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LEGION KLAPKA.
1
EINE
1
EPISODE AUS DEM JAHBE 1868 USD IHEE TOEGESCHICETE.
1
VON
1
A. KIENAST.
1
WIEN 1900.
1
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LIBRARY I
l MAY 13 »964 /
A,
Is Heinrich von S y b e 1, der officielle Geschichtsschreiber
des neuen Deutschen Reiches, im Jahre 1889 den ersten Band
seines gross angelegten Werkes '>Die Begründung des Deutschen
Reiches durch Wilhelm L- ^) erscheinen Hess, schrieb er in der
Vorrede unter Anderem; »An keiner Stelle des Buches habe
ich meine preuswsischcn und national-liberalen Ueberzeugungen
zu verläugnen gesucht '< ; und weiter: >• Die Gegner von 1866 sind
nicht blos versöhnt, sondern in fester Bundesfreundschaft zuver-
lässiger geeint, als in irgend einer früheren Periode. Die Zeit
des alten Bundestages liegt hinter uns, ein abgeschlossenes Stück
unserer geschichtlichen Vergangenheit, lieber Königgrätz können
wir ebenso unbefangen reden, wie über Kolin und Leuthon.«
Ganz ähnlich sagt auch der preussische Oberst L e 1 1 o w-
Vorbeck im Vorworte zum ersten Bande sciiner ^Geschichte
des Krieges von 1866 in Deutschland-^: »Mit Oesterreich,
unserem Hauptgegner von 1866, ist an Stelle der Feindschaft ein
inniges Freundschafts -Verhältnis getreten, gefestigt durch die
beiderseitigen Interessen, welche zusammen gehen. Der ^Streit,
welcher vor dreissig Jahren die heute verbundenen Völker und
Stämme gegeneinand(»r in die Waffen rief, hat seinen Stachel
verloren ; mit (xleichmuth sieht man auf die damaligen Zwistig-
keiten und Fehler zurück, eine näherem Bfihandlung berührt keine
wunde Stelle mehr.'
Es darf nach solchen Worten h(?rvorragender preussischer
Schriftsteller keinen Missdeutungen mc.'hr begegn(»n, wenn auch
die (leschichte der -l.ogion Klapka , über dio so vielerlei
^) »\'ornehnilich nach preussischcn Staatsacteii', steht auf dem Titel])hitte.
I. Band 1880, 7. Band 1804.
-') I.Band 1896, 2. Band l8')9.
IV
geschrieben und so wenig* klargestellt wurde, festzulegen versucht
wird. Dies umso weniger, als gerade von preussischer Seite
hiezu der Anstoss gegeben wurde und zwar durch die Publi-
cationen aus dem Nachlasse Theodor von B e r n h a r d i's *), der
mit der Vorgeschichte der Legion in so engem Zusammenhange
steht. Bis dahin war man von dieser Seite begreiflicher Weise
sehr zurückhaltend in Bezug auf dies Thema. Aber auch der
nachher erschienene zweite Band des Werkes von Lettow-
V o r b e c k, der wahrscheinlich so gut als S y b e 1 die bezüg-
lichen Acten der Berliner Archive eingesehen haben dürfte, ist
wieder recht vorsichtig und bringt keine neuen Nachrichten von
Bedeutung über die Entstehung der Legion. Es soll nicht ver-
kannt werden, dass dieses Werk, gleich jenem S y b e Ts, grössere
Ziele verfolgt und sich jedenfalls nicht zur Aufgabe setzt, Epi-
soden, wenn auch vorwiegend politischer Bedeutung, erschöpfend
zu behandeln. Dennoch hätte nach den, dem Verfasser zweifellos
zur Verfügung gestandenen, weitreichenden Quellen aus preussi-
schen Archiven mehr erwartet werden dürfen. Hoffentlich holt
der noch ausstehende dritte Band des Werkes wenigstens zum
Theile nach, was der bis zum 28. Juli reichende zweite so sehr
vermissen lässt.
Hat ein Werk preussischer Herkunft die vorliegende Be-
handlung einer Geschichte der Legion eigentlich erst in Fluss
gebracht, so ist dieselbe bald darauf durch die Veröffentlichung
von hinterlassenen Schriften Ludwig K o s s u t h's aus dem Jahre
1866^ ganz ausserordentlich gefördert worden. Somit lag auch
von der zweiten betheiligten Seite ein umfassendes Quellen-
Material vor.
Da nun die ungarische Publicistik den Gegenstand seit einer
Reihe von Jaliren vollkommen unbefangen zur Sprache gebracht
hat'j und sich ebenso auch dem sechsten und siebenten Bande
von K o s s u t h's Schriften gegenüber verhält, so scheint die
Sache endlich reif für die historische Darstellung zu sein. Bei
dem Umfange des bereits gedruckten Materiales liegt sogar dic^
Nothwendigkeit einer solchen vor, wenn nicht auch hier wieder
*) >Au.s dem Leben Theodor von B e r n h a r d i's«, VII. Thcil : >Dcr Kricj;
1866 und seine unmittelbaren Folgen«. (Leipzig, 1897.)
-; >Ko8suth Lajos iratai«, VL kötet (Budapest, 180«), VII. kötet (Kjoo .
•"') So z. B. im >Pesti Hirlap« vom ( Vu^"^ ^885, oder im > Pester Lloydc
V
nach und nach eine Legende construiert werden soll, zu der die
Grundlinien bereits deutlich genug* erkennbar sind.
Durch die weitgehenden Enthüllungen der Publicationen
aus Bernhard i's und Kossuth's Nachlasse, dann aber durch
den mittlerweile eingetretenen Tod aller bedeutenden Männer,
die an dem Zustandekommen der Legion Klapka in hervor-
ragender Weise betheiligt waren, entfallen manche Rücksichten.
Daher konnten auch noch sehr viele Actenstücke, die bis nun
nicht zur Verwerthung gekommen, ihrem ganzen Umfange nach
herangezogen werden, weniger zur Erweiterung, als zur Sicher-
stellung des bereits Bekannten. Denn diese Acten bestätigen
im Wesentlichen Alles, was nach dem Erscheinen der vor-
genannten und auch anderer Publicationen über den ungarischen,
wie über den preussischen Antheil an der Sache in die Oeffent-
lichkeit gedrungen und enthalten im Wesentlichen nichts, was
nicht irgendwo schon gedruckt ist. Es würde daher auch ohne
diese Acten jede kundige Hand eine zusammenfassende Dar-
stellung liefern können, die nur Gefahr liefe, manchen der vor-
handenen Quellen, wie etwa den nicht gerade sehr objectiven
»Erinnerungen aus meinem Leben« des Grafen S e h e r r - T h o s s \),
eine zu grosse Bedeutung beizumessen.
Eine zusammenfassende und auch auf authentisches Material
gestützte Geschichte der Legion Klapka ist auch desshalb
nothwendig, weil bisher noch von keiner Seitb darauf hin-
gewiesen wurde, dass das Auftreten der Legion nur eine Theil-
erscheinung einer Reihe von Bestrebungen war, die von
Bismarck in Berlin ausgehen und über Florenz nach Serbien
und Rumänien reichen. Die vorliegende Arbeit ist bestrebt, diesen
Zusammenhang so viel als möglich klarzustellen, denn auch hiefür
liegt, ausser den Publicationen aus B e r n h a r d i's und K o s s u t h's
Nachlasse, welch' letzterer in diesem Puncte besonders aus-
giebig ist, bereits gedrucktes Material vor-i, das aus den Acten
controliert und ergänzt werden kann.
Vollständigen Aufschluss über diese Bestrebungen würden
natürlich nur die Berliner Archive geben können. In diesen, sowie
M »Deutsche Kundschau <• , Jahrgang; i88i. Hefte 9 und 10.
*) Die Artikel-Serie »Etwas mehr Licht* von Anton Oreskovic im
Belgrader >Dnevni List« (Tagblatt) vom September 1S05.
»Aus dem Leben König C a r l's von Rumänienc. i. Band. Stuttgart, 1804.
VI
in dem Archiv des »Grossen Orient« zu Budapest, beziehungs-
weise im Archive zu Degh im Veszprimer Comitat dürften auch
noch weitere Belege für die Beziehungen B i s m a r c k's zur
ungarischen Emigration wahrscheinlich zu finden sein.
Ueber die italienisch-ungarischen Beziehungen geben ausser
den bereits genannten Quellen auch die unter dem Titel »Un po'
piü di luce« erschienenen Enthüllungen La Marmora's*) höchst
interessante Aufklärungen.
*) Deutsche Uebersctzung : »Etwas mehr Licht. Enthüllungen über die politi-
tischen und militärischen Ereignisse des Jahres 1866« von A. La Marmor a.
(Mainz, 1873.) Hienach die Citate im Texte.
INHALT.
INHALT
Seite
Vorwort .
1. Vorgeschichte bis zum Jahre 1864 3
l«4S— l8s<) 3
Die Proteätaiitenfr3|{e, die EniigratioD und die ätimmung Ungarns 1R59 5
Un};anis Slimmuug nuh dem Kriege von 1851) S
Versuche mr Besserung der StimmunEi Misserfolg 9
IJngarn und das napüleonisclie XalionKlitÜlen-Princip 12
Vcrfehlle Hiiffnuagen auf Frankreich und Italien 13
Neue Versuche cur Besserung der Stimmung Ungarns. DeAk's Hallung.
Abwendung von Kossutb , . , . 15
Geheira-Comilfis und Freimaurer- Logen in Ungarn 18
Die VerschvrÜiuDgeu Almissjr und üedectky 30
Vorbereitungen der Muleonteuten und Emigrantea besonders bei den
Sndslavcn und KumHnen für den Fall eines Kriege 29
II. Preussen und Ungarn seit 1848 ji
Bis mm Jahre 1B62 31
Die nngarische Emigrntion dringt sich an Bismarck beraa 34
Vertuchc einer Anlehnung an Bisnurck am Ungarn selbil .... 37
Feindselige Absichten gegen Oeiterreich von allen Seilen 43
Anbahnung eines Bündnisses Seibieos mit Preussen und Italien . . 48
Der Herrscherwechsel in Rumänien S»
Sendung Komlironiy's nach Ungarn, Bemhardi's nach llalteu ■ ... ;i
Attentate auf die Fahnentreue der k. fc. Armee (Prodamslion Ende Mai) <i6
Versuche der Ungarn, La Mormora m gewinnen 63
Die Cnndidaten für den ungarischen Thron 6;
Versuche Preussens, La Marraora für Ungarn iu gewinnen , . . . . 68
KJitpk«, Türr und Csiky in Berlin 70
Die Usedom'sche Nute vom 11. Juni 18(16 .... ;6
Die Usedom'sche »Sloss in'» Heri. -Depesche vom 17. Juni . . . -. 7S
Preussisch- ungarische Beilrebungen in Serbien und Rumünien , . Bj
X
Seile
Die C'onsoliflierunj» der ungarischen Emigration im Juni l866 . . . <»<)
Sendung ungarischer Honvcd-Ofticiere nach Preussen 03
Neue l'roclamationen (Ende Juni) <)4
Klapka neuerdings bei Bismarck im Hauptquartiere bei Küniggrätz 107
Die ]U)tschaft des Prinzen Napoleon an Hismarck loS
Graf Seherr-Thoss bei Bismarck in Pardubitz III
Bismarck fördert die Errichtung einer ungarischen Legion II5
III. Die Aufstellung der ungarischen Legion in Preussen . 120
Beginn der Aufstellung I2ü
Die Proclamationen Vctter's und Klapka's (Mitte Juli) 127
Die Werbungen unter den Kriegsgefangenen 130
Ergebnisse der Werbung; Bewaffnung und Ausrüstung der Legion . 140
Der Fahnen-Eid in Neisse 14*
Die Reserve Abtheilung der Legion 145
Das Officiers-Corps der Legion Klnpka 146
IV. Die Chancen der Legion 150
Aufgabe und Aussichten in Ungarn 15^
Die ungarische Legion in Italien 1O4
Türr*« Sendung nach dem Osten I^>J^
Alle Umstände verheissen der Legion Erfolg 184
V. Die Action der Legion i86
Der erste Abmarsch von Oderberg i8^
Die Haltung der höheren preussischen Functionüre i*n
Der Kriegsrath am 31. Juli in Oderberg i')2
Abänderung des Beschlusses des Kriegsrathes 195
Befehl Bismarck's zur Verstärkung der Legion 108
Der Einfall Klapka's in Ungarn. 1 Zweiter Ausmarsch ■ i')<)
Der Rückzug der Legion aus Ungarn 207
Die Berichterstattung <lcr Tagesblätter über die Expedition .... 221
•> ^ ■
^ ^ "•
VI. Die österreichischen Gegcnmassregeln
Die ersten Nachrichten von der Legion in Wien
Die Expedition des Oberstlieutcnants Dorner 230
Die Expe<litionen des ()be!>ten l'*ischer und des Generalmajors Braisach 233
Die Expetlition der Brigade (iM. Ilertwek zy)
Rückblick auf die österreichischen Ex|)editionen 2'>3
Der Pr()ce>s Seherr-Thoss 2(ty
VII. Die Legion in Bauerwitz 20t
Verstärkung der Legion 2<M
Oesterreirhische Vorsicht smas-*regeln 2<)'i
Zerlall der Emigration 301
Weiteres Verhalten Preu'Jsens zur Emigration 310
Aullösung <ler Legion 315
Die Heimkrhr «1er Legi«»näre 323
Die Auflösung der Legii>n und die Publicistik 32«
•
XI
Seite
VIII. Die Legionäre in Krems 334
Die ersten Befehle zur Untersuchung in Krems 334
Die Festnahme und <lie Einlieferun}; der Legionäre nach Wien . . 343
Militär-gerichtliche Untersuchung in Krems und ihre Resultate . . . 360
Das weitere Schicksal der Legionäre 370
IX. Schluss 380
Die Legion Klapka 1866.
Die Legion Klapka 1866.
Vorgeschichte bis zum Jahre 1866.
1848—1859.
Uev II. April 1848 brachte den Ungarn die lange erstrebte
staatsrechtliche Sonderstellung, indem Kaiser Ferdinand I.
die vom letzten Landtage beschlossenen neuen Verfassungsgesetze,
vorbehaltlich der Verpflichtung Ungarns, an der Schuldenlast des
Gesammtstaates theilzunehmen, sanctionierte. »Was gewährt wurde,
war unter dem Zwange der Ereignisse gewährt worden und über
das Mass des zu Bewilligenden war der fordernde Theil klarer
vielleicht, als der bewilligende ; aber Keiner von Beiden ermass
unbefangen die Tragweite der Zugeständnisse für sich und das
Reichsganze ^).« Bald aber nahmen, vornehmlich unter dem Ein-
flüsse Ludwig K o s s u t h's und anderer radicaler Elemente, die
Dinge in Ungarn einen solchen Lauf, dass eine mit dem kaiser-
lichen Handschreiben vom 21. August 1848 an den Palatin Erz-
herzog Stephan übersendete Denkschrift '^) mit Rücksicht auf
den Sinn und Wortlaut der pragmatischen wSanction und auf die
Einheit der Monarchie bereits die Revision der neuen Gesetze
anregen musste. Der Hof hielt consequent an dieser Forderung
fest und noch die ungarische Thronrede vom 14. December 1865
wollte, unbeschadet der Anerkennung der formellen Giltigkeit
der Gesetze vom Jahre 1848, deren Inslebentreten nur zugestehen,
wenn sie sowohl im Hinblicke auf die Machtstellung des Reiches
') K r o n e s, »Geschichte der Xeuzeit Oesterreichs vom achtzehnten Jahrhundert
bis auf die Gej^enwart«. (Berlin, 1879.) S. 681.
*) Krön es, a. a. O., S. 695; Bulle, »Geschichte der neuesten Zeit, 1815
bis 1871«. (Leipzig, 1876.) II, S. 67.
I*
A K i e n a s t.
und auf die ungeschmälerte Geltung der Herrscherrechte, als aucli
auf die begründeten Ansprüche der übrigen habsburgischen Erb-
länder »sorgsam geprüft und zweckmässig abgeändert« würden').
Ungarn aber beharrte auf seinem formellen Rechte und selbst
ein Franz D e d k hat es erst viel später als einen Fehler des
Ministeriums Batthyany, dem er selbst angehörte, erklärt, dass
es namentlich das Ansinnen des Wiener Hofes, Ungarn solle an
den Lasten der gesammten Staatsschulden theilnehmen, zurück-
wies und sich nicht gleich auf einen Ausgleich in der Sache ein-
gelassen habe ^). Das Resultat dieses Widerstreites der Meinungen
und Interessen war ein gewaltiger Kampf, der am 13. August 1849
mit der WaflFenstreckung Görgey's bei Vilägos endigte. Ludwig
Kossuth und seine am meisten compromittierten Anhänger
waren bereits in das Ausland geflüchtet, wohin ihnen Anfangs
October auch die Vertheidiger Komoms, an ihrer Spitze Georg
K 1 a p k a , nachfolgten.
Ungarn war jetzt eine wiedereroberte Provinz des Einheits-
staates, es verlor seine Vorrechte und parlamentarischen Ein-
richtungen, an deren Stelle in Folge des kaiserlichen Patentes
vom 31. December 1851 die absolute Regierungsform trat. Croa-
tien und Siebenbürgen, dazu die serbische Wojwodina wurden als
selbstständige Provinzen abgetrennt, das übrige Ungarn in fünf
Verwaltungsgebiete mit Statthalterei- Abtheilungen (in Ofen, Gross-
wardein, Pressburg, Kaschau und Oedenburg) getheilt, deren
Oberleitung vom Ende des Jahres 185 1 dem Erzherzog Albrecht
übertragen war und tis Anfang des Jahres 1860 in seinen Händen
blieb. Es kehrte damals in Ungarn ein relativ guter Zustand der
öffentlichen Sicherheit und Gerechtigkeit ein, der Bauer konnte
auch gegen den Edelmann zu seinem Rechte kommen ; die admi-
nistrative und juridische Verwaltung des Landes wurde gegen
die vormärzlichen Zustände als Fortschritt empfunden, wozu
namentlich die Stabilität der kaiserlichen Beamten gegenüber
den alle drei Jahre neugewählten Comitats- und Stuhl-Beamten
der alten Zeit viel beitrug. Das Volk war mit den neuen Zu-
*) Koj^ge, »Oesterreich von Vildgos bis zur Gegenwart«. (Leipzig und Wien,
3 Bände, 1872 — 1873.) II, S. 322 und ff. Dieser Forderung des Hofes wurde von den
Ungarn im Jahre 1867 Rechnung getragen.
•) C s e n g e r y, >Franz Deak«. Deutsch von H' " n r i c h. (Leipzig, 1877.,
S. 115 und ff.
Die Legion Klapka 1866. c
vStänden zufrieden, aber Hoch und Nieder dachte im Geheimen
doch nur an die Wiedergewinnung der verlorenen Constitution ^).
Wiederholte Reisen des Kaisers nach Ungarn und die bei solchen
und auch anderen Anlässen gespendeten Gnadenacte, die 1852
erfolgte Aufhebung der Wirksamkeit der Kriegsgerichte hin-
sichtlich des Jahres 1848, die Aufhebung des Belagerungs-Zu-
standes im Jahre 1854 und andere wohlthätige Verfügungen
änderten nichts an der Gesinnung des Volkes. Vor Allem stand
die Intelligenz und der niedere Adel grollend abseits. Deren
Mitglieder waren durch die Amtsführung kaiserlicher Beamter
kaltgestellt; die aus politischen Gründen ergriffene Massregel
wirkte so auch auf das sociale Leben umso mehr ein, als bei dem
Mangel eines Familienlebens nach deutscher Art nun auch die
Betheiligung am öffentlichen Leben als einzige Abwechslung im
eintönigen Pusztenleben entfiel. Mehrere Versuche der dem Hofe
am nächsten stehenden altconservativen Partei, verfassungsmässige
Zustände herbeizuführen, scheiterten. Das verstimmte auch die
höheren Adelskreise und veranlasste Manchen, ein innegehabtes
Amt niederzulegen. Selbst in die Armee griff die Bewegung ein,
denn gegen Ende der Fünfziger-Jahre wuchs die Zahl der Quittie-
rungs-Gesuche adeliger oder sonst wohlhabender Officiere unga-
rischer Nationalität in bemerkenswerther Weise und auch im
Civilstaatsdienste blieben, abgesehen von ganz armen Adeligen,
nur so viele eingeborene Ungarn, als nothwendig schien, um die
»Patrioten-Partei« auf dem Laufenden zu erhalten.
Die Protestantenfrage, die Emigration und die Stimmung
Ungarns 1859.
Wie immer in Ungarn, so übte auch in diesem Zeiträume die
Protestantenfrage einen massgebenden Einfluss auf das gesammte
') Rogge, a. a. O., I, S. 279 und ff. Graf Beust sagt über die Fünfziger-
Jahre: >Um gerecht zu sein, muss man einerseits der Wahrheit die Ehre geben und
die damalige kaiserliche Regierung in Ungarn. . . nicht als eine Zeit arger Bedrückung
und Misshandlung gelten lassen, andererseits aber umso bereitwilliger anerkennen, dass
trotz der Erträglichkeit dieses Zustandes die Ungarn ihre Verfassung über alles Andere
stellten und für dieselbe zu leiden wussten.« (>Aus drei Viertel-Jahrhunderten«, II, S. 70.)
Lamarmora, >Etwas mehr Licht«, S 319 (der deutschen Uebersetzung). sagte
1873 in Bezug auf die ehemalige österreichische Herrschaft in Ober-Italien: >Das
Joch Oesterreichs war nicht so eisern und grausam, wie wir Alle mit mehr oder
weniger Uebertreibung behauptet haben, aber es war doch immer ein Joch und dess-
halb allein schon unerträglich«. So ungefähr dürfte die Sache auch mit der so oft
behaupteten Unterdrückung Ungarns bis zum Jahre 1867 stehen.
(y K i e n a s t.
Öffentliche Leben aus. Gestützt auf diese Erfahrung regelte eine
Verordnung des Grafen Leo Thun vom 3. Juli 1854 die Ange-
legenheit der Lutheraner und Reformierten in Ungarn derart,
dass deren verschiedene Convente nicht zu politischen Agitations-
herden werden konnten ^). Die Verordnung bestätigte im Wesent-
lichen das Haynau'sche Provisorium. Der am 8. September 1856
an die Superintendenzen zur Meinungsäusserung versendete Ent-
wurf einer Kirchenverfassung für die Protestanten Ungarns fand
wegen der in demselben projectierten staatlichen Oberaufsicht
heftigsten Widerstand; »wie immer, thaten die Calviner es den
Lutheranern an Schärfe und peremptorischem Lakonismus zuvor ^.«
Die Opposition der Protestanten gegen den Entwurf, welcher
auch mehrfache Deputationen und Adressen an die Person des
Monarchen mehr oder minder scharfen Ausdruck verliehen, be-
wirkte schliesslich, dass die projectierte Kirchenverfassung vor-
läufig nicht in Kraft gesetzt wurde. Neue Deputationen im Jahre
1858, welche um Erledigung der protestantischen Religions- Ange-
legenheiten im Sinne der Zustände vor dem Haynau'schen Pro-
visorium baten, erzielten kein anderes Resultat, als dass Graf
Thun am 4* December die genaue Einhaltung der Verordnung
vom Jahre 1854 in Erinnerung brachte^].
So blieben denn die Protestanten, >'die geborene Opposi-
tion«^, wie sie Minister Bach nannte, die Träger des Wider-
standes gegen die Regierung, im Gegensatze zu den Magnaten
und Bischöfen, welche erst nach dem italienischen Kriege active
nationale Politik machten. Und da in keinem Lande seit dem
Abfalle der vereinigten Niederlande die religiöse Frage zugleich
den Kern der politischen bildet, wie in Ungarn, so fand das
Kriegsjahr 1859 im Lande eine durchaus feindselige, wenig opfer-
willige Stimmung vor.
Dazu hatten auch die Wühlereien der Emigration und ihrer
stillen Freunde im Lande redlich beigetragen. Den revolutionären
Bestrebungen derselben fallen mehrere Verschwörungen zur Last.
Ihr hauptsächlichstes Bestreben gieng aber dahin, die Armee in
ihrer Treue gegen den angestammten Herrscher wankend zu
*' J^oggc» »Oesterreich von Vildj;os bis zur Gegenwart«, I, S. 313.
^j Rogge, 1, S. 454-
'; Kogge, a. a. O., 1, S. 502.
Die Legion Klapka 1866. -
machen ^). Die Emigration mag daher auch die Verantwortung
dafür tragen, dass die Erzählung von bedenklichem Verhalten
ungarischer Soldaten im Jahre 185g bis in unsere Tage sich
erhalten konnte ^. Der Bestand einer ungarischen Legion in Italien
vom Jahre 1859 bis 1866 hat dieser Ansicht jedenfalls eine
Berechtigung verliehen, wenn auch diese Legion niemals auch
nur annähernd eine solche Stärke erreichte, wie sie von der
Emigration gehofft und geplant war ^).
') Am 5. Februar 1852 wurde in Wien ein Emissär K o s s u t h's, Namens
P i r i n jj e r . hingerichtet, weil er in Rendsburg Soldaten des Legeditsc h'schen
Expeditions- Corps zum Treubruche hatte verführen wollen. (Rogge, I, S. 261.) Im
Jahre 1853 sandte Kossuth an die ungarischen Regimenter in Italien einen förm-
lichen Befehl, ihren Eid zu brechen und ihm zu folgen ; seine und K 1 a p k a's
Bemühungen hatten auch theilweise Erfolg, allerdings nur bei gewesenen Honved-
Officieren, welche in die Armee eingereiht worden waren und es zu Unteroffi eieren
gebracht hatten. (>Mittheilungen des k. und k. Kriegs- Ar chivs€, Neue Folge, X, S. 306,
378. Vergl. Rogge, I, S. 300.) Eine von Klapka und Pcrczel gefertigte Pro-
clamation dto. Genua, 20. Mai 1859, klang folgendennassen aus: >Unsere Bitte,
unsere Verordnung, Helden, geht dahin, dass Ihr bei der Begegnung mit einer fran-
zösischen oder italienischen Truppe nicht säumet, überzutreten und Euch je früher
unter die Fahne der das Vaterland rettenden ungarischen Armee (in Italien) zu
schaaren.« Honvöd-Oberst Kiss und Graf G. Bethlen bemühten sich Anfangs
Juni 1859 persönlich um die Verbreitung dieser Proclamation bei den in Toscana
stehenden k. k. Truppen ungarischer Nationalität. (Kossuth, > Schriften aus der
Emigration«, I, S. 391 und ff.) Nach 1859 soll sich Wachtmeister Bogyay mit der
Verbreitung der Proclamationen an die ungarischen Soldaten der österreichischen
Regimenter befasst haben. (Szedlak, > Enthüllungen aus der Zeit der ungarischen
Revolution und Emigration«, Budapest, 1897, S. 135.)
*) R o g g e (I, S. 541) betont 1872, dass von den 1859 in das Feuer gekommenen
Truppen sechs Procent (15.000 von 250.000 Mann) zu Gefangenen gemacht worden,
>und dass diese fast sämmtlich Ungarn, Croaten oder Italiener waren.« Friedjung
(»Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland«, 3. Auflage, I, S. 18, 23 und 30)
versichert noch 1899, dass das aus Ungarn bestehende Corps des Grafen C 1 a m-
G a 1 1 a s sich sowohl bei Mageiita, als bei Solferino matt geschlagen und sich so
unzuverlässig gezeigt habe, dass man genöthigt gewesen, es bald in das Innere Oester-
reichs zurückzuschicken. Graf Rechberg, der ehemalige Minister des Aeussem,
soll noch in jüngster Zeit erzählt haben, er sei im Jahre 1866 gegen einen Krieg
gewesen, denn die Haltung der ungarischen Regimenter im Kriege von 1859 habe
in ihm schwere Besorgniss wachgerufen. (Friedjung, a. a. O., II, S. 543.)
^) Die wesentlichsten Angaben über diese Legion siehe in dem Werke »Die
Freimaurerei Oesterreich-Ungarns« (Wien, 1897), S. 273 und ff., wahrscheinlich
geschöpft aus K o s s u t h's »Schriften aus der Emigration« und aus den Mittheilungen
Abafi*s in den Jahrgängen 1888 und 1889 der ungarischen historischen Zeitschrift
»Hazank«.
g K i e n a s t.
Ungarns Stimmung nach dem Kriege von 1859.
Der Verlauf des italienischen Krieges hatte Ungarn in grosse
Aufregung versetzt. Ebensosehr der Verlust zweier grosser
Schlachten, als die offene Unterstützung der ungarischen Emigra-
tion durch den Kaiser der Franzosen und den König von Sardinien
Hessen das Land hoffen, seine erträumte Unabhängigkeit endlich
zu gewinnen. Der Präliminar-Friede von Villafranca wurde daher
als Enttäuschung empfunden^) und ein Freund De dk's schrieb am
20. August 1859 nach Paris, selbst nach der Katastrophe von
Vildgos sei die Niedergeschlagenheit im Lande nicht so gross
und allgemein gewesen, als zur Zeit, da man, wenige Tage nach
der Allarmierung Fiumes durch die französische Flotte, von den
Friedens-Präliminarien vernahm ^,
Bald indessen weckte das Thun'sche Protestanten-Patent vom
I. September 1859, eine fast unveränderte Promulgation des
1856 so scharf zurückgewiesenen Entwurfes einer Kirchenverfas-
sung für die Protestanten, das Volk Ungarns zu neuem Wider-
stände, obwohl die preussischen Katholiken-Edicte an Liberalismus
gewiss, an Gerechtigkeit nicht minder, weit hinter dem Thun'schen
Patente zurückblieben. Die Opposition ergriff damals auch die
gemässigtesten Elemente und gieng so weit, dass selbst Männer,
wie Eötvös, Vay und Somsich den Eintritt in den vom Kaiser
am 5. März 1860 creierten verstärkten Reichsrath ablehnten, bis
endlich das Protestanten-Patent am 15. Mai 1860 aufgehoben wurde ^).
In dieser Zeit wurde der Verkehr des Landes mit der Emigration
lebhafter und inniger und eröffnete derselben einen grösseren Ein-
fluss auf die heimischen Verhältnisse, obwohl gerade damals
Kossuth bereits deutlich und richtig erkannte, dass seine Richtung
in Ungarn an Boden verlor und die Führung des Landes mehr
und mehr wieder in die Hände der Magnaten kam^).
*) R o g g e, »Ocsterreich von Vilagos bis zur Gegenwart«, I, S. 542.
*) Kossuth, »Schriften a. d. Emigr.«, II, S. 61.
') R o g g e, »Oesterreich von Vilagos bis zur Gegenwart«, II, S. 20 — 32, 36 und
47; Bulle, >Geschichte der neuesten Zeit«, II, S. 402 und ff. Kossuth, »Schriften
a. d. Emigr.«, II, S. 78.
*) Am 20. April 1860 schrieb er an Xicolaus Josika: »Die höheren Classen
haben, anstatt zu streben, meinen Einfluss zu Gunsten des Vaterlandes zu fördern,
daheim aber mit der Sache, deren Bannerträger ich bin, sich zu identificicren, jede
Berührung mit mir vermieden, wie die Sünde«, Die Vergötterung des eben verstorbenen
Stephan S z e c h c n y i empfand er als »Desavouierung der Revolution, folglich deren
Widerruf«. ^^^K o s s u t h, »Schriften -». d. Ei«igr.«, II, S. 466, da"" df<^ "t-? ff.i
Die Legion Klapka 186C. q
Misserfolg der Versuche zur Besserung der Stimmung Ungarns
Die mit der Ernennung* B e n e d e k's, des damals hoch-
gefeierten Helden von San Martino, zum General-Gouverneur
von Ungarn verbundene Wiedervereinigung der fünf Statthalterei-
Abtheilungen zu einer einzigen in Ofen, dann das Versprechen
der Wiederherstellung der Comitate und die Vorbereitungen für
einen Landtag machten fast keinen Eindruck und die ungarischen
Mitglieder des Reichsrathes traten in denselben nur mit einer Er-
klärung ein, welche die historischen Rechte Ungarns wahrte und
in der ausgesprochenen Hoffnung, dass die Weisheit des Monarchen
in dem Reichsrathe den Ausweg gefunden habe, um von den
bestehenden Ausnahmszuständen zu einer Befriedigung der An-
sprüche Ungarns überzugehen.
Der Hof glaubte endlich denselben gerecht zu werden, in-
dem er nach eingehenden Berathungen im Reichsrathe am
20. October 1860 das »October-Diplom« als« »beständiges und un-
widerrufliches Staats-Grundgesetz« erliess^), nach welchem die
Gesetze in Hinkunft unter Mitwirkung der Landtage und des aus
diesen zu beschickenden Reichsrathes in Wien zu Stande kommen
sollten. Gleichzeitig wurden die ungarische und siebenbürgische
Hof-Kanzlei, dann die Comitatsverfassung wieder hergestellt, die
Wojwodina Ungarn einverleibt, bald auch ein Tavemicus, ein
Judex curiae und ein Präsident der Statthalterei in Ofen er-
nannt, kurz in Allem an die Verfassung des Jahres 1847 an-
geknüpft. Doch wurden sofort Vorkehrungen zur Einberufung des
Landtages nach einem provisorischen Wahlgesetz für das Jahr 1 86 1
getroffen, jene Gesetze von 1848, die sich auf die Heranziehung
der Nichtadeligen und deren sociale Gleichberechtigung be-
zogen, bestätigt, die anderen der landtäglichen Revision vor-
behalten.
Aber wenn auch eine grosse Partei im Lande die Errungen-
schaften des October-Diploms guthiess, so stiess dennoch die
ohne Zuthun des Landes octroyierte Verfassung auf den heftigsten
Widerstand der Mehrheit, an ihrer Spitze die Männer von 1848,
denen, soweit es sich um den Kern der Frage, um die selbst-
ständige parlamentarische Regierung Ungarns handelte, auch
'j Ausführliche Details hierüber bei R o g j^ e, »Oestcrreich von Vilagos bis zur
Gegenwart«, II, S. 71 und ff., kürzer gefasst bei Bulle, >Geschichte der neuesten
Zeit«, II, S. 405 und Ü\
lO
K i e n a s t.
Franz Dedk und seine Partei ihre Unterstützung angedeihen
Hessen. Selbst eine auf Veranlassung des damals noch sehr
populären ungarischen Hof-Kanzlers Baron Vay behufs Fest-
setzung des Wahlgesetzes für den Landtag in Gran unter dem
Vorsitze des Primas zusammengetretene Notabeln-Conferenz hatte
keinen anderen Erfolg, als dass eben der Primas unter allgemeiner
Zustimmung die Wiederherstellung der 1848 er Gesetze beantragte.
(18. December 1860.)
Hatte die Augsburger »Allgemeine Zeitung« schon vor
einem Jahre besorgt die Frage aufgeworfen: »Giebt es überhaupt
noch ein Mass von möglichen Concessionen, welche die Ungarn
vollständig befriedigen wird ? Werden sie nicht jedes Zugeständ-
niss der Regierung als neue Waffe gegen dieselbe benützen ?«
so trat dies Letztere jetzt buchstäblich ein. In den Comitaten
wurden, der versöhnlichen Meinung des Monarchen zum Trotz,
Männer gewählt, die von 1848 4g her als compromittiert galten,
alle bisherigen Zustände wurden einlach ignoriert und die Amtie-
rung nach den Gesetzen von 1848 aufgenommen, die Steuern-
und Recrutenaushebungen überall verweigert, so lange nicht der
ungarische Reichstag und ein verantwortliches Ministerium im
Sinne der Beschlüsse des Jahres 1848 dieselben bewilligt haben
würde.
Auch als der Kaiser durch die Berufung des alten
Parlamentariers Schmerling an die Spitze der Regierung be-
kunden wollte, dass es ihm mit der Wiedererweckung verfassungs-
mässiger Zustände ernst sei, konnte sich der neue Staatsminister
mit den ungarischen Würdenträgem doch nicht darüber ver-
ständigen, welche Bedeutung und Wirksamkeit der Reichsrath
Ungarn gegenüber haben sollte. Dessen Wortführer verlangten
eine Verständigung hierüber mit dem ungarischen Landtage,
dieser aber, am 6. April 1861 in Ofen eröffnet, verlegte eigen-
mächtig mit Berufung auf die 1848 er Gesetze sofort seinen wSitz
nach Pest und schon in der ersten Sitzung des Magnatenhauses
ward die Einsetzung eines verantwortlichen ungarischen Mini-
steriums verlangt. Dies Alles war aber dem »October-Diplom^^
und der inzwischen promulgierten Erläuterung desselben durch
das »Februar-Patent«^) (vom 26. T'ebruar 1861) gerade entgegen.
Wie in den Comitaten, so wurde auch im Landtage die volle
und unbedingte Wiederherstellung der 1848 er Gesetze betriebcMi •
'1 Koi^ge, a. a. <>.. II, 103 und fl.
Die LcRion Klapka 1866. j j
darin waren die beiden grossen Parteien des Unterhauses ganz
einig, nur wollte die Opposition unter G h y c z y und Coloman
T i s z a im Wege des einfachen Beschlusses den Kaiser Franz
Joseph zwar als den factischen, aber nicht als den rechtmässigen
König Ungarns declarieren, so lange er nicht gekrönt sei
(^Beschluss-Partei«), während die Rechte unter De 4k durch
eine ehrerbietige Adresse an Seine Majestät den thatsäch-
lichen König von vornherein auf dem Wege der Verhand-
lungen in den rechtmässigen verwandeln wollte (»Adress-Partei«).
Die Adresse vom 5. Juli 1861 stand jedoch auf dem Boden der
reinen Personal-Union mit Oesterreich und verwahrte sich gegen
jede andere Mitwirkung beim Zustandekommen ungarischer Gesetze,
als die des Königs. Xur die Bereitwilligkeit ward ausgesprochen,
mit den constitutionellen Gewalten der anderen Erbländer von Fall
zu Fall unter Wahrung der ungarischen Unabhängigkeit zu ver-
kehren. Als ein kaiserliches Rescript vom 21. Juli 1861 die For-
derungen der Adresse, soweit sie gegen das October-Diplom
und gegen das Februar-Patent verstiessen, ablehnte und auch die
blosse Personal -Union perhorrescierte, > erklärte« eine neue
Adresse des Landtages vom 8. August auf D e ä k's Vorschlag in
ihren Schlussworten : »Wir sehen mit Schmerz, dass Eure Majestät
jede Verständigung unmöglich gemacht und deren Faden definitiv
abgerissen haben. Wir sprechen es daher mit tiefem Bedauern
aus, dass in Folge des Rescripts auch wir den Faden der reichs-
tägigen Verhandlungen als abgerissen zu betrachten genöthigt
sind.« Eine so schroffe Erwiderung konnte nur mit der Auf-
lösung des Landtages beantwortet werden, die dann auch am
21. August 1861 erfolgte^). Dem gleichen Schicksale verfielen
die Comitats-Congregationen, Districts-Ausschüsse und Gemeinde-
Repräsentanzen, deren eine Anzahl ihre Zustimmung zur Haltung
des Landtages kundgegeben hatte und endlich wurde selbst der
Ofener wStatthalterei-Rath suspendiert, denn auch er hatte zur
Nachsicht und Einhaltung der 1848 er Gesetze eingerathen. Ein
kaiserliches Handschreiben vom 5. November 1861 an den Grafen
F o r g ä c h, den Nachfolger V a y\s als ungarischen Hof-Kanzler,
ernannte den FML. Grafen Moriz P^ilffv zum Statthalter von
Ungarn und setzte wegen der »Unbotmässigkeit der ungarischen
*) Details über den Landtag; l86l, siehe bei R o jj ^' e, »Oesterreich von Vilajjos
bis zur Gegenwart«, II, S. 133 und tT., auch bei Bulle, >Geschichte der neuesten
Zeit«, II, S. 408 und iV.
j2 Kienast.
Municipien« und offener, »an Empörung grenzender Wider-
setzlichkeit gegen jedwede, zur Herbeiführung geordneter Zu-
stände erlassene Massregel« für das ganze Land Militär-Gerichte ein.
Ungarn und das napoleonische Nationalitäten-Princip.
Die Aufregung, in der sich Ungarn nun seit mehr als drei
Jahren befand, ist für den Nachlebenden fast unverständlich ; sie
ist aber daran zu ermessen, dass selbst der besonnene Franz
D e d k eine Adresse an die Krone beantragen konnte, wie jene
vom 8. August 1861 und dass die Regierung schliesslich zudem
Mittel der Militär-Gerichte zu greifen sich genöthigt fand.
Das Attentat O r s i n i's auf Napoleon III. hatte diese
Zeit eingeleitet; seitdem giengen die Revolutionäre Europas
nicht nur bei dem Vetter des Kaisers, J^rome Napoleon, dem
sogenannten >rothen Prinzen« im Palais royal, sondern auch in
den Tuilerien aus und ein ^). Das von Napoleon III. formulierte
'>Nationalitäten-Princip« gewann Boden. Im Herbste 1858 leitete
die Zusammenkunft des Kaisers der Franzosen mit C a v o u r in
Plombieres die italienische Einheit ein, in den Donau-Fürsten-
thümem gelangte mit Fürst Cusa, in Serbien mit dem alten
M i 1 o s und seinem Sohne und baldigen Nachfolger Michael
das Streben nach demselben Ziele in Hinsicht auf die Rumänen
und Südslaven ganz unverkennbar an die Oberfläche. Und damit
auch Ungarn nicht versäume, von der neuen Lehre -) Nutzen zu
ziehen, liess Napoleon III. den damals in London weilenden
Ludwig Kossuth durch Kl apka sondieren, ob er geneigt sei,
das Gewicht seines Namens bei den Ungarn für den vom »rothen
Prinzen' schon im Jahre 1858 geforderten >» Marsch gegen Oester-
reich« in die Wagschale zu legen ^). Der eitle Mann blieb der
Versuchung nicht unzugänglich. Mit Kl apka und Ladislaus
Teleky constituierte er am 6. Mai 1859 das »Ungarische National-
Directorium« "*).
Trotz des Friedens von Villafranca schöpften sowohl die
Emigration, als auch ihre nunmehr im Geheimen sich enger grup-
*) Gottschall, >Napoleon III.« . (»Der neue Plutarch«, X, 1884), S. 325 und ff.
*) Das Xationalitüten-Princip sei heutzutage das oberste Kennzeichen civilisierter
Staaten. Italiener, Mag\aren und Rumänen hätten ein Recht auf Selbstständigkeit. So
predigte die inspirierte Pariser Brochure: »Napoleon III. und die rumänische Nation«.
') Kossuth, »Schriften aus der Emigration«, I, S. i;8 und ff.
*) Ebenda I, S -'^< -nd ff
Die Legion Klapka 1866. , ^
pierenden Freunde im Vaterlande aus der Gestaltung der italieni-
schen Verhältnisse neuen Muth, denn ein neuer Krieg zwischen
Oesterreich und Italien schien unvermeidlich nach den Annexionen
in Ober- und Mittel-Italien und gewissen Kreisen Ungarns war
dessen Stellung hiebei durchaus nicht zweifelhaft^).
Verfehlte Hoffnungen auf Frankreich und Italien.
Damals besprachen Kossuth, Klapka und Ladislaus
Teleky mit dem aus Ungarn herbeigerufenen Georg Komd-
r o m y , einem der Häupter der vaterländischen Revolutions-Partei,
in London die Rollen der districtsweise vorzunehmenden Organi-
sierung der Action ; Komäromy legte eine Liste jener Persön-
lichkeiten vor, die in jedem Districte die Kräfte im Augenblicke
des Handelns concentrieren sollten 2). Kossuth bezeichnete
bereits im Juni 1860 das nächste Frühjahr als den wahrschein-
lichen Zeitpunct hiefür ^. Cavour's Absichten hatten sich den-
selben Termin gesetzt, und er versicherte sich daher noch im
September 1860 durch Vereinbarungen mit dem ^.Ungarischen
National-Directorium« der Mitwirkung Ungarns *) ; in Folge dessen
ward der Verkehr der Emigration mit dem im Lande befindlichen
geheimen Central-Revolutions-Comit6 neuerdings inniger^), ja,
von Letzterem waren bereits Ludwig Benitzky, Johann Ma-
ri d s s y und Emerich I v a n k a als Armee-Commandanten für die
im Anschlüsse an die Action Italiens geplante Erhebung aus-
ersehen ^).
*) Unter den ungarischen Nationalen der Walachei machte im April 1860 eine
Druckschrift Klapka's die Runde, welche für den Fall, als Sardinien wieder den
Krieg gegen Oesterreich beginne, auffordert, die Waffen zu ergreifen und in Ungarn
und Siebenbürgen eine Revolution zu veranlassen, wobei die Hilfe Sardiniens und
Frankreichs in Aussicht gestellt wird. (Polizei-Ministerium an General-Gouvernement
in Ungarn, 20. April; Benedek an die Statthalterei^-Abtheilungs-Präsidien, 24. April
1860; Acten des ungarischen General-Gouvernements ex 1860, Nr. 1680.)
*) Kossuth, »Schriften aus der Emigration«, II, S. 410 und ff. Vergl. dazu
den Briefwechsel zwischen Kossuth und Komdromy im Juni 1860. (Ebenda,
II, S. 501 und ff.)
«) Ebenda, U, S. 560.
*) Ebenda, II, S. 586 und ff; P u 1 s z k y, >Meine Zeit, mein Leben«. (4 Bände,
Pressburg, 1880-83.) IV, S. 33 und ff.
*) Kossuth, »Schriften aus der- Emigration«, III, S. 50 und ff.
®) Ebenda, III, S. 204. Der Regierung blieben die Vorgänge nicht verborgen.
Zur >Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung«, sowie zur »Verhütung jedes verderb-
lichen Einflusses von Aussen und allcnfallsiger Aufstandsversuche« wurden Ende 1860
l * Kienast.
Aber Komaromy und sein damaliger engerer Gesinnungs-
genosse Paul Alm dssy hatten schon im Juni 1860 zu bemerken
geglaubt, dass die massgebenden Personen allerdings >die Revo-
lution annehmen, jedoch nur als ein Letztes und Schlechtestes« ^).
Die wenn auch nicht befriedigenden, aber doch immer versöhn-
lichen Concessionen des Kaisers, wie sie z. B. auch im October-
Diplom und im Februar-Patente zum Ausdrucke kamen, ferner
die Einberufung des Landtages im Jahre 1861 und andere Ereig-
nisse bewirkten, dass sich das Central-Revolutions-Comit^ Mitte
März 1 86 1 auflöste ^), während indessen die Jugend und breite
Massen noch auf den Namen K o s s u t h schworen und hofften '%
Unterdessen hatte auch die Emigration mit ihren Plänen
kein Glück. Die nach dem Osten abgeschickten Waffen wurden
in Galatz confisciert *) ; C a v o u r, der eifrigste Förderer der unga-
rischen Bewegung, starb am 6. Juni 1861; sein Hintermann,
Napoleon IIL, hatte sich schon im letzten Winter von der
weiteren Begünstigung der Einheitsbestrebungen Italiens und
damit indirect auch von den Ungarn abgewendet ^) und zu all
dem kam die Uneinigkeit nicht nur im Schosse des »Ungarischen
National -Directoriums« •'), sondern auch Differenzen mit den
in Ungarn und Siebenbürgen die Truppen auf einen höheren Stand gebracht und
kriegsmässig ausgerüstet. (Kriegs-Ministerium an General-Commando Ofen, 24. De-
cember 1860, C. K. Xr. 5921.)
') Kossuth, > Schriften aus der Emigration c, II, S. 502; III, S. 52.
») Ebenda, III, S. 557, 586 und ff.
') Zur Zeit der Eröffnung des Landtages glaubte man in Ungarn allgemein,
dass Garibaldi in das Land einbrechen und der J^andtag die Revolution verkün-
digen werde, worauf auch Frankreich und Italien den Krieg gegen Oesterreich beginnen
würden. (Szedlak, > Enthüllungen aus der Zeit der ungarischen Revolution und
Emigration«, S. 143 und ff.)
*) Kossuth, »Schriften aus der Emigration«, III, S. 222 und ff. P u 1 s z k y,
»Meine Zeit, mein Leben«, IV, S. 24, 76.
*i K o s s u t h, a. a. O., II, S 611 und ff. P u 1 s z ks*, a. a. O., IV, S. 24. Damit
stimmt die confidentielle Nachricht von der Anwesenheit T ü r r's am 9. März 186 1
in Paris überein. Prinz Napoleon soll damals den Zeitpunct zum Losschlagen der
ungarischen Emigration nicht für günstig erklärt haben. (Kriegs-Ministcrium an General-
Commando Ofen, 30. März 186 1, C. 1\. Xr. 15 14.)
^) Pulszky erklärte Kossuth schon am 8. Januar 1861, er halte das
Directorium für aufgelöst. iPulszky, a. a. O., IV, S. 36.) Graf Ladislaus Teleky
war kurz vorher, vom Kaiser amnestiert, nach Ungarn zurückgekehrt und gab sich
nach Eröffnung des Landtages selbst den Tod. Auch K 1 a p k a harmonierte nicht
mit dem herrschsüchtigen Kossuth und schrieb diesem endlich am 6. Juni de
folgenden Jahres den Absagebrief. (Kossuth, »Schriften aus der Emigration«, III
S. 701. 1
Die Legion Klapka 186C. j -
Freunden zu Hause. K o s s u t h musste sogar den Schmerz
erleben, dass auch aus den Reihen der ihm so nahe stehenden
»Beschluss- Partei <^c kein Widerspruch laut wurde, als Deak
seinem Proteste gegen die Auflösung des Landtages hinzufügte,
dass man trotzdem »den Boden des Gesetzes unter keinem Vor-
wande verlassen dürfe« ^).
Neue Versuche zur Besserung der Stimmung Ungarns. Deak's
Haltung. Abwendung von Kossuth.
War sonach das leg'ale politische Leben Ungarns mit Ende
des Jahres 1861 beim Ausnahmszustande der Militär-Gerichtsbar-
keit angelangt und damit für längere Zeit lahmgelegt, so war
das revolutionäre Treiben der Emigration und ihrer Freunde im
Lande in sich selbst zerfallen.
