•Sourüo I yy-o
Alex. Agassiz.
OF
COMPARATIVE ZOÜLOGY,
AT HARVARD COllEfiE, CAMBRIDGE. MASS,
JFouuBcS fag ptiBatt subsciiptioii, in 1801.
Deposited by ALEX. AGASSIZ.
•^flf^^S',/9oy
A. m. ROMER
HARVARD UNIVERWT^
V<_-cO
Die
L a b y r i 11 1 h o (1 o 11 1 e n
aus
dem bunten Sandstein von Bernburs;,
zoologisch geschildert
. !>■'• Heriiiaiiu Biirmelister,
0. i.i. Pr. "d. Zoologie u. Dirccior d. zoolog Museums der Universiuil liulle -W illenbers!
Erste Abtheilung.
T r e in a t o s a u r ii s.
ITlit'4 litliograpliii-ten Tafeln.
Berlin,
o n G
'1849.
Verl a g v o n G. R e i ni e v.
MCZ LIBRAßf
HARVARD UNIvißslW
V 0 r r e d e.
In dem kleinen Steinbruche unmittelbar neben dem Bahnhofe der Anhalt-
Bernburgschen Eisenbahn werden vereinzelt die grösstentheils in Eisenoxydiil
umgewandelten Knochen juweltlicher Amphibien gefunden. Sie liegen in einem
reinweissen, festen Sandstein, welcher in gleicher Art sich an der Saale auf-
wärts bis Weissenfeis hinzieht und den obersten Schichten des bunten Sand-
steins angehört, was mit Bestimmtheit aus seiner Ueberlagerung durch den
Muschelkalk ersehen wird.
Herr Kammerpräsident v. Braun hat diese fossilen Reste mit grosser
Beharrlichkeit seit vielen Jahren gesammelt und ein ungemein reiches Material
für das nähere Studium derselben zusammengebracht. Seinem Eifer und seinem
Interesse verdankt also die Wissenschaft vorzugsweise die nähere Bekannt-
schaft mit einer der interessantesten thierischen Formen der Yorwelt.
Durch ihn angewiesen, haben die Arbeiter des Steinbruches das sorg-
fältige Aufl)ewahren aller einzelnen Bruchstücke erlernt, und später iManches,
was Herrn v. Braun entbelulich schien, an andere Sammler abgelassen. Da-
von gelangte eine sehr lehrreiche Folge guter Maudstücke in den Besitz meines
IV —
Freundes, des Herrn A. L. Sack, welcher sie mir zur völlig freien Bearbei-
tung üherliess. Durch ihn und Herrn Zinken, der neben Herrn v. Braun
an Ort und Stelle sammelte, kamen einige Bruchstiicke auch in andere Hände;
das Beste und Werthvollste dagegen blieb im Besitz des Herrn v. Braun,
und stand mir neben den Stücken der Sack'schen Sammlung zur Einsicht offen.
Was sicli aus diesen Materialien über die v. Braun 'sehe Gattung Tre-
matosaurus ermitteln Hess, habe ich in den nachfolgenden Blättern zusammen-
gestellt: sie sind das Besultat mehrjähriger Beschäftigung mit dem Gegenstande
und wurden während der letzten zwei Jahre zur Heiausgabe vollendet.
Halle, im Juli 1849.
H. Burin e ister.
Einleitung.
öei der Versaninilimg der deutschen Naturforscher und Aerzte zu Braunschweig im
Herbst 1841 gab Herr Kammerpräsident v. Braun aus Bernburg Nachricht von zweien
im bunten Sandstein bei Bernburg entdeckten fossilen Sauriern, welche er nach einem Loch im
Scheitelbein*) Trematosaurus nannte und weiter dahin bezeichnete: dass dieselben zwei
Reihen Zähne im Oberkiefer neben einander tragen, regelmässig gefurchte Schädelknochen,
eiiK^ Lyra zwischen Nasenlöchern und Scheitelbeinen, einen doppelten Condylus occipitalis
und zwei grosse konische Fangzähne neben übrigens kleinen zahlreichen Zähnen im Unter-
kiefer besitzen, ausserdem aber, vermöge gewisser stets isolirt gefundener Knochenplatten,
gepanzert oder wenigstens Iheilweis von Schildern bedeckt gewesen zu sein scheinen. Prof.
Plieninger, welcher derselben Versammlung beiwohnte, wies in einem spateren Vortrage
(amtl. Bericht etc. S. 232) die Aehnlichkeit dieser Saurier mit Jag er 's Mastodonsaurus
(Owens Labyrinthodon) nach und sprach damit zuerst die zoologische Affinität der frag-
lichen Geschöpfe richtig aus. Als er darauf mit Hi'm. v. Mayer seine „Beiträge zur Pa-
läontologie Würtembergs" (Sluttg. ISM. 4.) herausgab, kam letztgenannter Autor (S. 4)
auf die Uebereinstimmung von Trematosaxtrus mit den Labyrinthodonten zurück, griff die
Zweckmässigkeit des gewählten Gattungsnamens an, und verbesserte den Druckfehler, dass
jenes Loch nicht im Stirnbein, sondern zwischen den Scheitelbeinen sich befinde, wodurch
Hr. V. Braun veranlasst wurde, auch seinerseits jenen Feliler (a. a. 0.) zu rügen, weitere
Nachrichten über seine Saurier zu ertheilen und die als bunten Sandstein bezweifelte Fund-
') Der amtliche Bericht über jene Versammlung hat (S. 74) diircli einen Sclireihfehler die Angabe, jenes
Loch befinde sich im Stirnbein, was Hr. v. Braun später verbesserte (in Leonh. und Bronn's neuem
.Inhrb. 1844, S. 569).
\
Stätte über ;illen Zweifel festzustellen. Das ist es, was bis jetzt über die Bernburger Saurier
zur Oeffentlichkeit gelangte.
Schon lange vor jener Braunschweiger Versammlung hatte ich bei meinem Freunde,
dem bekannten Mineralogen Hrn. A. L. Sack, Reste fossiler Saurier aus demselben Stein-
bruche von Bernburg gesehen und mich mit dem wunderbaren Bau dieser merkwürdigen
Geschöpfe einigermassen vertraut gemacht. Als nun Hr. Sack nach seiner Heimkelu" von
Braunschweig mir von den dortigen Verhandlungen erzählte, wurde mein Interesse an jenen
Geschöpfen aufs Neue angeregt und eine sorgfältigere Untersuchung der fossilen Reste in
Hrn. Sack's Sammlung alsbald vorgenommen. Es ergab sich, dass Hr. v. Braun zwar die
Natur von Trematosaurus in allen Hauptsachen richtig erkannt hatte, allein doch in die zoo-
logische Deutung der Knochen nicht weit genug eingegangen war, mn mehr als eine bloss
äussere Formbeschreiijung zu gewähren; und indem ich der Ansicht bin, dass bei den fossi-
len Thieren, zumal bei Vertebraten, die zoologische Eigenthümlichkeit eine mindestens eben
so grosse Berücksichtigung verdiene, wie ihre geognostische Verbreitung, fasste ich den Vor-
satz, gerade diese Seite von Trematosaurus zum Gegenstande meines weiteren Studiums zu
machen. Gefördert in diesem Unternehmen durch die schon erwähnte Arbeit von Plienin-
ger und Hrm. v. Mayer, ging ich endlich an die Ausarbeitung, und hatte dabei die grosse
Befriedigung, auch Hrn. v. Braun für meine Studien zu interessiren. Derselbe gewährte mir
nicht bloss die Einsicht seiner überaus reichen Sammlung, sondern setzte mich auch durch
Mittheilung von Gypsabgüssen seiner besten Exemplare in den Stand, das Studium derselben
nach Müsse fortzuführen, mich selbst gewissermassen mit der Ausführung seiner Vorarbeiten
betrauend. Für diese grosse Uneigennützigkeit bin ich ihm einen öffentlichen Beweis meiner
Anerkennung schuldig, und trage ihn alD durch die miumwundene Erklärung, dass ich ohne
seinen Beistand nicht so weit mit meiner Arbeit gekommen wäre , w ie ich durch denselben
gelangt bin. Möge er also sie selbst als einen Theil seiner Thäligkeit betrachten, und sich
durch sie befriedigt sehen.
Die nähere Einsicht der v. Braun sehen Sammlung überzeugte mich übrigens alsbald,
dass die beiden Species, welche Hr. v. Braun in seiner ausführhchen als Manuscript in
Braunschweig vorgelegten Arbeit unterschieden hatte (vgl. Leonh. und Bronns neues Jahrb. 18'i4,
S. 570), zweien verschiedenen Gattungen angehören, von welchen die eine neu und eigen-
thümlich gebaut ist, mithin den besonderen Namen Trematosaurus behalten kann; \\ährend
die andere nicht sowohl mit Mastodonsaurus , als vielmehr mit Capitosaurus übereinstimmt,
und für eine besondere Art dieser Gattung gehalten werden muss. In der Sackschen Samm-
lung befanden sich nur Theile des Trematosaurus , un Ganzen 28 Handstücke, worunter
5 fast vollständige Schädel, 3 Unterkiefer, 8 Brustplatten und mehrere einzelne Schilder oder
Knochenstücke, aber weder Rippen, noch Wirbel, noch Extremitäten, nach denen ich auch in
Hrn. V. Braun 's Sammlung vergeblich gesucht habe. Demnach wird sich meine Arbeit dies-
mal auf die Schilderung der Gattung Trematosaurus beschränken, und die Erörterung des
Canitosaurus von Bernburg einer spateren Zeit vorbehalten bleilien müssen. Auch von
jenem \verde ich nur den Schädel vollständig schildern können, der Rumpf und die Extre-
mitäten desseU^en sind noch nicht ermittelt. Meine Abbildungen des ersteren geben ein voll-
ständiges Bild, so weit es aus den zahlreichen beobachteten Resten sich zusammenstellen liess;
sie enthalten durchaus Nichts, was nicht an diesem oder jenem Handstück gesehen wurde,
obgleich in der wiedergegebenen Vollständigkeit kein einziges Exemplar mir zu Gesicht ge-
kommen ist. Abbildungen der einzelnen Bruchstücke, so wie sie mir vorliegen, zu geben,
halte ich nicht für zweckmässig; der Beschauer sieht an ihnen immer viel weniger, als die
directe Beobachtung daran erkennt; dagegen lässt sich in ein restaurirtes Bild alles das hin-
eintragen, was der Beobachter an sämmtlichen Handstücken wahrgenommen hat, mithin eine
gewisse Vollständigkeit im Anschauen nur auf diese Weise erzielen. Sie zu geben, ist der
Zweck aller Beschreilnmgen wie Abbildungen, und deshalb ziehe ich restaurirte Bilder, wenn
sie nur treu und mit Sachkenntniss angefertigt sind, den einzelnen theilweis zerstörten Rest-
fieuren bei urweltlichen Thierformen entschieden vor. Ein solches Bild zu construiren war
TD
meine Absicht.
Erster Aliscluiitt.
Beschreibung des Schädels von Trenmtosaurus.
§• 1-
Von der Kopfform im Allgemeinen die Betrachtung anliebend, so erscheint uns die-
seliie als ein langgezogenes gleichschenkliges Dreieck mit al^gestutzter Spitze und etwas er-
weiterter Basis, dessen beide Hauptdimensionen, die Höhe und die Grundfläche, sich wie 9
zu 5 verhalten. Beide Zalüen geben zugleich in Zollen die Grösse des grössten Individuums
der Sackschen Sammlung an; bei Hrn. v. Braun sah ich indess noch grössere, gegen 1 Fuss
lange Köpfe. Jüngere Individuen sind etwas kürzer und erscheinen deshalb an der Basis re-
lativ breiter; das kleinste mir vorliegende Exemplar ist 4^- Zoll lang und 2f ZoU breit. Auf
der oberen Fläche ist der Kopf ziemlich platt, nur längs der Mitte etwas vertieft, an den Sei-
ten stark allfallend; seine Höhe beträgt in der Richtung des Hinterhauptsloches an dem oben
gemessenen Exemplar 1^ Zoll, aber die Backen reichen mit den starken Paukenknochen wei-
ter liiniü:i; ihre Länge beträgt in der schiefen Richtung von der Ecke des Hinterkopfes bis
zur untersten Spitze des Paukenbeines gerade 2 Zoll. Nach vorn fällt die Fläche des Kopfes
sehr allmälig abwärts, so dass die Schnautzenspitze nur noch -} Zoll im Durchmesser behält.
Die Seitenränder sind bis zum jMundwinkel gerade, von da gehen sie, \vie beim Krokodil,
gebogen abwärts, und bilden einen flach gewölbten scharfen Rand bis zum Paukenknochen,
der, wie gesagt, am meisten nach unten und hinten vortritt. Der Unterkiefer hat dem ent-
sprechend an jeder Seite einen ganz geraden Schenkel, dessen Höhe je mehr nach hinten
um so mehr zunimmt, dann in den flach gewöll^ten, einwärts gewendeten Angularlheil , das
Analogon des processus curonoldeus übergeht, und hinter diesem scharf abfällt, um den
5
kurzen dicken Ast mit der Gelenkflache zu bilden. Hinler derselben geht er noch eine Strecke
fort und endet dami, sanft aufsteigend, mit einer schiefen Flache. Alle diese hier nur im
Allgemeinen berührten Formen sind mit Sicherheit aus den beigegebenen Abbildungen auf
Taf 1 — 3. zu entnehmen.
Gehen wir nun auf die nähere Betrachtung des Gesammteiudruckes ein, so ergiebt
sicli, dass die obere äussere Seite des Schädels etwas kürzer ist, als die innere, gegen die
Mundhöhle gewendete, mithin die Hinterhauptsfläche schief stellt, d. li. unten weiter nach hin-
ten vorragt, als oben. An dem grössten gemessenen Exemplar jjclrägt diese Differenz bis
zum äussersteu Ende der Condyli occipitales gerade einen Zoll. Demnach hat die Scheitel-
fläche von der Schnautzenspitze bis zum Rande des Hinterhauptes nur acht Zoll Länge.
Ziemlich in der Mitte dieser ganzen Strecke durchbohren zwei grosse ovale Lücken zu beiden
Seiten den Schädel und theilen ihn durch ilire Anwesenheit sehr bestimmt in eine \oi-dere
und eine hintere Hälfte. Es sind die Oeffnungen der Augenhöhlen. Jede ist f Zoll
lang und -i- Zoll breit; ilir Abstand von einander beträgt f Zoll, die Breite des ganzen Schä-
dels in ihrer Mitte 2^- Zoll. Jede Augenöffnung beginnt etwas vor dem Ende des vierten
Zolls und reicht etwas über die Mitte des fünften nach hinten; die genaue I\Iitte der Ober-
kopflänge liegt also in der vorderen Hälfte der Augenhöhlenlöcher. Sie können, wie schon
hieraus hervorgeht, sehr gut zur Oiientirung auf der Kopffläche benutzt werden, und scheinen
von selbst darauf hinzuweisen, dass die Gegend zwischen, über und dicht vor ihnen als
Stirn, die Gegend dahinter als Scheitel, das ganze vordere Ende als Schnautze und die
vom Scheitel abfallenden Seiten als Backen des Kopfes zu bezeichnen sein werden. Die
nicht abfallenden, sondern nur sanft abwärts gebogenen Seilen von Schnautze und Stirn bilden
den Mundrand, die Gegend hinter den Augen bis zu den Backen die Schläfen. Mehr
besondere Steflen braucht man wohl nicht anzunehmen.
Ausser den Augenlöchern giebt es auf der Oberfläche des Schädels noch zwei Arten
von Oeö'nangen, nämlich die Nasenlöcher und das Scheitel loch. Die Nasenlöcher
sind dem vorderen Ende der Schnautze genähert und bilden einen Zoll hinter dem Vorder-
rande zwei den Augenhöhlen an Form völlig ähnliche, ovale Oefl"nungen von 4- Zoll Länge
und \- Zoll Breite, deren Abstand von einander ihrem Längsdurchmesser ziemlich gleichkommt,
während ihr Abstand vom Schnautzenrande etwas geringer ist, als ihr Querdurchmesser. Sie
sind völlig von scharfen Knochenrändern umfasst, und erscheinen bei verschiedenen Individuen
\on etwas ungleicher Grösse, je nachdem ihre Ränder mehr oder weniger zerstört sind. In
der Figur 1. sind sie vielleicht etwas zu gross, namentlich wohl etwas zu länglich gezeichnet;
wenigstens waren sie an einem der besten Exemplare in der Braunschen Sammlung kleiner.
Nach unten und vorn sind sie von Knochen umgeben, so dass hier keine Comraunication
zwischen Nase und Mundhöhle stattfindet. — Das Scheitelloch ist eine kleine trichterför-
mige Oeffiuing in der Mittellinie zwischen beiden Scheitelbeinen, ziemlich auf der Mitte des
Scheitels. Es befindet sich in I -J^ Zoll Abstand vom Hiuterhauptsrande und in 2 J Zoll Abstand
6
vom liintern Augenliölilenrande, ist also von den Augenöffniingen elwa doppell so weil ent-
l'ernL wie vom Hinterkopf. Es darchbohrt die dünne Schadeldecke und fuhrt in die Gehirn-
höhle, war aber, aller Analogie nach, im Leben durch Membranen geschlossen und von der
Haut überdeckt. Seine Bedeutung scheint lediglich die einer Fontanelle zu sein.
Nächst den OetTnungen der oberen Kopffläche tragen zu ihrer ferneren Charakteristik
das Meiste die Vertiefungen bei, welche theils die Kopffläche im Ganzen, theils ihre einzelnen
Knochen durchziehen. Wir werden sie darnach als Furchen und Sculpturen von ein-
ander unterscheiden.
Die Kopffurchen sind je nach den Gegenden des Kopfes, welche sie einnehmen,
verschieden angelegt, sonst aber übereinstimmend gebaut, nämlich ziemlich tiefe, halbzylin-
drische Kanäle \on gleicher Breite, mit scharfen, selbst etwas aufgeworfenen Rändern und
glatter Fläche. Sie senden nie Aeste aus, sondern laufen in einem Zuge fort, bis sie enden
oder sich treffen. Nach ihrer Lage lassen sie sich als Stirnfurchen, Backenfurchen und
iMuudraiulfurchen unterscheiden. — Die Slirnfurchen treten zuerst deuüich zwischen
(]Qn Nasenlöchern auf und scheinen von den Seiten der Schnautze, von ihren stumpfen Ecken,
auszugehen. Sie laufen an der bezeichneten Stelle parallel neben einander fort und wenden
sich, indem sie die hintere Grenze der Nasenlöcher überschritten haben, aus einander, gehen
unter einem flachen Bogen über die Seiten der Schnautzengegend fort, krümmen sich, wie sie
den Augenlöchern näher kommen, wieder einwärts, und wenden sich in gleichem Abstände um
den vorderen, oberen und einen Theil des hinleren Randes der Augenöfiiiung herum, woselbst
sie einzeln enden. Ihre gemeinschaftliche Form ist entschieden die einer Lyra, wie Hr. v. Braun
richtig bemerkt; doch kann man sie auch, besonders wenn man die AugenöÜ'nungen hinzu-
zieht, mit einer Lorgnette vergleichen und Brille nennen. Die Backen furchen umfassen
in einer hinten abgestutzten Ellipse die obere Hälfte der Backengegend und zeichnen sich
durch eine grössere Breite vor den Stirnfurchen aus. Jede beginnt von der tief in die obere
Endfläche der Backe eindringenden Ohrspalle, wendet sich etwas mehr nach innen und
beschreibt an jeder Seile der Scheitelfläche einen einwärts gekrümmten Bogen, welcher sich
nach vorn al:)wärts biegt und der Augenötfnung auf 1^ Zoll nahe kommt. Sobald er diese
grössle Aimäherung an das Auge erreicht hat, kehrt er schnell gekrünmit nach hinten zurück,
kommt dem Mundwinkel ausserordentlich nahe, und steigt von ihm aufwärts über die Mitte
der Backenfläche fort, bis er ihren hinleren Rand erreicht, in dessen Furche er sich verliert.
Die Mundrandfurchen beginnen fein und schwach hinter dem Nasenloch, werden langsam
breiter und tiefer, wenden sich anfangs nach innen, kehren aber bald unter einem flachen
Bogen zum Aussenrande zurück, und laufen nun neben ihm in gleichem Abstände vom Mund-
rande fort, bis sie am Mundwinkel die Backenfurchen erreichen. Hier senken sie sich schnell
nach unten und erreichen fein auslaufend den ^Mundwinkel. Welchen Zweck diese drei Fur-
chenpaare erfüllen, darüber habe ich keine bestimmte Ansicht gewinnen können; dass sie dem
Wasserkanalsystem der Fische entsprechen, scheint mir deshaU:) nicht wahrscheinlich, weil sie
unlerbrochcn und zum Tlieil völlig von einander abgesondert sind. Vielleiehl kann die Ilial-
sache, dass sie in der Regel gerade über die Mittelpunkte derjenigen Kopfknochen laufen,
welche sie berühren, zu einem Anhaltspunkt über ihren Zweck benutzt werden. Ganz ohne
Zusammenhang mit ihnen bleiben nur die ScheiteÜDeine und oberen Hinterhauptsbeine.
Einfacher und weniger nithselhaft sind die Kopfsculpturen, tiefe Grübchen oder
Furchen, welche sämmtliche äussere Oberflächen der Kopfknochen bedecken und auf jedem
besonderen Knochen in typisch gleicher Anordnung auftreten. Den Mittelpunkt ihrer Gruppi-
rung bilden stets kleine runde oder undeutlich viereckige Grul)en, welche gerade diejenige
Gegend des Knochens einnehmen, von welcher das strahlige Gefüge der Ossification ausgeht.
Bei allen centralen Kopflaiochen liegt dieser Punkt so ziemlich in der Mitte des Knochens,
bei den peripherischen unfl an den Scheitelbeinen au dem einen, gewöhnlich Innern Rande,
oder ganz an der Ecke. Um die centralen Grübchen lagern sich in kreisförmiger oder halb-
kreisförmiger Anordnung andere ähnliche, etwas länglicher gestaltete; darauf folgt eine dritte
schon mehr furchenförmige Reihe, und hinter dieser kommen die wirklichen, radial divergi-
renden, an ihren stärkeren Divergenzpunkten von neu anfangenden Furchen begleiteten Haupt-
furchen. Die Erhabenheiten z^^ischen den Furchen sind an wohl erhaltenen Exemplaren, die
icii nur in v. Braun's Sammlung sah, scharlkantig, die Furchen selbst in der Tiefe gerundet.
Am strahlenförmigsten, weil sie hier am längsten sind, erscheinen sie auf der untern Hälfte
der Backen, d. h. in dem Raum unter der Backenfurche; am meisten grubig und fast nur
grubig sind sie auf den Knochen neben der Mittellinie des Kopfes gestaltet; ja die oberen
Hinterhauptsbeine halben in der Thal nur Gruben und gar keine Furchen. Die Bedeutung
dieser Furchen und Grübchen ist unbedenklich die \on Sculpturen; sie finden sich ziemhch
analog auf dem Kopfe der Krokodile wieder, und dienen hier der darüber gezogenen Kopf-
haut als Reservoire für die zu ihr gehörigen lebendigen Unterlagen, als Sammlungspunkte der
Blutgefässe und Nerven in dei- Gutis, welche für die Regeneration der übergelagerten festen,
lederartigen Epidermis bestinmit sind.
1. Tabelle über die Maasse der von mir untersuchten Schädel.
Abstand
des vorderen
Angenliölilenrandes
vom hinteren
Nasenloclirande.
Abstand
des liinteren
Augenliöhlenrandes
von iler
.Sclinautzenspitze.
Abstand
des Auges
voni
Sclieitellocli.
Abstand
des Auges
von der
Hinterkopfseclce.
Abstand
des Sclieitelloclis
von der
Hinterhauptsmitte.
Sclieitelabdruck in
V. Braun's Saninüung
2" 8'"
5" 2'"
2" 6'"
4"
j " O III
No. 6.
Stirne und Schnaulze fehlen.
3" 7'//"
5" 5'"
1" 4'/,'"
No. 1.
2" 4'//"
4" 7 frf
2" 4'"
3" 9%'" runvollst.)
1 " (nicht vollst.)
No. 2.
Oll i 1 'III
3" 4'"
1 'f 1 / in
No. 4.
2"
3" 5'"
11'"
No. 5.
) waren unvollständig.
l" 5'"
2" 3'"
9'"
No. 7.
j
1" 10'"
3"
11'"
der Sack'sclien Samml.
1
,■ 8
Die allgemeine Schilderung des Kopfes von Trcmaiosanrus giebl uns schon hinreichende Data
an die Hand, diese neue Gattung von den übrigen bisher bekannt gewordenen Gattungen zu
unterscheiden und den Familiencharakter aller zu bestimmen. Was letzteren betrifft, so ist es,
abgesehen von der Zahnstructur, ganz besonders die völlige Ueberwölbung der Schläfen-
gruben durch Knochen platten, welche die Labyrinlhodonten von allen übrigen Amphi-
bien, lebenden wie ausgestorbenen, unterscheidet. Ein zweiter Charakter liegt in den überall
gleichförmig, aber eigenthümlicli angeordneten Knochenplatten der Scbädelkapsel,
was erst später zu erörtern ist; ein dritter in der Anwesenheit von unteren Fangzähnen
hinter der eigentlichen Zahnreihe, nicht in ihr. Auch davon werden wir uns erst beim
Unterkiefer deutlich überzeugen können, gleich wie von der Aufnahme dieser Fangzähne in Gru-
ben des Oberkiefers. Die bisher genügend dargestellten sechs Galtungen glaube ich am sicher-
sten mit folgenden Charakteren von einander zu unterscheiden.
/. Augenöffnungen relativ gross, ihr Abstand von einander kleiner als ihr
Querdurchmesser, oder höchstens eben so gross.
A. Kopfform kurz parabolisch, breit und gedrungen; Augenöffnungen
neben der Schädelmitte.
rt. Scheitelloch den Augenhöhlen nur wenig näher, als dem
Hinterhauptsrande; Kopf flach gebaut, Zähne klein, zahlreich. 1. Maslodonsanrus.
b. Scheitelloch dem Vorderrande der Scheitelbeine genähert;
Kopf höher gewölbt; Zähne grösser, weniger zahlreich. 2. B/nnosauriis*).
B. Kopfform lang gestreckt, gleichschenkelig dreiseilig; Augunüffnun-
gen etwas kleiner, hinter der Schädelmitte; Scheitelloch dicht an
die Augen herangerückt. 3. Archegosuuras").
II. Augenüffnungen relativ beträchtlich kleiner, ihr Abstand von einander
viel grösser als ihr Ouerdurchmesser.
A. Scheitelloch in weiter Entfernung von den Augenöffnungen, dem
Hinlcrrande des Kopfes mehr genähert.
«. Kopfform langgestreckt, gleichschenkelig dreiseitig: Augen-
öffnungen neben der Schädelmitte. 4. Tremaiosaurus.
h. Kopfform kürzer, parabolisch, mit mehr gerundeter Spitze;
Augenhöhlen vor der Jlitte der Schädeliänge. 5. Metopias.
B. Scheitelioch näher an die Augenüffnungen herangerückt, die letzte-
ren hinter der Mitte der Schädellänge; Kopfform länglich parabolisch, ß. Cufntosuurus.
Die spezielle Betrachtung der einzelnen Schädelknoclien, deren Bestimmung der Haupt-
gegenstand unserer ganzen Untersuchung gewesen ist, l)eginnen %vir am schicklichsten mit dem
vordersten von allen, dem Zwisclienkiefer (^os iticiswum , a). Er ist ein einfacher, an
*) In der Zeitung für Zoologie, Zootoinie und Palaeozoologie J. S. IbS. Iialje ich gezeigt, dass diese von
Fischer aui'gestellte Gattung den Laliyiintliodonten angehöre.
**) .\ucli von dieser Goldfuss'schen Gattung habe ich die Verwandtschaft mit den Labyrintliodonten zu-
erst (Eheiul. S. 41.) nacligewiesen. .
9
der äusserslen Spitze der Schnaiüze gelegener Knochen, \\ elcher den Vorderrand und die
Anfänge der Seitenränder des Kopfes bildet und mit zackigen Nähten hinterwärts in die be-
nachbarten Knochen eingreift. Sein äusserer Rand ist ziemlich scharf, nach unten abgeplattet,
nach oben leicht gewölbt; seine Mitte ist dort vertieft, hier erhaljen und in drei ungleiche
Erhal^enheiten abgetheilt: zwei seitliche ovale, eine mittlere dreiseitige. Die letztere nimmt
den grössten Theil der äusseren Oberfläche ein und steigt flach an; sie ist vorwärts dem
Vorrande concentrisch begrenzt, nach liinten aber in eine schmale Schwiele verlängert, welche
sich zwischen die Nasenlöcher begiebt, die hier beginnenden Stirn furchen von einander
trennt und unverändert auf die Nasenbeine übergeht. Die Oberfläche dieser mittleren Erha-
i)euheit ist schwach strahüch gefurcht. Die Seitenhöcker bilden zwei ovale bohnenförmige
Anschwellungen, welche hinterwärts am höchsten sind und nach vorn sanfter abfallen; sie
werden auswärts dem Seitenrande des Zwischenkiefers parallel begrenzt, nach innen zu bil-
den sie den Rand der Stirnfurchen, welche zwischen ihnen und dem mittleren Höcker iliren
Anfang nehmen. Ihre Oberfläche ist streitig von hinten nach vorn gefurcht. Die vertiefte
Innenfläche des Zwischenkiefers ist glatt, der verdickte abgeplattete Saum derselben mit Zäh-
nen besetzt. Die Nähte der Oberseite werden durch die in den Zwischenkiefer eingreifenden
Nasenlöcher in drei Abtheilungen getrennt. Die seitlichen oder Kiefernähte laufen von vorn
und aussen schief nach hinten und innen, und verbinden den Theil des Zwischenkiefers, wel-
cher vom Nasenloch nach aussen liegt, mit dem Oberkiefer. Die Mittelnaht läuft mit starken
Zacken und im Ganzen etwas nach vorn gebogen von einem Nasenloch zum andern, geht
dicht neben deren vorderer Innenecke aus und trennt den Zwischenkiefer von beiden Nasen-
beinen. Die Naht der Unterseite wird gleichfalls durch zwei tiefe in sie eingreifende ovale
Löcher in drei .\l3theilungen geschieden. Die seitlichen Kiefernähte verbinden den Zwischen-
kiefer, wie oben, mit dem Oberkiefer, laufen aber von innen und vorn nach aussen und hin-
ten, also entgegengesetzt den oberen Seitennähten. Die Mittelnaht (^sutura incisiviQ lauft an-
fangs quer gegen die Längsrichtung des Schädels, dann wendet sie sich nach hinten und Itildet
einen langen spitzen Fortsatz am Zwischenkiefer, welcher sich z^vischen die Pflugscharbeine
eindrängt. — Die beiden Löcher im Hinterende der unteren Zwischenkiefernaht haben, gleich
den Nasenlöchern, eine ovale Form, sie sind aber kleiner und liegen \\citer nach vorn, so
dass mehr als die Hälfte ilires Umfanges im Zwischenkiefer sich befindet. Sie sind die unte-
ren Mündungen zweier tiefen kcijelförmisen Gruben, welche in die Substanz des Zwischen-
kiefers eindringen und von den beiden seitlichen ovalen Erhabenheiten auf der Oberfläche
des Z\^ischenkiefers überdeckt werden. Sie liegen also vor den Nasenlöchern und stehen
mit ihnen nicht in Verbindung, vielmehr dienen sie zur Aufnahme der grossen Fangzähne des
Unterkiefers, und entsprechen ganz ähnUchen, aber meist nach oben durchbohrten Gruben im
Zwischenkiefer des KrokodQs. Rei alten Exemplaren von Tremafosaiiriis mögen sie eben-
falls in der Spitze von den Fangzähnen durchbohrt werden; wenigstens spricht dafür der Um-
stand, dass diese Zähne bei Mastodonsanrus auf der Oberfläche des Kopfes liervorragen,
10
wie das aus Plieninger's Aljbildung a. a. 0. Taf. VI. Fig. 1. zu ersehen ist. Die Zähne des
Zwischenkiefers haben die allgemeine Form aller Zähne von Trematosaurus, es sind lange,
spitze, etwas rückwärts gebogene Zähne mit längs gestreifter Oberfläche. Die vier mittleren
sind die grössten und relativ viel grösser, als alle anderen Kieferzähne ; neben denselben ste-
hen an jeder Seite noch i — ö ähnliche, aljer allmälig kleinere Zähne, von welchen die letz-
ten, den Oberkieferzähnen zunächst befindlichen, wieder die allergeringste Grösse unter allen
Kieferzähnen haben, bn Ganzen stehen also \% — 14 Zähne auf dem Zwischenkieferrande.
Von ihrem Bau im Einzelnen soll das Nähere später besprochen werden.
1. Für die Abwägung der zoologischen Verwandtschaft zwischen den Labyrinthodonten und den
übrigen Sauriern ist es nöthig, jeden einzelnen Kopfknochen sofort mit dem entsprechenden aller
übrigen Amphibien in Vergleich zu stellen. Der Zwischenkiefer ist bei den Enaliosauriern
doppelt und viel grösser; bei den Pterodactylen zwar einfach, aber gleichfalls von entschie-
den grosserem Umfange, Avenigstens nach hinten. Die Krokodile und die meisten Schild-
kröten (einfach ist er nur bei Trionijx und Chcli/s) haben doppelte Zwischenkiefer, d.h. einen
aus zwei symmetrischen, getrennt bleibenden Hälften zusammengesetzten; die übrigen Saurier
zeigen einen einfachen, in der Mittellinie ungelheilten, von analoger Grösse, obgleicli bei allen
ein viel längerer, öfters (bei den Moni tonen) sehr langer processus nasalis vorhanden ist,
welcher den Labyrinthodonten ganz abgeht. Dennoch besteht die nächste Beziehung zwischen
ihnen und den heutigen typischen Sauriern in Hinsicht auf die Bildung des Zwischen-
kiefers, weil den Cheloniern und Krokodilen eine die Nasenlöcher trennende Knochenbrücke
fehlt, und gerade die Breite derselben für die Labyrinthodonten charakteristisch ist. Sie deshalb
mit den nackten Amphibien in Beziehung zu bringen, verbietet schon die bei allen Batrachiern
und Ichlhyoden bleibende Theilung des Zwischenkiefers in zwei Hälften, und die öfters, nament-
lich bei den eigentlichen Fröschen, unvollständige Verbindung derselben, oder die unvollständige
Begrenzung der Nasenlöcher.
2. Auf die in jüngster Zeil in Anregung gebrachte Beziehung der einzelnen Kopfknochen, je nach
ilirer Entstehung aus dem knorpeligen Primordialcranium, oder aus secundiir gebildeten Beleg-
knochen, glaube ich bei der Deutung derselben hier keine spezielle Rücksicht nehmen zu müssen,
weil theils eine für alle Klassen der Vertebraten gleiche Entwickelung darin nicht stattfindet, theils
die besondere Art ihrer Entwickelung bei den Labyrinthodonten nicht wahrgenommen werden
kann. Verhalten sich dieselben den beschuppten Amphibien und namentlich den typischen Sau-
riern, wie man annehmen darf, analog, so sind alle peripherischen Kopfknochen, mit Eiiischluss
der Kiefer, ursprünglich Belegknochen gewesen, alle cenirobasalen aber ossificirte Theile des Pri-
mordialcraniums. Ich glaube diese Annahme um so mehr für richtig halten zu dürfen, als sämmt-
liche Kopfknochen dieser zweiten Kategorie bei Trematosaurus ein nicht durch Nähte ab-
gethelltcs zusammenhängendes Ganzes, gleichsam ein ossificirtes Primordial-
cranium, bilden, die peripherischen Belegknochen dagegen, wie es schon ihre secundäre
Entstehung nothwendig bedingt, auch bei Trematosaurus völlig von einander isolirt sind.
Jener centrobasale Schädcitheil wäre gewissermassen auf der Entwickelungsstufc der nackten
Amphibien stehen geblieben, der peripherische dagegen halle sich auf die Entwickelungsstufe der
bedeckten Amphibien erhoben. Das harmonirte denn auch mit der ganzen übrigen Bildung von
— 11 —
Trematosaurus. — Ueber das Primordialcranium ist besonders Kölliker's Aufsalz in den Würz-
burger Jahresberichten (Leipzig 1848. 4.) einzusehen.
§. 3.
An den Zwschenkiefer stossen seitlich die Oberkieferbeine (^ossa niaxillaria su-
neriora, bj, zwei lange schmale Knochen, welche den ganzen oberen Mundrand bis zum
Mundwinkel hin bilden. Vorn durch die schiefe Kiefernaht begrenzt, begreifen sie seitwärts
die Mitte des Aussenrandes der Nasenlöcher in sich, und stossen hinter denselben an die
Nasenbeine, während welcher Strecke sie nach und nach etwas breiter werden, bis sie das
Thränenbein erreichen. In der Ecke, wo dieses an das Nasenbein stösst, hat jedes Ober-
kieferljein seine grösste Breite; es zieht sich aber schnell mittelst einer abwärts laufenden
Naht wieder zusammen, und wrd von der Stelle an, wo die Mundrandfurche zwischen ihm
und dem Thränenbein die Grenze bildet, zu einer sclunalen, scharfen, am Rande des Mundes
verlaufenden Kante, die am INKmdwinkel endet. Auf der Unterseite ist der Oberkiefer seiner
ganzen Länge nach ein schmaler, leichtgewölbter, gleiclüjreiter Knochen, welcher von der
Grube zur Aufnahme der Fangzähne des Unterkiefers ausgeht und einen kleinen Theil ilires
Umfan^es bildet; er trägt auf seiner ganzen Länge kleine, spitz kegelförmige, angewachsene
Zähne, deren Zahl bis auf 60 sich belaufen mag. Die vordersten und die letzten sind etwas
kleiner als die übrigen; letztere aber von gleicher Grösse. Jeder mittlere Zahn hat 3 Linien
Höhe und kaum 1 Linie an der Basis Breite; seine Oberfläche ist fein längsgestreift, wie die
aller Zähne der Labyrinthodonten.
Die Form des Oberkieferknochens der Labyrinthodonten ist höchst eigenthümlich. Seine
grosse Lange und geringe Breite hat bei den typischen Sauriern so wenig, wie bei den Kroko-
dilen und Cheloniern, ihres Gleichen; bei allen diesen nimmt er Theil an der harten Gaumen-
decke, ohne bloss, wie bei Trematosaurus j auf den Mundrand beschränkt zu sein. Dieser
Umstand stellt den Oberkieferknochen der Labyrinthodonten in einige Beziehung zu dem der
Schlangen und nackten Amphibien, welche beide Gruppen sowohl die schmale Form, als auch die
Bescliränkung auf den Mundrand mit ihnen gemein haben. Die grosse Zahl der relativ kleinen
Zähne weist ebenfalls auf Beziehungen zu den nackten Amphibien hin, obgleich ihre Menge bei
den letzteren relativ noch viel grösser ist.
Die Nasenbeine (ossa nasaliu, cj zeichnen sich durch ihren beträchtUchen Um-
fang aus. Sie beginnen schmal zwischen den Nasenlöchern, deren Begrenzung zur grösseren
Hälfte in ihrer vorderen Aussenecke sich befindet, imd breiten sich hinter denselben so aus,
dass sie die grösste Fläche der Schnautzengegend enthalten. Jedes Nasenbein ist gleich hin-
ter dem Nasenloch am breitesten, indem es daselbst von einer gegen den Oberkiefer aus-
wärts ceboeenen Naht begrenzt, und in dem Maasse, wie es dem Thränenbein sich näliert,
2*
12 ^ —
schmaler wird. Von da an verjüngt es sich Zusehens und legt sicli in gleicher Neigung an
das vordere Stirnbein, neben dessen vorderer Ecke es endet, indem eine stark gezackte Naht
beide Nasenbeine von den Stirnbeinen trennt. Gewöhnlich sind die Nasenbeine an dieser
Stelle ungleich, nämlich das eine ist etwas kürzer als das andere, und diese Ungleichheit er-
streckt sich auf ihre ganze Fläche, insofern die Naht, in welcher sie aneinander stossen, nicht
gerade, sondern geschweift zu sein pflegt. An dem vollständigen Abdruck der Schädelfläche
in V. Braun 's Sammlung, wonach diese Gegend in Fig. 1. gezeichnet ist, war das rechte (im
Abdruck linke) Nasenbein etwas grösser als das linke. Diagonal durch die vordere Hälfte
der Nasenbeine läuft die Stirnfurche, imd neben ihr vertheilen sich radial die Grübchen, so
dass die kürzesten nach vorn, die längsten nach hinten gerichtet sind. Die Breite jedes
Nasenbeins an seiner breitesten Stelle verhält sich zu seiner ganzen Länge wie 7 zu 2i-, und
sein äusserstes hinteres Ende liegt dicht hinter der Mitte des .Mjstandes der Nasenlöcher von
den AugenölTnungen.
Die beschriebene Form der Nasenbeine passt zu keinem existircnden Ampliibiumlypus
genau. Den Schildkrüten pflegte man sie abzusprechen, bis Peters ilire Existenz bei Pliyllo-
mednsa Maximilluni nachwies (in Miiller's Arch. 1839. 284. Taf. 14. Fig. 1.) und damit zeigte,
dass sie allgemein in dem os frontale anierius der Chelonier stecken, oder gar, nach Kölli-
ker (a. a. 0. S. 47.), ihm ganz entsprechen. Bei den Krokodden sind sie relativ viel länger
und schmaler, als bei Trcmaiosaitrus, und scheinen zur innigen Verwachsung unter einander
zu neigen, wenigstens verschwindet ihre miniere Naht mit höherem Alter gänzlich. Die typi-
schen Saurier iiaben allgemein kleinere Nasenbeine, welche bei den Monitoren bald verwach-
sen und bei allen nach Iiinten zu breiter werden, also sich umgekehrt wie die von Tremuio-
sanrns verhalten. Die kleinen Nasenbeine der Schlangen liegen zwischen den sehr grossen
vorderen Slirnbeinen, nicht vor ihnen, wie bei Tremuiosauriis. Den Anuren fehlen besondere
Nasenbeine, die übrigen Amjihlhia nuda haben sie, allein ihre Verbindung ist eine andere, in-
sofern sie nur an das Hauptslirnbein, aber weder an das Thränen- noch an das vordere Stirnbein
stossen, oder vielmehr an den Knochen, der beide zusammen vertritt. Die meiste Analogie zei-
gen die Nasenbeine von Pfcroclacti/liis, obgleich auch sie nach Iiinten breiler werden und nach
vorn nicht über die hinterste Grenze der Nasenlöcher hinausreichen, zudem fehlt auch ihm ein
besonderes Thränenbein ; entfernter ist die Aehnlichkeit mit Crocod'ilus , und noch geringer tritt
sie zwischen den Enaliosauriern und Trematosaurus auf.
8- 'J-
Das Thiänenbein (^os lacrymale, d.) ist bei Trematosaurus ein langer schmaler
Knochen, welcher von der unteren Ecke der Augenüflnungen ausgeht und nach vorn bis lüjer
die Mitte des Abstandes von Nasenlöchern und Augenöffnungen hinausreicht. Da der Ober-
kieferknochen, welchem es seiner ganzen Länge nach anliegt, in derselben Richtung breiter
wird, so ist das Thränenbein schief nach innen und vorn geneigt, übrigens aber ziemlich von
gleicher Breite, nämlich in dem Verliäitniss von I zu 5. Am äussersten Vorderende zugespitzt,
13
liat es daneben nach innen zu einen kurzen geraden Rand, \velclier an das Nasenbein stosst,
und alsdann einen z\veiten, unter einem stumpfen Winkel davon ausgehenden, mit welchem
es sich an das vordere Stirnbein legt. Dieser Rand oder die Naht, weiche ihn Ijüdet, ist in
seiner vorderen Hälfte sehr stark ausgezackt, so stark, dass er darin von keiner anderen
Kopl'naht ii])ertrotTen wird. Uli lege einiges Gewicht auf diesen Umstand, weil er in gleicher
Weise anderswo wiederkehrt, nämlich bei Nofhosaurus. Hinter den Zacken ist die Naht ge-
bogen und so stark abwärts gewendet, dass nur eine sehr kleine Stelle des Angenlochrandes
vom Thränenbein eingenommen wird, und der grösste Theil des vorderen Umfanges dem
Vorderstirnbein zufällt. Die Stirnfurche berührt das Thränenbein, indem sie um die vordere
innere Ecke desselben herumgeht; die Kieferrandfurche, indem es die untere stumpfe Vorder-
ecke aljschneidet und dann in der Naht zwischen Oberkieferknochen und Thränenbein fort-
läuft. So lange sie auf dem Thränenbein seilest bleüjt, ist sie schmal; hernach wird sie brei-
ter. Die Sculpturfurchen habe ich nur an der vordersten Spitze unbestimmt erkannt.
Bekannllicli spielt das Thränenbein durch sein isolirtes Auftreten und seine Grösse eine
besonders wichtige Rolle in der Configurallon des Stirn- und Schnaulzeniheiles der Amphibien-
schädel. Bei den Cheloniern ist es mit dem vorderen Stirnbein und gewühnlich auch mit dem
Nasenbein zu einem Knochen vereinigt, fehlt ihnen also als selbständige Iv'nochenplatte. Die
Krokodile und alle typischen Saurier haben ein besonderes Thränenbein; bei jenen ist es
grösser als das Vorderstirnbein, bei diesen kleiner. Den Schlangen fehlt das Thränenbein, es ist
mit dem Vorderstirnbein in einen Knochen verbunden. Ebenso verhalten sich die Ptcrodacty-
len und die nackten Amphibien, während die Enaliosaurier beide Knochen von gleicher
Grösse, aber relativ sehr geringem Umfange besitzen. Insofern nun das Thränenbein von Tre-
matosaurus etwas grösser ist, als dessen vorderes Stirnbein, kann man beide Knochen nur dem
Typus der Krokodile für analog gebildet halten, muss aber dabei die viel geringere Grösse der-
selben beim Krokodil nicht übersehen. Ebenso klein, wie beim Krokodil, sind beide Knochen
auch bei den Enaliosauriern und typischen Sauriern, hier aber in ihrem Vcrhältniss zu einander
umgekehrt, d. h. das Thränenbein ist kleiner als das vordere Stirnbein. Den nächsten Vcrglei-
chungspunkt bieten also die Krokodile uns dar, den fernsten die Schildkröten; fast ebenso fern
bleiben die Schlangen, die Pterodactylen und die nackten Amphibien, etwas näher stehen die
typischen Saurier und die Enaliosaurier den Labyrinlhodonten.
§. 6.
Allgemein findet sich bei den Amphibien ein Knochen, welcher die obere Hälfte des
vorderen Augenhöhlenrandes einnimmt, nach innen oder nach hinten an das Stirnbein stösst
und wciui besondere Nasenbeine vorhanden sind, diese vor sich liegen hat. Man nennt sel-
bigen Knochen Vorderstirnbein ("o* frontale cmlerius, ej, und deutet dadurch an, dass
IM- dem Stirnlieine als Theil untergeordnet werden müsse. Diese Unterordnung unter das
Stirnbein ist indessen nur durch die vergleichende Betrachtung der Schädel von Menopoma
und Siredon (s. StegoporusJ zu rechtfertigen, insofern der Knochen, welcher bei Siredon
14
isolirl als vorderes Stirnbein auftriü, bei 3Ie?iopoma das vordere Ende des Hauptstirnbeines
ist*); bei allen übrigen Amphibien verbindet sich das Vorderstirnbein mit dem Thraneiü^ein,
wenn es nicht isolirt bleuet. Es mag daher vorzuziehen sein, es für einen Theil des Thränen-
beins, oder, wo beide verbunden sind, sie zusammen für das Thränenbein zu erklären ; indem
nicht der seltenere Fall die Regel, sondern die Ausnahme bezeichnet, der häufigere dagegen
die Regel bildet. Bei Trematosaurus ist dieser Knochen selbständig und getrennt vom
Thränenbein vorhanden. Er liegt an der bezeichneten Stelle zwischen Thränenbein und
Hauptstirnbein, und hat eine gebogen dreiseitige Gestalt. Eine kürzere äussere, vorn stark
gezackte Naht trennt ilin vom Thränenbein, eine längere innere, einfach gebogene, als zweiter
Schenkel, vom Stirnbein und zugleich vom Nasenbein, mit dem er am vordersten Ende dieser
Naht in Berülirung tritt. Die schmale Basis des Dreiecks erfüllen der Augenhöhlenrand und
eine kurze Naht, welche gegen das hintere Stirnbein stösst. Quer über die Mitte dieses
Knochens geht die Stirnfurche fort, und zu beiden Seiten derselben sieht man die radial an-
geordneten Sculpturfurchen sehr deutlich; drei kleine Grübchen bilden auf der hinteren Fläche
das Centrum ihrer Gruppirung.
1. Seitdem die äusseren Schädeldeckknochen als secundäre Gebilde, als Belegknochen eines knorpe-
ligen Primordialcraniums allgemein nachgewiesen worden sind, kann die in ihnen bemerkbare
grosse Verschiedenheit der Zahl und Lage keine so überraschende Thatsache mehr sein, als frü-
her, wo man den Schädel für ein Compositum ursprünglich identischer, nach Zahl und Lage be-
schränkter Knochen hielt. Wir wissen jetzt, dass, wo das Bedürfniss von Belegplalten sich ein-
stellt, diese überall zwar nach einem gewissen Schema angeordnet sind, aber in grosserer oder
geringerer Anzahl neben einander auftreten können, wie es eben das Bedürfniss fordert. Mir
erscheint gegenwärtig die Anwesenheit von so viel mehr isolirten Knochen bei den Fischen und
Amphibien um so weniger rälhselhaft, als ich der Meinung sein muss, dass diese Knochen in
ihrer Zahl durch die besonderen Bedürfnisse genannter Klassen bedingt werden, und wahrschein-
lich aus der grösseren Schnelligkeit, mit welcher die niederen Bückgrallhiere ihre Enlwickelung
durchlaufen, resultiren. Mit zahlreicheren, auf kleinere Flächen angewiesenen OssiGcationen oder
Belegknochen kann dasselbe Ziel in kürzerer Zeit erreicht werden, zu welchem wenige, grössere
Flächen überspannende Knochenplatlen erst in längeren Zeitabschnitten gelangen. Letzteres ist
der Weg, den die höheren Rückgrallliierc einschlagen.
2. Die Deutung des vorderen Stirnbeines der Amphibien als denjenigen Knochen, welchen man bei
den Vögeln das Thränenbein nennt, halte ich für durchaus gerechtfertigt (vergj. Köstlin
Schädel!. S. 205 u. S. 265). Hieraus folgt aber, meiner Meinung nach, dass das vordere Stirn-
bein der Amphibien nur als ein Theil des Thränenbeines überhaupt, und nicht als ein abgeson-
■) In der Besclireil)iing, welche in Kölliker's Bericlit von der Würzburger zootom. Anstalt gegeben ist
(S. 28. seq.), wird dieser Knoclien (Taf. IV. Fig. 1. 3. IH.) äusseres Nasenbein genannt, wogegen seine
Lage und seine innige Aniiigung an das Stirnbein schon spreclien; liei Mcno]>oma ist er wirklich mit
dem Stirnbein verwaclisen. Slan darf sich darüber um so weniger wundern, als bei Mcno]). aUcgunen-
s'is nacli Cuvier {Oss. foss. V. B. pl. 26. f. 4.) sogar das Thränenbein, welches bei Menop. glganleu
nacli Schlegel (Sieboldt Fr. Japan. Amph. I.) getrennt bleibt, mit dem Scheitelliein verwachsen konnte.
15
dertes Stück des Stirnbeines zu betrachten ist, weil nämlich das Thränenbein, seiner ganzen
Natur nach, weit eher variabel sein kann, als das Stirnbein. Ich würde also annehmen, dass die
Knochen im vorderen Augenwinkel der Rückgratthiere stets als Thränenbeine zu deuten seien,
und dass von den beiden dort auftretenden Knochen bald der untere allein (Säugelhiere), bald
beide verbunden (Vögel, Frösche), bald der obere allein (Schlangen, Schildkröten und geschwänzle
nackte Amphibien), bald beide getrennt (Krokodile, ächte Saurier) vorhanden sind. Hierfür be-
stimmt mich unter anderen auch der Umstand, dass in der präadamitischen Periode selbst nah
verwandte Gattungen der Amphibien in diesem Punkte differiren , denn Not/iosaurns hat nach
H. V. Mayer im vorderen Augenwinkel nur einen einzigen Knochen, IckihyosaurHs da-
gegen und Plesiosuurus haben deren zwei. In der gegenwärtigen Schöpfung haben nur die
Krokodile und die ächten Saurier ein besonderes Thränenbein neben dem vorderen Stirnbein, zu
welchem sich mitunter (z. B. bei den Monitoren) noch ein drittes Knöchelchen, das Augen-
randbein (os superciliare) gesellt, welches in entsprechender Lage auch bei vielen Vögeln am
sogenannten Thränenbein gefunden wird. Die Verhältnisse beider Knochen zu einander sind der
Art, dass bei den Krokodilen das vordere Stirnbein kleiner ist als das Thränenbein, bei den
ächten Sauriern dagegen stets grösser; allein eine so bedeutende Grösse, wie bei Tremato-
saiiriis, erreichen dieselben Knochen lebender Amphibien nie. Sehr klein und relativ noch klei-
ner, als beim Krokodil, erscheinen beide Knochen bei Ichlhijosaurus und Plcslosmirits ; die
Pterodaciijlas haben nur ein einfaches Thränenbein.
Das Hauptstirnbein Qos frontale proprium, f.y ist der längste Knochen von allen
auf der Oberseite des Schädels gelegenen Beinen, und zugleich einer der schmälsten. Er
besteht aus zwei völlig getrennten Hallten, die sich in einer geraden Naht auf der Mitte an-
eiuander legen und zusammen eine längliche Raute beschreiben, deren spitze Ecken abge-
stumpft und deren beide Hälften etwas imgleich sind. Beide Stirnbeine halben nämlich nicht
«anz i;enau gleiche Grösse, sondern das linke ist in allen seinen Dimensionen etwas grösser,
als das rechte. Daher kommt es, dass die mittlere Längsnalit, in welcher die Stirnbeine an-
einander stossen, aus der Mittellinie hinaus auf die rechte Seite hinüber geschoben ist, und
das vordere Ende des linken Stirnljeins entschieden weiter vorragt, als das des rechten.
Hinten ist es freilich umgökehrt, allein dennoch bleU:)t die Breite des rechten Stirnbeins unter
der des linken. Im Uebrigen erreichen die Hauptstirnl)eine den Augenhöhlenrand nicht, son-
dern werden durch die beiden Nebenstirnbeine ganz von demselben zurückgedrängt. Das ist
ein sehr bezeichnender Charakter für Trematosaurus , der übrigens bei 3Ietopias wieder-
kehrt und noch anderen urweltlichen Amphüjien eigen zu sein scheint.
Vollständig und lebenslänglich getrennte Stirnbeine haben unter den lebenden Amphibien
nur die geschwänzten Nackthäuter, die Monitoren und die Schildkröten; bei allen
typischen Sauriern, den Krokodilen und Enaliosauriern verwachsen sie mit zunehmen-
dem Alter zu einem Knochen. Dagegen scheint die völlige Entfernung des Hauptstirnbeins vom
Augenhöhlenrande ein den Labyrinthodonten ausschliesslich eigener Charakter zu sein, indessen
16 —
nicht allen Gattungen zuzukommen; wenigstens giebt H. v. Mayer bei Capitosaurus und Ma-
siodonsaurus es anders an, indem er deren Hauplstirnbeine in den Augenhöhlenrand eintre-
ten lässt.
§• 8.
Die zahlreichen Knochenstücke, welche hinter der Augenhöhlenöffnung liegen und von
da bis zum Hinterhaupt reichen, bedürfen, um die zu wählenden Benennungen fiir die einzel-
nen Knochen festzustellen, einer vorlaufigen allgemeinen Betrachtung. Bekanntlich haben die
Säugethiere in dieser Gegend des Schädels nur zwei Knochen, das vordere Jochbein
Cos zt/gomaticum) und das hintere Schläfenbein (os tympanicum^. Letzteres besteht in
frühester Jugend aus vier Theilen, nämlich der Schuppe Qos temporale sqiiumosum^, dem
Pauken ringe f^o* tympaiiicum~), dem Zitzent heile (os mastoideum) und dem inneren
Ohrknochen oder Felsenbein (^os petrosumj. Das Zitzenbein kann in manchen Fällen feh-
len; das Felsenbein pflegt sich öfters niclit mit den drei anderen Knochen zu verbinden, son-
dern isolirt zu bleiben. Bei den Vögeln ist das Jochbein sehr in die Länge gezogen und
stets aus zwei Hälften zusammengesetzt, einer vorderen, welche os zi/ifomaticum (nach Cu-
vicr US jugale) heisst, mid einer hinteren, die os quadrato-jugale (nach Owen os jugule)
genannt wird. Dagegen besteht das Schläfenbein der Vögel nur aus drei Stücken: dem os
squamosum , das nach aussen liegt, dem os petrosum , welches hinter jenem in der Tiefe
steckt, und dem freiliegenden, beweglichen, durch Gelenkung am Schuppentheil befestigten os
tympanicum, welches früher nach seinen vier Ecken Quadratbein genannt zu werden
pllegie. Bei den Vögeln haben wir also ebenso viele Knochenstücke zwischen Auge und
Hinterkopf, wie bei den Säugethieren, allein sie sind anders zu deuten; denn das zweite, hin-
tere Stück des Jochbogens, welches sich mit dem Paukenknochen verbindet, ist wohl am
richtigsten als der freie, selljständig gewordene processus zygomaticus des Schläfenbeins
der Säugethiere anzusehen. Dagegen fehlt tlen Vögeln ein seüiständiges Zitzenbein iumier.
Die Amphibien bilden den Typus der Vögel weiter aus, besonders dadurch, dass sie den
vorderen Theil der bezeichneten Knochenreihe, die beiden Stücke des Jochbogens der Vögel,
zu mächtigen Knochen erweitern, imd das den Vögeln und Säugethieren fehlende hintere
Stirnbein, als oberes vorderes Element des Jochbogens, dem einfachen vorderen der Vögel hinzu-
fügen *). So besteht denn bei den Schildkröten und Krokodilen die angedeutete Knochengruppe
z^Yischen dem Auge und dem Hinterkopfe aus sechs Stücken, von denen tüjer nur fünf seit-
lich zu Tage treten, indem das in der Tiefe liegende Felsenbein ^on den Nackenmuskeln
überdeckt wird. Die typischen Saurier variiren diese Bildung dadurcli, dass sich üir hinte-
res Jochbein nicht mehr an das Paukenbein, sondern an die Schläfenschuppe unmittell)ar
*) Al>nonne Ersclieiiiiingen l)ei Sängetliiereii lif«fisc-n evident, (l;iss das sogenannte iiintere Stiiiiliein niclil
ein abgelöster jiroccssiis zygomullcus des Stirnbeins, sondern ein selljstiindig gewordener ]>roccssus fron-
talis des Jochbeins ist, und rechtfertigen damit auch beiläufig die Deutung des vorderen Stirnbeins als
abgelösten Ast des 'l'hränenbeins. Vgl. meine Besciireibung des abnormen Jochbeins eines Orang-Utang
in der Zeitung fiir ZooL, Zoot. u. vergl. \nat. I. S. 5.
17
(Cu vier 's Zitzonbein) lieftet, und ausserdem beide Joclibeinstücke in manchen Fallen (bei den
Monitoren) durch eine Lücke von einander getrennt bleiben. Diese Trennung, der erste
Anfang einer Verkümmerung des Jochbeins, steigert sich bei den Ophidiern bis zu einem
völligen Mangel der unleren Joclil) ein stücke, womit ein Heraustreten des Schupp ent hei Is
aus dem Verbände der Schädelkapselknochen verbunden ist. Die Schlangen behalten nur die
obere Haltte des Jochbeins, das hintere Stirnbein, untl ein aus drei Stücken (squamosum,
petrosum, ft/mpanicuni) zusammengesetztes Schlafenbein ; ihr ganzer Knochenapparat zwischen
Auge und Hinterhaupt besteht also nur aus vier Knochen. Hieran scliliessen sich die nack-
ten Amphibien, bei welchen die Theile des Schlafenbeins in gleicher Zahl, wenn auch in
anderer Anordnung, wiederkehren, wahrend der letzte Rest des Jochbeins, das hintere
Stirnbein, auch noch verloren geht. Ihnen fehlt also der Jochbogen ganz, denn der
Knochen, welcher bei den ungeschwanzten Batrachiern sich mit dem Oberkiefer verbindet, ist
in der That nicht einmal das (luudrato-jugule , sondern wirklich das ti/mpaiiicum. Was Cu-
vier für das tympankum iiält (0**. foss. V. i. 390. n. n. pl. 2i. 2ö. 26.), muss ich als
sijuamosum deuten, oder für denselben Knochen, den Cuvier sonst, und seiner Form nacli
mit Recht, os mastoideum nennt. Dass dies mastoideum wirklich nur das os temporale
squamosum sein kann, haben schon Duges, Hallmann, Köstlin (Schädellehre S. 277) u. A.
nachgewiesen; nichtsdestoweniger werde ich Cuvier's Benennung, ihrer bezeichnenden
Eigenschaft wegen, in der nachfolgenden Betrachtung beibehalten.
Dem gemäss dürfen wir zwischen dem Auge und dem Hinterkopf bei Trematosaurus
mindestens sechs Knochen erwarten, von denen zwei (Hinterstirnbein und Jochbein) zum
Jochbein der Säugethiere, die anderen vier (hinteres Jochbein, Paukenknochen, Schuppenschiä-
fen- oder Zitzenbein und Felsenbein) zum Schläfenknochengerüst gehören; von ihnen w'wd
aber gewiss einer (das Felsenbein) sich in die Tiefe des Schädels zurückgezogen haben, und
deshalb köimen wir äusserlich, nacli der Analogie lebender Amphibien, nur fünf Knochen-
platten in dieser Gegend voraussetzen.
Höchst überraschend zeigen sich bei Trematosaurus acht verschiedene Knochen und
Knochenplatten äusserlich; es sind also mit dem ganz verstockten Felsenbein neun wirklich
vorhanden.
In der ersten Reihe liefen hinter der AuyenhöhlcnötTnunc drei sehr ähnhche lane;-
gezogene Knochenplatten neben einander, welche von oben nach unten als hinteres Stirn-
bein, Hinteraugenhöhlenbein und vorderes Jochbein unterschieden werden; sie ent-
sprechen zusammen dem Jochbein der Säugethiere.
Das hintere Stirnl^ein (os frontale posterius, g.^ hat einen beträchtlichen Umfang
und bildet mit dem vorderen Stirnbein de» ganzen oberen Augeuhöhlenrand. Es ist ein lan-
ger, ziemlich gleichseitiger, etwas geschwungener Knochen, gegen dreimal so lang wie breit,
welcher vorn mit einer kurzen geraden Naht an das vordere Stirnbein stösst, daneben eine
Strecke den Augenhöhlenrand bildet, sich mit seiner inneren S-förmig geschwungenen Seite
3
- — 18
theils an das Hauptstirnbein , tlieils an das Scheitelhein anleimt, nach hinten in eine Spitze
ausgeht und nach aussen noch 2rwei Ränder formirt: einen kürzeren hinteren, welcher an eine
isolirt neben dem Scheit eUjein liegende Knochenplatte stösst, die als Schläfenbeinschuppe
zu deuten sein wird, und einen längeren vorderen, der mit dem Hinteraugenhölüenbeiu zu-
sammentrifll.
Dies hintere Augenhölilenbein (b* orbitale posterius, i.J ist von H. v. Mayer
bei den Labyrinthodonten unterschieden und bei allen Gattungen vorhanden. Es liegt seit-
wärts nach aussen neben dem hinteren Stirnbein und füllt hier den Raum aus, welcher im
Aueenhöhlenrande der Krokodile offen bleibt, so dass ihre Augeuöffnung mit der Schläfengrube
zusammenfliesst. Vorn ist der Knochen schmal, soweit er den Augenhöhlenrand bilden hilft:
nach hinten erweitert er sicli allmälig mit zwei ziemlich geraden divergirenden Rändern, welche
ihn nach innen mit dem hinteren Stirnbein, nach aussen mit dem vorderen Jochbein verbin-
den, und schliesst sich alsdann mittelst zweier kurzen convergirenden Seiten zu einer scharfen
Spitze, welche zwischen die zwei darauf folgenden Knochenplatten sich hineindrängt.' Ueber
die hinterste Hälfte dieses Knochens geht das vorderste Ende der tiefen Backenfurche weg.
Unter dem vorigen Knochen liegt, vom unteren Augenhöhlenrande ausgehend, eine
noch längere ähnliche Platte, welche ganz vorn an das Thränenbein stösst, auf ihrer unleren
Kante mit dem schmalen, durcii die Kieferrandfurche davon getrennten Oberkieferknochen zu-
sammentrifft, und hinterwärts breiter werdend, bis weit über den Oberkiefer und das hintere
Augenhöhlenbein hinausreicht. Man kann cUese Platte für nichts anderes, als das Jochbein
(os zygomaticum, kj halten. Es stellt einen schmalen, lauggezogenen Knochen dar, welcher
unten auf dem scliarfen voctretenden Rande des leistenförmigon Oberkiefers ruht, sich in
ziemlich gleicher Breite bis dahin erstreckt, wo der vordere Bogen der Backenfurche über
ihn fortgeht, und nun breiter wird. Bis zur breitesten Stelle grenzt das Jochbein nach innen
an das Hinteraugenhöhlenbein, sobald es alier dessen untere hintere Ecke erreicht hat, zieht
es sich wieder zusammen und stösst nun eine Strecke an den mittleren Knochen der hinteren
Reihe (/J, bis es den untersten (m.) derselben Reihe trilTt. Gegen ihn wird das Jochbein
durch eme stark gezackte Naht, welche in die Bucht am ^kmdwinkel eingreift, getrennt. Ueber
diese hintere Hälfte des Jochbeins zieht sich, ziemlich parallel seinem unteren Rande, der un-
tere Schenkel der Backenfurche fort, indem sie genau an der Stelle, wo die Kieferrandfurche
am äussersten hinfersten Ende des Oberkieferknochens verschwindet, mit demselben in eine
leichte Communicatiou tritt. Die Kieferrandfurche mündet daselbst in die Backenfurche ein.
