PURCHASED FOR THE
L7NIVERSITY OF TORONTO LIBRARY
FROM THE
CANADA COUNCIL SPECIAL GRANT
FOR
HISTORy QF ART
DIE KUNST
VIERUNDDREISSIGSTER BAND
DIE KUNST
MONATSHEFTE FÜR FREIE
UND ANGEWANDTE KUNST
VIERUNDDREISSIGSTER BAND
ANGEWANDTE KUNST
DER „DEKORATIVEN KUNST"
'S» >© « 'S XIX. JAHRGANG 's ^ >q 's
MÜNCHEN 1916
F. BRUCKMANN A.-G.
ALLE RECHTE VORBEHALTEN
Druck von F. Bruckmann A. G., M&ncheo
Inhalts-Verzeichnis
Textbeiträge Seite
Bahlsen-Ausstellungshaus 196
Behrendt, Walter Curt. Kleinsiedlungen 205
Bischoff, Paul. Reißbrett und Beleuch-
tungskörper 95
Braungart, Richard. Bruno Heroux* Zy-
klus „Vae Solls" 188
Eisler, Max. Ein städtisches Garlen-
wulinhaus von Josef Hoflfmann ... 1
— — Die Giasausstellung in VViei. . 55
— — Otto Prutscher 168
— — Die Wiener Modeausslellung . . 229
— — Robert Oerley 317
— — Ludwig Heinrich Jungnickel . . 331
— — Von der Wiener Werkstätte . . . 337
— — Dagobert Peche . 401
Epstein, Walter. Neue Landhäuser . . 245
Förster, Karl. Neue Blumengartenge-
staltung und Pflegeerleichterung durch
klimageniäße Dauerpflanzen 280
Gangl, Joseph. Kriegsmedaillcn . . 273
Gross, K. Die Dresdener Margareten-
Spiize 92
Haenel, E. Ein ländlicher Wohnsitz
von ()swin Henipel 381
Heilmeyer, Alexander. Neuere Bauten
von Professor Eugen Honig und Karl
Söldner 141
— — Julius Seidler, ein Münchner Haus-
plastiker 173
Heyl, Hedwig. Der Blumenschmuck in
der Kriegszeit 16
Konrad, Martin. Die Danzigcr Glasma-
lereien F. A. Pfuhles 298
Löffler, Melitta. Textilarbeitcn . . . 312
Mebes,PauI. DieOberreaUchuIe inZeh-
iendorf 349
Michel, W. Gläser von Emanuel Josef
Margold 157
Moritz, Carl. Das Künstlerheim des Ar-
chitekten 293
Münchner Künstler-Kriegspuppen-
Spiel 37
Muthesius, Hermann. Ueber die Zu-
kunft der deutschen Form 52
— — Heimatkunst und Einheitsform . 159
— — Die mechanische Seidenweberei
Michels&Cie. in Nowawes bei Potsdam 190
Popp, JoseF. Kriegsdenkmal- Entwürfe
von Richard Berndl 304
Runge &,Scotland, Zu den Arbeiten von 41
— — Zwei neue Räume von 285
Sattler, Karl. Eine Gartcnanlage in Ba-
den (Schweiz) 73
Schäfer, K. Der Bildteppich in der Kunst
der Gegenwart 63
— — Bildwirkereien von Wanda Bibro-
wicz-Sclireiberhau 397
Storck, Dr. W. F. Kriegergrabmal und
Kriegerdenkmal 357
IVestheim, Paul. Qualität und Ge-
schmack 99
— — Zu den Goldschmiedearbeiten von
Josef Wilm d.J 135
— — Von der Gesinnung in Architektur
und Kunstgewerbe 181
Wiener Mode 123
Wolf, Georg Jakob. Neues Nymphen-
burger Porzellan 25
— — Ein Wandteppich von Julius Diez 34
— — Zeitmedaillen von Ludwig Gics . 90
— — Die Bauten von Ludwig Ruff. , . 105
— — Oesterreichische Werkkultur . . . 336
ZoCf, Otto. Künstler als Kriegswtssen-
schaftler 254
Zweybrück, Emmy. Textilarbeitcn von 347
Abbildungen Seite
Albiker, K. Entwurf zu einem Krieger-
denkmal 378
Anstalt für Frauenhausindustrie, Wien.
Spitzen 238
Auliczek, Dominik. Porzellan-Figur . 30
Bahlsen-Ausstellungshaus , . 196-201
Bartning, O. Reihengräberanlage im
Felde 366
Behrens, Peter, rürgriffe und Beschläge 204
Berndl, Richard. Gedächtniskrenze 306. 307
Kriegsdenkmale 304.305.308.309. 311
Denksteine 309. 310
Bernhuber, Maria. Stickereien . 235. 236
Bertsch, Karl. Herrenzimmer .... 132
Bibrowicz, Wanda. Wandbehang ,,l''al*
ken" 397
— — Wandteppich „Weihnachten" . . 398
— — Wandteppich „Märchen" .... 399
— — Gewebte Handtaschen, Kissen und
schwarz-weiße Decke 400
Bing &. Gröndahl. Weihnachtsteller . 98
Blonder, Leo. Seidenstoff 128
Bolek, H. Zierglas 58
Bonatz, P. Entwurf für ein National-
Denkmal 377
Botz. Gartenstadt Karlsruhe 226
Bräck, W. Kriegcrgrabzeichcu .... 358
Braeuning, F. Einzelgrab für einen
Krieger 364
— — Kriegerdenkmal 375
Brück, Franziska. Aus der Schule lür
Blumenschmuck .,.,.... 16 — 24
Bruckmann, Peter &. Söhne. Dose . , 278
Schalen 278
Bustelli, Franz. Porzellan-Figuren . . 31
Charton , Reg. -Baumeister. Arbeiter-
wohnhäuser am Kaiser Wilhelm-Kanal 214
— — Dreifamilienhaus für Unterbcamte
am Kaiser Wilhelm-Kanal 215
— — Zweifamilienhaus für Unterbcamte
der Marschbahnverlegung 214
Czeschka, C. C. Seidenstoff 128
Dietsch, Friedr. Glasdose 58
Diez, Julius. Vivatband 243
— — Wandteppich für H.Bahlsens Keks-
fabrik 35. 36
Weihnachtstellcr . . . . • ... 97
Ebbinghaus, Karl. Plastiken .... 79
Engelmann, Richard. Bronzefigur . . 242
— — (Jrabmal Rhcinbaben 241
Epstein, Walther. Gartenanlage am
Waldsee in Zehlendorf 261
Herrenhaus Rehbrücke . . 253-256
— — Landhaus Fischbach ■ Schlachten-
see 246—252
— — Landhaus Kocherihalcr-
Dahlem 265-269
— — Landhaus von KÖnig-Schlachten-
see 245
— — Landhaus Meier- Gräfe - Nikolas-
i>ee 262-264
Landhaus Waltz-Zehlendorf 257-259
— — Landhaus Zehlendorf-
West 260. 270-272
Esch, H. Anlage von Grabhügeln . .367
— — Entwurf zu einer Grabplatte . . 366
- — Grabplatte aus Gußeisen .... 380
— — Kriegerdenkmale 374
Fachschulen, Gewerbliche, Augsburg.
Schmiedeeiserne Kassetten 72
Feldbauer, Max. Vivatband 243
Fischer , Theodor. Kleinwohnhaus-
kolonie der Bauhandwerks Gesellschaft
Neu-Westend in München 211
Fliegerbauer, Josef. Vivatband . . 244
Fochler, L. Seidenstoff 129
Foltin, W, Grabstein 364
Förster, Kart. Blumen u. Stauden 280-284
Frick, Kurt. Gartenstadt Hellerau :
Bebauungsplan 216
Grundrisse 216
Ansicht der Straße 9 217
Seite
Frick, Kurt. Gartenstadt Hellerau ;
Fünffamilien-Reihenhaus .... 219
Zehnfamilien-Reihenhaus . . . 219
— — Kolonie Gröba b. Riesa:
Lageplan 218
Achtfamilienhaus 218
Gangl, Josef. Anhänger ..... 275
Medaillen 273—275
Gies, Ludwig. Kriegs- und Trauer-
schmuck 89. 91
Goldberg, Karl. Ziergläser ..... 61
Göttel, Jakob. Sommerhäuschen . . . 212
Grässel, Hans. Grabkreuze ... . 359
— — Soldatenchrengräber im Münchner
Waldfriedhof 360. 361
Graumüller, M. Gedenkstein .... 368
Kleiner Soldatenfriedhof .... 371
Gropius, Walter. Tafelgerät 279
Gsell, H. Kriegerdenkmal 372
Harrachsche Glasfabrik. KrisUllschale 55
Hartmann, R. Grabkreuz 358
Hempel, Oswin. Haus Wolf-Cossmanns-
dorf:
Votfahrt 381
Grundrisse . 382
Straßenseite 383
Nebengebäude 383
Versenkter Garten 384
Vorgarten 385
Durchblick auf den Garten . . . 386
Spalierlaube und Naiurbad . . . 387
Haustür 388
Halle 389
Kamin in der Halle 390
Herrenzimmer 391
Ecke im Speisezimmer 392
Speisezimmer 393
Bad 394
Garderoberaum 395
Pergola 396
H^roux, Bruno. Aus dem Zyklus »Vae
Solia- 189
— — Vivatband .... 244
Hildebrand, A. von. Grabplatte . . 365
Kamin 80
Putto . 81
— — Tumulus zur Bezeichnung eines
Massengrabs 368
Hoffmann, Josef. Blumenschale . . . 340
Fruchtschale 340
- Haus Skywa 1 — 15
— — Kaffeegeschirr 341
Kronleuchter 343
— - Leinenstoff 330
Schale 342
— - Seidenstoffe 128. 129
— — Tafelaufsatz 341
— — Tunkenschüssel 342
Hölscher, Georg. Friedhof für ein in
Flandern stehendes Jägerbataillon , . 373
Honig &. Söldner. Geschäftshaus Dall-
mayr, München 151. 152
— ■ — Geschäftshaus >Zum schönen
Turm«, München 141—148
— — Landhaus der Frau S. von Pritt-
witz und Gaffron in Tutzing , 153—156
Weinhaus Kurtz,Münchenl44. 148— 150
Hugo, M. von. Heldenhügel bei Epoye
in der Champagne 357
Isabelle-Hausindustrie-Verein, Preß-
burg. Ausstellungsschrank 234
Gestickte Borte . 237
Stickerei 237
Jacobson, Fella. Handbeutel . 239. 240
Junghanns, J. P. Vivatband 244
Jungnickel, L.H. Farbiger Holzschnitt:
Löwe 331
— — Farbiger Holzschnitt: Flamingus . 332
— — Farbiger Holzschnitt: Marabus . 333
— — Radierung: Rehe 334
— — Radierung: Aus Sarajevo . . . .335
— — Radierung; Junges Reh 336
Kahlhammer, G. LeinenstoflT .... SSO
ABBILDUNGEN
Seite
Kärner, Theodor. Po"^"^^^ ''^l"'!^ 32
Kaulitz, Marion. Marionetten zu -De
Fischer un syne Fru« • • 4U
Münchner Kriegspuppen . . 37— Ja
Klatt, Reg.-Baumeister. Zweifamilien-
haus für Unterbeamte der Marschbahn-
verleeung ,;••'■' 07
Klee, Fritz. Weihnachtsteller . . VI
Klemm, Walter. Vivatband . . . . .244
KlossDwski, Erich Wandmalerei . . ^b4
Köhler, Mela. Kleider und Hüte 235. iih
Kolb, Alois. Vivatbänder 243
Kolbe, Georg. iJrunnen ^'W
Gruppe zu einem Krieger Gedenk-
btunnen 379
Plastiken ^ob
- - Reliefs 254 272
Krüger, Georg. Geschnitzte Bank . 201
Kunstgewerbeschule, K.K., Wien. Aus-
stellungsschrank ^•^^
Lochstampter, W. Grabkreuz .... 358
Lock, Josef. Schalen und Leuchter . 277
— — Teeservice 276
Löffler, Melitta. Stickereien . 312-314
Lönholdt, Julius. Türgriffe und Be-
schläge
. 204
LötzWw,. Job. Glaspokal 59
Loevy, S. A. Bronzearbeiten 204
Low, Fritzi. Seidenstoff 128
Maaß, Harry. Gedächtnismal in der
Heimat 369
Marcks, Gerhard. Skizze zu einem Krie-
gerdenkmal 3'n
Margold, E. J. Bündnisglas 163
— — Glasschale 62
— — Kristall-Bowle mit Gläsern . . . 163
Obstschale 158
Pokal 164
Vasen und Dosen 157. 158- 163. 165
— — Weinservice 161
Mata, J. Grabsteine für Reihengräber . 367
Mebes, Paul. Haus Mildner 228
— — Oberrealschule in Zehlendorf:
Vorhalle 350
Hauptfront an derBurggrafenstr.iUe 351
Sternwarte 352
Direktoren-Wohnhaus 353
Blick in den Hauptkorridor des
ersten Stockwerkes 354
Vorraum der Haupttreppe zur Aula 354
Treppenhaus 355
Turnhalle 356
Brunnen 356
— — Reihenhäuser in Zehlendorf. . . 227
Meltzer &, Co., Carl. Likörflasche aus
geschliffenem Glas 62
Mine, J. Porzellan-F'igur 33
Meyer, Willy. Kleiner Soldatenfiiedhof 371
Moritz, Carl. Heim des Künstlers: Stra-
Uenseite 293
Gartenseile 294-296
— — Laubengang 297
Muthesius, Hermann. Fabrikgebäude
der Seidenweberei Michels Sc Cie., No-
wawes 190-195
— — Kleinhäuser in Duisburg .... 213
— — Kleinhäuser in Helierau .... 2J3
Naumann, Margarete. Dresdener Mar
garelen-Spitzen 92-94
Niemeyer, Adelbert. Speisezimmer . . 133
Oerley, Robert. Gartenwohnhaus in
Wien 326. 327
Diele 328
Küche 329
Kinderspielzimmer 329
— — Landhaus in Kalksburg 323
Seitenansicht 322
Grundrisse 322
Gartenseite 324
F.ßzimmer 325
— — Landhaus in Neubruck :
Straßenseite 317
Gartenseite 318
Grundrisse 318
Eßzimmer 319
Wohndiele 320. 321
Oertcl &. Co., Joh. Farbige Gläser . . 60
- — Geschliffene Glasdose 57
Ostendort, Fr. Gartenstadt Karlsruhe.
Einfamilienhäuser 225. 226
Geschäftshaus 225
Seile
Paul, Bruno Ehrenfriedhof Darethen . 370
Türgriffe und Beschläge .... 204
Peche, Dagobert. Wiener Modeausstel-
Inng : . . „,q
Vitrinenumgang ■ • f^
Damenboudoir 230. 231
Mittelhalle ^3j
— — Bonbondosen 401
Kaffeegeschirr 402
Tafelgeschirr *0i
Aufsatz 40^
Teedose und Aufsatz 403
— — Fayencen 404
Bilderraum in der Ausstellung
Rom ign *0b
Salon 406
— — Damensalon 407
Sitzecke im Damensalon .... 408
— — Empfangssalon 409
Schaukasten-Ecke im Vitrinenum-
gang der Modeausstellune in Wien 410
Blick in die Haupthalle der Mode-
ausstellung in Wien 411
Stoffmuster 412
— — Eieratrappe aus Pappe 412
Pfuhle, F. A. Fenster in der Westpreu-
IJiächen Feuersozietät, Danzig .... 303
— - Kirchenfenster : Christi Geburt . 298
— — Kreuzigung 299
— — Auferstehung 300
Himmelfahrt 301.302
Porzellan-Manufaktur, Berlin. Weih-
nachtsteiler 98
Meißen. Weihnachtsleller . . 96. 97
Powolny, M. Glaspokal 56
Prutscher, Otto. Damenzimmer . 170.171
Garten ... 167
Halle 171
— — Speisezimmer 168
Villa R. Bienenfeld, Baden . 166.167
Villa M. Rothberger, Baden 170-172
— — Vorraum 170
— — Zimmerecke 172
Rasche, Adolf. Geschliffener Glaspokal 57
Riemerschmid, Richard. Wohnzimmer 134
Rosenberg, Berti. Dekorative Stickerei 130
Rosipal, Jos. Geschliffene Gläser ... 60
Ruff, Ludwig. Einfamilienhausgruppc in
St. jobst-Nürnberg 117
— — Fortbildungsschul- und Bibliothek-
gebäude der Maschinenfabrik Augs-
Imrg-Nürnberg 120. 121
— — Gartenvorstadt Werdcrau- Nürn-
berg :
Volkhammerplatz 108
Arbeiterhäuser 109. 112
Meisierhaus 110
Hoffmannstraße 111
Gastwirtschaft 113
Hofpartie 114
Beamtenhaus 122
Einfamilienhäuser 109 112. 122. 208
210
— — Kleinwohnungsanlage Gibitzenhof
der Baugesellschaft für Kleinwohnun-
gen, Nürnberg , 115
— — Landhaus Endres, Gmünd am Te-
gernsee 119
— — Landhaus Engel, Feucht bei Nürn-
berg 118
— — Landhaus Löwengart, Fürth , . . 105
Villa Hahn, Pilsen-Lochotin 106. 107
— — Wohnungskolonie Angerhausen
der Maschinenfabrik Augsburg-Nürn-
berg. Einfamilienhäuser 210
Runge &. Scotland. Bibliothek Roselius-
Berlin 286. 288-292
— — Doppel wohnhaus Prof. Dr. H, und
Richter Dr. B 53
— — Empfangszimmer Roselius-Berlin
285-287
— — Haus Friese in Bremen .... 47.48
Haus Herbst .... ... .49.51
— — Haus Kißling 50
Haus Windisch . .49.54
— — Laden der Kaffee-Handels-Gesell-
schaft in Wien 41—46
— — Landhaus in Bremen-Vahr . . 51. 52
Sattler, Karl. Landsitz Boveri, Baden
(Schweiz) :
Gartenhaus 73. 75
Lageplan 74
Musik- und Festsaal 80
Schwimmbad 76. 77
Seite
Sattler, Karl. Landsitz Boveri, Baden
(Schweiz) ; ^
Terrassenanlage *8
Treppenanlage 81
Weganlage '9
Schmarje, Walther, Relief 349
Schmitthcnner, Paul. Gartenstadt Staa-
ken :
Straße 220
Reihenhäuser 221
Vierfamilienhaus 222. 223
Grundrisse 224
Kolonie Forstfeld bei Kassel. Be-
bauungsplan 224
Schmohl, Baurat. Kolonie Altenhof der
F. Krupp A. G 209
— — Kolonie Gewerkschaft Emscher
Lippe der K. Krupp A.-G 209
Schramm, Julius. Kircheoschlüssel . . 202
OberlichlgiUer 202
Rosette 203
Schröder, R. A. Speisezimmer .... 264
Tafelaufsatz des Bremer Rates . . 279
Schule für Blumenschmuck Franziska
Brück 16-24
Schule Margarete Naumann. Dresdener
Margareten-Spitzen 92—94
Schulz, Richard L. F. Beleuchiung«-
körper 99. 102. 103
Tischlampen 100 101. 104
Schulze, D. und K. Gewerkschaft Vik-
toria 205
Kolonie L. Mannstaedt, Troisdorf:
Gesamtansicht 206
Platzanlage 206
Seeck, F. Erinnerungsmal auf freier Höhe 370
— — Grabstein in der Heide 363
— — Kriegerfriedhof 372
Scidler, Julius. Brunnen 180
Krkerplaslik . 148. 177
— — Fenstergewände 174
Gedenktafeln 173
— — Geschnitzter Faßbodeii 184
— — Hausplastiken 175 - 187
- Hauszeichen 148. 17G 178 183. 185
.187
— — Madonna 179
St. Christoph 179
— - St. Georg 175. 181
Siebrecht, Karl. Ausstellungshaus der
Keksfabrik Hahlsen auf der Kölner
Werkbund Ausstellung .... 196-201
Singer, E. Krieger-Gedenkbrunnen , . 375
Stockar v. Bernkopf, R. Geschliffene
Glaser 60
Strnad, O. GrnCcs Kreuz aus Eichenholz 362
Stübchen-Kirchner, Else. B.itiken 235 236
Troost, P. L. Beleuchtungskörper . 83. 85
— — Schlafzimmer 86. 87
— — Schränkchen 83
— — Toilettentisch 88
Vorraum 82. 84
Vierthaler, Ludwig. Baukeramik 196 — 198
Wackerle, Josef. Majolika-Figuren 26 27
Waldschütz, R. Grabkrciz 357
— — Kriegerdenkmal 372
— — Kriegergrabmal 364
Wenz-Vietor, Else. Tcezimmcr .... 131
Widmer, Hermann. Adresse für Feld-
marschall von Hindenburg 315
— — Adressefür Herrn Joh. A. von Wül-
ling 316
Wiener Werkstälte. I^esuchs- und Sira-
ßenkleider 123-127
LeinenstolTe 330
Seidenstoffe 128. 129
Silberarbeiten 337-342
Wilm, Josef. Anhänger 135-137
— — Armbänder 135. 136
— — Broschen 136
— - Brotkorb 139
GürtelschlieOen 137
— — Kaffeeservice 138
Platte 139
Zuckerdosen 138. 140
Wimmer, E. J. Blumenschalen . 338. 339
— — Blumenvase 338
Früchtekorb 339 342
Vase und Dose 337
Wislicenus, Max. Wandbehänge 63.65 — 67
71
Wandteppiche 64.68-70
Woenne, Paul. Messer 203
SONDERBEILAGEN - SACH-REGISTER
Seite
Zovetti, A. Leinenstoffe 330
Zumbusch, Ludwig v. Wcilinachtsteller 98
Zweybrück, Emmy. Decitclien in Weiß-
stickerei 345
Handbeiitel 239. 348
Kissen 348
Polster 344
— — Seidendecke 346
Spitze 345
— — Umhang 347
Sonderbeilagen
vor Seite
Aus der Scliute für Blumenschmuck
Franziska Brück 17
Epstein, Walther. Landhaus Fischbach-
Schlachtensee : Ansicht von der Ein-
fahrt aus 245
— — Herrenhaus Kchbrücke. Parkan-
sicht 253
Förster, Karl. Perennen-Farm in der
Maiblüte 281
Göttel, Jakob. Sechs-, Vier- und Fünf-
hausgruppe in der Gartensiedlung Ober-
eßlingeu bei Stuttgart 213
Hempcl, Oswin. HausWolf-CoGmanns-
dorf : Ansicht vom Garten 381
Haus Wolf-CoDmannsdorf: Halle . 389
H^rou.x, Bruno. Aus dem Zyklus «Vae
Solls. 189
Hcffmann, Josef. Haus Skywa: Vorder-
ansicht 1
llönig &■ Söldner. Geschäftshaus 'Zum
schönen Turm* in München .... 141
Mebes, Paul. Die Oberrealschule in
Zehlendorf: Hauptfront an der Uurg-
grafenstraße .....' 349
Oerley, Robert. Landhaus in Neubruck 317
Prutscher, Otto. Speisezimmer . . . 169
Ruff, Ludwig. Gartenvorstadt Werderau-
Nürnberg; VoIkhammcTplatz . . . .109
— — Gartenvorstadt Werderau- Nürn-
berg Arbeiter - Kinfamilienhäuser . .113
— — Landhaus Lüwengart, Fürth . . . 205
Runge &. Scotland. Ladenraum der
Kaffee-Handels-Gesellschaft in Wien . 41
— — Fensterecke im Empfangszimmer
Roselius-Berlin 285
— — Empfangszimmer Roselius-Berlin . 293
Sattler, Karl. Landsitz Boveri, Baden
(Schweiz) : Gartenhaus 73
Schulze, D. und K. Gewerkschaft Vik-
toria, Lünen, Marktplatzgruppe . . . 205
Seidler, Julius. Madonna vom Anger-
kloster in München 173
Troost, P. L. Vcrraum der Ausstellung
der Vereinigten Werksthtten für Kunst
im Handwerk auf der Werkbund-Aus-
stellung in Köln 85
TVackcrle, Josef. Porzcllangruppe:
Pierrot und Pierrette 25
Wiener Werkstätte. Straßenkleider . . 125
Wislicenus, Ma,\. \yandteppich >Diana< 65
— — Wandteppich »Venus« 65
Sach-Register
Seite
Adressen 315 316
Anhänger 89. 91. 135. 136. 137
Anlage von Grabhügeln 367
Arbeiter-Ilauser . . . 109—115. 205—227
Armbänder 135. 136
Ausstellung ,, Kriegergrabmal und
Kriegerdenkmal" 357-380
Ausstellung „Wiener Mode" . . 229—240
Seite
Ausstellungshaus ..... 196 — 201
Ausstellungsräume 405. 410/11
Bad 14 394
Badehaus 155
Bahlsen-Ausstellungshaus . . . 196—201
Balkone 47. 263. 266. 326
Bänke . . . . • 44. 201. 283
Batik-Arbeiten 2.35. 236
Baukeramik 196—198
Bebauungspläne 216. 218. 224
Beleuchtungskörper 83. 85. 99. 102. 103
168. 343
Beschläge 204
Besuchskleider 123. 124. 127
Beutel 239. 240. 348
Blumenschalen 338—340
Blumenschmuck 16 — 24
Blumen und Stauden 280—284
Borte 237
Bowlen 163
Bronzearbeiten 204
Bronzeflguren 242. 308. 309
Broschen 89. 91. 13«
Brotkorb 139
Brunnen 49. 152. 180. 192. 248. 254. 261
270. 356. 372. 375. 378
Brunnenfiguren 379
Bündnisglas 163
Decken ... ... . . 345. 346. 400
Denkmale 304. 305. 308—311. 372. 374
375-378
Denksteine 309. 310. 368. 374
Dielen und Hallen 8. 9. 171. 232. 251
252. 264. 268. 269. 320. 321. 328. 389
Dosen 57. 58. 138. 140. 157. 158 163
165. 278. 337. 401. 403
Ehrenfriedhof Darethen 370
Ehrengräber im Münchner Waldfried-
hof 360. 361
Eieratrappe . . .... 412
Eisen-Arbeiten 72. 2Ü2. 203. 358. 364. 380
Erinnerungsmale 369. 370
Erkerplastik 148. 177
Fabrikgebäude
Faßboden , . .
Fayencen . .
Fenstergewände
Festsaal
190-195
... 184
. . .404
. . . 174
80
Friedhöfe 371—373
Fruchtkörbe 339. 342
Fruchtschalen 158. 340
Garderoberaum .... ... 395
Gärten 49. 73-79. 81. 167. 248. 261. 281
384/386
Gartcnhallen 271. 272. 324
Gartenhäuser 51. 73. 75
Gartenplan 74
Gartenstadt Hellerau 213. 216. 217. 219
Gartenstadt Karlsruhe .... 225. 226
Gartenstadt Staaken bei Spandau 220—224
Gartenvorstadt Werderau bei Nürn-
berg 108—114. 122. 208. 210
Gastwirtschaft 113
Gedächtnismale in der Heimat 369. 370
Gedenkbrunnen 375. 379
Gedenktafeln 173
Geschäftshäuser 141-152. 225
Gewerkschaft Viktoria, Lünen .... 205
Giebel 146. 205. 221
Gitter 202
Gläser 55—62. 157—165
Glasmalereien 298—303
Grabkreuze 357—361
Grabmale 241
Grabmal-Figur 242
Grabplatten . 365. 366. 380
Grabsteine 363. 364. 367
Grundrisse 105. 106. 109. 150. 153. 212
216. 218. 224. 246. 253. 257. 268. 318
322. 382
Gürtelschließen 137
Hallen siehe unter ,, Dielen"
Handtaschen 400
Haus Bienenfeld, Baden .... 166. 167
Haus Dallmayr, München . . . 151. 152
Haus Fischbach-Schlachtensee . 246—252
Haus Friese, Bremen 47. 48
Haus Hahn, Pilsen 106. 107
Haus Herbst 49. 51
Haus in Bremcn-Vahr 51. 52
Seite
Haus in Kalksburg 322—325
Haus in Neubruck 317—321
Haus in Wien-Hietzing . . . 326—329
Haus Kissling 50
Haus Kocherthaler-Dahlem . . 265—269
Haus von König, Schlachtensee . . . 245
Haus Löwengart, Fürth . . . 105
Haus Meier-Gräfe-Nikolassee . 262—264
Haus Mildner, Zehlendorf 228
Haus Moritz, Köln .... 293—297
Haus Prof. Dr. H. und Richter Dr. B. 53
Haus Prittwitz, Tutzing .... 153—156
Haus Rehbrücke 253—256
Haus Rothberger, Baden .... 170—172
Haus Skywa 1—15
Haus Waltz, Zehlendorf .... 257—259
Haus Windisch 49. 54
Haus Wolf-Cossmannsdorf . 381-396
Haus Zehlendorf-West . 260. 270-272
Haus ,,Zum schönen Turm", Mün-
chen 141—148
Hausplastik . . 145. 146. 148. 174—187
Hauszeichen 148. 176. 178. 183. 185. 187
Höfe 114. 209. 256
llolzarbeiten 309
Holzkreuze . . 306. 307. 358-360. 362
Holzschnitte 331-333
Kaffeewärmer 314
Kamine 9. 171. 251. 269. 288. 321. 390
Kannen . . 138
Kassetten 72
Keramik . 196—198
Kirchenfenster 298— 3li2
Kissen 344. 348. 400
Kleider 123—127. 233—23«
Kleinsiedlungen 108-117. 122. 205-228
Kolonie Altenhof der F. Krupp A.-G. 209
Kolonie Angerhausen der Maschinen-
fabrik Augsburg-Nürnberg .... 210
Kolonie der Bauhandwerks -Gesell-
schalt Neu-Westend in München . . 211
Kolonie Forstfeld bei Kassel .... 224
Kolonie Gewerkschaft Emscher-Lippe 209
Kolonie Gröba bei Riesa 218
Kolonie L. Mannstaedt, Troisdorf . . 206
Kriegerdenkmäler 357—380
Kriegergrabmäler 357 — 380
Kriegsdenkmale . . . 304. 305. 308—811
Kriegsdenksteine 309
Kriegsmedaillen 273—275
Kriegspuppen . 37—39
Kriegsschmuck . .... 89. 91. 275
Kronleuchter 343
Küche 329
Ladenräume 41 — 46. 147. 152
Lampen, elektrische . . 85. 100. 101. 104
Landhäuser und Villen 49—54. 106. 107
117-119. 153. 154. 166. 167. 212. 245
246-272. 317. 318. 322-324. 381
Laubengang 297
Leuchter . . 277
Likörflasche 62
Majolika-Figuren 26. 27
Margareten-Spitzen 92 — 94
Marionetten 40
Medaillen 89. 91. 273-275
Messer 203
Miethäuser . . 108-117. 122. 205-227
Mode 123-127. 233-236
National-Denkmal 377
Naturbad 387
Oberrealschule in Zehlendorf . 349-356
Öfen 156. 325
Pergola 396
Pokale 56. 57. 59. 164
Polster 344
Porzellan-Arbeiten . . 25. 28—33. 96—98
Radierungen 189. 334-336
Reihengräber 366. 367
Reliefs 254. 272. 349
Repräsentationshalle 190
Rosette 203
Schalen 55. 62. 139. 158. 277. 278. 279
338-340. 342
Schaufenster 41. 198
SchifFshütte 155
Schließen ... 137
Schlüssel 202
SACH-REGISTER- NAMEN-VERZEICHNIS -ORTS-REGISTER - BOCHERBESPRECHUNGEN
Schmuck 89. 91. 135-137.
Schnitzereien 184. 201. 286. 290-292
307. 309
Schränlie, Bücher-
„ Kleider-
,, Spielzeug-
,, Wand- 170.
Zier- .... 42. 83. 285.
Schreibtische 15-
Schulgebäude ... 120. 121. 349-
Schwirambad 76.
Seidenweberei Michels &. Cie., Nowa
wes 190-
Service, Kaffee- . . . 138. 139. 341.
Tafel-
,, Tee-
„ Wein-
Sessel und Stühle 15. 46. 131. 132.
286 288
Silberarbeiten 136-139. 276-279!
338-
Soldatenehrengräber im Münchner
Waldtriedhot 360.
Soldatenfriedhöfe 371-
Spitzen ..... . 92-94. 238.
Städtische Wohnhäuser 1—5. 47. 48.
105-107. 166. 167. 228. 293—297.
Steinplastik 148. 173—187. 266. 378.
Sternwarte
Stickereien . . 130. 234-237. 239-
312-314. 344-
Sto«fc 128. 129. 330.
Straßen und Plätze 108. 111. 143.
205. 206. 213. 217. 220.
Straßenkleider 125.
Seite
, 275
. 306
. 328
. 290
. 134
.329
, 230
292
292
-356
77
-195
402
. 402
276
. 161
251
321
337
-342
361
-373
345
53
326
327
379
352
-240
..348
412
144
226
126
Tafelaufsätze 279. 341. 403
Teppiche 287. 291
Terrassen 78. 81. 154
Tierfiguren 25. 28. 29. 32. 33. 309. 372
Tische .44. 286. 287. 291
Toilettentisch 88
Treppenanlagen 81. 154
Treppenhäuser 7. 147. 171. 195. 264. 320
321. 328. 355
Tumulus . , 368
Tunkenschüssel 342
Türen und Tore . 170. 262. 263. 266. 285
388
Türgriffe 204
Turnhalle .356
Umhang 347
Vasen . 157. 165. 337. 338
Veranden siehe unter „Gartenhallen*'
Villen siehe unter „Landhäuser"
Vivatbänder . 243. 244
Vorfahrt 381
Vorhallen .6. 147. 350
Vorraum 12. 82. 84. 170. 354
IVandbrunnen 49
Wandleuchter 83
Wandteppiche . 35. 36. 63—71. 397—399
Weihnachtsteller 96—98
Weinhaus Kurtz, München 144. 149. 150
Wintergärten 13. 251
Zimmer, Bibliothek- . . . 286. 288-292
„ Damen- 170. 171. 230. 231. 406
407. 408
„ Empfangs- . . . 285-287. 409
„ Herren- 132. 391
„ Kinder- 329
„ Musik- 80
„ Schlaf- . . . . 10. 11. 86. 87
„ Speise- . . . 133. 168. 172. 264
319. 325 392. 393
" Spiel- 13. 329
" J,".- 131
„ Wohn- 14. 134
Namen -Verzeichnis
Seile
Albertshoter, Gg 153
Auliczek, Dominikus 32
Bäuml, Albert 25
Berndl, Richard 306
Bernhard, Karl 190
Beuster, Fritz 207
Bibrowicz, Wanda 67. 397
Bonatz, P 380
Brück, Franziska 16
Bustelli, Franz 28
Carsten, A 301
Charton, Reg.-Baumeister 227
Diez, Julius 34
Ebbinghaus, Karl 76
Eisler, Max 336
Fischer, Theodor
Frick, Kurt . . .
. . . 223
214. 227
Gangl, Josef 273
Georgii, Theodor 76
Gies, Ludwig . . 90
Grässel, H 363
Hanak, Anton 10
Heinersdorff, G 302
Hempel, Oswin ... 381
Hdroux, Bruno 188
Hildebrand, Adolf von .... 76 374
Hildebrand, Jacobine von .... 76
Hoffmann, Josef 1.331
Moll, Elias 109
Honig & Söldner 141. 174
Janssen, U 374
Jessen. Peter . 130. 238
Jungnickel, Ludwig Heinrich . . . 331
Kärner, Theodor 32
Kaulitz, Marion 37
Klatt, Reg.-Baumeister 227
Klinger, Max ip8
Kolbe, Georg 253
Krüger, Georg 200
Lange, Willy 282
Leisching, Eduard . . 55
Löffler, Melitta 312
Margold, E. J 157
Mebes, Paul 349
Mene, J 32
Migge, L 214
Möhl &. Schnitzlein 78
Naumann, Margarete 92
Oerley, Robert 317
Orlik, Emil 332
Peche, Dagobert 240. 401
Pfuhle, F. A 298
Prutscher, Otto . igg
Riezler, Walter 238
Ruff, Ludwig 109. 223
Runge &Scotland 41. 285
Sattler, Karl 73
Schmitthenner, Paul 214.' 227
Schmutzer, Ferdinand ...... 332
Schulz, Richard L. F ... 101
Seidl, Gabriel von 147 179
Sfidler, J 151. 179
Siebrecht, Karl i9tj
Strnad, Oskar 62
Thyriot^ .
349
Seile
Vetter, Adolf 62. 229. S36
Vierthaler, Ludwig 196
Wackerle, Josef . . . 33
Wilm, Josef . . 135
Wisliccnus, Max 67
Zweybrück, Emmy 547
Orts-Register
Baden (Schweiz). l..ind!iiz Boveri 73—81
Berlin. Schule für Blumenschmuck
Franziska Brück 16—24
Bremen. Zu den Arbeiten von Runge
& Scolland 41— M
Cossmannsdort. Haus Wolf. . 381— S96
Danzig. Die Glasmiilereien F. A. Pfuh-
les 298-303
Dresden. Dresdener Margareten-Spii/en
92-94
Köln. AusslellunfTshaus Bahlsen auf der
WerkbundAusstelliing .... 196-301
— Kiinstlerheim des Architekten C Mo-
riu 293-297
Mannheim. Ausstellung »Krtegergmbmal
und Kriegerdenkmal* 357—380
München. Münchner Künstler -Krieits.
puppen-Spiel 37—39
Neubruck a. d. ErJaf. I.aDdhiut 317-321
Nowawes. Fabrikgebäude der Seiden-
weberei Michels* Cie 190-195
Ober-Schreibcrhau. Schlesische WerV-
slälten für Kunstweberei . . . 397— 40O
WTien. Glasausslellunc . . . .55-62
— Haus Skywa 115
— .Modeausslellung 229—240
— Wiener Mode 123-127
— Wiener Werkstätle 337-346
Zehlendorf. Die Oberrealichule 349-356
Bücherbesprechungen
Deutsche Form im Kriegsjahr. Jahr-
buch des Deutschen Werkbundes 1915 130
Eisler, Max. Oetterreichisch« Werkkul-
tur 336
Muthesius, Hermann. Die Zukunft der
Deutschen Form 52
Schmitz, Hermann. Berliner Baumei-
ster vom Ausgang des aclitzehnten
Jahrhunderts SS
Soldatengräber und Kriegsdenkmale 59
Gedanken über Kunst
Neumann, Karl 195
Obrist, Hermann 396
Oesterreicbische Werkkultur 346
Rembrandt als Erzieher 46
Streiter, R 78. 201
Vischer, F. Th 396
WTielandt, Manuel 396
Winckelmann 396
JOSEF HOFFMANN-WIEN
HAUS SKYWA: ZUFAHRT
EIN STÄDTISCHES GARTENWOHNHAUS
VON JOSEF HOFFMANN
Will man den Zustand, in dem sich die
Kunst Josef HoFFMANNSgegenwärtig be-
findet, annähernd bezeichnen, dann müßte man
ihn den der äußersten Selbstentfaltung nennen.
Das gilt im mehrfachen Sinne: niemals vor-
her waren die Aufgaben, die ihr gestellt wurden,
derart mannigfaltig, niemals für sich so um-
fassend, niemals die Formen ihres Ausdrucks
so klar und notwendig. In übereinkommender
Weise finden sich jetzt die reichlichen An-
sprüche des Auftraggebers und die gereifte
Fähigkeit des Künstlers, sie zu befriedigen.
Hält man sich nur an einiges Wesentliche
der allerletzten Jahre, dann ergibt sich aus
der baulichen Tätigkeit Hoffmanns die Reihe:
eine Festhalle (auf der Werkbundausstellung
in Köln), eine Fabrik (Günther Wagner in
Wien), ein großindustrielles Bureau (Poldihütte),
eine Vorstadtkolonie (Kaasgraben in Grinzing),
ein Landhaus (in Winkelsdorf) und ein städti-
sches Gartenwohnhaus (in Hietzing). Jedes
Bauwerk greift auf ein besonderes Gebiet,
die Summe aller umfaßt nahezu den ganzen
Kreis moderner Bauaufgaben.
Man wird schon aus dieser bloßen Auf-
zählung allerhand von weiterführendem Belang
entnehmen können. Sie reicht vom äußersten
Luxus bis zum nüchternsten Zweckbau, von
der Laune bis zum Bedürfnis, von der ge-
legentlichen Ausnahme bis zur wiederkehren-
den Sozialforderung, verschreibt sich keinem
bestimmten Stande, keinem ständigen Auf-
gabenkreis, entspricht fast allen Ansprüchen,
die aus großstädtischer, also modernster Wurzel
kommen und erhält in diesem lebendigen Aus-
tausch mit der Reichhaltigkeit des Auftrags
die eigene Persönlichkeit im stetigen Fluß,
in andauernder Erneuerung.
Diesem Oesterreicher zeigt sich die Art der
Heimat ausnahmsweise günstig gesinnt. Sie
bewahrt ihn vor dem Schicksal, dem draußen
im Reiche viele der Guten und Besten zum
Dekorative Kunst. XIX. i. Oktober 1915
1
Opfer werden. Denn dort bemächtigt sich
der kühnere, stärkere Unternehmergeist schnell
des Genies, dessen zweckdienliche Eignung
er erkannt, bindet es an die eindeutige Rich-
tung seiner Interessen, veranlaßt es eine Fähig-
keit bis zur Virtuosität auszubilden und ver-
schuldet damit nicht selten jene Einseitigkeit,
die wohl immer vollkommener wird. Voll-
kommeneres gibt, aber sich selber auch immer
wiederholt. Dort hat der Grundsatz der In-
dustrie, das Prinzip der Arbeitsteilung, nament-
lich in den letzten Jahren auch von dem
Boden der Kunst fortschreitend Besitz ergriffen
und hat sich durchgesetzt, weil es über den
stärksten wirtschaftlichen Rückhalt verfügte.
Die Folge war die Züchtung eines Spezialisten-
tums, das seither erschreckend überhand ge-
nommen hat. Dies aber ist dem Wesen des
Künstlers geradezu feind: denn es führt zu
einer Verkümmerung des Vollmenschen, der
im Bezirke der Kunst seit je Heimrecht be-
sessen. Und doch ist seine Erhaltung heute
wichtiger geworden als irgendwann. Denn
schon ist auf allen Gebieten menschlicher
Tätigkeit, von der Wissenschaft bis zur Ma-
schine, der Spezialist ins Vorrecht gesetzt, die
Gefahr der Einseitigkeit im Denken und
Handeln ganz allgemein geworden. Die Kultur
mag dabei in ihren Ergebnissen Gewinn ge-
nug erzielen, aber ihre Träger werden minder-
wertig, mindervoll und minderfroh, — das
Werk überwindet und erniedrigt den Menschen,
der es vollbringt. Die Kunst kann da nicht
mittun, will sie sich nicht verlieren; denn hier
ist Werk und Mensch eines nur, hier steigt
der Wert des Ergebnisses mit der Freiheit
und Freudigkeit seines Vollbringers.
In Oesterreich liegen die Dinge zurzeit
noch anders. Unsere Wirtschaft ist anders
und nicht zuletzt deshalb ist es auch die
Kunst. Unsere Wirtschaft ist weniger groß-
artig, weniger geschlossen in ihren Gattungen,
weniger robust und eigenmächtig in ihren An-
sprüchen an die Kunst. Allerdings auch weniger
willig zum Anschluß an sie. Das kommt un-
serer Kunst nicht gerade gelegen, aber mit dem
übrigen zwingt es sie, alle nur erdenklichen
eigenen Wege zu gehen, — sich selbst über-
lassen — selbständig und selbsttätig zu bleiben,
alle Fähigkeiten zu entwickeln, um nur bestehen
zu können, und in voller Bewegung, in allseitiger
Fühlung mit dem Lebensganzen zu verharren.
Haben wir nicht auch deshalb so viele neue
Künstlergedanken, so viel ursprüngliche, quel-
lende Erfindung, so wechselreiche Formen, —
so wenig Uebereinkommendes, der Verallge-
meinerung Fähiges? So viele und vielseitige
Persönlichkeiten und so wenig vom Typischen?
Man vergegenwärtige sich nochmals jene
letztjährige Werkreihe Josef Hoffmanns. Der
Künstler kann — oder muß — sich von einem
Problem dem andern zuwenden, ohne von
einem spekulativen oder großzügigen Unter-
nehmer zur Verflachung und Abwandlung
eines Themas verhalten zu werden. Nach
einer Fabrik baut er ein Landhaus. Das liegt
natürlich auch an der Lauheit der nächst-
stehenden Auftraggeber. Anders als im Reiche,
wo die Standes- und Interessengemeinschaften
nach Geist und Bewußtsein enger vergesell-
schaftet sind, geschlossener organisiert und
deshalb auch einhelliger in ihrem jeweiligen
Kunstbedürfnis, lebt man bei uns mehr in
sich und durcheinander, der Fabrikherr mit
dem Großgrundbesitzer, dem höheren Beamten
und dem Künstler. Aus solchen durcheinander-
gemischten Kreisen kommt dann zuweilen der
Wunsch nach Kunst, nicht selten nach der
Kunst desselben Künstlers, der allen der rechte
scheint. Draußen ist schon das Bedürfnis
nach Kunst organisiert, bei uns ist es Ge-
legenheitssache. Und dies Gelegentliche des
Anlasses bleibt auch das Merkmal des Werk-
ergebnisses.
Von der Festhalle Josef Hoflfmanns in Köln,
von den Gruppenhäusem im Kaasgraben kann
man Maximen ablesen, grundlegende Erkennt-
nisse, wie Fragen solcher Art erledigt werden
können: also das Gesetzliche, die notwendige
Folge von Voraussetzung und Lösung. Aber
die Lösungen selber eignen sich nicht zur
VervielUltigung. Sie verweigern sich schlecht-
hin jeder Typisierung. Ueber dem allgemein
Gültigen und Lehrhaften daran behauptet sich
noch so viel des Originalen und Eigenwilligen,
daß hier jede Nachahmung, jede Wieder-
holung widersinnig, wesensverleugnend er-
schiene. Selbst wenn ein organisiertes Be-
dürfnis die Vervielfachung dieser Formen zu
geläufiger Verwendbarkeit verlangte, sie müßten
erst ihr Bestes und Eigenstes aufgeben, ehe
sie dazu brauchbar würden. Es ist die be-
sondere Art österreichischer Werkkunst, die
sich durch ihren Meister am klarsten aus-
spricht: hier steht das Persönliche noch vor
dem Allgemeinen, der Künstler über dem
Werk, nicht das Werk über ihm.
Das Hietzinger Viertel, in dem das Haus
Skywa steht, läßt noch heute deutlich genug
die Spuren aller Stadien erkennen, die es von
der ländlichen Siedlung zum städtischen Vor-
ort und endlich zum 13. Großstadtbezirk
durchschritten hat. Es ist noch genug Willkür
und Lässigkeit in seinen Straßenzügen, noch
JOSEF HOFFMANN-WIEN
HAUS SKYWA: VORDERANSICHT
1*
JOSEF HOFFMANN-WIEN
HAUS SKYWA: SEITENANSICHT
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JOSEF HOFFMANN-TIEN
HAUS SKYWA: EINGANGSHALLE
durchbrechen weite Pflanzengründe die Häuser-
zeilen, die sich hier zuletzt doch wieder mehr
geschlossen haben als in den „Villenvierteln"
der Stadt. Die Aufnahme des Gliedes in den
Körper ist hier teilweise weiter vorgeschritten,
aber zwei Merkmale geben ihm noch heute
Besonderheit: die Gärten und die Wohnbe-
stimmung.
Das bauliche Einzelbild widerstreitet vielfach
diesem Stufengang des Siedlungslebens. Vor
den achtziger Jahren bewahrt es noch die
Eintracht seiner Erscheinung mit ihrer Be-
stimmung, vereint ländliche Freizügigkeit mit
maßvoller städtischer Stattlichkeit, ist noch
Kultur im Sinne des Lebensausdrucks. Dann
reißt der Faden. Eine Strecke weit stehen
schmale, hohe Häuser mit den üblen, üblichen
Fassadenfanfaren, einander überschreiend, über-
trumpfend, in geschlossener
Reihe, — • die Zwitter aus
der rücksichtslosen Verbin-
dung von Grund- und Bau-
spekulation. Mitten drin öff-
net sich die Kette, läßt statt-
lichen Parkgrund frei und
zeigt darin ein weitläufiges
Gebäude, das alle Allüren
eines Herrensitzes trägt,
ohne einem „Herrn" zu ge-
hören und doch von seinem
Baumeister daraufhin insze-
niert.
Dann lenkt man in einen
stillen Seitenweg, den Aus-
lauf der Gloriettegasse. Drü-
ben stehen freundliche Häu-
ser, ohne viel Prätention,
ihnen gegenüber das Haus
Skywa.
Hinter dem Gitter liegt
der Garten. Nur seinen
hausnahen Teil hat Hoff-
mann selber gestaltet, der
zur Linken anschließende
kam erst später hinzu und
verschuldete eine Verschie-
bung der Situation, für die
der Künstler nicht verant-
wortlich ist. Vor dem Hause
läuft ein schmaler Rasen,
zu beiden Seiten der Ein-
fahrt stehen Bäume, rechts,
hinter der Garage, reicht
eine Zunge mit Beetpflan-
zungen zum alten Wohn-
haus. Aber erst linkerhand
und hinter dem Hauptbau
lebt sich der Garten freier josef hoffmann-wien
aus, decken Rasen-, Nutz- und Blumenbeete
weitere Flächen, liegt zwischen Glashaus und
Laube das Halbrund des Bassins, zu dem
man beiderseits über Treppen niedersteigt. In
die strenge Felderteilung, die klaren Niveau-
unterschiede, die den Raumsinn beleben, bringt
überall der stehengebliebene Rest alter, breit-
kroniger Bäume etwas von der Bewegung ur-
sprünglicher Ungebundenheit.
Die hausnächsten dieser Bäume haben auch
den Umriß des Hauses mitbestimmt, der auf
ihre Erhaltung Rücksicht nahm und ihnen zu-
liebe gelegentlich zurückwich oder vorsprang.
In ihrem tiefgrünen Schutze, im helleren
Rahmen der Grasbeete bietet sich hinter dem
schwarzeisernen Gitter die Schauseite des
Hauses in den warmen Farben seiner Baustoffe,
dem gelblichen Terranovaputz, dem Altrot der
HAUS SKYWA: TREPPE
JOSEF HOFFMANN-WIEN
HAUS SKYTA: HALLE MIT TREPPE
JOSEF HOFFMANN-WIEN
Dekorative Kunst. XIX. t. Oktober 1915
HAUS SKYWA: HALLE MIT KAMIN
JOSEF HOFFMANK-WIEN
HAUS SKYTA: DAMENSCHLAFZIMMER
Ziegel und dem Kupfer der Dachfenster und
des Firstes.
Die beiden Seitenflügel unter Dreieckgiebeln
treten nur wenig vor den breiten Mittelteil.
Dort gliedern wenig erhabene Rillenpfeiler
von wechselnder Breite die Mauerfläche, die
sich in schmäleren, hohen Fenstern öffnet,
hier kräftiger vorspringende, gekurvte Halb-
säulen zwischen den breiteren Fensteröffnun-
gen. Die spärlich verteilten Ornamente in den
vermauerten Flächen , der reichere Fries-
schmuck, die stehenden Figuren an den Halb-
säulen, die lagernden in den Giebeln (alle
von Anton Hanak), — das alles läßt dem Bau-
körper sein herrschendes Recht, schlägt aber
doch wieder zu der sprossenden Umgebung
10
JOSEF HOFFMANN-WIEN
HAUS SKYWA: HERRENSCHLAFZIMMER
die Brücken leichter Bewegung, bringt beides
in wohllautenden Einklang, bringt Anmut und
Strenge zum Ausgleich, Natur und Bauwerk
auf die Basis der Kunst. Hier ist alles zum
einmütigen Rhythmus geworden, und dieser
Rhythmus ist nicht Laune und Spiel, nicht
Zufälliges, sondern Notwendigkeit. Er wurde
gewonnen auf den Wegen der Werkform durch
einen Künstler, der die Fülle der Gegeben-
heiten auf die Einhelligkeit ihres vereinbarten
Wesens brachte.
Dem Aeußern entspricht das Innere, ist
wie jenes heiter und festlich. Zunächst wirkt
die klare Anordnung der Räume, offen unter-
einander, wo eine verwandte Bestimmung vor-
liegt, streng gesondert, wo die Zwecke aus-
11
JOSEF HOFFMANN-WIEN
HAUS SKYVA: VORRAUM
einanderlaufen. Die Mehrzahl der Einzelräume
im selben Geschoß kann sich bei gastlicher
Gelegenheit zum Ganzen verbinden und da-
mit dem äußersten Zwecke dieser vornehmen
Häuslichkeit gerecht werden.
Sonst aber ist gerade auf die Individualisierung,
auf die Herausarbeitung von räumlichen Beson-
derheiten volles Gewicht gelegt. Nicht nur daß
jeder Raum nach seinem besonderen Zwecke
in sinnfällige Erscheinung tritt, sich durch Ab-
messungen und Verhältnisse von seinem Nach-
bar abhebt, in der Art und Farbe des verwende-
ten Materials einen ihm eigenen Grundton an-
nimmt, — sondern auch jedes Ding, das den
Raum füllt, ist für sich behandelt, echt im Stoffe,
erlesen in der Form. Neben dem Architekten,
der das Wort führt und die Einheit des Ge-
samtraumes verbürgt, behauptet sich der Kunst-
handwerker, dessen Neigung der edlen Einzel-
arbeit gehört, in seinem beigeordneten Rechte.
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JOSEF HOFFMANN-WIEN
HAUS SKYWA: BAD
JOSEF HOFFMANN-WIEN
HAUS SKYWA: WOHNZIMMER
14
Das alles lassen die Bilder, wenn auch nur
ungefähr, erkennen, werden es noch deutlicher
machen, wenn man sie gegen die des Land-
hauses Primavesi*) hält, das, fast zu gleicher
Zeit entstanden, an einem andern Orte, für
andere Zwecke, andere Menschen gebaut ist.
Beide tragen vor allem darin das Merkmal
der Reife ihres Urhebers: daß sie aus den
Bedingungen ihrer Umgebung, der natürlichen
und verbauten, gerade das heraushoben, was
*) Siehe unseren Aufsatz im Maiheft 1915.
wesentlich war, und dies Wesentliche mit dem
Persönlichen des Künstlers zur überzeugen-
den Form verbanden. Nicht als lärmende
Proklamationen, sondern als stille, werbende
Proteste stehen dieses Landhaus und die
Gartenwohnung auf Siedlungsböden, in denen
das zeit- und heimatlose Unwesen des üblichen
„Villenbaues" bisher Vorrecht hatte und öffnen
dort dem Rechten und Schönen wieder nicht
den einen Weg, der allein gilt, aber der Wege
viele, die sich erfüllen werden, wenn Künstler
sie beschreiten. max eisler
JOSEF HOFFMANN-WIEN
HAUS SKYWA: DAMENSCHREIB-
TISCH IM WOHNZIMMER D
15
SCHULE FÜR BLUMENSCHMUCK FRANZISKA BRÜCK, BERLIN
HORTENSIEN UMRAHMUNG
DER BLUMENSCHMUCK IN DER KRIEGSZEIT
Mit einiger Besorgnis könnten die Blumen-
freunde der Winferzeit entgegensehen,
die es gewohnt sind, Räume und Tische mit
bunter Blumenaugenweide zu schmücken, da
die Flora Italiens sich uns meistens versagen
wird. Wie für viele Dinge Ersatz gefunden
wurde, so hat das stilsichere Auge der Blumen-
künstlerin Franziska Brück sorglich Ersatz
erdacht und gefunden. Viel zu feinfühlig, um
eine Belebung der sogenannten Makartdeko-
ration anzustreben, hat sie sich an die Ent-
deckung von einheimischen Pflanzen gemacht,
welche sich durch sachgemäße Behandlung
auch für den Winterschmuck verwenden lassen.
Dieses anscheinend leblose Material bedarf
mannigfacher Ordnung und Vorbereitung, er-
fordert technisches und erlernbares Können;
deshalb wird eine Beschäftigung für gebildete
Frauen daraus gestaltet werden, die eines Neben-
erwerbes bedürfen. Das Kunstwerk selbst zu
schaffen, wird dem nicht so leicht zu findenden
Talent vorbehalten bleiben. Aber auch Wissen
gehört zur Ausgestaltung dieser Kunst, das
Studium der Pflanzen in ihrer botanischen Be-
schaffenheit, die Kenntnis ihrer Entwicklung,
die die verschiedenen Abschnitte derselben be-
züglich Haltbarkeit, Farbe und Form zu nutzen
weiß. Nur so erwachsen die künstlerischen
Gebilde in natürlicher Anmut und Selbstver-
ständlichkeit, die sowohl dem Aestheten wie
16
SCHULE FÜR BLUMENSCHMUCK FR. BRÜCK, BERLIN D FLACHER RECHTECKIGER KORB, BUNTE GARTENBLUMEN
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SCHULE fOR
BLUMEN-
SCHMUCK
FRANZISKA
BRÜCK,
BERLIN
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KRUG MIT
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GRASERN;
BUNTERANKE
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1
SCHULE FÜR BLUMENSCHMUCK F. BRÜCK, BERLIN B HERBSTBLUMEN: GEORGINEN, HELENIUM, WILDER WEIN
SCHULE FÖR
BLUMENSCHMUCK
FRANZISKABRUCK,
BERLIN
TRAUERKRANZ,
LAUB U.KIEFER
Dekorative Kunst. XIX. i. Oktober 1915
17
SCHULE FÜR BLUMENSCHMUCK FRANZISKA BRÜCK, BERLIN OWEIHNACHTSSTRAUSZ
den gärtnerisch Gebildeten Befriedigung ge-
währen. Daß die schmückenden Blumen zu dem
Raum, Platz, der Kleidung oder dem Gegen-
stand, für den sie bestimmt sind, in naher er-
gänzender Beziehung stehen, beweist die feine
Kunst, die wir in einigen Beispielen im Bild
zeigen.
Der herbstliche Garten, der vorwiegend
frische Farben und größere Blumen in voll-
kommener Ausbildung bietet, liefert den bun-
ten Strauß. In einer unkundigen Hand wäre
es wohl kaum möglich, über fünfzig Blumen
in der einfach geformten gelben Läugervase
unterzubringen, die die bunten Töne so glück-
lich zusammenfaßt. Ueberall ist das Laubwerk
bis auf wenige Blätter entfernt, die Stiele stehen
in verschiedener Höhe so im Wasser, daß ihre
weichen Saugeröhren genügend Wasser auf-
ziehen können. Deshalb halten sich z. B. die
Hortensienblüten frisch. Die abschattierten Rit-
tersporne im grünen Bauerntopf verschränken
ihre Verzweigungen zu farbenprächtiger Wir-
kung, ohne den graziösen Bau in der Ausladung
des Straußes einzubüßen. Leicht klingt in der
grünen Hafertönung die Farbe der Basis wieder.
An diesem Feststrauß liegt ein Geburtstags-
gewinde, das als biegsame Girlande den Platz
des Festträgers schmücken soll und im bunten
Blumengewirr doch wieder die Dominanten an
dem Ende bringt, das Blau in Blumen, das
Grün in der Bandschleife. Die rote Schattierung
der Tischunterlage wird fein in der Blumen-
wahl für den Kranz verwertet.
Die verklingenden Herbstfreuden könnten
18
trübe stimmen, aber wenn man in die Werk-
statt der Blumenkünstlerin schaut, so sieht man
Farben- und Formenpracht für den Winter auf-
gespeichert und Modelle, die, wie die Abbildun-
gen zeigen, andere aber nicht weniger schöne
Lösungen ergeben.
Ein Stück Gewinde ist vom duftigen Reiz
des doppelten Schleierkrautes umwoben. Seine
Blüten sind ausdrucksvoller und weißer wie
die anderer Gipskräuter oder Gypsophila, die
man ja in vielen Arten meist als ausdauernde
Pflanzen kennt, wie kriechendes Mauer-Gips-
kraut, Rispen oder als rosa oder fleischfarbenes
zierliches Kraut. Die großen Blumen, die rosen-
roten Acroclinium und deren weiße Abarten,
deren Hüllschuppen in seidenglänzenden, trok-
kenhautigen, dünngelben oder grauen Scheiben-
blüten eingefügt sind, und die diese Farben
ergänzenden Helichrysum macranthum, die mit
ihren amarantroten bis ins tiefste Weinrot ge-
tauchten Farben und ihren stumpferen, ge-
schlosseneren Blütenköpfen den Grundstrich
in dieser Dichtung ergeben.
In dem Blumenkorb modelliert nach altem
Modell von Prinzessin August Wilhelm, bietet
sich ein Konzert haltbarer Blumen in fröh-
lichster Mischung. Gerade der durchbrochene
Korb der Biedermeierzeit kann gar nicht schöner
verwendet werden, da es keines Einsatzes be-
darf, um die in Moos gesteckten haltbaren
Blüten zu fassen. Die Helichrysum sind darin
um weiße, gelbe und rostbraune zu den im Ge-
winde verwendeten hellen Schattierungen ver-
mehrt. Die leuchtend gelben Humboldt-Stroh-
blumenwerden durch orangegelbe Sonnenaugen-
Heliopsis, durch kleine Zweige der verschie-
denen Staticenarten, wie superba, speciosa,
elata und eximia in weißen und blauen Schat-
tierungen unterbrochen. Zuweilen schieben sich
die Stachis germanica-Blätter mit ihrem Samt-
grau in die Blumenfülle, in der einmal ein Tuff
grüner Hortensienblüten oder eine größere Sil-
berdistel einen Ruhepunkt geben. Zartere Arten
von Gypsophila sind auch hier angewandt und
leiten zu dem in früheren Zeiten so häufig auf
Tischen verwendeten gestrickten Weiß der
Decke über.
Für den Schmuck des Speisezimmers gibt
die tiefblaue Schale ein Beispiel. Auf weichem
Moos, das sich in Schlangenmoos durch Ranken
SCHULE FÜR BLUMENSCHMUCK FRANZISKA BRÜCK, BERLIN
19
HUrSCHMUCK AUS NATÜRLICHEN BLUMEN
3»
SCHULE FÜR BLUMENSCHMUCK FR. BRÜCK, BERLIN q LICHTERKRONE
ausladet, liegen die bizarren Arten einiger Lagen-
arien, die zu den haltbaren Früchten gehören.
Ein Bündel schön geformter Mohnköpfe lagert
sich an die Fruchttraube einer Palme, die mit
ihrem bläulichen Schein in die Farbe der Schale
übergeht; darüber spinnt sich das Gezweig der
mit roten Hagebutten besetzten Hagrose und
nimmt der Schale die Steifheit, kleine Beeren-
ranken schmiegen sich zu demselben Zweck
gleichfalls ein . . . das ganze ein Stilleben von
bleibendem Reiz.
Oft begegnet man in den botanischen Gärten
Früchten oder in den Parks graziösen Schoten
eigener Form, wie z. B. den Gliditschen. Die
wuchtige Bronze vase in einer Bibliothek stehend,
zeigt ihre Verwendung. Die bronzefarbigen Sa-
mengebilde sind mit Aehren dunkler Moor-
hirse und einigen Agapantusblättern zu einer
wundervollen Wirkung in ihrem plastischen Ge-
fäß gebracht.
Künftige Zeiten werden bei der Heimkehr
unserer Krieger manche Gelegenheit zum
Schmuck im Raum geben. Der Jagdfreund
findet sein Hauptgeweih mit farbigem, nie ge-
sehenen Kranz umgeben. In wuchtigen Sträußen
reiht sich die Fülle haltbarer Blumen, zuweilen
unterbrochen durch Tuffs von Mohnköpfen, die
in ihrer Abschattierung und Art eine Farben-
verbindung mit den Farben des Geweihes her-
stellen, damit alles ein Ganzes bildet.
Das Bild einer Mutter oder Frau ist mit dicht
aneinander gedrängten, ganz reifen und dann
haltbaren Hortensienblüten im Halbkranz um-
rahmt. Die grünen, bläulichen, mattrosa Töne
derselben sind so diskret, daß die frischfar-
benen, zur Tapete gutstehenden Bänder, welche
20
SCHULE FÜR BLUMENSCHMUCK
FRANZISKA BRÜCK, BERLIN
KORB MODELLIERT VON PRINZESSIN AUGUST WILHELM VON
PREUSZEN. FÜLLUNG: VIELFARBIGE BLUMEN UND DISTELN
SCHULE FOR BLUMENSCHMUCK FRANZISKA BRÜCK, BERLIN
21
STILLEBEN: NATURFROCHTE
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SCHULE FÜR BLUMENKUNST FR. BRÜCK, BERLIN El RANKE AUS SCHLEIERKRAUT MIT BUNTEN STROHBLUMEN
SCHULE FÜR BLUA\ENSCHMUCK
FRANZISKA BRÜCK, BERLIN
GEWEIH UMKRANZUNG AUS HALTBAREN
FRÜCHTEN UND BLÜTEN
23
die Befestigung des Kranzes organisch bedingt,
eine pikante Lösung zu den Farben geben.
Ein anderes Bild zeigt den Hutschmuck aus
natürlichen Blumen. Die zierlichsten Blumen
sind dafür vorbehalten, jene, die im großen
Ornament verloren gehen würden und nun
sorglich ausgesondert wurden zur Weihe eines
sehr persönlichen Gegenstandes. Die Xeran-
themum, Santolina, Gnafalien und das Helenium,
wie die Ammöbien, die Schafgarbe, sie mischen
sich mit den süßen Agrostis nebulosa und der
zierlichen Schmirle und sind in unzähligen
Farbenwirkungen dem Hut in Kranz und Tuff-
schmuck anzupassen. Blumen, die noch nie der
Ehre teilhaftig wurden, Frauen zu schmücken,
erfahren — durch ihre Eigenschaft getrocknet
Form und Farbe zu behalten — jetzt eine Ver-
wendung an bevorzugter Stelle.
Der Krieg und ein verständnisvolles Frauen-
auge haben sie in ihren Eigenschaften entdeckt
und mit kunstverständiger Hand dazu erhöht.
Die Pflege trockener Blumen besteht darin,
sie alle vier Wochen mit einem Sprenger zu
befeuchten, besonders an den Stielen, wodurch
das Abbrechen im warmen Raum verhütet wird.
Hedwig Heyl
SCHULE fOR BLUMENSCHMUCK FR. BRÜCK, BERLIN
ZUR WEIHNACHTSZEIT
24
JOSEF WACKERLE
Kgl. Porzellanmanuraktur Nymphenburg
PIERROT UND PIERRETTE
THEODOR KÄRNER
REH UNO AFFE
Kgl. Porzellan-ManuFaklur Nymphenburg
NEUES NYMPHENBURGER PORZELLAN
Die Königlich Bayerische Porzellan- Manu-
faktur in Nymphenburg betont in man-
cherlei Hinsicht gern ihre Tradition. Die Haupt-
meister Alt-Nymphenburgs, der Italiener Franz
Bustelli, der Böhme Dominik Auliczek und
der Deutsche Johann Peter Melchior, leben in
der künstlerischen Produktion weiter: in man-
cher Nymphenburger Schöpfung unserer Tage
verspürt man ihres Geistes einen Hauch, aber
man kann das Weiterleben auch in wörtlicherem
Sinne nehmen — ihre Meisterwerke werden
in vorzüglichen „Neuauflagen" heute noch „aus-
gebacken" und strahlen wie vor hundertfünfzig
Jahren in ewiger Jugend. Dem Betrieb der
Manufaktur, der immer noch im ländlichen
Grün hinter den Rokoko-Kavalierhäusern im
nördlichen Schloßrondell seine Stätte hat wie
im Jahre 1758, da ihm hier Kurfürst Max III.
Joseph eine Behausung schuf, ist ein patriar-
chalischer Zug eigen, der in alles Wirken und
Schaffen eine künstlerisch förderliche Altväter-
stimmung trägt. Dabei wird einem doch bewußt,
daß jede der zahlreichen chemischen und tech-
nischen Erkenntnisse, die bei der modernen
Porzellanfabrikation das geheimnisvolle Arka-
num der Alten abgelöst haben, hier praktisch
verwertet wird und daß die starke, echte Por-
zellanwirkung Neu-Nymphenburger Arbeiten
in gleicher Weise das Werk des Künstlers wie
des Technikers ist . . .
Als um die Mitte des neunzehnten Jahrhun-
derts die Manufaktur zurückging und nament-
lich nach ihrem Verkauf an einen Privatmann
(1862) die künstlerischen Interessen Neben-
sache wurden, erfolgte leider auch eine unent-
schuldbare Verschleuderung der alten Original-
modelle und -formen; als daher nach Ueber-
nahme der Manufaktur durch Albert BXuml
im Jahre 1888 an die „Neuauflage" der alten
Porzellangruppen herangetreten wurde, konnte
nur in wenigen Fällen auf die Originalformen
zurückgegriffen werden. Andererseits schließt
sich natürlich ein bloßes Abgießen oder Ab-
formen der alten Porzellanplastik aus, da be-
kanntlich der Härtungsprozeß im Ofen ein
Schwinden der Porzellanmasse um ein Siebtel
bewirkt und solche Verkleinerungen stets eine
Minderung der Qualität mit sich bringen. Des-
halb mußten Kopien der alten Plastik unter
Berücksichtigung dieses Einschrumpfungsver-
hälfnisses angefertigt werden, von ihnen wurde
sodann die negative Form gewonnen und all-
gemach wird solchermaßen Alt-Nymphenburg
wieder geboren.
DekorltiTC Kunst. XIX.
Oktober 1915
25
JOSEF WACKERLE
ZWERG MIT TROMMEL (MAJOLIKA)
Kgl. Porzellan-Manufaktur Nymphenburg
26
JOSEF WACKERLE
ZWERG MIT FLÖTE (MA|OLIKA)
Kgl. Porzellin-Manufiktur Nymphenburg
27
THEODOR KARNER
WIESEL
Kgl. Porzellan-Manufaktur Nymphenburg
Neuerdings sind mehrere Figuren der „Chi-
nesen-Familie" des Franz Bustelli wieder
in die Erscheinung getreten. Die Originale
stammen aus der Frühzeit Nymphenburgs, sie
dürften um 1760 entstanden sein. Chinesen
im ethnographisch korrekten Sinn geben die
Figürchen freilich nicht. Man hat den Eindruck
einer lustigen Rokoko-Maskerade: das Rokoko
gefiel sich ja in diesen grotesken Chinoiserien,
die man natürlich ganz nach modischem Ge-
schmack aufputzte. So glaubt man, daß jede
dieser Pseudo-Chinesinnen den Reifrock unter
dem farbenprächtigen Gewand des fernen Ostens
trägt und wenn so ein Chinesenpriester oder
Chinesensänger seinen Habit abstreifte, müßte
er ganz gewiß in Eskarpins dastehen. Die leb-
haften und doch geschlossen-runden Bewegun-
gen der Figürchen, die ihren Zusammenhang
betonen und die Möglichkeit schöner Gruppie-
rungen geben, werden auf das glücklichste
durch die Farbgebung unterstrichen, die kräftig
und wirkungsvoll ist, ohne irgendwie zu über-
THEODOR KARNFR
Kgl. Porzellan-Manufaktur Nymphenburg
28
ZWERGSCHNAUZEL
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DOMINIK AULICZEK
Kgl. Porzellan-Manufaktur Nymphenburg
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THEODOR KARNER
DEUTSCHER SCHÄFERHUND
Kgl. Porzellin-Manufaktur Nymphenburg
treiben oder in die kulturlose Buntheit neuer
Porzellane zu verfallen.
DoMiNiKUS AuLiczEK, Seit 1765 Modell-
meister in Nymphenburg, ist schwerer und
weniger graziös als Bustelli, er ist ein Freund
massiger Fülle und seine Figuren sind viel
statuarischer, mehr architektonisch sozusagen,
als die des malerischen Bustelli. Zu seinen
Hauptwerken gehören die drei Götter- Figuren:
Mars, Vulkan und Aeolus, gelegentlich deren
man an Auliczeks Marmorgruppen im Nymphen-
burger Schloßpark, den er mit olympischen
Göttern bevölkern half, denken mag. Die grie-
chische Mythologie, in ihren heroischen Er-
scheinungen ins spielerische Porzellan gebannt,
das mag manchem als sinnwidrig erscheinen,
und er mag vielleicht befürchten, daß dabei
so etwas wie ein Offenbachischer Olymp her-
auskommen müßte. Indessen ist das nicht der
Fall: Auliczek rettete einen Zug von Größe
und Heldentum in das zärtliche Material hin-
über und bewies damit, daß es noch andere
Porzellan-Möglichkeiten als die der „Amouret-
und Fürwitz-Stücke" gibt.