Aber es schien nur so.
Zunächst waren allerdings die parlamentarischen Verhand-
lungen in der Landstube und in den Comitats-Congregationen
unterbunden; aber schon das kaiserliche Rescript vom 12. No-
vember 1861 in Betreff der Stellung Croatiens zu Ungarn^) und
noch mehr die Entwickelung derselben Frage hinsichtlich Sieben-
bürgens bis zur Aufhebung der Union mit Ungarn am 2 1 . August
1863'^) gaben nicht nur der privaten Unterhaltung, sondern auch
den Aeusserungen der ungarischen Presse eine bestimmte poli-
tische, wenn auch vorsichtig abgetönte Färbung, welche über die
sich auch sonst noch auf bedenklichere Weise kundgebende
Stimmung Ungarns keinen Zweifel übrig Hess und der Regierung
nicht unbekannt blieb. Dennoch wurde an allerhöchster Stelle die
Hoffnung nicht aufgegeben, Ungarn endlich doch für die Ver-
söhnung zu gewinnen. In dieser Absicht wollte eine umfassende
Amnestie vom 18. November 1862 den Ausnahmszustand der
Militär-Gerichtsbarkeit jeder überflüssigen Härte entkleiden und
begnadigte alle von den Kriegsgerichten verurtheilten Sträflinge,
sowie alle eigenmächtig zurückgekehrten politischen Plüchtlinge
und wurden die vor den Militär-Tribunalen anhängigen Unter-
*) >Vielmehr proclamierten sie (seil, die Männer <ler Beschluss-Partei) einstimmig;
den Ostracismus auf die Revolution. Der Landtag von i86l hat mit seinem letzten
Hauche unseren Agitationen einen herben Schlag versetzt.« (Kossuth, a. a. O..
III, S. 651.)
') Rögge, »Oesterreich von Vilagos bis zur Gegenwart«, II, S. 154 und ff.
•j Ebenda, II, S. 127, 206 bis 215.
j5 Kienast.
suchungen niedergeschlagen ^). Als dann die Antwort des engeren
Reichsrathes auf die Thronrede von 1864 den Wunsch nach
Beschleunigung des Ausgleiches mit Ungarn aussprach, war der
Kaiser auch hiezu bereit und Hess durch Schmerling Vor-
bereitungen zur Einberufung des ungarischen Landtages treffen,
die allerdings noch nicht sofort zum gewünschten Ziele führten.
Zugleich suchte er die Verbindung mit dem ungarischen Adel
wieder zu gewinnen.
Unterdessen hatte sich auch in Franz D e d k , damals dem
»mächtigsten Manne in Ungarn« ^, ein Umschwung der Meinung
vollzogen, dem er in dem berühmten Oster- Artikel des »Pesti
Naplö« am 16. April i865 Ausdruck verlieh^).
Hatte seine Adresse an den Monarchen vom 5. Juli 1861
über gewisse Angelegenheiten nur »von Fall zu Fall« Verhand-
lungen mit den übrigen Erblanden proponiert, so constatierte er
jetzt einen Kreis von gemeinsamen Angelegenheiten, welche zwar
nicht auf parlamentarischem Wege, wohl aber durch Entsendung
von Ausschüssen ihre regelmässige Erledigung finden sollten.
Damit hat er den Standpunct der bisher verfochtenen reinen
Personal-Union zwischen Oesterreich und Ungarn verlassen und
sich zur Real-Union bekannt. Zwar betonte er auch jetzt noch
die Aufrechterhaltung der Rechte und Gesetze Ungarns als den
einen Zweck der Lösung des bestehenden Conflictes, aber ebenso
stark auch >den festen Bestand der Monarchie als den anderen
Zweck und diesen wünschen wir keinem andern unterzuordnen«.
Und im Schlusssatze hiess es : »Wir wollen unsere verfassungs-
mässige Selbstständigkeit nicht opfern, blos weil einzelne Puncte
der neuen Verfassung jenseits der Leitha anders lauten, aber wir
werden jederzeit bereit sein, unsere Gesetze mit der Sicherheit
des festen Bestandes der Monarchie auf dem gesetzlich vor-
geschriebenen Weg in Einklang zu bringen <
Damit nun war die von der Dynastie seit dem August I848
geforderte Revision der ominösen Gesetze von 1848 im Principe
zugestanden und der Ausgleich nur noch eine Frage der Zeit,
in welcher man sieh darüber einigen musste, ob zuerst die Inkraft-
setzung und dann die Revision der fraglichen Gesetze erfolgen
*i Roj»ge, a. a. ()., II, S. 207.
*j Auj^sburger > Allgemeine Zeitung« vom 21. April 1865. (Correspondfiz au'
Wien vom 19. April.»
*) Rogge, -Oesterr»*ich von Vilagos '^'" "•- ^-ger"''art« ^^ S "»"^o
Die Legion Klapka 1866.
n
sollte, oder umgekehrt. Diese Frage wurde, nachdem der Hof
durch die Berathungen des landtäglichen Verfassungsausschusses
über das Mass der an den Gesetzen von 1848 vorzunehmenden
Aenderungen beruhigt war, zu Anfang des Jahres 1867 durch
ein Compromiss gelöst, indem zuerst als unab weislich es Postulat
ein verantwortliches ungarisches Ministerium ernannt wurde und
dieses dann die von der Krone nie aufgegebene Revision im
Plenum des Landtages durchbrachte.
Die zwischen diesem Erfolge und dem Oster- Artikel liegenden
Etappen des Ausgleiches, als da sind: Die Ernennung Majlath's
zum ungarischen Hof-Kanzler, die Entlassung Schmerling's, die
Sistierung der Februar-Verfassung, die Wiedervereinigung Sieben-
bürgens mit Ungarn und die Einberufung des ungarischen Land-
tages am 14. December 1865, sowie dessen Wiederzusammentritt
am 17. November 1866 können füglich hier übergangen werden.
Es wäre jedoch ein arger Verstoss, wollte man dabei über-
sehen, dass mit der eben skizzierten Entwickelung der Dinge
wohl die Altconservativen und der Anhang Franz Dedk's ein-
verstanden waren, nicht aber auch das übrige Ungarn, obwohl es
längst nur noch zum Theile im Lager Kossuth's stand.
Von dessen Politik hatte sich schon in den Zeiten des
Ministeriums Bach, noch mehr aber unter dem Ministerium
Schmerling ein grosser Theil seiner Anhänger losgesagt^).
Sie hatten es nicht begreifen und ertragen können, dass von
all' den durch ihn geweckten Hoffnungen während des Krieges
von 1859 keine in Erfüllung gieng, dass die ungarische Frage
beim Friedensschlüsse auch nicht mit einem Worte gestreift
wurde. K o s s u t h trug aber auch unmittelbar dazu bei, dass
viele seiner Freunde und Bewunderer in Ungarn sich von ihm
abwendeten. Dies geschah am meisten durch die von ihm pro-
pagierte Idee der sogenannten »Donau-Conföderation«, welche
im Jahre 1862 mit dem Datum vom i. Mai angeblich in Folge
eines Missverständnisses H elf y's zuerst in der Mailänder » AUeanza-^
erschien und dann die Runde durch die Blätter machte -;.
*) A raagyar nemzet törtcncte, szerkeszti S z i 1 a jj y i Sandor. (>Geschichte der
ungarischen Nation«, herausgegeben unter Leitung von Alexander S z i 1 a g y i.) X. Bd.
^^1898), S. 614 und flf.
*) Der Pariser >Pays< brachte sie am 21. Mai. Den ungarischen Wortlaut
siehe in »Kossuth Lajos iratai«, VI, S. 9 und ff.
Die Legion Klapka 1866. 2
lg Kienast.
Die Idee fusste auf der Voraussetzung, dass jede einzelne
Donau-Nation, selbst wenn sie um sich die Bruchtheile von anderen
Stämmen gruppierte, für sich allein kaum einen Staat zweiten
Ranges bilden könne, dessen Unabhängigkeit in beständiger
Gefahr schweben würde und nothwendig fremden Einflüssen unter-
liegen müsste, während Ungarn, Südslaven und Rumänen vereint
eine Macht ersten Ranges, einen reichen und mächtigen Staat
von dreissig Millionen Einwohnern bilden würden, der gewichtig
in die europäische Wagschale fiele. Die Conföderation sollte sich
aus dem eigentlichen Ungarn mit Siebenbürgen, dann aus Croatien,
Serbien und Rumänien zusammensetzen, deren gemeinsame An-
gelegenheiten (auswärtige Politik, Wehrmacht, auswärtige Ver-
tretung, Handels- und Zollgesetzgebung, Geld, Masse und Gewichte)
durch ein jährlich abwechselnd in Pest, Agram, Belgrad und
Bukarest tagendes Parlament zu berathen gewesen wären. Dieses
hätte den Bundesrath zu wählen gehabt, dem die executive
Gewalt und die Führung der auswärtigen Politik zugefallen wäre.
Es wird nirgends ausdrücklich gesagt, aber es hat ganz den An-
schein, als obKossuth sich selbst als den ersten Kanzler, den
Prinzen Jeröme Napoleon aber als den ersten Präsidenten
der Conföderation gedacht hätte.
Das Project rief in ganz Europa grosses Aufsehen, bei den
Mag}'aren aber grosse Entrüstung hervor. Es wurde am 24. Mai
1862 im National-Casino zu Pest in einem Kreise der Adress-
u n d Beschluss-Partei auf das Heftigste besprochen und be-
schlossen, diese Idee Kossuth^s entschieden zurückzuweisen;
mit Barbaren könne man sich nicht confc)derieren. Baron E ö t v ö s
schickte unter dem Datum Pest, 2. Juni 1862 und der Chiffre
>»E.« der »Kölnischen Zeitung« eine sehr scliarfe Entgegnung auf
die Conföderations-Idee ein, welche in ihrem Schlusssatze deutlich
auf deren Hintermänner in Paris (Xapoleon IIL und seinen
Vetter, den kaiserlichen Prinzen J e r 6 m e Napoleon) verwies.
Auch in der ungarischen Emigration wirkte die »Donau-
Conföderation« zersetzend.
Geheim-Comitös in Ungarn.
Jener Grosstheil Ungarns, der nicht im Lager der Altcon
serv'ativen stand, zu D e ä k hielt oder unbedingt auf K o s s u t L
schwur, befand sich in den ersten Jahren des sechsten Jahrzehr*-
in grosser (rährung. Was von aussen her angest»*eHt u"d -v».
Die Legion Klapka 1866. j q
dies im Lande selbst aufgenommen wurde, ist deutlich aus den
Worten zu ersehen, die Paul Almdssy aus Pest am 28. Juli
1861, also noch während des Landtages, an einen der vornehmsten
Emigranten schrieb: >Ihr echauffiert Euch gar zu selir bei Be-
urtheilung dessen, was hier geschieht. Ihr deutet Alles auf voll-
ständige Aussöhnung .... Ein einziges Wort, das auf voller
Sicherheit beruhen \vürde, etwas Zuverlässiges, worauf man bauen
könnte, wisst Ihr nicht zu sagen. Und Ihr wollt doch, dass die
Nation um jeden Preis, ohne Grund, sowie ohne sichere Aussicht
ihre Kraft versplittere und Alles in Blut tauche, damit Ihr sagen
könnt: Seht, wie revolutionär das ungarische Volk ist. . . . Glaubt
mir, die Leute wissen hier, was sie thun^)*«
Als durch die Erlassung des »October-Diploms« wieder ein
öffentliches politisches Leben in Ungarn möglich geworden war,
begann man bekanntlich bald darnach die Verdienste jedes Ein-
zelnen nach dem Grade seiner Compromittierung in den Jahren
1848 und 1849 zu schätzen. Die Mitglieder der ehemaligen Honved-
Armee fiengen damals an, um öffentliche Bedienstungen, Unter-
stützungen und dergleichen zu petitionieren. Da der Staat diese
Wünsche nicht erfüllen konnte, bildeten sich während des Landtages
von 1861 mit behördlicher Genehmigung im ganzen Lande die
»Honved-Unterstützungsvereine«, die sich sämmtlich um den zu
Pest gruppierten. Die Unzufriedenen erkannten bald, dass diese
Vereine, die an und für sich schon als Demonstration aufzufassen
waren, vorzüglich sich dazu eigneten, die alten Honveds, besonders
auch die gewesenen Honved-Officiere, welche einer zukünf-
tigen Revolutions-Armee angehören konnten, evident zu führen.
Bald hatten die Gegner des herrschenden Systems in den Vereinen
die Oberhand und machten sie, wenn sie nicht etwa schon von
allem Anbeginne so gedacht waren, zum Ausgangspunct ihrer
geheimen Bestrebungen, zu deren Erreichung sie, wie 1848, eben
einer Insurrections-Armee bedurften.
Mit der Einführung des sogenannten »Provisoriums«, d. i.
mit der Einsetzung der Militär-Gerichte für ganz Ungarn
{5. November 1861), hörte natürlich die öffentliche Wirksamkeit
der Honved- Vereine auf. Sie setzten jedoch ihre Arbeit im Stillen
umso eifriger fort, selbstverständlich in Verbindung mit der
Emigration im Auslande. Es wurde beispielsweise der Regierung
bekannt, dass bei einer Revue der ungarischen Legion in Italien
*j Kossuth, »Schriften aus der Emigrationc, III, S. 630.
20 K i e n a s t.
unter Türr im December 1862 ein von dem ehemaligen Hon ved-
Obersten I v a n k a verfasstes Schreiben eines Honv^d-Comit6s in
Ungarn verlesen wurde.
Die Gährung Ungarns äusserte sich in der mannigfaltigsten
Weise, am meisten durch die Bildung von geheimen Comites oder
durch das Streben nach Gründung von Freimaurer-Logen in
Ungarn. Merkwürdig begegnete man auf beiden Wegen häufig
denselben Namen, ein Beweis, dass die politischen Geheim-Comit^s
und die P>eim aurer-Logen demselben Ziele zustrebten: der Revolu-
tionierung und Losreissung Ungarns mit Hilfe des Auslandes und
der Emigration. Das Haupt des bedeutendsten Comit6s war Paul
von A 1 m ä s s y, seine Helfer ein Graf K ä r o 1 y i, Ludwig
Benitzky, Graf Theodor C s ä k y, Georg von Komdromy,
Ladislaus B ö s z ö r m e n y i u. A.; Mitglieder der Freimaurer-
Verbände: die Grafen Alexander und Eduard Kärolyi, die
Grafen Coloman und Tlieodor Csäky, Paul von Almdssy,
Georg von K o m ä r o m y u. A.
Die Verschwörungen Almassy und Nedeczky *).
Paul von A 1 m ä s s y hatte in der Sitzung des ungarischen
Reichstages zu Debreczin, welche am 14. April 1849 die Absetzung
des Hauses Habsburg-Lothringen beschloss, den Vorsitz geführt
und sich dann im Juli, als die Ereignisse eine für Ungarn un-
günstige Wendung nahmen, in das Ausland geflüchtet. Er wurde
daher in contumaciam zum Tode verurtheilt und seine Güter con-
fisciert. Im Jahre 1859 erhielt er die Erlaubniss zu unbedingt straf-
freier Rückkehr nach Ungarn, wo seine Güter mittlerweile seinem
in der k. k. Armee dienenden Sohne waren zurückgestellt worden.
Als dieser im Jahre 1861 starb, gelangte er durch Beerbung des
Sohnes wieder in den Besitz seiner (iüter und wurde so neuer-
dings einer der vermögendsten Cavaliere Ungarns. Da er sowohl
bei der Emigration, als zu Hause in grossem Ansehen stand,
konnte er während des Landtages von 1861 nach allen Seiten
*> Kine Skizze derselben ist an dieser Stelle desshalb nothwendij;, weil in ihnen
bereits die Grundlage für die noch zu erzählenden späteren Kreignisse gegeben ist und
weil die Vorgänge bei diesen Verschwörungen nicht nur vorbildlich sind für jene bei
der Kntstehung der Legion Klapka, sondern sich dabei zum Theile geradezu wiederholen.
I)ic folgende Darstellung beruht auf den l'rocess-Acten, dann auf >A magyar
ncmzet törtcnete«, X, S. 614 und ff.
Die Legion Klapka 1866. 2 l
mässigend wirken ^), zog sich aber dadurch die Feindschaft
K o s s u t h's ZU; die nicht kleiner wurde, als A 1 m 4 s s y nach der
resultatlosen Auflösung des Landtages an den geheimen Wühlereien
der verschiedenen Comites und Freimaurer-Logen sich betheiligte
und bald als das Haupt jener vorwiegend aristokratischen Grruppe
von Männern galt, welche die Revolution, wenn sie nach ihrem
Dafürhalten schon unvermeidlich war, doch ohne Kossuth
machen wollten.
Einer dieser Männer, Graf Alexander K 4 r o 1 y i, bereiste im
Jahre 1863 Italien und fand sowohl bei den italienischen, als in
Emigrantenkreisen die Meinung vorherrschend, dass Ungarn der
Versöhnung geneigt sei. In einer bei dem Grrafen Eduard Kärolyi
abgehaltenen Versammlung, an der unter Anderen Coloman
T i s z a, Freiherr von Podmanitzky und Paul A 1 m ä s s y theil-
nahmen, wurde hierauf der Plan einer Erhebung besprochen;
Ludwig Benitzky, der sich im Jahre 1848 im kleinen Kriege
gegen die Kaiserlichen einen Ruf erworben und es bis zum
Honv^d-Oberst gebracht hatte, zum Tode verurtheilt, begnadigt
und 1856 gänzlich freigelassen worden war, hatte ihn ausgearbeitet
und auf die Aufstellung von 22 Guerilla-Banden basiert. Man ent-
schied sich damals angeblich noch nicht zu einem activen Auf-
treten, aber schon iin November und December wusste Benitzky,
dass Almässy vom Auslande her bedeutende Geldsummen zur
Agitation gegen Oesterreich erhalten und die Unthätigkeit nicht
mehr lange andauern solle.
AlsAlmdssy im Januar 1864 von einer Auslandsreise nach
Ungarn zurückkehrte, erzählte er, dass jener Theil der Emigration,
der nicht zu Kossuth stehe, d. i. Georg Klapka sammt An-
hang, behufs einer in Ungarn einzuleitenden Bewegung einen
Vertrag mit Italien abgeschlossen habe. Dieses liefere 80.000
Gewehre, die in Ungarn eingeschmuggelt werden sollten und
Geld für die zu errichtenden Revolutions-Comites. An dem Kriege
Italiens gegen Oesterreich werde nach K 1 a p k a's Plan Serbien
theilnehmen und für den Fall des Gelingens Croatien und Slavo-
nien erhalten. Auch aus der Walachei solle nach Ungarn einge-
brochen werden. Die Correspondenz mit der Emigration scheint
Georg Komarom y besorgt zu haben, der häufig ausser Landes
gieng. Anfangs Februar soll Alnicissy wieder 19.000 Francs
von auswärts erhalten haben; an Benitzky gab er damals
») Vert;!. oben S. 19.
22 Kienast.
I200 Gulden ab, die für den Beginn der Organisation bestimmt
wurden.
B e n i t z k y bekam in Pest die ehemaligen höheren Honved-
Officiere bald so weit in seine Hand, dass sie nichts ohne seine
Weisung unternehmen wollten. Als er aber im Sinne seines Auf-
traggebers dem Einflüsse K o s s u t h's und seiner Partei ent-
gegenzuarbeiten sich bestrebte, stiess er auf Widerstand und
besorgte sogar, an demselben zu scheitern. Er erfuhr bald, dass
er es mit einem Parallelunternehmen K o s s u t h's zu thun habe,
wie dieses zu Stande gekommen und wie weit es gediehen war.
Gelegentlich einer Berathung ehemaliger Honved-Officiere
im Jahre 1 863 war nämlich zu Tage getreten, dass es eine Partei
gebe, welche ohne Kossuth Revolution machen wollte. Die
Mehrzahl der Berathenden wollte davon nichts wissen und forderte
Stephan Nedeczky, der bei Vilagos Honved-Husaren-Rittmeister
gewesen und ein Neffe Franz T> ek k's war, auf, Kossuth per-
sönlich aufzusuchen und seine Meinung einzuholen. Nedeczky
gieng im September nach Paris, wo er mit Klapka und Niko-
laus Kiss deNemesker zusammentraf und im October zu
Kossuth nach Turin. Bei einem seiner mehrfachen Besuche
sah er, wie der Letztere Proclamationen und Geld nach Ungarn
expedierte. Später hörte er von Kossuth, dass Beides und
zwar über Venedig und durch Vermittlung des Pester Advocaten
Ignaz Langh in Ungarn richtig angekommen sei. Die Procla-
mationen waren vom 24. November 1863 datiert und kamen that-
sächlich in der Nacht vom 16. auf den 17. December an den
Strassenecken zahlreicher Städte und grösserer Orte Ungarns
zum Vorschein. Sie enthielten die Aufforderung, das Vaterland
vom Joche der deutschen Herrschaft zu befreien ; Ungarn müsse
seinen Verbündeten im Auslande zeigen, dass sie gegen den
gemeinsamen Feind Oesterreich auf den Arm Ungarns rechnen
könnten; Alles müsse dagegen aufgeboten werden, dass der
Oesterreicher mit seinen Lockungen die ungarische Nation in
sein Netz ziehe.
Als Nedeczky aus Italien zurückkehrte, brachte er für
den Advocaten Langh einen Stempel mit der Inschrift Landes-
Unabhängigkeits-Comite^ mit, der zunächst den Proclamationen
aufgedrückt und dann zur Ausfertigung von Drohbriefen benützt
wurde, um ihnen in den Augen der Menge ein grösseres Gewich
zu geben. Solche Briefe erhielten theils Personen, deren Anhäng
lichkeit an die Regierung bekaP'U war, theil< wieHer L'^Mt*^ <'
Die Legion Klapka 1866.
23
für schwankend galten und auf die Seite der Bewegung gebracht
werden sollten. Auch der Redacteur des »Sürgöny« erhielt einen
Drohbrief, in welchem die Worte vorkamen: »Noch ein Artikel
über den Eintritt (der Ungarn) in den Reichsrath ist Ihr Todes-
urtheil, welches das unterfertigte Comit6 vollziehen lassen wird.«
Mit solchen und anderen Mitteln wirkte man auf die Zeitungen,
damit sie ohne Ausnahme auf die Aufrechthaltung der in der
1 861 er Adresse ausgesprochenen Grundsätze, welche zur Auf-
lösung des Landtages geführt hatten, hinwirkten. K o s s u t h
rechnete auf die Verbreitung der lusurrection aus Polen nach
Ungarn und hatte für diesen Fall den Polen lo.ooo Bewaffnete
als Unterstützung versprochen. Geld erhielt er aus Amerika und
England, aber auch aus Frankreich und Italien. Der Unterstützung
Garibaldi's und M a z z i n i's hielt er sich sicher.
Ausser Langh, der als wichtigster Vertrauensmann Kos-
suth's in Pest alle nicht in das Militärische einschlagenden
Agenden der vorzubereitenden Erhebung leitete, verband Ne-
d e c z k y den Exgouverneur auch mit dem angesehenen Honv^d-
General Ludwig von AsbothM, den er im Februar nach Pest
berief und aufforderte, bis Ende des Monats einen Kostenüber-
schlag für die Organisation von Guerillabanden zu liefern. Das
geschah auch ; A s b ö t h berechnete das Erfordemiss mit 200.000
Gulden.
Nedeczky hatte sich K o s s u t h gegenüber verpflichtet,
die Vorbereitung des Aufstandes zu Hause auf sich zu nehmen
und zwar unter der Bedingung, dass es gelinge, alle Landes-
Comites zu vereinigen, hatte aber zugleich, die Verwirklichung
seiner Bedingungen vorwegnehmend, mit der italienischen Regie-
rung die Beistellung von Waffen und Geld gegen Schadloshaltung
durch das unabhängig gewordene Ungarn verabredet. Auch eine
bedeutende Vermehrung der ungarischen Legion in Italien wollte
die Regierung Victor EmanueTs auf sich nehmen, nur sollte
die Kriegserklärung von ihr allein abhängig sein. Sie scheint
M 1804 geboren, 1820 in die k. k. Armee getreten, 1843 als Rittmeister der
Sachsen-Cürassiere pensioniert; 1848 Commandant der National-Garde im Coraitatc
Krassü, 1849 Oberstlieutenant und Stadt-Commandant in Debreczin, schon im März
Commandant einer Honvil^l-Armce-Division, im April Oberst, nach dem Falle von Ofen
Commandant des 2. Honvcd- Armee-Corps, am i. Juni General; nach Vilagos zu
18 Jahren Festungshaft verurtheilt, 1856 begnadigt; 1861 in J( sephstadt interniert, im
folgenden Jahre wieder freigelassen. Er schrieb 1862 ein zweibändiges Werk (>Emlck
iratai«) über den Revolution skrieg, das bei Räth in Pest erschien
2A K i e n a s t.
dafür als spätesten Zeitpunct den Anfang des Monats Juni in das
Auge gefasst zu haben.
Nach Ungarn zurückgekehrt, wohin er 80.000 Francs in
Banknoten mitgebracht haben soll, berichtete Nedeczky seinen
Auftraggebern über die Ergebnisse seiner Reise und zeigte ihnen
auch sein Auftragschreiben K o s s u t h's. Dieses nahmen sie in
blinder Gefügigkeit an und übertrugen Nedeczky vertrauensvoll
alle weiter nothwendigen Schritte, insbesondere auch die Verein-
barungen mit der Partei A 1 m 4 s s y's.
Von dieser hatte Nedeczky durch Ludwig von Asböth
erfahren. Als er am 6. Februar im Hause seines Oheims mit
Benitzky zusammengetroffen war, beschloss er, diesen als Ver
mittler zu gebrauchen. Die Einigung stiess auf Schwierigkeiten,
kam aber nach einiger Zeit doch zu Stande, auch dadurch, dass
die Partei Almässy's sich endlich gefallen Hess, den Namen
K o s s u t h's als Aushängeschild zu gebrauchen. Aus Mitgliedern
beider Parteien constituierte sich ein siebengliederiger Ausschuss,
dessen Beschlüsse durch Stimmenmehrheit gefasst wurden und
bindend waren. Von dem Resultate verständigte man K o s s u t h
durch Absendung eines Vertrauensmannes. Bis zu dessen Rück-
kunft wollte jede Partei in ihren Kreisen auf die kommenden
Ereignisse vorbereiten.
Es hängt wahrscheinlich mit der Ankunft des Vertrauens-
mannes in Turin und Plorenz zusammen, dass ein nicht näher
bezeichnetes ungarisches National-Comite (comitato nazionale
d'Ungheria) in der officiellen »Gazetta di Firenze« vom ig. Februar
ein Decret veröffentlichte, worin die Nichtanerkennung der öster-
reichischen Staatsschulden und Privilegien in Betreff Ungarns
ausgesprochen und weiter angeordnet wurde, dass alle von der
österreichischen Regierung eingesetzten Beamten ihre Stellen bis
Ende März aufzugeben, auch die im Auslande befindlichen Ungarn
jedweden Alters und (xeschlechtes noch innerhalb des laufenden
Monates, bei sonstigem Verluste aller ihrer Rechte, in die Heimath
zurückzukehren haben.
Diese Termine sind desshalb bemerkenswert!!, weil (nach
einem erst am 29. September abgelegten Geständnisse Nedeczky's)
Kossuth beabsichtigte, am i. März 1864 eine Revolution in das
Werk zu setzen, die an den 14. April 1849 anknüpfen und wohl
im Sinne der zuletzt ausgestreuten Proclamation vom 24. No
vember des Vorjahres die ausländischen Verbündeten Ungarn.-
überzeugen sollte, dass sie auf dessen Arm <^etren (^est^n ^icl
Die Legion Klaplca 1866.
25
rechnen könnten. Die Verbündeten Ungarns waren nach Kossuth's
Voraussetzungen jedenfalls Italien, vielleicht auch Frankreich,
wahrscheinlich Serbien, möglicher Weise sogar Rumänien.
Aus dem Vorhergehenden ist bekannt, dass die italienische
Regierung (Minister-Präsident Minghetti, Minister der aus-
wärtigen Angelegenheiten Visconti-Venost a) damals sowohl
mit den aristokratischen, als mit den demokratischen Parteien
Ungarns, welche die Revolution beabsichtigten und den Plänen
Almdssy's, beziehungsweise Kossuth's anhiengen, in Ver-
bindung stand und Beide unterstützte. In diesem ganzen Zusammen-
hange gewinnt nun eine gelegentliche Notiz Theodor von B e r n-
hardi's erst ihre Bedeutung. Damach erzählte König Victor
Emanuel am 20. Juni 1866 dem Grrafen Usedom und Bern-
hardi, »er habe die Eroberung von Venezien und w^as damit
zusammenhängt, die Expedition nach Dalmatien, die Insurgierung
Ungarns, den Heereszug nach Wien, Alles schon vor zwei
Jahren ganz allein und ohne fremde Hilfe unternehmen wollen,
aber seine sämmtlichen Generale seien dagegen gewesen«^).
Wohl die Folge davon war, dass im Herbste des Jahres 1864
ein General (La M a r m o r a) an die Spitze des neuen italienischen
Ministeriums trat. Auch Graf Seherr-Thoss erzählt, dass in
Italien für den Sommer 1864 ein Angriff auf Oesterreich vor-
bereitet wurde ^. Gleichzeitig verfolgte die Actions-Partei in Serbien
dieselbe Absicht.
Es ist zweifellos, dass die österreichische Regierung die sich
zusammenziehenden Gefahren kannte. Speciell von der Ver-
schwörung Almässy's wusste sie bereits seit Mitte December
1863 durch die Mittheilung eines Mannes, der von allen auf-
rührerischen Parteien Ungarns eifrig umworben wurde und viel-
leicht gerade dadurch das ewige Conspirieren als ein Unheil an-
sehen gelernt hatte. Sie nahm aber die Sache noch nicht ernst,
obwohl bereits am 2. Januar 1864 in Gerasdorf nächst Wien eine
anscheinend nach Ungarn bestimmte Partie von Waffen auf-
gefunden wurde. Beide Verschwörer-Gruppen hatten nämlich
schon seit dem letzten Herbste die Verfrachtung von Waffen
nach Ungarn in Angriff genommen. Die späteren Untersuchungen
Hessen die Aufgeber in Italien und in Frankreich vermuthen. Als
*) »Aus dem Leben Theodor von B e r n h a r d i'sc, VII, S. 84.
*) >Erinnerungen aus meinem Leben«, in der »Deutschen Rundschau«, Jahr-
gang 1881, Heft 10, S. 65.
25 Kienast.
Einbruchsstationen dürften ausser Feldkirch im Lande Vorarlberg
auch Fiume und Belgrad in Aussicht genommen worden sein.
Die kaiserliche Regierung zögerte auch noch mit dem Ein-
greifen, als neuerdings am 20. Februar sechs Kisten mit 396 Gewehr-
läufen in Gross-Kanizsa saisiert wurden, welch' letztere der
Büchsenmacher des Infanterie-Regiments Nr. 48 als piemontesischer
Provenienz bestimmt erkannte. Die Spedition liess sich über
Klagenfurt, Bozen, Innsbruck und Feldkirch bis nach Zürich ver-
folgen. Spuren wiesen nach Paris.
Es bedurfte noch einiger Wochen, bis die Erhebungen der
Behörden so weit gediehen waren, dass man zur Verhaftung be-
stimmter Personen als Theilnehmer und Förderer der Verschwö-
rung schreiten konnte. Am 16. März endlich wurden in Pest in
ihren Wohnungen um 5 Uhr Morgens festgenommen: der Guts-
besitzer Paul von A 1 m d s s y, der Gutsbesitzer Stephan von
Xedeczky, der Verwaltungsrath der Neutraer Bergwerks-
Gesellschaft Ludwig von Benitzky, der Advocat Ludwig von
(x d s p d r, ehedem eine der regierungsfeindlichsten Personen des
Somogyer Comitats; der Buchhändler Emil Sebes, bei Vildgos
Honved-Major, vordem kaiserlicher Officier; Gabriel von Giemen-
tis, Beamter der Pester Versicherungs-Gesellschaft »Phönix«, bei
Vilagos Honved-Major im Stabe Pöltenberg's, vordem kaiserlicher
Officier; der Hausbesitzer und Schriftsteller Ladislaus Szellestyey,
1861 Landtags- Abgeordneter, Mitglied der Beschluss-Partei ; der
Privat-Beamte Ludwig Lezsäk, im Revolutionskriege Honved-
Major, vorher kaiserlicher Officier, seit 1859 im Bezüge eines
kaiserlichen Gnadengehaltes von jährlich 210 Gulden. An demselben
Tage wurde in Waitzen Ludwig Z a m b e 1 1 i von Bieber stein
verhaftet, der über 17 Jahre als kaiserlicher Husaren-Officier ge-
dient, es hierauf in der Honved-Armee bis zum Oberst gebracht
hatte und seit mehreren Jahren in Waitzen ein gutgehendes
Speditions-Geschäft betrieb. Bei seiner Ergreifung fand man in
seinem Magazin vier Kisten vor, die 88 ganz neue Jägerstutzen, nebst
zugehörigen Bajonnetten, Scheiden, (lewehrriemen und Kugel-
modeln enthielten, von Wien eingelangt und nach Losoncz be-
stimmt waren. Auch nach seiner Abführung nach Pest kamen an
seine Adresse mit dem Donau-Dampfer vom 19. März noch fünf
Kisten gleichfalls mit Jägerstutzen und Bajonnetten an.
Weiters wurden noch eingezogen: am 17. März: Albert vor
Xemeth, Gutsbesitzer, gewesener Honved-Major; Johann H-.
vath, I^eamt<»r der Pester VersicherunL'"s-(Tesemch^"fr »l^bönw-
Die Legion Klapka 1866. 2 7
erst kaiserlicher Husaren-Officier, dann Honved-Oberst; Bela von
M d r i a s s y, Gutsbesitzer, als Landtags- Abgeordneter d. J. 1 86 1 ,
Mitglied der Beschluss-Partei ;
am i8. März: Ludwig S a 1 a m o n, Gutsbesitzer, Mitglied des
Debrecziner Reichstages und der Beschluss-Partei im 1861er
Landtage ; Eugen von Nedeczky, Bruder des Stephan N e-
d e c z k y, erst 2^ Jahre alt;
am 1 9. März : der Realschüler Julius V e g e s ;
am 2 1 . März : Ludwig von A s b ö t h ;
am 22. März: Eugen Nag y, gewesener Honv6d-Oberst, vor-
dem pensionierter kaiserlicher Officier; Theodor Sponner,
Deputierter des Landtages vom Jahre 1861.
Andere, die noch auf der Liste der zu Verhaftenden standen,
fielen der Behörde nicht in die Hände ^ ). Im Verlaufe des Processes
wurde am 26. Juli noch eingezogen Ludwig von P 1 a c h y, Advocat
und Grundbesitzer, einer der eifrigsten Mitkämpfer des Guerilla-
fiihrers Benitzky, im Landtage von 1861 Anhänger Teleky's.
An WaflFensendungen wurden nach den ersten Verhaftungen
noch saisiert: am 20. März in Gran 3 Fässer mit Revolvern,
Cavallerie-Pistolen und -Carabinern, iio Cavallerie-Säbeln und
104 kurzläufigen Kapsel-Gewehren; am 23. und 25. März theils in
Klagenfurt, theils in Bozen 7 Kisten mit 605 Gewehrschäften,
ebenso vielen Bajonnetten und Ladestöcken, dann 1 2 Gewehrläufen.
Da die Zahl der Gewehrläufe und -Schäfte sich nicht deckte, war
die Sendung, obwohl sie begreiflicher Weise nicht fortgesetzt
wurde, nicht vollendet; sie war auch nach den, dem Spediteur in
Klagenfurt im voraus bezahlten Kosten in viel grösserem Um-
fange geplant.
Die durch die inhibierten Waffen transp orte gegebenen That-
sachen, weiters die Geständnisse Ludwig von Asböth's vom
31. März und die ersten Erhebungen setzten das Militär-Gericht
in die Lage, dem commandierenden General von Ungarn schon
am 18. April zu melden, es sei mehr, als eine vage Vermuthung,
»dass die bewaffnete Erhebung im Lande durch die Emigration,
insbesondere aber durch die unmittelbare Mitwirkung K o s s u t h's,
dann durch Zusicherungen und Versprechung einer Oesterreich
feindseligen Regierung (seil. Italiens) unter ^litwissenschaft der
französischen Regierung veranlasst uud unterstützt worden ist*.
*) Der Fester Advocat Ij:;naz L a n g h endete bald nach der Verhaftung durch
Selbstmord.
23 Kienast.
Die Geständnisse Benitzky's vom 29. April und Stephan
Nedeczky's vom 10. Mai erieichterten die gerichtliche Unter-
suchung* und gaben ihr genauer umschriebene Ziele. Auch wurde
es, nachdem der nur in Folge einer Namensverwechslung ein-
gezogene jugendliche Julius V e g e s schon bald wieder freigegeben
worden, nun möglich, am 7 . Juni Spönne r, N6meth und
Xagy, weiters am 25. Juni Eugen Nedeczky, Horväth,
M d r i ä s s y und S a 1 a m o n der Haft zu entlassen. Im October be-
fand sich Ludwig von Asböth gleichfalls wieder in Freiheit.
Von den übrigen Verhafteten fiel Emil S e b e s gelegentlich eines
P'luchtversuches der Kugel des Militär- Wachtpostens zum Opfer.
Trotzdem sich sonach die Untersuchung nur noch auf neun Personen
erstreckte, dauerte sie doch bis in den Beginn des nächsten Jahres
hinein an. Das lag nicht nur an der Bedeutung der einzelnen Ge-
fangenen, sondern auch an der Schwierigkeit der Erhebungen, die
vom Polizei-Ministerium zum Theile nur auf confidentiellem Wege
gepflogen werden konnten.
Am 6. Februar 1865 wurde endlich in Ofen den Gefangenen
das Urtheil verkündet. Laut der »Wiener Zeitung* vom 10. Februar
wurden »des Verbrechens des Hochverraths schuldig erkannt und
verurtheilt und zwar a) aus ihrem Geständnisse: Stephan von
Xedeczky, Gutsbesitzer und Ludwig Benitzky de Benitz,
Verwaltungsrath, jeder nebst Adelsverlust im Wege Rechtens
zum Tode durch den Strang, im Wege der Gnade zu zwanzig-
jährigem schwerem Kerker; b) aus Zusammentreffen der Umstände:
Paul von Almässy nebst Adelsverlust zu zwanzigjährigem
schwerem Kerker. Ludwig von Gaspdr nebst Verlust des Adels
und der Advocaten-Befugniss, Ludwig Z a m b e 1 1 i von B i e b e r-
stein nebst Verlust des Adels, Gabriel von Clementis nebst
Adelsverlust, Ludwig von P 1 a c h y, Advocat nebst Verlust des
Adels und der Advocaten-Befugniss und Ludwig Lezsak nebst
Verlust seines Gnadengehaltes jeder zu vierzehnjährigem schwerem
Kerker. Endlich Ladislaus von S z e 1 1 e s t y e y nebst Adelsverlust
zu sechsjährigem schwerem Kerker.*
Mit Rücksicht auf die Höhe des Straf ausmasses betonte die
* Wiener Zeitung« vom 28. Februar 1865 am Schlüsse eines aus-
führlichen Referates über dit.» Ergebnisse der gerichtlichen Unter-
suchung, ^dass die meisten der Verurtheilten in früheren Jahr^..
wegen dergleichen Verbrechen zum Tode und im Weg^ '^^^
(^nade zu mehrjäbrivrem Kerker verurth^iU hiet-nnf HnrMi V
■^ I Vr-,
Die Legion Klapka 1866. 2q
liehe Huld amnestiert und zur Rückkehr in ihre früheren Ver-
hältnisse zugelassen «< worden seien u. s. w.
Kaiserliche Huld sah auch diesmal wieder den zur Straf-
verbüssung nach Olmütz gebrachten Verurtheilten noch vor Ab-
lauf des Jahres 1865 die Kerkerhaft nach. Sie wurden an be-
stimmten Orten interniert, die sie ohne Bewilligung nicht ver-
lassen durften.
Aus dieser kurzen Darstellung ist zu ersehen, dass die
kaiserliche Regierung sich ein Verdienst erworben, indem sie
durch die Verhaftung der Verschwörer dieselben hinderte, ihr
schon ziemlich weit gediehenes Complot gänzlich durchzuführen.
Wenn es aber demzufolge zunächst auch zu keinem aufrührerischen
Acte in Ungarn kam, so hat die Verschwörung Almdssy-
Nedeczky doch die Grundlagen einer Organisation gelegt, mit
welcher es unter günstigen Verhältnissen leicht hätte gelingen
können, das Gefüge der Habsburgischen Monarchie ernstlich zu
gefährden. Die folgenden Ausführungen werden zeigen, dass zwei
Jahre später der Versuch thatsächlich gemacht wurde *).
Vorbereitungen der Malcontenten und Emigranten, besonders bei
den Südslaven und Rumänen, für den Fall eines Krieges.
Ein Krieg gegen Oesterreich, das war seit langem die von
der Emigration heiss ersehnte Gelegenheit, um Ungarn »zu be-
freien« und nach ihrer Ansicht glücklich zu machen. Sie hatte
sich daher stets darauf vorbereitet, aus dem Eintritte einer
solchen Eventualität für ihre Pläne Nutzen zu ziehen. Dazu
dienten ebensowohl die Aufrechterhaltung ihrer Beziehungen zu
dem Veneziens Besitz anstrebenden Italien, als auch die Knüpfting
und Pflege neuer Bande mit den Südslaven und Rumänen, welche
Bestrebungen schon in das Jahr 1859 zurückreichen^). Denn die
^) Daraus allein schon ergiebt sich, dass es unrichtig ist, wenn >A mag}ar
nemzet tört^nete«, X, S. 619, die Verschwörung Alraassy-Nedeczky den
»letzten Revolutions- Versuch« Ungarns nennt. Diese Bezeichnung gebührt vielmehr
der aus ihr in gerader Linie abzuleitenden Bildung der Legion Klapka's und wird
derselben auch thatsächlich von Csengery > Franz D e a k«, deutsch von Heinrich
(S. 170), beigelegt.
») Kossuth, »Schriften aus der Emigration«, I, S. 164, 387, 393, 399, 417
und ff., S. 437 und ff., S. 452 und ff. etc.
-yQ K i e n a 5 t.
Haltung dieser Völkerschaften in den Jahren 1848 und 1849 war
der Durchsetzung der Wünsche Ungarns gar sehr hinderlich ge-
wesen. C a V o u r hatte sich den Anknüpfungsversuchen zwischen
der ungarischen Emigration und den Höfen von Belgrad und
Bukarest durch entsprechende Weisungen an die dortigen
italienischen Consuln stets sehr förderlich gezeigt. Und nicht
ohne Erfolg. Banus FML. Baron S o k e e v i c sah zu Ende des
Jahres 1860 ausser dem Kriege, der sich in Italien auf revo-
lutionärer Basis gegen Oesterreich vorbereite, auch bereits Er-
schütterungen der Türkei voraus, hervorgerufen durch die gerade
damals kräftig in die Erscheinung tretenden Ideen von einem
grossen Südslaven-Reiche unter serbischer F'ührung. In Ueber-
einstimmung mit einem der angesehensten österreichischen Generale,
FML. Baron R a m m i n g, befürchtete er von dieser durch franzö-
sische Agenten und ungarische Emigranten, durch französisches
und italienisches Geld genährten Bewegung angesichts der unter
den österreichischen Südslaven bereits herrschenden Aufregung
auch für Oesterreich eine grosse Gefahr'). Und auch auf die
zweideutige Haltung des Hospodars in Bukarest und die von
dort her drohende Gefahr hinzuweisen, sah sich der Kriegs-
Minister Graf D ege nf eld zur gleichen Zeit veranlasst^). Die
(lefahr war umso grösser, alsKossuth und das durch Emerich
Ivanka mit ihm in Verbindung stehende ungarische Landes-
Central-Comite für die im Frühjahre 1861 geplante Unabhängig-
keits-Bewegung auf eine Streitmacht von 80.000 Mann mit
14.000 Pferden in Ungarn selbst rechnen zu können glaubten^).
Wenn nun auch glücklicher Weise diese (iefahren sich nicht
verwirklichten**), so blieb die Möglichkeit hiezu doch bestehen.
*) Banus S o k c e v i c, 24. November i8oo an den Kriegs-Minister; FML.
R a m m i n g, ii. December 1860 an denselben. Präs.-Registr. des K. M., C. K.
Nr. 5S65.
') FZM. Graf Degen fei d, 20. December 1860 an die commandierend^n
Generale in Herraannstadt und Tcmcsvar, C. K. Nr. 3922.
•) K o s s u t h, »Schriften aus der Emigration«, III, S. 206 und ff.; vergl. auch
III, S. 637 und ff. K o m a r o ra y's Bericht über den gegenwärtigen Stand der
Organisation vom 10. August 1861.
*) Roggc, >Ocsterreich von Vilagos bis zur Gegenwart«, II, S. 177. >Aus
dem Leben Th. von B e r n h a r d i's», VII, S. 289. Wie die Mittheilung eines ver-
traulichen Berichtes aus Pest seitens des Kriegs-Ministers (29. Juli 1861, C. I>
Nr. 3432) an das (ieneral-( ommando in Ofen und andere Acten beweisen, war mu»
sich der ^"*"ihren '" Wien ihrem *ianzen ^Jmf^^^c ♦ — h '■^^' k« -ic«f
Die Legion Klapka 1863.
31
weil auch die Nachfolger Cavour's die Verbindung mit der
ungarische^ Emigration pflegten und deren Verhältniss zu den
Serben und Rumänen begünstigten ^), überdies auch die Emigra-
tion selbst und ihre Freunde in Ungarn seit dem Tode Cavour's
das Schicksal Ungarns mehr und mehr mit der orientalischen
Frage in Verbindung zu bringen trachteten -). Auf die Details
dieser Sache näher einzugehen, liegt indessen nicht in der Ab-
sicht dieses Aufsatzes. Denn so viele Hoifnungen sowohl von den
Ungarn, als von ihren neuen Freunden, besonders von den Serben,
auf das gewonnene Einverständniss auch mochten gesetzt worden
sein, practisch hatte es keinen nennenswerthen Erfolg, weil es
ein Theil mit dem anderen nicht aufrichtig meinte und der eine
den anderen nur für seine Zwecke auszunützen gedachte, dann
aber, weil das Schicksal dieser Völker des europäischen Ostens
zu sehr an die zwischen den Grossmächten herrschenden Ver-
hältnisse und deren Dispositionen geknüpft war.
Auch die unzufriedenen Ungarn hofften von diesen Verhält-
nissen und Dispositionen stets Nutzen zu ziehen. Während aber
Kossuth's Politik auf die Verbindungen mit Frankreich und
Italien und auf Lösung der orientalischen Frage baute, erstand
den Wünschen Ungarns ein neuer Bundesgenosse, als Otto von
Bismarck im Herbste des Jahres 1862 an die Spitze des
preussischen Ministeriums trat.
*) Kossuth, a. a. O., III, S. 605 und fF., 707 und ff.
^) P u 1 s z k y, > Meine Zeit, mein Leben c, IV, S. 78. Schon nach dem Falle
von Gaöta (13. Februar 1861) sagte Türr zu Szedldk isiehe dessen »Enthüllungen
aus der Zeit der ungarischen Revolution«, S. 141), dass, wenn er wieder nach
Ungarn komme, dies nur auf dem Wege über Belgrad geschehen werde. Kossuth
schrieb am i. April 1862: >Der Schlüssel der Situation ist (durch Napoleon III.)
nach Belgrad verlegt....« (»Schriften aus der Emigration«, III, S. 688; vergl. S. 674.)
II.
Preussen und Ungarn seit 1848.
Bis zum Jahre 1862.
Uie alte Verbindung zwischen Preussen und dem protestan-
tischen Ungarn hat wohl niemals aufgehört. Dafür sorgten schon
die Letzteren selber, denn ihre Opposition bedurfte zu Zeiten
einer Stütze. Dies war auch in den Fünfziger-Jahren der Fall.
»Protestantische Cavaliere, wie Baron P r o n a y und Hofrath
Z s e d e n y i reisten fast alljährlich nach Berlin, um die Hilfe
Friedrich Wilhelm IV. mit bestem Erfolge in Anspruch zu
nehmen« und die heftige Agitation gegen das Thun'sche Prote-
stanten-Patent von 1859 hatte zur Folge, dass der Gustav Adolph-
Verein alljährlich viele Tausende von Gulden nach Ungarn schickte,
angeblich, um die evangelischen Kirchen und Schulen wenigstens
theilweise vor der »Jesuiten-Invasion* zu schützen ^).
Wenn nun auch Preussen, gleich England und Frankreich
den Sultan zum Widerstand ermuntert hatte, als Oesterreich
und Russland 1849 von der Türkei die Auslieferung oder Ver-
treibung Kossuth's und der dahin geflüchteten ungarischen
Emigranten verlangten-) und wenn auch 1853 wieder die Aus-
weisung eines der Letzteren, des Grafen Arthur wS e h e r r-T h o s s
aus Berlin vom Minister Manteuffel verweigert wurde ^), so
*) R o g g e, »Oesterreich von Vilagos bis zur Gegenwart«, I, S. 357.
•) K r o n c s, »Geschichte der Neuzeit Oestcrreichs«, S. 716.
*) S e h e r r - T h o s s, »Erinnerungen aus meinem Leben«, abgedruckt in
R o d e n b e r g's »Deutscher Rundschau«, Jahrgang VII (1881), Heft lo. S. 61
Seherr-Thoss macht zur Erzählung dieser Thatsache die Glosse: »Man s^h d'»mah
in Berlin schon kb'er in Bezug auf Unga'-n • .
Die Legion Klapka 1866. ßß
scheint doch zwischen den officiellen Berliner Kreisen und den
Plänen der Emigration kein Zusammenhang bestanden zu haben.
