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Inhaltsübersicht.
I. Regierung und Verfassung.
Seite
Einleitender Überblick 1
1. Die regierenden Stände.
A. Die Kompetenzen der VIII und der X Orte 2
B. Die Organe der regierenden Stände:
a. Das Oberamt 6
1. Der Landvogt 8
2. Der Landschreiber 14
3. Der Landammann 17
4. Der Landweibel 19
b. Das Landgericht 21
c. Das Malefizgericht 23
d. Die Landgerichtsdiener 29
e. Das Syndikat 30
C. Die Huldigung:
a. Der Huldigungsritt 34
b. Die jährliche Rätewahl in Frauenfeld 43
c. Beeidigung der Gerichtsherren 44
D. Die Hohen Gerichte 44
2. Beschränlcung der landesherrlichen Rechte.
A. Die autonomen, unmittelbar unter den regierenden Ständen
stehenden Städte:
a. Frauenfeld 48
b. Diessenhofen 51
B. Die Gerichtsherren:
a. Die niedern Gerichte 52
1. Die Klöster 59
2. Städte 63
3. Private 65
4. Freisitze 67
191000
IV Inhaltsübersicht.
Seite
b. Der Bischof von Konstanz 68
1. Arbon 69
2. Bischofszeil 71
3. Die Obervogtei Güttingen 73
4. Gottlieben 73
c. Der Abt von Fischirigen 84
d. Der Abt von St. Gallen 85
e. Der Stand Zürich %
f. Die Stadt Stein 99
g. Das Kloster Rheinau 99
3. Der Gerichtsherrentag.
a. Organisation 100
b. Traktanden 102
c. Anlagen 103
4. Die Landschaft.
A. Die Quartiere:
a. Die Quartierhauptleute 106
b. Die Quartierversammlungen 107
c. Anlagen ' . . 109
d. Kriegsordnung 110
B. Gemeindeorganisation:
a. Kompetenzen der Gemeinden 1 12
b. Beamte 114
c. Das Bürgerrecht 115
C. Die Leibeigenschaft:
a. Die Beschwerden derselben 120
b. Die dreizehenthalb Gotteshäuser 122
c. Die Fallordnung von 1766 123
d. Die Auslösung des Falles und Lasses 1795 und 1796 . 128
II. Kirche und Schule. Wirtschaftliche Lage.
L Die Kirche.
Einleitung: Die Kirchenleitung durch die Hoheit 132
A. Das evangelische Kirchenwesen:
a. Die Stadt Zürich 133
b. Die Kirchgemeinden 136
c. Die Pfründen 138
1. Besetzung derselben 138
2. Das Pfrundeinkommen 141
B. Das katholische Kirchenwesen:
a. Das Bistum Konstanz 143
b. Die Kollatur 144
Inhaltsübersicht. V
Seite
C. Wohltätigkeitsanstalten :
a. Die Brandsteuerordnung 147
b. Das Brugger Armengut 148
c. Armenunterstützung 148
D. Polizeiliches 150
2. Die Schule.
A. Organisation 153
B. Innere Einrichtung 158
C. Der Schulmeister 166
D. Die Schulstube 169
3. Wirtschaftliche Lage.
A. Landwirtschaft 171
B. Handel und Gewerbe:
a. Einfuhr und Ausfuhr 172
b. Markt 175
c. Die Ehehaften und Zünfte 177
d. Die Besalzung 180
e. Mass und Gewicht 181
1. Längenmasse 181
2. Flächenmasse 182
3. Masse für feste Körper 183
4. Getränkemasse 184
5. Gewicht 185
f. Münze 186
C. Strassen und Brücken:
a. Bauten .194
b. Brücken- und Weggelder 202
D. Der Abzug 205
Anhang: Ausgleichungsprojekt 207
Quellenverzeichnis :
A. Handschriftliche 211
B. Gedruckte 211
C. Bearbeitungen 212
Alphabetisches Verzeichnis der Gerichte 214
UNIV£R8l"rr.
l
Regierung und Verfassung.
Einleitender Überblick.
Der Thurgau gehörte zu den gemeinen eidgenössischen
Herrschaften. Die Landeshoheit stand im achtzehnten Jahr-
hundert den Vlll Orten Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwyz,
Unterwaiden, Glarus, Zug zu, in Diessenhofen den Vlll Orten
nebst Schaffhausen. Ausserdem hatten Freiburg und Solothurn
Anteil an der hohen Gerichtsbarkeit und den daraus fliessenden
Rechten und Einkünften.
Die regierenden Stände besassen die volle Hoheit in den
überall im Lande zerstreuten sogenannten Hohen Gerichten;
sonst waren sie durch die Rechtsame der zahlreichen geist-
lichen und weltlichen Gerichtsherren eingeengt Den Stiften
St. Gallen, Konstanz und dem Kloster Fischingen waren in
ihren altstiftischen Herrschaften, d. i. den Gebieten, welche
sie vor der Eroberung des Thurgaus durch die Eidgenossen
1460 innehatten, höhere Rechte zugestanden als den übrigen
Gerichtsherren; in den später erworbenen wurden sie auf die
gleiche Linie mit ihnen gestellt. Die Rechtsame der alt-
stiftischen Herrschaften wichen von einander ab; sie gipfelten
in einem Zustande, der an die Landeshoheit grenzte. Dies
war der Fall in den abt-st. gallischen sogenannten Malefiz-
gerichten ; auch die Ansprüche der Stadt Wil in Wallenwil und
Herdem, diejenigen des Standes Zürich in Ellikon und Stamm-
heim gingen bis ans Malefiz, während der Abt von Rheinau
im Städtchen gleichen Namens zwar die Gerichtshoheit bis
Hasenfratz, Die Landgrafschaft Thurgau vor 1798. 1
2 Einleitender Überblick. Die regierenden Stände.
ans Blut ausübte, im übrigen aber fester an die Eidgenossen
gebunden war. Die konstanzischen Städte Bischofszeil und
Arbon waren der eidgenössischen Jurisdiktion und Verwaltung
fast ganz entzogen; ganz ausserhalb des übrigen Thurgaus
hatten sich die Städte Frauenfeld und Diessenhofen entwickelt
und erfreuten sich weitgehendster Autonomie. In den Rechten
der gewöhnlichen Gerichtsherren war durch den Vertrag von
1509 eine gewisse Einheit eingeführt worden; dennoch blieben
sie in manchen Dingen untereinander verschieden. Die
Gesamtheit der Gerichtsherren fand ihren Ausdruck im Ge-,
richtsherrenstand ; die Landschaft war durch die Quartiere
repräsentiert. Diese fussten auf den Gemeinden, in denen sich
die Vielfältigkeit der Organisation fortsetzte.
In religiöser Hinsicht herrschte seit dem Aarauer Frieden
vom Jahre 1712 die Parität.
1. Die regierenden Stände.
A. Die Kompetenzen der VIII und der X Orte.
Zürich, Luzern, Uri, Schwyz, Unterwaiden, Glarus und
Zug gewannen 1460 durch die Eroberung des Thurgaus die
Landeshoheit, zu welcher im Aarauer Frieden 1712 auch die
Stadt Bern Zutritt erhielt. In Diessenhofen war seit 1460
Schaffhausen Mitlandesherr. Die von Österreich an die Eid-
genossen gefallenen Kompetenzen, die sie durch den wechsel-
weise gesetzten Landvogt ausübten, bestanden in der obersten
Schutz- und Schirmherrschaft, in der Kastvogtei über die in
der Landgrafschaft gelegenen Stifte und Klöster, in der Hand-
habung des Landfriedens und der öffentlichen Ruhe, in den
Rechten der Huldigung, des Heerbanns, der Steuern, Zölle,
Münzen, im Verleihen der Reichslehen und der Verwaltung
der unmittelbaren Reichsgebiete.^ Auch nahmen die Eid-
^ Vgl. über die Kompetenzen Österreichs Joh. C. Fäsi, Geschichte
der Landgrafschaft Thurgau, p. 354 f., Y 44. Dieses Werk findet sich in
vier Manuskripten, wovon zwei nur bis 1712 reichen, in der thurgau-
ischen Kantonsbibliothek. Nr. Y 44 ist die zum Teil verkürzte, zum Teil
verbesserte Kopie des Originalmanuskriptes Y45. Ein Bruchstück ist
in überarbeiteter Gestalt gedruckt in J. C. Fäsis Staats- und Erd-
Die Kompetenzen der VIII und der X Orte. 3
genossen das Recht, als oberste Appellationsinstanz zu ent-
scheiden, in Anspruch. Zur vollständigen Landesherrlichkeit
fehlte ihnen noch das Landgericht, das seit 1415 im Besitze
der Stadt Konstanz war und erst 1499 im Schwabenkrieg
durch die VIII alten Orte nebst Freiburg und Solothurn ge-
wonnen wurde. Gestützt auf ihren Anteil am Landgericht
beanspruchten Bern, Freiburg und Solothurn ein Mitanrecht
auf die Landeshoheit im Thurgau, mussten sich aber 1555
einen Vertrag gefallen lassen,^ der ihre Befugnis auf die aus
dem Landgericht herfliessende hohe Gerichtsbarkeit, auf das
„Malefiz", reduzierte. Der Landvogt der VII Orte schaltete
zugleich als Landrichter der X Orte. Obgleich der Vertrag
von 1555 den Umfang der malefizischen Gerichtsbarkeit näher
bestimmt, herrschten doch über das Verhältnis von Freiburg
und Solothurn zu den VIII regierenden Orten fast beständig
Kompetenzstreitigkeiten, zumal das Landgericht im Laufe der
Zeit seinen Charakter geändert hatte, das Landvogteiamt die
Kriminalsachen behandelte und der ßlutbann vom Großen
Rat der Stadt Frauenfeld gehandhabt wurde. Die beiden Städte
beschwerten sich über Beeinträchtigung in ihren Bussenanteilen,
verlangten Einsicht in die VIII örtische Rechnung, behaupteten,
dass ihnen Anteil an allen Strafen, Bussgefällen, obrigkeitlichen
Emolumenten und Gerechtigkeiten gebühre, dass ihnen mit
und neben den VIII Orten zukomme, Satzungen, Polizei-
verordnungen und andere Verordnungen zu errichten,* und
verlangten die Abänderung des Titels „die zehn am Malefiz
partizipierenden löblichen Orte" in „die an der Oberherrlich-
keit des Landgerichts Anteil habenden Orte",* sowie den Bei-
beschreibung, Bd. III. Die Zoilikofersche Familienbibiiothek auf Schloss
Altenkiingen ist ebenfalls im Besitze einer Abschrift. Über die Bio-
graphie Fäsis vgl. J. C. Fäsi (Sohn), Bibliothek der schweizerischen
Staatskunde, Erdbeschreibung und Literatur, Bd. III, 9. Stück, Sept. 1796.
* E. A. 4. 1 e, p. 1398 f. « E. A. 7. 2, p. 563. » ibid., p, 564 ; E. A. 6. 2 B,
p. 1730; (1685): In altern und neuern Landvogteirechnungen als der Ver-
trag von 1555 finde sich nirgends, dass die drei Städte je an Zivilsachen
Anteil genommen, weswegen erwartet werde, dass sie von dieser Prä-
tension abstehen; p. 1731 Vergleich: Die drei Städte stehen von ihrer
Prätension des Beisitzes bei Zivilappellationen ab ; dagegen wird ihnen
bei allen Appellationen in Malefizsachen und bei ehrverletzlichen vom
4 Die Kompetenzen der Vlll und der X Orte.
sitz bei den Appellationen vom Landgericht. Ein Kommissional-
gutachten von 1749 gestand ihnen den Beisitz zu, wenn Malefiz-
gefälle und Kriminalbußen vor den Landvogt gebracht werden
und derselbe als Landrichter spreche; auch sollten sie mit-
wirken bei der Errichtung von Mandaten in Malefizsachen.
1759 bestritten Uri und Schwyz den beiden Städten das Recht,
an Verhandlungen über Münzmandate teilzunehmen, da diese
rein polizeilicher Natur seien. Freiburg und Solothurn beriefen
sich aber darauf, die Münzmandate seien wegen der darin
enthaltenen Strafandrohungen im Namen der X Orte publi-
ziert worden.^ Nach langwierigen Verhandlungen, die sich
mit der Frage der Landesherrlichkeit in den st. gallischen
Malefizorten verquickten, wo es den VIII Orten darauf ankam,
die Publikation des thurgauischen Münzmandats „ex titulo der
Landesherrlichkeit", nicht aber „ex titulo des Malefizes" durch-
zuführen,^ wurde Freiburg und Solothurn 1773 der Beisitz
bei Münzverhandlungen unter Vorbehalt der Landesherrlich-
keit zugestanden.* Hingegen wurden die beiden Städte in
Mass- und Gewichtssachen ausgeschlossen. 1785 gab man
ihnen die Erklärung, dass sämtliche allgemeine Landes-
ordnungen und Polizeianstalten, so auch die Bestimmungen
von Mass und Gewicht, lediglich vom Landesherrn abhangen;
von Anfang an hätte es ihnen nie zu Sinn kommen sollen,
eine Ansprache an bloss landesherrliche Rechte zu machen;
in allen Abschieden, wenige Jahre ausgenommen, könne nicht
die mindeste Spur von Mitberatung gefunden werden.* Als
sich Freiburg und Solothurn äusserten, sie hätten die an-
gesprochenen Rechte während der Jahre 1778 — 81 besessen,
gab man ihnen 1791 den Bescheid, man werde alle Bussen
für grössere Vergehen und Betrügereien in die Xörtische,
dagegen Verfügungen über Masse und Gewichte als reine
Landgericht herkommenden Reden laut Vertrag von 1555 der Beisitz
zugesichert, auch bei Behandlung von derlei Sachen und Reden, welche
anders als auf dem Wege der Appellation vor die gemeine Session
kommen.
» E. A. 7. 2, p. 565. ^ ibid., p. 566 f. » E. A. 8, p. 357. Glarus nicht
von Rechts wegen, sondern bloss aus freundschaftlicher Gesinnung und
solange man keine widrigen Folgen zu gewärtigen habe. * E. A. 8,
p. 360.
Die Kompetenzen der VIII und der X Orte. 5
Polizeisache, sowie die geringern Bussen in Fällen, welche nicht
als malefizisch betrachtet werden können, in die Vlllörtische
Rechnung aufnehmen, und beharrte bei dieser Erklärung, obwohl
Freiburg bis 1795 alljährlich seine Reklamationen wiederholte.*
Für die Unterscheidung, was malefizisch und nicht male-
fizisch sei, war der erwähnte Vertrag zwischen den VII Orten und
den drei Städten Bern, Freiburg und Solothurn vom 17. Sep-
tember 1555 grundlegend.* Der 1 1. Artikel desselben verfügte:
Es dient in das Malefiz und hat ein Landrichter zu strafen:
Beschimpfung der X Orte und ihrer Organe mit Worten und
Werken, Totschlag, Gross-Schwür und Gotteslästern, Selbst-
mord, wobei das Vermögen des Entleibten der Obrigkeit ver-
fällt, Diebstahl, Mord, Ketzerei, Hexerei, Täuferei, Meineid,
Eidbruch, falsches Zeugnis, Friedbruch mit Werken, Aufpassen
und Verwunden auf offener, freier Reichsstrasse, jemanden über
Frieden aus dem Hause heraus fordern und ihn verwunden,
Friedbruch mit ganzem oder halbem Waffenzücken, Steine auf-
heben, man werfe oder nicht, Überfälle von Leut und Gut
auf freier Landstrasse,^ wenn jemand Landstrassen sich zueignet,
sie verändert oder sperrt, wissentliche Änderung von offenen
Märchen und Grenzzeichen, Bruch des Geleits, das der Land-
vogt als Landrichter gibt. Zum Malefiz gehören Konfiskation
des Vermögens landesflüchtiger Verbrecher, der von Ver-
wandten des Entleibten getöteten Totschläger* und der Hin-
gerichteten, die Fälle und Erbfälle von „ledigen Kinden" im
Thurgau. In Summa kommt vor das Malefizgericht und straft
der „Landrichter^ anstatt der hohen Obrigkeit alle bösen
Sachen und Taten, womit ein Mensch seine Ehre, Leib und
Leben verwirken kann, ausgenommen die Reisstrafen, die sich
die VII Orte vorbehalten.^
In einer Konferenz der X thurgauischen Malefizorte mit
dem Abt von St. Gallen in Wil am 3. Oktober 1658 waren
^ E. A. 8, p. 361,2. • E. A. 4. 1 e, Beilage 3, p. 1398 f. ' item, wann
lüt oder guter in den fryen landstrassen nidergleit, old dass einer
solich landstrassen im selbs eignete, die verendete oder überfienge, das
alles samt allen sachen, die darum begangen würden, und dem malefiz
und hochgericht zustünden. ^ glychermassen gefallt ir ouch das gut
des, der ein todtschlag thut, und des entlybten fründen syn lyb.
» E.A. 4. le, p. 1398 f.
6 Die Kompetenzen der VIII und der X Orte.
beide Teile einig, dass die im Vertrage von 1555 aufgezählten
- Vergehen malefizisch sein und bleiben sollen, nebst andern,
die sich in den Abschieden auffinden Hessen und ebenfalls
verzeichnet wurden, als : Einen Totschlag begehen helfen, un-
vorsätzlicher Totschlag, Vater oder Mutter schlagen, Blut-
schande, Notzwang, unter Jahren schwächen, ein- und mehr-
fache Ehebrüche, einem andern sein Kind zutaufen lassen, das
Kind einem andern geben heißen, Unzucht von Geschwister-
kindern, Betrug und Falschheit im Zehnten und gegen Waisen-
kinder, Briefe fälschen. Weinfälschen, Diebstähle verteidigen,
Betrug und Falschheit in der Mühle, parteiischerweise Kund-
schaft sagen, auf jemand Unehre oder Übeltat klagen, aber
nicht erweisen können.^ Nichtsdestoweniger blieb die Frage
malefizisch oder nicht malefizisch in manchen Fällen unent-
schieden. 1777 beriet man auf der Jahrrechnung, ob die Bussen
von ledigen Personen, welche sich mit verheirateten in Un-
zucht vergehen, in die X- oder die Vlllörtische Rechnung
gehören; 1778 anerkannte man die betreffenden Straffälle als
malefizisch.*
B. Die Organe der regierenden Stände.
a. Das Oberamt.
Das Oberamt war das Verwaltungsorgan der VlII Orte,
zugleich aber das erste Gericht der Landschaft in Kriminal-
und Zivilsachen, welches das Landgericht in die zweite Stelle
zurückgedrängt hatte. Die Sitzungen desselben fanden jeweils
am Montag und Samstag vormittags, wenn viele Beschlüsse
zu erledigen waren, auch nachmittags statt* Es wurde im
Schlosse zu Frauenfeld gehalten* und setzte sich zusammen
aus dem Landvogt, dem Landschreiber, dem Landammann
und dem Landweibel. Neben ihm standen vier Prokuratoren,
Bürger aus Frauenfeld, je zwei von jeder Religion. Der Land-
vogt führte den Vorsitz; er hatte allein die entscheidende
Stimme; die übrigen Beisitzer gaben nur ihr Gutachten ab;
* E. A. 6. 1, p. 442 und 43. Vgl. den Irrtum in Zeitschr. f. Schweiz. Recht
IV, p. 5—6. « E. A. 7. 2, p. 557; E. A. 8, p. 321. » Fäsi, Y 44, p. 670.
* ibid., p. 671.
Das Oberamt. 7
das Urteil wurde im Namen des Landvogts ausgefertigt. Die
Parteien konnten ihre Appellationen und Streitsachen nach
Belieben entweder vor das Oberamt oder das Landgericht
bringen; was aber bei dem einen Gericht anhängig gemacht
worden, sollte daselbst bleiben und nicht mehr vor das andere
gezogen werden.^ Die grosse Mehrzahl der Fälle kam vor
das Oberamt, obgleich die Unkosten hier grösser als vor dem
Landgericht waren.* Jede klagende Partei bezahlte als gewöhn-
liches Tagsatzungsgeld 2 fl.; davon gebührte dem Landvogt
1 fl. und den übrigen Beamten je 20 kr.^ Die obrigkeitlich
festgesetzte Besoldung eines Prokurators war ebenfalls 20 kr.
von einer Partei, wozu der preussische Reisende Ebel bemerkt:
^ dafür bemühet sich keiner nur ein einzig Wort zu sprechen."*
Es stand übrigens sowohl dem Einheimischen als dem Fremden
frei, sich auch eines andern Fürsprechs zu bedienen; der Vortrag
musste aber stets durch einen Oberamtsprokurator geschehen.®
Jedes Jahr im Wintermonat reiste der Landvogt in Be-
gleitung des Oberamts in den obern Thurgau nach Oberaach.
Hier wurden von ihm teils niedergerichtliche, teils andere
Frevel- und Streitgeschäfte erledigt.®
Die Glieder des Oberamts funktionierten nicht nur für
die VIII, sondern auch für die X Orte.^ Bevor wir deshalb
zur Behandlung des Land- und Malefizgerichts schreiten,
haben wir uns die Stellung derselben, ihre Bedeutung und
ihren Amtskreis klarzulegen.
* Fäsi, Y 44, p. 692 f. Vgl. auch Thurgauisches Landrecht, Thurg.
Beiträge, Heft 27, p. 79. * J. C. Fäsi, Staats- und Erdbeschreibung,
Bd. III, p. 163. Vgl. Thurg. Neujahrsblatt 1835, p. 18. Wenn die Ent-
scheidung vor dem Oberamt auch nicht wohlfeiler war, so war sie
gewiss einfacher und schneller. " Fäsi, Y 44, p. 670 und 671. * Ebel,
Schilderung der Gebirgs Völker, I, p. 40. * Fäsi, Y 44, p. 671. • ibid., p. 689.
Vgl. auch Zürcher Taschenbuch 1881, Memoires . . ., p. 189. Über Ober-
aach vgl. auch Abschnitt: Hohe Gerichte. Das Satzgeld war 3 fl. (dem
Landvogt 1 fl. 30 kr., den übrigen Beamten je 30 kr.). Ms. Y 174. ^ Für
„Oberamt^ wird hie und da „Landvogteiamf^ gebraucht, während an
andern Stellen die Unterscheidung gemacht ist: das Landvogteiamt
besteht aus dem Landvogt, dem Landammann und dem Landweibel.
E. A.7. 1, p. 1334. Vgl. auch E. A. 8, p. 362. Dagegen Leu, Lexikon XVIIl,
p. 126: das sog. Landvogteiamt besteht in dem Landschreiber, Land-
ammann und Landweibel.
8 Der Landvogt. Sein Eid.
/. Der Landvogt.
Der Landvogt wurde der Kehrordnung nach von jedem
der VIII alten Orte erwählt, indem sich aber Glarus das Recht
vorbehielt, jeweils an siebenter Stelle die Vogtei zu führen
und den siebenten Teil der Einkünfte forderte.^ Die Amts-
dauer war zwei Jahre, und der Antritt des neuen Landvogts
vollzog sich auf den Tag St. Johannis des Täufers ; von Mitter-
nacht dieses Tages an begannen seine Gefälle zu fliessen und
nahm er die Regierung an die Hand.* Ausser seinen eigenen
Hausangehörigen durfte er nicht mit mehr als sechs Pferden
in die Landschaft einziehen; empfangen wurde er von zwei
Gerichtsherren, zwei Landrichtern und zwei Abgeordneten von
Frauenfeld.' Das Oberamt, die Spitzen des Frauenfeldischen
Magistrats, evangelische und katholische Geistliche der Stadt
stellten sich ihm vor, während sich die Gesandten der eid-
genössischen Stände zur Tagsatzung einfanden, die seit 1712
in Frauenfeld zusammenkam.* Die Abgeordneten seines
Kantons präsentierten den Neuerwählten den Mitgesandten,
und es wurde ihm der Amtseid abgenommen:
„Ihr werdet schweeren den herren Eydgnossen von statten
und Landen der 8. orthen . . . Nutz und Ehr zu förderen,
Ihren schaden zu wenden und Ihnen Ihr gricht. Rechtung
und gewaltsamme so sie da haben zu Beheben und zu
Behalten so sehr Eüver vermögen ist; die fahl, gläss, Zinss,
nutz und gülten so die Eydgnossen an dem End haben
einzuziehen Ihnen die zu verrechnen und aufzuweissen, wan
sie dass an Euch forderen werden, von der Landgraafschaft
Thurgoüv; dessgleichen die Buessen und straafen so da fallen
von der Landgraafschaft hohen- und Niderer Oberkeit den
herren der 8. Orthen, und die straafen, gefähl und Buessen so
dem Malefiz und Landgricht, Inhalt dess güetlichen Vertrags
zuständig und zugehörig sind, den Eydgnossen von den
X. orthen zu verrechnen und Jedem orth sein Theil zu geben,
1 Fäsi, Y 44, p. 669. E. A. 7. 1, p. 718. " E. A. 7.2, p. 526, » Thurg.
Kantonsbibiiothek, Ms. Y 159, p. 287,8. Vgl. auch Thurg. Neujahrsblatt
1835: Das Schloss zu Frauenfeld, p. 12. * Vgl. Zürcher Taschenbuch
1881, Memoires wegen der Landvogtej Frauenfeld, von Herrn Land-
vogt Spöndlj.
Der Landvogt Sein Eid. 9
Item auch alle frefelstraafen und Buessen und fahl, wass Ihr
von Einem Jeden einnemmen werden von Nammen zu Nammen,
wass und warum Ein Jeder Buess oder fahl gegeben seye, in
Schrift anzuzeigen, darnebend auch weder Mann nach weib so
Eigen Leüth sind, und in die graafschaft gehörend nit zu ver-
kaufen ohne der oberkeit oder der X. orthen gehäll wüssen
und willen; Ihr sollent auch Bey Eüverem Eyd nach dem
abscheid A° . . . alle fahl, frevel, Buessen und straafwürdige
Sachen so in Eüver ambtverwaltung fürfallen mit Nammen und
wass Ein Jeder verhandlet, auch wie hoch Ein Jeder gestraaft
von Posten zu Posten durch den Landschreiber verzeichnen
und aufschreiben Lassen, auch ohne sein und dess Land-
ammans Beywesen oder vorwüssen Einiche straafwürdige
Sachen nit Einnemmen, sonder dergestalt Regieren, dass Ihr,
und unsser ambt Leüth bey gebung Eüvere Rechnung Bey
Eyden Erhalten mögen, dass unseren herren und obern nichts
verabsaumbt und die underthannen der gebühr nach gehalten
worden sind^ Ihr werdet auch schweeren, keine Kundschaften
allein Einzunemmen, sonder allwegen den Landschreiber oder
ein anderer Beambteten |: wass Sachen es auch Betrefen möchte :|
darbey zu haben; fehrner ein gemeinen Richter zu sein dem
armmen wie dem Reichen, und dem Reichen wie dem armmen,
niemand zu Lieb nach zu Leid, und darum keine Mieth nach
gaaben zu nemmen, sonder darbey Eüver Bestes zu Thuen,
getreüvlich und ungefährlich; Ihr werdet auch schweeren denen
über die Landvogtey Thurgeüv gemachten reformationen und
Verbesserungen getreüvlich nachzukommen und obzuhalten;
fehrnere sonderbahre Pflichten Eines Landvogts;
Es soll ein Landvogt im Thurgeüv, gleich wie in anderen
vogteyen geordnet ist, den fehlbahren über die gesetzte Buessen
keine ver Ehrungen weder für sich nach für die seinige ab-
nemmen, und für Ehr und gewehr, auch Thurnstraafen, alle
Bescheidenheit Brauchen, sonder in solchen straafen ohne
Ehehafte ursach, auch nit ohne Beywesen der ambt Leüthen
Jemand Einkennen, wass er auch Jeder Partheyen desswegen
abnemmen wird, nebend der oberkeitlichen Buess in der
Rechnung Einzeichnen, damit die oberkeit Jeder Zeit sähe wie
man mit Ihren underthannen umgienge; wie dan Ihr, der
10 Der Praktiziereid. Die Kompetenzen des Landvogts.
oberkeit Ernstliche Meinung ist, dass Ihre Landvögt Ihre Re-
gierung gegen den underthannen mit Rechter form füehren,
nit mit Bossen ungebührlichen worten gegen den Einten oder
den anderen verfahren, die underthannen nach gestalt der
Sachen, mehr mit Miltigkeit alss strenge in ab Legung der
Buessen halten, dem hilf und Recht Begehrenden heimbschen
und frömbden wie sich Einer oberkeitlichen Persohn gebührt
an die band gehen.'
In einzelnen Orten, vor allem den Landgemeindekantonen,
war der Wahlakt für den Landvogt mit grossen Unkosten ver-
bunden, indem sich das souveräne Volk für seine Ernennung
bezahlen liess.^ Alle Anstrengungen, diesen Missbrauch zu
beseitigen, blieben erfolglos, und der sog. „Praktiziereid aller
Landvögte" war eine leere Formel:
„Ihr sollet schweren, dass ihr zu Erlangung dieser Land-
vogtei oder Amtsverwaltung weder Geld noch Geldeswerth,
weder Speis und Trank von euch selbst oder durch andere
mit euerem Wüssen oder aus euerem Befehl nichts ausgeben
oder auszugeben verschafft.**
Der Landvogt als „gemeinsamer Amtmann" der regierenden
Stände vergab alle bedeutenderen bürgerlichen, polizeilichen
und militärischen Stellen, so diejenigen der Landrichter, der
Prokuratoren, der Landgerichtsdiener, Patrouillenwächter,
Quartierhauptleute, Freihauptleute etc. Alle Urteile und Ver-
ordnungen wurden in seinem Namen ausgefertigt. In seiner
Eigenschaft als „Landrichter" der X Orte hatte er den Vorsitz
im Landgericht, wo ihn indessen der Landammann vertrat. Er
Hess die Verbrecher verhaften und die vorläufige Untersuchung
* Thurg. Kantonsbibliothek, Ms. Y 160, p. 525— 28; laut Eintrag auf
dem ersten Blatt wurde der Band in der Kanzlei Frauenfeld mit dem
Namen das „weiße Buch* bezeichnet Vgl. auch Thurg. Beiträge, Heft 27,
p. 58 und 59. * Ebel I, p. 43: ,,Auf diese Art habe ich gesehen, dass ein
Mann in Zug 8000 fl., ein Glarner 1000 Gulden unter seine Mitbürger
austeilte.* Thurg. Beiträge, Heft 21, p. 51, Anmerkung. Nidwaldner
Protokoll der Lands- und Nachgemeinde, Bd. 11, Fol. 105: „Ferner ist
erkannt, dass der Landvogt im Thurgoüv jedem Landtmann 1 fl. geben
und vor dem nächsten nüwen jar baar bezalien solle.* In Schwyz stand
der Preis noch höher. » Fäsi, Y 44, p. 676; eine mildere Fassung vid.
Thurg. Beiträge, Heft 27, p. 58.
Sein Einkommen. 1 1
anstellen. Nachdem das Blutgericht geurteilt hatte, konnte er
die Strafe der Missetäter mildern.^
Seine bestimmten Einkünfte waren gering. Er erhielt von
den regierenden Ständen eine jährliche Besoldung von 100 fl.
Für die Bussentage 20 fl.
Für das Examinieren der Gefangenen ... 20 fl.
Für die Rechnung zu stellen 12 fl.
Für den Amtsmantel jährlich 12 fl.
An Naturalien.
Trockene Früchte: Mutt viertel
Von Neunforn jährlich Kernen .... 2
Von Dänikon jährlich Haber 8
Von Kalchrain jährlich Haber, Steiner Mass 8
Von St. Katharinenthal jährlich Haber,
Diessenhofer Mass 8
Rheinau liefert je zu zwei Jahren an Roggen 9 2
Kernen 2
Haber 2
„Das erstere ist eine Schuldigkeit, das letztere eine Ver-
ehrung. Ein Herr Landvogt nimmt gemeinlich in dem letzten
Jahr für beides nach dem Schlag das Geld."
Nasse Früchte:
Von Kreuzungen, Münsterlingen, Rheinau, Reichenau,
Ittingen, Stammheim, Feldbach, Weinfelden und dem Dom-
kapitel zu Konstanz empfing er jährlich zusammen 101 Eimer
Wein. Die ersten drei Klöster sandten ihm für ihren Anteil
das Geld; den Reichenauer Wein verkaufte er am Orte, um
den Fuhrlohn zu sparen;* den von Stammheim musste er selbst
abholen lassen. Den Fuhrleuten gab man neben der Verkösti-
gung 1 fl. 24 kr.»
Jährlich wurden ferner dem Landvogt eingeliefert von
Landschlacht 40 kr. Grundzins, von Dänikon ein Louis d'or
und ein Lebkuchen, von Fischingen ein Ochs, von Tobel ein
^ Fäsi, Y 44, p. 676 f. Vgl. Ebel, Schilderung der Gebirgsvölker, I,
p. 41. ' Über einen Anstand wegen der Ablieferung des Reichenauer
Weines vgl. E. A. 7. 1, p. 733. » Vgl. Zürcher Taschenbuch 1881, p. 188.
Bericht Spöndljs. Dort sind weitere Trinkgelder aufgezählt.
12 Das Einkommen des Landvogts.
Schwein, von Münsterlingen und Feldbach je ein Lebkuchen.
Die Chorherren von Bischofszcll überreichten ihm bei der
Huldigung zwei Stücke Leinwand zu 20 Ellen; bei dem gleichen
Anlasse flössen ihm Huldigungsgelder zu. Vor seiner Abreise
übermachte ihm der Gerichtsherrenstand die sogenannten
Letzekronen; auch die Stadt Frauenfeld Hess ihn nicht ohne
Geschenk scheiden.^ Dies alles erweckt den Anschein von
reichen Einnahmen; aber es mussten dagegen Ehrengelder,
Orten, Trinkgelder, Letzegeschenke verteilt werden, und aus-
drücklich bemerkt Sigismund Spöndlj, der von 1762 — 64
Landvogt im Thurgau war, in seinem Bericht über die Huldi-
gung, dass die darüber ergangenen Unkosten gerade durch
die Huldigungsgelder und die Posten, welche er den VIII und
den X Orten verrechnen durfte, gedeckt wurden.*
Das Einkommen des Landvogts beruhte hauptsächlich auf
den zufälligen Sportein: so den Eid- und Patentsiegelgeldern,
je 3 fl. 36 kr., die ihm die neubestellten Landrichter, Land-
gerichtsdiener, Prokuratoren, die Quartierhauptleute und der
Vogt zu Höfen entrichteten. Bei Ablegung der Huldigung
gaben ihm der Quartierhauptmann sowie der neue Obervogt
von Bürglen 21 fl. 36 kr.; ebensoviel empfing er vom neuen
Obervogt zu Weinfelden, wenn derselbe den Eid als erster
Quartierhauptmann leistete. Eine bedeutende Einnahme hatte
er durch die Ernennung der Beamten. Der Landrichter, der
Vogt zu Höfen, der Prokurator,^ der Quartierhauptmann er-
legten dabei 54 fl., der Landgerichtsdiener 18, 20, 26 — 36 fl.,*
der Freihauptmann 4, 5, 6 und mehr Dukaten. Ein neuer
' Spöndlj empfing 60 fl. und verabreichte dafür dem Stadtschreiber
2 bayerische Taler. Thurg. Beiträge, Heft 27, p. 64 f. ; abgedruckt aus
Ms. Y 170, wo unter der Jahrzahl 1782 eine Zusammenstellung ge-
geben ist Dieses Manuskript wie die übrigen zahlreichen „Landrechte^
und Gerichtbarkeitskompendien beruhen auf den „Thurgauischen
Sachen" des Landammanns J. U. Nabholz (gesammelt 1712—1718).
" Zürcher Taschenbuch 1881, p. 186. » Thurg. Beiträge, Heft 27, p. 66:
„Das Emeuerungsgeld des Prokurators ist vormals bis auf 100 Taler,
heutigen Tags 100 und mehr Dukaten getrieben." * Fäsi, Ms. Y 45,
3. Buch, p. 9: ,» vormals wie auch jetzt noch den Abschieden zuwider
sogar bis auf 100 Dukaten gesteigert." Dies überrascht bei einer an-
scheinend niederen Stelle.
Das Einkommen des Landvogts. 13
Prälat, der Komtur von TobeP und der neue Prior zu Ittingen
schuldeten dem Oberamt je 40 IL* Von den fremden Kesslern
und Krämern erhob er eine Abgabe von 2, 3, 4 Talern auf
die Person; die Juden leisteten ihm für beide Regierungs-
jahre eine Geldzahlung von 40 — 50 fl., um im Lande handeln
zu dürfen. Von allen Bussen, Konfiskationen, Fällen, Ab-
zügen u. a. gebührten ihm 5 %. Was für „Ehr und Gewehr"
fiel, gehörte zu | der Hoheit und zu ^ den Oberamtsleuten,*
wobei dem Landvogt von je 50 fl. 36 fl. zukamen.* Bei einem
Augenschein oder einer andern Reise, welche im Namen der
Orte und im Interesse derselben geschah, empfing er Ver-
gütung; er bezog die Hintersässengelder in den hohen Ge-
richten, die Fastnachthennen daselbst und in den niederen
Gerichten, welche dem Landvogteiamt fällig waren, und die
Lehentaxe der obrigkeitlichen Lehen. Von den Gerichts-
sporteln waren die Siegelgelder weitaus am beträchtlichsten.*
Unbestimmt war die Gratifikation bei der Bürgeraufnahme,
bei Bewilligung von Freiheiten an Gemeinden oder Errichtung
eines neuen Einzugbriefes. Die Bereinigung der Grundzinse
und Zehnten durch die Gerichtsherren brachte dem Oberamt
einen ansehnlichen Ertrag. Tobel z. B., welches alle 20 — 30
Jahre eine Bereinigung vornahm, bezahlte jedem Beamten
200 Taler.® Wenn die Jahrrechnung zu Frauenfeld gehalten
wurde, bezogen die Glieder des Oberamts von allen fallenden
Stuben-, Rechnungs-, Eid- und Sesselgeldern ihren Anteil
wie die Ehrengesandten. Im ganzen Lande durften sie freie
Jagd ausüben.^
Bei dieser Art der landvögtlichen Besoldung war der
Willkür grosser Spielraum gelassen. Ein rechtlich gesinnter
Beamter konnte sich aber nicht allzusehr bereichern. Im Kanton
Bern war die Landvogtei Thurgau in der letzten Klasse, während
* Thurg, Landbuch, ohne Signatur, Fol. 137. » Vgl. Niedere Ge-
richte, 1. Klöster. » E.A. 7. 2, p. 525 und 526. Vgl. auch ibid. p. 557.
* Thurg. Landbuch, ohne Signatur, FoL 137: Der Landschreiber erhielt
8 fl., der Landammann 4 fl., der Landweibel 2 fL ^ Fäsi, Y 45, 3. Buch,
p. 10: Nur das Siegel trägt jährlich 1000 und mehr Taler ein. • Ms. Y 174,
p. 287: „die opinion ist sonsten; Es gebühre von solchem Bereinigen;
von 1 Mutt Kernen 1 fL und von 3 Mutt haaber 1 fl.« » Thurg. Neujahrs-
blatt 1835, p. 15. Thurg. Beiträge, Heft 27, p. 65 L
14 Missbräuche der Landvögte.
der höchste Anschlag der vorhergehenden nicht mehr als
8000 schweizerische Franken betrug.*
Missbräuche der Landvögte mochten besonders vor-
kommen bei Verleihung der Tavernen in den hohen Gerichten,
indem sie hernach die Leute zwangen, in denselben mit
grossen Kosten ihre Hochzeiten zu halten, oder sie erteilten
gegen Erkenntlichkeit Pässe an Zigeuner,* verboten das
Branntweinbrennen, den Vorkauf und die Ausfuhr des Ge-
treides in Zeiten der Not, um es gegen „Diskretionen"* zu
bewilligen; sie Hessen sich von katholischen Säumern dafür
bezahlen, dass sie an Feiertagen durch das Land zogen; sie
veranstalteten plötzlich ohne vorhergehende Anzeige eine Visi-
tation von Mass und Gewicht und konfiszierten das Mangelbare.^
Vermittelst der Landgerichtsdiener verleiteten sie absichtlich
zu Vergehen. Es kam vor, daß Landvögte selbst Dirnen mit-
brachten, um durch die Bestrafung der von diesen veranlassten
Fehltritte ihre Einkünfte zu vermehren.* Durch die böswillig
spionierenden Landgerichtsdiener wurden eine Menge von
flandlungen verzeigt, welche nicht vor den weltlichen Richter
gehörten; allein der einmal Beklagte kam, wenn nur ein leiser
Verdacht auf ihn fiel und er sich einschüchtern Hess, sofern
er bezahlen konnte, nicht ungestraft davon.* Bei der Recht-
sprechung bestachen die Parteien durch Geschenke an den
Landvogt oder die Frau Landvögtin. Speziell die Landvögte
aus den Ländern, die ihre Stelle kaufen mussten, Hessen sich
solche Schurkereien zuschulden kommen, nicht aber diejenigen
aus Zürich und Bern. Der Landvogt hatte freie Wohnung im
Schlosse Frauenfeld, das die X Orte unterhielten; dieselben
sorgten auch für den landvögtlichen Hausrat.®
2. Der Landschreiber.
Die Landvögte betraten den Thurgau unbekannt mit den
Gesetzen, Gewohnheiten und Sitten des Landes; kaum hatte
* Thurg. Neujahrsblatt 1835, p. 16. Vgl. dazu J. G. Ebel, p. 41 : Diese
Landvogtei ist die beste und reichste unter allen denen, welche die
Kantone gemeinschaftlich besitzen. • Y 174, p. 292; vgl. Thurg. Bei-
träge, Heft 27, p. 69. » ibid. * Vgl. darüber auch J. G. Ebel I, p. 44 und 45.
■* Thurg. Neujahrsblatt 1835, p. 16. • Vgl. dazu E. A. 7. 2, p. 556 und 557.
Der Landschreiber. Sein Eid. |5
sich einer eingearbeitet, so musste er die Vogtei verlassen,
und ein anderer Neuling folgte ihm nach. Dieser Zustand
hob die Bedeutung der drei Oberamtsräte, vor allem des Land-
schreibers, der von den regierenden Ständen auf Lebenszeit
ernannt war. Er besorgte eigentlich das ganze Departement
der Regierungs- und Verwaltungsgeschäfte; er war, was man
anderwärts Kanzler oder Generalsekretär nannte.* Im Range
kam er nach dem Landvogt; nur im Landgericht, Rat oder
Hochgericht stand er hinter dem Landammann zurück.* Der
Landfriede von 1712 hatte festgesetzt, dass der Landschreiber
katholisch und der Landammann reformiert sein müsse; die
Landweibelstelle wurde abwechselnd von beiden Konfessionen
bestellt. Die Familie Reding von Schwyz kam in den bleibenden
und erblichen Besitz der Landschreiberei; sie erwarb sich in
der Besorgung derselben das Lob der Unbestechlichkeit.^ Als
1758 dem alternden Ludwig Wolfgang Baron von Reding ein
Substitut in der Person des Johann Karl Rogg* von Frauenfeld
beigegeben wurde,* erhielten sich die Rogg in ähnlicher Weise
in dieser Stellung; als Kanzlei Verwalter hatten sie bei Sitzungen,
Augenscheinen, Verhören die gleiche Besoldung wie die Ober-
amtsleute; sie bezogen auch von den meisten Geschäften der
Kanzlei ihre besondern Sportein.*
Die tiidsformel für den Landschreiber lautete: „Ihr sollend
schweeren Meinen Hr. den Eydgnossen von dess Thurgeüvs
Regierenden orthen Treüv und Wahrheit zu halten, Ihren nutzen
zu förderen und schaden zu wenden, und sie wie auch die
underthannen mit Schriften zu versorgen, nach Bestem Eüverem
wüssen und verstand auch ein gemeiner gleicher un Parthey-
ischer Schreiber und ambtman zu sein dem armmen wie dem
Reichen, und dem Reichen alss dem armmen Niemand zu Lieb
nach zu Leyd auch dess gemachten ordentlichen schreibtaxes
Euch zu vernüegen, mehr die frefel und Buessen, nach der
den Landvögten gemachten Ordnung fleissig und getreüvlich
Einzuschreiben, dessgleichen und insgemein Eüver aufsähen
^ Ebel I, p.46. * Thurg. Beiträge, Heft 27, p.69; Thurg. Landbuch,
Fol. 135. • Thurg. Neujahrsblatt 1835, p. 17. * Einige biographische
Notizen über ihn vid. Thurg. Neujahrsblatt 1835, p. P, Anmerkung.
* E. A. 7.2, p.562. • Thurg. Neujahrsblatt 1835, p. 17.
16 Eid des Landschreibers. Sein Einkommen.
zu haben, damit denen über die Landvogtey Thurgeüv ge-
machten Ordnungen statt und genug Beschehe, und Ihr auf
Jedes erforderen Bericht Bey Eüverem Eyd geben känind,
alles getreüvlich und ungefährlich."^
Das Amt des Landschreibers war unter den drei Stellen
der Oberamtsräte das einträglichste.^ Das Fixum war zwar
ebenfalls gering, die jährliche Besoldung 39 fl.; für Bussen-
tage, Examinierung der Gefangenen, Rechnung zu stellen und
den Mantel empfing er soviel wie der Landvogt. Feldbach,
Reichenau und Ittingen lieferten ihm jährlich 31 Eimer Wein.^
Bei der Huldigung erhielten die Oberamtsleute zusammen
soviel wie der Landvogt; auch ihnen gebührten Eidgelder zu
3 fl. 36 kr. ; von den Obervögten zu Weinfelden und Bürglen
von jedem je 10 fl. 48 kr.; die Juden bezahlten für zwei Jahre
* Weisses Buch, p. 528. Eine erweiterte Form gibt Fäsi, Y 44, p. 684 f. :
„Er schwört . . . den X Orten der Eydgenossschaft und jedem Land-
vogt im Thurgau . . . Treuw und Wahrheit , , . Ihnen und dem Land-
gericht gehorsam und gewärtig zu seyn; Auch alle gemeldts Land-
gerichts Gebräuche, alt Harkommen, gute Gewohnheiten und
verschriebene Sazungen, und bevorab unserer gnädigen Herrn der X.
und VIII. Orten der Eydgnossen, und ihrer Landschaft Thurgau Recht
und Gerechtigkeit, und eroberte herrlichkeiten seinem Vermögen nach
zuerhalten, und so ihnen daran Eingriff und Abgang geschehen wollte,
das gemeldten unseren gnädigen herrn, oder ihrem Landvogt zu offen-
baren und zeigen, dessgleichen alle Handlungen und Acta, so für Land-
gericht oder einen Landvogt zu Recht kommen, treulich und mit Fleiss
beschreiben, alle heimliche Räthe, und was der Landvogt oder ein
Landgericht mit ihme redt, oder zuthun befehlen, in Stille zu halten,
und niemand zueröfnen, — und wann ein Landvogt ihn erfordert in
Sachen, es sey in Rechtshändeln, oder in ander weg, dasselbe zuthun,
bey söllichem Eyd, und nach seinem besten Verstand ; — darzu einem
Landvogt zuöffnen und zumeiden alles, das ihm fürkommt, Unsern
Herren den Eydgnossen zugethan und zuwüssen noth seye, es seye
warum es wolle, und also sein Amt aufrecht, redlich und mit Wahrheit,
wie von Alter herkommen, nach seinem besten Vermögen versehen,
auch die Unterthanen . . . Reichen, in Rechts- und Busswürdigen Sachen
kein Mieth und Gaben zu nemmen, des geordneten Schreibtaxes ..."
^ Ebel I, p. 41 : Sein jährliches Einkommen belauft sich wenigstens auf
8000 fl. Thurg. Neujahrsblatt 1835, p. 17: Die Einkünfte eines Land-
schreibers sollen sich auf 6000 fl. belaufen haben. Spezifikation der
Einkommen der drei Beamten Ms. Y 174, p. 295.f. • Thurg. Neujahrs-
blatt 1835, p. 15.
Das Einkommen des Landschreibers. Exemtion. 17
dem Landschreiber 10 iL 48 kr., dem Landammann und
Landweibel je 5 fl, 36 kr.* Zahlreich waren die Gebühren des
Landschreibers für Patente, Zitationen, Urteile etc. Bei der
eidgenössischen Jahrrechnung kamen ihm ausser den Gratifi-
kationen eines Ehrengesandten 80 fL für Kanzleigeschäfte zu,
und für jede Ausfertigung der Abschiede sowohl für die Stände
als für die Landvogteien empfing er einen Louisdor.
Der Landschreiber und Landammann waren nebst ihren
Frauen und Kindern für ihre Personen, ebenso das Kanzlei-
gemach in der Landschreiberei, wo die Akten verwahrt lagen,
von der Jurisdiktion der Stadt Frauenfeld befreit, während der
Landweibel als Frauenfelder Bürger ihr unterworfen blieb. Was
die Verwaltung ihres Berufes betraf, standen Landschreiber und
Landammann directe unter der eidgenössischen Tagsatzung;
die Beurteilung der Zivilstreitigkeiten oder Frevel aber, in
welche sie verfielen oder die in der Kanzleistube begangen
wurden, stand dem Landvogteiamte zu.*
3. Der Landammann.
Der dritte Beamte war der Landammann. Die Amtsdauer
desselben war 10 Jahre; die Stelle wurde stets von einem
Angehörigen der reformierten Konfession verwaltet und von
den Ständen Zürich, Bern und Glarus besetzt, wobei Glarus
den „5. Umgang" hatte.* Der Landammann wurde nur von
den evangelischen Ständen ernannt. Er erscheint recht eigent-
lich als der Vertrauensmann von Zürich und Bern und sollte
ein Gegengewicht gegen den katholischen Landschreiber und
den meist katholischen Landvogt bilden. Er war Konsiliarius
des Landvogts in allen Sachen, welche in die Regierung ein-
liefen, in Zivil-, Malefiz- und niedern Strafsachen; er wachte
über die hochobrigkeitlichen Rechte. Er hatte die Oberaufsicht
über die Verwaltung der Käst- und Waisenvogtei in den
Hohen Gerichten, und es war seine Pflicht, Ratsbedürftigen
an die Hand zu gehen. Im Zivil-, Land- und auch dem Malefiz-
und Blutgericht der Landschaft, sowie beim Stadt- und Blut-
* Vgl. weitere gemeinsame Sportein des Oberamts unter 1. Der
Landvogt, p. 13. ^ E. A. 7. 2, p. 683. Thurg. Beiträge, Heft 27, p. 70.
» E.A. 7. 1, p. 721.
Hasenfratz, Die Landgrafschaft Thurgau vor 1798. 2
18 Die Kompetenzen des Landammanns. Sein Eid.
gericht zu Frauenfeld führte er den Vorsitz; er hatte auch
die in den abt-st. gallischen untern Gerichten sich ereignenden
Malefizfälle zu berechtigen und zu begichten, sowie eine Visi-
tation der etwa vorfallenden Totschläge und Selbstmorde
vorzunehmen. Die Handhabung des Landfriedens war ihm
in der Meinung übertragen, daß er nicht nur mit den Geist-
lichen, Gerichtsherren und Beamten sämtlicher evangelischen
Gemeinden, sondern auch mit den katholischen Gerichtsherren,
KoUatoren und Beamten in gutem Einvernehmen zu stehen
trachte, damit er einerseits etwa entstehende Differenzen so-
gleich heben oder Zwistigkeiten gütlich beilegen könne, ander-
seits aber „jegliche Ausdehnung des Landfriedens ausweiche. ""
Bei Kirchenstuhlstreitigkeiten sprach er rechtlich ab; er leitete
die Untersuchung bei Kirchenzwisten und evangelischen
Kirchensachen, die nicht paritätisch behandelt werden mussten;
er benachrichtigte die beiden landfriedlichen Kommissionen,^
sofern dabei keine gütliche Vermittlung erzieh werden konnte,
und wurde eventuell von ihnen mit der rechtlichen Judikatur
beauftragt; von seinem Spruche war die ultima appellatio an
die zürcherischen und bernischen Gesandten zu Frauenfeld
gestattet; im Falle ungleicher Meinung derselben trat aber das
Urteil des Landammanns wieder in Kraft. Diejenigen Geschäfte,
worüber die landfriedüchen Kommissionen dem Landammann
die rechtliche Judikatur nicht überliessen, kamen vor die Ge-
sandtschaften der beiden Stände auf der Jahrrechnung; ein
allfällig nötig werdender Stichentscheid gebührte dem Land*
ammann.^
Die Beeidigung von Landammann und Landweibel sollte
im Beisein der Freiburger und Solothurner Gesandten vor
sich gehen, weil ihnen u. a. die Besorgung der Malefizsachen
zukam.'
Die Eidformel für den Landammann war: „Er soll
schweeren Meinen gnädigen herren den X. Orthen der Eyd-
gnossen und Einem Landtvogt im Thurgeüv, wer der Je zu
Zeiten ist, Treüv und Wahrheit . . . und dass Landtgricht so
vill und dick Ihme dass Ein Landvogt Befihlt zu Thuen an
* Vgl. II. Kirche und Schule: Die Kirchenleitung durch die Hoheit.
« E. A. 7. 1, p. 734; ibid. 8, p. 323 f. » E. A. 7. 2, p. 560—62.
Der Eid des Landammanns, Sein Einkommen. 19
seiner Statt zu Besitzen, und in dem ambt ein gemeiner
Richter zu sein, dem armen alss dem Reichen . . . und dass
Er auch vorab Meiner gnädigen herren der 10. und 8. orthen
der Eydgnossen und Ihrer Landtgraafschaft Thurgeüv Recht-
und gerechtigkeit seinem vermögen nach zu erhalten, und so
Ihnen daran Eingriff und schaden geschehen dass gemelten
Meinen gnädigen herren oder Ihrem Landtvogt zu ofenbahren,
und anzuzeigen, und also sein ambt auf Recht und Redlich
und mit Wahrheit wie von alter herkommen, Nach seinem
Besten vermögen versähen, alles getreüvlich und ungefährlich."^
Die Jahresbesoldung an Geld für den Landammann war
30 fl.; daneben hatte er 52 fl. für das Examinieren der Ge-
fangenen, die Bussentage, die Rechnung und alljährlich 12 fl.
für den Mantel, wie die übrigen Oberamtsleute. An Naturalien
bezog er 5 Eimer Wein aus der Reichenaü, von Münsterlingen
und Feldbach einen Lebkuchen und von Klingenberg 4 Scheffel
Korn.* Ausser den schon früher erwähnten Sportein ^ mögen
angeführt sein: Fertigungsgelder, Gratifikationen bei Inven-
turen, Gebühren bei Augenscheinen. Von jeder Haushaltung
im Langdorf empfing er den sogenannten Nachgroschen
(„Aach Groschen*" [?]), und bei der Gestattung einer Lotterie
gehörte ihm ein bestimmter Teil des Ertrages.* Die Verwaltung
der Waisengüter trug ihm 15 kr. von je 100 fl. ein. Bei der
Tagsatzung in Frauenfeld wurde er hinsichtlich der Gefälle wie
ein Ehrengesandter behandelt.^ Ende des achtzehnten Jahr-
hunderts wird sein Einkommen als unbeträchtlich bezeichnet,
und Zürich und Bern bewilligten ihm deshalb einen Haus-
zins von 16 neuen Louisdor.®
4. Der Landweibel.
Die Landweibelstelle wurde alle 10 Jahre neu besetzt; es
scheint sich die Tradition herausgebildet zu haben, den Land-
^ Weisses Buch, p. 528 und 529. ^ Diese Leistung Klingenbergs
ist im Ms. Y 174 nicht angeführt, wohl aber im Thurg. Neujahrsblatt
1835, p. 15. » Vgl. p. 13, 16, 17. * Ms. Y 174, p.311 : i von dem was fällt;
hingegen Thurg. Neujahrsblatt 1835, p. 17, 4Vo. * Ms. Y 174, p. 312;
dieses Manuskript beruht auf Y 172, das von Landammann Nabholz
herzurühren scheint. • E. A. 8, p. 324, 325.
20 I^ei* Landweibel. Einkommen und Eid.
weibel aus der Bürgerschaft von Frauenfeld zu wählen.^ Er
war Leiter des Polizeiwesens und hauptsächlich mit dem
Bezug der landvögtlichen Einkünfte, der Gefälle, welche den
X Orten zukamen,^ sowie mit der Aufsicht über die Leib-
eigenen in den Hohen Gerichten beauftragt. Er hatte als
besondere Einnahme | von dem Fall. Seine jährliche fixe
Besoldung an Geld war 8 fl. ; für das Examinieren ^ der Ge-
fangenen, die Bussentage, die Rechnung und den Amtsmantei
erhielt er die gleichen Summen wie die übrigen Oberamts-
leute und wurde auch wie sie an der Jahrrechnung gehalten.
Sein Einkommen an Naturalien stimmte mit dem des Land-
ammanns überein. Von Zitationen, Versendung von Mandaten
in die Quartiere etc. hatte er seine bestimmten Gebühren.'
Die Pflichten des Landweibels werden in seinem Amts-
eid erörtert: „Er solle schweeren Meinen gnädigen hr. der
10. orthen und Jedem Landvogt im Thurgeüv, wer der Je zun
Zeiten ist, Treüv und Wahrheit . . . Ihnen und dem Landt-
vogt gehorsam und gewärthig zu sein, auch alle Malefizische
zu Redung, frefel und Buessen, die er vernimbt Beschehen zu
sein, Ihme von den Landtgrichtsknechten oder anderen An-
geben In einen Rodel aufzuschreiben, darBey zu melden
welcher Ihme dass anzeigt, und welche oder wie vill zeugen
darum sind dass selbige dan förderlich Einem Landtvogt zu
erscheinen, und von Ihme Befelch zu empfangen, welche er
Berechtigen soll oder nit, dessgleichen auch in ein sonderbahr
Buch aufzeichnen, wass alle Landgrichtsknecht Ihme angeben,
welche auf dass selbige Landgricht ge Laden und sie vermög
Ihrer ayden zu Thuen schuldig sind, damit das Recht seinen
fortgang haben möge, und sie daran nit gehindert werden.
Es seye gleich der Knecht bey der Klag oder nit, auch all
heimlich Räth und wass ein Landtvogt oder Ein Landtgricht
mit ihrrl Redt und zu Thuen in Befelch gibt in stille zu halten
und niemand zu eröfnen, und wass Ein Landtvogt Ihne er-
forderet in Sachen zuerRathen, Er sich ihn Rechtshändlen oder
ander Weg dassselbig zu Thuen bey solchem Eyd nach seinem
Besten vermögen; doch Ihme dem Landvogt vorbehalten
1 Vgl. E. A. 7. 2, p. 561. » ibid., p. 560. » Vgl. über weitere Sportein
des Landweibels p. 13, 16, 17, 19.
Der Eid des Landweibeis. 21
darüber zu Thuen und zu erkennen, Nach seinem gewüssen
und gefallen, dessgleichen Einem Landtvogt zu öfnen und 2u
Melden, alles dass ihme fürkomt M gndh. den Eydgnossen zu
Thuen und zu wüssen noth. Es seye warum es wolle, und also
sein ambt auf Recht, Redlich, und mit Wahrheit nach seinem
Besten vermögen zu versähen, getreüvlich und ohngefahrlich.**
b. Das Landgericht.
Das Landgericht, das ehedem das hohe Gericht gewesen,
hatte im Lauf der Jahrhunderte seinen Charakter stark ge-
ändert. In einem Gutachten von 1749 wird gesagt, dass es
sich in einem ganz zerfallenen Zustande befinde, da ihm nichts
anderes übrig bleibe, als geringfügige Civilia zu traktieren,
die Kriminal- und Malefizsachen vom Landvogt behandelt, das
Blutgericht aber von der Stadt Frauenfeld gehalten werde,*
Die Kriminalgerichtsbarkeit war also dem Landgericht verloren
gegangen, und auch in Zivilsachen konkurrierte mit ihm das
Oberamt.
Die Bestellung der zwölf Landrichter stand beim Land-
vogt, so dass er aber vier Männer aus den Bürgern zu Frauen-
feld und acht von der Landschaft des obern und untern
Thurgaus wählen musste. Sechs der Richter waren evangelisch,
die andern sechs katholisch. Der Landammann führte im
Landgericht den Stab als Stellvertreter des Landvogts.*
Das Landgericht versammelte sich nur neunmal im Jahr;
im Sommer war es ganz geschlossen. Das Rechtsmittel, durch
das es seinen Aussprüchen Gehorsam verschaffte, war in mittel-
alterlicher Weise die Acht. Wenn ein Beklagter das erstemal
ausblieb und das zweitemal sich nicht entschuldigte oder
wieder ausblieb, wurde die Acht über ihn erkannt und der
Achtbrief errichtet. Dann wurde der Geächtete vorerst in einen
* Weisses Buch, p. 529 und 530. Eine andere Fassung des Eides
vide Fäsi, Y 44, p. 688: „Der Landweibel schwört den Löblichen Re-
gierenden Ständen, und ihrem Landvogt treu und wahrhaft zu seyn,
seinem Amt zu warten, — weder Mieth noch Gaben zu nemmen, sonder
sich seiner Besoldung zu benügen. — In Besorgung der Leibeigenschaft,
welche den VHI Orten zusteht, allen Fleiss und Treu zu erzeigen."
Vgl. dazu E. A, 7.2, p. 560. • ibid., p. 564. » Fäsi, Y44, p. 691.
22 Achtformel. Streitsachen vor dem Landgericht
Rodel verzeichnet; erst am Schlüsse des Landgerichts, nach-
dem die Acht publiziert worden war, wurde er nach der
Beschaffenheit der Sache entweder ins Achtbuch eingeschrieben
oder sein Prozess wurde weitergeführt.^ Die Achterklärung
geschah durch den Landweibeh
Die Formel lautete: „Alle die so für Landgericht geladen
sind, und die Klag den ersten Tag wider sich verstanden haben,
als recht ist, und der Antworter mit Recht die Klag nicht ab
sich gethan, die verkündige ich nach 3. Landgerichten in die
Acht, verbiete die ihren Freunden und übergiebe sie, ihr Leib
und Gut ihren Feinden und Männiglichem."^
Wer sich von der Acht lösen lassen wollte, hatte den
X Orten den Achtschilling zu erlegen.^ Die Parteien bezahlten
vor dem Langericht kein Satz- oder Audienzgeld.*
Vor dasselbe konnten gezogen werden:
1) Alle Zivilsachen aus den Hohen Gerichten, von welcher
Natur sie immer waren»
2) Die Appellationen von den niedern Gerichten der Gerichts-
herren.
3) Die Zehntensachen und die Zehntenstreitigkeiten aus dem
ganzen Lande, deren Beurteilung sich die hohe Obrig-
keit vorbehielt.^
4) Die Stadt Frauenfeld durfte ihre kanntlichen Schuldner,
wo sie immer in der Landgrafschaft sassen, vor dem
Landgericht belangen.
5) Die Gerichtsherren mochten die Käufe und Täusche ihrer
Gerichtsherrlichkeiten daselbst fertigen lassen und
6) die Edlen und Gerichtsherren ihre Testamente errichten.
7) Wenn eine Herrschaft mit Einwilligung der löblichen
Orte an einen Landsfremden verkauft wurde, konnte die
Fertigung vor dem Landgericht geschehen.
8) Es war jedermann gestattet, wo er in der Landgrafschaft
1 Thurg. Beiträge, Heft 27, p. 79. « Fäsi, Y 44, p. 693, gedruckt.
Thurg. Beiträge, Heft 27, p. 80. » ibid. * ibid., p. 83. ^ Vgl. E.A. 7.2,
p. 597, 598. 1749 Einmütig wird . . . befunden, dass die Zehen tatreitig-
keiten in 1. Instanz nirgend anders wohin als vor das Landvogteiamt
gezogen werden dürfen. 1751 Luzern sieht die Zehentstreitigkeiten als
Civilia an, überlässt die Judikatur darüber dem niedern Richter.
Streitsachen vor dem Landgericht. 23
niedergelassen war, sein Testament daselbst aufrichten
zu lassen.
9) Alle Verkäufe und Käufe, auch die Ausstellung von Schuld-
briefen um Gülten, die in den Hohen Gerichten der
Landgrafschaft gelegen waren, mochten vor dem Land-
gericht gefertigt werden. Die Fertigungskosten waren
um ein beträchtliches geringer als vor dem Oberamt.
10) Kraft des Vertrags von 1509 richtete das Landgericht in
Kompetenzstreitigkeiten zwischen den regierenden Stän-
den und dem Bischof von Konstanz wegen der alt-
stiftischen Gerichte^ und
11) in Kompetenzstreitigkeiten zwischen den löblichen Stän-
den und den niedern Gerichtsherren. Diese Befugnisse
waren indes ganz illusorisch, wie auch
12) das Recht des Landgerichts zu entscheiden, wenn der
Landvogt und die Amtsleute sich über die Taxe einer
Busse nicht entscheiden konnten oder der Landvogt
entgegen der Ansicht seiner Beisitzer jemanden der
Bussen entlassen wollte.^
c. Das Malefizgericht.
Das Blutgericht, das früher dem durch 12 Beisitzer ver-
stärkten Landgericht zugestanden hatte, war 1712 von den
regierenden Ständen dem Kleinen und Grossen Rat von Frauen-
feld übertragen worden, indem der Landammann dabei den
Vorsitz führte, der Landvogt aber mit seinen Beamten die Vor-
untersuchung vollzog. Erfand der Landvogt einen Fall für
malefizisch, so Hess er den Blutrat zusammentreten und ihm
das Geständnis des Missetäters eröffnen, damit dieser nach
seinem Eide über ihn richte. Das vom Malefizgericht er-
* Zürcher Staatsarchiv A 323, 33; „Da aber Zeit und die Quali-
teten der Richteren sich veränderet und kein theil dem Urteil derselben
sich unterwerfen würde, so wird das Syndikat als die hohe Oberkeit
über das Landvogteyamt und die (konstanzischen) Obervogtey Ämter
die Streitigkeiten untersuchen und entscheiden.* * Thurg. Beiträge,
Heft 27, p. 82 und 83. Vgl. auch die Anmerkung Fäsis Y 44, p. 746,
der bemerkt, er könne sich nicht erinnern, dass das Landgericht jemals
in solchen Fällen geurteilt habe.
24 Das Malefizgericht.
gangene Urteil wurde sogleich dem Landvogt migeteiit, welcher
die Gewalt hatte, es zu mildern, nicht aber zu verschärfen.^
Geschah ein Kriminalverbrechen im Banne der Stadt Frauen-
feld, so untersuchten Schultheiss und Räte der Stadt, ob es
malefizisch oder nichtmalefizisch sei. Im ersten Falle wurde
der Beklagte dem Blutgericht überwiesen. Der Schultheiss
und die Räte setzten den Gerichtstag an und benachrichtigten
davon durch den Stadtschreiber den Landvogt, der aus Höf-
lichkeit dagegen keine Einsprache erhob. Bisweilen verlangte
er aber einen Einblick in die Untersuchungsakten, was ihm
von der Stadt nicht verweigert wurde. Während der Abhaltung
des Malefizgerichts blieb der Amtsschultheiss ebenfalls zu
Hause und Übte nach Eröffnung des Urteils das Milderungs-
recht aus. Wollte die Stadt aber einen Übeltäter, der Leib und
Leben verwirkt hatte, vom Tode verschonen, so musste sie
dazu die Einwilligung des Landvogts einholen; die Geldstrafe
kam zur Hälfte der Stadt und zur Hälfte den regierenden Orten
zu. Konfiskationen der Hingerichteten und landesflüchtigen
Verbrecher mussten ebenfalls geteilt werden.* Wenn die Stadt
Gericht hielt, wurde das Malefizgericht im Namen der VIII Orte
und des Schultheiss und Rats verbannt. Neben dem Land-
weibel war der Stadtweibel öffentlicher Ankläger; beide standen
vor den Schranken, und die Anklage geschah in beider Namen.
Die Richter wurden nicht in den Farben des Landvogts, son-
dern der Stadt zum Gericht geladen.'
Das Malefizgericht ging nach altertümlichen Formen vor
sich: Nachdem der Landvogt oder Schultheiss und Rat den
Tag bestimmt hatten, wurden die Richter vom Schultheissen
der Stadt Frauenfeld beim Eid durch den Stadtweibel ein-
berufen. Am Tage vor der Abhaltung des Blutgerichts begab
sich der Landweibel in Begleitung eines Kanzleibeamten in
die Gefangenschaft, um den Malefikanten an das Recht zu
laden, und am folgenden Morgen wurde zweimal mit der kleinen
» Fäsi, Y44, p. 676, 677. « Ms. Y 208: Formb das Malefiz Gericht
zu halten; vgl. auch Zeitschrift für schweizerisches Recht IV, p, 21, 22.
Y 174, p. 199. » Y208. Das Manuskript ist aus der zweiten Hälfte des
achtzehnten Jahrhunderts; als Datum eines Malefizgerichts wird der
14. Mai 1765 erwähnt. Zeitschrift für schweizerisches Recht IV, p. 22.
Form, das Malefizgericht zu halten. 25
Glocke auf dem Rathaus geläutet; das erstemal um 7, das
zweitemal um ^8 Uhr zur Sammlung der Richter. \ vor
8 Uhr ertönten die grossen Glocken auf beiden Kirchtürmen,
und der Malefikant wurde auf das Rathaus geführt. Sobald
er dem Blutgericht überwiesen war, hatten die Geistlichen
seiner Religion freien Zutritt zu ihm. Um 8 Uhr erschienen
der Landammann, der sich das Schwert vortragen Hess,
und der Landweibel, begleitet von einem Stadt- und einem
Landgerichtsdiener. Der Malefikant wurde in Begleitung der
Geistlichen gebunden in die Stube gebracht und hinter die
Schranken gestellt. Die Türen waren offen; jedermann konnte
eintreten; die Knaben setzten sich auf den Boden innert den
Schranken. Der Landammann legte das Richtschwert vor sich
und begann seinen Vortrag, dass er im Namen des Landvogts
(oder des Schultheiss und Rats der Stadt Frauenfeld) sich an-
schicke, Hochgericht zu halten, damit durch die Obrigkeit,
welche Gottes des höchsten Gesetzgebers Statthalter sei, das
Böse gestraft, hergegen das Gute gepflanzt und also der Ge-
rechtigkeit ein Genüge geschehen möge. Hierauf wandte er
sich an den ersten Richter im Range mit der Frage, ob es
Tags Zeit sei, dass er sitze, zu richten über das Blut und
Sachen, die das Leben betreffen. Die Antwort lautete: „Herr
Landtammann und Reichsvogt, ich erkenne auf meinen Eydt,
dass es Tags Zeit seye, dass Sie mögen sitzen zu richten über
das Bluth und Sachen, die das Leben betreffen," Alle anwesen-
den Richter wurden nun nach ihrem Range vom Landammann
angefragt, wobei jeder erklärte: „Ich folge und das bey meinem
Eydt." In gleicher Weise erging die Umfrage, ob das Gericht
vom Landweibel verbannt werden solle und wie hoch. Der
erste Richter antwortete: „Herr Landtammann und Reichsvogt.
Ich erkenne auf meinen Eydt, dass das Landtgericht von dem
H. Landtweybel im nahmen der VIII regier, und X an dem
Malefiz theil habendten löbl. Orthen |: der 8. Orthen wie auch
H. Schultheiss und Rath der Statt frauenfeld :| verbannt werde,
also dass Niemand in das Gericht rede, ohne seinen erlaubten
Fürsprechen^ oder er wolle einen Fürsprechen nehmen an
* Jede Partei war berechtigt, einen Landrichter zu ihrem Fürsprech
zu wählen. Fäsi Y 44, p. 745.