Aus den vierziger und fünfziger Jahren des
neunzehnten Jahrhunderts stammen einige idyl-
lische Tierplastiken, liebenswürdige Miniatur-
gruppen, für die der Münchner Maler und Bild-
hauer Habenschaden und der Belgier J. MfeNE
die Modelle lieferten. Diese Arbeiten können
sich, obwohl sie künstlerisch nicht sonderlich
bedeutend sind, wenigstens einer schönen Sil-
houettenwirkung rühmen, technisch interessant
ist bei Mfenes Gruppe „Schaf und Lamm" die
Durchbildung der Oberfläche infolge der reali-
stischen Nachahmung der Schafwolle: das er-
gab ungeahnte Materialreize und feine Licht-
reflexe und könnte eigentlich die zeitgenössische
Porzellankunst zu ähnlichen Versuchen an-
regen, trotzdem das Losungswort von der ge-
schlossenen Oberfläche und glatten Haut des
Porzellans nachgerade ein Evangelium geworden
zu sein scheint.
Auch heute bildet die Tierplastik eine Spe-
zialität der Nymphenburger Manufaktur. Die
Modelle dazu stammen fast ausschließlich von
Theodor KXrner, der über diesen Arbeiten
seinen eigenen Stil fand: ohne sich von der
Natur und der tatsächlichen Erscheinung der
nachgebildeten Tiere allzuweit zu entfernen,
verschmäht er prinzipiell das „Tierporträt";
er hat den Naturalismus überwunden, aber
nicht auf eine gewaltsame Weise, sondern indem
er die stärkste Materialwirkung zum Ausgangs-
punkt seiner Schöpfungen machte. Allgemach
kam durch Kärners Arbeit eine unterhaltsame,
auf Heiterkeit gestimmte Nymphenburger Me-
nagerie zustande, in der es Raubtiere und Affen,
Rehe und Hunde und eine reichbevölkerte „Vo-
liere" gibt. Das jüngste Prunkstück Kärners
32
ist ein majeif
Format, ein ungemein dekoratives Stück, das
auch in der farbigen Wirkung restlos gelungen ist.
Professor Joseph Wackerle, der an dem
künstlerischen Wiederaufblühen Nymphenburgs
den Hauptanteil hat, ist auch nach seiner Ueber-
siedlung nach Berlin mit Nymphenburg in
Fühlung geblieben und hat sowohl reizvoll be-
wegte, anmutige und von aller Süßlichkeit weit
entfernte Porzellangruppen geschaffen („Pierrot
und Pierrette ") als auch die derberen Majolika-
Arbeiten, die er gerne ins Groteske hinein-
steigert. Zwei musizierende Zwerge, die nach
seinen Modellen für die Bayerische Abteilung
auf der Kölner Werkbund-Ausstellung von der
Nymphenburger Manufaktur hergestellt wur-
den, sind Drolerien im besten Sinn des Rokoko
und doch undenkbar ohne das zeitgenössische
Empfinden, das alle Erscheinungen dieser ab-
geklungenen Epoche mit einem Schimmer von
ironischer Sentimentalität umgibt. Indem der
ungestüme Trommler mit seiner komisch weit
ausholenden Gebärde als Türke, der Flötist
aber durch die phrygische Mütze und die Haar-
tracht nach Art des Robespierre als französi-
scher Revolutionär charakterisiert ist, hat
Wackerle diesen Arbeiten einen feinen Zug
von Beziehungsreichtum und Laune eingefügt,
ohne daß er darüber „literarisch" geworden
wäre und nur einen Augenblick seine Aufgabe
plastischen Gestaltens aus den Augen verlo-
ren hätte. Georg Jacob Wolf
j. MENE
SCHAF MIT LAMM
Kgl. Porzellan-Manufaktur Nymphenburg
Dekorative Kunst. \IX. i. oktolier 1915
33
EIN WANDTEPPICH VON JULIUS DIEZ
Die Kunst des phantasievollen Münchner
Malers Julius Diez hat sich schon an
mancher dekorativen Aufgabe versucht, beson-
ders die großen Mosaiken, die er entworfen,
sind in ihrer Art Meisterwerke. Das Gebiet der
Gobelinzeichnung indessen war Diez bisher
fremd geblieben, hier betrat er Neuland. Aber
schon die erste Arbeit wurde ihm „ein großer
Wurf. Der Auftrag ging von der Firma Bahlsen
in Hannover aus, die in vorbildlicher Weise ihr
Geschäftshaus, ihre Fabrikation, ihre Packun-
gen und ihre ganze Propaganda unter das Ge-
setz künstlerisch -geschmacklicher Durchbil-
dung gestellt hat. Für den Sitzungssaal der
Firma war ein großer Teppich, der von einer
Galerie frei herabhängen soll, zu beschaffen;
der Wunsch der Auftraggeber ging dahin, ihn
mit Figuren und heiteren Schildereien, die zu
der Produktion der Firma Beziehungen haben
sollten, auszuzieren. Julius Diez, der „inner-
lich voller Figur" ist, war der geeignete Mann,
diesen Auftrag zu erfüllen. Er fand sich
spielend in die Eigenart des Materials mit
seinen starken, farbigen Möglichkeiten, mit
der Notwendigkeit einer streng flächigen Auf-
formung der Motive und mit dem Vorklang
der dekorativen Elemente. Der Künstler teilte
die große Fläche, die ihm zur Verfügung
stand, energisch durch ein breites Kreuz, in
dessen Schnittpunkt als Oktogon die Bahlsen-
sche Fabrikmarke, das „Tet", Platz fand. Die
Arme des Kreuzes münden in eine breite Um-
randung, die als dekorative Bordüre ausge-
bildet ist und eine Fülle origineller Ideen in
künstlerischen Einfällen und in der Zeichnung
aufweist. Das ornamentale Muster, das von
kleinen, reizvoll in den Raum gestellten Tier-
bildern unterbrochen wird, ist neuartig in der
Erfindung, von großer Lebendigkeit und im
besten Sinne „materialgerecht". Die durch den
ornamentalen Rahmen gewonnenen vier Felder
sind durch Gestalten belebt, die vorzüglich zu-
einander abgestimmt sind. Ein Merkurius ist im
oberen linken Feld zu schauen, es ist Tempo
und Zug in seiner energischen Bewegung. In der
Art, wie er seinen Flügelhut keck auf den Flü-
gelstab gehängt hat, möchte man etwas von
schalkhafter Ironie vermuten. Sein Gegenüber
ist ein mittelalterlicher „Rechner", der mit Be-
dacht Zahl an Zahl reiht in seinem mächtigen
Hauptbuch; die Katze, die ihn umschnurrt,
charakterisiert ihn als Stubenhocker. Unter
dem Merkuriusfeld ist ein zierliches Mädchen
zu schauen, das Bahlsengebäck abwiegt und
sozusagen die Allegorisierung des Kleinver-
kaufs gibt, während die junge Mutter mit
dem Büblein, das sehnsuchtsvoll die Hände
nach den leckeren Herrlichkeiten ausstreckt,
ein Bild des Einkaufs, des Konsums darstellt.
Das naturalistische Moment ist bei den Ge-
stalten völlig überwunden; trotzdem sie an-
nähernd in Lebensgröße erscheinen, empfindet
man sie nirgends „körperlich", sie bleiben
durchaus Flächendekoration. So witzig das
alles ausgedacht und komponiert und so vor-
züglich es gezeichnet und in den Raum ein-
geordnet ist: Idee, Komposition und Zeichnung
sind trotzdem nicht das Entscheidende dieser
Arbeit und waren nach meinem Gefühl auch
für Diez nicht die Hauptsache. Denn der
höchste Reiz und die tiefste Schönheit dieses
Werkes liegt in der Farbe, in der Zusammen-
stimmung kräftiger und sanfter farbiger Klänge,
heller und dunkler Partien, in bewußten Kon-
trastwirkungen und weichen Harmonien, Da-
mit ist das Wesen der Teppichkunst erkannt
und solchermaßen bedeutet Diezens Arbeit eine
restlose Lösung der Aufgabe, an die er all sein
reiches Können wandte und die ihm ersicht-
lich viel Freude bereitete.
Die schwierige technische Ausführung des
Wandteppichs war der ausgezeichneten Mün-
chener Gobelin-Manufaktur übertragen,
die in viermonatlicher Arbeit den Teppich
fertigte und dabei allen Intentionen des Künst-
lers gerecht wurde. Zu den zahlreichen schö-
nen Arbeiten, die aus dieser Werkstätte schon
hervorgingen, tritt mit diesem Wandteppich
eine bedeutungsvolle neue Leistung, die be-
rufen ist, für die Münchner Kunst und das
ihr eng verbündete Kunsthandwerk beredtes
Zeugnis abzulegen. wolf
34
JULIUS DIEZ
WANDTEPPICH FÜR H. BAHLSENS KEKSFABRIK IN HANNOVER
35 »•
JULIUS DIEZ
WANDTEPPICH FOR H. BAHLSENS KEKSFABRIK IN HANNOVER (TEILSTÜCKi
36
MARION KAULITZ B MÜNCHNER KRIEGSPUPPEN : MICHEL, JOHN BULL, DES TEUFELS GROSZMUTTER
MÜNCHNER KÜNSTLER-KRIEGSPUPPEN-SPIEL
Unter dieser stolzen Flagge hat Marion
Kaulitz, die bekannte Münchner Puppen-
künstlerin, eine kleine Gesellschaft vereinigt,
zu dem Zweck, den Kindern, groß und klein,
■ im Rahmen eines hochoriginellen Kasperl-
theaters den Weltkrieg von Kasperls Gnaden
aus zu veranschaulichen.
Im Märzheft dieses Jahres hatten wir Ge-
legenheit, Seite 182—187 neue Kaulitzfiguren
zu zeigen, in Form handfester, drastischer
Kaffeetanten, welche, als Getränkwärmer ge-
dacht, viel Humor in die weihnachtlichen
Schützengräben des Jahres 1914 brachten.
Aehnlich in der Technik sind die hier ab-
gebildeten Kasperlfiguren behandelt. Mit einer
Verwegenheit sondergleichen hat die Künstlerin
die Farbenfreudigkeit der verschiedenen Filz-
arten auszunutzen verstanden, mit Hilfe farbi-
ger und seidener Wollfäden die aus Filz mo-
dellierten Köpfe durch Nadelmalerei kräftigst
unterstützt, so daß dekorative Wirkungen
kühnster Art erzielt wurden, die den neu-
artigen Kasperlfiguren markante Fernwirkung
sichern.
Neben den, den Weltkrieg behandelnden
Stücken hat sich das deutsche Märchen auf
dem Spielplan seinen Platz erobert. Wer kennt
nicht aus Grimms Märchenschatz die Ge-
schichte vom Fischer un syner Fru?!
Leider ist der Raum zu begrenzt, um die
habgierige, nimmersatte Fischerfrau in allen
Stadien ihrer Verwandlungen auftreten zu
lassen, als dasind Gutsbesitzerin, Schloßherrin,
König, Kaiser, wir beschränken uns darauf,
sie in ihrem vorletzten Stadium im Papst-
ornat zu bringen.
Das wüste Gesicht der „Fru" in seiner ur-
komischen, drastischen Dummheit läßt sich
auch durch die Pracht des Papstgewandes
nicht verwischen.
37
MARION KAULITZ
MÜNCHNER KRIEGSPUPPEN: RUSSE, FRANZOSE, KNÜPPEL AUS DEM SACK
Jede einzelne Figur des Kasperltheaters ist
ein kleines, in sich abgeschlossenes Kunst-
werk, von erstaunlich sicherem Blick und aus-
gewähltem Geschmack zeugend.
Mit großer Liebe bis in die kleinste Einzel-
heit ausgearbeitet, hat Marion Kaulitz zur Be-
lebung der Kasperlbühne allein 40 Figuren
geschaffen.
Die lustige Gesellschaft ist künstlerisch ge-
geneinander abgestimmt, so daß jedes Bühnen-
bild eine Augenweide bietet.
In Leipzig hatte die Akademie der graphi-
schen Künste ihre Aula den Kasperliaden ge-
öffnet, in Dresden sicherte sich der Kunstsalon
E. Richter eine Reihe dieser einzigartigen
Vorführungen, selbst in Prag bei den öster-
reichischen Bundesgenossen zog man gelegent-
lich großer Festvorstellungen zum Besten des
Landeshilfsvereins des Roten Kreuzes das
Münchner Künstler -Kriegspuppenspiel zur
alleinigen Bestreitung des Programms herbei;
hier stand das Kasperltheater unter dem Pro-
tektorat des Grafen Erwein Nostiz.
Umjubelt von groß und klein hat sich die
kleine Unternehmung in kürzester Zeit Ruf
und Ansehen verschafft.
In Berlin öffneten sich während der Theater-
ferien die Kammerspiele Max Reinhardts den
künstlerischen Puppenspielen.
KUNSTLITERATUR
Schmitz, Hermann. Berliner Baumeister vom
Ausgang des achtzehnten Jahrhunderts. Mit 400 Ab-
bildungen. Verlag für Kunstwissenschaft, Berlinl914.
Diese schöne und reiche Veröffentlichung, die
sehr glücklich aus der allgemeinen Baugeschichte
Deutschlands das Kapitel von der Beteiligung der
Berliner Baukünstler um die Wende des 18. Jahr-
hunderts abgrenzt und heraushebt, soll nicht so
sehr wissenschaftlich-systematischen als praktisch-
anschaulichen Zwecken dienen. Daher ruht ihr
Hauptgewicht auf den vielen Tafeln, die in gleicher
Weise den Baukünstler wie den Bauherrn und
Liebhaber anregen wollen. Mit ihrer sachkundigen
Auswahl und der Sorgfalt ihrer Ausführung —
Verdienste, in die sich der Herausgeber und der
Verleger zu teilen haben — werden sie diesen Zweck
auch vollkommen erreichen. In würdigster Weise
(ausgenommen die etwas allzu nüchterne Einband-
decke) schließt sich das Werk den trefflichen Bänden
der von Julius Hoffmann in Stuttgart herausge-
brachten „Bauformenbibliothek" an.
Schmitz ist ein genauer Kenner der einschlägigen
Epoche und weiß die Phasen ihres historischen
38
Ablaufs und die Träger ihrer Entwicklung mit
knappen Worten zu charakterisieren. Die ausführ-
liche Einleitung räumt zunächst mit einigen leeren
StilbegrifFen, wie Nachahmung der Antike und
Klassizismus auf, zeigt, wie den damaligen Bau-
künstlern, ungeachtet sie sich antiker Bauformen
bedienten, die sachliche und lebendige Gestaltung
ihrer Bauten einzig und allein am Herzen lag, und
wie seit dem 15. Jahrhundert bereits die klassische,
d. h. auf das Struktursystem gerichtete Bauweise
neben der barocken, d. h. der jenigen, die das plastische
Element zu überwiegender Geltung bringt, einher-
gegangen ist und wie sich beide oft in einer und
derselben Künstlerpersönlichkeitnachweisen lassen.
Hierzu gehört bereits Knobelsdorff, der Baumeister
aus der ersten Regierungshälfte Friedrichs d. Gr.,
hierher auch Gontard und Unger, die bedeutendsten
Erscheinungen aus der Zeit nach dem Siebenjäh-
rigen Kriege.
Das ist der Anfang, das Vorspiel. Unter Fried-
rich Wilhelm II., der eine neue künstlerische Bau-
behörde, das Oberhofbauamt, ins Leben ruft, setzt
die hohe Zeit dieses Stils ein. Langhans, der das
Brandenburger Tor baut, steht an der Spitze und
bildet eine glänzende Schule; sie vollendet sich in
dem jungen Gilly, der früh dahin muß, aber in
Schinkel den Erben seines Geistes hinterläßt. Kenn-
zeichen dieser Architektur ist das Vorherrschen
des bürgerlichen Privatbaus; die Aufgaben der
früheren Zeit, Kirche, Schloß treten zurück, nur
im Friedrichs-Denkmal schafft sich die Epoche ihre
große monumentale Aufgabe. Dieser bürgerlich-
patrizische Stil bleibt nicht auf Berlin beschränkt,
in Dessau entwickelt ihn ganz selbständig Erd-
mannsdorf, in Braunschweig führt ihn, nachdem
der ältere Gilly dort das Viewegsche Haus errichtet,
Peter Ludwig Krähe fort. Auch im Kunstgewerbe
der Zeit macht er sich deutlich fühlbar und prägt
vor allem dem Mobiliar seinen Stempel von Würde
und Behagen auf. —
Der Gedanke, diesen Stil in allen seinen Aeuße-
rungen im Bilde wieder aufleben zu lassen, hängt
aufs engste mit der gegenwärtigen Strömung der
Baukunst zusammen, wie sie sich, im Norden
wenigstens, zu erkennen gibt. Messel, mit seinem
feinen Gefühl für alle struktiven Werte griff als
erster auf die Tradition der älteren Berliner Bau-
schule, der Vor-Schinkelzeit zurück. Er zeigte,
welche Entwicklungsmöglichkeiten in diesem Stile
ruhen, dessen Vorzüge ein Gefühl für Zweckmäßig-
keit, der Sinn für das elementar Mathematische der
Form und — nicht zuletzt — eine ausgesprochene
nationale Eigenart sind.
In der schicksalsvollen Stunde, zu der — durch
einen Zufall — das Werk seine Wirkung auszuüben
beginnt, wird diese nationale Eigenart noch stärker
empfunden werden als unter den früheren Verhält-
nissen. Mahnend und beratend soll diese architek-
tonische Bilderschau für die Zukunft reichen Gewinn
bringen, aber nie möge sie mißbraucht werden,
der Gedankenlosigkeit und Bequemlichkeit eine
modische Atrappe zu liefern. hans Mackowsky
M. KAULITZ Q MCNCHNERKRIEGSPU.'PEN: MICHEL, ÖSTERREICH, DIE DICKE BERTA L'. DIE FEINDLICHEN MACHTE
39
MARION KAULITZ
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ARCII. RUNGE & SCOTLAND-BREMEN
LADEN DER KAFFEE-HANDELS-GESELLSCHAFT
IN WIEN: SCHAUFENSTER UND EINGANG ■
ZU DEN ARBEITEN VON RUNGE & SCOTLAND IN BREMEN
Daß die Kaflfee-Handels- Aktiengesellschaft in
Bremen für ihre mannigfachen geschicic-
ten Werbeunternehmungen gut beraten ist,
mußte den Kunstfreunden schon längst auf-
gefallen sein. Die Packungen und Schaufen-
steranordnungen, die farbigen Werbebilder und
die Drucksachen, das Sporthaus auf der Hy-
giene-Ausstellung und in Köln im vergange-
nen Jahre, der Erfrischungsraum im Bremer
Hause der Werkbundausstellung sind Proben
davon gewesen. Dies glückliche, geschmack-
volle Gewand, in das die Kaffeehag ihre Ge-
schäftsunternehmungen kleidet, ist das Ergeb-
nis der alten Beziehungen des Gründers der
Firma, Roselius, zu den Architekten Runge
& ScoTLAND, von deren Arbeiten hier die
Rede sein soll.
Ein Ladengeschäft, das die Kaffee- Handels-
Gesellschaft in Wien einrichtete, ist die Auf-
gabe, aus deren Anlaß diese Raumlösung und
die Einzelmöbel entstanden.
Um ihnen gerecht zu werden, ist es nütz-
lich, sich zu besinnen, was wir heute vom
Kunsthandwerk dieser Art verlangen können
und wollen. Das Modernsein um jeden Preis
und aus Grundsatz hatte in der Zeit um 1900
dazu geführt, daß man jede Anlehnung an alte
Formen ablehnte und lieber nüchtern und form-
los sich gab.
Der Rückschlag gegen diesen Radikalismus
blieb nicht aus. Die Neigung zu der äußerlich
und innerlich unserer Zeit so verwandten guten
bürgerlichen Kultur aus Goethes Tagen läßt
sich nun einmal nicht hinwegleugnen. Niemand
will heute die Ueberlieferung gänzlich negieren.
Von Behrens bis R. A. Schröder, sogar von
Riemerschmid kann man ebenso wie von Bruno
Paul sagen, daß sie mit Naturnotwendigkeit
zu einer solchen Verarbeitung alter überlieferter
Formgedanken gelangt sind, die sich von selbst
ergibt, und die mit Absicht zu vermeiden
töricht wäre.
Dekorative Kunst. XI\.
Noveml>er 1915
41
ARCH. RUNGE 4, SCOTLAND-BREMEN
Q ZIERSCHRANK AUS DEM LADEN DER
KAFFEE-HANDELS-GESELLSCHAFT IN WIEN
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6*
ARCH. RUNGE & SCOTLAND-BREMEN
SOFABANK IM LADENRAUM DER KAFFEE-
HANDELS-GESELLSCHAFT IN WIEN B
ARCH. RUNGE IL SCOTLAND-BREMEN D GESCHNITZTER TISCH AUS DEM
LADEN DER KAFFEE-HANDELS-GESELLSCHAFT IN WIEN. PLATTE GELBER
MARMOR MIT SCHWARZEM RAND
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Es bleibt nur zu fordern, daß wie hier die
Einheit des so Geschaffenen, der gestaltende
persönliche Geist Herr bleibe über die An-
regungen, die die Formen einer älteren Kultur
uns geben und so dazu beitragen, an dem
Werden des Stils unserer Zeit zu bauen.
In diesem Sinne ist die persönliche Art zu
werten, die in den Schöpfungen von Runge
& Scotland zum Ausdruck kommt, der Ton des
Ganzen ist durchaus modern und eigen.
Das ist auch da der Fall, wo in erhöhtem
Maße, wie bei den hier gezeigten Landhaus-
bauten, die Bestimmungen und Wünsche des
Bauherrn im großen und im kleinen mitspre-
chen. Sei es bei dem Hause Friese mit seinem
fast romantisch anmutenden Heckengarten, sei
es bei dem heiter behaglichen Hause Kißling,
dem der Bauherr das Motto „Zum frohen Leben"
gegeben hat, oder bei einem Brunnen oder
Gartenhäuschen, überall zeigt sich der schaf-
fende und ordnende Geist, der die rein prakti-
schen Anforderungen des Lebens mit dem Künst-
lerischen zu einer Einheit verschmolzen hat.
Nicht oft genug kann es wiederholt werden: an
die Kunstgesinnung der alten Zeit soll man sich halten,
nicht an ihre Kunstleistungen ; man soll die letzteren
niemals im einzelnen nachahmen. Die moderne Zeit
hat moderne Bedürfnisse und braucht eine moderne
Kunst. Eine moderne Kunst aber kann nur gedeihen,
wenn sie zugleich in sich das Gegengewicht des Blei-
benden, Festen, Notwendigen, Angeborenen, Ewigen
trägt. Dies ist nicht in etwaigen früheren künstleri-
schen Erzeugnissen des Volkscharakters — welcheauch
ihre Zeit hatten, in der sie einmal modern waren — son-
dern nur in der lebendigen Quelle des heutigen deut-
schen Volkscharakters zu finden. „Das Lebende hat
Recht". Man hat nicht zurückzubleiben, sondern um
sich zu blicken; man hat von innen nach außen, nicht
von außen nach innen vorzugehen; um neue Kunst-
formen, die bildsame Schale des Volksgeistes, anzu-
setzen, hat man nicht auf frühere abgestorbene Scha-
len zurückzugehen, sondern sich wiederum an den Kern
selbst zu wenden. Und das kann nur geschehen durch
ein Eingehen auf den besonderen lokalen Charakter
der einzelnen Gegenden Deutschlands ; dadurch allein
kann man wieder zur Verschiedenheit, Mannigfaltig-
keit, Naivität der künstlerischen Produktion gelangen.
Den Volkscharakter muß man in seiner lebendigen
Fauna, nicht in seinen Versteinerungen studieren.
Die irrende Seele der Deutschen muß sich wieder an
den heimatlichen Boden binden
Aus ,,Remhranit alt Eriithtr"
*''^"pfnM°'' ^ SCOrLAND-ÜRHMEN G. SESSEL AUS DE.M LADEN-
RAUM DER KAFFEE-HANDELS-GESELLSCHAFT IN WIEN
46
ARCll. RUNGE & SCOTLAND-BREMEN
HAUS FRIESE IN BREMEN B
ANSICHT VOM VORGARTEN AUS
47
ARCH. RUNGE & SCOTLAND-BREMEN
HAUS FRIESE IN BREMEN: GARTENSEITE
48
ARCII. RUNGE &. SCOTLANDBREMEN
HAUS WINDISCH
ARCH. RUNGE & Si.dl lAM) UKl \ll N
Dekorative Kunst. XIX, a. November 1915
BRUNNEN AN DER GARTENMAUER DES HAUSES HERBST
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ARCH. RUNGE &, SCOTLAND-BREMEN
HAUS KISSLING
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ARCH. RUNGL Ä. SCO 1 LAND lilih.MLN o LANDHAUS IN BKhWUN-N AI IR. ROCKSEITE MIT STALL U. GARTENHAUS
ARCH. RUNGE i SCOTLAND-BREMEN
51
HAUS HERBST: GARTENHAUS
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ARCH. RUNGE &, SCOTLAND-BREMEN
LANDHAUS IN BREMEN-VAHR: STRASZENSEITE
HERMANN MUTHESIUS ÜBER DIE ZUKUNFT
DER DEUTSCHEN FORM
Was Muthesius auf der Versammlung
des Deutschen Werkbunds in Köln im
Juli 1914 über die Exporlfähigkeit des deut-
schen Kunstgewerbes und über das Typische
des deutschen Kunstgewerbes sprach, das er-
fährt in einem soeben vorgelegten Heft „Die
Zukunft der deutschen Form" (Deutsche Ver-
lagsanstalt, Stuttgart) eine Erweiterung und Ver-
tiefung, wird namentlich mehr von der theore-
tischen Seite her angesehen, nachdem es im
Augenblick praktisch doch unverwertbar ist,
und in Zusammenhang gebracht mit unserem
Kampf und unserer Not in dieser Zeit. Die
Einleitung holt weit aus, fördert aber auch
sehr wertvolles Tatsachenmaterial zutage. Na-
mentlich zwischen der oft gehörten Frage :
Warum sind die Deutschen so unbeliebt? und
der anderen Frage: Haben die Deutschen ihre
eigene „Form", die Form auch in Lebens-
haltung und täglichem Umgang? werden be-
ziehungsreiche Fäden geknüpft. So klagt Mu-
thesius mit Recht darüber, daß Deutschland,
das sich zu einer ersten Weltmacht empor-
gearbeitet habe, ohne den äußeren Apparat
einer Weltmacht geblieben sei, ohne Reprä-
sentation, ohne Pflege der äußeren Symbole
der Stellung, ohne weltmännische Formen.
Das habe sich in den ersten Monaten des
Krieges bitter gerächt und so könne es künftig-
hin nicht bleiben. Der Mangel an repräsenta-
tiver Veranlagung des Deutschen wird durch
das Beispiel erklärt, daß Deutschland einem
Manne gleicht, der in übertriebener Arbeitsam-
keit und mit Anspannung aller Energie sich
Güter, Stellung und Bedeutung errungen, aber
seine Aufmerksamkeit nicht in gleicher Weise
auf das Gefällige, Verbindliche, Anziehende ge-
richtet hat. Die einseitige Tüchtigkeit, Tüchtig-
keit ohne Liebenswürdigkeit, Tüchtigkeit ohne
„Form", hat Deutschland unbeliebt gemacht.
Alle anderen Völker, die Bedeutung in der Welt-
entwicklung erlangten, haben einen lebhaften
Sinn für die Form bekundet . . . Nachdem mit
viel Ernst und Nachdruck gegen die deutsche
Fremdländerei Stellung genommen wird, die
uns in den Augen der Welt verächtlich macht
und unsere deutsche Form, namentlich auf
dem Gebiet der bildenden Künste, zerschlägt,
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wirft Muthesius die Frage auf, ob überhaupt
eine deutsche Form möglich sei und beant-
wortet sie damit, daß wir nicht nur in der
Lage sind, eine deutsche Form zu schaffen,
sondern daß wir sie bereits auf den aller-
meisten Betätigungsgebieten besitzen; freilich
meist noch in den Anfangsstadien, so daß es
nötig ist, sie weiter zu entwickeln. Auf dem
Gebiet der bildenden Künste, besonders der
Architektur und Raumkunst, wird es vor allem
Pflicht der Auftraggeber sein, die bisherigen
glücklichen Anfänge einer deutschen Form nicht
weiterhin als nichtexistierend zu betrachten.
Was den Begriff der deutschen Form an-
langt, so wünscht Muthesius, ihn nicht mit
ARCH. RUNGE & SCOTLANDBREMEN
dem Begriff der „patriotischen Kunst" ver-
wechselt zu sehen. „Eine deutsche Kunst durch
Anwendung vaterländischer Sinnbilder herbei-
führen zu wollen, wie es tatsächlich in Kriegs-
zeiten versucht zu werden pflegt, ist eine voll-
ständige Verkennung. Der bekannte industrielle
Hurrakitsch ist die natürliche Folge." Trotz-
dem kann sich die wahre Kunst des völkischen
Elementes nicht entäußern. Denn dieses Ele-
ment ist in dem Born, aus dem alles künst-
lerische Schaffen fließt, in der Seele des Men-
schen, untrennbar enthalten. Zum deutschen
Wesen gehört es, das Charakteristische über
das Normalschöne zu setzen, das Seelischge-
mütvolle über das Abgeklärte, das Eigenwil-
lige über das Verallgemei-
nerte. „Aber alle diese Eigen-
heiten sind ungewollt. Wollte
man das Nationale heraus-
destillieren, um dann eine
nationale Kunst gleichsam in
Reinkultur zu züchten, so
würde man sich an dem ge-
fährlichen Abgrund bewegen,
der zu den Niederungen der
Pseudokunst führt."
Deutsche Form im guten
Sinne nimmt Muthesius be-
sonders auf dem Gebiet der
Architektur und des Kunst-
gewerbes wahr und zeigt auf,
wie sie dem deutschen Volke
wirtschaftliche und morali-
sche Frucht bringen muß,
wenn sie mit Zielbewußtsein
durchgesetzt wird. Die deut-
sche Form — meint Muthe-
sius — hätte es in sich, die
Weltform zu werden, wie die
Vorherrschaft der germani-
schen Völker auf der Erde
heute besiegelt sei, unter de-
nen wiederum Deutschland
die Führung habe. Arbeit gäbe
es freilich noch genug zu lei-
sten, aber es käme nur auf
eine bewußte, geschlossene
Vorwärtspolitik an. „Es gilt
mehr als die Welt zu beherr-
schen, mehr als sie zu finan-
zieren, sie zu unterrichten,
sie mit Waren und Gütern zu
überschwemmen. Es gilt, ihr
das Gesicht zu geben. Erst das
Volk, das diese Tat vollbringt,
steht wahrhaftander Spitze der
Welt; und Deutschland muß
dieses Volk werden."
HAUS WINDISCH: EINGANG
54
KRISTALLSCIIALE
GRAF IIARRACIISCIIE GLASFABRIK NEUWELT IN BÖHMEN
DIE GLASAUSSTELLUNG IN WIEN
DieAusstellungimOesterreichischenMuseum
wollte zunächst der vom Kriege hart be-
drängten Glasindustrie luhilfe kommen. Wohl
kein Gebiet unseres Wirtschaftslebens ist in
seiner Gesamtheit so sehr auf den Export an-
gewiesen, keines reicht so weit, umfaßt in des
Wortes vollerer Bedeutung den Weltmarkt.
Hier mußte der Krieg zum plötzlichen Still-
stande führen; und ihn, wenigstens teilweise,
wieder in Bewegung zu setzen, die Kontinui-
tät der Arbeit, wenn auch im verminderten
Maße, aufrecht zu erhalten, wurde die zeit-
notwendige Pflicht der Nächstbeteiligten, in
erster Reihe des Verbandes der nordböhmi-
schen Glasindustriellen, der die Anregung gab,
in zweiter des Museums, das sie bereitwillig
aufnahm und mit vielseitigem Verständnis
durchführte. Die Art der Verarbeitung dieses
aktuellen Anlasses durch Direktor Hofrat Dr.
Eduard Leischino hat die Notstandsaktion
zu einem Ereignis von künstlerischem und,
darüber hinaus, von kulturellem Gewicht wer-
den lassen.
Bei dem eingreifenden Belang, der dem Glas-
betrieb für Kunst und Industrie in Oesterreich
zukommt, haben ihm die Schaubietungen des
Museums, die regelmäßigen und die gelegent-
lichen, seit jeher besondere Aufmerksamkeit
zugewendet. Die Ausstellung der Fachschulen
1902 stärkte das Interesse und Verständnis
des Unternehmers und des Laien, und auf den
allgemeinen Ausstellungen der nächsten Jahre
stellte sich das Glas mit steigender Geltung
neben das übrige Kunstgewerbe. Nirgend ließ
sich die Stetigkeit seiner künstlerischen Ent-
wicklung vollkommener nachweisen als am
Beispiele der Firma Lobmeyr, deren Arbeit
die Stilgeschichte des österreichischen Glases
während der drei letzten Geschlechter darstellt;
die Ausstellung von 1914 gab diesen lehrrei-
chen Rückblick über die 1823 einsetzende Tä-
tigkeit des Hauses, das allmählich zum Gewissen
unserer Glasproduktion geworden ist. Aber
trotz allem — ein durchgreifendes Gesamtbild
von der Gegenwart dieses Werkgebietes war
bisher nicht geboten. Das brachte uns erst
der Krieg.
Der spannende Punkt der Ausstellung liegt
in dem Gegensatz von Industrie- und Kunst-
glas; zwei gesonderte, das Wesentliche umfas-
sende Gruppen führen ihn vor. Was im Export-
teil an widerstreitenden Richtungen, an Ver-
fälschung ursprünglicher Form- und Schmuck-
werte, an Halb- und Ungeschmack der Ab-
nehmermassen aller Welt herauskommt, ist
ein trübes Kapitel moderner Kultur, das hier
nicht geschrieben werden kann, — wirtschaft-
lich ebenso imposant wie künstlerisch unge-
heuerlich und niederschlagend. Nur diese Be-
ziehung, die zur Kunst im Gewerbe geht uns
hier an. Im Gedankenkreise eines modernen
Industriestaates müßte vor diesem Anblick der
Vorsatz wach werden, das, was sich hier
schlechthin verleugnet, Großbetrieb und Kunst,
zum möglichsten Ausgleich zu bringen. Uns
in Oesterreich liegt es näher, den Gegensatz,
55
der sich bietet, in seiner ganzen Schroffheit
zu nehmen, zwei getrennte Lager zu sehen,
die ihre eigenen Wege gehen müssen, das
Unvereinbarliche zu betonen und jeder Ver-
mischung mit Mißtrauen zu begegnen. Denn
wir müßten davon die Trübung unseres Kunst-
wiilens im Handwerke befürchten, daß unseren
Erwägungen als eine Kraft, die ist, mehr am
Herzen liegt als die Industrie, die anderswo
mehr Gewicht und darum auch mehr Recht hat.
Die Industrie, wie sie hier in Erscheinung
tritt, — eigenmächtig und rücksichtslos — be-
drückt uns; im Bereiche des Handwerks at-
men wir freier. Schon bei den altösterreichi-
schen Gläsern, die mit lehrhafter und ver-
söhnender Wirkung zwischen Export und Kunst
gebracht wurden, fühlen wir uns wieder zu-
hause. Dann stört ein Mißton : die Nachahmun-
gen alten Glasgutes. Sie sind täuschend ge-
raten, technisch einwandfrei; aber wieder
mischt sich ein fremder Geist ein, der hier
den Werkanlaß gab: der Händler. Doch da
sich auch dieses Produkt im Kreise unserer
Ueberlieferung hält, findet sich darüber hin-
weg die Brücke zum Verständnis des Moder-
nen, das sich zuletzt in geschlossener Aus-
lese zur Schau stellt: Böhmen ist die Heimat
der Arbeitsstätten geblieben, Haida und Stein-
schönau die Hauptsitze, deutsch das Handwerk
in seinem überwiegenden Teile, und auch Ge-
sinnung und Werkweise von ehedem haben
sich grundsätzlich erhalten: ein altverlrauter
Stoff, den die Hand mit ererbter Redlichkeit
und ganzer Hingabe an das Einzelding formt
und schmückt.
Eine Materialfrage von entscheidender Be-
deutung wird zum erstenmale aufgerollt. Ne-
ben das altheimische Kalikristallglas tritt jetzt,
von ausländischer Konkurrenz herbeigeführt,
das Bleiglas. Beide haben verschiedene Ar-
beitsbedingungen — sie stehen beim Kaliglas
höher — und verschiedene Werkwirkungen,
die in den Graden der Lichtbrechung gelegen
sind. Vom Standpunkte der Kunst im Hand-
werk erscheint die weitere intensive Pflege
des Kaliglases am ratsamsten, wirtschaftliche
GLASPOKAL
ENTWURF: PROF. M. POWOLNY El AUSFÜH-
RUNG: JOH. LÖTZ WWE., KLOSTERMOHLE
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Dekorative Kumt. Xl\. 3. November 1913
57
Rücksichten gebieten die nebenhergehende
Wahrnehmung auch des anderen Gebietes.
Die Vollbewegung des Betriebes erweist
sich an der Handhabung aller Techniken —
des Schleifens und Kugeins, der Gravierung
und Bemalung, des Ueberfanges und der
Aetzung — ihre Stufe an der gleichmäßigen
Beherrschung jeder Arbeitsart.
In den Formen ist ein durchgängiges Merk-
mal schwer festzustellen. Das „Stilgemäße"
beruht auf den gemeinsamen Voraussetzun-
gen der Werk weise und auf der vorherrschen-
den Absicht, jedes Ding eine gerade und ein-
deutige Sprache reden zu lassen und es zu-
gleich — nicht im alltäglichen Sinne — ge-
brauchsfähig zu machen. Das schließt das
Spielerische, das absolute Phantasiestück von
vornherein aus. Es überwiegt das Breite und
Statische, das Grazile und Flüchtige tritt völlig
zurück. Entscheidend bleibt das Verhältnis
zum Schmuck : die Form herrscht, bedient sich
gern offener Farben, aber der Zierat ordnet
sich durchaus unter, geht in der Form auf.
Weil dies nun gerade auf einem von anders
gearteten Erbgedanken umfangenen Gebiete
offenkundig wird, erscheint als das Wesent-
liche: die Steigerung der Formkraft nach Er-
scheinung und Ausdruck, — nicht so sehr im
GLASDOSE a AUSF.: FRIEDK. Dll.lbClI, STEINSCHÖNAU
ZIERGLAS
ENTWURF: H. BOLEK B AUSFÜHR. : JOH.
LÖTZWWE., KLOSTERMOHLE IN BÖHMEN
Sinne neuartiger Bildungen, als in dem
andern der völligen Aufnahme und Ver-
arbeitung des Schmuckes in die Form.
Die Reihe der Kunstglaserzeuger hat
sich beträchtlich erweitert. Diesmal
traten besonders hervor: „Arthl"-
Prag, BAKALOWiTS-Wien, Conrath
& LiEBSCH-Steinschönau, Goldberg-
Haida, Graf HARRACH-Neuwelt, Lob-
MEYR-Wien, LöTZ-Klostermühle, Mas-
SANETZ-Steinschönau, Meltzer- Lan-
genau, OERTEL-Haida, PiETSCH-Stein-
schönau,ScHAPPEL-HaidaundTscHER-
NiCH-Haida. Die Lehrstätten von Haida
und Steinschönau spielen eine ihrer
Erziehungsaufgabe durchaus angemes-
sene, fortschreitende Rolle. Aber auch
der Kreis der Wiener Kunstgewerbe-
schule greift durch seine Lehrer, Schü-
ler und Bekenner mitbewegend ein und
vermittelt der bodenständigen Grund-
gesinnung den Zuschuß großstädtischer
Denkart: neben JosEFHoFFMANNstell-
tensich Margold,Prutscher, Bolek,
Peche, Nechansky und Jungnickel
in den Vordergrund des Interesses.
Max Eisler
58
SOLDATENGRÄBER UND KRIEGSDENKMALE*)
Unter diesem Titel ist vor icurzem, vom
Oesterreichischen Kunstgewerbeförde-
rungsamt herausgegeben, ein höchst beachtens-
wertes Buch über das uns heute alle bewe-
gende Thema erschienen, ein Buch, das sich
freilich seinen Weg nicht leicht macht. Es
kommt zwei weit-
verbreiteten und
gemeinhin aus-
schlaggebenden
Erwartungennicht
nur nicht entge-
gen, sondern
scheint ihnen —
auf den ersten
Blick — geradezu
grundsätzlich aus-
zuweichen: es ver-
meidet die An-
knüpfung an die
volkstümliche
Ueberlieferung
und scheut das
offene Pathos der
Zeiterregung. Die-
se spröde Haltung
des Buches muß
seine erste Auf-
nahme erschwe-
ren. Sie ist nicht
jedermann ver-
ständlich, und
kann, wo die Wil-
ligkeit zu ernst-
hafter Auseinan-
dersetzung mit
dem Gebotenen
fehlt, leicht zur
Ablehnung füh-
ren. Aberwersich
nur einmal dem
Texte überlassen
hatundseinerFüh-
rungfolgt,mußdie
Brücke zum Bilde
•) Soldatengrä-
ber undKriegsdenk-
male, herausgege-
ben vom Kunstge-
werbeförderungs-
amt. Wien 1915.
Kunstverlag Anton
SchroU&Co., G.m.
b. H. 10 M.
GLASPOKAL
finden und durch beides, wenn nicht erhoben,
so doch belehrt und klarer gemacht werden.
Denn das ist der treibende Nerv des Wer-
kes selber: klar zu bleiben im Sturm der
widerstreitenden Empfindungen, den die im
Zeitleben ankernde Aufgabe entfacht, klar zu
werden an der un-
erbittlichen Fol-
gerung aus den
einfachsten und
bestimmenden
Voraussetzungen,
die hier gelten.
Daserklärtauch
schon die anschei-
nend frondierende
Stellung zur über-
lieferten Volks-
und Heimats-
kunst. Ein Werk
wie dieses, das nur
Grundsätze, nicht
Lösungen geben
will, wird an eine
formale Aufnahme
und Fortbildung
des volkskünstle-
rischen Erbes
nicht denken kön-
nen. Aber was am
alten Arbeitsgange
gesund ist, das
muß hier neue
Gellung gewin-
nen. Es heißt für
den Leser von der
Bilderscheinung
zu ihren Bedin-
gungen vordrin-
gen, wenn er sich
die Mühe nimmt,
diese tieferliegen-
den Zusammen-
hänge der Alt- und
Neu formen aufzu-
spüren. Jedenfalls
ist der hier ein-
geschlagene Weg
geeigneter, das
Brauchbare und
Gültige im alten
AusFOHRUNG: JOH. LöTZ WWE., Handwerksbrau-
KLOSTERMOHLE IN BÖHMEN Q ChC den neUCH
59
GESCHLIFFENE GLÄSER
ENTWURF: R. STOCKAR V. BERNKOPF UND
JOS. ROSIPAL B AUSFÜHRUNG : ARTEL, PRAG
FARBIGE GLÄSER
AUSFÜHRUNG: JOH. OERTEL & CO., HAIDA
60
Bedürfnissen, der anders gewordenen Zeit zu
gewinnen, als der gangbare und bequemere
wahlloser Verwendung von hergebrachten und
beliebten „Motiven".
Nicht so leicht wird man sich mit dem
Mangel an offenkundiger, vom Zeitereignis
aufgewühlter Erregung zurechtfinden können.
Auch hier hat die strenge Umgrenzung der
Aufgabe allen Beteiligten Zurückhaltung der
persönlichen Anteilnahme geboten, und zu-
weilen spürt man, wie schwer es dem oder
jenem wurde, sich nicht ganz und frei ausspre-
chen zu dürfen. Aber wie die Dinge lagen,
wäre es als eine persönliche Einmischung er-
schienen und aus dem Rahmen des Ganzen
gefallen, das typische Andeutungen bringen
wollte, — die unanfechtbare Basis für jede
weitere individuelle Aeußerung zeitbewegten
Empfindens, mag dieses nun einem im Stam-
meskreise wurzelnden Handwerker oder einem
in sich ruhenden Künstler angehören, mag es
in den Bezirken von Familie und Heimat eng
beschlossen sein oder mit den Gemeingedan-
ken des Zeitenschicksals weitere Wege und
Wirkungen suchen. Aber, wie gesagt: von dem
Gefühl, daß hier eine letzte Befriedigung un-
erfüllt bleibt, wird man sich nicht ganz los-
machen. Der Gegensatz aller Kriegsgaben des
Deutschen Reiches und der unsern in ihrer
inneren Spannung ist zu offenliegend, um über-
gangen werden zu können. Die Erklärungen
werden sich zu anderer Zeit besser geben
lassen.
Aber das Buch ist stark durch sein Pflicht-
bewußtsein und die Richtung auf das Wesent-
liche, würdig durch seinen jeder spielerischen
Laune und Stimmungsmache fremden Ernst,
erziehlich und gebend fast auf jedem Blatte.
Die Bildgaben — Modelle und Entwürfe, nur
wenig Ausgeführtes — sprechen die Sprache
des Textes: aufrichtig und deshalb aufrüttelnd.
Man wird sich ihrer nur so bedienen müssen,
wie sie sich geben. Der weitwirkende Gewinn
kann dann nicht ausbleiben, auch wenn ihn in
vollem Maße vielleicht erst eine Zeit bringt,
die an die Frage besonnener herantritt, als es
der Gegenwart möglich ist.
Die Haupteinteilung richtet sich nach den
Zeitbestimmungen der Werkpläne: Grabstätten
für einen und viele — und Denkmäler für den
Kriegsgedanken. Nähere Unterscheidungen er-
geben sich aus der Oertlichkeit der Aufstellung.
ZIERGLASER
AUSFOHRUNG: KARL GOLDBERG, HAIDA
61
GLASSCHALE
ENTWURF: E. J. MARGOLD a AUSFÜHRUNG: KARL SCHAPPEL, HAIDA
Das Ganze durchdringt der strenge Geist
Oskar Strnads, der sich hier deutlicher als
sonst als die Energie dieser Persönlichkeit
erweist; sie wird noch, wenn nicht alles trügt,
in dem kommenden
Kapitel unserer Archi-
tekturgeschichte ihre
tiefere Spur ziehen.
Die nähere Ausfüh-
rung des Buchplanes
ist das Ergebnis der
Gemeinarbeit unserer
Kunstgewerbeschule,
ihrer Lehrer und Fach-
klassen. Die Anre-
gung gab der Direktor
LIKÖRFLASCHE AUS GE-
SCHLIFFENEM GLAS
des Gewerbeförderungsamtes, Hofrat Dr.
Adolf Vetter, und hat damit wieder den
Sinn seiner Tätigkeit auf solchem Boden be-
kundet: das Gelegentliche und Zeitgemäße
zur Hervorbringung
grundlegender Werte
zu nützen.
Das Buch ist hand-
lich, solid und verhält-
nismäßig wohlfeil ; der
durch den Wechsel
von Steinzeichnungen
und Tonklischees her-
vorgerufene unruhige
Eindruck war kaum zu
vermeiden.
□ AUSFÜHRUNG: CARL
MELTZER &, CO., HAIDA
62
MAX WISLICENUS
LÖWE. WANDBEHANG FOR DAS RATHAUS ZU LÖWENBERG IN SCHLES.
DER BILDTEPPICH IN DER KUNST DER GEGENWART
Von Prof. Dr. K. Schaefbr
Die Bildwirkerei hat von jeher als eine
Höchstleistung der angewandten Kunst
gegolten. Sie war trotz der unzähligen Hinde-
rungen, die, in der Technik des Webens lie-
gend als Beschränkung für jede Art von Form-
gebung wirken, der freien Kunst der Malerei
mit ihren großen und starken Möglichkeiten
am nächsten, schien sogar oft wertvoller als
diese durch die Kostbarkeit des Materials und
die mühselige, kunstvolle Sorgfalt der lang-
wierigen Ausführung auf dem Webstuhl. Der
Bildteppich war dem Mittelalter ebenso un-
entbehrlich wie der Renaissance, und dem
Stil des 18. Jahrhunderts diente er erst recht
als willkommenes Mittel, die prunkvollen Säle
und Galerien der Schlösser mit figurenreichen
Tapeten auszustatten, die in den Farbtönen
des Woll- und Seidengewebes noch viel ein-
schmeichelnder und wohliger zu dem Luxus
dieser Raumkunst und zu der zarten Farben-
tönung dieser Stilharmonien passen mußte,
als die aufdringlicheren und anspruchsvolleren
Gemälde mit den gleichen Darstellungen es
gekonnt hätten. Zahllos sind die Arbeiten
der französischen, flämischen und deutschen
Werkstätten, die im 17. und 18. Jahrhundert
für den fürstlichen und für den bürgerlichen
Bedarf solche Bildtapeten herstellten; eine ge-
wohnheitsmäßige Ueberlieferung hat auch den
unbedeutendsten unter ihnen eine stilvolle
Haltung gegeben, die als Erbteil der einheit-
lichen Zeitkultur uns heute charaktervoll und
bedeutend zugleich erscheint.
Das Können, die technische Fertigkeit der
Gobelinweberei ist uns nicht verloren ge-
gangen. Bei allen großen Ausstellungen para-
dierten noch bis 1900 die französischen Manu-
fakturen mit handwerklich meisterhaft ausge-
führten Bildteppichen von oft riesiger Größe,
von kostbarer und schwieriger Technik, von
reichster Bildwirkung. Aber es fehlte bei
diesen Ansprüchen und Leistungen zweierlei,
was ihnen erst die Daseinsberechtigung hätte
geben müssen. Einmal die wirtschaftliche
Berechtigung: niemand verlangte nach diesen
modernen Bildteppichen. Kein Bedürfnis der
Zeit, ihrer Architekten und Raumkünstler hatte
sie entstehen lassen ; sie waren tote Aus-
stellungswunder, für die im modernen Leben
kein Platz war und nach denen keine Sehn-
sucht bestand. Und zweitens die künstlerische
Berechtigung: alle Ueberlieferung war abge-
rissen. Gemälde, alte oder neue, möglichst
wortgetreu in die Maschen des Gewebes zu
übersetzen, schien den Werkstätten das er-
strebenswerteste Ziel und gab ihrem Tun den
einzigen Halt. Verwilderter Naturalismus oder
sklavische Wiederholung alter Vorbilder waren
die ständig wiederkehrenden Eigenschaften
dieser gänzlich stillosen Erzeugnisse. Ganz
natürlich ; denn zu dem sehr tüchtigen Hand-
werk des Gobelinwebers kam die Kunst eines
Mannes, der, wenn er Maler war, weder Lust
noch Veranlassung dazu gehabt hätte, sich mit
dem Materialstil des Bildteppichs und seiner
Herstellungsweise zu beschäftigen, oder der
63
MAX WISLICENUS
■ WANDTEPPICH „HEXE" B
GEWEBT VON WANDA BIBROWICZ
64
■
MAX WISLICENUS
Q WANDTEPPICH „DIANA" Q
GEWEBT UNTER LEITUNG VON ELSE WISLICENUS
MAX WISUCENUS
O WANDTEPPICH „VENUS" ■
GEWEBT VON WANDA BIBROVICZ
andernfalls Musterieichner der Manufaktur
und also unselbständig und geistlos von Na-
tur, auf das Kopieren angewiesen war. —
Es ist bezeichnend, daß in den Sturm- und
Drangjahren des jungen deutschen Stils, um
1900 herum, auch der Bildteppich eine Rolle
spielte. Die Jugend greift gleich nach dem
Höchsten und liebt es, die Stufen zu über-
springen, von denen man später sagt, daß man
sie bedächtig und überlegt emporsteigen sollte.
Was damals der heute doch wohl unterschätzte
Otto Eckmann und was O. Ubbelohde mit den
Scherrebecker Werkstätten an figürlichen We-
bereien auf den Markt brachten, war kühn,
radikal, war
vortrefflich ge-
dacht. Der be-
wußte Verzicht
auf Gemälde-
wirkung war
der einzig mög-
liche Weg, um
dieGrundlagen
eines Stils für
moderne Bild-
gewebe wieder
zu finden. Daß
man in der pla-
katmäßigen
Flächigkeit der
Darstellung zu
weit ging, daß
man den Reiz
des Spiels von
kleinen For-
men und Far-
ben so gründ-
lich vernach-
lässigte, der
sich nun ein-
mal aus der
Webetechnik
von selbst er-
gibt und der
eine bezeich-
nende Eigen-
tümlichkeit der
Bildteppiche
aller früheren
Stilepochen
und durchaus
sinngemäß ist,
sehen wir heu-
te als Mangel.
Auch war das
Handwerk
selbst in Scher-
rebeck noch MAX WISLICENUS
reichlich primitiv. Daß aber die ganze, be-
geistert unternommene und so viel bewunderte
Arbeit damals scheiterte, lag nicht an künst-
lerischen Mängeln — denn es haben bekannt-
lich viel schlechtere Kunsthandwericserzeug-
nisse ihre Abnehmer gefunden und ihren Mei-
stern das Leben gefristet. Auch wenn die Wand-
teppiche Eckmanns und Ubbelohdes noch viel
vollkommener gewesen wären, der Enderfolg
wäre derselbe geblieben: es gab in der Tat
im Kreise der Käufer kein Bedürfnis nach
diesen anspruchsvollen Ausstattungsstücken.
Es gab im deutschen Wohnhaus keinen Platz
für sie, an dem sie begehrenswert oder gar
notwendig ge-
wesen wären,
wie es einst die
alten Gobelins
waren , jene
dem Architek-
ten hochwill-
kommenen
Elemente zum
Schmuck und
zur Gliederung
der Wände. Sie
erwiesen sich
weder wirt-
schaftlich noch
künstlerisch
als notwendi-
ges Glied un-
serer neuen
Raumkunst.
Und — das ist
imGrundeheu-
te noch eben-
so: Es wird
schwerlich be-
stritten werden
können, wenn
ich sage, daß
der moderne
Wohnraum,
wie ihn Bruno
PauloderPeter
Behrens oder
R. A. Schröder
zu gestalten
pflegen, nach
Bildwirkereien
nicht begehrt,
sie eher ab-
lehnt. Die Not-
wendigkeiten
des Alltags,
die Möbelstof-
fe , Vorhänge,
ORNAMENTALER WANDBEHANG
Dekorative Kunst. XIX. 2. November 1915
65
MAX WISLICENUS
WANDBEHANG „SEEPFERD"
Tischdecken, Fußbodenteppiche in die Harmo-
nie des Raumganzen einzuordnen, ist offenbar
die viel dringendere Frage und sie ist gelöst
worden, mußte zuerst gelöst werden, weil
wir für das Bürgertum, als Verbraucher des
neuen Hausrats arbeiten, nicht für Kirchen
und Rathäuser wie das Mittelalter, und nicht
für Palais wie die Werkstätten der Rokoko-
zeit. Wandbehänge und Bildteppiche sind nur
als Ausnahmeerscheinungen in diesem Stil-
gefüge denkbar.
Die groß angelegte Gründung der Scherre-
becker Webeschule von 1897 sollte uns nur
ein Beispiel sein; andere Gründungen von
derselben Absicht, der Handweberei wieder
eine Stätte zu bereiten, haben dieselben Er-
fahrungen gemacht, wenn sie es nicht recht-
zeitig vorzogen, statt der Bildwirkereien ein-
fache Gebrauchsstoffe von der Art der alten
Hausfleißerzeugnisse herzustellen, ob sie nun
modern in ihren Formen waren oder sich
mit der Nachbildung alter Muster begnügten.
Aus diesem Scheitern so vieler mit gutem
Willen und tüchtigem Können unternommener
Versuche, muß also der Schluß gezogen
werden, daß es bisher noch nicht gelungen
ist, für die vornehmste Art der Webekunst
in unserer modernen Raumkunst eine Stelle
zu schaffen ; wäre diese gefunden, dann wür-
den sich alsbald auch die Stilforderungen als
Richtschnur und Maßstab, als Aufgabestellung
für den modernen Gobelin daraus ergeben
haben. Solange diese Verbindung von innerer
Notwendigkeit noch nicht hergestellt ist, wer-
den wir noch im Zustand der Versuche stehen
bleiben. Entmutigt von Erfahrungen solcher
Art und von der wirtschaftlichen Erfolglosig-
keit sind die meisten Versuche, den Bild-
teppich wieder zu einem wesentlichen Aus-
stattungsstück unserer neuen Innenräume zu
machen, alsbald wieder aufgegeben worden.
Die entwerfenden Künstler hatten sich wohl
auch die Eroberung des Stils, der nur in lang-
samer Arbeit aus der Hersfellungsweise und
66
MAX WISLICENUS
WANDBEHANG „WASSERSTIER"
dem Werkstoffe des Gewebes und aus selb-
ständigem Studium des Gobelinstils alter
Zeiten sich ergeben kann, leichter vorgestellt,
als sie ihrer schwierigen Natur nach sein
konnte.
Der einzige, der bei der Aufgabe ausharrte
und unbeirrt durch den Mangel an Aufträgen
und bestimmten Aufgaben an der einmal be-
gonnen Arbeit festhielt, war Max Wislicenus.
Und daß diese Beharrlichkeit mit der Zeit
ihre Früchte tragen wird, davon konnten sich
die Besucher der Kölner Wcrkbundausstellung
im vergangenen Jahre überzeugen. Der schle-
sische Saal mit seiner dunkeln Wandtönung
erhielt sein festliches Gepräge durch sieben
große Wandteppiche, die in der Werkstatt von
Frl. Wanda BiBROwicz nach den Entwürfen
von Prof. Wislicenus ausgeführt, zum ersten
Male der breiten Oeffentlichkeit die Ernte einer
mehr als zehnjährigen Arbeit zu Gesicht
brachte. Der Eindruck war ohne Frage ein
starker. Einheit in der künstlerischen Auf-
fassung, in die Anpassung an die Technik
der Weberei und sichere Ausführung von hand-
werklich tüchtiger Vollendung ergeben zu-
nächst mindestens den Eindruck eines klaren,
in sich gegründeten Stils, der überzeugend
wirkte durch seine Verbindung flächig ge-
sehener, rhythmisch bewegter Figuren mit
reicher Belebung des Bildfeldes durch orna-
mentale Uebersetzung der Naturmotive.
Die Abbildungen, die hier beigegeben sind,
lassen eine ausfühiliche Schilderung der ein-
zelnen Kompositionen überflüssig erscheinen.
Mit dem meisten Glück beschränkt sich Wisli-
cenus auf Figuren großen Maßstabs, die er ein-
zeln oder in vorwiegend symmetrisch zusammen-
geschlossenen Gruppen den Rahmen des Bild-
feldes möglichst ausfüllen läßt. Das ergibt
einen dekorativen Reichtum, wie ihn etwa die
ältesten griechischen Vasenmalereien oder die
Glasgemälde des frühen Mittelalters oder auch
die Bild Wirkereien des 16. Jahrhunderts zeigen,
wo die Füllung der Fläche als oberste künst-
67
MAX WISLICENUS D GROSZER WANDTEPPICH IM FESTSAAL DES KCL. REGIERUNGSGEBAUDES ZU BRESLAU
lerische Aufgabe erscheint, hinter der die Auf-
gabe einer getreuen Abbildung der Natur zu-
rückstehen muß. Geschmackvoll und ausge-
glichen sind diese Erfindungen mehr, als daß
sie durch zwingendes Temperament sich zu
Kühnheiten erheben, die begeistern oder zur
Kritik herausfordern. Die Wahl des Stoffes
sollte sich in Zukunft, wenn es erst Auftrag-
geber für solche Arbeit gibt, von außenher
ergeben. Von den hier wiedergegebenen The-
men darf man sagen, daß den Einzelfiguren
der Vorzug zukommt. Der Akt, den Wisli-
cenus in den drei Schlangentanzteppichen
mit so glücklichem Gefühl für den Rhythmus
angewandt hat, der unbekleidete Körper, wird
für die Gobelintechnik immer besondere
Schwierigkeiten haben. Das Gewand der be-
kleideten Figuren gibt ihr dagegen Möglich-
keiten, die Wislicenus selbst sehr fein aus-
zunutzen versteht. Denn dem Gewebe wider-
streben, wie wir schon sahen, eintönige Flächen
von Natur; es sind ihm willkommen alle Mo-
tive, die wie das wiederkehrende Muster eines
Gewands, reich geformte Schuhe, ein Haarband,
flatternde Schleiertücher als Bereicherungs-
mittel für die Zeichnung dienen, während die
Technik der Ausführung es verhindert, die
zarten Abtönungen in der Modellierung der
Körperflächen wiederzugeben, die der Akt ver-
langte. Außerdem haben jene dekorativen Mittel
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MAX WISLICENUS
WANDTEPPICH „SCHLANGENTANZ". RECHTES SEITENSTÜCK
70
den Vorzug, daß sie die Harmonie zum Ornamen-
talen vermitteln, deren das Bildgewebe nicht
entbehren kann. Gerade dieses, das Ornament,
dürfte gelegentlich gerne noch reicher, schwer-
wiegender, phantasievolier entwickelt werden.
Die Alten verstanden es bekanntlich prachtvoll,
breite Einfassungen von Blumen und Frucht-
büscheln, von Ornamentschnörkeleien mit figür-
lichen Zutaten, bald streng architektonisch, bald
malerisch frei aufgelöst, als Rahmen um ihre
Gobelinbilder zu erdichten. —
Außer den aus freiem künstlerischen Er-
messen entstandenen Teppichen findet der
Leser hier zwei, die im Auftrage der schlesi-
schen Provinzialverwaltung entstanden sind,
zum Schmuck des Trau- und Amtszimmers
im Rathause zu Löwenberg. Die Ansicht der
Stadt mit ihrer ausdrucksvollen Giebelreihe,
die über die niedrige Stadtmauer emporragt,
ist in Haltung und Stimmung außerordentlich
fein in den Ton der alten Holzschnitte um-
gesetzt, die so prächtig die sachliche, trockene
Wiedergabe so eines Stadtbildes mit dem de-
korativen Spiel geschmackvoll geordneter
Linien und Flächen zu vereinigen verstanden.
Die ornamentale Flächenteilung durch die
Baumreihen des Hintergrundes, die Wölkchen
über dem Horizont ist dem Bildteppiche durch-
aus angemessene Stilweise. Weniger selbst-
verständlich, etwas unvermittelt, auch ein
wenig kostümiert wirken darunter die Ver-
treter der einzelnen Stände, Ritter, Gelehrter,
Bürgersmann und Handwerksgeselle. Der
schreitende Löwe als Zeichen der Stadt, im
Bürgermeisterzimmer des Rathauses zeigt die
ornamentale Auffassung folgerichtig durch-
geführt mit ausgezeichneter Wirkung.
Auch für das Gebäude der Kgl. Regierung
in Breslau hat die Webewerkstatt der Bres-
lauer Akademie unter Leitung von Frl. Wanda
Bibrowicz einen Bildteppich nach Prof. Max
Wislicenus' Entwurf ausgeführt. Er zeigt einen
Reigen von zwei schreitenden Paaren auf
blumigem Wiesengrund und lehnt sich, seiner
Entstehungszeit entsprechend, noch mehr als
die späteren Arbeiten, aber mit glücklichem
Erfolg an die dekorative Auffassung der Früh-
renaissance an. —
Der hier beschrittene Weg, die alte und
wohlberechtigte Sehnsucht zu erfüllen, die
Bildwirkerei wieder zu einem Bedürfnis und
zu einem unentbehrlichen Ausdrucksmittel im
künstlerischen Schaffen der Gegenwart zu
machen, ist gewiß der rechte. In bald
15 jähriger Zusammenarbeit von Künstler und
Werkstatt hat sich eine Erfahrung heraus-
gebildet, die alle Grundlagen eines aus der
Herstellungsweise, dem Werkstoff geschaffenen
Stils in sich trägt. Was wir diesem be-
wunderungswürdigen zähen Ausharren bei der
schönen Aufgabe als Lohn wünschen, das ist
die Zahl von Aufträgen, die in Zukunft ein
Ausbauen und Ausbreiten der bisherigen Er-
rungenschaften erlauben. Kirche und Rathaus
waren im Mittelalter die Auftraggeber für
solche kostbare Ausstattungsstücke; sie müßten
es heute wieder sein, und könnten es sehr
wohl sein. Denn es wäre ein höchst be-
dauerlicher Verlust an kunsthandwerklichem
Kapital, wenn diese jahrelange Arbeit durch
den Mangel an Verständnis bei den Stellen,
die als die geborenen Auftraggeber in Frage
kommen, nicht ihren Lohn fände. Und dieser
ist ein Betätigungsfeld.
MAX WISLICENUS
WANDBEHANG „FABELTIER-
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SCHMIEDEEISERNE KASSETTEN G SCHOLERARBEITEN DER GEWERBLICHEN FACHSCHULEN AUGSBURG
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ARCH. KARL SATTLER-MÜNCHEN
LANDSITZ BOVERI, BADEN (SCHWEIZ): GARTENHAUS
EINE GARTENANLAGE IN BADEN (SCHWEIZ) VON ARCHITEKT
KARL SATTLER-MÜNCHEN
Als dem Münchner Architekten KarlSattler
, der Auftrag zuteil wurde, in Baden in der
Schweiz für Herrn Walter Boveri einen großen
Garten zu schaffen, bei dem Architektur, pla-
stischer Schmuck und pflanzliche Anlagen sich
zu einem schönen Ganzen zusammenschlie-
ßen sollten, trat eine zwar reizvolle, aber nicht
leichte Aufgabe an ihn heran, denn die absolute
Freiheit des Schaffens war einerseits dadurch
beschränkt, daß ein Wohnhaus und ein alter
Garten schon vorhanden waren und in ihrer
ursprünglichen Gestalt erhalten werden muß-
ten, andererseits war in dem abschüssigen Ge-
lände eine Voraussetzung gegeben, über die
der Architekt nicht hinweggehen konnte.
Es handelte sich darum, einen Terrassen-
garten mit horizontalen Wegen (im Gegensatz
zu dem durchaus abschüssigen alten Garten)
zu schaffen. Als krönenden Abschluß dachte
sich der Bauherr ein Gartenhaus, das natür-
lich, entsprechend den parallelen Horizontalen
der vier Terrassen, gleichfalls mehr in die Breite
als in die Höhe wachsen mußte, und infolge-
dessen von dem Baukünstler behaglich hingela-
gert und eingeschossig (mit niederem Souterrain)
ausgestaltet wurde. Es ist ein Gartensaalbau
von jenem anmutigheiteren Wesen, dessen
man sich bei den Gartenbauten aus den kur-
fürstlichen Zeiten erfreut, doch ist damit nur
die Stimmung des Gebäudes angedeutet und
es ist keineswegs irgendeine stilistische An-
lehnung darunter zu verstehen. Die Ausfor-
mung des Gebäudes ist ganz zeitgenössisch.
Ohne starke äußere Mittel ist durch vorzüg-
liche Aufteilung der Baumasse, durch die Hori-
zontal-Vertikalgliederung der Fassade und durch
die gelungene Proportionalität von Fassade und
Dach ein schöner Eindruck erreicht, der echtes
Behagen auslöst. Im Innern ist das Garten-
haus zu einem Musiksalon und intimen Fest-
raum von ausgezeichneter Akustik ausgestaltet.
Die hohen Fenster, die bis zum Boden des
Dekoralivo Kunst. XIX.
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ARCH. KARL SATTLER-MÜNCHEN
LANDSITZ BOVERI, BADEN (SCHWEIZ): SCIINX IMMliAD
Saals herabreichen und so zu Türen geworden
sind, werden von schönen, an Ort und Stelle
freihändig in Stuck modellierten Supraporten
geschmückt. Die Türfenster dienen nach Westen
hin zum direkten Austritt auf die oberste Ter-
rasse, die zu einer besonders intimen Garten-
anlage ausgebaut wurde. Die Möblierung ist
teils alt, teils entsprechend neu ergänzt, das
Prunkstück aber, ein Kamin in Muschelkalk
mit Putten und Karyatiden, ist eine Schöpfung
von Professor Adolf v. Hildebrand in Mün-
chen, ein Werk von sonniger Heiterkeit und
in der Formgebung und Gliederung von über-
raschendem Reiz. Der holzgeschnitzte Leucht-
körper mit dem Amor, den man auf unserer
Abbildung sieht, ist von Jacobine v. Hilde-
brand, geb. Sattler, gestaltet.
Vorzüglich ist der Anschluß des Garten-
gebäudes an die Terrassenanlage gefunden
durch beiderseits an das Gebäude angelehnte
Steintreppen, deren Balustraden als schöne
Zier zwei lebhafte Putten nach Modellen Adolf v.
Hildebrands aufweisen. Plastischer Schmuck ist
auch sonst da und dort im Garten anzutreffen,
ohne indessen durch Häufigkeit zu ermüden.
So sind die Plastiken an den Brunnen usw.
von Theodor Georgii, der sie als echte
Steinplastiken (Muschelkalk aus einheimischen
Steinbrüchen) direkt aus dem Stein heraus-
arbeitete, während die vier Figuren an der
Alleenkreuzung der untersten Stufe des Gar-
tens von Professor Karl Ebbinghaus stam-
men. Sie stellen die vier Jahreszeiten, durch
Mädchen- und Frauengestalten versinnbildlicht,
dar, und haben seinerzeit auf der „Ausstellung
München 1908", wo sie im Park aufgestellt
waren, viel Beifall gefunden (Abbildungen im
Juliheft 1908); im Garten Boveris sind sie in-
dessen durch die Uebereckstellung im Qua-
drat und durch die grüne Umrankung der
Sockel viel vorteilhafter zur Geltung gebracht
als seinerzeit in München.
Das belebende Element des Wassers, das
gerade bei Terrassenanlagen zur Entfaltung
feiner Wirkungen Gelegenheit bietet, ist reich-
lich herangezogen. Auf der obersten Terrasse
ist ein Brunnen mit fließendem Wasser ein-
gerichtet; dasselbe Wasser durchströmt eine
Reihe von Brunnen und Becken auf den ver-
schiedenen Terrassen, wo es besonders den
Vögeln, die den Garten beleben, als Bade-
platz dient, und mündet zuletzt, nun schon
angenehm erwärmt, in der großen Badeanlage,
die als geräumiges Schwimmbad mit hübscher
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architektonischer Ausgestaltung in einer Ecke
des untersten Gartens, hinter Ulmen und Pla-
tanen verborgen, ihren Platz fand.
Sowohl von den Fenstern des Gartenhauses
aus, wie von den Terrassenabstufungen bietet
sich ein prächtiger Blick in die wundervolle
Schweizerlandschaft, die von der Aare durch-
strömt und von den Lägern-Bergen umkränzt
wird. Dieser Aussicht zuliebe mußte die gar-
tenarchitektonische Anlage, wie es auch dem
Wesen des Terrassengartens entspricht, tun-
lichst horizontal gehalten werden, d. h. größere
Baumgruppen und hochansteigendes Busch-
werk mußten auf die oberste Terrassenstufe
(hinter dem Gartenhaus) und auf die unterste,
in der Gegend der Badeanlage, sowie auf die
gleichfalls ganz tiefgelegte Allee beschränkt
bleiben; außerdem fanden Bäume nur als Be-
grenzung am Zaun Verwendung. Uebrigens
bewährte sich bei diesem gartenarchitektoni-
schen Teil der Anlage die bekannte Münchner
Firma Möhl & Schnitzlein, die den garten-
technischen Teil nach Sattlers Plänen, etwa in
der Art fränkischer Barockgärten, ausgezeich-
net ausführte. Der Bauherr selbst nahm mit
Geschmack und großer Sachkenntnis an die-
ser gartenarchitektonischen Ausgestaltung An-
teil; er lieh guten Vorschlägen ein geneigtes
Ohr, fand aber auch selbst vortreffliche Lö-
sungen und schuf Ausgezeichnetes bei An-
pflanzungen und Gruppierungen. Da eine Gar-
tenanlage nicht etwas zu gewisser Stunde Ab-
geschlossenes und Endgültiges ist wie beispiels-
weise ein Hausbau, sondern immer weiter sich
entwickelt, immer neue Gelegenheit zur Ver-
vollkommnung und Ausschmückung gibt, ist
Herrn Boveri reiche Möglichkeit geboten, an
dem Ausbau und der Vervollständigung seines
Gartens auch fernerhin weiterzuschaffen.