Wenigstens fürchtet Ludwig Kossuth noch am 3. April 1860
ebensosehr von Seiten Preussens, als von Seiten Russlands eine
Intervention im Falle einer Bewegung in Ungarn^). Das wurde
mit einem Schlage anders, als Bismarck an die Spitze des
preussischen Ministeriums trat.
Im Jahre 1 849 hatte Bismarck es in der zweiten Kammer
beklagt, dass Preussen nicht ebenso, wie Russland, an dem Kampfe
gegen die Revolution in Ungarn theilnahm ^). Als aber im folgen-
den Jahre die Reform Deutschlands im preussischen Sinne, be-
sonders durch die Haltung Oesterreichs und Russlands misslang,
kam bei den meisten preussischen Staatsmännern und bei den
besten am stärksten der Gedanke zum Durchbruche, »dass man
den neuen Bund zu einem möglichst schwachen Abklatsch des
alten machen müsse, damit der erste Hauch ihn über den Haufen
werfe. »Unterdessen«, so meinte z. B. Pourtales, der Gesandte
in Constantinopel, »wirken wir unermüdlich gegen unsere besten
Freunde Nicolaus und Franz Joseph; wir flössen den
Türken Muth ein, wdr rathen den Italienern, sich um das Haus
Savoven zu schaaren, wir suchen es der revolutionär-nationalen
Partei in Europa begreiflich zu machen, dass Piemont und
Preussen die beiden einzigen Staaten sind, auf denen ihre Hoifnung
beruht. Solche Gesinnungen waren natürlich für Man teuffei
und den König (Friedrich Wilhelm IV.) ein Gräuel, aber
Beide konnten nicht hindern, dass sie in der preussischen Diplo-
matie wucherten und auch bei Männern Wurzel schlugen, die zu
den wärmsten Anhängern der österreichisch-russischen Allianz ge-
hört hatten-^).« So war denn auch Bismarck bereits nach dem
Krimkriege mit sich einig, dass er Politik machen müsse je nach
Nothwendigkeit im Kampfe gegen die Volksmeinung, oder im
Bunde mit Gewalten, die ihren Ursprung der Revolution verdanken
und 1857 bekämpfte er in einer Denkschrift den Satz, dass sich
eine legitime Alonarchie nicht mit einer Macht verbünden
dürfe, die aus der Revolution hervorgegangen sei. Bald auch
hatte er sich zu einem speciellen Hasser Oesterreichs herausge-
*) Kossuth, »Schriften aus der Emigration«, II, S. 556.
*) R o g g e, >Oesterreich von Vilägos bis zur Gegenwart«, I, S. 126.
') Bulle, >Geschichte der neuesten Zeit«, II, S. 143.
Die Legion Klapka 18dC. 3
^1 K i e n a s t.
bildet, so dass 1859 die preussische Regierung eben mit Rück-
sicht auf den Kaiserstaat es gerathen fand, ihn von seinen Func-
tionen als Gesandten beim deutschen Bundestage in Frankfurt a. M.
zu entheben und nach Petersburg zu versetzen. Als er im Früh-
jahr 1862 nach Paris kam, wussten die dort befindlichen Vertreter
bereits, dass er eine Berufung nach Berlin als Leiter des Mini-
steriums abgelehnt hatte, weil der König ihm nicht > freie Hand
gegen Oesterreich« hatte gewähren wollen.
Die ungarische Emigration gewinnt Verbindung mit Bismarck.
Graf Seh err-Th o ss') will im Gegensatze zu den übrigen
Gliedern der ungarischen Emigration, schon seit 1850 immer der
Ansicht gewesen sein, »dass Ungarn weder durch Frankreich,
noch durch Italien seine gesetzliche Freiheit wieder erlangen
werde, sondern nur durch Preussen, wenn dieses einmal zur Er-
kenntniss seiner nationalen Aufgabe in Deutschland käme und sich
mächtig genug zeige, um sie durchzuführen«. Als daher Bismarck
im Herbste 1 862 nach Paris kam, um dem Kaiser Napoleon III.
seine Abberufungsordre zu überreichen, richtete er ein Schreiben
an den neuen Berather König W i 1 h e 1 m's, worin er sagte,
*) Das Folgende nach dessen »Erinnerungen«, a. a. O., S. 63 und ff.
Arthur Graf Seh err-Th oss wurde am 23. März 1820 zu Bitschin im Kreise
Gleiwitz in Preussisch-Schlesien geboren. Er trat 1837 als Cadet in das 2. preussische
Schützen-Bataillon zu Breslau und wurde zwei Jahre später zum Officier bef«)rdert.
Ein Besuch in Ungarn veranlasste ihn» sich daselbst im Zempliner Comitat
anzukaufen. Darauf quittierte er 1841 seine militärische Charge und schied aus
dem preussischen Staatsverbande. Ungarn ward fortan seine zweite Heimath, in welcher
er sich bald eines grossen Bekanntenkreises erfreute. Im Jahre 1848 trat er in die
ungarische Armee ein und diente im Stabe B e m's, hernach in dem L e i n i n g e n*s.
Nach der Waffenstreckung von Vilagos entzog er sich der drohenden Einreihung in
die k. k. Armee durch die Flucht in das Ausland. Seine angeblich wiederholten Bemü-
hungen, die Erlaubniss zur Rückkehr nach Ungarn zu erlangen, blieben ohne Erfolg.
Er lebte grösstentheils in Paris und Genf und kam daselbst mit allen Grössen der
ungarischen Emigration in enge Beziehungen. Durch den Grafen Ladislaus T e 1 e k y
kam er auch mit dem Prinzen Napoleon in nähere Berührung. Wiederholt liess er
sich im Dienste der Emigration zu diplomatischen Sendungen verwenden. Durch den
Honved-Obersten Nicolaus Kiss de Nemeskör wurde er auf Bismarck auf-
merksam, mit dem er 1862 in Verkehr trat. In die Legion Klapka will er nur als
diplomatischer Attache eingetreten sein. Nach dem Ausgleiche mit Ungarn kehrte er
wieder in sein neues Vaterland zurück, betheiligte sich aber nicht mehr am politische!
Leben. Er starb hochbetagt am 10. Februar 1898 zu Agram. Er war seit 1854 v*
heirath^t m'** Eveline, geborenen Hermann aus Würzburj»
Die Legion Klapka 1866. ^ ^
»wenn es wahr sei, was man von ihm erzähle, dass er ein Feind
von Oesterreich sei, dieses mit Krieg überziehen wolle, wenn
ferner er nicht blos ein preussischer Felix Schwarzenberg,
sondern ein deutscher Cavour zu sein gedenke, dann könne er
auf die redliche und nützliche Mitwirkung Ungarns rechnen«. Für
diesen Fall stelle er sich dem Minister zur Verfügung behufs Ein-
leitung der weiteren Schritte mit den massgebenden Personen
der Emigration und deren Freunden in Ungarn.
Zwei Tage nach Abgabe dieses vSchreibens fand der Graf
auf Einladung Bismarck's sich in dessen Absteigequartier ein
und hatte eine Unterredung mit ihm, über die er berichtet: »Herr
von Bismarck liess sich nun von mir die Zustände Ungarns
und die hervorragendsten Persönlichkeiten der Emigration und
des Landes schildern. Auf seine Frage, auf welche Art wir zu so
genauer Kenntniss der Verhältnisse sowohl bei Hofe, als in der
Administration und im Heere kämen, setzte ich ihm auseinander,
dass sich dies einerseits daraus erkläre, dass ein grosser Theil
unserer Emigrierten den obersten Classen der Gesellschaft an-
gehörte, die sowohl bei Hofe, wie auch im Heere Verwandte und
gute Freunde hätten und anderseits daraus, dass die patriotisch
gesinnten Männer im Lande jede Gelegenheit benutzten, um uns
von den dortigen Vorgängen auf dem Laufenden zu erhalten.
Bismarck kam nun zu dem Puncte, der uns zusammengeführt
hatte (und sagte) : ,Ihre Voraussetzungen sind richtig. Ich habe
mir zum Ziele gesetzt, die Schmach von Olmütz zu rächen, dieses
Oesterreich niederzuwerfen, das uns auf das Unwürdigste behandelt,
uns zu seinem Vasallen erniedrigen möchte. Ich will Preussen auf-
richten, ihm die Stellung in Deutschland schaffen, die ihm als rein
deutschem Staate gebührt. Ich verkenne nicht den Werth, den die
Hilfe Ungarns für uns haben kann und ich weiss, dass die Ungarn
nicht Revolutionäre sind in dem gewöhnlichen Sinne des Wortes.
Uebrigens hat ja schon der grosse Fritz mit unzufriedenen unga-
rischen Magnaten wegen eines Bündnisses unterhandelt. Wenn wir
siegen, wird auch Ungarn frei werden. Verlassen Sie sich darauf.'
— Ich erlaubte mir die Frage, wie er sich die Neutralität Frank-
reichs werde sichern können, welches jedenfalls Gebietsabtretungen
verlangen werde. Darüber hiibe ich keine Sorge mehr, antwortete
Bismarck mit seiner Offenheit, die seither ihm so gute Früchte
getragen hat . . . <
>». . . . Herr von Bismarck forderte mich nun auf, ihm von
Zeit zu Zeit Berichte über den Gang der Dinge und über die
3*
36
K i e n a s t.
Verhältnisse in Ungarn einzusenden, doch möchten dieselben so
verfasst sein, dass er sie dem Könige vorlegen könne. Aber
wie sollte ich ihm die Berichte auf sichere Weise zukommen
lassen, so dass sie vor indiscreten Blicken bewahrt blieben?
,Halt, jetzt weiss ich', rief Bismarc k, ,hier ist ein braver,
durchaus verlässiger Mann, unser Consul Doctor Bamberg, den
werde ich Ihnen schicken. Er thut seine Depeschen in einen
eigenen Sack, der erst in Berlin geöffnet wird/ Damit war die
Unterredung zu Ende, ich aber — ich war plötzlich und zum
ersten Male in meinem Leben zum Conspirator geworden.«
So war denn die Verbindung zwischen dem unzufriedenen
Ungarn und dem officiellen Vertreter Preussens hergestellt und
Graf Seherr-Thoss sendete etwa ein Jahr hindurch regel-
mässige Berichte an Bismarc k, bis er durch eine Krankheit
seiner Frau gezwungen war, Paris zu verlassen. Ob dadurch das
Band zwischen Preussen und Ungarn zerrissen wurde, dürfte wohl
zu bezweifeln sein ; denn Bismarck hatte während seines halb-
jährigen Aufenthaltes in Paris wenigstens noch einen hervorragenden
Vertreter der ungarischen Emigration, den Honv^d-Obersten
Nicolaus Kiss de Nemesk^r, einen Schwager Thouvene Ts,
kennen gelernt ^). Man darf mit Sicherheit annehmen, dass er
damals auch durch den Verkehr mit dem >rothen Prinzen«, der
in Paris so gut als anderwärts die Conspiratoren aus aller Herren
Ländern bei sich empiieng und mit dem ihn der gleiche Hass gegen
Oesterreich verband, genügende Gelegenheit zur Verbindung mit
Ungarn gefunden habe, wenn ihm darum zu thun war. Mochte
das Band auch zeitweise unterbrochen sein, wie dies kurz vor
und nach dem dänischen Feldzuge wahrscheinlich der Fall war,
so Hess es sich doch leicht wieder knüpfen. In der That erzählte
Graf Seherr-Thoss-*), Bismarck habe ihn 1 865 durch Doctor
Bamberg auffordern lassen, ihm wieder Situationsberichte über
Ungarn einzusenden. Und wenn sich der Graf, wie er angiebt,
damals wirklich geweigert hat, mit dem preussischen Minister-
Präsidenten weitere Beziehungen zu pflegen, angeblich weil dessen
anscheinend reactionäre Politik in Preussen für die Sache Ungarns
keine Aussicht offen liess, so fanden sich wohl andere Männer
der Emigration, die bereit waren zu beweisen, dass ( rraf S eher r-
M Vergl. >Kossuth Lajos iratai«, VI, S. 131.
•1 In seinen >Erinnerungen«, a. a. O., S. 68.
Die Legion Klapka 18G6.
37
T h o s s nicht gerade unentbehrlich sei. K o s s u t h nennt ^)
Xicolaus Kiss de Xemesker, den bekannten Honved-Obersten
und Vertreter der Emigration in Paris, dann die nachmaligen
ungarischen Reichstags- Abgeordneten Ernst S i m o n y i und Daniel
Irdny i als Persönlichkeiten, die bezüglich Antheilnahme Ungarns
an dem Kriege von 1866 »zahlreiche und überraschende Aufschlüsse
geben könnten« ; eine Bemerkung, die sich gewiss nicht auf
Ungarns Verhältnisse zu Frankreich und Italien bezieht.
Uebrigens war mittlerweile auch directe von Ungarn aus,
wenn auch auf dem Umwege über Italien, versucht worden, mit
Preussen in Verbindung zu treten.
Versuche einer Anlehnung an Bismarck aus Ungarn selbst.
Zwei der hervorragendsten Männer der Bewegungs-Partei,
Georg von Komdromy und Theodor Graf C s d k y, waren näm-
lich zur Zeit der Verhaftungen Almdssy's, Nedeczky's und
ihrer Freunde nicht mehr in Ungarn, wurden also von dem Arm
des Gesetzes nicht mehr erreicht. wSie nahmen die Pläne ihres
gefangenen Freundes Almassy wieder auf. Dabei waren sie
ebensowohl die Mandatare des mit den Honv6d -Ausschüssen zu-
sammenhängenden geheimen Comitös, als auch der Brüder von
Hammer und Kelle. Diesmal aber handelten sie im Anschlüsse
an die Absichten Preussens gegen Oesterreich, welche bald nach
dem dänischen Feldzuge zu reifen begannen ^). Allerdings hatte Bis-
marck, um Oesterreich im Kampfe um die schleswig-holsteinische
Sache fest an seiner Seite zu behalten, diesem im Februar 1864 den
Beistand Preussens gegen einen etwaigen Angriff auf Venezien
versprochen; aber schon im September desselben Jalires erklärte
der preussische Minister diese Verpflichtung als nur für die Dauer
des Krieges übernommen, daher für erloschen. Erzählt man sich
doch, Bismarck habe, als die dänischen Kämpfe noch nicht ein-
mal zu Endewaren, dem Gesandten Victor EmanueTs schon
einen Wink gegeben, dass Italien sich fertig halten solle, mit
Preussen gegen Oesterreich zu gehen ^). Jedenfalls waren die Pläne
') »Schriften aus der Emigration*, III, S. 706.
-) Johann L u cl v i g h schrieb am 1 1. September 1866 an K o s s u t h : >Ich
wusste, dass Komdromy seit Jahren eine Verbindung mit J^erlin suchte und zu
Hause die Fahne (seil, der Kmp(")rung)aufptlanzen sollte.* >Kossuth Lajos iratai«, VIT, S. ()6.j
•) Reuchlin, ^Geschichte Italiens*, IV, S. 416 und 418 mit Anm. (18. Bd.
der > Staatengeschichte der neuesten Zeit«, Leipzig, Hirzel, 1873.)
38
K i e n a s t.
B i s m a r c k's gegen Oesterreicli anscheinend bereits nahe der Aus-
führung; Komdromy und C s ä k y waren davon rechtzeitig unter-
richtet, gleichviel durch wen. Anfangs 1865 gieng daher Graf
C s ä k y nach Berlin, formell um die Bereitwilligkeit der ungari-
schen Honv^d-Officiers-Colonie in Italien, gegen Oesterreich sich
verwenden zu lassen, daselbst bekannt zu geben ^), thatsächlich
um das von Seherr-Thoss schon 1862 gemachte Anerbieten
zu erneuern.
*j Die ungarische Legion in Preussen 1866. (Auf Grund der Correspondenz des
Honvöd-Generals Anton Vetter von Doggen feld geschildert von Ludwig Abafi-
Aigner im >Pester Lloyd« vom 16. und 17. April 1897.)
Theodor Graf Csdky wurde 1834 zu Bartfeld im Saroser Comitat in Ungarn ge-
boren. Er trat am 23. April 1850 als Regiments-Cadet in das Chevauxlegers-Regiment
Nr. I, wurde nach einem Jahre Unterlieutenant und als solcher am i. December 1852
zum 15. Infanterie-Regimente, am 31. Juli 1854 zum Dragoner-Regiment Nr. 7 trans-
feriert, in welchem er schon am 3. November zum Oberlieutenant vorrückte. Am
I. October 1856 Hess er sich auf ein Jahr gegen Carenz der Gebühren beurlauben.
In dieser Zeit scheint er sich, wahrscheinlich unter dem Einflüsse Georg von Koma-
romy's, der eine geborene Csdky zur Frau hatte, der Politik zugewendet zu haben,
denn er rückte am I. September 1857 zu seinem Regimente ein, um schon am
31. October den Dienst ohne Beibehalt des Officiers-Charakters zu quittieren. Er war
einer jener damals immer zahlreicher werdenden Officiere ungarischer Nationalität, die
aus politischen Gründen aus den Regimentern schieden und auch im Verhältnisse
ausser Dienst des Kaisers Rock nicht tragen mochten. 1860 betheiligte er sich
auffällig an der Säcular-Feier zu Ehren des um die ungarische Sprache hochverdienten
Franz von Kazinczy, einer Feier, die an und für sich berechtigt, damals doch nur
als willkommener Anlass zu einer Demonstration gegen Oesterreich benützt wurde. Sein
politisches Glaubensb^kenntniss legte Graf C s a k y in der ungarisch und deutsch er-
schienenen Brochure >Was wir wünschen. Am I. Mai 1860. Von einem Magnaten«
nieder. Nur dem Erscheinen des October-Diploms dankte er es, dass er damals straf-
los blieb. Im Landtage des Jahres 1861 trat er, wie auch sonst immer, in einem sehr
regierungsfeindlichen Sinne auf. Schon damals war er Präsident einer Freimaurer-Loge
(St. Stephan) mit specifisch ungarisch- nationaler Tendenz und bestrebte sich mit dem
Grafen Alexander K a r o 1 y i in derselben die Meisterstellen festzuhalten, während für
die anderen Mitglieder nur die Lehrlingsstellen zugänglich blieben. Die Polizei schloss
daraus wohl nicht mit Unrecht, dass dem Grafen die revolutionäre Tendenz der
italienischen Freimaurer-Logen vorschwebe und dass in den Lehrlingen nur Organe
geschaffen werden sollten, deren man sich bei revolutionären Ereignissen beliebig be-
dienen könne. Auch an der Gründung der Loge »Ister« zu Genf im Jahre 1863 soll Csdky
beiheiligt gewesen sein. Er lebte viel im Auslande und entwickelte trotz seiner jungen
Jahre eine umfassende und sehr einflussreiche Thätigkeit. Er stand bei dem Könige
Victor Emanuel in hohem Ansehen und war oft und gerne gesehener Gast der
kaiserlichen Prinzen Napoleon. Ueber den Verkehr mit diesem berichtete er nach
dessen Tode in der Artikel-Serie »Der rothe Prinz« im • Pester Lloyd« vom Mai 1891.
Im Jahre 1863 soll er auch für die polnische Bewegung agitiert haben, von d*""^»
Ueb "^ei'"'rn auf Ungarn sich die ungarische Bewegungs-Partei viel versprach. A*. vi
Die Legion Klapka 1866.
39
Was er im Namen Ungarns darbieten konnte, schien nicht
unbedeutend» Graf Usedom erzählte später hierüber : >'Kossuth
hat durchaus keinen Einfluss mehr im Lande und die ungarische
Emigration im Allgemeinen natürlich ebenso wenig. Der im Lande
selbst weilende, Oesterreich feindlich gesinnte Theil der Aristokratie
hat sich an die Spitze der nationalen Bewegung gestellt und
der Leitung bemächtigt. Die Aristokratie führt jetzt das Ruder;
sie hat in Ungarn ein vollständiges »Gouvernement occulte« einzu-
richten gewusst, das neben der officiellen kaiserlichen Regierung
steht. An der Spitze dieser im Verborgenen ihre Mittel vor-
bereitenden Regierung steht ein geheimes Comite, aus ange-
sehenen Edelleuten gebildet und die alte Comitats- Verfassung
bildet die Basis der Organisation. In jedem Comitate steht ein
Honved-Officier der Armee von 1848 als i>Präfect« an der Spitze
und er hat in jedem Bezirke, in jeder Gemeinde, seine Unterbeamten
und seine Vertrauten. So ist ein Netz über das ganze Land ge-
breitet. Von allen diesen Verschworenen kennt ein jeder nur
seinen unmittelbaren Vorgesetzten^).« Und über die militärische
Seite dieser Organisation erfuhr Graf Usedom von Theodor
Csdky: »Das Land ist militärisch in acht Bezirke getheilt, an
deren Spitze ebenso viele Divisions-Generale stehen. Jeder von
im März des folgenden Jahres gleichzeitig mit A 1 m u s s y, Stephan Nedeczky und
den Anderen verhaftet werden sollte, wurde er nicht gefunden. Die Polizei, die ihn
(übrigens in Uebereinstimmung mit ungarischen Kreisen) für einen leichtsinnigen, tief-
verschuldeten Mann hielt, glaubte, er ziehe incognito von Ort zu Ort, um seinen zahl-
reichen Gläubigern nicht in die Hunde zu fallen. Er soll aber damals kurz vorher mit
Komarom y zu Kossuth gereist sein. Csaky's jugendliche Thatkraft und sein
lebhafter Sinn Hessen ihn bald die Oberhand gewinnen nicht nur über den älteren und
angesehenen Georg K o m a r o m y, sondern auch über alle anderen Gesinnungsgenossen.
Die Thatsachen zeigen ihn schon von 1864 her als den Erben der Ideen Almdssy's
und als den leitenden Geist jener Gruppe der Emigration, welche die Lösung der ungari-
schen Frage in deutlichem Gegensatze zu Kossuth anstrebte und nur aus Grüaden
der Klugheit und Zweckmässigkeit es vermied, offen mit ihm zu brechen.
Graf Theodor C s a k y weilt seit Jahren nicht mehr unter den Lebenden.
*) »Aus dem Leben Theodor von Bernhardi's«, VII, S. 17. Graf Usedom, seit
1863 der preussische Gesandte in Italien, stand mit den revolutionären Führern
Ungarns, mit den Kossuth, Klapka, Türr, Csdky und anderen Grössen der
Emigration »seit geraumer Zeit in naher Beziehung, wie sich von selbst versteht, ohne
Auftrag seiner Regierung, aber umso eifriger nach einem persönlichen Herzensdrange.«
So sagt Sybel (»Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I.*, V,
S. 72) über Usedom zum März i806. Er nennt ihn auch ausdrücklich einen
»rührigen Freimaurer«. Seine frühe Verbindung mit den Brüdern der Logen
»St. Stephan« in Pest und »Ister« in Genf, deren Glieder übrigens vielfach auch
italienischen Logen angehörten, wird hiedurch nur noch wahrscheinlicher.
^o K i e n a s t.
diesen hat zwei bis drei, selbst bis vier Brig-aden und Bri^ade-Com-
mandeure unter sich, deren jeder in seinem Bezirke residiert. Weiter
herab sind alle untergeordneten Führer, bis zu den Compagnie-
Commandeurs herab, designiert. Die Letzteren sind die Behörde
einzelner Ortschaften und haben da ein jeder seine angeworbenen,
vertrauten, der Befehle harrenden Leute. Jeder von ihnen kennt
aber nur seinen unmittelbaren Vorgesetzten, untereinander kennen
sie sich nicht. Durch diesen Organismus geht jeder Befehl des
dirigierenden Comites und das Ganze erhebt sich ; doch hat das
Comite nicht gerade in jedem Orte in Ungarn einen solchen
Compagnie-Commandeur angestellt, es giebt Orte und selbst ganze
Landstriche, in denen es keine Organe hat*).«
Der Grund hiefür lag jedenfalls im Operationsplane. Grraf
Csaky erzählte hierüber: »In Beziehung auf die Operationen,
die vorgenommen werden sollen, sobald die Bewegung in Gang
gekommen ist, wird das Land in drei Rayons eingetheilt. **
>Der erste Rayon wird ganz freigelassen, weil man nicht
genügend Anhaltspuncte hat, um sich darin festzusetzen. Diesen
Rayon bilden die Umgegend von Komorn in weitem Umkreise, die
Umgegend von Ofen und Pest und ganz Siebenbürgen. Aus diesem
Lande will man alle Streitkräfte der Szekler und Magyaren
herausziehen nach Ungarn und das Land will man sich selbst
überlassen, d. h. man will nichts darin unternehmen, um nicht
einen Racenkrieg zu entzünden. In diesem Rayon wird man sich
überhaupt auf gelegentliche Incursionen beschränken.^'
»Den zweiten Rayon bildet die (xuerilla-Region. In diesen
Rayon gehören einerseits die Karpathen, das Gebirgsland an der
Nordgrenze Ungarns, anderseits im Süden der Landstrich längs
der croatischen (irenze und drittens als isoliertes Gebiet, gh^ichsam
wie eine Insel in Feindesland, der Bakonv-Wald. Diesen Rayon
wird man suchen durch (juerillas, die sich fortwährend darin be-
wegen und behaupten, in Besitz zu behalten. Die Hütten- und
Bergwerke sind da in den Karpatlu^n von besonderer Wichtigkeit
und es kommt darauf an, sich dieser Hilfsquellen zu versichern.«
*Der dritte Rayon ist der Armei»-Rayon, das echte Magyaren-
Land, das Land an der 'i'heiss. Hier soll vor Allem die Xational-
Fahne erhoben und die ArnKu» für Operationen in grr>sserem
Style gebildet werden. Man hofft, sowie bekaimt wird, dass die
Xational-Fahne an der Theiss «»rlioben ist, auf starken Zulauf au;
»Aus rl*»in Leben rheo(lc)r von Bernharcli's« VlI, S. xz.
Die Legion Klapka 1866. ^j
den ungarischen Regimentern der österreichischen Armee. Alle
Wachtmeister und Feldwebel gehören der Nationalsache an (?)
und da man in den Regimentern bekannt machen wird, dass
jeder, der eine Compagnie herüberführt, ihr Hauptmann wird,
jeder, der einen Zug bringt, Lieutenant, u. s. w., glaubt man auf
Ueberläufer in grosser Anzahl rechnen zu dürfen «
)»Der Dampfboote auf der Donau und Theiss sind die Ungarn
gewiss. Die Commandeurs dieser Fahrzeuge sind meist gewonnen,
man wird sich der Schilfe bemächtigen, sowie das Zeichen zur
Erhebung gegeben ist .... «
»Was Kossuth anbetrifft, den muss man fem halten, er
ist in jeder Beziehung unbrauchbar, denn er gilt als persönlich
feige in Ungarn, er ist eitel und herrschsüchtig; er würde, einmal
eingeweiht, die Dictatur an sich reissen und die Bewegung in
eine extrem-demokratische Richtung zu bringen suchen. Auch
ist der Mann nicht wirklich wichtig, man braucht ihn nicht; ....
in Ungarn hat er in Folge seiner achtzehnjährigen Emigration
jeden wirklichen Einfluss verloren und für die Slaven in Ungarn
ist er geradezu ein Feind. Uebrigens will C s a k y, da es von
mancher Seite gewünscht wird, der Einigkeit wegen gerne thun,
was nöthig ist, um dem Scheine zu genügen und einen offenen
Bruch zu vermeiden. Unmittelbar vor dem Ausbruche will er
gerne Kossuth bitten, dem Comite zu befehlen, was bereits
geschehen ist.« ....
^-Bedächtiger ist das Verhältniss zu Dedk zu erwägen...
übrigens, Deäk weiss um die Sache, billigt die Pläne und die
Thätigkeit des Pester Comites und das Comite thut nichts
Wichtiges, ohne dass er unter der Hand davon weiss.« (! ?)
»Mit Waffen sind die Ungarn zunächst nicht allzu reichlich
versorgt. Sie können für den ersten Augenblick auf 18.000 Ge-
wehre, fast nur Jagdgewehre, rechnen. Diese müssen aber in
kleinen Quantitäten aus ziemlicher Entfernung zusammengebracht
werden, aus den einzelnen Edelhöfen und Schlössern des Adels
nämlich. Csdky selbst hat davon eine ziemliche Menge daheim
auf seinem Schlosse. Mit dieser Bewaffnung w^ollen dann die
Ungarn die Regiments-Depots der österreichischen Regimenter
überfallen, die ihren Werbe-Bezirk in Ungarn haben und sich der
dort aufbewahrten Waffen und Ausrüstungs-Gegenstände zu be-
mächtigen. Das ist der Anfang; dann hoffen sie aus Serbien und
lo Kienast.
Rumänien Sendungen von Gewehren zu erhalten, sowie etwas
Artillerie ^).'<
*) »Aus dem Leben Theodor von Bernhardi's«, VII, S. 32 und ff.
Der hier mitgetheilte Plan stammt in der vorliegenden Form allerdings erst
aus dem Jahre 1866. Doch unterliegt es keinem Zweifel, dass das Wesentliche des-
selben bereits im Jahre 1864 auf dem Papiere und in den Köpfen der Verschwörer
feststand. Zunächst kommt hicfür die frühere Stellung K o m d r o m y's zur Emigration
in Betracht.
Georg von K o m a r o m y, ein Gutsbesitzer aus dem Biharer Comitat, nach
Bernhard i's Bemerkung aus dem Jahre 1866 »ein stiller, anspruchsloser, ältlicher
Mann«, hatte schon 1851 von Kossuth in London Gelder zu revolutionären
Zwecken in Empfang genommen. 1860 war er nahe daran, als der Führer des
Kossuth'schen Anhangs in Ungarn zu gelten. Er war zu Anfang dieses Jahres im
Auftrage seiner politischen Freunde in Ungarn bei Kossuth in London, um sich
mit demselben über die äussere Lage und die Aussichten der Actions-Partei zu
orientieren. Auch die Spitzen der Emigration hielten ihn damals für >einen der
Besten c aus dem Vaterlande, aus welchem hauptsächlich er durch lange Zeit die Ver-
bindung mit ihnen vermittelte. Bei seinem damaligen Besuche in London wurde über
die districtsweise vorzunehmende Organisierung der Action und über die in jedem
Districte an die Spitze zu stellenden Persönlichkeiten berathen. Nach Hause zurück-
gekehrt, berichtete er im Juni an Kossuth und präcisiertc dabei seine Aufgabe in
Ungarn dahin, >für kommende Gelegenheiten die zu gruppierenden Elemente bereit,
dislüciert und evident« zu halten. Im folgenden Jahre > ernannte« ihn K o s s u t h
nach Auflösung des ungarischen Landes-Cenlral-Revolutions-Comitcs mit Zustimmung
K 1 a p k a*s »zum einzigen Comittenten des ungarischen National-Directoriums
mit der Weisung, in rein militärischen Dingen einen Fachmann beizuziehen«.
Komiiromy hielt sich denn auch für verpflichtet, ehestens einen »Bericht über den
gegenwärtigen Stand der Organisation« (vom lo. August 1861) nach London zu
schicken, der II 2.500 Mann Infanterie und 13.900 Cavalleristen als zuverlässige, dann
14.700 Mann als unzuverlässige Insurrectionsmacht für den Fall des Einbruches
Italiens vom Meere aus annimmt und ausser auf die gewesenen, in allen Comitateu
bekannten Honvcd-Ofticiere auch auf »viele, seit dem verflossenen Jahre aus der
österreichischen Armee ausgetretene ungarische (Jfficierc«, sowie auf die ausgedienten
Unter-Officiere reflecticrt. Komdromy musste nach all' dem in di'? Pläne tief ein-
geweiht sein, nach denen z. B. im Frühjahre 1861 der Aufstand in Ungarn hätte vor
sich gehen sollen. Kossuth hielt ihn »etwa drei Jahre hindurch für einen ebenso
entschiedenen, als selbstlosen Verfechter unserer Sache«. Das blieb nicht allezeit so.
»Später«, sagt Kossuth weiter, »traten an die Stelle seiner Selbstlosigkeit
egoistische Intriguen*. Den Schlüssel zu dieser dunklen Anschuldigung bietet der
Brief eines Confidenten des (Jfener General-Cün.mandos vom 18. Juni 1862, wonach
Komuromy am 16. Mai von Kossuth 35.000 Francs erhalten habe, um mit
diesem (ielde im Sinne seiner Instructionen vorzugehen, (gleichzeitig sei Emerich
Ivanka mittelst Decrets ddo. Albano, 9, Mai 18O2 zum Oberbefehlshaber sämmt-
lieber Streitkräfte in Ungarn für eine Eventualität ernannt und bezüglich des Geldes
an K o m a r o m y gewiesen worden. Doch habe Kossuth schon im Juni Csengery
beauftragt, den Beiden den Rest de> (leides sammt allen Ausgaben-Nachweisen ab
zufordern. Der Freund I) e A k's habe sich mit aller Schonung dieser Aufgabe mp»'»-
ZOP*»" und unter Anderem berichtet, dass von jenem (ielde n««r nnr^> -^^»5 »•'■■vm^
Die Legion Klapka 1866.
Feindselige Absichten gegen Oesterreich von allen Seiten.
43
Graf C s d k y's Reise nach Berlin blieb vorerst erfolglos,
weil es den Bestrebungen hoher Frauen gelang, den Frieden
weiter zu fristen. Die Geschichte weiss jedoch, dass es trotzdem
B i s m a r c k's Gedanke war und blieb, die deutsche Einheit unter
Preussens Führung durch Blut und Eisen herzustellen auf Kosten
Oesterreichs ^).
vorräthig seien, worauf am 17. Juni von K o s s u t h ein Schreiben angelangt sei,
welches Komarom 3»^ einen Schwindler, I v a n k a einen Verschwender nenne. Das
Alles sei notorisch !
KLomaromy war also bei dem »Gouverneur« in partibus in Ungnade ge-
fallen und schloss sich hienach dem Kreise A 1 m a s s y's an, dem auch Theodor
C s a k y angehörte. Dieser vorwiegend aristokratische Kreis besorgte nach der
Aeusserung des Letzteren von der Einmen^^ung K o s s u t h's in die Bewegung, dass
dieselbe eine »extrem-demokratische« Richtung annehme.
Die bereits oben (S. 21) berührte Versammlung hervorragender Ungarn,
welche im Juui 1863 beim Grafen Eduard Karolyi stattfand, befürchtete von
dieser Richtung eine anti-aristokratische Bauern-Revolte und entschloss sich daher
damals zu einer blos passiven Haltung. (Zu diesem Beschlüsse düiften übrigens auch
die in den Mai 1863 fallenden Verhaftungen gelegentlich der Jambor-Somogyi'sch^n
Verschwörung beigetragen haben.)
Es ist selbstverständlich, dass Komaromy seinen neuen Freunden seine
Kenntnisse und Erfahrungen zur Verfügung stellte. In der That sind die »drei
Rayons < des Grafen C s a k y, von denen dieser 1866 zu Bernhardi sprach, nicht
unbeeinfiusst von der für 1861 geplanten Aufstellung von acht Armee-Corps, (2 an
der Theiss, i au der oberen Eipel, i an der Waag, i an der oberen Raab, i am
Platten-See, dann je eine »Armee« aus Siebenbürgen und aus Croatien-Slavonien.)
Auch der zweite Rayon C s a k y's, »die Guerilla-Region« hat ihre Vorbilder in den
älteren Plänen, von denen Komaromy wusste.
Dass die von C s a k y 1866 bei Bernhardi erörterten Pläne schon länger be-
standen, gebt auch aus der Eingabe K 1 a p k a's aus Brüssel, den lo. Mai 1866 an
La Marmora (»Etwas mehr Licht«, 19. Capitelj hervor, in welcher der Erstere von
Pest als dem Sitze des National-Comit(^s spricht, von wo aus das Signal zum Kampfe
ausgehen müsse, als dem Knotenpuncte, »der mit seinen zahlreichen Verzweigungen
im Lande mit der im Jahre 1863 und 1864 geschaffenen, oder sehr leicht herzu-
stellenden Organisation die Leitung in den Händen haben muss.«
^) Graf Seherr-Thoss merkt in seinem noch später anzuführenden Tage-
buche am 8. Juli 1866 an: »Bismarck sagte zu mir gelegentlich der Einflüsse,
die er zu bekämpfen hatte : Ja. ich habe mit Intrigueu aller Art, mit Weibern und
Pietisten zu kämpfen gehabt und es war mir ein schweres Werk, die Dinge dahin zu
bringen, wo sie heute sind.v In seinen »Erinnerungen« (a. a. O. S. 71) erzählt der
Graf über seine Unterredung mit Bismarck am 8. Juli 1866 : »Nach einer Viertel-
stunde zurückgekehrt, bot mir Bismarck freundlich einen Stuhl. »So, jetzt wollen
wir eine Cigarre rauchen*^, sagte er : . . . »Sie haben mich auch für einen Junker,
einen Reactionär gehalten. Der Schein trügt. Um meine Zwecke zu erreichen, musste
, . K i e n a s t.
Die ungarische Actions-Partei arbeitete unausgesetzt gegen
dasselbe Oesterreich. Specielle Beweise hiefür, wenn sie erst noth-
wendig wären, sind bisher allerdings nicht an die OefFentlichkeit
gekommen. Doch wird die Sachlage blitzartig erhellt durch ein
Schreiben des Grafen Julius Andrdssy an den damals in der
Süd'Sclnveiz domicilierenden Grafen Seher r-T h o s s vom 5. Januar
1866. Dasselbe ist ein eclatantes Beispiel dafür, wie die Träger der
besten Namen Ungarns mit der Emigration im Auslande in ver-
traulichem Verkehre standen noch in einer Zeit, als der mit grossen
Hoffnungen sogenannte »Krönungs-Landtag« schon seit Wochen
mit dem Ausgleiche sich beschäftigte ; es bildet zugleich einen Be-
leg für die Richtigkeit der Behauptung des Grafen Seherr-
T h o s s '), die Emigration werde durch ihre Freunde am Hofe
in Wien und im k. k. Heere von allen Vorgängen und Verhält-
nissen im Kaiserstaate auf dem Laufenden erhalten^). Das Schreiben
Andrässy's hat folgenden Wortlaut:
»Lieber Freund I Mit aufrichtiger Freude habe ich Dein herz-
liches Schreiben vom 25. empfangen. Die Aufgabe, die uns ge-
worden, ist wohl eine sehr ehrenwerthe, aber eine der schwierig-
sten, die je den zu grossen Dingen schon oft berufenen Söhnen
der Puszta anheimgefallen ist. Wir werden unser Möglichstes thun,
ich diese Rolle «pielen. Beim Könij^e wurde ich von allen Seiten als verkappter
Demokrat verdächtigt; ich konnte sein volles Vertrauen nur gewinnen, indem ich
zeigte , dass ich auch vor der Kammer nicht zurückschrecke, um die Armee-
Reorganisation durchzuführen . . . Dieser Kampf kostet mich jedoch meine Nerven,
meine Lebenskraft! Aber besiegt habe ich Alle! AUeic rief er in prächtigem Zorne,
mit der Hand heftig auf den Tisch schlagend und nannte drei Namen, die ihm
besonders viel Aergerniss scheinen bereitet zu haben.« Die drei Namen waren wohl
jene der verwittweten Königin Elisabeth, der Königin A u g u s t a und der da-
maligen Kronprinzessin Victoria. In Oesterreich war besonders Erzherzogin
Sophie, die Mutter des Kaisers und Schwester der Königin-Wittwe Elisabeth,
um die Erhaltung des Friedens thätig.
*) In dessen »Erinnerungen«, a. a. ()., S. 64.
*) Darin bestand übrigens eine volle Gegenseitigkeit. Die Emigranten versahen
ihre Freunde in l'est mit den politischen Neuigkeiten aus Paris und Turin. Dem
General-Commando Ofen kamen durch seine im adeligen Casino »Nemzeti kör« ver-
kehrenden Vertrauten zahlreiche Briefe von C s e r n a t o n y, I h a s z, K o r m o s. Hei f y,
Gajd^csi, Klapka u. A. in Abschrift zu. Auf diesem Wege wurde auch in Er-
fahrung gebracht, dass K o s s u t h mit D e d k in Verkehr stand und dass der Secre-
tär des Ersteren z. B. am 28. Ai>ril 1862 den Letzteren durch seinen Freund (7 s e n-
gery um Daten angieng, die xlurch einen Anderen schwer zu erlargen wären« und
ihn auch über den Stand der ungarischen Legion in Italien informierte, welch«* r-Uf--.
am 15. November 1861 1220 Mann. yfO Pferde, 90 Maulthiere und 15 (leschüt^- «-'—
wa»- und über Winter sich noch stark '^"rmehrt hatte
Die Legion Klapka 1866. . -
t' o
können aber diesmal nicht sagen, wie in einem Land der ungari-
sche Husar dem Cürassier gegenüber: >Isten, csak n6zz es ne
segits egyiknek sem, majd elvt^gzem en! ^)« Wir müssen decidiert
um den Beistand der Vorsehung bitten.«
»Das Programm der Unternehmung, der Du erwähntest, habe
ich nicht erhalten, werde es mit Interesse lesen. Jedoch glaube ich,
der Moment, wo sich dies arme Land an irgend einer auswärtigen
Unternehmung betheiligen kann, ist noch in weiter Feme^).«
Für die Nachwelt kann es keinem Zweifel unterliegen, welcher
Art das Programm der Unternehmung* war, an welcher nach aus-
wärts Ungarn gemäss der Meinung Andrässy's zur Zeit noch
nicht sich betheiligen konnte.
Bismarck schrieb am 13. Januar 1866 an Usedom nach
Florenz, derselbe solle beim dortigen Hofe wieder anklopfen, die
Krisis nahe und Preussens Haltung in derselben werde durch jene
Italiens wesentlich beeinflusst; zugleich beruhigte er ihn über die
Stellung der europäischen Mächte, besonders Frankreichs. X a p o
1 e o n III. hatte in jener Zeit den preussischen Gesandten ver-
sichert, in einem Kriege zwischen Oesterreich und Preussen werde
er zwar absolute Neutralität bewahren, mit seinen Sympathien
trotzdem auf Seiten des Letzteren stehen^). Das war offtcielle
Politik. Indessen ist es bekannt, dass Napoleon III. häufig eine
der officiellen nicht ganz entsprechende, ihr manchmal sogar zu-
widerlaufende nichtofficielle Politik trieb. So arbeitete er denn
auch damals trotz der Versicherung der Neutralität bereits an dem
Zustandekommen eines preussisch-italienischen Bündnisses. Stephan
Türr, der bekannte Agitator, durch seine Heirath mit einer !Miss
Bonaparte ein Verwandter des Kaisers der Franzosen, war da-
bei Vertrauensmann und Sendbote *). Derselbe kam im Anfange
*) >Gott, sieh nur zu und hilf keinem von Beiden, ich will's schon allein aus-
machen !«
^) »Andrassy-Erinnerunjjen«, aus dem »Pester Lloyd«, vom 30. Mai 1897.
*) S y b e 1, >Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I.«, IV,
S. 263 und 277.
*) Stephan Türr, geboren 1824 zu Baja im Bacser Comitat, wurde 1842 Soldat
im k. k. Infanterie-Regimente Xr. 52 und diente mehrere Jahre als (Gemeiner und als
Fourierschütze (Officiers-I)iener ), avancierte am 3. Juli 1846 zum Corporal, am lo. April
1848 zum Feldwebel und am l. December desselben Jahres zum Unterlieutenant. Als
solcher desertierte er auf Anstiften eines Agenten des Grafen Ladislaus T e 1 e k y,
welcher damals Proclamationen an die ungarischen Soldaten mit der Aufforderung zum
Treubruche vertheilen Hess, am 14. Januar 1849 zu den Piemontesen. In deren Diensten
46
K i e n a s t.
des Februar 1866 nach Florenz und j^ieng von da nach Berlin,
um auch mit Bismarckzu unterhandeln. Die weiteren Ereignisse,
die dann auch der Mitwelt bald offenkundig werden sollten, lassen
sich ungezwungen als Wirkungen dieser Action N ap ol e o n's er-
klären. Ueber dessen Gesinnung beruhigt, verlangte Italien in den
wurde er sofort Capitain und mit der Bildung einer ungarischen Legion in Alessandria
betraut, welche über Fiume nach Ungarn hätte einbrechen sollen. Der Tag vor
Xovarra machte diesen Plänen ein rasches Ende.
Mit den Resten der Legion (etwa 120 Köpfe, grösstentheils Deserteure und
militärpflichtige Malcontenten) zog Türr im Mai 1849 durch die Schweiz nach Baden,
um an den Kämpfen der revolutionären Partei daselbst theilzunehmen. Hier wurde er
zum Major und Commandanten der zu bildenden ungarischen Legion ernannt. Noch im
Mai erhielt er den Rang eines Obersten. In Folge des militärischen Eingreifens der
Preussen fand auch diese Herrlichkeit schon im Juni 1849 rasch ein Ende.
Türr suchte hierauf von der Schweiz aus die Verbindung mit M a z z i n i und den
Gliedern der polnisch-ungarischen Emigration und bot deren Zwecken seine Dienste
an. Er war auch einer der Mitanstifter des Mailänder Attentats vom Jahre 1853, das in
Folge der Wachsamkeit der Oesterreicher so kläglich scheiterte. Trotzdem blieb er bei
König Victor Eraanuel, der sich damals schon der polnisch-ungarischen Emigra-
tion zu seinen Zwecken bediente, in Gnaden und wurde von ihm mit Geld unterstützt.
Gleich K 1 a p k a gieng auch Türr bei Ausbruch des Krimkrieges nach Con-
stantinopel, fand aber ebenso wenig als jener in der türkischen Armee eine ihm zu-
sagende Stellung und kehrte mit dem Genossen nach London zurück. Das Revolutions-
Comito hatte sich nicht veranlasst gesehen, die damaligen, höchst eigensüchtigen
Speculationen T ü r r's und K 1 a p k a's zu unterstützen, so dass Ersterer schliesslich
in Geldverlegenheiten Lam und zu geradezu schmutzigen Manövern seine Zuflucht nahm.
1855 endlich ward er zuerst in türkischen, dann in englischen Diensten mit dem Range
und den Gebühren eines Obersten angestellt, aber schon am l. December von den
OeFterrcichem in Bukarest verhaftet und wegen Fahnenflucht und Verschwörung vor
ein Kriegsgericht gestellt, welches ihn am 15. Januar 1856 zum Verluste seiner ehe-
dem in Oesterreich innegehabten Charge und zu Landes^'erweisung veruitheilte. Dem
schonungsvollen Spruche lagen hauptsächlich politische Rücksichten auf England zu
Grunde. Erst durch diese Episode wurde Türr in weiten Kreisen bekannt und so zu
sagen berühmt.
Im Jahre 1859 kämpfte er unter Garibaldi gegen die Oesterreicher und er-
hielt in einem Gefechte mit den Truppen des Generals Urban am 15. Juni eine
schwere Arm wunde, deren Heilung über sechs Monate beanspruchte. G a r i b a 1 d i
«oll sich in Folge dessen der Sache Ungarns noch mehr als bisher schon verpflichtet
gefühlt haben.
An dem Zuge der »Tausend von Marsala* nahm Türr als Oberst und erster Adjutant
G a r i b a 1 d i*s theil. Nach dem Einzüge in Palermo wurde er General und Comman-
dant der seit dem italienischen Kriege in Italien bestehenden, nun unter Garib an-
tretenden und sich stark vermehrenden ungarischen Legion, nach dem Einzüge ^'
Neapel Stadt-Commandant, in der Schlacht nm Volturno l^efehlshaber einer Divisior
Vermöge scin.s Antheilcs an den darraligen Erfolgen G a r i b a 1 d i's galt er von nt"
an bei einem Theile der ungarischen Emigration in Italien als der zukünftige »'^'»•^
K^^ i; i'-,.,^rr««. Auf G a r i b a 1 d i's Verwend^nir "bcrp^hrr> JV>t» i,<,.^.t«,.v t^ :-,,-,, " , ,- ,
Die Legion Klapka 1866.
47
letzten Tagen des Februar in Berlin bestimmte Vorschläge
Preussens hinsichtlich eines Bündnisses und des Zieles eines Krieges
gegen Oesterreich. Fast gleichzeitig (am 28. Februar) beantragte
Bismarck die Entsendung M o 1 1 k e's nach Italien, da dieser die
active Mitwirkung der Italiener gegen Oesterreich am dringendsten
befürwortete. M o 1 1 k e's . Reise wurde überflüssig, weil in-
zwischen La Marmora, der italienische Minister-Präsident, den
General Govone nach Berlin entsendet hatte, wo derselbe am
Emanuel in der Eigenschaft eines General-Lieutenants in die italienische Armee.
Der König begünstigte auch seine im Herbst l86l erfolgte Vermählung mit der Prin-
zessin Wyse-Bonaparte; die Ernennung zum General- Adjutanten des Königs scheiterte
jedoch an dem passiven Widerstand der italienischen Generale und Würdenträger.
Durch die Verwandtschaft Türr's mit dem Hause Bonaparte stieg sein bisher ohnehin
schon grosser Einfluss auf die ungarische und polnische Emigration. In den Kreisen
der Ersteren wurde diess nicht ohne Neid und Unbehagen empfunden, wie mehrere
Schreiben des nachmaligen ungarischen Reichstags- Abgeordneten Csernatony, z. B.
das vom 4. October l86l (aus Mondovi) und die vom 17. und 26. Mai 1862 (aus
Genua) beweisen. Durch das unbegrenzte Wachsen seines Einflusses wurde er >jeden-
falls€ der Erste in den Reihen der Emigration, übrigens unbeschadet der Geltung
K o s s u t h's, an welchem er länger und stärker festhielt, als die meisten anderen
Exilierten.
In den Plänen K o s s u t h's sind ihm denn auch meist bedeutende Rollen zuge-
wiesen. In den Entwürfen, welche auf dem Abkommen C a v o u r's vom September
1860 mit dem > ungarischen Xational-Directorium« fussten, fungierte er als Leiter der
von Serbien aus nach Ungarn vorzunehmenden Operationen. In den für Anfang 1862
geplanten Unternehmungen gegen die Ostküste der Adria, an denen sich auch Mon-
tenegro und Serbien, im weiteren Verlaufe selbst Rumänien hätte betheiligen sollen,
war ihm gleichfalls eine wichtige Aufgabe zugedacht; unter Anderem war davon die
Rede, dass er mit einer Heercs-Abtheilung aus Montenegro nach Norden vorstossen
sollte.