26 Form, das Malefizgericht zu halten.
10 Schill, ff und dass Niemand in den Schranken gehe, an
20 Schill. ^ und der das nicht halten thäte an ein Hand."*
Der Landweibel wiederholte diesen Spruch und verbannte
damit das ehrsame, freie Land- und Malefizgericht. Er stand
dabei hinter den Schranken und hielt den Stab in der Hand.
Jetzt war der Rechtsgang eröffnet, und der Landweibel ver-
langte für sich einen Fürsprech aus den anwesenden Richtern.
Derjenige, auf den seine Wahl fiel, lehnte zunächst ab, in An-
betracht, dass es sich um eine schwere und wichtige Sache
handle, erklärte sich dann aber auf die Aufforderung des Land-
ammannes hin bereit, dem Landweibel in seinem Begehren
zu willfahren: „So stelle Ich Mich dann zu dem h. Landt-
weybel alss recht ist, behalte Mir aber vor das Recht eines
Fürsprechen vom ersten zum andern und zum dritten, wann
etwas durch mich sollte verabsäumet werden." Das Zere-
moniell wiederhohe sich, indem der Landgerichtsdiener im
Namen des „armen Menschen" um einen Fürsprech bat. Dieser
behielt sich ausser seinem eigenen Recht für den Malefikanten
vor, „dass Ihme erlaubt seye, wann er etwas nöthig oder ihme
dienlich zu seyn erachten wird, solches in das Recht zu tragen."
Hierauf begehrte er im Namen des Landweibels und des „armen
Sünders" je zwei Räte aus dem Grossen und dem Kleinen Rat
als Beiständer, die sich ohne Widerspruch erbitten Hessen.
Der Schreiber stellte dem Landweibel auf sein Verlangen das
Geständnis des Malefikanten zu, und der Fürsprech des Be-
klagten trug darauf an, dass demselben Hand und Band ge-
öffnet werden, damit er sich desto besser verantworten könne.
Der Fürsprech des Landweibels und die Beiständer wurden
darüber einvernommen und gaben ein bejahendes Urteil ab.
Dann zog sich der Landweibel samt Fürsprech und zu-
gegebenen Räten zurück, um die Klage zu formulieren, während
der Landgerichtsdiener die Fesseln des „armen Menschen"
löste. Nach beschehener Unterredung traten sie wieder ein;
der Landweibel und sein Fürsprech blieben hinter den Schran-
ken stehen, und der Schreiber verlas das ihm zurückgegebene
Geständnis des Malefikanten, worauf der Fürsprech die An-
klage aussprach. Mit Erlaubnis des Landammanns verliessen
jetzt der Malefikant, sein Fürsprech und seine Beiständer das
Form, das Malefizgericht zu halten. 27
Zimmer, War das Verbrechen erwiesen, so ermahnten die
Richter den Übeltäter, mit demütigen Bitten Gott und die
Obrigkeit um Gnade anzuflehen und sich in deren Willen mit
Geduld und Bussfertigkeit zu ergeben. In diesem Falle blieb
dem Fürsprech nichts übrig, als vor dem Gericht die Milderungs-
gründe anzuführen; wogegen derjenige des Landweibels ein
Urteil „nach Aufweisung der Rechten und der Grösse der
That** verlangte, „damit männiglich vor und hinter dem schran-
ken sehen und spüren möge, dass solche unthaten weder wenig
noch vill geduldet noch gelitten werden." Bevor das Urteil
beraten wurde, hatte jedermann, der nicht zum Malefizgericht
gehörte, das Zimmer zu verlassen, so auch die Geistlichen,
der Landweibel, der Malefikant und die Gerichtsdiener. Das
jüngste Mitglied des Grossen Rats schloss die Fenster und
verriegelte die Türen; der Fürsprech des „armen Menschen"
begann, vom Landammann dazu aufgefordert, die Umfrage
und sammelte die Stimmen, welche der Landammann mit Kreide
aufzeichnete. Das ausfallende Urteil wurde vom Schreiber
zu Papier gebracht und verlesen. Nun durfte jedermann
wieder eintreten; auch der Malefikant wurde in Begleitung
der Geistlichen in die Stube zurückgeführt. Nach der Ver-
kündigung des Urteils sagte der Landammann zu ihm: „Helf
dir Gott!" worauf ihn der Scharfrichter anpackte und in ein
Nebengemach führte, um ihn zu binden. In beiden Kirch-
türmen ertönten die grossen Glocken. Der Landammann
wandte sich wie beim Beginn des Gerichtes an den ersten
Richter mit der Frage, ob er möge vom Gerichte aufstehen,
weü nunmehr den Rechten durch Urteil ein Genüge geschehen,
was dieser bei seinem Eid bejahte; die übrigen Richter folgten.
Der Landammann begab sich nun ins Schloss, um dem Land-
vogt das Urteil zu eröffnen, das dieser gewöhnlich milderte.
Darauf setzte sich der Landammann auf des Landvogts Pferd
und ritt, von dessen Diener begleitet und das Schwert vor sich
tragend, auf die Wahlstatt, die Exekution zu beschützen.
Die Urteilssprüche des Malefizgerichtes lauteten auf:
Pranger und Fustigation.
Der Scharfrichter stellte den Malefikanten eine Stunde lang
an den Pranger und trieb ihn hernach mit Ruten um die Stadt.
28 Urteilssprüche des Malefizgerichts.
Pranger, Fustigation samt Landesverweisung.
Dem Verurteilten wurden die Hände vorn zusammen-
gebunden; so büsste er zwei Stunden oder mehr am Pranger;
dann wurde er nach geschworner Urfehde mit Ruten gestrichen
und endlich sechs Jahre des Landes verwiesen.
Köpfen.
Der Scharfrichter band dem „armen Menschen" die Hände
auf den Rücken und führte ihn zur Richtstatt, um ihm daselbst
das Haupt abzuschlagen und ihn also vom Leben zum Tode hin-
zurichten, dergestalten, dass zwischen dem Haupt und Körper
ein Karrenrad füglich durchgehen mochte. Diejenigen, die seinen
Tod zu rächen versuchten, sollten in die gleiche Strafe verfallen.
Köpfen und Verbrennen.
Nach erfolgter Hinrichtung wurden der Körper und das
Haupt auf den Scheiterhaufen geworfen, zu Asche verbrannt
und dieselbe verwahrt, damit Menschen und Vieh davor be-
hütet waren und Schadens halber sicher sein konnten.
Henckhen am Galgen.
Der „arme Sünder" wurde mit auf dem Rücken ge-
bundenen Händen zur Richtstatt geführt und mit verbundenen
Augen rücklings die Leiter hinaufgezogen. Dann wurde ihm
der Strick um den Hals gelegt, dergestalten, dass zwischen dem
Balken und dem Haupt die Luft füglich durchwehen mochte.
An der Saul erwürgen.
Der Scharfrichter erwürgte die „Person" an der auf-
gerichteten Säule und brachte sie so vom Leben zum Tod.
Räderen.
Nachdem der Malefikant, dem die Hände auf dem Rücken
gefesselt waren, die Richtstatt erreicht hatte, wurde er auf die
„Brechen" gelegt und angespannt, jedes seiner Glieder mit
dem Rad zweimal abgestossen oder gebrochen und endlich
der Körper nach gegebenem Herz- oder Seelenstoss auf das
Rad geflochten.
Lebendig verbrennen.
Der Malefikant wurde an die* Leiter gebunden und mit
einem Pulversack am Halse in das Feuer geworfen.
Urteilssprüche des Malefizgerichts. 29
Das Vermögen der Verbrecher, welche das Todesurteil
erlitten, fiel der Obrigkeit anheim.
Die Strafe wurde zuweilen dadurch verschärft, dass der
Verurteilte in einer „Benne*" oder mit herabhangendem Kopfe
auf der „Schleiften" die Richtstatt erreichte oder dass ihn
der Scharfrichter unterwegs oder allda mit feurigen Zangen
ein oder mehrere Male zwickte, ihm die rechte oder linke Hand
abhieb und an den Galgen oder das Rad nagelte, die Zunge
herausschnitt etc.^
d. Die Landgerichtsdiener.
Die niedere Polizei lag in den Händen der Landgerichts-
diener; jedem derselben war ein bestimmter Bezirk zu-
gewiesen. Diese „Quartiere" der Landgerichtsdiener sind nicht
zu verwechseln mit den acht Quartieren, in die sich die Land-
schaft teilte, und denen die Quartierhauptleute vorstanden.*
Die Landgerichtsdiener trugen jeweilen die Farbe desjenigen
Standes, der zur Zeit den Landvogt stellte. Sie hatten nicht
nur die Aufsicht über die in der Hoheit liegenden, sondern
auch über alle andern Gerichte, damit von den niedern
Gerichtsherren in die hoheitlichen Rechte kein Eingriff ge-
schehe. Vor allem hatten sie darüber zu wachen, dass der
Anteil der Obrigkeit an den niedergerichtlichen Bussen richtig
abgeliefert werde. Sie unterrichteten den Landvogt von allem,
was in ihren Bezirken vorging, verzeigten jede Übertretung
und zogen die Verbrecher ein.* Die Unbestimmtheit der Ge-
setze oder der Mangel derselben veranlasste zahlreiche Will-
kürlichkeiten von Seiten der Landgerichtsdiener, Die Stände
beklagten sich über die immer höher ansteigenden Kosten
für dieselben und erliessen eine Verordnung, welche die
^ Ms. Y 208, Thurg. Kantonsbibliothek : Formb das Malefizgericht
zu halten. ■ In den „Landrechten*, die auf Nabholz beruhen, werden
15 Quartiere angeführt; ein Quartier hatte der Vogt zu Höfen inne;
folglich belief sich im Anfang des achtzehnten Jahrhunderts die An-
zahl der Landgerichtsdiener auf 14. So auch Thurg. Landbuch, Fol. 53:
Landgerichtsdiener: nebst den 14 mögen noch andere Ehrliche leuth zu
invigilierung der hoheitlichen Rechten gebraucht werden. 1738, 1739.
In den meisten Bearbeitungen wird die Zahl 12 angegeben; z. B. auch
Leu, Lexikon XVIII, p. 127. » Leu XVIII, p. 127
30 Gebühren der Landgerichtsdiener.
Gebühren derselben regelte. Wenn sie in obrigkeitlichen Ge-
schäften reisten, erhielten sie einen Taglohn von 1 !1. 30 kr, ;
für die Speisung der Gefangenen waren ihnen täglich 30 kr.
ausgesetzt; für „Gelieger** und Turmlosung durften sie nichts
verrechnen; Züchtigungen hatten sie um die bestimmte Taxe
von 30 kr. selbst zu vollführen. Für jede Zitation bezogen
sie 8 kr. und für die Bussengerichte (der niedern Gerichts-
herren) 1 fl. 30 kr. ; wurden sie dabei gastfrei gehalten nur
1 fl. Von den Abzügen hatten sie von 1 — 100 fl. von jedem fl.
3 kr., von 100 — 200 fl. von jedem 3| kr., nie mehr aber als
7 fl. 30 kr., die Summe mochte so gross sein als sie wollte.^
e. Das Syndikat.
Im Juli 1713 war auf Antrag der V katholischen Orte trotz
der Gegenvorstellungen Zürichs und Berns von den im Thur-
gau und Rheintal regierenden Orten beschlossen worden, das
„landvogteiliche Syndikat** von Baden nach Frauenfeld zu ver-
legen. Damit wurde Frauenfeld der Sitz der ordentlichen eid-
genössischen Tagsatzung, die regelmässig im Juli am Montag
nach Peter und Paul zusammentrat, und, weil das Haupt-
geschäft der Gesandten in der Abnahme der Rechnungen und
der Anhörung der Appellationen aus den deutschen gemeinen
Herrschaften bestand, auch „Jahrrechnung" oder „Frauenfelder
Syndikat** genannt wurde. Während aber die wirklich eid-
genössischen Geschäfte von allen XIII Orten nebst Zugewandten
(Abt und Stadt St. Gallen und Biel) beraten wurden, nahmen
an der Jahrrechnung und den Appellations- oder Syndikats-
verhandlungen nur jeweilen die Gesandten der in der be-
treffenden Herrschaft regierenden Orte teil, also an den den
Thurgau beschlagenden Fällen die VIII Orte, in gewissen
Fällen auch Freiburg und Solothurn.*
Jeder Ort schickte zwei Gesandte, gewöhnlich die Spitzen
seiner Regierung, die Zugewandten nur einen. Sobald die Ab-
geordneten in Frauenfeld anlangten, wurden sie in den Häusern,
wo sie abstiegen, vom Landvogt und den Oberamtsleuten
begrüsst.' Die Eröffnung der Tagsatzung geschah durch Ab-
» E. A. 7. 2, p. 592. « Herr Prof. Oechsli. » Fäsi, Y 44, p. 749.
Schweiz. Illustr. Zeitschrift, Häberlin-Schaltegger: Frauenfeld, als Sitz
Eidgenössischer Gruss. Traktanden des Syndikats. 31
legung des sog. Eidgenössischen Grusses; sie vollzog sich bei
offener Türe auf dem Rathause zu Frauenfeld, so dass Fremde
und Einheimische derselben beiwohnen konnten. Der erste
Gesandte von Zürich trug etwa vor, dass er von seinem Stande
samt seinem Mitgesandten an die gewohnte Jahrrechnung
abgeschickt worden sei, um die übrigen Herren Abgeordneten
zu Händen ihrer löblichen Stände aller bundesmässigen und
nachbarlichen guten Freundschaft und Dienstwilligkeit zu
versichern; er werde auch zu Erreichung dieses Endziels und
zu Aufrechterhaltung aller guten Gesinnung und Ordnung
alles dasjenige willig und freudig beitragen, was von ihm ab-
hänge. Er bat die Herren Ehrengesandten, den Ausdruck
seiner persönlichen, freundschaftlichen Gefühle entgegenzu-
nehmen. Beinahe mit gleichen Worten hielt jeder erste Depu-
tierte eines jeden Kantons und der anwesenden zugewandten
Orte seinen Vortrag. Nach Beendigung des Eidgenössischen
Grusses, zu dem stets Fremde und Einheimische sich in grosser
Anzahl drängten,^ trat das Publikum ab, und die Türe wurde
verschlossen.^ Es folgte die Behandlung der auswärtigen und
sonstigen gemeineidgenössischen Angelegenheiten. Religions-
sachen wurden in getrennten Versammlungen beraten. Nach
Erledigung dieser Traktanden traten die Gesandten von Basel
und der zugewandten Orte die Heimreise an. Nun wurden
die Geschäfte, welche das Landgericht in der Landgrafschaft
Thurgau wie auch die von diesem Gericht ergangenen Ap-
pellationen untersucht, welchen nebst den Gesandten der VIII
Orte auch diejenigen von Freiburg und Solothurn beiwohnten,
desgleichen die Appellationen von der Stadt Diessenhofen,
wobei die Gesandten von Schaffhausen, als Mitschutzherr dieser
Stadt, anwesend waren. Mit Beisitz von Appenzell beider
Rhoden prüften die VIII Orte die Rechnung des Rheintals und
beeidigten zu je zwei Jahren einen Landvogt; desgleichen
der ehemaligen Tagsatzung, p. 372, lässt sie bei ihrem Einzug durch
die „Dritträte**, d. h. von Schultheiss, grösserem und kleinerem Rat der
Stadt Frauenfeld bewillkommen. Irrtum: Die „Dritträte** waren die
beiden Schultheissen und der älteste evangelische Ratsherr; vgl. E. A.7. 1,
p. 802. Es gab in Frauenfeld ein besonderes Zürcher- und Bernerhaus.
* Fäsi, Y 44, p. 750. * Über die Rangordnung der Gesandten an
der Tagsatzung vgl, E. A. 8, Anhang, p. 683.
9f THC ^
l^Nl VERSITf.
OF
^^/FOHNV
1
32 Traktanden des Syndikats. Appellationen.
wurden die Appellationen aus dieser Grafschaft erledigt. Dann
reisten die Gesandten von Freiburg, Solothurn, Schaffhausen
und Appenzell ab. Die zurückbleibenden Gesandten der Vllf
Orte untersuchten die Rechnungen der Landvögte der Graf-
schaft Thurgau, von Sargans und den obern freien Ämtern,
beeidigten die neuen Landvögte dieser drei Herrschaften, hörten
die Appellationen aus diesen Vogteien an, errichteten neue
Gesetze, bestätigten oder erneuerten die alten, erteilten oder
bereinigten die Lehen etc.
Wollte man zum Syndikat gelangen, so musste man sich
beim ersten Gesandten von Zürich melden und den Tag des
begehrten Verhörs bezeichnen. Die Rechtsuchenden hatten
Appellationsscheine aus der Kanzlei derjenigen Vogtei, in
welcher über ihre Sache schon ein Urteil ergangen war, vor-
zuweisen. Sobald ein Streithandel im Thurgau Grundzinsen
oder mehr als 50 fl. betraf, konnte er an das Syndikat gezogen
werden. Die Einverleibung der Appellation in der Kanzlei des
Oberamts kostete 1 fl. 40 kr.^ und hatte innert 11 Tagen zu
geschehen.* Von einem Appellationsbrief bezogen der Land-
vogt und der Landschreiber je 3 fl. Die Appellationsgeschäfte
allein hielten oft die Gesandten 2 — 3 Wochen auf. Die Un-
kosten für die Parteien waren beträchtlich. Jedem, der vor
dem Syndikat einen Streithandel hatte, stand es frei, einen be-
liebigen Prokurator zu erwählen; die Anzahl derselben während
der Jahrrechnung war immer gross. Mit Bewilligung ihres
Stands fanden sich gewöhnlich auch zwei Ratsprokuratoren
von Zürich ein, denen der überwiegende Teil der Geschäfte
zufiel.*
Das Tagsatzungsprotokoll in Sachen, welche die Eidge-
nossenschaft im allgemeinen betrafen, wurde vom Landschreiber
des Thurgaus und dem Gesandtschaftsschreiber von Zürich
gemeinschaftlich geführt. Die Ausfertigung von Syndikats-
urteilen in Zivil- und Appellationssachen besorgte allein die
Landeskanzlei in Frauenfeld. Bei den besonderen evangelischen
Versammlungen führte nur der zürcherische Gesandtschafts-
schreiber die Feder, verzeichnete und fertigte die Abschiede
^ Y 174; Der Landschreiber hat für das Einleiben auf den Syndikat
1 fl. 40 kr. NB. der fl. ist unrecht. » Fäsi, Y 44, p. 671. » ibid., p. 754.
Appellation an die Stände. 33
aus. Die Verlesung der Abschiede geschah in der letzten
Sitzung; der Landschreiber teilte sie an die Ehrengesandten
aus. An Sonntagen empfingen die Deputierten des Standes
Zürich Aufwartungen und Besuche von den zürcherischen
Obervögten und Beamten, von denen sie gewöhnlich in die
Kirche begleitet wurden, so dass ihr zahlreicher und ansehn-
licher Aufzug besonders in die Augen fiel. Diese Herren
wurden dann von den Gesandten zur Tafel gezogen, in deren
Gesellschaft auch die Abgeordneten von Basel speisten, solange
sie sich in Frauenfeld aufhielten. Zur Belustigung der zur Tag-
satzung herbeigeströmten Menge richtete allerlei fahrendes Volk
seine Buden auf; Glückshäfen und Lotterien lockten, Marionetten
tanzten, wunderliche und fremde Tiere standen zur Schau.^
Wer glaubte, selbst vor dem Syndikate keine Gerechtig-
keit gefunden zu haben, konnte sich noch unmittelbar an die
VIII oder X Orte wenden. Die Ankündigung eines Appellations-
briefes in die Stände kostete in der Kanzlei Frauenfeld
3 fl. 36 kr.2 Bei Stimmengleichheit der Orte trat aber die
Syndikatssentenz wieder in Kraft. Kein Stand sollte befugt
sein, einseitig Revision über solche Prozesse zu erteilen. Ver-
langte eine Partei nach gefällten Ortsstimmen Revision, so
hatte sie ihre Gründe den beiden Provisionalständen Zürich
und Luzern in einem Memorial vorzulegen. Nach Einvernahme
der Gegenpartei sollten sämtliche Orte entscheiden, ob eine
Revision statthaben möge oder nicht.^
Die Zustände im gesamten Rechtswesen waren wohl dazu
angetan, aus den Leuten „Tröler" zu machen, namentlich,
wenn sie beweglich, ehrgeizig und eigensinnig waren, wie uns
die Thurgauer in den zeitgenössischen Quellen erscheinen.
Die thurgauische Prozesssüchtigkeit war allgemein bekannt
und gefürchtet.* Zahlreiche Advokaten schürten die Händel;
die „Diskretionen** spielten überall eine grosse Rolle. Die
1 Fäsi, Y 44, p. 755. Vgl. IL Kirche und Schule, D. Polizeiliches.
* Soviel ist wenigstens in Y 174, p. 300, angegeben als Einnahme des
Landschreibers bei der Einverleibung; vgl. aber Ebel, p. 40. * Frauen-
feldischer Abschied von 1793. Zürcher Staatsarchiv, A 323, 35. * Vgl.
Fäsi, Charakter der thurgauischen Nation, gedruckt in Thurg. Beiträge,
Heft 24, p. 32 l
Hasenfratz, Die Landgrafschaft Thurgau vor 1798. 3
34 I^ie Huldigung in Frauenfeld.
Wohltaten, welche der helvetische Einheitsstaat der Landschaft
brachte, machten sich am augenscheinlichsten auf juristischem
Gebiete bemerkbar.^
C. Die Huldigung,
a. Der Huldigungsritt.
Nach Beendigung der Tagsatzung vollzog der neubestellte
Landvogt die Einnahme der Huldigungen. Der erste Platz
war Frauenfeld. Die Landleute erschienen hier wie an den
übrigen Orten bewaffnet in Kompagnien unter Anführung der
Quartierhauptleute und Offiziere. Die Glieder des Kleinen und
Grossen Rates der Stadt Frauenfeld holten den Landvogt und
das Oberamt auf dem Schlosse ab, um sie zu dem vor dem
Hause z. Stock errichteten „Theatrum" zu geleiten. Voraus
gingen vier Landgerichtsdiener in den Farben desjenigen eid-
genössischen Standes, dem der Landvogt angehörte, hernach
Tambour und Pfeifer in den Mänteln der Stadt. Darauf folgte
der Landvogt zwischen den beiden Schultheissen von Frauen-
feld,2 nach ihnen der Landschreiber und Landammann, dann
die Räte, unter denen auch der Landweibel schritt. Bei der
Bühne angelangt, trat der Frauenfelder Magistrat ab, um nicht
den Anschein zu erwecken, als ob auch er huldigen müsse;
denn weder die Stadt noch ihre äussern Angehörigen waren
bei diesem Anlass dazu verpflichtet.^ Er begab sich in das
Haus z. Stock und wohnte an den Fenstern dem Huldigungs-
akte bei.* Zu der Huldigung in Frauenfeld kamen zusammen
die Einwohner der Herrschaften Wellenberg, Hüttlingen,
Griesenberg, Langdorf, Aawangen, Gachnang, Kefikon, Pfyn,
Ittingen und Neunforn. In einer Anrede gab der Landvogt
die Zusicherung, jedermann bei seinen Freiheiten zu schirmen,
allen ein unparteiischer Richter zu sein und jedermann gut und
schleunig Recht zu sprechen. Darauf begehrte er zu Händen
^ Vgl. auch Ebel I, p. 40, 41. * Der Schultheiss von Frauenfeld
hatte auch sonst in der Stadt den Rang vor dem Landammann. Fäsi,
Y 44, p. 691. 8 Fäsi, Y 44, p. 876, 877. * Zürcher Taschenbuch 1881,
M^moires, p. 170. Vgl. dazu Thurg. Beiträge, Heft 33, p. 20. Das dort
abgedruckte Stück ist aus dem Weissen Buch, Y 160, p. 479 f.
Der Landeseid. 35
der VIII löblichen regierenden Stände die Huldigung. Nachdem
durch den Landschreiber oder dessen Stellvertreter die Eidformel
abgelesen worden war, erfolgte der Eid. Die Formel, 1460 auf-
gesetzt, war niemals wesentlich verändert worden.^ Sie lautete:
„Es schweret die gantze Landtschaft un: gndh. den 7 |: VIII:|
orthen der Eydgnossen, Nämlich . . . Nutz und Ehr zu förderen,
ihren schaden zu wahrnen und zu wenden, auch ihr ambt und
gricht Recht zu Beheben, alss sehr sie mögen (auch an sie
Meine hr. die Eydgnossen und Einem Landvogt zu sagen,
ofentbahren und zeigen wollen, alle die gerechtigkeit so Ein
herrschaft von Österreich da und an Ihren gehebt hat, dass
sie Lützel oder vill alss sehr sie dass wüssen^), auch sie Bey
demselben Eyd die Landschaft helfen Retten wo es noth Thut,^
und were es sach dass sie Jemand sähen argwöhnlich durch
Ihr statt, ammbt oder Gricht füehren, oder ob Jemand da fahren*
und auss der Eydgnossschaft oder Ihrem gebieth füehren wolte,
so sollen sie alle zulaufen. Ein geschrey machen, mit Mund
oder mit glogen, und Ein anderen helfen, dass solcher schad
gewendet werde, und dieselbigen so sommlichen schaden
Thuen wolten oder gethan hetend fahen und Einem Landtvogt,
welcher dan Je Landtvogt ist, überantworthen ;
Begebe sich auch, dass sich Krieg oder Missheilung
machte und auferstuehnde, da soll Jeglicher getreüvlich zu
Laufen scheiden, auch frid aufnemmen und machen, und die
Sachen zu gutem Bringen ohne arg List, alss sehr Jeglicher
vermag und sie niemand Partheyen;
Welcher auch im scheiden Einen hauven Thäte der ge-
scheiden hat oder gescheiden haben wolte, derselbig soll
Einem Landvogt zechen gülden zu Buess verfallen sein, und
^ Fäsi, Y 44, p. 879. * Das Eingeklammerte wurde natürlich im
achtzehnten Jahrhundert ausgelassen. Vgl. Zürcher Staatsarchiv, A 323,
25, Bericht des Landvogts Ackermann vom 28. November 1759, wo die
Eidsformel, so wie sie damals verlesen wurde, mitgeteilt ist. * Hier
ist bei der Formel Ackermanns eingeschoben: „ob ihr auch etwas sehen,
hören, oder vememmen, ds der Eydgnossschaft, oder den Ihrigen schaden
bringen möchte, oder schädlich wäre, Sie ohne alles Verziehen zu
wahrnen, und ds Kundt zuthun; auch einem landvogt und seinen Botten
gehorsam zu seyn, doch jederman seinem herm an seiner gerechtig-
keit ohne schaden;**. * „ob man jemand da fangen**.
36 I^er Landeseid.
dem den er gehauven hat sein schaden Kosten und schmertzen
und artzetLohn abtragen,^ und dass ihr keinen den anderen
nach niemand der Meinen hr. den Eydgnossen zu ver Sprechen
stath auf kein frömd gericht Laden sollt, sonder Jeglicher von
dem anderen Recht nemmen, an denen Enden da Er sitzt,
Er werde dan von Meinen hr. den Eydgnossen oder Ihrem
Landtvogt, der Je zue Zeiten ihr vogt ist, fürer gewysst,^ und
* In Ackermanns Formel kommt anstatt dieses Abschnittes ein
Passus, der auf die Unruhen des 7jährigen Krieges hindeutet: „Es
solle auch jederman sich Selbsten versehen und versorgen mit gutten
gwehren, was ausgieng, ds einer versorget seye, dan ds eine grosse noth-
durft ist, ds man desto besser land und leut möge helfen retten und
beheben ; und ds ist Euwer gnäd. herrn und Oberen ernstl. meinung und
gebietten, dan welcher in Monatsfrist mit gwehr nicht also versehen ist,
der wirdt so man die besieht, und nicht eriindt, ohne gnad gebüsst und
abgestraft werden." * In Ackermanns Formel folgt jetzt: „Nicht weniger
soll ein jeder v. Euch schuldig seyn, wofern von Eint- und andern Eüwern
Grichtsherrn einige Neuerung zu nachtheill der hochoberkeitl. rechten,
oder zu beschwärd gemeiner unterthanen eingeführt werden wolte,
solches alsobald dem landvogt, oder oberamtsleuten anzuzeigen — Und
weilen dan auch zuvernemmen Kommen, ds von Zeit zu Zeiten sowohl
Einheimbsche, als frömde sich unterstehen, ohne Erlaubnus eines reg.
h. landvogts Volkh in dem land aufzuwärben, oder wan sie schon die
Erlaub darzu haben, dasjenige nit observieren, und in Obacht nemmen,
was die hochoberkeit. Abscheid und Erkantnussen dissfals ausweisen;
als wirdt Euch allen ins gesamt bey dem Eyd, so ihr jezt Bald schwöhren
werden, gebotten u. anbefohlen, auf alle dergleichen wärber, es seyen
frömde, oder im land gesessene ein wachtsames aufsehen zu haben,
und wo ihr einen solchen erfahren werden, der nit ein schrift. Patent
von einem reg. landvogt aufzuweisen hat, sollen ihr selbigen also gleich
gefänglich annemmen und der hochen obrigkeit überantwortten, die-
jenige aber so sich unter dergleichen wärber, oder sonsten in solche
dienst, die von den hochlöbl. reg. orthen nicht erlaubt, in, oder äussert
lands unterhalten Hessen, sollen ihr vatterland verwürkht haben, und
dero gutt, so sie jezt besizen, oder insKönftig ihnen noch zukommen
möchten, der hochen obrigkeit heim gefallen seyn; was aber die er-
laubte wärbungen, und jene wärber antreffen thut, die da ein Patent
von dem reg. h. landvogt erhalten und aufzuweisen haben, sollen selbige
nach ausweis der hochoberkeit. abscheiden, bey Vermeidung jezt be-
sagter straf schuldig seyn, alle diejenige, so sie angeworben, ehe und
bevor sie mit solchen äussert lands ziehen, in die land-Canzley thur-
göuv zuführen, um aldorten jedessen namen und heimat, ouch anzugeben,
unter was Compagnie und regiment, ouch auf was Sold und auf wie
vill jähr ein jeder seye aufgedungen worden.
Die Huldigung. 37
ihr keiner soll in Krieg Laufen, Reiten nach gähn durch
keinerley sach willen, ohne gunst, wüssen und willen und ohne
urLaub der Eydgnossen gemeinlich oder mehrtheil und Ihres
Landtvogts, ob sie jetz sähind, härtind oder vernemmind dass
der Eydgnossschaft und den Ihren ambts Leuthen und gut
schaden Bringen möchten, oder schädlich wäre, sie ohne alles
Verziehen zu warnen, und dass Kundt zuThun auch Einem
Landtvogt und seinen Botten gehorsamm zu sein, doch an
seiner gerechtigkeit Jederman seinem Herren ohne schaden."^
Nach vollendetem Huldigungsakt geleitete der Frauenfelder
Magistrat den Landvogt und das Oberamt zum Strasshof oder
Rathaus, wo eine Mahlzeit abgehalten wurde, die bis abends
6 Uhr dauerte.
1733 wurde die Huldigung zur Ersparung der Unkosten
vereinfacht; statt auf 14 Plätzen und in 8 Ausritten versuchte
man, sie in einem Ausritt auf nur 9 Plätzen einzunehmen.^
Doch kam man auf 13 Huldigungsstationen zurück; auch
Ansätze dazu, sie in einem längeren Zeitraum als von zwei
zu zwei Jahren zu vollziehen, konnten nicht recht Wurzel
fassen.^ Die Begleitung des Landvogts auf seiner Reise durch
die Landschaft war von Amts wegen das Oberamt und die
vier Prokuratoren; er ritt aber gewöhnlich in zahlreicherer
Gesellschaft.* Die Gotteshäuser waren indessen nicht ver-
pflichtet, mehr als was zum Oberamt gehörte und von dem-
selben abhing samt acht Pferden zu verpflegen.^
Der zweite Huldigungsplatz war der Klosterhof der Abtei
Fischingen, Der Abt empfing hier den Landvogt und sein
Gefolge und geleitete den Gast in sein Zimmer. Nachdem der
Landvogt dem Prälaten die ^j, Gegen visite** abgestattet hatte,
ging man zur Tafel, wobei der erstere den Vorrang einnahm.
Zwei Lehnsessel waren nebeneinander gestellt; der Landvogt
sass zur Rechten des Abtes; beide wurden in besonderen
Schüsseln bedient. Der zürcherische Landvogt Sigismund
Spöndlj, dessen Bericht über seinen Huldigungsritt wir unserer
Darstellung zugrunde gelegt haben, versichert uns, dass die
^ Weisses Buch, p. 500—502. « E. A. 7. 1, p. 739. » Vgl. E. A. 8,
p. 325. * Vgl. M^moires, p. 178. » Thurg. Beiträge, Heft 27, p. 50.
Vgl. E. A. 7. 1, p. 732.
38 Die Huldigung.
Mahlzeit reich war, gewürzt durch Tafelmusik, die eine An-
zahl Patres vollführten.^ Am Nachmittag wurde die Huldigung^
eingenommen. Dabei stand der Abt zur Linken des Landvogts
auf einer Bühne. Es huldigten die Einwohner des Tannegger-
amts, von Fischingen, Tänikon, auch den umliegenden Hohen
Gerichten. Am folgenden Morgen geleitete der Abt die Ab-
reisenden bis in den Hof.
In der Kommende Tobel empfing sie der Verwalter und
die Untertanen des Ritterhauses; die Einwohner der Herr-
schaften Lommis, Sonnenberg, Wittenwil und auch Hoher
Gerichte wurden beeidigt.
Ausserhalb des Fleckens Weinfelden bildeten die Kom-
pagnien zwei Reihen, durch welche der Landvogt unter Trommel-
und Flötenklang passierte. Die Huldigung nahm er vor dem
Wirtshaus z. „Traube" von den Angehörigen der Herrschaften
Weinfelden, Altenklingen, Weerswilen, Klingenberg, Mauren, der
Reitigerichte, Rickenbach samt andern umliegenden Hohen und
niedern Gerichten entgegen. Während des Mittagessens hörte
man die Salven der abziehenden Kompagnien. Die Huldigung
in Weinfelden geschah im Beisein des Obervogts.^ Bei der Ab-
reise stand wieder eine Anzahl Mannschaft in zwei Reihen.
In Bürgten huldigten die Einwohner der Herrschaft dieses
Namens und der umliegenden Hohen und niedern Gerichte vor
dem Schlosse, und im Beisein einiger st. gallischen Herren
wurde das Mittagsmahl daselbst eingenommen. Der Landvogt
und das Oberamt übernachteten in Oberaach;* hier langte die
Gesandtschaft des Pelagienstifts zu Bischofszeil ein, um das
gewohnte Geschenk von 2 Stück Leinwand, jedes zu 20 Ellen,
zu überreichen. Am nächsten Huldigungsort,
Amriswil, empfahlen Abgesandte des Bischofs von Kon-
stanz die Gerechtigkeiten ihres Herrn zu Egnach und Schönen-
berg. Neben dem gewöhnlichen Eide wurde hier der sogenannte
altstiftische vorgelesen, welcher lautete:
* M^moires, p. 171. * E. A. 7. 1 : 1727 Der Abt von Fischingen bittet
um Verlesung des altstif tischen Eids zu Fischingen. 1728 Ausser Zürich
willfahren alle Orte dem Ansuchen des Prälaten. * Thurg. Beiträge,
Heft 33, p. 23. Nach den M^moires, p. 173, auch des Obervogts von
Bürglen. * Dies die heutige Form von Obereich, wie der Ort gewöhn-
lich in unsern Quellen genannt wird.
Die Huldigung. 39
„Die sollen schweeren Ein gemein Landgeschrey, dass
ist Meiner Herren den Eydgnossen Ihr nutz zu förderen, vor
schaden zu sein, den zu wahrnen und zu wenden, auch Einem
Landtvogt in Kriegs Läufen gewärtig und gehorsam zu sein;
doch Meinem gnädigen herren zu Costantz an seiner fürstl.
gnaden gerechtigkeit ohnschädiich/'^
Hier versammelten sich die von Egnach, Amriswil, Pelagi,
Gottshaus, Oberaach,Berg, Öttlishausen und umliegenden Orten.
In Mänsterlingen standen die Kompagnien Spalier. Der
Oberamtmann und der Pater Beichtiger geleiteten den Land-
vogt zur Klausur, wo die Äbtissin mit Begleitung erschien.
Die Huldigung wurde auf der steinernen Treppe des Klosters
abgenommen von den Einwohnern der Herrschaften Altnau,
Rickenbach, Münsterlingen, Güttingen, der Vogtei auf dem
Eggen, Emmishofen, Gottlieben, Tägerwilen, Kreuzungen und
den umliegenden Dörfern. Auch hier kam zur Wahrung der
altstiftisch-konstanzischen Gerechtigkeiten der altstiftische Eid
neben dem gewöhnlichen zum Vortrag. Das Mittagsmahl
wurde ohne Beisein der Frauen eingenommen; nach dem-
selben ehrten die Nonnen den Landvogt durch ein Konzert
in der Kirche, und die Äbtissin führte ihn durch Garten, Keller
und Abtei. Am folgenden Tag traf der Oberamtmann des
Klosters Kreuzungen ein, um ihn im Namen seines H. Prä-
laten zu begrüssen und das gewohnte Huldigungsgeld zu über-
bringen.2 Die beiden Oberammänner von Münsterlingen und
Kreuzungen geleiteten den Landvogt nach
Egelshofen. Auf dem Wege fand sich eine Gesandt-
schaft der Stadt Konstanz zur Begrüssung ein. Der Obervogt
von Gottlieben ersuchte um Beibehaltung der bischöflich-
^ Weisses Buch, p. 507. * Ich gebe die Huldigungsgelder nicht
an, weil sie nicht mehr mit den in den „Landrechten" angeführten
Summen übereinstimmen. Durch die Abkürzung der Zeitdauer des
Huldigungsrittes wurden viele Mahlzeiten etc. überflüssig; es scheint,
dass dagegen die Gelder erhöht wurden, indem in den „M^moires"
grössere Summen angeführt sind. Die Zeitdauer hing übrigens mehr
oder weniger auch vom Belieben des Landvogts ab ; je nachdem er
dieselbe verkürzte, die „Ürten* selbst bezahlte, vermehrten sich die
Huldigungsgelder. Als gewohntes Huldigungsgeld von Kreuzungen ver-
zeichnet Spöndlj 40 fL
40 I^ie Huldigung.
konstanzischen Rechte, und die Huldigung wurde auf dem
Acker vor dem Dorfe Egelshofen auf gleiche Weise wie in
Amriswil und mit demselben Unterschied des Eides für die
fürstlichen Angehörigen abgelegt. Nach Beendigung des
Aktes verabschiedeten sich die Oberammänner von Münster-
lingen und Kreuzungen, und die Reise wurde nach
Ermatingen und Steckborn fortgesetzt. An beiden Orten
empfing man den Landvogt mit Abfeuerung des kleinen und
groben Geschützes. Die Huldigung scheint abwechselnd
zuerst in Steckborn oder Ermatingen eingenommen worden
zu sein,^ und zwar von allen an dem See gelegenen reichen-
auischen Gerichten wie Steckborn, Berlingen, Ermatingen,
von den Gerichten Wagenhausen, Freudenfels, Gündelhard,
Burg, Mammern, Hard, Salenstein, Müllheim. Zuweilen Hess
der Landvogt sich und sein Gefolge abholen, und es war
Sitte, dass Ermatinger Fischer die Ankommenden auf der
Grenze von Berlingen mit einem „Jagdschiff" erwarteten, sie
mit einigen Zeremonien empfingen und ihnen durch schnelles
und kunstreiches Fahren eine Augenweide boten.^ In Erma-
tingen wurde der Landvogt von den Gemeindevorgesetzten
bewillkommt und ihm im Namen des Kirchspiels und des
versammelten Volkes eine Beglückwünschungsrede gehalten,^
während in Steckborn der Rat in schwarzen Mänteln er-
schien* und eine Magistratsperson im Namen der Stadt
sprach. Die Eidleistung geschah an beiden Orten nach der
gewöhnlichen Formel, da der Bischof von Konstanz in den
reichenauischen Herrschaften keine grösseren Kompetenzen
als ein gewöhnlicher Gerichtsherr besass. In Ermatingen fand
die Huldigung bei gutem Wetter abwechslungsweise auf dem
Stediplatz oder dem Platze zwischen dem Gasthaus z. „Adler"
und dem Rathause, bei schlechtem Wetter dagegen in der
Kirche oder auf dem Rathause statt^ Bis 1716 kam jedesmal
auch der bischöflich-konstanzische Obervogt der Reichenau
^ Thurg. Beiträge, Heft 21, p. 52. « ibid., p. 53; id. Fäsi, Y44, p. 881.
3 M^moires, p. 176. * Thurg. Beiträge, Heft 33, p. 25. * Von Ermatingen
und Steckborn ritt man sonst nach Feldbach, wo man übernachtete.
Die Äbtissin protestierte dagegen. Spöndlj reiste nach Frauenfeld
zurück, vollzog also die Huldigung in zwei Ausritten.
Die Huldigung. 41
mit einigen Beamten auf eigenem Schiffe, um dem Landvogt
aufzuwarten; da er aber sowohl bei der Huldigung als bei
den Mahlzeiten den Rang vor den Oberamtsleuten beanspruchte
und ihm darin nicht willfahrt wurde, blieb er fortan aus.'
Die letzten Huldigungsplätze waren das Kloster St. Ka-
tharinenthaly Diessenhofen und Rheinau.
Der Landvogt beeidigte den Hofmeister und die Bedienten
des Frauenklosters. Die Klosterregel gestattete nur in der ver-
gitterten Klausur ein Gespräch des Landvogts mit der Priorin.
Durch Diessenhofer Ratsdeputierte wurde er und seine Be-
gleitung auf einem gedeckten Schiffe rheinaufwärts geführt.
Die Bürgerschaft stand unter Gewehr in zwei Reihen Parade.
Der erste Ehrengesandte von Schaffhausen bewillkommte den
Landvogt im Namen seines Standes; er trat ihm überall den
Rang ab. Der Rat versammelte sich auf dem Rathause, die
Bürgerschaft und was in die Diessenhofer Gerichte gehörte
auf dem Platze vor demselben. Der Landvogt wandte sich in
seiner Anrede zuerst gegen den Rat, hernach gegen die Bürger-
schaft und die Landleute; der erstere huldigte zuhanden der
IX Orte, die letztern beschworen einen besonderen auf sie
gerichteten Eid, der also formuliert war: „Es schweeren die
von Diessenhofen samt Ihren angehörigen Meinen gnädigen
herren den Neun orthen der Eydgnossen von Statt und
Länderen Nämlichen . . ., alss Ihren Rechten obersten und natür-
lichen hr. : vor Mäniglich gehorsam und gewärtig zu sein, und
in allen Sachen Ihr nutz und frommen zu förderen und Ihren
schaden zu wahrnen und zu wenden, und ob sie etwass härtend
und vernemend, dass gemeinen Eydgnossen oder dehein orth
ins Besonders schädlich oder widerwärthig sein möchte, dass
nit zu verhellen, sonder dass von stund an für zu Bringen,
und dass als Biderb Leüthen nach Ihrem vermögen zu wenden
und darzu ob Jemand den anderen sähe argwöhnlich und ge-
fahrlich gehen, ald Jemand füehren, der oder dieselben sollen
dass melden; und ob sich Begebe und nothdurft wird mit
gloggen oder geschrey dass öfnen; dessgleichen wer den
anderen hört oder siecht Beschälken mit worten oder mit
werken, der soll zu Laufen, frid machen, und frid Biethen;
1 Thurg. Beiträge, Heft 21, p. 53.
42 Die Huldigung.
|: No: die zween nachfolgende articul Berüehrend die aus
Leüth, dann die in der Statt schwären dass zu weinnachten :|
Auch Bey demselben Eyd, in kein auss Ländisch oder andere
Krieg oder Reissen zu Laufen oder zu ziehen, nach dass zu
Thuen, niemand der Ihren zu gestatten ohne Erlaub und gunst
gemeiner Eydgnossen, oder dess mehreren Theil und Ihnen/
und sonderlich Recht gricht zu verfüehren und zu ver Sprechen,
Niemand zu Lieb nach zu Leid dem armmen alss dem Reichen,
alles getreu wlich und ohngefahrlich."^
Nach eingenommener Mahlzeit^ begab sich der Landvogt
nach Rheinau auf dem Umweg über Schaffhausen. Bei seinem
Aufbruch stand abermals ein Teil der Diessenhofer Bürger-
schaft unter Gewehr. Der Abstieg in Schaffhausen geschah
im Hause des ersten Ehrengesandten; dort wurde auch eine
Kollation eingenommen. Der Besuch des Landvogts hatte keinen
öffentlichen Charakter; er wurde nicht vom Magistrat emp-
fangen; es war ein Ehrengeleite, das den beiden Schaffhauser
Abgeordneten gegeben wurde,* die ihrerseits dem Landvogt
wieder bis an die Grenze Rheinaus folgten. Im Kloster da-
selbst vollzog sich der Empfang durch den Abt, den Ober-
vogt u. a. Fast das gleiche Zeremoniell wie in Fischingen
wurde beobachtet und folgenden Tags die Bürgerschaft, die
sich in schwarzen Mänteln einfand, beeidigt nach der für sie
aufgesetzten Formel, welche identisch mit der zu Diessenhofen
beschworenen war.^ Der Schultheiss des Städtchens pflegte
^ Fäsi, Y44, p.882: aus Ihnen. ^ Weisses Buch, p.508, 509. » 1797
erhielt Diessenhofen in Anbetracht seiner durch die Kriegsunruhen
veranlassten Auslagen das Zugeständnis, von der landvögtlichen Huldi-
gung und der damit verbundenen je länger je kostspieliger gewordenen
Mahlzeit enthoben zu werden. Thurg. Beiträge, Heft 18, p. 81. Die
Rechnung des Sonnenwirts Hanhart war 1796 210fl. 21 kr. Die Stadt
sollte je zu zwei Jahren zwei Deputierte mit Vollmacht nach Frauen-
feld abordnen und durch dieselben sowohl im Namen der Stadt als der
in ihrem Stadtbezirk liegenden drei Dorfschaften einem jeweiligen neuen
Landvogt zuhanden der Hoheit den Pflichteid ablegen. E. A. 8, p. 325.
Vide das Menü einer Huldigungsmahlzeit zu Ermatingen. Thurg. Bei-
träge, Heft 21, p. 56, 57. * Vgl. Thurg. Beiträge, Heft 33, p. 28. * Vide
Weisses Buch, p. 509 und 510. Fäsi, Y 44, p. 883, erwähnt noch einen
Zusatz: „dass ihre Stadt zu Kriegs- und Friedenszeiten der Löbl. Re-
gierenden Hände offen Haus seyn, und dass sie die Brugg über den
Die Huldigung. 43
eine Reservation gegen die Huldigung zu machen, auf die
aber der Landvogt nicht einging.^ Der Prälat führte den
Gast in den Klostergebäulichkeiten herum, wo manches Sehens-
würdige zu bemerken war. Bei der Tafel musizierten die
Patres, und hernach geleiteten der Abt und die übrigen Herren
den Landvogt und sein Gefolge wieder bis in den Hof. Auf
der Rückreise nach Frauenfeld wurde in Neunforn Halt ge-
macht und von dem dortigen Obervogt ein Ehrentrunk an-
genommen.
Die regierenden Stände bezahlten die Reitkosten für Land^
vogt und Oberamtsleute; die ausgelegten Ehrengelder wurden
in die Rechnung gebracht.^
b. Die jährliche Rätewahl in Frauenfeld.
Der Landvogt nahm teil an der alljährlichen Wahl des
Frauenfelder Schultheissen und der ihm zugeordneten zwei
Räte durch die gesamte Bürgerschaft, wobei er bei der „Raun"
oder Zählung der Stimmen^ mithalf. Nach erfolgter Wahl
wurden diese „Dritträte", der neu bestätigte Grosse und Kleine
J?at, das Stadtgericht und die Prokuratoren, sowie die wieder-
erwählten zwei Stadtweibel vom Landvogt beeidigt. Auch
die in rot und weissen Mänteln erscheinenden drei „äussern"
Frauenfelder Gerichtsvögte wurden in Eid und Pflicht ge-
nommen. Da der Akt am ersten Montag im neuen Jahre vor
sich ging, knüpften sich Neujahrsgratulationen daran. Der
Landvogt wurde zu der darauf folgenden Räte-Schenke, einem
Abendtrunk auf dem Rathause, eingeladen.^ Acht Tage
nach der „Regimentsbesatzung" beeidigte der Landvogt die
ganze Bürgerschaft, was ebenfalls mit einem Trünke gefeiert
wurde.
Rhein, vornemlich zum Dienst derselben, erhalten, niemand aber selbige
wider sie zu gebrauchen gestatten wollen, und dieses getreulich und
ohne alle Gefährd."
^ M^moires, p. 184. Thurg. Beiträge, Heft 33, p. 30. Über die Stellung
Rheinaus zu den Ständen vgl. g. Das Kloster Rheinau. ^ Thurg. Bei-
träge, Heft 27, p. 50, 51. ^ So Fäsi, Y45, 2. Buch, p.215. * ibid.; vgl. dazu
Einleitung zu den Mdmoires, p. 165.
44 Eid der Gerichtsherren.
c. Beeidigung der Gerichtsherren.
Die regierenden Orte prätendierten auch die Eidleistung
von den Gerichtsherren im Thurgau nach einer 1543 auf-
gesetzten Formel: „Sie sollen schweeren Ihren Hr. den 7. (8)
orthen gehorsam und gewärthig zu sein, In Ihren Kriegs Läufen
Land und Leüth helfen Retten und handhaben, und kein Knecht
ohnerlaubt ausser dem Land füehren; wass auch sie gemein
Eydgnossen setzen und ordenen, und Ihnen zu wüssen gethan,
zu halten, doch an Ihren Grichten herrlichkeiten Zwingen und
Pannen allen gerechtigkeiten und altem herkommen Land-
Rechten, Burg Rechten und Lähen ohne schaden, ob aber ge-
mein Eydgnossen oder der Mehr Theil orthen zu Reiss ziehen,
so soll Ihnen der obgemelt Eyd keinen schaden und Nachtheil
nit gebähren nach Bringen."^
Jeder Edle und Gerichtsherr der Landgrafschaft Thurgau,
welcher daselbst sass und wohnte, sollte, sobald er das
14. Altersjahr erreicht hatte, ein für alle Male huldigen; der
weltliche selbst, der geistliche durch seinen Amtmann.^
Diese 1715 neuerdings erlassene Verfügung erregte grossen
Unwillen unter dem Gerichtsherrenstand; die geistlichen Glie-
der beschwerten sich besonders, da kraft ihrer Rechte kein
Kleriker weder in Person noch durch einen Anwalt auf seine
Seele einer weltlichen Obrigkeit schwören könne. Man fand
den Inhalt des Eides von 1543 nur für die weltlichen Gerichts-
herren passend und übrigens schwerer als denjenigen, den
die Untertanen leisteten.^
Die katholischen Orte unterstützten die geistlichen Gerichts-
herren in ihrem Begehren um Befreiung von der Huldigung;
Zürich und Bern hingegen beharrten entschieden auf der Ab-
legung derselben; schliesslich Hess man die Sache auf sich be-
ruhen.*
D. Die Hohen Gerichte.
Diejenigen Gemeinden, Dorfschaften und Gegenden, in
denen der Landvogt im Namen der hohen Stände sowohl die
^ Weisses Buch, p.510, mit dem Titel: Der Weltlichen grichtsh. Eyd.
' Thurg. Beitr., Heft 27, p. 50. ^ Relation des Obervogts von Romanshorn
1719, St.Ganer Stiftsarchiv, Ruhr. 141, Fase. 1 c. * E.A. 7. 1, p.739, 740-
Die Hohen Gerichte. 45
niedere als die hohe Gerichtsbarkeit verwaltete, hiessen die
Hohen Gerichte, Sie lagen im ganzen Thurgau zerstreut und
unterstanden der Aufsicht der Landgerichtsknechte und eines
Vogtes, der zu Höfen seinen 'Sitz hatte. Der Landammann
war alleiniger Käst- und Waisenvogt der Witwen und Waisen
beider Religionen in den Hohen Gerichten.^ Kauf, Verkauf
oder Tausch der darin liegenden Güter konnten nach Belieben
der Parteien entweder vor [dem Oberamt oder dem Land-
gericht in Frauenfeld gefertigt und gesiegelt werden.^ Obwohl
die regierenden Stände keinen materiellen Nutzen von diesen
Gebieten hatten und deren Verkauf eine schöne Summe ver-
sprach, waren sie entschlossen, nichts mehr davon zu ver-
äussern.^ Die Hohen Gerichte waren durch keine Ehehaften
eingeschränkt, dagegen der Willkür der Landgerichtsdiener in
höherm Masse als andere Gerichte ausgesetzt, namentlich aber
durch heimatloses Gesindel, das anderswo vertrieben wurde
und unter dem Schutze der regierenden Stände Duldung
suchte, geplagt.* In die Hohen Gerichte gehörten:
1. Kressibuch,^ ein Dörflein, Niederaach (2 Höfe, der Rest
gehörte dem Spital St. Gallen), Obermühle (etliche Häuser),
Lochershaus (4 Häuser), Gizenhaus, nebst allen dazu gehörigen
Gütern.
2. Oberaach (4 Häuser), Geienberg (3 H.), Bruster (5 H.),
Walgishausen(?) (3 H.), Löwenhaus (3 H., der Rest nach
Hefenhofen), Rutishausen (6 H.), Dünnershaus (5 H.), Waldhof
(8 H.), im Greut,^ ein Dörflein, Herrenhof {Z H.), der zofingisch
Lehenhof daselbst (der Rest st. gallisch), Zuben (2 H.; der Rest
st. gallisch), Lenzwil (1 H.) samt dazu gehörigen Gütern.
^ Fäsi, Y 45, 2. Buch, p. 202. « ibid. ^ ibid., p. 206. * A. Pupikofer,
Geschichte des Thurgaus, alte Ausgabe, von 1830, p. 27. ^ Die Orts-
namen sind in der offiziellen Form nach „Vollständiges Verzeichnis der
Ortschaften des Kantons Thurgau, herausgegeben unter amtlicher Mit-
wirkung, Frauenfeld, Huber 1863" angegeben, wo sich übrigens nicht alle
vorfinden, und nach „Schweizerisches Ortschaftenverzeichnis, heraus-
gegeben v.om eidg. statistischen Bureau, Bern 1905.** * So nach Y 174,
p. 153. Pupikofer, Geschichte des Thurgaus, alte Ausgabe, p. 26, hat Greut,
welche Lesart nicht unwahrscheinlich ist, da sich ein Ober- und Unter-
Greut in der Ortsgemeinde Dünnershaus befindet, im Greut dagegen in
der Ortsgemeinde Fischingen. Vide Vollständiges Verzeichnis, p. 44.
46 Was zu den Hohen Gerichten gehörte.
3. Mattwil (f , der Rest Berggericht), Eggertshausen (4 H.),
Heimenhofen (5 H., der Rest zu Münsterlingen), Oberandwil
und Lenzenhaus (1 1 H.), Unterandwil {\ H., der Rest St. Stephan,
Berg und Oberaach), Erzenhaus(f) (3 H.), Klarsreuti, ein Dörf-
lein, samt dazu gehörigen Gütern, und ferner Neugüttingen,
1 Hof und ein Schlösslein, Honegg^ (l H., der Rest Liebburg),
Lanzendorn^ Birwinken (zwei halbe und zwei ganze Häuser),
das übrige zu Weinfelden), die Augustiner und Spitaler Höfe
zu Birwinken 2 samt dazu gehörigen Gütern.
4. Hof, Oberriet, Niederriet (4 Häuser in diesen drei Ort-
schaften gehören in die Herrschaft Bürglen), Erlen, Krumm-
bach (3 H.), Opfershofen (ein Dorf, darin etwas zu Bürglen),
samt dazu gehörigen Gütern.
5. Engelswilen (5 H., der Rest Reiti- und Weerswiler Ge-
richt), Baltshausen (2 H.), Teutschen-Mühle (2 H.), Sperbers-
holz (2 H.), Lippoltswilen, ein Dorf, Holzmannshaus, ein Dorf,
Stöcken (2 H.), Kemmenmühle, samt dazu gehörigen Gütern.
6. Bergewilen, 2 Höfe, Ober-Mauren, 2 Höfe, Unter-Mauren
(2 Höfe, der Rest von Mauren gehört Bürglen, Berg, Wein-
felden und in die Häberli-Gerichte), Hard, unterhalb Mauren,
8 Haushaltungen, samt dazu gehörigen Gütern.
7. Philippenhaus (1 H.), Katzenrüti{\ H.), Fischbach (6 H.),
Häglishag (1 H.), Sonterswil (11 H.), Gonterswilen (6 H.),
Hohenrain (4 H.), Schmidsholz (4 H.), Wäldi (12 H.),» Schmeck-
wies (1 H.), Mannenmühle (3 H.), Hugelshofen, ein Dorf, Schlatt
(5 H.), Wachtersberg (2 H.), Mohnhaus (2 H.), Dattenhub (2 H.),
Buch (1 H.), Murketshaus(f) (1 H.), Entenmoos (1 H.), Riet
(3 H.), Altenburg (4 H.), Geisshaus (3 H.), Jfa/rf (3 H.), der
£//zfer^ Ottenberg (16 H.), Schnellberg^ und Kapf{i H.), Ä(7/w-
/w^r/ (2 H.),* Boltshausen (7 H.), Ruberbaum (4 H.), Bonau
* Hohenegg in der Ortsgemeinde Oberhofen? Vollständiges Ver-
zeichnis, p. 54. * Diese Höfe sind als zu den hohen Gerichten gehörend
angegeben in Fäsi, Y 45, 2. Buch, p. 203 und 204. ' 1789 wurde der Vor-
schlag gemacht, den Landvogt Dominik Alois Graf v. Weber, der bei der
Feuersbrunst in Fraüenfeld einen namhaften Verlust erlitten hatte, mit
der Gerichtsbarkeit von Wäldi und Umgebung zu beschenken, mit Vor-
behalt des Falls. Man entschied sich dann aber für ein Geldgeschenk.
E. A.8, p.392. * (Vollst. Verzeichnis, p.86) Schellberg. Y 174, p. 160, und
Pupikofer, p. 26. * Bommert, Y 174, p. 160, und Pupikofer, p. 26.
Was zu den Hohen Gerichten gehörte. 47
(6 H.), Schärli{\ H.), ein ziemlicher Distrikt in dem Märstetter-
holz, samt den dazu gehörigen Gütern.
8. Schreibersbuhwil (12 H.), Scherersbuhwil^ (2 H., der
Rest zu Bürglen), Friltschen (13 H.), Weingarten (9 H., der
Rest, 4 Häuser, Bürglen und Lommis), Niederhof (8 H.),
Stehrenberg (9 H., die übrigen 2 Lommis), Lantersml (16 H.),
Kirchbühl (2 H.), samt dazu gehörigen Gütern.
9. Langenhart (7 H.), Unteroppikon (4 H., der Rest Griesen-
berg), /^^/rfAö/ (gehört Fischingen),^ Weisshaus oder Burg {\ H.),
Harenwilen (3 H.), Im Krättlein (1 H.), Held^ (1 H.), Unter-
und Obergrub (2 H.), samt dazu gehörigen Gütern.
10. Reutenen, ein Dörflein, Sälen, ein Hof, Landetswil
(2 H.), ein Hof, NB. die Scheur (Scheune) liegt in niederen
Gerichten, samt dazu gehörigen Gütern.
11. Uerschhausen, ein Dorf, samt dazugehörigen Gütern.
12. Das Gericht zu Höfen.
Es wurde durch einen Vogt und ein Gericht, welche der
Landvogt bestellte, verwaltet. Jedem, der in dieser Gegend
wohnhaft war, stand frei, seine Rechtssache unmittelbar nach
Frauenfeld oder vor dieses Gericht zu bringen. Dem Gerichte
wohnte jeweils ein Schreiber der Landeskanzlei bei; die Appel-
lation ging nach Frauenfeld.* An dieses Gericht gehörten:
Höfen, Münchwilen, Eschlikon, Holzmannshaus, Ober-
und Untertuttwil, Wilhof, Breitenloh, Ausser-Scheur, Weiern,
Heiterschen, Äuli, Alp, im Greut,^ Anetswil, Eggetsbühl, In
der Lachen,^ auf dem Berg, Rengetswil, Ebenholz, Im Häusli?
Die Lehen der regierenden Orte.
Aus den Hohen Gerichten war von den regierenden Orten
die Familie v. Reding ausgestattet worden. Es wurde ihr verliehen :
/. Emmishofen. Emmishofen, das Dorf, Bernrain.^ Der
Gerichtsherr entrichtete jährlich dafür 20 fl. Lehenschilling.
2, Burg, ein Schloss, mit Dettighofen^
^ Y 174, p. 161, oder Hopserbuwyl. « Fäsi, Y 45, 2. Buch, p. 205:
Ist Lehen von Fischingen. * Heldhof? Vollständiges Verzeichnis, p. 50.
* Fäsi, Y 45, 2. Buch, p. 206. ^ Vgl. p. 45, Anmerkung. • Vollst. Ver-
zeichnis, p. 62, Lachen, Ortsgemeinde Anetswil. ' Häusli, Vollst. Ver-
zeichnis, p. 48. ^ J. C. Fäsi, Staats- und Erdbeschreibung III, p. 201, eine
Verschreibung.
48 Die Freiheiten Frauenfelds.
J. Das Redingische Gericht. Das Rebhaus zu Klingenzeil,
Unter- und Oberhalden (2 H.), Morwilen (1 Hof), Klästerlein
(1 H.), Auf dem Bühl (2 H.), samt dazu gehörigen Gütern.^
In allen drei Herrschaften übten die v. Reding die Rechte
eines gewöhnlichen Gerichtsherrn aus.
Die Stadt Diessenhofen besass als hochobrigkeitliches
Lehen den Unterhof. Die Lehenserneuerung geschah alle
30 Jahre; die Taxe dabei war 30 Taler.^
2. Beschränkung der landesherrlichen Rechte.
A. Die autonomen, unmittelbar unter den regierenden
Ständen stehenden Städte.
a. Frauenfeld.
Die Freiheitsbriefe, welche Frauenfeld von österreichischen
Fürsten erhalten hatte und die 1460 von den Eidgenossen
bestätigt und später vermehrt worden waren, räumten der
Stadt eine ganz besondere Stellung ein, so dass sie sich nicht
als zur Landgrafschaft Thurgau gehörig betrachtete.^ Die
reichenauische Leibeigenschaft hatte zwar noch im achtzehnten
Jahrhundert einige wenn auch geringe Spuren hinterlassen;* da-
gegen besass Frauenfeld die Selbstverwaltung, eigenes Gericht
mit Einschluss des Blutbanns, eigene Jahr- und Wochenmärkte^
Zoll, Umgeld von dem ausgeschenkten Wein, Ehehaften, die
Selbstbesalzung,^ Steuern, die Bestellung der evangelischen
Pfründen, ein eigenes Konkurs- und Erbrecht u. a. Die Stadt
stand nicht unter der Gerichtsbarkeit des Landvogts, sondern
unmittelbar unter den regierenden Ständen. Sie war von den-
selben mit dem wichtigen Vorrecht begabt worden, dass ihre
Verbürgerten die Schuldner, sie mochten in den hohen oder
niedern Gerichten der Landgvogtei sesshaft sein, unmittelbar
vor das Landgericht fordern konnten.^ Von Kriegs-, Wacht-
und andern thurgauischen Anlagen war sie befreit.
1 Y 174, p. 133. '' E.A.7. 1, p. Sil; E.A.7.2, p. 688; E.A. 8, p.38L
3 Vgl. E. A. 7. 1, p. 801. * Fäsi, Y 44, p. 844. ^ Vgl. E. A. 8, p. 355. « Sonst
musste jeder vor dem Gericht, in dem er sass, gesucht werden. Art. 4
des Vertrags von 1509. E.A. 3.2, p. 460, 461.
Der Grosse und Kleine Rat. 49
Der Kleine Rat bestand aus 12 Gliedern, von denen seit
1712 acht evangelisch und vier katholisch sein mussten; der
Grosse Rat, gleichfalls paritätisch besetzt,^ zählte 30 Köpfe;
der Kleine Rat war in demselben inbegriffen. Die Räte wurden
von ihren Religionsgenossen erwählt; ihre Häupter waren zwei
Schultheissen, von jeder Religion einer; sie wechselten im
Amte jährlich um; die gesamte Bürgerschaft trat zu ihrer
Wahl im Beisein des Landvogts zusammen, welcher dann den
Gewählten im Namen der regierenden Orte beeidigte.^ Von
den zwei Stadtschreibern führte der evangelische die Feder,
wenn die Regierung an den katholischen Schultheissen fiel,
und umgekehrt.^
Die Kleinräte verwalteten das Seckel-, Bau-, Keller- und
Stadtvogteiamt ; die katholischen je zwei, die evangelischen je
vier Jahre lang.
Nach demselben Verhältnisse wurden auch die kleinen
Ämter durch Grossräte und gewöhnliche Bürger besorgt.^ Die
Administration der Almosengüter lag zu ^ in katholischen, zu
I in evangelischen Händen.^
Die Kompetenzen des Grossen und Kleinen Rats wurden
1791 folgendermassen festgestellt:
1) Die Grossratssitzungen finden vierteljährlich statt.
2) Eine Kommission, der Klein- und Grossrat ein Regulativ
übergeben, prüft die Rechnungen, welche dem Kleinen
Rat alljährlich, dem Grossen nur alle vier Jahre vorgelegt
werden.
3) Kapitalveränderungen werden von dieser Kommission
geprüft und dem Kleinen Rate zur Entscheidung über-
wiesen.
4) Gemeinschaftlich entscheiden der Grosse und Kleine Rat
über Versetzung von Schuldtiteln, Geldkontrahierungen,
Nachlass an Kapitalien und Zinsen, über Bauten, welche
die Summe von 250 fl. übersteigen.
5) Beide besetzen die gewöhnlichen Schulämter und die
Vorsingerstelle; der Kleine Rat allein wählt den Provisor
^ E. A. 7. 1, p. 802. 2 Vgl. p. 43. » päsi, Y 44, p. 861. * E. A. 7. I,
p. 802. ^ Fäsi, Y 44, p. 862, bemerkt, dass zu seiner Zeit kaum 25 katho-
lische Bürger waren.
Hasenfratz, Die Landgrafschaft Thurgau vor 1798. 4
50 Stadtgericht.
der Lateinschule, deren Ordnung und Verbesserung aber
von beiden abhängt.
6) Beide zusammen erlassen neue Kirchen- und Stuhl-
ordnungen; der Kleine Rat führt die Kirchenpolizei, ver-
gibt die Stühle, schlichtet allfällige Streitigkeiten; der
Grosse dagegen erläutert und verbessert die Ordnungen.
7) Alles, was den äussern Gottesdienst betrifft, desgleichen
allgemeine Beschwerden der Kirchgenossen, sollen vom
Grossen und Kleinen Rat behandelt werden.
8) Der Kleine Rat bewilligt die gewöhnlichen Almosen und
Kapitalsteuern, ausserordentliche Steuern und milde
Gaben, welche die Summe von 100 fl. übersteigen, mit
Zuzug des Grossen Rats ; desgleichen auch die Erhöhung
der Besoldungen für geistliche und weltliche Beamte.^
Der Grosse Rat richtete über Scheltsachen, Erb und Eigen,
sowie über das Blut, seit 1712 in allen malefizischen Sachen
aus der ganzen Landschaft.* Wie im Malefizgericht, so hatte
auch im Stadtgericht der Landammann den Vorsitz; hier im
Namen des Landvogts, Schultheiss und Rats der Stadt Frauen-
feld. Dasselbe bestand aus 12 Gliedern, die aus dem Grossen
und Kleinen Rat und aus der gemeinen Bürgerschaft in nach
den Konfessionen getrennten Versammlungen erwählt wurden.^
Acht Stadtrichter waren evangelisch, vier katholisch. Das
Stadtgericht urteilte über kanntliche Schuldsachen und fertigte
Käufe und Täusche. Der Landammann hatte das Siegel; er
bestimmte den Tag des Gerichts, Anfangs- und Schlusssitzung
desselben, die Bestrafung der „übersehenen Botten." Die Pfän-
dung und Exekution mit der Gefangenschaft stand bei der Stadt.
Ein Auffall (Konkurs) in Schuldsachen wurde von den Herren
Dreiräten vorgenommen.* Vom Stadtgericht und vom Rat konnte
an das Syndikat der regierenden Stände appelliert werden.
Der Stadt Frauenfeld gehörten mit hohen und niedern
Gerichten: Kurzdorf, Osterhalden, Niederwily Strass, Erzenholz,
Misenriet, Bettelhausen, Vorder-Bewangen, Gerlikon, Burg,
Hungerbühl, Teuschen, Bausei, Aumühle, Thal, Brotegg, Junk-
holz, Oberwll, Hinterespi, Vorderespi, Rüeggerholz, Krämers-
' E. A. 8, p. 378, 379. «Vgl. p. 21. » Vgl. E. A. 7. 1, p. 802. * Y 174,
p. 196 f.
Die Freiheiten Diessenhofens. 51
häusliy Murkart, Hüben, Wüsthäusli (Neuhausen), Obholz,
Bühl, Dingenhart, Lumpenegg, Hohenzorn, Feiben,
Im Langdorf nur ein Haus: die „Schmitte", der Rest
reichenauisch.
Diese Dorfschaften und Höfe waren drei Vögten zur Ver-
waltung übergeben, die zu Feiben, Strass und Bewangen sassen.
b. Diessenhofen.
Diese Stadt besass beinahe die gleichen Rechte und Frei-
heiten wie Frauenfeld. Einen grossen Teil derselben erhielt
sie noch unter dem Hause Österreich; die Eidgenossen ver-
mehrten sie. Auch sie stand nicht unter der Jurisdiktion des
Landvogts; er war nicht berechtigt, in ihrem Gebiete Gebote
und Verbote ergehen zu lassen; vielmehr hatte sie die hohe
und niedere Gerichtsbarkeit selbst im Besitz; nur dass die
Appellation in Zivilsachen vom Rat und Gericht zuerst an die
Gesandten der IX Orte auf der Jahrrechnung und dann an
•die Stände selbst gelangen konnte; die Gerichtsangehörigen
mussten sich aber mit dem zu Diessenhofen ergangenen Urteil
begnügen ohne Appellation.
Der Kleine ^a^bestand aus 12 Gliedern, vier katholischen
und acht Evangelischen. An der Spitze standen zwei Schult-
heissen, von jeder Religion einer, jährlich abwechselnd; der
abgehende war Statthalter und Reichsvogt, desgleichen Ober-
vogt zu Unter-, Ober- und Mettschlatt.^ Die zwei Stadtschreiber
alternierten wie in Frauenfeld; der Amtsstadtschreiber hatte
alle Nutzung des Amts während seines Jahrs ; der andere aber
versah die Gerichtsschreiberei zu Schlatt und Basadingen und
genoss deren Emolumente; in Abwesenheit des Amtsstadt-
schreibers fielen ihm die Akzidenzien für Ausfertigungen zu.^
Das Stadtgericht sprach über Schulden-, Vogt-, Frevel-,
Malefiz- und andere Sachen neben dem Kleinen Rat.*^ Die
Richter wurden von den Räten, die evangelischen von den
evangelischen und umgekehrt erwählt. Es waren acht Re-
iormierte und vier Katholiken.