Die superficiellen Sculpturen dieser drei Knochenplatten sind scharf ausgeprägt. Auf
dem Hinteraugenhöhlenbein unil hinteren Stirnbein bilden kleine dicht an einander gedrängte
Grübchen die Mille, wovon ringsum lange Furchen ausstrahlen. Wo die tiefe Backenfurche
sie durcliljricht, fehlen die Gruben. Auf dem Jochbein liegt die centrale Grübchengruppe
gerade da, n%o die Backenfurche und die Kieferrandfurche zusammenmünden, und ist deshalb
lückenhaft; die davon ausstrahlenden Furchen sind in der Richtung nach innen sehr kurz, weil
— ^ 19 - —
der sclunale Knochen ihnen keinen Raum mehr Itisst, nach hinten nnil vorn dagegen sehr
langstralilig ausgezogen. Die hinteren werden von dem miteren Schenkel der Backenfurche
unterljrochen.
Aus den einleitenden Betrachtungen dieses Paragraphen ergiebt sich, dass die drei zu-
letzt beschriebenen Knociien als das Analogen des Jochbeins der Säugelhiere anzusehen sind.
Obgleich dasselbe bei keinem lebenden Rückgratlhiere normal aus dreien Stücken besteht, sondern
höchstens abnorm in so viele zernüil, wie aus dem in der Note S. 16 angezogenen Citat erliellt,
. so ist doch die Analogie mit dem Jochbein der Krokodile sehr augenfüllig, wenn man sich in
die Lücke zwischen dem oberen (hinteres Stirnbein) und unteren Stück (Jochbein) eine sie ver-
bindende Knochenplatte iiineingeschoben denkt. Diese Knochenplalie ist bei den Labyrintliodon-
ten wirklich als Hinteraugenhöhlenbein vorhanden. Bei den Schildkröten, Enaliosauriern
und typischen Sauriern, mit Ausschluss der Geckonen und Jlonitorcn, wird zwar keine
Lücke am hinteren Augenhölilenrande bemerkt, allein die Zahl der hier befindlichen Knociien ist
um einen geringer, es fehlt ihnen das hinlere Augenhölilenbein. Die Monitoren und Geckonen
haben daselbst, gleich den Krokodilen, eine Lücke, im Uebrigen aber ganz den Bau der ächten
Saurier; denn bei allen bleibt die Schläfengrube noch viel unbedeckter, als beim Krokodil, trotz
der Lücke im Augenhöhlenrande.
§. 9.
Nach Abgang der drei vorderen Knochenplaflen für das Jochbein bleiben als Theile
des Schläfenbeins noch fünf Knochen vor dein Rande des Hinterkopfes von Trematosaurus
zu besprechen. Unter diesen Knochen kann übrigens das Felsenbein sich nicht befinden, weil
es der tieferen Region der Schadelkapsel angehört und nie seitwärts nach aussen zu Tage
tritt; es muss mithin, da die übrigen Rückgratlhiere nur drei Knociien in derselben Gegend
zeigen, ebenfalls eine Yermelirung der Knochenstücke des Schläfenlieins ]>ei Trematosaurus
eingetreten sein. Diese A'ermehrung rüin-t theils von der Theilung des Paukenknochens in
eine äussere und innere Hälfte, theils von der Trennung der Schläfenbeinschuppe, des Cu-
vi er sehen Zitzenbeins, in zwei Stücke her, als Folge welcher Trennung ])ei Trematosaurus
sich eine wirkliche selbständige squama ossis temporum neben der pars mastoklea gebil-
det hat. Mit ihr, dem vordersten Theile des Schläfenbeingerüstes, möge die Betrachtung
J)eginnen.
Das länglich sechsseitige Knochenschild, welches seitwärts neben dem Scheitelbein
liegt und nach vorn an die beiden obersten Stücke des Jochbeins stösst, halte ich für diese
abgelöste Schuppe des Schläfenbeins Qos temporale squamosum, n.y. Der Knochen
berührt mit seinen sechs Seiten eben so viele Knochen, nämlich, ausser dem Scheitelbein, nach
\ori\ und innen das hintere Stirnbein (ff.)- f'^'^''^ ^orn und aussen das Hinteraugenhöhlenbein
(i), nach unten den äusseren Paukenknochen (L), nach hinten und aussen das Zitzenbein (o.).
und nach hinten und innen die Schuppe des Hinterhauptsbeines (r.). Durch diese Lage ist
der Knochen hinreichend als Schläfenbeinschuppe bezeichnet, insofern nur seine Verbindung
3*
20
mit (lern oberen Ende des Jochbeines von den iil^lichen Verbindungen derselben abweicht;
allein dafiir bieten schon die Seeschildkröten eine sichere Analogie dar. hn Uebrigen \Alirde
der Knochen ganz ungez\Yangen in die Schlafenbeinbildmig des Krokodils hineinpassen, wenn
man sich die auf dem Scheitel neben den Scheilelljeinen befindliche Portion der Schläfen-
grubenöflTnung durch eine Knochenplatte bedeckt denkt, von deren unterer Fläche die Temporal-
muskeln ihren Ursprung nehmen würden. Gerade so, wie das Hinteraugenhöhlenbein der Laby-
rinthodonten die äussere Partie der Schläfengrubenmündung der Krokodile verdeckt, so bedeckt
das Schuppenbein der Labyrinthodouten die innere kleinere Partie der Schläfengrubenmündung
der Krokodile. Ueber dies Schuppenbein zieht sich der innere Schenkel der Backenfurche,
welche vom Hinteraugenhöhlenbeine kommt, in seiner ganzen Länge so hin, dass die Ober-
fläche des Knochens in eine innere und äussere Hälfte zerfällt.
Neben der beschriebenen Schuppe liegt zunächst nach hinten am äussersten Rande
des Kopfes das eigentliche Zitzenbein (os mastoideum , o.), ein Knochen, völlig so gestaltet
und gelagert, wie der gleichnamige des Krokodils, und insofern ein Beweis mit für die rich-
tige Deutung des vorigen; er ist im elften Paragraph ausführlicher beschrieben und mag hier
noch unberücksichtigt bleiben.
Den Knochen seitwärts nach aussen neben den beiden vorigen kann man für niclits
anderes als für einen Theil des Paukenbeines halten. Er tritt als eine länglich herz-
förmige Platte mit seiner nach vorn gewendeten Spitze ])is an die Theile des Jocliljogens
hinan und verbindet sich hier mit ihnen unmittelbar, indem er die Schläfengrube, welche das
Paukenljein sonst nur nach hinten abschliessen hilft, hier auch nach aussen überwölJ)t. Dadurch
zerfällt das Paukenbein der Labyrinthodouten in einen äusseren schuppeuförmigen Theil (os
tympanicum externum, IS) und in einen tieferen (p.^, welchen ich hier nicht berühren, son-
dern erst weiter unten (in §. 13.) besonders beschreiben werde. Der Schuppentheil des
Paukenknochens bildet mit seinem hinteren geschwungenen Rande die untere Lippe der Ohr-
spalte, und senkt sich an derselijen, als umgeschlagener Knochensaum, in die Tiefe hinab.
Von da an wölbt er sich etwas in die Fläche, und begiebt sich mehr nach aussen als nach
innen in die Backengegend hinein, ohne von der Backenfurche anders, als an seiner unteren
hinteren Ecke, berührt zu werden. Hier zieht sich das hintere Ende ihres unteren Schenkels
schief über die Fläche des Paukenschuppenthcils fort. \w derselben Gegend stösst der Knochen
an den untersten hintersten Backenknochen Qn.^, welcher mit iluu in der grösseren Hälfte
seines untei'en Randes zusammenti-ilft, und vor demselben berührt er sich mit dem hintersten
Theile des eigentlichen Jochbeines (k.). Der Knochen hat nelien der Backenfurche eine sehr
tiefe und regelmässige Sculptur, welche von einer dichten Grujipe kleiner Grübchen am oberen
hinteren Ende ausgeht, die also vor der Ohrspalte liegt, und iuisserlich von langen, radialen,
zum Theil etwas geschwimgenen Furchen umgeben ist. Neben der Ohrspaltenlippe zieht sich
eine nach oben verschmälerte Randfurche liin, in weiche die Backenfurche einmündet; der
hinteie Rand des Paukenknochens vor der Ohrspalte wird dadurch sehr scharf und leisten-
21
artig erhöht. Hinter dem scharfen Rande bildet der abwärts steigende Theil des Knochens
eine etwas aufgetriebene, nach innen abgerundete Phitte, welche sich auf den oberen Rand
des inneren Paukenknochens auflegt, und mit ihm durch eine scharfe und sehr deutliche Naht
in Verbindung tritt. Der Schuppentheil des Paukenknochens ist also ein durchaus selbständi-
ger Knochen, der nur insofern dem Paukenknochen angehört, als er einen Theil der Ohrspalte
umschliesst, und wahrscheinlich, so weit dies geschieht, das Trommelfell einfasste. DeshaUi
schien es auch nöthig, beide Theile getrennt von einander zu schildern.
Das sclmiälere und wenig kürzere Knochenstiick unter dem vorigen, am äussersten
Ende der Mundspalte, lasst sich ungezwungen auf denjenigen Knochen der Krokodile reduci-
ren, welchen Cuvier für die sqiiama temporalis hielt [Ossem. foss. Y. 2. pag. 85. p. p.),
jetzt aber allgemein und mit Recht als der selbständig gewordene processus zygomaticus
ussis temporum angesehen, und demgemäss dem hinteren Jochbogenstück der Vögel unter
dem Namen os (juadrato-jugale parallel gestellt wird. Ich werde es einfach os jugale nen-
nen und als hinteres Jochbogenstück, dem Typus der Vögel folgend, betrachten, wobei idi
indessen nicht verkenne, dass es ein Theil des os temporum und keinesweges ein Stück vom
OS zygomaticum ist. Dasselbe legt sich auf das unterste Ende des Paukenknochens ebenso
auf, wie der vorige Knochen auf dessen oberes Ende, und verdickt sich hier an seiner unter-
sten Ecke sehr merklich; es ist indessen nur hall) so breit, wie das darüber liegende Knochen-
stück, hl gleicher Wölbung mit ihm zieht es sich vorwärts strebend am Mundwinkelrande
fort, und erreicht alsbald in dieser Richtung den hinteren Rand des Hauptjochbeines, mit wel-
chem es in einer stark gezähnten Naht sich verbindet. Sein unterer freier Rand ist gebogen
und etwas einwärts gekrümmt, die Oberfläche sehr stark strahlig gefurcht, mit einigen kleinen
Grüljchen dicht vor der hinteren Endecke. Der hintere Rand sclilägt sich nach innen um
und legt sich mittelst dieses Umschlags gerade so auf das innere Paukenbein, wie über ihm
das äussere. Der Umschlag ist aber schmäler, als an jenem, und die Verbindungsnaht mit
dem inneren Paukenknochen undeutlicher.
Die Deulung aller dieser Knochenplatlen in der Backenfläche von Trematosaiirus hat
gewiss ihre Schwierigkeiten, scheint mir aber in der Art, wie ich die Lösung versucht habe,
nichts Zweifelhaftes mehr darzul)ieten. Der Typus des Krokodils blickt in der ganzen Anlage
entschieden durch, und ich finde zwischen ihm und Trematosanrus die allergrüsste Ueberein-
stimmung, wenn man bedenkt, dass die völlige Lfeberwölbung der Schläfengruben eine gewisse
Zahl neuer Knochenplatten noihwendig machte. Darum hat Trematosanrus drei Knochenplatlen
äusserlich mehr, und diese drei Knochenplalten füllen auch ihrer Lage nach genau die OefTnun-
frcn der Schläfensruhe des Krokodils aus. Die vorderste Plalle, das Hinlerautrenhöhlenbein,
schiiesst die Lücke im Orbilalrande und die daran zunächst slossende vordere Partie der grossen
Schläfengrubenmündung, während der von mir äusseres Paukenbein genannte Knochen, als der
zweite Lückenbüsser, die hintere Hälfte eben dieser Schläfengrubenmündung ausfüllt, und die
Schläfenschuppe sich in die obere kleinere Oeffnung der Krokodil-Schläfengrube hineinlegt. Gegen
die Richtigkeit dieser Erklärung kann der Umstand, dass beim Krokodil durch die Verbindung
22 —
des hinteren Stirnbeins mit dem Zitzenbein die obere Mündung der Scliliifengrube von der unteren
getrennt wird, bei Tremalosanrus aber beide zusammenfallen, wenn man seine drei complemen-
tären Knochen herausnimmt, wohl nicht mit irgend gutem Rechte und Erfolge geltend gemacht
werden. — Uebrigens ist eine grosse Analogie nicht bloss zwisclicn den Backenknochen der
Labyrinthodonicn und denen gewisser Fische (Siid'ts, Amici, Poli/plcrus), sondern auch im ge-
sammten superficiellen Schädelgeriist beider Gruppen nicht zu verkennen, und namentlich wüsste
ich in Bezug auf die Sculptur der einzelnen Knochen keinen näheren Vergleichungspunkt zu finden.
Sudis bietet darunter den nächsten dar.
§• 10.
Zwischen den eben geschilderten zahlreichen Knochenplatten, ^^ eiche zur Uebenvölbung
der Schläfengruben dienen, und die llieils dem Jochljogen, theils den secundar als Beleg-
knochen sich bildenden Stücken des Schläfenbeines entsprechen, hegen oben auf der IVhtte
des Schädels (he Scheitelbeine (ossa parietalia , h.J, zwei schmale, nach vorn starker
verschmälerte Platten, die in der ^littellinie aneinanderstossen und nicht genau gleiche Grösse
haben. Sie harmoniren in dieser Eigenschaft mit den übrigen centralen Knochenpaaren, den
Hauptstirnbeinen und den Nasenl:) einen. Beide zusammen sind etwa halb so breit, wie jeder
einzelne lang, hinten gerade abgestutzt, vorn zugespitzt, alier einzeln, so dass die Hauptstirn-
beine alternirend in sie eingreifen. Der vordere, um die Hälfte schmälere Theü ist etwas
kürzer, als der hintere breitere, und in diesem befindet sich das runde trichterförmige Scheitel-
loch etwas vor seiner Mitte, also beträchtlich hinter der Mitte der Gesammtlänge jedes Schei-
telbeins. Diese mittlere Gegend, ^^0I■in das Scheitelloch liegt, ist der Länge nach etwas
vertieft. Die Sculpturen der Oberfläche haben die gewöhnhche Anordnung, sind alier kürzer
und grubenförmiger, als auf den seitlichen Schädelknochenplatten.
i. Betrachten wir das Verliältniss der Scheitelbeine zu den Stirn- und Nasenbeinen, so scheinen
alle lebenden Saurier nebst den Ivrokodilen und Enaliosauriern zur frühen Verwach-
sung beider Hälften von Stirn- und Scheitelbeinen zu neigen, und deshalb im Aller stets einfache
Knochenplallen daselbst zu besitzen. Am längsten halten sich die Scheitelbeine bei den Gecko-
nen getrennt, die Stirnbeine bei den Monitoren. Letztere haben dagegen schon sehr früh ein
einfaches Nasenbein, die übrigen Eidechsen behalten getrennte. Bei den Cheloniern ver^vacll-
sen alle drei Knochenpaare gleichzeitig, aber erst in sehr lioiiem Aller; sie sind demnach bei
ihnen am längsten gelrennt. Lebenslänglich getrennt bleiben sie wohl nur bei den nackten
Amphibien, an welche also die Labyrinthodon ten in dieser Hinsicht sich anschlössen.
2. Das Scheitelloch findet sich in der Jugend bei den Enaliosauriern in der Nähe des vorderen
Endes der Scheitelbeine, und verschwindet hier mit zunehmendem Alter gänzlich. Den Kroko d il en,
allen Cheloniern, Ophidiern und nackten Amphibien fehlt es von Jugend auf; dagegen
haben es viele ächte Saurier, aber nicht alle. Den Geckonen und Ameiven gehl es ab; die
Monitoren, Laccrtinen, Agamen und Ghamäleonen besitzen dasselbe. Bei den zwei
zuletzt genannten Gruppen liegt es in der Naht zwischen Scheitel- und Stirnbein, und hat
23
einen beträchllichen Umfang; kleiner, oft sehr klein, ist es bei den Monitoren und Lacertinen,
bei welchen es hinter der Naht in der vorderen Hälfte des Stirnbeines selbst sich befindet, bei
recht alten Thieren aber öfters ganz ausgefüllt wird. Bei allen schliesst eine membranöse Decke
im Leben die OefFnung.
§• '"•
Nach der Erörterung der Scheitelbeine und der vor wie neben ilinen hegenden Schil-
der bleiben am hinteren oberen Kopfende noch vier kleine, paarig gleiche Knochenplatten
übrig, welche zu einer Querreihe an einander gepasst sind. Ich halte die mittleren für die
oberen Hinterhauptsbeine, die seitlichen für die Zitzenbeine.
Die letzteren (ttssa mastoidea , o.) bilden jederseits einen dreiseitigen, nach liinten
zugespitzten Knochen, welcher nach innen neben und über einem tiefen Einschnitte in den
Hinterkopf liegt und mit seiner ziemUch stumpfen Spitze erha])en seitwärts vorragt. Jener
tiefe Einschnitt ist offenbar die Ohrspalte, und ihr Rand der Trager des Paukenfells, wonach
sich genannter Knochen als Zitzenbein bestimmt. Es stösst dasselbe nach aussen zmu Theil
an die Ohrspalle, zum Theil an die vor derselben gelegene Knochenplatte /. , welche ich als
äusseren Paukenknochen in §. 9. beschrieben habe. Vor ihm liee;t das eieenthümliche
Knochenscliild «., dem ich daselbst die Bedeutung einer Schlafcnljeinschuppe zu geben suchte,
und innen neben ihm das obere Hinterhauptsbein. Die Oberflache der dreiseitigen Platte ist
mit kleinen runden Grübchen dicht bedeckt, und lüoer ihren vorderen äusseren Winkel zieht
sich der innere Schenkel der Backenfurche so fort, dass er in die Spitze der Ohrspalte ein-
mündet; der hintere äussere Rand pflegt bei gut erhaltenen Exemplaren scharfkantig aufgewor-
fen und sehr erhöht zu sein. Wie weit das Zitzenbein nach unten am Hinterkopf hinabreicht,
habe ich nicht genau ermitteln können; ohne Zweifel bildet es aber die ganze frei vorsprin-
gende Ecke desselben und einen Theil der Wand zu beiden Seiten neben ihr. Nach aussen
ist diese Wand der Ohrspalte zugewendet und bedeckt offenbar das unter ihr betmdliche
Gehörsorgan; nach hinten nimmt sie Theil an den beiden Hauptvertiefungen der Hinterkopf-
fläche neben dem Hinterhauptsloch, welche sonder Frage zur Aufnahme der Nackemnuskeln
bestimmt sind, vuid schon, deshalb, wenn nicht ganz, doch vorzugsweise, dem Zitzezibeine an-
gehören werden. Darunter steht das Zitzenbein mit den Seitenstücken des Hinterhauptsbeines
in Verbindung.
Das so eben beschriebene Zitzenbein entspricht, wie ich schon oben (S. 20) andeutete,
nncli seiner Lage, Form und Beziehung zn den benachbarten Knochen, am meisten dem der Kro-
kodile und zum Theil auch dem der Schildkröten. Mit erstereni harmonirt es in der Form,
und wiu'de ihm noch ähnlicher sein, wenn nicht die weite obere IMündung der Schläfengrube des
Krokodils die zusaminenluingende Knochendecke des Schädels unterbräche. Denkt man sich übri-
gens die Knochenplalte n. (das vordere Zilzenbein) aus dem Schädel von Trcmalosauriis her-
ausgehoben, so entsteht bei ihm genau an derselben Stelle, wie beim Krokodil, eine Schläfen-
grubenmündung. Insofern ist also die Analogie zwischen beiden Thierformen vollständig. Bei
24
den Schildkrölen, und besonders bei den Oeacopoden, ist die Analogie scheinbar noch grösser,
weil die mächtigen Scheitel- und hinteren Stirnbeine die Schliifengrube so ^^eit überdecken, dass
ihre obere Mündung nach hinten getrieben wird. Aber nichtsdestoweniger haben sie eine noch
grössere SchläfengrubenöfTnung, als die Krokodile. Ihr Zilzenbein stösst vermöge dieser enormen
Ausbildung des Jochbogens durch Nähte sowohl an das Scheitel-, als auch an das hintere Stirn-
bein und den hinleren Jochbogenknochen ; lauter Verbindungen, die auch bei Trcmaiosaurns
sich finden, wenn man die Knochenplallc /(. zum Zitzenbein zieht, wie ich es in §. 9. gethan
habe. Nach den Cheloniern und Krokodilen stehen die Enaliosaurier durch Gestalt und Lage
der Zilzenbeine den Labyrinihodontcn zunächst, viel ferner halten sich schon die typischen
Saurier, und am weitesten bleiben die Ophidier von ihnen ab. Die nackten Amphibien
bieten in der Zusammensetzung des Schläfenbeines keine Verhältnisse dar, welche dem Typus der
Labyrinihodonlen irgendwie verwandter wären, als die der Chulonier und Krokodile, weshalb ihre
nähere Vergleichung um so mehr überflüssig ist, als gerade die Form und Anordnung der Knochen
in dieser Gegend des Schädels der Am/t/iibia nuda grossen Verschiedenheiten unterliegt.
§• ''2.
Das Hinterhauptsbein (os occipitale, q. r.) besieht, wie bei allen Amphibien, so
aucli l)ei Trematosaurus , aus mehreren isolirlen Knochen, von denen zwei, die oberen
Hinterhauptsbeine (litssa occipitalia super iora, rj, schon erwähnt sind. Sie nehmen
unter der Form zweier fast quadratischer Knochenplatten die Mitte des hinteren Schädelrandes
ein, und stossen in dieser Lage mit einer scharfen, stark wellenförmig gewimdenen Naht an
einander; ilire Oberfläche ist dicht mit Grül)chen bedeckt, ihr hinterer Rand scharfl<antig er-
liaben. Vor ihnen liegen die Scheitelbeine, seithch nach aussen neben ihnen die Zitzenbeine,
unter ilmen befindet sich der Eingang in die Gehirnhöhle, das Hinterhauptsloch (foramen
magnum occipitale). Neben demsell:)en stossen sie an die Seitenstiicke des Hinterliaujits-
beines, die ossa occipitalia lateralia s. condyloidea (q.). Eine scharfe Naht, welche
diese Verbindung bewerkstelligt, habe ich nicht ermitteln können, vielmehr gehen die das
Hinterhauptsloch zu beiden Seiten umfassenden Schenkel sanft und ohne alle Unterbrechung
nach oben in die oberen Hinterhauptsbeine, nach unten in die Gelenkkopfsbeine über; und
w ie diese unter sich zusammenhängen, so stehen sie auch unmittelbar mit dem Paukenknochen
und dem Grundbeine in Verbindung. Dies ganze System von Knochen bildet ein völlig un-
getheiltes Ganzes, an dem man nur verschiedene Fortsätze nach bestimmten Richtungen hin,
nicht aber verschiedene, besonders abgelöste Knochenstiicke unterscheiden kann. Die Be-
trachtung des Ganzen macht es indess nöthig, chese Fortsätze um so mehr für besondere
Knochen zu nelunen, als sie in der That bei lebenden Amphiltien isolirt sind. Ich unterscheide
daher als seitliche Hinterhauptsbeine die beiden Gegenden des gesammten unteren
Hinterhauptes, welche die Gelenkköpfe tragen und das Hinterhaupl.'-loch seitlich und von unten
her umgeben. Ob hier, wie bei den beschuppten Amphüjien, noch ein eigener Basalknochen
(os occipitale inferiusf vorhanden war, oder dersellje, ^^ie bei den nacklen Amphibien, fehlt.
25
indem bei letzteren das knorpelige Primordialcranium an dieser Stelle keinen solchen Ossifi-
cationspunkt, wie die beschuppten Amphibien ihn haben, bokommt; das kann also, wegen
Mangels sichtbarer Niilite am Gninddieil des Hinterhauptes, nicht entschieden werden.
Das Hin(erhauplsloch von Trematosaurus, mit dessen Beschreibung wir beginnen, hat
an allen ^on mir untersuchten Köpfen einen 8 förmigen Umriss, ist also viel höher als breit,
in der Mitte zusammengezogen, in seiner oberen Hälfte weiter, als in der unteren. Verfolgt
man dasselbe nach innen, so sieht man, dass die untere Hälfte des Loches ziemlich dieselbe
Weite behiilt, und nur sehr allmälig erweitert zur Gehirnhöhle führt, während die obere Hälfte
sich schneller ausdehnt und in die obere geräumigere Portion der Hirnhöhle übergeht. Be-
rücksichtigen wir daneben lebende Amphibien, namentlich das Krokodil, so zeigt sich das
Hinterhauptsloch für sich allein als eine quer elliptische Oeffnung, hinter welcher die
Seitenw'ände der Schädelkapsel sich in der Mitte zusammenziehen, und dadurch einen eben-
falls 8 förmigen Eingang in die Schädelhöhle, gleichsam eine solche Vorhalle, ein Vestibulum,
bilden. Auch bei den typischen Sauriern, und selbst bei den Schlangen, findet ein Gleiches
statt; dagegen erweitert sich bei den Schildkröten und den nackten Amphibien gleich hinter
dem mehr herzförmigen, als elliptischen Hinterhauptsloch die Schädelhöhle mit divergirenden
flachen Wänden und ein engeres Vestibulum fehlt, obgleich die Seilenwände der Hirnhcihle
eine schwache Convesität nach innen nicht ganz verkennen lassen. Dieselbe rührt, wie die
nähere Untersuchung zeigt, von dem Gehörsorgan her, und bezeichnet niclits Anderes, als das
nach innen aufgetriebene Felsenbein (^os pefrosumj mit dem darunter sichtbaren mealiis
auditoriits infeniiis. Ich glaulje nun keinen Fehlschluss zu begehen, wenn ich auch bei
Trematosannis jene Auflreibungen der Schädelhöhlenwand unmittelbar hinter dem Rande des
Hinterhauptsloches für die hervorragende Wand des Felsenbeines oder der ihm analogen
Partie des ungetheilten Schädelgrundgerüstes erkläre, und demnächst annehme, dass die obere
weitere Hälfte des 8 förmigen Hinterhauptsloches, wie bei den Sauriern, ^on einem äusseren
Knochenl)ogen übeideckt war, letzterer aber vermöge seiner Schwäche und seiner etwas frei
nach hinten vorragenden Stellung bei allen von mir untersuchten petrificirten Resten des Schä-
dels verloren gegangen ist. Trematosaurus hatte demnach kein 8 förmiges foramen occi-
pitale , sondern, gleich dem Krokodil und den typischen Sauriern, ein querelliptisches oder
fast rundes, dessen Umfang der unteren Hälfte der jetzt 8 förmigen Oelhiung entsprach. Wahr-
scheinlich sind die beiden neben der oberen Hälfte des Hinterhauptsloches in der Abbildung
(Taf III. Fig. I.) sichtbaren Höcker die Reste der beschriebenen Knochenbrücke, welche eben-
falls nicht llach, sondern gebogen sich über die obere Portion wegsetzte und dadurch die
runde Form des Einganges bewirkte. Ich wollte denselben indess nicht anders zeichnen, als
ich ihn wirklich gesehen habe.
Unter der unteren engeren Hälfte des Hinterhauptsloches vertieft sich der Knochen zu
einer starken dreiseitigen Grube, welche nach oben offen bleu)! und mit dem Hniterhauptsloch
zusammendiesst . nach den Seilen und unten a})er von hohen Knochenwänden umgeben wird.
26
Die Wunde erweitern sich zu vier Höckern , zweien seitlichen runden höheren , und zweien
unleren längHchen niederen. Diese vier Höcker sind die Gelenkköpfe am Hinterhaupt Qcon-
dyli occipifates). Die oberen seitlichen Höcker sind völlii; halbkugelig und werden von
einem besonderen Stiel, der vom Hinterhauptslochrande aufsteigt, getragen. Dieser Stiel
schiebt sie etwas divergirend auseinander und wendet jeden der beiden Köpfe so um, dass
der grössere Theil seiner Gelenkflache nach aussen zu liegt. Oberwärts gegen den Scheitel
hin ist der Gelenkkopf völlig abgerundet, al:)er in der entgegengesetzten Richtung nach unten
verlängert er sich in eine Spitze, die am Stiel herabläuft und in den unteren länglichen Ge-
lenkkopf übergeht. Letzterer ist ein kleiner schwacher, schmal elliptischer Höcker auf dem
unteren Rande des Basalknochens, welcher von seinem Nachbar der anderen Seite nur durch
eine leichte Einbiegung getrennt wird, in derselben aber durch Zusammenziehung fast ganz
verschwindet. Auf diese Weise ist also, wenn man will, jeder condylus occipifatts als aus
zweien, einem grösseren oberen, einem kleineren unteren, zusammengesetzt zu betrachten.
Ausser der Form des Loches und der darunter hervorragenden coinli/li bietet das
Hinterhaupt noch mehrere wichtige Eigenschaften dar. Es gehören dahin besonders ein Paar
starke, runde, geschwungene Wülste, welche von den Flächen neben der unteren Halfle des
Hinterhauptsloches ausgehen, anfangs wagrecTit auseinander streben, und dai\n gebogen zur
Ecke des Zitzenbeines divergirend hinaufsteigen. Ueber diesen Wülsten bildet sich an
jeder Seite zwischen ihnen und dem oberen Kopfrande eine starke mandelförmige Grube,
deren Spitze nach oben, deren abgerundete Basis mehr nach unten und innen geneigt ist.
Die Gruljen breiten sich zu beiden Seiten der oberen Hälfte des Hinterhauptsloches, welche
wahrscheinlich von einer Knochenbrücke überwölbt war, aus und wurden durch die bezeich-
nete gewölbte Brücke von einander getrennt. Unter dem Wulste ist die Fläche des Hinter-
kopfes stark nach innen verlieft, doch oberhalb mehr als unterwärts gegen die condyli hin.
Jene obere Vertiefung, welche zur Ohrspalte führt, gehört dem Gehörsapparat an; die untere
bezeichnet den Raum, in welchem die Seit entheile des Hinterhauptes an die Paukenknochen
stossen. Die Grenze beider Knochen gegen einander war niclit zu ermillein. Geht man in
dieser Vertiefung abwärts, so gelangt man an einen kleinen Höcker, welcher am unierslen
Rande der Vertiefung hervorragt und eigentlich schon auf der unteren Seite des basalen
Knochengerüstes entspringt. Er befindet sich daselljst am äusseren Rande der Grundfläche
gleich vor und etwas neben dem condi/lus jeder Seite, und bezeichnet sehr deutlich die
erhabenste Stelle eines scharfen, die Grundfläche einfassenden Randes, der sich über die hin-
terste Portion desselben dicht vor den Gelenkköpfen wegzieht. Vor diesem Rande ist die
Basalfläche auf der ganzen Mitte leicht vertieft und neben der Vertiefung zu jeder Seite mit
einer schmalen schiefen Schwiele versehen, hinter welcher nach aussen zu der Paukenknochen
anfängt. Die mittlere Vertiefung ist vorwärts etwas stärker abschüssig, als hinterwärts, eine
eigentliche scharfe Grenze derselben liess sich jedoch nicht auffinden; ihr gewölbter Saum
führt nach allen Seiten aflmälig in den Körper des Keilbeins hinüber.
27
Die sontl(?rbiiio Form des Gelenkapp.iratcs am Hinlerhaupt der Labyrinlhodonlen hat mit
Reclit die Aufmerksamkeit der Nalurforscher auf sich gezogen und zu der Vermuihung geführt,
dass diese Thiere zur Gruppe der nackten Aniphijjicn gehören. In der That stimmen sie Insofern
mit den letzteren iiberein, als deren Gelenkapparat stets selir in die Breite gezogen ist und weil
die sonst an ihm Aniheil nehmende Ossification in der basis cranii fehlt, zweitheilig bleibt.
Die bedeckten Aniphibien haben immer eine selbständige Ossification in der öiisis cranii, welche
an der Gelenkbildung der Seilenknochcn des Hinterhauptes Aniheil nimmt, und indem das ge-
schieht, geben die Seitenknochen etwas von ihrem Aniheil daran auf, wodurch ein zwar viel
engerer, aber auch beliächllich höherer cinköpfiger Gcicnkapparal entsteht. Bei den Cheloniern
ist dieser einfache Gelenkkopf wirklich aus drei gleichen Dritteln zusammengesetzt; bei den typi-
schen Sauriern und den Ophidiern ist der Aniheil der Seitenknochen an ihm viel geringer, als
der dos minieren; beim Krokodil endlich bildet lelzlerer den Gelenkkopf fast ausschliesslich. —
Betrachten wir unter diesen Gesichlspunklen den Gelenkapparal von Trematosaurns, so lässt
sich zuvörderst, wegen der breiten auseinandergezogenen Form desselben, eine Analogie mit den
nackten Amphibien nicht wegleugnen, allein ob der Gelenkapparat bloss aus den Seilentheilen des
Hinterhauptes besieht, und nicht zugleich mit vom Basaltheil gebildet wird, das inuss ganz unent-
schieden bleiben, weil eine Zerfallung der pars basaUs cranii in mehrere gesonderte Knochen
sich bei Trcmalosanrns nicht nachweisen lässt. Wollte man sie indess annehmen, so würde
die mittlere Ausbuchlung zwischen den beiden unteren schmäleren Porlioncn des Gelenkapparates
keinesweges i;ntschieden für eine Theilung der Condyloidalgegend in bloss zwei Theile sprechen,
\veil auch der einfache condijhis des Krokodils längs der Mille ausgebuchtet ist und den bilate-
ralen Typus, trolz seiner Einfachheit, enischieden andentel. Dasselbe würde also auch bei Tz-em«-
lusaurns der Fall sein können. Uebrigens bin ich geneigt, das eigentliche Hinlerhaupt, die pars
busalis ossis occij/itis, etwa bis zu der seichten Grube auszudehnen, welche sich ziemlich in der
Mitte der ganzen basis cranii befindet, und die Fläche vor derselben der pars busalis ossis
sphcnoidci zuzusprechen; denn alle lebenden Amphibien oberhalb der nackten haben an der ent-
sprechenden Stelle eine ähnliche Grube, und deren vorderer stärkerer Rand bezeichnet die hintere
Grenze des os s/i/icnoiilciim. Dann \\ürden die kleinen seillichen Höcker, welche etwas vor
den Gelenkköpfen am hinteren Theile der Grube sich bemerkbar machen, einem gleichen Höcker-
paar bei den Cheloniern, Krokodilen, typischen Sauriern und Ophidiern entsprechen. Diese Höcker
werden bei den genannten Amphibien sowohl von der pars basalis, als auch von den partes
condi/loiilcae des Hinlerhauptes gebildet; sie bezeichnen also die Grenzen jener drei Knochen
gegen einander, und dafür würden wir sie auch bei Trcmafosanrus zu nehmen haben, falls wir
demselben eine solche dreilheilige Anlage der unteren Hälfte des Hinterhauptes zuschreiben. Die
Anwesenheit der Höcker möchte dafür sprechen. Alsdann gehörte die hinlere verliefle Hälfte des
Grundbeincs (Taf. U.) nebst der Gegend rings um die Gelenkköpfe herum zum Hinterhaupt Das-
selbe erstreckt sich nach oben (Taf. HI. Fig. 1.) über die Gelenkköpfe hinaus weiter bis an die
iiussersten Schädeldeckcn, umgiebt das ganze Hinterhaupisloch und geht seitwärts auf den Wulst
über, welcher in der Richtung vom condißns her zur Ecke des Zitzen bei n es hinaufsteigt.
Vielleicht gehört die uiilcre mehr wagrechte Porlion des Wulstes dem Hinterhauptsbeine, die obere
schief zur Ecke hinaufsteisrende dem Zitzenbeine an; die länfiliche Grube über dem Wulst würde
sich alsdann zum grössei'en Theile im absteigenden Zilzenbeine befinden. Soll indess die Analogie
des Krokodils und der lobenden Saurier entscheiden, so gehört der ganze schief aufsteigende
28
Wulst bis zur Ecke des Zilzciiboines dem Ilinleihauplsbeine an, und die Naiit zwischen beiden
Züge sich von der genannten Ecke schiel' durcli die Spilze der länglichen Grube zum Seitenrande
des oberen Hinterhauptsbeines hin; die Grube läge also zumeist im Condyloidalknochen des Hinter-
hauptsbeines. Sie findet sich übrigens, nur breiter und flacher, an derselben Stelle beim Krokodil
und ist bei den typischen Sauriern keine blosse Grube, sondern ein olTenes Loch, das unter den
langen hinteren Fortsätzen des Scheitelbeines hindurch in die Schläfengrube führt. Das Zitzen •
bein der typischen Saurier liegt nän.lich nicht, wie bei Crocodi'iis und Trcmalosniirn.s , über
dem OS coiiili/louleiiinj, sondern vor ihm, unter dem erwähnten Ast des Scheitelbeines, hier mit
dem starken, bei Trcniutosanrns als Wulst angedeuteten Seilenaste des Condyloidalknochens
das Geletdi für den beweglichen Paukenknoclien bildend. In Bezug auf den Tlieil des Hinler-
hauplsbeines über dem Hinterhauptsloch ist also wieder die cnlschiedcnsle Aehnlichkeit mit dem
Krokodil nicht zu verkennen; dagegen weist die unlere Hälfte des Hinterhauptsbeines, wegen
der Breite des Gelenkapparates, auf Analogien mit den Batrachiern hin. Die Basalfläche selbst
entspricht am meisten in ihrer Form der bei den Schildkröten, weniger der der Krokodile, in-
sofern sie bei letzteren stets sehr viel schmäler und durch einen scharfen Längskiel halbirt ist.
Diesen Längskiel haben die typischen Saurier so wenig, wie die Schildkröten und Tremitlosait-
riis , er ist dagegen bei den Ophidiern vorhanden. Die Seitenhöcker der Basallläclie kommen
übrigens allen beschuppten Amphibien zu und sind bei den typischen Sauriern am allerslärksleri
entwickelt; sie bleiben jedoch bei allen lebenden Amphibien viel weiter von dem Gelenkapparat
entfernt, als bei Trcinalosanrns. Hiernach ähnelt sein Hinterhaupt keiner lebenden Amphibien-
form vollständig, die Gesammlanlage desselhcn ist aber mehr nach dem Typus der beschuppten,
als dorn der nackten Amphihien genommen, und der nächste Anschluss findet sich an den Typus
der Kroküihle.
All das Hinterhauptsbein schliesst sich zu jeder Seite der eigentliche oder hinere
Pauke nknochen Qos tympanicum , p.J. Dass die Grenze beider gegen einander nicht
scharf bestimmt werden kann, habe ich schon mehrmals ausgesprochen; sie nuiss indessen in
der Vertiefung unter dem vom Hinterhauptsloch zum Zitzenbein aufsteigenden Querwulst liegen
und sich etwa \on dem kleinen Hocker, welcher oben in dieser Vertiefung neben dem be-
sproclienen Wulst gefunden wird, bis zu dem anderen Höcker unten neben dem condylus
jeder Seite hinziehen und aussen an ihm vorbei auf die Unterflaclie iiliergehen. Daselbst
stiesse dann der Paukenknoclien an die Seiten des KeiUieinkürpers. Jenen kleinen Höcker
am oberen Ende der Vertiefung möchte ich noch zum Zitzonbein rechnen und fiir ilie An-
deutung des auch beim Krokodil zum Paukenknoclien hinabsteigenden Astes vom Zitzenbein
erklären, so dass erst unter ihm der Paukenknoclien begönne. Er würde alsdann einen ziem-
lich dicken, schief nach unten, hinten und aussen vortretenden Knochen bilden, dessen äussere
hinterwärts gekehrte Fläche gewölbt ist, während die innere, der Schläfengrube zugewendete,
leicht ausgehöhlt erscheint. Ein ziemlich scharfer unterer Rand trennt beide Flächen von ein-
ander. Dieser Hand wird je mehr nach unten um so stumpfer, und endet mit einem abge-
29
rundeten Huckor oder Buckel, der sich auf die untere Fläche des Paukenknochens begieijl
und die Gelenkung mit dem Unterkiefer bildet. SellMge besteht (Taf. II.) scheinbar aus drei
neben einander liegenden halbkreisförmigen Höckern, welche von innen nach aussen schmäler
werden; allein der kleinste äussere Höcker ist ohne Frage die untere Ecke der hinteren un-
leren Jochbogenplatte, das os (ji/adrafo-jui/ale, welches zugleich mit dem äusseren Pauken-
knochen auf den nach vorn gewendeten Rand des Paukenknochens aufgesetzt ist. Unter der
Verbindungsnaht mit den Jochbogenplatten hat der Paukenknochen seine geringste Dicke ; sein
Durchmesser beträgt hier bei grossen Exemplaren 1 — 2 Linien; aber von da an wird er nach
unten zu immer kräftiger, besonders ganz hinten, wo er den Gelenkkopf für den Unterkiefer
bildet, und ganz vorn, wo er an das Keilbein stüsst. In dieser Gegend tritt neben dem un-
teren Rande ein dicker kegelförmiger Höcker aus der Fläche des Paukenknochens hervor;
was er zu bedeuten halte, weiss ich nicht. Oeffnungen, die ins Innere des Paukenknochens
führten, Hessen sich nicht ermitteln; derselbe ist indessen grösstentheils holil, wie zerbrochene
Schädelfragmente zeigen. Ohne Zweifel findet sich aber in der Tiefe der Ohrspalte der Ein-
eane zur Paukenhöhle und hinler ihr das Labvrinlh nebst dem Felsenbein, welches es um-
schliesst. Indessen konnten alle diese Theile nicht mehr von einander unterschieden werden.
In der Hauptsache ähnelt das eben beschriebene os fi/iii/xiniciim dem gleichnamigen
Knochen der Krokodile so sehr, dass ich es für unnülhig halle, noch andere Amphibiengriippen
zur Vergleichung zu ziehen. Der Paukenknochen von Trcmnionunrits ist indessen relativ kürzer
und im enlspredienden Verhiiltniss nach unten dicker. Ueber den sonderbaren Höcker auf der
Innenseite giebt aucii die Analogie inil dem Krokodil keine Aufschlüsse. Dass die Gelenkung für
den Unterkiefer neben den beiden Huckern noch den drillen Seilenhöckcr vom Paiikenjochbein
besitzt, möchte für eine seihviirts mehr als sonst beengle Beuegliclikcil des Unlerkicfers sprechen.
§. I t.
Zu den am eigenthümlichsten geformten Schädelknochen gehöit Ijim Trematosaurus
das Keilbein Qos sphenoideum, s.). Es beginnt, wenn meine in §. \2. entwickelte Ansicht
über die Ausdehnung des Körpers vom us occipifis richtig ist, am vorderen Aljhange der
Grube auf der Mitte des gemeinschaftlichen Grundbeines und stösst hier seitwärts an die von
derselben Gegend ausgehenden Paukenknochen. Das dem Keilbeine hiernach zufallende Stück
des Grundbeines ist etwa doppelt so breit, wie lang, nach beiden Seilen etwas herabgebogen,
nach vorn aufwärts gezogen und hier in ih-ei starke Fortsätze verlängert. Der mittlere Fort-
satz geht breit vom Yorderrande des Körpers aus, zieht sich aber alsbakl in eine schmale,
nach unten scharfkantige, messerförmige Spitze zusammen, die mit fast gleicher Breite bis weit
über die Augenhölilen hinaus nacli vorn sich verlängert. In der hinteren Partie ist diesei-
Fortsatz auf der oberen, gegen die Hirnhöhle gewendeten Seite kahnförmig ausgehöhlt; später,
d. h. schon vor seiner Mitte, wird er einfach, und in dieser Gegend erreicht er seine grösste
Schärfe und Dünnheit. In der Nähe der Augenhöhlen wird er wieder etwas breiter, und
30
seine bis dahin ziemlicli scharfe schneidende untere Kante geht alhnälig stumpfer werdend in
eine Fläche über, welche die Endspitze von unten her völlig abgeplattet macht. Von der
l)reitesten Stelle dieser Fläche legen sich die hinteren Enden der Pflugscharbeine an den be-
schriebenen Fortsatz an. Derselbe ist ülirigcns auch in der Mitte und in seiner vordersten
Hälfte noch \iel höher als breit, indess nach oben gegen die Schädelhöhle zu breiter, als nach
unten gegen den Gaumen hin, er hat also ganz das Ansehen einer Messerklinge, deren Scheide
nach unten gewendet ist. Die beiden seitlichen Fortsätze des Keilbeins sind \on Anfang an
breite, flache Lappen, welche der Neigung ihrer Ursprungsstellen gemäss nach aussen etwas
mehr herabhängen, als nach innen, und dabei auf ihrer Fläche leicht muldenförmig vertieft
sind. Sie gehen in divergirender Richtung aus einander und krümmen sich dabei etwas nach
innen, so dass ihr äusserer Rand einen grösseren Bogen beschreibt, als der innere, hi-
deni diese Krümmung des äusseren Randes nach vorn hin immer stärker wird, runden sie
sich durch Uebergchen beider Ränder in einander parabolisch zu. Bei weitem der grösste
Theil dieser Seitenlappen ist übrigens, wenn man den Knochen von unten betrachtet, nicht
sichtbar, sondern von einem ganz ähnlich geformten Fortsatze des Gaumenbeines bedeckt. Auf
fliesem Fortsatze ruht der entsprechende des Keilbeins, und beide zusammen bilden eine
Brücke, wodurch die Seitentheile des Kopfgerüstes mit dem mittleren oder Grundtheile in Yer-
bindung stehen. Deshalb werde ich diese seitlichen Fortsätze die Gaumenflügel C«/«e
pulafinaej, den mittleren aber, welcher zum Pflugschar geht, den messerförmigen Fort-
satz (Processus ciiUriforin/s) nennen. — Die Seiten des Keilbeinkörpers erheben sich, über
den Forlsätzen schief nach innen aufsteigend, zur Schädeldecke empor, und stossen in der
Gegend der Scheitelbeiniänder an selbige an, gehen aljcr nach vorn nicht über die Höhe des
Scheitelloches hinaus. Wahrscheinlich war von hier an die ganze übrige Hirnkapsel knorpe-
lig, wie bei den typischen Eidechsen. Eine Spur der columella fand sich nicht.
1. Die beschriebene Form des Keilbeines passt am meisten zu dem Kinlbein der typischen Saurier,
und weicht nur in Nebendingen von ihm ab. Zwar ist der Keilbeinkürper bei den ächten Sau-
riern schmäler, allein das l\ann uns nicht irre maciien , weil keine lebende Eidechse eine so
breite Schädelbasis besitzt, wie Treinatosnitrtt.s. Wichlioer ist die Differenz, welche von der
Gestalt der Gaumenflügel herrührt. Letztere entspringen zwar bei den lebenden Sauriern genau
an derselben Stelle, allein sie erweitern sich alsbald in einen Gelenkkopf, der seillich an die
Gaumenflügelbeine sich anlegt und mit ihnen in beweglicher Verbindung steht. Das rührt offen-
bar von der Beweglichkeit des ganzen Kieferlragegerüsles her, und da Trcmalosaurus einen
unbeweglichen Paukenknochen hat, so ist auch die Verbindung von Keil- und Gaumenbeinen eine
unbewegliche. Ferner muss hervorgehoben werden, dass der ganze processns ciiKriformis bei
den Sauriern lebenslänglich knorpelig bleibt und sich nie innig mit den Pflugscharbeinen verbindet,
sondern frei auf ihnen liegt, wenn er bis dahin reicht. Auch dieser Unterschied mag aus der
Beweglichkeit des Kiefergerüsles sich ergeben. Beim Krokodil und den Chelonicrn wird be-
kanntlich das Keilbein ganz oder grossentheils von den Flügel- und Gaumenbeinen bedeckt, und
daher haben sie einen ganz anders geformten knucherncn Gaumen. Die Bildung der Ophidier
31 —
iässt sich auf den Typus der Saurier reduciren , und malmt insofern melir an Trcmalosaiii-iis,
als ilir jiroccsus ciiKrifoniits ganz knöchern isl und sich mit seiner Spitze zwischen die beiden
Fflugscharbeine (hier os clltmoideinn genannt) eindrangt. Die nackten Amphibien weichen schon
mehr ab, denn ihr Keilbein ist eine bald sclimiilere, bald breilere Platte am ganzen Gaumen, die
nur hinten (bei den Fröschen) ein Paar starke Queriisle, die Analoga der Gaumenfliigel, abgiebt,
welche sich mit dein Gaumenbein, Felsenbein, Zitzenbein direct und durch dieselben mit dem
Paukenknochen verbinden. Die vordere Spitze des Keilbeines erreicht indess knöchern die Pflug-
scharbeine. Hiernach passt die Keilbeinform von Tronnlosaurns genau zu keinem lebenden
Amphibium, sie enihiilt vielmehr Eigenschaften, die wir jetzt an die typischen Eidechsen, die
Schlangen und selbst an die Frösche verlheilt finden.
2. Dass die sonst getrennten Knochen des Hinterhauptes, Keilbeines und Paukenbeines bei Trcnia-
tosaitriis wirklich ein ungelheilles Ganzes, zu dem auch noch das Felsenbein gehören dürfte,
ausmachen, das glaube ich um so eher annehmen zu müssen, als Nähte, wenn sie vorhanden
gewesen wären, mir nicht wohl entgehen konnten. In der Thal fand ich sie nicht bloss zwischen
der Spitze des Processus cullrlformls und den daran liegenden Spitzen der Pflugscharbeine sehr
deutlich, sondern ich sah sie auch zwischen den Gaumenbeinen und den Gaumenflügeln des Keil-
beins. Gewöhnlich werden die Nähte bei der Petrificalion din'ch den Faulungsprozess geölTnet
und nehmen das Multergestein, hier feine Sandkörner, in sich auf. Das geschah auch wirklich
an den angegebenen Stellen und an mehreren anderen, wo ich sie erkannte. Allein zwischen
Hinterhaupt, Paukenknochen und Keilbein habe ich keine Spur solcher geölTneten Nähte gefunden,
und muss daher annehmen, dass diese Knochen, wenn sie auch in der Jugend gelrennt waren,
doch im reifen Alter innig mit einander verwuchsen. Bei den typischen Sauriern ist eine solche
Verwachsung von Keilbein und Hinlerhauplsbein noch jetzt allgemeines Gesetz; um so mehr kann
sie sich bei Trenialosdiiriis auch auf das Felsen- und Paukenbein ausgedehnt haben, als diese
Knochen in unbewegliche Verbindung mit den zwei anderen treten sollten.
§. lo.
An die Gaumenflügel des Keilbeines legt sicli auf die schon J)eschriebene Art zu jeder
Seite das Gaumenbein (^os palatinum, t.) , ein langer schmaler Knochen, welcher den
äusseren Rand des grossen Gaiunenloches bildet (Taf. II.) und seitwärts an den noch viel
schmäleren Oberkieferknochen grenzt. Es hat im Ganzen eine leicht gebogene Form, um dem
äusseren Umfange des Gaumenloches zu entsprechen, besitzt aber zugleich eine gerade äussere
Seite, welche mit dem Oberkiefer eine eben solche Naht bildet. Daher ist das Gaumenbein
in der Mitte am schmälsten, vorn und hinten am breitesten. Hinten beginnt es mit einem
spitzen Lappen, welcher unter dem Gaumenfliigel des KeiUjeines liegt und mit ihm zusammen
die Knochenbrücke zwischen Keilbein und Oberkiefer bildet. So wie dieser Lappen den
Gaumenflügel (dessen Ende ich in der Figur auf Taf. II. an der linken Seile durch einen
punktirten Umriss bezeichnet habe) verlässt, breitet er sich stark aus und erreicht dadurch
die hinterste Spitze des Oberkiefers; aber indem das Gaimienbein nun neben dem Oberkiefer
sich nach vorn begiebt, wird es langsam schmäler, bis es in der Gegend tier AugenötTnungen
32 —
seine geringste Breite erreiciil lial. Von d;i an nimmt es ^^ieder an Ausdehnung zu und eeiit
so, stets breiter werdend, bis zur äussersten Spitze des grossen Gaumenloches. Ebendort
IrifTl das Gaumenbein mit dem Pflugscharbein zusammen; beide liegen in einer geraden Naht
an einander. Diese Naht geht divergirend von innen nach aussen, bis sie das vordere kleine
Gaumenloch erreicht hat. Darin endet sie und mit ihr das auf diese Weise schnell wieder
verschmälerte Gaumenbein. Letzteres hat darnach sechs verschiedene Ränder: einen geraden,
sehr langen, womit es an den Olierkiefer stösst; einen einwärts gebogenen dahinter, welcher
die untere Schläfengrubenöffnung nach vom begrenzt; dann einen kurzen gcjaden gegen den
Gaumenflügel, der hinten von einem spitzen, \ orn von einem stumpfen ^^'inkel begrenzt wird :
ferner den langen gebogenen inneren Rand gegen das grosse Gaumenloch, neben dem der
\ ordere kurze gerade Rand beginnt, welcher mit dem Pflugscharbein zusammentrifft; endlich
einen sehr kurzen, einwärts gekrümmten Endrand, welcher das hintere Ende des kleinen Gau-
menloches enthält. Die ganze Fläche des Gaumenbeines ist etwas schief nach innen geneigt,
so dass die äussere Seite tiefer steht, als die innere; doch ist diese Neigung nach vorn zu
minder beträchtlich, als hinten. Auf ihr bemerkt man da, wo der Gaumenflügel des Keilbeines
endel, i>inen schwachen Querhöcker und neben dem Kieferrande der ganzen Länge nach einen
^ orwärts breiteren Wulst, auf welchem die Gaumenzähne sitzen, oder in welchen sie zum Thcil
eini^ebettet sind. Bis zur Augenhöhle von hinten her gerechnet sind diese Zähne ebenso kleiii,
s|)ilz und stiftartig, wie die sämmtlichen Oberkieferzähne ; von da an werden sie allmälig nach
vorn hin grösser, und erreichen zuletzt einen sehr bedeutenden Umfang. Der letzte unmittel-
bar \or dem kleinen Gaumenloch hat gegen einen halben Zoll Durchmesser an der Basis,
und sitzt in einer flachen Griüje fest. Sein Umfang ist oft mehr elliptisch als kreisrund, seine
Form die eines nach hinten gekrümmten Kegels und seine Oberfläche von der Spitze herab
tein gestreift. Denselben Bau haben die anderen kleinen Zähne vor ihm. Gewöhnlich stehen
zwischen ihm und der Augenöflnung vier Zähne, und unter der Augenöffnung selbst wieder
vier; hinter ihr kommen nur kleine stiftförmige Zähne vor, deren Anzahl sich auf '20 — ■2'i
I)eläuft. Die grossen vorderen Zähne wechseln übrigens ganz ähnlich, wie die hinteren, d.h.
zwischen je zweien bildet sich bisweilen ein neuer, anfangs ganz kleiner, der aber nach und
nach an Grösse zunimmt, und nun die früheren vor wie hinter ihm verdrängt. Ich habe an
mehreren Exemplaren den Zahnwechsel deutlich erkannt, und auch in meiner Figur Taf. II
rechts den dritten Zahn deshalb kleiner gezeiciinet, als den vierten, um ihn als einen Xach-
wuchszahn anzudeuten.
Das Giuimeiiljt'in viin Trcniüiusiiiinis isl iiücli cicrenlliiiiiilicher, iils sein Keilbein, kann
indessen ancli luii' mit dem Gauinengeiüsl der typischen Saurier passend verglichen werden. Von
demselben weicht es aber in mehreren wesenilichcn Punkten ab: zuerst dadurch, dass es ein
einfacher Knochen i.sl, während die Saurier drei Knochen an jeder Seite im Gaumengerüsl
haben, nämlich das hintere Flu gelbein (os iitcrjgo'ulciiiji'j, das vordere G aiimc n bein (os /la-
laliitiiDi) und das äussere Oucrbcin ins Irdunirrs.-mi). Diese diei Knochen lassen in ihrer
33
Mille eine Lücke, welche bei Trcmatosaurus fehlt, weil sein Gaiimenapparal nur ein einfacher
Knochen ist; dafür hat aber das miltlere grosse, vom proccssus cultriformls gelheilte Gaumen-
loch einen viel bedeutenderen Umfang bei Trematosaurus. Andererseils ist das vordere kleine
Gaumenloch kleiner, als bei den typischen Sauriern, und von kurz elliptischem Uniriss, statt des
lang elliptischen oder spalten formigen der Saurier. Die Krokodile weichen sehr wesentlich da-
durch von dem Typus der iichlen Saurier und des Trematosaurus ab, dass ihre Flügelbeine
und Gaumenbeine in der Mille des harten Gaumens zusammenstossen, mithin gar kein grosses
mittleres Gaumenloch formiren, dagegen aber das drille seilliche Gaumenloch der typischen Sau-
rier behalten. Auch wird der voiner bei ihnen von den flach ausgebreiteten Gaumenplatten der
Oberkieferknochen ganz verdeckt. Noch abweichender ist das Gaumengerüst der Chelonier, in-
sofern es nicht nur aus zwei Knochen an jeder Seite, dem Gaumen- und Flügelbein, besteht,
sondern auch bloss eine mittlere gemeinschaftliche Gaumenöffnung für die Choanen hat, welche
mehr den seitlichen vorderen Gaumenlöchern der typischen Saurier, als ihrem mittleren analog
ist. Hiernach würden die vorderen Gaumenlöcher von Trematosaurus für die Choanen zu
erklären sein. Unter den nackten Amphibien liaben die ungeschwänzten Balrachier, ausser
dem vomer, noch zwei Gaumenknochen: vorn das quergelagerte Gaumenbein, hinten und ganz
gelrennt von jenem das Oucr- Flügelbein; alle übrigen zeigen nur einen einzigen hinteren Gau-
menknochen *). Dennoch ist ihre Aehnlichkeit mit Trematosaurus viel geringer, weil das
einfache Gaumenbein jeder Seile entweder ganz am Keilbein liegt, oder durch das Felsenbein
völlig von ihm getrennt wird, dagegen den Oberkieferknochen nie erreicht. Die Schlangen end-
lich erinnern durch die Grösse ihrer Gaumenzähne mehr an den Typus von Trematosaurus, als
irgend eine andere Amphibiengruppe, allein ihr völlig bewegliches dreilheiliges Gaumengerüst
widerspricht einer näheren Beziehung. Gaumenzähne haben bekanntlich ausserdem nur einige
typische Saurier (manche Lacertincn, Agamen und Scincoiden), und zwar bloss auf dem Flügel-
bein, allein sie sind siels klein und schwach. Die Gaumenzähne der nackten Amphibien sitzen
am Pflugscharbein, das bei allen übrigen lebenden Amphibien zahnlos ist, indess auch bei Tre-
matosaurus kräftige Zähne trägt. Hiernach liegt der nächste Vergleichungspunkt für das Gau-
menbein von Trematosaurus in der Gruppe der heuligen typischen Saurier; allein die Aehnlichkeit
ist bei näherer Betraclilung im Einzelnen nur eine ganz allgemeine.
§■ ''6-
Vor dem Gaumenbein liegt bei Trematosaurus an jeder Seite des unteren Schnaulzen-
theiles ein ziemlich starker Knochen, welcher die Lücke zvyischen dem Gaumenbein, Oberkiefer
und Zwischenkiefer ausfüllt und mit seinem Nachbar der anderen Seite in der Mittellinie zu-
sammentrifft. Ich halte diesen Knochen für das Pflugscharbein (^vomer , v.J. Derselbe
bildet eine länglich rautenförmige vorwärts abgestutzte Platte, welche nach aussen eine kurze
*) In der Al)hildung, welche neuerdings durch Kölliker von Siredon (Steguporus) mexicamis besorgt wor-
den ist, bestellt dieser Knoclien aus zwei Abtiieilungen, von denen die vordere zaliutragende Hälfte als
Gaumenbein zu deuten wäre (vgl. Bericht von der zoolog. Anst. zu Würzburg. Taf. IV. Fig. 2. 18. 21).
Cuvier {Ossem. fossU. V. 2. pl. 27. fig. 25. m.) stellt beide als ein Ganzes dar. Vielleicht ist jenes
der jüngere, dieses der ältere Zustand.
5
— 34
gerade Nalit hat, die an den Oberkieferknochen stösst, und von der Grube für die Fangzähne
des Unterkiefers bis zu der kleinen GauiuenöfTnung (Choanen) reicht. Neben jedem Ende
dieser Nalit ist der Knochen stark ausgebuchtet: die vordere Bucht gehört der Grube für die
Fangzähne des Unterkiefers an, die hintere bildet den halben Umfang der Choanenöffnung.
Von der vorderen Bucht zieht sich eine Naht anfangs quer nach innen, wendet sich aber bald
darauf nach hinten und geht in dieser Richtung schief bis zur Mittellinie hin, bis sie mit der-
selben Naht von der anderen Seite in die einfache mittlere Gaumennaht zusammentrifilt. Dies
geschieht bald, und zwar beträchtlich vor der Mitte der PHugscharbeine. Die mittlere Gaumen-
naht ist eine einfache, gerade Naht ohne Zacken; sie setzt als solche nach hinten fort, bis sie
das vorderste Ende der grossen hinteren Gaumenlocher iil)erschritten hat; dann erst öffnet
sie sich mit divergirenden Schenkeln und nimmt die lange feine Spitze des processus cuUri-
formis z^vischen sich. Neben derselben keilen sich die hinteren Enden der Pflugscharbeine
in einen langen spitzen Fortsatz aus, welcher etwas mehr als den vierten Theil vom hinen-
rande des grossen Gaumenloches bildet, und sich innig an die lange, unten flache Spitze des
Processus cultriformis anlegt. So weit die Spitze dieses Fortsatzes unten flach ist, so weit
reichen auch die hinteren Fortsätze der Pfliigscharbeine. Neben ihnen geht von dem äusser-
sten Ende der grossen Gaumenlöcher eine nach innen kurze, seitwärts divergirende Naht aus,
welche das Pflugscharbein vom Gaumenbein trennt und in der hinleren Innenecke der Choanen
endet. Die auf solche Weise begrenzte längliche Fläche jedes Pflugscharbeines ist ganz eben
und kaum gegen die Mitte zu längs der Naht etwas mehr gewölbt; nur am Rande der Choanen
bildet sich eine leichte Schwiele, und auf derselben sitzen vier, vielleicht auch fünf kleine,
stiflförmige Zähne, welche indess etwas grösser sind, als die gegenüberstehenden Zähne des
Oberkiefers am Aussenrande der Choanen. Weiter nach vorn, in dem Räume zwischen den
Choanen und Fangzahnhöhlen, trägt jedes Pflugscharbein noch zwei grosse konische Zähne,
welche dem zweiten und dritten des Gaumenbeines hinter den Choanen an Grösse entsprechen,
aber umgekehit auf einander folgen, denn der vorderste ist der kleinere. Ihr Bau ist dem
der Zähne am Gaumenbein vöflig ähnlich.
Warum man die eben beschriebenen Knochen für die Pflunrscharbeine halten muss, darauf
antwortet die schon hervorgehobene Analogie mit den typischen Sauriern, deren Pllugscharbeine
genau an derselben Stelle in analogen Beziehungen gefunden werden. Indess verbinden sie sich
nach hinten bei den Sauriern bloss mit den Gaumenbeinen, nicht so innig mit dem knorpeligen
Processus cultriformis des Keilbeins. Eine wirkliche Verbindung mit demselben findet übrigens
bei den Ophidiern statt, deren bewegliches Gaumengerüst aber in keine feste Verbindung mit den
analog wie bei Trcmatosaurns und den Sauriern gelagerten Pflugscharbeinen liiü. Auch bei
den geschwänzten nackten Amphibien erreicht die Spitze des os basale s/t/ieitoi(/cnin die Pflug-
scharbeine und tritt mit ihnen durch Nähte in Verbindung. Diese Verbindung fehlt wieder den
Krokodilen und den Schildkrölen. Bei crsteren sind die Pflugscharbeinc von den Gaumenbeinen
verdeckt, letztere haben allein unter allen Amphibien ein einfaches Pflugscharbein, und stehen
schon deshalb dem Trematosaurus am entfernleslen. Seine nächsten Verwandten sind also,
35
nach der Form der Pfliigscliarbeine zu urlheilen, die typischen Saurier, die Ophidier und die
geschwänzten Balrachier, obgleich keine von diesen drei Gruppen der Bildung bei Tremaiosaurus
ganz analog ist. Die letzteren, oder vielmehr manche der nackten Amphibien überhaupt, sind mit
Zähnen auf den Pflugscharbeinen versehen; kein heuliges bedecktes Amphibium ist daselbst bezahnt.
§■ 1"-
Schwieriger als die jetzt vollendete Darstellung des gesammten oberen Schädels ist
die Analyse des Unterkiefers. Zwar fehlt es nicht an Exemplaren, welche den Umriss und
die Bezahnung vollkommen deutlich machen, wohl aber fehlt es mir an genügendem Material,
um die einzelnen Knochenstücke des Unterkiefers in ihren Begrenzungen gegen einander scharf
feststellen zu können.