Wie sich schon aus diesen Bestimmungen ergiebt, hatte Türr vor Allem seine
Verbindungen mit den Südslaven, aber auch mit den Rumänen. Zwischen ihnen, das heisst
zwischen den Führern der Bewegungs-Parteien dieser Völker und der geheimen Politik
Napoleon III. war er oft der Vermittler. Diese Rolle übernahm er auch wiederholt
bei den häufigen Differenzen unter den Führern selbst. Auch den Ministern Victor
EmanueTs leistete er gute Dienste im Verkehre mit dem nicht selten recht wider-
haarigen Garibaldi. Seine Thätigkeit war niemals eine offenkundige und vielleicht
gerade desshalb oft umso bedeutsamer, wie die oben erwähnte Mission nach Florenz und
Berlin beweist. Auch 1870 soll er von Napoleon III. mit geheimen Aufträgen nach
Wien abgesendet worden sein.
Nach dem Ausgleiche kam Türr nach Ungarn zurück, nahm dann aber wieder
Aufenthalt in Paris. Seine engeren Freunde, die Freimaurer, nennen ihn einen unerhört
glücklichen Parvenü, aber auch einen der dunkelsten Puncte in der lichtarmen Geschichte
der Emigration. Seine Schilderung in der Geschichte der Freimaurer-Loge > Matthias
Corvinus« (von Abafi) lautet nicht eben vortheilhaft. Er soll auch in die Panama-
Scandale verwickelt gewesen sein.
48
K i e n a s t.
14. März eintraf. Das Bündniss wurde am 8. April perfect Laut
der Bestimmungen desselben musste der Krieg* gegen Oesterreich,
wenn Italien zur Theilnahme an demselben verpflichtet sein sollte,
innerhalb dreier ^lonate ausbrechen. Es ist bekannt, wie ßis-
marck die Entwicklung der schleswig-holsteinischen Frage ge-
schickt dazu benützte, dass Italiens Verpflichtung nicht erlosch.
Da Türr einmal von den Dingen wusste, die sich vor-
bereiteten, so ist es selbstverständlich, dass er die Grössen der
ungarischen Emigration, die ja nach einem Kriege gegen Oester-
reich lechzte, nicht ununterrichtet liess^). Es ist sonach klar, dass
Graf Seherr-Thoss schon am 25. December 1865 dem Grafen
Julius A n d r a s s y von dem Plane einer auswärtigen Unter-
nehmung schreiben konnte, worauf Letzterer in dem oben mit-
getheilten Briefe vom 5. Januar 1866 erwiderte.
Anbahnung eines Bündnisses Serbiens mit Preussen und Italien.
Türr setzte aber, vielleicht gleichfalls mit Zustimmung des
Erfinders des Nationalitäten-Princips, seines hohen Verwandten,
von seinem Wissen und seinen Hoff'nungen noch vor seiner Ab-
reise nach Florenz auch den serbischen Obersten Anton Ü r e s-
k o V i c in Belgrad in Kenntniss und lud ihn zugleich ein. Alles
vorzubereit<*n, damit, falls der Plan zur Ausführung komme, auch
Serbien und dem Südslaventhume im Allgemeinen geholfen werde.
Denselben Mann verständigte Türr von Florenz aus über seine
Erfolge daselbst und dass er nach Berlin abgeht;. Von dort aus
erhielt Ore.skovic *in den ersten Tagen des April- , das heisst
noch vor dem definitiven Abschlüsse des preussisch-italienischen
Bündnisses durch den preussischen Consul die telegraphische Nach-
richt von Bismarck, dass Serbien, falls es die dritte Macht im
Bunde sein wolle, steine Wünsclie befriedigten könne *-). Die auf
'1 Pulszky wusste thatsächlich bereits vi»r dem Abschlüsse des preussisch-
italienischen Hün<lnisses von den Vorbercitun^^'en zu einem solchen. (»Meine Zeit,
mein Leben<, IV, S. 2V».' Aehnliches behauptet Graf S e h e r r - T h u s s ,in seinen
»Erinnerungen« a. a. O., S. Oo • Vergl. tlazu »Kin l*ariser Dejeuner« von Ferdinand
ßorostvanv im »Pester Llovd« vom luli l8')>.
-) Die Verbindungen Italiens mit Serbien reichen ziemlich weit zurück. Siv
fussten auf den Aussichten auf die L«i>ung der orientalischen Frage. Da Italien a..
<ler präsumtive Besitzer Veneziens auch auf die ehemaligen Dependenzen der Dogen
Republik an der a.lri.itisclu-n Ostküste inclusive Dalmatien) aspirierte, musst^ es n-
Die Legion Klapka 1866. ^q
Anregung des serbischen Minister- Präsidenten Garasanin ge-
stellte Frage nach Garantien für Serbien beantwortete Bis-
marck durch die sofortige Entsendung eines Vertrauensmannes
mit einem Vertrags-Entwurfe nach Belgrad. Mit Zustimmung des
Fürsten Michael gieng hierauf Oreäkovic mit den Consuln
Preussens und Italiens urkundliche Verpflichtungen ein, bei denen
es sich für die beiden Letzteren um Abhaltung der k. k. Grenz-
soldaten von dem Ausmarsch in das Feld, für Serbien um die
Erwerbung Bosniens handelte ^).
den slavischen Anwärtern auf den türkischen Besitz am Balkan gut Freund bleiben.
Seit Jahren war daher ein Halbbruder Victor EmanueVs, Scovasso, Consul
in Belgrad. Derselbe hatte zugleich die Aufgabe, von seinem Amtssitze aus nebst
der Verbindung mit den österreichischen Südslaven auch den Zusammenhang zwischen
Italien und den unzufriedenen Ungarn herzustellen. K o s s u t h erzählt, R i c a s o li
habe Scovasso eben als Ungamfreund auf diesen Posten gestellt.
lieber die Stellung Preussens zu Serbien sagte der österreichische General-
Consul Borowiczka in einem Berichte aus Belgrad, den 4. October 1861: »Sar-
dinien und Preussen spielen hier (in Belgrad) nur zweite Rollen, doch gilt Graf
Goltz in Constantinopel bekanntlich für einen leidenschaftlichen Verehrer des
Serbenthums und scheint der fürstlichen Verwaltung Dienste zu erweisen, ähnlich
jenen, welche der hiesige Consul M e r o n i dem Fürsten M i 1 o § vor dem Sturze des
Alexander Karageorgievich geleistet hat.« Gewissermassen als Pendant hiezu
meldet derselbe Functionär am 28. October 1861, die serbische Regierung schicke
Leute auf ihre Kosten in das Ausland in Zukunft nur noch nach Preussen. »Einst-
weilen wurde die preussische Regierung um die Uebernahme von zwanzig Militär-
Aspiranten ersucht. < (K. A.) »Die auf eine grössere Selbstständigkeit gerichteten Be-
strebungen des alten M i 1 o § und seines Sohnes Michael erfreuten sich der Billi-
gung des österreichischen Cabinets nicht, ganz im Gegensatze zu Preussen, dessen
Gesandter die Serben unterstützte.« (Beer, »Die orientalische Politik Oesterreichs
seit 1774*, S. 581 und ff.)
*) Wenn auch die österreichischen Acten diese von Oreskovid selbst in
Xr. 201 des Belgrader »Dnevni List« (Tagblatt) vom 16. September 1895 (i^ ^C"*
Artikel- Serie »Etwas mehr Licht«) mitgetheilten Verhandlungen nicht bestätigen, so
kann doch die Wahrheit der Berichterstattung des Obersten OreSkovid an dem
Acten- Materiale des k. und k. Kriegs- Archivs sonst so vielfach controliert werden,
dass ihm auch hinsichtlich dieser Verhandlungen die Glaubwürdigkeit nicht abzu-
sprechen ist.
Anton Oreskovic war der Sohn eines österreichischen Capitain-Lieutenants
und wurde am 17. Januar 1829 zu Verpolje, Kreis Petrinja, in Croatien geboren. Er
erhielt seine militärische Ausbildung in der thercsianischen Militär-Akademie zu
Wiener-Neustadt und trat am 2. September 1847 als Unterlieutenant 2. Classe in
das 2. Banal-Grenz-Regiment Nr. Ii ein. Er avancierte am 30. März 1848 zum
Uuterlieutenant I. Classe, am 16. September 1848 zum Oberlieulenant, am 14. August
1853 zum Hauptmann 2. Classe i:nd am 24. April 1859 zum Hauptmann I. Classe.
Nach seinem eigenen Geständnisse war er schon seit dem Jahre 1855 für den gross-
Die Legion Klapka ]860. 4
CQ K i e n a s t.
So hatte Bismarck die europäische Verschwörung- gegen
Oesterreich, der stillschweigend auch Russland und Frankreich
angehörten, glücklich um ein Glied grösser gemacht und war
gleichzeitig am Werke, die Kette im Osten der Monarchie zu
schliessen, indem er eifrig dahin arbeitete, dass den verwaisten
Thron Cusa's in Bukarest ein Prinz des Hauses Hohenzollem-
Sigmaringen einnehme. In einer Unterredung mit dem Prinzen
serbischen (südslavischcn) Gedanken thätig. 1859 hatte seine Haltung anlässlich eines
Waffenschmuggels den Verdacht der österreichischen Behörden erregt. 1862, als nach
einer Aeusserung des commandierenden Generals in Agrara (FML. Baron Soköevid)
»die Dinge, welche einen Umsturz in den südslavischen Ländern vorbereiten sollten,
schon weiter gediehen waren, als man bei der scheinbar herrschenden Ruhe ia diesen
Gebieten hätte glauben sollen«, fiel Oreskovid wieder durch seine prononciert
slavische Gesinnung auf. Am 3. Februar 1862 beantragte daher Baron Sokdevic
die Entfernung des als Soldaten sonst sehr tüchtigen O r e s k o v i c aus der Militär-
Grenze, worauf das Kriegs-Ministerium denselben mit i. März d. J. zum Infanterie-
Regimente Nr. 30 einthciltc. Das war der Anfang einer Reihe von Transferierungen
von Grenz-Officieren aus nationalen Gründen, denen in einer Anzahl von Fällen seitens
der Betroffenen auch dieselbe Antwort ward, die nun Oreskovic gab : er quittierte
die k. k. Dienste 131. Mai 1862) und gieng nach Serbien, wo er vermöge seiner weit-
gehenden Verbindungen mit den österreichischen Südslaven nicht nur gerne aufge-
nommen, sondern auch ein Vertrauensmann des Fürsten Michael, sowie seines
ersten Ministers ward. Auf Betreiben Garasanin's, des Hauptträgers des süd-
slavischen Gedankens, traten auch fremde Diplomaten mit Oreskovic in directen
Verkehr. Sein Werk hauptsächlich ist die Organisierung geheimer südslavischer Co-
mite's schon vom Jahre 1858 an längs der österreichisch-türkischen Grenze von Brod
bis Ragusa und auch im Innern Bosniens, von denen sowohl die österreichischen,
als auch die türkischen Behörden wussten, die sie aber niemals entdecken konnten.
Sie existierten auch 1866 noch.
Orehkovic stand im Verkehr mit dem Grafen Julius A n d r a s s y, mit
K 1 a p k a und T ü r r , durch sie karii er mit Garibaldi, Bismarck und X a-
p o 1 e o n in Verbindung, Die k. k. Behörden kannten seine Bedeutung gar wohl.
Sic wussten, dass er öfter in Verkleidungen mit agitatorischen Absichten kaiserliches
Gebiet betrat. Wiederholt, besonders auch anlässlich eines in Belovdr 1863 abge-
führten, mit der südslavischen Frage in Zusammenhang stehenden Processes gegen den
ehemaligen Grenz-Lieutenant Priljeva, dann gegen Peter Uzelac aus Carlstadt,
Elias Gutesa aus Agram, sowie den griechi>ch-nichtunierten Pfarrer Csorak des
Oguliner Regiments, war der Auftrag gegeben worden, ihn im Betrctungsfalle festzu-
nehmen; er wurde jedoch niemals verrathcn. Oberst-Brigadier von Wagner machte
am 17. Mai 1863 dem commandierenden General FML. Sokcevic Meldung von
Thatsachen, <lie überhaupt auf die starke Verbreitung des südslavischen Gedanken«
schliessen liessen und legte auf die schöntarbenden Berichte der höheren Grenz
Ofhciere keinen besonderen Weith mehr, »weil dieselben vor Monaten das Bestehei
einer \ grossserbischen j Agitation geleugnet haben, während sie jetzt gestehen, da>.
die Sache bereits einen gefährlichen Charakter angenommen hattet. Ein Schreibe»
1«. " vi;,«; xfjni^-»*' i »'om "". 0''*"b'rr '863 bi*zt*''"*"v *^ O r ^ '• i^ ^r '\ c alf len v^'^er*"
Die Legion KUpka lb66.
51
Carl, dem nachmaligen Fürsten und König von Rumänien, rieth
er demselben am 19. April 1866, die Wahl des rumänischen
Volkes anzunehmen und eine vollendete Thatsache zu schaffen.
Russland und die Pforte würden zwar protestieren, Frankreich,
England und Italien aber zustimmen; »Oesterreich wird Alles
aufbieten, um Ihre Candidatur zum Scheitern zu bringen, doch
ist gerade von dieser Seite nicht viel zu befürchten, da ich
Oesterreich für einige Zeit zu beschäftigen gedenke! . . .^)«
Inzwischen dauerte die Verbindung zwischen Ungarn und
Preussen fort. Georg KomAromy und Graf Theodor Cskky
waren ungefähr zur Zeit der Verhandlungen B i s m a r c k's mit
General Govone in Berlin^. Damals schon wurde in der
preussischen Hauptstadt die Bildung einer ungarischen Legion
beschlossen und Bismarck schickte, um das Feld für den
Empfang einer solchen in Ungarn vorzubereiten (»hogy itt
elökeszitse a tert a legio fogadAsdra«), Georg Komdromy in
das Land. »Derselbe trat, auf die Worte Kossuth's, mit der
des Bischofs Strossmayer, zujjlcich als den ausschliesslich mit Leitunjj und Or-
ganisation des bosnischen Aufstandes beauftragten Vertrauensmann G a r a § a n i n*s
und des Fürsten Michael, von denen er monatlich 250 Gulden Gehalt und die
2ur Agitation erforderlichen Gelder erhalte. Auch 1866 wusste man in Wien von
seinen Wühlereien in der Militär-Grenze. FML. Baron Steininger, der com-
mandierende General in Temesvar, nannte ihn am l<^ Mai den »machtigsten Hebel
der slavischen revolutionären Parteit. Scovasso, der italienische Consul in Bel-
grad, welcher Oreäkovi^ ungefähr zur selben Zeit als den »rechten Arm Stross-
mayer'sc bezeichnete, forderte seine Agitationen, welche nicht nur im Interesse
Preussens und Italiens den Ausmarsch der Grenzer verhindern, sondern zugleich auch
diese Letzteren im Interesse Serbiens zu einem Kriegszuge gegen die Türken nach
Bosnien begeistern sollten, wo/.u im Stillen mancherlei Vorbereitungen getroffen
wurden.
^ »Aus dem Leben König Carl's von Rumänien«. Aufzeichnungen eines Augen-
zeugen. I. Bd. (Stuttgart, 1804^ S. 17; vergl. dazu S. 21 und 27, dazu auch S y b e 1,
»Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm L«, VI, S. 345 und ff. Die
Gegnerschaft Oesterreichs gegen die Consolidierung in Rumänien beruhte auf der
»dakorumänischen« Agitation, die ihre Hände auch auf alle von Rumänen bewohnten
Gebiete des Kaiserstaates legen wollte. Hauptträger dieser Agitation war Ivan
B r a t i a n u. derselbe, welcher die Candidatur des Prinzen Carl von Hohenzollem
eingeleitet hatte und diesem am I. Mai I8(i0 in Düsseldorf eine Karte von »Gross-
Rumänien« überreichte. Vergl. auch Beer, »Die orientalische Politik Oesterreichs
seit I774<. S. 589.
' P u 1 s z k y, »Meine Zeit, mein Leben«. IV, S. 230. Vergl. den »Pester Lloyd«
vom 10. April 1897 (». . . Graf (saky, der, kaum dass die preussisch-italienische
Allianz zu Stande gekommen, hier und dort verkehrte . . .<)
4»
C2 K i e n a s t.
äussersten Linkon in Verbindung zu treten, nicht achtend, mit
einigen Mitgliedern der i86ier Beschluss-Partei in Berührung,
deren Politik es war, dass im Falle der Unausweichlichkeit der
Revolution ihr nicht die äusserste (Kossuth'sche) Linke die Rich-
tung gebe, sondern dass jene Partei sie führe, deren Anhänger
bereit sind, nebst der Beschützung der Rechte des Landes je
nach der Entwickelung der Ereignisse mit den Verhältnissen zu
rechnen^).« Komdromy übte damals, wie bald darauf selbst
von einem der hervorragendsten Anhänger K o s s u t h's con-
statiert wurde, auf die von Coloman T i s z a und G h i c z y ge-
führte oppositionelle Linke des ungarischen Landtages (das ist
eben die i86ier »Beschluss-Partei«) thatsächlich grossen Einfluss
aus-).
Die Verständigung B i s m a r c k's mit KomAromy und
Csäky muss damals schon ziemlich weit gediehen sein, denn
Letzterer konnte dem ehemaligen Honved-General Vetter bereits
am lo. Mai, allerdings noch im tiefsten (yeheimniss, eine (erkennbar
preussische) Dienstesverwendung in Aussicht stellen und verlangte
gleichzeitig von ihm eine Liste ungarischer Officiere der Emi-
gration mit Anmerkungen über deren besondere Eignung'). Der
Zweck der Liste ist unschwer zu errathen.
*) K ü n y i, »Deak Fercncz beszcdei«, III, S. 481. Die Stelle enthält keine
Datum-Angabe, ist aber vermuthlich nicht ohne zureichenden Grund zwischen dem
14. und 24. April 1866 eingeschoben.
•) Johann Ludvigh an Kossuth, Brüssel, 27. Mai 1866. (>Kossuth
Lajos iratai«, VI, S. 203.) L udvigh war der Meinung, dass dies nur durch einen
Missbrauch von K o s s u t h's Namen oder durch das Gewicht auswärtiger Ver-
bindungen erklärlich sei. Am 12. September stellte Ludvigh neuerdings fest, dass
die Comitate Bihar, Szatmar und Szabolcs ganz in K o m a r o m y's Händen gewesen
seien und derselbe sogar bei D e a k's Anhängern Vertrauen genossen habe.
(»Kossuth Lajos iratai«, VIII, S. 97.)
*) Das im »I*ester Lloyd c vom 16. April 1897 mitgcthcilte Schreiben hat
folgenden Wortlaut : >Ich beeile mich auf Deinen Brief zu antworten — ich glaube
in der I-age zu sein. Deinen Wunsch zu erfüllen und Dir eine geeignete, Deiner
würdige Stellung zu verschaffen. Ich setze eine einzige Bedingung, die unumgänglich
nöthig ist, damit ich reüssiere und zwar das tiefste Schweigen Deinerseits — sage
jedem Menschen, dass Du müde bist, satt der Täuschungen und Dich nicht rühren
wirst — wenn man in Genf nur eine Ahnung hat, dass Du hier eine Stellung suchst,
und zwar durch mich, kann ich Dir nicht mehr nützlich sein — und ziehe mich
zurück. Ich bitte Dich, bester Freund, diese Wort eines Freundes, den Du stets offer
und aufrichtig gefunden hast, zu beherzigen und zu befolgen. Es durften noch zwe
Wochen verstreichen, bis ich Dich abrufe , bereite Dich so vor, dass Du auf die erst<
Depesche o<ler Brief sogleich abreisen kannst ; wenn Du eine Depesche bekommst
-vird solche Michel oder Barbier» unterfertigt sein. Reise allein • - Du wir»t einii»*
Die Legion Klapka 1866. c-y
Es darf nach dem Bisherigen wohl als zweifellos angenommen
werden, dass Bismarck's Politik mit der Verwerthung der
ungarischen Verhältnisse seit langem, wenn auch äusserst vor-
sichtig, rechnete und dass sie dazu nicht erst den Anstoss von
Italien aus erhielt oder dessen auch nur bedurfte^).
Tage abwesend sein und dann zurückkehren können, um Deine Angelegenheiten in
acht Tagen zu ordnen, um dann definitiv auf Deinen Posten abzugehen. Ich weiss,
dass Dir jüngstens eine nicht ganz unbedeutende Summe zugekommen ist — lege
davon loo Francs zur Reise bei Seite, damit Du nicht eine Stunde Zeit verlierst An-
gekommen, wird für Alles gesorgt werden. Verzeihe, wenn ich nicht deutlicher rede,
ich kann und darf es nicht etc.c
»P. S. Du würdest mich sehr verbinden, wenn Du ohne Säumen mir hieher
eine Liste senden würdest aller jener Officiere, die Du tauglich findest, mit Angabe
zu welchem Dienste.« — etc.«
Zwei Wochen darnach hielt es Graf C s d k y jedoch für noth wendig, dem
General eindringlich an das Herz zu legen, sich durch nichts und Niemand in dem Ver-
trauen an ihn irre machen zu lassen. Seine betreffende Zuschrift (Florenz, 28. Mai
1866) lautete:
»Vor Allem muss ich Dir eine kleine Aufklärung wegen des neulich er-
wähnten Geldes geben. (Vieles durchstrichen, doch scheint Vetter die angedeutete
Summe nicht erhalten zu haben.) Du wirst die Ankunft P e r c z e l's in Turin wohl
erfahren haben, ich bitte Dich, Dich durch gar nichts irre machen zu lassen. Du
kannst fest auf mich bauen, das weisst Du. So lange ich Dir kein Signal gebe, ist
nichts Ernstes und sobald etwas ist, werde ich es Dir sogleich zu wissen geben —
Du weisst sehr gut, dass Du mit uns auf dem richtigen Wege bist — , ich bitte
Dich daher nochmals, Dich nicht irre machen zu lassen, Dich in nichts zu engagieren
und zu binden, — wenn man an Dich irgend eine Aufforderung richten sollte, ant-
worte einfach, dass Du, sobald man Dich aus Ungarn auffordern wird, bereit stehest
— nichts Anderes. Theile mir mit, ob man bei Dir irgend einen Versuch machte —
es würde mir leid thun, Dich auf einem Irrwege zu sehen. Doch ich baue fest auf
Dich, hingegen kannst Du auch unbedingt auf uns zählen etc.«
') Nach Sybel (»Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I.«,
V» ♦^' 73) glaubte man in Berlin nach Berichten aus Ungarn, welche denen
U s e d o m's aus Florenz widersprachen, noch Ende April 1866, dass, abgesehen von
einer kleinen Partei im Landtage, das Land einem Kampfe gegen Oesterreich für
Preussen nicht geneigt sei und dass vor Allem D e a k sammt Anhang dazu nicht zu
haben sei. Usedom, der »seit geraumer Zeit« mit den Häuptern der Emigration
in naher Beziehung stand, hatte seit Ende März eine Meldung der andern nach Berlin
folgen lassen, »welch' treffliche Nachrichten er aus Ungarn erhalten, wie das Unter-
nehmen sich immer hoffnungsvoller darstelle, wie aber ein schneller Entschluss und
namentlich Beschaffung von Geldmitteln dringend nöthig sei«.
Bernhardi will in einem Gespräche mit einem Römer und Gräfin Usedom
zu Florenz am 9. August 1866 durch eine Indiscretion der Letzteren erfahren haben,
»dass der Plan, mit den Unzufriedenen in Ungarn gemeinschaftliche Sache zu machen,
ursprünglich von La Marmora herrührte«. Auch Komdromy behauptete am
20. August 1866, dass La Marmora »im März dieses Jahres und zwar er zuerst
unter Allen, die ungarische Angelegenheit wieder in Anregung und Bewegung gebracht,
CA K i e n a s t.
Es mochte dem preussischen Minister wohl willkommen sein,
wenn es in dieser Sache den Anschein hatte, als würde er nur von
Anderen geschoben. Als aber im Mai Gefahr drohte, dass Italien
mit Oesterreich sich friedlich abfinden könnte, nahm man in Berlin
das ungarische Project neuerdings und energischer -wdeder vor.
Damals empfieng Graf Bismarck in Berlin im Geheimen den
Abgesandten K o s s u t h's, von dem er sich bisher fem gehalten
hatte, nicht nur weil er wohl durch die italienische Regierung,
durch Csdky, Komdromy und den Grafen Usedom zur An-
sicht bekehrt war, der Ex-Gouverneur gelte nicht mehr viel in
Ungarn, sondern auch weil er die persönliche Abneigung seines
nachdem sie lange Zeit über ganz geruht hatte«. (Aus dem Leben Theodor von B e r n-
h a r d i's, VII, S. 237, 259, 283.) Es ist nicht ausgeschlossen, dass LaMarmoraim
März so handelte, um einem Wunsche N a p o 1 e o n III. zu genügen. Dieser sagte
nämlich am 23. März zu Nigra, dem italienischen Gesandten in Paris, »Italien werde
wohl thun, seinen eventuellen Angriff auf die adriatische Küste zu richten und Ungarn
die Hand zu reichen.« (S y b e 1, >Die Begründung des Deutschen Reiches durch
Wilhelm I.«, IV, S. 310.) Jedenfalls handelte er damit nicht nach seinen Ueberzeu-
gungcn. >Der Minister-Präsident I^a Marmora aber«, schrieb Kossuth für das Jahr
1860, »war mir als ein Mann bekannt, der sich von der Fühlung mit sogenannten Revolu-
tionären entschieden ferne hielt«. (»Schriften aus der Emigration«, II, S. 355.'> Als er
1864 zum zweiten Male Minister-Präsident wurde, ignorierte er die Verbindungen mit
den ungarischen Malcontenten zunächst auf das vollständigste ; man kann sagen, er
machte ihrem officiellen Dasein officiell ein Ende.c (Bernhard i, VII, S. 283.) Es
ist bekannt und es wird ihm auch heute noch oft genug verübelt, dass gerade er
die Pläne des Jahres 1866 auf Ungarn vereitelte, indem er die Freiwilligen Gari-
b a 1 d i*s um den Garda-See herum nach Tyrol warf, anstatt sie »nach Dalmatien zu
schicken, wo sie ein Königreich unter Waffen bringen können«. (Bernhard i, VII,
S. 49.) Graf Usedom sagte am 30. Mai: »Hier in Florenz will sich L a Marmora
in keiner Weise auf die (ungarische) Sache einlafscn.« (Ebenda, VII, S. 18.) »Seine
(das ist La Marmora's) starre Haltung hatte den Erfolg, dass zu dem, was 1866 in Italien
im Interesse Ungarns geschah, zu spät geschah, die Anregungen, obgleich sie aus J^erlin
kamen, nicht einmal allein durch Vermittlung des preussischen Gesandten l.' s e d o m
erfolgten, sondern auch geradeaus von Bismarck.« (»Kossuth Lajos iratai* , VI,
S. XVI V.i
Wenn übrigens La Marmora im März 1866 gegen seine Anschauungen mit
den ungarischen Revolutionären wirklich anknüj)fte, fo hat er jedenfalls ausser seines
Königs Wunsch und X a p o 1 e o n's Rath noch zu seiner Entschuldigung, dass der-
selbe Rath ihm »durch ein seltsames Zusammentreffen auch aus Berlin zukam.«
[La Marmora, »Etwas mehr Licht«. Enthüllungen über die politischen und militäri-
schen Ereignisse des Jahres 1866. Aus dem Italienischen. (Maynz, 1873.) 2. Auflage
S. 117.] Vergl. »Pester Lloyd« vom l(*. April r8r>7 : »Die italienische Regierung konnte
sich für diese Idee (in den nunmehr unvermeidlichen Krieg auch die ungarische Frag*,
mit einzubeziehen") nicht besonders erwärmen. Umso hastiger aber erfasste Preussen
dieselbe in der Hoffnung, Oesterreich durch einen in Ungarn zu bewerkstellitrcnde'
Aufstand schwächen zu können.«
Die Legion Klapka 1866.
55
königlichen Herrn gegen K o s s u t h genügend kannte ^). In bindende
Abmachungen liess sich daher der Minister nicht ein, aber K i s s
de Nemesker konnte seinem Auftraggeber aus Berlin, den
14. Mai, dennoch so viel als bestimmt melden, dass bei Ausbruch
des Krieges ein preussischer Heereskörper über den Jablunka-Pass
nach Ungarn einbrechen und die Erfordernisse zur Ausrüstung
einer kleinen ungarischen Truppe, vor Allem Gewehre in grösserer
Anzahl mit sich führen werde-). Damals schrieb M oltke, Oester-
reich habe ein zähes Leben, es könne zwei bis drei Schlachten
ohne besondere Gefahr verlieren, aber eine Revolution in Ungarn
mache der Sache ein Ende. Daher beauftragte er den zu einer
speciellen Sendung nach Italien bereits ausersehenen Theodor von
B e r n h a r d i, in Florenz dahin zu wirken, dass Garibaldi mit
seinen Freiwilligen über Dalmatien nach Ungarn dringe, um der
Bewegungs-Partei daselbst als Ansporn und Rückhalt zu dienen^).
*) Kossuth war noch am 8. Mai über die in Berlin für Ungarn vorhandenen
Dispositionen so wenig im Klaren, dass er zweifelte, ob es überhaupt möglich sein
werde, in Preussen eine ungarische Legion zu errichten. In seinem Schreiben von diesem
Tage an den nach Berlin zu Bismarck abgehenden Honved-Obersten K i s s de
Xemesker apostrophierte er diesen schliesslich: >Ach ! Wenn aber diese Legion
möglich wäre ? Derentwegen müsste dann die ungarische Geschichte vor ninen den Hut
ziehen.« (»Kossuth Lajos iratai<, VI, S. 178 und ff.)
') »K o s s u t h Lajos iratai«, VI, S. 131. So geheim blieb die Zusammenkunft des
Honved-Obersten Kiss de Nemesker mit Bismarck in Berlin (gegen Mitte
Mai), dass P u 1 s z k y (»Meine Zeit, mein Leben«, IV, S. 23) der Meinung war, der
Minister habe den Oberst gar nicht empfangen. Wenn übrigens P u 1 s z k y an der
citierten Stelle bemerkt, Bismarck habe nur zu gut gewusst, »dass Klapka und
dessen Genossen zwar im Stande seien, eine Freischaar zu organisieren, aber nicht
einen Aufstand hervorzurufen«, so spielt er dabei den rückwärts gewandten Propheten.
Die Stelle ist auch desshalb nicht sachgemäss, weil Klapka damals nicht K o s s u t h's
Plänen gemäss handelte, sondern seinen eigenen und denen C s d k y-K o m a r o m y*s
nachgieng, welche allerdings mit jenen des Ex-Gouverneurs ihre Berührungspuncte
hatten.
^) Sybel, »Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I.*, V,
•*^- 73- Vielleicht hatten auch andere Gründe ihren Antheil an der geänderten Behand-
lung der ungarischen Angelegenheit. Ein confidentieller Bericht aus Berlin vom 7. Mai
t866 meldete: »Die Enttäuschung bezüglich der österreichischen Offensiv- uni Defen-
sivkraft ist eine ausserordentliche. Man hatte immer gehofft, die Verwicklungen in
Ungarn würden derartig werden, dass ein erheblicher Theil der österreichischen Truppen
in Ungarn verbleiben müsste; nun hört man hier, dass im Gegenthcile in Ungarn, wie
in den übrigen Kronländern, dieselbe Bereitwilligkeit sich kundgiebt, gegen die ver-
hassten Preussen die Waffen zu ergreifen. < (K. A., F. A. Nord- Armee 1866, XHI,
13« ^. 23) War dies richtig, so war es allerdings höchst nöthig, der Bewegungs-
Partei Ansporn und Rückhalt zu verschaffen.
56
K i e n a s t.
Attentate auf die Fahnentreue der k. k. Armee. (Proclamationen
Ende Mai.)
Kaum waren diese Beschlüsse in Berlin gefasst und bekannt
geworden, so begann alsbald hastige Arbeit bei den Feinden
Oesterreichs. Dessen Kraft in dem bevorstehenden Kampfe be-
ruhte auf der VerläSwSlichkeit seiner Armee, auf der Treue der
Soldaten. Diese in das Wanken zu bringen war also die erste Auf-
gabe. Man hatte ja bereits Vorbilder aus vergangenen Tagen.
Im Jahre 1859 soll es hochverrätherischer Agitation unter den
Kriegsgefangenen gelungen sein, an 4000 ungarische Soldaten
für die ungarische Legion in Italien zu gewinnen^). Als diese
nach dem Eintritte des Friedens zum grössten Theile in ihr
Vaterland zurückkehrten, hatte man nicht ermangelt, sie dahin
zu instruieren, dass sich jeder Einzelne von ihnen, wenn er wieder
in die k. k. Armee einberufen werde, sich als treuer Ungar
(das heisst als ein solcher im Sinne der Revolutionäre) fühlen und
führen solle, dass man auch auf jeden Einzelnen bei neuem Kriege
gegen Oesterreich wieder rechne^. Der rege Verkehr der Emi-
gration mit Ungarn in den Folgejahren, die innerpolitischen Ver-
hältnisse in Verbindung mit der Agitation der verschiedenen
Comites und Verschwörergruppen, die es bis zum Jahre 1864
bereits zu einer dritten Auswanderung aus Ungarn gebracht
hatte •% — air das Hess hoffen, dass neue Versuche nicht auf un-
fruchtbaren Boden fallen würden.
') Oberst Jhasz erinnert übrigens in einem Schreiben vom 18. Juni 1866
an K o s s u t h, man habe 1859 die ungarischen Kriegsgefangenen oft ohne viel
Federlesens zur Legion eingetheilt. (>K o s s u t h Lajos iralai«, VI, S. 337 und fl^^
*j Das Gcneral-Commando Ofen traf mit der Verordnung Präs.-Xr. 42 aus
dem Jahre 1860 Massregeln zur Abwehr der Thätigkeit der aus der Kriegs-
gefangenschaft zurückgekehrten sogenannten piemontesisch-ungarischen Legionäre in
diesem Sinne.
^) Die erste fiel in das Jahr 1848, die zweite in die Jahre 1 860 61, die dritte
in das Jahr 1864. K 1 a p k a, selbst einer der Chefs der Emigration, konnte nicht
umhin, am i. December 1864 diese Thatsache mit folgenden Worten zu verurtheilen :
• Welchen tiefen Antheil ich stets an dem L«)se und den I^edrängnissen der ungari-
schen Emigration genommen, wissen alle die, die während der letzten sechs Jahre
mein Wirken in Italien auch nur halb aufmerksam verfolgten. Ich habe weder tiirect,
noch indirect meine Landsleute aufgefordert, die Heimath zu verlassen ; ich beklag«
diejenigen, die sich dazu entschlossen und ich konnte nicht umhin, diejenigen an
zuklagen, die übermüthig und leichtsinnig diese ganz zwecklose dritte Auswanderunj
(seit 1849) veranlassten.« Im Anschlüsse hieran fallt Klapka ein scharfes Urthcf
über die Art und da>< Treiben <ler Emigration (das übrigens auch K o s s u t h ii
seinen >Schriften aus der Emigration^ oft gcnui' vcrurthei'»^ »"«t folii..r>-l..T, "• -«^n
Die Legion Klapka 1866.
57
Gewiss war auch die Sendung des ehemaligen Honved-
Obersten Michael Thury nach Ungarn im April 1866 nicht die
einzige ihrer Art. Ausser der Erkundung der Festung Komorn
sollte derselbe hauptsächlich die ehemaligen Honved-Officiere
sondieren, ob sie geneigt seien, die ungarischen Soldaten zum
Treubruche zu verleiten und dahin zu vermögen, »im Falle eines
Krieges mit Preussen nicht mit voller Kraft sich zu schlagen,
sondern möglichst überzugehen« ^).
Dass man an den Erfolg solcher Vorbereitungen glaubte,
beweist eine Aeusserung Tür r*s, der Anfangs Mai zu G a b b e,
einem der Redacteure der Pariser »Opinion nationale«, sagte,
>dass man in Kürze von der Treue der Ungarn für den kaiser-
lichen Thron werde reden hören < ^.
Türr soll sich damals verpflichtet haben, dafür zu sorgen,
dass bei den ungarischen Soldaten des k. k. Heeres ehestens die
Desertion einreisse. Diese Aufgabe zu erfüllen, setzte er sich
mit Klapka und Puky (einem der ungarischen Emigration
angehörenden Druckerei-Besitzer in Genf) in Verbindung und
von diesem Triumvirat stammen wohl die Proclamationen, die
bald darauf bei den ungarischen Regimentern, dann in Ungarn
und Siebenbürgen zu verbreiten versucht wurden^).
»Nachdem aber das Unheil einmal geschehen, that ich Alles, was von mir abhieng
und in meinen Kräften lag, um das Los Aller zu erleichtern und aus den wirren,
bunten Elementen den Kern zu einer künftigen nationalen Streitkraft auf ausländischem
Boden zu bilden. Dazu wäre jedoch nothwendig gewesen, dass jeder Ungar in Italien,
von der Aufgabe durchdrungen, durch patriotisches, uneigennütziges Benehmen mit-
gewirkt und nicht, so wie es leider geschehen, durch eitle persönliche Tendenzen
und Intriguen die Erreichung dieses Zweckes unmöglich gemacht hätte. Nun ist es
zu spät, das gut zu machen, was durch fünfjährigen Streit, Hader und durch zahl-
lose Scandale verdorben worden. Ich habe weder den Muth, noch den Willen, die
Angelegenheiten der Emigration nochmals in die Hand zu nehmen« etc. (Mitgetheilt
von G. Abafi-Aigner im »Pester Lloyd« in dem Feuilleton »Aus dem Leben
Klapka's«.)
») Präs.-Registr. des K. M., C. K. Nr. 1854, vom 3. Mai 1866. Nach der
bezüglichen Meldung des Festungs-Commandos Komorn vom 30. April soll Thury
am 27. April von Neutra nach Komorn abgereist, auch in Pest gesehen worden und
in verschiedenen Kleidern, deutschen und ungarischen, aufgetreten sein. Man sagte,
er wolle nach Preussen zurückgehen.
*) Auf vertrauliche Notizen beruhende Mitlheilung^ des k. k. Polizei-
Ministeriums vom II. Mai 1866 an das Kriegs-Ministerium, C. K. Nr. 2207 vom
18. Mai 1866. Türr war am 7. Mai von Paris nach Italien zurückgekehrt.
^} Das Kriegs-Ministerium machte mit der Circular- Verordnung vom 18. Mai
1866, C. K. Nr. 2207, auf das Erscheinen dieser Proclamationen aufmerksam und
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.ftd81 .OS: 80ißm ^ßojoloS
Die Legion Klapka 1806. cg
»Beeilt Euch ! Hier erwartet Euch die ungarische Fahne und
die ungarische Führung — zweifacher Sieg und der Segen zweier
Nationen. -<
Bologna, 20. Mai 1866.
»Euere italienischen Brüder^).«
Eine zweite Proclamation war an die vorwiegend croatischen
Grenz-Soldaten der k, k. Süd-Armee gerichtet und lautet in
deutscher Sprache :
»Brüder!«
»Unser Aufruf gilt nicht den bedauernswerthen, ziellosen,
bezahlten, räuberischen Dienern, die weder Treue, noch Glauben
besitzen; diese möge Oesterreich zu ihrem eigenen Verderben
festhalten, sie und andere unglückliche Betrogene,«.
> Unsere Sache ist an jene tapferen und treuen Söhne des
Vaterlandes gerichtet, welche unter dem verhassten schwarz-
gelben Banner dienen, voller Entrüstung über das Elend. Für
diese hat die Stunde geschlagen.«
>Eilt daher, eilt !«
-Der Kampf Italiens um Venedig wird Euch gleichzeitig
Freiheit, Ehre und schöne Zukunft verschaffen, denn der italienische
Krieg ist auch der croatische und auch dieselbe Unabhängig-
keit von dem nämlichen Gegner, das ist dem verwünschten Oester-
reich er.«
»Eilt daher weg von den verhassten Fahnen, sei es in Ab-
theilungen, sei es einzeln, unter jeder Bedingung, verlasst den un-
ersättlichen Adler Eueres Blutes, damit Ihr nicht gezwungen
werdet zu kämpfen gegen den Grundsatz der Menschlichkeit, was
Euch für den Fall des Sieges nur Schande, Euerem Vaterlande
aber nur schwere Ketten bringen würde.«
»Kommt, Brüder! kommt unter jeder Bedingung, denn das
Verbleiben dort, wo Euch der Befehl des Despoten und Unter-
drückers Eurer Nation festhält, wäre Untreue, Vorwurf und Grab
Eures Volkes und der Muttersprache! <
*Ist es nicht thatsächlich ein Wunder, dass die Erde solche
ritterliche Männer hervorbringt, wie den tüchtigen Garibaldi
und den edlen Victor Emanuel, der Eine ein Feldherr, der
) Beilage Nr. 1.
()0
K i c n a s t.
An(l«*rt» drr itali<»nische KönijsS beide Huere tliatkräfti}4"en Freunde?
Sie wiirttMi Uiatsächlidi auf Kuch, sio mit dem ganzen italienischen
He(»re ! -
Kommt Brüder! wir reichen Euch die Rechte: Veryesset
auf die Vergangenheit! AVir sind Brüder und zwar: Croaten und
Italiener, ^lagyaren und Croaten, Italiener und ^lagyaren! Kommt
Brüder!«
■Nicht derj(»nige ist Deserteur, welcher eine unwürdige
Sache vt^rlässt, sondern derjenige ist verflucht, der die Freiheit
vergiftest, einen And(;ren erdolcht und sich selbst eiserne Ketten
M'hmie(h»t. Die wahre iM'tiiheit ist (ileichberechtigung. Das Fun-
dament der Nation, Unterricht und Handel, Eisenbahnwesen be-
sitzt Ihr Alles nicht und auch verhind(»rt werdet Ihr, für die
Armen (;in Stück Brod zu finden, was C)(\st(»rreich weder gegeben
hat, noch auch zu geben im Stand«* ist. AVenn Ihr unterrichtet
wordt*n wartet, so hättet Ihr schon lange das Joch der Habsburger
nicht getragen, (ileichwie ein Jüngling seine treue Liebe, so er-
wartet Italien die armen Brüder !•<
■Möge die heilige Dreieinigkeit segnen einen jeden, der zu
uns kommt, um den slavischen Ruf zu hören: Croatien, Slavonien
und Dalmatien frei!-
-Es mr>gt» der Fortschritt leben und unsere unterdrückten
V(>lker, dagegen mr)gen die ( iräber sich offnen und das Habs-
burger-! laus versclilingen!
•Ankömmlinge! Euch (»rwartet in dem berühmten Italien die
vaterländisch«* Fahne und die Colonnen der tapferen und treuen
l^reunde. Mit (Tottt\s und Anderer Hilfe hoifen wir, dass Ihr an
der Save und Drau dir croatischen Fahnen flattern sehen werdet.-
Bologna, am 17. Mai iSü().
• luiere italienischen Brüder ^).r
^) Die l'nicl.uiuiliuii der italienischen lirütler« an die Unj^arn und Südslaven
<ler k. k. Armee, welche aul ausser'«! «lünnes l'apier [jc<lruckt waren, cijjnclen sich eben-
so w<dil zum Anschl.ij^e, als zur heimlichen X'erhreiluujj. Die ersten l'lxemj)laie, welche
drr Militär-Jtehürde zu (iesichte kamen, waien jene, die. um Steine «gewickelt, über
die Mauern der San Li»ren/o- Kaserne in Vicenza ^rwinlen, vun der Mannschaft des
II. Ilusaren-Kr^^imenls aber solort den vorjje>etzten (Mficieien ein j^ehändi^jt wurden.
Das Cummando tle.«« Kej;iments er««tattele am 7. Juni l>'b(t hievon «leni Süd-Armee-
i'iMumando die Meldung. iK. A.. V. A. Sü<l-Arn.ie iSOO. \I, S. 04. 1
I'MI.. ]I a I t u n ;;, der Commandant d<-'> <». Armee-('i>rp< in Italien, rechnete auf
die l-.rt«»lj;l(»>ij^keit der Ver'-uchun^, ;^l«'iili ihm wohl tlie niei>ti-n < >ll"icicre, die er und
herna« h aucl» ila»- ("i-TiuKanilo *ler k. k. Süd-Armee /ui Achl>amkeit und I-jnwirkuD^
.lul den <ici^t der ManuMli.itt eim.dinte.
Beilage
Bratjof Nam|er« nsM nije bana, «mIm, dte neTidima cid. Plac«a« »Inge n-
lomstra, Icoje nemajo ai viene niti oUebine, nek ih d«ni Aulria u propast nj«-
lioD, OTih, i drtgih kotkaTicki rararica.
Ridc uso katemo OQima brabrim i rierniiii ainova oUcbine , ko oalaiete pod
cernom * aoiin baijakom AMnaAlga, poni plamena vileskoga: sa ove kteaoje «as.
Bjetite d«Ue, bjexite. Tojna Tatlanska i'dobiikam MIetcima, datl £e rama « isto
Treone sloboda slama i koristim bndoteötl: kao Talianskt oraj je rat i Herrauki;
cilj jedna, neuTliimoti-a duuDanltta» OTdjeua i kod faa^ imamo nerakoga AofttrijaBa.
Bjeciie dakle meraene i prokleta barjake, s'cetima olle pojedino, Bratja, na sTakl
na6in: MtaTte orla neaiioga kerolje vase, da ne badete sileni boritise proti jedna
sTieta i 6onTie6eska sverko, koju i dobiti, bila bi od rase strane tramosl najfeia,
propaal ▼•lika, i nofi laoac teakt otacbiie faae.
AjiCe, Bratjo» ajte »a tfiki niöin. (Htati ondlje boreöiae gdje vas stanofi Inpei prava
i meaar taae narodnosti, bila bi neTjera , iidati i sakopäti nadeide naroda ko vas
lancise izosttti milo slofo materinako.
Mje Teöe i bcneit?ane dike? Kad rodt aettija takafi Kraljefite, siinog, Oaribaida
i oeaiaog Vikter-Iemattaala, Jedaa MaraUki vodja , dragi Talianakt kral} SiloTiti ,
pröjateija rase? leat, onl tcielom TaHamskim pakom, fikii : AJle, Bratjo; rro-Tama
deaaice; za Boga laboraTite proslo: jesino bratja, braljt HerTate i Laiina, Majare
i Henrate, Latloe i M^are; Aste, bratjo!
Kiiß od bjeiaiiiky deaentlrac ölte aramomi biegmac, ko doatigae natave iloboda;
— alle proklet lemlje l iieba je onl ko sloboda tmje, cl ko drogoga kolje t z'istim
leletom sfoje ferige Koje.
Riec alobode znacit ravnopraTnost, atemeljit narodooai, acenje, tergoirijo; tvarati
* V m
leleinice, i^oje vi neroaie» i proibeiti da sirotinjak i'djelom ovik naei moae Kas
hljeba: ato Aastria niti data, niti dati nemose; jerbo, da bi vi oceni bill, nebi Ti
od davna- terpili jaram Absbarski.
Kao miades vjema Ijaba
Geka Italia bjedna bra^o«
Nek blagoslovi Sveta Trojica STakoga ko doapie do nas a Kerist, gdje cati böte
▼ik siaTui — Hervauka, Slaronia, i Dalmacija slobodne! ZItIo napredak, i naai
acj^zni narodi; groblje, groblje otvoriti padajocoj Kate Asbarskoi!
wr^v w
L'j 1. . ' . . l :. «'
V ) . . , • ■ \ . .J
^2 K i e n a s t.
Alle drei Proclamationen haben wesentlich denselben Inhalt^
ja theilweise sogar denselben Wortlaut und sind nur so weit von
einander verschieden, als es die Adressaten und die angebliche
Herkunft bedingen. Auf den ersten Blick ist zu erkennen, dass
sie Alle aus derselben Quelle stammen. Ob und inwieweit etwa
die preussischen und italienischen Regierungskreise auf die Ver-
fassung und Verbreitung Eiufluss genommen oder davon gewusst
haben, mag dahingestellt bleiben. Belege für oder gegen fehlen.
Es existieren keine Anzeichen, dass diese Proclamationen
irgend einen nennenswerthen Erfolg gehabt hätten. Die Vorbe-
dingungen eines solchen waren, wenigstens so weit die kaiserliche
Armee in Betracht kommt, entschieden nicht günstig. Viel gefahr-
licher waren die Bemühungen von ungarischer und preussischer
Seite, den widerstrebenden italienischen Minister-Präsidenten
La Marmora zur Unterstützung der auf die Mitwirkung Un-
garns gegen Oesterreich gerichteten Pläne zu gewinnen.
mit dem Videudum vom 28. Juni 1866, O. I. Nr. 216 P dem Kriegs- Ministerium zu-
gemiltelt, welches sie sub C. K. Nr. 2922 vom II. Juli an den Polizei-Minister leitete.
Ein Exemplar derselben hat sich in Abschrift in den Acten erhallen.