Der Grosse Rat %Q!A\t sich aus 16 Gliedern zusammensetzen;
» Fäsi, Y 44, p. 864. « E. A. 7. 1, p. 809. » Fäsi, Y 44, p. 864.
52 Kompetenzen der Gerichtsherren.
zehn Stellen nahmen die Evangelischen, fünf die Katholiken
ein, die 16. blieb strittig.^
Er wurde zur Besetzung der Ämter, Einnahme der Rech-
nung und andern Geschäften berufen. Das Seckelamt, dessen
Verwaltung dem Kleinen Rate zustand, wurde einem Evan-
gelischen auf zwei, einem Katholiken auf ein Jahr anvertraut ;
ebenso die Verwaltung des Spitalguts. Die übrigen Ämter
wechselten nach je zwei und vier Jahren. Jede Religion wählte
die ihr zufallenden Beamten allein mit Ausnahme des Schult-
heissen und des Statthalters.^
Es gehörten Diessenhofen :
Die hohen Gerichte zu Basadingen ; die niedern standen
dem Domstift Konstanz zu.
Die hohen und niedern Gerichte zu Schlattingen, Ober-y
Unter- und Mettschlatt, die Höfe Dicki, Kundelfingen, Willis-
dorf, Schupf oder Ziegelhütten.
Die Dörfer Schlatt und Basadingen hatten ihre eigenen
Gerichte, von welchen aber die Geschäfte an den Rat gezogen
werden konnten.^
B. Die Gerichtsherren,
a. Die niedern Gerichte.
Die gewöhnlichen Gerichtsherren übten in ihren Herr-
schaften die niedere Polizeigewalt und Gerichtsbarkeit aus.
Sie erliessen Gebote und Verbote bei bestimmten Bussen^
waren Käst- und Waisenvögte, wohnten den Erbteilungen bei^
wenn unerzogene Kinder vorhanden waren. Sie besassen das
Jagdrecht, die gerichtsherrlichen Ehehaften : Tavernen, Metzgen,
Ziegelhütten,* erteilten Erblehen von Gütern, welche ihnen zu-
standen. Diejenigen, welche Leibeigene hatten, bezogen von
ihnen die Leibhenne und den Fallbatzen bei lebendigem Leibe
und nach ihrem Tode den Haupt- oder Gewandfall.^ An einigen
Orten erhoben sie beim Verkauf oder Vererbung von Gütern
» Thurg. Beiträge, Heft 18, p. 66. « E. A. 7. 1, p. 809. Über das Ehe-
gericht zu Diessenhofen vgl. IL Kirche und Schule 1 A a, Die Stadt
Zürich. 3 Fäsi, Y 44, p. 865. * Zürcher Staatsarchiv, A 323, 26. Unter
Mörsburger Gravamina: Abschied und Ortsstimm von 1571, 1668, 1725.
Vgl. 4. Die Landschaft, C a 4.
Kompetenzen der Gerichtsherren. 53
den Ehrschatz oder Pfundschilling. Ihre Strafkompetenz ging
bis auf 10 af Pfenning;^ aber nur was 1 U Pfenning nicht
überstieg, gehörte ihnen allein zu; was darüber ging, war laut
Vertrag von 1509 mit der Obrigkeit zu teilen.* Von dieser
Teilung waren aber ausgenommen einige Gerichtsherren und
Klöster wie Tobel, Ittingen, das Stift Bischofszeil.* Der Dom-
herr von Hallwyl zu Konstanz nahm in Zihlschlacht 1 S Pfenning
voraus; dann behielt er noch zwei Teile und händigte nur
einen Drittel der Obrigkeit ein; er berief sich auf einen 1503
von Schultheiss und Rat zu Frauenfeld errichteten Vergleich.
Es wurde ihm aber 1730 anbefohlen, im Falle er sein Recht
auf den von ihm angesprochenen Teil der Bussen nicht besser
nachweisen könne, sich dem Vertrag von 1509 zu unterwerfen.*
Die Gerichtsherren straften die nicht malefizischen Ver-
gehen, so die Frevel, welche in Holz und Feld, auf der Land-
strasse und den Wegen innerhalb ihres Territoriums verübt
wurden, Friedversagen, Friedbruch mit Worten oder der-
gleichen,^ Hauen im Scheiden,® geringere Fälle von Wucher,
Zechen, Spielen, Schwören, Sonntagsbrüche,' Übersitzen in
Wirts- und Schenkhäusern, Übernehmen im Handel, Be-
schimpfen gemeiner Leute, frühzeitiger Beischlaf, nachlässige
Verbesserung der Landstrassen, es wäre denn, dass ein obrig-
1 E. A. 8, p. 346: \ ^ Deniers oder 1 fl. 20 kr. Fäsi, Y 44, p. 809:
1 U Pfennig d. i. 20 gute Batzen. Vgl. die viel zu hohen Ansätze bei
J. Nater, Geschichte von Aadorf und Umgebung, p. 185: 10 Sf etwa
1400 Franken; 1 Schilling = 7 Franken. « Y 158, p. 175. Das Archiv
des Gerichtsherrenstands ist heute im Besitze des Herrn Dr. A. v. Streng,
Sirnach; dort befindet sich u. a. auch das Original des Vertrags von
1509. Art. 13. Vide E. A. 3.2, p. 460 und 468; die Artikel stimmen nicht.
^ Fäsi, Y 44, p. 809. * E. A. 7. 1, p. 825. ^ Vgl. Art. 6 und 5 des Vertrags
von 1509, Thurgouisch Abschiedbuoch, Y 158, p. 170, 171. « Bei Schlich-
tung eines Streits Art. 8. Dieser Artikel und Art. 10: „Wer sich von
seinem Herrn abkauft, mag sich an einen andern ergeben; die Land-
züglinge aber nicht ohne des Landvogts willen** wurden als hohe Frevel
betrachtet; bei Beurteilung der letztern sollten die LandvÖgte den Bei-
sitz haben oder jemand abzuschicken befugt sein. Vgl. E. A. 7. 1, p. 787.
' Zürcher Staatsarchiv. A 323, 26. Unter Mörsburger Gravamina : „Zu-
folg durchaus angenommener Übung sind die Sonntags Bruch von den
Gerichtsherrn und die feyertags Bruch von dem Landvogteiamt ab-
gestraft worden."
54 Niedere Gerichte. Jahrgericht.
keitliches Gebot darüber erging, Frevel gegen Wildbann und
Fischenzen, Schlaghändel etc.' Sie setzten die Richter in den
niedern Gerichten.
Diese Gerichte wurden seit dem Landfrieden von 1712
paritätisch besetzt und bestanden je aus zwölf Richtern. Den
Vorsitz führte ein Ammann oder Vogt als Stabhalter. Diese
oberste, gewöhnlich lebenslängliche Richterstelle wechselte
unter den beiden Konfessionen ab ; die Weibel wurden meistens
zu je zwei Jahren von einem Amtsgenossen des andern Be-
kenntnisses abgelöst. Die Wahl der beiden Beamten differierte
in den verschiedenen Herrschaften; entweder geschah sie durch
den Gerichtsherrn allein ; häufiger aber wählte dieser oder die
Gemeinde aus einem gegenseitigen mehrfachen Vorschlag.
Wo der Ammann der einen Religion mit demjenigen der
andern zu zwei Jahren oder von einem zum nächsten alter-
nierte, war der abgehende Beamte jeweilen Statthalter ohne
Votum. Über die Richterwahl wird uns von den st. gallischen
Gerichten Hagenwil-Räuchlisberg und Sitterdorf im obern Thur^
gau gemeldet, dass dort die beiden Konfessionen, hier die
sog. Gemeindezwölfer dem Gerichtsherrn einen Vorschlag
machten; 2 im allgemeinen ist ein massgebender Einfluss der
Gemeinden anzunehmen. Im ganzen Thurgau war es üblich,,
dass es dem Gerichtsherrn freistand, nach eigener Willkür
einen Gerichtsschreiber zu ernennen und zu setzen.*
Beim ordentlichen Gericht, dem sog. „Jahrgericht'' , hatten
nach uraltem Herkommen nicht bloss die Richter und be-
teiligten Parteien, sondern sämtliche Gerichtsangehörige mit
dem Degen an der Seite bei Busse sich einzufinden. In den
Offnungen der einzelnen Gerichtsherrschaften sind jährlich
zwei, ein Mai- und ein Herbstgericht, oder drei vorgeschrieben.
Gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts aber hatten sie ihre
Bedeutung eingebüsst; ihre Zahl wurde auf eines im Jahr ver-
mindert, oder sie wurden in längeren Zwischenräumen ge-
halten.* Dreimaliges Läuten mit der grossen Glocke leitete das
^ Die betreffenden Abschiede bei Fäsi, Y44, p.807 f. * Ms. Y 179,
Einführung des Landfriedens 1713. ^ Zürcher Staatsarchiv, A 323, 35,,
Bericht aus Mörsburg, den 26. Merz 1792. * Vgl. J. Nater, Geschichte von
Aadorf und Umgebung, p. 386.
Jahrgericht. Gewöhnliche Gerichte. 55
jahrgericht ein; es wurde vom Vorsitzenden, dem Ammann,
feierlich im Namen des Gerichtsherrn verbannt. Die Offnungen,
von denen die meisten aus dem fünfzehnten oder sechzehnten
Jahrhundert stammten, wurden verlesen oder wenigstens einige
Bruchstücke davon ; denn manche Teile stimmten mit den Ver-
hältnissen des achtzehnten Jahrhunderts nicht mehr überein.
Zur Behandlung kamen Zivil-, niedere Strafsachen^ und Ferti-
gungen ; doch bildete das Haupttraktandum der Versammlung
die Abnahme des Huldigungseides von den jungen Bürgern
und Einzüglingen.2 Die Rolle der Gemeinde war eine ziemlich
passive. Den ganzen Tag von morgens acht bis abends acht
oder neun Uhr, so beschwerten sich die Einwohner des Schönen-
bergeramts, hatten sie auszuharren, ohne sich aktiv zu be-
teiligen. Selbst das Tabakrauchen war verboten bei Kon-
fiskation der Pfeife und einer Busse von 30 kr., und als einer
ein Glas Most trinken wollte, wurde er vor den Obervogt
geführt und auf dessen Befehl in die „Geige" gesetzt.^
Die gewöhnlichen Gerichte urteilten über Erb und Eigen
und Geldschuld. Die Fertigung von Käufen und Verkäufen
wurde durch Berühren des Stabes bekräftigt;* bei Ganten
brannten etwa Kerzen, die man, nachdem der Gegenstand
zugeschlagen war, auslöschte.^ Der Schuldenbetrieb war ein
langsamer; in den meisten Herrschaften folgten auf die drei
gerichtsherrlichen zwei hoheitliche Aufforderungen, dann eine
hoheitliche Warnung vor dem „Urkund", der „Urkund" selbst,
die Schätzung und eventuell der Konkurs; nur Tobel, Neun-
forn und Ittingen waren wie die altstiftischen Gerichte von
^ Dadurch erklärt sich der Name »Bussengericht**, den der Bericht
aus dem SchÖnenbergeramt dem Jahrgericht gibt. Kurz vorher ist er-
wähnt, dass die Einwohner in Streit- und Strafsachen nach Bischofszeli
zitiert wurden. Landesordnung von 1575, Y 158, p. 934. * Zürcher Staats-
archiv, A 323, 36, Bericht über ein am 29. April 1795 abgehaltenes „Mai-
gericht" in Tobel. » Zürcher Staatsarchiv, A 323, 26. Unter Mörsburger
Gravamina. * G. Amstein, Geschichte von Wigoltingen, p. 248. Der
Fertigungsstab trug bisweilen ein beinernes Krönlein, während der Stab,
der bei der Eidleistung angefasst werden musste, oft Schwöriinger an
seiner Spitze zeigte. ^ St. Galler Stiftsarchiv, Ruhr. 142, Fase. 1. 1756. Pro
mejnoria. Eine solche Zeremonie fand zu Schönholzerswilen statt.
Vgl. auch Amstein, p. 248.
56 Ausserordentliche und Untergangsgerichte.
den Geböten des Landvogteiamts befreit; Bürglen und Wein-
felden verwahrten sich dagegen; ebenso die reichenauischen
Gerichte am Untersee.^ Der Konkurs selbst geschah wieder
im Namen des Gerichtsherrn. Die Rechtsbegehrenden be-
zahlten ausser dem Fürsprech- und Fertigungsgeld nichts.^
Wenn eine Sache bis zum nächsten „ordinari" Gericht
keinen Verzug erleiden konnte, fanden ausserordentliche , er-
kaufende Gerichte, die von den Parteien extra verlangt und
bezahlt werden mussten, statt. Die Kosten eines solchen
wurden folgendermassen festgesetzt: wenn der Gerichtshetrr
und die Richter am Orte selbst sprachen, erhielt der erstere
einen Dukaten, der Gerichtsschreiber 2 fl., der Vogt oder
Ammann für Besoldung und Sammlung des Gerichts 1 fl.,
jeder Richter 36 kr.; waren aber der Gerichtsherr und der
Schreiber nicht am Ort und wurde keine „anständige Zehrung*
gegeben, oder wenn die Parteien fremde Richter aus andern
Dörfern und Herrschaften begehrten, kam ein entsprechender
Zuschlag hinzu.^ Man konnte ein ganzes oder halbes Gericht
erkaufen.*
In der Vogtei Eggen bestand ein besonderes Untergangs-
gericht, das sich aus Ammann, Gerichtsschfeiber, Weibel und
sechs Richtern zusammensetzte. Es nahm den Untergang oder
Augerischein vor bei Streit wegen Stegen, Wegen, Hägen,
Märchen u. a.^ Das Landvogteiamt verwahrte sich dagegen,
dass es sich zu einer besondern Instanz auswachse; dagegen
sollte jedem niedern Gerichte zugelassen, sein, zwei bis drei
Untergangsrichter zu erwählen, die mit gerichtsherrlicher Be-
willigung den streitigen Ort besichtigten. Kam zwischen den
Parteien kein gütlicher Vergleich zustande, war die Sache an
das gewöhnliche Gericht zu bringen, welches allein rechtlich
darüber absprach. Ein solcher Untergangsrichter sollte sich
mit 24 oder 30 kr. Lohn begnügen.*
^ Zürcher Staatsarchiv, A 323, 28, 29 und 30. Sie beriefen sich
dabei auf Art. 4 des Vertrags von 1509: „Wegen unverbrieften Schulden
soll man den Schuldner suchen, wo er sitzt, und nicht vor Landgericht,
vorbehalten die von Frauenfeld.* * Art. 1 der Landesordnung von 1575,
Y 158, p. 922. » Mandat vom 23. Juli 1762, T 22, Bd. III, Nr. 129. Vgl. E. A.
7.2, p.639. * E. A. 7.2, p. 639. » ibid. • Mandat vom 23. Juli 1762, T 22,
Bd. 111, Nr. 129.
Frevel- oder Bussengerichte. 57
Biisswürdige Vergehen kamen vor den Frevel- oder Bussen-
berichten zum Austrag. Da aber die landvögtlichen Land-
gerichtsdiener den niedern Gerichten, vor allem den Bussen-
gerichten beiwohnten, um den der Hoheit zukommenden Teil
der Strafgefälle vorzubehalten, und darüber zu wachen, dass
keine derselben allein zuständigen Frevel berechtigt wurden,
hatten die Gerichtsherren die Neigung, entweder allein, ohne
Zuzug der Richter, in den Schlössern, Klöstern und Statt-
haltereien die busswürdigen Fehler abzustrafen, sie selbst durch
Beamte in Partikularhäusern abstrafen zu lassen,^ oder aber den
Landgerichtsdienern den Zutritt zu den Gerichten zu ver-
weigern.2 Die Landesobrigkeit forderte, dass die Fehlbaren mit
Namen und Zunamen, warum und wie hoch ein jeder gestraft
worden, in einen Rodel verzeichnet werden zuhanden des
Landvogts.* Wenn der Beklagte sich aber vor dem Bussen-
gericht mit seinem Herrn abfinden wollte, konnte das ge-
schehen im Beisein des Landgerichtsdieners. Auf sein Ver-
langen sollte ihm der Kläger zur Seite gestellt werden.*
Die Appellation von den niedern Gerichten war nicht
gestattet, sofern die Summe der Ansprache nicht über vier
Gulden betrug, es langte denn Boden-, Grund- und ver-
schriebene Zinse oder andere Ehehaften an. Um unnötige
Kosten bei der Ausfertigung der Appellationsbriefe zu ver-
meiden, waren die Gerichtsherren gehalten, dieselben aus dem
Protokoll ziehen zu lassen; Zusammenkünfte darüber waren
verboten,* und der appellierende Teil sollte nichts weiter be-
zahlen als 10 kr. Einverleibungsgeld und für den Appellations-
brief 2 fl., 1 fl. 40 kr. Schreib- und 20 kr. Siegeltax.«
Eine Reihe von Gerichtsherren, die sonst dem Vertrag von
1509 unterworfen waren, beanspruchten eine Mittelappellation.
Dazu gehörten einige Inhaber von altstiftisch-konstanzischen
Herrschaften und Lehen, für die der Bischof die letzte Instanz
1 Mandat vom 21. August 1713, T 22, Bd. II, Nr. 23. » Zürcher
Staatsarchiv, A 323, 26. Unter Mörsburger Gravamina. * Mandat vom
21. August 1713, T 22, Bd. II, Nr. 23. * St. Galler Stiftsarchiv, Ruhr. 13,
33 b. Über Bussengericht vgl. auch E.A. 7. 1, p. 767, 775; 7.2, p. 637.
^ Vgl. darüber E. A. 7. 2, p. 639. • Mandat vom 23. Juli 1762, T 22, Bd, IH,
Nr. 129.
58 Mittelappellation.
war. Auch die gewöhnlichen st. gallischen Gerichte appellierten
zuerst an die Pfalz als an den Gerichtsherrn und dann nach
Frauenfeld. Wängi wurde die Mittelappellation streitig gemacht.^
Als mittlere Instanz richteten ferner die Zollikofer von Alten-
klingen, die Klöster Münsterlingen und Rheinau, die Kommende
Tobel und der Spital St. Gallen; der Stand Zürich und das
Kloster Einsiedeln taten es in einem Teil ihrer Herrschaften.
Das Gotteshaus Kreuzungen konnte, da seine Urkunden in
drei Bränden zerstört worden waren, seine Ansprache nicht
authentisch begründen; dagegen besass es das besondere
Vorrecht eines LehengerichtSy vor dem alle seine Lehenleute,
sie mochten sitzen, wo sie wollten, zu erscheinen hatten,
während sonst Inhaber von Lehenhöfen nur in dem Gericht,
worin dieselben gelegen waren, berechtigt werden sollten.*
Von diesem Lehengericht ging aber die Appellation directe
nach Frauenfeld. Die Gefahr bei den Mittelappellationen, die
weiter an das Oberamt oder das Landgericht zu gelangen
hatten, lag darin, dass die Streitfälle überhaupt der letzteren
Instanz entzogen wurden, namentlich wo die Appellationen
ausser Lands sich vollzogen. Die Hoheit suchte deshalb die
Mittelappellationsgerichte einzuschränken; sie sollten nur aus
drei Personen bestehen, dem Gerichtsherrn und zwei zu-
gezogenen Appellationsrichtern. Als Besoldung für jeden setzte
sie einen Dukaten fest nebst einer anständigen, nicht über-
trieben kostbaren Mahlzeit. Das Ritterhaus Tobel, welches
nur 10 fl. von einem Appellationsgericht forderte, wurde bei
diesem Brauche geschützt.*
Die Herrschaften Eppishausen und Heidelberg waren vor-
mals konstanzische Lehen und wurden dann ausgekauft. Die
^ St.Gaiier Stiftsarchiv, Ruhr. 142, Fase. 1. =* E. A. 7. 1, p. 778, 779,
780. Zürcher Staatsarchiv, A 323, 26. Unter Landvögtiiche Gravamina:*
„Wird in dem ganzen Thurgau kein Lehengericht zu seyn eingestanden
als dasjenige so dem Löbl. Gottshaus Creuzlingen aus besonderer Gnad
A» 1630 von den hochlöbi. Orten gegeben worden ist. Sonst müssen die
Lehenhoof gleich übrigen Baurengüter nach der hochobrigkeitl. Ab-
scheiden und Mandaten de A® 1604, 1653, 98 und nach kommenden
Befehlen jeder vor dem Staab in denen selbiger gelegen auch gefertiget
und über die Zugstreitigkeiten die recht Erörtherung gemacht werden."
» Mandat vom 23. Juli 1762, T 22, Bd. 111, Nr. 219.
Die Klöster. 59
Besitzer derselben prätendierten die Appellation vor sich und
ein sogenanntes Hofgericht in Form und Rechten des Hof-
gerichts zu Konstanz/ standen aber sonst in gleicher Linie
mit den gewöhnlichen Gerichtsherren ; ähnlich verhielt es sich
mit dem Gerichte Bürglen, welches der Stadt St. Gallen gehörte.*^
1. Klöster.
Der überwiegende Teil der thurgauischen Herrschaften
lag in geistlichen Händen. Die Klöster standen unter der
Kastvogtei der VIII Orte und bezahlten ein Schirmgeld; Tobel,
Kreuzungen, Fischingen und Rheinau sämtlichen Gesandten,
dem Landvogt und den drei Oberamtsleuten je 40 fl., dem
Kanzleisubstituten, den Bedienten der eidgenössischen Ab-
geordneten und des Oberamts sowie dem Läufer einen halben
Louisdor. Für Ittingen* war die Summe auf 20 fl. ermässigt
worden; den Frauenklöstern sah man das Schirmgeld nach.*
Die Entrichtung desselben vollzog sich beim Wechsel in der
Vorsteherschaft der Klöster.^ Der Verkauf in die „tote Hand"
war verboten; dennoch mussten die VIII Orte zugeben, dass
in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts das Stift St. Gallen
die halbe Herrschaft Hefenhofen und Moos, das Kloster Münster-
lingen Neugüttingen, das fürstliche Gotteshaus Einsiedeln den
Kehlhof zu Gachnang erwarben.® Als die Statthalterei zu Wil
die Mühle Toos in der Gemeinde Schönholzerswilen an sich
brachte, erklärte der Abt von St. Gallen auf die dagegen er-
hobenen Einwendungen, dass der Landfriede von 1712 und
das darin enthaltene Verbot des Verkaufs in die „tote Hand"
seine Malefizorte nicht betreffe, weil der dem Stifte zugestellte
Beibrief desselben nicht gedenke.' Eine zur Untersuchung
dieser Angelegenheiten niedergesetzte Kommission stellte als
Richtschnur auf: „a. Die Erwerbung oder «Fallung» von Herr-
schaften, Schlössern, Häusern, Gebäuden, liegenden Gütern oder
ewigen Gerechtsamen in geistliche oder weltliche todtne Hände,
* Vgl. Fäsi, Staats- und Erdbeschreibung HI, p. 186 und 188. « ibid.,
p. 190. » Vgl. E. A. 7. 1, p. 801 ; 7. 2, p. 669. * E. A. 7. 1, p. 800 und 801 ;
7. 2, p. 547. » E. A. 8, p. 318. « E. A. 7. 1, p. 788. ' E. A. 7. 2, p. 627.
Zürcher Staatsarchiv, A 323, 26, Kopie des fürst-st. gallischen Schreibens
vom Mai 1756.
60 Die Klöster.
es sei auf eine vorgegebene gewisse Zeit oder auf immer, sollen
verboten sein, so dass auch kein Ort gegen diese Verordnung
einige Disposition oder Ortsstimmen zu ertheilen befugt sein
soll. b. Diejenigen Herrschaften, Gotteshäuser, Spitäler, Klöster,
deren liegende Güter oder Rechtsame aber, die vor dem
Dekret von 1692 in geistlichen oder weltlichen Händen ge-
legen, so, dass sowohl das dominium utile als directum bei
ihnen gewesen zu sein nicht nur durch die Lehenbriefe, son-
dern zugleich auch durch unumstösslich klare und authentische
Dokumente bewiesen werden kann, ob bemeldete Güter oder
Rechtsame dann zu alten Erb- und Mannlehen hingeliehen
und mit ausbedungenen Rückfällen verwahrt sind, wie z. B.
der erste Antrag eines Verkaufs an den Lehenherren, (solche)
sollen, wenn die Rückfallsbedinge eintreffen und erwiesen sind,
für keine neuen Acquisitionen angesehen und gehalten, sondern
ihnen fernerhin überlassen werden. ''^ Als aber das Stift St.
Gallen 1775 mit dem Baron von Schroffenstein eine Admo-
diation traf, wodurch demselben tatsächlich die zweite Hälfte
von Hefenhofen und Moos zufiel, schritten Zürich und Bern
ein ; das Kloster wurde genötigt, das Lehen wieder in „fähige
Hände" zu stellen, und am 2. April 1781 wurde es Bürger-
meister Ott von Zürich übertragen.^
Die Johanniter Kommende Tobel besass zwei Gerichte:
a. Tobel mit Tobel, Tägerschen, Braunau, Märwil, Buch,
Affeltrangen, Zezikon, Oberhof, Isenegg, Hub, Nägelishub,
Oberhausen, Bächlingen, Buhl, Riethäusli, Ghärst, Boll,
Azenwilen, Haghof, Rüti, Kaltenbrunnen, Maltbach (halb),
Rietmühle, Battlehausen (ausgenommen ein Haus), Wildern,^
Ober- und Unterlangnau, Warenberg, Im Hölzli, Beckingen,
Höppingen(?), Fürhäusern, Ueterschen.
b. Herten mit Herten, Oberherten, Griessen, Hub, Ergaten.
Die Kommende strafte allein bis auf 10 9f Pfenning und war
im Besitze der Mittelappellation.
1 E. A. 7.2, p. 623, 624. Zürcher Staatsarchiv, A 323, 25. Vide 2Bd
Der Abt von St. Gallen, Vergleichsprojekt vom Jahre 1781, § 10. « Zürcher
Staatsarchiv, A 323, 30. St. Galler Stiftsarchiv, Ruhr. 142, Fase. 2. E. A, 7. 2,
p. 631. Irrtümlich ist dort der Name des Barons Schroffenberg. » Vgl.
2 B c, Der Abt von Fischingen.
Die Klöster. 61
Die Karthaus Ittingen
besass hinsichtlich der Bussen die gleichen Rechte wie Tobel;
die Appellation ging aber von dem Gericht unmittelbar nach
Frauenfeld. An dasselbe gehörten: Hüttwilen, Weiningen,
Rohr, Warth, Auf der Egg, Weckingen, Geissei, Üsslingen,
Drüwiden(?), Iselisberg, Dietingen, Nergeten, Horben (2 Höfe),
Ochsenfurt, Berlingerhof, Buch, Trättlikon.
Das regulierte Chorherrenkloster Kreuzungen
übte die Gerichtsbarkeit über das Wirtshaus im Schöpfli und
einige umliegende Häuser, sowie über die Schifflände, das
Hörnli genannt, aus. Es besass das Schloss Geissberg und
hatte das besondere Vorrecht eines Lehengerichts.^ Im Dorf
und der Gemeinde Älter-Sulgen waren ihm einige Häuser und
Güter lehenbar, die mitten unter andern lagen, die zur Herr-
schaft Bürglen gehörten. Ferner stand ihm zu das Gericht
Aawangen mit Aawangen, Häuslenen, Moos, Huzenwil, 1 Hof.
Das Benediktiner Frauenkloster Mänsterlingen
war Gerichtsherr in Landschlacht: Münsterlingen^ Landschlacht,
Bärshof, Belzstadel, Schönenbaumgarten (zum Teil), 2 Höfe zu
Heimenhofen,
Das Gericht Uttwil begriff nur das Dorf gleichen Namens
in sich. Von beiden Gerichten ging die Appellation zuerst an
den Gerichtsherrn.
Das Zisterzienser Frauenkloster Tänikon
war Inhaber der niedern Jurisdiktion in Aadorf, Tänikon,
Ettenhansen, Guntershausen, Wittershausen, Maischhausen.
Das Zisterzienser Frauenkloster Feldbach
besass die niedere Gerichtsbarkeit über einige Höfe: Uhwilen,
Sassenloh (2 Höfe), Tegermoos (1 Hof), Götschenhäusli (1 Hof).
Das Zisterzienser Frauenkloster Kalchrain
berechtigte die niedern Gerichtssachen in einigen Lehenhöfen.
Das Dominikaner Frauenkloster St, Katharinenthal
besass zahlreiche Lehen, eigene Güter, Fischenzen und Ge-
fälle und die niedere Gerichtsbarkeit im Klosterumfang.
^ Vgl. p. 58.
62 Ausserthurgauische" Klöster.
Das Klarissinnen-Frauenkloster Paradies
hatte ausserhalb der Klostermauern keine Gerichte; ebensowenig
das Kapuzinerklösterlein in Frauenfeld.
Alle in der Landgrafschaft Thurgau liegenden Klöster
beanspruchten im Klosterumfang sowohl die hohe als die
niedere Gerichtsbarkeit; die regierenden Orte gestanden ihnen
aber nur die letztere zu.
Eine Anzahl ausserhalb des Thurgaus situierter Gottes-
häuser waren daselbst begütert.
Dem Kloster Einsiedeln
als Besitzer des Schlosses Sonnenberg unterstanden die Ge-
richte: a. Stettfurt mit Stettfurt, Kalthäusern und dem Hofe
Ruggenbiihl. b. Matzingen mit Matzingen, Haiingen, Kall,
Ristenbühl. Ein Statthalter führte die Verwaltung. Ferner besass
es das Schloss und Dorf Gachnang, für die es einen Obervogt be-
stellte, und das Schloss Freudenfels. Der Statthalter daselbst
war niederer Gerichtsherr in Obereschenz, Untereschenz, Born-
hausen, Ibenhof Rappenhof, Schafferz und der Rheininsel Werd.
Das Kloster Muri
Hess das Schloss und die Herrschaft Eppishausen^ durch einen
Statthalter verwalten. Das Gericht umfasste Eppishausen,
Schocherswil, Biessenhofen, ein Haus in Erlen, in Eichen(?),
2 Häuser im Geisshäusli(?). Auf dem Schloss Klingenberg
sass ebenfalls ein Statthalter; an das Gericht gehörten: Hom-
burg, Hinterhomburg, Büren, Unterhörstetten, Mülberg, Rennen-
thal, ein Teil von Reutenen, Eugerswil, Hasenreuti(f), Hunger-
buhl, Spottenberg, Herten, Altenhausen, Degenhart, Reckenwil,
Geisshaus, Bühl, Hub. Im Bezirke desselben lag der alte
Freisitz Sandegg, der ebenfalls im Besitze Muris war.^
Das Kloster St. Urban
war Inhaber der Herrschaft und des Schlosses Herdern, wozu
gehörten: Herdern, Wilen, Debrunnen. Es beanspruchte hier
die Mittelappellation. Herdern sowie das Schloss Liebenfels
wurden je durch einen Statthalter verwaltet. Der Gerichtskreis
des letztern umfasste Lanzenneunforn, Ammenhausen und
das Reutihäusli.
^ Vgl. p. 59. * Vgl. p. 68.
St. Gallen. 63
Das Stift St Johann in Konstanz war Gerichtsherr von
LipperswiL
Das Spitalgericht St, Gallen
umfasste Rätl, ausgenommen 3 Häuser, die zu Amriswil ge-
hörten, 2 Höfe zu Niederaach, den Hubhof, 1 Hof zu Auen-
hofen, Almensberg, 1 Haus die Sandbreite, 1 Haus auf Krähen,
1 Haus im Teilen.
Das Reiti oder Almosenamt der Stadt Konstanz
liess das Reitigericht durch einen jeweiligen Seelvater zu
Konstanz präsidieren. Es begriff in sich: Unter- und Ober-
neuwilen. Unter- und Oberstöcken, Ellighausen, Krachenburg,
1 Haus, Oberbächi, Unterbächi oder Neumühle, Geboltshausen,
zu Engelswilen 4 Häuser, Schwaderloh.
Das Kloster Marchthal in Schwaben
besass Unter- Girsberg und Unter-Castel.
Das Kloster Zwie falten in Schwaben den mittlem Girsberg,
Das Kloster Petershausen Klingenzeil .^
2. Städte,
Die Stadt St. Gallen
übertrug die Verwaltung der weitläufigen Herrschaft Bürgten,
die sich aus 11 1 Gerichten zusammensetzte, einem Obervogt.
a. Bürgten: die Appellation von diesem Gericht ging
vorerst an den Gerichtsherrn, dann nach Frauenfeld ; es begriff
in sich: Bürgten; den Modelhof, Last und zirka 22 Juchart
Reben im Gericht Mauren.
b. Sulgen: die Gerichtsbarkeit erstreckte sich auf die
Bischofszeller-, Hochhaus- und Rütiamtslehen sowie auf die
eigenen Güter der Sulgener. Der Rest von Sulgen lag unter
der Jurisdiktion Kreuzlingens.*
c. Uerenbohl: das Dorf Uerenbohl, das Dorf Leimbach,
der Hof Stuhlen, ein Teil von Opfershofen.
In Leimbach war die Domkustorei in Konstanz Grund-
und Lehen-, jedoch nicht Gerichtsherr ; sie hatte eine spezielle
Öffnung und hielt besondere Lehen- und Hofjüngergerichte.
* Vgl. p. 67. « Vgl. p. 61.
54 I^ie Stadt Konstanz.
d. Guntershausen: das Dorf Guntershausen, etwas im
Oberholz.
e. Heldswil: das Dorf Heldswil, das Dorf Buchackern^
ein Teil des Dorfes Götighofen,
f. Bleiken: das Helmstorfische Buhwll, wovon 2 Häuser
in die Hohen Gerichte gehörten, Bleiken, Toos bis an 1 Haus^
das im Berggericht lag, Häusern (1 Haus mit 3 Haushaltungen),.
Wäldi (3 Häuser).
g. Amriswil: Amriswil, Brunnswil, Hölzlein.
h. Hessenreuti: Hessenreuti, das Dorf, 4 Häuser zu Hof,
Ennetaach^ ein Teil von Goppertshausen, Götighofen, Rupperts-
moos.
i. Mählebach: Mühlebach, das Dorf, Schrofen, das Dorf.
k. Istighofen: das Dorf Istighofen, Unter- und Nieder-
buhwil, ein Teil zu ilföö5, sonderlich der Bischofszeller Lehen-
hof, Hosenruck} Die Ammannschaft wechselte zwischen Istig-
hofen und Buhwil und damit auch das Gericht.
1. Mettlen: Mettlen, das Dorf, Oberbussnang, Reuti, Win-
gerthof, Wertbühl, ein Teil von Wäldi, Puppikon^ Neuberg,
Altweck (?).
m. Hüttenswil. Ein Drittel des Dorfes gehörte der Stadt
und zwei Drittel dem Abt von St. Gallen.
Die Stadt Konstanz.
Ein jeweiliger Bürgermeister der Stadt Konstanz ver-
waltete die Vogtei Eggen, die in sich schloss: Egelshofen,
Kurzrickenbach, Bottighofen, Scherzingen, Alterswilen, Öfters-
hausen, Dippishausen, Graltshausen, Altishausen, Illighausen,
Wilen, Guldihub zu Zuben, Räuchlihof, Zu Schönen-Baum-
garten, Wöschbach, Kessbach (?), Remisberg, Katzenbach (?),
Auf der Alpe.
Die Angehörigen der Vogtei Eggen brachten auf den
Markt nach Konstanz Waren und Lebensmittel und führten
solche sovid sie zu ihrem Hausgebrauch bedurften heraus,
ohne dem Zoll und der Akzise unterworfen zu sein.
* Vide 2 B d Der Abt von St. Gallen, Vergleichsprojekt vom Jahre
1781. 2 ibid., vide Berggericht.
Private. 65
Dem Stadtvogt war die Verwaltung des Gerichtes Altnau
übergeben, das aus dem Dorfe Altnau bestand ; ferner gehörte
der Stadt Konstanz das Gericht Buch mit den zwei Höfen
Ergethof (?) und Buch nebst einigen umliegenden Häusern.
Um die Stadt herum lag ein Güterkomplex, das sogenannte
Tägermoos, das ihr mit niedern Gerichten zustand und von
ihr als Hochgericht benutzt wurde.^
3, Private.
Die Herrschaft und das Schloss Altenklingen war als ein
Fideikommiss im Besitze der Familie Zollikofer von St. Gallen.
a. In das Gericht Wigoltingen teilte sie sich mit der Dom-
propstei zu Konstanz.*
b. Märstetten mit Märstetten, An der Hub, GrubmühUy
2 Höfen zu Egelshofen, 2 Höfen zu Uttwil, dem Weierhäusli,
einigen Häusern in Ruberbaum, dem Engelberg, 2 Höfen zu
Altenklingen, dem Rebmannshäuschen zu Altenklingen.
c. Illart mit illart, den Häusern im Oberholz, Lamperswil
und der Mühle daselbst. Von den beiden letzten Gerichten
beanspruchte der Gerichtsherr die Mittelappellation.
Das Häberli'Gericht
gehörte dem Geschlechte der Häberli; es erstreckte sich über
ungefähr 7 Häuser zu Mauren, welche zumeist die Gerichts-
herren selbst besassen, sowie über die altgerichtsherrischen
Güter, etwa 40 Jucharten zu einer Zeige.
Die Herrschaft Bachtobel oder Oberboltshausen
verkaufte Baron Ebinger von Stösslingen 1784 an den Land-
richter Ulrich Kesselring, wohnhaft in Boltshausen.^
Das Gericht Hatten- und Hefenhausen
wurde abwechselnd je zu zwei Jahren durch die Breitenlanden-
berg auf Schloss Salenstein und die Zollikofer im Hard zu
Ermatingen verwaltet. Es bestand aus Hatten- und Hefenhausen
und 4 Häusern in Fischbach (der Rest in den Hohen Gerichten).
Die Herrschaft und das Schloss Griesenberg
übernahm 1759 der Stand Luzern, verkaufte sie aber 1793 an
den Juden Wolf Dreyfuss von Endingen zu Händen von Karl
^ Vgl. E. A. 7. 2, p. 620. ^ Vgl. p. 75. » Vgl. E. A. 8, p. 335.
Hasenfratz, Die Landgrafschaft Thurgau vor 17P8. 5
66 Private.
Anton V. Kraft, österreichischem Oberamtmann zu Stockach.
Sie umfasste Holzhäusern, Eutenberg, Amlikon, Hünikon,
Bänikon, Oppikon (2 Häuser), Maltbach (halb), Junkholz,
Bissegg, Egg, Battlehausen (1 Haus), Altenburg, Leut-
merken^ Hofen^ Fimmelsberg, Tümpfel, Holzhof, Wolfikon,
Hub, Strohwilen, Buchschoren, gemeinsam mit der Reichenau
Eschikofen.
1795 ging die Herrschaft schon wieder in neue Hände
über und zwar am 18. März die halben Gerichte zu Eschikofen
und Häusern, einige Güter zu Griesenberg und der katholische
Kirchensatz zu Leutmerken an Joseph Pankratius Grübler,
st. gallischen Geheimrat zu Wil, Herrschaft und Schlossgut
Griesenberg dagegen an die Gebrüder Johannes und Stadt-
fähndrich Heinrich Schulthess von Zürich. Dieselben erwarben
am 14. November 1796 (gefertigt am 11. Februar 1797) von
Grübler dessen Anteil mit Ausnahme der katholischen Kollatur.^
Die Herrschaft und das Schloss Gündelhard
umfasste Gündelhard, Hörhausen, Hagenbuch, Helmetshausen,
Pfarrer Sprüngli in Lipperswil brachte sie durch Kauf an sich^
(1766?).
Die Herrschaft und das Schloss Wittenwil
war Ende des achtzehnten Jahrhunderts in den Händen der
Schulthess von Zürich. Ausser Wittenwil gehörte dazu ein
Haus In der Scheur,^
Die Herrschaft und das Schloss Heidelberg war ein aus-
gekauftes Lehen des Hochstiftes Konstanz; deshalb beanspruchte
der Gerichtsherr v. Muralt die Appellation, wie sie vormals an
das konstanzische Hofgericht ging. Im übrigen war die Herr-
schaft dem Gerichtsherrenvertrag unterworfen. Heidelberg,
Hohentannen, ein Haus im Teilen.
Die Herrschaft und das Schloss Kefikon
begriff in sich Kefikon und Islikon, Inhaber waren die Escher
von Zürich. Ein Teil der Herrschaft lag in der zürcherischen
* Jahrbuch für schweizerische Geschichte, Bd. 6, Geschichte der
Herrschaft Griesenberg im Thurgau von Zeller-Werdmüller, p. 44.
* E. A. 7. 2, p. 569. • Zürcher Staatsarchiv, A 330. Kopie des Gerichts-
herrenprotokolls vom S.Juni 1794. Die Landfähndrichstelle wird an den
Gerichtsherrn Schulthess von Wittenwil übertragen.
Freisitze.
67
Grafschaft Kyburg. Der Markstein, der die beiden Gebiete schied^
war im Schlosshof und in der Küche des Schlosses gesetzt.
Über das Horntobel,
ein Stück Waldung und Feld zwischen den Frauenfelder,
Tobler und Langdorfer Gerichten gelegen, beanspruchten die
Erben des Landrichters Locher im Stock zu Frauenfeld die
niedere Gerichtsherrlichkeit. Wenn Streit in diesem Bezirke
vorkam, wurde aus den umliegenden Ortschaften ein Gericht
zusammenberufen, von dem die Appellation an das Landgericht
oder den Landvogt ging.^
4. Die Freisitze.
Die Inhaber derselben hatten innerhalb des Bezirks ihrer
Schlösser und Güter gerichtsherrliche Rechte ; sie waren von
den Landesanlagen, Wachten etc. befreit, steuerten mit den
Gerichtsherren und hatten Sitz und Stimme auf dem Gerichts-
herrentag in Weinfelden. Anlässlich der Leibeigenschafts-
bereinigung von 1766 wurden die Freisitze auf 16 beschränkt,
alle übrigen auf den Rang von Partikular- oder Bauernsitzen
herabgesetzt. Es blieben:
Arenenberg ... im Besitze des Bürgermeisters v. Streng
von Konstanz
Unter-Castel ... 1
Der mittlere Girsberg /
Der untere Girsberg
Hard ....
Hubberg . .
Klingenzeil
Mammertshofen
Neu-Güttingen
Reilingen . .
Salenstein . .
- Gotteshauses Zwiefalten
- Gotteshauses Marchthal
- Junkers Zollikofer
- Junkers v. Landenberg
der Familie Reding in Frauen-
feld (?)«
des Junker Meyer von Luzern
- Herrn Baron v. Pfumeren
von Überlingen*
- JunkersTobiasv.Zollikofer
- Junkers v. Landenberg
* Y 174, p. 147, Ms. von J. P. Mörikofer, Landgrafschaft Thurgau,
Anhang. Thurg. Kantonsbibliothek, Y 93. • Vgl. p. 63. • Mörikofer,
Y 93, nennt die Familie Streif als Besitzer von Güttingen.
58 Rechtsame des Bischofs von Konstanz.
Sandegg .... im Besitze des Gotteshauses Muri
Tägerschen .... - - - Junkers Landshauptmann
V. Wirz
Thurberg .... - - - Hrn. Wegeli von St. Gallen
Wildern - - - Gotteshauses Fischingen
Wolfsberg .... - - - Junkers Landlieutenant
V. Landenberg ^
b. Der Bischof von Konstanz.
Besassen schon die gewöhnlichen Gerichtsherren be-
deutende Rechte, so war dies in noch höherem Grade bei
dem Fürstbischof von Konstanz der Fall. Unter seinen zahl-
reichen Herrschaften sind zwei Kategorien zu unterscheiden:
die sogenannten altstiftischeny welche einem zwischen den
Eidgenossen und dem Bischof unter dem Datum des 21. Juli
1509 errichteten Vertrag unterworfen waren, und die vormals
reichenauischen neustif tischen, in denen der Bischof keine
weitern Rechte als ein gewöhnlicher Gerichtsherr besass und
sich dem gemeinen Gerichtsherrenvertrag vom 22. Juli gleichen
Jahres unterziehen sollte. Die beiden Verträge waren übrigens
in den meisten Artikeln gleichlautend. Doch gestand der
erstere dem Bischof die Appellation von den niedern alt-
stiftischen Gerichten und von denjenigen der Herrschaften,
welche Lehen des Hochstiftes waren, zu; wenn beide Parteien
in den genannten Gebieten wohnten, fand keine fernere Appel-
lation von dem Hofgericht in Konstanz statt; war aber ein
Teil ausser demselben sesshaft, konnte er sich weiter an den
Syndikat wenden.^ Die Bussen gehörten dem Bischof allein
bis auf 10 Sf Pfenning, ausgenommen im Egnach nur bis auf
1 af; bei Friedversagen aber, das um 5 fl. und höher gestraft
wurde,^ Sichparteien und Hauen im Scheiden, wofür die Busse
^ Art. 8 der Fallordnung von 1766, Ms. im sogenannten Eidg. Archiv,
Frauenfeld. Vgl. Fäsi, Staats- und Erdbeschreibung III, p. 273 f., der
noch anführt: „Pflanzberg, Hochstrass, Ober-Gyrsperg, Härtler, Neuburg,
Freudenfels, Clarisegg, der Thurm zu Steckborn." Neuburg, Freudenfels,
der Turm zu Steckborn waren eo ipso Freisitze, weil Gerichte mit ihnen
verbunden waren. '^ Art. 2 des Vertrags, Thurgöuisch Abschiedsbuoch,
Y 158, p. 182. 3 Art. 9.
Rechtsame des Bischofs von Konstanz. 69
10 fl. war, Verletzung der offenen March durch Übergraben,
Übererren, Überschneiden, Übermähen, Überzäunen, Über-
hauen, sowie bei Freveln auf offenen Strassen — vorbehalten
den Eidgenossen die Strafe für denjenigen, der auf den andern
auf offener, freier Reichsstrasse wartete in Frevel und Zorn
und ihn schädigte:^ in allen diesen Fällen wurden die Straf-
gelder zwischen dem Bischof und den Eidgenossen geteilt.
Bei Totschlag, an einem Stiftsmann verübt, bezog der Bischof
eine Busse.^ Ausser den niedergerichtlichen Boten und Ge-
boten überliess ihm der Vertrag von 1509, das Reislaufen zu
verbieten so oft es von Seiten des Landvogts geschah; die
Bestrafung desselben sollte allein den Eidgenossen zustehen.^
Seit 1646 besass der Bischof das Abzugsrecht.*
Das Hofgericht in Konstanz setzte sich zusammen aus
dem Fürsten oder seinem Statthalter und zwölf geistlichen
und weltlichen Raten und Juristen; es wurde jedes Jahr in
der Woche nach Fronleichnam auf der Pfalz gehalten.^
Die altstiftisch-konstanzischen Herrschaften waren in vier
Obervogteien eingeteilt.
/. Arbon.
In der Stadt Arbon wie in dem Gerichte Hörn gehörte
dem Bischof die hohe und niedere Jurisdiktion. Sein Vertreter
war der im Schlosse wohnhafte Obervogt. Die Stadt Arbon
besass indes ein gutes Mass Selbständigkeit. Der Rat der Stadt
bestand aus 12 Gliedern; ein vom Bischof ernannter Stadt-
ammann präsidierte und berief ihn; durch Zuzug von 12 Aus-
schüssen erweiterte er sich zum Grossen Rat. Das Gericht,
* Art. 10, 11 und 12. « Vgl. E. A. 7. 1, p. 760: „eine Busse bei un-
vorhergesehenem Totschlag eines Stiftmanns." Art. 15 des Vertrags
fixiert die Busse auf 25 U Pfenning. Ein Vergleichsprojekt versprach
der Herrschaft Gottlieben wie den drei übrigen fürstlichen Obervogteien
die ungeteilten Bussen bei frühzeitigem Beischlaf. Zürcher Staatsarchiv,
A 323, 33. Vgl. E. A. 7. 2, p. 597. Die Beurteilung von Scheltungen und
was die Ehre angeht, blieb unentschieden ; das Landvogteiamt verlangte
dieselbe. Zürcher Staatsarchiv, A 323, 33. » Art. 6. * Vgl. 113 Wirt-
schaftliche Lage, D. Der Abzug. Ein Vergleichsprojekt zwischen dem
Landvogt und Mörsburg gestand dem Bischof folgende Ehehaften zu:
Tavernen, Wirtschaften, Metzgen, Ziegelhtitten, Badstuben, Schmitten.
Zürcher Staatsarchiv, A 323, 33. » Y 174, p. 1.
70 Arbon.
ebenfalls vom Stadtammann präsidiert, zählte mit Einschluss
der 12 Ratsherren 24 Köpfe; die Richter wurden vom Rate
gesetzt, entsetzt und beeidigt.^ Alle Wahlen gingen in kon-
fessionell getrennter Weise vor sich ; die Vertretung der beiden
Religionen in den Behörden war gleich. Der Stadtrat wurde
alljährlich unter der Leitung des Stadtammanns neu erwählt
und vom Bischof bestätigt. Während der vom Bischof ernannte
Stadtammann stets ein Katholik war, wurde den Reformierten
die Stadtschreiberei zu Arbon wie auch die Schreiberei zu Hörn
mit allen Funktionen und Emolumenten überlassen.^ Zivilsachen
berechtigte die Stadt allein; Frevel und Malefizsachen aber
im Beisein des Obervogts. Dieser war auch gegenwärtig bei
Erlassung von Geboten und Verboten, Satzungen und Ord-
nungen. In beiden Fällen aber hatte er keine Stimme. Über
Frevel wurde auf einem jährlich auf dem Rathaus abgehaltenen
Freveltage rechtlich abgesprochen ; so sich aber jemand in der
Zwischenzeit gütlich im Schlosse beim Obervogt abfinden
wollte, war ihm dies gestattet.^ Wenn die Arboner Richter
sich nicht einigen konnten, ob ein Malefikant mit der pein-
lichen Frage anzugreifen sei, mochten sie sich beim Hofgericht
in Konstanz Rat erholen, wohin ja auch die Appellationen der
fürstlichen Untertanen in nicht malefizischen Sachen gelangten*
Trat beim Blutgericht Stimmengleichheit ein, so war der Be-
klagte, sofern er ein Bürger von Arbon war, oder dessen
Verwandte berechtigt, die Gnade des Bischofs anzuflehen.*
Kamen aber strafwürdige Sachen vor, die nicht Leib und Leben
berührten, sondern mit Geld oder Gefangenschaft abzustrafen
waren, und teilten sich die Richter in ihrer Meinung, so dass
auf jeder Seite sowohl Reformierte als Katholiken standen, so
gab der Stadtammann den Ausschlag; schieden sich indessen
je die Angehörigen der beiden Konfessionen, so trat die mildere
Sentenz in Kraft. Die Stadt bezog den Abzug von Erbfällen, die
jährliche bürgerliche Geldsteuer, Zoll und Umgeld.^ Sie hatte
auch ihren Anteil an den niedergerichtlichen Bussen im Egnach.^
^ Bischofszeller Stadtbibliothek, Miscellanea, Memoriale, die poli-
tischen Gravamina der Stadt Arbon betreffend 1712, p. 75. * E. A. 7. 1^
p. 815. Vgl. Fäsi, Staats- und Erdbeschreibung III, p. 169. » e. A. 7. 1,
p. 816. * ibid. « Memoriale, p. 76. • Y 174, p. 20.
Egnach. Bischofszell. 7 1
Dieses weitläufige, zerstreute Gericht wurde vom Ober-
vogt zu Arbon verwaltet. Es gehörten dazu:
Stachen, Feilen, Kratzern, Speiserslehn, Wiedehorn, Fetzis-
loh,^ Frasnacht und Steineloh unterhalb der Strasse.
Baumannshaus (1 Haus ausgenommen). Der Rest dieser
drei Ortschaften gehörte zu Roggwil.
Ringenzeichen, Truttigshaus, BurkatsulishauSy Holz,^ Mai-
hausen, Stockershaus, Stocken, Bubenberg, Moos, Siebeneichen,
Schübshub, Ladrüti, Täschliberg, Unter- und Oberhegi, Buch,
Peierslehn, Glusenhaus, Schochenhaus, Kuglersgrüty Gristen,
Birmoos, Aiiengärtli, Attenräti, Staubishub, Bunt, Kehlhof,
Egnach, Gaisshäusern, Werd, Sifertshaus, Mosershaus, Winzeln-
berg, Mölsriiti, Balgen, Olmishausen, Kesslersbach, Steine-
brunn, Erdhausen, Ackermannshub, Herzogsbach, Hagen-
buchen, Heinishaus, Lohrn, Haslen, Wilen, Langgrät, Stickel-
holz, Mausacker, Braliswinden, Buhrüti, Halden,^ alles kleine
Dörfer und Höfe.
2. Bischofszell.
Auch in Bischofszell wie in Arbon und Hörn hatte der
Landvogt keine Gerichtsbarkeit. An der Spitze des zwölf-
gliedrigen Stadtrates standen vier sogenannte Alträte, von denen
je zwei jährlich im Amte waren. Der bischöfliche Obervogt,
der im Schlosse residierte, führte den Vorsitz; er erwählte
mit Zuzug der Alträte die übrigen Räte; zusammen besetzten
Rat und Obervogt das Stadtgericht.* Die Wahl der Alträte
geschah im Beisein des Vogts durch die Bürgerschaft; jede
Konfession wählte ihre Vertreter allein. Auch hier waren die
Ämter zu gleichen Teilen unter die Katholiken und Refor-
mierten verteilt. Die Bestätigung der Räte und Richter stand
beim Bischof. Ein evangelischer und ein katholischer Stadt-
schreiber Sassen im Rate und im Gericht, wo sie wechselweise
das Protokoll führten.^ Vor den Stadtrat kamen unter dem
Präsidium des Obervogts alle Zivilprozesse und die Frevel,
welche nicht in das Malefiz einliefen. Die Bussen wurden
zwischen dem Bischof und der Stadt geteilt. Wenn bei der
* Fäsi, Staats- und Erdbeschreibung 111, p. 172, hat sich hier ver-
lesen. * Vgl. ibid., p. 173. * ibid., mehrere Irrtümer. * Fäsi, Y 45, 2. Buch,
p. 21. * ibid., p. 26.
72 Bischofszell. Pelagi-Gottshaus.
Beurteilung von Freveln Stimmengleichheit eintrat, dergestalt,
dass auf beiden Seiten sowohl Katholiken als Reformierte sich
befanden, hatte der Obervogt den Stichentscheid; wenn sich
aber die beiden Konfessionen so trennten, dass jede eine eigene
Meinung verfocht, gab wie in Arbon die mildere Ansicht den
Ausschlag.^ Das zwölfköpfige Stadtgericht behandelte unter
dem Vorsitze eines bischöflichen Statthalters die kanntlichen
Schuldsachen, Käufe, Verkäufe, Fertigungen etc. Das Malefiz-
gericht bestand aus dem Obervogt und den zwei Amtsalträten;
es fand auf dem Schlosse statt; der Obervogt hatte dabei eine
doppelte Stimme ; die beiden Alträte zusammen nur eine. Der
Bischof bezog zwei Drittel der hier fallenden Bussen.* In
Streitsachen zwischen Bürgern war von Rat und Gericht keine
weitere Appellation zulässig; war aber ein Teil nicht in Bischofs-
zeil verbürgert, so mochte er sich an das bischöfliche Hof-
gericht, war er überhaupt kein altstiftisch-konstanzischer Unter-
tan, an das eidgenössische Syndikat wenden,^ wenn die Summe
der Ansprache mehr als 10 U Pfenning betrug.
Der Obervogt von Bischofszell verwaltete das Schönen-
bergeramty worin lagen: Schönenberg, Neukirchy Mühletobel,
Hub, HörmooSy Riiti, Aspenriiti, Olmerswil, Entetswil, Buch-
riiti, Kenzenau, Schweizersholz, Brugglen, Heuberg, Anwuchs,
Lunghulden, Kuderacker, Rothen, Bühl, Neuhaus, Kradolf,
In der Halden, Last, Unter- und Oberau, Andrüti, Rohren,
Kupferhaus, Schlauch, Tümpfel, Winkten, ein Haus.
Das Chorherrenstift zu Bischofszell besass die niedere
Jurisdiktion im sogenannten Pelagi-Gottshaus-Gericht Der
Bischof von Konstanz war der Schirmherr des Stifts, und der
Obervogt führte gemeinsam mit dem Propste die Verwaltung.
An beide ging die Mittelappellation. Das Stift bezog die
niedergerichtlichen Bussen allein bis auf 10 8^ Pfenning.* Das
Hofgericht zu Konstanz war für die Untertanen die letzte
Instanz; das Landvogteiamt bestritt aber dem Bischof den Ab-
zug,^ da das Gericht dem „gemeinen Gerichtsherrenvertrag'*
unterworfen war. Dazu gehörten: Bisrüti (1 H.), Stocken,
ein Dorf, Auf der Breite (2 H.), Eberswil, ein Dorf, Alten,
^ Fäsi, Y45, 2. Buch, p.21. « ibid., p.22. » ibid., p.23. * Vgl. p. 53.
^ Y 174.
Bischofszeller Stadtgericht. Güttingen. Gottlieben. 73
ein Hof, Rüti (3 H.), Hub (3 H.), Wilerij ein Dorf, Im Schwanz
(1 H.), Rappenstein (1 H.), Gertau (1 H.), Lemisau, ein Dorf,
Rothen, ein Hof, Schweizerhaus, ein Hof, Lauften (2 H.),
MollishauSy ein Dorf, Wolfshag, ein Dorf, Tröhn, ein Dorf,
Oberholz (2 H.), Osterwald (2 H.), Ergaten (2 H.), Thürlewang,
ein Dorf, Husum {2 H.), JJ^flf/^^/ (1 H.), //w ilföös (1 H.), Ä/r^/^-
5foV/, ein Hof, Störshirten (3 H.), Freiherten (1 H.), Horbach,
ein Hof, Rugglishub (2 H.), der Rest nach Hauptwil.
Die Stadt Bischofszell selbst übte die niedere Gerichts-
barkeit durch das Stadtgericht über einige in ihrer Umgebung
gelegene Weiler und Häuser aus. Dieses „Bischofszeller Stadt-
gericht" war ein Lehen des Hochstifts Konstanz;^ es begriff in
sich: Muggensturm (1 H.), ein Teil des Schlösschens Katzen-
steig, das Haus Moosburg, Stich (1 H.), Rengishalden (1 H.),
Happernach(?) (2 H.), Tannen {\ H.), Klägershaus (?)\\ H.),
Löwenhaus (1 H.), Gwand (3 H.), Ghögg (2 H.), Schlatt (3 H.),
Langentannen (1 H.).
3, Die Obervogtei Güttingen,
Der Obervogt bewohnte das Schloss. An dieses Gericht
kamen: Güttingen, das Dorf, Winterlishof und die beiden
Bleienhöfe,
4, Gottlieben.
Der Obervogt daselbst verwaltete nicht nur das Gericht
Gottlieben, welches den Marktflecken gleichen Namens in sich
fasste, sondern auch das Gericht Tägerwilen, wozu gehörten:
Tägerwilen, das Dorf, und das Schloss Ober-Kastel, Ferner
stand unter dem Schlosse Gottlieben das Gericht Siegershausen
mit Siegershausen, Bättershausen und dem Hofe Bäumen.
Engwilen. Das Gericht gehörte den aus dem Dorfe
stammenden drei freien Geschlechtern Egloff, Meyer und Eng-
wiler. Wenn dieselben einen Bussentag halten wollten, mussten
sie zwei Tage vorher den Obervogt zu Gottlieben davon be-
nachrichtigen und ihm zwei Tage nachher den Bussenrodel
zur Einsicht vorlegen. Ebenso hatten sie den Erlass von Ge-
boten und Verboten anzuzeigen, die dann der Weibel anlegte.
Sie bezogen allein die Bussen bis zu 1 U Pfenning; was darüber
^ Der Bischof beanspruchte auch hier den Abzug.
74 Lehen des Hochstifts Konstanz.
ging, hatten sie mit der fürstlichen Regierung zu teilen.^ Das
Gericht wurde aus den Geschlechtern besetzt; wenn sie in
einer Sache selbst interessiert waren, kam dieselbe durch ein
unparteiisches Gericht zu Gottlieben zum Austrag.* Unter
diesem Gerichte stand das Dorf Engwilen.
Die Lehen des Hochstifts Konstanz waren:
Das der Familie Gonzenbach zugehörige Hauptwil, ein
Fideikommiss. Alle Einwohner dieser Herrschaft waren Schupf-
lehenleute.*
Das Schloss und die Herrschaft Zihlschlacht ; das Gericht
umfasste Zihlschlacht^ Degenau, HüblL
Öttlishausen, wozu gehörten die Lehenhöfe des Schloss-
herrn samt den Gütern im Belang. Die Herrschaft war ein
Fideikommiss der Familie von Muralt
Das Schloss und die Herrschaft Berg im Besitze des
freiherrlichen Hauses Im Thurn, Das Gericht begriff in sich:
Das Dorf Berg, ein Teil von Mauren im Ober- und Unterdorf,
Prestenberg (4 Häuser), der Kehlhof ^ Unterberg, Andhausen,
Heimenlacheny Donzhausen, ein Teil von Mattwil, Gopperts-
hausen, ein Teil von Andwil, Ober- und Unterdorf, ein Teil
von Krummbach, etliche Häuser gegen den Ottenberg. Der
Rest von Mattwil gehörte in die Hohen Gerichte, der Rest von
Andwil in die Hohen Gerichte, St. Stephan und Oberaach.
Die Familie von Salis besass als konstanzisches Lehen
das Schloss und die Herrschaft Oberaach mit Oberaach, wovon
aber 5 Häuser in den Hohen Gerichten lagen, Engishofen,
Ehstegen, Kratzhof, Guggenbühl (2 Höfe), 4 Häuser zu Buch-
ackern, 1 Haus zu Ennetaach, etwas zu Andwil. Der Abt von
St. Gallen besass als Lehen Zuben, mit dem Dörflein Zuben
(3 Häuser desselben lagen im Gerichte Herrenhof, 2 in den
Hohen Gerichten) und 1 Hause in der Vogtei Eggen Beiz-
stadelhof
Die Gerichte und Lehen des Domstifts zu Konstanz ge-
nossen die gleichen Rechte wie die bischöflich-altstiftischen.
Es waren dies: Langrickenbach mit dem Dorfe Lang-
rickenbach und dem Hofe Im Greut; das Schloss und die
> E. A. 8, p. 346. « Y 174, p. 27. » Vgl. über Hauptwil bei „St. Gallen'*
2 B d, Ziffer 4 unter Lehen des Stifts St. Gallen.
Gerichte und Lehen des Domstifts zu Konstanz. 75
Herrschaft Liebburg mit Lengwilen^ Oberhofen^ Dettighofen^
Hohenegg bis an 1 Haus, das in den Hohen Gerichten lag.
Beide Gerichte wurden durch einen Domherrn verwaltet;
auf Liebburg, das ausser der Appellation an das konstanzische
Hofgericht dem „gemeinen Gerichtsherrenvertrag* unterworfen
war, sass als Unterbeamter ein Verwalter.
Wie mit Liebburg verhielt es sich mit Andwily welches
Gericht das Stift SL Stephan zu Konstanz vom Domstift zu
Lehen trug. Es bestand aus einem Teil von Andwily während
der Rest in die Hohen Gerichte gehörte, und aus Happerswil,
Das Gericht Wigoltingen war vom Domstift an die Dom-
propstei und an die Familie Zollikofer von Altenklingen ver-
liehen worden. Die erstere besass daselbst einen eigenen
Ammann, Weibel und Gericht zur Berechtigung der Leibeigen-
schaft und der Güter ihrer Hof jünger: die übrige Gerichtsbar-
keit übte Altenklingen allein aus; der Dompropstei war aber
ein Anteil an den Bussen vorbehalten. Dieses Gericht begriff
in sich : Wigoltingen^ Niederhof en (f), Engwang, Wagerswily
Hof, Gillhof Tangwang, HaslL
Zur Vervollständigung mag an dieser Stelle ein Lehen
der Dompropstei erwähnt werden: die zürcherische Herrschaft
Pfyn. Dieselbe war zwar dem Gerichtsherrenvertrag ein-
verleibt; die Appellation ging unmittelbar nach Frauenfeld;
aber ihre Straf kompetenz erstreckte sich bis auf 10 tf Pfenning,
wobei jedoch | der Bussen, die der Gerichtsherr allein be-
stimmte, der Dompropstei zufielen,* sobald dieselben 1 %
Pfenning überstiegen. Die Dompropstei hielt daselbst ihren
Weibel. Diesem Gerichte unterstanden: Pfyn, Unter-Hunger-
buhl, die Ziegelhütte.
Die Ausnahmestellung von Arbon, Hörn und Bischofszeil
unter den altstiftisch-konstanzischen Herrschaften ist augen-
scheinlich.* An allen drei Orten wurde dem thurgauischen
Landvogte niemals gehuldigt. Doch beanspruchten die Eid-
genossen daselbst die höchste Landesherrlichkeit und den
Schirm, das Besatzungsrecht, die Mannschaft und das Richter-
amt, wenn* der Fürst mit den Städten in Streit geriet. Die
evangelischen Stände verlangten Unterwerfung unter den Land-
' Fäsi, Staats- und Erdbeschreibung III, p. 219. * E. A. 7. 1, p. 760.
76 Kompetenzstreitigkeiten zwischen Eidgenossen und Bischof.
frieden von 1712.^ Das Diessenhofer Traktat von 1728 regelte
die Ausführung desselben für die drei Herrschaften.*
Die Publikation eidgenössischer Landesverordnungen fand
nicht nur in diesen hohen Gerichten des Bischofs, sondern
selbst in den altstiftisch-niedern zuweilen Widerstand;^ trotz-
dem gelang es den Eidgenossen, z. B. die Verkündung des
Bettelmandats vom Jahre 1788 in Arbon und Bischofszell
durchzusetzen.* Der Fürst beanspruchte seinerseits die Landes-
hoheit in den altstiftischen Herrschaften und Lehen ;^ er suchte
dieselben dem thurgauischen Erbrecht, den Abschieden und
Mandaten der regierenden Orte zu entziehen; er verlangte
eine Abänderung des altstiftischen Eides, da seine Untertanen
nur ihm und dem Hochstift Treu und Gehorsam schuldig
seien; nur das Malefiz wollte er den X Orten zugestehen;® er
verwahrte sich gegen die Anwesenheit der Landgerichtsdiener
bei den Bussengerichten.' Arbon, Hörn und Bischofszell ge-
hörten nach ihm nicht zur Landgrafschaft Thurgau;® folglich
konnten die Eidgenossen die Mannschaft daselbst nicht be-
sitzen.® Infolge dessen bildeten die Kompetenzkonflikte mit
dem Fürstbischof und Hochstift Konstanz eine ständige Rubrik
in den Beratungen der regierenden Orte.
Grosse Spannung erregte die Einnahme der Huldigung
in den altstiftischen Herrschaften durch den Fürstbischof Kar-
dinal von Rodt 1759. Das Landvogteiamt wollte um jeden
Preis einen Unterschied gewahrt wissen zwischen der land-
vögtlichen Huldigung und derjenigen eines Gerichtsherrn; es
bearbeitete vor allem das Egnach, nur mit dem Untergewehr
ohne das Obergewehr und Fahnen bei der Eidleistung zu er-
scheinen.*® Der Landweibel Ulrich Fehr wohnte den gesamten
Feierlichkeiten bei, um nachher eine eingehende Relation zu
Händen der regierenden Stände auszuarbeiten. Dieselbe ist
nicht nur kulturhistorisch wertvoll, sondern auch für die An-
' Y 174, p. 216; vgl. E. A. 7. 1, p. 762. « E. A. 7. 1, p. 814 f. » Vgl.
E. A. 8, p. 348, 349. * ibid., p. 348. ^ Vgl. E.A. 7.2, p. 599. « Zürcher
Staatsarchiv, A 323, 33, Project über die landvögtl. und mörsp. gegen-
einander geführten Beschwärden. ' E.A. 7.1, p. 775; E.A. 7. 2, p. 637.
« Vgl. E. A. 7. 1, p. 767, 768. » Fäsi, Y 44, p. 772. '^ Zürcher Staats-
archiv, A 323, 25, Kopiaschreiben von H. Obervogt v. Bubenberg zu
Arbon vom 29. September 1759.
Bischöfliche Huldigungseinnahme 1759. 77
Sprüche des Fürstbischofs bezeichnend. Sie mag deshalb hier
eingeschaltet werden.
„Nachdemme von Ihro hochfürstl. Eminentz dem h. Car-
dinalen von Roht Bischofen zu Constantz die huldigungs Ein-
nahm zu Bischofzeil, Arbon, Egnach, Schönenberg und St.
Pelagii Gotshaus auf den 9. und 11. octob. a? 1759 vestgesezt,
worden, So ist hochselber den 8. Morgens um 10 Uhr von
dem Schloss hegnen über Güttingen auf Bischofzell verreiset,
Alwo Er Abends um 4 Uhr angekommen ; zuvor wäre H. Gustos
und 2 Ghorherren mit den Bischofszellischen h. Obervogt
Rüepli, h. Gerichtshr. v. Muralt von Ötlishausen und Jk.
Grichtshr. Gontzenbach von haubtweil als seine 2 lehen Va-
sallen Bis auf OberAich Hochselbem entgegen geritten, da der
dasige hr. Verwalter häberli die herrschaftliche Mannschaft in
das Gewehr stellen lassen ; des Gleichen ist die samtl. Mann-
schaft der herrschaft Zillschlacht in dem dorf im Gewehr ge-
standen. — Von der Statt Bischofzeil waren die 4 h. Alt Räht
samt den 2 Stattschreibern Schwartz gekleidet auf Ihre
Gräntzen gegen Sitterdorf geritten, welche so Bald der fürst
gegen Ihnen gekommen, Abgesteigen, die Mäntel umgelegt und
durch h. Stattschr. Diethelm hochselben Bewillkommet e her-
nach tahte (?), die auch von Bischofzell vorhero entgegen-
gesendte Cavallerie, die aus Einem Ritt Meister und 40. der
vornembsten der Kaufleuten und Bürgerschaft Bestuende, und
a la Tete 2 Trompeter mit der Stattfarb hate, sich vertheilen,
die einte helfte, ritt mit ausgezognen Degen zum voraus, darauf
folgte der hof Fourier danne 1 Bagagewagen, 2 handt Pferdt,
der Christ Stall Mst. Baron von Späht, der Cardinal nebst Ihme
gienge der läufer, die 2 Dombherren v. Rothberg und von
Montfort, h. Gustos, h. Obervogt Rüepli, h. von Muralt, Gontzen-
bach, h. Baron von hundpiss, h. hofraht Schwender, h. Syn-
dicus Matt, der geheime secretarius, die Alt Räht und Statth.
von Bischofzell, etl. und 20 liberey Bediente und der Beschluss
machte die andere helfte der Reuterey; vor der Statt wurde
eine Compagne Junge Knaben und in derselben die übrige
Burgerschaft in circa 150 Mann mit praesentirtem Gewehr
gesteh, durch welche der Zug Bis zum Schloss gienge;
währenden für Marsch wurden die Glockhen geläutet, mit
78 Bischöfliche Huldigungseinnahme 1759.
Mörser und Stuckhen starkh geschossen. — Dem Cardinalen
wurden 6 und den Dombherren 2 Wachten gegeben. — An
gleichem Abend wurde der Cardinal durch di« gleichen Alt-
räht im Schloss wider complimentiert und nebst dem sonst
gewohnten praesent der 2 fässli mit la cote wein und 8 Säckh
mit haber, auch mit ein. kunstl. Silber und vergoldten Weyh-
kessel verEhrt; denen fürstl. h. Officianten wurden 6., 4. und
2. Dukaten, Stuckh Neugeprägt, ausgeteilt, e die h. Chor-
herren ver Ehrten 1. fässli mit Margraf lerwein. — Morgens um
9 Uhr wurde mit Allen Gl.ockhen geläutet, und der Cardinal
durch die h. Chorherren aus dem Schloss in die Kirchen also
abgeholt, zum voraus gienge der hof Fourier, 12 in Kostbahren
Scharlachenen mit Silbernen Porten übersezten Liberey ge-
kleidten Bedienten, läufer und Page, der Secretar, hofrath
Schwender, h. Matt, die hof Cavaliers, der Cardinal unter
einem Baldachin, der von 4 Chorherren getragen wurde,
in einem Cardinalshabit von Rothen Seiden gros de tour, der
Schweif von dem Rockh hebte sein hofCaplan, die 2. Domb-
herren, die übrigen Chorherren und Gefolge etc. Nach ge-
haltenem hochen Amt setzte sich der fürst vor dem Altar
unter den Baldachin, die Dombherren äussert demselben neben
zu, auf Beyden Seiten stuende h. Hofrath Schwender und
linker hand h. Dombsyndicus Matt, da der erste sagte: Wie
auf Absterben des hochsei. fürsten und Bischofen Casimir etc.
gegenwährtiger der hochwürdigste der heil. Rom. Kirchen Car-
dinal Priester v. Roht Tit. St Maria di populo, des heil. Rom.
