband und Krücken Kindern und Kranken dienen mögen, 
für den gesund Heranwachsenden aber kein Mittel sind um 
gehen zu lernen. 

Mehrfach habe ich der Versuchung widerstanden, in das 
Gebiet der neueren Sprachen hinüberzugreifen. Auch sie 
können so betrieben werden, daß durch den Unterricht das 
Denken vertieft, der ursprügliche Sinn der Worte und damit 
ein Stück Entwickelungsgeschichte von Begriffen aufgedeckt 
wird. So weit sich aber aus den verbreiteten Schulausgaben 
mit ihren Anmerkungen und Wörterverzeichnissen schließen 
läßt, ist diese Aufgabe noch keineswegs allgemein erkannt. 
Die Analogie der klassischen Sprachen und der an ihnen seit 
lange ausgebildeten Praxis könnte sich hier sehr nützlich 
erweisen. 

Düsseldorf, im Februar 1903. 

Paul Cauer. 



Inhalt. 



Seite 

Einleitendes: Begrenzung der Aufgabe 1 

I. Schlichtheit und gewählter Ausdruck 9 

Tl. Grundbedeutung 20 

IIT. Sinnliche Vorstellimg und Begriff 32 

IV. Synonj'ma 44 

V. Partikeln 57 

VI. Übersetzen oder erklären? 72 

VII. Woi-tstellung 87 

Vin. Verschiebung des Grewichtes 100 

IX. Satzbau 111 

Schluß: Fortleben der Aufgabe 131 

Exkurs über das Präparieren 139 

Anmerkimgen 148 

Register 157 



Einleitendes. 



Begrenzung der Aufgabe. 

Est quadam prodire tenus, si non datur ultra. 

Horaz. 

Als König Ptolemäus Philadelphus die heiligen Schriften der 
Juden ins Griechische übertragen zu sehen wünschte, ließ er 
siebzig jüdische Gelehrte in ebenso vielen Zellen auf der Insel 
Pharos einschließen und jeden für sich eine Übersetzung an- 
fertigen; als man dann die Resultate der Arbeit verglich, 
stimmten sie alle wörtlich überein. Diese hübsche Geschichte i) 
ist ein Lieblingstück unsrer populären Bibelkunde geworden; und 
mit verständlichem Instinkt hat sich gerade die Schule ihrer 
bemächtigt. Denn sie ist innerlich verwandt mit jener naiven 
Auffassung des Verhältnisses zwischen verschiedenen Sprachen, 
von der die meisten Schüler und manche Lehrer beherrscht 
werden. Wer zuerst anfängt Wörter und Formen einer fremden 
Sprache zu lernen, der erwartet nicht anders, als daß sie denen, 
die er kennt, Zug für Zug entsprechen werden. Noch erinnere 
ich mich der Beunruhigung, die ich als Sextaner empfand, da 
ich begreifen sollte, dafs die Freude im Lateinischen ein Neutrum 
sei. Gegen dergleichen Überraschungen nun wird ja auch der 
jugendliche Geist bald abgehärtet. Aber im Grunde bleibt doch 
die Überzeugung stehen, daß zwei Sprachen nur ein doppelter 
Ausdruck für dieselbe Sache seien, daß für jeden Satz, der 
in der einen ausgesprochen ist, ein genau gleichwertiger in der 
andern vorhanden sei und daß solche Übereinstimmung nichts 

Cauer, Die Kunst des Übersetzens. 3. Aufl. 1 



2 Einleitendes. 

Wunderbares habe, vielmehr auf der natürlichen Ordnung der 
Dinge beruhe. Der Unterricht, dem es obliegt den Verstand in 
stramme Zucht zu nehmen und eine Schar von 20, 30 oder 
mehr kleinen Menschen an ein geordnetes und gleichartiges 
Denken zu gewöhnen, kann gar nicht anders als von gesetz- 
mäßigen Beziehungen zwischen den Teilen, die er verbinden 
soll, ausgehen. Er muß kategorisch erklären: das und das 
„heißt" auf lateinisch so und so; diese Übersetzung ist falsch, 
jene richtig. Unablässige, tägliche und stündliche Arbeit wird 
erfordert, um ein System fremder Flexionsformen, einen aus- 
reichenden Vokabelschatz, vollends später um feinere syntaktische 
Verhältnisse zu allgemeinem und sicherem Besitz zu bringen. 
Da ist es begreiflich, wenn auch der Lehrer, der inmitten dieses 
Betriebes tagaus tagein sich abmüht, nach und nach von der 
schülerhaften Betrachtung der Dinge angesteckt wird. Mag 
er beizeiten dagegen ankämpfen, immer wieder wird er in 
Gefahr kommen, das, was Mittel zum Zweck ist, für die Sache 
selbst zu nehmen, und zufrieden zu bleiben wenn er es dahin 
gebracht hat, daß für non ignoro gleich von selber „ich weiß 
wohl", für non magis quam „ebenso wenig wie" gesagt, jeder 
lateinische Potentialis mit „dürfte" wiedergegeben wird. 

Dem Übel wird scheinbar dadurch abgeholfen, daß man 
auch auf die Abweichungen des deutschen Sprachgebrauchs 
vom fremden fleißig achten lehrt. Aber indem man diese in 
Regeln zusammenzufassen sucht, geschieht es bald, daß der eben 
hinausgetriebene Irrtum von der andern Seite wieder hereintritt. 
Die Meinung, daß es für jede deutsche Wendung eine von Natur 
gleichbedeutende lateinische oder griechische gebe, ist nicht er- 
schüttert, wenn man auch gelernt hat, daß die dem Sinne nach 
gleichen Ausdrücke in bestimmten Fällen unähnUche Form haben. 
Xenophon Memor. n 1, 24 xt äv ?8ü>v y] ti dxoüoa? xspcpöstTjc 
übersetzte ein Obersekundaner: „was zu sehen oder zu hören 
dich erfreuen würde." Auf das Verlangen, er solle auch einmal 
wörtlich übersetzen, antwortete er ganz bescheiden: „Das ist 
ja wörtlich; die Verba des Affekts regieren im Griechischen das 



Begrenzung der Aufgabe. 3 

Partizip statt des Infinitivs." Was liegt alles in diesem „statt"! 
In Prima las ich einmal die Ode auf Licymnia: quam nee ferre 
pedem dedeeuit ehoris „der es wohl anstand den Fuß zum 
Reigen zu heben." Das war nichts. Ich versuchte auf einem 
kleinen Umwege zu dem richtigen Verständnis zu führen: Horaz 
will rühmen, daß die Geliebte des Mäcenas auch bei ausge- 
lassenem Spiel die Grenzen des Anstandes niemals überschritt; 
also etwa „die es verstand mit Anmut den Fuß zu heben." 
Aber die negative Wendung wollte mein junger Freund nicht 
gelten lassen: non dedeeei sei eine Litotes, bedeute also ein ver- 
stärktes deeet Nicht mit Unrecht warnte Moriz Haupt in 
seinen Vorlesungen^ vor dem Gebrauch grammatischer Kunst- 
ausdrücke wie Ellipse, Pleonasmus, Enallage u. s. w., wodurch 
Erscheinungen des Sprachlebens äußerüch zusammengefaßt 
und kurz bezeichnet würden, während es darauf ankomme den 
Vorgang in der lebendigen Menschenseele zu erfassen, auf dem 
jedesmal die Erscheinung beruhe. 

Der Mechanisierung des Ubersetzens und Erklärens wird 
neuerdings dadurch Vorschub geleistet, daß schriftliche Über- 
tragungen fremder Texte ins Deutsche unter die vorschrifts- 
mäßigen Klassenarbeiten aufgenommen worden sind und auch 
bei den Prüfungen eine wichtige Rolle spielen. Der Gedanke 
an die „Zielleistung" muß den Gang des Unterrichts mit be- 
stimmen, er drängt dahin, daß ein fester Schatz von Formeln 
und Kunstgriffen ausgebildet und angewöhnt werde, damit am 
Ende diejenige äußere Korrektheit erscheine, die vor einem 
summarisch prüfenden Auge bestehen kann 3). Dem gegen- 
über möge kein Lehrer versäumen, von Zeit zu Zeit an der 
Erkenntnis sein Gewissen zu schärfen, zu der Wilhelm von 
Humboldt, auch er seinerzeit Leiter der geistlichen und Unter- 
richtsangelegenheiten im preußischen Ministerium, gelangt war. 
Er schreibt an August Wilhelm von Schlegel, den Shakespeare- 
Übersetzer, am 23. Juli 1796*): „Alles Übersetzen scheint mir 
„schlechterdings ein Versuch zur Auflösung einer unmög- 
„lichen Aufgabe. Denn jeder Übersetzer muß immer an einer 

1* 



4 Einleitendes. 

„der beiden Klippen scheitern, sich entweder auf Kosten des 
„Geschmacks und der Sprache seiner Nation zu genau an sein 
„Original, oder auf Kosten seines Originals zu sehr an die 
„Eigentümlichkeit seiner Nation zu halten. Das Mittel hier- 
„zwischen ist nicht bloß schwer, sondern geradezu unmöglich." 
Noch härter absprechend Haupt: „Das Übersetzen ist der Tod 
des Verständnisses." Das klingt freilich paradox, und man 
empfindet darin etwas von dem Hochmut des Vertreters der 
reinen Wissenschaft, der dem banausischen Treiben der Schule 
den Rücken kehrt; aber einen recht heilsamen Mahnruf kann 
doch auch sie aus dem übertreibenden Urteil entnehmen. Wer 
ihn verstehen will, lese die feinsinnige Abhandlung von Julius 
Keller: „Die Grenzen der Übersetzungskunst" ^). Dort wird aus- 
führlich nachgewiesen, wie die Sprache kein Kleid ist, das 
man von den ausgesprochenen Gedanken abziehen und durch ein 
anderes ersetzen könnte, sondern daß sie mit den Gedanken 
untrennbar verwachsen, zugleich Form und ein Stück des Inhalts 
ist. Nicht nur für Abstracta wie etwa lat. fides giebt es kein 
genaues Äquivalent im Deutschen, sondern auch durch sinnliche 
Gegenstände wie Sonne Mond Baum Rind Esel waren im 
Geiste der alten Völker Vorstellungen erweckt und mit den 
dafür geschaffenen Namen fest verbunden worden, die uns fremd 
sind und in die wir erst versuchen müssen uns hineinzudenken. 
Den Streifzügen durch mannigfaltige Gebiete des sprachlichen 
Lebens, mit welchen Keller den kindlichen Glauben, daß das 
Denken bei allen Völkern das gleiche sei, bekämpft, folgt man 
um so williger, als er zuletzt doch nicht bei der negativen 
Konsequenz, daß eben Übersetzung unmöglich sei, stehen bleibt. 
Vielmehr sucht er diejenigen Elemente im grammatischen und 
logischen Bau der Sprachen auf, die mit einiger Sicherheit als 
gleich vorausgesetzt werden und der Übertragung zum Anhalt 
dienen können. Sein Ziel ist nicht, vom Übersetzen abzu- 
schrecken, sondern zu verständiger und eindringlicher Übung 
dieser Kunst anzuleiten. 

Kellers Abhandlung soll vorzugsweise der Schule dienen. 



Begrenzung der Aufgabe. 5 

die natürlich auf die Tätigkeit des Übersetzens nicht verzichten 
kann. Aber auch außerhalb ihrer Kreise hat die stolze Re- 
signation, von der wir einige Zeugnisse anführten, nicht die 
Herrschaft behauptet. Humboldt selber hat sich an einigen der 
schwierigsten Aufgaben fast mit leidenschaftlichem Eifer ver- 
sucht und in der Einleitung zu seinem Agamemnon (1816) auch 
theoretische Bemerkungen gegeben, die für jeden, der Ähnliches 
unternehmen will, wertvoll sind (Ges. Werke III S. 12 ff.). In 
neuester Zeit sind eine besonders erfreuliche Erscheinung die 
Übersetzungen griechischer Tragödien von Ulrich von Wilamo- 
witz-Moellendorff. Da man dem Hellenentum die Wirksamkeit 
in der Schule mehr und mehr erschwert, so muß auf andere 
Wege gesonnen werden, durch welche die ästhetischen und 
sittlichen Kräfte der Griechen der modernen Menschheit zu- 
geführt und zu Elementen einer neuen Kultur gemacht werden 
können. Der Verdeutschung des Hippolytos (1891) als seinem 
ersten Versuch in dieser Richtung hat Wilamowitz ein Kapitel 
über die Frage, was Übersetzen sei, vorangestellt, in dem er, 
an Haupt anknüpfend, die Schwierigkeit, aber auch die Mög- 
lichkeit einer verständnisvollen Nachbildung erörtert^). Der 
gröfste Teil seiner Ausführungen hat es mit der metrischen 
Form zu tun, kommt also für die bescheidneren Aufgaben 
der Schule kaum in Betracht. Aber auch sie kann sich, mit 
einer kleinen Modifikation, den Satz aneignen, . in den er die 
Forderung zusammenfaßt, die an den Übersetzer zu stellen 
sei. Auch ihr Ziel muß sein: einen deutschen Text herzu- 
stellen, der auf heutige Leser oder Hörer einen ähnlichen Ein- 
druck macht, möglichst annähernd gleiche Gedanken und Em- 
pfindungen in ihnen weckt, wie das Original sie in den Zeit- 
und Volksgenossen des Autors hervorrief. 

Aus diesem Grundgedanken erwächst eine doppelte Aufgabe. 
Einmal muß die Sprache in die wir übersetzen wirkliches, 
lebendiges Deutsch sein, nicht ein künstliches Latein-Deutsch 
oder Griechisch-Deutsch; wie soll es sonst unserm Gemüt nahe 
kommen? Dann aber muß die Eigenart des alten Dichters oder 



6 Einleitendes. 

Schriftstellers gewahrt werden; Homer muß in anderes Deutsch 
übersetzt werden als Vergil, Tacitus anders als Cicero^. Jede 
dieser Forderungen für sich ist schwer genug. Die erste be- 
deutet Herrschaft über die Muttersprache, zur zweiten gehört 
es, daß der Übersetzer sich in den Geist seines Autors hinem- 
lebe und von da aus den deutschen Ausdruck bilde; woraus 
weiter folgen würde, daß es eigentlich für jeden Schriftsteller 
eine besondere Kunst des Übersetzens gebe^. Das Schlimmste 
aber ist: beide Tendenzen wirken einander entgegen; sie aus- 
zugleichen, das ist eben die Unmöglichkeit, auf die Humboldt 
hinwies. Eine Übersetzung, die dem Original Wort für Wort 
und Satz für Satz folgte, würde die Eigentümlichkeiten des ur- 
sprünglichen Stiles erkennen lassen, aber in unsauberer Zeich- 
nung; wie denn DonQuixote (X 10) eine Übersetzung mit der Rück- 
seite einer niederländischen Tapete vergleicht, wo die Figuren 
sich zwar zeigen, aber durch kreuz und quer gehende Fäden 
entstellt sind. Andrerseits wenn man sich bemüht die großen 
und kleinen Flecke wegzuputzen, die durchgesteckten Fäden zu 
verbergen, so ist zu fürchten, daß das Bild zwar wieder glatt 
werde, doch dem ursprünglichen nicht charakteristisch ähnlich 
bleibe. Eine absolute, in Regeln faßbare Auseinandersetzung 
zwischen den Ansprüchen, die von beiden Seiten erhoben werden, 
kann nie gelingen. Aber wer darum den Versuch überhaupt 
aufgeben wollte, würde einem Maler gleichen, der daran ver- 
zweifelte eine Landschaft oder ein menschliches Antlitz darzu- 
stellen, weil er nicht jedes einzelne Teilchen, alle Bäume, Zweige, 
Blätter, alle Palten und Haare wiedergeben kann. Die wesent- 
lichen Züge kann gerade seine Kunst herausheben und dadurch 
den Kindruck des Lebens erneuern, während die Photographie 
durch pedantische Treue verwirrt und tötet. Alles künstlerische 
Schaffen hat seine eigentliche Kraft auf dem Gebiete des Irra- 
tionalen; so auch das des Übersetzers.- 

Ist damit die Entscheidung letzter Instanz dem Verstände 
genommen und dem subjektiven Gefühl zugeschoben, so versteht 
es sich doch von selbst, daß dieses imi so sicherer das Gute 



BegrenzuDg der Aufgabe. 7 

treffen wird, je mehr es sich von Willkür fern hält, je feiner 
die Nuancen sind, zwischen denen es wählt, je sorgfältiger vorher 
durch verständige Überlegung das Material bereitet ist, mit dem 
gearbeitet werden soll. Deshalb wird der Übersetzer die Gegen- 
sätze, die er gern versöhnen möchte, immer im Auge behalten 
und, ehe er seinen sprachlichen Takt wirken läßt, mit klarem 
Bewufstsein festzustellen suchen, wie viel er jedem der beiden 
Streitenden zugestehen kann, ohne den andern zu verletzen. 
Indem so die Aufmerksamkeit nach zwei Seiten gespannt bleibt, 
wird auch ein doppelter Gewinn sich ergeben. 

Es wird gelingen ein Stück fremder Literatur in das eigene 
Geistesleben aufzunehmen. Ohne Übersetzung, sei es die eigne 
oder eine fremde, ist das doch nur ganz wenigen möglich. Den 
geringen Einflufs, den manche hervorragende Werke ausländischer 
Literatur auf die deutsche Bildung gewonnen haben, erklärt 
Michael Bernays^) daraus, daß die Eigenart solcher Schöpfungen 
wie z. B. der französischen Tragödie sich einer würdigen Nach- 
bildung im Deutschen nicht fügen wollte. Die Übersetzungen 
der Schule können mit Arbeiten, wie er sie hier im Sinne hat, 
nicht wetteifern, aber sie haben doch auch ihren eignen Vorzug. 
Immer von neuem werden sie erzeugt, nicht in einmal gefun- 
dener Form festgelegt; und während der Reproduktion begleitet 
den Geist des Sprechenden wie des Hörenden noch das Bewußt- 
sein von den Worten des Originals, um die unvollkommene 
Wiedergabe zu rechter Fülle und Klarheit zu ergänzen i^'). 

Der zweite Gewinn, den die Mühe des Übersetzens einbringt, 
besteht in der Bereicherung der eignen Sprache. Einer der 
ersten, die das erkannt hatten, war Cicero, der selber erzählt, 
wie er durch Übersetzen des Äschines und Demosthenes seinen 
Stil gebildet habe. Aus neuerer Zeit ließen sich von Schiller, 
Wilhelm von Humboldt, Schleiermacher verwandte Zeugnisse 
anführen ^^). „Der Übersetzer", schreibt Bernays, „darf sich wohl 
„einem Eroberer vergleichen, der, was er in fremden Landen 
„an herrlicher Beute gewonnen, der Heimat zuführt, wo es hinfort 
„als nutzbringendes Besitztum dauernd gedeiht." Aus gleichem 



8 Einleitendes. 

Sinn erwachsen ist eine ältere Schrift von Tycho Mommsen^^), 
die von der Übertra^ng fremder Dichtwerke handelt; da werden 
die Vorteile fein hervorgehoben, die jede einzelne der modernen 
Sprachen dem poetischen Ausdruck bietet, und Proben von der 
Kunst deutscher Übersetzer gegeben, die eben im Wettkampf mit 
jenen Vorteilen für die Muttersprache neue Formen geschaffen, 
überraschende Klangwirkungen ihr entlockt haben. In beschei- 
denem Maße läßt sich ein ähnlicher Erfolg auch auf der Schule 
erreichen, bei Knaben und Jünglingen, deren Bewußtsein von 
den Schätzen der eigenen Sprache noch im Werden begriffen 
ist. So ist es ja nicht gemeint, daß dem Deutschen fremde 
Elemente aufgedrängt werden sollen; sondern, aufgestachelt durch 
das Suchen nach dem treffenden Ausdruck für einen gegebenen 
Gedanken, soll der Einzelne lernen, was alles für Worte und 
Verbindungen, dem Keime nach, ohne daß er es merkte, in 
seiner eigenen Sprache enthalten waren. 

Wie das nun zu versuchen sei, daß man die beiden Schwierig- 
keiten, die wir bezeichnet haben, gleichzeitig beachte und die 
sich begegnenden Linien nicht zur Schneidung kommen lasse, 
sondern durch sorgsame Kleinarbeit in einander überführe, so 
daß sie wie in einer schön geschwungenen Kurve verlaufen: 
dies soll im Folgenden an einigen Beispielen aus dem Gebiete 
der beiden klassischen Sprachen dargetan werden. 



I. 
Schlichtheit und gewählter Ausdruck. 

Nichts ist einem lebendigen Gesicht mehr, aber 
zugleich auch weniger ähnlich, als eine Maske. 

R. a. E. 

1. Terentii fabülis plus delector quam Plaut i steht unter den 
Musterbeispielen unserer Grammatik; mir ist noch kein Sekun- 
daner vorgekommen, der es ans eignem Antrieb anders übersetzt 
hätte als „ich werde mehr ergötzt". Dergleichen bekommt 
man manches zu hören. Dumnorix wird von einer „Magistrats- 
person" der Äduer angeklagt; nachdem Cäsar die „Schlacht- 
reihe" aufgestellt hat, kämpfen seine „Fußsoldaten" von einem 
„höher gelegenen Orte aus"; sie haben Gallien „mit Krieg 
überzogen" und später ihrem Feldherrn den „Brdkreis" unter- 
worfen. Alle diese Ausdrücke leben gar nicht in der deutschen 
Sprache, sie verdanken ihr Scheindasein nur den lateinischen 
Vokabularien und Übungsbüchern. Auch ein Schüler empfindet 
das, wenn man ihn etwa fragt, ob er selber schon einmal im Theater 
ergötzt worden sei, oder wenn man dem Magistrat die Stadt- 
verordneten, den Fußsoldaten die Bleisoldaten gegenüberstellt. 
Trotzdem drängt sich die Unnatur immer wieder hervor. Als 
das Unwetter losbrach, „erstrebten" die Jäger „verschiedene 
Häuser" (Aen. IV, 163 f.); Äneas und Dido schwelgten den 
Winter hindurch „uneingedenk" ihrer Reiche (194). Kalypso 
„schritt zum Palaste" (e 242); warum „ging" sie nicht einfach 
„nach Hause"? Uterque erklärt man Jeder von beiden", um 
es von ambo zu unterscheiden; das merken die Jungen und 
scheuen nun vor jedem schlichten „beide" zurück. Vielen ist 



10 I* Schlichtheit und gewählter Ausdruck. 

die steifleinene Redeweise so zur Gewohnheit geworden, daß 
sie auch da von ihr Gebrauch machen, wo keine fremde Vor- 
lage sie nötigt. Der Abiturient schreibt in seinem Aufsatz: 
„Penelope blieb treu trotz aller Nachstellungen, die ihr bereitet 
wurden"; und schon der kleine Sextaner, der insidiae eben 
kennen gelernt hat, berichtet in der Geographiestunde: „nach 
Sibirien kommen die, welche dem russischen Kaiser Nach- 
stellungen bereiten". 

In seinen Beiträgen „zur Kunst des Übersetzens aus dem 
Französischen" tadelt Wilhelm Münch die Art, wie man (er 
hätte doch lieber sagen sollen „mancher") sich das Übersetzen 
aus dem- Lateinischen und Griechischen leicht gemacht habe; 
ein Jargon sei erwachsen, der in einer eigentümUch ungelenken 
fremden Rüstung einherschreite und dem, der schlecht und 
recht Deutsch rede, ganz seltsam vorkomme. Desselben Aus- 
druckes hat sich Lattmann bedient, als er im Anhang zu einem 
seiner Programme eine Blütenlese deutscher Sätze und Wen- 
dungen aus lateinischen Übungsbüchern gab^^. Übrigens ist 
hier doch ein Unterschied, den man beachten muß um nicht 
ungerecht zu werden. Wer Beispiele zum Übersetzen aus dem 
Deutschen bildet, kann oft gar nicht anders als den Ausdruck 
etwas verschieben und zurechtbiegen, um den Gedanken der 
Lernenden die Richtung auf eine fremde Sprachform zu geben, 
die herauskommen soll; bei der umgekehrten Arbeit aber liegt 
das Ziel auf Seiten der Muttersprache. Hier darf man es bei- 
nahe als die erste Aufgabe des Unterrichtes bezeichnen, daß 
ein „Schul-Jargon" nicht ausgebildet und, wo er sich hervor- 
wagt, mit Kraft und Zähigkeit unterdrückt werde. Einen glück- 
lichen Fingerzeig, an welchem Ende das anzufassen sei, gibt 
Luther in seinem herzhaften „Sendbrief von Dolmetschen" (1530): 
„Man muß nicht die Buchstaben in der lateinischen Sprachen 
„fragen, wie man soll deutsch reden, wie diese Esel thun, sondern 
„man muß die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gassen, 
„den gemeinen Mann auf dem Markt drümb fragen und den- 
„selbigen auf das Maul sehen, wie sie reden, und darnach 



Schul- Jargon. 11 

„dolmetschen, so verstehen sie es denn und merken, daß man 
„deutsch mit ihn redet." Bei lanius steht im Lexikon „Fleischer" ; 
aber in Kiel mußte es „Schlachter" heißen, so gut wie in 
Süddeutschland „Metzger". Im ganzen wird man in der Be- 
nutzung dessen, was die lokale Mundart bietet, zurückhaltend 
sein und öfter Anlaß haben vor Provinzialismen zu warnen. 
Auch ohne das gibt es Gelegenheit genug für -ein natürliches 
Deutsch einzutreten. 

Phalinos antwortet einem der Strategen am Tage nach der 
Schlacht beiKunaxa (Anab. U 1, 13): dXXA cptXoo6<pq) jisv lotxac, 
CO veaviaxe, xal Xs^st? oöx a^^aptoxa. Man kann 10 gegen 1 
wetten, daß der Tertianer sagen wird: „o Jüngling"; wenn er 
sehr verständig ist, läßt er das „o" weg: erst wenn er sich 
besinnen soll, wie wohl heute jemand in ähnlicher Lage sprechen 
würde, kommt er auf die Anrede ,junger Mann" oder etwa 
gar „mein Jüngelchen". So ist m jxstpaxtov in den Worten 
des Perikles an Alkibiades (Memor. I 2, 42) sicher nicht „o 
Knabe" sondern „mein Junge". Die Schüler sträuben sich erst 
etwas, wenn ihnen zwischen den ernsten Wänden der Klasse 
solche Wendungen zugemutet werden; aber bald merken sie 
doch mit Vergnügen, wie ihnen dadurch der Stoff, mit dem sie 
sich beschäftigen, näher kommt und faßbarer wird. Herodot 
VI 38 erzählt: xal STTiaa^opsÄ xaxeXaße diroöavstv aTratSa, 
TtXTrj^evxa xt]v xecpaX7]v TreXsxst Iv x(p irpuxavYjtcp irpö? dvSpöc aöxo- 
[loXoü xxX. Mein Obersekundaner übersetzte: „indem ihm einer 
mit dem Beil den Kopf spaltete"; aufgefordert, wörtlich zu 
übersetzen, sagte er treu grammatikalisch: „geschlagen in be- 
zug auf den Kopf". Das natürliche „auf den Kopf geschlagen", 
das nun statt dessen eingesetzt wurde, machte ihn verlegen 
lächeln; er scheute sich einen Ausdruck zu gebrauchen, der im 
täglichen Leben vorkommen könnte. Besonders oft bietet Homer 
Gelegenheit die Schüler von den Stelzen, auf denen sie einher- 
gehen, herunterzuschrecken. „Traun, du bist ein Schelm" soll 
Kalypso zu Odysseus sagen, s 182:^ 6)] dXtxpo? fioot. Wer 
von uns redet so? Aber ^du bist doch wirklich — " hat wohl 



12 I* Schlichtheit und gewählter Ausdruck. 

mancher schon selbst gehört. Und fürchte nur niemand, daß 
auf diese Weise der Dichter von der ihm gebührenden Höhe 
herabgezogen werde; Homer ist so voll von großtönenden, 
schwer übersetzbaren Worten, daß immer noch genug übrig 
bleibt, um den Eindruck des Feierlichen und Ungewöhnlichen 
zu machen. Gerade in den kleinen Sätzchen aber, den Fragen 
Vorwürfen Ausrufen Übergängen, die so zu sagen die Arti- 
kulation der Rede ausmachen, schmiegt er selbst sich so fein 
und zugleich ungezwungen den Wendungen der natürlichen 
Sprechweise an, daß wir schon deshalb nach Ausdrücken 
suchen müssen, die uns auch bequem liegen und behaglich 
klingen. Als der Bettler, den die Königin durch Eumäos zu 
sich entboten hat, nicht kommen will, fragt sie befremdet den 
Sauhirten (p 576): xt xoux ^voyjaev ctXVjxy]?; „Warum ersann der 
Bettler dies?" heißt es im Jargon der Schule; „was dachte er 
sich dabei?" ist eben so genau und versetzt den Hörer in die 
Situation. Dies ist ja überhaupt das Mittel, mit dem es gelingt 
die Schüler nach und nach dahin zu bringen, daß sie wirklich 
in ihr eigenes geliebtes Deutsch übertragen: man muß sie 
immer wieder anhalten, daß sie sich den Hergang vorstellen, 
sich einbilden sie wären selber dabei gewesen, und nun heraus- 
fühlen, wie sie dann gedacht und gesprochen haben würden. 
Ein Primaner, der sich mit einem Stück aus Horazens neunter 
Satire redlich abquälte und im Drange des Augenblicks ein 
anredendes „Sie" hören ließ, war sehr erstaunt als ich ihm 
sagte: „Dieses Versehen war das Beste an Ihrer ganzen Über- 
setzung". 

2. Manchmal ergibt es sich zur Überraschung, daß gerade 
die wörtliche Wiedergabe zugleich die natürlichste ist. So in 
Achills Warnung an Patroklos (H 93 f.): jjn^ xtc du OöXüfiTtoto 
ösÄv dteqsvsiaoDV ^jxßvjxi »'^^^ nicht einer von den Göttern ein- 
schreite." Den Satz des Demosthenes (I. Phil. 13): Sei xä 
irpooVjxovxa Troteiv IdeXovxa? dizdoyeiv otTtavxa? exotficoc, der einem 
Primaner Schwierigkeit machte, übersetzte ein anderer in Ein- 
falt und Einfachheit schlagend so: „alle müssen bereit-willig 



Wortlich, aber nicht pedantisch. 13 

sein zu tun was ihnen zukommt." Daß es ein hohes Glück 
sei, wenn Mann und Frau in Eintracht „das Haus inne haben" 
(oTxov lyyixov C l^^)» glaubt dem Odysseus kein Mensch; „in 
Eintracht haushalten", das klingt ganz anders. Die „hehre 
Göttin" für ota Osgccdv ist eine leblose Formel, deren es im 
deutschen Homer so viele gibt; und diesmal ganz ohne Not. 
Das Buch der Bücher, der Herr der Herren, der Knecht der 
Knechte Gottes sind dem Schüler bekannte Begriffe; warum 
also nicht „Göttin der Göttinnen"? Als einmal wieder, wie all- 
jährUch nach Ostern, diese Form gesucht und gefunden wurde, 
brachte einer ganz passend aus Maria Stuart (IV 5) die Worte 
der Elisabeth bei: „er, den ich groß gemacht vor allen Großen", 
ein andrer die hebräische Art etwas wie einen Komparativ 
zu bilden: und so war zugleich erst das rechte Verständnis 
jener geläufigen deutschen Verbindungen gewonnen. Viel- 
leicht kommt auch einmal an Stellen wie a 228 (vejxsooT^oatTO 
xsv avT^p), 400 (jisia -^d^ xz xat aX^eot TepTrsxat avT^p) ein 
Schüler von selbst auf den Gedanken, dv^p nicht mit „ein 
Mann" zu übersetzen und so den Ursprung des deutschen „man" 
zu erkennen; das wäre gar keine verächtliche Leistung für 
einen Vierzehnjährigen, der im Banne einer geschriebenen 
Sprache mit orthographischen Regeln und Diktaten aufgewachsen 
ist. Homo novüs mag oft als „Emporkömmling" übersetzt werden ; 
aber wenn im J. 217, vor der Wahl des Terentius Varro, ein 
Tribun behauptet (Liv. XXn 34, 7) necfinem ante belli habituros, 
quam consulem vere plebeium id est hominem novum fecissent, 
so meint er auch für uns: „bis sie einen wirklichen Plebejer 
d. h. einen neuen Mann zum Konsul gemacht hätten". 

In vielen Fällen wird freilich die Übersetzung erst dadurch 
getreu, daß sie nicht pedantisch genau bleibt. Die Unter- 
scheidung zwischen dem Zahlwort jx6ptot und einem Adjektiv 
jjLüptoi („unzählige"), die von griechischen Schulmeistern er- 
funden ist, wollen wir deutschen ihnen nicht nachmachen und 
getrost „tausend" für „zehntausend" einsetzen so gut wie für 
ein römisches sescentL Orbis terrarum ist in der Regel einfach 



14 I* Schlichtheit und gewählter Ausdruck. 

„die Welt", womit natürlich nicht ausgeschlossen wird, dafs 
man einmal in gehobener Redeweise wie bei Sallust Catil. 8, 3 
„Erdenrund** dafür sage. Mühsam lernen die Schüler den 
lateinischen Tempusgebrauch in Sätzen wie ut sementem feceris 
ita metes, und könnten eigentlich schon aus den häufigen 
Fehlern, die sie dabei anfangs gemacht haben, wissen, d€iß 
hier die deutsche Redeweise von der lateinischen abweicht; 
trotzdem übersetzen sie Catos Worte (Cat. Mai. 6, 18): de 
Carthagine vereri non ante desinam, quam illam excisam esse 
cognovero, undeutsch „als ich erfahren 'haben werde". Es 
ist dasselbe Beharrungsvermögen, das sie verleitet in Über- 
tragungen aus dem Lateinischen und dann auch in den deutschen 
Aufsätzen „demselben" statt „ihm" und „desselben" statt „sein" 
zu sagen, weil sie sich den sorglosen Gebrauch von sibi und 
suus haben abgewöhnen müssen. Natürlich würde auch hier 
nichts verkehrter sein als starre Konsequenz; in der knappen 
und strengen Antwort, die den Gesandten des Bocchus in Rom 
zu teil wird (lug. 104, 5), muß es heißen: „Bündnis und Freund- 
schaft sollen gewährt werden, wenn er es verdient haben wird" 
(cum meruerit). 

Wie die Besinnung auf den eigenen Sprachgebrauch vor 
einem fremdartigen Ausdruck bewahrt, so anderwärts der Ge- 
danke an sachliche Verhältnisse des modernen Lebens, soweit 
sie der Jugend vertraut oder interessant sind. „Den Rufer im 
Streite" zwar, der ein Stück des deutschen Sprachschatzes 
geworden ist, wird man aus der Übersetzung nicht verbannen 
wollen, nur erklärend hinzufügen, daß ßoY]v d^aftoc der ist, der 
„ein schönes Kommando" hat. Aber warum verschmähen wir 
für expeditus, das die Historiker bei Schilderung von Streifzügen 
und Festungsangriffen gern gebrauchen, die genau entsprechende 
Bezeichnung unsrer Dienstsprache? Cohortes expeditae sind 
Gehörten „im Sturmanzug". Von dieser Seite her muß es 
denn auch gelingen die „Schlachtreihe" ins Wanken zu bringen. 
Aciem instruere heißt „das Heer zur Schlacht ordnen"; und 
wenn Livius schreibt: magis agmina quam acies in via con- 



Fremdwörter. 15 

curremnt (XXI 57, 12; ähnlich öfter), so heißt das nicht: „mehr 
Heereszüge als Schlachtreihen", sondern: „mehr in Marsch- 
formation als zum Kampfe geordnet stießen die Truppen auf 
einander". Für die Übersetzung der alten Historiker, Cäsar 
voran, läßt sich aus den technischen Ausdrücken, die in 
unserem Heere gebräuchüch sind, noch manches gewinnen. 
In ähnlicher Weise dürfen, zumal bei Lektüre der Redner, po- 
litische Vorgänge und Einrichtungen, die Verhandlungen unsrer 
Parlamente mit der eigentümlichen Redeweise, die sie aus- 
gebildet haben, herangezogen werden. Auf beiden Gebieten 
sind, im Anschluß an die erste Auflage dieses Buches, spe- 
ziellere Studien erschienen, die mit gut gewählten Beispielen 
dafür zu wirken suchen, daß die Übersetzung der alten Autoren 
sich nicht in wesenlosen Ausdrücken bewege, sondern in 
Worten, die heute „auf dem Markte des Lebens als kursfähige 
Münze ihre Geltung" haben i*). 

3. Sollten bei solchem Bestreben, was leicht geschehen 
kann, einzelne Schüler vor den Fremdwörtern zurückscheuen, 
so giebt das eine erwünschte Gelegenheit der puristischen Mode- 
krankheit mit einer kräftigen Warnung entgegenzuwirken. 
Das wird ja niemand empfehlen oder auch nur dulden, daß 
enormis mit „enorm", absolvere als „absolvieren", eleganter 
durch „elegant", praetendi und revisit bei Vergil (Aen. IV 339. 
396) mit „prätendieren" und „revidieren" wiedergegeben werden. 
Am wenigsten wird man dem Tacitus dergleichen aufdrängen 
dürfen, der selbst in seiner Sprache die Fremdwörter miedi^); 
also darf bei pensavisset (Ann. U 26) niemand an „kompensieren" 
denken, hostium aiiibus infectus (ü 2) ist nicht „inficiert" sondern 
„getränkt" oder „angesteckt". Etwas anders steht es schon in 
Fällen wie pro Rose. Am. 1, 4, wo Cicero der Männer gedenkt, 
die ihn bewogen haben die Verteidigung zu übernehmen, 
quorum ego nee benevolentiam erga me ignorare nee auctoritatem 
aspernari nee voluntatem neglegere debebam. Wir übersetzen 
„verkennen", empfinden aber den Ansatz zum deutschen Ge- 
brauch von „ignorieren". Und oft ist ohne die Hilfe fremder 



16 !• Schlichtheit und gewählter Ausdruck. 

Ausdrücke eine treffende Übertragung kaum möglich. Schon 
der Quartaner, der bei Cornel findet (Timoth. 4, 4): haec extrema 
fuit aetas imperatomm Atheniensium, lernt übersetzen: „dies 
war die letzte Generation athenischer Feldherren". Wir würden 
kleinmütig den Besitz verleugnen, den unsere Mutter Sprache, 
für uns erworben hat, wenn wir für exploratores, publicare, 
Salus, Studium, temptare auf Wörter wie „Patrouillen, konfis- 
zieren, Existenz, Interesse, sondieren" verzichten oder uns 
quälen wollten, an Stelle des „Intriganten", den die Römer 
factiosus nannten, einen „Parteisüchtigen" zu erfinden. Fides 
ist unter Umständen weder „Glaube" noch „Vertrauen" sondern 
„Kredit", und liefert in dieser Anwendung eine treffliche Probe, 
daß Verdeutschung von Fremdwörtern ein gefährlicher Sport 
ist; denn sie hat uns mit dem sinnlosen „Gläubiger" für 
creditor beschenkt. 

Manchmal dient das Fremdwort dazu^ einen Begriff oder 
eine Beziehung, die man durch Umschreibung zwar ausdrücken 
könnte aber verschieben müßte, in voller Schärfe festzuhalten. 
Soweit es sich dabei um Bewahrung von Bildern handelt, sparen 
wir Beispiele einer späteren Gelegenheit auf; doch das sind 
nicht die einzigen. Quae pro hostibus et advorsum se opportu- 
nissimae erant (bell. lug. 88, 4) sind Plätze „die für die Feinde 
und gegen ihn die meisten Chancen boten" ; scriptorum magna 
ingenia (Catil. 8, 3) „große schriftstellerische Talente". Aus 
diesem Grunde würde ich auch bei Tacitus ein „strategisch" 
für imperatorium gelten lassen und in der Odyssee kein Be- 
denken haben jjLoTpa (z. B. p 335. ü 293) mit „Portion" zu über- 
setzen oder die Hunde, welche d^XaiTjc evexsv von ihren Herren 
gehalten werden (p 310), als „Luxushunde" zu bezeichnen. Den 
Bettler der sich „geniert" (a^ootoc dXVjir)?) mag man p 578 
wenigstens zur Erläuterung herbeirufen; dem deutschen Text 
würde er eine saloppe Färbung geben, die man nicht wünschen 
kann. 

4. Überhaupt giebt es hier eine Grenze, die nicht über- 
schritten werden darf und an die wir schon im voraus erinnert 



Beabsichtigte Inkonzinnität. 17 

haben: der deutsche Ausdruck soll nicht zum Alltäglichen 
nivelliert werden. Zunächst ist klar, daß wir überall da eine 
etwas ungewöhnliche Wendung suchen werden, wo der Autor 
selbst etwas gesagt hat, was von seinen Landsleuten als un- 
erwartet empfunden werden mußte. Die bei Sallust und 
Tacitus beliebte Ungleichmäßigkeit in der Bildung paralleler 
Glieder darf nicht verwischt werden, wenn der originale Bin- 
druck des Stiles erhalten bleiben soll. Wir werden uns also 
bemühen, die vielen pars — alii, eques — pedites u. ä. auch 
im Deutschen zum Vorschein zu bringen ; werden z. B. in den 
zwei Begriffspaaren (Catil. 6, 1) sine legibus sine imperio, liberum 
atque solutum nur einmal „und" setzen, weil Sallust es im 
ersten Paare weggelassen hat, und den Wechsel in einem 
Satz wie Catil. 17, 6: incerta pro certis, bellum quam pacem 
malebant beibehalten: „sie wollten unsichere Güter statt der 
sicheren, Krieg lieber als Frieden". Selbst ein so hartes Anä- 
koluth wie in Tacitus Beschreibung der Betuwe (Histor. IV 12), 
quam mare Oceanus a fronte, Rhenus amnis tergum ac latera 
circumluit, möchte man nachbilden: „die das Weltmeer von vorn 
bespült, der Rheinstrom den Rücken und die Seiten". Manch- 
mal liegt die Versuchung sehr nahe, die Unebenheit auszu- 
gleichen; so Ann. IV 37: et prioris silentii defensionem et, quid 
in futurum statuerim, simul aperiam; denn einen indirekten 
Fragesatz in ein abstraktes Substantiv zusammenzufassen ist 
ein geläufiger Handgriff der Übersetzung. Diesmal darf er 
nicht angewandt werden: „die Verteidigung meines früheren 
Schweigens, und was ich für die Zukunft beschlossen habe, 
will ich zugleich kund tun". So bleibt der Bindruck gewahrt, 
den die römischen Leser hatten und haben sollten. Zu solchem 
Zweck ist es nicht nötig, die Inkonzinnität ängstlich gerade an 
den Satzteilen zum Ausdruck zu bringen, die im Lateinischen 
ihre Träger sind. Wenn Tacitus Ann. II 14 schreibt: pavidos 
adversis, inter secunda non memores, so gelingt uns eine knappe 
Wiedergabe am ehesten, wenn wir die Zeitbestimmungen gleich 
bilden und dafür das häßliche „eingedenk" vermeiden : „furcht- 

Cauer, Die Kunst des Übersetzens. 3. Aufl. 2 



m I. Schlichtheit und gewählter Ausdruck. 

Kam im Tn^lück, während sie im Glück nicht an göttliches 
nicht an menschliches Recht dächten**. 

I )iese Freiheit müssen wir oft in Anspruch nehmen, wo es 
>^ilt rednerische Figuren und spielende Beziehungen der Begriffe, 
mit den(?n der fremde Autor seinen Stil verziert hat, nachzu- 
jihmen. Wenn Horaz die Gegenstände, von denen Alcäus singe, 
mit wirksamer Anaphora beschreibt (11 13, 27 f.): dura navis, 
dura fuf^ac mala, dura belli, so werden wir im Deutschen nicht 
„harte" wiederholen, sondern „Leiden." Zu der behaglichen 
Mahnung des Herolds an die Freier (p 176) oö jjiiv yctp xi 
/iosi^v ev fopr, osirvov e>ial)at bemerken die meisten Erklärer, 
im Ueiitschon begnüge man sich hier mit dem Positiv; und 
doch können wir die vergleichende Beziehung ohne Mühe 
festhalten: „es ist garnicht das Schlechteste" oder „es ist ebenso 
gut". In den Worten des Boten (Antig. 276) TrapsijjLt 8' axcov 
w/ ixoootv wäre es pedantisch die Konstruktion festhalten zu 
wollen; gibt man sie preis, so läßt sich dafür das Wesentliche 
d(;s Kindruckes, den zwei verwandte Ausdrücke in enger Ver- 
bindung machen, wieder herstellen: „Hier bin ich gegen meinen 
Wunsch, gegen euren Wunsch." Überhaupt gewähren unter 
den Wort- und Klangspielen diejenigen, die auf etymologischem 
Zusammenhang beruhen, einen gewissen Anhalt für übersetzende 
Nachbildung. Zu Horaz Od. III 2, 30 (incesto addidit integrum) 
fr)rdert liosenberg mit Recht, daß die beiden Adjektive auch 
deutsch gleich geformt werden; also nicht „dem Unreinen den 
Frommen", sondern „dem Unreinen den Unschuldigen". Repressum 
— oppressum bei Cicero (pro Mur. 15, 32) sind „zurückgedrängt — 
verdrängt", neque modum neque modestiam bei Sallust (Catil. 
11, 4) „weder Maß noch Mäßigung", bei demselben (Catil. 52, 27) 
miseria als Gegensatz zu misericordia nicht „Elend" sondern „Leid". 
Wenn Cicero (pro Rose. Am. 50, 147) von Caecilia rühmt: cum 
esset mulier, virtute perfecit etc., so müssen die Begriffe „Frau" 
und „männlicher Sinn" auch deutsch nebeneinander bleiben. 

Im übrigen ist es gut auf diesem Gebiete von vornherein 
Resignation zu üben, um nicht in Künstelei zu verfallen; die 



Rhetorische Figuren. Wortspiele. 19 

Art, wie sich manchmal der Euphuismus im deutschen Shake- 
speare darstellt, lockt nicht zur Nachfolge, selbst wenn ein 
Übersetzer in der Lage wäre mit Schlegel zu wetteifern. Aber 
wenn sich bei der Übersetzung eines Autors, der solchen Schmuck 
liebt, irgendwo ganz von selber ein Wortspiel einstellt, so ist 
man wohl berechtigt es festzuhalten; also etwa bei Sallust 
Catil.2, 8 {corpus voluptati, anima oneri fuit) die zufällige Ähnlich- 
keit von „Lust" und „Last" zu benutzen, als ein Stückchen 
Ersatz für die Anklänge, die anderwärts aufgegeben werden 
müssen, wie otio — negotiis lug. 4, 4 oder foedus — foedam 
43, 1. Wenn Cicero schreibt (ad fam. IX 16, 3, bei Bardt 
Nr. Q^) : nee praestari qulcquam potest quäle futurum slt, quod 
positum est in alterius voluntate, ne dicam libidine, so bringen 
wir durch Gegenüberstellung von „Wille" und „Willkür" keinen 
fremden Zug herein. Im Grunde war es gerade so gemeint; was 
im Lateinischen vernommen wird, ist zwar kein Anklingen der 
Worte, doch der verwandten Begriffe. Im allgemeinen werden 
solche spielenden Beziehungen, die von der Gestalt der Wörter 
unabhängig sind und vielmehr von den Begriffen getragen 
werden, am ehesten zu bewahren sein. Bei Tacitus Hist. III 31: ut 
quis ordine anteibat, cedere fortunae, gibt Heraeus für ordine 
anteire „höher im Range stehen", für cedere „sich fügen" und 
zerstört dadurch die Antithese: „in dem Maße wie einer im 
Range vorangeht, weicht er dem Schicksal". Das vorher aus 
Cicero angeführte Beispiel ist nur insofern anderer Art, als sich 
zufällig im Deutschen ein etymologischer Zusammenhang ein- 
stellte und das logische Verhältnis, durch das der Autor wirken 
wollte, noch deutlicher hervortreten ließ. — 

Von der Aufgabe, die Eigentümlichkeit des fremden Stües 
zu erhalten, wird noch vielfach die Rede sein, besonders in den 
Abschnitten über sinnliche Bedeutung und über Wortstellung. 
Einstweilen mögen die gegebenen Beispiele genügen, um unsrer 
zuerst aufgestellten Forderung nach schlichtem und natürlichem 
Deutsch ein Gegengewicht zn bieten. 



2* 



n. 
Grundbedeutung. 

In die Tiefe mußt du steigen, 
Soll sich dir das Wesen zeigen 

Schiller. 

1. Jeder kennt die üble Neigung der Schüler, sich beim 
Präparieren mit einer Bedeutung zu begnügen, die gerade für 
den vorliegenden Zusammenhang paßt, mag sie dem ursprüng- 
lichen Sinne des Wortes noch so fem stehen. Die Quelle des 
Fehlers liegt in den unteren und mittleren Klassen, in dem 
Unfug der SpezialWörterbücher, die es dem Knaben möglich 
machen den Verstand ruhen zn lassen und mit Auge und 
Pinger zu suchen, welcher deutsche Ausdruck für den bestimmten 
Paragraphen oder Vers angegeben ist. Den Gebrauch solcher 
Hilfsmittel schlechtweg zu verbieten geht nicht an; dadurch 
würde für manche die Verführung erst recht groß sein, für 
alle eine neue Gelegenheit zu Vergehen, Untersuchung, Strafe 
geschaffen werden. Aber die Schule soll durch freundschaft- 
lichen Rat vor der scheinbaren Erleichterung warnen, daneben 
bei passendem Anlaß zu verständiger Benutzung eines größeren 
Lexikons anleiten. Das kann schon in Quarta bei der Nepos- 
Lektüre geschehen, vollends nachher für Cäsar, Xenophon, Ovid. 
Und wenn einige klug zu sein meinen, indem sie den erteilten 
Rat nicht befolgen, so läßt sich auch ihre Torheit für's All- 
gemeine fruchtbar machen; die Proben vorzeitig freier, innerlich 
unverstandener Übersetzung, mit denen sie hervorkommen, liefern 
dem Lehrer das willkommene Material, um durch Vergleichung 
die Art und den Wert gründlicher Arbeit greifbar zu zeigen. 



Spezial Wörterbücher. — Aequus, iniquus. 21 

Die Schüler erkennen dann doch, daß ihnen aus der momen- 
tanen Bequemlichkeit nur Schaden für später erwächst, daß die 
einzelnen abgeleiteten Bedeutungen wie abgeschnittene Blumen 
sind, die bald welk werden, wogegen der, welcher die Grund- 
bedeutung erfaßt hat, einen lebendigen Stamm besitzt, aus dem 
er mit geschickter Pflege immer neue Blüten hervortreiben kann. 
Die Bedeutungslehre ist vielleicht derjenige Teil der Sprach- 
wissenschaft, der am unmittelbarsten für die Schule frucht- 
bar gemacht werden kann; denn sie bietet kleine Probleme, an 
denen sich schon der jugendliche Geist mit Erfolg versucht, 
und wirft für das Verständnis der eigenen Sprache manchen 
erfreulichen Gewinn ab. Wenn es bei Livius einmal heißt, die 
Römer hätten den Puniern gegenüber haud dubie aequiore loco 
gestanden (XXII 16, 2), so darf die Seltsamkeit nicht unbeachtet 
bleiben, daß durch den Komparativ ein Verhältnis der Ungleich- 
heit an dem Begriffe der Gleichheit ausgedrückt ist. Ähnliche 
Beobachtungen kommen leicht hinzu. Den Besuch in der Unter- 
welt schildert die Sibylle als ein sehr schwieriges Unternehmen 
(VI 129 ff.): pauci, quos aequus amavit luppiter aut ardens 
evexit ad aethera vlrtus, dis geniti potuere. Wie kommen wir 
dazu, aequus „günstig, geneigt, gewogen" zu übersetzen? Es 
heißt doch „gleichmäßig, gerecht", und das ist Juppiter gerade 
nicht, wenn er wenige Männer so sehr bevorzugt. Im Grunde 
steht es mit iniquus nicht anders: Horaz nennt die Parzen 
„ungerecht", wenn sie ihm nicht den Willen tun (Od. 11 6, 9), 
und spricht gar (I 10, 15 f.) von* den iniqua Troiae castra der 
Griechen, die doch gegen die Vaterstadt des Paris in gerechtem 
Kriege liegen. Aber von dem negativen Begriff aus läßt sich 
denn auch die Erklärung finden: der Mensch ist nur allzu bereit, 
eine Handlungsweise die ihn unangenehm berührt ungerecht zu 
nennen, auch wenn sie wohl verdient war, während er um-, 
gekehrt eine Bevorzugung vor anderen gern als etwas ihm 
Gebührendes ansieht. Mag die Erinnerung daran für die Über- 
setzung nicht viel helfen, vielleicht wird sie sonstwie sich dem 
Knaben nützlich erweisen. 