Wenn je eine Zeit geeignet war, mehr wie eine
andere der Anschauung Raum zu geben, daß in
Architektur und Kunstgewerbe künstlerische Wahr-
haftigkeit, Knappheit und Sachlichkeit, vollkom-
menste Erfüllung des Zweckes mit den einfachsten
Mitteln als erste Bedingung gelten soll, so ist es
die unsrige. Die ganze so großartig entwickelte
moderne Technik, deren Erzeugnisse in ungeheurer
Mannigfaltigkeit täglich und stündlich uns vor Augen
stehen und durch unsere Hände gehen, sie ist be-
herrscht von dem obersten Grundsatz: die größt-
mögliche Leistung mit den geringstmöglichen
ARCH. KARL SATTLER-MÜNClIhN
LANDSITZ BOVERI BADEN (SCHWEIZ) : TERRASSENANLAGE
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Mitteln. Haben sich nun durch das beständige Sehen
und Benutzen jener Erzeugnisse unsere Augen und
unser Tastgefühl mehr und mehr an die sfruktiv-
technische Sachlichkeit gewöhnt und unser tekto-
nisches Formgefühl dementsprechend beeinflußt, so
ist zudem noch unser Körpergefühl durch die außer-
ordentliche Steigerung der Verkehrsmittel für eine
größere Bewegungsfähigkeit sehr empfänglich und
demnach für allen hemmenden und beschwerenden
Ballast sehr empfindlich geworden. Diese psycho-
logische Tatsache, die Beeinflussung also unseres
Körpergefühls, damit auch unseres statischen Ge-
fühls, unseres Formengefühls überhaupt durch un-
sere ganzen von der modernen Technik umgestal-
teten Lebensverhältnisse kann allein den Schlüssel
bieten zur Erkenntnis der spezifischen modernen
Auffassungsweise tektonischer Aufgaben.
R. Streiter
ARCII. KARL SAi ILLK
LANUüAi .> iiu\i Kl, liAiii.N (.^cnVii.lZ): TREPPEN-
ANLAGR MIT PUTTO VON A. VON HILDEBRAND ■
DekoratNe Kunst. XIX. 3, Dezember 1915
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ARCH. P. L. TROOST a BELEUCHTUNGSKÖRPER AUS DEM NEBENSTEHEND ABGEBILD. RAUM
Ausführung: Wilhelm &. Co., München
ARCH. P. L. TROOST OiSCHRANKCHI:N AUS DEM NEBENSTEHEND ABGEBILD. RAUM
Ausführung: Vereinigte Werkstalten für Kunst im Handwerk A.-G., München-Bremen
83
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ARCH. P.L.TROOST-MONCHENqTEIL AUS DEM VORRAUM DER AUSSTELLUNG DER VEREINIGTEN .WERKSTATTEN,
MÜNCHEN-BREMEN AUF DER WERKBUND-AUSSTELLUNG IN KÖLN
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ARCII. P. L. TROOSr-MONCllEN BELEUCHTUNGSKÖRPER
Ausführung: Vereinigte U'crkslättcn tür Kunst im Handwerk A.-G., München-Bremen
85
ARCH. P. L. TROOST-MÜNCHEN
SCHLAFZIMMER. AUSSTELLUNG DES DEUTSCHEN WERKBUNDES, KÖLN
Ausführung: Vereinigte Werkstätten für Kunst im Handwerk A.-G., München-Bremen
86
ARCH. P. L. TROOST-MONCHEN SCHLAFZIMMER. AUSSTELLUNG DES DEUTSCHEN WERKBUNDES, KÖLN
Ausführung: Vereinigte Werkstätten für Kunst im Handwerk A.-C, München-Bremen
87
ARCH. P. L. TROOST-MONCHEN TOILETTENTISCH AUS VORSTEHEND ABGEBILDETEM SCHLAFZIMMER
Ausführung: Vereinigte Werkstätten für Kunst im Handwerk A.-C, München-Bremen
88
LUDWIG GIES-MONCHEN
I>ekoralive Kunst. XIX. 3. Dezember 1915
89
KRIEGS- UND TRAUERSCHMUCK
U
ZEITMEDAILLEN VON LUDWIG GIES
Die konzentrierte Kunst der Medaille, die
mit der graphischen Kunst insoferne Be-
rührungspunkte besitzt, als sie von der Wirk-
lichkeitsabschilderung wegrückt und den dar-
gestellten Gegenstand ins Symbolische steigert,
besitzt in dem jungen Münchner Plastiker Lud-
wig GiES einen ihrer besten Interpreten. Auf
diesen Seiten ist schon des öfteren von ihm
die Rede gewesen und immer galt es, seine
Originalität in den Einfällen, seine Sicherheit
in der Komposition und räumlichen Aufteilung
und seine ausgezeichnete Beherrschung der
Technik zu rühmen. Dieser Krieg und seine
Auswirkungen in der Heimat haben Gies' Ein-
bildungskraft außerordentlich befruchtet. Nahe-
liegende Allegorien, mit denen sich manche sei-
ner Kunstgenossen zufrieden geben, verschmäht
er, verächtlich schiebt er die Bettelsuppe bil-
liger „Ideen" von sich. Er steigt in die Tiefe
und schöpft aus den Urgründen künstlerischen
Ingeniums. Indessen wird seine Kunst des-
wegen nicht „dunkel" und mystisch. Ihre helle
Klarheit, Durchsichtigkeit und Eindeutigkeit sind
„medaillengemäß" im besten Sinn der Tradition.
Wenn Vittore Pisano oder die Florentiner Me-
dailleure des Quattrocento, die heute noch vor-
bildlich sind, auf den Reversen ihrer Porträt-
medaillen durch eine symbolische Darstellung
ein Ereignis, einen Zeitgedanken oderdas Wesen
des Porträtierten zu umschreiben unternahmen,
so strebten sie wohl nach Größe und Neuartig-
keit des Einfalls und der Form, aber niemals
auf Kosten der Klarheit und Leichtfaßlichkeit.
So hält es auch Gies. Es gibt bei den Darstel-
lungen auf seinen Medaillen Einfälle, die ganz
naiv sind, volkstümlich, kindlich. Da drückt der
Soldat seinem Liebchen unterm Kruzifix die
Hand oder sie küssen sich zum Abschied unter
dem blühenden Baum, eine trauernde Frau legt
ihr Kränzlein auf ein Soldatengrab oder der
schönste Kindermärchenengel mit Flügelein und
Strahlenkranz schwebt himmelwärts und flicht
den Lorbeer um die Pickelhaube: in beiden
Fällen trägt die Medaille die Inschrift: „Ich be-
klage einen deutschen Helden" und ist als Trauer-
schmuck für die Frauen gedacht. Ueberhaupt
hat Gies bei seinen neuen Schöpfungen immer
eine sinngemäße Verwendung im Auge. Nur
ganz wenige Stücke — eigentlich nur die aus-
gesprochen „artistischen" — sind als Sammel-
objekte, als Schaumünzen im alten Sinn, ge-
dacht, die meisten sollen praktischen Zwecken
zugeführt werden als Anhänger, Brosche, Amu-
lett, Abzeichen. Daher ist für die Ausführung
billiges Material gewählt, beispielsweise eine
Messingmischung, wie sie bei alten Devotio-
nalmedaillen gebräuchlich war: durch Erkennt-
nis der technischen Möglichkeiten dieses Mate-
rials und durch seine sachgemäße Behandlung
sind gerade damit sehr reizvolle Wirkungen
erzielt worden . . .
Als Broschen sind z. B. die Gußmedaillen
„Der russische Bär" und „Seegefecht" aus-
gebildet, die beide trotz des Ernstes ihres Vor-
wurfs einer feinen humoristischen Ausdeutung
nicht entraten. Das „Seegefecht" wird durch
zwei wütend gegeneinander anstürmende Wal-
fische verkörpert; jedes dieser beiden merk-
würdigen Schiffe trägt eine Schar erzgepanzerter,
in Waffen starrender Männer auf dem Rücken,
Lanzen sind gezückt und zum allgemeinen Er-
götzen beteiligen sich auch die Walfische durch
Ausstoßen hoher Wassersäulen am Kampf. Sehr
fein und graziös ist die Silberplakette mit den
vor der einschlagenden Granate erschreckt stei-
genden Pferden, hier ist das schwierige Be-
wegungsproblem, das eigentlich zu dem ruhe-
vollen Charakter einer Medaille nicht völlig
paßt, aufs glücklichste bezwungen. Originelle
Motive bieten ferner die Medaillen „Häuslicher
Herd", wo man Anklänge an die Heilige-Familie-
Bilder der deutschen Kleinmeister herausspürt,
und die Medaille „Betende Flüchtlinge", die
mir wie eine künstlerische Apotheose auf die
Russennot Ostpreußens erscheint . . .
Wer diese und andere Kriegs- und Zeitmedail-
len und Denkzeichen von Ludwig Gies auf der
Sommerausstellungder Münchner Secession sah,
dazu eine ganze Anzahl tüchtiger Arbeiten gleich-
gesinnter Mitstrebender, die wie Gies zumeist
Schüler des feinsinnigen Heinrich Wadere an der
MünchnerKunstgewerbeschulewaren,derkonnte
sich von Herzen freuen, daß neben dem billigen
industriellen Schund von Kriegsdenkzeichen, der
jetzt in vielen Tausenden von Exemplaren auf
den Markt geworfen und gekauft wird, und neben
dem einfältigen allegorischen Kitsch, den soge-
nannte Künstler produzieren, doch auch aus dem
großen Geist der Zeit heraus Medaillenschöp-
fungen entstehen, die ihrem Wert nach die heu-
tige Generation überdauern und kommenden
Geschlechtern im Abglanz eine Vorstellung
vermitteln werden von der Wirkung der großen
Ereignisse auf die Kunst. Wolf
90
LUDWIG GIES-MONCHEN
91
KRIEGS- UND TRAUERSCHMUCK
12»
DRESDENER MARGARETEN-SPITZE
SCHULE MARGARETE NAUMANN-DRESDEN
DIE DRESDENER MARGARETEN-SPITZE
Diese neue Technik entspringt einer Weiter-
bildung der Makrame-Technik und es ist
erstaunlich, wieviele Möglichkeiten künstleri-
scher Wirkung hierbei vorhanden sind, von
der feinsten duftigsten Art der Spitze bis zur
Posamenten-Wirkung und zu entzückenden
plastischen Gebilden. Die Technik befindet
sich noch in der Entwicklung und so sieht
man neben fertigen Borten, Kragen, Besätzen,
welche zu direkter Verwendung für elegante
Kostüme reizen, auch Versuche verschiedenster,
besonders auch farbiger Art. Es fallen ver-
schiedene naive Darstellungen figürlicher
Art auf, welche von den Arbeiterinnen, meist
jungen Mädchen aus dem Arbeiterstande aus
reiner Freude an dieser Technik und ihren
schöpferischen Möglichkeiten geschaffen wur-
den. Aus Freude an der Arbeit! Wie dies
klingt im 20. Jahrhundert, wo Tausende von
Mädchen mechanische Fabrikarbeit verrichten
und Freude ganz wo anders suchen als in der
Arbeit. Ernste soziale Gedanken lösen sich
bei dieser Beobachtung aus. Woran liegt es,
daß diese Spitzen-Arbeiterinnen bei beschei-
denem Lohne an ihrer Arbeit froh werden,
sich ihrer freuen?
Man muß das feine Lehrtalent von Mar-
garete Naumann, der Erfinderin dieser Spitzen,
kennen, um dies zu beantworten.
Nach kurzer Unterweisung in schönen Rei-
hungen und Gliederungen erfinden und ent-
wickeln die Arbeiterinnen ohne jede Vorzeich-
nung, während dem Knüpfen ihre Muster.
Von einfachsten Grundlagen ausgehend, wird
ihre Phantasie immer sicherer und reicher,
so daß sie aus Freude an diesem schöpferi-
DRESDENER
MARGARETEN-
SPITZE
SCHULE
MARGARETE NAU-
MANN-DRESDEN
92
DRESDENER
MARGARETEN- SPITZEN
SCHULE MARGARETE
NAUMANN-DRESDEN
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DRESDENER MARGARETEN-SPITZE
SCHULE MARGARETE NAUMANN-DRESDEN
sehen Können Darstellungen von Tieren, Men-
schen und Blumen knüpfen in so selbstver-
ständlicher naiver Art, wie die Volkskunst es
stets getan. Wie oft mußte in Vorträgen ge-
warnt werden, Volkskunst nachmachen zu
wollen, wir könnten nicht mehr so einfach
und herzlich fühlen, und hier in diesen Spitzen —
hier fließt aus einer neuen Technik echte ge-
mütswarme Volkskunst. Diese Erzeugnisse
behaupten sich in Museen unter den schönsten
Arbeiten alter textiler Kunst, sei sie aus dem
Morgen- oder Abendlande. Und Volkskunst
ist hier nicht Bauernkunst, sondern überhaupt
unverfälschter schöpferischer Volksgeist, dessen
Erzeugnisse auch Fürsten zieren.
Diese neu aufgebrochene Blüte ist aber in
unserer Zeit der Maschine und der kalten
Profitrechnungen tödlichen Gefahren ausge-
setzt. Beschützen und pflegen können diese
Blüte nur jene, welche fühlen, daß unsere
deutsche Kultur nicht nur auf Geldgewinn,
sondern und nicht zuletzt auf einer Schöpfer-
freude aufgebaut ist, welche ihre Lebensbe-
friedigung in sich selbst findet und lieber
materiell bescheiden lebt und kämpft, als
diese Schöpferfreude entbehrt. Sollte es nicht
Aufgabe der Verständigen sein, derartige Re-
gungen der Volksseele zu stützen und zu er-
halten, gegenüber dem Materialismus? Vor-
aussetzung ist allerdings die Erkenntnis, daß
ein Hundertmarkschein nur ein Tausch, aber
kein Wertobjekt ist. Diese Spitzenfechnik
kann für die Industrie zunächst nur künstle-
risch anregend sein, muß aber Handarbeit
bleiben, wenn ihre inneren und wichtigsten
Werte erhalten werden sollten. Die Spitze
müßte sich auf dem Markte einen derartigen
Qualitätswert erringen, daß jedes Stück als
Originalstück gewertet und eingeschätzt -wird.
Alles Verlangen nach billigerer Herstellung
muß abgewiesen werden, damit sie nicht dem
Jahrmarkts-Schicksal der Klöppelspitze ver-
fällt. In diesem Sinne ist diese Spitzen-Technik
jeder Unterstützung wert, sowohl vom künst-
lerischen wie vom volkswirtschaftlichen Stand-
punkte aus. K. Gross
DRESDENER
MARGARETEN-
SPITZEN
SCHULE
MARGARETE NAU-
MANN-DRESDEN
94
REISZBRETT UND BELEUCHTUNGSKÖRPER
Viele Beleuchtungskörper, die von moder-
nen Künstlern gleichzeitig mit der übri-
gen Ausstattung eines Raumes gezeichnet wur-
den, tragen den gleichen Fehler. Sie wirken
nüchtern, kalt und stören die sonst vielleicht
vorzügliche Raumstimmung gerade durch ihr
ängstliches Bestreben, sich mit der Formen-
sprache der Umgebung in absoluten Einklang
zu setzen.
Der unbefangene, mit natürlichen künstleri-
schen Instinkten begabte Beobachter empfindet
dieses Bestreben als Nachteil, wenn er sich
auch über den Grund seines Gefühls nicht
klar wird. Und doch ist der Grund recht ein-
fach. Der Beleuchtungskörper gehört eben nicht
in dem Sinne zur Raumausstattung wie Möbel
und Wandbekleidung. Sein völlig isolierter
Platz berechtigt ihn nicht nur zur freiesten
Abweichung von der Formensprache des Rau-
mes, sondern verpflichtet ihn geradezu, durch
wohltuende Kontrastwirkung die wohnliche
Stimmung zu steigern. Er wird unbewußt stets
als unabhängiges Gerät empfunden, das als
Ganzes für sich der Beurteilung unterliegt. Der
Architekt wird beim Entwurf immer geneigt
sein, in mehr oder weniger nüchterner Linien-
berechnung den Beleuchtungskörper als Detail
der Zimmereinrichtung zu behandeln, als Detail,
das nur in Zusammenwirkung mit dem Gan-
zen den beabsichtigten Stimmungsakkord er-
zeugen hilft. Tatsächlich wird aber, wie schon
gesagt, dieses Zusammenwirken in ganz anderer
Weise empfunden als das Reißbrett vortäuschen
möchte. Der konstruierte Zusammenhang ist in
Wirklichkeit kaum vorhanden, und der Be-
leuchtungskörper erscheint, auf sich selbst an-
gewiesen, ärmlich und nüchtern. Es entscheiden
Werte in seiner Wirkung, die auf dem Papier
keine Geltung hatten, und die mangelhafte
Fachkenntnis des Künstlers, der über diese
Werte nicht gebot, macht sich unangenehm
bemerkbar. Man kann sich sehr wohl bei-
spielsweise einen Metallbeschlag vorstellen,
der an sich betrachtet handwerklich nicht ein-
wandfrei ist und trotzdem in Verbindung mit
dem Möbel die beabsichtigte Wirkung auslöst.
Ein Beleuchtungskörper dagegen, der die Merk-
male mangelhafter Technik verrät, kann durch
die Wechselwirkung mit seiner Umgebung nicht
veredelt werden. Sein exponierter Platz im
Raum verlangt gebieterisch die Ausnützung
aller kunsthandwerklichen Traditionen und bietet
für dilettantische Versuche die allerungünstigste
Gelegenheit. Auch originelle, oder sich so ge-
bärdende Formgedanken können hier nicht über
Schwächen hinwegtäuschen. Vielleicht für we-
nige Augenblicke der Ueberraschung, nachher
wird gerade das konstruiert Originelle zur un-
erträglichen Aufdringlichkeit. Denn eben weil
der Beleuchtungskörper so der beständigen
Beachtung ausgesetzt ist und auch im bewohn-
ten Raum nicht wie Möbel und Wände durch
das zahlreiche Zubehör persönlichen Lebens
in der Wirkung beeinflußt und der Gesamt-
stimmung eingepaßt werden kann, verlangt er
von vornherein zurückhaltende Formgebung.
Wenn irgendwo, so ist beim Beleuchtungskör-
per eine gewisse Anlehnung an das gesund
Traditionelle und Typenhafte berechtigt. Da-
für zu sorgen, daß diese Eigenschaften nicht
identisch werden mit äußerer und innerer Arm-
seligkeit, liegt nicht in der Macht des Reiß-
brettkünstlers. Nur der Fabrikant, der kunst-
handwerkliche Ueberlieferungen und kultivier-
tes Empfinden in sich vereinigt, kann in dieser
Beziehung auf seinem Sondergebiet wirkliche
Fortschritte zur Reife bringen.
Hält man unter diesem Gesichtspunkt in
der modernen Beleuchtungskörperindustrie kri-
tisch Umschau, so erscheinen die bisher er-
zielten Resultate ziemlich kläglich. Es ist ver-
ständlich, daß der einkaufende Bauherr diesem
unreifen Chaos mutlos den Rücken kehrt, um
bei seinem Architekten Rat und Hilfe zu su-
chen. Andere geben sogar die Hoffnung auf,
in Deutschland überhaupt zu finden, was ihr
Instinkt vom Beleuchtungskörper verlangt.
Frankreich und England waren die Länder,
die in solchem Fall herangezogen wurden,
nicht ohne jede Berechtigung, denn in beiden
Ländern hat die betreffende Industrie ihre Tra-
ditionen besser zu nutzen verstanden. Und das
Traditionelle ist wie gesagt manchem fein emp-
findenden Laien beim Beleuchtungskörper er-
träglicher als das Originelle. Der Krieg wird
für absehbare Zeit die Nachbarländer auch auf
diesem Gebiet für deutsches Empfinden un-
möglich machen, aber unsere Industrie wird
aus dieser Tatsache so lange keinen Nutzen
ziehen, wie sie nur den kaufmännischen Nutzen
darin erblickt.
Die Beleuchtungskörperfabriken Deutsch-
lands werden in der Mehrzahl nach rein kauf-
männischen Gesichtspunkten geleitet. Großer
Umsatz, billige Preise, Export, Konkurrenz
sind wichtiger für die Inhaber als das Streben
nach innerer Gediegenheit und andere ästhe-
tische Momente, deren Nutzen nicht unmittel-
95
^kJA
> '". .
WEIHNACHTSTELLER
AUSFÜHRUNG: KCL. PORZELLAN-
MANUFAKTUR MEISZEN B
bar in der nächsten Jahresbilanz nachzuwei-
sen sind. Man schlägt und unterbietet sich
um die Ausführung der Beleuchtungskörper
für irgendein protziges Kaffee- oder Warenhaus,
ohne zu bedenken, daß ein einziger großer
Auftrag, bei dem zur Einhaltung unmöglicher
Preise alle ehrliche Werkstattsgesinnung ver-
leugnet werden muß, den schwer erworbenen
direkten Nutzen indirekt wieder aufhebt. Eine
Werkstatt, aus der nur einmal Schund hervor-
ging, wird den Weg zur Gediegenheit schwer-
lich wiederfinden. Es lohnt sich, einen Blick
auf die Arbeitsweise größerer Beleuchtungs-
körperfabriken zu werfen mit Bezug auf die
Art und Weise, wie sich bei ihnen Kunst und
Gewerbe zum Kunstgewerbe vereinigen. Besser
gesagt: vereinigen möchten, denn die Verbin-
dung ist meist recht locker.
Viele Betriebe beziehen ihre Entwürfe, mehr
oder weniger bestechlich gezeichnete Blätter,
WEIHNACHTSTELLER
AUSFÜHRUNG: KGL. PORZELLAN-
MANUFAKTUR MEISZEN D
96
WEIHNACHTSTELLER a
ENTWURF: FRITZ KLEE
AUSFÜHRUNG: FACHSCHULE FCR
PORZELLANINDUSTRIE, SELB o
entweder von (es ist leider nicht anders auszu-
drücken) hausierenden Zeichnern, oder von
ihren Spezialzeichnern, deren mancher seiner-
seits eine ganze Reihe Zeichner beschäftigt.
Jeder dieser Leute züchtet dank seiner ein-
seitigen Beschäftigung am Reißbrett, in sich
die Fähigkeit, Beleuchtungskörperentwürfe ge-
radezu aus dem Aermel zu schütteln. Irgend-
welche technische Verantwortung trägt der
Zeichner nicht, nur selten bekommt er das von
ihm entworfene Stück zu Gesicht.
Andere Betriebe haben ihre eigenen Zeichen-
ateliers. Mit erstaunlicher, durch den Kon-
kurrenzkampf bedingter Geschwindigkeit wer-
den hier umfangreiche Offerten ausgearbeitet
mit zahlreichen Entwurfskizzen. Damit ist im
allgemeinen der künstlerische Teil der Aufgabe
erledigt. Die nötigen Werkzeichnungen sind
meist oberflächlich und bezüglich der techni-
schen Einzelheiten so vieldeutig, wie es bei-
spielsweise im Tischlergewerbe undenkbar wäre.
Die Metalltechnik läßt eben immer viele Lö-
WEIHNACHTSTELLER □ AUSFÜHRUNG KCL. POR-
ZELLANMANUFAKTUR MEISZEN
WEIHNACHTSTELLER B ENTW.: JUL. DIEZ; AUSFÜH-
RUNG: K. PORZELLANMANUFAKTUR NYMPHENBURC
Oekoraiivr Knust. XI.\. i. Dezember 1915
97
13
WEIHNACHTSTELLEK Q AUSFÜHRUNG: KGL. POR-
ZELLANMANUFAKTUR BERLIN
WEIHNACHTSrtLLhK Q ENIMUKI ; LUDWIG v. ZUM-
BUSCH B AUSF.: PH. ROSENTHAL & CO. A.-G., SF.LB
sungen zu, und ein gewissenloser Fabrikant, dem
ein nach Zeichnung abgegebener Preis beschnit-
ten wird, findet durch Anwendung einer billi-
geren Technik immer noch die Möglichkeit,
„zurechtzukommen". Wenn er sie nicht selbst
findet, findet sie der Meister, der bezüglich der
technischen Ausführung die Entscheidung hat
und meist die Preisberechnung ausführt. Bei alle-
dem ist der Künstler so gut wie ausgeschlossen,
und je größer der Betrieb, desto schärfer ist
diese Trennung von Reißbrett und Handwerk.
Glücklicherweise gibt es Ausnahmen; Werk-
stätten, wo Kunst und Handwerk in glücklicher
Verbindung wertvollere Erzeugnisse schaffen.
Aber solange bei der Mehrzahl der Fabrikan-
ten der Kaufmann das erste und letzte Wort
behält, solange wird beim Beleuchtungskörper
und bei manchem anderen kunsthandwerkli-
chen Erzeugnis das Reißbrettkunsfgewerbe sein
totes Leben weiter führen. Paul Bischoff
WEIHNACHTSTELLER D AUSFÜHRUNG : KOPENHAGENER FAYENCEFABRIK BING & GRÖNDAHL, KOPENHAGEN
98
RICHARD L. F. SCHULZ-BERLIN
BELEUCHTUNGSKÖRPER
QUALITÄT UND GESCHMACK.
zu DEN BELEUCHTUNGSKÖRPERN VON RICHARD L.F.SCHULZ, BERLIN
Sachlichkeit war vor fünf Jahren das Feld-
geschrei des neuen Kunstgewerbes. Alles,
was sich vor dem Begriff nicht ausweisen
konnte, war Verbrechen, war Laster, war
Barbarei. Ich entsinne mich noch, wie einer
der damaligen Kunstgewerbe-Vielschreiber den
Frauenhut verdammte. Vielleicht lesen die
Theoretiker, die jetzt eine deutsche Mode
machen wollen, die Stelle noch einmal nach:
„Da gibt es Bänder, die nichts binden und
Schließen, die nichts schließen . . ." O Greuel,
o Greuel. Es war eine schlimme Sache um
den Hut unserer Damen. Schlimm, sehr
schlimm, bis man verstanden hatte, daß ein
Begriff wie die Sachlichkeit doch nicht allen
Erscheinungen des künstlerischen und gewerb-
lichen Lebens gerecht werde. Und Worte
blühen und vergehen. Man hat sogar im Ver-
lauf der merkwürdigen Entwicklung, die das
neudeutsche Kunstgewerbe ja hinter sich ge-
bracht hat, der Sachlichkeit mehr, viel mehr
als gut, entraten. Dafür ist ein neues Wort
den Zungen geläufig geworden, ein sehr gutes
Wort, denn es heißt: Qualitätsarbeit.
Qualitätsarbeit ist unbedingt eine der An-
forderungen, die an alle menschlichen Betäti-
gungen gestellt werden sollten. Richtige, ge-
diegene, nicht zu übertreffende Arbeit, das ist
eine der Voraussetzungen für alles Ausgezeich-
nete, was Menschengeist und Menschenhände
hervorbringen können. Mit militärischer
Qualitätsarbeit besiegt man eine halbe Welt
voll Feinde, ballistische Qualitätsarbeit allein
vermag sich auszuwachsen zum 42- Zentimeter-
Mörser, die Qualitätsarbeit der technischen
Industrie baut Dreadnoughts und Untersee-
boote, konstruiert Flugzeuge, spannt mächtige
Brücken über Flüsse und Täler. Der Faust,
die Rembrandtsche Anatomie oder gotisches
Maßwerk, das alles ist auch Qualitätsarbeit.
99
13»
RICHARD L. F. SCHULZ-BERLIN
Und es ist ganz klar, daß der Künstler oder
der Handwerker, die etwas von Wert schaffen
wollen, immer auszu-
gehen haben von der
qualitätvollen Arbeit.
Theoretisch hat man
das bei uns wohl be-
griffen und scheint es
ganz besonders begrif-
fen zu haben in unse-
rem Kunsthandwerk
und unserer Kunstin-
dustrie. Denn nirgends
betont man so sehr,
wenn man von sich
redet und sich in ein
vorteilhaftes Licht set-
zen will, die Qualitäts-
arbeit; in Wirklichkeit
ist aber das Wort
Qualitätsarbeit gerade
hier nur ein Wort,
ein ruhmrednerisches
Wort geblieben. Neun
Zehntel alles neu-
deutschen Kunstge-
werbes war als tech-
nische und manuelle
Arbeitsleistung nicht
mehr als halbwertig. richard l. f. schulz
TISCHLAMPEN
Beweis: die in der amtlichen Denkschrift der
Bayerischen Gewerbeschau zum Ausdruck ge-
brachte Anschauung,
daß Farben Wirkung und
gute Form „eine unbe-
dingte Voraussetzung
für jede Qualitätslei-
stung ist, während sich
die technische Vollen-
dung relativ begrenzt
denken läßt". Von die-
ser Qualitätsarbeit, die
technisch nicht voll-
wertig ist, und, wie
Köln jaaller Weltoffen-
bart hat, die auch for-
mal das meiste zu wün-
schen übrig ließ, haben
wir, denke ich, genug.
Also folgen wir ein-
mal denen, die die allei-
nigen und wahren Füh-
rer des Kunsthandwer-
kers und Kunstindu-
striellen sein sollten,
folgen wir den ganz
Wenigen, die die Qua-
litätsarbeit nicht nur im
Munde führten, son-
TiscHLAMPE dem sie in ihrem
100
RICHARD L. F. SCHULZ
Schaffen auch wirklich
betätigen,denen, die sich
schämten, ein schlech-
tes, ein nicht vollkom-
men durchdachtes und
vollkommen durchgear-
beitetes Stück unter
ihrem Namen herauszu-
geben. Kämen wir wäh-
rend dieses Krieges, der
ja überall den Sinn für
das Echte und Gedie-
gene steigert, zu dieser
gesunderen Auffassung
der kunstgewerblichen
Verhältnisse, es würde
zwei fellos ein gewaltiges
Verblassen von klingen-
den Namen geben. Un-
ter denen aber, die un-
antastbar blieben, wäre
der des Richard L. F.
Schulz, der im heutigen
Berlin, vielleicht imheu-
tigen Deutschland über-
haupt, als der eifrigste
und überzeugendste An-
walt der geschmackvollsten Qualitätsarbeit an-
zusehen ist.
Es sind hier ein paar seiner Leuchtkörper
abgebildet, schöne, gediegene, vornehme
Bronzearbeiten, wie sie besser und formvoller
wohl in der ganzen
Welt nicht mehr
hergestellt werden
dürften . Zu dem ein-
zelnen Stück mag
der Geschmack sich
stellen, wie er will,
gegen die Güte die-
ser Produktion, ge-
gen ihre handwerk-
liche Lauterkeit
kann es Einwendun-
gen nichtgeben. Sie
sind Erzeugnisse ei-
ner Werkstatt, die
nach der Richtung
hin keine Konzes-
sionen kennt. Einer
Werkstatt, die dar-
um auch als vorbild-
lich anzusehen ist.
Wenn ich recht
unterrichtet bin,
dann war sie noch
vor zehn Jahren, als
dieser Rieh. L. F. kichard l. f. schulz
TISCHLAMPE
Schulz sie von seinem
Vater übernahm, ein Be-
trieb wie so viele andere,
die damals bestanden.
Es werden da Beleuch-
tungskörper undBronze-
waren fabriziert worden
sein, wie sie zu jener
Zeit marktgängig waren
und wie sie noch kei-
neswegs ganz aus den
Musterkatalogen dieser
Branche verschwunden
sind. Mag sein, daß die-
ser Schulzsche Betrieb
sich auch ausgewachsen
hätte zu einer Riesenge-
sellschaft mit Riesenum-
satzziffern, wenn einer
solchen Produktion für
den landläufigen, das
heißt: seichten, auf halb-
wenige Arbeit einge-
stellten Publikumsge-
schmack sich nicht ein
herrischer Wille entge-
gengestemmt hätte, eben
der Wille ihres neuen Leiters, der es als eine
Ehrensache ansah, nichts mehr herzustellen
und nichts zu verkaufen, was nicht den
äußersten Anforderungen an Qualität stand-
hielte. In ihm erstand etwas gänzlich Neues
für unser Kunst-
handwerk: der Ehr-
geiz den Markt zu
beherrschen, nicht
dadurch, daß er die
meisten , sondern
daß er unstreitig die
besten Waren sei-
ner Spezies ver-
trieb. Damit wandte
er sich an den klei-
nen Kreis der Ken-
ner, an das winzige
Häuflein der Lieb-
haber des Echten,
des ganz Guten und
— dieser Wille
zur Qualität endete
durchaus nicht, wie
die Verteidiger des
gangbaren Schun-
des immer einzu-
wendenpflegen, mit
einem Mißerfolg.
Im Gegenteil, die-
iiscHLAMPE sem Schulz gelang
101
1
RICHARD
L.F.SCHULZ-BERLIN
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BELEUCHTUNGS-
KÖRPER
«"-•KiuuKiar
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103
RICHARD L. F.SCHULZ
es, da er wie kaum ein zwei-
ter Geschmack hatte, einen
Geschmack, der an dem
Auserwähltesten aus aller
Herren Länder geschult
war, was wohl keinem von
den eifrigen Vertreibern je-
nes Basarkitsches jegelun-
gen sein dürfte, sich einen
Kreis von Abnehmern, ei-
■ nen Kreis von Freunden
seiner Arbeit zu schaffen,
der das eine nur bedauerte,
daß diese Produktion auf
Beleuchtungskörper und
Bronzewaren beschränkt
blieb.
Gelegentlich gab es ja
auch zwischen den Be-
leuchtungskörpern einmal
ein schönes Stück, einen
Fetzen Batik,ein englisches
Glas, ein dalmatinisches
Osterei, das Schulz von
seinen Reisen durch die
Welt für sich und mehr
aus Liebhaberei oder aus Aufmerksamkeit für
seine Freunde mitgebracht halte und mit immer
neuem Glück aufzuspüren wußte. Vielleicht
wie wir alle angeekelt von dem Zeug, das von
Jahr zu Jahr mehr in den sogenannten Berliner
Kunstgewerbehäusern feilgeboten wurde, hat er
in der Bellevuestraße
schließlich jenen La-
den eröffnet, in dem es
neben seinenBeleuch-
tungskörpern das nicht
allzu zahlreiche Kun st-
gewerbe gibt, das die-
sen Bronzewaren an
Geschmack und Ge-
diegenheit nicht nach-
steht. Damit hatte Ber-
lin das Kunstgewerbe-
haus bekommen, das
einzig dieses Namens
würdig ist.
Betrachtet man in
einerZeit der Bilanzen,
in der wir stehen, die-
ses Werk, das Werk
eines Mannes, der es
ais eine Lebensaufgabe
ansah, das Bestmög-
liche herzustellen und
zu vertreiben, so er-
geben sich als Aktiv-
posten zwei Dinge, die richard l. f. schulz
TISCHLAMPE
sich hier erfolgreich erwie-
sen haben und die, wenn
wir an eine ernsthafte Ver-
edelung unserer gewerbli-
chen Arbeit gehen sollten,
unerläßlich erscheinen.
Diese beiden Faktoren, die
bei uns trotz der sogenann-
ten Bewegung und trotzder
Entwicklung immer noch
nur sporadisch vorkom-
men, sind Geschmack
und Qualität. Beides in
dem Sinne aufgefaßt, wie
es hier der Fall ist. Das
heißt ein Geschmack, der
nicht sentimental spießbür-
gerlich an buntiger Zier, an
Heimatkunst - Blümchen,
am Zopfigen und Verdreh-
ten hängt, sondern der sich
im Einklang befindet mit
allem, was edel und rassig
der Welt irgendwo erwach-
sen ist. Der Geschmack,
der als Freude am Geisti-
gen und Geistreichen selbst Geist geworden
ist und der sich den Sinnen bietet an Gestal-
tungen von kostbarster Vollkommenheit.
20 Jahre neues Kunstgewerbe und noch
immer endigt man mit der Feststellung, dȧ den
Leuten bei uns die einfachste Voraussetzung,
der Sinn für die Güte
und Gediegenheit der
Arbeit, fehlt. Noch im-
mer muß man solche
Selbstverständlichkeit
fordern, noch immer
hat man sie wie das ganz
Außerordentliche zu
bewundern. Wird das
in Zukunft ebenso blei-
ben, wird das „Niveau",
von dem in letzter Zeit
so viel Redens war, das
Niveau des Halbguten,
Halbechten und Halb-
schönen wie eine zeh-
rende Krankheit fort-
wuchern, oder wird
man auch hier — end-
lich — zu einem gedie-
genen Schaffen von der
Art kommen, wie sie
die Schulzschen Be-
leuchtungskörper als
Mahnung und Vorbild
TISCHLAMPE bieten? p. Vestheim
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ARCH. L. RUFF-NORNBERG
LANDHAUS J. LOWENGART, FÜRTH
DIE BAUTEN VON LUDWIG RUFE
Architektonische Studien an vorzüglichen alten Architekten, die ihre Kunst in den Dienst der
1\. Bauwerken können in ganz ungeahnter Forderungen unserer Tage stellen. In solchen
Weise Beziehungen bewirken zwischen Bau- Fällen braucht es sich nicht um eine augenfällige
meistern, die vor dreihundert Jahren gelebt, und Anlehnung in der ganzen Anlage oder in irgend-
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ARCH. L. RUFF-NÜRNBERG
Dekorative K'mst. XIX. 4, Januar 1916
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LANDHAUS LÖWENGART: ERD- UND OBERGESCHOSZ
105 14
ARCH. L. RUFF-NORNBERG
VILLA M.HAHN, PILSEN-LOCHOTIN (BÖHMEN)
an der ferLibaBer :3&ape(-£fcst)0tii))]
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welchen Einzelheiten zu han-
deln, sie ist oft sogar völlig
ausgeschlossen; die Anregung
erfolgt vielmehr im Sinn eines
großen Baugedankens, im Wie-
deraufnehmen eines Motivs,
das in seiner Neubelebung eine
gänzliche Umgestaltung erfährt,
oder oft genug auch aus dem
Geist des Widerspruchs heraus;
manchmal ist sich der Ange-
regte vielleicht der Tatsache
der Anregung gar nicht bewußt.
Zuweilen begibt es sich auch,
daß erst ein unbefangener
Dritter das Gemeinsame in
Bauwerken des 17. und des
20. Jahrhunderts empfindet und
sich darüber Klarheit zu ver-
schaffen sucht. Er wird sich
bei seinen Nachforschungen vor
der Erkenntnis finden, daß er
eine der Hauptadern baulichen
Gestaltens anschlug, daß es
sich um ein Problem handelt,
das „klassisch" genannt wer-
den muß, weil es von ewiger
Modernität ist und weil es in
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ARCH. LUDWIG RUFF-NORNBERG
GARTENVORSTADT »ERDERAU-NORNBERG. VOLKHAMMERPLATZ
ARCH. L. RUFF-NORNBERG
GARTENVORSTADT WERDERAU-NORNBERG : ARBEITER-EINFAMILIENHAUSER
(ORUNDRISZ S. unten)
irgendeiner Ausdrucksweise oder Form immer
wieder einmal auferstehen muß, auch wenn es
viele Jahre lang verschüttet lag oder ein ver-
kümmertes Dasein zu führen verdammt war.
Ich empfand Aehnliches, als ich mit ganz kur-
"^OliS ^O.
ARCH. L. RUFF GRUNDRISZ DER ZWEI OBEN ABGEBILDETEN HAUSER
zem zeitlichen Zwischenraum in Augsburg vor
den mir längst vertrauten profanen Bauten des
„bestelltenWerkmeisters der freien Reichsstadt"
stand, vor der Ostfassade des Rathauses, der
Stadtmetzg, dem Bäckerhaus und den kleinen
Bauten in der Jakober-
Vorstadt, die Elias
HoLLS Meisterhand im
ersten Drittel des 17.
Jahrhunderts aufgeris-
sen, — und dann in
Nürnberg die vor eini-
gen Jahren und zum
Teil noch während der
Kriegszeit entstandenen
Bauten und Siedelungen
zu sehen bekam, die
Ludwig Ruff geschaf-
fen. Nichts liegt mir
ferner, als einen Ver-
gleich anzustellen zwi-
schen den künstleri-
schen Charakteren des
Klassikers deutscher
Baukunst und des zeit-
109
ARCH. L. RUFF-NORNBERG D GARTENVORSTADT WERDERAU-NORNBERG : MEISTERHAUS
genössischen Architekten, der noch im vollen
Aufstieg begriffen und dessen Entwicklung
noch nicht abgeschlossen ist. Zeitlicher Ab-
stand von einer künstlerischen Persönlich-
keit bewirkt immer einen Respekt und eine
Qualitätsverehrung, die oft über das Maß des
Notwendigen hinausgehen und eine unge-
rechtfertigte Verkleinerung des künstlerischen
Schaffens der eigenen Zeit bedeuten. In-
dessen muß man mit diesem Respektgefühl
rechnen, und in unserem Fall kommt hinzu,
daß Bauaufgaben vorliegen, die von einer
Verschiedenartigkeit sind, wie sie kaum größer
zu ersinnen ist. Das Gemeinsame jedoch ist
dies, daß man hier an mustergültigen Bei-
spielen sieht, wie alte und neuzeitliche Bau-
werke ohne Beiziehung der Dekoration allein
durch ihre Konstruktion ästhetisch wirk-
sam werden. Vielleicht tritt das deswegen
besonders sinnfällig in Erscheinung, weil so-
wohl im alten Augsburg mit seinen malerisch
belebten Fassaden als auch im neuen Nürn-
berg mit seinen Bausteinkasten - Architekturen
das dekorative Moment im Gegensatz zum
konstruktiven zu stark betont ist, fast domi-
niert, und so die Baumeister- Konstrukteure in-
mitten der Schar von Dekorateuren, die ihre
kompakte Majorität auch wirtschaftlich auszu-
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ARCH. L. RUFF-NORNBERG B GARTENVORSTADT WERDERAU -NÜRNBERG : ARBEITER-EINFAMILIENHAUSER
nützen verstanden oder verstehen, wie Fremd-
linge emporragen . . .
Was RufF anlangt, so ist das Konstruktive
seiner Kunst nicht auf die Außenseite seiner
Bauten beschränkt. Es beherrscht den Grund-
riß und zwar nicht nur den Grundriß des Ein-
zelgebäudes, sondern, da sich Ruff wiederholt
in die Lage versetzt sah, ganze Siedelungen
oder wenigstens großzügige Baublöcke zu ge-
stalten, auch den Grundriß der städtebau-
lichen Anlage. Haben RufFs Bauten ein ästhe-
tisch erfreuliches Aussehen, fühlt man sich
wohl vor den Fassaden und in den Treppen-
häusern und Räumen, die er geschaffen, aber
auch in den Höfen, Straßen und kleinen Markt-
plätzen, die nach seinen Angaben gestaltet sind,
so tut das nicht der Aufputz, auf den sich
andere auch und vielleicht besser verstehen,
sondern dieses ästhetische Behagen steigt von
untenherauf, sein Ursprung sitzt tiefer und es
hält darum auch länger vor, es trägt die Ge-
währ der Dauer in sich.
Solche konstruktive Tüchtigkeit und die
Möglichkeit, sie ästhetisch wirksam zu machen,
besitzt der Theoretiker selten, jedenfalls er-
ringt er sie erst durch heißes Bemühen. Ihre
Voraussetzung ist handwerkliches Können, wenn
möglich : Herauswachsen aus handwerklicher
Tradition und Tätigkeit, sodann aber die Ge-
legenheit, viel zu bauen, sich an immer neuen
Aufgaben versuchen und womöglich aus dem
Vollen schaffen zu können. Beides ist Ruff zu-
teil geworden. Er ist ein Praktiker, der von der
Picke auf gedient hat, der schon im Knaben-
alter im heimischen Dollnstein im Baufach sich
betätigte, auf einem reich bewegten Lebens-
und Berufsweg viel sah und lernte, und darum
Technik und Material seiner Kunst beherrscht
wie wohl wenige seiner Architekten-Kollegen.
Seit er vor sechs Jahren als Professor an die
Kunstgewerbeschule in Nürnberg berufen wurde,
sind reiche und dankbare Aufgaben an ihn
herangetreten. Seinen Befähigungsnachweis,
solche Bauten ausführen zu können, legte er
freilich schon früher ab, namentlich in Strau-
bing, wo er im Dienste der Militär-Baubehörde
mehrere Jahre wirkte und wo der schöne ge-
schlossene Bau des Gasthofs Röhrl mit sei-
nem behäbigen Grundriß, der guten und prak-
tischen Innenaufteilung des Raums und der
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ARCH. L. RUFF-NORNBERG
GAIMENVORSTADT WERDERAU-NÜRNBERG : GASTWIRTSCHAFT
schmucken Fassade, in der etwas von der ver-
pflichtenden Kunsttradition des bayerischen
Donautals gegenständlich geworden ist, Zeug-
nis ablegt von der Zusammengehörigkeit des
Künstlers mit der sympathischen altbayerischen
Landstadt.
Die großen Aufgaben traten jedoch erst in
Nürnberg an RufF heran. Seine erste Schöpfung,
ganz im städtebaulichen Sinne, war die im Auf-
trag der „Baugesellschaft für Kleinwohnungen"
entworfene und nun größtenteils schon aus-
geführte Kleinwohnungsanlage in der Vorstadt
Gibitzenhof am Donau- Main- Kanal (Abb.
S. 115). Mehrere hundert Wohnungen in teil-
weise fünfgeschossigen Häusern, die durch ein
klug bedachtes und sinnvoll aufgeteiltes System
von Höfen verbunden sind, galt es da zu schaffen
und zugleich wurde derSiedelungs- und Gemein-
wesencharakter betont, denn u. a. waren da ein
Wirtshaus mit Saalbau, verschiedene Kaufläden,
Metzgerei und Bäckerei mit ihren typischen
Geschäftsräumen einzubauen. Das Werk ge-
lang. Die außerordentliche Höhe der Gebäude
wurde durch eine ausgezeichnete Ausbildung
der Dachstühle und durch luftige Giebelbauten
wettgemacht; um indessen dadurch keine Ver-
teuerung der Bauten und Wohnungen herbei-
zuführen, sind Giebel und Dächer sehr sach-
gemäß und anmutig und eigenartig zu Wohnungen
ausgebildet. Eine kräftige Mauer gegen die
Straße zu und Baumgruppen bringen die ge-
wünschte Auflockerung der Baumassen an der
Basis. Daß aber die mächtigen Fassaden nicht
allzu geschlossen und schwer wirken, auch da-
für wußte Ruff Rat zu schaffen, und eben hier
tritt die konstruktive Note seiner Baubegabung
hervor. Freilich zeigt sich da und dort ein Or-
nament, auch trägt die Wechsel weiseVerwendung
von Verputz und dem in Nürnberg heimischen
rötlichen Sandstein ein farbiges Moment in
die Baumassen, aber das allein hätte keine
Gliederung der Straßen- und Hofwände be-
wirken können. Die geschah vielmehr vom
Grundriß aus, durch leichte Biegung oder
Winkelstellung der Fassaden, so daß sie durch
die Lichtführung gleichsam modelliert werden,
weiterhin durch das Verhältnis der Querbauten
zu den Längsbauten und besonders durch die
Dekorative Kunst. \1X. 4. Janu.
113
15
ARCII. L. RUFF-NORNBERG
GARTENVORSTADT WERDERAU-NORNBERG : HOFPARTIE
Proportionierung der Fassaden selbst, fein ge-
gliedert durch Fenster, Austritte, Erker, alles
am rechten Fleck, dabei völlig von innen nach
außen strebend, nie irgend etwas vortäuschend
um der Dekoration willen, sondern organisch
aus dem Grundriß herauswachsend.
Wesentlich verschieden von dieser Klein-
wohnungsanlage in Gibitzenhof war die Bau-
aufgabe, vor die sich RufF bei der Anlage der
Gibitzenhof benachbarten Gartenvorstadt Wer-
der au gestellt sah (Abb. S. 108 bis 114).
Die Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg hat
diese Siedelung, die auf mehr als dreihun-
dert Einzelhäuser gebracht werden soll, für
ihre Ingenieure, Beamten, Werkmeister und
verheirateten Arbeiter bestimmt: es tritt also
der Gemeinwesen - Charakter wieder beherr-
schend hervor, und dabei galt es diesmal so
etwas wie eine soziale Schichtung herbei-
zuführen, denn die Beamtenhäuser, deren Miet-
preise entsprechend höher sind, mußten natür-
lich reicher und geräumiger ausgeführt werden
als die Arbeiterhäuser, sie sollten auch zu einer
eigenen Gruppe zusammengefaßt werden, und
dabei sollte doch der Gedanke, daß alle Wcr-
derauer Angestellte des nämlichen industriellen
Unternehmens sind, deutlich zum Ausdruck
kommen.
Um einen kleinen Marktplatz, der mit den
Jahren noch eine stattlichere Ausgestaltung er-
fahren wird, gruppierte RufF die Häuser und
Häuschen, die durchaus zweigeschossig sind
(Parterre und ersten Stock), aber durch die
geschickte Ausnützung gewisser Gelände-
schwankungen, die liebevoll erhalten und be-
nützt wurden, und durch die Mannigfaltigkeit
der baulichen Formgebung vor dem Odium der
Eintönigkeit, die bei der massenhaften An-
häufung gleichgeschossiger „Villen* einzutreten
pflegt, bewahrt blieben. Da sind auch nirgends
die sattsam bekannten, sterbenslangweiligen
Villenstraßen, deren eine wie die andere aus-
sieht. Das hat der Architekt schon bei der
Planlösung der ganzen Siedelung bedacht.
Ohne daß im allgemeinen einem unüber-
sichtlichen Gewirr von Straßen und Gassen
das Wort gesprochen sein solle, darf man sich
der Willkürlichkeilen freuen, mit denen hier
der Gesamtgrundriß gestaltet wurde: das gibt
ihm das Persönliche und macht Werderau zu
114
ARCH. L. RUFF-NORNBERG
KLEINWOHNUNGSANLAGb GIBITZENHOF DER BAU-
GESELLSCHAFT FÜR KLEINWOHNUNGEN, NÜRNBERG
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ARCH. L. RUFF-NÜRNBERG
KLEINWOHNUNGSANLAGE GIBITZENHOF-NÜRNBERG (PREIS-
GEKRÖNTER UND ZUR AUSFÜHRUNG BESTIMMTER ENTWURF»
115
15-
einer Schöpfung, die rein und klar die Züge ihres
Künstlers trägt. Sanft geschwungene Straßen,
die mit der streng linearen Baulinie und der
Reißbrettaufteilung eines Geländes nichts zu
tun haben, vermitteln freundliche Stadtbilder,
ohne daß es dazu der mätzchenhaften Ein-
stellung auf das Malerische, die heute so oft
beliebt wird, bedurft hätte. Das schmucke
Grün der Gärtchen bei jedem Haus und be-
sonders die individuelle Durchbildung jedes
einzelnen Baues gewähren den malerischen
Eindruck von selbst. Die individuelle Form
für jedes Häuschen ist das Besondere an
Werderau. Das Typenhaus ist hier verpönt;
das Unpersönliche sollte verbannt bleiben.
Das ist ein sympathischer Zug, der nicht nur
künstlerisch erfreut, sondern auch seine glück-
lichen sozialen Auswirkungen haben muß. Das
sind keine seelenlosen Koloniehäuser, son-
dern wirkliche Heimaten, deren jede sich
durch ihre Besonderheit von der Heimat des
Nachbars unterscheidet: welch günstigen Ein-
fluß im Sinne der Liebe und Anhänglichkeit
an das eigene Heim und der erhöhten Häus-
lichkeit das haben muß, wie es besonders auch
für die Treue der heranwachsenden Generation
zur Heimat förderlich werden muß, liegt auf
der Hand.
Gibitzenhof, das später in der Häusergruppe
am Thummenbergerweg ein vielleicht noch
ausgereifteres Gegenstück erhielt, und die
Werderau waren gewissermaßen Ruffs Nürn-
berger Programmbauten auf dem Gebiete des
Kleinwohnungs- und Siedelungswesens. Die
große Baufreudigkeit und Schaffenslust Ruffs
vermochten sie indessen nicht völlig zu be-
friedigen. Die ganze Art seiner Kunst weist
Ruff auf den bürgerlichen Einfamilienbau hin;
das Breite, Behagliche, Gediegene, das Herein-
grüßen behäbig- ländlicher Elemente läßt den
Baukünstler als den berufenen Mann erschei-
nen, Landhäuser ins Grüne zu stellen. Es
war ganz gewiß ein glücklicher Griff der
„Baugesellschaft Haus und Garten" in Nürn-
berg, sich der Mitarbeit Ruffs zu versichern.
In dem welligen Gelände der Hohenlohe-
und Caprivistraße entstanden die ersten der
Nürnberger Einfamilienhäuser nach Ruffs Ent-
würfen. Nur bei einigen dieser Bauten ver-
suchte es der Architekt, mit kühnen Giebeln
„nürnbergisch" zu kommen. Es war ein Ver-
such, ein Ausflug in ein Gebiet, das nicht zu
seinem Wesen gehört, und er kehrte als-
bald wieder zu sich selbst zurück. Bei dem
Einfamilienhaus VIII z. B. hat er sich schon
wieder völlig gefunden. Wie musterhaft ist
da — bei aller Regellosigkeit im Verstand
symmetrischer Gesetze — die Fassade auf-
geteilt, wie lebt dieser steinerne Organismus!
Die Einfamilienhäuser an der Erlenstegener-
straße bedeuten in dieser Hinsicht noch eine
Steigerung des ästhetischen Eindrucks. Hier
gab Ruff sein Reifstes auf dem Gebiet des
Einfamilienhauses. Im einzelnen stellt das
Haus Dr. Hiltermann in seiner monumentalen
Schlichtheit und Verinnerlichung eine Meister-
leistung dar. In dem Haus Löwengart in
Fürth (Abb. S. 105), das dem Architekten die
Möglichkeit zu einer reicheren Entfaltung sei-
ner Mittel bot und wo er hinsichtlich des
Baumaterials u. a. nicht auf äußerste Sparsam-
keit angewiesen war, ebenso in dem Land-
haus Endres in Gmünd am Tegernsee (Abb.
S. 119) und neuerdings in einem Familien-
haus in Pilsen in Böhmen (Abb. S. 106, 107)
traten Aufgaben ähnlicher Art an Ruff heran
und auch da fand er die Lösung aus dem
konstruktiven Moment heraus. In dem Haus
Löwengart steigert sich die Harmonie bis zu
klassischer Höhe — vielleicht weil hier der
Architekt auch an der Innenausgestaltung mit-
wirkte und in den Zimmern und vielen Raum-
ensembles schaffen konnte, die ihn auch als
einen Möbelkünstler von vielen Graden
erscheinen lassen. Besonders merkwürdig
ist in dieser Hinsicht der Farbengeschmack
Ruffs. Er bildet gewissermaßen die Komple-
meniärerscheinung zu seiner konstruktiven Er-
scheinung und läßt erkennen, daß ihm der Sinn
fürs Dekorative keineswegs fehlt, daß er aber
bei seinen schlichten Putzfassaden, die sich
nur zuweilen, wie ich bei Gibitzenhof er-
wähnen konnte, des Sandsteins als Zutat am
Portal oder an einem Erker bedienen, auch ohne
dieses dekorative Moment auszukommen weiß
und auskommen will. Eine Schöpfung, wie die
luxuriöse und auf stärkste farbige Effekte ge-
stellte Innendekoration des Nürnberger Apollo-
Theaters erscheint, wenn man die ganze bis-
herige Entwicklung Ruffs überblickt, als etwas
Fremdes, Zufälliges in seinem Werk. Es sieht
aus, als steckte da etwas wie Trotz dahinter,
seinen Mitbürgern zu zeigen, daß er auch auf
akonstruktivem Gebiet etwas Eigenartiges zu
sagen habe. Den eigentlichen Zwang des
Herzens, den unzähmbaren Schöpferwillen ver-
mißt man doch wohl gegenüber diesem Werk.
Indessen — vielleicht bedeutet diese Schöp-
fung einen Uebergang im Schaffen Ruffs. Der
Künstler ist heute noch nicht vierzig Jahre
alt und die monumentalen Aufgaben werden
erst jetzt, da er sich so unverkennbar be-
währt hat, an ihn herantreten. Sie finden ihn
namentlich durch seine Erfahrungen, die er
sich erbaut, aber auch durch die Erfahrun-
gen, die er sich als Teilnehmer manches
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ARCH. L. RUFF-NORNBERG
LANDHAUS ENGEL, FEUCHT B. NÜRNBERG (STRASZENANSICHT)
ARCH. L. RUFF-NORNBERG
LANDHAUS ENGEL, FEUCHT B, NÜRNBERG (ROCKANSICHT)
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ARCH. L. RUFF-NORNBERG
B FORTBILDUNGSSCHUL- UND BIBLIOTHEKGEBÄUDE DER
MASCHINENFABRIK AUGSBURG-NÜRNBERG, WERK NÜRNBERG
120
ARCH. L. RUFF-NÜRNBERG
D«kocMI»« Kuiut XIX. t. Januar ijt«
■ FORTBILDUNGSSCHUL- UND BIBLIOTHEKGEBAUDE DER '
MASCHINENFABRIK AUGSBURG-NÜRNBERG, VERK NÜRNBERG
121
16
großen Wettbewerbs erzeichnet, gerüstet. Eine
solche große Aufgabe beschäftigt gegenwärtig
den Künstler: er ist an den Plänen für den
Neubau der erzbischöflichen Seminarien in
Bamberg. Ob er dabei verwertet, was ihn
als ähnliche, wenn auch viel kleinere Auf-
gabe sein Nürnberger Bau für die Fachschule
der Maschinenfabrik Nürnberg-Augsburg lehrte,
ob er sich in etwas der Bamberger Bau-
tradition anschließt oder ob da ganz etwas
Neues entsteht, das eine Cäsur in Ruffs
Schaffen zu bilden berufen ist, wird die nahe
Zukunft lehren.
Georg Jacob Wolf
ARCH. L. RUFF
D GARTENVORSTADT WERDERAU-iNÜRNBERG G
ROCKANSICHT EINES BEAMTEN-EINFAMILIENHAUSES
122
WIENER WERKSTATTE. MODEABTBILUNG
KÜNSTLERISCHE LEITUNG ARCH. ED. WIMMER
ül SUCHSKLEID
WIENER MODE
In Wien hat die neue Modebewegung, die
von der Lostrennung von der Pariser Mode
ihren Ausgang nahm, besonders weite Kreise
gezogen. In einer Reihe von Ausstellungen
wurden Versuche auf den verschiedenen
Modegebieten, z. T. auch gute Lösungen ge-
zeigt (siehe die Besprechungen in unserem
Februar-, April- und Maiheft). Diesen klei-
neren Vorsuchen folgt nun die eben im Oester-
reichischen Museum in Wien eröffnete große
Modeschau. Wir schicken eine Auslese von
Arbeiten der Wiener Werkstätte voraus,
die demnächst im Zusammenhange mit den
Darbietungen der Modeschau im Museum in
ihrem künstlerischen Werte näher gewürdigt
werden sollen.
123
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WIENER WERKSTATTE, o MODEABTEILUNG
KÜNSTLERISCHE LEITUNG ARCH. ED. WIMMER
BESUCHSKLEID
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WIENER WERKSTÄTTE. MODEABTEILUNG G
KÜNSTLERISCHE LEITUNG ARCH. ED. WIMMER
STRASZENKLEIDER
WIENER WERKSTATTE Gl MODEABTEILUNG
KÜNSTLERISCHE LEITUNG ARCIl. ED. «IMMER
STRASZENKLEIDER
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WIENER WERKSTATTE, o MODEABTEILUNG
KÜNSTLERISCHE LEITUNG ARCH. ED. WIMMER
STRASZENKLEIDER
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WIENER WERKSTATTE B MODEABTEILUNG
KÜNSTLERISCHE LEITUNG ARCH. ED. WIMMER
BESUCHSKLEID
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ENTWURF LEO BLONDER
ENTWURF C. C. CZESCHKA
ENTWURF FRITZI LOW
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SEIDENSTOFFE ,. AUSFÜHRUNG: WIENER WERKSTATTE^"^*'"'*'^ ^''^^^ HOFFMANN
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ENTWURF JOSEF IIOPFMANN
SEIDENSTOFFE ■ AUSFÜHRUNG : WIENER WERKSTÄTTE
ENTWURF L. FOCHLER
Dekorativ« Kunst. XIX. 4. Januai 1916
129
n
DEUTSCHE FORM IM KRIEGSJAHR*)
Das neue Werkbund-Jahrbuch ist erschienen.
Unter dem Titel „Deutsche Form im
Kriegsjahr" behandelt es die unglückselige
Kölner Ausstellung 1914, die — kaum ge-
grüßt, gemieden — wenige Tage nach ihrer
endgültigen Fertigstellung wegen Kriegsaus-
bruchs geschlossen werden mußte. Man hatte
sich seinerzeit in Köln mit dem Gedanken
einer dickleibigen, mit Abbildungen gespickten
Denkschrift über die Ausstellung getragen;
diese Absicht mußte aufgegeben werden, und
es ist nicht schade darum. Denn schließlich
läßt sich das, was in Köln an wirklich Gutem
und restlos Gelöstem geboten wurde, auch
in weniger anspruchsvoller Form und in enge-
rem Rahmen zusammenfassen. Das Jahrbuch
unternimmt das, und ganz zweifellos sieht
die Ausstellung in dieser Reproduktion auf
168 tadellos gedruckten Tafeln besser aus als
seinerzeit in Wirklichkeit; das Buch bringt
es also zuwege, so etwas wie den verklären-
den Schimmer der Erinnerung über die miß-
glückte Veranstaltung auszugießen. Das Prinzip
der Auslese, das bei der Zusammenstellung
des Jahrbuchs maßgebend war, hätte schon bei
dem Aufbau der Ausstellung Geltung gewinnen
müssen, dann wäre etwas Ganzes, Geschlosse-
nes herausgekommen. Durchblättert man das
Buch, so wird einem vor allem
bewußt, wieviel Arbeit deut-
sche Künstler, deutsche Ge-
werbetreibende und deutsche
Industrielle an die Ausstellung
wandten. Im Hinblick auf die
Quantität entschieden zu viel,
denn es liegt auf der Hand,
daß bei einer derartigen Rie-
senausstellung viel Gering-
wertiges unterlaufen mußte.
Erfreulicherweise ist aber
von diesen minderwertigen
Leistungen nur sehr wenig
in das Jahrbuch übergegan-
gen, und das Wenige viel-
leicht nur in der unausge-
*1 Deutsche Form Im Kriegsjahr. Jahr-
buch des Deutschen Werkbundes 1915.
Mit 168 Bilderseiten. Verlegt bei F. Bruck-
mann A.-G., München. Preis 3 M.
BERTI ROSENBERG-BERLIN
DEKORATIVE STICKEREI □
sprochenen Absicht, auch charakteristische
Verirrungen zu zeigen. Da das Jahrbuch an
die Stelle der ausfallenden Denkschrift tritt,
also dokumentarischen Wert beansprucht und
beanspruchen darf, kann man diese Aufnahme
von Werken, die gewissermaßen „Gegenbei-
spiele" sind, durchaus begreiflich finden. Frei-
lich ist zu bedauern, daß dadurch manchen
vorzüglichen Leistungen, die man in Köln zu
sehen bekam und die ein Anrecht gehabt
hätten, bei einer noch so strengen Auslese
berücksichtigt zu werden, der Platz wegge-
nommen wurde.
Der dem Tafelwerk vorangestellte Text von
Peter Jessen behandelt in sachlicher, auf-
schlußreicher Weise die Vorgeschichte und
das Werden der Ausstellung, unternimmt es,
ihren Charakter zu umschreiben, und führt
schließlich in einem Rundgang durch die
Hallen. Die Werturteile, die Jessen abgibt,
sind vorsichtig formuliert, so daß auch andere
Meinungen daneben in ihrem Recht bestehen
bleiben. Allerdings hält Jessen Verirrungen
gegenüber sein Mißfallen nicht zurück und
spricht ganz offen von den Mängeln der Aus-
stellung; daß er aber mit mehr Vergnügen
und mit größerer Ausführlichkeit verweilt bei
den gelungenen Lösungen, die man in Köln
fand, das liegt im Charakter
der Aufgabe, die er übernahm,
und entspricht auch dem ge-
rade heute wirksamen Zug im
deutschen Wesen, die positi-
ven Seiten einer Leistung
mehr zu betonen als die ne-
gativen; aufzubauen statt ein-
zureißen; freudiger das Gute
anzuerkennen als das Schlech-
te zu rügen. In diesem Sinn
muß das neue Jahrbuch im
ganzen eine positive Leistung
genannt werden — als Doku-
ment einer der wichtigsten
Stationen auf dem Entwick-
lungsgang der Geschmacks-
bewegungin Deutschland steht
seine Bedeutung und sein Wert
außer aller Frage.
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Aus dem Jahrbuch des Deutschen Werkbundes 191S
■ (Verlag von F. Bruckraann A.-G., München) ■
ELSE VENZ-VIETOR-BERLIN
■ TEEZIMMER ■
Ausführung von den Deutschen Werkstätten A.-G.
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Drcsden-Hellerau und München
17«
Aus dem Jahrbuch des Deutschen Werkbundes 1915
B (Verlag von F. Bruckmann A.-G., München) Q
KARL BERTSCH, MÜNCHEN
B HERRENZIMMER a
Ausführung von den Deutschen Werkstätten A.-G., Dresden-Hellerau und München
132
If
Aus dem Jahrbuch des Deutschen Werkbundes 1915
Q (Verlag von F. Bruckmann A.-G., München) o
ADELBERT NIEMEYER-MÜNCHEN
■ SPEISEZIMMER ■
Ausführung von den Deutschen Werkstätten A.-G., Dresden-HeUerau und München
133
Aus dem Jahrbuch des Deutschen Werkbundes 1915
Q (Verlag von F. Bruckmann A.-G., München) Q
RICHARD RIEMERSCHMID-MONCHEN
Q WOHNZIMMER Q
Ausiahrung von den Deutschen Werkstätten A.-G., Dresden-Hellerau und München
134
JOSEF WILM-BERLIN
ARMBÄNDER: GOLD, DIAMANTEN U. HALBEDELSTEINE
ZU DEN GOLDSCHMIEDEARBEITEN
VON JOSEF WILM D. J.
Der Goldschmied Josef Wilm ist ein merk-
würdiger Fall. Merkwürdig, weil er der
erste Handwerker gewesen ist, der mit der
Kölner Werkbund -Ausstellung zufrieden, das
heißt natürlich materiell zufrieden war. Er
ist aus der Gelegenheit ohne Verluste heraus-
gekommen, hat, wie er sagt, einen Teil seiner
Sachen in Köln verkauft, ja sogar auch noch
im Rheinland Auftraggeber bekommen. Und
bei der Weihnachtsmesse, die der Verein
Berliner Künstler mitten im Krieg veranstal-
tete, hat es für Wilmsche Arbeiten ebenfalls
Abnehmer gegeben. Das Geheimnis dieser
Erfolge ist wohl das, daß hier eine Publikums-
kunst vorliegt, nach der sogar unter den denk-
bar ungünstigsten Bedingungen noch Begehr
ist und zeigt an, daß wir wenigstens bis zum
Kriegsausbruch in Deutschland einen großen, für
künstlerische Handarbeit lebhaft interessierten
Mittelstand hatten, für dessen Bedürfnisse an-
scheinend nicht genügend gesorgt ist.
Es ist das eine Beobachtung, die immer
wieder nicht nur hier, wo es sich um Schmuck-
sachen und Schmuckgeräte handelt, zu machen
ist. Unsere künstlerischen Bemühungen haben
wohl dank einer rührigen und geschickten
Kunstindustrie den Weg zur Masse gefunden ;
aber für die bürgerliche Mittelschicht, die nicht
zu dieser industriellen Massenkunst greifen
möchte und ihrer materiellen Lage nach auch
nicht dazu gezwungen wäre und die andererseits
doch auch wieder nicht imstande ist, die kost-
it
Gold, Opalin
Silber, Granat, Türkis Gold, Diamant, Chrysopras
ANHANGER VON JOSEF ^XILM-BERLIN
135
baren Einzelwerke zu be-
zahlen, die von ein paar
wenigen ausgezeichneten
Künstlern gefertigt wer-
den, gibt es fast nichts oder
doch viel zu wenig An-
nehmbares. Immer wieder
sieht man Leute von be-
stem Geschmack und be-
sten Absichten auf der
Suche nach dem Kunst-
handwerker, der ihnen et-
was entwirft, was ihrer Lage
gemäß ist. Der Mangel an
solchen Kräften oder die
Tatsache, daß so viele, die
prädestiniert wären, der-
artige Wünsche zu befrie-
digen, sich nicht ernsthaft
um diese Aufgaben bemühen, ist eigentlich
ein bedauerliches Zeichen für unsere Kunst-
ökonomie. Publikum und Künstler ständen
sich besser und ständen sich wohl auch freund-
licher gegenüber, wenn diesem gewaltigen Be-
darf nach schöner Handwerksarbeit ein gleich
JOSEF WILM-BERLINq BROSCHE IN SILBER
GESCHNITtEN MIT CHRYSOPRAS'
großes Angebot entspräche.
Solange nämlich der ein-
zelne, der dies oder jenes
Stück haben möchte, sehen
muß, daß es als wirkliche
Hand- und Kunstarbeit nur
einer kleinen Schicht ma-
teriell Bevorzugter zugäng-
lich ist, muß er alle diese
Bestrebungen für sich und
Leute seiner Art als eine
theoretische Angelegen-
heit ansehen. Daher der
Erfolg aller der Kunst-
handwerker, die in diese
Bresche einspringen. Sie
genügen einem Verlangen,
das zu erhalten und auf
jede Weise zu fördern,
unser Ziel sein muß. Denn hier in diesen
künstlerischen Interessen des bürgerlichen
Mittelstandes liegt vielleicht auch eine un-
serer Eigenarten. Wir in Deutschland ha-
ben nicht die Aristokratie, die so reich und
kunstbedürftig ist, daß von ihr allein unsere
JOSEF WILM-BERLIN ANHANGER
Gelbgold, farbige Brillanten und Edelsteine
JOSEF WILM-
BERLIN
JOSEF WILM-BERLIN a BROSCHE IN SILBER
MIT MALACHITEN
ARMBANDER
Silber, schwarzer
Achat, Mondstein
136
1
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. ... ., j
Gold, Achat
Granat, Silber, Diamant, iVlond-
Pcrlschale Moosachat Steinquarz
ANHÄNGER VON JOSEF WILM-BERLIN
Gold, Karneol
Künstlerschaft bestehen könnte. Dafür aber
gibt es bei uns diese breiten bürgerlichen
Schichten, die aus einem nie erfüllten Eifer
um die Kunst Opfer über Opfer bringen, um
sich etwas Schönheit wenigstens zuzueignen.
Naturgemäß muß es, wenn man die Dinge
von dem Standpunkt ansieht, interessieren,
was für Arbeiten und was für Leistungen bei
diesem Publikum Erfolg haben. Einen Bei-
trag zu dieser Frage geben zweifellos die
Wilmschen Schmuckarbeiten, die, wie gesagt,
sogar unter recht ungünstigen Verhältnissen
sich noch durchzusetzen vermochten. Und da
erscheint als das Wesentliche nicht die Art
der Formgebung, nicht die Erfindung, sondern
die einwandfreie, ordentliche und tüchtige
Handwerksarbeit und ein gewisser Sinn für
das Praktische und Einleuchtende der Sachen.
JOSEF WILM-BERLIN
I)ekorntive Kunst. XIX. 4. Januar 1916
GORTELSCHLIESZEN IN SILBER, ACHAT UND ROSA QUARZ
137 18
JOSEF WILM-BERLIN
KAFFEEKANNE IN SILBER GETRIEBEN
JOSEF WILM-BERLIN
ZUCKERDOSE UND MILCHKANNE IN SILBER GETRIEBEN
138
JOSEF WILM-BERLIN
PLATTE IN SILBER GETRIEBEN (ZU NEBENSTEHENDEM SERVICE)
Es ist da nicht die Möglichkeit im künstle-
rischen Sinne kühn zu experimentieren. Das
würde auf Verständnislosigkeit, wenn nicht
gar auf Ablehnung stoßen. Das große Publi-
kum fragt im Gegensatz zu dem Schaffenden
oder dem Kenner nicht nach künstlerischen
Entwicklungen. Das Erneuern und Entwickeln
der Ausdrucksmittel sind Angelegenheiten, die
seinem Interesse fernliegen, ja man darf sagen
fernliegen müssen, weil es sich ernsthaft nur
mit dem einzelnen Stück, das ihm jeweils ge-
boten wird, nicht aber mit der ganzen Kette
der aus dem Gewerbe hervorgegangenen
Leistungen zu befassen hat. Daher erscheint
es einleuchtend , wenn ein Experimentieren
nach der Richtung nicht erst versucht wird.
An Arbeiten, die für derlei Zwecke gedacht
sind, ist es wesentlicher den Geist der Zeit
und den herrschenden Geschmack zu kennen
und von ihnen ausgehend etwas Eigenes und
JOSEF WILM-BERLIN
139
BROTKORB IN SILBER GETRIEBEN
18«
Apartes, etwas, was der Zeit gefällt, zu schaffen.
Wilm scheint dieses Talent zu haben. Ich kann
mir denken, daß sehr viele Leute, die mit
Kunst eigentlich nichts zu tun haben, die
irgendwo sonst im praktischen Leben stehen,
rechten Gefallen finden an dem, was er als
gewissenhaft arbeitender Handwerker herstellt.