Reichs fürsten und Bischof zu Constantz, herr der Reichenau
und Öhningen etc. etc. etc. erwählt worden & Seye zu ver-
nehmen, ob das hochwürdige DombCapitul desen Unterthannen
hochselben Bis dato zu versprechen gestanden, die Entlassung
solcher pflicht dermalen thun wolle, e. der letztere Antwortete,
wie das das hohe und Gnädige DomCapitul die Gegenwährtige
T. herren Dombherren nebst Ihme Befelchnet in diese cession
durch vorlesenden Revers Schein einzuwilligen ; Nach Ab-
gelesener Cession, die der fürst selbst Besichtigte, erwiderte
h. Schwender, das es nun mehr an dem seye, das es die Stadt
Bischofzell die huldigung leiste, die AltRäthe und Stattschreiber,
Raht und sämtl. Burgerschaft waren mit Mäntlen in der Kirchen
Bischöfliche Huldigungseinnahme 1759. 79
und die Wachten durch die Gerichtsangehörigen versehen;
die AltRäthe mit dem Stattschr. tratten vor den fürsten u. Be-
deuteten, wie Sie willig u. Schuldig seyen, den Eydt der ge-
horsamme zuleisten. Bäten Jedoch nach Alter Übung um einen
Revers, das Sie Bey Ihren Rechten, freyheiten, Übung und
Gewohnheiten, Geschreiben und ohngeschreiben, geschützt
verbleiben könen — darauf der fürst gantz Gnädig geant-
wortet, solches verheissen und den schon vorhandenen und
Besigleten Revers durch den h. Hofraht Schwender Ablesen
und Einhändigen lassen. — da der Eydt Abgeschworen, gienge
der Zug widerum in das Schloss wie oben vermelt — vor
dem Schloss wäre eine Bühne erRichtet, vor selbiger stuenden
die Aus dem Schönenberger Amt und St. Pelagii Gottshaus
alschon mit dem Seiten gewehr in einem Troup Beysammen;
der Cardinal und Beyde Dombherren setzten sich auf die auf
der Bühne gestehen Sässel, h. Schwender und Matt stehen
sich auf Beyde selten, und wie Gleiche Ceremonie vorbey,
So Ruft h. Obervogt Rüepli, Ob niemand durch eine Anred
dem fürsten etwas vorzutragen habe, der Qutt.hbtman Kessel-
ring machte dem fürsten den Kurtzen Titul und hielte an,
das Amt Schönenberg Bey Ihren freyheiten und Gerechtig-
keiten auch Abscheiden von den hochlobl. 8. Ohrten erhalten
zu schützen etc. etc. Darüber der Cardinal erwiderte. Er Be-
gehre den Lobl. Ohrten und thurgeüischer Regierung nichts
zu benemmen. — h. Hofraht Schwender sagte, Er möchte
auch noch wüssen, worum die Aus dem Schönenberger Amt
nicht mit dem Obergewehr hier erscheinen — der QtthBtman
Antwortete, hochgeachter herr, die Zeit wäre zu kurtz und
das Gewehr nicht gebutzt — worüber der fürst mit einer an-
scheinenden zimlichen Missvergnüglichkeit replicierte. Ich
nehme dises als eine gute ausred an. — Endl. wurde der
Eydt deren aus dem Amt Schönenberg und St. Pellagii Gotts-
haus, wie hinten zusehen. Abgelesen und von Jeden an-
gehörigen Besonders Beschwohren. — Nach Mittag mit 2. Chor-
herren als Assistenten etwan 300 Kinder gefirmmet. Bey der
Mittagstafel wurden die Oben erwehnten h. Gerichtsh. und
die Alträht samt den Stattschb. Tractiert, die Gleichen Ehren-
bezeugungen wurden Bey der Abreiss wie Bey dem Eintritt
so Bischöfliche Huldigungseinnahme 1759.
gemacht. — Die Reiss von Bischofzeil gienge durch das
Egnachische | : da die herrschafts Angehörige in dem Gewehr
paradierten :| auf Arboriy der dasige h. Obervogt und 6. Rahts-
herren ritten \ Stund entgegen, die Burgerschaft ä 200 Mann
stuende in schöner Ordnung auf dem platz in der Statt und
praesentierte das Gewehr; der Einzug, wie auch morgens
darauf die Abholung in die Kirchen Geschähe wie zu Bischof-
zeil e den U. Morgens — umb 10. Uhr wurde die huldigung
also, das in dem Schlosshof eine Bühne mit Tapeten Beleget
und darüber ein Baldachin, hinten errichtet, in der Mitten
wäre das Cardinalwappen sehr gross angemahlet, und auf
Beyden Seiten sind 2. orange Bäume gesteit worden; die Burger-
schaft von der Statt zöge in den hof und umbstelte die Bühne
in einem Cirkel, in welchem der Kleine Raht in Mäntlen
stuende; rechterhand stelten sich die von hörn und Endlich
kamen die Egnacher mit Ober- und Untergewehr, 2. fähnen,
Tromel und Pfeifen und Mussten sich Bey disern schon ein-
genomenen platz hinten anschliessen und dicht in einanderen
stehen, das Gewehr haben Sie nicht wie Ehevor a® 1710 Be-
schehen, Bey Ablegung des Eydts auf den Boden, sondern in
linkhen Arm gelegt, haben auch keine Anred gemacht, Ob-
schon eine erwartet worden. Wie Alles versamlet, ist der
Cardinal in einem voUkomnen Cardinalshabit erschunen, setzte
sich in einen Lehnsässel, die 2. Dombherrn Bey nebet, und
wurde sonst in Allem gleiche Ceremonie mit Reden und Gegen-
reden, auch Mitteilung eines revers und Lehen Brief um die
von der Statt Arbon Besitzende fürstl. Lehen, wie zu Bischof-
zeil, Beobachtet;^ Nach Beschehener huldigung machte die
^ Der Revers lautete jeweilen : „Von Gottes Gnaden, wir N. N. be-
kennen und thun Kundt ofentlich meniglichen mit disem brie!, dass
unsere Lieben und getreüwenen Amman, und Räth Burger gemeinlich
unsers Schloss Arbon ernstlich und demütig gebetten hand, ihre frey-
heiten und gewohnheiten, So Sie von unseren vorfahren und gestift
erlangt und hergebracht hetten, auch gnädiglich geruhen zubestäten;
alssdann wir vernehmen und gehört haben, dass Sie biss anhero allweeg
unseren vorfahreren und gestift mit Treüve und gehorsamme, alss sie
billich sollen, beygethan gewessen seyen, und Ehrbariich ihre dienst
gehalten hand, darumb so haben wir solch ihr biet erhört, und ihr all
ihre Brief, Gnad, freyheit und gewohnheit und Recht, die Sie von unseren
Bischöfliche Huldigungseinnahme 1759. Sl
Statt Arbon dem fürsten ein Praesent von einem Silber und
vergoldtem Lavor und 6. Stückli von der allerreinsten Lein-
watt. Bey allen Anlässen wurde auch starkh mit Stuck und
Mörseren geschossen — der fürst von St. Gallen Hesse den
Cardinal durch H. Obervögt von Romishorn und Roschach
complimentieren, die Aber wegen dem praetendierten Rang
vor den 2. Dombherren nicht Bey der Tafel verbleiben, son-
dern im Wihrtshaus gespeissen, alwo hin Ihnen durch 2. Be-
diente von dem Cardinalen Speise und Wein gebracht worden
sind; die H. Deputierte von der Stadt St. Gallen, h. Doctor
und Rahth. Wegeli und h. Stattschreiber Zörndli haben den
Rang cediert und sind an des fürsten Tafel Tractiert worden.
Den 12. verreisste der fürst Morgens früh von Arbon auf
Güttingen, da die Güttinger auch mit Ober- und Unter Gewehr
samt fahnen etc. erschienen und den Eydt Abgeschwohren
haben. — der Cardinal Abendts auf Creutzlingen und d. 13.
widerum auf hegnen. — Die von Güttingen machten dem
fürsten ein praesent von Wein u. haber. — den Egnachern
verdeutete h. Obervogt von Arbon, das Sie wie A® 1710
Beschehen an des fürsten Ver Ehrung, so damalen aus einem
Silbernen Geschirr das 200 fl. gekostet. Bestanden, woran das
Egnach 75 fl. Bezahlt habe, dermalen an das von der Statt
Arbon schon Bestehe und vorhandene Stuckh, das 350 fl. ge-
kostet, auch widerum Ihren Antheil Bezahlen sollen. — die
Egnacher antworteten, das weilen die von Arbon das Stuckh
ohne Ihr Wüssen verfertigen lassen, so mögen selbige die Be-
zahlung auch allein leisten — haben einfolglich wie die aus
dem Amt Schönenberg und St.Pelagii Gotshaus keine Ver Eh-
rung gemacht, Indemme Sie vermeinen das Ein Beschwerliche
folge daraus entstehen könte."^
Vorfahren, Bischöfen zu Costentz und auch dem Capitel daselbst er-
langt und erworben, und des Brief und Sigel hand, auch wie Sie die
von alter haben in Löblicher u. guter gewohnheit hergebracht, bestett-
und bevestnet, Bestatten und Bevestnen die ihnen wüssentlich in Kraft
dises Briefs, wie wir das thun sollen und mögen, von uns und Mänig-
lichen von unsertwegen ohnverhinderet. Dess zu urkund, so haben wir
unser Innsigel ofentlich thun henken an diesen Brief, der geben ist . . ."
Bischofszeller Stadtbibliothek, Miscellanea, Memoriale, p. 95. * Zürcher
Staatsarchiv, A 323, 25.
Hasenfratz, Die Landgrafschaft Thurgau vor 1798. 6
82 Eidformeln der altstiftisch-bischöflichen Untertanen.
Landweibel Fehr fügte aus dem Gedächtnis die Eidformeln,
welche er gehört hatte, bei ; spätere Versuche, dieselben wört-
lich zu erhalten, waren vergebens: „Selbige sind so Bedenk-
lich u. dem hochheitl. Eydt so nachtheilig, dass man Selbige
nicht extradieren darf."*^
Das „Weisse Buch" enthält einen „ Bischof lich-costanzisch-
altstiftischen grichtsunderthanen Eyd; So sich auch auf der (I)
dem h. Praelaten von fischingen verkaufte Tanneggerambt
extendiert" :
„Ihr werdet schwören Meinen gnädigen h. v. Costantz
|: h. zu Fischingen :| alss Eüveren Rechten h. statte Treiiv und
Wahrheit zu halten, sein gnaden und dess stifts nutz zu fördern
und den schaden zu wahrnen (1) und zu wenden, nach allem
Euverem vermögen ohngefahrlich seiner gnaden und seinen
ambt Leüthen an seiner gnaden statt zu aller zimlichen sachen
gehorsam und gewärthig zu sein, untz an sein End, und dess-
gleichen nach seiner gnaden abgang gehorsam und gewärtig
zu sein, dem Thum Capitel zu Costanz untz an Ein Künftigen
herren, so auch von Ihnen verkundt und geben wird, auch
keinen andern schirm nach Burger Recht an euch zu nemmen
in kein weg, doch Eüverem freyen Zug und Eüveren freyheit
unschädlich, vogtLeüth alss vogtLeüth, aigenLeüth alss Eigen
Leüth, Gottshaus Leüth alss Gottshaus Leüth, hindersässen alss
hindersässen, auch Meinem gnädigen herren zu Costantz |: Herr
zu fischingen :| sein Recht zu handhaben und zu Behalten Nach
Euerem vermögen wie von altens herkommen ist, alss ge-
treulich und ungefährlich;
ferner einen: Eyd deren von Arbon an einen herren Bi-
schofen zu Costantz:
Ihr werdend schwören unserem gnädigsten fürsten und
h. von Costantz alls Eüveren Natürlichen herren statte Treüv
und Wahrheit zu halten, seiner hochfürstl. gnaden und der Statt
nutzen zu förderen, den schaden zu wahrnen (I) und zu wenden
Nach allem vermögen ungefährlich, seiner hochfürstl. gnaden
und Ihren Räthen, Vögten, Amman und ambt Leüthen an seiner
hochfürstl. Gnd. Statt zu allen zimlichen sachen und gebotten
^ Schreiben vom 22. Mai 1760. Zürcher Staatsarchiv, A 323, 26.
Bischöfliche Huldigungseinnahme 1759. 83
gehorsam und gewärthig zu sein, alles getreüvlich und ohn-
gefahrlich.**^
Nach der Huldigungseinnahme beschwerte sich das Hoch-
stift, dass einige seiner Untertanen gar nicht erschienen seien;
andere hatten die Schwörfinger nicht aufgehoben oder das
Obergewehr zu Hause gelassen ; dies alles sei geschehen, weil
die Leute glaubten, sie hätten dem Landvogt den Eid schon
abgelegt. Da der landvögtlich-altstiftische Eid mit den kurzen
Worten allein: „Jedoch S. Hochfürstl. Gnaden v. Constanz
Rechten ohne Schaden, verlangte das Hochstift den weit-
läufigeren Vorbehalt, wie ihn der erste Artikel des Vertrags
von 1509 festsetzte: „Doch dem Eid so seinen fürstlichen
Gnaden vorgeschworen haben, und fürder je zu Zeiten einem
Herrn von Constanz wie von altem Herkommen ist, schwören
werden, in all weg vorbehalten und ohne Schaden."
In dieser Form aber sahen die regierenden Stände eine
Beeinträchtigung ihrer Landesherrlichkeit; sie rügten, dass sich
der Bischof bei der Huldigung „natürlicher und eigentlicher
Herr" nannte, und dass dabei des hoheitlichen Eides keine
vorbehaltende Erwähnung geschah.^
Die reichenauischen oder neustiftischen Gerichte,
Das Kloster Reichenau war 1536 mit aller Zubehörde dem
Bistum Konstanz einverleibt worden; der Bischof besass aber
in den reichenauischen Gerichten nur die Kompetenzen eines
gewöhnlichen Gerichtsherrn. Die Appellation ging unmittel-
bar nach Frauenfeld. Die am See liegenden obern Gerichte
verwaltete ein Obervogt in der Reichenau; die im Lande ge-
legenen untern der fürstliche Amtmann zu Frauenfeld.
Unter der Aufsicht des Obervogts standen sechs Gerichte :
A. Triboltingen : Triboltingen und was innerhalb des Be-
zirks dieser Gemeinde lag.
B. Ermatingen: Der Marktflecken Ermatingen und was
in dessen Bezirk lag.
C. Mannenbach: Mannenbach, Salenstein, das Dorf.
D. Fruthwilen: Fruthwilen, Raperswilen, Helsighaiisen,
Höhnwilen, Fischbach, etliche Häuser.
1 „Weisses Buch«, Y 160, p. 522, 523. « Zürcher Staatsarchiv, A 323, 26.
Mörsburger Gravamina.
84 I^ie reichenauischen Gerichte.
E. Berlingen: Berlingen, das Dorf.
F. Steckborn. Die Reichenau hatte hier einen Ammann für
das Gericht, an das gehörten : das Städtchen Steckborn, Feldbach,
Weier, Wolfskehlen, das Oberdorf, Glarisegg, Ziegelhätten.
Steckborn besass seinen eigenen Bürgermeister und Rat.
Es verwaltete seine Ökonomie, Stadt- und Waisensachen, be-
zog den Zoll und strafte geringere Fehler ab. Es übte in
dem ihm zugehörigen Bezirk die Jagdbarkeit aus. Von den
niedergerichtlichen Bussen fiel ihm ein Teil zu; der fürst-
liche Ammann hatte aber in allen städtischen Versammlungen
den Vorsitz. Als Inhaberin des Turmes, welcher ein Freisitz
war, besuchte die Stadt den Gerichtsherrentag, woselbst sie
den letzten Rang einnahm.
Der fürstlich-konstanzische Amtmann zu Frauenfeld hatte
vier Gerichte unter sich.
A. Müllheim. Hier führte er selbst den Stab, so dass
dieses Gericht keinen besondern Ammann wie die meisten
übrigen Gerichte der Landschaft hatte.
B. Eschikofen. An diesem Gerichte und den davon fallen-
den Bussen hatte auch Griesenberg Anteil. Der Vogt der
Herrschaft Wellenberg präsidierte dasselbe, obgleich Zürich
hier nicht Gerichtsherr war. Es begriff in sich Eschikofen und
was in dessen Bezirk lag.
C. Langenerchingen oder Langdorf: Langdorf, aus-
genommen die Schmitte, die der Stadt Frauenfeld gehörte,
Horgenbach, Oberkirch, Bannhalden.
D. Mettendorf und Lustdorf. Dieses Gericht besass
Reichenau gemeinsam mit der Herrschaft Wellenberg; der
Vogt der letztern führte den Vorsitz. Mettendorf, Lustdorf}
c. Der Abt von Fischingen.
Auch unter den Herrschaften des Abts von Fischingen
sind altstiftische und neustiftische zu unterscheiden.
Zu den erstem gehören:
A. Das alte Fischinger Gericht. Es war ein Lehen des
Bistums Konstanz, und der Abt hatte kraft Ortsstimmen vom
Jahre 1707 daselbst die gleichen Rechte wie der Bischof in
^ Y 174, p. 103.
Der Abt von Fischingen. 85
den konstanzisch-altstiftischen Herrschaften. Dazu gehörten:
Fischingen, Balterswil, Bichelsee, Brenngrilte, Ifwil^ Üterschen,
Breitenacker, Sommersegg (?), Wildern (der Freisitz).
B. DcLS TanneggeramL Es war ein altstiftisch-konstanzisches
Gericht, das der Abt erkauft hatte; die Rechtsame der Bischöfe
ging an ihn über.
Die Appellation von Fischingen und dem Tanneggeramt
gelangte an ein eigenes Hofgericht.
Kraft Spruch vom Jahre 1553 hatten die Einwohner dieses
Amtes, sowohl ganze Gemeinden als Partikulare, wenn sie
mit ihrem Gerichtsherrn selbst, es sei in Lehen oder andern •
Sachen, Streit bekamen, die Appellation von dem niedern
Gericht unmittelbar vor das Syndikat.^
Der Abt bestrafte in der Herrschaft Tannegg die Hurerei,
hatte aber die Hälfte der Bussen dem Landvogt zuhanden der
Hoheiten zu entrichten.^
Das Tanneggeramt umfasste: Tannegg, Dorf und Schloss,
Dussnang, Matthof, Schürten, Thal, Itaslen, Oberwangen,
Wiezikon, Harnen, Vogelsang, Büfelden, Horben, Littenheid,
Oberhof en, Sirnach, Gloten, Hub, Krillbergerhof, Heilbergerhof,
Hattersml, Scherliwald, Sigensee, das Tal (20 Häuser), Oupfen-
hof, Wieshof, Hackenberg, Büretsried, BuhwiL
Ferner stand unter dem Tanneggeramt das Schloss Bett-
wiesen, desgleichen Mosnang im Toggenburg.
Neustif tisch war: Das Schloss Lommis, das ein Statthalter
verwaltete. Es unterstand dem Gerichtsherrenvertrag, und die
Appellation ging unmittelbar nach Frauenfeld. Dazu gehörten :
Lommis, Griisi (Greusi), St. Margrethen, Wetzikon, Mezikon,
Weingarten, Hinter-W ein garten (9 Häuser Hohe Gerichte),
Losenberg (?),
Das Schloss Spiegelberg wurde samt dazugehörigen Hof
und Güter durch einen Bauern bewirtschaftet.
d. Der Abt von St. Gallen.
Die thurgauischen Herrschaften des Abts von St. Gallen
waren in dem Schirmbündnis eingeschlossen, das dieser 1451
^ Y 174, p. 122. 2 E.A. 7.2, p. 619.
86 t)er Abt von St. Gallen.
mit den Ständen Zürich, Luzern, Schwyz und Glarus errichtet
hatte. Sie huldigten beim Antritt der Regierung eines neu-
erwählten Fürsten ausserhalb der Landgrafschaft zu Däschli-
hausen, Gossau und in der Stadt Wil in Anwesenheit der
Ehrengesandten der IV Schirmorte. Die sogenannten Malefiz-
gerichte schworen bei dieser Huldigung dasselbe wie die alt-
st. gallischen Untertanen ; die niedern Gerichte und die Lehen
des Abts im Thurgau gelobten Kriegsfolge. Der Fürst besass
also überall das Mannschaftsrecht zu Händen der 4 Stände.^
Die grossjährig gewordenen jungen Leute wurden überdies in
• gewissen Zeitabständen beeidigt.* Die Malefizgerichte wurden
von St. Gallen aus als ein Teil der alten Landschaft betrachtet.
Sie hatten st. gallisches Erbrecht, Gant- und Konkursordnung ;
die st. gallischen Landsatzungen und Mandate wurden auch
bei ihnen verbreitet, und das Stift strafte die Übertreter, sofern
nicht etwas Malefizisches unterlief, in Beisein des Hauptmanns,
den die Schirmorte in Wil setzten, und welcher die Hälfte der
fallenden Bussen wie in der alt st. gallischen Landschaft bezog.
Der Abt besass ferner den Abzug, hohen und niedern Wild-
bann, Forst und Fischenz,* die Ehehaften. Die Verträge von
1501 und 1567 gestanden demselben alle Gerichtsbarkeit bis zum
Malefiz zu; die st. gallischen Amtsleute hatten selbst die Unter-
suchung der Malefizsachen und nhre Erkennung als solche, und
nur die Bestrafung und Konfiskation der Güter der Übeltäter ge-
hörte den X Ständen, in Zivilsachen war der Pfalzrat die letzte
Instanz. Die Anlagen wurden auf die Untertanen der Malefiz-
gerichte in gleichem Masse wie auf die übrigen Gotteshausleute
verteilt; sie hatten ihren Anteil an den Kriegs- und Reiskösten.*
Malefizgerichte waren:
I. Romanshorn, Das Schloss war ein Freisitz. An das
Gericht gehörten : Romanshorn, Salmsach, Hungerbähl, Hütten,
Fehlwies, Oberhäusern^ Spitz, Hof, Auf der Eich,^ Strauben-
haus. Lochen, Munthi(f)^ Kastenstauden, Ober- und Unter-
Hub, Reckholdern, Holzenstein^ Riedern, Tobelmühle.
^ St Galler Staatsarchiv, Ruhr. 142, Fase. 1, Justiz- und staatstnässige
Erläuterung, p. 46. ^ Zürcher Staatsarchiv, A 323, 27, Kurzer Auszug
der Gerechtsamen des Stifts St. Gallen. » St. Galler Stiftsarchiv, Rubr.142,
Fase. 1, p.57. * Schweiz. Ortschaf tenzerzeichnis 1905, p. I, Aach? ^ Mon-
reute? Vollständiges Verzeichnis, p. 70.
St. gallische Malefizgerichte. 87
2. Kesswil: Kesswil, das Dorf.
3. Herrenhof: Herrenhof, das Dorf; von demselben ge-
hörten 4 Häuser samt dem sogenannten Zofingerhof in die
„Hohen Gerichte." Im Dorfe Zuben 3 Häuser.
4. Sommeri: Unter- und Obersommeri, Hemmerswil, Küm-
mertshausen, Krapfenmühle y^ Stubenwies,
5. Sitterdorf: Sitterdorf Riet, Wilen, Lütsml, Pfyn, Hohlen-
steinj Helmishuby Katzensteig (NB. nicht das Schloss).
6. Wuppenau oder das Berggericht. Es umfasste: Schön-
holzerswilen, Metzgersbuhwil, Moos (halb), Lautenbreite, Ober-
buhwii, Weiblingen, Immenberg, Widenlachen, Heiligkreuz,
Leutenegg, Hasten, Widenhub, Nollenberg, Wuppenau, innere
und äussere Mörenau, Gottensberg, Almensberg, Greutensberg,
Secki, Remensberg, Heid, Auf dem Alber, Toos (halb, der Rest
Bürglen), Rohren, Hagenbuch, Wartenwil, Hagenwil, Fee-
reute (f),^ Befang, Hölzli, Sommerau, Rudenwil, Molli, Widen-
holz, Welfensberg, Geftenau, Grub, Bühl, Brunnriet, Hugen-
tobel, Leuberg, Hüttenswil |; \ gehörte Bürglen.
Die Appellation ging an die Pfalz zu Wil.
7. Rickenbach: Rickenbach und Busswil.
8. Das Wiler Stadtgericht, das die Stadt durch ihren
Gerichtsvogt oder Spitalmeister verwalten Hess. An dieses
Gericht gehörten: Wallenwil, Herdern, Trungen, Rossrüti,
Bromshofen.*
Unter dem Berggericht lagen zahlreiche freie Güter, die
mit andern in der alten st. gallischen Landschaft, im Toggen-
burg und im Thurgau ausserhalb dieses Malefizortes situierten,
ein Freigericht bildeten. Dazu gehörten: Das ganze Dorf
Welfensberg, 5 Haushaltungen im Dorfe Rudenwil, ein Haus
und eine Scheune in Grobenbach, der Hof zu Sommerau,
5 Haushaltungen im Befang, der Hof zu Geftenau, das
ganze Dorf Hagenwil, aus 15 Haushaltungen bestehend, das
Dorf Remensberg mit 10 Haushaltungen, Ober-Remensberg mit
^ Fäsi, Staats- und Erdbeschreibung III, p. 180, hat noch Rad-
mühle. ^ Ferreute, Fehrreute, Harütti, Habisrüti (?), Schweiz. Ortschaften-
verzeichnis, p. 5. * Y 174, p. 115, mit der Bemerkung: »Ligt in demm
Schneggen Punkt, oder Eigentlich BergGricht.** St. Galler Stiftsarchiv,
Ruhr. 142, Fase. 1, sind nur „zwei kleine Dörflein so etwan 25 Haus-
haltungen zu Wallenwil und Herdern** erwähnt.
88 Das Freigericht unter der Thurlinde.
3 Haushaltungen, 4 Haushaltungen zu Wartenwil, 4 Haus-
haltungen in Toos, das ganze Dorf Greutensberg mit 13 Haus-
haltungen, 5 Haushaltungen zu Almensberg} Gleicherweise
waren frei 8 Häuser zu Puppikon bei Weinfelden.^ Das Frei-
gericht wurde bei gutem Wetter unter der Thurlinde, bei
schlechtem im Wirtshaus zu Rickenbach abgehalten.^ Zwei
Fremeibely einer für die alte Landschaft und das Unteramt,
zu welchem das Berggericht gehörte, und der andere für das
Toggenburg, legten Gebote und Verbote an und richteten im
Namen des Stifts zu St. Gallen. Sie wurden allein von der
st. gallischen Obrigkeit bestellt wie auch die Richter und Vor-
gesetzten. Der Abt beanspruchte die hohe und niedere Juris-
diktion. Zum Freigericht und den daselbst vorgenommenen
malefizischen Abhandlungen wurde niemand vom Landvogteiamt
zugelassen ; der Hauptmann der IV Schirmorte bezog keinen
Anteil von den fallenden Bussen. Während die st. galüschen
Malefizorte und die Landgrafschaft Thurgau gegeneinander
abzugsfrei waren, wurde der Abzug von den freien Gütern
erstattet. Das Freigericht besass eine eigene Öffnung; die
freien Leute entrichteten dem Stift für den Schutz, den es
ihnen angedeihen Hess, jährlich auf St. Martinstag die Vogt-
steuer.* Trennten sich so die Inhaber der freien Güter von
den übrigen Gerichtsinsassen, so stellten sie sich ihnen in
andern Punkten gleich. So erschienen z. B. die „Freien" im
Berggericht auch bei dem jeweiligen Gerichte desselben. Die
Bergleute Hessen den Freiweibel ihrer jährlichen Gemeinde-
rechnung beiwohnen, damit er eine Einsicht in die Verwendung
der Anlagen erhalte. Die „Freien** hatten sich den polizei-
^ Die Beschreibungen von 1732 und 1741 zitieren noch Hagenbuch,
die Buhwiier Güter im Tanneggeramt, St. Galler Stiftsarchiv, Ruhr. 75,
Fase. 1; v. Arx I, p. 449: Hatterswil in Dussnang, Rüti bei Bürglen.
* St. Galler Stiftsarchiv, Ruhr. 46, „Unterthänigster Amtsbericht...", un-
datiert, aber wahrscheinlich aus dem Jahre 1785. ' Wenn nicht alle, so
doch gewiss alle zwei Jahre, St. Galler Stiftsarchiv, Rubr. 75, Fase. 1.
ibid., Species facti 1771. Irrtümlich wird bei Fäsi, Staats- und Erd-
beschreibung III, p. 180, Rickenbach das freie landenbergische Gericht
genannt. Das Dorf Rickenbach war aber niemals in das Freigericht in-
begriffen. St. Galler Stiftsarchiv, Rubr. 64, Fase. I, Riggenbacher Dorf-
beschreibung. * St. Galler Stiftsarchiv, Rubr. 46, „Unterthänigster Amts-
bericht ..."
Neustiftische Herrschaften. 89
liehen Anordnungen wie die übrigen Einwohner zu unter-
werfen. Wenn aber beim Gericht keine obrigkeitlichen Befehle
entgegenzunehmen waren, zogen sich die freien Leute nach
der Verbannung desselben zurück. Doch wurden in dringenden
Fällen Kauffertigungen etc. etwa vom Gerichtsherrn an das
Berggericht gewiesen.^ Alle Schuldbriefe aber, die vor andern
Gerichten errichtet worden waren und welche freie Güter be-
trafen, sollten null und nichtig sein, bis sie das Freigericht
bestätigt hatte.^ Das Landvogteiamt in Frauenfeld wollte die
freien Güter unter dem Berggericht inbegriffen wissen. Ob-
gleich das Amt Wil die in denselben vorfallenden doppelten
Ehebrüche bestrafte und 1639 einen Totschlag berechtigte,
verlangte der Landvogt die Auslieferung des Körpers einer
Frau, die sich am 24. August 1771 im Befang erhängte; er
musste aber dem Hofammann in Wil einen Revers de non
praeiudicando zustellen.^
Die neustiftischen Herrschaften St. Gallens waren :
1. Roggwil mit Roggwil, Ober- und Unterdorf, Mallis-
dorf, Waldhof, Bühlhof, Riedern, LangwU(?), Ballenbild(?)y
Häuslen, Esserswil, Schwandlen(?), Watt, Lenggenhof, Nässler,
Habersack, Roggenbühl, Erchenwil, Freidorf, Erbel, Höfen,
Bettenwil, Im Lachen (?), Rüti, Ebnat, Frasnächt und Steine-
loh ob der Strasse, ein Haus in Baumannshaus. Der Rest
der drei letzten Orte gehörte ins Egnach. Im Bezirke von
Roggwil lag der Freisitz Mammertshofen.
2. Hagenml: Hagenwil, das Schloss, Räuchlisberg,
Köpplishaus, Au, Breiteneich, Spitzenrüti, ein Hof.
3. Dozwil: Dozwil, das Dorf. Hier besass St. Gallen die
niedere Gerichtsbarkeit, die Huldigung und Mannschaft zu
Händen der IV Schirmorte sowie die Mittelappellation.
Ein Lehen des Hochstifts Konstanz war Zuben,^
Die Herrschaft Wängi war dem „gemeinen Gerichtsherren-
vertrag** unterworfen. Der Hofammann zu Wil präsidierte das
Gericht, an das gehörten: Wängi, Hunzikon, Möriswang,
Wilen, Tausenlist, Scheurli, S tagen, Bommershäusli, Achen-
bach(?).
' St. Galler Stiftsarchiv, Ruhr. 46. « ibid., Ruhr. 75, Fase. 1, Be-
schluss des Freigerichts vom 14. Sept. 1744. * ibid., Ruhr. 46. * Vgl. p.74.
90 St. gallische Lehen.
Die Lehen des Stifts St. Gallen, wo demselben Huldigung
und Mannschaft zukamen, waren:
1. Hefenhofen mit Hefenhofen, Auenhof en, Hatswil, Moos,
Tonhub, Bemeshub (?), Löwenhaus (davon 3 Häuser in den
Hohen Gerichten). Ein Hof zu Auenhofen gehörte dem Spital
St. Gallen.'
2. Das Schloss und die Herrschaft Blidegg, Mitte des
achtzehnten Jahrhunderts im Besitze eines Freiherrn Giel von
Glattburg.2
3. Zihlschlacht mit Zihlschlacht, Degenau, HüblL^
4. Hauptwil mit dem Marktflecken Hauptwil und zwei
Höfen zu Freiherten,^ Fideikommiss der Familie Gonzenbach.
Die Besitzungen des Stifts St. Gallen im Thurgau waren
zum Teil in die Verwaltungsbezirke der st. gallischen Landschaft
eingegliedert. Die Landschaft zerfiel in das obere und untere
Amt. Das obere begriff in sich: 1. Das Landeshofmeisteramt,
zu dem das Gericht Sommeri gehörte.^ 2. Das Rorschacher-
amt 3. Das Oberbergeramt^ dem das Gericht Sitterdorf tm-
verleibt war. 4. Das Romanshorneramt, das auch Kesswil,
Herrenhof ^ Dozwil und Zuben umfasste.
Im untern Amt oder Amt Wil lagen Rickenbach, das
Berggericht und das Freigericht unter der Thurlinde.
Roggwil und Hagenwil wurden, wie es scheint, von einem
Statthalter, der seinen Sitz auf Schloss Hagenwil hatte, ver-
waltet.
In den Malefizgerichten übte der Abt von St. Gallen faktisch
alle einem Landesherrn zustehenden Rechte und Regalien allein
aus. Die höchste Gerichtsbarkeit, die Bestrafung in Malefiz-
sachen, stand allerdings dem Landvogteiamt zu; allein dasselbe
beklagte sich, dass jahrelang keine solchen Straffälle vorkamen,
indem alle Vergehen, sie mochten noch so schwer sein und
Ehr und Leib berühren, von St. Gallen als nicht malefizisch
erkannt und mit Geld bis auf einige hundert Gulden gebüsst
wurden, wobei dem Landvogteiamt nichts zufiel. Nur kleine
^ Die Appellation ging zuerst vor den Gerichtsherrn. Vgl. p. 63.
^ Fäsi, Staats- und Erdbeschreibung III, p. 186. » Vgl. p. 74, 99. * Vgl. p. 74.
^ St. Galler Stiftsarchiv, Ruhr. 13, Fase. 33b; vgl. die Ungenauigkeit bei
Fäsi, Staats- und Erdbeschreibung III, p. 637.
Kompetenzstreitigkeiten. 91
Diebe, die nichts besässen, würden von Zeit zu Zeit ein-
geliefert und den X Ständen dadurch die Unkosten ihrer Be-
strafung aufgebürdet. Der Vertrag von 1567 setzte die An-
wesenheit des Landvogts oder seines Statthalters bei der Prä-
kognition fest; diese Ordnung tat aber der Würde der X Stände
Eintrag, weil der Landvogt vor den st. gallischen Obervögten
und den niedern Gerichten erscheinen sollte; erst nachdem
die Appellation an die Pfalz als an die letzte Instanz ergangen
war, empfing er den Übeltäter zur Abstrafung. Die Über-
wachung der Voruntersuchung wurde deshalb den Landgerichts-
dienern überlassen, Leuten, welche die Verträge nicht kannten
und mit den Einwohnern der Malefizgerichte in St. Gallen den
Landesherrn erblickten.^ Mit grösserem Rechte als der Bischof
von Konstanz konnte der Abt von St. Gallen in den Malefiz-
gerichten die Souveränität ansprechen. Behauptete er doch,
dass dieselben lange vor Eroberung des Thurgaus wahres
Eigentum und Patrimonium des Stifts gewesen seien und 1460
nicht unter der Territorialjurisdiktion Herzog Sigismunds ge-
standen hätten;^ Österreich habe nie etwas anderes als das
Malefiz besessen, womit Konstanz belehnt worden sei; die
Ausmarkung, wie sie der Vertrag von 1501 feststellte, war nach
ihm nur hinsichtlich des Landgerichts, nicht aber des Terri-
toriums und zur Trennung von der alten st. gallischen Land-
schaft geschehen; die X Stände besassen nur diejenigen Rechte,
welche bis 1499 die Stadt Konstanz wegen des Landgerichts
und Malefizes ausübte.^ Dagegen machten die VIU Orte
geltend, die Malefizgerichte seien in der Eroberung von 1460
inbegriffen gewesen; folglich stehe ihnen daselbst die hohe
Obrigkeit oder Landesherrlichkeit zu.* Wenn in den Verträgen
von 1501 und 1567 die VII regierenden Orte nicht besonders
genannt, sondern unter dem Namen der X eingeschlossen
seien, so weise der Titel Hoheit und hohe Obrigkeit auf
Rechtsame, die von denjenigen der X Stände, welche als die
^ Zürcher Staatsarchiv, A 323,29. U. Fehr, Beweise über die Landes-
herrlichkeit. Vgl. E. A. 8, p. 338. « Zürcher Staatsarchiv, A 323, 29,
Demonstration der fürstl. st. gaii. Gerechtsamen in denen sog. Malefiz-
Orten; vgl. auch E. A. 7.2, p. 609. » Zürcher Staatsarchiv, A 323, 29,
a. V. O. * Vgl. E. A. 7. 2, p. 607 und 609.
92 Kompetenzstreitigkeiten.
das Malefiz habenden bezeichnet werden, zu unterscheiden
seien. Das Mannschaftsrecht sei nicht direkte an St. Gallen,
sondern zu Händen der IV Schirmorte, die im Jahre 1501 die
Mehrheit der im Thurgau regierenden Orte bildeten, überlassen
worden. — Ein festes Auftreten gegenüber dem Abte wurde
indessen meistens durch die katholischen Stände vereitelt. So
kam es, dass derselbe nicht nur in seinen Malefizlanden, son-
dern selbst in seinen niedern Gerichten und Lehen die Publi-
kation aller hoheitlichen Mandate und Befehle verhinderte;^
dies geschah z. B. mit dem Münzmandat vom Jahre 1765^
und dem Bettelmandat von 1780.* Roggwil, Hagenwil, Haupt-
wil, Zihlschlacht, Hefenhofen, Moos und Dozwil waren übrigens
nicht in die thurgauischen Quartiere eingeteilt; sie bezahlten
die Anlagen in die fürstlich st. gallische Landschaft nach dem
dortigen Mannschaftsfuss. St. gallische Marschiere besorgten
daselbst das Patrouillieren* und thurgauische wurden nicht
zugelassen. Ebenso wurde auch dem thurgauischen Scharf-
richter die Ausübung des Wasenamts in den Malefizorten ver-
weigert.^ Der Abt wollte nicht gestatten, dass seine Angehörigen
als Zeugen vor dem Oberamte eidlich verhört würden, musste
es aber für die Lehen und seine Gerichte, die dem „gemeinen
Gerichtsherrenvertrag** unterworfen waren, zugestehen.® Die
sieben Herrschaften sollten nun auch hinsichtlich der Abgabe
der Anlagen in die Quartiere Güttingen und Bürglen eingereiht
werden.'
* Zürcher Staatsarchiv, A 323, 29, a.v.O. * St. Galler Stiftsarchiv,
Ruhr. 142, Fase. I, Konferenz-Protokoll vom 31. Juli 1765, p. 195, wegen
Publikation des Münzmandats. Auf alle mögliche Weise solle verwehrt
werden, dass der Landgerichtsdiener auf die Kanzel steige, oder das-
selbe sonst verlese, und so er etwa ein solches Mandat anschlagen
würde, sollen es die H. Obervögte wieder durch jemanden abnehmen
lassen. Übrigens wird noch angezogen, ob nicht gut wäre, wenn die
H. Obervögte die Ammänner ihrer Vogteien heimlich instruierten, dass
die Leute bei Verlesung desselben aus der Kirche gehen würden.
' E. A. 8, p. 342, 343. 1785 lautete die Instruktion der Gesandten, dass
das Bettelmandat zwar im Namen der Hoheit publiziert, dem Prälaten
aber dessen militärische Vollstreckung überlassen werden solle. * E. A.
7.2, p. 615, 616. « ibid., p. 617. • ibid., p. 604. ' ibid., p. 616. Zürcher
Staatsarchiv, A 323, 29. Vergleich vom 8. April 1774. Zihlschlacht,
Hauptwil und Blidegg bezahlen dem Quartier Bürglen jährlich auf
Das Vergleichsprojekt vom Jahre 1781. 93
Verschiedene Projekte waren aufgestellt worden, um eine
klare Scheidung zwischen den Rechtsamen der Eidgenossen
und des Abts zu erzielen.^ Das letzte, auf das sich die Ab-
gesandten von Zürich, Bern, Luzern und Uri im Namen der
VIII regierenden Orte und diejenigen des Fürsten auf einer
am 26. März 1781 in Frauenfeld abgehaltenen Zusammenkunft
einigten, erhielt die von St. Gallen eingeholte Zustimmung des
Papstes. Es bedeutete eine reinliche Ausscheidung der Ge-
biete, die freilich sehr zu Gunsten des Abtes ausgefallen war.
Es lautete:^ „§ 1. Übergeben die HochLobl. Regir. Stände,
S*^ Fürstl. Gnaden, in Feudum francum, welches von allen
servitiis vasallaticis,^ und andern Lehens-Praestationen, Be-
schwährden oder Anfechtungen^" völlig frey und ledig sein solle,
die absolute Landes Herrlichkeit, samt dem Malefitz, in nach-
stehenden Orthschaften, in Märchen und Zihlen, wie theils die
errichtete Märchen Libell, theils der notorische Besitz, es er-
heischen : benantl. zu Romishorn, Kesswylen, Ober- und Nieder-
Summerjy Hämmerschwyl,^ Sitterdorf, Wuppenau oder Berg-
gericht,^ Rickenbach oder Schneckenbund ;^ danne Hosenruk
und Waldwyss, so bey Wuppenau gelegen, Roggwyl, Hagen-
wyl und Blydek, In der ferneren Meinung, dass zu Bezeugung
der besonderen Achtung gegen S. Fürstl. Gnd. die HochLobl.
Regir. Stände, nicht nur von allem Lehens-Canon völig ab-
Martini 20 iL; Hauptwil 4, Zihlschlacht 14, Biidegg 2 fl. Bei ausser-
ordentlichen Anlagen steuern sie gleich den übrigen Angehörigen des
Quartiers. So auch die gricht Hagenwil und Reuchlisberg, dann Moos
und Hefenhofen dem quartier Güttingen jährlich 30 fl. laut eines gleichen
accords de eodem dato. Thurg. Landbuch, Fol. 10.
^ St. Galler Stiftsarchiv, Ruhr. 142, Fase. 1 und 2. « Vgl. E. A. 8,
p. 340. * St. Gallen wünschte die Zusätze : „iudicio feudali — ^^ auch wo
immer herrschender felonie und caducität." * Hemmerswil. ^ St. Gallen
fügte bei: „Thurlindengricht so viel von selbigem in den Malefiz-
marchen gelegen ; dessgleichen ein kleiner Theil von Hüttenschwyl als
blasenberg, ober und unter hagensteg sambt Pf in, welche wenige haus-
haltungen der haubtmannschaft und dem gericht Hagenwil sollen ein-
verleibt werden. NB. Diese Häuser sind an das übrige st. gall. land
angeschlossen." « St. Gallen korrigierte: „Nach dem Wort Rickenbach
muss es nit heissen oder Schneckenbund, sondern und ein kleiner Teil
von dem Schneckenbund: dann der grössere theil des Schneckenbunds
war ohnedem schon ganz st. gallisch. "*
94 P^s Vergleichsprojekt vom Jahre 1781.
sehen, sondern auch die Lehens-Erneüerung, bey dem zeit-
lichen Absterben, eines jeweiligen Fürsten zu St. Galle, ^Is
geschehen voraussezen, und hiermit dem Lehen von nun an
die Kraft und in perpetuum Reichende Beständigkeit ertheilen
als wann die Erneuerung bey jedermaliger Hand-Änderung
wirklich vorgegangen wäre. § 2. Dagegen überlassen S® Fürstl.
Gnaden, denen Hoch Lobl. Regir. Ständen, Hüttenschwylen,
Kämmertshausen, Herenho/en, Hauptwyl, Zihlschlacht, Hefen-
hofen und Mooss, Wallenwyl und Herdern, Wengj, Dotzwyl und
Zuben, mit Huldigung, Mannschaft und allem genannten und
ungenannten, was zu denen Herrschaftlichen Rechten gehört.
§ 3. Sole an denen dissmaligen Haupt- und Commercial-
Strassen, in denen einander gemachten Abtrettungen, und gut
befundenen Austauschungen, ohne beydseitige Einwilligung
nichts abgeändert, noch weniger selbig zu einigen Zeiten, mit
neuen Auflagen, unter was Titul oder Vorwand es wäre, be-
schwährt, auch sie beständig in gutem Stand unterhalten
werden. § 4. In disen, von denen Hoch Lobl. Regir. Ständen
gemachten Abtrettungen, ist S*^ Fürstl. Gnd. zu St. Galle des
gänzlichen überlassen, nach Gutbefinden Acquisitionen zu
machen, und dieselbe nach Belieben administriren zulassen;
Alle Kauf in anderwärtige todtne Eydgnössische oder frömde
Hände aber sollen keineswegs, und zu keinen Zeiten, weder
durch freye Kauf, noch durch Administrationen, Admodiationen,
Vergaabungen, Erb, oder sonst auf andere Weise, Platz haben
mögen. § 5. In disen gegen einander ausgetauschten Ort-
schaften, wie in allen gemeinen Herrschaften, solle mäniglich,
geist- und weltlichen Stands, verbotten seyn, einige Fortifi-
kations-Werke, sie seyen klein oder gross, regulär oder nicht,
unter was Praetext es immer seyn möchte, zu bauen, ohne
beydseitigen Consens. § 6. In allen abgetrettenen Ortschaften,
werden die Jura Privatorum, es seyen Communitäten, oder
Particularen, auch die der Lobl. Regir. Ständen sowohl, als
die, der fürstl. St. Gallischen Stift, in Collatur- und andern
Sachen, auch namentl. alle unter Ihnen, und gegen anstossende
Nachbarn, subsistirende Verträge, WegeRechte, Wasserleitungen,
oder von was anderer Natur und Art, sie seyn möchten, feyr-
lich vorbehalten und bestätiget. § 7. Solle in allen gegen
Das Vergleichsprojekt vom Jahre 1781. 95
einander ausgetauschten Ortschaften, ferner, wie bisanhin, eine
reciprocirliche Abzugsbefreyung beobachtet werden; auch,
§ 8. Diejenigen, welche von den Lobl. Regir. Ständen S*^ Fürst-
lich-Gnaden zu St. Galle abgetretten worden sind, nicht mehr
schuldig seyn, mit dem Thurgäu zu steüren, sowie auf der
andern Seite, diejenigen, welche unter der Lobl. Regir. Ständen,
Landes Herrlichkeit sich befinden, S*^ fürstl. Ond. zu St. Galle,
keine fernere Abgabe, in Zukunft zuentrichten haben sollen.
Beydseitigen Unterthanen, solle aber ohne Hinternuss, und
Requisition, gestattet werden, bey Huldigungen, Musterungen,
und andern dergl. Anläässen, jedoch, ohne Unordnung zu-
begehen, bewafnet, durch das nächstgelegene Territorium zu-
ziehen, auch gegenseitig, die ungehinderte Durchführung der
Maleficanten, bewilliget seyn. § 9. Beyde, mit einander con-
trahirende Theil, verpflichten sich, die abtrettende Besizungen,
mit allen Zugehörden, ohne Ausnahme, gegenseitig verabfolgen
zulassen. § 10. Die annoch besizende Hälfte, der Nidergrichtl.
Rechten, zu Hefenhofen und Mooss, mögen S® fürstl. Gnad. zu
St. Galle, für sich in fähige Hände verkaufen, doch in der
Meinung, dass es sobald mögüch, und vor der gänzlichen
Execution dieses tractats, geschehe.^ § 11. Die Frau Besitzerin
des, in dem Gericht Roggwyl ligenden, und mit der Landes-
Herrlichkeit, und Malefiz abgetretenen Freysitzes Mammerts-
hoferiy bleibt, nebst Vorbehalt ihrer Rechten, Besizungen und
Nutzungen, überlassen, nach gutbefinden dem Lobl. Thur-
gäuisch-Gerichts-Herren-Stand einverleibt zubleiben, oder aber
sich von selbigem, nach ihrer nunmehro geänderten Laage, zu
sonderen. § 12. S*^ Fürstl. Gnaden zu St. Galle, ist unbenohmen,
die Domanial-Besitzungen zu Hüttenschwylen ; dessgl. auch,
den St. Johanner- Wylen-Hof zu Wengj, durch Bauren aus Dero
Bottmässigkeit, ohne an thurgäusche gebunden zu seyn, be-
werben zu lassen. § 13. Die kleine, in die Herrschaft Bürglen
gehörige, in dem Wuppenauischen, oder dem Berg-Gericht,
gänzlich conclavirte Ortschaften, Hosenruk und Waldwyss,
werden zwar S*^ Fürstl. Gnaden, in Bezug auf Landes-Herrlich-
keit, und alle daher derivirende hoheitliche Rechte, mit dem
Berg-Gericht, völlig abgetretten ; Der Lobl. Stadt St. Galle
^ Vgl. p. 59 und 60.
96 Das Vergleichsprojekt vom Jahre 1781.
aber ihre alda besizende, Nidergerichtliche Herrschafts-Recht,
Einkünfte, Besizungen, und Nuzungen, so wie sie an Sie ge-
kommen, und bis auf jzt besessen, und beworben worden
sind, feyrlich, und in bester form vorbehalten. § 14. Ansehende
einige, von Ihro Fürstl. Gnd. zu St. Galle denen hochLobl.
Reg. Ständen machende Abtrettungen, so hat es in Bezug auf
Hüttenschwyl die Meinung, dass selbiges mit allen, auf der
St. Gallischen Special-Charta enthaltenen zerstreuten herrschaft-
lichen Besitzungen, abgetreten werde.* § 15. Hingegen über-
lassen die HochLobl. Regir. Stände, Ihro Fürstl. Gnaden, zu
herenhofen alle Utilitäten, von allerley Gattung Grundzinsen,
es seyen herrschaftliche oder andere; auch die Ehrschätze ;2
behalten sich aber daselbst, alle und jede Jurisdictionalia, und
davon abfliessende Sportein, mit der Mannschaft, und fahl-
recht, vor. § 16. Wallermyl und Herdern, werden denen
hoch Lobl. Regir. Ständen, mit Mannschaft und Huldigung ab-
getretten; der Stadt Wyl aber, die daselbst besizende Nidere
Gerichte, gleichwie gegen die Stadt St. Galle, in bezug auf
Hosenruk und Waldwyss geschehen, feyrlich vorbehalten.
§ 17. In Bezug auf den Landsfriden, ist beabredet, dass der-
selbe in den abgetrettenen Landen, nach dem buchstäblichen
Innhalt der im a° 1718. Ihro Fürstl. Gnad. zu St. Galle zu-
gestellten Articuln, sowohl in bezug auf Lobl. Stand Zürich
allein, als auch auf das allgemeine, mit gleicher Kraft wirken
solle, als wäre er von wort zu wort, gegenwärtigem tractat
einverleibet; In der weitern Meinung, dass es bey dem in
a° 1712 verzeigten, und bis dahin geübten paritätischen Richter,
von den 4 Ersten Lobl. Reg. Ständen des Thurgäuwes, ein
ferneres, ohnabgeändertes Verbleiben haben solle." ^
Da Bern dem Vertragsentwurf die Ratifikation verweigerte,
gelangte er nicht zur Ausführung.
e. Der Stand Zürich.
Zürich besass im Thurgau zwei sogenannte Malefiz-
gerichte, woselbst ihm die Huldigung, die Mannschaft, die
^ Vgl. p. 93, Anmerkung. ' St. Gallen wollte beigefügt wissen :
„und lehen, dan alles was ehrschäzig ist, ist auch lehig." ^ Das Projekt
ist datiert vom 31. März 1781. St. Galler Stiftsarchiv, Ruhr. 142, Fase. 2.
Die Herrschaften des Standes Zürich. 97
ultima appellatio in Zivilsachen, alle Zivil- und Kriminalstrafen
(ohne das Malefiz), die Türmung, das Examen und die Prä-
kognition in Malefizsachen,^ sowie der Abzug überlassen war.
Die Beurteilung der als malefizisch erkannten Fälle und die
Konfiskation des Vermögens hingerichteter Missetäter stand
den X Orten zu. In Erb-, Konkurs- und andern Rechtssachen
galten die zürcherischen Verordnungen.
1. Stammheim mit Ober- und Unterstammheim, St. Anna
und einem Teil von Wilen (der Rest gehörte zu Neunforn).
2. Ellikon. Das Dorf war durch einen Bach in zwei Teile
getrennt; der eine gehörte zum zürcherischen Gebiet, der
andere in die Landgrafschaft Thurgau.
Die übrigen thurgauischen Herrschaften des Standes Zürich
waren dem „gemeinen Gerichtsherrenvertrag" unterworfen.
Es waren:
1. Das Schloss Neunforn, Es bestand je ein Gericht zu
Oberneunforn \xnA Niederneun forn; das erstere umfasste: Ober-
neunforn, Mönchhof, Fahrhof, Entenschiess, Langmühle, ein
Haus zu Wilen; das letztere Niederneunforn, den 5. Teil von
Wilen (der Rest zu Oberneunforn und Stammheim) und das
Haus am Thur-Fahr. Die Herrschaft wurde durch einen Ober-
vogt verwaltet. Die Appellation von dem Gericht Oberneun-
forn ging nach Belieben des Appellanten unmittelbar nach
Frauenfeld oder zuerst vor das Gericht Niederneunforn.
2. Weinfelden. Der dortige Obervogt war zugleich Quar-
tierhauptmann des Weinfelder Quartiers; er schrieb die in
Weinfelden stattfindenden Quartierversammlungen aus. Die
Herrschaft begriff in sich:
a. Das Gericht Weinfelden: der Marktflecken Weinfelden
mit Zubehörde, Burg bis an 3 Häuser, die in das Weerswiler^
Gericht gehörten, Inner-Hard (3 H.), im vordem Ottenberg
(3 H.), das Dorf Aufhäusern, Im Krayenried (1 H.), Stelzenhof,
Rathof, von da am Thurberg vorbei den äussern Berg hinab,
Bachtobel bis zum Markstein, Boltshausen (5 H., der Rest in
die Hohen oder Altenklinger Gerichte),^ 1 Haus im Schachen
* Laut Vertrag von 1504 und 1549. Vgl. E. A. 8, p. 385. « Fäsi,
Staats- und Erdbeschreibung III, p. 205, irrtümlich Wagenschweiler.
» Y 174, p. 70.
Hasenfratz, Die Landgrafschaft Thurgau vor 1798. 7
98 Die Herrschaften des Standes Zürich.
neben der untern Weinfelderau, die Mühle im Sangen, 1 Haus
in Eierlen.
b. Birwinken, Das Dorf Birwlnken, ausgenommen was
in die Hohen Gerichte gehörte. Die Häuser im Scheurholz^ (?),
Oberried (2 H.), das ganze Dorf Dotnach.
c. Bussnang. Während in den vorhergehenden Gerichten
die Appellation unmittelbar nach Frauenfeld ging, gelangte sie
hier zuerst an den Gerichtsherrn im Schlosse Weinfelden.
Bussnang, das Dorf, Eppenstein (2 H.), Ober-Oppikon (2 H.),
Hünikon (2 H.), Rothenhausen, das ganze Dorf, Puppikon
(2 H., 8 H. im Thurlindengericht, der Rest in dem Gerichte
Bürglen), Haberreuti (2 H.), Thurrain, 1 Haus und 1 Hof.
d. Weerswilen: Weerswilen, Altshof, Burg (3 H.), Engels-
wilen (bis an 3 H. Hohe Gerichte und etwas Reitigericht),
Beckelswilen,
3. Wellenberg. Der Obervogt wohnte im Schlosse. Die
Herrschaft zerfiel in folgende Gerichte:
a. Wellhausen: Wellhausen, Aufhofen, Waldhof j Bieten-
hart, Hesenboll, ein Hof.
b. Thundorf: Thundorf Kirchberg, Dietlismühle, Äuglis-
mooserhof (?).
c. Mettendorf und Lustorf Das Gericht gehörte zur Hälfte
zu Weinfelden, zur andern zu den reichenauischen Gerichten.*
Der Obervogt von Wellenberg verwaltete auch die Herr-
schaft und das Schloss Hüttlingen mit dem Dorfe Hüttlingen
und dem Hofe Geigen.
4. Steinegg. Zu dieser Herrschaft gehörten die Dörfer
Nussbaumen und Seeben. Da vom Schloss Steinegg aus auch
Stammheim verwaltet und zu Nussbaumen kein eigenes Ge-
richt gehalten wurde, kamen die Rechtssachen aus der Stein-
eggerherrschaft in Stammheim zum Austrag. Die Angehörigen
derselben mussten aber nach dem Thurgauer Recht behandelt
werden; sie appellierten nach Frauenfeld, da sie dem „ge-
meinen Gerichtsherrenvertrag" unterworfen waren. Die Bussen-
gerichte fanden ebenfalls in Stammheim statt. Konnte sich
der Obervogt nicht entscheiden, so war es gebräuchlich, dass
der Fall vor das ganze Gericht daselbst gebracht wurde;
* Scherersholz ? Vollständiges Verzeichnis, p. 84. * Vgl. p. 84.
Die Stadt Stein.
sprach auch dieses kein Endurteil, so ging die Appellation
nach Zürich. Zürich besass in Nussbaumen das Abzugsrecht.*
5. Pfyn,^ ein Lehen der Dompropstei Konstanz, verwaltet
durch ein Mitglied des Grossen Rates. Dazu gehörte das
Städtchen und das Dorf Pfyn, der untere Hungerbühl und die
Ziegelhütte.
1769 erkaufte Zürich die Herrschaft Zihlschlacht^
U Die Stadt Stein.
Ein kleiner Bezirk auf der thurgauischen Seite an der
Rheinbrücke bei Stein, genannt die Vorbrugg bei Stein, stand
unter dieser Stadt mit den niedern Gerichten. Die Insassen
hatten alle das Bürgerrecht in derselben. Die Landgrafschaft
Thurgau sprach daselbst die hohe Gerichtsbarkeit an; im
Aarauerfrieden von 1712 wurde die Oberherrlichkeit an den
Stand Zürich übergeben ; die katholischen Orte traten zurück,
während sich Bern, Glarus, Freiburg und Solothurn ihre Rechte
hinsichtlich des Malefizes vorbehielten. Zürich übertrug seine
Kompetenzen als ein Erblehen an die Stadt Stein, deren Ma-
gistrat jährlichen Bericht zu erstatten hatte über die in diesem
Bezirke vorgekommenen Malefizfälle.*
Wagenhausen. Das Schloss und die Herrschaft liess Stein
durch eines seiner Ratsglieder verwalten. Das Gericht, das
dem Gerichtsherrenvertrag einverleibt war, begriff in sich:
Wagenhatisen, Steinbach, Reichlingen, Bleuelhausen, Allen-
winden, Speckhof. Die Propstei Wagenhausen gehörte dem
Stande Schaffhausen, der dafür einen evangelischen Pfarrer
unter dem Titel Propst bestellte. Die Lehengüter derselben
waren ehrschätzig; die Kauffertigungen vollzogen sich vor dem
Propste und nicht vor dem Gericht.
g. Das Kloster Rheinau.
Das Kloster Rheinau wollte nicht im Thurgau gelegen sein ;
es anerkannte in den VIII regierenden Orten nur die Schutz-
^ Zürcher Staatsarchiv, A 323, 26. Bericht wegen des Dorfes Nuss-
baumen, H.März 1760. « Vgl. p. 75. » Zürcher Staatsarchiv, A 323, 28.
Über Zihlschlacht vgl. p. 90, 92, 94. * Vgl. E. A. 7.2, p. 565.
100 Das Kloster Rheinau.
Herren einer freien Herrschaft.^ In seinem Gebiete, welches
das Städtchen Rheinau umfasste, erliess es Gebote und Ver-
bote; es besass die Gerichtsbarkeit über Zivil- und Kriminal-
sachen, ausgenommen das Malefiz. Die Eidgenossen dagegen
beanspruchten die obere Landesherrlichkeit und verlangten die
Anerkennung der zum Nutzen der ganzen Landgrafschaft ge-
machten Verordnungen. Alle zwei Jahre nahm der Landvogt
in Rheinau die Huldigung ein; die Vlll Orte besassen daselbst
die Mannschaft; sie übten die Kastvogtei über das Kloster aus.
Von allen fallenden Zivil- und Kriminalbussen gebührte ihnen
ein Drittel; nach altem Herkommen empfing aber der Land-
vogt an dessen Stelle alle zwei Jahre 9^ Mütt Roggen.^ Die
VIII Stände bezahlten alle über das Malefizgericht ergangenen
Unkosten. Als Reichsvogt hatte jeweils der Landammann den
Vorsitz, und die Klage wurde durch den Landweibel geführt;
dieselbe sowie die Verbannung des Blutgerichts geschah im
Namen der regierenden Orte des Thurgaus. Der Landvogt
besass das Begnadigungsrecht ; er konfiszierte zu Händen der
Hohen Stände das Vermögen der Hingerichteten oder der
wegen Malefizverbrechen landesflüchtigen Übeltäter.
Das Kloster Rheinau übte die niedere Gerichtsbarkeit über
die Herrschaft Mammern aus, indem es die Mittelappellation
beanspruchte. An das Gericht gehörte das Dorf Mammern.
Der Statthalter, ein Konventuale, bewohnte das Schloss, während
auf dem ebenfalls im Besitze Rheinaus gelegenen Schlosse
Neuburg ein Bauer wirtschaftete.^
3. Der Gerichtsherrentag.
a. Organisation.
Die Gerichtsherren der Landgrafschaft Thurgau bildeten
einen besondern Stand mit alljährlicher Versammlung (im Mai
oder Brachmonat) im Wirtshaus zur Traube in Weinfelden.
Die Zusammenkunft war durchschnittlich von 30 Personen
^ Hohenbaum v. a. Meer: Gründliche Untersuchung ob Rheinau
in der Landvogtey Thurgau liege: Worinne der Gegensatz durch be-
währte Urkunden und tiberzeugende Proben klar bewiesen wird. Vgl. Erb,
Das Kloster Rheinau, p. 10 f. « Vgl. p. 11. » Y 174, p. 134.
Der Gerichtsherrentag. IjOl
besucht,* da öfters mehrere Herrschaften in einer Hand lagen.
Die Mitglieder des Gerichtsherrenstandes erschienen in eigener
Person oder sandten einen bevollmächtigten Anwalt. Die Be-
amten des Gerichtsherrenstandes waren der Landeshauplmann,
der Landeslieutenant, der Landesfähndrich und der Schreiber,^
der erste musste den regierenden Ständen vorgestellt, von
ihnen bestätigt und beeidigt werden. Die Ämter wurden auf
Lebenszeit abwechselnd an Katholiken und Protestanten ver-
geben. Der Schreiber war kein Gerichtsherr. Die militärischen
Benennungen bedeuteten im achtzehnten Jahrhundert nur so
viel als leere Titel. Als Haupt des Gerichtsherrenstandes
berief aber der Landeshauptmann die Gerichtsherren, indem
er ihnen durch einen besondern Boten das „Umlauf schreiben"
zusandte, worin die Traktanden verzeichnet waren. Er führte
in der Versammlung den Vorsitz. Der Obervogt von Wein-
felaen teilte den Inhalt des Ausschreibens der landfriedlichen
Kommission in Zürich mit, welche ihm und den übrigen von
Zürich abhängenden Gerichtsherren die nötigen Verhaltungs-
massregelij vorschrieb. Ein gleiches geschah durch den Ober-
vogt in der Reichenau und den Hof zu Mörsburg.^ Ehe die
in Weinfelden anwesenden Gerichtsherrn und Bevollmächtigten
zum Plenum zusammentraten, hielten die Angehörigen der
beiden Konfessionen Sonderversammlungen, in denen Religions-
angelegenheiten zur Sprache kamen. Das Plenum zerfiel in
die geistliche und die weltliche Bank. Die erstere umfasste
alle in und ausserhalb der Landgrafschaft gelegenen Stifte und
Klöster; die letztere den Stand Zürich, die Städte und Private,
sie mochten gleich Lehen von den regierenden Ständen, den
Stiften Konstanz und St. Gallen innehaben. Zur Erledigung
dringender Geschäfte im Verlaufe des Jahres und zur Vor-
untersuchung der dem Generalkongress vorzulegenden Trak-
^ Zürcher Staatsarchiv, A 330, Kopie des Gerichtsherrenprotokolis
vom 23. April 1795. Der Traubenwirt wird angewiesen, jedesmal
für 30 Herren die Mahlzeit zuzurichten. * Die letzten Inhaber der be-
treffenden Stellen waren : Landeshauptmann Baron v. Würz ä Rudenz,
Landeslieutenant Franz v. Muralt, Gerichtsherr v. Öttlishausen, Landes-
fähndrich Schulthess, Gerichtsherr v. Wittenwil, Sekretär Joseph Ander-
werth, Oberamtmann in Münsterlingen. Zürcher Staatsarchiv, A 330,
Kopie des Gerichtsherrenprotokolls vom 5. Juni 1794. • Fäsi, Y 44, p. 823.
102 I^er Gerichtsherrentag.
tanden war man im letzten Jahrzehnt des achtzehnten Jahr-
hunderts zur Konstituierung eines Innern Ausschusses ge-
schritten.^ Derselbe wurde alle zwei Jahre erneuert; ersetzte
sich zusammen aus dem Landeshauptmann und je drei Ge-
richtsherren beider Konfessionen ; katholischerseits waren zwei
Vertreter von der geistlichen und einer von der weltlichen
Bank; die Gerichtsherren folgten sich im Innern Ausschuss
nach dem Range.
b. Traktanden.
Die Gerichtsherrenversammlung bezweckte die Wahrung
der allgemeinen Landrechte und Freiheiten sowie ihrer speziellen
gerichtsherrlichen Privilegien. Glaubte sich ein Gerichtsherr
durch den Landvogt, die Quartiere, die hohe katholische Geist-
lichkeit etc. beeinträchtigt, so beschwerte er sich auf dem
Gerichtsherrentag, wo ihm Weisung zur Abhilfe des Miss-
standes erteilt und Unterstützung zugesichert wurde. War
die Sache von besonderer Wichtigkeit, so trat der Gerichts-
herrenstand für ihn ein und verwandte sich eventuell für ihn
beim Syndikate. Bei willkürlichen Neuerungen der Landvögte,
Auferlegung von neuen Lasten, Abänderung der dem Lande
nützlichen Verordnungen etc. bot der Gerichtsherrenstand der
Landschaft seinen Beistand an. Gemeinsam mit ihr bestritt
er die Unkosten, wenn in Kriegszeiten die Hochwachten be-
stellt werden mussten oder Sicherheitsmassregeln bei anstecken-
den Seuchen zu treffen waren. Er leistete auch einen Beitrag
an die Patrouilleauslagen. Ausser den etwa vorfallenden Wahlen
der Beamten und der Bestellung des Innern Ausschusses von
zwei zu zwei Jahren beschäftigte sich die Generalversammlung
mit der besondern gerichtsherrenständischen Rechnung, be-
stimmte die Letzekrone für den abgehenden Landvogt und
machte bekannt, welche zwei Gerichtsherren nach der Ord-
nung den neuen begrüssen sollten u. a. m.
^ Zürcher Staatsarchiv, A330. Beschluss der Konferenz vom I.Juni
1790; vgl. schon früher, E. A. 7. I, p. 735, ein Innerer Ausschuss zur
Abnahme der Rechnung.
Der Gerichtsherrentag. 103
c. Anlagen.
Die Ausgaben des Gerichtsherrenstands wurden durch An-
lagen gedeckt; gewöhnlich genügten zwei- bis dreifache; in
ausserordentlichen Fällen steigerten sie sich bis zu zwanzig-
facher. Sie wurden auf jede Herrschaft nach Proportion der
Gerichtsstäbe und der Güter gelegt, so dass aber die Gottes-
häuser Tänikorij Feldbach, Kalchrain, St. Katharinenthal und
die Karthaus Ittingen von der allgemeinen gerichtsherrlichen
Anlage befreit waren und nur zu den in Kriegs- und Kon-
tagionsfällen, beim Strassenbau und dessen Beaufsichtigung,
sowie hinsichtlich der Bettelordnung aufgelaufenen Unkosten
ihren Beitrag erstatteten.^ Die einfache Anlage betrug 202 fl. ;
sie war folgendermassen verteilt i^
Geistliche Bank: jj j^^ Letze-
Reichenau wegen verschiedenen Herrschaften und
Gerichtsbarkeiten - . . 16. — 4
St. Gallen wegen Wängi, Hagenwil, Roggwil,
Dozwil, Zuben 12. — 4
Das Damkapitel zu Konstanz wegen Liebburg,
Langrickenbach, Egnach 2. — 1
Die Dompropstei daselbst wegen einiger Gerichts-
barkeiten 4. — 1
Einsiedeln wegen Sonnenberg, Gachnang,
Freudenfels, Eschenz 14. — 3
Kreuzungen wegen Sulgen 4. — 1
Fischingen wegen Tannegg, Lommis, Spiegel-
berg, Wildern 9. — 4
iWttr/ wegen Klingenberg, Eppishausen u. Sandegg 6. — 3
St. Urban wegen Herdern und Liebenfels . . 6. — 2
Rheinau wegen Neuburg 3. — 1
Miinsterlingen wegen Landschlacht 6. — 2
Tobel 8.— 1
__ Übertrag 90.— 27
^ Zürcher Staatsarchiv, A 330, Rechnungen des Gerichtsherren-
standes, Rechnung vom 31. März 1796 bis 15. März 1797. ^ Die Herr-
schaften sind nach dem Range angeführt, den sie auf dem Gerichts-
herrentag einnahmen; mich Johann Jakob Diethelm, Thurg. Jurisdiktion,
Bischofszelier Stadtbibiiothek.