Da sich ein gedrucktes Exemplar in deutscher Sprache bisher nicht vorgefunden
hat, mag der ungarische Wortlaut hier angeschlossen werden:
>Vilez Magyarok!«
»Elvegre a megvdltas percze eljött a ti szamatokra is. «
»Hazatok haldlos ellens^ge, az Osztrak, meg van tamadva kct nagy hatalom dltal,
Olasz- CS Porosz-orszdg dltal.«
»E kct orszdg gyozelme egyszersmind Magyarorszdg gyözelme lesz: valamint
bizonyos, hog\' az Osztrdk csak üj Idnczot hozna szegcny hazdtokra.«
>Ezt ti jol tudjdtok, j61 crzitck, vitcz Magyarok, kik undorodva szolgdltak a
feketesdrga hadseregben.<
*K\ hdt, a gyülölt lobogo alöl — el seregesen vagy egyenkcnt, a mint lehet,
de el minden dron ! A ti helyetek nem ott van, a hol hazdtok hdromszdszados zsarnoka
parancsnokol, hanem itt, a hol kct szabad nemzet szabadsdgert es függetlensegcrt küzd.c
»El hdt a gyülölt lobogo alöl, el azonnal s minden üton s minden dron!*
*A szökevcny nem az, a ki az iguzsag a nemzeti jög szövetscgeihez jön dt —
a valödi desertör az, a ki megtagadja a nemzet es szabadsag szent crdekeit s ott marad
a hitszego Habsburg seregcben, a szabadsag es nemzeliseg haldlos ellensegcnei.<
»Ezcrt szdmit redtok K o s s u t h I.aJDS, hazdtok volt kormdnyzöja, G a r i b a 1 d i,
a nepszabadsdg hose, es az olasz es porosz nemzet.*
»Vitezek, ügy dldjon meg a Magyarok Ij'tcne, a mint e negyszcres vdrako^dsnak
megfcleltek.^
• Siessetek ! Itt m a g y a r z d s z 1 ö s m a g y a r v e z e n y 1 e t v d r r d t o k.
Hdrmas gyözelem s hdrom nemzet dldasa. v
Berlin, junius l en 1866.
Die Legion Klapka 1866. a^
Italien unterhielt, wie bekannt, schon seit Jahren Verbin-
dungen mit den ungarischen »Patrioten« und zwar mit beiden
Parteien derselben, sowohl mit der demokratischen, an deren
Spitze K o s s u t h stand, als auch mit der aristokratischen von
der Farbe A 1 m 4 s s y's , C s 4 k y 's , K 1 a p k a's u. A. Die Ver-
bindung hatte die Billigung des Königs Victor Emanuel und
wurde, obwohl La Marmora, wie gleichfalls bereits bekannt,
ihr abgeneigt war, auch unter seiner Minister-Präsidentschaft
durch den Staats-Secretär C e r u 1 1 i aufrecht erhalten ^). Als der
Krieg allem Anscheine nach unvermeidlich geworden, machten
beide Parteien noch einmal letzte Anstrengungen, den einfluss-
reichen Minister-Präsidenten umzustimmen.
Kossuth that es, als »weiland Gouverneur von Ungarn«, in
einer, nach seiner Gepflogenheit breitspurigen lehrhaften Eingabe
aus Florenz, 7. Juni 1866, an La Marmora, in welcher er haupt-
sächlich auch den General in ihm durch den Hinweis auf die
strategische Bedeutung Ungarns in dem bevorstehenden Kampfe
zu überzeugen suchte ^). Nach langen und den historischen That-
sachen allerdings wenig entsprechenden Auseinandersetzungen
und Darlegungen gipfelt dieses Schreiben in der Aufforderung
an La Marmora:
^Bedrohen wir Oesterreich in der Basis, nehmen wir ihm sein
Pivot, schneiden wir ihm seine Communicationslinie ab und
isolieren wir seine beiden Flügel ; wenn es von Italien auf seiner
Linken, von Preussen auf seiner Rechten, von Ungarn in seiner
Basis, in seinem Herzen selbst angegriffen wird, so wird
es verloren sein.«
* Glauben Sie mir, Herr General, verständigen wir uns. Ich
verlange von Euerer Excellenz keine Gunstbezeigungen ; Alles, was
ich verlange, ist eine unparteiische Prüfung der Lage. Ich bitte
Sie um die Mittel, Ungarn zu Seiten Ihres Vaterlandes zu reihen,
Hilfe für Hilfe, Unterstützung für Unterstützung, Interesse für
Interesse,«
La Marmora würdigte dieses Schriftstück keiner Antwort.
Auch die aristokratische »Patrioten «-Partei wählte die Form
einer Denkschrift, um L a M a r m o r a für sich zu gewinnen. Wahr-
M Aus dem Leben Theodor von B e r n h a r d i's , VII, S. 282.
*) Aus La M a r m o r a's »Etwas mehr Lichte, 19. Capitel (Deutsch, Maynz,
18731, S. 303 und ff. Das an dieser Stelle nicht datierte Schriftstück trägt in »Kos-
suth Lajos iratai«, VI, S. 115 und ff. das Datum: »Florenz, den 7. Juni 1866. c
64
K i e n a s t.
scheinlich ist es dieselbe Denkschrift, welche Bernhard i's
Tagebuch am 4. Juni erwähnt^). Das Letztere sagt über ihren
Inhalt nur, dass derselbe sich mit den (uns bereits bekannten)
Unterredungen zwischen dem preussischen Diplomaten und dem
(xrafen Theodor Csaky in Florenz decke und »dass der unga-
rische Reichstag sich sofort, sowie die Erhebung erfolgt ist, in
Debreczin versammeln und die dech6ance (Absetzung) des Hauses
Habsburg proclamieren soll.« La Marmora theilt leider nur
die letzten Sätze dieser Denkschrift folgendermassen mit^):
»Ausser der materiellen Unterstützung ist das Comite auch
noch einige Garantien zu verlangen verpflichtet, nämlich:^
»die Anerkennung der provisorischen Regierung und des
gewählten Souverains;«
»die Bestellung eines Gesandten bei der ungarischen Re-
gierung und den Empfang eines ungarischen Gesandten;«
'»die Verpflichtung der italienischen Regierung, dem er-
wählten und von Italien und Preussen genehmigten (agre6 !)
Souverain die Bürgschaft einer Anleihe zu geben, die fest-
zusetzen wäre, sobald dieser Souverain es verlangt;*
»endlich die gegenseitige Verpflichtung, die Waifen nicht
eher niederzulegen, bis man auf der einen Seite die Integrität
Italiens, auf der anderen die Unabhängigkeit Ungarns gesichert
hat. Letztere auf Grundlage der vollständigen Wiederherstellung
der Constitution von 1848, vorbehaltlich der Modificationen,
welche der ungarische Reichstag im Interesse der nicht unga-
rischen Nationalitäten einführen wird.«
La Marmora bemerkt hiezu in seiner 1873 erschienenen
Schrift: »vSich zu einem bestimmten Zwecke mit einem starken,
festen Königreiche, wie Preussen, zu verbinden, .... das war
Italien sehr vortheilhaft, . . . ; aber Verbindlichkeiten gegen ein
imaginäres Königreich, ohne Soldaten und ohne Geld, wie es
damals Ungarn war, das wäre der höchste Wahnsinn gewesen. €
La Marmora's Handlungsweise im Jahre i8öO lässt schliessen,
dass er auch damals schon dieselbe Ansicht über den Werth
«Mner Allianz mit der in der Luft hängend(*n ungarischen Emi-
gration hatte. K o s s u t h\s langathmige Ausiiinandersetzungen
*j »Aus dem Leben Th':ocior von Bernhardi's«, VII, S. 36: -Kine Denkschrift
C s a k y's j^elesen. die er nur dagelassen hat.* In »Kossuth Lajos iratai . VI.
S. LXI, werden ausdrücklich Csäky und K o ni ä r o m y als die Verfasser ' '
Denkschrift anj^ej^cben.
- Etwas mehr Lichiv, deutsche \usi;abe, S ^lü.
Die Legion Klapka 1866. 5^
Über die Hilfe, die durch seinen Einfluss Italien zu Gute kommen
würde, hat er also nach Gebühr jjfewürdigt, ebenso auch die
imperativen Wünsche der aristokratischen »Patrioten «-Clique.
Es wäre also nicht gerade nöthig, auf die »(larantie-Forde-
rungen* der Letzteren einzugehen, wenn in denselben nicht von der
Neuwahl eines Souverains für Ungarn, die noch dazu Preussen
und Italien zu »genehmigen* hatten, die Rede wäre. Es mag
nämlich nicht uninteressant erscheinen, aus diesem Anlasse fest-
zustellen, wie oft und an wen die Krone des heiligen Stephan
vergeben werden sollte.
G ö r g e y Hess am 27. Juli 1 849 den Grafen Arthur S e h c r r-
Thoss zu sich rufen und sagte zu ihm: »Wer auf dem Throne
sitzt, kann uns schliesslich einerlei sein. Ich habe mich mit
K o s s u t h dahin verständigt, die Krone von Ungarn dem Herzoge
von Leuchtenberg anzutragen, wenn er den gesetzlichen
Eid leistet, die Integrität und die Verfassung des Landes auf-
recht zu erhalttm. Hier ist der Jirief von Kossuth, worin er
sich damit einverstanden erklärt.« (iraf Seherr-Thoss wurde
damals beauftragt, den Antrag in das russische Lager bei Miskolcz
zu überbringen und will sich des Auftrages entledigt haben ').
Der (irund zu dieser Wahl dürfte derselbe sein, den (xraf
C s ä k y am 3. Juni 1 866 dem (irafen Usedom und ß e r n h a r d i
verrieth, indem er nach Auseinande^rsetzung des Operationsplanes
für den Fall einer I^rhebung in Ungarn sagte: -Zum König von
Ungarn denkt man den jungen I lerzog von L e u c h t e n b e r g
*) S c h e r r - T h o s s, »Lrinncrun^jcn aus meinem Le!)cn«, im <). Heft ilcr
» Deutschen Kundschau < vom Jahre l8^il (S. 37c) und ff.)
(iraf S c h e r r - T h ü s s wird \\n Nr. 112 des Budapester »Maj»yar orsz.ig«
vom 23. April lH<>J^) von Stephan (iDri^cy, einem Verwandten des berühmten
unj^ariftchcu Oberj^enerals vom Jahre 1848, beschuhii|»t, in seinen >Krinnerunj»en« sich
aus »mangelhafter Erinnerung oder auch absichtlich^ um seine Erzählung interessanter
zu machen«, eine politische Sendung von Seiten Arthur (ir»rgey's zugemessen zu
haben, mit welcher er von Letzterem nie, weder mundlich, noch auf andere Weise,
betraut worden sei. Seherr-Thoss verwechsle Geschehenes und (ieluirtes, denn
die ungarische Krone sei nicht im Juli, sondern in der ersten Woche des August
1849 und zwar durch Casimir Hatthyany und Szcmerc in directem Auftrage
K o s s u t h's dem Kaiser N i c o 1 a u s I. für den Herzog von Leuchtenberg
angeboten worden.
Die Thatsachc selbst bleibt also aufrecht. Mau muss übrigens Ludwig
H e nt al 1 e r zustimmen, wenn tr bedauert, dass Seherr-Thoss erst nach seinem
am l<). Februar i8<>8 erfolgten Tode in diesem l*uncte berichtigt wird.
Die Legion Klapka. 5
66
K i e n a s t.
ZU erwählen, um der ung'arischen Sache die Sympathien der
russischen Regierung zu gewinnen^).«
K o s s u t h hielt aber nicht an dieser Candidatur fest, sondern
suchte das Heil Ungarns, seitdem der Stern der Napoleoniden
wieder zu steigen begonnen hatte, in der Anlehnung an Frank-
reich und wünschte von nun an fortdauernd J e r 6 m e, den
kaiserlichen Prinzen von Frankreich (den »rothen Prinzen*, auch
bekannt unter dem Spottnamen ^Plon-Plon«) auf den Thron
Ungarns. Fr trug" ihm die Krone, soweit es bekannt geworden,
zuerst am 5. Mai 1859 an, als er in Paris weilte, um Ungarn dem
Kaiser Napoleon III. gegen Oesterreich zur Verfügung zu
stellen-). Ohne Zweifel war der »rothe Prinz« auch in jenem
Documente der Candidat K o s s u t h's, welches derselbe vor seiner
Uebersiedelung von London nach Italien (Mitte Mai 1861, nach
Verlust des Banknoten-Processes gegen die österreichische Re-
gierung) dem bereits grollenden Franz P u 1 s z k y vorlegte. Nach
dem Berichte des Letzteren handelte es sich in demselben um
eincj »gegenseitig verbindliche Feststellung« zur Neubesetzung
des ungarischen Thrones, mit welcher P u 1 s z k y nicht ein-
verstanden war, sondern vielmehr, wenn es nur irgend möglich
sei, auf den Ausgleich mit Oesterreich auf Grund der prag-
matischen Sanction hinwies, indem er Kossuth seinen Wider-
spruch in d(*r Formel kund that: >'l)eak oder G ar ib al di'< '*).
*) »Aus dem Leben Theodor von Bcrnhardi's', VII., S. 34.
Die licrzoj;e von Leuchtenberj» stammen von Kujjen Beauharnais,
dem Stiefsohne Napoleon I. und Vicekönij^ von Italien, ab. Sein zweiter Sohn
Maximilian war seit 1830 mit der ältesten Tochter des Kaisers Nicolaus J. von
Kussland verheirathet und führte seitdem, gleich seinen Kindern, den Titel »Kaiser-
liche Hoheit« und den Zunamen > Fürst Romanowsky«. Seit dieser Ileirath hat
sich die nach einer bayerischen Herrschaft benannte Familie in Petersburg ansässig
gemacht.
*» Kossuth, »Schriften aus der ICniij^Tatioii ., I, S. 241 und AT,
Jt) In einem Schreiben aus Lon<loM vom 2f». August 1.S61 an den Haron Sig-
mund K e m e n y, den Chef-Kedacteur von Deaks Leiborgan >l*e>li Xaplo^, be-
gründete Franz Pulszky demselben seine bereits am 8. Januar lübl gegebene
Demission als Vertreter des ungarischen National-Directoriums in Italien mit mehr-
fachen Differenzen mit Kossuth. Die auf die obige Mittheilung bezügliche, denk-
würdige Stelle lautet dem Wt)rtlaute nach in deutscher Uebersetzung : »Kinige Tage,
bevor Kossuth von Lon<lon gänzlich wegreiste, Hess er mich zu sich bitten. Ich
ei wähne kurz, dass er bei dieser (ielegenheit zu meiner grossen Feberraschung alle
auf unser Vaterland Ue/.ug habenden Schriften vor mir ausbreitete, sowie auch
ein Docu rent ül>er eine gegenseitig verbindliche Feststellung (ConstituierunL'»- V'^"*
Die Legion Klapka 1866.
67
Dass Kossuth die »gegenseitig verbindliche Feststellung«
nur mit J6röme Napoleon, dem Vetter des Kaisers, ver-
einbart habe, dürfte unter Anderem dadurch erhärtet werden,
dass er auch zwei Jahre später, als er gegen Ende des Jahres
1863 durch Stephan Nedeczky und Genossen die Revolution
in Ungarn vorbereiten zu lassen, neuerdings begonnen, diesem
sagte, Prinz Napoleon solle auf den ungarischen lliron ge-
setzt werden^). Und noch 1866 soll Kossuth die ungarische
Krone durch seinen Vertrauten Daniel Irdnyi dem Prinzen
Napoleon angeboten haben, wie Graf Csaky am 24. August
1866 dem wieder nach Berlin zurückgekehrten Bernhard!
erzählte^.
fragte, ob ich sein Vorgehen billige. Ich muss gestehen, dass dieses Document, in
dessen eingreifende Zergliederung ich mich nicht einlassen kann, auf mich eine unaus-
sprechlich schlechte Wirkung hervorbrachte. So sehr es auch unser individuelles (!)
Interesse erfordert, dass wir von einer Dynastie befreit werden, die so viel Schlechtes
über unsere Landsleute gebracht hat, so muss doch dieses Interesse verstummen, wenn
unseres Vaterlandes Zukunft in Frage kommt und da es meine Ueberzeugung ist,
dass nur auf Grundlage der pragmatischen Sanction und der darauf gebauten, richtig
aufgefassten und den Zeitumständen angepassten Rechtsgrundlage Ungarn mit Oester-
reich einflussreich und glücklich werden kann ; da ich ferner davon überzeugt bin,
dass unseres Vaterlandes Zukunft unter der Regierung was immer für eines aus-
ländischen Fürsten, mag er noch so grosse Eigenschaften besitzen, nicht garantiert
erscheint, wenn auch eine Conföderation in das Leben träte, weil dann andere Völker
die Oberhand erhielten und nicht der Ungar ; — so sah ich den Augenblick heran-
gekommen, dass ich Kossuth eine bestimmte Antwort gebe, die ich in die Worte
kleidete : »D c d k oder Garibaldi«. Vergl. dazu auch P u 1 s z k y's Schreiben vom
14. Juli 1861 an Baron K e m (J n y (in »Meine Zeit, mein Leben«, IV, S. 100) und
Kossuth's »Schriften aus der Emigralion«, IIF, S. 696. Kossuth hat seitdem
Franz P u 1 s z k y zu discreditieren gesucht und ihn als Störenfiied in der Emigration,
ja als Feind seines Vaterlandes hinzustellen gewusst. P u 1 s z k y erwähnt in dem
fraglichen Schreiben noch, Kossuth wolle die Dynastie Habsburg »zwingen,
ihren Rechten zu entsagen, denn nach seiner Ansicht besteht unser Grundvertrag
(die pragmatische Sanction) nicht mehr, weder de principio, noch de facto. Ausser
mir und S z e m e r e sind (in der Emigration) kaum noch einer oder zwei, die
K o s s u t h's Ansicht nicht theilen würden, die auch, wie sich Herr Baron leicht
denken können, von verschiedenen Seiten mächtig unterstützt wird.c
*) So deponierte wenigstens einer der wichtigsten Zeugen im Processe
Almassy-Nedeczky, der von Kossuth selbst für den Fall des Gelingens
der Erhebung zum Armee-Commandanten vorherbestimmte Ludwig von A s b 6 t h.
•) »Der »rothe Prinz« hat das einem anderen Ungarn mitgetheilt und dabei
geheimnissvoll gesagt: >So etwas thut man, aber man sagt es nicht«; Csaky
meint : »Im Gegentheil, so etwas sagt man, aber man thut es nicht . . .« Von dem
genannten I r a n y i sagt mir C s a k y, der sei ein Abenteurer, der eigentlich H a 1 b-
schuh heisst und \iiXT kein Ungar ist.« (»Aus dem Leben Theodor von Bern-
hardi's«, VII, S. 266 und Ü\)
5*
53 Kienast.
In die ersten Jahre des sechsten Decenniums fällt das Auf-
treten eines Fürsten August von Croy-Chanel, eines an-
geblichen Naclikommen der Arpaden, als ungarischer Kron-
prätendent, dem zum grossen Verdrusse K o s s u t h's besonders
Klapka mit seinen Freunden eine Zeit lang Gefolgschaft
leistete ^).
In Ungarn hat diese Prätendentenschaft Opfer gefordert in
dem Processe J a m b o r - S o m o g y i -).
Es wird sich im Laufe der Erzählung ergeben, dass auch
ein preussischer Prinz eine Zeit lang als Anwärter auf die unga-
rische Krone betrachtet wurde.
Versuche Preussens, La Marmora für Ungarn zu gewinnen.
La Marmora sagte im Anschlüsse an das mitgetheilte
absprechende Urtheil über den Werth eines Bündnisses mit
Ungarn: »Wenn jedoch weiter kein Vertrag mit den ungarischen
Emigranten zu Stande kam, so legte man iliren Versprechungen,
ihren Projecten und Rathschlägen eine solche Bedeutung bei,
dass man sie jenem l^'eldzugsplan zu Grunde legte, welchen man
von Berlin aus auch uns aufdrängen wollte«, einem Feldzugs-
plane, vden italienische Revolutionäre und ungarische Emigranten
ausgearbeitet und, wi(i man sich am Ende denken kann, auf die
Insuri'ection Ungarns und den Abfall der ungarischen Regi-
ment(n* im Dienste Oosterreichs gegründet hatten '<^). La Mar-
mora war aber der Ansicht, dass di(i ungarische Emigration
unter sich uneinig sei, keine Autorität in Ungarn habe und üb63r
die Zukunft sich fälschten Illusiontin hing(^be. Genau so äusserte
sich auch der nach ihm am mt^sten angesehene italienische
*) K o s s u t b, »Schriften aus der Kmijjration«, III, S. 697 und (T. LiUerarisch
vertrat diese Candidatur Stei)han Käpolnay i Stephan 1* a u e r de K d p o 1 n a,
ein jjewesener Ufficier der unj»arischen Legion in Italien) in der auch deutsch er-
schienenen lirochure >Das lejjitime Reclit der Aipaden«.
*) Am 21. Decemher iHh^ wurden Jo^eI)h von S o m o g y i, Joseph II e 11 n> a n n,
Johann li a n a k und Adolph M e i x n e r wenen Ilochvcrraths und Majcstäts-Bcleidi-
^unj» zum Tode, ferner wejjcn derselben Verbrechen I Person zu zwölljährigem,
<) Personen zu eilfjährigem, 4 Personen zu zehnjährigem, I l*erson zu sechsjährigem
und 3 Personen zu fünfjährij^em schwerem Kerker verurtheilt. Andreas J ambor war
während <ler Untersuchung gestorben, lieber den Vollzug der zuerkannten Strafei.
wurde in den Acten nichts vorgefunden. Die Todesstrafe wurde jedenfall: *n Kerker
strafe umgewandelt.
"j La Marmora, .Mtwas mehr Licht*, S 301), 311.
Die Legion Klnpka KSCC. ^q
General Ciald in i am 12. Juni 1866 zu Bernhardi^). Trotzdem
förderten der Letztere und Graf Usedom in P^lorenz mit aller
Kraft die Verwirklichung der Expedition Garibaldi's an die
adriatische Küste, von der die Insurgierung- Ungarns erhofft
wurde, obwohl sie selbst aus eigener Erfahrung wussten, wie
sehr der italienische Minister-Präsident in Betreif der Uneinigkeit
der Ungarn Recht hatte.
Aber auch in Berlin arbeitete man zu gleicher Zeit eifrig
an dem ungarischen Projecte. Denn zum zweiten Male binnen
kurzer Zeit^ und zwar diesmal durch den Bericht des preussi-
schen Consuls Laubernau aus Belgrad, den 22, Mai iSöö'^),
hatte Bismarck Nachricht aus Süd- Ungarn erhalten, dass die
Magyaren für den Krieg gegen Preussen und Italien seien, weil
sie von einer Niederlage Oesterreichs auch den Abfall ihrer, von
Südslaven und Rumänen bewohnten Nebenländer (partes adnexae)
fürchteten und dass Croatien-Slavonien jetzt unter Belgrader
Einfluss ebenso anti-österreichisch, als anti-magyarisch sei. Gleich-
zeitig berichtete Laubernau, dass Ore.^kovic ein slavisches
Frei-Corps errichten und mit demselben die Militärgrenze auf-
wiegeln oder doch beunruhigen, zugleich aber durch seine Ope-
rationen auf österreichischem Boden Serbien in die Lage versetzen
wolle, seine Pläne auf der Balkan-Halbinsel auszuführen. O r e S-
kovic, der viel mit Scovasso, dem italienischen Consul in
Belgi*ad, zusammenkomme, während sich Beide öifentlich kaum
kennen wollten, sei unzufrieden, dass die italienische Regierung
so säumig mit dem Gelde sei. Laubernau glaubte, Ores-
k o V i c rechne jetzt mehr auf preussische Unterstützung, denn er
habe mehrmals betont, >^dass Preussen und keineswegs Italien
als der gegenwärtige Vorkämpfer des Nationalitäten-Princips an-
gesehen werden müsse.« Laubernau bat schliesslich um rasche
Weisung, wie er sich diesen serbischen Sondierungs-Versuchen
gegenüber zu verhalten habe. Zufällig hatte Stephan Türr am
I. Juni 1866, also ungefähr zur Zeit des Eintreffens des vor-
erwähnten Berichtes aus Belgrad in Berlin, Bernhardi eine
Denkschrift überreicht, die sich gleichfalls mit der südslavischen
Angelegenheit befasste und die Bernhardi nach Berlin ge-
') »Aus dem T.eben Theodor von Beruh ard Ts«, VII, S. 6«;.
') Siehe oben S. 55, Anm. 3.
•) In Abschrift im K. A., aus den Acten des Gcneral-Commandos Temcsvar.
(Ad Präs. Xr. 272 vom l. Juni 1866.)
^ri K i e n a s t.
langen Hess. T ü r r verbreitete sich darin über die Mittel, in der
österreichischen Militärgrenze einen Aufstand hervorzurufen.
Belgrad sei der Punct, von dem die Bewegung ausgehen müsse,
denn dort befanden sich die k. k. Grenz-Officiere, welche vor
Jahren lieber den Abschied genommen hätten, um nach Serbien
zu gehen, bevor sie sich die Versetzung in andere k. k. Regi-
menter hätten gefallen lassen ; von dort aus hätten diese Officiere
Verbindung mit ihren ehemaligen Regimentern und wirkten auf
Geist und Stimmung der Grenze. Die Oesterreicher hätten, was
früher nie geschehen, in jedem Regimente der Militärgrenze
vier Bataillone ausgehoben und aus dem Lande gezogen*), jetzt
würden auch noch fünfte und sechste Bataillone gebildet, die aber
nur aus Kindern und Greisen bestehen. Diese würden daher,
wenn man von Belgrad aus in die Militärgrenze eindringe und
dazu kriegerische Elemente aus Serbien und Bosnien zahlreich
zuströmen, leicht zu überwinden sein. An die 30.000 Croaten in
Italien seien bereits massenhaft l^roclamationen vertheilt. Zur
Erhebung der Militärgrenze S(»i daher nur noch (xeld nöthig
und es wäre am besten, wenn ein preussischer Agent nach
Belgrad käme^.
Klapka, Türr und Csaky in Berlin.
Nach air dem lag es für B i s m a r c k ziemlich nahe, jene
Männer dvr ungarischen Emigration, welche sowohl mit der
ungarischen, als mit der südslavischen TVage gut vertraut wanm
und die er als solche bereits kannte*, zu sich zu berufen : (*s
wanm diess Türr, der Verfasser der eben berührten Denkschrift
und K lapka.
Ersterer erzählte spät(»r, er habe schon wcmige Tage nach
seiner Ende Mai erfolgten Ankunft in Florenz v(»mommen, dass
(iraf B ismar ck ihn dringend zu sehen wünsche. Am 7. Juni
(»rhielt er von König Victor Emanu(»l wirklich dc^n Auftrag,
nach Berlin zu reisen. Dort traf er nach seiner (äg(*nen Angabt*
am IC). Juni ein und wurde auf d«nn r>ahnh(>fe Xamens der preussi-
schen Regierung von Oberst A. von Döring begrüsst. Vo?^
*) ITebcr die Vcrlheilunj^ und JU'stimmunj; der Grcnz-Rcj^'inu'Dler und ihre
vierttMi liataillone sieh«* >( >t*stcrrciclis K/impfc im JaLrc lS()f»', Bd. I, b'^^^ondeir
dessen Jleilaj^e I.
') ^Aii« d«Mn L'luMi Thetxlor von liern hard i's«, VII. ■»:: r-'d f
Die Legion Klapka 18(j6. ^ j
Bismarck selbst erfuhr er, dass dieser den König bisher noch
nidit zu sofortigem Beginne des Krieges gegen Oesterreich liabe
bereden können, dass er aber die Dinge so weit getrieben habe,
dass ein Zurückweichen nicht mehr möglich sei. Diese Unter-
redung* muss am ii. Juni stattgefunden haben, denn Türr ge-
denkt in seiner später abgefassten Erzählung des für den
12. Juni anberaumten Ministerrathes in nachstehendem Zusammen-
hang: Der Graf sprach weiter von den Beziehungen zu Ungarn
und schloss mit folgenden Worten: »Morgen PVüh wird ein
Ministerrat!! unter des Königs Vorsitz abgehalten. Zu demselben
werden auch Moltke und Roon erscheinen. Dabei hoffe ich,
den Krieg durchzusetzen und vielleicht auch die ungarische
Cooperation. *<
»Des anderen Tages war ich, der Verabredung gemäss,
zwischen zehn und eilf Uhr Vormittags wieder bei Bismarck.
Derselbe befand sich im (xarten. Als er meiner ansichtig ward,
kam er mit grossen wSchritten auf mich zu und rief, mir beide
Hände reichend, aus : »Der Krieg ist beschlossen und die
Cooperation mit Ungarn gleichfalls. «< Auf IM s m a r c k's Frage
erwiderte Türr, er wolle ohne Verzug heute noch {12, Juli) über
Paris nach Florenz und von dort nach Rumänien und Serbien
abgehen. Er bat den Minister-Präsidenten nur noch, durch die
preussischen Consulate in Bukarest und Belgrad die dortigen
Regierungen, sowie auch Ore.skovic in Belgrad vcm der
Bereitwilligkeit Preussens für Ungarn zu unterrichten und eilte
nach Paris, wo er auf Bismarck\s besonderen Wunsch den
IVinzen Napoleon aufsuchte ^).«<
Während T ü r r's Anwesenheit in Berlin traf auch Klapka
dorts(^lbst ein. Wenn I r ä n y i am 9. Juni, £ils dem Tage nach
der Abreis(» K 1 a p k a's von Paris an K o s s u t h schreibt ^), er
habe von Nicolaus Kiss de Nemesker gehört, »dass man in
*) »Kossuth l.ajos iratai«, VL S. 558 und ff. Nach T ii rr's Erzählung hätte
der Ministerrath am ll. Juni stattgefunden, was nach Sybel, »Die Hegründunj; des
Deutschen Reiches durch Wilhelm I.<, IV, 436 und ff. zu berichtigen ist. An
S y b e l's Angabe, dass der Ministerrath erst am 12. Juni stattgefunden habe, ist
nicht leicht zu zweifeln, obwohl Türr auch noch 1870 daran festhielt, dass er schon
am 10. und l I.Juni bei Jiismarck gewesen und mit demselben »den ersten
Abend im Arbeitszimmer und den zweiten Tag unter dem grossen Baume «les
Gartens* zugebracht habe. Vergl. ]Ioi)f, »Die deutsche Krisis des Jahres 18OO*,
2. Auflage (l8<)<)), S. 177.
*) »Irataic, VI, S. 304.
»2 Kienast.
Berlin nur einen Militär, aber keine politische Persönlichkeit zu
sehen wünsche«, so geht wohl zur Genüge daraus hervor, dass
K 1 a p k a nicht ganz auf eigene Faust dahin gieng. Dies erhellt
auch aus den »Erinnerungen« des Grafen Seherr-Thoss^), wo
es heisst: -General Klapka ward mehrere Mal zu Conferenzen
nach Berlin berufen,« ohne dass über den Zeitpunct der Be-
rufungen nähere Angaben gemacht wären ^. Der Zweck derselben
kann trotz der Qn zugänglichkeit der Berliner Archive in diesem
Puncte nicht zweifelhaft sein und wird allein daraus klar, dass
Klapka, der am 13. Juni wieder nach Paris kam, dort sich
äusserte, er habe Bismarck, Roon und Moltke gesehen,
alle drei seien mit ihren Zurüstungen vollständig fertig*^).
\) »Deutsche Rundschau«, Jahrgang l88r, 10. Heft, S. 69.
') Nach I r a n y i*s Bericht über seine Sendung nach Prcussen (»Kossuth Lajos
iratai«, VI, S. 555) soll K 1 a p k a behauptet haben, nur e i n m a 1 in Berlin gewesen zu
sein, bevor er von dem Stellvertreter des National-Comites aufgefordert worden, die
Führung der Legion zu übernehmen.
*) Szarvady, Paris, 14. Juni 1866, an Kossuth. (»Iratai«, M. S. 349.)
Georg Klapka wurde am 6. April 1820 zu Temesvar geboren. Sein Vater
war damals daselbst Bürgermeister. Sein Orossvater stammte aus Znaym in Mähren.
Seine Muttersprache war das Deutsche, erst von seinem 13. Lebensjahre an lernte und
gebrauchte er das Ungarische. Nach Absolvierung des Gymnasiums kam er auf das
Lyceum zu Szegedin. Er konnte aber an den classischcn Studien keinen Gefallen
finden und wurde, um seinem Drange zur militärischen J.aufl)ahn zu genügen, zunächst
in die Militärschule zu Karansebes gebracht. Im Jahre 1838 kam er nach Wien, um
sich beim 2. Artillerie-Kegimente eintheilen zu lassen (28. Mai). Nach zwei Jahren
wurde er in das Bümbardier-('orps versetzt, dann al>cr an der Vollendung der mit
Lifer in dieser damals einzigen höheren Aitillcric-Schule (Jcsterreichs begonnenen
mathematischen »Studien durch die auf Vorschlag des Temesvarer Comitats mit I. Mai
1842 erfolgte Beförderung zum Garden und Lieutenant in der ktiniglich ungarischen
adeligen Leibgarde gehindert. Im Kreise leichtlebiger Altersgenossen vernachlässigte
K 1 a p k ii, wie die meisten seiner 72 jungen Kameraden, die ihnen i)nichtgemäss ob-
liegenden Studien der Kriegswissenschaften und anderer (Gegenstände allgemeiner Art.
Dennoch wurde er nach fünf Jahren, am 30. April 1847, als Oberlieutenant zum
12. (deutsch-banater. Grenz-Kegiraente übersetzt, verliess aber schon am 31. August
desselben Jahres ungeordneter rinanzieller Verhältnisse halber die Armee lohne Bei-
behalt des Officiers-Charaktersj untl verbrachte den Winter 1847/48 bei seiner Schwester
in Siebenbürgen.
Im März 1848 eilte er nach Pest, wo er als Mitglied des >Kadical C^hib« bald
mitten in <ler nationalen J^ewegung stand. Bei der ersten Aufstellung der ersten zehn
Honved-Bataillone wurde er als Hauptmann in das 6. Bataillon eingetheilt. Im August
zum Generalstabe übersetzt, nahm er an den Kämpfen gegen die Serben theil. Knde
Sci)tembrr wurde er von Ludwig Batthyany nach Komorn zur Rettung dieses
wichtigen Platzes für die ungarische Sache abgesendet. Lr vollführte seinen Auftrag,
allerdings in ziemlich hintei balliger Weise, zur Zufriedenheit und wurde dafür mit dem
Die Legion Klnpka 1800. ^ ,
Es hat sehr den Anschein, dass in jenen Tagen auch Theodor
C s A k y in Berlin anwesend war. Nicolaus Kiss de Nemesk^r
Majorsrange belohnt. Nacli kurzer Thätigkeit als Generalslabs-Chef der gegen die Serben
fechtenden Armee unter Ernst Krss wurde er im December nach Pest berufen, um
unter General Vetter die Leitung der Operations-Kanzlei im ungarischen Kriegs-
Ministerium zu übernehmen.
Seine erfolgreiche Thätigkeit in dieser Stellung bewirkte, dass er nach der
Niederlage des Kriegs-Ministers Meszdros bei Kaschau (4. Januar 1849) als Oberst
mit dem Commaido des geschlagenen Corps betraut wurde, mit welchem er der
ungarischen Sache bald zu den ersten militärischen Erfolgen verhalf. Seitdem war er
neben G ö r g e y der bedeutendste Heerführer der Ungarn und wurde auf dem Schlacht-
felde von Isaszegh (6. April) von Kossuth zum General ernannt. Mit dem Siege
von Nagy-Sarlö entsetzte er das hart bedrängte Komorn und brachte seinen Namen so
zum zweiten Male mit dem der Festung in Verbindung. Als Görgey nach den
Siegen Haynau's am 2. und 11. Juli bei Komorn diesem Kampfplatze den Rücken
kehren musste, Hess er K 1 a p k a mit 18.000 Mann als Commandanten zurück. Es ge-
lang demselben durch mehrere Ausfülle, namentlich durch das Treffen bei Harkaly, die
Cernierung durch die Oesterreicher zu sprengen und durch den Vorstoss gegen Raab
die Verbindung der gegen Szegedin und Temesvar vorrückenden operierenden Armee
mit Wien zeitweilig zu unterbrechen. Als nach G ö r g e y's Waffenstreckung bei
Vilagos K 1 a p k a sich freiwillig wieder hinter die Wälle von Komorn zurückgezogen
hatte, wurde er neuerdings von den Oesterreichern (und Russen) eingeschlossen. Der
Aufforderung zur Uebergabe der Festung setzte er die Bedingung ehrenvollen Abzuges
und Straffreiheit der Vertheidiger entgegen. H a y n a u, welcher vom 26. September an
selbst die Cernierung leitete, nahm in Anbetracht der vielen Menschenopfer, welche
eine weitere Belagerung noch gekostet hätte, ferner wegen baldiger Wiedereröffnung
der Donau als Handelsstrasse und der vorgerückten Jahreszeit, endlich mit Rück-
sicht auf den Schaden, den eine auch nur theilweise Zerstörung der grossartigfcn
Festungswerke dem Staate bereitet hätte, die Verhandlungen nochmals auf und brachte
sie schon am folgenden Tage zum Abschlüsse. Am 4. October war die Uebergabe
vollendet.
Klapka gieng hierauf in das Ausland. Obwohl ihm die Uebergabe Komoms
zum Theile sehr übel angerechnet wurde, galt er doch dem grösseren Theile seiner
Landsleute als der prädestinierte Heerführer bei künftigen Bewegungen, schon dess-
wegen, weil Görgey, den Kossuth als Verräther brandmarkte, gänzlich ausser
allen Betracht gestellt wurde. Bei Ausbruch des Krimkrieges gieng er mit Türr nach
Constantinopel, konnte aber in der Türkei keine ihm zusagende Verwendung finden.
Seitdem lebte er abwechselnd in Frankreich, Italien und der Schweiz.
Der nach dem berühmten Ncujahrsgruss Napoleon HI. bevorstehende Krieg
gegen Oesterreich schien ihn zu neuen Thaten zu rufen. Kossuth erklärte ihm zwar
im Januar 1859, er habe sich seit seinem Abgange aus Ungarn eifrig mit dem Studium
der Kriegs Wissenschaften befasst und stehe auf dem Standpuncte, dass er im Falle des
kriegerischen Auftretens Ungarns nicht nur das Civil-Gouvemement, sondern „auch das
Ober-Commando über die Armee unter keiner Bedingung aus den Händen gebe,« doch
wolle er ihn als Kriegsminister und Generalstabs- Chef an seiner Seite haben.
Klapka's Stellung in der Emigration erhellt am besten aus der Thatsache, dass er
nebst Kossuth und Ladislaus Teleky Anfangs Mai 1859 nach Paris beiufen
wurde und hierauf mit diesen Beiden das »Ungarische National Directorium« bildete.
•^ I K i e n n s t.
/4
redet in einem Briefe vom 22. Jani an Kossuth ausdrück-
lich von dem » plötzlichen und gleichzeitigen Erscheinen
Fiübzeitig war er darauf bedacht, in Italien eine ungarische Armee zu bilden, als
deren Kern die bei Ausbruch des Krieges formierte ungarische Legion in Italien be-
trachtet ward. Dass solche Ideen an dem raschen Friedensschlüsse scheiterten, hat ihn
tief bekümmeit. Auch im folgenden Jahre war er an dem September- Abkommen
der Emigration mit dem Grafen C a v o u r betheiligt. K 1 a p k a's nächste specielle
Aufgabe nach demselben basierte auf seinem guten persönlichen Verhältnisse zu dem
Fürsten Cusa, den er, wie im Vorjahre, so auch 1860 wieder in den Kreis der
ungarischen Interessen ziehen sollte. Als das im Anschlüsse an die Confiscation der von
Italien aus nach den Donaufürstenthümem geschickten "Waffen misslang, reflcctierte er
in den für 1861 und 1802 ausgeheckten Plänen zu einem Angriffe auf Ocsterreich, in
welchem ihm jedesmal wichtige Rollen als Feldherr zugedacht waren, mehr auf die
Südslavcn-Länder, besonders auf Serbien, als Basis für seine Operationen.
Inzwischen hatte sich sein Verhältniss zu Kossuth mehr un<l mehr getrübt
un<l am 6. Juni 1862 theilte er demselben seinen Austritt aus dem »Ungarischen
National-Directorium« mit. Den Grund erfährt man aus einem Schreiben an seinen
»heissgeliebten Freund« Paul von Almdssy aus hondtm den 4. Juni 1862. Kos-
suth habe gegen sein früheres Versprechen etwas gethan, was gegen das bessere Gefühl
der Nation sei. Klapka schrak zurück »vor einer ('ombination, die, wenn sie con-
creto Gestalt annehmen würde, das Grab der Nation wäre.« Die unheilvolle » (Kombi-
nation« hatte wenige Wochen vorher als »Dcmau-Conföderation« in der Mailänder
»Alleanza« das Licht der Welt erblickt. In Verbindung mit den allerdings nur Wenigen
genauer bekannt gewordenen Verfügungen Unberufener über die künftige Lenkung
der Geschicke Ungarns (durch einen Xapoleoniden?) hat diese von allen ungarischen
Kreisen gleichmässig angefeindete Idee den Anstoss gegeben zur Abwendung der
Geister von Kossuth. Franz Pulszky hatte schon im Vorjahre den Anfang damit
gemacht, Klapka, Almässy, Komaromy, Ivanka u. A. folgten jetzt diesem Hei-
spiele. In den Kreisen der ungarischen Legion in Italien war man, wie aus einem
Hriefe des Majors Gajdacsy vom 5. Juni 1862 an Pomper i hervorgeht, über das
neue Programm Kossuth's ebenso ungehalten, wie in Ungarn selbst, besonders aber dar-
über, dass Klapka, »in den sich in der letzten Zeit das Vertrauen jedes Kriegers
concentrierte,« nun sich ganz zurückzog. Erbittert sagte man: »Warum brocken
Stephan (Türr) und der Gouverneur diese Suppe ein?« Und auch Csernatony konnte
in seinem Schreiben aus Turin vom 30. Mai 1862 an «lenselben Adressaten in Pest
nicht begreifen, »wenn ein gewisser Jemand (Napoleon III.) wirklich gute Absichten
mit uns und mit unserer Nation hat, wie der Befehl ergchen konnte, dass die letzte
Urkunde das J'ageslicht erblickte.«
Klapka war <lann 1864 an der Verschwörung Almassy's insbesondere durch
Förderung des eingeleiteten WafTenschmuggels nach Ungarn betheiligt und hätte zweifel-
los in den durch die Verhaftung Almassy's vereitelten Plänen seinen Plat« als Ober-
eldherr gefunden, währen«! seitens der gleichzeitig unschädlich gemachten Kossuth'schen
Verschwörer-Gruppe des Stephan Nedeczky für diesen Posten Ludwig von Asböth
ausersehen war, ein ausserhalb Ungarns nur wenig bekannter ]Ionv<:tl-(iener.il vom
Jahre 1849, welrlier keiner uidiebsamrn Selbstständigkeit ver<l:ichtig und somit als
Platzhalter für <len wohl erst nach einigen Lrfnlgen auf den P'*»*^ ♦•^'*» '"" *'"
(louverneur besser i'e«.-ignet w»"
Die Legion Klapka 1866.
75
CsAky's, Türr's und Klapka's« bei Bismarck*), was sich
auf keinen anderen Zeitpunct beziehen lässt, als auf die Tage un-
mittelbar vor dem Ministerrath des 12. Juni-).
Graf Bismarck that durch den Empfang T ü r r's, K 1 a p-
ka's und höchstwahrscheinlich auch Csaky's am 11. Juni nur
einen weiteren Schritt zu dem lange geplanten Kriege gegen
Oesterreich und es ist daher ganz nebensächlicher Natur, ob
I.etzteres durch seinen an diesem Tage in Frankfurt gestellten
In einem von Brüssel, den 10. Mai 1866 datierten Schreiben an den italienischen
Minister-Präsidenten General La Marraora (»Etwas mehr Lichte, 19. Capitel) trug
er seineu Degen dem Könige Victor Emanuel zum Kampfe gegen Oesterreich
an. Das Schriftstück zeigt ihn ganz als Gegner der Kossuth*schen Führung, dagegen
im Einverständnisse mit Csaky und Komdromy, den Erben der Entwürfe seines
jetzt internierten Freundes Almassy.
Johann Ludvigh wollte in einem Schreiben dto. Brüssel, am 27. Mai 1866
an Kossuth (»Iratai«, VI, S. 202 und if.) wissen, dass Klapka auch bei Bis-
marck angeklopft und sich desshalb nach Brüssel gezogen habe, um Preusscn näher
zu sein. Eben zur Zeit seines Schreibens vermisste Ludvigh seit einigen Tagen
Klapka in Brüssel. Nicht unmöglich, dass dieser damals zum ersten Male in Berlin
war, kaum zwei Wochen nac^idem auch Kiss de Nemesk^rin Berlin gewesen und
als bestimmt zu melden gewusst hatte, dass dort die Ausrüstung einer kleinen ungarischen
Truppe u. dgl. bereits geplant sei. (Siehe oben S. 55.) Ludvigh behauptete in
seinem Schreiben auch, dass Klapka tief verschuldet sei und bereit, wo immer hin-
zugehen, wenn er nur Geld dabei verdienen könne. Desshalb hielt er auch das übrigens
unwahre Gerücht nicht für unglaubwürdig, der General sei dem jungen Hohenzollern-
Prinzen nach Rumänien nachgefolgt, von welcher Seite man ihm das Armee-Ober-
commando versprochen habe.
Bei Friedjung, »Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland«, II,
S. 321, heisst es: »Nach einer Unterredung General K 1 a p k a*s mit Bismarck,
die um Mitte Juni stattfand, waren mehrere seiner Officiere nach Schlesien gereist, um
Zeit und Gelegenheit für die Werbung einer Legion ungarischer Aufständischer ab-
zuwarten.« Diese Notiz findet weder durch den Namen eines Officiers, noch sonst eine
Bestätigung; ihre Richtigkeit ist jedoch desshalb noch nicht ganz ausgeschlossen. Viel-
leicht steht sie im Zusammenhang mit einem inhaltlich weiters gleichfalls nicht be-
stätigten Telegramm, welches vom Obergespan des Trencsiner Comitats am Mittag des
27. Juni an den Tavemicus in C)fen einlief: »Gestern verlässliche mündliche Nachricht
aus Silleins Gegend, dass Michael T h u r y (siehe oben S. 57) mit 300 Mann in
Hon v6d-Uni form in Schlesien mit Preussen im Heergefolge zieht.« (K. A., F. A.
Nord- Armee 1866, VII, ad 55.)
^) »Ivossuth Lajos iratai«, VI, S. 225.
') Dazu stimmt, dass C s ä k y im Tagebuche Theodor von B c r n h a r d i*s
(»Aus dem I-eben Theodor von Bernhardi's«, VII.) in der Zeit vom 3. bis 16. Juni
niemals als Besucher angeführt wird, was wenigstens bis zum lo. Juni Abends (Ab-
reise B e r n h a r d i's nach Bologna) gewiss der Fall gewesen wäre, wie aus dem intimen
Inhalte der vorangegangenen Unterredung zwischen Beiden geschlossen werden muss.
Vergl. übrigens Anmerkung 3 auf S. 76.
76
K i e n a s t.
Antrag" auf Mobilmachung der nichtpreussischen Bundes-Armee-
corps einen Bundesbruch wirklich begangen*) und Preussen
einen Vorwand zum Losschlagen g'egeben hat. Es wäre unter
allen Umständen auch irgend ein anderer Vorwand gefunden
worden ^).
Die Usedom'sche Note vom 12. Juni.
Dies geht schon allein daraus hervor, dass Bismarck
bereits am 1 1 . Juni, also noch vor dem entscheidenden Minister-
rathe, an den preussischen (xesandton in Florenz, (xrafen Usedom,
telegraphierte, was er in Folge der Conferonzen mit den unga-
rischen Führern zu veranlassen für nöthig finde. Das Ergebniss
dieser Conferonzen zeigt sich am besten durch die Mittheilung"
der Note, welche Usedom in Folge dessen am Morgen des
12. Juni aus seiner Villa bei Florenz anLaMarmora richtete:
»Durch ein heute Nacht eingelaufenes Telegramm thut mir (.Trat
Bismarck zu wissen, dass er binnen wenigen Tagen die Er-
öffnung der Feindseligkeiten erwartet.«
»Mit Bezug auf die ungarische Angelegenheit . . . beauftrag't
mich Graf Bismarck g'leichzeitig', Euerer Excellenz mitzu-
theilen •% dass die Regierung bereit ist, die Hälfte der für die
') Wie z. B. O n c k e n, »Das Zeitalter des Kaisers Wilhelme, J, S. 523 und
auch andere prcussische (leschichtsschrciber so eifrig betonen.
*) Vergl. dazu Hopf, >Dic deutsche Krisis des Jahres 1866-, 2. Auflage (1899^
S. 222, auch S. 93 und a. m. a. O. Obwohl sich die Sache heute noch nicht weiter
verfolgen lässt, ist es vielleicht doch nicht ohne Inte.esse, in diesem Zusammenhange
darauf hinzuweisen, dass Bismarck, trotzdem er bereits durch Nicolaus Kiss de
Nemesk<ir mit K o s s u t h verhandelte, in dieser Zeit mit Letzterem auch durch
<len preussischen Consul in Mailand sich in Verbindung zu setzen suchte. Denn die
Versicherung des Consuls Schramm in seinem Briefe vom 8. Juni 1866 an
K o s s u t h, er schreibe nur als Privatperson, wird man umso eher als eine diplo-
matische Formel ansehen dürfen, als das nächste Schreiben des Consuls aus Mailand,
den 21. Juni 1866, an Kossuth bereits amtlichen Charakter trägt. (Die bezügliche
Correspondenz siehe in >Kossuth Lajos irataic, VI, S. 340 und ff.)