22 11- Grundbedeutung 

Für den gegenwärtigen Zweck wichtiger sind diejenigen 
Fälle, in denen ein Zurückgehen auf den eigentlichen Sinn auch 
in der Übersetzung zum Ausdruck kommt. Patres conscripti 
pflegt man als „Versammelte Väter" zu verdeutschen und so 
ganz ohne Not den Schein zu erwecken, als wäre das eine Wort 
Attribut des anderen. „Patricische und plebejische Senatoren** 
ist allerdings zu umständlich und schon nicht mehr Übersetzung; 
aber warum nicht „Väter und Verordnete**? Wie necessarius, 
dva^xato?, necessitudo zu der Bedeutung „befreundet, verwandt, 
Freundschaft, Verwandtschaft** kommen, ist eine Frage, die 
hoffentlich schon manchen Sekundaner beschäftigt hat; wenn 
er angeleitet wird, zunächst „eng verbunden, enge Verbindung** 
zu sagen, so kann ihm der Zusammenhang nicht leicht wieder 
verloren gehen. Beinahe als ein Allerweltswort erscheint ratio; 
in den kommentierten Ausgaben von Cicero sind die Uber- 
setzungshilfen dafür besonders zahlreich und mannigfaltig. 
Ratio comitiorum (pro Mur. 17, 35) soll „Gang der Wahlver- 
sammlungen** sein, tempestatum ratio (ebenda 2, 4) die „Eigen- 
tümlichkeit der Stürme**. Aber ratio ist „Berechnung**; und 
wenn auch nicht dieses Wort, so doch den Gedankenkreis, in 
den es weist, können wir festhalten, indem wir übersetzen: 
„Verhältnisse des Wetters, der Komitien**. Cum ad rem nihil 
intersit (pro Rose. Am. 16, 47) heißt nicht, „da es für meinen 
Zweck nicht darauf ankommt**, sondern „da es keinen Unter- 
schied macht**; und solche Wendung mag denn dazu dienen 
den eigentlichen Sinn unseres viel gemißbrauchten Fremdwortes 
„Interesse** wieder deutlich zu machen. 

Ganz ähnliche Beobachtungen ergeben sich für das Grie- 
chische. Thukydides 1 128 sagt von Pausanias : BüCavxiov sXcov . . . 
TOüTOü? o3? sXaßev OLTzaTzi^izzi ßaoiXsT xpücpa täv olXXcdv $U[jL[jta)^a)v. 
Der Satz kam in dem Abschnitt vor, den vor einigen Jahren 
die Kieler Abiturienten im schriftlichen Examen zu bearbeiten 
hatten. Wohl alle hatten übersetzt: „heimlich vor den Bundes- 
genossen** oder „ohne Wissen der Bundesgenossen**, und recht- 
fertigten die Weglassung von aXXcüv in üblicher Weise damit. 



auch beim Übersetzen festzuhalten. 23 

daß hier ein „Gräcismus" vorliege; mit frappierender Einfach- 
heit gab der Schulrat: „vor den andern Mitstreitern". — Herodot 
gebraucht einmal (VI 109) kurz hintereinander die Wendungen: 
i^ ol dvT^xet, h ok xsivei xal ix oeo -^pTTjTat. Wir werden zu- 
gleich den Eindruck seiner Redeweise lebendig erhalten und 
unser eigenes Sprachbewußtsein erneuern, wenn wir auch im 
Deutschen die entsprechenden Ausdrücke nicht vertauschen 
oder wiederholen, sondern mit genauer Scheidung sagen: „auf 
dich kommt es an, nach dir richtet sich und von dir hängt ab". 
Bei demselben IX 69 meint dTTstYOfjtevou? nicht „eilend" sondern 
„sich drängend", xaxeoTopeoav nicht „hieben nieder" sondern 
„streckten nieder"; ^[Jtap dva^xaiov im Epos ist wörtlich der 
„Tag des Zwanges", ivapi&fjtio? der welcher „mitzählt". Solche 
Genauigkeit im kleinen macht sich bei Gelegenheit in sehr will- 
kommener Weise bezahlt. Ein Schüler, der gewöhnt wird vtjXst^? 
„unbarmherzig" zu übersetzen und nicht „grausam", behält die 
Empfindung für den negativen Charakter des Wortes und kann 
ähnliche Bildungen, wie vtjttsv&t^? vTjxepÖT^c, wenn sie ihm später 
begegnen, ohne Hilfe verstehen. Wer die Frage des Eumäos an 
den Bettler (u 166: Jetv', t^ ap xt oe [laX^^ov 'A}(atol sbopaouoiv;) 
schlicht nach dem Wortlaut wiedergibt, nur passivisch: „bist du 
irgendwie mehr angesehen", empfängt zum Lohne die Erinnerung 
daran, was unser „Ansehen" im Grunde bedeutet. Bei Homer 
ist üicpeXe nicht ein abgeschliffenes „o daß doch" sondern ein 
Verbum mit noch lebender Bedeutung. Wie Odysseus am 
unbekannten Gestade liegt, an das ihn die Leute des Alkinoos 
gebracht haben, und mit seinen Schätzen nichts anzufangen 
weiß, wünscht er (v 204 f.): a?&' ocpeXov jASivai irapot Oan^xsaatv 
aüTOü „ach, sie hätten dort bei den Phäaken bleiben sollen". 
Solche Übersetzung bewahrt die Schüler vor dem gedanken- 
losen Hantieren mit starren Formeln und gibt zugleich dem 
deutschen Ausdruck etwas Frisches und Kräftiges. Und davor 
braucht man sich auch in späteren Perioden der Sprache 
manchmal nicht zu scheuen. Das bekannte Musterbeispiel, das 
Klearch bei Xenophon (Anab. n 1, 4) bietet, cScpeXs \ih Küpo? 



24 U- Grundbedeutung 



r 



r^v, ist uns von der Grammatik geradezu verdorben worden; 
man versuche nur den echten Wortlaut „Kyros hätte am Leben 
bleiben sollen" einzusetzen, und man wird finden, wie viel derber 
und glaubhafter die Rede des alten Soldaten klingt. 

Hier ist nun aber Vorsicht von nöten, daß man nicht durch 
Aufwecken der Grundbedeutung den ebenen Fluß des Gedankens 
störe oder dem Autor einen Nebengedanken aufdränge, den er 
selber garnicht gehabt hat. Egregius ist genau „hervorragend" ; 
bedenkt man aber, wie dieses Wort in der modernsten deutschen 
Umgangsprache verbraucht ist, so wird man es bei Horaz in 
laudes egregii Caesaris (Od. I 6, 11) für ungeeignet halten und 
dafür „des erhabenen Cäsar" sagen. Derselbe Dichter ge- 
braucht einmal das Gleichnis von einem Vogel, der für seine 
Jungen dann am meisten zittert, wenn er sie im Nest allein 
gelassen hat, obwohl er ihnen gegen die böse Schlange doch 
nicht helfen könnte: Utadsidens implumibus pullis avis serpentium 
adlapsüs timet magis relictls, non, ut adsii, auxili latura plus 
praesentibus (Epod. 1, 19 ff.). Hier würde „dabei sitzend" 
geradezu irre führen, denn wir sollen uns ja vorstellen, daß 
die Alte nach Futter ausgeflogen ist; also darf aus adsidens 
nur der Begriff der Fürsorge entnommen werden: „der die 
unflüggen Jungen hütet". Daß Schriftsteller, die zeitlich weit 
auseinanderstehen, in solchen Dingen verschieden empfunden 
haben, also verschieden verstanden werden müssen, daß Thuky- 
dides dieselben Worte mit mehr Bewußtsein des ursprünglichen 
Sinnes gebraucht als Plutarch, kann ein Primaner wohl be- 
greifen. Eine besondere Schwierigkeit bieten die Tragiker. 
Wenn Äschylos (Sept. 145) den Chor beten läßt: xal o6, Aüxsi* 
avaS, Aüxeio? ^svou oipaKp 8aiq>, so muss der Übersetzer das 
etymologische Spiel festhalten, einerlei ob er die Ableitung von 
Xüxo? billigt oder nicht: „Und du, König Wolfgott, zeige dich 
wölfisch". So ist auch bei Sophokles Elektr. 7 a^opa Aüxstoc 
der „Wolfsmarkt", als Eigentum toü Xüxoxtovoü Oeou; das 
hindert den Dichter nicht, ein andermal mit einer Beziehung des 
Auxsios ava$ zu den Lykischen Gebirgen zu spielen (Kön. 



^ 



darf dem Autor nicht aufgedrängt werden. — Die Tragiker. 25 

Öd. 203. 208). Man sieht: das Epitheton hatte für ihn und 
seine Zuhörer keine feste Bedeutung mehr; er konnte es so oder 
so wenden, wie die Gelegenheit es brachte, konnte aber auch 
die Anrede AiJxei' ava£ oder Aöxet' ''AtuoUov ohne tieferen Sinn, 
einfach als überlieferte Formel, weiter gebrauchen. Das tut 
er mehrmals in der Elektra; und wir haben kein Recht, ihn auf 
Grund unsrer sprachwissenschaftlichen Einsicht zu korrigieren 
und mit Theodor Plüß zu übersetzen: „Fürst des Morgenlichtes" 
oder „Gott des Lichtes, ApoUon". Dieser allzu feinsinnige Er- 
klärer geht überhaupt ziemlich weit darin, dem Dichter fremd- 
erneuerten Schmuck zu leihen^^). Zeü<g ist ihm zwar 824, wo 
der cpal&cüv 'AsXio? daneben steht, und auch sonst gelegentlich 
einfach „Zeus", aber an anderen Stellen (149. 162), ohne erkenn- 
baren Unterschied des Zusammenhanges, der „Lichtgott". Für 
xatpo?, xatpio? wird jedes einzelne Mal der Begriff „Schicksals- 
stunde" aufgeboten, und das in so harmlosen Sätzen wie 22 
(rv' oöxsT öxveiv xatpo?, dXX' ep^wv dxjAT]): „wo der Befehl der 
Schicksalstunde nicht mehr lautet, sich besinnen und bedenken, 
sondern entscheidend, schneidend handeln". Für die Tragiker 
ist gerade das umgekehrte Verfahren von dem, welches Plüß 
eingeschlagen hat, richtig. Sie überschütten uns mit gedanken- 
schweren Worten, kühnen Bildern, rhetorischen Wendungen; 
die griechischen Hörer waren an solche Sprache gewöhnt, und 
das milderte ihnen den Eindruck: für uns muß der Übersetzer 
zu Hilfe kommen, indem er ein wenig von der Überkraft des 
Ausdruckes abzieht. Davon wird auch in anderem Zusammen- 
hange noch die Rede sein. 

2. Am notwendigsten ist das Zurückgreifen auf die Grund- 
bedeutung naturgemäß bei Homer. Das mag an ein paar Bei- 
spielen gezeigt werden, die, einer und derselben Begriffsphäre 
angehörig, unter sich in einer Art von Gegensatz stehen. Für 
ösjAt? gibt Seiler-Capelle diese Umschreibung: „alles, was durch 
Gebrauch und Herkommen eingeführt und geheiligt ist, das 
Billige, das Gebührliche; Ordnung, Sitte, natürliches Recht"; 
auch im großen Lexikon Homericum ist der Begriff „Ordnung, 



26 II» Grundbedeutung. 

Satzung" an die Spitze gestellt. Versuchen wir mit ihm die 
geläufige Redensart 9^ Osjjtt? iozi zu erklären. An einigen Stellen 
gelingt es gut, z. B. W 581. y 45; an anderen ist durch das 
Hinzutreten der Negation der Übergang zu der Bedeutung 
^erlaubt" leicht vermittelt (so H 386. x 73. $ 56), die in positiver 
Anwendung I 33 vorliegt. Aber was machen wir mit FI 796 f. 
(TTOtpo? Y8 \iky o5 bi\i{<; tjsv Jtuttoxojxov TTi^XTjxa [jtiaivso&at xovtiQotv) 
oder mit \ 451, wo Agamemnon von Telemach sagt: xal xsivo? 
Traxepa TrpooTUTüSeiat, 9^ ösjjli? Iotiv? An dieser letzten Stelle 
wissen sich die Herausgeber mit übereinstimmender Geschick- 
lichkeit der Aufgabe des Erklärens zu entziehen, indem sie 
nur auf y 45 verweisen, wo in der Tat von einem heiligen 
Brauch die Rede ist, den zu befolgen sich ziemt. Aber daß 
ein Sohn an den heimkehrenden Vater sich anschmiegt, das 
wäre „in der Ordnung*' oder „herkömmlich" oder „gebührend"? 
An dergleichen Rücksichten dachten, im homerischen Zeitalter 
wenigstens, die Kinder gewiß nicht, sondern taten was ihnen 
„natürlich" war. Und das ist die Bedeutung von ftejAu: „das 
Gegebene". Der trauernden Witwe ist es (J 130) natürlich zu 
weinen, wenn sie ihres Gatten gedenkt; das Recht der Gast- 
freundschaft (A 779. t 268. cd 286) beruhte auf einem natür- 
lichem Gefühl; der Briseis gegenüber hat Agamemnon auf den 
Liebesgenuß verzichtet, obwohl es nur natürlich gewesen 
wäre (I 134) ihn zu verlangen. Jetzt kommt auch der Helm 
des Achilleus (FI 796) an den rechten Platz: nicht „verboten" 
war es früher oder „den Göttern mißfälhg", daß er mit Blut 
und Staub besudelt wurde, sondern es war nicht das Natür- 
liche für ihn, er war eine andre Behandlung gewöhnt. Also 
etwa: „bisher gab es das nicht, bisher war das nicht die Regel." 
Der Grieche dachte hier sicher nicht daran, daß dem Helme 
des Peliden eine „gleichsam geheiligte Existenz" zugeschrieben 
werden solle ^^). Aber das erkennt man allerdings an dieser 
Stelle wie an manchen der anderen, daß in dem ursprüng- 
lichen Begriffe des Wortes ein Keim enthalten war, der sich 
zu religiöser Bedeutung entwickeln konnte i^). Indem der 



Homer (O^fJ-i;, 5atfi.ovio?). 27 

Schüler diesen Zusammenhang begreift, ahnt er zugleich etwas 
von dem tiefen Unterschied hellenischer und christlicher Welt- 
anschauung: „Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom 
Geist Gottes", läßt Luther den Apostel sagen (I. Kor. 2, 14); 
dem Griechen war der eigne natürliche Sinn eine Quelle der 
Offenbarung, daraus er Gedanken von einer gottgewollten Ord- 
nung der Dinge schöpfte. 

Wenn die gewohnte Reihenfolge des Geschehens ein ein- 
zelnes Mal in auffallender Weise durchbrochen wurde, so konnte 
das wieder nur durch göttlichen Willen bewirkt sein: diese 
Betrachtung verdichtete sich zu dem Begriff SatjAOvio^ Nach 
Lehrs' trefflicher Erklärung ^^) wird der so genannt, dessen 
Handlungsweise so sehr von der gewohnten oder erwarteten 
abweicht, daß man sie sich nur durch Annahme einer gött- 
lichen Einwirkung erklären kann. Als die Freier unvorsichtig 
laut den Mordplan gegen Telemach erwähnen, fährt Antinoos 
sie an (8 747): SatjAOvtot, jaüöoü? \ikv ÖTrspcpioEXou^ dXeao&e, d. h. 
„seid ihr verrückt?" Odysseus sagt zu Penelope, die ihn auch 
nach dem Bade nicht erkennen will: 8ai[jtovi7], iripi oot ^s YuvatxÄv 
OyjXuTSpacüv xr^p dxepajjLVOV eÖTjxav OX6[jL7ria boi\LOLT sj^ovie?, 
und meint: „ich verstehe dich nicht" {t^ 165). Manchmal läßt 
sich eine kurze Form der Anrede auch im Deutschen finden; 
so wenn Andromache Z 407 kopfschüttelnd sagt: „du böser 
Mann", oder gleich nachher in Hektors zärtlichen Trostworten 
(486): SatjxoviT], iat^ jjloi ti Xitjv axa^^iCeo Oüjaw, wo Jordans 
„Närrchen" ganz hübsch paßt. Und wie anders klingt es dann 
wieder im Munde des Bettlers, der die plumpe Drohung eines 
Rivalen zurückweist (o 15): 8ai[jt6vi', oüts ti os peC«) xaxov xxX. 
„Närr'scher Kerl, ich tu dir ja nichts zu leide." In der Regel 
wird man doch einen ganzen Satz bilden müssen. Wie Here 
ihrem Gemahl auf den Kopf zusagt, wer bei ihm gewesen ist, 
ruft er erstaunt aus (A 561): 8at[xovi7], a?si ja^v äieat oöSe os 
X-^öü) „das geht nicht mit rechten Dingen zu". Zu dieser 
Stelle machte einer meiner Schüler den Einwand: die Erklärung 
von 8ai[jtovio<g könne doch nicht richtig sein, da eine Göttin selbst 



28 II» Grundbedeutung. 

so genannt werde. Dies mußte beantwortet werden, und dabei 
ergab sich die Möglichkeit, mit schnellem Blick auch einmal 
den Anfänger die lange Entwickelung von Sprache und Dich- 
tung ermessen zu lassen, die vorangegangen sein mußte, ehe 
ein Werk wie unsre Ilias entstehen konnte. Ihre Sprache er- 
(luickt uns Spätlinge durch Ursprünglichkeit, und enthält doch 
selbst schon eine Menge von Worten und Wendungen, die 
durch lange Gewöhnung etwas von der ersten Kraft eingebüßt 
und eine uneigentliche, wo nicht gar konventionell erstarrte 
Geltung gewonnen hatten. 

3. Dieses Leben und Sterben und Neuerstehen läßt sich 
innerhalb der Literaturgebiete, die den Schülern bekannt werden, 
an der Bedeutungsentwickelung der fertigen Worte reichlich 
beobachten. Viel seltener wird man Ursache haben auf den 
Ursprung der Wörter, ihre Bildung aus Stämmen, Suffixen, 
Wurzeln zurückzugehen. Eine Gelegenheit dazu bietet sich 
beim Extemporieren, wo man den Leser anleiten mag, Worte, 
die ihm zunächst fremd erscheinen, aus ihren Bestandteilen zu 
erkennen; dadurch wird er lernen, auch zuhause nicht gleich 
immer gedankenlos das Lexikon zu wälzen, sondern Ausdrücke 
wie etwa prae-rupta audacia, animo re-cursat, d-cpiXo-xtjjLoc, iv- 
uTTviov, ^{-tocü&eiY], av8paTüo8-a»S7]^ sich selber zu erklären. Und 
dabei können ihm gewisse durchgehende Analogien der Ab- 
leitung durch Gewohnheit vertraut werden. Ein ausdrücklicher 
Unterricht über Wortbildung, gar über die Teile der Etymologie 
die jenseits des Griechischen liegen, gehört nicht in die Schule. 
Merkwürdigerweise erfreut sich gerade dieser Zweig der Sprach- 
wissenschaft bei vielen Lehrern der größten Beliebtheit; nament- 
lich im Anschluß an Homer wird er mit Eifer gepflegt. Es 
gibt ernsthafte Schulmänner, welche den Jungen zumuten, 
sich für den Ursprung von oö, aü, ^e, eövVj, Xeuoaa), x^^P^^ ^- ^* 
zu interessieren, drei oder vier Erklärungen eines Sizai Xsyojxsvov 
aufzufassen und nach der Wortbedeutung von 'AttoXXcuv, Aavdr], 
'Hpy], Mivo)? zu fragen. Und daneben findet man dann in 
Formenlehre und Syntax ein ängstliches und hartnäckiges Wider- 



Etymologie. 29 

streben, auch nur die einfachsten Grundanschauungen der 
historischen Sprachwissenschaft für die Erleichterung und Ver- 
tiefung des Unterrichtes zu verwerten^^a). Dies muß doch immer 
der Maßstab sein, nach dem über Aufnahme in den Lehrstoff 
der Schule entschieden wird; und daraus ergibt sich für die 
Etymologie ein sehr einfacher Grundsatz: sie darf und soll 
so weit herangezogen werden, als sie dazu dient, Wörter, die 
der Lernende schon kennt, untereinander in Verbindung zu 
bringen, durch Rückführung auf eine gemeinsame Bedeutungs- 
wurzel in seinem Bewußtsein festwachsen zu lassen, oder 
Wörter, die er neu lernt, in derselben Weise an bekannte 
anzuknüpfen; sie ist vom Übel, sobald sie ihre Deutungen aus 
Gebieten holt, die dem Schüler fremd sind, und Unbekanntes 
durch Unbekanntes erklären will. 

Die Herkunft der vorher angeführten Wörter und zahlloser 
andrer ist auch den meisten Philologen dunkel und ist auch, so 
interessant an sich, doch für das Verständnis griechischer Texte 
gleichgültig, weil sie von dem Volke selber längst vergessen 
war und für die Entwickelung der Bedeutungen innerhalb der 
historischen Sprache nicht mehr erkennbar nachwirkte. Aber 
daß Sato[jLat und 8ai? zusammenhängen, xsjxsvo? der „Abschnitt" 
ist, xpT^8£[jtvov die „Kopfbinde", yjjxiovo? der „Halbesel", x^tfjtVjXtov 
das „liegende" Besitztum, irpoßaTov das „vorwärts gehende", 
avSpotTToSa die Herde „mit Menschenfüßen", aequor nicht beliebig 
das „Meer" sondern die „Fläche", Ingenium das „Angeborene", 
secundus der „nachfolgende", assiduus der, welcher gehöriges 
Sitzfleisch hat: alles dies sind Anschauungen, die dem Griechen 
und Römer geläufig waren und jetzt dem Schüler zugänghch 
und nützlich sind. Nicht immer kommt die richtig verstandene 
Etymologie unmittelbar in der Übersetzung zum Ausdruck: 
„Selbstgenügsamkeit" für duxapxsia würde irre leiten; und die 
irapsxßaoet? der Stäatsformen bei Aristoteles (Wilam. S. 154) 
sind nicht „Ausschreitungen" sondern „Ausartungen". Aber 
die Einsicht in den Ursprung der Bestandteile führt doch auf 
den richtigen Gedanken; und manchmal läßt sie sich ohne 



30 n. Grundbedeutung. 

weiteres für den Wortlaut der Übersetzung wirksam verwerten. 
Schon daß man praecipue, eximius nicht „besonders" und „aus- 
gezeichnet" übersetzt sondern „vornehmlich" und „ausnehmend", 
demonstrare „darauf hinweisen" aber ostendere „vor Augen 
halten", ist ein kleiner Gewinn, weil damit der gedankenlosen 
Vermischung der Synonyma Abbruch geschieht. Oft wird man 
diversus adverbiell umschreiben: „in verschiedenen Richtuhgen", 
so an einer früher (S. 9) angeführten Vergilstelle. Überhaupt 
beruht die Sprachgewalt dieses Dichters zu einem guten Teil 
darauf, daß er Worte von verblaßter Bedeutung mit einem 
Bewußtsein von ihrem ursprünglichen Sinne anwendet: sterneret 
aequor aquis (VIII 89) „eine glatte Fläche aus den Wassern 
herstellte" d. h. „zur Ebene die Gewässer glättete", rumore 
secundo (VUI 90) „vom Plätschern begleitet", saecula Aen. I 606 
als „Geschlechter", ganz ähnlich wie die saecla ferarum bei 
Lukrez. Daß saeclum zu serere ähnlich steht wie generatio zu 
generare, begreifen die Schüler leicht; und dann wird ihnen die 
Übersetzung „Generation", die an vielen Stellen noch für sae- 
cülum paßt, deutlich machen, wie ein Wort, das eigenthch eine 
Gesamtheit zugleich erzeugter und zugleich lebender Wesen 
bezeichnet, dazu gekommen ist ein Zeitmaß zu benennen. 

Zu Einblicken solcher Art fordert die Etymologie, innerhalb 
der von uns gezogenen Schranken, mehrfach auf. Wer prudens 
als providens erkennt und „vorausblickend" übersetzt, versteht 
schon beinahe so gut wie Homer (z. B. A 343), was „Klugheit" 
sei. Ein Wort wie dY^vcup mit seiner doppelten Bedeutung 
braucht für den Sekundaner nicht eine Vokabel zu sein, die er 
mechanisch lernt; er kennt a^av, dvi^p, T^vopsT] und weiß oder 
lernt eben jetzt, daß höchgemtiot im Nibelungenliede etwas 
anderes ist als „hochmütig" im neunzehnten Jahrhundert. An 
secundus wurde schon erinnert. Der „nachfolgende" Wind ist 
günstiger als der „entgegenwehende"; und wer sich darauf 
einmal besonnen hat, empfindet nun auch das Bild in der Über- 
tragung beider Attribute auf das Schicksal. Daß minister in 
der modernen Anwendung des Wortes so viel mehr ist als 



Etymologie. 31 

magister, mag dem jungen Lateiner, der magis und minus besser 
zu kennen meint, seltsam vorkommen; vielleicht dämmert ihm 
dabei die Erkenntnis, daß alle menschlichen Urteile und Begriffe 
bloß relative Geltung haben. Aber auch das ewig Gleiche im 
Denken der Menschen lernt er finden, wenn ihm avejjtoc und 
animus, ^o^ri und {dva)^6yBi)f, Tuveöfia, Spiritus, esprit in ge- 
meinsamer Betrachtung zusammengefaßt werden. Überall ist 
der Versuch gemacht, das geistige Element, das sich mit den 
Sinnen nicht fassen ließ, als eine körperliche Substanz feinster 
Art zu begreifen; und damit hat die schöpferische Sprache bei 
den verschiedensten Völkern immer wieder unbewußt jenes 
Gleichnis vollzogen, das, zu deutlicher Anschauung gesteigert, 
in den Worten Jesu an Nikodemus mit überraschender Wahrheit 
leuchtet. — 

Einige der letzten Beispiele ragen schon in ein Gebiet 
hinein, das zwar dem Gedankenkreise, in dem wir hier stehen, 
angehört, innerhalb desselben aber von besonderer Art und 
besonderer Wichtigkeit ist und daher in einem eigenen Kapitel 
behandelt werden soll. 



III. 
Sinnliche Vorstellung und Begriff. 

Anschaun, wenn es dir gelingt. 
Daß es erst ins Innre dringt, 
Dann nach außen wiederkehrt : 
Bist am herrlichsten belehrt. 

Goethe. 

1. Abstrakte Begriffe auszudrücken besitzt die Sprache 
überhaupt kein anderes Mittel als die übertragene Anwendung 
sinnlicher Vorstellungen. Dieser Satz beweist so zu sagen sich 
selbst: denn fast alle einzelnen Wörter, die er enthält, sind eben 
diesen Weg gegangen: abziehen, (be)greifen, ausdrücken, be- 
sitzen, überhoübet, Mitte, übertragen, (an)wenden, (vor)stellen. 
Und das ist kein Zufall. In den Zeiten, als die Sprache sich 
bildete und ihr Wortschatz geschaffen wurde, war die Auf- 
merksamkeit der Menschen noch ganz von der körperlichen 
Welt in Anspruch genommen. Erst allmählich lernte man auf 
geistiges Leben achten und mußte nun allerdings dessen Kräfte 
und Beziehungen auch benennen; aber das war für den noch 
ungeübten Verstand eine schwere Aufgabe, und so suchte er 
sich das Fremdartige und allzu Feine durch Bilder aus einem 
vertrauten und wahrnehmbaren Gebiete nahe zu bringen und 
faßlich zu machen. Je länger und häufiger nun solche meta- 
phorischen Ausdrücke gebraucht wurden, desto mehr gewöhnte 
man sich, den abstrakten Wert, den sie nur durch ein Gleichnis 
andeuten sollten, unmittelbar in ihnen zu empfinden: das Bild 
wurde vergessen, die uneigentliche Bedeutung verschob sich 
zur eigentlichen. Es ist ein ähnlicher Übergang wie der von 
gewogenem Edelmetall zu gestempelten Barren, von da zu 



Entstehung abstrakter Begriffe. . 33 

geprägten Münzen, endlich zum Papiergeld. Danach versteht es 
sich von selbst, daß die alten Völker an sinnlichen Ausdrücken 
reicher, an abstrakten ärmer waren als wir, oder richtiger ge- 
sagt: daß in ihren abstrakten Begriffen das sinnliche Element 
noch stärker mitgefühlt wurde als in den unsern. Denselben 
Unterschied kann man auch schon innerhalb kleinerer Zeiträume 
beobachten. Vortrefflich schildert ihn Bernays, indem er von 
den Schwierigkeiten spricht, die sich einer modernen Ver- 
deutschung Shakespeares entgegenstellten (Preuß. Jahrb. 68 S. 
561): „Ihm war noch eine Sprache geläufig, in welcher die 
„Einbildungskraft ihr herrliches Spiel ungebunden trieb; und 
„er soll sich nun mit einer anderen begnügen, die sich der 
„heilsamen aber einengenden Zucht des Verstandes längst 
„unterworfen. Wenn er redete, so schien es, als ob das Wort 
„in aller Frische unverkümmerter Jugend aus der Fülle des 
„sinnlichen Lebens unmittelbar hervorquölle, um die sinnliche 
„Anschauung des Hörers ebenso unmittelbar zu befruchten ; — 
„und jetzt soll er die gleichen Wirkungen erzeugen in einer 
„Sprache, in welcher die immer weiter um sich greifende 
„Herrschaft der abgezogenen Begriffe die erste, frische, sinnliche 
„Bedeutung der Wörter immer entschiedener in Vergessenheit 
„zurückdrängt." Diese Betrachtung läßt sich auf das Verhält- 
nis der beiden klassischen Sprachen zur deutschen vollkommen 
übertragen. 

Allerdings gibt es Fälle, in denen ein bildlicher Ausdruck 
im Lateinischen und Griechischen bereits ebenso verblaßt ist 
wie der entsprechende bei uns. Wenn Piaton von der falschen 
Kunst, die keine klaren Begriffe habe, sagt: 06 -^voüoa dXXA 
oT0}(aoajAlv7] (Gorg. p. 484 C), so empfand er wohl nur noch den 
Gegensatz zwischen zwei Abstrakten: „nicht erkennend, sondern 
es treffend." Der Begriff, dessen sich Lysias bewußt war, als 
er 25 (6>J[jl. xaxaX. diroX.); 29 ouxocpavxetv iTziyeipoooiv schrieb, 
oder der, welchen Cicero im Sinne hatte, wenn er pro Sest. 
16, 38 sagte: ut meum factum semper omnes praestare deberent, 
war schwerüch verschieden von dem, was wir meinen, indem 

Cauer, Die Kunst des Übersetzens. 3. Aufl. 3 



34 * in. Sinnliche Vorstellung und Begriff. 

wir sagen, jemand „ergreife" ein Gewerbe oder er „stehe ein 
für die Handlungsweise" eines anderen. Ob man respicere 
„berücksichtigen" ebenso beurteilen soll, ist doch zweifelhaft; 
das deutsche Verbum ist ja kein ursprüngliches, sondern von 
einem schon abstrakten Substantiv abgeleitet. Weiter dann, 
wenn Herodot (IX 64) schreibt: vtxyjv dvatpeiTat xaXXtaTT]v, so 
möchte ich glauben, daß dabei dem Griechen noch der Vorgang 
des Kampfspieles, von dem Siegespreise heimgebracht werden, 
vor Augen stand, während wir in der Wendung „einen Sieg 
davontragen" an nichts mehr der Art denken. Beweisen läßt 
sich ein solcher Unterschied ja nicht; und die Grenze, von der 
an wir zu fühlen meinen, daß den Alten die sinnliche Kraft 
einer Vorstellung noch lebendig war, wird naturgemäß oft 
schwankend bleiben. 

Aber es finden sich Beispiele genug, über die ein Streit 
kaum entstehen könnte, in denen der fremde Ausdruck frischer 
nach dem Ursprung schmeckt als der deutsche. Tacitus Ann. VI 7 
(nobis pleraque digna cognitu obvenere) übersetzt Nipperdey: 
„uns ist sehr vieles als der Kenntnisnahme würdig entgegen- 
getreten", und bemerkt richtig, obvenire nähere sich hier der 
übertragenen Bedeutung, in der wir „vorkommen" statt „scheinen** 
sagen; aber das wird nicht leicht jemand behaupten, daß beide 
Begriffe sich schon decken. So ist expressa vestigia bei Cicero 
(Rose. Am. 22, 62) körperlicher als „ausdrückliche Spuren", 
TuapaoTotTic Xenoph. Memor. II 1, 32 anschaulicher als „Beistand", 
Tuaoav 7cpo{>u[jLt7jv IxTstvetv in Herodots Sprache (VII 10 tq) kühner 
als in modernem Deutsch „allen Eifer anspannen" oder „an- 
strengen" ; deutsches „zusammenstimmen und zusammenpassen" 
klingt abstrakter, als wenn Piaton sagt: oö oüvaSoüotv oö8k 
ouvapfxoTTOüatv dXXr^Xot? (Protag. p. 333 A). Vielleicht läßt sich 
hier durch einen kleinen aufgesetzten Druck die kräftigere 
Wirkung herstellen: „(beide Sätze) stehen nicht im Einklang 
und fügen sich nicht in einander"; in der Regel aber können 
wir kaum anders als ein verblichenes deutsches Bild für das 
farbenkräftige des Originals einsetzen, weil wir sonst der eigenen 



Verblafste deutsche Bilder werden aufgefrischt. 35 

Rede Gewalt antun würden. Herodots Erklärung (11 123) Ijxol 
8s Tcapä iravTa t6v Xo^ov ÖTroxsixat OTt xtX. übersetzt Krüger: 
„liegt (als maßgebend und warnend) der Satz zu Grunde", als 
ob er dem natürlichen „mein Grundsatz ist" mit Absicht aus- 
wiche. In Lysias Rede gegen Eratosthenes (12, 81) machen 
die Worte Schwierigkeit: •Jjp.st? vüvI sie xaTTi^optav xal diroXo^tav 
xa[>eoTa[jLev, und lassen sich doch einfach wiedergeben: „wir 
haben uns auf den Standpunkt von Anklage und Verteidigung 
gestellt". Dieselbe Wendung dient uns bei Livius (XXI 19, 4): 
etsi prlore foedere staretur. Sogar bei Homer dürfen wir, denke 
ich, Übereinstimmungen dieser Art benutzen. Es ist doch kein 
bloßer Zufall, wenn die Aufforderung (p 44) xaTaXe£ov otuo)? 
^vTr]oa? ÖTTCüTu^c genau der unsrigen gleicht: „erzähle, zu 
welcher Anschauung du gekommen bist". Mag der deutsche 
Ausdruck schwächer sein als der lateinische oder griechische, 
er ist immer stark genug an jenen zu erinnern, und darf dann 
von ihm ein Stück der verlorenen Kraft für den Augenblick 
wieder leihen. Hier zeigt sich besonders glücklich der eigen- 
tümliche Vorzug der Schulübersetzung vor jeder noch so guten 
gedruckten, von dem in der Einleitung die Rede war. 

Auf diesem Wege entwickelt sich dann aus der praktischen 
Schwierigkeit, von der wir ausgingen, sogar ein Vorteil. Durch 
den unmerklichen Einfluß der Gewöhnung des Ubersetzens wird 
der echte Sinn vieler deutschen Worte wieder aufgefrischt; und 
wer dieser Einwirkung empfänglich nachgibt, wird dahin ge- 
langen nun auch im eignen deutschen Stil manche scheinbar 
ganz abstrakte Begriffe wieder mit einem leisen Gefühl ihrer 
bildlichen Geltung zu gebrauchen. Goethe erklärt es (in den 
Sprüchen in Prosa) für „das schönste Zeichen der Originalität, 
„wenn man einen empfangenen Gedanken dergestalt fruchtbar 
„zu entwickeln weiß, daß niemand leicht, wie viel in ihm ver- 
„borgen hege, gefunden hätte". Das gilt auch von denjenigen 
Gedanken, die bereits in Begriffe zusammengedrängt sind. 
Goethe verstand es diese Kunst zu üben; und so erhielt 
unter seinen Händen die deutsche Sprache einen eigenen 

3* 



36 ni. Sinnliche Vorstellung und Begriff. 

Glanz, nicht so sehr durch neue Farben mit denen er die blaß 
gewordenen übermalte, als durch die feine Sorgfalt, mit der 
er das uralte Bildwerk von der aufgelagerten Staubdecke be- 
freite^). Daß die lernende Jugend ihm nacheifern solle, könnte 
als ein übertriebenes Verlangen erscheinen; aber das wird 
jeder zugeben, daß wir sie vor dem oberflächlichen Sinn be- 
wahren sollen, der die überlieferten Ausdrucksmittel sorglos 
weiter gebraucht und weiter verbraucht und nur deshalb etwas 
zu sagen scheint, weil die Sprache für ihn dichtet und denkt. 
2. Kehren wir aber zu dem, was hier unsere eigentliche 
Aufgabe ausmacht, zurück, zu dem Bemühen, die deutsche Über- 
tragung eines alten Textes so zu bilden, daß der Eindruck 
sinnlicher Fülle und Anschaulichkeit erhalten bleibe. Bisher 
war bloß von dem besonderen Fall die Rede, wo für einen bild- 
lichen Ausdruck der alten Sprache ein gleicher, nur schon ganz 
abstrakt gewordener der unsrigen zur Verfügung stand, der 
dann mit einer kleinen Steigerung seines ursprünglichen Ge- 
haltes eingesetzt werden konnte. So leicht liegt die Sache 
nicht immer; oft bedarf es einiger Besinnung, um einen 
deutschen Ausdruck zu finden, der nicht ins rein Begriffliche 
abfällt. Unsere Schüler neigen nur zu sehr zum letzteren, und 
der Unterricht leistet ihrer Bequemlichkeit manchmal Vorschub 
anstatt Widerstand, wenn er sie etwa ein für allemal anleitet 
hostes f andere m\i „schlsigen'* , praestare mit „sich auszeichnen", 
prohibere mit „hindern« zu übersetzen, obwohl „zerstreuen", 
„voranstehen" o(ler (z. B. Sallust Catil. 37, 5) „hervortreten** und 
„fernhalten" oft aufs beste in den Zusammenhang passen und 
besonders bei prohibere die lateinische Konstruktion (z. B. Liv. 
XXII 14, 2) gar nicht verstanden werden kann, wenn man nicht 
von der Grundbedeutung ausgeht. Vergil sagt mit deutlich 
empfundener Übertragung: caecique in nubibus ignes terrificant 
animos (IV 209); ist es nötig den Gedanken deutsch ins Ab- 
strakte zu ziehen: „zweck- und ziellos"? Wir lassen die Sol- 
daten manchmal „blind chargieren", sprechen von „blindem 
Lärm": und so nennt larbas die Blitze Juppiters, wenn sie 



Deutsche Bilder erneuert durch wörtliches Obersetzen. 37 

• 

keine Wirkung tun, „blinde Feuer". Nun gar Homer! Wie 
Odysseus zwei Nächte und zwei Tage lang in den Wellen um- 
hertreibt, TToXXä 8s o{ xpaStr] irpoTioaoeT oXe&pov (e 389): das 
ist wahrhaftig eine Situation, in der auch der gebildetste Sohn 
unseres klugen Zeitalters nicht erst seinen Verstand zu Hilfe 
nehmen würde, um „den Tod zu ahnen", den er „vor Augen 
hat". npooTTTüaoea&at heißt eigentlich „sich in Falten an- 
schmiegen", also auch y 22 (MevTop, ttcü? t ap' To), tccü? t 
äp TrpooTrTüfojAat aüT6v;)nicht einfach „freundlich anreden, be- 
grüßen"; die Sorge des schüchternen Telemach ist, wie er 
„sich an ihn machen" soll. Beim Mahle der Phäaken schickt 
Odysseus dem Sänger ein schönes Stück Braten: (ocppa) jjliv 
irpoaTTTüfoiJLat dxvüfxevo? Tcsp {^ 478). Das soll nicht heißen: 
damit ich ihn „liebevoll behandle" oder „begrüße" oder „ihm 
meine Zuneigung beweise"; die Grundbedeutung läßt sich so 
ziemlich festhalten: „daß ich mich bei ihm einschmeichle". 
Noch treffender wäre „mich insinuiere"; und wenigstens als 
Beispiel werden wir es heranziehen und dem Schüler zugleich 
die Falten des Gewandes und, wieder einmal, den Nutzen des 
Fremdwortes anschaulich machen. Wer Ixjirjpüso&at (Anab. VI 
5, 22) mit „defilieren" wiedergibt, macht sich das von Xenophon 
gebrauchte Bild und damit den eigentlichen Sinn des modernen 
Ausdrucks deutlich. Denselben doppelten Vorteil gewährt in 
Ciceros Rede für Sulla (13, 39 dornt eius pleraque conflata esse 
constabat) die Übersetzung „daß in seinem Hause meistenteils 
konspiriert wurde". 

Manchmal gelingt es durch Ergänzung eines Begriffes oder 
durch Umschreibung ein Bild zu bewahren, das verloren gehen 
müßte, wenn man ängstlich Wort für Wort wiedergeben wollte. 
Ciceros Warnung (Lael. 22, 83), man solle nicht glauben libi- 
dinum peccatorumque omnium patere in amicitia licentiam, will 
Nauck mit der sprichwörtlichen Wendung, daß „Tür und Tor 
geöffnet" sei, übersetzen; noch besser wäre vielleicht „daß freie 
Bahn geöffnet sei", weil darin auch der Begriff von licentiam 
angedeutet ist. Euander gedenkt seiner Jugend (Aen. Vm 160) : 



38 III. Sinnliche Vorstellung und Bcgriflf. 

tum mihi prima genas vestibat flore iuventus; „umgab mit 
sprossender Hülle" könnte man deutsch sagen, um dem doppelten 
Bilde gerecht zu werden. Als Freier um Kleisthenes' Tochter 
kamen alle zusammen, ooot ocptot ts aÖTOtot ^aav xal iraxpiQ 
IScü^xcDjAevot (Hdt. VI 126); „stolz" ist farblos, „aufgeblasen" 
gibt einen tadelnden Sinn, so versuchen wir: „denen das eigene 
Bewußtsein und ihr Vaterland die Brust schwellte". Den 
häufigsten Anlaß zu Umformungen dieser Art bietet natürlich 
die Sprache der alten Dichter. In Hesiods Beschreibung des 
goldenen Zeitalters, die ich einmal zum Text einer Klassenarbeit 
wählte, übersetzten zwei Schüler das TepTuovT iv öaXt-oot (spy. 
115) ganz geschickt: „erfreuten sich in blühendem Glücke". 
Bei Homer ist xt^os' dvauXr^oat (e 207) „das Maß der Leiden 
erfüllen", tc^vöo? aejev (p 489) „er nährte das Gefühl der Trauer". 
In Sophokles Aias 182 f. ouiroTe ^ap cppevoOev 7' iir' dptoTspa, 
irai TeXafxcüvo?, eßa?, können wir der Anregung folgen, die 
Bnnius an einer wohlbekannten Stelle gibt, und sagen: „nie- 
mals hast du dich so weit vom rechten Wege des Denkens 
entfernt". — Übrigens kommt es auch vor, daß gerade eine Ver- 
kürzung des Ausdruckes im Deutschen dazu hilft ein Bild zu 
erhalten. Der falsche Freund des unglücklichen Drusus Libo 
verführte ihn zu ausschweifendem Leben, quo pluribus indiciis 
illigaret (Ann. II 27). Das heißt einfach: „um ihn desto fester 
in der Schlinge zu haben" ; denn welche Art von Schlinge ge- 
meint ist, zeigt ja gleich das Folgende: „Sobald er Zeugen 
genug hat." 

Fälle der letzten Art sind nicht allzu häufig, weil im all- 
gemeinen der deutsche Ausdruck weniger knapp ist als der 
antike. Zufrieden können wir schon sein, wenn es gelingt 
Anschaulichkeit und Kürze zugleich zu wahren, indem das 
Vorstellungsgebiet, in das ein Wort des Originals uns versetzt 
hat, etwas verschoben, erweitert oder verengt wird. „Sitzen" 
und „Stehen" haben das Element der Dauer gemeinsam, „sich 
setzen" uud „sich legen" das der Beruhigung; also bleiben 
wir dem Sinne des Lateinischen nahe, wenn wir für assiduus 



Bilder erhalten durch Umschreibung, Verkürzung oder Verschiebung. 39 

„beständig" und für flatus resedit (Aen. VII 27) sagen: „das 
Wehen legte sich". "AoirXaYXvo? bei Sophokles (Ai. 472) ist 
„marklos", ou-yxsxpafiat 8üa in Kreons Klage (Ant. 1311) „ich 
bin dem Unglück vermählt". Xenophon soll sich (Anab. V 8) 
vor den Soldaten rechtfertigen, daß er früher manche von 
ihnen geschlagen hat. Es sei notwendig gewesen, sagt er, 
um in bedrängter Lage die Säumigen zur Aufbietung aller 
Kräfte zu nötigen; jetzt aber, wo es dem Heere gut geht, 
oüSsva iratco- h eöStcf -yäp opo). 6[jLac (19). Krüger bemerkt 
dazu: „e&8ta eigen thch dem Sturme entgegengesetzt, hier ,Gefahr- 
losigkeit*". Aber damit wird der Gedanke zerstört; denn die 
Vorstellung der Seefahrt braucht der Redner, um auf das ent- 
gegengesetzte Bild, das er im Folgenden ausführt, vorzubereiten: 
OTav 8s )(ei|ici)v ij "^^^ öaXaooa [xe^aXT] ^TutcpepTjTat xtX. Wir er- 
reichen seine Absicht, wenn wir sagen: „ich sehe euch im 
sichern Hafen". — Für das horazische quidquid delirant reges 
plectuntur Achivi (Epist. I 2, 14) wird man die Übersetzung 
des trefflichen Seume immer dankbar benutzen: „wenn die 
Könige sich raufen, müssen die Bauern Haare lassen". Aber 
delirare verlangt doch auch als Vokabel eine Erklärung, und die 
„Furche" (lira) leitet auf die verwandte deutsche Redensart „aus 
dem Geleise kommen, entgleisen" hin. Hat man zufällig mit den- 
selben Schülern in der vorhergehenden Klasse den ionischen Auf- 
stand bei Herodot gelesen, so ist gewiß noch einer und der andere 
der sich erinnert, mit welchem Bilde jene seefahrende Nation 
den gleichen Gedanken malte, VI 12, IxuXtioavTs? xoö vooü: 
„wir haben den rechten Kurs verloren". 

3. In Bezug auf den Gebrauch von Metaphern nimmt inner- 
halb der auf der Schule gelesenen Autoren Sophokles eine be- 
sondere Stellung ein. Denn in der poetischen Gattung, deren 
einziger Vertreter er hier ist und doch wohl bleiben wird, dienen 
Bilder nicht nur dem Bedürfnis nach anschaulicher Darstellung, 
sondern vor allem dem W^unsche, den Stil prächtig auszu- 
schmücken und über das Niveau der natürlichen Rede hinaus- 
zuheben. Wir dürfen diesen Schmuck nicht abstreifen, wenn 



40 in. Sinnliche Vorstellung und Begriff. 

wir den Eindruck des Originals wiedererzeugen wollen, und 
werden deshalb auch manche kühnere Verbindung wagen. 
„Leichentrümmer des Herdenmordes" klingt uns wohl kaum 
befremdlicher als den Griechen ipetTuta vexpÄv dpvetoü cpovoo 
(Ai. 308 f.); und eine so malerische Vorstellung wie El. 118 ff. 
([lOüVTj Y^P «T^^^ oöxlxt ou)xä> Xötutj? dvTtppOTTOv oiybo^) läßt 
sich auch der Phantasie des deutschen Lesers oder Hörers 
mitteilen: „allein vermag ich nicht mehr der Last des Jammers 
das Gleichgewicht zu halten". Auch der beliebten Vermischung 
getrennter sinnlicher Gebiete können wir nicht immer aus- 
weichen, z. B. Kön. Od. 473 ff.: sXa[jn{;s ^^p "^o^ vtcposvTO? 
dpxtü)? cpavetoa cpap-a Ilapvaooü, t6v a8r]Xov avopa iravi lyye6eiy'^ 
von einem Orakel-„spruch" ist die Rede, aber durch ein aus- 
geführtes Bild wird er in die Sphäre des Sichtbaren gezogen und 
mit einem Feuerzeichen verglichen, das „vom Gipfel des schnee- 
igen Parnaß leuchtend erschien". Dergleichen aufgeben heißt 
die Eigenart des Dichters verleugnen. Trotzdem werden wir 
uns freuen, wenn dann und wann eine schon verblassende 
deutsche Metapher es möglich macht, die gar zu strotzende 
Farbe des griechischen Ausdrucks zu dämpfen, sodaß Gedanken 
einander nicht „verschwistert" erscheinen, sondern „verwandt" 
(Antig. 192), der Gesang „hell erklingt" anstatt zu „leuchten" 
(Kön. Öd. 187), Unglück das Greisenalter „begleitet", nicht mit 
ihm „zusammenwohnt" (Od. Kol. 1238), cppovTtöoc SY/o? (Kön. 
Öd. 170) zur „W^affe der Klugheit" verallgemeinert wird. Nicht 
selten endlich wird es doch notwendig sein das Bild ganz zu 
verlassen, zumal da, wo es nicht ausgemalt, sondern nur durch 
ein einzelnes Wort angedeutet ist und im Deutschen entweder 
unverständlich werden oder eine breite Umschreibung erfordern 
würde. Ohr und Sinn der Griechen waren anders gestimmt 
als die unsern, und diesem Unterschied muß Rechnung tragen, 
wer in uns einen ähnlichen Eindruck hervorrufen will wie jene 
empfingen. Darauf wurde schon früher (S. 25) hingewiesen. 
Es ist lehrreich der Behandlung dieses Punktes in den Wilamo- 
witz'schen Übersetzungen nachzugehen. 



Bilder bei Sophokles, bei Homer und Herodot. 41 

Von dem Stil der Tragödie völlig verschieden ist die Rede- 
weise Homers, auch sie reich an Bildern, die uns oft überraschen. 
Aber hier sind es nicht kunstvolle Zierate, zu augenblicklichem 
Gebrauch erfunden, sondern es sind jene uralten Gleichnisse, mit 
deren Hilfe überall der menschliche Geist die körperlose Welt 
der Gedanken seiner Auffassung zu unterwerfen gesucht hat. 
Dem ältesten Dichter steht von dieser Seite der Vater der 
Geschichte noch nahe genug. Man darf für die Übersetzung den 
Grundsatz aufstellen, daß Bilder, die bei Homer und Herodot 
vorkommen, wenn irgend möglich auch im Deutschen festgehalten 
werden sollen; denn da berühren sie uns nicht fremdartig 
sondern heimatlich, indem sie die verblichene Anschaulichkeit 
unsrer eignen Sprache auffrischen helfen ^i). 

Wieder ganz anders steht es mit den lateinischen Autoren, 
die der Schüler zu lesen bekommt. Die geistige Atmosphäre, der 
Cicero Vergil Tacitus angehörten, war der, in welcher wir atmen, 
ähnlich, nur zu ähnlich. Daß immerhin das Latein der goldnen 
und silbernen Zeit noch reicher an Metaphern ist als unser jetziges 
Deutsch, lehrt schon ein Blick in Nägelsbachs Stilistik. Aber der 
Prozeß der Umwandlung sinnlicher Ausdrücke in Abstracta war 
doch schon weit genug vorgeschritten und lud zu Neubildungen 
ein. Am reichsten an solchen ist von den Prosaikern Tacitus, 
und der Übersetzer soll ihn nicht korrigieren. Exciti prospero 
clamore, qui modo per agros fuga palabantur, victoriae se mi- 
scebant, schreibt er Hist. III 17, und wir zerstören das Gemälde, 
wenn wir (mit Heraeus) für se miscere „sich beteiligen** setzen; 
vielmehr: „sie mischten sich in den Sieg". Ut quis destrictior 
accusator, velut sacrosanctus erat, steht Ann. IV 36; Nipperdey 
meint das Bild ungefähr festzuhalten, wenn er destrictus mit 
„scharf" wiedergibt. Aber hätte Tacitus dies gemeint, so würde 
er acrior gesagt haben; da ihm das nicht genügt hat, soll es 
auch uns nicht genügen, und wir versuchen ebenfalls das 
erloschene Bild zu erneuern, indem wir „schneidiger" sagen. — 
Daneben kennt doch auch Tacitus und kennen andere neben und 
vor ihm die feinere Art, einen bildlichen Ausdruck dadurch wieder 



42 III» Sinnliche Vorstellung und Begriif. 

lebendig zu machen, daß er geschickt in eine Umgebung ge- 
bracht wird, die an den ursprünglichen Sinn erinnert. Horaz 
weiß verständig zu raten: dixeris egregie, notum si callida ver- 
bum reddiderit iunctura novum (a. p. 47 f); und er befolgt selber 
den Rat, indem er die körperliche Bedeutung von Worten wie 
tollere (Od. IT 4, 11) oder onus (Epist. I 17, 39) lebhaft erfaßt 
und zu Gleichnissen ausdehnt *'2). Das ist dieselbe Kunst, die 
wir vorher an Goethe gerühmt haben, von der auch aus 
römischen Autoren, aus Tacitus und Vergil, schon Beispiele 
erwähnt wurden (S. 29. 30); unsere Sache ist es die Absicht 
zu merken und beim Übersetzen nicht zu verwischen. Claras 
heißt hundertmal „herrlich, berühmt", aber clarus Olympus 
(Aen. IV 268) ist der „strahlende Olymp", ah(kr^zi<; bei Homer. 
Sustinere für alere ist ebenso gedacht und war in Sallusts Zeit 
wohl schon ebenso gebräuchlich wie unser „Unterhalt" ; aber in 
den Worten homo omnium quos terra sustinet sceleratissimus 
(lug. 14, 2) ist es wieder voller empfunden, und so müssen 
auch wir sagen: „von allen welche die Erde trägt". Obire 
heißt „begehen, bereisen, besorgen" und ist in dieser Anwendung 
transitiv; wenn nun Livius (X 25, 13 f.) den Prätor Appius 
Claudius sagen läßt: non suffecturum ducem unum nee exercitum 
unum adversus quattuor populos; periculum esse sive iuncti unum 
premant sive diversi gerant bellum, ne ad omnia simul obire unus 
non possit, so zeigt schon die ungewöhnliche Konstruktion mit 
ad daß das Verbum im eigentlichen Sinne genommen ist: „nach 
allen Seiten zugleich entgegentreten". 