104 Rangordnung und Anlagefuss der Gerichtsbarkeiten.
fl kr ^^^'^'
II. Kr. jjron^n
Übertrag 90.— 27
Tänikon (3) — —
Feldbach . . (3) _ _
St Stephan zu Konstanz wegen Andwil ... 2. — 1
St Johann zu Konstanz wegen Lipperswil . . 2. — 1
St. Pelagius zu Bischofszeil wegen St. Pelagii,
Gottshausgericht 4. — 1
Obermarchihal wegen Unter-Kastel und Ober-
girsberg 2. — 2
Zwief alten wegen Untergirsberg 1. — 1
Weltliche Bank:
Zürich wegen Weinfelden und Birwinken . . . 10. — 2
Die Herrschaft Griesenberg^ 2. — 1
Die Stadt Konstanz wegen Eggen, Altnau, Buch,
Reitiamt 8. — 2
Die Herrschaft Emmishofen 2. — 1
Hard und der Rellingische Freisitz .... 2. 30 \\
Salenstein und Hubberg 2. 30 1^
Die Herrschaft Bürgten wegen Buhwil, Hessen-
reuti, Amriswil und St. Galler Spitalgericht . 16. — 4
Die Stadt Stein wegen Wagenhausen und Zu-
behörde 3. — 1
Die Herrschaft Berg 2. — 1
Wellenberg und Hüttlingen 3. — 2
Pfyn 4. - 1
Blidegg 2.— 1
Unter- und Oberneunforn 5. — 2
Altenklingen 6. — 1
Gündelhard^ 2,— 1
Übertrag 177.— 56
^ Griesenberg liatte den Rang nacli Zürich aus Rücksicht auf
Luzern. Zürcher Staatsarchiv, A 323, 26. Abschrift des gerichtsherren-
ständischen Protokolls vom 2. Juni 1760. Nach der Veräusserung der Herr-
schaft durch Luzern wurde sie am Gerichtsherrentag wieder wie vorher
nach der Stadt Stein aufgerufen. Zürcher Staatsarchiv, A 330, Protokoll
vom S.Juni 1794. ' J.J. Diethelm führt weiter an: Liebburgy Anlage 2,
Letzekrone 1, obschon es bereits unter den veranlagten Gerichten des
Domkapitels figuriert. Seine Schlussrechnung stimmt deshalb nicht.
Rangordnung und Anlagefuss der Gerichtsbarkeiten. 105
Letze-
kronen
fl. kr.
Übertrag 177.— 56
Heidelberg 2.
Kefikon 2.
Steinegg 2
ÖtÜishausen
Thurberg
Oberaach 1 . 30
Dettighofen und Sckweickhof 1 . 30
Das Spital Bischofszeil wegen Ghögg ... 1. — ^
Wittenml
Der Freisitz Mammertshofen
Der Freisitz Arenenberg
Der Freisitz Oberboltshausen (Bachtobel) . . .
Der Freisitz Wolfsberg
Hauptwil
Der Freisitz Tägerschen
Hefenhofen und Moos 3. —
Mauren
Der Freisitz Neu-Gättingen
Der Thurm Steckborn
202. — 74
Der Anlagefuss für die von der allgemeinen gerichts-
herrischen Anlage befreiten Klöster war:
Tänikon .... 3 fl.
Feldbach .... 3 fl.
Karthaus Ittingen . 7 fl.
Kalchrain .... 3 fl.
St, Katharinenthal . 8 fl.
Tänikon und Feldbach entrichteten überdies jährlich zu-
handen des Gerichtsherrenstandes je 3 fl.^ Beim Herum-
tragen des Ausschreibens oder „General-Patents" zum Gerichts-
herrentag erhob der Bote von den Gerichtsherren ebenfalls
3 fl.2 zur Deckung der Zehrungskosten; der Vorschuss war für
^ J. J. Dietlieim, Thurg. Jurisdiktion ; vgl. Zürcher Staatsarchiv,
A 330, Rechnung vom 31. März 1796 bis 15. März 1797. « St. Galier Stifts-
archiv, Ruhr. 141, Fase. Ic; vgl. auch Zürcher Staatsarchiv, A 330, die
öfters zitierte Rechnung.
106 Rangordnung und Anlagefuss der Gerichtsbarkeiten.
die gerichtsherrische Kasse bestimmt.* Das Stift St. Gallen
übernahm die Anlage der Herrschaften Roggwil, Hagenwil,
Hefenhofen-Moos, Blidegg, Zihlschlacht und Hauptwil in
Kriegs- und Kontagionssachen auf die beiden Herrschaften
Zuben und Dozwil; dieselben wurden deshalb zusammen zu
17 fl. 30 kr. veranlagt; nicht inbegriffen war Wängi, das seine
Anlage zu 3 fl. weiter bezahlte. Blidegg, Zihlschlacht und
Hauptwil entrichteten ihre Anlage zu 1 fl., halb Hefenhofen-
Moos zu 1 fl. 30 kr. an das Stift. Alle Herrschaften blieben
dem Gerichtsherrenstand einverleibt; in Zivil-, Prozess-, Letze-
kronen- und andern allgemeinen gerichtsherrischen Angelegen-
heiten steuerten sie gleich den übrigen mit; sie behielten Sitz
und Stimme bei, auch wenn Kriegs- und Kontagionssachen
behandelt wurden.^
4. Die Landschaft.
A. Die Quartiere.
a. Die Quartierhauptleute.
Die Einwohner der Landgrafschaft Thurgau waren seit
1619 in militärischer Hinsicht in acht Quartiere eingeteilt:
/. Weinfelden \ 5. Fischingen
2. Bürgten j 6. Emmishofen
3. Warth ! 7. Tänikon
4. Giittingen \ 8. Ermatingen^
An der Spitze eines jeden stand ein Hauptmann, den
der Landvogt ernannte. Das Mitglied des zürcherischen Rats,
^ Vgl. Zürcher Staatsarchiv, A 330, Kopie des Protokolls vom
23. April. Dem Traubenwirt wird ein Zuschlag von 5 Louisdor bewilligt;
zu einer Erhöhung des gewohnten Preises von 3 11. könne man sich nicht
verstehen. * Gütlicher Verglich zw. St. Gallen und dem Gerichtsherren-
stand in dem Thurgew wegen Kriegs- und Contagions-Anlagen deren
Herrschaften, in welchen St. Gallen das ius Militis et Sequaelae besizet.
St. Galler Stiftsarchiv, Alte Landschaft, Pars III, Bd. 6, p. 241 f., 29. Mai
1752. * Protokoll des Weinfelder Ausschusses 1798, Kantonsarchiv 83;
Zürcher Staatsarchiv, A 323, 35, Bericht vom 15. Mai 1792. Doch wird
Steckborn von Ermatingen gesondert und als ein spezielles Quartier
angeführt, wodurch die Zahl der Quartiere auf neun steigt.
Die Quartiere. 107
das in Weinfelden als Obervogt regierte, war zugleich Quartier-
hauptmann des Weinfelder Quartiers und „ausschreibender"
Quartierhauptmann der Landgrafschaft, d. h. er lud die übrigen
Quartierhauptleute zu Versammlungen in Quartier- und Landes-
angelegenheiten ein, die deshalb regelmässig in Weinfelden
stattfanden. Er leistete dem Landvogt zu Händen der VIII Orte
den Eid der Treue und erstattete dem Oberamt dabei eine
Abgabe.^
Die ursprünglich rein militärische Einrichtung hatte im
Laufe der Zeit auch einen politischen Charakter angenommen.
Die Quartierhauptleute betrachteten sich als eine Art Vertreter
der Landgrafschaft; sie leisteten und formulierten auf ihren
Kongressen Beschwerden gegen Gerichtsherren und Landvögte
und beriefen Quartierversammlungen ein. 1750 wurde indes
beschlossen, dass die Quartierhauptleute ohne Bewüligung des
Landvogts keine Quartierversammlung einberufen und über-
haupt keine Civilia behandeln sollten.^
Vier der Quartierhauptleute waren evangelisch und vier
katholisch. Zu der jährlichen Generalversammlung in Wein-
felden sowie zu den Sonderkongressen der Quartiere zogen
die Hauptleute Ausschüsse bei.^
b. Die Quartierversammlungen.
Der Zweck der Quartierversammlungen war ursprünglich
ein militärischer; Massregeln für die Sicherung des Landes,
Bestellung der Hochwachten, die Repartition der dadurch ver-
ursachten Anlagen waren die Ausgangspunkte gewesen; all-
mählich traten die Erhaltung der Landesfreiheiten, die Hand-
habung der dem Lande nützlichen Gesetze und Verordnungen
in den Vordergrund. Wurde dem Lande ein Nachteil zugefügt,
so erstatteten die Quartierhauptleute dem Landvogt in einem
Memoriale Bericht; eventuell wandten sie sich an das Syndikat
oder die Orte. '
Wenn ein einzelner Untertan vom Landvogte gegen die
Landesrechte bedrängt wurde, hatte er sich mit seiner Klage
zunächst an den Gerichtsherrn oder, wenn derselbe nicht im
^ Vgl. p. 12. * E. A. 7. 2, p. 558 f. » Vgl. E. A. 7. 2, p. 560.
108 Die Quartiere.
Lande wohnte, an dessen Amtsleute zu wenden. Von diesen
wurden nach Befinden der Quartierhauptmann und seine Be-
amte zur Untersuchung der Beschwerde zugezogen. War die
Sache von Wichtigkeit, so begaben sich Gerichtsherr und
Quartierhauptmann zum Landvogt, um im Namen des Ge-
richtsherrenstandes und des Landes die Abstellung des Miss-
brauchs zu verlangen. Wurde auch jetzt noch keine Abhilfe
geschaffen, so kam der Prozess infolge eines Beschlusses der
versammelten Gerichtsherren und der Quartierhauptleute oder
dazu verordneter Landesausschüsse vor das Syndikat oder die
Stände. Die Kosten des Rechtsganges bis vor den Landvogt
trug das Quartier, in dem der Kläger angesessen war; die
weitern Auslagen nahmen das Land und die Gerichtsherren
auf sich. Ein Gerichtsherr erholte sich im gleichen Falle zu-
nächst den Rat des Landeshauptmanns, dem, wenn nötig, die
Gerichtsherren und das Land beistanden. Der Prozessgang
bis nach Frauenfeld wurde vom Gerichtsherrenstand allein,
von da an das Syndikat in Gemeinschaft mit dem Lande be-
zahlt. Wenn ein Gerichtsherr gegenüber seinen Untertanen
wider die Öffnung und alten Gebräuche handelte, ersuchte
ihn der Quartierhauptmann, davon abzustehen ; fruchtete dies
nichts, so wandte sich derselbe sowie der Kläger selbst an
die Versammlung der Gerichtsherren und von da an die höhern
Orte, alles auf Kosten des Quartiers und der Landschaft.^
Dieses Verfahren hatte aber seine Nachteile, indem gewisse
Beschwerden mit Unrecht zu allgemeinen Landesangelegen-
heiten gemacht wurden. Verboten z. B. benachbarte Staaten
die Ausfuhr von Lebensmitteln, so erlitten oft nur ein oder
zwei an den Grenzen liegende Quartiere Schaden; dennoch
verteilten sie die Prozesskosten auch auf die übrigen, woraus
wiederum häufig langwierige Streitigkeiten entsprangen. Auch
kam es vor, dass ein Gesetz, z. B. ein Artikel des Erbrechts
ein Quartier oder nur einzehie einflussreiche Personen benach-
teiligte, von ihnen aber als Landesbeschwerde dargestellt
und durch die Quartierversammlungen und Landesausschüsse
* St. Gailer Stiftsarchiv, Ruhr. 141, Fase. 1 c, Vergleich zwüschent
den gemeinen geistl. u. weltl. Gerichtsherren und ganzen landschaft
Thurgauw 1654, 13. Juli, bestätigt 11. Juni 1668.
Anlagen. 109
vor das Syndikat zur Abänderung oder Erläuterung gebracht
wurde.*
Die Quartierversammlungen beratschlagten die Massregeln
bei Seuchen; sie sorgten für Abtreibung der Bettler durch
16 Marschiere, je zwei in jedem Quartier.^
c. Anlagen.
Die Anlagen geschahen auf das Vermögen, zumeist aber
auf die Güter, so dass aber auch derjenige, der kein Grund-
eigentum besass, das Seinige beitragen musste. Auch die
Kopfsteuer wird erwähnt.^ An je 100 fl. Landesanlage zahlte
das Quartier Bürglen 16 fl., Weinfelden 14 fl. und die übrigen
sechs Quartiere jedes 11 fl. 10 Batzen.^ Der Gerichtsherren-
stand ersetzte der Landschaft den vierten Teil der Kriegs-
anlagen und Unkosten mit Ausnahme der Besoldung des ge-
meinen Mannes,^ wenn nicht Auxiliartruppen ins Land geschickt
wurden, oder die eigenen ausser dasselbe ziehen mussten.®
In letzterm Falle erstatteten sie einen Drittel.' Einen Viertel
der Unkosten bezahlten sie auch an die Sanitätsanstalten, wenn
ansteckende Krankheiten unter den Menschen oder dem Vieh
ausbrachen. An die Besoldung der Marschiere lieferten sie
einen Beitrag von 500 fl.® Die Quartierhauptleute hatten eine
spezifizierte Rechnung über alle Ausgaben einem Ausschuss
^ Fäsi, Y 44, p. 870. * Vgl. E. A. 7. 2, p. 593. Auf das Ansuchen
der acht Quartiere werden auf die Probe zur Verminderung der Kosten
von den 16 Marschieren abwechsiungsweise acht zum Durchstreifen des
Landes verwendet, 1772. Fäsi, Y 44, p. 872; die Besoldung der Wächter
steigt jährlich auf 2900 fl. » Fäsi, Y 44, p. 873, 874. * Thurg. Landbuch.
Fol. 10. * Vgl. E.A. 7.2, p. 663. « Zürcher Staatsarchiv, A 330. Anläss-
lich der Grenzbesetzung beklagte sich 1796 die Landschaft, dass sie
auf diese Art zu sehr beschwert sei. Die geistlichen Gerichtsherren
und exemten Gotteshäuser verstanden sich zu einem „don gratuit", in-
dem sie sich anerboten, den vierten Teil der darüber aufgelaufenen
Kosten „gütlich und ohne Konsequenz" zu bezahlen. Der gesamte
Gerichtsherrenstand, die geistliche sowie die weltliche Bank, verhiessen
überdies die Bezahlung des vierten Teils aller wirklichen Grenz-
bewachungskosten mit Einschluss der Besoldung des gemeinen Mannes,
mit Vorbehalt spezifizierter Rechnung und ohne Konsequenz, ibid., Kopie
des Protokolls vom 28. September 1796. ' Fäsi, Y 45, 3. Buch, p. 139, 140.
8 Fäsi, Y 44, p. 872.
1 1 Thurgauische Kriegsordnung.
des Quartiers vorzulegen; waren die Gerichtsherren an den
Auslagen beteiligt, so wurden sie zugezogen ; sie unterschrieben
die Rechnung, die noch der Genehmigung des Landvogts be-
durfte. Wenn ein oder mehrere Quartiere die Teilnahme an
einem Prozess verweigerten, sollten sie hinsichtlich der Kosten
nicht belangt werden können.*
d. Die Kriegsordnung.
Die Quartiere bildeten die Grundlage für die thurgauische
Militärorganisation, indem die Miliz im Falle der Not auf acht
Lauf platzen in denselben versammelt wurde.^ Im Jahre 1750
betrug die Anzahl der Mannschaft aus denjenigen Orten, wo
den Eidgenossen das Mannschaftsrecht zustand, 15224; 1775
waren 12354 dienstfähig, 1527 untauglich, total 13881.' Die
Quartierhauptleute ernannten die Hauptleute, diese wieder die
Unteroffiziere (Lieutenants und Fähndriche), jedoch in dem
Sinne, dass die Erwählten dem Landvogte vorzustellen waren.*
Das eidgenössische Defensionale bestimmte den Beitrag des
Thurgaus zum allgemeinen Wehrwesen auf 1800 Mann in je
drei Auszügen von 600 Mann. Jeder Auszug zerfiel in drei
Kompagnien zu 200 Mann.* Aus der jungen Mannschaft der
Quartiere bildeten sich die sogenannten Freikompagnien, die
allem Anscheine nach den dreifachen Auszug in Kriegszeiten
ausmachten. Die Kontingente zu denselben verteilten sich
folgendermassen auf die Quartiere:
Weinfelden . . . 285 Mann mit Einschluss der Offiziere
Bürgten .... 310 - -
Warth 197 - -
Güttingen . . . 220 - - - . -
Übertrag 1012
* E.A. 7.2, p. 559. • Das Reglement von 1619 nannte als solche
Frauenfeld, Weinfelden, Pfyn, Lommis, Uttwil, Emmishofen, Ermatingen,
Amriswil und gab dadurch Anlass zur Bildung der Quartiere (Y 160).
Die Verschiebung in der Quartiereinteilung (vgl. p. 105) wird auch eine
Veränderung der Laufplätze zur Folge gehabt haben. • Thurg. Beiträge,
Heft 27, p. 56. E.A. 7.2, p. 539. Thurg. Landbuch, Fol. 159. Thrg. Bei-
träge, Heft 7, p. 84, fügt bei : 7147 Schiessgewehre, 2692 Bajonette, 2889
Patronentaschen. * E. A. 7. 2, p. 662. » E. A. 6. 1, p. 1676.
Wehrwesen. 111
Übertrag 1012
Fischingen ... 197 Mann mit Einschluss der Offiziere
Emmishofen ... 197 - -
Tänikon .... 197 - -
Ermatingen ... 197 - - - - -
1800^
Die Eidgenossen begnügten sich damit, die Bewaffnung
und das Einexerzieren der Ausschüsse zu verlangen; das
Landvolk sollte im übrigen mit Anschaffung von Armaturen
nicht zu sehr beschwert werden.* Die Folge war, dass ihm alle
militärische Organisation und Disziplin fremd blieb ;^ selbst die
Freikompagnien waren schlecht bewaffnet und noch schlechter
einexerziert und diszipliniert, da sie sich in Friedenszeiten nur
alle zwei Jahre zur Landvogtshuldigung versammelten und ein
paar mal in den Waffen übten. Die Landgrafschaft besass
weder Zeughäuser noch Geschütz.^ Bei drohender Kriegs-
gefahr wurden an Grenzen und Pässen Wachen aufgestellt,
auf den Plätzen der Hochwachten sogenannte Salvegardesäulen ^
errichtet. An denselben hingen an Ketten Kessel, die Harz
oder Pech enthielten. Um die Losung zu geben, wurde diese
Masse angezündet und drei Schüsse abgefeuert. Zugleich lief
einer von der Wache zur nächsten Kirche und sorgte dafür,
dass gestürmt wurde. Das Läuten der grossen Glocken war
in unruhigen Zeiten eingestellt und fand nur zum Zeichen des
Sturmes statt. Derselbe wurde aber nicht geläutet, sondern
es wurde ein „Hälsling an den Kall" gelegt und damit Sturm
geschlagen. In jedem Quartier mussten sich Boten zu Pferd
und zu Fuss bereit halten.®
* Protokoll des Weinfelder Ausschusses 1798, Fol. 3. Thurg. Bei-
träge, Heft 7, p. 86, ist irrtümlich das Kontingent von Güttingen auf
197 Mann angegeben, wodurch die Zahl 1768 herauskommt. • Vgl. E. A.
7. 2, p. 663 und 539. * Zürcher Staatsarchiv, A 323, 36. Bericht des
Landvogteiamts vom 2. September 17%. * Strickler, Akten zur Helvetik
III, Nr. 3120. Die Stadt Frauenfeld besass 1798 ein kleines Zeughaus
mit vier Geschützen von 1— 4 gf und zirka 50 Flinten; es wurde durch
zwei Mitglieder des Rats verwaltet, ibid. » Vgl. E. A.8, p.339. • „Weisses
Buch", Y 160, p. 427, 444; Mandatenbücher des Landvogteiamts, T. 22,
Bd. II, Nr. 78, Mandat vom 12. Oktober 1743.
112 Die Gemeinden.
B. Gemeindeorganisation.
a. Kompetenzen der Gemeinden.
Die Gerichtsherrschaften waren schuld an der schwachen
Entwicklung der Gemeinden im Thurgau. Dieselben konnten
neben den sie oft durchkreuzenden Gerichten nicht recht auf-
kommen ; die letztern blieben für das öffentliche Wesen, auch
die Verwaltung, die wichtigste Organisation;^ doch waren
Steuer und Kriegsdienst gewöhnlich gemeindeweise organi-
siert* Die Gegenstände, in welchen die Gemeinden das so-
genannte Einungsrecht besassen, waren eng umschrieben. Sie
erliessen Vorschriften im Interesse der Gemeinschaft in Wunn
und Weide, Feld und Holz, über das Strassenwesen, die Feuer-
polizei u. ä. Die den Übertretern von ihnen auferlegte Busse
durfte einen geringen Betrag nicht überschreiten.^ Die Ge-
richtsherren verlangten, dass die Gemeindeangehörigen ohne
ihre Bewilligung und Angabe der Traktanden keine Gemeinde
^ Friedr. Wyss, Die scliweizerischen Landgemeinden. Zeitschrift
für schweizerisches Recht 1.2, p. 12. * ibid., p. 9. * Öffnung des Gerichts
zu Herrenhof, 9. Mart. 1701. „Item was die Nachpauren im Gericht zu
Herenhof ufsetzen, von Baufatten, zu Holz und feid, wer das über-
fahrt, der ist verfallen 3 Schilling pfenning, die sollen der Gemeinde
zugehören; dieselben sye auch ohne nach lauf (?) einziehen sollen,
welcher aber die 3 Schilling nit geben wolte, denselben mag man hocher
pott anlegen, und wie hoch dass selbige buessen geschehen, seynd eines
gn. H. von St. Gallen. Item wann einer dem andern mit seinem Vieh
schaden Thuet, so ist die buss von jedem haubt 3 Schilling pfenning;
diese 3 Schilling pfenning sollen einer Gemeind zu Herenhof zu-
gehören und soll der, der einen schaden Thuet mit seinem Vieh, denen-
selben den schaden abtragen nach Erkanntnis eines Ammanns und
zweyen richtern, mit Vorbehalt wan das Verbott hocher als 3 Schilling
pfenning seyn softe, diesere buess der Gnäd. Herrschaft zugehören, und
dann falls die Nachbarschaft hocher als die gewohnte 6 kr. strafte, so
mag dero Exempel die Herenhofer Gemeindt nachfolgen und brauchen.**
St. Galler Stiftsarchiv, Ruhr. 65, Fase. 1. Gemeindebrief von Lippolds-
wilen 1698: „solle eine Gemeindt zwar befugt seyn, die Güterschaden
abzustrafen, wie viel aber die straf sich über einen \ fl. belangen wurde,
so viel solle einem jeweiligen Landvogt gehören und zudienen.** Zürcher
Staatsarchiv, A 323, 23. Vgl. E. A. 7. 2, p. 638, wo sieben Gemeinden eine
Strafkompetenz von 10 Batzen hinsichtlich der im Schometwald be-
gangenen Holzfrevel zugestanden wird. K. Straub, Rechtsgeschichte der
evangelischen Kirchgemeinden der Landschaft Thurgau, p. 32, 33.
Gemeindeorganisation. 1 1 3
halten sollten; wenn sie aber ohne hinlängliche Ursache den
Konsens versagten, konnte der Landvogt nach vorhergehender
Einvernahme derselben die Gemeindeversammlung erlauben.^
Die Stände behielten sich überhaupt die Aufsicht über die
Gemeinde vor. Kein Gerichtsherr durfte einen Gemeindebrief
besiegeln, bevor das Oberamt untersucht hatte, ob dadurch
den hoheitlichen Rechten kein Abbruch geschehe oder den
Gemeinden mehr Rechte als bis anhin eingeräumt wurden,
damit die Jahrrechnung, bevor sie die Ratifikation erteilte, über
alles hinlängliche Auskunft erhielt.^ Eximiert von einem Ge-
meindeverband waren die hoheitlichen Waldungen und herr-
schaftlichen Wohnsitze mit dem unmittelbar dazu gehörigen
Wirtschaftsland, für deren Inhaber die Zugehörigkeit zu der
Gemeinde mit Bezug auf Polizei, Steuer und Dienst nicht
anwendbar war.* Oft fanden sich mehrere kleinere Gemeinden
mit besonderem Gute zugleich wieder als Teile einer grossen
Gemeinde vereinigt, welche dann von den verschiedenen Seiten
des Gemeindelebens einzelne ganz oder teilweise in sich kon-
zentrierten. Dieses Verhältnis hatte sich häufig als Resultat
alter Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Gericht bei ge-
teiltem Almendland gebildet; anderseits konnten Angehörige
verschiedener Gerichte gemeinsamen Weidgang haben.* Es
gab aber auch Häuser, Höfe und kleine Dörfer, die zu keiner
Gemeinde gehörten, sondern für sich allein ohne eine aus-
gebildete Gemeindeorganisation waren.*
* E. A. 7. 1, p. 780. « E. A. 8, p. 333. » Wyss, Zeitschr. f. Schweiz.
Recht 1.2, p. 10. * Vgl. E. A. 7. 2, p. 692, 693. * ibid.; Zürcher Staats-
archiv, A 330, Kopie des Gerichtsherrenprotokolls vom 29. April 1793.
Hillebrand, Pfleger des KoUegiatsstiltes St. Stephan in Konstanz, führt
als ein solches Dörllein an Schönenbohl, das nicht zur Gemeinde
Happerswil gehörte. Vgl. G. Amstein, Geschichte von Wigoltingen, p. 266 :
„Bonau hatte noch kein Gemeinderecht. 1763 beklagte sich Junker Zolli-
kofer, dass seine Güter und Häuser zu Oberkastei durch Tägerwilen
in dessen Gemeindebezirk eingeschlossen werden wollen." Zürcher
Staatsarchiv, A 323, 27. Desgleichen A 330, Kopie des Gerichtsherren-
protokolls vom 26. Juni 1788. „Junker Obervogt v. Zollikofer stellt ein
schriftliches Ansuchen in seiner Verlegenheit wegen Annahme der
Hintersassen auf die einseitigen (?) auswärtigen Höfe und Häuser, welche
nicht zu denen Gemeinden gehören. Es wird ihm die gerichtsherrliche
Assistenz zugesichert.**
Hasenfratz, Die Landgrafschaft Thurgau vor 1798. 8
1 1 4 Gemeindebeamte.
b. Beamte.
Zufolge des Rechts der Gemeinden, gewisse Ordnungen
selbst richterlich zu handhaben und ihres Einflusses auf die
Besetzung der Gerichtsstellen, erhielten einzelne richterliche
Beamte einen Doppelcharakter als Organe des Gerichtsherrn
und der Gemeinde, wie der Ammann und der Weibel} Sie
stellten die Verbindung der Gemeinde mit der Herrschaft dar.
Neben ihnen standen reine Gemeindebeamte; sie führten die
Namen Einunger, Sechser, Zwölfer,^ Vierer, Baumeister,^ Bürger-
meister, Dorfmeyer etc.;* in ihren Händen lag die Leitung der
Gemeindeangelegenheiten. Die unteren Gemeindestellen waren
diejenigen des Brunnenmeisters, Viehhirten, Nachtwächters,
Feldmausers, Försters, der Hebamme u. a. Einige Ämter waren
nur temporär. Das sogenannte Kelleramt in Müllheim war
suspendiert, wenn kein Wein wuchs, und wurde schliesslich
ganz aufgehoben, da der Wert des der Gemeinde zukommenden
Weins in barem Gelde erstattet wurde; das Thurmeisteramt
daselbst war jeweils nicht von längerer Dauer, als Wuhren
zu machen oder zu reparieren waren. ^ Die Verwaltung des
beweglichen Gemeindeguts war an einigen Orten einem be-
sondern Seckelmeister oder Pfleger übertragen. Weinfelden
besass einen Gemeinderat von 24 Mitgliedern mit Vierern an der
Spitze; Gerichtsammann und Weibel hatten darin ihren Sitz.®
c. Das Bürgerrecht.
Zum Bürgerrecht gehörte der Anteil am Bürgernutzen,
sowie das Recht und die Pflicht, an den Gerichts- oder Ge-
meindeversammlungen teilzunehmen. Der Nutzen bestand vor-
züglich in der Weidgerechtigkeit. Da die Dreifelderwirtschaft
im achtzehnten Jahrhundert noch fast ohne Ausnahme durch-
geführt wurde, so standen die Brachzeigen, auch die andern
Zeigen nach der Ernte und selbst das Wiesland nach ein- oder
* Straub, p. 33. ' Einrichtung des Landfriedens, Y 179, Roggwil,
Romanshorn. * Nater, Geschichte von Aadorf, p. 389. * Vgl. Pupikoler,
Geschichte des Thurgaus II, p. 780, 2. Ausgabe, 1889. * Memorial vom
26. Juli 1753. Zürcher Staatsarchiv, A 323, 24. • Vgl. Pupikofer II, 2. Auf-
lage, p. 781.
Bürgernutzen. 1 1 5
zweimaliger Einsammlung des Heus der ganzen Gemeinde zur
Benutzung offen. ^ Ausserhalb des Kulturlandes aber, das mit
einem Zaun, „Etter", umzogen war, wovon das eingeschlossene
Gebiet des Dorfes, der Äcker und Wiesen, den Namen Dorf-
etter empfing, lag das Gemeinland, die „Gemeinmarch." Sie
zerfiel in die Almend, das Weidland im eigentlichen engern
Sinne, worauf die Dorfbewohner „Wunn und Weid"^" hatten,
und die Waldung.^ Jeder Bürger erhielt jährlich einen so-
genannten Holzhau; auch zum Bauen wurde ihm gegen eine
gewisse Entschädigung das Holz verabfolgt.^ In untergeordneter
Weise wurde der Wald zur Weide gebraucht. Beim Verkauf
oder der Vergantung eines im Dorfetter gelegenen Grund-
stückes hatten vorerst die Blutsverwandten bis in den dritten
Grad das Recht, dasselbe an sich zu ziehen, sofern sie in der
Gemeinde ansässig waren. Wohnten sie auswärts, so übte der
Gerichtsherr und nach ihm die Gemeindgenossen das Zugrecht
vor den Blutsverwandten aus.* Wo sich ein Gemeindekapital
ansammelte, Fonds für Armenunterstützung und Schulen ge-
stiftet wurden, wuchs die Bedeutung des Bürgerrechts. Die
Aufnahme neuer Bürger wurde beschränkt und an den Aus-
weis eines gewissen Vermögens geknüpft; auch musste sich
der neue Gemeindsgenosse in allfällig bestehende Fondationen
einkaufen^ und die Taxe für die Bürgerrechtsbewilligung be-
zahlen. Wenn ein Bürger sich mit einer ausserhalb der Ge-
meinde wohnenden Tochter verheiraten wollte, musste er dem
Gerichtsherrn einen Schein vorweisen, dass seine Braut von
* Vgl. Nater, Geschichte von Aadorf, p. 389. * Wyss, Zeitschr. f.
Schweiz. Recht I, Heft 1, p. 26, 27, 34. * Nater, Geschichte von Aadorf,
p. 410: „Für das von der Gemeinde verabfolgte Bauholz musste ein
Bürger, sofern er ein Haus errichten wollte, 10 fl. und einen Eimer Wein
der Gemeinde sowie jedem Mitbürger 1 ff Brot überreichen. Wer nur
eine «Stube» baute, hatte 12 Batzen zu bezahlen." * Thurg. Landbuch,
Fol. 211; vgl. E. A. 7. 1, p. 785 und E. A. 8, p. 345. Einzelne Herrschaften
hoben gegenseitig diese Beschränkung des „Blutzugs" auf. St. Galler
Stiftsarchiv, Rubr. 13, 33b: „anmit wird bescheinet, Dass auf beschehenes
Nachforschen sich gezeiget, dass bisshero die Ununterbrochene Übung
gewesen, dass der Blutzug denen hochfürstl. St. Gall. MalefizAngehörigen
gegen Allhiessige HerrschaftsAngehörige, um in hiessiger Gerichtsbar-
keit belegene Grundstücke, gestattet werden solle. Schloss Bürglen,
d. 14. Dez. 1793." ' Vgl. G. Amstein, Geschichte von Wigoltingen, p.266.
•FTHE ^
UNIVERSITY
^Cai . .1*.
1 1 6 Bürgerrecht.
ehelichem Herkommen sei. Sie sollte überdies eine bestimmte
Summe Geldes, meist 100 fl., zum Einzug mitbringen, samt
einer „Brautfahrt", und der Gemeinde einen gewissen Betrag,
z. B. 5 oder 10 fl., erlegen.^
Der Wegzug eines Bürgers aus der Gemeinde hob den
Gemeindeverband nicht auf, so lange er an die jährlichen
Anlagen beisteuerte. 1789 hatte das Gotteshaus Feldbach
31 Bürger, von denen nur 8 in seinen Gerichten haushäblich
niedergelassen waren; die andern wohnten unter verschiedenen
andern Gerichtsherren, einer im deutschen Reiche. Diese
Bürger hatten zusammen ein Gemeindekapital ; sie hielten alle
drei Jahre Versammlung und Gericht, wobei die auswärtigen
Bürger ihr Bürgerrecht durch Abgabe eines bestimmten Bürger-
batzens erneuerten. Feldbach ermahnte sogar die auswärts
Angesessenen, zum Strassenbau mit dem Handwerksgeschirr
zu erscheinen.^ Der Bürgerbrief für die Gemeinde Hagenwil
und Räuchlisberg vom 11. Januar 1786 verfügte, dass die Aus-
burger, wie an mehreren Orten im Lande üblich, ihr Bürger-
recht jährlich mit 4 kr. unterhalten sollten ; sofern aber einer
dies sechs Jahre hinter einander unterliess, bezahlte er zur
Erneuerung des Rechtes 25 fl., halb zuhanden der Herrschaft
und halb zu derjenigen der Gemeinde, wobei aber den Un-
* Vgl. E. A. 8, p. 385 und 86. In Weinfelden wurde 1773 aus den
„Weibergeldern** ein Fonds gegründet. Jeder Bürger, der ein »fremdes**
Weib ehelichte, hatte 10 fl. zu bezahlen. Von 1773 bis 1791 kamen 180
fremde Weiber ins Dorf. In der 1795 abgelegten Rechnung figuriert ein
Weiberfonds von 2322 fl. 35 kr. 1796 wurden daraus llOOfl. in bar zur
Bezahlung des ausgelösten Fallrechts genommen. Archiv der Bürger-
gemeinde Weinfelden. Vgl. Nater, Geschichte von Aadorf, p. 409. In
Elgg wurde ein Vermögen von 150 fl. ausser dem Brautfuder verlangt
(1696). In Bischofszell mussten die fremden Weiber ein eigenes Ver-
mögen von 225 fl. besitzen und vor der Verkündigung der Hochzeit
davon 25 fl. an das Spitalamt bezahlen (1741). Bischofszeller Stadt-
bibliothek, Memorabilia Episcopicellanea, von J. Casp. Diethelm, p. 576.
* Zürcher Staatsarchiv, A 330, Kopie des Gerichtsherrenprotokolls vom
11. Mai 1789. Herdern und Klingenberg protestierten dabei, dass ein
fremder Weibel in ihre Gerichte komme. Feldbach solle die Gerichts-
herren um die Stellung der Bürger ansuchen und sie nur zur Jahres-
gemeinde durch einen Vorgesetzten, nicht aber durch den Weibel einzu-
laden befugt sein.
Ausburger. 1 1 7
bemittelten ein mildreiches Verfahren zugesichert wurde. Zur
Vermeidung von Anständen war jeder Ausburger bei seiner
Verheiratung gehalten, sich beim Ammann zu melden, der
ihn gegen 15 kr. Gebühr, die der Gemeinde zufiel, ins Bürger-
buch verzeichnete und ihm auf seinen Wunsch gegen weitere
15 kr. eine Bescheinigung darüber ausfertigte.^ In der Ge-
meinde Sitterdorf galt die Bestimmung, dass die abwesenden
Bürger ihr Bürgerrecht zur Zeit der flochzeit erneuerten, so
lange sie an die jährlichen Anlagen beitrugen; andernfalls
hatten sie sich durch den Ammann von 10 zu 10 Jahren gegen
Entrichtung von 15 kr. einschreiben zu lassen. Diejenigen,
die dies versäumten, wurden an einem Gerichtstage einberufen
und mit einer Busse belegt, in die sich Obrigkeit und Gericht
teilten.^ Die Ausburger der Gemeinde Wuppenau waren durch
Amtsleute und Vorgesetzte am 29. Januar 1725 samt einem
Ausschuss der Gemeinde auf die Pfalz nach Wil zitiert worden.
Dort hatten sie ihr Bürgerrecht nachzuweisen und wurden
gegen 12 Batzen Einschreibegebühr verzeichnet; diese Gebühr
kam halb der Obrigkeit und halb der Gemeinde zu. Jeder
Bürger, der von da an die Gemeinde verüess, musste sich
gegen 15 kr. Taxe ins Gemeindebuch einschreiben lassen.
Alle neun Jahre erneuerten die Ausburger ihr Bürgerrecht mit
1 fl. 7 Batzen 6 Pfenning; diese Summe wurde unter die
Obrigkeit und die Gemeinde verteilt.^
Neben der Klasse der Vollbürger befand sich diejenige
der Ansassen, Hintersassen. Es wurde ihnen auf Lebenszeit
die Niederlassung in der Gemeinde gewährt und nach ihnen
den Witwen ; die Söhne aber, die eignen Rauch führten, mussten
sich wieder darum bewerben.* In Sitterdorf bezahlten sie für
den Einzug 30 fl., wovon die Hälfte der Obrigkeit zufiel.
* St. Galler Stiltsarchiv, Ruhr. 13, Fase. 33 b. * Sitterdorf er Einzugs-
brief vom 2. September 1789. St. Galler Stiftsarchiv, Rubr. 69, Fase. 1.
« St. Galler Stiftsarchiv, Rubr. 46, Extractus protoeollis d. 11. Xb. 1724.
Vgl. auch Rickenbacher Einzug und Dorfrecht: „die Ausburger sollen
bei Verlust des Bürgerrechts die Steuer und Anlagen zahlen, auch wenn
sie sich verheiraten ausser der Gemeinde sieh beim Vorgesetzten melden
und das Bürgerrecht erneuern." St. Galler Stiftsarchiv, Rubr. 64, Fase. 1.
* Einzugs- und Burgerordnung für die Gemeinde zu Sitterdorf, 1789.
St. Galler Stiftsarchiv, Rubr. 69, Fase. 1.
118 Hintersassen.
Zudem hatten sie einen ledernen, guten Feuerkübel zu geben
oder den Wert eines solchen in Geld zu erstatten, je nach
dem Bedürfnis der Gemeinde. War aber der Einzügling aus
einer Gemeinde, die ein höheres Einzugsgeld forderte, so
wurde das Gegenrecht geübt; desgleichen wenn dort bei Auf-
nahme eines Hintersassen ein Trunk üblich war, löste ihn in
Sitterdorf der Einzügling mit Geld; alles zu gleichen Teilen
zuhanden der Obrigkeit und der Gemeinde. Das jährliche
Hintersassengeld betrug 1 fl.^ Die Gemeinde Hagenwil-Räuchlis-
berg forderte einen Einzug von 50 fl.; der neu aufgenommene
Hintersass bezahlte jedem Bürger eine Mass Wein, um 2 kr.
Brot und eine Wurst als üblichen „Gemeindetrunk."" Er ent-
richtete alljährlich 2 fl. Satzgeld, 1 fl. an den Gerichtsherrn
und den andern an die Gemeinde. Für jedes Pferd, das er
auf die allgemeine Weide sandte, bezahlte er der Gemeinde
jährlich 50 kr., für ein Stück Hornvieh 16 kr.^ In dem Gericht
Roggwil erstatteten die Hintersassen, gleichviel, ob sie Haus-
leute, Lehenleute oder Eigentümer waren, der Gemeinde wie
dem Gerichtsherrn jährlich 1 Pfund Pfenning. Die Eigentümer
erlegten zum Einzug 50 fl., die unter Obrigkeit und Gericht
geteilt wurden; die Haus- und Lehenleute aber verzinsten beiden
jährlich 50 fl. Bei Saumseligkeit in der Entrichtung trat der
gerichtsherrliche Schuldenbetrieb ein.^ Der Aarauer Friede von
1712 untersagte den Gerichtsherrn, Bürger oder Hintersassen
ohne Zustimmung der Majorität der Gemeindegenossen an-
zunehmen.* In Sitterdorf musste der Bewerber das Gottes-
hausmannsrecht besitzen, und der Ammann führte an den
Gerichtstagen Umfrage, ob gegen seine Person eine Einwendung
zu erheben sei.^ Da die Kirchgemeinde Wigoltingen einen
* Einzugs- und Burgerordnung für die Gemeinde zu Sitterdorf, 1789.
St. Gaiier Stiftsarchiv, Rubr. 69, Fase. 1. * Burgerbrief für eine Ehrsame
Gemeinde Hagenwil und Reuchlisberg, 11. Januar 1786. St. Galler Stifts-
archiv, Rubr. 13, Fase. 33 b. Vgl. dagegen die Einzugsgebühr im Anfang
des Jahrhunderts in der Herrenhofer Öffnung. St. Galler Stiftsarchiv,
Rubr. 65, Fase. 1 : 4 fl. Einzugsgeld, 2 fl. jährliches Sitzgeld, wovon der
Gemeinde die Hälfte gehört. 1725 war in Wuppenau der Einzug 10 fl.,
das Satzgeld 1 fl. St. Galler Stiftsarchiv, Rubr. 46. » ibid., Rubr. 146,
Fase. 1. Verfügung vom 18. Februar 1774 und Gemeindebeschluss vom
3. Februar 1775. * E. A. 6.2 B, p.2335. ^ Sitterdorf er Einzugs- und Burger-
ordnung, 2. September 1789. St. Galler Stiftsarchiv, Rubr. 69, Fase. 1.
Aufnahme von Bürgern und Hintersassen. 1 1 9
Armenfonds angehäuft hatte, so waren die Vorgesetzten jeder
dazu gehörigen Gemeinde gehalten, keinen Hintersassen ein-
ziehen zu lassen, bevor sie von dessen Obrigkeit oder Bürger-
gemeinde zuhanden der Kirchenvorsteher einen authentischen
Schein erhalten hatten, dass, wenn derselbe oder seine Nach-
kommen in Armut geraten sollten, sie wieder daselbst auf-
genommen würden.^ Versuche der Gerichtsherrn, den Ge-
meinden Bürger und Hintersassen aufzuzwingen, blieben nicht
aus. Bei der am 9. November 1759 in Bischofszeil durch den
Bischof von Konstanz erfolgten Huldigungseinnahme wurden
die sogenannten Bischofsbürger aus der Kirche weggewiesen ;
sie mussten nachträglich besonders huldigen.^ Hinsichtlich
der Schupflehen konnte allerdings dem Lehenherrn nicht ver-
weigert werden, einen ihm beliebigen Lehenmann darauf zu
setzen. Immerhin musste sich derselbe bei den Gemeinden
um den Hintersitz bewerben, wodurch sich stillschweigend
der Brauch entwickelte, dass die Lehenherrn ihre Lehenhöfe
an Bürger vergaben. Dies taten schon Mitte des achtzehnten
Jahrhunderts die ansehnlichsten Herrschaften wie Eppishausen,
Klingenberg, Oberaach, Weinfelden, Bürglen, Pfyn, Güttingen,
Tobel, Mammern, Neuburg, die Vogtei Eggen, Tägerwilen und
Ermatingen.^ Das Kloster Kreuzungen allerdings wollte seine
Rechte vorbehalten. Es behauptete, dass seine Lehen dem
Zug nicht unterworfen seien, dass ein von dem Lehenherrn
auf das Lehen Gesetzter weder Einzug- noch Tratgeld schuldig
und dennoch alle bürgerlichen Rechte zu geniessen befugt sei.*
Alle diejenigen, die seine Lehengüter innehatten, sollten in der
Gemeinde Lippoltswilen, in der sich damals der Streit erhob,
des „gemeinen Wesens" unfähig sein.^ Neben der persön-
lichen Berechtigung kam im Thurgau auch vor, dass der
* G. Amstein, Geschichte von Wigoltingen. p. 266. * Bischofszeller
Stadtbibliothek, Ms.: „Umständliche Relation des von Ihro Eminenz Car-
dinalen von Roth, Bischofen zu Constanz, eingenohmenen Huldigungs-
actus und was darbey merkwürdiges vorgegangen. * Zürcher Staats-
archiv, A 323, 24. Bericht des Landammanns Grafenried, vom 1. April 1753.
* Bericht Grafenrieds vom S.März 1751. Zürcher Staatsarchiv, A 323, 23.
* Zürcher Staatsarchiv, A 323, 23, Vergleich 1752. Vgl. auch E. A. 7. 1,
p. 745, 746 ; E. A. 7. 2, p. 620. Über Abänderung von Schupflehen in Erb-
lehen vgl. E. A. 8, p. 388, 389.
1 20 Schuppisserrechte.
Besitz gewisser Häuser Rechte verlieh. Diese Schuppisser-
rechte konnten selbst Nichtbürgern zustehen ; es waren Über-
reste von mittelalterlichen, zu den Gütern gehörenden Privat-
rechten; in Tägerwilen war ihre Anzahl 64. Ähnliches bestand
in Neuwilen, Egelshofen und Emmishofen.^ Die Städte Frauen-
feld, Diessenhofen, Arbon und Bischofszeil hatten das Bürger-
recht geschlossen.* Das Landrecht an Ausländer wurde von
den regierenden Orten nur erteilt, wenn sich der Bewerber
in einer Gemeinde einkaufte. Von 1744 bis 1797 wurden 57
Fremde und Schweizerbürger im Thurgau naturalisiert.^
C. Die Leibeigenschaft.
a. Die Beschwerden derselben.
Die Bewohner der Landgrafschaft Thurgau waren der
Leibeigenschaft unterworfen ; nur die Bürger der Städte Frauen-
feld, Diessenhofen, Bischofszell und Arbon waren davon be-
freit. Von den alten freien Landsassen scheinen sich allein die
drei Geschlechter Engwiler, Meyer und Egloff, welche die niedern
Gerichte in Engwilen handhabten, sowie die Angehörigen des
Thurlindengerichts erhalten zu haben. Leute, welche sich von
der Leibeigenschaft ausgekauft hatten, bezahlten dem Land-
vogt Huhn und Fall;* ebenso freigeborene fremde Personen,
wenn sie sich im Thurgau haushäblich niederliessen.^ Fremde
Weiber, die sich in ein Gericht einheirateten, wurden dem
Gerichtsherrn leibeigen, sofern derselbe das Recht der Leib:*
eigenschaft besass.® Alle Unehelichen waren den regierenden
Ständen eigen und fällig; starben sie im Lande ohne eheliche
Nachkommenschaft, so fiel ihr Vermögen denselben anheim.^
* Wyss, Zeitschr. f. Schweiz. Recht 1. 2, p. 36, Anmerkung. Vgl. E. A.
7.2, p. 597. * Vgl. Thurg. Beiträge, Heft 17, Geschichte des thurgauischen
Gemeindewesens in besonderer Beziehung auf die Zweckbestimmung
der Gemeindegüter, p. 80—89. « E. A. 7. 2, p. 530; Thurg. Beiträge, Heft 36,
p. 161, Verzeichnis der 1744 — 1797 laut Syndikatsabschieden in das thur-
gauische Landrecht aufgenommenen Fremden und Schweizerbürger.
* Thurgauische Beiträge, Heft 27, p. 95. * In den Malefizorten bean-
spruchte indessen der Abt von St. Gallen die Einzüglinge. E. A. 7. 2,
p. 642, 643. • Thurg. Beiträge, Heft 27, p. 96. ' Fäsi, Y 44, p. 895. Ab-
schiede von 1514, 1548, 1573, 1592, 1653, 1684. Es gab selbst Gerichts-
Beschwerden der Leibeigenschaft. 121
Der Leibeigene schuldete seinem Herrn:
1. Den Leibdienst, Leibtagwen oder Tagwerk genannt.
Hielt er Vieh, so musste er demselben nicht nur mit dem
Leibe und der Hand, sondern auch mit dem Zuge leisten.
Die regierenden Orte verlangten von ihren Leibeigenen
weder Leib- noch Zugdienst. Viele Gemeinden hatten sich da-
von bei ihren Gerichtsherren losgekauft, und obgleich derselbe
im achtzehnten Jahrhundert noch in den meisten Herrschaften
in Übung war, konnte er durch ein jährliches geringes Ent-
gelt erledigt werden. Nach der Vereinbarung von 1526 zwischen
der Landschaft, den Klöstern und Gerichtsherren ^ war der
Leibeigene zu einem Tagwerk im Jahre verpflichtet; in ver-
schiedenen Herrschaften wurde er aber zu drei Tagwen mit
dem Leib oder dem Pflug angehalten, wenn er nicht vorzog,
eine entsprechende Lösungssumme zu erlegen.
2. Das Fastnachthuhn, auch Schutz- und Leibhenne ge-
nannt, oder an dessen Stelle 10 Schillinge.
3. Den jährlichen Fallbatzen, der bis 1766 sehr ungleich
gefordert wurde, 6, 8, 12—15 kr.
4. Den Fall, Mortarium, Totengeld. Der Spruch von 1526
bestimmte, dass beim Absterben der Leibeigenen das beste
Stück Vieh (Hauptvieh, Besthaupt) geschätzt werde und dem
Leibherrn die Hälfte seines Wertes als Hauptfall zufallen solle.
Besass der Leibeigene kein Vieh, so ging der Gewandfall in
gleicher Weise vor sich. Wenn ein leibeigenes Weib starb,
herren, die fällig waren. Art. 13 der Fallordnung von 1766 verlangte,
dass dieselben sich für ihre Person loskaufen sollten. Vgl. auch Zürcher
Staatsarchiv, A 323, 27, Kopie des gerichtsherrenständischen General-
patents, d. d. 9. Mai 1764. „Über ein von Jkr. Gonzenbach von und zu
haubtwil eingesandter Gravamen, dass herr Landweibel in Frauenfeld
den Fall von seiner letzteren Jahres verblichenen Fraüle Schwöster,
verfolglich mit Lauf der Zeit auch von anderen herren Gerichtsherren
Geschwüsterten, ganz neuerlich praetendieren, und nur allein die würk-
liche Besitzere der herrschaften, oder Freysitzen des Fahls frey belassen
wolle." Gerichtsherrentag, 4. Juni 1764. „Das 1759 gemachte Conclusum
erneweret, verfolglichen denen Gerichtsherren oder Theillhaberen an
einer Gerichtsherrlichkeit abermalen auferlegt worden sich des fahls-
halber zuentledigen, oderaber künftiger Gerichtsherrenversamblung
nimmermehr beyzuwohnen." ^ Thurgöuisches Abschied Buoch, Y 158,
p. 215.
122 Beschwerden der Leibeigenschalt.
gehörte dem Leibherrn das beste Kleid, Gürtel und Armbänder,
die sie zur Kirche getragen.^ Einige Fallherren, vor allem der
Abt von St. Gallen, bezogen den ganzen Fall von den Männern,
dagegen nichts von den Weibern.^ Dem Abte von Fischingen
wurde 1780 im Tanneggeramt | des Werts vom Besthaupt und
bestem Kleide zugestanden.*
5. Der Lass (Glass) wurde erhoben, wenn ein Leibeigener
ohne eheliche Kinder, Kindeskinder, Bruder, Schwester oder
deren Kinder abstarb. Er bestand im zehnten Teil des vor-
handenen baren Geldes und sämtlicher Fahrhabe, worunter
das Vieh und alles bewegliche Gut verstanden war.* Un-
verbriefte Kapitalschulden und unverbriefte, doch zinstragende
Aktivschulden waren dem Lass nicht unterworfen. Im Tann-
eggeramt bezog der Abt von Fischingen den zwanzigsten Teil
der Barschaft und Fahrnis, wenn lebende Geschwister des Ver-
storbenen vorhanden waren, in den übrigen Fällen einen Zehntel.^
6. Der Pfund- oder Kauf Schilling, Ehrschatz, wurde ent-
richtet bei Verkauf, Tausch oder Vergantung von lehenbaren
Grundstücken.®
b. Die dreizehenthalb Gotteshäuser.
Seit langer Zeit übten 12 Stifte und Klöster in und ausser-
halb des Thurgaus nebst der Propstei Wagenhausen das sog.
Raubrecht aus. Diese „dreizehenthalb Gotteshäuser" waren:
/. Das Bistum Konstanz
2. Reichenau
3. Das Domkapitel zu Konstanz
4. Die Dompropstei allda
5. Kreuzungen
^ Thurgauische Beiträge, Heft 27, p. 93; Zürcher Staatsarcliiv,
A 323, 27, Reflexionen wegen den Leibeigenen im Thurgau, 31. Oktober
1764. 2 St. Galler Stiftsarchiv, Ruhr. 141, Erkanntnis von 1571: „St. Gallen
bezieht den ganzen Hauptfall. Die st. gallischen Leute sind vor langen
Jahren des Lasses gefryt." Hochheitliches Fallbuch 1767, sog. Eidg.
Archiv. » E.A. 8, p. 356. Art. 12 der Fallordnung von 1766, Hochheit-
liches Fallbuch. * E. A. 7. 2, p. 649. ^ E. A. 8, p. 356. • Er wurde auch
an einzelnen Orten bei Erbteilungen bezogen, so in Dozwil. St. Galler
Stiftsarchiv, Ruhr. 143, Bittschrift Dozwils an Beda vom 22. April 1778
wegen des Ehrschatzes (vgl. über diesen Abschnitt Fäsi, Y44, p.888, ß89)
Die 12i Gotteshäuser. 123
6. SL Gallen
7. Fischingen
8. Petershausen
9. St, Stephan zu Konstanz
10. Münsterlingen
IL Illingen
12. St. Pelagius zu Bischofszeil
13. Wagenhausen^
Durch die Verträge von 1560 und 1589 hatten sie unter-
einander vereinbart: Der Mann, der einem dieser Stifte und
Gotteshäuser eigen und fällig ist, „raubt" sein Weib, obwohl
es einen andern Leib- und Fallherrn hat, und macht es durch
Erlegung von 3 Batzen und ein Paar Handschuhen oder an
deren Statt 18 Pfenninge seinem Kloster fallbar. Die Kinder
folgen nicht der Mutter, sondern der „bessern Hand". Wer
das Raubgeld nicht erlegte, erstattete alle Jahre bis zu dessen
Bezahlung eine Leibhenne.^ Dadurch, dass im übrigen die
Kinder der Mutter oder der „bösen Hand" folgten, waren die
Leibeigenen eines Herrn im ganzen Lande zerstreut und die
Bereinigung derselben fast ein Ding der Unmöglichkeit. Zwar
verlangten die eidgenössischen Stände, dass, wenn ein Leib-
eigener in die Hohen Gerichte ziehe, er sich vorerst bei seinem
Leibherrn auskaufe ; tat er dies aber nicht, so war er den Fall
sowohl seinem früheren Gerichtsherrn als dem Landvogt
schuldig.^ Mehrere Gerichtsherren konnten das Leibeigen-
schaftsrecht in ihren Gerichtsbarkeiten oder überhaupt nicht
beanspruchen, während andere fällige Leute, aber keine eigenen
Gerichte besassen.* Die Rechte der Fallherren waren im all-
gemeinen überhaupt nicht genügend umschrieben; sie stützten
sich auf alte Offnungen, Kaufbriefe oder das Herkommen.
c. Die Fallordnung von 1766.
Eine durchgehende Bereinigung der hoheitlich fälligen
Leute mit den herrschaftlichen Fallherren Hess nicht nur ver-
driessliche Streitigkeiten voraussehen, sondern schien den Auf-
» Y 174, p. 354, 355. Thurg. Beiträge, Heft 27, p. 93. « Thurg. Land-
buch, Fol. 158. » Thurg. Beiträge, Heft 27, p. 97. * Fallbuch 1767.
124 Untersuchung der Leibeigenschaftsrechte.
wand an Mühe, Zeit und Kosten nicht zu rechtfertigen. Über-
dies wäre eine solche alle 20 Jahre vonnöten gewesen. Dennoch
wurde von 1700 bis 1710 ein Versuch dazu gemacht; aber es
zeigte sich, dass eine Prüfung der Ansprüche der Gerichts-
herren vorangehen müsse. Dieselbe währte mit Unterbruch
mehr als ein halbes Jahrhundert. Inzwischen wurden die hoheit-
lichen Leibeigenschaftsbücher nicht fortgesetzt, und bei der ein-
reissenden Unordnung blieben die Leibeigenen der Stände
unbekannt und frei oder wurden von andern Fallherren ein-
gezogen. Sämtliche hoheitliche Fälle brachten Mitte des acht-
zehnten Jahrhunderts nur 60 bis 80 fl. ein, und die Zahl der
den Ständen fälligen Leute betrug nicht einmal 3000.^ Die
Ansprüche der Fallherren auf Leibeigene überstiegen die An-
zahl der Einwohner des Thurgaus. Vorerst wurde eine Schei-
dung zwischen den leibeigenschaftsberechtigten und nicht-
berechtigten Gerichtsherren angestrebt; dann wurde festgesetzt,
dass jeder Gerichtsherr, der das Leibeigenschaftsrecht besass,
in seinem Gericht einziger Fallherr sein solle. Man behielt
sich indessen vor, der Dompropstei und Domkustorei zu Kon-
stanz, dem Stifte Felix und Regula in Zürich und der Familie
Landenberg gewisse Distrikte, wo sie das Fallrecht ausüben
konnten, auszusuchen und zu überlassen. In denjenigen Ge-
richten, wo der Gerichtsherr das Leibeigenschaftsrecht nicht
nachzuweisen vermochte, bezog die Hoheit die Abgaben.
Diejenigen Fallherren, welche mehr Personen zu fordern hatten,
als Einwohner in ihren Gerichten sassen, weigerten sich, eine
Auslösungssumme an Geld dafür anzunehmen, sondern ver-
langten von denjenigen Herrschaften, welche weniger Fällige
als Einwohner besassen, Abtretung des Überschusses. Die
dem Bistum Konstanz, der Dompropstei, der Domkustorei
und dem Domkapitel daselbst fälligen Leute, welche, in allen
Herrschaften zerstreut waren, verwahrten sich gegen einen
Austausch, da ihnen als ^ Hof jünger" das alte Vorrecht, bei
Fruchtsperre Korn aus dem Schwabenland zu führen, zustand.*
Schliesslich stellte der Landweibel Joh. Ulrich Fehr die berat-
* Zürcher Staatsarchiv, A 323, 27. Bericht vom 26. Merz 1765.
' Fallbuch von 1767, von Landweibel J. U. Fehr. Vgl. auch E.A. 7. 1,
p. 789f.; E.A. 7.2, p. 642 f.
Fallordnung von 1766. 125
schlagten Punkte in einer Schrift zusammen. So entstand die
Fallofdnung von 1766.
Die wichtigsten Punkte derselben sind:
1. Alle Fallherren, denen die Ausübung des Fallrechts und
des davon abhängenden Lasses bestätigt worden, sind in ihrer
eigenen Herrschaft alleiniger Fallherr; ausgenommen die-
jenigen Dörfer und Ortschaften, welche einem andern Fall-
herrn, der keine eigenen oder im Verhältnis zu seinen An-
sprüchen zu beschränkte Gerichte hat, zum Ersatz angewiesen
worden sind. In den angewiesenen Bezirken bezieht der also
Entschädigte allein den Fall. Alle Verträge, Abschiede, Ver-
kommnisse, die in Bezug auf das Rauben und Nachjagen er-
richtet worden, alle diesbezüglichen Gebräuche, wie auch be-
sondere Verabredungen mit fälligen Personen wegen ^ines
geringern (als in dieser Fallordnung angeregten) Falles, sind
aufgehoben.
2. Beim Fallaustausch und der Abtretung einzelner Dorf-
und Ortschaften sind den früheren Inhabern (dem Gerichts-
und Lehenherr) alle Rechtsame mit Ausnahme der Leibeigen-
schaft vorbehalten.
3. Alle Unehelichen, sofern sie ohne hoheitliche Legiti-
mation absterben, sind für ihre Person der Hoheit, gebührend
legitimiert aber dem Fallherrn, in dessen Bezirk sie wohnen,
fällig. Deren Kinder, es seien die Eltern legitimiert oder nicht,
sind dem Fallherrn, in dessen Gerichten oder angewiesenen
Ortschaften sie niedergelassen sind, eigen. Der Hoheit fällig
sind Findelkinder und landfremde Durchreisende.
4. Der von den Fälligen jährlich erhobene Fallbatzen soll
gemässigt sein; falls im ganzen Lande Gleichheit durchzuführen
wäre, ist er auf 8 kr. per Haushaltung festgesetzt.
5. Der freie Zug von einer Herrschaft in die andere ist
gestattet, und der erste Gerichts- und Fallherr hat keine Leib-
eigenschaftsabgaben mehr, weder Fallbatzen, Fall noch die
Manumission^ zu beziehen. Knechte, Mägde, auch Gäste thur-
gauischer Abkunft bleiben aber im Falle ihres Ablebens ihrem
natürlichen Gerichtsherrn fällig. Die Manumission wird nur
von denjenigen, die völlig ausser die Landschaft, desgleichen
* Gebühr für die Entlassung.
126 Fallordnung von 1766.
in die Städte Arbon, Bischofszeil, Frauenfeld, Diessenhofen und
deren Bezirke auswandern, bezogen, unter dem Vorbehalt,
dass wenn eine solche manumittierte Person oder ihre Nach-
kommenschaft wieder in den Thurgau zurückkehren würde,
sie dem Fallherrn, in dessen Gericht oder Bezirk sie sich
niederlassen, fällig seien.
6. Alle fremden Männer und Weiber, ausgenommen die
von den hohen Ständen Privilegierten und Eximierten, sind
dem Fallherrn, in dessen Gericht und Bezirk sie wohnen und
absterben, zu befallen überlassen. Damit sind die wegen der
Einzüglinge und eingeheirateten Weibern entstandenen Diffe-
renzen ausgetragen.
7. Bei der Ausgleichungsverhandlung hat sich ergeben,
dass eine Anzahl Leibeigener nicht in natura ersetzt werden
kann. Die Entschädigungstaxe per Person ist auf 4 fl. an-
geschlagen.^
8. Verzeichnis der Freisitze, die im Gerichtsherrenstand
Sitz und Stimme haben.^ Die Partikularsitze sind demjenigen
Fallherrn, in dessen Bezirk sie liegen, fällig. Auf den wirk-
lichen Freisitzen sind die Knechte und Mägde vom Fall ver-
schont, und nur die darauf wohnenden Lehenleute sollen von
der Hoheit befallet werden.
9. Von denjenigen Personen, die sich verpfründen oder
ihr Vermögen gegen ein jährliches Leibgeding abgeben, soll
der Fall im Momente, da dies geschieht, bezogen werden;
desgleichen wird von Malefikanten oder Bannisierten der Fall
vor der Konfiskation ihres Vermögens erhoben. Wenn bei
Fallimenten, die vor dem Tode des Fallierenden eintreten, die
Kreditoren verlieren, soll kein Fall gefordert werden.
10. Wenn minderjährige oder erwachsene unverheiratete
Personen absterben, welche eigene oder verfallene Mittel hinter-
lassen, wird der Fall erhoben.
11. Ist eine Person seit 25 Jahren verschollen, soll von
ihrem Vermögen der Fall bezahlt werden.
12. Der Lass wird nur dann bezogen, wenn eine ver-
storbene Person keine Kinder oder Kindeskinder, Brüder oder
Schwestern oder deren Kinder hinterlässt. Er soll von dem
Vgl. p. 129. • Vgl. p. 67.
Fallordnung von 1766. 127
vorhandenen baren Gelde und der Fahrnis, worunter das Vieh
und alles bewegliche Gut verstanden wird, so erhoben werden,
dass der 10. Teil ihres Wertes dem Fallherrn zufällt.
13. Der Bezug des Falles geschieht nach dem Spruch
von 1526.^
14. Spezialkbnvention mit dem Gotteshaus St. Gallen:
1. Die im ganzen Thurgau zerstreut wohnenden Männer, welche
Vieh besitzen und dem Gotteshaus ganz-fällig waren, werden
aufgeschrieben. Jeder Fallherr, dem solche Leute durch den
Austausch als halbfällig überlassen werden, erhält das Ver-
zeichnis derselben. Stirbt ein solcher Mann mit Hinterlassung
einer Kuh, so empfängt St. Gallen 4 fl. ; besass er aber einen
Stier, so bezahlen seine Erben 8 fl. Nach dieser Abgabe an
St. Gallen ist der neue Fallherr zum Bezug eines halben Falles
berechtigt. 2. Das Gotteshaus erhebt von den ihm abgetretenen
Personen, die bis anhin halbfällig gewesen, nur den halben
Fall. Wenn sich aber in den st. gallischen Gerichten eine halb-
fällige Person mit einer ganzfälligen verheiratet, wird die Nach-
kommenschaft ganzfällig. 3. Alle Männer und Weiber, welche
aus st. gallischem Gebiete ausgewandert sind, um sich im
Thurgau haushäblich niederzulassen, die aber noch nicht manu-
mittiert oder geraubt sind, sollen sich nunmehr manumittieren
und den Raubschilling an St. Gallen bezahlen.
Die X hohen Stände übten von nun an in folgenden Herr-
schaften das Fallrecht aus, da daselbst die Ansprüche der
Gerichtsherren auf die Leibeigenschaft abgewiesen wurden
oder solche überhaupt nicht erhoben worden waren. 1. in
der Herrschaft Altenklingen, ausgenommen im Gericht Wi-
goltingen, das der Dompropstei zu Konstanz überlassen wurde ;^
2. Altnau mit Ausnahme des ebenfalls der Dompropstei an-
gewiesenen Bezirkes; 3. Burg; 4. Berg; 5. Bachtobel oder
Oberboltshausen; 6. Blidegg; 7. die Vogtei Eggen; 8. Emmis-
^ Vgl. p. 121. * Vergleich zwischen der Dompropstei Konstanz
und Altenklingen vom 10. März 1767. Altenklingen verzichtet auf den
Bezug der Leibhennen von den Angehörigen im Kehlhof-Wigoltingen
gegen jährliche Entrichtung von 17 fl. R.W. durch die Dompropstei.
Doch bezog Altenklingen immerhin noch von 150 Rauchfängen die jähr-
liche Leibhenne. (Missive des Obervogts vom 16. Juli 1795) Altenklinger
Missiven.
128 Fallordnung von 1766.
hofen; 9. die Gerichte des Klosters Feldbach. 10. Heidelberg;
11. Hauptwil;^ 12. Hattenhausen; 13. Liebburg; 14. Uppers-
wilen; 15. Mauren; 16. Neunforn; 17. Reitigericht ; 18. rf^r
Thurm zu Steckborn; 19. Wagenhausen; 20. Wallenml;
21. ZihJschlacht.
In den folgenden Herrschaften stand den Gerichtsherren
das Leibeigenschaftsrecht zu: 1. Andwil; 2. Bürgten mit den
einverleibten Herrschaften; 3. rf/V Kreuzlingischen Gerichte;
4. Dozwil und Zuben; 5. Tänikon; 6. die Domkustorei übte
das Recht aus in ihrem Lehengericht zu Leimbach; 7. die
Dompropstei in ihrem Lehengericht zu Wigoltingen^ im Kehlhof
zu P/y« und Altnau; 8. Egnach; 9. Eppishausen; 10. Eschenz;
11. die alten fischingischen Gerichte; 12. Gachnang; 13. Gö//-
lieben; 14. Griesenberg; 15. Gündelhard; 16. Güttingen;
17. Hagenwil; 18. Hefenhofen und Moos; 19. Herdern; 20. //-
tingen; 2\, Kefikon; 22. Klingenberg; 23. Liebenfels; 24. Lang-
rickenbach; 25. Lommis; 26. Mammern und Neuburg; 27. iffö«-
sterlingen; 28. AV 5/. gallischen Malefizgerichte ; 29. Öttlis-
hausen; 30. Oberaach; 31. Aawangen; 32. Pelagii Gottshaus;
33. -P/y/i; 34. Spiegelberg; 35. rf/> reichenauischen Gerichte;
36. Roggwil; 37. Schönenberg ; 38. Sonnenberg; 39. Sulgen;
40. Tanneggeramt; 41. Tobet; 42. Wellenberg; 43. Weinfelden;
44. Wittenwil; 45. das 5//// /"^//j: w«rf Regula in Zürich er-
hielt das Leibeigenschaftsrecht /« einigen dem Gerichtsherrn
von Kefikon gehörigen Ortschaften; 46. Wängi.^
d. Die Auslösung des Falles und Lasses 1795 und 1796.
Die Thurgauer empfanden die Leibeigenschaftsabgaben
schwer.^ Die Stände waren prinzipiell einem Auskauf derselben
nicht abgeneigt; allein die Gerichtsherren, vor allem die
Klöster, wachten eifersüchtig über die anererbten oder erkauften
* Alle Angehörige der Familie Gonzenbach, sowohl männlichen
als weiblichen Geschlechts, waren vom Fall und demselben anhangenden
Lasten befreit, und da die übrigen Einwohner von der Familie nur als
Schupflehenleute angenommen waren und somit als ihre Dienste be-
trachtet werden mussten, war bei deren Ableben in der Herrschaft ein
möglichst massiger Fall vorgesehen. Fallbuch von 1767. * Vide Anhang.
8 Fäsi, Y 44, p. 903.
Auskauf von Fall und Lass 1795 und 1796. 129
Rechte.^ Im Laufe des Jahres 1795 bat die Landschaft die
beiden Provisionalstände um Auslösung des hoheitlichen Falles
und der davon abhängenden Abgaben; nach einigem Wider-
streben erklärten sich die Gerichtsherren bereit, auch ihrer-
seits zu einem billigen Auskaufe die Hand zu bieten.* Die
Landschaft anerbot 5 fl. für jede fällige Haushaltung. Damit
sollte die Leibeigenschaft, der Fall und Lass, die Leibhenne
und der Fallbatzen, sowie die Manumission abgetan sein. Aul
diesem Fusse wurde zunächst verhandelt.® Der auf den 23. Juli
einberufene Gerichtsherrentag setzte indessen die Auslösungs-
summe per Haushaltung auf 8, eventuell auf 7J fl. fest; in
Frauenfeld einigte man sich auf 7| fl. Das Land versprach
das Auskaufskapital von Jakobi bis Martini zu verzinsen und
mit Martini den Anfang der Zahlungen zu machen;* kein Fall-
herr hatte sich darum zu kümmern, wie das Land die Summe
abteilen, veranlagen, aufnehmen und zahlen werde; man be-
fürchtete aber Unordnung, Verwirrung und Streit in den Quar-
tieren und Gemeinden. Der Auskauf bezog sich lediglich auf
den Leibfall, die Fallbatzen oder Fallhühner, den Lass und
die Manumission.^ Schirmhennen, Frontagwen, Schreib- und
Siegeltaxen etc. etc. waren auf das allerbündigste vorbehalten
worden, „damit den lieben Thurgäuern nicht sobald wieder
nach einem solchen Jubeljahr gelüste."