Besprechen wir also vor der Hand nur seine allgemeine Form, so stimmt er im We-
sentlichen mit dem Unterkiefer des Krokodils überein, und unterscheidet sich von demselben
hauptsächlich durch eine relativ grössere Länge, eine mehr gerade Streckung und eine in der
vorderen Hälfte stärkere Verjüngung. Das äusserste Vorderende ist parabolisch zugerundel
und entspricht dem Umriss der Schnautzenspitze, obgleich sein Umfang etwas geringer ist,
weil der Oberkiefer bei geschlossenem Maule über den Unterkiefer wegreicht. Von da an
gehen die Schenkel divergirend aus einander, und folgen ganz dem Umriss des Oberkiefers
bis zur MundspaUe. In dieser Gegend biegt sich die bisher ziemlich gerade gestreckte Seiten-
fläche mit ihrer unteren Kante mehr nach aussen, mit der oberen stärker nach innen, und
gewinnt dadurch eine stark geneigte Stellung. In der Nähe der Backen, da w^o die flachen
Jochbogenplatten gewölbeartig hervorragen, erhält die geneigte Fläche ihre höchste Auftrei-
bung; worauf sie ziemlich schnell wieder sinkt, und in den flachen, senkrecht gestellten hin-
tersten Theil, welcher den Gelenkfortsatz bildet, übergeht. Sobald die Auftreibung wieder zu
fallen beginnt, erreicht der Unterkiefer seine grösste Höhe ; er bildet hier auf dem oberen Rande
einen kammartig vorragenden, bogenförmig begränzten, scharfen Saum, welcher dem Kronen-
fortsatze entspricht. An der tiefsten Stelle hinter diesem Kamm ist die Gelenkgrube für den
Paukenknochen, eine halbkreisrunde, elliptisch nach innen erweiterte Grube, deren hinterer
Rand zapfenartig emporragt. Von dem Punkte an, wo am oberen Rande die Gelenkgrube
sich befindet, steigt der untere, bis daliin ganz gradlinigte Kieferrand gebogen aufwärts, und
bildet, über die Gelenkgrul>e hinausreichend, den dicken, aussen flachen, am Ende schief ab-
gestutzten hintersten Theil des Unterkiefers. Die äussere Fläche jeder Unterkieferhälfte ist
durch eine liefe Längsfurche in zwei Hälften getheilt, von denen die obere platter ist, die
untere stark gewölbt seitwärts mehr ^ ortritt. Die innere Fläche ist in ihrer ganzen Ausdeh-
nung platter. Jene tiefe Längsfurche verliert sich nach vorn mehr, und ist in der Mitte am
stärksten; sie endet hinterwärts auf dem hoch gewölbten Backenlheile. Letzteren bedeckt
eine von dem untersten hintersten Rande, in der Gegend wo derselbe sich nach hinten zu
hebt, ausgehende strahlig -furchige Sculptur, welche über kleinen Grübchen an der bezeich-
'6*
36
neten Stelle ihren Ursprung nimmt. Diese Sculptur entspricht völlig der auf den Backenjoch-
platten des Oberkiefers. — Alle diese VerhäUnisse sind in der Figur auf der dritten Tafel,
welche nach einer im Umriss ganz vollständigen, nur etwas kleineren linken Unterkieferhälfte
gezeichnet wurde, deutlich zu erkennen. Die Maasse dieses Unterkiefers waren folgende:
Ganze Länge von vorn nach hinten 7 Zoll 1 0 Linien
Grösste Breite an der höchsten Stelle des Kronenfortsatzes ... 1 „ 2 „
Länge des Kammes, welcher den Kronenfortsatz bildet, bis ziu' Ge-
lenkgrube 2 „ — „
Länge des Fortsatzes hinter der Gelenkgrube — „10 „
Höhe des Unterkiefers in der Gegend des grossen Fangzahnes . . — „ 4 „
Höhe in der Gegend des hintersten Zahnes — „10 „
Höhe in der Mitte zwischen beiden Punkten — „ 8 „
Höhe des grossen Fangzahnes — „ 6 „
Höhe des Alveolarrandes, an den die Zähne von innen her angelehnt
sind, vorn — n 2 „
Derselbe hinten — „ ' „
Länge des zahntragenden Theiles vom Kiefer 5 „ 3 „
Dicke des Unterkiefers in der Mite dieses Theiles — „ 4 „
Die Zähne des Unterkiefers sitzen nicht, wie die des Oberkiefers, auf der abgeplatteten
Firste eines schwieligen Randsaumes: eine Bildung, welche dem Zahntypus der heutigen Akro-
donten (nach Wagler) entspricht; sondern sie sind von innen her an eine scharfe erhabene
obere Randleiste angelegt und passen in kleine Vertiefungen derselben hinein, mehr nach dem
Typus der heutigen Pleurodonten. Im Uebrigen verhalten sie sich ganz wie die oberen
Kieferzähue, es sind kleine, schlanke Kegel mit gestreifter Oberfläche. Ihre Anzahl kann ich
leider nicht mit Gewissheit angeben, weil mir kein vollständiger zahntragender Kieferrand vor-
liegt; nach den Bruchstücken aljer, die ich untersucht habe, wird sie die Zahl GO kaum oder
nur wenig iiberschreiten. Tom Kronenfortsatze an bis fast zur Endspitze sitzen diese kleinen
Zähne genau in der ^Mittellinie des oberen Kieferrandes; da indess die innere Fläche des Kiefers
platter ist, als die besonders nach unten stark gewölbte äussere, so scheinen sie der inneren
Seite näher zu stehen, als der äusseren; allein ganz vorn, dicht vor dem grossen Fangzahn,
wenden sie sich schnell mehr nach aussen, und stehen hier dem äusseren Rande der Aussen-
seite viel näher, als dem inneren. Auf diese Weise wird in der Umgebung der Symphyse
ein ziemlich breiter geneigter Raum hinter der Zahnreihe gewonnen, und auf demselben steht
zu jeder Seite der Symphyse der grosse Unterkieferfangzahn: ein hoher schlanker Kegel,
welcher hinter der kleinen Zahnreihe aus eilier starken Vertiefung des Kiefers sich erhebt,
den grossen Gaumenzähnen des Oberkiefers in seiner Bildung zwar gleicht, aber formell
schlanker gestaltet ist. Zwischen diesen beiden grossen Fangzähnen geht die Symphysennaht
hindurch. Der Kiefer ist hier zwar dick, aber nicht sehr breit, daher die Symphyse nur kurz
37
ist und den Qiierdurchmesser des Unterkiefers neben der Spitze nur wenig an Lange über-
trifll. Die Symphyse selbst scheint lange nicht so innig gewesen zu sein, wie beim Krokodil,
sondern mehr so locker, wie bei den typischen Sauriern, weil alle von mir untersuchten
Unterkiefer stets in ihre beiden Hälften zerfallen waren. In allen diesen Punkten, und beson-
ders auch in der Zahnstellung, stimmt übrigens der beschriebene Unterkiefer mit den treff-
lichen Abbildungen überein, welche Pr. Owen vom Ober- und Unterkiefer seines Lahyrin-
thndon pachifguathus und leptognatlius gegeben hat. (Vgl. Trtmsact. of the Geol. Soc.
sec. ser. Vol. VI. pl. 43. fig. 1. ö. und pl. 4 t. fig. I — 3. 6—9.) Ich hielt es daher nicht für
nöthig, auch meinerseits Abbildungen davon mitzutheilen, zumal \veil alle jnir vorliegenden
Reste weniger gut erhalten sind, als die von Owen dargestellten. Dass jene Labyrinthodon-
ten- Unterkiefer viel beträchtlichere Dimensionen haben, als die von mir beschriebenen, wird
der Leser bei Berücksichtigung der obigen Maasse leicht wahrnehmen.
§. 18.
Die Zusammensetzung des Unterkiefers aus seinen einzelnen Knochenstücken zu ermit-
teln, ist nicht bloss an und für sich wichtig, sondern auch in Bezug auf die natürliche Ver-
wandtschaft der Laljyrinthodonten von Bedeutung. Bei den nackten Amphibien besteht jeder
halbe Unterkiefer nur aus drei Stücken, dem vordersten oder Zahn stück (os dentale),
dem oberen Gelenkstück (^os articulare), welches in manchen Fällen knorpelig bleibt, und
dem unteren hinteren Hauptstück Qos angulare), welches die verbindende Stütze für die
beiden vorigen bildet und gemeiniglich den grössten Theil des Kiefers ausmacht. Die Schild-
kröten steigern die Zaiil jeder Hälfte auf sechs, weichen indess dadurch ab, dass in der
Regel die Sj-mphysennaht völlig verschwindet, wodurch die ungerade Zahl von elf Knochen
im ganzen Unterkiefer hervorgebracht wird. Zwischen dem Zahn- und Gelenkslück lösen
sich nämlich von dem Hauptstück drei Knochenstücke ab, welche die Gegend vor dem
Gelenkstück einnehmen. Daselbst liegt an der Innenseite jedes Unterkieferastes das dünne
flache De ekel stück ("o* operctdare), welches den Eingang in den caiialis alveolaris über-
brückt, und an der äusseren Seite das ähnlich gestaltete, etwas kräftigere untere Eckstück
Cos subangulare}, über welchem sicli der stumpfwinkelige Kronenfortsatz als drittes oberes
Eckstück (os stipraangulare^ erhebt. Die Krokodile, derep beide Unterkieferhälften zwar
nicht ganz vollständig in der Symphysennaht verwachsen, aber doch sehr innig mit einander
verbunden sind, haljen in der Hauptsache dieselbe Anordnung, aliein es bleibt unter dem
Kronenfortsatz in beiden Flächen des Kiefers eine Lücke, die an der äusseren Seite zwischen
dem oberen und Haupteckstück, an der inneren Seite zwischen ebendiesem und dem unteren
Eckstück sich befindet. Letzteres ist ein sehr kleines Knochenblättchen über dem Eingang in
den canalis alveolaris; es bildet gleichsam einen hinteren Anhang des Deckelstücks, welches
beim Krokodil weiter nach vorn reicht, und dadurch den bei den Schildkröten vorn offen
38
gebliebenen canalis alveolaris vollständig überwölbt. Die Eidechsen und Schlangen weichen
von den Krokodilen hauptsächlich nuf darin ab, dass ihnen die beiden Lücken in den Flächen
des Unterkiefers fehlen, stehen aber andererseits den Schildkröten noch ferner durch die
weiche, bei den Schlangen sogar höchst elastische Verbindung ihrer Unlerkieferhälfien an der
Spitze. Bei den Schlangen bleilit übrigens, wie bei den Sclüldkröten, der canalis alveolaris
in der ganzen vorderen Kieferhälfle offen, bei den Eidechsen ist er, wie beim Krokodil, voll-
ständig bis zur Spitze geschlossen.
Nach diesen Angaben wird es nun nicht schwer hallen, zu entscheiden, ob der Unter-
kiefer von Trematosaurus mehr mit dem Typus der nackten .4mphibien , als mit dem der
bedeckten in Harmonie steht, allein ob eine grössere Analogie zwischen Trematosaurus und
den Krokodilen einerseits, oder den Eidechsen und Schlangen andererseits bestehe, das wird
ohne die Untersuchung ganz vollständiger Unterkiefer kaum mit einiger Sicherheit ausgemittelt
werden können.
Die beiden mir zur Untersuchung vorliegenden Unterkiefer sind das leider nicht, und
zwei andere Bruchstücke, welche ich noch daneben besitze, unterstützen den an ihnen sicht-
baren Bau nur unbedeutend. Der eine Unterkiefer besteht aus einer rechten Hälfte, die mit
der äusseren Fläche frei liegt; er ist 7" 10'" lang ujul an der oberen Knochendecke völlig
zerstört, so dass nur die Knochenbruchränder mit dem durch Eindringen des Muttergesteins
gebildeten Kern des canalis alveolaris übrig blieben; der andere, ebenfalls ein rechter, zeigt
die innere Knochenfläche frei und ist an der vorderen Hälfte noch mit der oberflächlich zer-
störten Knochenschicht versehen; er misst 7" 2'". Nach jenem ist der reslaurirte Unterkiefer
in Fig. 2. auf Taf III. von aussen gezeichnet, von innen gebe ich ihn hier mit dem zweiten im
Holzschnitt wieder.
Die Betrachtung des letzteren zeigt, dass die übrig gebliebene Knochenschicht von der Spitze bis
ztu' Mitte reicht und ausserdem am ganzen Umfange in Bruchstücken vorhanden ist. Jene vordere
Knochenfläche wird durch zwei sehr deutliche Nähte in drei Theile zerlegt: einen oberen brei-
ten Saum, der die Zähne trägt; einen unteren wenig schmäleren, der an der Spitze mit dem
a
39
oberen zusammenzuhängen scheint, und einen milderen, der hinten mit den beiden vorigen
gleiche Breite hat, sich aber alhnahg verschmälert und mit einer feinen Spitze da endet, wo
die beiden Randknochenstreifen zusammenstossen. Vor dieser Stelle sieht man noch das Ende
des canaüs alveolaris geöHnet, und bemerkt eine etwas stärkere Erweiterung desselben
erade unter dem grossen Fangzahn. Ueberhaupt ist der ganze Unterkiefer hohl, und überall
nur von einer dünnen, 1 — \\ Linie dicken Knochenschicht umkleidet. — Ich halte nun den
oberen Randknochen fiu- den inneren Saum des Zahnstiicks (os dentale, a.), den mittleren
Knochen für das Deckelstück (os opercidare, ß.) und den unteren Randknochen für den eben-
falls von untenher umgeschlagenen Saum des Zahnstücks. Hieraus würde folgen, dass die
ganze äussere Knociienfläche an der vorderen Hälfte des Unterkiefers einem einzigen Knochen,
dem Zahnstück, angehöre, und die darauf sichlbai'c mittlere Längsfurche keine Naht anzeige,
sondern eben nur eine Vertiefung in der Knochensubstanz ist. Ich glaube mich zu dieser An-
nalune um so mehr berechtigt, als ich an den beiden Unterkieferbruchstücken, welche der
vorderen Kieferhälfte angehören, und die ihre äussere Knochenschicht, wenn auch oberlläch-
lich abgenutzt, behalten haben, keine Spur einer mittleren Längsnaht wahrnehmen kann, son-
dern nur eine zusammenhängende Knochenschicht bemerke. Ausserdem haben sämmtliche
lebende Amphibien dieselbe Anlage des Unterkiefers, seine vorderste Hälfte ist bei allen ein
einfacher Knochen auf der Aussenseile. Es erleidet nun, nach eben dieser Analogie, keinen
Zweifel, dass der obere Rand des Zahnstücks so weit nach hinten reicht, wie der Unterkiefer
Zähne trägt, d. h. bis zum Beginn des kammarlig emporgebogenen Kronenfortsatzes, und eben
dort zeigt sich denn auch sehr deutlich die Naht, welche beide Knociienstücke von einander
Iremit. Ebenso besthumt ist eine andere Naht am unteren Rande des Kiefers etwas weiter
nach vorne wahrzunehmen; sie sonderte hier die ausgezogene keilförmige Spitze des Zahn-
stückes ab und giebt deutlich zu erkennen, dass sich das zwischen den nach innen umge-
schlagenen Rändern des Zahnstückes befmdliche Deckelstück hinterwärts mehr erweiterte. Die
Anwesenheit dieses Stückes an einer so ^veit nach vorne befindlichen Stelle und die feine
Zuspitzung desselben spricht entschieden für die Verwandtschaft des Trematosaurus llieils
mit den Krokodilen, theils mit den typischen Sauriern, und lässt vermuthen, dass dieses Stück
den ganzen freien Raum zwischen den umgeschlagenen Rändern des Zaimstückes erfüllte, also
etwa bis in die Gegend reichte, wo jene Ränder sich schnell nach hinten zu ziehen. Ob der
kleine Knochensplitter [y.), welcher hier neben der Spitze des unteren Saumes vom Zahnstück
liegt, noch zum Deckelslück gehöre, oder nicht vielmehr der Rest des bei den typischen Sau-
riern sehr kleinen, auf die Biegungsstelle des unteren Kieferrandes beschränkten unteren
Eckstückes (os suhattgulare) sei, muss begreiflicherweise unentschieden bleiben. Dagegen
sieht man sehr deutlich, wie das kammartig emporsteigende, längliche und bogenförmig be-
grenzte obere Eck- oder Kronenstück (os supraan(julare, d\J sicli mit seiner vorderen
Spitze unter das hintere Ende des Zahnstückes legt und so dessen ausgekeilte Spitze trägt,
dann den Kronenfortsatz bildet und unmittellKu- vor der Gelenkgrube für den Paukenknochen
40
endet, wenn es nicht gar, wie beim Krokodil, nach aussen zu die Gelenkgrulie schloss, und
also hintervvärts noch über sie hinausging. Hiernach waren drei Knochenstücke des Unter-
kiefers: das Zahn stück, Deckelstück und obere Eckstück, sicher festgestellt; es fehlen
noch drei andere: das Gelenkstück, Haupteckstück und untere Eckstück, um die
Analogie mit den Krokodilen oder Sauriern vollständig zu haben. Um diese drei Stücke bei
Trematosaurus auszumitteln, ist es nöthig, zu^or ihre Verschiedenheiten bei den typischen
Sauriern und den Krokodilen zu besprechen.
Das Gelenkstück der Krokodile ist relativ sehr klein, es bildet hauptsächlich nur die
Gelenkfläche, und steigt mit ein Paar Fortsätzen nach hinten und unten an der inneren Wand
des Haupteck Stückes herab. Letzteres bedeckt dasselbe grösstentheils von aussen, formirt
den ganzen unteren hinteren Kieferrand, nimmt den Hauptiheil des grossen hinteren Fortsatzes
ein und stösst nach vorn und aussen mit dem Zahnstück, nach innen mit dem Deckelstück
zusammen. Das dritte Stück nennt Cuvier beim Krokodil os complementaire , es ist die
kleine dreieckige Platte, welche an der hinenseite des Unterkiefers über dem Eingange in den
caticilis alveolar is liegt, nach oben an das obere Eckstück, nach vorn an das Deckelstück
und nach unten an das Haupteckstück stösst. Bei den typischen Sauriern dagegen liegt dies
kleine Knochenstück bloss am unteren Rande des Kiefers, zwischen dem Deckelstück und
Haupt eckstück, weshalb der Name unteres Eckstück mn so passender erscheint, als gerade
in ihm die Hauptbiegungsstelle des unteren Kieferrandes aufzutreten pflegt. Hinter demselben
liegt nicht das Haupteckstück, sondern das Gelenkstück, welches also den ganzen hinteren
Kieferrand mitsammt dem hinteren Fortsatze und der Gelenkfläche bildet, während das Haupt-
eckstück der typischen Saurier hauptsächlich in der Aussenfläche des Unterkiefers steckt,
hier als eine bald längliche schmale, bald kurze breite Platte den Raum unter dem Kronen-
fortsatze einnimmt, und zugleich die kurze Strecke des oberen Kieferrandes zwischen Kro-
nenfortsatz und Gelenkfläche bildet.
Gehen w'w \oii diesem Charakter aus, so kann derselbe nicht bei Tremafosaitnis
sich finden, weil bei ihm das obere Eckstück mit dem Kronenfortsatze bis unmittelbar an die
Gelenkfläche, d. h. liis an das Gelenkstück reicht. Darnach wäre eine grössere Analogie mit
dem Krokodil, als mit den typischen Sauriern wahrscheinlich, und für eine solche spricht auch
die gesammte Form des Unterkiefers. Wir win-den also den kleinen geschwungenen Knochen-
splitter («.) hinter der Gelenkfläche, zu dem oirenbar auch die Gelenklläche selbst gehört (denn
dafür zeugt der aufsteigende Fortsatz, welcher, ganz ähnhch wie beim Krokodil, den hinteren
erhabenen Rand der Gelenkgrube bildete), für das Gelenkstück halten müssen und anneh-
men dürfen, dass dasselbe auf die obere Hälfte des hinteren grossen Fortsalzes beschränkt
war. Davon überzeugt uns die schmale Form des Splitters sehr bestimmt. Dann wäre der
grössere, langgezogene Knochensplitter am unteren Rande des Kiefers (^.) ein Theil des Haupt-
eckstückes, welches sich hinterwärts bis an's Ende des grossen hinleren Fortsatzes, vor-
wärts bis an das Deckelstück ausdehnte, die Mitte der stark cewölblen äusseren Fläche des
41
Unterkiefers einnaliin luul an der Innenseite den daselbst belindlichen Eingang in den ccmalis
alveolaris mit seinem vorspringenden unteren Rande liegrenzfe. Auf der äusseren grösseren
Partie dieses Haupteckstiickes befindet sich die radial furchige Sculptur, \veiche früher be-
schrieben worden ist; es legt sich nach oben an das obere Eckstlick, nach vorn an das
Zahn stück, nach hinten an das Gelenkstück, und bildet in seinem grössten Theile eine
flache, langgezogene, beiderseits zugespitzte Knochenplatte, welche von einem verdickten, um-
geschlagenen unteren Rande ausging, und wahrscheinlich einen etwas stärkeren Fortsatz nach
hinten zum Gelenkstück abgab, um mit ihm den hinteren Hauptfortsatz des Unterkiefers zu
bilden. Die Abgränzung dieses langgezogenen, offenJ)ar in der Hauptsache nach dem Typus
der Krokodile gebildeten Eckstücks gegen das Gelenkstück liess sich auf der äusseren Seite
des Unterkiefers in keiner Weise sicher verfolgen; die ganze Knochenmasse des hinteren Theils
vom Unterkiefer bot keine Spur irgend einer Naht dar, wie sich aus der Betrachtung des
oberen Holzschnitts auf S. 38 näher ergiebt; dagegen erscheint die Ausdehnung des Eckstücks .
nach vorn, ^venigstens an der imieren Seite des Unterkiefers, mir minder zweifelhaft zu sein.
Ich glaube nämlich, dass der schon erwälinte kleine Splitter y wirklich nur tlas vordere Ende
des Eckstücks ist und die vorderste Spitze des verdickten umgeschlagenen Randes selbigen
Knochens bezeichnet. Dann win-de in dem Raum zwischen (T, 'C und y der Eingang in den
canalis alveolaris zu suchen sein, vor welchem, am liinteren Ende des Deckelstücks, ganz
wie beim Krokodil, d. h. nicht am Rande, sondern in der Inneniläche des Unterkiefers, das
kleine völlig verloren gegangene untere Eckstück lag. Der Tlieil des Unterkiefers, welcher
sich hinter dem Eingange in den canalis alveolaris Itetindet, war ohne Frage stark vertieft
oder vielmehr muldenförmig ausgehöhlt, wie beim Krokodil, und daher kommt es, dass man
an dem Unterkiefer, welcher von innen bloss liegt (man betrachte den unteren Holzschnitt S. 38),
nur über und unter dieser Mulde die nach innen vortretende Knochensubstanz wahrnimmt.
Oben ist es der dicke Rand des Gelenkstücks hinter der Gelenkfläche («), unten der nicht
minder stark vorspringende umgeschlagene Randsaum des Haupteckstücks (Q). üebrigens weiss
man aus Owen's Abbildungen des Unterkiefers von habyrinlhodon (a. a. 0. Taf. 46.), dass
derselbe kein Locli in der Aussenfläche besitzt, wie beim Krokodil, und muss schon deshalli
eine weitere Ausdehnung des Ilaupteckstücks in die Fläche des Unterkiefers für nölhig halten.
Auch habe ich in H. v. Braun's Sammlung den Abdruck eines vollständigen Unterkiefers ge-
sehen, welcher an der Stelle, wo das Haupteckstück liegen müsste, genau dieselbe Sculptur,
wie die seitlichen Kopfknochen hatte, und völlig geschlossen war.
Aus dieser Darstellung dürfte sich also ergeben, dass der Unterkiefer von Tre-
matosaurus , wie in der Gesammtforni, so auch ir\ tier Zusammensetzung aus seinen
einzelnen Stücken, am meisten dem der Krokodile sich nähert, indess einzelne Eigenschaf-
ten, und namentlich die feine Zuspitzung des Deckelstücks, mit dem Kiefer der typischen
Saurier gemein hat. Dahin wluxle auch der Mangel von Lücken zwischen seinen Knochen-
platten p:ehören.
(i
. 42
Eine gewisse Unsicliorlioil der DiirstoUnng liegt oITonbiir nur in der Ausdehnung, die ich
dem Haupleckslüi-k (h;!S Untcikiefers gegeben habe und welche zu heben ich niclit im Stande bin.
Anfangs nahm ich den Taf. IV. Fig. i. abgebddeten schuppenfürmigen Knochen für das Haupt-
eckstück des Unleikiefeis, l)in aber jetzt von seiner anderweitigen Bedeutung völlig überzeugt.
Ein ganz idinlichcr Knochen ist auch von Plieningcr beobachtet und in mehreren Figuren
(Taf. IV. Fig. 1. 2. Taf. Vll. Fig. 7. Taf. VIII. Fig. 10.) abgebildet. Er hält ihn, wenigstens den
Taf. IV. Fig. 1. 2. abgebildeten, für das Schullerblalt (BcÜr. z. Paläont. Würtemb. S. 63); eine
Ansicht, deren Irrthum leicht zu zeigen ist. Schon die Form dieses Knochens ähnelt keinem
Schulterblatt i'gend eines Aniphibiums , vielmehr hat er nur im Umriss eine gewisse flüchtige
Aehnlichkeil mit dem Schulterblatt des Menschen, auf welche H. Plieninger doch kaum Ge-
wicht legen konnte. Ferner kann kein Schulterblatt Sculplurcn haben, welche die superficielle
Lage des Knochens beweisen, weil alle Schulterblätter von Jluskeln bedeckt sind. Dieser Knochen
war aber ein superficieller, bloss von Haut bedeckter, also ge^^iss kein Schulterblatt. Endlich
fehlt jede Andeutung irgend einer Gelenkfläche, die doch sicher am Schulterblatt vorhanden sein
müsste. — Auf das öftere Vorkommen dieser und einiger anderen isolirlen Knoclienplatten mit
superficiellen Sculpturen gründete H. v. Braun seine Annahme, dass der Leib \on TrcmalosiiHnis
gepanzert war. Ich kann dieser Ansicht niclit beipflichten, theils weil die Menge der gefundenen
Knochenplatten nur gering ist, theils weil sie keinen gleichen, sondern einen verschiedenen
Umriss haben. Wären es Panzerstücke, etwa wie die des Krokodils, so müssten sie, wenn auch
an Grösse verschieden, doch in Anlage und Ausführung übereinslinnnender sein. Ich glaube
vielmehr, dass die isolirlen Knoclienplatten mit superficiellen Sculpturen sämmtlich am Kopfe sich
befanden, und meistens losgetrennte Stücke des schildförmig ausgebreiteten Jochbogengerüstes sind.
Auf freiliegenden Knochenschildern des Rumpfes würden sicher die Sculpturen radial nach allen
Seiten hin verlaufen und von einer mittleren Gruppe kleiner Grübchen ausgehen, wie das bei den
mittleren Knochenschildern des Schädels der Fall ist. Solche Knochenplatten kommen aber nur sehr
selten vor und sind dann auch mittlere Schädolknoclien, während sie allgciiiein und häufiger vor-
kommen müssten, wenn es Rumpfpanzerschilder gewesen wären. Man denke z. B. nur an die
Schilder der Störe, um sich von der Richtigkeit dessen, was ich in Bezug auf die Anordnung
der Sculptur gesagt habe, zu überzeugen. Endlich wissen wir direkt aus den Beobachtungen an
Archcfjosaurus, dass dessen Leib mit kleinen feinen spitzen Schuppen, aber nicht mit Knochen-
schildern, bekleidet war.
Zur Unterstützung meiner Ansicht, dass die isolirten Knochenschildcr, welche man unter
den Resten von Tretnalosuurns öfters antrid'!, Tlieile des Kopfes im Ganzen ^varen, nuiss ich
schliesslich noch auf die allermcistens sehr zerstörte Beschafi"enheit der Fundstücke überhaupt
aufmerksam machen. Immer liegen sie isolirt, und nie finden sich ganze Schädel mit dem Unter-
kiefer im Zusammenhange, wie etwa der schöne Schädel von Muslixlonsaurtis, welchen Plie-
ninger abgebildet hat (a. a. 0. Taf. VI. u. VII.). Ich schliesse daraus, dass die Knochenrestc
von längst verendeten- Thieren herrühren, die schon angefault vom Wasser mit fortgeführt wur-
den, bis sie in dem Bernburger Becken ihre bleibende Lagerstätte erhielten. Auf dem Wege
zertrümmerten die faulen Leiber der Tliiere schliesslich ganz, und 'nur die härtesten Theile des
Schädels erhielten sich. Dass sich während des Transportes die lose an einander gefügten
Knochenplatten ablösen konnten, wird Niemand in Abrede stellen wollen. Zugleich erklärt diese
Annahme den Mangel aller kleineren Knochen, als Wirbel, Rippen und E.\tremilälen, weil diese
43
vermöge ihrer Lcicliligkeit entweder vom Strom noch weiter fortgeführt, oder schon unlerweges
völlio- zerstört wurden. Nie ist mir irgend ein Zehenglied oder eine Rippe zu Gesicht gekommen,
und selbst die reichhaltige v. Braunsche Sammlung besitzt nichts der Art; alle ihre Handstücke
sind ganze Schädel, Schädeltheile oder Knochenschilder, mit Ausnahme einer etwa spannenlangen
Strecke vom Schvvanztheil der Wirbelsäule, an welcher sich jedoch, ausser hohen Dorn- und
Querforlsälzen, nichts für die Bestimmung des Thieres Brauchbares ermitteln Hess. Ich behaupte,
in Folo-e der angeführten Thalsachen, dass die Trem alosaure n entweder Landthiere, oder hoch-
stens, gleich den Krokodilen, Süsswasserbewohner waren, deren anderswo abgestorbene Leiher
von entweder normalen oder abnorm vermehrten Binnengewässern bis in das marine Wasser-
becken geführt wurden, in dessen Sediment noch heule ihre petrificirten Reste liegen. Letztere
bestehen aus Eisenoxydul, das in die thierischen Gewebe eindrang, sind von schwarzbrauner
Farbe und äusserst geiirechlich, weil die zum Theil gebliebene thierische Grundmaterie die voll-
ständige Uebertragung des anorganischen Materials verhinderte und dadurch die geringe Cohärenz
der abgelagerten Quantitäten desselben bewirkte. Die Oberfläche der Stücke ist gewöhnlich sehr
innig mit Sand impriignirt, und nur sehr seilen noch mit der normalen äussersten Schicht des
Knochens versehen. Auch das spricht für eine bereits weit vorgeschrittene Zersetzung der
Knochensubstanz und ihre in Folge der langsamen Einhüllung schon längst eingetretene faulige
Beschaffenheil.
§. 19.
Am Schluss dieser Schilderung des Schädels von Trematosmiriis habe ich noch des
inneren Biiues der Zähne zu gedenken, um auch daran die Labyrinthodontennatur zu erweisen.
Indess hindert die eben erwähnte, feineren mikroskopischen Untersuchungen wenjg günstige
Beschafl«ilieit der Petriticate eine so genaue Erkenntniss, wie sie Hrn. Owen bei seinem
Lahyrmthodon Jaegeri gelang. Namentlich war es unmöglich, hinreichend dünne Schichten
des Zahnes zu bekommen, um dieselben als Objecte mikroskopischer Beobachtung mit durch-
fallendem Lichte benutzen zu können; jeder Versuch, einen feinen Querschnitt zu machen,
missglückte, indem der Zahn schon beim blossen Ansetzen eines schneidenden Instrumentes
sofort zersplitterte. Unter diesen Umständen blieb nichts anders übrig, als die frei liegenden
Querflächen mitten durchgebrochener Zähne anzuschleifen, und zu versuchen, ob sich auf ihrer
Fläche bei starker Beleuchtung durch auffallendes Licht eine Ansicht von den Windungen der
durch die Zahnschicht vertheilten Fortsetzungen ihrer centralen, schon mit blossem Auge sicht-
baren Kernhöhle gewinnen lasse. Diese Versuche gelangen wenigstens bis zu einem Grade,
der hinreichte, um daraus die völlige Uebereiustimmung der Zahnstructur mit der von Owen 's
Labyrinthodon Jaegeri zu erkennen. Ich habe versucht, mein Resultat durch eine Figur
(Taf. IV. Fig. 6.) zu erläutern, und muss in Bezug auf dieselbe nur bemerken, dass sie zwar
die bestimmte .\bbildung eines der Aon mir untersuchten Zähne giebt, indessen, bei der
Lückenhaftigkeit des abgebildeten Objectes, die Resultate der verschiedenen Beobachtungen
zusammengetragen enthält, welche ich an mehreren einzelnen Zähnen gemacht habe. Auch
sind die Farben, hinsichtlich ihrer Intensität, an den fossilen Zähnen gerade umgekehrt; die
6*
44
breiten gewundenen weissen Lamellen meiner Figur erscheinen tief und rein schwarz, die da-
zwischen befindlichen verästelten dunklen Linien dagegen röthlich, und die scharfen gewun-
denen Conturlinien, \velche vom Umfange der Figur in die gewundenen Zahnlamellen eindrin-
gen, Hessen sich, eben der schwarzen Farbe dieser Lamellen wegen, fast gar nicht unter-
scheiden, ihre Anwesenheit konnte nur aus den Einschnitten am Umfange des Zahnes, von denen
sie ausgehen, gefolgert werden, hii Uebrigen waren die weissen (in der That aber schwar-
zen) Lamellen und die dazwischen auftretenden dunklen (in der Wirklichkeit fuchsrothen)
verästelten Lücken völlig scharf ^ on einander abgesondert, so dass sich die Begrenzung beider
gegen einander, und die Ausdehnung jedes ^on Jjeiden, mit völliger Sicherheit wahrnehmen
liess. Icli hebe dies mit Bedacht hervor, weil in Owen's Figur (a. a. 0. S. 507) die Fort-
setzungen der centralen Höhle mit zahlreichen feinen Nebenröhrchen in die gewundene Zahn-
substanz ausstrahlen, was zwar ohne Zweifel auch bei Trematosaurus der Fall sein wird,
indessen durch directe Beobachtung an den Zähnen nicht ermittelt werden konnte. Der Bau
des Zahnes ist demnach folgender.
Die scheinbar solide, feste und dicke Wand des kegelförmig gestalteten Zahnes besteht
aus einer Anzalil Blätter, welche vom Centrnm radial zur Peripherie streben, allein nicht grad-
linigt fortsetzen, sondern auf ihrem Wege sich wellenförmig hin und her biegen. Jedes Blatt
ist inwendig hohl imd steht diu-ch diese Höhlung mit der centralen Zahnhöhle in Verbindung;
es besteht also genau genommen aus zwei durch eine schmale Lücke getrennten Blättern,
vvelche am Umfange in einander übergehen. Indem nun jede Seite, oder vielmehr jede der
zwei Wände des Blattes ihre wellenförmigen Biegungen für sich allein und in der Regel so
beschreibt, dass die Wellenbiegungen beider Wände nicht in einander fallen, sondern einander
entgegengesetzt sind, entstehen Nebenhöhlen, die senkrecht von der mittleren Längshöhle jedes
Blattes ausgehen und mehr oder weniger auf einander passen. In die Lücken zwischen den
Wellen jeder Wand eines Blattes legen sich nun die Wellen der gegenüberstehenden Wand
des benachbarten Blattes hinein und füllen sie so vollständig aus, dass beide Wände zweier
benachbarten Blätter zusammen nur eine gewundene Zahnschicht auszumachen scheinen. Das
sind die auf dem (Juersclinilt erscheinenden Lamellen, deren feine mittlere Trennungslinie nur
daran erkannt werden kann, dass ein Einschnitt am Umfange des Zahnes, welcher in jede
Lamelle einzudringen strebt, sie andeutet. Diese Einschnitte erscheinen auf der äusseren
Zahnfläche als feine Längsfurchen, und von ihnen rührt das gestreifte Ansehen des Zahnes
lier. Der Raum zwischen zweien solchen Furchen ist also das geschlossene äusserste Ende
eines Zahiiblattes, und die Furche bezeichnet die Grenze zweier dicht neben einander liegen-
den, mit ihren Windungen in einander greifenden Blätter. Die Wände der Zahnblätter werden
gegen die Peripherie hin allmälig etwas dicker, und aus diesem Grunde werden auch die von
den benachbarten Wänden zweier Blätter gebildeten Substanzwindungen etwas breiter, allein
die Zunahme in die Dicke ist nur gering, und reicht niclit hin, dem inniier weiter und weiter
werdenden Umfange des Zahnes zu entsprechen; die Blätter würden dah'M- Lücken lassen,
45 —
wenn sie nicht nach einer gewissen Entfernung von der Mitte sich einzeln theillen, und von
da an in zwei gabelig von einem Panivte ausgehende, übrigens ganz ^vie der frühere Stanim-
theil gebildete, in sich gewundene Nebenblätter spalteten. So bekommt denn jeder Zahn in
einer gewissen Entfernung von der Mitte und in einer gewissen Tiefe unter der Spitze die
doppelte Anzahl der HIalter, welche er anfangs hatte, und da er auch unter dieser Stelle
s;e2;en die Basis hin fortdauernd tiicker wird, so muss sich die Theilun^ der Nebenblatter in
Nebenblättchen nochmals, ja selbst mehrmals wiederholen. .4us diesem Grunde nimmt, wenn
man den Zalin von oben herab betrachtet, die Anzahl seiner Streifen in hitervallen zu, und
deutet zugleich an, dass die Menge der von je z\Aei Streifen eingeschlossenen Blätter sich in
demselben Maasse vermehrt hat. Sehneidet man aber einen Zahn in einer gewissen Höhe
quer durch, so sieht man auf der Schnittfläche die Anzahl aller Blätter, welche er in dieser
Höhe hatte, deutlich vor sich, und erkennt zugleich ihren Zusammenhang in der Art, wie sich
die Fortsetzungen der centralen Zahnhöhle durch die Substanz des Zahnes verbreiten, h»
diesem Sinne ist Fig. 0. auf Taf IV. zu beschauen. Der centrale schwarzgesäumte Fleck giebt
die mittlere Zahnhöhle an, von welcher vierzehn Radien, als die inneren Höhlungen ebenso
vieler Zahnblätter, ausgehen. Anfangs, oder \\enigstens bis zur Mitte, gehen diese Höhlungen
gegen die Peripherie ungetheill fort, sie geben nur nach links und rechts Aeste ab, d. h. mit
anderen Worten: die beiden Wände, welche die Höhlung umschliessen, falten sich in Wellen-
biegungen zusammen; aber etwa von der Mitte der Radien an theilen sich die meisten Hölilen
in zwei Schenkel, deren Wände neue Wellenbiegungen beschreiben. Endlich dicht \ov dem
Umfange wiederholt sich die Theilung der Schenkel jeder Höhle nochmals, und aus diesem
Grunde endet auch jeder Schenkel des gabeligen Blattes mit zwei kurzen Randblättchen, worin
also die letzten Enden der sich nochmals gabelnden centralen Höhle enthalten sind. Sowohl
zwischen diese Randblättchen, als auch zwischen die Hauptblätter und ihre Zweige, diingt von
der Peripherie aus der feine Zahnkitt (Cement) hinein, füllt alle etwa entstandenen Lücken aus
und heftet die in einander gewundenen AVände der benachbarten Blätter genau zusammen.
Auf diese Weise entstehen dreierlei Arten \on Falten, welche ihren Ursprung an der Peri-
pherie nehmen und gegen den Mittelpunkt vordringen: die Einen scheiden die benachbarten
Wände zweier Hauptblätter; die Zweiten bezeichnen die Lücke zwischen den beiden Zweig-
blättern, worin sich jedes Hauptblatt getheilt hat; die Dritten trennen die einzelnen Rand-
blättchen von den Haupt- und den Zweigblättern ah.
Durch die genauen Untersuchungen von Owen ist uns bekannt geworden, dass die
Zahn Substanz QdeittiiHiJ der Amphibien aus feinen mikroskopischen Kanälen besteht, welche
von der centralen Zahnhöhle ausstrahlen, und dass diese strahlig gefügte, von Kalkerde durch-
drungene Grundlage einen klaren homogenen äusseren Kitt (^cement um) als Uebei'zug erhält.
Dieser feine Ueberzug wird auch dem Zahn der Labyrinthodonten nicht fehlen, allein eben
wegen seiner Feinheit und seiner homogenen BeschalTenheit sich von der eigentlichen Zahn-
substanz nicht unterscheiden lassen. Letztere bildet anscheinend in den fossilen Zähnen \on
46
Tremafosmirus eine homogene schwarze Substanz, während die Zahnhöhle und ihre Fort-
setzungen durch die Zahnsubstanz als verzweigte oder gegabelte, rötlilich gefärbte Linien zwi-
schen den Windungen der Zahnsubstanz sichtbar sind, bidessen lässt eben die Analogie ver-
wandter Thiere keinen Zweifel, dass von diesen Höhlungen aus die feinen mikroskopischen
Kalkröin-chen, senkrecht auf den Höhlungen stehend, in die Zahnsubstanz eindrangen, und
selbige, wie in allen Amphibienzähnen, so auch in denen von Trematosaurus, ein strahliges
(iefüge ihrer Elemente besass. Das durch directe Beobachtung nachzuweisen, war an den so
sehr veränderten Zähnen niilil mehr möglich.
Die beschriebene Zahnbiltlung, auf welche sicli der mit grossem Geschick von Owen
eingefülirlc Familienname der Gruppe bezieht, findet unter den Amphibien nirgends ihres Gleichen
und cliaraklerisirl die Labyrin thodon ten sicherer, als irgend ein anderes Merkmal. Lebende
Amphibien haben nur Zähne mit glatter Oberfläche und einfacher, nicht aus Blältern oder Fallen
zusammengeselzler Zahnsubslanz. Unter den vorwelllichen Gruppen treffen wir äusscrlich ganz
ähnlich gestaltete Zähne theils bei den Enaliosauriern, (heils bei Fischen, z. B. den Coeia-
canthinen. Indessen haben die Zähne der Enaliosaurier eine zapfenfürmige Wurzel, weil sie
in Alveolen stecken, und die Lamellen ihrer Krone sind nicht gewunden, sondern gerade, unge-
fallele, radial neben einander liegende Blätler. bisofern nun die grossen kräftigen Zähne der
Coelacanihinen ebenfalls wurzellos sind, wie die der Labyrinlhodonlen, so treten sie schon des-
halb, als die Thiere mit dem nächstvorwandlen Zahnlypus, in eine nahe Beziehung zu den Laby-
rinthodonlen. Es ist bemerkenswerth, dass die Sculplur ihrer Kopfknochen dieser Analogie ebenso
sehr das Wort redet, wie die Bepanzerung ihrer Kehlgegend und die hohle Beschaffenheit iiirer
Knocliensubsliinz. Fast scheint es also, als ob in der ersten, ältesten Zeit die Repräsentanten der
Fische und der Amphibien von gleichen anatomisch -physiologischen Bildungstypen ausgegangen,
und erst im weiteren Verlaufe ihrer Ausbildung die morphologischen Ideen des inneren und
äusseren Baues beider Thierklassen abweichender und für jede einzelne Klasse bestimmter ge-
worden seien. Eine nähere Einsicht in die hier angedeutete Ansicht wird das Studium des
trefflichen Werkes von Agassiz über die Fische des Old red oder Grvs roH</e jedem unbe-
fangenen Forscher gewähren.
Zweiter Aliscliiiitt.
Beschreibung einiger nicht zum Schädel gehörigen Knochen
von Trematosaurus.
§■ 20.
Die Betrachtung der ülirigen, dem Schädel niclil angehörigen Knochenreste von Tre-
mafosuurus möge mit der Beschreibung eines sonderl)aren, höchst eigenthümlichen Knochen-
schildes beginnen, von dem mir drei Exemplare in sechs Handstücken, je zwei und zwei als
Gegendrücke zu einander gehörig, vorliegen. Eines der grössten ist Taf. IV. Fig. 2. in natür-
licher Grösse abgebildet, und auf dasselbe zugleich die snperficielle furchige Sculptur über-
tragen worden, welche zwar nicht an eben diesem Exemplar, sondern an einem anderen, um ein
Viertel kleineren deutlich zu erkennen \^ar. Das Schild hat in der Hauptsache die Form eines
Kreuzes, dessen Stamm an dem grossen Exemplar G" 7'" lang ist und dessen Arme 3" 9'"
breit sind; ein anderes noch grösseres, ixber beschädigtes Stück war fast 7" lang und gegen
.j" breit; das dritte kleinste hatte nur 4."ö"' Höhe und •>"()'" Breite. Die Arme des Kreuzes
gehen niclit ^on der Mitte aus, sondern befinden sich stets vor der Mitte, dem einen Ende
genähert. Dies kürzere Ende des Stammes ist etwas breiter, als das gegenüberstehende lange
Ende, aber noch lange nicht so breit, wie die beiden Arme, welche als breite abgerundete
Lappen neben dem Stamme sitzen, und, nach innen immer breiter werdend, ganz allmälig in
den Stamm üijergehen. Dabei ist ihr Endrand ungleich abgerundet, d. h. die Seite nach dem
kurzen Ende des Stanuues zu beschreibt einen flacheren Bogen, als die andere, welche dem
langen Ende des Stammes zugekehrt ist. So gehen beide Arme langsam in die kurze Spitze
des Stammes über, während die lange sich bestimmter von ihnen absetzt, und zumal in dei'
Mitte noch etwas schmäler ist , als an ilirem zugerundeten Ende. Die ganze Platte hat eine
sehr geringe Dicke ; an den kleinen Exemplaren, welche am besten und zum Tlieil vollständig
48
erhalten siiifl, zeigt die Substanz etwa die Mächtigkeit einer Linie, an den grossen zieniHch
die doppelte. Ihre Flache ist nicht ganz wagrecht, sondern gegen die Mitte leicht gewölbt.
An dem langen Stielende macht sich die Wölbung sehr wenig bemerklich, aber an den Armen
wird sie stärker, und namentlich krümmen sich die Enden sehr deutlich abwärts; dagegen ist
das kurze Stielende auf derselben Seite leicht vertieft, indem seine Rander sich entgegen-
gesetzt umbiegen. Diese Verliefung reicht bis auf die Mitte zwischen beide Arme und bildet
hier eine förmliciie flache Grube, welche durch die gewölbte Fläche hinter ihr gegen das
lange Stielende hin schärfer abgeschlossen ist, als gegen das kurze. Auch die ebendahin ge-
wendeteTi Ränder der Arme sind sehr deutlich abschüssig. Die Sculpturen der Oberfläche
finden sich nur auf der einen Seite und zeigen dadurch an, dass diese Seife superficiell war
und bloss von der Haut bedeckt wurde. Sie bestehen, ganz wie die Sculpturen der Kopf-
knochen, aus kleinen, durch ziemlich scharfe Rücken getrennten Grübehen, welche die Mitte
des Schildes, genau an der Stelle, wo der Stamm und die Arme sich kreuzen, einnehmen.
Um diese kleinsten, ganz kreisrunden Grübchen gruppiren sich andere längliche in radialer
Anordnung herum, denen alternirend eine dritte und vierte Reihe folgt, bis endlich ein Saum
langer, schmaler, streifenförmiger Furchen den ganzen Umfang des Schildes einnimmt. An dem
kurzen Theile des Stammes und den Armen scheint Form und Anordnung dieser Streifen die-
selbe gewesen zu sein: etwas grössere wechseln mit kleineren in allniäligem Uebergange der
einen in die anderen ab; aber auf dem langen Aste des Stammes treten offenbar auch \iel
längere Furchen auf, welche seiner Fläche das Ansehen geben, als sei sie mit ei'haben pa-
rallelen Längskanten bedeckt. Ich glaube sieben solcher Kanten zwischen acht Furchen wahr-
genommen und bemerkt zu haben, dass sowohl die mittleren Kanten, als auch die Furchen,
etwas breiter waren, als die seillichen. Indessen wurde mir diese Beschaffenheit der Ober-
fläche nur an der äussersten Spitze deutlich; weiter hinauf konnte ich sie nicht mehr verfol-
gen. — Die entgegengesetzte Oberfläche der ganzen Knochenplatte ist völlig eben, oline alle
Furchen und Erhabenheiten; die Ränder derselben sind ringsum scharfkantig und nicht aus-
gezackt ; das Schild war also in keiner Verbindung mit benachbarten Knochenplaflen durch
Nähte, sondern es lag ohne Zweifel fii'i in der Haut. Ol) es auf einer knöchernen Basis
ruhte, oder auf einer elastischen muskulösen Unterlage, das Hess sich aus der Beschafl'enheit
seiner glatten Unterfläche nicht ermitteln; denn diese untere ebene Seife bot an keinem Exem-
plare Anzeichen dar, welche auf eine Anheftung an andere Körperfheile irgendwie hingewiesen
hätten. Dagegen zeigte sich die innere Beschaffenheit des Schildes sehr deutlich als slrahliü;
gefügte Knochensubsfanz, die durchweg aus derselben Masse bestand, und keine tiefere, mehr
lockere oder zellige Structur verrieth. Hier und da war die Knocliensul)slanz blättrig ab-
gewiftert und die unteren Schichten traten in ganz gleicher Beschalfenheit hervor. Eine regel-
mässige Laaerbilduns: war aber nicht in der Knochenmasse erkennbar, vielmehr erschien das
blättrige Gefüge mehr die Folge der ungleichartigen Zerstörung, als eine ursprünglich ^orllan-
den gewesene Sfructur des Knochens zu sein.
49
Eine in allen Hauptsachen ähnliche Knochenplatle hal Plieninger von ßlaslodoiisaurus
beschrieben (a. a. 0. S. 63. Taf. III. Fig. i.) und als Brustbein gedeutet. Für die Richtigkeit
dieser Deutung scheint die symmetrische Form der Platte allerdings zu sprechen, insofern daraus
folgt, dass dieser Knochen ein mittlerer unpaarer war; allein andere sichere Kennzeichen, die ihn
zum Brustbein machen, treten nicht daran hervor. Zwar ähnelt er einigermassen dem herzförmigen
Brustbein der Krokodile im Umriss, allein es fehlen ihm die Berührungsflächen für die Knochen
des Schultergürtels und die Ansatzstellen der Rippen, welche am Brustbein der Krokodile so
deutlich vorhanden sind. Ferner spricht die Anwesenheit der superficiellen Sculpturen gegen
diese Deutung, und endlich noch viel mehr die relativ so geringe Dicke dos Knochenschildes.
Wäre die Platte wirklich das Brustbein selbst, so müsste sie offenbar viel dicker und stärker
sein, als sie ist; es müsste ihre Ausdehnung in die Fläche zu ihren Dimensionen in die Dicke
mehr in Harmonie stehen, als es bei dem beschriebenen Schilde der Fall war. Demnach kann
ich das Schild ebenfalls nur für einen Hautknochen halten, und zwar für einen unpaaren, in der
Mittellinie des Körpers befindlichen, der möglicher Weise dem Brustbein in der Lage entsprach
und die von ihm ausgehende Muskulatur gegen Druck von aussen schützte, wenn das Thier sich
niederlegte. — Diese Vermuthung erhält durch die Beobachtungen, welche Gold fuss an Archefjo-
saitrus gemacht hat, eine kräftige Stütze. Bei demselben findet sich in der Halsgegend des Kör-
pers eine ähnliche, aber mehr rautenförmige Knochenplatte, deren nach vorn gewendeter
spitzer Winkel stielartig verlängert ist (vergl. dessen Beiträge zur vorweltlichen Fauna des
Steinkohlengebirges. Bonn, 1847. 4. Taf. III. Fig. 1. 2. c.c). Gold fuss hält diese Knochen-
platte für das Zungenbein (a. a. 0. S. 8), weil sie nach seiner Beobachtung unter den Hals-
wirbeln und vor dem Schultergürtel sich befindet. Es genügt indess, zur Widerlegung dieser
Ansicht, darauf aufmerksam zu machen, dass ein Knochen mit superficiellen Sculpturen kein
Zungenbein sein kann, selbst wenn man von seiner unverhältnissmässigen Grösse und seiner
weiten Ausdehnung nach hinten ganz absehen wollte. Ich bin vielmehr durch die Verhältnisse
bei Ärchcgosanrns in meiner Annahme bestärkt worden, dass die beschriebene Platte ein Haut-
knochen sein muss, und wahrscheinlich unter der Kehle so lag, dass das verlängerte Stammende
nach vorn gerichtet war und möglicherweise mit seiner Spitze bis in die Gegend des Zungen-
beines und Kehlkopfes reichte, während die breitere Hälfte mit den Armen sich nach hinten
wendete, und entweder das ganze, oder wenigstens das vorragende äusserste Ende des Brust-
beines von unten her bedeckte. Vielleicht besassen die Labyrinthodonten am wirklichen Brustbein
den T-förmigen Fortsatz der typischen Saurier, und zum Schutze dieses an sich schwachen Knochen-
gerüstes gegen äussere Gewalten mochte die in der Lage ihm entsprechende Knochenplatte be-
stimmt sein. Dafür spricht zumal die Form des Vorderendes von Arcfiegosaurus, wie Goldfuss
sie darstellt. Letzterer redet übrigens von Kiemen, welche sich neben diesem von ihm Zungen-
bein genannten Knochenscliilde bemerklich machen sollen; ich glaube nicht, dass die Labyrintho-
donten durch Kiemen alhmeten, und halte die von ihm für Kiemen erklärten Gebilde für abgelöste
Schuppenreihen; denn dass Arckegosaurus von kleinen Schuppen bedeckt war, beweisen die
Untersuchungen und Abbildungen, welche Goldfuss darüber veröffentlicht hat.
§. 21.
Als ein zweites superficielles Knochenscliild reihet sich an das vorige die auf Taf. IV.
Fig. 1. abgebildete Knochenplatte. Sie hat manche Eigenschaften mit jener gemein, ist gleich-
7
50
falls dünn, flach, scluippenformig ; auf der einen Seile radial gefurcht, auf der anderen eben —
al)er ihre Ränder sind ungleich: der eine ist verdickt, fast aufgeworfen, der andere viel dün-
ner, fast scharfkantig, und ihr Uniriss durchaus verschieden, ja von der Art, dass es keinem
Zweifel unterliegen kann, ihre Lage sei eine seitüche, und jedes Schild in doppelter Zalil,
d. h. paarig vorhanden gewesen. In der Abbildung ist der verdickte aufgeworfene Rand der
linke; daneben erscheint die ganze obere Knochenschicht zerstört, man erkennt die innere
strahlig gefügte Textur des Knochens, und bemerkt, wie die Strahlen nicht von der hintersten
Ecke, sondern von einem Punkte des Randes, welcher der breitesten Stelle des Schildes ent-
spricht, nach vorn, hinten und innen ausgehen. Aehnlich wie diese Strahlen des Gefüges
waren auch die superficieUen Furchen der Sculptur angeordnet. Man sieht davon nur noch
die letzten Enden am ganzen, der Verdickung entgegengesetzten Rande, wo sie mit erhabenen
Leisten abwechselnd deutlich hervortreten. Dieser Rand ist ziemlich gleichförmig gebogen,
der entgegengesetzte verdickte aber sehr bestimmt ausgebuchtet geschweift; der kürzere, in
der Figur obere, S-förmig geschwungen. Dadurch entstehen zwei ungleiche abgerundete
Ecken: eine schmälere schlankere, eine breitere stumpfere. Dem S-förmigen Rande gegen-
über zeigt sich eine schiefe Endseite, welche bei näherer Betrachtung sich als Bruch zu er-
kennen giebt, und die vormalige Anwesenlieit einer scharfen Spitze, deren Umfang ich durch
Punktlinien anzudeuten .suchte, verräth.
Schon früher (S. 41) habe ich dies Knochenschild erwähnt und bemerkt, dass Plienin-
ger iihnhche Schilder abbildet, auch nachgewiesen, dass es nicht Schullerblätter sein können, wie
derselbe vermuliicte. Ich hielt diese Schilder lange Zeit für das Haupleckslück des Unterkiefers,
bis ich mich durch die Untersuchung eines Originalexeniplars von Arcliegosaurits im mineralo-
gischen Museum zu Berlin überzeugte, dass je zwei solcher riallen an der Keiile lagen und den
hinteren Raum zwischen den Schenkeln des Unterkiefers ausfüllten. Der verdickte Rand lehnte
sich iyi die innere Seile des Unterkiefers, und reiclite mit seiner Ecke bis an den hinten auf-
steigenden Ast desselben. Der daneben befindliche kurze S-förmige Rand war nach hinten ge-
wendet, die abgebrochene Spitze nach vorn, der schärfere sonst gebogene Rand nach innen.
Diese Ränder beider Knochenplallen waren also gegen einander gewendet, sie erreichten einander
aber nicht, sondern Hessen eine Lücke zwischen sich, in welche das schlankere längere Stamm-
ende der kreuzförmigen Kehlplalte hineinpassle. Sie schützte also die Mittelfläche, jene paarigen
Schilder die Seilenlheile der Kehle von Trctnutosanrus. Goldfuss hat das Verhällniss der
Kehlplatlen von Archcyosanriis nicht richtig erkannt; er deutet die seitlichen als Zungcnbein-
flügel (a. a. 0. b.b.), die mittleren als Zungenbein.
§• 22.
Ausser den beschriebenen Schildern, deren Beschaffenheit blosse Hautknochen höchst
walirscheinlich machen, finden sich unter den mii- bekannt gewordenen Knochen noch drei
Bruchstücke, welche entschieden nicht Hautkuochen sind, sondern unzweifelhaft als Tlieile
des inneren Knochengerüstes sich zu erkennen geben. Es erhellt das eines Theils aus ihrei-
51
Form, andern Theils aber auch aus dem Mangel superficieller Sculpturen und aus der grösse-
ren Dicke der Knochen selbst. Zwei von meiir flachen Formen sind Theile der Extremitäten-
gürtel, der dritte ist das eine Ende eines Röhrenknochens. Alle drei sind in natürlicher Grösse
auf Taf. IV. in Fig. 'S., i. und 5. abgebildet.
Das grösste dieser drei Knochenfragmente (a. a. 0. Fig. 4.) hat 4| ZoU Länge und fast
4 Zoll Breite. Sein Umriss ist im Ganzen dreiseitig, allein die Ecken sind abgerundet und
die Seiten des Dreiecks ausgeschweift, wodurch mehr eine Herzform entsteht. Von den drei
Seiten ist nur die eine, in der Zeichnung nach links gewendete, vollständig erhalten, die bei-
den anderen sind am Rande mehr oder weniger beschädigt, und die dritte Ecke, welche
nach unten und rechts liegt, ist völlig abgenutzt, übrigens aller, wie es scheint, stumpfer und
breiter gewesen, als die beiden anderen. Der unversehrte linke Rand ist deutlich zugeschärflt,
und selbst in der Tiefe der Bucht, welche Um begrenzt, kantenartig vorgezogen. Die beiden
Ecken, welche sich neben ihm nach oben und nach unten links befinden, sind gleichförmig
gerundet, am Rande ziemlich gerade abgestutzt, längs der Mitte verdickt und von da nach
beiden Seiten hin abfallend verdünnt, so dass die beiden Ränder des Knochens neben diesen
Ecken ebenfalls zugeschärft gewesen sein müssen, indessen offenbar weniger, als der kamm-
artig geschärfte obere Rand. Da, wo die verdickten mittleren Theile dieser Ecken auf der
Fläche der Knochenplatte zusammentreffen, hat dieseUje ilire grösste Stärke und bildet hier
dicht hinter dem scharfen Rande einen ziemhch deutlichen Buckel, von dem nach den Ecken
hin die Knochensubstanz wulstartig ausstrahlt, wälirend die Flächen dazwischen sich senken
und dadurch gegen den Rand hin sich verdünnen. Am breitesten ist die wulstartige Ver-
dickung an der nach unten rechts gewendeten Ecke, und eben deshalb lässt sich vermuthen,
dass sie breiter und stumpfer war, als die beiden anderen. Dies ist so ziemlich Alles, was
sich an dem Knochenfragment wahrnehmen lässt; es Hegt mit der abgebildeten Seite frei und
steckt mit der entgegengesetzten im Sandstein. Ein dunkler Saum, welcher ausserhalb der
oberen Ecke im Gestein vorhanden ist, scheint eine weitere Ausdehnung derselben anzudeuten,
zumal da dieser Rand sehr zertrümmert und beschädigt ist. Die ganze Fläche zeigt übrigens
ein strahliges Gefüge von durchweg gleicher Beschaffenheit. Der Mittelpunkt der strahligen
Anordnung befindet sich an der dicksten Stelle des Knochens, unmittelbar hinter dem scharfen
unversehrten Rande. Die blättrige Alilösung der Knochenmasse zeigt sich ebenso deutlich,
wie an dem Schilde, obgleich in derselben Weise, nämlich als Product der Zerstörung; na-
mentlich das breiteste untere Ende liess mehrere sehr deutliche Terrassen in der Knochen-
substanz wahrnehmen. Dadurch trat auch die beträchthche Dicke des Knochens deutlicher hervor.
Dass das eben geschilderte Fragment ein Stück des Exlremitätengürleis ist, erleidet für
micJi gar keinen Zweifel; woiiin es aber weiter gehöre, ergiebt sich weniger aus einer directen
Untersuchung, als vielleiclit aus einer combinirenden Belraclitung. Weder von Owen, noch von
H. V. Mayer und Plieninger ist ein ähnlicher Knochen abgebildet; ich bin also bei meiner
Deutung ganz auf mich selbst angewiesen. Sind nun, wie ich annehme, die Labyrinthodonten
7*
52
Landbewohner gewesen, so waren offenbar ihre hinteren Exlreniitätcn grösser und robuster, als
ihre vorderen (denn das ist ein allgemeines Gesetz bei den Amphibien); sie hatten mithin auch
den robusteren Knochengürtel zur Basis. Sowohl aus diesem Grunde, als auch vermöge der
formellen Uebereinstimmung, würde ich versucht sein, den beschriebenen Knochen für das Darm-
bein \on Trematosaurus zu halten, wenn nicht der von Owen abgebildete gleichartige Knochen
(Tr. geol. Soc. VI. t. 45. f. 16. 17.) eine ganz andere und so eigenthümliche Form besässe, dass
es leicht sein muss, jedes Bruchstück des Darmbeines sofort wieder zu erkennen. Demnach bleibt
wohl nur die Deutung desselben als Schulterblatt übrig, und dafür halte ich ihn in der That.
Man darf vielleicht annehmen, dass das Schulterblatt von Trematosmirus mehr nach dem Typus
der ächten Saurier, als nach dem der Krokodile gebildet war, mithin aus zwei Stücken bestand.
Der abgebildete Knochen wäre alsdann das untere solidere, dreiseitig herzförmige Stück gewesen,
und sein wohlerhallener scharfer Rand war vielleicht der hintere. Der nach rechls gewendete
grössere Theil des Umfanges möchte dem oberen, der nach unten gewendete kleinere dem vor-
deren Saume des Schulterblattes entsprechen; an die untere linke Ecke heftete sich in diesem
Falle das zweite breite, strahlig ästige Knochenstück mit dem Achselgelenk, welches dem os coru-
coidcum entspricht. In der Figur wäre demnach die äussere Seite des rechten Schullerblattes
zur Anschauung gebracht.
§. 23.
Das zweite Knochenstück von ähnlichem Umriss (Fig. 5.) wird schon deshalb derselben
Sphäre des Skelets angeliören und walirscheinlich auch als Theil eines Extremitätengürtels zu
deuten seizi. Es liat kaum 3 Zoll Länge und an der breitesten Stelle üljer 2 Zoll Breite. Sein
in der Zeichnung nach oben gewendetes schmäleres Ende ist zertrümmert, das untere breitere
aber ziemlich gut erhallen. Man erkennt ein von dem Punkte, wo beide Hälften an einander
stossen, ausgehendes strahliges Gefüge der Knochensul:)Stanz, und bemerkt, dass in dieser Ge-
gend der Knoclien seine grösste Dicke besass. Der erweiterte Theil lässt nach der einen
Seite hin eine abgerundete breite Fläche mit erhabenem Längswulst auf der Mitte erkennen,
und nach der anderen Seite zu eine spitze, schief abgestutzte Ecke, die flacher und niedriger
ist. Der Knochen liegt ebenfalls fest im Gestein und bietet durchaus keine anderen bemer-
kenswerthen Eigenschaften dar.
Es scheint, als wenn das abgebildete Knochenfragment demselben Knochen angehört, den
Plieninger als Oberarmknochen (a. a. 0. S. 61) beschreibt und in zwei Ansichten (Taf V.
Fig. 1. 2.) abbildet. Ob er wirklich der Oberarm ist, will ich nicht entscheiden; er könnte auch
ein Theil von der unteren Hälfte des Schultergürtels sein, und zwar das Stück desselben, welches
am Achselgelenk des os coracoldeuni liegt. Für diesen Fall könnte man annehmen, dass die
kurze, schief abgestutzte Ecke, die in der Abbildung nach rechts liegt, die Ansatzfläche für die
furcula war, die breitere, abgerundete der anderen Seite dagegen zur Anlage an das Schulter-
blatt diente, und hier die Achselgelenkgrube zwischen den drei Knochen sich gebildet habe. Für
einen Röhrenknochen, denn das müsste er sein, wenn er ein Fragment des Oberarms wäre, ist
mir die Knochensubstanz des Bruchstückes zu homogen strahlig gefügt, und namentlich das dünne
Ende, welches dem Röhrentheile des Oberarmes angehörte, zu flach geformt und zu blättrig. Ich
53
enlscheiile mich also lieber gegen die Rölirenknochennalur dieses Fiagmenis und halle es für ein
Stück des Schidlergürlels. Da es in einem lAIullcrgeslein liegt, welches genau gleiche BeschaflTen-
heit mit dem des vorigen Knochens hat, so scheint es nicht weit davon gefunden zu sein, könnte
also füglich mit selbigem zusammengehören. Auch die Grössenbeziehungen beider Stücke sprechen
dafür. Wahrscheinlich ist die blossgelegle Seite die innere, weil keine Andeutung der Achsel-
gelenkgrube daran sichtbar wird, und wenn das, so müssle es zur rechten Hälfte des Schulter-
gürtels gehören; was wieder für die Verbindung beider Knochenfragmente mit einander ein
günstiges Zeugniss giebt.