'^) Nach Hopf, *Die deutsche Krisis des Jahres 1866«, 2. Auflage, S. 170,
hat I. a M a r m o r a im Frühjahre 1874 die oben «lurch Puncto angedeutete Aus-
lassung in italienischen Zeitungen mitgetheilt. Der Satz lautet hienach: »Mit IWzug
auf die ungarische Angelegenheit hat sich (Iraf C s a k y, den Sie seinerzeit an mich
gewiesen haben und den ich meinerseits dem Grafen B i s m a r c k empfohlen habe
letzthin nach Berlin begeben, wt» er eine sehr gute Aufnahme gefunden hat. (ile«'*^
zt^itiif beau'^*"'i"t p^''?h (i"''^ '^ • "^ m a r c k ^«'i«-»«-«»- |'^y«'/.iii»ti7 ff.»-»nti>^.»i-.t' » ••
Die Legion Klapl<a 1866. --
unj^arische und slavische Angelegenheit nothwendigen Gelder zu
liefern, wenn die italienische Regierung die andere Hälfte über-
nehmen will.«
>»Man brauche i. eine Million Francs für den ersten Anfang
und die Vorbereitungen ; 2. zwei Millionen für den Augenblick,
wo die fraglichen Bevölkerungen effectiv in den Kampf ein-
treten. Das wären also für jede der betreifenden Regierungen
anderthalb Millionen.«
»Falls der Vorschlag seitens der italienischen Regierung
angenommen würde, um eine beide Länder gemeinsam inter-
essierende Bewegung zu unterstützen, weiss jedoch Graf B i s-
marck nicht, wie er diese Summen mit der nothwendigen
Schnelligkeit an ihre Bestimmung gelangen lassen soll. Er wäre
Euerer Excellenz sehr verbunden, wenn Sie durch den italie-
nischen Staatsschatz die preussische Hälfte wollten vorstrecken
lassen und ich bin für diesen Fall bevollmächtigt, amtlich die
Rückzahlung durch meine Regierung zu versprechen.«
>^Da im Festungsviereck so viele croatische Regimenter
li(?gen, glaube ich, würde es von grossem Nutzen sein, so bald
als möglich eine Bewegung auf der anderen Seite des adria-
tischen Meeres zum Ausbruch zu bringen.«
La Marmora bemerkt hiezu: »Ich war stets diesen im
Kriege wenig erlaubten Mitteln abgeneigt .... und der Briet
des Grafen Usedom konnte diese meine Abneigung nur be-
stärken, denn es war mir klar, wenn Preussen uns anstachelte,
die Insurrection zu fördern und uns schliesslich bat, die Auslagen
dafür vorzustrecken, so geschah dies aus dem Grunde, weil es
sich bei jenem Unternehmen die Hände so wenig als möglich
beschmutzen wollte. Wenn aber die Grafen Bismarck und
Usedom glaubten, das sei eine IVeussens wenig würdige Rolle,
so musste ich damals doppelt empfinden, dass dieselbe auch
Italiens wenig würdig war^).«
Wie nahe dem Grafen B ism arck die von Usedom nach
Berlin gemeldeten Einwendungen La Marmor a\s gegen die
Pläne in Betreif Ungarns giengen, erhellt aus den Worten, die
er am 15. Juni zu Barral, dem italienischen Gesandten in
Berlin, sprach, indem er demselben zugleich den Beginn der
M La Marmora, * Etwas mehr Licht<, S. 300 und (\\ Die Note U s c d o m's
ist auch abgedruckt in der von Horst Kohl besorgten kritischen Ausgabe der
>Politischeu Reden des Fürsten Bismarck«, VI, S. 151 und IV.
78
K i c n u s t.
Feindselij^keiten für den 19. Juni ankündigte : ». . . . Anderseits
will ich Ihnen nicht verhehlen, dass ich es gerne gesehen hätte,
wenn General La Marmora die Combination angenommen
hätte, die uns mittelst einiger gemeinsam beschaffter Millionen
eine mächtige Insurrection in Ungarn ermöglicht haben würde.
Die ungarischen Führer, die ich gesehen, sind alle meiner An-
sicht ^).<
Die Usedom*sche >Stoss-in's-Herz« -Depesche vom 17. Juni.
Bevor indessen Bismarck sich Barral gegenüber so
ausliess, hatte er folgendes Telegramm an den Gesandten Usedom
nach Florenz abgesendet, welches dieser dem am 15. Juni davselbst
angekommenen Türr vorwies: »Betreiben Sie kräftig bei der
italienischen Regierung, dass sie sich mit dem ungarischen Co-
mite (nnige. La Marmor a's Weigt*rung in dieser Sache würde
in uns den Verdacht erregen, dass Italien ihm Krieg nicht ernst-
lich will. Wir sind bereit, die Feindseligkeiten innerhalb acht
Tagen zu beginn(*n. Wenn aber Itali(*n im Festungsvier(»ck einen
unfruchtbaren Krieg beginnt, so wird unser Verdacht noch
wachsen-).« Man wird kaum irre gehen in der Annahme, dass
dieses Telegramm den Grafen Usedom zu einem Schritte ver-
anlasst habe, der ihm nachher sehr V(*rübelt worden ist.
Usedom besprach am 16. Juni mitBernhardi und dem
( Trafen Csdky die Aussichten auf Verwirklichung, welche der
b(\sonders von den preussischen Diplomaten geförd(»rte Plan einer
Landung (raribaldi's an der adriatisclu»n Küste bei La Mar-
mora habe. Vom König Victor Fmanuel wussten sie, dass
er ganz dafür war '•). Sein Minister aber werde», wie Usedom
h(*rv()rhob, in seinem Widerstände? durch England bt\stärkt, welches
()(?st(?rrtnch als (irossmacht an der Donau erhalttm halben wolle.
Dennoch müssci (iaribaldi nach Dalmatien hinüber, denn der
*) La Mar m o r a , » Ktwas mehr Licht«, S. 315.
*) »Kossuth Lajos iratai«, VI, S. 559. Denselben (iedanken äusscitc Gr*»*^
II s e (1 1) n» schon am I ^. Juni (.' e r u 1 1 i und K o s s u l h ^^e;,'enüher, wie Letzte. »-
anhiebt. >im Namen seint^r Re^ieiun}^«. (»Kossuth Lajos ir.itai«, VII, S. 191.
■) »Au? dem Leben 'riieo(h>r von IJ crnh a rdi's«, Vll, S. 55 und ff. < / u-
S. Juni.» S y 1> e 1 , »Die IL'^rüiidunj; d"s Deutschen Keiclies durch WiP 'm 1.*,
7V llfw» f
Die Legion Klapka 1866. -q
hiedurch angebahnte Aufstand in Ungarn und, wenn sie genügend
unterstützt würden, auch der südslavischen Grenzvölker, sei das
einzige Mittel, die Italiener in dem bevorstehenden Kriege dahin
zu bringen, dass sie nicht etwa am Isonzo stehen blieben, als
gienge der Krieg sie weiter nichts an, wenn sie Venezien hätten^).
Auch Bernhardi hielt die Expedition nach Dalmatien für das
einzige Mittel, »die Führung des Krieges von Seiten der Italiener
in das Grosse zu leiten«^. Graf Csaky aber zweifelte an der
Möglichkeit, die Sache durchzusetzen, denn der König beuge sich
bestimmt vor der Meinung La Marmora's.
Da der ungarische Graf als sehr orientiert galt, schöpfte
Usedom Besorgniss und entwarf gleich nach der Unterredung
eine Note, in welcher die Expedition Garibaldi's stark befür-
wortet wurde. Er schickte sie am folgenden Tage, den 17. Juni,
an La Marmora^), der sie indessen nicht mehr in Empfang
nehmen konnte, weil er zur selben Zeit bereits zur Armee abge-
gangen war, um bei derselben sein neues Amt als Generalstabs-
Chef des Königs anzutreten.
Die Note hat folgenden Wortlaut:
• Der unterzeichnete ausserordentliche Gesandte und bevoll-
mächtigte Minister Seiner Majestät des Königs von IVeussen hat
die Ehre, Seiner Excellenz dem Herrn La M a r m o r a, Vor-
sitzenden des Ministerrathes und Minister der auswärtigen An-
gelegenheiten, folgende Bemerkungen vorzulegen:«
»In wenigen Tagen werden Italien und Preussen in ihrer
gemeinsamen Sache gegen Oesterreich zur Entscheidung durch
die Waffen greifen. Die Regierung des Königs, meines erhabenen
Herrn, hält es demnach für dringend geboten, schon jetzt hin-
sichtlich ihrer militärischen Bewegungen das genaueste Ein
verständniss und das kräftigste Zusammenwirken herzustellen.
Da ein gemeinschaftliches Handeln auf demselben Kriegs-Schau-
platze ihnen durch die Entfernung im Anfange untersagt ist, so
werden sie dafür in der (xleichzeitigkeit der auszuführenden
StövSse Ersatz suchen müssen. In dieser Weise angegriffen, wird
Oesterreich von vornherein genöthigt sein, seine Streitkräfte* zu
^) >Aus dem Leben Theodor von Bernhar di's*, VII, S. 14 und (T. Vergl. auch
die in der vorletzten Note erwähnte Unterredung; U s e d o m's mit K o s s u t h.
(>Iratai<, VII, S. 191.)
•) Ebenda, VII, S. 384. Wie schon weiter obi;n erwähnt wurde, entsi)rach «li-'se
Meinung; }J e r n h a r d i's einem dirccten Aultrage M o 1 t k c's.
») Ebenda, VII, S. 77 und ff.
gQ K i c n a s t.
theilen, es wird sich der nämlichen Reserven niemals bald ^egen
den einen, bald gegen den anderen Theil bedienen können.
Endlich werden die ausgeführten Stösse sich nicht nur auf dem
Kriegs-Schauplatze, sond(»rn auch in der Ferne fühlbar machen.«
*Zum ersten ist die Regierung des Königs überzeugt, dass
dem Bt*ginne der Feindseligkeiten in Deutschland die Kriegs-
erklärung von Seiten Italiens auf dem Fusse folgen wird ; Preussen
kennt die Gefühle der Loyalität, welche die Regierung des
Königs Victor Emanuel beseelen, zu gut, um daran zu
zweifeln.«
»Aber diese Solidarität und (Tleichzeitigkeit der Action
werden, nach den Anschauungen der preussischen Regierung,
sich fortsetzen und während des ganzen Verlaufes des Feldzuges
bethätigen müssen ; als gute Bundesgenossen müssen die beiden
Mächte ihren betreffenden Operationen ein beharrliches und
wechselseitiges Interesse widmen. Dieses Bestreben wird, wie
Preussen anzunehmen gencMgt ist, von Seiten der italienischen
Regierung gebilligt und getheilt werden.«
>»I)as System der Kriegführung für den bevorstehenden
F(*ldzug, welches l^rt»ussen Italien vorschlägt, ist das eines Ver-
niclitungskampfes (guerre ä fond). Wenn beim Beginne das
(ieschick der Waffen ihnen günstig wäre, würden die beiden
Verbündeten sich nicht bei zwisch<»nfälligen Hindernissen auf-
halten; sie werden vielmehr suchen, ihren (regner in s(*ine letzten
Verschanzungen und bis zu seinen letzten Hilfsquellen zurück-
zutreiben.«
»Sie würden sich nach eincmi vSicjge nicht damit b(»gnügen,
di(*ses oder jen(is (lebiet, welches ein günstiger Friede ihnen zu
bhiibendem Besitze zuweisen kcmnte, zu besetzen. Sie werden
im (iegentheile und ohne Rücksicht auf die zukünftige (febiets-
gestaltung vor Allem bemüht sein, den Sieg entscheidend, voll-
ständig und unwiderruflich zu maclum. Eint* solchem, ihrem (iegner
durch ihre vereinten Anstrengungen beigebrachte? Nitulerlage
würde ihnen, einem Jeden in seint»r Sphäre*, (*inen um^ndlich
höheren moralischen und politischen Einfluss verschaffen, als
ein sich gleicher Weise etwa daraus erg(*b(»nder materieller
(rewinn."
•So wird Preuss(*n nicht an die Hindernisse d(»nken dürfen,
w(*lche Natur und Kunst ihm auf de»r Linie von Linz bis Krakau
»»ntg<\gensti'lh*n ; es wird d«»n Erfolg, den es erzielen kann, ir
f'^tSChloSS»»»- »*- V»*'«» ^M> *^^' »n forfse*"/«*"
Die Legion Klapka 1866. gl
»Was die entsprechenden Operationen der italienischen
"Streitkräfte betrifft, so würde man sich nicht dabei aufhalten,
das Festungsviereck zu- belagern, man würde vorziehen, es zu
•durchschreiten oder zu umgehen, um die feindliche Armee auf
offenem Felde zu schlagen. Es ist wenig zweifelhaft, dass in An-
betracht der numerischen Verhältnisse die italienische Armee
sich in kurzer Zeit im Besitze des venezianischen Gebietes be-
enden wird, Venedig, Verona und Mantua ausgenommen, deren
Besatzungen freilich durch Observationscorps von beträchtlicher
Stärke im Schach gehalten werden müssten.«
»Die italienischen Generale werden unzweifelhaft die Ope-
rationen, um die es sich hier handelt, am besten beurtheilen
können. Um indess in Uebereinstimmung mit Preussen zu handeln,
wird Italien sich nicht damit begnügen dürfen, bis zu den nörd-
lichen Grenzen von Venezien vorzudringen ; es muss sich einen
Weg nach der Donau bahnen und Preussen im Mittelpuncte
•der kaiserlichen Monarchie selbst die Hand reichen, mit einem
Worte, es muss auf Wien losmarschieren. Um sich des dauernden
Besitzes von Venezien zu versichern, muss es zunächst die öster-
reichische Macht in das Herz getroffen haben.«
5» Was wären die Folgen, wenn Italien seine kriegerische
Action auf Udine oder Belluno beschränken wollte, um sich so-
dann mit der Belagerung der festen Plätze zu beschäftigen? Es
würde unfehlbar den ganzen Krieg hemmen ; denn es würde der
österreichischen Armee den ruhigen Rückzug gegen Norden ge-
statten, um die kaiserlichen Waffen gegen Preussen zu ver-
stärken. Vielleicht, von Bayern unterstützt, könnten die ver-
einigten Kräfte der preussischen Offensive Halt gebieten und
sie in eine nothgedrungene Defensive verwandeln. Auf solche
Weise um die Früchte seiner früheren Erfolge betrogen, wird
man vielleicht einen Frieden schliessen, welcher, sowohl für
Preussen als für Italien keineswegs den ursprünglichen Gedanken,
noch auch den ungeheueren Opfern, die man sich aufgelegt,
entspräche.«
■^Um diese traurige Möglichkeit zu vermeiden, welche früher
oder später die Verbündeten zur Wiederaufnahme ihres Werkes
nöthigen würde, glaubt Preussen nicht lebhaft genug auf der
Nothwendigkeit bestehen zu können, die Offensive auf beiden
Seiten bis zum Aeussersten zu verfolgen, das heisst bis unter
die Mauern der Hauptstadt.«
Die Legion Klapka 1866. ^
g2 K i e n a s (.
»Nimmt man für einen Augenblick die entgegengesetzte
Möglichkeit an und fasst man insbesondere die Lage Preussens
in's Auge, so hätte diesem die Mitwirkung Italiens in der That
mehr geschadet als dessen absolute Neutralität. Die Neutralität
hätte wenigstens eine ganze österreichische Armee zum Vortheile
Preussens in dem Festungsvierecke zurückgehalten und paralysiert;
dagegen würde die siegreiche, aber schlecht verstandene und in
ihrem Laufe aufgehaltene Mitwirkung diese nämliche Armee auf
Preussen zurückdrängen und Letzteres hätte weniger Chancen
mit, als ohne seine italienische Allianz. Allein die Regierung des
Königs, meines erhabenen Herrn, versieht sich mit vollkommenstem
Vertrauen zu der Loyalität ihres Verbündeten, dass diese jede
Möglichkeit einer derartigen Eventualität fernhalten werde.«
»Strategisch betrachtet, könnte immerhin der Marsch der
italienischen Armee auf Wien gefährlich, die Operationslinie zu
lang, die Hilfsquellen könnten zu ferne erscheinen. Allein mit der
steigenden Annäherung an die preussische Armee verringert sich
die Gefahr und die Wahrscheinlichkeit des schliesslichen Sieges
wächst mehr und mehr.«
»Uebrigens bestellt ein unfehlbares Mittel, um den beiden
Heeren das kräftigste Zusammenwirken auf einem gemeinsamen
Terrain zu sichern; dieses Terrain ist Ungarn.«
*Die preussische Regierung hat in jüngster Zeit die unga-
rische Frage sorgfältig studieren lassen ; sie hat die Ueberzeugung
erlangt, dass dieses Land, gleichmässig durch Italien und Preussen
unterstützt, jedem dieser beiden als Verbindungsglied und als
strategischer Stützpunct dienen wird. Man dirigiere z. B. auf die
Ostküste des Adriatischen Meeres eine starke Expeditionstruppe,
welche die Haupt- Armee in keiner Weise schwächen würde, weil
man sie zum grössten Theile aus den Reihen der Freiwilligen
entnähme, indem man sie unter das Commando des Generals
Garibaldi stellt. Allen Erkundigungen zu Folge, welche der
preussischen Regierung zugekommen, würde diese Expedition
unter den Slaven und Ungarn die freundlichste Aufnahme finden;
sie würde die Flanken der sich auf Wien bewegenden Armee
decken und würde ihr die Mitwirkung und alle Hilfsquellen jener
weiten Ländergebiete eröffnen. Andererseits werden die unga-
rischen und die croatischen Regimenter im österreichischen
Heere bald den Kampf verweigern gegen Armeen, we'"V»'=' t^t
ihren eige^e^ Li^^'^'e^n ^^^ F* "- n ^^ "mp^ani/*^' ^'^^ ^f^^ ^ •'"'
Die Legion Klapka 1866. g^
»Vom Norden und von den Grenzen Preussisch-
Schlesiens her könnte ein fliegendes Corps, so viel wie
möglich aus nationalen Elementen gebildet, in Ungarn
eindringen und würde sich dort mit den italienischen
Truppen und der unterdessen gebildeten nationalen
Heeresmacht vereinigen. Oesterreich würde in dem Masse
verlieren, als wir gewönnen und die Stösse, die alsdann gegen
dasselbe geführt würden, träfen nicht mehr seine Glieder, sondern
sein Herz.«
»Aus air diesen Grründen legt die preussische Regierung
einen so hohen Werth auf die ungarische Angelegenheit und auf
eine Action, welche Preussen und das mit ihm befreundete Italien
gemeinschaftlich auf diesem Terrain wirken lässt. Sie schlägt dem
florentinischen Cabinet vor, gemeinschaftlich für den nöthigen Auf-
wand zu sorgen, um den Empfang der besagten Expeditionen
vorzubereiten und ihnen die Mitwirkung jener Länder zu sichern.«
»Dies der allgemeine Umriss des Feldzugsplanes, welchen
der Unterzeichnete gemäss den Weisungen seiner Regierung die
Ehre hat, dem italienischen Cabinet zu unterbreiten.«
»Je mehr sich der Plan an die allgemeinen Interessen hält,
desto mehr sichert er die Annäherung der beiden Armeen zu
gemeinschaftlicher Action und desto mehr schmeichelt sich die
Regierung des Unterzeichneten, bei der italienischen Regierung
eine sympathische Aufnahme zu finden und mächtig zum Erfolge
dieses grossen Unternehmens beizutragen.«
»Mit der Bitte, dass Seine Excellenz, Herr General L a M a r-
m o r a, ihn baldmöglichst mit einer Antwort beehren möge, er-
neuert der Unterzeichnete die Versicherung seiner ausgezeichneten
Hochachtung *).♦<
') La M a r m o r a brachte die Note zuerst dadurch an die Oeffentlichkeit, dass
er sie am 21. Juli 1868 in der italienischen Kammer verlas. Das österreichische
Generalstabs werk (»Oesterreichs Kämpfe im Jahre 1866 c) brachte in seinem 1869
erschienenen vierten Bande (S. 53 und ff.) den Wortlaut derselben. Nach diesem Werke
ist sie oben im Texte reproduciert. Sie ist auch bei La Marmor a, > Etwas mehr
Lichte, S. 328 und ff. der deutschen Uebersetzung, abgedruckt. Die Schicksale der Note
mögen daselbst nachgelesen werden. Einen Beitrag dazu findet man auch in der Publi-
cation »Aus dem Leben Theodor von Bernhard i*s<, VII, S. 80 (Note) und ff. Hier sei
daraus nur das Urtheil dieses bekannten Militärschriftstellers über die Note angeführt :
»Die unzusammenhängende Argumentation und dilettantenhafte Weise, in der die
militärischen Operationen darin besprochen sind, konnten für sich allein wahrhaftig
keinen Feldherm bestimmen, einen fremden Feldzugsplan anzunehmen — und der ge-
bieterische Ton der Note musste beinahe unvermeidlicher Weise einen Bruch in den
6*
84
K i e n a s t.
La Marmora erhielt die Note erst am 19. Juni in Abschrift
und — legte sie bei Seite ; einem seiner Minister-Collegen schrieb
er desselben Tags aus Cremona, er habe nicht Zeit, dem Grafen
Usedom zu antworten; »aber die Wahrheit ist, dass ich ihm
sehr missliebige Dinge sagen müsste, wenn ich ihm antworten
würde und das ist jetzt nicht am Platze«.
Man wird aber nach allem bisher Erzählten nicht irre gehen
in der Annahme, der Gesandte habe, wenigstens soweit das
Wesentliche der »ungarischen und slaviwschen Angelegenheit« in
Betracht kommt, den Sinn Bismarck's, seines Herrn und Meisters,
getroffen^).
Und das ist schliesslich die Hauptsache, denn nicht der
Marsch der Preussen und Italiener nach Wien an und für sich,
sondern die durch einem Einbruch von Italien und Preussen her
wachgerufene und geförderte Insurgierung Ungarns, welche ihrer-
pcrsönlichen Beziehungen, eine gründliche Entzweiung hen'orbringen.c Da es sich nicht
um einen eingehenden Feldzugsplan, sondern um die politisch-militärischen Grundzüge
eines solchen handelt, ist nicht einzusehen, was an diesem Schriftstück so sonderlich
»dilettantenhaft« erscheinen soll.
^) Dennoch oder vielleicht gerade desswegen wirkte das Bekanntwerden der Note
in Berlin sehr unangenehm und man suchte die Wirkung auf die politische und nicht-
politische Welt alsbald amtlich abzuschwächen. »Die Depesche Usedom's vom
17. Juni (1866), die Italien einen bis in*s Einzelne (?) ausgeführten Kriegsplan vorlegte,
war eine Privatleistung des Gesandten und wurde nach ihrem Bekanntwerden im Sommer
1868 durch Mittheilungen der preussischen Staatsregierung im I'reussischen Staats-
Anzeiger vom. 31. Juli und ri. Augusl als nach Form und Inhalt mit den Auffassungen
der königlichen Regierung nicht übereinstimmend desavouiert « (Horst Kohl, >Die
politischen Reden des Fürsten Bismarck«, VI, S. 13 I, Anm.) Damit wurde officiell abge-
läugnet, dass von Berlin aus eine Instruction zu der Depesche an Usedom ergangen
sei. Gleichwohl erzählte dieser lachend dem österreichischen (iesandten in Florenz, er
habe die Instruction in seinen Händen. (Graf Beust am 7. Januar 1869 an König
Joh ann von Sachsen in des Ersteren »Aus drei Vierteljahrhunderten«, II, S. 231.)
Es ist nicht klar, ob Usedom das oben S. 78 von T ü r r mitgetheilte Telegramm
als seine Instruction ansah, oder ob er noch eine andere hatte und meinte.
S y b e 1, »Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I.«, V, S. 80,
sagt über die U s e d o m'sche Note vom 17. Juni, La Marmora habe sie später »in
seinem Grolle gegen Preussen tlrucken lassen und durch ihren Inhalt bei gefühlvollen
Legitimisten einen Sturm der Entrüstung erregt, der lange Zeit hindurch dxs guerre
a fond und frapper au coeur als Schlagworte gegen Preussen verwerthete. Es bedarf
keines Beweises, dass eine Kriegführung, die nicht gründlich verfährt und nicht auf
das Herz des Gegners zielt, eine stupide ist«. Das in dem Buche des ofhcielle»
preussischen Historikers sich gewiss recht sonderbar ausnehmende Urth-^*^ '••* •«•»"'
richtig; denn bei allem Anscheine, als wolle es alle Einwände •«'* -Jr,«, . ..v,. .
Die Legion Klapka 1860. gc
seits dem italienischen und preussischen Vormarsche zur Donau
die Flanke gedeckt hätte, ist als der eigentlich beabsichtigte Stoss
in das Herz Oesterreichs aufzufassen. Bedeutsam in dieser Be-
ziehung ist, dass, wie bereits mitgetheilt, M o 1 1 k e schon im Mai
der Ansicht Ausdruck gab, eine Revolution in Ungarn sei Oester-
reichs Ende und dass dieselbe Meinung dann in den an La Mar-
mora gerichteten langathmigen Schriftstücken Kossuth's vom
7. und Usedom 's vom 17. Juni mit grosser Ausführlichkeit be-
handelt wurde. Die preussischen und italienischen Staatsmänner
jener Zeit haben denn auch, ausser La Marmora, sämmtlich
auf dieses Ziel consequent hingearbeitet und es ist nicht ihre
Schuld, wenn sie es nicht erreichen konnten.
Preussisch- ungarische Bestrebungen in Serbien und Rumänien.
Es ist auffallend, wie stetig in den preussischen diplo-
matischen Actenstücken neben der ungarischen auch die süd-
slavische Angelegenheit wiederkehrt. Graf Usedom behauptete
in seiner eben besprochenen Depesche, eine Expedition Gari-
baldi 's an die adriatische Ostküste würde nicht nur bei den
Ungarn, sondern auch bei den Südslaven eine freundliche Auf-
nahme finden. Man wird, ohne viel zu irren, in dieser Behauptung,
zum Theile wenigstens, auch einen Erfolg T ü r r 's erkennen
dürfen, der ja durch seine, Bernhardi am i. Juni überreichte
Denkschrift versucht hatte, darzuthun, wie leicht Oesterreich,
ausser von den Ungarn, auch von seinen Südslaven in ernstliche
Gefahr gebracht werden könne und vor seinem Abgehen aus
Berlin am 11. Juni hatte er, wie bereits bemerkt, nicht ermangelt,
Bismarck zu bitten, es möge ausser der serbischen und rumä-
nischen Regierung auch Oreskovic in Belgrad verständigt
werden, dass Preussen die ungarische Sache zu unterstützen
gedenke.
OreSkovic hatte, die Loyalität der Grenzer gegen das
Haus Oesterreich richtig würdigend, seine Wühlereien unter den
Südslaven zu beiden Seiten der Save seit Jahren in der Richtung
betrieben, diese Völkerschaften auf einen Krieg gegen die Türken
vorzubereiten. P^ür die unter osmanischer Herrschaft stehenden
Serben und Croaten handelte es sich dabei um die Abschüttelung
dieses Joches. Und »wenn man den Grenzern anstatt des Krieges
g^ K i e n a s t.
für OcvSterreich einen Krieg für den ihnen ang'ebornen Gedanken
(der Rückkehr in ihre ursprüng*lichen, in der Türkei gelegenen
Wohnsitze) in Aussicht stellen würde, so müssten sie, indem sie
diesem Gedanken entsprachen, nicht befürchten, dass ihnen Feig-
heit vorgeworfen würde, nachdem sie statt des einen Krieges
einen viel schwierigeren wählten; man könnte ihnen auch keine
Untreue vorwerfen, da sie, in einen Krieg mit der Türkei ein-
tretend, nur einem ihnen von Oesterreich verbürgten Rechte
gemäss handeln.« Der schlaue Plan des O r e >. k o v i c gieng dahin,
von Serbien aus in das südliche Oesterreich einzufallen mit dem
ausdrücklichen Vorgeben, diese Gegenden nicht annectieren, sondern
nur von dort aus mit dem Heere der Grenzer nach I3osnien rücken
zu wollen. So gedachte er am sichersten die Grenzer von der
Betheiligung an dem Kriege gegen Preussen und Italien weg-
zulocken*).
*) O r e s k o V i c, »Etwas mehr Licht«, in Nr. 2ol des lielj^rader »Dnevni List«
vom Jahre 1895. Dass ü r e s k o v i c damit nicht schlecht rechnete, majj durch folgende
Stelle aus dem Hcrichte des Oberst-Brigadiers von Wagner aus Carlstadt, den
17. Mai 1863, an den Banus und commandierenden General Baron Soköevic
bekräftigt werden: »Mögen aber Eure Excellenz überzeugt sein, dass, wenn es zu
einem Befreiungskampfe in den türkisch-slavischen Provinzen kommt, welcher einige
Aussicht auf Erfolg hat, die Militärgrenze trotz ihrer, im Allgemeinen unverkennbar
treuen Gesinnungen kein müssiger Zuschauer bleiben wird.« Oberst von Wagner war
wegen seiner hervorragenden Keuntniss der südslavischen Verhältnisse und seiner
sonstigen Eigenschaften im November 1862 von EML. Baron Soköevic eigens als
Brigadier für den Posten Carlstadt vorgeschlagen worden. In dem vorstehend angeführten
Berichte vom Mai 1863 hielt er die serbische Agitation, welche übrigens in der Grenze
»nicht leicht zu verwischende Spuren« zurückgelassen habe, dem Erlöschen nahe. Am
I. März 1865 dagegen war GM. von Wagner wieder in der Lage, aus eigenen Wahr-
nehmungen die Richtigkeit der vom Polizeiminister dem (ieneral-Commando in Agram
gemachten Mittheilungeo über revolutionäre Umtriebe in Serbien zu bestätigen. Er
hielt zwar die Bestrebungen des O r e s k o v i c, aus Serbien ein slavisches Piemont
zu machen und selbst dessen Garibaldi zu werden, für politische Absurdidäten, obwohl
sie von der Belgrader Regierung adoptiert worden waren, erachtete aber dieselben bei
grossen politischen Complicationen doch für bedenklich; dies besonders aus dem
Grunde, weil der gebildete Theil der serbischen (d. h. griechisch-nichtuniertcn) Geist-
lichkeit sehr conscijuent bestrebt sei, durch die religiöse auch die nationale Idee bei
den Südslavcn wieder wachzurufen, was bei der leichten Erregbarkeit des südslavischen
Blutes immerhin Kolgen nacli sich ziehen könnte, wenn auch die Masse der Grenzer
ganz loyal sei. (K. A., Acten <les Geueral-L'ommandos in Agram.")
FML. Baron S t e i n i n g e r, der c<>mman<iierende (ienerul von Temesvar, hielt
am 18. Juni lb(>(> die Stimmung der Grenzer lür ruhig und ungefährlich, wenigster'
jetzt und sicher so lange, als nicht die Revolution über Bosnien hereinbrec K. J
Bericht au»* Tenicsvär, ad Praes. Xr. zyz an den Gcnera^-Adjut»^ • ^^^ "'♦^
Die Legion Klapka ll?fi6. gn
Das mit solchen Voraussetzungen im Frühjahr 1866 zu Belgrad
zwischen den Consuln von Preussen und Italien einerseits und
Anton Oreskovic als dem Vertreter Serbiens anderseits ab-
geschlossene Bündniss*) wurde jedoch nicht effectiv, weil Fürst
Michael und Garasanin zu demselben die Zustimmung Russ-
lands haben wollten. Bevor diese aber erlangt werden konnte,
waren die österreichischen Grenz-Regimenter nach Italien aus-
marschiert und so hatten die Regierungen von Florenz und Berlin
zunächst keine Ursache, die Mitwirkung Serbiens an dem Schlage
gegen Oesterreich in der ursprünglich geplanten Weise in An-
spruch zu nehmen'^.
Als aber dann Laubern au 's Bericht vom 22. Mai über
die Absichten Oreskovic' im Zusammenhalte mit der Denk-
schrift Türr's neue Aussichten auf Frfolge gegen Oesterreich
von Süden her eröffnete und der genannte Agitator bei seiner
Anwesenheit in Berlin mittheilte, er habe bereits am 7. Juni den
italienischen Ministerial- Beamten Baranti nach Belgrad und
Bukarest absenden können, damit derselbe dort in seinem Namen
vorläufige Verhandlungen einleite'), warBismarck rasch dabei,
auf den Kndvorschlag der mehrgenannten Denkschrift einzugehen.
Er war nicht nur bereit, die Kosten der »ungarischen und slavischen
Angelegenheit« zur Hälfte aus den preussischen Kassen zu be-
streiten, sofeme Italien die andere Hälfte auf sich nehme, sondern
er benachrichtigte auch den Vater des neuen Fürsten von Rumänien
noch am 10. Juni, »dass er den Legationsrath von Pfuel über
Um die Spcculationcn auf ein Österreich-feindliches Auftreten der Südslavcn des
Kaiserstaates ganz zu verstehen, inuss man sich erinnern, dass <liese dem Gedanken
des Einheitsstaates mit einer Central-Regierung und einem ('entral-Parlamcntc (dem
»verstärkten Keichsrathe«) in Wien seit i8(>o ebenso feindselig gegenüberstanden als
die Ungarn und dass die Letzteren in allen ihren Parteischattierungen seit 1X58 an-
gelegentlichst und nicht ohne Erfolg sich bemüht hatten, die Croaten und Serben zu
versöhnen, wenn nicht sich zu Freunden zu machen. Kossuth hatte 185«» den
Croaten sogar die Unabhängigkeit ihres Landes von dem der (isterreichischen Herrschaft
cntle<ligten Ungarn vorgespiegelt und dem Fürsten Michael gegenüber sich als auf-
richtigen Freund der südslavischen Idee ausgespielt. (Kossuth, »Schriften aus <ler
Emigration«, L S. 164, dann S. 437 und flf. .. (ileichen Zielen diente die l8(>2 im Ein-
verstandniss mit Napoleon III. lancierte Idee einer »Donau-ConftMleralion«.
*) Siehe oben S. 40. •
*j Oreskovic in Nr. 201 und 202 <les Helgrader »Dnevni List« vom Sep-
tember i8'i5.
•) »Kossuth L.1J0S iratai«, VI, S. 538.
gg K i e n a s t.
Belgrad nach Bukarest sende, um dort für die preussischen^
Interessen thätig zu sein« ^).
Pfuel konnte nicht leicht zu einem günstigeren Zeit-
puncte nach Belgrad und Bukarest gesendet werden. Denn so-
wohl in Serbien, als auch in Rumänien gab es damals sehr starke
Kriegsparteien, die mit aller Kraft dahin arbeiteten, ihre Länder
an dem Angriff auf Oesterreich betheiligt zu sehen. Speciell in
Serbien glaubten die Partei Garasanin's und der Anhang des
Oreäkovic, sowie der Oberste Petrovic und Öabarac die
Zeit gekommen, um Gross-Serbien nicht nur an der Donau und
Save, sondern bis an das adriatische Meer auszudehnen. Alle diese
und mit ihnen ein grosser Theil des serbischen Volkes waren mit
dem Fürsten Michael, der sich mehr von der abmahnenden
Stimme Schischkin's, des russischen Vertreters in Belgrad,
leiten liess und auch Serbien nicht für genug gerüstet hielt, sehr
unzufrieden und nannten ihn einen Zauderer ; der aber gleichwohl
nicht verabsäumte, die kriegerischen Kräfte seines Volkes bereit-
zustellen, um sie je nach Umständen gegen die im Süden (bei
Nisch und Monastir) sich ansammelnden Türken oder gegen Oester-
reich zu gebrauchen^.
^) »Aus dem Leben König Carl's von Rumänien c, I, S. 69. Es sind übrigens
Anzeichen dafür vorhanden, dass in Berlin eine Sendung nach Belgrad schon früher
in das Auge gefasst worden sei. Scovasso, der italienische Consul in Belgrad, be-
richtete am II. Mai unter anderem an seine Regierung, er glaube, dass Preussen in
Belgrad durch Agenten Ihätig sein werde, »welche Ore§kovi<^ bereits erwarte«.
Durch Letzteren hielt er den Geschäftsträger des preussischen Consulals für informiert.
Dieser hatte zu Scovasso jüngst gesagt: >Ich glaube, dass man mit Geld hier
viel ausrichten konnte«. .Scovasso will gehört haben, dass Garasanin dem
preussischen Geschäftsträger >einige Hoffnungen gegeben haben mag, jedenfalls aber
unter der Bedingung, das-; Preussen seinen Beistand zur Revolution in der Türkei
bieten würde«. (Der Bericht Scovasso 's wurde von Wien am 22. Mai dem General-
Commando Temesvar übersendet und dort am 28. Mai 1866 sub. Praes. Xr. 272
registriert.)
*) Auch Oreskovic beschuldigt im Belgrader »Dnevni List«, Nr. 202 vom
Jahre 1895, die russische Diplomatie, dass sie sich im Jahre 1866 mehr um Preussen
als um Serbien gekümmert habe.
»Während der Vorbereitungen des Krieges (zwischen Oesterreich und Preussen)
hatte Russland, ähnlich wie Frankreich, das Berliner Cabinet zu demselben im Stillen
ermuthigt. Ks gönnte (oesterreich zur Strafe für dessen Haltung im Krimkriege noch
mehr Niederlagen, als es schon 183«) erlitten hatte^ glaubte aber doch an die schliess
liehe Ueberlegenheit der österreichischen Waffen und versprach sich, ähnlich wi«
Frankreich, von dem deutscheu Bürgerkriege die Schwächung beider streitenden Theil»
■Hopf. »Die deutsche K^-isis de« TaH-e« 'S' 'ic. 2. Aufl"»e, S. i' n^ t» ^n» v,»^
Die Legion Klapka 18(36. gg
Und auch in dem benachbarten Rumänien, dessen Boden
der neue Fürst aus dem Hause HohenzoUern am 20. Mai betreten
hatte, standen Joan B r a t i a n u und R o s e 1 1 i mit ihren gross-
rumänischen Plänen an der Spitze des ersten Ministeriums des
Fürsten Carl, der es eine seiner ersten Regierungssorgen sein
Hess, die rumänische Armee auf Kriegsfuss zu setzen und durch
Freiwilligen-Formationen zu verstärken*). Wenn diese Massregel
auch zunächst gegenüber der Ansammlung türkischer Truppen-
massen unter O m e r Pascha an der unteren Donau getroffen
wurden, so war doch in Rumänien allgemein die Meinung ver-
breitet, der Zweck der Volksbewaffnung in den Donau-Fürsten-
thümem sei, im Laufe der europäischen Kriegsereignisse eine
Diversion nach Siebenbürgen zu machen^).
Ueberdies bestand die Gefahr, dass Serbien und Rumänien
Vereinbarungen trafen, die, wenn sie auch als gegen die Türken
gerichtet ausgegeben wurden, doch bei der Schutzlosigkeit des
südöstlichen Theiles der habsburgischen Monarchie geeignet waren,
derselben unter Umständen Verlegenheiten zu bereiten. Thatsäch-
lich hatte Fürst Carl von Rumänien schon am 6. Juni in Demeter
B r a t i a n u einen Vertrauensmann nach Belgrad entsendet, um
dort das Terrain zu sondieren, die freundnachbarliche Gesinnung
auch die Haltung» Russlands gegenüber Serbien. Dessen Plänen sollte unter anderem
auch die Insurgierung Bosniens und der Herzegovina durch den im Mai aus Russland
dahin abgegangenen berüchtigten Insurgentenführer Vukalovich dienen. ( K. A.,
General -Commando Agram, 2. Juni 1866. I*raes. Nr. 32 g»-h.) Als aber nach König-
grätz l'reussen zu m.ichtig zu werden drohte, regte P'ürst (iortschakoff einen
europäischen Congress an, nicht aus Li be /.u O^stcrreich oder zum Deutschen Bunde,
sondern aus Sorge vor einer sich ankündigenden französisch- preussischen Verständigung.
Nun musste natürlich der russische Vertreter in Belgrad retardierend wirken und das
officielle Serbien konnte sich diesem Einflüsse nicht entziehen.
*) Die bezüglichen für>llichen Decrete wurden im Bukarester »Romanul« um
die Mitte des Mjnats Juni verlautbart. Es ist vielleicht Zufall, aber jedenfalls von
Interesse, dass diese Decrete wenige Tage vor oder nach dem 12. Juni datiert sind.
an welchem in den Aufzeichnungen des Fürsten der Abbruch der diplomatischen Be-
ziehungen zwischen Wien und Berlin bedeutsam angemerkt wurde. (»Aus dem Leben
König C a r l's von Rumänien«, L, S. 6<).)
'( Nach einer Meldung des k. k. (leneralConsuls in Jas-^y vom 13. Juni !$(}(>
gieng damals unter den moldauischen Bojaren die Rede, Fürst Carl habe von I*reussen
und Frankreich die Mittel zur Aufbringung von 50.000 .Mann behufs eines Einfalles
in die Bukowina erhalten. Der k. k. Starost in Bakau will am 7. Juli 186O vom Fürsten
Cantacuzeno erfahren haben, dass die rumänischen Rüstutigen mit preussischen
Subsidien betrieben würden und bezifterte d;e Hiihe derselben am 13. Juli nnt
16 Millionen Piastern, das ist uugefälir 2.oo<3.ooo Gulden.
QQ K i e n a 8 t.
Rumäniens zu betonen und um Ueberlassung von Pulver und
Munition zu ersuchen, ein Begehren, dem Fürst Michael mit
Bereitwilligkeit nachkommen zu wollen, dem am 29. Juni wieder
in Bukarest eingetroffenen Demeter Bratianu zugesagt^).
In den Kreisen der serbischen Agitatoren wollte man wissen,
dass der rumänische Abgesandte Serbien ein förmliches Bündniss
angetragen habe, welches eine werthvolle Ergänzung zu den
bereits mit Montenegro bestehenden Abmachungen bilde, von
denen man gleichfalls sprach^.
Pfuel fand also für seine Aufgabe sehr günstigen Boden
vor; sie konnte nur darin bestehen, die bereits vorhandenen Dis-
positionen gegen Oesterreich zu fördern und dahin zu wirken,
dass Serbien und Rumänien sich zu einem gemeinsamen Angriff auf
Oesterreich vereinigten. Ein sonst gut unterrichteter Confident
behauptete nachher, dies sei die wirkliche Absicht Preussens ge-
wesen. Eine solche wird sofort plausibel, wenn man sich erinnert,
um wie viel schwerer sich damals die ganze Welt die Nieder-
werfung Oesterreichs vorgestellt hat, als sie dann den Preussen
wirklich geworden ist. Hat diese Absicht aber bestanden, so war
1 866 für Preussen, wie in so vieler Hinsicht, auch hierin das Bei-
spiel Friedrich II. von Bedeutung; denn auch dieser König hatte
es während des siebenjährigen Krieges versucht, die Türken
und Tataren zu einem Einfall in Ungarn und Siebenbürgen zu
bewegen, während er selbst Oesterreich in Böhmen und Schlesien
bekämpfte*').
Die Consolidierung der ungarischen Emigration im Juni 1866.
Durch das Telegramm Bismarck's vom 15. Juni*) wurde
Graf Usedom verhalten, die italienische Regierung nachdrück-
lich zu einem Abkommen mit dem ungarischen Comite zu drängen.
*) »Aus dem Leben König Carl's von Rumänien«, I, S. 67, 75.
*) Auch in die Zeitungen war die Nachricht gedrungen. Ein Bukarester Cor-
respondent der Wiener >Xeuen Freien Presse« erinnerte am 14. September (in der
Nummer vom 17. September) 1866 an seine diesfalligen früheren Berichte. Hinter
Montenegro stand aufmunternd Italien. (Augsburger »Allgemeine Zeitunjr« vom "'l. Juli
186O, Correspondenz aus Constantinopel vom 2. Juli.)
') Mittheilungen des k. und k. Kriegs- A -chivs, Neue Folcje, IX, ^ \r^ ♦
Die Legion Klapka 1866. q.
Nach Allem, was über Usedom bekannt ist, konnte ihm kaum
ein willkommenerer Auftrag werden. Hatte er doch bisher schon
eifrig" daran gearbeitet, die Ertheilung einer solchen Weisung über-
flüssig zu machen. Nur war seine !Mühe bis nun an der Abneigung
La Marmora's gescheitert, der mit Recht auf die Un-
einigkeit unter den ungarischen Führern hinwies. Aber auch als
Ricasoli die Minister-Präsidentschaft übernommen hatte, stellte
dieser den Ungarn sonst freundlich gesinnte Mann als gänzlich
unabweisliche Bedingung (als »conditio sine qua non«) für Unter-
handlungen mit der italienischen Regierung an Kossuth die
Forderung, dass dieser zuerst im Einverständniss mit dem unga-
rischen Comite stehen müsse, mit »jenem Comite, dessen aus dem
Vaterlande g'ekommenes Mitglied Komdromy, dessen Bevoll-
mächtigter nach Aussen Csdky ist«*). Beide Genannten befanden
sich Mitte Juni in Florenz und verkehrten unter anderem auch
eifrig bei den Vertretern Preussens. Graf C s ä k y stellte am
17. Juni dem Legationsrathe von Bernhard! den aus Ungarn
angekommenen Komäromy als den — »Präsidenten des
Pester Comit^s der geh eimen ungarisch enNationa 1-
Regierung« vor-).
Diese beiden Männer, die wichtigsten Personen des Comites,
wollten ursprünglich mit Kossuth nichts zu thun haben, ihn
von der Betheiligung an der bevorstehenden Bewegung ganz
ferne halten. Dann aber gaben sie, allem Anscheine nach unter
der Einwirkung U s e d o m 's, mit Mühe zu, den Namen und den
Einfluss des Exgouverneurs zu gebrauchen, denn man konnte
Kossuth und seinen Anhang nicht hindern, auf eigene Faust
eine Bewegung einzuleiten oder am Ende den Plänen des Pester
National-Comit6s mit dem bei den Massen in Ungarn noch immer
wirksamen Gewichte seines Namens sich entgegenzusetzen. Ander-
M »K o s s u t h Lajos iratai«, VI, S. 273 und ff. (Kossuth an Nicolaus K i s s
de Nemeskör, Florenz, 4. Juli 1866.)
*) >Aus dem Leben Theodor von Bernhardi'sc, VII, S. 79. K o ra d r o m y
war in seiner Jugend nicht k. k. Subaltern-Officier, sonst wäre er in einem der älteren
Jahrgänge des Militär-Schematismus verzeichnet. Auch hinsichtlich >seines wenig be-
kannten Namens und seiner bescheidenen Stellung« irrt Bernhard i. Komdromy
soll vielmehr ehedem einer der reichsten Grundbesitzer Ungarns, ein »steinreicher«
Mann gewesen sein und sein Name war nicht nur bei allen Gegnern der österreichischen
Herrschaft in Ungarn, sondern auch bei der Regierung selbst gar wohl bekannt. Das>
der Letzteren auch seine Bedeutung nicht entgangen war, erhellt daraus, dass sich ihre
Organe schon 1863 lebhaft für seine Photographie interessierten.
Q2 K i e n a s t.
seits beabsichtigten jedoch die Häupter des Comitt^s, ihm nicht
wirklichen Einfluss auf die Leitung und den Gang der Dinge zu
gestatten, denn es war die Befürchtung vorhanden, »seine Eitel-
keit, seine Herrschsucht und seine radicalen Gelüste könnten
Alles nur verderben« ^). Bezeichnend ist die Aeusserung des Grafen
Csdky vom 3. Juni, er wolle der Einigkeit wegen gerne thun,,
was nöthig, um dem Scheine zu genügen und unmittelbar vor
Ausbruch der Bewegung K o s s u t h gerne bitten, dem Comite
zu befehlen, was bereits geschehen sei^.
Mit solchen Absichten that Csdky selbst die ersten Schritte,,
um mit Kossuth zu einem Einverständniss zu kommen^), was
gleicherweise wie von der Florentiner, so auch von der Berliner
Regierung gewünscht wurde ^). Die Verhandlungen kamen am
18. Juni zum Abschlüsse und gipfelten in folgenden Puncten:
Kossuth sollte die auswärtigen Beziehungen Ungarns, das
Comite dessen innere Angelegenheiten leiten. Von der Aufstellung
eines »Xational-Directoriums«, wie es von 1859 an durch mehrere
Jahre bestand, wurde abgesehen. Als Bindeglied zwischen Kossuth
und dem Pester Revolutions-Comite sollte Graf Csdky dienen.
Wenn Kossuth den Boden Ungarns betrat, fiel ihm allein die
Regierung des Landes zu. Bis zu diesem Augenblicke sollte das
inländische Comite die Erhebung des Landes vorbereiten. Diese
aber musste beginnen, wenn die in Preussen und Italien zu bilden-
den ungarischen Legionen mit preussi sehen und italienischen
Truppen von Norden und Süden her nach Ungarn vordrangen.
Mit einer dieser Legionen gedachte Kossuth in das Vaterland
zurückzukehren^). Die beiden Legionen, beziehungsweise die aus-
wärtigen Hilfs-Truppen sollten an Waffen und ^lunition so viel
als nur möglich mit sich führen. Damit es möglich werde, auch
in die vom grossen Kriegs-Schauplatze abgelegenen Theile Ungarns
Waffen zu werfen, sollten im Einverständnisse mit den Regierungen
*; »Aus dem I-eben Theodor von B e r n h a r d i 's«, VII, S. 24.
«j Ebenda, VII, S. 35.
') »Kossuth Lajos iratai«, VI, S. 409.
*) Ebenda, VI, S. 228.
*) Nach dem Schreiben vom i. Juli 1866 an Vukovich in London (»Iratai«
VI, S. 351 und ff.) beabsichtijjte Kossuth, obwohl er der Expedition Garibaldi':
näher war, dennoch mit der von Preussen ausgehenden Expedit^v
nach Unjjaru zu jjelangen, weil er von dort nach einer {glücklichen Schlacht in w-" ^v.
Tagen in das Land kommen konnte, während das mit Garibaldi. ' - •<. .c-»ir
kciten auf seinem Wege finden würde, erst viel spä*?r erst na- ( ^ v .ae
•?«ttc -»-''oicen k' -"^'-n.
Die Legion Klapka 1866.
93
in Belgrad und Bukarest auch in Serbien und Rumänien Frei-
willigen-Abtheilungen gebildet werden, welche die Richtung nach
Slavonien und Siebenbürgen zu nehmen hatten. Der Einbruch
nach Ungarn sollte von allen Seiten zugleich geschehen. Nur
für diesen Fall nahm das Comit6 die Vorbereitung des Aufstandes
in Ungarn auf sich und nur unter dieser Bedingung wollte
K o s s u t h für dessen Stärkung und Ausbreitung sorgen. Der
Grundgedanke dieser Pläne war, dass eine eventuelle Bewegung
in Ungarn nicht etwa einer der gegen O esterreich Krieg führen-
den Mächte eine günstige Diversion vollführe, sondern dass das
ganze Land aufstehen könne und sich mit voller Kraft auf Oester-
reich werfe, um sich von dessen Herrschaft zu befreien. K o s s u t h
wollte zu diesen Vereinbarungen die Zustimmung der italienischen
Regierung gewinnen. Er hatte Erfolg. Um den Beifall der preussi-
schen Regierung zu erreichen, Hess sich Csdky von Kossuth
nach Berlin beordern. Nach Serbien gedachte Kossuth Stephan
Türr zu schicken, nach Bukarest sollte das National-Comit6 einen
Vertrauensmann entsenden ').
