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Full text of "Die Labyrinthodonten aus dem bunten Sandstein von Bernburg, zoologisch geschildert. 1., 3. Abt"

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•Sourüo   I  yy-o 


Alex.  Agassiz. 

OF 

COMPARATIVE    ZOÜLOGY, 

AT  HARVARD  COllEfiE,  CAMBRIDGE.  MASS, 
JFouuBcS  fag  ptiBatt  subsciiptioii,  in  1801. 


Deposited  by  ALEX.  AGASSIZ. 


•^flf^^S',/9oy 


A.  m.  ROMER 
HARVARD  UNIVERWT^ 


V<_-cO 


Die 


L  a  b  y  r  i  11 1  h  o  (1  o  11 1  e  n 


aus 


dem  bunten  Sandstein  von  Bernburs;, 


zoologisch   geschildert 


.   !>■'•  Heriiiaiiu  Biirmelister, 

0.  i.i.  Pr.  "d.  Zoologie  u.  Dirccior  d.  zoolog   Museums  der  Universiuil  liulle -W  illenbers! 


Erste   Abtheilung. 


T  r  e  in  a  t  o  s  a  u  r  ii  s. 


ITlit'4  litliograpliii-ten  Tafeln. 


Berlin, 

o  n    G 
'1849. 


Verl  a  g    v  o  n    G.    R  e  i  ni  e  v. 


MCZ  LIBRAßf 
HARVARD  UNIvißslW 


V    0    r    r    e    d    e. 


In  dem  kleinen  Steinbruche  unmittelbar  neben  dem  Bahnhofe  der  Anhalt- 
Bernburgschen  Eisenbahn  werden  vereinzelt  die  grösstentheils  in  Eisenoxydiil 
umgewandelten  Knochen  juweltlicher  Amphibien  gefunden.  Sie  liegen  in  einem 
reinweissen,  festen  Sandstein,  welcher  in  gleicher  Art  sich  an  der  Saale  auf- 
wärts bis  Weissenfeis  hinzieht  und  den  obersten  Schichten  des  bunten  Sand- 
steins angehört,  was  mit  Bestimmtheit  aus  seiner  Ueberlagerung  durch  den 
Muschelkalk  ersehen  wird. 

Herr  Kammerpräsident  v.  Braun  hat  diese  fossilen  Reste  mit  grosser 
Beharrlichkeit  seit  vielen  Jahren  gesammelt  und  ein  ungemein  reiches  Material 
für  das  nähere  Studium  derselben  zusammengebracht.  Seinem  Eifer  und  seinem 
Interesse  verdankt  also  die  Wissenschaft  vorzugsweise  die  nähere  Bekannt- 
schaft mit  einer  der  interessantesten  thierischen  Formen  der  Yorwelt. 

Durch  ihn  angewiesen,  haben  die  Arbeiter  des  Steinbruches  das  sorg- 
fältige Aufl)ewahren  aller  einzelnen  Bruchstücke  erlernt,  und  später  iManches, 
was  Herrn  v.  Braun  entbelulich  schien,  an  andere  Sammler  abgelassen.  Da- 
von gelangte  eine  sehr  lehrreiche  Folge  guter  Maudstücke  in  den  Besitz  meines 


IV      — 

Freundes,  des  Herrn  A.  L.  Sack,  welcher  sie  mir  zur  völlig  freien  Bearbei- 
tung üherliess.  Durch  ihn  und  Herrn  Zinken,  der  neben  Herrn  v.  Braun 
an  Ort  und  Stelle  sammelte,  kamen  einige  Bruchstiicke  auch  in  andere  Hände; 
das  Beste  und  Werthvollste  dagegen  blieb  im  Besitz  des  Herrn  v.  Braun, 
und  stand  mir  neben  den  Stücken  der  Sack'schen  Sammlung  zur  Einsicht  offen. 
Was  sicli  aus  diesen  Materialien  über  die  v.  Braun 'sehe  Gattung  Tre- 
matosaurus  ermitteln  Hess,  habe  ich  in  den  nachfolgenden  Blättern  zusammen- 
gestellt: sie  sind  das  Besultat  mehrjähriger  Beschäftigung  mit  dem  Gegenstande 
und  wurden  während  der  letzten  zwei  Jahre  zur  Heiausgabe  vollendet. 

Halle,  im  Juli   1849. 


H.  Burin e ister. 


Einleitung. 


öei  der  Versaninilimg  der  deutschen  Naturforscher  und  Aerzte  zu  Braunschweig  im 
Herbst  1841  gab  Herr  Kammerpräsident  v.  Braun  aus  Bernburg  Nachricht  von  zweien 
im  bunten  Sandstein  bei  Bernburg  entdeckten  fossilen  Sauriern,  welche  er  nach  einem  Loch  im 
Scheitelbein*)  Trematosaurus  nannte  und  weiter  dahin  bezeichnete:  dass  dieselben  zwei 
Reihen  Zähne  im  Oberkiefer  neben  einander  tragen,  regelmässig  gefurchte  Schädelknochen, 
eiiK^  Lyra  zwischen  Nasenlöchern  und  Scheitelbeinen,  einen  doppelten  Condylus  occipitalis 
und  zwei  grosse  konische  Fangzähne  neben  übrigens  kleinen  zahlreichen  Zähnen  im  Unter- 
kiefer besitzen,  ausserdem  aber,  vermöge  gewisser  stets  isolirt  gefundener  Knochenplatten, 
gepanzert  oder  wenigstens  Iheilweis  von  Schildern  bedeckt  gewesen  zu  sein  scheinen.  Prof. 
Plieninger,  welcher  derselben  Versammlung  beiwohnte,  wies  in  einem  spateren  Vortrage 
(amtl.  Bericht  etc.  S.  232)  die  Aehnlichkeit  dieser  Saurier  mit  Jag  er 's  Mastodonsaurus 
(Owens  Labyrinthodon)  nach  und  sprach  damit  zuerst  die  zoologische  Affinität  der  frag- 
lichen Geschöpfe  richtig  aus.  Als  er  darauf  mit  Hi'm.  v.  Mayer  seine  „Beiträge  zur  Pa- 
läontologie Würtembergs"  (Sluttg.  ISM.  4.)  herausgab,  kam  letztgenannter  Autor  (S.  4) 
auf  die  Uebereinstimmung  von  Trematosaxtrus  mit  den  Labyrinthodonten  zurück,  griff  die 
Zweckmässigkeit  des  gewählten  Gattungsnamens  an,  und  verbesserte  den  Druckfehler,  dass 
jenes  Loch  nicht  im  Stirnbein,  sondern  zwischen  den  Scheitelbeinen  sich  befinde,  wodurch 
Hr.  V.  Braun  veranlasst  wurde,  auch  seinerseits  jenen  Feliler  (a.  a.  0.)  zu  rügen,  weitere 
Nachrichten    über   seine  Saurier   zu   ertheilen  und  die  als  bunten  Sandstein  bezweifelte  Fund- 


')  Der  amtliche  Bericht  über  jene  Versammlung  hat  (S.  74)  diircli  einen  Sclireihfehler  die  Angabe,  jenes 
Loch  befinde  sich  im  Stirnbein,  was  Hr.  v.  Braun  später  verbesserte  (in  Leonh.  und  Bronn's  neuem 
.Inhrb.  1844,  S.  569). 

\ 


Stätte  über  ;illen  Zweifel  festzustellen.  Das  ist  es,  was  bis  jetzt  über  die  Bernburger  Saurier 
zur  Oeffentlichkeit  gelangte. 

Schon  lange  vor  jener  Braunschweiger  Versammlung  hatte  ich  bei  meinem  Freunde, 
dem  bekannten  Mineralogen  Hrn.  A.  L.  Sack,  Reste  fossiler  Saurier  aus  demselben  Stein- 
bruche von  Bernburg  gesehen  und  mich  mit  dem  wunderbaren  Bau  dieser  merkwürdigen 
Geschöpfe  einigermassen  vertraut  gemacht.  Als  nun  Hr.  Sack  nach  seiner  Heimkelu"  von 
Braunschweig  mir  von  den  dortigen  Verhandlungen  erzählte,  wurde  mein  Interesse  an  jenen 
Geschöpfen  aufs  Neue  angeregt  und  eine  sorgfältigere  Untersuchung  der  fossilen  Reste  in 
Hrn.  Sack's  Sammlung  alsbald  vorgenommen.  Es  ergab  sich,  dass  Hr.  v.  Braun  zwar  die 
Natur  von  Trematosaurus  in  allen  Hauptsachen  richtig  erkannt  hatte,  allein  doch  in  die  zoo- 
logische Deutung  der  Knochen  nicht  weit  genug  eingegangen  war,  mn  mehr  als  eine  bloss 
äussere  Formbeschreiijung  zu  gewähren;  und  indem  ich  der  Ansicht  bin,  dass  bei  den  fossi- 
len Thieren,  zumal  bei  Vertebraten,  die  zoologische  Eigenthümlichkeit  eine  mindestens  eben 
so  grosse  Berücksichtigung  verdiene,  wie  ihre  geognostische  Verbreitung,  fasste  ich  den  Vor- 
satz, gerade  diese  Seite  von  Trematosaurus  zum  Gegenstande  meines  weiteren  Studiums  zu 
machen.  Gefördert  in  diesem  Unternehmen  durch  die  schon  erwähnte  Arbeit  von  Plienin- 
ger  und  Hrm.  v.  Mayer,  ging  ich  endlich  an  die  Ausarbeitung,  und  hatte  dabei  die  grosse 
Befriedigung,  auch  Hrn.  v.  Braun  für  meine  Studien  zu  interessiren.  Derselbe  gewährte  mir 
nicht  bloss  die  Einsicht  seiner  überaus  reichen  Sammlung,  sondern  setzte  mich  auch  durch 
Mittheilung  von  Gypsabgüssen  seiner  besten  Exemplare  in  den  Stand,  das  Studium  derselben 
nach  Müsse  fortzuführen,  mich  selbst  gewissermassen  mit  der  Ausführung  seiner  Vorarbeiten 
betrauend.  Für  diese  grosse  Uneigennützigkeit  bin  ich  ihm  einen  öffentlichen  Beweis  meiner 
Anerkennung  schuldig,  und  trage  ihn  alD  durch  die  miumwundene  Erklärung,  dass  ich  ohne 
seinen  Beistand  nicht  so  weit  mit  meiner  Arbeit  gekommen  wäre ,  w  ie  ich  durch  denselben 
gelangt  bin.  Möge  er  also  sie  selbst  als  einen  Theil  seiner  Thäligkeit  betrachten,  und  sich 
durch  sie  befriedigt  sehen. 

Die  nähere  Einsicht  der  v.  Braun  sehen  Sammlung  überzeugte  mich  übrigens  alsbald, 
dass  die  beiden  Species,  welche  Hr.  v.  Braun  in  seiner  ausführhchen  als  Manuscript  in 
Braunschweig  vorgelegten  Arbeit  unterschieden  hatte  (vgl.  Leonh.  und  Bronns  neues  Jahrb.  18'i4, 
S.  570),  zweien  verschiedenen  Gattungen  angehören,  von  welchen  die  eine  neu  und  eigen- 
thümlich  gebaut  ist,  mithin  den  besonderen  Namen  Trematosaurus  behalten  kann;  \\ährend 
die  andere  nicht  sowohl  mit  Mastodonsaurus ,  als  vielmehr  mit  Capitosaurus  übereinstimmt, 
und  für  eine  besondere  Art  dieser  Gattung  gehalten  werden  muss.  In  der  Sackschen  Samm- 
lung befanden  sich  nur  Theile  des  Trematosaurus ,  un  Ganzen  28  Handstücke,  worunter 
5  fast  vollständige  Schädel,  3  Unterkiefer,  8  Brustplatten  und  mehrere  einzelne  Schilder  oder 
Knochenstücke,  aber  weder  Rippen,  noch  Wirbel,  noch  Extremitäten,  nach  denen  ich  auch  in 
Hrn.  V.  Braun 's  Sammlung  vergeblich  gesucht  habe.  Demnach  wird  sich  meine  Arbeit  dies- 
mal auf  die  Schilderung  der  Gattung  Trematosaurus   beschränken,    und    die  Erörterung  des 


Canitosaurus  von  Bernburg  einer  spateren  Zeit  vorbehalten  bleilien  müssen.  Auch  von 
jenem  \verde  ich  nur  den  Schädel  vollständig  schildern  können,  der  Rumpf  und  die  Extre- 
mitäten desseU^en  sind  noch  nicht  ermittelt.  Meine  Abbildungen  des  ersteren  geben  ein  voll- 
ständiges Bild,  so  weit  es  aus  den  zahlreichen  beobachteten  Resten  sich  zusammenstellen  liess; 
sie  enthalten  durchaus  Nichts,  was  nicht  an  diesem  oder  jenem  Handstück  gesehen  wurde, 
obgleich  in  der  wiedergegebenen  Vollständigkeit  kein  einziges  Exemplar  mir  zu  Gesicht  ge- 
kommen ist.  Abbildungen  der  einzelnen  Bruchstücke,  so  wie  sie  mir  vorliegen,  zu  geben, 
halte  ich  nicht  für  zweckmässig;  der  Beschauer  sieht  an  ihnen  immer  viel  weniger,  als  die 
directe  Beobachtung  daran  erkennt;  dagegen  lässt  sich  in  ein  restaurirtes  Bild  alles  das  hin- 
eintragen, was  der  Beobachter  an  sämmtlichen  Handstücken  wahrgenommen  hat,  mithin  eine 
gewisse  Vollständigkeit  im  Anschauen  nur  auf  diese  Weise  erzielen.  Sie  zu  geben,  ist  der 
Zweck  aller  Beschreilnmgen  wie  Abbildungen,  und  deshalb  ziehe  ich  restaurirte  Bilder,  wenn 
sie  nur  treu  und  mit  Sachkenntniss  angefertigt  sind,  den  einzelnen  theilweis  zerstörten  Rest- 
fieuren  bei   urweltlichen  Thierformen   entschieden   vor.     Ein   solches  Bild   zu    construiren   war 

TD 

meine  Absicht. 


Erster  Aliscluiitt. 


Beschreibung  des  Schädels  von  Trenmtosaurus. 


§•  1- 

Von  der  Kopfform  im  Allgemeinen  die  Betrachtung  anliebend,  so  erscheint  uns  die- 
seliie  als  ein  langgezogenes  gleichschenkliges  Dreieck  mit  al^gestutzter  Spitze  und  etwas  er- 
weiterter Basis,  dessen  beide  Hauptdimensionen,  die  Höhe  und  die  Grundfläche,  sich  wie  9 
zu  5  verhalten.  Beide  Zalüen  geben  zugleich  in  Zollen  die  Grösse  des  grössten  Individuums 
der  Sackschen  Sammlung  an;  bei  Hrn.  v.  Braun  sah  ich  indess  noch  grössere,  gegen  1  Fuss 
lange  Köpfe.  Jüngere  Individuen  sind  etwas  kürzer  und  erscheinen  deshalb  an  der  Basis  re- 
lativ breiter;  das  kleinste  mir  vorliegende  Exemplar  ist  4^-  Zoll  lang  und  2f  ZoU  breit.  Auf 
der  oberen  Fläche  ist  der  Kopf  ziemlich  platt,  nur  längs  der  Mitte  etwas  vertieft,  an  den  Sei- 
ten stark  allfallend;  seine  Höhe  beträgt  in  der  Richtung  des  Hinterhauptsloches  an  dem  oben 
gemessenen  Exemplar  1^  Zoll,  aber  die  Backen  reichen  mit  den  starken  Paukenknochen  wei- 
ter liiniü:i;  ihre  Länge  beträgt  in  der  schiefen  Richtung  von  der  Ecke  des  Hinterkopfes  bis 
zur  untersten  Spitze  des  Paukenbeines  gerade  2  Zoll.  Nach  vorn  fällt  die  Fläche  des  Kopfes 
sehr  allmälig  abwärts,  so  dass  die  Schnautzenspitze  nur  noch  -}  Zoll  im  Durchmesser  behält. 
Die  Seitenränder  sind  bis  zum  jMundwinkel  gerade,  von  da  gehen  sie,  \vie  beim  Krokodil, 
gebogen  abwärts,  und  bilden  einen  flach  gewölbten  scharfen  Rand  bis  zum  Paukenknochen, 
der,  wie  gesagt,  am  meisten  nach  unten  und  hinten  vortritt.  Der  Unterkiefer  hat  dem  ent- 
sprechend an  jeder  Seite  einen  ganz  geraden  Schenkel,  dessen  Höhe  je  mehr  nach  hinten 
um  so  mehr  zunimmt,  dann  in  den  flach  gewöll^ten,  einwärts  gewendeten  Angularlheil ,  das 
Analogon   des  processus   curonoldeus   übergeht,   und   hinter   diesem    scharf  abfällt,   um  den 


5     

kurzen  dicken  Ast  mit  der  Gelenkflache  zu  bilden.  Hinler  derselben  geht  er  noch  eine  Strecke 
fort  und  endet  dami,  sanft  aufsteigend,  mit  einer  schiefen  Flache.  Alle  diese  hier  nur  im 
Allgemeinen  berührten  Formen  sind  mit  Sicherheit  aus  den  beigegebenen  Abbildungen  auf 
Taf  1  —  3.  zu  entnehmen. 

Gehen  wir  nun  auf  die  nähere  Betrachtung  des  Gesammteiudruckes  ein,  so  ergiebt 
sicli,  dass  die  obere  äussere  Seite  des  Schädels  etwas  kürzer  ist,  als  die  innere,  gegen  die 
Mundhöhle  gewendete,  mithin  die  Hinterhauptsfläche  schief  stellt,  d.  li.  unten  weiter  nach  hin- 
ten vorragt,  als  oben.  An  dem  grössten  gemessenen  Exemplar  jjclrägt  diese  Differenz  bis 
zum  äussersteu  Ende  der  Condyli  occipitales  gerade  einen  Zoll.  Demnach  hat  die  Scheitel- 
fläche von  der  Schnautzenspitze  bis  zum  Rande  des  Hinterhauptes  nur  acht  Zoll  Länge. 
Ziemlich  in  der  Mitte  dieser  ganzen  Strecke  durchbohren  zwei  grosse  ovale  Lücken  zu  beiden 
Seiten  den  Schädel  und  theilen  ihn  durch  ilire  Anwesenheit  sehr  bestimmt  in  eine  \oi-dere 
und  eine  hintere  Hälfte.  Es  sind  die  Oeffnungen  der  Augenhöhlen.  Jede  ist  f  Zoll 
lang  und  -i-  Zoll  breit;  ilir  Abstand  von  einander  beträgt  f  Zoll,  die  Breite  des  ganzen  Schä- 
dels in  ihrer  Mitte  2^-  Zoll.  Jede  Augenöffnung  beginnt  etwas  vor  dem  Ende  des  vierten 
Zolls  und  reicht  etwas  über  die  Mitte  des  fünften  nach  hinten;  die  genaue  I\Iitte  der  Ober- 
kopflänge liegt  also  in  der  vorderen  Hälfte  der  Augenhöhlenlöcher.  Sie  können,  wie  schon 
hieraus  hervorgeht,  sehr  gut  zur  Oiientirung  auf  der  Kopffläche  benutzt  werden,  und  scheinen 
von  selbst  darauf  hinzuweisen,  dass  die  Gegend  zwischen,  über  und  dicht  vor  ihnen  als 
Stirn,  die  Gegend  dahinter  als  Scheitel,  das  ganze  vordere  Ende  als  Schnautze  und  die 
vom  Scheitel  abfallenden  Seiten  als  Backen  des  Kopfes  zu  bezeichnen  sein  werden.  Die 
nicht  abfallenden,  sondern  nur  sanft  abwärts  gebogenen  Seilen  von  Schnautze  und  Stirn  bilden 
den  Mundrand,  die  Gegend  hinter  den  Augen  bis  zu  den  Backen  die  Schläfen.  Mehr 
besondere  Steflen  braucht  man  wohl  nicht  anzunehmen. 

Ausser  den  Augenlöchern  giebt  es  auf  der  Oberfläche  des  Schädels  noch  zwei  Arten 
von  Oeö'nangen,  nämlich  die  Nasenlöcher  und  das  Scheitel  loch.  Die  Nasenlöcher 
sind  dem  vorderen  Ende  der  Schnautze  genähert  und  bilden  einen  Zoll  hinter  dem  Vorder- 
rande zwei  den  Augenhöhlen  an  Form  völlig  ähnliche,  ovale  Oefl"nungen  von  4-  Zoll  Länge 
und  \-  Zoll  Breite,  deren  Abstand  von  einander  ihrem  Längsdurchmesser  ziemlich  gleichkommt, 
während  ihr  Abstand  vom  Schnautzenrande  etwas  geringer  ist,  als  ihr  Querdurchmesser.  Sie 
sind  völlig  von  scharfen  Knochenrändern  umfasst,  und  erscheinen  bei  verschiedenen  Individuen 
\on  etwas  ungleicher  Grösse,  je  nachdem  ihre  Ränder  mehr  oder  weniger  zerstört  sind.  In 
der  Figur  1.  sind  sie  vielleicht  etwas  zu  gross,  namentlich  wohl  etwas  zu  länglich  gezeichnet; 
wenigstens  waren  sie  an  einem  der  besten  Exemplare  in  der  Braunschen  Sammlung  kleiner. 
Nach  unten  und  vorn  sind  sie  von  Knochen  umgeben,  so  dass  hier  keine  Comraunication 
zwischen  Nase  und  Mundhöhle  stattfindet.  —  Das  Scheitelloch  ist  eine  kleine  trichterför- 
mige Oeffiuing  in  der  Mittellinie  zwischen  beiden  Scheitelbeinen,  ziemlich  auf  der  Mitte  des 
Scheitels.     Es  befindet  sich  in    I  -J^  Zoll  Abstand  vom  Hiuterhauptsrande  und  in  2 J  Zoll  Abstand 


6     

vom  liintern  Augenliölilenrande,  ist  also  von  den  Augenöffniingen  elwa  doppell  so  weil  ent- 
l'ernL  wie  vom  Hinterkopf.  Es  darchbohrt  die  dünne  Schadeldecke  und  fuhrt  in  die  Gehirn- 
höhle, war  aber,  aller  Analogie  nach,  im  Leben  durch  Membranen  geschlossen  und  von  der 
Haut  überdeckt.     Seine  Bedeutung  scheint  lediglich  die  einer  Fontanelle  zu  sein. 

Nächst  den  OetTnungen  der  oberen  Kopffläche  tragen  zu  ihrer  ferneren  Charakteristik 
das  Meiste  die  Vertiefungen  bei,  welche  theils  die  Kopffläche  im  Ganzen,  theils  ihre  einzelnen 
Knochen  durchziehen.  Wir  werden  sie  darnach  als  Furchen  und  Sculpturen  von  ein- 
ander unterscheiden. 

Die  Kopffurchen  sind  je  nach  den  Gegenden  des  Kopfes,  welche  sie  einnehmen, 
verschieden  angelegt,  sonst  aber  übereinstimmend  gebaut,  nämlich  ziemlich  tiefe,  halbzylin- 
drische Kanäle  \on  gleicher  Breite,  mit  scharfen,  selbst  etwas  aufgeworfenen  Rändern  und 
glatter  Fläche.  Sie  senden  nie  Aeste  aus,  sondern  laufen  in  einem  Zuge  fort,  bis  sie  enden 
oder  sich  treffen.  Nach  ihrer  Lage  lassen  sie  sich  als  Stirnfurchen,  Backenfurchen  und 
iMuudraiulfurchen  unterscheiden.  —  Die  Slirnfurchen  treten  zuerst  deuüich  zwischen 
(]Qn  Nasenlöchern  auf  und  scheinen  von  den  Seiten  der  Schnautze,  von  ihren  stumpfen  Ecken, 
auszugehen.  Sie  laufen  an  der  bezeichneten  Stelle  parallel  neben  einander  fort  und  wenden 
sich,  indem  sie  die  hintere  Grenze  der  Nasenlöcher  überschritten  haben,  aus  einander,  gehen 
unter  einem  flachen  Bogen  über  die  Seiten  der  Schnautzengegend  fort,  krümmen  sich,  wie  sie 
den  Augenlöchern  näher  kommen,  wieder  einwärts,  und  wenden  sich  in  gleichem  Abstände  um 
den  vorderen,  oberen  und  einen  Theil  des  hinleren  Randes  der  Augenöfiiiung  herum,  woselbst 
sie  einzeln  enden.  Ihre  gemeinschaftliche  Form  ist  entschieden  die  einer  Lyra,  wie  Hr.  v.  Braun 
richtig  bemerkt;  doch  kann  man  sie  auch,  besonders  wenn  man  die  AugenöÜ'nungen  hinzu- 
zieht, mit  einer  Lorgnette  vergleichen  und  Brille  nennen.  Die  Backen  furchen  umfassen 
in  einer  hinten  abgestutzten  Ellipse  die  obere  Hälfte  der  Backengegend  und  zeichnen  sich 
durch  eine  grössere  Breite  vor  den  Stirnfurchen  aus.  Jede  beginnt  von  der  tief  in  die  obere 
Endfläche  der  Backe  eindringenden  Ohrspalle,  wendet  sich  etwas  mehr  nach  innen  und 
beschreibt  an  jeder  Seile  der  Scheitelfläche  einen  einwärts  gekrümmten  Bogen,  welcher  sich 
nach  vorn  al:)wärts  biegt  und  der  Augenötfnung  auf  1^  Zoll  nahe  kommt.  Sobald  er  diese 
grössle  Aimäherung  an  das  Auge  erreicht  hat,  kehrt  er  schnell  gekrünmit  nach  hinten  zurück, 
kommt  dem  Mundwinkel  ausserordentlich  nahe,  und  steigt  von  ihm  aufwärts  über  die  Mitte 
der  Backenfläche  fort,  bis  er  ihren  hinleren  Rand  erreicht,  in  dessen  Furche  er  sich  verliert. 
Die  Mundrandfurchen  beginnen  fein  und  schwach  hinter  dem  Nasenloch,  werden  langsam 
breiter  und  tiefer,  wenden  sich  anfangs  nach  innen,  kehren  aber  bald  unter  einem  flachen 
Bogen  zum  Aussenrande  zurück,  und  laufen  nun  neben  ihm  in  gleichem  Abstände  vom  Mund- 
rande fort,  bis  sie  am  Mundwinkel  die  Backenfurchen  erreichen.  Hier  senken  sie  sich  schnell 
nach  unten  und  erreichen  fein  auslaufend  den  ^Mundwinkel.  Welchen  Zweck  diese  drei  Fur- 
chenpaare erfüllen,  darüber  habe  ich  keine  bestimmte  Ansicht  gewinnen  können;  dass  sie  dem 
Wasserkanalsystem  der  Fische  entsprechen,   scheint  mir  deshaU:)  nicht  wahrscheinlich,  weil  sie 


unlerbrochcn  und  zum  Tlieil  völlig  von  einander  abgesondert  sind.  Vielleiehl  kann  die  Ilial- 
sache,  dass  sie  in  der  Regel  gerade  über  die  Mittelpunkte  derjenigen  Kopfknochen  laufen, 
welche  sie  berühren,  zu  einem  Anhaltspunkt  über  ihren  Zweck  benutzt  werden.  Ganz  ohne 
Zusammenhang  mit  ihnen  bleiben  nur  die  ScheiteÜDeine    und  oberen  Hinterhauptsbeine. 

Einfacher  und  weniger  nithselhaft  sind  die  Kopfsculpturen,  tiefe  Grübchen  oder 
Furchen,  welche  sämmtliche  äussere  Oberflächen  der  Kopfknochen  bedecken  und  auf  jedem 
besonderen  Knochen  in  typisch  gleicher  Anordnung  auftreten.  Den  Mittelpunkt  ihrer  Gruppi- 
rung  bilden  stets  kleine  runde  oder  undeutlich  viereckige  Grul)en,  welche  gerade  diejenige 
Gegend  des  Knochens  einnehmen,  von  welcher  das  strahlige  Gefüge  der  Ossification  ausgeht. 
Bei  allen  centralen  Kopflaiochen  liegt  dieser  Punkt  so  ziemlich  in  der  Mitte  des  Knochens, 
bei  den  peripherischen  unfl  an  den  Scheitelbeinen  au  dem  einen,  gewöhnlich  Innern  Rande, 
oder  ganz  an  der  Ecke.  Um  die  centralen  Grübchen  lagern  sich  in  kreisförmiger  oder  halb- 
kreisförmiger Anordnung  andere  ähnliche,  etwas  länglicher  gestaltete;  darauf  folgt  eine  dritte 
schon  mehr  furchenförmige  Reihe,  und  hinter  dieser  kommen  die  wirklichen,  radial  divergi- 
renden,  an  ihren  stärkeren  Divergenzpunkten  von  neu  anfangenden  Furchen  begleiteten  Haupt- 
furchen. Die  Erhabenheiten  z^^ischen  den  Furchen  sind  an  wohl  erhaltenen  Exemplaren,  die 
icii  nur  in  v.  Braun's  Sammlung  sah,  scharlkantig,  die  Furchen  selbst  in  der  Tiefe  gerundet. 
Am  strahlenförmigsten,  weil  sie  hier  am  längsten  sind,  erscheinen  sie  auf  der  untern  Hälfte 
der  Backen,  d.  h.  in  dem  Raum  unter  der  Backenfurche;  am  meisten  grubig  und  fast  nur 
grubig  sind  sie  auf  den  Knochen  neben  der  Mittellinie  des  Kopfes  gestaltet;  ja  die  oberen 
Hinterhauptsbeine  halben  in  der  Thal  nur  Gruben  und  gar  keine  Furchen.  Die  Bedeutung 
dieser  Furchen  und  Grübchen  ist  unbedenklich  die  \on  Sculpturen;  sie  finden  sich  ziemhch 
analog  auf  dem  Kopfe  der  Krokodile  wieder,  und  dienen  hier  der  darüber  gezogenen  Kopf- 
haut als  Reservoire  für  die  zu  ihr  gehörigen  lebendigen  Unterlagen,  als  Sammlungspunkte  der 
Blutgefässe  und  Nerven  in  dei-  Gutis,  welche  für  die  Regeneration  der  übergelagerten  festen, 
lederartigen  Epidermis  bestinmit  sind. 

1.     Tabelle  über  die   Maasse  der  von  mir  untersuchten   Schädel. 


Abstand 

des  vorderen 

Angenliölilenrandes 

vom   hinteren 

Nasenloclirande. 

Abstand 

des  liinteren 

Augenliöhlenrandes 

von   iler 
.Sclinautzenspitze. 

Abstand 

des  Auges 

voni 

Sclieitellocli. 

Abstand 

des  Auges 

von  der 

Hinterkopfseclce. 

Abstand 
des  Sclieitelloclis 

von  der 
Hinterhauptsmitte. 

Sclieitelabdruck  in 
V.  Braun's  Saninüung 

2"  8'" 

5"   2'" 

2"  6'" 

4" 

j  "    O  III 

No.  6. 

Stirne  und  Schnaulze  fehlen. 

3"  7'//" 

5"  5'" 

1"  4'/,'" 

No.  1. 

2"  4'//" 

4"   7  frf 

2"  4'" 

3" 9%'"  runvollst.) 

1 "  (nicht  vollst.) 

No.  2. 

Oll    i  1  'III 

3"  4'" 

1  'f    1  /  in 

No.  4. 

2" 

3"  5'" 

11'" 

No.  5. 

)           waren  unvollständig. 

l"  5'" 

2"  3'" 

9'" 

No.  7. 

j 

1"  10'" 

3" 

11'" 

der  Sack'sclien  Samml. 

1 

,■ 8    

Die  allgemeine  Schilderung  des  Kopfes  von  Trcmaiosanrus  giebl  uns  schon  hinreichende  Data 
an  die  Hand,  diese  neue  Gattung  von  den  übrigen  bisher  bekannt  gewordenen  Gattungen  zu 
unterscheiden  und  den  Familiencharakter  aller  zu  bestimmen.  Was  letzteren  betrifft,  so  ist  es, 
abgesehen  von  der  Zahnstructur,  ganz  besonders  die  völlige  Ueberwölbung  der  Schläfen- 
gruben durch  Knochen  platten,  welche  die  Labyrinlhodonten  von  allen  übrigen  Amphi- 
bien, lebenden  wie  ausgestorbenen,  unterscheidet.  Ein  zweiter  Charakter  liegt  in  den  überall 
gleichförmig,  aber  eigenthümlicli  angeordneten  Knochenplatten  der  Scbädelkapsel, 
was  erst  später  zu  erörtern  ist;  ein  dritter  in  der  Anwesenheit  von  unteren  Fangzähnen 
hinter  der  eigentlichen  Zahnreihe,  nicht  in  ihr.  Auch  davon  werden  wir  uns  erst  beim 
Unterkiefer  deutlich  überzeugen  können,  gleich  wie  von  der  Aufnahme  dieser  Fangzähne  in  Gru- 
ben des  Oberkiefers.  Die  bisher  genügend  dargestellten  sechs  Galtungen  glaube  ich  am  sicher- 
sten mit  folgenden  Charakteren  von  einander  zu  unterscheiden. 
/.  Augenöffnungen  relativ  gross,  ihr  Abstand  von  einander  kleiner  als  ihr 
Querdurchmesser,  oder  höchstens  eben  so  gross. 

A.  Kopfform  kurz  parabolisch,  breit  und  gedrungen;  Augenöffnungen 
neben   der  Schädelmitte. 

rt.    Scheitelloch   den  Augenhöhlen   nur  wenig  näher,    als   dem 

Hinterhauptsrande;  Kopf  flach  gebaut,  Zähne  klein,  zahlreich.  1.  Maslodonsanrus. 

b.   Scheitelloch    dem  Vorderrande  der   Scheitelbeine    genähert; 

Kopf  höher  gewölbt;  Zähne  grösser,  weniger  zahlreich.  2.  B/nnosauriis*). 

B.  Kopfform  lang  gestreckt,  gleichschenkelig  dreiseilig;  Augunüffnun- 
gen  etwas  kleiner,  hinter  der  Schädelmitte;  Scheitelloch  dicht  an 

die  Augen  herangerückt.  3.  Archegosuuras"). 

II.   Augenüffnungen  relativ  beträchtlich  kleiner,   ihr  Abstand   von  einander 
viel  grösser  als  ihr  Ouerdurchmesser. 

A.  Scheitelloch  in  weiter  Entfernung  von  den  Augenöffnungen,  dem 
Hinlcrrande  des  Kopfes  mehr  genähert. 

«.  Kopfform  langgestreckt,  gleichschenkelig  dreiseitig:  Augen- 
öffnungen neben  der  Schädelmitte.  4.  Tremaiosaurus. 

h.    Kopfform  kürzer,  parabolisch,  mit  mehr  gerundeter  Spitze; 

Augenhöhlen  vor  der  Jlitte  der  Schädeliänge.  5.  Metopias. 

B.  Scheitelioch  näher  an  die  Augenüffnungen  herangerückt,  die  letzte- 
ren hinter  der  Mitte  der  Schädellänge;  Kopfform  länglich  parabolisch,  ß.  Cufntosuurus. 


Die  spezielle  Betrachtung  der  einzelnen  Schädelknoclien,  deren  Bestimmung  der  Haupt- 
gegenstand  unserer  ganzen  Untersuchung  gewesen  ist,  l)eginnen  %vir  am  schicklichsten  mit  dem 
vordersten  von  allen,   dem  Zwisclienkiefer   (^os  iticiswum ,  a).     Er  ist  ein  einfacher,    an 


*)    In  der  Zeitung  für  Zoologie,  Zootoinie  und  Palaeozoologie  J.  S.   IbS.   Iialje  ich  gezeigt,  dass  diese  von 

Fischer  aui'gestellte  Gattung  den  Laliyiintliodonten  angehöre. 
**)    .\ucli  von  dieser  Goldfuss'schen  Gattung   habe   ich  die  Verwandtschaft  mit  den  Labyrintliodonten  zu- 
erst (Eheiul.  S.  41.)  nacligewiesen.    . 


9      

der  äusserslen  Spitze  der  Schnaiüze  gelegener  Knochen,  \\ elcher  den  Vorderrand  und  die 
Anfänge  der  Seitenränder  des  Kopfes  bildet  und  mit  zackigen  Nähten  hinterwärts  in  die  be- 
nachbarten Knochen  eingreift.  Sein  äusserer  Rand  ist  ziemlich  scharf,  nach  unten  abgeplattet, 
nach  oben  leicht  gewölbt;  seine  Mitte  ist  dort  vertieft,  hier  erhaljen  und  in  drei  ungleiche 
Erhal^enheiten  abgetheilt:  zwei  seitliche  ovale,  eine  mittlere  dreiseitige.  Die  letztere  nimmt 
den  grössten  Theil  der  äusseren  Oberfläche  ein  und  steigt  flach  an;  sie  ist  vorwärts  dem 
Vorrande  concentrisch  begrenzt,  nach  liinten  aber  in  eine  schmale  Schwiele  verlängert,  welche 
sich  zwischen  die  Nasenlöcher  begiebt,  die  hier  beginnenden  Stirn  furchen  von  einander 
trennt  und  unverändert  auf  die  Nasenbeine  übergeht.  Die  Oberfläche  dieser  mittleren  Erha- 
i)euheit  ist  schwach  strahüch  gefurcht.  Die  Seitenhöcker  bilden  zwei  ovale  bohnenförmige 
Anschwellungen,  welche  hinterwärts  am  höchsten  sind  und  nach  vorn  sanfter  abfallen;  sie 
werden  auswärts  dem  Seitenrande  des  Zwischenkiefers  parallel  begrenzt,  nach  innen  zu  bil- 
den sie  den  Rand  der  Stirnfurchen,  welche  zwischen  ihnen  und  dem  mittleren  Höcker  iliren 
Anfang  nehmen.  Ihre  Oberfläche  ist  streitig  von  hinten  nach  vorn  gefurcht.  Die  vertiefte 
Innenfläche  des  Zwischenkiefers  ist  glatt,  der  verdickte  abgeplattete  Saum  derselben  mit  Zäh- 
nen besetzt.  Die  Nähte  der  Oberseite  werden  durch  die  in  den  Zwischenkiefer  eingreifenden 
Nasenlöcher  in  drei  Abtheilungen  getrennt.  Die  seitlichen  oder  Kiefernähte  laufen  von  vorn 
und  aussen  schief  nach  hinten  und  innen,  und  verbinden  den  Theil  des  Zwischenkiefers,  wel- 
cher vom  Nasenloch  nach  aussen  liegt,  mit  dem  Oberkiefer.  Die  Mittelnaht  läuft  mit  starken 
Zacken  und  im  Ganzen  etwas  nach  vorn  gebogen  von  einem  Nasenloch  zum  andern,  geht 
dicht  neben  deren  vorderer  Innenecke  aus  und  trennt  den  Zwischenkiefer  von  beiden  Nasen- 
beinen. Die  Naht  der  Unterseite  wird  gleichfalls  durch  zwei  tiefe  in  sie  eingreifende  ovale 
Löcher  in  drei  .\l3theilungen  geschieden.  Die  seitlichen  Kiefernähte  verbinden  den  Zwischen- 
kiefer, wie  oben,  mit  dem  Oberkiefer,  laufen  aber  von  innen  und  vorn  nach  aussen  und  hin- 
ten, also  entgegengesetzt  den  oberen  Seitennähten.  Die  Mittelnaht  (^sutura  incisiviQ  lauft  an- 
fangs quer  gegen  die  Längsrichtung  des  Schädels,  dann  wendet  sie  sich  nach  hinten  und  Itildet 
einen  langen  spitzen  Fortsatz  am  Zwischenkiefer,  welcher  sich  z^vischen  die  Pflugscharbeine 
eindrängt.  —  Die  beiden  Löcher  im  Hinterende  der  unteren  Zwischenkiefernaht  haben,  gleich 
den  Nasenlöchern,  eine  ovale  Form,  sie  sind  aber  kleiner  und  liegen  \\citer  nach  vorn,  so 
dass  mehr  als  die  Hälfte  ilires  Umfanges  im  Zwischenkiefer  sich  befindet.  Sie  sind  die  unte- 
ren Mündungen  zweier  tiefen  kcijelförmisen  Gruben,  welche  in  die  Substanz  des  Zwischen- 
kiefers  eindringen  und  von  den  beiden  seitlichen  ovalen  Erhabenheiten  auf  der  Oberfläche 
des  Z\^ischenkiefers  überdeckt  werden.  Sie  liegen  also  vor  den  Nasenlöchern  und  stehen 
mit  ihnen  nicht  in  Verbindung,  vielmehr  dienen  sie  zur  Aufnahme  der  grossen  Fangzähne  des 
Unterkiefers,  und  entsprechen  ganz  ähnUchen,  aber  meist  nach  oben  durchbohrten  Gruben  im 
Zwischenkiefer  des  KrokodQs.  Rei  alten  Exemplaren  von  Tremafosaiiriis  mögen  sie  eben- 
falls in  der  Spitze  von  den  Fangzähnen  durchbohrt  werden;  wenigstens  spricht  dafür  der  Um- 
stand,   dass   diese  Zähne   bei  Mastodonsanrus   auf  der  Oberfläche  des  Kopfes  liervorragen, 


10     

wie  das  aus  Plieninger's  Aljbildung  a.  a.  0.  Taf.  VI.  Fig.  1.  zu  ersehen  ist.  Die  Zähne  des 
Zwischenkiefers  haben  die  allgemeine  Form  aller  Zähne  von  Trematosaurus,  es  sind  lange, 
spitze,  etwas  rückwärts  gebogene  Zähne  mit  längs  gestreifter  Oberfläche.  Die  vier  mittleren 
sind  die  grössten  und  relativ  viel  grösser,  als  alle  anderen  Kieferzähne ;  neben  denselben  ste- 
hen an  jeder  Seite  noch  i  —  ö  ähnliche,  aljer  allmälig  kleinere  Zähne,  von  welchen  die  letz- 
ten, den  Oberkieferzähnen  zunächst  befindlichen,  wieder  die  allergeringste  Grösse  unter  allen 
Kieferzähnen  haben,  bn  Ganzen  stehen  also  \%  —  14  Zähne  auf  dem  Zwischenkieferrande. 
Von  ihrem  Bau  im  Einzelnen  soll  das  Nähere  später  besprochen  werden. 

1.  Für  die  Abwägung  der  zoologischen  Verwandtschaft  zwischen  den  Labyrinthodonten  und  den 
übrigen  Sauriern  ist  es  nöthig,  jeden  einzelnen  Kopfknochen  sofort  mit  dem  entsprechenden  aller 
übrigen  Amphibien  in  Vergleich  zu  stellen.  Der  Zwischenkiefer  ist  bei  den  Enaliosauriern 
doppelt  und  viel  grösser;  bei  den  Pterodactylen  zwar  einfach,  aber  gleichfalls  von  entschie- 
den grosserem  Umfange,  Avenigstens  nach  hinten.  Die  Krokodile  und  die  meisten  Schild- 
kröten (einfach  ist  er  nur  bei  Trionijx  und  Chcli/s)  haben  doppelte  Zwischenkiefer,  d.h.  einen 
aus  zwei  symmetrischen,  getrennt  bleibenden  Hälften  zusammengesetzten;  die  übrigen  Saurier 
zeigen  einen  einfachen,  in  der  Mittellinie  ungelheilten,  von  analoger  Grösse,  obgleicli  bei  allen 
ein  viel  längerer,  öfters  (bei  den  Moni  tonen)  sehr  langer  processus  nasalis  vorhanden  ist, 
welcher  den  Labyrinthodonten  ganz  abgeht.  Dennoch  besteht  die  nächste  Beziehung  zwischen 
ihnen  und  den  heutigen  typischen  Sauriern  in  Hinsicht  auf  die  Bildung  des  Zwischen- 
kiefers, weil  den  Cheloniern  und  Krokodilen  eine  die  Nasenlöcher  trennende  Knochenbrücke 
fehlt,  und  gerade  die  Breite  derselben  für  die  Labyrinthodonten  charakteristisch  ist.  Sie  deshalb 
mit  den  nackten  Amphibien  in  Beziehung  zu  bringen,  verbietet  schon  die  bei  allen  Batrachiern 
und  Ichlhyoden  bleibende  Theilung  des  Zwischenkiefers  in  zwei  Hälften,  und  die  öfters,  nament- 
lich bei  den  eigentlichen  Fröschen,  unvollständige  Verbindung  derselben,  oder  die  unvollständige 
Begrenzung  der  Nasenlöcher. 

2.  Auf  die  in  jüngster  Zeil  in  Anregung  gebrachte  Beziehung  der  einzelnen  Kopfknochen,  je  nach 
ilirer  Entstehung  aus  dem  knorpeligen  Primordialcranium,  oder  aus  secundiir  gebildeten  Beleg- 
knochen,  glaube  ich  bei  der  Deutung  derselben  hier  keine  spezielle  Rücksicht  nehmen  zu  müssen, 
weil  theils  eine  für  alle  Klassen  der  Vertebraten  gleiche  Entwickelung  darin  nicht  stattfindet,  theils 
die  besondere  Art  ihrer  Entwickelung  bei  den  Labyrinthodonten  nicht  wahrgenommen  werden 
kann.  Verhalten  sich  dieselben  den  beschuppten  Amphibien  und  namentlich  den  typischen  Sau- 
riern, wie  man  annehmen  darf,  analog,  so  sind  alle  peripherischen  Kopfknochen,  mit  Eiiischluss 
der  Kiefer,  ursprünglich  Belegknochen  gewesen,  alle  cenirobasalen  aber  ossificirte  Theile  des  Pri- 
mordialcraniums.  Ich  glaube  diese  Annahme  um  so  mehr  für  richtig  halten  zu  dürfen,  als  sämmt- 
liche  Kopfknochen  dieser  zweiten  Kategorie  bei  Trematosaurus  ein  nicht  durch  Nähte  ab- 
gethelltcs  zusammenhängendes  Ganzes,  gleichsam  ein  ossificirtes  Primordial- 
cranium, bilden,  die  peripherischen  Belegknochen  dagegen,  wie  es  schon  ihre  secundäre 
Entstehung  nothwendig  bedingt,  auch  bei  Trematosaurus  völlig  von  einander  isolirt  sind. 
Jener  centrobasale  Schädcitheil  wäre  gewissermassen  auf  der  Entwickelungsstufc  der  nackten 
Amphibien  stehen  geblieben,  der  peripherische  dagegen  halle  sich  auf  die  Entwickelungsstufe  der 
bedeckten  Amphibien   erhoben.     Das   harmonirte  denn  auch  mit  der  ganzen  übrigen  Bildung  von 


—    11    — 

Trematosaurus.  —  Ueber  das  Primordialcranium  ist  besonders  Kölliker's  Aufsalz  in  den  Würz- 
burger Jahresberichten  (Leipzig  1848.  4.)  einzusehen. 

§.    3. 

An  den  Zwschenkiefer  stossen  seitlich  die  Oberkieferbeine  (^ossa  niaxillaria  su- 
neriora,  bj,  zwei  lange  schmale  Knochen,  welche  den  ganzen  oberen  Mundrand  bis  zum 
Mundwinkel  hin  bilden.  Vorn  durch  die  schiefe  Kiefernaht  begrenzt,  begreifen  sie  seitwärts 
die  Mitte  des  Aussenrandes  der  Nasenlöcher  in  sich,  und  stossen  hinter  denselben  an  die 
Nasenbeine,  während  welcher  Strecke  sie  nach  und  nach  etwas  breiter  werden,  bis  sie  das 
Thränenbein  erreichen.  In  der  Ecke,  wo  dieses  an  das  Nasenbein  stösst,  hat  jedes  Ober- 
kieferljein  seine  grösste  Breite;  es  zieht  sich  aber  schnell  mittelst  einer  abwärts  laufenden 
Naht  wieder  zusammen,  und  wrd  von  der  Stelle  an,  wo  die  Mundrandfurche  zwischen  ihm 
und  dem  Thränenbein  die  Grenze  bildet,  zu  einer  sclunalen,  scharfen,  am  Rande  des  Mundes 
verlaufenden  Kante,  die  am  INKmdwinkel  endet.  Auf  der  Unterseite  ist  der  Oberkiefer  seiner 
ganzen  Länge  nach  ein  schmaler,  leichtgewölbter,  gleiclüjreiter  Knochen,  welcher  von  der 
Grube  zur  Aufnahme  der  Fangzähne  des  Unterkiefers  ausgeht  und  einen  kleinen  Theil  ilires 
Umfan^es  bildet;  er  trägt  auf  seiner  ganzen  Länge  kleine,  spitz  kegelförmige,  angewachsene 
Zähne,  deren  Zahl  bis  auf  60  sich  belaufen  mag.  Die  vordersten  und  die  letzten  sind  etwas 
kleiner  als  die  übrigen;  letztere  aber  von  gleicher  Grösse.  Jeder  mittlere  Zahn  hat  3  Linien 
Höhe  und  kaum  1  Linie  an  der  Basis  Breite;  seine  Oberfläche  ist  fein  längsgestreift,  wie  die 
aller  Zähne  der  Labyrinthodonten. 

Die  Form  des  Oberkieferknochens  der  Labyrinthodonten  ist  höchst  eigenthümlich.  Seine 
grosse  Lange  und  geringe  Breite  hat  bei  den  typischen  Sauriern  so  wenig,  wie  bei  den  Kroko- 
dilen und  Cheloniern,  ihres  Gleichen;  bei  allen  diesen  nimmt  er  Theil  an  der  harten  Gaumen- 
decke, ohne  bloss,  wie  bei  Trematosaurus j  auf  den  Mundrand  beschränkt  zu  sein.  Dieser 
Umstand  stellt  den  Oberkieferknochen  der  Labyrinthodonten  in  einige  Beziehung  zu  dem  der 
Schlangen  und  nackten  Amphibien,  welche  beide  Gruppen  sowohl  die  schmale  Form,  als  auch  die 
Bescliränkung  auf  den  Mundrand  mit  ihnen  gemein  haben.  Die  grosse  Zahl  der  relativ  kleinen 
Zähne  weist  ebenfalls  auf  Beziehungen  zu  den  nackten  Amphibien  hin,  obgleich  ihre  Menge  bei 
den  letzteren  relativ  noch  viel  grösser  ist. 


Die  Nasenbeine  (ossa  nasaliu,  cj  zeichnen  sich  durch  ihren  beträchtUchen  Um- 
fang aus.  Sie  beginnen  schmal  zwischen  den  Nasenlöchern,  deren  Begrenzung  zur  grösseren 
Hälfte  in  ihrer  vorderen  Aussenecke  sich  befindet,  imd  breiten  sich  hinter  denselben  so  aus, 
dass  sie  die  grösste  Fläche  der  Schnautzengegend  enthalten.  Jedes  Nasenbein  ist  gleich  hin- 
ter dem  Nasenloch  am  breitesten,  indem  es  daselbst  von  einer  gegen  den  Oberkiefer  aus- 
wärts ceboeenen  Naht  begrenzt,   und   in  dem  Maasse,  wie  es  dem  Thränenbein  sich  näliert, 

2* 


12     ^ — 

schmaler  wird.  Von  da  an  verjüngt  es  sich  Zusehens  und  legt  sicli  in  gleicher  Neigung  an 
das  vordere  Stirnbein,  neben  dessen  vorderer  Ecke  es  endet,  indem  eine  stark  gezackte  Naht 
beide  Nasenbeine  von  den  Stirnbeinen  trennt.  Gewöhnlich  sind  die  Nasenbeine  an  dieser 
Stelle  ungleich,  nämlich  das  eine  ist  etwas  kürzer  als  das  andere,  und  diese  Ungleichheit  er- 
streckt sich  auf  ihre  ganze  Fläche,  insofern  die  Naht,  in  welcher  sie  aneinander  stossen,  nicht 
gerade,  sondern  geschweift  zu  sein  pflegt.  An  dem  vollständigen  Abdruck  der  Schädelfläche 
in  V.  Braun 's  Sammlung,  wonach  diese  Gegend  in  Fig.  1.  gezeichnet  ist,  war  das  rechte  (im 
Abdruck  linke)  Nasenbein  etwas  grösser  als  das  linke.  Diagonal  durch  die  vordere  Hälfte 
der  Nasenbeine  läuft  die  Stirnfurche,  imd  neben  ihr  vertheilen  sich  radial  die  Grübchen,  so 
dass  die  kürzesten  nach  vorn,  die  längsten  nach  hinten  gerichtet  sind.  Die  Breite  jedes 
Nasenbeins  an  seiner  breitesten  Stelle  verhält  sich  zu  seiner  ganzen  Länge  wie  7  zu  2i-,  und 
sein  äusserstes  hinteres  Ende  liegt  dicht  hinter  der  Mitte  des  .Mjstandes  der  Nasenlöcher  von 
den  AugenölTnungen. 

Die  beschriebene  Form  der  Nasenbeine  passt  zu  keinem  existircnden  Ampliibiumlypus 
genau.  Den  Schildkrüten  pflegte  man  sie  abzusprechen,  bis  Peters  ilire  Existenz  bei  Pliyllo- 
mednsa  Maximilluni  nachwies  (in  Miiller's  Arch.  1839.  284.  Taf.  14.  Fig.  1.)  und  damit  zeigte, 
dass  sie  allgemein  in  dem  os  frontale  anierius  der  Chelonier  stecken,  oder  gar,  nach  Kölli- 
ker  (a.  a.  0.  S.  47.),  ihm  ganz  entsprechen.  Bei  den  Krokodden  sind  sie  relativ  viel  länger 
und  schmaler,  als  bei  Trcmaiosaitrus,  und  scheinen  zur  innigen  Verwachsung  unter  einander 
zu  neigen,  wenigstens  verschwindet  ihre  miniere  Naht  mit  höherem  Alter  gänzlich.  Die  typi- 
schen Saurier  iiaben  allgemein  kleinere  Nasenbeine,  welche  bei  den  Monitoren  bald  verwach- 
sen und  bei  allen  nach  Iiinten  zu  breiter  werden,  also  sich  umgekehrt  wie  die  von  Tremuio- 
sanrns  verhalten.  Die  kleinen  Nasenbeine  der  Schlangen  liegen  zwischen  den  sehr  grossen 
vorderen  Slirnbeinen,  nicht  vor  ihnen,  wie  bei  Tremuiosauriis.  Den  Anuren  fehlen  besondere 
Nasenbeine,  die  übrigen  Amjihlhia  nuda  haben  sie,  allein  ihre  Verbindung  ist  eine  andere,  in- 
sofern sie  nur  an  das  Hauptslirnbein,  aber  weder  an  das  Thränen-  noch  an  das  vordere  Stirnbein 
stossen,  oder  vielmehr  an  den  Knochen,  der  beide  zusammen  vertritt.  Die  meiste  Analogie  zei- 
gen die  Nasenbeine  von  Pfcroclacti/liis,  obgleich  auch  sie  nach  Iiinten  breiler  werden  und  nach 
vorn  nicht  über  die  hinterste  Grenze  der  Nasenlöcher  hinausreichen,  zudem  fehlt  auch  ihm  ein 
besonderes  Thränenbein ;  entfernter  ist  die  Aehnlichkeit  mit  Crocod'ilus ,  und  noch  geringer  tritt 
sie  zwischen  den  Enaliosauriern  und  Trematosaurus  auf. 


8-   'J- 

Das  Thiänenbein  (^os  lacrymale,  d.)  ist  bei  Trematosaurus  ein  langer  schmaler 
Knochen,  welcher  von  der  unteren  Ecke  der  Augenüflnungen  ausgeht  und  nach  vorn  bis  lüjer 
die  Mitte  des  Abstandes  von  Nasenlöchern  und  Augenöffnungen  hinausreicht.  Da  der  Ober- 
kieferknochen, welchem  es  seiner  ganzen  Länge  nach  anliegt,  in  derselben  Richtung  breiter 
wird,  so  ist  das  Thränenbein  schief  nach  innen  und  vorn  geneigt,  übrigens  aber  ziemlich  von 
gleicher  Breite,  nämlich  in  dem  Verliäitniss  von  I  zu  5.    Am  äussersten  Vorderende  zugespitzt, 


13     

liat  es  daneben  nach  innen  zu  einen  kurzen  geraden  Rand,  \velclier  an  das  Nasenbein  stosst, 
und  alsdann  einen  z\veiten,  unter  einem  stumpfen  Winkel  davon  ausgehenden,  mit  welchem 
es  sich  an  das  vordere  Stirnbein  legt.  Dieser  Rand  oder  die  Naht,  weiche  ihn  Ijüdet,  ist  in 
seiner  vorderen  Hälfte  sehr  stark  ausgezackt,  so  stark,  dass  er  darin  von  keiner  anderen 
Kopl'naht  ii])ertrotTen  wird.  Uli  lege  einiges  Gewicht  auf  diesen  Umstand,  weil  er  in  gleicher 
Weise  anderswo  wiederkehrt,  nämlich  bei  Nofhosaurus.  Hinter  den  Zacken  ist  die  Naht  ge- 
bogen und  so  stark  abwärts  gewendet,  dass  nur  eine  sehr  kleine  Stelle  des  Angenlochrandes 
vom  Thränenbein  eingenommen  wird,  und  der  grösste  Theil  des  vorderen  Umfanges  dem 
Vorderstirnbein  zufällt.  Die  Stirnfurche  berührt  das  Thränenbein,  indem  sie  um  die  vordere 
innere  Ecke  desselben  herumgeht;  die  Kieferrandfurche,  indem  es  die  untere  stumpfe  Vorder- 
ecke aljschneidet  und  dann  in  der  Naht  zwischen  Oberkieferknochen  und  Thränenbein  fort- 
läuft. So  lange  sie  auf  dem  Thränenbein  seilest  bleüjt,  ist  sie  schmal;  hernach  wird  sie  brei- 
ter.    Die  Sculpturfurchen  habe  ich  nur  an  der  vordersten  Spitze  unbestimmt  erkannt. 

Bekannllicli  spielt  das  Thränenbein  durch  sein  isolirtes  Auftreten  und  seine  Grösse  eine 
besonders  wichtige  Rolle  in  der  Configurallon  des  Stirn-  und  Schnaulzeniheiles  der  Amphibien- 
schädel. Bei  den  Cheloniern  ist  es  mit  dem  vorderen  Stirnbein  und  gewühnlich  auch  mit  dem 
Nasenbein  zu  einem  Knochen  vereinigt,  fehlt  ihnen  also  als  selbständige  Iv'nochenplatte.  Die 
Krokodile  und  alle  typischen  Saurier  haben  ein  besonderes  Thränenbein;  bei  jenen  ist  es 
grösser  als  das  Vorderstirnbein,  bei  diesen  kleiner.  Den  Schlangen  fehlt  das  Thränenbein,  es  ist 
mit  dem  Vorderstirnbein  in  einen  Knochen  verbunden.  Ebenso  verhalten  sich  die  Ptcrodacty- 
len  und  die  nackten  Amphibien,  während  die  Enaliosaurier  beide  Knochen  von  gleicher 
Grösse,  aber  relativ  sehr  geringem  Umfange  besitzen.  Insofern  nun  das  Thränenbein  von  Tre- 
matosaurus  etwas  grösser  ist,  als  dessen  vorderes  Stirnbein,  kann  man  beide  Knochen  nur  dem 
Typus  der  Krokodile  für  analog  gebildet  halten,  muss  aber  dabei  die  viel  geringere  Grösse  der- 
selben beim  Krokodil  nicht  übersehen.  Ebenso  klein,  wie  beim  Krokodil,  sind  beide  Knochen 
auch  bei  den  Enaliosauriern  und  typischen  Sauriern,  hier  aber  in  ihrem  Vcrhältniss  zu  einander 
umgekehrt,  d.  h.  das  Thränenbein  ist  kleiner  als  das  vordere  Stirnbein.  Den  nächsten  Vcrglei- 
chungspunkt  bieten  also  die  Krokodile  uns  dar,  den  fernsten  die  Schildkröten;  fast  ebenso  fern 
bleiben  die  Schlangen,  die  Pterodactylen  und  die  nackten  Amphibien,  etwas  näher  stehen  die 
typischen  Saurier  und  die  Enaliosaurier  den  Labyrinlhodonten. 

§.   6. 

Allgemein  findet  sich  bei  den  Amphibien  ein  Knochen,  welcher  die  obere  Hälfte  des 
vorderen  Augenhöhlenrandes  einnimmt,  nach  innen  oder  nach  hinten  an  das  Stirnbein  stösst 
und  wciui  besondere  Nasenbeine  vorhanden  sind,  diese  vor  sich  liegen  hat.  Man  nennt  sel- 
bigen Knochen  Vorderstirnbein  ("o*  frontale  cmlerius,  ej,  und  deutet  dadurch  an,  dass 
IM-  dem  Stirnlieine  als  Theil  untergeordnet  werden  müsse.  Diese  Unterordnung  unter  das 
Stirnbein  ist  indessen  nur  durch  die  vergleichende  Betrachtung  der  Schädel  von  Menopoma 
und  Siredon  (s.  StegoporusJ  zu  rechtfertigen,  insofern  der  Knochen,   welcher  bei  Siredon 


14     

isolirl  als  vorderes  Stirnbein  auftriü,  bei  3Ie?iopoma  das  vordere  Ende  des  Hauptstirnbeines 
ist*);  bei  allen  übrigen  Amphibien  verbindet  sich  das  Vorderstirnbein  mit  dem  Thraneiü^ein, 
wenn  es  nicht  isolirt  bleuet.  Es  mag  daher  vorzuziehen  sein,  es  für  einen  Theil  des  Thränen- 
beins,  oder,  wo  beide  verbunden  sind,  sie  zusammen  für  das  Thränenbein  zu  erklären ;  indem 
nicht  der  seltenere  Fall  die  Regel,  sondern  die  Ausnahme  bezeichnet,  der  häufigere  dagegen 
die  Regel  bildet.  Bei  Trematosaurus  ist  dieser  Knochen  selbständig  und  getrennt  vom 
Thränenbein  vorhanden.  Er  liegt  an  der  bezeichneten  Stelle  zwischen  Thränenbein  und 
Hauptstirnbein,  und  hat  eine  gebogen  dreiseitige  Gestalt.  Eine  kürzere  äussere,  vorn  stark 
gezackte  Naht  trennt  ilin  vom  Thränenbein,  eine  längere  innere,  einfach  gebogene,  als  zweiter 
Schenkel,  vom  Stirnbein  und  zugleich  vom  Nasenbein,  mit  dem  er  am  vordersten  Ende  dieser 
Naht  in  Berülirung  tritt.  Die  schmale  Basis  des  Dreiecks  erfüllen  der  Augenhöhlenrand  und 
eine  kurze  Naht,  welche  gegen  das  hintere  Stirnbein  stösst.  Quer  über  die  Mitte  dieses 
Knochens  geht  die  Stirnfurche  fort,  und  zu  beiden  Seiten  derselben  sieht  man  die  radial  an- 
geordneten Sculpturfurchen  sehr  deutlich;  drei  kleine  Grübchen  bilden  auf  der  hinteren  Fläche 
das  Centrum  ihrer  Gruppirung. 

1.  Seitdem  die  äusseren  Schädeldeckknochen  als  secundäre  Gebilde,  als  Belegknochen  eines  knorpe- 
ligen Primordialcraniums  allgemein  nachgewiesen  worden  sind,  kann  die  in  ihnen  bemerkbare 
grosse  Verschiedenheit  der  Zahl  und  Lage  keine  so  überraschende  Thatsache  mehr  sein,  als  frü- 
her, wo  man  den  Schädel  für  ein  Compositum  ursprünglich  identischer,  nach  Zahl  und  Lage  be- 
schränkter Knochen  hielt.  Wir  wissen  jetzt,  dass,  wo  das  Bedürfniss  von  Belegplalten  sich  ein- 
stellt, diese  überall  zwar  nach  einem  gewissen  Schema  angeordnet  sind,  aber  in  grosserer  oder 
geringerer  Anzahl  neben  einander  auftreten  können,  wie  es  eben  das  Bedürfniss  fordert.  Mir 
erscheint  gegenwärtig  die  Anwesenheit  von  so  viel  mehr  isolirten  Knochen  bei  den  Fischen  und 
Amphibien  um  so  weniger  rälhselhaft,  als  ich  der  Meinung  sein  muss,  dass  diese  Knochen  in 
ihrer  Zahl  durch  die  besonderen  Bedürfnisse  genannter  Klassen  bedingt  werden,  und  wahrschein- 
lich aus  der  grösseren  Schnelligkeit,  mit  welcher  die  niederen  Bückgrallhiere  ihre  Enlwickelung 
durchlaufen,  resultiren.  Mit  zahlreicheren,  auf  kleinere  Flächen  angewiesenen  OssiGcationen  oder 
Belegknochen  kann  dasselbe  Ziel  in  kürzerer  Zeit  erreicht  werden,  zu  welchem  wenige,  grössere 
Flächen  überspannende  Knochenplatlen  erst  in  längeren  Zeitabschnitten  gelangen.  Letzteres  ist 
der  Weg,  den  die  höheren  Rückgrallliierc  einschlagen. 

2.  Die  Deutung  des  vorderen  Stirnbeines  der  Amphibien  als  denjenigen  Knochen,  welchen  man  bei 
den  Vögeln  das  Thränenbein  nennt,  halte  ich  für  durchaus  gerechtfertigt  (vergj.  Köstlin 
Schädel!.  S.  205  u.  S.  265).  Hieraus  folgt  aber,  meiner  Meinung  nach,  dass  das  vordere  Stirn- 
bein der  Amphibien  nur  als  ein  Theil  des  Thränenbeines  überhaupt,  und   nicht  als  ein  abgeson- 


■)  In  der  Besclireil)iing,  welche  in  Kölliker's  Bericlit  von  der  Würzburger  zootom.  Anstalt  gegeben  ist 
(S.  28.  seq.),  wird  dieser  Knoclien  (Taf.  IV.  Fig.  1.  3.  IH.)  äusseres  Nasenbein  genannt,  wogegen  seine 
Lage  und  seine  innige  Aniiigung  an  das  Stirnbein  schon  spreclien;  liei  Mcno]>oma  ist  er  wirklich  mit 
dem  Stirnbein  verwaclisen.  Slan  darf  sich  darüber  um  so  weniger  wundern,  als  bei  Mcno]).  aUcgunen- 
s'is  nacli  Cuvier  {Oss.  foss.  V.  B.  pl.  26.  f.  4.)  sogar  das  Thränenbein,  welches  bei  Menop.  glganleu 
nacli  Schlegel  (Sieboldt  Fr.  Japan.  Amph.  I.)  getrennt  bleibt,  mit  dem  Scheitelliein  verwachsen  konnte. 


15     

dertes  Stück  des  Stirnbeines  zu  betrachten  ist,  weil  nämlich  das  Thränenbein,  seiner  ganzen 
Natur  nach,  weit  eher  variabel  sein  kann,  als  das  Stirnbein.  Ich  würde  also  annehmen,  dass  die 
Knochen  im  vorderen  Augenwinkel  der  Rückgratthiere  stets  als  Thränenbeine  zu  deuten  seien, 
und  dass  von  den  beiden  dort  auftretenden  Knochen  bald  der  untere  allein  (Säugelhiere),  bald 
beide  verbunden  (Vögel,  Frösche),  bald  der  obere  allein  (Schlangen,  Schildkröten  und  geschwänzle 
nackte  Amphibien),  bald  beide  getrennt  (Krokodile,  ächte  Saurier)  vorhanden  sind.  Hierfür  be- 
stimmt mich  unter  anderen  auch  der  Umstand,  dass  in  der  präadamitischen  Periode  selbst  nah 
verwandte  Gattungen  der  Amphibien  in  diesem  Punkte  differiren ,  denn  Not/iosaurns  hat  nach 
H.  V.  Mayer  im  vorderen  Augenwinkel  nur  einen  einzigen  Knochen,  IckihyosaurHs  da- 
gegen und  Plesiosuurus  haben  deren  zwei.  In  der  gegenwärtigen  Schöpfung  haben  nur  die 
Krokodile  und  die  ächten  Saurier  ein  besonderes  Thränenbein  neben  dem  vorderen  Stirnbein,  zu 
welchem  sich  mitunter  (z.  B.  bei  den  Monitoren)  noch  ein  drittes  Knöchelchen,  das  Augen- 
randbein  (os  superciliare)  gesellt,  welches  in  entsprechender  Lage  auch  bei  vielen  Vögeln  am 
sogenannten  Thränenbein  gefunden  wird.  Die  Verhältnisse  beider  Knochen  zu  einander  sind  der 
Art,  dass  bei  den  Krokodilen  das  vordere  Stirnbein  kleiner  ist  als  das  Thränenbein,  bei  den 
ächten  Sauriern  dagegen  stets  grösser;  allein  eine  so  bedeutende  Grösse,  wie  bei  Tremato- 
saiiriis,  erreichen  dieselben  Knochen  lebender  Amphibien  nie.  Sehr  klein  und  relativ  noch  klei- 
ner, als  beim  Krokodil,  erscheinen  beide  Knochen  bei  Ichlhijosaurus  und  Plcslosmirits ;  die 
Pterodaciijlas  haben  nur  ein  einfaches  Thränenbein. 


Das  Hauptstirnbein  Qos  frontale  proprium,  f.y  ist  der  längste  Knochen  von  allen 
auf  der  Oberseite  des  Schädels  gelegenen  Beinen,  und  zugleich  einer  der  schmälsten.  Er 
besteht  aus  zwei  völlig  getrennten  Hallten,  die  sich  in  einer  geraden  Naht  auf  der  Mitte  an- 
eiuander  legen  und  zusammen  eine  längliche  Raute  beschreiben,  deren  spitze  Ecken  abge- 
stumpft und  deren  beide  Hälften  etwas  imgleich  sind.  Beide  Stirnbeine  halben  nämlich  nicht 
«anz  i;enau  gleiche  Grösse,  sondern  das  linke  ist  in  allen  seinen  Dimensionen  etwas  grösser, 
als  das  rechte.  Daher  kommt  es,  dass  die  mittlere  Längsnalit,  in  welcher  die  Stirnbeine  an- 
einander stossen,  aus  der  Mittellinie  hinaus  auf  die  rechte  Seite  hinüber  geschoben  ist,  und 
das  vordere  Ende  des  linken  Stirnljeins  entschieden  weiter  vorragt,  als  das  des  rechten. 
Hinten  ist  es  freilich  umgökehrt,  allein  dennoch  bleU:)t  die  Breite  des  rechten  Stirnbeins  unter 
der  des  linken.  Im  Uebrigen  erreichen  die  Hauptstirnl)eine  den  Augenhöhlenrand  nicht,  son- 
dern werden  durch  die  beiden  Nebenstirnbeine  ganz  von  demselben  zurückgedrängt.  Das  ist 
ein  sehr  bezeichnender  Charakter  für  Trematosaurus ,  der  übrigens  bei  3Ietopias  wieder- 
kehrt und  noch  anderen  urweltlichen  Amphüjien  eigen  zu  sein  scheint. 

Vollständig  und  lebenslänglich  getrennte  Stirnbeine  haben  unter  den  lebenden  Amphibien 
nur  die  geschwänzten  Nackthäuter,  die  Monitoren  und  die  Schildkröten;  bei  allen 
typischen  Sauriern,  den  Krokodilen  und  Enaliosauriern  verwachsen  sie  mit  zunehmen- 
dem Alter  zu  einem  Knochen.  Dagegen  scheint  die  völlige  Entfernung  des  Hauptstirnbeins  vom 
Augenhöhlenrande   ein  den  Labyrinthodonten  ausschliesslich  eigener  Charakter  zu  sein,  indessen 


16     — 

nicht  allen  Gattungen  zuzukommen;  wenigstens  giebt  H.  v.  Mayer  bei  Capitosaurus  und  Ma- 
siodonsaurus  es  anders  an,  indem  er  deren  Hauplstirnbeine  in  den  Augenhöhlenrand  eintre- 
ten lässt. 

§•  8. 
Die  zahlreichen  Knochenstücke,  welche  hinter  der  Augenhöhlenöffnung  liegen  und  von 
da  bis  zum  Hinterhaupt  reichen,  bedürfen,  um  die  zu  wählenden  Benennungen  fiir  die  einzel- 
nen Knochen  festzustellen,  einer  vorlaufigen  allgemeinen  Betrachtung.  Bekanntlich  haben  die 
Säugethiere  in  dieser  Gegend  des  Schädels  nur  zwei  Knochen,  das  vordere  Jochbein 
Cos  zt/gomaticum)  und  das  hintere  Schläfenbein  (os  tympanicum^.  Letzteres  besteht  in 
frühester  Jugend  aus  vier  Theilen,  nämlich  der  Schuppe  Qos  temporale  sqiiumosum^,  dem 
Pauken  ringe  f^o*  tympaiiicum~),  dem  Zitzent  heile  (os  mastoideum)  und  dem  inneren 
Ohrknochen  oder  Felsenbein  (^os  petrosumj.  Das  Zitzenbein  kann  in  manchen  Fällen  feh- 
len; das  Felsenbein  pflegt  sich  öfters  niclit  mit  den  drei  anderen  Knochen  zu  verbinden,  son- 
dern isolirt  zu  bleiben.  Bei  den  Vögeln  ist  das  Jochbein  sehr  in  die  Länge  gezogen  und 
stets  aus  zwei  Hälften  zusammengesetzt,  einer  vorderen,  welche  os  zi/ifomaticum  (nach  Cu- 
vicr  US  jugale)  heisst,  mid  einer  hinteren,  die  os  quadrato-jugale  (nach  Owen  os  jugule) 
genannt  wird.  Dagegen  besteht  das  Schläfenbein  der  Vögel  nur  aus  drei  Stücken:  dem  os 
squamosum ,  das  nach  aussen  liegt,  dem  os  petrosum ,  welches  hinter  jenem  in  der  Tiefe 
steckt,  und  dem  freiliegenden,  beweglichen,  durch  Gelenkung  am  Schuppentheil  befestigten  os 
tympanicum,  welches  früher  nach  seinen  vier  Ecken  Quadratbein  genannt  zu  werden 
pllegie.  Bei  den  Vögeln  haben  wir  also  ebenso  viele  Knochenstücke  zwischen  Auge  und 
Hinterkopf,  wie  bei  den  Säugethieren,  allein  sie  sind  anders  zu  deuten;  denn  das  zweite,  hin- 
tere Stück  des  Jochbogens,  welches  sich  mit  dem  Paukenknochen  verbindet,  ist  wohl  am 
richtigsten  als  der  freie,  selljständig  gewordene  processus  zygomaticus  des  Schläfenbeins 
der  Säugethiere  anzusehen.  Dagegen  fehlt  tlen  Vögeln  ein  seüiständiges  Zitzenbein  iumier. 
Die  Amphibien  bilden  den  Typus  der  Vögel  weiter  aus,  besonders  dadurch,  dass  sie  den 
vorderen  Theil  der  bezeichneten  Knochenreihe,  die  beiden  Stücke  des  Jochbogens  der  Vögel, 
zu  mächtigen  Knochen  erweitern,  imd  das  den  Vögeln  und  Säugethieren  fehlende  hintere 
Stirnbein,  als  oberes  vorderes  Element  des  Jochbogens,  dem  einfachen  vorderen  der  Vögel  hinzu- 
fügen *).  So  besteht  denn  bei  den  Schildkröten  und  Krokodilen  die  angedeutete  Knochengruppe 
z^Yischen  dem  Auge  und  dem  Hinterkopfe  aus  sechs  Stücken,  von  denen  tüjer  nur  fünf  seit- 
lich zu  Tage  treten,  indem  das  in  der  Tiefe  liegende  Felsenbein  ^on  den  Nackenmuskeln 
überdeckt  wird.  Die  typischen  Saurier  variiren  diese  Bildung  dadurcli,  dass  sich  üir  hinte- 
res Jochbein    nicht    mehr    an    das   Paukenbein,    sondern   an    die    Schläfenschuppe   unmittell)ar 


*)  Al>nonne  Ersclieiiiiingen  l)ei  Sängetliiereii  lif«fisc-n  evident,  (l;iss  das  sogenannte  iiintere  Stiiiiliein  niclil 
ein  abgelöster  jiroccssiis  zygomullcus  des  Stirnbeins,  sondern  ein  selljstiindig  gewordener  ]>roccssus  fron- 
talis des  Jochbeins  ist,  und  rechtfertigen  damit  auch  beiläufig  die  Deutung  des  vorderen  Stirnbeins  als 
abgelösten  Ast  des  'l'hränenbeins.  Vgl.  meine  Besciireibung  des  abnormen  Jochbeins  eines  Orang-Utang 
in   der  Zeitung  fiir  ZooL,  Zoot.   u.   vergl.    \nat.    I.   S.   5. 


17     

(Cu  vier 's  Zitzonbein)  lieftet,  und  ausserdem  beide  Joclibeinstücke  in  manchen  Fallen  (bei  den 
Monitoren)  durch  eine  Lücke  von  einander  getrennt  bleiben.  Diese  Trennung,  der  erste 
Anfang  einer  Verkümmerung  des  Jochbeins,  steigert  sich  bei  den  Ophidiern  bis  zu  einem 
völligen  Mangel  der  unleren  Joclil)  ein  stücke,  womit  ein  Heraustreten  des  Schupp  ent  hei  Is 
aus  dem  Verbände  der  Schädelkapselknochen  verbunden  ist.  Die  Schlangen  behalten  nur  die 
obere  Haltte  des  Jochbeins,  das  hintere  Stirnbein,  untl  ein  aus  drei  Stücken  (squamosum, 
petrosum,  ft/mpanicuni)  zusammengesetztes  Schlafenbein ;  ihr  ganzer  Knochenapparat  zwischen 
Auge  und  Hinterhaupt  besteht  also  nur  aus  vier  Knochen.  Hieran  scliliessen  sich  die  nack- 
ten Amphibien,  bei  welchen  die  Theile  des  Schlafenbeins  in  gleicher  Zahl,  wenn  auch  in 
anderer  Anordnung,  wiederkehren,  wahrend  der  letzte  Rest  des  Jochbeins,  das  hintere 
Stirnbein,  auch  noch  verloren  geht.  Ihnen  fehlt  also  der  Jochbogen  ganz,  denn  der 
Knochen,  welcher  bei  den  ungeschwanzten  Batrachiern  sich  mit  dem  Oberkiefer  verbindet,  ist 
in  der  That  nicht  einmal  das  (luudrato-jugule ,  sondern  wirklich  das  ti/mpaiiicum.  Was  Cu- 
vier  für  das  tympankum  iiält  (0**.  foss.  V.  i.  390.  n.  n.  pl.  2i.  2ö.  26.),  muss  ich  als 
sijuamosum  deuten,  oder  für  denselben  Knochen,  den  Cuvier  sonst,  und  seiner  Form  nacli 
mit  Recht,  os  mastoideum  nennt.  Dass  dies  mastoideum  wirklich  nur  das  os  temporale 
squamosum  sein  kann,  haben  schon  Duges,  Hallmann,  Köstlin  (Schädellehre  S.  277)  u.  A. 
nachgewiesen;  nichtsdestoweniger  werde  ich  Cuvier's  Benennung,  ihrer  bezeichnenden 
Eigenschaft  wegen,  in  der  nachfolgenden  Betrachtung  beibehalten. 

Dem  gemäss  dürfen  wir  zwischen  dem  Auge  und  dem  Hinterkopf  bei  Trematosaurus 
mindestens  sechs  Knochen  erwarten,  von  denen  zwei  (Hinterstirnbein  und  Jochbein)  zum 
Jochbein  der  Säugethiere,  die  anderen  vier  (hinteres  Jochbein,  Paukenknochen,  Schuppenschiä- 
fen-  oder  Zitzenbein  und  Felsenbein)  zum  Schläfenknochengerüst  gehören;  von  ihnen  w'wd 
aber  gewiss  einer  (das  Felsenbein)  sich  in  die  Tiefe  des  Schädels  zurückgezogen  haben,  und 
deshalb  köimen  wir  äusserlich,  nacli  der  Analogie  lebender  Amphibien,  nur  fünf  Knochen- 
platten  in  dieser  Gegend  voraussetzen. 

Höchst  überraschend  zeigen  sich  bei  Trematosaurus  acht  verschiedene  Knochen  und 
Knochenplatten  äusserlich;  es  sind  also  mit  dem  ganz  verstockten  Felsenbein  neun  wirklich 
vorhanden. 

In  der  ersten  Reihe  liefen  hinter  der  AuyenhöhlcnötTnunc  drei  sehr  ähnhche  lane;- 
gezogene  Knochenplatten  neben  einander,  welche  von  oben  nach  unten  als  hinteres  Stirn- 
bein, Hinteraugenhöhlenbein  und  vorderes  Jochbein  unterschieden  werden;  sie  ent- 
sprechen zusammen  dem  Jochbein  der  Säugethiere. 

Das  hintere  Stirnl^ein  (os  frontale  posterius,  g.^  hat  einen  beträchtlichen  Umfang 
und  bildet  mit  dem  vorderen  Stirnbein  de»  ganzen  oberen  Augeuhöhlenrand.  Es  ist  ein  lan- 
ger, ziemlich  gleichseitiger,  etwas  geschwungener  Knochen,  gegen  dreimal  so  lang  wie  breit, 
welcher  vorn  mit  einer  kurzen  geraden  Naht  an  das  vordere  Stirnbein  stösst,  daneben  eine 
Strecke   den  Augenhöhlenrand    bildet,    sich  mit  seiner  inneren  S-förmig  geschwungenen  Seite 

3 


- —     18    

theils  an  das  Hauptstirnbein ,  tlieils  an  das  Scheitelhein  anleimt,  nach  hinten  in  eine  Spitze 
ausgeht  und  nach  aussen  noch  2rwei  Ränder  formirt:  einen  kürzeren  hinteren,  welcher  an  eine 
isolirt  neben  dem  Scheit eUjein  liegende  Knochenplatte  stösst,  die  als  Schläfenbeinschuppe 
zu  deuten  sein  wird,  und  einen  längeren  vorderen,  der  mit  dem  Hinteraugenhölüenbeiu  zu- 
sammentrifll. 

Dies  hintere  Augenhölilenbein  (b*  orbitale  posterius,  i.J  ist  von  H.  v.  Mayer 
bei  den  Labyrinthodonten  unterschieden  und  bei  allen  Gattungen  vorhanden.  Es  liegt  seit- 
wärts nach  aussen  neben  dem  hinteren  Stirnbein  und  füllt  hier  den  Raum  aus,  welcher  im 
Aueenhöhlenrande  der  Krokodile  offen  bleibt,  so  dass  ihre  Augeuöffnung  mit  der  Schläfengrube 
zusammenfliesst.  Vorn  ist  der  Knochen  schmal,  soweit  er  den  Augenhöhlenrand  bilden  hilft: 
nach  hinten  erweitert  er  sicli  allmälig  mit  zwei  ziemlich  geraden  divergirenden  Rändern,  welche 
ihn  nach  innen  mit  dem  hinteren  Stirnbein,  nach  aussen  mit  dem  vorderen  Jochbein  verbin- 
den, und  schliesst  sich  alsdann  mittelst  zweier  kurzen  convergirenden  Seiten  zu  einer  scharfen 
Spitze,  welche  zwischen  die  zwei  darauf  folgenden  Knochenplatten  sich  hineindrängt.'  Ueber 
die  hinterste  Hälfte  dieses  Knochens  geht  das  vorderste  Ende  der  tiefen  Backenfurche  weg. 

Unter  dem  vorigen  Knochen  liegt,  vom  unteren  Augenhöhlenrande  ausgehend,  eine 
noch  längere  ähnliche  Platte,  welche  ganz  vorn  an  das  Thränenbein  stösst,  auf  ihrer  unleren 
Kante  mit  dem  schmalen,  durcii  die  Kieferrandfurche  davon  getrennten  Oberkieferknochen  zu- 
sammentrifft, und  hinterwärts  breiter  werdend,  bis  weit  über  den  Oberkiefer  und  das  hintere 
Augenhöhlenbein  hinausreicht.  Man  kann  cUese  Platte  für  nichts  anderes,  als  das  Jochbein 
(os  zygomaticum,  kj  halten.  Es  stellt  einen  schmalen,  lauggezogenen  Knochen  dar,  welcher 
unten  auf  dem  scliarfen  voctretenden  Rande  des  leistenförmigon  Oberkiefers  ruht,  sich  in 
ziemlich  gleicher  Breite  bis  dahin  erstreckt,  wo  der  vordere  Bogen  der  Backenfurche  über 
ihn  fortgeht,  und  nun  breiter  wird.  Bis  zur  breitesten  Stelle  grenzt  das  Jochbein  nach  innen 
an  das  Hinteraugenhöhlenbein,  sobald  es  alier  dessen  untere  hintere  Ecke  erreicht  hat,  zieht 
es  sich  wieder  zusammen  und  stösst  nun  eine  Strecke  an  den  mittleren  Knochen  der  hinteren 
Reihe  (/J,  bis  es  den  untersten  (m.)  derselben  Reihe  trilTt.  Gegen  ihn  wird  das  Jochbein 
durch  eme  stark  gezackte  Naht,  welche  in  die  Bucht  am  ^kmdwinkel  eingreift,  getrennt.  Ueber 
diese  hintere  Hälfte  des  Jochbeins  zieht  sich,  ziemlich  parallel  seinem  unteren  Rande,  der  un- 
tere Schenkel  der  Backenfurche  fort,  indem  sie  genau  an  der  Stelle,  wo  die  Kieferrandfurche 
am  äussersten  hinfersten  Ende  des  Oberkieferknochens  verschwindet,  mit  demselben  in  eine 
leichte  Communicatiou  tritt.     Die  Kieferrandfurche  mündet  daselbst  in  die  Backenfurche  ein. 