§. 24.
Es h\eM mir, als letzter Rest der aufgefundenen Skelettheile, das kleinere Stück eines
Röhrenknochens zu schildern, welches icli unter Fig. 3. auf der vierten Tafel abgebildet habe.
Dass dies Fragment einem Röhrenknochen angehöre, ist gar nicht zu bezweifeln; man sieht
nicht bloss den halbzylindrischen Umriss des dünnen Endes, sondern man unterscheidet auch
sehr deutlich die festere derbere Rindenknochenschicht von dem darin befindlichen, lockerer
gefügten schwammigen Centraltheile. Die Grenze beider Knocliensubstanzen gegen einander
tritt scharf hervor, obgleich sie nicht durch eine Lücke bestimmt, sondern nur durch einen
grösseren oder geringeren Grad der Festigkeit angedeutet wird. Die innere Masse war lockerer
gefügt, zeigt daher viel mehr Risse und Fugen und stellenweis eine grössere oder kleinere
Lücke; die knöcherne Rinde ist homogener, härter, gleichmässig dick, nirgends zersplittert,
sondern scharf durchgebrochen. Dieser Bruchrand beweist es, dass sie überall von gleicher
Stärke war, und über das Gelenkende des Knochens sich ebenso fortsetzte, wie über seineu
mittleren röhrigen Theil. Letzterer besass in dieser Gegend noch keine Höhlung, sondern war
gleich dem Kopfe von lockerer gefügter Knochensubstanz erfüllt. In Bezug auf die Form ergiebt
der Bruchrand sehr bestimmt, dass der Knochen einen Gelenkkopf hatte, über dessen Fläche sich
der Quere nach eine kammartige Erhabenheit hinzog. Die eine Seite des Kopfes neben derselben
war schmäler und stumpfrandiger; die andere breiter und scharfrandig ausgezogen. Der Umfang
des Rohrs scheint mehr elliptisch als kreisförmig gewesen zu sein. Das Fragment ist 2 " lang
und an der breifesten Stelle des Kopfes fast 1" breit; das Rohr hat ^" im Durchmesser.
In Hinsiclit auf die Deutung dieses Knochenfragmentes glaube ich keinen Fehlgriff zu
Ihun, wenn ich dasselbe für das untere Ende des Wadenbeines oder der Ellenbogenröhre erkläre.
Für den Oberarm und noch mehr für den Oberschenkel scheint mir der Röhrentheil zu dünn zu
sein, und deshalb schliesse ich auf einen Knochen des Vorderarmes oder des Unterschenkels.
Am oberen Ende der Elle würde der Gelenkkopf eine andere Form haben müssen, es kann also
nur der untere Kopf sein, und weil er mir dafür zu dick und zu scharf abgesetzt zu sein scheint,
so möchte ich eher an die hintere Extremität denken und das Fragment für das untere Ende
des AVadenbeines halten. Unter den von Plieninger abgebildeten Röhrenknochen finde ich
keinen, der mit meinem Fragment genau übereinstimmte; alle sind relativ dicker und robuster.
Einigermaassen passt der von Owen a. a. 0. Taf. 45. Fig. 11 — 14. abgebildete Humeruskopf
dazu, aber die sanftere Kolbenform unterscheidet ihn hinlänglich.
Di'iUer AliscLuitt.
Allgemeine Betrachtungen
über die
zoologische Affinilät und systenialisclie Stellung der Labyrinthodonten.
§• 25.
Man wird wohl nicht erst die Frage stellen, ob denn die Labyrinthodonten auch wirk-
lich Amphibien sind; ein Geschöpf, dessen Schädel mittelst eines Gelenkkopfes an der Wirbel-
säule haftete, kann kein Fisch sein, und ebenso wenig ein Vogel, wenn man weiss, dass
diese Gelenkverbindung durch zwei völlig getrennte Gelenkköpfe bewerkstelligt wurde. Auf
die Säugethiere zu fallen, davon heilt den Beobachter schon die blosse Ansicht der weit
getrennten Nasenlöcher ab, und so bleibt denn keine andere Wahl, als die Einordnung in die
Klasse der Amphibien. In der That sprechen auch, ganz abgesehen von diesen negativen
Beweisen, alle positiven Merkmale des Trematosaurus für seine Amphibiennatur. Verfolgen
wir nur das wichtige, von den getrennten Nasenlöchern hergenommene Merkmal etwas weiter,
so führt uns die Lage der Choanen und die damit in Beziehung stehende Kürze der Nasen-
höhlen sofort direct auf ein Amphil:)ium; es bestätigt ferner die Begrenzimg der Augenhöhlen,
die Bildung des Gaumengerüstes, die Bezahnung, die Zusammensetzung der Schädelbasis und
die geringe Ausbildung ihrer vorderen Hälfte diese Verwantitschaft so allseilig und vollstän-
dig, dass Niemand nach Einsicht genannter Eigenschaften die Klassenverwandtschaft von Tre-
matosaurus mit den Amphibien bezweifeln oder irgend einen Augenblick darüber in Unge-
wissheit bleiben wird. Selbige steht also fest; der Trematosaurus ist ein Amphibium.
Allein damit sind w'w auch wirkhch ganz und gar am Ziele unserer svstematischen
Bemühungen angelangt; jede fernere Einordnung in diese oder jene Amphibiengruppe scheint
mir wenigstens unmöglich zu sein. Ich werde es versuchen, diese Behauptung weiter zu
55
begründen, und dabei mich bemühen, den Beweis zu fiiliren, dass die zoologischen Eigen-
thümlichkeiten der Labyrinthodonten dermalen über die heterogensten Gruppen der Amphibien
vertheilt sind, sie also in der That nur die Amphibien im Ganzen und Grossen vorstellen, aber
nicht in die einzelnen besonderen Typen, wie sie heutiges Tages existiren, hineinpassen. Da-
durch fällt der Streit, ob sie zu den Bat räch lern oder zu den Sauriern gehören, in sich
selbst zusammen; denn sie gehören in der That zu keiner von beiden Gruppen, sie sind mehr
als die Eine und mehr als die Andere, sie sind Beide zugleich.
Es möge, lun diesen Beweis so bündig als möglich zu führen, hier kurz Dasjenige
zusammengestellt werden, was schon früher ül)er die Affinität der einzelnen Schädelknochen
Vergleichungsweise ermittelt worden ist.
Wir fanden, dass der Zwischenkiefer (§. 2.) den nächsten Anschluss an den Typus
der ächten Saurier darbiete, während der Oberkiefer (§. 3.) mehr an den Bau bei den
Schlangen erinnere. Die Nasenbeine (§. 4.) wollten sich keinem anderen AmphÜMentypus
anschliessen , ihre nächsten Analoga lieferte Pterodactylus ; dagegen passten Thränenbein
und Vorderstirnbein (§§. 5. 6.) zu den gleichnamigen Knochen der Krokodile, wenn man
von ihrer viel geringeren Grösse bei letzteren absieht. Das Haupt Stirnbein (§ 7.) ist durch
die Entfernung vom Augenhölilenrande besonders ausgezeichnet; kein lebendes Amphibium
zeigt ein Gleiches; im Uebrigen nicht ohne Beziehung zum Tjpus der Schildkröten. Ebendahin
richtet das so enorm erweiterte, durch die völlige UeberwöHnrng der Schläfengrube ausge-
zeichnete Jochbogengerüst (§. 8.) unseren Blick; obgleich eine solche Ausdehnung des-
sellien, wie bei Trematosaiirus, keinem lebenden Amphibium eigen ist und am allerwenigsten
mit den Typen nackter Amphil)ien harmonirt. Weit eher liesse sich eine gewisse Analogie mit
den Backenknochen mancher Fische erweisen (§. 9.). Indessen stimmt die Grundlage des ganzen
Apparates in der Hauptsache mit dem Typus der Krokodile überein. Die Scheitelbeine
(§. 10.) erinnern durch das bleibende Scheitelloch an gewisse Gruppen der typischen Saurier,
während ihre lange Trennung nur bei Schildkröten und nackten Amphibien sich findet. Das
Hinterhaupt (§. 12.) mahnt entschieden aif die Form dessellDen Knochens der Krokodile,
alier der zweiköpfige Condylus passt dazu nicht. Seine AehnUchkeit mit dem Gelenkapparat
der nackten Amphibien ist ül)rigens, wenn man von der Zahl der Gelenkfiächen absieht, sehr
gering. Auch der Paukenknochen (§. 1.3.) und das Zitzenbein (§. 11.) stimmen am meisten
mit dem Typus des Krokodils überein, wogegen das Grundbein (§. 14.) wieder ganz dem
der typischen Saurier sich anscliliesst. Ebendahin passt das Gaumen gerüst (§. 15.) von
Tremutosaurus am meisten, allein die Zerfälkmg desselben in drei Paar Knochen, welche
den typischen Sauriern zukommt, geht ihm ab; endlich die Pflugscharbeine (§. 16.) weisen
auf ächte Saurier hin. Sell)st der Unterkiefer (§. 16.) muss, trotz gewisser Aehnlichkeiten mit
dem der Krokodile, im Ganzen nach dem Muster der ächtert Saurier -Unterkiefer gebildet ge-
wesen sein. Und was man vom Schultergürtel kennt, scheint auch auf eine gleiche Ueber-
einstimmung hinzudeuten (§§. 22. 23.).
56
Als Resultat ergiebt sich also, dass die Labyrinthodonten im Allgemeinen, und Tre-
matosuurus mit ihnen, in den meisten wesentlichen Punkten ihres Schadellypus an die ächten
Saurier uns erinnern, dass demnächst aber entschiedene Krokodilcharaktere darin mit aufge-
nommen sind, dass es ferner nicht an einigen wichtigen Uebereinstimmungen mit dem Typus
der Schildkröten fehlt, dass selbst die Schlangen durch die Länge ihres Oberkieferknochens
in den Schädelbau von Trematusaurus hineinspielen, und dass endlich die nackten Amphi-
bien mit einem sehr wesentlichen Organisalionsmomente, der Trennung des Gelenkapparates
am Hinterhaupt in zwei Köpfe, an der Schädelbildung der Labyrinthodonten Theil nehmen.
Neben allen diesen Beziehungen und Aehnlichkeiten mit anderen Amphibiengruppen bleibt aber
eine einzige Eigenschaft der Labyrinthodonten ganz ohne alle Analogie bei den Amphibien,
und das ist die völlige Ueberwölbung ihrer Schläfengruben von Theilen des
S c h ä d e I g e r ii s t e s.
Die Labyrinthodonten können mithin zu keiner Hauptabtheilung des heutigen Systems
der Amphibien gerechnet werden, sie stehen vielmehr ebenso isolirt, wenn nicht noch selbst-
ständiger da, als di^ Enaliosaurier und die Pterosaurier. Denn obgleich es ausgemacht
ist, dass sie einen doppelten Gelenkkopf am Hinterhaupt besitzen, so sind sie doch ganz ge-
wiss keine Amphihia nuda oder Batrachier gewesen, weil Schuppenbildung und isolirte Haut-
knochen sich bei ihnen nachweisen lassen. Beide Charaktere verlieren für diejenige Epoche
der Thierwelt, in welcher die Labyrinthodonten existirten, ihre Bedeutung, das lehrt nicht
bloss ihr Bau, sondern auch die Betrachtung der Enaliosaurier und Pterosaurier; diese Grup-
pen waren weder von Schuppen, noch von grösseren Hautknochen bedeckt, und hatten doch
alle beide einen einfachen condylus ucclpitalis. Der systematische AVerth des genannten
Theils der Schädelbasis hebt also mit der tertiären Epoche der Organisation an, und kann erst
seit dieser Zeit mit demselben Erfolge, wie die bis dahin gleichfalls bedeutungslose Beschaffen-
heit der Wirbelkörper-Berührungsflächen, als entscheidender Gruppencharakter benutzt werden.
§■ 20.
Wenn es erlaubt ist, an diese rein empirischen Facta noch einige rationelle Betrach-
tungen anzuknüpfen, so win-de ich zuvörderst auf die merk-vvürdige Uebereinstimmung zwischen
diesem Verhalten der ältesten Amphibien und dem der ältesten Crustaceen die Aufmerksam-
keit der Leser zu richten suchen. In meiner Schrift über die Organisation der Trilobiten
habe ich nachgewiesen (S. 41), dass diese Krebse zu keiner gegenwärtigen Crustaceengruppe
genau passen, sondern dass ihre Körperbildung „Momente in sich aufgenommen hat, welche
heutiges Tages vereinzelt über mehrere heterogene Gruppen der Krebse vertheilt
sind." — Eben dasselbe Resultat hat sich aus der vergleichenden Betrachtung der Schädel-
knochen von Tremntosuuriis in Bezug auf die Amphibien uns ergeben. Nun sind aber, nach
der Entdeckung des Archeyosaurus im Hangenden der Kohlenformation, die Labyrinthodonten
57
entschieden die ältesten Anipiiiljien, und ihr Zeitiaiun hcschriinkl sich ebenso sicher auf die
secmidaie Periode, ^^ic die Zeitdauer der Trihjhilen auf die })rimarc. Sie stehen also den
Triloi)ilen ^^irklich in so weit parallel, als die Amphibien und die (^rustaceeu nach der Zeit
ihres Auftretens auf der Erdoberfläche übeihaupt einander entsprechen können. Ein Unter-
schied findet aber neben dieser Analogie doch statt; der nanilicli, dass die Trilobiten die ein-
zigen Crustaceen der primären Periode sind, wiihrend die Labyrinthodonten zwar nicht gleich
anfangs, aber doch im Verlauf des secundaren Ai)schnittes, noch andere Amphibienformen
neben sich haben. Mögen auch immerhin die von Phillips im oberen Kohlengebirge Eng-
lands bei ^lanchester gefundenen Amphibienknochen zu einem Labyrinthodonten gerechnet
werden dürfen, und mag der von H. v. Mayer benannte Apateon pedestris wirklich kein
Salamander sein, wie er selbst bemerkt (Leonli. u. Bronns n. Jahrb. iSii-. S. 33G); soviel
scheint doch festzustehen, dass unmittelbar über den Kohlengliedern Ampliibienreste gefunden
werden, die weniger mit den Labyrinthodonten, als mit den typischen Sauriern harmoniren.
Denn das ist vom Prolerosaurus und Palaeosaiirus noch immer die allgemeine Annahme.
Bisher ist in der Zechsteinformation kein Labyrinthodonte entdeckt; erst in der Trias treten
sie wieder auf, und zwar am häufigsten und ausgebildetsten. Das war der eigentliche Laby-
rinlhodonten-Zeitraum, die Herrschaft dieses sonderbaren Amphibientypus, in welchem sich die
Charaktere der heterogensten Glieder der Gegenwart vereinigen. Nelien ihnen erscheinen
die iiltesten Enaliosaurier im Nofhosaiirus , und ausserdem typische Saurier CCladyudon,
Rhi/nchosaurusJ, welche die in Prolerosaurus und Palaeosaurus l)egonnene Entwickelung
der Central -.4mphibienform, d. h. der Eidechse, festhalten und weiterführen. Sie scheint,
wenn auch in veränderten Typen, durch die ganze secundäre Periode hindurcli zu gehen,
und neben allen anderen abweichenden Amphibiengebilden, als das eigenUiche Irbild der
Klasse, sich überall, wo Amphibien oberhalb der Steinkohlenperiode auftreten, zur Geltung
gebracht zu haben. Erst im Jura löst sich von ihr die Krokodilgestall ab, und damit ver-
schwinden die Labyrinthodonten, wenn nicht Fischers Rhinosaurus , wie ich vermulhe,
ein Mitglied der Gruppe ist, und den letzten, freilich schon in manchen Punkten, z. B. in der
Bezahnung, sehr modificirten Ausläufer der Familie darstellt. Als nicht minder räthselhafte
Formen treten um dieselbe ^eit die Pterosaurier auf, und gleichzeitig mit ihnen die Che-
lonier, welche man ohne Frage für die sonderbarste Amphibienform der Gegenwart erklären
darf So l»erühren sich denn im Jura die alte und die neue Zeit der Amphibien; erslere
verschwindet, nachdem schon früher die Labyrinthodonten untergegangen sind, in der Kreide
mit den letzten Enahosauriern und Pterosauriern \on der Erdoberfläche, während unmittelbar
darauf, also mit dem Beginn der tertiären Periode, alle heutigen Amphiljienfonnen sich ent-
wickelt haben, d. h. die neuere Idee allein zur Geltung gekommen ist.
Mit diesem Entwickelungsgange der Amphibien läuft nun der Gang, den die (vpische
Ausbildung der (Crustaceen nimmt, auf eine höchst überraschende Weise parallel. Ich habe
den anderweitieen Parallelismus, in welchem diese beiden Thierklassen, als Durch2;ana;s-
8
58 — •
gruppen, in der Reihe der Glieder- und Rüclvgralliiiere zu einander stehen, sclion Iriiher,
wenn auch nur andeutungsweise, ausgesprochen (Handbuch der Naturgeschiclite S. 385 ff.)
und mit einem noch ungedruckten Vortrage über denselben Gegenstand meine Docentenlauf-
bahn in Berlin vor 15 Jahren eröffnet. Es ist meine Absiciit, in der schon mehrmals ange-
zeigten „rationellen Zoologie" die darauf bezüghchen Thatsachen ausführlich zu besprechen,
und deshalb glaulie ich diesen Stoff hier nicht weiter berühren zu dürfen, als eben hinreicht,
um die Analogie in dem Entw ickelungsgange der Crustaceen und Amphibien wahrend der
stufenweisen Ausbildung der Erdoberfläche nachweisen zu können. Das ist denn für die An-
fänge beider Thierklassen schon geschehen, insofern die Trilobiten, als die ältesten Krebse,
gerade so die Charaktere heterogener Crustaceengruppen in sich vereinen, wie die Labyrin-
thodonten, als die ältesten Amphibien, es in Bezug auf ihre heutigen Gruppengenossen thun.
Unter den Steinkohlen finden sich von den Krebsen nur Trilobiten, unter der Zechsteingruppe
allem Anschein nach von den Amphibien nur Labyrinthodonten. Im Kohlengebirge hat man
eine Form wie Liinultis beobachtet; im Zechstein und seinen coordinirten Gliedern sind l)is
jetzt keine Crustaceen nachgewiesen, sie beginnen also für uns erst in der Trias wieder, und
erscheinen vorzüglich unter der Form von ^lacruren, als den eigentlichen typischen Kreb-
sen: den Gestalten, in welchen sich gewissermassen der BegritT Krebs verkörpert und in
seine reinsten Typen ausgeprägt hat. Was die typischen Saurier unter den Amphibien
sind, das sind die Thoracostraca und besonders die Decapodeu unter den Crustaceen;
und wie man jene am natürlichsten in Spaltzüngler und Dickzüngler f heilt, so diese in
Macruren und Brachyuren. Die ältesten typischen Saurier CProferosaurus , Palaeo-
saurus) nähern sich nun ebenso dem Typus der Spaltzüngler QMonitorJ , wie die ältesten
typischen Crustaceen otler Decapoden dem Typus der Macruren sich anreihen; denn die
meisten Arten des bunten Sandsteins, des Muschelkalks und des Keupers gehören zu der ge-
nannten Abtheilung. \\\\ .hn-a, wo die antike Ampliibienwelt ihre grösste Mannigfaltigkeit otTen-
bart, erreichen auch die antiken Formen der Krebse in den zalilreichen Geschlechtern der
Macruren und Stomatopoden ihr Maximum, und wie in der Kreide die sonderbaren Amphi-
biengestalten der Vorweit sich verlieren, so treten ebenda an die Stelle der zahlreichen älte-
ren Panzerkrebse die auch in der Gegenwart viel häufigeren Brachyuren oder Taschenkrebse.
Gliederkrebse QArthrostraca^, gegenwärtig so gemein auf der Erdoberfläche, wie Kröten,
Frösche und Molche, fehlen allen vortertiären Zeiträumen; sie erscheinen gleichzeitig mit den
nackten Amphibien erst in demjenigen Al^schnitt des Entwickelungsganges der organischen
Welt, welcher alle heutigen Typen zum ersten Male beisammen hat. Und das ist die tertiäre
Periode. In ihr sind die gegenwärtigen Krebse und die gegenwärtigen Amphibien vollständig
vertreten, und wie es seit Beginn dersell^en keine von den lieutigen Gestalten wesentlicli ab-
weichenden Amphibien gegeben hat, so fehlen ihr auch alle älteren Krebsformen gänzlich.
Uebrigens bleibt zu bedenken, dass die untergegangenen paradoxen Amphibientypen:
die Enaliosaurier, Pterosaurier und Dinosaurier, welche ich fiir die auf das Amphibium über-
59
(ragenen SlelKerlreter des heutigen Cotaceen-, Chiropleren- und Pachydermentypus hallo, nicht
unter den Krebsen ihre parallelen Glieder haben, und auch nicht haben konnten, weil gleich-
zeitig mit den Krebsen schon höhere Gliederthiere: Scorpione, Spinnen und Insecten, existir-
ten, in denen der Drang nach Mannigfaltigkeit in der Darstellung des Gliederthiertypus sich
zu äussern hinreichende Gelegenheit fand. Allein die Rückgratthiere waren nicht in diesem
Fall, sie gingen bis zur tertiiiren Periode nicht weit über den Amphibientypus hinaus, und
üljertrugen eben deshalb ihre gegenwärtig in den Säugethieren dargestellte grössere typische
Mannigfaltigkeit auf die Amphibien. Dass damals Vögel lebten, können wir weder bestreiten
noch beweisen, obgleich die Fussspuren aus älterer Zeit ihre Existenz vermuthen lassen; dass
die räthselhaften Stonesfielder Kiefer Säugethieren angehörten, ist mehr als wahrscheinlich;
allein wie eine Schwalbe noch keinen Sommer macht, so kann eine Säugethiergestalt nicht
mehr als den einen Typus repräsentiren, dessen Ausdruck sie ist. humerhin mussten also
die anderen Typen den anderen Thierklassen verbleiben.
§■ 27.
Die versuchte Darstellung des Parallelismus zwischen den urweltlichen Crustaceen und
Amphibien hatte die A])sicht, darauf hinzudeuten, dass ein und dasselbe Gesetz den Entwicke-
lungsgang aller organischen Geschöpfe auf der Erde gleichmässig beherrscht habe. Dieses
Gesetz ist aber kein anderes, als der Ausdruck der Abhängigkeit, in welcher die Geschöpfe
zu den Verhältnissen ihrer Umgebung stehen. Was man auch reden mag von der Einheit des
Planes der Weltschöpfung, und wie sehr man auch voll Demuth den Genius bewundere, der
ihn erdacht hat; so viel steht fest, geregelt und zur endlichen Erscheinung gebracht ist
die Idee nur worden durch die ^on aussen einwirkende Nothwendigkeit, welche sie gerade
so, und nicht anders, in die Erscheinung, in eine bestimmte Form zwang, und die eben da-
durch das Mannigfaltige trotz der einheitlichen Grundlage hervorrief. Schon die Betrachtung
des Weltraumes und der in ihm sich bewegenden Gestirne überzeugt uns davon, dass zwar
eine einzige Grundkraft, die der Massenanziehung, das ganze System des Weltalls regelt,
dass aber nichts desto weniger ihre Aeusserungen höchst mannigfaltige Verschiedenheiten der
Bewegungen und Bahnen hervorrufen. Alle diese Verschiedenlieiten sind nothwendige Resul-
tate der dillerenten Beziehungen und der Massenunterschiede, welche wir zwischen den ein-
zelnen Weltkörpern wahrnehmen; es sind Resultate der Wirkungen, welche die Körper auf
einander ausüben, oder des Widerstandes, dem sie auf ihren Bahnen begegnen. Hier ist nichts
Prämeditirtes mehr, hier ist es vielmehr ein durch die Indi\idualität jedes Einzelnen bedingtes
und insofern zufälliges Moment, welches die Erscheinung hervorruft. Von der Gewall des
einen hidividuums wird die Form des anderen, seine besondere Bahn, seine Abweichung von
der Generalregel in Grösse und Ausdehnung mit Nothwendigkeit bewirkt; mit derselljen Noth-
wendiekeit, welche rückwirkend auf den ändernden Factor influirt. und auch ihn zu gewissen
8'
60
Modificationen der allgemeinen Grundlage nöthigt. Und nicht bloss die Körper als Indi\iduen,
auch die Widerstände, welche sie von der noch ungeformten Materie erfahren, machen sich
in der Harmonie des Ganzen als individiialisirende Machte bemerkbar; auch sie äussern, mögen
sie an sich noch so unbedeutend sein, ^^enn sie nur fortdauernd bei gleicher hitensität be-
harren können, ihre AYirkungen. Das Resultat aller dieser Störungen ist die bis zu einem
gewissen Grade eigenthümlidie, mit Nothwendigkeit aus den gegebenen Bedingungen liei\or-
gegangene, also resultirte Gestalt, Grösse, Stellung, Bahn und Zeitperiode, welche jedweden
besonderen Himmelskörper charakterisirt.
So steht es am Firmament, und nicht anders auch auf unserer Erde; sie ist sicher
durchweg Individuum, sie hat ohne alle Frage nirgends iiu-es Gleichen, sie ist ein ünicum
unter Millionen ähnlichen , aber alle von einander verschiedenen Geschwistern. Und dies
Unicum hatte seine besondere hidividualität von vorn herein, so lange es ü])erhaupl im Welt-
raum isohrt bestand; es hat dieselbe in typisch gleicher Grundlage von jeher besessen, und
wird eben diesen ihm eigenen Typus in alle Ew igkeit behalten. Allein die Erde ist nicht von jeher
fertig gewesen, sie ist geworden; sie hat, als Seiendes überhaupt, luu' unter gewissen Bedin-
gungen, d. h. nach den der tellurischen Materie und ihrer hidividualität inwohnenden, durch
die Nothwendigkeit der Abhängigkeitsverhältnisse liesclu-änkten Gesetzen sich gestalten können.
Diese Gesetze sind eben nichts anders, als der Ausdruck der Nothwendigkeit, unter welcher
die Erde und Alles auf ihr steht; sie sind das, was der kurzsichtige IMick des gemeinen
Menschenverstandes Zweckmässia;keit nennt, was die Wissenschaft als das unter den aecebenen
Verhältnissen allein zum Ziele Fühi'cnde und deshalb in sich selbst Nothwendige erkannt hat.
Ein Zweckmässiges giebt es nur im Gegensatz gegen das Unzweckmässige; was zweckmässig
an sich ist, ist nur so, wie es ist, gedenkbar, und darum nothw endig Das Zwecbnässige
existirt in der Natur niclit, es ist ein aus der menschlichen Wesenheit abgeleitetes, mit Un-
recht auf die Natur iibertragenes Heuryslikon.
Was wir eben über die Nothwendigkeit der besonderen Qualität unseres Erdballes
und über ihre Abhängigkeit von gegebenen Bedingungen behauptet haben, gilt begreiflicher
Weise nicht bloss von ihm im Ganzen, sondern auch von jedem seiner ^erschiedenen Theile.
Darum kann ich mir die Erscheinung der Organisation auf der Erde nicht anders, als unter
demselben Gesetze <ler Nothwendigkeit existirend denken. Die organische Materie ist eijenso
gut, wie jede andere Materie, eine bestimmte Verbindung elementarer Stoffe nach festen
Regeln. Die Aeusserung dieser Regeln ist aber wieder nur unter gewissen Voraussetzungen
möglich; so lange sie fehlen, felilt auch das Product. Hier tritt uns sofort ein ganz bestimm-
tes, unabändei'liches, d. h. so wie es ist nothwendiges Causalverhältniss entgegen. Umgekehrt
folgt daraus, dass sobald die Bedingungen für die Entstehung organischer Materie da waren,
auch flie wirkliche Bihknig derselben nicht auf sich warten liess. So weit ist Alles klar und
leicht begreiflich, allein das Rälhselhafte und gewissermaassen Willkiirliche sciieint denn doch
die Form zu sein, unter \\elchei- die Materie in die Erscheinung trill. Ich bin dieser Ansicht
61
nicht, ich betrachte die Griuulfonn, d. h. den Typus, ebeiifalis als ein aljsolut Nothwendiges,
dessen ursprüngliclie Anlage von der eigenlhiinilichen Mischung der Materie abhängig war,
und dessen Ausdehnung bis zu einer gewissen Grösse durch die äusseren Einflüsse beschränkt
wurde, unter welchen dies besondere Stück Materie seine besondere Form annahm. Hierfür
spricht der Umstand, dass nicht IjIoss die Grösse der Krystall-hidividuen innerhalb ihrer Mi-
nima und Maxima sich bewegt, und dass der jedesmalige räumliche Umfang nachweislich von
den äusseren Einflüssen abhängt, unter denen sich das hidividuum bildel; sondern auch ganz
besonders die Thalsache, dass die Dimensionen der organischen Wesen ähnlicher Arl von
Anbeginn der Organisation auf der Erdoberiläche so ziemlich cheselben geblieben sind. Alle
sogenannten niederen Thiere tler Vorwelt haben ein ihren gegenwärtigen Naclibildern ent-
sprechendes Grössenverhältniss, und alle gigantischen höheren Thiere der secundären und
tertiären Periode werden von den grösslen Formen der Gegenwart erreicht, ja zum Theil
selbst iüjerschritten. Die Gruppen, in denen die Riesen der Vorwelt auftreten, sind nur an-
dere, als diejenigen, in welchen sie gegenwärtig vorkommen; und darin liegt für den Beob-
achter das Ueberraschende ihrer Erscheinung (Geschichte der Schöpfung S. öi.7). Bei dieser
Ansicht ist es nun sehr wohl begreiflich, warum der besondere Thierlypus >ün vornherein
derselbe sein musste, warum die ältesten Crustaceen nnd Amphibien schon die meisten Eigen-
sciiaflen der heutigen an sich (ragen, und warum sie alle diese Eigenschaften implicite zu
einem Ganzen verbanden, während gegenwärtig dieselben expUcite über mehrere ver-
schiedene Formen sich verthcilen. Denn die Idee AmphiJjium fordert einen gewissen
Gomplex von Eigenschaften. So lange diese Idee nur in einer Gestalt verkörpert w^ar, fan-
den sich alle diese Eigenschaften an ihr zusammen; ging sie aber in mehreren Formen
nach und nach aus einander, so behielt jede dieser Formen nur einen gewissen Theil der
Eisenschaften und überliess die übrigen den anderen Gestalten. Auf keine andere Art wäre
auch die Mannigfaltigkeit aus der Einheit abzuleiten gewesen, und so ist denn dieser Weg
nicht bloss der einfachste, sondern wirklich der absolut nothwendige. AVer sich also darüber
wundert, dass die heutigen Amphibien insgesammt und die ältesten im Einzelnen wirklich
nach demselben Muster construirt sind, kann sich mit noch grösserem Rechte darüber wun-
dern, dass der Amphibientypus, wie er heute im Ganzen uns vorliegt, in so viele verschie-
dene, scheinbar heterogene Formen aus einander fällt; denn in der That ist diese aligeleitete
Mannigfaltigkeit viel überraschender, als die ursprüngliche, aus mannigfachen Bestimmungs-
stücken componirte Einheit. Die Möglichkeit dieses Auseinandergehens in diiferente abgeleitete
T\pen scheint mir nun eines Theils durch die Zunahme der bewohnbaren Erdoberfläche und
anderen Theils durch die Moditicationen iWv Atmosphäre, des da\on abhängigen Luftdruckes,
der Temperatur und des Feuchligkeitsgrades bedingt worden zu sein. \A'o neue Erdflächen
entstanden, konnten neue Organismen ihren Boden finden, und indem alle äusseren Verhält-
nisse dieser Flächen verschieden waren von den früheren, änderten sich in demselben Grade
auch ihre Bewohner. Ein Theil des componirten Typus wurde hier beibehalten, ein anderer
62
dorlliin abgegeben, und so entstand nach wiederholten Phasen der Erdiinnvälzung endlich die
grosse Mannigfaltigkeit der aljgeleilelen Typen, welche wir heute zu überblicken im Stande
sind. Das gilt nun ebenso gut von den Amphibien, wie von den Crustaceen, und darum be-
gegnet uns in beiden an sich so verschiedenen Thierklassen ein und dieselbe geologische
Entwickelung ; sie wird uns auch bei näherer Betrachtung der übrigen Thiergruppen entgegen-
treten, wir werden sie endlicli in weitester Ausdehnung für die ganze organische Schöpfung
sich bestätigen sehen.
§• 28.
Es führt mich diese Betrachtung zur Untersuchung der Frage von den Nachschöpfun-
gen oder Umwandlungen der Species, welche in neuester Zeit so viele geistreiche Natur-
forscher beschäftigt und zu so manchen scharfsinnigen Erörterungen Veranlassung gegeben
hat. Leider lässt sich dieselbe, gleich der vorstehend entwickelten Ansicht, nicht auf rein
empirischem Wege zur Entscheidung bringen. So viel steht wohl fest: für die Umwandlung
der Species in gegenwärtiger Zeit sind keine beweisenden Thatsaclien vorhanden; die Species
haben ihre entscheidenden, ihre charakteristischen Eigenschaften seit der geschichtlichen Zeit
unabänderlich beibehalten, und sind nicht die eine in die andere umgewandelt worden. Alle
Modificationen , die sie erlitten haben, sind Abänderungen untergeordneter Art, welche zwar
an sich höchst bedeutend werden können, allein den wahrhaft specifischen Charakteren keinen
Eintrag thun. Indessen das beweist eines Theils nicht viel und anderen Theils schon genug.
Konnte sich ein bestimmter Organismus unter den gegenwärtigen geringeren klimatischen und
anderweitigen Verschiedenheiten der Erdoberfläche zu so vielen Varietäten ausbilden, wie wir
das von den Hunderassen annehmen, von dem Rindvieh mit Bestimmtheit wissen, von den
Obstsorten und Zierstauden mit so überzeugender Erfahrung tägUch ^vahrnehmen, so lässt sich
allerdings mit Grund behaupten, dass die Abänderungen des specifischen Typus noch weit
grösser werden mussten, wenn die äusseren Einflüsse viel bedeutender modilicirt wurden.
Und das ist ohne Zweifel in Folge mächtiger, durchgreifender Erdumwälzungen der Fall ge-
wesen. Ich will also die Möglichkeit einer speciflschen Umwandlung, ja selbst einer für
unsere heutigen Begriffe generellen Umbildung nicht geradezu bestreiten, obgleich ich Anstand
nehme, sie direct zu behaupten oder eine derartige Behauptung zu vertheidigen. Allein wei-
ter, als bis zur specifischen oder höchstens bis zur generellen Umänderung glaube ich über-
haupt nicht gehen zu dürfen, und neue Familientypen wird man aus der Umwandlung früherer
nicht wohl ableiten können. Wollte ich also auch zugeben, dass z. B. die dilferentcn, bis zur
Kreide an Zahl und Mannigfaltigkeit zunehmenden Familien der Ammoniten mit ihren vielen
Ai'ten Umwandlungen von Species vorhergehender Perioden sein können, so würde ich doch
Anstand nehmen müssen, die Umwandlung eines Ammoniten in einen Nautileen zu befürwor-
ten; ich würde einer solchen Behauptung um so bestimmter widersprechen, als ja das gleich-
zeitiae Vorhandensein beider Familien thatsächlich ist. und schon deshalb eine Ableitung: des
63
einen Typus aus dem anderen nicht zugegel^en werden kann. Und eine solche Umwandlung
wäre doch offenbar geringfügiger, als die Modification des Affentypus zum Menschentypus,
welche bekanntlich allen Ernstes von Naturforschern behauptet worden ist. Es spricht ferner
gegen die Umwandlungstheorie das Momentane und Plötzliche, womit sie von Statten gegan-
gen sein müsste. Betrachten wir z. B. die Crustaceen, so wird Jedermann es für völlig
so unbegreiflich halten, wenn man einen Trilobiten sich in eine Clytia umwandeln lässt, als
wenn man annijnmt, jener sei ausgestorben, und diese neue Krebsform statt seiner entstanden.
Denn welch ein Zeitraum liegt zwischen dem Dasein jenes und dem Auftreten dieser; welche
Millionen von Jahren, in denen weder ein Trilobit, noch ein stellvertretender Krebs überhaupt
existirt zu haben scheint, rollten vorüber, bis der Krebstypus als Clytia wieder auftrat. Um
Nachschöpfungen kommt man also auf keine Weise herum, sie sind nicht wegzuleugnen ; auch
nach meinem Dafürhallen vollkommen so gerechtfertigt, wie das erste und älteste Entstehen
der Organismen überhaupt. Und dass irgend einmal organische Wesen wirklich zuerst ent-
standen seien, ^^ird hoffentlich kein Naturforscher in Abrede stellen wollen. Ich sehe aucii
ferner nicht ein, wie die Umwandlungstheorie im Ganzen durchkommen will, wenngleich ich
sie für manche, ja für ^iele einzelne Fälle bereitwillig zugebe, und ihre Statthaftigkeit über-
haupt also nicht in Aljrede stelle. Wollen wir sie nämlich nur einmal etwas näher beleuch-
ten, so werden wir bald das Ungenügende ihrer alleinigen Zulassung erkennen. Gesetzt
einmal, die Nothosauren der Triasperiode wandelten sich um in die Plesiosaurier des Jura,
woher stammten denn jene? — sind sie etwa umgewandelte Labyrinthodonten? — schwer-
licli, denn alsdann konnten nicht gut noch Labyrinthodonten neben ihnen existiren, wenigstens
nicht an ein und demselljen Orte, an der Stelle, wo die Umwandlung erfolgte. Und woher
kommen die mit den Enaliosauriern der Oolithe gleichzeitigen Krokodilinen; sind auch sie
wieder umgewandelte Labyrinthodonten? — was wenigstens insofern möglich erscheint, als
keine Arten der letzteren neben ihnen an denselben Orten gelebt haben mögen. — Die Um-
wandlungstheorie verliert also bei näherer Beleuchtung alsbald ihre Wahrscheinlichkeit, sie ist
namentlich für die höheren Thiere eine höchst unglaubliche Vorstellung, und kann mit grösserer
Berechtigung nur für niedrige Thiertypen in einer gewissen Beschi änkung als statthaft zugegeben
werden. Sie erscheint endlich schon deshalb nicht als allgemeine und einzige Regel zulässig,
weil nachweislich nicht bloss neue, vorher niclit dagewesene Arten in den auf einander fol-
genden Perioden auftreten, sondern völlig neue Klassen, ja selbst ganz neue Typen. Auch
widerstreitet die stets vermehrte Zahl der Arten und Geschlechter, wenn man die Formmenge
im Ganzen betrachtet, der ürawandlungslheorie, weil sie nur eine Veränderung, nicht aber
eine Vermehrung der Formen erklären kann. Sind nämlich die späteren Formen aus früheren
durch Umwandlung entstanden, welche von bestimmten Bedingungen ausging, so mussten alle
Arten, die den neuen Bedingungen ausgesetzt waren, umgewandelt werden, und das ist nicht
der Fall; in vielen sicher constatirten Fällen sind einzelne ältere Arten neben den späteren
geblieben, und manche formreichen Gattungen haben sich wenig verändert von den ältesten
64
Zeiten bis auf unsere Tage heralj erhallen, wie z.B. die Ter ehr alein. Die Uinwandlungs-
Iheorie hat also ihre Unhegreiflichkeiten ebenso gut, wie die Nachschöpfungstheoiie, und wer
nur die eine allein statuirt, die andere aber verwirft, ist nicht im Stande, die allniälige Ent-
wickelung der Organisation auf genügende Weise zu erklaren. Insofern abei- beide Ansichten
\ou Annahmen ausgehen, welche nicht in reiner Empirie ihre Begründung finden können, ist
es völlig gerechtfertigt, ihnen beiden gleiche Berechtigung zuzusprechen, und für die eine wie
für die andere sich zu entscheiden; denn beide können füglich neben einander bestehen, und
mit demselben Rechte als Erklärungsgründe für die Erscheinungen benutzt werden.
Kehren wir nach dieser theoretischen Abschweifung, welche uns zum ricliligen Ver-
ständniss der eigenthümliclien Bildungsweise der Labyrinthodonten führen sollte, zu einer
genaueren Abwägung ihrer zoologisclien Verwandtschaft zurück, so lässl sich über die Frage,
ob es denn überhaupt auch nur Amphiljien seien, wohl nicht weiter mit Grund discutiren;
wii' glauben sie oben entscheidend beantwortet zu haben. Woiil aber lässt sich der Beweis,
dass die Labyrinthodonten zu keiner noch lebenden Amphibiengruppe gehören, weiter aus-
spinnen, und das mag hier zur völligen Erledigung unserer Untersuchung geschehen.
Wir fragen also zuvörderst: können die Labyrinthodonten den Schildkröten bei-
gegeben werden"? — Gewiss nicht 1 — Dagegen spricht schon ihr dicht und stark be-
zahnter Kieferrand, wenn wir auch auf den getrennten zweiköpfigen Condylus des Hinter-
iiauptes gar kein Gewicht legen wollen. Es spricht ferner gegen die Verbindung mit den
Schildkröten die weite Entfernung der Nasenlöcher von einander und die Trennung der
Nasenbeine, \ orderen Stirnbeine und Thiänenbeine zu besonderen Knochen, insofern diese
drei Knochen bei den Schildkröten typisch in einen verschmolzen sind. Als dritter Unter-
schied lässt sich die bleibende Trennung der Pflugscharbeine in zwei Hälften Ijei Tremato-
saurus und die einfache Beschaffenheit desselben bei den Schildkröten hervorheben; wälirenrl
andererseits bei letztiereu Flügelbeine und Gaumenbeine getrennt bleiben, bei Tremutosuurus
aber zusammenfallen. Ganz besonders aber ist die Anwesenheit der beiden ungemein weiten
Gaiunenlöcher bei Treinatosanrus ein Grund gegen ihre Verbindung mit den Schildkröten,
deren Gaumendecke ununteibrochen ist, wie beim Krokodil. Auch liegen die Choanen der
Schildkröten in der Mittellinie neben einander, die des Trematosaurus getrennt von einander
neben dem Kieferrande. Endlich ist, abgesehen \on der völligen Ueberwölbung der Schläfen-
grube, die Decke des Hinterhauptsbeines bei allen Schildkröten ein einfacher Knochen, bei
Treinatosanrus dagegen ein doppelter. Bringt man zuletzt noch die langgezogene Form
des Schädels, welche freilich nicht aUen Labyrinthodonten in gleicher Weise zukommt, in
Anschlag, so findet man ebenfalls einen Grund gegen die Einreihung unter die Schildkröten,
weil so langköpfige Formen zu deren gedrungenem Typus nicht passen.
— 65 —
Nicht i-ninstiger siellt sich das Resultat bei Untersuchung der Frage, oh the Lahyrin-
lliochMiten mit den Krokodilen in dieselbe Gruppe, oder ü])er]iaupt nur in eine unniillelbare
Verbindung gebracht ^verdcn können; denn auch sie müssen wir verneinen. Will z\\ar
der einlache Zwisclienkiefer der Labyrinthodonten und der zweitheilige der Krokodile noch
nicht viel bedeuten, so ist doch die völlige und sogar weite Trennung der Nasenlöcher von
einander von grösserem Belang lur die Abschätzung der zoologischen Aflinität. Weitei' Irilt
die Bezahiumg, und namentlich die Einkeilung der Zähne beim Krokodil, nel)en einer viel
geringeren Zahl dei' Kieferzähne und dem Mangel von Zähnen am Gaumenbein, als wichtiger
Unterschied zwischen ihm und Trematosaurus hervor. Ganz besonders aber streitet die
schmale Form des Oberkieferknochens der Labyrinthodonten und die Ijreite Gaumenplatte des-
selben bei den Krokodilen gegen eine nähere Verwandtschaft beider Thiertypen. Folge da-
von i.st, dass die PIlugscharbeine des Krokodils unter jenen Gaumenplatten versteckt sind,
beim Trematosaurus aber fiei zu Tage gehen. Eine andere und ebenso wichtige Differenz
lie^t in der Choanenbildunn lioider Thiere. Der Tvpus der Krokodile wird durch die An-
näherung der OetTnungen schildkrötenartig, und ihre weite Lage nach hinten bildet ihn selbst-
ständig aus; der Tvpus der Labyrinthodonten passt mehr zu dem der äciiten Saurier, zumal
wegen der Aorderen Lage und weiten Trennung beider Oeffnungen von einander. Gar keine
Aehnlichkeit zeiat ferner die Bildung der Gaumenbeine; denn statt der drei Stücke des Kro-
kodils haben die Labyrinthodonten nur einen ungetheilten Knoclien, welcher nach Lage und
Form am meisten dem os trunsversum und einem Theile des os pterygoideum der Kroko-
dile entspricht, während das eigentliche os palatinum der Kiokodile den Labyrinthodonten
ganz fehlt. Daraus folgt mit die Grösse ihrer Gaumenlöcher und deren viel geringerer Um-
fang beim Krokodil. Grössere Aehnlichkeit, als die vordere Hälfte des Schädels, zeigt die
hintere. Sieht man von der enormen Entwickelung des os pterygoideuin der Krokodile ab,
so läs&l sich der ganze hintere Schädeltheil derselben in dem der Labyrinthodonten wieder-
erkennen: nur zwei Unterschiede treten störend zwischen die grosse Uebereinstimmung bei-
der, nämlich: der doppelte cotidylus occipitalis und die völlige Uelierwölbung der Scliläfen-
gruben von Knochen. Indessen lassen uns das einfache Stirn-, Scheitel- und obere Hinter-,
hauptsbein i\qy Krokodile, trotz der ähnlichen Form, die durchgreifende F'amiliendilferenz nicht
übersehen. Also sind die Labyrinthodonten, neben mancher Aehnliclikeit, den Krokodilen im
Ganzen kaum näher verwandt als den Schildkröten, und was hier als Aehnlichkeit zwischen
beiden sich bemerklich macht, das tritt dort wieder als Unterschied hervor, und so umgekehrt.
Man wird also zugeben müssen, dass die Labyrinthodonten weder Krokodile sind,
noch ihnen gerade viel näher stehen, als den Schildkröten.
Nicht anders verhalten sich die typischen Saurier, als das dritte Hauptglied der
heutigen Amphibien, zu den Labyrinthodonten: die Aehnlichkeit Ijeider Thiertypen ist eine
theilweise, aber nicht einmal eine so allgemeine, wie tue eben besprochene zwischen den
Labyrinthodonten und Krokodilen. Wollen wir kurz das hervorheben, worin die angedeutete
y
66
Aehnliclikoit liegt, so ist es die typische Gleiclilieit der vorderen Hälfte des Kopfgerüstes,
welche allerdings zu einem eben so hohen Grade >ich gesteigert hat, wie die der hinteren
Hälfte des Schädels von Trematosaurus und Crocodilus. Es genügt, um diese Ueberein-
stimmung weiter nachzuweisen, an das zu erinnern, was aus unserer früheren Untersuchung
über die einzelnen Kopfknochen sich ergeben hat. Wir fanden einen einfachen Zwischenkiefer
nebst völlig getrennten Nasenlöchern nur bei den typischen Sauriern; auch die getrennten
Nasenbeine kommen den meisten Eidechsengruppen zu Damit hannonirt der nur am Vorder-
ende breite, nach hinten sehr schmale Oberkiefer; die Anheftung der Zahne mit breiter Basis
in flachen Grübchen der zaiintragenden Knochen; die Lage der Choanen, die Gestalt und
Grösse der Pflugscharbeine, die Gesammtfoim des Systems der Gaumenbeine (welches indess
bei allen typischen Eidechsen aus dreien Stücken jederseits besteht, bei den Labyrinthodonten
ungetheilt ist], endlich und ganz besonders die Form und Verbindung des KeiU^einkörpers
mit den benachbarten Knochen. So weit passt also der Typus der achten Saurier ganz gut
zu dem des Trematosaurus , allein gehen wir weiter nach hinten vor, so verschwindet die
Uebereinstimmung. Der unbewegliche Paukenknochen; die Gestalt, Lage und Verbindung des
Zitzenbeines zu ihm, und vor Allem die Beschaffenheit des Jochbogengerüstes in allen seinen
Theilen widersprechen einer näheren Verwandtschaft zwischen Trematosaurus und i\cn
typischen Sauriern sehr bestimmt. Ein Gleiches gilt von tler hinleren Hälfte des Unterkiefers.
Endlich sind die ungemein grosse Zahl der Zähne nel)St deren stärkster Entvvickelung am
Gaumenbein, und vorzugsweise die Trennung des coiulylus occipifalis in zwei Köpfe, zu
bedeutsame Unterschiede, als dass sich von einer wirklichen Aflinität zwischen den Labyrin-
thodonten und Sauriern überhaupt reden Hesse. Dieselbe beschränkt sich also, wie beim
Krokodil, auf eine theihveise allgemeine Aehnlichkeit des Kojifes und eine gewisse typische
Uebereinstimmung der Einzelnheiten in der .Anlage der vorderen Hälfte des Schädelgerüstes.
Ae eilte Saurier können mithin die Labyrinthodonten ebensowenig sein, wie
Krokodile.
Eine Vergleichung der Labyrinthodonten mit dem T\pus der Schlangen führt zu
noch bestimmteren Unterschieden; der bewegliche Oiieikiefer, das ganz Ijewegliche Gaumen-
gerüst, der -Mangel des Jochbogenapparates, der Mangel von wahren Scheitelbeinen, die An-
wesenheit knöcherner seitlicher Gehirnhöhlenwandungen, die zum grössten Theile unbedeckte
Nasenhöhle, das Alles sind Eigenschaften, welche die Gruppe der Schlangen streng und scharf
von den Labyrinthodonten sondern, und zwar strenger, als von irgend einer anderen Abthei-
lung der Amphibien. Daneben kann die Länge des Oberkieferknochens und die Grösse der
Gaumenzähne keine weiteren Anknüpfungspunkte für zoologische Verwandtschaften darbieten;
die Labyrinthodonten stehen zu den Schlangen in gar keiner anderen Verwandtschaft,
als dass beide Thiergruppen Amphibien sind; nähere Beziehungen zwischen ihnen
linden nicht .statt.
Es bleibt uns noch die .Vffinität zwisclien den Lahvrintliodonlcn und den nackten
67
Amphibien abzuwägen. — Wiiren selbst alle übrigen Schadeltheile einander in dem (Jratle
analog, wie die zwei Gelenkköpfe am Hintcrhaupl beider Tliiergruppen, so würde ieli doch
noch Anstand nehmen, sie für sehr nahe verwandt zu halten; denn ich liude in der Duplicität
derselben, wie sie hier und dort auftritt, mehr den Charakter eiuer Analogie, als den einer
Afiinitat ausgedrückt. Die hohen, halbkugeligen, weit vorragenden, selbst etwas gestielten
Gelenkköpfe von Tremafusuurus passen sehr wenig zu den schmalen, langgezogenen, Ilachen
und elliptischen Gelenkköpfen am Hinterhaupt der nackten Amphibien. Berücksichtigt man aber
vollends das ganze Schädelgerüst, so löst sich wohl unzweifelhaft die pratendirte Verwandt-
schaft in eine durchgreifende Verschiedenheit auf ^^l^ wollen das einzeln nachweisen. —
Zuvörderst ist bekannt, dass eine Gattung der Labyrinthodonten: Archegosaiirus, nicht nackt,
sondern von feinen spitzen Schindelschuppen bedeckt war. Diese Thatsache spricht, in Ver-
bindung mit der Anwesenheit grösserer Knochenschilder in der Haut aller übrigen näher be-
kannten Galtungen, dalür, dass sie sämmtlich eine analoge Hautbedeckung besassen. Ferner
spricht das ausgebildete Jochbogengerüst bei den Labyrinthodonten gegen ihre Verwandtschaft
mit den nackten Amphibien ; kein nacktes Aniphibium hat irgend ein Stück \ om Jochbein. Denn
ilas OS (niadrato-jugale gehört schon deshall) zum Schläfenbeinapparat, weil es die Gelcnk-
tläche für den Unterkiefer trägt; es ist hier ganz entschieden das Analogon des processits
zygomdticns ossis temporum der Säugethiere. Weitere typische Unterschiede liegen in der
ganzen Bildung des Kiefertrageapparates, und namentlich des so eigenthümlich geformten
Paukenbeines der nackten Ampliibien; in der Form der vorderen Hälfte des Grund- oder
Keilbeines nebst dem Gaumengerüste; der Anwesenheit vollständig von knöchernen Rändern
umgebener (^hoanen; in der ganzen Anlage des Schnautzenlheils des Schädels, zumal in dem
einfachen Zwischenkiefer; sowie endlich in der Bezahnung beider Kiefer und zahntragenden
Knochen überhau{)t. Auf die Foini iler hinleren Hälfte des Unterkiefers ist schhesslich auch
noch einiges Gewicht zu legen; bei keinen nackten Amphibien erreicht derselbe hier eine so
bedeutende Höhe, hat er eine so tiefe Gelenkgrube, einen so weit vortretenden starken Fnd-
theil hinter derselben. Nach meinem Dafürhalten lässt sich also auch zwischen den nackten
Amphibien und den Labyrinthodonten keine grössere Ueb er einst immung, als
wie weit die Amphibiennatur überhaupt eine solche mit sich bringt, erweisen.
§. 30.
Wenn es mir mittelst der vorigen Darstellung gelungen sein sollte, den Beweis zu
führen, dass die Labyrinthodonten zu keiner lebenden Hauptgruppe dei- Amphibien in einei'
unmittelbaren Verwandtschaft stehen, so \vürde daraus folgen, dass sie eine selljständige Gruppe
der genannten Klasse sind, welche durch ihre unzweifelhafte Schuppenbildung und ^iele
andere Charaktere den bedeckten, durch ihren doppelten Gelenkkopf am Hinterhaupt den
nackten Amphibien in gleicher Weise sich anschlösse. Ihre wichtigsten zoologischen Merk-
male liessen sich denmach in folgender Definition zusammenfassen:
9*
68
L a I) y r i n t li o d o 11 1 e s.
Amphihki sqttamafu condi/lo occipitali duplici, maxilUs snperioribus immobi-
libus , tienfibus ttumerosis auyustis aduatis in ipso maxillarum ioinio aitisque majo-
ribits in ossibus pulatinis et i'omeribus nee non duobiis maximis in apice maxillae
inferioris; ossibus cranil externis radiutini caelatis sulcisque tribus major ibus in
yuoque latere capitis exaratis: nno frontali sinuato, altero labiuli recto, tertio tem-
porali eUiptico; fossa tempoi'ali omnino ossibus squaniosis obtecta ossibusque tym-
panicis immobilibus ; choanis naribusque longe distantibus, maryinibus osseis circum-
datis; foraminibus pulatinis duobus maximis, processu sphenoideo angusto cultriformi
disjuncfis nee non osse pululino longo simpliei in quoque latere externo. Corpus
squamis minimis imbrieutis vestituni seutisque major ibus gutturalibus: duobus lute-
ralibus trigonis , uno medio elongato-rltomboiduli. — Substanlia dentium interna
labyrinthice complicata, superficie externa longitudinuliter striata.
In diese Delinilioii sind die wichtigsten, und namentlich die entscheidenden Faniilien-
uierivmale der Labyrintiiodonten aufgenommen; ihre nähere Prüfung wird ergeben, dass das
Gesagte hinreicht, um die dadurcli definirte Gruppe von allen anderen Amphibienaljtheilungen
scharf zu unterscheiden. Die Charaktere der einzelnen Gattungen zusammenzustellen, ist un-
nöthig, Iheils weil sie schon oben (S. 8) tabellarisch unterschieden worden sind, tiieils nicht
alle Bestimmungsstücke derselben sich gleich vollständig angeben lassen; für die hier behan-
delte Gattung genügt es, folgende charakteristische Merkmale als Defmilion iiervorzulieben.
T r e 111 a t o s a u r u s.
Genus liubgrinthodontum capile elongato , trigono; cavis oculorum in medio
totius capitis sitis orbitisque parvis, latiori intervallo disjuncfis; ossibus parietalibus
foramine medio suturali perforatis eoque margini occipitis multo magis, quam oculis,
approximato ; naribus paulo post rostri finem percussis.
Die schon erwähnte Tabelle zeigt, wie diese Charaktere unsere Gattung von allen
anderen ijenüitend bekannten hinlanalich scharf unterscheiden.
§. 31.
Nach Erörterung der Familien- und Gattungscharaktere von Trematosaurus bleibi
noch über die etwa wahrnehmbaren Artunterschiede eine Untersuchung anzustellen. Die fünf
ziemlich vollständigen Köpfe, welche ich genauer kennen gelernt habe, zeigen allerdings rela-
tive Verschiedcnlieiten in ihren Dimensionen und absolute in ihrer Grösse; allein ich bin
nichtsdestoweniger geneigt, sie alle zu einer .4rt zu rechnen. Es bestimmt mich dazu beson-
ders die hinreichend liekannle Verschiedenheit, welclie die absoluten wie relativen Dimensionen
69
des Kopfes einer und derselben lebenden Aniphibienart, je nacii dem \ erschiedenen Alter des
Individuums, durchlaufen, und icli verweise in dieser Beziehung nur auf das eine Beispiel, welches
die Krokodile uns darbieten, bi der Art aber, ^^ie sich die jungen und die alten Krokodilschii-
del zu einander ^ erhalten, verhalten sich nach meiner Meinung auch die Dimensionen der oben
(S. 7) in ihren Maassen dargestellten verschiedenen Schädel; die kleineren sind nicht bloss im
Ganzen kleiner, sondern haben auch eine relativ kürzere Schnaulze, und in Folge dessen ein
breiteres Hinterhaupt, sie erscheinen also stumpfliöpfiger, als die ganz alten und ausgewach-
senen Individuen. An diesen ist es mir allerdings so vorgekommen, als ob man wieder zwei
P'ormen von gleicher Länge, aber ungleicher Breite, unterscheiden könnte, allein ich wage es
nicht, nach dem einen entschieden breiteren Exemplar, dessen Scheitelabdruck ich in Herrn
V. Braun s Sammlung beobachtet habe, eine besondere Species aufzustellen. Seine Dimen-
sionen sind a. a. 0. neben den anderen aufgeführt.
So sehe ich mich denn bis jetzt noch veranlasst, alle beobachteten Individuen zu
einer Art zu ziehen, und selbige nach ihrem ersten Entdecker:
Trenialosauriis Braunii
zu nennen. Möge es ihm gefallen, diese kleine Huldigung als einen unbestreitbaren Zoll von
Seiten der Wissenschaft für die vielen Bemühungen entgegenzunehmen, durch welche er um
die nähere Kenntniss des fraglichen Geschöpfes sich so verdient gemacht hat.
Eine nähere Beschreibung und Erörterung der Art Charaktere ist unzulässig, sie liegen
mit in der Gesammtschilderung des Thieres, welche ich auf den \orhergehenden Blättern
versucht habe.
10
Erklärung der Abbildungen.
Taf. I.
Ansicht des Schädels von Tretnatosaurus von ohen.
NB. Die linke Hälfte des Bildes stellt die ilirer superliciellen Sciilpturen beraubte innere Knocliensiibstanz mit
ilireni radial streifigen Gefiige und den zackig in einander greifenden Nähten dar; die rechte Hälfte giebt eine Ansicht
der wohlerhaltenen Schädeldecke auf ihrer Oberfläche mit den Grübchen, Furchen und scharfen Nähten der ein-
zelnen Knochen.
a. Zwischenkiefer, os iniermiixillarc.
h, Oberkiefer, os max'dlure siiperlus.
c. Nasenbein, os nasale.
d. Thränenbein, os lacnjinule.
e. Vorderslirnbein, os froiiiale aidcrlus.
f. Haiiptstirnbein, os fronialc proprium.
g. Hinterslirnbeiii, os frontale, posterius,
h. Scheitelbein, os parietale.
i. Hintcraugenhöhlenbein, os orbitale posterius.
Je. Vorderes Jochbein, os zijgomaticuin.
l. Aeusseres Pankenbein, os ti/mpanicum externutn.
m. Hinleres Joclibein, os jugalc s. quai/rato-jugale.
n. Schuppenschläfenbein, os temporale squamosum.
0. Zilzenltein, os tnastoideum.
p. Haupipaukenbcin, os tijmpanicum.
7. SeiUiclies Hinterhauptsbein, os condgloideum.
r. Oberes Hinterhauptsbein, os occipitale superius.
J
Tai*. II.
Ansicht des Schadeis \oii unten.
NB. Auf der linken Seite des Bildes sind alle Gauinenzähne anwesend dargestellt, mit Ansnahine des fünften
lünter den Clioanen; auf der recliten Seite ist nur dieser Zahn hinter den Choanen anwesend, die vor ihm und
nächsten dahinter felilen. Dafür sieht man die durch den Abbrucli des Zahnes entstandene basale Bruchtlärhe mit den
Hauptwindungen der Substanz und der centralen Höhle.
«. Zwischenkiefer, os intermaxillare.
b. Oberkiefer, os maxillare superius.
p. Paukenbein, os tgmpanicum.
— 71
</• Seilliches Hinterhauptsbein, os condi/loideiim.
s. Keil- oder Grun()l)ein, os basale s. sphenoidcum.
t. Gaumenbein, os palatinum.
f. Pflugscharbein, us romer.
r. Gelenkkopf des Hinterhauptsbeines, condijhis occipitalis.
w. ChoanenöfTnung.
1/. GaumenölTnung, forumvii palatinum.
z. Scbläfengrube, fossa lemporalis.
^Taf. 111.
Fig. /. Ansicht des Schädels von hinten mit der gesammten Flüche des Hinlerhauptes.
Fifj. 2. Ansicht des Schädels von der Seile mit dem Unterkiefer in geöffneter Stellung,
Taf. IV.
Fig. I. Knochenschuppe, die an der Kehle hinten zwischen den Schenkeln des Unterkiefers lag.
Fig. 2. Das kreuzförmige Schild, welches zwischen und hinter den Schuppen die Mitte der Kehle bedeckte.
F<(/. ö. Zerbrochener Kopf eines Röhrenknochens (vielleicht des Wadenbeines).
Fig. f. Ein Theil des Schulterblattes. (?)
Fig. a. Ein Theil des Beckens. (?)
Fig. 6. Querschnilt eines Gaumenzahnes.
(NB. Alle Figuren, mit Aiisscliliiss der sechsten, stellen den Gegenstand in natürlicher Grosse dar.)
Berlin, gedruckt bei G. Reimer.
I) r 11 (■ k f e li I 0 r.
Seite ÖO Zeile 5 von unten lies mittlere statt mittleren.
•'iO - II - - - sanft statt sonst.
- :')(! - 13 - - - Biegung statt Kcke.
- .■)<) - l!l - - - S. 42 statt S. 41.
WA
ra/"!
I ■
i:};})^;>^^'.ii\|
* te''
'! -tri '
:^.i^.>:
WC7 LIF
CA.
TafÄ
MCZ
lA U-SA
TafM
.■■r«i
F^.i
f.^Jl
TafW
-F^o
'^c
^:
-<^''
/
■^..
TiySf
m
i\
Ty4-
f.-
,->"
ä«i»c
HCl UDRARY
H. , ^ft USA
Die
L a )3 y r i 11 1 li o (1 o 11 1 e 11
i
dem Saarbrücker Steinkohlengebirge,
zoologisch geschildert
0*'' Ilci'iiiaiiii fiStiriiiel^ter,
o. ö. Pr. (1. Zoologie u. Dii'eclor J. zoolog. Museums der UniversiUu Halle-Wiiienberg.
Drille Abllieiluiig
der Geschichle der deutschen Labyrinlhodonten.
A r c li e »• o s a 11 r u s.
7
ini/4 litlio^rstpaiirteii Tafeln.
Berlin,
Verlag von G. Reimer.
->^^
1850.
Vorrede.
Die dritte Abtheilung meiner Geschichte der Labyrinthodonten erscheint
vor der zweiten, welche der Gattung Capitosauriis gewidmet sein wird,
weil mir die Materialien zur Vollendung derselben grade jetzt reichlicher vor-
lagen. In der Einleitung habe ich mich weiter darüber ausgesprochen, wie ich
in deren Besitz gelangt bin; der Herr Berghauptmann v. Dechen zu Bonn
und der Herr Dr. Jordan in Saarbrücken sind die gefälligen Besitzer der
meisten bisher aufgefundenen Originalien, und ihrer Theilnahme für meine ge-
nauere wissenschaftliche Untersuchung verdankt das palaeo-zoologische Publi-
cum die nähere Einsicht in den allerdings noch immer sehr räthselhaften Bau
des von mir behandelten Geschöpfes. Indem ich auf dasjenige, was meine
vorliegende Schrift hierüber enthält, verweise, wünsche ich dieselbe nur noch
durch eine kurze Angabe über die Fundorte der Reste, welche zur Aufstel-
lung und weiteren Begründung des A rchegosaurus, als besonderer Gattung
der Labyrinthodonten, geführt haben, einzuleiten.
Sämmtliche Fundstücke kommen in ei-, faust- bis handgrossen|, seltner
längeren gelbbraunen oder schwarzbraunen Sphärosideriten nüt concentrisch
verschiedenfarbiger Streifung, aber ohne Schichtung vor. Gewöhnlich sind die
Sphärosiderite nach den Umrissen der Theile, die sie enthalten, geformt: na-
mentlich die grösseren, an denen oft schon von aussen erkannt werden kann,
IV
ob sie einen Schädel oder ein anderes Slveletstück belierbergen. Diese Sphä-
rosiderite liegen in einem an Tlioneisenstein reichen und danun durch Bergbau
aufgeschlossenen Schieferthon, welcher als das oberste Glied des ausgedehnten
Saarbrücker Steinkohlengebietes angesehen wird, sich am ganzen Südrande des
Hundsrücks liinzieht, und an mehreren Stelleu durch plutonische Gebirgsmas-
seu unterbrochen und emporgehoben ist. Seine vorzüglichste 3Iächtigkeit er-
reicht das Lager in der Gegend Aon Lebach, Otzenhausen, Buhlenberg
bei Birkenfeld und Berschweiler, aber nur an dem zuerst genannten
Orte sind in den Gruben zu Grosaubacli uud Rummelbach Saurierreste
aufgefunden worden; die Sphärosiderite der anderen Stellen lieferten nur Fische,
von denen Goldfuss bemerkt (Beitr. z. vorw. Fauna. S. 3.3, dass sie im
Ganzen häufiger seien, als die der Amphibien.