Ganz in seiner Art verhält sich zu den geläufigen meta- 
phorischen Ausdrücken Cicero. Gedankenlos gebraucht auch er 
sie nicht; aber während Sallust und Tacitus durch Stellung 
und Verbindung oder durch die treffende Wahl eines benach- 
barten Wortes den Keim der bildlichen Vorstellung erhalten 
oder erwecken, weiß ihn die fruchtbare Phantasie des Redners 
zu einem ausgeführten Gleichnis zu entwickeln. Von adversa 
und secunda fortuna war schon einmal die Rede; bei Cicero 
(off. n. 6, 19) lesen wir: Magnam vim esse in fortuna in utram- 



Bilder im Lateinischen; bei Cicero. 43 

que partem vel secundas ad res vel adversas quis ignorat? nam 
et, cum prospero flatu eius utimur, ad exitus pervehimur optatos, 
et, cum reflavit, adfligimur. Und noch unmerklicher hat er 
einem so abgebrauchten Begriffe wie impellere „bewegen" ein 
volles Bild entlockt de or. 11 79, 324: quos (locos) tamen totos 
explicari in principio non oportebit, sed tantum impelli prlmo 
iudicem leviter, ut iam inclinato reliqua incumbat oratio. 
Nägelsbach, der beide Beispiele anführt, übersetzt das erste 
(§ 134, 2) ohne alles Bild, das zweite (§ 128, 1) mit ver- 
änderter Metapher. Ich würde es vorziehen, auch hier der 
Gedankenrichtung zu folgen, in die der Autor selbst uns weist: 
„damit sich, wenn er schon wankend geworden ist, die übrige 
Rede auf ihn werfe", und: „wenn das Glück unsre Segel 
schwellt gelangen wir zum erwünschten Ziel, wenn der Wind 
umschlägt leiden wir Schiffbruch". 

Man mag in dem letzten und in manchen früheren Fällen 
einwenden, daß sich unser Verfahren zu eng an die Vorlage 
anschließe; und sicher wird sich oft eine glattere und auf den 
ersten Blick gefälligere Übersetzung finden lassen. Aber unser 
Bestreben war ja, gerade die eigentümlichen Züge des Originals 
in der Übertragung frisch zu erhalten und durch das Suchen 
nach ihrer Wiedergabe zugleich die Vertrautheit mit den Aus- 
drucksmitteln der eignen Sprache zu erhöhen. Das wird uns 
auch im folgenden Abschnitt zu Forderungen führen, denen 
von vornherein nicht jeder zustimmen möchte. 



IV. 



Synonyma. 

Wer dolmetschen will, muß großen Vorrat 
von Worten haben, daß er die Wahl könne 
haben, wo eins an allen Orten nicht lauten 

^»"- Luther. 

1. Einer der häufigsten Fehler des Stiles ist Eintönigkeit. 
Wer nicht auf sich achtet, verfällt leicht in die lässige Gewohn- 
heit, dieselben Dinge immer wieder mit demselben Namen zu 
benennen. Und das schadet nicht nur dem Wohlklang, sondern 
auch der DeutUchkeit. Denn selten oder nie sind Synonyma 
gleichbedeutend; und wer zwei oder mehr verwandte Begriffe, 
für welche die Sprache besondere Wörter geschaffen hat, stets 
nur mit einem von diesen bezeichnet, wird notwendig gerade 
den Ausdruck, den der Zusammenhang seiner eignen Gedanken 
erforderte, oft verfehlen. Ob sie z. B. etwas anführen oder mit- 
teilen, erwähnen oder auseinandersetzen, darstellen oder ent- 
wickein, beschreiben oder erzählen wollen, ist den Verfassern 
deutscher Aufsätze, und zwar nicht bloß derjenigen die korrigiert 
werden, manchmal vollkommen unklar. Um solchem Übel ent- 
gegenzuwirken gibt es kein besseres Mittel, als das Übersetzen 
aus einem mustergiltigen fremden Werke 2^). Denn beim Vortrag 
dessen, was man sich selbst ausgedacht hat, ist man fortdauernd 
in Gefahr, in den vertrauten Kreisen geläufiger Vorstellungen 
und Ausdrücke befangen zu bleiben; der fremde Text aber 
bringt die Nötigung, uns selbst aufzurütteln, unser Gedächtnis 
zu durchgrübeln und aus ihm auch solche Worte emporsteigen 
zu lassen, die uns bekannt und verständlich waren, wo sie ein 




Mannigfaltigkeit des Originals nachahmen. 45 

andrer verwandte, aber dem Bewußtsein nicht gegenwärtig oder 
nicht nahe genug, um für eignen Gebrauch gleich zur Hand zu 
sein. Diese Arbeit muß ja getan werden, wenn wir der 
Mannigfaltigkeit des Originals gerecht werden und jede Ver- 
bindung von Begriffen möglichst in der Schattierung erhalten 
wollen, die der Autor für sie gewählt hat. So wirken auch 
hier die beiden Absichten, deren wir uns am Schluß des vorigen 
Kapitels wieder erinnerten, aufs beste zusammen. 

Zuweilen handelt es sich um Unterschiede, die nur leise 
empfunden werden und unwesentlich erscheinen können. Ich 
freute mich doch, als ein Schüler die Worte Xenophons (Mem. 
IV 2, 33): iTrt)(etpü)v dTuoStopaaxetv [xstoc toü uioö tov xe 
iraiSa dTrcüXeae xal aÖTÖ? oöx t^Süvt^&y] ocod^vat, von selbst 
so wiedergab, daß Dädalos „mit seinem Sohne" zu fliehen ver- 
suchte und „sein Kind" verlor. Und oft führt das Bestreben, 
die Abwechslung des Ausdruckes nachzuahmen, erst dazu, daß 
die Begriffe scharf erfaßt werden. So an einer Stelle der divi- 
natio in Q. Caecilium (19, 61), wo sich dadurch Gelegenheit 
bietet ein früher besprochenes Wort in seiner Grundbedeutung 
zu erhalten: nullam neque iustiorem neque graviorem causam 
necessitudinis posse reperiri quam coniunctionem sortis, quam 
provinclae, quam officü, quam publici muneris societatem, d. h. 
„kein gerechterer und kein wichtigerer Grund zu enger Ver- 
bindung könne gefunden werden als die Vereinigung des Loses, 
als die Gemeinschaft des Wirkungskreises [nicht „Amtsbezirkes", 
wegen des folgenden munus], der Pflicht, des Staatsamtes". 
Imperium heißt oft genug „Herrschaft", und dieses Wort würde 
auch bei Sallust Catil. 2, 2 (maxumam gloriam in maxumo 
imperio putare) ganz gut passen ; weil aber lubidinem dominandi 
unmittelbar vorhergeht, so ist es in „Herrschbegier" schon ver- 
braucht, und wir bilden nun: „im größten Machtbereiche". 
Ein Beispiel gehäufter Synonyma aus Herodot ist früher (S. 23) 
vorgekommen. Wenn Xenophon Memor. II 1, 18 TaXanrcDpoiv, 
TTovcüv, [jLOx&oüot kurz hintereinander setzt, so können wir ihm 
folgen, indem wir „sich plagend, arbeitend, sich anstrengen" 



46 IV. Synonyma. 

sagen. Und kurz darauf (33) ähnlich: ^^atpoüotv „sie freuen 
sich", dYQtXXovTai ,,fühlen sich gehoben", TjSovTat „haben ihre 
Lust daran". Derselbe Schriftsteller scheint (ebenda 7, 9) d-^airav 
und (ptXetv klar zu sondern, indem er sagt: aü jiev Ixstva^ 
cptX']^aetc, 6p«>v w<fek(^OD<; öeaoTvf oSoac, Ixetvat oe o^ dya- 
Tur^aoüotv, afo&ofjievat yatpovxa aöxat?, „du wirst sie lieben, 
da du siehst, daß sie dir nützlich sind, und sie werden etwas 
von dir halten, da sie merken, daß du mit ihnen zufrieden bist". 
Aber wenige Zeilen später (§ 12), wo dasselbe Verhältnis als 
nunmehr eingetreten geschildert wird, ist die Verteilung umge- 
kehrt: at [ikv o)? xTjSsiJLOva ecptXoüv, 6 81 (i)c a)cpeXt[ioü? T^YOtira. 
Also wäre es auch an der ersten Stelle möglich beide Verba zu 
vertauschen oder gar auszugleichen; doch das dürfen wir nicht. 
Offenbar ist das Spiel mit diesen Worten von Xenophon be- 
absichtigt; imd unsere Sache ist es nicht, ihn zu korrigieren, 
sondern seinen Absichten, auch wo wir sie etwa nicht ganz ver- 
stehen, nachzugeben. 

Besonders groß ist die Mannigfaltigkeit des Ausdrucks bei 
den Dichtern, teils aus natürlicher Fülle wie bei Homer, teils 
infolge kunstmäßiger Arbeit. Manchmal ist es für den Übersetzer 
unmöglich hierin dem Original treu zu bleiben; so Aen. IV 478, 
wo wir uns wohl vergebens bemühen würden germana und soror 
auch deutsch auseinander zu halten. Anderwärts wieder ist die 
Bewahrung des Unterschiedes überflüssig, weil er ganz tonlose 
Worte betrifft. Wenn wir an früher angeführten Stellen dviQp 
mit „man" übersetzen wollen, so braucht uns ein nachfolgendes ti? 
davon nicht zurückzuhalten; vielmehr werden wir o 400 f. {^ia 
"^dp T8 xal aX^eot xepTreiat dvi^p, o? tk or; jjidXa TuoXXä TrdftiQ 
xal iroXX' iTua^Tjä'^) so geben: „nachträglich freut man sich 
auch über Leiden, wenn man schon viel erduldet hat und viel um- 
hergeirrt ist". Aber Fälle dieser Art sind nicht die Regel ; meist ist 
es mögüch und lohnend die Vielheit der Synonyma nachzubilden. 
Zwischen jxTjvto), xoTeo[i.at und y^oXsTzaivoi zu unterscheiden 
würde dem Schüler schwer werden; vielleicht empfindet er doch 
etwas davon, wenn er angehalten wird einen Satz wie e 146 f. 




Abwechselung des Ausdruckes bei Dichtern. 47 

genau zu übersetzen: Ati? 8' ItzotzO^bo {i^vtv, jjlt^ tu(i)c toi 
[xsTOTTto^ys xoTeoaafjLevoc XQ^^^^i^^? „scheue den Groll des Zeus, 
daß er nicht hinterher erzürnt dich seinen Unwillen fühlen lasse". 
Bei Vergil werden clarus und Inclutus, oculi und lumina oft 
als gleichwertig gebraucht; aber wenn Aen. VI 478 f. hello clari 
und inclutus armis unmittelbar aufeinander folgen, so sind es 
Männer „die im Kriege geglänzt haben" und der „waffenberühmte" 
Parthenopäus ; und lumine hinter oculos (Vni 152 1) heißt 
„mit dem Blicke" nicht „mit dem Auge". Seinen Bericht von 
Hercules und Cacus beginnt Euander mit dieser Beschreibung: 
iam primum saxis suspensam harte adspiee rupem, disieetae 
proeul ut moles desertaque montis stat domus et scopuli ingentem 
traxere ruinam (VIII 190 ff.). Wir hüten uns auch im Deutschen 
vor Wiederholung desselben Wortes und sagen etwa: „gleich 
zuerst sieh diesen am Gestein hängenden Felsen, wie die Massen 
weit auseinander geschleudert sind und die Wohnung des Berges 
verödet steht, und wie ein gewaltiger Sturz die Zacken nieder- 
gerissen hat". Die Schüler gehen gern, und oft mit Geschick, 
auf solche Bemühungen ein; so wurde Aen. VI 673 ff.: nulli 
certa domus, lucis habitamus opacis riparumque toros et prata 
recentia rivis incolimus, gleich beim ersten Übersetzen ganz 
treffend wiedergegeben: „keiner hat ein bestimmtes Heim, wir 
hausen in schattigen Hainen und bewohnen die Uferbänke und 
die von Bächen erfrischten Wiesen". 

2. Allerdings kann der Eifer zu weit gehen und muß dann 
wieder zurückgehalten werden. Man darf nicht kunstreicher sein 
wollen, als der Klassiker von dem man lernen soll selbst war. 
Wenn Vergil Aen. IV 1, 5 in kurzem Zwischenraum zweimal 
cura gebraucht, so dürfen auch wir zweimal — nur freilich 
nicht „Sorge" sagen, als sei Dido um ihren Unterhalt verlegen 
gewesen, wohl aber „Kummer" oder „Gram". So sind auch 
bei Homer e 212f. Seji,«^, cpuVj, eloo^ streng zu scheiden: „Ge- 
stalt, Wuchs, Aussehen"; aber wenn in V. 217 sI8o? und 
eJoavTa Ksaftat bequem nebeneinander stehen, so werden wir 
vor „Aussehen" und „anzusehen" nicht zurückscheuen. 



48 IV. Synonyma. 

Unter Umständen ist es geradezu notwendig, ein Wort, das 
unverändert wiederkehrt, auch wieder ebenso zu übersetzen. 
In Ciceros Rede für Murena 2, 4 sind summo honore affec- 
tus, eodem honore praeditus mit Absicht nur teilweise unter- 
schieden worden: „angetan — ausgestattet"; den Begriff „Würde" 
hat der Redner in beiden Gliedern gleich ausgedrückt Er 
wollte die Stellung seines Klienten seiner eignen möglichst 
gleich erscheinen lassen, und durfte doch magistratu nicht 
sagen, da Murena erst designierter Konsul war. Daß er nicht 
etwa um Synonyma für honor verlegen war, zeigt Cicero in der- 
selben Rede 5, 12, wo laus, memoria, honos, glorla („Ruhm, 
bleibendes Gedächtnis, Ehre, Glanz") hart neben einander stehen. 
Aber kurz darauf wieder (12 f.) findet sich innerhalb von 
fünf Zeilen viermal der Begriff maledictum oder maledicus. 
Ein Herausgeber übersetzt an der ersten Stelle (maledicto nihil 
in hisce rebus loci est) „Vorwurf", an den folgenden „Schmähung" ; 
doch damit wird der innere Zusammenhang der Gedanken zer- 
stört, der gerade auf der Gleichheit des Ausdruckes beruht 
Man muß versuchen sie beizubehalten, etwa so: „für ein böses 
Wort ist hier kein Platz", und nachher: „das böse Wort verrät, 
wenn es mit Recht gebraucht wird, einen heftigen Ankläger, 
wenn mit Unrecht, einen bösen Lästerer" (maledici conviciatoris). 
Noch wichtiger ist die Gruppierung um einen gemeinsamen 
Wortstamm bei Sallust Catil. 3, 1 f . : et qui fecere et qui facta 
aliorum scripsere multi laudantur; ac mihi quidem, tametsi 
haudquaquam par gloria sequitur scriptorem et actorem (sie) 
rerum, tamen in primis arduum videtur res gestas scribere. 
Die gedrängte Kraft des Gedankens geht verloren, wenn wir 
scriptor etwa als „Erzähler" dem „Vollbringer der Taten" 
gegenüber fassen; die Anlehnung an das vorhergehende und 
nachfolgende scribere muß bleiben. So setzen wir: „den, 
welcher Geschichte schreibt, und den, der Geschichte macht". 
— Bei Xenophon (Memor. III 12, 5) lesen wir unmittelbar 
hinter einander die Worte: irp6? Travta, ooa TupaTxoüotv av- 
8pü)Tuot, 5(p")^oi[i.ov t6 00) {xa äoitv hf Traoat? Se xaT? toü ocü- 



Gleichförmigkeit bewahren. Epitheta omantia. 49 

|i.aTO? y^eiOLi^ iroXi) Stacpspsi d)? ßeXxtoTa xh a(h[ia sxsiv. Da 
dürfen wir xpst« und xp^otp-oc nicht von einander reißen, und 
versuchen mit „Anwendung, zur Anwendung kommen" die Ein- 
heit des Begriffes festzuhalten. Manchmal ist die Gleichheit des 
Ausdrucks von weiter her vorzubereiten. Sokrates fragt (ü 2, 
11) seinen Sohn Lamprokles, der sich über die Mutter beschwert 
hat: elizi jaoi, irotspov SXkov tivA oist Sstv dspaTtsustv, r^ Tcape- 
Gxsuaaai jjlyjSsvI dv&pcüTccov Tretpao&ai dpsoxstv jjl7)8^ iret&eo&at 
[ii^Te otpaTTj^ij) jjLT^xe aXXq) apxovtt. Für depaTrsöeiv sind an 
sich manche deutsche Wörter möglich, hier aber wird ein 
solches erfordert, das auch weiter unten (§ 13) in dem Satze 
Platz findet: Idv xic ^ovsac jay] &epa7reüiQ. Deshalb übersetzen 
wir: „ob du glaubst einen andern als Herrn ehren zu müssen", 
und nachher mit Wegfall eines Elementes: „wenn einer seine 
Eltern nicht ehrt". 

Wesentlich, nicht für den Gedanken aber für den Stil, ist 
eine gewisse Gleichförmigkeit des Ausdruckes bei Homer. So 
sehr seine Sprache, verglichen mit jeder anderen, uns als etwas 
Ursprüngliches anmutet, unmittelbar aus der reichen Quelle 
sinnlicher Vorstellung geschöpft zu sein scheint, so enthält sie 
doch zahlreiche Bestandteile, die dafür zeugen, daß auch sie 
schon am Ende einer langen, keineswegs nur aufsteigenden Ent- 
wickelung steht. Sie bietet in freigebiger Anwendung Worte 
und Formeln, die durch langen Gebrauch stereotyp geworden 
sind und nun vom Dichter ohne lebendiges Bewußtsein ihrer 
eigentlichen Bedeutung benutzt werden. Davon war schon bei 
Gelegenheit von SatjjLovto? die Rede, das, im Gespräch zwischen 
Göttern gesetzt, einem Schüler aufgefallen war. Uns mag es 
ja seltsam und vielleicht manchmal gar langweilig vorkommen, 
daß die gleichen Wendungen sich so oft wiederholen, daß Morgen 
und Abend, Essen und Trinken, Frage und Antwort, Verwundung 
und Tod stets in denselben Zügen beschrieben werden, daß der 
Tag immer „heilig" heißt, die Salzflut „weißlich grau", die Schiffe 
„schnell" auch wenn sie im Hafen liegen, der Himmel „sternen- 
reich" auch bei hellem Tage, daß Zeus den Verführer der 

Cauer, Die Kunst des Übersetzens. 3. Aufl. 4 



50 IV. Synonyma. 

Klytämnestra einen „(Helden) ohne Tadel** nennt in dem Augen- 
blicke wo er von seinem Frevel erzählt, daß Odysseus immer 
wieder der „viellistige** oder der „erfindungsreiche** ist, und was 
dergleichen mehr sich anführen ließe. Aber solche Auswüchse 
gehören zum Körper der alten epischen Dichtung, und wer sie 
abstreift verwundet ihn. Das haben zwei Männer getan, die 
gerade im starken Gefühl künstlerischer Empfänglichkeit sowohl 
wie Gestaltungskraft und mit einer gewissen Geringschätzung 
gegen uns Philologen es unternommen hatten den echten und 
bleibenden Gehalt der homerischen Poesie dem deutschen Volke 
zugänglicher zu machen 2*). Hermann Grimm rühmt sich aus- 
drücklich, daß in seinen Proben einer „Übertragung** die „her- 
gebrachten, tönenden Adjectiva** ausgelassen sind, wie er denn 
z. B. auch die Anrede SaijAovte in den liebevoll vorwurfsvollen 
Worten der Andromache (Z 407) einfach gestrichen hat. Um- 
gekehrt hat Wilhelm Jordan die stehenden Epitheta dadurch zu 
beleben gesucht, daß er sie an verschiedenen Stellen verschieden 
übersetzt, z. B. für iroBwxea riTjXeitüva, das in der Ilias zehn- 
mal vorkommt, sieben Ausdrücke hat: der schnelle Achilleus, 
der schnelle Pelide, der schnelle Sohn des Peleus, der schnelle 
Stürmer Achilleus, der Pelide der Meister im Laufe, endlich 
einmal, in der Art wie bei Grimm, bloß „der Pelide**. Beide 
Bearbeiter haben geschadet, wo sie helfen wollten, am schlimm- 
sten diesmal Jordan, da er nicht bloß ein Element des epischen 
Stiles wegließ, sondern ein falsches an seine Stelle setzte. Eher 
wird man zustimmen können, wenn Rothfuchs in einem Para- 
graphen (40) seiner „Bekenntnisse** ^5) empfiehlt, die schmücken- 
den Beiwörter zwar da, wo sie bei derselben Person oder Sache 
wiederkehren, gleich, in neuen Verbindungen aber anders zu 
übersetzen; in Oa^epol a^C^oi, OaXepic 7a[xo<r, OaXepov §axpt> 
schwebten sicher dem Dichter selbst verschiedene Begriffe vor. 
Aber auch hierin kann man leicht zu weit gehen; den „gött- 
lichen** Sauhirten würde ich nicht mit Rothfuchs in einen „edlen** 
verwandeln, und Treptcpptov bei Männern, vornehmen Frauen und 
Dienerinnen nicht unterscheiden. Die gleichmäßig helle Freude, 



Differenzierung im Deutschen, wann geboten? 51 

mit der der Dichter fast bei allen Vorstellungen, die in ihm 
aufsteigen, gerne verweilt, berührt unser blasiertes, nach 
Charakteristik verlangendes Geschlecht etwas fremdartig; aber 
diesen Hunger mögen dann unsere Turgenjew und Daudet stiUen. 
Der Reiz homerischer Erzählung liegt eben darin, daß sie uns 
für Augenblicke an jener heiteren Weltanschauung teilnehmen 
läßt, in der alle Dinge wie mit einem goldigen Schimmer über- 
gössen erscheinen, einer Anschauung, deren Wesen das grie- 
chische Volk so fein erkannt und so anmutig bezeichnet hat 
durch den Glauben, daß sie nur in den Erinnerungen eines 
blinden Greises habe leben können ^ßa). 

3. Mit dem allen ist natürlich nicht gesagt, und der Irrtum 
braucht wohl nicht erst mühsam widerlegt zu werden, daß nicht 
sehr oft einem und demselben griechischen oder lateinischen 
Worte ganz verschiedene deutsche Ausdrücke in der Übersetzung 
entsprechen müssen. Immer da wird dies der Fall sein, wo 
weder um logischer noch um stilistischer Wirkungen willen die 
Gleichheit betont werden muß, wir vielmehr zu erkennen meinen, 
daß der Autor, obwohl er sich desselben Wortes bedient, es 
doch jedesmal wieder von einer andern Seite faßt und einen 
anderen Teil seines Begriffsinhaltes im Vordergrunde des Be- 
wußtseins hat. Davon war ja schon in der Einleitung die Rede, 
daß auch die scheinbar ähnlichsten Begriffe in verschiedenen 
Sprachen sich niemals völlig decken, ein Verhältnis, das 
Schopenhauer 26) mit dem Bilde von nicht ganz konzentrischen, 
einander schneidenden Kreisen anschaulich gemacht hat. 

^'Ep^ov und „Werk" stehen sich vom Ursprung her nahe 
genug; und doch, welche Fülle von Bedeutungen hat das 
griechische Wort bei dem einen Homer! Vorausblickend ist es 
die „Aufgabe" (z. B. y^ 149), zurückschauend die „Leistung" 
(p 313). Daß xaxä sp^a bei den Freiern nicht „schlimme 
Werke" sind, sondern „schlimmes Treiben" (z. B. ß 67), wird 
man den Schülern leicht beibringen; aber nun steht o 362 in 
den Scheltworten des Eurymachos gegen den Bettler: ep-ya xax' 
e[xjAa&£c, und durch die Verbindung mit jjLav&av^tv wird wieder 

4* 



52 IV. Synonyma. 

eine andere Seite des Begriffes hervorgekehrt: „du hast ein 
schlechtes Handwerk gelernt". Proficisci ist „aufbrechen**, wo 
Anfang und Fortgang der Bewegung unterschieden werden, wie 
bei Cäsar Gall. I 12, 2: de tertia vigilia cum legionibus tribus 
e castris profectus ad eam partem pervenit etc. ; daß sie so auch 
da, wo diese Unterscheidung nicht stattfindet, übersetzen (z. B. 
civ. I 24, 1: Pompeius Luceria proficiscitur Canusium atque 
inde Brundislum), muß man den Jungen erst abgewöhnen. 
Nun haben sie „marschieren" begriffen, verfehlen aber wieder 
den Sinn, indem sie den Statthalter, der in seine Provinz geht, 
„marschieren" lassen, oder umgekehrt, sie machen den Marsch 
eines Peldherrn mit seinem Heere zur „Reise". Diese Ver- 
kehrtheit überträgt sich dann auf das griechische iropsüsoöai. 
Man kann es erleben, daß den makedonischen Soldaten nach- 
gesagt wird, sie seien am Sterbebett ihres Königs „vorbei- 
marschiert", Tov hk acpcovov sTvai TrapairopeüOfxsvYjc t^C oxpa- 
xiäq (Arrian. VII 26, 2). Für civitas bringt ein Sekundaner 
aus der Cäsarlektüre schon eine reichliche Auswahl deutscher 
Synonyma mit, und doch dürften sie an einer Stelle wie Sallust 
Catil. 5, 8 alle versagen: corrupti civitatis mores sind die ver- 
dorbenen Sitten „der Gesellschaft". Wenn Cato im Senat eifert 
(Catil. 52, 22): omnia virtutis praemia ambitio possidet, so meint 
er das „Strebertum"; aber gleich darauf (26), wo er ironisch 
die Verschworenen entschuldigt (deliquere homines adulescentuli 
per ambitionem), will er den „Ehrgeiz" als eine verzeihliche 
Schwäche hinstellen. Wenn der Redner einen Einwand des 
Gegners als erheblich anerkennt, so sagt er: audio „das läßt 
sich hören" ; dasselbe Wort drückt dann wieder seine Ungeduld 
aus, wenn eine unerwiesene Behauptung immer aufs neue vor- 
gebracht wird: „ich höre ja" (Cicero Rose. Am. 52. 58). 

Invidia ist „Neid, Mißgunst, Eifersucht", aber auch passivisch 
„Mißliebigkeit, Mangel an Popularität", falsus „täuschend" und 
„getäuscht", laetus „erfreulich" und „froh", infestus „drohend" 
und „bedroht", certus „gesichert" und „sichernd" (z. B. Cic. de 
or. n 9, 38), aTitoToc „ungläubig" und „unglaubwürdig", dp^oc 



Verbale Nomina; aktivische und passivische Bedeutung. 53 

„träge" lind „unbearbeitet", xsSvoc „achtsam" und „achtbar". 
Diese Doppelheit aktivischer und passivischer Beziehung läßt 
ja den Gebrauch vieler Wörter in beiden alten Sprachen ganz 
unverständlich bleiben, so lange man nicht auf sie achtet. 
Daß für die Verbaladjectiva auf -toc in unsern Grammatiken 
allein oder doch als das Regelmäßige der passive Sinn ange- 
geben ist, wird später beim Lesen die Quelle vielfacher Irrtümer. 
Bei Homer sind avtita ep-ya (p 51) „Taten der Vergeltung"; 
Alkinoos weiß die Stimmung des Gastes zu würdigen: „du 
sprichst nicht in unfreundlicher Absicht", oöx d^aptoTa (& 236). 
Bei den paar Beispielen, in denen djxi^apToc in der Odyssee 
vorkommt, drehen und wenden sich die Erklärer, um einen 
verständlichen Sinn herauszubekommen; alles fügt sich aufs 
schönste zusammen, wenn man bedenkt, daß es auch „nicht 
mißgönnend" bedeuten kann^^). Euripides hat die zwiefache 
Möglichkeit für ein Wortspiel verwertet, wenn er in der Tau- 
rischen Iphigenie (1092) den Chor sagen läßt, der Eisvogel 
erhebe eöjüvstov Jüvstoic ßodv. Demselben Zwecke dient die 
Wiederholung von cpfXoc in einem Ausruf des Pylades (ebd. 
650): aCTjXd toi cpfXoiot övTQaxovxcöv cpiXtüv »Ein schlechtes Glück 
für den Liebenden, wenn der Geliebte stirbt". Im Lateinischen 
besteht das gleiche Verhältnis. Cicero spielt ganz ähnüch wie 
Euripides (ad fam. n 18, 1): mea studia tibi, homini gratissimo, 
grata esse vehementer gaudeo. Bei Tibull (11 6, 46) heißt occulto 
sinu „im bergenden Busen" ; in Sallusts lugurtha 74, 3 verdient 
die alte Lesart wiederhergestellt zu werden: Numidis in Om- 
nibus proeliis magis pedes quam arma tuta sunt, d. h. „bringen 
Sicherheit". Wenn Äneas sagt (I 384): ipse ignotus, egens 
Libyae deserta peragro, so hat man das mit Recht erklärt: 
„ohne Kunde, fremd"; umgekehrt ist ignara lingua (Sali. lug. 
18, 6) die „unbekannte Sprache". 

Daß überhaupt diese Erscheinung nicht auf die im engeren 
Sinne so genannten Verbaladjectiva beschränkt ist, sondern 
sich auf alle Nomina erstreckt die einen verbalen Begriff ent- 
halten, wird schon an einigen der angeführten Beispiele deutlich 



54 IV. Synonyma. 

geworden sein. Auch die doppelte Beziehung von StxTj gehört 
hierher: was von der einen Seite als Recht geltend ge- 
macht wird, erscheint auf der anderen als Pflicht; und dem- 
gemäß läßt sich das davon abgeleitete Adjektiv zwiefach wenden 
und verwenden: „berechtigt" in aktivem, „verpflichtet*' in 
passivem Sinne (z. B. otxaioc Ijii sCttsiv Protag. p. 319 B). Noch 
mag an Wörter wie carus, odorus ( Aen. IV 132) erinnert werden, 
die durch aktive, an caecus innoxius securus, die durch passive 
Anwendung zunächst überraschen. So gut wie arpTjxroc hat 
airopoc beide Seiten, drsüth^? wie airoaTo?, flebilis wie invisus. 
In Rektors Verwünschung seines Bruders F 40 (atft' ocsXec 
a^ovoc t' Ip^vai cxYajio? -z dTroXsa&ai) heißt a-^ovo? „nie geboren** ; 
Augustus aber, der (Sueton 65) durch diesen Vers seinen Un- 
willen über den Kummer ausdrückte, den ihm Tochter und 
Enkelkinder bereitet hatten, meinte etwas andres und ordnete 
demgemäß die Worte: ai&' oceXov a^ajiG? x' Ijisvai a^ovoc t' 
diro>ioftat. Das ganze Gebiet der Wörter, an denen verbale 
Bedeutung in nominaler Form erscheint, bedarf noch sehr der 
gründlichen Untersuchung und würde sie reichlich belohnen^. 
Diejenige lateinische Vokabel, die von allen die größte Mannig- 
faltigkeit deutscher Ausdrücke erfordert, ist wohl res. Hier 
aber liegt der Grund nicht in dem reichen Inhalt des lateinischen 
Begriffes, sondern umgekehrt in seiner Leerheit; er ist wie ein 
Gefäß, in das eine durch die umgebenden Sätze erzeugte Vor- 
stellung aufgenommen wird. Die einfachere und straffer kon- 
zentrierte Denkart der alten Römer machte es möglich, solche 
Vorstellung stillschweigend aus dem Verständnis des Zusanunen- 
hanges entstehen zu lassen; unsere immer komplizierteren, zu- 
gleich aber loser in einander gefügten Gedankenreihen bedürfen, 
um richtig erfaßt zu werden, öfter einer äußeren Nachhilfe. 
Wenn der Lateiner ein haec res oder eius rei oder quam rem 
las, so wußte er von selbst, ob es eine Tat oder ein Gedanke, 
Forderung oder Zugeständnis, Absicht oder Wirkung, Nachricht 
oder Annahme, Hoffnung oder Befürchtung, ein Plan oder ein 
Erfolg, ein Gegenstand oder ein Verhältnis war, was damit an- 



Res, 6e6o£oöai, weiter ars und '^iyyt\, 55 

gedeutetund worauf Bezug genommenwerden sollte; ein deutscher 
Autor ist genötigt seinem Leser immer dann und wann in Er- 
innerung zu rufen, um was eigentlich es sich gerade handelt. 
Für den pädagogischen Wert des Übersetzens ist dieser Unter- 
schied beider Sprachen wieder ein Vorteil; denn nun werden 
auch die Schüler veranlaßt sich dieselbe Frage vorzulegen und, 
um sie beantworten zu können, das Ganze zu erfassen und vor^ 
wärts wie rückwärts zu blicken. Sie lernen es in diesem Falle 
leicht und zwingen dabei ihren Lehrer sie zum Bewußtsein der 
damit geübten Denkoperation zu erwecken; denn sonst wird er 
immer aufs neue erleben, daß sie auch aus deutschen Texten 
jedes beliebige Abstractum mit res übersetzen wollen, unbe- 
kümmert darum, ob ein Verbum oder ein Satz in der Nähe steht, 
der dem bloß schematischen Worte die gewünschte Bedeutung 
mitteilen kann. Die gleiche Behandlung substantivierter Prono- 
mina wird uns später beschäftigen. Eine ähnliche Bewandtnis 
hat es in der homerischen Sprache mit dem Substantiv jjlu&o?, 
das die Rede samt ihrem Inhalt bezeichnet und deshalb je nach 
Umständen als „Bericht" («y 94) oder „Frage" (2 361), „Auf- 
forderung" (<p 143) oder „Bescheid" (e 98), „Vorschlag" (M 80) 
oder „Drohung" (A 25) genommen werden muß. 

Übersetzungen wie die hier angedeuteten wird man nicht 
damit abweisen wollen, daß sie dem Original zu wenig genau 
entsprächen. Es kommt ja doch nicht darauf an, die Wörter 
zu übertragen, sondern die Gedanken; und in diesen waren die 
Vorstellungen, deren Ausdruck wir im Deutschen hinzufügen, 
schon enthalten. Der Unterschied liegt nur darin, daß es dem 
fremden Autor entweder nicht nötig erschienen war, wie bei res, 
oder noch nicht gelungen war, wie bei manchen homerischen 
Begriffen die wir differenzieren müssen, das, was ihm deutlich 
genug vor der Seele stand, auch in der Sprache zu bezeichnen. 
^suBeoöat heißt „sich täuschen" und „lügen": undenkbar, 
daß die Griechen den Unterschied nicht empfunden hätten; 
aber bloß im Aorist ließen sie ihn der Form nach hervortreten. 
Beim Übersetzen sind wir gezwungen uns für eins von beiden 



56 I^* Synonyma. 

ZU entscheiden, also ein Gedankenelement zur Entwickelung zu 
bringen, das in dem griechischen Begriffe nur erst als Keim 
enthalten war. — „Kunst** und „Wissenschaft" hatten im Alter- 
tum noch kein Bewußtsein ihres Gegensatzes; ts/vtj sowohl 
alsar5 bedeutete diese beiden Seiten menschlicher Geistestätigkeit. 
Dem Schüler erscheint das wie ein Mangel an sprachlicher 
Ausdrucksfähigkeit; denn gegeben habe es beides doch schon 
damals. Mag er lernen, daß der Grund tiefer liegt, in der 
inneren Verwandtschaft von Forschen und Schaffen, die in jener 
jugendlichen Zeit des Menschengeschlechts noch nicht so weit 
auseinander gingen wie in unsrer überreifen Kultur. An andrer 
Stelle habe ich zu zeigen gesucht, wie heilsam es für das 
moderne Denken und gerade auch in der Schule sei, sich 
darauf zu besinnen, daß Wissen und Können von Natur überall 
zusammengehören 2^). Wer x^pyj ins Deutsche überträgt, muß 
eins der zwei Worte wählen, also im Ausdruck wechseln, oft 
in kurzem Zwischenraum, und wird unvermeidlich jedesmal einen 
Teil des Begriffes auf Kosten des andern hervorkehren. Wenn 
er sich dabei nur klar wird über dieses Verhältnis, so kann 
er aus der praktischen Schwierigkeit einen Gewinn für das 
Erkennen ziehen, der weiter seiner ganzen Arbeit zu gute 
kommt. Auch die Kunst des Übersetzens soll ja keine bloße 
Fertigkeit und Routine sein, JjxTretpta xal xpißi^, welche oöx 
iyzi 'ki'^ov oöS^va <5v irpoocpepet, otzoV arra ttjv cpüotv lottv 
(Gorg. p. 463 C. 465 A), sondern recht eigentlich eine ts/vt], 
Kunst zugleich und Wissenschaft. 




V. 

Partikeln. 

Im kleinsten Punkte die höchste Kraft. 

Schiller. 

Scheinbar einen ganz geringen Gehalt von eigner Bedeutung 
haben die Partikeln; in Wahrheit sind sie nichts weniger als 
leer. In ihnen drängt sich gerade eine ganze Fülle von Vor- 
stellungen zusammen, die den Gedankengang des Redenden be- 
gleiten, in der Seele den Untergrund für die nacheinander aus- 
gesprochenen Sätze bilden und nur von Zeit zu Zeit in einer 
lebhaften, bedeutenden Gebärde oder in ein paar dazwischen ge- 
worfenen Silben sich Geltung und Ausdruck verschaffen. In 
besonderer Art wichtig sind diejenigen kleinen Wörter, die dazu 
dienen Sätze zu verbinden. Eine gut gewählte Konjunktion 
leistet etwas Ähnliches wie im großen eine geschickte Wendung 
des Übergangs; in beiden tritt ein inneres Verhältnis voran- 
gehender und nachfolgender Gedanken hervor, beide trennen 
zugleich und verbinden: es sind die Gelenke im Körper der Rede. 

I. Selten werden wir bei der Etymologie Hilfe finden, um 
eine Partikel zu erklären; suchen dürfen wir sie für den Schüler 
nur dann, wenn die frühere Stufe der Entwickelung, auf die 
zurückgegriffen werden soll, auch ihrerseits bekannt und ver- 
ständlich ist. Wie ein quin zu der Bedeutung ,ja sogar, für- 
wahr" kommen konnte, läßt auch der klassiche Sprachgebrauch 
noch erkennen; etwa bei Vergil (Aen. VI 33 f.): quin protinus 
omnia perlegerent oculis, ni iam praemissus Achates adforet Da 
mag man getrost übersetzen: „Warum sollten sie nicht sofort 



58 V. Partikeln. 

alles durchmustern? wenn (nur) nicht Achates schon da wärel" 
Das versichernde xot und der Dativ des Pronomens der zweiten 
Person sind dem Leser von Odyssee und Ilias gleich geläufig; 
er wird ohne Mühe begreifen, daß beide im Grunde dasselbe Wort 
sind, und wird sich freuen, auch im Deutschen das Ursprüngüche 
einzusetzen, was oft genug sich schickt. Z.B. woDiomedes seinem 
Wagenlenker aufträgt, sich womöglich der Rosse des Äneas zu 
bemächtigen (E 265): tt^c ^ap tot ^eve^c, % Tpcöt irep s6puo7ra 
Zeuc 8(üx(s) „denn sie sind dir von derselben Rasse, von 
der Zeus dem Tros (welche) gab". Daß bei Homer auf ein 
jjLsv manchmal kein 8e antwortet, fällt zunächst auf. Das Be- 
fremden wird schwächer bei der Erinnerung daran, daß noch 
in Luthers Sprache unser „zwar" dieselbe Freiheit genießt („so 
wollen wir zwar wiederum auch herzlich vergeben"); und alles 
ordnet sich aufs beste, wenn man erkennt, daß |xev von jxtjv 
dem Ursprung nach nicht verschieden, also dem deutschen ze 
wäre auch in der Bedeutung gleich ist. 

Die besondere Versicherung, daß etwas richtig sei, wird 
in der Regel von der Vorstellung dessen begleitet sein, was 
man als falsch ablehnen will; sie enthält also naturgemäß ein 
Element des Gegensatzes. Dies bestätigen von der andern Seite 
her, mit Bezug auf einen voraufgehenden Gedanken, lateinisch 
vero, verum, die sich in einer unserm „aber" ähnlichen An- 
wendung befestigt haben, doch nicht selten durch das genauere 
„in Wahrheit" lebhafter und besser wiedergegeben werden. 
Übrigens ist dies nicht der einzige Weg, auf dem der Begriff 
des Gegensatzes entstehen kann; durch dXXof wird unmittelbar 
ausgedrückt, daß man etwas „anderes", von dem Vorigen ab- 
weichendes sagen will. Und oft ist es nur auf einem Umwege 
eben durch lebendiges Erfassen dieses Gedankenverhältnisses 
möglich, bei aller Fülle deutscher Vokabeln die im Lexikon für 
aXXa geboten werden („aber, doch, dagegen, vielmehr, sondern") 
die treffende Übersetzung zu finden. Was machen wir z. B. 
mit einem Satz wie Memor. I 2, 60? Vorher ist der Vorwurf 
bekämpft worden, daß Sokrates es gebilligt habe, wenn die 




Etymologische Ableitung (quin, toi, vero, dDA), 59 

armen Leute geschlagen würden; vielmehr habe er gelehrt, daß 
diejenigen, auch wenn sie sehr reich wären, in Schranken ge- 
halten werden müßten, die weder im Krieg noch im Frieden 
etwas Nützliches leisteten. Dann fährt Xenophon fort: dWä 
2a)xpaTY]c "ys tdvavTta toutcov cpavepi? r^v xat STjjiOTtxic xal 
<piXav&peo7uoc «>v. Einen Gegensatz bezeichnet dXkd auch hier, 
aber nicht zu dem letztvorhergehenden Satze, sondern zu dem 
der durch diesen widerlegt wurde und dem Schriftsteller immer 
noch deutlich vor der Seele steht. Gegen ihn wendet er sich 
mit einem kräftigen: „Nein, im Gegenteil; Sokrates war offen- 
bar ein Volksfreund und ein Menschenfreund". 

11. Über den Kreis hinaus, der durch die gegebenen Bei- 
spiele der Art nach bezeichnet ist, darf die Schule nicht gehen; 
ja man mag zweifeln, ob die Wissenschaft selber an den ety- 
mologischen Experimenten, denen sl und an, -^i xsv d u. ä. 
so gern unterworfen werden, ein rechtes Interesse hat. An- 
genommen, es gelänge bei einem solchen Worte die Herkunft 
sicherzustellen, so wäre damit für ein Verständnis seiner Ge- 
schichte kaum etwas gewonnen. Denn die Kraft dieser kleinsten 
Redeteilchen hat sich nicht aus innerem Keim entwickelt, sie 
ist von außen herangewachsen. Die Bedeutungen, die man für 
die lautlichen Wurzeln der verschiedenen Partikeln angesetzt 
hat, sehen einander meist sehr ähnlich; aber ihre Funktion im 
Zusammenhang der Rede unterschied sich. Eine gewisse Art 
von Nebenvorstellung, Gedankenrichtung, versteckter Beziehung, 
die von einer bestimmten lautlichen Äußerung begleitet zu 
werden pflegte, wurde durch Gewöhnung immer fester mit ihr 
verbunden: in der fertigen Sprache erscheint sie wie ein eigener 
Bedeutungsinhalt dieser Lautgruppe. Den Sprachgebrauch, und 
in erster Linie den ältesten, muß man durchforschen, um den 
Sinn der Partikeln herauszufühlen. Auf diesem Wege aber 
läßt sich doch ein gutes Stück weiterkommen, als zur Zeit 
noch die meisten zu glauben scheinen. 

1. Z. B. gleich das so viel berufene av! Man hat es schon 
halb verstanden, wenn man auf seine Etymologie verzichtet. 



60 V. Partikeln. 

Denn nun braucht man nicht mehr aus einer angenommenen 
Grundbedeutung die Fülle der wirklichen Anwendungen künstlich 
und vielleicht gewaltsam abzuleiten. Ein einzelnes Wort, das 
im Deutschen dem av oder xsv entspräche, wird nie gefunden 
werden: trotzdem spukt noch in Wörterbüchern und Kommen- 
taren das unsinnige „wohl". Bei nüchterner Betrachtung des 
Gebrauches ergibt sich ein ganz klares Verhältnis. Die Ver- 
bindung von av mit dem Konjunktiv ist schon bei Homer 
erstarrt, die Partikel wird darin nicht mehr empfunden; die 
Bedeutung des Konjunktivs mit av ist für uns von der des 
Futurums nicht zu unterscheiden. Für alle übrigen Modi aber 
(Indik. Prät., Optativ, Infinitiv, Particip) trifft Gottfried Her- 
manns Beobachtung zu: av drückt aus, daß das Verbum bei dem 
es steht an eine Bedingung geknüpft ist^o). Man muß die 
Schüler anhalten diese Bedingung aufzusuchen, die oft nicht 
ausgesprochen ist, nur mehr oder weniger bewußt dem Reden- 
den vorschwebt; dann mögen sie selber, unabhängig vom Wort- 
laut, diejenige deutsche Form des Gedankens finden, die ihrer 
nun gewonnenen Einsicht entspricht, und durch Wahl des 
Modus, durch ein Hilfsverb, ein zugefügtes Adverb oder einen 
kleinen Zwischensatz das umschreiben, was der Grieche mit 
seinem d'v leise andeutete. Diese einfache Regel ist nicht bloß 
praktisch und schon bei Tertianern vollkommen durchführbar; 
sie könnte hier und da auch den Gelehrten nützlich werden, z. B. 
an einer von der Kritik angefochtenen Stelle aus Herodot. Die 
Ermunterung, welche die Griechen von Thermopylä aus an die 
Phoker und Opuntischen Lokrer richteten, schließt mit den Worten 
(VII 203): oö ^Äp Osov elvat xiv iiriovta sirl t)]v 'EX>.aöa dXX' 
av&ptüTTOV elvat 6k OvTjiiv Oüoeva Oü6e eoso&ai, xoT xaxov i^ «PX^^ 
Yi^vojaIvoj oö oüve[istx&Y], ToTot 8e [le^toxotot aüxcov jAe-ytaTa* 
äcpetXsiv cSv xat x^v iTieXauvovxa, (o^ I6vxa &V7jxov, aT:6 xr^c Sojrj? 
TTsoeiv av. Hier hat K. W. Krüger daran Anstoß genommen, daß 
bei ^cpstXetv ein Infinitiv mit av stehen soUe. Obwohl er daher, 
nach Hermann 3^), richtig übersetzt „daß er fallen könne", meint 
er doch av streichen zu müssen; dasselbe hat neuerdings Holder 



Psychologische Deutung (ä'v, ^ xoi, et — et — ). 61 

getan. Stein vermutet dv<ä j^o^o^y. Aber der Text ist ganz 
in Ordnung: auch der Perser, der heranzieht, müsse „unter Um- 
ständen in seiner Erwartung getäuscht werden", d. h. er „müsse 
mit seiner Absicht scheitern können". Daß er „scheitern müsse" 
(unbedingt), können die Leute doch nicht behaupten. 

2. In der Behandlung des homerischen ^ xoi spielt über- 
all „traun" eine große Rolle, womit wir doch nie eine lebendige 
Übersetzung gewinnen, weil der deutsche Ausdruck selber uns 
fremdartig ist. „Doch, fürwahr" sind im Notfall immer zur 
Hand, geben aber dem Gedanken keine charakteristische Färbung. 
Diesmal ist es wirklich ein einziges Wort, das nahezu immer 
paßt, in den Wörterbüchern aber zwischen einem halben Dutzend 
andrer verschwindet. "^H tot heißt „freilich". Damit wird 
stets auf einen Gegensatz hingedeutet, der entweder nachfolgt 
oder (z. B. D 61) vorausgeht, ausgesprochen ist oder nur in 
Gedanken den Redenden beschäftigt. Beispiele findet man 
genug in meinen Anmerkungen zur Odyssee, wo auch gelegent- 
hch gewarnt wird, das deutsche Adverb nicht ängstlich jedesmal 
festzuhalten; manchmal müssen wir uns begnügen, es beim 
Sprechen zu empfinden. Auch sonst kommt es oft vor, daß 
eine Partikel zwar übersetzt werden könnte, aber nur durch ein 
Wort, das sich lautlich und begrifflich» zu breit machen würde, 
so daß wir es lieber ganz weglassen und nur für den Ton der 
Rede im Sinne behalten. Die meisten Beispiele bietet wohl ys, 
bei Homer wie anderwärts (z. B. Xenoph. Memor. U 2, 9: 
TouTo 75 oüx otjxat). Aber nicht anders ist es mit den 
lateinischen et — et — , neque — et — , die in dem „einerseits" 
— andrerseits" unsrer Gelehrten- und Amtsprache ein un- 
erfreuüches Nachleben führen. Wo wirklich von zwei Seiten 
die Rede ist, da hat diese Formel auch im Deutschen ihr Recht; 
z. B. ad fam. XV 4, 4 (bei Bardt Nr. 28), wo zwei Landschaften 
von einem dazwischenliegenden Gebirge aus betrachtet werden: 
non longe a Tauro castra fecu ut et Ciliciam tuerer et Cappa- 
dociam tenens nova finitimorum consilia impedirem. Im ganzen 
aber lag die Neigung, einen Gedanken disjunktiv anzusehen. 



t 



«52 V- Partikeln. 

der Sprache Justinians viel mehr im Blnte als der unseren, 
und wir sollen uns hüten dieser Gewalt anzutun. 

3. Wenn irgend eines der homerischen Füllwörtchen für 
unübersetzbar galt, so ist es ioi : verstehen aber läßt sich auch 
dies. Es drückt eine Übereinstimmung zwischen Gedanken und 
Tatsachen aus, entweder so, daß ein eintretendes Ereignis, das 
Tun und Reden einer Person, der Erwartung entspricht die 
man hegte, oder umgekehrt, daß das Denken sich der Wirklich- 
keit anpaßt, indem aus ihr ein Schluß gezogen wird. Durch 
ein einzelnes Wort kann man dasselbe im Deutschen nicht 
leisten; so gebe ich als Grundbedeutung ein paar kleine Satz- 
chen: „wie sich denken läßt, wie man erwarten konnte, wie 
man schließen muß", die nachher in der Regel nicht beibehalten 
werden sondern auf einen kürzeren Ausdruck hinführen. 
Im Anfang von tj ist erzählt, daß Athene ihren Freund mit 
Nebel umhüllt (14 f.); wie er nachher durch die Stadt geht, 
heißt es (39 ff.); tov o apa Oatr^xs? vaoaixXüTOt o&x Ivoijoav 
ipyojisvov xaTÄ dfaro ota oc^sa?' oo -^cap 'A&t^vtj efa lüTrXoxa- 
jioc, ostvYj Oeoc, t5 P^ ^^ 6r/}hv OsaTreaiVjV xaTs/eoe. ^Dm be- 
merkten [wie sich denken läßt, also] natürlich die Phäaken 
nicht; denn Athene ließ es nicht zu, die ja [wie ihr euch er- 
innert] Nebel über ihn ausgegossen hatte". ^OyM^oa^ o' apa 
eItte (e 355): unmutig, wie sich denken läßt, d. h. „in begreif- 
lichem Unmut sprach er". Manchmal bleibt die ganze Um- 
schreibung stehen, z. B. e 397, wo in einem Gleichnis von der 
Genesung eines Familienvaters die Rede ist, der schwer krank 
gelegen hat: doTraotov o' apa tov ^s &£ol xax6TY)To? iXüoav, 
y,man kann sich denken, wie ersehnt es kam, daß die Götter 
ihn vom Leiden befreiten". Nun Beispiele der entgegengesetzten 
Art! Zu den Kyklopen kommt Odysseus, of pa &eotot TrsTcot- 
Doxec d^avaTOtotv outs cpoTeuoüotv )rspolv cpüT^v out dpooooiv 
(t 1071) : „die, doch wohl [wie man annehmen muß] im Vertrauen 
auf die Götter, weder pflanzen noch pflügen". Antinoos 
hat den Bettler mit einem Schemel geworfen, „doch der 
blieb stehen fest wie ein Fels; [man konnte erkennen:] offenbar 



apa bei Homer und später. 63 

hatte ihn der Wurf nicht erschüttert", oö8' apa [itv ocp^Xsv 
ßsXoc 'AvTivooto (p 464). Glaukos hat gesehen, wie Hektor den 
Leichnam des Patroklos preisgibt; da ruft er: „du warst also 
[wie sich gezeigt hat] dem Kampfe lange nicht gewachsen", 
[laj^Tjc apa izoWhv ISsusü (P 142). Auch hier kann es vor- 
kommen, daß wir etwas mehr Worte brauchen. Der Bettler 
erzählt in x der Königin, daß ihr Gemahl der Heimat schon 
nahe sei, ja daß er längst heimgekehrt sein würde, wenn er 
es nicht vorgezogen hätte erst noch Schätze zu sammeln: xai 
xev iraXat iv&a6' 'OBuooebc "^yjv akV OLfa o! xo ye xspStov 
eibaxo &üjx(p (x 282 f.) „aber so mußte es ihm wohl nützlicher 
erscheinen". — Eine lohnende Aufgabe wird es sein, die Geschichte 
des apa in der späteren Gräcität zu verfolgen; Spuren der ur- 
sprünglichen Kraft begegnen da auf Schritt und Tritt. Nachdem 
Xenophon die Lehrweise seines Meisters geschildert hat, schließt 
er (Mem. I 2, 8): ircoc oijv 3v 6 xotoöxoc avYjp Stacp&etpoi xoü? 
veoüc; 2? jxY] apa t] x^? apexr^c iirtjAeXeia 8iacp&opa ^oxtv. 
Was man für s? jxt] apa gegeben hat, nisi forte, trifft doch nur 
ungefähr den Gedanken; er meint: „Wie sollte ein solcher Mann 
die Jugend verderben? falls nicht dann [der Schluß gezogen 
wird, daß] die Pflege der Tugend ein Verderben ist". Und 
ganz lebendig an einer Stelle der Anabasis, VE 4, 13. Da wird 
von Thrakern erzählt, die aus dem Gebirge hervorkommen um 
durch Xenophons Vermittlung mit Seuthes zu verhandeln, den 
Vorwand aber benutzen, um die Gelegenheit für einen nächt- 
lichen Überfall auszuspähen: rA 8' apa xaöx' e^.e-yov xaxaoxo- 
TtTjc Svsxa, d. i. „doch sie sägten das eben [wie man hernach 
sah] um zu kundschaften". 

m. In vielen Fällen hat man natürlich längst nach der 
geschilderten Weise die Grundbedeutung festgestellt. Aber nun 
erheben sich dadurch Schwierigkeiten — reichlich schon bei 
Homer, aber erst recht oft im späteren Griechisch — daß 
Partikeln von entgegengesetzter Wirkung vertauscht erscheinen 
oder nebeneinander stehen, oder daß eine einzelne an einem 
Platz auftritt, wo sie eigentlich gar nicht hinpaßt. 