Die  superficiellen  Sculpturen  dieser  drei  Knochenplatten  sind  scharf  ausgeprägt.  Auf 
dem  Hinteraugenhöhlenbein  unil  hinteren  Stirnbein  bilden  kleine  dicht  an  einander  gedrängte 
Grübchen  die  Mille,  wovon  ringsum  lange  Furchen  ausstrahlen.  Wo  die  tiefe  Backenfurche 
sie  durcliljricht,  fehlen  die  Gruben.  Auf  dem  Jochbein  liegt  die  centrale  Grübchengruppe 
gerade  da,  n%o  die  Backenfurche  und  die  Kieferrandfurche  zusammenmünden,  und  ist  deshalb 
lückenhaft;  die  davon  ausstrahlenden  Furchen  sind  in  der  Richtung  nach  innen  sehr  kurz,  weil 


— ^     19     - — 

der  sclunale  Knochen  ihnen  keinen  Raum  mehr  Itisst,  nach  hinten  nnil  vorn  dagegen  sehr 
langstralilig  ausgezogen.  Die  hinteren  werden  von  dem  miteren  Schenkel  der  Backenfurche 
unterljrochen. 

Aus  den  einleitenden  Betrachtungen  dieses  Paragraphen  ergiebt  sich,  dass  die  drei  zu- 
letzt beschriebenen  Knociien  als  das  Analogen  des  Jochbeins  der  Säugelhiere  anzusehen  sind. 
Obgleich  dasselbe  bei  keinem  lebenden  Rückgratlhiere  normal  aus  dreien  Stücken  besteht,  sondern 
höchstens  abnorm  in  so  viele  zernüil,  wie  aus  dem  in  der  Note  S.  16  angezogenen  Citat  erliellt, 
.  so  ist  doch  die  Analogie  mit  dem  Jochbein  der  Krokodile  sehr  augenfüllig,  wenn  man  sich  in 
die  Lücke  zwischen  dem  oberen  (hinteres  Stirnbein)  und  unteren  Stück  (Jochbein)  eine  sie  ver- 
bindende Knochenplatte  iiineingeschoben  denkt.  Diese  Knochenplalie  ist  bei  den  Labyrintliodon- 
ten  wirklich  als  Hinteraugenhöhlenbein  vorhanden.  Bei  den  Schildkröten,  Enaliosauriern 
und  typischen  Sauriern,  mit  Ausschluss  der  Geckonen  und  Jlonitorcn,  wird  zwar  keine 
Lücke  am  hinteren  Augenhölilenrande  bemerkt,  allein  die  Zahl  der  hier  befindlichen  Knociien  ist 
um  einen  geringer,  es  fehlt  ihnen  das  hinlere  Augenhölilenbein.  Die  Monitoren  und  Geckonen 
haben  daselbst,  gleich  den  Krokodilen,  eine  Lücke,  im  Uebrigen  aber  ganz  den  Bau  der  ächten 
Saurier;  denn  bei  allen  bleibt  die  Schläfengrube  noch  viel  unbedeckter,  als  beim  Krokodil,  trotz 
der  Lücke  im  Augenhöhlenrande. 

§.   9. 

Nach  Abgang  der  drei  vorderen  Knochenplaflen  für  das  Jochbein  bleiben  als  Theile 
des  Schläfenbeins  noch  fünf  Knochen  vor  dein  Rande  des  Hinterkopfes  von  Trematosaurus 
zu  besprechen.  Unter  diesen  Knochen  kann  übrigens  das  Felsenbein  sich  nicht  befinden,  weil 
es  der  tieferen  Region  der  Schadelkapsel  angehört  und  nie  seitwärts  nach  aussen  zu  Tage 
tritt;  es  muss  mithin,  da  die  übrigen  Rückgratlhiere  nur  drei  Knociien  in  derselben  Gegend 
zeigen,  ebenfalls  eine  Yermelirung  der  Knochenstücke  des  Schläfenlieins  ]>ei  Trematosaurus 
eingetreten  sein.  Diese  A'ermehrung  rüin-t  theils  von  der  Theilung  des  Paukenknochens  in 
eine  äussere  und  innere  Hälfte,  theils  von  der  Trennung  der  Schläfenbeinschuppe,  des  Cu- 
vi  er  sehen  Zitzenbeins,  in  zwei  Stücke  her,  als  Folge  welcher  Trennung  ])ei  Trematosaurus 
sich  eine  wirkliche  selbständige  squama  ossis  temporum  neben  der  pars  mastoklea  gebil- 
det hat.  Mit  ihr,  dem  vordersten  Theile  des  Schläfenbeingerüstes,  möge  die  Betrachtung 
J)eginnen. 

Das  länglich  sechsseitige  Knochenschild,  welches  seitwärts  neben  dem  Scheitelbein 
liegt  und  nach  vorn  an  die  beiden  obersten  Stücke  des  Jochbeins  stösst,  halte  ich  für  diese 
abgelöste  Schuppe  des  Schläfenbeins  Qos  temporale  squamosum,  n.y.  Der  Knochen 
berührt  mit  seinen  sechs  Seiten  eben  so  viele  Knochen,  nämlich,  ausser  dem  Scheitelbein,  nach 
\ori\  und  innen  das  hintere  Stirnbein  (ff.)-  f'^'^''^  ^orn  und  aussen  das  Hinteraugenhöhlenbein 
(i),  nach  unten  den  äusseren  Paukenknochen  (L),  nach  hinten  und  aussen  das  Zitzenbein  (o.). 
und  nach  hinten  und  innen  die  Schuppe  des  Hinterhauptsbeines  (r.).  Durch  diese  Lage  ist 
der  Knochen  hinreichend  als  Schläfenbeinschuppe   bezeichnet,   insofern    nur   seine  Verbindung 

3* 


20     

mit  (lern  oberen  Ende  des  Jochbeines  von  den  iil^lichen  Verbindungen  derselben  abweicht; 
allein  dafiir  bieten  schon  die  Seeschildkröten  eine  sichere  Analogie  dar.  hn  Uebrigen  \Alirde 
der  Knochen  ganz  ungez\Yangen  in  die  Schlafenbeinbildmig  des  Krokodils  hineinpassen,  wenn 
man  sich  die  auf  dem  Scheitel  neben  den  Scheilelljeinen  befindliche  Portion  der  Schläfen- 
grubenöflTnung  durch  eine  Knochenplatte  bedeckt  denkt,  von  deren  unterer  Fläche  die  Temporal- 
muskeln ihren  Ursprung  nehmen  würden.  Gerade  so,  wie  das  Hinteraugenhöhlenbein  der  Laby- 
rinthodonten  die  äussere  Partie  der  Schläfengrubenmündung  der  Krokodile  verdeckt,  so  bedeckt 
das  Schuppenbein  der  Labyrinthodouten  die  innere  kleinere  Partie  der  Schläfengrubenmündung 
der  Krokodile.  Ueber  dies  Schuppenbein  zieht  sich  der  innere  Schenkel  der  Backenfurche, 
welche  vom  Hinteraugenhöhlenbeine  kommt,  in  seiner  ganzen  Länge  so  hin,  dass  die  Ober- 
fläche des  Knochens  in  eine  innere  und  äussere  Hälfte  zerfällt. 

Neben  der  beschriebenen  Schuppe  liegt  zunächst  nach  hinten  am  äussersten  Rande 
des  Kopfes  das  eigentliche  Zitzenbein  (os  mastoideum ,  o.),  ein  Knochen,  völlig  so  gestaltet 
und  gelagert,  wie  der  gleichnamige  des  Krokodils,  und  insofern  ein  Beweis  mit  für  die  rich- 
tige Deutung  des  vorigen;  er  ist  im  elften  Paragraph  ausführlicher  beschrieben  und  mag  hier 
noch  unberücksichtigt  bleiben. 

Den  Knochen  seitwärts  nach  aussen  neben  den  beiden  vorigen  kann  man  für  niclits 
anderes  als  für  einen  Theil  des  Paukenbeines  halten.  Er  tritt  als  eine  länglich  herz- 
förmige Platte  mit  seiner  nach  vorn  gewendeten  Spitze  ])is  an  die  Theile  des  Jocliljogens 
hinan  und  verbindet  sich  hier  mit  ihnen  unmittelbar,  indem  er  die  Schläfengrube,  welche  das 
Paukenljein  sonst  nur  nach  hinten  abschliessen  hilft,  hier  auch  nach  aussen  überwölJ)t.  Dadurch 
zerfällt  das  Paukenbein  der  Labyrinthodouten  in  einen  äusseren  schuppeuförmigen  Theil  (os 
tympanicum  externum,  IS)  und  in  einen  tieferen  (p.^,  welchen  ich  hier  nicht  berühren,  son- 
dern erst  weiter  unten  (in  §.  13.)  besonders  beschreiben  werde.  Der  Schuppentheil  des 
Paukenknochens  bildet  mit  seinem  hinteren  geschwungenen  Rande  die  untere  Lippe  der  Ohr- 
spalte, und  senkt  sich  an  derselijen,  als  umgeschlagener  Knochensaum,  in  die  Tiefe  hinab. 
Von  da  an  wölbt  er  sich  etwas  in  die  Fläche,  und  begiebt  sich  mehr  nach  aussen  als  nach 
innen  in  die  Backengegend  hinein,  ohne  von  der  Backenfurche  anders,  als  an  seiner  unteren 
hinteren  Ecke,  berührt  zu  werden.  Hier  zieht  sich  das  hintere  Ende  ihres  unteren  Schenkels 
schief  über  die  Fläche  des  Paukenschuppenthcils  fort.  \w  derselben  Gegend  stösst  der  Knochen 
an  den  untersten  hintersten  Backenknochen  Qn.^,  welcher  mit  iluu  in  der  grösseren  Hälfte 
seines  untei'en  Randes  zusammenti-ilft,  und  vor  demselben  berührt  er  sich  mit  dem  hintersten 
Theile  des  eigentlichen  Jochbeines  (k.).  Der  Knochen  hat  nelien  der  Backenfurche  eine  sehr 
tiefe  und  regelmässige  Sculptur,  welche  von  einer  dichten  Grujipe  kleiner  Grübchen  am  oberen 
hinteren  Ende  ausgeht,  die  also  vor  der  Ohrspalte  liegt,  und  iuisserlich  von  langen,  radialen, 
zum  Theil  etwas  geschwimgenen  Furchen  umgeben  ist.  Neben  der  Ohrspaltenlippe  zieht  sich 
eine  nach  oben  verschmälerte  Randfurche  liin,  in  weiche  die  Backenfurche  einmündet;  der 
hinteie   Rand    des  Paukenknochens   vor   der  Ohrspalte   wird    dadurch  sehr  scharf  und  leisten- 


21     

artig  erhöht.  Hinter  dem  scharfen  Rande  bildet  der  abwärts  steigende  Theil  des  Knochens 
eine  etwas  aufgetriebene,  nach  innen  abgerundete  Phitte,  welche  sich  auf  den  oberen  Rand 
des  inneren  Paukenknochens  auflegt,  und  mit  ihm  durch  eine  scharfe  und  sehr  deutliche  Naht 
in  Verbindung  tritt.  Der  Schuppentheil  des  Paukenknochens  ist  also  ein  durchaus  selbständi- 
ger Knochen,  der  nur  insofern  dem  Paukenknochen  angehört,  als  er  einen  Theil  der  Ohrspalte 
umschliesst,  und  wahrscheinlich,  so  weit  dies  geschieht,  das  Trommelfell  einfasste.  DeshaUi 
schien  es  auch  nöthig,  beide  Theile  getrennt  von  einander  zu  schildern. 

Das  sclmiälere  und  wenig  kürzere  Knochenstiick  unter  dem  vorigen,  am  äussersten 
Ende  der  Mundspalte,  lasst  sich  ungezwungen  auf  denjenigen  Knochen  der  Krokodile  reduci- 
ren,  welchen  Cuvier  für  die  sqiiama  temporalis  hielt  [Ossem.  foss.  Y.  2.  pag.  85.  p.  p.), 
jetzt  aber  allgemein  und  mit  Recht  als  der  selbständig  gewordene  processus  zygomaticus 
ussis  temporum  angesehen,  und  demgemäss  dem  hinteren  Jochbogenstück  der  Vögel  unter 
dem  Namen  os  (juadrato-jugale  parallel  gestellt  wird.  Ich  werde  es  einfach  os  jugale  nen- 
nen und  als  hinteres  Jochbogenstück,  dem  Typus  der  Vögel  folgend,  betrachten,  wobei  idi 
indessen  nicht  verkenne,  dass  es  ein  Theil  des  os  temporum  und  keinesweges  ein  Stück  vom 
OS  zygomaticum  ist.  Dasselbe  legt  sich  auf  das  unterste  Ende  des  Paukenknochens  ebenso 
auf,  wie  der  vorige  Knochen  auf  dessen  oberes  Ende,  und  verdickt  sich  hier  an  seiner  unter- 
sten Ecke  sehr  merklich;  es  ist  indessen  nur  hall)  so  breit,  wie  das  darüber  liegende  Knochen- 
stück, hl  gleicher  Wölbung  mit  ihm  zieht  es  sich  vorwärts  strebend  am  Mundwinkelrande 
fort,  und  erreicht  alsbald  in  dieser  Richtung  den  hinteren  Rand  des  Hauptjochbeines,  mit  wel- 
chem es  in  einer  stark  gezähnten  Naht  sich  verbindet.  Sein  unterer  freier  Rand  ist  gebogen 
und  etwas  einwärts  gekrümmt,  die  Oberfläche  sehr  stark  strahlig  gefurcht,  mit  einigen  kleinen 
Grüljchen  dicht  vor  der  hinteren  Endecke.  Der  hintere  Rand  sclilägt  sich  nach  innen  um 
und   legt  sich  mittelst  dieses  Umschlags  gerade  so  auf  das  innere  Paukenbein,    wie  über  ihm 


das    äussere.     Der  Umschlag  ist   aber  schmäler,   als  an  jenem,    und   die  Verbindungsnaht  mit 
dem  inneren  Paukenknochen  undeutlicher. 

Die  Deulung  aller  dieser  Knochenplatlen  in  der  Backenfläche  von  Trematosaiirus  hat 
gewiss  ihre  Schwierigkeiten,  scheint  mir  aber  in  der  Art,  wie  ich  die  Lösung  versucht  habe, 
nichts  Zweifelhaftes  mehr  darzul)ieten.  Der  Typus  des  Krokodils  blickt  in  der  ganzen  Anlage 
entschieden  durch,  und  ich  finde  zwischen  ihm  und  Trematosanrus  die  allergrüsste  Ueberein- 
stimmung,  wenn  man  bedenkt,  dass  die  völlige  Lfeberwölbung  der  Schläfengruben  eine  gewisse 
Zahl  neuer  Knochenplatten  noihwendig  machte.  Darum  hat  Trematosanrus  drei  Knochenplatlen 
äusserlich  mehr,  und  diese  drei  Knochenplalten  füllen  auch  ihrer  Lage  nach  genau  die  OefTnun- 
frcn  der  Schläfensruhe  des  Krokodils  aus.  Die  vorderste  Plalle,  das  Hinlerautrenhöhlenbein, 
schiiesst  die  Lücke  im  Orbilalrande  und  die  daran  zunächst  slossende  vordere  Partie  der  grossen 
Schläfengrubenmündung,  während  der  von  mir  äusseres  Paukenbein  genannte  Knochen,  als  der 
zweite  Lückenbüsser,  die  hintere  Hälfte  eben  dieser  Schläfengrubenmündung  ausfüllt,  und  die 
Schläfenschuppe  sich  in  die  obere  kleinere  Oeffnung  der  Krokodil-Schläfengrube  hineinlegt.  Gegen 
die  Richtigkeit   dieser  Erklärung  kann    der   Umstand,   dass   beim   Krokodil   durch   die  Verbindung 


22     — 

des  hinteren  Stirnbeins  mit  dem  Zitzenbein  die  obere  Mündung  der  Scliliifengrube  von  der  unteren 
getrennt  wird,  bei  Tremalosanrus  aber  beide  zusammenfallen,  wenn  man  seine  drei  complemen- 
tären  Knochen  herausnimmt,  wohl  nicht  mit  irgend  gutem  Rechte  und  Erfolge  geltend  gemacht 
werden.  —  Uebrigens  ist  eine  grosse  Analogie  nicht  bloss  zwisclicn  den  Backenknochen  der 
Labyrinthodonicn  und  denen  gewisser  Fische  (Siid'ts,  Amici,  Poli/plcrus),  sondern  auch  im  ge- 
sammten  superficiellen  Schädelgeriist  beider  Gruppen  nicht  zu  verkennen,  und  namentlich  wüsste 
ich  in  Bezug  auf  die  Sculptur  der  einzelnen  Knochen  keinen  näheren  Vergleichungspunkt  zu  finden. 
Sudis  bietet  darunter  den  nächsten  dar. 


§•  10. 
Zwischen  den  eben  geschilderten  zahlreichen  Knochenplatten,  ^^  eiche  zur  Uebenvölbung 
der  Schläfengruben  dienen,  und  die  llieils  dem  Jochljogen,  theils  den  secundar  als  Beleg- 
knochen sich  bildenden  Stücken  des  Schläfenbeines  entsprechen,  hegen  oben  auf  der  IVhtte 
des  Schädels  (he  Scheitelbeine  (ossa  parietalia ,  h.J,  zwei  schmale,  nach  vorn  starker 
verschmälerte  Platten,  die  in  der  ^littellinie  aneinanderstossen  und  nicht  genau  gleiche  Grösse 
haben.  Sie  harmoniren  in  dieser  Eigenschaft  mit  den  übrigen  centralen  Knochenpaaren,  den 
Hauptstirnbeinen  und  den  Nasenl:) einen.  Beide  zusammen  sind  etwa  halb  so  breit,  wie  jeder 
einzelne  lang,  hinten  gerade  abgestutzt,  vorn  zugespitzt,  alier  einzeln,  so  dass  die  Hauptstirn- 
beine alternirend  in  sie  eingreifen.  Der  vordere,  um  die  Hälfte  schmälere  Theü  ist  etwas 
kürzer,  als  der  hintere  breitere,  und  in  diesem  befindet  sich  das  runde  trichterförmige  Scheitel- 
loch etwas  vor  seiner  Mitte,  also  beträchtlich  hinter  der  Mitte  der  Gesammtlänge  jedes  Schei- 
telbeins. Diese  mittlere  Gegend,  ^^0I■in  das  Scheitelloch  liegt,  ist  der  Länge  nach  etwas 
vertieft.  Die  Sculpturen  der  Oberfläche  haben  die  gewöhnhche  Anordnung,  sind  alier  kürzer 
und  grubenförmiger,  als  auf  den  seitlichen  Schädelknochenplatten. 

i.  Betrachten  wir  das  Verliältniss  der  Scheitelbeine  zu  den  Stirn-  und  Nasenbeinen,  so  scheinen 
alle  lebenden  Saurier  nebst  den  Ivrokodilen  und  Enaliosauriern  zur  frühen  Verwach- 
sung beider  Hälften  von  Stirn-  und  Scheitelbeinen  zu  neigen,  und  deshalb  im  Aller  stets  einfache 
Knochenplallen  daselbst  zu  besitzen.  Am  längsten  halten  sich  die  Scheitelbeine  bei  den  Gecko- 
nen  getrennt,  die  Stirnbeine  bei  den  Monitoren.  Letztere  haben  dagegen  schon  sehr  früh  ein 
einfaches  Nasenbein,  die  übrigen  Eidechsen  behalten  getrennte.  Bei  den  Cheloniern  ver^vacll- 
sen  alle  drei  Knochenpaare  gleichzeitig,  aber  erst  in  sehr  lioiiem  Aller;  sie  sind  demnach  bei 
ihnen  am  längsten  gelrennt.  Lebenslänglich  getrennt  bleiben  sie  wohl  nur  bei  den  nackten 
Amphibien,  an  welche  also  die  Labyrinthodon  ten  in  dieser  Hinsicht  sich  anschlössen. 

2.  Das  Scheitelloch  findet  sich  in  der  Jugend  bei  den  Enaliosauriern  in  der  Nähe  des  vorderen 
Endes  der  Scheitelbeine,  und  verschwindet  hier  mit  zunehmendem  Alter  gänzlich.  Den  Kroko  d  il  en, 
allen  Cheloniern,  Ophidiern  und  nackten  Amphibien  fehlt  es  von  Jugend  auf;  dagegen 
haben  es  viele  ächte  Saurier,  aber  nicht  alle.  Den  Geckonen  und  Ameiven  gehl  es  ab;  die 
Monitoren,  Laccrtinen,  Agamen  und  Ghamäleonen  besitzen  dasselbe.  Bei  den  zwei 
zuletzt  genannten  Gruppen  liegt   es   in  der  Naht  zwischen  Scheitel-  und  Stirnbein,   und  hat 


23     

einen  beträchllichen  Umfang;  kleiner,  oft  sehr  klein,  ist  es  bei  den  Monitoren  und  Lacertinen, 
bei  welchen  es  hinter  der  Naht  in  der  vorderen  Hälfte  des  Stirnbeines  selbst  sich  befindet,  bei 
recht  alten  Thieren  aber  öfters  ganz  ausgefüllt  wird.  Bei  allen  schliesst  eine  membranöse  Decke 
im  Leben  die  OefFnung. 

§•     '"• 

Nach  der  Erörterung  der  Scheitelbeine  und  der  vor  wie  neben  ilinen  hegenden  Schil- 
der bleiben  am  hinteren  oberen  Kopfende  noch  vier  kleine,  paarig  gleiche  Knochenplatten 
übrig,  welche  zu  einer  Querreihe  an  einander  gepasst  sind.  Ich  halte  die  mittleren  für  die 
oberen  Hinterhauptsbeine,  die  seitlichen  für  die  Zitzenbeine. 

Die  letzteren  (ttssa  mastoidea ,  o.)  bilden  jederseits  einen  dreiseitigen,  nach  liinten 
zugespitzten  Knochen,  welcher  nach  innen  neben  und  über  einem  tiefen  Einschnitte  in  den 
Hinterkopf  liegt  und  mit  seiner  ziemUch  stumpfen  Spitze  erha])en  seitwärts  vorragt.  Jener 
tiefe  Einschnitt  ist  offenbar  die  Ohrspalte,  und  ihr  Rand  der  Trager  des  Paukenfells,  wonach 
sich  genannter  Knochen  als  Zitzenbein  bestimmt.  Es  stösst  dasselbe  nach  aussen  zmu  Theil 
an  die  Ohrspalle,  zum  Theil  an  die  vor  derselben  gelegene  Knochenplatte  /. ,  welche  ich  als 
äusseren  Paukenknochen  in  §.  9.  beschrieben  habe.  Vor  ihm  liee;t  das  eieenthümliche 
Knochenscliild  «.,  dem  ich  daselbst  die  Bedeutung  einer  Schlafcnljeinschuppe  zu  geben  suchte, 
und  innen  neben  ihm  das  obere  Hinterhauptsbein.  Die  Oberflache  der  dreiseitigen  Platte  ist 
mit  kleinen  runden  Grübchen  dicht  bedeckt,  und  lüoer  ihren  vorderen  äusseren  Winkel  zieht 
sich  der  innere  Schenkel  der  Backenfurche  so  fort,  dass  er  in  die  Spitze  der  Ohrspalte  ein- 
mündet; der  hintere  äussere  Rand  pflegt  bei  gut  erhaltenen  Exemplaren  scharfkantig  aufgewor- 
fen und  sehr  erhöht  zu  sein.  Wie  weit  das  Zitzenbein  nach  unten  am  Hinterkopf  hinabreicht, 
habe  ich  nicht  genau  ermitteln  können;  ohne  Zweifel  bildet  es  aber  die  ganze  frei  vorsprin- 
gende Ecke  desselben  und  einen  Theil  der  Wand  zu  beiden  Seiten  neben  ihr.  Nach  aussen 
ist  diese  Wand  der  Ohrspalte  zugewendet  und  bedeckt  offenbar  das  unter  ihr  betmdliche 
Gehörsorgan;  nach  hinten  nimmt  sie  Theil  an  den  beiden  Hauptvertiefungen  der  Hinterkopf- 
fläche neben  dem  Hinterhauptsloch,  welche  sonder  Frage  zur  Aufnahme  der  Nackemnuskeln 
bestimmt  sind,  vuid  schon, deshalb,  wenn  nicht  ganz,  doch  vorzugsweise,  dem  Zitzezibeine  an- 
gehören werden.  Darunter  steht  das  Zitzenbein  mit  den  Seitenstücken  des  Hinterhauptsbeines 
in  Verbindung. 

Das  so  eben  beschriebene  Zitzenbein  entspricht,  wie  ich  schon  oben  (S.  20)  andeutete, 
nncli  seiner  Lage,  Form  und  Beziehung  zn  den  benachbarten  Knochen,  am  meisten  dem  der  Kro- 
kodile und  zum  Theil  auch  dem  der  Schildkröten.  Mit  erstereni  harmonirt  es  in  der  Form, 
und  wiu'de  ihm  noch  ähnlicher  sein,  wenn  nicht  die  weite  obere  IMündung  der  Schläfengrube  des 
Krokodils  die  zusaminenluingende  Knochendecke  des  Schädels  unterbräche.  Denkt  man  sich  übri- 
gens die  Knochenplalte  n.  (das  vordere  Zilzenbein)  aus  dem  Schädel  von  Trcmalosauriis  her- 
ausgehoben, so  entsteht  bei  ihm  genau  an  derselben  Stelle,  wie  beim  Krokodil,  eine  Schläfen- 
grubenmündung.     Insofern   ist  also    die  Analogie  zwischen   beiden   Thierformen   vollständig.     Bei 


24     

den  Schildkrölen,  und  besonders  bei  den  Oeacopoden,  ist  die  Analogie  scheinbar  noch  grösser, 
weil  die  mächtigen  Scheitel-  und  hinteren  Stirnbeine  die  Schliifengrube  so  ^^eit  überdecken,  dass 
ihre  obere  Mündung  nach  hinten  getrieben  wird.  Aber  nichtsdestoweniger  haben  sie  eine  noch 
grössere  SchläfengrubenöfTnung,  als  die  Krokodile.  Ihr  Zilzenbein  stösst  vermöge  dieser  enormen 
Ausbildung  des  Jochbogens  durch  Nähte  sowohl  an  das  Scheitel-,  als  auch  an  das  hintere  Stirn- 
bein und  den  hinleren  Jochbogenknochen ;  lauter  Verbindungen,  die  auch  bei  Trcmaiosaurns 
sich  finden,  wenn  man  die  Knochenplallc  /(.  zum  Zitzenbein  zieht,  wie  ich  es  in  §.  9.  gethan 
habe.  Nach  den  Cheloniern  und  Krokodilen  stehen  die  Enaliosaurier  durch  Gestalt  und  Lage 
der  Zilzenbeine  den  Labyrinihodontcn  zunächst,  viel  ferner  halten  sich  schon  die  typischen 
Saurier,  und  am  weitesten  bleiben  die  Ophidier  von  ihnen  ab.  Die  nackten  Amphibien 
bieten  in  der  Zusammensetzung  des  Schläfenbeines  keine  Verhältnisse  dar,  welche  dem  Typus  der 
Labyrinihodonlen  irgendwie  verwandter  wären,  als  die  der  Chulonier  und  Krokodile,  weshalb  ihre 
nähere  Vergleichung  um  so  mehr  überflüssig  ist,  als  gerade  die  Form  und  Anordnung  der  Knochen 
in  dieser  Gegend  des  Schädels  der  Am/t/iibia  nuda  grossen  Verschiedenheiten  unterliegt. 

§•    ''2. 

Das  Hinterhauptsbein  (os  occipitale,  q.  r.)  besieht,  wie  bei  allen  Amphibien,  so 
aucli  l)ei  Trematosaurus ,  aus  mehreren  isolirlen  Knochen,  von  denen  zwei,  die  oberen 
Hinterhauptsbeine  (litssa  occipitalia  super iora,  rj,  schon  erwähnt  sind.  Sie  nehmen 
unter  der  Form  zweier  fast  quadratischer  Knochenplatten  die  Mitte  des  hinteren  Schädelrandes 
ein,  und  stossen  in  dieser  Lage  mit  einer  scharfen,  stark  wellenförmig  gewimdenen  Naht  an 
einander;  ilire  Oberfläche  ist  dicht  mit  Grül)chen  bedeckt,  ihr  hinterer  Rand  scharfl<antig  er- 
liaben.  Vor  ihnen  liegen  die  Scheitelbeine,  seithch  nach  aussen  neben  ihnen  die  Zitzenbeine, 
unter  ilmen  befindet  sich  der  Eingang  in  die  Gehirnhöhle,  das  Hinterhauptsloch  (foramen 
magnum  occipitale).  Neben  demsell:)en  stossen  sie  an  die  Seitenstiicke  des  Hinterliaujits- 
beines,  die  ossa  occipitalia  lateralia  s.  condyloidea  (q.).  Eine  scharfe  Naht,  welche 
diese  Verbindung  bewerkstelligt,  habe  ich  nicht  ermitteln  können,  vielmehr  gehen  die  das 
Hinterhauptsloch  zu  beiden  Seiten  umfassenden  Schenkel  sanft  und  ohne  alle  Unterbrechung 
nach  oben  in  die  oberen  Hinterhauptsbeine,  nach  unten  in  die  Gelenkkopfsbeine  über;  und 
w  ie  diese  unter  sich  zusammenhängen,  so  stehen  sie  auch  unmittelbar  mit  dem  Paukenknochen 
und  dem  Grundbeine  in  Verbindung.  Dies  ganze  System  von  Knochen  bildet  ein  völlig  un- 
getheiltes  Ganzes,  an  dem  man  nur  verschiedene  Fortsätze  nach  bestimmten  Richtungen  hin, 
nicht  aber  verschiedene,  besonders  abgelöste  Knochenstiicke  unterscheiden  kann.  Die  Be- 
trachtung des  Ganzen  macht  es  indess  nöthig,  chese  Fortsätze  um  so  mehr  für  besondere 
Knochen  zu  nelunen,  als  sie  in  der  That  bei  lebenden  Amphiltien  isolirt  sind.  Ich  unterscheide 
daher  als  seitliche  Hinterhauptsbeine  die  beiden  Gegenden  des  gesammten  unteren 
Hinterhauptes,  welche  die  Gelenkköpfe  tragen  und  das  Hinterhaupl.'-loch  seitlich  und  von  unten 
her  umgeben.  Ob  hier,  wie  bei  den  beschuppten  Amphüjien,  noch  ein  eigener  Basalknochen 
(os  occipitale  inferiusf  vorhanden  war,  oder  dersellje,  ^^ie  bei  den  nacklen  Amphibien,  fehlt. 


25     

indem  bei  letzteren  das  knorpelige  Primordialcranium  an  dieser  Stelle  keinen  solchen  Ossifi- 
cationspunkt,  wie  die  beschuppten  Amphibien  ihn  haben,  bokommt;  das  kann  also,  wegen 
Mangels  sichtbarer  Niilite  am  Gninddieil  des  Hinterhauptes,  nicht  entschieden  werden. 

Das  Hin(erhauplsloch  von  Trematosaurus,  mit  dessen  Beschreibung  wir  beginnen,  hat 
an  allen  ^on  mir  untersuchten  Köpfen  einen  8  förmigen  Umriss,  ist  also  viel  höher  als  breit, 
in  der  Mitte  zusammengezogen,  in  seiner  oberen  Hälfte  weiter,  als  in  der  unteren.  Verfolgt 
man  dasselbe  nach  innen,  so  sieht  man,  dass  die  untere  Hälfte  des  Loches  ziemlich  dieselbe 
Weite  behiilt,  und  nur  sehr  allmälig  erweitert  zur  Gehirnhöhle  führt,  während  die  obere  Hälfte 
sich  schneller  ausdehnt  und  in  die  obere  geräumigere  Portion  der  Hirnhöhle  übergeht.  Be- 
rücksichtigen wir  daneben  lebende  Amphibien,  namentlich  das  Krokodil,  so  zeigt  sich  das 
Hinterhauptsloch  für  sich  allein  als  eine  quer  elliptische  Oeffnung,  hinter  welcher  die 
Seitenw'ände  der  Schädelkapsel  sich  in  der  Mitte  zusammenziehen,  und  dadurch  einen  eben- 
falls 8 förmigen  Eingang  in  die  Schädelhöhle,  gleichsam  eine  solche  Vorhalle,  ein  Vestibulum, 
bilden.  Auch  bei  den  typischen  Sauriern,  und  selbst  bei  den  Schlangen,  findet  ein  Gleiches 
statt;  dagegen  erweitert  sich  bei  den  Schildkröten  und  den  nackten  Amphibien  gleich  hinter 
dem  mehr  herzförmigen,  als  elliptischen  Hinterhauptsloch  die  Schädelhöhle  mit  divergirenden 
flachen  Wänden  und  ein  engeres  Vestibulum  fehlt,  obgleich  die  Seilenwände  der  Hirnhcihle 
eine  schwache  Convesität  nach  innen  nicht  ganz  verkennen  lassen.  Dieselbe  rührt,  wie  die 
nähere  Untersuchung  zeigt,  von  dem  Gehörsorgan  her,  und  bezeichnet  niclits  Anderes,  als  das 
nach  innen  aufgetriebene  Felsenbein  (^os  pefrosumj  mit  dem  darunter  sichtbaren  mealiis 
auditoriits  infeniiis.  Ich  glaulje  nun  keinen  Fehlschluss  zu  begehen,  wenn  ich  auch  bei 
Trematosannis  jene  Auflreibungen  der  Schädelhöhlenwand  unmittelbar  hinter  dem  Rande  des 
Hinterhauptsloches  für  die  hervorragende  Wand  des  Felsenbeines  oder  der  ihm  analogen 
Partie  des  ungetheilten  Schädelgrundgerüstes  erkläre,  und  demnächst  annehme,  dass  die  obere 
weitere  Hälfte  des  8 förmigen  Hinterhauptsloches,  wie  bei  den  Sauriern,  ^on  einem  äusseren 
Knochenl)ogen  übeideckt  war,  letzterer  aber  vermöge  seiner  Schwäche  und  seiner  etwas  frei 
nach  hinten  vorragenden  Stellung  bei  allen  von  mir  untersuchten  petrificirten  Resten  des  Schä- 
dels verloren  gegangen  ist.  Trematosaurus  hatte  demnach  kein  8  förmiges  foramen  occi- 
pitale ,  sondern,  gleich  dem  Krokodil  und  den  typischen  Sauriern,  ein  querelliptisches  oder 
fast  rundes,  dessen  Umfang  der  unteren  Hälfte  der  jetzt  8  förmigen  Oelhiung  entsprach.  Wahr- 
scheinlich sind  die  beiden  neben  der  oberen  Hälfte  des  Hinterhauptsloches  in  der  Abbildung 
(Taf  III.  Fig.  I.)  sichtbaren  Höcker  die  Reste  der  beschriebenen  Knochenbrücke,  welche  eben- 
falls nicht  llach,  sondern  gebogen  sich  über  die  obere  Portion  wegsetzte  und  dadurch  die 
runde  Form  des  Einganges  bewirkte.  Ich  wollte  denselben  indess  nicht  anders  zeichnen,  als 
ich  ihn  wirklich  gesehen  habe. 

Unter  der  unteren  engeren  Hälfte  des  Hinterhauptsloches  vertieft  sich  der  Knochen  zu 
einer  starken  dreiseitigen  Grube,  welche  nach  oben  offen  bleu)!  und  mit  dem  Hniterhauptsloch 
zusammendiesst .    nach  den  Seilen  und  unten  a})er  von  hohen  Knochenwänden  umgeben  wird. 


26     

Die  Wunde  erweitern  sich  zu  vier  Höckern ,  zweien  seitlichen  runden  höheren ,  und  zweien 
unleren  längHchen  niederen.  Diese  vier  Höcker  sind  die  Gelenkköpfe  am  Hinterhaupt  Qcon- 
dyli  occipifates).  Die  oberen  seitlichen  Höcker  sind  völlii;  halbkugelig  und  werden  von 
einem  besonderen  Stiel,  der  vom  Hinterhauptslochrande  aufsteigt,  getragen.  Dieser  Stiel 
schiebt  sie  etwas  divergirend  auseinander  und  wendet  jeden  der  beiden  Köpfe  so  um,  dass 
der  grössere  Theil  seiner  Gelenkflache  nach  aussen  zu  liegt.  Oberwärts  gegen  den  Scheitel 
hin  ist  der  Gelenkkopf  völlig  abgerundet,  al:)er  in  der  entgegengesetzten  Richtung  nach  unten 
verlängert  er  sich  in  eine  Spitze,  die  am  Stiel  herabläuft  und  in  den  unteren  länglichen  Ge- 
lenkkopf übergeht.  Letzterer  ist  ein  kleiner  schwacher,  schmal  elliptischer  Höcker  auf  dem 
unteren  Rande  des  Basalknochens,  welcher  von  seinem  Nachbar  der  anderen  Seite  nur  durch 
eine  leichte  Einbiegung  getrennt  wird,  in  derselben  aber  durch  Zusammenziehung  fast  ganz 
verschwindet.  Auf  diese  Weise  ist  also,  wenn  man  will,  jeder  condylus  occipifatts  als  aus 
zweien,  einem  grösseren  oberen,  einem  kleineren  unteren,  zusammengesetzt  zu  betrachten. 

Ausser  der  Form  des  Loches  und  der  darunter  hervorragenden  coinli/li  bietet  das 
Hinterhaupt  noch  mehrere  wichtige  Eigenschaften  dar.  Es  gehören  dahin  besonders  ein  Paar 
starke,  runde,  geschwungene  Wülste,  welche  von  den  Flächen  neben  der  unteren  Halfle  des 
Hinterhauptsloches  ausgehen,  anfangs  wagrecTit  auseinander  streben,  und  dai\n  gebogen  zur 
Ecke  des  Zitzenbeines  divergirend  hinaufsteigen.  Ueber  diesen  Wülsten  bildet  sich  an 
jeder  Seite  zwischen  ihnen  und  dem  oberen  Kopfrande  eine  starke  mandelförmige  Grube, 
deren  Spitze  nach  oben,  deren  abgerundete  Basis  mehr  nach  unten  und  innen  geneigt  ist. 
Die  Gruljen  breiten  sich  zu  beiden  Seiten  der  oberen  Hälfte  des  Hinterhauptsloches,  welche 
wahrscheinlich  von  einer  Knochenbrücke  überwölbt  war,  aus  und  wurden  durch  die  bezeich- 
nete gewölbte  Brücke  von  einander  getrennt.  Unter  dem  Wulste  ist  die  Fläche  des  Hinter- 
kopfes stark  nach  innen  verlieft,  doch  oberhalb  mehr  als  unterwärts  gegen  die  condyli  hin. 
Jene  obere  Vertiefung,  welche  zur  Ohrspalte  führt,  gehört  dem  Gehörsapparat  an;  die  untere 
bezeichnet  den  Raum,  in  welchem  die  Seit  entheile  des  Hinterhauptes  an  die  Paukenknochen 
stossen.  Die  Grenze  beider  Knochen  gegen  einander  war  niclit  zu  ermillein.  Geht  man  in 
dieser  Vertiefung  abwärts,  so  gelangt  man  an  einen  kleinen  Höcker,  welcher  am  unierslen 
Rande  der  Vertiefung  hervorragt  und  eigentlich  schon  auf  der  unteren  Seite  des  basalen 
Knochengerüstes  entspringt.  Er  befindet  sich  daselljst  am  äusseren  Rande  der  Grundfläche 
gleich  vor  und  etwas  neben  dem  condi/lus  jeder  Seite,  und  bezeichnet  sehr  deutlich  die 
erhabenste  Stelle  eines  scharfen,  die  Grundfläche  einfassenden  Randes,  der  sich  über  die  hin- 
terste Portion  desselben  dicht  vor  den  Gelenkköpfen  wegzieht.  Vor  diesem  Rande  ist  die 
Basalfläche  auf  der  ganzen  Mitte  leicht  vertieft  und  neben  der  Vertiefung  zu  jeder  Seite  mit 
einer  schmalen  schiefen  Schwiele  versehen,  hinter  welcher  nach  aussen  zu  der  Paukenknochen 
anfängt.  Die  mittlere  Vertiefung  ist  vorwärts  etwas  stärker  abschüssig,  als  hinterwärts,  eine 
eigentliche  scharfe  Grenze  derselben  liess  sich  jedoch  nicht  auffinden;  ihr  gewölbter  Saum 
führt  nach  allen  Seiten  aflmälig  in  den  Körper  des  Keilbeins  hinüber. 


27     

Die  sontl(?rbiiio  Form  des  Gelenkapp.iratcs  am  Hinlerhaupt  der  Labyrinlhodonlen  hat  mit 
Reclit  die  Aufmerksamkeit  der  Nalurforscher  auf  sich  gezogen  und  zu  der  Vermuihung  geführt, 
dass  diese  Thiere  zur  Gruppe  der  nackten  Aniphijjicn  gehören.  In  der  That  stimmen  sie  Insofern 
mit  den  letzteren  iiberein,  als  deren  Gelenkapparat  stets  selir  in  die  Breite  gezogen  ist  und  weil 
die  sonst  an  ihm  Aniheil  nehmende  Ossification  in  der  basis  cranii  fehlt,  zweitheilig  bleibt. 
Die  bedeckten  Aniphibien  haben  immer  eine  selbständige  Ossification  in  der  öiisis  cranii,  welche 
an  der  Gelenkbildung  der  Seilenknochcn  des  Hinterhauptes  Aniheil  nimmt,  und  indem  das  ge- 
schieht, geben  die  Seitenknochen  etwas  von  ihrem  Aniheil  daran  auf,  wodurch  ein  zwar  viel 
engerer,  aber  auch  beliächllich  höherer  cinköpfiger  Gcicnkapparal  entsteht.  Bei  den  Cheloniern 
ist  dieser  einfache  Gelenkkopf  wirklich  aus  drei  gleichen  Dritteln  zusammengesetzt;  bei  den  typi- 
schen Sauriern  und  den  Ophidiern  ist  der  Aniheil  der  Seitenknochen  an  ihm  viel  geringer,  als 
der  dos  minieren;  beim  Krokodil  endlich  bildet  lelzlerer  den  Gelenkkopf  fast  ausschliesslich.  — 
Betrachten  wir  unter  diesen  Gesichlspunklen  den  Gelenkapparal  von  Trematosaurns,  so  lässt 
sich  zuvörderst,  wegen  der  breiten  auseinandergezogenen  Form  desselben,  eine  Analogie  mit  den 
nackten  Amphibien  nicht  wegleugnen,  allein  ob  der  Gelenkapparat  bloss  aus  den  Seilentheilen  des 
Hinterhauptes  besieht,  und  nicht  zugleich  mit  vom  Basaltheil  gebildet  wird,  das  inuss  ganz  unent- 
schieden bleiben,  weil  eine  Zerfallung  der  pars  basaUs  cranii  in  mehrere  gesonderte  Knochen 
sich  bei  Trcmalosanrns  nicht  nachweisen  lässt.  Wollte  man  sie  indess  annehmen,  so  würde 
die  mittlere  Ausbuchlung  zwischen  den  beiden  unteren  schmäleren  Porlioncn  des  Gelenkapparates 
keinesweges  i;ntschieden  für  eine  Theilung  der  Condyloidalgegend  in  bloss  zwei  Theile  sprechen, 
\veil  auch  der  einfache  condijhis  des  Krokodils  längs  der  Mille  ausgebuchtet  ist  und  den  bilate- 
ralen Typus,  trolz  seiner  Einfachheit,  enischieden  andentel.  Dasselbe  würde  also  auch  bei  Tz-em«- 
lusaurns  der  Fall  sein  können.  Uebrigens  bin  ich  geneigt,  das  eigentliche  Hinlerhaupt,  die  pars 
busalis  ossis  occij/itis,  etwa  bis  zu  der  seichten  Grube  auszudehnen,  welche  sich  ziemlich  in  der 
Mitte  der  ganzen  basis  cranii  befindet,  und  die  Fläche  vor  derselben  der  pars  busalis  ossis 
sphcnoidci  zuzusprechen;  denn  alle  lebenden  Amphibien  oberhalb  der  nackten  haben  an  der  ent- 
sprechenden Stelle  eine  ähnliche  Grube,  und  deren  vorderer  stärkerer  Rand  bezeichnet  die  hintere 
Grenze  des  os  s/i/icnoiilciim.  Dann  \\ürden  die  kleinen  seillichen  Höcker,  welche  etwas  vor 
den  Gelenkköpfen  am  hinteren  Theile  der  Grube  sich  bemerkbar  machen,  einem  gleichen  Höcker- 
paar bei  den  Cheloniern,  Krokodilen,  typischen  Sauriern  und  Ophidiern  entsprechen.  Diese  Höcker 
werden  bei  den  genannten  Amphibien  sowohl  von  der  pars  basalis,  als  auch  von  den  partes 
condi/loiilcae  des  Hinlerhauptes  gebildet;  sie  bezeichnen  also  die  Grenzen  jener  drei  Knochen 
gegen  einander,  und  dafür  würden  wir  sie  auch  bei  Trcmafosanrus  zu  nehmen  haben,  falls  wir 
demselben  eine  solche  dreilheilige  Anlage  der  unteren  Hälfte  des  Hinterhauptes  zuschreiben.  Die 
Anwesenheit  der  Höcker  möchte  dafür  sprechen.  Alsdann  gehörte  die  hinlere  verliefle  Hälfte  des 
Grundbeincs  (Taf.  U.)  nebst  der  Gegend  rings  um  die  Gelenkköpfe  herum  zum  Hinterhaupt  Das- 
selbe erstreckt  sich  nach  oben  (Taf.  HI.  Fig.  1.)  über  die  Gelenkköpfe  hinaus  weiter  bis  an  die 
iiussersten  Schädeldeckcn,  umgiebt  das  ganze  Hinterhaupisloch  und  geht  seitwärts  auf  den  Wulst 
über,  welcher  in  der  Richtung  vom  condißns  her  zur  Ecke  des  Zitzen  bei  n  es  hinaufsteigt. 
Vielleicht  gehört  die  uiilcre  mehr  wagrechte  Porlion  des  Wulstes  dem  Hinterhauptsbeine,  die  obere 
schief  zur  Ecke  hinaufsteisrende  dem  Zitzenbeine  an;  die  länfiliche  Grube  über  dem  Wulst  würde 
sich  alsdann  zum  grössei'en  Theile  im  absteigenden  Zilzenbeine  befinden.  Soll  indess  die  Analogie 
des  Krokodils   und    der  lobenden  Saurier  entscheiden,   so   gehört   der   ganze   schief  aufsteigende 


28     

Wulst  bis  zur  Ecke  des  Zilzciiboines  dem  Ilinleihauplsbeine  an,  und  die  Naiit  zwischen  beiden 
Züge  sich  von  der  genannten  Ecke  schiel'  durcli  die  Spilze  der  länglichen  Grube  zum  Seitenrande 
des  oberen  Hinterhauptsbeines  hin;  die  Grube  läge  also  zumeist  im  Condyloidalknochen  des  Hinter- 
hauptsbeines. Sie  findet  sich  übrigens,  nur  breiter  und  flacher,  an  derselben  Stelle  beim  Krokodil 
und  ist  bei  den  typischen  Sauriern  keine  blosse  Grube,  sondern  ein  olTenes  Loch,  das  unter  den 
langen  hinteren  Fortsätzen  des  Scheitelbeines  hindurch  in  die  Schläfengrube  führt.  Das  Zitzen  • 
bein  der  typischen  Saurier  liegt  nän.lich  nicht,  wie  bei  Crocodi'iis  und  Trcmalosniirn.s ,  über 
dem  OS  coiiili/louleiiinj,  sondern  vor  ihm,  unter  dem  erwähnten  Ast  des  Scheitelbeines,  hier  mit 
dem  starken,  bei  Trcniutosanrns  als  Wulst  angedeuteten  Seilenaste  des  Condyloidalknochens 
das  Geletdi  für  den  beweglichen  Paukenknoclien  bildend.  In  Bezug  auf  den  Tlieil  des  Hinler- 
hauplsbeines  über  dem  Hinterhauptsloch  ist  also  wieder  die  cnlschiedcnsle  Aehnlichkeit  mit  dem 
Krokodil  nicht  zu  verkennen;  dagegen  weist  die  unlere  Hälfte  des  Hinterhauptsbeines,  wegen 
der  Breite  des  Gelenkapparates,  auf  Analogien  mit  den  Batrachiern  hin.  Die  Basalfläche  selbst 
entspricht  am  meisten  in  ihrer  Form  der  bei  den  Schildkröten,  weniger  der  der  Krokodile,  in- 
sofern sie  bei  letzteren  stets  sehr  viel  schmäler  und  durch  einen  scharfen  Längskiel  halbirt  ist. 
Diesen  Längskiel  haben  die  typischen  Saurier  so  wenig,  wie  die  Schildkröten  und  Tremitlosait- 
riis ,  er  ist  dagegen  bei  den  Ophidiern  vorhanden.  Die  Seitenhöcker  der  Basallläclie  kommen 
übrigens  allen  beschuppten  Amphibien  zu  und  sind  bei  den  typischen  Sauriern  am  allerslärksleri 
entwickelt;  sie  bleiben  jedoch  bei  allen  lebenden  Amphibien  viel  weiter  von  dem  Gelenkapparat 
entfernt,  als  bei  Trcinalosanrns.  Hiernach  ähnelt  sein  Hinterhaupt  keiner  lebenden  Amphibien- 
form vollständig,  die  Gesammlanlage  desselhcn  ist  aber  mehr  nach  dem  Typus  der  beschuppten, 
als  dorn  der  nackten  Amphihien  genommen,  und  der  nächste  Anschluss  findet  sich  an  den  Typus 
der  Kroküihle. 


All  das  Hinterhauptsbein  schliesst  sich  zu  jeder  Seite  der  eigentliche  oder  hinere 
Pauke nknochen  Qos  tympanicum ,  p.J.  Dass  die  Grenze  beider  gegen  einander  nicht 
scharf  bestimmt  werden  kann,  habe  ich  schon  mehrmals  ausgesprochen;  sie  nuiss  indessen  in 
der  Vertiefung  unter  dem  vom  Hinterhauptsloch  zum  Zitzenbein  aufsteigenden  Querwulst  liegen 
und  sich  etwa  \on  dem  kleinen  Hocker,  welcher  oben  in  dieser  Vertiefung  neben  dem  be- 
sproclienen  Wulst  gefunden  wird,  bis  zu  dem  anderen  Höcker  unten  neben  dem  condylus 
jeder  Seite  hinziehen  und  aussen  an  ihm  vorbei  auf  die  Unterflaclie  iiliergehen.  Daselbst 
stiesse  dann  der  Paukenknoclien  an  die  Seiten  des  KeiUieinkürpers.  Jenen  kleinen  Höcker 
am  oberen  Ende  der  Vertiefung  möchte  ich  noch  zum  Zitzonbein  rechnen  und  fiir  ilie  An- 
deutung des  auch  beim  Krokodil  zum  Paukenknoclien  hinabsteigenden  Astes  vom  Zitzenbein 
erklären,  so  dass  erst  unter  ihm  der  Paukenknoclien  begönne.  Er  würde  alsdann  einen  ziem- 
lich dicken,  schief  nach  unten,  hinten  und  aussen  vortretenden  Knochen  bilden,  dessen  äussere 
hinterwärts  gekehrte  Fläche  gewölbt  ist,  während  die  innere,  der  Schläfengrube  zugewendete, 
leicht  ausgehöhlt  erscheint.  Ein  ziemlich  scharfer  unterer  Rand  trennt  beide  Flächen  von  ein- 
ander.    Dieser  Hand  wird  je  mehr  nach  unten  um  so  stumpfer,    und    endet  mit  einem  abge- 


29     

rundeten  Huckor  oder  Buckel,  der  sich  auf  die  untere  Fläche  des  Paukenknochens  begieijl 
und  die  Gelenkung  mit  dem  Unterkiefer  bildet.  SellMge  besteht  (Taf.  II.)  scheinbar  aus  drei 
neben  einander  liegenden  halbkreisförmigen  Höckern,  welche  von  innen  nach  aussen  schmäler 
werden;  allein  der  kleinste  äussere  Höcker  ist  ohne  Frage  die  untere  Ecke  der  hinteren  un- 
leren Jochbogenplatte,  das  os  (ji/adrafo-jui/ale,  welches  zugleich  mit  dem  äusseren  Pauken- 
knochen auf  den  nach  vorn  gewendeten  Rand  des  Paukenknochens  aufgesetzt  ist.  Unter  der 
Verbindungsnaht  mit  den  Jochbogenplatten  hat  der  Paukenknochen  seine  geringste  Dicke ;  sein 
Durchmesser  beträgt  hier  bei  grossen  Exemplaren  1 — 2  Linien;  aber  von  da  an  wird  er  nach 
unten  zu  immer  kräftiger,  besonders  ganz  hinten,  wo  er  den  Gelenkkopf  für  den  Unterkiefer 
bildet,  und  ganz  vorn,  wo  er  an  das  Keilbein  stüsst.  In  dieser  Gegend  tritt  neben  dem  un- 
teren Rande  ein  dicker  kegelförmiger  Höcker  aus  der  Fläche  des  Paukenknochens  hervor; 
was  er  zu  bedeuten  halte,  weiss  ich  nicht.  Oeffnungen,  die  ins  Innere  des  Paukenknochens 
führten,  Hessen  sich  nicht  ermitteln;  derselbe  ist  indessen  grösstentheils  holil,  wie  zerbrochene 
Schädelfragmente  zeigen.  Ohne  Zweifel  findet  sich  aber  in  der  Tiefe  der  Ohrspalte  der  Ein- 
eane  zur  Paukenhöhle  und  hinler  ihr  das  Labvrinlh  nebst  dem  Felsenbein,  welches  es  um- 
schliesst.     Indessen  konnten  alle  diese  Theile  nicht  mehr  von  einander  unterschieden  werden. 

In  der  Hauptsache  ähnelt  das  eben  beschriebene  os  fi/iii/xiniciim  dem  gleichnamigen 
Knochen  der  Krokodile  so  sehr,  dass  ich  es  für  unnülhig  halle,  noch  andere  Amphibiengriippen 
zur  Vergleichung  zu  ziehen.  Der  Paukenknochen  von  Trcmnionunrits  ist  indessen  relativ  kürzer 
und  im  enlspredienden  Verhiiltniss  nach  unten  dicker.  Ueber  den  sonderbaren  Höcker  auf  der 
Innenseite  giebt  aucii  die  Analogie  inil  dem  Krokodil  keine  Aufschlüsse.  Dass  die  Gelenkung  für 
den  Unterkiefer  neben  den  beiden  Huckern  noch  den  drillen  Seilenhöckcr  vom  Paiikenjochbein 
besitzt,  möchte  für  eine  seihviirts  mehr  als  sonst  beengle  Beuegliclikcil  des  Unlerkicfers  sprechen. 

§.    I  t. 

Zu  den  am  eigenthümlichsten  geformten  Schädelknochen  gehöit  Ijim  Trematosaurus 
das  Keilbein  Qos  sphenoideum,  s.).  Es  beginnt,  wenn  meine  in  §.  \2.  entwickelte  Ansicht 
über  die  Ausdehnung  des  Körpers  vom  us  occipifis  richtig  ist,  am  vorderen  Aljhange  der 
Grube  auf  der  Mitte  des  gemeinschaftlichen  Grundbeines  und  stösst  hier  seitwärts  an  die  von 
derselben  Gegend  ausgehenden  Paukenknochen.  Das  dem  Keilbeine  hiernach  zufallende  Stück 
des  Grundbeines  ist  etwa  doppelt  so  breit,  wie  lang,  nach  beiden  Seilen  etwas  herabgebogen, 
nach  vorn  aufwärts  gezogen  und  hier  in  ih-ei  starke  Fortsätze  verlängert.  Der  mittlere  Fort- 
satz geht  breit  vom  Yorderrande  des  Körpers  aus,  zieht  sich  aber  alsbakl  in  eine  schmale, 
nach  unten  scharfkantige,  messerförmige  Spitze  zusammen,  die  mit  fast  gleicher  Breite  bis  weit 
über  die  Augenhölilen  hinaus  nacli  vorn  sich  verlängert.  In  der  hinteren  Partie  ist  diesei- 
Fortsatz  auf  der  oberen,  gegen  die  Hirnhöhle  gewendeten  Seite  kahnförmig  ausgehöhlt;  später, 
d.  h.  schon  vor  seiner  Mitte,  wird  er  einfach,  und  in  dieser  Gegend  erreicht  er  seine  grösste 
Schärfe    und   Dünnheit.     In    der  Nähe    der   Augenhöhlen   wird    er  wieder  etwas   breiter,    und 


30     

seine  bis  dahin  ziemlicli  scharfe  schneidende  untere  Kante  geht  alhnälig  stumpfer  werdend  in 
eine  Fläche  über,  welche  die  Endspitze  von  unten  her  völlig  abgeplattet  macht.  Von  der 
l)reitesten  Stelle  dieser  Fläche  legen  sich  die  hinteren  Enden  der  Pflugscharbeine  an  den  be- 
schriebenen Fortsatz  an.  Derselbe  ist  ülirigcns  auch  in  der  Mitte  und  in  seiner  vordersten 
Hälfte  noch  \iel  höher  als  breit,  indess  nach  oben  gegen  die  Schädelhöhle  zu  breiter,  als  nach 
unten  gegen  den  Gaumen  hin,  er  hat  also  ganz  das  Ansehen  einer  Messerklinge,  deren  Scheide 
nach  unten  gewendet  ist.  Die  beiden  seitlichen  Fortsätze  des  Keilbeins  sind  \on  Anfang  an 
breite,  flache  Lappen,  welche  der  Neigung  ihrer  Ursprungsstellen  gemäss  nach  aussen  etwas 
mehr  herabhängen,  als  nach  innen,  und  dabei  auf  ihrer  Fläche  leicht  muldenförmig  vertieft 
sind.  Sie  gehen  in  divergirender  Richtung  aus  einander  und  krümmen  sich  dabei  etwas  nach 
innen,  so  dass  ihr  äusserer  Rand  einen  grösseren  Bogen  beschreibt,  als  der  innere,  hi- 
deni  diese  Krümmung  des  äusseren  Randes  nach  vorn  hin  immer  stärker  wird,  runden  sie 
sich  durch  Uebergchen  beider  Ränder  in  einander  parabolisch  zu.  Bei  weitem  der  grösste 
Theil  dieser  Seitenlappen  ist  übrigens,  wenn  man  den  Knochen  von  unten  betrachtet,  nicht 
sichtbar,  sondern  von  einem  ganz  ähnlich  geformten  Fortsatze  des  Gaumenbeines  bedeckt.  Auf 
fliesem  Fortsatze  ruht  der  entsprechende  des  Keilbeins,  und  beide  zusammen  bilden  eine 
Brücke,  wodurch  die  Seitentheile  des  Kopfgerüstes  mit  dem  mittleren  oder  Grundtheile  in  Yer- 
bindung  stehen.  Deshalb  werde  ich  diese  seitlichen  Fortsätze  die  Gaumenflügel  C«/«e 
pulafinaej,  den  mittleren  aber,  welcher  zum  Pflugschar  geht,  den  messerförmigen  Fort- 
satz (Processus  ciiUriforin/s)  nennen.  —  Die  Seiten  des  Keilbeinkörpers  erheben  sich,  über 
den  Forlsätzen  schief  nach  innen  aufsteigend,  zur  Schädeldecke  empor,  und  stossen  in  der 
Gegend  der  Scheitelbeiniänder  an  selbige  an,  gehen  aljcr  nach  vorn  nicht  über  die  Höhe  des 
Scheitelloches  hinaus.  Wahrscheinlich  war  von  hier  an  die  ganze  übrige  Hirnkapsel  knorpe- 
lig, wie  bei  den  typischen  Eidechsen.     Eine  Spur  der  columella  fand  sich   nicht. 

1.  Die  beschriebene  Form  des  Keilbeines  passt  am  meisten  zu  dem  Kinlbein  der  typischen  Saurier, 
und  weicht  nur  in  Nebendingen  von  ihm  ab.  Zwar  ist  der  Keilbeinkürper  bei  den  ächten  Sau- 
riern schmäler,  allein  das  l\ann  uns  nicht  irre  maciien ,  weil  keine  lebende  Eidechse  eine  so 
breite  Schädelbasis  besitzt,  wie  Treinatosnitrtt.s.  Wichlioer  ist  die  Differenz,  welche  von  der 
Gestalt  der  Gaumenflügel  herrührt.  Letztere  entspringen  zwar  bei  den  lebenden  Sauriern  genau 
an  derselben  Stelle,  allein  sie  erweitern  sich  alsbald  in  einen  Gelenkkopf,  der  seillich  an  die 
Gaumenflügelbeine  sich  anlegt  und  mit  ihnen  in  beweglicher  Verbindung  steht.  Das  rührt  offen- 
bar von  der  Beweglichkeit  des  ganzen  Kieferlragegerüsles  her,  und  da  Trcmalosaurus  einen 
unbeweglichen  Paukenknochen  hat,  so  ist  auch  die  Verbindung  von  Keil-  und  Gaumenbeinen  eine 
unbewegliche.  Ferner  muss  hervorgehoben  werden,  dass  der  ganze  processns  ciiKriformis  bei 
den  Sauriern  lebenslänglich  knorpelig  bleibt  und  sich  nie  innig  mit  den  Pflugscharbeinen  verbindet, 
sondern  frei  auf  ihnen  liegt,  wenn  er  bis  dahin  reicht.  Auch  dieser  Unterschied  mag  aus  der 
Beweglichkeit  des  Kiefergerüsles  sich  ergeben.  Beim  Krokodil  und  den  Chelonicrn  wird  be- 
kanntlich das  Keilbein  ganz  oder  grossentheils  von  den  Flügel-  und  Gaumenbeinen  bedeckt,  und 
daher  haben  sie  einen  ganz  anders  geformten  knucherncn  Gaumen.     Die  Bildung  der  Ophidier 


31     — 

iässt  sich  auf  den  Typus  der  Saurier  reduciren ,  und  malmt  insofern  melir  an  Trcmalosaiii-iis, 
als  ilir  jiroccsus  ciiKrifoniits  ganz  knöchern  isl  und  sich  mit  seiner  Spitze  zwischen  die  beiden 
Fflugscharbeine  (hier  os  clltmoideinn  genannt)  eindrangt.  Die  nackten  Amphibien  weichen  schon 
mehr  ab,  denn  ihr  Keilbein  ist  eine  bald  sclimiilere,  bald  breilere  Platte  am  ganzen  Gaumen,  die 
nur  hinten  (bei  den  Fröschen)  ein  Paar  starke  Queriisle,  die  Analoga  der  Gaumenfliigel,  abgiebt, 
welche  sich  mit  dein  Gaumenbein,  Felsenbein,  Zitzenbein  direct  und  durch  dieselben  mit  dem 
Paukenknochen  verbinden.  Die  vordere  Spitze  des  Keilbeines  erreicht  indess  knöchern  die  Pflug- 
scharbeine. Hiernach  passt  die  Keilbeinform  von  Tronnlosaurns  genau  zu  keinem  lebenden 
Amphibium,  sie  enihiilt  vielmehr  Eigenschaften,  die  wir  jetzt  an  die  typischen  Eidechsen,  die 
Schlangen  und  selbst  an  die  Frösche  verlheilt  finden. 

2.  Dass  die  sonst  getrennten  Knochen  des  Hinterhauptes,  Keilbeines  und  Paukenbeines  bei  Trcnia- 
tosaitriis  wirklich  ein  ungelheilles  Ganzes,  zu  dem  auch  noch  das  Felsenbein  gehören  dürfte, 
ausmachen,  das  glaube  ich  um  so  eher  annehmen  zu  müssen,  als  Nähte,  wenn  sie  vorhanden 
gewesen  wären,  mir  nicht  wohl  entgehen  konnten.  In  der  Thal  fand  ich  sie  nicht  bloss  zwischen 
der  Spitze  des  Processus  cullrlformls  und  den  daran  liegenden  Spitzen  der  Pflugscharbeine  sehr 
deutlich,  sondern  ich  sah  sie  auch  zwischen  den  Gaumenbeinen  und  den  Gaumenflügeln  des  Keil- 
beins. Gewöhnlich  werden  die  Nähte  bei  der  Petrificalion  din'ch  den  Faulungsprozess  geölTnet 
und  nehmen  das  Multergestein,  hier  feine  Sandkörner,  in  sich  auf.  Das  geschah  auch  wirklich 
an  den  angegebenen  Stellen  und  an  mehreren  anderen,  wo  ich  sie  erkannte.  Allein  zwischen 
Hinterhaupt,  Paukenknochen  und  Keilbein  habe  ich  keine  Spur  solcher  geölTneten  Nähte  gefunden, 
und  muss  daher  annehmen,  dass  diese  Knochen,  wenn  sie  auch  in  der  Jugend  gelrennt  waren, 
doch  im  reifen  Alter  innig  mit  einander  verwuchsen.  Bei  den  typischen  Sauriern  ist  eine  solche 
Verwachsung  von  Keilbein  und  Hinlerhauplsbein  noch  jetzt  allgemeines  Gesetz;  um  so  mehr  kann 
sie  sich  bei  Trenialosdiiriis  auch  auf  das  Felsen-  und  Paukenbein  ausgedehnt  haben,  als  diese 
Knochen  in  unbewegliche  Verbindung  mit  den  zwei  anderen  treten  sollten. 


§.    lo. 

An  die  Gaumenflügel  des  Keilbeines  legt  sicli  auf  die  schon  J)eschriebene  Art  zu  jeder 
Seite  das  Gaumenbein  (^os  palatinum,  t.) ,  ein  langer  schmaler  Knochen,  welcher  den 
äusseren  Rand  des  grossen  Gaiunenloches  bildet  (Taf.  II.)  und  seitwärts  an  den  noch  viel 
schmäleren  Oberkieferknochen  grenzt.  Es  hat  im  Ganzen  eine  leicht  gebogene  Form,  um  dem 
äusseren  Umfange  des  Gaumenloches  zu  entsprechen,  besitzt  aber  zugleich  eine  gerade  äussere 
Seite,  welche  mit  dem  Oberkiefer  eine  eben  solche  Naht  bildet.  Daher  ist  das  Gaumenbein 
in  der  Mitte  am  schmälsten,  vorn  und  hinten  am  breitesten.  Hinten  beginnt  es  mit  einem 
spitzen  Lappen,  welcher  unter  dem  Gaumenfliigel  des  KeiUjeines  liegt  und  mit  ihm  zusammen 
die  Knochenbrücke  zwischen  Keilbein  und  Oberkiefer  bildet.  So  wie  dieser  Lappen  den 
Gaumenflügel  (dessen  Ende  ich  in  der  Figur  auf  Taf.  II.  an  der  linken  Seile  durch  einen 
punktirten  Umriss  bezeichnet  habe)  verlässt,  breitet  er  sich  stark  aus  und  erreicht  dadurch 
die  hinterste  Spitze  des  Oberkiefers;  aber  indem  das  Gaimienbein  nun  neben  dem  Oberkiefer 
sich  nach  vorn  begiebt,  wird  es  langsam  schmäler,  bis  es  in  der  Gegend  tier  AugenötTnungen 


32     — 

seine  geringste  Breite  erreiciil  lial.  Von  d;i  an  nimmt  es  ^^ieder  an  Ausdehnung  zu  und  eeiit 
so,  stets  breiter  werdend,  bis  zur  äussersten  Spitze  des  grossen  Gaumenloches.  Ebendort 
IrifTl  das  Gaumenbein  mit  dem  Pflugscharbein  zusammen;  beide  liegen  in  einer  geraden  Naht 
an  einander.  Diese  Naht  geht  divergirend  von  innen  nach  aussen,  bis  sie  das  vordere  kleine 
Gaumenloch  erreicht  hat.  Darin  endet  sie  und  mit  ihr  das  auf  diese  Weise  schnell  wieder 
verschmälerte  Gaumenbein.  Letzteres  hat  darnach  sechs  verschiedene  Ränder:  einen  geraden, 
sehr  langen,  womit  es  an  den  Olierkiefer  stösst;  einen  einwärts  gebogenen  dahinter,  welcher 
die  untere  Schläfengrubenöffnung  nach  vom  begrenzt;  dann  einen  kurzen  gcjaden  gegen  den 
Gaumenflügel,  der  hinten  von  einem  spitzen,  \  orn  von  einem  stumpfen  ^^'inkel  begrenzt  wird : 
ferner  den  langen  gebogenen  inneren  Rand  gegen  das  grosse  Gaumenloch,  neben  dem  der 
\ ordere  kurze  gerade  Rand  beginnt,  welcher  mit  dem  Pflugscharbein  zusammentrifft;  endlich 
einen  sehr  kurzen,  einwärts  gekrümmten  Endrand,  welcher  das  hintere  Ende  des  kleinen  Gau- 
menloches enthält.  Die  ganze  Fläche  des  Gaumenbeines  ist  etwas  schief  nach  innen  geneigt, 
so  dass  die  äussere  Seite  tiefer  steht,  als  die  innere;  doch  ist  diese  Neigung  nach  vorn  zu 
minder  beträchtlich,  als  hinten.  Auf  ihr  bemerkt  man  da,  wo  der  Gaumenflügel  des  Keilbeines 
endel,  i>inen  schwachen  Querhöcker  und  neben  dem  Kieferrande  der  ganzen  Länge  nach  einen 
^  orwärts  breiteren  Wulst,  auf  welchem  die  Gaumenzähne  sitzen,  oder  in  welchen  sie  zum  Thcil 
eini^ebettet  sind.  Bis  zur  Augenhöhle  von  hinten  her  gerechnet  sind  diese  Zähne  ebenso  kleiii, 
s|)ilz  und  stiftartig,  wie  die  sämmtlichen  Oberkieferzähne ;  von  da  an  werden  sie  allmälig  nach 
vorn  hin  grösser,  und  erreichen  zuletzt  einen  sehr  bedeutenden  Umfang.  Der  letzte  unmittel- 
bar \or  dem  kleinen  Gaumenloch  hat  gegen  einen  halben  Zoll  Durchmesser  an  der  Basis, 
und  sitzt  in  einer  flachen  Griüje  fest.  Sein  Umfang  ist  oft  mehr  elliptisch  als  kreisrund,  seine 
Form  die  eines  nach  hinten  gekrümmten  Kegels  und  seine  Oberfläche  von  der  Spitze  herab 
tein  gestreift.  Denselben  Bau  haben  die  anderen  kleinen  Zähne  vor  ihm.  Gewöhnlich  stehen 
zwischen  ihm  und  der  Augenöflnung  vier  Zähne,  und  unter  der  Augenöffnung  selbst  wieder 
vier;  hinter  ihr  kommen  nur  kleine  stiftförmige  Zähne  vor,  deren  Anzahl  sich  auf  '20  —  ■2'i 
I)eläuft.  Die  grossen  vorderen  Zähne  wechseln  übrigens  ganz  ähnlich,  wie  die  hinteren,  d.h. 
zwischen  je  zweien  bildet  sich  bisweilen  ein  neuer,  anfangs  ganz  kleiner,  der  aber  nach  und 
nach  an  Grösse  zunimmt,  und  nun  die  früheren  vor  wie  hinter  ihm  verdrängt.  Ich  habe  an 
mehreren  Exemplaren  den  Zahnwechsel  deutlich  erkannt,  und  auch  in  meiner  Figur  Taf.  II 
rechts  den  dritten  Zahn  deshalb  kleiner  gezeiciinet,  als  den  vierten,  um  ihn  als  einen  Xach- 
wuchszahn  anzudeuten. 

Das  Giuimeiiljt'in  viin  Trcniüiusiiiinis  isl  iiücli  cicrenlliiiiiilicher,  iils  sein  Keilbein,  kann 
indessen  ancli  luii'  mit  dem  Gauinengeiüsl  der  typischen  Saurier  passend  verglichen  werden.  Von 
demselben  weicht  es  aber  in  mehreren  wesenilichcn  Punkten  ab:  zuerst  dadurch,  dass  es  ein 
einfacher  Knochen  i.sl,  während  die  Saurier  drei  Knochen  an  jeder  Seite  im  Gaumengerüsl 
haben,  nämlich  das  hintere  Flu  gelbein  (os  iitcrjgo'ulciiiji'j,  das  vordere  G  aiimc  n  bein  (os  /la- 
laliitiiDi)   und    das   äussere  Oucrbcin    ins  Irdunirrs.-mi).     Diese    diei  Knochen   lassen   in    ihrer 


33     

Mille  eine  Lücke,  welche  bei  Trcmatosaurus  fehlt,  weil  sein  Gaiimenapparal  nur  ein  einfacher 
Knochen  ist;  dafür  hat  aber  das  miltlere  grosse,  vom  proccssus  cultriformls  gelheilte  Gaumen- 
loch einen  viel  bedeutenderen  Umfang  bei  Trematosaurus.  Andererseils  ist  das  vordere  kleine 
Gaumenloch  kleiner,  als  bei  den  typischen  Sauriern,  und  von  kurz  elliptischem  Uniriss,  statt  des 
lang  elliptischen  oder  spalten  formigen  der  Saurier.  Die  Krokodile  weichen  sehr  wesentlich  da- 
durch von  dem  Typus  der  iichlen  Saurier  und  des  Trematosaurus  ab,  dass  ihre  Flügelbeine 
und  Gaumenbeine  in  der  Mille  des  harten  Gaumens  zusammenstossen,  mithin  gar  kein  grosses 
mittleres  Gaumenloch  formiren,  dagegen  aber  das  drille  seilliche  Gaumenloch  der  typischen  Sau- 
rier behalten.  Auch  wird  der  voiner  bei  ihnen  von  den  flach  ausgebreiteten  Gaumenplatten  der 
Oberkieferknochen  ganz  verdeckt.  Noch  abweichender  ist  das  Gaumengerüst  der  Chelonier,  in- 
sofern es  nicht  nur  aus  zwei  Knochen  an  jeder  Seite,  dem  Gaumen-  und  Flügelbein,  besteht, 
sondern  auch  bloss  eine  mittlere  gemeinschaftliche  Gaumenöffnung  für  die  Choanen  hat,  welche 
mehr  den  seitlichen  vorderen  Gaumenlöchern  der  typischen  Saurier,  als  ihrem  mittleren  analog 
ist.  Hiernach  würden  die  vorderen  Gaumenlöcher  von  Trematosaurus  für  die  Choanen  zu 
erklären  sein.  Unter  den  nackten  Amphibien  liaben  die  ungeschwänzten  Balrachier,  ausser 
dem  vomer,  noch  zwei  Gaumenknochen:  vorn  das  quergelagerte  Gaumenbein,  hinten  und  ganz 
gelrennt  von  jenem  das  Oucr- Flügelbein;  alle  übrigen  zeigen  nur  einen  einzigen  hinteren  Gau- 
menknochen *).  Dennoch  ist  ihre  Aehnlichkeit  mit  Trematosaurus  viel  geringer,  weil  das 
einfache  Gaumenbein  jeder  Seile  entweder  ganz  am  Keilbein  liegt,  oder  durch  das  Felsenbein 
völlig  von  ihm  getrennt  wird,  dagegen  den  Oberkieferknochen  nie  erreicht.  Die  Schlangen  end- 
lich erinnern  durch  die  Grösse  ihrer  Gaumenzähne  mehr  an  den  Typus  von  Trematosaurus,  als 
irgend  eine  andere  Amphibiengruppe,  allein  ihr  völlig  bewegliches  dreilheiliges  Gaumengerüst 
widerspricht  einer  näheren  Beziehung.  Gaumenzähne  haben  bekanntlich  ausserdem  nur  einige 
typische  Saurier  (manche  Lacertincn,  Agamen  und  Scincoiden),  und  zwar  bloss  auf  dem  Flügel- 
bein, allein  sie  sind  siels  klein  und  schwach.  Die  Gaumenzähne  der  nackten  Amphibien  sitzen 
am  Pflugscharbein,  das  bei  allen  übrigen  lebenden  Amphibien  zahnlos  ist,  indess  auch  bei  Tre- 
matosaurus kräftige  Zähne  trägt.  Hiernach  liegt  der  nächste  Vergleichungspunkt  für  das  Gau- 
menbein von  Trematosaurus  in  der  Gruppe  der  heuligen  typischen  Saurier;  allein  die  Aehnlichkeit 
ist  bei  näherer  Betraclilung  im  Einzelnen  nur  eine  ganz  allgemeine. 


§■   ''6- 

Vor  dem  Gaumenbein  liegt  bei  Trematosaurus  an  jeder  Seite  des  unteren  Schnaulzen- 
theiles  ein  ziemlich  starker  Knochen,  welcher  die  Lücke  zvyischen  dem  Gaumenbein,  Oberkiefer 
und  Zwischenkiefer  ausfüllt  und  mit  seinem  Nachbar  der  anderen  Seite  in  der  Mittellinie  zu- 
sammentrifft. Ich  halte  diesen  Knochen  für  das  Pflugscharbein  (^vomer ,  v.J.  Derselbe 
bildet  eine  länglich  rautenförmige  vorwärts  abgestutzte  Platte,  welche  nach  aussen  eine  kurze 


*)  In  der  Al)hildung,  welche  neuerdings  durch  Kölliker  von  Siredon  (Steguporus)  mexicamis  besorgt  wor- 
den ist,  bestellt  dieser  Knoclien  aus  zwei  Abtiieilungen,  von  denen  die  vordere  zaliutragende  Hälfte  als 
Gaumenbein  zu  deuten  wäre  (vgl.  Bericht  von  der  zoolog.  Anst.  zu  Würzburg.  Taf.  IV.  Fig.  2.  18.  21). 
Cuvier  {Ossem.  fossU.  V.  2.  pl.  27.  fig.  25.  m.)  stellt  beide  als  ein  Ganzes  dar.  Vielleicht  ist  jenes 
der  jüngere,  dieses  der  ältere  Zustand. 

5 


—    34    

gerade  Nalit  hat,  die  an  den  Oberkieferknochen  stösst,  und  von  der  Grube  für  die  Fangzähne 
des  Unterkiefers  bis  zu  der  kleinen  GauiuenöfTnung  (Choanen)  reicht.  Neben  jedem  Ende 
dieser  Nalit  ist  der  Knochen  stark  ausgebuchtet:  die  vordere  Bucht  gehört  der  Grube  für  die 
Fangzähne  des  Unterkiefers  an,  die  hintere  bildet  den  halben  Umfang  der  Choanenöffnung. 
Von  der  vorderen  Bucht  zieht  sich  eine  Naht  anfangs  quer  nach  innen,  wendet  sich  aber  bald 
darauf  nach  hinten  und  geht  in  dieser  Richtung  schief  bis  zur  Mittellinie  hin,  bis  sie  mit  der- 
selben Naht  von  der  anderen  Seite  in  die  einfache  mittlere  Gaumennaht  zusammentrifilt.  Dies 
geschieht  bald,  und  zwar  beträchtlich  vor  der  Mitte  der  PHugscharbeine.  Die  mittlere  Gaumen- 
naht ist  eine  einfache,  gerade  Naht  ohne  Zacken;  sie  setzt  als  solche  nach  hinten  fort,  bis  sie 
das  vorderste  Ende  der  grossen  hinteren  Gaumenlocher  iil)erschritten  hat;  dann  erst  öffnet 
sie  sich  mit  divergirenden  Schenkeln  und  nimmt  die  lange  feine  Spitze  des  processus  cuUri- 
formis  z^vischen  sich.  Neben  derselben  keilen  sich  die  hinteren  Enden  der  Pflugscharbeine 
in  einen  langen  spitzen  Fortsatz  aus,  welcher  etwas  mehr  als  den  vierten  Theil  vom  hinen- 
rande  des  grossen  Gaumenloches  bildet,  und  sich  innig  an  die  lange,  unten  flache  Spitze  des 
Processus  cultriformis  anlegt.  So  weit  die  Spitze  dieses  Fortsatzes  unten  flach  ist,  so  weit 
reichen  auch  die  hinteren  Fortsätze  der  Pfliigscharbeine.  Neben  ihnen  geht  von  dem  äusser- 
sten  Ende  der  grossen  Gaumenlöcher  eine  nach  innen  kurze,  seitwärts  divergirende  Naht  aus, 
welche  das  Pflugscharbein  vom  Gaumenbein  trennt  und  in  der  hinleren  Innenecke  der  Choanen 
endet.  Die  auf  solche  Weise  begrenzte  längliche  Fläche  jedes  Pflugscharbeines  ist  ganz  eben 
und  kaum  gegen  die  Mitte  zu  längs  der  Naht  etwas  mehr  gewölbt;  nur  am  Rande  der  Choanen 
bildet  sich  eine  leichte  Schwiele,  und  auf  derselben  sitzen  vier,  vielleicht  auch  fünf  kleine, 
stiflförmige  Zähne,  welche  indess  etwas  grösser  sind,  als  die  gegenüberstehenden  Zähne  des 
Oberkiefers  am  Aussenrande  der  Choanen.  Weiter  nach  vorn,  in  dem  Räume  zwischen  den 
Choanen  und  Fangzahnhöhlen,  trägt  jedes  Pflugscharbein  noch  zwei  grosse  konische  Zähne, 
welche  dem  zweiten  und  dritten  des  Gaumenbeines  hinter  den  Choanen  an  Grösse  entsprechen, 
aber  umgekehit  auf  einander  folgen,  denn  der  vorderste  ist  der  kleinere.  Ihr  Bau  ist  dem 
der  Zähne  am  Gaumenbein  vöflig  ähnlich. 

Warum  man  die  eben  beschriebenen  Knochen  für  die  Pflunrscharbeine  halten  muss,  darauf 
antwortet  die  schon  hervorgehobene  Analogie  mit  den  typischen  Sauriern,  deren  Pllugscharbeine 
genau  an  derselben  Stelle  in  analogen  Beziehungen  gefunden  werden.  Indess  verbinden  sie  sich 
nach  hinten  bei  den  Sauriern  bloss  mit  den  Gaumenbeinen,  nicht  so  innig  mit  dem  knorpeligen 
Processus  cultriformis  des  Keilbeins.  Eine  wirkliche  Verbindung  mit  demselben  findet  übrigens 
bei  den  Ophidiern  statt,  deren  bewegliches  Gaumengerüst  aber  in  keine  feste  Verbindung  mit  den 
analog  wie  bei  Trcmatosaurns  und  den  Sauriern  gelagerten  Pflugscharbeinen  liiü.  Auch  bei 
den  geschwänzten  nackten  Amphibien  erreicht  die  Spitze  des  os  basale  s/t/ieitoi(/cnin  die  Pflug- 
scharbeine und  tritt  mit  ihnen  durch  Nähte  in  Verbindung.  Diese  Verbindung  fehlt  wieder  den 
Krokodilen  und  den  Schildkrölen.  Bei  crsteren  sind  die  Pflugscharbeinc  von  den  Gaumenbeinen 
verdeckt,  letztere  haben  allein  unter  allen  Amphibien  ein  einfaches  Pflugscharbein,  und  stehen 
schon   deshalb  dem    Trematosaurus    am   entfernleslen.     Seine  nächsten   Verwandten   sind   also, 


35     

nach  der  Form  der  Pfliigscliarbeine  zu  urlheilen,  die  typischen  Saurier,  die  Ophidier  und  die 
geschwänzten  Balrachier,  obgleich  keine  von  diesen  drei  Gruppen  der  Bildung  bei  Tremaiosaurus 
ganz  analog  ist.  Die  letzteren,  oder  vielmehr  manche  der  nackten  Amphibien  überhaupt,  sind  mit 
Zähnen  auf  den  Pflugscharbeinen  versehen;  kein  heuliges  bedecktes  Amphibium  ist  daselbst  bezahnt. 

§■    1"- 

Schwieriger  als  die  jetzt  vollendete  Darstellung  des  gesammten  oberen  Schädels  ist 
die  Analyse  des  Unterkiefers.  Zwar  fehlt  es  nicht  an  Exemplaren,  welche  den  Umriss  und 
die  Bezahnung  vollkommen  deutlich  machen,  wohl  aber  fehlt  es  mir  an  genügendem  Material, 
um  die  einzelnen  Knochenstücke  des  Unterkiefers  in  ihren  Begrenzungen  gegen  einander  scharf 
feststellen  zu  können. 