Da weitere Aufklärungen über die bezeichneten Fundorte der fossilen
AA^irbelthiere des Saarbrücker Steinkohlengebiroes in einer ausführlichen Cliarte
desselben von H. v. Dechen zu erwarten stehn, kaiui ich darauf, so wie auf
die „Geognostische Beschreibung des Landes zwischen der unteren Saar inid
dem Rhein von Steininger (Trier, 1840. 8. nebst IVachtrag 1841) "; auf
Warmholz Abhandlung in Karstens Archiv. Bd. X., und auf Dr. Schmidts
Aufsatz in Nöggeraths Rheinland und Westphalen verweisen: wobei ich nur
noch zu erwähnen habe, dass mir die Notizen über die liagerstätte des Ar-
chegosaurus gleichfalls durch gefällige ]\Iittheiliing des Herrn Dr. Jordan
zugegangen sind. Ihm sowohl, wie dem Herrn v. Dechen nochmals meinen
herzlichsten aufrichtigen Dank für die mir bewiesene warme Theilnahme bei
dieser Arbeit.
Halle, den 8. 3Iai 1850.
H. ISuriiieistei*.
Einleitung.
Ilie obersten Schichten des Saarbrlicker Steinkohlengebu'ges ' ) enthalten em er-
giebiges Thoneisensteinlager, dessen zahlreiche S[)härosiderite ungemein viele organische Kör-
per unischliessen. Unter denselben haben sich seit einigen Jahren zuerst Reste von Amphi-
bien gezeigt; theils Köpfe, theils Leiber einer eigenthümlichen, auf den ersten Blick an die
Eidechsenform mahnenden Gattung, welche Goidfuss mit dem Namen Archegosaurus be-
legte und vorläufig in Leonhard's und Bronn' s neuem Jahrbuch für Mineralogie etc.
(Jahrg. 1817. S. 400) bekannt machte. Es ist ein handgrosser Kopf mit abgebrochener
Schnautzenspitze, den er daselbst schildert, und aus welchem er die nahe Verwandtschafl des
Thieres mit den Krokodilen zu erweisen sucht. Schon die blosse Betrachtung der dieser An-
zeige beigegebenen Zeichnung überzeugte mich, dass das fragUche Geschöpf ein Labyrintho-
donte sein müsse, und indem ich den hohen Werth desselben, als ältesten Repräsentanten der
Amphibien, mit in Anschlag brachte, glaubte ich seine zoologische Affinität alsbald riclitiger
hervorheben zu müssen. Diese Ansicht veranlasste mich zu meinen „Bemerkungen" in der
Zeitung für Zoologie, Zootomie und Palaeozoologie I. S. 41; ich wies darin die Labyrintho-
dontennalur des Archegosaurus zuerst nach und deutete die von Goidfuss nicht ganz rich-
tig' aufgefasste Schadelbildung im Einklänge mit dieser Verwandtschaft, so weit es bei der
ebenfalls ungenauen Abbildung und Beschreibung damals möglich war. — Inzwischen erschien
eine besondere, der Titelangabe nach schon 1847 publicirle Schrift von Goidfuss: „Bei-
träge zur vorweltlichen Fauna des Steinkohlengebirges (Bonn. 4to.)", in welcher
•) Uel)ei- die besonderen Lagerungs- und Bildungs-Veriiältnisse der hezeiclineten Fundstätte habe icli mich
in der Vonede kurz ausgesprochen und daselbst die Scliriften erwälint, aus denen weitere Belehrungen
darüber zu entnelunen sind.
1
der Archegosaurus aufs Neue dai-gestellt und in 3 Arten unterschieden worden war. Hier
findet sicli die Verwandtschaft der Gattung mit den Labyrintiiodonten zwar ausgesprochen,
allein keinesweges genügend nachgewiesen; vielmehr zeigt die Schilderung des Kopfgerüstes
so wesentliche Abweichungen von den Labyrintiiodonten, dass, wenn dieselben wirklich be-
ständen, die zoologische Affinität beider Thierformen ^aum zulässig erscheinen würde. Ich
konnte es daher nicht unterlassen, noch einmal (a. a. 0. S. Hö) auf den Archegosaurus
zurückzukommen und die mancherlei Lücken hervorzuheben, welche dermalen in der Scliilile-
rung des Thieres noch hervortraten. Einen ähnlichen Versuch machte H. v. Meyer in dem
Quartly Journal of the Geologie. Society. 1848.
Jene Unsicherheiten zu entfernen, war einer meiner Lieblingsgedanken, nachdem der
Tod den bejahrten und würdigen Paläontologen abgerufen hatte, welchem die erste Publica-
tion Acs Archegosaurus zugefallen war; auch glaubte ich um so eher darauf denken zu dür-
fen, als das Thier ohne alle Frage in naher Verwandtschaft zum Trematosaurus stand , mit
dem ich mich damals noch angelegentlichst beschäftigte. Sobald als dessen Schüderung
die Presse verlassen hatte, wandte ich mich an die Besitzer der Archegosauren und bat
um deren Darlehn, damit ich eine erneute Untersuchung an ihnen ausführen könne. Sie wur-
den mir aufs bereitwilligste gewährt. So befinde ich mich denn gegenwärtig im Besitze aller
bisher aufgefundenen Exemplare und kann mit diesem Material es wagen, eine allseitige Schil-
derung zu versuchen. Ihr werden die nachfolgenden Blätter gewidmet sein. Eine Uebersicht
der Handstücke, aus denen meine Bearbeitung hervorgegangen ist, möge für sie (>in vorläufi-
ges Vertrauen zu erwecken suchen. —
Die bekannten Exemplare von Archegosaurus sind auf nachstehende Oertlichkeiteu
vertheilt:
1. B e r 1 i n.
hl der IVüneralien - Sammlung der Universität befindet sich ein ziemlicii \ ollständiges
Stück im Doppeldruck, woran der grösste Theil der Schädeldecke, die Kehlplatten und die
vordersten Rippen gut zu erkennen sind. Abgebildet von mir Taf. II. Fig. 1.2.
II. Bon n.
A. Das Universitäts-iMuseum besitzt einen etwas kleineren Kopf von wenig über i Zoll Länge,
nebst den Kehlplatten, der indessen minder gut erhalten ist. Heir Geh. Berg-Rath u. Prof
Nöggerath hatte die Güte, durch Uebersendung desselben mir seine Einsicht zu ver-
statten.
B. Herr Berghauptmann v. Dechen bewahrt in seiner Sammlung eine Reihe der schönsten
Exemplare, und überschickfe mir dieselben auf meine Bitte mit grosser Zuvorkommen-
heit. Es waren:
1. Ein grosser Schädel, das Original von Goldfuss'ens und meiner Figur 1. auf Taf.
I. im Abdruck und Gegendruck.
2. Ein halb so grosser, sehr zertrümmerter Schädel, ebenfalls von beiden Seilen.
3. Ein halber Körper, das Original von Fig. 1. Taf. III. ijei Goidfiiss.
■'l:
Ein RampflM-uciislück in Abdruci< und Gegendruck, abgebildet bei Goldfuss Taf. II.
Fig. 3. und bei mir Taf. III. Fig. 2.
ü. Ein Stück der Bedeckung, in Abdruck und Gegendruck, abgebildet in den Verhandl.
des naturf Vereins d. Rlieinlandc. VI. Bd. Taf IV. Fig. 3«. und von mir zum Theil Taf
III. Fig. 1.
C. Ein Schädel mittlerer Grösse, von beiden Seiten, abgebildet ebenda. Fig. 1.
7. Ein kleiner Schädel im Abdruck und Gegendruck.
8. Ein ebenso grosser, abgebildet bei Goldfuss Taf III. Fig. 2. Nur im Gegendruck,
der Hauptdruck befindet sich im Besitz des Earl of Eniskillen in Irland.
9. Der schöne Archegosanrus latirostris Jord. von beiden Seiten, abgebildet in den
Verhandl. d. naturf Vereins d. Rheinlande. A. a. 0. Fig. 2. 3., von mir Taf II. Fig. 3.
III. Saar b r ü c k e n.
Herr Dr. Jordan daselbst besitzt eine ganz ausgezeichnete Folge schöner Exemplare,
deren Studium für mich um so werthvoUer war, als dieselben noch völlig frisch sind und
nicht durch Abformung von Gypsabgüssen , gleich denen in Herrn v. Dechen's Sammlung,
gelitten haben. Ich verdanke denselben das meiste Neue, was ich über den Bau des Ar-
chegosaurus ermitteln konnte. Nachstehende Stücke, sämmtlich im Abdruck und Gegendruck,
wurden mir von ilirem liberalen Besitzer aufs freundlichste zur Disposition gestellt.
1. Ein nicht ganz vollständiger Schädel mittlerer Grösse, in dem .41ter, welches Gold-
fuss A. medius nennt.
2. Ein anderes vollständigeres Exemplar; abgebildet Taf II. Fig. 5.
3. Ein klehieres Individuum von der Grösse des A. mim)r Gold f ; abgebildet ebenda Fig. 6.
4. Ein noch kleineres.
ö. Ein anderes, so gross wie No. 3.
(3. Ein ganz junges Exemplar, nur 1 Zoll lang; von mir Taf I. Fig. 4. abgebildet.
7. Die vollständige Schnautze eines alten Individuum.s, von der Grösse rles A. Dechenii
Goldf.; aJjgebildet Taf. I. Fig. 2. 3.
8. Zwei Rimipfstücke, abgebildet von Goldfuss Taf II. Fig. 1. 2.
V). Hals und Vorderrumpf eines grossen Exemplars, abgebildet bei mir Taf. III. Fig. 3. 4.
10. Ein Stück der Haut mit den Schuppen, nur im Gegendruck vorräthig.
11 u. 12. Sehr wenig kenntliclie Strecken der Wirbelsäule.
1 3. Das Becken, abgebildet Taf IV. Fig. 2.
JBrstei* Alisclinitt.
Vom Schädel.
Obgleich es den Prinzipien einer ralionellen Bearbeitung weit iiiebi' entspricht, vom
Allgemeinen zum Besonderen fortzuschreiten, so ist doch bei einem Gegenstande, welcher,
gleich den fossilen Resten der Thierwelt, nur in Trümmein dem Beobachter vorliegt, der um-
gekehrte Weg der bei weitem vortheilhaftere. Deshalb w erden wir ihn einschlagen ; w ir
werden zuvörderst die am besten erhaltenen Körpertheile im Einzelnen untersuchen, und wenn
wir mit ihrer ausführlichen Schilderung zu Stande gekommen sind, werden wir es wagen
können, aus den isolirten Stücken ein möglichst vollständiges Ganze zusammenzusetzen. Wir
beginnen also unsere Betrachtung mit der speziellen Darstellung des Schädels, iheils weil er
der wichtigste Körpertheil ist, theils aber auch, weil seine Reste am zahlreichsten und besten
sich erhalten haben, ja in solchem Umfange vorliegen, dass von ihm eine allgemeine Schil-
derung sofort gegeben und daran die besondere Betrachtung seiner Bestandtheile geknüpft
werden kann. ,
Der Kopf des Archegosaurus hat die Form eines gleichschenkeligen Dreiecks, dessen
Basis nach hinten gerichtet, dem Hinterhaupte entspricht und dessen abgerundete Spitze die
Schnautze des Thieres bildet. Er ist überall sanft gewölbt, aber in der vorderen Hälfte fla-
cher; gegen die Mitte zu wird er der Länge nach vertieft und nach hinten allmälig höher, so
dass die Seiten hier stärker abfallen, als vorn. Bald hinter der Spitze liegen seitlich neben
dem Rande die schmalen elliptischen Nasenlöcher; der Mitte genähert, doch stets hinter
ihr, zeigen sich die grossen ovalen Augen Öffnungen, und hinter deren Umfang gewahrt
man mitten auf dem Scheitel ein kleines kreisrundes Scheitelloch. — Die relativen Dimen-
sionen des Kopfes ändern sich, neben der bleibenden allgemeinen Grundform, mit dem Alter
des Individuums sehr bedeutend, sie durchlaufen eine Formverschiedenheit, welche ganz den
allmäligen Umgestaltungen der langschnaiitzigen Saurier der Gegenwart entspricht, und na-
mentlich mit den Altersmodificationen des Schädels der Krokodile in völliger Harmonie steht.
Zuerst in frühester Jugend ist der Kopf relativ viel kürzer, also auch stumpfer gestaltet, als
im mittleren und höheren Alter; er nähert sich dann sehr der gleichseitig dreieckigen Form.
Es scheint ein Thierchen von wenigen Monaten gewesen zu sein, dem dieses zierliche, äusserst
schön erhaltene Köpfchen (No. 6. Jordan, abgebildet Taf I. Fig. 4.;) angehört hat, denn seine
Länge beträgt genau nur einen Zoll und seine grösste Breite zwischen den Backen zehn
Linien. Dagegen misst der grösste, fast vollständige Schädel, die abgebrochene Schnautzen-
spitze mitgerechnet, 6^ Zoll in die Länge, und 3^- Zoll in die Breite. Hiernach verhält sich
die Länge zur Breite in erster Jugend wie 6 zu o, im höheren Alter wie 13 zu 7; ein ge-
wiss höchst bedeutender Unterschied. Aus Gründen, deren Entwickelung ich mir noch vor-
behalten muss, bin ich geneigt, anzunehmen, dass dieser grösste von allen Schadein keinem
ganz ausgewachsenen Individuum angehört habe, vielmehr noch grössere Exemplare vorhan-
den waren, diese aber relativ wieder etwas breiter wurden, so dass vielleicht ein Verhältniss
von 14 zu 8, oder 7 zu 4, als das endliche bleibende eintrat. So wenigstens ist es bei den
heutigen Krokodilen und ähnlich auch bei den Gavialen. Ganz jung haben sie kurze stumpfe
Köpfe; dann wächst ihr Kopf schnell in die Länge, aber viel langsamer in die Breite, wes-
halb die halbwüchsigen hidividuen spitzschnautziger erscheinen; endlich im hohen Alter nimmt
die Breite noch zu, während die Länge stille sieht, der Kopf wird wieder plumper und vei-
liert das Schlanke, was er im halbwüchsigen Zustande besass. Die Breit enzunahme im höhe-
ren Lebensalter tritt übrigens viel langsamer und allmäliger ein, als die Längenzunahme in
der früheren Jugend, vor der Geschlechtsreife, und daher kommt es, dass die meisten Exem-
plare der Sammlungen dem noch ziemlich schlanken mittleren Alter der Krokodile anzugehö-
ren pflegen. Selbst die von Cuvier in den Ossein, fossil. F. 2. Taf L Fig. 4. u. 5. abgebil-
deten Schädel von Crocudilus nilotlcus und Cr. biporcatus stellen nicht ganz alte Thiere
vor, und zeigen eine viel schlankere Kopfform, als z. B. ein ganz alter Schädel des ersteren
in der hiesigen Sammlang. Dass es beim Arcliegosaurus ebenso war, glaube ich aus
den nachstehenden Dimensionen der von mir untersuchten Köpfe abnehmen zu dürfen; we-
nigstens scheint mir diese Ansicht ungleich mehr gerechtfertigt zu sein, als die von Gold-
fuss vorgetragene, der zufolge veischiedene Arten von verschiedener Grösse aufzustellen
wären. Ich finde bei dieser Annahme nirgends eine natürliche, sondern nur eine hier oder
da willkürlich angenommene Grenze und muss behaupten, dass mit demselben Rechte fast
jedes einzelne Individuum eine eigene Art vorstellen dürfte. — Folgende Dimensionen habe
ich wahrgenommen :
6
Beobachtete Köpfe.
Ganze
Länge,
von der
Sclinautzen-
■ipitze bis zur
Mitte lies
Hinti-rliaiipts
Ganze
Breite
zwischen den
Backen.
Länge
der
AngenülT-
nungen.
Abstand
des
vorderen Au-
genwinkels
von der
Schnautze.
Abstand
des
Scheitellochs
vüm
Hinterhaupt
Breite
des
Hinterhaupts
an den
Zitzenbein-
ecken.
Länge
der
Hauptstirn-
beine.
I. No. 6. Jordan. Taf.
I. Fig. 4.
II. No. 5. Jordan.
ni. No.4. Jordan und
das Original zu G o 1 d -
fuss Fig. 2. auf Taf.
III. bei V. Declien
(^Arc/i. minor G o 1 d f.)
nebst noch einigen
gleichgrossen E.\em-
piaren.
IV. Das Original zu
Gold fuss Fig. 4. Taf.
III. bei V. Dechen:
{Arch.mediiisG o 1 d f.)
und mehrere ähnliche
Exemplare auf Taf. II.
V. Das Original bei v.
Dechen zu der Fig. I.
Taf. IV. der Verhandl.
d. nat. Ver. d. Rhciiil.
Jahrg. VI.
VI. Das Original bei
V. Dechen zu Gold-
fuss und meiner Fig. I.
Taf. I. {Arch. Ucclic-
nii Gold f.)
12'"
18'"
20^'"
10'"
14'"
16'"
5'"
Das Hinter
haupt fehlt
diesem
Exemplar.
55'
68i"'
( NB. Die
Zwischen-
kieferbei-
ne fehlen
in dieser
Angabe
ihre Länge
ist auf? bis
8'" zu sez-
zen.)
23'
31f'
39'
10'"
II r"
18"
K I in
Kl in
7 1 III
6'"
6|'"
10^'"
32 V"
40'"
C NB. Die
Zwischen
kiefer fch
len.)
lOf"
12V"
16'
20'
^^w
24'
Die Vergleichung vorsteheuder Zahlenwerthe ergicbt freilich keine gleichmassig fort-
laufende Skala, aber doch eine hinreichende Sicherheil für die Al^schätzung der Grüssezunahinc
des Schädels im Ganzen wie im Einzelnen. In der ersten Jugend, wenn die Länge sich zur
Breite wie 6 zu 5 verhält, fällt die Mitte der ganzen Kopfeslänge in die vordere Hälfte der
Augenhöhlen, und das Stirnbein nimmt den vierten Theil der Länge des Kopfes ein. Hat die
Länge des zuletzt genannten Knochens sich verdoppelt, so ist die ganze Kopfeslänge nur um
die Hälfte grösser geworden, ihr Verhältniss zur Breite aber etwas geringer. Dagegen nimmt
die relative Weite der Augenöffnungen sehr bemerkbar al). Denn war sie bei dem ganz jun-
gen Thiere noch der Länge des Stirnbeins gleich, so beträgt sie bei dem etwas älteren we-
nig mehr als zwei Drittel derselben, und bei dem ganz alten noch weniger als die Hälfte.
Diese Grösseiuüjnahme der AugenöfTnungen erfolgt besonders an ihrem vorderen Ende, weil,
wie die Reste zeigen, die Mitte der ganzen Schadollange im wenig vorgeschrittenen x\lter schon
vor die Augenöffnang in die Flache des Thranenheines flillt. Daraus ergiebt sich, dass die
ganze Grössenzunahme des Schadeis besonders seine vordere Hälfte trifft, oder mit anderen
Worten, dass dessen Gesichtstheil sich stärker verlängert, als die eigentliche Schädelhöhle. —
Alles, was die V'ergleichung des ersten und zweiten Grössenstadiums andeutet, führt die Be-
rücksichtigung des dritten uns weiter aus; die AugenöfTnungen werden relativ immer kleiner,
die Schnautzenspitze rückt stets weiter vor, aber die Dimensionen des Hinterkopfes halten da-
mit nicht gleichen Schritt; je länger der Kopf wird, desto kleiner der Hirnkasten, desto schmäler
erscheint er zwischen den Backen. Dass diese Grössenzunahme ganz besonders auf die
Gesichtsgegend trifft, bew-eist uns die rückweichende Lage des Scheitellochs zum Hinterhaupt;
in der ersten Jugend liegt es am Anfange des vierten Viertels der Kopfeslänge, im höchsten
uns bekannten Alter am Anfange des sechsten Sechstels, d. h. während die Entfernung der
Schnautzenspitze von ihm von 9 Linien auf 63 Linien gestiegen ist, ist die Entfernung dessel-
ben vom Hinterhauplsrande nur von 3 auf 12^ gerückt; also ist die vordere Strecke beinahe
noch einmal so gross geworden, wie die hintere, oder genauer genommen, im Verhältniss
von 7 zu 4 gewachsen. Ebenso deutlich zeigt denselijen Charakter des Wuchses (he Lage
iler Augenhöhlen zur Schädelniitte. Setzen wir die ganze Länge des grössten Exemplars auf
76 Linien, den fehlenden Zwischenkiefer mit eingerechnet, so liegen die vorderen Ecken der
Augenöffnungen noch 9 Linien hinter der Schädelmitte, und während diese OefTnungen in der
Jugend von der Ecke des Zitzenbeines ebenso weit abstehen, wie vom Nasenloch, beträgt ijn
höheren Alter ihre Entfernung von dort fast nur die Hälfte ihrer Entfernung von hier. So
verschieden wachsen also die Theile des Schädels gegen einander; alle werden zwar grösser,
aber sehr ungleich: die vorderen viel mehr, als die hinteren.
Neben der allgemeinen Form des Kopfes ist besonders die Beschaffenheit seiner Ober-
fläche ein wichtiger Gegenstand. Leider hat sich an keinem einzigen tler mir vorliegenden
Schädel eine zusammenhängende äussere Kopffläclie erhalten; die meisten Exemplare spran-
gen in der Knochensubstanz auseinander und gewähren tladurch zwar eine gute Vorstellung
von ihrer Struclur, aber nur stellenweis ein deutliches Bild ihrer Oberfläche. Was die erstere
betrifft, so hat sie das bekannte excentrisch-strahlige Gefüge der flachen Schädelknochen, d. h.
feine, oft gabelig zertheilte, gleich weite Rölirchen, die von einem Punkte, dem Ossifications-
Centrum, allseitig ausstrahlen und nur in einzelnen Fällen, besonders da, wo die Knochen am
Ossificationspunkte etwas dicker sind, z. B. an der Ecke des Zitzenbeines, zu einer wirklichen
schwammartigen Diploe sich gestalten. Bei jüngeren Schädeln muss der Knochen eine sehr
geringe Festigkeit gehabt haben, weil er meistens zur Form einer zarten schwarzen, streifigen
Haut zusanmiengedrückt ist; bei den älteren hat er sich als derbe SuJjstanz von ^ — |- Linie
Dicke erhalten. An solchen alten Schädeln ist er auch, offenbar wegen seiner grösseren
Festigkeit, ungleichartig zerbrochen, so dass bald die innere Fläche sich von dem darunter
lieaeuden Gestein abaehol^en hat, bald die äussere von dem über ilir liegenden. Das ist na-
mentlich an dena grossen Schädel der Fall, den schon früher Goldfuss abbilden Hess, und
von dem ich auf Taf. I. eine naturgetreuere Figur gegeben habe. Sie stellt die untere Hälfte
des in der Mitte seiner Knochensubstanz auseinander gesprengten Schädels dar, und giebt ein
klares Bild nicht bloss des Gefiiges dersell^en, sondern auch an den im Bilde heller gehalte-
nen Stellen, wo die Knochensubstanz ganz fehlt, eine Ansicht der völlig glatten, ebenen inne-
ren Fläche der Knociien. Im oberen Abhub desselben Exemplars linden sich auch einige
Stellen, wo die Knochensubstanz fehlt, und hier sieht man die grubig strahlige Sculptur der
äusseren Kopffläche recht deutlich. Namentlich zwischen den Augen, iiinter dem rechten Auge,
unter demselben an der Backe und vorn auf der Nase ist sie sehr gut zu erkennen. Es
ergiebt sich daraus, dass diese Sculptur mit der von Trematosaurus die allergrösste Aehn-
liciikeit hat *), und nur in wenigen Punkten, namenthch durch eine grössere Feinheit der un-
regelmässiger angeordneten, kürzeren Furchen, sich davon unterscheidet. Darum habe ich es
versuchen können, ein restaurirtes Bild, was wenigstens den Charakter der Sculptur treu wieder-
giebt, auf Taf. IV. zu entwerfen. Es zeigt deutlich, dass überall da, wo die Ossificationspunkte
der einzelnen Kopfknochen sich befinden, eine Gruppe kleiner, von scharftantigen Erhaben-
heiten umfasster Grübchen liegt, von wo aus längliche und immer längere, auf dieselbe Art
gesonderte Furchen radial zum Rande hinstrahlen. Da wo der Rand nahe lieet, sind diese
Furchen kurz, wo er weit vom Ossificationspunkte absteht, sehr lang, und indem sie in die-
ser Richtung divergirend auseinander weichen, machen sie neuen, gewöhnlich etwas längeren,
zum Theil schmäleren Furchen Platz. Diesen Charakter der Sculptur habe ich an den bezeich-
neten Stellen jenes Schädels sehr bestimmt wahrgenommen; ihn noch weiter zu beschreiben,
halte ich für unnöthig, eines Theils weil ich ihn nicht überall gleich bestimmt gesehen habe,
anderen Theils weil meine Figur ihn so zeigt, wie ich ihn anzugeben mich für befugt halte.
Darum verweise ich auf dieselbe.
Die Aehnhchkeit der Kopfoberfläche mit der von Tremulosaurus erreicht übrigens
einen noch höheren Grad durch die Anwesenheit einer völlig ebenso verlaufenden Gesichts-
furche oder Brille. Selbige beginnt undeutlich am inneren Rande der Nasenlöcher auf der
Höhe der Schnautze und zieht sich von da mit leichter Krümmung nach innen auf die Nase
hinauf, indem sie die ganz ähnlich verlaufenden Nasengänge, deren Anwesenheit eine leichte,
wulstförmige AVölbung der Schädelfläche, welche sie als Decke überwölbt, sichtlich verräth.
begleitet und an ihrem inneren Saume umfasst. Da wo die Nasengänge flach auslaufen, in-
dem sie mittelst der Choanen in die Mundhöhle sich öffnen, biegen sich die beiden Gesichts-
furchen nach aussen und nähern sich immer mehr dem Seitenrande des Kopfes. In halber
Länge zwischen dem Ende der Nasengänge und den Augenöffnungen erreichen sie ihre stärkste
Krümmung, und wenden sich nunmehr wieder nach innen gegen die Augenöflnung hin. indem
*) Man vergleiclie die .\l)l)ildung auf der ersten Tafel meiner Sciirift über die L aljy rintlio douteii
Bernburgs. (Bert. 1849. 4. I. Abtii.)
^9
sie schief über das Thränenbein fortgehen und da, wo sie in dieser Richtung das Hauptstirn-
bein erreichen, zu enden scheinen. Wenigstens habe ich sie weiter nicht verfolgen können.
Jede Furche ist ein schmaler, gieichbreiter Halbkanal, der seinen Eindruck nicht bloss in die
obere Knochenfläche macht, sondern auch die unlere an derselben Stelle scharfkantig nach
innen hervortreibt, und aus diesem Grunde noch sehr deutlich am Steinkern des Schädels ver-
folgt vs'erden kann. Bei jüngeren Thieren mit zarter Knochensuljstanz lässt sich eben darum
nur eine sehr schwache Spur der Gesichtsfurche bemerken. Ob auch die Mundrand fur-
chen und Backenfurchen, welche ich bei Trematosaurus (a. a. 0. S. 6.) beschrieben
hal^e, beim Archegosaurus vorhanden sind, muss ich unentschieden lassen, weil es mir nicht
gelungen ist, eine Spur derselben zu finden. Indess beginnt an der Ohrspalte im Steinkern
ein tiefer Eindruck, welcher aber bald schwächer wird und schon in halber Entfernung vom
Auge endet. Ich glaube weit eher, dass dieser Eindruck von einer erhabenen Knochenleiste
auf der Innenseite der Schädelplatten dieser Gegend herrührt, und nicht als Anfang der
Backenfurchen zu betrachten ist.
' Ohne mich auf eine genaue Kritik der von Goldfuss gegebenen Abbildung des grossen
Schädels (a. a. 0. Taf. I. Fig. \. 2.) einzulassen, nach welchem die vorstehende aligemeine Schil-
derung hauptsächlich entworfen ist, niuss ich docli einige Unrichligkcilen hervorheben, weil sie
meine Schilderung zum Theil unterstützen, zum Theil verdächtigen. Fig. 1. soll wohl die innere
Süuctur der Kopfknochen darstellen, giebt indessen ein viel zu regulär und zu fein gehaltenes
Bild davon. Milien auf der Slirn, zwischen den Augen sieht man einen Theil der Oberflächen-
sculplur, worin derselbe Fehler wiederkehrt; statt langer slrahliger Furchen sind kurze parallele
Grübchen angegeben. Die Nasengänge, welche am Schädel selbst sehr deutlich werden, fehlen
in der Zeichnung ganz und von der Gesichtsfurche sieht man nur die hintere, vom Seilenrande
zum Auge hinaufsteigende Hälfte, welche unrichtig für eine Naht (die vordere des Jochbeines)
crenonuiien ist. Ganz verfehlt ist auch der Hiiilerkopf und das abwärts nach hinten gerichtete
Paukenbein. Von der angeblich ungemein tiefen Ohrspalte ist am Schädel selbst nicht viel zu
sehen. Halle der Zeichner zugleich die obere, im Gegendruck befindliche Hälfte des Schädels
berücksichtigt, er würde diese Gegend so gefunden haben, wie sie in meiner ganz getreuen Fi-
gur 1. auf Taf. I. angegeben ist. Ueberhaupt ist diese obere Schädelfläche für die Erkenntniss
der Kopfknochen viel wichtiger, als die untere, von Goldfuss abgebildelc. Ich habe zwar eben-
falls die unlere Hälfte abbilden lassen, weil ihre Zeichnung der allgemeinen Auffassung des
Schädels günstiger isl, als der hohle Abhub davon mit der verlieft gesehenen Aussenfläche; al-
lein ich habe in mein Bild Alles hineingetragen, was an der oberen Fläche deutlicher zu sehen
war, als an der unteren. Die Sculplur mussle wegbleiben , weil ihre Angabe das Bild unklarer
gemacht hätte, und weil sie für sich allein in dem reslaurirten Schädel auf Taf. IV. gegeben ist.
Die Reilie der einzelnen Knochen des Kopfes eröffnet vorn an der Schnautzenspitze
der Zwischenkiefer (^Os intermaxillare s. incisivum; a). Seine Gestalt lässt sich am
besten an der isoUrten Schnautze erkennen , welche ich auf Taf. I. in Fig. 2. u.. 3. aus Herrn
2
10
Dr. Jordans Sammlung von beiden Seiten halje darstellen lassen. In der oberen Hälfte
(Fig ü.) sieht man die innere Fläche der oberen Knochenwand des Zwischenkiefers vor sich
und bemerkt zuvörderst eine sehr deutliche Längsnaht, welche ihn in 2 Hälften theilt. Die-
ser Umstand ist nichtig, er bildet einen guten Unterschied zwischen Archegosaurus und
Trematosaurus , bei dem ich nur einen einfachen Zwischenldefer gefunden habe. Ob aber
die Naht lebenslänglich bleibt, lässt sich nicht gut angeben, weil ich auch diese ziemlich grosse
Schnautze keinem ganz alten bidividuum zuschreiben möchte. Der Zwischenkiefer ist sehr
flach und niedrig gestaltet, am ganzen Vorderrande kreisförmig abgerundet, unmitteUiar hinter
dem Rande beiderseits etwas gewölbt und von da sowohl nach hinten, als auch gegen die
Mitte zu leicht vertieft. Er begreift nicht bloss den Vorderrand der Schnautze, sondern auch
noch den Anfang der Seitenränder in sich und endet erst am Hinterrande des iNasenlochs.
Hier bemerkt man an beiden Seiten sehr bestimmt eine zackige Nalit, die ilui vom Oberkiefer
trennt. Nach innen ist er unmittelbar am Nasenloch etwas kürzer, greift aber mit einer lan-
gen Spitze w eit über das Nasenloch lünaus in die Nasenfläche hinein, und zieht sich mit meh-
reren kürzeren Zacken vorwärts wieder zurück, so dass die Naht, welche ilin gegen die Na-
senbeine begrenzt, in der Hauptsache die Form des Buchstabens W hat. Aus dem strahUgen
GeHige seiner Fläche ist zu entnehmen, dass der Ossificationspunkt dicht hinter dem Vorder-
rande m der Gegend des Biegungspunktes hegt, denn von da gehen die Strahlen des Gefii-
ges aus. Darum muss man auch das Centrum seiner Sculptur dahin setzen. El)en an die-
ser Stelle liegt hinter dem unteren Rande, auf welchem die Fangzähne sitzen, eine längliche
Grube, die den Knochen zwar nicht durchbohrt, aber merklich emporlreüjt, und ohne Zweifel
zur Aufnahme grösserer Fangzähne des Unterkiefers diente. Bis hinter dieser Gru])e ist der
Knochen solide; dann theilt er sich in zwei Blätter: ein derberes oberes Blatt, >\elches die
Aussenseite der Schnautze bildet, und ein inneres zarteres, das dem Gaumen angehört. Dies
Blatt ist in dem abgebildeten Exemplar herausgebrochen, aber man sieht noch die Bruchrän-
der hinter dem zahntragenden Rande, an welchem es sass. Zwischen ihm und dem oberen
Knochenblatt gestaltete sich die anfangs sehr niedrige, nach hinten allmälig weitere und hö-
here Nasenhöhle, zu welcher die Nasenlöcher den Eingang bilden. .Us ein Paar langge-
zogene, schmale EUipsen erkennt man sie unmittelbar neben dem seitlichen Schnautzenrande sehr
deutlich, vermisst sie aber in dem grösseren Fig. 1. abgebildeten Schädel, weil gerade an
ihrem hinteren Rande die Schnautzenspitze aJjgebrochen ist. Dass sie nur die obere, und
nicht mehr che untere Wand des Zwischenkiefers durclibohrt haben, ist an dem besprochenen
Exemplar der Schnautze (Fig. 2.) sehr deutlich wahrzunehmen, denn an der linken Seite haftet
noch ein Stück der Knochenfläche an dem Gestein, welches von oben in das oflene Nasen-
loch hineindrang und die Tiefe der Nasenhöhle erreichend aufgestützt als herabgeflossene
Masse stehen blieb. Ist nun gleich dadurch die Anwesenheit der unteren Knochenfläche des
Zwischenkiefers unzweifelhaft nachgewiesen, so konnte doch, eben weil die knöcherne Wand
selbst fehlte, ihre Erstreckung nach hinten nicht enuittelt werden; es bleibt also die Begien-
— 11 —
zung gegen die hier an den Zwischenkiefer stossendon Pflugscharbeine ungewiss. Daae-
gen zeigte sich der untere zahntragende Rand in vollständiger Erhaltung und gab über die
Stellung, Zahl und Grösse der Zäline des Zwischenkiefer bestimmte Aufschlüsse, obgleich die
Zähne seligst nur zimi Theil vorhanden waren. Es sassen nehmlich auf dem Zahnrande des
ganzen Zwischenkiefers abwechselnd vollständig ausgebildete Zähne, deren Spitzen noch in
dem von mir durchschnittenen Gestein der Unterseite des Präparats stecken, und kleine Ver-
tiefungen von dem Umfange der Zahnwurzel, in denen der excentrisch strahlige Blätterbau
der Zahnsubstanz durch radiale Furchen und die centrale Zahnhöhle durch ein mittleres Grüb-
chen angedeutet war. Offenbar sind diese Vertiefungen nichts anderes als Zahnhöhlen, über
denen früher die älteren bereits verbrauchten Zäline standen, und in denen die jüngeren noch
vom Zahnsack unischlossenen sich bildeten. Sie lassen sich von den neben ihnen stehenden
durchschnittenen Zähnen, deren auf der Schnittfläche sichtbarer innerer Bau ganz mit dem
Furchensystem der Vertiefungen übereinstimmt, gut an ihrer gleichen Grösse und ihrem gleich-
förmigen Ansehen unterscheiden; denn die ausgebildeten kantigen Zähne erheben sich als
schlanke, leicht rückwärts gekrimimte (Taf IV. Fig. 3.j, aljer ])eim Durchschneiden des Gesteins un-
gleichartig abgebrochene Kegel, deren Zone ebensoviel v om Scheitel herabkommende Streifen hat.
als die innere Zahnhöhle Radien zeigt. Solcher vollständigen Zähne zählte ich im rechten
Zwischenkiefer acht, im linken nur sechs; die beiden hintersten der rechten Seite stehen
dicht neben einander und haben keine Zahnvertiefung zwischen sich. In der Mitte des Vor-
derrandes, da wo die Zwischenkiefermittelnaht liegt, ist eine Lücke, in der weder ein Zahn,
noch eine Zahnvertiefung gesehen wird. Die Zälme haben alle eine gleiche Grösse.
Auf die Structur der Zähne werde ich später (in §. 13.) zurückkommen. Es wird sich
dann deutlicher zeigen, dass sie nicht den complicirten Bau der Zahne von Trematosaurus und
den übrigen Labyrinlhodonlen der Trias-Periode besitzen, sondern die einfachere Structur
der Enaiiosaurierzähne.
§.3.
Der Oberkiefer Qo^s maxiUare superius, b.J ist dem von Trematosaurus ähnUch
und erstreckt sich als eine dünne schmale Knochenleiste, die auf ihrer unteren Kante die
Zähne trägt, vom Zwischenkiefer bis zum Ende der Mundspalte. Er bildet auf diese Weise
den Seitenrand des Schädels, und breitet sich nur vorn, neben dem Nasenbeine, etwas über
die Oberfläche aus. Diese Gegend des Oberkiefers Hess sich an der isolirten Schnautze von
der inneren Fläche recht gut verfolgen. Man erkennt sehr deutlich, dass die Naht, in wel-
cher der Oberkiefer an das Nasenbein stösst, eine Schuppennaht ist, deren obere Lamelle
anfangs vom Oberkiefer, ihre untere vom Nasenbein gebildet wird. Bald aber wechseln beide
Ränder ihre Rollen, der des Oberkiefers schiebt sich unter den des Nasenbeins, und in dei-
grösseren Strecke ilires Zusammenhegens ist jener der untere, dieser der obere. Das untere
2*
12
Blatt des Nasenbeins ist sehr bieit und dringt fast bis zum Aussenrande des Oberkiefers vor;
hernach wird es schmal und lässt dadurch auf der binenseite dem Oberkiefer mehr Spiel-
raum. So geht der Oberkiefer, allmäüg breiter werdend, am Seitenrande der Nasenbeine
nach hinten fort und erreicht dicht vor deren Spitze seine grösste Breite; dann schneidet er
mit einem Bogen gegen das Thriinenbein ab und zieht sich, indem eine vorspringende Spitze
des Jochbeins in seine Fläche eingreift, plötzlich wieder zusammen, bis er den Seitenrand des
Kopfes erreicht hat. Neben demselben läuft seine Naht nach hinten, und endet an der Mund-
spalte etwas vor der Stelle, wo das Jochbein an den äusseren Paukenknochen stösst. Der
Ossificationspunkt des Oberkiefers hegt ziemlich weit vorn in der Gegend seiner grössten
Breite, und von da strahlt das Gefüge nach beiden Enden aus. Die innern Strahlen sind sehr
kurz, weil das Centrum dicht am Nasenbein liegt, die hinteren und vorderen sehr lang. —
Der Zalinbesatz des Oberkiefers stimmt in dem ersten Drittel ganz mit dem des Zwischenkie-
fers überein; ebenso grosse Zähne, wie letzterer trägt, sitzen auch am Oberkiefer, aber nur
auf der bezeichneten vorderen Strecke, wo der Oberkieferknochen sich nach innen ausdeh-
nen konnte. Wie er schmäler wird, werden auch die Zähne kleiner. Das ist aus den Ein-
drücken der verloren gegangenen Zähne in Fig. 1. der I. Tafel deutlich zu entnehmen. Eben
diese Figur macht auch die grosse Zahl von Zähnen am ganzen Kieferrande klar. Ich habe
an der linken Seite, wo sie sich am deutlichsten zeigen, zwar nur 43 Zahneindrücke gezählt,
aber die ungleichen Lücken verrathen, dass an vielen Stellen ganze Zähne herausgefallen sind,
man also ohne Uebertreibung bis 60 Zähne annehmen dürfe. Die hintersten sind sehr klein
und gleichen nur feinen Nadelspitzen, die grössten stehen neben dem Nasengange, der so
zwischen Oberkiefer und Nasenbeinen verläuft, dass die sie trennende Naht gerade die Mitte
hält in der Decke des Nasenkauales. Wo der Oberkiefer äusserlich mit dem Thränenbein zu-
sammentrifft, da liegt inwendig am Gaumen die Choanenöffnung neben ihm. Diese Gegend
des Oberkiefers trägt schon kleinere Zähne, aber noch nicht die kleinsten. Wie in der Grösse,
so stimmen auch in der äusseren Form und im inneren Bau die Kieferzähne ganz mit den
Fangzähnen des Zwischenkiefers überein. Sie sitzen, wie dort, auf einem erhabenen, abwärts
vorspringenden Rande des Kiefers, neben welchem in der Tiefe die Naht sich zeigt, worin
der Oberkieferknochen an die Gaumenknochen stösst. Sie ist eine einfache gerade Naht, ohne
Zähne oder Schuppenform.
Die ßezalinung des Oberkiefers zeigt uns einen neuen wesentlichen Unlerscliied zwischen
Afc/tegosaurns und Trcinatosaurns, namentlich dnich die beträchtliche Grösse des vordersten
Theils der Zahnreihe und deren Ucbereinslimniung mit den Zähnen des Zwischenkiefers. Trv-
maiosaurus hat am vordersten Ende des Oberkiefers gerade sehr kleine Zähne. Wegen der
stärkeren Bezahnung in dieser Gegend ist der Mundrand von Arcitegoscmrus an derselben Stelle
etwa« erweitert und in zwei ähnliche Abschnitte, wie bei den ächten Krokodilen getrennt; ob-
gleich kein so scharfer Einschnitt, wie bei den Krokodilen, die Grenze beider ungleichen Zahn-
reihen bezeichnet. Jener tiefe Einschnill der Krokodile rührt übrigens von dem Hauplzahn des
13
Unterkiefers her, und da Archegosunrus einen so grossen mittleren Seitenzahn im Unterkiefer
nicht hat, so fehlt auch der Einschnitt für denselben im Oberkiefer. Die Analogie mit den Kro-
kodilen ist also nur eine ganz allgemeine.
§.4.
Die Lücke, welche zwischen den vorderen Erweiterungen der Oberkieferkiiochen frei
bleibt, füllen die Nasenbeine C^^ssa nasalia, c.) aus, zwei lange schmale Knochen, in de-
ren auflallend schneller Entwickelung hauptsächlich die rasche Verlängerung der Schnautze
ihren Grund hat. Sie erscheinen darum in der Jugend viel breiter, als im höheren Alter. So
beträgt ihre Länge in dem Jdeinsten Individuum 2f Linien, während die Breite vorn dicht
hinter den Nasenlöchern sich auf -1 ^ Linie belauft ; dagegen misst bei dem grössten Exemplar
jedes Nasenbein 2 Zoll in die Länge, aber nur 4^ Linie in die Breite. Demnach ist das Na-
senbein durch Auswachsen etwa 10 mal so lang geworden, als es zuerst war; aber nur drei-
mal so breit. Die Form des Knochens ist ganz die von Trematosaurus , wenn man seine
grosse Schlankheit berücksichtigt. Mit dem Zwischenkiefer durch die schon beschriebene
W-förmige Zackennaht verbunden liegen beide Nasenbeine längs der Mitte in einer geraden
Naht aneinander, während sie mit dem Oberkiefer durch die Schuppennaht sich verbinden.
Gleich hinter dem Zwischenkiefer begrenzen sie das hintere Ende der Nasenlöcher und gehen
um dieselben herum, bis sie an den Oberkiefer stossen. Daselbst sind sie am breitesten; sie
verschmälern sich nun etwas nach innen und behalten, nachdem ihr Rand die Kuppe der Na-
sengänge erreicht hat, bis gegen das Ende hin ziemlich gleiche Breite. Am Ende selbst spitzt
sich jedes Nasenbein mit zwei kurzen Rändern schnell zu; beide zusammen bilden also wie-
der eine W-förmige Naht, deren Zacken aber beträchtlich kürzer sind, als die des Zwischen-
kiefers. Die Fläche der Nasenbeine ist sanft nach innen geneigt, und von der am Nasen-
kanal sich hinziehenden Stirnfurche schief durchzogen. Da wo innen die Choanen liegen, tritt
<lie Stirnfurche vom Nasenbein auf den Oberkiefer, und beschreibt auf ihm einen kurzen Bo-
gen, der ziemlich dem Umfange der Choanenöfifnung entspricht; dann verlässt sie den Ober-
kiefer und geht ziuu Thränenl^ein hinüber. Während ihres Laufes auf dem Nasenbein berührt
die Stirnfurche den Ossificationspunkt, der schon in friihester Jugend etwas vor der Mitte
des Knochens nach vorn zu sich bemerkbar maclit, mit zunehmendem Alter iüier dem Vor-
flerrande immer näher zu rücken scheint, weil, wie hieraus ersichtlich ist, die Hauptwachs-
Ihumsrichtung des Nasenbeines nach hinten geht. Die von dem bezeichneten Centrum aus-
strahlenden Furchen sind besonders deutlich auf der Fläche der Nasenbeine zu erkennen.
Die Nasenbeine von Archegosnnrns haben so viel Aehnliclikeit mit denen von Trema-
tosaiiriis, dass Alles, was ich in der Beschreibung dieser Gattung über sie gesagt habe (a. a. 0
S. 12.) auch auf die jetzige Schilderung Anwendung findet. Selbst die ungleiche Grösse der bei-
den Knochen wiederholt sich bei Arc/tcgosaiirns, ist aber nicht conslant für die eine Seite.
Gewöhnlich greift in der vorderen Hälfte der Mittelnaht das rechte Bein etwas mehr nach links
14
hinüber, während es zugleich nach hinten etwas weiter reicht, dafür aber in der Mitte der Längs-
naht ausgebuchtet erscheint. Das rechte Nasenbein ist dann zwar etwas länger, als das linke,
aber auch in seiner ganzen mittleren Strecke etwas schmäler.
§• ^•
An die hinteren Enden der beiden Nasenlieine stossen vier wenig ungleiche Knochen,
von welchen die beiden mittleren den inneren Winkel der W-förmigen Naht ausfüllen, die
beiden seitlichen jeden äusseren Schenkel berüliren; jene sind die Stirnbeine, diese die
Thränenbeine (ossa lacrymalia, d.). Obgleich die Gestalt der letzteren nicht den Kno-
chenstücken entspricht, welche ich bei Trematosaurus als Thränenbeine beschrieben habe,
sondern völlig den dort Vorder-Stirnbeine genannten (a. a. 0. S. 13.) Platten, so scheint
mir doch die jetzt gewählte Benennung die richtigere zu sein, weil ein besonderes unteres
Knochenstück, wie ich es bei Trematosaurus gefimden zu haben glaube, bei Archegosau-
rus nicht vorhanden ist. Das jetzige Thränenbein bildet einen schmalen, leicht gekrümmten,
langgezogenen dreiseitigen Knochen, dessen schief abgestutzte Spitze sich an den äusseren
Endrand des Nasenbeines legt und hier die Lücke füllt, welche zwischen Oberkiefer und Na-
senbein noch geblieben ist. Sein äusserer Schenkel ist S-förmig geschwungen und berührt
mit der vorderen, einwärts gebogenen grösseren Hälfte den Oberkieferknochen, mit der hin-
teren kurzen auswärts gekrümmten den Jochbogen. Neben diesem erreicht das Thränenbein
den Augenhöhlenrand, dessen vordere Grenze es bildet, ihn bis über die innere Ecke hinaus
umspannend. Da stösst das Thränenbein mit einem kurzen Rande an das hintere Stirnbein
und beide zusammen bilden allein den oberen Orbitalrand. Von der genannten Naht gegen
das hintere Stirnbein geht der innere Schenkel des Thränenbeins aus und läuft ziemlich ge-
radlinigt, mit leichter Krümmung nach aussen vorwärts, bis er die vorragendste Spitze des
Nasenbeins trifft unrl an dieser endet. Das ganze Thränenbein ist sehr flach, schief nach
aussen geneigt, am Orbitalrande hoch aufgebogen und quer über seine Mitte von der Stirn-
furche durchzogen, hi dieselbe fällt auch der dicht vor der Augenöffnung gelegene Ossifi-
cationspunkt, von dem innerlich die zarten Kanäle der Substanz, äusserlich die superficiellen
Furchen ausstrahlen.
Dass Ärchegosuurna nur diesen einen isolirlen Knochen, den ich als Thränenbein be-
schrieben habe, im vorderen Augen\vink(^l besitzt, ist sicher; alle gut erhaltenen Köpfe, beson-
ders deutlich ein kleiner CJ^'o- 4. b.) in Herrn Dr. Jordan 's Sammlung, bestätigen es. Ich muss
gestehen, dass dieser Umstand, bei der sonstigen Aehnlichkeit von Arclicgosaunis mit Tremu-
iosaurus, mich überrascht und in mir Zweifel an der Richtigkeit meiner früheren Angaben bei
letztgenannter Gattung erweckt hat. Die Annahme eines isolirten zweiten Knochens unter dem
hier als Thränenbein beschriebenen, gründet sich besonders auf einen Scheiteiabdruck in Herrn
V. Braun's Sammlung, an welchem ich die schiefe Naht zwischen diesem Thränenbein von Trc-
matosuiirus und dessen Oberkiefer erkannte; dagegen war es mir nicht möglich, die Grenze
zwischen dem Thränenbein und dem Jochbogen deutlich aufzufinden: ich musste sie mir aus dem
15
slrahligen Gefüge der Knochen gegen einander bestimmen. Vielleicht habe ich mich darin
getäuscht und eine Naht angenommen, die gar nicht existirt. Wenn das zutrifft, so wäre der von
mir als Thränenbein beschriebene Knochen des Tremaiosauriis nur das vorderste Ende des
' zwischen Oberkiefer, Nasenbein und Vorderstirnbein weit nach vorn vorgeschobenen Jochbeins,
und auch diese Galtung hätte im vorderen Augenwinkel nur einen einzigen Knochen, welchen
ich damals Vorderstirnbein, jetzt aber wohl richtiger Thränenbein genannt habe. Dann fände
sich bei Treniatosaiirns ein relativ längeres Jochbein, bei Archegosannis eine stärker ent-
wickelte Gesichtsplatle am Oberkiefer, und damit würde die stärkere Entwickelung der Kiefer-
zähne dieser Gegend in passender Harmonie stehen. Ich muss ferner gestehen , dass mir auch
bei den anderen Labyrinthodonlen die Anwesenheit zweier Knochen im vorderen Augenwinkel
unsicher zu sein scheint. Was Herr v. Mayer in seinen und Plieninger's Beiträgen etc.
über das Thränenbein sagt (S. 7. von Capitosaurus ^ S. 12. von Mustodonsaiiriis, S. 20. von
Metopias), ist zu allgemein gehallen und stimmt nicht mit den Abbildungen, an denen ich eine
Naht im vorderen Augenwinkel, welche das Thränenbein vom Vorderslirnbein hier trennen niüsste,
überall vergeblich suche. Dagegen scheint Fisclier's Rlihiosaiirus iBull.d.31oscoueic. 1847.
1. Tf. V.) ein vom Vorderslirnbein abgesondertes Thränenbein zu besitzen. Diese Gegend der
Labyrinlhodontenschädel wäre also noch einer ganz besonderen Untersuchung bedürftig. Füglich
können beide Fälle in dieser Familie so gut neben einander vorkommen, wie bei den Enalio-
sauriern; von denen Notliosauras, die älteste Form, nur einen, Plesiosaurns und Ickthyo-
saiirus, die jüngeren Glieder, zwei Knochen im vorderen Augenwinkel haben. So könnten auch
Arcltcgusaurus und selbst Trciiiutosairrus zu ihren späteren Familiengenossen sich verhallen.
Auf keinen Fall darf aber auf die Anwesenheit zweier Knochen im vorderen Augenwinkel der
Labyrinthodonlen ein sehr grosses systematisches Gewicht gelegt werden; denn allgemein sind
beide Knochen nicht da, das ist sicher.
§. 6.
Das Hauptstirnbein C<^s frontale proprium, f.) des Archegosaurus zeigt eine
völlige Uebereinstimniung mit dem des Trematosaurus. Von dem einspringenden Winkel am
Ende der Nasenbeine ausgehend l)eginnen beide Stirnbeine mit scharfer aber ungleicher Spitze,
indem das linke stets etwas breiter ist, als das rechte und vor ihm vorbeigehend die äusserste
Spitze des Winkels erfüllt. In der Mittelnaht geradlinigt an einander stosseud erweitern sich
die Stirnbeine alhnälig etwas nach hinten und erreichen da, wo im Thränenbein der Ossi-
licationspunkt liegt, ihre grösste Breite; ziehen sich, indem sie sich gegen das Auge wenden,
iji der Richtung des Orbitalrandes mehr zusammen und verschmälern sicli von hier etwas
stärker nach hinten, als nach vorn. Ihr Ende liegt noch vor dem hinteren Rande der Orbita,
und ist auch da das linke Stirnbein etwas breiter und länger als das rechte, jedes von bei-
den aber für sich zugespitzt, so dass die Endnaht wieder die Form eines W hat. Der Ossi-
ücationspunkt liegt etwas hinter der breitesten Stelle, dicht am äussern Rande gegen das Thrä-
nenbein hin. In der Grössenzunahme verhält sich das Stirnbein ganz, wie das Nasenbein; es
wächst weit schneller in die Länge, als in die Breite. Bei dem kleinsten Individuum ist je-
16 ^ —
des Stirnbein 3'" lang, ]'" breit; bei dem grössten 2" |-"' lang und 3^'" breit. Dort ver-
hält sich also die Länge zur Breite, wie 3 zu 1 ; hier wie 7 zu 1 .
Was die Analogie dieses Sürnbeins mit dem lebender Amphibien betrifft, so ist, wie in
allen ähnlichen Fällen, meine Abhandlung über Tremaiosawns zu vergleichen.
Die Uebereinstimmung von Archegosaurus und Trematosaurus in der Configuration
des vorderen Schädelgerüstes ist, bis auf die allemige aber nicht ganz sichere Ausnahme,
dass Trematosaurus im Augenwinkel zwei Knochen zu haben scheint, Archegosaurus aber
bestimmt nur einen, so vollständig gewesen, dass es uns nicht überraschen wird, auch die
hintere Hälfte des Schädelgerüstes in gleicher Uebereinstimmung wieder zu finden. Mich hat
diese Uebereinstimmung bei der Darstellung veranlasst, fortan noch mehr vergleichend zu
Werke zu gehen, und die Knochen nicht einzeln, wie bisher, sondern im Zusammenhange zu
schildern. Nun bleiben uns noch drei Gruppen oder Systeme von Knochen auf der Aussen-
fläche des Schädels zu betrachten; nämlich: \) das Orbitalgerüst, 2) das Schläfenbeingerüst
und 3) das Scheitelgerüst; daran reiht sich auf der Unterseite, 4) das Hinterhauptsgerüst,
5) das Keilbein oder Basalgerüst, und 6) das Gaumengerüst. In dieser Reihenfolge mögen
fortan die Knochenplatten der vergleichenden Betrachtung unterworfen werden.
Das Orbitalgerüst besteht aus sämmtlichen Knochen, welche den Augenhöhlenrand
bilden, mit Einschluss des Thränenbeines, und ist, wie ich das schon früher nachzuweisen
suchte (über Trematosaurus S. 16. d. Note), hauptsächlich mit dem Joclibein zu identifici-
ren; d. h. alle seine hinteren Knochen sind als isoiirte Stücke des os zygomaticum der
Säugethiere zu betrachten, wie alle seine vorderen als Theile des Thränenbeins; beide
Knochen seilest aber sind gleichwerthige und unter ein gemeinschaftUches System als vordere
und hintere Hälfte zu subsumiren. Von diesem Orbitalgerüst wurde die vordere Hälfte erörtert,
es bleibt noch die hintere, bestehend aus Jochbein, Hinteraugenhöhlenbein und Hin-
ter Stirnbein, zu schildern.
Das Jochbein (^os zygomaticum, k) von Archegosaurus ist ein sehr grosser Kno-
chen, welcher nach vorn wie nach hinten weit über die Augenöffnung hinausreicht, und deren
ganzen unteren Rand bildet. Dadurch verschmälert es sich in der Mitte, dehnt sich aber
vorn und hinten in eine breitere zugespitzte Fläche aus und ruht mit seinem unteren Rande
auf dem Oberkieferknochen. Die vordere Fläche ist kleiner als die hintere, schärfer zuge-
spitzt und niedriger. Sie drängt sich mit ihrer Spitze in den Einschnitt am Gesichtstheil des
Oberkiefers hinein, füllt um aus und lehnt sich mit dem Rest ihres inneren Randes an das
Thränenbein, neben welchem es die vorspringendste Stelle des Orbitalrandes erreicht. Von
da an bildet der obere ausgebuchtete Rand des Jochbeins den Orbitalrand seüjst, bis es das
hintere Augenbein im unleren Winkel der Orbita erreicht hat. Mit diesem Knochen liegt das
Jochbein eine Strecke in einer gerade nach hinten laufenden Naht zusammen, trennt sich aber
17
bald \oii iliin und wendet sich abwärts geneigt nach hinten, indem es anfangs an ilas tympa-
nicum externum, später an das (juadrato-jugale grenzt und zwischen beiden mit einer
kurzen Spitze sich einschiebt. Indem letzterer Knochen sich je mehr nach unten um so mehr
vorwärts drängt, treüjt er den Jochbogen vor sich zurück, und beschränkt so dessen unte-
ren freien Rand auf eine kurze Strecke, womit er den unter ihm hegenden Oberkiefer-
knochen nach hinten überragt. — Die Grössenzunahme des Jochbeines ist weniger augenfäl-
hg, als die der zuvor beschriebenen Miltelknochen; am kleinsten Exemplar beträgt seine ganze
Länge G'", am grössten 2" o"'; die hintere Hälfte hat an jenem Exemplar 1|"', an diesem
G|-"' Breite. Der Ossificationspnnkt liegt in dei' hinteren Hälfte dicht neben der unteren Ecke
des Orbitalrandes in gleicher Höhe mit dem am meisten nach hinten vorragenden Punkte
dieses Randes.
Das Hinteraugenhöhlenbein (^os orbitale posterius, i) ist eine kurze fünfseitige,
fast lanzenspitzenförmig gestaltete Knochenplatle, welche mit ihrem freien einwärlsgebogenen
Rande die Mitte des hinteren Umfanges der Orbita einnimmt, nach aussen an das Jochbein
und nach innen an das Hinterstirnbein mit zwei Nähten stösst, von denen die letztere sich
durch starke Biegung nach innen auszeichnet. Hinterwärts schiebt es sich mit den beiden Rän-
dern, welche die scharfe Spitze' des Knochens bilden, zwischen die beiden Knochenplatten
hinein, die ich früher bei Trematosuurus als äusseres Paukenbein und als Schläfen-
beinschuppe beschrieben habe. Es gleicht somit ganz dem Hinteraugenhöhlenbein von
Trematosauriis und ist nur durch eine viel geringere Länge \on demselben verschieden.
Sein Ossilicationspunkt liegt nahe am Orbitalrande in der Mitte der beiden Nähte, welche die
vordere Hälfte des Knochens begrenzen. Es wächst langsam, wie alle hinleren Schädelkno-
chen; beim kleinsten bidividuum hat es \\"' Länge und \\"' Breite, beim grössten ist es
9'" lang, ö}"' breit.
Das Hinter Stirnbein fo* frontale ■posterius, g) gleicht dem vorigen Knochen an
Grösse und Gestalt, ist aber, wie bei Trematosaurus, in seiner Hauptlichtung etwas gebogen
und entsendet nach vorn einen Fortsatz, der den Orbitalrand einschiiesst, indem er bis an
das Vorderstirnbein oder Thränenbein reicht. Dieser Fortsatz trennt das Hauptstirnbein vom
inneren Orbitalrande, welcher sich ganz im Hinterstirnbein befindet. Ausser diesem Rande
wird das Hinterstirnbein noch von drei Nahträndern begrenzt. Der längste innerste ist sanft
geschwungen und legt sich mit der vorderen nach aussen gekrümmten Hälfte an das Haupl-
stirnboin, mit der hinteren nach innen gekrümmten an das Scheitelljein. Die anderen beiden
Nähte bilden den Aussenrand des Hinterstirnljeins, und trennen dasselbe vorn vom Hinler-
augenhöhlenbein, hinten von der Schläfenbeinschuppe. Zwischen letztere und das Scheitelbein
drängt sich das Hinterstirnbein mit einem stumpfen Winkel etwas hinein. Sein Ossifications-
punkf liegt unmittelbar neben dem Orbitalrande, über dessen innerer oberer Biegungsstelle.
In dem jüngsten Exemplar misst es 3 Linien, in dem ältesten 15; seine Breite beträgt in der
hinteren Hälfte bei jenem 1 Linie, dei diesem i.
3
18
1. Ueber die Analogien und verwandlschafliiciien Beziehungen, welche aus dem Orbilalgerüst der
Labyrinthodonlen sich ergeben, habe ich mich friiiier in der Schrift über Tretnatusaurus (SA9.}
ausgesprochen. Bekanntlich haben die nackten Amphibien nur die vordere Hälfte dieses Ge-
rüstes, aber niemals irgend eine Spur der hinteren Hälfte. Da selbige gerade bei den Labyrin-
thodonlen am vollständigsten entwickelt ist, so scheint mir eine wirkliche Affinität beider Grup-
pen nicht angenommen werden zu dürfen. Ich werde am Schluss dieser Abhandlung nochmals
die zoologische Stellung der Labyrinthodonlen, durch neue Elemente der Vergleichung dazu auf-
gefor<lerl, beleuchten und mein früheres Resultat, dass sie nicht als einzelnen der heuligen Grup-
pen affine, sondern als mehreren von ihnen co rrel ate Typen zu betrachten seien, weiter be-
gründen können.
2. Goldfuss hat in seiner Beschreibung des Archeyosaurus das Hinlerstirnbein ganz übersehen
und darum eine für den Fall, wo Stirnbein und Scheitelbein getrennt neben einander auftreten,
unerhörte Ausdehnung des Scheitelbeins bis in den Orbitalrand hinein angenommen. Es ist mir
das um so auffallender, als nicht bloss bei dem grossen Exemplar, welches er abgebildet hat,
sondern auch bei allen anderen ein selbständiges Hinterstirnbein ganz unzweifelhaft und deut-
lich sich abgrenzt. Was er als Hinterstirnbein (/'. ) beschreibt, ist das Hinteraugenhühlenbein.
Seine Begrenzung des Jochbeins ist auch nicht richtig; am Vordertheil hat er es sowohl gegen
den Oberkiefer, als auch gegen das von ihm viel zu klein angenommene Thränenbein hin, wei-
fer ausgedehnt, als es in der Thal sich erstreckt; am Hinlerlheil ist nur die obere Hälfte der
Endnahl richtig ermillell, die untere Hälfte irrig dargestellt; sie läuft nicht mit der oberen in
gleicher Richtung nach hinten, sondern unter einem Winkel von ihr ausgehend zurück nach vorn.
§• '•
Das Schliifenbeingerüst besteht bei Arch«gosaurus aus eben so vielen Knochen,
w'm bei Trematosaurus , die alle als isolirte Stücke des beim Menschen später einfachen
Schläfenbeins angesehen werden müssen. Vier Stücke treten davon äusserhcii in Platten-
forni mit superficieller Sculptur hervor; zwei andere sind nach innen gerückte, äusserlich nicht
sichtbare Stücke, deren Begrenzung gegen ihre Nachbarn sich nicht scharf ermitteln lässt. Jene
vier äusseren Stücke nenne ich: 1) os (fuadralo-ju^ale, 2) os tympcmicum externum,
'■\) OS temporale squamosum , i) os mastoideum ; die beiden inneren werden als ü) os
tympanicum internum und G) os petrosmn zu ])etrachten sein.
Von den vier äusserlich sichtbaren Knochen nimmt das zuerst genannte Joch pau-
ken b ein (^os (luadratu-jugale, m.) die hintere untere Ecke des ganzen Schädels ein. Es
erscheint hier als eine leicht gewölbte, längliche Knochenplafte, welche mit ilirer vorragenden
Spitze nach vorn bis an das Jochbein reiclit, und sich nach hinten um die Ecke des Schädels
herum legt. Vier abgesetzte Ränder begrenzen dasselbe; der vorderste schmälste ist die Naht,
mit welcher es an das Jochbein stösst; der untere längste Rand ist fiei und bildet die scharfe
vorspringende Kante des Backentheils der Mundspalte, welcher über die Backenmuskulatur für
den Unterkiefer liervorragt; der drifte entgegengesetzte obere Rand ist wieder eine dem un-
teren concentrisch gebogene Naht, welche das Jochpaukenbein vom äusseren Paukenknochen
«1
19 ^ —
abgrenzt; der vierte hintere Rand ist schief abwärts nach hinten geiiclitet, kürzer als beide
vorigen und abgeflacht, um sich mit seinem schiippenförmig den innern Paukenknochen über-
lagernden Saume an denselben anzupassen. Darum biegt sich dieses ganze hintere Ende des
Jochpaukenbeins nach innen um, und hegt hier mehr nach hinten gerichtet, als nach aussen.
Ob es auch Theil nimmt an der Bildung des Gelenkes für den Unterkiefer, Hess sich nicht
ermitteln; aber die Analogie von Trematosaurus spricht dagegen. Sein Ossificationspunkt
Hegt am hintersten Ende, dicht vor der Ecke, und von da strahlen seine Knochenkanäle nach
vorn, oben und hinten hinauf Der Knochen ist selten gut erhalten.