64 V. Partikeln. 

1. Wie soll derselbe Satz zum vorhergehenden zugleich 
Gegensatz und Begründung enthalten? Trotzdem findet sich 
dXXä — ^ap gar nicht selten. Aber wenn z. B. Odysseus er- 
zählt, wie seine Gefährten auf der einsamen Insel im Weltmeer 
laut jammerten und weinten, und abschließend hinzufügt (x 202): 
dXX' oö Yotp TIC TTp^Sic ^Yt-fvexo fiüpOfjLSvoioiv, so gehört nicht 
einmal allzu viel Phantasie dazu, um ihn zu hören und zu sehen, 
wie er hinter dem „Aber" innehält, mitleidig und resigniert die 
Achseln zuckt oder die Hände etwas nach vorn hebt und mit 
halb trauriger, halb spöttisch überlegener Miene andeutet, daß 
das Jammern doch nicht ewig gedauert habe: „denn es half 
ihnen nichts zu klagen". Etwas von all diesen Elementen steckt 
in dem dWä — ^dp; wir vergröbern die Empfindung, indem 
wir sie in Worte fassen, aber wir können sie leise nachfühlen, 
wenn wir uns an die Stelle des Redenden denken. Und dies- 
mal gelingt es sogar, die griechische Verbindung genau nach- 
zubilden: „Aber — es half ja nichts". Wie hier das kräftig 
einsetzende ak\d, so ist häufig die Anrede (z. B. 'ATpetÖT] W 156, 
O-^fjLie a 337, w cptXoi x 174) von einem Gebärdenspiel be- 
gleitet, das dann im Folgenden begründet wird. Von andrer 
Art sind Fälle, in denen der Satz mit ^dp als Parenthese zu 
fassen ist, wie $ 355 f.: dlX — oö ^dp o<piv Icpatvsxo xep- 
8tov eivai [laiea&at irpoTipo) — xol \ikv irdXiv aSitc sßatvov. 
Hier steht dem Erzähler, indem er mit dlXd anhebt, das, was 
er zu berichten hat (xol [i^v irdXtv aüxt^ eßaivov), schon 
deutlich und fertig vor der Seele, und er unterbricht sich, um 
es zu begründen; wodurch es denn äußerlich den Anschein 
gewinnt, als ginge der mit ydp begründende Satz dem Gedanken, 
der begründet werden soll, voraus. Beide Gebrauchsweisen von 
-ydp liebt unter den Schriftstellern besonders Herodot. In einer 
Rede athenischer Gesandten (IX 27) kommen sie dicht neben 
einander vor: dXX' oö ydp xt Tipos^^ei xoüxcdv iTrifjLSjAv^o&ar 
xal •^dp äv )^p7joxol xoxe eovxe? coüxol vöv 3v sTsv cpXaüpoxepoi 
xxX. („Aber es nützt ja nichts u. s. w."), und: dXX' — oö 
^Ap iv x(p xoitpös xdStoc sivexa oxaotdCetv TrpsTrei — dpxioi 



dXXa— yötp. Satz mit ycfp vorangestellt. 65 

sfjjLSv iretfteo&at öfiTv („Aber — denn es ziemt sich nicht in 
solchem Augenblick über den Platz zu streiten — wir sind so 
gefügig euch zu gehorchen"). Gerade bei Herodots Stil begreift 
es sich leicht, daß in all solchen Fällen die Stellung des -^ap- 
Satzes nicht willkürlich verkehrt ist, daß er vielmehr seinen 
natürlichen Platz behauptet, nur eben auf einen Gedanken sich 
bezieht, der unausgesprochen den Redenden beschäftigt hat. 

Dasselbe möchte ich nun aber auch in späterem Griechisch, 
wo es irgend angeht, gelten lassen. Wenn der Chor den zum 
Tode Bestimmten bedauert und dieser ihn unterbricht (Iph. 

Taur. 646): oTxxoc ^Ap oö Taüi'* dXXä x^^'P^*^' ^ U^ai, so darf 
man nicht sagen, „der begründende Satz stehe vor dem 
begründeten" ; das innere Verhältnis der beiden ausgesprochenen 
Gedanken ist ja durch dk\d klar bezeichnet, als Gegensatz. 
Vielmehr bezieht sich vap auf eine vorhergegangene Hand- 
bewegung, womit Orestes den Klagen Einhalt gebietet: „Zu 
jammern gibt es hier ja nicht; nein, freut euch, ihr Frauen". 
Eine bejahende Gebärde wird durch -^ap erläutert, wo Antigone 
auf Kreons Frage, ob sie wirklich gewagt habe sein Gebot zu 
übertreten, antwortet (450): oö ^ap xt [loi Zso? ^v 6 xr^püja^ 
xdhe „War es doch nicht Zeus, der mir dies verkündigt hatte". 
Ja ganz ohne Bindeglied fügt sich im raschen Wechselgespräch 
dem, was der eine gesagt hat, von der andern Seite die 
Begründung an. Iphigenie teilt dem Bruder mit (1031), daß 
sie ein Mittel zur Rettung gefunden habe: xaT? oaioi [lavtaic 
XpTQOojiat oocptofiaoiv. Asival yäp a! Y^vatxs? süpioxeiv xs^^va?, 
antwortet er. Hier ist nichts von einer Ellipse („Ich wundere 
mich nicht, daß du das kannst"); sondern Orestes begleitet 
verständnisvoll den Gedankengang der Schwester und ergänzt 
ihn unmittelbar, als wäre es eine zusammenhängende Rede. 
2. In ähnlichem Verhältnis wie ^ap und dWd stehen nep 
und Y£- Darüber hat, mit Bezug auf eine bestimmte homerische 
Verbindung, August Nauck eine lehrreiche Beobachtung mit- 
geteilt ^2): TTotpo? 7£ heißt „früher wenigstens, früher doch", 
Tcapo^ Tiep „auch früher, schon früher"; durch irotpo? ^s wird 

Cauer, Die Kunst des Übersetzens. 3. Aufl. 5 



66 V. Partikeln. 

das Frühere vom Späteren gesondert, durch -ndpoq Tisp seine 
Übereinstimmung mit dem, was nachher geschehen ist, hervor- 
gehoben. So heißt es von Tydeus (E 806 f.): aoiap 8 Öüfiiv 
l;)(cov 8v xapxepov, a)c xö irapoc irep, xoöpoüc KaöfASicov irpo- 
xaXtCsTo, während Hephästos 2 386 seinen Besuch mit den 
Worten empfängt: irapoc^e fi^v ou ti öttfitCeic „sonst <jedenfalls> 
kommst du gar nicht oft." Wo die Handschriften zwischen 
irlp und ^i schwanken, wird man, mit Nauck, hiernach die 
Entscheidung treffen, zumal da der sonstige Gebrauch der beiden 
Partikeln dazu stimmt. Für -^^ bedarf das keines Nachweises; 
aber auch für izip ordnen und begreifen sich so die mancherlei 
Anwendungen am ehesten, wenn man von „auch" als Grund- 
bedeutung ausgeht. Ein Vers wie F 3 (t^üts irep xXaYYT) 75- 
pavcov ireXet oöpavo&i irpo) zeigt deutlich die Fügung des Ge- 
dankens, für die dann &q irep der stereotype Ausdruck geworden 
ist. In abhängigen Sätzen {ei Tcep A 81. E 224 u. ö., f^v irep 
T 32) und bei Participien (Isfisvoc irep a 6, T^dojeo xtjoojisvt^ 
irep A 586, TTüxa irep <ppove6vTa>v I 554) steht irsp ganz im Sinne 
von xat, nicht gar selten schon mit diesem kimiuliert (xal 
d^vüfievof irep 651, xal [laXa irep dojicp xe5(oXco[jLevov A 217, 
xal cx&avaxoc irep lireX&cov e 73), woraus dann das im Attischen 
herrschende xaiirep erwachsen ist. Die entgegengesetzte Rich- 
tung, die irep und -^i dem Gedanken geben, zeigt sich besonders 
deutlich, wenn beide zusammen stehen, wie 476: jitj p.äv 
dairoüoi ye 8aji.aooa[ievo( irep SXotev v^ac „wenigstens nicht 
ohne Mühe, wenn sie uns schon bezwingen, mögen sie die 
Schiffe nehmen". 

Aber nun finden sich Stellen, wo irip die Funktion von -^e 
zu übernehmen scheint. Wenn Amphinomos zu dem Bettler 
sagt (o 122 f.): ^evoixo xoi ec itep öirtaoo) oXßoc' dxdp [i^v vöv 
ye xaxoic e^^eai iroXeeootv, so kann er doch nur meinen: 
„wenigstens in Zukunft". Ähnlich Achill (A 352 f.): fir^xep, 
iirei [jl' exexlc ye [iivüv&dStov icep lovxa, xijjltqv irip [loi o<peXXev 
'OXüjiirtoc i^'^i^aki^aK »da du mich doch einmal geboren hast, 
wenn auch zu kurzem Dasein, so hätte mir wenigstens Ehre 



Tzip und yi scheinbar vertauscht. 67 

Zeus yeriMheii sollen". So bittet Odysseus den Zürnenden: 
wenn dir Agamemnon verhaßt ist, oh 8* aXXouc irep Ilava^^atob? 
xeipofilvoüc IXiaipe (I 301 f.). Gerade in Wunschsätzen ist 
dieser Gebrauch nicht ganz selten **). — Um ihn psychologisch 
zu verstehen, müssen wir wieder auf xai- zurückgreifen. Dieses 
nimmt die Bedeutung „auch nur" da von selber an, wo es 
einen Begriff einleitet, der entweder an sich etwas Einschrän- 
kendes enthält oder durch einen im Zusammenhang nahe 
liegenden Gedanken diese Färbung bekommt. Von dem Öl, 
mit dem Hiere sich salbt, heißt es S 173 f.: toü xal xtvüfievoto 
Aiöc xaxÄ yaky.o^axk^ 85) sjjltttjc ^c Yaiav ts xal oöpavöv fxei' 
düTjjLTj, d. h.: es brauchte nicht ausgegossen zu werden, auch 
bei leiser Bewegung trat die Wirkung ein. Herodot erzählt 
(EK 68) von der Masse des persischen Fußvolkes: irptv y] xal 
ao{i.[i8T£ai xoioi TroXe^itoioi ecpsü^ov, d. h. sie flohen nicht eigent- 
lich aus dem Kampfe, sondern schon vor einer ersten Berührung, 
Derselbe läßt die Athener sagen (Vin 144) : Irioiaofts, eox' 3v 
xal eTc ireptTj 'A&7]vaicov, {iTj^afiä öjjLoXo^i^oovxac T^fila? SepSifl — 
auch einer würde genügen um den Widerstand fortzusetzen. 
Überall ist das Glied mit xat von einem andern Standpunkt 
aus gedacht als der umgebende Satz, in den Hauptgedanken 
mischt sich eine begleitende Empfindung: „Was ich meine, 
gilt auch für den Fall, daß die oder die Einschränkung ein- 
tritt". Dies nun, auf die Denkform des Wunsches angewendet, 
ist ohne weiteres verständlich, wie gleich im Anfang der Odyssee 
(et 58): tijievoc xal xairv&v dTio&ptfJoxovxa vo^oai % Yai7]C, wo 
wir unwillkürlich hinzudenken: schon den Rauch zu sehen 
würde ihm eine Freude sein. Und so in den vorher besprochenen 
Fällen mit luep: auch wenn es künftig dem Bettler gut ginge, 
auch wenn Zeus Ehre verliehen hätte, auch wenn Achill mit 
den übrigen Achäern Mitleid empfände — würde dem Sprechen- 
den ein Wunsch erfüllt sein. 

3. Für 78 wird man mit dem Grundbegriffe „wenigstens, 
jedenfalls" in der Regel auskommen, oft allerdings so, daß im 
Deutschen nur die Betonung ihn andeutet. Es entspricht 

5* 



68 V. Partikeln. 

ziemlich genau dem lateinischen quidem; und das muß uns 
helfen eine Gruppe von Anwendungen zu begreifen, die den 
Erklärern manche Schwierigkeit bereitet hat. Im Dialoge — in 
der Tragödie sowohl wie bei Piaton — wird öfters eine kurze 
Antwort mit xal . . . . ^e oder bloßem ye unmittelbar an die 
Worte des Vorredners angeknüpft; das ist et ... . quidem, 
„und zwar". Als Ödipus den Tod des greisen Polybos erfahren 
hat, vermutet er (963): voooic 6 iXi^ficMv, mq loixsv, ecpftiTo; 
der Bote nickt zustimmend: xal T(p [laxpcp fe oüfx[i8Tpoü[isvo? 
3^p6v(p ^und zwar entsprechend der Länge der Zeit". An einer 
Stelle im Anfang des Protagoras müssen wir uns dieselbe 
Kopfbewegung vorstellen, nur daß sie hier nicht bestätigen soll 
sondern berichtigen. Der Freund, mit dem Sokrates zusammen- 
trifft, meint sicher zu sein (p. 309 C): oö Stqttoü xtvl xaXXtovt 
hixiijzq aXX(p Iv ^e ttJös t^ iroXei; doch kurzab wird er belehrt: 
xal iroXü ^e „und zwar bei weitem". Dasselbe haben wir nun 
bei bloßem y^, z. B. bei Sophokles da, wo der Alte von dem 
Kinde zu erzählen gezwungen wird, das einst durch ihn die 
Königin hat aussetzen lassen. Texoüoa rXi^ficov; fragt Ödipus 
entsetzt; mit stummer Gebärde bejaht es jener, dann fügt er 
die Erklärung hinzu: OeocpotKov y' oxvtp xaxcov „und zwar aus 
Furcht vor schlimmer Prophezeiung" (1175). Wie Gorgias auf 
Befragen den Namen seiner Kunst genannt hat, meint Sokrates: 
'PiQTopa apa /piQ os xaXstv; 'A^aftov ye co ScuxpaTsc? ist die 
zuversichtliche Antwort. „Also einen Redner soll man dich 
nennen? — Und zwar einen guten, wenn du mich so nennen 
willst, wie zu sein ich mich rühme" (p. 449 A). — Wieder 
etwas anders ist die Stimmung der Antwort an einer späteren 
Stelle in demselben Dialog (p. 463 D. E.). Polos ist von Sokrates 
in die Enge getrieben, und Gorgias muß gestehen: aW dyci) 
oöSfe düTÖ? oüvt7]jii Tt Xe^etc. Jener zuckt die Achseln und 
sagt tröstend: EJx6t(i>? ^e („Und zwar natürlicherweise"), co 

Wie dieser Gebrauch von -^s mit der sonst herrschenden 
Bedeutung psychologisch vermittelt werden könne, vermag ich 



Y^ = „und zwar". — Stellung von Ti^p und yi, 69 

zur Zeit nicht zu sa^en. Immerhin weist der Vergleich mit 
lat. quidem uns den Weg, auf dem wir dahin gelangen eine 
Menge gleichartiger Fälle zusammenzufassen und nach dem, 
was sie sagen wollen, zu deuten. Auch für das homerische 
ir^zi fi' dcpeXeofte ys Sovtsc (A 299), das Haupt im Gespräche 
mit Wilamowitz als Probe der Unübersetzbarkeit anführte, 
vermag das Lateinische doch einige Aufklärung zu bringen: 
quando quidem ademistis. Aber hier liegt ein weiterer Anstoß 
in der Stellung des Wörtchens, durch die es einen einzelnen 
Begriff hervorzuheben scheint, während es in Wahrheit an- 
deuten soll, in welchem Sinne der ganze abhängige Satz in 
den Gedanken eingefügt ist. 

4. Jacob Wackernagel hat die schöne Entdeckung gemacht 3*), 
daß die Enkhtika und andere Wörter von leichtem Gewicht 
(dtv, apa, 81, [lev, o3v, toivüv) der zweiten Stelle im Satze 
zustreben und sie gern auch dann einnehmen, wenn dadurch 
eine logische Beziehung verdunkelt wird. Das muß' man be- 
sonders bei Homer im Sinn behalten, um sich vor Mißverständ- 
nissen zu schützen. Wo die Sache so einfach liegt wie J 240 f. 
(Iv&a [i^v lvvaeT8c iroXefjLtCojAev ote? 'Axai&v xcp BsxotTcp h\ xxX), 
da ist freilich keine Gefahr; daß nicht ev&a sondern iwaexec 
dem Sexexxq) gegenübersteht, sieht jeder. Die Drohung des 
Odysseus, der sich soeben zu erkennen gegeben hat: dXXa xiv' 
oö «peoSeo&ai öfofiat (x 67), macht doch einen ganz andern 
Eindruck, wenn wir „nicht einer" verstehen anstatt „mancher 
nicht", riep und ys hat Wackernagel ausgenommen; sie seien 
an das Wort gebannt, auf dessen Begriff das Hauptgewicht falle. 
Im allgemeinen ist das richtig; aber ganz entziehen doch auch 
sie sich nicht der herrschenden Neigung. In dem vorher an- 
geführten Verse F 3 gehört nep weder zum vorhergehenden 
tJüxs noch zum nachfolgenden x^ä^yt], sondern zu ^epav^jüv. 
Mit sachgemäßer und klarer Wortstellung sagt Penelope x 312: 
iWd jjLOi c58' dvä &ü[jlöv äiexai, o)? eoexat Tisp „mir ahnt es 
so im Herzen, wie es auch [wirklich] kommen wird". Aber 
wo sie früher die Gesinnung des Fremden lobt (p 586): oüx 



70 V. Partikeln, 

acppcov 6 SeTvoc itexat, Sc icep Sv exT], da gehört ir^p dem Sinne 
nach ebenso gut zu evri wie in t zu Joe-zai: „er denkt nicht 
unverständig, [viehnehr] so, wie es auch [wirklich] sein dürfte". 
— Die Stellung von ^e macht besonders da Schwierigkeit, wo 
sich, wie eben an der vorher angeführten Stelle aus A, das 
„wenigstens'' auf einen ganzen Gedanken bezieht. Manchmal 
ist es dem Dichter gelungen diesen an ein einzelnes Wort 
anzuhängen, das dann vorausgeschickt wird und für ^i die 
natürliche Stütze bietet; z. B. S 91 f., wo Odysseus den Vor- 
schlag des Atriden heftig tadelt: p,u&ov 8v oo xev dviQp 78 hä 
0T6p.a irajiTcav a^otxo, oc Tic iirtataiTO ijoi cppeotv apxia ßaCetv. 
Die Meinung ist: „wenigstens wenn er . . . verstünde"; formell 
ist -^i mit dem logisch unbetonten dvijp verbunden: „ein Mann 
jedenfalls, der . . . verstünde". Aber so bequem geht das nicht 
immer. Kalypso will es noch nicht glauben, daß Odysseus sie 
verlassen soll: et ^e ji^v eföeiTjc oiflot cppeotv, sagt sie, 000a xot 
aloa xi^Se' dvairXTJoai xxX, d. h. „[dann] jedenfalls, wenn du 
wüßtest . . ., würdest du hier bleiben" (e 206). Hier ist -^e an 
die Partikel der Bedingung angeschlossen^^), und wir über- 
setzen: „Freilich, wenn du wüßtest". Ein andermal wird ein 
Wort innerhalb des hypothetischen Satzes scheinbar durch ye 
hervorgehoben. Eumäos fragt den König, was er mit dem 
Bösewicht Melanthios machen soll, ihn töten oder herbringen: 
■^ jiiv dTcoxTetvo), ai xe xpsioocov 76 Ylva>fi.ai, tq^ aol iv&dS' är{io 
(j^ 167 f.). Auch hier gehören «2 ... 75 zusammen, wie lateinisch 
si quidem. Ganz irreführend ist die Wortstellung & 138 f.: 
oö ^Äp h{m '^i Ti <pTQfi.l xaxc^Tspov aXXo &aXdoo7]C avSpa ye ou^xs^a^« 
Einen Gegensatz, an den ^£ erinnern könnte (Öe6v, YüvaTxa), 
sucht man vergebens; richtiger würde es zu oDY/süai bezogen 
sein, am besten aber zu dem ganzen Gedanken: „jedenfalls 
[darin], einen zusammenzuschüttein". 



Zuweilen wird es mit aller Schmiegsamkeit des Nach- 
empfindens nicht gelingen, Wörtchen wie apa, ^e, vü bei Homer 



StelluDg von rAp und y^. — Erstarrte Partikeln. 71 

auch nur zu verstehen. Das kann unter Umständen darin seinen 
Grund haben, daß sie den Dichtern der jüngeren Partien selbst 
nicht mehr geläufig waren. Diese lernten und übten die epische 
Sprache als eine halbfremde Mundart und mochten schließlich 
dahin kommen, einsilbige Partikeln fast so sorglos als Füll- 
stückchen für den Vers zu gebrauchen, wie es die Text- 
verbesserer und Textverderbei: in alter und neuer Zeit zu tun 
liebten. Die im Grunde sinnlose Verbindung av xev bietet 
davon ein lehrreiches Beispiel^*). Meistens aber muß es doch 
möglich sein eine Partikel, deren Sinn man einmal erfaßt hat, 
auch da zu empfinden, wo man sie unübersetzt lassen muß um 
ihr nicht durch einen volleren deutschen Ausdruck zu viel Ge- 

• 

wicht zu geben. Dann kann, wie wir gesehen haben, oft die 
Betonung helfen. Und dies erinnert von neuem an die Plicht, 
daß wir die Worte, die wir lesen, uns gesprochen denken 
sollen. Mehr als irgendwo gilt dies fürs Epos, dessen Verfasser 
nur für das Ohr gedichtet haben, an ein Aufschreiben und eine 
Wirkung auf Leser gar nicht denken konnten ^^). Nicht viel 
anders ist es bei Herodot, den nur der versteht, der ihn hört; 
darin, daß sie diesen Charakter treulich gewahrt hat, beruht 
zum guten Teile der Wert von Lange's Übersetzung. Aber 
selbst die Späteren, Griechen wie Römer, wenn sie auch im 
rechten Sinne als Schriftsteller tätig waren, standen doch dem 
ursprünglichen Gebrauch der Sprache, daß sie eben gesprochen 
wurde, unendlich viel näher als unser papiernes Zeitalter, in 
dem es vorkommen kann, daß ein Redner in kunstvoll aus- 
gearbeitetem Vortrag auf das verweist was er „weiter unten** 
sagen wird, oder am Schluß das Resultat der „vorstehenden 
Betrachtungen" zusammenfaßt. Dieser fundamentale Unterschied 
der alten und der modernen Sprachen wird weiterhin noch 
Öftersich fruchtbar erweisen; das folgende Kapitel soll zunächst 
an einen früheren Punkt anknüpfen. 



VI. 

übersetzen oder erklären? 

Eine Übersetzung kann und soll kein 
Kommentar sein. 

W. V. Humboldt, 1816. 

1. Zu den stereotypen Wendungen, mit denen in der 
Lektüre-Stunde operiert wird, gehört auch die: „hier müssen 
wir etwas ergänzen", sei es nun ein Wort oder ein ganzer 
Satz. Dagegen ist auch nichts zu sagen, wenn nur immer 
gefragt wird: „Warum müssen wir denn?" Sonst spielt die 
Ergänzung leicht eine ähnliche Rolle wie manchmal die Hilfs- 
linie beim Konstruieren einer planimetrischen Aufgabe. Auch 
diese ist berechtigt, wo sie durch eigne Überlegung gefunden 
wird; sie darf nicht als deus ex machina auftreten. 

(a.) Die Besprechung von res hat gezeigt, wie in der 
volleren deutschen Übersetzung doch nur ausgesprochen wird, 
was der Verfasser des lateinischen Textes stillschweigend hinzu- 
gedacht oder durch den Zusammenhang seiner Gedanken an- 
gedeutet hatte. Auch der gleichartigen Erscheinung bei den sub- 
stantivierten Neutris der Pronomina geschah schon Erwähnung. 
Ea malo dicere, quae maiores nostri contra lubidinem animi 
rede atque ordine fecere, schreibt Sallust Catü. 51, 4, und wir 
übersetzen: „von den Fällen will ich lieber reden, in denen 
unsere Vorfahren gegen ihres Herzens Begier nach Recht und 
Ordnung gehandelt haben." Zu Tacitus Ann. IV 40 (ceteris 
mortalibtis in eo stare consilia, quid sibi conducere putent) 
bemerkt Nipperdey, in eo stare heiße „blieben dabei stehen, 
beschränkten sich darauf". Aber durch „dabei" oder „darauf" 



Ergänzung von Substantiven. 73 

wird die Beziehung des abhängigen Satzes nicht deutlich, zumal 
unser „was" den Unterschied von quid und quod verwischt; 
wir müssen sagen: „die Gedanken der übrigen Sterblichen blieben 
bei der Frage stehen, was ihnen wohl nützlich sei". Beispiele 
dieser Art findet man in jeder Stilistik gesammelt. Wohl noch 
häufiger sind sie im Griechischen, wo zu den übrigen Prono- 
nünalformen noch die kürzeste, der Artikel, hinzukommt. Und 
daß diese Verschiedenheit von unserm Sprachgebrauch wirklich 
in der strengeren logischen Geschlossenheit der alten Sprachen 
begründet ist, erkennt man am besten an den Stellen, wo auch 
das schwächste Bindeglied zwischen einem Satze und der über 
ihn gefällten Aussage, das zusammenfassende Pronomen, weg- 
gelassen ist und beide unmittelbar aufeinander bezogen werden. 
So bei Lysias 25 (St^jjl. xaxaX. ditoX.), 5: jisya jx^v oüv tsx- 
ji-Z^piov TjifoüjjLai sTvat, oti, sfirep iSüvavxo xtX., „ein starker 
Beweis liegt für mich in der Erwägung, daß". Auf der 
andern Seite gut von den substantivierten Adjektiven dasselbe wie 
von den kurzen Fürwörtern. Varium et mutabile semper femina, 
so verleumdet Merkur bei Vergil (Aen. IV 569 f.); und sicher 
empfand ein Römer das Neutrum ebenso geringschätzig wie wir 
i,ein wechselndes und veränderliches Ding." Viel öfter müssen 
wir beim Plural ein Substantiv hinzufügen, um ihn überhaupt 
zu bezeichnen. T&v ivSoSoxatcov 7rotY)Tü)v xA iroviQpoxaxa 
(Memor. I 2, 56) sind „die schlimmsten Stellen", inania bei 
Tacitus Hist. HI 19 als Apposition zu pacem preces clementiam 
gloriam „nichtige Vorteile". Ebenso nun auch im Masculinum 
und Femininum. Daß wir utrique „beide Teile" übersetzen, ist 
ein Notbehelf; der lateinische Ausdruck ist kürzer und nicht 
weniger deutlich, also besser. Entsprechend sagen wir für 
fxaoxat i 229 ,jeder Jahrgang", für gxaoxot co 419 „jede 
Familie", bei Herodot VI 95 Jede Gemeinde". Auch die Um- 
schreibung mancher abstrakten Substantiva gehört hierher: sa- 
tietates bei Cicero (Lael. 19, 67) sind „Augenblicke der Sättigung", 
gleich darauf (69) excellentiae „hervorragende Persönlichkeiten". 
In ähnlicher Weise wie der Mangel an Flexionsfähigkeit 



74 VI. Obersetzen oder erklären? 

macht sich die geringere Kraft der Wortbildung im Deutschen 
fühlbar, wenn es z. B. darauf ankommt, Adjektiv und Adverb zu 
unterscheiden. Immanis in antro bacchatur vates, sagt Vergil 
VI 77 und stellt dadurch, daß er die Eigenschaft der immanitas 
dem Subjekt beilegt, nicht dem was geschieht, die ganze Er- 
scheinung anschaulicher vor uns hin. Wir fühlen es und können 
es nachahmen, brauchen aber ein Wort mehr: „die Seherin rast 
in der Höhle, ein furchtbares Bild". Oder ebenda 268: ibant 
obscuri sola sab nocte per umbram; der Begriff „dunkel" darf 
mit sub nocte und per umbram nicht gleichgestellt werden, 
„dunkle Gestalten" wollen wir sehen. So meint es auch Xeno- 
phon, wenn er (Memor. II 1, 31) die Lebemänner beschreibt: 
dirovcoff jjL^v Xtirapol 8ti vs^ttjtoc «pepofievot (sie), Jirtirovcüc 8i 
aüXfi.>]pol 8tä Yi^pcoc irspÄvre?, die „mühelos als glänzende 
Erscheinungen durch die Jugend hinschweben, aber mühselig als 
dürre Gestalten durchs Alter sich arbeiten", während ein braver 
Mann auf ein YTJpac Xtirapiv (x 368) hoffen darf. Einen be- 
sonderen Vorteil gewährten den alten Dichtern die Patronymika 
und Ethnika mit ihrem Reichtum an Formen und der Dehnbar- 
keit ihrer Bedeutung, wo wir uns dann durch diesen oder jenen 
Zusatz helfen. An den „Telamonier" Aias sind wir gewöhnt; 
aber Laomedontius heros ist der „Held aus Laomedons Geschlecht", 
Delius et Patareus Apollo (Horaz) „der Gott von Dolos und 
Patara, Apollo", uxorius ein „Weiberknecht". 

Auch in der Verbindung der Worte besaßen die Alten größere 
Freiheit und vermochten dadurch Wirkungen zu erzielen, die wir 
unmittelbar nicht wiedergeben können. Wenn Homer den Odys- 
seus an den Tag sich erinnern läßt, als ihm irXsioTot yahLripBa 
Soüpa Tpwec iizippi^av irepl IlTjXeiwvt öavovxi (e 309 f.), so ist 
er sicher, daß jeder das irepi richtig versteht: „im Kampf um 
den Peliden". Auch die lateinischen Präpositionen haben noch 
etwas von dieser anschaulichen Fülle, die den deutschen verloren 
gegangen ist und durch irgend eine Umschreibung ersetzt werden 
muß. Somno positae sub nocte silenti (Aen. IV 527) läßt 
sich deutsch so kurz nicht sagen: Vergil meint „im Schlaf 



Die alten Sprachen kurzer im Ausdruck. 75 

gelagert unter dem Mantel der schweigenden Nacht". Und 
gleich darauf (560): poteshoc sab casu ducere somnos? „kannst 
du ruhig schlafen, während dieses Schicksal über dir schwebt?** 
Die Beweglichkeit der Negation weiß sich der Lateiner ge- 
schickt zu nutze zu machen, um Sätze zu verbinden. Vergil 
hat den Eifer geschildert, mit dem die Trojaner beschäftigt sind 
zum Scheiterhaufen für Misenus Holz zu fällen, und fährt fort 
(VI 183 f.): nee non Aeneas opera inter talia primus hortatur 
socios paribusque aeeingitur armis, „Und auch Aneas ermahnt", 
so dürfen wir nicht anfangen; denn die andern ermahnen ja 
nicht. Ein Begriff, dem das „auch" gilt, schwebt dem Dichter 
während der ersten Hälfte des Satzes vor, und wie dann höttatur 
eintritt, ist „auch" soweit vergessen, daß es nicht mehr stört. 
Wir müssen, wenn wir diese Vorstellungsreihe festhalten wollen, 
jenen halbbewußten Begriff ganz hervorziehen und etwa sagen: 
„Und auch Äneas läßt es nicht an sich fehlen; als erster in- 
mitten solcher Arbeiten ermuntert er die Genossen". Genau so 
angewendet erscheint in demselben Buch nee minus 212 und 
wieder nee non 645. Doch Fälle dieser Art sparen wir lieber 
dem besonderen Kapitel auf, das der Wortstellung gewidmet 
werden soll. 

Unsere kleine Auswahl von Beispielen, die durch einige 
früher (S. 37 f.) besprochene vermehrt werden mag, wird hin- 
reichen, um deutlich zu machen, wie die klassischen Sprachen 
an ursprünglicher Kraft und Gedrungenheit unsrer modernen 
überlegen sind, so daß unvermeidlich • die Übersetzung etwas 
ausführlicher wird als das Original. Dasselbe äußere Verhältnis 
kann aber auch aus einer entgegengesetzen Ursache hervorgehen. 
Latein und Griechisch in den Werken, die wir lesen, sind doch 
schon Erzeugnisse und Träger einer hohen Kultur, selbst die 
Sprache Homers blickt auf eine lange Tradition zurück. Im 
Laufe der Zeit mußte es öfter vorkommen, daß einzelne Aus- 
drücke in bestimmten Beziehungen immer wieder gebraucht 
wurden und von da aus durch Association und Gewöhnung ein 
Begriffselement, in sich aufnahmen, das ihnen an sich fremd 



76 VI. Cbersetzen oder erkEren? 

war. So sind loci in der Rhetorik, wenn es sich um Erleichtenmg 
des Gedächnisses handelt, „Stutzpunkte** (de or. I 157), viel 
häufiger, wo von der Durchdringung des Stoffes die Rede ist, 
„Gesichtspunkte** (I 151. II 134). Facinus ist schlechthin die 
„(Un>tat*' geworden, potestas die „(Anits)gewalt*' , caput die 
„(bürgerliche) Existenz**. Wie oft wird /»pa weggelassen oder 
yetp! Pur 8eSta haben auch wir kurz „die Rechte**, aber 
dji90T£piQ(3tv muß heißen „mit beiden Händen**. Wenn Cicero 
(imp. Pomp. 1, 1) sagte: hie locus ad agendum amplissimus, 
ad dicendum ornaiissimus, so verstand ein Römer ohne weiteres 
den Unterschied, weil er wußte, wem das agere cum populo 
zukam; wir suchen auszuhelfen: „zum Reden für den Beamten 
der ansehnlichste, für den Privatmann der ehrenvollste**. Bei 
all den Worten wird in der Übertragung ein Zusatz erforder- 
lich sein, mit denen irgend ein zugehöriger Begriff konventionell 
so fest verknüpft ist, daß er, unausgesprochen, doch mit 
empfunden wird. 

(b.) In diesem Punkte stehen nun aber die jetzt lebenden 
Sprachen den alten mindestens gleich; so dürfen wir uns nicht 
wundem, wenn uns umgekehrt Fälle begegnen, wo der deutsche 
Ausdruck kürzer ist als der fremde, den er wiedergeben soll. 
Zumal auf abstraktem Gebiete macht sich da eine größere 
Reife des modernen Denkens geltend. Eine Untersuchung de 
rebus bonis et malis (Tuscul. V 4, 10) heißt uns einfach „über 
Gut und Böse**. Quae tarnen omnia dulciora fiunt et moribus 
bonis et artibus, schreibt Cicero Cat. Mai. 18, 65; wir können 
das „gut** entbehren und sagen: „durch Charakter und Bildung**. 
Tacitus' Beschreibung der stoischen Lebensanschauung (Hist. 
IV 5): potentiam nobilitatem ceteraque extra animum neque 
bonis neque malis adnumerant, möchte man gern in ähnlicher 
Knappheit behalten; dazu hilft eine Übersetzung wie die von 
Heraeus nicht: „was sonst noch dem inneren Geistesleben nicht 
angehört". Aber wir brauchen hier den „Geist** gar nicht; 
^Maoht, Adel und die anderen Äußerlichkeiten** versteht jeder, 
und gerade so, wie die Stoiker es gemeint haben. Einen 



Fälle von größerer Kürze auf deutscher Seite. 77 

Vorteil gewährt es auch, daß im Deutschen Verbalsubstantiva 
wie „Hoffnung, Behauptung, Annahme" die Kraft bewahrt 
haben einen daß-Satz zu regieren. Tacitus' Worte (Germ. 4): 
ipse eorum opinionibus accedo, qui Qermaniae populos .... 
exstitisse arbitrantur, übersetzt Döderlein gewiß richtig: „ich 
selbst trete der Ansicht bei, daß Germaniens Bevölkerung usw." 
Jeder kennt die Neigung des Lateinischen, animus oder corpus 
auch da zu benennen, wo wir die Seite des Ich, die gerade in 
Anspruch genommen wird, unbezeichnet lassen. Sallust Catil. 
36, 5: tanta vis morbi ac veluti tabes plerosque civium animos 
invaserat, ist ein Beispiel für viele. Freilich finden sich dann 
doch wieder Stellen, wo wir kaum umhin können eben diesen 
Begriff im Deutschen erst hinzuzusetzen: quae me suspensam 
insomnia terrent (Aen. IV 9), „welche Träume schrecken mein 
banges Herz". Ausnahmslose und bequeme Regeln gibt es 
überall nicht. 

Diese Erkenntnis soll uns vorsichtig machen, daß wir beim 
Übersetzen der Neigung, den Gedanken ergänzend auszuführen 
und zu erklären, nicht allzu bereitwillig, nicht ohne erkennbaren 
Grund nachgeben und vor allem immer da widerstehen, wo 
mit der Kürze zugleich ein wesentlicher Teil des Eindrucks, 
den der ursprüngliche Text machte und machen sollte, verloren 
gehen würde. Die Worte bei Piaton (Republ. I p. 346 A) tva 
Ti xat TTspaivwjjLsv hörte ich einmal vom Lehrer so wiedergeben: 
„damit wir auch [wirklich] etwas [Bedeutendes] zu stände 
bringen" ; es klingt doch viel kräftiger und dabei nicht minder 
deutlich, wenn wir die ergänzten Begriffe auch im Deutschen 
weglassen. Ein wahrer Mißbrauch ist lange Zeit, nicht ohne 
Schuld der Seyffert und Nägelsbach, mit den sogenannten phra- 
seologischen Verben, den „können, müssen, sehen, wissen" usw., 
getrieben worden. Auch sie haben ja ihr Recht und ihren 
Nutzen, und auf einen FaU davon werden wir nachher in dem 
Kapitel über Wortstellung zu sprechen kommen; verkehrt aber 
war es, daß man sie in deutsche Übungstücke massenhaft ein- 
flocht, damit die Schüler Gelegenheit hätten sie bei der Über- 



78 VI. Obersetzen oder erklären? 

tragung ins Lateinische richtig wegzulassen. Von da sind sie 
dann in den Gebrauch beim Übersetzen aus dem Lateinischen 
eingedrungen und tun das Ihrige dazu, um die Farbe des 
Originals zu verwässern, während doch umgekehrt unser durch 
Leitartikel und Wahlreden verdorbenes Deutsch danach streben 
müßte sich von der PüUe umschreibender Bildungen zu befreien. 
Mit vollem Recht empfiehlt Rothfuchs (Bekenntn. S. 67), man 
solle getrost non infitior' durch „ich leugne nicht", confiteor 
durch „ich gestehe" übersetzen. Auch die abstrakten Substantiva, 
von deren Ergänzung vorher die Rede war, sind nicht immer 
am Platze; bei Sallust und besonders bei Tacitus würden sie 
oft die beabsichtigte Wirkung stören. Vastus animtis immode- 
rata, incredibilia, nimis alta semper cupiebat, heißt es in der 
Charakteristik Catilinas (5, 5): „sein wüster Sinn verlangte immer 
nach Ungemessenem, Unglaublichem, Allzuhohem" ; der Eindruck 
maßloser Begehrlichkeit würde schwächer sein, wenn die Begriffe 
durch Substantiva näher bestimmt wären. Tacitus fügt seinem 
Bericht über den Tod des Arminius (Ann. II 88) wenige be- 
wundernde Worte hinzu und schließt Kapitel und Buch mit 
einem leisen Vorwurf gegen die Römer, daß sie den Ruhm 
dieses Mannes nicht nach Gebühr bewahren, dum vetera exfolli- 
mus recentium incuriosL Alles würde im Deutschen verdorben 
werden, wenn wir breiter als nur mit den allerunentbehrlichsten 
Worten den Gedanken andeuten wollten: „indem wir das Alte 
erheben, um das Neue unbekümmert". Beispiele dieser Art 
findet man allenthalben. 

Auch da, wo die Kürze zu einer kleinen logischen Un- 
genauigkeit oder Undeutlichkeit geführt hat, muß sie womöglich 
beibehalten werden. Quod arduum sibi, cetera legatis permisii 
(Ann. II 20): „für sich, was schwierig war, das andre überließ 
er den Legaten". Wir sollen ja doch übersetzen, nicht erklären 
oder gar korrigieren. Danach werden wir auch die abgekürzte 
Vergleichung in der Regel bestehen lassen und vor den „götter- 
gleichen Gedanken" des Odysseus (v 89) nicht zurückschrecken. 
Am wenigsten darf natürlich da geändert werden, wo für die 



Phraseologische Verba. Vorsicht im Ergftnzen. 79 

Logik alles in Ordnung idt, nur das grammatische Gewissen 
eine Ergänzung zu fordern scheint. Da dextram misero, fleht 
Palinurus (Aen. VI 370), und ein Herausgeber verlangt, daß im 
Deutsdien „mir" eingesetzt werde. Aber Goethe schrieb (Herm. 
u. Dor. 19 f.) : „Hast du ein Lorbeerreis mir bestimmt, so laß 
es am Zweige weiter grünen, und gib einst es dem Würdigern 
hin". Wo Tacitus mit bloßem inde oder hinc die Erzählung 
fortführt (z. B. Hist. III 25), ist es Pedanterie ihm ein Verbum 
finitum „entstand" oder „kam" aufzudrängen. Manchmal scheint 
ein Zusatz unvermeidlich, dem wir dann doch durch über- 
legte Wahl des Ausdrucks ausweichen können. Zu subit 
recordatio (Histor. IE 31) bemerkt Heraeus: „anwandeln, über- 
kommen"; dann müßten wir ein Objekt haben, das im Text 
fehlt. Aber auch wir können sagen: „die Erinnerung steigt auf". 
2. (B.) Ein kunstvoll arbeitender Schriftsteller wird gelegent- 
lich mit Willen seine Worte so wählen, daß dem eignen Verstände 
des Lesers noch etwas zu tun bleibt; ein andrer mag unwill- 
kürlich, in der Lebhaftigkeit des Vortrages, etwas sagen oder 
schreiben, was nicht ganz klar oder nicht ganz korrekt ist. Daran 
muß man in der Schule, die für ihr Teil nach Deutlichkeit und 
Regelmäßigkeit strebt, immer wieder erinnern, damit sie sich 
nicht naseweis mit solchen Tugenden auch da breit mache, wo 
sie nicht hingehören, und diejenigen zu meistern unternehme, 
von denen sie lernen soll. Wenn Sallust den Cäsar rühmen 
läßt, die Römer hätten nach Beendigung des Krieges gegen 
Perseus die abgefallenen Rhodier begnadigt, ne quis divitiarum 
magis quam iniuriae causa bellum inceptum diceret (Catil. 51, 5), 
so sind freilich divitiarum causa und iniuriae causa verschieden 
gedacht; trotzdem darf man nicht langweilig bessern wollen: 
„um ihre Schätze zu gewinnen, um ihr Unrecht zu strafen". 
KtvSüvo? bezeichnet in Gerichtsreden oft den Prozeß; aber muß 
man es darum so übersetzen? Verstehen deutsche Richter nicht, 
was der Angeklagte meint, wenn- er von der Gefahr spricht in 
der er schwebe? Oder wenn der Krüppel bei Lysias auf seine 
oüfi.<pop4 hinweist (24,3), so will er eben das häßliche Wort 



80 ^^' Übersetzen oder erklären? 

„Gebrechen" oder „Krankheit" nicht aussprechen und redet un- 
hestimmt von seinem „Unglück". Tu sanguinis ultimus auctor, 
sagt Vergil VII 49, indem er Saturn, den Ahnherrn des Latinus, 
anruft; wir haben keinen Grund, den „letzten" in den „ersten" 
zu verwandeln, sondern können ebenso wie der Lateiner aus 
der Gegenwart in eine ferne Vergangenheit hinausblicken. Wenn 
Tacitus Hist. IV 8 ulteriora in Gegensatz zu recentia stellt und 
den eigentlichen Ausdruck „Vergangenes" vermeidet, so darf 
der Übersetzer ihn ihm nicht unterschieben, wird vielmehr auch 
seinerseits sagen: „das Entferntere". Bei demselben Schriftsteller 
ist der häufige Gebrauch von dum in Kausalsätzen kein Vorzug, 
so wenig wie das moderne „indem" ; aber eben deshalb gehören 
beide zusammen, wenn sie auch auf etwas verschiedene Art 
entstanden sind. Daß man, um die Eigenart eines Schriftstellers 
auch im Deutschen wirken zu lassen, seine Schwächen nicht 
tilgen solle, wird von Rothfuchs (Bekenntn. S. 76) mit erfreulicher 
Entschiedenheit gefordert. Cicero geht in der Pompeiana zum 
dritten und wichtigsten Teil mit den Worten über (9, 26): 
restat ut de imperatore ad id bellum deligendo ac tantis rebus 
praeficiendo dicendum esse videatur. Ähnliche Wendungen hat 
er auch sonst vielfach, z. B. in derselben Rede 4, 11: videte 
quem vobis animum suscipiendum putetis; es ist, als ob man 
einen Parlamentarier von heute hörte, der seinen Standpunkt 
dahin präzisiert, daß er zu der schwebenden Frage in dem und 
dem Sinne Stellung nehmen zu sollen glaube. Aber in unserm 
Falle ist das videatur doch besonders überflüssig, und Deuerling 
empfiehlt es im Deutschen wegzulassen. Ja, wenn es darauf 
ankäme, durch die Übersetzung aus Cicero einen Mirabeau oder 
Bismarck zu machen! Will man das nicht, so muß man ihm 
schon das Behagen lassen, mit dem er sich gern auf den Wellen 
inhaltleerer Worte schaukelt; zu ihnen gehört illud tertio quoque 
sensu in omnibus orationibus pro sententia positum 'esse videatur* 
(Tacit. dial. 23). 

Bisher war nur von solchen Anstößen die Rede, die durch 
einzelne Worte gegeben werden; auch der Satzbau kann so 



Eigentümlichkeit soll bewahrt werden. Anakolathe. 81 

besphaffen sein, daß er den Übersetzer zur Erklärung oder Be- 
richtigung aufzufordern scheint. Dazu gehören die zahbeichen 
Anakoluthe nicht nur bei Homer, sondern auch bei Herodot. 
Auch für diesen gab es, worauf schon hingewiesen wurde (S. 71), 
noch nicht wie für uns einen festen Unterschied zwischen Schrift- 
sprache und mündlicher Rede; er schrieb so, wie er gesprochen 
haben würde, und deshalb begegnete es ihm nicht selten, daß 
er aus einem Gedankengefüge in ein anderes hinüberglitt 3^). 
Besonders charakteristisch ist das Zerfließen der Konstruktion 
an einer Stelle wie VI 13: Maftovie? hk taüia •yqvÄfi.eva Ix 
Toiv 'I(üV«)v öl oTpaxYjYol xcov 2!a[i.iu)V, iv&aöxa St] irap' A?otxeoc 
TOü SüXooÄVTOc xetvoüc tobe irpoiepov eTrejiTus X.o'yoüc AiaxTj? 
xeXeüovTwv täv IlepoecüV, Seofievoc ocpecov IxXtTceTv ttjv 'Icovcov 
oü[i.fi.a)rtTf]v — oi Sotfiioi wv öpÄviec afia jisv ioöoav dxaJtYjv 
ttoXXtjv Ix täv 'Icüvcdv Iosxovto xoüc X.O'yoüc, Äfia 8^ xaxecpatveTO 
o<piv eivai dSövata xA ßaaiXeo? irpr^YjiaTa uirepßaXeo&at. Denn 
hier ist das Durcheinanderwogen der Satzglieder ein sprechendes 
Bild der Verlegenheit in der sich Herodot befand, die schlechte 
Sache seiner Freunde, der Samier, zu verteidigen; ein lehrreicher 
Zusammenhang, den Cobet glücklich durch Umstellung und 
Streichung einiger Worte zerstört hat. Wir nehmen eine Um- 
schreibung zu Hilfe, um das anzudeuten, was Herodot durch 
das früh eintretende Objekt erkennen läßt: daß der Gedanke an 
das regierende Verbum von Anfang an wirksam ist. „Als die 
Führer der Samier wahrnahmen, daß dies von Seiten der lonier 
geschah, da entschlossen sie sich denn, von Äakes dem Sohne 
des Syloson jene Vorschläge, die Äakes früher auf Befehl der 
Perser hatte machen lassen, indem er sie aufforderte das 
Bündnis der lonier zu verlassen — die Samier also entschlossen 
sich, zugleich weil sie große Unordnung auf Seiten der 
lonier herrschen sahen, die Vorschläge anzunehmen, zugleich 
erschien es ihnen unmöglich die Macht des Königs zu über- 
winden". — Nicht soviel Mühe bereitet uns Cäsar, wenn er 
einmal in ähnlicher Lage sich zwischen unangenehmen Wahr- 
heiten hindurchwindet, VI 36, wo er einen Mißgriff des Quintus 

Cauer, Die Kunst des Übersetzens. 3. Aufl. Q 



82 VI. Übersetzen oder erklären? 

Cicero großmütig zu entschuldigen sucht; er bleibt immer ,der 
sichere Meister der Sprache, nur Einfachheit und Durchsichtigkeit 
seines Stiles leiden Einbuße. Aber der Fehler ist hier so 
charakteristisch, daß Köchly gewiß nicht recht getan hat ihn 
ganz zu beseitigen, indem er die Periode in fünf bequem 
übersichtüche Teile zerlegt. Wir kommen bei späterem Anlaß 
auf die Stelle zurück. 