Die nächste Folge dieses Uebereinkommens war, dass
Kossuth noch am Tage desselben, am 1 8. Juni, eine Anzahl
von in Italien lebenden Honv6d-Officieren aufforderte, sich zum
Abgehen nach Preussen bereit zu halten, um dort unter dem
gewesenen Honved-Obersten Baron Uechtritz als Cadre-(oder
♦D6p6t«-)Commandanten den Kern einer aufzustellenden unga-
rischen Kriegsmacht zu bilden.
Die Erwählten waren : Oberstlieutenant Adolph M o g y o-
r 6 d y, Major Georg Scheiter, Rittmeister Eduard (Alexander ?)
K o V ä c s und Stephan C z e c z, Hauptmann Baron B a 1 a s s a sen.,
die Oberlieutenants Adolph von Montedego, Christian Fejer,
Geza Hevessy, Gustav Szabö und Baron Balassa jun.,
endlich die Lieutenants Albert M d k r a, Paul X i t s n e r und
^) »Kossuth Lajos iratai«, VI, S. 227 und ff. (K o s s u t h an Xicolaus K i s s
deNemesker, Florenz, 25, Juni); VI, S. 242 und ff. (Grundlagen einer Vereinbarung
mit Ungarn und Modalitäten ihrer Ausführung, Florenz, 18. Juni); VI, S. 256 und ff.
(Note Kossuth's für Herrn Theodor Grafen Csdky a^s den Stellvertreter des
Pester National- Comites zu Florenz, 28. Juni 1866); ferner VII, S. 104 und ff., dann
S. 192 und ff.
Q I K i e n a s t.
Anton Seregdy^). Bald veranlasste ein Telegramm aus Berlin
ihren Aufbruch -).
Dem zu Folge reisten schon am 28. Juni Major Scheiter
mit vier Officieren und am 29. Oberstlieutenant Mogyorödy
mit den meisten der Uebrigen von Turin nach ihrem neuen
Bestimmungsort ab. Der erhaltenen Weisung gemäss nahmen
sie ihren Weg über den Mont Cenis nach Paris und weiter nach
Berlin. In Köln sollten die in der Schweiz sich aufhaltenden
fürgewählten Officiere zu den Anderen stossen. Alle reisten
mit preussischen Pässen oder doch mit preussischen Pass-Visas.
K o s s u t h scheint nicht im entferntesten geahnt zu haben,
dass die Männer des Pester Comites durch das Abkommen vom
18. Juni nur ihr Spiel mit ihm getrieben hatten. Er war viel-
mehr froher Hoffnungen voll, wieder zur langentbehrten und
langersehriten Macht zu gelangen und arbeitete eifrig, dieselben,
soweit es auf ihn ankam, der Verwirklichung zuzuführen. Einer
seiner ersten (ledanken war, wie immer, der an eine Proclamation '),
welche aller Welt, aber auch seinen Landsleuten und nicht zu-
letzt den ungarischen Südslaven, die bevorstehende Bewegung
sozusagen mundgerecht machen sollte. Schon am 23. Juni ent-
warf er also ein Manifest, welches analog dem erst vor zwei
Wochen dem italienischen Minister-Präsidenten eingehändigten
Älemoire^), nun auch den Ungarn selbst die Wichtigkeit ihres
Landes für die Machtstellung Oesterreichs klarmachen will. Es
ist, wie alle Emanationen des Exgouverneurs, ungemein breit-
spurig und in docierendem Tone gehalten ; es lautet in deutscher
Uebersetzung -') :
»Es giebt Aug(jnblicke in der (Toschichte, welche über Leben
oder Tod einer Nation entscheiden. Ein solcher Augenblick ist
der gegenwärtige für Ungarn und Siebenbürgen, ebenso auch
') »K o s s u t h Lajos iratai«, VI, S. 245 und ff. mit Herücksichti^'unp von S. 248.
*) Ebenda. VI, S. 274 (a tiszteknek innen odaküldcsc .... Berlinböl tav-
sürjj<'>nyilcj» sürj;etvc . . . .) Am 23. Juni wusste K o s s u t h noch nichts von diesem
Tclej^ramm. iVergl. > Iratai« VI, 231, Punct 4.)
') Türr soll einij»e Jahre vorher über Kossuth j;esaj»t liaben : »Hätte icl
seine Verbindunjjen, lanjje wäre es mit Unjjarn anders; doch er sehe"* Blut -»n«
jjlaubl mit rroclamati(»nen <lie Freiheit Unjjarns zu erringen.*
*) Siehe oben S. 03.
*' Unt'ari>che' ~^' '•"' '^ '^ '^ 1 a •♦'
Die Legion Klapka 1866. qc
für Croatien, Dalmatien und Slavonien. Der bereits ausgebrochene
Krieg wird nicht nur die Fragen lösen, die ihn hervorgerufen, er
wird auch auf die Zukunft Ungarns, sowie Croatiens, Slavonien s
und Dalmatiens einen wesentlichen Einfluss ausüben. Denn, wenn
diese Länder unter österreichischer Herrschaft verbleiben würden
und wenn Oesterreich siegreich aus diesem Kriege hervorg'ehen
sollte, würd3 es auf diese Staaten mit allen seinen consolidierten
Kräften drücken, um durch die Vereinigung dieser Provinzen die
Einheit des österreichischen Kaiserstaates zu verwirklichen. Be-
siegt uud verkleinert hingegen, wird es noch mehr bemülit sein,
Alles, was ihm bleibt, enge zusammenzufassen, um der Dynastie
durch die Einheit des Kaiserstaates den Platz einer Grossmacht
zu erhalten. In beiden Fällen hören Ungarn, sowie Croatien, Sla-
vonien und Dalmatien auf, Staaten, Nationen zu sein; sie können
Rassen, Nationalitäten sein, aber Nationen — nimmermehr!«
»Die Gewalt des Geschickes ist so gross, dass sie keine andere
Alternative lässt, als feigen, nationalen Selbstmord oder Bewahrung
der Selbstständigkeit durch Waffengewalt. Wer aber möchte sterben,
wenn ein muth voller Entschluss das Leben gewinnen kann?«
»Die tiefer blickenden Regierungen Europas haben die un-
garische Frage verstanden, möge auch die öffentliche Meinung
Europas sie verstehen. Diese Frage darf nicht mit rastlosen revo-
lutionären Bestrebungen verwechselt werden. Wir Ungarn sind
keine Revolutionäre; wir lieben sociale; und politische Experimente
nicht. Wir sind ein ordnungs- und friedliebend^^s Volk. Loyal im
Uebermass, sind wir benMt, viel zu oj)fern, aber nicht das Vater-
land. Von heiliger Pit'tät für die Traditionen unserer Vorfahren
lieben wir die Freilu*it in der Ordnung, aber wir hassen die Zügel-
losigkeit. Unser Volk ist durchdrungen von monarchischem (xefühl.
Aber trotzdem sind wir eine Nation und wollen wir eine Nation
sein unt<»r unseren eigenen Gesetzen, als frt»ie Nation ein freies
nationales Leben gt^niessen. Und einen Staat wollen wir bilden,
keinem fremden Volke unterthan, einen unabhängigen Staat, da
uns unsere tausendjährige Geschichte, internationale V«*rträge, die
Ausdehnung unseres Territoriums, die Zahl und drr (ienius unseres
Volkes dieses Recht geben. Unter den unabhängigen Nationen
Europas fällt uns der sechste Platz zu. Diesen wollen wir (ein
nehmen), denn wir habt»n ein Recht darauf; unsere Wünsche
reichen so weit als unser Recht.«
»Aber zwischen der Erfüllung unserer Rechte und dem I lause
Habsburg-Lothringen besteht ein unversöhnlicher Widerstreit.
96
K i e n a s t.
Dieses Haus allein unter allen souverainen Häusern hat in dieser
Eigenschaft weder eine Nation, noch ein Vaterland; es hat nur
einen Besitz. Es ist nicht das Haupt einer Nation, sondern nur
die herrschende Familie. Und weil diese Stellung der Familie
keine Grundlage für die Macht bildet, ist sie immerwährend be-
strebt, die Provinzen, welche sie nach und nach erworben und
zwischen denen weder ein natürlicher, noch ein nationaler, noch
ein historischer (?) Zusammenhang besteht, zu einem einheitlichen
Reiche zu verschmelzen. Ihre Versuche sind unveränderlich wie
das Geschick, denn sie sind die Folgen einer Stellung, die nicht
verändert werden kann.«
>^Das ist der Grund, wesshalb die Geschichte des Hauses
Gestenreich seit dreieinhalb Jahrhunderten Ungarn gegenüber
nichts anderes vorstellt, als einen unausgesetzten Rechtsbruch in
der Richtung, dass die ungarische Nation sich für das Herrscher-
haus aufopfere und aufhöre, einen Staat und eine Nation zu bilden
in Bezug auf Alles, was dem Leben eines Volkes seinen natio-
nalen und staatlichen Charakter giebt, im Einheitsstaate aufgehe
und einen einzelnen Bestandtheil eines grossen österreichischen
Vaterlandes, einer »grossen österreichischen Nation« bilde, die
nicht existiert*).«
»vSo steht die Frage zwischen der ungarischen Nation und
dem Hause Habsburg-Lothringen. So war sie unausgesetzt seit
vierthalb Jahrhunderten, so ist sie auch heute noch. Der Fatalis-
mus der Geschichte Hess vor kurzem den Kaiser Franz Joseph
die Worte sprechen: *l)er Einheit des Reiches und seiner Stellung
als Crrossmacht muss jede andere Rücksicht untergeordnet werden.«
Ungarn muss also entweder zum Range einer österreichischen
Provinz herabsinken (?) und als Nation sterben (?), als Staat ver-
schwinden (?), oder wieder die Fahne des Jahres 1849 empor-
heben, die unseren siegreichen Händen nur durch Verrath im
Vereine mit fremder Intervention entrissen werden konnte, aber
nach Recht noch immer unversehrt dasteht.«
»Es giebt keine andere Alternative (?). Jede Aussöhnung ist
eine geschichtliche Unmöglichkeit (?). Wir haben diese Schwierig
keit durch die Versuche und die langen Leiden von vierthalb
M Die »österreichische Nation« ist eine theoretische Unterstellung. Kossu'
erinnert sich wohl mit Absicht nicht daran, dass auch eine »ungarische Nation«, o
heisst jene, die den ungarischen Staat ganz allein ausfüllt, nicht existiert, "" ^^' '^
eine Nation der Mag\*aren, welche neben a» ''»■*'• \nf:%T^-T u^ Gebiet der ; - .
Die Legion Klapka 1866.
97
Jahrhunderten ausgekostet. Die ungarische Nation ist auf dem
Puncte angelangt, wo sie nichts mehr zu wagen hat, indem sie
für ihre Existenz kämpft, denn da sie Alles verloren hat, hat sie
nichts mehr zu verlieren. Aber sie kann alles gewinnen, wenn
sie nur will. Und da sie nur zu wollen hat, um Alles zu gewinnen,
wird sie wollen!«
»Die Frage steht ganz ähnlich für die vereinigten Königreiche
Croatien, Slavonien und Dalmatien^). Auch vor ihnen steht als
verschlingender Abgrund der Strudel des österreichischen Einheits-
staates, ja womöglich noch gefahrvoller als vor uns.«
»Die ungarische Nation hat feierlich erklärt, dass, wenn die
Croaten als freie Nation mit einer freien Nation die achthundert-
jährige Verbindung erneuern wollen, sie dieselben mit offenen
Bruderarmen empfangen werde, dass, wenn die Croaten diese
Erneuerung an Bedingungen knüpfen sollten, sie darüber mit ihnen
brüderlich verhandeln werde; aber zur Gewalt wird sie niemals
greifen, um sie zur Erneuerung der Verbindung zu zwingen. So
sind also die Croaten gegenüber Ungarn Herren ihres Geschickes,
nicht aber gegenüber Oesterreich. Mögen nun die Croaten gegen
nationale Garantien ihre alte Verbindung mit Ungarn erneuem
oder nicht, sie können nur so unabhängig sein, nur dann eine
Nation und einen Staat bilden, wenn Ungarn sich von der öster-
reichischen Herrschaft befreit; sonst nicht I«
»Die öffentliche Meinung in Europa soll es also wissen: wenn
die ungarische Nation von neuem die Fahne des Jahres ,1849
erhebt, so hat sie dazu nicht revolutionäres Gelüste veranlasst,
sondern sie wird dazu vom Selbsterhaltungstriebe gezwungen. Und
sie wird diese Fahne erheben, denn, wenn sie sie nicht erhebt,
geht sie zugrunde. Sie wird sie erheben, denn die Vorsehung
bietet eine so günstige Gelegenheit, dass es nicht nur eine Unter-
lassung, sondern Verbrechen, Schande, Wahnsinn, Selbstmord
wäre, sie nicht zu ergreifen. Die göttliche Vorsehung giebt sich
in Ereignissen kund und die Ereignisse sind ausserordentlich
günstig. «
»Die Haltung Ungarns war von jeher von überaus grossem
Einfluss auf alle Kriege, welche das Haus Habsburg-Lothringen
führen wollte oder musste. Wie viele Schlachten, wie viele Pro-
') Die folgende Stelle enthält den Kern der seit etwa zehn Jahren befolgten
ungarischen Parteipolitik gegenüber den österreichischen Südslaven. 1 Vergl. Kossuth,
>Schriften aus der Emigration«, I, S. 140, 154, 164, 448 und a. a. O., ferner Rogge,
>Oesterreich von Vilagos bis zur Gegenwart«, II, S. 141, 146.)
Die Legion Klapka 1866. 7
98
K i e n a s t.
vinzen verlor es (und selbst auch Wien) in den langen Kriegen
des ersten französischen Kaiserreiches ! Da aber O esterreich stets
frei über Ungarn verfugen konnte, gieng es aus diesen Kriegen
mächtiger hervor als es früher war, während der grosse Kaiser
auf Sanct Helena gieng, um zu sterben.«
»Trotzdem hat Ungarn vielleicht niemals grössere Wichtig-
keit besessen, als in dem gegenwärtigen Kriege. Eben jetzt ist
seine strategische Bedeutung ausserordentlich. Und niemals hat
Oesterreich mehr Croaten und eine so grosse ungarische Streit-
kraft in den Kampf gefuhrt als eben jetzt. Wie zum Hohne für
den Landtag, der zu Pest versammelt ist, werden Recruten über
Recruten ausgehoben ohne Zustimmung des Landes und in Folge
dieser mit Hohn gebeizten Willkür hat Oesterreich 34 ungarische
Infanterie-Regimenter, 1 4 ungarische Husaren-Regimenter und
über 70.000 Grenzer: im Ganzen eine Macht von 240.000 Ungarn
und Croaten in seinen Schlachtreihen.«
*Ich versichere meine Nation, dass die Bedeutung ihres Be-
nehmens überall verstanden und gewürdigt wird, wo es wünschens-
wert erscheint, dass es verstanden und gew^ürdigt werde. Ich ver-
sichere meine Nation, dass 1849, auch der Werth seiner Lehren
nicht vergessen ist. Es ist unvergessen, dass dieses stolze Haus
Oesterreich, welches heute wagt, zwei grosse Mächte zum Kampfe
aufzufordern, im Jahre 1849 nicht im Stande war, gegen die un-
vorbereitete, waffenlose ungarische Nation einen einzigen Feldzug
zu bestehen, ohne dass es die Hilfe von 200.000 Russen anrief,
welche es vor der Vernichtung retten sollten, der es die macht-
vollen ungarischen Honved-Truppen mit ihren gerechten Waffen
nahegebracht hatten. Und dafür hat es Russland mit seinem tra-
ditionellen Undank gelohnt. Ich versichere meine Nation, dass,
sowie die ungarische Heldenhaftigkeit gewürdigt wird, welche so
erstaunliche Leistungen hervorbrachte, ebenso auch das verstanden
wird, dass der Schlüssel zu diesem denkwürdigen Ereignisse darin
liegt, dass Ungarn den Schwerpunct der Macht des Hauses Oester-
reich bildet; wenn es über diese Kraft nicht verfügt, ist es ge-
lähmt; wenn diese Kraft sich ihm gegenüberstellt, ist es unrettbar
verloren.«
»Die ungarische Nation wird begreifen, sowie es in der Fremde
begriffen wird, dass, wenn di(* Kanonem zu donnern beginnen,
die Macht der Inter(\ssen eine Vereinbarung herbeiführt zwischen
jenen Kactoren, die einander den Sieg leichter und sicherer machen
können, ind(»m sit» sich wechselseitig stützen- Und de^n zu Folvr^
Die Legion Klapka 1866. qq
bringt die Logik der Thatsachen Combinationen hervor, die eben
dadurch, dass sie auf Interessengemeinschaft beruhen, der unga-
rischen Nation die Bürgschaft geben, dass sie in den Combinationen
nicht als Werkzeug, sondern als Ziel in Betracht gezogen werde.
Es wäre nicht rathsam, sich dem vorübergehenden Gefühle der
Sympathie zu überlassen. Nur jene Verbindungen sind sicher,
welche auf Gemeinschaft der Interessen beruhen. Hilfe für Hilfe,
Stütze für Stütze, Interesse für Interesse: das ist das geschicht-
liche Gesetz in allen Kriegen. Ungarn ist ein Riese, dem die
Hände gebunden sind. Wenn ein Freund, ein Nachbar, veranlasst
durch Interessengemeinschaft, ihn von seinen Fesseln befreit, so
wird der Riese in seinen eigenen Kräften die beste Bürgschaft
finden, dass er Herr seines Geschickes bleibe.«
»Im Jahre 1849 haben nicht nur wir unsere Kräfte kennen
gelernt, sondern auch die Welt. Ungarn wird jetzt die Früchte
dieser Erkenntniss ernten. Die Logik der Geschichte ist manchmal
langsam, aber immer sicher und gerecht. Ungarn wird die Früchte
ernten in der Selbsterkenntniss, welche nächst Gott die grösste
Bürgschaft des Erfolges ist. Es wird die Früchte ernten in der
Thatsache, dass, wenn die Welt im Jahre 1849 seine unerwarteten
Riesenanstrengungen nur mit Staunen sah und seinem unverdienten
Sturz Achtung" und Sympathie zollte, ein neuer Beweis seiner
Lebenstähigkeit von der Anerkennung seiner Rechte gefolgt sein
wird. Es wird die Früchte ernten in der Thatsache, dass, wenn
im Jahre 1849 fremde Intervention unseren Händen den bereits
errungenen Erfolg unserer Siege entriss, jetzt in dieser Beziehung
nichts zu befürchten steht. Und wenn trotz Allem dennoch eine
jetzt neutrale Macht (seil. Russland) dazwischen träte, um neuer-
dings das undankbare Oesterreich vor unseren gerechten Waffen
zu erretten, was nicht wahrscheinlich, so müssten wir auch dann
nichts befürchten, weil es eine andere neutrale Macht giebt, welche
es nicht dulden würde, da sie es nicht dulden könnte, dass die
rechtlose Gewalt Europa Gesetze vorschreibe.«
»Die Grundsätze des Völkerrechts sind in ihrer Entwicklung
fortgeschritten. Die Unverletzbarkeit des Volkswillens gelangte
zur Geltung^). Die Verletzung des Volksrechts, deren Opfer wir
im Jahre 1849 waren, haben sowohl jene, die sie verübt, als auch
jene, die sie geduldet, viel mehr zu bereuen gehabt, so dass
*) Hinweis auf das von Napoleon TU. entdeckte und practicicrte »Nationalitäten-
Princip«.
7*
IQQ K i e n a s t.
eine solche weder von neuem verübt, noch geduldet werden könnte.
Und ich bin überzeugt, meiner Nation aus der Seele zu sprechen,
wenn ich in ihrem Namen das feierliche Gelöbniss ablege, dass
meine Nation sich sorgfaltig vor jedem Schritte hüten werde, welcher
den Verdacht irgendwelcher Macht erwecken könnte und dass
sie Alles vermeiden werde, was zu Complicationen führen könnte;
zu feindlichen Einmischungen soll nicht nur kein Grund, sondern
selbst kein Vorwand gegeben werden^).«
»Schliesslich aber wird Ungarn die Früchte seiner Kraft-
anstrengung im Jahre 1849 ernten in der Thatsache, dass wir,
wenn wir damals vereinsamt und verlassen waren, heute weder
allein, noch verlassen sein werden. Die Thatsachen werden die
Wahrheit dieser Worte beweisen.«
»Schon flattert an einem Orte frei das nationale Banner; ich
habe beigetragen zu seiner Erhebung. Die ungarische Nation
wird den politischen Inhalt dieses Wortes verstehen — denn in
mir ist ein Princip verkörpert und dieses Princip heisst: 1849.«
»Diese Worte werden auch jene Braven verstehen, welche
die österreichische Willkür ohne Zustimmung unserer Nation in
den Krieg führt, auf dass sie zu Tausenden bluten als Opfer für
ihre ehrgeizigen Pläne. In ungarischen Händen sind Säbel und
Bajonnett Vemunftwesen. Der ungarische Soldat hört auch in der
österreichischen Uniform nicht auf, Patriot zu sein. Er weiss, dass
sein (jlaube, seine Treue, seine Schwüre dem Vaterlande gehören
und nicht dem Unterdrücker desselben. Sein Platz ist dort, wo
das Banner seiner Nation flattert. Und das erhobene Banner ist
nicht die einzige That und auch nicht die letzte, um die so lange
duldende ungarische Nation zu überzeugen, dass die Nacht der
Knechtschaft vom Himmel des Vaterlandes sich löst und die
Morgenröthe der Freiheit erglänzt. Die Nation erwache daher,
damit der anbrechende Tag sie nicht schlafend finde. *t
v Wir durch Gewalt von unserer Geburtsstätte Vertriebenen
werden unsere Pflicht gegenüber dem Vaterland zu erfüllen wissen.
Aber der Erfolg hängt nach Gott von der Nation selbst ab, denn
von ihr hängt die Entscheidung ab. Ich habe offen gesprochen,
nicht im Dunkel der Verschwörungen. Das nach Millionen zählende
Volk rettet das Vaterland am hellen Tage. Die Nation denke
nach. Wenn sie die jetzige günstige Gelegenheit nicht benütz'*p
*j Diese Stelle richtet sich deutlich erkennbar an Kussland und soll dieses a.
vermeintliche Schutzmacht der ungarlUndischen Slavcn über ''Ten '^"hicksnl beri'*^«<?«»»
Die Legion Klapka 1866. Iqi
würde, hätte sie keine Zukunft mehr. Sie selbst würde sich aus den
Reihen der lebenden Nationen streichen, würde herabsinken zu
einer Race in einem zusammengewürfelten Staate, würde Eij^en-
thum werden einer despotischen, fremden Familie. Als Staat aber
würde sie verschwinden, als Nation sterben. Dann aber verdiente
sie den Tod!«
»Aber sie wird nicht sterben! Viel hast du j^elitten, mein
Vaterland, seit ich dich nicht mehr j^esehen. Viel leiden auch wir
in der Fremde. Ich bin grau geworden unter dem Gewicht der
Jahre, unter den Qualen der Verbannung und unter der Sorge
für die Familie. Doch in der uneigennützigen Vaterlandsliebe hat
dies leidende Herz nicht nachgelassen. Das ist es, was zum Handeln
anspornt. Und mit der ruhigen Ueberlegung der Vernunft und
mit der Wärme der Hoffnung, welche ich nicht leicht zu ent-
zünden pflegte und mit dem Entschlüsse kräftigen Wollens sage
ich, was ich seit siebzehn Jahren niemals gesagt: »Auf Wieder-
sehen, mein Vaterland, meine Nation!«
Florenz, 2^. Juni 1866.
» Ludwig Kossuth.«
Das Manifest culminiert in dem Satze: »Ich verkörpere ein
Princip und dieses heisst: 1849«. In Bezug auf die beabsichtigte
»decheance des Hauses Habsburg ^ befand sich also K o s s u t h —
allerdings, abgesehen von der diesem Hause zu gebenden Nach-
folgerschaft — mit seinen aristokratischen Gegnern, die nunmehr
seine ehrlichen Partner zu sein schienen, in voller Ueberein-
stimmung *).
Leider waren die Aristokraten, wi<» sich noch zeigen wird,
auch in Hinsicht auf den Begriff von Soldat(*nehre und Krieger-
treue mit dem Vertreter des -Princips 1849« eines Sinnes.
Für welchen Mann von Vernunft konnte es ein Anreiz sein,
die Hand nach der unberufen feilgebotenen Krone von Ungarn
auszustrecken, w(?nn er wahrnahm, wie leichtsinnig die angeblichen
Führer des ungarischen Volkes dessen gesunden Sinn mit hinter-
listigen Sophismen, dessen ed<*lste militärische Tugend<»n mit
inhaltslosen Phrasen zu untergrabtm suchten, wenn dit» Worte,
die Ungarn sei(m durchdrungen von monarchischem Gefühl, in
*) Rcuchlin, »Geschichte Italiens«, IV. S. 450, hat l'nrecht, wenn er
tchreibt : »Das un^^arische Comitc trat wie<lcr zusammen. Kossuth wurde zum
Programme der l'^rsonal-Uaioa bekehrt.«
] Q2 K i e n a s I.
einem Athem mit der Aufforderung zum Treubruch ausgesprochen
werden konnton ?
Das Manifest sollte, Kossuth's Absicht gemäss, nach
günstiger Beendigung der Verhandlungen mit Preussen zugleich
in den deutschen, französischen, englischen und italienischen
Zeitungen erscheinen. Aber der Pariser >Avenir national« war
schon in den ersten Tagen des Juli im Stande, es seinen Lesern
vorzusetzen. Damach wurde es auch von den anderen Blättern
abgenommen, so unter Anderen vom Bukarester »Romanul« am
lo. Juli 1866. Kossuth sprach bald den Verdacht aUvS, die
Veröffentlichung sei von Theodor C s a k y ausgegangen, der ein
Exemplar mit sich genommen habe, um es auf telegraphische
Weisung in die Berliner Zeitungen einrücken zu lassen ^).
Wenngleich das ^Manifest eine Stelle enthielt, welche die
Soldaten ungarischer Nationalität zum Bruche ihres Fahneneides
veranlassen sollte, so war es übrigens doch nicht zu diesem
Zwecke bestimmt oder geeignet. Den Soldaten kümmerten
lange politische Krwägungen wenig ; bei ihm wirkten einige
kernige Worte vielleicht besser, wenn sie ihn nur überzeugten,
dass er unvermeidlich kämpfen müsse, sei es für, sei es gegen
Oesterreich und wenn sie ihn für den letzteren Fall über die
Bedenken in Betreif der Fahnentreue hinwegtäuschten. Ruhig
in Florenz sitzend, V(»rfasste daher derjenige, >'den unsere Nation
zur Erhaltung ihrer Unabhängigkeit einstens zu ihrem Führer
gewählt«, eine dies(Mi Absichten dienlich scheinc^nde Proclamation
an die ungarischen Soldaten in der österreichischen Süd-Armee,
welche er aber zur l^^rhöhung der Wirkung - aus dem königlich
italienischen Lager* und unglücklicher Weise vom 24. Juni, dem
Tage von Custozza, datierte. In das italienische Lag'er rief er die
tapteren Ungarn »im Namen (iottes und der Nation- und schloss
seinen Appell: »Im heiligen Namen des Vaterlandes aber ver-
ordne und befehle ich, kommet hieher, auf dass Ihr von
hier aus zur Rettung des Vaterlandes aufljrechen könnt ! Es
lebe der König von Italien! Es lebe das italienisch-ungarische
Bündniss ! Es lebe das Vaterland!^
Obwohl Kossuth insbc^^ondrrt» durch den in Mailand al<
Redacteur thätigen Ignaz llt^lfy (t»ln'dem Heller) .sich um dU
Verbr«Mtung (lies<»r Proclamation -) b<*niühtr, so hat .si«' d' "^
'1 >Kussuth l.aju-i iratai«, VI, S. 355 und tV., S. 302 u^^" ' •
Die Legion Klapka 1866.
103
keinen Erfolg gehabt und ist auch gelegentlich der Forschungen
zu diesem Aufsatz ausser in Kossuth's Schriften nicht zum
Vorschein gekommen.
Anders verhält es sich mit einer zweiten Proclamation aus
jenen Tagen, welche die ungarischen Soldaten im k. k. Heere
zum Uebertritt in das preussische Lager aufforderte und
folgenden Wortlaut hat ^) :
3> Ungarn! Tapfere Söhne des unglücklichen Vaterlandes!«
»Nicht in den männlichen, ritterlichen Kampf, sondern zur
Schlachtbank führt man Euch.«
»Zwei freie Nationen, die preussische und italienische, haben
sich, bedroht von der österreichischen Tyrannei, zum Kampf mit
unseren Unterdrückern entschlossen in der Absicht, ihre Unab-
hängigkeit zu vertheidigen.« (!)
»Gott wird ihre Waffen segnen, denn sie kämpfen für eine
heilige Sache.«
»Sie kämpfen jetzt um dasselbe Ziel, um dessentwegen im
letzten Kriege unsererseits so viel Blut geflossen ist, um ihre
unabhängige Freiheit, um das heilige Recht des Königs und
der Gesetze.«
»Ihre Sache ist auch die unsere, ist mit der unsrigen unzer-
trennlich verbunden.«
»Lasst Euch nicht durch Ruhmbegierde hinreissen, denn Ihr
werdet sonst zu Brudermördern.«
»Schont Euer Blut für die heilige Person des kommen-
den Königs (!) und zur Vertheidigung der Gesetze des Vater-
landes. <
»Der Kaiser von Oesterreich hat beim Herannahen des
Krieges wohl den Landtag einberufen, aber anstatt unsere Gesetze
und Rechte zu gewährleisten, hat er die wiederholten Bitten der
Nation nicht einmal einer Antwort gewürdigt und seit sieben
Monaten vertändelt der Landtag unthätig die Zeit.«
»Der Kaiser erwartet das Ende des Krieges, um, wenn er
siegt, das ungarische Volk aus der Reihe der Nationen für immer
auszurotten ; wird er besiegt, nun dann wird er der Nation einige
Rechte einräumen.«
^) Nach einer amtlichen Ueberselzung, K. A., F. A. Süd- Armee 1866, VII,
ad 235.
IQ 1 K i e n a s t.
»Die heilig-e Sache Eures Vaterlandes verlangt, dass Ihr
nicht ge^en Preussen kämpft. •'
>' Husaren ! Ihr, für die es kein Hindemiss gab und g'iebt,
kommt in das preussische Lager und Ihr kimnt mit dem Ende
des Krieges in Eure Heimath, in den Krtds Eurer Familie zurück^
kehren. «
»Infanteristen 1 Benützt Eure Bajonnette nicht, jetzt ist
es ruhmvoll und keine Schande, sich gefangen nehmen zu
lassen. (!•«
* Artilleristen ! Schiesst in die Luft, denn sonst vergiesst
Ihr das Blut Eurer Brüder!«
• Durch den Sieg der preussischen Waffen
wird das ungarische Vaterland befreit werden*).*
Diese Proclamation wurde der österreichischen Armee-
leitung durch folgende Meldung des Commandanten der zweiten
leichten Cavallerit*- Division, (tM. Freiherrn von Taxis aus
Wildenschwert am 6. Juli i866 an das Commando der Nord-
Armee bekannt:
»Am 3. d. M., als in Folge der beginnenden Schlacht im
Laufe des Morgens die auf Vorposten btii Holohlaw stehende
Division von Württemberg-Husaren eingezogen wurde, erschien
bei dtTselben als angeblicher Parlament<är ein preussischer
Husaren-Officier, d(»r mehrere Exemplare der hier beigeschlossenen
Proclamation an einen Patrouillefühn^r übergab.«
»Ich kann nicht unterlassen, diese verräth (irische, des Soldaten
unwürdige Handlungsweise, wie den perfiden Inhalt des über-
gebenen Schriftstückes dem hohen Xord-Armee-Commando
gehorsamst zur Kenntniss zu bringen-).
FZM. I^enedek erhielt diese Anzeige »mit vielen rück-
ständigen Postsendungen« erst in der Nacht zum 21. Juli und
legte sie mittelst Bericht(*s vom s(*lbtMi Tage aus Waag"-Neustadtl
dem mittlerwtnlc zum Commandanten der gesammten operierenden
Armeen ernannten Erzherzog A 1 b r e c h t vor, wobei er seine
Entrüstung über die 'Ihatsache in folg(»nd(* Worte kleidete: »Ein
solcher Vorgang, der Missbrauch überdies, der hiebei von der
*) Den iinj,Mri«Jchfn Wortlaut siclie in «ler H'.*iJ.ijje Xr. 3. (K. A., F. A.
< )pcrieron<lc Armer, lS^<», VlI» 537 f.l
•) K. A., F. A. Operierende Armee, 1866, VlI, 537 c.
Die Legion Klapka 1866.
105
Eigenschaft als Parlamentär gemacht wurde, brandmarken die
Gesinnung, die sich solcher Mittel zu bedienen nicht scheut, in
so schmählichem Grade, dass ich mich beeile, die in Rede
stehende, leider so sehr verspätet eingelangte Anzeige Eurer
kaiserlichen Hoheit sogleich in tiefster Ehrfurcht zu unter-
legen ^).«
Der Erzherzog unterrichtete mit Circular-Befehl vom
26. Juli 1866 sämmtliche Truppen-Commandanten von dem Auf-
tauchen der Proclamation und forderte sie kurz und bündig auf,
der Erscheinung ihre volle Aufmerksamkeit zu widmen, die
»Verbreiter aber, auch wenn sie der feindlichen Armee angehören
sollten, im Betretungsfalle sofort wegen Verbrechens gegen die
Krieg'smacht des Staates standrechtlich behandeln und erschiessen
zu lassen« ^.
Wenige Tage vorher, am 23. Juli, hatte auch das Kriegs-
Ministerium auf Grund einer Anzeige des k. k. Polizei-Ministeriums
vom 21. Juli die Armee- und Truppen-Commanden auf das
Auftauchen der Proclamation aufmerksam gemacht und zur ent-
sprechenden Vorsicht gemahnt^).
Der Inhalt der Proclamation rechtfertigt vollauf die harten
Verdammungsurtheile der zwei österreichischen Generale, sowie
auch die strenge Anordnung des Erzherzogs.
Ueber den Zeitpunct ihrer Entstehung giebt die den Landtag
betreffende Stelle Aufschluss. Derselbe soll »seit sieben Monaten«
seine Zeit vertändeln. Da er am 14. December 1865 eröffnet
wurde, so müsste die Proclamation im Juli abgefasst worden sein.
Da sie aber der am 26. Juni 1866 erfolgten Vertagung des Land-
tages, welche vermuthlich einen weiteren Anklagepunct gegen
den Kaiser von Oesterreich abgegeben hätte, nicht erwähnt, so
muss sie spätestens unmittelbar vor dem Bekanntwerden dieser
Thatsache der Druckerei übergeben worden sein. Damit stimmt
auch die Zeit ihres Auftauchens in Böhmen überein.
Auch über den oder die Verfasser giebt der Inhalt einen
Fingerzeig : die ungarischen Soldaten sollen ihr Blut schonen für
die Person des kommenden, des zukünftigen Königs (a leendö
kiräly), also eines neuen, anderen Königs. Man irrt wohl nicht,
') K. A., F. A. Operierende Armee, 1866, VII, 537 d.
») Ebenda, VII, 537.
•) Ebenda VII, 537 a und F. A. Süd- Armee, 1866, VII, 235.
Iq() K i e n a s t.
wenn man dabei an jenen König" denkt, dessen Wahl nach der,
von der aristokratischen »Patrioten ^-Partei vor dem 4. Juni 1866
dem italienischen Minister-Präsidenten La Marmora über-
reichten Denkschrift von Italien und Preussen zu genehmigen
gewesen wäre^). Hinter der Proclamation steht also das Pester
Revolutions-Comite, dessen Häupter sich zur Zeit ihrer muth-
masslichen Entstehung noch in Italien befanden. Thatsächlich
sagte ein von den O esterreichern festgenommener Besitzer der
Proclamation (Weth) aus, dieselbe sei aus Italien gekommen.
(Traf Csaky also hat wahrscheinlich die Proclamation verfasst,
in Italien (oder bei Xicolaus Puky in Genf?) drucken lassen
und in das preussische Hauptquartier versendet. Allem Anscheine
nach geschah all' dies ohne Zustimmung, ja ohne Wissen
K o s s u t h's, der im Vorgefühle baldigen Machtbesitzes, kaum
zur Zufriedenheit des Xational-Comites, zu gleicher Zeit mit dem
Vollgewichte seines Namens und seiner einstigen Würde zu den
ungarischen Soldaten sprach.
Nur (TOtt sieht in die Herzen der Menschen. Der Forscher
kann es also nicht entscheiden, ob und welches Unheil die Worte :
»Jetzt ist es ruhmvoll und keine Schande, sich gefangen nehmen
zu lassen < bei Lc^uten von bescheidener Urtheilskraft, wie es die
ungarischen Soldaten doch wohl ihrer Mehrzahl nach waren, an-
gerichtet hat, oder im Laufe der Zeit angerichtet haben würde.
Die Organe der preussischen Regierung und der obersten Heeres-
leitung trifft jedenfalls der Vorwurf, durch die lliat zur Ver-
breitung von Principien beigetragen zu haben, die sich mit dem
Gedanken der legitimen Monarchie nicht in Einklang bringen
lassen. Denn es ist wohl ausgeschlossen, dass man preussischerseits
nichts von dem Inhalte eines Documentes gewusst habe, mit dessen
Ueberbringung zu den österreichischen Vortruppen — und gerade
zu solchen ungarischer Nationalität ! — ein preussischer Officier
betraut wurde -').
*) Siehe oben S. 64.
-) Am ir. Juli 1806 nahm eine Patrouille des Husaren-Regiments Graf Haller
Xr. 12 unter Coramando des Oberlicutenants Grafen Herb erst ein in Rothwasser
den kßl. preussischen Lieutenant a. D. Heinrich Weth, welcher als Special-Cor-
respondent der Berliner Kreuzzeitung von (ilatz über Grulich nach Landskron zum
sechsten preussischen Armee-Corps zu reisen im BegritVc war, gefangen. Da Weth
auch ein Kxemplar der fraglichen I*roclan»ation mit sich lührtc, wurde er zur kriegs-
rechtlichen Untersucliung nach Wien und später nach Gr-^' abgeführt. Den Inha^* ^^
Die Legion KlapUa 1866. jq-^
Klapka neuerdings bei Bismarck im Hauptquartier bei Königgrätz.
Graf Bismarck mochte indessen solche Bedenken leicht
überwinden ; wusste er doch, dass die zur Aufstellung einer un-
garischen Legion in Preussen bestimmten Honv^d-Officiere sich
bereits auf dem Wege nach Berlin befanden. Die dazu noth-
wendigen ungarischen Soldaten zu gewinnen, war eben die Pro-
clamation bestimmt. Und auch den Führer der Legion hatte er
bereits auserkoren. Auf seine Berufung hin ebensowohl, als auf
Betreiben des rothen Prinzen trat Georg Klapka am 30. Juni
Abends die Reise nach Berlin an^), nachdem er sich auf Ver-
von dem preussischen Geueral von Hennenfeld oder General von Hoffmann
mit dem Auftrage empfangen zu haben, sie in Berlin übersetzen zu lassen! In dem
(im Original erhaltenen) Exemplare der bei Weth vorgefundenen Proclamation sind
auffallender Weise die Worte »a leendö kirdly« (des kommenden Königs) mit Blaustift
unterstrichen. Weth verwahrte sich bei der militUrgerichtlichen Einvernahme am
17. Juli dagegen, dass aus dieser Thatsache etwa geschlossen werde, er habe den
Inhalt der Proclamation gekannt. Der blaue Strich rühre keineswegs von ihm her.
Heinrich Weth wurde auf Grund des Prager Friedens (Artikel X) vom
23. August 1866 am 12. September in Wien freigegeben. Die Acten der wider ihn
geführten militärgerichtlichen Untersuchung befinden sich im k. und k. Kriegs- Archiv,
*) »K o s s u t h Lajos iratai«, VI, S. 262. (Nicolaus Kiss deNemesk^r an
K o s s u t h, Paris, 30. Juni 1866.) Die Freunde K o s s u t h*s und K 1 a p k a*s waren
seit längerer Zeit bemüht, die beiden Männer mit einander zu versöhnen. Auf eine
diesbezügliche Andeutung des Nicolaus Kiss erwiderte Kossuth am 20. Mai 1866 :
»Mit Klapka gehe ich fürderhin nicht zusammen. Nicht nur desswegen, weil er keine
festen Grundsätze hat : heute ist er so, morgen anders ; heute verzichtet er auf jede
politische Rolle, nach einer Stunde ist er Löffel in jeder Suppe ; heute proclamiert er
von Brüssel aus, dass wir kein Recht haben, uns in die Angelegenheiten der Nation
zu mischen, morgen thut er, ich weiss nicht was. Von all' dem würde ich absehen.
Aber von der Erinnerung komme ich nicht los, dass er hinter meinem Rücken con-
spirierte und zwar in Verbindung mit den zweifelhaftesten Elementen und auf Grund
so toller, abenteuerlicher Pläne, welche auf den ungarischen Namen einen starken
Schatten werfen und hier (in Italien) am Hofe einen solchen Eindruck hinterliessen,
dass der König, wenn man ihm die Ungarn erwähnt, in die Tasche langt, um seinen
Geldbeutel zu bewahren. Wer einmal hinter meinem Rücken gegen mich conspirierte,
mit dem trinke ich nicht aus einem Glase Ich sage nicht, dass Klapka
nicht im Grunde ein guter Mensch sei, aber ich sage, dass er schw^ach, unbeständig,
nicht verlässlich, ehrgeizig und — was ich schmerzlich erfahren — intriguant ist . . .
Vertrauen ist die Grundlage gemeinsamer Arbeit. Ich schenkte Klapka mein Ver-
trauen — und gab ihm damit Bedeutung. (!) Er entgalt mir dafür mit Intriguen hinter
meinem Rücken. Weiterhin kann ich ihm nicht vertrauen. Unsere Wege gehen in
Ewigkeit auseinander.« (»Iratai«, VI, S. 192.)
Als dann Klapka, beeinflusst von denselben Freunden, am 30. Juni vor
seinem Abgehen nach Berlin dem Exgouverneur seine militärischen Fähigkeiten zur
Verfügung stellte, nahm Kossuth diese Scheinunterwerfung dennoch an, in seiner
IQg K i e n a 8 t.
anlassunjL^ C s a k y \s und K o m a r o m y's von der Absicht des Ein-
trittes in italienische Kriej^sdienste losgesagt hatte ^).
Am 3. JuU; dem Unglückstage von Königgrätz, fand er sich
im preussischen Hauptquartiere ein. »Tags darauf« — so heisst
es in eintim erst kürzlich erschienenen (xeschichtswerke *) —
empfieng ihn Hismarck und theilte ihm mit, dass mit der Auf-
st<»llung d(»r Legion Ernst zu machen sei. Der Minister-Präsident
sprach die Ueberzeugung aus, dass es noch zu ernsten Kämpfen
kommen werde: nicht die Zertrümmerung üesterreichs sei sein
Zit*l, dies(*s müsse aber zu raschem Friedensschlüsse gezwungen
werden. Die ungarischen (Tefangem^n, so wurde Klapka in
Aussicht gest(*llt, sollten nach den schh^sischen Festungen geschafft
und hier seinen Werbern jeder Vorschub geleistet werden. Nach
Sammlung einiger tausend Mann, wollte Klapka den Einfall in
Ungarn versuchen. Er gedachte zu zeigen, dass die Ungarn nicht
blosse Worte machten.«
Die Botschaft des Prinzen Napoleon an Bismarck.
Es mag dahingesti'llt bhnben, ob Bismarck zu Klapka
und dem vermuthlich im Hauptquartier eingetroffenen Grafen
Csaky') g(*radt» so gesprochen habe. Es ist wenigstens zu be-
zweifeln, ob er mit dt *r VtTsicherung, Oesterreich nicht zertrümmern,
sondern nur zu rasch<*m Fri(idtmssclilusse zwingen zu wollen,
Klapka 's und s<»in<»r Freunde Heiiall errang, denn ein neuer
kalten und hochfahrenden Antwort vom 5. Juli allerdin^^s darauf bedacht, dass ihm
aus dem wieder^jcwonnenen Mitkämpfer kein Kivale erwachse. («Koüsuth Lajos
iratai«, VI, S. 2^5 und tT. i
Mit der >o sehr verurtheilten Con>piration >hinter dem Kücken« K o s s u t h*ft
konnte die Hetheilij^un;» K 1 a p k a's an «lem Complot A 1 m a s s y's und dem Waffcn-
«iihmuji^^'el naol» l'nj^arn im Jalire lS(>4 j»enuini sein. Siehe oben S. 21.) Nach den Proccss-
Acten wus-^te K o s > u t h davon wirklich nichts, wie er • »Schriften aus der Kmigration«*
III. S, 711) ver>ichert. Kr iNt al)er nicht blos doswej^en darüber so ungehalten, sondern
mehr noch, wed in Knl|^e der Kntdeckun^ dieses (^'omplots auch das {gleichseitig Ton
ihm durch Stephan X e d e c z k y und Andere vorbereitete Unternehmen vereitelt wurde.
' > » K o s s u t h Lajos iratai«, Vi, S. 261. Nicolaus K i s s sa^t an dieser Stelle lam
30. Juni I^^<>) von Klapka: »LTnter den bekannten K'äften ist er (natürlich nach
KL o ^ s u t hl die zweite und noch dazu eine Specialkraft und einzige militärische Aato*
rität; ich wiederhole daher, es j»eht nicht an, dass eine solche Kraft brach liei;e.«
■') K r i e j| j u n ;;, »Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland«, 3. Aaf-
laj;e, II, S. 32«».
•*) »Kossuth Lajos iratai«, VI, S, 550.
Die Legion Klapka 1866. jqq
Wahlkönig in Ungarn war wohl nicht vereinbar mit dem Fort-
bestande der habsburgischen Monarchie in ihrer wesentlichen
Form und dann mussten die Revolutionäre auch furchten, bei
raschem Friedensschlüsse mit ihren Vorbereitungen nicht fertig
zu sein, thatenlos zu bleiben und daher auch am Ende mit ihren
Wünschen nicht berücksichtigt zu werden.
Diese immerhin möglichen Bedenken und Besorgnisse fanden
in der That einen den Ungarn gutgesinnten Wortführer, den
Bismarck damals noch nicht ohne Weiteres vernachlässigen
durfte : J6r6me Napoleon, den einflussreichen kaiserlichen
Prinzen von Frankreich.
Graf Seherr-Thoss befand sich bei Ausbruch des Krieges
in Paris und hatte seine Abreise zur ungarischen Legion in
Preussen für den 5. Juli festgesetzt. An diesem Tage begab er
sich nach dem Palais Royal, um sich von dem rothen Prinzen zu
verabschieden. Er traf den Letzteren, als er eben vom Kaiser
gekommen war und sich in sehr erregter Stimmung befand^).
Ueber seine Unterredung mit dem Prinzen, dem langjälirigen
Candidaten Kossuth's für den ungarischen Thron, machte
Seherr-Thoss, um das Gehörte festzuhalten und den erhaltenen
Auftrag desto besser auszuführen, in seinem Xotizbuche folgende
Aufzeichnungen ^) :
»Donnerstag, den 5. Juli. Der Prinz für Bismarck:«
)» Sagen Sie dem Grafen Bismarck, er solle diese Bedin-
gungen des schändlichen Friedens nicht annehmen, auch keinen
Waffenstillstand, sondern geradeaus auf Wien losmarschieren,
nicht auf Prag!«
»Sagen Sie ihm, ich könne ihm nicht schreiben, aber ich
hätte Sie beauftragt, ihm zu sagen, ich stünde dafür gut,
dass Italien diese Bedingungen nicht annehmen werde '% wenn
M Augenscheinlich hatten der Prinz und sein kaiserlicher Vetter das öster-
reichische Angebot von Venezien an Frankreich besprochen, wovon die Trennung des
preussisch-ilalienischen Bundes erhofft M'urde. Bekanntlich gieng Napoleon 111. auf die
österreichischen Absichten nur unter der Bedingung ein, dass seine Vermittlung sich
auch auf Preussen erstrecke.
*) Abschrift nach dem erhaltenen Original im K. A.
^) »Das italienische Heer,« so telegraphierte Napoleon III. am 5. Juli an
König Victor Emanuel, »hat Gelegenheit gehabt, seine Tapferkeit zu zeigen;
daher ist weiteres Blutvergiessen unnöthig und Italien kann leicht durch eine Ueber-
einkunft mit mir Venezien erlangen. Ich schreibe an den König von Preussen, um
ihm wie Eurer Majestät einen Waffenstillstand als Einleitung zu Friedens- Verhandlungen
vorzuschlagen.« (Bulle, »Geschichte der neuesten Zeit«, II, S. 607.)
l IQ Kienust.