Ueber dem Jochpaukenbein liegt das äussere Paukenbein Qos tympanicum
extermim, LJ, eine ebenfalls sanft nach aussen gewölbte, stumpfwinklich dreiseitige Knoclien-
platte, von deren zwei vorderen Rändern jeder zwei Abschnitte hat. Es erfüllt die obere Hälfte
der Backenfläche und bedeckt, wie der zuvor beschriebene Knochen, die Backenmuskeln.
Sein unterer Rand ist der längste; eine sanft gebogene, zackige Naht, deren vordere kürzere
Hälfte an das Joclibein, ihre hintere längere an das Jochpaukenbein stösst. Die beiden ande-
ren Ränder haben fast gleiche Länge und sind als innerer und als hinterer zu unterscheiden. Der
innere ist eine Naht, in welcher der Knochen vorn mit dem Hinteraugenhöhlenbein, hinten mit
dem Schuppenschläfenbein zusammentrifft; der hintere Rand ist zumeist frei: er läuft von oben nach
unten schief geneigt abwärts, berührt hier das Zitzenbein, begrenzt dann den vorderen Ein-
gang in das Ohr und legt sich mit einem ganz nach innen und hinten gebogenen Umschlag
auf den innern Paukenknochen, den er also bedeckt. Er kann als Träger des Tronunelfells an-
gesehen werden, denn an seinem freien umgeschlagenen Rande musste es haften. Dicht \o\
diesem Rande, nahe der oberen Ecke, wölbt sich der Knochen sehr stark und hat auf der
Höhe dieser Wölbung seinen Ossiticationspunkt; neben der Wölbung ist er leistenartig zur Schei-
telflächc hin abgesetzt und nach innen mit einem scharfkantigen Vorsprung versehen, den
Goldfuss als eine Fortsetzung der Ohrspalle dargestellt hat.
Seitwärts nach innen und vorn stösst an das eben beschriebene äussere Paukenbein
eine längliche Knochenplatte, welche ich in meiner Schrift über Trematosaurus als Schup-
penschläfenbein Cos tenifHjrale squamosum, n.^ geschildert (S. 19.), und an einer späte-
ren Stehe (S. 23.) auch vorderes Zitzenbein genannt habe. Welche Benennung man
wählen oder beibehalten will, ist gleichgültig, beide kommen auf Eins heraus; deim ein vor-
deres Zitzenbein ist siclier ein Schuppenschläfenbein, weil überall die Schuppe des Schläfen-
beines unmittelbar vor dem Zitzenbein liegt und beide zusannuen, oder der vordere allein,
an das nach aussen und unten neben ihnen liegende Paukenbein stossen. Die bezeichnete
Platte grenzt übrigens mit ihren zwei vorderen Rändern in zackiger Naht an das Hinterstirn-
bein und Hinteraugenhöhlenbein, mit ihrem äusseren Rande an den äusseren Paukenknochen.
mit ihrem hinteren an das Zitzenbein und mit ihrem inneren hinten an das obere Hinterhaupts-
bein, vorn an das Scheitellx-in. Fast alle diese Verbindungen hat die Schläfenbeinschuppe,
und besonders darum halte ich meine Deutung für gerechtfertigt. Der Knochen ist flach und
3*
-^20
grösstenlheils auf die obere oder Scheitelfläche des Schädels hinaufgeriickt ; sein Ossifications-
punkt liegt etwas hinter der Mitte gegen das Zitzenbein zu, wo die von der Ohrspalte aus-
gehende Furche, welche ich für den Eindruck einer Knochenleiste halte, endet.
Das eigentliche Zitzenbein (os mastoideum , o.) bildet als ein dreiseitiger, zapfen-
artig nach hinten vorragender Knochen die höchste Stelle des Hinterkopfes und begrenzt die
Ohrspalte von oben. Es ist aussen flach, nach innen sehr dick, der dickste aller Scheitelkno-
chen, schwammig zellig mit solider Knochenwand. Yoi-n liegt die zweitheilige Basis sei-
nes Dreiecks, deren äussere Hälfte an den äusseren Paukenknochen, die innere an das Schup-
penschläfenbein stösst; sein äusserer Schenkel liegt vorn ebenfalls am äusseren Paukenkno-
chen, hinten ist er frei und bildet die Ohrspalte; der innere Schenkel ist hinten frei und
nimmt Theil am Hinterkopfrande, vorn stösst er an das obere Hinterhauptsbein. Der Ossifica-
tionspunkt des Zitzenbeins liegt an der Spitze dicht vor dem Ende, die Knochenkanäle strah-
len meist nach vorn, einige nach unten und hinten; der Knochen rauss also auch am Hinter-
kopf sich abwärts ausdehnen.
Wie weit das geschah, Hess sich ebensowenig ermitteln, als eine Grenze erkennen zwi-
schen diesem Knochen und den inneren Knochenmassen, welche als Felsenbein und inne-
rer Paukenknochen zu betrachten wären. Dass solche Knochen da sein müssen, ist unzwei-
felhaft, weil Spuren einer starken und soliden abwärts nach innen in die Tiefe reichenden
Knochenmasse sich mehr oder w eniger deutlich verfolgen lassen. Sie bildet einen dreiseitig pris-
matischen Tiäger, auf welchem oben das äussere Paukenbein, unten das Jochpaukenbein ruhen, und
diesen Theil haUe ich für den inneren Paukenknochen. Gegen die Gehirnhöhle breitet sich die-
ser Träger nach allen Seiten zu aus und zieht sich besonders unter dem Zitzenbein nach un-
ten gegen das Grund- oder Keilbein hinab. Diese Gegend betrachte ich als Felsenbein.
Den Knochen näher in seinen Eigenschaften zu bestimmen, wollte mir nicht gelingen.
I. In Goldfuss Abbildung ist die eben gescliilderlc Gegend des Schädels völlig missralhcn. Das
Zilzcnbcin fehlt ganz, indem es mit dem Schuppenscldiifcnbein {Tiii.) verschmilzt: der iiusserc
Paukenknochen (Tf.) ragt viel zu weit nach hinten, er darf nur halb so lang sein, wie er ge-
zeichnet ist, und das Jochpaukenbein (Tay/.) hat denselben Fehler. Das mit Ol. bezeichnete
Stück ist keinesvveges ein Theil des Hinterhauptes, sondern die verschobene vordere nur im Ab-
druck vorhandene Wand des verloren gegangenen Paukenknochens, welche sich nach aussen um-
biegt und mit dem Jochpaukenbein (Tay/.) zusammenhiingt. Unten (Fig. 3.) sieht man, wie die
Knochenniassen des Paukenbeins und Felsenbeins an die spitzen Gaumenflügel des Grundbeines
stossen, welche sich gut erhalten haben. Der nach rechts gewendete Flügel liegt noch ziemlich
normal, der linke ist ganz verschoben. Zwischen ihnen fehlt nicht bloss der Körper des Grund-
oder Keilbeines mit dem jn-ocessits cidlriformis, sondern aucli das ganze Hinterhauptsbein nebst
dem Felsenbein. Wahrscheinlich waren diese Theile entweder überhaupt weicher, vielleicht gar
knorpelig ; oder sie ossificirten langsamer und konnten darum leichter zerstört werden. Ihr Man-
gel selbst an diesem grossen Schädel spricht in meinen Augen sehr dafür, dass er keinem aus-
gewachsenen, sondern etwa einem halbwüchsigen Thiere angehört habe. An allen jüngeren
21
Exemplaren fehlen die cenirobasalen Knochen beständig, weil sie an ihnen noch viel Meitcr in
der Ossification zurückstanden. —
2) Die Deutung der Knochenplatten des Schläfengerüstes ist eine der schwierigsten Aufgaben der
vergleichenden Schädeliehre. Ich komme hier nochmals darauf zurück, weil ich früher C^eber
TrcnKitosaurits, S. 16. seq.^ diesen Schädelthcil der nackten Amphibien mehr, als zweckmässig
für die Beurlheilung ihrer Verwandtscliaft mit den Labyrintliodonten, ausser Acht gelassen habe.
Ihr Schläfenbein besteht aus drei Stücken. Das unterste und äusserste hat das Gelenk für den
Unterkiefer und muss darum als Pauken bein (iympanicnm) genommen werden. Cuvier nennt
es in seinen Ossemens fossiles Tom. V. 390. Jochbein, jiigalc (Taf. 24—27. o. o.). Ueber
diesem Knochen liegt gegen die Schädelkapsel hin ein langer, flacher spatelfürmiger Knochen
(Cuvier a. a. 0. /;. «.), welcher bei den ungescliwänzten Balrachiern einen spitzen Fortsatz
nach vorn absendet und dadurch dreitheilig wird. Ich habe ihn für das siiiiainosimi erklärt Ca-
a. 0. S. 17.), Cuvier nimmt ihn für das iijnipankum. Der dritte Knochen liegt unter dem vo-
rigen dicht an der Schädelbasis und trifft hier sowohl mit dem os spfiotoidciim, als auch mit
dem os occifiifls zusammen; er wird als Felsenbein (os pcirosntn) gedeutet (Cuvier a. a. 0.
('. e.) und offenbar mit Recht. Bei den ungescliwänzten Balrachiern drängt sich dies Felsenbein
nach oben zwischen dem vorigen Knochen und dem Scheitelbein vor; bei den geschwänzten bleibt
es unter der breitern Basis jenes Knochens, der selbst an das Scheitelbein stösst, versteckt. We-
tTcn dieser Verbindung halte ich den von Cuvier und Hallmann lijm/iaiiicum genannten Kno-
chen für das bis zur Ohrüffnung ausgedehnte stjuamositm , welches Hallmann den Batrachiern
ganz abspricht (Schläfenb. etc. S. 43.), Küstlin aber richtiger in diesem Knochen wenigstens
zum Theil anerkennt (Schädellehre etc. s. 284. seq.^, und nur das untere Ende des Kiefertrage-
apparates der Batrachier für das wahre tijmpankum. An die Unterfläche desselben, die zum
Theil knorpelig bleibt, legt sich der lange Ast des pteri/yoideiim; er verbindet sich aber wirk-
lich nur mit dem Endstück, welches die Gelenkung für den Unterkiefer trägt, unserem iijmpani-
ciiw nicht mit dem oberen Knochen, unserem squamosutn. Gerade so ist auch die Verbindung
des ptcrijgoideums bei den Schlangen. Owen nennt den von mir als Siiuamosutn gedeuteten
Knochen der Batrachier epiti/nipanicum , und das ächte tympanknm der nackten Amphibien
/ii//io1i/>i>pa>iiciitii. Er schrieb mir in Bezug auf meine Deutung, dass er die bei Tremalosan-
n(s äusserer Paukenknochen (/) genannte Platte für das ep'tiynqiwilcum und mein quadruto-
jiKjale (m) für sein /iijpoti/mpankum ansehen möchte. In Uebereinstimmung damit deutete er
ferner mein squamosiitn (h) als masloidcuin und mein nnistoideiim (o) als occipifnle laicrale.
Ich habe gegen diese Annahme besonders die Analogie des Krokodils, auf welche ich mich schon
früher (a. a. 0. S. 19., 21 und 23. d. Note) bezog, hervorzuheben, und finde die Owen'sche
Deutung bei seiner grossen Neigung, die Labyrinthodonten ganz den nackten Amphibien beizuge-
sellen sehr natürlich. Sind sie wirklich nackte Amphibien, was ich bezweifeln muss, so ist es
allerdings vorzuziehen, die Knochen o.o. meiner Figur für occipilaltu lateruUa anzusehen; al-
lein wie reimt sich mit dieser Verwandtschaft die Anwesenheit besonderer octipUalla siiperkra
(r. r.) und vollständig entwickelter z.ipjomaika {h. h.) nebst allem Zubehör. Auch kann ich nach
der Bildung, wie ich sie bei Tremutosuurns deutlich erkannt habe, nicht annehmen, dass mein
quadralo-jiigalc das Gelenk für den Unterkiefer trage, was der Fall sein müsste, wenn es als
hypoiijmpankum zu deuten wäre; ich sehe nur, wie sich die Knochenplalte l. auf einen darun-
ter liegenden soliden prismalisch-stempelförmigen Knochen auflegt, an dem die Gelenkfläche sich
22
befindet. Darum halte ich eben diesen Knochen für einen selLsländigen und nenne ihn iijitipa-
nicuni inierniini, zum Unterschiede von dem frei darauf liegenden zweiten peripherischen Kno-
chen, welcher wenigstens die vordere Hälfte vom Eingange ins Ohr umfasst, und schon deshalb
Theil des iyinpaiiicmn sein muss; denn wahrscheinlich an ihn und an mein nuisloidi-um setzte
sich das Trommelfell. Aus den angegebenen Gründen muss ich meine Deutung noch festhalten.
§. 8.
Zwischen den zuvor betrachteten Knochen liegt mitten auf der Fläche des Hinterkopfes
das Scheitelbein Qus parietale, h.), ganz von der Form des Scheitelbeines von Trema-
tusaurus. Paarig, wie dieses, stossen seine beiden etwas ungleichen Hälften in einer gera-
den mittleren Längsnaht aneinander und lassen in der Mitte dieser Naht eine beträchtliche
Lücke, das kreisrunde Scheitelloch, frei. Vor demselben gegen die Schnautze hin sind beide
Scheitelbeme beträchtlich verschmälert, fast zugespitzt und seitwärts ausgebuchtet, um dem
gebogenen Hinterstirnbein Raum zu geben; die hintere Hälfte ist viel breiter, in der Haupt-
richtung mit der Mittelnaht parallelseitig, aber ebenfalls etwas nach innen ausgebuchtet. Diese
hintere Hälfte stösst seitlich an das Schuppenschläfenbein, hinterwärts an das obere Hinter-
hauptsbein, mit welchem es in einer gleichfalls nach innen gebogenen Naht zusammentrifft.
Das Scheitelbein ist ganz eben, kaum gegen die Mitte zu etwas gesenkt und grubig strahlig
sculpirt, wie alle andere Schädelknochen. Sein Ossificationspunkt liegt in der hinteren Hälfte
gleich neben dem Scheitelloch; an eben dieser Stelle greifen die fast geraden Ränder der
Mittelnaht mit zwei starken Zacken ineinander. Die Grossenzunahme ist minder beträchtlich,
als die der Nasen- oder Stirnbeine; seine Länge beträgt am kleinsten Indi\iduum 2^ Linie,
am grössten 14f. Gewöhnlich hat das rechte Scheitelbein eine grössere Breite und Länge,
als das linke; besonders im vorderen Theil. Hier greift das rechte dem linken vor, und legt
sich in den Winkel zwischen beide Stirnbeine hinein, während das linke nur an die Aussen-
seite des linken breiteren Stirnbeins stösst.
Dass Goldfuss in seiner Darstellung das Scheitelbein mit dem Hinlerstirnbein unrichtig
in einen Knochen zusammengezogen iiat, wurde schon erwähnt. Da nach meiner Schilderung
die Uebereinstimmung mit dem Scheitelbein von Treiiialosaunis vollständig ist, so gilt alles,
was von diesem früher (a. a. 0. S. 22.) in verwandlschafilicher Beziehung «jesafft ist, auch vom
Scheitelbein des Arc/ieyosauriis.
§.9.
Vom Hinter hau ptgerüst, dem os occipitis, ist bei Archegosatirtis nur das obere
Knochenpaar Qossa occipitalia superiora, r.) erhalten. Es besteht aus zwei etwas unglei-
chen, quadratischen Knochenplatten, welche die Mitte der Gegend vor dem hinteren Kopfrande
einnehmen und flach geneigt nach beiden Seiten sanft, emporsteigen, um sicii an das mehr
erhabene Zitzenbein anzuschüessen. Mit demselben grenzen s\€ in der hinteren Hälfte ihres
23
äusseren Randes zusammen, die vordere Hälfte stösst an das Schuppenscliläfenbein, der eigent-
liche vordere Rand an das Scheitelbein. In der Miftelnaht stossen beide Knochen aneinander,
mit dem hinteren freien Rande nehmen sie Theil am Kopfrande. Gewöhnlich ist das rechte
obere Hinterhauptsbein etwas grösser, als das linke; zumal auch in der Äliltellinie, über welche
es gebogen hinausgeht und in das linke eingreift. Der Ossificationspunkt liegt bei beiden
genau im Centrum der Platte.
Die grosse Uebereinslimmung von Arclicgosaur\is und Trcmntosaurus lässt micii nicht
zweifeln, ilass auch die übrigen Theile des Hinterhauptes bei beiden gleiche Form besassen. Ich
liabe deshalb keinen Ausland genommen, in der Figur des reslaurirlen Schädels auf Taf. IV. die
fehlenden Theile des Hinlerhauplbeins nach Angabe von Trrnialosanrns zu verzeichnen. Be-
schreiben kann ich sie freilich nicht, denn dazu fehlt mir alle positive Grundlage; an siimmtlichen
Schädeln werden die basalen Theile des Hinlerhauptes vermisst. Ich glaube aus diesem Mangel
schliessen zu dürfen, dass die conirobasalen Schädelknochen viel weicher waren, als die periphe-
rischen, und darum bei der Pelrificatiün verloren gingen. Wir wissen aus der Schilderung von
Trcmaiosaiirits, dass bei dieser Gattung die conirobasalen Schädelknochen ein ungetheiltes Ganze
bilden (a. a. 0. S. 10. u. 31. die Noten 2.), und schlössen schon damals, dass ihre Ossification
langsamer erfolgte. Hier, bei Arc/iegosaurits, beweist ihr völliger Mangel an allen E.vemplaren,
dass sie in dem Alter, in welchem die uns vorliegenden Schädel sich befinden, noch gar nicht
verknöcherl waren, lässl uns aber darüber im Ungewissen, ob sie überhaupt nicht verknöcherten.
Ist nämlich jener grosse und sonst ziemlich wohl erhaltene Schädel, den schon Goldfuss ab-
bildete, der Schädel eines ausgewachsenen Thieres, so darf man freilich schliessen, dass die con-
irobasalen Schädellheile nie sehr solide wurden, sondern knorpelig blieben; ist er dagegen nur
der Schädel eines jugendlichen Thieres, wie ich anzunehmen nicht abgeneigt bin, so könnten die
conirobasalen Schädellheile eben seiner Jugend wegen noch weich gewesen sein und später wirk-
lich ebenso gut, wie bei Trcitiutosaiiriis, ossificiren. Wie dem aber auch sein mag, ein unge-
theiltes Ganze bildeten sie in beiden Fällen, denn überall fehlt an unseren Schädeln nicht bloss
das Hinterhauplsgrundbein, oder das Keilbein allein, sondern stets fehlen sie zusammen. Daraus
folgere ich ihre natürliche Integrität, ihren ungelheilten Zustand.
§. 10.
Nach den Angaben des vorigen Paragraphen werden meine Leser es natiirUch finden,
wenn ich über das Basalge rüsl des Schädels, welches vom Keilbein C^s sphenoideum)
liebildet wird, nichts weiter erwähne, als dass es wahrscheinlicher Weise ganz die Form und
Bildung des Keilbeins von Trematosaurus gehabt habe. Dafür spricht nicht bloss die allge-
meine Uebereinsfimmung beider Thiere, sondern auch der einzige Rest, welcher vom KeiUjeiu
des Archegosaurus auf uns gekommen ist. An dem grossen Schädel sind nämlich die Gau-
menflügel des Keilbeines noch vorhanden und völlig so gestaltet, wie dieselben Theile
bei Trematosaurus. Goldfuss hat in seinen Beiträgen Taf. I. Fig. 3. eine getreue Abbil-
dung davon gegeben, welche mich einer Wiederholung überhebt; freilich aber sie irrig als
Seitenhinlerhauptsbeine (occipitalia lateralia, a. a. 0. OIJ gedeutet. Man erkennt in
24
dieser Abhildung, wenn man sie mit der Figur von Trematosaurus auf der zweiten Tafel
meiner Schrift vergleieht, die grosse Ueljereinstimmung der Gaumenflügel beider Gattungen
und ersieht zugleich, dass der linke Gaumenflügel von Archegosaurus noch in seiner norma-
len Lage sich befindet, der rechte aber aus derselben heraus und gegen die Schädelmitte hin
geschoben ist. Die Enden der Flüeel sind, wie es scheint, unversehrt, und darnach würden
die Gaumenflügel von Archegosaurus etwas spitzer gewesen sein; ihre Basis ist zerstört, wie
deutlich erkennbare Bruchränder beweisen. Die Brüche rühren von dem herausgerissenen
Körper des Keilbeins mit dem processus cuUriformis her. Dass auch diese Theile denen
von Trematosaurus ganz ähnlich waren, wird Niemand bezweifeln wollen.
§. M.
Es ist endlich noch des Gaumengerüsles zu gedenken. Dasselbe besteht, wie
meine Darstellung von Trematosaurus nachgewiesen hat, bei den Labyrinthodonten ans zwei
Knochenpaaren: den Gaumenbeinen und den Pflugscharbeinen; eben diese werden also
auch bei Archegosaurus anzunehmen sein, wenn es nicht gelingen sollte, sie empirisch nach-
zuweisen. In der That sind diese Knochen an keinem Schädel erhalten; nicht einmal Spuren
derselben lassen sich auffinden; obgleich es zu vermuthen steht, dass sie, als Glieder des
peripherischen Belegknochengerüstes, gleichzeitig mit den äusseren Belegknochen ossillcirten.
also den Schädeldeckplatten an Festigkeit gleichkamen. Diese Vermuthung erhält eine gewisse
Bestätigung durch die Untersuchung der isolirten Schnautze, welche ich Taf I. Fig. 2. u. 3. ab-
gebildet habe. Der darin steckende Steinkern (Fig. 3.) trägt auf seiner gegen die Schädel-
decke frei vorragenden Fläche Reste von dünnen plattenförmigen Knochen, welche nicht die
eigentlichen Schädeldeckknochen sind, theils weil letztere sich wohl erhalten an der 01)er-
decke (Fig. 2.) selbst befinden; theils aber auch, weil jene Platten beträchtlich tiefer liegen.
Es müssen die Knochenplatten also Theile der Gaumenfläche, d. h. Reste der Pflugscharbeine
und Gaumenbeine selbst sein. Diese Annahme erhält durch eine genauere Untersuchung ihre
völlige Bestätigung, denn bald gewahrt man die grossen Gaumenzähne, welche unter den
Küochenplatten in der Gesteinsmasse stecken und am Gaumenknochengerüst sassen. Ich habe
an der rechten Seite drei, an der linken nur die zwei hinteren Zähne waiirgenommen und
in meiner Fig. 3. angegeben. Ausserdem sieht man die deutliche Spur einer mittleren Längs-
naht zwischen den Küochenplatten, und an den Seiten nach hinten zu das durch die hier
offen auseinander weichenden Knochen emporgequollene IVIuttergestein. Diese Verhältnisse
würden an sich wenig verständlich werden und keine genügenden Anknüpfungspunkte zur
Restauration der Gaumenfläche gewähren; nimmt man aber Rücksicht auf die Bildung bei Tre-
matosaurus. so wird Alles bald klar und leicht begreiflich. Man sieht nun ein, dass die
isechs (einer fehlt freilich) von vorn nach hinten grösseren, paarig gleichen Gaumenzähne den
ebenso gestalteten, nur dichlei- an einander gerückten Gaumenzähnen \on Trematosaurus
entsprechen, die vier vorderen also an den Pflugscharbeinen, die zwei hintersten vorn an den
25 —
Gaumenbeinen sitzen müssen. Zwischen diesen hintersten und den midieren Zähnen liesse
sich an jeder Seite des Gaumens die Choanenöffnung vermuthen, und wirklich findet sich
dasell:)st, besonders an der linken Seite des Handstücks, eine vorgequollene Masse des Mut-
tergesteins von länglich elliptischer Form, welche dem Umfange der Choanenöfthung entspricht,
weil sie durch diesebe in den hohlen Schädel hineingetreten ist. Auf dieselbe Art erkennt
man vermittelst des unter der Form dreier spitzen Lappen höher vortretenden Gesteins am
Ende des Steinkernes, dass auch hier Lucken waren, durch welche das Gestein in seinem
ursprünglichen weichen Zustande einen Weg in die hohlen Räume des Schädels finden konnte,
imd bleibt, wenn man den Steinkern mit dem Bau der Gaumenfläche von Trematosaurus
vergleicht, nicht lange in Zweifel, dass die beiden seitlichen Aljtheilungen des eingedrungenen
Gesteins durch die grossen nach vorn zugespitzten Gauraenlöcher hineindrangen, während
der mittlere, weiter nach vorn hervorragende Lappen ein Abdruck von dem spitzen Ende
der Gehirnhöhle sein muss, die bis hierher zwischen die Nasengänge reichte und mittelst der
aufsteigenden Wände der Pflugscharbeine von der Nasenhöhle abgesondert wurde. Auf die-
sen mittleren Lappen des Steinkerns legte sich die obere knöcherne Schädeldecke, und das
beweist ein Theil des inneren Knochenblattes, der daran sitzen geblieben ist. Die Schädel-
decke war an dieser Stelle, längs der Mittellinie, dicker, als an den Seiten; das sieht man
theils daraus, dass sich ihre beiden Blätter in der Diploe von einander trennten, theils aber
auch an der starken Vertiefung, welche sich an dieser Stelle auf der Mitte des eingedrunge-
nen Gesteins bemerklich macht. Hat man das Alles durch genaue Beobachtung und Verglei-
chung mit dem Bau von Trematosaurus erkannt, so wird es endlich nicht gar schwer, an
den Resten der Gaumenbeine, welche auf den eingedrungenen Thon fest angeklebt sitzen, die
freien Ränder der beiden grossen Gaumenlöcher wahrzunehmen; was Anfangs nur Vermuthung
war, wird Thatsache: Archegüsaurus hat ganz, wie Trematosaurus , zwei grosse, lange,
vorwärts mehr zugespitzte Löcher am Gaumen, die seitwärts von den Gaumenbeinen umfassl
und in der Mitte durch den processus cultriformis des Keili^eins von einander getrennt wer-
den. Indessen dieser processus seilest war nirgends zu entdecken.
Nachdem sicii die Uebereinslimmung von Jlrchegosaurns und Trcnialosaiirus so weil,
wie CS geschehen ist, auch im Bau des Gaumengerüsles hat führen lassen, bliebe noch die wei-
tere Bezahnung dieses Gerüstes festzustellen Es hat mir nicht gelingen wollen, ausser den er-
wähnten 5 grosseren Gaumenziihnen irgendwelche Zahnspuren zu entdecken, allein ich zweiOe
darum doch nicht, dass sie in ähnlicher Anordnung wie bei Ti-fincdosunras, wenn auch in mehr
• sperriger Stellung, bei Archeyosaitrus vorhanden waren. Dass indessen auch die kleinen Gau-
menzähne neben dem inneren Rande der Choanen bei Archegosanrus vorkommen, will ich
damit niciit behaupten ; eine Spur derselben finde ich an der gerade hier seiir gut erhaltenen
Stelle des Pflugscharknochens nicht, darf sie aber auch kaum erwarten, weil diese kleinen Zähn-
chen, wenn sie da sind, an der entgegengesetzten Seite des Knochens, die nicht frei liegt, sitzen.
Lassen wir also diese Nebenfrage unentschieden, so können wir im Uebrigen uns von dem Gau-
mengerüst des Archeijosaurus eine vollkommene Vorstellung machen; es hatte ganz die Gestalt
— 26
desselben Gerüsles der Gattung Trcwidosaiirns und unterschied sich von ihm nur durch eine
mit der ganzen Kopfform harmonische, grössere Sclilankheit, welche besonders auch an der mehr
sperrigen Stellung der Gaumenzähne sicii zu erkennen giebt.
§• 12.
Wir kommen zum Unterkiefer, als dem letzten Knochen des Kopfgerüstes, welcher
zu schildern wäre. Auch dieser im Ganzen so solide Theil ist an keinem Schädel vollständig
erhalten, doch besitzen ihn die meisten kleineren Exemplare (Taf. II. Fig. 1 . 2. 6.), wenn auch in einer
sehr verdrückten Stellung. Ihre vergleichende Untersuchung ergiebt bald, dass seine äusseren Um-
risse völlig mit denen des Unterkiefers von Tretnatosaurus übereinstimmen. Der Unterkiefer ist
also grösstentheils gerade gestreckt, vorn sehr niedrig, ward nach hinten alhnälig etwas höher
und erhebt sich in der Gegend der Backe zu einem scharfen, gebogen begrenzten Kamm, der
gegen die Gelenkfläche wieder schnell herabsinki. Da wo oben die Gelenkfläche liegt, biegt
sich der bis dahin gerade untere Rand des Unterkiefers aufwärts, und bildet einen nach hin-
ten und oben gerichteten kräftigen Fortsatz, welcher auf der oberen Kante hinter der Gelenk-
fläche beginnt und schief abgestutzt endet. Dieser Fortsatz, ganz dem bei Trematosaurns
ähnlich, ist indessen etwas länger, offenbar weil auch der ganze Unterkiefer eine relativ grös-
sere Länge besitzt. Die äussere Fläche der beiden Schenkel des Unterkiefers ist gewölbt,
besonders stark am hinteren Ende, in der Gegend des Kammes, doch unter ihm, da wo der
Unterliiefer seine grösste Breite zeigt. Auf dieser Wölbung bemerkt man deutlich die furchig
strahlige Sculptur der freien Kopffläche. So weit ist aUes wie bei Trematosaurus, nur die
Spitze scheint anders beschaffen gewesen zu sein. Man sieht ihren Abdruck sehr deutlich in
der unteren Hälfte der grossen Schnautze Taf. I. Fig. 3. Die daselbst tief eingedrückte para-
bolische Mulde, welche den Steinkern rings umgiebt, ist nämhch der Abdruck des Unterkie-
fers. Aus ihr geht hervor, dass die Unterkieferhälften in der Symphyse innig verbunden wa-
ren, denn keine Spur einer mittleren Längsnaht ist zu bemerken. Es folgt ferner, dass die
Symphysengegend eine sehr beträchtliche Breite hatte und schon deshalb die Unterkieferhäif-
ten fester aneinander sassen, als bei Trematosaurus. Weiter erkennen wir an dem Abdruck
der Unterkieferspitze die, wenn auch schwache, doch deuthche strahUch-furchige Sculptur der
freien Kopfknochen, und ersehen aus den Punkten, von denen sie ausgeht, nämlich den äusse-
ren Seitenecken, dass hier die Ossificationspunkte der zahntragenden Stücke des Unterkiefers
sich befanden. Hiernach hätte der Unterkiefer von Archegosaurus , bei einer allgemeinen
Aehnliclikeit der Form mit dem von Trematosaurus, eine kräftigere Endspitze mit einer brei-
teren Verbindungsnaht besessen; Eigenschaften, die gewöhnlich bei lang- und spitzköpfigen
Amphibien aufzutreten pflegen, also mit dem Gesammtbau von Archegosaurus in passender
Harmonie stehn.
Die Bezahnung des Unterkiefers lässt sich sowohl an der besprochenen isolirten Schnautze,
als auch an den kleinern Exemplaren gut verfolgen. Sie stimmt ganz mit der des Oberkie-
27 —
fers, d. h. die Symphysen- und die vorderen Seitenzähne sind von gieichei- Grösse und ent-
sprechen denen des Oberiiiefers genau; hernach, von der Choanengegend an, werden sie
kleiner und zuletzt ganz feine schwache Stiftchen, die den meisten Exemplaren zum grösseren
Theile fehlen. Die beiden gi'ossen inneren Fangzähne, welche am Unterkiefer von Tremato-
saurus sitzen, scheinen bei Archegosaurus zu fehlen; nirgends habe ich eine Spur dersel-
l)en gefunden und was mich noch mehr in meiner Meinung bestärkt, auch im Oberkiefer keine
Vertiefung zu ihrer Aufnahme bemerkt. Jene schiefe Mulde hinter dem Zahnrande des Zwi-
schenkiefers, ist viel zu flach und viel zu sehr in die Länge gezogen, als dass sie zur Auf-
nahme eines grossen Fangzahnes hätte dienen können; sie nahm vielmehr die ganze Reihe
der Unterkiefer -Randzähne in sich auf und hatte eben deshalb die langgezogene Form. Zu-
gleich lässt sich aus ihrer grösseren Tiefe nach aussen zu folgern, dass die auf der Ecke
des Unterkieferrandes sitzenden Zähne die grössten waren, und sowohl gegen die Mitte hin,
als auch nach hinten, um sie herum etwas niedrigen Zähne standen, hn Ganzen aber waren
diese Zähne nicht viel grösser, als die entsprechenden des Zwischenkiefers; das beweist der
kleine Knochenrest mit dreien Zahnwurzeln, welche sich an der Spitze des Unterkiefers der
grossen Schnautze (Taf I. Fig. 3.) erhalten hat. Vergleicht man sie mit den Wurzelflecken
am Oberkiefer, so erkennt man die völlige gleiche Grösse. Auch der auf Taf. II. abgebildete
Kopf fies Archegosaurus latifrons beweist dasselbe. Man sieht in Fig. 3. die Zahnreihe des
Oberkiefers als Höhlungen im Gestein unter dem Schädel, und gleich dahinter die beiden mul-
denförmigen Gruben an der Innenseite des Zwischenkiefers im Abdruck als Erhabenheiten des
Gesteins, welche zur Aufnahme der Zähne des Unterkiefers bestimmt sind. Auch die Zähnezah-
len beider Arten stimmen überein, wenn man die Wurzelhöhlen mitrechnet.
Heber die Zusammensetzung des Unterkiefers aus seinen verschiedenen Knochenslücken
habe ich nichts ermilteln können, es wird aber auch darin die grüssle Uebereinstimmung mit
Trcmalosuiinis vermuthet werden dürfen. So weit auf dorn oberen Rande Zähne sitzen, reicht
das Zahnstück {os doifalc), welches zugleich die ganze Aussenfläche des Unterkiefers bis über
die Milte hinaus und den unteren Rand bildet. An der Innenseite schiebt sich zwischen seine
klaffenden Ränder das Deckelstück [os o/icrcularc). Hinter dem Zahnslück folgt auf dem obe-
ren Rande das kammarlig erhöhte Ivronen- oder obere Eckslück (os supraangulare), dem
an der Aussenfläche das radial sculpirle Haupt-Eckstück (os anyulare) anliegt und von da
bis zum unleren Rande reicht Den nach hinten vorragenden Fortsatz bildet in der unteren
und äusseren Partie wahrscheinlich eben dieser Knochen, das Haupt-Eckslück; die obere und in-
nere Fläche wird mit sammt der Gelenkgegend vom Gelenkstück [os ariiculare) eingenom-
men. Ob neben diesen fünf Knochen noch ein inneres oder unteres Eckstück (os suban-
tjulare s. coinplemeitlairc) vorhanden war, muss dahin gestellt bleiben; wahrscheinlich ist es,
dass es an der Innenseite des Unterkiefers den Eingang in den canfitis alvcolaris bedeckte, und
hier hinter dem Deckelslück lag.
28
§. 13.
Ich gehe schhesslich auf den inneren Bau der Zähne \veiter ein , nachdem ich ihre
Form und Grösse bei den verschiedenen zahntragenden Knochen besprochen habe. Jeder
Zahn ist ein schlanker, mit der Spitze et^\as zuriickgebogener Kegel (Taf. IV. Fig. 3.), dessen
vordere Seite etwas steiler .steht, als die hmtere, während die Basis selbst sich flacher nach
allen Seiten hin ausbreitet und innig mit der Knochenfläche, auf welcher der Zahn rulit, ver-
wachsen erscheint. Die Spitze des Kegels ist ganz glatt, aber etwas unter selben treten feine
vertiefte Streifen auf, welche in gleichem Abstände von einander rings auf der Kegelzone in
derselben Höhe anfangen. Ich glaube zuerst etwa 8 an jedem grösseren Kieferzahn wahrge-
nommen zu haben. Diese Furchen laufen, allmälig etwas tiefer werdend, zur Basis des Zahns
divergirend hinab und enden erst an ihrem Rande. So wie die Divergenz der Furchen das
Doppelte ihrer anfänglichen Entfernung erreicht hat, treten neue Furchen an der Kegelzone
zwischen den alten auf und laufen, wie diese, divergirend zur Basis hinab. Die Divergenz
zwischen diesen neuen Furchen und den älteren nimmt in gleicher Weise zu, und giebt,
wenn sie sich verdoppelt hat, wieder neuen Furchen Raum. Damit scheint die Furchenmenge
der grösseren Ivieferzähne erschöpft zu sein, allein an den sehr grossen Gaumenzähnen ver-
mehrt sie sich nochmals um eine Schicht, so dass diese Zähne durchschnittlich 32 Furchen,
die grösseren Kieferzähne nur i'i, die kleinen vielleicht nur IG oder 8 besitzen. Das ist die
äussere Form der Zähne; im Innern zeigen sie einen der äusseren Streifung analog lameüir-
len Bau. Jeder Zahn hat eine centrale, von der Basis bis fast zur Spitze hinaufreichende
Höhle, welche in dem oberen Theile des Kegels die Hälfte seines Durchmessers (Fig. G.), hi
dem unteren nur den vierten Theil (Fig. 5.) einnimmt. Von cHeser einfachen Miltelhöhle strah-
len offene Lamellen radial in die Zahnsul)stanz hinein, und diese Lamellen entsprechen nicht
den Furchen der Oberfläche, sondern ihren Zwischenräumen (Fig. 5.). Dadurch wird ticr Zahn-
kegel in ebenso viele radiale, an der Peripherie durch Umschlag mit einander verbundene
Blätter getheilt, oder mit anderen Worten: der eigentlich nur aus sehr dünner Zahnsubslanz
gebildete Mantel des Zahnkegels ist in so viele dicht aneinander gelugte Falten gelegt, als
wie viele Furchen er auf seiner äusseren Oberfläche zeigt, im Innern selbst aber bis zur
Spitze hohl. Es ist, als wenn man dem einer weiten ofTenen Papiertute ähnlichen Zahn da-
durch hätte mehr Festigkeit geben wollen, dass man seine ^^'and zu radialen Lamellen ein-
faltete; denn offenbar wird, indem man die dünne Wand in Falten legt, sie von innen her
mit eben so Aielen Stützen versehen, ihre Dauerhaftigkeit, ihre Trag- oder Widerstandskraft
also um ein Bedeutendes vermehrt. Den feinen Furchen der Oberfläche entsprechen im In-
nern diese Zahnblätter, denn jene Furchen sind nichts anderes, als tlie Mündungen dvv innig
aneinander gefügten Falten, in welche die Zahnwand gelegt ist. Die radialen offenen Lamel-
len der Zahnhöhle strahlen zwischen diese Falten hinein und trennen die Fallen von einan-
der; sie bezeichnen den durcli das Eindringen der Zahnwandfallen in die Zahnhöhle \ erengten
29
peripherischen Theil der Zahnhöhle, we es die Umstände der Zahnbildiing mit sich bringen.
Ein Bhclv in den halb offenen, halb abgebrochenen Zaim (Fig. 3.) macht Alles klar und weist,
durch Beachtung einiger Nebenunistande, noch auf Manches hin, was über den Bau und die
Erhaltung des Zahnes weitere Aufschlüsse geben kann. Man erkennt zuvörderst im jNüttelpunkt
der Basis, unter der offenen Zahnhöhle, ein Loch in der Knochensubstanz, welches an ande-
ren Zähnen auch aus mehreren kleineren Löchern neben einander bestehen kann und ins
hinere des Knochens unter dem Zahn führt. Ebensolche Löcher, theüs einzelne grössere lang-
gezogene, theils kleinere runde aneinander gereiliete, bemerkt man auch zwischen den Zahn-
i)lättern in der Tiefe der offenen Radien dei- Zahnhöhle; sie alle führen in die Knochensub-
stanz und durchbohren die Basis, über \^ elcher der Zahn aufgeführt ist, siebartig nach allen
den Richtungen, in welchen zwischen der Zahnsubstanz Lücken frei geblieben sind. Ja noch
mehr, die Löcher hi der Basis ziehen sich furchenartig an den Zalinblällern empor, und geben
den Seitenflächen derselben ein flach gestreiftes Ansehen. Die Betrachtung der beiden mit
freier Oberfläche uns entgegentretenden Blätter in Fig. 5. zeigt das deutlich. Alle diese Oeff-
nungen dienten im Leben zum Dnrchgange von Blutgefässen und Nerven, welche von der
Knochensulistanz aus in den Zahn eindrangen, um die in der Zahnhöhle steckende Matrix mit
ihrem Material zu ^ ersetzen. Durch die Oeffnungen drangen sie in die Zahnmatrix ein, und
wie diese in die eingefaltete Zahnwand ausstrahlte, so auch die mit ihr emporsteigenden Ge-
lasse oder Nerven. Angedrückt an die "NA'ände der Zahnblätter überkleidete sie die Mastrix als
eine lebendige und belebende Hülle, deren Gefässe sich auf die Wand selbst aJjdrückfen und
sciiwache Furchen in ihr bewirkten. Das Alles lehrt die genaue Beobachtung der petrificir-
ten Zähne. Sie giebt aber auch Aufschlüsse über die Vertiefungen zwischen den noch vor-
handenen Zähnen, deren früher beim Zwischenkiefer gedacht wurde. Die Abbildung einer
solchen Vertiefung im vergrösserten Maassstabe (Fig. i.) zeigt, dass sie völlig mit der Zahnba-
sis, nach Abhub des ganzen Zahnes, übereinstimmt; im Mittelpunkt der Grube ist eine centrale
Oetfnung, von welcher Radien zur Peripherie strahlen, die als langgezogene Spalten erschei-
nen, hinter denen am Umfange selbst kleinere Löcher auftreten. Es ist deutlich, dass auch
diese Löcher den Blutgefässen und Nerven der Matrix eines früher vorhandenen Zahnes zum
Durchgange dienten, und später, als der alte Zaiin abgestossen war, dem im Zahnsack über
der Vertiefung sich bildenden neuen Zahne zu Gute kamen. — Noch weitere Einzelnheiten
der Zahnbildung ergeben sich bei einer ^ ergleichenden Beobachtung der Zahnblätter. In der
Regel ist jedes Blatt eine einfache, von unten nach oben schmälere Falte; bisweilen aber hat
sie, wenigstens an der einen Seite, Nebenfalten. Bei dem in Fig. ö. abgebildeten Zahne findet
sich an zwei Stellen der rechten Seite dieser Fall; die letzte Falte ist gabelig getheilt, und
die drittletzte hat einen kleineren Nebenast. Auch an einigen anderen Zähnen hai^e ich das-
selbe bemerkt, aber häufig sind dergleichen Vorkommnisse nicht; sie gehören zu den Ausnah-
men, bilden aber keinesweges die Regel. Es scheint mir indessen von Wichtigkeit zu sein,
dass solche Nebenfalten überhaupt vorkommen, denn dadurch tritt der Zahnbau von Arche-
30
gosaurus dem Zahnbau der typischen Labyrinthodonten etwas näher. Das Charakteristische
des Zaiintvpus der letzteren besteht nämhch in dem wellenförmigen Hinundhergebogensein dei-
Substanzfalten, ^^ ie das aus meiner Schilderung und Abbildung des Zahnes von Trematosau-
rus (a. a. 0 S. 44-. Taf. IV. Fig. 6.) deutlich hervorgeht. Zu diesen Wellenbiegungen giebt
eine Nebenfalte, wenn auch nicht das directe, so doch das indirecte Analogon; denn beide
iiaben denselben Zweck: die Zahnwand durch Verstärkung des Zahnblattes entweder mittelst
eines Nebenastes, oder mittelst der wellenförmigen Aufwickelung in ihrer Tragkraft und Halt-
barkeit zu verstärken. Auf jeden Fall aber ist es höchst wichtig und für die Feststellung des
Labyrinthodontentypus überhaupt von grosser Bedeutung, bei einer Gattung, welche sonst alle
äusseren Charaktere dei' Labyrinthodonten besitzt, auf einen Zahnbau zu stossen, der nur im
Prinzip, nicht aber in seiner Anwendung unter einer bestimmten Form, mit den übrigen Gat-
tungen übereinstimmt. Die Gattung liefert zugleich den bündigsten Bew'eis, dass nicht die
concrete Form der Zahnstructur, wonach man die Labyrinthodonten benannt hat, ihren
eigentlichen Familiencharakler hergiebt. sondern dass derselbe in anderen, allgemeiner ge-
haltenen Bildungsverhältnissen liegt. Denn Archegosaurus wird immerhin bei den Laby-
rinthodonten bleiben müssen und keinei' anderen Amphibiengruppe sich richtiger anreihen las-
sen, als eben dieser. Nichtsdestoweniger fehlt ihm die labyrinthisch-gewundene Zahnsubstanz
der übrigen Gattungen. Erwägt man übrigens, dass der ganze unterschied darauf hinausläuft,
dass che Zahnblätter bei Archegosaurus geradlinigt gestreckt, bei den anderen Gattun-
gen aber wellenförmig nach ihrer Hauptrichtung gebogen sind, so wird man den
Unterschied von geringerer Bedeutung finden, als wenn man geradezu den Satz ausspricht,
Archegosaurus habe nicht die labyrinthische Zahnstructur der anderen Gattungen. Richtig
bleiiit diese Behauptung freilich immer, allein es ist ebenso gewiss, dass das labyrinthische
Gewundensein der Zahnblätter nicht den entscheidenden Hauptcharakter der Labyrinthodonten
bildet, sondern nur eine Eigenschaft angiebt, welche erst später, auf den höheren Entwicke-
lungsstufen des Labyrinthodontentypus, sich als Zugalie zum Familientypus einstellt.
§■ n-
Obgleich der Augenring keinen Theil hat am eigentlichen Schädelgerüst, so kann er
doch, als zum Schädel gehörig, nur an dieser Stelle passend besprochen werden. Dass ein
solches Gebilde im Augajjfel des Archegosaurus vorhanden gewesen ist, halte schon Gold-
fuss wahrgenommen, indess nichts weiter von ihm erwähnt (a. a. 0. S. 7.), als seine Zusam-
mensetzung aus einzehien Platten. In der That hält es schwer, zuverlässige Angaben über
den Augenring zu machen, weil man ihn nur im zertrümmerten Zustande und gewöhnlich nur
bei kleinen, an sich schon wenig deutlichen Exemplaren antrilTt. So\iel indess steht fest, dass
er einen völlig kreisrunden flachen, am äusseren Rande etwas einwärts gebogenen Ring bil-
dete, dessen Grösse dem Querdurchmesser der Augenhöhlenöffnung gleichkam: denn das sieht
man sehr deutlich aus der Krümmung, in welcher die noch zum Theil verbundenen Platten
— 31
neben einander liegen. Jede einzelne Platte ist ausserdem nach innen gegen das Centium
des Ringes verschmälert, an beiden Seiten geradlinigt begrenzt, und fin' sich ein >venig ge-
wölbt. Ob alle gleichgross waren, und wie hoch sich ihre Zahl beliel', ist noch zweifelhaft:
darf man indess die zusammenhängenden Reihen in ihrer Krümmung als Norm annelmien, so
ergeben sich etwa IG Platten im Ringe. So scheint es wenigstens nach dem Original von
Fig. 1 . Taf II., welches 4 Platten im linken Auge hat, die gerade einen Viertelskreis beschrei-
ben. .\llein nach dem Original von Fig. 6. ebenda scheinen einige Platten etwas schmäler
gewesen zu sein, als die übrigen, und dann hätte man mehr als IG Platten anzunehmen. Ich
glaube darum dem Augenringe 18 Platten zuschreiben und die schmäleren in ilen äusseren
Theil des Umfanges setzen zu müssen, weil sie am Original zu Fig. 6. Taf II. in dieser Gegend
der Augenötfnung liegen. Die Platten des Augenringes scheinen übrigens, wenigstens bei den
jungen Thieren, von denen wir sie allein bis jetzt kennen, sehr dünn gewesen zu sein und
vielleicht nur eine knorpelige Consistenz gehabt zu haben. Sculpturen bemerkt man niclit auf
ihrer Oberfläche, sie ist völlig eben.
Bekanntlich haben in der gegenwärtigen Schöpfung alle Vögel einen knöchernen, aus
Platten zusammengesetzten Augenring. Ausserdem findet sich ein ähnliches, aber weniger regel-
mässiges Gebilde bei den Schildkrölen und den typischen Sauriern, besonders den Baum-Aga-
men. Am ausgebildelslen ist der Augenring von Ic/ithijosauriis; er stimmt mit dem von Ar-
rfieyosaurns sowohl in der Gcsammlform, als auch in seinem Verhäilniss zur Augenhöhle ziem-
lich überein, hat aber Platten mit ungleicher, stark sculpirter Oberfläche und nicht geradlinigten,
sondern unregelmässig ausgebuchteten Rändern. Noch ungleicher ist die Form der Plallen bei
den lebenden Sauriern, ziemlich regelmässig dagegen bei den Vögeln.
zweiter Aliseliiiitt.
Vom Runipfskelet und den Gliediuassen.
Die Entzifferung des Runipfknochengerüstes von Archegosaurus bietet weit grössere
Schwierigkeiten dar, als die Schilderung seines Schädels; theils weil es an hinreichend be-
kannten Vorbildern dazu fehlt, theils und ganz besonders, weil die vorhandenen Reste
desselben noch viel undeutlicher sind, als die des Kopfes. Unter den njir vorhegenden Exem-
plaren ist das schon von G o 1 d f u s s a. a. 0. Taf III. Fig. 1 . abgebildete bei weitem das voll-
ständigste; ausserdem aber die vordere RuinpHiälfte eines doppelt so grossen Individuums,
welche mir vom Herrn Dr. Jordan mitgetheilt wurde, ganz besonders zur näheren Aufklä-
rung dieses Körperstücks geeignet. Ich habe sie im Druck und Gegendruck Taf. III. Fig. 3. und
4. darstellen lassen. Ebenda ist Fig. 2. die Brust eines noch etwas grösseren Thieres, welche
nach demselben Handstück schon durch Goldfuss, aber weniger genau, a. a. 0. Taf II. Fig. 3.
zur Abbildung gebracht worden war, verzeichnet. Noch ein viertes Rumpfstück dersel-
ben Grössenverhältnisse findet sich bei Goldfuss auf eben dieser Tafel in Fig. 1. u. 2., an
dem besonders die üljerall höchst unkenntlichen Wirbel sich besser erhalten haben. An allen
übrigen Exemplaren sieht man nur die Halsgegend, oder höchstens noch einen Theil des
Schultergürtels mit den benachbarten Rippen. Das Becken ist nirgends im Zusammenhange
mit der Wirbelsäule vorhanden, dagegen in einem isolirten Exemplare wenigstens grüssten-
theils erhalten. Seine Abbildung gab ich auf Tafel lY. Fig. 6. — Mit diesen im Ganzen
ungenügenden Trümmern muss die Restauration und Darstellung des Rumpfskelettes versucht
werden.
33
Ehe ich dieselbe in formelicr Hinsicht beginne, werde ich einige aligemeine Bemer-
kungen über die materielle Beschaffenheit der Riimpfkuochen vorausschicken. Obgleich eigent-
lich an keinem Exemplar die Knochen selbst sich gut erhalten haben, sondern nur aus ihren
Eindrücken in das Multergestein und den Resten, welche an den Wänden des Eindrucks haf-
ten geblieben sind, erkannt werden können, so zeugt doch diese Beschaffenheit genügend für
ihre vormalige Structur. Man erfährt dadurch sonder Z\^eifel, dass ihre Substanz weicher
war, als die Masse der peripherischen Kopfknochen und wahrscheinlich mit den nur auf der
Peripherie ossificirten centrobasalen Kopfknochen in der Beschaffenheit übereinstimmte. Ein-
zelne Rumpfknochen, z. B. die Rippen, sind ganz gewiss hohl gewesen, denn an manchen
Handstücken, z. B. an dem von mir auf Taf. IJI. Fig. 1 . theilweis abgebildeten (demselben, wel-
ches schon früher durch J. Müller in den Verh. d. naturf. Vereins der Rheinl. VI. Taf. 4.
Fig. .'3. in seinem ganzen Umfange zur Anschauung gebracht worden war) findet sich an jeder
Rippe nur eine schmale, schwarze Rinde erhalten, und der ganze innere Raum ist mit weissem
soliden Kalkspath angefüllt, der gegen beide Rippenenden hin allmälig in die hier schwammige
Knochensubstanz ausstrahlt. Fehlt eine solche Ausfüllungsmasse, wie gewöhnlich, so ist die
Höhle, welche der abgedrückte Knochen im Gestein hinterlassen hat, entweder ganz leer, oder
ringsum mit einer dünnen schwarzen, kohlenartigen Substanz bekleidet, deren äussere glatte
Fläche fest am Gestein anklebt, während die innere unregelmässige, zellig schwammige Ober-
fläche frei liegt. Das ist die innere Fläche des Knochens selbst, der ausgetrocknet und zu
kohliger Substanz reduzirt seinen geringen Gehalt an Kalkerde in einzelnen zarten Drusen hie
und da zwischen dem Schwammgewebe abgesetzt hat, während an anderen Stellen feine
Schwefelkieskrystalle sich sandartig eingestreut darin gesammelt haben. Sehr selten findet
sich ein grösserer Knochenrest, z. B. das röhrige Mittelstück einer Rippe, oder die Rinden-
schicht eines Wirbelfortsatzes, in verkohlter Substanz erhalten. Ich glaube aus dieser Beschaf-
fenheit schliessen zu dürfen, dass die Knochen von Archegosaurus hauptsächlich aus dem
organischen Knorpelgewebe bestanden und nur sehr wenig Kalkerde enthielten. Letztere ver-
schwand entweder aus dem Knochen, oder war überhaupt nur in äusserst geringer Quantität
vorhanden gewesen; denn sonst müsste sie sich noch reichlicher vorfinden. Die organische
Grundlage des Knochens verlor ihr Wasser durch Austrocknen und Hess, chemisch umgewandelt,
ihren Kohlenstoff zurück, während die geringen Schwefelantheile sich mit dem vom Wasser
zugeführten Eisen zu Schwefelkies vereinigten. Vielleicht bestand überhaupt nur die Ober-
fläche der Knochen aus festeren Theilen, und die centrale Materie blieb knorpelig, wie gegen-
wärtig bei den Knorpelfischen; denn ich weiss mir nur auf diese Weise den fast vollständi-
gen Mangel von Kalkerde in den meisten Gebeinen des Archegosaurus zu erklären. Dagegen
tritt das schwammige Knorpelgewebe, als die organische Grundlage des Knochens, so deutlich
in seiner zu Kohle reducirten Gestalt auf, dass man auch in dieser Form es nicht verken-
nen kann. Bekanntlich ist das Collagen, der Hauptbestandtheil des Knorpels, sehr reich an
Kohlenstoff (50 pCt.), und ilm besonders glaube ich in der glänzend schwarzen, anthracitför-
5
34
inigen Materie, welche die Wände der Knocheneindriicke iiljerzielit. annehmen zu dürfen. Eine
chemische Analyse habe ich freilich nicht angestellt.
§. 16.
Die Wirbelsäule (columna vertehrariim, Taf. III. «. «.J) ist unter allen Skelettheilen
des Rumpfes am wenigsten erhalten; offenbar, weil auch am Rumpf, gerade wie am Schädel,
die centralen Knocheö die geringste Consistenz besassen. Nur au dem auf Taf. III. Fig. 4. ab-
gebildeten Exemplar lässt sich, mit Hinzuziehung der von Goldfuss Taf. II. Fig. 1. abgebilde-
ten Stücke, die Form der Wirbel einigermassen erkennen; in jenem sind sie in horizontalen,
auf diesem zum Theil in lateralen Abdrücken sichtbar. Es ergiebt sich daraus, dass die Wir-
belkörper klein, kurz untl breit waren, also mehr denen der Fische, als denen der höheren
Amphibien ähnelten. Ein Wirbelkörper des grössten Exemplars aus der Halsgegend hat 3 bis
4 Linien Länge und 4 — G Linien Breite; er ist in der Mitte nur wenig verengt, und jeder-
seits mit einem fast ebenso breiten Querfortsatze versehen. Der Querfortsatz (Taf. III. Fig.
4. i. i.) ist etwas nach hinten gerichtet, und am Ende schief abgeschnitten , so dass er hinter-
wärts in eine scharfe Spitze ausgeht. Auf dem Körper sitzt oben ein breiter Wirbelbogen,
der dachartig gewöll)t ist und auf seiner Firste den breiten, etwas nach hinten geneigten,
massig hohen Doinfortsatz trägt. Am Grunde dessell^en ist jederseits, vorn wie hinten, ein
kurzer, flacher, wagrecht gestellter, abgerundeter schiefer Fortsatz bemerkbar. In der
angezogenen Figur erkennt man diese schiefen Foi'tsätze nicht, weil sie unter dem Gestein
hegen, von ihm umhüllt; dagegen sieht man sehr deutlich die nach hinten zugespitzten
queren Forlsätze, den Bogen, der flach gedrückt die Mitte jedes Wirbels einnimmt, und den
Dornfortsatz, der als scharfer Schatten vom Bogen aus in die Tiefe des Gesteins hinabsteigt.
In der von Goldfuss gegebenen Figur Taf. II. Fig. 1. hegen die 3 ersten Wirbel ebenso und
werfen denselben scharfen Schatten längs der Mitte; die folgenden Wirbel sind durch Druck
mehr auf die Seite gelegt, und man gewahrt die nach links geneigten Dornfortsätze im Um-
riss. Die schmalen Eindrücke daneben rühren von den Querfortsätzen her. An der unteren
Hälfte eben dieser Figur sind die breiten Lappen in der Mitte des Bildes Fortsätze des Mut-
lergesteins, welche zwischen die Wirbelbogen in den Rückenmarkskanal eindrangen, und
neben denen sich die schiefen Fortsätze abgedrückt haben. Hier liegen die Wirbel wieder
wagrecht, aber der senkrecht in die Tiefe hinabgehende hohle Dornfortsatz wird von den
eben beschriebenen Lappen des in den Wirbelkanal eingeflossenen Muttergesteins verdeckt. —
Die Anzahl der Wirbel muss sehr bedeutend gewesen sein; sie kann aber nur muthmasslich
bestimmt werden. Wenn man die verschiedenen Exemplare vergleichend betrachtet, so ergiebt
sich, dass dem grossen später zu beschreibenden Kehlschilde etwa 1 ä Wirbel an Länge gleich-
stehen. Hinter diesem Schilde hat nur 1 Exemplar, das von Goldfuss Taf. III. Fig. 1. abge-
bildete, im Zusammenhange mit dem Schilde, Wirbel ; man zählt hier 13 — 1 4 in einer Reihe hin-
tereinander; aber die Reihe beginnt erst eine Strecke vom Kelilschiide entfernt. In den bei-
35
t
den Stücken der Wirbelsäule, welche Goldfuss Taf. II. Fig.! abgebildet hat, findet man, die
Lücke mitgerechnet, 1 8 Wirbel, von welchen die drei ersten noch über der Kehlplatte liegen ;
diese Wirbelreihe hatte also vom Kopfe bis an ihr hin(eres Ende 27 Wirbel. Ob am ge-
nannten Ende schon das Becken sass, muss dahin gestellt bleiben, jedenfalls aber wird man
annehmen dürfen, dass ein Thier mit so schlanker Kopfbildung auch einen entsprechend schlan-
ken Rumpf nebst Schwanz gehabt habe, die Zahl der Wirbel also, bei ihrer grossen Kürze,
höchst beträchtlich gewesen sein müsse. — Was endhch die Berührungsflächen der Wirbel-
körper betrilTt, so Hess sich darüber gar nichts directes an den Präparaten ermitteln; wir wis-
sen aber aus den Untersuchungen von Owen und Plieninger, dass die Labyrinthodonten
concave Wirbelberührungsflächen besitzen, und dürfen sie darum auch bei Archegosaurns
vermuthen. Die geringe Grösse der Wirbelkörper harmonirt damit auch am besten.
Obgleich die vrm Owen beschriebenen Wirbel seines Labi/rtnl/iodon Icptoijnuihns
(Trans, geol. Soc. VI. 523. Taf. 45. Fig. 5 — 8.) einen viel solideren Bau haben, so slimmen
sie doch in der Kürze des Körpers, dem breiten /iroc. s/iinosus und dem starken, obgleich
schmalen , proc. iraitsversus mit dein von mir beschriebenen Wirbellypns des Archcijosaurus
überein. Auch die fest mit dem Körper verwachsenen Forlsälze sind beiden gemeinsam. Hätte
Arckegosaurus durch Knorpel angeheftete Fortsätze seiner Wirbelkörper gehabt, so würden sie
schwerlich mit dem Körper in Verbindung geblieben sein , sondern eben so leicht sich abgelöst
haben, wie bei den Ichlhyosauren. Plieninger hat (Beitr. zur Palaeont. Würtemb. Taf. IV. Fig. 6.)
eine Wirbelreihe von Mdsiodoitsauriis abgebildet, die in allen Hauptsachen sich den Wirbeln bei
Owen anschiiesst, obgleich ein Artikulationshöckcr für die Rippen, den Plieninger deutlich
beschreibt (a. a. 0. S. 58. seq. ö.b.b.}, an den englischen Wirbeln vermisst wird. — Ganz anders
aber, und auch von den Wirbeln des Archeyosaiirus verschieden, sind die Wirbel des von
Owen Labi/riiii/iodon {Aitisojins) scniiilalus genannten Thiercs (a.a.O. S. 538. Taf 46. Fig.
1 — 4,); sie scheinen mir eine generische Trennung ihres Inhabers vom Labijj-inl/iodon durch-
aus zu rechtfertigen. Owen vergleicht sie mit den Wirbeln der Salamandrinen und findet
sie denen im Ganzen analog. Wenn das, so sollte man kaum glauben, eine gleiche Verwandt-
schaft aus den übrigen Labyrintliodonlenwirbeln dcduciren zu können; indessen passt die kurze,
fischförmige Bildung ihrer Körper ebensowenig zu dem Wirbeltypus lebender beschuppter Amphi-
' bien. Ich finde vielmehr, dass der breite schief nach hinten gezogene proccssus iransvcrsus
und der ebenfalls sehr breite, aber relativ minder hohe proc. spinosus in Verbindung mit den
flachen, kleinen abgerundeten procc. obliqnis, sich wohl mit dem Bau der Amph. nuda Ic/i-
l/itjodcu in Parallele stellen liesse, besonders mit dem der kurzwirbeligen Sirenen. Dahin zeigt
der \A'irbellypus von Architjosauriis offenbar, und so wenig ich auch sonst der näheren Ver-
wandtschaft der Labyrinthodonten mit den nackten Amphibien das Wort zu reden geneigt
bin, so kann ich doch nicht leugnen, dass mir der Wirbeltypus von Archegosaurns mehr auf
nackte als auf bedeckte Amphibien hinzuweisen scheint. Eine im Einzelnen grössere Solidität
ihrer Wirbel und im Ganzen gedrungnere Ausführung des gemeinsamen Typus würde inzwi-
schen die Labyrinthodonten noch immer sehr deutlich von den heuligen nackten Amphi-
liien unterscheiden.
36
§. 17.
Die Rippen (costae, k. k.J scheinen eine etwas grössere Härle, als die Wirbel, be-
sessen zu haben, denn ihre Eindrücke im Gestein sind stets sehr scharf, und an manchen
tindet man ganze Stücke des zu einer schwarzen, kohligen Masse veränderten Knochens er-
halten. Man sieht daraus deutlich, dass der mittlere dünnste Theil jeder Rippe hohl war, aber
«lie Höhlung sich gegen die erweiterten Enden hin sanft zugespitzt verlor, um in das schwam-
mige Gewebe dieser Endtheile überzugehen. Die davon gebildeten erweiterten Enden der
Rippen scheinen auch weniger sohde gewesen zu sein; sie fehlen in der Regel an den noch
vorhandenen Rippen und ändern etwas ab im Umriss, was wohl \on der weicheren, leichter
durch den Druck zu verändernden Beschaffenheit herrührt. Jede Rippe hat an ihrem oberen
Ende, das am Wirbel haftete, einen sehr deutlichen Kopf, der mir mehr flachrund, als dreh-
rund zu sein scheint und eine massige Anschwellung bildet. Ob neben dem Kopf noch ein
tuberculum costae sass, steht mir dahin ; ich habe nirgends ein solches bemerkt. Bald hin-
ter dem Kopf hat die Rippe ihre dünnste Stelle und scheint hier ziemhch drehrund gewesen
zu sein; dann erweitert sie sich wieder mehr und mehr nach dem entgegengesetzten unteren
Ende zu. Diese Erw'eiterung und die davon abhängige Form der ganzen Rippe ist je nach
ihrer Stellung am Rumpf verschieden und giebt zur Annahme von mehreren Rippenarten Ver-
anlassung.
Die Halsrippen (vertehrae colli, Taf III. Fig. 4.J) sind völlig gerade in ihrem ganzen
Verlauf, eine lange Strecke hinter dem Kopf noch sehr dünn, dann aber schnell in ehie breite,
beilförmige Endiläche erweitert, welche wagerecht gestanden zu haben scheint. Diese End-
lläche ist an den vorderen Halsrippen kleiner, als an den hinteren, und erreicht ihre grösste
Ausdehnung an der letzten Halsrippe dicht vor dem Schultergürtel. Mit der Grösse der End-
platte nimmt auch die Länge der Halsrippen zu; die erste ist die kürzeste, die letzte die
längste. Ihre Anzahl scheint sich auf sechs, höchstens sieben belaufen zu haben, wie aus der
angezogenen Figur an deren linker Seite zu entnehmen ist. Fünf Halsrippen liegen daselbst
deutlich hintereinander, die sechste ist nur als Eindruck sichtbar. Wahrscheinlich gehört die
dritte dem ersten noch vorhandenen Wirbel an, woraus folgen würde, dass diesem Wirbel
noch zwei vorhergingen, denn so viele Halsrippen liegen noch da. An der rechten Seite
eben dieses Bildes ist die Lage gestört, doch lassen sich auch hier (3 — 7 Rippen nach-
weisen. *)
Die Brustrippen Qvertehrae dorsi, ebenda^) haben keine beilförmige Endsplatte
sondern nur eine allmälig auftretende Anschwellung und enden nicht, wie die Halsrippen, mit
einem gebogenen Rande, sondern mit einem scharf abgeschnittenen graden; dabei sind sie
*) In der Erklärung der Figur auf Taf. III. der Goj dfuss'schen Sclirift sind solclie Halsrippen für Stücke
des Scliiilterhlattes (/./.) und für Äriuknociien {g.) angesprociieii worden. Ilne Form ist nicht ganz
richtig wiedergegeben.