Besprechen  wir  also  vor  der  Hand  nur  seine  allgemeine  Form,  so  stimmt  er  im  We- 
sentlichen mit  dem  Unterkiefer  des  Krokodils  überein,  und  unterscheidet  sich  von  demselben 
hauptsächlich  durch  eine  relativ  grössere  Länge,  eine  mehr  gerade  Streckung  und  eine  in  der 
vorderen  Hälfte  stärkere  Verjüngung.  Das  äusserste  Vorderende  ist  parabolisch  zugerundel 
und  entspricht  dem  Umriss  der  Schnautzenspitze,  obgleich  sein  Umfang  etwas  geringer  ist, 
weil  der  Oberkiefer  bei  geschlossenem  Maule  über  den  Unterkiefer  wegreicht.  Von  da  an 
gehen  die  Schenkel  divergirend  aus  einander,  und  folgen  ganz  dem  Umriss  des  Oberkiefers 
bis  zur  MundspaUe.  In  dieser  Gegend  biegt  sich  die  bisher  ziemlich  gerade  gestreckte  Seiten- 
fläche mit  ihrer  unteren  Kante  mehr  nach  aussen,  mit  der  oberen  stärker  nach  innen,  und 
gewinnt  dadurch  eine  stark  geneigte  Stellung.  In  der  Nähe  der  Backen,  da  w^o  die  flachen 
Jochbogenplatten  gewölbeartig  hervorragen,  erhält  die  geneigte  Fläche  ihre  höchste  Auftrei- 
bung; worauf  sie  ziemlich  schnell  wieder  sinkt,  und  in  den  flachen,  senkrecht  gestellten  hin- 
tersten Theil,  welcher  den  Gelenkfortsatz  bildet,  übergeht.  Sobald  die  Auftreibung  wieder  zu 
fallen  beginnt,  erreicht  der  Unterkiefer  seine  grösste  Höhe ;  er  bildet  hier  auf  dem  oberen  Rande 
einen  kammartig  vorragenden,  bogenförmig  begränzten,  scharfen  Saum,  welcher  dem  Kronen- 
fortsatze  entspricht.  An  der  tiefsten  Stelle  hinter  diesem  Kamm  ist  die  Gelenkgrube  für  den 
Paukenknochen,  eine  halbkreisrunde,  elliptisch  nach  innen  erweiterte  Grube,  deren  hinterer 
Rand  zapfenartig  emporragt.  Von  dem  Punkte  an,  wo  am  oberen  Rande  die  Gelenkgrube 
sich  befindet,  steigt  der  untere,  bis  daliin  ganz  gradlinigte  Kieferrand  gebogen  aufwärts,  und 
bildet,  über  die  Gelenkgrul>e  hinausreichend,  den  dicken,  aussen  flachen,  am  Ende  schief  ab- 
gestutzten hintersten  Theil  des  Unterkiefers.  Die  äussere  Fläche  jeder  Unterkieferhälfte  ist 
durch  eine  liefe  Längsfurche  in  zwei  Hälften  getheilt,  von  denen  die  obere  platter  ist,  die 
untere  stark  gewölbt  seitwärts  mehr  ^  ortritt.  Die  innere  Fläche  ist  in  ihrer  ganzen  Ausdeh- 
nung platter.  Jene  tiefe  Längsfurche  verliert  sich  nach  vorn  mehr,  und  ist  in  der  Mitte  am 
stärksten;  sie  endet  hinterwärts  auf  dem  hoch  gewölbten  Backenlheile.  Letzteren  bedeckt 
eine  von  dem  untersten  hintersten  Rande,  in  der  Gegend  wo  derselbe  sich  nach  hinten  zu 
hebt,    ausgehende   strahlig -furchige  Sculptur,   welche    über  kleinen  Grübchen  an  der  bezeich- 

'6* 


36    

neten  Stelle  ihren  Ursprung  nimmt.  Diese  Sculptur  entspricht  völlig  der  auf  den  Backenjoch- 
platten des  Oberkiefers.  —  Alle  diese  VerhäUnisse  sind  in  der  Figur  auf  der  dritten  Tafel, 
welche  nach  einer  im  Umriss  ganz  vollständigen,  nur  etwas  kleineren  linken  Unterkieferhälfte 
gezeichnet  wurde,  deutlich  zu  erkennen.     Die  Maasse  dieses  Unterkiefers  waren  folgende: 

Ganze  Länge  von  vorn  nach  hinten 7  Zoll    1 0  Linien 

Grösste  Breite  an  der  höchsten  Stelle  des  Kronenfortsatzes      ...       1      „       2       „ 
Länge  des  Kammes,  welcher  den  Kronenfortsatz  bildet,  bis  ziu'  Ge- 
lenkgrube           2     „     —       „ 

Länge  des  Fortsatzes  hinter  der  Gelenkgrube —     „10       „ 

Höhe  des  Unterkiefers  in  der  Gegend  des  grossen  Fangzahnes     .     .     —     „       4       „ 

Höhe  in  der  Gegend  des  hintersten  Zahnes —     „10       „ 

Höhe  in  der  Mitte  zwischen  beiden  Punkten —     „       8       „ 

Höhe  des  grossen  Fangzahnes —     „       6       „ 

Höhe  des  Alveolarrandes,  an  den  die  Zähne  von  innen  her  angelehnt 

sind,    vorn —     n       2       „ 

Derselbe  hinten —     „        '       „ 

Länge  des  zahntragenden  Theiles  vom  Kiefer 5     „       3       „ 

Dicke  des  Unterkiefers  in  der  Mite  dieses  Theiles —     „       4       „ 

Die  Zähne  des  Unterkiefers  sitzen  nicht,  wie  die  des  Oberkiefers,  auf  der  abgeplatteten 
Firste  eines  schwieligen  Randsaumes:  eine  Bildung,  welche  dem  Zahntypus  der  heutigen  Akro- 
donten  (nach  Wagler)  entspricht;  sondern  sie  sind  von  innen  her  an  eine  scharfe  erhabene 
obere  Randleiste  angelegt  und  passen  in  kleine  Vertiefungen  derselben  hinein,  mehr  nach  dem 
Typus  der  heutigen  Pleurodonten.  Im  Uebrigen  verhalten  sie  sich  ganz  wie  die  oberen 
Kieferzähue,  es  sind  kleine,  schlanke  Kegel  mit  gestreifter  Oberfläche.  Ihre  Anzahl  kann  ich 
leider  nicht  mit  Gewissheit  angeben,  weil  mir  kein  vollständiger  zahntragender  Kieferrand  vor- 
liegt; nach  den  Bruchstücken  aljer,  die  ich  untersucht  habe,  wird  sie  die  Zahl  GO  kaum  oder 
nur  wenig  iiberschreiten.  Tom  Kronenfortsatze  an  bis  fast  zur  Endspitze  sitzen  diese  kleinen 
Zähne  genau  in  der  ^Mittellinie  des  oberen  Kieferrandes;  da  indess  die  innere  Fläche  des  Kiefers 
platter  ist,  als  die  besonders  nach  unten  stark  gewölbte  äussere,  so  scheinen  sie  der  inneren 
Seite  näher  zu  stehen,  als  der  äusseren;  allein  ganz  vorn,  dicht  vor  dem  grossen  Fangzahn, 
wenden  sie  sich  schnell  mehr  nach  aussen,  und  stehen  hier  dem  äusseren  Rande  der  Aussen- 
seite  viel  näher,  als  dem  inneren.  Auf  diese  Weise  wird  in  der  Umgebung  der  Symphyse 
ein  ziemlich  breiter  geneigter  Raum  hinter  der  Zahnreihe  gewonnen,  und  auf  demselben  steht 
zu  jeder  Seite  der  Symphyse  der  grosse  Unterkieferfangzahn:  ein  hoher  schlanker  Kegel, 
welcher  hinter  der  kleinen  Zahnreihe  aus  eilier  starken  Vertiefung  des  Kiefers  sich  erhebt, 
den  grossen  Gaumenzähnen  des  Oberkiefers  in  seiner  Bildung  zwar  gleicht,  aber  formell 
schlanker  gestaltet  ist.  Zwischen  diesen  beiden  grossen  Fangzähnen  geht  die  Symphysennaht 
hindurch.    Der  Kiefer  ist  hier  zwar  dick,  aber  nicht  sehr  breit,  daher  die  Symphyse  nur  kurz 


37    

ist  und  den  Qiierdurchmesser  des  Unterkiefers  neben  der  Spitze  nur  wenig  an  Lange  über- 
trifll.  Die  Symphyse  selbst  scheint  lange  nicht  so  innig  gewesen  zu  sein,  wie  beim  Krokodil, 
sondern  mehr  so  locker,  wie  bei  den  typischen  Sauriern,  weil  alle  von  mir  untersuchten 
Unterkiefer  stets  in  ihre  beiden  Hälften  zerfallen  waren.  In  allen  diesen  Punkten,  und  beson- 
ders auch  in  der  Zahnstellung,  stimmt  übrigens  der  beschriebene  Unterkiefer  mit  den  treff- 
lichen Abbildungen  überein,  welche  Pr.  Owen  vom  Ober-  und  Unterkiefer  seines  Lahyrin- 
thndon  pachifguathus  und  leptognatlius  gegeben  hat.  (Vgl.  Trtmsact.  of  the  Geol.  Soc. 
sec.  ser.  Vol.  VI.  pl.  43.  fig.  1.  ö.  und  pl.  4  t.  fig.  I  —  3.  6—9.)  Ich  hielt  es  daher  nicht  für 
nöthig,  auch  meinerseits  Abbildungen  davon  mitzutheilen,  zumal  \veil  alle  jnir  vorliegenden 
Reste  weniger  gut  erhalten  sind,  als  die  von  Owen  dargestellten.  Dass  jene  Labyrinthodon- 
ten- Unterkiefer  viel  beträchtlichere  Dimensionen  haben,  als  die  von  mir  beschriebenen,  wird 
der  Leser  bei  Berücksichtigung  der  obigen  Maasse  leicht  wahrnehmen. 


§.   18. 

Die  Zusammensetzung  des  Unterkiefers  aus  seinen  einzelnen  Knochenstücken  zu  ermit- 
teln, ist  nicht  bloss  an  und  für  sich  wichtig,  sondern  auch  in  Bezug  auf  die  natürliche  Ver- 
wandtschaft der  Laljyrinthodonten  von  Bedeutung.  Bei  den  nackten  Amphibien  besteht  jeder 
halbe  Unterkiefer  nur  aus  drei  Stücken,  dem  vordersten  oder  Zahn  stück  (os  dentale), 
dem  oberen  Gelenkstück  (^os  articulare),  welches  in  manchen  Fällen  knorpelig  bleibt,  und 
dem  unteren  hinteren  Hauptstück  Qos  angulare),  welches  die  verbindende  Stütze  für  die 
beiden  vorigen  bildet  und  gemeiniglich  den  grössten  Theil  des  Kiefers  ausmacht.  Die  Schild- 
kröten steigern  die  Zaiil  jeder  Hälfte  auf  sechs,  weichen  indess  dadurch  ab,  dass  in  der 
Regel  die  Sj-mphysennaht  völlig  verschwindet,  wodurch  die  ungerade  Zahl  von  elf  Knochen 
im  ganzen  Unterkiefer  hervorgebracht  wird.  Zwischen  dem  Zahn-  und  Gelenkslück  lösen 
sich  nämlich  von  dem  Hauptstück  drei  Knochenstücke  ab,  welche  die  Gegend  vor  dem 
Gelenkstück  einnehmen.  Daselbst  liegt  an  der  Innenseite  jedes  Unterkieferastes  das  dünne 
flache  De  ekel  stück  ("o*  operctdare),  welches  den  Eingang  in  den  caiialis  alveolaris  über- 
brückt, und  an  der  äusseren  Seite  das  ähnlich  gestaltete,  etwas  kräftigere  untere  Eckstück 
Cos  subangulare},  über  welchem  sicli  der  stumpfwinkelige  Kronenfortsatz  als  drittes  oberes 
Eckstück  (os  stipraangulare^  erhebt.  Die  Krokodile,  derep  beide  Unterkieferhälften  zwar 
nicht  ganz  vollständig  in  der  Symphysennaht  verwachsen,  aber  doch  sehr  innig  mit  einander 
verbunden  sind,  haljen  in  der  Hauptsache  dieselbe  Anordnung,  aliein  es  bleibt  unter  dem 
Kronenfortsatz  in  beiden  Flächen  des  Kiefers  eine  Lücke,  die  an  der  äusseren  Seite  zwischen 
dem  oberen  und  Haupteckstück,  an  der  inneren  Seite  zwischen  ebendiesem  und  dem  unteren 
Eckstück  sich  befindet.  Letzteres  ist  ein  sehr  kleines  Knochenblättchen  über  dem  Eingang  in 
den  canalis  alveolaris;  es  bildet  gleichsam  einen  hinteren  Anhang  des  Deckelstücks,  welches 
beim   Krokodil  weiter   nach   vorn    reicht,    und    dadurch    den   bei  den  Schildkröten  vorn  offen 


38    

gebliebenen  canalis  alveolaris  vollständig  überwölbt.  Die  Eidechsen  und  Schlangen  weichen 
von  den  Krokodilen  hauptsächlich  nuf  darin  ab,  dass  ihnen  die  beiden  Lücken  in  den  Flächen 
des  Unterkiefers  fehlen,  stehen  aber  andererseits  den  Schildkröten  noch  ferner  durch  die 
weiche,  bei  den  Schlangen  sogar  höchst  elastische  Verbindung  ihrer  Unlerkieferhälfien  an  der 
Spitze.  Bei  den  Schlangen  bleilit  übrigens,  wie  bei  den  Sclüldkröten,  der  canalis  alveolaris 
in  der  ganzen  vorderen  Kieferhälfle  offen,  bei  den  Eidechsen  ist  er,  wie  beim  Krokodil,  voll- 
ständig  bis  zur  Spitze  geschlossen. 

Nach  diesen  Angaben  wird  es  nun  nicht  schwer  hallen,  zu  entscheiden,  ob  der  Unter- 
kiefer von  Trematosaurus  mehr  mit  dem  Typus  der  nackten  .4mphibien ,  als  mit  dem  der 
bedeckten  in  Harmonie  steht,  allein  ob  eine  grössere  Analogie  zwischen  Trematosaurus  und 
den  Krokodilen  einerseits,  oder  den  Eidechsen  und  Schlangen  andererseits  bestehe,  das  wird 
ohne  die  Untersuchung  ganz  vollständiger  Unterkiefer  kaum  mit  einiger  Sicherheit  ausgemittelt 
werden  können. 

Die  beiden  mir  zur  Untersuchung  vorliegenden  Unterkiefer  sind  das  leider  nicht,  und 
zwei  andere  Bruchstücke,  welche  ich  noch  daneben  besitze,  unterstützen  den  an  ihnen  sicht- 
baren Bau  nur  unbedeutend.  Der  eine  Unterkiefer  besteht  aus  einer  rechten  Hälfte,  die  mit 
der  äusseren  Fläche  frei  liegt;  er  ist  7"  10'"  lang  ujul  an  der  oberen  Knochendecke  völlig 
zerstört,  so  dass  nur  die  Knochenbruchränder  mit  dem  durch  Eindringen  des  Muttergesteins 
gebildeten  Kern  des  canalis  alveolaris  übrig  blieben;  der  andere,  ebenfalls  ein  rechter,  zeigt 
die  innere  Knochenfläche  frei  und  ist  an  der  vorderen  Hälfte  noch  mit  der  oberflächlich  zer- 
störten Knochenschicht  versehen;  er  misst  7"  2'".  Nach  jenem  ist  der  reslaurirte  Unterkiefer 
in  Fig.  2.  auf  Taf  III.  von  aussen  gezeichnet,  von  innen  gebe  ich  ihn  hier  mit  dem  zweiten  im 
Holzschnitt  wieder. 


Die  Betrachtung  des  letzteren  zeigt,  dass  die  übrig  gebliebene  Knochenschicht  von  der  Spitze  bis 
ztu' Mitte  reicht  und  ausserdem  am  ganzen  Umfange  in  Bruchstücken  vorhanden  ist.  Jene  vordere 
Knochenfläche  wird  durch  zwei  sehr  deutliche  Nähte  in  drei  Theile  zerlegt:  einen  oberen  brei- 
ten Saum,  der  die  Zähne  trägt;  einen  unteren  wenig  schmäleren,  der  an  der  Spitze  mit  dem 


a 


39     

oberen  zusammenzuhängen  scheint,  und  einen  milderen,  der  hinten  mit  den  beiden  vorigen 
gleiche  Breite  hat,  sich  aber  alhnahg  verschmälert  und  mit  einer  feinen  Spitze  da  endet,  wo 
die  beiden  Randknochenstreifen  zusammenstossen.  Vor  dieser  Stelle  sieht  man  noch  das  Ende 
des  canaüs  alveolaris  geöHnet,  und  bemerkt  eine  etwas  stärkere  Erweiterung  desselben 
erade  unter  dem  grossen  Fangzahn.  Ueberhaupt  ist  der  ganze  Unterkiefer  hohl,  und  überall 
nur  von  einer  dünnen,  1 —  \\  Linie  dicken  Knochenschicht  umkleidet.  —  Ich  halte  nun  den 
oberen  Randknochen  fiu-  den  inneren  Saum  des  Zahnstiicks  (os  dentale,  a.),  den  mittleren 
Knochen  für  das  Deckelstück  (os  opercidare,  ß.)  und  den  unteren  Randknochen  für  den  eben- 
falls von  untenher  umgeschlagenen  Saum  des  Zahnstücks.  Hieraus  würde  folgen,  dass  die 
ganze  äussere  Knociienfläche  an  der  vorderen  Hälfte  des  Unterkiefers  einem  einzigen  Knochen, 
dem  Zahnstück,  angehöre,  und  die  darauf  sichlbai'c  mittlere  Längsfurche  keine  Naht  anzeige, 
sondern  eben  nur  eine  Vertiefung  in  der  Knochensubstanz  ist.  Ich  glaube  mich  zu  dieser  An- 
nalune  um  so  mehr  berechtigt,  als  ich  an  den  beiden  Unterkieferbruchstücken,  welche  der 
vorderen  Kieferhälfte  angehören,  und  die  ihre  äussere  Knochenschicht,  wenn  auch  oberlläch- 
lich  abgenutzt,  behalten  haben,  keine  Spur  einer  mittleren  Längsnaht  wahrnehmen  kann,  son- 
dern nur  eine  zusammenhängende  Knochenschicht  bemerke.  Ausserdem  haben  sämmtliche 
lebende  Amphibien  dieselbe  Anlage  des  Unterkiefers,  seine  vorderste  Hälfte  ist  bei  allen  ein 
einfacher  Knochen  auf  der  Aussenseile.  Es  erleidet  nun,  nach  eben  dieser  Analogie,  keinen 
Zweifel,  dass  der  obere  Rand  des  Zahnstücks  so  weit  nach  hinten  reicht,  wie  der  Unterkiefer 
Zähne  trägt,  d.  h.  bis  zum  Beginn  des  kammarlig  emporgebogenen  Kronenfortsatzes,  und  eben 
dort  zeigt  sich  denn  auch  sehr  deutlich  die  Naht,  welche  beide  Knociienstücke  von  einander 
Iremit.  Ebenso  besthumt  ist  eine  andere  Naht  am  unteren  Rande  des  Kiefers  etwas  weiter 
nach  vorne  wahrzunehmen;  sie  sonderte  hier  die  ausgezogene  keilförmige  Spitze  des  Zahn- 
stückes ab  und  giebt  deutlich  zu  erkennen,  dass  sich  das  zwischen  den  nach  innen  umge- 
schlagenen Rändern  des  Zahnstückes  befmdliche  Deckelstück  hinterwärts  mehr  erweiterte.  Die 
Anwesenheit  dieses  Stückes  an  einer  so  ^veit  nach  vorne  befindlichen  Stelle  und  die  feine 
Zuspitzung  desselben  spricht  entschieden  für  die  Verwandtschaft  des  Trematosaurus  llieils 
mit  den  Krokodilen,  theils  mit  den  typischen  Sauriern,  und  lässt  vermuthen,  dass  dieses  Stück 
den  ganzen  freien  Raum  zwischen  den  umgeschlagenen  Rändern  des  Zaimstückes  erfüllte,  also 
etwa  bis  in  die  Gegend  reichte,  wo  jene  Ränder  sich  schnell  nach  hinten  zu  ziehen.  Ob  der 
kleine  Knochensplitter  [y.),  welcher  hier  neben  der  Spitze  des  unteren  Saumes  vom  Zahnstück 
liegt,  noch  zum  Deckelslück  gehöre,  oder  nicht  vielmehr  der  Rest  des  bei  den  typischen  Sau- 
riern sehr  kleinen,  auf  die  Biegungsstelle  des  unteren  Kieferrandes  beschränkten  unteren 
Eckstückes  (os  suhattgulare)  sei,  muss  begreiflicherweise  unentschieden  bleiben.  Dagegen 
sieht  man  sehr  deutlich,  wie  das  kammartig  emporsteigende,  längliche  und  bogenförmig  be- 
grenzte obere  Eck-  oder  Kronenstück  (os  supraan(julare,  d\J  sicli  mit  seiner  vorderen 
Spitze  unter  das  hintere  Ende  des  Zahnstückes  legt  und  so  dessen  ausgekeilte  Spitze  trägt, 
dann   den  Kronenfortsatz   bildet  und  unmittellKu-  vor  der  Gelenkgrube  für  den  Paukenknochen 


40     

endet,  wenn  es  nicht  gar,  wie  beim  Krokodil,  nach  aussen  zu  die  Gelenkgrulie  schloss,  und 
also  hintervvärts  noch  über  sie  hinausging.  Hiernach  waren  drei  Knochenstücke  des  Unter- 
kiefers: das  Zahn  stück,  Deckelstück  und  obere  Eckstück,  sicher  festgestellt;  es  fehlen 
noch  drei  andere:  das  Gelenkstück,  Haupteckstück  und  untere  Eckstück,  um  die 
Analogie  mit  den  Krokodilen  oder  Sauriern  vollständig  zu  haben.  Um  diese  drei  Stücke  bei 
Trematosaurus  auszumitteln,  ist  es  nöthig,  zu^or  ihre  Verschiedenheiten  bei  den  typischen 
Sauriern  und  den  Krokodilen  zu  besprechen. 

Das  Gelenkstück  der  Krokodile  ist  relativ  sehr  klein,  es  bildet  hauptsächlich  nur  die 
Gelenkfläche,  und  steigt  mit  ein  Paar  Fortsätzen  nach  hinten  und  unten  an  der  inneren  Wand 
des  Haupteck  Stückes  herab.  Letzteres  bedeckt  dasselbe  grösstentheils  von  aussen,  formirt 
den  ganzen  unteren  hinteren  Kieferrand,  nimmt  den  Hauptiheil  des  grossen  hinteren  Fortsatzes 
ein  und  stösst  nach  vorn  und  aussen  mit  dem  Zahnstück,  nach  innen  mit  dem  Deckelstück 
zusammen.  Das  dritte  Stück  nennt  Cuvier  beim  Krokodil  os  complementaire ,  es  ist  die 
kleine  dreieckige  Platte,  welche  an  der  hinenseite  des  Unterkiefers  über  dem  Eingange  in  den 
caticilis  alveolar is  liegt,  nach  oben  an  das  obere  Eckstück,  nach  vorn  an  das  Deckelstück 
und  nach  unten  an  das  Haupteckstück  stösst.  Bei  den  typischen  Sauriern  dagegen  liegt  dies 
kleine  Knochenstück  bloss  am  unteren  Rande  des  Kiefers,  zwischen  dem  Deckelstück  und 
Haupt  eckstück,  weshalb  der  Name  unteres  Eckstück  mn  so  passender  erscheint,  als  gerade 
in  ihm  die  Hauptbiegungsstelle  des  unteren  Kieferrandes  aufzutreten  pflegt.  Hinter  demselben 
liegt  nicht  das  Haupteckstück,  sondern  das  Gelenkstück,  welches  also  den  ganzen  hinteren 
Kieferrand  mitsammt  dem  hinteren  Fortsatze  und  der  Gelenkfläche  bildet,  während  das  Haupt- 
eckstück  der  typischen  Saurier  hauptsächlich  in  der  Aussenfläche  des  Unterkiefers  steckt, 
hier  als  eine  bald  längliche  schmale,  bald  kurze  breite  Platte  den  Raum  unter  dem  Kronen- 
fortsatze  einnimmt,  und  zugleich  die  kurze  Strecke  des  oberen  Kieferrandes  zwischen  Kro- 
nenfortsatz und  Gelenkfläche  bildet. 

Gehen  w'w  \oii  diesem  Charakter  aus,  so  kann  derselbe  nicht  bei  Tremafosaitnis 
sich  finden,  weil  bei  ihm  das  obere  Eckstück  mit  dem  Kronenfortsatze  bis  unmittelbar  an  die 
Gelenkfläche,  d.  h.  liis  an  das  Gelenkstück  reicht.  Darnach  wäre  eine  grössere  Analogie  mit 
dem  Krokodil,  als  mit  den  typischen  Sauriern  wahrscheinlich,  und  für  eine  solche  spricht  auch 
die  gesammte  Form  des  Unterkiefers.  Wir  win-den  also  den  kleinen  geschwungenen  Knochen- 
splitter («.)  hinter  der  Gelenkfläche,  zu  dem  oirenbar  auch  die  Gelenklläche  selbst  gehört  (denn 
dafür  zeugt  der  aufsteigende  Fortsatz,  welcher,  ganz  ähnhch  wie  beim  Krokodil,  den  hinteren 
erhabenen  Rand  der  Gelenkgrube  bildete),  für  das  Gelenkstück  halten  müssen  und  anneh- 
men dürfen,  dass  dasselbe  auf  die  obere  Hälfte  des  hinteren  grossen  Fortsalzes  beschränkt 
war.  Davon  überzeugt  uns  die  schmale  Form  des  Splitters  sehr  bestimmt.  Dann  wäre  der 
grössere,  langgezogene  Knochensplitter  am  unteren  Rande  des  Kiefers  (^.)  ein  Theil  des  Haupt- 
eckstückes, welches  sich  hinterwärts  bis  an's  Ende  des  grossen  hinleren  Fortsatzes,  vor- 
wärts bis  an  das  Deckelstück  ausdehnte,    die  Mitte    der  stark  cewölblen  äusseren  Fläche  des 


41     

Unterkiefers  einnaliin  luul  an  der  Innenseite  den  daselbst  belindlichen  Eingang  in  den  ccmalis 
alveolaris  mit  seinem  vorspringenden  unteren  Rande  liegrenzfe.  Auf  der  äusseren  grösseren 
Partie  dieses  Haupteckstiickes  befindet  sich  die  radial  furchige  Sculptur,  \veiche  früher  be- 
schrieben worden  ist;  es  legt  sich  nach  oben  an  das  obere  Eckstlick,  nach  vorn  an  das 
Zahn  stück,  nach  hinten  an  das  Gelenkstück,  und  bildet  in  seinem  grössten  Theile  eine 
flache,  langgezogene,  beiderseits  zugespitzte  Knochenplatte,  welche  von  einem  verdickten,  um- 
geschlagenen unteren  Rande  ausging,  und  wahrscheinlich  einen  etwas  stärkeren  Fortsatz  nach 
hinten  zum  Gelenkstück  abgab,  um  mit  ihm  den  hinteren  Hauptfortsatz  des  Unterkiefers  zu 
bilden.  Die  Abgränzung  dieses  langgezogenen,  offenJ)ar  in  der  Hauptsache  nach  dem  Typus 
der  Krokodile  gebildeten  Eckstücks  gegen  das  Gelenkstück  liess  sich  auf  der  äusseren  Seite 
des  Unterkiefers  in  keiner  Weise  sicher  verfolgen;  die  ganze  Knochenmasse  des  hinteren  Theils 
vom  Unterkiefer  bot  keine  Spur  irgend  einer  Naht  dar,  wie  sich  aus  der  Betrachtung  des 
oberen  Holzschnitts  auf  S.  38  näher  ergiebt;  dagegen  erscheint  die  Ausdehnung  des  Eckstücks  . 
nach  vorn,  ^venigstens  an  der  imieren  Seite  des  Unterkiefers,  mir  minder  zweifelhaft  zu  sein. 
Ich  glaube  nämlich,  dass  der  schon  erwälinte  kleine  Splitter  y  wirklich  nur  tlas  vordere  Ende 
des  Eckstücks  ist  und  die  vorderste  Spitze  des  verdickten  umgeschlagenen  Randes  selbigen 
Knochens  bezeichnet.  Dann  win-de  in  dem  Raum  zwischen  (T,  'C  und  y  der  Eingang  in  den 
canalis  alveolaris  zu  suchen  sein,  vor  welchem,  am  liinteren  Ende  des  Deckelstücks,  ganz 
wie  beim  Krokodil,  d.  h.  nicht  am  Rande,  sondern  in  der  Inneniläche  des  Unterkiefers,  das 
kleine  völlig  verloren  gegangene  untere  Eckstück  lag.  Der  Tlieil  des  Unterkiefers,  welcher 
sich  hinter  dem  Eingange  in  den  canalis  alveolaris  Itetindet,  war  ohne  Frage  stark  vertieft 
oder  vielmehr  muldenförmig  ausgehöhlt,  wie  beim  Krokodil,  und  daher  kommt  es,  dass  man 
an  dem  Unterkiefer,  welcher  von  innen  bloss  liegt  (man  betrachte  den  unteren  Holzschnitt  S.  38), 
nur  über  und  unter  dieser  Mulde  die  nach  innen  vortretende  Knochensubstanz  wahrnimmt. 
Oben  ist  es  der  dicke  Rand  des  Gelenkstücks  hinter  der  Gelenkfläche  («),  unten  der  nicht 
minder  stark  vorspringende  umgeschlagene  Randsaum  des  Haupteckstücks  (Q).  üebrigens  weiss 
man  aus  Owen's  Abbildungen  des  Unterkiefers  von  habyrinlhodon  (a.  a.  0.  Taf.  46.),  dass 
derselbe  kein  Locli  in  der  Aussenfläche  besitzt,  wie  beim  Krokodil,  und  muss  schon  deshalli 
eine  weitere  Ausdehnung  des  Ilaupteckstücks  in  die  Fläche  des  Unterkiefers  für  nölhig  halten. 
Auch  habe  ich  in  H.  v.  Braun's  Sammlung  den  Abdruck  eines  vollständigen  Unterkiefers  ge- 
sehen, welcher  an  der  Stelle,  wo  das  Haupteckstück  liegen  müsste,  genau  dieselbe  Sculptur, 
wie  die  seitlichen  Kopfknochen  hatte,  und  völlig  geschlossen  war. 

Aus  dieser  Darstellung  dürfte  sich  also  ergeben,  dass  der  Unterkiefer  von  Tre- 
matosaurus ,  wie  in  der  Gesammtforni,  so  auch  ir\  tier  Zusammensetzung  aus  seinen 
einzelnen  Stücken,  am  meisten  dem  der  Krokodile  sich  nähert,  indess  einzelne  Eigenschaf- 
ten, und  namentlich  die  feine  Zuspitzung  des  Deckelstücks,  mit  dem  Kiefer  der  typischen 
Saurier  gemein  hat.  Dahin  wluxle  auch  der  Mangel  von  Lücken  zwischen  seinen  Knochen- 
platten  p:ehören. 

(i 


.     42     

Eine  gewisse  Unsicliorlioil  der  DiirstoUnng  liegt  oITonbiir  nur  in  der  Ausdehnung,  die  ich 
dem  Haupleckslüi-k  (h;!S  Untcikiefers  gegeben  habe  und  welche  zu  heben  ich  niclit  im  Stande  bin. 
Anfangs  nahm  ich  den  Taf.  IV.  Fig.  i.  abgebddeten  schuppenfürmigen  Knochen  für  das  Haupt- 
eckstück des  Unleikiefeis,  l)in  aber  jetzt  von  seiner  anderweitigen  Bedeutung  völlig  überzeugt. 
Ein  ganz  idinlichcr  Knochen  ist  auch  von  Plieningcr  beobachtet  und  in  mehreren  Figuren 
(Taf.  IV.  Fig.  1.  2.  Taf.  Vll.  Fig.  7.  Taf.  VIII.  Fig.  10.)  abgebildet.  Er  hält  ihn,  wenigstens  den 
Taf.  IV.  Fig.  1.  2.  abgebildeten,  für  das  Schullerblalt  (BcÜr.  z.  Paläont.  Würtemb.  S.  63);  eine 
Ansicht,  deren  Irrthum  leicht  zu  zeigen  ist.  Schon  die  Form  dieses  Knochens  ähnelt  keinem 
Schulterblatt  i'gend  eines  Aniphibiums ,  vielmehr  hat  er  nur  im  Umriss  eine  gewisse  flüchtige 
Aehnlichkeil  mit  dem  Schulterblatt  des  Menschen,  auf  welche  H.  Plieninger  doch  kaum  Ge- 
wicht legen  konnte.  Ferner  kann  kein  Schulterblatt  Sculplurcn  haben,  welche  die  superficielle 
Lage  des  Knochens  beweisen,  weil  alle  Schulterblätter  von  Jluskeln  bedeckt  sind.  Dieser  Knochen 
war  aber  ein  superficieller,  bloss  von  Haut  bedeckter,  also  ge^^iss  kein  Schulterblatt.  Endlich 
fehlt  jede  Andeutung  irgend  einer  Gelenkfläche,  die  doch  sicher  am  Schulterblatt  vorhanden  sein 
müsste.  —  Auf  das  öftere  Vorkommen  dieser  und  einiger  anderen  isolirlen  Knoclienplatten  mit 
superficiellen  Sculpturen  gründete  H.  v.  Braun  seine  Annahme,  dass  der  Leib  \on  TrcmalosiiHnis 
gepanzert  war.  Ich  kann  dieser  Ansicht  niclit  beipflichten,  theils  weil  die  Menge  der  gefundenen 
Knochenplatten  nur  gering  ist,  theils  weil  sie  keinen  gleichen,  sondern  einen  verschiedenen 
Umriss  haben.  Wären  es  Panzerstücke,  etwa  wie  die  des  Krokodils,  so  müssten  sie,  wenn  auch 
an  Grösse  verschieden,  doch  in  Anlage  und  Ausführung  übereinslinnnender  sein.  Ich  glaube 
vielmehr,  dass  die  isolirlen  Knoclienplatten  mit  superficiellen  Sculpturen  sämmtlich  am  Kopfe  sich 
befanden,  und  meistens  losgetrennte  Stücke  des  schildförmig  ausgebreiteten  Jochbogengerüstes  sind. 
Auf  freiliegenden  Knochenschildern  des  Rumpfes  würden  sicher  die  Sculpturen  radial  nach  allen 
Seiten  hin  verlaufen  und  von  einer  mittleren  Gruppe  kleiner  Grübchen  ausgehen,  wie  das  bei  den 
mittleren  Knochenschildern  des  Schädels  der  Fall  ist.  Solche  Knochenplatten  kommen  aber  nur  sehr 
selten  vor  und  sind  dann  auch  mittlere  Schädolknoclien,  während  sie  allgciiiein  und  häufiger  vor- 
kommen müssten,  wenn  es  Rumpfpanzerschilder  gewesen  wären.  Man  denke  z.  B.  nur  an  die 
Schilder  der  Störe,  um  sich  von  der  Richtigkeit  dessen,  was  ich  in  Bezug  auf  die  Anordnung 
der  Sculptur  gesagt  habe,  zu  überzeugen.  Endlich  wissen  wir  direkt  aus  den  Beobachtungen  an 
Archcfjosaurus,  dass  dessen  Leib  mit  kleinen  feinen  spitzen  Schuppen,  aber  nicht  mit  Knochen- 
schildern, bekleidet  war. 

Zur  Unterstützung  meiner  Ansicht,  dass  die  isolirten  Knochenschildcr,  welche  man  unter 
den  Resten  von  Tretnalosuurns  öfters  antrid'!,  Tlieile  des  Kopfes  im  Ganzen  ^varen,  nuiss  ich 
schliesslich  noch  auf  die  allermcistens  sehr  zerstörte  Beschafi"enheit  der  Fundstücke  überhaupt 
aufmerksam  machen.  Immer  liegen  sie  isolirt,  und  nie  finden  sich  ganze  Schädel  mit  dem  Unter- 
kiefer im  Zusammenhange,  wie  etwa  der  schöne  Schädel  von  Muslixlonsaurtis,  welchen  Plie- 
ninger abgebildet  hat  (a.  a.  0.  Taf.  VI.  u.  VII.).  Ich  schliesse  daraus,  dass  die  Knochenrestc 
von  längst  verendeten- Thieren  herrühren,  die  schon  angefault  vom  Wasser  mit  fortgeführt  wur- 
den, bis  sie  in  dem  Bernburger  Becken  ihre  bleibende  Lagerstätte  erhielten.  Auf  dem  Wege 
zertrümmerten  die  faulen  Leiber  der  Tliiere  schliesslich  ganz,  und 'nur  die  härtesten  Theile  des 
Schädels  erhielten  sich.  Dass  sich  während  des  Transportes  die  lose  an  einander  gefügten 
Knochenplatten  ablösen  konnten,  wird  Niemand  in  Abrede  stellen  wollen.  Zugleich  erklärt  diese 
Annahme  den  Mangel  aller  kleineren  Knochen,  als  Wirbel,  Rippen  und  E.\tremilälen,   weil  diese 


43     

vermöge  ihrer  Lcicliligkeit  entweder  vom  Strom  noch  weiter  fortgeführt,  oder  schon  unlerweges 
völlio-  zerstört  wurden.  Nie  ist  mir  irgend  ein  Zehenglied  oder  eine  Rippe  zu  Gesicht  gekommen, 
und  selbst  die  reichhaltige  v.  Braunsche  Sammlung  besitzt  nichts  der  Art;  alle  ihre  Handstücke 
sind  ganze  Schädel,  Schädeltheile  oder  Knochenschilder,  mit  Ausnahme  einer  etwa  spannenlangen 
Strecke  vom  Schvvanztheil  der  Wirbelsäule,  an  welcher  sich  jedoch,  ausser  hohen  Dorn-  und 
Querforlsälzen,  nichts  für  die  Bestimmung  des  Thieres  Brauchbares  ermitteln  Hess.  Ich  behaupte, 
in  Folo-e  der  angeführten  Thalsachen,  dass  die  Trem  alosaure  n  entweder  Landthiere,  oder  hoch- 
stens,  gleich  den  Krokodilen,  Süsswasserbewohner  waren,  deren  anderswo  abgestorbene  Leiher 
von  entweder  normalen  oder  abnorm  vermehrten  Binnengewässern  bis  in  das  marine  Wasser- 
becken geführt  wurden,  in  dessen  Sediment  noch  heule  ihre  petrificirten  Reste  liegen.  Letztere 
bestehen  aus  Eisenoxydul,  das  in  die  thierischen  Gewebe  eindrang,  sind  von  schwarzbrauner 
Farbe  und  äusserst  geiirechlich,  weil  die  zum  Theil  gebliebene  thierische  Grundmaterie  die  voll- 
ständige Uebertragung  des  anorganischen  Materials  verhinderte  und  dadurch  die  geringe  Cohärenz 
der  abgelagerten  Quantitäten  desselben  bewirkte.  Die  Oberfläche  der  Stücke  ist  gewöhnlich  sehr 
innig  mit  Sand  impriignirt,  und  nur  sehr  seilen  noch  mit  der  normalen  äussersten  Schicht  des 
Knochens  versehen.  Auch  das  spricht  für  eine  bereits  weit  vorgeschrittene  Zersetzung  der 
Knochensubstanz  und  ihre  in  Folge  der  langsamen  Einhüllung  schon  längst  eingetretene  faulige 
Beschaffenheil. 

§.   19. 

Am  Schluss  dieser  Schilderung  des  Schädels  von  Trematosmiriis  habe  ich  noch  des 
inneren  Biiues  der  Zähne  zu  gedenken,  um  auch  daran  die  Labyrinthodontennatur  zu  erweisen. 
Indess  hindert  die  eben  erwähnte,  feineren  mikroskopischen  Untersuchungen  wenjg  günstige 
Beschafl«ilieit  der  Petriticate  eine  so  genaue  Erkenntniss,  wie  sie  Hrn.  Owen  bei  seinem 
Lahyrmthodon  Jaegeri  gelang.  Namentlich  war  es  unmöglich,  hinreichend  dünne  Schichten 
des  Zahnes  zu  bekommen,  um  dieselben  als  Objecte  mikroskopischer  Beobachtung  mit  durch- 
fallendem Lichte  benutzen  zu  können;  jeder  Versuch,  einen  feinen  Querschnitt  zu  machen, 
missglückte,  indem  der  Zahn  schon  beim  blossen  Ansetzen  eines  schneidenden  Instrumentes 
sofort  zersplitterte.  Unter  diesen  Umständen  blieb  nichts  anders  übrig,  als  die  frei  liegenden 
Querflächen  mitten  durchgebrochener  Zähne  anzuschleifen,  und  zu  versuchen,  ob  sich  auf  ihrer 
Fläche  bei  starker  Beleuchtung  durch  auffallendes  Licht  eine  Ansicht  von  den  Windungen  der 
durch  die  Zahnschicht  vertheilten  Fortsetzungen  ihrer  centralen,  schon  mit  blossem  Auge  sicht- 
baren Kernhöhle  gewinnen  lasse.  Diese  Versuche  gelangen  wenigstens  bis  zu  einem  Grade, 
der  hinreichte,  um  daraus  die  völlige  Uebereiustimmung  der  Zahnstructur  mit  der  von  Owen 's 
Labyrinthodon  Jaegeri  zu  erkennen.  Ich  habe  versucht,  mein  Resultat  durch  eine  Figur 
(Taf.  IV.  Fig.  6.)  zu  erläutern,  und  muss  in  Bezug  auf  dieselbe  nur  bemerken,  dass  sie  zwar 
die  bestimmte  .\bbildung  eines  der  Aon  mir  untersuchten  Zähne  giebt,  indessen,  bei  der 
Lückenhaftigkeit  des  abgebildeten  Objectes,  die  Resultate  der  verschiedenen  Beobachtungen 
zusammengetragen  enthält,  welche  ich  an  mehreren  einzelnen  Zähnen  gemacht  habe.  Auch 
sind    die  Farben,   hinsichtlich  ihrer  Intensität,   an  den  fossilen  Zähnen  gerade   umgekehrt;   die 

6* 


44     

breiten  gewundenen  weissen  Lamellen  meiner  Figur  erscheinen  tief  und  rein  schwarz,  die  da- 
zwischen befindlichen  verästelten  dunklen  Linien  dagegen  röthlich,  und  die  scharfen  gewun- 
denen Conturlinien,  \velche  vom  Umfange  der  Figur  in  die  gewundenen  Zahnlamellen  eindrin- 
gen, Hessen  sich,  eben  der  schwarzen  Farbe  dieser  Lamellen  wegen,  fast  gar  nicht  unter- 
scheiden, ihre  Anwesenheit  konnte  nur  aus  den  Einschnitten  am  Umfange  des  Zahnes,  von  denen 
sie  ausgehen,  gefolgert  werden,  hii  Uebrigen  waren  die  weissen  (in  der  That  aber  schwar- 
zen) Lamellen  und  die  dazwischen  auftretenden  dunklen  (in  der  Wirklichkeit  fuchsrothen) 
verästelten  Lücken  völlig  scharf  ^  on  einander  abgesondert,  so  dass  sich  die  Begrenzung  beider 
gegen  einander,  und  die  Ausdehnung  jedes  ^on  Jjeiden,  mit  völliger  Sicherheit  wahrnehmen 
liess.  Icli  hebe  dies  mit  Bedacht  hervor,  weil  in  Owen's  Figur  (a.  a.  0.  S.  507)  die  Fort- 
setzungen der  centralen  Höhle  mit  zahlreichen  feinen  Nebenröhrchen  in  die  gewundene  Zahn- 
substanz ausstrahlen,  was  zwar  ohne  Zweifel  auch  bei  Trematosaurus  der  Fall  sein  wird, 
indessen  durch  directe  Beobachtung  an  den  Zähnen  nicht  ermittelt  werden  konnte.  Der  Bau 
des  Zahnes  ist  demnach  folgender. 

Die  scheinbar  solide,  feste  und  dicke  Wand  des  kegelförmig  gestalteten  Zahnes  besteht 
aus  einer  Anzalil  Blätter,  welche  vom  Centrnm  radial  zur  Peripherie  streben,  allein  nicht  grad- 
linigt  fortsetzen,  sondern  auf  ihrem  Wege  sich  wellenförmig  hin  und  her  biegen.  Jedes  Blatt 
ist  inwendig  hohl  imd  steht  diu-ch  diese  Höhlung  mit  der  centralen  Zahnhöhle  in  Verbindung; 
es  besteht  also  genau  genommen  aus  zwei  durch  eine  schmale  Lücke  getrennten  Blättern, 
vvelche  am  Umfange  in  einander  übergehen.  Indem  nun  jede  Seite,  oder  vielmehr  jede  der 
zwei  Wände  des  Blattes  ihre  wellenförmigen  Biegungen  für  sich  allein  und  in  der  Regel  so 
beschreibt,  dass  die  Wellenbiegungen  beider  Wände  nicht  in  einander  fallen,  sondern  einander 
entgegengesetzt  sind,  entstehen  Nebenhöhlen,  die  senkrecht  von  der  mittleren  Längshöhle  jedes 
Blattes  ausgehen  und  mehr  oder  weniger  auf  einander  passen.  In  die  Lücken  zwischen  den 
Wellen  jeder  Wand  eines  Blattes  legen  sich  nun  die  Wellen  der  gegenüberstehenden  Wand 
des  benachbarten  Blattes  hinein  und  füllen  sie  so  vollständig  aus,  dass  beide  Wände  zweier 
benachbarten  Blätter  zusammen  nur  eine  gewundene  Zahnschicht  auszumachen  scheinen.  Das 
sind  die  auf  dem  (Juersclinilt  erscheinenden  Lamellen,  deren  feine  mittlere  Trennungslinie  nur 
daran  erkannt  werden  kann,  dass  ein  Einschnitt  am  Umfange  des  Zahnes,  welcher  in  jede 
Lamelle  einzudringen  strebt,  sie  andeutet.  Diese  Einschnitte  erscheinen  auf  der  äusseren 
Zahnfläche  als  feine  Längsfurchen,  und  von  ihnen  rührt  das  gestreifte  Ansehen  des  Zahnes 
lier.  Der  Raum  zwischen  zweien  solchen  Furchen  ist  also  das  geschlossene  äusserste  Ende 
eines  Zahiiblattes,  und  die  Furche  bezeichnet  die  Grenze  zweier  dicht  neben  einander  liegen- 
den, mit  ihren  Windungen  in  einander  greifenden  Blätter.  Die  Wände  der  Zahnblätter  werden 
gegen  die  Peripherie  hin  allmälig  etwas  dicker,  und  aus  diesem  Grunde  werden  auch  die  von 
den  benachbarten  Wänden  zweier  Blätter  gebildeten  Substanzwindungen  etwas  breiter,  allein 
die  Zunahme  in  die  Dicke  ist  nur  gering,  und  reicht  niclit  hin,  dem  inniier  weiter  und  weiter 
werdenden   Umfange    des   Zahnes   zu    entsprechen;    die  Blätter    würden    dah'M-   Lücken    lassen, 


45     — 

wenn  sie  nicht  nach  einer  gewissen  Entfernung  von  der  Mitte  sich  einzeln  theillen,  und  von 
da  an  in  zwei  gabelig  von  einem  Panivte  ausgehende,  übrigens  ganz  ^vie  der  frühere  Stanim- 
theil  gebildete,  in  sich  gewundene  Nebenblätter  spalteten.  So  bekommt  denn  jeder  Zahn  in 
einer  gewissen  Entfernung  von  der  Mitte  und  in  einer  gewissen  Tiefe  unter  der  Spitze  die 
doppelte  Anzahl  der  HIalter,  welche  er  anfangs  hatte,  und  da  er  auch  unter  dieser  Stelle 
s;e2;en  die  Basis  hin  fortdauernd  tiicker  wird,  so  muss  sich  die  Theilun^  der  Nebenblatter  in 
Nebenblättchen  nochmals,  ja  selbst  mehrmals  wiederholen.  .4us  diesem  Grunde  nimmt,  wenn 
man  den  Zalin  von  oben  herab  betrachtet,  die  Anzahl  seiner  Streifen  in  hitervallen  zu,  und 
deutet  zugleich  an,  dass  die  Menge  der  von  je  z\Aei  Streifen  eingeschlossenen  Blätter  sich  in 
demselben  Maasse  vermehrt  hat.  Sehneidet  man  aber  einen  Zahn  in  einer  gewissen  Höhe 
quer  durch,  so  sieht  man  auf  der  Schnittfläche  die  Anzahl  aller  Blätter,  welche  er  in  dieser 
Höhe  hatte,  deutlich  vor  sich,  und  erkennt  zugleich  ihren  Zusammenhang  in  der  Art,  wie  sich 
die  Fortsetzungen  der  centralen  Zahnhöhle  durch  die  Substanz  des  Zahnes  verbreiten,  h» 
diesem  Sinne  ist  Fig.  0.  auf  Taf  IV.  zu  beschauen.  Der  centrale  schwarzgesäumte  Fleck  giebt 
die  mittlere  Zahnhöhle  an,  von  welcher  vierzehn  Radien,  als  die  inneren  Höhlungen  ebenso 
vieler  Zahnblätter,  ausgehen.  Anfangs,  oder  \\enigstens  bis  zur  Mitte,  gehen  diese  Höhlungen 
gegen  die  Peripherie  ungetheill  fort,  sie  geben  nur  nach  links  und  rechts  Aeste  ab,  d.  h.  mit 
anderen  Worten:  die  beiden  Wände,  welche  die  Höhlung  umschliessen,  falten  sich  in  Wellen- 
biegungen zusammen;  aber  etwa  von  der  Mitte  der  Radien  an  theilen  sich  die  meisten  Hölilen 
in  zwei  Schenkel,  deren  Wände  neue  Wellenbiegungen  beschreiben.  Endlich  dicht  \ov  dem 
Umfange  wiederholt  sich  die  Theilung  der  Schenkel  jeder  Höhle  nochmals,  und  aus  diesem 
Grunde  endet  auch  jeder  Schenkel  des  gabeligen  Blattes  mit  zwei  kurzen  Randblättchen,  worin 
also  die  letzten  Enden  der  sich  nochmals  gabelnden  centralen  Höhle  enthalten  sind.  Sowohl 
zwischen  diese  Randblättchen,  als  auch  zwischen  die  Hauptblätter  und  ihre  Zweige,  diingt  von 
der  Peripherie  aus  der  feine  Zahnkitt  (Cement)  hinein,  füllt  alle  etwa  entstandenen  Lücken  aus 
und  heftet  die  in  einander  gewundenen  AVände  der  benachbarten  Blätter  genau  zusammen. 
Auf  diese  Weise  entstehen  dreierlei  Arten  \on  Falten,  welche  ihren  Ursprung  an  der  Peri- 
pherie nehmen  und  gegen  den  Mittelpunkt  vordringen:  die  Einen  scheiden  die  benachbarten 
Wände  zweier  Hauptblätter;  die  Zweiten  bezeichnen  die  Lücke  zwischen  den  beiden  Zweig- 
blättern, worin  sich  jedes  Hauptblatt  getheilt  hat;  die  Dritten  trennen  die  einzelnen  Rand- 
blättchen von  den  Haupt-  und  den  Zweigblättern   ah. 

Durch  die  genauen  Untersuchungen  von  Owen  ist  uns  bekannt  geworden,  dass  die 
Zahn  Substanz  QdeittiiHiJ  der  Amphibien  aus  feinen  mikroskopischen  Kanälen  besteht,  welche 
von  der  centralen  Zahnhöhle  ausstrahlen,  und  dass  diese  strahlig  gefügte,  von  Kalkerde  durch- 
drungene Grundlage  einen  klaren  homogenen  äusseren  Kitt  (^cement um)  als  Uebei'zug  erhält. 
Dieser  feine  Ueberzug  wird  auch  dem  Zahn  der  Labyrinthodonten  nicht  fehlen,  allein  eben 
wegen  seiner  Feinheit  und  seiner  homogenen  BeschalTenheit  sich  von  der  eigentlichen  Zahn- 
substanz   nicht  unterscheiden  lassen.     Letztere  bildet  anscheinend  in  den  fossilen  Zähnen  \on 


46     

Tremafosmirus  eine  homogene  schwarze  Substanz,  während  die  Zahnhöhle  und  ihre  Fort- 
setzungen durch  die  Zahnsubstanz  als  verzweigte  oder  gegabelte,  rötlilich  gefärbte  Linien  zwi- 
schen den  Windungen  der  Zahnsubstanz  sichtbar  sind,  bidessen  lässt  eben  die  Analogie  ver- 
wandter Thiere  keinen  Zweifel,  dass  von  diesen  Höhlungen  aus  die  feinen  mikroskopischen 
Kalkröin-chen,  senkrecht  auf  den  Höhlungen  stehend,  in  die  Zahnsubstanz  eindrangen,  und 
selbige,  wie  in  allen  Amphibienzähnen,  so  auch  in  denen  von  Trematosaurus,  ein  strahliges 
(iefüge  ihrer  Elemente  besass.  Das  durch  directe  Beobachtung  nachzuweisen,  war  an  den  so 
sehr  veränderten  Zähnen  niilil  mehr  möglich. 

Die  beschriebene  Zahnbiltlung,  auf  welche  sicli  der  mit  grossem  Geschick  von  Owen 
eingefülirlc  Familienname  der  Gruppe  bezieht,  findet  unter  den  Amphibien  nirgends  ihres  Gleichen 
und  cliaraklerisirl  die  Labyrin  thodon  ten  sicherer,  als  irgend  ein  anderes  Merkmal.  Lebende 
Amphibien  haben  nur  Zähne  mit  glatter  Oberfläche  und  einfacher,  nicht  aus  Blältern  oder  Fallen 
zusammengeselzler  Zahnsubslanz.  Unter  den  vorwelllichen  Gruppen  treffen  wir  äusscrlich  ganz 
ähnlich  gestaltete  Zähne  theils  bei  den  Enaliosauriern,  (heils  bei  Fischen,  z.  B.  den  Coeia- 
canthinen.  Indessen  haben  die  Zähne  der  Enaliosaurier  eine  zapfenfürmige  Wurzel,  weil  sie 
in  Alveolen  stecken,  und  die  Lamellen  ihrer  Krone  sind  nicht  gewunden,  sondern  gerade,  unge- 
fallele,  radial  neben  einander  liegende  Blätler.  bisofern  nun  die  grossen  kräftigen  Zähne  der 
Coelacanihinen  ebenfalls  wurzellos  sind,  wie  die  der  Labyrinlhodonlen,  so  treten  sie  schon  des- 
halb, als  die  Thiere  mit  dem  nächstvorwandlen  Zahnlypus,  in  eine  nahe  Beziehung  zu  den  Laby- 
rinthodonlen.  Es  ist  bemerkenswerth,  dass  die  Sculplur  ihrer  Kopfknochen  dieser  Analogie  ebenso 
sehr  das  Wort  redet,  wie  die  Bepanzerung  ihrer  Kehlgegend  und  die  hohle  Beschaffenheit  iiirer 
Knocliensubsliinz.  Fast  scheint  es  also,  als  ob  in  der  ersten,  ältesten  Zeit  die  Repräsentanten  der 
Fische  und  der  Amphibien  von  gleichen  anatomisch -physiologischen  Bildungstypen  ausgegangen, 
und  erst  im  weiteren  Verlaufe  ihrer  Ausbildung  die  morphologischen  Ideen  des  inneren  und 
äusseren  Baues  beider  Thierklassen  abweichender  und  für  jede  einzelne  Klasse  bestimmter  ge- 
worden seien.  Eine  nähere  Einsicht  in  die  hier  angedeutete  Ansicht  wird  das  Studium  des 
trefflichen  Werkes  von  Agassiz  über  die  Fische  des  Old  red  oder  Grvs  roH</e  jedem  unbe- 
fangenen Forscher  gewähren. 


Zweiter  Aliscliiiitt. 

Beschreibung  einiger  nicht  zum  Schädel  gehörigen  Knochen 

von  Trematosaurus. 


§■  20. 
Die  Betrachtung  der  ülirigen,  dem  Schädel  niclil  angehörigen  Knochenreste  von  Tre- 
mafosuurus  möge  mit  der  Beschreibung  eines  sonderl)aren,  höchst  eigenthümlichen  Knochen- 
schildes beginnen,  von  dem  mir  drei  Exemplare  in  sechs  Handstücken,  je  zwei  und  zwei  als 
Gegendrücke  zu  einander  gehörig,  vorliegen.  Eines  der  grössten  ist  Taf.  IV.  Fig.  2.  in  natür- 
licher Grösse  abgebildet,  und  auf  dasselbe  zugleich  die  snperficielle  furchige  Sculptur  über- 
tragen worden,  welche  zwar  nicht  an  eben  diesem  Exemplar,  sondern  an  einem  anderen,  um  ein 
Viertel  kleineren  deutlich  zu  erkennen  \^ar.  Das  Schild  hat  in  der  Hauptsache  die  Form  eines 
Kreuzes,  dessen  Stamm  an  dem  grossen  Exemplar  G"  7'"  lang  ist  und  dessen  Arme  3"  9'" 
breit  sind;  ein  anderes  noch  grösseres,  ixber  beschädigtes  Stück  war  fast  7"  lang  und  gegen 
.j"  breit;  das  dritte  kleinste  hatte  nur  4."ö"'  Höhe  und  •>"()'"  Breite.  Die  Arme  des  Kreuzes 
gehen  niclit  ^on  der  Mitte  aus,  sondern  befinden  sich  stets  vor  der  Mitte,  dem  einen  Ende 
genähert.  Dies  kürzere  Ende  des  Stammes  ist  etwas  breiter,  als  das  gegenüberstehende  lange 
Ende,  aber  noch  lange  nicht  so  breit,  wie  die  beiden  Arme,  welche  als  breite  abgerundete 
Lappen  neben  dem  Stamme  sitzen,  und,  nach  innen  immer  breiter  werdend,  ganz  allmälig  in 
den  Stamm  üijergehen.  Dabei  ist  ihr  Endrand  ungleich  abgerundet,  d.  h.  die  Seite  nach  dem 
kurzen  Ende  des  Stanuues  zu  beschreibt  einen  flacheren  Bogen,  als  die  andere,  welche  dem 
langen  Ende  des  Stammes  zugekehrt  ist.  So  gehen  beide  Arme  langsam  in  die  kurze  Spitze 
des  Stammes  über,  während  die  lange  sich  bestimmter  von  ihnen  absetzt,  und  zumal  in  dei' 
Mitte  noch  etwas  schmäler  ist ,  als  an  ilirem  zugerundeten  Ende.  Die  ganze  Platte  hat  eine 
sehr  geringe  Dicke ;  an  den  kleinen  Exemplaren,  welche  am  besten  und  zum  Tlieil  vollständig 


48     

erhalten  siiifl,  zeigt  die  Substanz  etwa  die  Mächtigkeit  einer  Linie,  an  den  grossen  zieniHch 
die  doppelte.  Ihre  Flache  ist  nicht  ganz  wagrecht,  sondern  gegen  die  Mitte  leicht  gewölbt. 
An  dem  langen  Stielende  macht  sich  die  Wölbung  sehr  wenig  bemerklich,  aber  an  den  Armen 
wird  sie  stärker,  und  namentlich  krümmen  sich  die  Enden  sehr  deutlich  abwärts;  dagegen  ist 
das  kurze  Stielende  auf  derselben  Seite  leicht  vertieft,  indem  seine  Rander  sich  entgegen- 
gesetzt umbiegen.  Diese  Verliefung  reicht  bis  auf  die  Mitte  zwischen  beide  Arme  und  bildet 
hier  eine  förmliciie  flache  Grube,  welche  durch  die  gewölbte  Fläche  hinter  ihr  gegen  das 
lange  Stielende  hin  schärfer  abgeschlossen  ist,  als  gegen  das  kurze.  Auch  die  ebendahin  ge- 
wendeteTi  Ränder  der  Arme  sind  sehr  deutlich  abschüssig.  Die  Sculpturen  der  Oberfläche 
finden  sich  nur  auf  der  einen  Seite  und  zeigen  dadurch  an,  dass  diese  Seife  superficiell  war 
und  bloss  von  der  Haut  bedeckt  wurde.  Sie  bestehen,  ganz  wie  die  Sculpturen  der  Kopf- 
knochen, aus  kleinen,  durch  ziemlich  scharfe  Rücken  getrennten  Grübehen,  welche  die  Mitte 
des  Schildes,  genau  an  der  Stelle,  wo  der  Stamm  und  die  Arme  sich  kreuzen,  einnehmen. 
Um  diese  kleinsten,  ganz  kreisrunden  Grübchen  gruppiren  sich  andere  längliche  in  radialer 
Anordnung  herum,  denen  alternirend  eine  dritte  und  vierte  Reihe  folgt,  bis  endlich  ein  Saum 
langer,  schmaler,  streifenförmiger  Furchen  den  ganzen  Umfang  des  Schildes  einnimmt.  An  dem 
kurzen  Theile  des  Stammes  und  den  Armen  scheint  Form  und  Anordnung  dieser  Streifen  die- 
selbe gewesen  zu  sein:  etwas  grössere  wechseln  mit  kleineren  in  allniäligem  Uebergange  der 
einen  in  die  anderen  ab;  aber  auf  dem  langen  Aste  des  Stammes  treten  offenbar  auch  \iel 
längere  Furchen  auf,  welche  seiner  Fläche  das  Ansehen  geben,  als  sei  sie  mit  ei'haben  pa- 
rallelen Längskanten  bedeckt.  Ich  glaube  sieben  solcher  Kanten  zwischen  acht  Furchen  wahr- 
genommen und  bemerkt  zu  haben,  dass  sowohl  die  mittleren  Kanten,  als  auch  die  Furchen, 
etwas  breiter  waren,  als  die  seillichen.  Indessen  wurde  mir  diese  Beschaffenheit  der  Ober- 
fläche nur  an  der  äussersten  Spitze  deutlich;  weiter  hinauf  konnte  ich  sie  nicht  mehr  verfol- 
gen. —  Die  entgegengesetzte  Oberfläche  der  ganzen  Knochenplatte  ist  völlig  eben,  oline  alle 
Furchen  und  Erhabenheiten;  die  Ränder  derselben  sind  ringsum  scharfkantig  und  nicht  aus- 
gezackt ;  das  Schild  war  also  in  keiner  Verbindung  mit  benachbarten  Knochenplaflen  durch 
Nähte,  sondern  es  lag  ohne  Zweifel  fii'i  in  der  Haut.  Ol)  es  auf  einer  knöchernen  Basis 
ruhte,  oder  auf  einer  elastischen  muskulösen  Unterlage,  das  Hess  sich  aus  der  Beschafl'enheit 
seiner  glatten  Unterfläche  nicht  ermitteln;  denn  diese  untere  ebene  Seife  bot  an  keinem  Exem- 
plare Anzeichen  dar,  welche  auf  eine  Anheftung  an  andere  Körperfheile  irgendwie  hingewiesen 
hätten.  Dagegen  zeigte  sich  die  innere  Beschaffenheit  des  Schildes  sehr  deutlich  als  slrahliü; 
gefügte  Knochensubsfanz,  die  durchweg  aus  derselben  Masse  bestand,  und  keine  tiefere,  mehr 
lockere  oder  zellige  Structur  verrieth.  Hier  und  da  war  die  Knocliensul)slanz  blättrig  ab- 
gewiftert  und  die  unteren  Schichten  traten  in  ganz  gleicher  Beschalfenheit  hervor.  Eine  regel- 
mässige Laaerbilduns:  war  aber  nicht  in  der  Knochenmasse  erkennbar,  vielmehr  erschien  das 
blättrige  Gefüge  mehr  die  Folge  der  ungleichartigen  Zerstörung,  als  eine  ursprünglich  ^orllan- 
den  gewesene  Sfructur  des  Knochens  zu  sein. 


49     

Eine  in  allen  Hauptsachen  ähnliche  Knochenplatle  hal  Plieninger  von  ßlaslodoiisaurus 
beschrieben  (a.  a.  0.  S.  63.  Taf.  III.  Fig.  i.)  und  als  Brustbein  gedeutet.  Für  die  Richtigkeit 
dieser  Deutung  scheint  die  symmetrische  Form  der  Platte  allerdings  zu  sprechen,  insofern  daraus 
folgt,  dass  dieser  Knochen  ein  mittlerer  unpaarer  war;  allein  andere  sichere  Kennzeichen,  die  ihn 
zum  Brustbein  machen,  treten  nicht  daran  hervor.  Zwar  ähnelt  er  einigermassen  dem  herzförmigen 
Brustbein  der  Krokodile  im  Umriss,  allein  es  fehlen  ihm  die  Berührungsflächen  für  die  Knochen 
des  Schultergürtels  und  die  Ansatzstellen  der  Rippen,  welche  am  Brustbein  der  Krokodile  so 
deutlich  vorhanden  sind.  Ferner  spricht  die  Anwesenheit  der  superficiellen  Sculpturen  gegen 
diese  Deutung,  und  endlich  noch  viel  mehr  die  relativ  so  geringe  Dicke  dos  Knochenschildes. 
Wäre  die  Platte  wirklich  das  Brustbein  selbst,  so  müsste  sie  offenbar  viel  dicker  und  stärker 
sein,  als  sie  ist;  es  müsste  ihre  Ausdehnung  in  die  Fläche  zu  ihren  Dimensionen  in  die  Dicke 
mehr  in  Harmonie  stehen,  als  es  bei  dem  beschriebenen  Schilde  der  Fall  war.  Demnach  kann 
ich  das  Schild  ebenfalls  nur  für  einen  Hautknochen  halten,  und  zwar  für  einen  unpaaren,  in  der 
Mittellinie  des  Körpers  befindlichen,  der  möglicher  Weise  dem  Brustbein  in  der  Lage  entsprach 
und  die  von  ihm  ausgehende  Muskulatur  gegen  Druck  von  aussen  schützte,  wenn  das  Thier  sich 
niederlegte.  —  Diese  Vermuthung  erhält  durch  die  Beobachtungen,  welche  Gold fuss  an  Archefjo- 
saitrus  gemacht  hat,  eine  kräftige  Stütze.  Bei  demselben  findet  sich  in  der  Halsgegend  des  Kör- 
pers eine  ähnliche,  aber  mehr  rautenförmige  Knochenplatte,  deren  nach  vorn  gewendeter 
spitzer  Winkel  stielartig  verlängert  ist  (vergl.  dessen  Beiträge  zur  vorweltlichen  Fauna  des 
Steinkohlengebirges.  Bonn,  1847.  4.  Taf.  III.  Fig.  1.  2.  c.c).  Gold  fuss  hält  diese  Knochen- 
platte  für  das  Zungenbein  (a.  a.  0.  S.  8),  weil  sie  nach  seiner  Beobachtung  unter  den  Hals- 
wirbeln und  vor  dem  Schultergürtel  sich  befindet.  Es  genügt  indess,  zur  Widerlegung  dieser 
Ansicht,  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  ein  Knochen  mit  superficiellen  Sculpturen  kein 
Zungenbein  sein  kann,  selbst  wenn  man  von  seiner  unverhältnissmässigen  Grösse  und  seiner 
weiten  Ausdehnung  nach  hinten  ganz  absehen  wollte.  Ich  bin  vielmehr  durch  die  Verhältnisse 
bei  Ärchcgosanrns  in  meiner  Annahme  bestärkt  worden,  dass  die  beschriebene  Platte  ein  Haut- 
knochen sein  muss,  und  wahrscheinlich  unter  der  Kehle  so  lag,  dass  das  verlängerte  Stammende 
nach  vorn  gerichtet  war  und  möglicherweise  mit  seiner  Spitze  bis  in  die  Gegend  des  Zungen- 
beines und  Kehlkopfes  reichte,  während  die  breitere  Hälfte  mit  den  Armen  sich  nach  hinten 
wendete,  und  entweder  das  ganze,  oder  wenigstens  das  vorragende  äusserste  Ende  des  Brust- 
beines von  unten  her  bedeckte.  Vielleicht  besassen  die  Labyrinthodonten  am  wirklichen  Brustbein 
den  T-förmigen  Fortsatz  der  typischen  Saurier,  und  zum  Schutze  dieses  an  sich  schwachen  Knochen- 
gerüstes gegen  äussere  Gewalten  mochte  die  in  der  Lage  ihm  entsprechende  Knochenplatte  be- 
stimmt sein.  Dafür  spricht  zumal  die  Form  des  Vorderendes  von  Arcfiegosaurus,  wie  Goldfuss 
sie  darstellt.  Letzterer  redet  übrigens  von  Kiemen,  welche  sich  neben  diesem  von  ihm  Zungen- 
bein genannten  Knochenscliilde  bemerklich  machen  sollen;  ich  glaube  nicht,  dass  die  Labyrintho- 
donten durch  Kiemen  alhmeten,  und  halte  die  von  ihm  für  Kiemen  erklärten  Gebilde  für  abgelöste 
Schuppenreihen;  denn  dass  Arckegosaurus  von  kleinen  Schuppen  bedeckt  war,  beweisen  die 
Untersuchungen  und  Abbildungen,  welche  Goldfuss  darüber  veröffentlicht  hat. 

§.   21. 
Als  ein  zweites  superficielles  Knochenscliild  reihet  sich  an  das  vorige  die    auf  Taf.  IV. 
Fig.  1.  abgebildete  Knochenplatte.     Sie  hat  manche  Eigenschaften  mit  jener  gemein,  ist  gleich- 

7 


50     

falls  dünn,  flach,  scluippenformig ;  auf  der  einen  Seile  radial  gefurcht,  auf  der  anderen  eben  — 
al)er  ihre  Ränder  sind  ungleich:  der  eine  ist  verdickt,  fast  aufgeworfen,  der  andere  viel  dün- 
ner, fast  scharfkantig,  und  ihr  Uniriss  durchaus  verschieden,  ja  von  der  Art,  dass  es  keinem 
Zweifel  unterliegen  kann,  ihre  Lage  sei  eine  seitüche,  und  jedes  Schild  in  doppelter  Zalil, 
d.  h.  paarig  vorhanden  gewesen.  In  der  Abbildung  ist  der  verdickte  aufgeworfene  Rand  der 
linke;  daneben  erscheint  die  ganze  obere  Knochenschicht  zerstört,  man  erkennt  die  innere 
strahlig  gefügte  Textur  des  Knochens,  und  bemerkt,  wie  die  Strahlen  nicht  von  der  hintersten 
Ecke,  sondern  von  einem  Punkte  des  Randes,  welcher  der  breitesten  Stelle  des  Schildes  ent- 
spricht, nach  vorn,  hinten  und  innen  ausgehen.  Aehnlich  wie  diese  Strahlen  des  Gefüges 
waren  auch  die  superficieUen  Furchen  der  Sculptur  angeordnet.  Man  sieht  davon  nur  noch 
die  letzten  Enden  am  ganzen,  der  Verdickung  entgegengesetzten  Rande,  wo  sie  mit  erhabenen 
Leisten  abwechselnd  deutlich  hervortreten.  Dieser  Rand  ist  ziemlich  gleichförmig  gebogen, 
der  entgegengesetzte  verdickte  aber  sehr  bestimmt  ausgebuchtet  geschweift;  der  kürzere,  in 
der  Figur  obere,  S-förmig  geschwungen.  Dadurch  entstehen  zwei  ungleiche  abgerundete 
Ecken:  eine  schmälere  schlankere,  eine  breitere  stumpfere.  Dem  S-förmigen  Rande  gegen- 
über zeigt  sich  eine  schiefe  Endseite,  welche  bei  näherer  Betrachtung  sich  als  Bruch  zu  er- 
kennen giebt,  und  die  vormalige  Anwesenlieit  einer  scharfen  Spitze,  deren  Umfang  ich  durch 
Punktlinien  anzudeuten  .suchte,  verräth. 

Schon  früher  (S.  41)  habe  ich  dies  Knochenschild  erwähnt  und  bemerkt,  dass  Plienin- 
ger  iihnhche  Schilder  abbildet,  auch  nachgewiesen,  dass  es  nicht  Schullerblätter  sein  können,  wie 
derselbe  vermuliicte.  Ich  hielt  diese  Schilder  lange  Zeit  für  das  Haupleckslück  des  Unterkiefers, 
bis  ich  mich  durch  die  Untersuchung  eines  Originalexeniplars  von  Arcliegosaurits  im  mineralo- 
gischen Museum  zu  Berlin  überzeugte,  dass  je  zwei  solcher  riallen  an  der  Keiile  lagen  und  den 
hinteren  Raum  zwischen  den  Schenkeln  des  Unterkiefers  ausfüllten.  Der  verdickte  Rand  lehnte 
sich  iyi  die  innere  Seile  des  Unterkiefers,  und  reiclite  mit  seiner  Ecke  bis  an  den  hinten  auf- 
steigenden Ast  desselben.  Der  daneben  befindliche  kurze  S-förmige  Rand  war  nach  hinten  ge- 
wendet, die  abgebrochene  Spitze  nach  vorn,  der  schärfere  sonst  gebogene  Rand  nach  innen. 
Diese  Ränder  beider  Knochenplallen  waren  also  gegen  einander  gewendet,  sie  erreichten  einander 
aber  nicht,  sondern  Hessen  eine  Lücke  zwischen  sich,  in  welche  das  schlankere  längere  Stamm- 
ende der  kreuzförmigen  Kehlplalte  hineinpassle.  Sie  schützte  also  die  Mittelfläche,  jene  paarigen 
Schilder  die  Seilenlheile  der  Kehle  von  Trctnutosanrus.  Goldfuss  hat  das  Verhällniss  der 
Kehlplatlen  von  Archcyosanriis  nicht  richtig  erkannt;  er  deutet  die  seitlichen  als  Zungcnbein- 
flügel  (a.  a.  0.  b.b.),  die  mittleren  als  Zungenbein. 

§•  22. 

Ausser   den  beschriebenen  Schildern,    deren  Beschaffenheit  blosse  Hautknochen  höchst 

walirscheinlich  machen,    finden   sich   unter   den   mii-  bekannt  gewordenen  Knochen  noch  drei 

Bruchstücke,    welche   entschieden   nicht  Hautkuochen   sind,    sondern    unzweifelhaft    als   Tlieile 

des    inneren  Knochengerüstes  sich  zu  erkennen  geben.     Es  erhellt  das  eines  Theils  aus  ihrei- 


51     

Form,  andern  Theils  aber  auch  aus  dem  Mangel  superficieller  Sculpturen  und  aus  der  grösse- 
ren Dicke  der  Knochen  selbst.  Zwei  von  meiir  flachen  Formen  sind  Theile  der  Extremitäten- 
gürtel, der  dritte  ist  das  eine  Ende  eines  Röhrenknochens.  Alle  drei  sind  in  natürlicher  Grösse 
auf  Taf.  IV.  in  Fig.  'S.,  i.  und  5.  abgebildet. 

Das  grösste  dieser  drei  Knochenfragmente  (a.  a.  0.  Fig.  4.)  hat  4|  ZoU  Länge  und  fast 
4  Zoll  Breite.  Sein  Umriss  ist  im  Ganzen  dreiseitig,  allein  die  Ecken  sind  abgerundet  und 
die  Seiten  des  Dreiecks  ausgeschweift,  wodurch  mehr  eine  Herzform  entsteht.  Von  den  drei 
Seiten  ist  nur  die  eine,  in  der  Zeichnung  nach  links  gewendete,  vollständig  erhalten,  die  bei- 
den anderen  sind  am  Rande  mehr  oder  weniger  beschädigt,  und  die  dritte  Ecke,  welche 
nach  unten  und  rechts  liegt,  ist  völlig  abgenutzt,  übrigens  aller,  wie  es  scheint,  stumpfer  und 
breiter  gewesen,  als  die  beiden  anderen.  Der  unversehrte  linke  Rand  ist  deutlich  zugeschärflt, 
und  selbst  in  der  Tiefe  der  Bucht,  welche  Um  begrenzt,  kantenartig  vorgezogen.  Die  beiden 
Ecken,  welche  sich  neben  ihm  nach  oben  und  nach  unten  links  befinden,  sind  gleichförmig 
gerundet,  am  Rande  ziemlich  gerade  abgestutzt,  längs  der  Mitte  verdickt  und  von  da  nach 
beiden  Seiten  hin  abfallend  verdünnt,  so  dass  die  beiden  Ränder  des  Knochens  neben  diesen 
Ecken  ebenfalls  zugeschärft  gewesen  sein  müssen,  indessen  offenbar  weniger,  als  der  kamm- 
artig geschärfte  obere  Rand.  Da,  wo  die  verdickten  mittleren  Theile  dieser  Ecken  auf  der 
Fläche  der  Knochenplatte  zusammentreffen,  hat  dieseUje  ilire  grösste  Stärke  und  bildet  hier 
dicht  hinter  dem  scharfen  Rande  einen  ziemhch  deutlichen  Buckel,  von  dem  nach  den  Ecken 
hin  die  Knochensubstanz  wulstartig  ausstrahlt,  wälirend  die  Flächen  dazwischen  sich  senken 
und  dadurch  gegen  den  Rand  hin  sich  verdünnen.  Am  breitesten  ist  die  wulstartige  Ver- 
dickung an  der  nach  unten  rechts  gewendeten  Ecke,  und  eben  deshalb  lässt  sich  vermuthen, 
dass  sie  breiter  und  stumpfer  war,  als  die  beiden  anderen.  Dies  ist  so  ziemlich  Alles,  was 
sich  an  dem  Knochenfragment  wahrnehmen  lässt;  es  Hegt  mit  der  abgebildeten  Seite  frei  und 
steckt  mit  der  entgegengesetzten  im  Sandstein.  Ein  dunkler  Saum,  welcher  ausserhalb  der 
oberen  Ecke  im  Gestein  vorhanden  ist,  scheint  eine  weitere  Ausdehnung  derselben  anzudeuten, 
zumal  da  dieser  Rand  sehr  zertrümmert  und  beschädigt  ist.  Die  ganze  Fläche  zeigt  übrigens 
ein  strahliges  Gefüge  von  durchweg  gleicher  Beschaffenheit.  Der  Mittelpunkt  der  strahligen 
Anordnung  befindet  sich  an  der  dicksten  Stelle  des  Knochens,  unmittelbar  hinter  dem  scharfen 
unversehrten  Rande.  Die  blättrige  Alilösung  der  Knochenmasse  zeigt  sich  ebenso  deutlich, 
wie  an  dem  Schilde,  obgleich  in  derselben  Weise,  nämlich  als  Product  der  Zerstörung;  na- 
mentlich das  breiteste  untere  Ende  liess  mehrere  sehr  deutliche  Terrassen  in  der  Knochen- 
substanz wahrnehmen.  Dadurch  trat  auch  die  beträchthche  Dicke  des  Knochens  deutlicher  hervor. 

Dass  das  eben  geschilderte  Fragment  ein  Stück  des  Exlremitätengürleis  ist,  erleidet  für 
micJi  gar  keinen  Zweifel;  woiiin  es  aber  weiter  gehöre,  ergiebt  sich  weniger  aus  einer  directen 
Untersuchung,  als  vielleiclit  aus  einer  combinirenden  Belraclitung.  Weder  von  Owen,  noch  von 
H.  V.  Mayer  und  Plieninger  ist  ein  ähnlicher  Knochen  abgebildet;  ich  bin  also  bei  meiner 
Deutung  ganz   auf  mich  selbst  angewiesen.     Sind  nun,  wie  ich  annehme,    die  Labyrinthodonten 

7* 


52     

Landbewohner  gewesen,  so  waren  offenbar  ihre  hinteren  Exlreniitätcn  grösser  und  robuster,  als 
ihre  vorderen  (denn  das  ist  ein  allgemeines  Gesetz  bei  den  Amphibien);  sie  hatten  mithin  auch 
den  robusteren  Knochengürtel  zur  Basis.  Sowohl  aus  diesem  Grunde,  als  auch  vermöge  der 
formellen  Uebereinstimmung,  würde  ich  versucht  sein,  den  beschriebenen  Knochen  für  das  Darm- 
bein \on  Trematosaurus  zu  halten,  wenn  nicht  der  von  Owen  abgebildete  gleichartige  Knochen 
(Tr.  geol.  Soc.  VI.  t.  45.  f.  16.  17.)  eine  ganz  andere  und  so  eigenthümliche  Form  besässe,  dass 
es  leicht  sein  muss,  jedes  Bruchstück  des  Darmbeines  sofort  wieder  zu  erkennen.  Demnach  bleibt 
wohl  nur  die  Deutung  desselben  als  Schulterblatt  übrig,  und  dafür  halte  ich  ihn  in  der  That. 
Man  darf  vielleicht  annehmen,  dass  das  Schulterblatt  von  Trematosmirus  mehr  nach  dem  Typus 
der  ächten  Saurier,  als  nach  dem  der  Krokodile  gebildet  war,  mithin  aus  zwei  Stücken  bestand. 
Der  abgebildete  Knochen  wäre  alsdann  das  untere  solidere,  dreiseitig  herzförmige  Stück  gewesen, 
und  sein  wohlerhallener  scharfer  Rand  war  vielleicht  der  hintere.  Der  nach  rechls  gewendete 
grössere  Theil  des  Umfanges  möchte  dem  oberen,  der  nach  unten  gewendete  kleinere  dem  vor- 
deren Saume  des  Schulterblattes  entsprechen;  an  die  untere  linke  Ecke  heftete  sich  in  diesem 
Falle  das  zweite  breite,  strahlig  ästige  Knochenstück  mit  dem  Achselgelenk,  welches  dem  os  coru- 
coidcum  entspricht.  In  der  Figur  wäre  demnach  die  äussere  Seite  des  rechten  Schullerblattes 
zur  Anschauung  gebracht. 

§.   23. 

Das  zweite  Knochenstück  von  ähnlichem  Umriss  (Fig.  5.)  wird  schon  deshalb  derselben 
Sphäre  des  Skelets  angeliören  und  walirscheinlich  auch  als  Theil  eines  Extremitätengürtels  zu 
deuten  seizi.  Es  liat  kaum  3  Zoll  Länge  und  an  der  breitesten  Stelle  üljer  2  Zoll  Breite.  Sein 
in  der  Zeichnung  nach  oben  gewendetes  schmäleres  Ende  ist  zertrümmert,  das  untere  breitere 
aber  ziemlich  gut  erhallen.  Man  erkennt  ein  von  dem  Punkte,  wo  beide  Hälften  an  einander 
stossen,  ausgehendes  strahliges  Gefüge  der  Knochensul:)Stanz,  und  bemerkt,  dass  in  dieser  Ge- 
gend der  Knoclien  seine  grösste  Dicke  besass.  Der  erweiterte  Theil  lässt  nach  der  einen 
Seite  hin  eine  abgerundete  breite  Fläche  mit  erhabenem  Längswulst  auf  der  Mitte  erkennen, 
und  nach  der  anderen  Seite  zu  eine  spitze,  schief  abgestutzte  Ecke,  die  flacher  und  niedriger 
ist.  Der  Knochen  liegt  ebenfalls  fest  im  Gestein  und  bietet  durchaus  keine  anderen  bemer- 
kenswerthen  Eigenschaften  dar. 

Es  scheint,  als  wenn  das  abgebildete  Knochenfragment  demselben  Knochen  angehört,  den 
Plieninger  als  Oberarmknochen  (a.  a.  0.  S.  61)  beschreibt  und  in  zwei  Ansichten  (Taf  V. 
Fig.  1.  2.)  abbildet.  Ob  er  wirklich  der  Oberarm  ist,  will  ich  nicht  entscheiden;  er  könnte  auch 
ein  Theil  von  der  unteren  Hälfte  des  Schultergürtels  sein,  und  zwar  das  Stück  desselben,  welches 
am  Achselgelenk  des  os  coracoldeuni  liegt.  Für  diesen  Fall  könnte  man  annehmen,  dass  die 
kurze,  schief  abgestutzte  Ecke,  die  in  der  Abbildung  nach  rechts  liegt,  die  Ansatzfläche  für  die 
furcula  war,  die  breitere,  abgerundete  der  anderen  Seite  dagegen  zur  Anlage  an  das  Schulter- 
blatt diente,  und  hier  die  Achselgelenkgrube  zwischen  den  drei  Knochen  sich  gebildet  habe.  Für 
einen  Röhrenknochen,  denn  das  müsste  er  sein,  wenn  er  ein  Fragment  des  Oberarms  wäre,  ist 
mir  die  Knochensubstanz  des  Bruchstückes  zu  homogen  strahlig  gefügt,  und  namentlich  das  dünne 
Ende,  welches  dem  Röhrentheile  des  Oberarmes  angehörte,  zu  flach  geformt  und  zu  blättrig.    Ich 


53     

enlscheiile  mich  also  lieber  gegen  die  Rölirenknochennalur  dieses  Fiagmenis  und  halle  es  für  ein 
Stück  des  Schidlergürlels.  Da  es  in  einem  lAIullcrgeslein  liegt,  welches  genau  gleiche  BeschaflTen- 
heit  mit  dem  des  vorigen  Knochens  hat,  so  scheint  es  nicht  weit  davon  gefunden  zu  sein,  könnte 
also  füglich  mit  selbigem  zusammengehören.  Auch  die  Grössenbeziehungen  beider  Stücke  sprechen 
dafür.  Wahrscheinlich  ist  die  blossgelegle  Seite  die  innere,  weil  keine  Andeutung  der  Achsel- 
gelenkgrube daran  sichtbar  wird,  und  wenn  das,  so  müssle  es  zur  rechten  Hälfte  des  Schulter- 
gürtels gehören;  was  wieder  für  die  Verbindung  beider  Knochenfragmente  mit  einander  ein 
günstiges  Zeugniss  giebt. 