Die hohen Stände hatten während der letzten 20 Jahre
jährlich zirka 600 fl. für den Fall bezogen, wovon dem Land-
vogt 80 fl. und dem Landweibel 200 fl. zukamen, der Hoheit
mithin 320 fl. verblieben.® Jeder Landgerichtsdiener erhob in
seinem Quartier von den fälligen Haushaltungen je 8 kr. für
Fallbatzen oder Fallhühner, von jedem Mannsfall 1 fl. und von
jedem Weiberfall 30 kr. Die Zahl der Leute, welche der Hoheit
fällig waren, belief sich auf 3367.^ Aus der Auskaufssumme
konnten nicht nur jährlich dem Landvogt die 80 fl., dem Land-
* Vgl. Thurg. Beiträge, Heft 27, p. 98. Auskaufsprojekte vom Jahre
1588, 1598, 1603, 1604, 1607, 1655, 1666. « E. A. 8, p. 356. » Altenklinger
Missiven, Schreiben des Obervogts Dav. Ant. Zollikof er vom 16. Juli 1795.
* ibid.. Schreiben des Obervogts Dav. Ant. Zollikofer vom 28. Juli : die
Summe musste sich wenigstens auf 1600C0 fl. belaufen. * E. A. 8, p. 356.
• Vgl. p. 124. ' E.A. 8, p. 356. Die Auskaufssumme derselben wird auf
25237^ fl. angegeben; demnach müssten es nur 3365 gewesen sein.
Hasenfratz, Die Landgrafschaft Thurgau vor 1798. 9
1 30 Der „gütliche Vertrag'* des Abts von St. Gallen.
weibel die 200 fl. und den Landgerichtsdienern 340 fl. verab-
folgt werden, sondern es war ein beträchtlicher Überschuss
vorauszusehen. Bis zur Jahrrechnung von 1796 war bereits
ein Namhaftes an die hoheitliche Auslösungssumme bezahlt;
der Rest war auf Martinstag fällig. Man beschloss, das erlegte
und zu erlegende Geld dem Gotteshause Paradies auszuleihen,
das 25000 fl. aufzunehmen wünschte. Die Verschreibung sollte
auf einen 20jährigen Termin gestellt und die Zinsen des aus-
geliehenen Kapitals zur Befriedigung der jährlichen Forde-
rungen des Landvogts, Landweibels und der Landgerichts-
diener benutzt werden.^
Ungefähr zur gleichen Zeit machte Abt Beda von St. Gallen
den Untertanen in der alten st. gallischen Landschaft und damit
auch seinen thurgauischen Angehörigen noch weitergehende
Zugeständnisse in dem sogenannten „gütlichen Vertrag" vom
23. Wintermonat 1795.^ Der 1. und 2. Artikel desselben be-
willigten die Auslösung des Falls und der Fastnachthennen
um 135720 fl.; ferner versprach der Vertrag Erleichterung
beim Lehenempfang, Aufhebung des Rübenzehntens, des
Zehntens, der auf der Brachzeig lag, ausgenommen von Flachs
und Obst, des Heuzehntens in natura; für die Juchart Heu-
wachs sollten jährlich 24 kr., im Wiler- und Romanshorneramt
nur 18 kr. entrichtet werden. Der Ehrschatz wurde geregelt;
kleinere Abgaben sollten gegen Erstattung des doppelten
Kapitals auf Verlangen ausgelöst werden; die Ehehaftgelder
wurden auf eine massige Taxe herabgesetzt, die Hofstallgelder
und der Abzug beschränkt, die Hälfte des letztern den Ge-
meinden zugestanden ; von den Einzugs- und Hintersassgeldern
beanspruchte das Stift nur einen Drittel. Der Vertrag enthielt
überdies wichtige Konzessionen hinsichtlich der Veranlagung
der Klöster, des Siechenfonds,^ des Militärwesens, übergab
das Salzmonopol dem Lande, gestand den Gemeinden die
Wahl des Ammanns zu, ebenso des Schulmeisters, wenn er
von den Hausvätern erhalten wurde, des Mesners, der Kirchen-
und Pfrundenpfleger, erlaubte den Gemeinden in ihren Streitig-
keiten einen Schiedsrichter zu wählen, die Zünfte eventuell
» E. A. 8, p. 357. « St. Galler Stiftsarchiv, Ruhr. 13, 33 b. » Vgl. 11 C b,
Das Brugger Armengut.
Der „gütliche Vertrag" des Abts von St. Gallen. 131
aufzuheben etc. An die Auslösungssumme von 135720 fl. wurde
kaum die Hälfte bezahlt, da die von Abt Beda gemachte Ein-
teilung auf keinem richtigen Fusse beruhte und grosse Un-
gleichheit und Widersprüche hervorrief. Zudem bewog ihn
seine Gutmütigkeit zu Nachlässen an die Gemeinden.*
* Ild. v. Arx, Geschichten des Kantons St. Gallen III, p. 641, An-
merkung. J. A. Pupikofer, Geschichte des Thurgaus, alte Ausgabe von
1830, II, p. 311, Anmerkung: „Die Gemeinde Herrenhof hatte ungefähr
1100 fl. Loskauf zu zahlen; sie trug aber ihren Zahlmeistern auf, um
300 fl. Nachlass zu bitten ; diese erfüllten den Auftrag so gut, dass sie
den Abt bewogen, mit 500 fl. sich zufrieden zu geben. Nachdem sie im
Kloster gespeiset hatten, Hessen sie den Abt noch um ein Reisegeld
bitten, und erhielten 4 Louisdor. Die Gemeinde Hagenwil-Räuchlisberg
und Zubehörde bezahlte für den Auskauf des Falls (nach dem vom
Syndikate festgesetzten Fuss) fl. 442. 30 Batzen.^ Fallauslösungs-
instrument d. d. 29. April 1796. St. Galler Stiftsarchiv, Rubr. 144. Ricken-
bach samt Wilen und Busswil hatte für die Auslösung der Fastnacht-
hennen 2008 fl. 13i kr. zu bezahlen. St. Galler Stiftsarchiv, Rubr. 64.
Wängi erlegte 682 fl. für den Auskauf des Falls und der Fastnacht-
hennen. Quittung d. d. 16. Juni 1797. St. Galler Stiftsarchiv, Rubr. 147,
Fase. 1.
II.
Kirche und Schule.
Wirtschaftliche Lage.
1. Die Kirche.
Einleitung: Die Kirchenleitung durch die Hoheit.
Seit 1712 führte eine ständige paritätische Kommission,
bestehend aus den Abgeordneten der vier ersten eidgenössischen
Stände Zürich, Bern, Luzern, Uri, unter dem Namen land-
friedliche Kommission oder paritätische Session die höchste
Aufsicht in paritätischen Religionssachen, entschied in streitigen
Fragen, vollzog Ratifikationen und Vereinbarungen zwischen
den Konfessionen. Die evangelischen Angelegenheiten wurden
den Kommissionalständen Zürich und Bern überlassen; sie
übten ihre Befugnisse durch ihre Räte, durch die in beiden
Städten bestellten landfriedlichen Kommissionen, durch die
Gesandten auf der Tagsatzung in Frauenfeld und durch den
Landammann im Thurgau aus. Die Besorgung der rein katho-
lischen Angelegenheiten lag in den Händen der Gesamtheit
der katholischen Orte (die V Orte und katholisch Glarus);*
1770 hielt es aber Luzern für das katholische Wesen für not-
wendig, in seinem Stande und in Uri Religionskammern auf-
zustellen.2 Nebst den Gesandten auf dem Syndikate war der
Landschreiber das Organ der katholischen Stände. Die Räte
von Zürich und Bern besassen namentlich die nach kanonischem
* K. Straub, Rechtsgeschichte der evangelischen Kirchgemeinden
der Landschaft Thurgau, p. 196; für das vorhergehende p. 193. * E. A.
7.2, p. 668, Art 869 und 871.
Kirchenleitung der Hoheit und der Stadt Zürich. 133
Recht dem Bischöfe zustehende Befugnis, die Errichtung neuer
Kirchen und geistlicher Ämter zu bewilligen; 1785 wünschte
Glarus, dass bei der Gründung neuer Pfarreien auch seine Zu-
stimmung eingeholt werde.^ Die ständigen landfriedlichen
Kommissionen der beiden Städte hatten die Stellung begut-
achtender und vorberatender Instanzen in landfriedlichen An-
gelegenheiten für die Räte; an sie hatten sich Gemeinden und
der Landammann in Kirchensachen, die der letztere nicht er-
ledigen konnte, zu wenden, und von ihnen empfing der Land-
ammann Instruktion und Judikaturaufträge. Sie instruierten die
Gesandten zur paritätischen Session oder zu der Tagsatzung.
Die evangelisch'landfriedliche Kommission, d. h. die Gesandten
von Zürich und Bern beim Syndikate oder der paritätischen
Session, sprach gütlich oder rechtlich in kirchlichen Streitig-
keiten zwischen evangelischen Parteien als zweite und letzte
Instanz gegenüber erstinstanzlichen Urteilen des Landammanns,
als letzte Instanz in Kirchstuhlstreitigkeiten, als erste und
letzte Instanz in denjenigen Geschäften, in denen der Land-
ammann nicht Richter war. Den beiden Gesandtschaften
kam hauptsächlich die Judikatur in Sachen der Gemeinde-
ökonomie zu; sie wurden gewöhnlich als evangelischer iand-
friedlicher Richter bezeichnet.^
A. Das evangelische Kirchenwesen.
a. Die Stadt Zürich.
Einen Teil der evangelischen Kirchenleitung übertrug die
Hoheit an die Stadt Zürich. Pfarrer und Seelsorger waren
ihr unterworfen; von ihr hing ab, was den Gottesdienst, die
Kirchenzucht, auch die Bestellung und Haltung der Schulen,
die Judikatur Ober Ehesachen betraf, so dass aber die Schul-
meister in allen andern Sachen, die nicht die Institution und
Religidnslehre anlangten, dem weltlichen Richter unterstanden.*
Sie übte die Aufsicht über die gesamte Amtsführung der Geist-
* E. A. 8, p. 317. « K. Straub, p. 197. Vgl. p. 17, 18. » E. A. 6. 2 B,
p. 2333. Vgl. Straub, p. 194: „Im allgemeinen lässt sich sagen, dass der
Landfriede Zürich die Leitung der innem Kirchenangelegenheiten über-
trug (sacra interna), während der Hoheit diejenige der äussern verblieb.^
134 Zürcher Ehegericht.
liehen, besass die Disziplinargewalt über dieselben, erliess
Gesetze über Kultus, Feiertage, Kirchenzucht und sorgte für
die Durchführung der bezüglichen Ordnungen. Die im Kanton
Zürich eingeführte Bibelübersetzung und das zürcherische
Kirchenreglement wurden auch im Thurgau gebraucht.^ Der
Kleine Rat war Inhaber der Gesetzes- und Disziplinarstraf-
gewalt. Die unmittelbare Aufsicht führte das Examinatorium,
die kirchliche Verwaltungsbehörde und Vorberatungsinstanz.
Seine ursprüngliche Funktion war die Prüfung und Ordination
der Kandidaten.^ Das Ehegericht sprach als oberste Instanz
in allen Matrimonialsachen; es hob unschicküche Ehe-
versprechen auf, verglich streitige Eheleute oder schied sie
rechtlich, strafte Leichtfertigkeiten ab. Schwierige Fälle oder
Dispensationsgesuche bei Heiraten in verbotenen Graden, so-
wie Appellationen kamen vor den Kleinen Rat.^ Die Parteien
hatten dem Landvogt von der Zitation vor das Ehegericht An-
zeige zu machen; derselbe verhörte die Zeugen, und es wurde
ihm ein Urteilsrezess zugestellt.* Ehebruch, Hurerei oder
unter ehelichem Versprechen geschehener frühzeitiger Bei-
schlaf bestrafte das Landvogteiamt oder Malefizgericht.^ Evan-
gelische Verbürgerte oder Gerichtsangehörige der Stadt
Frauenfeld mussten sich, bevor sie vor dem Ehegericht in
Zürich erschienen, beim Schultheissen daselbst um die Ent-
lassung melden; der Rat erhielt vom Ehegericht einen Rezess
des gesprochenen Urteils eingehändigt. Abt und Stift St. Gallen
waren verpflichtet, sich in allem, was der Landfriede von 1712
verfügte, zu unterwerfen.^ Alle zu Arbon, Hörn, Bischofszell
vorfallenden Matrimonialsachen der Reformierten, es mochten
beide, der klagende oder beklagte Teil allein evangelisch sein,
auch die Dispensationen gehörten nach Zürich. Wenn aber
hiebei strafwürdige Sachen unterliefen, erfolgte die Anzeige
^ Fäsi, Y 44, p. 1066. « G. Finsler, Kirchliche Statistik der re-
formierten Schweiz, p. 42 ; J. J. Wirz, Historische Darstellung der ur-
kundlichen Verordnungen, welche die Geschichte des Kirchen- und
Schulwesens in Zürich ... betreffen, 11, p. 416!.; über weitere Kompe-
tenzen des Rats und Examinatoriums vgl. p. 138. ' Wirz 11, p. 11. * ibid.,
p. 23, Anmerkung; Straub, p. 193. Vgl. E. A. 7.2, p. 621. » Vgl. Wirz 11,
p. 11, 20. « ibid., p. 20, Art. 77 des Friedens von 1718.
Diessenhofen. Synode, Kapitel, Prosynode. 135
davon an das Obervogteiamt und das Ehegericht. Die Ehe-
schimpfbusse von 5 fl. verblieb allein dem Obervogteiamt; im
übrigen wurden die strafwürdigen Sachen entweder gütlich
im Schlosse oder rechtlich vor Obervogt, Stadtammann und
Rat abgewandelt. Bei einer Zitation nach Zürich nahm der
Obervogt im Beisein zweier reformierter Ratsmitglieder das
Zeugenverhör vor; die Sentenz des zürcherischen Ehegerichts
wurde ihm zugeschickt. Wenn bei der Bestimmung und
Taxierung des Heiratsgutes oder der Entschädigung das Ehe-
gericht im Zweifel war, hatte es beim Landvogteiamt Erkundi-
gungen einzuziehen.^ In Diessenhofen musste sich Zürich
mit der Ausübung einer allgemeinen Aufsicht im Interesse der
kirchlichen Konformität begnügen.^ Der Gesamtrat war In-
haber der Kirchenhoheit unter Vorbehalt der Schirmrechte
der IX Orte. Der evangelische Rat besass die evangelische
Kirchenjurisdiktion und übte sie durch ein evangelisches Kon-
sistorium und ein evangelisches Ehegericht aus. Das letztere
urteilte nach eigenen Satzungen; die Appellationen konnten
willkürlich nach Zürich, Bern, evangelisch Glarus oder Schaff-
hausen geschehen.^ Strafbare Sachen wurden an den Gesamt-
rat überwiesen. Die Geistlichen im Thurgau besuchten die jähr-
lichen Zürcher Synoden^ von denen eine zu Ostern, die andere
im Herbst abgehalten wurde. Denselben unterstanden die drei
thurgauischen Kapitel: 1. das Frauenfelder, 2. das Steckborer,
3. das oberthurgauische Kapitel. Immerhin waren einige
Pfarreien keinem dieser Kapitel einverleibt. Diessenhofen,
Schlattingen und Basadingen wurden zum Steiner Kapitel, in
dessen Umfang sie lagen, gezogen. Der Propst von Wagen-
hausen wollte weder an die Zürcher noch an die Schaffhauser
Synode gebunden sein, besuchte aber doch die letztere.* Jedes
der drei Kapitel hatte seinen Dekan, Kamerarius und Notar,
der erstere von der Synode, die zwei letztern vom Kapitel
erwählt. Die jährlichen Kapitelversammlungen wechselten
den Ort ihrer Abhaltung; auf denselben wurde über die Amts-
führung eines jeden Pfarrherrn Bericht erstattet; der Dekan
zog überdies mit Zuzug eines andern Pfarrers bei den zwei
» E. A. 7. 1, p. 814, 815. Wirz, p. 18, 19. , « Straub, p. 199. » Wirz
II, p. 23. * Fäsi, Y 44, p. 1070, 1071.
136 Synode, Kapitel, Prosynode.
jährlichen Visitationen Erkundigungen über seine Amtsbrüder
von den Gemeinden ein, die ihrerseits an ihre Verpflichtungen
gegenüber denselben erinnert wurden. Die Visitationsakten
gelangten nach Zürich an den Antistes und das Examinatorium.*
Vor der Synode versammelten sich die Dekane zu einer Pro-
Synode. In der Synode selbst wurden von den Landdekanen
der Reihe nach Propositionen gehalten, in denen die religiösen
und sittlichen Übelstände im Volke zur Sprache kamen; der
Inhalt derselben war vorher von der Prosynode beraten worden,
wobei zur Behandlung der für erheblich erklärten Punkte eine
weitere Versammlung in Verbindung mit den geistlichen Mit-
gliedern des Examinatorenkonvents stattfand.^
b. Die Kirchgemeinden.
Die Kirchgemeinde war vielfach von der Ortsgemeinde
nicht unterschieden; das Kirchbürgerrecht wurde uno actu
mit dem Orfsgemeindebürgerrecht erworben, auch in zu-
sammengesetzten Kirchhören ; die kirchlichen Vermögens-
verhältnisse der Gemeinde fanden dann wohl Berücksichtigung
bei der Bestimmung der Höhe der Einkaufssumme für das
Ortsgemeinderecht.* In Simultangemeinden, neu errichteten
Kirchgemeinden, hatte allerdings ein besonderer Einkauf statt,
wobei die Taxe von Fall zu Fall einer Veränderung unterliegen
mochte.* Da die Kirchengüter aus der vorreformatorischen
Kirche knapp bemessen waren, wurden nicht selten bürger-
liche Mittel, z. B. Einzugs- und Hintersassengelder zur Be-
streitung der kirchlichen Bedürfnisse verwendet. Wo neue
Fonds angehäuft wurden, entwickelte sich ein besonderes Anteil-
haberrecht.^ Die Kirchgemeinden verfügten über die Anordnung
des Gottesdienstes, die Verwaltung der Kirchengüter, über
* Fäsi, Y44, p. 1070, 1071. » Finsler, p. 41. » Vgl. p. 115. * Straub,
p. 187. * G. Amstein, Geschichte von Wigoltingen, p. 266, 267: »Die-
jenigen Bürger und Kirchspielsgenossen, welche bei der Errichtung und
Sammlung dieses Fonds (Almosen- und Armengut) ausserhalb des
Kirchspiels wohnten und also zu demselben nichts beigetragen haben,
sollen, wenn sie oder ihre Nachkommen wieder ins Kirchspiel ziehen,
zur Äufnung des Armenfonds je nach Vermögensverhältnissen bei-
zutragen schuldig sein. Diejenigen, weiche sich dessen weigern, sollen
von allem Anteil und Nutzen aus diesem Fonds ausgeschlossen sein.^
Kirchgemeinden. 1 37
Steuern und Anlagen unter der Aufsicht des Landammanns.
Sie stellten Kirchstuhlordnungen auf und fassten selbst Be-
schlüsse über Änderungen in den bestehenden Kultusformen.
Sie stimmten ab über Bauten an Kirche und Pfarrhaus, gaben
ihre vertragliche Zustimmung zu Abtrennung von Teilen der
Kirchhöre und Einverleibungen von Gebieten in dieselbe.^ Als
wähl- und stimmberechtigt werden zumeist die Kommunikanten
bezeichnet, d. h. die männlichen Kirchgenossen, welche zum
Abendmahl zugelassen waren; auf sie wurden gewöhnlich auch
die Anlagen verlegt. Knechte und Tagelöhner waren vom
Stimmrecht ausgeschlossen; sie bezahlten aber auch keine An-
lagen.2 Die Autonomie der Kirchgemeinde überwog bedeutend
die der Ortsgemeinde; als sich 1798 freiheitliche Regungen
im Lande kundgaben, waren sie auf die Kirchgemeinden ge-
gründet.
An der Spitze der Kirchgemeinde stand der Pfarrer und
die Vorgesetzten. Unter den letztern waren begriffen der
Kirchenpfleger, der Steuerpfleger, die weltlichen Dorf- und
Gerichtsbeamten, als: die Dorfmeyer, Vierer etc., Ammann,
Weibel, Richter. In Kirchgemeinden mit städtischem Kern fiel
die Leitung dem evangelischen Ratsteile zu, der dabei natürlich
weitergehende Rechte als Pfarrer und Vorgesetzte in den
Landkirchgemeinden ausübte; dafür trat auch die Kirch-
genossenversammlung in Frauenfeld und Diessenhofen in ihrer
Bedeutung völlig zurück.* Vielerorts begannen Pfarrer und
Vorgesetzte Kirchenzuchtsfunktionen auszuüben und erhielten
so als Kollegium den Namen Stillstand.^ Im obern Thurgau
fand jährlich auf Ostern die sogenannte Gehorsame statt; ur-
sprünglich versammelte dabei der Pfarrer klassenweise seine
Gemeindeangehörigen, um sich von ihrem kirchlichen Be-
kenntnisse zu überzeugen und bei dieser Gelegenheit die Ver-
zeichnisse zu ergänzen; es kam aber mit der Zeit dazu, dass
die Gehorsame nur noch als Bereinigung des Katechumen-
verzeichnisses von Bedeutung war. Im untern Thurgau scheint
die Einrichtung nie herrschend gewesen zu sein.^ Das Kon-
» Straub, p. 189, 190. « ibid., p. 189. » ibid., p. ICD, 101. * ibid.,
p. 191; vgl. Finsler, p.366. Auch die Stillstände wurden nach dem Muster
der zürcherischen eingeführt. * Pupikofer, Statistik, p.214; Finsler, p.368-
138 Besetzung der Pfarrstellen.
sistorium in Diessenhofen und die Stillstände der unter ihm
stehenden Gemeinden der hohen Gerichte von Diessenhofen
verhängten die Exkommunikation, namentlich als besondere
Kirchenstrafe bei gewissen Vergehen, z. B. Ehebruch, Unzucht,
die von der weltlichen Obrigkeit vorher abgestraft worden
waren.^
c. Die Pfründen.
/. Besetzung derselben.
Die Besetzung der Pfarrstellen oder das Kollaturrecht
stand gewöhnlich beim Gerichtsherrn; sie konnte aber auch
an Korporationen übergeben worden sein; 10 Gemeinden
besassen oder erlangten allmählich den Kirchensatz selbst.^
Gemäss des Landfriedens von 1712 waren die Kollaturen an
einen vom Rat von Zürich ausgehenden Dreiervorschlag ge-
bunden, wobei die Examinatoren demselben Vorschläge
machten. Das Examinatorium prüfte auch die erfolgte Vokation
und erstattete darüber Bericht an den Rat, der das Be-
stätigungsrecht besass.* Collationem liberam behielt Diessen-
hofen für seine Stadtpfarrstelle und die Stadt St. Gallen für
die Pfarrstelle Bürglen.* Für die Aufnahme in den Dreier-
vorschlag war nach zürcherischer Bestimmung das Bürger-
recht der Stadt Zürich notwendig. Zugunsten von evangelisch
Glarus setzte aber der gütliche Spruch von 1740 fest, dass
Zürich nach bestimmten Grundsätzen von Glarus vor-
geschlagene Geistliche in seinen Dreiervorschlag aufzunehmen
habe, so dass stets vier Pfründen im Thurgau und Rheintal
von Glarnern besetzt werden sollten.^ 1785 erlangte Glarus hin-
sichtlich der seit 1740 errichteten Pfründen im Rheintal und
Thurgau je bei der dritten den Zugang; war ein Glarner ge-
wählt, so durfte sein Stand keinen seiner Angehörigen in den
Dreiervorschlag bringen, bis die Pfründe wieder erledigt war.^
Im Vertrage von 1747 mit der Stadt Frauenfeld versprach
Zürich, für die Kollaturen des Frauenfelder Rats verbürgerte
Kandidaten in die Vorschläge aufzunehmen, grundsätzlich
* Straub, p.203. * Finsler, p.366. » Wirz II, p.417 f. Straub, p. 195.
* ibid., p. 208. * E. A. 7. 1, p. 714. • E. A. 8, p. 317. Die seit 1740 er-
richteten Pfarreien waren Roggwil und Stettfurt.
Besetzung der Pfarrstellen.
139
einen, für die Stadt Frauenfeld und Kurzdorf zwei, wenn mehr
als ein Kandidat von Frauenfeld verfügbar sei und Glarus nicht
berücksichtigt werden müsse. Die Kandidaten von Frauen-
feld sollten dabei von der dreijährigen Wartezeit, der sich die
Zürcher von der Ordination an zu unterziehen hatten^ ent-
bunden sein.^ Die Kollatoren der Pfarreien waren:*
Pfründe:
1. Frauenfeld 1
2. Kurzdorf j
3. Gachnang .
4. Ellikon . .
5. Feiben
6» Hüttlingen .
7. Leutmerken
8. Bussnang \
9. Affeltrangen/
10. Sirnach )
11. Dussnang /
12. Aadorf .
13. Aawangen
14. Matzingen
15. Lustdorf
16. Kirchberg
17. Stettfurt .
/. Frauenfelder Kapitel.
Kollator :
. . . Der evangelische Rat zu Frauenfeld.
. . . Der Bischof zu Konstanz.
. . . Der Kleine Ratin Zürich; doch musste
der neue Pfarrer dem Fürstbischo
von Konstanz präsentiert werden
. . . Zürich abwechselnd mit dem Rat zu
Frauenfeld.
. . Zürich.
. . Der Gerichtsherr von Griesenberg.
. . Der Kommandeur von Tobel.
Das Kloster Fischingen.
Zürich.
Kreuzlingen.
Tobel.
Fischingen.
Die Gemeinde.
Die Gemeinde.^
18. Weinfelden .
19. Märstetten .
20. Wigoltingen
//. Das Steckborer KapiteL
. . . Zürich.
. . . Die Gemeinde.
. . . Das Domstift zu Konstanz.
* Pupikofer, Geschichte des Thurgaus 11, p.770, Anmerkung (2 .Auf-
lage). « Fäsi, Y 44, p. 1068 f. abgedruckt. Thurg. Beiträge, Heft 24, p. 37 f.
• Straub, p. 187, Anmerkung: »1792 erhielt die Gemeinde Stettfurt von
den Herren v. Tscharner in Bern die KoUatür schenkweise zurück.^
140
Besetzung der Pfarrstellen.
Pfründe:
21. Lipperswil
22. Müllheim
23. Pfyn . . ,
24. Hüttwilen .
25. Neunforn
26. Burg . . .
27. Mammern
28. Steckborn i
29. Berlingen '
30. ErmatingenJ
31. Tägerwilen .
32. Gottlieben
KoUator:
Das Stift St. Johann zu Konstanz.
Der Bischof zu Konstanz.
Das Domstift zu Konstanz.
Die Karthaus Ittingen.
Zürich.
Das Kloster Einsiedeln.
Das Kloster Rheinau.
Der Bischof von Konstanz als Abt
der Reichenau.
Der Bischof von Konstanz.
Die Gemeinde.
///. Das oberthur gauische Kapitel.
33. Bischofszeil, Pfarrer l
34. Diakon . . . . J
35. Schönholzerswilen .
36. Neukirch
37. Bürglen . .
38. Sulgen . .
39. Sommeri oder
Amriswil
40. Sitterdorf
41. Arbon
42. Salmsach
43. Kesswil .
44. Güttingen
45. Altnau \
46. Langrickenbach \
47. Alterswil )
48. Scherzingen
Das Chorherrenstift daselbst.
Zürich war die Kollatur von der
Gemeinde aus Dankbarkeit über-
lassen worden weg. Unterstützung
beim Kirchenbau und der Pfrund-
stiftung 1714.1
Zürich.
Stadt St. Gallen.
Das Chorherrenstift zu Bischofszeil.
Das Domstift zu Konstanz.
Der Abt von St. Gallen.
Der Bischof von Konstanz.
Der Abt von St. Gallen.
Die Gemeinde.
Kreuzungen.
Das Domstift zu Konstanz.
Das Kloster Münsterlingen.
^ Johannes Hofmeister, Einkommen der geistlichen Pf runden, p. 154.
Das Pfrundeinkommen. 141
Pfründe: Kollator:
49. Kurzrickenbach . . Zürich abwechselnd mit der Stadt
St. Gallen.
50. Egnach Die Gemeinde.
51. Roggwil Die Gemeinde.
2. Das Pfrundeinkommen,
Es gab Pfründen, deren Einkünfte fixiert waren und jähr-
lich an Früchten und Geldzinsen zur bestimmten Zeit und von
bestimmter Seite geliefert wurden. Der grössere Teil dieses
Einkommens floss aus den sogenannten Ämtern oder ein-
gezogenen Klöstern, der andere bestand aus Grundzinsen, die
der Pfarrer selbst einzog oder vielmehr von sogenannten Tragern
empfing. Bei andern Pfründen bestand das Einkommen zum
Teil im Ertrage der Pfrundgüter, welche der Pfarrer auf eigene
Kosten bebauen musste, oder die Einkünfte beruhten auf dem
Zehnten. Die letztere Art war am unsichersten und für den
Pfarrer lästig, weil das Einsammeln des Zehnten häufige Streitig-
keiten zur Folge hatte. Zumeist waren aber die Einkünfte der
Pfründen gemischt;^ vereinzelt steht Stettfurt mit einem Ein-
kommen an Geld von 400 fl. R. V.^ Nicht selten waren
Leistungen der Ortsgemeinde an den Pfarrer; so wurde ihm
etwa ein gewisses Quantum Holz verabfolgt, oder er wurde
in Holz, Feld, Wunn und Weide wie ein anderer Bürger ge-
halten.* Eine beträchtliche Rolle spielten die Geschenke, die
zu gewissen Zeiten, wie Ernte, Herbst, Neujahr, die Einkünfte
der Pfarreien bereicherten. In vielen evangelischen Gemeinden
wurde dem Pfarrer von jedem Bauer die Steuergarbe, Verehr-
garbe, gegeben, die vom Empfänger selbst einzusammeln war
und um die er sogar mancherorts von der Kanzel bittlich an-
halten musste.* Dazu kamen Akzidenzien bei Vornahme
gewisser Pfarrhandlungen, wie Eheverhör, Eheeinsegnung,
Leichenpredigt, örterliche Gehorsame. Einige Gemeinden be-
willigten dem Pfarrer bei der letztern Gelegenheit anstatt der
Geschenke eine Gratiszulage. Dennoch war der Ertrag der
meisten Pfründen gering, und Zürich sah sich zu Zulagen und
Verbesserungen veranlasst. Es bestand zugunsten der Prediger-
^ WirzII, p.89f. « Hofmeister, p. 139. » Straub, p. 217. Mbid., p.216.
142 Pfrundeinkommen, Zulagen, Unterstützungen.
witwen und Pfarrer auf geringen Pfründen, an Schulen oder
Filialen der Prädikanten- oder Witfrauenfonds, woraus vor-
züglich die Geistlichen im Thurgau und Rheintal unterstützt
wurden. Seit 1789 war die Zahl der Benefizianten auf 40
gesetzt, wovon die 16 ersten jeder 45 tf, die 8 folgenden 40 tf,
die übrigen 30 ff erhielten.^ Aus der Pfründenkasse wurden
die Reis- und Aufzugsgelder von je 25 ff bestritten, die den
auf entfernte Pfründen abgehenden Geistlichen überreicht
wurden, ebenso Vikariatsadditamente, Unterstützungen an
Predigerwitwen, Alterszulagen an Geistliche.^ Das Stipendium
der 40 fl. wurde seit der Reformation jährlich an Prediger, die
im Thurgau und Rheintal oder auch anderwärts auf schlechten
Pfründen angestellt waren, ausgeteilt.^ Gewöhnlich erhielten
es die Stipendiaten erst im vierten Jahre ihrer Amtsverwaltung.
Für die Pfarrerswitwen und zum Teil auch für die Waisen wurde
noch durch das Synodalalmosen gesorgt, sowie durch Beiträge
aus säkularisierten geistlichen Gütern und Ämtern und gewissen
fixierten Benefizien.* Seit 1766 bestand im Steckborer, seit
1786 im Frauenfelder Kapitel ein besonderer Witwenfonds.^ Die
Hinterlassenen eines verstorbenen Pfarrers blieben im Genuss
des Pfrundeinkommens während der Fronfasten, worin er starb,
und der folgenden; doch lag es ihnen ob, den Pfarrdienst
während dieser Zeit versehen zu lassen. Dies nannte man
den Nachdienst^ Das Vermögen blieb nach der Bestimmung
des Landfriedens abzugsfrei. Die Geistlichen entrichteten dem
Kollator ein Honorarium; die Stände wachten darüber, dass
dasselbe nicht zu hoch angesetzt werde ;^ sie bezahlten die
sogenannten Synodalsteuern in den zürcherischen Prädikanten-
und Witfrauenfonds halbjährlich anlässlich der Synoden, fast
durchgehends den 450. Pfenning ihres fixen Jahreseinkommens;
die Zürcher Bürger schuldeten der „Gesellschaft der Gelehrten
auf der Chorherrenstube" die sogenannte Liebesgabe, wovon
I dem schon erwähnten Fonds zufielen.® In einer Anzahl
Pfründen besassen die Kollatoren das ius spolii oder die Erb-
gerechtigkeit. Regelmässig lösten die Prädikanten beim Amts-
* Wirz I, p. 417. » ibid., p. 418 f. » ibid., p. 426 f. * ibid., p. 428 f.
« ibid., p. 431, Anmerkung. • E. A. 7. 2, p. 540. ' Vgl. E. A. 7. 2, p. 43, 54.
«Wirz 11, p.398f.; I, p.411.
Das katholische Kirchenwesen. 143
antritt oder im Laufe der Amtszeit durch Vereinbarung diese
Verpflichtung ab. Das Kloster Einsiedeln erhob in Burg an
Stelle des Spolienrechts eine Ansprache von 2 fl.^ 1750
stellte der Bischof von Konstanz den Antrag, ein aufziehender
Pfarrer möchte von den Pfarrpfründen Gachnang, Müll-
heim, Steckborn, Ermatingen etwa 3 % des ersten Jahres-
nutzens erstatten.^
B. Das katholische Kirchenwesen.
a. Das Bistum Konstanz.
Die katholische Religion stand unter dem Schutze der
katholischen Stände, vor allem des Vorortes Luzern.^ Ihre
Bekenner bildeten im Thurgau die Minderheit. J. C. Fäsi setzte
in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts das Verhältnis auf
4 : 1 fest.* Geistliche, sowie weltliche Katholiken standen unter
dem Bischof von Konstanz; die Säkulargeistlichkeit der Land-
grafschaft war in zwei Ruralkapitel eingeteilt:
I. Das vereinigte Frauenfelder und Steckborer Kapitel;
II. das St Galler Kapitel.
Im erstem lag die exemte Propstei Wertbühl, die allein unter
der Dompropstei zu Konstanz stand, welche daselbst die
Kollatur besass;* zum letztern gehörten nicht nur die Pfarreien
des obern Thurgaus, sondern auch eine Anzahl Parochien in
der alt-st. gallischen Landschaft und dem Rheintal. 1613 war
zwischen dem Bischof von Konstanz und dem Abt von
St. Gallen ein gütlicher Vergleich errichtet worden, kraft dessen
diejenigen Kirchen, an denen der Abt die Kollatur besass, den
Bischof von Konstanz anerkennen sollten. Dem Abte aber
war neben der Kollatur das Examen und die Annahme der
Priester überlassen, so dass sie sich jedoch dem Bischöfe vor-
stellen mussten, um von ihm die Benediktion zu erlangen. Sie
gelobten beiden geistlichen Fürsten Gehorsam. Bei Über-
nahme der Pfründe entrichteten sie zuhanden des Bischofs
eine Taxe von 4 fl. 5 Batzen oder 8 f l. 5 Batzen ; sie besuchten
^ Straub, p. 180, Anmerkung. * E.A, 7.2, p. 598. » Vgl. Einleitung,
p. 132. * Fäsi, Y44, p. 1075. Gewöhnlich wird es aber 3:1 angegeben.
* Fäsi, Y 44, p. 1078.
144 Gütlicher Vertrag zw. Abt von St. Gallen u. Bischof von Konstanz.
die bischöfliche Synode, statteten die Charitativa, Subsidia,
Consolationes etc. ab. Doch konnte auch der Abt von ihnen
Subsidien beziehen ; derselbe besass das Recht, seine Priester-
schaft zu versammeln, Visitationen vorzunehmen und Fehler
im Lebenswandel der Geistlichen abzustrafen. Schwere Ver-
gehen aber mussten dem Bischof hinterbracht werden, der
alle fünf Jahre eine Generalvisitation vornahm. Die zwischen
Geistlichen schwebenden Streitigkeiten mochten vom Gericht
des Abtes an den Bischof appelliert werden; bei Differenzen
zwischen Abt und Bischof waren der Bischof von Augsburg und
der Abt von Kempten Schiedsrichter, die noch einen Drittmann
zuziehen konnten. Bei ihrem Spruche sollte es sein Verbleiben
haben. Alle Ehezwiste kamen vor das bischöfliche Matrimonial-
gericht. In dem Vergleich waren Kesswil, Salmsach, Sommeri,
Sitterdorf, Wuppenau nicht ausdrücklich erwähnt; der Bischof
wollte dem Abte daselbst die Visitation nicht gestatten.*
Die übrigen Parochien waren in allem dem Bischof von
Konstanz unterworfen. Die Kapitel waren ähnlich wie die
evangelischen organisiert; an der Spitze stand ein Dekan. Der
Ort, wo die jährlichen Kapitelversammlungen stattfanden,
wechselte. Alle zwei Jahre fand eine Lokal- und Personal-
visitation durch Dekan und Kamerarius statt; die Visitations-
akten gelangten an das Offizium des Bischofs. Nur ein ge-
ringer Teil der katholischen Geistlichen in den beiden Rural-
kapiteln bestand aus geborenen Eidgenossen.
b. KoUatur.'
/. Das vereinigte Frauenfelder- und Steckborerkapitel.
Parochie : Kollator :
1. Aadorf . . . Die Kollatur stand eigentlich bei Zürich,
dem sie vom Kloster zu Winterthur zufiel.
Zürich übergab sie den kath. reg. Ständen ;
der von einem Stande Erwählte musste
sich aber vor dem Rate in Zürich stellen,
um die Belehnung zu erhalten.
* J. J. Hottinger, Helvet. Kirchengeschichten III, p.988l. Vgl. p. 146^
147; die Kollatur stand in den erwähnten Parochien nur zum Teil
St. Gallen zu; Fäsi führt »Kesswil" gar nicht an. » Fäsi, Y 44, p. 1076 f.
Parochien.
145
Parochie ,
Au . .
Basadingen
Bettwiesen \
Bichelsee /
Bussnang
Tänikon . .
Diessenhofen, die \
Kaplanei daselbst/
Ermatingen . . .
Der Primissarius \
allda J
10.
II.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
27.
28.
28.
20.
31.
(Frühmessner)
Die Kaplanei
Mannenbach /
Eschenz \
Fischingen/
Frauenfeld ....
Die 6. Kaplanei allda
Die 7.
Gachnang ....
GUndelhard . . .
Herdern .
Hüttwilen
Homburg
Üsslingen
Klingenzeil
Leutmerken
Lommis .
Mammern
MUllheim
Paradies
Pfyn . .
Steckborn
Sirnach, Kaplanei allda
Tobel, Kaplanei . .
Dussnang ....
Weinfelden ....
Kollator:
Das Kloster Fischingen.
St. Katharinenthal.
Fischingen.
Der Kommentur zu Tobel.
Das Kloster Wettingen.
Der katholische Rat allda.
Reichenau.
Das Haus von Hallwil.
Reichenau.
Das Kloster Einsiedeln.
Reichenau.
Der katholische Rat.
Das freiherrliche Haus Rüpli.
Reichenau.
Der Gerichtsherr.
Das Kloster Kalchrain.
Das Kloster Ittingen.
Das Kloster Muri.
Das Kloster Ittingen.
Das Kloster Petershausen.
Der Gerichtsherr.
Das Kloster Fischingen.
Das Kloster Rheinau.
Reichenau.
Löbl. Provinciales Konventualinnen.
Das Domstift zu Konstanz.
Reichenau.
Das Domstift zu Konstanz.
Der Kommentur daselbst.
Das Kloster Fischingen.
Herr Baron Reding v. Biberegg,
Landschreiber.
. Wängi Der Kommentur zu Tobel.
Hasenfratz, Die Landgrafschaft Thurgau vor 179S. 10
146
Klösten Statthaltereien.
In diesem Ruralkapitel lagen
Männerklöster:
1. Kommende Tobel
2. Abtei Fischingen . .
3. Kloster Ittingen . .
4. Klösterli in Frauenfeld
Frauenklöster :
1. Tänikon ....
2. Kalchrain . . .
3. Feldbach . . .
4. Paradies . . .
5. St. Katharinenthal
Es enthielt folgende geistliche
1. Bettwiesen u. Sommeri
2. Freudenfels \
3. Sonnenberg/
4. Klingenberg . .
5. Kiingenzell . . .
6. Herdern und Liebenfels
folgende Klöster:
Orden :
Johanniterorden.
Benediktiner.
Karthäuser.
Kapuziner.
Zisterzienser.
Zisterzienser.
Zisterzienser.
Klarissinnen.
Dominikaner.
: Statthaltereien:
gehörten nach Fischingen.
Einsiedeln.
Muri.
Petershausen.
St. Urban.
7. Mammern Rheinau.
//. Das St Galler Kapitel
Parochie : Kollator :
1. Altnau Das Domstift Konstanz.
2. Arbon ..... Der Bischof von Konstanz.
3. Berg \
4. Bischofszell I
5. Güttingen
6. Hagenwil
7. Heiligkreuz
8.*Helfenswil
9. Hörn
10. Romanshorn
1 1 . Salmsach
12.*Steinach
13. Sitterdorf
14. Sulgen . .
St. Pelagiusstift zu Bischofszell.
Kloster Kreuzlingen.
Der Abt von St. Gallen.
St. Pelagiusstift zu Bischofszell.
lagen nicht im Thurgau.
Parochien. 1 47
Parochie: Kollator:
15. Sommeri .... Das Domstift zu Konstanz.
16. Welfensberg . . . Der Abt von St. Gallen.
17. Wuppenau .... Der Kommentur zu Tobel.
18. Bernrain .... Der Stadtrat zu Konstanz.
In diesem Kapitel lagen auch das St. Pelagiusstift zu
Bischofszell, das Männerkloster Kreuzlingen und das Frauen-
kloster Münsterlingen, beide Benediktinerordens, die dem
Kloster Muri gehörende Statthalterei Eppishausen.
C. Wohltätigkeitsanstalten.
a. Die Brandsteuerordnung.
Im Jahre 1716 beratschlagten die Dekane der drei thur-
gauischen reformierten Kapitel eine Anstalt zur Erleichterung
der Brandbeschädigten und setzten folgende Ordnung fest:
Wenn ein oder mehrere Häuser eingeäschert wurden, so be-
sichtigte der Ortspfarrer mit einem oder zwei Vorgesetzten
den Schaden und zeichnete die Namen der Beschädigten und
ihren Verlust auf. Darüber verfasste er einen Bericht zuhanden
des Dekans, indem er zugleich über das Tun und den Wandel
der vom Brandunglück Betroffenen Auskunft gab. Der Dekan
teilte den Vorfall den Mitdekanen und durch dieselben allen
Pfarrern im Lande mit, worauf dieselben von der Kanzel herab
ihre Kirchgenossen um milde Gaben angingen. Die ein-
gesammelten Steuern wurden dem Pfarrer der Brandbeschä-
digten überschickt, der sie mit Zuzug der Vorgesetzten oder
der Obrigkeit des Ortes verteilte und hierauf allen drei Dekanen
ein Dankschreiben samt dem Verzeichnis der Beiträge zu-
sandte. Die Steuern, die in Geld, Früchten, Wein, Holz etc.
bestanden, wurden in ein besonderes Buch verzeichnet, allfällige
Überschüsse einem eigenen Pfleger zur Verwaltung übergeben.
Erst 1725 wurde die Brandsteuerordnung von allen reformierten
Kirchgemeinden angenommen, mit dem Zusätze, dass das den
Beschädigten noch verbleibende Vermögen angegeben und
zuerst im Kapitel, in dem das Unglück geschehen, gesteuert
werde. Auf gleiche Weise unterstützten die Reformierten ihre
Angehörigen bei Hagelschaden mit Getreide und Geld.^
* Wirz I, p. 525, a. Anmerkung.
1 48 Wohltätigkeitsanstalten.
b. Das Brugger Armengut.
Die dem Kloster St. Gallen angehörigen Ortschaften und
Gemeinden im obern Thurgau waren Anteilhaber am Armen-
gut zu Bruggen. Unter Abt Othmar war die Errichtung des-
selben zustande gekommen, indem die alt-st. gallische Land-
schaft ihre von der Krone Frankreich von sechs Jahren her
geflossenen Pensionsgelder dem Abte überliess unter der Be-
dingung, dass dieselben zum Ankauf eines Armenhauses für
Kranke und Gebrechliche verwendet würden.^
Der Fonds vermehrte sich im Laufe der Jahrhunderte be-
trächtlich, wurde aber vom Kloster St. Gallen öfters in be-
stimmungswidriger Weise benutzt.^ Einige meistens demselben
nahe gelegenen Gemeinden erhielten zwar von Zeit zu Zeit
daraus einige Benefizien; desto weniger andere, die weiter
entfernt waren. Vor allem sahen sich die Evangelischen ver-
kürzt; sie beklagten sich in den neunziger Jahren, dass sie
nicht allein vom Genüsse des Armengutes ausgeschlossen seien,
sondern nicht einmal einen Einblick in den Stand desselben
erhielten.^ Dekan Pfarrer Steinfels in Kesswil machte sich zum
Anwalt der Gemeinden beim Syndikate; der „gütliche Vertrag",
den Abt Beda der alten Landschaft bewilligte, versprach zwar
Austeilung des Almosens gemäss dem Inhalte des Stiftungs-
briefes, ohne Unterschied der Religion; dennoch sah sich
Steinfels veranlasst, auch unter dem helvetischen Einheits-
staate seine Bemühungen fortzusetzen. Die Ausscheidung des
Armengutes an die anteilhabenden Gemeinden in St. Gallen
und Thurgau vollzog sich erst im Jahre 1811.*
c. Armenunterstut2ung.
Die Teuerungsjahre von 1770 und 71 und die dadurch
veranlasste Vermehrung der Bettler nötigte zur Aufstellung von
Armenordnungen. Voran ging dabei der Pfarrer der Kirch-
gemeinde Wigoltingen, Dekan Heinrich Kilchsperger von Zürich.*^
* Thurg. Beiträge, Heft 9, p. 125. Vgl. auch J. v. Arx, Geschichten
des Klosters St. Gallen III, p. 111. « Thurg. Beiträge, Heft 9, p. 122, 123,
125, 126. » ibid., p. 122. Vgl. E. A. 8, p. 391, 392. * Thurg. Beiträge, Heft 9,
p. 130 f. * Vgl. Thurg. Beiträge, Heft 1, p. 53, wo sich eine kurze Bio-
graphie Kilchspergers findet.
Wigoltinger Armenordnung. 149
Er versuchte, den Hausbettel gänzlich abzuschaffen. Die
Almosenspender wurden ersucht, ihre Gaben an den Armen-
pfleger zu verabfolgen, der den Armen der Gemeinde daraus
wöchentliche Unterstützungen zukommen Hess. Auf diese
Weise wurde nicht nur für die Armen am zweckmässigsten
gesorgt, sondern es sammelte sich'^ein Almosenfonds an. Als
die Zinse desselben samt denjenigen des alten Armengutes und
der inzwischen gefallenen Legate nicht nur zur Austeilung
der gewöhnlichen Almosen, sondern auch zur Unterstützung
anderer Hilfsbedürftiger hinreichend schienen, wurde die weitere
Sammlung 1780 eingestellt.^ Neu angenommene Bürger und
Hintersassen hatten sich in den Armenfonds einzukaufen. Die
Austeilung des Almosens fand jeweils am Donnerstag durch
dazu verordnete Pfleger statt. Empfänger waren nur Er-
wachsene, die vorher, sofern sie nicht durch Gebrechlichkeit
und Krankheit daran verhindert waren, den an diesem Tage
gehaltenen öffentlichen Gottesdienst besuchen mussten. Aus-
bleiben ohne erhebliche Ursache wurde mit Entzug des
Wochengeldes bestraft. Betteln ausserhalb der Kirchgemeinde,
Zurückbehalten der Kinder von der Schule, Müssiggang bei
Arbeitsfähigkeit und -gelegenheit, mutwilliges Benehmen hatten
ebenfalls zeitweilige Vorenthaltung des Almosens zur Folge.
Während der Ernte wurde die Spende drei Wochen lang ein-
gestellt, da das „Erntebrot" sie ersetzte.^
Mehrere andere Kirchgemeinden folgten dem Beispiele
Wigoltingens nach, wie Märstetten, Weinfelden, Steckborn,
Gottlieben, Tägerwilen, Neunforn.^
Vielenorts wurden die Armen aus den Kirchensteuern
unterstützt, wobei sich Steuer- oder Säckleingüter anzuhäufen
begannen.* 1712 hatten in Simultankirchgemeinden die Kirchen-,
Spend- und Armengüter unter beide Religionsparteien verteilt
werden müssen, weshalb sie gewöhnlich für ihre Zwecke nicht
hinreichten. Wo nicht durch neue Fondationen dem Mangel
abgeholfen war, traten etwa die regierenden Stände hilfreich
ein; den Reformierten öffnete Zürich seine mildreiche Hand.
^ G. Amstein, Geschichte von Wigoltingen, p. 264, 265. * ibid.,
p. 267. » Thurg. Beiträge, Heft 1, p. 60. * Vgl. Wirz I, p. 527, An-
merkung.
150 Bischolszeller Gerstentag.
In den Städten, wo die Mittel reicher waren, bestanden
etwa stehende Institutionen zur Armenunterstützung, wie der
Gerstentag in Bischofszeil. Bis 1741 wurde den Bedürftigen
auf dem Kirchhof und im Spital Brötchen und Gerste aus-
geteilt und 24 Weibern eine Mahlzeit gegeben. Die von Vogt
und Rat erlassene neue 'Verordnung vom 19. August 1741
schaffte die Abgabe von Gerste ab; die Brötchen sollten kleiner
gemacht werden; auch die Mahlzeit wurde aufgehoben, und je
24 Weiber wurden an Stelle derselben mit Geld abgefunden.^
D. Polizeiliches.
Während sich immer mehr der Grundsatz geltend machte,
dass jeder Kirchgemeinde die Unterstützung ihrer Armen ob-
liege, war es die Aufgabe der Marschiere, fremde Bettler und
herumschweifendes Gesindel vom Eintritt in das Land abzu-
halten.^ Die Dorfwachen hatten die Armen ihres Kirchspiels
am Weglaufen in andere Gemeinden zu verhindern, fremde
in ihre eigenen Pfarreien zu verweisen. Besonders scharfe
Aufsicht hielt man über die sogenannten Bettelpfaffen, Wald-
brüder, da sich häufig Landstreicher unter dieser Verkleidung
bargen. Nur wenn sie Pässe, Attestate und Empfehlungs-
schreiben, von den regierenden Ständen, der Nuntiatur oder
dem Ordinariat in Konstanz erteilt und besiegelt, vorweisen
konnten, war ihnen das Betteln, Almosen- und Steuersammeln
zugelassen. Verdächtig waren auch vorgebliche Konvertiten
und Proseliten, die sich woht beim Pfarrer des Ortes oder
dem Gemeindesäckelmeister um eine Unterstützung melden
durften, hernach aber zum Dorf hinausgeführt wurden. Alle,
die Bären, Affen oder anderes Gaukelwerk ins Land brachten,
ferner solche, die mit Dudelsäcken, Leiern, Raritätskasten,
Lotterien, Glückshäfen herumzogen, sollten als unnütze und
heillose Strolche, die den guten Landmann um sein Geld zu
^ J. Casp. Diethelm, Memorabilia Episcopicellana, p. 575. Bischols-
zeller Stadtbibliothek. ^ Entwurf eines Bettelmandats von Landvogt
Alois Weber, eingeschickt sub 12. November 1772. Zürcher Staatsarchiv,
A 323, 29. Das Mandat zeigt auffallende Ähnlichkeit mit der Wigoltinger
Armenordnung; vgl. Thurg. Beiträge, Heft 1, p. 59.
Bettelordnungen. 1 5 1
bringen trachten, auf demselben Wege, den sie kamen, zurück-
gejagt und ihnen unter keinerlei Vorwand der Durchpass ge-
stattet werden; inbegriffen war das höchst schädliche und
gewissenlose Gesindel der Quacksalber, Marktschreier, Ver-
käufer von zu Lachsnereien* verleitenden Bücher. Deserteure
und abgedankte Soldaten hatten ihren geraden Weg auf der
Landstrasse zu verfolgen und durften sich nicht auf Neben-
wegen blicken lassen. Das Feuern, Kochen, Sieden und Braten
unter dem Schatten der Bäume, wodurch der Fleiss des arbeit-
samen Landmanns verspottet wurde, fand strenge Ahndung;
die Ärger erregenden Faulenzer wurden, wenn sie widerstanden,
fortgeprügelt, und jedermann war untersagt, solch liederlichem
Gesindel Nachtherberge oder Unterschlupf zu gewähren. Den
Klöstern und Herrschaften wurde das Suppen-, Brot- und
Getränkeausteilen an Fremde verboten.^ Ehrliche und des Mit-
leids würdige Arme hingegen sollten Linderung ihrer Not finden.
So wurde die Verfügung erlassen, dass begüterte Hausväter ihre
Gaben an Geld oder Waren demjenigen Vorgesetzten ein-
händigten, der gerade den Armensäckel, welcher wöchentlich
bei den Vorgesetzten umging, verwaltete; der Vorgesetzte war
nicht befugt, das Eingegangene nachzuzählen; vorbehalten
waren schon bestehende gute Einrichtungen. Tadelnd erwähnt
wird das unanständige Betteln und Nachlaufen der kleinen
Kinder. Wenn das Gesindel zu sehr überhand nahm, wurde
eine sogenannte Betteljagd angestellt, ein allgemeines Treiben
der Heimatlosen über die Grenze. Rückkehr in das Land wurde
mit einer gerichtsherrlichen Strafe belegt, auch erfordernden
Falles mit Schlägen und Haarabschneiden gezüchtigt.^ Hand-
werksburschen, oder wer sonst das Land in Geschäften verliess,
mussten sich mit Pässen versehen. An den Landesmarken er-
hoben sich Säulen oder „Poteaux", an denen jeweils die
neuesten Bettelordnungen angeschlagen waren.* Bettelfuhren
wurden an den meisten Orten im Thurgau so fortgeliefert, dass
die Verpflichtung dazu unter den Gemeindegenossen von Haus
. .* Zaubereien. * Bettelmandat von 1789. * Bettelmandat vom 5. Merz
1789, T 22, Bd. III, Nr. 216. * Bettelmandat vom Jahre 1779. Zürcher
Staatsarchiv, A 323, 31. Mandatenbücher, sog. Eidg. Archiv, T 22, Bd. III,
Nr. 199, Mandat vom 21. Juli 1780.
152 Sonn- und Feiertagsmandate.
zu Haus umwechselte, wenn nicht von Gemeinde wegen eine
besondere Fuhr angeordnet wurde.^ Zur Unterbringung des
Gesindels versuchten die Gerichtsherren sich mit einem Zucht-
oder Arbeitshaus im Reiche oder in St. Gallen in Verbindung
zu setzen; doch ohne Erfolg.^
Sonn- und Feiertagsmandate mahnten zur Zucht unter dem
Volke auf, um es vor Liederlichkeit und Armut zu bewahren.
An Sonn-, Feier, Fest- und deren Nachtagen* war das Saufen,
Springen, Tanzen, Spielen mit Karten, Kegeln, Würfeln, be-
sonders während des vor- und nachmittägigen Gottesdienstes,
verboten. Speziell ereiferten sich die Mandate gegen das Licht-
stubengehen der jungen ledigen Leute, gegen Geschrei und
Johlen auf der Strasse. Der ehrsame Bürger mochte wohl
nach geendetem Gottesdienste einen bescheidenen Trunk tun,
doch niemals im Sommer bis über 9, im Winter über 8 Uhr
im Wirtshause sitzen bleiben; die Zeche durfte er nicht auf-
schreiben lassen; bei solchem „Dingszehren" fand der Wirt
keine rechtliche Unterstützung in seiner Forderung. Feldarbeit,
Backen und Mahlen, Kauf und Verkauf waren an Sonn- und
Feiertagen untersagt* Immerhin wurde den Müllern zu-
gestanden, bei anhaltender Trockenheit auch am Sonntag zu
mahlen; Leute aus entlegenen Ortschaften mochten, aus der
Kirche heimkehrend, Lebensmittel in der Stille einkaufen und
mit sich nach Hause nehmen.^ Anlass zu grossem Unwesen
gaben die Kirchweihen. Die jungen Leute besuchten nicht
nur die „Kirbe" in der eigenen Kirchhöre, sondern zogen von
Pfarrei zu Pfarrei.® Unter Genehmigung der bischöflichen Kurie
setzten die Eidgenossen als Kirchweihtag für die ganze Land-
grafschaft je den dritten Sonntag im Juli fest;' diese Verord-
nung wurde aber hie und da von den Gerichtsherren um-
gangen, indem sie den Wirten die Erlaubnis erteilten, an alten
Kirchweihtagen Spielleute zu halten.®
^ Zürcher Staatsarchiv, A 330, Kopie des gerichtsherrenständischen
Protokolls vom 29. April 1793. « Zürcher Staatsarchiv, A 330, Protokoll
vom 26. Juni 1788. ' Über Abschaffung einiger Feiertage vgl. E.A. 8,
p. 369, 370: * Sonn- und Feiertagsmandat, T 22, Bd. Ill, Nr. 185, vom
6. Heumonat 1774. » E. A. 8, p. 370. • T 22, Bd. lII, Nr. 202, Mandat vom
18. April 1781. ' E.A.8, p.316. » E.A. 8, p.370; vgl. auch E.A.8, p.348.
Schule. 153
3. Die Schule.'
A. Organisation.
Im Jahre 1799 besass der Thurgau 215 Schulen, die im
Maximum von 9136 Kindern besucht wurden.* Die Schule
wurde durchaus als ein kirchliches Institut aufgefasst; in der
reformierten Schulsatzung vom 6. November 1779^ werden
die Lehrer die Stellvertreter der Geistlichen genannt; das
Examinatorium in Zürich bewilligte die Gründung neuer
Schulen, behielt sich das Recht vor, die Lehrer abzusetzen,
und übte die Aufsicht über das Schulwesen durch Pfarrer,
Dekane und die Synode. Unter den katholischen Schulen be-
fand sich Ende des achtzehnten Jahrhunderts eine einzige
Klosterschule, diejenige in Fischingen, nachdem die nur kurze
Zeit bestehende Stiftsschule in Kreuzungen eingegangen war.*
Laut der Berichte von 1772 bestanden paritätische Schulen in
Steckborn, Salenstein, Üsslingen, Hüttwilen, Müllheim, Wein-
felden; ebenso waren die sieben Schulen der grossen Kirch-
gemeinde Bussnang: Bussnang, Mettlen, Amlikon, Rothen-
hausen, Eppenstein, Friltschen, die Höfe Lanterswil, Sterenberg
u. s. w. alle konfessionell gemischt. 1771 zählte die Schule
zu Roggwil unter ihren 79 Schülern 6 katholische, und 1779
wurde diejenige von Hauptwil auch von den dortigen katho-
lischen Kindern besucht.^ Die evangelischen Pfarrer waren laut
Predikantenordnung zu fleissigem Schulbesuch verpflichtet und
sollten auch die Vorgesetzten der Gemeinden dazu ermuntern.*
^ Das Material zur Geschichte des thurgauischen Schulwesens im
achtzehnten Jahrhundert ist zusammengetragen in dem Manuskript
von H. G. Sulzberger: Beschreibung der thurgauischen Schulen in den
letzten Dezennien des achtzehnten Jahrhunderts, Y 154 a. Sulzberger
benutzte: 1. die ausführlichen Berichte der thurgauischen Pfarrer über
ihre Schulen, die sie 1771 und 72 auf Befehl der Examinatoren ein-
gaben (Zürcher Staatsarchiv). 2. Die Berichte über die katholischen und
evangelischen Schulen, die auf Befehl des helvetischen Ministers der
Wissenschaft und Künste im Februar 1799 von den Schulmeistern nach
einem ihnen mitgeteilten Frageschema abgefasst wurden (eidg. Archiv,
Bern). * Thurg. Beiträge, Heft 30, J.J. Widmer, Das thurgauische Volks-
schulwesen unter der Helvetik, p. 68. » Sulzberger, p. 4 f. * Kuhn,
Thurgovia Sacra 11, p. 94, 331, 332. * Sulzberger a. v. O. • ibid., p. 12.
154 Einteilung der Schulen.
Kinder, die in den Hauptfächern: Gut lesen, deutliche und
gründliche Erkenntnis der ersten Grundwahrheiten der christ-
lichen Religion ungenügend vorbereitet waren, wurden nicht
zum Abendmahl zugelassen, bis sie das Versäumte nach-
geholt hatten.^
Die Schulen lassen sich folgendermassen ordnen:
/. Hinsichtlich der Lehrfächer:
1) Die gewöhnlichen Primarschulen.
2) Die Oberschulen in Weinfelden, Bischofszeil, Altnau und
Steckborn,^ die Oberschult oder das Provisorat Arbon,
das Provisorat Diessenhofen.
3) Die Lateinschulen: das evangelische Provisorat und die
katholische Lateinschule in Frauenfeld, die Klosterschule
Fischingen.'
4) Die Nachtschulen.
IL Hinsichtlich der Schulzeit:
1) Alltagsschulen: a. Jahrschulen.
b. Winter- und zum Teil Sommer-
schulen.
2) An bestimmten Tagen: a. Sonn- und Feiertagsschulen.
b. Repetierschulen.
c. Nachtschulen.
d. Zum Teil Sommerschulen.
///. Hinsichtlich des Schulgeldes:
1) Die Kinder bezahlen dasselbe.
2) Freischulen.
3) Halbe Freischulen.
U\^ Jahrschulen waren in der Minderzahl; von 1772 bis 1799
werden ausdrücklich als solche in den Berichten bezeichnet:
Ermatingen (die evangelische und katholische Schule), Ber-
lingen, Steckborn, Burg, Wagenhausen, Müllheim, Märstetten,
die drei Weinfelder Schulen, Hauptwil, Schrofen, Arbon (die
* Sulzberger, p. 8. ' Die letztere wurde 17% aus einem 1726 dafür
gemachten Legat gegründet und nach mehreren Jahren das Provisorat
genannt. Sulzberger, p. 26. * Vgl. eine Ungenauigkeit Thurg. Beiträge»
Heft 22, p. 53.
Jahrschule. Winterschule. 1 55
evangelische und katholische Primarschule), Altnau, Bottig-
hofen, Egelshofen, Kurzrickenbach, Emmishofen, Bischofszell
(Unter- und Oberschule), Aadorf, Frauenfeld (die katholische
Lateinschule ausgenommen);^ wahrscheinlich war auch Jahr-
schule in Gottlieben und Tägerwilen. In Egelshofen und Kurz-
rickenbach setzte die Schule nur 14 Tage im Jahre aus. Die
eigentliche Winterschule dauerte in den meisten Fällen von
Martini (11. November) bis Ostern, Auffahrt oder Pfingsten.
In Lommis begann sie 1772 an Nikiaus (6. Dezember); in
Sirnach, Eschlikon, Oberhof en an Othmar (16. November); in
Tobel ebenfalls Mitte November; in der Kaplanei Sirnach und
der katholischen Schule St. Margrethen am I.Advent; in Mär-
wil am 1. Dezember; in Ottenberg schon im Oktober. Sie
dauerte in den katholischen Schulen Steinebrunn, Nieder-
sommeri, Güttingen bis St. Georg (23. April). Nicht selten
wurde die Winterschule verlängert, und zwar in einzelnen
Fällen bis auf Jakobi.^ Als häufiger Termin wird angegeben
„Heuet" oder Ernte. Die verlängerten Winterschulen sollten
dem Bedürfnis nach einer Sommerschule abhelfen. In Zihl-
schlacht begann dessenungeachtet am 17. September eine
Herbstschule, die wieder bis Martini dauerte. Übrigens sind
die verlängerten Winterschulen schwer von den Sommerschulen
zu unterscheiden, von denen einzelne ebenfalls zu Jakobi, andere
noch früher aufhörten. Es mögen auch die Berichte für den
gleichen Zustand die Ausdrücke verlängerte Winterschule und
Sommerschule gebrauchen. Im ganzen macht sich ein Steigen
der Schulwochenzahl von 1772 bis 1799 geltend; es wäre denn,
dass eine Schule durch Abtrennung schulgenössiger Orte Ein-
busse erlitten hätte. So dauerte diejenige in Dünnershaus
früher bis Jakobi, während der Bericht von 1799 den 6. April
als Schlussdatum angibt. Die gleiche Verschiebung fand in
der Kirchgemeinde Langrickenbach statt, wo gegenüber den
vier Schulen des Jahres 1772 1799 sieben genannt werden.
Die Schulwochenzahl war beständigen Variationen unterworfen,
* Sulzberger a. V. O. * Bericht von 1799. Verlängerung der Winter-
schule bis Jakobi in allen Schulen der Kirchgemeinde Neukirch: Neu-
kirch, Olmishausen, Ringenzeichen, Wilen, in Oberaach, Hefenhofen,
SteinUoh, Zihlschlacht.
156 Sommer-, Sonn- und Feiertags-, Repetier- und Nachtschule.
wie es bei dem unregelmässigen Besuche nicht anders zu er-
warten war. Die Zahl der Winterschulwochen beträgt 20 — 23,
24 — 26 ; bei den verlängerten Winterschulen 30 — 36 und mehr.
Sie sank aber auch auf 18 — 16, 15, 13 — 12 herab. 10 Wochen
dauerten die katholischen Schulen in Kalthäusern und Bett-
wiesen, 9 diejenige in Affeltrangen, 8 die drei Schulen der
Kirchgemeinde Bichelsee: Bichelsee, Balterswil, Itaslen; das
Minimum erreichten Heiligkreuz mit 3 — 4 und Dotnach mit
3 Wochen.^ Im allgemeinen weisen die katholischen Schulen
die geringere Schulwochenzahl auf. Die Sommerschulen waren
entweder Alltagsschulen oder sie wurden an bestimmten Tagen
gehalten, häufig nur am Vor- oder Nachmittag. Sie dienten
oft einer ganzen Kirchgemeinde, schlössen bei Beginn der ver-
mehrten Feldarbeit, oder es traten Ferien bis nach der Ernte
ein. Ihr Zustandekommen war von der Anzahl der sich ein-
findenden Schüler abhängig. In Weinfelden hielt der Unter-
lehrer Johann Dünner Frühschule von 5 — 1\ Uhr, damit die
Kinder den Eltern nachher den ganzen Tag behilflich sein
konnten. Sonn- und Feiertagsschulen waren namentlich an
katholischen Orten beliebt; sie fanden an den Nachmittagen
der Sonn- und Feiertage statt, nicht selten auch nur je eine
Stunde vor dem Gottesdienst. Für entlassene Schüler bestanden
die Repetierschulen zur bessern Vorbereitung auf das Abend-
mahl ; " dieser kirchliche Zweck erklärt, dass in Güttingen und
Dünnershaus 1799 der Pfarrer den Unterricht leitete; übrigens
wurde in den Repetierschulen mit Schreiben und Lesen fort-
gefahren. Gewöhnlich wurden sie einmal per Woche oder
alle 14 Tage gehalten; nicht selten waren sie auf den Sonn-
tag verlegt. Die Nachtschulen dienten vorzüglich zur Pflege
des Gesanges; doch war an einigen Orten der Leseunterricht
mit dem Singen verbiXnden und selbst das Rechnen der Nacht-
schule vorbehalten. Zwei- oder dreimal per Woche kamen
dabei Knaben und Mädchen zusammen; doch war etwa die
Ordnung getroffen, dass zwei Abende den Knaben, der dritte
den Töchtern reserviert blieben. Die Nachtschulen wurden teil-
^ Sulzberger, p. 143. Thurg. Beiträge, Heft 30, p. 73, ist gewiss
irrtümlich eine Zahl von 12 Wochen angegeben. • Sofern sie evan-
gelisch waren.
Freischule. 1 57
weise auch von Erwachsenen^ besucht. Ihre Dauer war ver-
schieden, zwei oder mehr Monate des Winters; gewöhnlich
fanden sie von 6 — 8 oder 7 — 9 Uhr statt. In den Freischulen
wurden die Kinder unentgeltlich unterrichtet, indem ein Schul-
fonds oder, wo derselbe nicht genügte, Feststeuern, Kirchen-
und Armengut die Besoldung des Lehrers bestritten oder wie
in Hauptwil der Gerichtsherr dieselbe bezahlte. Oft war die
Beschulung nur für einen Teil des Jahres frei, so in Märstetten
7 Wochen lang. In einigen Kirchgemeinden, wie Sitterdorf,
Altnau, Affeltrangen mit der Filiale Märwil, Hüttlingen, Feiben,
waren alle Schulen frei. In andern, z. B. Sirnach und Lust-
dorf, war die ganze Kirchgemeinde Anteilhaberin an den Frei-
schulen, obwohl sich Nebenschulen abgetrennt hatten. In halben
Freischulen bezahlten die Hausväter die Hälfte des Schul-
lohnes. Wo die Nachtschulen frei waren, mussten die Schüler
etwa die Kerzen geben, woran die Gemeinden häufig einige U
steuerten, sofern nicht aus dem Schulfonds, dem Kirchen-,
Armen- oder Steuergut ein Beitrag an Geld bewilligt war oder
dieselben die ganzen Kosten der Beleuchtung trugen; mancher-
orts war der Lehrer gehalten, die Kerzen zu liefern. Kinder,
die nicht aus dem Schulort waren, bezahlten das gewöhnliche
Schulgeld, und es war eine Vergünstigung, wenn der Lehrer
solche „Fremden" zur Erhöhung seines Einkommens auf-
nehmen durfte. Einige Orte fanden sich mit jährlichen Bei-
trägen an den Schulort ab, um ihren Kindern Freiunterricht
zu verschaffen. Bei der Abtrennung einer Nebenschule behielt
sich etwa der neue Schulort sein Recht vor und schickte seine
Schüler nach Beendigung der eigenen Schule noch in die alte.
So beklagte sich 1799 der Lehrer von Lustdorf, dass die Kinder
in den Nebenschulen Wetzikon und Strohwilen zur Wahrung
des alten Schulrechts 8 Tage lang die Sommerschule daselbst
besuchten, was nur Unordnung verursachte. Ohne Erlaubnis
der Visitatoren, des Pfarrers oder Dekans, durften keine Kinder
* Die Berichte von 1772 erwähnen Statuten der Nachtschulen und
Strafbestimmungen zur Aufrechterhaltung der Ordnung. In Müllheim
wurde Schwören mit 4 kr., unnützes Geschwätz, liederliches Gelächter
und Streit mit 3 kr. bestraft. Vgl. O. Hunziker, Geschichte der schweize-
rischen Volksschule 1, p. 127.