(A.) So entschieden wir bisher jeden Versuch abgelehnt 
haben, durch die Übersetzung den Eindruck größerer Klarheit 
zu erreichen als das Original selbst ihn macht, so müssen wir 
doch zugeben, daß es Fälle gibt, in denen ein solcher Unter- 
schied gar nicht vermieden werden kann. An einzelnen, heute 
reicher entwickelten Begriffen ist dies schon in dem Kapitel 
über Synonyma gezeigt worden (S. 551); nicht minder häufig 
kommt es im syntaktischen Gebiete vor. Schon die Wahl 
zwischen bestimmtem und unbestimmtem Artikel bringt in jede 
Übersetzung aus dem Lateinischen einen Unterschied, der dem 
Original fehlt; es müßte denn sein, daß dort die Unbestimmtheit 
mit Hilfe des Plurals angedeutet war, wie (pro Sulla 2, 6) 
etiam nocentes deserendos non esse, „auch einen Schuldigen dürfe 
man nicht im Stich lassen". Die Zeitstufen ferner werden in 
unserer Sprache schärfer auseinander gehalten als z. B. in der 
homerischen. Zu den Belegen dafür gehören nicht oöx diei? a 298 
oder S-^etc t] 49; denn auch wir können hier das Präsens ge- 
brauchen und verstehen, wenn wir einem Bekannten begegnen 
und ihn anreden: „ich höre daß du krank gewesen bist", oder 
wenn wir bei einem Besuch vom Diener den Bescheid erhalten: 
„Sie finden die Herschaften im Garten". Aber in der Erzählung 
vergangener Ereignisse setzt Homer sorglos immer dasselbe 
Tempus, ohne darauf zu achten, in welchem Verhältnis die 
einzelnen zu einander stehen; er bezeichnet fast immer nur 
ihren Abstand vom Standpunkte des Erzählers. Odysseus sagt 
zur Nausikaa: ich staunte über den Palmbaum, eirel oü 7ra> 
Toiov dv^Xu&ev ix 66pu Yatr)? (S 167 „da noch kein solcher 
Stamm aus der Erde emporgeschossen war"); und zu ihren 



k 



Genauere Scheidimg der Zeitstufen im Deutschen. 83 

Eltern: mich führte eine Gottheit nach der fernen Insel, iizei 
fioi v^a 8oY]v dp7^Ti xepaüvij) Zsüc i\dooL^ iniacae (t) 249 f. 
„da mir Zeus das Schiff zertrümmert hatte"). Wenn wir in 
solchen Fällen auch deutsch einfach das Präteritum anwenden 
wollten anstatt des uns natürlichen Plusquamperfekts, so würden 
wir einem Maler gleichen, der auf die Kunst der Perspektive 
freiwillig verzichtete und eine Landschaft in der kindlich un- 
beholfenen Weise früherer Zeiten so darstellte, daß Bäume, 
Häuser, Menschen alle gleich groß und gleich deutlich gezeichnet 
würden, als wären sie alle gleich weit vom Betrachter entfernt'®). 
Am ärgsten wird die Undeutlichkeit da, wo in die Erzählung 
ein längerer Bericht über Dinge, die weiter zurückliegen, ein- 
geschaltet ist, wie 1 533 ff. die Vorgeschichte des kalydonischen 
Krieges. Diese Behandlungsweise berührt uns so fremdartig, 
daß sie Verständnis und Genuß stört, und wir sind um so 
mehr berechtigt sie beim Übersetzen zu ändern, als wir damit 
doch nur einen Teil der Hilfe ersetzen, die den Zuhörern des 
Sängers durch Betonung und Gebärdenspiel gewährt wurde. Auch 
in späterem Griechisch wird es oft vorkommen, daß ein Aorist 
oder Imperfekt im Nebensatz oder in einer nebensächlichen An- 
gabe durch ein deutsches Plusquamperfektum wiedergegeben 
werden muß. Eine interessante Aufgabe stellt dem Übersetzer 
Thukydides' Bericht über die ersten verräterischen Versuche des 
Pausanias. Dieser ganze Abschnitt (I 128, 3 — 131, 1) steht ge- 
wissermaßen im Plusquamperfekt, da er, zurückgreifend, in die 
Erzählung späterer Ereignisse eingeschoben ist; es wäre aber 
auch uns lästig, das Bewußtsein hiervon drei Kapitel hindurch 
streng festzuhalten: so werden wir uns begnügen beim Ausbiegen 
aus dem ursprünglichen Gange der Darstellung und beim Wieder- 
einlenken das Verhältnis der Vorzeitigkeit zu markieren 
(128 sösp^eotav irpÄtov xatsöexo, 131 dvexaXeoav), was dazwischen 
steht aber schlicht erzählen, als etwas einfach Vergangenes. 
Das ganze System der griechischen Tempora beruht eben 
auf einer wesentlich anderen Denkweise als das der deutschen 
und der lateinischen 8^). Dem Griechen war, wenn er erzählte, 

6* 



i^ VL Ütenetzm oder erküren? 

dBH Wichtigste die Art der Handlung. Die Stofe der Vergangen- 
heit kam nur da zum Ausdruck, wo das Augment eintrat; und 
gar flas zeitliche Verhältnis zwischen mehreren yergangenen 
Handlungen blieb fast immer unbezeichnet, so daß der Hörer 
oder Ix^ser aus dem sachlichen Zusammenhang erst schließen 
mußte, wie die Ereignisse auf einander gefolgt waren. Aus 
diesem Orunde ist es nicht richtig Participia des Aoristes ohne 
weiteres mit ^nachdem"" aufzulösen. Bei der Xenophon-Lekttire 
in Tertia wird sich das kaum vermeiden lassen; sobald aber 
Homer eintritt, sollte man die Beispiele, die er bringt, benutzen, 
um den Schülern den wahren Sachverhalt klar zu machen. 
Wenn der Bettler zu den Hirten sagt (g 463): eöcotfisvo? -i 
Irtoi Ipiio^ so meint er: „ein Wort des W^unsches will ich 
äußern^; kein Gedanke daran, daß das Wünschen dem Aus- 
sprechen vorhergehe. Athenens Aufforderung an Laertes — 
(0 518 f.: e6£a(xevoc xoüpiji YXaüxcGTrtSt xal Ali iraTpl al^a fid>.' 
d)ji77CiraX(l>v Ttpotet SoX^tx^oxiov ?y/o? — läßt sich schon eher 
so verstehen, daß er erst beten, dann schleudern soll. Und 
ganz sicher ist eine Reihenfolge der Handlungen beabsichtigt, 
wenn Alkinoos dem Herold befiehlt, noch einmal die Becher zu 
füllen, o^p' eö^dfievoi Atl Traxpl t6v Setvov TrlpiTrco^jLev (v 51). 
Dali Fälle der letzten Art die häufigsten sind, zumal in erzählender 
Prosa, ist natürlich; da erwächst eben aus dem Verhältnis der 
Tatsachen der Sinn der Vorzeitigkeit. Im Aoriststamm ist 
nichts davon ausgedrückt. — Im Gegensatz zu dieser Sorglosig- 
keit ist im Lateinischen gerade das gegenseitige Verhältnis der 
Zeiten besonders fein ausgebildet und abgestuft, so daß man 
überrascht ißt, wenn vereinzelt eine Zeitsetzung begegnet, die 
der griechischen ähnlich sieht. Bei Livius lesen wir (II 1, 2): 
Ubcrtas ut laetlor esset, proxumi regis superbia fecerat; nam 
priores ita regnarunt, ut omnes deinceps conditores partium certe 
urbis numerentur, bei Cicero (in Verr. act. I 5, 14): iste praetor 
monumenta anttquissima etiam nostrorum imperatorum, quae 
victorvs civitatibus Siculis aut dederunt ant reddiderunt, 
spoliavit nudavitque omnia^% Da müssen wir denn das Plus- 



Participia. Modus im abhängigen Satze. 85 

quamperfekt vermeiden, weil der Schriftsteller es absichtlich 
vermieden hat, mag auch der Sinn seiner Absicht nicht überall 
so klar zu Tage liegen wie an diesen beiden Stellen. 

Auch in der Bezeichnung des Modus ist die deutsche Sprache 
unter bestimmten Verhältnissen genauer als die lateinische 
und vollends als die griechische. Wenn wir einen lateinischen 
Acc. c. Inf. durch einen daß- Satz ausdrücken, so sind wir ge- 
zwungen in diesem entweder den Konjunktiv oder den Indikativ 
zu setzen, also einen Unterschied des Gedankens zu bezeichnen, 
der in der Unbestimmtheit des lateinischen Infinitivs verschwand. 
Das macht den Schülern oft Schwierigkeit. Verl simile non 
est odio fuisse parenti filium sine causis multis et magnis et 
necessariis. rursus igitur eodem revertamur et quaeramus, quae 
tanta vitia fuerint in unico fiiio, quare is patri displiceret, at 
perspicuum est nulluni fuisse, (pro Roscio Amer. 14, 40 f.) Man 
meint, der Gedanke sei nicht mißzuverstehen. Trotzdem gab 
ein Teil der Klasse in schriftlicher Übersetzung: „unwahrschein- 
lich, daß der Sohn gehaßt wurde; klar zu sehen, daß er 
keinen (Fehler) gehabt habe" — verteilte also Indikativ und 
Konjunktiv dem Sinne gerade entgegengesetzt. Im Griechischen 
kommen wir gar in die Lage den Modus eines abhängigen Aus- 
sagesatzes nicht nur zu deuten, sondern zu korrigieren. Aller- 
dings nur in der Übersetzung, nicht im Texte! Wenn Herodot 
(Vn 218) erzählt, die Phoker, die den Bergpfad schützen sollten, 
seien vor den Persern geflohen iTrioTafAsvoi cüc I-kX o'fsa? 6p- 
jiT^ftTjoav «ip/T^v, so werden wir uns hüten mit Stein 6p[jL7]ftet7]- 
oav zu schreiben, deutsch aber sagen: „in der Meinung, daß 
sie von vornherein das Ziel des Angriffs gewesen seien". Der 
Krüppel bei Lysias verteidigt sich gegen einen Vorwurf seines 
Anklägers (24, 15): U^zi, wc ußptoTi^c sijjLi xal ßtaio?. Man 
würde den schlauen Patron auf die geistige Höhe des Gerichts- 
dieners Holzapfel in Shakespeares Komödie herabdrücken, wenn 
man ihm ein „daß ich bin" in den Mund legen wollte. 

Auch wo die griechische Sprache ein Mittel der Unter- 
scheidung besitzt, macht sie nicht immer Gebrauch davon. 



86 ^I* Übersetzen oder erklären. 

Sokrates verlangt (Memor. I 1, 9), man solle die Götter nicht 
ohne Not bemühen, sondern selber lernen, S fjia&ovTac ttoisTv 
iScoxav o! fteot: vollkommen verständlich. Aber unmittelbar 
vorher hieß es: Saifiovav toü^ fiavieüojjievoüc S xoT? dv&po)- 
irotc IScoxav o! 8sol jxa&oüoi Biaxpiveiv. Solche Attraktion 
ist ja etwas sehr Geläufiges, aber doch im Grunde ein logischer 
Fehler; denn der im Participium zusammengedrängte Gedanke 
gehört zum Infinitiv (Siaxptveiv) nicht in den übergeordneten 
Satz (toic dv&ptüTTOt? eScoxav o£ 8so0- Diese Abweichung 
dürfen wir nicht mitmachen, sonst würde der Sinn zerstört 
werden: nicht „nachdem sie gelernt hatten** sondern „nachdem 
sie gelernt hätten"; oder freier: „was die Götter den Menschen 
ermöglicht haben auf Grund selbsterworbener Einsicht zu unter- 
scheiden". Gerade Participia verlangen oft beim Übersetzen 
eine Vervollständigung dessen, was im Original ausgedrückt ist 
— nicht nur, wovon vorher die Rede war, hinsichtlich des Zeitver- 
hältnisses, sondern überhaupt — dadurch, daß sie in Nebensätze 
verwandelt und also gedeutet werden, je nachdem wir sie mit einer 
temporalen, kausalen, konzessiven Konjunktion umschreiben. 
Und dabei macht sich ein weiterer Vorzug des deutschen Aus- 
druckes geltend: indem wir einen passivischen Ablat. absol. durch 
einen aktivischen Satz wiedergeben, bezeichnen wir die handelnde 
Person, die der Lateiner aus der Situation hinzudenken ließ. 
Die lateinische Redeweise ist auch hier knapper, aber die deutsche 
ist dem Mißverständnis weniger ausgesetzt. Der Übersetzende 
kann gar nicht anders als etwas von Erklärung hinzutun. 

Durch solche Ausnahmen wird die allgemeine Regel, man 
dürfe beim Übersetzen nicht klüger sein wollen als der Autor 
selbst, nicht umgestoßen. Übrigens wird der Lehrer um so 
lieber gelegentlich bei ihnen verweilen, weil dadurch dem Irrtum 
vorgebeugt wird, als seien die alten Sprachen unter allen Um- 
ständen und in jeder Beziehung die vollkommneren. Das nächste 
Kapitel führt uns nun wieder an einen Punkt, .in dem wir ihre 
Überlegenheit anerkennen müssen. 



VII. 

Wortstellung. 

Ordlnis haec virtus erit et venus, aut ego fallor, 
Ut iam nunc dicat iam nunc debentia dlci. 

Horaz. 

„Unsere deutsche Sprache kann zwar die homerischen 
„Beiwörter meistens in ebenso kurze gleichgeltende Beiwörter 
„verwandeln, aber die vorteilhafte Ordnung derselben kann sie 
„der griechischen nicht nachmachen. Wir sagen zwar ,die 

„runden, ehernen, achtspeichigen* aber ,Räder* schleppt 

„hinten nach. Wer empfindet nicht, daß drei verschiedene 
„Prädikate, ehe wir das Subjekt erfahren, nur ein schwankes, 
„verwirrtes Bild machen können? Der Grieche verbindet das 
„Subjekt gleich mit dem ersten Prädikate, und läßt die andern 
„nachfolgen; er sagt: ,runde Räder, eherne, achtspeichige*. So 
„wissen wir mit eins, wovon er redet, und werden, der natür- 
^lichen Ordnung des Denkens gemäß, erst mit dem Dinge, und 
„dann mit seinen Zufälligkeiten bekannt. Diesen Vorteil hat 
„unsere Sprache nicht**. So schrieb 1766 Lessing im Laokoon 
(XVni) ; heute wäre das Urteil nicht mehr ganz richtig. Man 
kann in diesem Punkte recht deutlich den Einfluß beobachten, 
den durch Voß und Goethe hindurch Homer auf die Bildung 
unsrer Muttersprache geübt hat. Es gibt Leute, welche den 
Erfolg für einen schädlichen halten*^), und sie können sich 
ja nun auf den Ausspruch eines namhaften Philologen be- 
rufen. Wilamowitz beklagt es (Hippel. S. 8), daß in „Hermann 
und Dorothea" die Wirkung des „echt homerischen Geistes" 
durch „den falschen homerischen Rock" beeinträchtigt werde. 



88 Vn. Wortstellung. 

In Wahrheit wird es nie gelingen beide von einander zu trennen. 
Das, was uns in Goethes Gedicht homerisch anmutet, die ganze 
behaglich breite Denkart, die sich in freundlich teilnehmender 
Betrachtung der Menschen und Dinge gehen läßt, ist ihrem 
Wesen nach mitbestimmt durch gewisse Eigenheiten der Sprache 
in Ausdruck, Wortfügung, Satzbau, die eben an Homer an- 
klingen; und diese wieder könnten so nicht bestehen ohne das 
bequeme daktylische Versmaß, dem sie sich wie von selber 
einschmiegen. Dies im ganzen zu beweisen würde eine eigne 
Untersuchung erfordern; hier ist nur von der Stellung der 
Epitheta die Rede. Wendungen wie diese: „setzten sich auf 
die Bänke, die hölzernen, unter dem Torweg" (I 66), oder: 
„die ein Haus nur verbirgt, das wohlversehne** (I 114), oder: 
„bracnte die Schinken hervor, die schweren" (II 77) wären noch 
vor hundert Jahren als undeutsch empfunden worden; durch 
Goethe sind sie deutsch geworden. Wir haben keinen Grund 
solche Bereicherung unsrer Sprache zu verschmähen. 

In der Schule ist man umgekehrt in Gefahr sie zu miß- 
brauchen. Es gibt viele Schüler, und es mag wohl auch 
Lehrer geben, die sich für verpflichtet halten jedes Substantiv 
mit seinem Beiwort in der Reihenfolge wiederzugeben, wie sie 
bei Homer stehen: „unter der Halle der tönenden, ein Schwert 
ein zweischneidiges, die beiden Augen die schönen". So wird 
das, was als gelegentlicher Schmuck dem Ohre wohltun könnte, 
durch pedantische Regelmäßigkeit unerträglich gemacht; man 
versuche nur einmal Verse wie v 195 f. nach diesem Muster 
zu übersetzen: dTpaTrixot ts BiTjvexsec Xifisvsc xe Tcavopfiot 
itsTpai t' T^Xtßaxoi xal oevopea zrikeMovza. Wo der Anschluß 
an die Wortstellung des Originals angebracht sei, wo nicht, muß 
im einzelnen der Takt entscheiden; doch läßt sich auch mit einer 
allgemeinen Erwägung zu Hilfe kommen. Der Gang des Denkens, 
den Lessing beschreibt, daß wir erst die Hauptvorstellung mit 
unsrer Phantasie erfassen, dann nachträglich ihre einzelnen 
Eigenschaften kennen lernen, wird sich am leichtesten da voll- 
ziehen, wo jene von vornherein mit einem etwas stärkeren 



Substantiv und Attribut. — Künstlerische Gruppierung der Worte. 89 

Gewicht auftritt; und dies ist der Fall, wenn eines der Epitheta, 
von den übrigen gesondert, dem Substantiv voraufgeht, oder 
wenn das Substantiv von seinen Attributen durch mehrere 
Worte getrennt ist. So a 96 f.: uttö icooalv ISrjoaio xaXä 
Tcibika dfißpooia /püoeia, oder F 330 f.: xvTf]fi.i8a? ji^v Trp&xa 
icepl xvT^fjLTQoiv eft7]X8V, xdkd<;y dp-yopsoiotv iiriocpüptoi? dpapuiac. 
In solchen Fällen kann man getrost von der an sich gesetz- 
mäßigen deutschen Wortfolge abweichen. 

Denn das ist ja überhaupt der Vorteil, den wir vorläufig 
noch vor anderen lebenden Völkern haben, daß die Flexion in 
unsrer Sprache noch nicht ganz abgestorben und es deshalb 
nicht so wie etwa im Englischen und Französischen notwendig 
geworden ist, die Funktion eines Wortes innerhalb des Satzes 
durch den Platz anzudeuten, den man ihm anweist *2). Einen 
Vers wie Aen. VII 340: arma velit poscatque simul rapiatque 
iuventus können wir genau nachbilden: „Waffen wünsche und 
fordre zugleich und raffe die Jugend". Die Schüler sind nicht 
sehr geneigt sich diesen Vorzug zu nutze zu machen; sie achten 
mehr auf das syntaktische Verhältnis der Worte als auf ihre 
künstlerische Gruppierung und übersetzen citus modo modo tar- 
das progressus (Sallust Catil. 15, 5) „sein Schritt bald schnell 
bald langsam"* anstatt „schnell bald bald langsam sein Schritt", 
oder bei Vergil (Aen. IV 134) ostroque insignis et auro steif und 
langweilig: „mit Purpur und Gold geschmückt"; und doch hat 
Scheffel, als er die fröhlichen Gesellen in Heidelberg „an Weis- 
heit schwer und Wein" nannte, gewiß nicht an lateinische Vor- 
bilder gedacht, also eben deshalb klar bewiesen, daß solche 
Verschränkung der Satzteile auch uns nicht unerhört ist. Wenn 
Xenophon die Erinnerung an ein begangenes Unrecht der Ver- 
sammlung, in der er spricht, tropfenweise zumißt (Anab. V 7, 19): 
xol oi av6p8? dTToftvi^oxoüoi Tpsi? ovts? o£ Trpeoßsic xataXeü- 
o8£vxe?, so müssen auch wir seiner Absicht folgen: „und die 
Männer werden getötet — drei waren es, die Gesandten — 
durch Steinigung". Zuweilen gelingt es, durch eine kleine 
Freiheit in der Konstruktion eine Anordnung der Begriffe zu 



90 VII. Wortstellung. 

retten, die auf den ersten Blick fürs Deutsche verloren schien. 
Die horazische Strophe (I 12, 33 ff.): Romulum post hos prius 
an quietum Pompili regnum memorem, superbos Tarquini fasces, 
dubito, an Catonis nobile letum^^), verliert ihre Anmut, wenn 
das regierende dubito voran- oder nachgestellt wird. Nun aber 
bilden wir: „Soll ich nach diesen den Romulus zuerst oder die 
friedliche Herrschaft des Pompilius erwähnen, die stolzen Fascen 
des Tarquinius (unschlüssig bin ich) oder den ruhmreichen Tod 
des Cato?** — und haben die wirksame Hervorhebung des 
Schwankens inmitten der mit einander streitenden Ziele gewahrt. 

Dergleichen Züge zu verstehen und nachzuzeichnen wird 
unsern Schülern immer schwerer werden, je mehr sie unter dem 
Druck des jetzigen Lehrplanes gezwungen sein werden, die ein- 
zelnen Stücke eines Satzes, den frühere Generationen mit einem 
Blicke überschauten, mühsam konstruierend zusammenzusuchen. 
Trotzdem, oder vielmehr um so eifriger, wollen wir uns 
bemühen ihren Sinn zu schärfen^). Die Stellen, an denen 
rhetorische Wirkungen am häufigsten gesucht werden, sind 
Anfang und Schluß; aber auch die Folge der Begriffe und 
Gedanken im Innern einer Periode kann bedeutend sein. Daraus 
ergeben sich von selbst die Gesichtspunkte für unsere Be- 
trachtung. 

1. Vorab ist anzuerkennen, daß natürlich nicht jedes Wort, 
das im Original den Satz eröffnet, auch in der Übersetzung an 
diesen Platz gehört. Die Gewohnheit der Römer, ein Pronomen 
oder Pronominaladverb (is, inde, haec, huc, qui, quem, ubi), 
das sachlich an den vorhergehenden Satz anknüpft, auch formell 
die Vermittlung übernehmen zu lassen, können wir ohne Zwang 
nicht nachahmen und haben keinen Grund uns darum zu 
bemühen. Ebenso wenig sollen wir die Negation, die in neque 
und o56e steckt, gewaltsam an der Spitze des Satzes festhalten. 
Die Schüler haben gerade hierfür, soweit meine Erfahrung reicht, 
eine wahre Leidenschaft und übersetzen i 64 (o6 8' apa [lot 
TrpoTspo) xtJ^) : «Doch nicht fuhren mir die doppeltgeschweiften 
Schiffe weiter", oder Sallust Catil. 26, 2 (neque Uli tarnen ad 



Der AnfaDg des Satzes. 91 

cavendum dolus aut astutiae deerant): „auch nicht jenem jedoch 
fehlten . . ." Offenbar meinen sie, weil 068I in der Regel und 
neque immer ein Wort bildet, so müßten „und nicht" oder 
„aber nicht" auch im Deutschen vereinigt bleiben. Mit Mühe 
macht man ihnen klar, daß die Negation nur formell von der 
satzverbindenden Partikel M oder que angezogen worden ist, 
also durch die Stellung am Anfange gar nicht hervorgehoben 
werden soll. Und wo nun wieder dies der Fall ist, wo wirklich 
ein Wort als stark betontes den andern vorangestellt ist, da 
kann man 10 gegen 1 wetten, daß sie es nicht merken und 
durch nüchtern grammatische Wortfolge den Eindruck verderben. 
Noch in Prima begegnet dies, wo doch die Mittel der Um- 
formung, auf die schon vorher hingewiesen wurde, geläufig 
sein müßten, und in der lebhaften Wechselrede eines platonischen 
Dialoges; z. B. Gorg. p. 448 C: 'laipiv apa (paoxovtec aöt^v 
elvat xakS>q äv iXi-pfiev; „Einen Arzt also müßten wir ihn 
nennen um richtig zu sprechen?" Wie hier Haupt- und Neben- 
satz vertauscht werden, so ein andermal Aktiv und Passiv. 
Horazens Gedanke (a. p. 47 f.) : notum si callida verbum reddi- 
derit iunctura novum, würde, wörtlich übertragen, unklar werden : 
„wenn ein bekanntes Wort eine geschickte Verbindung neu 
gemacht hat". Was soll man opfern, die grammatische Kon- 
struktion oder die logisch wirksame Gruppierung der Begriffe? 
Die Antwort kann nicht zweifelhaft sein, und danach die Über- 
setzung: „wenn ein bekanntes Wort durch geschickte Verbindung 
neu geworden ist". Hier zeigt sich beim Beginn und am Ende 
die stilistische Absicht. Ebenso in der Erzählung von dem 
Wunder, dessen Gegenstand Horaz als Knabe gewesen sein 
will (III 4, 9 ff.) : „Mich haben fabelhafter Weise auf dem Voltur 
in Apulien, jenseits der Schwelle meiner Amme, als ich von 
Spiel und Schlaf überwältigt lag, mit frischem Laube Tauben 
den Knaben bedeckt" ; durch das vorangestellte fabulosae wird 
etwas Unglaubliches angekündigt, und dann bis zuletzt die 
Spannung erhalten, wer denn hier tätig eingegriffen habe. 
Besonders wichtig ist die Wortstellung bei Homer, wo sie 



92 VII. Wortstellung. 

der Gliederung des Gedankens Dienste leistet, die in reiferen 
Sprachen durch die syntaktische Form versehen werden. Das 
erkannte Goethe, der in einem „Rezept" für das Studium dieses 
Dichters*^) schreibt, die Konstruktion sei im Homer „reinste 
Bilderstellung". Daher sind bei ihm noch zahlreicher als sonst 
die Fälle, in denen der Begriff, der den Satz beginnt, seinen 
Platz behaupten muß, wenn der Gedanke nicht leiden soll 
Dem Gegensatz dient die Voranstellung p 286. Der Bettler 
hat auf eine wohlgemeinte Warnung des Sauhirten soeben er- 
klärt, daß er gegen Schläge und Würfe abgehärtet sei, also 
geduldig ertragen wolle, was ihm etwa auch hier Böses wider- 
fahre: ^aoiepa S' o5 irco? eoriv dT:oxp6({/ai {xe^iauiav, „nur den 
Magen zu verbergen ist unmöglich, den gierigen". Anderwärts 
knüpft das vorgezogene Wort in Übereinstinmiung an das Vor- 
hergehende an; so beginnt Achilleus einen neuen Teil seiner 
kraftvollen Absage mit den Worten (I 378): i^^pA 5e [loi xoö 
85) pa, Tio) 8s [iiv iv xap6c 0Li<rq, „verhaßt sind mir auch seine 
Geschenke". Ähnlich nachher in der Entgegnung des Phönix, 
wo wir eine Umschreibung zu Hilfe nehmen müssen um die 
Reihenfolge zu behalten. Er hat hervorgehoben, welche glänzende 
Genugtuung Agamemnon dem Beleidigten biete, und fügt hinzu 
(520 f.): av8pac 8fe A^iooeoftai lirnrpO£T)xev dpiotoüc xptvotjjLevo? xaxd 
Kahy *Axattx6v, „auch die Männer, die er hergesandt hat zu bitten, 
sind die besten, auserlesen aus dem Volk der Achäer". Zuweilen 
deutet die Stellung einen Gedanken an, den die uns geläufige 
Sprache durch einen besonderen Satz ausdrücken würde. Wenn 
Telemach erst allgemein von einem neuen Leid gesprochen hat, 
das sein Haus befallen habe, und nun (ß 50) erklärt: ji^jt^pi jiot 
fjLV7]OT7]pe? dir^Xpaov o&x e[>eXo6oT(j, so würde ein heutiger Redner 
sagen: „es handelt sich um meine Mutter". Und wo Eury- 
machos dem Bettler spottend eine Stelle in seinem Dienste an- 
bietet und die Bemerkung dazwischen wirft (o 358): jjiio^ög hi 
TOI apxio? lotai, da empfinden wir den Übergang: „was Lohn 
betrifft, den sollst du reichlich haben". Dergleichen moderne 
Schnörkel werden wir in die Übersetzung nicht einführen; aber es 



Homer. Nachgestellte und schließende Worte. 93 

ist gut sich ihrer zu erinnern, um das Gewicht richtig zu wür- 
digen, das die Voranstellung eines Wortes bei Homer hat. 

2. Ebenso sehr, nur in ganz anderm Sinne, lebendig ist die 
Wirkung, die dadurch erreicht wird, daß ein wichtiger Begriff 
dem andern nachfolgt. Alkinoos fordert die Seinen und den 
Gast auf (ö 100): vüv 8' IJsX&cofiev xal de&Xcov ireipTj&ajiev, 
und man meint mit anzusehen, wie er sich besinnt und hinzu- 
setzt: TrdvTcov, &? y^ 6 Jeivoc ivtoTq] oFot cpfXotoi xtX. Den 
ganzen Eindruck verdirbt, wer übersetzt: „wir wollen uns in 
allen Kampfspielen versuchen". Ähnlich y 54 f., wo nach 
Antinoos' Fall Eurymachos für sich und die andern um Gnade 
bittet: vöv 8' 8 jxfev h jiotpio irecpaTai, ob 8^ cpeiSeo XaÄv oiov. 
Das ist es ja, was uns in Homers Gedanken so menschlich ver- 
traut anspricht, daß sie nicht fertig vorgelegt werden, sondern 
vor unsem Augen sich bilden. Die metrische Gliederung hilft 
dazu mit, indem sie jeden Hexameter zunächst als ein Ganzes 
für sich auffassen läßt; aber auch innerhalb eines Verses können 
wir oft das Denken des Sprechenden beobachten, wie es eine 
Weile in der Schwebe bleibt, um zuletzt einen festen Punkt zu 
gewinnen. Achill sendet seine Mutter zu Zeus, um ihn zu bitten 
(A408f.): ai xev ir«)? I&sXtooiv IttI Tpt&sooiv dpTJjat, tob? h\ 
xatA irpüfjLVctc TS xal djjLcp' aXa eXaat 'A}(aioü?. Undenkbar, 
daß wir verstehen sollten: „die Achäer aber an den Schiffen 
und am Meer zusammenzudrängen"; der Held denkt viel zu 
verächtlich von ihnen, als daß er sie gleich nennen möchte: 
von „den andern" spricht er, und fügt zuletzt widerwillig den 
Namen hinzu. Daß diese Wortfolge nicht auf den Ausdruck 
der Geringschätzung beschränkt ist, braucht wohl nur erwähnt 
zu werden; sie ist auch nicht auf Homer beschränkt. Aique 
hie Priamiden laniatum corpore toto Deiphobum vidit, erzählt 
Vergil (VI 494 f.) und läßt den Hörer erst nachdenken, wen 
seine Schilderung meine; das darf auch ein Sekundaner nicht 
verkennen und etwa sagen: „Hier sah er Priamus' Sohn Dei- 
phobus, am ganzen Körper zerfleischt". Oft werden wir, um 
unsrer Sprache nicht Gewalt anzutun, den Begriff der kommen 



94 Vn. WortsteUung. 

soll durch ein Pronomen im voraus andeuten; so bei Horaz 
(in 1, 38 ff.): neque decedit aerata triremi et post equitem sedei 
atra cura, „und sie weicht nicht von der erzbeschlagenen Triere 
und sitzt hinter dem Reiter, die schwarze Sorge". — Daß auch 
in Prosa dem Schluß des Satzes ein ähnliches Gewicht bei- 
gelegt werden kann, zeigt wieder, der Lebendigkeit des wirk- 
lichen Gespräches treffend nachgebildet, die Sprache Piatons. 
Aus zusammenhängender Rede bietet ein lehrreiches Beispiel 
Cicero (pro Murena 6, 13): Tempestivi convivü, amoeni hei, 
multarum deliciarum comes est extrema saltatio. Wer noch 
mit Subjekt und Prädikat zu schaffen hat, übersetzt bedächtig: 
„Der Tanz ist der letzte Begleiter eines früh beginnenden Ge- 
lages"". Der Redner meinte ganz etwas anderes: „Zu einem 
früh beginnenden Gelage, einem anmutigen Platz, einer Fülle 
von Genüssen gesellt sich zuletzt der Tanz". Am meisten weiß 
wohl Tacitus durch geschickte Gruppierung zu wirken. Wie 
die Religion der Germanen beschrieben wird (Genn. 9): lucos 
ac nemora consecrant deorumque nominibus appellant secretum 
illud, quod sola reverentia vident, übersetzt Döderlein im Aus- 
druck vortrefflich, aber mit veränderter Wortfolge. Wir stellen 
sie wieder her und sagen: „mit Götternamen rufen sie jenes 
geheimnisvolle Wesen an, das nur ihr anbetender Geist schaut". 
Der lateinische Satzbau weicht im allgemeinen darin vom 
deutschen ab, daß er das Verbum finitum ans Ende schiebt. 
In der Regel werden wir einfach darauf verzichten dies nach- 
zuahmen, z. B. Liv. XXXI, 8, 11 (consules duas urbanas legiones 
scribere iussi, quae, si quo res posceret, multis in Italia contactis 
gentibus Punici belli societate iraque inde tumentibus, mitterentur) 
ohne Bedenken übersetzen: „welche abgeschickt werden sollten, 
wenn die Umstände es irgendwo forderten". Aber nicht ganz 
selten liegt noch ein besondrer Sinn darin, daß das Verbum 
zuletzt steht, mag es nun das Resultat einer längeren Erwägung 
bringen oder durch einen vorbereitenden Gegensatz hinaus- 
geschoben sein oder durch begleitende Begriffe, von denen man 
es nicht gern trennen möchte, am Ende festgehalten werden. 




Hauptverbum auch deutsch ans Ende bringen. 95 

Da muß man denn auf Mittel sinnen, es auch im Deutschen an 
seinem Platz zu lassen. Sallust schreibt Catil. 8, 1 : Sed pro- 
fecto foriuna in omni re dominatur; ea res cunctas ex lubidinu 
magis quam ex vero celebrat obscuraique. Die beiden Verba 
müssen zusammen bleiben; daher nicht etwa: „dies verherrlicht 
alle Ereignisse mehr nach Willkür als nach der Wahrheit und 
verdunkelt sie", sondern: „dies ist es, was" oder noch besser, 
weU einfacher: „dieses stellt alle Ereignisse mehr nach Willkür 
als nach der Wahrheit ins Licht und ins Dunkel". Die Um- 
biegung in einen abhängigen Satz, an die schon hier gedacht 
werden konnte, erweist sich nützlich z. B. in der Rede des 
Cremutius Cordus (Tacit. Ann. FV 35), der sich im Senat wegen 
seiner Verherrlichung des Brutus und Cassius verteidigt: Num 
armatis Cassio et Bruto ac Philippenses campos obtinentibus belli 
civilis causa populum per contiones incendo? an Uli quidem, 
septuagesimum ante annum perempti, quomodo imaginibus suis 
noscuntur, quas ne Victor quidem abolevit, sie partem memoriae 
apud scriptores retinent? Die Gegenüberstellung quomodo — sie 
verlangt dringend, daß nicht angefangen werde: „oder behaupten 
jene"; statt dessen etwa: „oder ist es nur an dem, daß jene,, 
vor 70 Jahren umgebracht, wie sie aus ihren Bildern erkannt 
werden, die auch der Sieger nicht beseitigt hat, so ein Stück 
Nachleben bei den Schriftstellern behaupten?" Hier ist denn 
auch die Gelegenheit, um von phraseologischen Verben den 
schon angekündigten Gebrauch zu machen: indem man ein 
„wußte" oder „vermochte" oder „suchte" voraufnimmt, genügt 
man der Forderung des deutschen Stiles, behält aber zugleich 
im Infinitiv den Hauptbegriff an seiner schließenden Stelle. So,^ 
wenn Tacitus die Bestattung der mit Varus Gefallenen durch 
Germanicus schildert (Ann. I 62): Igitur Romanus qui aderat 
exercitus sextum post cladis annum trium legionum ossa, nullo 
noscente alienas reliquias an suorum humo tegeret, omnes ut 
coniunctos ut consanguineos, aucta in kostem ira, maesti simul 
et infensi condebant; „so mußte das römische Heer, das zur 
Stelle war, sechs Jahre nach der Niederlage die Gebeine voa 



96 VII. WortstelluDg. 

drei Legionen, ohne daß jemand erkannte ob er fremde Über- 
reste oder die der Seinen mit Erde bedeckte, jeden wie einen 
Verwandten, einen Blutgenossen, mit gesteigertem Zorne gegen, 
den Feind, traurig zugleich und erbittert, bestatten". 

Von ähnlicher Art war ein früher (S. 81) besprochenes 
Beispiel aus Herodot. Dem Griechen wie dem Lateiner wurde 
es leicht von vornherein die Aufmerksamkeit auf das Nach' 
kommende hin gespannt zu halten; wir müssen durch Um- 
schreibung helfen, deren es manchmal schon in recht kurzen 
Sätzen bedarf. In der Schilderung des Wagenkampfes, bei dem 
Orest gefallen sein soll, heißt es (Soph. El. 728 f.): xdvxeö&ev 
äkXo^ aXXov ii ivic xaxou l&paüs xavIiriTTTS „und daher mußte 
einer den andern . . . ." oder noch besser: „und daher geschah 
es daß einer den andern infolge eines Unfalles beschädigte und 
bedrängte". Freilich kann es auch vorkommen, daß die Um- 
formung gerade verkehrt wirken würde. Sed si tantus amor 
casus cognoscere nostros et breviter Troiae supremum audire 
laborem, quamquam animus meminisse horret luctuque refugit, 
incipiam: so Äneas bei Vergil II 10 ff. Wir könnten den Nach- 
satz beginnen: „so will ich, obgleich mein Herz bei der Er- 
innerung schaudert, ...."; aber das meint der Dichter 
nicht: erst im letzten Augenblick soll der Held den Einschluß 
sich abringen. Wir bilden deshalb aus dem Satze mit quam- 
quam eine Parenthese, unterdrücken durch ihr Eindringen den 
Nachsatz zu si tantus amor imd lassen zuletzt das Zugeständnis 
im Gegensatz zu der widerstrebenden Empfindung hervor- 
brechen: „aber wenn deine Begierde so groß ist unser Schick- 
sal zu erfahren und kurz von Trojas letztem Ringen zu hören 
— zwar schaudert das Herz bei der Erinnerung und hat sie 
bisher trauernd gemieden — doch es sei". 

3. In diesem Satze handelt es sich im Grunde nicht bloß 
um den Schluß, sondern auch schon um die Reihenfolge der 
ihn vorbereitenden Gedanken; und dies führt uns auf den letzten 
Punkt, der hier zu besprechen ist. Wenn das Denken der 
Wirklichkeit entsprechen soll, so muß auch sein Fortschreiten 



Reibe der Ereignisse, GedankeDgaog, Wortfolge. 97 

dem Gange der Ereignisse sich anschließen. Mühelos geschieht 
das oft bei Homer, dem eben in der natürlichen Folge die Vor- 
stellungen zufließen. Aber noch Horaz ist hierin ein Meister, 
doch wohl mit Bewußtsein, wenn er z. B. in der Fabel von 
den beiden Mäusen erzählt (Epist. I 7, 30 f.): pastaque rursus 
Ire foras pleno tendebat corpore frustra, wo wir ohne weiteres 
folgen können: „und gesättigt wieder hinauszugehen bemühte 
sie sich mit vollem Leibe vergebens". Nicht anders in der 
schlichten Sprache des Historikers. Wenn Livius erzählt (XXn 
6, 4): spoliare cupientem triarii obiectis scutis arcuere, so heißt 
das nicht „die Triarier hielten ihn, als er die Rüstung rauben 
wollte, mit ihren Schilden ab", sondern: „als er . . . rauben 
wollte, da hielten die Triarier . . .". Von der sachlich ange- 
messenen Wortfolge sollen wir, wo sie sich bewahren läßt, 
nicht abgehen. — Aber nun findet sich auch das Umgekehrte, 
die einzelnen Momente gerade im Gegensatze zur Wirklichkeit 
angeordnet, schon bei Homer, wie S "07 f.: cp ts Kpovtcuv oXßov 
iittxXcuoiQ ^otp-sovit TS "(lYvojASVip T£, odor 723: ooooti jaoi ojaou 
Tpacpev ^8' iYsvovio, und dann vollends bei späteren Dichtem. 
Orestes in Euripides* Elektra (969) ruft aus: ttcuc yäp xtävcd viv, 
^ \L eöps^j^s xatexsv; und in der taurischen Iphigenie (709) redet 
er seinen Freund an: co Sufxüvay^ xal JuvexipacpeW ip-ot „mein 
Jagdgenoß und mein Jugendgenosse". Sollen wir auch hier 
der Laune des Autors folgen? Ich meine, ja, selbst wenn 
es eine bloße Laune wäre; aber die Sache liegt anders. 
Wir freuen uns doch, wenn ein Gelehrter uns den Weg 
führt, den seine eignen Gedanken genommen haben; und 
dabei geht er oft von dem der Natur nach Späteren, das 
der menschlichen Betrachtung näher liegt, rückwärts zum 
Ursprung. Müssen wir dem natürlichen Menschen, den 
der Dichter zu uns reden läßt, oder dem naiven Dichter 
selbst nicht das gleiche Recht zugestehen und ihm gerne 
nachgehen, wenn er sich an seiner Erinnerung in die Ver- 
gangenheit zurücktastet? 

Die eigentliche Schwierigkeit fürs Übersetzen entsteht da, 

Cauer, Die Kunst des Übersetzens. 3. Aufl. 7 



98 Vn. Wortstellung. 

WO die Stufen der Erzählung oder Betrachtung durch Teile 
eines zusammengesetzten Satzes gebildet werden. Wenn Herodot 
(VI 113) berichtet: toioi xi [lioov pijjaot aÖTcuv, ouva"yaY6vTsc 
xÄ xepea, i[ia)(ovxo xal ivixcov 'AÖTjvaiot, so sind die Schüler 
geneigt zu verdeutschen: „gegen die, welche das Centrum 
durchbrochen hatten, kämpften die Athener, nachdem sie mit 
den Flügeln eingeschwenkt waren, und blieben Sieger" ; freilich 
erkennen sie dann leicht, daß die taktische Bewegung vor den 
Kampf gehört, und verbessern: „gegen die, welche durchge- 
brochen waren, schwenkten die Athener mit den Flügeln ein 
und erfochten den Sieg". Aber das Mittel zur Herstellung der 
sachgemäßen Ordnung ist nicht immer so bequem zu finden. 
Xenophon schreibt Memor. I 3, 6: eJ 8e ttoxs xXY)&sk sde^osiev- 
£Ttl osiTTvov IXfteiv, xoic ttXsioxok; ipY«)8£oxax6v iaxiv, Äaxs 
cpüXdJao&ai zh uirep xiv xopov d[i7rt7rXao0ai, xouxo pa8ia>c 7ravi>^ 
icpüXaxxsxo, und es ist klar, daß wir nicht sagen dürfen: „so 
hütete er sich vor dem was den meisten usw.", mit nach- 
klappendem „sehr leicht". Vielmehr: erst der Anlaß, dann die 
Aufgabe die aus ihm erwächst, zuletzt die Lösung. Also etwa: 
„wenn er einmal eingeladen zu einem Gastmahl gehen wollte^ 
wo es für die meisten sehr schwierig ist darauf zu achten 
daß sie sich nicht überladen, so achtete er hierauf ganz leicht". 
Quae cum ita sint, si kann man oft übersetzen: „wenn unter 
diesen Umständen"; aber es gibt Fälle, in denen das nicht 
angeht, z. B. ad fam. Xni 50, 2: quae cum ita sint, si ullam 
in amicitia mea spem habes, hoc mihi da atque largire ut M, 
Curium sartum et tectum, ut aiunt, conserves. Cicero hat dem 
Freimde, an den er den M'. Curius empfehlen will, sein nahes 
Verhältnis zu diesem geschildert, und kann nicht fortfahren: 
„wenn du unter diesen Umständen irgend eine Hoffnung auf 
meine Freundschaft setzest"; denn die Umstände haben mit 
dieser Annahme gar nichts zu tun, sie dienen nur der nach- 
folgenden Bitte als Begründung. Wir trennen sie daher von 
dem wenn-Satze und schreiben: „So hegt die Sache; wenn du 
also irgend eine Hoffnung auf meine Freundschaft setzest, so 



b 



Zerlegung von Perioden. 99 

tu mir den großen Gefallen, daß du den M'. Curius in gutem 
Stande, wie man sagt, erhältst". 

In den drei bisher besprochenen Beispielen war das Stück, 
dem der passende Platz gesucht wurde, ein Gedankenglied; nicht 
wesentlich anders stellt sich die Aufgabe, wenn ein einzelner 
Begriff, etwa das Subjekt, den Stützpunkt für die stilistische 
Erwägung bildet. So bei Sallust lug. 103, 2: Tum rursus 
Bocchus, seu reputando quae sibi duobus proeliis venerant, seu 
admonitus ab aliis amicis quos incorruptos lugurtha reliquerat, 
ex omni copia necessariorum quinque deleglt, quorum et fides 
cognita et ingenia validissma erant „Jetzt wieder Bocchus! 
Mochte er nun erwägen . . ., oder war er . . . ermahnt: er 
wählte . . .". Ein andermal wird man einen ganzen Satz 
bilden, um das Subjekt loszulösen (vgl. S. 75), die andern 
Satzteile in ihrer Reihenfolge zu lassen und den Eindruck 
der Spannung zu erhalten. Dieser Satz kann auch eine Frage sein. 
Catil. 51, 5 rühmt Cäsar die Milde, die das römische Volk 
immer auch gegen Schuldige bewiesen habe: im Kriege gegen 
Perseus stellte sich Rhodus auf die Seite der Gegner; sed post- 
quam bello confedo de Rhodiis consultum est, maiores nostri, 
ne quis divitiarum magis quum iniuriae causa bellum inceptum 
diceret, inpunitos eos dimisere. Hier brachte einer meiner Schüler, 
als einmal dieser Abschnitt in der Klasse schriftlich übersetzt 
wurde, von selber die Form: „Aber als nach Beendigung des 
Krieges über die Rhodier beraten wurde, was taten da unsere 
Vorfahren? Damit niemand sagen könnte . . . ., ließen sie sie 
ohne Strafe davonkommen". 

Doch wir geraten wieder in Gefahr einem späteren Kapitel 
vorzugreifen, dem, welches der richtigen Auffassung und 
Wiedergabe lateinischer und griechischer Perioden dienen 
soll. Ehe wir zu diesem letzten Gegenstand unsrer Be- 
trachtung übergehen, müssen wir die ihm entsprechende 
Erscheinung im Kleinen, in der Verbindung der einzelnen 
Worte, aufsuchen. 



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vm. 

Verschiebung des Gewichtes. 

Der Buchstabe tötet, der Oeist at>er 
macht lebendig. 

Paulus. 

Um eine für den Sinn wertvolle Reihenfolge der Vor- 
stellungen festzuhalten, war es unter Umständen geboten die 
Kasusform eines Wortes, d. h. die syntaktische Beziehung eines 
Begriffes, zu ändern. Dies ist im Grunde nur ein spezieller 
Fall einer viel allgemeineren Erscheinung. lunone secunda 
(Aen. IV 45) tibersetzen wir „von Inno geleitet", o5 irote ^ap 
9pev688v y iiz dpiatepa, iroT TeXafiÄvoc, sßac xoooov, bf 
irof jivaic icftvcüv (Ai. 183 ff.) „nie gingst du so weit vom rechten 
Wege ab, in die Herden zu fallen" — und ersetzen an der 
einen Stelle Aktiv durch Passiv, an der andern Particip durch 
Infinitiv, weil wir eine breite Umschreibung vermeiden wollen. 
Beide Beispiele gehören noch dem Gebiete der Flexionslehre 
an, das zweite weist aber schon hinüber in das der Wortbildung. 
Denn Particip und Infinitiv sind Verbalnomina, und mit ihrer 
Vertauschung geschieht nichts wesentlich anderes, als wenn der 
Quintaner angehalten wird für ab urbe condita zu sagen „seit 
Gründung der Stadt", oder wenn der Sekundaner audita 
Cannensis clades bei Livius von selbst in „die Kunde von der 
Niederlage" verwandelt. Man kann in solchen Umwandlungen 
zu weit gehen. In dem Satze Ubi illam gloriam trücidantium 
Crassum, exturbantium Antonium, si mancipium Caesaris, tot 
per annos Servitut em perpessum, Parthis imp^ritet? (Ann. n 2) 
^>J P'ÖJ)p§rä^ die Participia so tibersetzt haben, als ob 



. •*- 



Wortform oder Wortart beim Übersetzen geändert, 101 

trucidationis exturbationis dastünde; und doch vermag unsre 
Sprache dem Original zu folgen: „wo sei der Ruhm der Männer, 
die den Crassus niedermetzelten, den Antonius austrieben?" 
Aber recht oft werden wir allerdings genötigt sein, ein Element 
des Satzes im Deutschen in eine andre Wortart überzuführen. 
Viele FäUe der Art sind jedem geläufig: virtutum studia (Cic. 
Cat. Mai. 8, 26) „edles Streben", omnium fama (ebd. 17, 61) die 
„öffentliche Meinung", cursu aequare „mitlaufen", natura pu- 
dorque mens (pro Rose. Am. 4, 9) „meine natürliche Schüchtern- 
heit", temeritas et casus, non ratio nee consilium (de divin. 11 
41,85) „der blinde Zufall, nicht vernünftige Überlegung"; für 
facilius proniusque fuit (Sallust lug. 80,4) stellt sich bald ein: 
„es war leichter und ging flotter von statten", für manu voce 
vulnere sustentabat pugnam (Ann. II 17): „wie er kämpfend 
rufend verwundet die Schlacht zum Stehen zu bringen suchte". 
Aber es gibt auch Fälle, in denen schon einiges Nachdenken 
dazu gehört, eine glückliche Umbildung zu finden. Die Worte, 
welche Tacitus dem Germanenhelden in den Mund legt (Ann. 
I 59): Arminium potius, gloriae ac libertatis, quam Segestem, 
ftagitiosae servitutis ducem, sequerentur, möchten wir nicht gern 
verwässern, sagen deshalb kurz: „sie sollten lieber dem Arminius 
zu Ruhm und Freiheit als dem Segestes zu schimpflicher 
Knechtschaft folgen". Wie hier die Präposition so kann oft 
ein Adverb die Aufgabe erfüllen, der im Lateinischen ein Nomen 
oder Pronomen dient. „Hier zuerst dem Boden zurückgegeben", 
für ein lateinisches redditus his primum terris (Aen. VI 18), ist 
wieder ein ganz bekannter Typus. Manchmal wird es gar nötig 
sein, den Inhalt eines Wortes durch einen Satz zu umschreiben. 
Wir erinnern uns an SaifAovioc, an A ttottoi („Ist es zu glauben?") 
oder an die Scheltworte des übermütigen Freiers p 375, die 
man neuerdings hat ändern wollen, weil sie keinen Sinn gäben: 
m dpiYvtüTs oußcuTa, „daran erkennt man dich recht, Sauhirt". 
Das Gemeinsame all solcher Beispiele ist von Münch und 
dann wieder von Julius Keller treffend benannt worden. . ^s 
besteht in einer „Verlegung von Momenten des Gedank'enaüs* 



102 VIII. Verschiebung des Gewichtes. 

drucks", wie der eine, in einer „Verschiebung des begrifflichen 
Schwerpunktes", wie der andre sich ausdrückt. Das, was der 
Erscheinung zu Grunde liegt, ist, grammatisch gesprochen, die 
Verschiebung eines Abhängigkeitsverhältnisses; und vom Satz- 
bau her glauben wir zu wissen, daß diese vorzugsweise in zwei 
Richtungen erfolgen kann: entweder so, daß Unterordnung in 
Nebenordnung, oder so, daß Neben Ordnung in Unterordnung 
geändert wird. Vielleicht könnte die Herausarbeitung eines 
Attributes wie dpi^vcoTe als Beispiel der ersten Art gelten, so 
gut wie jede Verwandlung eines participialen Ausdruckes in 
einen koordinirten Satz, während die Annahme eines §v 8iÄ 
Süotv sicher der zweiten angehört: membris et mole (Aen. V 
431) „durch die Wucht seiner Glieder". Aber abgesehen von 
diesen leicht verständlichen und vielumfassenden Kategorien 
steht es in der Mehrzahl der Fälle doch anders. Ein Kasus, 
der in einen andern verwandelt wird, tritt aus der abhängigen 
Stellung nicht heraus, er wechselt nur den Herrn. Ebenso ein 
aktives Participium das in ein passivisches übergeht, ein 
Adjektiv das zum Adverb wird, oder umgekehrt: sie bleiben 
abhängig, suchen aber anderswo sich anzulehnen. Oder aber, 
sie werden selbständig und übernehmen zugleich die Herrschaft 
über eben den Begriff, dem sie vorher als nähere Bestimmung 
dienten; post reges exactos „nach Vertreibung der Könige", 
Xa&8 ßtwoai; „lebe im Verborgenen" sind bekannte Beispiele 
dafür, wie Regierendes und Regiertes ihren Platz tauschen. 
Fast alles, was den zu Anfang dieses Kapitels vorgeführten 
Proben gleichartig oder ähnlich ist, wird sich in eine der beiden 
zuletzt bezeichneten Gruppen einordnen lassen. Nachdem sie 
erkannt sind, erwächst die Aufgabe, jede von ihnen etwas 
genauer zu beschreiben. 

1. Wir beginnen mit Fällen, in denen ein Attribut von 
einem nominalen Begriff getrennt wird und sich an einen anderen 
nominalen Begriff anschließt. Pedites sagulo leves schrieb Tacitus 
(Serm. 6), wix übersetzen mit Döderlein: „in leichtem Feld- 
AaAtelfJi./Weihn Cicero (pro Mur. 2, 3) sagt: Catoni vitam ad 




Attribut und Adverb. 103 

certam rationis normam derigenti, so können wir alle einzelnen 
Begriffe in ähnlicher Gruppierung erhalten, nur so daß certus 
mit ratio statt mit norma verbunden wird: „der sein Leben 
nach dem Maßstab einer bestimmten Theorie einrichtet." 
Etwas künstlicher verschlungen ist das Verhältnis zwischen 
fremdem und deutschem Ausdruck etwa bei Vergils Worten 
(Aen. VII 207) Dardanus Idaeas Phrygiae penetravit ad urbes, 
„zu den Städten am phrygischen Ida". Und vollends frei vom 
Wortlaut müssen wir ims machen, wenn wir Horazens Gedanken 
partem solido demere de die (I 1, 20) erträglich verdeutschen 
imd zugleich das BUd bewahren wollen: „dem Tage einen 
Bruchteil rauben". — Nicht minder häufig ist der Austausch 
zwischen Adjektiv und Adverb, d. h. der Übertritt eines Begriffes, 
durch den im Lateinischen oder Griechischen ein Nomen näher 
bestimmt wird, in die Abhängigkeit von einem Verbum, oder 
auch umgekehrt. Beides zugleich wenden wir an, um die Frage 
der lokaste zu verstehen (Kön. Öd. 938): Trotav Süvajiiv (58' 
?ysi oiTüXrjv; „wie hat es diese doppelte Kraft?" Das Gewöhn- 
lichere ist, daß wir ein Attribut in adverbiollen Ausdruck ver- 
wandeln müssen. Didos Worte (IV 379) ea cura quietos 
so///aYa/ übersetzte Schiller treffend: „das stört sie auf in ihrer 
goldnen Ruh". Horazens fabulosae palumbes sind schon in 
anderm Zusammenhange gewürdigt worden (S. 91). Es kommt 
ja vor, daß wir versuchen müssen das Adjektiv zu bewahren, 
wenn nämlich der nominale Ausdruck dazu dienen sollte, eine 
Gestalt, eine Person anschaulich hinzustellen; davon ist früher 
(S. 74) die Rede gewesen. Aber ein 5stva> 8s o? ooos cpaavOev 
(A 200) ist typisch für die Leichtigkeit, mit der in der 
überwiegenden Menge der Beispiele ein beschreibender Zug 
verschoben werden kann: „furchtbar leuchteten ihr die Augen." 
Hierher gehören auch die zahlreichen Adjektiva, namentlich 
bei Homer, in Zeitangaben, die wir (logisch richtiger) auf die 
Handlung des Satzes anstatt auf das Subjekt oder Objekt 
beziehen: Travr^fAspioi osiov, sBoev 7:avv6j(ioc, x^^^^*^ -^Xüösc. 
Auch das Subjekt kann durch einen Begriff gebildet sein. 