Ein Teeservice, eine Kanne, eine Dose, das
alles muß einem, der nicht geradezu einen
verderbten Geschmack hat, einleuchten. Und
von dieser zum bürgerlichen Werkeltag passen-
den Art sind auch seine Schmucksachen. Es
ist, um im Atelierjargon zu reden, an ihnen
„nichts Aufregendes". Aber gerade das, diese
selbstverständliche, diese allgemein gefällige
Gediegenheit ist die Eigenschaft, die sie in
gewissem Sinne brauchbar machen. Sie fallen
nicht auf, sie beanspruchen als Untergrund
nicht unerschwinglich kostbare Toiletten. Oft
ist mit einfachen Steinen gearbeitet, aber nicht
mit diesem grell bunten, plakatartig knallenden
Zeug, das mit Vorliebe benutzt worden ist,
wenn Kunstgewerbler „billigen Schmuck" ent-
worfen haben. Im Gegenteil, Wilm ist immer
bedacht auf diskrete Wirkungen ; auch in den
Fassungen, die er um solches Gestein legt,
ist alles vermieden, was allzu vordringlich
wirken könnte. Formen sind bevorzugt, die
das Gemüt auf seine Kosten kommen lassen
und die doch, wenn man genauer zusieht, sich
immer aus einer handwerklichen Gewandtheit
heraus legitimieren. Vielleicht liegt der ent-
scheidende Reiz überhaupt hier. Man sieht
an jeder Arbeit, daß da Finger tätig waren,
die auf immer andere Weise aus der Technik
Mannigfaltigkeit herauszuholen verstehen.
Ist es allzu gewagt, daraus Schlüsse zu ziehen
auf die Natur der Leute, die an diesem Hand-
werk gefallen finden? Spricht daraus, daß
hier ein Handwerker um seines Handwerks
willen, um der Qualität seiner Arbeitsaus-
führung geschätzt wird, nicht ein günstiges
Zeichen für die Wandlung, die sich doch in
unserem, für Kunst interessierten Bürgertum
vollzogen hat? Was da geschätzt wird, ist gewiß
nicht das Endgültige, nicht das, was der Künst-
ler selbst an erster Stelle schätzen würde, aber
ist es allzu vermessen, dieses Ausgehen von der
tüchtigen und gediegenen Arbeitsleistung als
ein Symptom der Gesundung zu nehmen? Mag
man diese Fragen so oder so beantworten, die
Tatsache, daß wir in der Richtung marschieren,
ist nicht zu bezweifeln und wohl auch nicht
zu bedauern. paul Westheim
JOSEF WILM-BERLIN
ZUCKERDOSE
140
rm^-
ARCII. HONIG UND
SÖLDNER-MÖNCHEN
GESAMTANSICHT DES GESCHÄFTSHAUSES „ZUM SCHÖNEN
TURM" VON DER NEUHAUSERSTRASZE AUS GESEHEN
NEUERE BAUTEN VON PROFESSOR EUGEN HONIG
UND KARL SÖLDNER
ARCII. HONIG UND SÖLDNKK-MÜNCHEN Q URSPRÜNG-
LICHER FASSADENENTWURF DES GESCHAFTSHAU-'
SES „ZUM SCHÖNEN TURM"
In unseren Millionenstädten, „wo alles Un-
rast, Leben und Bewegung ist, wo sich
Tausende von Einzelstimmen zu einem brau-
senden Akkord von Arbeit vereinigen, wo
unübersehbare Menschenmassen hin und wider
fluten, wo alle Verkehrsmittel nur mühsam
ihre höchste Kraftleistung zurückhalten", in
diesem kaleidoskopartigen Bilde der Großstadt
bedürfen wir als einer naturgemäßen Entgegen-
setzung Ruhe und Einheit in der Architektur.
Diesen berechtigten Forderungen steht leider
das Reklamebedürfnis des modernen Geschäfts-
betriebes entgegen. Die moderne Sucht auf-
zufallen, macht aus jeder Fassade ein Plakat,
beklebt jede freie Wand mit riesenhaften Schil-
dern, höhlt die Häuser aus und stellt sie auf
Stelzen. Die Straßenwand wird dadurch be-
ständig durchbrochen und durchlöchert und
mit der Zeit werden ganze Bauquartiere und
Stadtkerne ausgehöhlt.
Unsere modernen Städte haben durch diese
baulichen Sensationen, die sich jeder künst-
lerischen Disziplin der Ein- und Unterord-
nung des Einzelnen in ein großes Ganzes ent-
ziehen, unendlich gelitten.
Nur an Stätten, die noch gewisse künstle-
rische Traditionen bewahren, herrscht auch
noch der höhere Gesichtspunkt, der in einem
Bauwerk auch nur einen Teil des Ganzen
sieht. So auch in München, wo man sich
dieser modernen Entwicklung gegenüber einer
maßvollen Zurückhaltung befleißigt und im
Sinne guter Ueberlieferungen Wert auf eine
harmonische Eingliederung des Neuen in schon
bestehende alte Baugruppen legt.
Moderne Münchener Baukünstler wie die
hier genannten Architekten Honig und Söldner
verschließen sich deshalb doch keiner der
berechtigten sozialen Forderungen des moder-
nen Lebens, die nach allen Annehmlichkeiten
einer höheren Lebensführung und Lebensfreude
verlangen. Sie bedienen sich all der Einrich-
tungen und Mittel, die die moderne, technische
Wissenschaft an die Hand gibt. Sie erweisen
sich gerade im Industrie- und Geschäftsbau
als Gestalter neuzeitlicher Bedürfnisse und be-
triebstechnischer Anforderungen, die auf mög-
lichst hygienische und praktische Lösungen
dringen. Ein besonderes Verdienst haben sich
diese Künstler dadurch erworben, daß sie ihre
Geschäftsbauten, ohne jede Prätention, dem
alten Stadtbilde anpassen; in geradezu vor-
bildlicher Weise im Warenhaus Guttmann, im
Haus Dallmayr und im Geschäftshausneubau
„Zum Schönen Turm".
GESCHÄFTSHAUSNEUBAU „ZUM SCHÖ-
NEN TURM", KAUFINGERSTRASZE 22
Nur wenige Oertlichkeiten in München kön-
nen das gleiche Interesse beanspruchen wie
die Baustelle bei der Einmündung der Neu-
hauser- in die Kaufingerstraße.
Hier an diesem Punkt standen dicht ge-
drängt von alters her bedeutsame Bauwerke.
Die Augustinerkirche mit der ruhigen First-
linie ihres hohen Schiffes und dem mächtigen
Chorabschluß, dessen Wucht durch die kleinen
Anbauten noch gesteigert war, der Schöne
Turm als formen- und farbenfreudiger Ab-
schluß der Neuhauserstraße gegen das Stadt-
innere, dem ältesten Stadtkern als Festungs-
tor dienend, endlich alles überragt von dem
mächtigen Doppelpaar der Türme Unserer
Lieben Frau, die sich in ihrem gewaltigen
Aufwärtsstreben noch zu guter Letzt ihres ge-
mütlichen Münchener Ursprunges erinnerten
und statt durchbrochener Spitzhelme rundliche
Blechhelme aufsetzten. Der Schöne Turm ist
Dekorative Kunst. XIX. 5 Februar 1916
141
I»
schon seit fast 100 Jahren verschwunden und
nun mußten der Verbreiterung des schmalen
Augustinergäßchens von knapp 2 m auf 13 m
auch die letzten alten Häuser weichen, welche
viele Jahre im Schatten des Schönen Turmes
an seiner Zufahrtsflanke zugebracht hatten.
Es galt nun, den verbliebenen Zeugen einer
großen baulichen Vergangenheit durch die
neuen Häuser einen erträglichen Nachbarn zu-
zugesellen, zugleich aber auch der Baumasse
des Reichenberger Hauses an der Ecke Kaufin-
gerstraße — Domfreiheit Rechnung zu tragen.
Das Areal der Neubauten hatte ursprüng-
lich eine ganze Reihe von Besitzern, von
denen die Stadtgemeinde München in kluger
Voraussicht rechtzeitig einige ablöste. Ihr ge-
lang es, am Ende die ganze Baufläche unter
zwei Anwesensbesitzer aufzuteilen, die nach-
maligen Bauherren des Geschäftshauses „Zum
Schönen Turm" und des Weinhauses Kurtz.
Besonders wichtig für die städtebauliche
Gesamtwirkung war es, zu verhindern, daß
bei dem Eckhaus der bereits geläufig ge-
wordene Warenhaustyp aufirat, das unge-
mütliche Glashaus mit den pathetischen Ver-
tikalen; vielmehr machte gerade das im
Hintergrund aufstrebende mächtige Doppel-
paar der Frauentürme eine horizontale Glie-
derung der vorgelagerten Baumassen zu einer
gebieterischen, beinahe selbstverständlichen
Notwendigkeit. Dem Gewohnheitsbild ent-
sprechend sollten die Baumassen am Eck
selbst soweit möglich gering gehalten werden,
während ihre Kulmination ungefähr an die
Stelle des ehemaligen Schönen Turmes zu
liegen käme, in der Form eines großen Giebels
gegenüber der Fürstenfeldersfraße, der dem vor-
handenen Giebel des Nachbarhauses das Gleich-
gewicht hielte und als quergerichtete Firstlinie
für die Gesamtwirkung von Bedeutung war.
Im Interesse der Verringerung der Massen
des Eckhauses war das eigentliche Haupt-
gesims über das dritte Stockwerk verlegt, das
vierte Geschoß mansardemäßig behandelt und
in seiner Bauflucht zurückgesetzt, um zugleich
die immerhin erhebliche Hauptgesimshöhe
herabzumindern. Eine Reihe von Fenster-
gurtungen betonten gleichmäßig die Horizon-
tale, endlich sollte ein Walmdach mit leider
nur kurzer Firstlinie den Baukörper be-
krönen. Solchergestalt war der ursprüngliche
Bauentwurf, von welchem eine perspektivische
Zeichnung beigegeben ist.
Dem unüberwindlichen Widerstand der
Hausmieter, die sich infolge der bescheideneren
Ausbildung der Eckmassen geschäftlich ge-
schädigt fühlten, mußte dieser Entwurf welchen,
dessen wesentlicher Bestandteil die zur langen
Firstlinie der Augustinerkirche quer gerichtete
Firstlinie war. So entstand dann auf der Basis
wirtschaftlichen Kompromisses, wie so oft im
baulichen Wirken der Privatarchitekten, etwas
anderes als das ursprünglich Gewollte, ein
teilweiser Ausgleich der Massen und ein
zweiter Giebel am Straßeneck.
Durch konsequente Fortsetzung der Hori-
zontalen und kräftige Verneinung des eigent-
lichen Giebelaufbaues durch Gesimse, in-
sonderheit durch das unbekümmert durchge-
führte Hauptgesims über dem dritten Stock
hat auch diese Lösung zu einem befriedigenden
Ergebnis geführt, wobei allenfalls noch als
Trost für die Anhänger überlieferter Städte-
bilder die Tatsache dienen mag, daß ur-
sprünglich an eben dieser Stelle noch im
gotischen München Sandners ebenfalls eine
Giebelbildung vorhanden war.
Ueber die Durchbildung der Fassade selbst
ist zu sagen : Der energische Rhythmus in
dem Verhältnis. Sockel, Aufbau, Bekrönung
sichert die Ruhe der Unterteilung, die be-
scheidene, völlig gleichmäßige Behandlung der
Hauptflächen, im Gegensatz zu den ungemein
reich gestalteten Steinerkern den Charakter
der Gesamterscheinung. Die Erinnerung an
den Schönen Turm, welcher dem Hause seinen
Namen gegeben hat, ist in der Form eines
mächtigen Hauszeichens am Eck gegeben, wo-
bei in sinnigem Bezug auf die benachbarte
Augustinerkirche ein Augustinermönch das
ansehnliche steinerne Turmmodell trägt. .
Der üppige plastische Schmuck ist gleich-
falls nicht ohne allegorische Bedeutung. So
stellen die 8 Figuren der Erker an der Au-
gustinerstraße die 8 Kreise Bayerns dar,
während die Figuren des reichen Erkers der
Kaufingerstraße im zweiten Stock die vier
Menschenalter symbolisieren. Im besonderen
sei hier auf das harmonische Verhältnis des
Bildwerks zur Architektur hingewiesen. Alles
Bildwerk wächst organisch aus der Wand hervor
und wirkt gerade an wichtigen Punkten des
Hauses, am Eck, Erker, über der Türe und
am Giebel als charakteristischer Hausschmuck.
Besonders bemerkenswert erscheint an
diesem Geschäftshaus die Gestaltung der
großen Schaufenster. Sie sind mit Kreisbögen
überspannt, was allein die dünnen Zwischen-
pfeiler möglich macht. Horizontale Stürze bei
gleichen Pfeilerdimensionen hätten notwen-
digerweise eine gestelzte Wirkung des Unter-
geschosses hervorgebracht. Hier und in der
ganzen Durchführung der Bauangelegenheit
ist das nicht eben häufige Maß von Einsicht
des Bauherrn rühmlichst hervorzuheben, wel-
cher in voller Absicht dem Vorurteil der
142
ARCH. IlöNIG UND
SÖLDNER-MÜNCHEN
GESAMTANSICHT DESGESCHAFTSHAUSES„ZUMSCHONENTURM"
VON DER KAUFINGERSTRASZE AUS GESEHEN MIT BLICK AUF
AUGUSTINER-, MICHAELSKIRCHE UND ALTE AKADEMIE ■
143
IV
■■■i oßf:
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ARCH. HÖNlG UND
SÖLDNER-MÖNCHEN
NEUE AUGUSTINERSTRASZE MIT DEN GESCHÄFTSHÄUSERN
„ZUM SCHÖNEN TURM" UND WEINHAUS KURTZ B
144
ARCH. HÖNlG UND SÖLDNER-MONCIIEN
BILDHAUER PROF. JULIUS SEIDLER B
ERKER DES GIEBELS AN DER
AUGUSTINERSTRASZE (DETAIL»
145
-^^^i^-nrniif*'
ARCH. HONIG UND SÖLDNER-MÜNCHEN
BILDHAUER PROF. JULIUS SEIDLER a
GESCHÄFTSHAUS „ZUM SCHÖNEN TURM": GIEBEL
MIT ERKER AN DER KAUFINGERSTRASZE El
146
AliClI. IlöNIG UND
SÖLDNER-MÜNCHEN
GESCHÄFTSHAUS „ZUM SCHÖNEN TURM": VOR-
HALLE IM LADEN DER FIRMA NEUNER &. BASCH
Geschäftswelt getrotzt hat, welches rundbögige
Auslagen Fenster verwirft.
An diesem Vorurteil scheitern nur allzu-
häufig die Bemühungen der Architekten und
doch ist die Ueberführung dünner Pfeiler-
massen durch Bogen in die Flächenform die
glücklichste Lösung zur Wiederherstellung der
geschlossenen Wandfläche, ohne welche ein
richtiges Haus nicht auskommen kann.
Im übrigen zeigt das Beispiel gerade dieser
Häuser deutlich, daß durchaus keine Beein-
trächtigung an Lichtzufuhr für das Innere
durch Bevorzugung der horizontalen Auflösung
besorgt zu werden braucht.
Die leichte Biegung der Baulinie an der Kau-
fingerstraße verleiht den Horizontalgesimsen
eine gewisse Weichheit und leitet zugleich an-
genehm auf die Flucht des Nachbarhauses über.
Das Dach ist mit dunklen Ziegeln gedeckt,
welche in ihrer stark wechselnden Färbung
die Dachfläche angenehm beleben.
Der feinkörnige Bewurf der Putzflächen ist
grünlichgrau getönt, als dunkler Hintergrund für
den heller wirkenden Muschelkalkstein. Diese
Kontraste werden sich im Laufe der Jahre noch
vertiefen und damit wird das Gesamtaussehen ge-
winnen. (In der Bauausführung betätigte sich das
Architektur- und Baugeschäft Georg Meister.)
Das Schöne-Turm-Haus steht in seiner warm-
gelben Tönung, in seiner weichen, geschmei-
digen, in Licht- und Schattenspiel plastisch
wirkenden Formgebung prächtig gegen den
Himmel und ergibt mit den warmen ziegel-
farbenen Dächern und den Frauentürmen eine
anziehende malerische Erscheinung. So bietet
das Schöne-Turm-Haus gerade an dieser be-
vorzugten Stelle dem vom Karlstor herkommen-
den Beschauer einen prächtigen Blick dar.
Es hat sich erfüllt, was der genius loci der
Münchener Baukunst, Gabriel von Seidl, immer
gewünscht hat, daß das an dieser Stelle beson-
ders schöne Münchener Stadtbild in seiner Har-
monie erhalten bleibe. Wenn er nach seiner Ge-
wohnheit hier noch vorüberwandelte, würde er
sich über den prächtigen Anblick des „Hauses
zum Schönen Turm" aufrichtig gefreut haben.
147
BILDHAUER PROF.
JULIUS SEIDLER □
EINZELHEITEN DER ERKERPLASTIK DES
ERKERS AN DER KAUFINGERSTRASZE
DAS WEINHAUS KURTZ
AN DER AUGUSTINERSTRASZE
Gleichzeitig mit dem Geschäfishause „Zum
Schönen Turm" an der Kaufingerstraße-
Augustinerstraße entstand an Stelle alter Ge-
bäude aus dem 17. Jahrhundert und der Wein-
halle aus der Mitte des 19. Jahrhunderts der
Neubau des Weinhauses Kurtz. Die schöne
Form der Straßenführung, der alten Graben-
linie folgend, verleiht der Augustinerstraße
einen besonderen Reiz, umsomehr als hier
nicht städtebauliche Willkür die Veranlassung
gewesen ist. Die stark konvex gestaltete
Straßenfront ist beim Durchschreiten der
Kaufingerstraße zumeist in starker Verkürzung
sichtbar. Diesem Umstand soll die Fassaden-
ausbildung Rechnung tragen, indem die Fenster
gleichmäßig nebeneinander gereiht wurden,
so daß auch in der schärfsten Verkürzung der
Eindruck der Größe der Hausfront gewahrt
bleibt. Zu dem ausgesprochenen Horizontalis-
mus der Gliederung bilden die beiden flachen
Erker den künstlerischen Gegensatz. Das
vollständig ausgebaute 4. Stockwerk ist mit
Rücksicht auf die intimere Gesamterscheinung
in einem steilen Mansarddach untergebracht,
welches in seinem oberen flacheren Teil or-
ganisch zum Eckhaus überfährt. Aber auch
die verbleibenden vier Stockwerke sind noch-
mals kräftig unterteilt über dem Erdgeschoß
und über dem 2. Stock in der Form eines
weitausladenden blumengeschmückten Haupt-
gesimses, das auf beiden Erkern aufruht und
BILDHAUER PROF. JUL. SEIDLER G HAUSZEICHEN DER
WEINWIRTSCHAFT KURTZ, AUGUSTINERSTRASZE 1
148
AUCH. IIÖXIG UND
SÖLDNER-MÖNCHEN
WEINHAUS KURTZ AN DER
AUGUSTINERSTRASZE
Dekoraiive Kunst. XIX. 5. Februar 1916
149
20
ARCH. HONIG UND SÖLDNER-MÜNCHEN
HAUPTGASTRAUM IM WEINHAUS KURTZ
rWeinßaiis^tnfz'J/a/mauü
(3/Uiwe6en
GRUNDRISZ DES ERDGESCHOSZES VOM WEINHAUS KURTZ
150
dem gegenüber das Dachge-
sitns an Bedeutung entschie-
den nachsteht.
Das Erdgeschoß enthält die
Gaststätten und stellt sich
nach außen als rustikal be-
handelte Bogenarchitektur
dar, dem die unverändert
übernommenen kleinen mit
Butzenscheiben geschmück-
ten Fensterchen des alten Ne-
benzimmers harmonisch an-
gegliedert sind.
Der erste Stock enthält
die Wohnung des Gasthof-
besitzers und Wirtes, die
anderen Etagen Geschäfts-
räume.
Die besondere Zweckbe-
stimmung des obersten Stock-
werkes mit seinen höchsten
Ansprüchen an Lichtzufuhr
gab Veranlassung zu einer
beinahe restlosen Auflösung der
Wand in aneinander gereihte Fen-
ster. So sehr überwiegt der Ein-
druck der Reihung, daß nieman-
dem, auch nicht dem Fachmann
die ganz unterschiedliche Größe
dieser Fenster auffällt, ein Ex-
periment, das die Alten in ganz
selbstverständlicher Weise jedem
Bedürfnis zuliebe machten, zu dem
wir aber infolge unserer mathe-
matischen und linearen Erziehung
erst nach Ueberwindung starker
Bedenken gelangen. Aehnlich dem
Eckhaus hat das Weinhaus Kurtz
doch wieder seine ganz bestimmte
Eigenart, eine leichtfaßliche Art
der Gliederung, die sich dem Ge-
dächtnis gut einprägt. Dunkelge-
tönter Putz, mehr ins Bräunlich-
gelbe spielend, bildet den Hinter-
grund für den sparsam verwende-
ten hellen Muschelkalkstein.
Ein weitherausragendes Wirts-
hausschild im ersten Stock mit
Laterne, im Geiste dieser Wahr-
zeichen geformt, kündet von wei-
tem die gastliche Stätte an.
Auf den gemütlichen Charakter
des Hauses weist auch noch der
plastische Schmuck in Gestalt eines
humorvollen Hauszeichens in Re-
liefform und die beiden originellen
Schlußsteine von Bildhauer J. Seid-
ler hin.
Das Innere des Hauses enthält
das große Gastzimmer in einer
dem Geiste des alten Lokales ver-
wandten Durchbildung, und nur ein
wenig größer wie das alte Lokal.
Die beiden Nebenzimmer sind
dem alten Bau entnommen und
mit geringfügigen Aenderungen dem
Neubau einverleibt worden.
Die künstliche Beleuchtung der
Räume erfolgt überall in indirek-
ter Form, so daß der Gast durch
keine blitzenden Lichtquellen ge-
stört wird, dagegen auf seiner
Tischfläche selbst ein Höchstmaß
von Licht hat. Diese Lichtkreise
umschließen dann immer von
selbst kleine in sich geschlossene Zirkel,
deren gemütliches Zusammensein die Haupt-
sache ist, im Gegensatz zu anderen Loka-
len, in denen eine möglichst große gegen-
seitige Sichtbarkeit und Gesamtübersicht ge-
wünscht wird.
ARCIl, HONIG UNI)
SÖLDNER-MÜNCHEN
GESCHÄFTSHAUS DALL-
MAYR, DIENERSTRASZE
So herrscht auch im neuen Hause wie im
alten derselbe gesellige Geist, die Münchner
Gemütlichkeit, an der Stätte behaglichen
Lebensgenusses.
151
X»
DAS HAUS DALLMAYR,
DIENERSTRASZE 13—15
Das Geschäftshaus der altbekannten Firma
Alois Dallmayr, war Neu- und Umbau; die
Häuser 13 und 14 mußten einem vollständigen
Neubau weichen, das Haus Nr. 15 wurde
lediglich im Innern umgebaut. Für die äußere
Architektur war maßgebend, diejenige des
alten Hauses Nr. 13 aus dem Ende des
18. Jahrhunderts. Die Fassade war bei aller
Strenge der damaligen Kunstübung doch von
einer besonderen Eigenart, die ihre Erhaltung
wünschenswert gemacht hätte. Allein die Un-
möglichkeit, mit den gegebenen Stockwerks-
höhen auszukommen, ferner die Notwendig-
keit, ein weiteres Stockwerk aufzubauen,
zwangen zum Neubau. Um den Charakter
des Straßenbildes zu wahren und die alte
Architektur am neuen Hause festzuhalten, ist
das neue Haus ganz im Geiste des alten
wieder erbaut. Das Erdgeschoß mit seinen
Rundbogenschaufenstern, Muschelkalkpfeilern
und Einfassungen, ist der entschiedenen Glie-
derung der oberen Etagen, in freien jonischen
Pilasterstellungen, glücklich angepaßt.
Das vierte Stockwerk ist als eine neue Zu-
tat von wesentlich schädigender Wirkung stark
zurückgesetzt, mit Ziegelvordach versehen und
so gleichsam zur Mansarde gestempelt, oder
in die Dachwirkung mit einbezogen. Und so
aliein konnte eine wesentliche Beeinträchtigung
der alten Formeneinheit in der Fassade ver-
mieden werden.
Haus Nr. 14 war zum Mittelrisalit umge-
wandelt, dessen Bedeutung für die Gesamt-
anlage erst nach Einbeziehung des Hauses
Nr. 15 in die gleiche Formengeburg klar ver-
ständlich wird.
Die farbige Erscheinung des Hauses : dunkle
Putztönung, dunkle Dachziegel, entspricht dem
gewohnten Münchener Siraßenbild.
Das Innere erhält seinen besonderen archi-
tektonischen Charakter durch Anknüpfung an
eine schon vorhandene wuchtige Säulenarchi-
tektur, eine große Doppelreihe gedrungener,
dorischer Juramarmorsäulen, mit Spitzbogen-
verbindung. Zwischen diese sind in geschickter
Weise die Ladentische eingebaut.
Ein Marmorfußboden aus rotem Lienbacher
Marmor, dunkelgetöntes Eichenholz der Laden-
einrichtung, farbige Stilleben in vergoldeten
Stuckrahmen, Hirschgeweihe auf kranzum-
wundenen Schädeln an den Wänden und
zwischen den Pfeilern, Glasmalereien mit den
Hoflieferantenwappen an den rückseitigen
Fenstern und eine diskrete Deckenbeleuchtung,
alles wirkt zusammen, um eine richtige Stil-
atmosphäre der Lebensmittelverkaufshalle zu
schaffen, wie sie, wenigstens in unserer Zeit,
ARCH. HÖNlG UND SÖLDNER-MÜNCHEN
GESCHÄFTSHAUS DALLMAYR: LADENINNERES
152
ARCH. HONIG UND
SÖLDNER-MÜNCHEN
LANDHAUS DER FRAU S. VON PRITTWITZ UND GAFFRON
IN TUTZING AM STARNBERGER SEE: BLICK VOM SEE AUS
nur selten angetroffen wird. Ein reizender mit dem lustig plätschernden Wasser ein be-
Zierbrunnen mit Fischen, aus Treuchtlinger lebendes Element mehr in der von regem
Marmor, von Prof. Gg. Albertshofer, bietet Verkehr erfüllten Verkaufshalle.
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GRUNDRISZ DES ERDGESCHOSZES VOM LANDHAUS PRITTWITZ
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154
In einem angenehmen Gegensatz zu dieser
Halle, die in ihrer Formengebung schwer
wuchtend gehalten ist, steht ein in eleganten
und zierlichen Formen durchgeführter Kon-
fitürenladen. Hier ist die Ladeneinrichtung
aus poliertem Kirschbaumholz und die Decke
zum Teil weiß stuckiert, was dem kleinen
Raum eine helle und freundliche Wirkung
gibt. Daß diese angenehme, farbig dekorative
Wirkung dieser beiden Räume mit Verwen-
dung nur heimischer Baumaterialien, Steine
und Hölzer erreicht wurde, verdient besonders
bemerkt zu werden. Ein Schwarzweiß- Bild
davon gibt kaum eine Vorstellung von dem
malerischen Reiz und der warmen tonigen
Harmonie dieser Farben,
Auch hier ist wieder eine besondere Bau-
aufgabe, einen für die besonderen Ansprüche
der Lebensmittelbranche mit ihren oftenaus-
gelegten Waren geeigneten und zugleich an-
ziehenden Verkaufsraum zu schaffen, der allen
Ansprüchen des Kaufherrn wie des Publikums
genügt, glänzend gelöst.
LANDHAUS DER FRAU S. von PRITTWITZ
UND GAFFRON IN TUTZING AM STARN-
BERGER SEE
Ein Landhaus ist kein Stadthaus. Beim
Landhaus ist noch mehr wie beim Stadthaus
eine gewisse Zurückhaltung im Gebrauch ar-
chitektonischer Details notwendig. Denn stär-
ker als das Gebild von Menschenhand spricht
die Natur.
Bei der Projektierung von Landhausbauten
ist deshalb Ein- und Unterordnung in das
Naturbild eine selbstverständliche Forderung.
Hier kann nur eine Architektur mit großen
einfachen Linien wirken, welche gleichsam
das Grundmotiv der örtlichen Situation in ihrer
horizontalen oder vertikalen Linienführung auf-
nimmt und in ihrem Organismus rhythmisch
abwandelt.
In diesem Sinne ist auch das durch die
Architekten Honig und Söldner erbaute Land-
haus der Frau S. von Prittwitz und Gaffron
in Tutzing am Starnberger See disponiert.
Die außerordentlich einfache Gliederung
dieses Hauses ist durch die Lage bedingt.
Im Vordergrund die breite Seefläche, im
Hintergrund die bewaldeten hügeligen Ufer
weisen von selbst auf einfache Silhouettierung
hin, wie solche auch z. B. im alten Schloß zu
Starnberg so schön zum Ausdruck kommt.
Der Hauptraum des Hauses der in der Mittel-
achse gelegene Salon, ist auch äußerlich mit
einer Steinsäulenarchitektur und davor liegen-
der Terrasse sichtbar zum Ausdruck gebracht.
Ein hohes Sockelgeschoß aus gespitztem
Muschelkalk, die Säulenarchifektur des Mittel-
baues mit der davorliegenden Terrasse, die
weißen Putzwände mit den grünen Fenster-
läden, das ruhige mit dunklen Ziegeln ge-
deckte Walmdach wirken zusammen, um
einen in seiner sinngemäßen Einfachheit vor-
nehm wirkenden Haustyp entstehen zu lassen.
Die klare Symmetrie, die sich in der Haupt-
ansicht des Gebäudes ausspricht, ist die
Folge eines ebenso klaren Bauprogramms
der Bauherrin, wie der ebenso einfach
klaren Disponierung und Grundrißanlage. Da-
nach ergaben sich im Innern stattliche und
doch stimmungsvolle behagliche Räume, deren
Fenster möglichst viele Ausblicke über den
See und die entzückende Femsicht aufs nahe
Gebirge frei lassen. Die Räume bieten alle
Bequemlichkeiten, die der moderne Mensch
auch in unmittelbarer Nähe der Natur nicht
gern missen mag. In der Ausstattung fand
hier auch das Kunstgewerbe, wie unsere Ab-
bildung des schönen Ofens zeigt, eine gute
ARCH. HONIG UND SÖLDNER-MÜNCHEN
LANDHAUS PRITTWITZ: SCHIFFSHOTTE UND BADEHAU&
155
ARCH. HONIG UND
SÖLDNER-MÖNCHEN
LANDHAUS PRITTWITZ
OFEN IM SALON □
Stätte. Wie es sich bei einem Landhaus in
so bevorzugter Lage von selbst versteht, wurde
die schon vorhandene gärtnerische Anlage, vor
allem aber der bestehende Naturwuchs des
landschaftlich so reizvollen Ufergeländes nach
Möglichkeit geschont. Eine alte Parkanlage
gibt dem Hause einen geschlossenen Hinter-
grund und eine Umrahmung, wie man sie an-
mutiger und reizvoller kaum denken kann.
Insgesamt zeigen auch diese neueren Arbeiten
der rühmlichst bekannten Architekten Prof.
Eugen Honig und Karl Söldner wieder, daß
ihre baukünsilerischen Schöpfungen sowohl als
Einzelwerke, wie in ihrer Uebereinstimmung
mit den modernen Bestrebungen einer städte-
baulichen Kultur, auf einem heute nur selten
erreichten künstlerischen Niveau stehen.
Alexander Heilmeyer
156
VASE UND DOSE. KRISTALL. RUBIN-
ROT, OBERFANG. GESCHLIFFEN □
ENTWURF; ARCll. E. J. MARGOLD-DAR.MSTADT
AUSFÜHRUNG: CARL SCHAPPEL-HAIDA ■
GLÄSER VON EMANUEL JOSEF MARGOLD
Die Wiener Ausstellung künstlerischer Glas-
waren österreichischer Herstellung brachte
schöne Aufschlüsse über eine alte Industrie,
die sich in Oesterreich (man denke an die
böhmischen Glashütten) frisch und lebensfähig
erhalten hat. E. J. Margold, der in vielen
Sätteln Gerechte, trat auch hierbei hervor.
Die kräftige, gesunde Eleganz, die der Vorzug
der meisten seiner Schöpfungen ist, zeigt er
auch bei diesem vornehmen, geistreichen Ma-
terial. Die edlen Kurven, die geglückte Ein-
teilung der Flächen, die lebendige Farben-
wirkung, der gute Aufbau, all das fügt sich
dem übrigen Schaffen des Künstlers passend
an. Margold behandelt das elegante Material
mit Zartheit, aber auch mit Kraft. Seine Formen
haben in der Mehrzahl der Fälle jene angenehme
innere Gelassenheit, die wir bei den uns täg-
lich umgebenden Dingen nicht gerne missen
mögen. Den bloßen „Einfall" bekommen wir
bald satt. Nur was bei aller Erfindung Ruhe
und Reife hat, dem bleiben wir dauernd gewo-
gen. Pompös baut sich die große Bowle
mit ihrem lebendigen Profil auf, ein guter
architektonischer Gedanke in der Entwicklung
des „Sockels", über dem sich die gutgeführten
ruhigen Flächen der Wandung und die sehr
repräsentable Deckelpartie erheben. Guter
Handwerksgeist ist in den niedlichen, hand-
und mundgerechten Trinkgläsern, die sie beglei-
ten. Leichter liest man die Formen in den
einfachen schönen Kristalldosen ab, die
sich neben guten alten Arbeiten behaupten.
Modernere Gesinnung spricht aus der sechs-
eckigen geschliffenen G I a s d o s e, deren Linien
elastisch und wie gespannt ein wenig nach
Dekorative Kunst. XIX. 5. Februar 1916
157
OBSTSCHALE. KRISTALL. RUBINROT OBER-
FANGEN. LINIEN HERAUSGESCHLIFFEN
ENTWURF: ARCH. E. J. MARGOLD-DARMSTADT
AUSFÜHRUNG: CARL SCHAPPEL-HAIDA S
außen nachgeben ; eine sehr einfache Form,
bei der das Hauptgewicht auf dem einge-
schliffenen Flächenschmuck liegt. Die tiefen
ovalen Schalen für Blumen oder Früchte
zeigen einfachste Flä-
chenmuster in Ru-
binglas; schlichte,
gute, moderne Art
von einem gelasse-
nen, weltmännischen
Auftreten; der Reiz
liegt hauptsächlich in
den gediegenen, man
möchte sagen : rich-
tigen Verhältnissen,
die den Stimmungs-
wert der Redlichkeit
KLEINE DOSE
RUBINROT
und Vornehmheit haben. Baukünstlerischer
Geist spricht sich, soweit möglich, überhaupt
bei Margolds Gläser- und Vasenformen häufig
aus. Der Schmuck beschränkt sich meist auf
einfache Charakteri-
sierung der Teilflä-
chen ; mit Recht,
denn Glas ist in er-
ster Linie Lichtbre-
chung und Lichtfär-
bung, ein optisches
Spiel, dem man am
besten durch reiche-
res oder schlichte-
res Gegeneinander-
setzen der Flächen
dient. w. Michel
ENTWURF: ARCH. E. J.
MARGOLD-DARMSTADT
AUSFÜHRUNG: CARL
SCHAPPEL-HAIDA
158
HEIMATKUNST UND EINHEITSFORM
AUS EINEM VORTRAGE ÜBER DEN WIEDERAUFBAU KRIEGSZERSTÖRTER ORTSCHAFTEN
VON HERMANN MUTHESIUS
Die neuerliche Zersplitterung unserer
Architektur hatte zu jener Buntheit
und Verworrenheit, zu jener seichten Ver-
flachung und dilettantischen Oberflächlich-
keit geführt, die dem Bauschaffen des enden-
den 19. Jahrhunderts im Gegensatz zu allen
früheren Zeiten eigentümlich ist. Schließ-
lich kam der Zeitpunkt, wo weite Kreise
einsahen, daß auf diesem Wege nicht weiter-
geschritten werden dürfe. Allerorten erhob
sich der Ruf, daß unser Land durch Neu-
bauten verschandelt werde. Denn neben der
planlosen, minderwertigen Architektur des
Tages war noch allerorten die alte Bauweise
der unberührten Ortschaften zu sehen, die sich
durch ihre Geschlossenheit und Einheitlich-
keit, durch ihre schlichte und anspruchslose
Art außerordentlich vorteilhaft von den
neuen Gebäuden abhoben. Aus dem sich
aufdrängenden Vergleich, aus dem Wunsche,
die alte Würde und Ruhe wieder zu erreichen,
wurde die Heimatkunstbewegung geboren.
Unbedingt muß es unser ganzes Bestreben
sein, ähnliche gute Wirkungen, wie sie un-
sere alten Ortschaften bieten, auch im heuti-
gen Bauschaffen wieder herbeizuführen.
Wie dies aber anzustellen sei, darüber gehen
die Meinungen auseinander. Die Sonder-
maßnahmen, die die Heimatkunst ange-
wandt hat, sind häufig verfehlt gewesen. Zu-
nächst ist die Heimatkunst häufig gewechselt
worden mit der Wiederaufnahme eines frü-
heren Stiles. Man glaubte, man würde das-
selbe ruhige und geschlossene Ortsbild wie
in den alten Dörfern und Städten erhalten,
wenn man die Formen der dortigen alten
Architektur wieder anwendete. Auf diese
Weise sind Ortsstatute entstanden, die die
Architektur einer ganz bestimmten Zeit vor-
schreiben; beispielsweise werden fürHildes-
heim die Stilformen bis Anfang des 17. Jahr-
hunderts gefordert. Hätte man dabei noch
das Wesen der alten Architektur im Sinne,
das ja jenseits der Stiläußerlichkeiten liegt,
so ließe sich noch darüber reden. Aber
nein, man meinte ganz bestimmte Formen.
Und so zeigen die Neubauten in den Stra-
ßen Hildesheims und vieler anderer „hei-
matgeschützter" Orte eine unmittelbare Nach-
ahmung der vergangenen Stilmerkmale.
Aber mit welcher Art von Nachahmung hat
man sich begnügt! Man ahmte selbstver-
ständlich das Holzfachwerk nach. Um es
aber billig herzustellen, stellte man dünne
Stile und Riegel in weite Abstände. Natür-
lich, denn das dichtgedrängte alte Fachwerk
wäre viel zu teuer gewesen. Der Erfolg
mußte ein kläglicher sein. Auch wo man,
wie an anderen Orten, Steinformen und
Holzschnitzereien nachbildete, stieß die
neue Art hart von der alten ab. Vor allem
aber geboten ja die veränderten Zeitbe-
dürfnisse weitgehende Abweichungen von
den alten Bauten, es traten andere Stock-
werkhöhen ein, andere Zimmer- und damit
andere Fenstereinteilungen, eine andere Art
der Dachgeschoßausnutzung , wodurch
natürlich das Wesen der neuen Imitations-
bauten den alten Bauwerken gegenüber ganz
grundsätzlich geändert wurde. Die neuen
Heimatkunstbauten stehen denn auch meist
wie Karikaturen neben den alten behäbi-
gen und gediegenen Originalen. Sie schei-
nen ein Maskenkleid zu tragen aus zusam-
mengesuchten billigen Flicken, das ge-
rade neben dem echten Zeitkleid der alten
Bauwerke um so peinlicher berührt. Aber
auch wo man genau nachgebildet hat, ist
der Erfolg durchaus zweifelhaft. Auch diese
Bauten stehen noch seelenlos da, sie haben
etwas Unglaubwürdiges, sie atmen einen
falschen Geist.
Wie sind solche Mißerfolge zu erklären?
Sie ergeben sich, weil es für uns ganz un-
möglich ist, in die Haut unserer Urgroßväter
zu kriechen. Wir können immer nur aus
den Bedingungen heraus schaffen, die in uns
selbst liegen, nicht aber aus Bedingungen,
die in anderen Menschen und noch weniger
in einer anderen Zeit gegeben sind. Und,
wenn wir der Sache einmal auf den Grund
gehen: wie kommen wir überhaupt dazu,
uns selbst in dieser Weise verleugnen zu
wollen? Hat je eine andere Zeit etwas Aehn-
liches unternommen? Hat je ein Baumeister
des 18. Jahrhunderts bauen wollen wie man
im 15. Jahrhundert baute? Es ist niemals
der Fall gewesen. Nimmermehr werden wir
die Aufgaben der Zeit zu lösen imstande
sein, wenn wir dafür kein anderes Mittel
aufbringen können, als eine Zeitverneinung.
Aber die Unmöglichkeit der Stilheimat-
kunst ergibt sich noch zweifelloser aus an-
deren Betrachtungen. Man denke einmal den
150
21*
Fall aus, daß am Schloßplatz in Straßburg
ein Neubau zu errichten sei, für den die ge-
schilderten heimatkünstlerischen Anschau-
ungen maßgebend sein sollten. Soll nun der
Neubau in den Formen des Münsters, des
alten Schlosses, oder des Frauenhauses,
oder des Lyzeums gehalten sein? Welches
ist hier die richtige Heimatkunst? Man
sieht, die Stilauffassung der Heimatkunst ist
nicht aufrecht zu erhalten. Sie führt zur
Zeitenverwirrung selbst bei denjenigen, die
das Nachahmen alter Stile in neuer Zeit für
berechtigt halten. Welche schreienden Zeit-
widrigkeiten werden aber unter dem Stich-
wort der Heimatkunst heute tatsächlich be-
gangen? In einem Vororte Berlins ist ein
Bahnhof der elektrischen Hoch- und Unter-
grundbahn in der Form eines strohgedeck-
ten alten Bauernhofes gebaut, wahrschein-
lich weil die Station „Dorf Dahlem" heißt.
Dahlem mag früher einmal strohgedeckte
Dächer gehabt haben. Inzwischen hat die
Feuerversicherung längst für Ersatz dieser
Strohdächer durch Ziegeldächer gesorgt.
Welcher Unsinn, ein so modernes Gebäude,
wie einen Untergrundbahnhof, in die Form
einer Bauernhütte kleiden zu wollen.
Nicht diese Art von Heimatkunst dürfen
wir treiben. Worin besteht im Gegensatz
dazu die wirkliche Heimatkunst? Die Frage
kann leichter beantwortet werden, wenn wir
sie wieder auflösen in die beiden ursprüng-
lichen Fragen: l.Wie erreichen wir im heu-
tigen Bauschaffen dieselben günstigen Er-
gebnisse, wie sie im alten erzielt wurden?
und 2. wie fügen wir die neuen Bauten so in
das bestehende Alte ein, daß sie dessen har-
monische Gesamterscheinung nicht stören?
Um mit der zweiten Frage zu beginnen,
die ja auch im Falle des Wiederaufbaues der
kriegszerstörten Ortschaften die wichtigere
ist, so muß man sich von Anfang an dar-
über klar sein, daß alle heimatkünstleri-
schen Vorschriften nicht eigentlich schöpfe-
rischer Natur sein können. Es kann durch
sie nicht bewirkt werden, daß gute Archi-
tektur gemacht wird. Die Heimatkunst kann
nur darüber wachen, daß gewisse unter
allen Umständen störende Maßnahmen nicht
getroffen werden. Die Stilfrage ist daher als
unmittelbare Anweisung zum Gebrauch be-
stimmter Formen unter allen Umständen
auszuschalten. Nicht um eine Stilfrage han-
delt es sich, sondern um eine künstlerische
Taktfrage. Im übrigen lehrt uns ja die
gesamte alte Kunst, daß auch Bauten aus
verschiedenen Bauzeiten ganz gut nebenein-
ander stehen und sogar ein ausgezeichnetes
Städtebild abgeben können. An dem schon
erwähnten Schloßplatz in Straßburg stehen
Gotik, deutsche Renaissance und Barock ein-
trächtig nebeneinander. Warum sind gerade
wir Heutigen so darauf versessen, solche
Nebeneinanderstellungen nicht mehr zu
dulden? Dem Verlangen liegt ein Trugschluß
zugrunde. Es sind allerdings dadurch, daß
neue Bauten in eine alte Umgebung gestellt
worden sind, Ungereimtheiten geschaffen
worden. Man hat daraus aber zu Unrecht
geschlossen, daß das Unstimmige von der
Stilverschiedenheit herrühre. In Wahrheit
ist die Ursache nicht stilistischer, sondern
qualitativer Art, mit anderen Worten, die
Entstellungen liegen nicht darin, daß die
neben den alten Bauten stehenden neuen
Bauten ein anderes Zeitkleid tragen, son-
dern darin, daß sie schlecht sind. Und
hier treffen wir endlich den Punkt, um den
sich alles dreht. Die alten Bauten waren
fast ausnahmslos gut. Sie waren in auf-
richtiger Gesinnung geschaffen, aus einer
geschlossenen Ueberlieferung heraus. Sie
machten nicht den Anspruch, Aufsehen zu
erregen, ihre Schöpfer hatten wohl über-
haupt nicht einmal die Meinung, daß sie
Kunstwerke in die Welt setzten, sie fühlten
sich als Handwerker. Aber eben dadurch,
daß sie nur die Sache im Auge hatten, und
daß sie, was die Form anbetrifft, eine
feste Ueberzeugung teilten, eben dadurch,
daß sie aus dieser Ueberzeugung heraus
mit einem gewissen natürlichen, unbeirrten
Sinne bauten, dadurch schufen sie gute Ar-
chitektur. Demgegenüber liegen die Schä-
den des Bauens der letzten fünfzig Jahre in
allerhand untergeschobenen unsachlichen
Rücksichten und nicht zum mindesten in
einer gewissen Ansprucherhebung des heu-
tigen Bauschaffenden. Jeder Architekt will
aufsehenerregende Werke in die Welt setzen,
sie sollen die Aufmerksamkeit auf sich zie-
hen, wie die Gemälde in der Ausstellung
oder wie eine Statue auf einem freien Platze.
Jedes Haus wird deshalb mit den vermeint-
lichen Ausweisen der Kunst belastet, vor
allem aber möglichst anders gestaltet als
seine ganze Umgebung. Das Publikum
hat beim Betrachten eines Bauwerkes keine
reine Freude mehr, sondern nur noch die
Vorstellung, wissen zu müssen, in welchem
Stileeserrichtetsei. Sagtman einem Wissens-
durstigen, daß an dem oder jenem moder-
nen Bau ein bestimmter Stil weder erstrebt
noch eingehalten sei, so wird er tieftraurig
und verliert jede Neigung, sich weiter mit
dem Dinge zu beschäftigen.
160
WEINSERVICE. KRISTALL
RUBINROT U. GESCHLIFFEN
ENTWURF: ARCIl. E. J. MARGOLD-DARMSTADT
AUSFÜHRUNG: CARL SCHAPPEL-HAIDA a
Durch alle solche Umstände ist es gekom-
men, daß die große Mehrzahl der neueren
Bauten schlecht ist. Und deshalb entstehen
die bekannten Unstimmigkeiten zwischen
den guten alten und den schlechten neuen
Bauten.
Wer zu dieser Einsicht gelangt ist, für den
wird es nicht schwer sein, die richtige Ant-
wort auf die obengestellten Fragen zu fin-
den. Wir werden dann wieder so harmo-
nische Stadt- und Straßenbilder bekommen,
wie sie frühere Zeiten schufen, wenn
wir neben die guten alten Bauten nicht
schlechte neue, sondern gute neue setzen.
Diese guten Bauten werden sich dann unter-
einander vertragen, gerade so, wie sich gute
alte Bauten aus verschiedenen Bauzeiten
vertragen.
Wie erhält man aber gute Bauten? Einzig
und allein durch gute Baukünstler.
Es ist also Pflicht, gerade bei Hinzufügun-
gen zu der wertvollen Architektur alter
Straßen- und Platzbilder mit peinlichster
Sorgfalt darüber zu wachen, daß nicht Stüm-
per bauen. Diesen werden auch die besten
Rezepte und alle Ortsvorschriften des Hei-
matschutzes nichts helfen können. Zuzulas-
sen ist hier nur der vollwertige Baumeister.
Bei diesem wird vor allem auch die Takt-
frage im Vordergrund seiner Maßnahmen
stehen. Er wird von vornherein davon aus-
gehen, das Bauwerk dem Orte, an dem es
stehen soll, gehörig einzufügen, ihm einen
allgemeinen Zuschnitt, einen Umriß, eine
Dachausbildung zu geben, die für den Stand-
ort geeignet ist. Er wird auch femer die
161
Wahl der Baustoffe, der Dachdeckung un-
bedingt nach der Umgebung bestimmen,
in die der Bau treten soll. Damit aber
erfüllt er alle Forderungen, die die Heimat-
kunst im besten Sinne des Wortes überhaupt
stellen kann. Die heimatkünstlerische Frage
ist damit eigentlich restlos gelöst. Zugleich
ist alles, was darüber hinausgeht, nur vom
Uebel. Denn durch ästhetische und stilan-
weisende Sondervorschriften können immer
nur Kompromißbauten und schwächliche
Nachahmungen erzeugt werden. Von die-
sen aber haben wir nun genug erlebt. Was
uns fehlt, sind vollblütige, aus warmem Emp-
finden erzeugte Werke.
Es ist in diesem Zusammenhange nicht
überflüssig, hinzuzufügen, daß die Grund-
lagen des Bauens vor allen Dingen und in
erster Linie wirtschaftlicher Art sind. Wür-
den aber nur diese wirtschaftlichen Grund-
lagen stets in erste Reihe gestellt, so würde
unsere Baukunst weit sachlicher, weit natür-
licher und wahrscheinlich auch in der Er-
scheinung weit besser sein. Denn es ist das
Eigentümliche, daß bei fortlaufender Durch-
arbeitung, bei immer tieferem Eindringen in
die Wesensart eines Baues eine immer grö-
ßere Vereinfachung erreicht wird. Diese er-
weist sich aber gewöhnlich nicht nur in der
Wirtschaftlichkeit als Vorteil, sondern sogar
in der Form. Hier muß mit aller Entschie-
denheit der in Laienkreisen umgehende Irr-
tum berichtigt werden, als bestehe ein Ge-
gensatz zwischen sogenanntem praktischen
Bauen und sogenanntem schönen Bauen.
Viele sagen, sie wollten nur praktisch bauen,
weil sie billig bauen müßten. Sie halten also
die Schönheit für eine kostspielige Zugabe.
Jeder Architekt weiß aber, daß eher das
Umgekehrte richtig ist. Schönheit ist ledig-
lich eine Angelegenheit der guten Verhält-
nisse und diese pflegen am klarsten hervor-
zutreten in der vereinfachten Form. Je
durchgearbeiteter aber ein Entwurf, je reifer
er ist, um so mehr wird er sich dem hohen
Ideal nähern, gleichzeitig einfach, praktisch
und schön zu sein. Das Einfache ist näm-
lich stets das Endglied einer langen Ent-
wicklung, das Verzwickte und dadurch Un-
praktische und Teure ein Anfangszustand.
Hier ergibt sich also die oberste Forderung,
vor allen Dingen sachlich, gründlich und in
höherem Sinne gediegen zu arbeiten. Das
ist das Grundgesetz für jedwede Arbeit des
Baumeisters.
Indessen mischt sich doch in das archi-
tektonische Schaffen noch etwas anderes ein.
Ueber jede Wirklichkeitsforderung hinaus
sind auch in der Baukunst, wie in jeder
menschlichen Kunst, Stimmungswerte vor-
handen, die dem Werke eine ganz besondere
Färbung geben. Beim Bauwerk drücken sie
sich aus in der überkommenen Bauüberliefe-
rung, sie sind ein Ergebnis der Sitten und
Gewohnheiten der Bevölkerung eines be-
stimmten Landstriches, die, abgesehen von
mitgebrachten Rasseneigenschaften, wieder-
um durch die geographischen und klimati-
schen Verhältnisse bedingt sind. Diese Stim-
mungswerte fassen wir in dem Ausdruck
örtliche Bauweise zusammen. Diese ist nicht
durch alle Zeiten dieselbe, sie ändert sich,
wie sich die Geschlechter ändern, aber eine
gewisse Grundstimmung bleibtim großen und
ganzen bestehen. Bewahren wir sie, so wer-
den wir auch heute noch Werke schaffen, die
sich der örtlichen Bauweise früherer Zeiten
nähern, jedenfalls mit dieser ein einheit-
liches Ganze bilden. Bedingung ist nur, daß
die betreffenden Schöpfer dieser Bauten die
örtliche Stimmung mitempfinden, daß sie
aus dem Volksgeist heraus schaffen und
zwar auf eine natürliche, gewissermaßen
unbewußter Weise. Niemand wird dies bes-
ser zu tun vermögen als das Landeskind.
Daraus folgt die Notwendigkeit, die örtlichen
Architekten heranzuziehen und zwar die
wirklich Begabten, die nicht durch fremde
Einflüsse Verbildeten, die den Volksgeist in
sich Tragenden.
Gute Architektur in völkischem Empfin-
den, mit Takt eingefügt in das Alte, das ist
die echte Heimatkunst.
Mit einer gewissen Freiheit wird inner-
halb dieser Grenzen bei solchen Aufgaben
gearbeitet werden können, bei denen es sich
viel weniger um Einfügen von Neuem in
eine alte Umgebung handelt, als um neue
Anlagen größeren Umfangs. Aber hier sind,
um Ergebnisse zu erzielen, wie wir sie in
unseren alten Ortschaften bewundern, noch
einige andere Gesichtspunkte zu berücksich-
tigen. Was nämlich diesen alten Ortschaften
ihren eigentlichen Reiz verleiht, sind nicht all-
ein die guten Verhältnisse und die gute Fas-
sung jedes einzelnen Hauses, es ist auch die
Uebereinstimmung aller zu einer Ortschaft
gehörenden Häuser unter sich. Diese Gleich-
artigkeit und Einheitlichkeit ist sogar das
Ausschlaggebende für die Wirkung. Hier-
über sind wir uns erst neuerdings wieder
ganz klar geworden. Ganze Jahrzehnte
haben sich in dem Irrtum bewegt, Abwech-
selung sei das Erstrebenswerte in der Ar-
chitektur, die Mannigfaltigkeit sei ihr Ziel.
Als dann die Einsicht einsetzte, daß eine
162
KRISTALL-BOWLE MIT GLASERN
ENTWURF: ARCH. E. J. MARGOLD-DARMSTADT
AUSFOHRUNG: CARL SCHAPPEL-HAIDA ■
Umkehr aus den Verirrungen der Zeit ein-
treten müsse, glaubte man zunächst, gute
Architektur würde den Schaden restlos be-
seitigen. Aber heute sehen wir, daß auch in
Villenkolonien, bei denen jedes Haus von
einem guten Architekten gebaut ist, noch
immer jene leidige Unruhe und Undiszipli-
niertheit herrscht, über die wir uns von An-
fang an beklagten. Der Grund ist der, daß
widerstrebende Teile nebeneinander gesetzt
BCNDNISGLAS. KRISTALL DOSE. LINIEN GEATZT
ORNAMENT GEMALT Q GRUND GELBES GLAS
ENTWURF: ARCH. E. J. MARGOLD B AUSFOHRUNG: CARL SCHAPPEL-HAIDA
163
sind, daß die Straße,
der Platz, ja der
ganze Ort nicht als
Ganzes gedacht ist.
Die alten Ortschaf-
ten waren vielleicht
auch nicht als Gan-
zes gedacht. Die
Leute aber, die sie
errichteten, empfan-
den gleich, verarbei-
teten stets die ört-
lichen Baustoffe und
schufen aus einer
völlig einheitlichen
Baugesinnung her-
aus. Da wir über
eine solche heute
nicht verfügen und
die Baustoffe nicht
mehr örtlich ge-
bunden sind, bleibt
nichts andres übrig,
als die Einheitlich-
keit zum bewußten
Ziele zu erheben.
Neu angelegte Vier-
tel sollten also eine
einheitliche Archi-
tektur tragen. Diese
Einheitlichkeit be-
steht, wie uns un-
sere alten Ortschaf-
ten zeigen, unter an-
derem darin, daß die
Gebäude im großen
und ganzen diesel-
ben Materialien für
äußere Wände und
Dachdeckung zei-
gen, daß der all-
gemeine Zuschnitt
der Häuser der-
selbe bleibt, derge-
stalt, daß, wo etwa gebrochene Dächer
angewendet, diese auch einheitlich durch-
geführt werden, daß bei Wahl von einfachen
Satteldächern oder etwa Zeltdächern diese
das Bild beherrschen. Natürlich braucht
diese Einheitlichkeit nicht zur Einförmigkeit
zu werden; haben doch auch die Menschen
alle gleichen Körperbau, ohne daß sie ein-
ander zum Verwechseln glichen oder durch
Einförmigkeit langweilig wirkten.
So sind wir auf dem Kerngedanken der
ganzen Frage, den der Einheitsform ange-
langt. Die Einheitsform bietet nicht nur die
Gewähr für einen erfreulichen äußeren Ein-
POKAL. KRISTALL RU-
BINROT U. GESCHLIFFEN
druck, ähnlich wie
er uns in den al-
ten Ortsbildern ent-
gegentritt, sondern
sie bringt auch ge-
waltige praktische
und wirtschaftliche
Vorteile mit sich.
Gleiche Grundrisse,
Aufrisse, Hausfor-
men, ja Einzelteile
wie Fenster und
Türen, ermöglichen
das Herausbilden
des Besten, Zuträg-
lichsten und Wirt-
schaftlichsten. Die
Einheitsform ist an
sich nichts Neues,
sie beherrscht un-
sere ganze Indu-
strie. Wir wissen,
wie eine Arbeits-
maschine durch
fortlaufende Fabri-
kation derselben
Grundform und
durch die sich sum-
mierenden Erfah-
rungen an demsel-
ben Gegenstande
besser und immer
besser wird, indem
kleine Mängel all-
mählich beseitigt,
schwache Stellen
verstärkt, Einzel-
teile durch geeig-
netere ersetzt wer-
den. Dieser Werde-
gang ist in der In-
dustriederbekannte
Weg zur Vervoll-
kommnung. Einen
solchen Weg sollten wir auch in der Bau-
ausführung beschreiten.
Freilich bedarf es dazu des bescheidenen
Sinnes des einzelnen Mitwirkenden, der,
gleichsam wie der Soldat in Reih und Glied,
sich als ein Teil eines großen Ganzen fühlt.
Bauten sind das eigentliche Kulturdenkmal,
das eine Zeit errichtet. Daraus folgt eine
gewaltige moralische Verpflichtung ihrer
Errichter. Jede wirkliche Begabung wird
von selbst zur persönlichen Leistung führen.
Das was der Mensch ist und in sich trägt,
prägt sich schon in seinem alltäglichen Tun
und Lassen aus, in seinen Gebärden, in sei-
ENTWURF: ARCH. E. J.
MARGOLDDARMSTADT
164
ner Art zu sprechen und sich zu bewegen.
Wieviel mehr wird es aus seinen Werken
zutage treten. Und so wird der Individua-
lität auch stets ihre Bahn offen bleiben und
zwar auch innerhalb einer zeitlichen und
örtlichen Bautradition. Eine solche aber
wieder zu erlangen, muß unser aller vor-
nehmstes Ziel sein.
Es ist beim heutigen Bauen eine eigentüm-
liche Erscheinung, daß auf der einen Seite
der Individualismus hervortritt und auf der
anderen das Bestreben herrscht, durch Kon-
trollkörperschaften die Baukunst zu lenken.
Der Irrtum ist fast alltäglich, daß man sich
wohl mit einer nicht ganz vollwertigen Kraft
begnügen könne, da ja für doppelte und drei-
fache Oberaufsicht und Prüfung gesorgt sei.
Diese Ansicht ist aber falsch in der Voraus-
setzung wie in der Schlußfolgerung. Eine
minder gute Kraft wird niemals ein gutes
Bauwerk entwerfen, ein schlechter Entwurf
aber kann niemals zu einem guten umge-
prüft werden. Aus Kommissionsbeschlüssen
wird niemals ein vollgültiges Architektur-
werk hervorgehen. Deshalb ist es von höch-
ster Wichtigkeit, bei Bauaufgaben, wie sie
bei den kriegszerstörten Ortschaften vorlie-
gen, vor allem möglichst gute Kräfte zu ge-
winnen, diesen sodann aber möglichste Frei-
heit zu gewähren. Nur auf diese Weise ist
gute Architektur zu erhoffen, und nur so
wird unsere Zeit der großen Aufgabe gerecht
werden können, die ihr durch das Kriegs-
schickSal auf baulichem Gebiete gestellt ist
VASE UND DOSE. SCHWARZ» EISZER CBERFANG UND GESCHLIFFEN
ENTW.: ARCH. E. J. MARGOLD-DARMSTADT B AUSF.: C. SCHAPPEL-HAIDA
Dekorative Kunst. XIX. 5. F«bruu 19X6
165
ARCH. OTTO PRUTSCHER-WIEN
VILLA R. BIENENFELD, BADEN: STRASZENFASSADE
166
ARCH. OTTO PRUTSCHER-WIEN
VILLA R. BIENENFELD, BADEN
O GARTENFASSADE G
aaiüi^ifaiiiiiiiii<<"fta
ARCH. OTTO PRUTSCHER-WIEN
167
VILLA R. BIENENFELD, BADEN: GARTEN
OTTO PRUTSCHER
Von den Problemen des modernen Kunst-
gewerbes steht im Augenblick wohl kei-
nes näher als das der industriellen Verarbei-
tung und Verbreitung seiner Formen. Denn die
nächste Folge des Krieges wird neben dem zeit-
weiligen Zurücktreten des Verbrauches male-
rischer und bildhauerischer Werke zweifellos
die vergleichsweise stärkere Inanspruchnahme
der kunstgewerblichen Erzeugnisse sein, die
dem latenten Kunstbedürfnis eine Befriedigung
schaffen, der geringeren Kaufkraft entgegenkom-
men und zudem jener Verschwisterung mit der
Industrie fähig sind, die bei der dann maßgeben-
der hervortretenden wirtschaftlichen Ueberle-
gung ihre Rolle wesentlich erleichtert. Daß diese
ökonomischen Erwägungen nach dem Kriege um
ein Beträchtliches an Gewicht zugenommen ha-
ben werden, läßt sich schon jetzt erkennen und
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ARCH. OTTO PRUTSCHER SPEISEZIMMER IN SCHWARZER EICHE
Ausführung von R. Ludwig-Wien — Beleuchtungskörper von den Wiener Werkstätten
168
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legt dem offen sehenden, mit wirklichen Ein-
sätzen rechnenden Teil der Künstlerschaft schon
heute die Pflicht auf, ihre Arbeit mit dieser
unumgänglichen Zeitforderung in Einklang zu
bringen. In diesem Sinne verstehen wir auch
jetzt den im Schöße des Werkbundes knapp
vor Kriegsausbruch laut gewordenen Ruf nach
Typisierung, ohne darum das Vollrecht der
schaffenden Persönlichkeit irgendwie verkürzt
sehen zu wollen. Denn dieses Recht bleibt ja
in seinem Wesen unangetastet, auch wenn die
künstlerische Urform auf jene VervielFältigung
Bedacht nimmt, die eine typische Verwend-
barkeit voraussetzt.
Es gilt nur sich zunächst des Wesens dieser
kunstgewerblichen Urform wieder einmal, wenn
auch von neuer Seite recht inne zu werden.
Von den beiden Worten, die zusammen das
eine „Kunstgewerbe" geben, hat gewiß das
erste nur wenig Recht an dem Begriffe. We-
nigstens wenn dem Begriffe „Kunst" das in
sich Schöne und Ganze, das Außergewöhnliche,
dem Alltäglichen Fremde wesentlich zugehören.
Sache des Kunstgewerbes ist in erster Reihe
Werkformen zu schaffen, die dem Material,
aus dem sie kommen, der Arbeitsweise, in der
sie hergestellt wurden, Hand oder Maschine,
und der Bestimmung, der sie dienen sollen, klar
und ganz entsprechen. Gegen diese dreifache
Gebundenheit haben die beteiligten Künstler
seit jeher nicht nur nichts einzuwenden gehabt,
sondern sie geradezu zum Grundsatze ihrer Ar-
beit gemacht. Wenn sich aus einem derart ge-
richteten Schaffensgange ein Sinngefälliges er-
gibt, so ist das noch immer nicht Kunst, son-
dern im äußersten Sinne Kultur des Handwerks
— und das ist unter Umständen noch mehr
als Kunst. Auch darf das Schöne mit allen sei-
nen Wirkungen, wie es zum geläufigen Kunst-
begriffe gehört, nicht auch notwendig zum Wesen
dieses Faches gerechnet werden, weil es sich
hier weder in den angeführten Grundsätzen der
Arbeit vorbedingt findet, noch auch ihr letztes
Ziel bedeuten kann. Kommt es zustande, dann
wird das Ergebnis dadurch vielleicht erfreuli-
cher, aber notwendig ist der Werkform nur die
überzeugende Erscheinung, die zugleich den
Charakter ihrer Wirkung bestimmt.
Bei solchen, wohl allgemein anerkannten
Voraussetzungen ist es nur schwer einzu-
sehen, aus welchen Gründen ein prinzipieller
Widerstand gegen eine, wenn auch nur teil-
weise Industrialisierung des Kunstgewerbes
schöpft. Hat einmal die Maschine den ihrer
Fähigkeit angemessenen Entwurf vom Künstler
empfangen, dann vermag sie alle drei Grund-
forderungen der Werkform restlos zu erfüllen.
Das Wünschenswerte und Notwendige einer
gewerblichen Vervielfältigung, wenn auch nur
durch Handarbeit, wird ja ohnedies von allen
Seiten zugegeben. Damit ist auch schon in
dem exklusiven, hier wenig angebrachten
Künstlerstandpunkt des Einmaligen, des ori-
ginalen Einzelstückes, eine Bresche gelegt.
Und die Konsequenz, die gerade hier im Form-
schaffen entscheidet, müßte sich nur ent-
schließen, auch logisch in Aktion zu treten,
um der Maschine und ihrem gesteigerten
Konventionalismus sein Recht zu geben, vor-
ausgesetzt, daß diese Konvention von echten
und modernen, d. h. zeitgerechten Künstlern
ausgeht, stets neue Werte schafft, und über-
dies dem Originale und dem Handwerk ihr
angemessener Teil an der Werkbewegung unge-
schmälert bleiben.
Der besondere Belang der Persönlichkeit
Otto Prutschers liegt nun in der Richtung
seiner Leistung auf die Industrie.
Geht man dem Werdewege dieses Künstlers
auch nur von ungefähr nach, dann wird man
diesen Charakter seines Werkes darin genug-
sam vorbereitet finden. Ein Selfmademan
ohne gelehrte Vorbildung. Von Beginn an
mit jeglichem Handwerk, das in sein Fach
schlägt, wohl und unmittelbar vertraut und in
diesem praktischen Umgange mit dem Arbeits-
stoff recht eigentlich erzogen. Der Sohn eines
Tischlermeisters, der selber den Lehrbrief
des Tischlers erwirbt, die Ferien zur Übung
in der Bauarbeit benutzt und zwischendurch
von Erziehungsstätten nur das besucht, was
der Hand eine unmittelbare Erfahrung bringt:
zuerst die graphische Lehr- und Versuchs-
anstalt, dann die Kunstgewerbeschule in Wien.
Hier gerät auch er in den wohltätigen Ein-
fluß Josef Hoffmanns, der auch an dieser Be-
gabung seinen redlichen Teil hat. Als er dann
auf Reisen geht, wird es wieder nicht Italien,
sondern England und Frankreich, und hier
wieder nicht die Kunst, sondern das Haus und
der Hausrat und das künstlerische Gewerbe,
was er aufsucht. Das alles kommt ihm nicht
von ungefähr entgegen, sondern ein zäher und
hartköpfiger Handwerkerwille muß sich Schritt
für Schritt dem Ziele näher durchschlagen.
Als Werdender kam er in die sturmvolle
Kampfzeit des Wiener Kunstgewerbes, geriet
mitten in den tollsten Wirbel. Und als er
fertig war, hatte die Richtung, die heute glück-
licherweise obenauf ist, schon gesiegt. Auch
das kam seinem Werke vielfach zugute : er
hatte genug Reibung zwischen den Gegen-
sätzen erfahren, um sich eine sichere Gesin-
nung zu bilden, und doch wieder nahezu alles
von dem Kraftaufwande erspart, den die Vor-
kämpfer an den Sieg ihrer Sache wenden
169
ARCH. OTTO PRUTSCHER-WIEN
VORRAUM IN DER VILLA M. ROTHBERGER, BADEN
ARCH. OTTO PRUTSCHER-WIEN
EINGANG ZUM DAMENSALON IN DER
VILLA M. ROTHBERGER, BADEN Q
170
ARCH. OTTO PRUTSCHER-WIEN
DAMENSALON IN DER VILLA M. ROTUBERGER, BADEN
ARCH. onu l'KUiSCUUK-VklLN
HALLE IN DER VILLA V, Ko , ..UERCER. BADEN
171
mußten. So konnte er frühzeitig aus diesen
widerstrebenden Bewegungen jene praktische,
verständige und verständliche Summe ziehen,
die viele, gutfundierte Brücken zur allgemeinen
Anerkennungund Aufnahme derNeuformen sei-
tens der breiten bürgerlichen Schichten schlug.
Auf diesem Wege ist er hier allmählich zu
einem erfolgreichen Regulator des bürger-
lichen Geschmackes geworden. Im Hausbau,
in der Innenausstattung, im Möbel, Schmuck
und Glas. Weitläufige Anlagen dieser Art
hat er bisher vor allem in Wien und Umge-
bung, in Deutschböhmen und Schlesien durch-
geführt. Sie bekennen sich durchaus zu den
Grundsätzen der Werkkunst, ohne die gesunde
mittlere Linie zu verlassen, nehmen klugen
Bedacht auf Art und Gesinnung des Bauherrn,
ohne darum die eigene zu verleugnen, und
leisten in diesem besonnenen Austausch tüch-
tiges Erziehungswerk, das der sozialen Auswir-
kung der Bewegung reichlich zustatten kommt.
Auf das gleiche Gebiet sozialer Vermittlung
gehört auch die Reihe räumlicher Ausstattungen
von Ausstellungen, mit denen der Künstler
in der letzten Zeit immer häufiger vor die
Oeffentlichkeit trat. Sie zeigen den gleichen
übersichtlichen und wohlgefälligen Zug, der
auch sonst seinen Raumleistungen eigen ist.
Auf demselben Wege bewegen sich dem Sinne
nach die den maßvollen Fortschritt des öffent-
lichen Geschmacks fördernden Innenausfüh-
rungen Wiener Kabaretts und Kaffeehäuser.
Wichtiger aber und vielversprechend erscheint
uns in dieser Richtung die erst kürzlich zu-
standegekommene Verbindung des Künstlers
mit einem führenden Unternehmen der öster-
reichischen Möbelindustrie, den Gebrüdern
Thonet. Denn hier übernimmt er einen brei-
testen, bereits vorhandenen Konnex mit allen
Schichten des industriellen Verbrauches und
gewinnt ein weites Feld künstlerischer Ver-
antwortung, dem er nach allen Voraussetzungen
die geeignete Kraft entgegenbringt. Hier muß
auch künftighin die stärkste Seite seiner Be-
gabung den Vollbeweis ihrer Leistungsfähig-
heit dartun : er wird in der Befruchtung der
Industrie durch überzeugende Werkformen zu
führen sein. Max Eisler
ARCH. OTTO PRUTSCHER-WIEN
ZIMMERECKE AUS DER VILLA
M. ROTHBERGER, BADEN B
172
JULIUS SEIDLER-MONCHEN
MADONNA VOM ANGERKLOSTER IN MÜNCHEN
JULIUS SEIDLEK-MÜNCIIKN
GEDENKTAFEL FOR GABRIEL v. SEIDL IN TOLZ
JULIUS SEIDLER, EIN MÜNCHNER HAUSPLASTIKER
Wir gelangen jetzt allgemach wieder dazu,
die eigentliche Bedeutung der deutschen
Kunst mehr und mehr im Lokalen, Typischen
und Nationalen zu sehen. Es hat sich gezeigt,
daß eine gesunde, wirklich gedeihliche Ent-
wicklung in den einzelnen Künsten immer
nur auf dem Boden guter
Ueberlieferungen stattfin-
det. „Die Kunst bedarf
des Lokalismus. Hier ist
derKantönligeistamPlatze.
In den heimatlosen Millio-
nen- und Verkehrsstädten
kann nichts wachsen."
Um aber eine Tradition
fortzusetzen und zu pflegen,
braucht man nicht zurück-
zublicken, sondern nur um
sich zu sehen und den
Volksgeist erkennen, der
sich immer wieder bild-
sam erweist. Im Volks-
charakter liegt noch so
viel Bildsames und Origi-
nales, daß der Künstler
nur darauf zu achten
braucht, um auch wieder
die Sprache zu finden, die
im Volke verstanden wird.