§.  24. 
Es  h\eM  mir,  als  letzter  Rest  der  aufgefundenen  Skelettheile,  das  kleinere  Stück  eines 
Röhrenknochens  zu  schildern,  welches  icli  unter  Fig.  3.  auf  der  vierten  Tafel  abgebildet  habe. 
Dass  dies  Fragment  einem  Röhrenknochen  angehöre,  ist  gar  nicht  zu  bezweifeln;  man  sieht 
nicht  bloss  den  halbzylindrischen  Umriss  des  dünnen  Endes,  sondern  man  unterscheidet  auch 
sehr  deutlich  die  festere  derbere  Rindenknochenschicht  von  dem  darin  befindlichen,  lockerer 
gefügten  schwammigen  Centraltheile.  Die  Grenze  beider  Knocliensubstanzen  gegen  einander 
tritt  scharf  hervor,  obgleich  sie  nicht  durch  eine  Lücke  bestimmt,  sondern  nur  durch  einen 
grösseren  oder  geringeren  Grad  der  Festigkeit  angedeutet  wird.  Die  innere  Masse  war  lockerer 
gefügt,  zeigt  daher  viel  mehr  Risse  und  Fugen  und  stellenweis  eine  grössere  oder  kleinere 
Lücke;  die  knöcherne  Rinde  ist  homogener,  härter,  gleichmässig  dick,  nirgends  zersplittert, 
sondern  scharf  durchgebrochen.  Dieser  Bruchrand  beweist  es,  dass  sie  überall  von  gleicher 
Stärke  war,  und  über  das  Gelenkende  des  Knochens  sich  ebenso  fortsetzte,  wie  über  seineu 
mittleren  röhrigen  Theil.  Letzterer  besass  in  dieser  Gegend  noch  keine  Höhlung,  sondern  war 
gleich  dem  Kopfe  von  lockerer  gefügter  Knochensubstanz  erfüllt.  In  Bezug  auf  die  Form  ergiebt 
der  Bruchrand  sehr  bestimmt,  dass  der  Knochen  einen  Gelenkkopf  hatte,  über  dessen  Fläche  sich 
der  Quere  nach  eine  kammartige  Erhabenheit  hinzog.  Die  eine  Seite  des  Kopfes  neben  derselben 
war  schmäler  und  stumpfrandiger;  die  andere  breiter  und  scharfrandig  ausgezogen.  Der  Umfang 
des  Rohrs  scheint  mehr  elliptisch  als  kreisförmig  gewesen  zu  sein.  Das  Fragment  ist  2 "  lang 
und  an  der  breifesten  Stelle  des  Kopfes  fast  1"  breit;  das  Rohr  hat  ^"  im  Durchmesser. 

In  Hinsiclit  auf  die  Deutung  dieses  Knochenfragmentes  glaube  ich  keinen  Fehlgriff  zu 
Ihun,  wenn  ich  dasselbe  für  das  untere  Ende  des  Wadenbeines  oder  der  Ellenbogenröhre  erkläre. 
Für  den  Oberarm  und  noch  mehr  für  den  Oberschenkel  scheint  mir  der  Röhrentheil  zu  dünn  zu 
sein,  und  deshalb  schliesse  ich  auf  einen  Knochen  des  Vorderarmes  oder  des  Unterschenkels. 
Am  oberen  Ende  der  Elle  würde  der  Gelenkkopf  eine  andere  Form  haben  müssen,  es  kann  also 
nur  der  untere  Kopf  sein,  und  weil  er  mir  dafür  zu  dick  und  zu  scharf  abgesetzt  zu  sein  scheint, 
so  möchte  ich  eher  an  die  hintere  Extremität  denken  und  das  Fragment  für  das  untere  Ende 
des  AVadenbeines  halten.  Unter  den  von  Plieninger  abgebildeten  Röhrenknochen  finde  ich 
keinen,  der  mit  meinem  Fragment  genau  übereinstimmte;  alle  sind  relativ  dicker  und  robuster. 
Einigermaassen  passt  der  von  Owen  a.  a.  0.  Taf.  45.  Fig.  11  — 14.  abgebildete  Humeruskopf 
dazu,  aber  die  sanftere  Kolbenform  unterscheidet  ihn  hinlänglich. 


Di'iUer  AliscLuitt. 


Allgemeine  Betrachtungen 


über  die 

zoologische  Affinilät  und  systenialisclie  Stellung  der  Labyrinthodonten. 


§•  25. 

Man  wird  wohl  nicht  erst  die  Frage  stellen,  ob  denn  die  Labyrinthodonten  auch  wirk- 
lich Amphibien  sind;  ein  Geschöpf,  dessen  Schädel  mittelst  eines  Gelenkkopfes  an  der  Wirbel- 
säule haftete,  kann  kein  Fisch  sein,  und  ebenso  wenig  ein  Vogel,  wenn  man  weiss,  dass 
diese  Gelenkverbindung  durch  zwei  völlig  getrennte  Gelenkköpfe  bewerkstelligt  wurde.  Auf 
die  Säugethiere  zu  fallen,  davon  heilt  den  Beobachter  schon  die  blosse  Ansicht  der  weit 
getrennten  Nasenlöcher  ab,  und  so  bleibt  denn  keine  andere  Wahl,  als  die  Einordnung  in  die 
Klasse  der  Amphibien.  In  der  That  sprechen  auch,  ganz  abgesehen  von  diesen  negativen 
Beweisen,  alle  positiven  Merkmale  des  Trematosaurus  für  seine  Amphibiennatur.  Verfolgen 
wir  nur  das  wichtige,  von  den  getrennten  Nasenlöchern  hergenommene  Merkmal  etwas  weiter, 
so  führt  uns  die  Lage  der  Choanen  und  die  damit  in  Beziehung  stehende  Kürze  der  Nasen- 
höhlen sofort  direct  auf  ein  Amphil:)ium;  es  bestätigt  ferner  die  Begrenzimg  der  Augenhöhlen, 
die  Bildung  des  Gaumengerüstes,  die  Bezahnung,  die  Zusammensetzung  der  Schädelbasis  und 
die  geringe  Ausbildung  ihrer  vorderen  Hälfte  diese  Verwantitschaft  so  allseilig  und  vollstän- 
dig, dass  Niemand  nach  Einsicht  genannter  Eigenschaften  die  Klassenverwandtschaft  von  Tre- 
matosaurus  mit  den  Amphibien  bezweifeln  oder  irgend  einen  Augenblick  darüber  in  Unge- 
wissheit  bleiben  wird.     Selbige  steht  also  fest;  der  Trematosaurus  ist  ein  Amphibium. 

Allein  damit  sind  w'w  auch  wirkhch  ganz  und  gar  am  Ziele  unserer  svstematischen 
Bemühungen  angelangt;  jede  fernere  Einordnung  in  diese  oder  jene  Amphibiengruppe  scheint 
mir   wenigstens   unmöglich   zu    sein.     Ich   werde   es   versuchen,    diese  Behauptung   weiter   zu 


55     

begründen,  und  dabei  mich  bemühen,  den  Beweis  zu  fiiliren,  dass  die  zoologischen  Eigen- 
thümlichkeiten  der  Labyrinthodonten  dermalen  über  die  heterogensten  Gruppen  der  Amphibien 
vertheilt  sind,  sie  also  in  der  That  nur  die  Amphibien  im  Ganzen  und  Grossen  vorstellen,  aber 
nicht  in  die  einzelnen  besonderen  Typen,  wie  sie  heutiges  Tages  existiren,  hineinpassen.  Da- 
durch fällt  der  Streit,  ob  sie  zu  den  Bat  räch  lern  oder  zu  den  Sauriern  gehören,  in  sich 
selbst  zusammen;  denn  sie  gehören  in  der  That  zu  keiner  von  beiden  Gruppen,  sie  sind  mehr 
als  die  Eine  und  mehr  als  die  Andere,  sie  sind  Beide  zugleich. 

Es  möge,  lun  diesen  Beweis  so  bündig  als  möglich  zu  führen,  hier  kurz  Dasjenige 
zusammengestellt  werden,  was  schon  früher  ül)er  die  Affinität  der  einzelnen  Schädelknochen 
Vergleichungsweise  ermittelt  worden  ist. 

Wir  fanden,  dass  der  Zwischenkiefer  (§.  2.)  den  nächsten  Anschluss  an  den  Typus 
der  ächten  Saurier  darbiete,  während  der  Oberkiefer  (§.  3.)  mehr  an  den  Bau  bei  den 
Schlangen  erinnere.  Die  Nasenbeine  (§.  4.)  wollten  sich  keinem  anderen  AmphÜMentypus 
anschliessen ,  ihre  nächsten  Analoga  lieferte  Pterodactylus ;  dagegen  passten  Thränenbein 
und  Vorderstirnbein  (§§.  5.  6.)  zu  den  gleichnamigen  Knochen  der  Krokodile,  wenn  man 
von  ihrer  viel  geringeren  Grösse  bei  letzteren  absieht.  Das  Haupt  Stirnbein  (§  7.)  ist  durch 
die  Entfernung  vom  Augenhölilenrande  besonders  ausgezeichnet;  kein  lebendes  Amphibium 
zeigt  ein  Gleiches;  im  Uebrigen  nicht  ohne  Beziehung  zum  Tjpus  der  Schildkröten.  Ebendahin 
richtet  das  so  enorm  erweiterte,  durch  die  völlige  UeberwöHnrng  der  Schläfengrube  ausge- 
zeichnete Jochbogengerüst  (§.  8.)  unseren  Blick;  obgleich  eine  solche  Ausdehnung  des- 
sellien,  wie  bei  Trematosaiirus,  keinem  lebenden  Amphibium  eigen  ist  und  am  allerwenigsten 
mit  den  Typen  nackter  Amphil)ien  harmonirt.  Weit  eher  liesse  sich  eine  gewisse  Analogie  mit 
den  Backenknochen  mancher  Fische  erweisen  (§.  9.).  Indessen  stimmt  die  Grundlage  des  ganzen 
Apparates  in  der  Hauptsache  mit  dem  Typus  der  Krokodile  überein.  Die  Scheitelbeine 
(§.  10.)  erinnern  durch  das  bleibende  Scheitelloch  an  gewisse  Gruppen  der  typischen  Saurier, 
während  ihre  lange  Trennung  nur  bei  Schildkröten  und  nackten  Amphibien  sich  findet.  Das 
Hinterhaupt  (§.  12.)  mahnt  entschieden  aif  die  Form  dessellDen  Knochens  der  Krokodile, 
alier  der  zweiköpfige  Condylus  passt  dazu  nicht.  Seine  AehnUchkeit  mit  dem  Gelenkapparat 
der  nackten  Amphibien  ist  ül)rigens,  wenn  man  von  der  Zahl  der  Gelenkfiächen  absieht,  sehr 
gering.  Auch  der  Paukenknochen  (§.  1.3.)  und  das  Zitzenbein  (§.  11.)  stimmen  am  meisten 
mit  dem  Typus  des  Krokodils  überein,  wogegen  das  Grundbein  (§.  14.)  wieder  ganz  dem 
der  typischen  Saurier  sich  anscliliesst.  Ebendahin  passt  das  Gaumen gerüst  (§.  15.)  von 
Tremutosaurus  am  meisten,  allein  die  Zerfälkmg  desselben  in  drei  Paar  Knochen,  welche 
den  typischen  Sauriern  zukommt,  geht  ihm  ab;  endlich  die  Pflugscharbeine  (§.  16.)  weisen 
auf  ächte  Saurier  hin.  Sell)st  der  Unterkiefer  (§.  16.)  muss,  trotz  gewisser  Aehnlichkeiten  mit 
dem  der  Krokodile,  im  Ganzen  nach  dem  Muster  der  ächtert  Saurier -Unterkiefer  gebildet  ge- 
wesen sein.  Und  was  man  vom  Schultergürtel  kennt,  scheint  auch  auf  eine  gleiche  Ueber- 
einstimmung  hinzudeuten  (§§.  22.  23.). 


56    

Als  Resultat  ergiebt  sich  also,  dass  die  Labyrinthodonten  im  Allgemeinen,  und  Tre- 
matosuurus  mit  ihnen,  in  den  meisten  wesentlichen  Punkten  ihres  Schadellypus  an  die  ächten 
Saurier  uns  erinnern,  dass  demnächst  aber  entschiedene  Krokodilcharaktere  darin  mit  aufge- 
nommen sind,  dass  es  ferner  nicht  an  einigen  wichtigen  Uebereinstimmungen  mit  dem  Typus 
der  Schildkröten  fehlt,  dass  selbst  die  Schlangen  durch  die  Länge  ihres  Oberkieferknochens 
in  den  Schädelbau  von  Trematusaurus  hineinspielen,  und  dass  endlich  die  nackten  Amphi- 
bien mit  einem  sehr  wesentlichen  Organisalionsmomente,  der  Trennung  des  Gelenkapparates 
am  Hinterhaupt  in  zwei  Köpfe,  an  der  Schädelbildung  der  Labyrinthodonten  Theil  nehmen. 
Neben  allen  diesen  Beziehungen  und  Aehnlichkeiten  mit  anderen  Amphibiengruppen  bleibt  aber 
eine  einzige  Eigenschaft  der  Labyrinthodonten  ganz  ohne  alle  Analogie  bei  den  Amphibien, 
und  das  ist  die  völlige  Ueberwölbung  ihrer  Schläfengruben  von  Theilen  des 
S  c  h  ä  d  e  I  g  e  r  ii  s  t  e  s. 

Die  Labyrinthodonten  können  mithin  zu  keiner  Hauptabtheilung  des  heutigen  Systems 
der  Amphibien  gerechnet  werden,  sie  stehen  vielmehr  ebenso  isolirt,  wenn  nicht  noch  selbst- 
ständiger da,  als  di^  Enaliosaurier  und  die  Pterosaurier.  Denn  obgleich  es  ausgemacht 
ist,  dass  sie  einen  doppelten  Gelenkkopf  am  Hinterhaupt  besitzen,  so  sind  sie  doch  ganz  ge- 
wiss keine  Amphihia  nuda  oder  Batrachier  gewesen,  weil  Schuppenbildung  und  isolirte  Haut- 
knochen sich  bei  ihnen  nachweisen  lassen.  Beide  Charaktere  verlieren  für  diejenige  Epoche 
der  Thierwelt,  in  welcher  die  Labyrinthodonten  existirten,  ihre  Bedeutung,  das  lehrt  nicht 
bloss  ihr  Bau,  sondern  auch  die  Betrachtung  der  Enaliosaurier  und  Pterosaurier;  diese  Grup- 
pen waren  weder  von  Schuppen,  noch  von  grösseren  Hautknochen  bedeckt,  und  hatten  doch 
alle  beide  einen  einfachen  condylus  ucclpitalis.  Der  systematische  AVerth  des  genannten 
Theils  der  Schädelbasis  hebt  also  mit  der  tertiären  Epoche  der  Organisation  an,  und  kann  erst 
seit  dieser  Zeit  mit  demselben  Erfolge,  wie  die  bis  dahin  gleichfalls  bedeutungslose  Beschaffen- 
heit der  Wirbelkörper-Berührungsflächen,  als  entscheidender  Gruppencharakter  benutzt  werden. 


§■  20. 

Wenn  es  erlaubt  ist,  an  diese  rein  empirischen  Facta  noch  einige  rationelle  Betrach- 
tungen anzuknüpfen,  so  win-de  ich  zuvörderst  auf  die  merk-vvürdige  Uebereinstimmung  zwischen 
diesem  Verhalten  der  ältesten  Amphibien  und  dem  der  ältesten  Crustaceen  die  Aufmerksam- 
keit der  Leser  zu  richten  suchen.  In  meiner  Schrift  über  die  Organisation  der  Trilobiten 
habe  ich  nachgewiesen  (S.  41),  dass  diese  Krebse  zu  keiner  gegenwärtigen  Crustaceengruppe 
genau  passen,  sondern  dass  ihre  Körperbildung   „Momente  in  sich  aufgenommen  hat,  welche 

heutiges  Tages vereinzelt  über  mehrere  heterogene  Gruppen  der  Krebse  vertheilt 

sind."  —  Eben  dasselbe  Resultat  hat  sich  aus  der  vergleichenden  Betrachtung  der  Schädel- 
knochen von  Tremntosuuriis  in  Bezug  auf  die  Amphibien  uns  ergeben.  Nun  sind  aber,  nach 
der  Entdeckung  des  Archeyosaurus  im  Hangenden  der  Kohlenformation,  die  Labyrinthodonten 


57 

entschieden  die  ältesten  Anipiiiljien,  und  ihr  Zeitiaiun  hcschriinkl  sich  ebenso  sicher  auf  die 
secmidaie  Periode,  ^^ic  die  Zeitdauer  der  Trihjhilen  auf  die  })rimarc.  Sie  stehen  also  den 
Triloi)ilen  ^^irklich  in  so  weit  parallel,  als  die  Amphibien  und  die  (^rustaceeu  nach  der  Zeit 
ihres  Auftretens  auf  der  Erdoberfläche  übeihaupt  einander  entsprechen  können.  Ein  Unter- 
schied findet  aber  neben  dieser  Analogie  doch  statt;  der  nanilicli,  dass  die  Trilobiten  die  ein- 
zigen Crustaceen  der  primären  Periode  sind,  wiihrend  die  Labyrinthodonten  zwar  nicht  gleich 
anfangs,  aber  doch  im  Verlauf  des  secundaren  Ai)schnittes,  noch  andere  Amphibienformen 
neben  sich  haben.  Mögen  auch  immerhin  die  von  Phillips  im  oberen  Kohlengebirge  Eng- 
lands bei  ^lanchester  gefundenen  Amphibienknochen  zu  einem  Labyrinthodonten  gerechnet 
werden  dürfen,  und  mag  der  von  H.  v.  Mayer  benannte  Apateon  pedestris  wirklich  kein 
Salamander  sein,  wie  er  selbst  bemerkt  (Leonli.  u.  Bronns  n.  Jahrb.  iSii-.  S.  33G);  soviel 
scheint  doch  festzustehen,  dass  unmittelbar  über  den  Kohlengliedern  Ampliibienreste  gefunden 
werden,  die  weniger  mit  den  Labyrinthodonten,  als  mit  den  typischen  Sauriern  harmoniren. 
Denn  das  ist  vom  Prolerosaurus  und  Palaeosaiirus  noch  immer  die  allgemeine  Annahme. 
Bisher  ist  in  der  Zechsteinformation  kein  Labyrinthodonte  entdeckt;  erst  in  der  Trias  treten 
sie  wieder  auf,  und  zwar  am  häufigsten  und  ausgebildetsten.  Das  war  der  eigentliche  Laby- 
rinlhodonten-Zeitraum,  die  Herrschaft  dieses  sonderbaren  Amphibientypus,  in  welchem  sich  die 
Charaktere  der  heterogensten  Glieder  der  Gegenwart  vereinigen.  Nelien  ihnen  erscheinen 
die  iiltesten  Enaliosaurier  im  Nofhosaiirus ,  und  ausserdem  typische  Saurier  CCladyudon, 
Rhi/nchosaurusJ,  welche  die  in  Prolerosaurus  und  Palaeosaurus  l)egonnene  Entwickelung 
der  Central -.4mphibienform,  d.  h.  der  Eidechse,  festhalten  und  weiterführen.  Sie  scheint, 
wenn  auch  in  veränderten  Typen,  durch  die  ganze  secundäre  Periode  hindurcli  zu  gehen, 
und  neben  allen  anderen  abweichenden  Amphibiengebilden,  als  das  eigenUiche  Irbild  der 
Klasse,  sich  überall,  wo  Amphibien  oberhalb  der  Steinkohlenperiode  auftreten,  zur  Geltung 
gebracht  zu  haben.  Erst  im  Jura  löst  sich  von  ihr  die  Krokodilgestall  ab,  und  damit  ver- 
schwinden die  Labyrinthodonten,  wenn  nicht  Fischers  Rhinosaurus ,  wie  ich  vermulhe, 
ein  Mitglied  der  Gruppe  ist,  und  den  letzten,  freilich  schon  in  manchen  Punkten,  z.  B.  in  der 
Bezahnung,  sehr  modificirten  Ausläufer  der  Familie  darstellt.  Als  nicht  minder  räthselhafte 
Formen  treten  um  dieselbe  ^eit  die  Pterosaurier  auf,  und  gleichzeitig  mit  ihnen  die  Che- 
lonier,  welche  man  ohne  Frage  für  die  sonderbarste  Amphibienform  der  Gegenwart  erklären 
darf  So  l»erühren  sich  denn  im  Jura  die  alte  und  die  neue  Zeit  der  Amphibien;  erslere 
verschwindet,  nachdem  schon  früher  die  Labyrinthodonten  untergegangen  sind,  in  der  Kreide 
mit  den  letzten  Enahosauriern  und  Pterosauriern  \on  der  Erdoberfläche,  während  unmittelbar 
darauf,  also  mit  dem  Beginn  der  tertiären  Periode,  alle  heutigen  Amphiljienfonnen  sich  ent- 
wickelt haben,  d.  h.  die  neuere  Idee  allein  zur  Geltung  gekommen  ist. 

Mit  diesem  Entwickelungsgange  der  Amphibien  läuft  nun  der  Gang,  den  die  (vpische 
Ausbildung  der  (Crustaceen  nimmt,  auf  eine  höchst  überraschende  Weise  parallel.  Ich  habe 
den   anderweitieen   Parallelismus,    in    welchem    diese   beiden  Thierklassen,    als  Durch2;ana;s- 

8 


58    — • 

gruppen,  in  der  Reihe  der  Glieder-  und  Rüclvgralliiiere  zu  einander  stehen,  sclion  Iriiher, 
wenn  auch  nur  andeutungsweise,  ausgesprochen  (Handbuch  der  Naturgeschiclite  S.  385  ff.) 
und  mit  einem  noch  ungedruckten  Vortrage  über  denselben  Gegenstand  meine  Docentenlauf- 
bahn  in  Berlin  vor  15  Jahren  eröffnet.  Es  ist  meine  Absiciit,  in  der  schon  mehrmals  ange- 
zeigten „rationellen  Zoologie"  die  darauf  bezüghchen  Thatsachen  ausführlich  zu  besprechen, 
und  deshalb  glaulie  ich  diesen  Stoff  hier  nicht  weiter  berühren  zu  dürfen,  als  eben  hinreicht, 
um  die  Analogie  in  dem  Entw ickelungsgange  der  Crustaceen  und  Amphibien  wahrend  der 
stufenweisen  Ausbildung  der  Erdoberfläche  nachweisen  zu  können.  Das  ist  denn  für  die  An- 
fänge beider  Thierklassen  schon  geschehen,  insofern  die  Trilobiten,  als  die  ältesten  Krebse, 
gerade  so  die  Charaktere  heterogener  Crustaceengruppen  in  sich  vereinen,  wie  die  Labyrin- 
thodonten,  als  die  ältesten  Amphibien,  es  in  Bezug  auf  ihre  heutigen  Gruppengenossen  thun. 
Unter  den  Steinkohlen  finden  sich  von  den  Krebsen  nur  Trilobiten,  unter  der  Zechsteingruppe 
allem  Anschein  nach  von  den  Amphibien  nur  Labyrinthodonten.  Im  Kohlengebirge  hat  man 
eine  Form  wie  Liinultis  beobachtet;  im  Zechstein  und  seinen  coordinirten  Gliedern  sind  l)is 
jetzt  keine  Crustaceen  nachgewiesen,  sie  beginnen  also  für  uns  erst  in  der  Trias  wieder,  und 
erscheinen  vorzüglich  unter  der  Form  von  ^lacruren,  als  den  eigentlichen  typischen  Kreb- 
sen: den  Gestalten,  in  welchen  sich  gewissermassen  der  BegritT  Krebs  verkörpert  und  in 
seine  reinsten  Typen  ausgeprägt  hat.  Was  die  typischen  Saurier  unter  den  Amphibien 
sind,  das  sind  die  Thoracostraca  und  besonders  die  Decapodeu  unter  den  Crustaceen; 
und  wie  man  jene  am  natürlichsten  in  Spaltzüngler  und  Dickzüngler  f heilt,  so  diese  in 
Macruren  und  Brachyuren.  Die  ältesten  typischen  Saurier  CProferosaurus ,  Palaeo- 
saurus)  nähern  sich  nun  ebenso  dem  Typus  der  Spaltzüngler  QMonitorJ ,  wie  die  ältesten 
typischen  Crustaceen  otler  Decapoden  dem  Typus  der  Macruren  sich  anreihen;  denn  die 
meisten  Arten  des  bunten  Sandsteins,  des  Muschelkalks  und  des  Keupers  gehören  zu  der  ge- 
nannten Abtheilung.  \\\\  .hn-a,  wo  die  antike  Ampliibienwelt  ihre  grösste  Mannigfaltigkeit  otTen- 
bart,  erreichen  auch  die  antiken  Formen  der  Krebse  in  den  zalilreichen  Geschlechtern  der 
Macruren  und  Stomatopoden  ihr  Maximum,  und  wie  in  der  Kreide  die  sonderbaren  Amphi- 
biengestalten der  Vorweit  sich  verlieren,  so  treten  ebenda  an  die  Stelle  der  zahlreichen  älte- 
ren Panzerkrebse  die  auch  in  der  Gegenwart  viel  häufigeren  Brachyuren  oder  Taschenkrebse. 
Gliederkrebse  QArthrostraca^,  gegenwärtig  so  gemein  auf  der  Erdoberfläche,  wie  Kröten, 
Frösche  und  Molche,  fehlen  allen  vortertiären  Zeiträumen;  sie  erscheinen  gleichzeitig  mit  den 
nackten  Amphibien  erst  in  demjenigen  Al^schnitt  des  Entwickelungsganges  der  organischen 
Welt,  welcher  alle  heutigen  Typen  zum  ersten  Male  beisammen  hat.  Und  das  ist  die  tertiäre 
Periode.  In  ihr  sind  die  gegenwärtigen  Krebse  und  die  gegenwärtigen  Amphibien  vollständig 
vertreten,  und  wie  es  seit  Beginn  dersell^en  keine  von  den  lieutigen  Gestalten  wesentlicli  ab- 
weichenden Amphibien  gegeben  hat,  so  fehlen  ihr  auch  alle  älteren  Krebsformen  gänzlich. 

Uebrigens  bleibt   zu   bedenken,    dass  die  untergegangenen  paradoxen  Amphibientypen: 
die  Enaliosaurier,  Pterosaurier  und  Dinosaurier,   welche  ich  fiir  die  auf  das  Amphibium  über- 


59     

(ragenen  SlelKerlreter  des  heutigen  Cotaceen-,  Chiropleren-  und  Pachydermentypus  hallo,  nicht 
unter  den  Krebsen  ihre  parallelen  Glieder  haben,  und  auch  nicht  haben  konnten,  weil  gleich- 
zeitig mit  den  Krebsen  schon  höhere  Gliederthiere:  Scorpione,  Spinnen  und  Insecten,  existir- 
ten,  in  denen  der  Drang  nach  Mannigfaltigkeit  in  der  Darstellung  des  Gliederthiertypus  sich 
zu  äussern  hinreichende  Gelegenheit  fand.  Allein  die  Rückgratthiere  waren  nicht  in  diesem 
Fall,  sie  gingen  bis  zur  tertiiiren  Periode  nicht  weit  über  den  Amphibientypus  hinaus,  und 
üljertrugen  eben  deshalb  ihre  gegenwärtig  in  den  Säugethieren  dargestellte  grössere  typische 
Mannigfaltigkeit  auf  die  Amphibien.  Dass  damals  Vögel  lebten,  können  wir  weder  bestreiten 
noch  beweisen,  obgleich  die  Fussspuren  aus  älterer  Zeit  ihre  Existenz  vermuthen  lassen;  dass 
die  räthselhaften  Stonesfielder  Kiefer  Säugethieren  angehörten,  ist  mehr  als  wahrscheinlich; 
allein  wie  eine  Schwalbe  noch  keinen  Sommer  macht,  so  kann  eine  Säugethiergestalt  nicht 
mehr  als  den  einen  Typus  repräsentiren,  dessen  Ausdruck  sie  ist.  humerhin  mussten  also 
die  anderen  Typen  den  anderen  Thierklassen   verbleiben. 

§■  27. 

Die  versuchte  Darstellung  des  Parallelismus  zwischen  den  urweltlichen  Crustaceen  und 
Amphibien  hatte  die  A])sicht,  darauf  hinzudeuten,  dass  ein  und  dasselbe  Gesetz  den  Entwicke- 
lungsgang  aller  organischen  Geschöpfe  auf  der  Erde  gleichmässig  beherrscht  habe.  Dieses 
Gesetz  ist  aber  kein  anderes,  als  der  Ausdruck  der  Abhängigkeit,  in  welcher  die  Geschöpfe 
zu  den  Verhältnissen  ihrer  Umgebung  stehen.  Was  man  auch  reden  mag  von  der  Einheit  des 
Planes  der  Weltschöpfung,  und  wie  sehr  man  auch  voll  Demuth  den  Genius  bewundere,  der 
ihn  erdacht  hat;  so  viel  steht  fest,  geregelt  und  zur  endlichen  Erscheinung  gebracht  ist 
die  Idee  nur  worden  durch  die  ^on  aussen  einwirkende  Nothwendigkeit,  welche  sie  gerade 
so,  und  nicht  anders,  in  die  Erscheinung,  in  eine  bestimmte  Form  zwang,  und  die  eben  da- 
durch das  Mannigfaltige  trotz  der  einheitlichen  Grundlage  hervorrief.  Schon  die  Betrachtung 
des  Weltraumes  und  der  in  ihm  sich  bewegenden  Gestirne  überzeugt  uns  davon,  dass  zwar 
eine  einzige  Grundkraft,  die  der  Massenanziehung,  das  ganze  System  des  Weltalls  regelt, 
dass  aber  nichts  desto  weniger  ihre  Aeusserungen  höchst  mannigfaltige  Verschiedenheiten  der 
Bewegungen  und  Bahnen  hervorrufen.  Alle  diese  Verschiedenlieiten  sind  nothwendige  Resul- 
tate der  dillerenten  Beziehungen  und  der  Massenunterschiede,  welche  wir  zwischen  den  ein- 
zelnen Weltkörpern  wahrnehmen;  es  sind  Resultate  der  Wirkungen,  welche  die  Körper  auf 
einander  ausüben,  oder  des  Widerstandes,  dem  sie  auf  ihren  Bahnen  begegnen.  Hier  ist  nichts 
Prämeditirtes  mehr,  hier  ist  es  vielmehr  ein  durch  die  Indi\idualität  jedes  Einzelnen  bedingtes 
und  insofern  zufälliges  Moment,  welches  die  Erscheinung  hervorruft.  Von  der  Gewall  des 
einen  hidividuums  wird  die  Form  des  anderen,  seine  besondere  Bahn,  seine  Abweichung  von 
der  Generalregel  in  Grösse  und  Ausdehnung  mit  Nothwendigkeit  bewirkt;  mit  derselljen  Noth- 
wendiekeit,  welche  rückwirkend  auf  den  ändernden  Factor  influirt.  und  auch  ihn  zu  gewissen 

8' 


60     

Modificationen  der  allgemeinen  Grundlage  nöthigt.  Und  nicht  bloss  die  Körper  als  Indi\iduen, 
auch  die  Widerstände,  welche  sie  von  der  noch  ungeformten  Materie  erfahren,  machen  sich 
in  der  Harmonie  des  Ganzen  als  individiialisirende  Machte  bemerkbar;  auch  sie  äussern,  mögen 
sie  an  sich  noch  so  unbedeutend  sein,  ^^enn  sie  nur  fortdauernd  bei  gleicher  hitensität  be- 
harren können,  ihre  AYirkungen.  Das  Resultat  aller  dieser  Störungen  ist  die  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  eigenthümlidie,  mit  Nothwendigkeit  aus  den  gegebenen  Bedingungen  liei\or- 
gegangene,  also  resultirte  Gestalt,  Grösse,  Stellung,  Bahn  und  Zeitperiode,  welche  jedweden 
besonderen  Himmelskörper  charakterisirt. 

So  steht  es  am  Firmament,  und  nicht  anders  auch  auf  unserer  Erde;  sie  ist  sicher 
durchweg  Individuum,  sie  hat  ohne  alle  Frage  nirgends  iiu-es  Gleichen,  sie  ist  ein  ünicum 
unter  Millionen  ähnlichen ,  aber  alle  von  einander  verschiedenen  Geschwistern.  Und  dies 
Unicum  hatte  seine  besondere  hidividualität  von  vorn  herein,  so  lange  es  ü])erhaupl  im  Welt- 
raum isohrt  bestand;  es  hat  dieselbe  in  typisch  gleicher  Grundlage  von  jeher  besessen,  und 
wird  eben  diesen  ihm  eigenen  Typus  in  alle  Ew  igkeit  behalten.  Allein  die  Erde  ist  nicht  von  jeher 
fertig  gewesen,  sie  ist  geworden;  sie  hat,  als  Seiendes  überhaupt,  luu'  unter  gewissen  Bedin- 
gungen, d.  h.  nach  den  der  tellurischen  Materie  und  ihrer  hidividualität  inwohnenden,  durch 
die  Nothwendigkeit  der  Abhängigkeitsverhältnisse  liesclu-änkten  Gesetzen  sich  gestalten  können. 
Diese  Gesetze  sind  eben  nichts  anders,  als  der  Ausdruck  der  Nothwendigkeit,  unter  welcher 
die  Erde  und  Alles  auf  ihr  steht;  sie  sind  das,  was  der  kurzsichtige  IMick  des  gemeinen 
Menschenverstandes  Zweckmässia;keit  nennt,  was  die  Wissenschaft  als  das  unter  den  aecebenen 
Verhältnissen  allein  zum  Ziele  Fühi'cnde  und  deshalb  in  sich  selbst  Nothwendige  erkannt  hat. 
Ein  Zweckmässiges  giebt  es  nur  im  Gegensatz  gegen  das  Unzweckmässige;  was  zweckmässig 
an  sich  ist,  ist  nur  so,  wie  es  ist,  gedenkbar,  und  darum  nothw endig  Das  Zwecbnässige 
existirt  in  der  Natur  niclit,  es  ist  ein  aus  der  menschlichen  Wesenheit  abgeleitetes,  mit  Un- 
recht auf  die  Natur  iibertragenes  Heuryslikon. 

Was  wir  eben  über  die  Nothwendigkeit  der  besonderen  Qualität  unseres  Erdballes 
und  über  ihre  Abhängigkeit  von  gegebenen  Bedingungen  behauptet  haben,  gilt  begreiflicher 
Weise  nicht  bloss  von  ihm  im  Ganzen,  sondern  auch  von  jedem  seiner  ^erschiedenen  Theile. 
Darum  kann  ich  mir  die  Erscheinung  der  Organisation  auf  der  Erde  nicht  anders,  als  unter 
demselben  Gesetze  <ler  Nothwendigkeit  existirend  denken.  Die  organische  Materie  ist  eijenso 
gut,  wie  jede  andere  Materie,  eine  bestimmte  Verbindung  elementarer  Stoffe  nach  festen 
Regeln.  Die  Aeusserung  dieser  Regeln  ist  aber  wieder  nur  unter  gewissen  Voraussetzungen 
möglich;  so  lange  sie  fehlen,  felilt  auch  das  Product.  Hier  tritt  uns  sofort  ein  ganz  bestimm- 
tes, unabändei'liches,  d.  h.  so  wie  es  ist  nothwendiges  Causalverhältniss  entgegen.  Umgekehrt 
folgt  daraus,  dass  sobald  die  Bedingungen  für  die  Entstehung  organischer  Materie  da  waren, 
auch  flie  wirkliche  Bihknig  derselben  nicht  auf  sich  warten  liess.  So  weit  ist  Alles  klar  und 
leicht  begreiflich,  allein  das  Rälhselhafte  und  gewissermaassen  Willkiirliche  sciieint  denn  doch 
die  Form  zu  sein,   unter  \\elchei-  die  Materie   in  die  Erscheinung  trill.     Ich   bin   dieser  Ansicht 


61     

nicht,  ich  betrachte  die  Griuulfonn,  d.  h.  den  Typus,  ebeiifalis  als  ein  aljsolut  Nothwendiges, 
dessen  ursprüngliclie  Anlage  von  der  eigenlhiinilichen  Mischung  der  Materie  abhängig  war, 
und  dessen  Ausdehnung  bis  zu  einer  gewissen  Grösse  durch  die  äusseren  Einflüsse  beschränkt 
wurde,  unter  welchen  dies  besondere  Stück  Materie  seine  besondere  Form  annahm.  Hierfür 
spricht  der  Umstand,  dass  nicht  IjIoss  die  Grösse  der  Krystall-hidividuen  innerhalb  ihrer  Mi- 
nima und  Maxima  sich  bewegt,  und  dass  der  jedesmalige  räumliche  Umfang  nachweislich  von 
den  äusseren  Einflüssen  abhängt,  unter  denen  sich  das  hidividuum  bildel;  sondern  auch  ganz 
besonders  die  Thalsache,  dass  die  Dimensionen  der  organischen  Wesen  ähnlicher  Arl  von 
Anbeginn  der  Organisation  auf  der  Erdoberiläche  so  ziemlich  cheselben  geblieben  sind.  Alle 
sogenannten  niederen  Thiere  tler  Vorwelt  haben  ein  ihren  gegenwärtigen  Naclibildern  ent- 
sprechendes Grössenverhältniss,  und  alle  gigantischen  höheren  Thiere  der  secundären  und 
tertiären  Periode  werden  von  den  grösslen  Formen  der  Gegenwart  erreicht,  ja  zum  Theil 
selbst  iüjerschritten.  Die  Gruppen,  in  denen  die  Riesen  der  Vorwelt  auftreten,  sind  nur  an- 
dere, als  diejenigen,  in  welchen  sie  gegenwärtig  vorkommen;  und  darin  liegt  für  den  Beob- 
achter das  Ueberraschende  ihrer  Erscheinung  (Geschichte  der  Schöpfung  S.  öi.7).  Bei  dieser 
Ansicht  ist  es  nun  sehr  wohl  begreiflich,  warum  der  besondere  Thierlypus  >ün  vornherein 
derselbe  sein  musste,  warum  die  ältesten  Crustaceen  nnd  Amphibien  schon  die  meisten  Eigen- 
sciiaflen  der  heutigen  an  sich  (ragen,  und  warum  sie  alle  diese  Eigenschaften  implicite  zu 
einem  Ganzen  verbanden,  während  gegenwärtig  dieselben  expUcite  über  mehrere  ver- 
schiedene Formen  sich  verthcilen.  Denn  die  Idee  AmphiJjium  fordert  einen  gewissen 
Gomplex  von  Eigenschaften.  So  lange  diese  Idee  nur  in  einer  Gestalt  verkörpert  w^ar,  fan- 
den sich  alle  diese  Eigenschaften  an  ihr  zusammen;  ging  sie  aber  in  mehreren  Formen 
nach  und  nach  aus  einander,  so  behielt  jede  dieser  Formen  nur  einen  gewissen  Theil  der 
Eisenschaften  und  überliess  die  übrigen  den  anderen  Gestalten.  Auf  keine  andere  Art  wäre 
auch  die  Mannigfaltigkeit  aus  der  Einheit  abzuleiten  gewesen,  und  so  ist  denn  dieser  Weg 
nicht  bloss  der  einfachste,  sondern  wirklich  der  absolut  nothwendige.  AVer  sich  also  darüber 
wundert,  dass  die  heutigen  Amphibien  insgesammt  und  die  ältesten  im  Einzelnen  wirklich 
nach  demselben  Muster  construirt  sind,  kann  sich  mit  noch  grösserem  Rechte  darüber  wun- 
dern, dass  der  Amphibientypus,  wie  er  heute  im  Ganzen  uns  vorliegt,  in  so  viele  verschie- 
dene, scheinbar  heterogene  Formen  aus  einander  fällt;  denn  in  der  That  ist  diese  aligeleitete 
Mannigfaltigkeit  viel  überraschender,  als  die  ursprüngliche,  aus  mannigfachen  Bestimmungs- 
stücken componirte  Einheit.  Die  Möglichkeit  dieses  Auseinandergehens  in  diiferente  abgeleitete 
T\pen  scheint  mir  nun  eines  Theils  durch  die  Zunahme  der  bewohnbaren  Erdoberfläche  und 
anderen  Theils  durch  die  Moditicationen  iWv  Atmosphäre,  des  da\on  abhängigen  Luftdruckes, 
der  Temperatur  und  des  Feuchligkeitsgrades  bedingt  worden  zu  sein.  \A'o  neue  Erdflächen 
entstanden,  konnten  neue  Organismen  ihren  Boden  finden,  und  indem  alle  äusseren  Verhält- 
nisse dieser  Flächen  verschieden  waren  von  den  früheren,  änderten  sich  in  demselben  Grade 
auch  ihre  Bewohner.     Ein  Theil  des  componirten  Typus  wurde  hier  beibehalten,  ein  anderer 


62     

dorlliin  abgegeben,  und  so  entstand  nach  wiederholten  Phasen  der  Erdiinnvälzung  endlich  die 
grosse  Mannigfaltigkeit  der  aljgeleilelen  Typen,  welche  wir  heute  zu  überblicken  im  Stande 
sind.  Das  gilt  nun  ebenso  gut  von  den  Amphibien,  wie  von  den  Crustaceen,  und  darum  be- 
gegnet uns  in  beiden  an  sich  so  verschiedenen  Thierklassen  ein  und  dieselbe  geologische 
Entwickelung ;  sie  wird  uns  auch  bei  näherer  Betrachtung  der  übrigen  Thiergruppen  entgegen- 
treten, wir  werden  sie  endlicli  in  weitester  Ausdehnung  für  die  ganze  organische  Schöpfung 
sich  bestätigen  sehen. 

§•  28. 
Es  führt  mich  diese  Betrachtung  zur  Untersuchung  der  Frage  von  den  Nachschöpfun- 
gen oder  Umwandlungen  der  Species,  welche  in  neuester  Zeit  so  viele  geistreiche  Natur- 
forscher beschäftigt  und  zu  so  manchen  scharfsinnigen  Erörterungen  Veranlassung  gegeben 
hat.  Leider  lässt  sich  dieselbe,  gleich  der  vorstehend  entwickelten  Ansicht,  nicht  auf  rein 
empirischem  Wege  zur  Entscheidung  bringen.  So  viel  steht  wohl  fest:  für  die  Umwandlung 
der  Species  in  gegenwärtiger  Zeit  sind  keine  beweisenden  Thatsaclien  vorhanden;  die  Species 
haben  ihre  entscheidenden,  ihre  charakteristischen  Eigenschaften  seit  der  geschichtlichen  Zeit 
unabänderlich  beibehalten,  und  sind  nicht  die  eine  in  die  andere  umgewandelt  worden.  Alle 
Modificationen ,  die  sie  erlitten  haben,  sind  Abänderungen  untergeordneter  Art,  welche  zwar 
an  sich  höchst  bedeutend  werden  können,  allein  den  wahrhaft  specifischen  Charakteren  keinen 
Eintrag  thun.  Indessen  das  beweist  eines  Theils  nicht  viel  und  anderen  Theils  schon  genug. 
Konnte  sich  ein  bestimmter  Organismus  unter  den  gegenwärtigen  geringeren  klimatischen  und 
anderweitigen  Verschiedenheiten  der  Erdoberfläche  zu  so  vielen  Varietäten  ausbilden,  wie  wir 
das  von  den  Hunderassen  annehmen,  von  dem  Rindvieh  mit  Bestimmtheit  wissen,  von  den 
Obstsorten  und  Zierstauden  mit  so  überzeugender  Erfahrung  tägUch  ^vahrnehmen,  so  lässt  sich 
allerdings  mit  Grund  behaupten,  dass  die  Abänderungen  des  specifischen  Typus  noch  weit 
grösser  werden  mussten,  wenn  die  äusseren  Einflüsse  viel  bedeutender  modilicirt  wurden. 
Und  das  ist  ohne  Zweifel  in  Folge  mächtiger,  durchgreifender  Erdumwälzungen  der  Fall  ge- 
wesen. Ich  will  also  die  Möglichkeit  einer  speciflschen  Umwandlung,  ja  selbst  einer  für 
unsere  heutigen  Begriffe  generellen  Umbildung  nicht  geradezu  bestreiten,  obgleich  ich  Anstand 
nehme,  sie  direct  zu  behaupten  oder  eine  derartige  Behauptung  zu  vertheidigen.  Allein  wei- 
ter, als  bis  zur  specifischen  oder  höchstens  bis  zur  generellen  Umänderung  glaube  ich  über- 
haupt nicht  gehen  zu  dürfen,  und  neue  Familientypen  wird  man  aus  der  Umwandlung  früherer 
nicht  wohl  ableiten  können.  Wollte  ich  also  auch  zugeben,  dass  z.  B.  die  dilferentcn,  bis  zur 
Kreide  an  Zahl  und  Mannigfaltigkeit  zunehmenden  Familien  der  Ammoniten  mit  ihren  vielen 
Ai'ten  Umwandlungen  von  Species  vorhergehender  Perioden  sein  können,  so  würde  ich  doch 
Anstand  nehmen  müssen,  die  Umwandlung  eines  Ammoniten  in  einen  Nautileen  zu  befürwor- 
ten; ich  würde  einer  solchen  Behauptung  um  so  bestimmter  widersprechen,  als  ja  das  gleich- 
zeitiae  Vorhandensein  beider  Familien  thatsächlich  ist.    und    schon  deshalb  eine  Ableitung:  des 


63     

einen  Typus  aus  dem  anderen  nicht  zugegel^en  werden  kann.  Und  eine  solche  Umwandlung 
wäre  doch  offenbar  geringfügiger,  als  die  Modification  des  Affentypus  zum  Menschentypus, 
welche  bekanntlich  allen  Ernstes  von  Naturforschern  behauptet  worden  ist.  Es  spricht  ferner 
gegen  die  Umwandlungstheorie  das  Momentane  und  Plötzliche,  womit  sie  von  Statten  gegan- 
gen sein  müsste.  Betrachten  wir  z.  B.  die  Crustaceen,  so  wird  Jedermann  es  für  völlig 
so  unbegreiflich  halten,  wenn  man  einen  Trilobiten  sich  in  eine  Clytia  umwandeln  lässt,  als 
wenn  man  annijnmt,  jener  sei  ausgestorben,  und  diese  neue  Krebsform  statt  seiner  entstanden. 
Denn  welch  ein  Zeitraum  liegt  zwischen  dem  Dasein  jenes  und  dem  Auftreten  dieser;  welche 
Millionen  von  Jahren,  in  denen  weder  ein  Trilobit,  noch  ein  stellvertretender  Krebs  überhaupt 
existirt  zu  haben  scheint,  rollten  vorüber,  bis  der  Krebstypus  als  Clytia  wieder  auftrat.  Um 
Nachschöpfungen  kommt  man  also  auf  keine  Weise  herum,  sie  sind  nicht  wegzuleugnen ;  auch 
nach  meinem  Dafürhallen  vollkommen  so  gerechtfertigt,  wie  das  erste  und  älteste  Entstehen 
der  Organismen  überhaupt.  Und  dass  irgend  einmal  organische  Wesen  wirklich  zuerst  ent- 
standen seien,  ^^ird  hoffentlich  kein  Naturforscher  in  Abrede  stellen  wollen.  Ich  sehe  aucii 
ferner  nicht  ein,  wie  die  Umwandlungstheorie  im  Ganzen  durchkommen  will,  wenngleich  ich 
sie  für  manche,  ja  für  ^iele  einzelne  Fälle  bereitwillig  zugebe,  und  ihre  Statthaftigkeit  über- 
haupt also  nicht  in  Aljrede  stelle.  Wollen  wir  sie  nämlich  nur  einmal  etwas  näher  beleuch- 
ten, so  werden  wir  bald  das  Ungenügende  ihrer  alleinigen  Zulassung  erkennen.  Gesetzt 
einmal,  die  Nothosauren  der  Triasperiode  wandelten  sich  um  in  die  Plesiosaurier  des  Jura, 
woher  stammten  denn  jene?  —  sind  sie  etwa  umgewandelte  Labyrinthodonten?  —  schwer- 
licli,  denn  alsdann  konnten  nicht  gut  noch  Labyrinthodonten  neben  ihnen  existiren,  wenigstens 
nicht  an  ein  und  demselljen  Orte,  an  der  Stelle,  wo  die  Umwandlung  erfolgte.  Und  woher 
kommen  die  mit  den  Enaliosauriern  der  Oolithe  gleichzeitigen  Krokodilinen;  sind  auch  sie 
wieder  umgewandelte  Labyrinthodonten?  —  was  wenigstens  insofern  möglich  erscheint,  als 
keine  Arten  der  letzteren  neben  ihnen  an  denselben  Orten  gelebt  haben  mögen.  —  Die  Um- 
wandlungstheorie verliert  also  bei  näherer  Beleuchtung  alsbald  ihre  Wahrscheinlichkeit,  sie  ist 
namentlich  für  die  höheren  Thiere  eine  höchst  unglaubliche  Vorstellung,  und  kann  mit  grösserer 
Berechtigung  nur  für  niedrige  Thiertypen  in  einer  gewissen  Beschi  änkung  als  statthaft  zugegeben 
werden.  Sie  erscheint  endlich  schon  deshalb  nicht  als  allgemeine  und  einzige  Regel  zulässig, 
weil  nachweislich  nicht  bloss  neue,  vorher  niclit  dagewesene  Arten  in  den  auf  einander  fol- 
genden Perioden  auftreten,  sondern  völlig  neue  Klassen,  ja  selbst  ganz  neue  Typen.  Auch 
widerstreitet  die  stets  vermehrte  Zahl  der  Arten  und  Geschlechter,  wenn  man  die  Formmenge 
im  Ganzen  betrachtet,  der  ürawandlungslheorie,  weil  sie  nur  eine  Veränderung,  nicht  aber 
eine  Vermehrung  der  Formen  erklären  kann.  Sind  nämlich  die  späteren  Formen  aus  früheren 
durch  Umwandlung  entstanden,  welche  von  bestimmten  Bedingungen  ausging,  so  mussten  alle 
Arten,  die  den  neuen  Bedingungen  ausgesetzt  waren,  umgewandelt  werden,  und  das  ist  nicht 
der  Fall;  in  vielen  sicher  constatirten  Fällen  sind  einzelne  ältere  Arten  neben  den  späteren 
geblieben,    und   manche   formreichen  Gattungen  haben  sich  wenig  verändert  von  den  ältesten 


64     

Zeiten  bis  auf  unsere  Tage  heralj  erhallen,  wie  z.B.  die  Ter  ehr  alein.  Die  Uinwandlungs- 
Iheorie  hat  also  ihre  Unhegreiflichkeiten  ebenso  gut,  wie  die  Nachschöpfungstheoiie,  und  wer 
nur  die  eine  allein  statuirt,  die  andere  aber  verwirft,  ist  nicht  im  Stande,  die  allniälige  Ent- 
wickelung  der  Organisation  auf  genügende  Weise  zu  erklaren.  Insofern  abei-  beide  Ansichten 
\ou  Annahmen  ausgehen,  welche  nicht  in  reiner  Empirie  ihre  Begründung  finden  können,  ist 
es  völlig  gerechtfertigt,  ihnen  beiden  gleiche  Berechtigung  zuzusprechen,  und  für  die  eine  wie 
für  die  andere  sich  zu  entscheiden;  denn  beide  können  füglich  neben  einander  bestehen,  und 
mit  demselben  Rechte  als  Erklärungsgründe  für  die  Erscheinungen  benutzt  werden. 


Kehren  wir  nach  dieser  theoretischen  Abschweifung,  welche  uns  zum  ricliligen  Ver- 
ständniss  der  eigenthümliclien  Bildungsweise  der  Labyrinthodonten  führen  sollte,  zu  einer 
genaueren  Abwägung  ihrer  zoologisclien  Verwandtschaft  zurück,  so  lässl  sich  über  die  Frage, 
ob  es  denn  überhaupt  auch  nur  Amphiljien  seien,  wohl  nicht  weiter  mit  Grund  discutiren; 
wii'  glauben  sie  oben  entscheidend  beantwortet  zu  haben.  Woiil  aber  lässt  sich  der  Beweis, 
dass  die  Labyrinthodonten  zu  keiner  noch  lebenden  Amphibiengruppe  gehören,  weiter  aus- 
spinnen, und  das  mag  hier  zur  völligen  Erledigung  unserer  Untersuchung  geschehen. 

Wir  fragen  also  zuvörderst:  können  die  Labyrinthodonten  den  Schildkröten  bei- 
gegeben werden"?  —  Gewiss  nicht  1  —  Dagegen  spricht  schon  ihr  dicht  und  stark  be- 
zahnter  Kieferrand,  wenn  wir  auch  auf  den  getrennten  zweiköpfigen  Condylus  des  Hinter- 
iiauptes  gar  kein  Gewicht  legen  wollen.  Es  spricht  ferner  gegen  die  Verbindung  mit  den 
Schildkröten  die  weite  Entfernung  der  Nasenlöcher  von  einander  und  die  Trennung  der 
Nasenbeine,  \ orderen  Stirnbeine  und  Thiänenbeine  zu  besonderen  Knochen,  insofern  diese 
drei  Knochen  bei  den  Schildkröten  typisch  in  einen  verschmolzen  sind.  Als  dritter  Unter- 
schied lässt  sich  die  bleibende  Trennung  der  Pflugscharbeine  in  zwei  Hälften  Ijei  Tremato- 
saurus  und  die  einfache  Beschaffenheit  desselben  bei  den  Schildkröten  hervorheben;  wälirenrl 
andererseits  bei  letztiereu  Flügelbeine  und  Gaumenbeine  getrennt  bleiben,  bei  Tremutosuurus 
aber  zusammenfallen.  Ganz  besonders  aber  ist  die  Anwesenheit  der  beiden  ungemein  weiten 
Gaiunenlöcher  bei  Treinatosanrus  ein  Grund  gegen  ihre  Verbindung  mit  den  Schildkröten, 
deren  Gaumendecke  ununteibrochen  ist,  wie  beim  Krokodil.  Auch  liegen  die  Choanen  der 
Schildkröten  in  der  Mittellinie  neben  einander,  die  des  Trematosaurus  getrennt  von  einander 
neben  dem  Kieferrande.  Endlich  ist,  abgesehen  \on  der  völligen  Ueberwölbung  der  Schläfen- 
grube, die  Decke  des  Hinterhauptsbeines  bei  allen  Schildkröten  ein  einfacher  Knochen,  bei 
Treinatosanrus  dagegen  ein  doppelter.  Bringt  man  zuletzt  noch  die  langgezogene  Form 
des  Schädels,  welche  freilich  nicht  aUen  Labyrinthodonten  in  gleicher  Weise  zukommt,  in 
Anschlag,  so  findet  man  ebenfalls  einen  Grund  gegen  die  Einreihung  unter  die  Schildkröten, 
weil  so  langköpfige  Formen  zu  deren  gedrungenem  Typus  nicht   passen. 


—     65     — 

Nicht  i-ninstiger  siellt  sich  das  Resultat  bei  Untersuchung  der  Frage,  oh  the  Lahyrin- 
lliochMiten  mit  den  Krokodilen  in  dieselbe  Gruppe,  oder  ü])er]iaupt  nur  in  eine  unniillelbare 
Verbindung  gebracht  ^verdcn  können;  denn  auch  sie  müssen  wir  verneinen.  Will  z\\ar 
der  einlache  Zwisclienkiefer  der  Labyrinthodonten  und  der  zweitheilige  der  Krokodile  noch 
nicht  viel  bedeuten,  so  ist  doch  die  völlige  und  sogar  weite  Trennung  der  Nasenlöcher  von 
einander  von  grösserem  Belang  lur  die  Abschätzung  der  zoologischen  Aflinität.  Weitei'  Irilt 
die  Bezahiumg,  und  namentlich  die  Einkeilung  der  Zähne  beim  Krokodil,  nel)en  einer  viel 
geringeren  Zahl  dei'  Kieferzähne  und  dem  Mangel  von  Zähnen  am  Gaumenbein,  als  wichtiger 
Unterschied  zwischen  ihm  und  Trematosaurus  hervor.  Ganz  besonders  aber  streitet  die 
schmale  Form  des  Oberkieferknochens  der  Labyrinthodonten  und  die  Ijreite  Gaumenplatte  des- 
selben bei  den  Krokodilen  gegen  eine  nähere  Verwandtschaft  beider  Thiertypen.  Folge  da- 
von i.st,  dass  die  PIlugscharbeine  des  Krokodils  unter  jenen  Gaumenplatten  versteckt  sind, 
beim  Trematosaurus  aber  fiei  zu  Tage  gehen.  Eine  andere  und  ebenso  wichtige  Differenz 
lie^t  in  der  Choanenbildunn  lioider  Thiere.  Der  Tvpus  der  Krokodile  wird  durch  die  An- 
näherung  der  OetTnungen  schildkrötenartig,  und  ihre  weite  Lage  nach  hinten  bildet  ihn  selbst- 
ständig aus;  der  Tvpus  der  Labyrinthodonten  passt  mehr  zu  dem  der  äciiten  Saurier,  zumal 
wegen  der  Aorderen  Lage  und  weiten  Trennung  beider  Oeffnungen  von  einander.  Gar  keine 
Aehnlichkeit  zeiat  ferner  die  Bildung  der  Gaumenbeine;  denn  statt  der  drei  Stücke  des  Kro- 
kodils  haben  die  Labyrinthodonten  nur  einen  ungetheilten  Knoclien,  welcher  nach  Lage  und 
Form  am  meisten  dem  os  trunsversum  und  einem  Theile  des  os  pterygoideum  der  Kroko- 
dile entspricht,  während  das  eigentliche  os  palatinum  der  Kiokodile  den  Labyrinthodonten 
ganz  fehlt.  Daraus  folgt  mit  die  Grösse  ihrer  Gaumenlöcher  und  deren  viel  geringerer  Um- 
fang beim  Krokodil.  Grössere  Aehnlichkeit,  als  die  vordere  Hälfte  des  Schädels,  zeigt  die 
hintere.  Sieht  man  von  der  enormen  Entwickelung  des  os  pterygoideuin  der  Krokodile  ab, 
so  läs&l  sich  der  ganze  hintere  Schädeltheil  derselben  in  dem  der  Labyrinthodonten  wieder- 
erkennen: nur  zwei  Unterschiede  treten  störend  zwischen  die  grosse  Uebereinstimmung  bei- 
der, nämlich:  der  doppelte  cotidylus  occipitalis  und  die  völlige  Uelierwölbung  der  Scliläfen- 
gruben  von  Knochen.  Indessen  lassen  uns  das  einfache  Stirn-,  Scheitel-  und  obere  Hinter-, 
hauptsbein  i\qy  Krokodile,  trotz  der  ähnlichen  Form,  die  durchgreifende  F'amiliendilferenz  nicht 
übersehen.  Also  sind  die  Labyrinthodonten,  neben  mancher  Aehnliclikeit,  den  Krokodilen  im 
Ganzen  kaum  näher  verwandt  als  den  Schildkröten,  und  was  hier  als  Aehnlichkeit  zwischen 
beiden  sich  bemerklich  macht,  das  tritt  dort  wieder  als  Unterschied  hervor,  und  so  umgekehrt. 
Man  wird  also  zugeben  müssen,  dass  die  Labyrinthodonten  weder  Krokodile  sind, 
noch  ihnen  gerade  viel  näher  stehen,  als  den  Schildkröten. 

Nicht  anders  verhalten  sich  die  typischen  Saurier,  als  das  dritte  Hauptglied  der 
heutigen  Amphibien,  zu  den  Labyrinthodonten:  die  Aehnlichkeit  Ijeider  Thiertypen  ist  eine 
theilweise,  aber  nicht  einmal  eine  so  allgemeine,  wie  tue  eben  besprochene  zwischen  den 
Labyrinthodonten  und  Krokodilen.     Wollen  wir  kurz  das  hervorheben,   worin  die  angedeutete 

y 


66     

Aehnliclikoit  liegt,  so  ist  es  die  typische  Gleiclilieit  der  vorderen  Hälfte  des  Kopfgerüstes, 
welche  allerdings  zu  einem  eben  so  hohen  Grade  >ich  gesteigert  hat,  wie  die  der  hinteren 
Hälfte  des  Schädels  von  Trematosaurus  und  Crocodilus.  Es  genügt,  um  diese  Ueberein- 
stimmung  weiter  nachzuweisen,  an  das  zu  erinnern,  was  aus  unserer  früheren  Untersuchung 
über  die  einzelnen  Kopfknochen  sich  ergeben  hat.  Wir  fanden  einen  einfachen  Zwischenkiefer 
nebst  völlig  getrennten  Nasenlöchern  nur  bei  den  typischen  Sauriern;  auch  die  getrennten 
Nasenbeine  kommen  den  meisten  Eidechsengruppen  zu  Damit  hannonirt  der  nur  am  Vorder- 
ende breite,  nach  hinten  sehr  schmale  Oberkiefer;  die  Anheftung  der  Zahne  mit  breiter  Basis 
in  flachen  Grübchen  der  zaiintragenden  Knochen;  die  Lage  der  Choanen,  die  Gestalt  und 
Grösse  der  Pflugscharbeine,  die  Gesammtfoim  des  Systems  der  Gaumenbeine  (welches  indess 
bei  allen  typischen  Eidechsen  aus  dreien  Stücken  jederseits  besteht,  bei  den  Labyrinthodonten 
ungetheilt  ist],  endlich  und  ganz  besonders  die  Form  und  Verbindung  des  KeiU^einkörpers 
mit  den  benachbarten  Knochen.  So  weit  passt  also  der  Typus  der  achten  Saurier  ganz  gut 
zu  dem  des  Trematosaurus ,  allein  gehen  wir  weiter  nach  hinten  vor,  so  verschwindet  die 
Uebereinstimmung.  Der  unbewegliche  Paukenknochen;  die  Gestalt,  Lage  und  Verbindung  des 
Zitzenbeines  zu  ihm,  und  vor  Allem  die  Beschaffenheit  des  Jochbogengerüstes  in  allen  seinen 
Theilen  widersprechen  einer  näheren  Verwandtschaft  zwischen  Trematosaurus  und  i\cn 
typischen  Sauriern  sehr  bestimmt.  Ein  Gleiches  gilt  von  tler  hinleren  Hälfte  des  Unterkiefers. 
Endlich  sind  die  ungemein  grosse  Zahl  der  Zähne  nel)St  deren  stärkster  Entvvickelung  am 
Gaumenbein,  und  vorzugsweise  die  Trennung  des  coiulylus  occipifalis  in  zwei  Köpfe,  zu 
bedeutsame  Unterschiede,  als  dass  sich  von  einer  wirklichen  Aflinität  zwischen  den  Labyrin- 
thodonten und  Sauriern  überhaupt  reden  Hesse.  Dieselbe  beschränkt  sich  also,  wie  beim 
Krokodil,  auf  eine  theihveise  allgemeine  Aehnlichkeit  des  Kojifes  und  eine  gewisse  typische 
Uebereinstimmung  der  Einzelnheiten  in  der  .Anlage  der  vorderen  Hälfte  des  Schädelgerüstes. 
Ae eilte  Saurier  können  mithin  die  Labyrinthodonten  ebensowenig  sein,  wie 
Krokodile. 

Eine  Vergleichung  der  Labyrinthodonten  mit  dem  T\pus  der  Schlangen  führt  zu 
noch  bestimmteren  Unterschieden;  der  bewegliche  Oiieikiefer,  das  ganz  Ijewegliche  Gaumen- 
gerüst, der  -Mangel  des  Jochbogenapparates,  der  Mangel  von  wahren  Scheitelbeinen,  die  An- 
wesenheit knöcherner  seitlicher  Gehirnhöhlenwandungen,  die  zum  grössten  Theile  unbedeckte 
Nasenhöhle,  das  Alles  sind  Eigenschaften,  welche  die  Gruppe  der  Schlangen  streng  und  scharf 
von  den  Labyrinthodonten  sondern,  und  zwar  strenger,  als  von  irgend  einer  anderen  Abthei- 
lung der  Amphibien.  Daneben  kann  die  Länge  des  Oberkieferknochens  und  die  Grösse  der 
Gaumenzähne  keine  weiteren  Anknüpfungspunkte  für  zoologische  Verwandtschaften  darbieten; 
die  Labyrinthodonten  stehen  zu  den  Schlangen  in  gar  keiner  anderen  Verwandtschaft, 
als  dass  beide  Thiergruppen  Amphibien  sind;  nähere  Beziehungen  zwischen  ihnen 
linden  nicht  .statt. 

Es   bleibt   uns    noch    die    .Vffinität    zwisclien    den  Lahvrintliodonlcn    und    den    nackten 


67     

Amphibien  abzuwägen.  —  Wiiren  selbst  alle  übrigen  Schadeltheile  einander  in  dem  (Jratle 
analog,  wie  die  zwei  Gelenkköpfe  am  Hintcrhaupl  beider  Tliiergruppen,  so  würde  ieli  doch 
noch  Anstand  nehmen,  sie  für  sehr  nahe  verwandt  zu  halten;  denn  ich  liude  in  der  Duplicität 
derselben,  wie  sie  hier  und  dort  auftritt,  mehr  den  Charakter  eiuer  Analogie,  als  den  einer 
Afiinitat  ausgedrückt.  Die  hohen,  halbkugeligen,  weit  vorragenden,  selbst  etwas  gestielten 
Gelenkköpfe  von  Tremafusuurus  passen  sehr  wenig  zu  den  schmalen,  langgezogenen,  Ilachen 
und  elliptischen  Gelenkköpfen  am  Hinterhaupt  der  nackten  Amphibien.  Berücksichtigt  man  aber 
vollends  das  ganze  Schädelgerüst,  so  löst  sich  wohl  unzweifelhaft  die  pratendirte  Verwandt- 
schaft in  eine  durchgreifende  Verschiedenheit  auf  ^^l^  wollen  das  einzeln  nachweisen.  — 
Zuvörderst  ist  bekannt,  dass  eine  Gattung  der  Labyrinthodonten:  Archegosaiirus,  nicht  nackt, 
sondern  von  feinen  spitzen  Schindelschuppen  bedeckt  war.  Diese  Thatsache  spricht,  in  Ver- 
bindung mit  der  Anwesenheit  grösserer  Knochenschilder  in  der  Haut  aller  übrigen  näher  be- 
kannten Galtungen,  dalür,  dass  sie  sämmtlich  eine  analoge  Hautbedeckung  besassen.  Ferner 
spricht  das  ausgebildete  Jochbogengerüst  bei  den  Labyrinthodonten  gegen  ihre  Verwandtschaft 
mit  den  nackten  Amphibien ;  kein  nacktes  Aniphibium  hat  irgend  ein  Stück  \  om  Jochbein.  Denn 
ilas  OS  (niadrato-jugale  gehört  schon  deshall)  zum  Schläfenbeinapparat,  weil  es  die  Gelcnk- 
tläche  für  den  Unterkiefer  trägt;  es  ist  hier  ganz  entschieden  das  Analogon  des  processits 
zygomdticns  ossis  temporum  der  Säugethiere.  Weitere  typische  Unterschiede  liegen  in  der 
ganzen  Bildung  des  Kiefertrageapparates,  und  namentlich  des  so  eigenthümlich  geformten 
Paukenbeines  der  nackten  Ampliibien;  in  der  Form  der  vorderen  Hälfte  des  Grund-  oder 
Keilbeines  nebst  dem  Gaumengerüste;  der  Anwesenheit  vollständig  von  knöchernen  Rändern 
umgebener  (^hoanen;  in  der  ganzen  Anlage  des  Schnautzenlheils  des  Schädels,  zumal  in  dem 
einfachen  Zwischenkiefer;  sowie  endlich  in  der  Bezahnung  beider  Kiefer  und  zahntragenden 
Knochen  überhau{)t.  Auf  die  Foini  iler  hinleren  Hälfte  des  Unterkiefers  ist  schhesslich  auch 
noch  einiges  Gewicht  zu  legen;  bei  keinen  nackten  Amphibien  erreicht  derselbe  hier  eine  so 
bedeutende  Höhe,  hat  er  eine  so  tiefe  Gelenkgrube,  einen  so  weit  vortretenden  starken  Fnd- 
theil  hinter  derselben.  Nach  meinem  Dafürhalten  lässt  sich  also  auch  zwischen  den  nackten 
Amphibien  und  den  Labyrinthodonten  keine  grössere  Ueb  er  einst  immung,  als 
wie  weit  die  Amphibiennatur  überhaupt   eine  solche  mit  sich  bringt,    erweisen. 

§.  30. 

Wenn  es  mir  mittelst  der  vorigen  Darstellung  gelungen  sein  sollte,  den  Beweis  zu 
führen,  dass  die  Labyrinthodonten  zu  keiner  lebenden  Hauptgruppe  dei-  Amphibien  in  einei' 
unmittelbaren  Verwandtschaft  stehen,  so  \vürde  daraus  folgen,  dass  sie  eine  selljständige  Gruppe 
der  genannten  Klasse  sind,  welche  durch  ihre  unzweifelhafte  Schuppenbildung  und  ^iele 
andere  Charaktere  den  bedeckten,  durch  ihren  doppelten  Gelenkkopf  am  Hinterhaupt  den 
nackten  Amphibien  in  gleicher  Weise  sich  anschlösse.  Ihre  wichtigsten  zoologischen  Merk- 
male liessen  sich  denmach  in  folgender  Definition  zusammenfassen: 

9* 


68    

L  a  I)  y  r  i  n  t  li  o  d  o  11 1  e  s. 

Amphihki  sqttamafu  condi/lo  occipitali  duplici,  maxilUs  snperioribus  immobi- 
libus ,  tienfibus  ttumerosis  auyustis  aduatis  in  ipso  maxillarum  ioinio  aitisque  majo- 
ribits  in  ossibus  pulatinis  et  i'omeribus  nee  non  duobiis  maximis  in  apice  maxillae 
inferioris;  ossibus  cranil  externis  radiutini  caelatis  sulcisque  tribus  major ibus  in 
yuoque  latere  capitis  exaratis:  nno  frontali  sinuato,  altero  labiuli  recto,  tertio  tem- 
porali  eUiptico;  fossa  tempoi'ali  omnino  ossibus  squaniosis  obtecta  ossibusque  tym- 
panicis  immobilibus ;  choanis  naribusque  longe  distantibus,  maryinibus  osseis  circum- 
datis;  foraminibus  pulatinis  duobus  maximis,  processu  sphenoideo  angusto  cultriformi 
disjuncfis  nee  non  osse  pululino  longo  simpliei  in  quoque  latere  externo.  Corpus 
squamis  minimis  imbrieutis  vestituni  seutisque  major ibus  gutturalibus:  duobus  lute- 
ralibus  trigonis ,  uno  medio  elongato-rltomboiduli.  —  Substanlia  dentium  interna 
labyrinthice  complicata,  superficie  externa  longitudinuliter  striata. 

In  diese  Delinilioii  sind  die  wichtigsten,  und  namentlich  die  entscheidenden  Faniilien- 
uierivmale  der  Labyrintiiodonten  aufgenommen;  ihre  nähere  Prüfung  wird  ergeben,  dass  das 
Gesagte  hinreicht,  um  die  dadurcli  definirte  Gruppe  von  allen  anderen  Amphibienaljtheilungen 
scharf  zu  unterscheiden.  Die  Charaktere  der  einzelnen  Gattungen  zusammenzustellen,  ist  un- 
nöthig,  Iheils  weil  sie  schon  oben  (S.  8)  tabellarisch  unterschieden  worden  sind,  tiieils  nicht 
alle  Bestimmungsstücke  derselben  sich  gleich  vollständig  angeben  lassen;  für  die  hier  behan- 
delte Gattung  genügt  es,  folgende  charakteristische  Merkmale  als  Defmilion  iiervorzulieben. 

T  r  e  111  a  t  o  s  a  u  r  u  s. 

Genus  liubgrinthodontum  capile  elongato ,  trigono;  cavis  oculorum  in  medio 
totius  capitis  sitis  orbitisque  parvis,  latiori  intervallo  disjuncfis;  ossibus  parietalibus 
foramine  medio  suturali  perforatis  eoque  margini  occipitis  multo  magis,  quam  oculis, 
approximato ;   naribus  paulo  post  rostri  finem  percussis. 

Die  schon  erwähnte  Tabelle  zeigt,  wie  diese  Charaktere  unsere  Gattung  von  allen 
anderen  ijenüitend  bekannten  hinlanalich  scharf  unterscheiden. 


§.   31. 

Nach  Erörterung  der  Familien-  und  Gattungscharaktere  von  Trematosaurus  bleibi 
noch  über  die  etwa  wahrnehmbaren  Artunterschiede  eine  Untersuchung  anzustellen.  Die  fünf 
ziemlich  vollständigen  Köpfe,  welche  ich  genauer  kennen  gelernt  habe,  zeigen  allerdings  rela- 
tive Verschiedcnlieiten  in  ihren  Dimensionen  und  absolute  in  ihrer  Grösse;  allein  ich  bin 
nichtsdestoweniger  geneigt,  sie  alle  zu  einer  .4rt  zu  rechnen.  Es  bestimmt  mich  dazu  beson- 
ders die  hinreichend  liekannle  Verschiedenheit,  welclie  die  absoluten  wie  relativen  Dimensionen 


69     

des  Kopfes  einer  und  derselben  lebenden  Aniphibienart,  je  nacii  dem  \  erschiedenen  Alter  des 
Individuums,  durchlaufen,  und  icli  verweise  in  dieser  Beziehung  nur  auf  das  eine  Beispiel,  welches 
die  Krokodile  uns  darbieten,  bi  der  Art  aber,  ^^ie  sich  die  jungen  und  die  alten  Krokodilschii- 
del  zu  einander  ^  erhalten,  verhalten  sich  nach  meiner  Meinung  auch  die  Dimensionen  der  oben 
(S.  7)  in  ihren  Maassen  dargestellten  verschiedenen  Schädel;  die  kleineren  sind  nicht  bloss  im 
Ganzen  kleiner,  sondern  haben  auch  eine  relativ  kürzere  Schnaulze,  und  in  Folge  dessen  ein 
breiteres  Hinterhaupt,  sie  erscheinen  also  stumpfliöpfiger,  als  die  ganz  alten  und  ausgewach- 
senen Individuen.  An  diesen  ist  es  mir  allerdings  so  vorgekommen,  als  ob  man  wieder  zwei 
P'ormen  von  gleicher  Länge,  aber  ungleicher  Breite,  unterscheiden  könnte,  allein  ich  wage  es 
nicht,  nach  dem  einen  entschieden  breiteren  Exemplar,  dessen  Scheitelabdruck  ich  in  Herrn 
V.  Braun  s  Sammlung  beobachtet  habe,  eine  besondere  Species  aufzustellen.  Seine  Dimen- 
sionen sind  a.  a.  0.  neben  den  anderen  aufgeführt. 

So  sehe  ich  mich  denn  bis  jetzt  noch  veranlasst,  alle  beobachteten  Individuen  zu 
einer  Art  zu  ziehen,  und  selbige  nach  ihrem  ersten  Entdecker: 

Trenialosauriis  Braunii 

zu  nennen.  Möge  es  ihm  gefallen,  diese  kleine  Huldigung  als  einen  unbestreitbaren  Zoll  von 
Seiten  der  Wissenschaft  für  die  vielen  Bemühungen  entgegenzunehmen,  durch  welche  er  um 
die  nähere  Kenntniss  des  fraglichen  Geschöpfes  sich  so  verdient  gemacht  hat. 

Eine  nähere  Beschreibung  und  Erörterung  der  Art  Charaktere  ist  unzulässig,  sie  liegen 
mit  in  der  Gesammtschilderung  des  Thieres,  welche  ich  auf  den  \orhergehenden  Blättern 
versucht  habe. 


10 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Taf.  I. 

Ansicht   des    Schädels   von   Tretnatosaurus   von    ohen. 

NB.  Die  linke  Hälfte  des  Bildes  stellt  die  ilirer  superliciellen  Sciilpturen  beraubte  innere  Knocliensiibstanz  mit 
ilireni  radial  streifigen  Gefiige  und  den  zackig  in  einander  greifenden  Nähten  dar;  die  rechte  Hälfte  giebt  eine  Ansicht 
der  wohlerhaltenen  Schädeldecke  auf  ihrer  Oberfläche  mit  den  Grübchen,  Furchen  und  scharfen  Nähten  der  ein- 
zelnen Knochen. 

a.  Zwischenkiefer,  os  iniermiixillarc. 
h,    Oberkiefer,  os  max'dlure  siiperlus. 

c.  Nasenbein,  os  nasale. 

d.  Thränenbein,  os  lacnjinule. 

e.  Vorderslirnbein,    os  froiiiale  aidcrlus. 

f.  Haiiptstirnbein,  os  fronialc  proprium. 

g.  Hinterslirnbeiii,  os  frontale,  posterius, 
h.  Scheitelbein,  os  parietale. 

i.  Hintcraugenhöhlenbein,  os  orbitale  posterius. 

Je.  Vorderes  Jochbein,  os  zijgomaticuin. 

l.  Aeusseres  Pankenbein,  os  ti/mpanicum  externutn. 

m.  Hinleres  Joclibein,  os  jugalc  s.  quai/rato-jugale. 

n.  Schuppenschläfenbein,  os  temporale  squamosum. 

0.  Zilzenltein,   os  tnastoideum. 

p.  Haupipaukenbcin,  os  tijmpanicum. 

7.  SeiUiclies  Hinterhauptsbein,  os  condgloideum. 

r.  Oberes  Hinterhauptsbein,  os  occipitale  superius. 

J 

Tai*.  II. 

Ansicht  des  Schadeis  \oii  unten. 

NB.  Auf  der  linken  Seite  des  Bildes  sind  alle  Gauinenzähne  anwesend  dargestellt,  mit  Ansnahine  des  fünften 
lünter  den  Clioanen;  auf  der  recliten  Seite  ist  nur  dieser  Zahn  hinter  den  Choanen  anwesend,  die  vor  ihm  und 
nächsten  dahinter  felilen.  Dafür  sieht  man  die  durch  den  Abbrucli  des  Zahnes  entstandene  basale  Bruchtlärhe  mit  den 
Hauptwindungen  der  Substanz  und  der  centralen  Höhle. 

«.   Zwischenkiefer,  os  intermaxillare. 

b.  Oberkiefer,  os  maxillare  superius. 
p.   Paukenbein,  os  tgmpanicum. 


—     71     

</•  Seilliches  Hinterhauptsbein,   os  condi/loideiim. 

s.  Keil-  oder  Grun()l)ein,  os  basale  s.  sphenoidcum. 

t.  Gaumenbein,  os  palatinum. 

f.  Pflugscharbein,  us  romer. 

r.  Gelenkkopf  des  Hinterhauptsbeines,    condijhis  occipitalis. 

w.  ChoanenöfTnung. 

1/.  GaumenölTnung,  forumvii  palatinum. 

z.  Scbläfengrube,  fossa  lemporalis. 

^Taf.  111. 

Fig.  /.     Ansicht  des  Schädels  von  hinten  mit  der  gesammten  Flüche  des  Hinlerhauptes. 
Fifj.  2.     Ansicht  des  Schädels  von  der  Seile  mit  dem  Unterkiefer  in  geöffneter  Stellung, 

Taf.  IV. 

Fig.  I.  Knochenschuppe,  die  an  der  Kehle  hinten  zwischen  den  Schenkeln  des  Unterkiefers  lag. 

Fig.  2.  Das  kreuzförmige  Schild,  welches  zwischen  und  hinter  den  Schuppen  die  Mitte  der  Kehle  bedeckte. 

F<(/.  ö.  Zerbrochener  Kopf  eines  Röhrenknochens  (vielleicht  des  Wadenbeines). 

Fig.  f.  Ein  Theil  des  Schulterblattes.  (?) 

Fig.  a.  Ein  Theil  des  Beckens.  (?) 

Fig.  6.  Querschnilt  eines  Gaumenzahnes. 

(NB.    Alle  Figuren,  mit  Aiisscliliiss  der  sechsten,  stellen  den  Gegenstand  in  natürlicher  Grosse  dar.) 


Berlin,    gedruckt  bei  G.  Reimer. 


I)  r  11  (■  k  f  e  li  I  0  r. 

Seite  ÖO  Zeile  5  von   unten  lies  mittlere  statt   mittleren. 

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dem  Saarbrücker  Steinkohlengebirge, 


zoologisch  geschildert 


0*''  Ilci'iiiaiiii  fiStiriiiel^ter, 

o.  ö.  Pr.  (1.  Zoologie  u.  Dii'eclor  J.  zoolog.  Museums  der  UniversiUu  Halle-Wiiienberg. 


Drille  Abllieiluiig 

der  Geschichle  der  deutschen  Labyrinlhodonten. 


A  r  c  li  e  »•  o  s  a  11  r  u  s. 


7 

ini/4  litlio^rstpaiirteii    Tafeln. 


Berlin, 


Verlag   von    G.  Reimer. 


->^^ 


1850. 


Vorrede. 


Die  dritte  Abtheilung  meiner  Geschichte  der  Labyrinthodonten  erscheint 
vor  der  zweiten,  welche  der  Gattung  Capitosauriis  gewidmet  sein  wird, 
weil  mir  die  Materialien  zur  Vollendung  derselben  grade  jetzt  reichlicher  vor- 
lagen. In  der  Einleitung  habe  ich  mich  weiter  darüber  ausgesprochen,  wie  ich 
in  deren  Besitz  gelangt  bin;  der  Herr  Berghauptmann  v.  Dechen  zu  Bonn 
und  der  Herr  Dr.  Jordan  in  Saarbrücken  sind  die  gefälligen  Besitzer  der 
meisten  bisher  aufgefundenen  Originalien,  und  ihrer  Theilnahme  für  meine  ge- 
nauere wissenschaftliche  Untersuchung  verdankt  das  palaeo-zoologische  Publi- 
cum die  nähere  Einsicht  in  den  allerdings  noch  immer  sehr  räthselhaften  Bau 
des  von  mir  behandelten  Geschöpfes.  Indem  ich  auf  dasjenige,  was  meine 
vorliegende  Schrift  hierüber  enthält,  verweise,  wünsche  ich  dieselbe  nur  noch 
durch  eine  kurze  Angabe  über  die  Fundorte  der  Reste,  welche  zur  Aufstel- 
lung und  weiteren  Begründung  des  A  rchegosaurus,  als  besonderer  Gattung 
der  Labyrinthodonten,  geführt  haben,  einzuleiten. 

Sämmtliche  Fundstücke  kommen  in  ei-,  faust-  bis  handgrossen|,  seltner 
längeren  gelbbraunen  oder  schwarzbraunen  Sphärosideriten  nüt  concentrisch 
verschiedenfarbiger  Streifung,  aber  ohne  Schichtung  vor.  Gewöhnlich  sind  die 
Sphärosiderite  nach  den  Umrissen  der  Theile,  die  sie  enthalten,  geformt:  na- 
mentlich die  grösseren,  an  denen   oft  schon  von  aussen  erkannt  werden  kann, 


IV     

ob  sie  einen  Schädel  oder  ein  anderes  Slveletstück  belierbergen.  Diese  Sphä- 
rosiderite  liegen  in  einem  an  Tlioneisenstein  reichen  und  danun  durch  Bergbau 
aufgeschlossenen  Schieferthon,  welcher  als  das  oberste  Glied  des  ausgedehnten 
Saarbrücker  Steinkohlengebietes  angesehen  wird,  sich  am  ganzen  Südrande  des 
Hundsrücks  liinzieht,  und  an  mehreren  Stelleu  durch  plutonische  Gebirgsmas- 
seu  unterbrochen  und  emporgehoben  ist.  Seine  vorzüglichste  3Iächtigkeit  er- 
reicht das  Lager  in  der  Gegend  Aon  Lebach,  Otzenhausen,  Buhlenberg 
bei  Birkenfeld  und  Berschweiler,  aber  nur  an  dem  zuerst  genannten 
Orte  sind  in  den  Gruben  zu  Grosaubacli  uud  Rummelbach  Saurierreste 
aufgefunden  worden;  die  Sphärosiderite  der  anderen  Stellen  lieferten  nur  Fische, 
von  denen  Goldfuss  bemerkt  (Beitr.  z.  vorw.  Fauna.  S.  3.3,  dass  sie  im 
Ganzen  häufiger  seien,  als  die  der  Amphibien. 