37
selbst mehr oder weniger gebogen. Die erste Brustrippe scheint sehr stark gewesen zu sein
und noch sehr wenig gekrümmt; sie hegt in dem angezogenen Bilde deutlich da zwischen
dem Schulterblatt (g.^ und dem Oberarm Ch.J als dicker stempeiförmiger tiefer Eindruck, der
einen kräftigen Knochen verrälh. Eine Rippe muss es sein; sowohl der Kopf am oberen
Ende, als die sanfte Anschwellung nach unten, weisen darauf hin. Die ihr mangelnde Krüm-
mung macht es mi^ wahrscheinlich, dass es die erste Brustrippe war, obgleich ihre Lage mehr
nach hinten gerückt zu sein scheint, als man erwarten sollte, wenn sie sich an die letzte
Halsrippe unmittelbar anschloss. Daran ist aber die Zerreissung des Rückgrates an dieser
Stelle Schuld, denn die schwarzen Eindrücke und Körper neben der letzten linken Halsrippe
sind verschobene und vöUig zerdrückte Wirbel QiJ. Gleich hinter dem Oberarm ("A.J) setzen
an der anderen Seite die Brustrippen fort und hier sieht man ihre Krümmung deutlich. Es
liegen daselbst drei Rippen, von denen die erste sehr schmal ist und nur mit ihrer hinteren
Hälfte sich eingedrückt hat. Aus diesem Eindruck sowohl, wie aus einigen anderen, geht
ileutlich hervor, dass die Rippen nicht drehrund sind, sondern flachrund, und dass die grössere
Breite des Endes nicht durch Druck entstanden, sondern normal ist. Die Zahl der Brustrip-
pen kann nicht bestimmt angegeben werden; die Figur 2. derselben Tafel, welche, wie der
anwesende Oberarm Qh,^ beweist, das vorderste Ende des Rumpfes darstellt, zeigt an der
rechten Seite sechs freie und drei unter das Fell geschobene Rippen, an der linken Seite
zehn, aber die letzte nur halb. Rechts sind die Rippen besonders gut erhalten, die erste
gerade ist unter die zweite geschoben, und dann folgen die anderen mit den schlankeren un-
teren Enden in gleicher Position aufeinander. Vergleicht man mit diesem Bilde die Figuren
•1. u. 2. der zweiten Tafel in Goldfuss Abhandlung, so bieten selbige einen ganz ähnlichen
Anblick dar; auch hier beginnt die Reihe mit der ersten fast graden Brustrippe, der in der
vollständigsten Folge noch 15 Rippen sicli anschliessen. Dass letztere nach hinten allmälig
schlanker, zierlicher gebaut, aber nur sehr wenig kürzer waren, lässt sich aus der Abbildung
entnehmen. Noch bestimmter erkennt man das allmälige Zierlicherwerden der Rippen aus
meiner Figur \. auf Tafel lU., welche, wie aus der Schuppenbildung hervorgeht, einem sonst
wohl eben so grossen Thiere, wie Fig. 2., angehört hat. Dann sind die hier sichtbaren Rip-
pen schon viel mehr hintere. Aber wie v\'eit die Rippen überhaupt reichten, ob bis zum
Becken, oder nicht so weit, oder gar weiter als dieses, wie bei den Ichthyosauren, das sind
Fragen, die sich zur Zeit noch nicht beantworten lassen, ja nicht einmal einei' irgendwie nur
begründbaren Vermuthung unterliegen.
Owen hat keine Labyrintiiodonlen-Rippen beschrieben. Die Abbildungen, welche Plie-
ninger (a. a. 0. Taf. V., VI.) von den Rippen des Mast odousaiiriis gegeben hat, sind zu undeut-
lich und erlauben keine genügende Verglcichung. Die nacklen Amphibien der Gegenwart haben
entweder gar keine Rippen, wie die ächten Batrachier, oder sehr kleine zugespitzte, wie die
Salaman drinen und Ichthyoden. Daran schliessen sich die freilich viel längeren, schlanke-
ren und stärker gekrümmten, aber doch ganz freien Rippen der Schlangen. Die Eidechsen
38
haben am Ende abgestutzle Rippen mit ganzen oder ruclimenläien Sicrnocoslalknochen; sie erwei-
tern sich al)er nicht nacli unten, wie die Rippen von Arcficgosaiirus. Aucii sind alle wahren
ßrustrippen der bedeckten Ampliibien relativ viel länger, schlanker und gestreckter, die Halsrip-
pen dagegen viel kürzer, breiler und nieiir axl- als beilförmig. Ich weiss daher keine irgend-
wie passende Analogie zu den beschriebenen Rippen des Archegosuurns aufzufinden; höchstens
könnte ihre relativ geringe Länge an einen Theil des Rippentypus der nackten Amphibien uns
mahnen. Aber das gerade abgestutzte, breite Ende spricht für Sternocoslalslücke, welche den
nackten Amphibien fehlen. Inzwischen habe ich solche Rippenanhänge nirgends bei Arc/iego-
sciHrus aufgefunden und nuiss darum annehmen, dass sie entweder zu weich, vielleicht nur knor-
pelig waren, um sich erhalten zu können, oder wirklich fehlten. Das Letztere ist mir um so
wahrscheinlicher, als auch das ßruslgerüst, wie sich später eigeben wird, Iheilweis knorpelig ge-
wesen zu sein scheint, und darin eine neue Analogie zu dem Typus der nackten Amphibien sich
anbietet.
§. 18.
Indem sich über die Verlängerung der Wirbelsäule zum Schwanz nichts Sicheres hat
ermitteln lassen, und ein dem Brustbein entsprechender Knochen nirgends aufzufinden war,
muss die Betrachtung des eigentlichen Rumpfskelets, nach Erörterung der Wirbel und Rippen,
als geschlossen angesehen werden; es bhelje mithin vom Skelet nur noch der Extremitäten
Erwähnung zu thun. -
Archegosaurus besass vier GHedmassen, das ist nicht zu bezweifeln; wir kennen die
vorderen ziemlich vollständig, aber von den hinteren bis jetzt nur das Becken und den Un-
terschenkel.
Die vorderen Gliedmassen waren im Vergleich mit der Grösse des Thieres sehr
klein und erreichten im Ganzen noch lange nicht die Länge des Kopfes, was höchst überra-
schend ist. Das erklärt man wohl zum Theil aus der Schwäche des Brustbeines, und seiner
aller Wahrscheinhchkeit nach bloss knorpeligen Beschaffenheit. Nirgends, an keinem einzigen
Exemplar, war in der Mitte der Brust ein unpaarer Knochen zu Ijemerken, der für das Brust-
bein hätte genommen werden können; und da es nicht wahrscheinlich ist, dass ein Amphi-
bium mit deutlichen Vordergliedmassen des Brustbeines ganz entbehren sollte, so bleibt keine
andere Annahme übrig, als dass es knorpelig war, wie bei den Salamandrinen und Ichthyo-
den. Ich glaube für diese Behauptung noch andere Beweisgründe anführen zu können, als
den völhgen Mangel einer knöchernen Platte an der Stelle, wo das Brustbein zu suclien ist;
namentlich die starke Eutwickelung der Hautknochen an dieser Stelle. Drei grosse Knochen-
schilder, ein mittleres und zwei seitliche, schützen diese Gegend und ergänzen dadurch eini-
germassen den Mangel eines knöchernen Brustbeins. Für ein solches können aber jene drei
Knochenschilder nicht gelten, theils weil sie superficiell sind und dieselbe Sculptur, wie die
Kopfknochen, haben, theils weil die Theile des Schullergürtels über ihnen liegen und nicht an sie
sich anlehnen. Es ergiebt vielmehr die nähere Untersuchung jener drei Knochenschilder, dass die
seitlichen unter den breiten Enden der Halsrippen an den Seiten des Halses hegen, das niitt-
39 —
lere Schild, welches weiter nach hinten reicht, die Kehle und den Anfang der Brust bedeckte,
also gerade da liegt, wo das Brustbein zu suchen wäre. Hier niiisste man es finden, wenn
es eine für die Petrification geeignete BeschaiTenheit gehabt hätte und doch fehlt es bestän-
dig. — Dagegen liegen neben diesem hinteren Ende des unpaaren Mittelschildes bei allen gut
erhaltenen Exemplaren zwei paarige Knochen, die in Form und Lage sich bei allen Individuen
ziemlich gleich bleiben und darum nicht zufällig an diese Stelle gerathen sein können, son-
dern ihre normale Lage hier haben müssen. Es sind das die Knochen, welche ich Taf. 111.
Fig. 3. u. 4., so wie Taf. IL Fig. 1.2. mit f.f.xx.g.g. bezeichnet habe. Sie können dem Rumpf-
skelet nicht angehören, weil sie weder mit den Wirbeln, noch mit den Rippen übereinstim-
men; das Brustbein können sie auch nicht sein, weil sie zu sehr aus der Mitte des Körpers
heraus auf die Seite geschoben sind, auch keine den Brustbeinplatten entsprechende Form
haben und paarig auftreten. Deshalb und besonders ihrer Lage wegen muss man sie zum
Schultergürtel rechneu.
Das eine Knochenpaar besteht aus zwei langen dünnen Gräten, (Taf. II. u. Ulf. f.) welche
immer von allen vorhandenen Knochen dieser Körpergegend am weitesten seitwärts vorragen
und an ihrem Ende eine schiefe, etwas verdickte Erweiterung zeigen. Am besten ist ihre
Stellung aus Fig. i . u. 2. Taf. II. zu entnehmen ; in Fig. 3. u. 4. Taf III. bilden die bezeichneten
kolbigen Anschwellungen den äussersten Rand der Versteinerung und haben dadurch stark
gelitten. Der Knochen liegt mit seinem vorderen, wahrscheinlich zugespitzten und sehr dün-
nen Ende über den Seitenschildern der Kehle im Fleische und folst in seiner Richtung ^anz
genau ihrer Direction. Deshalb hielt ihn Goldfuss für einen Fortsatz jener Schilder und
bildete ihn als solchen ab (a. a. 0. Taf III. Fig. 1. 2. i.A.), beide zusammen für die Zungenbein-
hörner erklärend. Diese Deutung ist unrichtig, \^eil die wirklichen Zungenbeinhörner neben
imd vor jenen Knochen vorhanden sind. Aber auch die Annahme eines wirklichen Zusam-
menhanges zwischen den Knochen f. f. und den seitlichen Kehlplatten e. e. meiner Figuren
widerlegt die schärfere Untersuchung vollständig; man überzeugt sich bald, dass die Knochen
ff. nicht am Rande der Kehlplaften haften, wie Goldfuss es ansah, sondern über ihren Rand
weggehen, noch eine geraume Strecke frei über den Kehlplattcn liegen (Taf II. Fig. 1 . ff.) und
dann wie abgebrochen enden. Hieraus erhellt, dass die Knochen im Fleische des Thieres un-
ter der Haut steckten, und Theile des centralen, nicht des peripherischen Knochengerüstes
waren. Wenn das, so können sie nichts anderes gewesen sein, als Theile des Schultergür-
tels, und zwar die unteren vorderen Quadranten *) desselben, d. h. die Schlüssel-
beine C^laviculae, ff). Dafür halte ich sie schon ihrer langgestreckten, tlünnen, am Hu-
*) Betrachtet man den Scluiltergürtel als Knoclienring, wie er denn das in der Tliat ist, so zerfällt er
durch das Einschneiden des Brustbeines und der Wirbelsäule in zwei Flälften, die os'teologisch wieder
aus je zwei oberen und zwei unteren Vierteln bestehen. Diese Viertelstheile nenne ich, der Ring- oder
Kreisform des Ganzen entsprecliend, Quadranten. Die oberen Quadranten sind einfach und I)este-
hen aus den Schulterblättern (scapuhie), die unteren aber paarig; ihr vorderes Paar wird von den
Schlüsselbeinen (claviculae, fttrculue der Vögel), ihr hinteres Paar von den Raf)ens chnabelbei-
40
meralende kolbig oder beilförmig ausgebreiteten Gestalt wegen und glaube, dass diese deut-
lich etwas geschwungene, leicht ausgehöhlte Erweiterung Theil nahm an der Bildung der
Schultergelenkgrube. Das Vorderende bheb frei, d. h. es heftete sich an keinen Knochen; es
trug aber wahrscheinlich die darauf schwebende knorpelige Brustbeinplatte, deren vorderen
Rand es umfassen mochte, allmälig immer spitzer werdend und darimi leichter zerstörbar als
das solide hintere Ende mit iler breiten Gelenkllache für den Oberarm.
Ich kann nicht leugnen, dass sowohl die beschriebene Form des Schlüsselbeines, als auch
die wahrscheinlich knorpelige BeschafTenhcit des Brustbeines, neue und sehr wesentliche Analo-
gien zu den nackten Amphibien herausstellen , während die allgemeine Uei)ereiiislimmung des
Kopfgerüstes mit dem Typus der Eidechsen und Krokodile gegen diese sicii immer mehr häufen-
den Beziehungen der Labyrinthodonten zu den geschwänzten nackten Amphibien in
den Hintergrund treten. Letztere haben allein von allen lebenden Amphibien ein knorpeliges,
aus zwei symmetrischen Plallen gebildetes Bruslgerüst, mit welchem die knöchernen Stücke des
Schultergürtels in directer Verbindung stehen. Bei den Salamandrinen findet sich am Schul-
tergürlel nur eine einzige Knochenplalte jederseits, welche für das Schullerblall genommen wird ;
einige Ichthyoden, wie Sircn, haben noch eine zweite hinter dem Schullergelenk, welche am
Rande der Knorpelplalte selbst liegt Unter den Fröschen behält Pt(j(t das paarige zweitheilige
sogenannte Brustbein der Salamander, aber völlig ossificirle clariciilae, scapulac und ossu co-
raciiidca, wie die typisciion Batracliier, denen die paarigen Knorpelplalten im Brustgerüst fehlen.
Der Bau von Arclieijusaiirus scheint mir zwischen diesen Gegensätzen die Milte zu halten. Von
den Salamandrinen nahm er die Bruslbeinbildung als Knorpelplatte an (ob paarig oder unpaa-
rig, das muss dahin gestellt bleiben), und verband damit das dünne, ziemlich lange knöcherne
Schlüsselbein der Frösclie, liess aber deren kräftiges Rabenschnabelbein nicht zur Entwickelung
konnnen, und folgte darin wieder ganz dem Charakter der Salamandrinen, mit welchen übrigens
sein gestreckter Körperbau wohl im Ganzen mehr harmonirte, als mit dem gedrungenen der Frö-
sche. Darum fehlt ihm ein besonderes os coracoideuni. Offenbar vertritt übrigens der lange
spitze Forlsalz, welcher nach vorn von den knorpeligen Brusiplallen der Salamandrinen und be-
sonders der Ichthyoden auszugehen pflegt, die Stelle des Schlüsseibeins, und wenn das der Fall
ist, so wäre es wohl geralhener, das ganze paarige, knorpelige Bruslgerüst derselben nicht für
das Brustbein, sondern für die unteren Quadranten des Schultergürlels überhaupt zu erklären, und
ein wirkliches Brustbein als fehlend zu betrachten. Ich muss gestehen, dass mir mit dieser An-
sicht der Typus der Frösche besser in Harmonie zu Irelen scheint. Dann Iiätle Archegosaurus
ein ossificirtes Schlüsselbein gehabt, und ein ganz knorpeliges Rabenschnabelbein, aber gar kein
Brustbein, weil ein solches weder zu seinem Typus, noch zu dem der meisten nackten, rippen-
losen Amphibien gehört.
Das Schulterblatt (scaputa, TdfAl.uAllg.ff.J ist ein relativ grosser kräftiger Kno-
chen von beilförmigem Umriss, welcher mit dem hinteren Ende des Schlüsselbeins in Verbin-
nen (oss. corucoidea , cluvicnlue der Vögel) geliildet. Analog ist dns Beclven zusnniinengesetzt; die
Darinljeine (ifio) sind die olitren, die Scliaamhein e {oss. piihis) die unteieii vorderen, die Sitz-
Ijeine (ischia) die unteren hinteren Quadiiinten.
41 ^ —
düng stand, und hauptsächlich die Gelenkpfanne für den Oberarmknochen trug. An einigen
Exemplaren hat sich die normale Verbindung beider Knochen noch gut erhalten, z. B. an dem
von Goldfuss Taf. III. Fig. 1. abgebildeten rechts, und an dem von mir Taf II. Fig. 1 . 2. dar-
gestellten zu beiden Seiten; man sieht, dass das kurze, wenig vortretende Stielende des Bei-
les an das erweiterte Ende der clavicula anpasst, und mit ihm fest zusammenliegt. Demnach
muss dort auch die Gelenkgrube des Schulterblatts sein, und mit dieser Annahme reimt sich
sein übriger Bau am besten. Auf Taf III. Fig. 3. sind beide Schulterblätter g. g. aus ihrer
normalen Lage verdrückt, aber dafür lasst sich ihre Gestalt und ihr ganzer Bau desto besser
erkennen. Man sieht, dass es eine ziemlich dicke Knochenplatte von der Form eines Halb-
kreises war, dessen Fläche gegen den senkrecht auf den Durchmesser des Halbkreises ste-
henden Halljmesser von beiden Seiten her etwas anstieg. In der Gegend dieses Halbmessers
hatte das Schullerblatt seine grösste Dicke, aber es fiel nach hinten zu nicht so gleichmässig
ab, sondern war dort anfangs etwas abgeplattet. Dieser nach unten gegen den Durchmesser
des Halbkreises hin verschmälerten Abplattung entspricht in ihrer Lage die Gelenkgrube für
den Oberarm; sie bildet daselbst einen kurzen, breiten, wenig vorragenden Stiel, welcher von
der hinteren Hälfte des Dinchmessers schärfer abgesetzt ist, als von der vorderen. Mit dem
Stiel und noch melir mit dem vor ihm befindlichen Theile des unteren Randes lag das Schul-
terblatt so, wie es aus Fig. 5. u. G. auf Taf II. deutlich zu entnehmen ist, am Schlüsselbein, und
wendete die von ihm und dem Schlüsselbein gel)ildete Schultergelenkgrube nach hinten und
aussen, so dass das Schulterblatt ihre obere, das Schlüsselbein ihre untere Hälfte hergab.
Die Gru])e selbst war ziemlich flach, denn weder das Schlüsselbein, noch das Schulterblatt,
boten für eine tiefe breite Gelenkpfanne die nöthige substanzielle Fläche oder Dicke dar.
Darum konnte nicht bloss die Exarticulation sehr leicht nach dem Tode des Thiers bei ange-
hender Verwesung erfolgen, sondern auch die Trennung des Schulterblatts vom Schlüsselbein
im Schultergelenk, und wenn das, wie man als Regel annehmen darf, durch einen langsamen,
nach und nach heftiger werdenden Druck von oben her geschah, so musste das Schulterblatt
immer neben dem abstehenden Schlüsselbein vorbei herabgedrückt werden. Dann wurde sein
unterer Rand mit der Gelenkgrube nach innen, sein oberer kreisrunder nach aussen gescho-
ben, und in dieser Verschiebung treten uns die Schullerblätter in Fig. 3. u. 4. auf Taf III. ent-
gegen. — Was endlich ilire substanzielle Beschaffenheit betriflTt, so zeigen sie sehr deutlich
ein excentrisch strahliges Knochengewebe, dessen Mittelpunkt dem ganzen Umfange der Ge-
lenkgrube entspricht. Aehnlich strahlt das parallel faserige Gewebe des Schlüsselbeins gegen
dessen Gelenkgrubenantheil auseinander. Letzterer Knochen ist häufig iu Substanz erhalten,
war also ziemlich hart; das dickere Schullerblatt ist nur im Abdruck sichtbar und scheint
weicher gefügt gewesen zu sein.
Wenn man den oben beschriebenen Knochen nicht für das Schulterblatt ansehen wollte,
so könnte er nur noch für das os coracoidenm genommen werden; wie Goldfuss das wirklich
gelhan hat ia. a. 0. S. 9. und Taf. III. Fig. 1. e., in der Erklärung). Mir giebt indessen seine mit
6
42
den Umrissen des Schulterblatles viel mehr übereinstimmende Gestalt einen entscheidenden Grund
dafür ab, ihn wirklicli für das Schullerblalt zu erklären. Dazu kommt, dass alle nackten Amphi-
bien wohl eine knöcherne scapula besitzen, aber nicht alle ein ossificirtes os curacoldcian, bei
Archcgoscmrns aber kein anderer Knochen vorhanden ist, den man als Schulterblatt betrach-
ten könnte. Der Mangel eines solchen neben Schlüsselbein und Rabenschnabelbein wäre aber
ohne alles Beispiel und deshalb nicht wahrscheinlich. Endlich würde der Knochen, falls er ein os
coracohh'um wäre, anders liegen müssen; er würde, da er als solcher wagrechl und mit dem
Schlüsselbein in gleicher Ebene lag, aus seiner Verbindung mit demselben am Schultergelenk
nicht so leicht herausgetreten sein, und so lange beide Knochen noch verbunden waren, das Ge-
lenk nach aussen, der gebogene freie Knochenrand nach innen zu liegen, so wie endlich die
Hauptrichlung des ganzen Knochens nieiir hinteiwärls als vorwärts gehen müssen. Dergestalt finde
ich den beschriebenen beüfürmigen Knochen nirgends gelegen. Dagegen erklärt sich seine be-
sondere Lage und seine mannigfach verschobene Stellung sehr gut, wenn man annimmt, dass er
als scapula schief nacli innen geneigt, der gebogene Rand nach oben gewendet, auf der erwei-
terten Endplatte der claiicula stand und über den Rippen lag. Letztere müssen deshalb mehr
nach innen zu neben ihm sichtbar werden, und da finden wir sie in der Tliat. Alle Verhält-
nisse der Form und Lage spreciien also dafür, den beschriebenen Knochen als Schulterblatt
zu deuten.
§■ 20.
Die eigentliche vordere Gliedmasse besteht aus den gewöhnUchen drei Abschnit-
ten: dem Oberarm (hunierus, Taf. II. III. ä./«.^, dem Vorderarm mit Speiche (radius,
ebenda Fig. 2.^./^ und Elle (ulna, ebenda m.m.) und der Hand (munusj, an welcher we-
nigstens vier Zehen ("ebenda n.J vorhanden waren. Betrachtet man die Knochen dieser
Gliedmasse zuvörderst im Verein, so muss die geringe Grösse derselben besonders auffallen.
Die Vergleicimng des Fig. 2. abgebildeten Exemplars, dem einzigen, woran die Theile der Glied-
masse unterhalb des Ellenbogengelenkes sich erhalten haben, ergiebt, wenn man seinen Oberarm
gegen denselben Knochen von Fig. 3. u. i. halt, dass dasselbe im Ganzen ein wenig grösser
war als letzteres. Das relative Grössenverluiltniss dieses Rumpfes zum Kopfe lasst sich aber
aus der Vergleichung der grossen Brustplatte mit den Brustplalten anderer Exemplare, an
welchen zugleich noch der Schädel haftet, finden; es beweist z.B. die Ansicht der Fig. o. u. 6.
auf Taf. IL, oder die ähnliche Fig. 1. auf Taf. IIL bei Goldfuss, dass die genannte mittlere
Kehlplatte der halben Kopflänge so ziemUch gleichkommt, vielleicht etwas länger ist. Nimmt
Juan dies Maass von Fig. 3. und vergleicht damit den grossen Kopf Taf. I. Fig. I., so passt
seine Länge recht gut zu der Grösse des Individuums von Fig. 3. u. 4., oder noch besser zu
dem etwas grösseren von Fig. 2., weil in iler Regel die Kehlplatte etwas länger ist, als die
halbe Kopfeslänge; wenigstens bei kleinen Exemplaren. Es könnte also der Vorderrumpf mit
der Vordergliedmasse, welcher in Fig. 2. abgebildet ist, sehr gut zu einem Kopfe gleicher
Grösse mit dein Taf. I. Fig. 1. abgebildeten gehören. Dann würde der ganze Arm vom Schul-
tergelenk bis zur Zahnspitze wenig mehr als die halbe Länge des Kopfes geraessen haben,
— 43
also mit der grossen Kehlplatte so ziemlich an Ausdehnung übereinstimmen. — Diese geringe
Grösse der Vorderbeine ist höchst überraschend. Beim lebenden Krokodil hat das ganze
Vorderbein schon eine grössere Länge als der Kopf; bei allen typischen Sauriern mit voll-
kommenen Gliedmassen ist es stets viel langer, nur der Ober- und Vorderarm zusammen plle-
gen etwas länger als der Kopf zu sein; bei den nackten Amphibien zeigen alle Frösche und
die Salamandrinen ein gleiches Verhältniss, und erst bei den Ichthyoden sinkt die Länge der
Vordergliedmassen, in Verbindung mit ihrer rudimentären Grösse, merklich unter die Kopfes-
länge hinab, am meisten bei Amphiuma und Proteus, deren Gliedmassen überhaupt die
kleinsten im Vergleich zum Rumpfe sind. Aber so klein, wie bei Archegosaurus , sind sie
auch hier nicht; denn sie behaupten noch immer die Länge des Kopfes, obgleich der Kopf,
wenigstens der von Proteus, nicht kurz genannt werden kann, sondern noch immer zu den
schlanken Kopfformen gehört. Darnach wiese uns die Gesammtform des Arms ebenso sehr,
wie der Bau des Schultergürtels, auf die nackten Amphibien hin.
Im Einzelnen betrachtet, kann der Oberarmknochen (h.h.J kräftig genannt werden.
Er hat die Form eines Stempels, ist am Schulterende breit abgerundet (Fig. 2.), von da gegen
die Mitte hin verdünnt, dann wieder verdickt und am Ellenbogen abgestutzt, mit einem Rand-
höcker, der auch an anderen Individuen (z.B. Fig. 3.Ä. links), erkannt wird, also schwerlich
zufällig sein kann. — Die Knochen des Vorderarms (l.u.m.J sind viel schwächer, obgleich
ganz ähnlich gestaltet, nur schlanker. Beide haljen fast gleiche Grösse; der vordere radius
(l) scheint am oberen Ende etwas schwächer zu sein, als am unteren; die hintere tilna (jnj
ist umgekehrt oben dicker als unten. Jeder von beiden zeigt grade abgestutzte Endflächen
und wenig mehr als die hallte Länge des Oberarms. Man sieht in Fig. 2. an der rechten
Seite nur noch die Eindrücke der verloren gegangenen Knochen, an der linken Seite, wo der
Oberarm fehlt, sind Speiche und Elle selbst vollständig erhalten. — An eben dieser Seite ist
auch die Hand wenigstens zum Theil übrig geblieben. Ihre Knochen (n.) liegen eine be-
trächtliche Strecke von den beiden Knochen des Vorderarms entfernt , ohne dass in dieser
Lücke Spuren ^on kleinen rundlichen Handwurzelknochen bemerkbar wären; wahrscheinlich
fehlten sie, wie bei den Iclithyoden, woselbst eine zusammenhängende Knorpelmasse ilu'C
Stelle vertritt. Die vorhandenen Knochen der Hand haben die schlanke Stempelform der Vor-
derarmknochen, sind aber noch viel kleiner und zierlicher. In der ersten Reihe liegen vier
etwas grössere Knöchelchen neben einander; sie sind offenbar die Metacarpusknochen.
Dass die äusseren beiden etwas schlanker erscheinen, als die zwei inneren, mag mehr Folge
des Drucks bei der Pelrification, als ursprüngliche Formverschiedenheit sein, obgleich auch
die Länge der inneren beiden etwas beträchtlicher zu sein scheint. Möghch ist es sogar,
dass diese beiden Zehen (in normaler Stellung des lebenden Thieres vielleicht nicht die inne-
ren, sondern die äusseren) grösser und kräftiger waren, als die anderen beiden, weil gerade
an ihnen die Zehen sich erhalten haben. Freilich ist nur die eine, in der jetzigen Lage innerste
vollständig erhalten; man sieht drei allmälig kleinere stempeiförmige Phalangen, von denen
6*
44
die letzte so entschieden zugespitzt ist, dass man sie für die wirklich letzte zu nehmen hat.
Diese Zehe halte also nicht mehr als drei Glieder. Von der nächsten sind nur zwei Glieder
erhallen, von den zwei andern gar keine. Es bleibt also dahingestellt, ob alle vier Zehen
dreigliedrig waren.
Ist die aus der geringen Grösse des ganzen Armes ebenso sehr, wie aus dem Bau des
Schultergürlels abgeleitete Analogie des Archegosatirus und der Salamandrinen oder Ichthyoden
als weiter maassgeberid anzusehen, so hatte Archegosaurus vorn nur vier Zehen, von denen
keine mehr als drei Glieder oder Phalangen besass. Gewöhnlich hat die kleinste und schwächste
Aussenzehc der Salamander nur zwei Zehenglieder, und wenn das auch bei Archegosaurus der
Fall war, so ist die völlig erhaltene Zehe in der That die innerste gewesen. — Je weiter man
übrigens in der Vergleichung des Arms von Archegosaurus mit demselben Organ lebender Am-
phibien geht, um so mehr überzeugt man sich, dass er zu den Typen der Saurier nicht passt.
Letztere besitzen sowohl einen viel schlankeren Oberarm, als auch viel längere, dem Oberarm
nur wenig nachsiehende Vorderariiiknoclien; in ihrer Handwurzel sind slels deutliche Carpuskno-
chen, und die Metacarpusknochen haben theils unter sich sehr ungleiche Länge, theils eine viel
grössere, als die darauf folgenden Phalangen. Alle diese Unterschiede fehlen den Armknochen
der Salamandrinen, und wenngleich ihr Oberarm nie so enorm viel dicker ist, als die Vorder-
arniknochen, so bietet er dagegen bei den Ichlhyoden ziemlich ähnliche Beziehungen zu densel-
ben dar; namentlich z. B. bei Andrlas und Menopoma, bei welchen auch das Schulterblatt die
meiste formelle Aehnlichkeit mit dem von Archegosaurus besitzt. Einen so starken kräftigen
Oberarmknochen, wie unser Genus, haben nur noch die Enaliosaurier, und leicht könnte man an
flossenförmige E.xlremiläten auch bei Archegosaurus denken. Dafür scheinen indessen die Vor-
derarmknochen zu schwach zu sein.
§. 21.
Von der hinteren Extremität ist nur das Becken (Taf. IV. Fig. 2.) und der Un-
terschenkel bekannt. Ersteres besteht aus zwei Paaren grosser kräftiger Knochen, die sich
leicht als Darmbein (Vitium, x.x.~) und Sitzbein (isc/iiitm, yy^ deuten lassen. Ob noch
ein besonderes Schaambein (os puhis) vorhanden war, liess sich an dem einzigen erhal-
tenen Exemplare des Beckens nicht erkennen.
Das Darmbein zeigt eine sehr grosse Aehnhchkeit mit dem von Owen abgebildeten
(a. a. 0. Taf. 45, Fig. 16. 17.) gleichen Knochen seines Liabyrinfhodoii pachygndthus (S. 533.),
doch fehlt ihm der kleine obere Nebenfortsatz, auf welchen Owen so grosses Gewicht legt,
weil er für die Analogie dieses Beckenknochens mit dem der Frösche ihm zu sprechen
scheint. Demnach unterscheidet man an dem Darmbein von Archegosaurus nur eine schmale
zugespitzte stielartige und eine breite, gewölbte beilförmige Hälfte. Die erstere hat einea
graden unteren Rand und einen massig gebogenen oberen, der mit jenem am Ende sich
herabbiegend in eine stumpfe Spitze zusammentrifR. Die eine Seite dieses schmalen Theils,
welche frei liegt, ist gewöUjt; die andere klebt am Gestein und liess sich nicht untersuchen.
Der breite beilförmie;e Theil steigt mit einem ebenso breiten Fortsatze abwärts und heftet sich
45
mit dessen ganzem unteren Rande an das Sitzbein ; seine obere Hälfte ist kürzer, stärker nach
vorn verlängert, abgerundet und seitwärts nach aussen gebogen, um die Ansalzfläche an das
Kreuzbein zu bilden. Die frei vorliegende Oberfläche wäre hiernach die innere, der obere
scheinbar abwärts gebogene Abschnitt derselben gäbe die Verbindung mit dem Kreuzbein ab
und die entgegenstehende nicht sichtbare untere Fläche enthielte die Gelenkgrube für den
Oberschenkel, die Pfanne. In der That findet sich in dem Muttergestein neben dem oberen
Rande des breiten Theils der sehr undeutliche rautenförmige Umriss eines schwammig gefüg-
ten Knochens, welchen ich, wegen seiner Unkenntlichkeit, nicht habe abbilden lassen können,
der aber wohl als Rest des Kreuzbeines zu betrachten wäre. Alsdann müsste der breite Theil
des Darmbeines als die vordere, der schmale als die hintere Hälfte dieses Knochens angese-
hen werden, und daraus würde folgen, dass das Darmbein in Lage und Umriss mehr dem
der Saurier, als dem der Batrachier ähnlich gewesen wäre. Bei den Salamandrinen und Ich-
thyoden ist das Darmbein ein sehr kleiner, länglich kelchförmiger Knochen, der im Leben
senkrecht steht und mit seinem oberen breiten Ende am Kreuzbein sitzt, während das untere
etwas dickere Ende das aüein vorhandene Sitzbein trägt, hidess geht aus der Ansatzfläche
des Darmbeines von Labyrinthodoii pachyynathus deutlich hervor, dass dies Darmbein in
wagerechter Stellung an das Kreuzbein geheftet war, wie das Darmbein der Saurier, und
dass der Haupttheil dieser Ansatzfläche sich an dem breiteren Theile des Darmbeiues befin-
det. Daraus sowohl, als auch aus der Lage des Pfannengelenkes, glaube ich folgern zu dür-
fen, dass der breite Theil des Darmbeines der vordere war, der schmale der hintere, das
Darmbein also ganz so lang, wie bei den typischen Sauriern. Hiermit lässt sich auch der
fragliche Nebenfortsatz, den Owen für die Affinität mit den Batrachiern anführt, füglich ver-
einen; denn nicht bloss die Monitoren, an deren Becken schon Cuvier (^Ossein, foss.
F. 2. tb. \1. f. -i^O einen ähnhchen Fortsatz dargestellt hat, sondern auch die ächten La-
certen haben einen freilich stumpferen Höcker über dem vorderen Rande des Pfannengelen-
kes. Ich glaube daher annehmen zu dürfen, dass auch das Darmbein \on Archegosaurus
wagerecht stand, dass sein breiter Theil der vordere, sein schmaler der hintere war, und dass
sich das Kreuzbein an der> oberen abgebogenen Rand des breiten Theiles ansetzte. Die
Figur stellt also das ganze ausgebreitete Becken, dessen Stand vom Maler willkürlich ge-
wählt wurde, so dar, dass sein vorderer Rand nach unten, sein hinterer nach oben gerichtet
erscheint.
Das Sitzbein ist kürzer aber breiter als das Darmbein, im Ganzen aber von ähnli-
chem Umriss. Ist die breite Hälfte des Darmbeins nach vorn, die schmale nach liinten ge-
wendet gewesen, so liegt das Sitzbein auf dieselbe Art. Die breitere Hälfte hat einen para-
bolischen Umriss. Vorn abgerundet, nach hinten zu am breitesten, wird sie plötzlich durch
einen Abschnitt am äusseren Rande fast um die Hälfte verschmälert, und spitzt sich mittelst
ehies schiefen Endrandes sehr stark nach aussen zu. In der Mittellinie stossen beide Sitz-
beine in einer graden, etwas heraligebogenen Naht zur Symphysis aneinander, gehen vorn
- — 46
mit ihren gebogenen Rändern auseinander und sind hinten durcli den Einschnitt, den die
schiefen Endränder bilden, weit getrennt. Die vordere Hälfte des Aussenrandes ist, so weü
der iM-eitere Theil reicht, mit dem Darmbein verbunden, die hintere frei. Im Leben hing das
Sitzbein in wagreciiter Stellung, vom Darmbein getragen, an dessen unterem Rande und schloss
durch die Symphysis den Beckengürtel nach unten. — Beide Knochen sind übrigens ziemlich
dick und bestehen überall aus einem lockeren schwammigen Gewebe, dessen Oberfläche ein
dünnes aber festeres Knochenblatt bildet. In demselben sind nur sehr schwache Ossifications-
radien zu erkennen. Die grössere Hälfte der so gebildeten Knochenmasse ist verloren gegan-
gen, obgleich die Oberfläche und der Umriss beider Knochen sich in scharfen Abdrücken gut
erhalten hat.
In (lein Becken von Archegosaurns treten uns neue Räihsel rücksichllicli der systema-
tischen Affinilät entgegen. Ist es vollständig erhallen, so bestand es nur aus 2 Knochenpaaren,
ein Fall, der gegenwärtig nur bei den nackten Ampliibien, den Salamandrinen und Ichlhyoden
vorkommt, aber damit harmonirt die Form und Grösse der Knochen weit weniger, als man er-
warten sollte. Bei allen Salamandrinen und Ichlliyoden mit Becjten ist dies Oigan klein und
schwach, selbst kleiner als der Schultergürlel, während ArchcgosuHrus ein gegen den Schulter-
fTürtel gehalten sehr kräftiges Becken besitzt. Das zeigt auf grössere kräftige llinlergliedniassen
liin, die allgemeine Eigenheiten der Frösche und typischen Saurier sind. Während aber das
Becken von Archeyosaurus mit dem der Frösche gar keine Aehnlichkeit hat, gleicht es dage-
gen dem der typischen Saurier in vielen wesentlichen Punkten, l)esonders wenn man annehmen
darf, dass ein Schaambein vorhanden war, dasselbe aber sich ablöste, bevor dies Beckene.xemplar
ins Gestein eingehüllt wurde; welche Annahme wenigstens insofern sehr statthaft ist, als alle ty-
pischen Saurier ein langes, oft sehr dünnes, weit vom Silzhein abstehendes Schaambein zu be-
sitzen pflegen. War ein solches vorhanden, so musste es mit seinem Kopfe in den Winkel hin-
einpassen, den Darmbein und Sitzbein an ihrer Verbindung nach vorn (in der Figur nach unten)
freilassen und dort Antheil an der Bildung des Pl'annengelenkes nehmen. Leider ist an dieser
Stelle das Umhüllungsgestein etwas zertrümmert, indess doch nicht ganz; und sicher würde man
die Spur des Schaambeins erkennen, wenn ein solches, als dies Becken von seinem Wutterge-
stein umschlossen wurde, noch vorhanden gewesen wäre. iS'ehmen wir also das Becken, so wie
es vorliegt, als vollständig an, so hat es durch die Zweizähligkeit seiner Bestandiheile einen
Hauptciiarakter der nackten Amphibien an sich, gleicht aber, was die Form der Knochen im
Einzelnen betrifft, mehr dem der Saurier, als dem der Batrachier.
§• 22.
Am unteren Ende des von Goldfuss schon kenntlich genug abgebildeten (a. a. 0. Taf HI.
Fig. 1.) vollständigsten Exemplares eines jungen Archegosaurus , welches ich ebenfalls vor
mir habe, liegen vier ziemhch starke stempeiförmige Knochen (a. a. 0. A. u. j. links), welche
bei gleicher Länge sich etwas in der Stärke von einander unterscheiden. Goldfuss hält
(a. a. 0. S. 9.) die stärkeren Qh.^ für die Oberschenkel, die schwächeren (i^ für ünterschen-
kelknochen. Ich kann dieser Ansicht nicht beipflichten; Iheils weil die als Oberschenkel ge-
— 47
deuteten Knochen viel zu schwach dazu sind, im Vergleich mit dem Oberarm; tlieils weil die
Unterschenkel bei jener Annahme nur durch einen Knochen repräsentirt sein würden, was
nicht gut möglich ist, wenn man die Theile noch so wohl in ihrer Verbindung erhalten findet,
wie an diesem Stück. Ich halte \ iehnehr beide Knochen für Unterschenkelknochen, den etwas
stärkeren für das Schienbein llif/ia), den schwächeren für das Wadenbein (phul(Q\ dann
wäre der grosse schwere Oberschenkelknochen %erloren gegangen, und nicht minder der zar-
tere Fuss mit seinen sperrigen Zehen. Nur ein Knochen ist von ihm noch da, ebenfalls ein
stempeiförmiges Beinchen von der halben Länge der Unterschenkelbeine (Goldf. a. a. 0. k)
und das lässt sich sehr gut als ein Plattfussknochen ansehen, wenn man die Analogie der
vorderen Extremität als Massstab nimmt. Im Einzelnen ist übrigens die Form jener fünf Kno-
chen ganz cüeselbe; sie sind, wie ich schon erwähnte, stempelförniig, in der Mitte stark ver-
jüngt, nach beiden Enden kolljig verdickt, flach gedrückt, und am Ende abgerundet. Mit dem
Zirkel gemessen, erscheinen sie völlig gleich lang, Q\ Linien, aber au ihren Enden ungleich
breit; die vorderen fast 2^ Linien, die hinteren kaum 2 Linien. Darum halte ich jene für
Schienbeine, diese für Wadenbeine. Das kleine Plattfussknöchelchen hat nur 4 Linien Länge
und minder gleichförmige Enden; sein nach vorn gewendetes Ende ist kugelig gewölbt, das
nach hinten gerichtete abgestutzt, ganz wie bei Metatarsusknochen oder Phalangen. — Für
Rippen sind diese Knochen zu grade und zu dick gegen ihre Länge, und Beckenknochen
können es ihrer Gestalt wegen nicht sein. Ich glaube vielmelu', dass das Becken weiter nach
hinten lang und die ganzen Beine beim Einhüllen des Thiers vorwärts geschoben wurden;
wäre das Exemplar länger geblieben, so würden Oberschenkel und Becken sich wohl zeigen;
sie rissen mit dem Schwanz ab, als der weiche faulige Leib schon im Schlamm lag und von
den Wellen hin und her gewälzt ^^urde. Früher schon waren die Zehen verloren gegangen.
Wenn die von mir g-eguljene DenUiiig der eben bescluiebeiien Knochen die riclilige ist,
so liisst sich, mit Hinzuzieliuiig der anderen Exemplare, die relative Grosse beider Gliedmassen
bestimmen, denn glücklicher Weise sind iiiuii die beiden Vorderarmknochen an eben diesem von
Goldfuss Taf. III. Fig. 1. abgebildeten Exemplare erhallen. Letzterer hat sie niclit erwähnt und
sein Zeichner fiilschhch als Rippen dargestellt; sie liegen an der rechten Seite nicht weil vom
Oberarmknochen, und sind in der Figur ebensowenig, wie dieser, mit Buchstaben bezeichnet.
Zwischen e. und m. bemerkt man sie abgerückt vom Körper im Gestein und davor die Hälfte
des Oberarms, von einer Rippe, die sehr schlecht gezeichnet ist, bedeckt. Ihre grade Form, ihre
genau parallele Lage, ihr mehr stempelfönniger Umriss und ihre geringere Grösse unterscheiden
sie von den Rippen und lassen nicht zweifeln, dass es die Vorderarmknochen sein müssen; sie
messen 2i Linien. Also verhalten sich der Unterschenkel zum Vorderarm wie 6^ zu 2\ oder wie
25 zu 10. — Nun hat bei dem grossen Exemplar, welches ich auf Taf. lil. Fig. 2. abbilden liess,
der Vorderarm 6 Linien Länge, während der Oberarm 12 Linien lang ist; folglich muss dessen
Unterschenkel eine Länge von 15 Linien gehabt haben, und wenn das Verhältniss vom Ober-
schenkel zum Unterschenkel dasselbe war, Avie das Verhältniss vom Oberarm zum Vorderarm, so
mass sein Oberschenkel 30 Linien oder 2^ Zoll. Wir haben hiernach folgende ungefähre Ver-
hältnisse anzunehmen.
48
Exemplare.
Länge
des
Kopfes.
Länge
des
Obeiarms.
Länge
des
Vorderarms.
Länge
des
Oberschenkels.
Länge
des
Unterschenkels.
Das bei Goldfuss Taf.
III. Fig. 1. abgebildete.
Das von mir Taf. III.
Fig. 2. abgebildete.
31'"
76'"
5'"
12'"
2^'"
6'"
12i'"
30'"
6i'"
i5'"
Bedenkt man, dass der Kopf der grösseren Individuen relativ etwas länger ist, als der
mittleren und kleineren, so passt die gefundene Zahl der Kopfeslänge ziemlich gut zu der beob-
achteten Grösse des grössten Kopfes, und wir erhalten dadurch, dass wir diesem grössten Kopfe
auch den beobachteten grössten Oberarm beizugeben uns anderweitig für befugt hielten (vergl.
§. 20.) einen neuen Grund, die Verhältnisszahlen vorstehender Tabelle für ziemlich richtige Grös-
senangaben zu betrachten. Das ganze Bein war also über 2^ mal so lang, wie der Arm, und
wenn, wie das Original von Taf. III. Fig. 2. darlhut, der Arm der grössten Individuen, mit der
Hand, etwa 3 Zoll lang war, so halte dessen Bein mit dem Fuss eine Länge von 7 — 8 Zoll; es
übertraf den ganzen Kopf nur wenig an Ausdehnung. Das wäre immer noch ein sehr kleines
Bein für ein Amphibium!
§■ 23.
Ausser den TheUen des inneren Skelets von Archegosaiirus , welche wir bis jetzt
kennen gelernt haben, findet sich noch ein Knochen vor, nämlich das Zungenbein (^os
hyoklenm. Taf. II. III. a. b.l/J. Schon Goldfuss hatte es aufgefunden, aber irrthünilich als
Theil des grossen Kehlschildes angesehen, und war dadurch zu der Annahme verleitet wor-
den, dass dieses Kehlschild selbst Zungenbein sei. Es erleidet jedoch die völlige Trennung
und Selbständigkeit beider Knochenplatlen gar keinen Zweifel mehr, denn man sieht nicht
bloss Taf. III. Fig. 3. die offene Lücke zwischen ihnen (u. und d.), sondern es ist in der Re-
gel das Zungenbein über die Kehlplatte geschoben (Taf. II. Fig. 1.2.6.), was nicht der Fall sein
könnte, wenn beide nur ein und derselbe Knochen AAären.
Das eigentliche Zungenbein liegt vor der Kehlplalte hinten zwischen den Aesten des
Unterkiefers und scheint im ganz normalen Verhältniss von der Spitze der Kehlplatte, um mich
dieses passenden bergmännischen Ausdrucks zu bedienen, unterläuft zu werden. In Folge
der Versteinerung können nach ilirer Anordnung beide Knochen auf dreifach verschiedene
Weise sich verhalten; nämlich: 1) das Zungenbein und die Kehlplatte bleiben in richtiger Lage
gegen einander, werden aber durch den senkrechten Druck fest aneinander gepresst, und er-
scheinen nun als ein Knochen. So beobachtete sie Goldfuss (a. a. 0. Taf. III. Fig. 2.). —
2) Das Zungenbein wird nach vorn, die Kehlplatte nach hinten verrückt, und es erscheint eine
Lücke zwischen beiden. So sah es Goldfuss bei Fig. 1. Taf III. und ich in Fig. 3. Taf. III. —
3) Das Zungenbein wird nach hinten oder den Seiten verschoben und liegt auf oder neben
der Kehlplatte; so sah ich es in den Originalen von Fig. 1.2. S.u. 6. Taf. II. meiner Schrill. —
: 49
Wie namentlich diese eben cifirten Abbildungen lehren, ist das Zungenbein eine herzförmig
gestaltete Knochenplatte, deren Spitze nach vorn gerichtet ist, wahrend die ausgebuchteten
Endlappen seitwärts nach hinten aus einander stehen. Das Vorderende bleibt gewöhnhch
unter den Kopfknochen versteckt imd wurde von Goldfuss nicht erkannt; ich habe es ziem-
lich vollständig an dem Original von Fig. 5. verfolgen können. Man sieht hier deutlich, dass
es einen langen, dolchförmigen, flachrunden Fortsatz bildet, der die doppelte Länge des Zun-
genbeinkörpers hat, und vorwärts bis in die Gegend der Augen reicht. Ganz vollständig war
er nicht am Original von Fig. 5.; er kann also noch weiter nach vorn reichen, als ich es
dort angedeutet habe. Die Spitze geht sanft und allmälig vom Körper aus und grade da, wo
sie sich zu bilden beginnt, liegt im Körper der offene Ossificationspunkt. Hinter demsell:)en
wird der Körper immer breiter und theilt sich nicht undeutlich in vier divergirende , durch
seichte Ausbuchtungen am Hinterrande getrennte Lappen. Die Seitenlappen sind schmäler,
spitzer, stark gewölbt und mit ihren freien Rändern herabgebogen ; die breiteren j\httellappen
haben einen bogig begrenzten Endrand und eine älinliche aber flachere Läugswölbung. Da-
durch erscheint die hintere Fläche des Zungenbeins 4 mal wellenartig gehoben und gesenkt.
Sein Rand ist scharf und ohne Einsdinitte, obgleich in Fig. 3. Taf IL bei a. sich Zacken an
ihm zeigen; das aljer sind Risse und Lücken im Knochen, nicht natürliche Formen. Neben
den äusseren spitzeren Lappen des Zungenbeins liegen bei allen wohlerhaltenen Exemplaren
zwei kleine zylindrische, gebogene, nach den Enden etwas erweiterte Knöchelciien im Gestein,
welche sich durch eine ungemeine Glätte und sehr tiefe Farbe auszuzeichnen pflegen, biswei-
len aber auch nur (so am Original von Fig. 3. Taf. III.) als Lücken im Gestein vorhanden sind.
In diesen Knöchel eben erkennt man ungezwungen die Zunge ab einhörn er {cornua ossis
hyoidei, bJf.). Sie sind kürzer als die halbe Breite des Zungenbeinkörpers, am Ende grade
abgestutzt, vielleicht selbst etwas vertieft, was auf einen Ansatz, eine Art Epiphyse deutet.
Goldfuss hat auch diese Knöchelchen mit Unrecht als unmittelbare Theile der äusseren Zun-
genbeinspitzen angesehen; ich konnte die Lücke zwischen ihnen und dem Körper nie verken-
nen. Kiemen, die er daneben beim Original von Fig. 1 . Taf IlL wahrgenommen haben will,
suchte ich vergebens; zwar finde ich an demselben Exemplar einige schwarze zackige Flecken
im Gestein, aber durchaus nicht die Anordnung derselben, welche Goldfuss ihnen giebt.
Ich halte diese Fetzen für Haultheile: wahrscheinlich sind es die freien Ränder der Kehlhaut-
falten, welche dem Archegosaurus , als Schuppenträger, ebensogut eigen sein konnten, wie
den meisten der heutigen typischen Saurier.
Das Zungenbein von Archegosaurus passt genau zu keinem Zungenbein lebender Am-
phibien. Nur die typischen Saurier haben eine stark verlängerte Spitze am Zungenbeinkör-
per, aber sie ist viel feiner und der Körper schwächer; daneben treten lange, feine, fadenför-
mige Zungenbeinhörner in doppellen Paaren auf. Auch die Schildkröten besitzen zwei Paar
cornuu hijoidea. Ein Paar Ircffcn wir bei den Crocodilen und den nackten Amphibien;
bei ersleren ist jedes Zuiigenbcinhorn zweigliedrig, bei letzteren nur- eingliedrig; aber der Zun-
7
50
genbeinkörper hat einen ganz anderen, nach vorn erweiterten, bei den Fröschen tief ausge-
buchlelen Umriss. Nicht complicirter ist das eigentliche Zungengerüst bei den Salamandrinen
und Ichthyoden, allein es weicht schon in der Form des schlanken, siempelfürmigen Zungen-
beinkörpers sehr wesentlich vom Zungenbein des Archegosmirus ab, und dazu kommen noch
die sehr grossen und starken Zungenbeinhörner. Sie tragen den Kiemenapparat nicht, sondern
der Körper trägt ihn , indem er an dessen hinleres Ende mit gesonderlen paarigen Elementen
seillich angefügt ist. Das Alles trifft fast in keinem Punkte mit dem Zungengerüst von Archc-
gosaurus zusammen, und darum kann ich nicht glauben, dass Kiemen bei ihm vorhanden waren;
vielmehr stellt sich sein Zungengerüst als eine ganz eigenlhümliche Form heraus, in deren An-
lage durch die Grösse des Körpers die Crocodile, durch die verlängerte Spitze am Körper die
Eidechsen, und durch die kleinen einpaarigen Hörner die Frösche hineinspielen. Im Ganzen
muss die Zunge von Archegosauriis gross, stark, lang, nach vorn verschmälert, aber wohl un-
gespalten und nicht sehr weit ausstreckbar gewesen sein.
Dritter Abscliiiitt.
Von den äusseren Bedeckungen und der Haut.
§• 24.
Die Anwesenheit eigenthünilicher Gebilde auf und in der Haut zu ilirem Schutze lässt
sich l)ei Archegosuurus gar nicht bezweifehi; fast jedes auch noch so kleine Bruchstück
seines Rumpfes giebt dazu die deutlichsten Belege. Es kann also insofern von einer Ueber-
einstimmung wenigstens dieser Gattung mit den nackten Amphibien nicht wohl die Rede
sein, Archegosuurus war gewiss nicht nackt, sondern er war von verschiedenartigen Pan-
zerstücken und Schuppen bedeckt. Aber eben diese Verschiedenartigkeit ist es, welche im-
sere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Sehen wir jetzt Haulbedeckungen bei Amphibien, so
finden wir in den vorhandenen bei einer und derselben Art eine gewisse Uebereinstimmung,
die eine durchgreifende Gruiidanlage verräth. Sind es knöcherne Schilder, wie bei den
Schildkröten oder Krokodilen, welche in der Haut ihren Sitz haben, so zeigt uns zwar
die äusserste Oberfläche noch eine gewisse Mannigfaltigkeit, z. B. bald einen hornigen festen,
bald einen weicheren lederartigen Ueberzug darauf; allein die Schildbildang ist durchgreifend
an allen Theilen. Ist dagegen, wie bei den typischen Sauriern oder Schlangen, nicht
sowohl die in der Haut vorgegangene Knochenbildung des primären Organs der Bedeckung,
sondern die auf der Haut liegende hornige Epidermidalschicht das eigenlliche Bedeckungsor-
gan, so formen sich aus iln- Schuppen, Stacheln, Warzen oder kleine Täfelchen, zu denen die
schwachen Knochengebilde in der Haut im untergeordneten Verhältniss stehen. Aber es
giebt in der Gegenwart keinen Fall, wo diese beiden Hauptformen der Amphibienbedeckimgen
gleichzeitig an demselben Thiere aufträten. Nichtsdestoweniger hat er existirt, und zwar eben
bei Archegosuurus , wenn nicht bei allen Labyrinthodonten. Diese sonderbare, durch
52
den Verein heterogener Formelemente des Knochenbaues schon so merkwürdige Familie hat
auch äusserlich denselben Charakter besessen; sie hat die Gegensätze der heutigen Amphi-
bienbedeckungen in sich zu vereinigen gewusst.
Eine kurze allgemeine Schilderung, der sich die besondere Betrachtung der einzel-
nen Bedeckungsarten anreihen ^vird, mag uns von dieser Mischgestalt näher unterrichten.
Der Kopf hatte keine anderen Bedeckungen, als die allgemeine Körperhaut, welche
sich über sein Knochengerüst, so weit es mit superficiellen Sculpturen geziert ist, unmittelbar
ausbreitete. Dass dem so sei, beweist nicht bloss die directe Beobachtung, sondern auch die
Analogie lebender Amphibien, zumal der Crocodile. Ihre sculpirten Kopfknochen sind von
einer festen, lederartigen Haut überzogen, die sich in unregelmässige Täfelchen oder Warzen
sondert, auf deren Oberfläche, wie immer, eine glatte Epidermis sich befindet; aber sie zer-
fällt nicht in besondere Schilder, wie bei den Schildkröten, Sauriern oder Schlangen,
bei denen die Kopfknochen nie superficielle Sculpturen besitzen. Denn das strahlige Gefüge
mit offnen Poren für die Blutgefässe und Nerven, was diesen Kopfknochen zukommt, ist etwas
ganz anderes, als die radialfurchige oder grubige Sculptur mit glatter, grösstentheils geschlos-
sener Oberfläche der Crocodile. Letztere findet sich nur bei Amphibien mit eigenthümlich
bedeckter Haut und würde, auch wenn ^^ir nichts von den anderweitigen Bedeckungen der
Labyrinthodonten wüssteu, zu der Vermuthung führen müssen, tlass dieselben keine nackte,
sondern eine sei es gepanzerte, sei es beschuppte Körperhaut besassen. — Wäre die .Analo-
gie der Crocodile weiter maassgebend, so würden sie gepanzerte Thiere gewesen sein müs-
sen, denn sculpirte Kopfkuochen und Schuppenbildung finden sich dermalen nicht bei Amphi-
bien vereint; aber die Labyrinthodonten sind das nur an einer einzigen Stelle, an der Kehle;
im Uebrigen ^varen sie beschuppt. Dort sieht man bei allen gut erhaltenen Exemplaren von
Archegusaurus drei grosse Kuochenplatten mit superflcieller Sculptur, von denen nicht be-
zweifelt werden kann, dass sie Hautknochen sind, ähnlich den Panzerschildern der Crocodile.
Weiter ist bis jetzt keine Stelle des Körpers ermittelt, die Panzerstücke getragen hätte; auch
scheint in der That, wenigstens bei Archegusaurus, den übrigen Rumpf nur ein homogenes,
gleichförmiges und zartes Schuppenkleid bedeckt zu haben. Weniger bestimmt lässt sich das-
selbe von den späteren Labyrinthodonten behaupten; wir wissen nur, dass sie jene drei
grossen Kehlschilder ebenfalls hatten, aber von ihren Schuppen so wem'g, als von ihrer an-
derweitigen Panzerbildung, etwas Genaueres. Doch scheint das häufigere Vorkommen ver-
schieden gestalteter knöcherner Schilder für eine weitere Ausdehnung des Panzers bei ihnen
zu sprechen, obgleich ich eine so allgemeine Panzerbildung, wie beim Crocochl, doch nicht
für wahrscheinlich halte.
Darf man also nach dem allgemeinen Eindruck urtheilen, so würde man sagen kön-
nen: die äussere Bedeckung des Archegosaurus sei am Kopfe crocodilartig, an der
Kehle schildkrötenartig, auf dem üljrigen Körper eidechsenartig gewesen; schildkrö-
tenartig indessen nur insofern, als der Brustpanzer der Schildkröten auf das Brustbein sich
— 53
stützt und jene Kehlplaften der Labyrinthodonten auf dem Schultergürtel rubelen, ibn ^venig-
stens zum Theil bedeckten.
Indem \vir zur Betrachtung dieser verschiedenen Bedeckungen im Einzelnen gehen,
beginnen wir dieselben mit jenem sonderbaren Kehlpanzer, weil was von den Bedeckungen
des Kopfes gesagt werden kann, schon bei der Kopfknocliensculptur erwähnt ist, und die
Koptliaut selbst sich an keinem einzigen Exemplar erhalten hat.
§.25.
Der Kehlpanzer von Archegosaurus besteht aus drei grossen Knochenplatten (Taf.
II. III. d. und e, e.), einer mittleren rautenförmigen, und zweien seitlichen länglich dreieckigen.
Die mittlere Kehlplalte reicht nach vorn bis zwischen die Aeste des Unterkiefers, nach
hinten bis dahin, wo das Schulterblatt liegt und übertritTt die seitlichen um mehr als ein Drit-
tel in der Länge. Sie ist nicht ganz eben, sondern etwas nach unten gewölbt. Ihre voi'de-
ren Seiten haben die Länge der Seitenplatten und sind fast doppelt so lang, wie die hinte-
ren; ganz vorn trelfen sie nicht in einen Winkel zusammen, sondern bilden einen stumpfen
Endrand, der abgerundet zu sein scheint. Derselbe liegt unter der breiten Fläche des Zun-
genbeins und wird durch sie in den meisten Exemplaren verdeckt. Die beiden hinteren Rän-
der vereinigen sich unter einem spitzen Winkel. Die Ränder selbst sind übrigens nicht ganz
gradhnigt, sondern leicht nach aussen gebogen. Die innere hohle Fläche des Schildes ist
eben und zeigt eine schwache radiale Streifung, wegen der ähnlichen Knochenstructur; die
äussere ist ganz so wie die äussere Fläche der Kopfknochen, griiljig, streifig, radial gefurcht.
Alle Furchen gehen vom Ossificationspunkte aus, sind flach und schmal keilförmig gestaltet,
gegen das Centrum hin etwas tiefer, nacli aussen verflacht und gegen die Peripherie länger,
als am Centrum. Letzteres liegt hinter der Mitte des Schildes, etwa auf |- seiner Länge,
genau da, wo die Seitenschikler am breitesten sind und am Rande ihre Ossificationscen-
tra haben.
Die seithchen Kehlschilder zeigen einen länglich dreiseitigen Umriss, aber ebenfalls
gebogene oder gar geschwungene Ränder. Die drei Winkel ihrer Ecken sind sehr ungleich:
ein sehr spitzer hegt vorn, ein stumpfer nach aussen, ein weniger spitzer nach liinten. Die
dem stumpfen Winkel gegenüberstehende Seite trifft mit iler entsprechenden vorderen Seite
der mittleren Kehlplatte zusammen und greift über dieselbe so weg, dass beide miteinander
eine Schuppennaht ergeben, deren innere Platte vom Mittelschilde, ihre äussere vom Seiten-
schilde gebildet wird. Auf diese Weise traa;en die beiden Seitenschilder oleichsam das 5Iit-
telschild. Vermöge gedachter Anordnung ist der innere Rand des Seitenschildes sehr scharf;
der mit ihm nach vorn zusammentreffende äussere hat die grade entgegengesetzte Eigenschaft,
er ist verdickt, aufgeworfen, und nach innen umgebogen, sonst aber ziemlich ebenso sanft
geschwungen, wie der innere. Sein hinteres Ende geht über den stumpfen Winkel, welchen er
mit dem hinteren Rande bildet, hinaus und verlängert sich in einem etwas kolbigeu Zapfen
-54
(Taf. II. Fig. 6. e.e.) der frei absteht, sich nach oben hiaten und innen biegt und in der Schui-
tergegend zum Nacken hinaufsteigt. Er ist gewöhdich nur als Lücke im Muttergestein erhal-
ten, so auch in Fig. 1. Taf. IL, noch häufiger ganz abgebrochen, wie Taf III. Fig. 3. Hinter die-
sem Fortsatz, der keine superficielle Sculptur mehr hat, also ganz im Fleische zu liegen scheint,
steigt der S förmig geschwungene hintere Rand der Seitenkehlplatte hinab. Er ist der kür-
zeste und übrigens ohne Auszeichnung; sein Ende Iritll genau mit der stumpfen Ecke des
Miltelschildes zusammen. — Weiter ist von den Seitenschildern zu erwähnen, dass sie etwas
stärker nach aussen gewölbt sind, als das Mittelschild, und dass diese Wölbung um so mehr
zunimmt, je weiter sie sich dem äusseren Rande nähert. Dieser steht fast senkrecht gegen
die Hauptfläche am inneren Rande. Es folgt daraus, dass die Seifenplatten nicht horizontal
lagen, wie die mittlere Platte, sondern in hängender Position die Seiten des Halses umfass-
ten. Mit ihrer Spitze reichten sie bis zwischen die Unterkieferäste, ihr geschwungener hinte-
rer Rand lag vor der Schulter und ihr hinterer Fortsalz reichte über die Schulter weg zum
Anfange des Rückens hinauf So schützten diese drei Platten wahrscheinlich die untere Fläche
des Halses, wo die Luftröhre, der Schlund und die grossen Blutgefässe als höchst verletz-
liche, aber für das Leben des Thieres ausserordentlich wichtige Theile sich befanden, wäh-
rend die breit abstehenden kräftigen Halsrippen denselben Schutz von oben ausführten. Den
beilförmigen Enden dieser Rippen scheint der äussere oder obere Rand der Seitenschilder in
der Lage und Richtung entsprochen zu haben.
Noch bleibt übrigens zu erwähnen, dass die Structur der Seitenplatten und ihre äussere
Sculptur ganz eben so sich verhält, wie am MKtelschilde, dass aljer der Ossificationspunkt
sich nicht in der Fläche des Schildes befindet, sondei'ii am oberen Rande, nicht weit vor
seinem hinteren Ende, mit dem Ossificationspunkt des IMittelschildes in gleicher Höhe (Taf IIL
Fig. 3.). Von hier strahlen sowohl die feinen Knochenkanäle, als auch die superficiellcn Keil-
furchen nach vorn, unten und hinten in radialer Richtung zum Rande hin.
Die Untersuchung der übrigen LabyrinlliodontengalUingen hat ergeben, dass ähnliche Kehl-
plalten wohl bei allen vorhanden gewesen sind. Von Tremuiosaurus habe ich sie in ganz ana-
loger Form nachgewiesen (a. a. 0. S. 49. u. 50.) und schon damals mich für ihre Allgemeinheit
entschieden. Ob noch andere Stellen des Körpers der Labyrinlhodonlen gepanzert waren, hat
sich mit Sicherheit bis jetzt nicht ermitteln lassen; bei Archcgosauriis scheint indessen die Kehle
der einzige gepanzerte Theil ihres Rumpfes gewesen zu sein.
§. 26.