158 Schulfonds.
fremde Schulen besuchen.^ Die Schulfonds entstanden aus
Legaten, so in Ermatingen vorwiegend aus solchen der Familie
Zoliikofer im Hard, aus freiwilligen Beiträgen wohlhabender
Leute, wobei sich namentlich die Familien von Gonzenbach
und Scherb in Bischofszeil hervortaten; eine weitere Art der
Stifung war diejenige aus dem Steuerfonds und den Abend-
mahlssteuern, oder die Hausväter legten ein Kapital zusammen.
Ende des achtzehnten Jahrhunderts nahmen die Schulfonds
zu; aber es blieben immer verhältnismässig wenige. In Hürnen
musste jeder Bürger bei seiner Verehelichung 2 fl. an den
Schulfonds entrichten.^ Die Schulfonds reichten nicht immer
hin zur Gründung von Freischulen; in diesem Falle wurden
sie zur Beschulung armer Kinder, zur Anschaffung von Lehr-
mitteln und Verbesserung des Lehrergehalts verwendet. Seit
1768 genossen einzelne evangelische Schulen ununterbrochen
die Unterstützung des Schulfonds in Zürich. Ursprünglich
ein Auswanderungsfonds, wurde er für die Errichtung und
den Unterhalt evangelischer Schulen in den gemeinen Herr-
schaften benutzt. Das zürcherische Examinatorium verlangte
in den Jahren 1777 und 78 von den evangelischen Geistlichen
der gemeinen Herrschaften eine Beisteuer. Die thurgauische
Geistlichkeit entsprach unter der Bedingung, dass ihre Bei-
träge einen gesonderten thurgauischen Fonds bildeten, aus
dem nur die Schulmeister im Thurgau unterstützt werden
sollten. Die Sammlung von Beiträgen und die Verabreichung
der Unterstützungsgelder an einzelne besonders bedürftige
Schulen nahmen bis zur Revolution ihren Fortgang.^
B. Innere Einrichtung der Schulen.
Schulordnung.
Die Schulordnung von 1779 gebot dem Schulmeister, die
Schulstunden, wenn er gesund sei, selbst zu halten, keine ohne
Genehmigung des Pfarrers und der Vorgesetzten zu ve^r-
^ Schulordnung von 1779, Sulzberger, p. 9. * Zur Äufnung des
Fonds in Homburg verpflichtete sich ein aus der Kirchgemeinde
stammender Chorherr in Bischofszeil zu einer jährlichen Gabe von 15 fl.
» Thurg. Beiträge, Heft 3, p. 34, 35. Die Ausscheidung hatte 1804 statt,
ibid., p. 36.
Schulordnung. 1 59
säumen und nur mit deren Einwilligung einen Nebengehiifen
einzustellen. Bei grosser Schülerzahl war ihm gestattet, zum
Abhören der Kinder einige Vorgerücktere zu Hilfe zu nehmen.
Sie wies ihn auf eine individuelle Behandlung und warnte
vor unvorsichtigem Gebrauche der Rute.
Die gewöhnliche tägliche Schulzeit in den evangelischen
Schulen war b, in den katholischen 5 Stunden ; doch fehlte es
nicht an Abweichungen von der Regel. Ebenfalls nur 5 Stunden
Unterricht wurden an den evangelischen Schulen Frauenfeld
erteilt ; 4| in der katholischen Primarschule Bischofszell, 4 in
der katholischen Wechselschule Au-Stoppel, während die täg-
liche Schulzeit in Lustdorf 7|, in Oberaach beinahe 8, in Lang-
dorf ebenfalls 8 Stunden betrug.
Eine bestimmte Altersgrenze beim Schulein- und austritt
war nicht vorgesehen; gewöhnlich besuchten die Kinder die
Schule vom 4. oder 5. bis zum 10., 12., seltener bis zum 13. und
14. Jahre; doch wurden auch jüngere geschickt, „damit sie den
Eltern aus den Füssen seien."
Eine Klasseneinteilung konnte an den wenigsten Orten
durchgeführt werden. Es wurden etwa diejenigen, die sich
besonders auszeichneten, zueinander gesetzt; der Lehrer von
Schönholzerswilen trennte die Schüler nach dem Geschlecht;
in Speiserslehn wollten die Geschwister beieinander bleiben;
ausschlaggebend war auch der Besitz des gleichen Schulbuches.
Einzelne Schulmeister klassifizierten die Schüler nach ihren
Kenntnissen und Fertigkeiten; in Salmsach bestanden 1779
drei Klassen: 1. die ABC-Schützen, 2. die Buchstabierenden,
3. die Lesenden. Neben drei wurden auch zwei und selbst
vier Abteilungen gebildet. In der katholischen Primarschule
Bischofszell waren: 1. ABC-Schützen und Buchstabierende,
2. Lesende, Schreibende und Rechnende, 3. solche, die sich
mit „ernstem** Gegenständen befassen. Der katholische Latein-
lehrer in Frauenfeld unterschied: 1. angehende Prinzipisten,
2. Rudimentisten, 3. Grammatisten, während sein Amtsbruder,
Pfarrer Georg Kappeier, am evangelischen Provisorate jedes
Jahr eine Klasse bildete. Kappeier beklagte sich über die
mangelhafte Vorbereitung und teilweise Unfähigkeit der Kinder,
was keinen gründlichen und vollständigen Unterricht ermögliche.
1 60 Schulbesuch. Lehrfächer.
Der Schulbesuch war sehr unregelmässig; die Kinder
kamen gewöhnlich erst nach Neujahr zahlreicher; sei es, dass
sie vorher beim Ausdreschen des Getreides behilflich sein
mussten, oder dass ihnen Kleidung und Schuhe mangelten,
die sie erst zu Weihnachten von den Paten bekamen. Im
Frühjahr, wenn die Feldarbeiten begannen, nahm die Zahl der
Schüler ab. Dienstboten wurden selten zur Schule geschickt
oder ihnen dafür am Lohn abgezogen. Die Sommerschulen
waren besonders schlecht besucht, fast nur von Jüngern Knaben
und von Mädchen. Schüler, die bereits eine gewisse Fertigkeit
erlangt hatten, erschienen spät; arme, aber auch bemitteltere
Eltern Hessen die Kinder spinnen und das Vieh hüten, so dass
die Schule zuweilen fast leer war. Besonders nachlässig war
der Schulbesuch von seite der Kinder, die das 10. Jahr über-
schritten hatten. Zur Zeit der Teuerung von 1771 erhielten
arme Kinder, die fleissig die Schule besuchten, in Hüttwilen
und Feldi täglich Brot, Obst u. a. ; versäumten sie die Schule,
um zu betteln, so wurde ihnen und ihren Eltern dieses Almosen
für mehrere Tage entzogen. Eine ähnliche Bestimmung ent-
hielt die Wigoltinger Armenordnung vom Jahre 1787.^ Die
Lehrer sollten laut Ordnung von 1779 Absenzenverzeichnisse
führen und dieselben dem Pfarrer vorweisen, der bei Gelegen-
heit Eltern und Kindern zusprach. In der Kirchgemeinde Altnau
verursachte das Frühjahrsexamen im Januar und Februar einen
regeren Schulbesuch.
Die Lehrfächer waren Lesen des Gedruckten und alter
Briefe (Urkunden), Schreiben, doch nur bei einem Teil der
Kinder, besonders Knaben und etwa Mädchen aus bemittelteren
Familien, selten bei allen. Rechnen, selten sowohl bei Knaben
als Mädchen, da man sich lieber der sog. Bauernrechnung mit
römischen Zahlen bediente; Singen war dagegen allgemein,
doch meist nur (mit Notenlesen) in den Nachtschulen. Dazu
kam in den evangelischen Schulen Memorieren des Kleinen
und Grossen zürcherischen Katechismus, von Sprüchen,
Psalmen und Gebeten. Man begann im ersten Winter mit dem
Buchstabieren und Syllabieren; dann ging es ans Lesen und
Memorieren, nachher ans Schreiben und etwa ans Rechnen.
^ Vgl. p. 149.
Lehrfächer. 161
1772 konnten in Hüttwilen und Üsslingen nur wenige Mädchen
schreiben, indem man sich entschuldigte, die Mütter könnten
es auch nicht; auch in Thundorf lernten die wenigsten Ge-
schriebenes lesen, und nur eine Minderheit schrieb, weil die
Eltern fanden, es nütze nichts, mehr zu wissen als sie. Mancher-
orts war den armen Kindern das Schreibenlernen versagt, an
andern nur den fähigeren zugelassen. In Lustdorf musste 1772
Pfarrer Ammann die Vorschriften verfertigen, da der Lehrer
dazu nicht imstande war. Zur selben Zeit admittierte Pfarrer
Hug in Feiben kein Kind, das nicht schreiben konnte, obgleich
sich die Bauern widersetzten ; er bedauerte, dass viele Töchter
das Schreiben später wieder ganz verlernten. In der Kirch-
gemeinde Sirnach gab es 1772 manche Kinder, besonders
Mädchen, die nicht lesen konnten; Pfarrer Büeler, der seit
1785 in Güttingen wirkte, berichtete von einer Anzahl Kinder
in Rutishausen, die keinen Schulunterricht genossen, und von
einzelnen 17 — 18 jährigen Analphabeten. Noch 1799 bedauerte
der Lehrer von Gottshaus, dass so viele Kinder teils aus Armut,
teils wegen Nachlässigkeit der Eltern der Schule ferne blieben.
Der Rechenunterricht wurde zumeist auf Knaben beschränkt,
oft auf solche, die sich dem Handel zu widmen gedachten.
Der Lehrer in Mauren hatte die vier Spezies erlernt, sie aber
beinahe wieder vergessen, da keiner seiner Schüler zu rechnen
begehrte. (1799) Hinsichtlich des Rechnens kam es also ganz
darauf an, ob der Schulmeister selbst darin unterrichtet war,
und ob sich Schüler dafür anmeldeten. Wenn wir 1799 in
Ottoberg und Bürglen unter den Lehrfächern das Zeichnen
finden, so erklärt sich dies aus der beruflichen Nebenbeschäfti-
gung der Lehrer, wie 1799 Ermatingen einen Schulmeister
besass, der in Klavier, Geige und der lateinischen Sprache zu
unterrichten fähig war.
Die Lehrfächer an Provisoraten und Oberschulen umfassten
ausser denjenigen der Unterschule Geographie, Geschichte, auch
etwa Naturkunde, in der evangelischen Lateinschule Frauen-
feld Physik; doch fehlten für die beiden letzten Fächer die
nötigen Lehrmittel; neben Rechnen werden Anfangsgründe
der Geometrie erwähnt. Die Lehrer Hessen die Schüler Briefe
und andere schriftliche Aufsätze ausfertigen; 1799 wurde an
Hasenfratz, Die Landgrafschaft Thurgau vor 1798. 1 1
162 Lehrmittel.
den meisten Oberschulen die französische Sprache gelehrt.
Provisor Kappeier führt als Lehrfach an: Erdbeschreibung zur
Verbesserung der Landwirtschaft. Das Schreiben wurde als
Schön- und Rechtschreiben gepflegt, auch das Zeichnen geübt.
Als Lehrmittel kamen in den Schulen zur Anwendung
die zürcherischen Namenbüchlein, Katechismen, „Zeugnisse",
die beiden Waserbüchlein,^ verschiedene Predigt- und Gebet-
bücher, alte Urkunden, Zeitungen. Zum Singen wurden 1799
vorzüglich das neue Zürcher Gesangbuch und die Lieder-
sammlungen von Bachofen und Schmidlin gebraucht; beliebt
waren Gellerts und Lavaters Lieder. Das Neue Testament in
der Ausgabe Osterwaids, Armbrusters Erzählungen für Bildung
des Herzens und Geistes, Hübners Historien, die von der
Zürcher asketischen Gesellschaft herausgegebenen biblischen
Erzählungen mochten an evangelischen Schulen das Lehr-
material ergänzen. An verschiedenen Orten, so namentlich in
Bürglen, wurden die Stadt-St. Galler Schulbücher benutzt.* Der
Primarlehrer Adam Gubler in Frauenfeld führte Behlers Vor-
schriften ein. In Diessenhofen, Schlattingen und Oberschlatt
waren die von Helfer Büel in Hemishofen verbesserte Herdersche
Fibel und Rochows Kinderfreund im Gebrauch.^ In den katho-
lischen Schulen benutzte man die bischöflichen Katechismen,
besonders häufig auch die Normalschulbücher, die auf Veran-
lassung Abt Bedas von St. Gallen verfasst worden waren.
Der Schulmeister in Herdern gebrauchte die Schulbücher Pater
Krauers in St. Urban. Die Lehrmittel der katholischen Latein-
schule Frauenfeld waren: die Würzburger Grammatik, der
Grosse Katechismus der kaiserlich-österreichischen Normal-
schule, Schönbergs biblische Geschichte. An der evangelischen
Lateinschule waren eingeführt: Bröders Kleine lateinische
Grammatik, Meidingers französische Grammatik, Gedikes fran-
zösisches Lesebuch, Schröckhs Weltgeschichte.* Der vorzüg-
liche Lehrer an der katholischen Primarschule Bischofszeil,
Ott, fertigte Auszüge an, die er vorlas oder auf die Vorschriften
setzte. Die von den Schulmeistern selbst verfassten Schreib-
zettel bildeten wegen ihres lehrreichen Inhalts einen wesent-
^ Vgl. Pupikofer 11, 2. Aufl., p. 858. * Vgl. Thurg. Beiträge, Heft 30,
p. 96. » ibid. * ibid.
Schulzucht. Examen. 1 63
liehen Teil des Unterrichts.^ Zur Begleitung des Gesanges
wurde mancherorts Orgel, Geige oder Bassett gespielt.
Von der Mehrzahl der Schulmeister wurde die Zucht
strenge gehandhabt. Selbst in der Kirche waren einige lange
Birkenruten aufgesteckt, um die Jugend während der Kinder-
lehre im Zaume zu halten. Der nachmalige Seminardirektor
J. J. Wehrli schildert in seiner Selbstbiographie* die Schule
Adam Gublers in Frauenfeld: „Der Herr Präzeptor sass an
einem Tischchen beim Fenster und schrieb die meiste Zeit,
mit Ausnahme der Momente, in denen er die Aufgaben erteilte
und das Gelernte wieder bei seinem Tische abhörte. Die
Schüler mussten aus ihren Schulbänken zu ihm herüber-
kommen. Nur in der Gesangstunde, seinem Lieblingsfache,
zeigte er freudigen Eifer. Er verwendete dreierlei Schlagmittel,
ein eckiges Lineal, ein breites, grosses und einen Ochsen-
ziemer, die er alle fleissig brauchte. Gewöhnlich warf er von
seinem Sitze aus dem Fehlenden das eckige Lineal zu; dieser
musste es ihm an den Tisch bringen und da gewärtig sein,
ob die Hände oder ein anderer Teil des Körpers das grosse
Lineal oder den Ochsenziemer zu fühlen haben werden.**^
Die Schul- und Lehrordnung von 1779 schreibt ein Examen
vor, indem der 17. Artikel lautet: „Alle Jahre findet am Schlüsse
der Winterschule vom Pfarrer in Gegenwart von Vorgesetzten
der Schule das Schlussexamen statt, wobei vom Schulmeister
der genau geführte Schulrödel vorgezeigt werden soll mit
Angabe der Schulbesuche, des Betragens und der Leistungen,
damit man die Fortschritte inne werden kann.**
Schon 1772 war in den Schulen des oberthurgauischen
Kapitels fast überall Examen, meist nur in Gegenwart des
Pfarrers, in Arbon, Bischofszell, Altnau, Sitterdorf zugleich in
Gegenwart der Vorgesetzten. Überdies examinierte der Pfarrer
die Kinder anlässlich der österlichen Gehorsame, „so dass die
Eltern hörten, was die Kinder in der Schule gelernt hatten.***
* Vgl. Thurg. Beiträge, Heft 30, p. 97. ^ Sie bricht bei der Jugend-
zeit ab und findet sich in J*^ A. Pupikofer, Leben und Wirken von Johann
Jakob Wehrli als Armenerzieher und Seminardirektor. ^ Zit.Werk, p. 12.
* Vgl. p. 137. Die „Gehorsame" wird auch in der Kirchgemeinde Buss-
nang im Frauenfelder Kapitel erwähnt. Sulzberger, p. 194.
1 64 Examen.
In Strass fand 1772 das Examen im Beisein des evangelischen
Schultheissen von Frauenfeld, des Pfarrers und der Glieder
der Familie Huber (des Testators) statt; es dauerte 2 — 3 Stunden.
Zürich schickte zum Verteilen unter die Schulkinder Namen-
büchlein, Zeugnisse, Psalter, Testamente und Wyss' Gebet-
buch. In Langdorf, Niederherten, Matzingen, Lommis und
anderorts erhielten die Kinder Eierringe oder Papier oder beides
zugleich ; in Wellhausen empfing jeder Schüler zwei Ringe und
2 Schillinge. Seit 1751 wurde in Thundorf in Gegenwart des
Pfarrers und der Vorgesetzten examiniert. Es wurden so-
genannte Tirgeli verteilt, auf denen der Spruch stand:
„Liebes Kind, lass dich die Weisheit ziehen von Jugend auf,
so wird ein weiser Mann aus dir. Sir. 6. 18."
Dazu kamen noch Brötlein. Bei Schreibenden machte der
Pfarrer einen Unterschied, indem er je nach den Fortschritten
zwei Bogen bis zu einem halben Buch Papier verschenkte.
In Feiben führte Pfarrer Hug erst 1765 ein Examen ein, wobei
er den Gerichtsherrn, die Stadt Frauenfeld, bat, ihm 3 fl. für
Examengeschenke auszusetzen; daraus gab er jedem Kinde
zwei Ringe, und denen, die schrieben, ein Schreibheft (sechs
Bogen) und zwei Federn. Der Lehrer empfing zur Aufmunterung
zwei Buch Papier und zirka eine halbe Büschel Federn. Aus
dem Reste wurden Lehrmeister- und Namenbüchlein für die
Kinder angeschafft. Mit dem Examen war an einigen Orten
die Zensur über den Schulmeister verbunden. Hie und da
wurde zweimal im Jahr examiniert; so wurde z. B. in der
Kirchgemeinde Wigoltingen der erste und letzte Schulbesuch
des Pfarrers zur Prüfung verwendet. In Bischofszell war der
mit einem Ausflug verbundene Hohlensteintag eine Art Schul-
fest für die evangelische Jugend.^
Das gewöhnliche Wochenschulgeld der Kinder war 3 kr.;
bemitteltere Eltern gaben wohl auch 4 kr., und zwar, wie 1799
der 62jährige Unterlehrer Joh. Dünner in Weinfelden berichtet,
aus Mitleid, „weil wir immer die Schule im alten Preise wie
* Pupikofer H, p. 859, 2. Aufl. Die ausführliche Beschreibung eines
Hohlensteintages findet sich in J. Casp. Diethelm, Diarium II. 1, unterm
2. April 1771. Bischof szeller Stadtbibliothek.
Schulgeld. 165
vor 80 und 100 Jahren halten müssen." An einigen Orten war
für alle das Schulgeld auf 4 kr. per Woche gesetzt, an andern
auf 3 und 2 kr. unter der Voraussetzung, dass die Kinder ein
Scheit zum Heizen der Schulstube mitbrachten; taten sie es
nicht, so bezahlten sie wöchentlich einen Kreuzer mehr. In
Gottlieben war 1794 das Wochengeld 5—6 kr.; diejenigen,
welche rechnen lernten, erlegten 1799 in Egelshofen 6 kr; an
der Oberschule Weinfelden bezahlten die Schüler 6 — 8 kr., und
noch mehr, wenn sie Unterricht im Französischen nahmen;
der Französischunterricht an der Oberschule Bischofszell
kostete monatlich 30 kr. Das Provisorat Arbon erhob 2 kr.
per Woche und wöchentlich 8 kr. für das Französische, wenn
täglich zwei Stunden gegeben wurden. Das Jahrschulgeld der
evangelischen Lateinschule Frauenfeld, der Ober- und Unter-
schule Bischofszeil betrug 1 fl. Wo Fondationen bestanden,
die aber zur Gründung einer Freischule nicht hinreichten, war
das Schulgeld ermässigt, z. B. 1799 in Langdorf 1 kr., in Unter-
tuttwil 2 kr. und 2 Denar, in Wittenwil 1 Batzen für den ganzen
Winter, in der Primarschule Arbon 1 kr. Für arme Kinder
bezahlte der Armen- oder Kirchenfonds, doch nie mehr als
3 kr. In Hatswil erlegten die Armen 1 kr. an das Schulgeld
von 4 kr., und in Weinfelden musste Johann Dünner die Kinder
mittelloser Eltern für 2 kr. beschulen, weil er freie Wohnung
im Schulhause hatte. 1772 bezahlte der Gerichtsherr von
Öttlishausen für 12 Kinder seiner Lehenleute und die Stadt
St. Gallen für 29 Kinder in Bürglen das Schulgeld. 1799 empfing
der Lehrer in Bürglen für die Kinder „gemeiner Leute" je
40 kr. von St. Gallen. Für eine Zulage aus dem Schulfonds
unterrichtete der Schulmeister in Ermatingen 8 Kinder unent-
geltlich. Der Lehrer in Strass erhielt aus dem Huberschen
Legat 30 fl., wofür er die Huberschen Kinder gratis beschulte;
in Thundorf war infolge eines Vermächtnisses der Unterricht
für die Ansassenkinder frei. Die Kinder der Familie Bachmann
in Üsslingen, die ein Legat gemacht hatte, entrichteten anstatt
3 kr. nur l^ und kein Scheit.
Für die Nachtschule finden sich Schulgelder von 6, 8, 10,
12, 15, 20 und 24 kr. per Winter erwähnt; 15 kr. für Repetier-
schulen; für die Sommerschulen per Semester etwa 12 kr.
1 56 Lehrerwahl.
oder wöchentlich 3, 4, 2, 1 kr., je nachdem die Schule einen
oder mehrere Tage in der Woche gehalten wurde.
C. Der Schulmeister.
Die Schulordnung von 1779 spricht theoretisch die Wahl
des Lehrers dem Pfarrer des Ortes mit Zuzug der Vorgesetzten
und Beamten der Gemeinde zu, räumt sie aber der Gemeinde
unter Vorsitz des Pfarrers ein, sofern sie dieselbe seit vielen
Jahren ausübte. Vor der Schulmeisterwahl sollte nach der
Verordnung vom 1. November 1733 der Pfarrer samt Aus-
schüssen oder Vorgesetzten den Aspiranten prüfen und sich
über sein bisheriges sittliches Verhalten erkundigen. Das
Examinatorium bestätigte die Wahl.^ Tatsächlich waren die
Wahlmodi zahlreicher; am häufigsten erscheint die Gemeinde
als Wähler; dabei wird nur vereinzelt des Pfarrers Erwähnung
getan. In Ober- und Niederneunforn, in Wilen und anderorts
vollzog der Pfarrer die Wahl ohne die Vorgesetzten ; in Pfyn,
Weiningen, Dettighofen machte er einen Vorschlag, ebenso
in Wäldi; doch hatte hier auch jeder Bürger das Vorschlags-
recht. In Eschikofen wurde der Lehrer aus einem Dreier-
vorschlag der Gemeinde vom Pfarrer, dem ersten Kirchen-
pfleger und den Vorgesetzten ernannt. Zur Wahl der drei
Lehrer in Weinfelden trat eine Kommission zusammen, be-
stehend aus dem Geistlichen, sechs Stillständern und sechs
Unparteiischen, wovon drei der Obervogt und drei der Still-
stand bezeichnete. Die evangelischen Räte und Richter nebst
den zwei Geistlichen wählten in Bischofszell, der evangelische
Rat in Arbon; in Hauptwil und Hüttlingen der Gerichtsherr,
in Bürglen der Obervogt, der Pfarrer und der Amtsschreiber,
in Heidelberg der Pfarrer und der Gerichtsherr. Der Kleine
Rat der Stadt Frauenfeld bestellte allein die Lehrer der Latein-
schulen, mit Zuzug des Grossen Rates diejenigen der Primar-
schule. Die Schulmeister wurden lebenslänglich oder nur auf
ein Jahr gewählt. Im letztern Falle mussten sie sich alljährlich
zur Neuwahl bei der Gemeinde anmelden. In Lustdorf währte
die Amtsdauer sechs Jahre. In den katholischen Schulen
* Sulzberger, p. 6.
Ausbildung der Lehrer. 167
geschah die Wahl durch den Geistlichen und die Gemeinden
oder den Gerichtsherrn, in den Städten durch den katholischen
Rat. In Arbon wählten die 13 Schulvögte, in Niedersommeri
der Offizial des Abts von St. Gallen, in Güttingen der Pfarrer
nebst dem Obervogt, in Gündelhard die Herrschaft und die
Gemeinde, in Bettwiesen der Abt von Fischingen, der aber
meistens die Wahl dem Pfarrer übergab. Für die drei Schulen
der Kirchgemeinde Bichelsee erfolgte die Lehrerwahl durch
die Schulgemeinden; doch wurde die Zustimmung des Pfarrers
eingeholt. Für die ganze katholische Kirchgemeinde Erma-
tingen wählte das Kirchspiel.
Die Kandidaten erlernten gewöhnlich von ihren Vätern
den Schuldienst. Häufig stellte ein älterer Schulmeister einen
Gehilfen an, der zu seinem Nachfolger bestimmt wurde. Johann
Dünner in Weinfelden widmete sich vor allen der Heranbildung
von Schulmeistern; der Lehrer von Speiserslehn war durch
Pfarrer Breitinger, derjenige in Roggwil durch Pfarrer Müller
zum Unterricht angeleitet worden. Der Schulmeister von
Dünnershaus war 2^ Jahre Schüler der Lateinschule Frauen-
feld, ohne jedoch genügende Kenntnisse aufzuweisen ; derjenige
von Andwil hatte sich von seinem Amtsbruder in Hauptwil
anlernen lassen ; Oberlehrer Joseph Dünner in Weinfelden ge-
noss den Unterricht eines Provisors, der später an der Kunst-
schule Zürich wirkte. Der Frauenfelder Primarlehrer Daniel
Kappeier hatte sich in Zürich vorbereitet und war zwei Jahre
Hauslehrer in Glarus gewesen. Verschiedene Landschulmeister
holten sich ihre Bildung in Frauenfeld. In Mattwil hatte die
Gemeinde während 10 Jahren fast jährlich einen andern
„fremden'' Lehrer anstellen müssen, bis sich im Herbst 1797
Schulmeister Forster anerbot, seinen U^jährigen Sohn durch
Lehrer Keller in Weinfelden in den Schuldienst einführen zu
lassen. Der katholische Lehrer von Herdern besuchte die
Schullehreranstalt in St. Urban, schrieb aber ungelenk und mit
vielen Fehlern. Die Mehrzahl der Lehrer war ohne spezielle
Vorbildung; es waren Bauern, Handwerker, ausgediente Sol-
daten. In Hefenhofen lehrte 1799 seit 36 Jahren eine Witwe,
Elisabeth Hess. Johann Fridolin Ott, Primarlehrer in Bischofs-
zeil, war früher 12 Jahre lang sardinischer Soldat und 4 Jahre
168 Nebenbeschäftigung. Besoldung.
beim betreffenden Schweizerregiment Chirurg. Der Lehrer von
Bürgien war Porträtmaler und Organist. Die verschiedenen
Bildungsgrade der Schulmeister spiegeln sich in den ein-
gesandten Berichten wieder. Neben orthographisch korrekten,
gut stilisierten und mit schöner Schrift aufgesetzten Schreiben
finden sich verworrene, schlecht geschriebene Berichte, deren
Verfasser die Schriftsprache nicht zu kennen scheinen. Einige
Fragebogen wurden 1799 nicht von den Schulmeistern selbst,
sondern von den Pfarrern ausgefüllt.
Die meisten Lehrer waren auf eine Nebenbeschäftigung
angewiesen; die Jahrschulen waren in der Minderheit; so
mussten die Lehrer notwendigerweise in der schulfreien Zeit
einen Beruf ausüben. Die Schulordnung von 1779 verbot
allerdings die Nebengeschäfte während der Schulstunden; selbst
die Zettel und Vorschriften sollten ausser denselben angefertigt
werden.^ Mancherorts waren die Schulmeister zugleich Mesner
und Vorsinger, hielten, wo Filialen bestanden, abwechselnd
mit dem Pfarrer die Kinderlehre; in Gerlikon und Oberneun-
forn verrichteten sie das sonntägliche Morgengebet in der
Kapelle; der Schulmeister von Eggensbühl leitete eine wöchent-
liche Betstunde in Wängi. Naheliegend für Landschullehrer war
die Beschäftigung mit der Landwirtschaft; wir finden unter
ihnen aber auch viele Weber, einzelne Schuhmacher, Strumpf-
wirker, Kupferschmiede, Schneider, Zimmerleute, Schreiner,
Tagelöhner etc. Nur selten widmeten sich die Lehrer aus-
schliesslich der Schule.
Die Besoldung war entweder eine fixe, oder sie hing von
der Anzahl der Schüler ab, wobei aber gewisse Zuschüsse
von selten der Gemeinde, des Schulfonds in Zürich oder des
Gerichtsherrn nicht ausgeschlossen waren. Der wöchentliche
Schullohn schwankt zwischen 1 fl., 1 fl.Skr., 1 fl. 12 kr., 1 fl. 20 kr.,
1 fl. 30 kr., 1 fl. 40 kr., 1 fl. 44 kr., 1 fl. 52 kr., 2 fl., 2 fl. 40 kr.
Die Klagen über geringe Besoldung sind häufig; der Lehrer
von Gottshaus, der wöchentlich 1 fl. 30 kr. aus dem Schul-
fonds nebst Haus- und Stubenzins erhielt, fand, jeder Taglöhner
habe ein grösseres Einkommen. In Schönenberg, Klarsreuti,
Feldi, Hatswil und Dünnershaus verabreichten die Eltern der
* Sulzberger, p. 9.
Besoldung. 1 59
Schüler dem Lehrer unentgeltlich das Mittagessen; in Dünners-
haus bekam er auch das Nachtessen, wenn er Nachtschuie
hielt. Freiwillige Geschenke an Geld oder Naturalien, z. B. beim
Backen und Metzgen, bildeten einen nicht unerheblichen Posten
in der Haushaltungsrechnung eines Landschulmeisters. Zürich
sah sich veranlasst, in der Schulordnung von 1779 zu mahnen:
„Ein Schulmeister soll gegen die Kinder keine Gefahr und An-
sehen der Person gebrauchen, ein jedes Kind wie sein eigenes
achten."^ 1794 war das ganze Einkommen für die Jahrschule
Märstetten 84 fl. Der Oberlehrer Joseph Dünner in Weinleiden
empfing 1799 108 fl. aus dem Schulfonds, 1 Mütt Kernen und
2 Eimer Wein von der Herrschaft, ebensoviel Eimer Wein von
der Gemeinde und von durchschnittlich 20 Schülern 140 fl. 40 kr.
Der Provisor in Arbon erhielt 160 fl. und 20 fl. für das Heizen
der Schulstube, 24 Viertel Kernen von Grundzinsen und zirka
50 — 75 fl. für die Französischstunden, je nach der Anzahl der
Schüler. Pfarrer Georg Kappeier an der Frauenfelder Latein-
schule erwähnt neben dem jährlichen fl. per Schüler ein Ein-
kommen von 253 fl. 30 kr. aus dem evangelischen Kirchenfonds
in Frauenfeld und Kurzdorf, 10 Mütt Kernen aus einer Stiftung
und 14 Mütt Hafer von Grundzinsen. Die Besoldung der beiden
Primarlehrer in Frauenfeld betrug 300 fl. (evangelische Knaben-
und Töchterschule); die Lehrer an der katholischen Primar-
und Lateinschule, zwei Kaplane, bezogen keine besondere
Entschädigung für das Schulehalten. Die gleiche Bewandtnis
hatte es mit der katholischen Schule Steinebrunn. Der dortige
Kaplan hielt nur Schule, wenn er nicht durch pastorale Ge-
schäfte daran verhindert wurde, was aber zu seinem Bedauern
nur zu oft eintrat.
D. Die Schulstube.
Gewöhnlich wurde die Schule im Hause des Lehrers ge-
halten, und zwar musste derselbe in den meisten Fällen die
Schulstube unentgeltlich abtreten; seltener erhielt er dafür
einen Mietzins von 3 — 6 fl. Für die Heizung sorgte er selbst,
oder die Schulkinder brachten wöchentlich ein Scheit; hie
* Sulzberger, p. 9, 10.
170 Die Schulstube.
und da lieferte die Gemeinde oder ein bemittelter Bauer das
Holz, oder das Armengut trug zur Bestreitung der Heizungs-
unkosten bei. Der Schulmeister J. J. Grundlehner in Amriswil
Hess eine Schuistube mit 1 1 Fenstern in seinem Hause bauen,
ohne dass ihn die Gemeinde entschädigte; sie versagte ihm
sogar das Holz. Konnte der Lehrer keine Stube zur Verfügung
stellen, so musste eine solche in einem andern Hause gemietet
werden. Der Mietzins fiel zu Lasten des Schulmeisters oder
der Gemeindegüter. In Schachen teilten sich die Schüler
und das Armengut in denselben. In katholisch Oberwangen
hatte sich ein Bürger testamentarisch zur unentgeltlichen Be-
sorgung einer Schulstube verpflichtet. Als 1773 in Leutenegg
ein Schulfonds errichtet wurde, anerbot sich Schulpfleger Ziegler
daselbst zur Abtretung einer Stube; nach seinem Tode sollten
abwechselnd die Hausväter seinem Beispiele folgen. 1799 klagte
der Lehrer von Buhwil, die Schule sei seit ein paar Jahren
immer verhasster geworden; fast niemand wolle eine Schul-
stube auch gegen Entschädigung abtreten. Zuweilen wurde
die Schule im Gemeindehaus abgehalten, wobei etwa dem
Lehrer in demselben eine Wohnung eingeräumt war, die er
unentgeltlich oder gegen einen Mietzins innehatte. In Aadorf
wurde im Pfarrhaus aus dem Kirchengut eine Schulstube ge-
baut; auch in Sulgen, Au, Arbon und anderorts wurde im
Pfarrhaus Schule gehalten ; die katholische Schule Tobel und
die katholische Lateinschule Frauenfeld fanden in der Kaplanei
statt. Wo eigene Schulhäuser erbaut waren, hatte der Lehrer
gewöhnlich darin eine Wohnung, 1 — 2 Stuben; zuweilen war
ein Garten damit verbunden. In Sitterdorf besass der Lehrer
eine Stube im Schulhause; eine zweite war an eine andere
Familie vermietet. Der Lehrer der katholischen Schule
Gündelhard unterrichtete in einem der Herrschaft gehörigen
Hause; in der ihm abgetretenen Stube wohnten noch zwei
Taglöhner, die ihm je 5 fl. Hauszins und 5 fl. Holzgeld be-
zahlten.
Wirtschaftliche Lage. Landwirtschaft. 171
3. Wirtschaftliche Lage.
A. Landwirtschaft/
Die Bebauung des Bodens erfolgte nach dem System der
Dreifelderwirtschaft. Der Acker, der im ersten Jahre Spelz,
Weizen, Roggen, Gerste, Einkorn trug, wurde im zweiten
mit Hafer angesät; im dritten blieb er brach liegen oder wurde
mit Sommergewächsen bepflanzt. Der Spelz, vorzugsweise
Korn genannt, wetteiferte an Bedeutung mit dem Hafer; Roggen
und Weizen gediehen nicht am besten ; der letztere war leicht
dem Brande ausgesetzt. Sommer- und Wintergerste, sowie
Einkorn wurden nur in geringer Menge gebaut. Der Hafer
fand hauptsächlich Verwendung zur Zubereitung des Hafer-
muses. Berühmt war seit langem die Obstkultur des Thurgaus,
der die Landleute eine besondere Sorgfalt angedeihen Hessen,
deren Blüte aber die besonders günstige Bodenbeschaffenheit
bedingte. Ein grosser Teil des Obstes wurde gedörrt; der
„Schnitztrog^ fehlte in keiner Haushaltung; aus Birnen wurde
zuweilen „Birnenhonig" bereitet; die Hauptsache aber wanderte
unter die Mostpresse. Der Trester diente zum Branntwein-
brennen. In besonders reichen und gesegneten Jahrgängen,
wenn der Überfluss kaum unterzubringen war, wurde der
Most eingesotten. Dadurch entstand ein sehr haltbares Ge-
tränk, dessen Geschmack an die besten südländischen Weine
erinnerte. Wein wurde in den meisten Gegenden des Landes
in grosser Menge gebaut. Den besten und kräftigsten brachte
das Thurtal hervor mit den Flecken Neunforn, Üsslingen, der
Karthaus Ittingen, Weiningen, Pfyn, Müllheim, Märstetten, Wein-
felden, Bürglen; auch in Wellenberg, Kirchberg, Sonnenberg
und im Lommisertal wuchs guter Wein. Von geringerer
Qualität war der Seewein. Verbesserungen in der Land-
wirtschaft wurden am Ende des achtzehnten Jahrhunderts von
Zürich her angeregt, indem einige im Thurgau stationierte
Geistliche den Anbau der Kartoffel und des Klees und die
Anwendung des Düngers empfahlen. Pfarrer Sprüngli in
^ Fäsi, Y44, p. 992 f.; vgl. auch J. A. Pupikofer, Statistik, Gemälde
der Schweiz, Heft 7, a. v. O.
1 72 Landwirtschalt.
Lipperswilen versuchte durch eine Musterwirtschaft den Wert
seiner Grundsätze und Ansichten darzutun, erfreute sich auch
teilweiser Anerkennung, fand aber seine Rechnung nicht dabei.^
Starker Flachsbau war im obern Thurgau, der sich überhaupt
durch Fruchtbarkeit auszeichnete. Der Flachs wurde dreimal
des Jahres ausgesät; im untern Thurgau war der Hanf vor-
herrschend, der nur einmal des Jahres zur Aussaat gelangte.
Der Wieswachs bedeckte zwar grosse Stücke Landes, war
aber schlecht oder höchstens mittelmässig. Auch die Vieh-
zucht war infolgedessen nie bedeutend. Der thurgauische Bauer
brachte es auf keinen grünen Zweig; der grössere Teil der
Grundstücke war Lehen der Herrschaft; überdies war der
Boden mit Zehnten und Grundzinsen beschwert.
Die Pflege der Waldungen wurde im allgemeinen sehr ver-
nachlässigt, was sich in Holzmangel bereits in einzelnen Gegen-
den bedenklich fühlbar machte. Einige Gerichtsherren, wie der
Prior von Ittingen, Herr v. Bär, Besitzer des Gutes Hertier,
und der Verwalter der Kommende Tobel, verfolgten daher mit
Interesse die Versuche der zürcherischen Obervögte Wüst zu
Wellenberg und H. Füsslin zu Pfyn, Torfgrabungen zu organi-
sieren, und ahmten ihr Beispiel nach. Der zu Asche verbrannte
Torf wurde als Düngmittel für trockene Wiesen verwendet.
Steinkohlen und zwar von guter Qualität waren hie und da
entdeckt worden; aber die geringe Ausbeute schreckte vor
weitern Nachforschungen ab.*
B. Handel und Gewerbe.
a. Einfuhr und Ausfuhr.
Alljährlich gelangten zur Ausfuhr Wein, Hanf, Obst, Most,
Branntwein, Getreide. Zwar musste ein beträchtlicher Teil
des Kornes als Zehnten und Grundzinse in die Stifte und
Klöster ausserhalb der Landgrafschaft, besonders nach Kon-
stanz, geführt werden ; den Rest gaben die Thurgauer an ihre
schweizerischen Nachbarn ab, indem sie sich aus Schwaben
wohlfeiles Getreide verschafften.* Wöchentliche Kornmärkte
^ Pupikofer, Statistik, p. 72. « Fäsi, Y 44, p. 1044; vgl. J. A. Pupi-
kofer, Geschichte der Stadt Frauenfeld, p. 346, 347. » Vgl. Ebel I, p. 27.
Ein- und Ausfuhr. 173
wurden in Stein a. Rh., Radolfzell, Überlingen, Buchhorn,
Konstanz, Lindau, Mörsburg abgehalten, auf denen die Thur-
gauer ihre Bedürfnisse deckten. In der Landgrafschaft gelangte
das Korn nach Frauenfeld und Weinfelden ; zum Teil auch nach
Wil. Thurgauisches Habermus war in Zürich und an andern
Orten beliebt; besonders wurde Hafer an Appenzell und
Toggenburg überlassen.* Der südliche Teil des Thurgaus und
was auf der linken Seite der Thur lag, gab seinen Wein eben-
falls an Appenzell und die Untertanen des Abtes von St. Gallen
ab. Ganze Scharen von Saumrossen erschienen auf den Herr-
schaften und Klosterbesitzungen, um Wein abzuholen. Sie
führten aber meistens nur alte Weine mit sich. Die Wein-
ausfuhr in das Reich konzentrierte sich auf dem Lindauer
Markt. Ein Teil der Landweine, besonders aus dem Thurtale,
gelangte nach dem See und von dort aus durch das Allgäu
bis nach Ulm und Augsburg. Die an dem Seewein versuchten
„Verbesserungen" hatten 1749^ ein kaiserlich-königliches und
fürstlich-konstanzisches Verbot zur Folge, laut dessen fremden,
besonders Thurgauer Weinen der Zugang in das Reich ver-
sperrt wurde. Nach Aufhebung des Verbotes blieb immerhin
ein gewisses Misstrauen bestehen. Den stärksten Weinhandel
trieb die Karthaus Ittingen. Sie selbst besass viele Reben und
bezog von allen in ihren Gerichten liegenden Weinbergen den
Zehnten. In einem guten Weinjahre nahm sie von den Gottes-
hausleuten an Stelle der Grundzinse und Gülten Wein an.
In der Nachbarschaft wurde allerdings dieser Weinhandel mit
scheelen Augen betrachtet.^ War die Viehzucht im Thurgau
unbedeutend, so war der Viehhandel desto ausgebreiteter.* Ein
grosser Teil des Bedarfs an jungem Vieh wurde aus Schwaben
bezogen; das dortige Schmalvieh war billig, aber zugleich
klein und schwach. Es verschönerte sich im Thurgau und
wurde dann in das Toggenburg und das Zürcher Gebiet ab-
gesetzt, um die Lücken auszufüllen, die der Viehhandel nach
Italien in den Viehstand der innern Kantone brachte. Das
Schiächtvieh, das in den östlichen Kantonen verbraucht wurde,
* Fäsi, Y 44, p. 994. • Thurg. Landbuch, Fol. 202. ^ päsi, Y 44,
p. 1015 f. * Zürcher Staatsarchiv, A 323, 32. Bericht des Landvogts
vom 10. April 1780.
174 Ein- und Ausfuhr.
gehörte meistens der schwäbisch-thurgauischen Rasse an.^
Sie war so wenig kräftig, dass gewöhnlich drei Paar Ochsen
an einen Pflug gespannt werden mussten.^ Einige Bürger von
Diessenhofen betrieben den Schafhandel mit grossem Vorteile.
Sie bezogen die Schafe aus Schwaben, überwinterten sie und
brachten sie im Frühjahr herdenweise nach Paris.^ Durch den
Viehverkehr mit Schwaben wurde häufig die Lungenseuche ein-
geschleppt; doch wurden jeweils strenge Massregeln zur Be-
schränkung derselben getroffen.
Nicht unbedeutend war die Fischausfuhr. Der Untersee
von Mammern hinauf bis nach Gottlieben enthielt einen un-
erschöpflichen Reichtum an Fischen. Die Abtei Reichenau
sprach die Oberherrschaft über den grössern Teil dieses Sees
an und behauptete das Eigentumsrecht an die Ausbeute. Jedoch
erlaubte sie an denjenigen Orten, wo die Fischenzen nicht zu
Erblehen errichtet waren, allen ihren Angehörigen zu Steck-
born, Berlingen, Ermatingen, den Fischfang, sofern sie sich
in das See- und Fischbuch der Abtei eintragen Hessen und
eine sehr geringe Erkenntlichkeit erstatteten. Sie hatten in-
dessen den aufgestellten Fischerordnungen nachzukommen und
mussten sich an den Sonn- und Feiertagen der katholischen
Kirche des Fischens enthalten. Täglich wurden Fische nach
Frauenfeld, selbst nach Winterthur gebracht; ein Teil der Aus-
beute fand in Schaffhausen ihren Absatz. November und
Dezember waren in der Gegend von Gottlieben und Erma-
tingen dem Gangfischfange gewidmet. Derselbe geschah nur
bei Nachtzeit und war mit Weihnachten zu Ende. Marinierte
Gangfische wurden nach Deutschland, in die übrige Eid-
genossenschaft, ja bis nach Frankreich versandt.*
Neben dem Weinhandel blühte hauptsächlich der Lein-
wandhandel. Die in der Landgrafschaft gepflanzte und ver-
arbeitete Leinwand kam unter dem Namen St. Galler Leinwand
nach Deutschland, Frankreich und Italien zum Versand. Von
Frankreich und Italien aus wurde ein Teil nach Spanien und
von dort in die neue Welt gebracht.^ Der Höhepunkt des
thurgauischen Leinwandhandels fiel in die zweite Hälfte des
* Pupikofer, Statistik, p. 96. » Fäsi, Y 44, p. 1005. » Pupikofer,
Statistik, p. 97. * Fäsi, Y 44, p. 1025, 1026. » Fäsi, Y 44, p. 1023.
Ein- und Ausfuhr. 175
achtzehnten Jahrhunderts. Die hervorragendsten Handelshäuser
waren die Eberz, Fingerli, Furtenbach, Scherer, Alberti, Meyer,
Kern in Arbon, Gonzenbach in Hauptwil, Daller, Lieb, Zwinger,
Wehrli in Bischofszeil, Kreis in Zihlschlacht. Einen grossen
Teil der Thurgauer Leinwand vertrieben die st. gallischen Kauf-
leute. Während einer langen Reihe von Jahren wurden wöchent-
lich 300 bis 400 Ballen Leinwand gebleicht und gefärbt und
nur von Arbon aus versandt* Einige Handelshäuser hatten
sich in französischen Städten, wie Lyon, Marseille, Rohan,
niedergelassen, dank dem der Eidgenossenschaft zugestandenen
Privilegium, wo sie das Recht besassen, unter eigenen Syndics
und Consuls zu stehen ; andere besassen wenigstens daselbst
ihre Faktoreien.^ Die grossen Zölle, die Frankreich 1787 auf
die Schweizer Leinwand legte, taten allerdings dem Handel
Abbruch.^ Zudem wurde die Bäumwollspinnerei und Mousse-
lineweberei eingeführt. St. Gallen und Appenzell trieben mit
den Produkten derselben einen schwungvollen Handel, so dass
die angrenzenden thurgauischen Gebiete auf den neuen Er-
werbszweig hingewiesen wurden. In Frauenfeld bestand eine
Seidenweberei.*
b. Markt.
Das Getreide durfte nicht auf den Tennen, in Bauern-
höfen, Speichern oder Mühlen aufgehäuft werden, sondern wer
solches zu verkaufen hatte, musste es in die nächstgelegene
Stadt und deren Kaufhäuser, auf die gewohnten freien Wochen-
märkte bringen. Nach Stein a. Rh. brachten ihre Früchte:
Reichlingen, Etzwilen, Bleuelhausen, Kaltenbach, Wagenhausen,
Nussbaumen, Eschenz, Freudenfels, Steinegg, Uerschhausen ;
nach Steckborn alle Orte der Umgebung, die auf den Höhen
gelegenen Höfe von Stein an bis auf Ermatingen inklusive.
Die Kornhändler, die Getreide aus dem Reiche brachten, sollten
es nur auf den Märkten von Steckborn oder Weinfelden ab-
setzen dürfen. Salenstein und Hard waren auf Steckborn,
Gottlieben oder Weinfelden angewiesen. Nach GottUeben fuhren
^ Pupikofer, Statistik, p. 99. '^ Fäsi, Y 44, p. 1023. » Ebel I, p. 29.
Über den Zoll gegenüber Konstanz vgl. E. A. 7. 1, p. 795, 796. * Pupi-
kofer, Geschichte der Stadt Frauenfeld, p. 352..
1 76 Markt.
die Bauern von Triboltingen, Tägerwilen, Emmishofen, Egels-
hofen, beiden Girsberg, Kastei, des Gotteshauses Kreuzungen,
von Engwilen und Wäldi ; nach Arbon, Rorschach, St, Gallen
oder Bischofszell diejenigen von Münsterlingen, Güttingen,
Altnau, das ganze Egnach, Uttwil, Roggwil, Rapperswilen, Andr
wil, Mattwil, Ennetaach, Hagenwil, Eppishausen, Oberaach, die
Spitaler und Mühlebacher, samt den Einwohnern des Gottes-
hausgerichtes, die aus dem Schönenbergeramt und von Sulgen.
Nach Weinfelden gehörte die Vogtei Eggen, die Herrschaft
Weinfelden, Birwinken mit den umliegenden Höfen, Berg,
Bürglen, die ganze Herrschaft Altenklingen, die Herrschaft
Klingenberg, Müllheim und Oberbussnang; nach Wil die Herr-
schaft Tobel, Buhwil, Mettlen, die Herrschaft Griesenberg,
Spiegelberg, der Tuttwilerberg, Lommis, Wängi, Friltschen,
Weingarten, Stehrenberg, Niederhof, Lanterswil, Moos, Wert-
bühl und Istighofen; nach Fischingen das ganze Tannegger-
amt mit Ausnahme der Höfe Gloten, die Gerichte des Gottes-
hauses Tänikon, Wittenwil, das Dorf und die Gemeinde
Eschlikon und Höfen ; nach Frauenfeld die Herrschaft Sonnen-
berg, Aawangen, Gachnang, Kefikon, Islikon, Horgenbach,
Neunforn, das Ittingeramt, Herdern, Pfyn, die Herrschaft
Wellenberg und Hüttlingen.^ Eine Verschiebung trat dadurch
ein, dass 1715 St. Margrethen ein Markt bewilligt wurde, wo-
gegen Wil, Frauenfeld und Stein opponierten.^ Die Frucht-
märkte standen zuerst nur den Bürgern offen; nachdem sie
ihren Hausbedarf gedeckt hatten, durften Frucht- und Mus-
mehlhändler, Bäcker und fremde Käufer sich einfinden.*
* St. Galler Stiftsarchiv, Ruhr. 141, lit. a, Mandat des Landvogts
Franz Carl Biberegg vom 22. Dezember 1712. Thurg. Landbuch, je unter
dem Namen der Marktorte unter dem Datum 1699. Vgl. E. A. 7. 2, p. 684;
demzufolge würde die Marktordnung ins Jahr 1635 zurückreichen.
* Thurg. Landbuch, Fol. 162. ' Fruchtmarktordnung in Weinfelden vom
Oktober 1787; Archiv der Bürgergemeinde daselbst. Vgl. Pupikofer,
Geschichte der Stadt Frauenfeld, p. 352, Memorabilia Episcopicellana
von Joh. Casp. Diethelm. Polizei-Instrument 1699, p. 474: „Wegen des
Kornhaus hat es bey der allbereit gemachten Ordnung sein verbleiben,
dergestalt, dass die frembde änderst nicht, dann an den bestimmten
stunden kaufen." — Gegen solche Verfügungen o. zit. Mandat.
Die Ehehaften. 177
c. Die Ehehaften und Zfinfte.
Eine Anzahl von Gewerben durften nur mit obrigkeitlicher
Bewilligung und gegen Erlegung einer Taxe betrieben werden;
es waren die sogenannten Ehehaften. Die Stände behielten sich
die Verleihung der Mühlen, Schmieden, P fistereien (Bäckereien)
und Badstuben vor; die Metzgen und Ziegelhütten und andere
als minderwichtig betrachtete Gewerbe waren gerichtsherrliche
Ehehaften. Den Gerichtsherren stand auch die Wirt- oder
Tavernengerechtigkeit zu. Seit 1725 verlieh nicht mehr der
Landvogt, sondern das Syndikat die hoheitlichen Ehehaften.^
Die hoheitliche Lehentaxe betrug gewöhnlich 30, 40 oder 50 fl.,
das Patent eine Spezies-Dublone Schreib- und ebensoviel
Siegeltaxe.^ Doch waren die Ehehaftsgerechtigkeiten durch
allerlei Freiheiten beschränkt; die Stadt Steckborn, der Flecken
Ermatingen und die Einwohner am Tuttwilerberg z. B. emp-
fingen nur die Mühlen von der Hoheit.^ Der Fürstbischof von
Konstanz sprach die Befugnis an, die Schmieden zu vergeben;
1738 wurde es ihm in Tägerwilen zugestanden.*
Die Mühle Bischofszeil besass als sogenannte Zwangmühle
das Vorrecht, alles Getreide aus einem gewissen Bezirke allein
zu mahlen.^
Während das „Kaflen oder Winkelmetzgen" strenge ge-
ahndet wurde, indem der darüber Betroffene einen Dukaten
Busse bezahlte und ihm das Fleisch konfisziert wurde, war
jedermann gestattet, ein Stück Vieh zu kaufen, zu mästen und
auf den Herbst oder die Ernte zu schlachten und beim Pfunde
auszuwägen. Krankes Vieh, das noch zur Achse gehen konnte,
durfte vom Hausvater abgetan werden, und er konnte zu Nutzen
ziehen, was noch brauchbar war; fiel es aber von selbst, so
musste es der Wasenmeister abdecken.*
* Zürcher Staatsarchiv, A 323, 26, unter Mörsburger Gravamina.
Nach einem Schreiben Landvogt Pfyffers vom 16. Juni 1786 wurde
schon 1718 die Konzession der Ehehaften dem Syndikate zugeeignet.
Dem Landvogt verblieb die Handänderung gegen eine bestimmte Taxe,
sowie die Verlegung der Ehehaften von einem Ort zum andern zu voll-
ziehen. Zürcher Staatsarchiv, A 323, 34. « Thurg. Landbuch, Fol. 70.
* ibid. * ibid., p. 69. Zürcher Staatsarchiv, A 323, 26, unter Mörsburger
Gravamina. » Vgl. E. A. 7.2, p. 598. « Thurg. Landbuch, Fol. 164.
Hasenfratz, Die Landgrafschaft Thurgau vor 1798. 12
178 Freier Handel.
Jedermann mochte in dem Gerichte, da er sesshaft war,
den Wein, der ihm erwuchs, nach Inhalt der Offnungen aus-
schenken mit Erlaubnis seines Gerichtsherrn. Wenn er Wein
kaufte, hatte er dies dem Gerichtsherrn anzuzeigen, welcher
denselben versuchen und schätzen liess.^ In Weinfelden, wo
mit Ausnahme des Wirtshauses zum „Trauben" die Tavernen
keine eigentlichen Titel mit ehehaften Rechten zu erwerben
brauchten, „veromgeldeten" die Wirte von Martini bis zur Fast-
nacht vom Eimer ausgewirteten Wein eine Mass, und im
Sommer hatten sie soviel einer in sechs Tagen ausschenken
konnte, den sogenannten „Bannwein''^ der Herrschaft auszu-
wirten. Die Bürger von Weinfelden mochten nach Belieben
Pfistereien und Feuerwerkstätten errichten und wieder eingehen
lassen ; doch bezahlten sie für die letztern eine gewisse geringe
jährliche Entschädigung an die Herrschaft.^
Den Gerichtsherren und Untertanen war der freie Verkauf
gestattet von Salz/ Stahl, Eisen, Garn, Hanf, Werg, Tuch,
Leder, Mus, Brymehl,* Schmalz, Käse, Zieger, Kerzen, Un-
schlitt, Lichter, Stecken, Korn, Hafer und andern Früchten
und Sachen.^ Die Gerichtsuntertanen mussten aber ihre Hühner,
Eier, Kälber etc. zuerst der Herrschaft anbieten.® Die fremden
Krämer kamen beim Landvogt um Bewilligung des Hausierens
und die Erteilung eines Patentes ein.^ Die Einheimischen,
vor allem die Kaufmannschaft von Frauenfeld, suchten umsonst
die lästigen Konkurrenten fernzuhalten, indem sie sich aner-
boten, dem Landvogt und der Kanzlei alle zwei Jahre eben-
soviel zu entrichten, als die ausgegebenen Patente denselben
eintrugen.® Man wollte den „Savoyarden" wenigstens die
Niederlage ihrer Ware im Lande verbieten; nur auf offenen
Märkten sollten sie dieselbe zum Verkaufe auslegen. Dieser
letztere Vorschlag fand die Zustimmung der Mehrheit der
Abgesandten auf der Jahrrechnung von 1753. Gleiche Be-
schwerden ergingen gegen die Juden. Man wollte sie über-
* Thurg. Landbuch, p. 202. * Archiv der Bürgergemeinde, Fase. 3.
* Vgl. p. 181. Thurg. Landbuch, Fol. 162. * Brimmel = Hafergrütze,
Pupikofer II, p. 833, 2. Aufl. * Vgl. E. A. 5. 1, p. 1350. • Thurg. Land-
buch, Fol. 126. ' Vgl. E. A. 7. 1, p. 757, 758. « Es wurden angeboten je
150 fl. für die Zeit von zwei Jahren. E.A. 7.2, p. 589.
Zünfte. 179
haupt nicht im Lande dulden.^ 1786 beklagten sich Aus-
schüsse der Landschaft über die vielen an Juden erteilten Be-
willigungen, nicht allein durch das Land zu reisen, sondern
auch Handel treiben zu dürfen, worauf sich die Jahr-
rechnung genötigt sah, die landvögtlichen Passerteilungen
einzuschränken und den Juden alle Handelschaft im Thurgau
zu verbieten.*
Zu einem allgemeinen organisierten Zunftwesen brachte es
die Landgrafschaft Thurgau nicht. Gewisse Gewerbe, wie die
Färberei, waren allerdings auf die Städte oder Marktflecken
eingeschränkt.* Das von Marquard Rudolf, Bischof von Kon-
stanz, 1699 für Bischofszell erlassene Polizei-Instrument schrieb
vor, dass kein Handwerker dem andern Eintrag tun dürfe.
Demzufolge sollte kein Krämer etwas verkaufen, das der Hand-
werksmann in der gleichen Qualität und Preislage lieferte.
Die Schneider hatten sich beklagt, dass gewisse Näherinnen
und fremde Schneider allerlei Arbeit in der Stadt annehmen
und „stümplen." Dies sollte abgetan und ebenso fremden
Schustern nicht erlaubt sein, in die Stadt zu arbeiten ; fremden
Kesslern, die den Kupferschmieden Konkurrenz machten, war
das Hausieren verboten; bei fremden Glasern durfte man nicht
arbeiten lassen. Rotgerber sollten nur rot, wie ohnehin Hand-
werksbrauch war, gerben; doch war ihnen zugelassen, dem
also gegerbten Leder auch die weisse Farbe zu geben. Den
Sattlern wurde erlaubt, auf Ranzen und Taschen zu arbeiten,
und da sich damals kein Gürtler in der Stadt Bischofszeil
befand, verfertigten sie auch Hosenträger und Knieschnallen.
Wenn die Weissgerber genug gelbes Leder und im üblichen
Preise lieferten, sollten es die Sattler nicht von anderswoher
beziehen. Den Wirten war untersagt, auf Wiederkauf zu
schlachten. Die Krämer wurden eingeteilt: 1. in die da handeln
mit Tuch, allerlei Wolle, Seidenzeug, Leinwand, Hüten,
Strümpfen, Band, „Nestel" und was sonst noch zur Kleidung
gehört; 2. in die Spezerei- und Lebensmittelhändler; 3. die
Eisenkrämer; 4. die „Schmuzhändler". Fremde Krämer durften
nur zum Kaufe anbieten, was nicht bei den einheimischen zu
» Thurg. Landbuch, Fol. 118. * E. A. 8, p. 375. » Thurg. Landbuch,
Fol. 79.
180 Zünfte.
erhalten war; auf den Wochenmärkten war ihnen besonders
verboten. Samt, Seide, WoUwaren, Spezereien und Eisenwaren
zu verkaufen, mit Ausnahme der Tiroler, die den letztern Artikel
besonders wohlfeil abgaben.^ In Frauenfeld bildete die Kon-
stafelgesellschaft eine Art Zunft, in die seit 1616 jeder ihr
angehörige Meister für einen aufgedungenen Lehrling 1 fl. be-
zahlte. Die Lehr- und Meisterbriefe wurden aber im Namen
des Rats vom Stadtschreiber ausgefertigt. Der Rat entschied
und urteilte bei Handwerkerstreitigkeiten.* In der Landschaft
kamen Anstände betreffend das Aufdingen in zünftigen Hand-
werken, über die ein jeweiliger Landvogt Obmann war, und
was davon abhing vor das Landvogteiamt.^ 1685 waren in
Frauenfeld die Weber, 1686 die Posamentier zu einer Zunft
zusammengetreten;* es folgten die Schlosser, Büchsenschmiede,
Wagner, Schuster, Bäcker, Sattler, Schneider, Küfer, Zimmer-
leute, Hafner, Maurer, Metzger.^ Als die Chirurgen des Thur-
gaus 1764 baten, man möchte ihnen zur Abstellung mancher
Missbräuche eine Zunftordnung und eine Lade bewilligen, er-
klärte eine zur Untersuchung dieses Begehrens aufgestellte
Kommission, dass die Gewährung desselben mit Übelständen
verbunden wäre, wohl aber folgendes verfügt werden könnte :
„1. Allen fremden Afterärzten, Marktschreiern, „Stümplern"*,
auch den Viehärzten ist die chirurgische Praxis im Lande
gänzlich untersagt. 2. Die Einheimischen sollen zur Praxis
nicht admittiert werden, sie haben denn beglaubigte Attestate
aufzuweisen, dass sie bei einem Meister der Chirurgie dieselbe
recht erlernt haben, die gewöhnliche Zeit gereist und an einem
Ort der Eidgenossenschaft examiniert worden seien. Der Land-
vogt hat mit Zuzug von 2 oder 3 Chirurgen diese Attestate
zu prüfen."®
d. Die Besatzung.
Bis 1 727 scheint der Salzverkauf im Thurgau frei gewesen
zu sein; von dieser Zeit an aber beanspruchten ihn die Stände als
^ Memorabilia Episcopicellana von Joh. Caspar Diethelm, p. 471 f.
« Pupikofer, Geschichte von Frauenfeld, p. 308. » E. A. 7. 1, p. 757.
* Pupikofer, Geschichte von Frauenfeld, p. 308 und 309. * ibid., p. 350,
351. Vgl. E. A. 7. 1, p. 757. • E. A. 7. 2, p. 593.
Besatzung. ISl
Landesregal.^ Die Landschaft protestierte dagegen, indem sie
sich auf die Abschiede von 1599 und 1600 berief, die unter
anderm auch den freien Handel mit Salz gestatteten.^ Frauen-
feld stützte sich auf seine in der Kapitulation von 1460 gewähr-
leisteten und 1461 bestätigten Privilegien und Rechte, zu denen
auch der Salzdebit gehöre.' Bei der Ausübung des Salzregals
durch die eidgenössischen Stände fragte es sich, ob ein Ort
im Namen aller und allein dasselbe übernehmen, jeder es durch
seinen Landvogt ausüben oder dasselbe einem Drittmann
übergeben werden solle.* Schliesslich musste man den Ein-
wendungen der Landschaft und der Gerichtsherren Gehör
schenken.^ 1776 gab eine Kommission folgendes Gutachten ab:
„Die freie Besatzung des Thurgaus und Rheintals wird diesen
Landschaften übergeben, jedoch müssen Mass und Gewicht die
bisherigen bleiben. Zu Ende jeder 2jährigen Regierung hat
der Thurgau 120 neue Louisdor dem Landvogt für ihn oder
zuhanden seiner Oberen als Canon zu bezahlen. Probeweise
soll diese Abmachung während eines ganzen Regierungs-
umganges, d. h. 16 Jahre, dauern und am Johannitag 1778
ihren Anfang nehmen." Da aber Glarus noch immer zögerte,
derselben beizutreten, behielten sich Zürich und Luzern das
Mitbesalzungsrecht vor, wenn dieser Stand das Regal ausüben
würde.® Erst 1795 trat Glarus der 1794 erneuerten Ad-
modiation bei.'
e. Mass und Gewicht.
Keines der acht Quartiere stimmte sozusagen mit dem
andern hinsichtlich des Masses und Gewichtes überein; ja inner-
halb derselben kamen verschiedene Arten zur Anwendung.
1. Das Längenmass war die Elle, Im Quartier Wein-
felden wurden die Konstanzer Ellen gebraucht, eine lange zu
2 Werkschuh, 30 Zoll und 10 Linien ausschliesslich zum Aus-
messen der Leinwand, und eine kurze zu 1 Werkschuh, 1 1 Zoll
und 7 Linien bei Woll- und andern Waren benutzt. Im obern
* E. A. 7. 1, p. 722. « Vgl. p. 178. • E. A. 8, p. 355. * Thurg. Land-
buch, Fol. 191. Der Bankier Grüner hatte sich gemeldet. E.A.7. 1, p. 722.
* Über die Verhandlungen vgl. E. A. 7. 2, p. 535, 536. • E. A. 7. 2, p. 536;
E. A. 8, p. 354. ' ibid., 355.
182 Masse.
Teile der Herrschaft Griesenberg war die Wiler Elle im Ge-
brauch ; sie war etwas grösser als die kleinere Konstanzer Elle,
die sonst im Markt- und Privatverkehr allgemein war. Während
sich das Quartier Bürglen im Längenmass an Weinfelden an-
schloss, kam im Quartier Güttingen fast nur die St. Galler Elle
zu 25 Zoll zur Anwendung. Daneben benutzte man die Lein-
wandelle zu 28 und die Konstanzer zu 24 Zoll.^ Das Quartier
Emmishofen gebrauchte mit dem Stadtwappen von Konstanz
bezeichnete Ellen zu 23 und 27 Zoll; das Quartier Ermatingen
ebenfalls die Konstanzer Ellen, wie auch die Stadt Steckborn.
Das Quartier Warth mass nach der Frauenfelder Elle, bei der
man Haus- und Krämerelle unterschied,* nach der Diessen-
hofer, Konstanzer und nach der Steiner Elle. Das Quartier
Tänikon benutzte die Wiler und Frauenfelder Ellen ; das Quar-
tier Fischingen besass eine kurze Elle zu 2 Schuh und eine
lange zu 2 Schuh 3 Zoll.^ Auch Bischofszell benutzte eigene
Ellen.*
2. Flächenmasse. Der Quadratfuss zerfiel in 144 Quadrat-
zoll; 36 Quadratschuh bildeten ein Quadratklafter. Die gewöhn-
liche thurgauische Juchart enthielt 30240 Quadratschuh oder
210 Feldruten oder Stangen, die Stange zu 12 Werkschuhen
oder geometrischen Schuhen gerechnet. Die grosse Juchart
aber enthielt 256 Stangen zu 12 Schuh = 36864 Schuh. Die
grosse Juchart wurde hauptsächlich am Bodensee und Rhein
gebraucht ; da aber die Konstanzer Schuh, deren man sich
bei der Berechnung bediente, ziemlich kürzer waren als die
geometrischen, so war der Unterschied zwischen den beiden
Jucharten nicht beträchtlich. Oft wurden die beiden Jucharten
auf dem Fusse von 10 Schuh berechnet. Eine Mannsmad
betrug ein Viertel mehr als die gemeine Juchart, so dass also
5 Juchart Boden nur 4 Mannsmad Wieswachs ausmachten. Sie
umfasste 37800 Quadratschuh oder 262^ Stangen zu 12 Schuh
oder 378 Stangen zu 10 Schuh. Dem Rhein entlang nahm
man zu einer Mannsmad gewöhnlich 40000 Quadratschuh.
* Zürcher Staatsarchiv, A 323, 31. Kopie des unterm 20. März 1779
an die sämUichen X hochlöblichen Orte wegen Gewicht und Mass ein-
gesandten Amtsberichts. * Pupikofer, Statistik, p. 114. * Zürcher Staats-
archiv, Bericht vom 26. Mai 1780, A 323, 32. * Pupikofer, Statistik, p. 114.
Masse. 1 83
Die gemeine Juchart war das geschworene thurgauische Land-
mass.^ 1736 wurden im Thurgau vier verschiedene Schuh
angewendet*
3. Mass für feste Körper. Der Kubikfuss enthielt 1728
Kubikzoll. Als Getreidemass wurden gebraucht das Viertel zu
4 Vierlingen oder 10 Immi oder 16 Mässli oder 32 Örtli.
4 Viertel machten einen Mütt, 6 eine Ledi, 8 ein Malter. Die
Ledi war ausschliesslich Obstmass. Man unterschied das rauhe
und glatte Viertel; beim erstem wurde das Mass gehäuft,
z. B. beim Zumessen von Obst, beim letztern, wenn Getreide
gemessen wurde, strich man es ab.* Die verschiedenen Masse
verhielten sich folgendermassen zu einander:
Bischofszeller Mass ist fast wie das St. Galler Mass.
Konstanzer Mass . 25 Mütt machen 30 Zürcher Mütt.*
Diessenhofer Mass . um weniges geringer als das Schaffhauser.
Frauenfelder Mass . ist auf jeden Mütt 1^ Vierling grösser als
das Winterthurer Mass.
Schaffhauser Mass . 1 Mütt macht in Frauenfeld 3| Viertel.
St. Galler Mass . . ist um \ kleiner als das Wiler.
5 St. Galler Viertel geben 4 Wiler Viertel.
Steiner Mass . . 6 SteinerViertel sind ein Winterthurer Mütt.
1 Steiner Malter ist 2 Mütt. 1 Steiner
Malter Kernen ist 6 Viertel Zürcher
Mass.^
Wiler Mass ... ist 1 Vierling grösser als das Winterthurer.
Winterthurer Mass . 3^ Viertel machen einen Zürcher Mütt.
16 Viertel Hafer machen 20 Zürcher
Mass.*
Das Weinfelder Fruchtmass war | grösser als das Wiler.''
^ St. Galler Stiftsarchiv, H 1842. Bericht, datiert Weinfelden, den
19. Julii 1742. Die Vermessung von Rebland geschah nach Mannsgrab;
doch war es mir nicht möglich, das Verhältnis derselben zur Juchart
ausfindig zu machen. • Thurg. Landbuch, Fol. 188. • Pupikofer, Sta-
tistik, p. 114. ^ St. Galler Stiftsarchiv, Rubr. 65, Fase. 1. Zinsurbarium der
Vogtei Romanshom 1719; Ein Konstanzer Viertel Kernen macht H Viertel
St. Galler Mass. * Pupikofer, Statistik, p. 115. Das SteinerViertel wird
I des Konstanzer gleichgeschätzt. • J. Hofmeister, Einkommen der geist-
lichen Pfründen VIII. ' Zürcher Staatsarchiv, A 323, 31. Bericht vom
20. März 1779.
IS4 Masse.
Das Quartier Weinfelden gebrauchte das Konstanzer Mass,
mit Ausnahme der Herrschaft Griesenberg, die das Wiler und
Immenberger Mass benutzte; der Unterschied betrug beim
Getreide ^ Viertel auf den Mütt; um so viel war das Wiler
kleiner als das Konstanzer Mass; beim rauhen Viertel kam
die Differenz fast nicht in Betracht. Im Quartier Bürglen galt
das Konstanzer, Wiler und Bischofszeller Mass. Das Quartier
Güttingen besass St. Galler und Konstanzer, auch Wiler oder
Immenberger Mass. Im Quartier Emmishofen waren die meisten
Masse mit dem Stadtwappen von Konstanz bezeichnet. Das
rauhe Viertel enthielt 17, das glatte 16 Mässli. Im Quartier
Ermatingen war das Konstanzer und Steiner Mass im Gebrauch.