104 VIII, YerschiebuDg des Gewichtes. 

der in der Übersetzung besser zur näheren Bestimmung 
des Verbums verwandt wird, wie Tacitus Ann. IV 40 : principum 
diversamessesortem, quibus praecipua rerum adfamam derigenda, 
„verschieden sei das Los der Fürsten, die sich in der Haupt- 
sache nach der Meinung richten müßten". — Seltener ist, 
worauf schon hingewiesen wurde, die umgekehrte Verschiebung, 
daß ein Satzteil, der dem Verbum angeschlossen war, deutsch 
als Attribut oder Prädikat zum Nomen gezogen wird. Davon 
bietet Tacitus noch ein paar Beispiele: (Germ 11) audiuntur 
auctoritate suadendi magis quam iubendi potestate „mehr als 
einflußreiche Ratgeber denn als befugte Machthaber" (Döderlein), 
und (Histor. I 36): et omnia serviliter pro dominatione „kurz: 
ganz Diener, um Herr zu werden". 

Auch daß das Prädikatsverbum selbst seinen Inhalt hergeben 
muß, um im Deutschen ein Subjektsnomen zu bilden, kommt 
vor, z. B. bei Sallust Catil. 20, 2: nequiquam opportuna res 
cecidisset „vergebens wäre der Zufall günstig gewesen". Wie 
hier als Träger des Gedankens nur die Kopula übrig bleibt, so 
kann es öfters zweckmäßig sein das Verbum auf eine bloß 
formale Funktion einzuschränken und die Vorstellung, die ur- 
sprünghch in ihm ausgedrückt war, in andrer Gestalt, etwa 
als Adverbium, heraustreten zu lassen. Cum barbaris aeternum 
Omnibus Graecis bellum est eritque, schreibt Livius (XXXI 29, 15) ; 
„mit Barbaren haben alle Griechen ewigen Krieg, jetzt und 
künftig". In Vergils Worten (VIII 20 f.): atque animum nunc 
huc celerem nunc dividit illuc in partisque rapit varias perque 
omnia versat, müssen wir wohl zu diesem Mittel greifen, wenn 
der Begriff von dividere nicht ganz aufgegeben werden soll: 
„und er wendet den schnellen Geist teils hierin teils dorthin, 
reißt ihn in wechselnde Richtung und tummelt ihn nach allen 
Seiten". Aus mallei machen wir in einem Satze wie Tacitus 
Ann. II 10 (ne propinquorum etc.) „anstatt", um eine ausdrucks- 
volle Wortfolge nicht zu stören. Ein andermal mag es gelingen 
zugleich diese und den Vorstellungsgehalt des Verbums zu 
wahren, z. B. Cic. Lael. 20, 74: dispares mores disparia studia 



Nomen und Verbum. Participialkonstruktionen. 105 

sequuntur „Ungleichheit des Charakters hat Ungleichheit der 
Interessen im Gefolge". 

Innerhalb des verbalen Gebietes sind es namentlich die 
Prädikate der Ablativi absoluti, die oft beim Übersetzen ihre 
Zugehörigkeit wechseln müssen. Ein Beispiel dafür wurde 
schon (S. 100) erwähnt, einige weitere liefert ebenfalls Vergil: 
quo numine laeso (so! Aen. I 8) „in welchem Wunsche gekränkt", 
magna stipante caterva (IV 136) „von einer großen Schar be- 
gleitet", commixta grandine nimbus (IV 120) „Regen mit Hagel 
gemischt". Früher durfte der Lehrer auch wagen coniecta 
cerva sagitta (IV 69) als „die vom Pfeil getroffene Hinde" 
wiederzugeben; jetzt muß er sich vor solcher Freiheit hüten: 
sie würde Verwirrung stiften und dazu beitragen, daß an anderisn 
Stellen die Stümperei im Lesen und Verstehen, die durch Ver- 
kürzung der Dichterlektüre und Unterdrückung der metrischen 
Übungen schon schlimm genug geworden ist, vollends ins Un- 
erträgliche sich steigert. — Zu ähnlicher Behandlung fordert 
das Participium coniunctum auf. Wenn Vergil den Schmuck 
der jungen Trojaner beschreibt (V 556): omnibus in morem 
tonsa coma pressa Corona, so sagen wir: „allen ist ein Kranz 
von richtig beschnittenen (Zweigen) ins Haar gedrückt". Auch 
Fälle wie Aen. VIII 177 f. (praecipuumque toro et villosi pelle 
leonis accipit Aenean) gehören hierher, obwohl das vom Verbum 
abgeleitete Adjektiv da nur deutsch als Particip erscheint: „er 
empfängt auszeichnend". Hier wird Passiv in Aktiv verwandelt; 
viel häufiger umgekehrt, weil die aktivischen Participia im 
Deutschen nur einen sehr beschränkten Gebrauch haben: 
d8X6op.ivq) Ss jAoi ^Xöov (p. 438) „ersehnt kamen sie mir". 
-Namentlich das des aktiven Aorists nachzubilden können wir 
gar nicht versuchen: xöv Tj^sjACva ^oavxe? TrapaötSoaoiv aötoti; 
(Anab. IV 2, 1), öaXotfioio 86pY]v iiüxtvco? dpapuiav xdXXiTcov 
d'^xXtva«; (x 155 f.), T^OeXY)os o ox^olto^ xotvoö iraoaoÖat, toü? 
h\, öoüXcoaa? aYstv (Soph. Ant. 201 f.). Wenn ich nicht irre, 
hilft man sich hier oft mit umschreibenden Nebensätzen: „nach- 
dem sie gebunden hatten, nachdem er geknechtet hätte". 



106 VIII. Verschiebung des Gewichtes. 

Richtiger ist es doch wohl die Gedrungenheit des griechischen 
Audsruckes soviel als möglich zu erhalten; und hier ist es voll- 
kommen möglich, sobald man die Participia ins Passivum setzt 
und auf das Objekt anstatt auf das Subjekt bezieht, „sie über- 
liefern den Wegweiser gebunden; ich ließ die Tür angelehnt; 
er wollte sie geknechtet wegführen". 

Sind die Schüler an diese Umformung einmal gewöhnt, so 
werden sie sich nicht fürchten sie auch da anzuwenden, wo das 
Verbum finitum lym ist: xiv 'Aotoa^ea Köpo? xaTaarpe^j^ajAevoc 
so/e (Hdt. I 75) „er hatte unterworfen"; t4c Öüpiac taüta; 
dTroTafiofjLSvot eo^ov o? AaxeSaifxovioi (182) „hatten weggenomen"; 
Toioi KXetoösvTjc xal 8p6[iov xat iraXaioTpyjv 'ironf)oap.svoc lic 
aÖT(p TOüTcp slys (VI 126) „ihnen hatte Kleisthenes eine Rennbahn 
und einen Ringplatz ad hoc [wie man beinahe sagen möchte] 
machen lassen". Man könnte an unsern Übersetzungen Anstoß 
nehmen, weil das griechische sysiv auch in solchen Verbindungen 
noch mehr Gewicht eigner Bedeutung habe als unser „haben". 
Aber das gilt doch nur für einen Teil der Beispiele, und schon 
in dem letzten der soeben von Herodot angeführten ist die 
Vorstellung des Besitzes stark verblaßt. Ja bei Homer selber, 
wenn er Achill klagen läßt (A 507) : SXwv ^äp lyzi ^epac, aöxic 
dTToupa«;, zeigt der Zusatz dTroopai;, daß SX«i)v ej^ei für das 
Denken schon in eins verschmolzen waren, das Particip nicht 
mehr als solches empfunden wurde. Vollends bei späteren 
Schrifstellern ist solche Verbindung kaum verschieden von dem 
einfachen Perfekt oder Plusquamperfekt: irpa-yoc aoxoTrov ly(Zi 
irepavac (Soph. Ai. 21 f.), tiv p.lv irpoTioa? xiv 8' dxip.a9a? e^ei 
(Ant. 22), Ol) [ib Y^^ W^^ StoXIoa«; Ixsi? (Eurip. Herakl. 264). 
Und in Wahrheit sind ja doch die zusammengesetzten Zeit- 
formen in den modernen Sprachen eben auf dem Wege ent- 
standen, den die Entwickelung des Gebrauches von ej^eiv zeigt. 
Nimmt man einige verwandte Tatsachen noch zum Vergleich 
hinzu, wie ein lateinisches clausuni lacu ac montibus et circum- 
fusum suis copiis habuit hostem (Liv. XXn 4, 5) oder bei Homer 
(cd 491) ji^ 8)j oyeööv cioi xiovts? „daß sie nicht schon nahe 



k 



Ix«> niJt Particip. Substantiv und Attribut. 107 

gekommen sind*", so ergibt sich eine neue Bestätigung dessen 
was wir wiederholt gefunden haben: wie abgebrauchte und 
verständnislos nachgesprochene Ausdrucksweisen der Mutter- 
sprache dadurch mit einem Male durchsichtig werden und 
neues Leben empfangen, daß sie zur Übersetzung von Worten 
oder Wortverbindungen einer älteren Sprache verwandt werden, 
die denselben Prozeß der Abschleifung begonnen haben, aber 
dem Ausgangspunkt noch ein erkennbares Stück näher stehen. 

2. Das Bild von der Verlegung des Schwerpunktes paßt 
besonders deutlich da, wo abhängiges und übergeordnetes Glied 
ihre Rollen tauschen ; und dafür ist wieder das einfachste Bei- 
spiel die Beziehung zwischen Substantiv und Attribut. Atavi 
reges sind ^königliche Ahnen", Numidae agrestes bei Sallust 
(lug. 18, 8) „numidische Bauern", declivis latituto (ebd. 17, 4) 
eine „breite Senkung". Was Demosthenes (I. Olynth. 8) irapa- 
iteirccDxoia xaipov nennt, ist nicht „eine (uns) zugefallene Ge- 
legenheit" sondern ein „gelegener Zufall", der nebenbei wieder 
daau verhilft ein geläufiges deutsches Wort in seinem Ursprünge 
zu verstehen. Dirae ultrices (IV 610) meinte Vergil doch wohl 
als „rächende Diren" ; wir werden seinem Gedanken nicht untreu, 
wenn wir sie in „grausige Rachegöttinnen" verwandeln. In all 
diesen Fällen wurde das Substantiv bei der Übersetzung zum 
•Adjektiv; es kann aber auch in der Weise untergeordnet werden, 
daß es Substantiv bleibt. So im Aias 17 ^^aXxooxofxoa x(i)8cdvo<; 
<S)? Tt>poY)vix^c: »wie von dem ehernen Munde einer tyrrhe- 
nischen Trompete". Aus dem abstrakten Gebiete gehört hierher 
der Typus ab urbe condita mit seiner Schar von Anwendungen 
(vgl. S. 100. 102). Weiter gibt es ähnliche Vertauschungen auch 
für solche Nomina, die nicht gerade im Verhältnis von Substantiv 
und Attribut mit einander verbunden sind: plenis nubilis annis 
(Aen. VII 53) „volljährig zur Vermählung", primaevo flore iuventus 
(ebd. 162) „die erste Blüte der Jugend", armatum peditem gravis 
attutit alvo (VI 516) „brachte im Leibe die Last bewaffneten 
Fußvolkes mit". 

Von dem Wechsel zwischen verbaler und nominaler Passung 



108 VIII. Verschiebung des Gewichtes. 

eines Begriffes bietet Vergils Beschreibung der Fama ein Beispiel 
(IV 175): mobilitate vigei „Beweglichkeit ist ihr Leben"; mn- 
gekehrt wird man Horazens stet vivax (a. p. 69) mit „beständig 
lebt" übersetzen. Beide Beispiele streifen zugleich, das erste 
in seiner lateinischen das andere in der deutschen Form, ins 
adverbielle Gebiet hinüber. In weiterem Sinne ihnen verwandt 
ist deshalb die Weise, wie manchmal Prädikat und adverbielle 
Bestimmung einander ablösen ; so wenn wir für in malus crederetur 
bei Tacitus (Histor. 1 18) sagen: „in Gedanken vergrößert würde". 
Derselben Vertauschung bedarf es, damit Sallust Catil. 51, 27 
verstanden werde: Omnia mala exempla ex bonls orta sunt; 
sed ubl Imperium ad Ignaros elus aut minus bonos pervenlt, 
novum lllud exemplum ab dlgnls et Idonels ad Indlgnos et non 
idoneos transfertur. Statt sed hat man et schreiben wollen 
oder sclllcet; und wirklich enthält der folgende Satz zum vorher- 
gehenden eher eine Begründung als einen Gegensatz. AUe 
Schwierigkeit verschwindet, wenn wir auf bonls den Hauptton 
legen und übersetzen: „Jedes schlechte Verfahren war ursprüng- 
lich gut; aber . . . ." Genauen Ausgleich des Besitzstandes 
zwischen beiden Gebieten haben wir bei Horaz Od. I 12, 39: 
gratus inslgnl referam camena „will ich dankbar durch den 
Bericht (referam) meiner Muse auszeichnen (Inslgnl),*" Und 
ähnüch einmal in den Annalen (IV 32): llbero egressu memora^ 
bant „sie ergingen sich in freier Erzählung". 

Wo ein Verbum und ein verbales Nomen zusammen das 
Prädikat ausmachen, fügt es sich öfters, daß sie bei der Ver- 
deutschung die Rollen wechseln müssen; aus {xeteüOftsv oe 
TTpooTpoTToi (Köu. Öd. 41) wird „wir wenden uns flehend an 
dich". Dasselbe geschieht noch leichter bei der Art nominaler 
Bildungen, die noch als lebendige Triebe des Verbums ge- 
fühlt und als Parlicipia ihm zugerechnet werden. Cokortatus 
mllltes, ut se Intuentes pugnarent (Liv. XXXI 24, 11) ist doch wohl 
nichts anderes als: „daß sie beim Kampfe auf ihn blicken 
sollten". Und damit sind wir bei ben FäUen angelangt, in denen 
die Begriffe, die um einen gemeinsamen Punkt gravitieren, 



Verbum finitum wird deutsch zum Nomen, zum Adverb. 109 

beide Verba sind, öpo) axa>v djietßexat (0 684) wird dem Scbüler 
erst recht anschaulich, wenn er dafür sagen kann: „springt 
abwechselnd"; die Art wie Telemach den Sauhirten an seinen 
Tisch zieht, veöa' itd of xaXsoac (p 330), bleibt auch sachlich 
unverstanden, wenn nicht übersetzt wird: „er rief ihn durch 
einen Wink zu sich**. An den abgeschliffenen Gebrauch von 
Verben wie Xav&avci) xo'^ydvto BiatsXo} wurde schon erinnert. 
Natürlich wird man auch hier dafür sorgen, daß der Zusammen- 
hang zwischen Grundbedeutung uud freier Übersetzung den 
Schülern nicht verloren geht, und gern die Gelegenheit be- 
nutzen, wo einmal der eigentliche Sinn greifbar hervortritt. 
TüYjfotvst o5v Ijiol 7] aÖTT) sx&pa irpoc 'A^opaxov toütovI xai toj 
irXi^&st T(p up^sT^pcp üirap^^oüaa (Lys. 13. 1) lautet auf deutsch: 
„Es trifft sich nun, daß für mich dieselbe Feindschaft 
besteht wie für das Volk, das ihr vertretet**. Eben diese 
wörtUche Übersetzung ist nicht selten bei Piaton erfordert, 
wenn ein vorläufiges Resultat festgestellt oder etwas Gegebenes 
eingeführt wird; letzteres z. B. Protag. p. 318 A: tü^j^avet Iv 
JiriftüjiiaL oiv „er befindet sich in einem Zustande (oJv) der Sehn- 
sucht**. Mit einem „zufällig** wäre hier gar nichts anzufangen, 
so geläufig sonst solche adverbielle Umformung jedem Leser 
des Griechichen ist. Anlaß dazu bietet übrigens auch das 
Lateinische. Die et argutae properet Neaerae murreum nodo 
cohibere erinem, sagt Horaz (in 14, 21 f.) und meint: „sie möge 
eilends das Haar zusammenraffen**. An eas beobachtet dievonseiner 
Mutter gesandten Tauben : quo tendere pergant (VI 198) „wohin 
sie weiter (ihren Flug) richten**. Besonders oft begegnet in 
solcher Anwendung solere: quäle solet silvis brumali tempore 
viscum fronde virere nova (Aen. VI. 205 f.) „wie manchmal in 
den Wäldern die Mistel grünt** ; (se) tantum modo audire solitum 
ex Oabinio (Sali. Catil. 47, 1) „er habe nur öfter von Gabinius 
gehört**; säepe audivi mirari solitum C, Fabricium (Cat. 
mai. 13, 43) „Fabricius habe sich immer wieder gewundert**. 
Die Beispiele würden sich leicht vermehren lassen. 

Wir brechen hier ab, um nunmehr die wechselnden 



110 VIII. Yerechiebung des Gewichtes. 

Beziehungen grammatischer Ahhängigkeit, sowohl für sich wie im 
Austausch mit der parataktischen Verbindung, dahin zu verfolgen, 
wo sie am interessantesten sind und ihr eigentUches Reich hahen, 
inr Satzgefüge. Gelegentlich (S. 102) wurde dieses Kapitel schon 
gestreift. Denn natürlich ist die Grenze keine absolute, und es 
wird immer nur auf den Standpunkt der Betrachtung ankommen, 
ob eine participiale Konstruktion als verkürzte Form des Satzes 
oder als erweiterte einer attributiven oder adverbiellen Be- 
stimmung gelten soll. Die Frage, wann ein Wort in einen Satz 
aufgelöst, wann umgekehrt ein Satz in ein Wort zusammen- 
gedrängt werden müsse, mag denn den Anfang machen von 
dem, was über die letzten Aufgaben des Stiles zu sagen bleibt. 




IX. 

Satzbau. 

Der Stil ruht auf den tiefsten Grundfesten 
der Erkenntnis, auf dem Wesen der Dinge, 
insofern uns erlaubt ist es in sichtbaren 
und greiflichen Gtetalten zu erkennen. 

Goethe. 

1. Ein durchgehender Unterschied zwischen dem Stil der 
Griechen und Römer und unserm heutigen besteht darin, daiJ 
sie vieles in Form eines Satzes sagten, was wir durch ein ab- 
straktes Substantiv ausdrücken. Beispiele liefert jedes Lehrbuch 
der Stilistik in Menge. Livius VIII 27, 9: decernitur ut societas 
cum Samnitibus renovaretur „die Erneuerung des Bündnisses 
wird beschlossen"; ebenda 11: nihil ultra, quam ut frustra 
paeniteret, restabat „nichts weiter als vergebliche Reue blieb 
übrig". Im Griechischen ist es dasselbe: Xenophon Memor.II 1, 25 
oöSevöc a*ics^6[j.svo^, o&ev äv ouvaiöv tq ti xspSavat, „indem 
du dich von keiner möglichen Quelle des Gewinns fernhältst". 
In demselben Werke I 1, 11 (oöSek TTtoiroxs Scüxpaxoü? ooo^v 
dosß^? ohhh, dvooiov oiixe TupdTTOvxf)? sTSev ouxs Xs^covxo? -^xoüosv) 
können wir die Verba wenigstens im Infinitiv festhalten: 
„keiner hat jemals den Sokrates etwas Unehrerbietiges oder 
Gottloses tun sehen oder sagen hören"; aber fast natürlicher 
wäre uns doch das abgeschlossene Substantivum: „keiner hat 
von ihm eine unehrerbietige oder gottlose Handlung oder 
Äußerung gesehen oder gehört". Offenbar ist auch dies ein 
Merkmal der alternden Sprache, die schon viel erlebt hat und 
sich manche Bequemlichkeit gönnt: eine Verbindung von Be- 
griffen zum Gedanken, die der jugendliche Geist erst frisch 



112 IX. Satzbau. 

vollzog oder, wenn das schon geschehen war, doch in jedem 
Augenblick wieder als werdend empfand und in der Form des 
Geschehens ausdrückte, verliert allmählich ihr Leben, wird dem 
überlieferten Besitz eingereiht und in Gestalt eines abgeleiteten 
Substantivs aufbewahrt. Wie viele Sätze mußten gebildet, 
gebraucht und verbraucht werden, ehe Substantiva wie Begut- 
achtung, Veranstaltung, Bereitwilligkeit entstehen konnten, 
ganz zu schweigen von modernsten Ungetümen wie Vergesell- 
schaftung, Wissenschaftlichkeit, Beanlagung! 

Die erstarrten Denkoperationen, die in solchen Wörtern 
zusammengefaßt sind, bieten der abstrakten Verstandesarbeit 
handliches Material: aber sie tun das Ihre dazu, um der 
Sprache den Hauch des Ursprünglichen zu nehmen. Und indem 
sie es auch dem Schwätzer möglich machen scheinbar etwas 
zu sagen, dadurch daß er die inventarisierten Gedanken früherer 
Menschen hin- und herschiebt, bedrohen sie einen Stil, der noch 
in der Bildung begriffen ist, mit ernster Gefahr. Was über 
diese Gustav Rümelin in einer seiner letzten akademischen Fest- 
reden*^) gelehrt hat, sollte niemand, der deutsche Aufsätze oder 
Übersetzungen zu korrigieren hat, ungelesen lassen. Namentlich 
bieten die letzteren einen Anhalt, um dem Prozeß der Erstarrung 
entgegenzuarbeiten und die Lernenden dahin zu bringen, daß sie 
sich des Zusammenhanges zwischen ihren Vorstellungen un- 
mittelbar bewußt werden und ihn mit eignen Worten aussprechen. 
Man darf sie nur nicht in dem Glauben erhalten, daß es un- 
bedingt erwünscht sei einen Nebensatz in ein deutsches Verbal- 
substantiv zusammenzudrängen, muß sie vielmehr auf die 
Umstände achten lehren, unter denen es richtiger ist die Aus- 
drucksweise der Vorlage nachzuahmen. Ein Beispiel der Art 
ist schon (S. 17) vorgekommen; weitere finden sich leicht, 
und selbst unter denen, die gerade für die Verwandlung in 
ein Substantiv verwertet zu werden pflegen. Cum multa cm- 
deliter avareque fecisset, petiit a Pharnabazo (Cornel Lys. 4, 1) 
wird in einem vielgebrauchten Schulbuch übersetzt: „nach 
mancher grausamen Tat usw.** Es heißt aber vollständig: 



VerbalsubstantiT und Satz. 113 

cum Lysander praefectus classis in hello multa crudeliter avareque 
fecisset deque his rebus suspicaretur ad cives suos esse perlatum, 
petiit a Pharnabazo. Sollen wir nun sagen: „Da Lysander nach 
mancher grausamen und habsüchtigen Tat als Führer der Flotte 
im Kriege vermutete usw."? Dann schweben „als Führer" 
und „im Kriege" in der Luft oder lehnen sich an „vermutete" 
an: das Verständnis wird erschwert. Also besser: „Da Lysander 
als Führer der Flotte im Kriege vielfach grausam und habsüchtig 
gehandelt hatte und vermutete". 'Eäv 8s irote YevTjtat xtc 
iiroyta oTuotvetDC «9 tSv soxai tauta, sagt die Kaxta zu Herakles 
(Mem. n 1, 25), und man könnte vorschriftsmäßig verdeutschen : 
„sollte jemals die Befürchtung eines Mangels an Mitteln zu 
solchen Freuden eintreten". Das ist abscheulich; wir müssen 
die verbale Form des Gedankens, die an der einen Stelle 
verschwindet, an der andern wieder hervortreten lassen: „sollte 
jemals die Befürchtung aufkommen, daß die Mittel zu solchen 
Freuden mangeln könnten". — 

Den Mißbrauch der Substantiva zu vermeiden werden die 
Schüler sich um so eher gewöhnen, wenn sie daran erinnert 
werden, daß es doch auch Fälle genug gibt, in denen ein 
einzelnes Wort der fremden Sprache im Deutschen durch einen 
Satz umschrieben werden kann oder gar muß. Etwas Besonderes 
ist es allerdings, wenn der Autor mit bewußter Künstelei die 
Substantiva gewählt hat, wie Thukydides, wo er den Inhalt 
des von Themistokles an den Großkönig gerichteten Schreibens 
•angibt (I 137): ^pa^ac ttjv ix SaXajxrvoc irpoaYTS^otv t^c dva- 

^^CÜp^OSO)? Xal T7]V TÄV Y^^Wp^V, 7]V t};eü8(Ü? irpOOSTTOlT^OaTO, 

TOTS 81' aÖTÖv oö StocXüotv. Hier merkt Wilamowitz an (zu 
S. 56, 2), die künstlerische Rede der Zeit gefalle sich darin, 
nominale und verbale Konstruktion zu vertauschen, um durch 
das Ungewohnte zu wirken; so werden wir uns bemühen den 
fremdartigen Eindruck auch im Deutschen hervorzubringen und 
werden die abstrakten Ungetüme nachbilden. Anders, wo ein 
griechisches oder lateinisches Substantiv der ungesuchte Aus- 
druck für einen Vorgang oder eine Wirkung ist, wir nur zufällig 

Cauer, Die Kunst des Obersetzens. 3. Aufl. 3 



114 IX. Satzbau. 

keine ganz entsprechende Vokabel besitzen, d. h. keine, die in 
substantivischer Form den Begriff des Verbums gleich lebendig 
bewahrt hätte. Für ep^ov bei Homer fanden sich eine Menge 
deutscher Synonyma; aber für sratöev ep^ov detxe^ (S 13) 
müssen wir wohl sagen: „er sah wie Unwürdiges geschah". 
Mtaojia x<"pa^ ™ König Ödipus (97) ist „was das Land befleckt"; 
Tiav fj.iaap.a toü tsövtjxoto^ ebenda (313): „alles, was durch den 
Toten befleckt ist". Irritatio animorum ea prima fuit, schreibt 
Livius (XXXI 14, 10), und wir sagen: „dies war das erste, was 
die Gemüter aufregte". Ähnlich bei Cicero (pro Deiot. 3, 8): 
adfectum illum quibusdam incommodis et detrimentis propter 
offensionem animi tui meminerant\ d. i. „weil du dich verletzt 
gefühlt hattest". Öfter wird solche Umformung bei Tacitus 
nötig werden, weil er es liebt Gedanken in Substantiva zu- 
sammenzudrängen, wo es denn doch wichtiger ist die Knapp- 
heit des Ausdruckes zu erhalten als die nominale Form: 
ambitu remanendi aut eundi „da man intrigierte um zu bleiben 
oder zu gehen" (Hist. I 19); quaeque alia turbamenta vulgi 
„und was sonst die Menge aufregt" (ebd. I 23). Warum in 
der Einleitung zu Sallusts Catilina (3, 2) scriptor nicht gut als 
„Schriftsteller" ins Deutsche übergehen kann, wurde früher 
erklärt. Die Nomina dieses Typus bedürfen öfter einer ähnlichen 
Umformung; z. B. (Aen. VI 529) hortator scelerum Aeolides: 
„dessen Beruf es ist zum Frevel zu raten". 

Daß absolute Participialkonstruktionen oft im Deutschen 
zu Sätzen sich ausdehnen, braucht nur erwähnt zu werden. 
Hervorgegangen sind sie ja aus dem adverbialen Gebrauch der 
Kasus, der lateinische Ablativus absolutus aus dem Ablativus 
modi, temporis, causae; und so wäre die Übersetzung durch 
einen präpositionalen Ausdruck an sich das Natürliche. Aber 
wenn wir z. B. Ann. II 9 für quaesito an Caesar venisset gleich 
kurz sagen, „auf die Frage ob Cäsar gekommen sei", so gibt 
wenige Zeilen später ein Ablativ, obwohl in ihm die instrumentale 
Beziehung noch lebendig ist, ein Beispiel entgegengesetzter 
Art: inslgnis flde et amisso per vulnus oculo paucis ante annis 



Substantiva und Participia im Deutschen umschrieben. 115 

duce Tiberio. „Durch den Verlust des Auges" geht nicht an; 
denn was soll dann aus den angehängten Bestimmungen werden? 
Wir müssen uns zum Bau eines Satzes entschließen. — Stellen 
wie diese erinnern noch daran, daß der Abi. absol. im Grunde 
nur ein adverbial gebrauchtes Nomen mit Attribut ist, also die 
Anwendung des Particips in ihm von der im Participium con- 
iunctum nicht wesentüch verschieden*^). Doch verlangt dieses 
auch hier wieder eine eigene Betrachtung. 

Im vorigen Kapitel wurden Proben gegeben, wie die 
Knappheit des participialen Ausdruckes durch Verschiebung in 
ein anderes Genus verbi oft beim Übersetzen erhalten werden 
kann; natürlich wäre es sehr verkehrt das Streben danach zum 
Gesetz zu machen. Livius schildert XXXI 34, 4 den schrecklichen 
Eindruck, den der Anblick der im Kampf mit den Römern 
Gefallenen auf die Soldaten des Königs von Macedonien machte: 
postquam gladio Hispaniensi detruncata corpora, bracchiis cum 
humero abscisis, . . . viderunL „Durch das spanische Schwert 
verstümmelte Leiber" ließe sich sagen; aber dann fehlt ein 
Anknüpfungspunkt für die genauere Beschreibung, ganz ähnüch 
wie bei jenem amisso oculo. Ein andermal ist der Zusatz, den 
wir mit hereinziehen müssen, auch im Lateinischen ein ganzer 
Satz; z. B. in demselben Buche 22, 3: quamquam per praetorem 
prope debellatum erat, consul quoque C, Aurelius profectus in 
Galliam victorem exercitum a praetore accepit Während wir 
an der vorher angeführten Stelle das Attribut in einen Relativ- 
satz verwandeln („Leiber, die verstümmelt waren, indem . . ."), 
werden wir hier seinen Inhalt als Hauptsatz koordinieren, um 
dem Gedanken quamquam debellatum erat das Gleichgewicht zu 
halten. Zusammengenommen dienen diese beiden Sätze aus 
Livius dem Verständnis einer bekannten Odyssee-Stelle, in der 
freilich das Attribut kein Participium ist (i 21 f.): vatstaw 8' 
'I8axY]v söSi^eXov • iv V opo^ aönp Ni^ptTOv eJvootcpüXXov dpiTTpeirec. 
„Ich bewohne Ithaka das weithin sichtbare; denn es liegt ein 
hoher Berg darauf": dies bleibt unklar; aber jeder begreift: 
„Ich bewohne Ithaka, das weithin sichtbar ist; denn darauf 

8* 



I 



116 IX. Satzbau. 

liegt ein hochragender Berg^. Das bloße Beiwort, auch das 
nachgestellte, gewann in unsrer Vorstellung nicht Kraft genug, 
um eine Begründung zu vertragen; es mußte zum Satz erhoben 
werden. Bei Homer werden wir die vielen Participia, die auf- 
gelöst werden müssen, in der Regel parataktisch anfügen und 
die schleppenden „nachdem** und „indem** vermeiden: icpo^ow 
iTziyeue (fipoooa „brachte Wasser und goß es auf**; ofoc itot' 
iuxxi^jtiviQ Ivl Alaßcp Sc eptSoc OtXofjLYjXetSiQ iiraXaiosv dvaorac 
(p 133 f.) „wie er einst in Lesbos aus Anlaß eines Streites 
aufstand und rang**. Übrigens kommt es doch auch vor, daß 
das Particip als solches erhalten werden muß, wenn der Sinn 
nicht leiden soll, z.B. p 88 ff.: xohg 8' iirsl o3v Sp^coal Xoöoav 
xal XP^^ötv iXatcp dji^l 8' apa /Xatvac ooXac ßdXov tqS^ ^^iTÄva^, 
Ix p' daafjLiv&cuv ßdvTSc iizl x^topLOiot JcaOTCov. Schwerlich ist 
doch das Ankleiden innerhalb der Badewannen erfolgt; der 
Nachsatz meint also: „da setzen sie sich, den Wannen entstiegen, 
auf Stühle nieder**. Sehr häufig kann ein Participium gar nicht 
richtig übersetzt werden ohne klare Anschauung des sachlichen 
Zusammenhanges; und so wird umgekehrt diese gefördert, 
indem man nach dem treffenden deutschen Ausdruck sucht. 
Davon wird noch später kurz die Rede sein. 

2. Die Verwandlung des Particips in einen Nebensatz kann 
mit einer anderen Verschiebung der Konstruktion verbunden 
sein. Wenn wir bei Tacitus lesen, Ann. VI 2 [8]: crediderat 
epistulae subsidio sibi alterum ex consulibus poscentis, so über- 
setzen wir: „dem Briefe, in dem jener forderte**, und haben ein 
Beispiel einer der beiden Erscheinungen, die im vorigen Kapitel 
(Vin 1) besprochen wurden: ein abhängiges Glied bleibt un- 
selbständig, sucht aber eine andere Beziehung auf, durch die 
es sich regieren läßt. Einen Relativsatz, der aus stilistischen 
Gründen vom Nachsatz einer Periode losgelöst und mit dem 
Vordersatz verbunden wurde, haben wir früher in einer Stelle 
aus Xenophon gefunden (S. 98). Auch die Art des Satzes kann 
eine andere werden. Was Cicero pro Mil. 7, 17 kondizional 
einführt (Nisi forte magis erit parricida, si gut consularem patrem 



Art des Nebensatzes geändert. 117 

quam si quis humilem necaverit), werden wir relativisch unter- 
ordnen: „wer als Sohn einen gewesenen Konsul tötet". Viel 
häufiger ist das Umgekehrte, daß Relativsätze bei der Übertragung 
ins Deutsche ihre Form ändern und nun durch eine Konjunktion 
«ingeleitet werden: xüVYj^^Tat of te xaft' üXtjv aXysa icaoj^oooiv 
(t 120 f.) „wie sie im Walde Beschwerden erdulden" ; oi xe 
xotT* alo)(oc s)(Süe xal 4ooo[j.lv"(]oiv hizioom 07^Xüxlp"(]ot ifüvaiSt, 
xal 9^ X* söepYÖc sTQotv (X. 433 f.) „auch wenn eine brav ist"; 
se missum ,a Crasso, qui Catilinae nuntiaret (Sallust 48, 4) 
„um dem Catilina zu melden". Aus der ganzen Fülle derjenigen 
Relativsätze, die konsekutiven, kausalen, konzessiven, hypo- 
thetischen, finalen Sinn haben, würde ein großer Teil hierher 
zu ziehen sein. Das Gemeinsame ist überall, daß der im Relativ- 
satz enthaltene Gedanke sein attributives Verhältnis aufgibt und 
in ein adverbielles eintritt, nicht mehr einem nominalen Begriff 
zur Bestimmung dient, sondern auf den ganzen Satz, auf die in 
ihm ausgesagte Handlung bezogen wird. 

Auch der zweiten der im vorigen Kapitel beschriebenen 
Veränderungen begegnen wir hier wieder: daß regierendes und 
abhängiges Glied ihre Rollen vertauschen. In dem Satze des 
Sallust: nie Vera via nititur, huic quia bonae artes desunt, dolis 
atque fallaciis contendit (Catil. 11, 2), ist es wieder die bedeutende 
Anordnung der Begriffe, die uns nötigt die Konstruktion auf- 
zugeben: „diesem fehlen die guten Eigenschaften, so daß er mit 
List und Trug arbeitet". Eine ähnliche rhetorische Wirkung 
retten wir bei Vergil Aen. V 144 f. (non tarn praecipites biiago 
certamine campum corripuere ruuntque effusi carcere currus), 
wenn wir, das grammatische Verhältnis umkehrend, sagen: „So 
stürzen nicht die Wagen vorwärts, wenn sie im Wettkampf mit 
dem Zweigespann das Feld hinter sich gerissen haben und nun 
aus den Schranken ergossen dahinstürmen". Nicht ganz so 
stark ist das Gewicht des untergeordneten Gedankens etwa in 
den Sätzen (bell. civ. III 7, 2): sed neque Uli slbl conflsl ex 
portu prodlre sunt ausl . . . und bei Livius (XXH 22, 2): classls 
Visa cum magna laetltla portum tenult; aber auch hier trägt er 



118 IX. Satzbau. 

den Ton, und das deuten wir dadurch an, dafi wir ihn in den 
Hauptsatz bringen: ,Jene trauten sich nicht so viel zu, daß sie 
gewagt hätten aus dem Hafen hervorzukommen", und wieder: 
„die Flotte erschien zu großer Freude, wie sie auf den Hafen 
zuhielt"*. An und für sich kann man ja gerade in lateinischer 
Syntax erwarten, daß die Hauptsache auch im Hauptsatz ge- 
sagt sein wird; aber nicht selten ist sie im grammatischen 
Verhältnis herabgedrückt und dafür durch Wahl des Ausdrucks 
und Wortstellung um so wirksamer hervorgehoben: das müssen 
wir dann empfinden und die gleiche Wirkung zu erreichen 
suchen, wenn auch die Mittel dazu andre werden.. 

Besonders häufig sind die Fälle, in denen ein Nebensatz 
zwar nicht durch seine sachliche Bedeutung wohl aber dadurch 
erhöht wird, daß er die Handhabe bietet, mittels deren zugleich 
sein regierender Satz in einen dritten relativisch eingehängt ist. 
Viele Beispiele dieser Art können wir überhaupt nicht nach- 
ahmen und müssen dann die grammatische Verbindung ganz 
fallen lassen; so Tuscul. I 17, 39: errare malo cum Piatone, 
quem tu quanti facias scio et quem ex tuo ore admiror, quam 
cum istis vera sentire: „Lieber will ich mit Plato irren (ich 
weiß wie hoch du ihn stellst und bewundere ihn in deinem 
Munde) als mit jenen Leuten das Richtige meinen**. Aber es 
liegt auch oft so, daß wir die Konstruktion im ganzen bewahren 
können, nur eben innerhalb des relativen Einsatzes das Gewicht 
verlegen müssen. Eine vielfach verwertete Musterstelle ist de 
erat. I 28, 126: quod a te dictum est esse permulta, quaeorator 
nisi haberet a natura, non muttum a magistro adiuvaretur, „es 
gebe viele Eigenschaften, die der Redner von Natur besitzen 
müsse, wenn er von einem Lehrer überhaupt Nutzen haben 
wolle". Noch gewöhnlicher als eigentliche Nebensätze dienen 
Participien und Infinitive dazu, einen zusammengesetzten Ge- 
danken als Relativsatz unterzuordnen. Civilis suchte die Gallier 
aufzuwiegeln: admonebat malorum, quae tot annis perpessi mi- 
seram servitutem falsa pacem vocarent (Histor. IV 17): „er er- 
innerte sie an die Leiden, die sie in so vielen Jahren erlitten 



Regierender und regierter Satz vertauscht. 119 

hätten, um endlich eine elende Knechtschaft fälschlich Frieden 
zu nennen". Lykurg ruft den Athenern die Taten ihrer Vor- 
fahren ins Gedächtnis: oU irapaSsqixaoi )(p(oji8vot ßlXtiov 
ßoüXsüoso&s (xaxa Aecoxp. 83) „die ihr als Beispiele benutzen 
mögt, um dann besser zu beschließen". 

Aus dem Gebiete des anderen Verbalnomens gehören hierher 
die zahllosen Infinitivsätze, die von Verben des Sagens oder 
Denkens abhängen, deutsch aber gern zu selbständigen Sätzen 
erhoben werden mit einem eingeschobenen „wie man erzählt, 
wie er glaubte, dem Vernehmen nach". Dies wird oft sogar 
notwendig sein, und zwar dann, wenn der im Lateinischen ab- 
hängige Gedanke das enthält, was dem Zusammenhang nach 
die Hauptsache ist; in einem Satze wie bei Sallust Catil. 15, 2 
kann man deutsch nicht anders als das regierende pro certo 
creditur unterordnen. Schon Tertianer wissen solche Umformung 
ganz geschickt vorzunehmen; es gilt nur wieder zu verhüten, 
daß die Gewohnheit nicht zur Tyrannin werde und durch 
mechanische Gleichmacherei das individuelle Leben von Ge- 
danken und Sprache unterdrücke. Die wörtliche Übersetzung 
muß neben der freien geläufig erhalten werden, damit man 
jederzeit ohne weiteres auf sie zurückgehen und von ihr aus 
das Richtige finden könne. Etsi ex mandaiis, quae Qalbae 
Volumnioque ad senatum dedisti, quid timendum putares, su- 
spicabamur, tarnen timidiora mandata videbantur, quam erat 
dignum tua populique Romani victoria (ad fam. XI 18): das 
scheint nicht mißverstanden werden zu können. Und doch 
schrieben in einer Klassenarbeit mehrere Primaner: „was, wie 
du glaubtest, gefürchtet werden müsse". Nicht, was gefürchtet 
werden muß, hat Cicero erkannt, sondern, was sich Brutus für 
Gedanken darüber macht; das Gewicht des regierenden Verbums 
ist hier so stark, daß seine Unterordnung im Deutschen geradezu 
einen falschen Sinn ergibt. So bei Vergil Aen. IV 597 f., wo 
Dido über den Wortbrüchigen spottet: en dextra fidesque, quem 
secum patrios aiunt portare penates, „das ist die Tr«ue dessen, 
von dem man erzählt [sie glaubt es nicht mehr], daß er die 



120 IX, Satebau, 

heimatlichen Götter mit sich führe". Noch unmöglicher wäre 
ein „wie man erzählf" in folgendem Beispiel. Liyius hat die 
Zahl der am Trasumennus Gefallenen angegehen und fährt fort 
(XXn 7, 3 f.): multiplex caedes utrimque facta traditur ab alüs; 
ego Fabium potissimum auctorem habuL „Daß ein vielmal 
größerer Verlust stattgefunden habe, wird von anderen über- 
liefert; ich habe . . .". Wie vorher Dido so will hier der 
Schriftsteller eine falsche Angabe zurückweisen; eben dagegen, 
daß sie voh anderen verbreitet wird, richtet sich sein Wider- 
spruch: so erhält der Begriff des Sagens, Behauptens eine 
Wichtigkeit, der auch im Deutschen nur die Form des regie- 
renden Satzes genügt. Eine ähnliche Betonung kann davon 
kommen, daß dem, was jemand sagt, das was er tut entgegen- 
gestellt wird. Lysias (12, 80) warnt die Richter des Eratosthenes: 
[j.7]8' cüv cpaoi {leXXsiv irpafetv TrXsto) X^P^^ aüToic ibts >) c5v 
iTTofTjaav SpytCea&s. Das heißt nicht: „für das was sie ihrer 
Aussage nach leisten wollen", sondern: „hütet euch mehr Dank 
zu empfinden für das, was sie zu leisten versprechen, als Zorn 
über das, was sie getan haben". Jeder einzelne Fall verlangt 
eben seine besondere Beurteilung. 

3. Bei allen bisher geschilderten Umwandlungen blieb der 
Gesamtbestand eines jeden Satzes unvermindert; das wird anders, 
wenn wir uns veranlaßt sehen eine Periode in mehrere selb- 
ständige Stücke zu zerlegen. Unter allen Kunstgriffen, die beim 
Übersetzen angewandt werden, ist dies wohl der geläufigste; 
allein die Fälle, in denen etsi — tarnen durch „zwar — aber" 
ersetzt wird, machen eine stattliche Menge aus. Die lateinische 
Sprache ist eben viel mehr als die unsrige geneigt, den inneren 
Zusammenhang, der zwischen einer Gruppe von Gedanken 
besteht, dadurch auszudrücken, daß sie diese alle zu einer 
grammatischen Periode zusammenfaßt, in der dann jeder einzelne 
den Platz und die Rangstellung erhält, die seiner sachlichen Be- 
deutung entspricht. Beides läßt sich im Deutschen viel weniger 
gut vereinigen. Wiederholt mußten wir (S. 90. 98), um eine 
für das Verständnis wirksame Reihenfolge der Begriffe festzu- 



Grammatische Periode auflösen, logische erhalten. 121 

halten, die Teile aus dem Verhältnis von Herrschaft und Unter- 
ordnung lösen und wie gleichberechtigte nebeneinander stellen; es 
kann aber auch vorkommen, daß Konstruktion und Wortstellung 
zugleich aufgegeben werden. Livius schreibt XXXI 9, 5: Cum 
dilectum consules haberent pararentque quae ad bellum opus essent, 
civitas religiosa, in principiis maxime novorum bellorum, suppli- 
cationibus habitis iam et obsecratione circa omnia pulvinaria 
facta, ne quid praetermitteretur, quod aliquando factum esset, 
ludos lovi donumque vovere consulem, cui provincia Macedonia 
evenisset, iussit. Hier wäre eine wörtliche Nachbildung uner- 
träglich; wir versuchen es so: „Die Konsuln waren dabei die 
Aushebung zu veranstalten und die notwendigen Vorbereitungen 
für den Krieg zu treffen: die Bittfeste hatten schon stattgefunden 
und in allen Tempeln waren Gebete gesprochen worden: aber 
die Gemeinde verfuhr, zumal beim Beginn eines neuen Krieges, 
mit peinlicher Gewissenhaftigkeit. Um daher nichts zu unter- 
lassen, was jemals gesehen wäre, beschloß sie u. s. w." Man sieht, 
der Zusammenhang ist auch in dieser Form nicht zerstört; kleine 
Wörtchen wie „aber, daher" und vor allem die Interpunktion, 
d. h. die Vortragsweise, deuten ihn an. Solche Mittel müssen 
wir überall anwenden, um das, was an straffer Gliederung der 
Gedanken durch die parataktische Satzfügung verloren geht, 
wieder einzubringen. Die Schüler sind gar zu geneigt, besonders 
Participialkonstruktionen einfach in selbständige Sätze aufzulösen 
und dem regierenden Satze gleichzustellen; sie bedenken nicht, 
daß die grammatische Unterordnung doch in der Regel der 
Ausdruck dafür ist, daß ein Gedankenglied auch logisch und 
sachlich dem anderen dient, sei es als Vorbereitung oder als 
Ausmalung, als Begründung oder als hebender Gegensatz. Durch 
ein „dann, so, hier, dadurch, dabei, deshalb, doch, trotzdem", 
das dem nachstehenden von zwei nun koordiniert erscheinenden 
Sätzen hinzugefügt wird, läßt sich das innere Verhältnis meist 
auch im Deutschen bezeichnen. 

Eine besondere Gruppe bilden die Fälle, wo der Name der 
handelnden Person, an die Spitze einer längeren .Periode 



122 IX. Satzbau. 

gestellt, sofort ankündigt, wovon die Rede sein wird, während wir, 
falls wörtlich übersetzt werden soll, genötigt sind ihn mitten 
hinein zu schieben und so den Überbück zu erschweren. Das 
läßt sich vermeiden, wenn man aus den die Periode einleitenden 
Begriffen einen kurzen selbständigen Satz zusammenfassenden, 
vorbereitenden Inhaltes bildet. Schon der Anfänger empfindet 
diesen Vorteil, wenn ihm etwa bell. Gall. I 22 so zurecht gelegt 
wird: Lablenus, ut erat ei praeceptum a Caesare, ne proelium 
committeret, nisi ipsius copiae prope hostium castra visae essent, 
ut undique uno tempore in hostes impctus fieret, monte occupato 
nostros exspectabat proelioque abstinebat. „Lahienus tat wie 
ihm von Cäsar befohlen war. Er sollte erst, wenn dessen 
Truppen sich in der Nähe des feindüchen Lagers zeigten, den 
Kampf eröffnen, damit von allen Seiten zugleich der Angriff 
auf die Feinde erfolge; so besetzte er nur den Berg, erwartete 
dann die Unsrigen und enthielt sich des Kampfes". — Ge- 
übtere Leser, denen Livius und Sallust geboten werden, mögen 
den gleichen Kunstgriff selber anwenden; z. B. lug. 13, 5: Tum 
lugurtha patratis consiliis, postquam omnis Numidiae potiebatur, 
in otio facinus suum cum animo reputans timere populum 
Romanum, neque advorsus iram eius usquam nisi in avaritia 
nobilitatis et pecunia sua spem habere. „So sah lugurtha seine 
Pläne verwirklicht. Aber seit er sich im Besitze von ganz 
Numidien befand, hatte er Muße seine Tat bei sich selbst zu 
erwägen; er fürchtete jetzt das römische Volk und Ifatte im 
Hinblick auf dessen Zorn keine andere Hoffnung, als die auf 
der Habsucht der Nobilität und seinem Gelde beruhte". — 
Ähnlich ebd. 74, 1: Eodem tempore lurgurtha amissis amicis, 
quorum plerosque ipse necaverat, ceteri formidine pars ad Romanos 
alii ad regem Bocchum profugerant, cum neque bellum geri sine 
administris posset et novorum fidem in tanta perfidia veterum 
experiri periculosum duceret, varius incertusque agitabat „Was 
tat zur selben Zeit lurgurtha? Nach Verlust seiner Freunde, 
welche er großenteils selber getötet hatte, während die übrigen 
aus Furcht, ein Teil zu den Römern, andere zum König 



Beispiele aus Cäsar und Sallust. 123 

Bocchus geflohen waren, war es nicht möglich Krieg zu führen 
ohne Mithelfer; auch hielt er es für gefährlich bei so großer 
Treulosigkeit der alten die Treue neuer Freunde zu erproben: 
so schwankte er völlig unschlüssig hin und her." 

Sallust ist überhaupt unter den römischen Historikern der 
kunstvollste im Aufbau der Sätze, am weitesten dem Livius über- 
legen. Er bindet nicht leicht Gedanken zu einer Periode, die nicht 
auch sächlich eng zusammengehören und sich um einen deut- 
lichen Hauptgedanken gruppieren; zuletzt erscheint die Ordnung 
und Verknüpfung der Sätze wie ein natürliches Bild der Ver- 
hältnisse, in denen die Dinge selber sich wechselseitig stützen 
und hindern. Dieser Vorzug des Sallust hat darin seinen 
einleuchtenden Grund, daß er eine lebendige Anschauung von 
den Vorgängen besaß, die er erzählen wollte, und immer danach 
strebte, auch den inneren Zusammenhang der Ereignisse zu 
verstehen*®). Davon noch ein Beispiel! Catil 48, 5: Sed ubi 
Tarqainius Crassum nominavit, hominem nobilem maximis 
divitiis summa potentia, alii rem incredibilem rati, pars, tametsi 
verum existumabant, tarnen quia in tali tempore tanta vis 
hominis magis leniunda quam exagitanda videbatur, plerique 
Crasso ex negotiis privatis obnoxii, conclamant indicem falsum 
esse deque ea re postulant uti referatur. „Aber sobald Tar- 
quinius den Crassus genannt hat, einen vornehmen Mann von 
größtem Reichtum und höchstem Einfluß, erhebt sich ein all- 
gemeines Geschrei; einige fanden den Vorwurf unglaublich, 
andere hielten es zwar für wahr, meinten aber, daß man in 
solchem Augenblick eine so bedeutende Macht mehr besänftigen 
als reizen müsse, recht viele waren von Privatgeschäften her 
dem Crassus verpflichtet: so rufen sie, der Zeuge sei falsch, 
und verlangen, daß dieser Zwischenfall zur Verhandlung gestellt 
werde." Dem Lateiner wird es nicht schwer während eines 
langen Satzes den Geist auf das zum Schluß folgende Prädikat 
hin gespannt zu halten; wir können das nicht und mögen im 
vorliegenden Beispiel weder unmittelbar hinter dem was Tar- 
quinius tut, noch unmittelbar vor dem was die Senatoren sagen, 



124 IX. Satzbau. 

die Angabe entbehren, dafi sie sich laut äußerten: so bleibt 
wohl nichts übrig als denselben Begriff zweimal zu setzen. 
Auch so vermag er die Teile zusammenzuhalten und das, was 
grammatisch auseinanderfällt, doch noch zu einer logischen 
Periode zu verbinden. 