„Der Künstler soll darum
JULIUS SEIDLER
so lokal als möglich sein, innerlich und äußer-
lich, gegenständlich wie geistig."
Die besonderen Eigentümlichkeiten unseres
Volkes äußerten sich früher ebenso originell
als geistreich in den an Häusern und Geräten
angebrachten Inschriften. Man hat diese Haus-
sprüche sehr treffend
Volksepigramme genannt.
Sie zeigen oft über-
raschend witzige Gedan-
ken- und Wortspiele mit
humoristischen und cha-
rakteristischen Wendungen
und neben ihrer Sinnigkeit
einen fast kunstgemäßen
Schliff und eine treffliche
Präzision im Ausdruck.
Leider werden in un-
serem vielfach ins allge-
meine und internationale
strebenden Zeitalter diese
lokalen und individuellen
Besonderheiten immer
mehr verwischt. DerHaus-
spruch, als Merkzeichen
des individuellen Charak-
ters des Hauses ver-
schwindet immer mehr.
GEDENKTAFEL IN ^ur in vereinzelten Ge-
REicHERSBEUERN genden hält der Bauer
Uekotativc Kunst. XIX. 6. Mar/ 1916
173
CJ
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JULIUS
SEIDLER-
MONCHEN
FENSTER-
GEWÄNDE
AM RAT-
HAUS IN
BREMEN
noch so zäh daran, daß er, wie ein Reisender
berichtet, „in einem Hause ohne Spruch nicht
wohnen mag, das wie ein Ei sei ohne Salz".
Neuerdings hat sich das Volk dem Bilde
wieder geneigter gezeigt als dem Buchstaben.
Wenn diese volkstümliche „Bildung" an-
hält, steht zu erwarten, daß mit dem Haus-
spruche auch das Hausbild wieder ersteht. In
München, wo auch hier die Tradition nie ganz
abgebrochen wurde, hat das Hausbild schon
wieder seine fröhlichen Urständ gefeiert. Es
prangt al fresco an der Wand und es tritt als
Hausplastik im innigen Zusammenhang mit
der Hausarchitektur auf: Haus und Bild er-
scheinen hier miteinander verwachsen, denn
das Bild weist auf das Haus, seinen beson-
deren Charakter und seine Geschichte hin.
Wir sehen dies ganz deutlich an dem von
Honig & Söldner erbauten Hause zum Schönen
Turm und Weinhaus Kurtz, Ecke der Kaufinger-
und Augustinerstraße, das einen ebenso aus-
gesprochen modernen als lokalen Charakter hat.
Ein echtes Münchner Haus ist hier entstanden
und zwar auf ältestem Münchner Baugrund.
174
JULIUS SlilULHR-MÜNCHliN
ST. GEORG AM HAUS DR. WOLF
Vormalen stand hier der Schöne Turm und
gegenüber zur Seite waren die Augustiner.
Darum ist das Haus zum Schönen Turm be-
nannt und darum auch an der Hausecke der
Augustinermönch, der den Schönen Turm trägt
— ein Stücklein geschichtlicher Anschauungs-
unterricht auf der Straße, wie er origineller
und liebenswürdiger nicht erteilt werden kann.
Das Haus unterrichtet aber auch in der baye-
rischen Landeskunde. Die acht symbolischen
Figuren am Erker des
Hauses versinnbildlichen
die acht bayerischenKreise
in ihren besonderen Eigen-
tümlichkeiten. Zudem
weist auch das Handels-
büblein am Giebel gar artig
auf das Kaufhaus hin.
Um wieviel eindring-
licher, greifbar deutlicher
und unendlich liebens-
würdiger zeigt sich hier
das Hausbild an Stelle der
Firmenschilder und der
sonst üblichen Blechscha-
blone von Geschäftsschil-
dern und Reklametafeln.
JULIUS SEIDLER
Daraus ist auch ohne weiteres die ästhetische
Bedeutung und Stellung des Hauszeichens im
Straßenbilde klar zu erkennen. Nicht nur, daQ
es als Kunst an der Straße auftritt und dem
Straßenbilde eine künstlerische Note gibt, son-
dern es dient auch zur besseren Orientierung,
da man gewiß ein Bild besser im Gedächtnis
behält als viele Buchstaben. Durch seine Ein-
deutigkeit und Sichtbarkeit eignet sich
das plastische Hausbild vorzüglich als Merk-
zeichen für Geschäfts-
häuser.
Und in diesem Sinne hat
auch Julius Seidler eine
Anzahl solcher Hausbilder
für Geschäftshäuser ge-
schaffen, die auf den Cha-
rakter desGeschäftshauses
deutlich hinweisen. Am
Bekleidungshaus Isidor
Bach die beiden köstlichen
Bilder, auf Geisböcken
reitende Puttos mit Schere
und Bügeleisen, am Waren-
haus Tietz in Nürnberg
zwei Puttos, einer mit den
DR^loLF*'' "*"^ Abzeichen des Merkur und
175
JULIUS
SEIDLER-
MONCHEN
HAUSZEICHEN
AM HAUS ZUM
SCHÖNENTURM
IN MÜNCHEN
der andere mit der Wage; am Geschäftshaus
Dallmayr in München den Kaufherrn mit der
Wage, am Nürnberger Bekleidungshaus von
Bach den lustigen Schneider und das köstlichste
Hausbild an einem Metzgerhause, ein fettes
Schwein, darunter ein ganz kleines Kerlchen
mit dem Schlächtermesser. Man wird keinen
Augenblick im Zweifel gelassen, was solche
Bilder bedeuten. Sie wirken so unmittelbar
schlagend wie ein Plakat. Der Stil dieser Art
Hausbilder als Geschäftsabzeichen ist wie der
moderne Geschäftsstil lapidar, epigrammatisch,
präzis im Ausdruck; aber doch auch mit einem
behaglich anmutenden volkstümlichen Humor
gewürzt. Derselbe gemütliche Münchner Geist
spricht auch aus einer originellen Schenkung
des Künstlers, einem geschnitzten Faßboden
für ein Kriegsweinfaß im Münchener Rats-
176
JULIUS SEIDLER-MONCHEN
ERKERPLASTIK AM HAUS ZUM SCHÖNEN TURM
177
JULIUS StlULUK-.MCNCHEN
HAUS ZUM KAHl'UMCK IN
i;N
keller. Wie diese Poesie und Gemüt, Witz angebrachten Gedächtnistafeln, Schöpfungen
und Humor atmenden Hausbilder, erscheinen einer dem Leben nahestehenden volkstüm-
auch die zur Erinnerung an das verdienstvolle liehen Kunst. In diesem Sinne wirken die
Wirken hervorragender Männer an den Häusern Gedächtnistafeln von Gabriel von Seidl in Tölz
und für Geistlichen Rat
Probst in Reichersbeuern.
Diese Hauskunst erweist
sich am fruchtbarsten
auf dem Boden der Ar-
chitektur, sie treibt darin
ihre vollsaftigsten Blüten.
Gerade in der Beschrän-
kung auf ganz bestimmte
architektonische Punkte,
Tür- und Fenstergewände,
Erker, Portale, zeigt sich
erst die Kunst des Meisters.
Die Fenstergewände am
Rathausbau in Bremen,
die am Haus zum Schönen
Turm mit dem Erker an
der Augustiner- und Kau-
fingerstraße, das Relief an
der Poliklinik, der Reiter
am Zentraljustizgebäude in
Nürnberg und der am
JULIUS SEIDLER D HAUSPLASTIK AM
BEKLEIDUNGSHAUS BACH, MÜNCHEN
178
^ir>'
W^I^^SmW^j^l^^^'T'^''.
Gebäude der Landwehrinspektion des Bezirks-
kommandos München, geben dafür gute Bei-
spiele.
Wiederum als Hausschrauck im Sinne geist-
licher Hausbilder sind der große St. Christoph
und die Madonna am Angerkloster in Mün-
chen gehalten; ebenso das reizvolle Brünnlein
für den Hof dieses Klosters. Auch hier schöpft
der Künstler wieder unmittelbar aus dem Emp-
finden und der Bildkraft volkstümlicher Vor-
stellungen, auch hier kommt er wieder dem
Geist der alten Hausbilder nahe, die wie
Volkslieder der Skulptur anmuten.
Ihr Schöpfer, Bildhauer Professor Julius
Seidler, vertritt darin eine der liebenswürdig-
sten Seiten der Münchner Plastik. Und da
diese Kunst im engsten Zusammenhang mit
der Münchener Architektur steht, ist auch
ihr Schöpfer der berufene Architekturbild-
hauer und Mitarbeiter hervorragender Mün-
chener und auswärtiger Architekten. Er
stand Gabriel von Seid] nahe, dessen vor-
nehmste letzte Bauten, wie z. B. das Bremer
Rathaus, Seidler mit seinen Skulpturen
schmückte. Wie mit Gabriel v. Seidl, arbeitet
ßy^xti^
JULIUS SElDLHR-MlNCHEN ■ MADONNA UND
ST. CHRISTOPH AM ANGERKLOSTER IN MONOIEN
179
^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^>
JULIUS SEIDLER-MONCHEN
HAUSPLASTIK AN DER KGL. luLit^LiMK IN MÜNCHEN
er jetzt mit Emanuel v. Seidl, den Architekten und anderen hervorragenden Architekten, die
Professor Honig und Grässel, mit der obersten in ihren Bauten dem volkstümlichen Geiste
Baubehörde, den Architekten Bommel und der modernen tektonischen Plastik Raum
Baurat Göschel, Architekt Schulz in Nürnberg, geben. Alexander Heilmeyer
JULIUS SEIDLER-MONCHEN □ HAUSBRUNNEN IM ANGER-
KLOSTER IN MÖNCHEN
180
JULIUS SEIDLER-
MONCHEN
HAUSPLASTIK AM
ZENTRALJUSTIZGE-
BAUDE IN NCRNBERG
VON DER GESINNUNG IN ARCHITEKTUR
UND KUNSTGEWERBE
Die Erneuerung unseres architektonischen
und icunsthandwerklichen Schaffens setzte
ein mit einer starken Betonung des Ethi-
schen. Der Kampf gegen ödes Stilwesen,
gegen die Seichtheit der Nachahmung, gegen
Schundarbeit, gegen die Sinnlosigkeit, heutige
Lebensbedürfnisse einzupressen in Formen,
die einer anderen Lebensführung angemessen
waren, das Unwirtschaftliche und Unsoziale
dieses Raubbaus an den Kräften der Nation,
das alles waren Argumente mehr ethischer als
ästhetischer Natur. Mag sein, daß das Ueber-
betonen dieser Faktoren in erster Linie ein
taktischer Kniff der .Bewegung* war, daQ man
ganz richtig kalkulierte, daß bei der N'eran-
lagung des Deutschen Forderungen der Moral
eher aufgenommen werden würden, als An-
sprüche der Sinne, als das Verlangen nach
neuer und lebendiger Schönheit. Sei dem wie
ihm wolle, jedenfalls waren die Apostel der
Dekorative Kunst. XIX. 6. Nt.irz 1916
181
24
al.'
JULIUS SEIDLER-MONCHEN B HAUSPLASTIK AM HOTEL STADT WIEN IN MÜNCHEN
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JULIUS SEIDLER-MONCHEN FASSADE HOTEL STADT WIEN IN MÖNCHEN
182
JULIUS SEIDLER-MONCHEN
HAUSPLASTIK AM BHKLEIDUNGSHAUS
BACH IN Nürnberg
neuen Bewegung und vor allem die Schöpfer
der neuen Dinge erfüllt von einer Gesinnung,
die ihre Größe in der Lauterkeit des Wollens,
in einer Ueberzeugungstreue und Charakter-
festigkeit, in dem Streben, ihr ganzes Schaf-
fen auf Wahrhaftigkeit, Echtheit und innerliche
Gediegenheit zu stellen hatte. Was diese Ideen
sich als Sieg zuzuschreiben haben, ist auf diese
Reinheit der Antriebe zurückzuführen.
Vor wenigen Jahren noch konnte man über die
Objekte dieses Schaffens schreiben: „Indirekt
künden sie von Menschen, die sich erheben
möchten über materialistische Flachheit und
Erwerbsgier, die gute, schöne und frohe Ar-
beit leisten wollen. Der kunstgewerbliche Ge-
stalter, der die seichte Imitation und frivole
Banalität meidet, spendet damit dem Ersteher
einen innerlichen Ansporn, der wiederum
ethische Instinkte zu wecken vermag. Das
Einsetzen der besten Kraft, das ehrliche Wol-
len, die reinliche Ueberzeugung und der auf
die edle Leistung gerichtete Gedanke sind es,
die einem hier am kleinen Gegenstand so oft
entgegentreten. Wer die Gabe besitzt, hinter
183
24*
JULIUS SEIDLHK-
MONCHEN
GESCHNITZTER FASS-
BODEN IM MÜNCHNER
RATSKELLER
der einzelnen Erscheinung diesen ideellen
Drang zu verspüren, vermag auch auf diesem
Umweg eine innerliche Läuterung zu erfahren.
Und da das alles sich tagtäglich vor seinen
Augen befindet, wäre eine dauernde, gute Be-
einflussung denkbar."
Es ist bekannt genug, daß dieser ethische
Gesichtspunkt in jener Werdezeit allzu ge-
flissentlich in den Vordergrund geschoben
worden war, daß man um der Gesinnung
willen so manches Talent duldete, wenn nicht
gerade propagierte, das irgendwelche Ansprüche
auf Grund künstlerischer Leistungsfähigkeit da-
zu nie gehabt hätte. Es war sogar notwendig
gegen diese Ausartungen des Prinzipiengeistes
aufzubegehren und zu fordern, daß der Nach-
druck auf das künstlerische Temperament und
die Gestaltungsgabe gelegt werde. Die Form
sollte als das Wesentliche anerkannt werden,
denn schließlich ist große und gute Form ja
nicht denkbar ohne den Geist.
Diese Reaktion hat sich nun in einem Tempo
entwickelt, das doch sehr zu denken gibt. Aus
einer bedenklichen Ueberbetonung der Ge-
sinnung ist unter vielen unserer Architekten
und Kunsthandwerker eine Gesinnungs-
losigkeit geworden, gegen die wir uns,
wenn wir die deutsche Form in der Welt
durchsetzen wollen, wappnen müssen. An sich
ist ja zu erwarten, daß diese Kriegszeit, diese
Zeit des großen Ernstes und der allgemeinen
Ertüchtigung mithelfen wird, diese Charakter-
losigkeit im Künstlerischen zu beseitigen.
Für den künstlerisch Schaffenden gibt es nur
eine Moral, mit dem Einsatz aller seiner Kräfte
das Höchste und Beste aus sich herauszuholen,
was überhaupt in ihm drin ist. So blendend
auch vielen die Resultate erscheinen mögen,
die die Bewegung aufzuweisen hat, so sehr
ist doch in den letzten Jahren gerade von den
anerkanntesten Führern gegen dieses Grund-
gesetz gesündigt worden. Es liegt mir fern,
in diesem Augenblick ein Ketzergericht ab-
halten zu wollen, es sind auch nicht einzelne
Personen allein, die dieses Frevels zu zeihen
wären ; aber es gibt nach Messels und Olbrichs
184
JULIUS SEIDLER-MÜNCHEN
HAUSPLASTIK AM GESCHÄFTSHAUS DALLMAYR IN MÖNCHEN
Tode unter Architekten und Kunstgewerblem
gewiß nicht allzuviel Leute, von denen man
sagen könnte, daß sie jede der ihnen ge-
stellten Aufgaben mit dem Einsatz ihrer gan-
zen Kraft, mit dem Trieb, ein Aeußerstes zu
leisten, etwas einzigartig Echtes zu formen, zu
J. SEIDLER Q PLASTIK AM OESCHÄfTS-
HAUS BACH IN NÜKNBBRO
heiten einer Aufgabe, eine ganz
und gar ungeistige Atelierwirtschaft,
ein Jonglieren mit modisch un-
erlebten Formen , die in ihrer
Aeußerlichkeit den Mangel an wirk-
lichem inneren Gehalt verbergen
sollen. Ob es sich um einen Monu-
mentalbau oder um ein kleines Stück
Handwerkskunst handelt, immer ist
dieser sogenannte Künstler schon
am Ende, wenn seine eigentliche Ge-
staltungsarbeit erst beginnen sollte.
Das liebevolle Versenken in die Ein-
zelheit, das Herausarbeiten letzter
Feinheiten, das Veredeln eines
Materials aus seiner besonderen
Stofflichkeit heraus, die Besorgtheit
um die Nuance, das wirkliche Empor-
heben eines Handwerks zur Kunst,
wo finden wir das noch in jenen
Betrieben, deren Anschwellen wir
als Fortschritt der Bewegung ansehen
sollen?! Gewiß, es gibt noch immer
bewältigen — auch nur versucht hätten. Im
Gegenteil. Das allgemein beklagte Uebel ist
doch eine würde-, in einzelnen Fällen kann
man sogar sagen skrupellose Auftragshatz,
eine Gier nach einem klischeehaften Groß-
betrieb, ein Hinwegpfuschen über die Eigen-
. SUDLER ■ PLAtTlK AM OnCHATT»-
HAUS BACH IN NOanBOK)
185
JULIUS SEIDLER D HAUSPLASTIK AM BEZIRKSKOMMANDO, MÖNCHEN
diese von jenen Ideen beflügelte Gesinnung
als Ausnahmeerscheinung, noch immer und
immer wieder Einzelne, die eine Seligkeit
in der trefflichen Gestaltung eines Bau-
werks oder in der Verarbeitung eines Stück-
chens Silber, Bronze oder Eisen empfinden;
aber das Bezeichnende an dieser Entwicklung
ist, daß ihrer statt mehr weniger werden und
daß sie halb nur geachtet und in den selten-
sten Fällen gefördert, im Winkel sitzen müs-
sen, während ein gewandtes Machertum mit
Effekten, die so unkünstlerisch sind, so sehr
sie in die Augen springen, über diese wahre,
innerlich echte Qualitätsarbeit triumphiert.
Das aber ist zu erkennen, daß, wenn dieser
Schatz an eigentlich künstlerischer Gesinnung
in gleichem Maße weiter aus unserem archi-
tektonischen Schaffen heraus verschwinden
sollte, die Idee der neuen deutschen Form
zu einer Phrase herabsinken müßte.
Diese Gefahr bestand vor Ausbruch des
Krieges drohender, als von den Parteigängern
dieser betriebsam „Schaffenden" zugegeben
werden dürfte. Der Krieg ist vielleicht vielen
ein Mahner zur Besinnlichkeit. Mancherlei
Reklamesuggestionen haben aufgehört und hin-
ter der Fülle der Erscheinungen sieht man-
cher wieder einmal das Wesentliche: die Eigen-
heit und Tüchtigkeit der Leistung, auf die al-
lein es ankommt. Denn was hier verlangt wird:
die Gesinnungstreue einem künstlerischen Ideal
gegenüber, Charakterfestigkeit gegenüber den
Ansprüchen der Banalität, Bestimmtheit im
Wollen , Entschiedenheit in der Durchfüh-
rung eines Qualitätsanspruches, Unerbittlich-
keit gegen die eigene wie gegen jede andere
186
Leistung, diese innerlichste Sauberkeit, die
allein den Tüchtigen trotz aller Suggestionen
voran bringt, ist ja nichts, was vom Archi-
tekten oder Kunsthandwerker allein verlangt
würde; in und hoffentlich noch mehr nach
diesen Tagen wird es von allen gefordert, die
als aufbauende Glieder teil haben wollen an
der Erneuerung unseres geistigen und öko-
nomischen Lebens.
Was nach dem Krieg das Schicksal der
bildenden und angewandten Künste im Reich
sein wird, läßt sich noch nicht ermessen, und
prophezeien zu wollen, wäre Torheit. Wir
haben aus dem letzten Jahrhundert zwei große
Erfahrungen : die Zeit nach 70 mit ihrem
Gründerwesen, mit ihrem unechten, kunst-,
geist- und charakterlosen Schwulst und die
Epoche nach den Befreiungskriegen, die mit
Schinkel an der Spitze so viel edle Schönheit
entfaltete an Häusern, an Möbeln und an all
dem Kleingerät, das zugleich ein Entzücken
der Sinne und ein Beispiel rühmlichster Hand-
werkstüchtigkeit war. Es scheint mir nicht rich-
tig, den Unterschied zwischen diesen beiden
Schaffensperioden nur in der Wohlhabenheit
der Bevölkerungsschichten zu sehen. Reich-
tum, auch schnell zusammenspekulierter Be-
sitz muß nicht notwendig derartig ästhetische
Greuel erzeugen, wie sie die Generation von
70 hervorgebracht hat. Und es scheint mir
auch nicht so zutreffend hinter den Feinheiten
der Schinkel-Zeit lediglich das arme und arm-
selige Preußen zu sehen. Was diese Dinge
wert, was sie zu Abbildern der nationalen
Erneuerung macht, das war neben einem denk-
würdigen Empfinden für formale Feinheiten
diese echte aufs Große und ganz und
gar Gediegene gerichtete Gesinnung,
die vor hundert Jahren die Schaffenden aus-
zeichnete.
Wird dieses Ethos auch die Schaffenden von
morgen befruchten oder wird jenes ästhetische
Proletariat, das vor Kriegsausbruch Wohnungs-
kunst so massenhaft produzierte, wieder einen
Aufschwung im Stile der 70er Jahre erleben?
Paul Westheim
JULIUS SEIDLER-MÜNCHEN Gl HAUSZEICHEN
AN EINEM METZGERHAUS IN PFORZHEIM
187
BRUNO HEROUX' ZYKLUS „VAE SOLIS"
Totgesagte leben bekanntlich doppelt lange.
Das scheint auch von den radierten Zyklen
zu gelten, von denen viele immer wieder be-
haupten, sie seien längst gestorben — oder
aus der Mode, was ja dasselbe ist. Durch
und nach Max Klinger sind sie sehr beliebt
geworden, und jeder Künstler, der etwas auf
sich hielt, versäumte nicht, dieser General-
probe auf Phantasie, Geschmack, Geist, Er-
findung und technisches Können sich wenig-
stens einmal zu unterziehen. Und heute? Es
ist allerdings richtig, daß Zyklen, die in irgend
einem gedanklichen oder stilistischen Zusam-
menhang mit den Folgen Klingers stehen, all-
mählich recht selten geworden sind. Aber das
Bedürfnis, einen Ideenkomplex oder eine zu-
sammenhängende Folge von Gesichten in zyk-
lischer Form graphisch zu gestalten, ist heute
kaum geringer wie je und wird wohl ebenso-
wenig jemals ganz verschwinden, als etwa
die Dichter aufhören werden, Szenenfolgen
(Dramen) zu schreiben, oder die Musiker,
einzelne Sätze zu symphonischen Werken an-
einanderzureihen. Man hat es also, theoretisch
sozusagen, mit etwas durchaus Normalem zu
tun, wenn der Leipziger Graphiker Bruno
HfiROUx es auch einmal unternimmt, einer
Lieblingsidee zyklische Form zu geben. Nicht
ganz alltäglich ist dagegen die Art, wie H6roux
seine Aufgabe gelöst hat. Künstlerisch und
technisch steht er ja dem Kreis, der sich um
Klinger gebildet hat, nicht fern. Aber Hdroux
ist hier ebenso wie auf anderen Gebieten,
z. B. dem des Exlibris, das seit vielen Jahren
ein Hauptarbeitsfeld des ungemein fleißigen
Künstlers ist, seinen eigenen Weg unbeirrt
bis zum Ende gegangen. Und so ist in sechs-
jähriger, unverdrossener Arbeit etwas zustande
gekommen, das in technischer Beziehung den
Höhepunkt des bisherigen Schaffens des Ra-
dierers Heroux darstellt, durch seinen Ge-
dankengehalt und die Art seiner graphischen
Formung aber ein leidenschaftliches Bekennt-
nis des Menschen und Künstlers geworden ist.
Die Technik, in der die acht Blätter dieser
Folge ausgeführt sind, ist Radierung (Aetzung)
und — bei den Akten — Stichradierung, die
H6roux im Laufe der Jahre mit höchster Vir-
tuosität zu behandeln gelernt hat. Die Haupt-
ursache für die unbestreitbare monumentale
Wirkung des ganzen Zyklus wie der meisten
Einzelblätter aber dürfte in der Beschränkung
auf je zwei Akte zu suchen sein. Und die
Kraft des Ausdrucks dieser beiden Körper
erinnert manchmal fast an die Wirkung be-
seelter Plastik, deren Wesen ja ebenfalls die
Zusammenfassung und die Zurückführung auf
die letzte und einfachste Formel ist.
Die Grundidee des Zyklus, der sechs figür-
liche Blätter zwischen zwei landschaftliche
stellt und damit an den Kreislauf alles Lebens
von der unbestimmten Allgemeinheit (der
Natur) zur Individualität, zur Zweiheit und
wieder zurück zur Natur erinnert, ist die
Entwicklung eines Menschenpaares von der
Gebundenheit und Konvention zur seelischen
Freiheit. Dargestellt (gewissermaßen exem-
plifiziert) wird das an dem Geschick zweier
Liebender, die beide lange einsam und sehn-
süchtig, vielleicht sich ahnend, durch die kalte
Steinwüste des Lebens irrten, bis sie an einer
Wegkreuzung staunend und erschauernd sich
fanden. Nun folgen die ersten Stunden reinster
Seligkeit: das Weib zu Füßen des Mannes
und den Klängen lauschend, die er der Geige
entlockt. Trunken vor Glück vertrauen sich
beide dem Licht, aber schon müssen sie be-
merken, wie die Gemeinheit, der Neid, der
Zwang und wie alle die Menschheitsplagen
heißen, von allen Seiten an sie herankriechen.
Dornen umkrallen die zuckenden Herzen der
beiden Einsamen, um ihrer idealen Gesinnung
wegen Ausgestoßenen ; mühselig schleppt der
Mann das geliebte Weib auf seinen Armen
durch den endlos scheinenden Sumpf, in dem
alles Häßliche, Niedrige und Platte der Welt
sich gegen sie bläht und sie herabzuziehen
sucht. Aber in einer glücklichen Stunde ge-
winnen sie doch als Sieger festen Grund, das
Land der Freiheit. Und dankend opfern sie
im heiligen Hain vor dem Altar der Ewigkeit.
Wenn Einfachheit das sicherste Kennzeichen
des Bedeutenden und Echten ist, dann darf
auch dieser Zyklus Anspruch auf hohe Schät-
zung erheben. Er gehört zu den Werken,
die durch gewisse äußere Momente sofort für
sich einnehmen, deren Letztes und Tiefstes
aber sich doch erst dem erschließt, der sich
länger mit ihm beschäftigt. Und liegen auch
die künstlerischen Ideale Heroux' manchmal
ziemlich weit ab von denen der Modernsten, so
wird doch, und vielleicht sogar schon bald, eine
Zeit kommen, die dem Wollen und Können
dieses ernststrebenden und gestaltungsfrohen
Künstlers ganz gerecht zu werden vermag.
Verdient hätte er es jedenfalls, daß man sich
für ihn interessierte, solange er aus dieser
Teilnahme noch ideellen Gewinn für sein
Schaffen zu ziehen vermag. Damit es nicht
auch einmal von ihm heißen muß : Vae solis,
d. h. Wehe denen, die allein geblieben sind !
Richard Braungart
188
BRUNO HEROUX
AUS DEM ZYKLUS „VAE SOLIS" (RADIERUNG)
BRUNO HCROUX
Dekorative Kunst. XIX. 6. März I9t6
AUS DEM ZYKLUS „VAE SOLIS" (RADIERUNG)
189 as
ARCH. H. MUTHESIUS-BERLIN
FABRIKGEBÄUDE DER SEIDENWEBEREI MICHELS
& CIE., NOWAWES: REPRÄSENTATIONSHALLE a
DIE MECHANISCHE SEIDENWEBEREI MICHELS & CIE.
IN NOWAWES BEI POTSDAM
Für den Bau der Seidenweberei Michels &Cie.
in Nowawes lag ursprünglich die Absicht
vor, die übliche Sheddachkonstruktion anzu-
wenden; der unterzeichnete Architekt sollte
lediglich einen Frontbau dazu entwerfen, in
dem einige Verwaltungsräume unterzubringen
waren. Die Shedbauform gilt bei vielen Fabri-
kanten noch heute als unübertrefflich. In No-
wawes war sie aber schon deshalb nicht recht
geeignet, weil der große Webesaal nach dem
Wunsch des Bauherrn von einer Mittelhalle
im Verwaltungsgebäude aus in seiner ganzen
Ausdehnung überblickt werden sollte. Bei
näherer Untersuchung stellte es sich heraus,
daß sie nicht einmal wirtschaftlich vorteilhaft
war, und dann ergaben Studienreisen des für
die Ingenieurkonstruktion verantwortlichen Mit-
arbeiters Karl Bernhard, daß sie gerade für
Seidenwebereien durchaus nicht mehr allge-
mein verwandt wurde, vielmehr in neueren An-
lagen vielfach durch einheitliche Hallenkon-
strukiionen ersetzt war.
Diese Erhebung war um so willkommener,
als sie die Handhabe bot, den Gedanken der
Teilung des Baues in einen Shedbau und eine
vorgesetzte Schauarchitektur endgültig zu be-
seitigen und auf eine einheitliche Entwicklung
des ganzen Bauwerkes loszugehen. Denn eine
baukünstlerische Lösung ist nur möglich, wenn
der Bau als eine organische Einheit aufgefaßt
wird. Nun erst konnte den weiteren Ab-
sichten des Bauherrn entsprochen werden, die
Fabrik gleichzeitig als Werbemittel für sein
kaufmännisches Großgeschäft zu betrachten.
Das altbekannte Seidenhaus Michels &Cie. ent-
faltet seine Haupttätigkeit durchaus im Handel.
Einzelne Warengattungen mußten aber im Selbst-
betriebe erzeugt werden, was bisher in einer an-
gemieteten Fabrik in Krefeld geschah. Die Ver-
legung nach Berlin hatte, abgesehen von der
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192
193
bequemeren Verbindung mit dem Haupthause,
den Nebenzweck einer größeren Ankündigungs-
wirkung. Ein Bauplatz an der vielbefahrenen
Eisenbahnstrecke Berim — Potsdam schien für
den Zweck sehr geeignet. Der Fabrik mußte ein
repräsentatives Gepräge gegeben werden, Würde
der Erscheinung und eine gewisse, der Feinheit
der Seidenweberei entsprechende Vornehmheit
schwebte als Ziel der Gestaltung vor. Der Webe-
saal wurde zu einem großen, durch keine Zwi-
schenstellung beengten Räume ausgebildet, be-
stehend aus einem rundbogig überdeckten Mittel-
schiff und zwei flach überdeckten Seitenschiffen.
Das Mittelschiff bezeichnet die Hauptachse des
Gebäudes, in der vorn die Repräsentationshalle
liegt. Zwischen ihr und dem Webesaal sind
ganz große Spiegelscheiben eingesetzt, die beim
ersten Schritt in die Halle bereits den Blick
auf den ganzen, in Tätigkeit befindlichen Webe-
saal erschließen. Durch das herausragende Mit-
telschiff war die äußere Gruppierung der Bau-
masse vorgezeichnet. Es ergab sich ein her-
ausgeschobener Mittelbau, vor den zugleich die
Vorfahrt gelegt wurde. Die niedrige Lage des
Bauplatzes nötigte zur Anlegung eines Unter-
geschosses, wodurch eine den Verhältnissen
des Baues zugute kommende größere Höhen-
entwicklung erreicht wurde. Der Unterbau ent-
hält reich bemessene Wohlfahrtsräume, die
Schlosserei, Lagerkeller, Vorbereitungsräume.
Vor der Vorfahrt erfolgt die Frischluftentnahme
für die höchst sorgsam bedachte Belüfiungs- und
Befeuchtungsanlage. Die Luft wird hinter einem
Wasserfall entnommen, der ihr die für Webe-
zwecke unerläßliche Feuchtigkeit zuführt. Es
ist selbstverständlich, daß diese Einrichtung
architektonisch verwertet wurde. Das aus der
Rampe herausspringende Wasser ergießt sich
kaskadenartig in ein vor der Rampe liegendes
Wasserbecken.
Die äußere Architektur ist denkbar einfach.
Die ohnedies notwendigen Mauerstärken sind
dadurch, daß die Fensternischen zurückgesetzt
sind, zu pfeilerartigen Gebilden gestaltet, die
Pfeiler enden in einem großen Zahnschnitt, der
gleichzeitig die Kapitale für die Pfeiler und
das Hauptgesims für den Bau bildet. Der Bau
sollte sich durch die Pfeilerbehandlung etwas
an das alte friderizianische Stadtbild Pots-
dams anschließen, vor dessen Toren er sich
erhebt. Als Material wurden dunkle, klein-
formatige holländische Steine verwendet. Auch
alle Innenräume des Baues sind in Form ge-
bracht. Außer der Repräsentationshalle wurden
die Bureauräume, die Räume des Chefs und des
Direktors, ein Konferenzsaal, sowie auch die
Wohlfahrtseinrichtungen: Waschräume, Eßsäle,
Garderoben und Baderäume angemessen aus-
gestattet.
Das eigentlich Bemerkenswerte an dem Bau
ist die Art und Weise, wie hier die Baukunst in
den Dienst der geschäftlichen Werbetätigkeit
gestellt ist. Man hört so häufig die Ansicht
vertreten, daß jeder Fabrikbau, da er so billig
wie irgend möglich hergestellt werden müsse,
notwendigerweise häßlich sei. Wenn nun auch
längst nachgewiesen ist, daß man auch einen
bloßen Nutzbau durch gute Verhältnisse zu
einem architektonischen Gebilde gestalten kann,
so bleibt doch noch die Frage zu erörtern, ob
es denn nicht sogar angebracht sei, auch auf
einen Fabrikbau etwas höhere Ausstattungs-
kosten zu verwenden, um dem Bau neben sei-
nem eigentlichen Zweck eine gesteigerte ge-
schäftliche Werbekraft zu verleihen. Es ist be-
kannt, welche hohen Beträge große Geschäfte
heute auf ihr Ankündigungswesen verwenden.
Beläuft sich diese Summe z.B. für ein Geschäft
auf 200 000 M. jährlich, so liegt der Gedanke
doch sehr nahe, einmal den Versuch zu machen,
einen kleinen Teil davon, und seien es auch
nur 10 000 M., auf die von einer guten Archi-
tektur ausgehende Werbewirkung zu verwenden.
Vielleicht daß sie besser angelegt sind als in
Zeitungsankündigungen, die in dem Annoncen-
teil doch mehr oder weniger unbemerkt auf-
gehen. 10000 M. sind aber S^/o Zinsen von
200000 M., eine erkleckliche Summe, um
einem großen Verwaltungs- oder Fabrikgebäude
eine höhere künstlerische Anziehungskraft zu
verleihen. In vorliegendem Falle erreichen aber
die besonderen Ausgaben für künstlerische
Ausstattung noch lange nicht diese Höhe. Aller-
dings hat die marmorausgestattete Repräsen-
tationshalle allein etwa 60 000 M. Kosten ver-
ursacht, auch liegt ein gewisser Mehraufwand
in den holländischen Steinen für die Außen-
architektur und in der besseren Ausstattung
der Innenräume. Immerhin betragen alle Mehr-
ausgaben nur 128000 M., also noch nicht ein
Viertel der Gesamtbausumme von 538000 M.
Die Zinsen dieser besonderen Aufwendung be-
laufen sich demnach auf 6 400 M. jährlich.
Das ist aber ein verschwindend geringer An-
teil an den Gesamtreklamekosten des Hauses.
Hoffentlich wird die Erkenntnis immer allge-
meiner, daß es keine edlere, eindrücklichere
und dauerhaftere Reklame gibt als eine gute
Architektur. Unsere Warenhäuser haben dies
längst eingesehen. Auch unsere Fabrikations-
betriebe sollten es mehr und mehr erkennen.
Hermann Muthesius
194
Wenn Kunst höchster und monumentaler Ausdruck
lebendiger Zeitgedanken ist, so hat die Kunst in
unserem Jahrhundert einen schweren Stand gehabt.
Denn die Gedanken der Zeit haben in hartem
Ringen gelegen mit den Gedanken anderer, ver-
gangener Zeiten, mit den Mächten der Geschichte.
Einer der eigentümlichsten Charakterzüge unseres
Jahrhunderts ist dieser Verteidigungskampf histo-
rischer Mächte und Gedanken, die sich ein Organ
geschaffen haben, wie es gleich ausdrucks- und
anspruchsvoll in keiner früheren Zeit begegnet.
Dieser eigentümliche Sinn des neunzehnten Jahrhun-
derts ist der historische Sinn, die historische Pietät
Karl Ne umann
ARCII. II. MUTHESIUS-BERLIN
■ FABRIKGEBÄUDE DER SEIDENWEBEREI
MICHELS & CIE., NOWAWES: TREPPENAUFGANG
195
fr<r
ARCH. KARL SIEBRECHT-HANNOVER
AUSSTELLUNGSHAUS DER KEKSFABRIK BAHLSEN AUF DER
KÖLNER WERKBUND-AUSSTELLUNG: SEITENFASSADE □
EIN BAHLSEN-AUSSTELLUNGSHAUS
Wo die Platzfläche vor dem Hauptgebäude
der Kölner Werkbundausstellung in jene
überging, die durch das Theater, das Fabrik-
und Bureaugebäude und das Haus der Frau
gebildet wurde, schob sich, zwar selbstbewußt
und eigen, aber harmonisch zum ganzen und
trotz exponierter Lage unaufdringlich, an die
Längsseite der Festhalle heran ein reizvoller
Bau, das Ausstellungshaus der Keksfabrik
Bahlsen. Der Erbauer, Architekt Karl Sifb-
RECHT-Hannover, gab dem kleinen weißen Bau
eine ganz schlichte Form. Front und Seiten-
flächen werden durch Tür und gleichförmige
Fenster aufgeteilt. Zwischen diesen kerami-
scher Schmuck, durch gefällige Bogen mitein-
ander verbunden. Davor Säulen mit Figuren
aus gleichem Material, entworfen von Bildhauer
Ludwig Vierthaler -Hannover, ausgeführt
von Ernst Teichert G. m. b. H., Meißen, deren
jede in irgendeiner Beziehung zum Keks steht.
Dieser geschickt geformte, schönfarbige Zie-
rat gab den Fensterauslagen eine stilvolle
Fassung und dem ganzen Bau den lebendigen,
liebenswürdigen Charakter, den man als Fort-
setzung der in Bahlsens Packungen zum Aus-
druck gelangenden Schönheitsidee von ihm
füglich erwarien muß. Das Innere des Hauses
bestand aus einem Ausstellungsraum, an den
sich nach hinten eine erhöhte Nische anschloß.
In dem zweckmäßig mit Klinkern ausgelegten
Vorderraume dominierten natürlich die Aus-
lagen. Da sprudelten förmlich die Farben der
Packungen von Julius Diez, Aenne Koken,
Margold, Mela Köhler und anderen. Daneben
Dosen, Schalen, die das Bestreben zeigen,
die Kunst in weiteren Dingen zu Worte kom-
men zu lassen, die aber alle unmittelbaren
Zusammenhang mit der Ware haben und trotz
ihrer Mannigfaltigkeit nicht über das Sachliche
hinausgehen. Diese Erkenntnis überhaupt geht
hier dem Beschauer ohne weiteres auf: die
treibende Kraft des Unternehmens ist in der
Durchgeistigung der Arbeit konsequent bis zum
äußersten; bis in die Gestaltung der Bauten,
196
\RCH. KARL SIEBRECHT-HANNOVER
AUSSTELLUNGSHAUS DER KEKSFABRIK BAHLSEN AUF
DER KÖLNER WERKBUND-AUSSTELLUNG S PLASTISCHER
SCHMUCK VON LUDWIG VIERTHALER HANNOVER ■
Dekorative K<inftt. XIX. 6. Mar« 1916
197
ARCH. KARL SIEBRECHT-HANNOVER
AUSSTELLUNGSHAUS DER KEKSFABRIK BAHLSEN AUF
DER KÖLNER WERKBUND-AUSSTELLUNG G PLASTISCHER
SCHMUCK VON LUDWIG VIERTHALER-HANNOVER □
198
\RCI1. KARL SIEBRECHT-HANNOVER
AUS DEM INNERCN DES AUSSTELLUNGSIIAUSES DER KEKSFABRIK
BAHLSEN AUF DER KOLNER WERKBUND AUSSTELLUNG ■
190
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ARCH. KARL SIEBRECHT-HANNOVER Q AUS DEM INNEREN DES AUSSTELLUNGSIiALiLi
DER KEKSFABRIK BAHLSEN AUF DER KÖLNER WERKBUND-AUSSTELLUNG
die der eigenen Sache dienen, sie fördern und,
ohne vom Thema abzuschweifen, das Hohelied
der Schönheit in die Welt tragen.
Die Verwirklichung dieser Idee erfordert
Mäßigung am geeigneten Platz. Und so mußte
in diesem Vorderraum die Architektur als Folie
dienen. Siebrecht verstand das. Er blieb dezent.
Und da, wo er hervortreten mußte, tat er es in
geschickter, feinsinniger Art. Als Sitzgelegen-
heit dienten in diesem Räume zwei prächtige
holzgeschnitzte Bänke des inzwischen im Kriege
gefallenen Bildhauers Georg Krüger-Berlin.
Der erhöhte Raum ist schmaler als der vor-
dere; an jeder Seite befindet sich ein kleines
Nebengelaß. Die Nische selbst ist mit Tischen
und Polstermöbeln ausgestattet und hat an der
Rückwand ein breites Fenster. Das Inventar
ist von Siebrecht entworfen und dem Ganzen
harmonisch angepaßt.
Siebrecht hat mit diesem Bau ein feines
abgerundetes Werkchen geschaffen. Der intime
Reiz des Hinterraumes erhöht die sachliche
Wirkung des vorderen und umgekehrt. Aber
das alles vollzieht sich ohne harte Uebergänge.
Die zielbewußte Hand des Architekten wirkte
in der Gestaltung der beiden verschiedenarti-
gen Räume ausgleichend, so daß sie als eine
Arbeit aus einem Guß erscheinen. c. s.
200
Die außerordentliche Umgestaltung der Ver-
kehrsmittel, der Produktionsverhältnisse durch die
Herrschaft der Maschine hat sich in allen mo-
dernen Kulturländern, wenn nicht in gleichem Maße,
so doch überall in fühlbarster Weise vollzogen.
Die Einwirkungen dieser Umwälzungen auf alle
Gebiete der Technik, der Industrie, auch des Kunst-
gewerbes, der Kunstindustrie sind allerorten nahezu
die gleichen ; vor allem müssen diese Einwirkungen
auf das Formgefühl im allgemeinen überall in ähn-
licher Weise sich geltend machen. So gewiß es
nun höchst wünschenswert ist, daß nationale und
lokale Eigentümlichkeiten, Färbungen und Schat-
tierungen möglichst erhalten bleiben und in lebens-
kräftiger Fortentwicklung ein reiches und mannig-
faltiges Bild gesunder, bodenwüchsiger Kunst er-
stehen lassen, so undenkbar muß es doch erscheinen,
daß die allmähliche Herausbildung eines spezifisch
modernen Stilgefühls zunächt in nationaler Ab-
geschlossenheit vor sich gehen könne. Das An-
knüpfen an die heimische Tradition wird ja wohl
überall die sicherste Grundlage für das Neuzu-
schaffende gewähren ; aber dieses Anknüpfen darf
nicht ein Fortschreiten nach den praktischen An-
forderungen der modernen Kulturzustände hindern,
auch nicht in ästhetischer Hinsicht den Geist in
die Gefühlssphäre einer entschwundenen Epoche
bannen wollen. R. Streiter
AKCII. KAHL Sll.HKi:CHT-tlANNOVER Q AUS DEM AUS-STELLUNGSHAUS
DER KEKSFABRIK BAHLSEN AUF DER KÖLNER WERKBUND-AUSSTELLUNG
GESCHNITZTE BANK VON GEORG KRCGER
201
^ii^/i&rii
..•f.'.i*.* «■; rrjjirÄi
Aus dem Jahrbuch des
Deutschen Werkbundes 1915
KUNSTSCHLOSSER JULIUS SCHRAMM-BERLIN
OBERLICHTGITTER UND KIRCHENSCHLCSSEL
202
Aus dem Jahrbuch des
Deutschen Werkbundes 1915
PAUL WOENNE-SOLINGEN. MESSER ■
AUSFÜHRUNG VON R. WOLFF JUN., SOLINGEN
JULIUS SCHRAMM-BERLIN, ROSETTE ■
203
Aus dem Jahrbuch des
Deutschen Werkbundes 1915
BRONZEGIESSEREI S. A. LOEVY-BERLIN G
TORGRIFFE UND BESCHLAGE NACH ENTWÜRFEN VON
PETER BEHRENSJULIUS LÖNHOLDT UND BRUNO PAUL
204
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D. UND K. SCHULZE-DORTMUND
GEWERKSCHAFT VIKTORIA: BLICK IN EINE GIEBELSTRASZE
KLEINSIEDLUNGEN
Unter den Aufgaben, die die deutsche Bau-
kunst nach Beendigung dieses gewaltig-
sten aller Kriege zunächst werden beschäftigen
müssen, stehen die Probleme der Siedlung an
erster Stelle. Die Siedlungsfrage war bereits
vor dem Kriege dringlich gewesen, sie hat
durch diesen Krieg eine erhöhte Wichtiglceit
bekommen und ihre Lösung wird nach diesem
Kriege unverzüglich und mit gesammelter Kraft
in Angriff genommen werden müssen. Es trifft
sich gut, daß eine solche Konzentration aller
Kräfte, wie sie zu einer glücklichen Lösung
dieser die Lebensinteressen der ganzen Nation
berührenden Frage wird gefordert werden müs-
sen, in natürlicherweise schon durch die Lage
der Dinge geboten ist. Denn die übrigen Auf-
gaben der Baukunst, namentlich die der mo-
numentalen und dekorativen Architektur, wer-
den für die nächste Zukunft neben den Fragen
des Siedlungswesens schon deshalb zurück-
treten müßen, weil öffentliche Mittel für andere
als die notwendigsten Ausgaben nicht verfüg-
bar sein werden. Wie immer dieser gewaltige
Krieg auch ausgehen mag, zu wessen Gunsten
schließlich die Entscheidung fallen wird, er
fordert von allen Parteien gleich schwere Opfer
und er wird für alle Beteiligten eine so starke
materielle Erschöpfung bringen, daß fürs erste
an eine tatkräftige Förderung der sogenannten
Kulturaufgaben kaum zu denken sein wird.
Man wird überall damit zufrieden sein müssen,
wenn die unumgänglichsten Bedürfnisse des
Tages befriedigt werden können. Für Deutsch-
land aber bedeutet die Lösung der Siedlungs-
und Wohnungsfrage eine solche unaufschieb-
bare Forderung des Tages. Eine drückende
Wohnungsnot wird bei der unfreiwilligen Ruhe-
zeit, zu der sich das Baugewerbe während des
Krieges verurteilt sieht, nicht ausbleiben kön-
nen, und schon jetzt deuten sichere Anzeichen
darauf hin, daß namentlich an Kleinwohnungen
ein empfindlicher Mangel eintreten wird. Eine
Dekorative Kunst. XIX. 7. April 1916
205
27
D. UND K. SCHULZE-DORTMUND
KÜLüML L. MANNST AEDT, TROISDORF: GESAMTANSICHT
D. UND K. SCHULZE-DORTMUND
energische Siedlungsarbeit wird ferner nament-
lich auch in den von den Zerstörungen des Krie-
ges schwer getroffenen Gebieten einsetzen müs-
sen; hier wird eine ganze Reihe von Ansied-
lungen buchstäblich neu zu schaffen sein. Auch
machen sich jetzt bereits in erfreulicher Weise
Bestrebungen geltend, welche die künftig in
großem Umfang notwendig werdende Versor-
gung der Kriegsinvaliden mit Hilfe einer groß-
zügig betriebenen Ansiedlungspolitik durch-
führen wollen und durch Schaffung von Krieger-
heimstätten und -kleinsiedlungen die Kräfte
dieser um das Vaterland verdienten Männer
auch künftig zu ihrem Heil und zum Segen
der ganzen Nation nutzbar machen möchten.
Es kommt hinzu, daß sich im Siedlungswesen
bereits vor dem Kriege vielfach Mißstände ge-
zeigt haben, die zu ernsten Bedenken Ver-
anlassung geben mußten. Erst vor kurzem hat
der Berliner Stadtbaurat Fritz Beuster in einer
kleinen Flugschrift sehr überzeugend nach-
gewiesen, daß Deutschland eine so gewaltige
Kraftprobe wie diesen Krieg nicht zum zweiten
Male wird bestehen können, wenn es nicht
durch eine planvolle Reform des städtischen
Siedlungswesens auf eine nachhaltige Stärkung
seiner Volks- und Wehrkraft hinzuwirken be-
strebt ist. Die Ungunst der städtischen Wohn-
weise tritt erschreckend in den statistischen Er-
hebungen zutage, nach denen die Militärtaug-
lichkeit in den Großstädten im Mittel nur vier
Fünftel (in Berlin sogar nicht einmal die Hälfte)
des ländlichen Durchschnitts beträgt, sie wird
grell beleuchtet durch die alarmierenden Nach-
richten über den Rückgang der Geburtenziffer,
der kürzlich erst wieder im Preußischen Ab-
geordnetenhaus Gegenstand erregter Debatten
gewesen ist. Vergleicht man aber diese sta-
tistischen Ziffern über den Geburtenstand im
einzelnen miteinander, so zeigt es sich, daß
Ueberschüssenurnoch in denStädten beobachtet
wurden, wo eine weiträumige Bebauung vor-
herrscht, wo, wie etwa noch in Bremen, der
Kleinhausbau gegenüber dem Stockwerkhaus
und der gesundheitsgefährlichen Mietskaserne
überwiegt. Damit ist aber auch das siädte-
bauliche Ziel, das bei der Lösung des Sied-
lungsproblems anzustreben ist, in der Haupt-
sache schon angedeutet. Es wird darauf an-
kommen, eine systematische Auflockerung
des großstädtischen Siedlungsverbandes her-
beizuführen und für jenen Teil der städti-
schen Bevölkerung, der nach Maßgabe sei-
nes Einkommens auf die Kleinwohnung an-
gewiesen ist — und das sind nach Erhe-
bungen der Statistik vier Fünftel aller Groß-
stadtbewohner! — Ansiedlungsformen zu
schaffen, die eine wirksame Kräftigung und
ein sicheres Wachstum der Volksgesundheit
gewährleisten.
Das großstädtische Wohnungsproblem stellt
sich also im Kern als eine Frage der Klein-
wohnungsfürsorge dar. Die mannigfachen An-
forderungen aber, die in technischer, gesund-
heitlicher und sozialer Beziehung an die Klein-
wohnung zu stellen sind, vermögen am voll-
kommensten die Hausformen des Flachbaues
zu erfüllen. Diese Bauweise stellt dem Massen-
miethaus mit Stockwerkshäufung die isolierte
Einzelzelle entgegen, das Kleinhaus mit Garten,
zwei- bis dreigeschoßig angelegt und zum Ob-
dach für eine bis höchstens vier Familien
bestimmt. Es tritt als freistehendes Einzel-
haus oder, nachbarlich Wand an Wand neben-
einandergebaut, auch als Reihenhaus auf.
Zum Normaltypus des städtischen Kleinhauses
ist das Reihenhaus am besten geeignet. Schon
aus ökonomischen Gründen. Es bietet alle
Vorteile einer rationellen und wohlfeilen Bau-
ausführung, da es nur zwei Schauseiten hat
und gemeinschaftliche Brandgiebel zugelassen
werden können. Ueberdies ist beim Gruppen-
und Reihenhausbau eine Herabminderung der
strengen, für das hohe Stockwerks- und Mas-
senmietshaus auch kaum zu entbehrenden Kon-
struktionsvorschriften ohne Bedenken zulässig.
Die Aussenmauern können schwächer, die
Innenwände leichter ausgebildet, die Breiten-
maße der Treppen können verringert werden,
Maßnahmen, durch die eine beträchtliche Ver-
billigungder Hausbaukosten herbeigeführt wer-
den kann. Es kommt hinzu, daß das beider-
seitig eingebaute Reihenhaus auch leichter
zu erwärmen und warm zu halten ist, als das
freistehende Einzelhaus. Ganz allgemein aber
verdient das Einfamilienhaus gegenüber dem
Mehrfamilienhaus schon deshalb den Vorzug,
weil es eine größere Bewegungsfreiheit ge-
währt, weil jede Familie ihren besonderen
Hauseingang hat, was namentlich in Fällen
ansteckender Krankheiten von Bedeutung ist,
und überdies ganz nach eigener Willkür über
die zum Hause gehörigen Nebenanlagen, über
Stall und Garten, verfügen kann, wodurch
Zank und Unfriede zwischen den Parteien
vermieden oder wenigstens nach Möglichkeit
eingeschränkt werden. Auch wird vielfach —
ob mit Recht oder Unrecht bleibe dahin-
gestellt — behauptet, daß das Einfamilienhaus
in besonderer Weise geeignet sei, den Sinn
für Ordnung und Häuslichkeit zu fördern.
Sicher ist, daß das Kleinhaus dieser Art, es
sei als Reihenhaus oder als freistehendes
Einzelhaus errichtet oder auch mit mehreren
gleichartigen zu einer Gruppe verbunden, in
jedem Fall aber mit einem kleinen Stück
207
27»
Gartenland zu wirtschaftlicher Nutzung, zu
Obst- und Gemüsebau ausgerüstet, die beste
und gesündeste Form der Kleinwohnung bietet.
Jede Siedlungsreform muß daher letzten En-
des darauf abzielen, dem Flachbau mit Hilfe
einer großzügig betriebenen Boden- und Ver-
kehrspolitik die wirtschaftlichen Existenzbe-
dingungen zu schaffen und an Stelle des
Massenmiethauses in großem Umfang wieder
das Kleinhaus mit Garten einzubürgern. Es
kommt darauf an, im Vorgelände der Groß-
städte kleine selbständige Wohnkolonien in
offener Bauweise zu schaffen, Kleinsiedlungen
halb städtischen, halb ländlichen Charakters,
die mit voller wirtschaftlicher Autarkie und
eigener Gemeindeverwaltung ausgerüstet, als
ein grüner Kranz blühender Tochterstädte die
Mutterstadt umziehen.
Bei der Plangestaltung dieser weiträumigen
Siedlungen ist von den Formen des Klein-
hauses auszugehen. Die für das Haus nebst
zugehörigem Garten benötigte Grundfläche be-
stimmt die Tiefe des Baublocks. Sie bildet
das Grundmaß für die Blockgestaltung und
bestimmt damit zugleich das Schema für die
Aufteilung des Geländes. Was nun die Grund-
rißbildung des Kleinhauses betrifft, so läßt
die Einfachheit der Aufgabe naturgemäß nur
eine beschränkte Anzahl von Lösungen zu.
Die Häuser unterscheiden sich im Grunde
nur dem Typus nach, als Ein- oder Mehrfa-
milienhaus, als Einzel-, Reihen- oder Grup-
penhaus; und auch innerhalb dieser Typen-
form gibt es Unterschiede eigentlich nicht so
sehr der Art, als der Größe nach, je nach
dem Umfang der verfügbaren Grundfläche
und je nach Zahl und Größe der geforderten
Räume. Im allgemeinen wird bei der Pla-
nung solcher Kleinhäuser davon auszugehen
sein, daß die Küche zugleich als Wohnraum
benutzt werden kann. Denn die Küche bildet
im Kleinhaus den eigentlichen Mittelpunkt
des Familienverkehrs. Hier schaltet die Haus-
frau, hier spielen die Kinder, hier werden die
Mahlzeiten eingenommen, hier „am häuslichen
Herde" verbringt die Familie, wie zu Zeiten
des alten deutschen Bürgerhauses, gemeinsam
die freien Stunden des Feierabends. Und es
hat sich gezeigt, daß selbst in den Häusern,
in denen eine besondere Wohnstube vorhan-
den ist, von dieser Gewohnheit nicht abge-
gangen wird : auch hier lebt man nach altge-
wohntem Brauch in der Küche, während das
Wohnzimmer ungenützt bleibt und als die
wohlbekannte „gute Stube" mit besonderer
Schonung behandelt wird. Es hat sich daher
LUDWIG RUFF-NORNBERG
GARTENVORSTADT WERDERAU BEI NÜRNBERG: VIER EINFAMILIENHÄUSER
208
ARCH. BAURAT SCHMOHL
KOLONIE ALTENHOF DER F. KRUPP A.-G.
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ARCll. BAURAT SCUMUliL
KOLONIE GEWERKSCHAFT EMSCHER-LIPPE DER
F.KRUPP A.C.: BLICK IN EINEN WOHNHOF ■
209
LUDWIG RUFF-NÜRNBERG
GARTENVORSTADT WERDERAU BEI NÜRNBERG: EINFAMILIENHAUSER
heute allgemein die Einrichtung sogenannter
Wohnküchen eingebürgert, die als Koch- und
Wohnraum zugleich dienen und ausreichenden
Platz zur Aufstellung eines großen Eßtisches
und mehrerer Sitzgelegenheit in Form von
Stühlen und Wandbänken bieten. Eine solche
Wohnküche erleichtert der Hausfrau den Wirt-
schaftsbetrieb, sie gestattet eine schnelle Be-
LUDWIG RUFF-NÜRNBHRü Gl W OHNUNGSKOLOME ANGERHAUSEN DER MASCHINENFABRIK
AUGSBURG-NÜRNBERG, WERK DUISBURG: DREI EINFAMILIENHAUSER
dienung des Eßtisches und eine bequeme
Zureichung der Speisen bei den Mahlzeiten;
sie erspart überdies im Winter die Beheizung
eines Zimmers, Vorteile, für die in der Regel
eine Beschränkung des eigentlichen Wohn-
platzes gerne in Kauf genommen wird. Vielfach
schließt sich an die Wohnküche eine kleine Spül-
küche an, die als Abwasch- und Reinigungs-
raumdient,und
in der zugleich
auch die Bade-
wanne unterge-
bracht wird.
Außer diesen
Räumen ent-
hält das Erdge-
schoß gewöhn-
lich noch eine
Stube, die, je
nach Bedarf,
als Wohn- oder
als Schlafraum
benützt wird,
während im
Obergeschoß,
je nach der
Größedes Hau-
ses, zwei bis
drei Schlafzim-
mer unterge-
bracht sind.
Das Stallge-
bäude, groß ge-
nug, um einige
Hühner und
vielleicht auch
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JAKOB GÖTTEL-STALLUPÖNEN
SOMMERHAUSCHEN
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JAKOB GÖTTEL
GRUNDRISZ DES SOMMERHÄUSCHENS
eine Ziege darin unterzubrin-
gen, wird entweder als selb-
ständiger Bauteil ausgeführt,
oder auch, um der Hausfrau
durch Verkürzung der Wege
den Wirtschaftsbetrieb zu er-
leichtern, als kleiner Anbau
unmittelbar mit dem Hause
verbunden, so daß es mit
diesem einen geschützten Win-
kel einschließt, der für die
Anlage der Hauslaube ausge-
nützt werden kann. Um eine
möglichst wohlfeile Bauaus-
führung, wie sie bei diesen
Kleinhäusern stets aus Spar-
samkeitsrücksichfen geboten
ist, zu gewährleisten, emp-
fiehlt es sich, für den Grund-
riß eine einfache, geschlos-
sene Form anzustreben. Eine
solche Grundform bietet auch
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HERMANN MUTHESIUS-BERLIN
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HERMANN MUTIIESIUS-BERLIN
Dekorative Kunst. XIX. 7. April 1916
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KLEINHAUSER IN HELLERAU
213
KLEINHAUSER IN DIISBL'RG
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REG.-BAUMEISTER CHARTON-KIEL B ZWEIFAMILIENWOHNHAUSER FOR ARBEITER AM KAISER WILHELM KANAL
für die architektonische Gestaltung große Vor-
teile, da sie eine klare Dachlösung ergibt und die
Ausbildung eines einfach und übersichtlich zu
gliedernden Baukörpers gestattet. Als vorbild-
lich für die GrundriÖgestaltung des Reihenhau-
ses können die hier S. 216, 219 u. 224 abge-
bildeten Hauspläne aus der Gartenstadt Hellerau
bei Dresden (entworfen vom Architekten Kurt
Frick) und aus der Kolonie Staaken bei Span-
REG.
BAUMEISTER CHARTON U. KLATT-KIEL B ZWEIFAMILIENHAUS FOR UNTER-
BEAMTE DER MARSCHBAHNVERLEGUNG
dau (entworfen vom Architekten Paul Schmitt-
henner) gelten. Was die Ausgestaltung des
Gartens betrifft, der beim Kleinhaus in der
Regel nur als Nutzgarten für Obst- und Ge-
müseanpflanzungen dient und zugleich auch
den Kindern einen behaglichen Aufenthalt
zum Spielen im Freien bieten soll, so wird
er am zweckmäßigsten in unmittelbarer Ver-
bindung mit dem Hause hergerichtet, so daß
Haus und Garten eine
Einheit bilden und der
Garten gewisserma-
ßen eine Erweiterung
des Hauses darstellt.
Ein erfahrener Fach-
mann wie L.Migge rät,
das Obst in solchen
Gärten nur als Zwerg-
und Spalierobst anzu-
pflanzen und Hoch-
und Halbstämme nur
vereinzelt zu verwen-
den. Dagegen sollte
Beerenobst in allen
Formen, sowie als Zier-
strauch der schwarze
Hollunder angepflanzt
werden.
Innerhalbeines Bau-
blocks werden nun die
Häuser, die sich in
214
KUG.-ÜAUMEISTUR CUAKTONKILL □ UKlill AMILILMIAUS FCR UNTLliliLAMTL AM KAISER WILHELM-KANAL
gleichartiger Ausbildung wiederholen, in Grup-
pen oder in langen Reihen zusammengefaßt, oder
auch innerhalb derselben Gruppe mit anderen
ähnlichen Typen kleineren oder größeren Maß-
stabs verbunden. Die Blöcke erhalten eine lang-
gestreckte, schmale, möglichst rechteckige
Grundform und bleiben an den Schmalseiten
unbebaut, um dem Winde ein kräftiges Durch-
streichen zwischen den Häusern zu ermöglichen.
Da man an diesen offenen Seiten einen freien
Einblick ins Innere der Baublöcke bekommt,
so ist es angebracht, auch die Rückfronten
der Häuser architektonisch mit derselben Sorg-
falt auszubilden wie die Straßenseiten (vgl.
die Abbildung S. 227). Um den Häusern eine
günstige Sonnenlage zu geben und das Licht
bis in die letzten Winkel der Wohnung zu
führen, werden die Straßen, so weit als mög-
lich, in der Nordsüdrichtung geführt. Nur
die wenigen Hauptstraßen werden als Ver-
kehrsstraßen in größerer Breite angelegt und
mit einem für schwereres Fuhrwerk berech-
neten, solide befestigten Fahrdamm versehen.
Weniger noch als in der Stadt ist es in der
Kleinsiedlung angebracht, die Hauptstraßen
übermäßig breit anzulegen. Was an öffent-
lichem Straßenland gespart wird, das kommt
stets den Hausgärten als Gewinn zugute.
Und die Pflege von Grünflächen ist, abge-
sehen von ihrem sanitären Wert, auch wirt-
schaftlich billiger als die Unterhaltung von
Asphaltwegen. Solcher Verkehrsstraßen be-
darf es übrigens in der Kleinsiedlung nur in
geringer Zahl; meist wird es genügen, die
vorhandenen Landstraßen auszubauen und im
übrigen vielleicht noch eine die Siedlung
durchquerende größere Verbindungsstraße an-
zulegen. Diese kann dann in zweckmäßiger
Weise im Zentrum der Anlage zu einem
größeren Platz erweitert werden, an dem das
Gasthaus, die größeren Geschäfte, vielleicht
auch das Schul- und Gemeindehaus liegen.
Durch diese in größeren Formen gehaltenen
Bauwerke wird dem Platz, der im übrigen
als Marktplatz zugleich auch praktischen
Zwecken dient, eine gewisse architektonische
Bedeutsamkeit gegeben, die ihn als Zentrum
der ganzen Anlage wirkungsvoll heraushebt.
Hier mag auch seitwärts des quer über den
Platz geführten Verkehrsweges ein Denkmal
oder ein Zierbrunnen Aufstellung finden (vgl.
die Bebauungspläne der Kolonie Forstfeld
bei Kassel und Kolonie Gröba i. S., AbbiN
düng S. 218 und S. 224).
215
KURT FRICK-STALLUPÖNEN
BEBAUUNG DER STRASZE 9 IN DER GARTENSTADT HELLERAU
Die Übrigen StraOen der Kleinsiedlung sind
als sogenannte Nebenstraßen auszubilden, die
vom Durchgangsverkehr ganz freizuhalten
sind und deren Breitenabmessungen daher
nur auf einen Verkehr mit leichten Hand-
wagen und Karren zu berechnen sind. Viel-
fach werden sogar einfache „ Gartengänge " ge-
nügen, worunter schmale Wohnwege zu ver-
stehen sind, die als leichtgepflasterte Ver-
bindungswege mit beschränkter Längenaus-
dehnung zwischen befahrbaren Straßen an-
gelegt werden. Sie können, in Anbetracht
des geringen Verkehrs, den sie aufzunehmen
haben, ohne Bürgersteige ausgeführt werden
und brauchen kaum breiter als drei Meter zu
sein. Auch die Sackgasse und der Wohnhof,
wie er heute vielfach noch in alten holländi-
schen und norddeutschen Städten (Lübeck,
KURT FRlCK-STALLUPONEN G ERD- UND OBERGESCHOSZ EINES EINFAMILIEN-REIHENHAUSES IN HELLERAU
216
217
KURT FRICK B KOLONIE GRÖBA BEI RIESA: LAGEPLAN
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KURT FRICK
KOLONIE GRÖBA BEI RIESA: ACHTFAMILIENHAUS
KURT FRICK
KOLONIE GRÖBA BEI RIESA: GRUNDRISZ
EINES ACHTFAMILIEN-REIHENHAUSES B
218
KURT FRICK-STALLUPÖNEN 13 GARTENSTADT HELLERAU : ANSICHT l:lNtS FONFFAMILIEN-REIHENHAUSES
KURT 1 RlCK-SIALLUruNLN
GARTENSTADT HELLERAU: ZEHNFAMILIEN-BEIHENHAUS
219
Hamburg) anzutreffen ist, kommen in der
Kleinsiedlung wieder neu zu Ehren. Sie for-
dern schon ihrer Anlage nach die Ausschlie-
ßung jeglichen Durchgangsverkehrs und bieten
so den Anwohnern in gesundheitlicher Hin-
sicht noch den bedeutenden Vorzug einer ab-
gesonderten, von Lärm und Staub der Fahr-
straße freien Lage. Die Anlage von Wohn-
höfen bietet insbesondere auch ein ausge-
zeichnetes Mittel zu zweckmäßiger und wirt-
schaftlicher Aufschließung tiefer Baublöcke.
Den behaglichen Eindruck, den ein solcher
Wohnhof bietet, zeigt die Abbildung Seite
209, die einen Teil der von dem Architekten
Schmohl erbauten Kruppschen Arbeiterkolonie
Emscher-Lippe darstellt. Er ist auf drei
Seiten von insgesamt vierzehn Kleinwohnungen
umgeben, die zu je zweien unter einem Dach
vereinigt sind; die Häuser sind durch nied-
rige Stallgebäude zu einer geschlossenen Flucht
zusammengefaßt. Was die Führung der Stra-
ßen betrifft, so sei bemerkt, daß die Frage,
ob die gerade oder krumme Richtung zu
wählen ist, im allgemeinen nach der Beschaf-
fenheit des Geländes zu entscheiden sein
wird : die Straße muß in jedem Falle den
Höhenlinien zu folgen suchen, damit ein
günstiges Steigungsverhältnis erzielt wird. Ist
auf dem Gelände älterer Baumbestand vor-
handen, so ist unter allen Umständen zu ver-
suchen, diesen zu erhalten und in den Stra-
ßenplan einzubeziehen. Alte Bäume bieten
für jede neue Kolonie eine wertvolle Gabe,
die nicht in unbedachter Weise verschmäht
und mißachtet werden darf. Sie sichern mit
ihren vollen, dichtbelaubten Kronen der jun-
gen Kolonie den Eindruck des Eingewach-
senen, der die Behaglichkeit und Wohnlich-
keit wesentlich erhöht und der sich sonst,
bei der Anpflanzung junger Bäume, erst
nach vielen Jahren einzustellen pflegt. Ein
schönes Beispiel dafür, wie ein zufällig
P. SCHMITTHENNER-BERLIN
STRASZE DER GARTENSTADT STAAKEN BEI SPANDAU
220
f. s,c:ilMll IHLNNLKBtHLIN Q U AKTbNb 1 AU i blAAKLN Ul 1 M'ANDAU: REIHENHÄUSER
vorhandener älterer Baum in geschickter Weise
für das Straßenbild nutzbar gemacht werden
kann, zeigt die Kruppsche Kolonie Altenhof,
aus der auf Seite 209 eine Abbildung gezeigt
wird. Im übrigen läßt sich die angestrebte Weit-
räumigkeit der Siedlung dadurch noch wesent-
lich steigern, daß man auch den Straßen eine
gartenähnliche Ausgestaltung gibt, daß man
sie mit Bäumen bepflanzt und vor den Häu-
sern, an Stelle von Vorgärten, breite Rasen-
streifen hinzieht und daß man schließlich noch
die ganze Siedlung an geeigneten Stellen mit
größeren Freiflächen, mit Sport- und Spiel-
plätzen durchsetzt.
Für die architektonische Ausbildung der
Kleinsiedlungen ist in den letzten Jahren von
der industriellen GroOunternehmung und von
gemeinnützigen Baugesellschaften, unter de-
nen an erster Stelle die Deutsche Garten-
stadtgesellschaft zu nennen ist, eine große
Reihe von ausgezeichneten Vorbildern geschaf-
fen worden, deren Anregungen künftig bei der
Lösung ähnlicher Aufgaben mit Erfolg verwertet
werden können. Bei der Gestaltung der Klein-
häuser ist man von jener früheren Anschauung,
die in romantischer Weise die Bedeutung der
Aufgabe überschätzte und ihre Lösung in einer
verkleinerten Nachbildung bürgerlicher Land-
hausarchitekturen suchte, allmählich zu einer
weniger prunkvollen, aber sachlicheren Auffas-
sungdurchgedrungen. Man hat gelernt, mit ein-
fachen Mitteln, durch ruhige, geschlossene
Formengebung und namentlich auch durch aus-
giebige Benutzung der Farbe charakteristische,
aus dem Zweck entwickelte Bauformen zu
schaffen. Die Zeiten, wo man die Kleinsied-
lungen, ohne an die einfache Lebenshaltung
ihrer Bewohner zu denken, zu architektonischen
Schaustücken nach dem Vorbild der Reklame-
arbeiterdörfer englischer Seifen- und Schoko-
ladefabrikanten ausbildete, sind längst vorüber.
Im Anschluß an die vortrefflichen Beispiele
pckorntive Kunst. XIX. 7. April 1916
221
P. SCHMITTHENNER-BERLIN
GARTENSTADT ST AAKEN BEI SPANDAU: VIERFAMILIENHAUS
ländlicher Bauweise, namentlich des alten
deutschen Bauern- und Handwerkerhauses, ha-
ben die Architekten versucht, neue Hausformen
herauszubilden, die den heutigen Lebensbe-
dürfnissen entsprechen und auch in der inneren
Ausstattung — auch im kleinsten Reihenhaus
fehlt heute die Badegelegenheit nicht — den
gesteigerten sanitären Anforderungen genügen,
die gerechter Weise auch bei einfachen Ver-
hältnissen zu stellen sind. Dieser planvollen
Siedlungsarbeit ist es zu danken, daß sich allent-
halben bereits bestimmte Typen des bürger-
lichen Kleinhauses herauszubilden beginnen,
Typen, die in den einzelnen Gegenden, je
nach dem Charakter und den klimatischen
Bedingungen der Landschaft und entsprechend
den besonderen Lebensgewohnheiten der An-
siedler verschieden sein mögen, im Ganzen
aber in den Grundformen doch übereinstimmen.