Die Stadt Steckborn hatte ein besonderes Mass, das auch in
der Herrschaft Klingenberg und der Gemeinde Homburg neben
dem Steiner Mass, das etwas grösser war, gebraucht wurde.
Im Quartier Warth benutzten Ober- und Niederneunforn das
Diessenhofer Viertel, ebenso Ürschhausen; die Herrschaft
Ittingen bediente sich des Winterthurer, Steiner und Frauen-
felder Viertels; die Herrschaft Freudenfels und Wagenhausen,
die Herrschaft Pfyn und Herdern, Mammern und andere
wendeten das Steiner Viertel an. Nach Frauenfelder und Wiler
Viertel mass das Quartier Tänikon. Das Quartier Fischingen
gebrauchte Frauenfelder, Weinfelder und Immenberger Mass.*
Was an Konstanz, Stein, Schaff hausen, Winterthur, Wil, St. Gallen,
Bischofszeil etc. an Grundzinsen und Zehnten fiel, musste
meistenteils nach dem dort gültigen Masse geliefert werden.^
4. Getränkmasse, Das Fuder hatte 5 Saum oder 30 Eimer;
der Eimer 32 Mass. Der Konstanzer Eimer ungegorenen oder
trüben Getränks enthielt 33 Mass. Die Mass zerfiel in Halbe,
Viertel (Schoppen), Achtelmass (Halbschoppen).^ Ausser
lauterer und trüber Facht wurde ein besonderes Schenkmass
angewandt.
Das Quartier Weinfelden gebrauchte die Konstanzer Mass ;
nur in der Herrschaft Griesenberg war die Wiler und Immen-
berger Mass eingeführt. 20 Immenberger Mass machten 21
Konstanzer aus. Auch das Quartier Bürglen hielt sich an die
^ Zürcher Staatsarchiv, A 323, 32, Bericht vom 26. Mai 1780. * ibid.,
A 323, 31, Bericht vom 20. März 1779. » Pupikofer, Statistik, p. 115.
Masse und Gewichte. 185
Konstanzer Mass; seine Eimer hatten Konstanzer, Weinfelder,
Wiler und Bischofszeller Marken. Das Quartier Güttingen
schaffte die Mass von Konstanz an, ebenso die Quartiere Emmis-
hofen, Ermatingen. In Steckborn wurde bei offenem Verkaufe
die Konstanzer, in der Stadt aber die besondere Stadtmass
gebraucht. Im Quartier Warth war der Diessenhofer, Frauen-
felder, Steiner und Steckborer Eimer, sowie die Frauenfelder,
Steckborer und Konstanzer Mass im Schwange; im Quartier
Tänikon wurde der Wiler, Frauenfelder und Winterthurer Eimer
und die Frauenfelder Mass benutzt. Das Quartier Fischingen
bediente sich des Frauenfelder, Weinfelder und Immenberger
nassen Masses.^
5. Gewicht. Das Konstanzer Gewicht unterschied das
schwere Pfund zu 40 und das leichte, gewöhnlich bei Kolonial-
waren angewandte, zu 32 Lot ä 4 Quint.^ 100 U bildeten einen
Zentner. Das st. gallische und zürcherische Lot wog A^^l%%g
mehr als das thurgauische, so dass der St. Galler Zentner 1|
schwerer war als der Thurgauer, dieser aber 102| Zürcher Ä
zu 36 Lot ausmachte.^ Frauenfelder, Weinfelder, Steiner Gewicht
stimmten mit dem Konstanzer überein. Das Quartier Güttingen,
das zum Teil sein Gewicht aus der Stadt St. Gallen bezog,
besass Pfunde zu 32, 36 und 40 Lot,* ebenso das Quartier
Fischingen.^ In der Stadt Steckborn geschah das Eichen und
Fichten im Beisein des Ammanns; die Visitation von Gewicht,
Ellen und Massen aber behielt sich die hohe Obrigkeit vor.
Nach einer Syndikatserkanntnis vom Jahre 1740 war dem
Gotteshaus Reichenau die Untersuchung der nassen Facht zu
Ermatingen zugestanden und 1748 bestätigt worden; doch stand
die Bestrafung des dabei vorgefallenen Betruges bei der Hoheit.^
Der Mangel an genügend Muttermassen und -gewichten ver-
mehrte die Verwirrung.' Die Eidgenossen mussten sich darauf
beschränken, die Anschaffung und Prüfung derselben zu ver-
^ Zürcher Staatsarchiv, A 323, 32. Bericht vom 26. Mai 1780. » Bei
Weinfelden wird erwähnt: das Lot ä 276 g. Zürcher Staatsarchiv,
A 323, 31. Bericht vom 20. März 1779. » Pupikofer, Statistik, p. 116.
* Zürcher Staatsarchiv, A 323, 31. Bericht vom 20. März 1779. * A 323, 32.
Bericht vom 26. Mai 1780. • Thurg. Landbuch, Fol. 72. E.A.7.2, p. 636.
A 323, 31. Bericht vom 20. März 1779. ' E. A. 7. 1, p. 659.
186 I^as Münzmandat von 1752.
ordnen; die Einführung der Gleichförmigkeit in Mass und
Gewicht war mit zu grossen Schwierigkeiten verbunden.^
f. Münze.
Im Thurgau zirkulierte viel Reichsgeld, das aber, nament-
lich was die Scheidemünze anbetraf, der Probe nicht stand-
hielt. Als indessen 1752 das Einnehmen und Ausgeben aus-
ländischer, zu leicht befundener Münze verboten wurde/
meldeten sich die fünf oberthurgauischen Quartiere Weinfelden,
Bürglen, Güttingen, Emmishofen und Ermatingen samt der
Stadt Steckborn beim Landvogt. Sie stellten angelegentlichst
vor, dass bei Durchführung des Verbots Hemmung des Handels
und empfindlicher Schaden zu besorgen sei ; sie seien willens,
bei den hohen Ständen zur Aufrechterhaltung des Verkehrs
mit dem Reiche und den st. gallischen Landen um Milderung
des Erlasses zu bitten; denn die Landgrafschaft grenze auf
drei Seiten an solche Orte, wo die ausländischen Münzen un-
gehemmten Kurs hätten. Überdies seien diese fremden Sorten
bereits ins Land eingedrungen, die groben eidgenössischen
aber fast verschwunden. Die übrigen drei Quartiere, die sich
zum Teil in den gleichen Umständen wie die oberthurgauischen
sahen, schlössen sich den letztern an.^ Die Jahrrechnung von
1753 beschloss, das Münzmandat dahin abzuschwächen, dass
die Einwohner der Landgrafschaft Reichsgeld annehmen und
ausgeben dürfen, aber nur in ihren Quartieren und zur täg-
lichen Notwendigkeit; niemand war gezwungen, sich dasselbe
aufdringen zu lassen; aus den Landen der Stände sollte es
mit Ausnahme der Grenzgegenden überhaupt ausgeschlossen
sein. Die Folge dieses Zugeständnisses war, dass der Thurgau
mit schlechter Münze überschwemmt wurde. Vorzüglich hatten
die Juden durch Aufwechsel auf die guten Münzen zu diesem
Übelstande beigetragen.* 1756 wurde eine Herabwürdigung
des ausländischen Geldes mit nachfolgender gänzlichen Ver-
^ E. A. 8, p. 359. UnvolUtändige und zum Teil ungenaue Nach-
richten über Mass und Gewicht gibt Nater, Geschichte von Aadorf,
p. 483. « E. A. 7. 2, p. 536. » Zürcher Staatsarchiv, A 323, 23. Vorwort-
schreiben von Herrn Landvogt Crivelli, 7. Dezember 1752 und 20. De-
zember. * E.A. 7.2, p. 651.
Unprobehaltige auswärtige Münze. 187
rufung vorgesehen. Ablösung von Kapitalien sollten womög-
lich in groben Gold- und Silbermünzen stattfinden, wobei die
halben Guldenstücke, von denen der Kreditor nicht mehr als
20 % anzunehmen gehalten wäre, die geringste Sorte aus-
machten.* Bei dem immer steigenden Kurs des Goldes war
folgende Valutation vorgeschlagen worden:
Maxdors ä 10 fl. 10 kr. (?)
Schiltlidublonen ä 10 fl.^
Französische und spanische alte Dublonen ä 8 fl.'
Dukaten ä 4fl. 15kr.*
Sonnendublonen ä 9 fl. 45 kr.^
Kronentaler ä 2 fl. 30 kr.«
Louisblancs ä 2 fl. 12 kr.'
1757 wurde geklagt, dass in der ganzen Landgrafschaft
Thurgau nicht mehr als für 200 fl. Zürcher oder gute Münze
zu finden sei. Ein Zürcher Schilling, geschweige eine andere
Sorte, wurde wie eine Medaille gehütet. Durch die Juden
war eine Unmenge 6 kr. Stücke in Umlauf gesetzt worden. Das
wenige gute Geld, das ins Land kam, wurde sogleich von
denjenigen, die etwas in Zürich zu bezahlen hatten, mit einem
Aufwechsel von 3 — 6 kr. auf den fl. eingezogen. An den
Grenzen wurden den Thurgauern die groben Sorten zum
höchsten Preise aufgedrungen. Der Hauptverkehr des Thur-
gaus konzentrierte sich auf Städte und Länder, wo nur Reichs-
geld gangbar war. Die angrenzenden Stände aber, mit denen
die Landgrafschaft im Handelsverkehr stand, prägten seit vielen
Jahren kein Geld mehr. Der gänzliche Verruf der Reichsmünze
im Thurgau war deshalb durchaus unmöglich. Eine Herab-
würdigung war allerdings nicht ausgeschlossen ; allein sie Hess
* E. A. 7. 2, p. 537. « 1749 zu 9 fl. 9 batz. Thurg. Landbuch, Fol. 108.
» 1749 Spanische Dublonen ä 7 fl. 10 batz, ibid. * 1749 4 fl. 3 batz 2 kr.
« 1749 9 fl. 4 batz 2 kr. • 1749 2 fl. 6 batz. ' 1749 2 fl. 2 batz; 1749 werden
noch erwähnt: Mirleton ä 7 fl. 10 batz, Speziestaler ä 2 fl. 1723 wurden
die groben Sorten taxiert; Dublonen ä 7 fl., Dukaten ä 3 fl. 54 kr., Spezies-
taler ä 27 batz, französische Taler ä 28 batz, Kronentaler ä 2 fl. 6 kr.,
Trentes'ols ä 12 batz, „Biesslein^ ä 6 kr. Thurg. Landbuch, Fol. 108.
1725 eidgenössischer Kurs: Louisdors ä 7 fl. 6 batz, Dukaten ä 4 fl. 1 batz
2 kr., Louisblancs ä 2 iL ibid. Zürcher Staatsarchiv, A 323, 24, Oktober 1755.
188 Herabwürdigung der geringen Münze.
grosse Unordnung befürchten. Der an der Grenze wohnende
Thurgauer nahm das Geld für seine Ware zum hohen Kurse
an und musste es wieder unter demselben ausgeben. Die
Reichen mochten ihr Geld ausser Landes, wo der Kurs hoch
war, versenden. Da einige Münzsorten mehr als andere herab-
gewürdigt waren, stand der Wucher in Blüte.^ Auf der Jahr-
rechnung von 1757 wurde erörtert, ob die Herabwürdigung
der Reichsmünze statt um 25 7o nur um 12^% angemessen
wäre. Die Zustimmung der Stände sollte binnen zwei Monaten
erfolgen und mit Lichtmess eine diesbezügliche Verordnung
ins Leben treten, gegen die der Landvogt keine Vorstellungen
annehmen dürfe. Appenzell, der Abt und die Stadt von
St. Gallen, auch Bischofszell und Arbon wurden zum Beitritt
eingeladen. Das Projekt wurde von der Mehrheit an-
genommen, die kleinere und geringere Münze zur Vermeidung
komplizierter Berechnungen etwas höher oder niedriger an-
gesetzt und Zürich mit der Regulierung der Angelegenheit
betraut. Das neue Mandat sollte den Landvögten im Thurgau,
im Rheintal und Sargans zur Exekution zugesandt werden.
Zürich wertete die Reichsmünzen nun folgendermassen :
1 kr. auf 3 Pfenning 6 kr. auf 5 kr.
2 kr. auf 6 Pfenning 12 kr. auf 10 kr.
3 kr. auf 10 Pfenning 15 kr. auf 14 kr.
4 kr. auf 14 Pfenning 30 kr. auf 28 kr.
30 Montforter kr. auf 24 kr.
So wurde das Mandat publiziert.^ Da aber Appenzell, Stift
und Stadt St. Gallen ihre Valutation nicht abgaben, wurde das-
selbe der durch diese drei Stände zu Bruggen errichteten
Übereinkunft konform gemacht. Die innern Orte verwahrten
sich dagegen, dass aus dem Thurgau Reichsmünze oder Gold-
und Silbersorten zu erhöhtem Kurse in ihre Gebiete eingeführt
würden ; Appenzell, Stift und Stadt St. Gallen wurden ersucht,
ihre Arbeiter und Verkäufer nur mit eidgenössischer Münze
zu bezahlen, wovon man die fürstlich-konstanzischen Ober-
vögte zu Arbon und Bischofszeil in Kenntnis setzte. Dennoch
^ Zürcher Staatsarchiv, A 323, 25, Februar 1757. « E. A. 7. 2, p. 651
und 652.
Anstrengungen zur Verbesserung des Münzwesens. 189
kamen immer wieder schlechte Münzen ins Land, und die groben
Sorten stiegen im Preise. Appenzell, Stift und Stadt St. Gallen
wurden zur Handhabung der Verordnung von Bruggen ge-
mahnt und der Bischof von Konstanz angegangen, ein ähn-
liches MUnzmandat wie das thurgauische fUr Bischofszell und
Arbon zu erlassen. Für den Thurgau wurde durch eine Kom-
mission eine verschärfte Ordnung entworfen und mit einigen
Abänderungen 1760 vom Syndikate angenommen. Die seit
1756 geschlagenen Reichsmünzen wurden ganz verboten. Die
erste Übertretung zog Konfiskation und eine Busse im Betrage
der Konfiskation nach sich ; die zweite eine doppelte, die dritte
eine dreifache Strafe. Bei ferneren Übertretungen mochte der
Landvogt an Leib, Ehr und Gewehr strafen, jedoch auch
Milderung eintreten lassen. Geheime Aufseher sollten auf die
Fehlbaren ein wachsames Auge haben. Die Verordnung war
den übrigen Vogteien, dem Bischof von Konstanz und dem
Stande Schaffhausen mitzuteilen.^ Nichtsdestoweniger wurden
die groben Sorten von Appenzell und St. Gallen aus fortwährend
zu höchstem Preise in den Thurgau geworfen.^ Auch in Arbon,
Bischofszeil und Frauenfeld waren die groben Sorten in stetem
Steigen begriffen. Die Anteilhaber an der Konvention von
Bruggen hielten selbst nicht mehr an derselben fest.^ Es ver-
lautete, dass Schiltlidublonen in ihrem Gebiete zu 1 1 fl. durch
Mandat gerufen würden.* Auch die Städte Arbon und Bischofs-
zeil vermehrten das Unwesen.^ 1764 machte Zürich den Vor-
schlag, die Reichsmünzen von 30 kr. abwärts gänzlich zu ver-
rufen, dieselben durch Auswechslung oder Einschmelzung zu
beseitigen und durch eidgenössische Münzen zu ersetzen, auch
die groben Sorten angemessen herabzuwürdigen.® Ein neues
Münzmandat wurde aufgestellt, das auch den benachbarten
Orten und Städten, namentlich Diessenhofen, zur Befolgung
mitgeteilt wurde. 1765 konnte der Landvogt berichten, dass
der grössere Teil des Thurgaus dem neuen Erlasse nach-
komme; die Durchführung desselben im obern Thurgau aber
werde nicht wenig durch die Münzverhältnisse zu Arbon und
* E. A. 7. 2, p. 653. « Zürcher Staatsarchiv, A 323, 26. Bericht von
Landvogt CoUin vom 19. Jenner 1761. » E. A. 7. 2, p. 653. * Zürcher
Staatsarchiv, A 323, 26. Zit. Bericht * E. A. 7. 2, p. 653. • ibid., p. 654.
190 Anstrengungen zur Verbesserung des Münzwesens.
Bischofszell, in den thurgauischen, dem Stift St. Gallen ge-
hörigen Malefizgerichten, in Appenzell und im Lande des
Fürsten wie der Stadt St. Gallen erschwert. Der Landvogt
wurde angewiesen, die Obervögte von Arbon und Bischofszell
zu ersuchen, das thurgauische Münzmandat binnen sechs
Wochen zu publizieren, da sonst die VlII Orte Veröffentlichung
und Exekution vornehmen würden. Eine ähnliche Aufforderung
erging an die st. gallischen Amtsleute in den Malefizorten. Den
Ständen Appenzell, Fürst und Stadt St. Gallen Hess man die
Mahnung zukommen, für eine bessere Münzordnung und für
Beobachtung des Mandats von Bruggen zu sorgen. Eine im
thurgauischen Gebiet des Abts von St. Gallen verbreitete Ver-
ordnung vom 4. Juli 1765 bestimmte den Wert der groben
Geldsorten wie folgt:
Die neuen Dublonen und Carldors . . . . ä 10 fl.
Montforter, Waldecker, Baden-Durlachische und
Hohenzollersche Dublonen ä 9 fl.
Sonnendublonen ä 9 fl. 45 kr.
Alte französische und spanische Dublonen . ä 8 fl.
Maxdors ä 6 fl.
Halb-Dublonen, gewichtige Dukaten . . . . ä 4 fl. 24 kr.
Kronentaler • . , ä 2 fl. 30 kr.
Louisblancs, kaiserliche und bayrische Taler . ä 2 fl. 8 kr.^
Dagegen erliess St. Gallen unter dem 26. August 1765
folgendes Münzmandat:
Die Montforter Dublonen sind als zu gering-
haltig gänzlich verrufen.
Gute Carlin und Schiltlidublonen ä 10 fl. 40 kr.
Sonnendublonen ä 10 fl. 20 kr.
Maxdors ä 7 fl. 6 kr.
Spanische und französische Dublonen . . , ä 8 fl. 20 kr.
Halbdublonen, gewichtige Dukaten . . . . ä 4 fl. 30 kr.
Federntaler ä 2 fl. 40 kr.
Kaiserliche, bayrische und alle übrigen Reichs-
konventionstaler, alte doppelte Louisblancs ä 2 fl. 20 kr.
' St. Galler Stiftsarchiv, Ruhr. 141, lit. a; vgl. p. 187.
Anstrengungen zur Verbesserung des Münzwesens. 191
Scheidemünze: Bayrische und alle andern Halbguiden-
stücke nach vorgenommener Probe im alten Wert von 30 kr.
Ungehemmten Kurs haben die als gut erfundenen bayrischen
15 kr. Stücke, die alten vor 1756 geschlagenen württem-
bergischen 15 kr., auch die alten salzburgischen Batzen und
Halbbatzen, die alten kaiserlichen Groschen. Die bayrischen
3 batzigen „biessle", auch dito alten und neuen Groschen,
nicht weniger die alten württembergischen 6 kr. Stücke, alle
alten Leuen- und dergleichen Haibbatzen werden herab-
gewürdigt:^ die 3 Batzenstücke auf 10^ kr., bayrische und alte
württembergische „biessle" auf 5| kr., die Leuen-, pfälzischen
und andere Batzen auf 3 kr., die bayrischen alten und neuen
Groschen auf 2\ kr. und alle erwähnten Halbbatzen auf
7 Pfenninge. Alle andern neuen und alten Reichsmünzen nebst
allen Kreuzern sind ausser Handel und Wandel gesetzt. Wenn
eine Summe 5 fl. übersteigt, soll sie in Gold oder in Talern
entrichtet werden; beträgt sie 100 fl. und darüber, so soll nie
mehr als für 5 fl. Münze auf jedes Hundert kommen ; bei mehr
als 1000 fl. war niemand gehalten, mehr als für 50 fl. Scheide-
münze anzunehmen.^ Das Münzmandat für das Rheintal vom
9. Oktober 1765 wertete die bayrischen Taler zu 36 Batzen
und erklärte alle vor 1750 geschlagenen Reichsmünzen wie
alle eidgenössischen Münzen gangbar.^ Durch das Mandat
vom 29. Oktober 1765 erklärte der Abt von St. Gallen, dass
er infolge des Vorgehens von Appenzell A.- und I.-Rhoden
und der Stadt St. Gallen sich bemüssigt sehe, die Schiltli-
dublone zu 1 1 fl., den bayrischen Taler zu 2 fl. 24 kr. anzu-
setzen. Die geduldeten Scheidmünzen blieben in ihrem Kurs.*
Die Münzverordnungen des Abts und der Stadt St. Gallen
sowie Appenzells, die daselbst herrschende Verwirrung be-
einflusste vor allem den obern Thurgau. Die drei Seequartiere
Güttingen, Emmishofen, Ermatingen baten, man möchte sie
* Der Gulden wurde in 15 Batzen, 20 Groschen, 60 Kreuzer geteilt;
der Kreuzer in 4 Pfenninge oder 8 Heller. Pupikofer, Statistik, p. 113.
Vgl. dagegen : 1 'S Pfenning Konstanzer Währung war I7I9 1 fl. 20 kr.,
1 Schilling Pfenning 4 kr., 3 Pfenning 1 kr. 1 ß^ Pfenning St. Galler
Währung war 1 fl. 8 kr. 2 ^, 1 Schilling Pfenning 3 kr. 2 X St. Galler
Stiftsarchiv, Ruhr. 65, Fasel, Zinsurbar von Romanshorn. * St. Galler
Stiftsarchiv, Ruhr. 142, Fase. 1. » ibid. * ibid.
192 Steigender Geldkurs.
mit der Exekution des letzten Münzmandats verschonen; das
Quartier Weinfelden verlangte durchgehende Handhabung des-
selben oder Einschluss in die Exemtion.^ Im Mai 1769 be-
klagte sich der Landvogt, dass nicht nur in den drei See-
quartieren, denen durch Ortsstimmen die Erlaubnis dazu erteilt
worden war, sondern auch im übrigen Teil des Thurgaus im
täglichen Handel und Verkehr die groben Geldsorten ein-
genommen und ausgegeben werden; die bayrischen 30 kr.
Stücke hätten, obwohl keine eidgenössische Münze, ihren un-
unterbrochenen Kurs beibehalten; neben ihnen würden die
St. Galler Groschen, 2 Batzen und 15 kr. Stücke gebraucht.
Mit Scheidemünzen bezahle man grosse Summen, und die
neuen Dublonen würden zu 1 1 fl. angenommen.* Die Anstände
mit dem Bischof von Konstanz und dem Abt von St. Gallen
wegen Publikation des Münzmandats in Arbon und Bischofs-
zell und den st. gallischen Malefizorten verhinderten die
Exekution.® Ebenso kam hemmend dazu der Streit der VIIl
Orte mit Freiburg und Solothurn, die den Beisitz bei Münz-
verhandlungen beanspruchten.* So blieb man beim Münz-
mandat von 1766 stehen; als 1779 Mailändertaler eingedrungen
waren, hoffte man durch Tarifierung derselben zu 1 fl. 57 kr.
das Übel zu vermindern. 1780 kursierte der neue Louisdor zu
11 anstatt zu 10 fl.; auch die übrigen Gold- und Silbersorten
standen höher im Preise, wie sich auch die verbotenen St. Galler
Münzen zeigten. Der im Gebrauch stehende Kurs war damals:
Neue Dublonen und Carldors ä 11 fl.
Sonnendublonen ä lOfl. 40kr.
Alte französische und spanische Dublonen . ä 8 fl. 45 kr.
Maxdors ä 7 fl. 20 kr.
Halbe alte Dublonen und gewichtige Dukaten ä 5 fl.
Kronentaler ä 2 fl. 45 kr.
Louisblancs, kaiserliche und bayrische Taler . ä 2 fl. 24 kr.
Die Gesandten auf der Jahrrechnung von 1780 hinter-
brachten diesen Kurs ihren Hoheiten zur Genehmigung, in
dem Sinne, dass er nicht erhöht, wohl aber erniedrigt werde.^
^ E. A. 7. 2, p, 655. « Zürcher Staatsarchiv, A 323, 28. Bericht des
Landvogts Streif! vom 13. Mai 1769. • Vgl. E. A. 7. 2, p. 656, 657 f.
* Vgl. E. A. 8, p. 357. * E. A. 8, p. 357, 358.
Allmähliche Besserung. 193
Verschiedene Geldsorten wurden 1783 im fränkischen
Kreise verrufen, als:
Der churbayrische Konventionstaler ... de anno 1765
Der brandenburg-ansbachische - - 1775
Die kaiserlichen Konventionskopfstücke ä 20 kr. - - 1 773
Die churbayrischen Kopfstücke ä 20 kr. . . - - 1767
Die churpfälzisch-bayrischen Konventionskopf-
stücke ä 20 kr - - 1779
Sie wurden im Thurgau bekannt gemacht.^ Während der
Jahre 1783 — 85 schien sich das Münzwesen zu verbessern;^
auch in den folgenden Jahren hatte sich die Tagsatzung wenig
damit abzugeben. 1791 mussten geringhaltige St. Galler Sechs-
und Dreikreuzerstücke verboten werden, und 1793 kamen, wie
verlautete, falsche neue französische Louisdors, sowie ganze
und halbe Federntaler zum Vorschein ; desgleichen kursierten
Mailänder und Brabanter Taler. Der Landvogt wurde auf-
gefordert, dieselben sogleich ausser Kurs zu setzen.^
Ein Verzeichnis der falschen französischen Taler vom
20. Januar 1794 führte 11 verschiedene Sorten an:
Bei den ersten 10 Stücken hielt die rohe Mark 1 Lot 9 g (Silber?)
und das Stück war nach dem 24fl.-Fuss nur 15 kr. wert.
1. mit der Jahrzahl 1791 und dem Buchstab. M V4 Lot zu leicht.
j 1/4 - - -
J 1/4 - - -
J recht an Gewicht.
L ^/i6 Lot zu leicht.
L«/l6 - - -
L^/ie - - -
L3/16 - - -
J «/8 - - -
A Vs - - -
Ein Stück mit der Jahreszahl 1771 und dem Buchstaben Z
hatte gar keinen Wert. Die ersten 10 Stücke waren Abgüsse
von echten Talern ; die Masse bestand aus einer Komposition
Zinn und Versilberung.*
^ „Eidg. Archiv'' Frauenfeld, T 22, Bd. III, Nr. 203. Mandat vom
4. Merz 1783. « E. A.8, p. 358. « ibid. * Zürcher Staatsarchiv, A 323, 35.
Hasenfratz, Die Landgraf schalt Thurgau vor 1798. 13
2. -
-
-
1791 -
3. -
-
-
1790 -
4. -
-
-
1790 -
5. -
-
-
1788 -
6. -
-
-
1788 -
7. -
-
-
1788 -
8. -
-
-
1788 -
9. -
-
-
1785 -
10. -
-
-
1764 -
1 94 Strassenverbesserung.
C. Strassen und Brücken.
a. Bauten.
1769 befanden sich die Strassen in einem schlimmen Zu-
stande ; die Gerichtsherren wünschten eine obrigkeitliche Ver-
ordnung zur Verbesserung derselben. Vorerst wurde der
Landvogt beauftragt, in einem Mandat zu befehlen, das Wasser
von den Strassen zu leiten, die Zäune an den Strassen zu
scheren, die Hauptstrassen zu reparieren; zugleich sollte er
beifügen, dass nächstens die Gabel- durch die Deichselfuhren
ersetzt werden müssen.^ Ein vom Gerichtsherrenstand und
einem Ausschuss der Quartiere aufgestelltes Projekt verlangte :
1. Dass auf keine neuen und geradem Landstrassen gezielt
werden möge. 2. Bestimmen die Gerichtsherren mit den
acht Quartieren die Haupt- und Landstrassen. 3. Sie unter-
scheiden Land-, Kommunikations- und Bau- oder Gäierstrassen.
4. Die Reparaturkosten der Landstrassen trägt das ganze Land.
Die Gerichtsherren anerbieten sich, den vierten Teil davon
zu bezahlen. Die Ausschüsse wollen dies den Quartieren
hinterbringen. 5. Die Kommunikationsstrassen verbessern die
acht Quartiere auf eigene Rechnung; die Gerichtsherren sind
nur, soweit sie mit solchen Gütern anstossen, die mit dem
Land steuern, zum Beitrag an die Kosten verpflichtet. 6. Die
Güter- oder Baustrassen werden durch die Anstösser repariert,
und die Gerichtsherren helfen mit, sofern sie mit den er-
wähnten Gütern anstossen. Beide Punkte stellen die Aus-
schüsse dem Entscheid der Quartiere anheim. 7. Das Wasser
soll überall von den Landstrassen abgeleitet werden; sind sie
breiter als 12 Schuh, werden sie in ihrer alten Breite belassen;
sonst ist die Breite mit Ausschluss der Nebengräben auf 12,
wo dies nicht möglich wäre auf 8 Schuh festgesetzt. In
letzterm Falle verordnet man in gewissen Distanzen Aus-
weichungsplätze. Das Land bittet, man möchte es bei der
Breite von 7 — 8 Schuh bewenden lassen. 8. Zur bessern
Reparatur der Landstrassen werden es sich die Gerichtsherren,
durch deren Gerichte sie gehen, angelegen sein lassen, mit
' E. A. 7. 2, p. 659, 660.
Strassenverbesserung. 1 95
Rat beizustehen. In jedem Quartier zeichnen zwei Deputierte
des Gerichtsherrenstandes und die dortigen Quartierausschüsse
die Breite nach Möglichkeit der Lage auf. 9. Der Gerichts-
herrenstand findet die durchgängige Einführung der Deichsel
notwendig; auch das Land sieht diese Notwendigkeit ein.^
Dennoch zögerte gerade die Landschaft mit der Exekution der
Hauptpunkte des Projektes.^
1773 sandte der Landvogt einen neuen Plan ein, der in
Gegenwart der Gesandten des Gerichtsherrenstandes und der
Landschaft entworfen worden war. Beide Teile bitten die
regierenden Stände: 1. von der vormals projektierten kost-
spieligen Verbesserung der Landstrassen abzusehen, da der
Druck der Teuerungsjahre noch auf ihnen laste; 2. solle in-
dessen die Einführung des Deichselwagens durch ein ver-
schärftes hoheitliches Mandat geboten werden, weil dadurch
die sukzessive Verbesserung auch der andern Strassen bedingt
werde.^ Die Strassen bleiben in der Breite von 12, 8 oder
9 Schuh, und in gewissen Distanzen sind Ausweichungsplätze
verordnet. Sie stehen unter Aufsicht der Gerichtsherren und
des Landes und werden von den Gemeinden derart aus-
gebessert, dass auf beiden Seiten, oder wenigstens einer, Quer-
gräben gezogen werden zur Ableitung des Wassers, die
sumpfigen Stellen ausgefüllt und die Strassen überhaupt er-
höht werden.* So nahm also die Reparation der Hauptstrassen
ihren Anfang; der Deichselwagen wurde erst nach Beendigung
derselben eingeführt.^ 1775 einigten sich die Gerichtsherren
und die Landschaft auf eine Strassenbreite von 18 Schuh.
Die erstem anerboten sich wiederum zur Aufsicht oder zur
eventuellen Bestellung von strassenbaukundigen Männern auf
ihre Rechnung ; sie versprachen den Gemeinden einen billigen
Beitrag an die Strassenkosten.® Im Falle der Not sollten auch
^ Zürcher Staatsarchiv, A 323, 27. Vgl. E. A. 7. 2, p. 660. ^ ibid.,
Bericht von Joh. Heinr. Streif, Landvogt, vom 6. Juni 1770. E. A. 7. 2,
p. 660. * Das gebräuchliche Fuhrwerk war der sog. Gabelwagen, ein
zweirädriger, mit Ochsen bespannter Karren. J. A. Pupikofer, Bischofs-
zell vor und während der Revolution von 1798, p. 9. * Zürcher Staats-
archiv, A 323, 29, 26. April 1773. Landvogt Weber übersendet einen
Entwurf zur Verbesserung der thurgauischen Landstrassen. ^ E. A. 7. 2,
p. 660. • Zürcher Staatsarchiv, A. 323. 30. E. A. 7. 2, p. 660.
1% Verzeichnis der Landstrassen.
die von den Landstrassen abgelegenen Dörfer und Höfe den
anstossenden allzuschwachen Gemeinden mit Hilfe und Fuhr-
werken beispringen. Da in den fürstlich st. gallischen Landen
die Gabelfuhren noch in Gebrauch waren, wurde der Land-
vogt beauftragt, es durch Korrespondenz dahin zu bringen,
dass weder die Strassen noch der Handel Abbruch leiden.^
Die Gerichtsangehörigen des Schönenbergeramts und des
Gotteshauses St. Pelagii weigerten sich 1776, weiter bei der
Verbesserung der Strasse bei Hohentannen Hilfe zu leisten;
es wurde ihnen anbefohlen, denen von Öttlishausen beim bevor-
stehenden Strassenbau mit Fuhrwerk auszuhelfen. 1777 ward
beschlossen: Die Strassenarbeit beginnt mit der Hauptland-
strasse von Islikon nach Konstanz; ein erfahrener Strassen-
meister, den die Gerichtsherren besolden, wird angestellt.
In jedem Distrikt werden die benachbarten Gemeinden ohne
Rücksicht auf die Quartiere, in welchem sie liegen, zur Arbeit
in Anspruch genommen ; die entlegenem bezahlen eine billige
Taxe. Das Schönenbergeramt, das Gotteshaus St. Pelagii und
die Herrschaft Bürglen leisten bei den Reparaturen an der
Strasse bei Hohentannen Beistand.* Die Kosten über Brücken,
Güterentschädigungen und Werkzeuge trägt das Land.*
Ein Verzeichnis der thurgauischen Landstrassen aus dem
Jahre 1779 führt folgende an:
1. Von Konstanz nach Zürich. Vom Tegermoos am Wirts-
haus zum „Ochsen" in Tägerwilen, an Gottlieben, dem Gute
Hertier vorbei nach Wäldi, Sonterswil, Hefenhausen, Müllheim,
Ziegelhütten, Pfyn, über die Thur, Feiben, Langdorf, Frauen-
feld, Schädelhof, Misenriet, Islikon nach Winterthur etc.
2. Von Wil nach Schaffhausen. Durch Mörikon nach
St. Margrethen, Lachen, Scheurli, Matzingen, Hüben, Frauen-
feld, Kurzdorf, Erzenholz, Horgenbach, über die Thur, Üss-
lingen, Dietingen bis an die Zürcher Grenze.
3. Von Arbon nach Zürich. Durch Steineloh, Ringen-
zeichen, Neukirch, Winzelnberg, Kesslenbach, Steinebrunn,
Unter-Almensberg bis nach Hemmerswil, Amriswil, Köpplis-
^ E. A. 7.2, p. 660. « ibid., p. 660, 661. » Nach der Verfügung von
1778, während die Gerichtsherren aufzustellende Strassenmeister und
Unteraufseher bezahlen.
Verzeichnis der Landstrassen. 197
haus, Mühlebach, Biessenhofen, Eppishausen, Erlen, Riedt,
Sulgen, Bürglen, Weinfelden, durch die Felder hinab, Amlikon,
über die Brücke, Bussnang, über den Griesenbergerberg hinab
nach Eschikofen, Feiben, Frauenfeld und von da wie Nr. 1.
Sodann auch von Weinfelden die Felder hinab unterhalb Mär-
stetten nach Wigoltingen, Müllheim.
4. Von Arbon dem See entlang hinunter in die Gerichte
der Stadt Diessenhofen. Durch Frasnacht, Wiedehorn, Buch,
Egnach, Haslen, Salmsach, Romanshorn, Reckholdern oder
Hub, durch den Wald nach Uttwil, Kesswil, Güttingen, Altnau,
Landschlacht, Münsterlingen, unterhalb Scherzingen nach
Bottighofen, Rickenbach, Kreuzungen, Egelshofen, Emmis-
hofen, Tägerwilen, Hertier, Triboltingen, Ermatingen, Mannen-
bach, Berlingen, Steckborn, Feldbach, Mammern, Eschenz,
Wagenhausen, Reichlingen bis an die Diessenhofer Gerichte.
5. Von Wil bis zur Aadorfer Brücke, Durch Neuhaus,
Münchwilen, über die Brücke, den Tuttwilerberg bis nach
Aadorf, wo die Zürcher Landesmark steht. Die Strasse geht
von da über Elgg nach Winterthur. Oder aber über Ricken-
bach, Hub, Sirnach, Eschlikon, Ifel, nach Tänikon etc.
6. Von Stein nach Frauenfeld und Wil, Über Eschenz,
Steinegg, Hüttwilen, Nergeten, Warth, über die Thur, Kurz-
dorf, Frauenfeld. Oder nach Beschaffenheit der Fähre von Hütt-
wilen über die Mühle daselbst, Weiningen und über die Thur.
7. Von Steckborn nach Müllheim und Wil, Durch die
Herrschaft Klingenberg, Müllheim, Wigoltingen, Amlikon, über
die Brücke und von da wie in Nr. 8.
8. Von Kreuzungen oder Egelshofen nach Wil, Über
Egelshofen, Bernrain, Schwaderloh, Ellighausen, Mannenmühle,
Riedt, Märstetten, bei dem dortigen Hirtenhäuschen vorbei,
Amlikon, über die Brücke, Jungholz, Bänikon, Maltbach, Kalten-
brunnen, Bollsteg, Affeltrangen, Fliegenegg, Tägerschen, Bett-
wiesen. Sodann auch von dem Hirtenhäuschen bei Märstetten
nach Weinfelden etc.
9. Von Kreuzungen nach Bischof szell, Hauptwil, Herisau etc.
Über Egelshofen, Petershausen, Dippishausen, Oftershausen,
Haspel, Heimenlachen, bei Berg vorbei nach Opfershof en, Sulgen,
Bleiken, Altbuch, Hohentannen, Bischofszell, Hauptwil, nach
Herisau.
198 Reparatur der Hauptstrassen.
10. Von Kreuzungen nach St Gallen. Über Wöschbach,
Besnier, Käsbach, Bussnang, Schönenbaumgarten, Zuben,
Herrenhof, Bärshof, Weier, Neuhaus, Oberaach, Köpplishaus,
Amriswil, Hemmerswil bis an das St. Gallische.
11. Von Uttwil nach BischofszelL Über Dozwil, Hamis-
feld, Auenhofen, Amriswil, Vogthalden (?), Zihlschlacht, Ebnat,
Sitterdorf, nach BischofszelL
12. Von Romanshorn nach St Gallen, Über Salmsach,
Egnach, Mammertshofen, Freidorf bis zur St. Galler Strasse.
13. Von Weinfelden nach WIL Über die Sangerbrücke,
Thurrain, Rothenhausen, Oberbussnang, Boll, Buch, Tobel,
mündet in die andere Landstrasse.^
Dem Verzeichnis ist ein Bericht beigefügt, der besagt,
dass dasselbe nicht alle Strassen anführe; die genannten seien
von verschiedener Wichtigkeit. Sämtliche angezeigten Land-
strassen solide herzustellen, würde dem Lande allzugrosse
Beschwerden verursachen; man müsse sich auf die unent-
behrlichsten beschränken, nämlich vor allen Nr. 1 und 2, die
für Handel und Wandel am nutzbringendsten seien. Nach
Vollendung derselben lasse es sich untersuchen, welche Strassen
man noch in brauchbaren Zustand setzen wolle, wie dies zu
vollziehen sei und durch wen die diesbezüglichen Arbeiten
geschehen sollten. Neben allgemein unentbehrlichen Strassen
beständen solche, die nur von einem Teil der Einwohner stark
gebraucht würden; andere dienen ausschliesslich Privaten;
eine vierte Art verbindet nur Dorfschaften untereinander. Eine
Anzahl Strassen würde infolge der Reparatur anderer eingehen.^
1778 war bereits von der Hauptlandstrasse Konstanz-
Islikon (Nr. 1) ein geometrischer Plan aufgenommen und die-
selbe in 1 1 Bezirke eingeteilt worden. Bis 1780 war sie vollendet
und befand sich 1781 nach Aussage des Landvogts in tadel-
losem Zustande.*
Zur gleichen Zeit beschäftigte man sich mit der Reparatur
der Strassenstrecke Frauenfeld-Wil (Nr. 2), wobei in Matzingen
eine Brücke über die Lauche angelegt werden musste. 1780
1 Zürcher Staatsarchiv, A 323, 31. 26. Mai 1779, Entwurf von den
in der Landgrafschaft Thurgau bisanhin anerkannten Landstrassen.
Vgl. E. A. 8, p. 363 f. « Zürcher Staatsarchiv, A 323, 31. » E. A. 8, p. 363.
Differenz zwischen Zürich und den übrigen Ständen. 199
waren drei Viertel beendigt; allein der Fürstabt von St. Gallen
weigerte sich, die Strasse von Mörikon nach Wil weiter-
zuführen. Zürich erklärte sich für Beibehaltung der Strasse über
den Tuttwilerberg, Elgg nach Winterthur (Nr. 5), die ebenfalls
in brauchbarem Zustand erhalten werden solle. Die Route
über Tuttwil bedeutete für Zürich eine Abkürzung. Zudem
wollte es sich nicht den Zoll zu Elgg entgehen lassen, und
vor einigen Jahren war in Münchwilen eine Brücke erbaut
worden.^ Die übrigen Stände wollten den Brückenzoll in
Münchwilen umgehen, das Vorgespann über den ^rauhen"
Tuttwilerberg ersparen und der durch grosse Unglücksfälle
heimgesuchten Stadt Frauenfeld Erleichterung gewähren.*
Zürich möge den Zoll nach Oberwinterthur oder anderswohin
verlegen, worauf die Zürcher Gesandten erwiderten, ihre Obern
würden an der Grenze zu Islikon niemals eine Handelsstrasse
weiterführen, sondern vielmehr daselbst einen Schlagbaum
errichten.* Indessen blieb die Strasse über den Tuttwilerberg
in schlechtem Stande. Unter dem 27. März 1784 beklagten
sich die Direktoren der Kaufmannschaft St. Gallen darüber,
da am 23. März ihr „Bote'* Georg Scheitlin nachts um 11 Uhr
unweit dem Dorfe Buchen mit seinem Pferde dergestalt ein-
sank, dass er wohl zwei Stunden brauchte, um das Tier mit
Beihilfe der Bauern mit äusserster Mühe und unter grösster
Gefahr aus dem Moraste zu ziehen.* Um die Fuhrleute zu
verhindern, von St. Gallen aus die neu angelegte Strasse über
Frauenfeld und Islikon zu benutzen, beauftragte der Rat in
Zürich den Wagmeister Hess, allen in das zürcherische Kauf-
haus kommenden St. Galler und Flawiler Fuhrleuten anzu-
befehlen, nur über Tuttwil zu fahren, widrigenfalls sie mit einer
Geldbusse von 100 ^ Pfenning belegt würden. Junker Land-
vogt Meiss zu Kyburg erhielt Nachricht von dieser Verordnung
und hatte dem Zoller und Weibel in Oberwinterthur den Befehl
zu erteilen, auf pünktliche Befolgung derselben zu achten.^
Zur Verbesserung der Strasse über Tuttwil waren wohl die
Anstösser geneigt; die Gemeinden weigerten sich aber, Hilfe
* E. A. 8, p. 363, 364 ; vgl. E. A. 7. 2, p. 661. » Feuersbrunst von 1778.
3 E. A. 8, p. 364. * Zürcher Staatsarchiv, A 323, 33. * ibid., actum Sams-
tag den 19. Juni 1784. Vgl. E. A. 8, p. 364.
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Anstände wegen Unkosten. Mandat von 1780. 201
1795 war laut landvögtlichem Bericht die Strasse von Konstanz
nach Stein (Nr. 4?) ausgebessert.^ Zur selben Zeit mussten
Reparaturen an der Strassenstrecke Konstanz bis zur neuen
Brücke Pfyn^ und an der Strasse Pfyn-Steckborn vorgenommen
werden.®
Wegen der Strassenkosten hatten sich allerlei Anstände er-
hoben, besonders hinsichtlich der von den Gerichtsherrn zu
besoldenden Aufseher. Wenn der Landvogt für Strassenbauten
sowohl vom Gerichtsherrenstand als von der Landschaft Geld
empfing, hatte er für Jeden Teil genaue Rechnung zu führen
und dieselbe auch der Jahrrechnung zur Ratifikation vorzulegen.
Ein Strassenmandat vom Jahre 1780 verfügte, dass, wo
die Strassen durch Wälder gehen, Gesträuche und Bäume auf
16 Fuss Entfernung abgeschlagen werden sollten zur bessern
Austrocknung der neuen Anlagen. Auch sonst dürfe kein
Baum näher als 6 Fuss an die Strasse gepflanzt werden. Die
Landleute mögen die Steine aus den Äckern haufenweise neben
die Strasse legen, nicht aber auf dieselbe werfen. Die den
Verkehr hemmenden Gatter, die überdies der Bettelei Vorschub
leisten, werden auf den neuen Landstrassen nicht mehr an-
gebracht.*
Was die Kommunikationsstrassen anbetraf, so ver-
glichen sich 1794 der Gerichtsherrenstand und die Landschaft
folgendermassen :
Die Aussteckung der Kommunikationsstrassen und die Voll-
führung der Arbeit geschieht mit Zuzug des betreffenden Quartier-
hauptmanns und eines Gemeindevorgesetzten; der Gerichts-
herrenstand leistet anstatt der Geldbeiträge^ werktätige Hilfe.
Jedem Gerichtsherrn ist überlassen, sich mit seinen Gerichts-
angehörigen deswegen zu vereinbaren. Die Strassenarbeiten
bis gegen Müllheim. 4. Von Konstanz nach Mannenmühle, Riedt, Mär-
stetten bis Amlikon. 5. Von Märstetten nach Altenklingen bis Sonters-
wil. 6. Von Amlikon nach Jungholz, Bänikon bis Maltbach. 7. Von
Hugelshofen nach Mannenmühle bis Riedt. 8. Von Hattenhausen nach
Wagerswil bis Märstetten. 9. Von Hattenhausen bis Gonterswilen.
10. Von Oberbussnang nach Boll. 11. Von der Fähre zu Eschikofen
nach Hüttlingen.
1 E. A. 8, p. 366. « ibid., p. 363. » ibid., p. 366. * ibid., p. 362. ^ Der
Gerichtsherrenstand hatte zuerst 5000 fl. angeboten. E. A. 8, p. 363.
202 Vergleich wegen der Kommunikationsstrassen.
müssen nicht von den Quartieren, sondern von jeder Gemeinde
in ihrem Bezirke vorgenommen und also die Kommunikations-
strassen von Gemeinde wegen gemacht und unterhalten werden.
Die Breite derselben bleibt wo immer möglich auf 12 Schuh
ohne die Gräben festgesetzt.^ Der Vergleich wurde 1795 von
der Jahrrechnung ratifiziert.^
b. Brücken;? und Weggelder.
Anlässlich der Strassen- und Brückenkorrektionen im
letzten Viertel des achtzehnten Jahrhunderts wurden eine An-
zahl Brücken- und Weggelder bewilligt. So bezogen die
Gemeinden Münchwilen und Oberhofen einen Zoll bei der
Münchwiler Murgbrücke, der ihnen 1778 auf weitere 15 Jahre
zugestanden wurde unter der Bedingung, dass nicht nur die
aufgenommenen Kapitalien daraus abbezahlt, sondern die Ge-
meinden einen allfälligen Vorschuss zur Gründung eines Fonds
zum Unterhalt der Brücke benutzen werden.^ Die Stadt
Frauenfeld besass seit 1538 das Privilegium eines Brücken-
zolls.* 1778 bat sie um Erhöhung desselben oder Bewilligung
eines Weggeldes. Dieses wurde ihr anfänglich auf ein Jahr,
dann sukzessive auf 12 und 20 Jahre auf der Strasse nach
Matzingen zugestanden. Befreit davon waren alle Bürger, Land-
leute und Angehörige der regierenden Orte, wie die Bürger
derjenigen Ortschaften, mit denen Frauenfeld besondere Ver-
träge errichtet hatte; als Basis scheinen die Exemtionen vom
Brückenzoll gedient zu haben.^ 1792 beklagten sich Schultheiss
und Rat der Stadt Frauenfeld über die Verweigerung des Weg-
geldes seitens der Quartiere Fischingen und Tänikon ; dieselben
wollten für die zum Hausgebrauch bestimmten Waren nichts
bezahlen und trieben unter diesem Titel Missbrauch.* Die
* Zürcher Staatsarchiv, A 330, Kopie des gerichtsherrenständischen
Protokolls vom 23. April 1795. E. A. 8, p. 363. « E. A. 8, p. 363. » ibid.,
p. 360. Der Tarif war: 6 kr. von einer Kutsche, 2 kr. von einer Litiere, 12 kr.
von einem geladenen Güterwagen, 6 kr. von einem ungeladenen u. s. w.
ibid. * A. Pupikofer, Geschichte der Stadt Frauenfeld, p. 188, 189, 198,
199. * E. A. 8, p. 366, 367. Vom Brückenzoll befreit waren: Gotteshaus
Rheinau, Gotteshaus Ittingen, Herrschaft Sonnenberg, Herrschaft Neun-
forn, der Hof zu Wil etc. Zürcher Staatsarchiv, A 323, 31. • Schreiben
vom 26. März 1792. Zürcher Staatsarchiv, A 323, 35. Der Tarif des Weg-
Brücken- und Weggelder. 203
beiden Quartiere erhielten 1 786 selbst auf der Strasse Matzingen-
Wil für 20 Jahre die Bewilligung eines Weggeldes; exemt
waren die Landleute und Angehörigen der regierenden Orte.
1790 baten die Quartierhauptleute, die Bezugsstätte von
Matzingen nach St. Margrethen oder einen andern schicklichen
Ort verlegen zu dürfen. Der Versuch, von demjenigen Wein,
der zwar von Landleuten, aber ausser Lands zum Verkauf „auf
Mehrschatz" geführt wurde, das Weggeld zu beziehen, musste
aufgegeben werden.^ Die Herren v. Muralt zu Öttlishausen
und Heidelberg hatten auf eigene Kosten von der Kistenmühle
über Öttlishausen und Heidelberg nach Bischofszeil eine Strasse
angelegt.* Seit 1791 durften sie 1 kr. Weggeld von jedem
Stück Zugvieh erheben; beim Schlosse Heidelberg war ein
Schlagbaum.^ Die Stadt Bischofszell war von diesem Zolle
befreit, weil sie die Strasse fortsetzte.* 1791 stellten auch zwei
Abgeordnete der sechs Gemeinden, welche die Strasse über
den Tuttwilerberg erbaut hatten, das Ansuchen, dass ihnen
statt des Brückengeldes zu Münchwilen, das sie noch vier
Jahre zu beziehen hätten, nach Verfluss dieser Zeit während
20 Jahren ein Weggeld bewilligt werden möge. Sie anerboten
sich, im bejahenden Falle den Quartieren Fischingen und
Tänikon eine ausstehende Forderung von 400 fl. nachzulassen.*
Für die zu errichtende Brücke zu Pfyn wurde der Gemeinde
1793 ein Brückengeld von 1^ kr. von einem Fussgänger und
ö kr. von einem Stück Vieh zugestanden; doch musste der
mit dem Stande Zürich bestehende Kanon hinsichtlich der
Fähre, der auf 24^ fl. und 2 Malter Hafer lautete, jene zu 5 %,
geldes war: 2 kr. von jedem beladenen Pferd oder Saumross, 3 kr. von
einer beladenen Kutsche, Chaise, von einem Wagen, Karren. Von un-
beladenen Pferden oder Saumrossen, von Pferden und Zugvieh vor
unbeladenen Kutschen oder anderm Fuhrwerk nur die Hälfte.
» Zürcher Staatsarchiv, A 323, 34, 35. E. A. 8, p. 367. Der Tarif
war: 1 kr. von jedem beladenen Pferd oder Saumross, 2 kr. von einem
Pferd öder Zugvieh vor beladenen Kutschen, Chaisen, Wagen, Karren,
i kr. von einem unbeladenen Pferd oder Saumross, 1 kr. von einem
Pferd oder Zugvieh vor unbeladenen Kutschen, Chaisen oder Karren.
Zürcher Staatsarchiv, A 323, 34. " A. Pupikofer, Bischofszeil vor und
während der Revolution von 1798, p. 12. • E. A. 8, p. 367; oben zitiertes
Werk, p. 12. * Zürcher Staatsarchiv, A 323, 35. » E. A. 8, p. 367, 368.
Zürcher Staatsarchiv, A 323, 35.
204 Brücken- und Weggelder.
diese je zu 8 fl. ausgekauft werden. Alle zum Schlosse Pfyn
gehörigen Personen, Fuhrwerke, Vieh hatten wie bisanhin über
die Fähre, so nunmehr über die Brücke freien Durchpass, und
das Schloss Pfyn behielt sich seine Rechtsame bezüglich der
Fähre im Falle der Unbrauchbarkeit oder des gänzlichen Verfalls
der Brücke gegen Rückerstattung des Auskaufskapitals vor.*
Sämtlichen an der Hauptstrasse Islikon-Konstanz gelegenen
Gemeinden wurde 1795 ein Weggeld auf 12 Jahre zugesichert.
Befreit waren die eidgenössischen Gesandtschaften, das Ober-
amt in Frauenfeld, die Stadt Frauenfeld mit ihren Gerichten
und der thurgauische Landmann für dasjenige, was er zu seinem
Hausgebrauch nötig hatte.* 1781 hatte der Bischof von Kon-
stanz der Stadt Bischofszeil ein Brückengeld bewilligt.^ Da
aber die landfriedliche Kommission dies als eine Beschränkung
der landesherrlichen Rechte auffässte, sah Bischofszeil vom
Bezüge desselben ab.* 1796 erneuerte der Bischof seine Kon-
zession ; abermals erhob die landesfriedliche Kommission Ein-
sprache; das Syndikat aber gestattete nun das Brückengeld
auf 20 Jahre. Dagegen beschwerten sich die Quartiere Bürglen
und Güttingen. Sie führten aus, dass die in Frage kommenden
beiden Brücken seit mehreren Jahrhunderten existierten und
bisanhin niemals eine Abgabe gefordert worden sei. Eine
adelige Frau habe hinsichtlich der Thurbrücke eine Stiftung
gemacht und verordnet, es möge dieselbe von jedermann frei
bewandert werden.^ Jährlich würden viele Grundzins- und
Zehntenfrüchte aus den beiden Quartieren nach Bischofszell
geführt, und es frage sich, ob dieselben nicht wegen eines
ursprünglichen Brückenfonds abgegeben werden müssen; auch
ziehe Bischofszeil aus dem Viehzoll bei den vier Jahrmärkten
und durch den täglichen Verkehr mit den beiden Quartieren
beträchtlichen Nutzen. Die Abgeordneten der Stadt verneinten
einen ehemaligen Brückenfonds; sie behaupteten, der Bischof
^ E. A. 8, p. 368. « ibid. Zürcher Staatsarchiv, A 323, 36. » Der
Tarif war: 1 kr. von einem eingespannten Pferd oder Ochsen. Der
Wagen selbst ist frei, i kr. von einem uneingespannten Stück Vieh oder
Saumpferd, es sei beladen oder nicht, i kr. von 1 — 3 Kälber, Schafen,
Ziegen, Schweinen. 1 kr. von 4 — 6 dergleichen. Bei einer grössern
Anzahl je 1 kr. für 6 Stück. Alle Fussgänger sind frei. Zürcher Staats-
archiv, A 323, 32. * ibid. » Vgl. Thurg. Beiträge, Heft 15, p. 1.
Abzug. 205
von Konstanz habe Bischofszell im Jahre 1479 300 rhein. fl.
und andere Gefälle überlassen, um daraus die Brücke zu er-
bauen.^ Über einen Auskauf der beiden Quartiere vom Bischofs-
zeller Brückengeld konnten sich die interessierten Teile nicht
verständigen.^
D. Der Abzug.
Alles bewegliche Gut, das aus der Landschaft gezogen
wurde, unterlag dem „Abzug" zuhanden der regierenden
Stände. Der Tarif war:
Von dem was ausser die Eidgenossenschaft gelangte l07o*
Von dem was in eines der 13 Orte gelangte ... 5%
Von dem was in die zugewandten Orte gelangte . 6 %
Befreit waren:
a. Die Stadt Frauenfeld und ihre Gerichte gegenüber der
Landschaft und vice versa.
b. Die alistiftisch'konstanzischen Herrschaften^ woselbst
dem Bischöfe 1646 das Abzugsrecht überlassen worden war,*
sowie das Tanneggeramt gegenüber der Landschaft und v. v.
c. Die thur gauischen Gerichte des Abts von St. Gallen
gegenüber der Landschaft und v. v. In den Malefizgerichten
übte der Abt das Abzugsrecht.* Die alt-st. gallische Land-
schaft und die Malefizgerichte standen gegenüber Hagenwil
und Roggwil und den st. gallischen Lehen Mammertshofen,
Moos, Hefenhofen, Hauptwil, Blidegg und Zihlschlacht im Ver-
hältnis der Abzugsbefreiung, so dass aber die Exemtion in
den letztern nur die Bürger, nicht aber die Hintersassen be-
traf.® Die alte st. gallische Landschaft und derThurgau nahmen
reciproce 6% Abzug, das Toggenburg und der Thurgau 107o.'
d. Die Herrschaft Stammheim, wo Zürich das Abzugs-
recht besass, gegenüber der Landschaft und v. v.®
e. 1742 nahmen die Gesandten auf der Jahrrechnung ad
referendum, ob die hegauische Ritterschaft abzugsfrei sein solle.®
» E. A. 8, p. 368, 369. « Zürcher Staatsarchiv, A 323, 36. « Über
einen Vertrag der evangelischen Orte mit Frankreich vgl. E. A. 7, 2,
p. 531. * Fäsi, Y 45, 3. Buch, p. 135, 136. » Vgl. E. A. 7. 2, p. 584.
• ibid., p. 583, 584. ' ibid., p. 582, 583. « Über den Abzug zwischen dem
Thurgau und Andellingen vgl. E. A. 7. 2, p. 586. • Thurg. Landbuch, Fol. 2.
06 Abzug.
f. Die Stadt Winterthur und ihre Bürger gegenüber der
Landschaft und v. v.
g. Die Stadt St. Gallen und ihre Bürger gegenüber der
Landschaft und v. v.^
Folgende Orte nahmen 10%, weshalb Gegenrecht geübt
wurde :
1. Appenzell A.-Rh,^
2. Die Stadt Stein und ihre jenseits des Rheins liegenden
Gerichte.
3. Die Stadt Bischofszeil und ihre Gerichte.
4. Die Stadt Diessenhofen und ihre Gerichte. Doch war
1693 erkannt worden, dass sie von dem Gut, das in die Orte
falle, nicht mehr als 5 % beziehen solle, sie bescheine denn
ihr Recht zu einem höheren Bezug.
5. Schaffhausen.^
Die Stadt Arbon und Zugehörde erhob nur 5 %. Die Stadt
Konstanz und der Thurgau bezogen reciproce den Abzug bei
Erbfällen oder Legaten der Bürger oder Hintersassen, sonst
aber nicht*
* E. A. 7. 2, p. 587. ^ E. A. 7. 1, p. 755. » E. A. 8, p. 335. * Vgl. E. A.
7. 1, p. 753. Thurgauisches Landbuch, Fol. 1 f.
Anhang.
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3.
Stift St. Step!
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—
412
4.
Oberaach .
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33
38
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—
5.
Ottllähausen
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—
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30
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9,
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20
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—
10.
Weinfetden
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145
528
536
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Griesenberg
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307
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—
12.
Gachnang
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65
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109
—
24
13.
Tänikon
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132
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129
—
14.
Fischingen
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—
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Alammern
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38
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147
—
17.
Sonnenberg
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254
24
278
145
—
18,
Herdern .
. . 217
37
^-
37
180
^-
19.
Kreuzungen
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500
526
—
445
20.
Bürglen .
. . . ' 1172
608
164
772
400
—
21.
Wellenberg
. . . 207
63
95
153
49
—
22,
Münaterlinge
n . . 546
425
687
1112
—
566
23.
Wittenwil .
. . . 49
3
—
3
46
—
24.
Domkapitel
. . 49
19
22
41
8
—
25.
Ittingen
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339
345
6S4
—
49
26.
Tobel . .
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448
576
1024
—
176
27.
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388
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1631
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Hasenfratz, Die Land Grafschaft Thurgau vor 1798.
14
210
Anhang. Ausgleichungsprojekt.
Nr. 3.
Summe der Gerichtsangehörigen 11 664
Die Hoheit, Reichenau und zum Teil Griesenberg tragen bei 1 120
12 784 12 784
Restierende Ansprache 12 756
Vorschuss
28
Nr. 4.
Die Herrschaften bezahlen . . 2559
An Leuten 1921
Die Hoheit Reichenau und zum
Teil Griesenberg 1120
An Geld . 1730
3679
Vorschuss 28 (an Geld)
3679
Nr. 5.
Herrschaft
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Arbon . . .
1336
120
1216
1038
178
Güttingen . .
417
37
380
314
66
Gottlieben . .
679
61
618
494
124
Reichenau und
Frauenfeld .
1533
138
1395
2395
—
964
Schönenberg .
318
28
290
377
—
87
Reichenau zahlt
4283
384
3899
4618
368
1051
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propstei . .
An Münsterling.
An St. Stephan
An Felix und
590
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Regula . . .
79i
Zu bezahlen
1051
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Aus dieser Rechnung fallen
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Die fünf Herrschaften haben
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» Zürcher Sta
atsarch
IV, A;
\23, 27, 28. In zahlrei
chen B
eilagen.
Quellenverzeichnis.
A. Handschriftliche.
1) Thurgauische Kantonsbibliothek: Thurgauische Abschiedbücher,
Landesordnungen, Landrechte, Landbuch, Offnungen, Gerichtsbar-
keitskompendien, Malefizbüchlein^ Urbar etc.
J. C. Fäsi, Geschichte des Thurgaus, Y 44, Y 45.
G. H. Sulzberger, Beschreibung der thurgauischen Schulen.
2) Thurgauisches Kantonsarchiv (Abteilung: Eidg. Archiv) :
Fallbuch von 1767.
Mandatenbücher des Landvogteiamts. T 22.
3) Urkunden aus dem Zürcher Staatsarchiv.
4) Urkunden aus dem St Galler Stiftsarchiv.
5) Stadtbibliothek Bischofszeil:
J. J. Diethelm, Thurgauische Jurisdiktion.
J. Casp. Diethelm, Memorabilia Episcopicellana.
J. J. Diethelm, Miscellanea.
Umständliche Relation des von Ihro Eminenz Cardinalen von
Roth, Bischofen zu Constanz, eingenohmenen Huldigungsactes
und was darbey merkwürdiges vorgegangen.
6) Urkunden aus dem Archiv der Bürgergemeinde Weinfelden.
7) Missiven aus dem Zollikoferschen Familienarchiv in Altenklingen.
B. Gedruckte.
1) Sammlung der eidgenössischen Abschiede (zitiert E. A.).
2) Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte, heraus-
gegeben vom Historischen Verein des Kantons Thurgau. Besonders:
Heft I. Beigabe zu dem „Mühsam gesuchte Brot".
- 3. Die Herkunft und Bestimmung der evang. Schulfonds.
7. Thurgauische Kriegsgeschichte.
- 9. Das Bruggersche Armengut.
- 17. Geschichte des thurgauischen Gemeindewesens in be-
sonderer Beziehung auf die Zweckbestimmung der
Gemeindegüter.
212 Quellen.
Heft 18. Diessenhofen zur Revolutionszeit.
21. Die Landvogtshuldigungen in Ermatingen.
- 22. Beiträge zur Geschichte des thurgauischen Schulwesens
von den ältesten Zeiten bis zur Entstehung des
Kantons Thurgau 1803.
- 27. Thurgauisches Landrecht, bearbeitet von Dr. Fehr.
30. Das thurgauische Volksschulwesen unter der Helvetik,
von J. J. Widmer.
33. Die Huldigung in der Landgrafschaft Thurgau seit dem
Jahre 1712.
36. Verzeichnis der von 1 744 — 1 797 laut Syndikatsabschieden
in das thurgaufsch^ Landrecht aufgenommenen
Fremden und Schweizerbürger.
3) J. C. Fäsi, Staats- und Erdbeschreibung III. Zürich 1766.
4) J. J. Wirz, Historische Darstellung der urkundlichen Verordnungen,
welche die Geschichte des Kirchen- und Schulwesens betreffen.
2 Teile. Zürich 1793 und 1794.
5) J. Hofmeister, Einkommen der geistlichen Pfründen. Zürich 1797.
6) Zürcher Taschenbuch 1881, Mdmoires wegen der Landvogtej Frauen-
feld, von Herrn Landvogt Spöndlj.
C. Bearbeitungen.
1) Zeitschrift für schweizerisches Recht I, Friedrich Wyss, Die schweize-
rischen Landgemeinden; IV, Kantonalverhörrichter Krapf, Die
Strafrechtspflege in der Landvogtei Thurgau.
2) K. Straub, Rechtsgeschichte der evangelischen Kirchgemeinden der
Landschaft Thurgau.
3) Gedruckte Geschichten verschiedener evangelischer Kirchgemeinden.
Hauptsächlich :
J. Nater, Geschichte von Aadorf und Umgebung.
G. Amstein, Geschichte von Wigoltingen.
4) Thurgauisches Neujahrs blatt 1835, Das Schloss zu Frauenfeld.
5) J. V. Arx, Geschichten des Kantons St. Gallen I, III.
6) Kaplan Kuhn, Thurgovia Sacra.
7) J. J. Hottinger, Helvetische Kirchengeschichten. 4. Teil. Zürich 1729.
8) J. G. Ebel, Schilderung der Gebirgs Völker I. Leipzig 1798.
9) Hohenbaum van der Meer, Gründliche Untersuchung.*. 1782.
10) G. Finsler, Kirchliche Statistik der reformierten Schweiz.
11) Jahrbuch für schweizerische Geschichte, Bd. 6, Geschichte der Herr-
schaft Griesenberg im Thurgau, von Zeller-Werdmüller.
12) O. Hunziker, Geschichte des schweizerischen Volksschulwesens L
* Gründliche Untersuchung, ob Rheinau in der Landvogtey Thurgau liege; Worinne
der Gegensatz durch bewährte Urkunden und überzeugende Proben klar bewiesen wird.
Quellen. 213
13) J. A. Pupikofer, Der Kanton Thurgau, Gemälde der Schweiz, 17
(zitiert Pupikofer, Statistik).
14) J. A. Pupikofer, Geschichte des Thurgaus II, 1. Auflage, 1830; das-
selbe, 2. Auflage, 1889.
15) J. A. Pupikofer, Geschichte der Stadt Frauenfeld.
16) — Bischofszeil vor und während der Revolution von 1798.
17) — Leben und Wirken von J. J. Wehrli als Armenerzieher und
Seminardirektor.
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Alphabetisches Verzeichnis der Gerichte.
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Bischof szel! 71, 72
Bi8chofszeller Stadtgericht . 73
Blidegg 90
Bleiken 64
Buch 65
Burg . 47
Bürglen 63
Bussnang 98
Diessenhofer Gerichte ... 52
Dozwil 89
Eggen (Vogtei) 64
Egnach 71
Ellikon 97
Emmishofen 47
Engwilen 73, 74
Eppishausen 62
Ermatingen r 83
Eschikofen 66, 84
Feldbach 61
Fischingisches Gericht (das
alte) 85
Frauenfelder Gerichte . . 50, 51
Freudenfels 62
Fruthwilen 83
Seite
Gachnang 62
Gottlieben 73
Griesenberg 65, 66
Gündelhard 66
Guntershausen 64
Güttingen 73
Häberli-Gericht 65
Hagenwil 89
Hatten- und Hefenhausen . . 65
Hauptwil 74, 90
Hefenhofen 90
Heidelberg 66
Heldswil 64
Herdern 62
Herrenhof 87
Herten 60
Hessenreuti 64
Hohe Gerichte .... 45—47
Hörn 69
Horntobel 67
Hüttenswil 64, 87
Hüttlingen 98
Illart 65
Istighofen 64
Ittingen 61
Kalchrain 61
St. Katharinenthal 61
Kefikon 66
Kesswii 87
Klingenberg 62
Kreuzungen 61
Landschlacht 61
Langenerchingen od. Langdorf 84
Alphabetisches Verzeichnis der Gerichte.
215
Seite
Langrickenbach 74
Leimbach 63
Liebburg 75
Liebenfels 62
Lipperswil 63
Lommis 85
Mammern 100
Mannenbach 83
Märstetten 65
Matzingen 62
Mettendorf-Lustdorf ... 84, 98
Mettlen 64
Mühlebach 64
Müllheim 84
Neunforn (Ober- und Nfeder-) 97
Oberaach 74
Öttlishausen 74
Pelagii-Gottshaus .... 72, 73
Pfyn 75, 99
Redingisches Gericht ... 48
Reitigericht 63
Rickenbach 87
Roggwil 89
Romanshorn 86
Schönenbergeramt 72
Siegershausen 73
Sitterdorf 87
Sommeri 87
Seite
Spitalgericht St. Gallen ... 63
Stammheim und Steinegg . 97, 98
Steckbom 84
Stettfurt 62
Sulgen 61, 63
Tänikon 61
Tanneggeramt 85
Tegermoos 65
Thundorf 98
Thurlindengericht
(Freigericht) .... 87—89
Tobel 60
Triboltingen 83
Ürenbohl 63
Uttwil 61
Vorbrugg bei Stein .... 99
Wagenhausen ...... 99
Wängi 89
Weerswilen 98
Weinfelden 97
Wellhausen 98
Wigoltingen 65, 75
Wiler Stadtgericht .... 87
Wittenwil 66
Wuppenau oder das Berg-
gericht 87
Zihlschlacht .... 74, 90, 99
Zuben 74, 90
Curriculum vitae.
Geboren den 24. Juni 1883 in Kreuzungen im Kanton
Thurgau, verlebte ich meine Kindheit abwechselnd in Chur,
Weinfelden und Frauenfeld. Nach Absolvierung der thur-
gauischen Volks- und Sekundärschule verbrachte ich zwei
Jahre in dem Mädcheninternate Villa Yalta Riesbach-Zürich.
Der Besuch der höhern Töchterschule in Neuenburg ermög-
lichte mir den Unterricht einer Reihe vortrefflicher Lehrer;
so führte mich Mr. Philippe Godet in die französische Literatur
ein. Deutsche Literatur hörte ich überdies an der Akademie.
Im Frühjahr 1902 bezog ich die Universität Zürich als Auditorin
mit vermehrter Stundenzahl, um mich auf das Fachlehrerinnen-
examen in Geschichte, Deutsch und Französisch vorzubereiten.
Im März 1905 bestand ich die Prüfung, wurde immatrikuliert
und setzte die eingeschlagenen Studien fort.
Ich besuchte hauptsächlich die Vorlesungen der Herren
Professoren Meyer von Knonau, Oechsli, Frey und Bovet,
denen ich für zahlreiche Anregungen zu grossem Danke ver-
pflichtet bin.
dFTHE
UNIVERSITY
OF