Da  weitere  Aufklärungen  über  die  bezeichneten  Fundorte  der  fossilen 
AA^irbelthiere  des  Saarbrücker  Steinkohlengebiroes  in  einer  ausführlichen  Cliarte 
desselben  von  H.  v.  Dechen  zu  erwarten  stehn,  kaiui  ich  darauf,  so  wie  auf 
die  „Geognostische  Beschreibung  des  Landes  zwischen  der  unteren  Saar  inid 
dem  Rhein  von  Steininger  (Trier,  1840.  8.  nebst  IVachtrag  1841)  ";  auf 
Warmholz  Abhandlung  in  Karstens  Archiv.  Bd.  X.,  und  auf  Dr.  Schmidts 
Aufsatz  in  Nöggeraths  Rheinland  und  Westphalen  verweisen:  wobei  ich  nur 
noch  zu  erwähnen  habe,  dass  mir  die  Notizen  über  die  liagerstätte  des  Ar- 
chegosaurus  gleichfalls  durch  gefällige  ]\Iittheiliing  des  Herrn  Dr.  Jordan 
zugegangen  sind.  Ihm  sowohl,  wie  dem  Herrn  v.  Dechen  nochmals  meinen 
herzlichsten  aufrichtigen  Dank  für  die  mir  bewiesene  warme  Theilnahme  bei 
dieser  Arbeit. 

Halle,   den  8.  3Iai  1850. 

H.  ISuriiieistei*. 


Einleitung. 


Ilie  obersten  Schichten  des  Saarbrlicker  Steinkohlengebu'ges ' )  enthalten  em  er- 
giebiges Thoneisensteinlager,  dessen  zahlreiche  S[)härosiderite  ungemein  viele  organische  Kör- 
per unischliessen.  Unter  denselben  haben  sich  seit  einigen  Jahren  zuerst  Reste  von  Amphi- 
bien gezeigt;  theils  Köpfe,  theils  Leiber  einer  eigenthümlichen,  auf  den  ersten  Blick  an  die 
Eidechsenform  mahnenden  Gattung,  welche  Goidfuss  mit  dem  Namen  Archegosaurus  be- 
legte und  vorläufig  in  Leonhard's  und  Bronn' s  neuem  Jahrbuch  für  Mineralogie  etc. 
(Jahrg.  1817.  S.  400)  bekannt  machte.  Es  ist  ein  handgrosser  Kopf  mit  abgebrochener 
Schnautzenspitze,  den  er  daselbst  schildert,  und  aus  welchem  er  die  nahe  Verwandtschafl  des 
Thieres  mit  den  Krokodilen  zu  erweisen  sucht.  Schon  die  blosse  Betrachtung  der  dieser  An- 
zeige beigegebenen  Zeichnung  überzeugte  mich,  dass  das  fragUche  Geschöpf  ein  Labyrintho- 
donte  sein  müsse,  und  indem  ich  den  hohen  Werth  desselben,  als  ältesten  Repräsentanten  der 
Amphibien,  mit  in  Anschlag  brachte,  glaubte  ich  seine  zoologische  Affinität  alsbald  riclitiger 
hervorheben  zu  müssen.  Diese  Ansicht  veranlasste  mich  zu  meinen  „Bemerkungen"  in  der 
Zeitung  für  Zoologie,  Zootomie  und  Palaeozoologie  I.  S.  41;  ich  wies  darin  die  Labyrintho- 
dontennalur  des  Archegosaurus  zuerst  nach  und  deutete  die  von  Goidfuss  nicht  ganz  rich- 
tig' aufgefasste  Schadelbildung  im  Einklänge  mit  dieser  Verwandtschaft,  so  weit  es  bei  der 
ebenfalls  ungenauen  Abbildung  und  Beschreibung  damals  möglich  war.  —  Inzwischen  erschien 
eine  besondere,  der  Titelangabe  nach  schon  1847  publicirle  Schrift  von  Goidfuss:  „Bei- 
träge zur  vorweltlichen  Fauna  des  Steinkohlengebirges  (Bonn.    4to.)",  in  welcher 

•)  Uel)ei-  die  besonderen  Lagerungs-  und  Bildungs-Veriiältnisse  der  hezeiclineten  Fundstätte  habe  icli  mich 
in  der  Vonede  kurz  ausgesprochen  und  daselbst  die  Scliriften  erwälint,  aus  denen  weitere  Belehrungen 
darüber  zu  entnelunen  sind. 

1 


der  Archegosaurus  aufs  Neue  dai-gestellt  und  in  3  Arten  unterschieden  worden  war.  Hier 
findet  sicli  die  Verwandtschaft  der  Gattung  mit  den  Labyrintiiodonten  zwar  ausgesprochen, 
allein  keinesweges  genügend  nachgewiesen;  vielmehr  zeigt  die  Schilderung  des  Kopfgerüstes 
so  wesentliche  Abweichungen  von  den  Labyrintiiodonten,  dass,  wenn  dieselben  wirklich  be- 
ständen, die  zoologische  Affinität  beider  Thierformen  ^aum  zulässig  erscheinen  würde.  Ich 
konnte  es  daher  nicht  unterlassen,  noch  einmal  (a.  a.  0.  S.  Hö)  auf  den  Archegosaurus 
zurückzukommen  und  die  mancherlei  Lücken  hervorzuheben,  welche  dermalen  in  der  Scliilile- 
rung  des  Thieres  noch  hervortraten.  Einen  ähnlichen  Versuch  machte  H.  v.  Meyer  in  dem 
Quartly  Journal  of  the  Geologie.  Society.   1848. 

Jene  Unsicherheiten  zu  entfernen,  war  einer  meiner  Lieblingsgedanken,  nachdem  der 
Tod  den  bejahrten  und  würdigen  Paläontologen  abgerufen  hatte,  welchem  die  erste  Publica- 
tion  Acs  Archegosaurus  zugefallen  war;  auch  glaubte  ich  um  so  eher  darauf  denken  zu  dür- 
fen, als  das  Thier  ohne  alle  Frage  in  naher  Verwandtschaft  zum  Trematosaurus  stand ,  mit 
dem  ich  mich  damals  noch  angelegentlichst  beschäftigte.  Sobald  als  dessen  Schüderung 
die  Presse  verlassen  hatte,  wandte  ich  mich  an  die  Besitzer  der  Archegosauren  und  bat 
um  deren  Darlehn,  damit  ich  eine  erneute  Untersuchung  an  ihnen  ausführen  könne.  Sie  wur- 
den mir  aufs  bereitwilligste  gewährt.  So  befinde  ich  mich  denn  gegenwärtig  im  Besitze  aller 
bisher  aufgefundenen  Exemplare  und  kann  mit  diesem  Material  es  wagen,  eine  allseitige  Schil- 
derung zu  versuchen.  Ihr  werden  die  nachfolgenden  Blätter  gewidmet  sein.  Eine  Uebersicht 
der  Handstücke,  aus  denen  meine  Bearbeitung  hervorgegangen  ist,  möge  für  sie  (>in  vorläufi- 
ges Vertrauen  zu  erwecken  suchen.  — 

Die  bekannten  Exemplare  von  Archegosaurus  sind  auf  nachstehende  Oertlichkeiteu 
vertheilt: 

1.     B  e  r  1  i  n. 

hl  der  IVüneralien  -  Sammlung  der  Universität  befindet  sich  ein  ziemlicii  \  ollständiges 
Stück  im  Doppeldruck,  woran  der  grösste  Theil  der  Schädeldecke,  die  Kehlplatten  und  die 
vordersten  Rippen  gut  zu  erkennen  sind.     Abgebildet  von  mir  Taf.  II.  Fig.  1.2. 

II.     Bon  n. 

A.  Das  Universitäts-iMuseum  besitzt  einen  etwas  kleineren  Kopf  von  wenig  über  i  Zoll  Länge, 
nebst  den  Kehlplatten,  der  indessen  minder  gut  erhalten  ist.  Heir  Geh.  Berg-Rath  u.  Prof 
Nöggerath  hatte  die  Güte,  durch  Uebersendung  desselben  mir  seine  Einsicht  zu  ver- 
statten. 

B.  Herr  Berghauptmann  v.  Dechen  bewahrt  in  seiner  Sammlung  eine  Reihe  der  schönsten 
Exemplare,  und  überschickfe  mir  dieselben  auf  meine  Bitte  mit  grosser  Zuvorkommen- 
heit.    Es  waren: 

1.  Ein  grosser  Schädel,  das  Original  von  Goldfuss'ens  und  meiner  Figur  1.  auf  Taf. 
I.  im  Abdruck  und  Gegendruck. 

2.  Ein  halb  so  grosser,  sehr  zertrümmerter  Schädel,  ebenfalls  von  beiden  Seilen. 


3.    Ein  halber  Körper,  das  Original  von  Fig.  1.  Taf.  III.  ijei  Goidfiiss. 


■'l: 


Ein  RampflM-uciislück  in  Abdruci<  und  Gegendruck,    abgebildet  bei  Goldfuss  Taf.  II. 

Fig.  3.    und  bei  mir  Taf.  III.  Fig.  2. 
ü.    Ein  Stück  der  Bedeckung,  in  Abdruck  und  Gegendruck,  abgebildet  in  den  Verhandl. 

des  naturf  Vereins  d.  Rlieinlandc.  VI.  Bd.  Taf  IV.  Fig.  3«.  und  von  mir  zum  Theil  Taf 

III.  Fig.  1. 
C.    Ein  Schädel  mittlerer  Grösse,  von  beiden  Seiten,  abgebildet  ebenda.    Fig.  1. 

7.  Ein  kleiner  Schädel  im  Abdruck  und  Gegendruck. 

8.  Ein  ebenso  grosser,  abgebildet  bei  Goldfuss  Taf  III.  Fig.  2.    Nur   im  Gegendruck, 
der  Hauptdruck  befindet  sich  im  Besitz  des  Earl  of  Eniskillen  in  Irland. 

9.  Der  schöne  Archegosanrus  latirostris  Jord.  von  beiden  Seiten,  abgebildet  in  den 
Verhandl.  d.  naturf  Vereins  d.  Rheinlande.    A.  a.  0.  Fig.  2.  3.,  von  mir  Taf  II.  Fig.  3. 

III.  Saar  b  r  ü  c  k  e  n. 
Herr  Dr.  Jordan  daselbst  besitzt  eine  ganz  ausgezeichnete  Folge  schöner  Exemplare, 
deren  Studium  für  mich  um  so  werthvoUer  war,  als  dieselben  noch  völlig  frisch  sind  und 
nicht  durch  Abformung  von  Gypsabgüssen ,  gleich  denen  in  Herrn  v.  Dechen's  Sammlung, 
gelitten  haben.  Ich  verdanke  denselben  das  meiste  Neue,  was  ich  über  den  Bau  des  Ar- 
chegosaurus  ermitteln  konnte.  Nachstehende  Stücke,  sämmtlich  im  Abdruck  und  Gegendruck, 
wurden  mir  von  ilirem  liberalen  Besitzer  aufs  freundlichste  zur  Disposition  gestellt. 

1.  Ein  nicht  ganz  vollständiger  Schädel  mittlerer  Grösse,  in  dem  .41ter,  welches  Gold- 
fuss A.  medius  nennt. 

2.  Ein  anderes  vollständigeres  Exemplar;  abgebildet  Taf  II.  Fig.  5. 

3.  Ein  klehieres  Individuum  von  der  Grösse  des  A.  mim)r  Gold  f ;  abgebildet  ebenda  Fig.  6. 

4.  Ein  noch  kleineres. 

ö.    Ein  anderes,  so  gross  wie  No.  3. 

(3.    Ein  ganz  junges  Exemplar,  nur  1   Zoll  lang;  von  mir  Taf  I.  Fig.  4.  abgebildet. 

7.  Die  vollständige  Schnautze  eines  alten  Individuum.s,  von  der  Grösse  rles  A.  Dechenii 
Goldf.;  aJjgebildet  Taf.  I.  Fig.  2.  3. 

8.  Zwei  Rimipfstücke,  abgebildet  von  Goldfuss  Taf  II.  Fig.  1.  2. 

V).    Hals  und  Vorderrumpf  eines  grossen  Exemplars,  abgebildet  bei  mir  Taf.  III.  Fig.  3.  4. 
10.    Ein  Stück  der  Haut  mit  den  Schuppen,  nur  im  Gegendruck  vorräthig. 
11  u.  12.    Sehr  wenig  kenntliclie  Strecken  der  Wirbelsäule. 
1 3.    Das  Becken,  abgebildet  Taf  IV.  Fig.  2. 


JBrstei*  Alisclinitt. 

Vom     Schädel. 


Obgleich  es  den  Prinzipien  einer  ralionellen  Bearbeitung  weit  iiiebi'  entspricht,  vom 
Allgemeinen  zum  Besonderen  fortzuschreiten,  so  ist  doch  bei  einem  Gegenstande,  welcher, 
gleich  den  fossilen  Resten  der  Thierwelt,  nur  in  Trümmein  dem  Beobachter  vorliegt,  der  um- 
gekehrte Weg  der  bei  weitem  vortheilhaftere.  Deshalb  w  erden  wir  ihn  einschlagen ;  w  ir 
werden  zuvörderst  die  am  besten  erhaltenen  Körpertheile  im  Einzelnen  untersuchen,  und  wenn 
wir  mit  ihrer  ausführlichen  Schilderung  zu  Stande  gekommen  sind,  werden  wir  es  wagen 
können,  aus  den  isolirten  Stücken  ein  möglichst  vollständiges  Ganze  zusammenzusetzen.  Wir 
beginnen  also  unsere  Betrachtung  mit  der  speziellen  Darstellung  des  Schädels,  iheils  weil  er 
der  wichtigste  Körpertheil  ist,  theils  aber  auch,  weil  seine  Reste  am  zahlreichsten  und  besten 
sich  erhalten  haben,  ja  in  solchem  Umfange  vorliegen,  dass  von  ihm  eine  allgemeine  Schil- 
derung sofort  gegeben  und  daran  die  besondere  Betrachtung  seiner  Bestandtheile  geknüpft 
werden  kann.  , 

Der  Kopf  des  Archegosaurus  hat  die  Form  eines  gleichschenkeligen  Dreiecks,  dessen 
Basis  nach  hinten  gerichtet,  dem  Hinterhaupte  entspricht  und  dessen  abgerundete  Spitze  die 
Schnautze  des  Thieres  bildet.  Er  ist  überall  sanft  gewölbt,  aber  in  der  vorderen  Hälfte  fla- 
cher; gegen  die  Mitte  zu  wird  er  der  Länge  nach  vertieft  und  nach  hinten  allmälig  höher,  so 
dass  die  Seiten  hier  stärker  abfallen,  als  vorn.  Bald  hinter  der  Spitze  liegen  seitlich  neben 
dem  Rande  die  schmalen  elliptischen  Nasenlöcher;  der  Mitte  genähert,  doch  stets  hinter 
ihr,    zeigen  sich    die  grossen    ovalen  Augen  Öffnungen,   und  hinter  deren  Umfang  gewahrt 


man  mitten  auf  dem  Scheitel  ein  kleines  kreisrundes  Scheitelloch.  —   Die  relativen  Dimen- 
sionen des  Kopfes  ändern  sich,  neben  der  bleibenden  allgemeinen  Grundform,  mit  dem  Alter 
des  Individuums  sehr   bedeutend,  sie  durchlaufen  eine  Formverschiedenheit,  welche  ganz  den 
allmäligen   Umgestaltungen    der   langschnaiitzigen    Saurier   der    Gegenwart   entspricht,   und   na- 
mentlich mit  den  Altersmodificationen    des  Schädels    der  Krokodile  in  völliger  Harmonie  steht. 
Zuerst  in  frühester  Jugend  ist  der  Kopf  relativ  viel  kürzer,    also   auch   stumpfer  gestaltet,    als 
im  mittleren  und  höheren  Alter;   er   nähert  sich  dann  sehr  der  gleichseitig    dreieckigen  Form. 
Es  scheint  ein  Thierchen  von  wenigen  Monaten  gewesen  zu  sein,  dem  dieses  zierliche,  äusserst 
schön  erhaltene  Köpfchen  (No.  6.  Jordan,  abgebildet  Taf  I.  Fig.  4.;)  angehört  hat,  denn  seine 
Länge  beträgt  genau  nur  einen  Zoll   und   seine    grösste  Breite   zwischen    den  Backen   zehn 
Linien.     Dagegen  misst  der  grösste,  fast  vollständige  Schädel,    die  abgebrochene  Schnautzen- 
spitze  mitgerechnet,    6^  Zoll  in  die  Länge,  und  3^-  Zoll  in  die  Breite.     Hiernach  verhält  sich 
die  Länge  zur  Breite  in  erster  Jugend  wie  6  zu  o,  im  höheren  Alter  wie   13  zu  7;    ein  ge- 
wiss höchst  bedeutender  Unterschied.      Aus  Gründen,    deren  Entwickelung  ich  mir  noch  vor- 
behalten muss,   bin  ich  geneigt,  anzunehmen,    dass  dieser  grösste  von  allen  Schadein  keinem 
ganz  ausgewachsenen  Individuum  angehört  habe,   vielmehr  noch  grössere  Exemplare   vorhan- 
den waren,  diese  aber  relativ  wieder  etwas  breiter  wurden,  so  dass  vielleicht  ein  Verhältniss 
von    14  zu  8,  oder  7  zu  4,  als  das  endliche  bleibende  eintrat.      So  wenigstens  ist  es  bei  den 
heutigen  Krokodilen  und  ähnlich  auch  bei    den  Gavialen.     Ganz  jung  haben  sie  kurze  stumpfe 
Köpfe;    dann  wächst  ihr  Kopf  schnell  in  die  Länge,   aber  viel  langsamer  in  die  Breite,   wes- 
halb die  halbwüchsigen  hidividuen  spitzschnautziger  erscheinen;  endlich  im  hohen  Alter  nimmt 
die  Breite  noch  zu,  während  die  Länge  stille  sieht,  der  Kopf  wird  wieder  plumper  und  vei- 
liert  das  Schlanke,  was  er  im  halbwüchsigen  Zustande  besass.     Die  Breit  enzunahme  im  höhe- 
ren Lebensalter  tritt  übrigens   viel   langsamer   und    allmäliger   ein,    als  die  Längenzunahme  in 
der  früheren  Jugend,  vor  der  Geschlechtsreife,  und  daher  kommt  es,  dass  die  meisten  Exem- 
plare der  Sammlungen  dem  noch  ziemlich  schlanken  mittleren  Alter   der  Krokodile  anzugehö- 
ren pflegen.     Selbst   die   von  Cuvier  in  den  Ossein,  fossil.   F.  2.  Taf  L  Fig.  4.  u.  5.  abgebil- 
deten Schädel  von  Crocudilus  nilotlcus  und  Cr.  biporcatus   stellen    nicht   ganz   alte  Thiere 
vor,  und  zeigen  eine  viel  schlankere  Kopfform,  als  z.  B.  ein  ganz  alter  Schädel    des    ersteren 
in   der   hiesigen    Sammlang.      Dass    es   beim   Arcliegosaurus    ebenso    war,    glaube    ich    aus 
den  nachstehenden  Dimensionen  der  von   mir  untersuchten  Köpfe  abnehmen    zu    dürfen;    we- 
nigstens   scheint  mir   diese  Ansicht   ungleich    mehr  gerechtfertigt  zu  sein,    als  die  von  Gold- 
fuss   vorgetragene,    der   zufolge   veischiedene   Arten    von    verschiedener   Grösse   aufzustellen 
wären.     Ich   finde   bei    dieser  Annahme  nirgends  eine  natürliche,  sondern  nur  eine  hier  oder 
da   willkürlich    angenommene   Grenze   und   muss  behaupten,    dass   mit   demselben  Rechte   fast 
jedes  einzelne  Individuum  eine  eigene  Art    vorstellen  dürfte.    —    Folgende  Dimensionen    habe 
ich  wahrgenommen : 


6 


Beobachtete  Köpfe. 


Ganze 

Länge, 

von  der 
Sclinautzen- 
■ipitze  bis  zur 

Mitte  lies 
Hinti-rliaiipts 


Ganze 

Breite 

zwischen  den 

Backen. 


Länge 

der 

AngenülT- 

nungen. 


Abstand 
des 
vorderen  Au- 
genwinkels 

von  der 
Schnautze. 


Abstand 

des 

Scheitellochs 

vüm 
Hinterhaupt 


Breite 

des 

Hinterhaupts 

an  den 

Zitzenbein- 

ecken. 


Länge 
der 
Hauptstirn- 
beine. 


I.  No.  6.  Jordan.  Taf. 
I.  Fig.  4. 

II.  No.  5.  Jordan. 

ni.  No.4.  Jordan  und 
das  Original  zu  G  o  1  d  - 
fuss  Fig.  2.  auf  Taf. 
III.  bei  V.  Declien 
(^Arc/i.  minor  G  o  1  d  f.) 
nebst  noch  einigen 
gleichgrossen  E.\em- 
piaren. 

IV.  Das  Original  zu 
Gold  fuss  Fig.  4.  Taf. 
III.  bei  V.  Dechen: 
{Arch.mediiisG  o  1  d  f.) 
und  mehrere  ähnliche 
Exemplare  auf  Taf.  II. 

V.  Das  Original  bei  v. 
Dechen  zu  der  Fig.  I. 
Taf.  IV.  der  Verhandl. 
d.  nat.  Ver.  d.  Rhciiil. 
Jahrg.  VI. 

VI.  Das  Original  bei 
V.  Dechen  zu  Gold- 
fuss  und  meiner  Fig.  I. 
Taf.  I.  {Arch.  Ucclic- 
nii  Gold  f.) 


12'" 

18'" 
20^'" 


10'" 

14'" 
16'" 


5'" 


Das  Hinter 
haupt    fehlt 

diesem 
Exemplar. 


55' 


68i"' 
( NB.  Die 
Zwischen- 
kieferbei- 
ne fehlen 
in  dieser 
Angabe 
ihre  Länge 
ist  auf?  bis 
8'"  zu  sez- 
zen.) 


23' 


31f' 


39' 


10'" 

II  r" 


18" 


K  I  in 


Kl  in 


7  1 III 


6'" 
6|'" 


10^'" 


32  V" 


40'" 

C  NB.     Die 

Zwischen 

kiefer  fch 

len.) 


lOf" 


12V" 


16' 


20' 


^^w 


24' 


Die  Vergleichung  vorsteheuder  Zahlenwerthe  ergicbt  freilich  keine  gleichmassig  fort- 
laufende Skala,  aber  doch  eine  hinreichende  Sicherheil  für  die  Al^schätzung  der  Grüssezunahinc 
des  Schädels  im  Ganzen  wie  im  Einzelnen.  In  der  ersten  Jugend,  wenn  die  Länge  sich  zur 
Breite  wie  6  zu  5  verhält,  fällt  die  Mitte  der  ganzen  Kopfeslänge  in  die  vordere  Hälfte  der 
Augenhöhlen,  und  das  Stirnbein  nimmt  den  vierten  Theil  der  Länge  des  Kopfes  ein.  Hat  die 
Länge  des  zuletzt  genannten  Knochens  sich  verdoppelt,  so  ist  die  ganze  Kopfeslänge  nur  um 
die  Hälfte  grösser  geworden,  ihr  Verhältniss  zur  Breite  aber  etwas  geringer.  Dagegen  nimmt 
die  relative  Weite  der  Augenöffnungen  sehr  bemerkbar  al).  Denn  war  sie  bei  dem  ganz  jun- 
gen Thiere  noch  der  Länge  des  Stirnbeins  gleich,  so  beträgt  sie  bei  dem  etwas  älteren  we- 
nig mehr   als   zwei  Drittel   derselben,    und   bei   dem    ganz  alten  noch  weniger  als  die  Hälfte. 


Diese  Grösseiuüjnahme  der  AugenöfTnungen  erfolgt  besonders  an  ihrem  vorderen  Ende,  weil, 
wie  die  Reste  zeigen,  die  Mitte  der  ganzen  Schadollange  im  wenig  vorgeschrittenen  x\lter  schon 
vor  die  Augenöffnang  in  die  Flache  des  Thranenheines  flillt.  Daraus  ergiebt  sich,  dass  die 
ganze  Grössenzunahme  des  Schadeis  besonders  seine  vordere  Hälfte  trifft,  oder  mit  anderen 
Worten,  dass  dessen  Gesichtstheil  sich  stärker  verlängert,  als  die  eigentliche  Schädelhöhle.  — 
Alles,  was  die  V'ergleichung  des  ersten  und  zweiten  Grössenstadiums  andeutet,  führt  die  Be- 
rücksichtigung des  dritten  uns  weiter  aus;  die  AugenöfTnungen  werden  relativ  immer  kleiner, 
die  Schnautzenspitze  rückt  stets  weiter  vor,  aber  die  Dimensionen  des  Hinterkopfes  halten  da- 
mit nicht  gleichen  Schritt;  je  länger  der  Kopf  wird,  desto  kleiner  der  Hirnkasten,  desto  schmäler 
erscheint  er  zwischen  den  Backen.  Dass  diese  Grössenzunahme  ganz  besonders  auf  die 
Gesichtsgegend  trifft,  bew-eist  uns  die  rückweichende  Lage  des  Scheitellochs  zum  Hinterhaupt; 
in  der  ersten  Jugend  liegt  es  am  Anfange  des  vierten  Viertels  der  Kopfeslänge,  im  höchsten 
uns  bekannten  Alter  am  Anfange  des  sechsten  Sechstels,  d.  h.  während  die  Entfernung  der 
Schnautzenspitze  von  ihm  von  9  Linien  auf  63  Linien  gestiegen  ist,  ist  die  Entfernung  dessel- 
ben vom  Hinterhauplsrande  nur  von  3  auf  12^  gerückt;  also  ist  die  vordere  Strecke  beinahe 
noch  einmal  so  gross  geworden,  wie  die  hintere,  oder  genauer  genommen,  im  Verhältniss 
von  7  zu  4  gewachsen.  Ebenso  deutlich  zeigt  denselijen  Charakter  des  Wuchses  (he  Lage 
iler  Augenhöhlen  zur  Schädelniitte.  Setzen  wir  die  ganze  Länge  des  grössten  Exemplars  auf 
76  Linien,  den  fehlenden  Zwischenkiefer  mit  eingerechnet,  so  liegen  die  vorderen  Ecken  der 
Augenöffnungen  noch  9  Linien  hinter  der  Schädelmitte,  und  während  diese  OefTnungen  in  der 
Jugend  von  der  Ecke  des  Zitzenbeines  ebenso  weit  abstehen,  wie  vom  Nasenloch,  beträgt  ijn 
höheren  Alter  ihre  Entfernung  von  dort  fast  nur  die  Hälfte  ihrer  Entfernung  von  hier.  So 
verschieden  wachsen  also  die  Theile  des  Schädels  gegen  einander;  alle  werden  zwar  grösser, 
aber  sehr  ungleich:  die  vorderen  viel  mehr,  als  die  hinteren. 

Neben  der  allgemeinen  Form  des  Kopfes  ist  besonders  die  Beschaffenheit  seiner  Ober- 
fläche ein  wichtiger  Gegenstand.  Leider  hat  sich  an  keinem  einzigen  tler  mir  vorliegenden 
Schädel  eine  zusammenhängende  äussere  Kopffläclie  erhalten;  die  meisten  Exemplare  spran- 
gen in  der  Knochensubstanz  auseinander  und  gewähren  tladurch  zwar  eine  gute  Vorstellung 
von  ihrer  Struclur,  aber  nur  stellenweis  ein  deutliches  Bild  ihrer  Oberfläche.  Was  die  erstere 
betrifft,  so  hat  sie  das  bekannte  excentrisch-strahlige  Gefüge  der  flachen  Schädelknochen,  d.  h. 
feine,  oft  gabelig  zertheilte,  gleich  weite  Rölirchen,  die  von  einem  Punkte,  dem  Ossifications- 
Centrum,  allseitig  ausstrahlen  und  nur  in  einzelnen  Fällen,  besonders  da,  wo  die  Knochen  am 
Ossificationspunkte  etwas  dicker  sind,  z.  B.  an  der  Ecke  des  Zitzenbeines,  zu  einer  wirklichen 
schwammartigen  Diploe  sich  gestalten.  Bei  jüngeren  Schädeln  muss  der  Knochen  eine  sehr 
geringe  Festigkeit  gehabt  haben,  weil  er  meistens  zur  Form  einer  zarten  schwarzen,  streifigen 
Haut  zusanmiengedrückt  ist;  bei  den  älteren  hat  er  sich  als  derbe  SuJjstanz  von  ^  —  |-  Linie 
Dicke  erhalten.  An  solchen  alten  Schädeln  ist  er  auch,  offenbar  wegen  seiner  grösseren 
Festigkeit,   ungleichartig  zerbrochen,   so    dass   bald  die  innere  Fläche  sich  von  dem  darunter 


lieaeuden  Gestein  abaehol^en  hat,  bald  die  äussere  von  dem  über  ilir  liegenden.    Das  ist  na- 
mentlich  an  dena  grossen  Schädel  der  Fall,   den  schon  früher  Goldfuss  abbilden  Hess,    und 
von  dem  ich  auf  Taf.  I.  eine  naturgetreuere  Figur  gegeben  habe.     Sie  stellt  die  untere  Hälfte 
des  in  der  Mitte  seiner  Knochensubstanz  auseinander  gesprengten  Schädels  dar,  und  giebt  ein 
klares  Bild  nicht  bloss  des  Gefiiges  dersell^en,  sondern  auch  an  den  im  Bilde  heller  gehalte- 
nen Stellen,  wo  die  Knochensubstanz  ganz  fehlt,  eine  Ansicht  der  völlig  glatten,  ebenen  inne- 
ren Fläche  der  Knociien.      Im    oberen   Abhub    desselben   Exemplars   linden    sich   auch   einige 
Stellen,  wo  die  Knochensubstanz  fehlt,   und  hier  sieht  man  die  grubig  strahlige  Sculptur   der 
äusseren  Kopffläche  recht  deutlich.    Namentlich  zwischen  den  Augen,  iiinter  dem  rechten  Auge, 
unter  demselben   an  der  Backe   und   vorn   auf  der  Nase   ist   sie   sehr   gut  zu  erkennen.      Es 
ergiebt  sich  daraus,  dass  diese  Sculptur  mit  der  von   Trematosaurus  die  allergrösste  Aehn- 
liciikeit  hat  *),  und  nur  in  wenigen  Punkten,  namenthch  durch  eine  grössere  Feinheit   der  un- 
regelmässiger angeordneten,  kürzeren  Furchen,  sich  davon  unterscheidet.    Darum  habe  ich  es 
versuchen  können,  ein  restaurirtes  Bild,  was  wenigstens  den  Charakter  der  Sculptur  treu  wieder- 
giebt,  auf  Taf.  IV.  zu  entwerfen.    Es  zeigt  deutlich,  dass  überall  da,  wo  die  Ossificationspunkte 
der  einzelnen  Kopfknochen  sich  befinden,  eine  Gruppe    kleiner,    von   scharftantigen  Erhaben- 
heiten umfasster  Grübchen  liegt,   von   wo   aus   längliche  und  immer  längere,  auf  dieselbe  Art 
gesonderte  Furchen  radial  zum  Rande  hinstrahlen.      Da  wo    der  Rand  nahe  lieet,   sind   diese 
Furchen  kurz,  wo  er  weit  vom  Ossificationspunkte  absteht,   sehr  lang,  und  indem  sie  in  die- 
ser Richtung  divergirend  auseinander  weichen,  machen  sie  neuen,  gewöhnlich  etwas  längeren, 
zum  Theil  schmäleren  Furchen  Platz.    Diesen  Charakter  der  Sculptur  habe  ich  an  den  bezeich- 
neten Stellen  jenes  Schädels  sehr  bestimmt  wahrgenommen;   ihn  noch  weiter  zu  beschreiben, 
halte  ich  für  unnöthig,    eines  Theils  weil  ich  ihn  nicht  überall  gleich  bestimmt   gesehen   habe, 
anderen  Theils  weil  meine  Figur  ihn  so   zeigt,    wie   ich  ihn  anzugeben  mich  für  befugt  halte. 
Darum  verweise  ich  auf  dieselbe. 

Die  Aehnhchkeit  der  Kopfoberfläche  mit  der  von  Tremulosaurus  erreicht  übrigens 
einen  noch  höheren  Grad  durch  die  Anwesenheit  einer  völlig  ebenso  verlaufenden  Gesichts- 
furche oder  Brille.  Selbige  beginnt  undeutlich  am  inneren  Rande  der  Nasenlöcher  auf  der 
Höhe  der  Schnautze  und  zieht  sich  von  da  mit  leichter  Krümmung  nach  innen  auf  die  Nase 
hinauf,  indem  sie  die  ganz  ähnlich  verlaufenden  Nasengänge,  deren  Anwesenheit  eine  leichte, 
wulstförmige  AVölbung  der  Schädelfläche,  welche  sie  als  Decke  überwölbt,  sichtlich  verräth. 
begleitet  und  an  ihrem  inneren  Saume  umfasst.  Da  wo  die  Nasengänge  flach  auslaufen,  in- 
dem sie  mittelst  der  Choanen  in  die  Mundhöhle  sich  öffnen,  biegen  sich  die  beiden  Gesichts- 
furchen nach  aussen  und  nähern  sich  immer  mehr  dem  Seitenrande  des  Kopfes.  In  halber 
Länge  zwischen  dem  Ende  der  Nasengänge  und  den  Augenöffnungen  erreichen  sie  ihre  stärkste 
Krümmung,  und  wenden  sich  nunmehr  wieder  nach  innen  gegen  die  Augenöflnung  hin.  indem 

*)  Man  vergleiclie    die  .\l)l)ildung   auf  der   ersten  Tafel   meiner   Sciirift   über    die    L  aljy  rintlio  douteii 
Bernburgs.     (Bert.  1849.  4.  I.  Abtii.) 


^9     

sie  schief  über  das  Thränenbein  fortgehen  und  da,  wo  sie  in  dieser  Richtung  das  Hauptstirn- 
bein erreichen,  zu  enden  scheinen.  Wenigstens  habe  ich  sie  weiter  nicht  verfolgen  können. 
Jede  Furche  ist  ein  schmaler,  gieichbreiter  Halbkanal,  der  seinen  Eindruck  nicht  bloss  in  die 
obere  Knochenfläche  macht,  sondern  auch  die  unlere  an  derselben  Stelle  scharfkantig  nach 
innen  hervortreibt,  und  aus  diesem  Grunde  noch  sehr  deutlich  am  Steinkern  des  Schädels  ver- 
folgt vs'erden  kann.  Bei  jüngeren  Thieren  mit  zarter  Knochensuljstanz  lässt  sich  eben  darum 
nur  eine  sehr  schwache  Spur  der  Gesichtsfurche  bemerken.  Ob  auch  die  Mundrand  fur- 
chen und  Backenfurchen,  welche  ich  bei  Trematosaurus  (a.  a.  0.  S.  6.)  beschrieben 
hal^e,  beim  Archegosaurus  vorhanden  sind,  muss  ich  unentschieden  lassen,  weil  es  mir  nicht 
gelungen  ist,  eine  Spur  derselben  zu  finden.  Indess  beginnt  an  der  Ohrspalte  im  Steinkern 
ein  tiefer  Eindruck,  welcher  aber  bald  schwächer  wird  und  schon  in  halber  Entfernung  vom 
Auge  endet.  Ich  glaube  weit  eher,  dass  dieser  Eindruck  von  einer  erhabenen  Knochenleiste 
auf  der  Innenseite  der  Schädelplatten  dieser  Gegend  herrührt,  und  nicht  als  Anfang  der 
Backenfurchen  zu  betrachten   ist. 

'  Ohne  mich  auf  eine  genaue  Kritik  der  von  Goldfuss  gegebenen  Abbildung  des  grossen 

Schädels  (a.  a.  0.  Taf.  I.  Fig.  \.  2.)  einzulassen,  nach  welchem  die  vorstehende  aligemeine  Schil- 
derung hauptsächlich  entworfen  ist,  niuss  ich  docli  einige  Unrichligkcilen  hervorheben,  weil  sie 
meine  Schilderung  zum  Theil  unterstützen,  zum  Theil  verdächtigen.  Fig.  1.  soll  wohl  die  innere 
Süuctur  der  Kopfknochen  darstellen,  giebt  indessen  ein  viel  zu  regulär  und  zu  fein  gehaltenes 
Bild  davon.  Milien  auf  der  Slirn,  zwischen  den  Augen  sieht  man  einen  Theil  der  Oberflächen- 
sculplur,  worin  derselbe  Fehler  wiederkehrt;  statt  langer  slrahliger  Furchen  sind  kurze  parallele 
Grübchen  angegeben.  Die  Nasengänge,  welche  am  Schädel  selbst  sehr  deutlich  werden,  fehlen 
in  der  Zeichnung  ganz  und  von  der  Gesichtsfurche  sieht  man  nur  die  hintere,  vom  Seilenrande 
zum  Auge  hinaufsteigende  Hälfte,  welche  unrichtig  für  eine  Naht  (die  vordere  des  Jochbeines) 
crenonuiien  ist.  Ganz  verfehlt  ist  auch  der  Hiiilerkopf  und  das  abwärts  nach  hinten  gerichtete 
Paukenbein.  Von  der  angeblich  ungemein  tiefen  Ohrspalte  ist  am  Schädel  selbst  nicht  viel  zu 
sehen.  Halle  der  Zeichner  zugleich  die  obere,  im  Gegendruck  befindliche  Hälfte  des  Schädels 
berücksichtigt,  er  würde  diese  Gegend  so  gefunden  haben,  wie  sie  in  meiner  ganz  getreuen  Fi- 
gur 1.  auf  Taf.  I.  angegeben  ist.  Ueberhaupt  ist  diese  obere  Schädelfläche  für  die  Erkenntniss 
der  Kopfknochen  viel  wichtiger,  als  die  untere,  von  Goldfuss  abgebildelc.  Ich  habe  zwar  eben- 
falls die  unlere  Hälfte  abbilden  lassen,  weil  ihre  Zeichnung  der  allgemeinen  Auffassung  des 
Schädels  günstiger  isl,  als  der  hohle  Abhub  davon  mit  der  verlieft  gesehenen  Aussenfläche;  al- 
lein ich  habe  in  mein  Bild  Alles  hineingetragen,  was  an  der  oberen  Fläche  deutlicher  zu  sehen 
war,  als  an  der  unteren.  Die  Sculplur  mussle  wegbleiben ,  weil  ihre  Angabe  das  Bild  unklarer 
gemacht  hätte,  und  weil  sie  für  sich  allein  in  dem  reslaurirten  Schädel  auf  Taf.  IV.  gegeben  ist. 


Die  Reilie  der  einzelnen  Knochen  des  Kopfes  eröffnet  vorn  an  der  Schnautzenspitze 
der  Zwischenkiefer  (^Os  intermaxillare  s.  incisivum;  a).  Seine  Gestalt  lässt  sich  am 
besten  an   der  isoUrten  Schnautze    erkennen ,    welche   ich   auf  Taf.  I.  in  Fig.  2.  u..  3.  aus  Herrn 

2 


10    

Dr.  Jordans  Sammlung  von  beiden  Seiten  halje  darstellen  lassen.  In  der  oberen  Hälfte 
(Fig  ü.)  sieht  man  die  innere  Fläche  der  oberen  Knochenwand  des  Zwischenkiefers  vor  sich 
und  bemerkt  zuvörderst  eine  sehr  deutliche  Längsnaht,  welche  ihn  in  2  Hälften  theilt.  Die- 
ser Umstand  ist  nichtig,  er  bildet  einen  guten  Unterschied  zwischen  Archegosaurus  und 
Trematosaurus ,  bei  dem  ich  nur  einen  einfachen  Zwischenldefer  gefunden  habe.  Ob  aber 
die  Naht  lebenslänglich  bleibt,  lässt  sich  nicht  gut  angeben,  weil  ich  auch  diese  ziemlich  grosse 
Schnautze  keinem  ganz  alten  bidividuum  zuschreiben  möchte.  Der  Zwischenkiefer  ist  sehr 
flach  und  niedrig  gestaltet,  am  ganzen  Vorderrande  kreisförmig  abgerundet,  unmitteUiar  hinter 
dem  Rande  beiderseits  etwas  gewölbt  und  von  da  sowohl  nach  hinten,  als  auch  gegen  die 
Mitte  zu  leicht  vertieft.  Er  begreift  nicht  bloss  den  Vorderrand  der  Schnautze,  sondern  auch 
noch  den  Anfang  der  Seitenränder  in  sich  und  endet  erst  am  Hinterrande  des  iNasenlochs. 
Hier  bemerkt  man  an  beiden  Seiten  sehr  bestimmt  eine  zackige  Nalit,  die  ilui  vom  Oberkiefer 
trennt.  Nach  innen  ist  er  unmittelbar  am  Nasenloch  etwas  kürzer,  greift  aber  mit  einer  lan- 
gen Spitze  w  eit  über  das  Nasenloch  lünaus  in  die  Nasenfläche  hinein,  und  zieht  sich  mit  meh- 
reren kürzeren  Zacken  vorwärts  wieder  zurück,  so  dass  die  Naht,  welche  ilin  gegen  die  Na- 
senbeine begrenzt,  in  der  Hauptsache  die  Form  des  Buchstabens  W  hat.  Aus  dem  strahUgen 
GeHige  seiner  Fläche  ist  zu  entnehmen,  dass  der  Ossificationspunkt  dicht  hinter  dem  Vorder- 
rande m  der  Gegend  des  Biegungspunktes  hegt,  denn  von  da  gehen  die  Strahlen  des  Gefii- 
ges  aus.  Darum  muss  man  auch  das  Centrum  seiner  Sculptur  dahin  setzen.  El)en  an  die- 
ser Stelle  liegt  hinter  dem  unteren  Rande,  auf  welchem  die  Fangzähne  sitzen,  eine  längliche 
Grube,  die  den  Knochen  zwar  nicht  durchbohrt,  aber  merklich  emporlreüjt,  und  ohne  Zweifel 
zur  Aufnahme  grösserer  Fangzähne  des  Unterkiefers  diente.  Bis  hinter  dieser  Gru])e  ist  der 
Knochen  solide;  dann  theilt  er  sich  in  zwei  Blätter:  ein  derberes  oberes  Blatt,  >\elches  die 
Aussenseite  der  Schnautze  bildet,  und  ein  inneres  zarteres,  das  dem  Gaumen  angehört.  Dies 
Blatt  ist  in  dem  abgebildeten  Exemplar  herausgebrochen,  aber  man  sieht  noch  die  Bruchrän- 
der hinter  dem  zahntragenden  Rande,  an  welchem  es  sass.  Zwischen  ihm  und  dem  oberen 
Knochenblatt  gestaltete  sich  die  anfangs  sehr  niedrige,  nach  hinten  allmälig  weitere  und  hö- 
here Nasenhöhle,  zu  welcher  die  Nasenlöcher  den  Eingang  bilden.  .Us  ein  Paar  langge- 
zogene, schmale  EUipsen  erkennt  man  sie  unmittelbar  neben  dem  seitlichen  Schnautzenrande  sehr 
deutlich,  vermisst  sie  aber  in  dem  grösseren  Fig.  1.  abgebildeten  Schädel,  weil  gerade  an 
ihrem  hinteren  Rande  die  Schnautzenspitze  aJjgebrochen  ist.  Dass  sie  nur  die  obere,  und 
nicht  mehr  che  untere  Wand  des  Zwischenkiefers  durclibohrt  haben,  ist  an  dem  besprochenen 
Exemplar  der  Schnautze  (Fig.  2.)  sehr  deutlich  wahrzunehmen,  denn  an  der  linken  Seite  haftet 
noch  ein  Stück  der  Knochenfläche  an  dem  Gestein,  welches  von  oben  in  das  oflene  Nasen- 
loch hineindrang  und  die  Tiefe  der  Nasenhöhle  erreichend  aufgestützt  als  herabgeflossene 
Masse  stehen  blieb.  Ist  nun  gleich  dadurch  die  Anwesenheit  der  unteren  Knochenfläche  des 
Zwischenkiefers  unzweifelhaft  nachgewiesen,  so  konnte  doch,  eben  weil  die  knöcherne  Wand 
selbst  fehlte,  ihre  Erstreckung  nach  hinten  nicht  enuittelt  werden;    es    bleibt  also  die  Begien- 


—   11    — 

zung  gegen  die  hier  an  den  Zwischenkiefer  stossendon  Pflugscharbeine  ungewiss.  Daae- 
gen  zeigte  sich  der  untere  zahntragende  Rand  in  vollständiger  Erhaltung  und  gab  über  die 
Stellung,  Zahl  und  Grösse  der  Zäline  des  Zwischenkiefer  bestimmte  Aufschlüsse,  obgleich  die 
Zähne  seligst  nur  zimi  Theil  vorhanden  waren.  Es  sassen  nehmlich  auf  dem  Zahnrande  des 
ganzen  Zwischenkiefers  abwechselnd  vollständig  ausgebildete  Zähne,  deren  Spitzen  noch  in 
dem  von  mir  durchschnittenen  Gestein  der  Unterseite  des  Präparats  stecken,  und  kleine  Ver- 
tiefungen von  dem  Umfange  der  Zahnwurzel,  in  denen  der  excentrisch  strahlige  Blätterbau 
der  Zahnsubstanz  durch  radiale  Furchen  und  die  centrale  Zahnhöhle  durch  ein  mittleres  Grüb- 
chen angedeutet  war.  Offenbar  sind  diese  Vertiefungen  nichts  anderes  als  Zahnhöhlen,  über 
denen  früher  die  älteren  bereits  verbrauchten  Zäline  standen,  und  in  denen  die  jüngeren  noch 
vom  Zahnsack  unischlossenen  sich  bildeten.  Sie  lassen  sich  von  den  neben  ihnen  stehenden 
durchschnittenen  Zähnen,  deren  auf  der  Schnittfläche  sichtbarer  innerer  Bau  ganz  mit  dem 
Furchensystem  der  Vertiefungen  übereinstimmt,  gut  an  ihrer  gleichen  Grösse  und  ihrem  gleich- 
förmigen Ansehen  unterscheiden;  denn  die  ausgebildeten  kantigen  Zähne  erheben  sich  als 
schlanke,  leicht  rückwärts  gekrimimte  (Taf  IV.  Fig.  3.j,  aljer  ])eim  Durchschneiden  des  Gesteins  un- 
gleichartig abgebrochene  Kegel,  deren  Zone  ebensoviel  v  om  Scheitel  herabkommende  Streifen  hat. 
als  die  innere  Zahnhöhle  Radien  zeigt.  Solcher  vollständigen  Zähne  zählte  ich  im  rechten 
Zwischenkiefer  acht,  im  linken  nur  sechs;  die  beiden  hintersten  der  rechten  Seite  stehen 
dicht  neben  einander  und  haben  keine  Zahnvertiefung  zwischen  sich.  In  der  Mitte  des  Vor- 
derrandes, da  wo  die  Zwischenkiefermittelnaht  liegt,  ist  eine  Lücke,  in  der  weder  ein  Zahn, 
noch  eine  Zahnvertiefung  gesehen  wird.     Die  Zälme  haben  alle  eine  gleiche  Grösse. 

Auf  die  Structur  der  Zähne  werde  ich  später  (in  §.  13.)  zurückkommen.  Es  wird  sich 
dann  deutlicher  zeigen,  dass  sie  nicht  den  complicirten  Bau  der  Zahne  von  Trematosaurus  und 
den  übrigen  Labyrinlhodonlen  der  Trias-Periode  besitzen,  sondern  die  einfachere  Structur 
der  Enaiiosaurierzähne. 

§.3. 

Der  Oberkiefer  Qo^s  maxiUare  superius,  b.J  ist  dem  von  Trematosaurus  ähnUch 
und  erstreckt  sich  als  eine  dünne  schmale  Knochenleiste,  die  auf  ihrer  unteren  Kante  die 
Zähne  trägt,  vom  Zwischenkiefer  bis  zum  Ende  der  Mundspalte.  Er  bildet  auf  diese  Weise 
den  Seitenrand  des  Schädels,  und  breitet  sich  nur  vorn,  neben  dem  Nasenbeine,  etwas  über 
die  Oberfläche  aus.  Diese  Gegend  des  Oberkiefers  Hess  sich  an  der  isolirten  Schnautze  von 
der  inneren  Fläche  recht  gut  verfolgen.  Man  erkennt  sehr  deutlich,  dass  die  Naht,  in  wel- 
cher der  Oberkiefer  an  das  Nasenbein  stösst,  eine  Schuppennaht  ist,  deren  obere  Lamelle 
anfangs  vom  Oberkiefer,  ihre  untere  vom  Nasenbein  gebildet  wird.  Bald  aber  wechseln  beide 
Ränder  ihre  Rollen,  der  des  Oberkiefers  schiebt  sich  unter  den  des  Nasenbeins,  und  in  dei- 
grösseren  Strecke  ilires  Zusammenhegens  ist  jener  der  untere,  dieser  der  obere.     Das  untere 

2* 


12     

Blatt  des  Nasenbeins  ist  sehr  bieit  und  dringt  fast  bis  zum  Aussenrande  des  Oberkiefers  vor; 
hernach  wird  es  schmal  und  lässt  dadurch  auf  der  binenseite  dem  Oberkiefer  mehr  Spiel- 
raum. So  geht  der  Oberkiefer,  allmäüg  breiter  werdend,  am  Seitenrande  der  Nasenbeine 
nach  hinten  fort  und  erreicht  dicht  vor  deren  Spitze  seine  grösste  Breite;  dann  schneidet  er 
mit  einem  Bogen  gegen  das  Thriinenbein  ab  und  zieht  sich,  indem  eine  vorspringende  Spitze 
des  Jochbeins  in  seine  Fläche  eingreift,  plötzlich  wieder  zusammen,  bis  er  den  Seitenrand  des 
Kopfes  erreicht  hat.  Neben  demselben  läuft  seine  Naht  nach  hinten,  und  endet  an  der  Mund- 
spalte etwas  vor  der  Stelle,  wo  das  Jochbein  an  den  äusseren  Paukenknochen  stösst.  Der 
Ossificationspunkt  des  Oberkiefers  hegt  ziemlich  weit  vorn  in  der  Gegend  seiner  grössten 
Breite,  und  von  da  strahlt  das  Gefüge  nach  beiden  Enden  aus.  Die  innern  Strahlen  sind  sehr 
kurz,  weil  das  Centrum  dicht  am  Nasenbein  liegt,  die  hinteren  und  vorderen  sehr  lang.  — 
Der  Zalinbesatz  des  Oberkiefers  stimmt  in  dem  ersten  Drittel  ganz  mit  dem  des  Zwischenkie- 
fers überein;  ebenso  grosse  Zähne,  wie  letzterer  trägt,  sitzen  auch  am  Oberkiefer,  aber  nur 
auf  der  bezeichneten  vorderen  Strecke,  wo  der  Oberkieferknochen  sich  nach  innen  ausdeh- 
nen konnte.  Wie  er  schmäler  wird,  werden  auch  die  Zähne  kleiner.  Das  ist  aus  den  Ein- 
drücken der  verloren  gegangenen  Zähne  in  Fig.  1.  der  I.  Tafel  deutlich  zu  entnehmen.  Eben 
diese  Figur  macht  auch  die  grosse  Zahl  von  Zähnen  am  ganzen  Kieferrande  klar.  Ich  habe 
an  der  linken  Seite,  wo  sie  sich  am  deutlichsten  zeigen,  zwar  nur  43  Zahneindrücke  gezählt, 
aber  die  ungleichen  Lücken  verrathen,  dass  an  vielen  Stellen  ganze  Zähne  herausgefallen  sind, 
man  also  ohne  Uebertreibung  bis  60  Zähne  annehmen  dürfe.  Die  hintersten  sind  sehr  klein 
und  gleichen  nur  feinen  Nadelspitzen,  die  grössten  stehen  neben  dem  Nasengange,  der  so 
zwischen  Oberkiefer  und  Nasenbeinen  verläuft,  dass  die  sie  trennende  Naht  gerade  die  Mitte 
hält  in  der  Decke  des  Nasenkauales.  Wo  der  Oberkiefer  äusserlich  mit  dem  Thränenbein  zu- 
sammentrifft, da  liegt  inwendig  am  Gaumen  die  Choanenöffnung  neben  ihm.  Diese  Gegend 
des  Oberkiefers  trägt  schon  kleinere  Zähne,  aber  noch  nicht  die  kleinsten.  Wie  in  der  Grösse, 
so  stimmen  auch  in  der  äusseren  Form  und  im  inneren  Bau  die  Kieferzähne  ganz  mit  den 
Fangzähnen  des  Zwischenkiefers  überein.  Sie  sitzen,  wie  dort,  auf  einem  erhabenen,  abwärts 
vorspringenden  Rande  des  Kiefers,  neben  welchem  in  der  Tiefe  die  Naht  sich  zeigt,  worin 
der  Oberkieferknochen  an  die  Gaumenknochen  stösst.  Sie  ist  eine  einfache  gerade  Naht,  ohne 
Zähne  oder  Schuppenform. 

Die  ßezalinung  des  Oberkiefers  zeigt  uns  einen  neuen  wesentlichen  Unlerscliied  zwischen 
Afc/tegosaurns  und  Trcinatosaurns,  namentlich  dnich  die  beträchtliche  Grösse  des  vordersten 
Theils  der  Zahnreihe  und  deren  Ucbereinslimniung  mit  den  Zähnen  des  Zwischenkiefers.  Trv- 
maiosaurus  hat  am  vordersten  Ende  des  Oberkiefers  gerade  sehr  kleine  Zähne.  Wegen  der 
stärkeren  Bezahnung  in  dieser  Gegend  ist  der  Mundrand  von  Arcitegoscmrus  an  derselben  Stelle 
etwa«  erweitert  und  in  zwei  ähnliche  Abschnitte,  wie  bei  den  ächten  Krokodilen  getrennt;  ob- 
gleich kein  so  scharfer  Einschnitt,  wie  bei  den  Krokodilen,  die  Grenze  beider  ungleichen  Zahn- 
reihen bezeichnet.     Jener  tiefe  Einschnill  der  Krokodile  rührt   übrigens    von  dem  Hauplzahn  des 


13     

Unterkiefers  her,  und  da  Archegosunrus  einen  so  grossen  mittleren  Seitenzahn  im  Unterkiefer 
nicht  hat,  so  fehlt  auch  der  Einschnitt  für  denselben  im  Oberkiefer.  Die  Analogie  mit  den  Kro- 
kodilen ist  also  nur  eine  ganz  allgemeine. 

§.4. 

Die  Lücke,  welche  zwischen  den  vorderen  Erweiterungen  der  Oberkieferkiiochen  frei 
bleibt,  füllen  die  Nasenbeine  C^^ssa  nasalia,  c.)  aus,  zwei  lange  schmale  Knochen,  in  de- 
ren auflallend  schneller  Entwickelung  hauptsächlich  die  rasche  Verlängerung  der  Schnautze 
ihren  Grund  hat.  Sie  erscheinen  darum  in  der  Jugend  viel  breiter,  als  im  höheren  Alter.  So 
beträgt  ihre  Länge  in  dem  Jdeinsten  Individuum  2f  Linien,  während  die  Breite  vorn  dicht 
hinter  den  Nasenlöchern  sich  auf  -1  ^  Linie  belauft ;  dagegen  misst  bei  dem  grössten  Exemplar 
jedes  Nasenbein  2  Zoll  in  die  Länge,  aber  nur  4^  Linie  in  die  Breite.  Demnach  ist  das  Na- 
senbein durch  Auswachsen  etwa  10 mal  so  lang  geworden,  als  es  zuerst  war;  aber  nur  drei- 
mal so  breit.  Die  Form  des  Knochens  ist  ganz  die  von  Trematosaurus ,  wenn  man  seine 
grosse  Schlankheit  berücksichtigt.  Mit  dem  Zwischenkiefer  durch  die  schon  beschriebene 
W-förmige  Zackennaht  verbunden  liegen  beide  Nasenbeine  längs  der  Mitte  in  einer  geraden 
Naht  aneinander,  während  sie  mit  dem  Oberkiefer  durch  die  Schuppennaht  sich  verbinden. 
Gleich  hinter  dem  Zwischenkiefer  begrenzen  sie  das  hintere  Ende  der  Nasenlöcher  und  gehen 
um  dieselben  herum,  bis  sie  an  den  Oberkiefer  stossen.  Daselbst  sind  sie  am  breitesten;  sie 
verschmälern  sich  nun  etwas  nach  innen  und  behalten,  nachdem  ihr  Rand  die  Kuppe  der  Na- 
sengänge erreicht  hat,  bis  gegen  das  Ende  hin  ziemlich  gleiche  Breite.  Am  Ende  selbst  spitzt 
sich  jedes  Nasenbein  mit  zwei  kurzen  Rändern  schnell  zu;  beide  zusammen  bilden  also  wie- 
der eine  W-förmige  Naht,  deren  Zacken  aber  beträchtlich  kürzer  sind,  als  die  des  Zwischen- 
kiefers. Die  Fläche  der  Nasenbeine  ist  sanft  nach  innen  geneigt,  und  von  der  am  Nasen- 
kanal sich  hinziehenden  Stirnfurche  schief  durchzogen.  Da  wo  innen  die  Choanen  liegen,  tritt 
<lie  Stirnfurche  vom  Nasenbein  auf  den  Oberkiefer,  und  beschreibt  auf  ihm  einen  kurzen  Bo- 
gen, der  ziemlich  dem  Umfange  der  Choanenöfifnung  entspricht;  dann  verlässt  sie  den  Ober- 
kiefer und  geht  ziuu  Thränenl^ein  hinüber.  Während  ihres  Laufes  auf  dem  Nasenbein  berührt 
die  Stirnfurche  den  Ossificationspunkt,  der  schon  in  friihester  Jugend  etwas  vor  der  Mitte 
des  Knochens  nach  vorn  zu  sich  bemerkbar  maclit,  mit  zunehmendem  Alter  iüier  dem  Vor- 
flerrande  immer  näher  zu  rücken  scheint,  weil,  wie  hieraus  ersichtlich  ist,  die  Hauptwachs- 
Ihumsrichtung  des  Nasenbeines  nach  hinten  geht.  Die  von  dem  bezeichneten  Centrum  aus- 
strahlenden Furchen  sind  besonders  deutlich  auf  der  Fläche  der  Nasenbeine  zu  erkennen. 

Die  Nasenbeine  von  Archegosnnrns  haben  so  viel  Aehnliclikeit  mit  denen  von   Trema- 
tosaiiriis,  dass  Alles,  was  ich  in  der  Beschreibung  dieser  Gattung  über  sie  gesagt  habe  (a.  a.  0 
S.  12.)  auch  auf  die  jetzige  Schilderung  Anwendung  findet.    Selbst  die  ungleiche  Grösse  der  bei- 
den Knochen   wiederholt   sich    bei  Arc/tcgosaiirns,   ist   aber   nicht   conslant   für    die    eine  Seite. 
Gewöhnlich  greift  in  der  vorderen  Hälfte  der  Mittelnaht   das   rechte  Bein   etwas   mehr  nach  links 


14     

hinüber,  während  es  zugleich  nach  hinten  etwas  weiter  reicht,  dafür  aber  in  der  Mitte  der  Längs- 
naht ausgebuchtet  erscheint.  Das  rechte  Nasenbein  ist  dann  zwar  etwas  länger,  als  das  linke, 
aber  auch  in  seiner  ganzen  mittleren  Strecke  etwas  schmäler. 

§•  ^• 
An  die  hinteren  Enden  der  beiden  Nasenlieine  stossen  vier  wenig  ungleiche  Knochen, 
von  welchen  die  beiden  mittleren  den  inneren  Winkel  der  W-förmigen  Naht  ausfüllen,  die 
beiden  seitlichen  jeden  äusseren  Schenkel  berüliren;  jene  sind  die  Stirnbeine,  diese  die 
Thränenbeine  (ossa  lacrymalia,  d.).  Obgleich  die  Gestalt  der  letzteren  nicht  den  Kno- 
chenstücken entspricht,  welche  ich  bei  Trematosaurus  als  Thränenbeine  beschrieben  habe, 
sondern  völlig  den  dort  Vorder-Stirnbeine  genannten  (a.  a.  0.  S.  13.)  Platten,  so  scheint 
mir  doch  die  jetzt  gewählte  Benennung  die  richtigere  zu  sein,  weil  ein  besonderes  unteres 
Knochenstück,  wie  ich  es  bei  Trematosaurus  gefimden  zu  haben  glaube,  bei  Archegosau- 
rus  nicht  vorhanden  ist.  Das  jetzige  Thränenbein  bildet  einen  schmalen,  leicht  gekrümmten, 
langgezogenen  dreiseitigen  Knochen,  dessen  schief  abgestutzte  Spitze  sich  an  den  äusseren 
Endrand  des  Nasenbeines  legt  und  hier  die  Lücke  füllt,  welche  zwischen  Oberkiefer  und  Na- 
senbein noch  geblieben  ist.  Sein  äusserer  Schenkel  ist  S-förmig  geschwungen  und  berührt 
mit  der  vorderen,  einwärts  gebogenen  grösseren  Hälfte  den  Oberkieferknochen,  mit  der  hin- 
teren kurzen  auswärts  gekrümmten  den  Jochbogen.  Neben  diesem  erreicht  das  Thränenbein 
den  Augenhöhlenrand,  dessen  vordere  Grenze  es  bildet,  ihn  bis  über  die  innere  Ecke  hinaus 
umspannend.  Da  stösst  das  Thränenbein  mit  einem  kurzen  Rande  an  das  hintere  Stirnbein 
und  beide  zusammen  bilden  allein  den  oberen  Orbitalrand.  Von  der  genannten  Naht  gegen 
das  hintere  Stirnbein  geht  der  innere  Schenkel  des  Thränenbeins  aus  und  läuft  ziemlich  ge- 
radlinigt,  mit  leichter  Krümmung  nach  aussen  vorwärts,  bis  er  die  vorragendste  Spitze  des 
Nasenbeins  trifft  unrl  an  dieser  endet.  Das  ganze  Thränenbein  ist  sehr  flach,  schief  nach 
aussen  geneigt,  am  Orbitalrande  hoch  aufgebogen  und  quer  über  seine  Mitte  von  der  Stirn- 
furche durchzogen,  hi  dieselbe  fällt  auch  der  dicht  vor  der  Augenöffnung  gelegene  Ossifi- 
cationspunkt,  von  dem  innerlich  die  zarten  Kanäle  der  Substanz,  äusserlich  die  superficiellen 
Furchen  ausstrahlen. 

Dass  Ärchegosuurna  nur  diesen  einen  isolirlen  Knochen,  den  ich  als  Thränenbein  be- 
schrieben habe,  im  vorderen  Augen\vink(^l  besitzt,  ist  sicher;  alle  gut  erhaltenen  Köpfe,  beson- 
ders deutlich  ein  kleiner  CJ^'o- 4.  b.)  in  Herrn  Dr.  Jordan 's  Sammlung,  bestätigen  es.  Ich  muss 
gestehen,  dass  dieser  Umstand,  bei  der  sonstigen  Aehnlichkeit  von  Arclicgosaunis  mit  Tremu- 
iosaurus,  mich  überrascht  und  in  mir  Zweifel  an  der  Richtigkeit  meiner  früheren  Angaben  bei 
letztgenannter  Gattung  erweckt  hat.  Die  Annahme  eines  isolirten  zweiten  Knochens  unter  dem 
hier  als  Thränenbein  beschriebenen,  gründet  sich  besonders  auf  einen  Scheiteiabdruck  in  Herrn 
V.  Braun's  Sammlung,  an  welchem  ich  die  schiefe  Naht  zwischen  diesem  Thränenbein  von  Trc- 
matosuiirus  und  dessen  Oberkiefer  erkannte;  dagegen  war  es  mir  nicht  möglich,  die  Grenze 
zwischen  dem  Thränenbein  und  dem  Jochbogen  deutlich  aufzufinden:  ich  musste  sie  mir  aus  dem 


15     

slrahligen  Gefüge  der  Knochen  gegen  einander  bestimmen.  Vielleicht  habe  ich  mich  darin 
getäuscht  und  eine  Naht  angenommen,  die  gar  nicht  existirt.  Wenn  das  zutrifft,  so  wäre  der  von 
mir  als  Thränenbein  beschriebene  Knochen  des  Tremaiosauriis  nur  das  vorderste  Ende  des 
'  zwischen  Oberkiefer,  Nasenbein  und  Vorderstirnbein  weit  nach  vorn  vorgeschobenen  Jochbeins, 
und  auch  diese  Galtung  hätte  im  vorderen  Augenwinkel  nur  einen  einzigen  Knochen,  welchen 
ich  damals  Vorderstirnbein,  jetzt  aber  wohl  richtiger  Thränenbein  genannt  habe.  Dann  fände 
sich  bei  Treniatosaiirns  ein  relativ  längeres  Jochbein,  bei  Archegosannis  eine  stärker  ent- 
wickelte Gesichtsplatle  am  Oberkiefer,  und  damit  würde  die  stärkere  Entwickelung  der  Kiefer- 
zähne dieser  Gegend  in  passender  Harmonie  stehen.  Ich  muss  ferner  gestehen ,  dass  mir  auch 
bei  den  anderen  Labyrinthodonlen  die  Anwesenheit  zweier  Knochen  im  vorderen  Augenwinkel 
unsicher  zu  sein  scheint.  Was  Herr  v.  Mayer  in  seinen  und  Plieninger's  Beiträgen  etc. 
über  das  Thränenbein  sagt  (S.  7.  von  Capitosaurus ^  S.  12.  von  Mustodonsaiiriis,  S.  20.  von 
Metopias),  ist  zu  allgemein  gehallen  und  stimmt  nicht  mit  den  Abbildungen,  an  denen  ich  eine 
Naht  im  vorderen  Augenwinkel,  welche  das  Thränenbein  vom  Vorderslirnbein  hier  trennen  niüsste, 
überall  vergeblich  suche.  Dagegen  scheint  Fisclier's  Rlihiosaiirus  iBull.d.31oscoueic.  1847. 
1.  Tf.  V.)  ein  vom  Vorderslirnbein  abgesondertes  Thränenbein  zu  besitzen.  Diese  Gegend  der 
Labyrinlhodontenschädel  wäre  also  noch  einer  ganz  besonderen  Untersuchung  bedürftig.  Füglich 
können  beide  Fälle  in  dieser  Familie  so  gut  neben  einander  vorkommen,  wie  bei  den  Enalio- 
sauriern;  von  denen  Notliosauras,  die  älteste  Form,  nur  einen,  Plesiosaurns  und  Ickthyo- 
saiirus,  die  jüngeren  Glieder,  zwei  Knochen  im  vorderen  Augenwinkel  haben.  So  könnten  auch 
Arcltcgusaurus  und  selbst  Trciiiutosairrus  zu  ihren  späteren  Familiengenossen  sich  verhallen. 
Auf  keinen  Fall  darf  aber  auf  die  Anwesenheit  zweier  Knochen  im  vorderen  Augenwinkel  der 
Labyrinthodonlen  ein  sehr  grosses  systematisches  Gewicht  gelegt  werden;  denn  allgemein  sind 
beide  Knochen  nicht  da,  das  ist  sicher. 


§.  6. 

Das  Hauptstirnbein  C<^s  frontale  proprium,  f.)  des  Archegosaurus  zeigt  eine 
völlige  Uebereinstimniung  mit  dem  des  Trematosaurus.  Von  dem  einspringenden  Winkel  am 
Ende  der  Nasenbeine  ausgehend  l)eginnen  beide  Stirnbeine  mit  scharfer  aber  ungleicher  Spitze, 
indem  das  linke  stets  etwas  breiter  ist,  als  das  rechte  und  vor  ihm  vorbeigehend  die  äusserste 
Spitze  des  Winkels  erfüllt.  In  der  Mittelnaht  geradlinigt  an  einander  stosseud  erweitern  sich 
die  Stirnbeine  alhnälig  etwas  nach  hinten  und  erreichen  da,  wo  im  Thränenbein  der  Ossi- 
licationspunkt  liegt,  ihre  grösste  Breite;  ziehen  sich,  indem  sie  sich  gegen  das  Auge  wenden, 
iji  der  Richtung  des  Orbitalrandes  mehr  zusammen  und  verschmälern  sicli  von  hier  etwas 
stärker  nach  hinten,  als  nach  vorn.  Ihr  Ende  liegt  noch  vor  dem  hinteren  Rande  der  Orbita, 
und  ist  auch  da  das  linke  Stirnbein  etwas  breiter  und  länger  als  das  rechte,  jedes  von  bei- 
den aber  für  sich  zugespitzt,  so  dass  die  Endnaht  wieder  die  Form  eines  W  hat.  Der  Ossi- 
ücationspunkt  liegt  etwas  hinter  der  breitesten  Stelle,  dicht  am  äussern  Rande  gegen  das  Thrä- 
nenbein hin.  In  der  Grössenzunahme  verhält  sich  das  Stirnbein  ganz,  wie  das  Nasenbein;  es 
wächst  weit  schneller  in  die  Länge,  als  in  die  Breite.     Bei   dem  kleinsten  Individuum   ist  je- 


16    ^ — 

des  Stirnbein  3'"  lang,   ]'"  breit;  bei  dem  grössten  2"  |-"'  lang  und  3^'"  breit.     Dort  ver- 
hält sich  also  die  Länge  zur  Breite,  wie  3  zu  1 ;  hier  wie  7  zu  1 . 

Was   die  Analogie  dieses  Sürnbeins  mit  dem   lebender  Amphibien  betrifft,  so  ist,  wie  in 
allen  ähnlichen  Fällen,  meine  Abhandlung  über  Tremaiosawns  zu  vergleichen. 


Die  Uebereinstimmung  von  Archegosaurus  und  Trematosaurus  in  der  Configuration 
des  vorderen  Schädelgerüstes  ist,  bis  auf  die  allemige  aber  nicht  ganz  sichere  Ausnahme, 
dass  Trematosaurus  im  Augenwinkel  zwei  Knochen  zu  haben  scheint,  Archegosaurus  aber 
bestimmt  nur  einen,  so  vollständig  gewesen,  dass  es  uns  nicht  überraschen  wird,  auch  die 
hintere  Hälfte  des  Schädelgerüstes  in  gleicher  Uebereinstimmung  wieder  zu  finden.  Mich  hat 
diese  Uebereinstimmung  bei  der  Darstellung  veranlasst,  fortan  noch  mehr  vergleichend  zu 
Werke  zu  gehen,  und  die  Knochen  nicht  einzeln,  wie  bisher,  sondern  im  Zusammenhange  zu 
schildern.  Nun  bleiben  uns  noch  drei  Gruppen  oder  Systeme  von  Knochen  auf  der  Aussen- 
fläche  des  Schädels  zu  betrachten;  nämlich:  \)  das  Orbitalgerüst,  2)  das  Schläfenbeingerüst 
und  3)  das  Scheitelgerüst;  daran  reiht  sich  auf  der  Unterseite,  4)  das  Hinterhauptsgerüst, 
5)  das  Keilbein  oder  Basalgerüst,  und  6)  das  Gaumengerüst.  In  dieser  Reihenfolge  mögen 
fortan  die  Knochenplatten  der  vergleichenden  Betrachtung  unterworfen  werden. 

Das  Orbitalgerüst  besteht  aus  sämmtlichen  Knochen,  welche  den  Augenhöhlenrand 
bilden,  mit  Einschluss  des  Thränenbeines,  und  ist,  wie  ich  das  schon  früher  nachzuweisen 
suchte  (über  Trematosaurus  S.  16.  d.  Note),  hauptsächlich  mit  dem  Joclibein  zu  identifici- 
ren;  d.  h.  alle  seine  hinteren  Knochen  sind  als  isoiirte  Stücke  des  os  zygomaticum  der 
Säugethiere  zu  betrachten,  wie  alle  seine  vorderen  als  Theile  des  Thränenbeins;  beide 
Knochen  seilest  aber  sind  gleichwerthige  und  unter  ein  gemeinschaftUches  System  als  vordere 
und  hintere  Hälfte  zu  subsumiren.  Von  diesem  Orbitalgerüst  wurde  die  vordere  Hälfte  erörtert, 
es  bleibt  noch  die  hintere,  bestehend  aus  Jochbein,  Hinteraugenhöhlenbein  und  Hin- 
ter Stirnbein,  zu  schildern. 

Das  Jochbein  (^os  zygomaticum,  k)  von  Archegosaurus  ist  ein  sehr  grosser  Kno- 
chen, welcher  nach  vorn  wie  nach  hinten  weit  über  die  Augenöffnung  hinausreicht,  und  deren 
ganzen  unteren  Rand  bildet.  Dadurch  verschmälert  es  sich  in  der  Mitte,  dehnt  sich  aber 
vorn  und  hinten  in  eine  breitere  zugespitzte  Fläche  aus  und  ruht  mit  seinem  unteren  Rande 
auf  dem  Oberkieferknochen.  Die  vordere  Fläche  ist  kleiner  als  die  hintere,  schärfer  zuge- 
spitzt und  niedriger.  Sie  drängt  sich  mit  ihrer  Spitze  in  den  Einschnitt  am  Gesichtstheil  des 
Oberkiefers  hinein,  füllt  um  aus  und  lehnt  sich  mit  dem  Rest  ihres  inneren  Randes  an  das 
Thränenbein,  neben  welchem  es  die  vorspringendste  Stelle  des  Orbitalrandes  erreicht.  Von 
da  an  bildet  der  obere  ausgebuchtete  Rand  des  Jochbeins  den  Orbitalrand  seüjst,  bis  es  das 
hintere  Augenbein  im  unleren  Winkel  der  Orbita  erreicht  hat.  Mit  diesem  Knochen  liegt  das 
Jochbein  eine  Strecke  in  einer  gerade  nach  hinten  laufenden  Naht  zusammen,  trennt  sich  aber 


17     

bald  \oii  iliin  und  wendet  sich  abwärts  geneigt  nach  hinten,  indem  es  anfangs  an  ilas  tympa- 
nicum  externum,  später  an  das  (juadrato-jugale  grenzt  und  zwischen  beiden  mit  einer 
kurzen  Spitze  sich  einschiebt.  Indem  letzterer  Knochen  sich  je  mehr  nach  unten  um  so  mehr 
vorwärts  drängt,  treüjt  er  den  Jochbogen  vor  sich  zurück,  und  beschränkt  so  dessen  unte- 
ren freien  Rand  auf  eine  kurze  Strecke,  womit  er  den  unter  ihm  hegenden  Oberkiefer- 
knochen nach  hinten  überragt.  —  Die  Grössenzunahme  des  Jochbeines  ist  weniger  augenfäl- 
hg,  als  die  der  zuvor  beschriebenen  Miltelknochen;  am  kleinsten  Exemplar  beträgt  seine  ganze 
Länge  G'",  am  grössten  2"  o"';  die  hintere  Hälfte  hat  an  jenem  Exemplar  1|"',  an  diesem 
G|-"'  Breite.  Der  Ossificationspnnkt  liegt  in  dei'  hinteren  Hälfte  dicht  neben  der  unteren  Ecke 
des  Orbitalrandes  in  gleicher  Höhe  mit  dem  am  meisten  nach  hinten  vorragenden  Punkte 
dieses  Randes. 

Das  Hinteraugenhöhlenbein  (^os  orbitale  posterius,  i)  ist  eine  kurze  fünfseitige, 
fast  lanzenspitzenförmig  gestaltete  Knochenplatle,  welche  mit  ihrem  freien  einwärlsgebogenen 
Rande  die  Mitte  des  hinteren  Umfanges  der  Orbita  einnimmt,  nach  aussen  an  das  Jochbein 
und  nach  innen  an  das  Hinterstirnbein  mit  zwei  Nähten  stösst,  von  denen  die  letztere  sich 
durch  starke  Biegung  nach  innen  auszeichnet.  Hinterwärts  schiebt  es  sich  mit  den  beiden  Rän- 
dern, welche  die  scharfe  Spitze' des  Knochens  bilden,  zwischen  die  beiden  Knochenplatten 
hinein,  die  ich  früher  bei  Trematosuurus  als  äusseres  Paukenbein  und  als  Schläfen- 
beinschuppe beschrieben  habe.  Es  gleicht  somit  ganz  dem  Hinteraugenhöhlenbein  von 
Trematosauriis  und  ist  nur  durch  eine  viel  geringere  Länge  \on  demselben  verschieden. 
Sein  Ossilicationspunkt  liegt  nahe  am  Orbitalrande  in  der  Mitte  der  beiden  Nähte,  welche  die 
vordere  Hälfte  des  Knochens  begrenzen.  Es  wächst  langsam,  wie  alle  hinleren  Schädelkno- 
chen; beim  kleinsten  bidividuum  hat  es  \\"'  Länge  und  \\"'  Breite,  beim  grössten  ist  es 
9'"  lang,  ö}"'  breit. 

Das  Hinter  Stirnbein  fo*  frontale  ■posterius,  g)  gleicht  dem  vorigen  Knochen  an 
Grösse  und  Gestalt,  ist  aber,  wie  bei  Trematosaurus,  in  seiner  Hauptlichtung  etwas  gebogen 
und  entsendet  nach  vorn  einen  Fortsatz,  der  den  Orbitalrand  einschiiesst,  indem  er  bis  an 
das  Vorderstirnbein  oder  Thränenbein  reicht.  Dieser  Fortsatz  trennt  das  Hauptstirnbein  vom 
inneren  Orbitalrande,  welcher  sich  ganz  im  Hinterstirnbein  befindet.  Ausser  diesem  Rande 
wird  das  Hinterstirnbein  noch  von  drei  Nahträndern  begrenzt.  Der  längste  innerste  ist  sanft 
geschwungen  und  legt  sich  mit  der  vorderen  nach  aussen  gekrümmten  Hälfte  an  das  Haupl- 
stirnboin,  mit  der  hinteren  nach  innen  gekrümmten  an  das  Scheitelljein.  Die  anderen  beiden 
Nähte  bilden  den  Aussenrand  des  Hinterstirnljeins,  und  trennen  dasselbe  vorn  vom  Hinler- 
augenhöhlenbein,  hinten  von  der  Schläfenbeinschuppe.  Zwischen  letztere  und  das  Scheitelbein 
drängt  sich  das  Hinterstirnbein  mit  einem  stumpfen  Winkel  etwas  hinein.  Sein  Ossifications- 
punkf  liegt  unmittelbar  neben  dem  Orbitalrande,  über  dessen  innerer  oberer  Biegungsstelle. 
In  dem  jüngsten  Exemplar  misst  es  3  Linien,  in  dem  ältesten  15;  seine  Breite  beträgt  in  der 
hinteren  Hälfte  bei  jenem   1   Linie,  dei  diesem  i. 

3 


18     

1.  Ueber  die  Analogien  und  verwandlschafliiciien  Beziehungen,  welche  aus  dem  Orbilalgerüst  der 
Labyrinthodonlen  sich  ergeben,  habe  ich  mich  friiiier  in  der  Schrift  über  Tretnatusaurus  (SA9.} 
ausgesprochen.  Bekanntlich  haben  die  nackten  Amphibien  nur  die  vordere  Hälfte  dieses  Ge- 
rüstes, aber  niemals  irgend  eine  Spur  der  hinteren  Hälfte.  Da  selbige  gerade  bei  den  Labyrin- 
thodonlen am  vollständigsten  entwickelt  ist,  so  scheint  mir  eine  wirkliche  Affinität  beider  Grup- 
pen nicht  angenommen  werden  zu  dürfen.  Ich  werde  am  Schluss  dieser  Abhandlung  nochmals 
die  zoologische  Stellung  der  Labyrinthodonlen,  durch  neue  Elemente  der  Vergleichung  dazu  auf- 
gefor<lerl,  beleuchten  und  mein  früheres  Resultat,  dass  sie  nicht  als  einzelnen  der  heuligen  Grup- 
pen affine,  sondern  als  mehreren  von  ihnen  co  rrel  ate  Typen  zu  betrachten  seien,  weiter  be- 
gründen können. 

2.  Goldfuss  hat  in  seiner  Beschreibung  des  Archeyosaurus  das  Hinlerstirnbein  ganz  übersehen 
und  darum  eine  für  den  Fall,  wo  Stirnbein  und  Scheitelbein  getrennt  neben  einander  auftreten, 
unerhörte  Ausdehnung  des  Scheitelbeins  bis  in  den  Orbitalrand  hinein  angenommen.  Es  ist  mir 
das  um  so  auffallender,  als  nicht  bloss  bei  dem  grossen  Exemplar,  welches  er  abgebildet  hat, 
sondern  auch  bei  allen  anderen  ein  selbständiges  Hinterstirnbein  ganz  unzweifelhaft  und  deut- 
lich sich  abgrenzt.  Was  er  als  Hinterstirnbein  (/'. )  beschreibt,  ist  das  Hinteraugenhühlenbein. 
Seine  Begrenzung  des  Jochbeins  ist  auch  nicht  richtig;  am  Vordertheil  hat  er  es  sowohl  gegen 
den  Oberkiefer,  als  auch  gegen  das  von  ihm  viel  zu  klein  angenommene  Thränenbein  hin,  wei- 
fer ausgedehnt,  als  es  in  der  Thal  sich  erstreckt;  am  Hinlerlheil  ist  nur  die  obere  Hälfte  der 
Endnahl  richtig  ermillell,  die  untere  Hälfte  irrig  dargestellt;  sie  läuft  nicht  mit  der  oberen  in 
gleicher  Richtung  nach  hinten,  sondern  unter  einem  Winkel  von  ihr  ausgehend  zurück  nach  vorn. 

§•    '• 

Das  Schliifenbeingerüst  besteht  bei  Arch«gosaurus  aus  eben  so  vielen  Knochen, 
w'm  bei  Trematosaurus ,  die  alle  als  isolirte  Stücke  des  beim  Menschen  später  einfachen 
Schläfenbeins  angesehen  werden  müssen.  Vier  Stücke  treten  davon  äusserhcii  in  Platten- 
forni  mit  superficieller  Sculptur  hervor;  zwei  andere  sind  nach  innen  gerückte,  äusserlich  nicht 
sichtbare  Stücke,  deren  Begrenzung  gegen  ihre  Nachbarn  sich  nicht  scharf  ermitteln  lässt.  Jene 
vier  äusseren  Stücke  nenne  ich:  1)  os  (fuadralo-ju^ale,  2)  os  tympcmicum  externum, 
'■\)  OS  temporale  squamosum ,  i)  os  mastoideum ;  die  beiden  inneren  werden  als  ü)  os 
tympanicum  internum  und  G)  os  petrosmn  zu  ])etrachten  sein. 

Von  den  vier  äusserlich  sichtbaren  Knochen  nimmt  das  zuerst  genannte  Joch  pau- 
ken b  ein  (^os  (luadratu-jugale,  m.)  die  hintere  untere  Ecke  des  ganzen  Schädels  ein.  Es 
erscheint  hier  als  eine  leicht  gewölbte,  längliche  Knochenplafte,  welche  mit  ilirer  vorragenden 
Spitze  nach  vorn  bis  an  das  Jochbein  reiclit,  und  sich  nach  hinten  um  die  Ecke  des  Schädels 
herum  legt.  Vier  abgesetzte  Ränder  begrenzen  dasselbe;  der  vorderste  schmälste  ist  die  Naht, 
mit  welcher  es  an  das  Jochbein  stösst;  der  untere  längste  Rand  ist  fiei  und  bildet  die  scharfe 
vorspringende  Kante  des  Backentheils  der  Mundspalte,  welcher  über  die  Backenmuskulatur  für 
den  Unterkiefer  liervorragt;  der  drifte  entgegengesetzte  obere  Rand  ist  wieder  eine  dem  un- 
teren concentrisch  gebogene  Naht,   welche   das  Jochpaukenbein  vom  äusseren  Paukenknochen 


«1 


19     ^ — 

abgrenzt;  der  vierte  hintere  Rand  ist  schief  abwärts  nach  hinten  geiiclitet,  kürzer  als  beide 
vorigen  und  abgeflacht,  um  sich  mit  seinem  schiippenförmig  den  innern  Paukenknochen  über- 
lagernden Saume  an  denselben  anzupassen.  Darum  biegt  sich  dieses  ganze  hintere  Ende  des 
Jochpaukenbeins  nach  innen  um,  und  hegt  hier  mehr  nach  hinten  gerichtet,  als  nach  aussen. 
Ob  es  auch  Theil  nimmt  an  der  Bildung  des  Gelenkes  für  den  Unterkiefer,  Hess  sich  nicht 
ermitteln;  aber  die  Analogie  von  Trematosaurus  spricht  dagegen.  Sein  Ossificationspunkt 
Hegt  am  hintersten  Ende,  dicht  vor  der  Ecke,  und  von  da  strahlen  seine  Knochenkanäle  nach 
vorn,  oben  und  hinten  hinauf     Der  Knochen  ist  selten  gut  erhalten. 