Eine gewisse Gleichheit in der architektonischen
Erscheinung ist, da die Baubedürfnisse inner-
halb einer solchen Kleinbürgersiedlung für die
einzelnen Häuser sich im großen Ganzen kaum
unterscheiden, nicht zu vermeiden, sie ist im
übrigen aus wirtschaftlichen Gründen sogar
geboten. Denn man wird die Kosten des Klein-
hausbaues wesentlich herabmindern können,
wenn für einzelne Bauteile, zum Beispiel für
die Fenster und Türen, für die Beschläge und
Gitter, für die Treppen und Dachgesperre, be-
stimmte, sich stets wiederholende Einheits-
formen und -maße eingeführt werden, sodaß
eine massenweise und fabrikmäßige Herstel-
lung dieser Teile ermöglicht wird. Durch solche
Vereinheitlichung wird die künstlerische Wirk-
ung in keiner Weise beeinträchtigt; im Gegen-
teil, bei regelmäßiger Wiederholung bestimmter
Einheiisformen wird es leichter sein, ruhige
und geschlossene Architekturbilder zu schaffen.
Eine allzu eintönige Wirkung wird man da-
durch vermeiden, daß man einzelne Häuser
durch reicheren Giebelschmuck oder durch
besondere Ausbildung der Hauseingänge von
ihren Nachbarn unterscheidet, daß man allzu-
lange Fluchten durch Vor- und Rücksprünge
einzelner Häusergruppen gliedert oder an ein-
zelnen Stellen, zum Beispiel gegenüber einer
Straßeneinmündung, die farbige Einheit unter-
bricht, etwa in die Flucht geputzter Häuser-
fronten einmal eine dunkelrote Backstein-
fassade einfügt. Auf diese Weise kann dem
Straßenbild bei aller gebotenen Einheitlichkeit
eine reiche Mannigfaltigkeit gegeben werden.
Ueberdies wird sich auch durch die farbige
Behandlung der einzelnen Hausteile, nament-
lich des sichtbaren Holzwerks, der Zäune,
222
Türen, Fensterläden usw. jede gewünschte Ab-
wechslung erzielen lassen.
In welcher Weise diese Grundsätze architek-
tonischer Gestaltung praktisch zu wirksamer
Anwendung zu bringen sind, lehren die Ab-
bildungen dieses Heftes, die einzelne Straßen,
Häuser und Häusergruppen aus jenen Klein-
siedlungen darstellen, wie sie vor dem Kriege
in Deutschland bereits ausgeführt worden sind.
Vortreffliche Beispiele für die architektonische
Ausbildung kleiner Wohnhäuser bieten die
Bauten von Jakob Göttel (S. 212), Paul
Mebes (S.228), Hermann Muthesius(S. 213)
und D. u. K.ScHULZE-Dortmund (S.205u.2O6).
Und um den entscheidenden Einfluß zu erken-
nen, den die klimatischen und örtlichen Verhält-
nisse jeweils auf die Bauweise ausüben, ver-
gleiche man etwa die glatten niedrigen Back-
steinhäuschen, die den Arbeitern am Kaiser
Wilhelm-Kanal als Wohnung dienen, mit den
breit gelagerten, behäbigen Hausgruppen, wie
sie Theodor Fischer in München und Ludwig
Ruff in Nürnberg errichtet haben. Die ernsten
kleinen Backsteinhäuschen mit ihren weißge-
strichenen Fenstern und ihren niederen Mauern,
die sich vor der Gewalt der Winde gleichsam
zur Erde niederbeugen, sind ebenso nur im Bilde
des norddeutschen Küstenlandes denkbar, wie
die freundlichen, weiträumig angelegten Häuser
der Kolonie Neu-Westend und der Siedlung bei
Nürnberg mit ihren breiten, fast quadratischen
Fenstern, ihren gedrungenen Gliederungen und
ihren behäbigen Dächern auf die behagliche
Physiognomie der bayerischen Hochebene hin-
deuten. Ein mustergültiges Beispiel für eine
wirkungsvolle Gruppenbildung bietet das kleine
P. SCHMITTHENNER-BERLIN
GARTENSTADT STAAKEN BEI SPANDAU: VIERFA.MILIENHAUS
223 »
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PAUL SCHMITTHENNER
GARTENSTADT STAAKEN BEI SPANDAU: REIHENHAUSER
PLATZFRONT, GARTENFRONT UND GRUNDRISSE a
PAUL SCHMITTHENNER
BEBAUUNGSPLAN DERJKOLONIE FORSTFELD BEI KASSEL
224
FR. OSTENDORF t
GESCHÄFTSHAUS IN DER GARTENSTADT KARLSRUHE
FR. OSTENDORF
i.ULi .1: VON ACHT Kl.NFAMlLlENHAüsfcRN
IN DER GARTENSTADT KARLSRUHE ■
225
BAUBORO DER GARTENSTADT
KARLSRUHE, BAULEITER BOTZ
ZWEI GRUPPEN VON JE ZWÖLF EINFAMILIEN-
HAUSERN IN DER GARTENSTADT KARLSRUHE
FR. OSTENDORF t
GRUPPE VON ZWÖLF EINFAMILIENHÄUSERN
IN DER GARTENSTADT KARLSRUHE B
226
PAUL MEBES-BERLIN
REIHENHAUSER IN ZEHLENDORF
Zweifamilienhausaus Moorhusen (Entwurf Reg.-
Baumeister Charten und Klatt, Abb. S. 2 1 4): die
beiden Wohnhäuser schließen zwischen sich
das niedrige Stallgebäude ein, das in der Mitte
eine gemeinsame Waschküche enthält, und um-
fassen an drei Seiten den gemeinsamen Hof;
an den Außenseiten der Wohngebäude sind die
Vorratsräume angebaut, über die ein mächtiges
Schleppdach gezogen ist. In welcher Weise
eine längere Häuserreihe durch vorspringende
Giebelbauten wirkungsvoll zu gliedern ist, zeigen
die Straßen derGartenstädte Hellerau und Karls-
ruhe; es sei besonders auf die schönen, von
Kurt Frick erbauten Häusergruppen hinge-
wiesen, die auch in der geistreichen Durch-
bildung aller Einzelheiten die geschickte Hand
eines fein empfindenden Künstlers erkennen
lassen. Und für die glückliche Wirkung kon-
sequent und streng durchgeführter Einheits-
formen mögen schließlich die Straßen der nach
Plänen des Archtitekten Paul Schmitthenner an-
gelegten Gartenstadt Staaken bei Berlin zeugen.
Die gleichmäßige Wiederholung des straffen
Giebelmotivs gibt den Straßen einen breiten.
wenn auch etwas eintönigen Rhythmus; diese
Eintönigkeit aber wird durch einen lebhaften,
mehrfach in den Grundtönen wechselnden far-
bigen Anstrich wieder aufgehoben, der in das
Gesamtbild eine fröhliche Buntheit bringt.
An diese Vorbilder wird künftig bei der
künstlerischen Lösung des Siedlungsproblems
anzuknüpfen sein. Daß diese Lösung nur im
Sinne einer durchgreifenden Dezentralisation
der Großstädte möglich ist, zeigen die ernsten,
die Volksgesundheit gefährdenden Uebel, die
sich bei fortschreitender örtlicher Verdichtung
ergeben. Diesen Verdichtungstendenzen gilt
es mit allen Kräften entgegenzuwirken; denn
der Bestand der Nation steht auf dem Spiel.
Und in diesem Sinne wird die Kleinsiedelung,
das angestrebte Endziel der Siedlungsreform,
zugleich zu einem wichtigen Werkzeug der
Bevölkerungspolitik. Sie allein bietet Woh-
nungsformen, die, indem sie Licht und Luft
in die letzten Winkel dringen lassen, alle Be-
dingungen zu einem gesunden Dasein erfüllen,
die auch den Kinderreichtum wahrhaft wieder
zu einem Segen werden lassen und die es er-
227
möglichen, einen nicht geringen Teil der zum
Leben nötigen Nahrungsmittel auf eigenem
Boden selbst zu gewinnen. Damit aber schaf-
fen sie ein Band, das die Bevölkerung aufs
neue fest an den Boden des Vaterlandes bin-
det. Alles aber, was in der Besiedelung eines
Volkes die Verdichtung verlangsamt, erhält
zugleich auch den Staat jung. Wenn daher
im Gefolge dieses Krieges die kleinräumigen
Tendenzen im Leben der Nation erneut und in
stärkerem Maße wieder zur Geltung kämen,
wenn durch eine Dezentralisation großen Stils
und durch umfassende Gründung von Klein-
siedlungen eine neue Seßhaftmachung der Be-
völkerung gelänge , so würde man beruhigt
sagen können, daß das dunkle Gewölk, das
zurzeit das zukünftige Schicksal Deutschlands
noch umhüllt, bereits ein kräftiger Hoffnungs-
strahl durchbricht.
Walter Curt Behrendt
PAUL MEBES-BERLIN
HAUS MILDNER IN ZEHLENDORF
228
ARCII. DAGOBERT PECHE
VITRINENUMGANG AUF DER WIENER MODEAUSSTELLUNG
DIE WIENER MODEAUSSTELLUNG
Die Modeausstellung, die jetzt im Oester-
reichischen Museum zu Gaste ist, gibt
ein vorgeschrittenes Stadium der weiter
zurückreichenden und ausgreifenden Aktion
des Gewerbeförderungsamtes, die bald nach
Kriegsanfang mit einer Sammlung der
künstlerischen und industriellen Kräfte ein-
gesetzt hatte. Wer den Weg auf ein soziales
Ziel im Kampfe gegen die Teilinteressen,
wer die Schärfe des Gegensatzes zwischen
Künstler- und Händlertorderungen und end-
lich die Besonderheit dieser Widerstände
im Oesterreichischen auch nur von unge-
fähr kennt, wird schon vor der Beharrlich-
keit des geistigen Urhebers, Adolf Vetters,
Achtung gewinnen müssen. Und wird dann
auch das vorliegende Stadium nicht nach
seinen tatsächlichen Ergebnissen, sondern
nach seinen organisatorischen,nichtschlecht-
hin nach den gebotenen Werten, sondern
nach ihren Richtungen einschätzen.
Alles kam darauf an, welcher Modefaktor
in den Mittelpunkt der Bewegung gesetzt
würde. Im Extrem konnte das der Künst-
ler oder der Verbraucher sein. Beide Wege
sind in Wien beschritten worden. Aber jene
Arbeitsrichtung, von der wir hier sprechen,
entschied sich von Beginn an für die zen-
trale Rolle des Künstlers und gab damit dem
Modeakte eine feste Linie, die mit der der
übrigen Wiener Wertarbeit zusammenfiel.
Der Rückhalt am Künstler, namentlich am
Kreise der Kunstgewerbeschule, hat hier
dem Unternehmen eine eindeutige Auslegung
Ockoralive Kunst. XIX.
April 1916
229
ARCH. DAGOBERT PECHE
DAMENBOUDOIR AUF DER WIENER MODEAUSSTELLUNG
230
ARCII. DAGOBERT PECHE
DAMENBOUDOIR AUF DER WIENER MODEAUSSTELLUNO
231 ao.
ARCH. DAGOBERT PECHE
DIE MITTELHALLE DER WIENER MODEAUSSTEL-
LUNG MIT BLICK IN DIE AUSSTELLUNGS-KOJEN
232
WIENER MODEAUSSTELLUNG
BLICK IN DIE KOJE DER SCHCLERINNEN
DER K. K. KUNSTGEWERBESCHULE, WIEN
233
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235
WIENER MODEAUSSTELLUNG
ENTWÜRFE VON MARIA BERNHUBER, ELSE
STOBCHEN-KIRCHNER UND MELA KÖHLER
gegeben und ihm ein Moment zugeführt, das
der Aufgabe ebenso Wertsteigerung wie
unterschiedliche Hemmung brachte. Soweit
die Mode ein Problem der Form und des
Geschmackes ist, hat es von jenem Mittel-
punkt aus Spannung und Niveau erhalten,
trat mit der Besonderheit des entwerfenden
Urhebers die heimische Eigenart und Man-
nigfaltigkeit auch im Ergebnisse hervor,
ohne darum als echtes Großstadtprodukt
die Fähigkeit für den Weltmarkt zu ver-
lieren. Dabei erhielt die Rolle Wiens inner-
halb der Weltmode ein neuartiges Licht.
Bisher hatte sie neben einem allgemeinen,
näher nicht definierbaren und keineswegs
einwandfreien „Geschmack" des Verbrau-
chers auf dem ansehnlichen Schneider-
geschick beruht, und was dabei herauskam,
war weniger ursprünglich als Kompromiß,
— Allerweltswesen, wienerisch zurecht-
gemacht. Jetzt sollte das Ursprüngliche an
Stelle des Abgeleiteten treten. Und das traf
den Kern der Wiener Aufgabe, bedeutete
auch auf diesem Teilboden die Erkenntnis
236
1 ^ ^^^-^r*
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AWV^^
iifl.. 1 ^ ,
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flRMiMlIV!
ISABELLE-HAUSINDUSTRIE-VEREIN PRESZBURG
GESriCKTE BORTE. WIENER MODEAUSSTELLUNG
von der Besonderheit Wiener Kunstwirt-
schaft. Denn unsere beste Kraft liegt im
Original, nicht in seiner Vervielfältigung.
Nicht als ob wir das nicht auch verstünden,
aber uns fehlt jene industrielle Organisie-
rung, die aus einer Idee hundert Varianten
hervorholt und Kunstwerte in flüssige Ver-
brauchsware umsetzt. Wenn wir nun in
einem derart günstigen Augenblick wie dem
gegenwärtigen, alle Energie daran wenden,
unsere Begabung für das erst- und einmalige
Modell nachdrücklich zu erweisen, diesem
Werte auf dem Kriegsmarkte Anerkennung
und Rechtsschutz schaffen und damit auch
seinen materiellen Entgelt sichern, dann ist
damit schon einem Zweige unseres Kunst-
gewerbes jene Geltung gewonnen, von der
die Zukunft des Ganzen in erster Reihe ab-
hängt. Es geht nicht weiter, daß die höchste
Besonderheit unseres Schaffens auf die
Selbst- und Sorglosigkeit unserer Künstler-
schaft angewiesen bleibt, sich in immer
neuen Entwürfen ergeht, die andere durch
Nachahmung ausnützen, und wir die un-
dankbare Rolle des Genialischen mit dem
vollen Kopf und dem leeren Sack fortspielen.
Unser hier wieder sichtbar gewordenes
Mehrkönnen verlangt nach Bürgschaften,
die ihm — wenn irgendwann — die neue
deutsch-österreichische Gemeinsamkeit brin-
gen muß.
Bis hierher ist der Parallelismus der
neuen Wiener Modebewegung mit der bis-
herigen Arbeit der Wiener Werkstätte offen-
kundig. Und wenn man will, war sie
es, die dem Gange der Dinge ihre erste
Richtung gegeben hat. Auch draußen oder
richtiger: nur draußen hat man jetzt den
ISABULLEIIAUSINDUSTRIE-VEREIN PRESZBURG
Oekorrttlve Kunst. XIX. 7. April igi6
237
STICKEREL WIENER MODEAUSSTELLUNC
31
SPITZEN DER K. K. ANSTALT FÜR FRAUENHAUSINDUSTRIE, WIEN
WIENER MODEAUSSTELLUNG
Einsatz dieser Werkstätte in der Entwick-
lung des österreichischen Kunstgewerbes
von heute schon ungefähr erkannt. In der
Einleitung Peter Jessens zum letzten Jahr-
buch des Deutschen Werkbundes lesen wir:
„Für viele Opfer in der Versuchszeit fühlen
wir uns der Wiener Werkstätte verpflich-
tet . . ." Dagegen heißt es wohl in Walter
Riezlers Schrift, „Die Kulturarbeit des
Deutschen Werkbundes": „Gerade der Ver-
gleich mit früheren Ausstellungen der Wiener
Werkstätten zeigte, wie fern wir heute schon
dem kunstgewerblichen Individualismus
stehen, der früher in den Wiener Werk-
stätten trotz aller Vorliebe für abstrakte
Formen fast am extremsten herrschte."
Aber man wird dem nicht ohne weiteres
zustimmen. Doch beweist es mit dem an-
dern, daß der Spannungspunkt unserer ori-
ginalen Wertarbeit immer deutlicher hier
gespürt wird. Und in dem, was die Mode-
ausstellung vorläufig bietet, scheint sich
geradezu die Rolle der Werkstätte zu er-
füllen, in stattlichen Wirkungen auszuleben.
Allerdings verrät sie eben dadurch auch
ihren starken Zusammenhang mit dem
Kunstgewerbe. Man kann dieses Wort hier
als einen Vorwurf nehmen. Aber das hieße
nur die Sache von einem Standpunkt sehen,
der nicht oder nicht ausschließlich öster-
reichisch ist. Es ist unser Mangel und es
ist unsere Kraft. Wir sehen auch in der
Mode zunächst auf das künstlerische Ziel,
auf einen strengen und engen Kreis und auf
seine bloß in sich vielartige Einheit. Wir
werden dabei der andern Auffassung, der
Mode als sozialen Faktor mit seiner Mehr-
heit der Schichtungen und ihrer Forderung
nach Gleichförmigkeit in sich, gewiß nicht
völlig gerecht. Wenn das auch seine guten,
schon reichlich angedeuteten Gründe hat, so
bleibt dieser Mangel bestehen und damit
eine noch offene Aufgabe, der sich auch un-
sere Künstler ohne Schädigung ihrer Wert-
arbeit zuwenden müßten. Mit der mittel-
baren Erziehung des Erzeugers, der jene
Rücksichten auf die gesellschaftliche Schich-
tung kennt und befriedigen muß, ist hier
noch nicht genug, noch nicht alles geschehen.
Denn sowie der Erzeuger diese notwendige
Umbildung des Originales selber über-
nimmt, ist auch schon der Händlergedanke
mit dabei, der Künstler hat den sozialen
Verlauf seines eigenen Produktes nicht
mehr in der Hand, der Umwertung bis zur
Verflachung ist keine Schranke mehr ge-
setzt. Hier tut uns Einkehr not, für die
Mode und fürs ganze Kunstgewerbe. Viel-
leicht kommt sie von der Gegenwart mit
ihrer besonderen Sinnfälligkeit sozialer
Vorgänge und Ansprüche, der sich niemand
ganz entziehen kann.
238
EMMY ZWEYBROCKPROCHASKA
HANDBEUTEL. WIENER MODEAUSSTELLUNG
Innerhalb dieser grundsätzlichen Haltung
zeigt die Materialschau imOesterreichischen
Museum die ganze bewegliche
Fülle unserer Erfindung auf
werkgerechter Basis. Zu den
bekannten Namen gesellen sich
einige neue, die ihre Zugehörig-
keit zur Kunstgewerbeschule,
namentlich zu Josef Hoffmann,
dem künstlerischen Leiter der
Darbietung, und Rosalie Rot-
hansi, der Leiterin der Textil-
werkstätte an der Kunstgewer-
beschule, leicht erkennen las-
sen. Wollte man auch nur ein-
zelne hervorheben, dann gäbe
es gleich eine ganze Reihe. Un-
ter den Vereinigungen und
Lehranstalten sind neben den
Wienern die K. K. Fachschule
für Maschinenstickerei und der
Vorarlberger Stickerbund in
Dornbirn, die FYauenerwerb-
schule am slowakischen Mu-
seum in Ungarisch-Hradisch,
der Verein für deutsche Haus-
industrie,Heimarbeit und volks-
tümliches Kunstgewerbe in
Mähren und Schlesien und der
Frauenerwerbverein in Brunn,
endlich der Isabelle-Hausindu-
strieverein in Preßburg betei-
F. JACOBSON ■ HANDBEUTEL
WIENER MODEAUSSTELLUNG
ligt und beweisen den provinzialen Fort-
bestand bei grundsätzlicher Annäherung an
die führende Wiener Schule.
Ueber die Auswirkung die-
ser Lehrorganisation auf den
freien Geschäftsbetrieb, also
über die Grade der vorläufigen
Einbürgerung des künstleri-
schen Modegedankens in Ge-
werbe und Handel, belehrte die
Vorführung fertiger Kleider
auf der Modebühne der Mitten-
halle, die in der Zeit vom 7.
bis 2L Februar stattfand. Die
Beteiligung schied sich in
Großhäuser, Kleinfirmen und
Kunstwerkstätten. In der letz-
ten Kategorie sammelte sich
die reinste Kunst, aber deshalb
nicht auch die beste Mode. Den
auf sich selbstgestellten Kunst-
gewerblerinnen fehlt vorder-
hand die Zusammenarbeit mit
dem Fachmann fast ebenso-
sehr wie den Kleinfirmen die
mit dem Künstler. Gerade an
diesen beiden Fällen extrem-
ster Isolierung beweistsich die
Notwendigkeit einer Koopera-
tion, die der Kunst und dem Kon-
sum gleiches Recht werden läOt
und aus einer Gemeinschaft
239
31«
aller zuständigen Kräfte das hervorbringt,
was einer Gemeinschaft zugute kommen
soll. Wenn irgendwo, muß gerade hier allen
Beteiligten das Verständnis für den Begriff
der Kunstwirtschaft aufgehen, den der öster-
reichische Organisator im Widerstände
gegen den hartnäckigen Künstlerindividua-
lismus und materielle Sonderinteressen be-
harrlich denkt. Ein stattlicher Anfang zu
seiner Verwirklichung liegt schon in der
Leistung der Wiener Werkstätte und in jener
der Großhäuser vor. Sie ist nicht in einem
zu nennen. Dort die Werkstatt, die alles
selber macht, Entwurf und Durchführung,
Stoff und Schmuck, und darum ganze, ge-
schlossene Formen von vornherein verbürgt;
der händlerische Nebengedanke ist bei der
Arbeit ausgeschaltet, allerdings auch das
breitere soziale Ziel. Wenn sich diesmal
Darbietung und Publikum übereinstimmend
begegneten, so kann das nur an der allmäh-
lichen Reife des Verbrauchergeschmacks
und an einem Nachlassen der Exklusivität
des Erzeugers, der dabei seine künstlerische
Gesinnung aufrecht hielt, gelegen sein. Das
Großhaus kann ohne Industrie und was sie
an Erwägungen mitführt, nicht auskommen.
Aber es kann sein Erzeugnis durch die mög-
lichst erweiterte Einbe-
ziehung des Handwerks
und der Kunst im Werte
steigern. Das ist hier
schon reichlich gesche-
hen, der Fortschritt ge-
gen das Vorjahr gerade
bei diesen ausschlag-
gebenden Teilnehmern
ganzunverkennbar.Man
hat hier gelernt, sich mit
der ursprünglichen Er-
findung unmittelbar aus-
einanderzusetzen, und
da das übrige Ortsstän-
dige, — Gediegenheit,
Schneidergeschick und
Geschmack in der An-
wendung — anhielt, eine
Kleidung erreicht, die
bereits wienerisch ist
und auch Mode werden
wird, wenn sie sich
schon bei der Vorbe-
reitung über die cha-
raktergebenden Haupt-
merkmale näher ver-
ständigt.
Die stark eWirkung des
Dargebotenen kommt in
FELLA JACOBSON
WIENER MODEAUSSTELLUNG
erster Reihe von der eigenartigen Raum-
gestaltung. Zum erstenmal hat DAGOBERT
Peche eine ganze Ausstellung bestreiten
dürfen. Unter denkbar ungünstigen Um-
ständen. Es stand nur karger, fest verbauter
Raum zur Verfügung und es mußte spar-
sam gewirtschaftet werden. Das Ergebnis
war ein Kompromiß von künstlerischer Frei-
heit und Zwang der Verhältnisse. Man wird
es danach bewerten müssen. Im ganzen
konnte eine einhellige Lösung nicht erzielt
werden. Und so verlegte der Künstler die
volle Spannung seines Temperaments in
Einzelräume, in die große Mittenhalle und
in das Damenboudoir. Hier hat er auch
neue, feine Zeugnisse seiner gewichtslosen
Anmut gegeben, die alle Bauschwere durch
ein rhythmisches Spiel überwindet. In der
Mittenhalle mit der Modebühne besänftigt er
den Geometrismus der Gliederung durch
zarte, zwischen Weiß und Hellrot schwe-
bende Töne, die in der Beleuchtung des
Abends zur reinen, duftigen Einheit kom-
men. Im gelbgrünen Damenboudoir mit
seinen reichen Gardinen und dem phantasti-
schen Schmuckschrank siegt die schlanke,
schwingende Linie. Wenn es das Ziel war,
der Flüchtigkeit der beherbergten Dinge
einen übereinkommen-
den Rahmen zu schaf-
fen, dann läßt sich
schwer eine bessere Lö-
sung denken. Dagegen
wirkt der Vitrinenum-
gang der Mittenhalle
bei aller Uebersichtlich-
keit der Gruppierung
durch die großgemuster-
te Schwarzweißtapete
gedrückt. Doch gerade
hier war der Künstler
auch am wenigsten frei.
Alle diese Einschrän-
kungen können nicht an
den Kern der Sache
heran: die Ausstellung
ist als Werk und Ge-
danke eine wichtige
Station auf dem Wege
zur Befreiung unseres
Kunstgewerbes und ein
voller Einsatz für die
Neugestaltung unserer
Wirtschaftsrolle, an dem
schon die nächste Zu-
kunft nicht wird vor-
beikönnen.
Max Eisler
HANDBEUTEL
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RICHARD ENGELMANN
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Verlag von Amsler & Ruthardt, Berlin
244
ARCH. WALTHER EPSTEIN
LANDHAUS FREIHERR LEO VON KONIC-SCHLACHTENSEE
NEUE LANDHÄUSER VON WALTHER EPSTEIN-BERLIN
MIT EINEM GELEITWORT DES ARCHITEKTEN
Die Landhaussiedelungen im Westen Ber-
lins sind im letzten Jahrzehnt zu einer
großen, fast zusammenhängenden Wohnstadt
herangewachsen. Von der Kolonie Grune-
wald ausgehend, über Dahlem, Zehlendorf,
Schlachtensee, Nikolassee, Wannsee, Neu-
babelsberg ziehen sie sich bis zu den Toren
Potsdams hin.
Das traurige Schicksal Berlins im neun-
zehnten Jahrhundert, die Planlosigkeit, mit
der überaus zahlreiche, kostspielige Bauten,
von den Gemeinden, dem Staat und dem
Reiche mit ungeheuren Mitteln errichtet,
ohne Beziehung auf das Ganze, bald hierhin,
bald dorthin verstreut wurden, hat sich wie
eine ansteckende Krankheit auch auf dieses
weite Gebiet übertragen.
Haben auch einige der kleinen Orte künst-
lerisch durchdachte Bebauungspläne, die ein-
zelnen Gebiete stehen in keinerlei Zusam-
menhang miteinander, und in den Orten
selbst haben Architekten und Auftraggeber
nur in seltenen Fällen Rücksicht genommen
auf die Forderungen, die Lage und Art des
Bauplatzes der Bauaufgabe für das Ortsbild
stellten.
Mag man mit Liebe oder Abneigung den
in rascher Folge sich ablösenden Modestilen,
— der deutschen Renaissance, dem Wilhel-
minischen Barock, den von zum Teil ehe-
maligen Malern in die Erscheinung gebrach-
ten modernen Formen, der Verwertung länd-
licher Baumotive, der Anknüpfung an die
Bauweise um Achtzehnhundert, — gegenüber-
Dekoiative Kunst. XIX. 8. Mai 1916
245
32
ARCH.W.EPSTEIN-BERLIN
LANDHAUS WILH. FISCHBACH-
SCHLACHTENSEE: GRUNDRISSE
Stehen, in all diesen Formen-
sprachen ist von bedeutenden
Künstlern geschaffen worden.
Aber nur selten finden wir
einen großzügigen Gedanken
in der Einteilung des Ganzen
und ein bescheidenes Einfüh-
len des Bauenden in diesen.
Dem Gebilde Groß-Berlin
täte ein Haußmann not, der
erst in der Zeit Napoleon III.
das heutige Paris mit seinen
vereinheitlichenden Straßen-
durchbrüchen geschaffen hat,
die den Blick auf ein bedeu-
tendes vorhandenes oder neu
errichtetes Bauwerk leiten.
Selbst in dem alten Berlin,
das Frau de Stael als eine
der schönsten Städte Europas
pries, ist dagegen das Uner-
hörte geschehen, daß Plätze
von so idealer Gestaltung wie
der Gendarmenmarkt zerstört
wurden. Die umgrenzenden
niedrigen Häuser, die dem
Ganzen den wohlerwogenen
Maßstab gaben, sind ver-
schwunden, die beiden Dome
durch ungefühlte Anbauten,
wenigstens in ihren Untertei-
len verdorben, und sogar das
Innere des Schauspielhauses,
dessen schlichte, aber so vor-
nehme altpreußische Einfach-
heit nur noch in Schinkels
graphischem Werke fortlebt,
mußte einer modischen Ein-
tagsarchitektur weichen.
In den Jahren, in denen wir
uns schon Messeis feinsinni-
gen Wirkens erfreuen durften,
wurde Schinkels Palais Rhe-
dern am Pariser Platz, in der
Wilhelmstraße manch adliges
Stadthaus aus friderizianischer
Zeit ohne Schonung niederge-
rissen. Wie taktvoll im Maß-
stabe wußte Schinkel sein
Museum dem Königsschloß
unterzuordnen, dessen gewal-
tiger Eindruck durch den Ab-
bruch des kleinen alten Do-
mes und der Häuser an der
Schloßfreiheit so schwer ge-
litten hat.
Der mit der städtebaulichen
Entwicklung des alten Berlins,
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ARCH. W. EPSTEIN
LANDHAUS WILHELM FISCHBACH-SCHLACHTENSEE: EINGANG
etwa bis zum Jahre 1860, Vertraute weiß,
in wie großzügiger Weise die preußischen
Monarchen von Friedrich I. bis Friedrich
Wilhelm IV. mit den besten Baumeistern
ihrer Zeit, von Schlüter bis Stüler, für die-
ses Stadtbild gewirkt haben.
Trotz des Fehlens eines Stromes, wie ihn
Dresden und Paris besitzen, oder der Höhen,
die Wien umrahmen, lagen selten Bedingun-
gen günstiger, wie die Berlins, als die große
bauliche Entwicklung nach den Einigungs-
kriegen begann. Leider kam diese Entwick-
lung zu rasch und traf ein unvorbereitetes
Geschlecht. Es hat lange gedauert, die Ver-
irrungen der Gründerjahre zu überwinden;
bis in das neue Jahrhundert hinein haben sie
fortzeugend Böses gewirkt.
Durch die Aufklärungsarbeit popularisie-
render Kunstschriftsteller, vor allem durch
das Entstehen zahlreicher guter Bauwerke,
hat sich der Geschmack weiterer Kreise
im letzten Jahrzehnt gehoben und das In-
teresse für eine gute Wohnkultur hat zu-
genommen.
250
I
251
Dem Verständnis am zugänglichsten ist
dabei allerdings die hygienische Seite des
Problems, während die Harmonie des Rau-
mes noch zu den wenig verstandenen Genüs-
sen gehört. Forderungen übertriebenen Kom-
forts siegen häufig über die klare künstle-
rische Gestaltung.
Mit diesen Schwierigkeiten mag es zu-
sammenhängen, daß das Haus so selten rich-
tig auf seinem Platze steht, daß im besten
Falle eine Hauptansicht gelöst ist.
Ein freistehendes Landhaus ist keine
Fläche, auf die nach schlechter städtischer
Gewohnheit eine Fassade geklebt wird, son-
dern ein plastisches, von allen Seiten tast-
bares, kubisches Kunstwerk, dessen Seiten-
und Rückansichten nicht dem Spiele des
Zufalles überlassen sein dürfen.
Schinkel sagt in seinem schönen Schrei-
ben über den Bau des Schauspielhauses,„daß
die Schönheit eines Gebäudes nicht in dem
vorgebrachten Schmuck zunächst besteht,
sondern vorzüglich aus der Wahl der Ver-
hältnisse erwächst, welche aber ihren ersten
Grund in der Verteilung und Anordnung
des Planes haben."
Die Aufgaben, deren Lösung die folgen-
den Blätter zeigen, sind nach der Mög-
lichkeit vorhandener Mittel nach diesem
Grundsatze angefaßt worden. Es soll zu den
Bildern und Plänen nichts hinzugefügt wer-
den, nur über die Anordnung auf den Plät-
zen mag einiges gesagt sein.
Bei den Häusern Julius Meier-Gräfe in
Nikolassee und Kocherthaler in Dahlem ga-
ben die Größe des Platzes, ziemlich bedeu-
tende Raumbedürfnisse im Verhältnis hier-
zu, und die Lage an der Straße die Richt-
linien. Das Landhaus in Zehlendorf-West,
das auf einem Eckplatz steht, wurde in die
Diagonale gerückt. Zwei Pappelalleen be-
tonen die Zugangswege und bilden zugleich
den architektonischen Rahmen für den rosen-
umsäumten Rasenplatz und den Brunnen,
der Garten und Haus verbindet.
Zum Hause Waltz stand ein langer
ARCH. W. EPSTEIN-BERLIN
LANDHAUS WILHELM FISCHBACH-SCHLACHTENSEE: GROSZE HALLE
252
schmaler, im Walde gelegener Platz zur Ver-
fügung. Durch Vorlegen der Garage, deren
Einfahrt das Haus im Rahmen erscheinen
läßt, wurde das handtuchartige Gelände in
Vorgarten, Ziergarten und Park geteilt.
Haus Fischbach mit den durch Pfeiler-
gänge verbundenen Nebengebäuden wurde
nicht parallel zur Straße gestellt, sondern
hat seine Front zu einem Nebenweg. So
konnte mit Rücksicht auf den schönen Baum-
bestand aus dem flachen Grundstück ein
großer Hausgarten geschaffen werden.
Am günstigsten lagen die Bedingungen
beim Landhause Rehbrücke, das auch auf
der Diagonale des großen Parkgrundstückes
angeordnet wurde.
Als Material wurde in der gewachsenen
Stein entbehrenden Mark Putz- oder Back-
stein verwendet, letzterer immer in flächi-
ger Wirkung, beim Hause Waltz Ratheno-
wer Stein, beim Haus in Zehlendorf-West
Oldenburger Klinker, in Rehbrücke flache,
holländische Ziegel.
Der bildhauerische Schmuck aus Terra-
kotta stammt hier wie bei den übrigen Häu-
sern von Georg Kolbe.
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ARCU. W. EPSTEIN
HERRENHAUS REHBROCKE: GRUNDRISSE
Dakorative Kunst. XIX. S. ^(ai 1916
253
33
ARCH. W. EPSTEIN-BERLIN
HERRENHAUS REHBRÜCKE: MITTELBAU
RELIEFS VON GEORG KOLBE a
KÜNSTLER ALS KRIEGSWISSENSCHAFTLER
Der Krieg stand dem mittelalterlichen
Künstler weder in seelischer noch in
praktischer Beziehung im Wege. Der Krieg
war eine Beschäftigung, mit der sich der
Künstler ebensogut abgeben als nicht ab-
geben konnte. Erst mit dem Augenblick, als
sich seine soziale Stellung zu heben beginnt,
erst mit der Möglichkeit, seine Kräfte wei-
terhin wirken zu lassen, beginnt er sich auch
für jene Zweige des öffentlichen Lebens zu
interessieren, welche bisher das Privilegium
des Patrizierstandes gewesen. Und so fin-
den wir seit dem 15. Jahrhundert unter
den Künstlern einige, welche sich auch als
Kriegswissenschaftler ausgezeichnet haben.
Daß sich z. B. Lionardo ernsthaft mit den
Kriegswissenschaften abgab, das beweist
nicht nur das erhalten gebliebene Material,
sondern auch ein höchst aufschlußreicher
Brief. Dieser Brief ist an den Herzog Lodo-
vico il Moro im Jahre 1483 gerichtet. Lio-
nardo empfiehlt darin dem Herzog seine
Dienste sowohl als Ingenieur wie als Künst-
ler. Am Anfang steht die Versicherung, daß
er alles, was die Meister im Fach der Kriegs-
werkzeuge geschaffen, eingehend erwogen,
dabei aber gefunden habe, daß all dies schon
längst bekannt gewesen. Von sich selbst
aber stellt er die Behauptung auf, daß er
Neues leisten könnte. Er deutet eine Erfin-
dung von sehr großer Bedeutung an. Im
weiteren Verlauf des Briefes zählt Lionardo
auf, was er als Kriegsingenieur alles in An-
griff nehmen würde. So will er leicht zu er-
richtende Brücken herstellen, die zugleich
auch Schutz gegen feindliches Feuer bieten.
Auch versteht er es. Brücken in Brand zu
stecken und zu zerstören.
An einer an-
254
255
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deren Stelle gibt er ein Mittel an, um Reiter
und Fußtruppen über Flüsse zu setzen; an
einer dritten spricht er von der Ableitung
des Wassers aus den Festungsgräben; an
einer vierten von der Methode, mittels Mi-
nengängen eine Festung zu erobern.
Dieser Brief verfehlt seine Wirkung nicht.
Lionardo wird nach Mailand berufen, wo
ihm reichlich Gelegenheit geboten ist, seine
Pläne auszuführen. Er stellt einen Mörser
her, der an Gewalt der Wirkung alles
Bisherige übertrifft. Er vervollkommnet
die alte Weise, Geschütze aus Eisenstan-
gen zusammenzuschweißen, indem er mit-
tels einer Maschine, welche durch eine Tur-
bine gedreht wird, das Profil dieser Eisen-
stangen möglichst zweckmäßig und gleich-
förmig zu gestalten sucht. Auf diese Weise
verfertigt er eine große Anzahl von Kano-
nenkonstruktionen. Darunter finden sich
rotierende, drehbare Mitrailleusen, es finden
sich Geschütze mit Anwendung von Schleu-
derkraft und Schwungkraft. Es finden sich
— was heute freilich längst überholt er-
scheint — Armbrüste, welche auf Räder ge-
stellt sind. Und es finden sich schließlich
ganz große Batterien von Büchsenläufen.
Sehr bemerkenswert ist auch die Tatsache,
daß er vielleicht in einem gewissen Sinne
der Erfinder des Schrapnells ist. Jeden-
falls hat dieses fürchterliche Geschoß, das
in seiner jetzigen Art erst seit dem Be-
ginn des neunzehnten Jahrhunderts bekannt
ist, in der Sprengkugel des Lionardo einen
Vorläufer. Ihre Zusammensetzung ist uns
heute unbekannt.
Nach Lionardos Tode stand die jüngere
Generation der italienischen Kriegswissen-
schaftler ganz unter seinem Einfluß. Die
rege Arbeit, die zu dieser Zeit auf diesem
Gebiet in ganz Italien geleistet wurde, ist
freilich nicht nur auf sein Vorbild zurück-
zuführen. Die neue Zeit, welche das Schieß-
pulver erfunden hatte, verlangte schnellstens
ARCH. W. EPSTEIN-BERLIN
HERRENHAUS REHBROCKE: WIRTSCHAFTSHOF
256
ARCH. W. EPSTEIN-BERLIN
LANDHAUS OTTO WALTZ, ZEH LENDORF- WEST: GESAMTANSICHT
eine neue Art von Angriff und Verteidigung.
Die Not gab den Antrieb, und der Antrieb
gab die Arbeitskräfte. Unter diesen finden
wir wieder einen Künstler, den bedeutenden
Architekten Sanmicheli, welcher zugleich
ein ganz bedeutender, ja unvergleichlicher
Festungsbauer war. Nachdem er nach 1500
die Befestigungen des Kirchenstaats restau-
riert hatte, erwarb er sich einen Namen, der
ihn zuerst nach Parma, dann nach Piacenza
führte, bis man ihn endlich nach Verona be-
rief, wo er sein Lebenswerk vollbringen
sollte. Er befestigte um das Jahr 1527 die
ganze Stadt in einer Weise, die für alle fol-
genden Generationen mustergültig blieb.
Hier wurde er der erste, der das Bastionär-
system in Anwendung brachte, das schnell
in ganz Italien bekannt wurde. Er wird
kaum der Erfinder desselben gewesen sein.
LANDHAUS O. WALTZ, ZEHLENDORF-WEST : GRUNDRISSE
257
ARCH. W. EPSTEIN-BERLIN
LANDHAUS OTTO WALTZ, ZEHLENDORF-WEST: GARTENANSICHT
Schon Lionardo hat sich mit Entwürfen für
den Festungsbau beschäftigt, welche eine
ziemliche Aehnlichkeit mit denen des San-
micheli zeigen. Ob Micheli sie gekannt hat,
ist freilich fraglich. Das ließe sich auch
schwer eruieren. Das Problem des Festungs-
krieges stand damals derart im Vordergrund
des Interesses und hatte so viele Bearbeiter
gefunden, daß so manche Entdeckung an vie-
len Orten zu gleicher Zeit gemacht wurde.
Vor allem aber war es einer, welcher ein
bedeutendes Buch über die Methode, Festun-
gen anzulegen, geschrieben hat. Dieser eine
lebte jenseits der Alpen, er lebte in der klei-
nen germanischen Stadt Nürnberg, welche
den Italienern nicht allzuviel bedeuten mußte:
Albrecht Dürer.
Dürers Buch über den Festungsbau er-
schien 1527 zu Nürnberg. Es führt den Titel:
„Etliche underricht, zu befestigung der Statt,
Schlosz, und Flecken." Mit diesem Werk
war Dürer im wahren Sinn des Wortes der
erste, der seit dem Altertum über die Befesti-
gungskunst als System geschrieben hatte.
Die meisten Errungenschaften waren auf
dem Wege der Tradition vererbt worden,
und nur über dieses oder jenes Detail hatte
man von Zeit zu Zeit einige Notizen festge-
legt. Albrecht Dürer aber ist der erste Wis-
senschaftler des Krieges.
Die Hauptlinien seines Buches sind unge-
fähr folgende: als das Pulvergeschütz erfun-
den worden war, wußte man dagegen keine
andere Verteidigung, als die Mauern un-
sichtbar zu machen; Dürer aber will sich
nicht nur vor dem Feind verstecken, er willij
ihn bekriegen und schwächen. Er erstrebt''
eine möglichst eigene Feuerwirkung zur Be-
kämpfung der feindlichen Batterien. Bisher
hatte man die eigenen Geschütze auf dem
Wall untergebracht, was zur Folge hatte,
daß sie gewöhnlich schon zerschossen wur-
den, bevor sie zur Wirksamkeit gelangten,
Dürer stellt nun seine Geschütze in selb-
ständige, abgesonderte, stark gemauerte
Werke, in die Basteien, und diese sind es,
258
259
260
Dokorative Kunst. XIX. 8. Mui igt6
261
262
ARCIl. W. EPSTEIN
.A.._..AUS JULIUS MEIER-GRAFE-NIKOLASSEE: EINGANG
welche den Wall flankieren. Die Festung hat
den Grundriß eines Polygons; in jedem Win-
kel ist ein solches Flankierungsgebäude an-
gebracht. Die darin untergebrachten Ge-
schütze bleiben bis zur Lösung ihrer eigent-
lichen Aufgabe intakt, denn sie stehen in
Räumen, welche gegen den direkten Schuß
gedeckt sind. Ihr besonderer Vorteil ist ihr
niedriger Standort, so daß sie den ganzen
Stadtgraben entlang feuern können. — Außer-
dem hat die Dürersche Befestigung zahl-
reiche kasemattierte Räume zur Unterbrin-
gung von Mannschaft und Material.
So hat Dürer die einfachen Prinzipien, auf
die sich die moderne Befestigungskunst grün-
det, trotz der Rückständigkeit seiner Zeit er-
kannt. Die Idee der Kasematten hat er als
System begründet und große Anwendung
davon gemacht. Bei allen Nationen gilt er
als ihr Erfinder: selbst die Franzosen,
welche die Kunst, Festungen zu bauen, für
sich gepachtet zu haben glauben, lassen ihm
diesen Ruhm, der unanfechtbar ist. Frei-
lich: Dürers Zeit selbst hatte für seine Ideen
kein Verständnis. Jedenfalls erregte sein
Buch kein bedeutsames Aufsehen. Es ist
aber auch möglich, daß man nur deshalb
seinen Vorschlägen so wenig nachkam, weil
ihre Ausführung zu kostspielig gewesen
wäre. Als ein direkter Nachfolger wird
uns eigentlich nur der Graf Reinhard Solms-
Münzenberg genannt, welcher 15.39 Ingol-
stadt neu baute und dabei die Vorschläge des
großen Künstlers verwertete. Zu ihrer wah-
ren Geltung kamen Dürers Ideen erst drei
Jahrhunderte später. Nicht Deutschland war
263
34*
ARCH. W. EPSTEIN
LANDHAUS JUL. MEIER-GRÄFE: SPEISEZIMMER 13 MÖBEL VON
R. A. SCHRÖDER; WANDMALEREI VON ERICH KLOSSOWSKI □
ARCH. W. EPSTEIN
LANDHAUS JUL. MEIER-GRAFE: HALLE MIT TREPPENAUFGANG
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ARCH. ■*■. EPSTEIN
LANDHAUS J. KOCHERTHALER: HAUPTEINGAN'G
PLASTISCHER SCHMUCK VON GEORG KOLBE G
es, das sie wieder erkannte. Frankreich, wel-
ches die tonangebende Rolle im Festungsbau
spielte, entdeckte sie. In dem berühmten
System des französischen Ingenieurs Marc-
Rene Marquis de Montalembert lebt der große
Festungsbauer Dürer wieder auf.
Nach Dürer finden wir erst in der ersten
Hälfte des 17. Jahrhunderts wieder einen
Künstler, der sich ernsthaft dem Studium
der Kriegswissenschaften hingegeben hat.
Es ist Callot, einer der berühmtesten Radie-
rer Frankreichs und der Welt. Man kennt
seine kleinen und delikaten Blätter, in denen
sich nicht nur eine preziöse Beobachtung
des kleinsten Lebens kundgibt, sondern auch
eine Vielgestaltigkeit der Themen, wie man
sie nur bei romanischen Künstlern finden
kann. Und da ist es nun auffallend, einen
wie großen Raum in seinem Lebenswerk
Darstellungen von Soldaten, Gefechten,
Duellen, Kriegspferden einnehmen. Callot
liebt den Krieg.
So ist es begreiflich, wenn er sich auch
theoretisch mit dem Krieg vertraut machte.
Als er als junger Mensch nach Florenz kam,
studierte er außer Zeichnen, Stechen, Per-
spektive, Topographie und Mathematik auch
Festungskunde. Sein Lehrer Parigi, wel-
266
V L
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267
ARCH. W. EPSTEIN-BERLIN
LANDHAUS J. KOCHERTHALER-DAHLEM: OBERE DIELE
eher damals einen hervorragenden Ruf als
Kriegswissenschaftler genoß, schien in ihm
das Interesse so stark erweckt zu haben,
daß er es im Verlauf des ganzen Lebens
nicht mehr verlor. Es wird uns berichtet, daß
Callot noch jahrelang nachher am toskani-
schen Hofe arbeitete und sich in jeder Rich-
tung seiner Kenntnisse betätigte. Trotzdem
wird man wohl nicht irregehen, wenn man
annimmt, daß er der Kriegswissenschaft im-
mer nur als Theoretiker gegenüberstand.
LANDHAUS J. KOCHERTHALER: GRUNDRISSE
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Dekorative Kun«. XIX. 8. Mal 1916
269
ARCH. WALTHER EPSTEIN-BERLIN
LANDHAUS ZEH LENDORF-WEST
BRUNNEN VON GEORG KOLBE
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271
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Sein Interesse aber wurde der Anstoß zu
seinen weltberühmten Radierungen weltbe-
rühmter Belagerungen. Er galt zu seiner
Zeit als Spezialist auf diesem Gebiet; hatte
ein Herrscher eine kriegerische Aktion ge-
gen eine Feste unternommen, so bemühte
er sich schleunigst, den gefeierten Callot zur
Verewigung dieser Aktion zu gewinnen. So
berief ihn 1625 die Infantin Isabella Clara
Eugenia nach Brüssel, damit er die Belage-
rung von Breda zeichne und radiere. Vier
Jahre später bestellte Louis XIII. eine Wie-
dergabe der Belagerung von La Rochelle bei
ihm. Abermals vier Jahre später belagerte
Louis XIII. Nancy. Als der Herzog Char-
les IV. von Richelieu gefangen genommen
wurde, gab er selbst, indem er alles für ver-
loren erkannte, die Weisung zur Uebergabe
der Stadt. So wurde Nancy kampflos dem
Feinde ausgeliefert. Trotzdem wollte der
König, daß Callot die Belagerung radiere.
Callot weigerte sich aus Patriotismus, und
es erzählen uns Berichte seinen Ausspruch,
daß er sich lieber den Finger abschneiden
wolle, als die Schande seines Landes ver-
ewigen. Und blieb gegen alle Zusprechun-
gen standhaft. Wieso kam es nun, daß ge-
rade er als Kriegsmaler so gesucht war?
Liegt dies allein in seiner künstlerischen Be-
rühmtheit begründet? Was Callot auf diesem
Gebiet so hohe Ehren eintrug, war sein Ruf
als Kenner der Kriegsangelegenheiten. Man
schätzte seine Sachlichkeit, man wußte, daß
er in solchen Radierungen nicht nur künst-
lerische Werte verfolgen würde, sondern in-
folge seines Verständnisses für das rein
Militärische auch alles betonen würde, was
die Größe der kriegerischen Tat heraus-
streichen mußte. Er war der letzte Kriegs-
wissenschaftler unter den Künstlern.
Dr. Otto'Zoff
ARCH.W.EPSTEIN-BERLIN Q LANDHAUS ZEHLENDORF-WEST: GARTEN-
HALLE Q RELIEF VON GEORG KOLBE
272
J. GANGL
MEDAILLE
JOSEPH GANGLS KRIEGSMEDAILLEN
Gangls neue Medaillenschöpfungen sind
nach Stil, Format und Inhalt Denk-
münzen in der ausgesprochensten Form. Da
sie nicht auf Persönlichkeiten hinzielen, son-
dern Begebenheiten, ja, mehr oder weniger
als das: die Stimmungen von Begebenheiten
zum Gegenstand oder zum Ausgangspunkt
haben, komplizierte sich die Aufgabe für
den Künstler. Er mußte auf das herkömm-
lichste Medaillenbildnis verzichten und Vor-
derseite und Rückseite mit allegorischen
oder symbolischen Darstellungen bedenken.
Unter solchen Verhältnissen leidet bei an-
deren Medailleuren nicht selten die Einheit-
lichkeit des Eindrucks oder es tritt das
Gegenteil ein, Revers und Avers stellen
schlecht maskierte Wiederholungen dar, be-
deuten keine Steigerungen. Gangl ist dieser
Gefahr nicht ausgesetzt gewesen. Sein Stil
und seine Formgebung sind trotz seiner Ju-
gend schon so sicher und so ganz sein eigen,
daß z. B. zwei Stücke aus seiner Werkstatt
durch die kraftvolle Persönlichkeitsmarke,
die ihnen ihr Urheber mitgibt, sogleich als
ein Brüderpaar erkannt werden, anderer-
seits aber quillt eine solche Fülle der Ge-
J. GANGL
MEDAILLE
273
J. GANGL
MEDAILLE
sichte in Gangls Kunst, daß er unschwer
für das gleiche Motiv zwei gleichstarke Aus-
drucksformen findet. Das tritt besonders bei
der Medaille mit den nackten Kämpfern auf-
fällig in die Erscheinung. Die Seite mit der
Jahreszahl 1914 ist gedrungener, schwerer
und ihre besondere Gliederung erfährt sie
durch die Vertikalen der vier Schwerter und
die frei behandelten Dreiecke der Spreiz-
stellungen. Wie anders die Rückseite dieser
Medaille! Da ist alles gelöst, mehr Freiraum
kam auf die Darstellung, mehr Hintergrund
und Perspektive, aus der Vertikale ist die
Behandlung des gleichen Motivs in die
Horizontale herübergezogen und das Tempo
wurde feuriger, rauschender.Von den Schrift-
medaillen hat die „Deutschland über Alles"-
Denkmünze meinen vollsten Beifall, sie ist
in ihrer schlichten Wucht tatsächlich ein
Ausdruck deutschen Wesens, dagegen ist
die den Kriegswitwen gewidmete Medaille
in ihrem Schriftteil zwar von angenehmem
Gesamteindruck, aber zumal in der will-
kürlichen Zerteilung der Worte und Sätze
etwas zu wienerisch, was bei Schriften
gleichbedeutend mit schlecht leserlich ist.
Einige Schmuckstücke medailleriartigen
Charakters zeigen, daß der Künstler nicht
nur wuchtig und monumental, sondern auch
graziös und intim sich zu geben vermag
und auch dann seine Persönlichkeit nicht
zu verleugnen braucht. W.
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J. GANGL
MEDAILLE
274
JOSEPH GANGL
ANHANGER UND MEDAILLEN
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Dekorative Kunst. XIX. 8. Mej 1916
277
SILBERNE SCHALE
AUSFÜHRUNG VON PETER BRUCKMANN & SÖHNE, HEILBRONN A. N.
SILBERNE DOSE
AUSFÜHRUNG VON PETER BRUCK-
MANN &, SÖHNE, HEILBRONN A. N.
SILBERNE SCHALE
AUSFÜHRUNG VON PETER BRUCKMANN & SÖHNE, HEILBRONN A. N.
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279
MODERNE KLETTERROSEN IN BERCHTESGADEN
NEUE BLUMENGARTENGESTALTUNG UND PFLEGEERLEICH-
TERUNG DURCH KLIMAGEMÄSZE DAUERPFLANZEN
Wer tief in der gärtnerischen und pflan-
zenzüchterischen Entwicklung der
beiden letzten Jahrzehnte steht, gewinnt
einen ergreifenden Eindruck von der Pflan-
zenherrlichkeit, die auf allen Gebieten der
Zukunft des deutschen Gartens entgegen-
reift, kann aber auch nicht genug staunen,
wie wenig noch das bereits erreichte Große
in das moderne Kulturbewußtsein über-
gegangen ist. Ein unglaublich hoher Pro-
zentsatz deutscher und österreichisch-un-
garischer Gärten ist noch fast völlig un-
berührt vom neuen Zeitalter in der Blumen-
gärtnerei. Ihre Inhaber gleichen oft dem
Besitzer eines herrlichen Musikinstrumen-
tes, auf dem nur ein paar Tonleitern und
Salonstücke, selten genug auch nur Volks-
liedmelodien gespielt werden.
Das gilt sogar von der blütenreichsten
Zeit des Gartenjahres. Wie wenig aber nun
gar in den langen Monaten des Vorfrüh-
lings, des Herbstes und Spätherbstes Ge-
brauch von den Blütenschätzen kinder-
leichter Gartenkultur gemacht wird, die aus
allen Landen der gemäßigten Zone bereit-
liegen, das ist ernstlich schwer zu be-
greifen.
Wir Gärtner und Züchter haben nur eine
Gattung bisher ganz unzureichend „kulti-
viert", nämlich die Gattung homo sapiens,
Subspezies: Gebildete Gartenfreunde!
Ich will hier heute kurz von den winter-
fest ausdauernden Blütenstauden und Blü-
tensträuchern, sozusagen den bequemsten
Haustieren des Blumengartens, und von
ihrer neuen Entwicklung durch Zuchtstei-
gerung und durch Neueinführung reden.
Blütenstauden überwintern in unterirdischen
Wurzelnestern und Knollen oder nicht ver-
holzenden grünen Blattschöpfen, Sträucher
280
KARL FOERSTER-BORNIM
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PERENNEN-FARM IN DER MAIBLDTE
Schwarzblaue Bänder ausdauernder ,,Stietmülterchen" : Viola cornuta „Alpha", weiße Iberis-
polster, hohe Darwintulpen. Am Wasserbecken: Schwertlilien, gelbe und orange Trollius
über blauen Schleiern der Anchusa myosotiflora. Böschungsgrün aus Sedum spurium
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in holzigen oberirdischen Lebensgerüsten,
die sich gleich aus der Wurzel verzweigen.
Zu den ersteren gehören z. B. Phloxe,
Schwertlilien, Rittersporne, Staudenastern,
Lilien, Anemonen, Farne, zu den letzteren
Flieder, Deutzia, Veigelien, Rhododendron,
Schlingsträucher, schutzlos harte Rosen.
Was ist aus all diesen alten Dingen ge-
worden? Geblieben ist Gutmütigkeit und
Treue. Verschwunden sind viel Eigen-
schaften der Unordnung und Unberechen-
barkeit. Neu geworden ist eine Garten-
schönheit und Lebensfülle, die keine Seele
ermessen und überschauen kann. Wohin
man blickt, unendliches neues Werden in
steigendem Tempo. —
Nur durch moderne Stauden und Sträu-
cher gelangt der Gartenbesitzer in ein per-
sönliches schöpferisches Verhältnis zu
seinem Blumengarten.
Welche neuen Gestaltungen der Garten-
bühne sind unter ihrem Einfluß entstanden?
Und welche Pflegeerleichterungen sind ge-
meint?
Ganz neue Elemente feinerer räumlicher
und koloristischer Berechenbarkeit bei ge-
steigerter Ueppigkeit und prachtvoll zwang-
loser und doch gebändigter Wildheit sind
gewonnen worden.
Farbe und feines Pflanzenleben ist auch
in die Reiche des Gartenschattens, der
Aschenbrödelplätzchen, der unfruchtbaren
Böschungen, der Gebirgs-, Stadt- und Strand-
gärten eingezogen; Nässe und Dürre des
Bodens bedeutet neue erlesene Blütenmög-
lichkeit, statt trüber Schwierigkeit.
Durch die neuen Stauden und Sträucher
kann man „immer leicht die Not in eine
Tugend" verwandeln, was bekanntlich eines
der wichtigsten aller Lebensprinzipe ist.
Langgestreckte Beetrabatten tragen durch
Monate immer neue Fülle des Staudenflors.
Rhythmus und Zwanglosigkeit, errechnete
Farbenwirkungen und unerschöpfliche Far-
benüberraschungen, feinste perspektivische
Farben- und Formenreize und breite Massen-
wirkungen sind hier auf verhältnismäßig
kleinen Räumen vereinigt.
EIN VERSENKTER PERGOLA-UMGEBENER BLUMENGARTEN
Die vielseitigste Darstellung der Blumenmassen und die natürlichste und bestfcrahmle Stitte einer von Frülilint W» licrkst
dauernden gesammelten Blumenorgie
281
RITTERSPORN „DELPHINIUM LASCELLES"
IN BERCHTESGADEN
An den Aufgaben der Staudenrabatte kann
sich der kleinste und der größte Garten-
künstler versuchen. Ihre Fortschritte, Pro-
bleme und Reize könnten allein ein ganzes
menschliches Arbeitsleben ernsthaft erfüllen
und in steigendem Maße elektrisieren.
Die architektonischen Gartenpartien nahe
am Hause, in deren strenger festlicher Ord-
nung die häuslichen Raum- und Liniengefühle
gelindert in die freie Natur ausschwingen
und unerschöpflich erfrischt und gefestigt zu-
rückkehren, gewinnen in reizvollstem Kon-
trast zu ihrer Strenge ganz neue malerische
und intime Schönheit. Ihre Pflege und Unter-
haltung ist eine viel einfachere geworden.
So verursacht z. B. ein bloßes grünes, sauber
gepflegtes Rasenparterre eher mehr Pflege-
arbeit, als solch tief eingesenkter, rosen-
pergola-umgebener, regelmäßiger Stauden-
garten — wohlfundierte, kundige und ge-
schickte Pflanzung vorausgesetzt — , in dem
von Frühling bis Herbst das Blühen jahraus
jahrein automatisch und kaleidoskopisch
wie auf einer Alpenwiese wechselt; auch
wenn man das nach einigen Jahren sukzes-
siv nötige Umpflanzen zu stark zusammen-
gewachsener Beete dazu rechnet.
Wenn irgend möglich, soll nie der ganze
Garten entweder nur dem regelmäßigen
oder nur dem natürlichen Stile unterworfen
werden; denn das ist ein Gefängnis für die
Seele, welche im Garten Resonanz für ihre
volle Spannweite, die Ueberordnung über
die Natur und die Unterordnung unter sie
finden will. Naturgartenpartien, in denen
man also der Natur nicht den Stempel der
tyrannischen Naturbemeisterung, sondern
der feinsten wortlösenden Pietät des Men-
schen für sie aufdrücken will, finden durch
Stauden ihren feinartikulierten Ausdruck.
Eigentlich erst durch die Raumverhältnisse
der Staude kann die Romantik wilden Vege-
tationszaubers mit seinen wunderbaren Ge-
setzen des Standortcharakters und der Pflan-
zengeselligkeit ein raumgemäßes Objekt der
gartenmäßig gesteigerten Nacherschaffung
werden.
Wer in diesen Dingen heimisch werden
will, in denen das Wort so wenig, die künst-
lerische Arbeit und ihr Bild alles ist, sehe
sich die Gärten des Gartenkünstlers Willy
Lange an und lese dann seine Bücher; er
wird eine Klärung seiner GartenbegrifFe
und Gartengefühle erfahren, die den Reiz
jeder kleinsten Gartengestaltung, jeder Gar-
tenpflanze erhöht und alles der gesamten
LACHSROSAFARBENE KLETTERROSE „DOROTHY PER-
KINS" AM PFAHL
282
HELENIUM „GARTENSONNE" IM ZWEITEN JAHR NACH PFLANZUNG
kosmischen Bestimmung des Menschen auf
der Erde neu einordnet.
Eine besondere Domäne der Stauden sind
mächtige Farbengruppen, Jahreszeitengärt-
chen und Standortgärtchen, z.B. regelmäßige
und unregelmäßige Steingärten und Ufer-
gärten, Vorfrühlings- und Spätherbstgärt-
chen.
Die Pflegeerleichterung folgt hier schon
aus der Konzentration nach gleichen An-
sprüchen; im tiefsten Grunde erwächst sie
eben aus der Verwendung eines Pflanzen-
materials, das unserem, ähnlichem oder
rauherem Klima entstammt und dessen gärt-
nerische Veredlung nicht auf Kosten seiner
Widerstandskraft erfolgte.
Welche Blütenfülle alle diese neuen, fest
mit dem Garten verwachsenden Dauerpflan-
zen vom Vorfrühling bis Spätherbst ohne
Glashaus und Frühbeet oder neue Heran-
zucht in unser Leben bringen können, ist
noch so wenig bekannt, daß wir Züchter und
PFLANZEN IM CHARAKTtR VON UFERSTAUDEN BLÜHEN UM DAS
WASSERBECKEN VON ENDE APRIL BIS TIEF IN DEN SEPTEMBER
283
Schatzhüter allen Anlaß haben, nicht nur in
Gartenbauvereinen und Fachzeitschriften et-
was darüber zu murmeln, sondern uns auch
oft unmittelbar unter Benutzung moderner
Bildtechnik an breite Kreise unseres Volkes
zu wenden.*)
Ich glaube, daß dieser Krieg unendlich
viel schlummerndes Naturgefühl wecken
und entflammen wird und viele aus der Enge
•) Anmerkung über Tulpen: Die Lebensdauer der Stauden
ist eine sehr hohe, oft Jahrzehnte und noch größere Zeiträume
umfassende. Eine Statistik enthält mein Buch. Einige Knollen-
stauden und Halbstauden machen Ausnahmen. Eine Einschrän-
kung bezüglich der Tulpe: Bei Darwintulpen im trockneren deut-
schen Klima beobachtete ich ein 4— Sjähriges Wiederblühen un-
berührter Zwiebeln, bei anderen Tulpenarten ein 3mal so langes.
Dauernde Beobachtung des Verhaltens fast aller Tulpen, Hya-
zinthen- und Narzissenarten und Sorten wird in meiner Blumen-
farm fortgesetzt. Im bayerischen Sommer müssen jedoch viele
naturferner Berufe und aus den Katakomben
der großen Städte in freiere frischere Sphä-
ren reißen wird.
Auch ist die Abnahme mancher Hemmun-
gen deutschen Kastengeistes und Spießer-
tums zu erwarten, welche die gebildete Ju-
gend als „gesellschaftliche Rücksichten" so
tief in der Berufswahl beeinflussen.
Karl Foerster, Bornim bei Potsdam -Sanssouci
Tulpensorten herausgenommen und im Herbst neu gepflanzt wer-
den. Andere wieder können auch dort unberührt und verwildert
weiterblühen. Manche Dinge bedürfen zu ihrer Klärung noch
der Tätigkeit einer über Deutschland verteilten Anzahl von Ver-
suchs- und Schaugärten. — Man muß sich Deutschland in ein ozea-
nisches oder alpines Regenklima und ein kontinentales Trocken-
heitsklima geteilt denken. Beide haben mancherlei Gartenvor-
teile und Nachteile von einander, die sich ungefähr die Wage
halten dürften.
BLICK INS HERBSTSTAUDENGARTCHEN
Im Vordergrund der Flor meterhoher weißer japanischer Herbstanemonen und
niedriger europäischer Staudenastern. Rechts oben am Gerüst der spiraeenartige
Flor des Polygonium Auberti aus Tibet
284
ARCH. RUNGE &. SCOTLAND-BREMEN
FENSTERECKE IM EMPFANGSZIMMER ROSELIUS, BERLIN
ARCH. RUNGE & SCOTLAND-BREMEN
AUS DEM EMPFANGSZIMMER ROSELIU3, BERLIN
ZWEI NEUE RÄUME VON RUNGE & SCOTLAND IN BREMEN
Eine Uebersiedelung von Bremen nach
Berlin, aus der alten Hansa-Stadt mit
den blumengeschmückten Vorstädten und
der weitläufigen Bauweise nach Berlin, dieser
Anhäufung von Verkehr und Hast und Miet-
kasernen, mit seiner so anders gearteten
Wohnart ist ein weiter Schritt, den man auch
am Ufer des Hundekehlen-Sees nicht so leicht
vergißt. Es lag für den Bauherrn daher
nahe, sich für die Ausgestaltung seiner
Wohnräume die Künstler zu rufen, die in
dem alten Patrizierhaus im Schatten von
St.Martiniund dem Roselius-Haus hinter dem
Markt ein- und ausgehen und in diese Zeu-
gen einer alten hanseatischen Kultur schon
vieles hinein geheimnist hatten, was Ver-
ständnis für das innere Wesen solcher Bau-
werke verlangt, seien es nun Geschäfts-
räume, die Werkstatt eines Künstlers oder
das Absteigequartier des in der Ferne wei-
lenden Handelsherrn, den tausend Fäden
noch an die alte Stätte fesseln.
Die hier wiedergegebenen Räume, eine
Bibliothek und ein Empfangsraum zeigen
daher einen gewissen Einschlag in die Art,
wie ein bremischer Handelsherr zu arbeiten
und seine Gäste zu empfangen liebt. Der
satte grüne Damast an den Wänden der
Bibliothek, der tiefgebeizte rötliche Ton
des geflammten Birkenholzes, in das sich
schwarze SchnitLcreien einfügen, hier und
da belebt durch ein Glanzlicht auf dem po-
lierten Holze geben eine farbgesättigte Stim-
mung, die zu ernster Arbeit die Ruhe gibt.
Der breite Kamin mit den flackernden Holz-
scheiten ladet zu beschaulichem Gespräch
an gastlichen Abenden.
Die lange Wand des Raumes ist ganz
ausgefüllt von hohen Bücherschränken, hinter
deren Glastüren sich kostbare Bände reihen.
Die große Schrankfläche ist oben durch drei
Bogen abgeschlossen, um das Monotone einer
zu langen geraden Linie zu vermeiden.
Zwei niedrigere, zwischengebaute Ge-
wehrschränke mit darüber angebrachten Ni-
schen gaben Gelegenheit, Abwechslung in
die Bücherwand zu bringen, durch wenig
durchbrochene geschnitzte Türen, durch die
Dekor«tlre Kunst. XIX. 9. Juni 1916
285
ARCH. RUNGE &. SCOTLAND BREMEN
TISCH AUS DER BIBLIOTHEK ßOSELlUS, BERLIN (vgl. S. 291)
ARCH. RUNGE &. SCOTLAND
AUS DEM EMPFANGSZIMMER (vgl. S. 287)
286
287
37«
ARCH. RUNGE &, SCOTLAND-BREMEN
KAMIN DER BIBLIOTHEK ROSELIUS, BERLIN
man, im schönen Gegensatz zu dem schwar-
zen Holz den dahinter gespannten grünen
Stoff schimmern sieht.
Ganz anders ist der Empfangsraum ab-
gestimmt, er betont mehr das Festliche, er
will dem Besucher mit seiner Helligkeit einen
heiteren Eingang bereiten. Durch die drei
hohen zum Garten führenden Türen wirft
die Sonne ihre Lichter auf die sattgelbe
Seidenbespannung der Wände. Zierliche und
schwerere Sessel und Sofas sind mit blauer
Seide bespannt, die mit reichen Blumen-
mustern in gedämpften Farben überzogen
ist. Das dunkle Mahagoniholz mit hellen
Adern und Einlagen faßt die Farben. Die
große Prismenkrone mit versilberten Metall-
teilen und eingefügten schwarzen Kettchen
und die durch Seidenschirme gedämpften
Lichter der Wandbeleuchtungen geben dem
Räume bei festlichen Gelegenheiten den
Glanz.
Den ernsten und den heiteren Raum kann
man sie nennen, der eine ernst ohne Schwere,
der andere heiter ohne Ausgelassenheit.
288
289
ARCH. RUNGE & SCOTLAND-BREMEN
AUS DER BIBLIOTHEK ROSELIUS, BERLIN (vgl. S. 289)
290
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ARCH. RUNGE & SCOTLAND-BREMEN
SCHREIBTISCHECKE DER BIBLIOTHEK ROSELIUS
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ARCH. CARL MORITZ-KÖLN
HEIM DES KÜNSTLERS: STRASZENSEITE
DAS KÜNSTLERHEIM DES ARCHITEKTEN
CARL MORITZ, KÖLN
Es ist eine Seltenheit, daß der Architekt
beim Villenbau — wenn man von der Pro-
jektierung ganzer Villenkolonien absieht —
Städtebauliche Probleme zu lösen hat, da zu-
meist Sfraßenfluchten, Baufluchten und Vor-
gartentiefen bestimmungsgemäß festliegen, und
eine Abweichung dieser baupolizeilichen Vor-
schriften äußerst selten zugelassen wird. Bei
dem vorliegenden Projekt des Künstlerheims
wurde durch die Gelegenheit, zwei weitere
kleinere Villen mitbauen zu können, eine Bau-
gruppe geschaffen, die nach städtebaulichen
Gesichtspunkten projektiert werden konnte.
Das Grundstück liegt an einer starken Straßen-
biegung der Parkstraße in der höchstgelegenen
Villensiedelung von Marienburg bei Köln, die
einen herrlichen alten Baumbestand aufweist.
Die drei Villen sind durch niedere Verbin-
dungsbauten zu einer Baugruppe in Winkel-
form vereinigt und das Künstlerheim bildet
in der Mitle, indem es zum Anfang der ge-
rade angelegten Parkstraße senkrecht steht,
einen StraQenabschluß. Dabei ist die Bau-
gruppe soweit von der Straße zurückgelegt,
daß in ihrem Winkel die wundervolle alte
Akazie stehen bleiben konnte, die mit ihrer
feinen Verästelung einen schönen Gegensatz
zur umgebenden Architektur bildet.
Diese Rücksichtnahme auf die Natur prägt
sich auch sehr glücklich in der Gartenseite
des Hauses aus, wo die majestätischen Pap-
peln, die alt ehrwürdigen Eschen mit dem
architektonisch angelegten Garten und der ma-
lerischen anheimenden Fassade mit dem in-
Dekoritive Kuiitt. XIX. 9, Juni 1916
293
ARCH. CARL MORITZ-KÖLN
HEIM DES KÜNSTLERS: GARTENSEITE
294
ARCII. CARL MORITZ-KÖLN
HEIM DES KONSTLERS: GARTENSEITE
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teressanten vorgebauten Gartenzimmer ein har-
monisches Ganzes von eindrucksvoller Schön-
heit bilden.
Die äußere Architektur gegen die Straße zeigt
eine einfache symmetrische Aufteilung nach
klassischen Gesichtspunkten, die durch die
Behandlung im Detail ein individuelles Ge-
präge aufweist. Das Loggienmotiv in der Mitte
mit den gebälktragenden Puttenstützen sowie
die flachen, seitlich flankierenden Erker geben
der Fassade die plastische Sättigung.
Die im Mittelpunkt befindliche Haustüre
aus schwarzgrauer Eiche mit Knochenintarsien
und vergoldetem schmiedeeisernen Oberlicht
bildet einen angenehmen Farbfleck in der in
graugrünlicher Terranova in Verbindung mit
Muschelkalk ausgeführten Fassade.
M. F.
ARCH. CARL MORITZ KÖLN
HEIM DES KÜNSTLERS: LAUBENCANO
297
F. A. PFUHLE-DANZIG KIRCHENFENSTER: CHRISTI GEBURT
Ausführung: Puhi & Wagner, Gottfried Heinersdorff, Vereinigte Werkstätten für Glasmalerei, Berlin-Treptow
DIE DANZIGER GLASMALEREIEN F. A. PFUHLES
Wer zum ersten Male durch die Gassen
Danzigs wandert, sinnend in den ge-
ruhigen Plätzen steht, die behaglich und froh
wie Innenräume wirken, sieht und erlebt
jene alte Kultur, die als Gotik und Renaissance
hier in überraschender Fülle eine für die
Ostseestädte typische Prägung gefunden hat.