Aus dem, was in den letzten Abschnitten entwickelt ist, 
wird schon deutlich geworden sein, daß wir die parataktische 
Neigung unserer Sprache nicht durchaus für einen Vorzug halten. 
Man schilt gern über den schädlichen Einfluß, den der deutsche 
Stil von der Übung des Lateinischen erfahren habe, über die 
schwerfälligen Perioden, in denen Gelehrte und Beamte ihre 
Gedanken aufzutürmen lieben. Aber man vergißt, daß das, 
was hier als unschöne Übertreibung erscheint, doch im Grunde 
eine höchst schätzbare Eigenschaft ist, und daß die Flucht vor 
dem einen Extrem gar zu leicht in das andere hineintreibt. 
Wer den Periodenbau als undeutsch zu meiden sucht, gerät in 
Gefahr, auch die Kraft einzubüßen die sich in ihm betätigt, 
jene straffe Konzentration des Denkens, die das Verwandte er- 
kennt und verbindet, das minder Wichtige dem Wichtigen unter- 
ordnet und durch die Fügung der Sätze ein Bild der Verhält- 
nisse zu schaffen sucht, in denen die Tatsachen ineinander 
greifen. Dieser Erschlaffung, die sich hier und da schon be- 
merkbarmacht, kann wieder derphilologische Unterricht entgegen- 
wirken, indem er beim Übersetzen ins Deutsche nicht allzu frei- 
gebig ist Perioden aufzulösen, vielmehr auch der eigenen Sprache 
in diesem Punkte etwas zumutet. Daß dies möglich ist ohne 
ihr Gewalt anzutun, zeigt u. a. die Verdeutschungsprobe, die 
Carl Bardt 1885 einer Versammlung rheinischer Schulmänner 
in Köln vorgelegt hat*^). Er gab vom ersten Kapitel der 
neunten Philippischen Rede Ciceros zwei Übersetzungen, eine 
wörtliche und eine „so genau als möglich, so frei als nötig"; 
aber auch in dieser zweiten war unter zwölf lateinischen Sätzen 
nur bei einem die parataktische Umformung vorgenommen. 
Wenn wir uns die gleiche Vorsicht zum Grundsatz machen, so 
werden wir nicht in Versuchung kommen, an Stellen wie der 



Der parataktischeu Neigung des Deutschen nicht zu sehr nachgeben. 125 

schon erwähnten bell. Gall. VI 36 den charakteristischen Ein- 
druck zu verderben. In diesem Falle handelte es sich um eine 
Gewundenheit der Sprache, die sich bei Cäsar unwillkürlich ein- 
gestellt hatte; anderwärts kann man zweifeln, ob er nicht mit 
Absicht von seiner sonstigen Schlichtheit abgewichen ist. So 
bell. Gall. EI 25, wo die Verwirrung eines Kampfes geschildert 
wird, und noch mehr VI 43, 4 — 6, wo sich das Ende des Satzes 
dem Leser, der es eben erreicht zu haben meint, immer wieder 
gerade so entzieht wie Ambiorix, von dessen Flucht erzählt wird, 
den nachsetzenden Reitern. Natürlich hat die Möglichkeit der 
Nachahmung ihre Grenzen: das Malerische dieses Berichtes hätte 
Köchly empfinden sollen; aber das Satzgefüge, in dem (ü 25) 
Gefahr und rettendes Eingreifen in derNervierschlacht beschrieben 
werden, läßt sich wirklich nicht als Ganzes ins Deutsche bringen. 
Köchly hat sechs Sätze daraus gemacht, Rothfuchs noch einen 
mehr^). Das ist nun doch wohl zu viel. Und wenn der letzt- 
genannte zur Vergleichung die drei Perioden mit abdruckt, in 
denen einst seine Tertianer den Stoff gruppiert hätten, so muß 
ich bekennen: mir gefällt diese Form besser, als die soviel glattere 
in sieben Sätzen, die er von einem tüchtigen Primaner meint 
verlangen zu können. Der Leser soll hier durch die Fülle der 
Mitteilungen ebenso bedrängt werden, wie am Schlachttage der 
Feldherr durch die Menge der Schwierigkeiten und Gefahren. 
4. Wer unsrer Fürsprache für den deutschen Periodenbau 
doch noch zweifelnd gegenübersteht, möge sich der nicht ganz 
wenigen Fälle erinnern, in denen gerade erst im Deutschen ein 
Satz einem andern untergeordnet wird, dem er in der lateinischen 
oder griechischen Vorlage gleichstand. Sallust schreibt z. B. 
(lug. 98, 3): Marias coilis duos propinquos inter se occupat 
quorum in uno castris parum amplo fons aquae magnus erat, 
alter usui opportunus, quia magna parte editus et praeceps pauca 
munimenta quaerebat Uns wäre es unbequem, die beiden 
parallelen Glieder durch „deren** oder „von denen" zusammen- 
zuhalten; wir machen daher das zweite abhängig und sagen: 
„von denen der eine eine starke Quelle enthielt, während der 



126 IX. Satzbau. 

andere bequem zu benutzen war". Diese Unterordnung des 
zweiten von zwei parallelen Gliedern kann bei längeren Perioden 
geradezu notwendig werden, weil die Parataxe im Deutschen 
dann nicht stark genug ist, um einen vom Anfang weit ab- 
stehenden Gedanken unter der Herrschaft eines vorausgehenden 
gemeinsamen Begriffes festzuhalten. Der Begriff, der alles 
Folgende zusammenfaßt, kann eine Negation sein oder ein 
regierendes Verbum, ein Fragewort oder eine Konjunktion. 
Zur Erläuterung diene eine Stelle aus Demosthenes, wo zwei 
Beispiele dicht hinter einander stehen, L Phil. 34 f. Der Redner 
hat den Athenern dringend geraten, mit ständiger Streitmacht 
und offensiv gegen Philipp den Krieg zu führen, schildert nun 
die Vorteile, die davon zu erwarten sind: xoG izdoysiv aötol 
xaxcoc IJo) 'yevT/oeo&s, oby^ woizep xov TrapeXOovta XP^vov eU A%- 
fjLVOv xal TjjLßpov ifjißaXcbv aly^^Lokwzoo^ TcoXixac ujiexepoüc tp/ex' 
£)ra)v, Trpbc tw Fepaioxc^ xa itXoTa auXXaßcbv dfjLuOiQxa )(pTQji.ax' 
sJsXeJsv, xä xsXeuxai* e?? Mapa&oiv' dTreßTQ xal xtjv tepdv dizh x^? 
/(opac «Jx®"^' ^X***^ '^P^'^P'^' 6jjLet? 8' oSxe xaöxa 86vao&e xcoXusiv 
oox' eU Touc XP^^^^^? Q^^ ^v 7cpo&Y]o&e, ßoTQ&eiv. xaixot xt 
ÖT^TCoxe, <o avSpec 'AOyjvaiot, vojitCexs X7]v jjl^v xcov nava&7]vata)v 
eopxYjv xat xy;v xojv Aiovüoicdv dsl xoü xa&T^xpvxoc xP^voü Yt^vsoftai, 
av xs Seivol Xdxcootv av x' töiÄxat ol xouxoiv ixaxipcuv kizi- 
jjLsXoöjjLevot, eU ä xooaüx' dvaXtoxexe yß-fiiia-iay oo' oö8' s^^ Iva 
xcüv dTTOoxöXcov, xat xooouxov oxXov xal TrapaaxeuiQV, ootjv oöx 
oI8' ei xt xÄv aTcdvxcüv sx^t, tobe 8' otTcooxoXouc irdvxac Ufiiv 
uoxeptCetv xcov xaipcov, xiv ek Me&coviQv, xiv s2? na^aoa'^, xov 
zk noxei8atav; Wollte man hier wörtlich übersetzen: „nicht 
wie es früher war, wo er . . . einfiel und . . . wegführte, . . . 
erbeutete und . . . einzog, zuletzt . . . landete und . . . weg- 
führte", so würde ein nachfolgendes „ihr aber dies nicht hindern 
könnt" kaum noch verstanden werden. Ebenso im zweiten 
Beispiel; auf das einleitende „warum, glaubt ihr, finden die 
Feste alle zur rechten Zeit statt?" folgen so viele Zwischen- 
sätze, daß ein abschließendes „eure Kriegszüge aber kommen 
alle zu spät?" in der Erinnerung keine Stütze mehr für seine 



Unterordnung im Deutschen statt ursprünglicher Beiordnung. 127 

logische Beziehung findet sondern wie losgelöst erscheint 
Wir helfen, indem wir die abfallenden Glieder aufs neue ab- 
hängig machen, von dem zunächst vorhergehenden Gedanken, 
und sie so mittelbar wieder unter die Herrschaft des Begriffes 
zwingen, der der ganzen Periode die Haltung bestimmte: „nicht 
wie es früher war, wo er . . . we^ührte, während ihr dies 
nicht hindern könnt. Und doch, warum glaubt ihr, finden die 
Feste zur rechten Zeit statt, ob nun . . ., während eure Kriegs- 
züge alle zuspät kommen?" 

In diesen Fällen war das zweite Glied wohl stärker betont, 
doch stand das vorhergehende sachlich wie grammatisch mit 
ihm auf einer Stufe; es kann vorkommen, daß das Übergewicht 
noch stärker ist, das erste Glied als logisches Element in 
Wahrheit eine dienende Stellung einnimmt. Dann tun wir gut 
dies auch in der Form zum Ausdruck zu bringen, eben weil 
es uns schwerer fällt, den Gedanken, nachdem ihm eine be- 
stimmte Richtung gegeben ist, lange in der Schwebe zu halten. 
So bei Xenophon Memor. II 7, 11: ouio) jjloi ooxetc xaXco? Xs^stv^ 
ü) Scüxpaxe?, woie Trpoa&ev jjlsv oü TrpootsjjLVjv 8avstoao&at, s{6ü>c 
Ott ... . oö)^ ejo) otTcoSouvat, vöv ös jjloi Soxco ei(; spytov 
acpopp.7]v uTTOfjLsvstv aüiö Troi^oat. Offenbar wäre es verkehrt 
zu sagen: „dein Vorschlag leuchtet mir so sehr ein, daß ich 
früher nicht borgen wollte, jetzt aber es tun werde"; es muß 
heißen: „daß, während ich früher mir nicht beikommen ließ 
Geld zu borgen, ich jetzt meine, daß ich mich dazu entschließen 
werde, um ein Betriebskapital zu bekommen". Hier ist also, 
umgekehrt wie vorher, das zweite Glied übergeordnet worden 
und mußte es werden, weil es den Hauptgedanken enthält. 
Etwas anders verfahren wir an einer ähnlichen Stelle der 
Odyssee, a 74 f.: ex xou öy] 'Ooüo^a Ilooeiöacüv ivootj^&tov oi> 
Tt xaxaxTsivet, TiXaCst S' octtö TcaxptSoc atY]C. „Seitdem läßt Po- 
seidon den Odysseus, wenn er ihn auch nicht tötet, doch fern 
von seinem Vaterlande umherirren": das wäre logisch richtig, 
aber durch die vorausschauende Periodisierung unhomerisch. 
Besser also: „seitdem läßt Poseidon den Odysseus — nicht 



128 IX. Satzbau. 

sterben, aber umherirren"; die Pause vor „nicht** deutet eine 
überraschende Wendung des Gedankens an, wie sie im Griechi- 
schen wirklich empfunden wird. — 

Homer kann uns warnen, daß wir den Geist unsrer Sprache 
nicht verkennen; denn der seinigen ist sie an konstruktiver 
Kraft ebenso überlegen, wie sie hinter der Syntax eines 
Demosthenes oder Cicero zurücksteht. In zwangloser Folge, 
wie die einzelnen Gedanken in das Bewußtsein des Sängers 
eintreten oder sich eindrängen, so werden sie vorgetragen, 
immer wieder durch das farblose 8s einer an deti andern ge- 
reiht. Natürüch darf man nicht meinen, der Dichter und seine 
Zuhörer hätten die mannigfachen logischen Beziehungen nicht 
empfunden; durch Gebärde und Betonung mochten sie sich 
Ausdruck verschaffen: nur um in grammatischer Form fixiert 
zu werden, dazu waren sie noch nicht klar genug erkannt. 
Beim Übersetzen nun können wir nicht anders, als das, was 
unsere Sprache schärfer zu erfassen gewohnt ist, auch bei 
Homer etwas derber anfassen und ein wenig vergröbern; damit 
kommen wir dem Eindruck, den die griechischen Hörer emp- 
fingen, doch immer noch näher, als wenn wir in bleierner 
Eintönigkeit jedes 6s mit „aber** oder, noch jämmerücher, mit 
jenem „nun" wiedergeben wollten, das in der Regel da sich 
einstellt, wo der Redende zu bequem ist sich das Verhältnis 
der Gedanken klar zu machen. Kein Zweifel, daß ein homerisches 
3s, in lebhaftem Vortrage richtig gesprochen, auf dieses Ver- 
hältnis hindeutete; wir, denen die Verse nur gedruckt vor Augen 
stehen, müssen erst die umgebenden Worte zu verstehen suchen, 
die Art des Zusammenhanges erkennen und dann diejenige 
deutsche Konjunktion wählen, die ihm entspricht. „So sprach 
er, Pontonoos aber mischte den honigsüßen Wein** (v 53): daß 
das falsch ist, begreift jeder leicht; denn was kann man von 
dem Herold anders erwarten, als daß er den Befehl des Königs 
ausführt? Also: „so sprach er, «/zöf Pontonoos mischte**. Oder 
(i 144 f.) o& 8s osXi^VT] oöpavo&sv Trpoucpaivs, xaxst/sxo 8^ vscps- 
saaiv: y^denn er verbarg sich hinter Wolken**. Ägisthos gehorchte 



Das homerische U. 129 

dem Hermes nicht (a43), vöv o' a&poa tcgcvt* dTrstiasv: „drum 
hat er jetzt alles auf einmal gebüßt". Die Schüler erlangen 
nach einigen Wochen, wenn sie zu solcher Überlegung ange- 
leitet werden, eine ganz hübsche Fertigkeit darin; und indem 
sie, um das richtige Wort zu finden, in den Zusammenhang 
einzudringen suchen, gewinnt dieser selbst für sie gesteigertes 
Leben. Noch ein paar Beispiele! Die Art, wie das Schiff der 
Phäaken durch die Wellen streicht, ist anschaulich beschrieben; 
dann heißt es (v 86): r^ hk jaoc^' dacpaXeco? Oeev sjxttsSov „so 
fuhr es sicher dahin, immerfort". Wie Telemach seine Rede 
in der Volksversammlung beendet hat, sagt der Dichter (ß 80 f.) : 
fi)C cpaxo }(a>o[xsvoc, i^otI Zh ax^Tuipov ßdXe yaiiQ Sdxpu ctvaTTpi^oac * 
olxtoc o' sXs Xaov airavxa: „da ergriff Mitleid das ganze Volk". 
Hier könnte man auch an „so daß" denken; aber die 
Wirkung würde, so nebensächlich erwähnt, nicht stark genug 
hervortreten. Anders z. B. i 290 inmitten einer Reihe von 
koordinierten Sätzen: sx 8' i^xscpaXoc /ajidSt? pie, oeue 8^ ^atav 
„floß zu Boden, so daß es die Erde benetzte". Und im ganzen 
wird es oft sich empfehlen, den Eindruck der homerischen 
Erzählweise, die doch einmal den Sinn ermüden könnte, dadurch 
zu mildern und zugleich das Verständnis des Gedankenganges 
zu erleichtern, daß man kleine Perioden bildet. So in der 
heftigen Rede des Antinoos ß 85 f. : TyjHfjLax' üij^aYopy], jxevos 
aa)^ST£, TTOiov sstTcs? r^\iia<; aiayovwvl sOeXoi? oe xs jxwjxov 
fivd^oii: „Großsprecher, Unbändiger, was hast du da gesagt, 
indem du uns schmähst, weil du uns einen Schandfleck anheften 
möchtest". Und später (p 456 f.) in den herausfordernden Worten 
des Bettlers an denselben Freier: 8? vuv dXXoTpiotat Tuap^jASvoc 
ou Tt |iot stXy]? atTou dTTOTTpoeXcüv o6[jL£vat * tä 0£ t:oXX& Ticxpeaitv: 
„obwohl da vieles vor dir liegt". Daß durch solche Freiheiten 
der Gesamteindruck des homerischen Stiles leiden könnte, ist 
nicht zu fürchten, sobald man sich zur Regel macht, eine 
Periode nur da herzustellen, wo sie durch besonders enge 
sachliche Verbindung eigentlich schon gegeben ist. Dann aber 
gibt es kaum eine deutsche Konjunktion, die nicht gelegentlich 

Cauer, Die Kunst des Übersetzens. 3. Aufl. 9 



130 IX. Satzbau. 

für 8e eintreten könnte; z. B. auch, um noch eine recht un- 
wahrscheinliche zu nennen, „wenn**. In dem schönen Vergleich 
des Menschenlebens mit dem Fallen und Sprießen der Blätter 
(Z 147 f.: cpuXXa xä jjiv x avejjioc yoL\idhi^ j^iet, iWa Ss &' üXtq 
TTfjXe&ctouoa cpüst — sapo? 8' iTri^t^veTai ÄpTj) würden wir sagen: 
„wenn die Zeit des Frühlings herankommt". Oder, wie Odysseus 
den Probeschuß getan hat und nun zu ernsterer Arbeit sich 
rüstet (y^ 6 f.): vuv a5xe axoir^v aXXov, 8v oo ttco xi^ ßaXev avVjp, 
eroojiai, aX xs x6)fa)ji,t, TcopiQ 8e jxoi e3)roc WiroXXcov: ^etzt will 
ich ein anderes Ziel versuchen, ob ich es treffe, falls Apollon 
mir Ruhm verleiht". — 

Das Kapitel über den Satzbau hat uns länger beschäftigt 
als irgend eines der früheren. Zum Teil hatte dies in der 
äußeren Gestalt und dem Umfang der Beispiele seinen Grund, 
zum Teil doch auch darin, daß hier manche der vorher eröffneten 
Betrachtungen zusammengefaßt und abgeschlossen werden 
mußten. Von Vollständigkeit ist trotzdem gerade dies Kapitel 
besonders weit entfernt; und niemand wird sie von einer Dar- 
stellung wie der hier gebotenen erwarten. Einen anderen 
Vorwurf dagegen könnten manche erheben; dem zu begegnen 
seien wenige Worte noch hinzugefügt. 



Schluß. 



Fortleben der Aufgabe. 

Wenn sich der Geist der Geister will entfalten 
Wird unablässig er das Wort erneuen. 

Gottfried Keller. 

Zu festen, allgemein giltigen Gesetzen sind wir nirgends 
gelangt; immer wo im einzelnen ein solches gefunden zu sein 
schien, mußte auf ein entgegenstehendes Bedenken hingewiesen 
werden, das auch seine Rücksicht verlangte, auf ein Bedürfnis 
des Ausdrucks, das in Gefahr geriet vernachlässigt zu werden: 
die letzte Entscheidung blieb fast durchweg dem sprachlichen 
Takt überlassen. Dies ist nun freilich gerade das, was beab- 
sichtigt war. Nicht ein System von Regeln wollten wir gebeij, 
die sich einfach und sicher überall anwenden ließen, sondern 
durch gewählte Beispiele eine lebendige Anschauung vom Wesen 
der Sprache und ihrem Verhältnis zum Denken erwecken helfen, 
aus der dann für jeden, der von ihr durchdrungen wäre, von 
selbst im einzelnen Falle ein guter Gedanke erwachsen könnte. 
Auch in der Einleitung wurde nichts anderes versprochen. 
Trotzdem konnte Tadel gegen ein solches Verfahren nicht 
ausbleiben; zu sehr widersprach es der heute herrschenden 
Denkweise, für welche überall „die** richtige Methode das ist, 
was man sucht oder, kaum weniger bescheiden, gefunden zu 
haben meint. Oskar Jäger hat sich gelegentlich^^) den Ausspruch 
eines geistreichen Franzosen angeeignet: une langue parfaite 
serait la v^rit^ mime; so könne man auch sagen, daß eine voll- 
kommene Übersetzung das Original selbst sein würde. Gewiß; 

9* 



132 Schluß. 

aber wir dürfen in seinem Sinne hinzufügen: solche Vollkommen- 
heit bezeichnet eine Grenze, der wir uns nähern sollen, die aber 
nie erreicht werden kann. Und es ist gut, daß es so ist; Menschen 
müßten sonst aufhören Menschen zu sein. So lange sie das 
bleiben, wird auch ihr Denken und Sprechen seinen Reiz und 
seinen unerschöpflichen Wert gerade in dem haben, was seine 
Schwäche ausmacht, in der Verschiedenheit der Auffassung 
desselben Gegenstandes durch verschiedene Geister. Ließe sich 
nicht eine Steigerung der Technik denken, durch welche es 
möglich wäre, daß ein so schwieriges Musikstück wie eine 
Beethovensche Sonate durch ein Uhrwerk fehlerlos und mit 
vorzüglichen Klangmitteln abgespielt würde? Aber würde der 
Genuß, dem zuzuhören, größer sein, als wenn Bülow dasselbe 
Werk vortrug? Gewiß nicht. Wir würden die künstlerische 
Wirkung vermissen, jenes unfaßbare Element, das zwischen 
Idee und Ausführung sich einschiebt, mathematisch betrachtet 
den Vortrag ungenau macht, ihn bald hemmt bald leise 
beschleunigt, den Ton dämpft oder verstärkt und eben 
durch solche fast unmerkliche und zum guten Teil wohl un- 
gewollte Abweichungen den Hörer fortreißt den Sinn der 
Töne zu verstehen, das mitzuempfinden was der Vortra- 
gende in ihnen gefühlt hat. Einer Sprache, die nicht irren 
könnte, die ein unmittelbarer Abdruck der Wirklichkeit wäre, 
würde die Seele fehlen, so gut wie dem Lichtbild oder der 
Spieluhr. 

Die Stellung des Übersetzers zu dem Texte, den er aufleben 
lassen will, ist ähnlich wie die des ausübenden Musikers zu 
seinem Kunstwerk oder des Schauspielers zu seiner Rolle. Den 
beiden letzten ist es gemeinsam, daß die künstlerische Leistung 
mit dem Augenblicke vorüberrauscht, der sie geboren hat, und 
jedesmal von neuem erzeugt werden muß. Für die Kunst des 
Übersetzens gilt dies eigentlich nur von dem mündlichen Vor- 
trag, und diese Vergänglichkeit verleiht der scheinbar eintönigen 
Arbeit des Lehrers in der Schule ein eigentümliches Leben. 
Immer tiefer dringt er im Laufe der Jahre in den Stoff ein, 



Fortleben der Aufgabe. 133 

mit immer reiferem Verständnis sucht er ihn zu gestalten, immer 
neue Generationen von Schülern sind es, die dazu mitwirken. 
Aber auch im großen erfährt doch die Nation etwas Ähnliches. 
Treffend bemerkt Gidionsen in der Vorrede zu seiner Übersetzung 
der Ars poetica (Kiel 1865): „Wenn wir wirklich den Horaz 
„reden lassen sollen wie einen Originaldichter, so scheint zu 
„folgen, daß er, um zeitgerecht zu bleiben, mit jedem Jahrhtmdert 
„anders wird reden müssen." Auch Humboldt erkannte dies. 
„Übersetzungen", sagte er (HI 21), ^sind mehr Arbeiten, welche 
„den Zustand der Sprache in einem gegebenen Zeitpunkt wie 
„an einem bleibenden Maßstab prüfen, bestimmen und auf ihn 
„einwirken sollen, und die immer von neuem wiederholt werden 
„müssen, als dauernde Werke". 

Um dies recht zu verstehen, braucht man nur Luthers 
Neues Testament mit dem von Weizsäcker oder von Stage zu 
vergleichen. Die Sprache des Reformators macht einen ehr- 
würdigen Eindruck, weil sie altertumlich ist und von der des 
täglichen Lebens abweicht; aber eben deshalb bedarf sie vielfach 
des erklärenden Wortes, und das tut der ins Innere dringenden 
Wirkung Abbruch. Man kann geradezu sagen: daß die christ- 
liche Religion einem Teil der jetzt lebenden Deutschen fremd 
geworden ist, rührt mit daher, daß wir keine Übersetzung der 
Bibel haben, die ebenso vom Geist unserer Zeit und Sprache 
getragen wäre wie Luthers Werk von dem des sechzehnten 
Jahrhunderts. Oder auch umgekehrt: wenn die Religion im 
protestantischen Volke eine stärkere Macht wäre, so würde sich 
diese Tatsache durch die Schöpfung eines neuen deutschen 
Bibeltextes, der den Lutherschen ersetzen könnte, Ausdruck 
verschaffen. Die Arbeit der Revisions-Kommission mußte not- 
wendig Flickwerk bleiben; das Urteil, das Paul de Lagarde über 
sie gefällt hat ^2)^ ^ar wohl kaum zu hart. Mit Homer steht 
es, wiewohl in geringerem Grade, ähnlich. Es gehört heute 
zum guten Ton das Werk des wackeren Voß zu verspotten; 
auch in Wilamowitz' Augen findet es keine Gnade (Hippel. S. 8). 
Und das ist ja richtig: vieles darin mutet uns seltsam an; 



134 Schluß. 

Dias und Odyssee würden fleißiger gelesen werden, wenn es 
eine Übersetzung gäbe, in der wir mehr unsere eigene Sprache 
vernähmen. Aber ist das ein Vorwurf für den Eutiner? Viel- 
mehr ist es zum guten Teile sein Verdienst, daß wir über ihn 
hinausgekommen sind; die starke Wirkung, die von ihm aus- 
ging, hat gemacht, daß er veraltete ^^. Vielleicht ist es bald 
an der Zeit Homer von neuem zu übersetzen, und zwar, wie 
Goethe einmal geraten hat, zunächst in Prosa ^). Dies war die 
erste von drei Stufen, die er für die Übersetzungskunst unter- 
schied. Er wird auch hier recht haben; nur darf man nicht 
vergessen, worauf er selbst hinweist, daß die Epochen sich nicht 
reinlich von einander scheiden. Dem, der Kraft und Trieb 
zu poetischem Schaffen in sich fühlt, wird niemand verwehren 
der Wissenschaft vorauszueilen und sich an der künstlerischen 
Nachbildung eines Literaturwerkes zu versuchen, dessen sprach- 
liche Erklärung noch nicht überall im reinen ist; und umgekehrt 
soll man den Gelehrten nicht schelten, wenn er fortfährt an 
der Prüfung und Deutung von Gedanken zu arbeiten, die 
schon in bestimmter Auffassung und Übertragung ein Gemein- 
gut seines Volkes geworden sind. Ja, die Perioden wieder- 
holen sich im Laufe der Jahrhunderte, wenn der Portschritt in 
der Entwicklung der eigenen Sprache und im philologischen 
Verständnis der fremden stark genug geworden ist, um die 
Rückkehr von der höchsten Art der Übertragung zur schlichte- 
sten zu verlangen, wo denn Arbeit und Wachstum von neuem 
beginnen. 

In dieser Irrationalität des Verhältnisses zwischen Original 
und Übersetzung liegt zugleich der entscheidende Grund, weshalb 
wir nicht aufhören dürfen griechische und lateinische Texte zu 
lesen und deren selbsterarbeitetes Verständnis als wichtigsten 
Teil derjenigen Art von höherer Bildung zu pflegen, die sich 
überhaupt auf das Altertum gründet. Es heißt wohl, das sei 
überflüssig; denn eine gute gedruckte Übersetzung biete inhalt- 
lich vollkommen dasselbe, nur in bequemerer Form. Das ist 
ungefähr so, als wenn jemand sagen wollte, es sei nicht nötig 



k 



Fortleben der Aufgabe. 135 

nach Italien zu reisen um Rafael und Tizian zu studieren, weil 
man ihre Werke in guten Kupferstichen handlicher und billiger 
überall haben könne. Richtig ist ja dies: Felsen und Bäume, 
Gewölbe Fenster Türen, Tiere und Menschen in Gruppierung 
und gegenseitiger Haltung, auch in Gesichtszügen und Gebärden 
der einzelnen, zeigt die Nachbildung ebenso deutlich wie das 
Gemälde, oft genug deutlicher. Wo die bunte Fülle der Farben 
den ungeübten Blick verwirrt, in zartester Abtönung unmerklich 
eine in die andere übergeht, wo im Original durch das Alter 
Dunkelheiten entstanden sind, da tritt der Kupferstecher als 
Interpret ein und gibt in klareren Strichen ein Bild dessen, 
was seiner Ansicht nach der Künstler hat darstellen wollen. 
Aber von diesem Vermittler sind wir nun abhängig: wir sehen 
immer nur einen Teil der ursprünglichen Schöpfung, das was 
mit farbloser Zeichnung sich greifen läßt, und auch dies nicht 
mit eignen Augen, sondern so wie ein andrer es gesehen hat. 
Auch die reproduzierende Kunst hat ihre Geschichte; dem 
Einfluß ihrer Wandlungen können sich die einzelnen, die zu 
bestimmter Zeit und an bestimmtem Orte sie ausüben, nicht 
entziehen. Volpatos Stich der Schule von Athen ist etwas 
merkbar anderes als der moderne von Louis Jacoby; und doch 
ist der „Inhalt" beider Bilder genau derselbe. Worin hier und 
in ähnüchen Fällen der Unterschied besteht, traue ich mir nicht 
zu so im Vorbeigehen zu definieren: genug, er ist vorhanden 
und wird empfunden ; und der Versuch ihn zu beschreiben führt 
auf ein intimeres Verständnis des Kunstwerkes selber hin. 
Wirklich ins Innere zu dringen und von der Seele des schaffenden 
Künstlers unmittelbar berührt zu werden vermag nur, wer sich 
mit empfänglichem Auge in die Farbenpracht des Originales 
vertieft. Hat er dazu noch Geschicklichkeit und Muße, um das 
was er sieht festzuhalten und mit eigner Hand aufs Papier zu 
bringen, dann ist die so entstandene Zeichnung, mag sie 
künstlerischen Ansprüchen noch so wenig genügen, für ihn doch 
wertvoller als die beste Wiedergabe von der Hand eines Meisters; 
denn sie bedeutet ihm Selbsterarbeitetes, Selbsterlebtes. 



136 Schluß. 

Auf eben diesen Standpunkt den Kunstwerken der Literatur 
gegenüber führen wir den, dem wir dazu verhelfen sie in der 
Sprache zu lesen, in der sie geschaffen sind. Mag die Über- 
setzung, die er sich zurechtmacht, schlechter sein als manche 
gedruckte, das schadet nichts; der Segen jeder geistigen Arbeit 
liegt nicht so sehr in dem Resultate, das durch sie erreicht, 
als in der Betätigung der Kräfte, die dabei aufgeboten wird. 
Ja, die Mängel und Anstöße, die beim Suchen nach Verständnis 
und Ausdruck stehen bleiben, bringen sogar Nutzen; denn da 
sie dem, der sich redlich abmüht, selber am deutlichsten zum 
Bewußtsein kommen, so lassen sie allmählich in ihm die Ein- 
sicht hell werden, daß eine vollkommene Lösung der Aufgabe 
überall unmöglich ist. Oft genug wird es vorkommen, daß ein 
Primaner einen Gedanken bei Homer, Sophokles, Piaton klar 
versteht, auch in den feineren Schattierungen die etwa durch 
Modus und Partikeln gegeben werden nachempfindet, ohne daß 
sich doch ein ganz entsprechender deutscher Ausdruck finden 
läßt; man kann die Nuancen umschreiben, dann wirken sie 
breit und schwerfällig — oder weglassen, dann ist die Wieder- 
gabe unvollständig. Gedanke und sprachliche Form verhalten 
sich eben nicht wie Kern und Schale, deren einen man 
aus der andern reinlich lösen mag, nicht wie der Leib zum 
Gewände, das er ablegen und vertauschen kann, sondern 
sie sind vom Ursprung her in einander verwachsen. Solche 
Erkenntnis macht bescheiden in bezug auf das Verständnis 
überlieferter Gedanken, das man sich zutraut. Und diese 
Bescheidenheit erworben zu haben ist an sich schon ein Preis, 
der die Mühe des Studiums einer fremden und fremdartigen 
Sprache lohnt. 

Im Grunde ist es ein negativer Gewinn, daß man die Be- 
ziehung zwischen Sprechen und Denken vorsichtig würdigen 
lernt, und nicht meint man habe einen Begriff, wenn man ihn 
benennen kann. Aber dies ist nicht das einzige, was bei treuer 
Arbeit des Übersetzens gewonnen wird. Wer sich als denkender 
Mensch — und das sind doch unsere Schüler — an ihr beteiligt, 



Fortleben der Aufgabe. 137 

nimmt dadurch an jenem geistigen Prozeß teil, der durch die 
Jahrhunderte geht, und der nicht aufhören wird, weil die 
Forderung, die ihn in Gang hält, immer neu erwächst. Diese 
ist: daß wir in stetem Verkehr mit den an ursprünglicher Stärke 
überlegenen Sprachen des Altertums den Geist und die Form 
der eigenen Rede stählen, und dabei aus solchem Jungbrunnen 
immer gerade die Kräfte schöpfen, deren wir, das zur Zeit 
lebende Geschlecht, bedürfen, um gesund zu bleiben. Die 
Menschen mit ihren Schwächen ändern sich; so ändert sich 
unmerklich auch die Art der Hilfe, die sie für Klärung und 
Festigung ihres Denkens in den alten Sprachen suchen müssen 
und finden können. 

So betrachtet ordnet sich die Tätigkeit des Übersetzens 
einer allgemeineren Aufgabe unter. Auch Religion und Sitte, 
Recht und Gesetz, Wissenschaft und Kunst der Griechen und 
Römer fordern unsere Kraft heraus; auch für diese Seiten des 
antiken Lebens gibt es immer wechselnde Auffassungen, weil 
es immer wieder veränderte moderne Kulturstufen sind, die 
sich mit der alten Kultur vergleichen und sie nach eigenem 
Maße messen. Wer die wirtschaftlichen und politischen 
Leistungen der Alten erkennen will, muß analoge Verhältnisse 
imd Vorgänge in der modernen Welt aufsuchen, um zu wirk- 
licher Anschauung den Stoff zu gewinnen; wobei er denn 
umgekehrt die eigne Zeit richtig schätzen lernt, indem er 
durch Vergleichung mit Fremdem in ihren Erscheinungen das 
Wesentliche herausfindet^^). Wenn ihm manches deutlicher 
wird als seinen Vorgängern, so soll ihn der Gedanke bescheiden 
machen, daß, die nach ihm kommen, über ihn hinwegschreiten 
werden. Jede Generation glaubt das Altertum zu verstehen 
und fühlt sich ihm verwandt; und jede versteht es doch anders 
als die vorige. So ist es den großen Schöpfungen der Vorzeit 
vergönnt, nicht nur unvergänglich zu dauern, sondern auch 
Gestalt, und Antlitz zu wechseln, als ob sie noch fortwüchsen, 
uns aber, mit ihnen wie mit lebenden zu verkehren und an 
ihnen zu werden. Man hat gegen diese Betrachtungsweise 



138 Schluß. 

eingewendet, sie sei wohl gut für den Gelehrten, könne aber 
dem Schüler nichts nützen; dies Buch möchte für sein engeres 
Gebiet den Beweis geführt haben, daß das ein Irrtum ist. 
Auch die Kleinarbeit der Schule wird dadurch gefördert, daß 
man sie an die allgemeinen Probleme, die das Geistesleben 
bewegen, anknüpft; und die ernsten Gedanken der Wissenschaft 
werden für die Entwickelung der Menschheit erst dann recht 
fruchtbar, wenn sie mit irgend welchen ob auch entfernten 
Ausläufern in die Tätigkeit hineinreichen, mit der an der Er- 
ziehung des heranwachsenden Geschlechtes gearbeitet wird. 



Exkurs zu Seite 20. 



Über das Präparieren. 

Durch das neueste Prüfungs-Reglement wird der Gebrauch 
eines Lexikons bei der Übersetzung aus dem Griechischen aus- 
geschlossen. Das bedeutet scheinbar eine Erschwerung, in 
Wahrheit eine bedenkliche Erleichterung der Aufgabe. Denn 
natürlich wird nun die Menge der Hilfen, die der Lehrer zu- 
gleich mit dem Texte gibt, vergrößert werden müssen. Das 
Reglement sieht nicht bloß diese Vermehrung vor, sondern 
will auch gestatten, daß noch während der Arbeit auf Wunsch 
weitere Hilfen hinzugefügt werden: vollends eine unglückliche 
Bestimmung. Sie schadet den Bescheidenen, belohnt die Vor- 
lauten und gibt, was schlimmer ist, jedem die Möglichkeit, durch 
ein Gespräch mit dem Lehrer absichtlich oder unabsichtlich die 
Mitarbeitenden sei es aufzuklären oder zu verwirren. Denn 
durch törichte Fragen, die sie mit anhören, können Angstliche 
von einer richtigen Fährte abgebracht werden; aus dem was 
ein Gescheiter fragt werden aufmerksame Zuhörer die Voraus- 
setzung der Frage und damit oft den für das Verständnis 
entscheidenden Gedanken entnehmen. Doch auch wenn dieser 
Mißbrauch, der vom Gebrauch kaum zu trennen wäre, durch 
freigebig im voraus diktierte Erläuterungen vermieden wird, 
so bleibt solche Freigebigkeit an sich ein Übel. Ungewöhnliche 
Vokabeln hat man auch bisher schon angegeben, weil die Mühe, 
sie im Lexikon aufzusuchen, eine Arbeit ohne geistigen Inhalt 



140 Exkurs 

ist. Künftig aber wird man auch von bekannten Worten etwas 
sagen müssen, wenn sie in ungewohnter Konstruktion oder in 
einer etwas weiter abgeleiteten Bedeutung vorkommen, die 
das Bedenken erweckt, ob sie auch allen erkennbar sein werde. 
Und trotzdem kann es dem Lehrer passieren, daß er ein Wort 
für bekannt oder durchsichtig hält, das nachher doch nicht 
verstanden wird und durch seine falsche Deutung den Sinn 
eines ganzen Abschnittes über den Haufen wirft. 

Die unvermeidliche Folge der neuen Bestimmung ist, daß 
die griechische Arbeit der Abiturienten entweder den Charakter 
einer selbständigen Leistung verliert oder mehr und mehr an 
Texten leichtester Art geleistet wird, die unter das Niveau, 
dem sonst die Lektüre der Primaner angehört, hinabsteigen. 
Sollte dies die Absicht gewesen sein? Doch wohl kaum. Eher 
möchte man glauben, daß die Unterrichtsverwaltung durch die 
Klagen mancher Schulmänner beeinflußt worden sei, die davon 
berichteten, wie unverständig oft während der Prüfung das 
Lexikon gewälzt, kostbare Zeit vergeudet. Irreführendes heraus- 
gelesen werde. Auch mir sind solche Klagen bekannt geworden. 
Sollten sie den Tatsachen entsprechen, so würden sie ein sehr 
ungünstiges Zeugnis bedeuten, das wir uns selber ausstellen: 
der philologische Unterricht auf dem Gymnasium bringt die 
Schüler nicht so weit, daß sie beim Übergang auf die Uni- 
versität die Fähigkeit besitzen das Lexikon richtig zu gebrauchen ; 
d. h. er bringt sie nicht dahin, das sie einen alten Autor auf 
eigene Hand lesen können. 

Hier sind diese Erwägungen nur deshalb angedeutet worden, 
weil durch sie in erhöhtem Grade die Pflicht begründet wird, 
auf der Schule und im Unterrichte selbst zu vernünftiger Be- 
nutzung des Lexikons anzuleiten. Für die oberen Klassen ist 
uns das durch eben jene Vorschrift erschwert. Denn während 
es bisher doch wohl die Regel war, daß in Obersekunda und 
Prima zu schriftlichen Klassenarbeiten das griechisch-deutsche 
und lateinisch-deutsche Lexikon mitgebracht wurden, wo dann 
der Lehrer Gelegenheit hatte, hemmend ratend zurechtweisend 



über das Präparieren. 141 

einzugreifen, sind wir jetzt genötigt, wenigstens die Primaner 
an die Art des Arbeitens zu gewöhnen, die in der Reifeprüfung 
gefordert wird, also ohne Wörterbuch. Auf den vorhergehenden 
Stufen aber, die für Gewöhnung an richtiges Arbeiten die 
grundlegenden sind, hindert uns niemand das Naturgemäße 
zu tun und dadurch, so viel an uns liegt, die Schüler vor dem 
Schaden zu bewahren, den die Spezialwörterbücher und erst 
recht die gedruckten Präparationen von der Art der Kraft- und 
-Ranke'schen stiften. Die Praxis, die sich auf diesem Gebiete 
seit einigen Jahren unter meiner Mitwirkung ausgebildet hat, 
soll hier zunächst kurz beschrieben werden. 

Gleich nach Ostern bringen die Untertertianer ihr lateinisches 
Lexikon mit in die Schule, das dann 2 bis 3 Wochen dort bleibt 
um in jeder Lektürestunde zur Hand zu sein; auch der Lehrer 
hat ein solches Buch vor sich, und nun werden unbekannte 
Vokabeln gemeinsam gesucht.. Manche stellen sich sehr unge- 
schickt an, die einfachsten Handgriffe müssen ihnen gezeigt 
werden: die Art des Blätterns, daß man nicht Seite für Seite 
umschlägt sondern ein Päckchen auf einmal, nicht aUe Wörter 
einer Kolumne durchsieht sondern sich an die Stichwörter oben 
am Rande hält, ebenso wie innerhalb des einzelnen Artikels 
an die fett oder gesperrt gedruckten Grundbedeutungen. Wie 
die Abkürzungen zu ergänzen sind, wissen kleine Menschen 
doch nicht von selbst. Auch wenn, was nicht einmal überall 
der Fall ist, ein erläuterndes Verzeichnis dem Buche vorgedruckt 
ist, muß ihnen gezeigt werden, wie man das zu Rate zieht; 
und manches dort gefundene Wort bedarf noch weiterer Er- 
klärung. „Freq(uentativum) , Intens(ivum)" mögen aus dem 
grammatischen Unterricht bekannt sein; aber was mit „fig(ürlich)" 
oder „trop(isch)" oder auch deutsch „übertr(agen)" gemeint 
ist, muß irgend einmal gelehrt werden. Auch darauf tut man 
gut hinzuweisen, daß eine dem Kennwort eines Artikels in 
Klammern beigefügte Vokabel ein verwandtes Wort ist, in der 
Regel das von dem jenes abgeleitet werden kann. Die Auf- 
merksamkeit auf den etymologischen Zusammenhang wird 



142 Exkurs 

namentlich später dem Suchenden viel nützen können — 
Beispiele dafür sind schon früher (S. 28) dagewesen — und 
mag in Obertertia, wo sich im Anschluß an Xenophon ähnliche 
Übungen mit dem griechischen Wörterbuch wiederholen, aus- 
drücklich anerzogen werden. 

Ohne daß der Name „Etymologie" gebraucht wird, läßt sich 
der Sinn dafür schon früh wecken. So fest den Jungen das 
Gefühl eingepflanzt werden soll, daß Raten ungefähr das Ärgste 
ist, was sie — zu eignem Schaden und eigner Schande — tun 
könnten, so heilsam ist es, ihnen zu zeigen, wie man durch 
Nachdenken zu vernünftigen Vermutungen kommt. Wenn 
Wörter wie impune, difficultas als fremde im Cäsar begegnen, 
so mögen die Schüler, zuerst durch Fragen des Lehrers geleitet, 
sie zerlegen und erklären und dann im Lexikon nachsehen, ob 
sie das Rechte gefunden haben. Überhaupt ist das eine wichtige 
Sache, daß sie lernen auch bekannte Wörter nachzuschlagen; 
aber nicht planlos, im dumpfen Gefühl der Unzulänglichkeit 
des eignen Wissens, sondern immer mit einem bestimmten 
Ziele. Vexillum proponendum, quod erat insigne, cum ad arma 
concurri oporteret: so lasen wir kürzlich bell. Gall. n 20 bei 
Gelegenheit solcher Übung. Alles war richtig übersetzt, nur 
insigne „ausgezeichnet" stimmte nicht: und nun suchten wir 
nach, ob das Wort auch etwas andres heißen könne. His 
difficültatibus duae res erant subsidio, steht wenige Zeiten später. 
Hier war subsidium bekannt; aber „Hilfe, Beistand" für Schwierig- 
keiten? ja wenn es „Abhilfe" bedeuten könnte! Das war durch 
Überlegung gefunden, wurde nun durch das Wörterbuch be- 
stätigt. Auch einen falschen Weg einzuschlagen wird man bei 
dieser gemeinschaftlichen Arbeit die Schüler nicht hindern, 
vielmehr getrost eine Grundform oder Vokabel mit suchen, die 
es gar nicht gibt, um nachher desto wirksamer zeigen zu können, 
wie man aus dem Gefundenen oder Nichtgefundenen sich 
selber korrigiert. 

In Obertertia im Griechischen wird diese Kunst weiter vervoll- 
kommnet. Die Schulwörterbücher führenja die wichtigsten Formen 




über das Präparieren. 143 

der eigentlich unregelmäßigen Verba in der alphabetischen Reihe 
mit auf; aber es bleibt doch noch manches, was dem Anfänger 
Not macht. Wenn exü/e, eöoSe zufällig in einer Lexikon- 
Stunde zum ersten Male vorkommen, so ist es ganz natürlich, 
daß die Jungen tü^- 8oJ- aufsuchen; da finden sie denn ttl/Yj 
Soja, dahinter aber in Klammern TüY/avco Soxsco, und es ist 
nicht zu viel verlangt, daß sie nun selber erkennen sollen: das 
werden die Verba sein, von denen stü/s sSoJs herkommen. 
Sehr schön, wenn einer solche Findigkeit von Natur besitzt; wem 
sie aber fehlt, der darf doch nicht einfach seinem Schicksal über- 
lassen werden, sondern wir wollen versuchen sie ihm anzuge- 
wöhnen. Schadet gar nichts, wenn in solchen Stunden äußerlich 
wenig geschafft wird; das Opfer an Zeit macht sich in späteren 
Jahren bezahlt. Daß ostoa? ösioaviec unter Sstoo) verzeichnet 
stehen, kann ein jugendlicher Leser der Odyssee nicht von selber 
wissen; er schlägt Seio- auf, findet Seto^vtop ostoiSaijAtüv, und 
sieht aus dem in Klammer beigefügten Setoo), wohin er weiter 
sich zu wenden hat. Zu ßsßpwosxai sucht er ßpo)- und wird 
durch das Stichwort „ßpwot? (ßißptüoxo))" auf den rechten 
Weg geführt. 

Nachdem die Stelle im Lexikon gefunden ist, kommt es 
darauf an, aus dem was dort steht das Richtige zu entnehmen. 
Das Wort im Zusammenhang der Rede und dasselbe als Gegen- 
stand eines Artikels im Wörterbuch sind nicht dasselbe Ding: 
auch wer dies noch nicht theoretisch sich klar machen kann, 
soll es fühlen und praktisch befolgen. Gewiß nicht bloß mir 
sind Sekundaner vorgekommen, die, weil sie iji^cpoc als „Stimm- 
stein", contio als „Volksversammlung" kennen oder erklärt 
gefunden haben, nun meinen übersetzen zu müssen: „mit diesem 
Stimmstein abstimmen" (Herodot IX 55), „nachdem das Volk 
zur Volksversammlung gerufen war" (Liv. XXni 3, 1). Weist 
man dergleichen Pedanterien zurück, so berufen sie sich wohl 
auf den gedruckten Gewährsmann. Deshalb lautet eins meiner 
Zehngebote, schon seit vielen Jahren: Du sollst nicht sagen 
„es steht so im Lexikon". Was dort steht, ist aufgespeichertes 



144 Exkurs 

Material, aus dem ein denkender Mensch das herausnehmen 
soll was er braucht, um es in dem Zusammenhang eines ihm 
vorliegenden Gedankens lebendig werden zu lassen. Allerdings 
könnte für gute, d. h. innerlich begründete Ordnung des 
Materials in den Wörterbüchern selbst noch manches geschehen. 
Der Schüler darf nicht einer bunten Speisekarte von Bedeutungen 
gegenübergestellt sein, die ihm nur das Gefühl gibt, daß wer 
die Wahl hat die Qual hat. Er muß erkennen können — wenn 
auch nicht gleich begrifflich formulieren — , wie sich die ver- 
schiedenen Gruppen von Bedeutungen, die im Druck hervor- 
gehoben sind, zu einander verhalten, damit er bestimmen kann, 
welcher Gruppe die Anwendung, die er gerade im Texte vor 
sich hat, angehört Dabei mag er fehlgreifen und nachher den 
Fehler berichtigen, das kommt überall vor; nur soll er nicht 
verleitet werden ratlos herumzuprobieren. 

Unter den Gesichtspunkten, von denen aus die Lebens- 
äußerungen eines Wortes einheitlich betrachtet und in ihrer 
Verzweigung durchschaut werden können, bleibt der wichtigste 
immer der Unterschied von Grundbedeutung und abgeleiteter 
Bedeutung, der sich besonders häufig als Gegensatz von körper- 
licher und ins Geistige übertragener Anwendung darstellt. 
Dieses Verhältnis kann in der Schule gar nicht früh genug 
deutlich gemacht werden. Und zwar geschieht das zunächst 
am besten in ganz hausbackener Weise, indem man auf jenes 
„trop." oder „übertr." aufmerksam macht und zeigt, wie im 
Lexikon immer diese Hauptgruppen einander gegenüberstehen, 
so daß der Leser sich jedesmal darüber klar werden muß, in 
welcher von beiden er zu suchen hat. Allmählich befestigt sich 
so die Gewohnheit, den mannigfaltigen Gebrauch eines Wortes 
als Wachstum aus fruchtbarem Keime anzusehen. Und von 
da aus wird es schon in Sekunda gelingen, vollends in Prima 
nicht schwer fallen, in den jungen Menschen den Trieb zu 
wecken und zu pflegen, der auf das Ursprüngliche geht und 
es wieder hervorzieht. Dafür leisten uns auch die besseren 
Lexika nicht ganz die Hilfe, die wir brauchen, indem sie gern 



über das PräpariereD. 145 

für einzelne Fälle eine unnötig freie Übersetzung geben, deren 
Zusammenhang mit der eigentlichen Bedeutung des Wortes 
der Schüler nicht mehr erkennen kann. In einer Homerstunde, 
der ich zuhörte, wurde für Sit oE (ppeolv aptta -^öet (E 326) 
gesagt: „weil er mit ihm eines Sinnes war**; das stehe so bei 
Benseier. Als ich nach der Herleitung des freien deutschen 
Ausdruckes und zu dem Zweck nach der Bedeutung von apxia 
fragte, erhielt ich die überraschende Antwort: „Glieder"* Was 
hatte nun diesem Jünghng das Aufschlagen des Lexikons ge- 
nützt? Freilich war es seine Schuld, daß er mit den Augen 
anstatt mit dem Verstände suchte; aber daß er dabei etwas 
fand ohne zur Betätigung des Verstandes genötigt zu werden, 
war die Schuld des Buches. Ein andrer half aus; und wir 
erkannten leicht, daß im Ausdrucke gar nichts geändert, nur 
nominale und verbale Form getauscht zu werden brauchte: 
„weil er in der Gesinnung zu ihm paßte". — Derselbe Benseler- 
Kaegi übersetzt die Worte des Wächters in der Antigene (225) 
i:oXXäc 7Äp lo)^ov ©povTiScov iTTioTotostc abstrakt und farblos: 
^mir kamen manche sorgliche Gedanken". Einer meiner eignen 
Schüler, dem ich das zurückwies, erwiderte sogleich: „Ja, 
eigentlich heißt es: ich hatte vielfachen Aufenthalt der Ge- 
danken". Bleiben wir doch beim Eigentlichen, wenn auch ein 
etwas ungefüges Deutsch herauskommt; eben solches Griechisch 
wollte Sophokles den Mann aus dem Volke reden lassen. All- 
gemein aber: die Welt ist heute so voll von Uneigentlichem 
und Unechtem, daß wir alle Ursache haben in heranwachsen- 
den Menschen die Freude am Echten und Eigentlichen zu 
pflegen. 

Den starken Beitrag hierzu, den die Lektüre der Alten 
bietet, flüssig zu machen ist nun freilich in erster Linie eine 
Aufgabe des Lehrers, der durch persönhches Wirken auch die 
Hemmungen überwinden soll, die von etwaigen Mängeln der 
gedruckten Hilfsmittel ausgehen. Zu diesem Zwecke ist es 
nicht nur nützlich sondern doch wohl notwendig, daß auch mit 
reiferen Schülern, die selbständig präparieren, doch daneben 

Cauer, Die Kunst des Übersetzens. 3; Aufl. JQ 



146 Exkurs 

das gemeinsame ex tempore Übersetzen als regelmäßige Übung 
beibehalten wird. Nur so behält der Lehrer die Klasse in der 
Hand und kann auf die Art, wie die einzelnen arbeiten, dauernd 
Einfluß üben. Oberflächliches Driiberhineilen und unfruchtbares 
Grübeln müssen gleich sehr bekämpft werden durch Gewöhnung 
an ruhiges und zugleich entschlossenes Denken, das von der 
Grundbedeutung der Worte wie von der genauen Konstruktion 
der Satzteile ausgeht ^^). Was sodann die, an Umfang natürlich 
überwiegende, vorbereitete Lektüre betrifft, so sollte man auch 
in der obersten Klasse beim ersten Übersetzen nicht eine glatte 
und elegante, sondern eine solche Sprache fordern, die von 
selbständiger Bemühung um den Sinn und eindringender Be- 
schäftigung mit der Vorlage deutliche Spuren trägt. Das gilt 
wie für die Wahl der Ausdrücke so für die Fügung der Ge- 
danken. Nachbildung stilistischer Feinheiten, z. B. einer kunst- 
vollen Wortstellung, ist gewiß etwas Gutes; aber sie muß 
zurückstehen, so lange noch um das Verständnis gerungen 
wird. Die Schüler sollen Rechenschaft ablegen, wie weit sie 
darin gekommen sind; und da wird man sich unter Umständen 
sogar: mit einer Darlegung begnügen können, die überhaupt 
noch nicht bis zur Wiedergabe des Textes in einem deutschen 
Satze gediehen ist. Mit Solons Worten aWa 8' oö fiaxYjv i'spöov 
waren meine Primaner nicht zu stände gekommen: auch 
Wilamowitz' Anmerkung (zu 50, 13), daß die Negation zu espSov, 
nicht zu iiatYjv gehöre, hatte sie eher verwirrt; die Negation 
gehört überhaupt nicht zu einem einzelnen Begriff, sondern 
zum ganzen Gedanken. Nachdem dies gesagt war, konnten 
sie meine Frage, welcher Gedanke denn es sei den der 
Dichter ablehne, beantworten: daß er zwecklos versucht habe 
andres zu vollbringen. — Nun, und wie könnte man das auf 
deutsch sagen? — „Ich war nicht so töricht andres zu unter- 
nehmen."* 

Fälle der Art sind doch zum Glück selten. Meistens wird 
es gelingen schon das erste Verständnis in einer Übersetzung 
auszudrücken, die dann als vorläufige gilt und in der Stunde 



über das Präparieren. 147 

gemeinsam umgebildet, von gar zu groben Spuren der Arbeit 
die darin steckt befreit wird. Kann einer beide Formen gleich 
mitbringen, desto besser; aber dann soll er sie deutlich von 
einander scheiden. Nur durch strenge Erziehung nach diesem 
Grundsatz läßt sich die Voreihgkeit austreiben, die von vorn 
herein auf eine gefällige Form los geht. Das ist derselbe Fehler, 
vor dem Goethe warnt in einem seiner Distichen über den 
Schhttschuhlauf, das wir einst — in besseren Zeiten — in der 
Schule lateinisch nachzubilden versucht haben: . 