Ueber  dem  Jochpaukenbein  liegt  das  äussere  Paukenbein  Qos  tympanicum 
extermim,  LJ,  eine  ebenfalls  sanft  nach  aussen  gewölbte,  stumpfwinklich  dreiseitige  Knoclien- 
platte,  von  deren  zwei  vorderen  Rändern  jeder  zwei  Abschnitte  hat.  Es  erfüllt  die  obere  Hälfte 
der  Backenfläche  und  bedeckt,  wie  der  zuvor  beschriebene  Knochen,  die  Backenmuskeln. 
Sein  unterer  Rand  ist  der  längste;  eine  sanft  gebogene,  zackige  Naht,  deren  vordere  kürzere 
Hälfte  an  das  Joclibein,  ihre  hintere  längere  an  das  Jochpaukenbein  stösst.  Die  beiden  ande- 
ren Ränder  haben  fast  gleiche  Länge  und  sind  als  innerer  und  als  hinterer  zu  unterscheiden.  Der 
innere  ist  eine  Naht,  in  welcher  der  Knochen  vorn  mit  dem  Hinteraugenhöhlenbein,  hinten  mit 
dem  Schuppenschläfenbein  zusammentrifft;  der  hintere  Rand  ist  zumeist  frei:  er  läuft  von  oben  nach 
unten  schief  geneigt  abwärts,  berührt  hier  das  Zitzenbein,  begrenzt  dann  den  vorderen  Ein- 
gang in  das  Ohr  und  legt  sich  mit  einem  ganz  nach  innen  und  hinten  gebogenen  Umschlag 
auf  den  innern  Paukenknochen,  den  er  also  bedeckt.  Er  kann  als  Träger  des  Tronunelfells  an- 
gesehen werden,  denn  an  seinem  freien  umgeschlagenen  Rande  musste  es  haften.  Dicht  \o\ 
diesem  Rande,  nahe  der  oberen  Ecke,  wölbt  sich  der  Knochen  sehr  stark  und  hat  auf  der 
Höhe  dieser  Wölbung  seinen  Ossiticationspunkt;  neben  der  Wölbung  ist  er  leistenartig  zur  Schei- 
telflächc  hin  abgesetzt  und  nach  innen  mit  einem  scharfkantigen  Vorsprung  versehen,  den 
Goldfuss  als  eine  Fortsetzung  der  Ohrspalle  dargestellt  hat. 

Seitwärts  nach  innen  und  vorn  stösst  an  das  eben  beschriebene  äussere  Paukenbein 
eine  längliche  Knochenplatte,  welche  ich  in  meiner  Schrift  über  Trematosaurus  als  Schup- 
penschläfenbein Cos  tenifHjrale  squamosum,  n.^  geschildert  (S.  19.),  und  an  einer  späte- 
ren Stehe  (S.  23.)  auch  vorderes  Zitzenbein  genannt  habe.  Welche  Benennung  man 
wählen  oder  beibehalten  will,  ist  gleichgültig,  beide  kommen  auf  Eins  heraus;  deim  ein  vor- 
deres Zitzenbein  ist  siclier  ein  Schuppenschläfenbein,  weil  überall  die  Schuppe  des  Schläfen- 
beines unmittelbar  vor  dem  Zitzenbein  liegt  und  beide  zusannuen,  oder  der  vordere  allein, 
an  das  nach  aussen  und  unten  neben  ihnen  liegende  Paukenbein  stossen.  Die  bezeichnete 
Platte  grenzt  übrigens  mit  ihren  zwei  vorderen  Rändern  in  zackiger  Naht  an  das  Hinterstirn- 
bein und  Hinteraugenhöhlenbein,  mit  ihrem  äusseren  Rande  an  den  äusseren  Paukenknochen. 
mit  ihrem  hinteren  an  das  Zitzenbein  und  mit  ihrem  inneren  hinten  an  das  obere  Hinterhaupts- 
bein, vorn  an  das  Scheitellx-in.  Fast  alle  diese  Verbindungen  hat  die  Schläfenbeinschuppe, 
und  besonders  darum  halte  ich  meine  Deutung  für  gerechtfertigt.     Der  Knochen  ist  flach  und 

3* 


-^20     

grösstenlheils  auf  die  obere  oder  Scheitelfläche  des  Schädels  hinaufgeriickt ;  sein  Ossifications- 
punkt  liegt  etwas  hinter  der  Mitte  gegen  das  Zitzenbein  zu,  wo  die  von  der  Ohrspalte  aus- 
gehende Furche,  welche  ich  für  den  Eindruck  einer  Knochenleiste  halte,  endet. 

Das  eigentliche  Zitzenbein  (os  mastoideum ,  o.)  bildet  als  ein  dreiseitiger,  zapfen- 
artig nach  hinten  vorragender  Knochen  die  höchste  Stelle  des  Hinterkopfes  und  begrenzt  die 
Ohrspalte  von  oben.  Es  ist  aussen  flach,  nach  innen  sehr  dick,  der  dickste  aller  Scheitelkno- 
chen, schwammig  zellig  mit  solider  Knochenwand.  Yoi-n  liegt  die  zweitheilige  Basis  sei- 
nes Dreiecks,  deren  äussere  Hälfte  an  den  äusseren  Paukenknochen,  die  innere  an  das  Schup- 
penschläfenbein stösst;  sein  äusserer  Schenkel  liegt  vorn  ebenfalls  am  äusseren  Paukenkno- 
chen, hinten  ist  er  frei  und  bildet  die  Ohrspalte;  der  innere  Schenkel  ist  hinten  frei  und 
nimmt  Theil  am  Hinterkopfrande,  vorn  stösst  er  an  das  obere  Hinterhauptsbein.  Der  Ossifica- 
tionspunkt  des  Zitzenbeins  liegt  an  der  Spitze  dicht  vor  dem  Ende,  die  Knochenkanäle  strah- 
len meist  nach  vorn,  einige  nach  unten  und  hinten;  der  Knochen  rauss  also  auch  am  Hinter- 
kopf sich  abwärts  ausdehnen. 

Wie  weit  das  geschah,  Hess  sich  ebensowenig  ermitteln,  als  eine  Grenze  erkennen  zwi- 
schen diesem  Knochen  und  den  inneren  Knochenmassen,  welche  als  Felsenbein  und  inne- 
rer Paukenknochen  zu  betrachten  wären.  Dass  solche  Knochen  da  sein  müssen,  ist  unzwei- 
felhaft, weil  Spuren  einer  starken  und  soliden  abwärts  nach  innen  in  die  Tiefe  reichenden 
Knochenmasse  sich  mehr  oder  w  eniger  deutlich  verfolgen  lassen.  Sie  bildet  einen  dreiseitig  pris- 
matischen Tiäger,  auf  welchem  oben  das  äussere  Paukenbein,  unten  das  Jochpaukenbein  ruhen,  und 
diesen  Theil  haUe  ich  für  den  inneren  Paukenknochen.  Gegen  die  Gehirnhöhle  breitet  sich  die- 
ser Träger  nach  allen  Seiten  zu  aus  und  zieht  sich  besonders  unter  dem  Zitzenbein  nach  un- 
ten gegen  das  Grund-  oder  Keilbein  hinab.  Diese  Gegend  betrachte  ich  als  Felsenbein. 
Den  Knochen  näher  in  seinen  Eigenschaften  zu  bestimmen,  wollte  mir  nicht  gelingen. 

I.  In  Goldfuss  Abbildung  ist  die  eben  gescliilderlc  Gegend  des  Schädels  völlig  missralhcn.  Das 
Zilzcnbcin  fehlt  ganz,  indem  es  mit  dem  Schuppenscldiifcnbein  {Tiii.)  verschmilzt:  der  iiusserc 
Paukenknochen  (Tf.)  ragt  viel  zu  weit  nach  hinten,  er  darf  nur  halb  so  lang  sein,  wie  er  ge- 
zeichnet ist,  und  das  Jochpaukenbein  (Tay/.)  hat  denselben  Fehler.  Das  mit  Ol.  bezeichnete 
Stück  ist  keinesvveges  ein  Theil  des  Hinterhauptes,  sondern  die  verschobene  vordere  nur  im  Ab- 
druck vorhandene  Wand  des  verloren  gegangenen  Paukenknochens,  welche  sich  nach  aussen  um- 
biegt und  mit  dem  Jochpaukenbein  (Tay/.)  zusammenhiingt.  Unten  (Fig.  3.)  sieht  man,  wie  die 
Knochenniassen  des  Paukenbeins  und  Felsenbeins  an  die  spitzen  Gaumenflügel  des  Grundbeines 
stossen,  welche  sich  gut  erhalten  haben.  Der  nach  rechts  gewendete  Flügel  liegt  noch  ziemlich 
normal,  der  linke  ist  ganz  verschoben.  Zwischen  ihnen  fehlt  nicht  bloss  der  Körper  des  Grund- 
oder Keilbeines  mit  dem  jn-ocessits  cidlriformis,  sondern  aucli  das  ganze  Hinterhauptsbein  nebst 
dem  Felsenbein.  Wahrscheinlich  waren  diese  Theile  entweder  überhaupt  weicher,  vielleicht  gar 
knorpelig ;  oder  sie  ossificirten  langsamer  und  konnten  darum  leichter  zerstört  werden.  Ihr  Man- 
gel selbst  an  diesem  grossen  Schädel  spricht  in  meinen  Augen  sehr  dafür,  dass  er  keinem  aus- 
gewachsenen,   sondern    etwa   einem   halbwüchsigen    Thiere   angehört  habe.      An   allen  jüngeren 


21     

Exemplaren  fehlen  die  cenirobasalen  Knochen  beständig,  weil  sie  an  ihnen  noch  viel  Meitcr  in 
der  Ossification  zurückstanden.  — 
2)  Die  Deutung  der  Knochenplatten  des  Schläfengerüstes  ist  eine  der  schwierigsten  Aufgaben  der 
vergleichenden  Schädeliehre.  Ich  komme  hier  nochmals  darauf  zurück,  weil  ich  früher  C^eber 
TrcnKitosaurits,  S.  16.  seq.^  diesen  Schädelthcil  der  nackten  Amphibien  mehr,  als  zweckmässig 
für  die  Beurlheilung  ihrer  Verwandtscliaft  mit  den  Labyrintliodonten,  ausser  Acht  gelassen  habe. 
Ihr  Schläfenbein  besteht  aus  drei  Stücken.  Das  unterste  und  äusserste  hat  das  Gelenk  für  den 
Unterkiefer  und  muss  darum  als  Pauken bein  (iympanicnm)  genommen  werden.  Cuvier  nennt 
es  in  seinen  Ossemens  fossiles  Tom.  V.  390.  Jochbein,  jiigalc  (Taf.  24—27.  o.  o.).  Ueber 
diesem  Knochen  liegt  gegen  die  Schädelkapsel  hin  ein  langer,  flacher  spatelfürmiger  Knochen 
(Cuvier  a.  a.  0.  /;.  «.),  welcher  bei  den  ungescliwänzten  Balrachiern  einen  spitzen  Fortsatz 
nach  vorn  absendet  und  dadurch  dreitheilig  wird.  Ich  habe  ihn  für  das  siiiiainosimi  erklärt  Ca- 
a.  0.  S.  17.),  Cuvier  nimmt  ihn  für  das  iijnipankum.  Der  dritte  Knochen  liegt  unter  dem  vo- 
rigen dicht  an  der  Schädelbasis  und  trifft  hier  sowohl  mit  dem  os  spfiotoidciim,  als  auch  mit 
dem  os  occifiifls  zusammen;  er  wird  als  Felsenbein  (os  pcirosntn)  gedeutet  (Cuvier  a.  a.  0. 
('.  e.)  und  offenbar  mit  Recht.  Bei  den  ungescliwänzten  Balrachiern  drängt  sich  dies  Felsenbein 
nach  oben  zwischen  dem  vorigen  Knochen  und  dem  Scheitelbein  vor;  bei  den  geschwänzten  bleibt 
es  unter  der  breitern  Basis  jenes  Knochens,  der  selbst  an  das  Scheitelbein  stösst,  versteckt.  We- 
tTcn  dieser  Verbindung  halte  ich  den  von  Cuvier  und  Hallmann  lijm/iaiiicum  genannten  Kno- 
chen für  das  bis  zur  Ohrüffnung  ausgedehnte  stjuamositm ,  welches  Hallmann  den  Batrachiern 
ganz  abspricht  (Schläfenb.  etc.  S.  43.),  Küstlin  aber  richtiger  in  diesem  Knochen  wenigstens 
zum  Theil  anerkennt  (Schädellehre  etc.  s.  284.  seq.^,  und  nur  das  untere  Ende  des  Kiefertrage- 
apparates der  Batrachier  für  das  wahre  tijmpankum.  An  die  Unterfläche  desselben,  die  zum 
Theil  knorpelig  bleibt,  legt  sich  der  lange  Ast  des  pteri/yoideiim;  er  verbindet  sich  aber  wirk- 
lich nur  mit  dem  Endstück,  welches  die  Gelenkung  für  den  Unterkiefer  trägt,  unserem  iijmpani- 
ciiw  nicht  mit  dem  oberen  Knochen,  unserem  squamosutn.  Gerade  so  ist  auch  die  Verbindung 
des  ptcrijgoideums  bei  den  Schlangen.  Owen  nennt  den  von  mir  als  Siiuamosutn  gedeuteten 
Knochen  der  Batrachier  epiti/nipanicum ,  und  das  ächte  tympanknm  der  nackten  Amphibien 
/ii//io1i/>i>pa>iiciitii.  Er  schrieb  mir  in  Bezug  auf  meine  Deutung,  dass  er  die  bei  Tremalosan- 
n(s  äusserer  Paukenknochen  (/)  genannte  Platte  für  das  ep'tiynqiwilcum  und  mein  quadruto- 
jiKjale  (m)  für  sein  /iijpoti/mpankum  ansehen  möchte.  In  Uebereinstimmung  damit  deutete  er 
ferner  mein  squamosiitn  (h)  als  masloidcuin  und  mein  nnistoideiim  (o)  als  occipifnle  laicrale. 
Ich  habe  gegen  diese  Annahme  besonders  die  Analogie  des  Krokodils,  auf  welche  ich  mich  schon 
früher  (a.  a.  0.  S.  19.,  21  und  23.  d.  Note)  bezog,  hervorzuheben,  und  finde  die  Owen'sche 
Deutung  bei  seiner  grossen  Neigung,  die  Labyrinthodonten  ganz  den  nackten  Amphibien  beizuge- 
sellen sehr  natürlich.  Sind  sie  wirklich  nackte  Amphibien,  was  ich  bezweifeln  muss,  so  ist  es 
allerdings  vorzuziehen,  die  Knochen  o.o.  meiner  Figur  für  occipilaltu  lateruUa  anzusehen;  al- 
lein wie  reimt  sich  mit  dieser  Verwandtschaft  die  Anwesenheit  besonderer  octipUalla  siiperkra 
(r.  r.)  und  vollständig  entwickelter  z.ipjomaika  {h.  h.)  nebst  allem  Zubehör.  Auch  kann  ich  nach 
der  Bildung,  wie  ich  sie  bei  Tremutosuurns  deutlich  erkannt  habe,  nicht  annehmen,  dass  mein 
quadralo-jiigalc  das  Gelenk  für  den  Unterkiefer  trage,  was  der  Fall  sein  müsste,  wenn  es  als 
hypoiijmpankum  zu  deuten  wäre;  ich  sehe  nur,  wie  sich  die  Knochenplalte  l.  auf  einen  darun- 
ter liegenden  soliden  prismalisch-stempelförmigen  Knochen  auflegt,  an  dem  die  Gelenkfläche  sich 


22     

befindet.  Darum  halte  ich  eben  diesen  Knochen  für  einen  selLsländigen  und  nenne  ihn  iijitipa- 
nicuni  inierniini,  zum  Unterschiede  von  dem  frei  darauf  liegenden  zweiten  peripherischen  Kno- 
chen, welcher  wenigstens  die  vordere  Hälfte  vom  Eingange  ins  Ohr  umfasst,  und  schon  deshalb 
Theil  des  iyinpaiiicmn  sein  muss;  denn  wahrscheinlich  an  ihn  und  an  mein  nuisloidi-um  setzte 
sich  das  Trommelfell.     Aus   den  angegebenen  Gründen  muss  ich  meine  Deutung  noch  festhalten. 


§.   8. 

Zwischen  den  zuvor  betrachteten  Knochen  liegt  mitten  auf  der  Fläche  des  Hinterkopfes 
das  Scheitelbein  Qus  parietale,  h.),  ganz  von  der  Form  des  Scheitelbeines  von  Trema- 
tusaurus.  Paarig,  wie  dieses,  stossen  seine  beiden  etwas  ungleichen  Hälften  in  einer  gera- 
den mittleren  Längsnaht  aneinander  und  lassen  in  der  Mitte  dieser  Naht  eine  beträchtliche 
Lücke,  das  kreisrunde  Scheitelloch,  frei.  Vor  demselben  gegen  die  Schnautze  hin  sind  beide 
Scheitelbeme  beträchtlich  verschmälert,  fast  zugespitzt  und  seitwärts  ausgebuchtet,  um  dem 
gebogenen  Hinterstirnbein  Raum  zu  geben;  die  hintere  Hälfte  ist  viel  breiter,  in  der  Haupt- 
richtung mit  der  Mittelnaht  parallelseitig,  aber  ebenfalls  etwas  nach  innen  ausgebuchtet.  Diese 
hintere  Hälfte  stösst  seitlich  an  das  Schuppenschläfenbein,  hinterwärts  an  das  obere  Hinter- 
hauptsbein, mit  welchem  es  in  einer  gleichfalls  nach  innen  gebogenen  Naht  zusammentrifft. 
Das  Scheitelbein  ist  ganz  eben,  kaum  gegen  die  Mitte  zu  etwas  gesenkt  und  grubig  strahlig 
sculpirt,  wie  alle  andere  Schädelknochen.  Sein  Ossificationspunkt  liegt  in  der  hinteren  Hälfte 
gleich  neben  dem  Scheitelloch;  an  eben  dieser  Stelle  greifen  die  fast  geraden  Ränder  der 
Mittelnaht  mit  zwei  starken  Zacken  ineinander.  Die  Grossenzunahme  ist  minder  beträchtlich, 
als  die  der  Nasen-  oder  Stirnbeine;  seine  Länge  beträgt  am  kleinsten  Indi\iduum  2^  Linie, 
am  grössten  14f.  Gewöhnlich  hat  das  rechte  Scheitelbein  eine  grössere  Breite  und  Länge, 
als  das  linke;  besonders  im  vorderen  Theil.  Hier  greift  das  rechte  dem  linken  vor,  und  legt 
sich  in  den  Winkel  zwischen  beide  Stirnbeine  hinein,  während  das  linke  nur  an  die  Aussen- 
seite  des  linken  breiteren  Stirnbeins  stösst. 

Dass  Goldfuss  in  seiner  Darstellung  das  Scheitelbein  mit  dem  Hinlerstirnbein  unrichtig 
in  einen  Knochen  zusammengezogen  iiat,  wurde  schon  erwähnt.  Da  nach  meiner  Schilderung 
die  Uebereinstimmung  mit  dem  Scheitelbein  von  Treiiialosaunis  vollständig  ist,  so  gilt  alles, 
was  von  diesem  früher  (a.  a.  0.  S.  22.)  in  verwandlschafilicher  Beziehung  «jesafft  ist,  auch  vom 
Scheitelbein  des  Arc/ieyosauriis. 

§.9. 
Vom  Hinter  hau  ptgerüst,  dem  os  occipitis,  ist  bei  Archegosatirtis  nur  das  obere 
Knochenpaar  Qossa  occipitalia  superiora,  r.)  erhalten.  Es  besteht  aus  zwei  etwas  unglei- 
chen, quadratischen  Knochenplatten,  welche  die  Mitte  der  Gegend  vor  dem  hinteren  Kopfrande 
einnehmen  und  flach  geneigt  nach  beiden  Seiten  sanft,  emporsteigen,  um  sicii  an  das  mehr 
erhabene  Zitzenbein  anzuschüessen.      Mit    demselben   grenzen   s\€   in  der  hinteren  Hälfte  ihres 


23     

äusseren  Randes  zusammen,  die  vordere  Hälfte  stösst  an  das  Schuppenscliläfenbein,  der  eigent- 
liche vordere  Rand  an  das  Scheitelbein.  In  der  Miftelnaht  stossen  beide  Knochen  aneinander, 
mit  dem  hinteren  freien  Rande  nehmen  sie  Theil  am  Kopfrande.  Gewöhnlich  ist  das  rechte 
obere  Hinterhauptsbein  etwas  grösser,  als  das  linke;  zumal  auch  in  der  Äliltellinie,  über  welche 
es  gebogen  hinausgeht  und  in  das  linke  eingreift.  Der  Ossificationspunkt  liegt  bei  beiden 
genau  im  Centrum  der  Platte. 

Die  grosse  Uebereinslimmung  von  Arclicgosaur\is  und  Trcmntosaurus  lässt  micii  nicht 
zweifeln,  ilass  auch  die  übrigen  Theile  des  Hinterhauptes  bei  beiden  gleiche  Form  besassen.  Ich 
liabe  deshalb  keinen  Ausland  genommen,  in  der  Figur  des  reslaurirlen  Schädels  auf  Taf.  IV.  die 
fehlenden  Theile  des  Hinlerhauplbeins  nach  Angabe  von  Trrnialosanrns  zu  verzeichnen.  Be- 
schreiben kann  ich  sie  freilich  nicht,  denn  dazu  fehlt  mir  alle  positive  Grundlage;  an  siimmtlichen 
Schädeln  werden  die  basalen  Theile  des  Hinlerhauptes  vermisst.  Ich  glaube  aus  diesem  Mangel 
schliessen  zu  dürfen,  dass  die  conirobasalen  Schädelknochen  viel  weicher  waren,  als  die  periphe- 
rischen, und  darum  bei  der  Pelrificatiün  verloren  gingen.  Wir  wissen  aus  der  Schilderung  von 
Trcmaiosaiirits,  dass  bei  dieser  Gattung  die  conirobasalen  Schädelknochen  ein  ungetheiltes  Ganze 
bilden  (a.  a.  0.  S.  10.  u.  31.  die  Noten  2.),  und  schlössen  schon  damals,  dass  ihre  Ossification 
langsamer  erfolgte.  Hier,  bei  Arc/iegosaurits,  beweist  ihr  völliger  Mangel  an  allen  E.vemplaren, 
dass  sie  in  dem  Alter,  in  welchem  die  uns  vorliegenden  Schädel  sich  befinden,  noch  gar  nicht 
verknöcherl  waren,  lässl  uns  aber  darüber  im  Ungewissen,  ob  sie  überhaupt  nicht  verknöcherten. 
Ist  nämlich  jener  grosse  und  sonst  ziemlich  wohl  erhaltene  Schädel,  den  schon  Goldfuss  ab- 
bildete, der  Schädel  eines  ausgewachsenen  Thieres,  so  darf  man  freilich  schliessen,  dass  die  con- 
irobasalen Schädellheile  nie  sehr  solide  wurden,  sondern  knorpelig  blieben;  ist  er  dagegen  nur 
der  Schädel  eines  jugendlichen  Thieres,  wie  ich  anzunehmen  nicht  abgeneigt  bin,  so  könnten  die 
conirobasalen  Schädellheile  eben  seiner  Jugend  wegen  noch  weich  gewesen  sein  und  später  wirk- 
lich ebenso  gut,  wie  bei  Trcitiutosaiiriis,  ossificiren.  Wie  dem  aber  auch  sein  mag,  ein  unge- 
theiltes Ganze  bildeten  sie  in  beiden  Fällen,  denn  überall  fehlt  an  unseren  Schädeln  nicht  bloss 
das  Hinterhauplsgrundbein,  oder  das  Keilbein  allein,  sondern  stets  fehlen  sie  zusammen.  Daraus 
folgere  ich  ihre  natürliche  Integrität,  ihren  ungelheilten  Zustand. 

§.  10. 

Nach  den  Angaben  des  vorigen  Paragraphen  werden  meine  Leser  es  natiirUch  finden, 
wenn  ich  über  das  Basalge rüsl  des  Schädels,  welches  vom  Keilbein  C^s  sphenoideum) 
liebildet  wird,  nichts  weiter  erwähne,  als  dass  es  wahrscheinlicher  Weise  ganz  die  Form  und 
Bildung  des  Keilbeins  von  Trematosaurus  gehabt  habe.  Dafür  spricht  nicht  bloss  die  allge- 
meine Uebereinsfimmung  beider  Thiere,  sondern  auch  der  einzige  Rest,  welcher  vom  KeiUjeiu 
des  Archegosaurus  auf  uns  gekommen  ist.  An  dem  grossen  Schädel  sind  nämlich  die  Gau- 
menflügel  des  Keilbeines  noch  vorhanden  und  völlig  so  gestaltet,  wie  dieselben  Theile 
bei  Trematosaurus.  Goldfuss  hat  in  seinen  Beiträgen  Taf.  I.  Fig.  3.  eine  getreue  Abbil- 
dung davon  gegeben,  welche  mich  einer  Wiederholung  überhebt;  freilich  aber  sie  irrig  als 
Seitenhinlerhauptsbeine  (occipitalia  lateralia,  a.  a.  0.  OIJ  gedeutet.     Man  erkennt  in 


24     

dieser  Abhildung,  wenn  man  sie  mit  der  Figur  von  Trematosaurus  auf  der  zweiten  Tafel 
meiner  Schrift  vergleieht,  die  grosse  Ueljereinstimmung  der  Gaumenflügel  beider  Gattungen 
und  ersieht  zugleich,  dass  der  linke  Gaumenflügel  von  Archegosaurus  noch  in  seiner  norma- 
len Lage  sich  befindet,  der  rechte  aber  aus  derselben  heraus  und  gegen  die  Schädelmitte  hin 
geschoben  ist.  Die  Enden  der  Flüeel  sind,  wie  es  scheint,  unversehrt,  und  darnach  würden 
die  Gaumenflügel  von  Archegosaurus  etwas  spitzer  gewesen  sein;  ihre  Basis  ist  zerstört,  wie 
deutlich  erkennbare  Bruchränder  beweisen.  Die  Brüche  rühren  von  dem  herausgerissenen 
Körper  des  Keilbeins  mit  dem  processus  cuUriformis  her.  Dass  auch  diese  Theile  denen 
von  Trematosaurus  ganz  ähnlich  waren,  wird  Niemand  bezweifeln  wollen. 

§.  M. 

Es   ist   endlich    noch    des    Gaumengerüsles    zu    gedenken.      Dasselbe   besteht,    wie 
meine  Darstellung  von  Trematosaurus  nachgewiesen  hat,  bei  den  Labyrinthodonten  ans  zwei 
Knochenpaaren:  den  Gaumenbeinen  und  den  Pflugscharbeinen;  eben  diese  werden  also 
auch  bei  Archegosaurus  anzunehmen  sein,  wenn  es  nicht  gelingen  sollte,  sie  empirisch  nach- 
zuweisen.    In  der  That  sind  diese  Knochen  an  keinem  Schädel  erhalten;  nicht  einmal  Spuren 
derselben  lassen  sich    auffinden;   obgleich   es   zu   vermuthen   steht,    dass   sie,   als  Glieder   des 
peripherischen  Belegknochengerüstes,   gleichzeitig   mit    den   äusseren  Belegknochen  ossillcirten. 
also  den  Schädeldeckplatten  an  Festigkeit  gleichkamen.    Diese  Vermuthung  erhält  eine  gewisse 
Bestätigung  durch  die  Untersuchung  der  isolirten  Schnautze,  welche  ich  Taf  I.  Fig.  2.  u.  3.  ab- 
gebildet habe.     Der    darin  steckende  Steinkern  (Fig.  3.)    trägt   auf  seiner   gegen   die  Schädel- 
decke frei  vorragenden  Fläche  Reste  von  dünnen  plattenförmigen  Knochen,   welche   nicht  die 
eigentlichen  Schädeldeckknochen    sind,   theils   weil   letztere   sich    wohl   erhalten   an  der  01)er- 
decke  (Fig.  2.)  selbst  befinden;   theils   aber  auch,   weil  jene  Platten   beträchtlich   tiefer  liegen. 
Es  müssen  die  Knochenplatten  also  Theile  der  Gaumenfläche,  d.  h.  Reste  der  Pflugscharbeine 
und  Gaumenbeine  selbst  sein.     Diese  Annahme   erhält  durch  eine  genauere  Untersuchung  ihre 
völlige   Bestätigung,    denn   bald   gewahrt    man   die   grossen    Gaumenzähne,   welche   unter   den 
Küochenplatten  in  der  Gesteinsmasse  stecken  und  am  Gaumenknochengerüst  sassen.    Ich  habe 
an  der  rechten  Seite  drei,  an  der  linken  nur  die  zwei  hinteren  Zähne  waiirgenommen   und 
in  meiner  Fig.  3.  angegeben.     Ausserdem  sieht  man  die  deutliche  Spur  einer  mittleren  Längs- 
naht  zwischen   den   Küochenplatten,    und   an   den    Seiten   nach   hinten   zu    das  durch  die  hier 
offen   auseinander    weichenden   Knochen    emporgequollene   IVIuttergestein.      Diese   Verhältnisse 
würden   an   sich    wenig    verständlich   werden  und    keine   genügenden   Anknüpfungspunkte   zur 
Restauration  der  Gaumenfläche  gewähren;  nimmt  man  aber  Rücksicht  auf  die  Bildung  bei  Tre- 
matosaurus.   so  wird  Alles   bald    klar  und  leicht  begreiflich.     Man    sieht    nun    ein,    dass    die 
isechs  (einer  fehlt  freilich)  von  vorn  nach  hinten  grösseren,  paarig  gleichen  Gaumenzähne  den 
ebenso  gestalteten,    nur   dichlei-   an    einander   gerückten    Gaumenzähnen    \on    Trematosaurus 
entsprechen,  die  vier  vorderen  also  an  den  Pflugscharbeinen,  die  zwei  hintersten  vorn  an   den 


25     — 

Gaumenbeinen  sitzen  müssen.  Zwischen  diesen  hintersten  und  den  midieren  Zähnen  liesse 
sich  an  jeder  Seite  des  Gaumens  die  Choanenöffnung  vermuthen,  und  wirklich  findet  sich 
dasell:)st,  besonders  an  der  linken  Seite  des  Handstücks,  eine  vorgequollene  Masse  des  Mut- 
tergesteins von  länglich  elliptischer  Form,  welche  dem  Umfange  der  Choanenöfthung  entspricht, 
weil  sie  durch  diesebe  in  den  hohlen  Schädel  hineingetreten  ist.  Auf  dieselbe  Art  erkennt 
man  vermittelst  des  unter  der  Form  dreier  spitzen  Lappen  höher  vortretenden  Gesteins  am 
Ende  des  Steinkernes,  dass  auch  hier  Lucken  waren,  durch  welche  das  Gestein  in  seinem 
ursprünglichen  weichen  Zustande  einen  Weg  in  die  hohlen  Räume  des  Schädels  finden  konnte, 
imd  bleibt,  wenn  man  den  Steinkern  mit  dem  Bau  der  Gaumenfläche  von  Trematosaurus 
vergleicht,  nicht  lange  in  Zweifel,  dass  die  beiden  seitlichen  Aljtheilungen  des  eingedrungenen 
Gesteins  durch  die  grossen  nach  vorn  zugespitzten  Gauraenlöcher  hineindrangen,  während 
der  mittlere,  weiter  nach  vorn  hervorragende  Lappen  ein  Abdruck  von  dem  spitzen  Ende 
der  Gehirnhöhle  sein  muss,  die  bis  hierher  zwischen  die  Nasengänge  reichte  und  mittelst  der 
aufsteigenden  Wände  der  Pflugscharbeine  von  der  Nasenhöhle  abgesondert  wurde.  Auf  die- 
sen mittleren  Lappen  des  Steinkerns  legte  sich  die  obere  knöcherne  Schädeldecke,  und  das 
beweist  ein  Theil  des  inneren  Knochenblattes,  der  daran  sitzen  geblieben  ist.  Die  Schädel- 
decke war  an  dieser  Stelle,  längs  der  Mittellinie,  dicker,  als  an  den  Seiten;  das  sieht  man 
theils  daraus,  dass  sich  ihre  beiden  Blätter  in  der  Diploe  von  einander  trennten,  theils  aber 
auch  an  der  starken  Vertiefung,  welche  sich  an  dieser  Stelle  auf  der  Mitte  des  eingedrunge- 
nen Gesteins  bemerklich  macht.  Hat  man  das  Alles  durch  genaue  Beobachtung  und  Verglei- 
chung  mit  dem  Bau  von  Trematosaurus  erkannt,  so  wird  es  endlich  nicht  gar  schwer,  an 
den  Resten  der  Gaumenbeine,  welche  auf  den  eingedrungenen  Thon  fest  angeklebt  sitzen,  die 
freien  Ränder  der  beiden  grossen  Gaumenlöcher  wahrzunehmen;  was  Anfangs  nur  Vermuthung 
war,  wird  Thatsache:  Archegüsaurus  hat  ganz,  wie  Trematosaurus ,  zwei  grosse,  lange, 
vorwärts  mehr  zugespitzte  Löcher  am  Gaumen,  die  seitwärts  von  den  Gaumenbeinen  umfassl 
und  in  der  Mitte  durch  den  processus  cultriformis  des  Keili^eins  von  einander  getrennt  wer- 
den.    Indessen  dieser  processus  seilest  war  nirgends  zu  entdecken. 

Nachdem  sicii  die  Uebereinslimmung  von  Jlrchegosaurns  und  Trcnialosaiirus  so  weil, 
wie  CS  geschehen  ist,  auch  im  Bau  des  Gaumengerüsles  hat  führen  lassen,  bliebe  noch  die  wei- 
tere Bezahnung  dieses  Gerüstes  festzustellen  Es  hat  mir  nicht  gelingen  wollen,  ausser  den  er- 
wähnten 5  grosseren  Gaumenziihnen  irgendwelche  Zahnspuren  zu  entdecken,  allein  ich  zweiOe 
darum  doch  nicht,  dass  sie  in  ähnlicher  Anordnung  wie  bei  Ti-fincdosunras,  wenn  auch  in  mehr 
•  sperriger  Stellung,  bei  Archeyosaitrus  vorhanden  waren.  Dass  indessen  auch  die  kleinen  Gau- 
menzähne neben  dem  inneren  Rande  der  Choanen  bei  Archegosanrus  vorkommen,  will  ich 
damit  niciit  behaupten ;  eine  Spur  derselben  finde  ich  an  der  gerade  hier  seiir  gut  erhaltenen 
Stelle  des  Pflugscharknochens  nicht,  darf  sie  aber  auch  kaum  erwarten,  weil  diese  kleinen  Zähn- 
chen, wenn  sie  da  sind,  an  der  entgegengesetzten  Seite  des  Knochens,  die  nicht  frei  liegt,  sitzen. 
Lassen  wir  also  diese  Nebenfrage  unentschieden,  so  können  wir  im  Uebrigen  uns  von  dem  Gau- 
mengerüst des  Archeijosaurus  eine  vollkommene  Vorstellung  machen;  es  hatte  ganz  die  Gestalt 


—     26     

desselben  Gerüsles  der  Gattung  Trcwidosaiirns  und  unterschied  sich  von  ihm  nur  durch  eine 
mit  der  ganzen  Kopfform  harmonische,  grössere  Sclilankheit,  welche  besonders  auch  an  der  mehr 
sperrigen  Stellung  der  Gaumenzähne  sicii  zu  erkennen  giebt. 

§•  12. 

Wir  kommen  zum  Unterkiefer,  als  dem  letzten  Knochen  des  Kopfgerüstes,  welcher 
zu  schildern  wäre.  Auch  dieser  im  Ganzen  so  solide  Theil  ist  an  keinem  Schädel  vollständig 
erhalten,  doch  besitzen  ihn  die  meisten  kleineren  Exemplare  (Taf.  II.  Fig.  1 . 2. 6.),  wenn  auch  in  einer 
sehr  verdrückten  Stellung.  Ihre  vergleichende  Untersuchung  ergiebt  bald,  dass  seine  äusseren  Um- 
risse völlig  mit  denen  des  Unterkiefers  von  Tretnatosaurus  übereinstimmen.  Der  Unterkiefer  ist 
also  grösstentheils  gerade  gestreckt,  vorn  sehr  niedrig,  ward  nach  hinten  alhnälig  etwas  höher 
und  erhebt  sich  in  der  Gegend  der  Backe  zu  einem  scharfen,  gebogen  begrenzten  Kamm,  der 
gegen  die  Gelenkfläche  wieder  schnell  herabsinki.  Da  wo  oben  die  Gelenkfläche  liegt,  biegt 
sich  der  bis  dahin  gerade  untere  Rand  des  Unterkiefers  aufwärts,  und  bildet  einen  nach  hin- 
ten und  oben  gerichteten  kräftigen  Fortsatz,  welcher  auf  der  oberen  Kante  hinter  der  Gelenk- 
fläche beginnt  und  schief  abgestutzt  endet.  Dieser  Fortsatz,  ganz  dem  bei  Trematosaurns 
ähnlich,  ist  indessen  etwas  länger,  offenbar  weil  auch  der  ganze  Unterkiefer  eine  relativ  grös- 
sere Länge  besitzt.  Die  äussere  Fläche  der  beiden  Schenkel  des  Unterkiefers  ist  gewölbt, 
besonders  stark  am  hinteren  Ende,  in  der  Gegend  des  Kammes,  doch  unter  ihm,  da  wo  der 
Unterliiefer  seine  grösste  Breite  zeigt.  Auf  dieser  Wölbung  bemerkt  man  deutlich  die  furchig 
strahlige  Sculptur  der  freien  Kopffläche.  So  weit  ist  aUes  wie  bei  Trematosaurus,  nur  die 
Spitze  scheint  anders  beschaffen  gewesen  zu  sein.  Man  sieht  ihren  Abdruck  sehr  deutlich  in 
der  unteren  Hälfte  der  grossen  Schnautze  Taf.  I.  Fig.  3.  Die  daselbst  tief  eingedrückte  para- 
bolische Mulde,  welche  den  Steinkern  rings  umgiebt,  ist  nämhch  der  Abdruck  des  Unterkie- 
fers. Aus  ihr  geht  hervor,  dass  die  Unterkieferhälften  in  der  Symphyse  innig  verbunden  wa- 
ren, denn  keine  Spur  einer  mittleren  Längsnaht  ist  zu  bemerken.  Es  folgt  ferner,  dass  die 
Symphysengegend  eine  sehr  beträchtliche  Breite  hatte  und  schon  deshalb  die  Unterkieferhäif- 
ten  fester  aneinander  sassen,  als  bei  Trematosaurus.  Weiter  erkennen  wir  an  dem  Abdruck 
der  Unterkieferspitze  die,  wenn  auch  schwache,  doch  deuthche  strahUch-furchige  Sculptur  der 
freien  Kopfknochen,  und  ersehen  aus  den  Punkten,  von  denen  sie  ausgeht,  nämlich  den  äusse- 
ren Seitenecken,  dass  hier  die  Ossificationspunkte  der  zahntragenden  Stücke  des  Unterkiefers 
sich  befanden.  Hiernach  hätte  der  Unterkiefer  von  Archegosaurus ,  bei  einer  allgemeinen 
Aehnliclikeit  der  Form  mit  dem  von  Trematosaurus,  eine  kräftigere  Endspitze  mit  einer  brei- 
teren Verbindungsnaht  besessen;  Eigenschaften,  die  gewöhnlich  bei  lang-  und  spitzköpfigen 
Amphibien  aufzutreten  pflegen,  also  mit  dem  Gesammtbau  von  Archegosaurus  in  passender 
Harmonie  stehn. 

Die  Bezahnung  des  Unterkiefers  lässt  sich  sowohl  an  der  besprochenen  isolirten  Schnautze, 
als  auch  an  den  kleinern  Exemplaren  gut  verfolgen.      Sie    stimmt   ganz  mit  der  des  Oberkie- 


27     — 

fers,  d.  h.  die  Symphysen-  und  die  vorderen  Seitenzähne  sind  von  gieichei-  Grösse  und  ent- 
sprechen denen  des  Oberiiiefers  genau;  hernach,  von  der  Choanengegend  an,  werden  sie 
kleiner  und  zuletzt  ganz  feine  schwache  Stiftchen,  die  den  meisten  Exemplaren  zum  grösseren 
Theile  fehlen.  Die  beiden  gi'ossen  inneren  Fangzähne,  welche  am  Unterkiefer  von  Tremato- 
saurus  sitzen,  scheinen  bei  Archegosaurus  zu  fehlen;  nirgends  habe  ich  eine  Spur  dersel- 
l)en  gefunden  und  was  mich  noch  mehr  in  meiner  Meinung  bestärkt,  auch  im  Oberkiefer  keine 
Vertiefung  zu  ihrer  Aufnahme  bemerkt.  Jene  schiefe  Mulde  hinter  dem  Zahnrande  des  Zwi- 
schenkiefers, ist  viel  zu  flach  und  viel  zu  sehr  in  die  Länge  gezogen,  als  dass  sie  zur  Auf- 
nahme eines  grossen  Fangzahnes  hätte  dienen  können;  sie  nahm  vielmehr  die  ganze  Reihe 
der  Unterkiefer -Randzähne  in  sich  auf  und  hatte  eben  deshalb  die  langgezogene  Form.  Zu- 
gleich lässt  sich  aus  ihrer  grösseren  Tiefe  nach  aussen  zu  folgern,  dass  die  auf  der  Ecke 
des  Unterkieferrandes  sitzenden  Zähne  die  grössten  waren,  und  sowohl  gegen  die  Mitte  hin, 
als  auch  nach  hinten,  um  sie  herum  etwas  niedrigen  Zähne  standen,  hn  Ganzen  aber  waren 
diese  Zähne  nicht  viel  grösser,  als  die  entsprechenden  des  Zwischenkiefers;  das  beweist  der 
kleine  Knochenrest  mit  dreien  Zahnwurzeln,  welche  sich  an  der  Spitze  des  Unterkiefers  der 
grossen  Schnautze  (Taf  I.  Fig.  3.)  erhalten  hat.  Vergleicht  man  sie  mit  den  Wurzelflecken 
am  Oberkiefer,  so  erkennt  man  die  völlige  gleiche  Grösse.  Auch  der  auf  Taf.  II.  abgebildete 
Kopf  fies  Archegosaurus  latifrons  beweist  dasselbe.  Man  sieht  in  Fig.  3.  die  Zahnreihe  des 
Oberkiefers  als  Höhlungen  im  Gestein  unter  dem  Schädel,  und  gleich  dahinter  die  beiden  mul- 
denförmigen Gruben  an  der  Innenseite  des  Zwischenkiefers  im  Abdruck  als  Erhabenheiten  des 
Gesteins,  welche  zur  Aufnahme  der  Zähne  des  Unterkiefers  bestimmt  sind.  Auch  die  Zähnezah- 
len beider  Arten  stimmen    überein,  wenn  man  die  Wurzelhöhlen  mitrechnet. 

Heber  die  Zusammensetzung  des  Unterkiefers  aus  seinen  verschiedenen  Knochenslücken 
habe  ich  nichts  ermilteln  können,  es  wird  aber  auch  darin  die  grüssle  Uebereinstimmung  mit 
Trcmalosuiinis  vermuthet  werden  dürfen.  So  weit  auf  dorn  oberen  Rande  Zähne  sitzen,  reicht 
das  Zahnstück  {os  doifalc),  welches  zugleich  die  ganze  Aussenfläche  des  Unterkiefers  bis  über 
die  Milte  hinaus  und  den  unteren  Rand  bildet.  An  der  Innenseite  schiebt  sich  zwischen  seine 
klaffenden  Ränder  das  Deckelstück  [os  o/icrcularc).  Hinter  dem  Zahnslück  folgt  auf  dem  obe- 
ren Rande  das  kammarlig  erhöhte  Ivronen-  oder  obere  Eckslück  (os  supraangulare),  dem 
an  der  Aussenfläche  das  radial  sculpirle  Haupt-Eckstück  (os  anyulare)  anliegt  und  von  da 
bis  zum  unleren  Rande  reicht  Den  nach  hinten  vorragenden  Fortsatz  bildet  in  der  unteren 
und  äusseren  Partie  wahrscheinlich  eben  dieser  Knochen,  das  Haupt-Eckslück;  die  obere  und  in- 
nere Fläche  wird  mit  sammt  der  Gelenkgegend  vom  Gelenkstück  [os  ariiculare)  eingenom- 
men. Ob  neben  diesen  fünf  Knochen  noch  ein  inneres  oder  unteres  Eckstück  (os  suban- 
tjulare  s.  coinplemeitlairc)  vorhanden  war,  muss  dahin  gestellt  bleiben;  wahrscheinlich  ist  es, 
dass  es  an  der  Innenseite  des  Unterkiefers  den  Eingang  in  den  canfitis  alvcolaris  bedeckte,  und 
hier  hinter  dem  Deckelslück  lag. 


28 


§.   13. 

Ich  gehe  schhesslich  auf  den  inneren  Bau  der  Zähne  \veiter  ein ,  nachdem  ich  ihre 
Form  und  Grösse  bei  den  verschiedenen  zahntragenden  Knochen  besprochen  habe.  Jeder 
Zahn  ist  ein  schlanker,  mit  der  Spitze  et^\as  zuriickgebogener  Kegel  (Taf.  IV.  Fig.  3.),  dessen 
vordere  Seite  etwas  steiler  .steht,  als  die  hmtere,  während  die  Basis  selbst  sich  flacher  nach 
allen  Seiten  hin  ausbreitet  und  innig  mit  der  Knochenfläche,  auf  welcher  der  Zahn  rulit,  ver- 
wachsen erscheint.  Die  Spitze  des  Kegels  ist  ganz  glatt,  aber  etwas  unter  selben  treten  feine 
vertiefte  Streifen  auf,  welche  in  gleichem  Abstände  von  einander  rings  auf  der  Kegelzone  in 
derselben  Höhe  anfangen.  Ich  glaube  zuerst  etwa  8  an  jedem  grösseren  Kieferzahn  wahrge- 
nommen zu  haben.  Diese  Furchen  laufen,  allmälig  etwas  tiefer  werdend,  zur  Basis  des  Zahns 
divergirend  hinab  und  enden  erst  an  ihrem  Rande.  So  wie  die  Divergenz  der  Furchen  das 
Doppelte  ihrer  anfänglichen  Entfernung  erreicht  hat,  treten  neue  Furchen  an  der  Kegelzone 
zwischen  den  alten  auf  und  laufen,  wie  diese,  divergirend  zur  Basis  hinab.  Die  Divergenz 
zwischen  diesen  neuen  Furchen  und  den  älteren  nimmt  in  gleicher  Weise  zu,  und  giebt, 
wenn  sie  sich  verdoppelt  hat,  wieder  neuen  Furchen  Raum.  Damit  scheint  die  Furchenmenge 
der  grösseren  Ivieferzähne  erschöpft  zu  sein,  allein  an  den  sehr  grossen  Gaumenzähnen  ver- 
mehrt sie  sich  nochmals  um  eine  Schicht,  so  dass  diese  Zähne  durchschnittlich  32  Furchen, 
die  grösseren  Kieferzähne  nur  i'i,  die  kleinen  vielleicht  nur  IG  oder  8  besitzen.  Das  ist  die 
äussere  Form  der  Zähne;  im  Innern  zeigen  sie  einen  der  äusseren  Streifung  analog  lameüir- 
len  Bau.  Jeder  Zahn  hat  eine  centrale,  von  der  Basis  bis  fast  zur  Spitze  hinaufreichende 
Höhle,  welche  in  dem  oberen  Theile  des  Kegels  die  Hälfte  seines  Durchmessers  (Fig.  G.),  hi 
dem  unteren  nur  den  vierten  Theil  (Fig.  5.)  einnimmt.  Von  cHeser  einfachen  Miltelhöhle  strah- 
len offene  Lamellen  radial  in  die  Zahnsul)stanz  hinein,  und  diese  Lamellen  entsprechen  nicht 
den  Furchen  der  Oberfläche,  sondern  ihren  Zwischenräumen  (Fig.  5.).  Dadurch  wird  ticr  Zahn- 
kegel in  ebenso  viele  radiale,  an  der  Peripherie  durch  Umschlag  mit  einander  verbundene 
Blätter  getheilt,  oder  mit  anderen  Worten:  der  eigentlich  nur  aus  sehr  dünner  Zahnsubslanz 
gebildete  Mantel  des  Zahnkegels  ist  in  so  viele  dicht  aneinander  gelugte  Falten  gelegt,  als 
wie  viele  Furchen  er  auf  seiner  äusseren  Oberfläche  zeigt,  im  Innern  selbst  aber  bis  zur 
Spitze  hohl.  Es  ist,  als  wenn  man  dem  einer  weiten  ofTenen  Papiertute  ähnlichen  Zahn  da- 
durch hätte  mehr  Festigkeit  geben  wollen,  dass  man  seine  ^^'and  zu  radialen  Lamellen  ein- 
faltete; denn  offenbar  wird,  indem  man  die  dünne  Wand  in  Falten  legt,  sie  von  innen  her 
mit  eben  so  Aielen  Stützen  versehen,  ihre  Dauerhaftigkeit,  ihre  Trag-  oder  Widerstandskraft 
also  um  ein  Bedeutendes  vermehrt.  Den  feinen  Furchen  der  Oberfläche  entsprechen  im  In- 
nern diese  Zahnblätter,  denn  jene  Furchen  sind  nichts  anderes,  als  tlie  Mündungen  dvv  innig 
aneinander  gefügten  Falten,  in  welche  die  Zahnwand  gelegt  ist.  Die  radialen  offenen  Lamel- 
len der  Zahnhöhle  strahlen  zwischen  diese  Falten  hinein  und  trennen  die  Fallen  von  einan- 
der; sie  bezeichnen  den   durcli  das  Eindringen  der  Zahnwandfallen  in  die  Zahnhöhle  \ erengten 


29     

peripherischen  Theil  der  Zahnhöhle,  we  es  die  Umstände  der  Zahnbildiing  mit  sich  bringen. 
Ein  Bhclv  in  den  halb  offenen,  halb  abgebrochenen  Zaim  (Fig.  3.)  macht  Alles  klar  und  weist, 
durch  Beachtung  einiger  Nebenunistande,  noch  auf  Manches  hin,  was  über  den  Bau  und  die 
Erhaltung  des  Zahnes  weitere  Aufschlüsse  geben  kann.  Man  erkennt  zuvörderst  im  jNüttelpunkt 
der  Basis,  unter  der  offenen  Zahnhöhle,  ein  Loch  in  der  Knochensubstanz,  welches  an  ande- 
ren Zähnen  auch  aus  mehreren  kleineren  Löchern  neben  einander  bestehen  kann  und  ins 
hinere  des  Knochens  unter  dem  Zahn  führt.  Ebensolche  Löcher,  theüs  einzelne  grössere  lang- 
gezogene, theils  kleinere  runde  aneinander  gereiliete,  bemerkt  man  auch  zwischen  den  Zahn- 
i)lättern  in  der  Tiefe  der  offenen  Radien  dei-  Zahnhöhle;  sie  alle  führen  in  die  Knochensub- 
stanz und  durchbohren  die  Basis,  über  \^ elcher  der  Zahn  aufgeführt  ist,  siebartig  nach  allen 
den  Richtungen,  in  welchen  zwischen  der  Zahnsubstanz  Lücken  frei  geblieben  sind.  Ja  noch 
mehr,  die  Löcher  hi  der  Basis  ziehen  sich  furchenartig  an  den  Zalinblällern  empor,  und  geben 
den  Seitenflächen  derselben  ein  flach  gestreiftes  Ansehen.  Die  Betrachtung  der  beiden  mit 
freier  Oberfläche  uns  entgegentretenden  Blätter  in  Fig.  5.  zeigt  das  deutlich.  Alle  diese  Oeff- 
nungen  dienten  im  Leben  zum  Dnrchgange  von  Blutgefässen  und  Nerven,  welche  von  der 
Knochensulistanz  aus  in  den  Zahn  eindrangen,  um  die  in  der  Zahnhöhle  steckende  Matrix  mit 
ihrem  Material  zu  ^ ersetzen.  Durch  die  Oeffnungen  drangen  sie  in  die  Zahnmatrix  ein,  und 
wie  diese  in  die  eingefaltete  Zahnwand  ausstrahlte,  so  auch  die  mit  ihr  emporsteigenden  Ge- 
lasse oder  Nerven.  Angedrückt  an  die  "NA'ände  der  Zahnblätter  überkleidete  sie  die  Mastrix  als 
eine  lebendige  und  belebende  Hülle,  deren  Gefässe  sich  auf  die  Wand  selbst  aJjdrückfen  und 
sciiwache  Furchen  in  ihr  bewirkten.  Das  Alles  lehrt  die  genaue  Beobachtung  der  petrificir- 
ten  Zähne.  Sie  giebt  aber  auch  Aufschlüsse  über  die  Vertiefungen  zwischen  den  noch  vor- 
handenen Zähnen,  deren  früher  beim  Zwischenkiefer  gedacht  wurde.  Die  Abbildung  einer 
solchen  Vertiefung  im  vergrösserten  Maassstabe  (Fig.  i.)  zeigt,  dass  sie  völlig  mit  der  Zahnba- 
sis, nach  Abhub  des  ganzen  Zahnes,  übereinstimmt;  im  Mittelpunkt  der  Grube  ist  eine  centrale 
Oetfnung,  von  welcher  Radien  zur  Peripherie  strahlen,  die  als  langgezogene  Spalten  erschei- 
nen, hinter  denen  am  Umfange  selbst  kleinere  Löcher  auftreten.  Es  ist  deutlich,  dass  auch 
diese  Löcher  den  Blutgefässen  und  Nerven  der  Matrix  eines  früher  vorhandenen  Zahnes  zum 
Durchgange  dienten,  und  später,  als  der  alte  Zaiin  abgestossen  war,  dem  im  Zahnsack  über 
der  Vertiefung  sich  bildenden  neuen  Zahne  zu  Gute  kamen.  —  Noch  weitere  Einzelnheiten 
der  Zahnbildung  ergeben  sich  bei  einer  ^  ergleichenden  Beobachtung  der  Zahnblätter.  In  der 
Regel  ist  jedes  Blatt  eine  einfache,  von  unten  nach  oben  schmälere  Falte;  bisweilen  aber  hat 
sie,  wenigstens  an  der  einen  Seite,  Nebenfalten.  Bei  dem  in  Fig.  ö.  abgebildeten  Zahne  findet 
sich  an  zwei  Stellen  der  rechten  Seite  dieser  Fall;  die  letzte  Falte  ist  gabelig  getheilt,  und 
die  drittletzte  hat  einen  kleineren  Nebenast.  Auch  an  einigen  anderen  Zähnen  hai^e  ich  das- 
selbe bemerkt,  aber  häufig  sind  dergleichen  Vorkommnisse  nicht;  sie  gehören  zu  den  Ausnah- 
men, bilden  aber  keinesweges  die  Regel.  Es  scheint  mir  indessen  von  Wichtigkeit  zu  sein, 
dass  solche  Nebenfalten  überhaupt  vorkommen,    denn   dadurch  tritt  der  Zahnbau  von  Arche- 


30     

gosaurus  dem  Zahnbau  der  typischen  Labyrinthodonten  etwas  näher.  Das  Charakteristische 
des  Zaiintvpus  der  letzteren  besteht  nämhch  in  dem  wellenförmigen  Hinundhergebogensein  dei- 
Substanzfalten,  ^^  ie  das  aus  meiner  Schilderung  und  Abbildung  des  Zahnes  von  Trematosau- 
rus  (a.  a.  0  S.  44-.  Taf.  IV.  Fig.  6.)  deutlich  hervorgeht.  Zu  diesen  Wellenbiegungen  giebt 
eine  Nebenfalte,  wenn  auch  nicht  das  directe,  so  doch  das  indirecte  Analogon;  denn  beide 
iiaben  denselben  Zweck:  die  Zahnwand  durch  Verstärkung  des  Zahnblattes  entweder  mittelst 
eines  Nebenastes,  oder  mittelst  der  wellenförmigen  Aufwickelung  in  ihrer  Tragkraft  und  Halt- 
barkeit zu  verstärken.  Auf  jeden  Fall  aber  ist  es  höchst  wichtig  und  für  die  Feststellung  des 
Labyrinthodontentypus  überhaupt  von  grosser  Bedeutung,  bei  einer  Gattung,  welche  sonst  alle 
äusseren  Charaktere  dei'  Labyrinthodonten  besitzt,  auf  einen  Zahnbau  zu  stossen,  der  nur  im 
Prinzip,  nicht  aber  in  seiner  Anwendung  unter  einer  bestimmten  Form,  mit  den  übrigen  Gat- 
tungen übereinstimmt.  Die  Gattung  liefert  zugleich  den  bündigsten  Bew'eis,  dass  nicht  die 
concrete  Form  der  Zahnstructur,  wonach  man  die  Labyrinthodonten  benannt  hat,  ihren 
eigentlichen  Familiencharakler  hergiebt.  sondern  dass  derselbe  in  anderen,  allgemeiner  ge- 
haltenen  Bildungsverhältnissen  liegt.  Denn  Archegosaurus  wird  immerhin  bei  den  Laby- 
rinthodonten bleiben  müssen  und  keinei'  anderen  Amphibiengruppe  sich  richtiger  anreihen  las- 
sen, als  eben  dieser.  Nichtsdestoweniger  fehlt  ihm  die  labyrinthisch-gewundene  Zahnsubstanz 
der  übrigen  Gattungen.  Erwägt  man  übrigens,  dass  der  ganze  unterschied  darauf  hinausläuft, 
dass  che  Zahnblätter  bei  Archegosaurus  geradlinigt  gestreckt,  bei  den  anderen  Gattun- 
gen aber  wellenförmig  nach  ihrer  Hauptrichtung  gebogen  sind,  so  wird  man  den 
Unterschied  von  geringerer  Bedeutung  finden,  als  wenn  man  geradezu  den  Satz  ausspricht, 
Archegosaurus  habe  nicht  die  labyrinthische  Zahnstructur  der  anderen  Gattungen.  Richtig 
bleiiit  diese  Behauptung  freilich  immer,  allein  es  ist  ebenso  gewiss,  dass  das  labyrinthische 
Gewundensein  der  Zahnblätter  nicht  den  entscheidenden  Hauptcharakter  der  Labyrinthodonten 
bildet,  sondern  nur  eine  Eigenschaft  angiebt,  welche  erst  später,  auf  den  höheren  Entwicke- 
lungsstufen  des  Labyrinthodontentypus,  sich  als  Zugalie  zum  Familientypus  einstellt. 

§■  n- 
Obgleich  der  Augenring  keinen  Theil  hat  am  eigentlichen  Schädelgerüst,  so  kann  er 
doch,  als  zum  Schädel  gehörig,  nur  an  dieser  Stelle  passend  besprochen  werden.  Dass  ein 
solches  Gebilde  im  Augajjfel  des  Archegosaurus  vorhanden  gewesen  ist,  halte  schon  Gold- 
fuss  wahrgenommen,  indess  nichts  weiter  von  ihm  erwähnt  (a.  a.  0.  S.  7.),  als  seine  Zusam- 
mensetzung aus  einzehien  Platten.  In  der  That  hält  es  schwer,  zuverlässige  Angaben  über 
den  Augenring  zu  machen,  weil  man  ihn  nur  im  zertrümmerten  Zustande  und  gewöhnlich  nur 
bei  kleinen,  an  sich  schon  wenig  deutlichen  Exemplaren  antrilTt.  So\iel  indess  steht  fest,  dass 
er  einen  völlig  kreisrunden  flachen,  am  äusseren  Rande  etwas  einwärts  gebogenen  Ring  bil- 
dete, dessen  Grösse  dem  Querdurchmesser  der  Augenhöhlenöffnung  gleichkam:  denn  das  sieht 
man  sehr  deutlich  aus  der  Krümmung,    in    welcher   die    noch    zum  Theil  verbundenen  Platten 


—     31     

neben  einander  liegen.  Jede  einzelne  Platte  ist  ausserdem  nach  innen  gegen  das  Centium 
des  Ringes  verschmälert,  an  beiden  Seiten  geradlinigt  begrenzt,  und  fin'  sich  ein  >venig  ge- 
wölbt. Ob  alle  gleichgross  waren,  und  wie  hoch  sich  ihre  Zahl  beliel',  ist  noch  zweifelhaft: 
darf  man  indess  die  zusammenhängenden  Reihen  in  ihrer  Krümmung  als  Norm  annelmien,  so 
ergeben  sich  etwa  IG  Platten  im  Ringe.  So  scheint  es  wenigstens  nach  dem  Original  von 
Fig.  1 .  Taf  II.,  welches  4  Platten  im  linken  Auge  hat,  die  gerade  einen  Viertelskreis  beschrei- 
ben. .\llein  nach  dem  Original  von  Fig.  6.  ebenda  scheinen  einige  Platten  etwas  schmäler 
gewesen  zu  sein,  als  die  übrigen,  und  dann  hätte  man  mehr  als  IG  Platten  anzunehmen.  Ich 
glaube  darum  dem  Augenringe  18  Platten  zuschreiben  und  die  schmäleren  in  ilen  äusseren 
Theil  des  Umfanges  setzen  zu  müssen,  weil  sie  am  Original  zu  Fig.  6.  Taf  II.  in  dieser  Gegend 
der  Augenötfnung  liegen.  Die  Platten  des  Augenringes  scheinen  übrigens,  wenigstens  bei  den 
jungen  Thieren,  von  denen  wir  sie  allein  bis  jetzt  kennen,  sehr  dünn  gewesen  zu  sein  und 
vielleicht  nur  eine  knorpelige  Consistenz  gehabt  zu  haben.  Sculpturen  bemerkt  man  niclit  auf 
ihrer  Oberfläche,  sie  ist  völlig  eben. 

Bekanntlich  haben  in  der  gegenwärtigen  Schöpfung  alle  Vögel  einen  knöchernen,  aus 
Platten  zusammengesetzten  Augenring.  Ausserdem  findet  sich  ein  ähnliches,  aber  weniger  regel- 
mässiges Gebilde  bei  den  Schildkrölen  und  den  typischen  Sauriern,  besonders  den  Baum-Aga- 
men.  Am  ausgebildelslen  ist  der  Augenring  von  Ic/ithijosauriis;  er  stimmt  mit  dem  von  Ar- 
rfieyosaurns  sowohl  in  der  Gcsammlform,  als  auch  in  seinem  Verhäilniss  zur  Augenhöhle  ziem- 
lich überein,  hat  aber  Platten  mit  ungleicher,  stark  sculpirter  Oberfläche  und  nicht  geradlinigten, 
sondern  unregelmässig  ausgebuchteten  Rändern.  Noch  ungleicher  ist  die  Form  der  Plallen  bei 
den  lebenden  Sauriern,  ziemlich  regelmässig  dagegen  bei  den  Vögeln. 


zweiter  Aliseliiiitt. 

Vom  Runipfskelet  und  den  Gliediuassen. 


Die  Entzifferung  des  Runipfknochengerüstes  von  Archegosaurus  bietet  weit  grössere 
Schwierigkeiten  dar,  als  die  Schilderung  seines  Schädels;  theils  weil  es  an  hinreichend  be- 
kannten Vorbildern  dazu  fehlt,  theils  und  ganz  besonders,  weil  die  vorhandenen  Reste 
desselben  noch  viel  undeutlicher  sind,  als  die  des  Kopfes.  Unter  den  njir  vorhegenden  Exem- 
plaren ist  das  schon  von  G  o  1  d  f u  s  s  a.  a.  0.  Taf  III.  Fig.  1 .  abgebildete  bei  weitem  das  voll- 
ständigste; ausserdem  aber  die  vordere  RuinpHiälfte  eines  doppelt  so  grossen  Individuums, 
welche  mir  vom  Herrn  Dr.  Jordan  mitgetheilt  wurde,  ganz  besonders  zur  näheren  Aufklä- 
rung dieses  Körperstücks  geeignet.  Ich  habe  sie  im  Druck  und  Gegendruck  Taf.  III.  Fig.  3.  und 
4.  darstellen  lassen.  Ebenda  ist  Fig.  2.  die  Brust  eines  noch  etwas  grösseren  Thieres,  welche 
nach  demselben  Handstück  schon  durch  Goldfuss,  aber  weniger  genau,  a.  a.  0.  Taf  II.  Fig.  3. 
zur  Abbildung  gebracht  worden  war,  verzeichnet.  Noch  ein  viertes  Rumpfstück  dersel- 
ben Grössenverhältnisse  findet  sich  bei  Goldfuss  auf  eben  dieser  Tafel  in  Fig.  1.  u.  2.,  an 
dem  besonders  die  üljerall  höchst  unkenntlichen  Wirbel  sich  besser  erhalten  haben.  An  allen 
übrigen  Exemplaren  sieht  man  nur  die  Halsgegend,  oder  höchstens  noch  einen  Theil  des 
Schultergürtels  mit  den  benachbarten  Rippen.  Das  Becken  ist  nirgends  im  Zusammenhange 
mit  der  Wirbelsäule  vorhanden,  dagegen  in  einem  isolirten  Exemplare  wenigstens  grüssten- 
theils  erhalten.  Seine  Abbildung  gab  ich  auf  Tafel  lY.  Fig.  6.  —  Mit  diesen  im  Ganzen 
ungenügenden  Trümmern  muss  die  Restauration  und  Darstellung  des  Rumpfskelettes  versucht 
werden. 


33     

Ehe  ich  dieselbe  in  formelicr  Hinsicht  beginne,  werde  ich  einige  aligemeine  Bemer- 
kungen über  die  materielle  Beschaffenheit  der  Riimpfkuochen  vorausschicken.  Obgleich  eigent- 
lich an  keinem  Exemplar  die  Knochen  selbst  sich  gut  erhalten  haben,  sondern  nur  aus  ihren 
Eindrücken  in  das  Multergestein  und  den  Resten,  welche  an  den  Wänden  des  Eindrucks  haf- 
ten geblieben  sind,  erkannt  werden  können,  so  zeugt  doch  diese  Beschaffenheit  genügend  für 
ihre  vormalige  Structur.  Man  erfährt  dadurch  sonder  Z\^eifel,  dass  ihre  Substanz  weicher 
war,  als  die  Masse  der  peripherischen  Kopfknochen  und  wahrscheinlich  mit  den  nur  auf  der 
Peripherie  ossificirten  centrobasalen  Kopfknochen  in  der  Beschaffenheit  übereinstimmte.  Ein- 
zelne Rumpfknochen,  z.  B.  die  Rippen,  sind  ganz  gewiss  hohl  gewesen,  denn  an  manchen 
Handstücken,  z.  B.  an  dem  von  mir  auf  Taf.  IJI.  Fig.  1 .  theilweis  abgebildeten  (demselben,  wel- 
ches schon  früher  durch  J.  Müller  in  den  Verh.  d.  naturf.  Vereins  der  Rheinl.  VI.  Taf.  4. 
Fig.  .'3.  in  seinem  ganzen  Umfange  zur  Anschauung  gebracht  worden  war)  findet  sich  an  jeder 
Rippe  nur  eine  schmale,  schwarze  Rinde  erhalten,  und  der  ganze  innere  Raum  ist  mit  weissem 
soliden  Kalkspath  angefüllt,  der  gegen  beide  Rippenenden  hin  allmälig  in  die  hier  schwammige 
Knochensubstanz  ausstrahlt.  Fehlt  eine  solche  Ausfüllungsmasse,  wie  gewöhnlich,  so  ist  die 
Höhle,  welche  der  abgedrückte  Knochen  im  Gestein  hinterlassen  hat,  entweder  ganz  leer,  oder 
ringsum  mit  einer  dünnen  schwarzen,  kohlenartigen  Substanz  bekleidet,  deren  äussere  glatte 
Fläche  fest  am  Gestein  anklebt,  während  die  innere  unregelmässige,  zellig  schwammige  Ober- 
fläche frei  liegt.  Das  ist  die  innere  Fläche  des  Knochens  selbst,  der  ausgetrocknet  und  zu 
kohliger  Substanz  reduzirt  seinen  geringen  Gehalt  an  Kalkerde  in  einzelnen  zarten  Drusen  hie 
und  da  zwischen  dem  Schwammgewebe  abgesetzt  hat,  während  an  anderen  Stellen  feine 
Schwefelkieskrystalle  sich  sandartig  eingestreut  darin  gesammelt  haben.  Sehr  selten  findet 
sich  ein  grösserer  Knochenrest,  z.  B.  das  röhrige  Mittelstück  einer  Rippe,  oder  die  Rinden- 
schicht eines  Wirbelfortsatzes,  in  verkohlter  Substanz  erhalten.  Ich  glaube  aus  dieser  Beschaf- 
fenheit schliessen  zu  dürfen,  dass  die  Knochen  von  Archegosaurus  hauptsächlich  aus  dem 
organischen  Knorpelgewebe  bestanden  und  nur  sehr  wenig  Kalkerde  enthielten.  Letztere  ver- 
schwand entweder  aus  dem  Knochen,  oder  war  überhaupt  nur  in  äusserst  geringer  Quantität 
vorhanden  gewesen;  denn  sonst  müsste  sie  sich  noch  reichlicher  vorfinden.  Die  organische 
Grundlage  des  Knochens  verlor  ihr  Wasser  durch  Austrocknen  und  Hess,  chemisch  umgewandelt, 
ihren  Kohlenstoff  zurück,  während  die  geringen  Schwefelantheile  sich  mit  dem  vom  Wasser 
zugeführten  Eisen  zu  Schwefelkies  vereinigten.  Vielleicht  bestand  überhaupt  nur  die  Ober- 
fläche der  Knochen  aus  festeren  Theilen,  und  die  centrale  Materie  blieb  knorpelig,  wie  gegen- 
wärtig bei  den  Knorpelfischen;  denn  ich  weiss  mir  nur  auf  diese  Weise  den  fast  vollständi- 
gen Mangel  von  Kalkerde  in  den  meisten  Gebeinen  des  Archegosaurus  zu  erklären.  Dagegen 
tritt  das  schwammige  Knorpelgewebe,  als  die  organische  Grundlage  des  Knochens,  so  deutlich 
in  seiner  zu  Kohle  reducirten  Gestalt  auf,  dass  man  auch  in  dieser  Form  es  nicht  verken- 
nen kann.  Bekanntlich  ist  das  Collagen,  der  Hauptbestandtheil  des  Knorpels,  sehr  reich  an 
Kohlenstoff  (50  pCt.),    und  ilm  besonders  glaube  ich  in  der  glänzend  schwarzen,    anthracitför- 

5 


34     

inigen  Materie,  welche  die  Wände  der  Knocheneindriicke  iiljerzielit.  annehmen  zu  dürfen.    Eine 
chemische  Analyse  habe  ich  freilich  nicht  angestellt. 

§.  16. 

Die  Wirbelsäule   (columna  vertehrariim,  Taf.  III. «.  «.J)  ist   unter  allen  Skelettheilen 
des  Rumpfes  am  wenigsten  erhalten;  offenbar,  weil  auch  am  Rumpf,  gerade  wie  am  Schädel, 
die  centralen  Knocheö  die  geringste  Consistenz  besassen.    Nur  au  dem  auf  Taf.  III.  Fig.  4.  ab- 
gebildeten Exemplar  lässt  sich,   mit  Hinzuziehung  der  von  Goldfuss  Taf.  II.  Fig.  1.  abgebilde- 
ten Stücke,  die  Form  der  Wirbel  einigermassen  erkennen;  in  jenem   sind  sie  in  horizontalen, 
auf  diesem  zum  Theil  in  lateralen  Abdrücken  sichtbar.     Es  ergiebt  sich  daraus,  dass  die  Wir- 
belkörper klein,  kurz  untl  breit  waren,  also  mehr  denen  der  Fische,   als   denen    der  höheren 
Amphibien  ähnelten.     Ein  Wirbelkörper  des  grössten  Exemplars  aus  der  Halsgegend  hat  3  bis 
4  Linien  Länge  und  4 — G  Linien  Breite;    er  ist  in  der  Mitte  nur  wenig  verengt,   und  jeder- 
seits  mit  einem  fast  ebenso  breiten  Querfortsatze  versehen.     Der  Querfortsatz  (Taf. III.  Fig. 
4.  i.  i.)  ist  etwas  nach  hinten  gerichtet,  und  am  Ende  schief  abgeschnitten ,  so  dass  er  hinter- 
wärts in  eine  scharfe  Spitze   ausgeht.     Auf  dem  Körper   sitzt   oben   ein   breiter  Wirbelbogen, 
der  dachartig   gewöll)t   ist   und   auf  seiner  Firste    den   breiten,   etwas   nach   hinten  geneigten, 
massig  hohen  Doinfortsatz  trägt.    Am  Grunde  dessell^en  ist  jederseits,  vorn  wie  hinten,  ein 
kurzer,    flacher,   wagrecht   gestellter,   abgerundeter   schiefer  Fortsatz   bemerkbar.     In   der 
angezogenen  Figur   erkennt   man   diese  schiefen  Foi'tsätze   nicht,   weil   sie   unter   dem  Gestein 
hegen,    von    ihm   umhüllt;    dagegen    sieht    man    sehr   deutlich   die    nach    hinten    zugespitzten 
queren  Forlsätze,  den  Bogen,    der  flach  gedrückt  die  Mitte  jedes  Wirbels  einnimmt,   und  den 
Dornfortsatz,  der  als  scharfer  Schatten  vom  Bogen   aus   in   die  Tiefe  des  Gesteins  hinabsteigt. 
In  der  von  Goldfuss  gegebenen  Figur  Taf.  II.  Fig.  1.  hegen  die   3  ersten  Wirbel  ebenso  und 
werfen  denselben  scharfen  Schatten  längs  der  Mitte;    die   folgenden  Wirbel  sind  durch  Druck 
mehr  auf  die  Seite  gelegt,   und    man  gewahrt  die  nach  links  geneigten  Dornfortsätze  im  Um- 
riss.     Die  schmalen  Eindrücke  daneben  rühren  von  den  Querfortsätzen  her.     An  der  unteren 
Hälfte  eben  dieser  Figur  sind  die  breiten  Lappen  in  der  Mitte   des  Bildes  Fortsätze  des  Mut- 
lergesteins,   welche    zwischen    die    Wirbelbogen    in    den   Rückenmarkskanal   eindrangen,    und 
neben  denen  sich  die  schiefen  Fortsätze  abgedrückt   haben.      Hier   liegen    die   Wirbel   wieder 
wagrecht,   aber   der   senkrecht   in    die   Tiefe   hinabgehende  hohle  Dornfortsatz   wird   von    den 
eben  beschriebenen  Lappen  des  in  den  Wirbelkanal  eingeflossenen  Muttergesteins  verdeckt.  — 
Die  Anzahl  der  Wirbel  muss  sehr  bedeutend  gewesen  sein;   sie    kann   aber  nur  muthmasslich 
bestimmt  werden.    Wenn  man  die  verschiedenen  Exemplare  vergleichend  betrachtet,  so  ergiebt 
sich,  dass  dem  grossen  später  zu  beschreibenden  Kehlschilde  etwa  1  ä  Wirbel  an  Länge  gleich- 
stehen.    Hinter  diesem  Schilde  hat  nur  1   Exemplar,    das  von  Goldfuss  Taf.  III.  Fig.  1.  abge- 
bildete, im  Zusammenhange  mit  dem  Schilde,  Wirbel ;  man  zählt  hier  13  —  1  4  in  einer  Reihe  hin- 
tereinander; aber  die  Reihe  beginnt  erst  eine  Strecke  vom  Kelilschiide  entfernt.     In  den  bei- 


35     

t 

den  Stücken  der  Wirbelsäule,  welche  Goldfuss  Taf.  II.  Fig.!  abgebildet  hat,  findet  man,  die 
Lücke  mitgerechnet,  1 8  Wirbel,  von  welchen  die  drei  ersten  noch  über  der  Kehlplatte  liegen ; 
diese  Wirbelreihe  hatte  also  vom  Kopfe  bis  an  ihr  hin(eres  Ende  27  Wirbel.  Ob  am  ge- 
nannten Ende  schon  das  Becken  sass,  muss  dahin  gestellt  bleiben,  jedenfalls  aber  wird  man 
annehmen  dürfen,  dass  ein  Thier  mit  so  schlanker  Kopfbildung  auch  einen  entsprechend  schlan- 
ken Rumpf  nebst  Schwanz  gehabt  habe,  die  Zahl  der  Wirbel  also,  bei  ihrer  grossen  Kürze, 
höchst  beträchtlich  gewesen  sein  müsse.  —  Was  endhch  die  Berührungsflächen  der  Wirbel- 
körper betrilTt,  so  Hess  sich  darüber  gar  nichts  directes  an  den  Präparaten  ermitteln;  wir  wis- 
sen aber  aus  den  Untersuchungen  von  Owen  und  Plieninger,  dass  die  Labyrinthodonten 
concave  Wirbelberührungsflächen  besitzen,  und  dürfen  sie  darum  auch  bei  Archegosaurns 
vermuthen.     Die  geringe  Grösse  der  Wirbelkörper  harmonirt  damit  auch  am  besten. 

Obgleich  die  vrm  Owen  beschriebenen  Wirbel  seines  Labi/rtnl/iodon  Icptoijnuihns 
(Trans,  geol.  Soc.  VI.  523.  Taf.  45.  Fig.  5 — 8.)  einen  viel  solideren  Bau  haben,  so  slimmen 
sie  doch  in  der  Kürze  des  Körpers,  dem  breiten  /iroc.  s/iinosus  und  dem  starken,  obgleich 
schmalen ,  proc.  iraitsversus  mit  dein  von  mir  beschriebenen  Wirbellypns  des  Archcijosaurus 
überein.  Auch  die  fest  mit  dem  Körper  verwachsenen  Forlsälze  sind  beiden  gemeinsam.  Hätte 
Arckegosaurus  durch  Knorpel  angeheftete  Fortsätze  seiner  Wirbelkörper  gehabt,  so  würden  sie 
schwerlich  mit  dem  Körper  in  Verbindung  geblieben  sein ,  sondern  eben  so  leicht  sich  abgelöst 
haben,  wie  bei  den  Ichlhyosauren.  Plieninger  hat  (Beitr.  zur  Palaeont.  Würtemb.  Taf.  IV.  Fig.  6.) 
eine  Wirbelreihe  von  Mdsiodoitsauriis  abgebildet,  die  in  allen  Hauptsachen  sich  den  Wirbeln  bei 
Owen  anschiiesst,  obgleich  ein  Artikulationshöckcr  für  die  Rippen,  den  Plieninger  deutlich 
beschreibt  (a.  a.  0.  S.  58.  seq.  ö.b.b.},  an  den  englischen  Wirbeln  vermisst  wird.  —  Ganz  anders 
aber,  und  auch  von  den  Wirbeln  des  Archeyosaiirus  verschieden,  sind  die  Wirbel  des  von 
Owen  Labi/riiii/iodon  {Aitisojins)  scniiilalus  genannten  Thiercs  (a.a.O.  S.  538.  Taf  46.  Fig. 
1 — 4,);  sie  scheinen  mir  eine  generische  Trennung  ihres  Inhabers  vom  Labijj-inl/iodon  durch- 
aus zu  rechtfertigen.  Owen  vergleicht  sie  mit  den  Wirbeln  der  Salamandrinen  und  findet 
sie  denen  im  Ganzen  analog.  Wenn  das,  so  sollte  man  kaum  glauben,  eine  gleiche  Verwandt- 
schaft aus  den  übrigen  Labyrintliodonlenwirbeln  dcduciren  zu  können;  indessen  passt  die  kurze, 
fischförmige  Bildung  ihrer  Körper  ebensowenig  zu  dem  Wirbeltypus  lebender  beschuppter  Amphi- 
'  bien.  Ich  finde  vielmehr,  dass  der  breite  schief  nach  hinten  gezogene  proccssus  iransvcrsus 
und  der  ebenfalls  sehr  breite,  aber  relativ  minder  hohe  proc.  spinosus  in  Verbindung  mit  den 
flachen,  kleinen  abgerundeten  procc.  obliqnis,  sich  wohl  mit  dem  Bau  der  Amph.  nuda  Ic/i- 
l/itjodcu  in  Parallele  stellen  liesse,  besonders  mit  dem  der  kurzwirbeligen  Sirenen.  Dahin  zeigt 
der  \A'irbellypus  von  Architjosauriis  offenbar,  und  so  wenig  ich  auch  sonst  der  näheren  Ver- 
wandtschaft der  Labyrinthodonten  mit  den  nackten  Amphibien  das  Wort  zu  reden  geneigt 
bin,  so  kann  ich  doch  nicht  leugnen,  dass  mir  der  Wirbeltypus  von  Archegosaurns  mehr  auf 
nackte  als  auf  bedeckte  Amphibien  hinzuweisen  scheint.  Eine  im  Einzelnen  grössere  Solidität 
ihrer  Wirbel  und  im  Ganzen  gedrungnere  Ausführung  des  gemeinsamen  Typus  würde  inzwi- 
schen die  Labyrinthodonten  noch  immer  sehr  deutlich  von  den  heuligen  nackten  Amphi- 
liien  unterscheiden. 


36 


§.  17. 

Die  Rippen  (costae,  k.  k.J  scheinen  eine  etwas  grössere  Härle,  als  die  Wirbel,  be- 
sessen zu  haben,  denn  ihre  Eindrücke  im  Gestein  sind  stets  sehr  scharf,  und  an  manchen 
tindet  man  ganze  Stücke  des  zu  einer  schwarzen,  kohligen  Masse  veränderten  Knochens  er- 
halten. Man  sieht  daraus  deutlich,  dass  der  mittlere  dünnste  Theil  jeder  Rippe  hohl  war,  aber 
«lie  Höhlung  sich  gegen  die  erweiterten  Enden  hin  sanft  zugespitzt  verlor,  um  in  das  schwam- 
mige Gewebe  dieser  Endtheile  überzugehen.  Die  davon  gebildeten  erweiterten  Enden  der 
Rippen  scheinen  auch  weniger  sohde  gewesen  zu  sein;  sie  fehlen  in  der  Regel  an  den  noch 
vorhandenen  Rippen  und  ändern  etwas  ab  im  Umriss,  was  wohl  \on  der  weicheren,  leichter 
durch  den  Druck  zu  verändernden  Beschaffenheit  herrührt.  Jede  Rippe  hat  an  ihrem  oberen 
Ende,  das  am  Wirbel  haftete,  einen  sehr  deutlichen  Kopf,  der  mir  mehr  flachrund,  als  dreh- 
rund zu  sein  scheint  und  eine  massige  Anschwellung  bildet.  Ob  neben  dem  Kopf  noch  ein 
tuberculum  costae  sass,  steht  mir  dahin ;  ich  habe  nirgends  ein  solches  bemerkt.  Bald  hin- 
ter dem  Kopf  hat  die  Rippe  ihre  dünnste  Stelle  und  scheint  hier  ziemhch  drehrund  gewesen 
zu  sein;  dann  erweitert  sie  sich  wieder  mehr  und  mehr  nach  dem  entgegengesetzten  unteren 
Ende  zu.  Diese  Erw'eiterung  und  die  davon  abhängige  Form  der  ganzen  Rippe  ist  je  nach 
ihrer  Stellung  am  Rumpf  verschieden  und  giebt  zur  Annahme  von  mehreren  Rippenarten  Ver- 
anlassung. 

Die  Halsrippen  (vertehrae  colli,  Taf  III.  Fig.  4.J)  sind  völlig  gerade  in  ihrem  ganzen 
Verlauf,  eine  lange  Strecke  hinter  dem  Kopf  noch  sehr  dünn,  dann  aber  schnell  in  ehie  breite, 
beilförmige  Endiläche  erweitert,  welche  wagerecht  gestanden  zu  haben  scheint.  Diese  End- 
lläche  ist  an  den  vorderen  Halsrippen  kleiner,  als  an  den  hinteren,  und  erreicht  ihre  grösste 
Ausdehnung  an  der  letzten  Halsrippe  dicht  vor  dem  Schultergürtel.  Mit  der  Grösse  der  End- 
platte nimmt  auch  die  Länge  der  Halsrippen  zu;  die  erste  ist  die  kürzeste,  die  letzte  die 
längste.  Ihre  Anzahl  scheint  sich  auf  sechs,  höchstens  sieben  belaufen  zu  haben,  wie  aus  der 
angezogenen  Figur  an  deren  linker  Seite  zu  entnehmen  ist.  Fünf  Halsrippen  liegen  daselbst 
deutlich  hintereinander,  die  sechste  ist  nur  als  Eindruck  sichtbar.  Wahrscheinlich  gehört  die 
dritte  dem  ersten  noch  vorhandenen  Wirbel  an,  woraus  folgen  würde,  dass  diesem  Wirbel 
noch  zwei  vorhergingen,  denn  so  viele  Halsrippen  liegen  noch  da.  An  der  rechten  Seite 
eben  dieses  Bildes  ist  die  Lage  gestört,  doch  lassen  sich  auch  hier  (3  —  7  Rippen  nach- 
weisen. *) 

Die  Brustrippen  Qvertehrae  dorsi,  ebenda^)  haben  keine  beilförmige  Endsplatte 
sondern  nur  eine  allmälig  auftretende  Anschwellung  und  enden  nicht,  wie  die  Halsrippen,  mit 
einem   gebogenen  Rande,   sondern   mit   einem    scharf  abgeschnittenen  graden;    dabei   sind   sie 

*)  In  der  Erklärung  der  Figur  auf  Taf.  III.  der  Goj  dfuss'schen  Sclirift  sind  solclie  Halsrippen  für  Stücke 
des  Scliiilterhlattes  (/./.)  und  für  Äriuknociien  {g.)  angesprociieii  worden.  Ilne  Form  ist  nicht  ganz 
richtig  wiedergegeben. 