Das alte Stadtbild ist ein Meisterwerk städte-
baulicher Kunst. In seiner naiven Selbst-
verständlichkeit kann es geradezu als Schul-
beispiel für bewußte moderne Bestrebungen
gelten. Man sieht die starken Einflüsse, die
von außen kamen, man sieht aber auch das
Bodenständige dieser Kunst. Und hat sich
das Auge in dieses reizvolle Spiel von Raum,
Fläche und Linie hineingelebt, in diese weiche
Schönheit und ruhige Kraft, so bemerkt es,
daß jener alte Geist in allerneuester Zeit
wieder aufzuleben beginnt.
Augenscheinlich wird dies, wenn man sich
von Südosten der von dem jüngst erst ge-
fallenen Architekten Weber erbauten Kirche
in Oliva nähert. Man erkennt den Zusam-
menhang mit der Tradition. Die Elemente
der einzelnen Form sind noch die altüber-
lieferten, aber es ist die Sprache unserer
Zeit, die aus ihnen redet.
Ein glückliches Zusammentreffen wollte
es, daß der Baugedanke dieses allzufrüh
dahingegangenen Künstlers durch die Glas-
malereien des seiner Kunstrichtung konge-
nialen Danziger Malers F. A. PFUHLE seine
innere Vollendung gefunden hat.
Man mäche sich einmal die Grundelemente
der monumentalen Kunst der Alten klar,
und man wird finden, daß die ihr von An-
fang an innewohnenden architektonischen
Linien-, Farben- und Flächengesetze auch
298
F. A. PFUHLE-DANZIG KIRCHENFENSTER: KREUZIGUNG
Ausführung: Puhl &. Wagner, Gottfried HeincrsdorlT, Vereinigle Werkstitten für Glasmalerei, Berlin-Treptow
hier auf das glücklichste erfüllt scheinen.
Hierwie dort wird die Fensterdurchbrechung
in die geschlossene, das Raumbild erzeu-
gende Flächenwirkung der Wände hinein-
bezogen.
Daß man nicht immer diesem Ideale nahe
kam, am wenigsten vielleicht in dem ver-
gangenen Jahrhundert, von dem Jakob Burck-
hardt meint, es habe das Pensum der Ver-
gangenheit noch einmal aufsagen müssen,
zeigt am besten die Geschichte der Glas-
malerei.
Sie lehrt allgemein gesagt, daß die Glas-
malerei, eine Synthese von Kunstgewerbe
und hoher Kunst, dort ihre höchste Vollen-
dung zeigt, wo sie jedesmal dem architek-
tonischen Organismus entsprechend, das Auf-
gehen der künstlerischen Forderungen in
die des Kunstgewerbes zeigt.
Der Weg zur Erfüllung dieser Bedingung
scheint in den Glasbildern F. A. Pfuhles
überraschenderweise gefunden zu sein. Sein
gesamtes künstlerisches Schaffen, ausgehend
vom Dekorativ-kunstgewerblichen, zeigt bei
einer sicheren Beherrschung des Aktes das
Streben nach monumentaler Wirkung. Diese
drei Faktoren, heute bewußt angestrebt,
waren der Kernpunkt der mittelalterlichen
Glasmalereien. Hinzu kommen die Forde-
rungen des Augenblicks. Vorläufig sollte
jedesmal nur der untere Teil eines jeden
Fensters seinen malerischen Schmuck er-
halten, so daß der christologische Zyklus
von Geburt, Kreuzigung, Auferstehung und
Himmelfahrt gleichsam wie ein Fries den
Chorabschnitt begleitete.
Die Folge müßte ein allzu starkes Ein-
strömen von Licht durch die darüber lie-
genden Fensterteile sein. Es ist das Ver-
dienst des Künstlers, daß er mit wenigen
299
F. A. PFUHLE-DANZIG KIRCHENFENSTER: AUFERSTEHUNG
Ausführung: Puhl &. Wagner, Gottfried Heinersdorff, Vereinigte Werkstätten für Glasmalerei, Berlin-Treptow
Mitteln aus der Not eine Tugend machte,
indem er den Hauptton auf die Verwendung
des Schwarzlot-Ueberzuges legte und nur
wenige Farben nach rein dekorativen Ge-
sichtspunkten zur Anwendung brachte. Da-
durch wurde bei genügender Durchlässig-
keit von Licht dennoch der raumabschlie-
ßende Charakter der Fenster aufs beste ge-
wahrt. Unterstützt wird dieses Streben
durch die auf der sicheren Beherrschung des
Aktes beruhende Zurückführung des Körper-
lichen auf wenige große, charakteristische
Linien, die so vorzüglich sich den notwen-
digen Bleiruten anpassen. Alles Materielle
scheint damit negiert und eine unmittel-
barste Ausdrucksfähigkeit wird erreicht,
die in ihrer dekorativ bedeutenden Wir-
kung zu monumentaler Größe wächst. Bei
alledem ist die Nähe Hodlers unverkenn-
bar. Besonders deutlich wird dies bei
einer Gestalt wie der klagenden Magda-
lena vor dem Kreuz (Abb. S. 299) und den
in staunendem Entsetzen zurückweichenden
Wächtern vor dem in mystischem Glänze
Auferstehenden (Abb. S. 300). Sieht man dann
weiter, mit welcher ekstatischen Inbrunst
die Jünger, erdenschwer, ihrem gen Himmel
fahrenden Herrn und Meister nachschauen
(Abb. S. 301), so denkt man an die in ihrer
köstlichen Naivität und der Kraft des künst-
lerischen Erlebnisses wundervollen Fenster
von Saint Pierre in Poitiers. Auch kompo-
sitioneil ist diese Gruppe ein Meisterwerk.
Das durch die Vierteilung der Fenster jedes-
mal bedingte Aus-der-Mitte-rücken der Haupt-
figur erscheint hier durch die Verteilung der
Massen, die geschickte Verwendung von
Überschneidungen, das Ausgleichen von Ver-
tikale und Horizontale und das zu über-
raschender Wirkung gesteigerte Verwenden
300
F. A. PFUHLEDANZIG
KIRCHENFENSTER: HIMMELFAHRT
Ausführung: Puhl & Wagner, Gottfried Heincrsdorff, Vereinigte Werl(StStlen für Glasmalerei, Berlin-Treptow
der Diagonale bis auf das letzte ausgegli-
chen. Es ist außerordentlich reizvoll, zu
beobachten, wie es dem Künstler geglückt
ist, von Darstellung zu Darstellung bemüht,
sich mit dem Problem des Glasstiles aus-
einanderzusetzen, für die letzte, auch inhalt-
lich den Höhepunkt darstellende Szene die
künstlerisch vollendetste Lösung zu finden.
Das läßt sich bis ins Detail hinein verfol-
gen. Betrachtet man einen Ausschnitt wie
den des Pantokrator aus der „Himmelfahrt",
so sieht man deutlich, wie Konturbleie die
verhältnismäßig großen Scheiben rahmen
und gleichzeitig das Lineare des Körpers
aufs stärkste betonen, wie Notbleie anderer-
seits ihren Charakter mit rücksichtsloser
Konsequenz offenbaren und gerade dadurch
auch die feinere Linienführung der Zeichnung
zu ihrem Rechte kommen lassen. Eine weise
Beschränkung in der Verwendung des
Schwarzlotes und eine geschickte Wahl der
blasigen und gehobelten Antikglasscheiben
vermeiden eine zu starke Modellierung des
Körperlichen und überlassen den Haupt-
eindruck dem durch die Macht des Lichtes
zu hoher Kraft gesteigerten Ausdruck
seelischen Empfindens. Daß diese Schöpfung
für eine evangelische Kirche gedacht ist,
mag, abgesehen von der schlichten Größe
der Darstellungen, eine vom Künstler ge-
wollte Ähnlichkeit des in diesem Fenster
rechts stehenden Jüngers mit Luther kenn-
zeichnen.
Fast gleichzeitig mit dieser sakralen Schöp-
fung entstand im Innern Danzigs die von
A. Carsten erbaute westpreußische Feuer-
sozietät. Hier war es für unseren Künstler
vielleicht noch schwerer, die drei für das
Treppenhaus geschaffenen Fenster den For-
derungen moderner Glasmalerei anzupassen.
Dekorative Kunst. XIX. 9. Juni 1916
301
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F. A. PFUHLE-DANZIG
AUSSCHNITTE AUS DEN KIRCHENFENSTERN
Daß es ihm glückte, bei hinreichender Durch-
lässigkeit von Licht mit der Darstellung
des von einer Wolke herab feuerlöschenden
St. Florian, den rechts und links allegori-
sche Scenen begleiten, eine dekorativ und
symbolisch gleich gute Wirkung zu erzie-
len, darf als ein besonderes Verdienst be-
trachtet werden.
Die Darstellungen sind, dem Charakter
des Baues entsprechend, im Empire-Ge-
schmack gehalten. An dem leichten, den
Hintergrund abschließenden Gerüst winden
sich und züngeln die Blätter gleich Flämm-
chen empor, eine Illusion, die durch ihre
rötlich-braune Farbe noch unterstützt wird.
In diesem leichten Rahmenwerk steht, den
Haupteindruck beherrschend, hoch aufgerich-
tet eine Frauengestalt, von spielenden Kin-
dern umgeben, deren eines sie selbst auf
ihrer Linken trägt — das Ganze ein Sym-
bol des Lebens (Abb. S.303). Geht man so
von dem Gesamteindruck zu der Betrach-
tung des einzelnen über, dann findet man
auch hier in den Köpfen einen seelischen
Gehalt, den man mit klassischer Schönheit
bezeichnen möchte.
Es ist mehr als ein Zufall, daß mit dem
Streben unsrer Zeit nach dem Monumen-
talen die Kenntnis der alten Technik der
Glasmalerei wieder auflebt. Der Stilwille,
der neue Bahnen in Architektur, Malerei
und Kunstgewerbe einschlägt, vergönnt hier
einen Blick in seine innere Struktur. —
An dieser Stelle ist es unumgänglich, der
großen Verdienste von Heinersdorff-Berlin
und seiner Werkstatt zu gedenken. Eine ge-
naue Kenntnis des vorzüglichen Materiales
und der Technik der Alten, getragen von
modernem Geiste, läßt ihn aus den Forde-
rungen der Gegenwart eine sklavische Nach-
ahmung der alten Scheiben in der aus ihrer
Zeit geborenen Formensprache vermeiden
und die besten und persönlichsten Arbeiten
unserer Zeit betonen.
So sind die Danziger Glasmalereien
F. A. Pfuhles alles in allem ein vielverspre-
chender Erfolg des vorbildlichen Zusammen-
arbeitens von Künstler und Handwerker,
wie es in den Werkstätten von Heinersdorff
im Anschluß an die besten Überlieferungen
vergangener Jahrhunderte gepflegt wird.
Martin Konrad
302
F. A. PFUHLE, DANZIG a FENSTER IN DER WESTPREUSZISCHEN FEUERSOZIETAT, DANZIG
Ausführung: Puhl &. Wagner, Gottfried HcincrsdorlT, Vereinigte Wcriistinen für Glumalcrei, Bcrlin-Trtptow
303
ARCH. RICHARD BERNDL-MONCHEN D KRIEGSDENKMAL, STEINBANK UM EINEN ALTEN BAUM
KRIEGSDENKMAL-ENTWÜRFE VON RICHARD BERNDL
Seit dem Kriege 1870/71 hat sich beinahe
ganz Europa einem zügellosen Denkmal-
kult hingegeben, dessen wuchernde Verbrei-
tung allmählich zur Landplage geworden ist.
Den meisten Werken derart fehlt der monu-
mentale Sinn und Stil; sie leiden an barok-
kem Ueberschwang, der sie um Haltung und
Würde bringt. Die moderne Kunst hat auch
hier läuternd gewirkt, indem sie aus den
Wesenseigenschaften des Monumentes den
Anschluß an Geist und Form der besten
Werke vergangener Zeit gefunden. Bis jetzt
sind allerdings solche Schöpfungen noch in
der Minderzahl. Das kann auch durch den
Krieg nicht mit einem Schlag anders werden ;
denn man krempelt liebgewordene Kunst-
anschauungen, die einem gar noch Erfolg
gebracht, nicht gerne um. Immerhin berührtj
304
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ARCII. RICHARD BERNDL-MONCIIEN Q KRIEGSDENKMAL, STEINKRANZ UM EINE ALTE LINDE
es schmerzlich, daß unter den zahllosen Ent-
würfen für Schlachten- und Heldendenkmale
so weniges sich findet, das dem Ernst und der
Bedeutung der Sache entspricht, daß die un-
freiwillige Muße, die der Krieg vielen Künst-
lern brachte, nicht im Sinn der Vertiefung
und Verinnerlichung gewirkt hat. Die mei-
sten begnügen sich, alte Vorbilder für den
neuen Zweck zurechtzumachen, ohne sie auch
nur annähernd zu erreichen. Immer wieder
tauchen die abgenützten Allegorien und Sym-
bole der Antike und Renaissance auf; nur
weniges ist aus einer bestimmten Situation
geschaffen; die verhältnismäßig spärlichen
Versuche, mit einfachsten Mitteln etwas Wür-
diges zu schaffen, sind fast ausnahmslos
flüchtig, äußerlich, kümmerlich-dünne Ein-
fälle in magerer Form und ärmlicher Stim-
mung. Die Mängel dieser letzteren Gruppe
sind um so bedauerlicher, als bei dem auDer-
ordentlichen Massenbedarf vor allem aus-
gereifte Typen schlichter und doch wirk-
305
orf
samer Art notwendig sind. Für solchen
Zweck genügt nichtirgend ein zeichnerischer
Einfall, hier führt nur liebevoll sich versen-
kende Kleinarbeit zum Ziel — auf Grund
einer besonderen Begabung, die der noch
lange nicht erwiesen, der gelegentlich einen
Grabstein entworfen
oder eine bescheidene
Denkmalkonkurrenz
gewonnen
hat.
Unter dem Selte-
nen, das man ausge-
führt sehen möchte,
befinden sich die Stu-
dien und Entwürfe
des Münchener Ar-
chitekten Professor
RICHARD BERNDL.
Sie zeichnen sich aus
durch ein klares,
kräftiges Erfassen
und Gestalten ganz
bestimmter Gedan-
ken, die mit wenigen
Mitteln auf eine stim-
mungsvolle Form ge-
bracht sind.
Zunächst das „Ge-
dächtniskreuz fürGe-
fallene eines ober-
bayerischenGebirgs-
dorfes" (Abb. S. 307),
womit zugleich dem
RICHARD BERNDL-MONCHEN 13 GEDACHTNISKREUZE
IM KAMPFGEBIET DES HOCHGEBIRGES
religiösen Sinn des Volkes und seinen Ge-
wohnheiten Rechnung getragen wird. Das
Wegkreuz, das auch sonst sehr beliebt ist,
das über Wiesen und Felder hinwinkt, am
Kirchweg und an der Fahrstraße steht, eig-
net sich jedenfalls in besonderer Weise zur
Gedächtnisstätte für
die in der Ferne Ge-
fallenen: man verei-
nigt sich gerne mit
ihnen im Gebet und
erträgt so leichter
ihren Verlust. Kunst
und Leben greifen
unmittelbar, gleich-
sam naturhaft inein-
ander. Die derben
Formen passen ins
Freie, das oft rauhes
Wetter durchstürmt;
farbig gefaßt, mit
Blau, etwas Rot und
Gelb, die weißen Ta-
feln mit grünen Krän-
zen umsäumt, wirkt
solch ein Kreuz fest-
lich und als Schmuck
der Landschaft. In
einem Steinkranz und
einer Steinbank um
altehrwürdige Bäume
(Abb. S. 304 u. 305),
die seit Generationen
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RICHARD BERNDL-MONCHEN □ GEDACHTNISKREUZ FOR GEFALLENE EINES CEBIRGSDORFES
307
RICHARD BERNDL-MONCHEN G
WAPPEN UND FIGUR IN BRONZE
KRIEGSDENKMALE IN STEIN
denkt hierbei vor allem der dort
heimischen Truppenteile, deren
Namen mit den Hauptereignissen
die Schilder verkünden sollen. Es
liegt etwas treuherzig Volksmäßi-
ges in solch schlichter, einheimi-
scher Zimmermannskunst.
In ähnlicher Weise könnte im
baumarmen, aber steinreichen
Karstgebiet die erfolgreiche Ab-
wehr welscher Begehrlichkeit
durch Denksteine gefeiert werden.
Kraftvoll stilisierte Bronzeadler
künden mit einem hl. Georg oder
Michael, christlichen und kriegeri-
schen Abzeichen das Zusammen-
wirken religiöser und nationaler
Gesinnung für einen wahrhaft hei-
ligen Kampf. Knappe Angaben
über die Kämpfe und Kämpfenden
wirken in markiger Schrift als Ur-
kunden und sachliche Zier.
Da und dort kann ein wuchti-
ges Holzkreuz (Abb. S. 309) mit
dem bayerischen Wappen von den
besonderen Leistungen dieses tap-
feren deutschen Stammes ehrendes
Zeugnis geben.
als Wahrzeichen in der Gegend
stehen und ein Opfer des Erwerbs-
sinnes zu werden drohen, ver-
knüpft sich gesunde Heimatpflege
mit der Heldenverehrung. Dem
Bauern, der durch seine vielfache
Abhängigkeit von der Natur die-
ser nicht immer gut gesinnt ist,
sie mehr nach ihrer Nutzbarkeit
als Schönheit wertet, ersteht aus
solchem Schutz und Schmuck mit
dem Gedanken an gefallene An-
gehörige und Freunde ein ehr-
fürchtigeres Verhältnis zur Natur.
Auch der Wanderer wird davon
nachdenklich gestimmt: das Knos-
pen, Prunken und Verwelken der
mächtigen Laubkronen kündet den
Rhythmus von Leben und Tod in
ewiger Wiederkehr.
Wie im waldreichen Gebirge
Tirols verschiedene Kampfpunkte
dem Gedächtnis festgehalten wer-
den können — wiederum im An-
schluß an das Gebetsbedürfnis der
umwohnenden Bevölkerung — zei-
gen einfach gezimmerte Kreuze
(Abb. S. 306). Der Künstler ge-
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Dekorative Kunst. XIX. 4. Juni 1916
309
Fürdendunk-
lenHintergrund
der östlichen
Waldbestände
empfehlen sich
gedrungene,
breit gelagerte
Klötze, die als
mächtige Hüter
von Massengrä-
bern den monu-
mentalen Zug
jener Riesen-
schlachten kom-
menden Ge-
schlechtern kün-
den(Abb.S.311).
An der Küste
könnten in ähn-
licher Weise
einfache Blöcke
mit stilisierten
Schiffskielen
die ruhmrei-
chen Taten unserer Flotte verherrlichen.
Man sieht, all diesen Entwürfen eignet die
starke Versen-
kung in die be-
sonderen Ver-
hältnisse, eine
gemüthafte
Durchdringung
und knappe
Form, ebenso
angemessender
Größe dieses
Völkerringens
wie der prak-
tischen Durch-
führbarkeit,
auch mit be-
scheidenen Mit-
teln. Wenn wir
in solcher Art
die furchtbare
Gegenwart den
Späteren über-
liefern, werden
sie von dem
Ernst unserer
Gesinnung wie unserer Kunst Achtung ha-
ben und sich ihrer würdig zu erweisen suchen.
Jos. Popp
RICHARD BERNDL G ENTWÜRFE PCR DENKSTEINE AN DER KÜSTE
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311
MELITTA LÖFFLER-WIEN
STICKEREI IN BUNTER WOLLE
DIE TEXTILARBEITEN VON MELITTA LÖFFLER
Die persönliche Aeußerung in derartigen
Dingen des Kunsthandwerkes, in Kissen,
Decken, Kappen, Beuteln, unterliegt einer viel-
fachen Beschränkung. Material und Arbeits-
weise kehren wieder, der gleichbleibende Zweck
führt zu wenig verschiedenen Formen, der
Schmuck wird fast zum ausschließlichen Aus-
drucksmittel für das Besondere der Begabung.
Sie hat dann die Linie und Farbe, zunächst
in der Fläche, zu ihrer Verfügung.
Bei einem solchen Sachverhalt scheint die
Schulung fast alles leisten zu können. Und
wirklich ist der Wiener Kunstgewerbeschule ge-
rade auf dem Gebiete textiler Arbeit in den
letzten Jahren ein stattlicher und vortrefflicher
Stock von Handwerkern entwachsen, der Ent-
wurf und Ausführung aus dem Eigenen be-
sorgt. Hält man ihn etwa gegen den Nach-
wuchs an Keramikern — gemeint ist auch hier
die Masse und ihr Gemeinsames, nicht das Ein-
zelne, — dann wird es recht offenkundig, daß
der Erziehungsdurchschnitt dort schon jetzt
einem höher gespannten, fester geschlossenen
Niveau näher kommt. Das mag sich daraus er-
klären, daß Handfertigkeit und Geschmack für
diesen Arbeitsstoff in Wien bodenständig sind,
daß auch das Verständnis des Laienkäufers
mittelbar fördernd eingreift und daß hier die
grundgebende Uebereinkunft schwerer wiegt als
der persönliche Einschlag. Alle Ursachen ver-
binden sich zur Erwirkung eines sozial um-
schriebenen Handwerkszweiges. Und es ist ein
wesentlicher Vorzug der Schulwerkstätte, daß
sie den positiven Wert solcher Voraussetzungen
gerade hier ganz erkannt und planmäßig genützt
hat, — nur daß sie innerhalb dieser gut konser-
vativen Haltung auch die Keime eigener Künst-
lerschaft im Schüler aufsuchte und in einem
wohltemperierten Maße pflegte. Nur so er-
reichte sie, was dieses Handwerk gewiß schon
heute wieder hat: Kultur.
Bei Melitta Löffler hat die Linie eine be-
sonders gelenkige Beweglichkeit, verlangt nach
hellen, heiteren Farben, bringt das geometrische,
blumige oder figürliche Muster, das hier einer
strengeren Stilisierung widerstrebt, zu tonig
312
MELITTA LOFFLER-WIEN
STICKEREI EINER SEIDENEN DECKE
313
abgestimmter Geltung. Vielleicht ist gerade
die Seide der Stoff, in dem sich die feine
Launigkeit dieser Begabung am entsprechend-
sten auslebt. Sicher gehört sie zum Besten
aus dem Erziehungskreise der Wiener Kunst-
gewerbeschule: Ursprüngliches und Kultivier-
tes geht hier in gegenseitiger Förderung zu-
sammen und in eines auf. m. e.
MELITTA LÖFFLER-WIEN
STICKEREIEN IN BUNTER WOLLE
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HERMANN WIDMER-BERLIN G ADRESSE AUF PERGAMENT PCR FELD.MARSCHALL VON HINDENBURG, CBER-
REICHT VOM J. GARDE-REGIMENT ZU FUSZ, BERLIN
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HERMANN WIDMER-BERLIN
ADRESSE AUF PERGAMENT FÜR HERRN JOH. A. VON WOLFING
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ARCH. ROBERT OERLEY-WIEN
LANDHAUS IN NEUBRUCK: STRASZENSEITE
ROBERT OERLEY
Die Art Robert Oerleys steht zwischen
den Richtungen der neuen Wiener Bau-
kunst, ist keiner Partei, keinem Programm
verschrieben, sondern sucht den geraden Ver-
kehr mit der Besonderheit der jeweiligen
Aufgabe. Wenn man in der ansehnlichen
Reihe seiner bisherigen Bauten die Herkunft
ihres Unterschiedes bestimmen wollte, müßte
man vor allem auf die bewußte Unterord-
nung hinweisen, die hier das Verhältnis von
Objekt und Persönlichkeit regelt. Bauort
und Bauzweck legen für die Einsicht dieses
Künstlers einen Rahmen fest, in den er sich
selber stellt, den er beherrscht, indem er
ihm dient. Und die Entwicklung seines Wer-
kes läßt sich wesentlich an dem gesteiger-
ten Maße ablesen, in dem sich die Aufgabe
nach ihren Bedingungen darstellt. Dabei
geht durch allen Wechsel der Leistungen
als verbindender Zug die klare Männlich-
keit des Urhebers.
Robert Oerley ist 1876 in Wien als Sohn
eines Großtischlers geboren. Zum Nach-
folger im väterlichen Betrieb bestimmt, hat
er zunächst das Tischlerhandwerk gelernt
und als Zögling der Wiener Kunstgewerbe-
schule ihre damals recht internationale Gang-
art in allerhand Stilen mitmachen müssen.
Der Unterricht traf nur insofern einen leben-
digen Strang dieser Jugend, als er zum
Handwerk, zum Selbermachen führte. Auch
späterhin bewies sich Lust und Vermögen
zu einer unmittelbaren Auseinandersetzung
mit dem Stoffe in der besonderen Ansfellig-
keit des Künstlers, die sich in jedem Hand-
werk leicht zurechtfand und aus diesem
tätigen Umgang Erfahrungen schöpft, die
auch dem leitenden Architekten vielfach zu-
statten kommen. Aber das übrige Schul-
wesen stieß bald auf den Widerstand einer
noch durchaus unklaren Begabung. Neben
dem Selbermachen gab es doch zuviel des
Nachmachens,und dieser überwuchernde Teil
der Erziehung trieb den Ratlosen in ein Feld
der Kunst, auf dem das Selber alles gilt.
Oerley wird Maljünger und geht den Büß-
gang aller jungen Deutschen, nach Italien.
Mehr als ein Jahr bleibt er dort. Was er
hier getrieben hat, ist für sich recht belang-
los und auf den ersten Blick seinem späteren
Dekorative Kunst. XIX. lo. Juli iqi6
317
41
ARCll. ROBERT OERLEY-WIEN
LANDHAUS IN NEUBRUCK : GARTENSEITE
Werke völlig fremd. Er malt Veduten. Ein
kleiner Rest davon ist mit einer Schenkung
in die Moderne Staatsgalerie gekommen.
Man sieht daran, daß Rudolf von Alt da-
mals in der höchsten Gunst des Publikums
und der Maler steht, die ihm schlecht und
recht nacheifern. Aber es war doch ein
erster, freilich ganz unbewußter Schritt zur
Architektur, wenn auch an diesen Stücken
nichts gebaut, auch nicht nachgebaut ist,
sondern alles bloß auf eine nette Wirkung
in der Fläche bedacht. Dann entscheidet
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ARCH. ROBERT OERLEY-WIEN □ LANDHAUS IN NEUBRUCK: GRUNDRISSE VON ERD- U. OBERGESCHOSZ
318
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41*
ARCH. ROBERT OERLEY-WIEN LANDHAUS IN NEUBRUCK: WOHNDIELE
Ausführung in FöhrenhoU : Richard Ludwig; der Polstermöbel: Leopold Loevy, Wien
eine Baukonkurrenz im Familienkreise für
den künftigen Weg. Der Vater will ein
Stadthaus bauen, der Baumeister bringt Archi-
tektenpläne, der junge Oerley findet sie mi-
serabel und soll's nun zur Strafe besser
machen. Er versucht's und es wird besser.
Das läßt ihn selber und ein paar Nahe-
stehende stutzig werden, und jetzt geht es
flott ans Nachlernen. Freunde aus der
Schule der Wiener Technik, namentlich aus
der Richtung Tetmajers, werden willige und
gründliche Helfer, der praktische Erziehungs-
rest bewährt sich jetzt auf neuer Bahn, Ge-
schick und Sinn fürs Handwerk tun das
Uebrige. Ueber Jahr und Tag ist der Bau-
meister fertig und setzt sich in einer nach
Art und Zahl gleich stattlichen Reihe von
Werken durch. Man wird schon in diesem
Weg genug vom Notwendigen und Beding-
ten finden, das den Griff und die Auffassung
seiner späteren Arbeit miterklärt.
Auch ihm blieb, wenigstens vorderhand,
die Mitwirkung gerade an dem wichtigsten
Problem moderner Baukunst, an dem groß-
städtischen Zinshause, versagt. Doch konnte
er sich in einer verwandten Aufgabe be-
tätigen: 1908 entsteht das Sanatorium Auers-
perg in der gleichnamigen Straßedes VI I I.Be-
zirkes. Sonst muß er sich, wie die anderen
vorgeschrittenen Architekten auch, sein Feld
in jenen äußeren Bezirken suchen, wo der
weniger robuste Unternehmerwille und der
private Bauherr dem Künstler freieres Spiel
übrig lassen. Wo die offenere Verbauung
und die behördliche Regelung die Eigenart
des Einzelwerkes weniger einschränken und
wo zudem der Wunsch des Eigentümers,
es seinem Nachbar zuvorzutun, jedenfalls
aber es anders zu machen, neben allerhand
üblen Folgen das Gute mit sich bringt, daß
sich das Persönliche im Auftraggeber mit
dem Persönlichen im Baumeister leichter zu-
sammenfindet. Oerley baut im Döblinger
Außenviertel Mietvillen, darunter 1906 das
320
ARCH. ROBERT OEKLEY-WIEN LANDHAUS IN NEUBRUCK: WOHNDIELE
Ausführung in Föbrenholz: Richard Ludwig; der Polstermibel : Leopold Locvy, Wien
gekoppelte Haus mit sechs Wohnungen in
der Lannerstraße, Einfamilienhäuser, dar-
unter das in der Türkenschanzstraße des
XVIII. Bezirks 1907, zuletzt eines inmitten
einer weitläufigen Gartenanlage in Hietzing.
Zwischendurch hat er das Landhaus reich-
lich gepflegt. Namentlich in den nördlichen
Voralpen. Seit 1910 entstehen dort solche
Bauten im tirolischen Kitzbühel, bei Neu-
bruck im Erlaftal und in Kalksburg bei
Rodaun.
Voran in diesem Werke steht die offen-
sichtliche Materialfreude. Sie begründet auch
zuallererst die lebhafte Klarheit und den
Wechsel der Erscheinungen, ihre kräftigste
Aeußerung findet sie in der gemischten Ver-
wendung von Holz und Mauerwerk an dem-
selben Gebäude, — bei ländlichen Aufgaben
tektonisch erklärt, bei städtischen dekora-
tiv herabgestimmt. Für den Unterbau wird
gelegentlich großkörniges Flußgeröll mit
rustikalerWirkungindenAnwurf gesetzt, der
Mauerkern mit tonigem Edelputz verkleidet,
das Dach mit grauem Eternitschiefer oder mit
alten, rostroten Ziegeln eingedeckt, deren
satter Verein von den helleren Flecken neuen
Backsteins nur noch betont wird. Das ergibt
zusammen jeweils ein starkes, breit abgesetz-
tes Farbenspiel, das umso ansprechender
und überzeugender berührt, als es das Spiel
der Stoffe sichtbar macht und damit auch
die einzelnen Bauteile und die Verschieden-
heiten der Bearbeitung erkennen läßt. Der
gewandte Umgang mit den Arten moderner
Bautechnik und ihre besonnene Zusammen-
führung in einem Bauwerk führt zu einer
knappen konstruktiven Ausdrucksweise und
zu einer merklichen Entlastung der Masse.
Für den ländlichen Bau sind zunächst
die Zusammenhänge mit den örtlichen und
volkstümlichen Gegebenheiten bezeichnend.
Das Kitzbüheler Landhaus bedient sich noch
auffällig genug der bodenständigen Mundart
Späterhin verlieren sich bei ähnlichen Auf-
321
ARCH. ROBERT OERLEY-WIEN
LANDHAUS IN KALKSBURG: SEITENANSICHT (vol. S. 323)
gaben derartige äußerliche Anklänge, aber neuen stofflichen und struktiven Voraus-
die Form bleibt verwurzelt, nur daß sie aus Setzungen und aus der großstädtischen Art
ihren modernen Baubedingungen — aus den des Eigentümers und seines Baumeisters
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ARCH. R. OERLEY-WIEN B LANDHAUS IN KALKSBURG: GRUNDRISSE VON ERD- U. OBERGESCHOSZ
322
323
ARCH. ROBERT OERLEY-WIEN g LANDHAUS IN KALKSBURG : GARTENSEITE
— hergeleitet wird. Man vergleiche nur
jenes Tiroler Landhaus mit dem Kalksburger,
das zugleich als ein freilebender Landsitz eine
vermehrte Selbständigkeit für sich in An-
spruch nimmt. Dabei bleibt auch hier der
landschaftliche Rahmen und das nahe gele-
gene Siedlungsbild nicht nur berücksichtigt,
sondern hat seinen deutlich wirksamen An-
teil an dem ihm beigeordneten Neuergebnis.
Im außenstädtischen Bezirke spricht diese
Umgebung, die natürliche und verbaute, we-
niger bestimmend mit, da hier — wie die
Dinge leider liegen — jedwedes mehr in
sich selber lebt. Das Herrenrecht des Be-
sitzers dokumentiert sich in seiner unter-
schiedlichen Einmischung. Bei der Errich-
tung der Villa Schmutzer (1911) hatte die-
ses ständige Widerspiel der Kräfte einen
hinlänglich vernünftigen Grund. Ein bilden-
der Künstler mit ausgesprochenem Gestal-
tungssinn will für sich ein Heim, das zu-
gleich seiner Altwiener Familientradition,
seiner Kunst und seinen Sammlungen eines
werden soll. So wird das Haus ein Ergeb-
nis gemeinsamer Arbeit, die beiden Künst-
lernaturen finden sich zu liebenswürdigem
Ausgleich. Sowie nun solche bestimmende
Einflüsse vom Auftraggeber her aussetzen,
verstärken sich auch hier wieder die per-
sönlichen Züge im Werke des Architekten.
Man halte nur etwa das kleine Einfamilien-
haus in der TürkenschanzstraOe gegen die
Gartenvilla in Hietzing. In den wenigen
Jahren, die dazwischen liegen, hat der Künst-
ler das vorsichtig Tastende, die Umsetzung
altdeutscher Motive in neustädtische Bau-
formen, völlig hinter sich und gibt aus
eigener Sicherheit ein Stattliches, das seine
Wirkung aus dem Einfachen und Einleuch-
tenden schöpft. Gerade hier treten auch die
324
ARCH. ROBERT OERLEY-WIEN
LANDHAUS IN KALKSBURC: ESSZIMMER
Auslührunt in Föhrcnhotz : M6b«ltabrlk F. Michel, Vicn
l>.ko™tl»e K.in«. XIX. lO. Juli tgi< 325
ARCH. ROBERT OERLEY-WIEN
GARTENViOHiNHAUS IN WIEN-HIETZING (vgl. S. 327)
326
327
ARCH. ROBERT OERLEY-WIEN GARTENWOHNHAUS IN WIEN: DIELE
Ausführung der Holzarbeiten: Richard und Bernhard Ludwig, Wien
Grundeigenschaften der Oerleyschen Bau-
lösungen — der straff und eindeutig geführte
Grundriß und die Hervorhebung des zu-
sammengehaltenen Baukörpers bei strenger
Unterordnung der Glieder — besonders
sprechend hervor. Der Charakter des Gan-
zen wird scharf herausgearbeitet, was ihn
abschwächen oder irritieren kann, energisch
unterdrückt.
Diese Grundeigenschaften kehren im Haus-
innern wieder und bestimmen die übersicht-
liche Aufteilung der Räume. Sie leben sich
bei gemessener Höhe namentlich in der
Breite aus, vermeiden alles Winkelwerk und
lassen das Licht in freier, ungebrochener
Flut ein. Das Möbel macht diesen einfachen,
körperhaften Schnitt mit und kann bei der
vollen Geräumigkeit der Stuben breit ausla-
den, ohne dem Auswirken des Innenraumes
im Wege zu stehen, der hier ebenso die
Hauptsache bleibt wie draußen der Bau-
würfel. Als Ergebnis bleibt weniger das
intim-beschauliche Interieur als die ländlich-
offene Behaglichkeit. Sie verrät sich als ein
wesentlicher Trieb dieses Schaffens auch
in jenen Gartenanlagen, die — • einerlei ob
sie wie bei der erwähnten Doppelvilla auf
ebenem Boden spielen oder wie am Kalks-
burger Hause das ansteigende Gelände
terrassieren — immer die natürliche Frei-
zügigkeit in die Hemmung einfacher geo-
metrischer Bindungen bringen.
Der jetzt vierzigjährige Künstler, der
spät genug sein eigentliches Arbeitsgebiet
fand, hat die Versuchs- und Werdezeit hinter
sich. Seine besondere Vernünftigkeit und
sein organisatorischer Sinn, der sich auch
im Bündlerwesen der Architektenschaft —
er ist Vorstand der „Gesellschaft Oester-
reichischer Architekten" — reichlich be-
weist, verlangen nach ihrer Natur wirklich
großstädtische Aufgaben, um zur Entfaltung
ihrer besten Möglichkeiten zu kommen.
Max Eisler
328
ARCH. ROBERT OERLEY-WIEN GARTENWOHNHAUS IN WIEN: KOCHE
Ausfuhrung der Wandverkleidung und des Bodenbelags: Lederer & Nessenyi, Wien
ARCH. ROBERT OERLEY-WIEN □ GARTENWOHNHAUS IN WIEN: KINDERSPIELZIMMER
Auslülirung: Richard Ludwig, Mtbelfabrik, Wien
329
ENTWURF: JOSEF HOFFMANN
ENTWURF: A. ZOVETTI
ENTWURF: A. ZOVETTI
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ENTWURF: G. KAHLHAMMER
LEINENSTOFFE DER WIENER WERKSTATTE
330
L. H. JUNGNICKEL-
WIEN
FARBIGER HOLZ-
SCHNITT: LÖWE
LUDWIG HEINRICH JUNGNICKEL
Gegen den österreichischen Charakter der
Kunst L. H. Jungnicicels ]<ann auch die
Tatsache seiner oberfränkischen Herkunft nicht
aufkommen. Wäre es nicht die hier altgeses-
sene Freude an graphischer Arbeit, die gleich-
verteilte Lust an Holz und Metall, dann ließe
sich überhaupt schwer ein fränkischer Grund-
ton aus seinem Werke herauslesen. Nur die
unbedingte Hingabe an Material und Technik,
aus der seiner Kunst jeder Fortschritt und
jede Erkenntnis kommt, dieses Reifen am hand-
werklichen Innewerden wird man als klaren
Erbteil seines Stammes ansprechen können.
In diesem Erdwinkel, wo Rhein und Donau
im harten Streit um ihre Nebenwässer liegen,
hatte die Unstetigkeit des Künstleis von alters
her ihre Heimat. Die Wasser lockten zum
Wandern. Die einen zog es nach West, sie
rief eine früher befreite, rastlos treibendeKultur
aus dem gebundenen Bergleben ins offene,
regsame Tal, die anderen folgten den östlichen
Flußwegen, sie sprach das unverbrauchte, kaum
erschlossene Reich der gärenden barbarischen
und gesitteten Mischung mit vielen Stimmen
an. Jeder Schritt der Sonne entgegen schien
sie den Wundern und Verheißungen des Ostens
näher zu bringen. Das stammesbrüderliche Blut
machte ihnen den Uebergang leicht. In diesem
Widerstreit stand auch Jungnickel von Anfang
an. Er war früh nach Oesterreich gegangen,
meinte dann eine Zeitlang am Rhein seine
Kräfte entfalten zu können, — aber er litt an
der ererbten Sehnsucht und wurde so zuletzt
doch wieder zum Ostfahrer.
Die Akademie in Wien, die ihn erzog, hat
in den letzten zwei Jahrzehnten das eigen-
tümliche Geschick, eine volle Reihe starker
Begabungen mit dem Recht des Wörtlichen
auf sich zurückzuführen, wiewohl sie wesent-
lich nur wenig oder auch nichts mit ihnen zu
tun hat. Zuweilen nur dies, daß ihre stehende
und gleichmachende Methode doch nicht tief
genug an den ursprünglichen Kern greift, um
seine Wurzeln zu verändern. Daß sich trotz-
dem viele, die ihre Schüler heißen, schnell
und gerade zu ganzen Persönlichkeiten ent-
wickeln, liegt vor allem an der stillen Mitarbeit
einer Außenströmung, die dem Schulwesen auf
dem Schillerplatz beharrlich und entscheidend
entgegenwirkt, die kräftige, suchende Jugend
an sich zieht und nebenher recht eigentlich
erzieht. Das ist die Strömung um Josef Hoff-
mann, der zuletzt fast alles anbeimfillt, was
bewegt ist und bewegt werden will. Auch
331
L. H. JUNGNICKEL-WIEN
FARBIGER HOLZSCHNITT: FLAMINGOS
Jungnickel ist in diesem Sinne ein Sprößling
dieses Kreises.
Gerade am Gegensatz zur offiziellen Rich-
tung österreichischer Graphik wird deshalb
seine Art schlagend erkennbar. Die Unger-
Schule, deren Nachruhm seitJahren vom Namen
Ferdinand Schmutzers stattlich fortgetragen wird,
hat mit ihm nichts gemein und innerhalb ihres
breiten Anhanges erscheint dieser Künstler
geradezu als ein versprengtes Fremdstück. Er
ist weder repräsentativ noch gefällig, er schlägt
ganz aus der geläufigen Art. Aber schon die
Vergegenwärtigung Emil Orliks, von dem er
viel gelernt hat, stellt seine Verbindung mit dem
österreichischen Wesen überzeugend wieder
her. Gerade worin er sich am weitesten von
Schmutzer entfernt, in der Notwendigkeit jedes
Werkes, der technischen und sinnlichen, der
Anlage und der Wirkung, gerade darin steht
er dem Geiste Orliks am nächsten. Mit ihm
teilt er das restlose Aufgehen im graphischen
Darstellungsmittei. Und innerhalb dieser, von
seiner weisen Jugend selbstgezogenen Beschrän-
kung nimmt er den Schritt zum Ausschöpfen
der Ausdrucksmöglichkeit jeder technischen
Spielart, gewinnt in dieser Enge den Reich-
tum und die geschlossene Kraft seiner Rede-
weise, ohne jemals seinem Temperament den
genialischen Seitensprung in Fremdgebiet zu
verstatten. Es ist die Selbstkultur einer wohl-
gebauten, straffen und strammen Persönlich-
keit, die immer ein Ganzes vermittelt, weil
sie ein Ganzes ist und weil sie — nach dem
Worte Ibsens — nur „in ihrer Materie denkt".
332
L. II. JUNGNICKEL-WIEN
FARBIGER HOLZSCHNITT: MARABUS
Für Jungnickel ist Wien die Grenz- und
Austragstätte westöstlicher Kulturen. Der
Groüstadtmensch, der im Anschluß an den
Fortschritt des Gemeinlebens den eigenen be-
gründet, verbraucht den westlichen Einschlag,
der Künstler in ihm greift nach den Gaben
des Ostens. Auch er hatte zunächst den ferneren,
asiatischen Einfluß verarbeitet, - es war ein
Schulgang wie für Orlik — ehe er der näheren
und unmittelbar erreichbaren Quelle an den
Leib rückte. Gerade jetzt ist er daran, was
er in den bosnisch-herzegowinischen Reichs-
landen erfahren, näher durchzubilden, die über-
strömende Fülle des neuartigen Stoffes durch
die Form zu überwinden. Noch ist diese neue,
von jeder früheren Abhängigkeit befreite Form
nicht klar erkennbar, der Künstler steht mitten
im Kampfe, sein Stil überwindet eine Krise.
Aber wir haben die frohe Zuversicht, daß sie
zur völligen Selbständigkeit, zu restloser Ori-
ginalität führt.
Gegenständlich hat er in seinem bisherigen
Werke das Tierstück, technisch die Spritz-
zeichnung zu einer Vollendung gebracht, über
die er innerhalb dieses Rahmens wohl selber
nicht mehr hinaus kann. Hier liegt der «us-
gereifte und erledigte Teil seiner Arbeit vor,
und er ist auch im absoluten Sinne eine Höhen-
leistung. Es ist kaum denkbar, den Ausdruck
in diesem Mittel noch weiter zu reduzieren,
d. h. seine Spannung noch einfacher und straffer
zu gestalten. Die Methode, die ihn auf dieser
Bahn zum letzten Ziele führte, war Arbeit.
Er hält auch auf den anderen technischen
Wegen, die er geht, an dieser handwerkli-
chen Erfahrungssteigerung fest und erweckt
Dekorative Kunst. XIX.
Juli 1916
333
4i
L. H. JUNGNICKEL-WIEN
RADIERUNG: REHE
damit volles Zutrauen auf ihr stetiges, unbe-
irrtes Reifen. Von der früheren, einfacher
und straffer gehaltenen Flächenrhythmik, die bei
zuäußerst reduzierter Linienführung und mehr
verhaltenen Farbflecken die Sprache der weiß
belassenen Partien hervortreten ließ, ist er
jetzt — wohl infolge seiner Beschäftigung
mit Tapeten — zu einer satteren und beweg-
teren Flächenfüllung gekommen, die sich zu-
letzt nicht mehr im Rahmen des Blattes er-
schöpft, sondern als ein Muster ohne Ende
darüber hinausdrängt. Reinere, vollere Wirkung
geben die Beispiele der ersten Art, aber in
der zweiten wiegt das Selbständige vor und,
da wir in ihr bloß eine Zwischenstufe sehen,
erhöht gerade sie die Spannung auf das Kom-
mende. Auch nur der Wunsch nach Wieder-
aufnahme der älteren Arbeitsweise wäre an-
gesichts der inneren Notwendigkeit dieses
Künstlerweges töricht, — wir wohnen hier einer
erfreulichen Selbstentfaltung an und finden
darin Freude und Genügen.
Hat früher die Radierung das übrige Werk
nur gelegentlich und unterstimmig begleitet,
so scheint sie sich gerade jetzt zum gleichbe-
rechtigten Ausdrucksmittel zuentwickeln. Schon
äußere Merkmale, die stärkere Zahl der Nadel-
arbeiten und ihr ins Stattliche wachsendes For-
mat, bekunden dies. Damit geht die steigende
Fülle des sinnlichen Inhaltes, die ins Reiche
und Strömende schwellende Bewegung dieser
Blätter Hand in Hand. Waren sie früher im
engen Verbände mit dem Stil der übrigen
Techniken verblieben, so gibt sich jetzt gerade
hier der Boden einer ersten Auseinander-
setzung mit neuen Gesichtserfahrungen, neuen
334
L. H JUNGNICKEL-WEN
RADIERUNG: AUS SARAJEVO
rhythmischen Problemen zu erkennen. Nament-
lich die drei jüngsten großen Blätter aus dem
bosnischen Milieu, „ Die Mädchen aus Sarajevo",
„Der Ziegenfelsen" und das ,,Oesiliche Straßen-
bild", wollen als erste Angriffe eines neuen
Akzentes, der Bewältigung verschiedener, aber
immer großer Grade der Raumerscheinung
und -bewegung, genommen und geschätzt sein.
Sind einmal diese Versuche zu ihrer klaren,
reduzierten und gesättigten Form gekommen,
dann wird wohl von hier aus der Holzschnitt-
stil des jungen Meisters wieder einen bestim-
menden Fortschritt erfahren.
Ludwig Heinrich Jungnickel gehört zu den
köstlichen, keimenden Früchten jener Wiener
Kunst, die Zeitkultur ist. Die Gesundheit und
Tragkraft des Stammes verbürgt auch seine
reifende Erfüllung. Nichts tut dieser Art von
Schaffen mehr not, als daß sie in steter Verbin-
dung mit dem Baume bleibt, dem sie organisch
angehört. Nichts könnte den natürlichen Pro-
zeß ihrer geraden Entwicklung mehr hemmen
und gefährden als die Unterbrechung dieses
Zusammenhanges. Und so bleibt nur zu wün-
schen, daß Oesterreich hier Einem die Mög-
lichkeit des Bleibens schafft, der dort nach
Wahl und Wesen Heimrecht gewonnen, und
daß man sich eine Kraft nicht entgehen liQt,
die den gleichmütigen Gang ihres Faches
wieder in vor- und aufwärts führende Voll*
bewegung bringt.
Max Eisler
335
43»
ÖSTERREICHISCHE WERKKULTUR
Im Juni 1912 tagte der Deutsche Werkbund
in Wien. Der verdienstvolle Hofrat
Dr. Adolf Vetter sprach über die „Bedeu-
tung des Werkbundgedankens in Oester-
reich". Tagung und Rede gaben den An-
stoß zur Gründung des Oesterreichischen
Werkbunds, die am 30. April 1913 vollzo-
gen wurde. Schon im Jahre 1914 zog der
Oesterreichische Werkbund als geschlossene
Organisation zum erstenmal auf Ausstel-
lungen ; in Köln und in Leipzig legte er Zeug-
nis ab von dem Gesamtzustand der öster-
reichischen Werkbundarbeit. Das Oester-
reichische Haus in Köln war als Ausstel-
lungseinheit zweifellos die stärkste Abtei-
lung der Ausstellung. Trat man hier ein,
so schlug einem wie eine hohe Welle der
Eindruck entgegen, daß man sich im Um-
kreis einer auf nationaler Eigenart ruhen-
den alten Kultur befinde und ihrer im besten
Sinne zeitgenössischen Auswirkungen froh
werden dürfe. Es wurde einem offenbar,
daß die echten Künstler dieses Kreises
das Kühnste und Unerwartete wagen dür-
fen, weil sie so prachtvoll fest in eine
künstlerische Tradition eingebaut sind, deren
sich beispielsweise die in Berlin schaffen-
den Werkbündler nicht erfreuen; eine Tra-
dition, die sich ihrem Schaffen nicht hem-
mend mit alten Stilen und abgeklungenen
Formen in den Weg stellt, aber ihnen als
Maßstab für die
eigenen Leistun-
gen so in Fleisch
und Blut überge-
gangen ist, daß
man an Entglei-
sungen gar nicht
glauben kann.
Ein Dokument
dieser Arbeit liegt
nun in dem Wer-
ke „Oesterreichi-
sche Werkkultur"
(Kunstverlag An-
ton SchroU &, Co.,
Wien) vor. Es faßt
hauptsächlich zu-
sammen, was in
Köln und Leipzig
gezeigt wurde,
aber es ist nicht
engherzig, be-
schränktsich nicht
auf die Werkkunst l. h. jungnickel-wien
im engeren Sinn, sondern greift darüber
hinaus und zeigt Plastiken und graphische
Arbeiten, die eigentlich in das Gebiet der
freien Kunst gehören. Breit und gründlich
ist die Architektur behandelt, in hinreichen-
den Proben kommen Innenräume, Möbel,
Metall, Keramik, Glas, Holz und Stein,
Lederarbeiten, Textilien, Buchtechnik u. a.
zur Anschauung. Aus den gezeigten Ein-
zelgegenständen steigt in feinen Schwingun-
gen der Geist auf, aus dem heraus diese
Dinge entstanden, und allmählich hüllt uns
die Atmosphäre österreichischer Kultur ein,
die uns auch in Köln, im Oesterreichischen
Haus, umgab. Auf zweieinhalbhundert Seiten
sind in geschmackvoller Anordnung etwa
dreihundert Gegenstände abgebildet; ein fein-
sinniger Begleittext, den der um das Zu-
standekommen des Buches in erster Linie
verdiente Universitätsdozent Max Eisler
schrieb, leitet verständnisvoll und eigenartig
in das Wesen der österreichischen Werk-
kultur ein. Sozusagen in Terrassen baut Eis-
ler das Werkschaffen Oesterreichs vor uns
auf; hat man seine bei aller Kürze der Fas-
sung überaus belangreichen Ausführungen
gelesen, so glaubt man aus einem Privatissi-
mum über angewandte Aesthetik zu kommen.
Künstler, Lehrer und Schule — diese Kapitel
bilden gewissermaßen die Grundlagen des
Essais; Erzeuger, Aussteller, Händler und
Käufer bezeichnen
die Entwicklungs-
stufen hinein in die
praktischen Aus-
wirkungen des
Werkbundgedan-
kens und in die
wirtschaftliche
Geltung der Werk-
bundware. Man
wird vorzüglich
unterrichtet und
freut sich, daß der
Oesterreichische
Werkbund mitten
im Krieg auf diese
vornehme und vor-
bildliche Art von
seinem Wesen, von
seiner Vergan-
genheit und sei-
nen Zielen Kunde
zu geben unter-
RADIERUNG: JUNGES REH nahm. WOLF
336
ARCH. E. J. WIMMER-WIEN
Ausführung: Wiener VerkiKtle
SILBERNE VASE UND DOSE
VON DER WIENER WERKSTÄTTE
Als sich kürzlich bei der Ausstellung öster-
^ reichischer Moden und Kunstgewerbe
in Stockholm ein merkwürdig schneller Kon-
takt zwischen dem skandinavischen Publi-
kum und der süddeutschen Darbietung ergab,
erinnerte ein schwedischer Kritiker an all
das, was in den letztvergangenen Jahren die
Schaufenster der nordischen Hauptstadt unter
der Marke der Wiener Werkstätte gebracht
hatten. Und er fand darin den Schrittmacher
für das erobernde Weltwesen des Wiener
Kunsthandwerkes. Die Werkstätte hatte auch
hier ihren schweren Weg gehabt, war auch
hier anfangs verhöhnt und belächelt, scharf
bekämpft und schüchtern verteidigt worden.
Aber jetzt, nach Jahren, erwies sie sich als
die kräftige, unverbrauchte Wurzel für das
allgemein gewordene Verständnis unserer
Wertarbeit im Auslande.
Nicht lange vorher war es auch von
reichsdeutscher Seite ausgesprochen worden,
daß das Kölner Richtfest unseres Werkbun-
des nach Wert und Erfolg ohne die voran-
gegangene Leistung der Wiener Werkstätte
nicht zu denken gewesen wäre. Es kam
hier wie in Stockholm. Die ungemessene
Arbeit in dem entscheidenden Zeiträume des
letzten Jahrzehnts, geschehen unter der Miß-
gunst oder Gleichgültigkeit der näheren und
ferneren Umgebung, das Versuchen, Wagen
und Ringen, war zu allererst von dieser
Stelle aus besorgt worden, die man erst jetzt
mit jedem Rechtals die Werkstätte des neuen
Wiener Kunstgewerbes bezeichnen darf. Die
Ernte fiel und fällt nun den vielen zu, die
an dem Mut und Ernst des Vorbildes all-
mählich Anschluß gefunden hatten.
Das ist ganz ohnetragischenBeigeschmack
gedacht und auch so zu nehmen. Nicht ein-
mal als Schicksal jeder werkkünstlerischen
Originalität, die sich in weiter greifende,
weiter wirkende Bewegung umsetzt, sondern
als die voraus erkannte Folge eines plan-
mäßigen Willens. Nach wie vor ist die Wiener
Werkstätte nicht zum Ernten für sich da,
will es nicht sein. Die Verbindung hochge-
sinnter materieller Förderer mit einem Künst-
lerstand, der die kleinlich rechtende Eifer-
sucht des Urhebers nicht kennt, sondern
das äußerste Ziel seines Wirkens gerade
dann erfüllt sieht, wenn es die läuternde
Anregung in weitere tätige Kreise getragen
hat, führt hier zu jener selbstlosen Form
eines Unternehmens, die anderswo nur als
eine ideale Utopie erscheinen würde, die so
nur gerade in Wien möglich war und wirk-
lich geworden ist.
In jenem Wien, das doch jeder selbstwil-
ligen und unnachgiebigen Kunst mit festen,
vorgefaßten Urteilen und Entschlüssen be-
gegnet, das ihre Träger verdrossen oder
unverdrossen, niemals aber ganz froh wer-
den laßt. Die Künstlerschaft der Werkstätte
gehört zur Garde der Unverdrossenen. Das
liegt nicht bloß an ihrem Führer, sondern
mehr noch an dem Zusammenschluß, dem
337
ARCH. E. J. WIMMER-WIEN
BLUMENSCHALE, IN SILBER GETRIEBEN
ARCH. E. J. WIMMER e SILBERNE BLUMENVASE
Ausführung: Wiener Werkstätte
338
die Arbeit Bekenntnis ist. Und eben darum
kann es hier kein Schwanken und kein Nach-
lassen geben. Es ist schon ein Mißverständ-
nis, wenn man in letzter Zeit ein Zurück-
weichen des Künstlers vor dem Verbraucher-
geschmack wahrnehmen wollte, und es er-
klärt sich doch wohl mehr aus dem Näher-
kommen des Verbrauchers, der durch lange
ARCH. E. J. WIMMER-WIEN
BLUMENSCHALE UND FROCHTEKORB
Ausführung in getriebenem Silber: Wiener WerksUile
339
ARCH. JOSEF HOFFMANN-WIEN
BLUMENSCHALE, SILBER GEBUCKELT
Gewöhnung erzogen wurde. Aber es ist ein
ganz wesentlicher Irrtum, wenn man der
Werkstättenarbeit die Annäherung an brei-
tere Schichten als eine Pflicht ihrer fortge-
schrittenen Entwicklung zumuten, also einen
grundsätzlichen Unterschied zwischen dem
Beruf ihrer Gründerzeit und ihrer Gegen-
wart machen wollte. Das Urhebende war
ihre Wurzel und muß ihr Nerv bleiben. Sie
nimmt darin keine schwächliche Rücksicht
auf sich selber und braucht sie deshalb auch
nach keiner andern Seite zu nehmen.
Damit hängt es auch zusammen, daß man
immer wieder die Erwägung vom Verhält-
nis des individuellen Werkes und sejner so-
zialen Bestimmung an dieses Unternehmen
geknüpft hat. Es geschah am unrechten Ort,
wiewohl das hier gepflegte Kunsthandwerk,
ARCH. JOS. HOFFMANN-WIEN G SILB. FRUCHTSCHALE MIT PERLRAND
Ausführung: Wiener Werkstätte
340
I
ARCH. JOSEF HOFFMANN-WIEN
olLiihKNES KAFFEEGESCHIRR
ARCH. JOSEF HOFFMANN 13 SILBERNER TAFELAUFSATZ
Ausführung: Wiener Werkst*tlc
Dekorative Kunst. Xl.\. lo. Juli 191^
341
ARCH. JOSEF HOFFMANN-WIEN
SILBERNE SCHALE MIT MALACHITEINSATZEN
ARCH. E. J. WIMMER
FRUCHTKORB AUS GEHÄMMERTEM SILBER
ARCH. JOSEF HOFFMANN SILBERNE TUNKENSCHOSSEL
Ausführung; Wiener Werkstatt:
342
ARCH. JOSEF HOFFMANN-WIEN
KRONLEUCHTER, IN KUPFER GETRIEBEN
Ausführuni: Wiener WerksUtte
343
*f
EMMY ZWEYBROCK-WIEN
WEISZGESTICKTES POLSTER.
nach Ursprung und Zweck, eine soziale
Forderung ganz allgemein zu berechtigen
scheint. Hier gilt sie nicht. Denn nicht um
die Umsetzung des Originals in ein Massen-
produkt, sondern eben um die Hervorbrin-
gung jenes Ersten, das dann anderswo und
anders zum Mehrmaligen werden kann und
soll, geht es hier, nicht um Betrieb, sondern
um Werkstatt, in der Kunst und Handwerk
in reiner, ausschließlicher und erzieherischer
Verbindung stehen. Alles Uebrige und da-
mit auch die wirtschaftliche und soziale
Ausbreitung des Erstmaligen liegt außer-
halb, — im Bereiche der Wirkung.
Und nun zu einem anderen Innewerden
der Werkstättenrolle, die jetzt, im Zeitpunkt
des beginnenden Erntehaltens, klarer erkenn-
bar wird als jemals vorher. Es betrifft die
Organisation kunstgewerblicher Arbeit in
Oesterreich. Auch hier hat der schwedische
Berichterstatter unabhängig wiederholt, was
der deutsche nicht lange früher bei einem ähn-
lichen Ausstellungsanlaß festgestellt hatte.
Nämlich dies: daß in den zugehörigen öster-
reichischen Betrieben auch dann der Künst-
ler-Handwerker in der beherrschenden Mitte
steht, wenn die ökonomische Rücksicht auf
den Absatz dem Händlerbedenken breiteren
Einlaß einräumt. Nicht umgekehrt! Daß
diese Ordnung, die durchaus österreichisch
im besten und notwendigsten Sinne des Wor-
tes erscheint, auch nicht umkehrbar ist, dar-
an hat doch wieder die Einrichtung der
Wiener Werkstätte gewiß ihren stärksten,
vorbildlichen Anteil. Und auch in dieser
Richtung würde sie an weiter wirkender
Energie einbüßen und als Wegweiserin un-
absehbare schlimme Folgen — qualitativ und
wirtschaftlich — für den ihr nachfolgenden
Betrieb unseres Kunstgewerbes herbeiführen,
wollte schon sie der mitbestimmenden Teil-
nahme händlerischer Erwägungen Zugang
gewähren. Immer erweist sich dasselbe:
sowie sie war und geblieben ist, in ihrer
Strenge und Ausschließlichkeit, gibt sie allem
Uebrigen den stets erneuten, stets erfrischen-
den Rückhalt. Und von dieser Beständig-
keit ihrer Gesinnung hängt nicht zuletzt die
anhaltende Spannung alles Uebrigen ab, das
im Bereiche ihrer Wirkungen liegt.
344
EMMY ZWEYBROCK-WIEN
SPITZE
EMMY ZWEYBRÜCK-WIEN
DECKCHEN IN « EISZSIICKEREI
345
EMMY ZWEYBROCK-WIEN
BUNTGESTICKTE SEIDENDECKE
An jedem Beispiele ihrer Arbeitsrich-
tungen beweist sich diese grundsätzliche
Haltung. Und an jeder Zeitstufe ihres bis-
herigen Werkes. Deshalb braucht man, soll
das Wort durchs Bild belegt werden, weder
nach einem besonderen Schaffenszweige aus-
zusehen, noch sich gerade an die letzte Ge-
genwart zu halten. Was hier das Metall
bietet, gilt im gleichen Sinne für jedes an-
dere Material, und das Gestern und Heute
steht auf einer Linie. Mit der Zeit und der
Persönlichkeit ändern sich die Formen, aber
die grundgebende werkstättische Gesinnung
bleibt, — muß bleiben. max eisler
Werkkunst ist Lebensgestaltung, ausgedrückt
in Formen, die dem Gebrauche oder auch nur dem
Auge dienen, immer aber jene Befriedigung her-
vorrufen, die eine aufrichtige, dem Material und
Zwecke klar entsprechende Behandlung mit sich
führt. In der besonderen Art, in der der Künst-
ler diese aller Werkkunst gemeinsame Aufgabe
erfüllt, äußert sich seine Persönlichkeit. Doch
kann ihr Schaffen der Mitwelt, der sie ange-
hört, nicht entraten. Sie muß ihre Zeit und
ihren Lebenskreis tätigen Anteil nehmen lassen
an dem Werke. Nur so gibt sie Lebensgestal-
tung, nur so wird Werkkunst zur Werkkultur.
Aus „Oesterreichische Werkkultar"
346
TEXTILARBEITEN VON EMMY ZWEYBRÜCK
In keinem anderen Zweige des Kunsthand-
werkes werden die Voraussetzungen der
Schule derart sinnfällig und für das Ergebnis
der Einzelveranlagung derart entscheidend. Sie
betreffen zunächst die Technik und die Her-
leitung des Zierats aus dem verarbeiteten Ma-
terial. Gegen dieses Gemeinsame, das die Ge-
diegenheit und Bedingtheit des Werkes glei-
chermaßen verbürgt, kommt das Talent selber
nur auf, wenn es auch ein Temperament ist.
Und das ist Emmy Zweybrück. Sie hat einen
rassigen, ins Slawische spielenden Farbsinn,
der das Grelle und Saftige betont, das Poin-
tierte, nicht das Abgedämpfte und Ausgegli-
chene sucht. Und er verbindet sich mit der
breiten, flüssig stilisierten Musterung zu vollen
Wirkungen. Dabei erstreckt sich ihr Interesse
auf unterschiedliche Zweige des Kunsthand-
werkes, auf die Heranbildung eines eigenen
Schülerkreises, und vermehrt damit die Merk-
male des Expansiven, die dieses Naturell in
jeder Hinsicht wesentlich bezeichnen, m. f.
EMMY ZWEYBROCK-
AJk^ *■>
BUNTGESTlCKTtR UMHANG
347
EMMY ZWEYBROCK-WIEN
KISSEN IN BUNTER WOLLSTICKEREI
EMMY ZWEYBROCK-
WIEN
BUNTGESTICKTER
BEUTEL
348
ARCH. PAUL MEBES-BERLIN
B DIE OBERREALSCHULE IN ZEHLENDORF:
HAUPTFRONT AN DER BURGGRAFENSTRASZE
"""Wfifr^^^iir^"
ARCH. PAUL MEBES-BERLIN
DIE OBERREALSCHULE IN /.i ÜLLNDORF; RELIEF AN
DER VORHALLE VON WALTHER SCHMARJEBERLIN
DIE OBERREALSCHULE IN ZEHLENDORF
Ein Schulbau von Paul Mebes
MEBES hat der Gemeinde Zehlendorf
ein Schulhaus, eine neue Oberreal-
schule, erbaut. Nebenan steht ein Gymnasium,
das vor 15 Jahren etwa gebaut sein mag.
Erbauer war Thyriot, ein Frankfurter Ar-
chitekt, von dem die breitere Oeffentlichkeit
nichts mehr wissen würde, wäre bei dem
Wettbewerb um die >X'ashingtoner Botschaft
nicht ein gänzlich unmögliches Projekt von
ihm mit einem Preis bedacht worden. Dieser
Thyriot, seines Zeichens Schäferschüler, war
keineswegs ein unbegabter Architekt. Wenn
damals die Gemeinde sich ihn heranholte,
so wollte sie damit schon etwas künstlerisch
Belangvolles. Dem Bau, den er errichtet hat,
fehltes auch durchaus nichtan Qualitäten. Man
kann ihn im Gegensatz zu den meisten
Produkten aus jener Zeit — heute noch
sehen. Der Gegensatz zu dem, was Mebes
geschaffen hat, besteht in dem prinzipiellen
Ausgangspunkt. Nicht oft hat man so hand-
greiflich die Beispiele nebeneinander, die
vergleichen lassen, wieso die tüchtige Ar-
chitektur von damals und von heute zu so ver-
schiedenartigen Resultaten kommen konnten.
Der Wille zur Sachlichkeit ist hier wie da
zu spüren; bei Thyriot ist er vielleicht nur
vorhanden, bei dem Neueren vorwaltend,
eigentlich ausschlaggebend. Beide, der Jün-
gere wie der Aeltere, lassen sich ganz richtig
leiten von der repräsentativen Notwendig-
keit eines solchen Gemeindebaus. Solch
höhere Lehranstalt im Ort zu haben, ist
zunächst einmal ein Vorrecht der Gemeinde.
Sie hat damit ihren Bürgern und denen, die
sie von anderwärts noch her haben möchte,
etwas zu bieten. Jung und entwicklungs-
hungrig wie alle die Gemeinden sind, die
ihren Aufschwung der Berliner Mietskaser-
nenmisere verdanken, hat sie guten Grund
solche Vorteile ins rechte Licht zu rücken.
Es ist nicht Großmannssucht in solch öffent-
lichem Bauwerk die aufsteigende Entwick-
lung, die die Gemeinde nimmt, zu dokumen-
tieren. Und es ist nicht falsches Pathos, zu
bekunden, daß man dasWesentliche mit einem
Sinn fürs Große und Würdevolle tun möchte.
Thyriot hat diese repräsentative Größe ge-
sucht durch eine mächtige Architekturcnt-
faltung, die sich wohl abfindet mit dem pro-
fanen Zweck des Bauwerks,die diesen Zweck
wohl auch nie vergewaltigt, die aber doch von
außen herangebracht ist, während Mebes —
im Fahrwasser der gegenwärtigen Archi-
tekturbestrebungen — erst und vor allem
den Zweck sieht und aus ihm heraus zur
großen Wirkung zu kommen strebt. Es ist
wohl nicht falsch, wenn ich mir vorstelle,
D«lior«tiT« Kunst. XIX. ii. .\u£utt tgt<
349
ARCH. PAUL MEBES-BERLIN
DIE OBERREALSCHULE IN ZEHLENDORF: VORHALLE
wie bei der Anlage des Gymnasiums der
Architekt ein großes Haus mit Giebeln und
Ausladungen und dekorativ wirkenden Fen-
stereinschnitten sich ausgemalt hat, wie ihm
eine besondere Materialzusammenstellung:
Putz mit sandsteinumrahmten Fenstern vor-
geschwebt hat und wie in dies gefällige
Gefüge dann, wenn ich einmal so sagen
darf, Klassenzimmer, Zeichensäle, eine Aula,
eine Turnhalle usw. hineinverlegt worden
sind. Das Ergebnis war ein ansehnlicher
Bau, der ebensogut ein Rathaus, ein Mu-
seum oder dergleichen hätte sein können.
Keines von der schlechtesten Sorte, wie
schon gesagt, aber immerhin eine Sache,
die sich am besten in der Mappe des Ar-
chitekten gemacht hätte. Dieses Theoretische,
um nicht zu sagen: dieses Papierene kommt
einem noch mehr zum Bewußtsein, wenn
man jene Materialzusammenstellung etwas
näher betrachtet. Der rötliche Sandstein-
rahmen um die Fenster ist das typische
Produkt des Maintales, wo dieser Stein ja
gebrochen wird. Am Main, in der Berg-
straße, die Sachsenhäuser Villen um das
Städelsche Kunstinstitut herum, das alles
ist so aufgebaut. Diese Tradition mit ihrer
besonderen Wirkung hat den Architekten an-
gereizt und er ist gar nicht auf die Idee
gekommen, wie so etwas in der Mark sich
ausnehmen wird. Daher ist man als Be-
schauer stets in Versuchung den ganzen
Bau wegzuschieben, zurück in seine süd-
lichere Heimat. Er ist „Architektur", hat
wenig mit seinem Zweck und gar nichts
mit dem Boden, auf dem er steht, zu tun.
Anders das Produkt einer neueren Archi-
tekturgesinnung. Mebes hat vielleicht im
Konzipieren nicht den großen Schmiß, den
Entwerfer von der Art des Thyriot mit-
brachten. Aber er baut ein Haus in die um-
gebende Welt hinein, ein Haus, das gleich-
sam aus dem Boden, auf dem es steht, her-
auszuwachsen scheint. Er weiß, wie Rot
des Ziegels im Grün der märkischen Land-
schaft steht und berechnet auf solchen Klang
seine Wirkung. Er hat mit einer Liebe, die
wahrscheinlich stärker als sein Produktions-
vermögen ist, aufgespürt, was an schönen
alten Architekturleistungen in den bürger-
350
ARCH. PAUL MEBES-BERLIN
DIE OBERREALSCHULE IN ZEHLENDORF: HAUPTFRONT
AN DER BURGGRAFENSTRASZE VON WESTEN GESEHEN
351
«•
ARCH. PAUL MEBES-BERLIN
DIE OBERREALSCHULE IN ZEHLENDORF: STERNWARTE
352
I
ARCH. PAUL MEBES-BERLIN
DIE OBERREALSCHULE IN ZEHLEN-
DORP: DIREKTOREN-WOHNHAUS ■
liehen Zeiten bei uns aufgeblüht ist und in
jeden Bau legt er etwas hinein von diesen
Schönheiten, die ein Teil seiner Natur ge-
worden sind. Auch dieseZehlendorferSchule
ist wieder reich an solch guten Architektur-
elementen, die ihre Verwandtschaft mit dem,
was zur Zeit Schinkels geworden, nicht ver-
leugnen.
Das aber springt zunächst nicht in die
Augen. An dem Verwaltungsgebäude der
Nordstern-Gesellschaft (s. Juniheft 1915dieser
Zeitschrift), das eigentlich nach dieser Schule
entstanden ist, ist gezeigt worden, mit wel-
cher Meisterlichkeit — im alten, im Hand-
werkersinn des Wortes — Mehes es dar-
auf anlegt, das Einzelne, das Kleine und
scheinbar Nebensächliche würdig durchzu-
gestalten. In einem solchen Bau, der nur
das Notwendige zuläßt und das Praktische
allenthalben unvermittelt bietet, wirkt diese
— wahrhaft künstlerische Sorge doppelt
und dreifach sympathisch. Da gibt es wieder
einTreppengestänge, wieder einen Zimmeran-
strich, eine Heizkörperanordnung, die durch
ihre natürliche Anmut bestricken. Und diese
Sorgfalt sieht man gesteigert bis zum Monu-
mentalen, wenn man den ganzen Bau abschrei-
tet. Gewiß, die Erinnerung an einen schönen
Eindruck,die Liebe zu einem reizvollen Motiv,
verleiten Mebes auch einmal zu einer Ab-
schweifung. Der Turm ist vielleicht so ent-
standen und dürfte gelegentlich so aufgefaßt
werden, aber das ist das Bezeichnende an
Mebes, daß er solche Gelegenheiten immer
aus einem Zweck heraus steigert. Er baut»
um zu dem Turme zu gelangen, der Ober-
realschule, die ja die mathematischen Fächer
schon sehr weit betreibt, eine kleine Stern-
warte an. Auf diese Weise sind alle die
kleinen Aufwendungen legitimiert, die an-
dere, trockenere Naturen sich erspart hät-
ten. Er nimmt sich auch die Freiheit, dem
Direktor ein Häuschen und Gärtchen neben
die Schule zu stellen, das das reizvollste
Stück einer Kleinhaussiedelung sein könnte.