Affectas faciles titubanti corpore motus? 

Frustra: ornat validum gratia sera pedem. 



10* 



Anmerkungen. 



1. (S. 1.) In der ersten Auflage war hier in einer Anmerkung 
gezeigt, wie sich die Legende allmählich entwickelt hat imd wie 
zuletzt die entstellteste Form der Sage die herrschende geblieben ist. 

2. (S. 3.) Christian Beiger, „Moriz Haupt als akademischer Lehrer* 
(Berlin 1879) S. 151. Der nachher citierte Ausspruch über das Über- 
setzen ebenda S. 145. 

3. (S. 3.) Sehr beherzigenswert ist, was Julius Keller S. 41 seines 
gleich zu erwähnenden Progammes sagt. Er warnt vor der ober- 
flächlichen Manier, die sich begnügt zu erklären, oby^ Snuii bedeute 
„nicht nur nicht" oder o65iv ti [jiaXXov „trotzdem nicht", imd knüpft 
daran den Ausdruck seiner Besorgnis, daß der Glaube an „verbesserte 
Methoden" im Verein mit dem „Axiom der Übersetzbarkeit" dahin 
führen werde, auf Kosten eines tieferen Verständnisses den „Drill 
zum raschen Übersetzen weiter zu kultivieren". 

4. (S. 3.) Angeführt von M. Bemays, Preuß. Jahrb. 68 S. 560. 
Die Lust, mit der trotzdem Humboldt selbst Pindar und Aschylos 
übersetzte (vergl. oben S. 5), schildert Haym in seiner Lebensbe- 
schreibung (Berlin 1856) S. 232 f. 

5* (S. 4.) Progr. des Gymn. zu Karlsruhe, 1892. Keller geht 
davon aus, daß nicht einmal innerhalb derselben Sprache aus einer 
Mundart in die andere glatt und ohne Verlust für den Sinn übersetzt 
werden kann, ja daß bei einer solchen Übertragung besondere 
Schwierigkeiten hinzukommen, von denen die aus einer fremden 
Sprache frei ist. Sehr hübsch S. 11: „Das wirklich Übersetzbare an 
der Dialektdichtung, d. h. der begriffliche Kern, ist nichts weiter 
als der gerupfte Vogel", den man vergebens mit neuen Federn zu 
umkleiden sucht. 

6. (S. 5.) Der Aufsatz ist wieder abgedruckt in Wilamowitz 
„Reden imd Vorträgen" (Berlin 1900). 



Anmerkungen. 149 

7. (S. 6.) Schleiermacher hat 1813 in der Akademie eine Ab- 
handlimg „über die verschiedenen Methoden des Überseteens" gelesen 
(wieder abgedruckt in den Sämtl. Werken m 2 S. 207 ff.), die sich 
übrigens zu sehr im Abstrakten bewegt, als daß sie gerade für unsere 
Zwecke fruchtbar gemacht werden könnte. Dort heißt es (S. 229): 
„Der Leser der Übersetzung wird dem bessern Leser des Werks 
„in der Ursprache erst dann gleich kommen, wenn er neben dem 
„Geiste der Sprache auch den eigentümlichen Geist des Verfassers 
„in dem Werke zu ahnen und allmählich aufzufassen vermag." Gegen 
diesen Gedanken wie überhaupt gegen Schleiermachers Abhandlung 
wandte sich Karl Schäfer, „Über die Aufgabe des Übersetzens", 
Progr. Erlangen 1839. Vergl. unten Anm. 11. 

8. (S. 6.) So war es ein ganz berechtigtes Unternehmen, wenn 
Karl Bon^ in- seiner Schrift „Wie soll ich übersetzen?" (Düssel- 
dorf 1890) alle Beispiele aus der einen Rede für Archias wählte. — 
Daß sich bei so begrenztem Programm doch eine Fülle allgemeiner 
Gedanken entwickeln imd tiefer begründen läßt, hat neuerdings 
Carl Bardt bewiesen in dem Hilfsheft („Zur Technik des Über- 
setzens", 1901), das er seinen „Ausgewählten Briefen aus Ciceronischer 
Zeit" beigegeben hat. Manches aus seinen Beobachtimgen imd Rat- 
schlägen hätte ich für meine neue Auflage verwerten, hier und da 
auch widersprechen können. Wenn die Aufgabe des Übersetzens, 
wie vom (S. 6) angedeutet, zwei Seiten hat, daß der Autor zum 
Leser und daß der Leser zum Autor hinübergezogen werde, so scheint 
mir Bardt ein zu starkes Übergewicht auf die erste Seite zu legen. 
Doch es ist wohl besser den einheitlichen imd gewissermaßen per- 
sönlichen Charakter des von jedem von ims Gebotenen nicht zu 
stören und es anderen zu überlassen, ob sie die sachlichen Be- 
ziehungen zwischen zwei Arbeiten über so ven\^andte Themata 
aufsuchen wollen« 

9. (S. 7.) In einer gedankenreichen Abhandlung, deren Lektüre 
ein für allemal zur Ergänzung imserer allgemeinen Andeutungen 
empfohlen sein möge: „Vor- imd Nachwort zum neuen Abdruck 
des Schlegel-Tieckschen Shakespeare", Preuß. Jahrb. 68 (1891) 
S. 524—569. Die S. 7 angeführten Worte stefien dort S. 563. 

10. (S. 7.) Einen ähnlichen Gedanken entwickelt Keller S. 40. 
Beispiele s. oben S. 35. 71. 

11. (S. 7.) Cicero de opt. gen, oratorum Kap. 5. — Schiller in 
einem Brief an Kömer vom 24. Oktober 1791. — Humboldt, Ein- 
leitimg zu Aschylos' Agamemnon (Werke Bd. III) S. 14 f. — Schleier- 
macher hat dieses Verfahren wohl etwas übertrieben, praktisch in 
seinem Piaton und theoretisch in der vorhlBr (Anm. 7) citierten 



150 Anmerkiingeiu 

Abhandlung: das mag man Schäfer zugeben. Aber im Prinzip hatte 
er doch recht. Was er (S. 213 f). über das Recht jedes freidenkenden, 
selbsttätigen Menschen, auch seinerseits die Sprache zu bilden, 
sagt, verdient heute in einer Zeit, die nach schablonenhafter Korrekt- 
heit strebt, besondere Beachtung. — Interessant ist es den Einfluß 
zu beobachten, den die Übersetzung der Bibel auf die Entwickelimg 
der lateinischen Sprache gehabt hat. Proben davon gibt Wölfflin 
in einem Aufsatz, der „Neue Bruchstücke der Freisinger Itala" 
behandelt, Sitzgbr. philos.-philol. imd histor. bayer. Akad. 1893, U. 

12. (S. 8.) Tycho Mommsen, „Die Kunst des Übersetzens fremd- 
sprachlicher Dichtungen ins Deutsche" (1858), Zweite, vermehrte 
Auflage, mit einem Anhang über Shakespeare und Marlowe, Frank- 
furt a. M. 1886. Auch in Bezug auf die alten Sprachen findet sich 
hier manche treffende Bemerkung: vergl. imten Anm« 41. 

13. (S. 10.) W. Münch, „Vermischte Aufsätze über Unterrichts- 
ziele und Unterrichtskunst an höheren Schulen" (Berlin 1888) 
S. 165 — 201. — Lattmann, „Der Schvd- Jargon des lat. Unterrichts", 
als Anhang zu einer Abhandlung über „Die Kombination der 
methodischen Prinzij)ien in dem latein. Unterrichte der imteren imd 
mittleren Klassen", Clausthal 1882. 

14. (S. 15.) Für das Politische: Gr. Lejeune-Dirichlet, „Die 
Kunst des Übersetzens in die Muttersprache". Jahrb. Philol. 
Pädag. 150 (1894) S. 507— 518. — Für das MiUtärische: Max Hoder- 
mann, „Unsere Armeesprache im Dienste der Öäsar-Übersetzung". 
Pädag. Archiv 40 (1898) S. 265 ff. 

15. (S. 15.) Ein charakteristisches Beispiel dafür hat Wölfflin 
hervorgezogen in dem oben (Anm, 11) citierten Aufsatz S. 11. Ta- 
citus erzählt von dem Freigelassenen Milichus, der die Verschwörung 
gegen Nero entdeckte (Ann. 15, 71): conservatoris sibi nomen, 
Qraeco eins rei vocabulo [d. h. SwTi^p], adsumpsit. , 

16. (S. 25.) Plüß, „Sophokles Elektra. Eine Auslegung", Leip- 
zig 1891. — Was er neuerdings ausführt, \xm meine Einwendungen 
zu widerlegen (Aberglaube imd Religion in Sophokles' Elektra 
[Basel 1900] S. 9 ff.), hat mich nicht überzeugen können. Ange- 
nommen, seine Etymologie von AOxeioc, für die er sich nun auf 
Usener beruft, sei richtig, so bleibt immer die Frage, ob sie dem 
Sophokles und seinen Zeitgenossen noch bewußt war; und diese 
Frage wagt Plüß selber nur zweifelnd zu bejahen. 

17. (8. 26.) So Herm. Grimm (zuerst Deutsche Rundschau 82 
[1895] S. 368). Auch B 73 ist die Formel 9) U^ia iirzi^ nicht „Flick- 
ausdruck", wie Haupt (bei Beiger S. 184) meinte. Allerdings ist 
die Probe, die der Dichter hier den Agamemnon anstellen läßt. 



Anmerkungeu. 151 

keineswegs natürlich; die Behauptung aber, daß sie es sei, begreift 
man vollkommen . — vom Standpunkte des Dichters aus. Auch 
modernen Rednern imd Schriftstellem pflegen Worte wie „natür- 
lich, selbstverständlich, notorisch, offenbar" gerade da am leichtesten 
^us Feder und Mund zu fließen, wo sie etwas vorbringen, was recht 
sehr der Begründung bedürfte. 

18. (S. 26.) Umgekehrt steUt Lehrs in seinem Aufsatz über 
Themis (Populäre Aufsätze« [1875] S. 93 ff.) den ethischen Begriff 
voran imd sagt dann (S. 100): „Übrigens auch durch die Natur er- 
„strecken sich diese Gesetze; denn auch in den Ordnungen, welche 
^in der Natur walten, erkennt der Grieche dieselben Sittlichkeits- 
„gesetze.** Aber gerade das von Lehrs hervorgehobene Prinzip der 
Deutung [daß man das Verständnis von Göttinnen wie Themis, Hören, 
Muse, Nemesis „nur gewinnen kann aus dem wohl beobachteten und 
„verstandenen Gebrauch der entsprechenden Nennwörter in der 
Sprache") führt, wenn man von Homer ausgeht, dazu, daß in O^fxtc der 
Begriff des Natürlichen die eigentliche Grundlage bildete. 

19. (S. 27.) Popul. Aufs.« S. 145. Die Erklärung hängt zusammen 
mit dem Unterschiede, den Lehrs für die beiden griechischen Be- 
zeichnungen der Gottheit festgestellt hat: deo{ sind die Götter, 
insofern sie „durch Herrlichkeit, Mächtigkeit, Seligkeit hoch über 
alles Lebende emporragen"; 8a{|xove?, insofern sie „fördernd oder 
schreckend, erhebend oder demütigend, . . . wohltätig oder ver^ 
derblich . . . auf den Menschen einwirken". 

19 a. (S. 29.) Eine Vermutung über den Grund dieses Wider»« 
Spruches habe ich in „Grammatica militans" zu Ende des Kapitels 
über historische Sprachwissenschaft (V) angedeutet. 

20. (S. 36.) Dies habe ich weiter ausgeführt in einem pseudonym 
erschienenen Aufsatz der Preuß. Jahrbücher (69 [1892] S. 782 ff.): 
„Zur Plege der deutschen Sprache" von Ludwig Logander. 

21. (S. 41.) Über die doppelte Art von Bildern handelt gut 
Robert Thomas in seiner Dissertation „Zur historischen Entwickelung 
der Metapher im Griechischen" (Erlangen 1891) S. 3 ff., der dafür 
die auch sonst vorgeschlagenen Ausdrücke „Sprachmetaphem" und 
„Autormetaphem" gebraucht. Er selbst hat die ersteren, für die Litera- 
tur von Homer bis zu Pindar und Äschylos, in lexikalischer Anordnimg 
bearbeitet. 

22. (S. 42.) Über onus vergl. Kießlings Anmerkung; das Verständnis 
von Od. n 4, 9 ff. ist zuerst von Bücheier (Rhein. Mus. 37 [1882], S. 228) 
gegeben und danach dieses Beispiel in meiner Schrift „Wort- und 
Gedankenspiele in den Oden des Horaz" (Kiel und Leipzig 1892) 
S. 42 f. in den Zusammenhang verwandter Erscheinungen gestellt. 



152 Anmerkungen. 

23. (S. 44.) Weiteres hierüber in meiner Schrift „Unsere Erzieh- 
ung durch Griechen und Römer« (Berlin 1890) S. 52 f. 

24. (S. 50.) Herm. Grinun, Homer: Ilias, erster bis neunter 
Gesang; Berlin 1890. Zehnter bis letzter Gesang, 1895. — Wilh, 
Jordan: Homers Odyssee, Homers Ilias, übersetzt imd erklärt. 
Frankfurt a. M. 1875. 1881. — Vergl. meine Besprechung von Jordans 
Hias in den Jahresberichten des philol. Vereins zu Berlin X (1884) 
S. 268 — 277, wo das vom ausgesprochene Urteil genauer begründet 
ist. Aus Grimms Buche lernt man den Übersetzer so ziemlich 
kennen; von Homer ist nicht viel übrig geblieben. 

25. (S. 50.) Julius Rothfuchs, Bekenntnisse aus der Arbeit des 
erziehenden Unterrichtes. Das Übersetzen in das Deutsche und 
manches andere. Marburg 1892. Ein recht brauchbares Buch, das 
durch praktische Winke namentlich jüngeren Lehrern gute Dienste 
leisten kann. 

25 a. (S. 51.) Daß trotzdem für den, der mit stetigem und ein- 
dringlichem Blicke verweilt, der Eindruck des Stereotypen in Homers 
Schilderungen mehr und mehr schwindet und die durchsichtiger 
•werdende Hülle einen Reichtum an feiner Charakteristik erkennen 
läßt, habe ich zu zeigen gesucht in dem Aufsatze „Homer als 
Charakteristiker", Neue Jahrb. V (1900) S. 597—610. 

26. (S. 51.) Parerga und Paralipomena, Kap. 25: Über Sprache 
und Worte. Dort findet sich manches Nützliche vom Übersetzen 
imd vom freien Gebrauch der eigenen Sprache gesagt. U. a. macht 
Schopenhauer die treffende Bemerkimg, daß, wie der ungeschickte 
Gebrauch überlieferter Wortverbindungen und Redensarten auf 
Mangel eigener Gedanken schließen läßt, so umgekehrt „Originalität 
„der Wendungen und individuelle Angemessenheit jedes Ausdrucks, 
'„den einer gebraucht, ein unfehlbares Symptom überwiegenden 
„Geistes" ist. 

27. (S. 53.) Das Genauere über dtfjL^yapToc findet man in meinen 
„Anmerkungen zur Odyssee" (4 Hefte im Verlage der G. Grote'schen 
Buchhandlung in Berlin). 

28. (S. 54.) Darauf habe ich schon vor mehr als 20 Jahren 
hingewiesen in einer Rezension des Osthoffschen Buches „Das 
Verbmn in der Nominalkomposition", Zeitschr. f. Gymnasialwesen 33 
(1879) S. 306. Auch Wilamowitz hat (Commentariolum metricum U 
[1895] p. 6) die Beobachtung ausgesprochen: in vetere Graecorum 
lingua adiectivis omnibus activam et passivam vim inesse. Aus 
diesem Grunde läßt er dva68q> fx^vei in Aschylos' Agamemnon 238, 
das er früher in dvaiSet (x^vet ändern wollte, jetzt gelten: vis quae 
•vocem prohibet. Auch seine Erklärung des doppelten Begriffes von 



Anmerkungen. 153 

otTT] (zum HeraMes 918) ruht auf dieser Anschauung. — Einige 
weitere Beispiele, die auch für die Lektüre in betracht kommen, 
sind in dem Kapitel „Induktion und Deduktion" in meiner „Gram- 
matica militans" angeführt; auch was dort S. 9 und 83 über die 
Verbaladjectiva gesagt ist, mag herangezogen werden. 

29. (S. 56.) Über Wissen imd Können. Düsseldorfer Antritts- 
rede. Gütersloh (C. Bertelsmann) 1899. 

30. (S. 60.) Hermann Opusc. IV. p. 10 (De particula av, I 3) 
erklärt die Bedeutimg von av im Vergleich mit ?au)c, ttou, 'zi so: 
„Fortuita notantur particulis av vel xiv**, d. h. (nach p. 9): „quae 
„utrum sint an non sint fortuitum est, i. e. ex aliqua condicione 
„suspensum, cuius veritas prius cognoscenda est, quam, venunne sit 
^quod ex ea pendet, sciamus". — Weiteres über den Gebrauch der 
Modi mit av imd ohne av s. Gramm, milit. Kap. VIU. 

31. (S. 60.) Hermann ebenda p. 179 sq. (Partie, av IV 2): „TtEaeiv 
„est cadere, neaelv av cadere posse, ut apud Herodotum VH 203'*. 

32. (S. 65.) Nauck in seinen „Kritischen Bemerkungen" (größten- 
teils zu Homer), Bulletin de TAcademie imperiale des sciences de 
St.-Petersbourg 25 (1879) S. 474 ff. 

33. (S. 67.) Weitere Beispiele für diese Anwendung von Tc^p 
sind: A 508. A 796. D 205. 523. P 239; xa{ ist in derselben Weise 
gesetzt noch S 78. Die ganze Erscheinung würde ein genaueres 
Eingehen lohnen, am besten im Zusammenhang einer vollständigen 
Untersuchung und Darstellung des mannigfach verzweigten Ge- 
brauches von irip. 

34. (S. 69.) Jacob Wackemagel, „Über ein Gesetz der indo- 
germanischen Wortstellung", Indogerm. Forschungen I (1891/92) 
S. 333 ff. Die Bemerkung über ^i imd Tc^p S. 371. 

35. (S. 71.) Genaueres über die Verbindung av xev findet man 
in „Grundfragen der Homerkritik" (1895) S. 111 in dem Kapitel 
„Dialektmischung". Eben dort S. 49 f. 56 ist, im Zusammenhang einer 
Betrachtung der „voralexandrinischen Textgeschichte", gezeigt, wa- 
rum wir anerkennen müssen, daß Wörter wie xi, ^ci, -^i vom Dichter 
selbst manchmal geradezu bedeutungslos gebraucht sind. 

36. (S. 71.) Einen Beitrag zur Verw^ertung dieses Gedankens 
brachte mein Aufsatz „Zur homerischen Interpunktion", Rhein. Mus. 
44 (1889) S. 347—368. 

37. (S. 81.) Man kann für den Reiz der Naivität, der in Herodots 
Anakoluthien liegt, empfänglich sein imd doch erkennen, daß in 
diesem Punkte die strenge Zucht, der die Sprache durch den fort- 
gesetzten schriftlichen Gebrauch imterworfen wurde, heilsam gewirkt 
hat. Der Grundsatz, daß man so schreiben solle wde man sprechen 



154 AnmerkuDgen. 

würde, ist heute nicht mehr berechtig; er würde, konsequent be- 
folgt, zu einem Naturalismus führen, der einen geistigen GeNxdnn 
von Jahrtausenden wieder in Frage stellte. Dieser Gefahr ist sich 
Otto Schröder in seinem hübschen Buche „Vom papiemen Stil" 
(zuerst Berlin 1889) nicht recht bewußt gewesen. 

38. (S. 83.) Vgl. hierüber das Kapitel „Homerische Komposition" 
in meinen „Gnmdf ragen der Homerkritik". 

39. (S. 83.) Über Zeitart. und Zeitstufe handelt Karl Mutzbauer: 
„Die Grundlagen der griechischen Tempuslehre und der homerische 
Tempusgebrauch" (Straßburg 1893) S. 4 f., und noch schärfer Hans 
Meltzer, Zeitschr. für das Gyinnasialw. 49 (1895) S. 467 f. (in einer Re- 
zension von Kaegis Schulgrammatik). Vgl. dazu Gramm, mil. S. 93 f., 
wo auch für das Participium Aoristi weitere Beispiele gegeben sind. 

40. (S. 84.) Dies sind Beispiele von selbständigem (absolutem) 
Tempusgebrauch an Stelle des bezogenen (relativen), den man zu- 
nächst erwartet: regnarant, dederant aut reddiderant. Genaueres 
darüber Gramm, mil. S. 87 ff. 

41. (S. 87.) Tiefer blickte Tycho Mommsen in der oben (Anm, 
12) citierten Schrift (S. 58): „Obgleich auch der beste deutsche 
„Hexameter im Grunde nur ein Spottbild eines griechischen oder 
„lateinischen ist, so hat man doch auf dem Wege der Nachahmung 
„rhj^thmische Gebilde erschaffen, welche nicht sowohl die einfacheren 
„Formen der Alten so analog wie möglich wiedergeben, als vielmehr 
„(z, B. bei dem deutschen Hexameter und Pentameter) wieder neue 
„Formen geworden sind, die sich ihre eigenen Wohllautsgesetze 
„ausgebildet haben, die auch, was das AUermerkwürdigste ist, bis 
„zu einem hohen Grade populär geworden sind". 

42. (S. 89.) Wie .sehr doch auch unsere Sprache durch den 
Verfall ihrer Formen undeutlich geworden ist und immer jnehr wird, 
zeigt die überaus lehrreiche Abhandlimg von Hermann Röhl: Über 
die praktische Brauchbarkeit der wichtigsten modernen Sprachen, 
speziell der deutschen. Naumburg a. S. Gynm.-Progr. 1892. 

43. (S. 90.) Daß Usener (Rhein. Mus. 24 [1869] S. 338) das an vor 
superbos mit Recht gestrichen hat, sollte nicht erst erwähnt zu 
werden brauchen. 

44. (S. 90.) Ein treffliches Beispiel wirksamer Wortfolge aus 
('icero in Catilin. I 1, 3 (habemus senatusconsultum in te, Catilina, 
vehemens et grave) erläutert mit seiner erquickenden Frische v. d. 
Gabelentz, „Die Sprachwissenschaft, ihre Aufgaben, Methoden und 
bisherigen Ergebnisse" (1891), S. 355. 

45. (S. 92.) In einem Brief an Frau von La Roche, 20. November 
1774, abgedruckt bei Bernays, Der junge Goethe, HI S. 43 f., jetzt 




Anmerkungen. 155 

in der Gesamtausgabe der Briefe 11 S. 205 f.: ^Hier ein kurzes 
„Rezipe für des werthen Baron v. Hohenfelds Griechisches Studium! 
»*So du einen Homer hast, ists gut; hast du keinen, kauffe dir den 
„Emestischen da die Clärckische wörtliche Uebersezzung beygefügt 
„ist; sodann verschaffe dir Schauffeibergs Clavem Homericam» und 
„ein Spiel weiffe Karten. Hast du dies beysammen so fang an zu 
„lesen die Bias, achte nicht auf Accente, sondern lies wie die Melodey 
„des Hexameters dahinfliest imd es dir schön klinge in der Seele. 
„Verstehst du's; so ist alles gethan, so du's aber nicht verstehst, 
«sieh die Uebersezzimg an, lies die Uebersezzung, imd das Original, 
„und das Original imd die Uebersezzimg, etwa ein zwanzig, dreifig 
„Verse, biff dir ein Licht aufgeht über Construcktion, die in Homer 
„reinste Bilderstellung ist. Sodann ergreife deinen Clavem wo du 
„wirst Zeile vor Zeile die Worte analisirt finden, das Praesens und 
„den Nominativum schreibe sodann auf die Karten, steck sie in 
„Dein Souvenir, und lerne dran zu hause und auf dem Feld, \\ie 
„einer beten mögt, dem das Herz ganz nach Gott hing. I'nd so 
„immer ein dreisig Verse nach dem andern, und hast du zwe}-, drey 
„Bücher so durchgearbeitet, versprech ich dir, stehst du frisch und 
„franck vor Deinem Homer, imd verstehst ihn ohne Uebersezzung 
„Schaufelberg und Karten.' Probatum est! — Im Ernst liebe Mama, 
„warum das alles so und so, und just. Karten sejTi müssen. Nicht 
„untersucht ruft der Arzt! Warum muff das eben Neffeltuch seyn 
„worin das Huhn gestoft wird. Sagen Sie dem hochwürdigen Schüler 
„zum Tröste, Homer sey der leichteste Griechische Autor, den man 
„aber aus sich selbst verstehen lernen muff." Kann es etwas An- 
mutigeres geben als diese Schilderung, die man doch wohl als ein 
Selbstbekenntnis auffassen darf? Da die Stelle in den beiden 
neuerdings erschienenen Auswahl-Ausgaben Goethescher Briefe, von 
Philipp Stein und Eduard von der Hellen, fehlt — warum wohl? — 
«o habe ich sie auch in der neuen Ausgabe ganz hergesetzt. 

46. (S. 112.) „Über die neuere deutsche Prosa", Deutsche Rimd- 
schau 59 (1889) S. 36—47. Rimielin stellt u. a. die beiden Sätze 
gegen einander: „eine öffentliche Kede soll vor allem klar und ver- 
ständlich sein" und: „die erste Fordenmg an eine für die Öffentlich- 
keit bestimmte Rede ist Klarheit und Verständlichkeit'*, Die zweite 
Form entspricht der heutigen Mode, von der der Verfasser statistisch 
nachweist, wie sie seit Goethes Zeit zugenommen hat. 

47. (S. 115.) Genaueres über die Entstehung des absoluten 
Ablativs aus einem adverbialen, der in den Satz organisch eingefügt 
war, s. Grammatica militans Kap. HI. 

48. (S. 123.) Zu der Aufgabe, Sallust im Vergleich mit Livius 



156 Anmerkungen. 

im Unterrichte zu w^irdigen, gibt weitere Beiträge das Kapitel 
meiner Palaestra vitae, das „die Geschichtschreiber" behandelt. 

49. (S. 124.) Im Anschluß an einen Vortrag über die Über- 
setzungskunst. Dem kurzen Bericht darüber, den Moldenhauer in 
der Zeitschrift f. d. Gymnasialw. 39 (1885) S. 648 f. gegeben hat, ist 
diese doppelte Übersetzung vollständig beigefügt. Auch in der 
neuesten, vorher (Amn. 8) citierten Arbeit „Zur Technik des Über- 
setzens" warnt Bardt (S. 7), die Fähigkeit der deutschen Sprache 
auch zu umfangreicheren Satzgebilden nicht zu unterschätzen. 

50. (S. 125.) Rothfuchs, Beiträge zur Methodik des altsprach- 
lichen Unterrichtes, insbesondere des lateinischen (3. Auflage, 1893) 
S. 61 ff. — Kapitel 2 — 4 dieses nützlichen Buches handeln vom Kon- 
struieren, Extemporieren, Präparieren. 

51. (S. 131.) In der Diskussion über den Anm. 49 citierten 
Bardtschen Vortrag. 

52. (S. 133.) „Die revidierte Lutherbibel des Halleschen Waisen- 
hauses, besprochen von Paul de Lagarde." Aus dem zweiten Stücke 
der goettingischen gelehrten Anzeigen des Jahres 1885, besonders 
abgedruckt Goettingen 1885. Eine in vielen Beziehungen höchst 
lesenswerte Schrift. 

53. (S. 134.) Über die Einführung der fremden Metra ins 
Deutsche vergl. oben S. 10 f. und Anm. 41. Neuerdings ist für den 
bleibenden Wert von Vossens Übersetzung mit großer Wärme ein- 
getreten G. Lejeune-Dirichlet in dem schon (Anm. 14) erwähnten 
Aufsatz, während Martin Joris in seinem Programm „Über Homer- 
übertragung, mit neuen Proben" (Limburg a. d. Lahn, 1902) die oft 
gehörten Ungerechtigkeiten gegen Voß wiederholt. Ganz ohne Not; 
denn die ansprechenden eigenen Versuche des Verfassers hätten der 
Rechtfertigung durch einen Angriff auf den ehrwürdigsten und er- 
folgreichsten Vorgänger nicht bedurft. 

54. (S. 134.) Wahrheit und Dichtung III 11. Die weiter er- 
wähnten drei Epochen sind in den Noten und Abhandlungen zmn 
Divan, unter „Übersetzungen", beschrieben. 

55. (S. 137.) Diese Andeutungen sind jetzt ausgeführt in meiner 
Schrift „Palaestra vitae. Eine neue Aufgabe des altklassischen 
Unterrichtes" (Berlin 1902). 

56. (S. 146.) Über die Notwendigkeit wie über die Art des 
Konstruierens habe ich etwas ausführlicher und mit Beispielen ge- 
handelt in einer Rezension des Nausester'schen Buches „Denken, 
Sprechen und Lehren", Zeitschr. f. d. Gymnasialw. LVI (1902) 
S. 556 ff., und in der „Duplik in Sachen des Reformgymnasiimis" 
(Leipzig 1903; Sonderabdruck aus den Neuen Jahrbüchern) S. 10 f. 



Register. 



I. 



Ablativiis absolut us 86. 105. 114. 

Abstrakte Begriffe, ihr allmäh- 
liches Entstehen 32 f. 

Adjektiv und adverbieller Aus- 
druck vertauscht 103. 

Adjectiva substantiviert 78. 

Adverbieller Ausdruck deutsch 
zum Nomen gezogen 104. 

Aktiv imd Passiv vertauscht 100. 
105 f.; aktive und passive Be- 
deutung desselben Wortes 52 f. 

Anakoluthe 81. 

Aorist im Particip ohne Bedeu- 
tung der Vorzeitigkeit 84. 

Artikel, bestimmter oder unbe- 
stimmter 82. 

Attraktion des Kasus beim Parti- 
cip 86. 

Attribut ändert seine Beziehung 
102 f. ; Attribut dem Substantiv 
nachgestellt 87 ff., Attribut und 
regierendes Substantiv ver- 
tauscht 107. 

Bardt, Carl 124. 
Bemays, Michael 7. 33. 
Bibelübersetzung, deutsche 133, 
lateinische 150. 



Bilder verblassen allmählich 33 f ; 
deutsche Bilder beim Über- 
setzen aufgefrischt 35. 41. 

Bildlicher Ausdruck der Vorlage 
erhalten durch wörtliches Über- 
setzen 36 f.; durch Umschrei- 
bung oder Verschiebung des 
Begriffes 37 f. ; im Deutschen 
zu mildem 40; Bilder bei Homer 
und Herodot 41; bei den La- 
teinern 41 f. ; bei Sophokles 39 f. 

Bone, Karl 149. 

Cicero 7. 42. 80. 

Deutsche Ausdrücke , erstarrte, 
werden beim Übersetzen wieder 
belebt 106 f. : zusammengesetzte 
Tempora 106. Im einzelnen: 
Ansehen 23, ausdrücklich 34, 
man 13, scharf 41, Standpunkt 
35, Unterhalt 42, vorkonunen 34, 
Zufall 107. 

Deutsche Sprache wird allmählich 
weniger deutlich 154; ^indem'*80. 

Deutscher Stil durch Einfluß des 
Übersetzens geschädigt 9 ff. 14 
(„derselbe"), 124(Satzbau); aber 



160 



Schäfer. Karl 149 f. 
Schüler 7- 103. 
Schleiermacher 1-19. 
Schopenhauer 152. 

Schriftsprache 71. 81. 153. Vergl. 
Milndliche Rede. 

Schröder, Otto 154. 

Schul-Jargon 10 ff.; Schulübei> 
setziiDK durch die Erinnerung 
an das Original ergänzt 7. 35. 
92 f.; immer von neuem er- 
zeugt 132 i. 

Septuaginta 1. 

Shakespeare 19. 33. 

Rpezialwörterbücher 20. 

Substantiv im Deutschen für einen 
Satz der fremden Sprache Ulf; 
lungekehrt 113 f. 

Tacitus 15. 17. 41. 78. 80. 94. 114. 

Tempora: absolute und relative 
Zeitgebung 84; Zeitstufen im 
Beutschen und im Griechischen 
83 f. Vergl. Aorist, Futur, Plus- 
quamperfekt, Präsens. 

Tragiker 24f. ; Methaphem bei So- 
phokles 39 f. 

Treu durch Abweichung 13. 17. 96. 

Unbestimmtheit des Ausdruckes 

nicht korrigieren 79. 
rnnatürliohes Deutseh 9 ff. 

Terbaladjectiva 53. 



Verbum, regierendes, schwebt 
schon im Anfang des Satzes 
dem Sprechenden vor 81, 96. 
123;|wie kann man es deutsch 
am Ende erhalten? 95. 96. 123. 
Ein Verbum wird zum Nomen 
108, zum Adverb 108. 109. Be- 
gierendes Verbum dicendi oder 
sentiendi wird im Deutschen 
oft untergeordnet 119, abernicht 
immer 119 f. Phraseologische 
Verba 77 f. 95. 

Vergil 30, 41 f. 

Vergleichung, abgekürzte 78. 

Verkürzung des Ausdruckes im 
Deutschen 76 f. 

VoQ. Johann Heinrich 133 f. 

Wackemagel, Jacob 69. 

Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich 
von 5. 40. 87. 1.^. 

Wortart geändert 100 f. 

Wörterbücher 20. 141 ff. 

Wortspiele 18. 24. 53. 

Wortstellung; logisch gebunden 
oder künstlerisch frei 89 f. 
Die Enklitika liehen die zweite 
SteUe im Satze 69 f. — Vergl. 
Attribut. Gedankengang, Satz- 
bau, Verbum. 

Zusammenge.setzte Zeitformen jn 
den modernen Sprachen 106. 



acer 41 I aequus 

acies 9. 14 aetas . 

adversus 30. 42 ambitio 

aequor 29 | animus 



Register. 



161 



ars . . . 
assiduus . 
audio . . 



.. . 56 
29. 38 f. 
. . 52 



bellum inferre 9 

caecus 36. 54 

certus 52 

civitas 52 

clarus 42 

conflare 37 

corpus 77 

cura 47 

ilelectare 9 

dellrare 39 

demonstrare . . . . 30 

destrictus 41 

diversus 30 

dum 80 

egregius 24 

esse videatur 80 

et— et . . 61 I 

eximius 30 ! 

expeditus ....... 14 

exploratores 16 

expressus 34 

factiosus 16 

fides 4. 16 

fundere 36 

pene ratio 30 

gratus 53 

homo novus 13 

hortator 114 

ignarus 53 

ignorare . 15 

ignotus 53 

Cauer, Die Kunst des Obersetzens. 3. 



immemor . . . . .9, vergL 17 

impellere 43 

imperatorius 16 

Imperium ......... 45 

infectus 15 

infestus 52 

Ingenium 16. 29 

iniquus 21 

innoxius 54 

insidiae 10 

Interesse 22 

invidia 52 

irritatio 114 

is, inde 90 

laetus ... ... 52 

lanius 11 

loci 76 

lumen 47 

magister 30 f. 

memor 17 

minister 30 f. 

se miscere 41 

miseria 18 

necessarius, necessitudo . 22. 45 

nee non 75 

neque 90 f. 

neque—et 61 

obire 42 

obvenire 34 

occultus 53 

odorus 54 

onus 42 

opportunus 16 

orbis terrarum ... 9. 13 f. 

ostendere 30 

pars — alii 17 

patere 37 

Aufl. 11 



162 



Register. 



patres conscripti 

praecipue . . 
praestare 

proficisci- . . 

prohibere . . 

prudens . . 

publicare . . 



• • t ' 



33 f. 



quin 



ratio 
res . . 
residere 
respicere 



22 
80 
36 
52 
36 
30 
16 

57 

22 
54 
39 
34 



saeculum 

Salus 

scriptor 

secundus 30. 

Stare 

Studium 

subire 

sustinere 



temptare 
tollere . 
tutus . 



ulteriora, ultimus 
uterque . . . . 
utrique . . . . 



uxorius 



vero, verum 
virtus . . 




ayovoc 



30 
16 
48 
42 
35 
16 
79 
42 

16 
42 
53 

80 
9 

73 
74 

58 
18 



46 
30 
16 
54 
16 



iiio 82 

dUd 58 

dXXd— Yctp 64 f. 

aUoc 22 f. 

dfx^YapToc 53 

difA*j(i.(uv 49 f. 

av 60 

dfv xev 71 

dvaYxato; 22. 23 

dvaipelal^ai 34 

dvauSo; 152 

dvSpdTToSa 29 

dvT^xeiv 23 

dvi^^p 13. 46 

dvTiTo; 53 

dnioTOc 52 

dpa 62 f. 

dpyd; . 52 f. 

dp^YvuiTo; 101 

dpioTep(J{ 38 

oioKXayyyoi 39 

«TTj 153 



a^jtdpxeta 29 

dydptoTo« 53 

ßoTjV dya%6z 14 



Yotp 



. 64 f. 
66. 67 f. 



Saifxdvtoc 27 

haio[i.ai, haiz 29 

hi 128 ff. 

^ui 82 

Ol« Oedüiv 13 

oiatsXüi 109 

ofxTj, hixaioi 54 

8io; 50 

ebopdv 23 

2xaoTOt 73 

ixfjLT^puea&ai 37 



Register. 



163 



ex7:Xu)tü 39 

ixTefvetv 34 

^fxßafvetv 12 

ivapi&fxto; * . . 23 

^;(uYX(uu^voc 38 

imytiptX'* 33 

Ipyov 51. 114 

t\iola 39 

I/BIV 106 

i^^ 11 

i^p-f^adat 23 

r^ TOI 61 

öaXep(Jc 50 

OaX{T| 38 

UiJ.ii 25 f. 

OepctTreuetv 49 

xaOeoxdvat 35 

xcLi 67. 77 

xaipd;, %a{pioc 25 

xe5v(Jc 53 

x^v 60 

xeifjLi^Xtov 29 

xtvSuvoc 79 

xpT^SefjLvov 29 

XajjLTretv 40 

Xctvi)avü) 109 

Auxeio; 24 f. 

{JL£ipC(XtOV 11 

H-^v 58. 69 

f^öip« 16 

|i.v>i^o; 55 

fX'JplOt, fJLUpfot 13 

veavioxo; 11 

^'jv£T(5c 53 



oixov Syetv 13 

obU . ' 90 f. 

Träte, utd; 45 

7tapaiTerTü)X(i); 107 

TrapaoTCItTic 34 

Trapixßaai; 29 

Tt^p 65 ff. 

Tzzpi 74 

iTEp{(ppu)v 50 

Tcooe'jcadai 52 

irpdßaTOv 29 

TrpoairTuaaofxat 37 

«rpo'CK^oaofjLQti 37 

OTO/dtCsoöai 33 

aufjL'^opd 79 

c'jvaSetv 34 

xe^vetv 23 

T^fxevoc 29 

T^yvT) 56 

To{' 58 

TUY)r«vü) 109 

UiTOxetoOat 35 

cptXelv 46 

©{Xoc 53 

yaktTzahui 47 

Xpzioii yp/jOi[xo; 49 

<};e6oeoöat 55 

6uyT^ 31 

ü> irdTTOi 101 

tu; latzoii irep 69 

&; Tiep Äv efT] 70 

onpeXov 23 f. 



II* 



164 



Register. 



III. 



Äschylos Agam. 238 

„ Sept. 145 . . 

Aman VH 26, 2 . . . 

Cäsar Gall. I 22 . . 

„ III 25 . . 

„ VI 36 . . 81 f 

„ VI 43, 4-6 
(,'icero in Caecil. 19, 61 

„ Catil. I 1, 3 . 
„ pro Deiot. 3, 8 . 
„ ad fam. 11 18, 1 
V » » -X-I 18 . 

„ „ XLII 50, 
„ „ „ IX 16, 3 
XV 4 4 
„ imp. Pomp. 1, 1 

„ JLia6i. ~<^, oo • . 
„ pro Mur. 2, 4 . 

ri » »> O» IZ • 

w » „ O, lö . 

w »> » Xl/, ^J-J • 

de off. II 6, 19 

„ or. 1 28, 126 

„ „ II 79, 324 

„ Rose. Am. 14, 40 f 

Tuseul. I 17, 39 

in Verr. I 5, 14 

Cornel. Lys. 4, 1 . . 

Timoth. 4, 4 . 

Demosth. I. PhU. 13 . 
I. « 34. 35 

Eiiripides Iph. Taur. 646 

650 
1032 
1092 






152 
24 
52 

122 

125 

125 

125 

125 

45 

154 

114 

53 

119 

98 

19 

61 

76 

80 

37 

48 

48 

' 94 

18 

42 f. 

118 

43 

85 

118 

84 

112 f. 

16 

12 
126 

65 
53 
65 
53 



Herodot II 123 35 

VI 13 81 

VI 38 11 

VI 109 23 

VII 203 60 

Vn 218 85 

VIII 144 .... 67 

IX 27 64 

IX 68 67 

Hesiod ipy. 115 38 

Homer A 299 69 

A 352f 66 

A 408f 93 

„ A 507 106 

A 561 27 

„ B 73 150 f. 

r 3 66. 69 

r 40 54 

E 265 58 

Z 147f 130 

Z 407 27. 50 

Z 486 27 

I 134 26 

1 301 67 

I 520 f 92 

I 533 ff 83 

S 91 f. ...... 70 

S 173 f. ..... 67 

476 ...... 66 

n 796f 26 

P 142 63 

a 74f. . '. . . . .127 

Y 22 37 

5 774*) 27 



» 



» 



» 



n 



e 146 f . ... 


. 46 f. 


e 206 ... . 


. . 70 


e 212 f. 217 . . 


. . 47 


e 389 ... . 


. . 37 


e 397 ... . 


. . 62 



*) Im Texte irrtümlich S 747. 



Register. 



165 



Homer lOOf 93 

138f 70 

„ 478 37 

, t 21 f 115 

„ X 202 64 

X 451 26 

. V 51 84 

. V 204 f 23 

„ e 130 26 

„ e 355 f 64 

„ $463 84 

400 f 46 

p 44 35 

.. p 88ff 116 

p 176 18 

p 375 101 

p 586 69 f. 

. a 15 27 

c 122 66 

T 312 69 

. X ö f 130 

X ö4 f 93 

X 67 69 

. X 167 70 

„ 6 165 27 

„ üi 518 f 84 

Horaz a. p. 47 f 42 

„ Epist. I 2, 14 ... 39 

„ I 7, 30 f. . . 97 

„ I 17, 39 . . . 42 

„ Od. I 1, 20 ... . 103 

„ I 12, 33 ff. . . . 90 

„ U 4, 11 .... 42 

„ 11 12, 17 ... 3 

„ II 13, 27 f. ... 18 

„ III 1, 38 ff. . . 94 

„ III 2, 30 ... . 18 

„ III 4, 9 ff. . . . 91 

„ Epod. I 19 ff. . . . 24 



Liviiis II 1, 2 . . 
„ X 25, 13 f. 



84 
42 



Livius XXI 57, 12 


. ... 15 


» 


xxn 7, 3 f. 


. ... 120 


» 


XXn 16, 2 


. ... 21 


9 


XXIT 34, 7 


. ... 13 


» 


XXXI 9, 5 . 


. ... 121 


» 


XXXI 22, 3 


. ... 115 


Lykurg gegen Leok 


r. 83. . 119 


Lysias 


12, 80 . . 


. ... 120 


» 


12, 81 . . 


. ... 35 


» 


13, 1 . . 


. ... 109 


r> 


aOf D . . 


. ... 73 


Platon 


Gorg. p. 465 


A . . 56 


» 


« p. 463 


D. E . 68 


» 


Protag. p. 31 


9 B . . 54 


» 


p. 3( 


)9 . . 68 


Sallust Catü. 2, 2 . 


... 45 


n 


r, 2, 8 


. ... 19 


r> 


. 3, 1 f. 


. ... 48 


n 


n 8, 1 


. ... 95 


n 


n 11, 2 . 


. ... 117 


r» 


. 11, 4 . 


. ... 18 


» 


n 48, 5 . 


... 123 


V 


« 51, 5 . 


. . . 79. 99 


n 


« 51, 27 


. ... 108 


» 


« 52, 27 . 


... 18 


» 


lug. 13, 5 


. . . 122 


n 


« 74, 1 . 


... 122 


» 


« 74, 3 . 


... 53 


» 


r, 88, 4 


. ... 16 


» 


« 98, 3 . 


. ... 125 


» 


„ 103, 2 


. ... 99 


» 


« 104, 5 


. ... 14 


Solon bei Wü. 50, 1 


3 . . .146 


Sophokles Aias 182 '. 


ff. 38. 100 


n 


n 308 


f. ... 40 


M 


Ant. 225 . 


. ... 145 


» 


« 450 


. ... 65 


r> 


„ 1311 


... 39 


w 


El. 7 . 


. ... 24 


*» 


. 22. 


. ... 25 



166 



Register. 



Sophokles El. 118 ff 


• 


. . 40 


Vergil Aen 


. V 556 


• 


. . . 105 


» 


„ 728 f. . 


. . 96 


» 




» 


VI 129 ff. 


. . . 21 


» 


Kön. öd. 473 ff. . 40 


» 




» 


VI 478 


• 


. . . 47 


» 


n n 938 


. . 103 






»• 


YI 494 f. 


. . . 93 


» 


. „ 963 


. . 68 


r) 




w 


VI 673 ff. 


. . . 47 


n 


. n 1175 


. 68 


n 




y> 


VII 20i 


m 

\ 


. . 103 








» 




» 


Vn 340 . 


. . 89 


Tacitus Ann. I 62 . . 


. . 95 


» 




yi 


VITI 20 f. 


. . . 104 


n 


. 112 




. . 100 


» 




» 


VIII 160 . 


. 37 f. 


» 


n 1114 




. . 17 


rt 




r> 


VIII 190 ff 


. . . 47 


» 


„ 1120 




. . 78 














» 


, n27 




. . 38 


Xenoph( 


on 


An. II 1, 


4. 


. 23 f. 


»> 


„ IV 35 . 




. . 95 




n 




« II 1 


, 13 


. . 11 


»» 


„ IV 36. 




. . 41 




» 




. V 7. 


. 19 


. . 89 


» 


dial. 23 . . 




. . 80 




w 




. V8 


, 19 


. . 39 


» 


Germ. 9 . . 




. . 94 




» 


Mem. I 1 


, 9 


. . . 86 


» 


Histor. I 86 . 


. . 104 




» 




« I 2 


, 60 


. 58 f. 


» 


111 17 . 


. . 41 




n 




« I 3 


. 6 


. . . 98 


» 


„ III 31 . . 


. . 19 




» 




r, II 1, 


18 


. . 45 


Thukydides I 128 . . . 


. . 22 




» 




« II 1. 


25 


111. 113 


• 


I 128—131 . 


. . 83 




» 




n 11 1, 


31 


. . 74 


» 


I 137 . . , 


. . 113 








« n 1, 

. 112, 


, 33 
11 


. . 46 
. . 49 


Vergil 


Aen. II 10 ff. . . 


. 96 




yi 




« 11 7. 


. 9. 


12 . 46 


» 


„ IV 163 f. . 


. 9. 30 




» 




r, 117, 


11 


. . 127 


» 


„ IV 569 f. . . 


. . 73 




r> 




« ni ] 


L2, . 


5 . 48 f . 


»> 


„ IV 597 f. . . 


. 119 




n 




. IV 2 


if o> 


) . . 45 


» 


„ V 144 f. 


• • 


. 117 















Druck von G. Bernstein in Berlin. 



Von demselben Verfasser sind früher erschienen: 

Zum Verständnis der nachahmenden Kunst des 

Vergil. Kiel (Lipsius & Tischer) 1885. Mk. 1.—. 



Unsere Erziehung durch Griechen und Römer. 



Berlin (Julius Springer) 1890. Mk. 1.20. 



Wort- und Gedankenspiele in den Oden des Horaz. 

Kiel und Leipzig (Lipsius & Tischer) 1892. Mk. 1.60. 

Anmerkungen zur Odyssee. Für den Gebrauch der Schüler. 
Vier Hefte. Berlin (G. Grote) 1894—1897. Jedes Heft Mk. 1.20. 



Grundfragen der Homerkritik. Leipzig (s. Hirzei) 



1895. Mk.6. 



Woher ? und Wohin ? sechs Reden zur Entlassung der Abiturienten. 
Düsseldorf (L. Voss & Cie.) 1902. Mk. 1.—. 



OMHPOY O^YJSJSEIA. Homers Odyssee. Schulausgabe. Dritte Auflage, 
(unveränderter Abdruck der zweiten). Leipzig (0. Freytag) 1902. geb. M. 2.40. 

OMHPOY lAIAJS. Homers Ilias. Schulausgabe. Zweite, berichtigte und 
durch Beigaben vermehrte Ausgabe. Leipzig (G. Freytag) 1902. geb. Mk. 3.—. 



PalaeStra Vitae. Eine neue Aufgabe des altklassischen Unterrichtes. Berlin 
(Weidmannsche Buchhandlung) 1902. geb. Mk. 3.40. 



GrammatiCa militanS. Erfahrungen und Wünsche im Gebiete des la- 
teinischen und griechischen Unterrichts. Berlin (Weidmannsche Buchhandlung) 
1898. Mk. 3,60. 

_ _ _ „ 

Über Wissen und Können. Rede bei der übernähme des Amtes | 

als Direktor des städt Gymnasiums und Realgymnasiums zu Düsseldorf gehalten. 
Gütersloh (C. Bertelsmann) 1899. Mk. 0.80. 




V 



Verlag der Weidmannschen Buchhandlung in Berlin SW. 12. 

Kernfragen des höheren Qnterrtchts 

öon 

Dr. i^shat ^eif^enfeh, 

^rofeffoc am ^önigl. BrrangOfffc^en ®k)mnafium in Berlin. 
XVI u. 352 ©. gr. 8^. 1901. ®e^. 6 SW., &ef). 7 Tl. 80 ^f. 

1. S)aS SGBefen beS ©^mnafiumS. — 2. ®ic Umtoeöe be§ pi&crcn Untctrid^tS. 

— o. Über ben erneuerten äJorfdjIaß, ben frenibfprac^Iicben Unterricht mit bcm 
granjöfifd^en ju beginnen. — 4. 2)ie natürliche unb bie fünftlicije Sprad^crwerbung. 

— 5. S)ie SRcformbeftrebungen auf bcm ©cbiete t>t^ frcmbfprac^lict^cn Unter» 
ric^tS ^ — 6. ®er neue Öelörptan be§ Sateinifc^en. — 7. Über unfcrc äöorlagcn 
jum Überfe^en auS bem ©eutfd^en in§ Öateinifc^c für bie oberen klaffen. — 

8. Über ißerfejjunflen. 

Kernfragen des höheren Unterrichts 

Dr. ^dftut ^et|ettfe($^ 

^rofeffor am Äönigl. Sraitsßüicbcii ©Dnutafium tu ä^erliu. 

Sene folge, 

®r. 8^ (IV u. 879 8.) 1902. m% 6 m., ÖJeb. 7 m. 80 ^f- 

l. S)aS 3nfommenfurabIe beS Unterric^tSproblemS, — 2. S)ie ^l^ilofopl^ie auf 
bem ©^mnafium. — 3 S)er SBilbun^Smert ber $oefie. - 4. S^ie pl&iIofop]^iftf)en 
Elemente unferer flaffifc^en Sitteraturperiobe nac^ il^rer SBerwenbbarfeit für bie 
Sd^ule. — 5. S)ie SBebeutung öon (SiceroS rl^etorifc^en ©d^riften für bie ©d^ule. 

— 6. ßiceroS S3riefe als ©d^uHeltüre. ^— 7. S>ie ©^non^mil, mit befonberer 
Serüdfic^tigung beS il^ateinifc^en. — 8. Über Sitl, SCuSwalöl nnb Einrichtung ber 
^oraalcltüre. — 9. ®ie Urbanität. — 10. 2)ie (Sermonen beS ^oraj mit be» 

fonberer Serüdfic^tigung feiner Epistula ad Pisones. 

Reden und Vorträge 

von 

Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff. 

Zweite Auflage, 
gr. 8. (VIII u. 278 S.) Geh. 6 M., geb. in Halbleder 8 M. 

Inhalt. 

Was ist übersetzen ? — Von des attischen Reiches Herrlichkeit. Rede zu Kaisersgeburts- 
tag 1877. — Basileia. Rede zum Regierungsjubiläum Kaiser Wilhelms I. 1885. — An- 
sprache an die Studierenden bei dem Jubiläum der Universität Göttingen 1887. — Paul 
de Lagarde. Rede an seinem Sarge 1891. — Philologie und Schulreform. Prorektorats- 
rede Göttingen 1892. — Weltperioden. Rede zu Kaisersgeburtstag 1897. — Volk, Staat, 
Sprache. Rede zu Kaisersgeburtstag 1898. — Neujahr 1900. Rede zur Feier des Jahr- 
hundertswechsels. — Der Zeus von Olympia. — Die Locke der Berenike. — Aus ägypti- 
schen Gräbern. — An den Quellen des Clitumnus. 



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MAK 8 1907 



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