37     

selbst  mehr  oder  weniger  gebogen.  Die  erste  Brustrippe  scheint  sehr  stark  gewesen  zu  sein 
und  noch  sehr  wenig  gekrümmt;  sie  hegt  in  dem  angezogenen  Bilde  deutlich  da  zwischen 
dem  Schulterblatt  (g.^  und  dem  Oberarm  Ch.J  als  dicker  stempeiförmiger  tiefer  Eindruck,  der 
einen  kräftigen  Knochen  verrälh.  Eine  Rippe  muss  es  sein;  sowohl  der  Kopf  am  oberen 
Ende,  als  die  sanfte  Anschwellung  nach  unten,  weisen  darauf  hin.  Die  ihr  mangelnde  Krüm- 
mung macht  es  mi^  wahrscheinlich,  dass  es  die  erste  Brustrippe  war,  obgleich  ihre  Lage  mehr 
nach  hinten  gerückt  zu  sein  scheint,  als  man  erwarten  sollte,  wenn  sie  sich  an  die  letzte 
Halsrippe  unmittelbar  anschloss.  Daran  ist  aber  die  Zerreissung  des  Rückgrates  an  dieser 
Stelle  Schuld,  denn  die  schwarzen  Eindrücke  und  Körper  neben  der  letzten  linken  Halsrippe 
sind  verschobene  und  vöUig  zerdrückte  Wirbel  QiJ.  Gleich  hinter  dem  Oberarm  ("A.J)  setzen 
an  der  anderen  Seite  die  Brustrippen  fort  und  hier  sieht  man  ihre  Krümmung  deutlich.  Es 
liegen  daselbst  drei  Rippen,  von  denen  die  erste  sehr  schmal  ist  und  nur  mit  ihrer  hinteren 
Hälfte  sich  eingedrückt  hat.  Aus  diesem  Eindruck  sowohl,  wie  aus  einigen  anderen,  geht 
ileutlich  hervor,  dass  die  Rippen  nicht  drehrund  sind,  sondern  flachrund,  und  dass  die  grössere 
Breite  des  Endes  nicht  durch  Druck  entstanden,  sondern  normal  ist.  Die  Zahl  der  Brustrip- 
pen kann  nicht  bestimmt  angegeben  werden;  die  Figur  2.  derselben  Tafel,  welche,  wie  der 
anwesende  Oberarm  Qh,^  beweist,  das  vorderste  Ende  des  Rumpfes  darstellt,  zeigt  an  der 
rechten  Seite  sechs  freie  und  drei  unter  das  Fell  geschobene  Rippen,  an  der  linken  Seite 
zehn,  aber  die  letzte  nur  halb.  Rechts  sind  die  Rippen  besonders  gut  erhalten,  die  erste 
gerade  ist  unter  die  zweite  geschoben,  und  dann  folgen  die  anderen  mit  den  schlankeren  un- 
teren Enden  in  gleicher  Position  aufeinander.  Vergleicht  man  mit  diesem  Bilde  die  Figuren 
•1.  u.  2.  der  zweiten  Tafel  in  Goldfuss  Abhandlung,  so  bieten  selbige  einen  ganz  ähnlichen 
Anblick  dar;  auch  hier  beginnt  die  Reihe  mit  der  ersten  fast  graden  Brustrippe,  der  in  der 
vollständigsten  Folge  noch  15  Rippen  sicli  anschliessen.  Dass  letztere  nach  hinten  allmälig 
schlanker,  zierlicher  gebaut,  aber  nur  sehr  wenig  kürzer  waren,  lässt  sich  aus  der  Abbildung 
entnehmen.  Noch  bestimmter  erkennt  man  das  allmälige  Zierlicherwerden  der  Rippen  aus 
meiner  Figur  \.  auf  Tafel  lU.,  welche,  wie  aus  der  Schuppenbildung  hervorgeht,  einem  sonst 
wohl  eben  so  grossen  Thiere,  wie  Fig.  2.,  angehört  hat.  Dann  sind  die  hier  sichtbaren  Rip- 
pen schon  viel  mehr  hintere.  Aber  wie  v\'eit  die  Rippen  überhaupt  reichten,  ob  bis  zum 
Becken,  oder  nicht  so  weit,  oder  gar  weiter  als  dieses,  wie  bei  den  Ichthyosauren,  das  sind 
Fragen,  die  sich  zur  Zeit  noch  nicht  beantworten  lassen,  ja  nicht  einmal  einei'  irgendwie  nur 
begründbaren  Vermuthung  unterliegen. 

Owen  hat  keine  Labyrintiiodonlen-Rippen  beschrieben.  Die  Abbildungen,  welche  Plie- 
ninger  (a.  a.  0.  Taf.  V.,  VI.)  von  den  Rippen  des  Mast odousaiiriis  gegeben  hat,  sind  zu  undeut- 
lich und  erlauben  keine  genügende  Verglcichung.  Die  nacklen  Amphibien  der  Gegenwart  haben 
entweder  gar  keine  Rippen,  wie  die  ächten  Batrachier,  oder  sehr  kleine  zugespitzte,  wie  die 
Salaman drinen  und  Ichthyoden.  Daran  schliessen  sich  die  freilich  viel  längeren,  schlanke- 
ren und  stärker  gekrümmten,    aber    doch   ganz  freien  Rippen    der  Schlangen.     Die  Eidechsen 


38     

haben  am  Ende  abgestutzle  Rippen  mit  ganzen  oder  ruclimenläien  Sicrnocoslalknochen;  sie  erwei- 
tern sich  al)er  nicht  nacli  unten,  wie  die  Rippen  von  Arcficgosaiirus.  Aucii  sind  alle  wahren 
ßrustrippen  der  bedeckten  Ampliibien  relativ  viel  länger,  schlanker  und  gestreckter,  die  Halsrip- 
pen dagegen  viel  kürzer,  breiler  und  nieiir  axl-  als  beilförmig.  Ich  weiss  daher  keine  irgend- 
wie passende  Analogie  zu  den  beschriebenen  Rippen  des  Archegosuurns  aufzufinden;  höchstens 
könnte  ihre  relativ  geringe  Länge  an  einen  Theil  des  Rippentypus  der  nackten  Amphibien  uns 
mahnen.  Aber  das  gerade  abgestutzte,  breite  Ende  spricht  für  Sternocoslalslücke,  welche  den 
nackten  Amphibien  fehlen.  Inzwischen  habe  ich  solche  Rippenanhänge  nirgends  bei  Arc/iego- 
sciHrus  aufgefunden  und  nuiss  darum  annehmen,  dass  sie  entweder  zu  weich,  vielleicht  nur  knor- 
pelig waren,  um  sich  erhalten  zu  können,  oder  wirklich  fehlten.  Das  Letztere  ist  mir  um  so 
wahrscheinlicher,  als  auch  das  ßruslgerüst,  wie  sich  später  eigeben  wird,  Iheilweis  knorpelig  ge- 
wesen zu  sein  scheint,  und  darin  eine  neue  Analogie  zu  dem  Typus  der  nackten  Amphibien  sich 
anbietet. 

§.  18. 

Indem  sich  über  die  Verlängerung  der  Wirbelsäule  zum  Schwanz  nichts  Sicheres  hat 
ermitteln  lassen,  und  ein  dem  Brustbein  entsprechender  Knochen  nirgends  aufzufinden  war, 
muss  die  Betrachtung  des  eigentlichen  Rumpfskelets,  nach  Erörterung  der  Wirbel  und  Rippen, 
als  geschlossen  angesehen  werden;  es  bhelje  mithin  vom  Skelet  nur  noch  der  Extremitäten 
Erwähnung  zu  thun.  - 

Archegosaurus  besass  vier  GHedmassen,  das  ist  nicht  zu  bezweifeln;  wir  kennen  die 
vorderen  ziemlich  vollständig,  aber  von  den  hinteren  bis  jetzt  nur  das  Becken  und  den  Un- 
terschenkel. 

Die  vorderen  Gliedmassen  waren  im  Vergleich  mit  der  Grösse  des  Thieres  sehr 
klein  und  erreichten  im  Ganzen  noch  lange  nicht  die  Länge  des  Kopfes,  was  höchst  überra- 
schend ist.  Das  erklärt  man  wohl  zum  Theil  aus  der  Schwäche  des  Brustbeines,  und  seiner 
aller  Wahrscheinhchkeit  nach  bloss  knorpeligen  Beschaffenheit.  Nirgends,  an  keinem  einzigen 
Exemplar,  war  in  der  Mitte  der  Brust  ein  unpaarer  Knochen  zu  Ijemerken,  der  für  das  Brust- 
bein hätte  genommen  werden  können;  und  da  es  nicht  wahrscheinlich  ist,  dass  ein  Amphi- 
bium  mit  deutlichen  Vordergliedmassen  des  Brustbeines  ganz  entbehren  sollte,  so  bleibt  keine 
andere  Annahme  übrig,  als  dass  es  knorpelig  war,  wie  bei  den  Salamandrinen  und  Ichthyo- 
den.  Ich  glaube  für  diese  Behauptung  noch  andere  Beweisgründe  anführen  zu  können,  als 
den  völhgen  Mangel  einer  knöchernen  Platte  an  der  Stelle,  wo  das  Brustbein  zu  suclien  ist; 
namentlich  die  starke  Eutwickelung  der  Hautknochen  an  dieser  Stelle.  Drei  grosse  Knochen- 
schilder, ein  mittleres  und  zwei  seitliche,  schützen  diese  Gegend  und  ergänzen  dadurch  eini- 
germassen  den  Mangel  eines  knöchernen  Brustbeins.  Für  ein  solches  können  aber  jene  drei 
Knochenschilder  nicht  gelten,  theils  weil  sie  superficiell  sind  und  dieselbe  Sculptur,  wie  die 
Kopfknochen,  haben,  theils  weil  die  Theile  des  Schullergürtels  über  ihnen  liegen  und  nicht  an  sie 
sich  anlehnen.  Es  ergiebt  vielmehr  die  nähere  Untersuchung  jener  drei  Knochenschilder,  dass  die 
seitlichen  unter  den  breiten  Enden  der  Halsrippen  an  den  Seiten  des  Halses  hegen,  das  niitt- 


39     — 

lere  Schild,  welches  weiter  nach  hinten  reicht,  die  Kehle  und  den  Anfang  der  Brust  bedeckte, 
also  gerade  da  liegt,  wo  das  Brustbein  zu  suchen  wäre.  Hier  niiisste  man  es  finden,  wenn 
es  eine  für  die  Petrification  geeignete  BeschaiTenheit  gehabt  hätte  und  doch  fehlt  es  bestän- 
dig. —  Dagegen  liegen  neben  diesem  hinteren  Ende  des  unpaaren  Mittelschildes  bei  allen  gut 
erhaltenen  Exemplaren  zwei  paarige  Knochen,  die  in  Form  und  Lage  sich  bei  allen  Individuen 
ziemlich  gleich  bleiben  und  darum  nicht  zufällig  an  diese  Stelle  gerathen  sein  können,  son- 
dern ihre  normale  Lage  hier  haben  müssen.  Es  sind  das  die  Knochen,  welche  ich  Taf.  111. 
Fig.  3.  u.  4.,  so  wie  Taf.  IL  Fig.  1.2.  mit  f.f.xx.g.g.  bezeichnet  habe.  Sie  können  dem  Rumpf- 
skelet  nicht  angehören,  weil  sie  weder  mit  den  Wirbeln,  noch  mit  den  Rippen  übereinstim- 
men; das  Brustbein  können  sie  auch  nicht  sein,  weil  sie  zu  sehr  aus  der  Mitte  des  Körpers 
heraus  auf  die  Seite  geschoben  sind,  auch  keine  den  Brustbeinplatten  entsprechende  Form 
haben  und  paarig  auftreten.  Deshalb  und  besonders  ihrer  Lage  wegen  muss  man  sie  zum 
Schultergürtel  rechneu. 

Das  eine  Knochenpaar  besteht  aus  zwei  langen  dünnen  Gräten,  (Taf.  II.  u.  Ulf.  f.)  welche 
immer  von  allen  vorhandenen  Knochen  dieser  Körpergegend  am  weitesten  seitwärts  vorragen 
und  an  ihrem  Ende  eine  schiefe,  etwas  verdickte  Erweiterung  zeigen.  Am  besten  ist  ihre 
Stellung  aus  Fig.  i .  u.  2.  Taf.  II.  zu  entnehmen ;  in  Fig.  3.  u.  4.  Taf  III.  bilden  die  bezeichneten 
kolbigen  Anschwellungen  den  äussersten  Rand  der  Versteinerung  und  haben  dadurch  stark 
gelitten.  Der  Knochen  liegt  mit  seinem  vorderen,  wahrscheinlich  zugespitzten  und  sehr  dün- 
nen Ende  über  den  Seitenschildern  der  Kehle  im  Fleische  und  folst  in  seiner  Richtung  ^anz 
genau  ihrer  Direction.  Deshalb  hielt  ihn  Goldfuss  für  einen  Fortsatz  jener  Schilder  und 
bildete  ihn  als  solchen  ab  (a.  a.  0.  Taf  III.  Fig.  1.  2.  i.A.),  beide  zusammen  für  die  Zungenbein- 
hörner  erklärend.  Diese  Deutung  ist  unrichtig,  \^eil  die  wirklichen  Zungenbeinhörner  neben 
imd  vor  jenen  Knochen  vorhanden  sind.  Aber  auch  die  Annahme  eines  wirklichen  Zusam- 
menhanges zwischen  den  Knochen  f.  f.  und  den  seitlichen  Kehlplatten  e.  e.  meiner  Figuren 
widerlegt  die  schärfere  Untersuchung  vollständig;  man  überzeugt  sich  bald,  dass  die  Knochen 
ff.  nicht  am  Rande  der  Kehlplaften  haften,  wie  Goldfuss  es  ansah,  sondern  über  ihren  Rand 
weggehen,  noch  eine  geraume  Strecke  frei  über  den  Kehlplattcn  liegen  (Taf  II.  Fig.  1 .  ff.)  und 
dann  wie  abgebrochen  enden.  Hieraus  erhellt,  dass  die  Knochen  im  Fleische  des  Thieres  un- 
ter der  Haut  steckten,  und  Theile  des  centralen,  nicht  des  peripherischen  Knochengerüstes 
waren.  Wenn  das,  so  können  sie  nichts  anderes  gewesen  sein,  als  Theile  des  Schultergür- 
tels, und  zwar  die  unteren  vorderen  Quadranten  *)  desselben,  d.  h.  die  Schlüssel- 
beine C^laviculae,  ff).     Dafür  halte  ich  sie  schon  ihrer  langgestreckten,    tlünnen,   am  Hu- 

*)  Betrachtet  man  den  Scluiltergürtel  als  Knoclienring,  wie  er  denn  das  in  der  Tliat  ist,  so  zerfällt  er 
durch  das  Einschneiden  des  Brustbeines  und  der  Wirbelsäule  in  zwei  Flälften,  die  os'teologisch  wieder 
aus  je  zwei  oberen  und  zwei  unteren  Vierteln  bestehen.  Diese  Viertelstheile  nenne  ich,  der  Ring-  oder 
Kreisform  des  Ganzen  entsprecliend,  Quadranten.  Die  oberen  Quadranten  sind  einfach  und  I)este- 
hen  aus  den  Schulterblättern  (scapuhie),  die  unteren  aber  paarig;  ihr  vorderes  Paar  wird  von  den 
Schlüsselbeinen  (claviculae,  fttrculue  der  Vögel),  ihr  hinteres  Paar  von  den  Raf)ens  chnabelbei- 


40     

meralende  kolbig  oder  beilförmig  ausgebreiteten  Gestalt  wegen  und  glaube,  dass  diese  deut- 
lich etwas  geschwungene,  leicht  ausgehöhlte  Erweiterung  Theil  nahm  an  der  Bildung  der 
Schultergelenkgrube.  Das  Vorderende  bheb  frei,  d.  h.  es  heftete  sich  an  keinen  Knochen;  es 
trug  aber  wahrscheinlich  die  darauf  schwebende  knorpelige  Brustbeinplatte,  deren  vorderen 
Rand  es  umfassen  mochte,  allmälig  immer  spitzer  werdend  und  darimi  leichter  zerstörbar  als 
das  solide  hintere  Ende  mit  iler  breiten  Gelenkllache  für  den  Oberarm. 

Ich  kann  nicht  leugnen,  dass  sowohl  die  beschriebene  Form  des  Schlüsselbeines,  als  auch 
die  wahrscheinlich  knorpelige  BeschafTenhcit  des  Brustbeines,  neue  und  sehr  wesentliche  Analo- 
gien zu  den  nackten  Amphibien  herausstellen ,  während  die  allgemeine  Uei)ereiiislimmung  des 
Kopfgerüstes  mit  dem  Typus  der  Eidechsen  und  Krokodile  gegen  diese  sicii  immer  mehr  häufen- 
den Beziehungen  der  Labyrinthodonten  zu  den  geschwänzten  nackten  Amphibien  in 
den  Hintergrund  treten.  Letztere  haben  allein  von  allen  lebenden  Amphibien  ein  knorpeliges, 
aus  zwei  symmetrischen  Plallen  gebildetes  Bruslgerüst,  mit  welchem  die  knöchernen  Stücke  des 
Schultergürtels  in  directer  Verbindung  stehen.  Bei  den  Salamandrinen  findet  sich  am  Schul- 
tergürlel  nur  eine  einzige  Knochenplalte  jederseits,  welche  für  das  Schullerblall  genommen  wird ; 
einige  Ichthyoden,  wie  Sircn,  haben  noch  eine  zweite  hinter  dem  Schullergelenk,  welche  am 
Rande  der  Knorpelplalte  selbst  liegt  Unter  den  Fröschen  behält  Pt(j(t  das  paarige  zweitheilige 
sogenannte  Brustbein  der  Salamander,  aber  völlig  ossificirle  clariciilae,  scapulac  und  ossu  co- 
raciiidca,  wie  die  typisciion  Batracliier,  denen  die  paarigen  Knorpelplalten  im  Brustgerüst  fehlen. 
Der  Bau  von  Arclieijusaiirus  scheint  mir  zwischen  diesen  Gegensätzen  die  Milte  zu  halten.  Von 
den  Salamandrinen  nahm  er  die  Bruslbeinbildung  als  Knorpelplatte  an  (ob  paarig  oder  unpaa- 
rig, das  muss  dahin  gestellt  bleiben),  und  verband  damit  das  dünne,  ziemlich  lange  knöcherne 
Schlüsselbein  der  Frösclie,  liess  aber  deren  kräftiges  Rabenschnabelbein  nicht  zur  Entwickelung 
konnnen,  und  folgte  darin  wieder  ganz  dem  Charakter  der  Salamandrinen,  mit  welchen  übrigens 
sein  gestreckter  Körperbau  wohl  im  Ganzen  mehr  harmonirte,  als  mit  dem  gedrungenen  der  Frö- 
sche. Darum  fehlt  ihm  ein  besonderes  os  coracoideuni.  Offenbar  vertritt  übrigens  der  lange 
spitze  Forlsalz,  welcher  nach  vorn  von  den  knorpeligen  Brusiplallen  der  Salamandrinen  und  be- 
sonders der  Ichthyoden  auszugehen  pflegt,  die  Stelle  des  Schlüsseibeins,  und  wenn  das  der  Fall 
ist,  so  wäre  es  wohl  geralhener,  das  ganze  paarige,  knorpelige  Bruslgerüst  derselben  nicht  für 
das  Brustbein,  sondern  für  die  unteren  Quadranten  des  Schultergürlels  überhaupt  zu  erklären,  und 
ein  wirkliches  Brustbein  als  fehlend  zu  betrachten.  Ich  muss  gestehen,  dass  mir  mit  dieser  An- 
sicht der  Typus  der  Frösche  besser  in  Harmonie  zu  Irelen  scheint.  Dann  Iiätle  Archegosaurus 
ein  ossificirtes  Schlüsselbein  gehabt,  und  ein  ganz  knorpeliges  Rabenschnabelbein,  aber  gar  kein 
Brustbein,  weil  ein  solches  weder  zu  seinem  Typus,  noch  zu  dem  der  meisten  nackten,  rippen- 
losen Amphibien  gehört. 

Das  Schulterblatt  (scaputa,  TdfAl.uAllg.ff.J  ist  ein  relativ  grosser  kräftiger  Kno- 
chen von  beilförmigem  Umriss,  welcher  mit  dem  hinteren  Ende  des  Schlüsselbeins  in  Verbin- 
nen (oss.  corucoidea ,  cluvicnlue  der  Vögel)  geliildet.  Analog  ist  dns  Beclven  zusnniinengesetzt;  die 
Darinljeine  (ifio)  sind  die  olitren,  die  Scliaamhein  e  {oss.  piihis)  die  unteieii  vorderen,  die  Sitz- 
Ijeine  (ischia)  die  unteren  hinteren  Quadiiinten. 


41     ^ — 

düng  stand,  und  hauptsächlich  die  Gelenkpfanne  für  den  Oberarmknochen  trug.  An  einigen 
Exemplaren  hat  sich  die  normale  Verbindung  beider  Knochen  noch  gut  erhalten,  z.  B.  an  dem 
von  Goldfuss  Taf.  III.  Fig.  1.  abgebildeten  rechts,  und  an  dem  von  mir  Taf  II.  Fig.  1 .  2.  dar- 
gestellten zu  beiden  Seiten;  man  sieht,  dass  das  kurze,  wenig  vortretende  Stielende  des  Bei- 
les an  das  erweiterte  Ende  der  clavicula  anpasst,  und  mit  ihm  fest  zusammenliegt.  Demnach 
muss  dort  auch  die  Gelenkgrube  des  Schulterblatts  sein,  und  mit  dieser  Annahme  reimt  sich 
sein  übriger  Bau  am  besten.  Auf  Taf  III.  Fig.  3.  sind  beide  Schulterblätter  g.  g.  aus  ihrer 
normalen  Lage  verdrückt,  aber  dafür  lasst  sich  ihre  Gestalt  und  ihr  ganzer  Bau  desto  besser 
erkennen.  Man  sieht,  dass  es  eine  ziemlich  dicke  Knochenplatte  von  der  Form  eines  Halb- 
kreises war,  dessen  Fläche  gegen  den  senkrecht  auf  den  Durchmesser  des  Halbkreises  ste- 
henden Halljmesser  von  beiden  Seiten  her  etwas  anstieg.  In  der  Gegend  dieses  Halbmessers 
hatte  das  Schullerblatt  seine  grösste  Dicke,  aber  es  fiel  nach  hinten  zu  nicht  so  gleichmässig 
ab,  sondern  war  dort  anfangs  etwas  abgeplattet.  Dieser  nach  unten  gegen  den  Durchmesser 
des  Halbkreises  hin  verschmälerten  Abplattung  entspricht  in  ihrer  Lage  die  Gelenkgrube  für 
den  Oberarm;  sie  bildet  daselbst  einen  kurzen,  breiten,  wenig  vorragenden  Stiel,  welcher  von 
der  hinteren  Hälfte  des  Dinchmessers  schärfer  abgesetzt  ist,  als  von  der  vorderen.  Mit  dem 
Stiel  und  noch  melir  mit  dem  vor  ihm  befindlichen  Theile  des  unteren  Randes  lag  das  Schul- 
terblatt so,  wie  es  aus  Fig.  5.  u.  G.  auf  Taf  II.  deutlich  zu  entnehmen  ist,  am  Schlüsselbein,  und 
wendete  die  von  ihm  und  dem  Schlüsselbein  gel)ildete  Schultergelenkgrube  nach  hinten  und 
aussen,  so  dass  das  Schulterblatt  ihre  obere,  das  Schlüsselbein  ihre  untere  Hälfte  hergab. 
Die  Gru])e  selbst  war  ziemlich  flach,  denn  weder  das  Schlüsselbein,  noch  das  Schulterblatt, 
boten  für  eine  tiefe  breite  Gelenkpfanne  die  nöthige  substanzielle  Fläche  oder  Dicke  dar. 
Darum  konnte  nicht  bloss  die  Exarticulation  sehr  leicht  nach  dem  Tode  des  Thiers  bei  ange- 
hender  Verwesung  erfolgen,  sondern  auch  die  Trennung  des  Schulterblatts  vom  Schlüsselbein 
im  Schultergelenk,  und  wenn  das,  wie  man  als  Regel  annehmen  darf,  durch  einen  langsamen, 
nach  und  nach  heftiger  werdenden  Druck  von  oben  her  geschah,  so  musste  das  Schulterblatt 
immer  neben  dem  abstehenden  Schlüsselbein  vorbei  herabgedrückt  werden.  Dann  wurde  sein 
unterer  Rand  mit  der  Gelenkgrube  nach  innen,  sein  oberer  kreisrunder  nach  aussen  gescho- 
ben, und  in  dieser  Verschiebung  treten  uns  die  Schullerblätter  in  Fig.  3.  u.  4.  auf  Taf  III.  ent- 
gegen. —  Was  endlich  ilire  substanzielle  Beschaffenheit  betriflTt,  so  zeigen  sie  sehr  deutlich 
ein  excentrisch  strahliges  Knochengewebe,  dessen  Mittelpunkt  dem  ganzen  Umfange  der  Ge- 
lenkgrube entspricht.  Aehnlich  strahlt  das  parallel  faserige  Gewebe  des  Schlüsselbeins  gegen 
dessen  Gelenkgrubenantheil  auseinander.  Letzterer  Knochen  ist  häufig  iu  Substanz  erhalten, 
war  also  ziemlich  hart;  das  dickere  Schullerblatt  ist  nur  im  Abdruck  sichtbar  und  scheint 
weicher  gefügt  gewesen  zu  sein. 

Wenn  man  den  oben  beschriebenen  Knochen  nicht  für  das  Schulterblatt  ansehen  wollte, 
so  könnte  er  nur  noch  für  das  os  coracoidenm  genommen  werden;  wie  Goldfuss  das  wirklich 
gelhan  hat  ia.  a.  0.  S.  9.  und  Taf.  III.  Fig.  1.  e.,  in  der  Erklärung).     Mir  giebt  indessen  seine  mit 

6 


42     

den  Umrissen  des  Schulterblatles  viel  mehr  übereinstimmende  Gestalt  einen  entscheidenden  Grund 
dafür  ab,  ihn  wirklicli  für  das  Schullerblalt  zu  erklären.  Dazu  kommt,  dass  alle  nackten  Amphi- 
bien wohl  eine  knöcherne  scapula  besitzen,  aber  nicht  alle  ein  ossificirtes  os  curacoldcian,  bei 
Archcgoscmrns  aber  kein  anderer  Knochen  vorhanden  ist,  den  man  als  Schulterblatt  betrach- 
ten könnte.  Der  Mangel  eines  solchen  neben  Schlüsselbein  und  Rabenschnabelbein  wäre  aber 
ohne  alles  Beispiel  und  deshalb  nicht  wahrscheinlich.  Endlich  würde  der  Knochen,  falls  er  ein  os 
coracohh'um  wäre,  anders  liegen  müssen;  er  würde,  da  er  als  solcher  wagrechl  und  mit  dem 
Schlüsselbein  in  gleicher  Ebene  lag,  aus  seiner  Verbindung  mit  demselben  am  Schultergelenk 
nicht  so  leicht  herausgetreten  sein,  und  so  lange  beide  Knochen  noch  verbunden  waren,  das  Ge- 
lenk nach  aussen,  der  gebogene  freie  Knochenrand  nach  innen  zu  liegen,  so  wie  endlich  die 
Hauptrichlung  des  ganzen  Knochens  nieiir  hinteiwärls  als  vorwärts  gehen  müssen.  Dergestalt  finde 
ich  den  beschriebenen  beüfürmigen  Knochen  nirgends  gelegen.  Dagegen  erklärt  sich  seine  be- 
sondere Lage  und  seine  mannigfach  verschobene  Stellung  sehr  gut,  wenn  man  annimmt,  dass  er 
als  scapula  schief  nacli  innen  geneigt,  der  gebogene  Rand  nach  oben  gewendet,  auf  der  erwei- 
terten Endplatte  der  claiicula  stand  und  über  den  Rippen  lag.  Letztere  müssen  deshalb  mehr 
nach  innen  zu  neben  ihm  sichtbar  werden,  und  da  finden  wir  sie  in  der  Tliat.  Alle  Verhält- 
nisse der  Form  und  Lage  spreciien  also  dafür,  den  beschriebenen  Knochen  als  Schulterblatt 
zu  deuten. 

§■  20. 
Die  eigentliche  vordere  Gliedmasse  besteht  aus  den  gewöhnUchen  drei  Abschnit- 
ten: dem  Oberarm  (hunierus,  Taf.  II.  III.  ä./«.^,  dem  Vorderarm  mit  Speiche  (radius, 
ebenda  Fig.  2.^./^  und  Elle  (ulna,  ebenda  m.m.)  und  der  Hand  (munusj,  an  welcher  we- 
nigstens vier  Zehen  ("ebenda  n.J  vorhanden  waren.  Betrachtet  man  die  Knochen  dieser 
Gliedmasse  zuvörderst  im  Verein,  so  muss  die  geringe  Grösse  derselben  besonders  auffallen. 
Die  Vergleicimng  des  Fig.  2.  abgebildeten  Exemplars,  dem  einzigen,  woran  die  Theile  der  Glied- 
masse unterhalb  des  Ellenbogengelenkes  sich  erhalten  haben,  ergiebt,  wenn  man  seinen  Oberarm 
gegen  denselben  Knochen  von  Fig.  3.  u.  i.  halt,  dass  dasselbe  im  Ganzen  ein  wenig  grösser 
war  als  letzteres.  Das  relative  Grössenverluiltniss  dieses  Rumpfes  zum  Kopfe  lasst  sich  aber 
aus  der  Vergleichung  der  grossen  Brustplatte  mit  den  Brustplalten  anderer  Exemplare,  an 
welchen  zugleich  noch  der  Schädel  haftet,  finden;  es  beweist  z.B.  die  Ansicht  der  Fig.  o.  u.  6. 
auf  Taf.  IL,  oder  die  ähnliche  Fig.  1.  auf  Taf.  IIL  bei  Goldfuss,  dass  die  genannte  mittlere 
Kehlplatte  der  halben  Kopflänge  so  ziemUch  gleichkommt,  vielleicht  etwas  länger  ist.  Nimmt 
Juan  dies  Maass  von  Fig.  3.  und  vergleicht  damit  den  grossen  Kopf  Taf.  I.  Fig.  I.,  so  passt 
seine  Länge  recht  gut  zu  der  Grösse  des  Individuums  von  Fig.  3.  u.  4.,  oder  noch  besser  zu 
dem  etwas  grösseren  von  Fig.  2.,  weil  in  iler  Regel  die  Kehlplatte  etwas  länger  ist,  als  die 
halbe  Kopfeslänge;  wenigstens  bei  kleinen  Exemplaren.  Es  könnte  also  der  Vorderrumpf  mit 
der  Vordergliedmasse,  welcher  in  Fig.  2.  abgebildet  ist,  sehr  gut  zu  einem  Kopfe  gleicher 
Grösse  mit  dein  Taf.  I.  Fig.  1.  abgebildeten  gehören.  Dann  würde  der  ganze  Arm  vom  Schul- 
tergelenk bis  zur  Zahnspitze  wenig  mehr  als  die  halbe  Länge  des  Kopfes  geraessen  haben, 


—     43     

also  mit  der  grossen  Kehlplatte  so  ziemlich  an  Ausdehnung  übereinstimmen.  —  Diese  geringe 
Grösse  der  Vorderbeine  ist  höchst  überraschend.  Beim  lebenden  Krokodil  hat  das  ganze 
Vorderbein  schon  eine  grössere  Länge  als  der  Kopf;  bei  allen  typischen  Sauriern  mit  voll- 
kommenen Gliedmassen  ist  es  stets  viel  langer,  nur  der  Ober-  und  Vorderarm  zusammen  plle- 
gen  etwas  länger  als  der  Kopf  zu  sein;  bei  den  nackten  Amphibien  zeigen  alle  Frösche  und 
die  Salamandrinen  ein  gleiches  Verhältniss,  und  erst  bei  den  Ichthyoden  sinkt  die  Länge  der 
Vordergliedmassen,  in  Verbindung  mit  ihrer  rudimentären  Grösse,  merklich  unter  die  Kopfes- 
länge hinab,  am  meisten  bei  Amphiuma  und  Proteus,  deren  Gliedmassen  überhaupt  die 
kleinsten  im  Vergleich  zum  Rumpfe  sind.  Aber  so  klein,  wie  bei  Archegosaurus ,  sind  sie 
auch  hier  nicht;  denn  sie  behaupten  noch  immer  die  Länge  des  Kopfes,  obgleich  der  Kopf, 
wenigstens  der  von  Proteus,  nicht  kurz  genannt  werden  kann,  sondern  noch  immer  zu  den 
schlanken  Kopfformen  gehört.  Darnach  wiese  uns  die  Gesammtform  des  Arms  ebenso  sehr, 
wie  der  Bau  des  Schultergürtels,  auf  die  nackten  Amphibien  hin. 

Im  Einzelnen  betrachtet,  kann  der  Oberarmknochen  (h.h.J  kräftig  genannt  werden. 
Er  hat  die  Form  eines  Stempels,  ist  am  Schulterende  breit  abgerundet  (Fig.  2.),  von  da  gegen 
die  Mitte  hin  verdünnt,  dann  wieder  verdickt  und  am  Ellenbogen  abgestutzt,  mit  einem  Rand- 
höcker,   der  auch  an  anderen  Individuen  (z.B.  Fig.  3.Ä.  links),    erkannt  wird,    also  schwerlich 
zufällig  sein  kann.  —  Die  Knochen  des  Vorderarms  (l.u.m.J  sind  viel  schwächer,  obgleich 
ganz  ähnlich  gestaltet,  nur  schlanker.      Beide  haljen  fast  gleiche  Grösse;    der  vordere  radius 
(l)  scheint  am  oberen  Ende  etwas  schwächer  zu  sein,  als  am  unteren;  die  hintere  tilna  (jnj 
ist  umgekehrt   oben   dicker  als  unten.      Jeder  von  beiden   zeigt   grade   abgestutzte  Endflächen 
und  wenig   mehr   als   die   hallte  Länge   des   Oberarms.     Man    sieht   in  Fig.  2.   an   der  rechten 
Seite  nur  noch  die  Eindrücke  der  verloren  gegangenen  Knochen,  an  der  linken  Seite,  wo  der 
Oberarm  fehlt,  sind  Speiche  und  Elle  selbst  vollständig  erhalten.  —   An  eben  dieser  Seite  ist 
auch   die   Hand  wenigstens   zum  Theil   übrig   geblieben.     Ihre  Knochen  (n.)  liegen   eine   be- 
trächtliche Strecke  von  den   beiden  Knochen    des  Vorderarms   entfernt ,    ohne    dass   in   dieser 
Lücke  Spuren   ^on   kleinen   rundlichen  Handwurzelknochen   bemerkbar    wären;   wahrscheinlich 
fehlten   sie,    wie   bei   den    Iclithyoden,    woselbst   eine   zusammenhängende  Knorpelmasse   ilu'C 
Stelle  vertritt.    Die  vorhandenen  Knochen  der  Hand  haben  die  schlanke  Stempelform  der  Vor- 
derarmknochen, sind  aber  noch  viel  kleiner  und  zierlicher.     In   der   ersten   Reihe   liegen   vier 
etwas   grössere  Knöchelchen   neben   einander;   sie   sind   offenbar   die   Metacarpusknochen. 
Dass  die  äusseren  beiden  etwas  schlanker  erscheinen,  als  die  zwei  inneren,  mag  mehr  Folge 
des  Drucks  bei    der  Pelrification,   als   ursprüngliche  Formverschiedenheit   sein,   obgleich   auch 
die  Länge   der   inneren  beiden   etwas   beträchtlicher   zu   sein   scheint.     Möghch   ist   es   sogar, 
dass  diese  beiden  Zehen  (in  normaler  Stellung  des  lebenden  Thieres  vielleicht  nicht  die  inne- 
ren, sondern  die  äusseren)  grösser  und  kräftiger  waren,  als  die  anderen  beiden,  weil  gerade 
an  ihnen  die  Zehen  sich  erhalten  haben.    Freilich  ist  nur  die  eine,  in  der  jetzigen  Lage  innerste 
vollständig    erhalten;   man    sieht    drei   allmälig  kleinere  stempeiförmige  Phalangen,    von   denen 

6* 


44     

die  letzte  so  entschieden  zugespitzt  ist,  dass  man  sie  für  die  wirklich  letzte    zu   nehmen   hat. 

Diese  Zehe  halte  also  nicht  mehr  als  drei  Glieder.    Von  der  nächsten  sind  nur  zwei  Glieder 

erhallen,   von    den   zwei  andern  gar  keine.     Es  bleibt  also  dahingestellt,    ob    alle   vier  Zehen 

dreigliedrig  waren. 

Ist  die  aus  der  geringen  Grösse  des  ganzen  Armes  ebenso  sehr,  wie  aus  dem  Bau  des 
Schultergürlels  abgeleitete  Analogie  des  Archegosatirus  und  der  Salamandrinen  oder  Ichthyoden 
als  weiter  maassgeberid  anzusehen,  so  hatte  Archegosaurus  vorn  nur  vier  Zehen,  von  denen 
keine  mehr  als  drei  Glieder  oder  Phalangen  besass.  Gewöhnlich  hat  die  kleinste  und  schwächste 
Aussenzehc  der  Salamander  nur  zwei  Zehenglieder,  und  wenn  das  auch  bei  Archegosaurus  der 
Fall  war,  so  ist  die  völlig  erhaltene  Zehe  in  der  That  die  innerste  gewesen.  —  Je  weiter  man 
übrigens  in  der  Vergleichung  des  Arms  von  Archegosaurus  mit  demselben  Organ  lebender  Am- 
phibien geht,  um  so  mehr  überzeugt  man  sich,  dass  er  zu  den  Typen  der  Saurier  nicht  passt. 
Letztere  besitzen  sowohl  einen  viel  schlankeren  Oberarm,  als  auch  viel  längere,  dem  Oberarm 
nur  wenig  nachsiehende  Vorderariiiknoclien;  in  ihrer  Handwurzel  sind  slels  deutliche  Carpuskno- 
chen,  und  die  Metacarpusknochen  haben  theils  unter  sich  sehr  ungleiche  Länge,  theils  eine  viel 
grössere,  als  die  darauf  folgenden  Phalangen.  Alle  diese  Unterschiede  fehlen  den  Armknochen 
der  Salamandrinen,  und  wenngleich  ihr  Oberarm  nie  so  enorm  viel  dicker  ist,  als  die  Vorder- 
arniknochen,  so  bietet  er  dagegen  bei  den  Ichlhyoden  ziemlich  ähnliche  Beziehungen  zu  densel- 
ben dar;  namentlich  z.  B.  bei  Andrlas  und  Menopoma,  bei  welchen  auch  das  Schulterblatt  die 
meiste  formelle  Aehnlichkeit  mit  dem  von  Archegosaurus  besitzt.  Einen  so  starken  kräftigen 
Oberarmknochen,  wie  unser  Genus,  haben  nur  noch  die  Enaliosaurier,  und  leicht  könnte  man  an 
flossenförmige  E.xlremiläten  auch  bei  Archegosaurus  denken.  Dafür  scheinen  indessen  die  Vor- 
derarmknochen zu  schwach  zu  sein. 

§.  21. 

Von  der  hinteren  Extremität  ist  nur  das  Becken  (Taf.  IV.  Fig.  2.)  und  der  Un- 
terschenkel bekannt.  Ersteres  besteht  aus  zwei  Paaren  grosser  kräftiger  Knochen,  die  sich 
leicht  als  Darmbein  (Vitium,  x.x.~)  und  Sitzbein  (isc/iiitm,  yy^  deuten  lassen.  Ob  noch 
ein  besonderes  Schaambein  (os  puhis)  vorhanden  war,  liess  sich  an  dem  einzigen  erhal- 
tenen Exemplare  des  Beckens  nicht  erkennen. 

Das  Darmbein  zeigt  eine  sehr  grosse  Aehnhchkeit  mit  dem  von  Owen  abgebildeten 
(a.  a.  0.  Taf.  45,  Fig.  16.  17.)  gleichen  Knochen  seines  Liabyrinfhodoii  pachygndthus  (S.  533.), 
doch  fehlt  ihm  der  kleine  obere  Nebenfortsatz,  auf  welchen  Owen  so  grosses  Gewicht  legt, 
weil  er  für  die  Analogie  dieses  Beckenknochens  mit  dem  der  Frösche  ihm  zu  sprechen 
scheint.  Demnach  unterscheidet  man  an  dem  Darmbein  von  Archegosaurus  nur  eine  schmale 
zugespitzte  stielartige  und  eine  breite,  gewölbte  beilförmige  Hälfte.  Die  erstere  hat  einea 
graden  unteren  Rand  und  einen  massig  gebogenen  oberen,  der  mit  jenem  am  Ende  sich 
herabbiegend  in  eine  stumpfe  Spitze  zusammentrifR.  Die  eine  Seite  dieses  schmalen  Theils, 
welche  frei  liegt,  ist  gewöUjt;  die  andere  klebt  am  Gestein  und  liess  sich  nicht  untersuchen. 
Der  breite  beilförmie;e  Theil  steigt  mit  einem  ebenso  breiten  Fortsatze  abwärts  und  heftet  sich 


45     

mit  dessen  ganzem  unteren  Rande  an  das  Sitzbein ;  seine  obere  Hälfte  ist  kürzer,  stärker  nach 
vorn  verlängert,  abgerundet  und  seitwärts  nach  aussen  gebogen,  um  die  Ansalzfläche  an  das 
Kreuzbein  zu  bilden.  Die  frei  vorliegende  Oberfläche  wäre  hiernach  die  innere,  der  obere 
scheinbar  abwärts  gebogene  Abschnitt  derselben  gäbe  die  Verbindung  mit  dem  Kreuzbein  ab 
und  die  entgegenstehende  nicht  sichtbare  untere  Fläche  enthielte  die  Gelenkgrube  für  den 
Oberschenkel,  die  Pfanne.  In  der  That  findet  sich  in  dem  Muttergestein  neben  dem  oberen 
Rande  des  breiten  Theils  der  sehr  undeutliche  rautenförmige  Umriss  eines  schwammig  gefüg- 
ten Knochens,  welchen  ich,  wegen  seiner  Unkenntlichkeit,  nicht  habe  abbilden  lassen  können, 
der  aber  wohl  als  Rest  des  Kreuzbeines  zu  betrachten  wäre.  Alsdann  müsste  der  breite  Theil 
des  Darmbeines  als  die  vordere,  der  schmale  als  die  hintere  Hälfte  dieses  Knochens  angese- 
hen werden,  und  daraus  würde  folgen,  dass  das  Darmbein  in  Lage  und  Umriss  mehr  dem 
der  Saurier,  als  dem  der  Batrachier  ähnlich  gewesen  wäre.  Bei  den  Salamandrinen  und  Ich- 
thyoden  ist  das  Darmbein  ein  sehr  kleiner,  länglich  kelchförmiger  Knochen,  der  im  Leben 
senkrecht  steht  und  mit  seinem  oberen  breiten  Ende  am  Kreuzbein  sitzt,  während  das  untere 
etwas  dickere  Ende  das  aüein  vorhandene  Sitzbein  trägt,  hidess  geht  aus  der  Ansatzfläche 
des  Darmbeines  von  Labyrinthodoii  pachyynathus  deutlich  hervor,  dass  dies  Darmbein  in 
wagerechter  Stellung  an  das  Kreuzbein  geheftet  war,  wie  das  Darmbein  der  Saurier,  und 
dass  der  Haupttheil  dieser  Ansatzfläche  sich  an  dem  breiteren  Theile  des  Darmbeiues  befin- 
det. Daraus  sowohl,  als  auch  aus  der  Lage  des  Pfannengelenkes,  glaube  ich  folgern  zu  dür- 
fen, dass  der  breite  Theil  des  Darmbeines  der  vordere  war,  der  schmale  der  hintere,  das 
Darmbein  also  ganz  so  lang,  wie  bei  den  typischen  Sauriern.  Hiermit  lässt  sich  auch  der 
fragliche  Nebenfortsatz,  den  Owen  für  die  Affinität  mit  den  Batrachiern  anführt,  füglich  ver- 
einen; denn  nicht  bloss  die  Monitoren,  an  deren  Becken  schon  Cuvier  (^Ossein,  foss. 
F.  2.  tb.  \1.  f. -i^O  einen  ähnhchen  Fortsatz  dargestellt  hat,  sondern  auch  die  ächten  La- 
certen  haben  einen  freilich  stumpferen  Höcker  über  dem  vorderen  Rande  des  Pfannengelen- 
kes. Ich  glaube  daher  annehmen  zu  dürfen,  dass  auch  das  Darmbein  \on  Archegosaurus 
wagerecht  stand,  dass  sein  breiter  Theil  der  vordere,  sein  schmaler  der  hintere  war,  und  dass 
sich  das  Kreuzbein  an  der>  oberen  abgebogenen  Rand  des  breiten  Theiles  ansetzte.  Die 
Figur  stellt  also  das  ganze  ausgebreitete  Becken,  dessen  Stand  vom  Maler  willkürlich  ge- 
wählt wurde,  so  dar,  dass  sein  vorderer  Rand  nach  unten,  sein  hinterer  nach  oben  gerichtet 
erscheint. 

Das  Sitzbein  ist  kürzer  aber  breiter  als  das  Darmbein,  im  Ganzen  aber  von  ähnli- 
chem Umriss.  Ist  die  breite  Hälfte  des  Darmbeins  nach  vorn,  die  schmale  nach  liinten  ge- 
wendet gewesen,  so  liegt  das  Sitzbein  auf  dieselbe  Art.  Die  breitere  Hälfte  hat  einen  para- 
bolischen Umriss.  Vorn  abgerundet,  nach  hinten  zu  am  breitesten,  wird  sie  plötzlich  durch 
einen  Abschnitt  am  äusseren  Rande  fast  um  die  Hälfte  verschmälert,  und  spitzt  sich  mittelst 
ehies  schiefen  Endrandes  sehr  stark  nach  aussen  zu.  In  der  Mittellinie  stossen  beide  Sitz- 
beine in  einer   graden,    etwas   heraligebogenen  Naht   zur  Symphysis   aneinander,   gehen   vorn 


- —     46     

mit  ihren  gebogenen  Rändern  auseinander  und  sind  hinten  durcli  den  Einschnitt,  den  die 
schiefen  Endränder  bilden,  weit  getrennt.  Die  vordere  Hälfte  des  Aussenrandes  ist,  so  weü 
der  iM-eitere  Theil  reicht,  mit  dem  Darmbein  verbunden,  die  hintere  frei.  Im  Leben  hing  das 
Sitzbein  in  wagreciiter  Stellung,  vom  Darmbein  getragen,  an  dessen  unterem  Rande  und  schloss 
durch  die  Symphysis  den  Beckengürtel  nach  unten.  —  Beide  Knochen  sind  übrigens  ziemlich 
dick  und  bestehen  überall  aus  einem  lockeren  schwammigen  Gewebe,  dessen  Oberfläche  ein 
dünnes  aber  festeres  Knochenblatt  bildet.  In  demselben  sind  nur  sehr  schwache  Ossifications- 
radien  zu  erkennen.  Die  grössere  Hälfte  der  so  gebildeten  Knochenmasse  ist  verloren  gegan- 
gen, obgleich  die  Oberfläche  und  der  Umriss  beider  Knochen  sich  in  scharfen  Abdrücken  gut 
erhalten  hat. 

In  (lein  Becken  von  Archegosaurns  treten  uns  neue  Räihsel  rücksichllicli  der  systema- 
tischen Affinilät  entgegen.  Ist  es  vollständig  erhallen,  so  bestand  es  nur  aus  2  Knochenpaaren, 
ein  Fall,  der  gegenwärtig  nur  bei  den  nackten  Ampliibien,  den  Salamandrinen  und  Ichlhyoden 
vorkommt,  aber  damit  harmonirt  die  Form  und  Grösse  der  Knochen  weit  weniger,  als  man  er- 
warten sollte.  Bei  allen  Salamandrinen  und  Ichlliyoden  mit  Becjten  ist  dies  Oigan  klein  und 
schwach,  selbst  kleiner  als  der  Schultergürlel,  während  ArchcgosuHrus  ein  gegen  den  Schulter- 
fTürtel  gehalten  sehr  kräftiges  Becken  besitzt.  Das  zeigt  auf  grössere  kräftige  llinlergliedniassen 
liin,  die  allgemeine  Eigenheiten  der  Frösche  und  typischen  Saurier  sind.  Während  aber  das 
Becken  von  Archeyosaurus  mit  dem  der  Frösche  gar  keine  Aehnlichkeit  hat,  gleicht  es  dage- 
gen dem  der  typischen  Saurier  in  vielen  wesentlichen  Punkten,  l)esonders  wenn  man  annehmen 
darf,  dass  ein  Schaambein  vorhanden  war,  dasselbe  aber  sich  ablöste,  bevor  dies  Beckene.xemplar 
ins  Gestein  eingehüllt  wurde;  welche  Annahme  wenigstens  insofern  sehr  statthaft  ist,  als  alle  ty- 
pischen Saurier  ein  langes,  oft  sehr  dünnes,  weit  vom  Silzhein  abstehendes  Schaambein  zu  be- 
sitzen pflegen.  War  ein  solches  vorhanden,  so  musste  es  mit  seinem  Kopfe  in  den  Winkel  hin- 
einpassen, den  Darmbein  und  Sitzbein  an  ihrer  Verbindung  nach  vorn  (in  der  Figur  nach  unten) 
freilassen  und  dort  Antheil  an  der  Bildung  des  Pl'annengelenkes  nehmen.  Leider  ist  an  dieser 
Stelle  das  Umhüllungsgestein  etwas  zertrümmert,  indess  doch  nicht  ganz;  und  sicher  würde  man 
die  Spur  des  Schaambeins  erkennen,  wenn  ein  solches,  als  dies  Becken  von  seinem  Wutterge- 
stein  umschlossen  wurde,  noch  vorhanden  gewesen  wäre.  iS'ehmen  wir  also  das  Becken,  so  wie 
es  vorliegt,  als  vollständig  an,  so  hat  es  durch  die  Zweizähligkeit  seiner  Bestandiheile  einen 
Hauptciiarakter  der  nackten  Amphibien  an  sich,  gleicht  aber,  was  die  Form  der  Knochen  im 
Einzelnen  betrifft,  mehr  dem  der  Saurier,  als  dem  der  Batrachier. 

§•  22. 
Am  unteren  Ende  des  von  Goldfuss  schon  kenntlich  genug  abgebildeten  (a.  a.  0.  Taf  HI. 
Fig.  1.)  vollständigsten  Exemplares  eines  jungen  Archegosaurus ,  welches  ich  ebenfalls  vor 
mir  habe,  liegen  vier  ziemhch  starke  stempeiförmige  Knochen  (a.  a.  0.  A.  u.  j.  links),  welche 
bei  gleicher  Länge  sich  etwas  in  der  Stärke  von  einander  unterscheiden.  Goldfuss  hält 
(a.  a.  0.  S.  9.)  die  stärkeren  Qh.^  für  die  Oberschenkel,  die  schwächeren  (i^  für  ünterschen- 
kelknochen.     Ich  kann  dieser  Ansicht  nicht  beipflichten;   Iheils   weil    die  als  Oberschenkel  ge- 


—     47     

deuteten  Knochen  viel  zu  schwach  dazu  sind,  im  Vergleich  mit  dem  Oberarm;  tlieils  weil  die 
Unterschenkel  bei  jener  Annahme  nur  durch  einen  Knochen  repräsentirt  sein  würden,  was 
nicht  gut  möglich  ist,  wenn  man  die  Theile  noch  so  wohl  in  ihrer  Verbindung  erhalten  findet, 
wie  an  diesem  Stück.  Ich  halte  \  iehnehr  beide  Knochen  für  Unterschenkelknochen,  den  etwas 
stärkeren  für  das  Schienbein  llif/ia),  den  schwächeren  für  das  Wadenbein  (phul(Q\  dann 
wäre  der  grosse  schwere  Oberschenkelknochen  %erloren  gegangen,  und  nicht  minder  der  zar- 
tere Fuss  mit  seinen  sperrigen  Zehen.  Nur  ein  Knochen  ist  von  ihm  noch  da,  ebenfalls  ein 
stempeiförmiges  Beinchen  von  der  halben  Länge  der  Unterschenkelbeine  (Goldf.  a.  a.  0.  k) 
und  das  lässt  sich  sehr  gut  als  ein  Plattfussknochen  ansehen,  wenn  man  die  Analogie  der 
vorderen  Extremität  als  Massstab  nimmt.  Im  Einzelnen  ist  übrigens  die  Form  jener  fünf  Kno- 
chen ganz  cüeselbe;  sie  sind,  wie  ich  schon  erwähnte,  stempelförniig,  in  der  Mitte  stark  ver- 
jüngt, nach  beiden  Enden  kolljig  verdickt,  flach  gedrückt,  und  am  Ende  abgerundet.  Mit  dem 
Zirkel  gemessen,  erscheinen  sie  völlig  gleich  lang,  Q\  Linien,  aber  au  ihren  Enden  ungleich 
breit;  die  vorderen  fast  2^  Linien,  die  hinteren  kaum  2  Linien.  Darum  halte  ich  jene  für 
Schienbeine,  diese  für  Wadenbeine.  Das  kleine  Plattfussknöchelchen  hat  nur  4  Linien  Länge 
und  minder  gleichförmige  Enden;  sein  nach  vorn  gewendetes  Ende  ist  kugelig  gewölbt,  das 
nach  hinten  gerichtete  abgestutzt,  ganz  wie  bei  Metatarsusknochen  oder  Phalangen.  —  Für 
Rippen  sind  diese  Knochen  zu  grade  und  zu  dick  gegen  ihre  Länge,  und  Beckenknochen 
können  es  ihrer  Gestalt  wegen  nicht  sein.  Ich  glaube  vielmelu',  dass  das  Becken  weiter  nach 
hinten  lang  und  die  ganzen  Beine  beim  Einhüllen  des  Thiers  vorwärts  geschoben  wurden; 
wäre  das  Exemplar  länger  geblieben,  so  würden  Oberschenkel  und  Becken  sich  wohl  zeigen; 
sie  rissen  mit  dem  Schwanz  ab,  als  der  weiche  faulige  Leib  schon  im  Schlamm  lag  und  von 
den  Wellen  hin  und  her  gewälzt  ^^urde.     Früher  schon  waren  die  Zehen  verloren  gegangen. 

Wenn  die  von  mir  g-eguljene  DenUiiig  der  eben  bescluiebeiien  Knochen  die  riclilige  ist, 
so  liisst  sich,  mit  Hinzuzieliuiig  der  anderen  Exemplare,  die  relative  Grosse  beider  Gliedmassen 
bestimmen,  denn  glücklicher  Weise  sind  iiiuii  die  beiden  Vorderarmknochen  an  eben  diesem  von 
Goldfuss  Taf.  III.  Fig.  1.  abgebildeten  Exemplare  erhallen.  Letzterer  hat  sie  niclit  erwähnt  und 
sein  Zeichner  fiilschhch  als  Rippen  dargestellt;  sie  liegen  an  der  rechten  Seite  nicht  weil  vom 
Oberarmknochen,  und  sind  in  der  Figur  ebensowenig,  wie  dieser,  mit  Buchstaben  bezeichnet. 
Zwischen  e.  und  m.  bemerkt  man  sie  abgerückt  vom  Körper  im  Gestein  und  davor  die  Hälfte 
des  Oberarms,  von  einer  Rippe,  die  sehr  schlecht  gezeichnet  ist,  bedeckt.  Ihre  grade  Form,  ihre 
genau  parallele  Lage,  ihr  mehr  stempelfönniger  Umriss  und  ihre  geringere  Grösse  unterscheiden 
sie  von  den  Rippen  und  lassen  nicht  zweifeln,  dass  es  die  Vorderarmknochen  sein  müssen;  sie 
messen  2i  Linien.  Also  verhalten  sich  der  Unterschenkel  zum  Vorderarm  wie  6^  zu  2\  oder  wie 
25  zu  10.  —  Nun  hat  bei  dem  grossen  Exemplar,  welches  ich  auf  Taf.  lil.  Fig.  2.  abbilden  liess, 
der  Vorderarm  6  Linien  Länge,  während  der  Oberarm  12  Linien  lang  ist;  folglich  muss  dessen 
Unterschenkel  eine  Länge  von  15  Linien  gehabt  haben,  und  wenn  das  Verhältniss  vom  Ober- 
schenkel zum  Unterschenkel  dasselbe  war,  Avie  das  Verhältniss  vom  Oberarm  zum  Vorderarm,  so 
mass  sein  Oberschenkel  30  Linien  oder  2^  Zoll.  Wir  haben  hiernach  folgende  ungefähre  Ver- 
hältnisse anzunehmen. 


48 


Exemplare. 

Länge 
des 

Kopfes. 

Länge 

des 

Obeiarms. 

Länge 

des 

Vorderarms. 

Länge 

des 

Oberschenkels. 

Länge 

des 

Unterschenkels. 

Das  bei  Goldfuss  Taf. 
III.  Fig.  1.  abgebildete. 

Das    von    mir    Taf.   III. 
Fig.  2.   abgebildete. 

31'" 
76'" 

5'" 

12'" 

2^'" 
6'" 

12i'" 
30'" 

6i'" 
i5'" 

Bedenkt  man,  dass  der  Kopf  der  grösseren  Individuen  relativ  etwas  länger  ist,  als  der 
mittleren  und  kleineren,  so  passt  die  gefundene  Zahl  der  Kopfeslänge  ziemlich  gut  zu  der  beob- 
achteten Grösse  des  grössten  Kopfes,  und  wir  erhalten  dadurch,  dass  wir  diesem  grössten  Kopfe 
auch  den  beobachteten  grössten  Oberarm  beizugeben  uns  anderweitig  für  befugt  hielten  (vergl. 
§.  20.)  einen  neuen  Grund,  die  Verhältnisszahlen  vorstehender  Tabelle  für  ziemlich  richtige  Grös- 
senangaben  zu  betrachten.  Das  ganze  Bein  war  also  über  2^ mal  so  lang,  wie  der  Arm,  und 
wenn,  wie  das  Original  von  Taf.  III.  Fig.  2.  darlhut,  der  Arm  der  grössten  Individuen,  mit  der 
Hand,  etwa  3  Zoll  lang  war,  so  halte  dessen  Bein  mit  dem  Fuss  eine  Länge  von  7  —  8  Zoll;  es 
übertraf  den  ganzen  Kopf  nur  wenig  an  Ausdehnung.  Das  wäre  immer  noch  ein  sehr  kleines 
Bein  für  ein  Amphibium! 


§■  23. 

Ausser  den  TheUen  des  inneren  Skelets  von  Archegosaiirus ,  welche  wir  bis  jetzt 
kennen  gelernt  haben,  findet  sich  noch  ein  Knochen  vor,  nämlich  das  Zungenbein  (^os 
hyoklenm.  Taf.  II.  III.  a.  b.l/J.  Schon  Goldfuss  hatte  es  aufgefunden,  aber  irrthünilich  als 
Theil  des  grossen  Kehlschildes  angesehen,  und  war  dadurch  zu  der  Annahme  verleitet  wor- 
den, dass  dieses  Kehlschild  selbst  Zungenbein  sei.  Es  erleidet  jedoch  die  völlige  Trennung 
und  Selbständigkeit  beider  Knochenplatlen  gar  keinen  Zweifel  mehr,  denn  man  sieht  nicht 
bloss  Taf.  III.  Fig.  3.  die  offene  Lücke  zwischen  ihnen  (u.  und  d.),  sondern  es  ist  in  der  Re- 
gel das  Zungenbein  über  die  Kehlplatte  geschoben  (Taf.  II.  Fig.  1.2.6.),  was  nicht  der  Fall  sein 
könnte,  wenn  beide  nur  ein  und  derselbe  Knochen  AAären. 

Das  eigentliche  Zungenbein  liegt  vor  der  Kehlplalte  hinten  zwischen  den  Aesten  des 
Unterkiefers  und  scheint  im  ganz  normalen  Verhältniss  von  der  Spitze  der  Kehlplatte,  um  mich 
dieses  passenden  bergmännischen  Ausdrucks  zu  bedienen,  unterläuft  zu  werden.  In  Folge 
der  Versteinerung  können  nach  ilirer  Anordnung  beide  Knochen  auf  dreifach  verschiedene 
Weise  sich  verhalten;  nämlich:  1)  das  Zungenbein  und  die  Kehlplatte  bleiben  in  richtiger  Lage 
gegen  einander,  werden  aber  durch  den  senkrechten  Druck  fest  aneinander  gepresst,  und  er- 
scheinen nun  als  ein  Knochen.     So  beobachtete  sie  Goldfuss  (a.  a.  0.  Taf.  III.  Fig.  2.).    — 

2)  Das  Zungenbein  wird  nach  vorn,  die  Kehlplatte  nach  hinten  verrückt,  und  es  erscheint  eine 
Lücke  zwischen  beiden.     So  sah  es  Goldfuss  bei  Fig.  1.  Taf  III.  und  ich  in  Fig.  3.  Taf.  III.  — 

3)  Das  Zungenbein  wird  nach  hinten  oder   den  Seiten   verschoben    und  liegt  auf  oder  neben 
der  Kehlplatte;  so  sah  ich  es  in  den  Originalen  von  Fig.  1.2.  S.u.  6.  Taf.  II.  meiner  Schrill.   — 


: 49        

Wie  namentlich  diese  eben  cifirten  Abbildungen  lehren,  ist  das  Zungenbein  eine  herzförmig 
gestaltete  Knochenplatte,  deren  Spitze  nach  vorn  gerichtet  ist,  wahrend  die  ausgebuchteten 
Endlappen  seitwärts  nach  hinten  aus  einander  stehen.  Das  Vorderende  bleibt  gewöhnhch 
unter  den  Kopfknochen  versteckt  imd  wurde  von  Goldfuss  nicht  erkannt;  ich  habe  es  ziem- 
lich vollständig  an  dem  Original  von  Fig.  5.  verfolgen  können.  Man  sieht  hier  deutlich,  dass 
es  einen  langen,  dolchförmigen,  flachrunden  Fortsatz  bildet,  der  die  doppelte  Länge  des  Zun- 
genbeinkörpers hat,  und  vorwärts  bis  in  die  Gegend  der  Augen  reicht.  Ganz  vollständig  war 
er  nicht  am  Original  von  Fig.  5.;  er  kann  also  noch  weiter  nach  vorn  reichen,  als  ich  es 
dort  angedeutet  habe.  Die  Spitze  geht  sanft  und  allmälig  vom  Körper  aus  und  grade  da,  wo 
sie  sich  zu  bilden  beginnt,  liegt  im  Körper  der  offene  Ossificationspunkt.  Hinter  demsell:)en 
wird  der  Körper  immer  breiter  und  theilt  sich  nicht  undeutlich  in  vier  divergirende ,  durch 
seichte  Ausbuchtungen  am  Hinterrande  getrennte  Lappen.  Die  Seitenlappen  sind  schmäler, 
spitzer,  stark  gewölbt  und  mit  ihren  freien  Rändern  herabgebogen ;  die  breiteren  j\httellappen 
haben  einen  bogig  begrenzten  Endrand  und  eine  älinliche  aber  flachere  Läugswölbung.  Da- 
durch erscheint  die  hintere  Fläche  des  Zungenbeins  4  mal  wellenartig  gehoben  und  gesenkt. 
Sein  Rand  ist  scharf  und  ohne  Einsdinitte,  obgleich  in  Fig.  3.  Taf  IL  bei  a.  sich  Zacken  an 
ihm  zeigen;  das  aljer  sind  Risse  und  Lücken  im  Knochen,  nicht  natürliche  Formen.  Neben 
den  äusseren  spitzeren  Lappen  des  Zungenbeins  liegen  bei  allen  wohlerhaltenen  Exemplaren 
zwei  kleine  zylindrische,  gebogene,  nach  den  Enden  etwas  erweiterte  Knöchelciien  im  Gestein, 
welche  sich  durch  eine  ungemeine  Glätte  und  sehr  tiefe  Farbe  auszuzeichnen  pflegen,  biswei- 
len aber  auch  nur  (so  am  Original  von  Fig.  3.  Taf.  III.)  als  Lücken  im  Gestein  vorhanden  sind. 
In  diesen  Knöchel  eben  erkennt  man  ungezwungen  die  Zunge  ab  einhörn  er  {cornua  ossis 
hyoidei,  bJf.).  Sie  sind  kürzer  als  die  halbe  Breite  des  Zungenbeinkörpers,  am  Ende  grade 
abgestutzt,  vielleicht  selbst  etwas  vertieft,  was  auf  einen  Ansatz,  eine  Art  Epiphyse  deutet. 
Goldfuss  hat  auch  diese  Knöchelchen  mit  Unrecht  als  unmittelbare  Theile  der  äusseren  Zun- 
genbeinspitzen angesehen;  ich  konnte  die  Lücke  zwischen  ihnen  und  dem  Körper  nie  verken- 
nen. Kiemen,  die  er  daneben  beim  Original  von  Fig.  1 .  Taf  IlL  wahrgenommen  haben  will, 
suchte  ich  vergebens;  zwar  finde  ich  an  demselben  Exemplar  einige  schwarze  zackige  Flecken 
im  Gestein,  aber  durchaus  nicht  die  Anordnung  derselben,  welche  Goldfuss  ihnen  giebt. 
Ich  halte  diese  Fetzen  für  Haultheile:  wahrscheinlich  sind  es  die  freien  Ränder  der  Kehlhaut- 
falten, welche  dem  Archegosaurus ,  als  Schuppenträger,  ebensogut  eigen  sein  konnten,  wie 
den  meisten  der  heutigen  typischen  Saurier. 

Das  Zungenbein  von  Archegosaurus  passt  genau  zu  keinem  Zungenbein  lebender  Am- 
phibien. Nur  die  typischen  Saurier  haben  eine  stark  verlängerte  Spitze  am  Zungenbeinkör- 
per, aber  sie  ist  viel  feiner  und  der  Körper  schwächer;  daneben  treten  lange,  feine,  fadenför- 
mige Zungenbeinhörner  in  doppellen  Paaren  auf.  Auch  die  Schildkröten  besitzen  zwei  Paar 
cornuu  hijoidea.  Ein  Paar  Ircffcn  wir  bei  den  Crocodilen  und  den  nackten  Amphibien; 
bei  ersleren  ist  jedes  Zuiigenbcinhorn  zweigliedrig,   bei  letzteren  nur- eingliedrig;  aber  der  Zun- 

7 


50    

genbeinkörper  hat  einen  ganz  anderen,  nach  vorn  erweiterten,  bei  den  Fröschen  tief  ausge- 
buchlelen  Umriss.  Nicht  complicirter  ist  das  eigentliche  Zungengerüst  bei  den  Salamandrinen 
und  Ichthyoden,  allein  es  weicht  schon  in  der  Form  des  schlanken,  siempelfürmigen  Zungen- 
beinkörpers sehr  wesentlich  vom  Zungenbein  des  Archegosmirus  ab,  und  dazu  kommen  noch 
die  sehr  grossen  und  starken  Zungenbeinhörner.  Sie  tragen  den  Kiemenapparat  nicht,  sondern 
der  Körper  trägt  ihn ,  indem  er  an  dessen  hinleres  Ende  mit  gesonderlen  paarigen  Elementen 
seillich  angefügt  ist.  Das  Alles  trifft  fast  in  keinem  Punkte  mit  dem  Zungengerüst  von  Archc- 
gosaurus  zusammen,  und  darum  kann  ich  nicht  glauben,  dass  Kiemen  bei  ihm  vorhanden  waren; 
vielmehr  stellt  sich  sein  Zungengerüst  als  eine  ganz  eigenlhümliche  Form  heraus,  in  deren  An- 
lage durch  die  Grösse  des  Körpers  die  Crocodile,  durch  die  verlängerte  Spitze  am  Körper  die 
Eidechsen,  und  durch  die  kleinen  einpaarigen  Hörner  die  Frösche  hineinspielen.  Im  Ganzen 
muss  die  Zunge  von  Archegosauriis  gross,  stark,  lang,  nach  vorn  verschmälert,  aber  wohl  un- 
gespalten und  nicht  sehr  weit  ausstreckbar  gewesen  sein. 


Dritter  Abscliiiitt. 

Von  den  äusseren  Bedeckungen  und  der  Haut. 


§•  24. 
Die  Anwesenheit  eigenthünilicher  Gebilde  auf  und  in  der  Haut  zu  ilirem  Schutze  lässt 
sich  l)ei  Archegosuurus  gar  nicht  bezweifehi;  fast  jedes  auch  noch  so  kleine  Bruchstück 
seines  Rumpfes  giebt  dazu  die  deutlichsten  Belege.  Es  kann  also  insofern  von  einer  Ueber- 
einstimmung  wenigstens  dieser  Gattung  mit  den  nackten  Amphibien  nicht  wohl  die  Rede 
sein,  Archegosuurus  war  gewiss  nicht  nackt,  sondern  er  war  von  verschiedenartigen  Pan- 
zerstücken  und  Schuppen  bedeckt.  Aber  eben  diese  Verschiedenartigkeit  ist  es,  welche  im- 
sere  Aufmerksamkeit  in  Anspruch  nimmt.  Sehen  wir  jetzt  Haulbedeckungen  bei  Amphibien,  so 
finden  wir  in  den  vorhandenen  bei  einer  und  derselben  Art  eine  gewisse  Uebereinstimmung, 
die  eine  durchgreifende  Gruiidanlage  verräth.  Sind  es  knöcherne  Schilder,  wie  bei  den 
Schildkröten  oder  Krokodilen,  welche  in  der  Haut  ihren  Sitz  haben,  so  zeigt  uns  zwar 
die  äusserste  Oberfläche  noch  eine  gewisse  Mannigfaltigkeit,  z.  B.  bald  einen  hornigen  festen, 
bald  einen  weicheren  lederartigen  Ueberzug  darauf;  allein  die  Schildbildang  ist  durchgreifend 
an  allen  Theilen.  Ist  dagegen,  wie  bei  den  typischen  Sauriern  oder  Schlangen,  nicht 
sowohl  die  in  der  Haut  vorgegangene  Knochenbildung  des  primären  Organs  der  Bedeckung, 
sondern  die  auf  der  Haut  liegende  hornige  Epidermidalschicht  das  eigenlliche  Bedeckungsor- 
gan, so  formen  sich  aus  iln-  Schuppen,  Stacheln,  Warzen  oder  kleine  Täfelchen,  zu  denen  die 
schwachen  Knochengebilde  in  der  Haut  im  untergeordneten  Verhältniss  stehen.  Aber  es 
giebt  in  der  Gegenwart  keinen  Fall,  wo  diese  beiden  Hauptformen  der  Amphibienbedeckimgen 
gleichzeitig  an  demselben  Thiere  aufträten.  Nichtsdestoweniger  hat  er  existirt,  und  zwar  eben 
bei  Archegosuurus ,   wenn  nicht   bei   allen  Labyrinthodonten.     Diese  sonderbare,    durch 


52     

den  Verein  heterogener  Formelemente  des  Knochenbaues  schon  so  merkwürdige  Familie  hat 
auch  äusserlich  denselben  Charakter  besessen;  sie  hat  die  Gegensätze  der  heutigen  Amphi- 
bienbedeckungen  in  sich  zu  vereinigen  gewusst. 

Eine  kurze  allgemeine  Schilderung,  der  sich  die  besondere  Betrachtung  der  einzel- 
nen Bedeckungsarten  anreihen  ^vird,  mag  uns  von  dieser  Mischgestalt  näher  unterrichten. 

Der  Kopf  hatte  keine  anderen  Bedeckungen,  als  die  allgemeine  Körperhaut,  welche 
sich  über  sein  Knochengerüst,  so  weit  es  mit  superficiellen  Sculpturen  geziert  ist,  unmittelbar 
ausbreitete.  Dass  dem  so  sei,  beweist  nicht  bloss  die  directe  Beobachtung,  sondern  auch  die 
Analogie  lebender  Amphibien,  zumal  der  Crocodile.  Ihre  sculpirten  Kopfknochen  sind  von 
einer  festen,  lederartigen  Haut  überzogen,  die  sich  in  unregelmässige  Täfelchen  oder  Warzen 
sondert,  auf  deren  Oberfläche,  wie  immer,  eine  glatte  Epidermis  sich  befindet;  aber  sie  zer- 
fällt nicht  in  besondere  Schilder,  wie  bei  den  Schildkröten,  Sauriern  oder  Schlangen, 
bei  denen  die  Kopfknochen  nie  superficielle  Sculpturen  besitzen.  Denn  das  strahlige  Gefüge 
mit  offnen  Poren  für  die  Blutgefässe  und  Nerven,  was  diesen  Kopfknochen  zukommt,  ist  etwas 
ganz  anderes,  als  die  radialfurchige  oder  grubige  Sculptur  mit  glatter,  grösstentheils  geschlos- 
sener Oberfläche  der  Crocodile.  Letztere  findet  sich  nur  bei  Amphibien  mit  eigenthümlich 
bedeckter  Haut  und  würde,  auch  wenn  ^^ir  nichts  von  den  anderweitigen  Bedeckungen  der 
Labyrinthodonten  wüssteu,  zu  der  Vermuthung  führen  müssen,  tlass  dieselben  keine  nackte, 
sondern  eine  sei  es  gepanzerte,  sei  es  beschuppte  Körperhaut  besassen.  —  Wäre  die  .Analo- 
gie der  Crocodile  weiter  maassgebend,  so  würden  sie  gepanzerte  Thiere  gewesen  sein  müs- 
sen, denn  sculpirte  Kopfkuochen  und  Schuppenbildung  finden  sich  dermalen  nicht  bei  Amphi- 
bien vereint;  aber  die  Labyrinthodonten  sind  das  nur  an  einer  einzigen  Stelle,  an  der  Kehle; 
im  Uebrigen  ^varen  sie  beschuppt.  Dort  sieht  man  bei  allen  gut  erhaltenen  Exemplaren  von 
Archegusaurus  drei  grosse  Kuochenplatten  mit  superflcieller  Sculptur,  von  denen  nicht  be- 
zweifelt werden  kann,  dass  sie  Hautknochen  sind,  ähnlich  den  Panzerschildern  der  Crocodile. 
Weiter  ist  bis  jetzt  keine  Stelle  des  Körpers  ermittelt,  die  Panzerstücke  getragen  hätte;  auch 
scheint  in  der  That,  wenigstens  bei  Archegusaurus,  den  übrigen  Rumpf  nur  ein  homogenes, 
gleichförmiges  und  zartes  Schuppenkleid  bedeckt  zu  haben.  Weniger  bestimmt  lässt  sich  das- 
selbe von  den  späteren  Labyrinthodonten  behaupten;  wir  wissen  nur,  dass  sie  jene  drei 
grossen  Kehlschilder  ebenfalls  hatten,  aber  von  ihren  Schuppen  so  wem'g,  als  von  ihrer  an- 
derweitigen Panzerbildung,  etwas  Genaueres.  Doch  scheint  das  häufigere  Vorkommen  ver- 
schieden gestalteter  knöcherner  Schilder  für  eine  weitere  Ausdehnung  des  Panzers  bei  ihnen 
zu  sprechen,  obgleich  ich  eine  so  allgemeine  Panzerbildung,  wie  beim  Crocochl,  doch  nicht 
für  wahrscheinlich  halte. 

Darf  man  also  nach  dem  allgemeinen  Eindruck  urtheilen,  so  würde  man  sagen  kön- 
nen: die  äussere  Bedeckung  des  Archegosaurus  sei  am  Kopfe  crocodilartig,  an  der 
Kehle  schildkrötenartig,  auf  dem  üljrigen  Körper  eidechsenartig  gewesen;  schildkrö- 
tenartig indessen  nur  insofern,   als   der  Brustpanzer   der  Schildkröten   auf  das  Brustbein   sich 


—     53    

stützt  und  jene  Kehlplaften  der  Labyrinthodonten    auf  dem  Schultergürtel  rubelen,   ibn  ^venig- 
stens  zum  Theil  bedeckten. 

Indem  \vir  zur  Betrachtung  dieser  verschiedenen  Bedeckungen  im  Einzelnen  gehen, 
beginnen  wir  dieselben  mit  jenem  sonderbaren  Kehlpanzer,  weil  was  von  den  Bedeckungen 
des  Kopfes  gesagt  werden  kann,  schon  bei  der  Kopfknocliensculptur  erwähnt  ist,  und  die 
Koptliaut  selbst  sich  an  keinem  einzigen  Exemplar  erhalten  hat. 

§.25. 

Der  Kehlpanzer  von  Archegosaurus  besteht  aus  drei  grossen  Knochenplatten  (Taf. 
II.  III.  d.  und  e,  e.),  einer  mittleren  rautenförmigen,  und  zweien  seitlichen  länglich  dreieckigen. 

Die  mittlere  Kehlplalte  reicht  nach  vorn  bis  zwischen  die  Aeste  des  Unterkiefers,  nach 
hinten  bis  dahin,  wo  das  Schulterblatt  liegt  und  übertritTt  die  seitlichen  um  mehr  als  ein  Drit- 
tel in  der  Länge.  Sie  ist  nicht  ganz  eben,  sondern  etwas  nach  unten  gewölbt.  Ihre  voi'de- 
ren  Seiten  haben  die  Länge  der  Seitenplatten  und  sind  fast  doppelt  so  lang,  wie  die  hinte- 
ren; ganz  vorn  trelfen  sie  nicht  in  einen  Winkel  zusammen,  sondern  bilden  einen  stumpfen 
Endrand,  der  abgerundet  zu  sein  scheint.  Derselbe  liegt  unter  der  breiten  Fläche  des  Zun- 
genbeins und  wird  durch  sie  in  den  meisten  Exemplaren  verdeckt.  Die  beiden  hinteren  Rän- 
der vereinigen  sich  unter  einem  spitzen  Winkel.  Die  Ränder  selbst  sind  übrigens  nicht  ganz 
gradhnigt,  sondern  leicht  nach  aussen  gebogen.  Die  innere  hohle  Fläche  des  Schildes  ist 
eben  und  zeigt  eine  schwache  radiale  Streifung,  wegen  der  ähnlichen  Knochenstructur;  die 
äussere  ist  ganz  so  wie  die  äussere  Fläche  der  Kopfknochen,  griiljig,  streifig,  radial  gefurcht. 
Alle  Furchen  gehen  vom  Ossificationspunkte  aus,  sind  flach  und  schmal  keilförmig  gestaltet, 
gegen  das  Centrum  hin  etwas  tiefer,  nacli  aussen  verflacht  und  gegen  die  Peripherie  länger, 
als  am  Centrum.  Letzteres  liegt  hinter  der  Mitte  des  Schildes,  etwa  auf  |-  seiner  Länge, 
genau  da,  wo  die  Seitenschikler  am  breitesten  sind  und  am  Rande  ihre  Ossificationscen- 
tra  haben. 

Die  seithchen  Kehlschilder  zeigen  einen  länglich  dreiseitigen  Umriss,  aber  ebenfalls 
gebogene  oder  gar  geschwungene  Ränder.  Die  drei  Winkel  ihrer  Ecken  sind  sehr  ungleich: 
ein  sehr  spitzer  hegt  vorn,  ein  stumpfer  nach  aussen,  ein  weniger  spitzer  nach  liinten.  Die 
dem  stumpfen  Winkel  gegenüberstehende  Seite  trifft  mit  iler  entsprechenden  vorderen  Seite 
der  mittleren  Kehlplatte  zusammen  und  greift  über  dieselbe  so  weg,  dass  beide  miteinander 
eine  Schuppennaht  ergeben,  deren  innere  Platte  vom  Mittelschilde,  ihre  äussere  vom  Seiten- 
schilde gebildet  wird.  Auf  diese  Weise  traa;en  die  beiden  Seitenschilder  oleichsam  das  5Iit- 
telschild.  Vermöge  gedachter  Anordnung  ist  der  innere  Rand  des  Seitenschildes  sehr  scharf; 
der  mit  ihm  nach  vorn  zusammentreffende  äussere  hat  die  grade  entgegengesetzte  Eigenschaft, 
er  ist  verdickt,  aufgeworfen,  und  nach  innen  umgebogen,  sonst  aber  ziemlich  ebenso  sanft 
geschwungen,  wie  der  innere.  Sein  hinteres  Ende  geht  über  den  stumpfen  Winkel,  welchen  er 
mit  dem  hinteren  Rande  bildet,   hinaus  und   verlängert   sich   in   einem    etwas  kolbigeu  Zapfen 


-54     

(Taf.  II.  Fig.  6.  e.e.)  der  frei  absteht,  sich  nach  oben  hiaten  und  innen  biegt  und  in  der  Schui- 
tergegend  zum  Nacken  hinaufsteigt.  Er  ist  gewöhdich  nur  als  Lücke  im  Muttergestein  erhal- 
ten, so  auch  in  Fig.  1.  Taf.  IL,  noch  häufiger  ganz  abgebrochen,  wie  Taf  III.  Fig.  3.  Hinter  die- 
sem Fortsatz,  der  keine  superficielle  Sculptur  mehr  hat,  also  ganz  im  Fleische  zu  liegen  scheint, 
steigt  der  S  förmig  geschwungene  hintere  Rand  der  Seitenkehlplatte  hinab.  Er  ist  der  kür- 
zeste und  übrigens  ohne  Auszeichnung;  sein  Ende  Iritll  genau  mit  der  stumpfen  Ecke  des 
Miltelschildes  zusammen.  —  Weiter  ist  von  den  Seitenschildern  zu  erwähnen,  dass  sie  etwas 
stärker  nach  aussen  gewölbt  sind,  als  das  Mittelschild,  und  dass  diese  Wölbung  um  so  mehr 
zunimmt,  je  weiter  sie  sich  dem  äusseren  Rande  nähert.  Dieser  steht  fast  senkrecht  gegen 
die  Hauptfläche  am  inneren  Rande.  Es  folgt  daraus,  dass  die  Seifenplatten  nicht  horizontal 
lagen,  wie  die  mittlere  Platte,  sondern  in  hängender  Position  die  Seiten  des  Halses  umfass- 
ten.  Mit  ihrer  Spitze  reichten  sie  bis  zwischen  die  Unterkieferäste,  ihr  geschwungener  hinte- 
rer Rand  lag  vor  der  Schulter  und  ihr  hinterer  Fortsalz  reichte  über  die  Schulter  weg  zum 
Anfange  des  Rückens  hinauf  So  schützten  diese  drei  Platten  wahrscheinlich  die  untere  Fläche 
des  Halses,  wo  die  Luftröhre,  der  Schlund  und  die  grossen  Blutgefässe  als  höchst  verletz- 
liche, aber  für  das  Leben  des  Thieres  ausserordentlich  wichtige  Theile  sich  befanden,  wäh- 
rend die  breit  abstehenden  kräftigen  Halsrippen  denselben  Schutz  von  oben  ausführten.  Den 
beilförmigen  Enden  dieser  Rippen  scheint  der  äussere  oder  obere  Rand  der  Seitenschilder  in 
der  Lage  und  Richtung  entsprochen  zu  haben. 

Noch  bleibt  übrigens  zu  erwähnen,  dass  die  Structur  der  Seitenplatten  und  ihre  äussere 
Sculptur  ganz  eben  so  sich  verhält,  wie  am  MKtelschilde,  dass  aljer  der  Ossificationspunkt 
sich  nicht  in  der  Fläche  des  Schildes  befindet,  sondei'ii  am  oberen  Rande,  nicht  weit  vor 
seinem  hinteren  Ende,  mit  dem  Ossificationspunkt  des  IMittelschildes  in  gleicher  Höhe  (Taf  IIL 
Fig.  3.).  Von  hier  strahlen  sowohl  die  feinen  Knochenkanäle,  als  auch  die  superficiellcn  Keil- 
furchen nach  vorn,  unten  und  hinten  in  radialer  Richtung  zum  Rande  hin. 