Rings um den Kehlpanzer, gleich wie an allen anderen Stellen der Runipfoberfläche,
treten Schuppen auf, die die Haut allseitig bedeckt zu haben scheinen. Ihre Anordiumg ist
auf dem Rumpfe die gewöhnliche der beschuppten Amphibien, d. h. sie gehen in schiefer
Richtung zu beiden Seiten von der Mittellinie dos Rückens aus, und tretfen ebenso unter
spitzen Winkeln in der Mittellinie des Bauches zusammen. Die Schuppenreihen laufen also auf
55
dem Rücken divergirend nach hinten, erreichen bald die Rumpfseiten, steigen an ihnen unter
einem Bogen alDwärts und ^venden sich, dem Bauche nahe gekommen, nach vorn, bis sie auf
der Bauchflache selbst wieder unter spitzen Winkeln zusammenstossen. Diese Anordnung ist
aus Fig. 1. Taf. III., welche die freie Seite der Schuppen des Rückens darstellt und ebenda
aus Fig. 2. 3. u. 4., an denen man die inneren, in der Haut befestigten Basalenden der Schup-
pen des Bauches vor sich hat, deullicla zu entnehmen. Die drei letzteren Figuren zeigen
auch, dass das Mittelschild des Kehlpanzers nach hinten von einem aus 12 — 16 Schuppen-
reihen gebildeten Schuppengürtel umgeben war, in dem die Schuppen von beiden Seilen
gegen die Mitte zu laufen, und erst an diesem Gürtel beginnen die schiefen Reihen der Bauch-
schuppen. Ob auch die seillichen Kehlschilder von einem solchen Schuppengürlel umfasst
wurden, liisst sicli bis jetzt nicht angeben.
Die Schuppen selbst werden von den bisherigen Beobachtern verschieden geschildert.
Goldfuss (a. a. 0. S. 10.) bezeichnet sie nur ganz im Allgemeinen als gekielte Zingelschup-
pen und vergleicht sie mit den Schuppen von Pfycliozoon homalocephalum hinsichtlich ihrer
Anordnung. Den Gürtel am Kehlpanzer lässt er aus Täfelchen bestehen. Ausführlicher hat
J. Müller sich über das Schuppenkleid von Archegosaurus ausgesprochen (in d. Verhandl.
d. naturf. Vereins d. Rheinlande. Bd. VI. S. 81. mit Abbildungen Taf. IV. Fig. 3.«.). Er sagt:
„Die Schuppen sind zum grössten Theile lange bandartige Streifen, einzelne sind selbst bis
„gegen 8'" lang, die meisten kürzer, 3 — 4'", und einzelne sind selbst nicht länger als breit. —
„Gegen die Seilen hin werden die Schuppen immer kürzer, bis zum Elliptischen und Runden.
„Indessen sind auch an anderen Stellen einzelne (runde) oder elliptische Schuppen zwischen
„den längeren eingestreut. Auf den runden und elliptischen Schuppen bemerkt man mit der
„Lupe feine concentrische Streifen. Die Mitte dieser Schuppen ist etwas höher." — Das
äussere Anselm des von ihm a. a. 0. abgebildeten Handstücks, woraus ich Taf. III. Fig. 1. die
deutlichste Stelle habe wieder abbilden lassen, entspricht allerdings ganz dieser Schilderung,
weit weniger aber stimmt die Abbildung selbst mit dem Original überein. Die angeblichen
Streifen von 8'" Länge haben hier zum Theil eine viel grössere Ausdehnung, sind schmäler,
als im Präparat, und zeigen hur mitunter ein knotiges Ansehn, was ihnen am Original stets'
zukommt; grade so, wie es in meiner Figur gesehen wird. Dies knotige Ansehn brachte
mich bald auf den Gedanken, dass die langen Streifen aus den fest aneinander geschobenen
Schuppen einer Reihe hervorgegangen sein möchten, und die weitere Untersuchung bestätigte
meine Vermulhung; ich fand die aus der Reihe mehr oder weniger hinaustretenden Spitzen
der Schuppen mid erkannte an der concentrischen Streifung sehr deutlich die Absetzung der-
selben in jeder einzelnen Schuppe. Weiterhin, besonders nach den Seilen zu, lösen sich nun
che Schuppen wirklich von einander ab, sie blieben auch im versteinerten Zustande isolirte,
ovallanzettliche Körper, und ganz am Rande sah man sie nicht mehr oval, sondern auch als
völlig kreisrunde Warzen mit einem Höcker in der Mitte. Diese kleinsten Schuppen haben den
Durchmesser von einer halben Linie, die ovalen sind gegen eine Linie lang, die oval-
56
lanzetllichen bis anderthalb, selbst z\Yei Linien. Da wir nun in dem abgebildeten Prä-
parat die Mittellinie des Rumpfes wahrnehmen, von ^Yelcher die Schuppenreihen nach beiden
Seiten ausgehen, und dieser Mittellinie zunächst die längsten Schuppen stehen, so lag es nahe
anzunehmen, dass der Rucken von Archegosaurus mit längei-en lanzettlichen Schuppen, die
Seiten dagegen mit kreisrunden Ijedeckt gewesen seien , und dass zwischen diesen Gegen-
sätzen der Form andere ovale Schuppen den allmäligen Uebergang bildeten.
Ich will es hier noch unerörtert lassen, ob nicht diesem Augenschein auch eine an-
dere Deutung gegejjcn werden könne, und mich zunächst zu der schon berührten Textur der
Schuppen wenden. Da sieht man bald, dass die concentrische Streifung nicht allen Schuppen
zukommt, sondern nur den kürzeren ovalen und kreisrunden, während die längsten, lanzettli-
chen oft eine völlig glatte, der Länge nach scharf gekielte Oberfläche zeigen. Hie und da
tritt neben der Spitze solcher Schuppen zugleich concentrische Slieifung auf, deren Anwesen-
heit aber immer mit einer theihveisen Verletzung der Schuppe verbunden ist; man überzeugt
sich durch vergleichende Betrachtung vieler Schuppen, dass jene Streifung nicht der Ober-
fläche, sondern den Bruch flächen der Schuppe angehört, mithin die innere Structur der
Schuppenmaterie darstellt. Die Schuppen bestehen aus einer blättrigen, schichtweise über-
einander gelagerten Materie und zeigen somit deutlich das blättrig faserige Gefüge der Horn-
substanz, aus welcher sie zweifelsohne bestanden. Ihre Oberfläche war also nicht gestreift,
sondern glatt, massig gewölljt, der Länge nach scharf gekielt, an den Seiten gerundet abfal-
lend, am Ende zugespitzt, mit sanfter Aljnahme des Kiels auf der Oberfläche gegen die Spitze
hin; ihre Substanz bestand im Innern aus concentrischen Lagen dünner Hornblättchen, welche
im zerbrochenen Zustande ein concentrisch gestreiftes Ansehn der Bruchfläche bewirken muss-
ten. Indem, nach dieser Erfahrung, das warzige, genabelte Ansehn der mehr oder weniger
kreisrunden Schuppen schärfer ins Auge gefassl wurde, zeigte sich an mehreren derselben
sehr deutlich eine verschiedene Färbung der einfachen centralen "Warze und des peripheri-
schen gestreiften Ringes; jene war heller und hatte die Farbe des Umhüllungsgesteines, die-
ser die reine pechschwarze Farbe des Schuppenmaterials. Es Hess sich, nach Feststellung
dieser Thatsache, nicht mehr daran zweifeln, dass die Sciiuppen hohl waren, dass sie aus
einer tutenförmigen peripherischen lamellirten Hornschicht bestanden, dass sie in ihre innere
Höhlung beim Versteinern Theile des Muttergesteins, welches sie umhüllte, aufnahmen und nun,
zertrümmert und durchbrochen von der Gewalt, welche die Steinplatten auseinander riss, auf
deren vormals verbundenen Flächen die Schuppen jetzt vor uns liegen, nur zum kleineren
Theil ihre glatte Oberfläche behielten, meistens in der Hornmasse selbst zerbrachen und wenn
die Bruchfläche etwas tiefer die Schuppen durchsetzte, auch den in der hohlen Schuppe
steckenden Kern des Muttergesteins zur Anschauung brachten. Mit dieser Auffassung stimmt
die genaue Untersuchung der Gegenplatte des Handstlicks völlig überein; sie zeigt uns für
alle die Schuppen, welche auf der Hauptplatte erhaben hervortraten, entsprechende Vertiefun-
gen, aber nur sehr selten die reine glatte Oberfläche der Schuppe, sondern gewöhnlich Reste
— -57
des schwarzen kohligen Schuppenniaterials, die als abgelöste Theile der hornigen Schuppe
an den Wänden ihres Abdrucks hängen blieben. Fehlt die schwarze Materie in der Vertie-
fung des Abdrucks, so ist letzterer nicht gestreift, sondern glatt und öfters sehr bestimmt der
Länge nach einmal gefurchet, welche Furche vom Kiel der Schuppe herrührt. Mitunter ist
nur das Material des Kiels im Abdruck hängen geblieben, der übrige Theil der Schuppe hat
sich sciiarf aus der Vertiefung hervorgehoben.
Bei dieser Ansicht des fraglichen Präparates, deren Riclitigkeit eine allseitige Untersu-
chung bestätigie, lag es nahe, anzunehmen, dass die grosse Formverschiedenheit der Schup-
pen weniger von einem wirklichen Unterschiede in Grösse und Gestalt, den ich übrigens
durchaus nicht ganz in Abrede stellen will, herrühren möchte, als vielmehr von der Art und
Weise, wie sie beim Durchbruch des Gesteins zerbrochen wurden. Stand nämlich die oval-
lanzettförmig gestaltete, tutenai'tig hohle, nach aussen gewölbte, mithin kegelförmig runde, nicht
blattartig flache Schuppe senkrecht oder schief geneigt an der Stelle im Gestein, wo es zer-
brach, so musste der Bruch nicht ihren Längenumriss , sondern eine ihrer Queiflächen dar-
stellen, er niu.^ste bei ganz senkrechter Stellung der Schuppe kreisrund, bei geneigter Stel-
lung elliptisch ausfallen, und beide Formen müssten, je nachdem der Bruch mehr der Spitze
oder mehr der Schuppenbasis genähert war, in kleineren und grösseren Kreisen oder Ellipsen
auftreten. Nur die genau nach der Längenachse abgedruckten oder durchbrochenen Schuppen
konnten den wahren ovallanzettlichen Umriss der Schuppe zeigen. Ich kann nicht läugnen,
dass mir die eben ausgeführte Auffassung des Präparates sehr zusagt, weil nur, wenn man
sie zugiebt, es erklärlich wird, warum mitten zwischen den ovallanzettlichen, zu Streifen an-
einander geschobenen Schuppen einzelne elliptische oder gar runde auftreten und andererseits
zwischen den ovalen und kreisrunden Schuppen hie und da eine lanzettliche im Gestein liegt.
Man braucht ja nur anzunehmen, dass im ersteren Falle eine oder die andere Schuppe auf-
gerichtet stand, während die benachbarten niedergedrtickt lagen, und umgekehrt an anderen
Stellen die eine flach niedergediikkt wurde, während die sie umgebenden in aufgerichteter
Stellung vom Muttergestein umhiilK wurden. Sieht man so das Präparat an, so befänden sich
hauptsächlich die Schuppen auf der Mitte des Rückens in niedergedrückter, die an den Seiten
in aufgerichteter Stellung (lurchlirochon vor uns, und letztere zeigten uns eine um so kreis-
ruiulere Form und eine um so geringere Grösse, je weiter sie von der Mitte des Rückens
entfernt waren. Dies alles wäre sehr leicht zu begreifen, wenn man annehmen wollte, dass
das hier versteinerte Rumpfstück noch seine natürliche gewölbte Form hatte, als es in das
Muttergestein sich einbettete, denn bei einer solchen gewölbten Form des Rumpfes mussten
ja grade die Schuppen auf der ISlitte des Rückens durch den Druck des aufliegenden Thon-
schlammes heruntergepresst und zu Streifen aneinander geschoben werden, während die seit-
lichen auf der schief abfallenden Fläche des Bauches stehenden durch eben diesen Druck
mehr aufgerichtet und vorn nieder gehalten wurden. Unter solchen Umständen ward der
Sphärosiderit fest und zerbrach später beim Anschlagen in der Ebene, wo er die geringste
8
58
Cohärenz hatte, d. h. im Niveau des Rückens, wo die meisten Schuppen flach lagen. Dieser
Bruch riss die liegenden Rückenschuppen wagrecht, die steilstehenden Seitenschuppen senk-
recht oder schief auseinander ; jene erscheinen also in ihrem normalen Umriss, diese in iliren
Querschnitten, welche um so kleiner sind, je näher der Spitze der Schnitt geführt wurde,
d. h. je tiefer die Basis der Schuppe unter dem Niveau der Bruchfläche sich befindet. Wurde
die Schuppe selbst gar nicht mehr vom Bruch berührt, so erscheint auf ihm zwar nicht ihre
feste Substanz durchbrochen, wohl aber die von der Schuppe aus in das Umhüllungsgestein
eingedrungenen organischen Extracte als Schatten oder dunklere Farben und daher rühren,
wie ich glaube, die vielen kleinen unregelmässigen, dunkleren Tüpfelchen, welche man ausser-
halb der wirklichen Schuppen und ilirer Theile in dem genannten Handstück bemerkt. Sie
sind die petrificirten organischen Exlractivstoffe der einzelnen Schuppen und können zwar auf
diese Weise ganz gut, nicht füghch aber auf eine andere Weise erklärt werden ; man müsste
denn annehmen wollen, dass an den Stellen, wo sich diese Schatten finden, nicht hornige und
feste Schuppen standen, sondern weiche Warzen, die keinen festen Rückstand nach dem Zer-
setzungsprocess hinterliessen, dem die organische Substanz aller Organismen durch die Petri-
fication unterliegt.
Unter den lebenden Amphibien scheint mir die Schuppenbildung der Monitoren sich
am meisten dem geschilderten Bau der Schuppen von Archegosaurus , wenigstens im äusseren
Ansehn, zu nähern. Die Schuppen dieser Eidechsen sind ovale, auf der Dorsalfläche des Rum-
pfes und der Gliedmassen scharf gekielte und gewölbte Hornschilder, welche, von successiv
kleinereu warzenartigen Höckerchen umgeben, durch eine weichere Bindehaut in einander über-
gehen. An den Seiten des Rumpfes nimmt ihre Grösse, doch höchstens um ^ des Längendurch-
messers ab, am Bauch steigt sie wieder, die Schuppen werden hier flacher, parallelogrammati-
scher. Nur in den Gelenkfalten und an der Gurgel, wo der Hals in die Brust übergeht, sinkt
ihre Grösse bis auf \ des mittleren Längendurchmessers der Rückenschuppen. Am hinteren Ende
des Kiels zeigen die Rückenschuppen einen zum Theil offenen Porus, gleich als ob ein Schmier-
oder Haarbalg darin steckte. Schneidet man von einer Schuppe die gewölbte Oberfläche ab, so
bemerkt man dieselbe concentrisch streifige Textur ihrer Hornsubstanz, welche ich an den Schup-
pen von Archegosaurus wahrgenommen habe, aber keine centrale Höhle; die ganze Schuppe ist
solide, doch sind ihre inneren Kernschicliten lockerer gefügt und bestehen aus Forlsetzungen
der Cutis, nicht aus der Hornmasse der Epidermis. Wir müssen also annehmen, dass diese
lockere centrale Masse an den Schuppen von Archegosaurus schon vor der Petrification völlig
ausgefault war und dadurch jener hohle Raum im Innern entstanden ist.
§. 27.
Nur in seltenen Fällen hat man Gelegenheit, die Schuppen mit ihrer frei liegenden
äusseren Oberfläche zu sehen; das von J. Müller und mir abgebildete Stück ist das einzige
der Art, welches bis jetzt aufgefunden wurde. Dagegen sieht man sie sehr häufig und an
den meisten Exemplaren von ilirer inneren Fläche, mit welcher sie an oder in der organi-
59
sirten lebendigen Haut, der Cutis, sassen. Sie gewähren in dieser Stellung einen völlig von
der vorigen Scliilderung verschiedenen Anblick und bedürfen deshalb auch von ihrer inneren
Seite einer näheren Beschreibung und Erklärung. Nirgends habe ich sie in dieser Stellung
deutlicher beobachten können, als an der unteren Hälfle des schönen Exemplares, welches
ich auf Taf. III. in Fig. 3. u. 4. habe abbilden lassen ; besonders an dem Hauptabdruck in Fig. 3.;
weniger gut an dem in Fig. 4. abgebildeten Gegendruck. Hier erscheinen nun die Schuppen
als lange schmale, beiderseits zugespitzte Lanzetten von 2\ bis fast 3 Linien Länge, welche
nach der Richtung der Schuppenreihen schief mit ihrer Längenachse gegen die Mittellinie ge-
stellt sind. Die dem Kopfende des Thieres zugewendete Hälfte der Lanzette ist ihrer ganzen
Länge nach ausgehöhlt, an dem beiderseits aufgeworfenen Rande abgerundet und mit dem
äussersten vordersten Ende herabgebogen ; die entgegenstehende, dem Schwanzende des Thieres
zugewendete Hälfte hat eine etwas grössere Breite, beträchtlichere Dicke in ihrer Substanz
und lässt darum eine mittlere kegelförmige Höhle frei, die in diesen hintern Theil der Schuppe
sich hineinsenkt. So vollständig mit ihren beiden verschieden geformten Hälften sieht man
aber nur sehr wenige, einzelne Schuppen am Rande des Präparats ; von den meisten sind nur
die vorderen ausgefurchten, offenen Hälften sichtbar, weil in der gedrängten Anordnung, in
welcher die Schuppen auf einander folgen, jede vorhergehende Schuppe von der nachfol-
genden um mehr als die Hälfte, und namentlich immer in ihrem dickeren hohlen Endtheil,
verdeckt wird. Die frei sichtbaren vorderen Hälften liegen wie Dachziegel übereinander, die
nach vorn gerichtete Spitze ist frei und in der tiefen Längsfurche, welche bald hinter ihr be-
ginnt, liegt schon die Spitze der nächstfolgenden Schuppe, mit dem darauf folgenden allmälig
breiteren Theile die Furche in der Grundhälfte der vorhergehenden Schuppe fast ganz ausfül-
lend. Die Schuppen erscheinen in dieser Anordnung wie hohle, halbofi"ene Stacheln, deren
Spitzen nach vorn und gegen die Mittellinie des Rumpfes gewendet sind, während ihre Basis
in dem umhüllenden Muttergestein steckt. Diese scheinbare Basis ist aber nichts anderes, als
die frei auf der Haut liegende, ovallanzettliche, gewölbte und gekielte Schuppe selbst; — was
wir, bei der Betrachtung des Schuppenkleides von innen, als stachelförmige, schmale, zuge-
spitzte, tief ausgefurchte Schuppe wahrnehmen, das ist die wirkliche Basis der langgestreck-
* ten, tutenfönnigen, gewölbten Schuppe, der leicht aufgeworfene Rand der langen Tuteumün-
dung, mit welcher die hornige Schuppe auf der fleischigen Haut sass, und durch ihn in die
benachbarten Theile der die Schuppen verbindenden Epidermis überging. Diesen basalen Theil
mitgerechnet, sind also die Schuppen auf der Mitte des Bauches in der That bis drei Linien
lang, obgleich der gewölbte und gekielte, frei aus der Hautfläche hervorragende Theil nur
die Hälfte dieser Länge einnimmt und kaum 1 ^ Linien Länge überschreiten wird. — Ich halje
mich übrigens durch eine vergleichende Betrachtung davon überzeugen können, dass dieser
frei aus der Hautfläche hervorragende, gleichsam äussere Theil der Schuppe gegen die Mitte
des Bauches hin an den einzelnen Schuppen allmälig breiter und flacher wurde, mithin auch
an dieser Seite des Körpers eine gewisse Grössendifferenz der Schuppen Statt hat; daneben
8*
— 60
aber habe ich in dem auf oder in der Haut sitzenden gefurchten basalen Theil der Schuppe
keine merklichen Grössenunterschiede wahrnehmen können. Am deutlichsten abgeplattet erschie-
nen mir die Schuppen in dem Gürtel unmiKelbar hinler der mittleren Kehlplatte. Die kürze-
sten aber an der Basis breitesten Schuppen, von fast kegelförmig warzigem Ansehn, fand ich
in dem AVinkel der Brustgegend, wo der beschriebene Schuppenring hinter der mittleren Kehl-
platle an die ersten schiefen Reihen stösst, welche unmittelbar von seinem Rande auf der
Mi(te der Brust ausgehen. Diese warzenförmigen Schuppen bilden die Anfange von Schup-
penreihen, deren spätere Schuppen schnell spitzer werden und bald das schlanke Ansehn der
übrigen gewinnen.
Die Abbildunor, welche Goldfuss a. a. 0. Taf. II. Fig. 4. gegeben hat, stellt die basale
Seite der Schuppen von der inneren Fläche der Haut ziemlich kennllich, nur etwas zu kurz, dar,
soll aber nach Angabe in der Figiirenerklärung die Sculptur der Kopfknochen vorstellen, mit
welcher sie freilich gar keine Aehnlichkeit hat. Ich möchte annehmen, dass das ein Schreibfeh-
ler ist. Für weniger gelungen niuss ich die Darstelking der Schuppen in Fig. 1. auf Taf. III.
ebenda erklären; die einzelnen Schuppen sind viel zu gross im Vergleich mit der Grösse des
Thiers. Die kleiner geschuppte Stelle dieser Figur, welche mit ii. bezeichnet und daneben unter
0. vergrössert gezeichnet ist, gehört nichl, wie Goldfuss S. 10. angiebt, zum Arc/icfjosniirits,
sondern ist das Schuppenkleid eines Fisches aus der Familie der Ganoiden, dem auch die da-
zwischen liegenden Gräten (/) und gegliederten Flossenstrahlen angehören. Man sieht auf die-
sen kleinen rautenförmigen Täfelscluippen noch sehr deutlich die emaillirte Oberfläche, welche
den Schuppen von Ar(/ie<josuiirns fehlt, und bemerkt unter den übrigens gleich grossen Schup-
pen eine sehr ausgezeichnete ununterbrochene grössere Reihe, welche wahrscheinlich die Linea
lateralis des Fisches bildete. Es lässt sich, nach Erforschung dieser Thatsachen, keinen Augen-
blick bezweifeln, d;iss wir in der kieingeschuppten Gegend die Contenta des geplatzten Jhigens
von Arc/icgusHiiriis vor uns haben, und jener Fisch vom Arc/icyosaiiriis gefressen und ver-
zehrt wurde. Diese Annahme erhält ihre Bestätigung durch die Untersuchung des grösseren von
mir auf Taf. III. in Fig. 3. u. 4. abgebildeten Exemplares. Da findet man , ziemlich an derselben
Stelle des Körpers, zusammengehäufte Gruppen ganz derselben Schuppen ( a. a. 0. s.S.), und
überzeugt sich durch ihre unlereinandergeslreute Anordnung, dass bei diesem E.veniplar der Ver-
dauungsprocess im Moment seines Todes schon weiter furlgeschritten war, als bei dem anderen;
denn bei ihm blieb das Schuppenkleid des Fisches noch grossentheils im Zusammenhange, wäh-
rend bei jenem Archegusuitriis eben nur die isolirten, harten, ganz unverdaulichen Schüppchen
sich erhallen haben. Welchem Fisch das Schuppenkleid angehört haben möchte, wage ich nicht
anzugeben, es sciieint aber nicht bloss ein und dieselbe Art, sondern auch eine damals häufige
Spezies gewesen zu sein, denn ich finde Reste ihres Schuppenkleides in kleineren Fetzen mehr-
mals neben den Arcliciiosaiinis-^iis\.iin, z. B. neben dem kleinen zierlichen Schädel des jüng-
sten Exemplares, welches ich Taf. I Fig. 4. zur Abbildung gebracht habe. Dem Arc/iegosaurns
Selbst kann dies unverkennbare Schuppenkleid nicht angehört haben; denn mit der beschriebenen
Schuppenbildung desselben bat es gar keine Aehnlichkeit. Aus seiner Lage im Innern zweier^
Exemplare an gleicher Stelle dürfen wir wohl folgern, dass der Besitzer desselben zur Nahrung
der Archegosauren diente, und dass in der Gegend des Körpers, wo jetzt diese Fischschup-
pen liegen, der Magen der Thiere sich befand, welche den Fisch verzehrten.
61
§■ 28.
Nachdem wir uns duicli die vorgetragenen Thatsachen und Betraclitungen von den
Bedeckungen des Rumpfes der Archego sauren eine Vorstellung zu verschaffen gesucht
haben, bleibt keine Frage von Bedeutung über die Organisation dieser Geschöpfe, so weit sie
aus den noch \orhandenen Resten zur Entscheidung gebracht werden kann, weiter zu beant-
worten; wir sind also an das Ende unserer allgemeinen Untersuchung gelangt, und bescUiessen
dieselbe mit einigen Betrachtungen über die Lebensweise der Archegosauren, um dann im
letzten Abschnitt die speziellen Unterschiede noch einer kurzen Prüfung zu unterwerfen.
Die wichtigste Frage dieses Gebietes ist offenbar die, ob der Arche(fosaurus ein
Landfhier, oder ein Wasserbewohner gewesen sein din-fte. Dass wir seine Gebeine in einer
marinen Sedimentbildung antreffen, wiiide nicht viel beweisen, weder für seinen Aufenthalt im
Meere, noch im Wasser überluiu[)t, weil die bisher aufgefundenen Reste augenscheinlich in
einem stark zerstörten Zustande sich befinden und allem Anschein schon lange todt, selbst in
Fäulniss übergegangen waren, ehe sie an ihre Lagerstätte gelangten. Das könnten sie freilich
auch sein, selbst wenn die Thiere an Ort und Stelle im Meere gelebt hätten, allein dann
sollte man wenigstens ein oder das andere vollständige Exemplar unter diesen vielen zer-
trümmerten erwarten dürfen. Vergeblich sieht man sich nach einem solchen um, vergeblich
nach irgend einem wohlerhaltenen Labyrinthodonten üljerhaupt; während ganz oder fast
vollständige Enaliosaurier nicht so gar selten sind. Die aber lebten im Meere und star-
ben an Ort und Stelle, wo sie liegen; die Labyrinthodonten dagegen scheinen nicht da, wo
ihre Gebeine liegen, gestorben zu sein, sondern von anderswo herbeigeschatll. Die bewegen-
den Kräfte waren ohne Frage fliessende süsse Gewässer; sie führten die Kadaver, noch heil
oder zertrümmert, dem Meere zu; es entsteht also die Frage, ob vielleicht diese Gewässer
die Aufenthaltsorte der Labyrinthodonten gewesen seien. — Ich glaube das nicht, wenigstens
in so fern nicht, als ich bestreiten nuiss, dass die Labyrinthodonten ausschliesslich im Wasser
gelebt haben. Mir spricht ihre Hautbedeckung direct gegen eine solche Annahme. Kein aus-
schliesslicher Süsswasserbewohner hat gegenwärtig unter den Amphibien, und gewiss nicht
unter den Sauriern, ein solides Schuppenkleid; alle ausschliesslichen Süsswasserbewohner
sind entweder von einer feuchten, schlüpfeiigen Schleimhaut, oder von einer weichen, schwie-
lig warzigen Epidermis bedeckt. Archegosauriis hat weder die eine, noch die andere Haut-
bildung; seine Oberhaut war hornig, wie bei Landbewohnern, und darum scheint mir dieser
Aufenthalt auch der normale für Arcliegosaurus zu sein. — Und doch fressen sie Fische,
wird man mir einwenden wolleril — Warum nicht? — Fressen doch die Gaviale ebenfalls
Fische und zwar vorzugsweise, weshalb sollten nicht auch die Labvrinthodonten es gethan
haben, wie das durch Arcliegosaurus bewiesen wird. Wie die Crocodile und die Mo-
nitoren ihrer eigentlichen Organisation nach Landthiere sind, die freilich oft und gern ins
Wasser gehen, so sind es wahrscheinlich auch die Labyrinthodonten gewesen; und wie die
62
heuligen Monitoren nicht bloss in fliessende Gewässer, sondern auch in Teiche und grössere
Seen, in die Lagunen und vielleicht selbst in Binnenmeere nahe der Küste sich wagen,
(Meyen fand sie in der haguna de Buy von Manilla. Beitr. z. Zool. 451.), so werden auch
die Archegosauren von ihrem heimathliclien Uferrande aus nach Fischen sich ins Meer ge-
stürzt haben. Um das zu können, bedurften sie so wenig der Kiemen, wie die Crocodilier
und Monitoren ihrer bedürfen und da wir gegenwärtig kein AraphilKum kennen, das Kiemen
mit einer beschuppten hornigen Oberhaut in sich vereint, so kann ich auch nicht annehmen,
dass Archegosaurus beide zusammen besessen habe. Freilich giebt es heute auch keine Am-
phibien mit beschuppter horniger Oberhaut und gleichzeitigem doppeltem condylus occipita-
lis, aber der doppelte condylus fordert noch keine Kiemenathmung ; wohl aber fordert die
KiemenathmuDg einen entwickelten Kiementrageapparat, von dem bei Archegosaurus keine
Spur vorhanden ist. Und deshalb stelle ich auch die Kiemen bei ihm in Abrede, so gut wie
seine directe Afünität zu den nackten Amphibien; ich bleibe nach wie vor der Ansicht, dass
die allgemeine Körperbildung der Labyrinthodouten eidechsenartig gewesen ist, und dass ne-
ben dieser typischen Grundlage die bestimmenden Charaktere verschiedener anderer, in der
Gegenwarf heterogener Amphibiengruppen zum Familiencharakter der Labyrinthodouten zusam-
mengesetzt wurden. Mit dieser Mischung in Form und Bildung harmonirte natürlich auch die
Lebensweise und obgleich Landthier, seiner bestimmenden Natur nach, ging der Archegosau-
rus doch ebenso gern ins Wasser, und nicht bloss in Seen oder Flüsse, sondern auch ins
Meer, denn er frass Fische um so gewisser, als ausser ihm und seines Gleichen noch keine
Rückgratthiere auf dem Lande in damaliger Zeit vorhanden gewesen zu sein scheinen!
Vierter Abisclinitt.
Von den Familien-, Gattungs- und Art-Eigenthümlichkeiten.
§• 29.
Am Schluss meiner Schrift über Trematosaurus habe ich (S. 68.) eine scharfe Defi-
nition der Labyrinthodonten zu geben versucht und die erwähnte Gattung von den übri-
gen auf dieselbe Weise unterschieden. Die genauere Belianntscliaft mit der hier behandelten
Gattung setzt mich in den Stand, diese Definition einer Prüfung zu unterwerfen; sie verlangt
weiter eine ebenso scharfe Feststellung ihrer selbst im Einklänge mit der bisher ausführlich
dargelegten Organisation, und nöthigt am Schluss zu einer Untersuchimg über etwa vorhan-
dene Artunterschiede innerhalb ihrer Grenzen um so mehr, als frühere Schriftsteller schon zur
Annahme von vier verschiedenen Arten Veranlassung gefunden hatten.
Die Familiendefinition der Labyrinthodonten erleidet durch die genauere Kunde des
Archegosaurus eine sehr wesentliche Veränderung, welche den aufgestellten Charakter der
Zahnstrnctur betrißl, denn Archegosaurus hat nicht die substuntia dentium labyrinthice
complicata, wie ich weiter oben (§. 13.) ausfiihrlich nachgewiesen habe. Dieser Passus der
Definition ist also nicht mehr allgemein gültig und muss entweder ganz wegfallen, oder die
Alternative in sich aufnehmen, welche die Labyrinthodonten in ihrem Zahnbau enthalten. Ich
entscheide mich für das Letzte, und setze statt jener obigen Worte nunmehr folgende:
Substantia dentium interna radiatim complicata, superficie externa longitudinaliter
striata: plicis dentinae internis vel rectis, interstitio aperto sejunctis, vel labgriti-
thice undulatis arcteque sibi appressis.
Hiernach darf auf die Zahnstrnctur der Labyrinthodonten nicht mehr das hauptsäch-
hchste systematische Gewicht gelegt werden, \ielmehr tritt statt ihrer, als der einzige aus-
64
schliesslich ihnen eigene Faniilienchaiakler, die von mir zuerst mit Nachdruck horvorgehobeDe
vollständige Ueberwölbung der Schläfengruben auf; sie bezeichnet die Labyrin-
thodonten scharf und sicher als eine eigenthümliche, von allen anderen Amphibien abgeson-
derte Gruppe. Ob die drei Kopffurchensysteme ihren sämmtlichen Gattungen in gleicher An-
ordnung zukommen, ist weniger gewiss; bei Archegosaurus habe ich nur das Stirnsystem
deutlich gefunden, will indessen den Mangel der beiden anderen nicht gradezu behaupten.
Nicht minder unsicher bleibt die Anwesenheit grösserer Fangzähne im Unterkiefer hinter der
Kieferzahnreihe; sie scheinen wü-klich der Gattung Archegosaurus zu fehlen, dagegen aber
die Kieferzähne selbst an der Biegungsstelle einen relativ grösseren Umfang zu haben. Des-
halb dürfte die Angabe der grossen Fangzähne des Unterkiefers aus der Familiendefinilion
zu streichen sein. Alle übrigen Bildungsverhältnisse der Gattung stimmen zu dem a. a. 0.
aufgestellten Familiencharakter; seine dermalige Geltung steht also fest und ist durch die Un-
tersuchung von Archegosaurus lun- bekräftigt worden.
Ich gedenke liier anhangsweise der Kopffurchen nochmals in einem anderen Sinne,
um wo möglich ihren Zweck weiter zu ergründen. Früher habe ich sie mit dem Wasserkanal-
system der Fische, das Hyril uns kennen lehrte (Müllers Arch. 1843. S.224.), verglichen und aus
ihrer Isolation abzuleiten gesucht, dass sie demselben nicht zu entsprechen scheinen. Indessen stehen
diese Halbkanäle wohl in einer ähnlichen Beziehung zur Haut, wie die sirahligen Furchen auf dem
Schädelknochen, und wenn letztere als die Behälter der ernährenden und belebenden Theile des
Hautsystems im Allgemeinen anzusehen sind, wie das schon ihre öftere Comnuniicalion durch
Gefässlöcher mit den inneren Höiilen der Knochen beweist, so darf man die Furchen wohl für
die Träger eigenlhümiicher accessorischer Organe hallen. Scheinen sie nun auch Wasser füh-
rende Kanäle nicht gewesen zu sein, so könnten sie wohl Behälter von Schleim oder Schmier
absondernden Säcken oder Schläuchen zur Erhallung des schlüpfrigen Zustandes der Haut abge-
geben haben. Die lieutigen beschuppten Ampiiibien besitzen ähnliche Apparate in ihrer Haut; die
Moschusdrüse am Unterkiefer der Crocodile und die Poren an den Schenkeln vieler Saurier ge-
hören dahin. Zahlreiche Schleimsäcke haben die nackten Amphibien, und allgemein ist ein Haut-
schleim absondernder Apparat bei den Fischen vorhanden. Die Anordnung des lelztern scheint
der Bildung bei den Labyrinthodonlen am nächsten zu kommen, besonders seitdem es mir ganz
kürzlich gelungen ist, Communicationsoffnungen der Halbkanäle mit dem Innern der Kopfknochen
aufzufinden. Ich habcan dem grossen Schädel von Arclu-gosaunis (abgebildet Taf I. Fig. 1.)
dergleichen OefTnungen an mehreren Stellen der Furche auf den Nasenbeinen deutlich gesehen
und unter der Furche, in der Knocbensubslanz, grosse Hölilungen erkannt, die dem Laufe der
Furche folgen und ihr Hervortreten auch auf der inneren Seite des Knochens als Leiste bewir-
ken. In der restaurirten Figur auf Taf. IV. habe ich diese Höhlungen unter der Furche angege-
ben. Hierdurch scheint mir die Uebereinstimmung der Kopffurchen mit den ähnlichen in den
Schädelknochen der Fische bewiesen zu sein.
§. .30.
Die systematischen Gattungscharaktere von Archegosaurus liegen besonders in denje-
nigen Punkten seiner Organisation, mit welciien er vom Familiencharakter mehr oder weniger
65
abweicht. In der Gesamnitfonn durch grössere Sclilankheit des Kopfes von Trematosaurus,
als derjenigen Gattung, welche nach ihm den sclüanksten Kopfbau besitzt, sich entfernend,
harmonirt Archegosaurus doch im allgemeinen Ansehn mit derselben am meisten, hat aber
mehr nach hinten gerückte Augenhöhlen und erinnert dadurch an Capilosaurus. Ihr Abstand
von einander ist nicht grade grösser als der Querdurchmesser jeder einzelnen Augenöflhung,
und das unterscheidet Archegosaurus sehr bestimmt sowohl von Trematosaurus , als auch
von Capitusaurus, während eben dieser Charakter an Mastodotisaurus und Rhinosaurus,
Gattungen, die einen relativ viel kürzeren, breileren Kopf haben, ihn anschliesst. Ich habe
nach diesen verschiedenen Beziehungen schon früher (üeber Trematosaurus, S. 8.) die Stel-
lung von Archegosaurus im systematischen Verbände der Labyrinthodonten-Gattungen ange-
geben, und kann auf die dort mrtgetheilte Tabelle verweisen. Was ich aber damals niclit
■svusste, die auffallend seitliche Lage dei- schmalen, weit von einander abstehenden Nasenlö-
cher, und die eigenthümliche Structur der Zähne verbunden mit ihrer Grössenzmialime nach
vorn in beiden Kiefern, das würde in der systematischen Definition der Galtung ganz beson-
ders hervor zu heben sein, und selbige hiernach etwa folgendermassen lauten:
Archegosaurus.
Genus Lahyrintho(lo7ttum capite trigono: cavis ocutorum post medium totius
capitis sitis orhifisque sat magnis, interrallo latitudini orbitae rix vel parum super-
unte disjunctis; ossibus parietalibus foramine medio suturali perforatis eoque orbitis
paulo magis, quam 7nargitn occipitis postico approximato ; ?iaribus angustis, pone mar-
ginem maxillae externum sitis; deutibus omuibus simpliciter radiatim complicatis, an,"
ticis utriusque maxillae majoribus, dentibus incisivis magnitudine aequatibus (?)*).
Seil Abfassung meiner Schrift über Trematosaurus hat Eichvvald eine Gallung der
LaI)yrinlhodonlen aus dem Zechsleine des Permschen Gouvernements bekannt gemacht {Bulletin
de hl Socicte iinp. des Natural, d. Moscou. 1848. 11. S. 159. SC7. Taf. 2— 4.), welche den Na-
men Zi/yosaurns lucbis führt. Ihre Bildungsverhällnisse sind nocii nicht genügend feslgeslelll,
doch scheint die allgemeine Kopfform am meisten zur Galtung Mastodoiisaurus zu passen. Die
Schnaulzenspilze und deY äussere Kieferrand fehlen dem abgebildeten Schädel, und die grossen
Zähne, welche man in den Abbildungen wahrnimmt, halle ich für Gaumenzähne. Die Nähte der
Kopfknochen sind nicht dargestellt, und darum kann vor der Hand die syslemalische Stellung des
Thieres nicht genau angegeben werden. Was in der Beschreibung darüber Iheils an Thalsachen,
Iheils an Mulhmassungen enlhallen ist, reicht nicht hin, um ein sicheres, positives Urlheil zu
begründen.
§• 31.
Artenunterschiede lassen sich schwerer bestimmen, bei fossilen Thieren, als GaWungs-
eharaklere; besonders deshalb, weil zur sicheren Begründung einer Spezies mehrere Exem-
*) Man berücksichtige in Bezug auf den zuletzt angegebeneu Charakter die Note zur Scliilderung des
Arch. lalirostris in §. 32.
9
66
plare und wo möglich von verschiedenem Alter nothwendig sind, ein scharf ausgeprägter
Gattungsunterschied aber schon an einem einzigen Individuum hervortreten kann. Ich bin
darum von je her geneigter gewesen, die Aitenmenge zu reduciren als zu vermehren, und
werde auch von diesem Grundsalze bei Ai'chegosauriis um so weniger lassen, als ich die
entschiedenen Beweise für meine Auffassung in Händen zu haben glaube.
Goldfuss hat bekanntlich in seiner mehrmals erwähnten Abhandlung drei Arten von
Archegosaurus unterschieden: den A. Deckemi S. 3., den A. medius S. 6. und den ^. mi-
nor S. 7. Ich halje mich schon im allgemeinen Tlieile, welcher vom Schädel handelt, dahin
ausgesprochen (S. 5 — 7.), dass diese angeblichen 3 Arten nur verschiedene Altersstufen einer
und derselben Spezies vorstellen und habe eine vierte Form, aus dem frühesten Jugendalter,
denselben hinzugefügt. Mein Beweis, dass sämmtliche vier Formen nur einer Spezies ange-
hören, gründet sich auf die Beobachtung lebender Amphibienarten in ihrem verschiedenen
Alter, namentlich der Crocodile, und da dieser Beweis oben nur ganz im Allgemeinen ge-
halten ist, so scheint es mir passend, ihn hier weiter auszuführen.
Die hiesigen Sammlungen besitzen vortreffliche Altersstufen von vier verschiedenen
Crocodilarten, nämlich von Crocodihis iiiloticus, Cr. biporcatus, Cr. sclerops und Cr. lu-
cius ; die jüngsten Exemplare sind aus dem Ei genommene Embryonen, das älteste gehört
dem Cr. iiiloticus an und besteht aus einem Schädel von 22^ Zoll Länge. Die beste Stu-
fenreihe lieferte Cr. sclerops, daher ich auf den allein meine Beweisführung gründe, die
übrigen nur als Hülfsmittel für diesen Beweis benutze. Der Gegenstand aber, welcher zu be-
weisen ist, würde sein, zu zeigen, dass die Schädeldimensionen einer jeden Cro-
codilart mit zunehmendem Alter sich völlig ebenso verändern, wie die Di-
mensionen an den beobachteten Formen des Archegosaurus Dechenii.
Der Schädel eines vollendeten, aus dem Ei genommenen Embryo von Cr. sclerops
ist 1 3 Linien lang, und in der Scheitelgegend 6 1^ Linien breit. Die Mitte seiner Gesammtlänge
fällt ziemlich in die Mitte des Hauptstirnbeins, d. h. zugleich in die vordere Hälfte der Augen-
höhlen, deren Länge etwas mehr als 1 Drittel der ganzen Schädellänge beträgt. Die erha-
bene Querleiste vor den Augen, welche sich über die Vorderstirnbeine und Thränenbeine
erstreckt, liegt genau auf \ Drittel der Schädellänge. Alle diese Verhältnisse stimmen mit den
am jüngsten von mir abgebildeten Schädel von Archegosaurus gefundenen ziemlich überein,
wie sich aus der Tabelle auf S. 6. ergiebt. Der nächst ältere Kopf von Cr. sclerops misst
18|- Linien in die Länge, während die Breite seiner Scheitelfläche nur 8 Linien beträgt; die
Mitte seiner ganzen Länge fällt in das vorderste Ende des Hauptstirnbeins, liegt also nur sehr
wenig hinter dem vorderen Orbitalrande; denn auch in diesem Alter überschreitet der ge-
nannte Rand die äusserste Spitze des Hauptstirnbeins nach vorn. Al^er die ganze Länge der
Orbita, welche bei dem jüngsten Exemplar ebenso lang war, wie die Scheitelfläche oder
wie die Schnautze von der Spitze bis zur queren Stirnleiste, ist jetzt schon kürzer als letz-
tere, aber etwas länger als der Scheitel, und beträgt demnach im Ganzen weniger als ein
67
Drittel der Kopfeslänge. Die Augenöffnnng schreitet also mehr zurück, während die Schnautzen-
spitze sich mehr verlängert, d. Ii. die Knochen der vorderen Schädelhälfte \vachsen viel mehr
in die Länge, während an den hinteren die V'ergrösserung der Längen- und Breiten-Dimen-
sionen ziemlich gleichen Schritt hält. Dasselbe fanden wir bei der Vergleiclumg des kleinsten
und des nächstgrösseren Schädels von Archegosaurus. Dies Resultat bestätigt sich, wenn
wir eine dritte Altersstufe von Cr. sclerops untersuchen. Bei einer Gesammtlänge von 32
Linien hat die Scheitellläche eine Breite von 1 2 Linien ; die Mitte jenei- Länge fallt in die
äusserste Spitze des Hauplstirnbeins, ^^ eiche schon etwas weiter, als der Orbitalrand nach
vorn reicht, so dass dessen Grenze genau die Lage der Schädelmitte angiebt. Die Augen-
öffnung hat sich um so \iel verkürzt, dass sie der mittleren Länge der Scheitellläche gleich
kommt, sie misst also nur noch ein Viertel der Schädellänge, statt des früheren einen Drittels
in erster Jugend. Zugleich dehnt sich die bis dahin äusserst schmale Backenfläche unter dem
Auge merklicher aus; die Augenöffnungen, früher ganz am Rande des Mundes gelegen, rücken
dadurch mehr nach oben auf die Stirn hinauf und ihr Abstand von einander wird nicht in
dem Maasse breiler, wie die Breite des Schädels zunimmt. Daher erscheint auch die abge-
plattete Scheitelfläche immer kleiner gegen den nach vorn wie aussen hauptsächlich ausge-
wachsenen Schädel. Es wird darum Niemand überraschen, wenn er die Mitte des Schädels
ganz alter Individuen weit vor dem vorderen Orbitalrande lindet, ja selbst aus dem Stirnbein,
dessen Spitze sich doch immer weiter vordrängt, heraus auf die Nasenbeine gerückt. Die
Augenöffnungen, anfangs länger, später ebenso lang wie die Scheitelfläche, sind jetzt ein
wenig kürzer, und die Jochbeine neben ihnen halben fast dieselbe Breite wie die Augenhöh-
len. Die Schnautze aJier, bisher schlank, ist trotz ihrer grösseren Länge breiter geworden,
weil namentlich die Oberkieferbeine sich ebenso sehr in die Breite ausdehnen, wie die Joch-
beine, wenn das Thier den höheren Altersstufen näher rückt. Dadurch besonders erhält der
Kopf sein plumperes Ansehn. .Sehr gut lässt sich übrigens das Alter eines Crocodilschädels
an tier Stellung des letzten Backzahnes zur Augenhöhle bestimmen; je jünger das Thier ist,
desto weiter steht er nach hinten. So stehen z. B. in der ersten Jugend die 7 Backzähne
der zweiten Gruppe alle unter der Augenöffnung. Anfangs treten davon nur 6 auf, der
kleinste hinterste kommt später nach. Indem nun die Augenöffnung zurückschreitet, rückt ein
Zahn dieser Gruppe nach dem andern über sie hinaus und zuletzt, im höchsten Alter, bleibt
keiner von allen hinter ihr zurück, denn der aUerletzte siebente pflegt dann grade vmter ihrem
vordersten Rande zu stehen. Das findet bei allen Crocodilen Statt, aber nicht so beim Ga-
vial, vielleicht weil der keine differenten Zahngruppen besitzt. Darin aJjer bleiben Gaviale
und ächte Crocodile nebst den Alligatoren sich gleich, dass bei den Individuen von
sehr hohem Alter kein Zahn mehr hinter dem Orbitalrande steht, sondern der letzte von aUen
grade unter oder seligst schon ^or ihm. So weit ist also das Auge zurückgeschritten, wäh-
rend die Schnautzenspitze vonückte.
Nach Darleguns; dieser Thatsachen wird man nicht mehr daran zweifeln können, dass
9*
68
die sechs Formen, welche ich in der Tabelle auf S. 6. zusanimeneeslellt habe, einen ganz
ähnlichen Entwickelangsgang darstellen, als die eben angegebenen von CrocodUus sclerops,
und meine dort ausgesprochene Ansicht, dass sie nur die Altersstufen einer Art seien, findet
hierin ihre Rechtfertigung. Ich halte sie jetzt für eine wissenschaftlich begründete Thatsache
und schliesse die Untersuchung über die spezifischen Unterschiede der Ar chegosauren
dahin, dass alle länglich dreiseitigen spitzköpiigen Individuen, bis zu den mit gleichseitig drei-
eckigem Kopfe hinunter, zu einer Art gehören, für welche ich den Namen:
Arcliegosaurus Declienii
beibehalte. Ihre Definition würde so lauten:
Arch. capite elongato-trigono , suhacufo; dentibus incisivis 16 — 18; ossi-
hus 7iosaUbus in quaque aetate longitudini ossium frnntuVuun adaequantibus ; or-
bitis intervallo vix lutitudhiem orbilae superante sejunctis.
a. hidividua juvenilia , longUud. capitis \i — 24, latitud. 10 — 1ö linearum. Icon
nustr. tab. I. fig. i.
Arch. minor Goldf. Beitr. z. vorweltl. Fauna d. Steinkolüengeb. etc. 7. 3.
Taf. III. Fig. 2.
b. hidividua mediae aefatis, longitud. capitis 30 — 30, latitud. 20 — 24 linearum.
Icon nostr. tab. IL fig. 1. 2. 5. fi.
Arch. medius Goldf I. 1. G. 2. Taf. III. Fig. 1.
c. Indicidua majora, longitud. capitis 'i — ö, latitud. 2| — 3 nnciarum.
4 Arch. Dechenii .lordan, Verhandi. d. naturf. Vereins d. Rheinlande VI. 7G.
Taf IV. Fig. 1.
d. Individua matura C?^, longitud. capitis ^ — "i, latitud. 3] — Z^unciarum. Icon
nostr. t(d). I. fig. 1. tab. IV. fig. 1.
Arch. Dechenii Goldf. 1. I. V. 3. I. Taf. 1. Fig. 1. 2. Leonh. u. Bronn n.
Jahrb. 1847. 400. Taf. 6.
Bei lebenden Crocodilen pflegt die Länge des Kopfes ein Fünftel der ganzen
Körperlänge, bei den Gavialen zwei Hilft el zu betragen. Die typischen Saurier haben
im Ganzen relativ viel kleinere Köpfe, die Salaniandrinen ebenfalls, obgleich die Differenz
hier nicht so gross ist. Bei der gemeinen Salamandra maculata beträgt der Kopf weniger
als ein Achtel der ganzen Länge, bisweilen nur ein jNeunlel, bei Triton cristatus etwa
ein Siebentel. Nehmen wir also nur die Verhältnisse derjenigen geschwänzten Amphibien,
welche den relativ grössten Kopf haben, d. h. der Crocodile, so erreichten die ausgewachse-
nen Individuen von Archogosaurus Dechenii mindestens 35 Zoll, d. h. ziemlich drei Fuss;
die jüngsten Exejnplare, deren Schädel wir kennen, mögen 8 — 10 Zoll lang gewesen sein
weil ihnen ein relativ kürzerer Kopf zukommt, als den alten. Der Schwanz beträgt in jedem
Alter, wenn der Typus der Crocodile, Saurier und Salaniandrinen als maassgebend angenom-
69
men werden darf, die halbe Länge des Thieres, also bei den grössten Archegosauren
anderthalb Fuss; der Rumpf allein einen Fiiss.
§.32.
In die dargestellte Entwickelungsreihe des Arehegosaurtis Dechenü passt durchaus
nicjit der Schädel, den Dr. Jordan in den Verhandl. d. naiurf. Vereins der Rheinlande als
Archegosaurus latirostris beschrieben und abgebildet hat (S. 78. Taf. IV. Fig. 2. u. 3.). Ich
habe das dort behandelte Exemplar vor mir und finde alle Angaben richtig, wenn ich die in
der Figur und Beschreibung nicht berücksichtigten Schädelnähte hinzufüge. Um sie zur An-
schauung zu bringen, habe ich eine neue mehr ausgeführte Zeichnung desselben Stücks gege-
ben (Taf. II. Fig. 3. 4.). Man sieht nur die Miltelgegend der Schnautze bis zu den Augenhöh-
len vor sich, der Kieferrand und der ganze Hinterkopf fehlen; allein das Bruchstück genügt
zur Feststellung der Art vollkommen. Ihr Kopf war hiernach relativ viel breiter, der vordere
Schnautzenrand stumpfer und mehr kreisförmig als parabolisch gerundet. Der Zwischen-
kiefer (a.) ist kürzer, reicht nur bis an den vorderen Rand der breiteren ovalen Nasenlö-
cher und trägt wahi-scheinlich zwölf Zähne auf jeder Hälfte. Man sieht zwar nur 18 Höhlen
im Gestein unter dem weggebrochenen Kieferrande, aber 1 1 davon stehen in der einen Hälfte,
und auch die hat noch eine unverkennbare Lücke für den zwölften; andere Lücken der ent-
gegengesetzten Seite zeigen eben so viele ausgebrochene Zähne an und geben für 2i- Zähne
Raum *). Unmittelbar hinter den Zähnen liegen dicht neben der Mitlelnaht die langen ovalen
Gruljen für die Unterkieferzähne, deren Abdrücke sich nur in der Gaumenfläche (Fig. 3.) zeigen,
während die äussere Oberfläche des Zwischenkiefers an dieser Stelle gleichmässig gewölbt
(im Abdruck Fig. 4. vertieft) ist. Neben den Gruben erscheinen die ebenso geformten Nasen-
löcher als offene Lücken, durch welche das Muttergestein von oben hindurch floss und darum
bei der Spaltung des Sphärosideriten zerbi-echen musste. Vom innern Rande der Nasenlöcher
gehen die Nasenbeine (c} aus, zwei anfangs sehr breite, dann gebogen nach hinten ver-
schmälerte Knochen, deren mittlere Verbindungsnaht vorn ausgeschweift ist. Ihre Länge be-
trägt etwas weniger als die der Hauptstirnbeine, und darin liegt ein positiver spezifischer
Unterschied von Archegoisanrus Decheini, bei dem in allen Lebensaltern beide Knochen
ziemlich dieselbe Länge haben. Neben den Nasenbeinen tritt die breite Fläche des Ober-
kieferknochens (h^ in die Schnautzengegend hinein. Es ist ein nach innen gebogen be-
grenztes Knochenblatt, dessen Ossificationspunkt in der vorderen Hälfte liegt und das nach
hinten bis fast an den Orbitalrand reicht. Darnach muss dies Stück des Oberkiefers relativ
länger als bei Arch. Dechenü gewesen sein. Das neben ihm liegende Thränenbein (d.')
*) Vielieiclit ist es niclit liloss Zufall, dass die iiiissersten 2 ZHline des Zwisclienl»iefers der linken Seite
kleiner ersclieinen, als die anderen. Sollte es Regel sein, so würde darin ein Artnnterscliied gegea
A. DecheHii liegen, der von grosser Wichtigkeit zu sein scheint, weil dann wahrscheinlicii auch die vor-
deren Kieferziiline dieselbe Grösse behalten dürften, diese Art also lauter gleich grosse Kiefer-
zjihne liahen könnte!
10
70
unterscheidet sich in keinem Punkte von demselben Knochen des Arch. Dechenü; es ist nur
wenig kürzer aber etwas breiter; darüber sieht man die schwache Spui- der Gesichlsfurche
sich hinziehn. Das Hauptstirnbein ff.J gleicht dem von Arch. Dechenu vollkommen,
selbst die Asymmetrie desselben kehrt hier ebenso wieder. Es hat genau dieselbe Länge,
wie dieses, aber mehr Breite, reicht gerade so w'eit nacli hinten, ai)er weiter nach vorn, weil
die Schnautze des Arch. latirostris kürzer ist. Diese Verkürzung trifft, wie wir schon sahen,
hauptsächlich die Nasenbeine und zum Theil auch die Zwischenkieferbeine. Neben den Haupt-
stirnbeinen sind nach hinten noch die Hinterstirnbeine (g.~) erhalten. Auch sie gleichen
in Form und Grösse, abgesehen von einer etwas beträchtlicheren Breite, ganz denen von
Arch. Dechenu. Die Lücke zwischen ihnen zeigt ein analog gestaltetes, relativ breiteres und
wie es scheint absolut kürzeres Scheitelbein an, woraus man auf eine allgemeine Verkür-
zung des Hinterkopfes bei dieser Art schliessen darf. Leider fehlen alle Knochen desselben.
Dagegen ist links an der Backe unter dem Auge ein grosser Knochenrest (k.^ sichtbar, den
ich für das Jochbein halten würde, wenn nicht die Ossiücalionsradien nach vorn zu conver-
girten, was gegen den Typus des Jochbeins spricht. Auch sieht man ganz vorn den Eindruck
eines grossen Gaumenzahns daneben im Gesteine, und weiter zurück die Spuren mehrerer
kleiner Kieferzähne, welche Umstände es mir wahrscheinlicher machen, dass das beschriebene
Knochenblatt ein vorgeschobenes Stück der Gaumenfläche ist und der Jochbogen auch an der
linken Seite, wie an der rechten, ganz verloren ging, d. h. mit dem Hinterkopf abbrach.
Die innere Stractur der Knochen lässt sich am unteren Abhub (Fig. 3.) der Doppel-
platte sehr gut verfolgen, man sieht die Knochenkanälchen sehr deutlich und wird durch ihre
Endigungen auf die weniger deutlichen Nähte hingewiesen. Fast noch schöner zeigt der
obere Abhub die superficielle Sculptur der Schädelknoclien, namentlich auf den Zwischenkie-
fer- und Nasenbeinen. Es sind deutliche, keilförmige Furchen, mit stärker vertiefter Spitze,
welche in radialer Anordnung vom Ossificationscentrum ausgehen und vielfiiltig in einander
greifen, obgleich keine Furche von der genauen radialen Richtung abweicht. Auf den Nasen-
beinen sind sie im Allgemeinen länger als auf dem Zwischenkiefer. Einen Unterschied in der
Sculptur von der des Arch. Dechenü bemerkte ich nicht.
So liegen denn die spezifischen Charaktere dieser Art, wie gewöhnlich bei Arten einer
Gattung, in den geänderten Dimensionen einzelner Theile und Gegenden, namentlich darin,
dass der Schnautzentheil, welcher aus dem Zwischenkiefer und Nasenbeinen besteht, bei viel
geringerer Länge entschieden breiter ist, als der von Arch. Dechenü, und seine grössere
Breite sich auf die Stirngegend mit ausdehnt. Daher ist der Raum zwischen den Augenhöh-
len etwas breiter, als bei Arch. Decheini, namentlich entschieden breiter als die Augenhöhle
selbst, welcher Umstand für die Feststellung des Galtungscharakters von Bedeutung wird.
Demnach würde die systematische Defiuilion der Art etwa so zu fassen sein:
71
Archegosaurus latirostris Jord.
Arch. capite ubtuse-trigono, rostro rotundato; dentibus iiicisivis 24; ossi-
hus lutsalibus lotigitudine ossium frontalium brevioribus ; orbilis intervallo latitu-
dinem orbitae superante disjunctis. Icon nostr. tob. II. fig. 3. 4.
Jordan, in den Verh. d. nat. Vereins d. Riieiiüande, Bd. VI. S. 78. Taf. IV. Fig. 2. 3.
Verhält sich der Hinterkopf ähnlich zur Stirn, wie die Schnautze sich zu ihr verhält,
so darf man annehmen, dass der ganze Schädel 5^- Zoll lang und über 3^ Zoll, vielleicht
4 Zoll breit war. Der Abstand der Augenhöhlen beträgt grade 11 Linien, bei Arch. De-
chenii nur 8 Linien. Die Länge der Nasenbeine ist gegen 20, die der Stirnbeine auf 22 Li-
nien zu setzen.
Das einzige Original dieser Art befindet sich in Herrn v. Dechens Sammlung.
X
10'
Erklärung der Abbildungen.
Taf. I.
Fig. 1. Ansicht des grösslen Schädels von Archegosaurus Dechenii in nalflrlicher Grösse.
a. Zvvischenkiefer, os hiterm axillare.
b. Oberkiefer, os ntaxillare superius.
c. Nasenbein, os nasale.
d. Thränenbein, os lacryinale.
e. Vorderstirnbein, os frontale anterius.
f. Haupistirnbein, os frontale.
g. Hinterslirnbein, os frontale posterius,
h. Scheitelbein, os parietale.
i. Hinteraugenhühlenbein, os orbitale posterius.
J(. Jochbein, os zygomaiicum.
I. Aeusseres Paukenbein, os tj/mpaniciim externum.
m. Jochpaukenbein, os tjnadrato-jugnle.
II. Schuppenschläfenbein, os tetnporale-sqiiamosum.
0. Zitzenbein, os masiouleum.
p. Inneres Paukenbein, os tgnipunictnn.
(f. Seitliches Hinterhauptsbein, os condgloideiim.
r. Oberes Hinterhauptsbein, os occipitale superins.
Fig. 2. Ansicht der Schnaulze eines ebenso grossen Exemplars von innen.
Man sieht die Innenseite des Zvvischenkiefers («.) und der Nasenbeine (c), nebst dem
zahniragenden Rande des Oberkiefers (&.)•
Fig. 3. Ansicht derselben Schnautze von unten.
Man sieht den Abdruck der Spitze des Unterkiefers und den Sieinkcrn der Schnautzen-
höhle. Auf demselben sitzen Reste der Pflugschar- und Gaumenbeine mit den grossen Gaumen-
zähnen; vor dem Unterkieferrande sielit man die durchschnittenen Zähne des Oberkiefers.
Fig. 4. Ansicht des kleinsten Schädels derselben Art in natürlicher Grösse. "
— 73
"^Taf. II.
Fig. 1. Ansicht des Schädels, Halses und Schnitergürtels eines jungen Arc/iegosmints DechoiiH nach
dem Exemplar in der Mineraliensamndung der Berliner Universiliil.
a. Zungenbeinkörper, b. b. Zungenbeinhörner. d. Mittlere Kchlplattc, e. e. Seitliche Kehl-
schilder. /'./'. Schlüsselbeine, g.ij. Schulterblätter. /(./;. Oberarmknochen. /.•./.•. Rippen.
Fig. 2. Dasselbe im Gegendruck von unten.
Bezeichnung wie in der vorigen Figur.
Fig. 3. Arc/iegosaurtis latirosiris Jortl., nach Herrn v. Dechens Sammlung.
Bezeichnung wie Taf. I. Fig. 1.
Fig. 4. Die Schnaulzenspitze desselben im Gegendruck.
Ebenso.
Fig. 5. Schädel von Archegosannis Declienü mittlerer Grösse, zertrümmert, mit dem gut erhaltenen
Zungenbein («.).
Fig. (j. Ein ähnlicher kleinerer Schädel, an dem das Zungenbein und der Augenring sich gut erkennen
lassen.
a. Zungenbeinkörper, b. b. Zungenbeinhörner. d. Mittleres Kehlschild, c. c. Seitliche Kehl-
schilder mit den wohlerhaltenen Forlsätzen, f. f. Theile der Schlüsselbeine.
/
Tat*. III.
Fig. i. Ansicht der zum Theil schnurförmig in einander geschobenen Schuppen, wie sie divergirend in
schiefen Reihen von der lUttellinie des Rückens auslaufen, nebst den dazwischen liegenden
Rippen.
Fig. 2. Ansicht der Bauchgegend hinter den Bruslplatten nebst den Rippen h.h., dem Oberarmknochen /f.,
den beiden Knochen des Vorderarms /. ni. und den Zehenknochen n. Die Mittelfläche ist von
Schuppen r. r. bedeckt, unter denen noch 3 Rippen liegen.
Fig. 3. u. 4. Kehl- und Brustgegend eines ebenso grossen Exemplars in Druck und Gegendruck; Fig. 3.
die untere Fläche, Fig. 4. die obere Fläche,
ö. Zungenbein.
/j. b. Zungenbeinhörner.
d. Mittelschild von innen.
('. e. Seitenkehlschilder von innen.
f. f. Schlüsselbeine.
(/. g. Schulterblätter.
h. h. Oberarmknochen.
i. l. Wirbel.
li. k. Rippen.
r. r. Schuppen von innen gesehen.
.V. .«. Magencontenta.
((. Abdruck des .locbpaukenbeins von innen.
o. <). Schuppcngürlel hinter den Kehlschildern.
f). Abdruck des I'aukenknochens von innen.
74
^ Taf. IV.
Fig. 1. Der reslauriric Kopf in natürlicher Grösse. j
NB. Man sieht aiif der oberen Scliädelfläclie links die siiperticielle Scnlptur, rechts die innere Stnictnr der i
Kopflcnochen. Daneben ragt seitlich ein Theil der Gaiuiienfläche mit den Kiefer- und Gannienzähnen liervor. Die <
Bezifferung der Oberiläclie wie Fig. 1. Taf. I., — der Gannienlläche wie bei Tremiilosntirus
a. Zwischenkiefer.
b. Oberkiefer. |
/. Gaumenbein. I
!
tv. Pllugscharbein. '
p. Paukenknochen.
Fig. 2. Das Becken, ebenso. i
X. X. Darmbeine. j
y. y. Sitzbeine.
Flg. 3. Zwei vergrösserte Zähne. ^
Fig. 4. Eine leere Zahngrube vergrössert. I
Fig. 5. Ein zur Hälfte abgebrochener vergrösserter Zahn, dessen vordere Wand fehlt; man sieht die
lamellenförmigen Falten der Zahnwand.
Fig. 6. Vergrösserter Querschnitt eines Zahnes nahe der Spitze.
D r LI c k 1 0 h 1 o r.
Seite 22 Zeile 17 von oben lies anderen statt andere
niedrigere statt niedrigen
27 -
13 -
-
32 -
3 -
unten
.'il
7 -
-
5.5
- 13
- oben
57
2 -
■ unten
65
- 18 -
- oben
Fig. 2. statt Fig. 0.
das primäre Organ statt des primären Organs
Ziegelsch u p- statt Zingelscli uj)-
von einander statt vorn nieder
latitvidinem statt latitudini
Berlin, gedriickl bei (!. Reimer.
Taf:/.
_^.,ie"*W»^
1 1""^"^
'TY
A
4-
TafÄ.
t/ ^
A ^ vi?
k *
..w
«t* «
.1
*,■
V
j
t.
HCZ
}'
Taf.m.
S.<
^■^^f-^
W4'
s.
\
MC"
d^.i.
Date Due