Aber diese Liebe zum einzelnen, zu der
Feinheit im kleinen schwingt bei ihm im-
mer wieder zusammen zu einer großen und
groß wirkenden Einheit. So steht die Schule
straff und einprägsam an der Straße, so
ergibt das Nebeneinander des großen Schul-
baus und des Direktorenhäuschens eine
353
ARCH. PAUL MEBES-BERLIN
DIE OBERREALSCHULE IN ZEHLENDORF: BLICK IN
DEN HAUPTKORRIDOR DES ERSTEN STOCKWERKES
ARCH. PAUL MEBES-BERLIN
DIE OBERREALSCHULE IN ZEHLENDORF:
VORRAUM DER HAUPTTREPPE ZUR AULA
354
ARCH. PAUL MEBES-BERLIN
DIE OBERREALSCHULE IN ZEHLENDORP: TREPPENHAUS
355
ARCH. PAUL MEBES-BERLIN
DIE OBERREALSCHULE IN ZEHLENDORF: TURNHALLE
Städtebauliche Situation, um die die Gemeinde
zu beneiden ist.
Es ist erfreulich, festzustellen, daß eine
auf Fortentwicklung bedachte Kommune wie
dieser Berliner Vorort für eine solche An-
lage nicht allein einen so künstlerisch fein-
fühligen Geist wie Mebes zu finden wußte,
daß sie auch eine solch gute Lösung, durch
verständnisvolles Eingehen auf seine Vor-
schläge erleichtert hat. Nicht zuletzt mag da
auch mitsprechen, daß Zehlendorf in dem Bau-
meister Krug über einen verständnisvollen
Gemeindebaumeister verfügt, der auch hier
pfleglich und fördernd gewirkt hat. P. W.
ARCH. PAUL
MEBES-BERLIN
DIE OBERREAL-
SCHULE IN
ZEHLENDORF:
BRUNNEN
356
M. VON HUGO-STUTTGART HELDENHOGEL BEI EPOYE IN DER CHAMPAGNE
Ausnützung vorhandener Naturschönheil zur Bestattung der Krieger im Felde
KRIEGERGRABMAL UND KRIEGERDENKMAL
RANDBEMERKUNGEN ZUR WANDERAUSSTELLUNG DER STÄDTISCHEN KUNSTHALLE
IN MANNHEIM»)
Von allen Aufgaben, die die Ereignisse
des Krieges an die Kunst herangetragen
haben, sind diese die dringlichsten: den ge-
fallenen Helden eine
würdige Stätte zu be-
reiten und ihr Andenken
in edler Form für die
Geschichte zu bewah-
ren. Draußen im Felde,
wo in der Bedrängtheit
und Unstetigkeit des Be-
wegungskrieges keine
Muse zum Ausbau ge-
ordneter Grabstätten
blieb, schufen Soldaten
ihren gefallenen Kame-
raden schlichte Denk-
zeichen in ungezwun-
*) In dem Autsatze lionnten
und sollten nur Streiflichter ge-
boten werden. Eine umfangreiche
und offizielle Publikation „Krie-
gergräber im Felde und in
der Heimat** wird im Einver-
nehmen mit der Heeresverwaltung
herausgegeben.
R. WALDSCHOTZ-MANNHEIM ■ SCHLICHTES
GRABKREUZ AUS GUSZEISEN AUF STEIN-
ODER BETONSOCKEL
gener Bescheidenheit und ungekünstelter
Derbheit, oft ergreifende Zeichen eines un-
verdorbenen, gesunden Handwerkssinnes.
Wo später in Ruhestel-
lung die ordnende Hand
sichtender Prüfung für
die Instandsetzung und
dauernde Erhaltung die-
ser Grabstätten zu sor-
gen hatte, konnte sie
sich nicht selten begnü-
gen, den geschaffenen
Zustand zu belassen und
nur im Material zur
Beständigkeit zu ver-
festigen. Ein Gefühl ka-
meradschaftlicher und
künstlcrischerPictät er-
forderte strenge Zu-
rückhaltung. Ein Haupt-
augenmerk war zu rich-
ten auf die zweckmäßige
und doch wirkungsvolle
Einordnung der Grab-
Dekoratire Kunst. XTX. ii. Auffust 1916
357
R.ilARTM ANN-LANDSHUT B GRAB-
KREUZ MIT BUNTER BEMALUNG
(Landesgewerbeanstalt, Nürnberg)
bereiten und nur da
auszujäten, wo —
wenn auch in guter
Absicht, so doch mit
unzulänglichen Mit-
teln — Male errichtet
waren, die eine wür-
dige Ehrung des An-
denkens der Gefalle-
nen gefährdeten. Wo
üppig wuchernde
Phantasie bei unzu-
länglicher Gestal-
tungskraft mancher-
lei monströse Ge-
bilde geschaffen hat,
ist es gleichermaßen
Takt und Pflicht, sie
nach Tunlichkeit im
Hinblick kommender
Zeiten auszumerzen
oder umzuformen.
An der Westfront und
vor allem in Belgien
ist die Ausgestaltung
der Grabstätten in
diesem Sinne an vie-
len Stellen eingelei-
stätten in die Natur: Es
galt, einzelne Gräber dem
Schutze eines Baumes an-
zuvertrauen, auseinander-
liegende Gräber zusam-
menzuschließen und sie
vor Flurschäden und an-
derer Gefahr zu schützen,
sie an eine Mauer anzu-
lehnen oder einem vorhan-
denen Baumbestand einzu-
gliedern (Abb. S.357). Ei-
nen guten Einblick von
dieser sichtenden Arbeit
gestattet das Gräberalbum
des Militärgouvernements
der Provinz Luxemburg
(Heldengräber in Südbel-
gien 1916), das in der sorg-
samen Aufnahme und do-
kumentarischen Verarbei-
tung der Grabstätten blei-
benden Wert beansprucht.
Die prüfende Schau
fachmännischer Berater
gebot, mit vornehmem
Takt nur durch ein ord-
nendes Zurechtrücken den
dauernden Zustand vorzu-
W. LOCHSTAMPFER-KARLSRUHE B REICHERE FORM
EINES GRABKREUZES FOR FRIEDHÖFE DER HEIMAT
W.BRÄCK-LÜBLCKeKHIEGERGR ABZEI-
CHEN AUS EICHENHOLZ MIT EISENBE-
SCHLAG B SCHRIFT EINGESCHNITTEN
tet und vorbereitet
worden. Im Osten
haben die von ver-
schiedenen Künstlern
im Auftrag des Kul-
tus- und Kriegsmini-
steriums unternom-
menen Bereisungen
an verschiedenen Tei-
len der Front die
gleichen Ziele in sorg-
fältiger Prüfung ver-
folgt. Ihr Inhalt ist
in festgesetzten Leit-
sätzen zusammenge-
faßt. Die Ergebnisse
dieser Bereisungen
in der Form von Vor-
schlägen zur Ausge-
staltung der Krieger-
grabstätten — in Ost-
preußen, Kurland,
Litauen, Polen —
zeigen am klarsten
und bei ihrer offiziel-
len Inaugurierung
am bedeutsamsten
die Richtlinien, nach
358
BAURAT HANS GRASSEL-MONCHEN
CRABKREUZE AUF DEN KRIEGER-EHREN-
GRABERN IM VALDFRIEDHOF ZU MCNCHEN
359
«•
BAURAT HANS GRASSEL-MONCHEN
SOLDATENEHRENGRABER IM MÜNCHNER WALDFRIEDHOF
BAURAT HANS GRASSEL-MONCHEN
SOLDATENEHRENGRABER IM MÜNCHNER WALDFRIEDHOF
360
361
ARCH. O. STRNAD-WIEN GROSZES KREUZ AUS EICHENHOLZ
Die Namen der Gefallenen sind auf den kleinen Tafeln angebracht, die an Latten befestigt sind. Standort eine Holzhauergegend
nahe dem Gebirge. Höhe etwa 18 m
362
denen unsere heutige Kunst die
Lösung der verschiedenen Auf-
gaben der Kriegerehrung anbah-
nen muß: frei von leerem Pa-
thos und falscher Geste, „wür-
dig der Erinnerung an deutsches
Heldentum und auch würdig als
Wahrzeichen dieser gewaltigen
Zeit". Das Ziel kann nicht
besser umschrieben werden, als
mit den Schlagworten, die als
Motto an die Spitze jeder Er-
örterung deutscher Krieger-
ehrung gesetzt werden sollten:
Edle Einfalt und stille
Größe.
Schon frühzeitig waren zahl-
reiche Organisationen und Ver-
bände am Werk, aufklärend, sich-
tend und helfend bei der Erfül-
lung dieser nationalen Aufgabe
zur Seite zu stehen. Künstler
schickten sich an, ihren Teil zu
dem Werk beizutragen; Vor-
schläge und Ideenskizzen ent-
standen für Aufgaben notwendig-
ster Erfüllung und solche ab-
wartender Zukunft. Für alle
diese dem gleichen Ziele zustre-
benden Bemühungen galt es ein
Sammelbecken zu schaffen, um
zusammenzutragen, was Künst-
ler unserer Zeit zu sagen hatten,
und wie Künstler vergangener
Zeiten die gleichartigen Aufga-
ben würdig und einprägsam gelöst hatten.
Aus dem Zwang dieser Idee erwuchs die
Mannheimer Wanderausstellung „Krieger-
grabmal und Kriegerdenkmal".
Seit Jahresfrist vorbereitet, trägt sie ihren
wachsenden und wechselnden Inhalt durch
deutsche und österreichische Städte. Das
Gesamtbild, das sie bietet, kann nur frag-
mentarisch sein, solange der Krieg dauert.
Zahlreiche Künstler stehen im Felde und
sind ihrem eigenen Schaffensbereich ent-
zogen; andere können — innerster Veran-
lagung gemäß — nur langsam und zögernd
ihre Kraft den neuen Aufgaben zuwenden.
Verschiedenartig und verschiedenwertig sind
die Anregungen und Ideen, die viele Künst-
ler — Architekten, Bildhauer, Maler — zur
Lösung der mannigfaltigen Probleme bei-
tragen. Gewiß stecken manche noch in der
Entwicklung und bedürfen erst ordnender
Klärung und Sichtung; andere aber sind be-
reits zu erfreulicher, schöpferischer Reife
gediehen. Es gilt vor allem einmal den Um-
ARCH. F. SEECK-BERLIN SCHLICHTER GRABSTEIN IN DER HEIDE
kreis der Möglichkeiten der Kriegerehrung
abzustecken, und allgemeine Grundsätze zum
Ausdruck und zur Geltung zu bringen.
Die häufigste Form des Grabzeichens, die
auch an Kriegergräbern bei der besonderen
Verknüpfung seiner christlich-symbolischen
und der deutschen - vaterländischen Be-
deutung schon ungewollt am Platze ist, ist
das Grabkreuz. Oft schaffen handwerks-
mäßig zusammengenagelte Baiken oder Bret-
ter in guten Maßen und Verhältnissen die
beste und wirksamste Form. Vielerlei Mög-
lichkeiten und Umgestaltungen fand die Form
des Kreuzes besonders in der Heimat, wo
diese teils dem Schmückbedürfnis einer ge-
wissen Bereicherung, teils dem gebräuch-
lichen Herkommen entsprangen. So zeigen
etwa die Entwürfe von H.Grässel(Abb.S.3S9>
für den Münchener U'aldfriedhof die ver-
schiedenartige Ausführung von Grabkreu-
zen in Holz, Stein und Eisen. Andere Ent-
würfe — etwa der Nürnberger Landesge-
werbe-Anstalt (Abb. S. 358) — tragen im
363
besonderen volkli-
chen und kirchlichen
Bräuchen Rechnung
in der bunten Art
ihrer Bemalung und
in der Ausgestaltung
einzelner Form-
teile. Neben Holz-
kreuzen einfacherer
und reicherer For-
men sind beson-
ders die materialge-
recht behandelten,
schmiedeeisernen
Kreuze (Abb. S.358)
hervorzuheben, de-
ren Verwertung in-
des schon wegen der
Schwierigkeit und
Kostspieligkeit der
Herstellung größ-
tenteils auf heimi-
sche Friedhöfe be-
schränkt sein dürfte.
Für die Verwen-
dung auch im Felde
ist im Hinblick auf
die verhältnismäßi-
W. FOLTIN □ GRABSTEIN AUS KALKSTEIN M. EISENKREUZ
ge Billigkeit des
Materials das Grab-
kreuz aus Gußeisen
zweckmäßig und
empfehlenswert. R.
Waldschütz hat ver-
schiedene Formen
(Abb. S. 357, 364) ge-
schaffen, die in Ver-
bindung mit einer
gleichzeitig isolie-
renden Stein- oder
Betonplatte aufzu-
stellen sind. Das
Gußeisen,das schon
früher und beson-
ders in der Zeit der
Befreiungskriege
einer großen Be-
liebtheit sich er-
freute, kann auch
heute noch durch
sinngemäße Be-
handlung der Ober-
fläche und Berei-
cherung mit einfa-
chem, diskretem
Schmuck ausge-
R. WALDSCHOTZ-MANNHEIM Q KRIEGER-GRABMAL
AUS GUSZEISEN
F. BRAEUNING-BERLIN Q EINZELGRAB FÜR
EINEN KRIEGER
364
A. VON HILDEBRAND-MONCHEN
EINFACHE GRABPLATTE
zeichnet werden. Man hatte leider lange Zeit
den Blick für die Schönheit dieses Materials
verloren ; und erst die Breslauer Jahrhundert-
ausstellung öffnete weiten Kreisen die Augen
für die würdige und geschmackvolle Verwen-
dung des Gußeisens vornehmlich in der Klein-
plastik. Schwierigkeiten bietet zumal die
Schrift; denn die Erhaltung kann durch ge-
wisse chemische Veränderungen der Zusam-
mensetzung wesentlich gefördert werden. Für
die Ausführung einer größeren Anzahl von
Arbeiten in diesem Material empfiehlt sich
die Herstellung eines oder mehrerer schrift-
schöner Alphabete in Matrizen, die aller-
dings in besonders vorsichtig abwägender
Raumordnung auf der Fläche zu verteilen
sind, da die Schrift oft deren einzigen
Schmuck darstellt. — Für Massenherstellung
im Felde empfiehlt sich oft zwangsweise aus
der Not der gegebenen Verhältnisse die Ver-
wendung des Kunststeines (Beton). Die Etap-
peninspektion der A.A. Falkenhausen hat in
diesem spröden Material eine der betreffenden
Landschaft gut angepaßte Form eines Ein-
heitskreuzes zur Ausführung gebracht, der
sich in dem Gesamtumriß (der Verquickung
der allgemeinen Kreuzform mit derjenigen
des Eisernen Kreuzes) einzelne Vorschläge
von F. Seeck nähern, die er in einfacher und
überarbeiteter Form für die staatliche Be-
ratungsstelle des Kgl. Preußischen Kultus-
und Kriegsministeriums geschaffen hat. Eine
reichere und anspruchsvollere Verwendung
der Kreuzform hat Strnad, Wien, in seinem
Riesenkreuz (Abb. S. 362) vorgesehen; ein
Vorschlag, der zuförderst österreichischen
Verhältnissen Rechnung trägt.
Wo es zeitliche Gründe des Herkommens
oder räumliche Gründe des Ortes erhei-
schen, ist die Anwendung von Grab-
steinen allgemeinerer Form nicht zu um-
gehen. Es empfiehlt sich in irgendeiner
Weise das Wesen des Kriegergrabes dem
Auge unzweideutig kenntlich zu machen.
Unpassend, unwürdig und sinnstörend wir-
ken in jedem Fall umständliche und auf-
dringliche Embleme, Trophäen oder der-
gleichen. Der andeutende Schmuck des
Eisernen Kreuzes oder des zeitgemäßen
Helmes in klarer, plastischer Modellierung
werden die notwendige äußerliche Charak-
terisierung am raschesten treffen (Abb.S.364).
Auf Friedhöfen oder überhaupt bei Reihen-
gräbern bietet die gleichmäßige Wiederholung
Dekorative Kunst. XIX.
August 1916
365
O. BARTNING-BERLIN
REIHENGRABERANLAGE IM FELDE AUS TROCKENMAUERWERK
der einheitlichen Form nach außen hin den heit eines Grabes kann es gestatten, eine
überzeugendsten und eindringlichsten Ein- differenziertere Form zur Ausführung zu
druck soldatischen Geistes, kameradschaft- bringen. In der Publikation des K. K. Ge-
licher Gleichheit (Abb. S. 366/67). Die Isoliert- werbeförderungsamtes (Soldatengräber und
H. ESCH-MANNHEIM a ERSTER ENTWURF ZU EINER GUSZEISERNEN GRABPLATTE (INZWISCHEN AUSGEFÜHRT)
366
J. MATA (SCHULE IlOFFMANN-WlEN)
SCHLICHTE GRABSTEINE FOR REIHENCRABER
Kriegsdenkmale,
Wien 1915) finden
sich zahlreiche
Beispiele dieser
Art in besonders
subtiler Zeichnung
(Abb. S. 367). Die-
se reizvollen und
phantasiereichen
Vorschläge sind
voller Anregung
im besonderen
Hinblick auf öster-
reichische Ver-
hältnisse; sie las-
sen sich aber nicht
ohne weiteres auf
deutsche Zustände
übertragen, wes-
halb eine äußer-
liche Nachahmung,
die nur allzu eifrig
hie und da einge-
setzt hat, mit al-
lem Nachdruck
bekämpft werden
muß.
Eine weitere
Form des Grab-
zeichens, deren
Anwendung eben-
H. ESCH-MANNHEIM D ERSTE VORSCHLAGE ZUR ANLAGE
VONGRABllOGELN. BEI DEN NEUEREN ENTWORFEN IST DIE
HÖHE U. DER UMFANG DER HÜGEL AUSGEDRÜCKT WORDEN
falls wieder von
gewissen lokalen
Voraussetzungen
abhängt, ist die
Grabplatte, die
schon manche alte
deutsche Friedhöfe
schmückte. Stein
undGußeisen emp-
fehlen sich zur
Ausführung (Abb.
S. 365/66 u. 360).
Die gleichmäßige
Nebeneinander-
reihung, wie sie
sich bereits auf al-
ten Herrnhuter
Friedhöfen oder
auf Holsteinischen
Kriegerbegräbnis-
stätten verfolgen
läßt, bietet eine
starke,einhcitliche
Wirkung ruhiger
Gelassenheit und
vornehmer Zu-
rückhaltung. Im
Feldesindsienicht
seifen bereits von
den Soldaten zur
Anwendung ge-
367
«•
A. VON HILDEBRAND-MONCHEN G TUMULUS ZUR BEZEICHNUNG EINES MASSEN-
GRABS IM FELDE, IN VERBINDUNG MIT DREI EICHEN
M. GRAUMOLLER-SAALECK G GEDENKSTEIN IN DER NATUR, VCN BÄUMEN OBERSCHATTET
368
w^^.
HARRY MAASZ-LOBECK GEDACHTNISMAL IN DER HEIMAT IN DER ART EINES UMMAUERTEN EICHENHAINS
bracht, z. B. in den Vogesen, wo geeignete
Steine zur Hand waren und man einfach
behauene Platten mit einer schmückenden
Inschrift versah. Auch in heimischen Fried-
höfen — in Lübeck und Barmen — hat die
Form sowohl bei einzelnen Gräbern als auch
bei geschlossenen Anlagen Eingang gefunden.
Die Formender einzelnen Grabzeichen be-
stimmen im wesentlichen das Gesamtbild der
Friedhofsanlage. Schon durch die gleich-
mäßige Aneinanderreihung ein und derselben
Form wird diese unzweideutig als Soldaten-
friedhof gekennzeichnet. Der soldatische
Geist hat diese im Wesen des Volksheeres
gegründete Anschauung ganz unbewußt zum
Ausdruck gebracht bei der Anlage geschlos-
sener Grabstätten im Feld oder Etappen-
gebiet. Manche Schöpfungen sind in ihrer
sorgfältigen, einfachen und wohlerwogenen
Durchführung und Gliederung von dauern-
dem Wert, wie beispielsweise der Friedhof
in Olita, der mit dem vorhandenen Material
(Holz) rechnend, eine klar geordnete und
wesentlich gekennzeichnete Anlage darstellt.
Die Vorschläge der genannten Künstlerkom-
missionen verfolgen die gleichen Ziele (Abb.
S. 370); nur ein schlichter Stein dient als
schmückende räumliche Zusammenfassung
und als Erinnerungsmal an die Ereignisse
der Schlacht oder das Andenken der ge-
fallenen Helden. Umfangreichere und mit
noch größerem künstlerischem Bedacht
durchgeführte Anlagen folgen den gleichen
Grundsätzen. Einer Richtung der bürger-
lichen Friedhofskunst nachgebend, rechnen
diese Entwürfe oft mit einer reichen, ge-
ordneten gärtnerischen Anlage. So sehr
diese ordnende Aufteilung eines Friedhofs-
geländes zu begrüßen ist, so ist sie doch
bei einer allzuüberstiegenen Durchführung
eine ernste Gefahr für die Erhaltung der
Gesamtstimmung der Anlage: An Stelle der
würdigen Stätte eines Friedhofs entsteht dann
oft eine gefällige, spielerische Parkanlage,
deren Eindruck bei dem Ernst und der Würde
des Platzes strengstens vermieden werden
muß.
Dem Charakter des gesamten Waldfried-
hofes entsprechend sind in München einzelne
Bezirke bezw. Ausschnitte in geschlossener
369
::^:53wsyr"wi —
,jj^4^M-..»n^^
•*.
ARCH. F. SEECKBERLIN
ERINNERUNGSMAL AUF FREIER HOHE AN DER KAMPFSTELLE (LÖTZEN)
ALL« nstcin
ARCH. BRUNO PAUL-BERLIN
EHRENFRIEDHOF DARETHEN (KREIS ALLENSTEIN)
370
WILLY MEYER-DRESDEN KLEINER SOLDATENFRIEDHOF
Einfriedigung durch eine Hecke. Die Gräber sind mit gleichtSrmigen Holzkreuzen bezeichnet.
Ein schlicliter Denkstein dient als Elirenmal
iV\AX GRAUMOLLERSAALECK KLEINER SOLDATENFRIEDHOF I.M TALDE
Etcuumrankte Steinmauer, schlichte GrabpUtten mit Inschrilten; wOrdiscr Gedenkstein al> Erinneruiit>ii>*l
371
ARCH. F. SEECK-BERLIN D KRIEGERFRIEDHOF ALS ABSCHLUSZ ELNER
FRIEDHOFSANLAGE
Schlichte Reihung der gleichförmigen Grabplatten; Mauer mit plastischem Schmuclc
räumlicher Abgrenzung zur Be-
stattung der Krieger bereitge-
stellt (Abb. S.360/61) ; auch in an-
deren Städten begegnet man die-
ser Art der Ausbildung von Krie-
gergedenkstätten im Walde, etwa
in Lübeck und Braunschweig. In
den meisten Fällen wird die Auf-
gabe gestellt, der vorhandenen
Friedhofsanlage einen geschlos-
senen Soldatenfriedhof an-bezw.
einzugliedern ;für Karlsruhe hat
Läuger einen einleuchtenden
Aufriß entworfen. Für begrenz-
tere Bedürfnisse gibt das Bei-
spiel von Seeck (Abb. S. 372)
wirksame Anhaltspunkte: die
Betonung des allgemeinen Cha-
rakters des Soldatenfriedhofes
durch die gleichmäßig wieder-
kehrende Form der Grabzei-
chen, sowie die Hervorhebung
bezw. räumliche und schmük-
kende Zusammenfassung durch
ein schlichtes, unaufdringliches
Monument, das entweder in un-
mittelbarer Verbindung mit der
Friedhofsmauer eingebaut oder
in freistehender Isolierung auf-
R. WALDSCHOTZ UND 11.
GSELL t Q KRIEGERDENK-
MAL, STEINERNER BRUN-
NEN MIT KRÖNEND.ADLER
gestellt werden kann. Selbst bei
kleineren Soldaten- und Dorf-
friedhöfen ist diese Anordnung
ohne großen Aufwand von Ko-
sten und Material durchzufüh-
ren, wie die überzeugenden Ent-
würfe von Meyer (Abb. S. 371)
und Graumüller (Abb. S. 371)
andeuten.
Im Felde, besonders aber auch
in der Heimat ist die Anlage
der Kriegergrabstätten im
Anschluß an die Natur eine
dauernde, würdige und ein-
drucksvolle Form der Krieger-
ehrung. Schon in ältesten Zeiten
bietet die aufgeschichtete Form
des Erdhügels die weithin sicht-
barste und dauerhafteste Gestal-
tung der Grabstätte. In der Front,
wo nicht selten Freund oder
Feind in größerer Anzahl in
Massengräber zusammengebet-
tet sind, ist diese ursprüngliche
Form des Grabhügels fast
durchgängig anwendbar und
mit wenig Aufwand an Mitteln
durchzuführen. Es ist darum
nicht auffallend, wenn Entwürfe
372
Dekorative Kuntt. XIX. ii. August 1916
373
zur Durchführung
dieser Idee von ver-
schiedenenSeitenund
an verschiedenen Or-
ten in gleicher oder
ähnlicher Form auf-
getaucht sind; am
wirksamsten in den
Vorschlägen von U.
Janssen für das Ge-
biet der Armeeabtei-
lung Woyrsch sowie
in den Entwürfen von
H. Esch (Abb. S. 367)
zur Ausgestaltung
von Kriegergrabstät-
ten im Westen, die in
gesammelter Form
als kleines Heft zu-
sammengestellt der
Oeffentlichkeit über-
geben werden. Die
Vorschläge von Jans-
sen verdienen noch
besondere Hervorhe-
bung, weil sie auf
Grund praktischer
Erfahrung Anwei-
sungen zur Gewin-
nung und nutzmäßi-
gen Verwertung
des aufzuschüt-
tenden Erdreichs
bieten; erschlägt
vor, um die Grab-
stätte einen mehr
oderminderbrei-
ten oder tiefen
Graben zu ziehen
und die ausgeho-
bene Erdmasse
zurAufschüttung
des Grabhügels
zu verwenden;
der umfassende
Graben bietet der
Stätte gleichzei-
tig eine weitere
isolierende Ab-
grenzung inner-
halb der land-
schaftlichen Um-
gebung. Unter-
mauerung oder
Anfüllung mit
aufgeschichteten
Steinen können
innen zur Ver-
H. ESCH-MANNHEIM □ KRIEGERDENKMAL IN EBENEM
GELÄNDE (GEDENKSTEIN)
. ESCH-MANNHEIM G KRIEGERDENKMAL IN FORM EINES
MASSIGEN GEDENKSTEINES. VON BÄUMEN UMGEBEN
steifung der Masse
beitragen, deren Au-
ßenseite mit einfa-
chem Rasen belegt
ist. EineweitereGlie-
derung dieser For-
men des Grabhügels
führt zu den Typen
des Tumulus (Abb.
S. 368) und der Pyra-
mide (Abb. S.375). Die
erstere Form wurde
besonders durch den
Vorschlag Adolf von
Hildebrands (Abb.
S. 368) rasch Allge-
meingut, und fand
vielfältige Verwer-
tung und Umwand-
lung. Wichtig vor al-
lem für die Wirkung
in der Landschaft ist
die sinngemäße Ver-
wertung und Anpflan-
zung geeigneter Bäu-
me. Bereits der Vor-
schlag von Hilde-
brand rechnet mit ei-
ner solchen Anord-
nung ; besonders aber
H.Maaß bietet in
zahlreiclTen,vari-
ierten Zeichnun-
gen verschieden-
artige Vorschlä-
ge zur Durchfüh-
rungdergleichen
oder ähnlichen
Idee. Wer einmal
von dem erschüt-
ternden, unaus-
löschlichen Ein-
druck berührt
wurde, den die
Verbindung der
drei Eichen mit
dem einfachen
Grabmonument
des Generals
Moreau auf der
Räcknitzer Höhe
bei Dresden auf
den Beschauer
macht, wird der
Ausnutzung und
Beachtung die-
ser Verbindung
von Natur und
374
F. BRÄUMNG-BERLIN B KRIEGERDENKMAL FÜR DIE GEFALLENEN EINER STADT, MIT VIER INSCIIRIFTTAFELN
E.SINGER
KRIEGER-GEDENKBRfNNEN
Der Brunnen ist dem Ortsbild angepaßt und neben einer bereits vorhandenen Und« auf freiem Plati errichtet
375
Menschenwerk das richtige Maß von Be-
deutung zuerkennen. Immer bleiben solche
Anregungen — auch einfache zeichnerische
Darstellungen — ^u begrüßen, da sie das
Auge auf diesen wesentlichen Punkt der
Grab- und Denkmalsanlage hinlenken. Auf
diese Weise sind mit den einfachsten Mit-
teln wirksamste und ehrwürdige Wirkun-
gen erzielt worden, wie manche Linde
oder Eiche zeigt, die dem Sturm der Jahr-
hunderte trotzend, Kunde geben von Ereig-
nissen früherer Zeiten. Diese Art der Krie-
gerehrung zeigt mehr Takt und innere Größe
als die marktschreierisch aufdringliche Sym-
bolik, die oft in gespreiztem Gewände sich
breitmacht.
Die Denkmale mancher früheren Kriege
sind grausame Zeichen einer Verwilderung
des künstlerischen Geschmackes und wenig
vornehmer Gesinnung. Darum konnte nicht
genug in diesen Zeitläuften von den ver-
schiedenen Stellen aus gewarnt werden, die
Errichtung der Denkmale nicht zu über-
stürzen, die Ideen der wartenden Künstler
— und nicht der schlechtesten — reifen zu
lassen, um eine wahrhafte und würdige
Ehrung zu schaffen, die auch vor der Kritik
einer bewertenden Zukunft standhält. Denk-
male zu vermeiden, wird nicht möglich sein;
der Gedanke steckt unserem Volke im Blut;
auch wächst er oft organisch aus äußeren
Notwendigkeiten und Gegebenheiten. Man
denke sich einen Marktplatz einer russi-
schen Stadt, auf dem gefallene Krieger be-
stattet sind; in unmittelbarer Nähe liegt ein
Musikpavillon, der in friedvollen Zeiten wie-
der der Muse und Unterhaltung dienen wird.
Es wäre sinnwidrig und störend, den Cha-
GERHARD MARCKS-BERLIN
SKIZZE ZU EINEM KRIEGERDENKMAL
376
377
K. ALBIKER-ETTLINGEN
ENTWURF ZU EINEM KRIEGERDENKMAL
rakter dieser Begräbnisstätte dauernd bei-
zubehalten; und mit vollem Recht schlug die
ordnende Hand des Künstlers die Aufstel-
lung eines Denkmales in schlichten, der ört-
lichen Tradition angepaßten Formen vor.
Die Aufgabe des Denkmals ist an sich
eine anspruchsvollere, ist vor allem auch
eine zukünftigere. Anspruchsvoller, weil sie
schon inhaltlich dem Wesen nach einen um-
fangreicheren Sinn zum Ausdruck bringen
will; zukünftiger, weil sie im besonderen
das Geschehen und die Größe der Gegen-
wart einer kommenden Zukunft aufbewahren
will. Dazu kommt, daß das Denkmal —
meist ohne unmittelbare Verbindung mit der
Grabstätte — eine selbständigere Ausbil-
dung verlangt, da es des Stimmungswertes
der Grabstätte entbehren muß und nur in
der Eindeutigkeit und Klarheit seiner For-
mensprache Abbild und Ausdruck des Zeit-
geistes sein kann. Künstler sind am Werke
und breiten ihre Ideen aus, die sie in Skiz-
zen niederlegen: Architekten und Bild-
hauer. Die strenge und gebundene archi-
tektonische Form muß ausgezeichnet sein
durch würdige Einfachheit, harmonische
Aufteilung der Massen, klare Anordnung
der Schrift, die auch in ihrem möglichst
strengen und schmucklosen Charakter Aus-
druck der strengen Sachlichkeit und des
feierlichen Ernstes sein muß. Bildhauer
schaffen konkreter, sinnhafter; die plasti-
sche Gestalt rückt in den Mittelpunkt der
Gesamtform, sei es in der bildnerischver-
einfachten Form eines knienden Soldaten
(Abb. S. 376), sei es in der rhythmisch be-
wegten Gruppe dreier Grenadiere (Abb.
S. 378), oder in der symbolisch ausdeuten-
den Gruppe hingebenden Opfersinnes (Abb.
S. 379) : ohne Pathos, ohne Schrei, würdig,
edel und schön. Die Entwürfe zeigen das
Ringende, das Werdende; oft wird das Sym-
bol der Größe einer Zeit erst durch die
Reife des Erkennens und die Distanz des
Erlebens geschaffen, und so ist die Aufgabe
der Kriegerdenkmäler im besonderen eine
solche reifender Schöpfung und lebendigster
Kunstempfindung.
Oft läßt sich mit der Aufstellung der Denk-
male ein praktischer, städtebaulicher Zweck
und Gedanke zur Durchführung bringen:
Etwa in der wirksamen Anlage eines Ehren-
haines, eines öffentlichen Platzes, oder eines
einzelnen Brunnens (Abb. S.375). Schon
durch den einem praktischen Zweck ent-
sprungenen Charakter entgehen diese Werke
viel leichter der Gefahr, aufdringlich, ge-
künstelt, gezwungen zu erscheinen. Beson-
ders auch für kleinere Gemeinden lassen sich
derartige zweckmäßige und schöne Möglich-
378
GEORG KOLBE-BERLIN
GRUPPE ZU EINEM KRIEGER-GEDENKBRUNNEN
379
keiten einer Kriegerehrung finden, von denen
in einem zweiten Teil unter besonderer Be-
rücksichtigung der Gedenktafeln und Ge-
denkblätter gesprochen werden soll.
Wie ein Künstler unserer Tage sich die
zukünftigste Aufgabe eines großen Natio-
naldenkmals denkt, möge der Entwurf von
P. Bonatz (Abb. S. 377) zeigen: es will in
seiner ruhigen und sicheren Formensprache
ein ernster und würdiger Ausdruck der Zeit
sein. Die Maße sind gewaltig : 60 Meter Höhe,
50 Meter Breite. Die Flächen sind vorge-
sehen in braunroten und violetten flachen
Klinkern mit breiten Fugen. An den Pfeiler-
seiten sind plastisch schmückende Darstel-
lungen angebracht in edlem Stein. Der
Schöpfer denkt sich das Monument in einer
flachen Ebene liegen mit weitem, freiem
Horizont; es soll unmittelbar aus der offenen
Landschaft aufwachsen, etwa in der Nähe
einer bedeutenden Eisenbahnlinie gelegen
sein. Eine einfache Zufahrtsstraße ohne
Bäume soll in leichter Windung auf die Stufen
zuführen, — ein Plan, der in der Größe der
Anschauung viel Bestechendes hat. Er
steht neben anderen und ähnlich gerichteten
Entwürfen verschiedenster Künstler. Prü-
fende Kritik und reifende Erkenntnis müs-
sen dazu beitragen, auch für die Erfüllung
dieser letzten und schwierigsten Aufgaben
eine der Größe der Zeit würdige Lösung
zu schaffen. dr. W. F. Storck
H. ESCH-MANNHEIM
GRABPLATTE AUS GUSZEISEN
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ARCII. OSWIN IIEMPEL-DRESDEN
HAUS WOLF-COSSM ANNSDORF: VORFAHRT
EIN LÄNDLICHER WOHNSITZ VON OSWIN HEMPEL
Anfangs mußte die neue Zeit, die vor zwei
jt\ Jahren anbrach, alles jenseits der Grenzen
von Blut und jeder Erschütterung und Zer-
störung auslöschen. Man hielt den Atem an
und lauschte nur noch auf das Hämmern des
Schicksals, das von draußen hereintönte. Die
wohlgepflegten Gärten unsrer geistigen Kultur
lagen auf einmal in trübem Schatten, und ihre
Brunnen schienen zu versiegen. Dann hoben
sich die Schleier, die Luft ward heller, die
Gehirne arbeiteten wieder ruhiger und die
Sinne begannen ihr Recht zu fordern. Wer
daheimgeblieben war, durfte das Besinnen auf
die inneren Pflichten des so schwer um sein
Dasein arbeitenden Volkes beruhigter in die
Tat umsetzen. Man brauchte sich nicht mehr
vor den Kämpfenden zu schämen, wenn man
Kunst und Bildung, Erziehung, Mode, Lebens-
freude und -Veredelung in jeder Form wieder
betrachtend und genießend ins Auge faßte.
Es war gleichsam das geistige Erbe eines Ver-
schollenen, aber Lebenden, das es zu ver-
walten, ja zu mehren galt. Fäden, die seit Aus-
bruch des Kampfes lose hingen, wurden neu
gespannt, verjährte Rechnungen in neue Sum-
men von Energie und Schaffensfreude um-
gesetzt. Der Aufschwung aller angewandten
Künste, den das neuejahrhundert in Deutsch-
land gebracht hatte, war selbst durch das nun
feindliche Ausland nach manchem Sträuben
anerkannt worden. Vor allem die Architektur
schien berufen, den Platz, den sie sich nach
rastlosem Bemühen in der geistigen Welt der
Gebildeten errungen hatte, selbst in der un-
geheuren Verschiebung aller Werte, zu der
den Einzelnen der Krieg zwang, neu zu fe-
stigen und zu verliefen. In Feindesland mußte
sich neben den Linien der Landschaft beson-
ders die Eigenart der Siedelung auch dem
ungeschulten Auge deutlich einprägen. Städte-
bilder von seltener Großartigkeit, wie Brüssel
und Warschau, erweckten Bewunderung für
die künstlerische Ausdruckskraft einer großen
Vergangenheit. Wer aber mit der polnischen
Bauernhütte und dem charakterlosen Reihen-
haus, das den Kleinstädten und Dörfern des
Dekorative Kunst. XIX, ij, September 1916
381
ARCH. OSWIN HEMPEL- DRESDEN Q HAUS WOLF-
COSSMANNSDORF: LAGEPLAN, OBERGESCHOSZ UND
ERDGESCHOSZ DES WOHNHAUSES
besetzten Frankreichs ihr Gesicht gibt, nähere
Bekanntschaft machte, dem wuchs im Vergleich
das Bild des heimatlichen Hauses, wie es in
reicher Mannigfaltigkeit auf deutschem Boden
erwachsen ist, zu vorher kaum geahnter Schön-
heit und Würde heran. Es war kein nationales
Pharisäertum, das in imm.er neuer Dankbar-
keit den inneren Reichtum unsrer Hausbau-
kunst pries, sondern der ehrliche Stolz auf
die Errungenschaften unsres eingebornen äs-
thetischen Willens. Aus dem Zwange, sich
praktisch in fremde Behausungen einzuleben,
die Spannkraft des individuellen Lebensgefühls
im Anpassen an neue Raumtypen zu erproben,
entwickelte sich die Fähigkeit zu schärferem
künstlerischem Urteil über Art und Absicht ar-
chitektonischer Gestal-
tung überhaupt. Diese
unfreiwillige Stärkung
eines Vorstellungskrei-
ses, der unter allen
Kategorien künstleri-
scher Teilnahme bisher
die geringsten selbstän-
digen Entwicklungsaus-
sichten gezeigt hatte,
kam der Heimatliebe
selbst zugute. Vielleicht,
wenn der Gedanke der
Kriegerheimstätten erst
wirtschaftlich fest ge-
gründet ist, erleben wir
aus dem Ineinander-
greifen einer geradezu
triebhaften Sehnsucht
nach der eignen Scholle
mit dem abgeschlosse-
nen Eigenhaus und der
382
ARCH. OSWIN HEMPEL-DRi:si)l.N
HAUS WOLF COSSMANNMiJhl : MRASZENSEITE
ARCH. OSWIN HEMPEL-DRESDEN
HAUS WOLF-COSSMANNSDORF: NEBENGEBÄUDE
383
ARCH. OSWIN HEMPEL-DRESDEN
HAUS WOLF-COSSMANNSDORF: VERSENKTER GARTEN
künstlerischen Selbstzucht, zu der die archi-
tektonische Bewegung der deutschen Gegen-
wart die Keime gelegt hat, eine neue Blüte
der deutschen Hausbaukunst.
Denn diese Kunst, so Köstliches sie auch
in alten Zeiten geschaffen, hatte sich ja vor
dem Kriege kaum erst aus der Unfruchtbar-
keit eines billigen Formalismus zu stärkeren
Schöpfungen von innerer Gesundheit und
Wahrhaftigkeit erhoben. Ein feiner Beobach-
ter wie Felix Poppenberg las noch vor weni-
gen Jahren in der Grunewald-Kolonie, in der
doch Reichtum und landschaftliche Schönheit
zu Hause sein müßten, eine wahre Muster-
karte architektonischer Mißgestaltungen heraus.
Falsch frisierte italienische Lustschlösser, fran-
zösische Chateaux, norwegische Hundinghütten,
Schweizerhäuschen mit Laubsäge-Niedlichkei-
ten, Jenny TreibelVillen, die ihren Familien-
sinn mit redseligen Sprüchlein auf der Fassade
verkünden, unorganische Produkte aus Ueber-
gangszeiten, an denen die Außenseite in cha-
rakterloser, kalter Pracht von einem unper-
sönlichen Baumeister vorgeklebt ist, zusam-
menhanglos mit dem Inneren, das etwa von
einem modernen Architekten in solche un-
dankbare Umrahmung geschickt hineinkompo-
niert wurde. In dies Chaos hinein fiel das
Evangelium von der vorbildlichen Erscheinung
des Landhauses in England. Während die einen
in der häuslichen Baukunst Englands das Ideal
einer Moderne erblickten, die in größter und
natürlichster Sachlichkeit ihre Aufgabe so un-
befangen löste, daß zwischen den Häusern
der alten Zeit und denen der Gegenwart trotz
aller technischen Fortschritte, die hier Kon-
struktion und Einrichtung bedingten, eine grade
Linie der Entwicklung zu liegen scheint, sahen
die anderen in der Rückkehr zu dem bürger-
lichen Wohnhaus des ausgehenden achtzehnten
Jahrhunderts und in der Anknüpfung an die
hier gegebenen Erzeugnisse einer geschlos-
senen Baukultur das einzige Heil. Hier —
nämlich in England — fand der eine vernunft-
gemäße Lebensweise und Architekten, welche
ihren Aufgaben gewachsen waren, bei uns
384
385
ARCH. OSWIN HEMPEL-DRESDEN
HAUS WOLF-COSSM ANNSDORF: DURCHBLICK AUF DEN GARTEN
386
Parvenütum und gänzlich unbefähigte und falsch
erzogene Baukünstler. Dem Theoretiker des
Bauwerkes als eines in der Idee gefaCten und
zu Papier gebrachten körperlichen Gebildes
aber und dem Anhänger der symmetrisch durch-
geführten Stilweisen der Urgroßväterzeit wird
die Verworrenheit in dem äußeren Organismus
des manor-house nichts als eine Quelle von
Mißverständnissen für jeden, der diesen am
Endpunkte einer großen Entwicklung stehen-
den Typ auf andern Boden zu verpflanzen
sich unterfängt.
Es ist kein geringer Ruhm für die jüngere
Generation der deutschen Baumeister, daß sie
aus diesem Zwiespalt den Weg zu einem
Schaffen gefunden hat, das in seinen ge-
lungensten >X'erken als ein wahrhafter Aus-
druck der geistigen Kultur und der wirtschaft-
lichen Tüchtigkeit des deutschen Bürgers der
Neuzeit genommen werden darf. Daß die Auf-
nahme englischer Baugedanken, so unendlich
viel Wertvolles wir ihnen entrungen haben,
in der Gegenwart noch viel Anhänger finden
wird, kann kaum befürchtet werden. Dennoch
wäre es eine chauvinistische Gesinnungslosig-
keit, wollten wir uns der Elemente einer klaren
und formsicheren Raumkunst schämen, die,
vielen wohl unbewußt, aus den Landhäusern
des Inselreiches in unser Bilden übergegangen
sind. Wenn wir aber dem Kriege nichts an-
deres verdanken sollten als ein Erstarken jenes
wundervollen Heimalgefühls, das sich mit
gleicher Liebe in die Linien der Landschaft
wie in die steinernen Zeugnisse einer uner-
schöpflich aus sich selbst wirkenden und zu
freier Schönheit gestaltenden Volksseele ver-
senkt, so dürfen wir ohne Zaudern die Auf-
gabe übernehmen, dem Bürger des durch den
Kampf gestählten Vaterlandes in Stadt und
Land das Haus zu erbauen, das als die Grund-
lage jeder natürlichen Gemeinschaftsform, der
Familie, auch letzten Endes die Keimzelle
jeder größeren staatlichen Bildung darstellt.
Das Haus, das diese Blätter zeigen, ist nicht
in den Jahren des Krieges erbaut worden; aus
der Bekanntschaft mit ihm kann nicht im
eigentlichen Sinne ein Beweis dafür genommen
werden, daß die in den Werdejahren der neuen
Baukunst gelegten Keime die Stürme dieser
Zeit überdauert haben. Aber seine Entstehung
fällt in die Zeit unmittelbar vor Ausbruch des
Krieges, und so haben wir ein Recht, es darauf
zu betrachten, ob die Kräfte der Gesundheit
und Freiheit künstlerischen Ausdrucks, die ein
ARCH. OSWIN IIEMPEL-DRESDEN
HAUS WOLFCOSSM ANNSDORF: SPALIERLAUBE UND NATURBAD
387
ARCH. OSWIN HEMPEL-DRESDEN
HAUS WOLF-COSSM ANNSDORF: HAUSTOR
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ARCH. OSWIN HEMPEL-DRESDEN
HAUS WOLFCOSSMANNSDORF
Gl KAMIN IN DER HALLE ■
390
ARCH. OSWIN HEMPEL-DRESDEN
HAUS VOLF-COSSM ANNSDORF: HERRENZIMMER
391
ARCH. OSWIN HEMPEL-DRESDEN
HAUS WOLF-COSSM ANNSDORF: ECKE IM SPEISEZIMMER
Volk wie das unsre nicht entbehren kann, und
deren Vorhandensein unsre Gegner uns so
leidenschaftlich bestreiten, auch in seiner Er-
scheinung zu spüren sind, und ob es gelungen
ist, in ihm den Typus des vornehmen Land-
hauses würdig und persönlich neuzuprägen.
Sein Schöpfer, Professor Oswin Hempel in
Dresden, ist seit Jahren einer der angesehensten
jüngeren Architekten Dresdens, wo er als Leh-
rer an der Technischen Hochschule wirkt. Er
ist aus der Schule Paul Wallots und aus dem
Kreise derer um Fritz Schumacher und Wil-
helm Kreis hervorgegangen; von Natur zu
monumentalen Gestaltungen drängend, hat er
es doch verstanden, in zahlreichen städtischen
und ländlichen Wohnbauten das Praktische in
ein Gewand von schmuckfrohem Behagen und
solider Eleganz zu kleiden, aus vollem Ver-
ständnis für die Erfordernisse des individuellen
Familienlebens den Organismus der Räume
zu formen. Der Bauherr dieses Hauses, dessen
industrieller Wirkungskreis ihn von der Haupt-
stadt fernhält, wünschte in der Nähe seiner
Arbeitsstätte ein Heim, das die durchgebildete
Wohnlichkeit des Stadthauses mit der heitern
und offnen Gliederung des Landsitzes ver-
einigt.
Der Baugrund liegt im Südwesten Dres-
dens an der Stelle des Vorlandes zum Erz-
gebirge, wo sich im Weißeritztal die beiden
Flüßchen, die wilde und die rote Weißeritz,
vereinigen, um nach Durchfluß durch eine
industriereiche Gegend und den einst wegen
seiner Felsromantik hochgeschätzten Plauen-
schen Grund als ein stattlicheres Gewässer dicht
unterhalb der Hauptstadt in die Elbe zu münden.
Im Rücken, gegen Westen, von dichtbewaldeten
Hügeln geschützt, öffnet sich die Baugruppe
gegen Nordosten nach dem Tal, von dessen
Wiesengrund die Häuser von Coßmannsdorf
sich zu halber Höhe des Hanges hinaufziehen.
Die freie Ausdehnung des Geländes machte
es möglich, das eigentliche Wohnhaus mit dem
Wirtschaftsbau und den Automobilschuppen
samt der Chauffeurwohnung und dem Gewächs-
haus zu einer bewegten, aber doch klar dispo-
nierten Baugruppe zu vereinigen. Das Wohn-
haus, mit einem hohen Sockelgeschoß und
einem Obergeschoß, ragt mit seinem energisch
zurückgenommenen Mansarddach hoch über
392
393
ARCH. OSWIN HEMPEL-DRESDEN
HAUS WOLF-COSSMANNSDORF: BAD
den First des Wirtschaftsflügels empor; der
Zwischenbau, der das selbständig behandelte
Portal mit der Unterfahrt an der Fassade ver-
schiebt, trägt ein einfaches Pultdach. Die
durchweg im Kreissegment geschlossenen Fen-
ster, die schnittige Zusammenfassung der
Ecken in gelbgrauem Sandstein, die drei Erker
des Erdgeschosses, von denen der an der
Schauseite reichere figürliche Durchbildung der
Pfeiler bietet, besonders aber der breite,
schattige Sims des Daches ergeben, im Verein
mit dem flachen, schlichten Friesband zwi-
schen den Geschossen ein Bild ruhig hinge-
lagerter Seßhaftigkeit. Und die herrschende
Horizontale wird durch einen niedrigen Ar-
kadengang aufgenommen, der das abseits ge-
legene Wagenhaus mit dem Wohnhaus ver-
bindet und zugleich die Aufgabe erfüllt, den
Garten gegen die Straße zu verdecken. Von
einem runden Pavillon, der den Anfang des
Laubenganges bezeichnet, öffnet sich der Blick
in der Achse des Gartens über ein Blumen-
parterre und den von niedriger Steinmauer um-
friedeten Rasenplatz zu der Pergola, die den
Tennisplatz verdeckt. Der Garten enthält in
seiner Nordostecke ein kleines Schwimmbad,
das sich mit einer luftigen, säulengetragenen
Ankleidehalle in die äußere Grundstücksmauer
schmiegt.
Die im Grundriß so unregelmäßig wirkende
Anlage ist, als plastisches Ganzes, dank den
mit größter Feinfühligkeit abgewogenen Ver-
hältnissen von vollkommener Harmonie und
anmutiger Kraft. Während die dem Besucher
sich zuwendende Westfront die Unregelmäßig-
keit der Fensterachsen kaum recht zu Be-
394
ARCH. OSWIN HLAIPIL-DKESDEN
HALS UOLF-COSSMANNS-
DORF: GARDEROBERAUM
wußtsein kommen läßt, erweckt dies an der
Gartenseite den Eindruck eines lebenstrotzen-
den Organismus, der sich von innen nach
außen, in ländlicher Sorglosigkeit, aber durch
das mächtige Dach väterlich behütet, in die
Natur und ihre Reize und Gaben hineinwächst.
Die Anlage des Innern wird durch den Wunsch
nach wenigen, aber deutlich charakterisierten
und durch stark sprechende Motive beherrsch-
ten Raumeinheiten bestimmt. Eine gewölbte
Vorhalle, deren farbige Kachelwände heiter
glänzen, führt in den Empfangsraum, der über
wenige Stufen unmittelbar in die Halle über-
geht. Ein von zwei freistehenden Marmor-
säulen getragener Rundbogen schlägtden Akkord
festlicher Würde an, der durch das in reichem
Maße als Vertäfelung verwandte Holz, die helle
Decke mit den wuchtigen Unterzügen und die
gelassene Linie der Treppe, deren üppig ran-
kendes Geländer den Blick lebhaft fesselt,
weitergetragen wird. Eine sehr sorgfältige Durch-
bildung des Estrichs erhöht die Stimmung der
Schmuckfreudigkeit, die alle Räume des Erd-
geschosses durchzieht. Im Herrenzimmer steht
das schimmernde Braun des Holzwerkes neben
einer dunkelroten Wandbespannung, im Zim-
mer der Dame Mahagoni auf einem gedimpft
gelbgrauen Damast. Die Pilasterarchitektur
des Speisezimmers schafft eine Raumwirkung,
der man in gewissen Innenräumen der Spät-
renaissance schon begegnet sein mag; in Ein-
zelheilen, wie den Zwickelfüllungen über der
Kredenznische, regt sich ein freieres Formge-
fühl, und das kräftige Blau der Bezüge der
Lichtschirme und Vorhänge ruft uns vollends
in die Gegenwart zurück. Von den Zimmern
395
des Obergeschosses, deren Zugang zur Hälfte
als Freitreppe in der Halle, zum andern Teil
als eingebaute, gerade laufende Zwischentreppe
angeordnet ist, zeichnet sich das Ankleide-
zimmer durch die heitere Frische seiner far-
bigen Durchbildung, das Badezimmer durch
die knappe Eleganz in der Materialbehandlung
aus.
Der Künstler dieses Hauses ist keiner von
denen, die durch überraschende Einfälle blen-
den, durch schimmernde Pose betäuben, oder
durch das Raffinement der Schlichtheit ver-
blüffen. Sein Schaffen strömt aus einem ruhi-
gen Temperament, aus einer gemütvollen Ver-
trautheit mit dem Menschlichen und aus der
sicheren Kenntnis aller technischen und sach-
lichen Gestaltungsmittel. All das spiegelt sich
in dem schönen Familienhaus, das in dem
frischen Grün des Hügellandes wie ein sorg-
sam geschliffener Stein in den Falten eines sei-
denen Gewebes liegt, edler Stoff in geprägter
Form. E. Haenel
Mit dem Begriff Talent verbindet man gewöhn-
lich etwas Schwächeres als mit dem Begriff Genie,
man denkt dabei mehr nur an eine gewisse Leichtig-
keit, an die Gabe des Anempfindens, Nachahmens.
Jeder hat ja in seinem Leben ein paarmal Verse
gemacht, aber ohne starken Drang und Erfolg.
Das Genie dagegen ist eine geistige Naturkraft
von einer schöpferischen Urgewalt, die alle Herzen
bezwingt. Es sieht mit dem Blitz der Ahnung in
das Herz der Dinge. Sein Wesen ist zentral.
F. Th. Vischer
Kunst ist der brausende Akkord des Schönen,
wie ihn sehnsuchtstrunkene Herzen träumen. Einen
Kanon für seine Harmonisierung hat noch niemand
gefunden. Darum begnügen wir uns mit Indivi-
dualität. Manuel Wielandt
Man muß mit Feuer entwerfen und mit Phlegma
ausführen. Winckelmann
Kunst verhält sich zur Natur wie die Garten-
rose zur Heckenrose, wie der farbig leuchtende,
von Wasser überrieselte Stein zu dem trockenen
Kiesel. Hermann Obrist
ARCH. OSWIN HEMPEL-DRESDEN
HAUS WOLF-COSSMANNSDORF: PERGOLA
396
WANDA BIBROWICZ-SCHREIBERHAU
Ausführung: Schlesische Werkställe für Kunstweberei, Obcr-Schreiberhau
VANDBEHANG „FALKEN"
BILDWIRKEREIEN VON WANDA BIBROWICZ-SCHREIBERHAU
Als vor kurzem an dieser Stelle von den
i. Verdiensten die Rede war, die Pro-
fessor Wislicenus mit seinen Entwürfen und
seiner übrigen anregenden Tätigkeit um die
werkmäßige Anwendung derWebetechnik für
dieBildwirkerei der Gegenwart besitzt, wurde
neben ihm auch schon der Name der We-
berin genannt, durch deren verständnisvolle
Handgeschicklichkeit jene Bildteppiche vom
Entwurf zur Ausführung gelangt sind,
WANDA BIBROWICZ. Von ihr seien heute
eine Anzahl selbständiger und neuer Ar-
beiten hier veröffentlicht.
Denn Frl. Bibrowicz ist nicht nur an
der Ausführung fremder Entwürfe am Web-
stuhl tätig. Als eine der ersten Schüle-
rinnen von Wislicenus hat sie neben dem
Handwerk auch die Fähigkeiten der Ent-
wurfsarbeit mit so viel Temperament und
so guter natürlicher Begabung geübt, ist
durch die helfende und zügelnde Nähe
ihres Lehrmeisters lange Jahre so wohl-
beraten gewesen, daß sie heute die größten
Aufgaben selbständig und mit schönem Er-
folg zu übernehmen vermag. Der alltägliche
kleine Bedarf an Entwürfen für die Kissen,
Taschen, Wandbehänge und anderen Kleinig-
keiten, die in der Webewerkstatt entstehen,
wenn es an großen Aufträgen fehlt, waren
schon lange ihr Gebiet. Und wenn wir an
die alten Bildwirkereien denken, die wir in
unseren Museen am meisten finden, z. B. an
jene aus Schleswig-Holstein in Menge her-
vorgegangenen Kissenbezüge des 16. und
17. Jahrhunderts, in denen Bilder aus Bibel
und Sage, umgeben von derben Blumenborten,
sich so typisch wiederholen, dann will es
scheinen, als könnte auch heute noch in die-
sen nützlichen und zugleich schmückenden
kleinen Beiträgen zum Hausrat der Gegen-
wart eine dauernde lohnende Aufgabe für
die Handarbeit am Webstuhl liegen. Dabei
möchte ich nicht meine unüberwindliche Ab-
neigung gegen den Wandbehang verschwei-
gen, der am besten wieder aus dem Gedan-
kenkreis unserer angewandten Kunst ver-
schwindet, so lange wir keine schwedischen
Blockhäuser bewohnen, in denen er ein wirk-
liches Bedürfnis von jeher gewesen ist.
Auf starke Farbenwirkungen von vorn-
herein bedacht, verfügt Frl. Bibrowicz, Polin
von Geburt, nicht nur über das wünschens-
werte Temperament und die leichte Beweg-
lichkeit, die zum stets erneuten Erfinden Vor-
aussetzung sind, sondern sie bringt für diese
Arbeit auch die unentbehrliche gründliche
Kenntnis der Webetechnik mit, die von Na-
tur im Entwurf des Gewebes dieser Art
Dckoratlre Kunst. XIX. i?. September 191S
397
berücksichtigt werden muß. Diese Rück-
sicht, die jedem Naturalismus der Zeichnung
zuwiderläuft, verlangt ein Gefüge von mög-
lichst eckigen, geraden und senkrecht zu-
einander verlaufenden Linien, strebt nach
möglichst gleichmäßiger Verteilung des Mu-
sters über die ganze Bildfläche und drängt
so zu einer Stilisierung der Natur, die uns
als Sprache der Bildwirkerei seiner Zeit
zuerst bei dem Norweger Gerhard Munthe
aufgefallen ist. Ihre Raben und Falken, ihre
Rehe sind gute Beispiele für diese Art von
Verarbeitung der Naturmotive. Wichtiger
noch scheinen mir die Ansätze zu einer eige-
nen Ornamentsprache. Diese gerade braucht
die Bildwirkerei am meisten, wenn sie künftig
vor dem Vielerlei aller möglichen Versuche
zu einer festen typischen Formbehandlung
kommen soll, die schließlich jede alte Kul-
tur-Epoche besaß, die wir in Mobiliar und
Gerät seit Jahren schon uns geschaffen
haben, und die uns nach der Periode allzu
eifrigen Phantasie-Aufwandes in Eckmanns
Tagen nun sehr willkommen sein wird auch
in diesen Gebieten der angewandten Kunst.
So scheint gerade in den einfachsten der hier
abgebildeten Entwürfe von Frl. Bibrowicz am
meisten der Weg zu liegen, auf dem in Zukunft
die Kleinarbeit des Webstuhls mit dem mei-
sten Nutzen betrieben werden kann. Zu dem
Reiz einer sicheren, klaren und einleuchten-
den ornamentalen Erfindung tritt ja der uns
heute so notwendige andere der Gediegenheit
von Material und Arbeit, die an sich schon so
wertvoll wirken, daß es eines üppigen phanta-
sievollen Schmuckes nicht so sehr mehr bedarf.
Anders alsbei diesen Gebrauchsgegenstän-
den steht die Frage beim eigentlichen Bild-
teppich. Wie sie diesem gerecht zu werden
weiß, wird Frl. Bibrowicz bald zu zeigen
Gelegenheit haben an einem großen Staats-
auftrag, der ihre Werkstatt mehrere Jahre
beschäftigen wird: das preußische Unter-
richtsministerium hat die Mittel bereitge-
stellt, um den Sitzungssaal des alten Kreis-
hauses in Ratzeburg mit Bildwirkereien aus-
zustatten, zu denen die Entwürfe bereits
fertiggestellt sind — ein höchst erfreulicher
Lohn für die lange Zeit des Wartens und
Versuchens. Prof. K. ScHAEFER-Lübeck
WANDA BIBROWICZ-SCHREIBERHAU WANDTEPPICH „WEIHNACHTEN"
Ausführung: Schlesische Werkstätte für Kunstweberei, Ober-Schrciberhau
398
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WANDA BIBROWICZ □ GEWEBTE HANDTASCHEN, KISSEN UND SCHWARZ-WEISZE DECKE
Ausführung: Schlesische Werkstätte für Kunstweberei, Ober-Schreiberhau
400
ARCH. DAGOBERT PECHE-WIEN
Ausführung: Wiener Werkstllte
BONBONDOSEN, SILBER GETRIEBEN
DAGOBERT PECHE
Salzburg und Wien, Josef Hoffmann und
das Slawische haben diese Persönlichkeit
befruchtet und sind noch immer an ihrer
Läuterung beteiligt. Denn noch gärt diese
Jugend, noch ist sie nicht ganz geklärt, rauf-
lustig und blühend, bewegt sie sich mit gleichem
Behagen auf allen Gebieten des künstlerischen
Schaffens, hat die selige Unruhe überquellen-
der Phantasie, hat unverwirklichte Gedanken
und unerfüllte Sehnsucht. Wir treten hier
einem Temperament mitten in seiner vollen
Bewegung entgegen, freuen uns seiner selbst-
herrlichen Fülle und sehen unsere beste Pflicht
in dieser reinen Betrachtang, die weder nach
dem Fertigen des durchmessenen Weges, noch
nach den Verheißungen der anbrechenden
Reife peinlich fragt, nicht nachrechnet und
vorschreibt, sondern genießt. Wir sehen die
Kraft, vertrauen ihrem Reichtum und wollen
ihr keine Klärungen bringen, die sie bisher
in der eigenen Arbeit gewann, dort weiter
gewinnen und uns bringen muß. Es ist uns
genug, der Entfaltung solcher Künstlerjugend
gastlich anzuwohnen.
Es kann einem Wiener Kinde nicht leicht
etwas Besseres widerfahren, als die Zeit seiner
ersten Reife in Salzburg zu verbringen. Der
Verwirrung und dem Angriff der Großstadt
entzogen, werden hier die Stürme der Seele
von dem freundlichen Frieden einer in jeder
Anmut prangenden Stadt umhegt, in ihre Stille
gelenkt und zum reichen inneren Knabenglück.
Man wird diese Beisteuer Salzburgs, das
Blumige und das spielend Festliche, das erste
Bekennen zu einem dem Ernst und der Schwere
fremden, von mutwilliger Schönheit geschmück-
ten und erleichterten Dasein, die fortwirkende
Erinnerung an die Gärten von Mirabell im
Werke Peches wiederfinden. Gerade auf
diesem Knabenglück beruht der Giund seiner
heiteren Männlicl keit und dazu die landstidti-
sche Umgrenzung seiner von Wien entfesselten
Begabung.
Gewiß, Peche brauchte Wien. Hier fand
er die Heimkehr auf mütterlichen Boden, be-
schwert von der seligen Fracht der Salzburger
Jahre, hier traf ihn der Anruf des vielfaltigen
GroQstadtbedürfnisses nach feinem Schmuck
des Haus- und Straßenlebens. Hier begegnet
aber auch gerade er der vielfachen Gefähr-
dung, der beweglichen Mode vom Tage in
die Hände zu fallen. Und da ist es doch
ein Zeichen seiner schlummernden, auch heute
noch nicht sinnfällig gewordenen Ernsthaftig-
keit, daß er, dessen Art und Alter leicht und
zu anmutigen Spielen geneigt erschien, zu-
nächst die Lehre der strengsten Kunst suchte.
Von der Schule Otto Wagners, dem weltstidti-
schen Absolutismus der Zweckmäßigkeit, wie
er ihn hier sah, befremdlich berührt, tauscht
er die Technik gegen die Akademie und ge-
winnt in Ludwig Ohmann einen der eigenen
Anlage zusagenderen Führer in der Architek-
tur. Weder der eine noch der andere bat
seinem beginnenden Werke deutliche Richtun-
gen gegeben, aber auf der Spur beider findet
das Talent den Weg zur Bekundung der eigenen
architektonischen Gesinnung, die im Empire
wurzelt. Die Grundlinie der Bauform aller
seiner kecken EinfSlle ist die schlank strebende.
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ARCH. DAGOBERT PECHE-WIEN
KAFFEEGESCHIRRE
elegante Grazie des Empire und was sich dem
Blicke auffälliger bietet, die barocke Schwingung
und Fülle, ist doch nur die dekorative Um-
kleidung, das unnotwendige und wandlungs-
fähige Attribut jener bleibenden Struktur, in
deren fortschreitender Klärung, Sichtbarkeit
und Bedeutung das schon jetzt erkenntliche,
entscheidende Moment seines reifenden Stiles
gelegen ist.
So lagen die beiden Elemente seines We-
sens und Lebensganges, der Schmuck- und
der Formtrieb, das Barock und das Empire,
Salzburg und Wien, noch recht unvermittelt
und unverarbeitet nebeneinander, in Erwartung
ihrerorganischen Verbindung, die dieser Künst-
ler ja irgendwann auch aus eigener Kraft hätte
finden müssen, aber jetzt unter fremder, zu-
ständiger Führung ohne unnützen Aufwand
mißratener Versuche, ohne die übliche Fülle
von Bitterkeit und Enttäuschung vollziehen
ARCH. DAGOBERT PECHE-WIEN
STREUBLUMENGESCHIRR
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ARCII. DAGOBERT PECHE AUFSATZ, SILBER GETRIEBEN
Ausführung : Wiener Verkstütle
ARCH. DAGOBERT PECHE-WIEN
TEEDOSE UND AUFSATZ, SILBER GETRIEBEN
Ausfübrunt: Wiener WerksMite
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ARCH. DAGOBERT PECHE-WIEN
Ausführung: Vereinigte Wiener und Gmundener Keramilt G. m. b. H., Gmunden
FAYENCEN
ARCH. DAGOBERT PECHE-WIEN
Ausführung: Vereinigte Wiener und Gmundener Keramik G. m. b. H., Gmunden
FAYENCEN
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Dekorative Kunst. XIX, lu. September 1916
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S2
ARCH. DAGOBERT PECHE-WIEN
Ausführung: J. Soulek-Wien
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SALON
ARCH. DAGOBERT PECHE-WIEN
DAMENSALON
Austabruni: K»rl Selditr-Wlen
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ARCH. DAGOBERT PECHE WIEN
Ausführung: Karl Seidler-Wien
SITZECKE IM DAMENSALON
konnte. Schon bisher waltete ja ein freund-
liches Geschick über den Wegen dieser Ju-
gend, die zuerst den rechten Ort für ihre
innere Entfaltung, dann die geeignete Unter-
weisung in den unverkennbaren Grundlagen
ihres weitreichenden Kunstfaches erhalten hatte
und nun ihrer Entmündigung harrte. So voll-
zieht sich unter dem Einfluß Josef Hoffmanns,
des warmherzigen, hellsichtigen Meisters, dem
die Jugend des Wiener Kunstgewerbes, also
die blühende, siegende Gegenwart der Wiener
Kunst, ihre Klarheit und Selbsterkenntnis ver-
dankt. Man wird den unabsehbar wohltätigen
und weisen Eingriff des Führers auch im Werke
Peche unschwer auffinden, die Abstreifung des
Herkömmlichen und Angelernten, die Entfal-
tung des Notwendigen und Wesentlichen, die
Lösung des Konfliktes von Schmuck und
Form, ihr Aufgehen in einer nun wieder un-
berührt erscheinenden Eigenart sind hier wie
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ARCH. DAGOBERT PECHE-WIEN
SCHAUKASTEN-ECKE IM VITRINENUMGANG
DER MODEAUSSTELLUNG IN WIEN 1916 Q
auch sonst im Umgangskreise Hoffmanns die
untrüglichen, wirkenden Zeichen dieses Weg-
bereiters.
Nun weiß man, daß in der letzten Entwick-
lung des Wiener Kunstgewerbes dieVolkskunst
mannigfach mitgespielt hat. Hier begegnete
sich die von der Architektur aus ihrer struk-
tiven Gesetzmäßigkeit gewonnene Forderung
nach materialechter Gestaltung mit der tech-
nischen Sicherheit des volkstümlichen Hand-
werkes. Hier strömte ein unverbrauchter Ueber-
fluß an formalen Gedanken und dekorativer
Erfindung zu, eine ursprüngliche und ausdrucks-
volle Linienführung und eine satte, sinnige
Farbenfrische, die energisch in der Wahl, un-
fehlbar in der Zusammenstimmung erschien.
Vor allem der slawische Kreis bot überraschen-
den, ungehobenen Schatz. Josef Hoffmann, der
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ARCH. DAGOBERT PECHE-WIEN
BLICK IN DIE HAUPTHALLE DER
MODEAUSSTELLUNG IN VIEN 191«
Grenzer, ein Deutscher aus der Sprachinsel
inmitten des tschechischen Landes, mußte auch
hier der berufene Mittler werden. Wie sehr
auch die Großstadt, namentlich Wien, die Reichs-
hauptstadt der vielen Völker, diesen Zufluß zur
Auffrischung brauchte, es konnte nicht aus-
bleiben, daß er hier anfangs befremdlich, ge-
waltsam verpflanzt und entwurzelt erschien.
Schon in vorgerückter Stunde, mannigfach
verarbeitet, traf er auch Peche. Und so
konnte es ihm leichter gelingen, das Wider-
strebende zu vereinen, die ländliche Beisteuer
seinem Schmuckvorrat einzufügen und sie der-
art restlos in ihm aufgehen zu lassen, daß sie
mit dem übrigen ein neues Ganzes wurde, in
dem sich jene Grundlagen seines Werkes nicht
wesentlich verändert, sondern nur bereichert
darboten.
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ARCH. DAGOBERT PECHE-WIEN
STOFFMUSTER
So erscheint er uns im
blick seiner Gegenwart. D
deuteten Erfahrungen hat
hier den verwandten Bo-
den einer Eigenart er-
reicht, die nur elemen-
tare Verbindungen ein-
geht. Aus der Bedeut-
samkeit der Wurzel-
stränge mag man ent-
nehmen, daß dieses
Werden vielfache, kom-
mende Reife gewärtigen
läßt. Man darf sich nicht
darauf berufen, daß er
bisher nur in Moden
und Tapeten, in graphi-
scher und keramischer
Arbeit, in Schmuck und
allerhand Kleinwerk, in
Möbeln und Innenräu-
men sein Bestes gege-
ben hat. Man muß sich
daran halten, daß dies
und das übrige, daß
hier alles noch Ent-
wurf ist. Und wird dann
blühenden Augen-
ie Fülle der ange-
ARCH. DAGOBERT PECHE Q
aus diesem Entwurf eines Künstlercharakters
schon jene durchgehende Linie der Form
herauslesen, die über
das anmutige Spiel hin-
weg auf Größeres und
Ernstes deutet und in
der Architektur enden
muß, wenn die Stunde
der Reife und mit ihr
die äußere Möglichkeit
ihrer Darstellung in an-
sehnlicheren Aufgaben
gekommen ist. Dann wird
auch die leicht beweg-
liche Vielseitigkeit sei-
ner Jugend einer straff
gesammelten Männlich-
keit weichen.
Jedenfalls ist er ein
hoher Einsatz in der Zu-
kunft der Wiener Kunst,
die sich seiner voll be-
sinnen muß, will sie in
ihrer beglückenden Be-
wegung nach aufwärts
EiERATRAPPE "'cht innehalten.
AUS PAPPE a Max ElSLER
Verantwortlicher Herausgeber : i. V. P. Kirchgrabeb. — Druclj und Verlag von F. Bruckmann A.-G , München, Nymphenburgerstr. 86
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3
K7
Die Kunst
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