Die  Untersuchung  der  übrigen  LabyrinlliodontengalUingen  hat  ergeben,  dass  ähnliche  Kehl- 
plalten  wohl  bei  allen  vorhanden  gewesen  sind.  Von  Tremuiosaurus  habe  ich  sie  in  ganz  ana- 
loger Form  nachgewiesen  (a.  a.  0.  S.  49.  u.  50.)  und  schon  damals  mich  für  ihre  Allgemeinheit 
entschieden.  Ob  noch  andere  Stellen  des  Körpers  der  Labyrinlhodonlen  gepanzert  waren,  hat 
sich  mit  Sicherheit  bis  jetzt  nicht  ermitteln  lassen;  bei  Archcgosauriis  scheint  indessen  die  Kehle 
der  einzige  gepanzerte  Theil  ihres  Rumpfes  gewesen  zu  sein. 

§.  26. 

Rings  um  den  Kehlpanzer,  gleich  wie  an  allen  anderen  Stellen  der  Runipfoberfläche, 
treten  Schuppen  auf,  die  die  Haut  allseitig  bedeckt  zu  haben  scheinen.  Ihre  Anordiumg  ist 
auf  dem  Rumpfe  die  gewöhnliche  der  beschuppten  Amphibien,  d.  h.  sie  gehen  in  schiefer 
Richtung  zu  beiden  Seiten  von  der  Mittellinie  dos  Rückens  aus,  und  tretfen  ebenso  unter 
spitzen  Winkeln  in  der  Mittellinie  des  Bauches  zusammen.    Die  Schuppenreihen  laufen  also  auf 


55     

dem  Rücken  divergirend  nach  hinten,  erreichen  bald  die  Rumpfseiten,  steigen  an  ihnen  unter 
einem  Bogen  alDwärts  und  ^venden  sich,  dem  Bauche  nahe  gekommen,  nach  vorn,  bis  sie  auf 
der  Bauchflache  selbst  wieder  unter  spitzen  Winkeln  zusammenstossen.  Diese  Anordnung  ist 
aus  Fig.  1.  Taf.  III.,  welche  die  freie  Seite  der  Schuppen  des  Rückens  darstellt  und  ebenda 
aus  Fig.  2.  3.  u.  4.,  an  denen  man  die  inneren,  in  der  Haut  befestigten  Basalenden  der  Schup- 
pen des  Bauches  vor  sich  hat,  deullicla  zu  entnehmen.  Die  drei  letzteren  Figuren  zeigen 
auch,  dass  das  Mittelschild  des  Kehlpanzers  nach  hinten  von  einem  aus  12 — 16  Schuppen- 
reihen gebildeten  Schuppengürtel  umgeben  war,  in  dem  die  Schuppen  von  beiden  Seilen 
gegen  die  Mitte  zu  laufen,  und  erst  an  diesem  Gürtel  beginnen  die  schiefen  Reihen  der  Bauch- 
schuppen. Ob  auch  die  seillichen  Kehlschilder  von  einem  solchen  Schuppengürlel  umfasst 
wurden,  liisst  sicli  bis  jetzt  nicht  angeben. 

Die  Schuppen  selbst  werden  von  den  bisherigen  Beobachtern  verschieden  geschildert. 
Goldfuss  (a.  a.  0.  S.  10.)  bezeichnet  sie  nur  ganz  im  Allgemeinen  als  gekielte  Zingelschup- 
pen  und  vergleicht  sie  mit  den  Schuppen  von  Pfycliozoon  homalocephalum  hinsichtlich  ihrer 
Anordnung.  Den  Gürtel  am  Kehlpanzer  lässt  er  aus  Täfelchen  bestehen.  Ausführlicher  hat 
J.  Müller  sich  über  das  Schuppenkleid  von  Archegosaurus  ausgesprochen  (in  d.  Verhandl. 
d.  naturf.  Vereins  d.  Rheinlande.  Bd.  VI.  S.  81.  mit  Abbildungen  Taf.  IV.  Fig.  3.«.).  Er  sagt: 
„Die  Schuppen  sind  zum  grössten  Theile  lange  bandartige  Streifen,  einzelne  sind  selbst  bis 
„gegen  8'"  lang,  die  meisten  kürzer,  3 — 4'",  und  einzelne  sind  selbst  nicht  länger  als  breit.  — 
„Gegen  die  Seilen  hin  werden  die  Schuppen  immer  kürzer,  bis  zum  Elliptischen  und  Runden. 
„Indessen  sind  auch  an  anderen  Stellen  einzelne  (runde)  oder  elliptische  Schuppen  zwischen 
„den  längeren  eingestreut.  Auf  den  runden  und  elliptischen  Schuppen  bemerkt  man  mit  der 
„Lupe  feine  concentrische  Streifen.  Die  Mitte  dieser  Schuppen  ist  etwas  höher."  —  Das 
äussere  Anselm  des  von  ihm  a.  a.  0.  abgebildeten  Handstücks,  woraus  ich  Taf.  III.  Fig.  1.  die 
deutlichste  Stelle  habe  wieder  abbilden  lassen,  entspricht  allerdings  ganz  dieser  Schilderung, 
weit  weniger  aber  stimmt  die  Abbildung  selbst  mit  dem  Original  überein.  Die  angeblichen 
Streifen  von  8'"  Länge  haben  hier  zum  Theil  eine  viel  grössere  Ausdehnung,  sind  schmäler, 
als  im  Präparat,  und  zeigen  hur  mitunter  ein  knotiges  Ansehn,  was  ihnen  am  Original  stets' 
zukommt;  grade  so,  wie  es  in  meiner  Figur  gesehen  wird.  Dies  knotige  Ansehn  brachte 
mich  bald  auf  den  Gedanken,  dass  die  langen  Streifen  aus  den  fest  aneinander  geschobenen 
Schuppen  einer  Reihe  hervorgegangen  sein  möchten,  und  die  weitere  Untersuchung  bestätigte 
meine  Vermulhung;  ich  fand  die  aus  der  Reihe  mehr  oder  weniger  hinaustretenden  Spitzen 
der  Schuppen  mid  erkannte  an  der  concentrischen  Streifung  sehr  deutlich  die  Absetzung  der- 
selben in  jeder  einzelnen  Schuppe.  Weiterhin,  besonders  nach  den  Seilen  zu,  lösen  sich  nun 
che  Schuppen  wirklich  von  einander  ab,  sie  blieben  auch  im  versteinerten  Zustande  isolirte, 
ovallanzettliche  Körper,  und  ganz  am  Rande  sah  man  sie  nicht  mehr  oval,  sondern  auch  als 
völlig  kreisrunde  Warzen  mit  einem  Höcker  in  der  Mitte.  Diese  kleinsten  Schuppen  haben  den 
Durchmesser  von  einer  halben  Linie,  die  ovalen  sind  gegen  eine  Linie  lang,  die    oval- 


56     

lanzetllichen  bis  anderthalb,  selbst  z\Yei  Linien.  Da  wir  nun  in  dem  abgebildeten  Prä- 
parat die  Mittellinie  des  Rumpfes  wahrnehmen,  von  ^Yelcher  die  Schuppenreihen  nach  beiden 
Seiten  ausgehen,  und  dieser  Mittellinie  zunächst  die  längsten  Schuppen  stehen,  so  lag  es  nahe 
anzunehmen,  dass  der  Rucken  von  Archegosaurus  mit  längei-en  lanzettlichen  Schuppen,  die 
Seiten  dagegen  mit  kreisrunden  Ijedeckt  gewesen  seien ,  und  dass  zwischen  diesen  Gegen- 
sätzen der  Form  andere  ovale  Schuppen  den  allmäligen  Uebergang  bildeten. 

Ich  will  es  hier  noch  unerörtert  lassen,  ob  nicht  diesem  Augenschein  auch  eine  an- 
dere Deutung  gegejjcn  werden  könne,  und  mich  zunächst  zu  der  schon  berührten  Textur  der 
Schuppen  wenden.  Da  sieht  man  bald,  dass  die  concentrische  Streifung  nicht  allen  Schuppen 
zukommt,  sondern  nur  den  kürzeren  ovalen  und  kreisrunden,  während  die  längsten,  lanzettli- 
chen oft  eine  völlig  glatte,  der  Länge  nach  scharf  gekielte  Oberfläche  zeigen.  Hie  und  da 
tritt  neben  der  Spitze  solcher  Schuppen  zugleich  concentrische  Slieifung  auf,  deren  Anwesen- 
heit aber  immer  mit  einer  theihveisen  Verletzung  der  Schuppe  verbunden  ist;  man  überzeugt 
sich  durch  vergleichende  Betrachtung  vieler  Schuppen,  dass  jene  Streifung  nicht  der  Ober- 
fläche, sondern  den  Bruch  flächen  der  Schuppe  angehört,  mithin  die  innere  Structur  der 
Schuppenmaterie  darstellt.  Die  Schuppen  bestehen  aus  einer  blättrigen,  schichtweise  über- 
einander gelagerten  Materie  und  zeigen  somit  deutlich  das  blättrig  faserige  Gefüge  der  Horn- 
substanz,  aus  welcher  sie  zweifelsohne  bestanden.  Ihre  Oberfläche  war  also  nicht  gestreift, 
sondern  glatt,  massig  gewölljt,  der  Länge  nach  scharf  gekielt,  an  den  Seiten  gerundet  abfal- 
lend, am  Ende  zugespitzt,  mit  sanfter  Aljnahme  des  Kiels  auf  der  Oberfläche  gegen  die  Spitze 
hin;  ihre  Substanz  bestand  im  Innern  aus  concentrischen  Lagen  dünner  Hornblättchen,  welche 
im  zerbrochenen  Zustande  ein  concentrisch  gestreiftes  Ansehn  der  Bruchfläche  bewirken  muss- 
ten.  Indem,  nach  dieser  Erfahrung,  das  warzige,  genabelte  Ansehn  der  mehr  oder  weniger 
kreisrunden  Schuppen  schärfer  ins  Auge  gefassl  wurde,  zeigte  sich  an  mehreren  derselben 
sehr  deutlich  eine  verschiedene  Färbung  der  einfachen  centralen  "Warze  und  des  peripheri- 
schen gestreiften  Ringes;  jene  war  heller  und  hatte  die  Farbe  des  Umhüllungsgesteines,  die- 
ser die  reine  pechschwarze  Farbe  des  Schuppenmaterials.  Es  Hess  sich,  nach  Feststellung 
dieser  Thatsache,  nicht  mehr  daran  zweifeln,  dass  die  Sciiuppen  hohl  waren,  dass  sie  aus 
einer  tutenförmigen  peripherischen  lamellirten  Hornschicht  bestanden,  dass  sie  in  ihre  innere 
Höhlung  beim  Versteinern  Theile  des  Muttergesteins,  welches  sie  umhüllte,  aufnahmen  und  nun, 
zertrümmert  und  durchbrochen  von  der  Gewalt,  welche  die  Steinplatten  auseinander  riss,  auf 
deren  vormals  verbundenen  Flächen  die  Schuppen  jetzt  vor  uns  liegen,  nur  zum  kleineren 
Theil  ihre  glatte  Oberfläche  behielten,  meistens  in  der  Hornmasse  selbst  zerbrachen  und  wenn 
die  Bruchfläche  etwas  tiefer  die  Schuppen  durchsetzte,  auch  den  in  der  hohlen  Schuppe 
steckenden  Kern  des  Muttergesteins  zur  Anschauung  brachten.  Mit  dieser  Auffassung  stimmt 
die  genaue  Untersuchung  der  Gegenplatte  des  Handstlicks  völlig  überein;  sie  zeigt  uns  für 
alle  die  Schuppen,  welche  auf  der  Hauptplatte  erhaben  hervortraten,  entsprechende  Vertiefun- 
gen, aber  nur  sehr  selten  die  reine  glatte  Oberfläche  der  Schuppe,  sondern  gewöhnlich  Reste 


— -57     

des  schwarzen  kohligen  Schuppenniaterials,  die  als  abgelöste  Theile  der  hornigen  Schuppe 
an  den  Wänden  ihres  Abdrucks  hängen  blieben.  Fehlt  die  schwarze  Materie  in  der  Vertie- 
fung des  Abdrucks,  so  ist  letzterer  nicht  gestreift,  sondern  glatt  und  öfters  sehr  bestimmt  der 
Länge  nach  einmal  gefurchet,  welche  Furche  vom  Kiel  der  Schuppe  herrührt.  Mitunter  ist 
nur  das  Material  des  Kiels  im  Abdruck  hängen  geblieben,  der  übrige  Theil  der  Schuppe  hat 
sich  sciiarf  aus  der  Vertiefung  hervorgehoben. 

Bei  dieser  Ansicht  des  fraglichen  Präparates,  deren  Riclitigkeit  eine  allseitige  Untersu- 
chung bestätigie,  lag  es  nahe,  anzunehmen,  dass  die  grosse  Formverschiedenheit  der  Schup- 
pen weniger  von  einem  wirklichen  Unterschiede  in  Grösse  und  Gestalt,  den  ich  übrigens 
durchaus  nicht  ganz  in  Abrede  stellen  will,  herrühren  möchte,  als  vielmehr  von  der  Art  und 
Weise,  wie  sie  beim  Durchbruch  des  Gesteins  zerbrochen  wurden.  Stand  nämlich  die  oval- 
lanzettförmig gestaltete,  tutenai'tig  hohle,  nach  aussen  gewölbte,  mithin  kegelförmig  runde,  nicht 
blattartig  flache  Schuppe  senkrecht  oder  schief  geneigt  an  der  Stelle  im  Gestein,  wo  es  zer- 
brach, so  musste  der  Bruch  nicht  ihren  Längenumriss ,  sondern  eine  ihrer  Queiflächen  dar- 
stellen, er  niu.^ste  bei  ganz  senkrechter  Stellung  der  Schuppe  kreisrund,  bei  geneigter  Stel- 
lung elliptisch  ausfallen,  und  beide  Formen  müssten,  je  nachdem  der  Bruch  mehr  der  Spitze 
oder  mehr  der  Schuppenbasis  genähert  war,  in  kleineren  und  grösseren  Kreisen  oder  Ellipsen 
auftreten.  Nur  die  genau  nach  der  Längenachse  abgedruckten  oder  durchbrochenen  Schuppen 
konnten  den  wahren  ovallanzettlichen  Umriss  der  Schuppe  zeigen.  Ich  kann  nicht  läugnen, 
dass  mir  die  eben  ausgeführte  Auffassung  des  Präparates  sehr  zusagt,  weil  nur,  wenn  man 
sie  zugiebt,  es  erklärlich  wird,  warum  mitten  zwischen  den  ovallanzettlichen,  zu  Streifen  an- 
einander geschobenen  Schuppen  einzelne  elliptische  oder  gar  runde  auftreten  und  andererseits 
zwischen  den  ovalen  und  kreisrunden  Schuppen  hie  und  da  eine  lanzettliche  im  Gestein  liegt. 
Man  braucht  ja  nur  anzunehmen,  dass  im  ersteren  Falle  eine  oder  die  andere  Schuppe  auf- 
gerichtet stand,  während  die  benachbarten  niedergedrtickt  lagen,  und  umgekehrt  an  anderen 
Stellen  die  eine  flach  niedergediikkt  wurde,  während  die  sie  umgebenden  in  aufgerichteter 
Stellung  vom  Muttergestein  umhiilK  wurden.  Sieht  man  so  das  Präparat  an,  so  befänden  sich 
hauptsächlich  die  Schuppen  auf  der  Mitte  des  Rückens  in  niedergedrückter,  die  an  den  Seiten 
in  aufgerichteter  Stellung  (lurchlirochon  vor  uns,  und  letztere  zeigten  uns  eine  um  so  kreis- 
ruiulere  Form  und  eine  um  so  geringere  Grösse,  je  weiter  sie  von  der  Mitte  des  Rückens 
entfernt  waren.  Dies  alles  wäre  sehr  leicht  zu  begreifen,  wenn  man  annehmen  wollte,  dass 
das  hier  versteinerte  Rumpfstück  noch  seine  natürliche  gewölbte  Form  hatte,  als  es  in  das 
Muttergestein  sich  einbettete,  denn  bei  einer  solchen  gewölbten  Form  des  Rumpfes  mussten 
ja  grade  die  Schuppen  auf  der  ISlitte  des  Rückens  durch  den  Druck  des  aufliegenden  Thon- 
schlammes  heruntergepresst  und  zu  Streifen  aneinander  geschoben  werden,  während  die  seit- 
lichen auf  der  schief  abfallenden  Fläche  des  Bauches  stehenden  durch  eben  diesen  Druck 
mehr  aufgerichtet  und  vorn  nieder  gehalten  wurden.  Unter  solchen  Umständen  ward  der 
Sphärosiderit  fest  und  zerbrach   später  beim  Anschlagen  in  der  Ebene,   wo    er   die    geringste 

8 


58    

Cohärenz  hatte,  d.  h.  im  Niveau  des  Rückens,  wo  die  meisten  Schuppen  flach  lagen.  Dieser 
Bruch  riss  die  liegenden  Rückenschuppen  wagrecht,  die  steilstehenden  Seitenschuppen  senk- 
recht oder  schief  auseinander ;  jene  erscheinen  also  in  ihrem  normalen  Umriss,  diese  in  iliren 
Querschnitten,  welche  um  so  kleiner  sind,  je  näher  der  Spitze  der  Schnitt  geführt  wurde, 
d.  h.  je  tiefer  die  Basis  der  Schuppe  unter  dem  Niveau  der  Bruchfläche  sich  befindet.  Wurde 
die  Schuppe  selbst  gar  nicht  mehr  vom  Bruch  berührt,  so  erscheint  auf  ihm  zwar  nicht  ihre 
feste  Substanz  durchbrochen,  wohl  aber  die  von  der  Schuppe  aus  in  das  Umhüllungsgestein 
eingedrungenen  organischen  Extracte  als  Schatten  oder  dunklere  Farben  und  daher  rühren, 
wie  ich  glaube,  die  vielen  kleinen  unregelmässigen,  dunkleren  Tüpfelchen,  welche  man  ausser- 
halb der  wirklichen  Schuppen  und  ilirer  Theile  in  dem  genannten  Handstück  bemerkt.  Sie 
sind  die  petrificirten  organischen  Exlractivstoffe  der  einzelnen  Schuppen  und  können  zwar  auf 
diese  Weise  ganz  gut,  nicht  füghch  aber  auf  eine  andere  Weise  erklärt  werden ;  man  müsste 
denn  annehmen  wollen,  dass  an  den  Stellen,  wo  sich  diese  Schatten  finden,  nicht  hornige  und 
feste  Schuppen  standen,  sondern  weiche  Warzen,  die  keinen  festen  Rückstand  nach  dem  Zer- 
setzungsprocess  hinterliessen,  dem  die  organische  Substanz  aller  Organismen  durch  die  Petri- 
fication   unterliegt. 

Unter  den  lebenden  Amphibien  scheint  mir  die  Schuppenbildung  der  Monitoren  sich 
am  meisten  dem  geschilderten  Bau  der  Schuppen  von  Archegosaurus ,  wenigstens  im  äusseren 
Ansehn,  zu  nähern.  Die  Schuppen  dieser  Eidechsen  sind  ovale,  auf  der  Dorsalfläche  des  Rum- 
pfes und  der  Gliedmassen  scharf  gekielte  und  gewölbte  Hornschilder,  welche,  von  successiv 
kleinereu  warzenartigen  Höckerchen  umgeben,  durch  eine  weichere  Bindehaut  in  einander  über- 
gehen. An  den  Seiten  des  Rumpfes  nimmt  ihre  Grösse,  doch  höchstens  um  ^  des  Längendurch- 
messers ab,  am  Bauch  steigt  sie  wieder,  die  Schuppen  werden  hier  flacher,  parallelogrammati- 
scher.  Nur  in  den  Gelenkfalten  und  an  der  Gurgel,  wo  der  Hals  in  die  Brust  übergeht,  sinkt 
ihre  Grösse  bis  auf  \  des  mittleren  Längendurchmessers  der  Rückenschuppen.  Am  hinteren  Ende 
des  Kiels  zeigen  die  Rückenschuppen  einen  zum  Theil  offenen  Porus,  gleich  als  ob  ein  Schmier- 
oder Haarbalg  darin  steckte.  Schneidet  man  von  einer  Schuppe  die  gewölbte  Oberfläche  ab,  so 
bemerkt  man  dieselbe  concentrisch  streifige  Textur  ihrer  Hornsubstanz,  welche  ich  an  den  Schup- 
pen von  Archegosaurus  wahrgenommen  habe,  aber  keine  centrale  Höhle;  die  ganze  Schuppe  ist 
solide,  doch  sind  ihre  inneren  Kernschicliten  lockerer  gefügt  und  bestehen  aus  Forlsetzungen 
der  Cutis,  nicht  aus  der  Hornmasse  der  Epidermis.  Wir  müssen  also  annehmen,  dass  diese 
lockere  centrale  Masse  an  den  Schuppen  von  Archegosaurus  schon  vor  der  Petrification  völlig 
ausgefault  war  und  dadurch  jener  hohle  Raum  im  Innern  entstanden  ist. 

§.  27. 

Nur  in  seltenen  Fällen  hat  man  Gelegenheit,  die  Schuppen  mit  ihrer  frei  liegenden 
äusseren  Oberfläche  zu  sehen;  das  von  J.  Müller  und  mir  abgebildete  Stück  ist  das  einzige 
der  Art,  welches  bis  jetzt  aufgefunden  wurde.  Dagegen  sieht  man  sie  sehr  häufig  und  an 
den  meisten  Exemplaren  von  ilirer  inneren  Fläche,  mit  welcher   sie   an   oder  in  der  organi- 


59     

sirten  lebendigen  Haut,  der  Cutis,  sassen.  Sie  gewähren  in  dieser  Stellung  einen  völlig  von 
der  vorigen  Scliilderung  verschiedenen  Anblick  und  bedürfen  deshalb  auch  von  ihrer  inneren 
Seite  einer  näheren  Beschreibung  und  Erklärung.  Nirgends  habe  ich  sie  in  dieser  Stellung 
deutlicher  beobachten  können,  als  an  der  unteren  Hälfle  des  schönen  Exemplares,  welches 
ich  auf  Taf.  III.  in  Fig.  3.  u.  4.  habe  abbilden  lassen ;  besonders  an  dem  Hauptabdruck  in  Fig.  3.; 
weniger  gut  an  dem  in  Fig.  4.  abgebildeten  Gegendruck.  Hier  erscheinen  nun  die  Schuppen 
als  lange  schmale,  beiderseits  zugespitzte  Lanzetten  von  2\  bis  fast  3  Linien  Länge,  welche 
nach  der  Richtung  der  Schuppenreihen  schief  mit  ihrer  Längenachse  gegen  die  Mittellinie  ge- 
stellt sind.  Die  dem  Kopfende  des  Thieres  zugewendete  Hälfte  der  Lanzette  ist  ihrer  ganzen 
Länge  nach  ausgehöhlt,  an  dem  beiderseits  aufgeworfenen  Rande  abgerundet  und  mit  dem 
äussersten  vordersten  Ende  herabgebogen ;  die  entgegenstehende,  dem  Schwanzende  des  Thieres 
zugewendete  Hälfte  hat  eine  etwas  grössere  Breite,  beträchtlichere  Dicke  in  ihrer  Substanz 
und  lässt  darum  eine  mittlere  kegelförmige  Höhle  frei,  die  in  diesen  hintern  Theil  der  Schuppe 
sich  hineinsenkt.  So  vollständig  mit  ihren  beiden  verschieden  geformten  Hälften  sieht  man 
aber  nur  sehr  wenige,  einzelne  Schuppen  am  Rande  des  Präparats ;  von  den  meisten  sind  nur 
die  vorderen  ausgefurchten,  offenen  Hälften  sichtbar,  weil  in  der  gedrängten  Anordnung,  in 
welcher  die  Schuppen  auf  einander  folgen,  jede  vorhergehende  Schuppe  von  der  nachfol- 
genden um  mehr  als  die  Hälfte,  und  namentlich  immer  in  ihrem  dickeren  hohlen  Endtheil, 
verdeckt  wird.  Die  frei  sichtbaren  vorderen  Hälften  liegen  wie  Dachziegel  übereinander,  die 
nach  vorn  gerichtete  Spitze  ist  frei  und  in  der  tiefen  Längsfurche,  welche  bald  hinter  ihr  be- 
ginnt, liegt  schon  die  Spitze  der  nächstfolgenden  Schuppe,  mit  dem  darauf  folgenden  allmälig 
breiteren  Theile  die  Furche  in  der  Grundhälfte  der  vorhergehenden  Schuppe  fast  ganz  ausfül- 
lend. Die  Schuppen  erscheinen  in  dieser  Anordnung  wie  hohle,  halbofi"ene  Stacheln,  deren 
Spitzen  nach  vorn  und  gegen  die  Mittellinie  des  Rumpfes  gewendet  sind,  während  ihre  Basis 
in  dem  umhüllenden  Muttergestein  steckt.  Diese  scheinbare  Basis  ist  aber  nichts  anderes,  als 
die  frei  auf  der  Haut  liegende,  ovallanzettliche,  gewölbte  und  gekielte  Schuppe  selbst;  —  was 
wir,  bei  der  Betrachtung  des  Schuppenkleides  von  innen,  als  stachelförmige,  schmale,  zuge- 
spitzte, tief  ausgefurchte  Schuppe  wahrnehmen,  das  ist  die  wirkliche  Basis  der  langgestreck- 
*  ten,  tutenfönnigen,  gewölbten  Schuppe,  der  leicht  aufgeworfene  Rand  der  langen  Tuteumün- 
dung,  mit  welcher  die  hornige  Schuppe  auf  der  fleischigen  Haut  sass,  und  durch  ihn  in  die 
benachbarten  Theile  der  die  Schuppen  verbindenden  Epidermis  überging.  Diesen  basalen  Theil 
mitgerechnet,  sind  also  die  Schuppen  auf  der  Mitte  des  Bauches  in  der  That  bis  drei  Linien 
lang,  obgleich  der  gewölbte  und  gekielte,  frei  aus  der  Hautfläche  hervorragende  Theil  nur 
die  Hälfte  dieser  Länge  einnimmt  und  kaum  1  ^  Linien  Länge  überschreiten  wird.  —  Ich  halje 
mich  übrigens  durch  eine  vergleichende  Betrachtung  davon  überzeugen  können,  dass  dieser 
frei  aus  der  Hautfläche  hervorragende,  gleichsam  äussere  Theil  der  Schuppe  gegen  die  Mitte 
des  Bauches  hin  an  den  einzelnen  Schuppen  allmälig  breiter  und  flacher  wurde,  mithin  auch 
an  dieser  Seite  des  Körpers  eine  gewisse  Grössendifferenz   der  Schuppen  Statt  hat;   daneben 

8* 


—     60     

aber  habe  ich  in  dem  auf  oder  in  der  Haut  sitzenden  gefurchten  basalen  Theil  der  Schuppe 
keine  merklichen  Grössenunterschiede  wahrnehmen  können.  Am  deutlichsten  abgeplattet  erschie- 
nen mir  die  Schuppen  in  dem  Gürtel  unmiKelbar  hinler  der  mittleren  Kehlplatte.  Die  kürze- 
sten aber  an  der  Basis  breitesten  Schuppen,  von  fast  kegelförmig  warzigem  Ansehn,  fand  ich 
in  dem  AVinkel  der  Brustgegend,  wo  der  beschriebene  Schuppenring  hinter  der  mittleren  Kehl- 
platle  an  die  ersten  schiefen  Reihen  stösst,  welche  unmittelbar  von  seinem  Rande  auf  der 
Mi(te  der  Brust  ausgehen.  Diese  warzenförmigen  Schuppen  bilden  die  Anfange  von  Schup- 
penreihen, deren  spätere  Schuppen  schnell  spitzer  werden  und  bald  das  schlanke  Ansehn  der 
übrigen  gewinnen. 

Die  Abbildunor,  welche  Goldfuss  a.  a.  0.  Taf.  II.  Fig.  4.  gegeben  hat,  stellt  die  basale 
Seite  der  Schuppen  von  der  inneren  Fläche  der  Haut  ziemlich  kennllich,  nur  etwas  zu  kurz,  dar, 
soll  aber  nach  Angabe  in  der  Figiirenerklärung  die  Sculptur  der  Kopfknochen  vorstellen,  mit 
welcher  sie  freilich  gar  keine  Aehnlichkeit  hat.  Ich  möchte  annehmen,  dass  das  ein  Schreibfeh- 
ler ist.  Für  weniger  gelungen  niuss  ich  die  Darstelking  der  Schuppen  in  Fig.  1.  auf  Taf.  III. 
ebenda  erklären;  die  einzelnen  Schuppen  sind  viel  zu  gross  im  Vergleich  mit  der  Grösse  des 
Thiers.  Die  kleiner  geschuppte  Stelle  dieser  Figur,  welche  mit  ii.  bezeichnet  und  daneben  unter 
0.  vergrössert  gezeichnet  ist,  gehört  nichl,  wie  Goldfuss  S.  10.  angiebt,  zum  Arc/icfjosniirits, 
sondern  ist  das  Schuppenkleid  eines  Fisches  aus  der  Familie  der  Ganoiden,  dem  auch  die  da- 
zwischen liegenden  Gräten  (/)  und  gegliederten  Flossenstrahlen  angehören.  Man  sieht  auf  die- 
sen kleinen  rautenförmigen  Täfelscluippen  noch  sehr  deutlich  die  emaillirte  Oberfläche,  welche 
den  Schuppen  von  Ar(/ie<josuiirns  fehlt,  und  bemerkt  unter  den  übrigens  gleich  grossen  Schup- 
pen eine  sehr  ausgezeichnete  ununterbrochene  grössere  Reihe,  welche  wahrscheinlich  die  Linea 
lateralis  des  Fisches  bildete.  Es  lässt  sich,  nach  Erforschung  dieser  Thatsachen,  keinen  Augen- 
blick bezweifeln,  d;iss  wir  in  der  kieingeschuppten  Gegend  die  Contenta  des  geplatzten  Jhigens 
von  Arc/icgusHiiriis  vor  uns  haben,  und  jener  Fisch  vom  Arc/icyosaiiriis  gefressen  und  ver- 
zehrt wurde.  Diese  Annahme  erhält  ihre  Bestätigung  durch  die  Untersuchung  des  grösseren  von 
mir  auf  Taf.  III.  in  Fig.  3.  u.  4.  abgebildeten  Exemplares.  Da  findet  man  ,  ziemlich  an  derselben 
Stelle  des  Körpers,  zusammengehäufte  Gruppen  ganz  derselben  Schuppen  ( a.  a.  0.  s.S.),  und 
überzeugt  sich  durch  ihre  unlereinandergeslreute  Anordnung,  dass  bei  diesem  E.veniplar  der  Ver- 
dauungsprocess  im  Moment  seines  Todes  schon  weiter  furlgeschritten  war,  als  bei  dem  anderen; 
denn  bei  ihm  blieb  das  Schuppenkleid  des  Fisches  noch  grossentheils  im  Zusammenhange,  wäh- 
rend bei  jenem  Archegusuitriis  eben  nur  die  isolirten,  harten,  ganz  unverdaulichen  Schüppchen 
sich  erhallen  haben.  Welchem  Fisch  das  Schuppenkleid  angehört  haben  möchte,  wage  ich  nicht 
anzugeben,  es  sciieint  aber  nicht  bloss  ein  und  dieselbe  Art,  sondern  auch  eine  damals  häufige 
Spezies  gewesen  zu  sein,  denn  ich  finde  Reste  ihres  Schuppenkleides  in  kleineren  Fetzen  mehr- 
mals neben  den  Arcliciiosaiinis-^iis\.iin,  z.  B.  neben  dem  kleinen  zierlichen  Schädel  des  jüng- 
sten Exemplares,  welches  ich  Taf.  I  Fig.  4.  zur  Abbildung  gebracht  habe.  Dem  Arc/iegosaurns 
Selbst  kann  dies  unverkennbare  Schuppenkleid  nicht  angehört  haben;  denn  mit  der  beschriebenen 
Schuppenbildung  desselben  bat  es  gar  keine  Aehnlichkeit.  Aus  seiner  Lage  im  Innern  zweier^ 
Exemplare  an  gleicher  Stelle  dürfen  wir  wohl  folgern,  dass  der  Besitzer  desselben  zur  Nahrung 
der  Archegosauren  diente,  und  dass  in  der  Gegend  des  Körpers,  wo  jetzt  diese  Fischschup- 
pen liegen,  der  Magen  der  Thiere  sich  befand,  welche  den  Fisch  verzehrten. 


61 


§■  28. 

Nachdem  wir  uns  duicli  die  vorgetragenen  Thatsachen  und  Betraclitungen  von  den 
Bedeckungen  des  Rumpfes  der  Archego  sauren  eine  Vorstellung  zu  verschaffen  gesucht 
haben,  bleibt  keine  Frage  von  Bedeutung  über  die  Organisation  dieser  Geschöpfe,  so  weit  sie 
aus  den  noch  \orhandenen  Resten  zur  Entscheidung  gebracht  werden  kann,  weiter  zu  beant- 
worten; wir  sind  also  an  das  Ende  unserer  allgemeinen  Untersuchung  gelangt,  und  bescUiessen 
dieselbe  mit  einigen  Betrachtungen  über  die  Lebensweise  der  Archegosauren,  um  dann  im 
letzten  Abschnitt  die  speziellen  Unterschiede  noch  einer  kurzen  Prüfung  zu  unterwerfen. 

Die  wichtigste  Frage  dieses  Gebietes  ist  offenbar  die,  ob  der  Arche(fosaurus  ein 
Landfhier,  oder  ein  Wasserbewohner  gewesen  sein  din-fte.  Dass  wir  seine  Gebeine  in  einer 
marinen  Sedimentbildung  antreffen,  wiiide  nicht  viel  beweisen,  weder  für  seinen  Aufenthalt  im 
Meere,  noch  im  Wasser  überluiu[)t,  weil  die  bisher  aufgefundenen  Reste  augenscheinlich  in 
einem  stark  zerstörten  Zustande  sich  befinden  und  allem  Anschein  schon  lange  todt,  selbst  in 
Fäulniss  übergegangen  waren,  ehe  sie  an  ihre  Lagerstätte  gelangten.  Das  könnten  sie  freilich 
auch  sein,  selbst  wenn  die  Thiere  an  Ort  und  Stelle  im  Meere  gelebt  hätten,  allein  dann 
sollte  man  wenigstens  ein  oder  das  andere  vollständige  Exemplar  unter  diesen  vielen  zer- 
trümmerten erwarten  dürfen.  Vergeblich  sieht  man  sich  nach  einem  solchen  um,  vergeblich 
nach  irgend  einem  wohlerhaltenen  Labyrinthodonten  üljerhaupt;  während  ganz  oder  fast 
vollständige  Enaliosaurier  nicht  so  gar  selten  sind.  Die  aber  lebten  im  Meere  und  star- 
ben an  Ort  und  Stelle,  wo  sie  liegen;  die  Labyrinthodonten  dagegen  scheinen  nicht  da,  wo 
ihre  Gebeine  liegen,  gestorben  zu  sein,  sondern  von  anderswo  herbeigeschatll.  Die  bewegen- 
den Kräfte  waren  ohne  Frage  fliessende  süsse  Gewässer;  sie  führten  die  Kadaver,  noch  heil 
oder  zertrümmert,  dem  Meere  zu;  es  entsteht  also  die  Frage,  ob  vielleicht  diese  Gewässer 
die  Aufenthaltsorte  der  Labyrinthodonten  gewesen  seien.  —  Ich  glaube  das  nicht,  wenigstens 
in  so  fern  nicht,  als  ich  bestreiten  nuiss,  dass  die  Labyrinthodonten  ausschliesslich  im  Wasser 
gelebt  haben.  Mir  spricht  ihre  Hautbedeckung  direct  gegen  eine  solche  Annahme.  Kein  aus- 
schliesslicher Süsswasserbewohner  hat  gegenwärtig  unter  den  Amphibien,  und  gewiss  nicht 
unter  den  Sauriern,  ein  solides  Schuppenkleid;  alle  ausschliesslichen  Süsswasserbewohner 
sind  entweder  von  einer  feuchten,  schlüpfeiigen  Schleimhaut,  oder  von  einer  weichen,  schwie- 
lig warzigen  Epidermis  bedeckt.  Archegosauriis  hat  weder  die  eine,  noch  die  andere  Haut- 
bildung; seine  Oberhaut  war  hornig,  wie  bei  Landbewohnern,  und  darum  scheint  mir  dieser 
Aufenthalt  auch  der  normale  für  Arcliegosaurus  zu  sein.  —  Und  doch  fressen  sie  Fische, 
wird  man  mir  einwenden  wolleril  —  Warum  nicht?  —  Fressen  doch  die  Gaviale  ebenfalls 
Fische  und  zwar  vorzugsweise,  weshalb  sollten  nicht  auch  die  Labvrinthodonten  es  gethan 
haben,  wie  das  durch  Arcliegosaurus  bewiesen  wird.  Wie  die  Crocodile  und  die  Mo- 
nitoren ihrer  eigentlichen  Organisation  nach  Landthiere  sind,  die  freilich  oft  und  gern  ins 
Wasser  gehen,    so  sind  es  wahrscheinlich  auch  die  Labyrinthodonten  gewesen;   und   wie   die 


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heuligen  Monitoren  nicht  bloss  in  fliessende  Gewässer,  sondern  auch  in  Teiche  und  grössere 
Seen,  in  die  Lagunen  und  vielleicht  selbst  in  Binnenmeere  nahe  der  Küste  sich  wagen, 
(Meyen  fand  sie  in  der  haguna  de  Buy  von  Manilla.  Beitr.  z.  Zool.  451.),  so  werden  auch 
die  Archegosauren  von  ihrem  heimathliclien  Uferrande  aus  nach  Fischen  sich  ins  Meer  ge- 
stürzt haben.  Um  das  zu  können,  bedurften  sie  so  wenig  der  Kiemen,  wie  die  Crocodilier 
und  Monitoren  ihrer  bedürfen  und  da  wir  gegenwärtig  kein  AraphilKum  kennen,  das  Kiemen 
mit  einer  beschuppten  hornigen  Oberhaut  in  sich  vereint,  so  kann  ich  auch  nicht  annehmen, 
dass  Archegosaurus  beide  zusammen  besessen  habe.  Freilich  giebt  es  heute  auch  keine  Am- 
phibien mit  beschuppter  horniger  Oberhaut  und  gleichzeitigem  doppeltem  condylus  occipita- 
lis,  aber  der  doppelte  condylus  fordert  noch  keine  Kiemenathmung ;  wohl  aber  fordert  die 
KiemenathmuDg  einen  entwickelten  Kiementrageapparat,  von  dem  bei  Archegosaurus  keine 
Spur  vorhanden  ist.  Und  deshalb  stelle  ich  auch  die  Kiemen  bei  ihm  in  Abrede,  so  gut  wie 
seine  directe  Afünität  zu  den  nackten  Amphibien;  ich  bleibe  nach  wie  vor  der  Ansicht,  dass 
die  allgemeine  Körperbildung  der  Labyrinthodouten  eidechsenartig  gewesen  ist,  und  dass  ne- 
ben dieser  typischen  Grundlage  die  bestimmenden  Charaktere  verschiedener  anderer,  in  der 
Gegenwarf  heterogener  Amphibiengruppen  zum  Familiencharakter  der  Labyrinthodouten  zusam- 
mengesetzt wurden.  Mit  dieser  Mischung  in  Form  und  Bildung  harmonirte  natürlich  auch  die 
Lebensweise  und  obgleich  Landthier,  seiner  bestimmenden  Natur  nach,  ging  der  Archegosau- 
rus doch  ebenso  gern  ins  Wasser,  und  nicht  bloss  in  Seen  oder  Flüsse,  sondern  auch  ins 
Meer,  denn  er  frass  Fische  um  so  gewisser,  als  ausser  ihm  und  seines  Gleichen  noch  keine 
Rückgratthiere  auf  dem  Lande  in  damaliger  Zeit  vorhanden  gewesen  zu  sein  scheinen! 


Vierter  Abisclinitt. 

Von  den  Familien-,  Gattungs-  und  Art-Eigenthümlichkeiten. 


§•  29. 

Am  Schluss  meiner  Schrift  über  Trematosaurus  habe  ich  (S.  68.)  eine  scharfe  Defi- 
nition der  Labyrinthodonten  zu  geben  versucht  und  die  erwähnte  Gattung  von  den  übri- 
gen auf  dieselbe  Weise  unterschieden.  Die  genauere  Belianntscliaft  mit  der  hier  behandelten 
Gattung  setzt  mich  in  den  Stand,  diese  Definition  einer  Prüfung  zu  unterwerfen;  sie  verlangt 
weiter  eine  ebenso  scharfe  Feststellung  ihrer  selbst  im  Einklänge  mit  der  bisher  ausführlich 
dargelegten  Organisation,  und  nöthigt  am  Schluss  zu  einer  Untersuchimg  über  etwa  vorhan- 
dene Artunterschiede  innerhalb  ihrer  Grenzen  um  so  mehr,  als  frühere  Schriftsteller  schon  zur 
Annahme  von  vier  verschiedenen  Arten  Veranlassung  gefunden  hatten. 

Die  Familiendefinition  der  Labyrinthodonten  erleidet  durch  die  genauere  Kunde  des 
Archegosaurus  eine  sehr  wesentliche  Veränderung,  welche  den  aufgestellten  Charakter  der 
Zahnstrnctur  betrißl,  denn  Archegosaurus  hat  nicht  die  substuntia  dentium  labyrinthice 
complicata,  wie  ich  weiter  oben  (§.  13.)  ausfiihrlich  nachgewiesen  habe.  Dieser  Passus  der 
Definition  ist  also  nicht  mehr  allgemein  gültig  und  muss  entweder  ganz  wegfallen,  oder  die 
Alternative  in  sich  aufnehmen,  welche  die  Labyrinthodonten  in  ihrem  Zahnbau  enthalten.  Ich 
entscheide  mich  für  das  Letzte,  und  setze  statt  jener  obigen  Worte  nunmehr  folgende: 

Substantia  dentium  interna  radiatim  complicata,  superficie  externa  longitudinaliter 
striata:  plicis  dentinae  internis  vel  rectis,  interstitio  aperto  sejunctis,  vel  labgriti- 
thice  undulatis  arcteque  sibi  appressis. 

Hiernach  darf  auf  die  Zahnstrnctur  der  Labyrinthodonten  nicht  mehr  das  hauptsäch- 
hchste  systematische  Gewicht  gelegt  werden,   \ielmehr   tritt   statt  ihrer,   als   der   einzige  aus- 


64     

schliesslich  ihnen  eigene  Faniilienchaiakler,  die  von  mir  zuerst  mit  Nachdruck  horvorgehobeDe 
vollständige  Ueberwölbung  der  Schläfengruben  auf;  sie  bezeichnet  die  Labyrin- 
thodonten  scharf  und  sicher  als  eine  eigenthümliche,  von  allen  anderen  Amphibien  abgeson- 
derte Gruppe.  Ob  die  drei  Kopffurchensysteme  ihren  sämmtlichen  Gattungen  in  gleicher  An- 
ordnung zukommen,  ist  weniger  gewiss;  bei  Archegosaurus  habe  ich  nur  das  Stirnsystem 
deutlich  gefunden,  will  indessen  den  Mangel  der  beiden  anderen  nicht  gradezu  behaupten. 
Nicht  minder  unsicher  bleibt  die  Anwesenheit  grösserer  Fangzähne  im  Unterkiefer  hinter  der 
Kieferzahnreihe;  sie  scheinen  wü-klich  der  Gattung  Archegosaurus  zu  fehlen,  dagegen  aber 
die  Kieferzähne  selbst  an  der  Biegungsstelle  einen  relativ  grösseren  Umfang  zu  haben.  Des- 
halb dürfte  die  Angabe  der  grossen  Fangzähne  des  Unterkiefers  aus  der  Familiendefinilion 
zu  streichen  sein.  Alle  übrigen  Bildungsverhältnisse  der  Gattung  stimmen  zu  dem  a.  a.  0. 
aufgestellten  Familiencharakter;  seine  dermalige  Geltung  steht  also  fest  und  ist  durch  die  Un- 
tersuchung von  Archegosaurus  lun-  bekräftigt  worden. 

Ich  gedenke  liier  anhangsweise  der  Kopffurchen  nochmals  in  einem  anderen  Sinne, 
um  wo  möglich  ihren  Zweck  weiter  zu  ergründen.  Früher  habe  ich  sie  mit  dem  Wasserkanal- 
system der  Fische,  das  Hyril  uns  kennen  lehrte  (Müllers  Arch.  1843.  S.224.),  verglichen  und  aus 
ihrer  Isolation  abzuleiten  gesucht,  dass  sie  demselben  nicht  zu  entsprechen  scheinen.  Indessen  stehen 
diese  Halbkanäle  wohl  in  einer  ähnlichen  Beziehung  zur  Haut,  wie  die  sirahligen  Furchen  auf  dem 
Schädelknochen,  und  wenn  letztere  als  die  Behälter  der  ernährenden  und  belebenden  Theile  des 
Hautsystems  im  Allgemeinen  anzusehen  sind,  wie  das  schon  ihre  öftere  Comnuniicalion  durch 
Gefässlöcher  mit  den  inneren  Höiilen  der  Knochen  beweist,  so  darf  man  die  Furchen  wohl  für 
die  Träger  eigenlhümiicher  accessorischer  Organe  hallen.  Scheinen  sie  nun  auch  Wasser  füh- 
rende Kanäle  nicht  gewesen  zu  sein,  so  könnten  sie  wohl  Behälter  von  Schleim  oder  Schmier 
absondernden  Säcken  oder  Schläuchen  zur  Erhallung  des  schlüpfrigen  Zustandes  der  Haut  abge- 
geben haben.  Die  lieutigen  beschuppten  Ampiiibien  besitzen  ähnliche  Apparate  in  ihrer  Haut;  die 
Moschusdrüse  am  Unterkiefer  der  Crocodile  und  die  Poren  an  den  Schenkeln  vieler  Saurier  ge- 
hören dahin.  Zahlreiche  Schleimsäcke  haben  die  nackten  Amphibien,  und  allgemein  ist  ein  Haut- 
schleim absondernder  Apparat  bei  den  Fischen  vorhanden.  Die  Anordnung  des  lelztern  scheint 
der  Bildung  bei  den  Labyrinthodonlen  am  nächsten  zu  kommen,  besonders  seitdem  es  mir  ganz 
kürzlich  gelungen  ist,  Communicationsoffnungen  der  Halbkanäle  mit  dem  Innern  der  Kopfknochen 
aufzufinden.  Ich  habcan  dem  grossen  Schädel  von  Arclu-gosaunis  (abgebildet  Taf  I.  Fig.  1.) 
dergleichen  OefTnungen  an  mehreren  Stellen  der  Furche  auf  den  Nasenbeinen  deutlich  gesehen 
und  unter  der  Furche,  in  der  Knocbensubslanz,  grosse  Hölilungen  erkannt,  die  dem  Laufe  der 
Furche  folgen  und  ihr  Hervortreten  auch  auf  der  inneren  Seite  des  Knochens  als  Leiste  bewir- 
ken. In  der  restaurirten  Figur  auf  Taf.  IV.  habe  ich  diese  Höhlungen  unter  der  Furche  angege- 
ben. Hierdurch  scheint  mir  die  Uebereinstimmung  der  Kopffurchen  mit  den  ähnlichen  in  den 
Schädelknochen  der  Fische  bewiesen  zu  sein. 

§.  .30. 

Die  systematischen  Gattungscharaktere  von  Archegosaurus  liegen  besonders  in  denje- 
nigen Punkten  seiner  Organisation,  mit  welciien  er  vom  Familiencharakter  mehr  oder  weniger 


65     

abweicht.  In  der  Gesamnitfonn  durch  grössere  Sclilankheit  des  Kopfes  von  Trematosaurus, 
als  derjenigen  Gattung,  welche  nach  ihm  den  sclüanksten  Kopfbau  besitzt,  sich  entfernend, 
harmonirt  Archegosaurus  doch  im  allgemeinen  Ansehn  mit  derselben  am  meisten,  hat  aber 
mehr  nach  hinten  gerückte  Augenhöhlen  und  erinnert  dadurch  an  Capilosaurus.  Ihr  Abstand 
von  einander  ist  nicht  grade  grösser  als  der  Querdurchmesser  jeder  einzelnen  Augenöflhung, 
und  das  unterscheidet  Archegosaurus  sehr  bestimmt  sowohl  von  Trematosaurus ,  als  auch 
von  Capitusaurus,  während  eben  dieser  Charakter  an  Mastodotisaurus  und  Rhinosaurus, 
Gattungen,  die  einen  relativ  viel  kürzeren,  breileren  Kopf  haben,  ihn  anschliesst.  Ich  habe 
nach  diesen  verschiedenen  Beziehungen  schon  früher  (üeber  Trematosaurus,  S.  8.)  die  Stel- 
lung von  Archegosaurus  im  systematischen  Verbände  der  Labyrinthodonten-Gattungen  ange- 
geben, und  kann  auf  die  dort  mrtgetheilte  Tabelle  verweisen.  Was  ich  aber  damals  niclit 
■svusste,  die  auffallend  seitliche  Lage  dei-  schmalen,  weit  von  einander  abstehenden  Nasenlö- 
cher, und  die  eigenthümliche  Structur  der  Zähne  verbunden  mit  ihrer  Grössenzmialime  nach 
vorn  in  beiden  Kiefern,  das  würde  in  der  systematischen  Definition  der  Galtung  ganz  beson- 
ders hervor  zu  heben  sein,  und  selbige  hiernach  etwa  folgendermassen  lauten: 

Archegosaurus. 

Genus  Lahyrintho(lo7ttum  capite  trigono:  cavis  ocutorum  post  medium  totius 
capitis  sitis  orhifisque  sat  magnis,  interrallo  latitudini  orbitae  rix  vel  parum  super- 
unte  disjunctis;  ossibus  parietalibus  foramine  medio  suturali  perforatis  eoque  orbitis 
paulo  magis,  quam  7nargitn  occipitis  postico  approximato ;  ?iaribus  angustis,  pone  mar- 
ginem  maxillae  externum  sitis;  deutibus  omuibus  simpliciter  radiatim  complicatis,  an," 
ticis  utriusque  maxillae  majoribus,  dentibus  incisivis  magnitudine  aequatibus  (?)*). 

Seil  Abfassung  meiner  Schrift  über  Trematosaurus  hat  Eichvvald  eine  Gallung  der 
LaI)yrinlhodonlen  aus  dem  Zechsleine  des  Permschen  Gouvernements  bekannt  gemacht  {Bulletin 
de  hl  Socicte  iinp.  des  Natural,  d.  Moscou.  1848.  11.  S.  159.  SC7.  Taf.  2— 4.),  welche  den  Na- 
men Zi/yosaurns  lucbis  führt.  Ihre  Bildungsverhällnisse  sind  nocii  nicht  genügend  feslgeslelll, 
doch  scheint  die  allgemeine  Kopfform  am  meisten  zur  Galtung  Mastodoiisaurus  zu  passen.  Die 
Schnaulzenspilze  und  deY  äussere  Kieferrand  fehlen  dem  abgebildeten  Schädel,  und  die  grossen 
Zähne,  welche  man  in  den  Abbildungen  wahrnimmt,  halle  ich  für  Gaumenzähne.  Die  Nähte  der 
Kopfknochen  sind  nicht  dargestellt,  und  darum  kann  vor  der  Hand  die  syslemalische  Stellung  des 
Thieres  nicht  genau  angegeben  werden.  Was  in  der  Beschreibung  darüber  Iheils  an  Thalsachen, 
Iheils  an  Mulhmassungen  enlhallen  ist,  reicht  nicht  hin,  um  ein  sicheres,  positives  Urlheil  zu 
begründen. 

§•  31. 
Artenunterschiede  lassen  sich  schwerer  bestimmen,  bei  fossilen  Thieren,   als  GaWungs- 
eharaklere;  besonders  deshalb,  weil  zur  sicheren  Begründung  einer  Spezies  mehrere  Exem- 

*)  Man   berücksichtige   in   Bezug   auf   den   zuletzt   angegebeneu   Charakter   die   Note    zur   Scliilderung   des 
Arch.  lalirostris  in  §.  32. 

9 


66     

plare  und  wo  möglich  von  verschiedenem  Alter  nothwendig  sind,  ein  scharf  ausgeprägter 
Gattungsunterschied  aber  schon  an  einem  einzigen  Individuum  hervortreten  kann.  Ich  bin 
darum  von  je  her  geneigter  gewesen,  die  Aitenmenge  zu  reduciren  als  zu  vermehren,  und 
werde  auch  von  diesem  Grundsalze  bei  Ai'chegosauriis  um  so  weniger  lassen,  als  ich  die 
entschiedenen  Beweise  für  meine  Auffassung  in  Händen  zu  haben  glaube. 

Goldfuss  hat  bekanntlich  in  seiner  mehrmals  erwähnten  Abhandlung  drei  Arten  von 
Archegosaurus  unterschieden:  den  A.  Deckemi  S.  3.,  den  A.  medius  S.  6.  und  den  ^.  mi- 
nor S.  7.  Ich  halje  mich  schon  im  allgemeinen  Tlieile,  welcher  vom  Schädel  handelt,  dahin 
ausgesprochen  (S.  5 — 7.),  dass  diese  angeblichen  3  Arten  nur  verschiedene  Altersstufen  einer 
und  derselben  Spezies  vorstellen  und  habe  eine  vierte  Form,  aus  dem  frühesten  Jugendalter, 
denselben  hinzugefügt.  Mein  Beweis,  dass  sämmtliche  vier  Formen  nur  einer  Spezies  ange- 
hören, gründet  sich  auf  die  Beobachtung  lebender  Amphibienarten  in  ihrem  verschiedenen 
Alter,  namentlich  der  Crocodile,  und  da  dieser  Beweis  oben  nur  ganz  im  Allgemeinen  ge- 
halten ist,  so  scheint  es  mir  passend,  ihn  hier  weiter  auszuführen. 

Die  hiesigen  Sammlungen  besitzen  vortreffliche  Altersstufen  von  vier  verschiedenen 
Crocodilarten,  nämlich  von  Crocodihis  iiiloticus,  Cr.  biporcatus,  Cr.  sclerops  und  Cr.  lu- 
cius ;  die  jüngsten  Exemplare  sind  aus  dem  Ei  genommene  Embryonen,  das  älteste  gehört 
dem  Cr.  iiiloticus  an  und  besteht  aus  einem  Schädel  von  22^  Zoll  Länge.  Die  beste  Stu- 
fenreihe lieferte  Cr.  sclerops,  daher  ich  auf  den  allein  meine  Beweisführung  gründe,  die 
übrigen  nur  als  Hülfsmittel  für  diesen  Beweis  benutze.  Der  Gegenstand  aber,  welcher  zu  be- 
weisen ist,  würde  sein,  zu  zeigen,  dass  die  Schädeldimensionen  einer  jeden  Cro- 
codilart  mit  zunehmendem  Alter  sich  völlig  ebenso  verändern,  wie  die  Di- 
mensionen an  den  beobachteten  Formen  des  Archegosaurus  Dechenii. 

Der  Schädel  eines  vollendeten,  aus  dem  Ei  genommenen  Embryo  von  Cr.  sclerops 
ist  1 3  Linien  lang,  und  in  der  Scheitelgegend  6 1^  Linien  breit.  Die  Mitte  seiner  Gesammtlänge 
fällt  ziemlich  in  die  Mitte  des  Hauptstirnbeins,  d.  h.  zugleich  in  die  vordere  Hälfte  der  Augen- 
höhlen, deren  Länge  etwas  mehr  als  1  Drittel  der  ganzen  Schädellänge  beträgt.  Die  erha- 
bene Querleiste  vor  den  Augen,  welche  sich  über  die  Vorderstirnbeine  und  Thränenbeine 
erstreckt,  liegt  genau  auf  \  Drittel  der  Schädellänge.  Alle  diese  Verhältnisse  stimmen  mit  den 
am  jüngsten  von  mir  abgebildeten  Schädel  von  Archegosaurus  gefundenen  ziemlich  überein, 
wie  sich  aus  der  Tabelle  auf  S.  6.  ergiebt.  Der  nächst  ältere  Kopf  von  Cr.  sclerops  misst 
18|-  Linien  in  die  Länge,  während  die  Breite  seiner  Scheitelfläche  nur  8  Linien  beträgt;  die 
Mitte  seiner  ganzen  Länge  fällt  in  das  vorderste  Ende  des  Hauptstirnbeins,  liegt  also  nur  sehr 
wenig  hinter  dem  vorderen  Orbitalrande;  denn  auch  in  diesem  Alter  überschreitet  der  ge- 
nannte Rand  die  äusserste  Spitze  des  Hauptstirnbeins  nach  vorn.  Al^er  die  ganze  Länge  der 
Orbita,  welche  bei  dem  jüngsten  Exemplar  ebenso  lang  war,  wie  die  Scheitelfläche  oder 
wie  die  Schnautze  von  der  Spitze  bis  zur  queren  Stirnleiste,  ist  jetzt  schon  kürzer  als  letz- 
tere,  aber   etwas   länger   als   der  Scheitel,   und  beträgt  demnach  im  Ganzen  weniger  als  ein 


67     

Drittel  der  Kopfeslänge.  Die  Augenöffnnng  schreitet  also  mehr  zurück,  während  die  Schnautzen- 
spitze  sich  mehr  verlängert,  d.  Ii.  die  Knochen  der  vorderen  Schädelhälfte  \vachsen  viel  mehr 
in  die  Länge,  während  an  den  hinteren  die  V'ergrösserung  der  Längen-  und  Breiten-Dimen- 
sionen ziemlich  gleichen  Schritt  hält.  Dasselbe  fanden  wir  bei  der  Vergleiclumg  des  kleinsten 
und  des  nächstgrösseren  Schädels  von  Archegosaurus.  Dies  Resultat  bestätigt  sich,  wenn 
wir  eine  dritte  Altersstufe  von  Cr.  sclerops  untersuchen.  Bei  einer  Gesammtlänge  von  32 
Linien  hat  die  Scheitellläche  eine  Breite  von  1 2  Linien ;  die  Mitte  jenei-  Länge  fallt  in  die 
äusserste  Spitze  des  Hauplstirnbeins,  ^^ eiche  schon  etwas  weiter,  als  der  Orbitalrand  nach 
vorn  reicht,  so  dass  dessen  Grenze  genau  die  Lage  der  Schädelmitte  angiebt.  Die  Augen- 
öffnung hat  sich  um  so  \iel  verkürzt,  dass  sie  der  mittleren  Länge  der  Scheitellläche  gleich 
kommt,  sie  misst  also  nur  noch  ein  Viertel  der  Schädellänge,  statt  des  früheren  einen  Drittels 
in  erster  Jugend.  Zugleich  dehnt  sich  die  bis  dahin  äusserst  schmale  Backenfläche  unter  dem 
Auge  merklicher  aus;  die  Augenöffnungen,  früher  ganz  am  Rande  des  Mundes  gelegen,  rücken 
dadurch  mehr  nach  oben  auf  die  Stirn  hinauf  und  ihr  Abstand  von  einander  wird  nicht  in 
dem  Maasse  breiler,  wie  die  Breite  des  Schädels  zunimmt.  Daher  erscheint  auch  die  abge- 
plattete Scheitelfläche  immer  kleiner  gegen  den  nach  vorn  wie  aussen  hauptsächlich  ausge- 
wachsenen Schädel.  Es  wird  darum  Niemand  überraschen,  wenn  er  die  Mitte  des  Schädels 
ganz  alter  Individuen  weit  vor  dem  vorderen  Orbitalrande  lindet,  ja  selbst  aus  dem  Stirnbein, 
dessen  Spitze  sich  doch  immer  weiter  vordrängt,  heraus  auf  die  Nasenbeine  gerückt.  Die 
Augenöffnungen,  anfangs  länger,  später  ebenso  lang  wie  die  Scheitelfläche,  sind  jetzt  ein 
wenig  kürzer,  und  die  Jochbeine  neben  ihnen  halben  fast  dieselbe  Breite  wie  die  Augenhöh- 
len. Die  Schnautze  aJier,  bisher  schlank,  ist  trotz  ihrer  grösseren  Länge  breiter  geworden, 
weil  namentlich  die  Oberkieferbeine  sich  ebenso  sehr  in  die  Breite  ausdehnen,  wie  die  Joch- 
beine, wenn  das  Thier  den  höheren  Altersstufen  näher  rückt.  Dadurch  besonders  erhält  der 
Kopf  sein  plumperes  Ansehn.  .Sehr  gut  lässt  sich  übrigens  das  Alter  eines  Crocodilschädels 
an  tier  Stellung  des  letzten  Backzahnes  zur  Augenhöhle  bestimmen;  je  jünger  das  Thier  ist, 
desto  weiter  steht  er  nach  hinten.  So  stehen  z.  B.  in  der  ersten  Jugend  die  7  Backzähne 
der  zweiten  Gruppe  alle  unter  der  Augenöffnung.  Anfangs  treten  davon  nur  6  auf,  der 
kleinste  hinterste  kommt  später  nach.  Indem  nun  die  Augenöffnung  zurückschreitet,  rückt  ein 
Zahn  dieser  Gruppe  nach  dem  andern  über  sie  hinaus  und  zuletzt,  im  höchsten  Alter,  bleibt 
keiner  von  allen  hinter  ihr  zurück,  denn  der  aUerletzte  siebente  pflegt  dann  grade  vmter  ihrem 
vordersten  Rande  zu  stehen.  Das  findet  bei  allen  Crocodilen  Statt,  aber  nicht  so  beim  Ga- 
vial,  vielleicht  weil  der  keine  differenten  Zahngruppen  besitzt.  Darin  aJjer  bleiben  Gaviale 
und  ächte  Crocodile  nebst  den  Alligatoren  sich  gleich,  dass  bei  den  Individuen  von 
sehr  hohem  Alter  kein  Zahn  mehr  hinter  dem  Orbitalrande  steht,  sondern  der  letzte  von  aUen 
grade  unter  oder  seligst  schon  ^or  ihm.  So  weit  ist  also  das  Auge  zurückgeschritten,  wäh- 
rend die  Schnautzenspitze  vonückte. 

Nach  Darleguns;  dieser  Thatsachen  wird  man  nicht  mehr  daran  zweifeln  können,  dass 

9* 


68    

die  sechs  Formen,  welche  ich  in  der  Tabelle  auf  S.  6.  zusanimeneeslellt  habe,  einen  ganz 
ähnlichen  Entwickelangsgang  darstellen,  als  die  eben  angegebenen  von  CrocodUus  sclerops, 
und  meine  dort  ausgesprochene  Ansicht,  dass  sie  nur  die  Altersstufen  einer  Art  seien,  findet 
hierin  ihre  Rechtfertigung.  Ich  halte  sie  jetzt  für  eine  wissenschaftlich  begründete  Thatsache 
und  schliesse  die  Untersuchung  über  die  spezifischen  Unterschiede  der  Ar chegosauren 
dahin,  dass  alle  länglich  dreiseitigen  spitzköpiigen  Individuen,  bis  zu  den  mit  gleichseitig  drei- 
eckigem Kopfe  hinunter,  zu  einer  Art  gehören,  für  welche  ich  den  Namen: 

Arcliegosaurus  Declienii 

beibehalte.     Ihre  Definition  würde  so  lauten: 

Arch.  capite  elongato-trigono ,  suhacufo;  dentibus  incisivis  16  —  18;  ossi- 
hus  7iosaUbus  in  quaque  aetate  longitudini  ossium  frnntuVuun  adaequantibus ;  or- 
bitis  intervallo  vix  lutitudhiem  orbilae  superante  sejunctis. 

a.  hidividua  juvenilia ,  longUud.  capitis  \i — 24,  latitud.  10 — 1ö  linearum.    Icon 
nustr.  tab.  I.  fig.  i. 

Arch.   minor    Goldf.   Beitr.   z.   vorweltl.   Fauna   d.    Steinkolüengeb.    etc.    7.    3. 
Taf.  III.  Fig.  2. 

b.  hidividua  mediae  aefatis,  longitud.  capitis  30 — 30,    latitud.  20 — 24  linearum. 
Icon  nostr.  tab.  IL  fig.  1.  2.  5.  fi. 

Arch.  medius  Goldf  I.  1.  G.  2.  Taf.  III.  Fig.  1. 

c.  Indicidua  majora,  longitud.  capitis   'i — ö,  latitud.  2|  —  3  nnciarum. 

4  Arch.    Dechenii  .lordan,    Verhandi.    d.    naturf.  Vereins    d.  Rheinlande  VI.   7G. 

Taf  IV.  Fig.  1. 

d.  Individua  matura  C?^,  longitud.  capitis  ^ — "i,  latitud.  3]  —  Z^unciarum.   Icon 
nostr.  t(d).  I.  fig.  1.  tab.  IV.  fig.  1. 

Arch.    Dechenii  Goldf.  1.  I.  V.  3.    I.  Taf.  1.  Fig.  1.  2.     Leonh.  u.  Bronn  n. 

Jahrb.  1847.  400.  Taf.  6. 
Bei  lebenden  Crocodilen  pflegt  die  Länge  des  Kopfes  ein  Fünftel  der  ganzen 
Körperlänge,  bei  den  Gavialen  zwei  Hilft el  zu  betragen.  Die  typischen  Saurier  haben 
im  Ganzen  relativ  viel  kleinere  Köpfe,  die  Salaniandrinen  ebenfalls,  obgleich  die  Differenz 
hier  nicht  so  gross  ist.  Bei  der  gemeinen  Salamandra  maculata  beträgt  der  Kopf  weniger 
als  ein  Achtel  der  ganzen  Länge,  bisweilen  nur  ein  jNeunlel,  bei  Triton  cristatus  etwa 
ein  Siebentel.  Nehmen  wir  also  nur  die  Verhältnisse  derjenigen  geschwänzten  Amphibien, 
welche  den  relativ  grössten  Kopf  haben,  d.  h.  der  Crocodile,  so  erreichten  die  ausgewachse- 
nen Individuen  von  Archogosaurus  Dechenii  mindestens  35  Zoll,  d.  h.  ziemlich  drei  Fuss; 
die  jüngsten  Exejnplare,  deren  Schädel  wir  kennen,  mögen  8 — 10  Zoll  lang  gewesen  sein 
weil  ihnen  ein  relativ  kürzerer  Kopf  zukommt,  als  den  alten.  Der  Schwanz  beträgt  in  jedem 
Alter,  wenn  der  Typus  der  Crocodile,  Saurier  und  Salaniandrinen  als  maassgebend  angenom- 


69     

men  werden  darf,    die  halbe  Länge  des  Thieres,    also    bei  den  grössten  Archegosauren 
anderthalb  Fuss;  der  Rumpf  allein  einen  Fiiss. 

§.32. 

In  die  dargestellte  Entwickelungsreihe  des  Arehegosaurtis  Dechenü  passt  durchaus 
nicjit  der  Schädel,  den  Dr.  Jordan  in  den  Verhandl.  d.  naiurf.  Vereins  der  Rheinlande  als 
Archegosaurus  latirostris  beschrieben  und  abgebildet  hat  (S.  78.  Taf.  IV.  Fig.  2.  u.  3.).  Ich 
habe  das  dort  behandelte  Exemplar  vor  mir  und  finde  alle  Angaben  richtig,  wenn  ich  die  in 
der  Figur  und  Beschreibung  nicht  berücksichtigten  Schädelnähte  hinzufüge.  Um  sie  zur  An- 
schauung zu  bringen,  habe  ich  eine  neue  mehr  ausgeführte  Zeichnung  desselben  Stücks  gege- 
ben (Taf.  II.  Fig.  3.  4.).  Man  sieht  nur  die  Miltelgegend  der  Schnautze  bis  zu  den  Augenhöh- 
len vor  sich,  der  Kieferrand  und  der  ganze  Hinterkopf  fehlen;  allein  das  Bruchstück  genügt 
zur  Feststellung  der  Art  vollkommen.  Ihr  Kopf  war  hiernach  relativ  viel  breiter,  der  vordere 
Schnautzenrand  stumpfer  und  mehr  kreisförmig  als  parabolisch  gerundet.  Der  Zwischen- 
kiefer (a.)  ist  kürzer,  reicht  nur  bis  an  den  vorderen  Rand  der  breiteren  ovalen  Nasenlö- 
cher und  trägt  wahi-scheinlich  zwölf  Zähne  auf  jeder  Hälfte.  Man  sieht  zwar  nur  18  Höhlen 
im  Gestein  unter  dem  weggebrochenen  Kieferrande,  aber  1 1  davon  stehen  in  der  einen  Hälfte, 
und  auch  die  hat  noch  eine  unverkennbare  Lücke  für  den  zwölften;  andere  Lücken  der  ent- 
gegengesetzten Seite  zeigen  eben  so  viele  ausgebrochene  Zähne  an  und  geben  für  2i-  Zähne 
Raum  *).  Unmittelbar  hinter  den  Zähnen  liegen  dicht  neben  der  Mitlelnaht  die  langen  ovalen 
Gruljen  für  die  Unterkieferzähne,  deren  Abdrücke  sich  nur  in  der  Gaumenfläche  (Fig.  3.)  zeigen, 
während  die  äussere  Oberfläche  des  Zwischenkiefers  an  dieser  Stelle  gleichmässig  gewölbt 
(im  Abdruck  Fig.  4.  vertieft)  ist.  Neben  den  Gruben  erscheinen  die  ebenso  geformten  Nasen- 
löcher als  offene  Lücken,  durch  welche  das  Muttergestein  von  oben  hindurch  floss  und  darum 
bei  der  Spaltung  des  Sphärosideriten  zerbi-echen  musste.  Vom  innern  Rande  der  Nasenlöcher 
gehen  die  Nasenbeine  (c}  aus,  zwei  anfangs  sehr  breite,  dann  gebogen  nach  hinten  ver- 
schmälerte Knochen,  deren  mittlere  Verbindungsnaht  vorn  ausgeschweift  ist.  Ihre  Länge  be- 
trägt etwas  weniger  als  die  der  Hauptstirnbeine,  und  darin  liegt  ein  positiver  spezifischer 
Unterschied  von  Archegoisanrus  Decheini,  bei  dem  in  allen  Lebensaltern  beide  Knochen 
ziemlich  dieselbe  Länge  haben.  Neben  den  Nasenbeinen  tritt  die  breite  Fläche  des  Ober- 
kieferknochens (h^  in  die  Schnautzengegend  hinein.  Es  ist  ein  nach  innen  gebogen  be- 
grenztes Knochenblatt,  dessen  Ossificationspunkt  in  der  vorderen  Hälfte  liegt  und  das  nach 
hinten  bis  fast  an  den  Orbitalrand  reicht.  Darnach  muss  dies  Stück  des  Oberkiefers  relativ 
länger  als  bei  Arch.  Dechenü  gewesen  sein.      Das   neben   ihm  liegende  Thränenbein  (d.') 

*)  Vielieiclit  ist  es  niclit  liloss  Zufall,  dass  die  iiiissersten  2  ZHline  des  Zwisclienl»iefers  der  linken  Seite 
kleiner  ersclieinen,  als  die  anderen.  Sollte  es  Regel  sein,  so  würde  darin  ein  Artnnterscliied  gegea 
A.  DecheHii  liegen,  der  von  grosser  Wichtigkeit  zu  sein  scheint,  weil  dann  wahrscheinlicii  auch  die  vor- 
deren Kieferziiline  dieselbe  Grösse  behalten  dürften,  diese  Art  also  lauter  gleich  grosse  Kiefer- 
zjihne  liahen  könnte! 

10 


70     

unterscheidet  sich  in  keinem  Punkte  von  demselben  Knochen  des  Arch.  Dechenü;  es  ist  nur 
wenig  kürzer  aber  etwas  breiter;  darüber  sieht  man  die  schwache  Spui-  der  Gesichlsfurche 
sich  hinziehn.  Das  Hauptstirnbein  ff.J  gleicht  dem  von  Arch.  Dechenu  vollkommen, 
selbst  die  Asymmetrie  desselben  kehrt  hier  ebenso  wieder.  Es  hat  genau  dieselbe  Länge, 
wie  dieses,  aber  mehr  Breite,  reicht  gerade  so  w'eit  nacli  hinten,  ai)er  weiter  nach  vorn,  weil 
die  Schnautze  des  Arch.  latirostris  kürzer  ist.  Diese  Verkürzung  trifft,  wie  wir  schon  sahen, 
hauptsächlich  die  Nasenbeine  und  zum  Theil  auch  die  Zwischenkieferbeine.  Neben  den  Haupt- 
stirnbeinen sind  nach  hinten  noch  die  Hinterstirnbeine  (g.~)  erhalten.  Auch  sie  gleichen 
in  Form  und  Grösse,  abgesehen  von  einer  etwas  beträchtlicheren  Breite,  ganz  denen  von 
Arch.  Dechenu.  Die  Lücke  zwischen  ihnen  zeigt  ein  analog  gestaltetes,  relativ  breiteres  und 
wie  es  scheint  absolut  kürzeres  Scheitelbein  an,  woraus  man  auf  eine  allgemeine  Verkür- 
zung des  Hinterkopfes  bei  dieser  Art  schliessen  darf.  Leider  fehlen  alle  Knochen  desselben. 
Dagegen  ist  links  an  der  Backe  unter  dem  Auge  ein  grosser  Knochenrest  (k.^  sichtbar,  den 
ich  für  das  Jochbein  halten  würde,  wenn  nicht  die  Ossiücalionsradien  nach  vorn  zu  conver- 
girten,  was  gegen  den  Typus  des  Jochbeins  spricht.  Auch  sieht  man  ganz  vorn  den  Eindruck 
eines  grossen  Gaumenzahns  daneben  im  Gesteine,  und  weiter  zurück  die  Spuren  mehrerer 
kleiner  Kieferzähne,  welche  Umstände  es  mir  wahrscheinlicher  machen,  dass  das  beschriebene 
Knochenblatt  ein  vorgeschobenes  Stück  der  Gaumenfläche  ist  und  der  Jochbogen  auch  an  der 
linken  Seite,  wie  an  der  rechten,  ganz  verloren  ging,  d.  h.  mit  dem  Hinterkopf  abbrach. 

Die  innere  Stractur  der  Knochen  lässt  sich  am  unteren  Abhub  (Fig.  3.)  der  Doppel- 
platte sehr  gut  verfolgen,  man  sieht  die  Knochenkanälchen  sehr  deutlich  und  wird  durch  ihre 
Endigungen  auf  die  weniger  deutlichen  Nähte  hingewiesen.  Fast  noch  schöner  zeigt  der 
obere  Abhub  die  superficielle  Sculptur  der  Schädelknoclien,  namentlich  auf  den  Zwischenkie- 
fer- und  Nasenbeinen.  Es  sind  deutliche,  keilförmige  Furchen,  mit  stärker  vertiefter  Spitze, 
welche  in  radialer  Anordnung  vom  Ossificationscentrum  ausgehen  und  vielfiiltig  in  einander 
greifen,  obgleich  keine  Furche  von  der  genauen  radialen  Richtung  abweicht.  Auf  den  Nasen- 
beinen sind  sie  im  Allgemeinen  länger  als  auf  dem  Zwischenkiefer.  Einen  Unterschied  in  der 
Sculptur  von  der  des  Arch.  Dechenü  bemerkte  ich  nicht. 

So  liegen  denn  die  spezifischen  Charaktere  dieser  Art,  wie  gewöhnlich  bei  Arten  einer 
Gattung,  in  den  geänderten  Dimensionen  einzelner  Theile  und  Gegenden,  namentlich  darin, 
dass  der  Schnautzentheil,  welcher  aus  dem  Zwischenkiefer  und  Nasenbeinen  besteht,  bei  viel 
geringerer  Länge  entschieden  breiter  ist,  als  der  von  Arch.  Dechenü,  und  seine  grössere 
Breite  sich  auf  die  Stirngegend  mit  ausdehnt.  Daher  ist  der  Raum  zwischen  den  Augenhöh- 
len etwas  breiter,  als  bei  Arch.  Decheini,  namentlich  entschieden  breiter  als  die  Augenhöhle 
selbst,  welcher  Umstand  für  die  Feststellung  des  Galtungscharakters  von  Bedeutung  wird. 
Demnach  würde  die  systematische  Defiuilion  der  Art  etwa  so  zu  fassen  sein: 


71     

Archegosaurus  latirostris  Jord. 

Arch.  capite  ubtuse-trigono,  rostro  rotundato;  dentibus  iiicisivis  24;  ossi- 
hus  lutsalibus  lotigitudine  ossium  frontalium  brevioribus ;  orbilis  intervallo  latitu- 
dinem  orbitae  superante  disjunctis.     Icon  nostr.  tob.  II.  fig.  3.  4. 

Jordan,  in  den  Verh.  d.  nat.  Vereins  d.  Riieiiüande,  Bd.  VI.  S.  78.  Taf.  IV.  Fig.  2.  3. 
Verhält  sich  der  Hinterkopf  ähnlich  zur  Stirn,  wie  die  Schnautze  sich  zu  ihr  verhält, 
so  darf  man  annehmen,  dass  der  ganze  Schädel  5^-  Zoll  lang  und  über  3^  Zoll,  vielleicht 
4  Zoll  breit  war.  Der  Abstand  der  Augenhöhlen  beträgt  grade  11  Linien,  bei  Arch.  De- 
chenii  nur  8  Linien.  Die  Länge  der  Nasenbeine  ist  gegen  20,  die  der  Stirnbeine  auf  22  Li- 
nien zu  setzen. 

Das  einzige  Original  dieser  Art  befindet  sich  in  Herrn  v.  Dechens  Sammlung. 


X 


10' 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Taf.  I. 

Fig.  1.    Ansicht  des  grösslen  Schädels  von  Archegosaurus  Dechenii  in  nalflrlicher  Grösse. 

a.  Zvvischenkiefer,  os  hiterm axillare. 

b.  Oberkiefer,  os  ntaxillare  superius. 

c.  Nasenbein,  os  nasale. 

d.  Thränenbein,  os  lacryinale. 

e.  Vorderstirnbein,  os  frontale  anterius. 

f.  Haupistirnbein,  os  frontale. 

g.  Hinterslirnbein,  os  frontale  posterius, 
h.  Scheitelbein,  os  parietale. 

i.  Hinteraugenhühlenbein,  os  orbitale  posterius. 

J(.  Jochbein,  os  zygomaiicum. 

I.  Aeusseres  Paukenbein,  os  tj/mpaniciim  externum. 
m.  Jochpaukenbein,  os  tjnadrato-jugnle. 

II.  Schuppenschläfenbein,  os  tetnporale-sqiiamosum. 
0.  Zitzenbein,  os  masiouleum. 

p.   Inneres  Paukenbein,  os  tgnipunictnn. 
(f.    Seitliches  Hinterhauptsbein,  os  condgloideiim. 
r.    Oberes  Hinterhauptsbein,  os  occipitale  superins. 
Fig.  2.    Ansicht  der  Schnaulze  eines  ebenso  grossen  Exemplars  von  innen. 

Man  sieht  die  Innenseite  des  Zvvischenkiefers  («.)  und  der  Nasenbeine  (c),  nebst   dem 
zahniragenden  Rande  des  Oberkiefers  (&.)• 
Fig.  3.    Ansicht  derselben  Schnautze  von  unten. 

Man  sieht  den  Abdruck  der  Spitze  des  Unterkiefers  und  den  Sieinkcrn    der  Schnautzen- 
höhle.     Auf  demselben  sitzen  Reste  der  Pflugschar-  und  Gaumenbeine  mit  den  grossen  Gaumen- 
zähnen; vor  dem  Unterkieferrande  sielit  man  die  durchschnittenen  Zähne  des  Oberkiefers. 
Fig.  4.    Ansicht  des  kleinsten  Schädels  derselben  Art  in  natürlicher  Grösse.  " 


—     73     

"^Taf.  II. 

Fig.  1.    Ansicht   des  Schädels,   Halses   und   Schnitergürtels   eines  jungen  Arc/iegosmints  DechoiiH   nach 
dem  Exemplar  in  der  Mineraliensamndung  der  Berliner  Universiliil. 

a.  Zungenbeinkörper,      b.  b.   Zungenbeinhörner.     d.   Mittlere  Kchlplattc,      e.  e.   Seitliche  Kehl- 
schilder.    /'./'.   Schlüsselbeine,     g.ij.   Schulterblätter.     /(./;.   Oberarmknochen.     /.•./.•.   Rippen. 

Fig.  2.    Dasselbe  im  Gegendruck  von  unten. 

Bezeichnung  wie  in  der  vorigen  Figur. 

Fig.  3.    Arc/iegosaurtis  latirosiris  Jortl.,   nach  Herrn  v.  Dechens  Sammlung. 
Bezeichnung  wie  Taf.  I.  Fig.  1. 

Fig.  4.    Die  Schnaulzenspitze  desselben  im  Gegendruck. 
Ebenso. 

Fig.  5.    Schädel  von  Archegosannis  Declienü  mittlerer  Grösse,   zertrümmert,    mit   dem   gut   erhaltenen 
Zungenbein  («.). 

Fig.  (j.    Ein  ähnlicher  kleinerer  Schädel,   an  dem  das  Zungenbein  und  der  Augenring   sich  gut  erkennen 
lassen. 

a.   Zungenbeinkörper,     b.  b.   Zungenbeinhörner.     d.   Mittleres  Kehlschild,     c.  c.   Seitliche  Kehl- 
schilder mit  den  wohlerhaltenen  Forlsätzen,     f.  f.   Theile  der  Schlüsselbeine. 

/ 

Tat*.  III. 

Fig.  i.    Ansicht  der  zum  Theil  schnurförmig  in  einander  geschobenen  Schuppen,   wie  sie  divergirend  in 
schiefen   Reihen   von    der  lUttellinie    des   Rückens    auslaufen,    nebst    den    dazwischen   liegenden 
Rippen. 
Fig.  2.    Ansicht  der  Bauchgegend  hinter  den  Bruslplatten  nebst  den  Rippen  h.h.,  dem  Oberarmknochen /f., 
den   beiden  Knochen   des  Vorderarms  /.  ni.   und   den  Zehenknochen  n.     Die  Mittelfläche   ist  von 
Schuppen  r.  r.  bedeckt,   unter  denen  noch  3  Rippen  liegen. 
Fig.  3.  u.  4.    Kehl-  und  Brustgegend  eines  ebenso  grossen  Exemplars  in  Druck  und  Gegendruck;   Fig.  3. 
die  untere  Fläche,    Fig.  4.  die  obere  Fläche, 
ö.    Zungenbein. 
/j.  b.  Zungenbeinhörner. 
d.  Mittelschild  von  innen. 
('.  e.  Seitenkehlschilder  von  innen. 
f.  f.   Schlüsselbeine. 
(/.  g.  Schulterblätter. 
h.  h.  Oberarmknochen. 
i.  l.    Wirbel. 
li.  k.   Rippen. 

r.  r.  Schuppen  von  innen  gesehen. 
.V.  .«.  Magencontenta. 

((.    Abdruck  des  .locbpaukenbeins  von  innen. 
o.  <).  Schuppcngürlel  hinter  den   Kehlschildern. 
f).  Abdruck  des  I'aukenknochens  von  innen. 


74 


^  Taf.  IV. 

Fig.  1.    Der  reslauriric  Kopf  in  natürlicher  Grösse.  j 

NB.     Man  sieht  aiif  der  oberen  Scliädelfläclie  links  die  siiperticielle  Scnlptur,  rechts  die  innere  Stnictnr  der  i 

Kopflcnochen.      Daneben    ragt  seitlich  ein  Theil   der  Gaiuiienfläche  mit  den  Kiefer-   und  Gannienzähnen  liervor.      Die  < 

Bezifferung  der  Oberiläclie  wie  Fig.  1.  Taf.  I.,  —  der  Gannienlläche  wie  bei  Tremiilosntirus 

a.  Zwischenkiefer. 

b.  Oberkiefer.  | 
/.    Gaumenbein.  I 

! 

tv.   Pllugscharbein.  ' 

p.    Paukenknochen. 
Fig.  2.    Das  Becken,  ebenso.  i 

X.  X.  Darmbeine.  j 

y.  y.   Sitzbeine. 
Flg.  3.    Zwei  vergrösserte  Zähne.  ^ 

Fig.  4.    Eine  leere  Zahngrube  vergrössert.  I 

Fig.  5.    Ein  zur  Hälfte    abgebrochener  vergrösserter  Zahn,   dessen   vordere  Wand   fehlt;    man   sieht   die 

lamellenförmigen  Falten  der  Zahnwand. 
Fig.  6.   Vergrösserter  Querschnitt  eines  Zahnes  nahe  der  Spitze. 


D  r  LI  c  k  1   0  h  1  o   r. 

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unten 

.'il 

7  - 

- 

5.5 

-   13 

-  oben 

57 

2  - 

■  unten 

65 

-   18  - 

-   oben 

Fig.  2.  statt  Fig.  0. 

das    primäre  Organ    statt    des    primären   Organs 

Ziegelsch  u  p-   statt    Zingelscli  uj)- 

von   einander   statt   vorn    nieder 

latitvidinem   statt   latitudini 


Berlin,    gedriickl    bei   (!.   Reimer. 


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