Preussen Stand halte; im Falle der Noth würde ich selbst meinen
Schwiegervater (Victor Emanuel) aufsuchen. -<
»Auf meine Frage, ob der Kaiser nicht eine Pression zu
üben suchen würde, sagte der Prinz: Mit Frankreich ist eine
ernste Verwicklung nicht zu besorgen. Sie können den Grafen
Bismarck darüber gänzlich beruhigen. Dass man den Kaiser
hinhält mit nichtssagenden Antworten, dass man ihm verspricht,
sich später auseinanderzusetzen — gut! Aber man soll auf Wien
losmarschieren, um dadurch ein Ende zu machen mit diesem
Oesterreich für immer 1 Alan wird hier (in Paris) vielleicht einige
Einwendungen erheben, aber Frankreich wird Preussen den Krieg
nicht erklären, das garantiere ich dem Grafen Bismarck und
ich weiss, was ich sage. Erinnern Sie ihn, dass nach dem Ein-
märsche der italienischen Truppen in die Marken und Legationen
(i8öo) unser Gesandter von Turin zurückberufen wurde, aber
Frankreich hat desshalb Italien nicht bekriegt. Das wird auch
jetzt noch so sein, ich stehe gut dafür und ich weiss, was ich
sage. Machen Sie das dem Grafen Bismarck recht begreiflich.«
*Aber ja keinen Waffenstillstand! Oesterreich will nur Zeit
gewinnen, um seine Armee in Ungarn wiederherzustellen, seine
Truppen aus Italien heranzuziehen und neue Recrutierungen vor-
zunehmen. Das ivSt seine jeihrhundertelange Geschichte. Wenn man
nicht die augenblickliche Lage benützt, um Oesterreich zugrunde
zu richten, wird es sich rächen; Beweis dessen seine Geschichte.*
»Und welch' eine Beleidigung für Preussen, sich nicht an
dieses selbst, sondern an Frankreich zu wenden !<
'•Gehen Sie, g(*hen Sie ohne Verzug nach Berlin, verlieren
Sie nicht eine Stunde, um Bismarck aufzusuchen, holen Sie
das königliche Hauptquartier ein! Sagen Sie dem Grafen Bis-
marck: Der Prinz kann Ihnen aus leichtfasslichen Gründen nicht
schreiben, aber er hat mich beauftragt, in aller Eile zu Ihnen zu
reisen, um Ihnen von ihm zu sagen, dass etc.'<
»Er fügte noch hinzu: Die italienische Armee wird durch
Tyrol auf Wien losmarschieren, wenn Herr von Bismarck
seinerseits dorthin geht. Alles hängt von seiner Energie ab.^
-Der Prinz sagte noch, man solle sich vor Augen halten,
dass Oestf*rr(»ich nach einem erlittenen Unglück feige, wenn es
aber wi(»der neu bei Kräften, hochmüthig, unversöhnlich sei.-^
"Klapka sagen Sie, ich sei böse, dass er mich vor seiner
Abreise nicht aufg(*sucht, dass er aber jetzt losschlagen könne.
Er muss jet/t den entscheidenden Schlag a"^^^'i^'»r'*Ti hr s(»ll ^i'^v
Die Legion Klapka 1866 III
mit einigen Escadronen nach Ungarn werfen und das Land zum
Aufstand bringen. Wenn es sich auf diesen letzten Ruf nicht
erhebt, ist es für immer aus mit Eurer Nationalität etc. etc.*
»Man erzählt mir, dass man (in Ungarn) allgemein gegen
Oesterreich feindselig gesinnt sei und dass man bei den Nach-
richten von den ersten Niederlagen Oesterreichs offen Siegesjubel
angestimmt habe.*
Einer späteren Aufzeichnung des (xrafon S e h e r r - T h o s s
zu Folge ^) bemühte sich der rothe Prinz während einer halben
Stunde darzuthun, *dass er weniger im eigenen Namen, als in
Kenntniss der intimen Wünsche des Kaisers handle, welcher
in Folge der übernommenen Vermittlerrolle o f f i c i e 1 1 zum
Fried(?n rathen müsse. B i s m a r c k möge sich erinnt^m, dass der
Kaiser sich früher in Italien schon zwei Male des i^rinzen zu
solch' confidentieller Politik bedient habe.«
Graf Seherr-Thoss bei Bismarck in Pardubitz.
S e h e r r - T h o s s reiste, von der preussischen Gesandtschaft
mit einem Pass nach Berlin V(TS(»hen, noch am 5. Juli dahin ab,
um sich seint^r Aufträge zu entledigten. Unterwegs richtt^te er an
das auswärtige* Amt die tel (»graphische Bitte, ihm zur Weiterreise
einen Pass V(im Kriegs-Ministerium zu erwirk**n. Als er am 0. Juli
Abends in Berlin ankam, erhielt er von Lothar Buch e r, dem be-
kanntt»n Vertrauten Bismarck's, d(»n verlangten Pass. T)ers(*ll)<'
Vermittl(»r besorgte ihm die Chiffri^Tung folgenden Telrgramms^ :
»Berlin, 6. Juli Abends, an (trafen Bismarck, Haupt-
quartier."
') »Erinnerungen aus meinem Leben«, in der Deutschen KundBch.iu, Jahrtjann
1S81, Heft 10, S. 60. Seherr-ThoÄS tiel am 5. Aujjunt iHttG in österreichische
Gefangenschaft und K'<'"k dabei seines Notizbuches verlustig». Die in «licsem Auf-
sätze publicicrten Auf/.eichnun^,'en «le^selben sind unter dem frischen Kindrucke drs
Erlebten gemacht wortlen und nur für den persiinlichrn (rcbruuch des Gr:ifen bestimmt
gewesen. An ihrer Zuverlätsigk'^it ist «laher nicht wcdd /u /weifein. Sie vind wonach
selbst in «lern Falle, als das That«!ächliche derselben bei tb'r Niederschrift von den
per»«>nlichen Ansichten de«; Grafen nicht unberührt geblieben wäre, noch immer von
bcdeutentlem hist<^rischem Wrrthe. Dii-s i«.t auch der Cirund, warum jmr Stellen,
welche mit »lern Gegen«!tan«lc <lu**.rr Zrilcn nur in entfernterer Weise zu^ammenhäugfU.
dennoch nicht uitterdrückt werden.
*i Wortlaut au-* «lem Notizbuche iles Grafen S c h e r r - T h «> s s. Ab-chrii;
im K. A.
112 Kienast.
»Prinz Napoleon sendet mich zu Euer Excellenz mit ver-
traulichem Auftrag-e, mit dem Wunsche und dringenden Rathe,
dass Preussen den Waffenstillstand nicht annehme. Der Prinz bürgt
dafür, dass Italien die österreichischen Cessions- Anerbietungen
zurückweisen werde, wenn Preussen es nicht zur Annahme zwingt.
Er versichert ferner, in der Lage zu sein, auf das bestimmteste
zu wissen, dass Preussen sich keiner ernsten Bedrohung von
Seiten Frankreichs in obigem Falle zu versehen habe. Näheres
mündlichem Berichte vorbehaltend, reise sogleich ab.*t
Am Vormittag des 8. Juli traf Cxraf Seherr-Thoss wirklich
im preussischen Hauptquartier zu Pardubitz ein. Graf B i s m a r c k
bemerkte bald seinen früheren Berichterstatter über die ungarischen
Verhältnisse, auf den er übrigens durch vorstehendes Telegramm
vorbereitet war und forderte ihn auf, ihm nach seiner Wohnung
zu folgen.
vS e h e r r - T h o s s machte sich über die Unterredung mit dem
preussischen Minister-Präsidenten, über welchen er seine bisherige
abfällige Meinung nunmehr ganz geändert hatte, nachstehende
Aufzeichnungen^) :
»Pardubitz, am 8. Juli Vormittags. Crraf Bism ar ck fragt
mich, ob Prinz N a p o 1 e o n's Versicherungen bezüglich Frank-
reichs auch als siclier genug angesehen werden können. G a b 1 e n z
sei eben zum zweiten Male im Lager als Parlamentär, doch heute
führe er sclion eine andere Sj)rache, als das erste Mal, da Oester-
reich wohl schon auf die Allianz mit l^Yankreich rechne. Kaiser
Napoleon benehme sich in der Vtjrmittlungsangelegenheit nicht
so freundschaftlich, als B i s m a r ck b(*rechtigt war vorauszusetzen.«
»(t ab 1 (Ml z ist abgewi(is<»n. Italien s(»i tel(»graphisch b(»fragt
word<Mi und lehn«' die Bedingungtm ( )esterreichs ab. Reuss sei
nach Paris geschickt wordrn wegen der Antwort an Kaiser
N ap o 1 e on.
• ( Traf B i s m a r c k beauftragt«» mich, an K 1 a p k a und C s ä k y
zu sajj;en, er ersuche um gr(*)sst(* Beschleunigung d(»r Organisation
einiger ungarischer Truppen aus den Gefangt*n(*n, sowie dies
vor drei 1 ag»*n in lioHtz-) verabredet wurde. Unter den 40.000 Ge-
fang(Mien nmsst*»n wohl die Hälft«» Ungarn sein und es würde
*) In (las ]»ekanjUe Xoti/Imch. Abschiift im K. A.
-\ Pn.-i!''>i'iclu's llaupttjuaititT, unmittelbar vor und nach '^'" *•' ^^^-^cht von
K»»»'i'»j^'r!it/..
Die Legion KlapkA 1Ö6Ö I | ^
nicht schwer fallen, schnell eine Truppe daraus zu bilden ; man
mö^e damit eilen.«
»Bezüglich Oesterreichs wisse man, dass es die Friedens-
Anträge kaum ernstlich meine. Es wolle Zeit gewinnen, es wolle
seine italienische Armee heranziehen und lasse bereits die fünften
Bataillone marschieren, recrutiere in Ungarn und arbeite an der
Allianz mit Frankreich.-
•Sollte der Kaiser ^Napoleon) seinen Versprechungen untreu
werden, so würde er, Bismarck, ihm ganz Deutschland revo-
lutionieren.«
»Auf meine Frage erwiderte Bismarck, bis jetzt sei
Pr(»ussen aus den Cadres der Verabredungen mit Napoleon
nicht herausgegangen. Deutsches (iebiet könne Preussen an
Frankreich nicht bieten, besonders preussisch-deutsches nicht und
umso weniger, da die Rheinländer, wie man sehr gut wisse,
preussisch und deutsch bleiben wollten. Belgien nur habe er dem
Kaiser überlassen. Kr habe dem Kaiser und an Drouyn de
Lhuis gesagt: »Wenn Sie uns gewähren lassen und uns eine
wohlwollende Neutralität bewahren, so überlass<»n wir Ihnen alle
die (legenden, wo man französisch spricht, mehr aber nicht*).«
Als ich von Süd-Deutschland sprach, erwiderte Bismarck:
"An dem liegt mir nicht viell Wenn ich nur Jemand fände, der
es möchte*, setzte er scherzend hinzu, wohl in Bezug auf die an
Bayern gemachten Anträge-).«*
»Ich sprach ihm von d(»r (.)pportunität, die deutsche Reichs-
verfassung von 1849 zu acc(*ptic*n*n und zu proclamientn. Kr
meinte hiezu, man werde eventuell noch weiter gehf^n, wenn die
Umstände drängen.-
»Wegen des V()rmarsch<\s auf Wien sagte Bismarck, die
österreichische Armee habe sich gegen Olmütz zurückgezogen,
gegen sie müsse man eine» ansehnliche Macht zurücklassen, wenn
*; Am II. Juni 1R66 sajjte Bismarck zu T ü r r, er «ei Krankreich neijenüber
zu einer Grenzbcrichtij^unjj und zur Uel)erlas«unj» von Luxeml)urj; und Heljjirn bereit
gewesen. (»Kotftuth L:ijj»s irat:ii«, VI, S. 550. Verj;l. Hopf. »Wo «icutnclie Krini«
«le« Jahre» 18O6«, 2. Autlage (l8<io , S. 73 und fV , dann 123 und ff, endlich 17K »
*) Nach der am 14. Juni in der Hundesversammlunjj zu Frankfurt a. M. er-
fol^^ten Abstimmung über <len österreichinchen Antrag auf Molnlmaihun^ des Hunde»-
beeren erklärte der preussische (iesan<lte Vf)n S a v i j; n y den l>i'»heri^jen Huntlesvertran
lür jjcbrochen unr! erb)schen un<l b*^ti* hierauf die («rund/ii^e zu einem n#*u«*n Hun«ies-
vertrajje vor. der auf d»-ni Au^^chbisse ( )e'.terreich«. der o!»rr>trn I.eitunj» I*reu-«rns
und dem Commantlo Bayern«« über ilie süddout««chen (nntin^enle i»e|»ründet war.
Die Legion Klafki is*'/. ^
I|4 Kienast.
man auf Wien marschieren wolle. Dass in diesem letzteren Falle
man über Hradisch einige Truppen nach Ungarn schicken könne,
jal Aber zunächst handle es sich darum, dass Ungarn über
Jablunkau eindringen und das Land zu den Waffen rufen.«
An demselben Tage befand sich Graf S e h e r r - T h o s s noch
ein zweites Mal bei Bismarc k. Seine Aufzeichnungen hierüber
lauten:
»8. Juli Abends. (Zweite Unterredung.) <
»Bis m a'r c k lässt mir durch K e u d e 1 1 einen Platz in der
Feldpost zusichern zur Rückreise nach Berlin.«
»Er spricht nochmals über die politischen Verhältnisse und
sagt nur, es geschähe hauptsächlich mit Rücksicht auf Italien,
wenn man jeden Waffenstillstand ablehne. Italien wolle und könne
Venedig nicht als Geschenk nehmen, es müsse es erobern. Preussen,
wenn es nur Rücksicht auf sich selbst nähme, hätte wohl Frieden
machen können. Es würde verlangen, Böhmen zu behalten, welches
es im Augenblick ohnehin schon besitzt. Es würde beim Friedens-
schlüsse ferner die Kriegskosten verlangen, auch ausbedingen,
dass Ungarn seine Verfassung und selbstständige Stellung wieder
erhielte. Es wäre desshalb für Ungarn hoch wichtig, als Belligerant
beim Friedensschlüsse intervenieren zn können. Desshalb soll ich
nochmals aufgefordert sein, dahin zu wirken, dass unsererseits
die Organisation der ungarischen Truppe beschleunigt werde und
dass Ungarn baldigst in Action trete ^) . . .«
»In Bezug der im Jahre 1850 geschehenen Auslieferung der
Ungarn von Preussen an ( )esterreich sagt B i s m a r c k, das
wären and<^re Zeiten und ein anderer Kcinig gewesen; (?r könne
keine Mitschuld daran übernehmen, so wenig wie der jetzige
König, der ganz v(*rschieden sei an Charakt(?r von dem vorigen.
Wenn man in Ungarn dies nicht einsehe, so wären es eben die
Sünden der Vät(»r, di(i Pn.^ussen j<»tzt bezahlen müsse, aber ver
nünftigt*r Weise könne man jenes V(*rfahreu weder dem jetzigen
Könige, noch ihm, Bismarck, zur Last h;geu -).
*) Hier fol^t in <lt*r Vorlage «lic schon obni S. 43, AiiTT.erkiiii^ l initj»ethcilte Stelle
•1 In seinen 1S81 cr>chicnencji »Krinncrun;^en« . a. a. ()., S. 71 1 redet Graf
Seherr-'lhoss nur von einer JU*^;e;^nun;j mit l\ i s ni :i r c k, uhne sich in die
Details «1er ITnterretlunj^ viel einzulassen. Was er «Tavon mitt*"'«'* — ;.« ,rm».-i.-ht sonst
nicht wesentlich den Annotationen <les Xotizhuche-» '»■ ^♦'•••.- , .- Oeutsch-
land un<l Böhmen lautet hi- '''*^ -rlaubte m*** '•' » ..i k>s der
Die Legion Klapka 1866. 1 1 c
Bismarck fördert die Errichtung der ungarischen Legion.
Aus den Aufzeichnung'en des Grafen Seherr-Thoss sei
zunächst constatiert, wie selir Graf Bismarck auf dia Organi-
sation einer ungarischen Truppe aus den Kriegsgefangenen
drängte, um durch dieselbe eine militärische und zugleich poli-
tische Diversion auszuführen. Von Bedeutung ist dabei, dass der
preussische Minister-Präsident den Ungarn auch desshalb Eile
nahelegte, damit sie bei einem eventuellen Friedensschlüsse als
kriegführende Macht ein Wort mitzusprechen hätten. Dass es
ihm damit Ernst war, ergiebt sich daraus, dass er am 9. Juli an
den preussischen Gesandten Grafen Goltz über die Friedens-
Bedingungen schrieb, »der König denke übrigens an Thronwechsel
in Hannover, Kurhessen, Meiningen, an eine böhmische Grenz-
regulierung, an Ersatz der Kriegskosten, vielleicht auch an
Sicherung der ungarischen Constitution«^).
erwiderte der Gewaltige; auch dürfen wir nicht mehr schlucken, als wir verdauen
können, denn wir wollen nicht in den Fehler von Piemont verfallen, das sich durch
die Annexion von Neapel mehr geschwächt, als gestärkt hat. Ich wagte noch die
kühne Frage, was mit Böhmen geschehen werde. Nun, w^as wir haben, das be-
halten wir, war die Antwort.« (Vergl. dazu die folgende Anmerkung.)
') S y b e 1, »Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm !.♦,
V, S. 251.
Es ist von grossem Interesse, in diesem Zusammenhange auch der Proclamation
zu gedenken, welche in jenen Tagen an die Einwohner des »glorreichen Königreiches
Böhmen« ergieng und ihnen erklärte, die Preussen beträten mit voller Achtung für
ihre »historischen und nationalen Rechte den Boden Böhmens« und es liege ihnen
nichts ferner, als die Absicht, den »gerechten Wünschen« der Czechen »nach Selbst-
ständigkeit und freier nationaler Entwicklung entgegenzutreten«. Die Proclamation
schloss mit dem bedeutungsvollen Satze: »Sollte unsere gerechte Sache obsiegen, dann
dürfte sich vielleicht auch den Böhmen und Mährern der Augenblick darbieten, in dem
sie ihre nationalen Wünsche gleich den Ungarn verwirklichen können.
Möge dann ein günstiger Stern ihr Glück auf immerdar begründen!« Der Wortlaut
dieser merkwürdigen Proclamation ist im »Preussischen Staatsanzeiger < vom 13., in
der Wiener »Neuen Freien Presse« vom 14. und in der Augsburger »Allgemeinen
Zeitung« vom 15. Juli 1866 zu finden. Sie erhält eine eigenthümliche Beleuchtung
durch folgende Stelle eines Briefes Kossuth*s aus Florenz, den 29. Juni 1866, an
Nicolaus Kiss de Nemeskör: »Heute war der Abgesandte eines czechischen
Comitös bei mir — sie möchten gerne eine czechische Legion errichten und mit der
unsrigen auf preussischem Boden verbinden . . .< Der Wiener Correspondent der »All-
gemeinen Zeitung« constatiert am 3. September (in der Nummer vom 5. September
1866), dass die in Berlin lebenden Czechen als Erwiderung auf die preussische Pro-
clamation in den Berliner Zeitungen eine Dankadresse veröffentlicht haben.
Moltke schrieb am 5. März 1866 an Bismarck, eine der militärischen
Bedingungen des preussisch-italienischen Bündniss- Vertrages müsse sein, dass keiner
8*
Il5 Kienast.
Bismarck begnügte sich nicht damit, durch den Grafen
Seherr-Thoss den in Berlin befindlichen Männern der un-
garischen Actionspartei Eile an das Herz gelegt zu haben; er
förderte ihren Eifer auch durch Vorkehrungen und Verfügungen,
die den mit K 1 a p k a am Tage von Königgrätz getroffenen Ver-
einbarungen voll entsprachen. Der Berliner Correspondent der
Augsburger »Allgemeinen Zeitung«^) meldete am 12. Juli seinem
Blatte: »Zu welchen Schritten sich der conserv^ative Graf Bis-
marck herbeilässt; beweist ausser der an die Czechen erlassenen
Proclamation auch der Umstand, dassKlapka sich gegenwärtig
in Berlin aufhält zu keinem anderen Zwecke, als um aus den
gefangenen Oesterreichem ungarischer und italienischer Nationa-
lität ein Corps zu bilden, welches gegen die gerechte Sache ihres
legitimen Monarchen in's Feld geführt werden soll-).«
der beiden Conlrahenten. auch wenn einer etwa schon sein eigenes Ziel erreicht habe,
Frieden schliessen dürfe, bevor beide Thcile das »Kriegsobject* erlangt hätten.
»Darunter wird verstanden, nicht nur, dass Vcnezien und Böhmen durch die Ver-
bündeten besetzt sind, sondern dass Oesterreich in die definitive Abtretung jener
Länder gewilligt hat.« Hopf, »Die deutsche Krisis des Jahres 1866«, 2. Auflage,
S. 84, 88, 96 und 176, leitet einerseits daraus, anderseits aus dem vorsichtigeren Aus-
<lrucke, welchen diese Forderung M o 1 1 k e 's in dem Artikel IV des Offensiv- und
Defensiv -Vertrages vom 8, April 1866 zwischen Preussen und Italien gefunden hat,
im Vergleiche mit der Wiedergabe dieses Artikels durch die italienischen Staatsmänner
J a c i n i und La Marmora in (auch nach den Aeusserungen Bismarck *s zu
Seherr-Thoss über Böhmen, S. 114 mit Anmerkung 2) plausibel erscheinender
Weise die Folgerung ab, dass die preussischen Pläne auch noch nach dem Abschlüsse
des italienischen Vertrages nicht nur auf die Erwerbung Böhmens, sondern auch darauf
ausgegangen seien, Oesterreich, dem Italien ausser Venezien auch die dalmatinischen
und croatischen Küstenländer hätte abnehmen sollen, zu einer Macht zweiten oder
«bitten Ranges herabzudrücken. (Auch nach >Kossuth Lajos iratai«, VI, S. 408
und ff., K o 8 s u t h an C s a k y, 16. Juli 1866, soll Bismarck dieses Ziel an-
gestrebt haben. Aus »Kossuth Lajos irataic, VlI, S. 213, ist leicht abzuleiten,
dass auch Graf Usedom derselben Meinung war.) »Erst als dieser Plan misslungen
war, wollte Bismarck Oesterreich geschont wissen, weil er nunmehr voraussehen
konnte, dass er dieser Macht bald wietler betlürfen werde.«
Aus den lange vorher gefassten und festgehaltenen Plänen auf Böhmen erklärt
sich ungezwungen, warum sich König Wilhelm in Xikolsburg so hartnäckig weigerte,
ohne österreichischen Landerwerb aus »lem Kriege heimzukehren. Böhmen,
oder wenigstens beträchtliche Theile desselben, waren bekanntlich schon im ersten und
zweiten schlesischen Kriege ein >Kriegsobjoct* König Friedrich II. von Preussen,
des grossen Gegners unserer grossen Maria Theresia.
V» Nummer vom 16. Juli l8()6.
*) Ob am 12. Juli gerade Klapka selbst in Berlin "•- 1» • i.^a ein
""''erer Ungar für ihn i'enommen wurde, maj 'ahinge- «^ > . - i« ^ „.imlich
Die Legion Klapka 1866. j I y
Genaueres wusste der Correspondent desselben Blattes »von
der schlesisch-böhmischen Grenze« am 14. Juli zu berichten:
»Uebrigens ist die Anordnung" getroffen, dass sämmtliche ge-
fangenen Oesterreicher nach den verschiedenen Nationalitäten
eingetheilt und je nach denselben in bestimmte Festungen ver-
theilt werden sollen. Alle Ungarn kommen nach Neisse und Kosel
und es sind aus Küstrin die gefangenen Ungarn schon dorthin,
also ganz in die Nähe ihres Vaterlandes gebracht worden. In
Kosel sind schon 2000 gefangene Ungarn, meist Infanteristen und
nur einige Liechtenstein- und Radetzky-Husaren; und in Neisse
sind bereits ebenso viele in der Schlacht bei Königgrätz gefangene
Ungarn angekommen und werden sehr gut behandelt^). Man er-
wartet, dass sie demnächst befragt werden, ob sie in eine von
Klapka gebildete Legion eintreten wollen^).« Aehnliches meldete
der Correspondent eines Wiener Blattes aus Berlin, den 14. Juli:
»Wie uns mitgetheilt wird, ist bereits der Befehl ergangen, unter
den Kriegsgefangenen, die nach Preussen (Provinz) befördert
werden und noch zu erwarten sind, alle der ungarischen Nation
Angehörenden auszusondern und dieselben in den, dem böhmi-
schen Kriegs-Schauplatze näher gelegenen östlichen Theilen der
(preussischen) Monarchie zusammenzuhalten. Schon gestern hat
eine solche Aussonderung der über Dresden hieher beförderten
Kriegsgefangenen stattgefunden. Die Gefangenen ungarischer
»Klapka, der gestern aus dem preussischen Lager gekommen und bei der Schlacht
bei Sadowa zugegen war, gesteht selbst, dass Versuche, die Husaren zur Desertion
zu bewegen, misslungen sind. Er sagt, dass die jetzigen Husaren lauter Zigeuner und
herabgekommenes Gesindel sind, welches sich in einem halbthierischen Zustande be-
findet, jedoch verständig und ehrenhaft genug ist, sich zu einem doppelten Hochverrath
und Treubruch nicht verleiten zu lassen. < i K. A., F. A. Nord- Armee 1866, XIH, 13.»
Nach einem Schreiben Johann L u d v i g h 's aus Brüssel, den 18. Juli 1866,
war Klapka in den letzten Tagen in Brüssel und hatte von Paris aus in die Brüs-
seler »Indep?ndance< einrücken lassen, er sei bei Sadowa zugegen gewesen und gehe
mit einem gewesenen ungarischen Minister und mit vier ungarischen Officieren nach
Berlin. (»Kossuth Lajos iratai«, VI, S. 401.) Auch Graf S e h e r r - T h o s s sagte
später vor Gericht aus, er habe seine Aufträge an Klapka in dessen Abwesenheit
von Berlin nur dem Grafen C s a k y ausrichten können.
*) Die Weisungen Bismarck's wurden also genau befolgt. Dieser hatte -
schon am 27. Juli an Blumenthal geschrieben, >man möge die ungarischen Ge-
fangenen und Ueberläufer zuvorkommend behandeln und denjenigen unter ihnen, welche
politische Intelligenz zeigen oder aus nationalen, nicht persönlichen Gründen zu uns
desertieren, verständlich machen, dass eine nationale Erhebung ihres Vaterlandes bevor-
stehe«. (Lettow- Vor heck, > Geschichte d. Krieges von 1866 in Deutschland €, H,S. 599.1
*} Augsburger > Allgemeine Zeitung* vom 19. Juli 1866.
Ilg Kienast.
Nationalität sind sämmtlich nach Breslau weiterbefördert worden . . .
Die Anwesenheit des ung"arischen Generals Klapka, der von
höheren Militärs und Beamten der ungarischen Revolution be-
g'leitet ist, unterstützt die an diese Anordnungen geknüpften Ver-
muthungen*).*
Als diese Anordnungen und Vermuthungen nicht nur bei
den Freunden Oesterreichs, sondern selbst bei den preussischen
(xeneralen Widerwillen, ja Widerstreben hervorriefen, wendete
sich (jraf Bism arc k in dieser Sache direct an den König*).
Die Folge davon war, dass die in Berlin befindlichen ungarischen
Ofliciere am 12. Juli die Erlaubniss zum Anlegen ihrer Uniformen
erhielten und noch am Abend desselben Tages zu den ungarischen
Kriegsgefangenen in die schlesischen Festungen abgehen konnten.
Von Seiten des preussischen Kriegs-Ministeriums wurde ihnen
folgendes Legitimationsschreiben mitgegeben :
»An die königliche Commandantur zu . . .«
»»Die königliche Commandantur wird hiedurch b(*auftragt,
den Ueberbringer dieses für den Betreffenden ghiichzeitig als
Legitimation giltigen Schreibens mit den daselbst untergebrachten
Kriegsgefangenen ungarischer Nationalität verkehren zu lassen.
Auch ist dem Ueberbringer dieses zu gestatten, das ungarische
National-Costume und Seitengewehr tragen zu dürfen, in seiner
Kigen Schaft als ungarischer Officier.c
»Berlin, den 11. Juli 1866.'' Kriegs-Mmisterium.
Stampijjlien-Abdruck mit der Aufschrift: I" Vertretung:
»Kön. preussisches Kriegs-Ministerium.« J U n g ").
Vi »Neue Freie Presse* vom 17. Juli 1866.
-I In den »Gedanken und Frinnerungen« des Fürsten Bismarck heisst es
I II, S. 33): »Unter dem Drucke der französischen Tnterventi(Hi und zu einer Zeit, als
es sich noch nicht übersehen liess, ob es gelingen werde, sie auf dem diplomatischen
Wege festzuhalten, entschloss ich mich, flem Könige den Appell an die ungarische
Nationalität anzurathen. Wenn X a p o 1 e o n in der angedeuteten Weise (nämlich
durch Vereinigung von 6o.OOü Franzosen mit den süddeutschen (\>ntingenten zu einer
Armee viui 200.UOO Mann unter französischem Ol^erbefelilei in den Krieg eingriff,
Kusslands Haltung zweifelhaft blieb, namentlich aber flie Cholera in unserer Armee
weitere Fortschritte machte, so konnte unsere I age eine >t> schwierige werden, dass
wir zu jeder Waffe, die uns die entfesNelte nationale liewegung nitht nur in Deutsch-
Ian<l. Si>ndern auch in Ungarn und i^öhnien darbieten k<Mnite, greifen mussten (? ?),
um nicht zu unterliegen.« JH s m a r c k selbst war zum »Appell an <lie ungarische
Nationalität 4. wie die bisherige Darstellung lelirt, allerdings sihini entschlussen. als
alle die angeführten, angeblich gerade dazu zw»»»i!f*"den <ir'''»'dt' ■ ■«'•» la'>t— nicht vor-
handen waren.
■') ^^-•""tlieilt ■ • " ^' ' '«'- ra- *^
Die Legion Klapka 1866. I jq
Die Intervention Bismarck's erwirkte auch die Annahme
eines von C s d k y proponierten formlichen Vertrages zwischen
dem ungarischen National-Comit6 und der preussischen Regierung^),
der durch »das Decret vom 14. Juli« genehmigt wurde und nach
welchem nun die Werbungen der Officiere K 1 a p k a 's unbehindert
vor sich gehen konnten^.
*) In dem Notizbuche des Grafen Seherr-Thoss ist am 12. Juli vermerkt:
• Die Officiere gehen erst heute Abends zu den ungarischen Gefangenen nach Neisse
und Glogau ab, da früher die Erlaubniss zum Anlegen der Uniform nicht ertheilt
war. Wenn nicht neue Stockungen eintreten sollen, so müssen die von Graf C s d k y
dem General Schütz übergebenen sechs Puncte ohne Zeitverlust angenommen
werden.€ Nach >K o s s u t h I.ajos iratai«, VI, S. 546, telegraphierte Csdky am
13. Juli nach Florenz, dass seine Propositionen von Bismarck angenommen
worden seien.
') >Die preussischen Generale hegten gegen die "Werber Klapka 's Wider-
willen, aber das Decret vom 14. Juli beseitigte ihr anfängliches Widerstreben €. Fried-
jung (>Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland«, 3. Auflage, II, S. 499)
giebt für diese Stelle keinen Quellenbeleg; da er von dem Decret mit dem bestimmten
Artikel spricht, ist anzunehmen, dass er von demselben Näheres weiss, es vielleicht
sogar gesehen hat.
Lettow-Vorbeck*s »Geschichte des Krieges von 1866 in Deutschland«,
II, S. 599, bestätigt, dass der Befehl, »nunmehr mit der Bildung der Legion zu be-
ginnen«, am 14. Juli ergangen sei.
III.
Die Aufstellung der ungarischen Legion
in Preussen.
Beginn der Aufstellung.
IJie ^►Orj^anisation einiger ungarischer Truppen aus den
Gefangenen •<, deren grösste Beschleunigung (iraf B i s m a r c k
am S.Juli in Pardubitz beim (xrafen Seherr-Thoss wiederholt
urgiert hatte, war indessen von den Vertretern des ungarischen
National-Comites in Angriff genommen worden.
Komaromy und C s a k y hatten, nachdem es ihnen ge-
lungen, durch das Abkommen vom 1 8. Juni mit Kossuth diesen
unschädlich zu machen, Florenz verlassen, um sich über Paris
nach Berlin zu begeben. Ersterer befand sich bereits seit vier
Tagen in der französischen Hauptstadt, als Graf Csaky am
30. Juni Morgens daselbst einlangt(?, nachdem er zuvor am 28. auf
dem Bahnhofe zu Turin eine Begegnung mit dem nach Preussen
bestimmten Oberstlieutenant M o g y o r <> d y gehabt ^ >. Mit Xicolaus
K i s s de N e m e s k e r, dem Parist^r Vertr<.'ter K o s s u t h\s, ver-
mieden sie zusammenzutreffen. Wohl ab<»r dürften si(^ bei dem
rothen Prinztm verkehrt haben.
In Berlin Anfangs Juli angekommen, fanden sie daselbst
nicht mehr die massgebenden Staatsmännc^r und C s a k y musste
denselben nach Böhm«Mi nacheilen ; dieser Xothw<;ndigk(Mt wird
es zugeschrieben, dass sich der Ii(*ginn der OrganiNation einiger
ungarischer Truppen bis in die Mittr des Mona*^^ ^'(^rvi'i.j-t^.rte
Die Legion Klapka 1866. .2*
und diese dann nicht von dem erhofften Erfolge begleitet ward').
Nach der Rückkehr C s d k y's aus dem preussischen Hauptquartier
nach Berlin war es eine der ersten Sorgen der Männer des
ungarischen National-Comit^s, der Organisation sozusagen einen
Brennpunct zu geben. Sie erachteten dazu zwei aus den Kämpfen
der Jahre 1848 und 1849 bekannte Namen für besonders geeignet,
die Namen des auch von den Preussen bereits wiederholt berufenen
Georg Klapka^j und eines anderen Honv6d-Generals, Anton
Vetter's»).
*) »Kossuth Lajos iratai«, VI, S. 550. Auch auf S. 435 ist davon die Rede,
dass Csaky Anfangs Juli im preussischen Hauptquartier war. Vergl. VIT, S. 85.
') Nicolaus Kiss de Nemeskdr schrieb am 30. Juni 1866 an Kossuth:
»Meiner Meinung nach muss Klapka die (ungarische) Nord-Armee befehligen, das
steht ausser Frage. Dem Commando eines Anderen wird Preussen niemals zustimmen,
das weiss ich bestimmt. (»Kossuth Lajos iratai«, VI, S. 262.)
') Anton Vetter Edler von Doggenfeld wurde als Sohn eines k. k.
Oberstlieutenants am 3. April 1803 in Venedig geboren. Er trat 181 5 in die There-
sianische Militär- Akademie zu Wiener-Neustadt ein und wurde am 19. September
1823 als Fähnrich zum Infanterie-Regiment Nr. 38 ausgemustert. Am 15. März 1831
rückte er zum Unterlieutenant vor und wurde wenige Wochen nachher in das Infan-
terie-Regiment Nr. 19 übersetzt, in welchem er auch am 17. April 1834 zum Ober-
liiutenant aufstieg. So lange er diesem Regimente angehörte, d. i. durch nahezu acht
Jahre, war er Lehrer der Mathematik, der Militär- Aufnahme, der Feldbefestigung, der
Waffenlehre und desExercier-Reglements in der Grazer Cadetten-Compagnie n^.it solchem
Erfolge, dass er 1839 zur Beförderung ausser der Rargstour empfohlen wurde. In
demselben Jahre, am 28. Januar 1839, avancierte er zum Capitain-Lieutenant im Infan-
terie-Regimente Nr. 37, in welchem er am i. September 1840 die Charge eines Haupt-
manns, am 16. Mai 1845 ^^^ eines Majors und am 30. Juni 1848 die eines Oberst-
lieutenants erhielt. Von seinen Vorgesetzten wurde er 1847 als ein ernster, ruhiger,
sehr tüchtiger, aber auch sehr ehrgeiziger Officier geschildert.
Neben Ernst Kiss und Damjanich erwies er sich 1848 unter FML.
Bechtold im Kampfe gegen die Serben als geschickt und tapfer. Nach seinem
Entwürfe gelang am 2. September die Erstürmung des Serbenlagers bei Perlasz im
Banate. Als nach B e c h t o 1 d*s Abdankung die gegen die Serben fechtenden Truppen
unter rein ungarische Leitung (Kriegs-Minister M^szäros) kamen, neigte sich seine Ge-
sinnung ganz auf die Seite der Mag)'aren. Vermuthlich ebenso sehr aus diesem Grunde,
als wegen seines Verdienstes vom 2. September erhielt er schon am I. October den
Rang eines Obersten und avancierte nun von Rang zu Rang mit einer Raschheit,
wie dies in so bewegten Zeiten bei allen Männern einzutreten pflegt, welche mit
tüchtigen militärischen Kenntnissen auch Entschlossenheit und Tapferkeit verbinden.
Ende November wird er schon als General genannt und gegen Schluss des Jahres
1848 berief ihn Kossuth nach Pest, um ihn als Chef des General-Quartiermcister-
Stabes mit der Central-Leitung der Operationen zu betrauen. Seine im Vereine mit
Klapka, dem Chef der Operations-Kanzlei, getroffenen Dispositionen bei dem Rück-
zuge der ungarischen Regierung von Pest nach Debreczin brachten erst Ordnung in
122 Kienast.
Der Vertheidiger Komorns stand bereits mitten in der Action;
zuletzt noch sahen wir ihn am Tage nach Königgrätz im Verkelir
mit B i s m a r c k im preussischen Hauptquartiere. Vetter aber
harrte in Genf der Mittheilungen des Grafen Csäky. An ihn
gieng am 7. Juli aus Berlin folgendes Schreiben ab :
<lie Bewegungen der ungarischen Armee und System in die militärischen Massnahmen
der Debrecziner Regierung.
Nach D e m b i n s k i's Niederlage bei Kapolna wurde Vetter am 9. März
1849 zum Ober-Commandanten aller ungarischen Truppen ernannt und zugleich zum
Feldmarschall-Lieutenant befördert. Aber kurz nach Uebemahme des Commandos er-
krankte er schwer und Arthur G ö r g e y ward sein Nachfolger. Wiedergenesen, erhielt
er am 7. Juni das Ober-Commando der ungarischen Süd-Armee in der Bdcska (etwa
45.000 Mann, 7400 Pferde und Il6 Geschütze), mit welcher er Mitte Juli gegen den
wenigstens dreimal schwächeren P'ZM. J e 1 1 a c h i c h die Offensive ergriff und den-
selben nach dem Schlage bei Hegyes (14. Juli) auf das rechte Donau-Ufer zurück-
drängte. Doch schon Ende desselben Monats musste er den Schauplatz seiner Erfolge
verlassen, denn seine Truppen wurden zu der in Folge von H a y n a u's kühnem Vor-
dringen bei Szegedin rasch gebildeten Armee einberufen. Unzufrieden mit den An-
ordnungen des nun wieder an die Spitze gestellten D e m b i n s k i, legte er das ihm
ohnehin schon aus den Händen geglittene Commando über die Bacs-Banater- Armee
am 6. oder 7. August auch formell nieder, um nach der Katastrophe von Vilagos mit
K o s s u t h und seinem Anhang nach Widdin zu fliehen.
Nach zehr Jahren fmden wir Vetter wieder im Vereine mit Kossuth
in Italien gegen Oesterreich thätig, allerdings ohne Erfolg. Auch im Jahre 1860 be-
mühte er sich in diesem Sinne, leitete mit Pulszky die Auswahl und Absendung
der von der italienischen Regierung zu Zwecken der ungarischen Emigration nach der
unteren Donau abgeschickten Waffen und war bei dem für 186 1 von Italien im Ver-
eine mit den Südslaven und Rumänen gegen Oesterreich geplanten Schlage dazu
bestimmt, an der Seite eines italienischen Hilfs-Corps mit der reorganisierten ungarischen
Legion in Italien an die adriatische Ostküste gelandet zu werden und in Südwest-
Ungarn einzudringen. Die Legion, welche auf den .Stand einer Infanterie-Brigade, eines
Cavallerie-Regiments und zweier Batterien 4*ebracht werden sollte, stand im Winter
1860/61 in Nola, später in Nocera und hatte Anfangs 1861 die Stärke von etwa 1400
Mann mit 250 Pferden und 16 gezogenen Geschützen, eingetheilt in 2 Bataillone In-
fanterie, I Bataillon Jäger, 2 Escadronen und 2 Batterien, die Vetter fleissig exer-
cieren liess. Nach einer von Oberst Figyelmessy gegen ihn angestifteten Intrigue
gieng das Ober-Commando der Legion an Oberst Daniel I h a s z über. C s e r n a-
tony behauptete in einem Brief aus Avelino vom 3. November 1861, in der Legion
gehe nun Alles gut, »seit der grämliche Vetter fort istc; dennoch konnte auch
I h a s z nicht lange die Disciplin bei der aus sehr gemischten Elementen zusammen-
gesetzten Legion aufrecht erhalten und sie zerfiel beinahe nach dem Gnadenacte des
Kaisers Franz Joseph vom 13. Juni 1862, womit ihren Mitgliedern, sofemc sie
ausser dem Dienste in der Legion kein anderes Verschulden traf und sie nicht der
älteren Emigration angehörten, straffreie Rückkehr nach Ungarn, blos gegen Gelobung
künftigen Wohlverhaltens, bewilligt wurde. Nur m** ^'"*ie gelang e« "" ' r r, die Legi«m
rwi \T iftter-Yt" Ir»!**^»!^ *ii»»»r«rl" -»ii ^r^^l**»*» 'inr .\ritiirtiutr^^tß "*ch '*" '««*♦* *■
Die Legion Klapka 18»>rt. . 2 j
•»Herr Feldmarscliall-Lieutenant ! Ich habe die Ehre, Sie im
Namen des unj^'arischen Comites zu Budapest zu ersuchen, die
(Oberaufsicht über die in Preussen zu organisierende unj^^arische
Ivriegsmacht übernehmen zu wollen. '^
»Zugleich verständige ich Sie, dass Oberst Freiherr von
Uechtritz mit dem Commando des preussisch- ungarischen
Depots, unter Ihrer Leitung, betraut wurde. •<
»Ebenso zeige ich Ihnen an, dass Herr (leneral Klapka
mit dem Ober-Commaildo der gesammten Heeresmacht in Ungarn
betraut wurde und dass er einstweilen noch das Commando des
ersten Invasions-Corps üb(»rnehmen wird.«
»Ich beehre mich, Ihnen, Herr P'eldmarschall-Lieutenant, mit-
zutheilen, dass Sie nach Beendigung der Organisation mit einem
Ihrem Range und Ihren Verdiensten würdigen Commando in
Ungarn betraut werden.«
»Hinsichtlich der Organisation der in Preussen zu bildenden
Hilfs- Armee und der Unterbreitung der Olficiers-Emennungen wird
mit der königlich preussischen Regierung ausschliesslich der damit
betraute ausländische Vertreter des Comites verkehren. Das Comite
hat diesen seinen Vertreter, in AnhofFung der (xenehmigung der
neuer Commandant, Oberst Telkessy iehedem Ilefler), auf Betreiben der hei-
mischen Honved-Vereins-Krcise noch Ende 1862 dem soldatisch strengen Oberst
Foldvary Platz machen, welcher bis zur endgilti^en Auflösung der Legion deren
Haupt blieb.
Derselbe Polizei-Hericht aus dem Frühjahre 1864, tlem vorstehende Daten ent-
nommen sind, besagt über Vetter, dass er »beinahe stets betrunken« sei. Dennoch
war Graf Theodor C s ä k y, als er zu Ende dieses Jahres sich im Auslande um För-
derung seiner Pläne umzusehen anfieng, bestrebt, sich neben der Mitwirkung K 1 a p k a's
auch jener Vetter's zu versichern. Seine Bereitwilligkeit war jedoch vergeblich;
Csaky musste ihn am 30. Januar 18O5 verständigen, dass »vorderhand an die in
Frage gestandene Militär-Conferenz gar nicht zu <lenken« sei und den in («enf weilenden
Freund bitten, sich durch diese Eventualität in seinen Plänen nicht hindern zu lassen.
Einen abweislichcn Bescheid erhielt er auch, als er sich im Frühjahr 1866 durch
P u 1 s z k y in italienische Dienste zu kommen bemühte, war aber diesmal glücklicher
bei C s a k y, welcher in den weiter oben iS. 32, Anmerkung 7^< mitgetheilten Briefen vom
IG. und 28. Mai vorläufig noch untrr der Bedingung tiefsten Schweigens ihm in den
klimmenden Ereignissen eine geeignete, seiner würdige Stellung zu verschaffen ver>«prach.
Bald berief er ihn wirklich nach Berlin.
Vetter kehrte nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich nach Ungarn
zurück und Hess sich in Pressburg nictier, wo er auch das Ehrenbürgerrecht erhielt.
Am 25. A[)ril 1868 wur<le ihm eine (inaden-Pen^ion von jährlichen lü<»2 Gulden zu-
erkannt. Später ühersieilelle er nach Jiudape«>t un«l s<»ll ••ein Leben unter schwierigen
Verhältnissen gelristet haben, bis er am 20. Juli 18.^2 st.irb. Er war seit 1834 ver-
mählt mit 1 heresc von 1< e s i n g e n.
.^. Kienast.
124
ZU bildenden ungarischen nationalen Regierung, wie üblich, mit
dem Oberstenrange bekleidet.«
>'Ich ersuche Sie, Herr Feldmarschall-Lieutenant, alle Mit-
theilungen an das Comite durch genannten Vertreter desselben
dahin gelangen zu lassen, ebenso wie Sie die Zuschriften des
Comit6s durch denselben Vertreter, Oberst Theodor (xrafen
Csdky, empfangen werden.«
»Herr Feldmarschall-Lieutenant werden demnach blos mit dem
königlich preussischen Kriegs-Ministerium und dem bezeichneten
Vertreter des Comites hinsichtlich Ihrer Wirksamkeit zu ver-
kehren haben.*'
»Gegenwärtige Urkunde wurde in zwei Exemplaren ausge-
fertigt; das eine derselben verbleibt in Ihren Händen, während
das andere, durch Sie zum Zeichen Ihrer Zustimmung unterfertigt,
bei dem Vertreter des Comites bleibt. Berlin, am 7. Juli 1866.
Im Namen des ungarischen Xational-Comites : (xeorg Komdromy*.
Grat Theodor C s d k y übersendete dieses Document mit
nachstehendem Privatbriefe ddo. Berlin, 7. Juli, an Vetter:
"Ich sende Dir hier beiliegend die officielle Aufforderung,
die für Dich bestimmte schöne Stellung einzunehmen und ich
bitte Dich, mit der grössten Eile hieher zu reisen, da Deine Gegen-
wart hier sehr nöthig ist.«
"Da Du Dich vor längerer Zeit schon Klapka zur Ver-
fügung stelltest, so kannst Du gar keine Einwendung haben, dass
das Ober-Commando ihm gegeben wurde, umso weniger, als Du
in Berlin eine vollkommen unabhängige Stellung haben wirst."
•Du wirst hier Gage und Rang eines Feldmarschall-Lieute-
nants von der preussischen Regierung gesichert und anerkannt
haben').«
Vetter erhielt C s ä k y's Schreiben mit dem Decrete am
9. Juli; am nächsten Tage ertheilt«? er seine zustimmende Antwort
und am 11. Juli befand er sich bereits auf dem Wege über Paris
'1 Im »I'estcr Lloyd« vom l6. April 1807. dem beide Schreiben entnommen
sind, träjjt ersteres das Datum »7. Juni« : das kann nur ein Druckfehler sein, wie aus
dem Datum des zweiten Schriftstückes und daraus hervorgeht, dass C s a k y uu«l
Komäromy im Juni in Italien waren. Auch waren am 7. Juni die Din;»e selbst
in Preussen noch nicht so ^ i»(»/i;».),^n Ate ".,%i/\<k A'*'^ '• i"«»<*r <t^\ »t i-i:;t«^*T -j^.
'*' 1 ••
Die Lejcion Klapka 1966.
125
nach Berlin. Hier dürfte er sein Emennungs-Decret, die von
der preussischen Regierung* bestätigte formliche Bestallung als
Feldmarschall-Lieutenant und Oberleiter der Organisierung der
ungarischen Armee, übernommen haben.
Auch für Klapka dürfte ein ähnliches Document ausge-
fertigt worden sein.
So waren denn die Spitzen der in Preussen zu bildenden
ungarischen Legion oder, wie es in der Aufforderung an Vetter
pompös genannt wird, der »ersten Invasions- Armee» gegeben ; die
für dieselbe bestimmten Honv^d-Officiere befanden sich, w^enigstens
zum Theile, bereits in Preussen und es handelte sich jetzt darum,
auch das Menschenmateriale für dieselbe zu schaffen. Die Sorge
hiefür war dem ungarischen National-Comit^ bereits von anderer
Seite abgenommen worden.
Von den 23 bei der Xord-Armee eingetheilten Infanterie-Regi-
mentern, welche sich aus den ungarischen Ländern ergänzten, waren
während des ganzen Feldzuges ungefähr 4400 Mann ven^'-undet und
f*twa 7200 Mann unvervN'undet in feindliche Kriegsgefangenschaft
gerathen ; an 4050 wurden vermisst und man darf wohl mindestens
die Hälfte davon gleichfalls zu den Kriegsgefangenen zählen. Von
den im Norden eingetheilten 19 Husaren -Regimentern waren
84 Mann verwundet und 139 Mann unverwundet gefangen worden,
während 3 1 8 Mann vermisst wurden ^). Graf B i s m a r c k hatte,
seinen Klapka gemachten Zusicherungen gemäss, b«^reits bald
nach der Schlacht von Küniggrätz Anordnungen getroff<*n, dass
diese Mannschaften (die man leicht an den engen ungarischen
Beinkleidern erkannte^ soweit sie gesund waren, aus dt»r Masse
der übrigen Kriegsgefangen(*n ausgeschieden und in die schlesi-
schen Festungen gebracht würden. \Venn daher in ein(*m der
damals gelesensten Journale am 18. Juli g(»m(»ldet wird, in
Xeisse befanden sich schon fast 4000 Ungarn unter den Lager-
zelten« und am 21. Juli, dass «in df*n Festungen Xeisse und Kosel
wenigstens 7000 bis 8000 Ungarn liegen müssen«^, so dürften
*. K. Am i". A. Nortl-Armec iSO'i. XIII. 3. ^Krhebunjjrn au« dem Jahre 1H6S.P
*) Au^jsburger » Allj»einci»c Zeitung;« vom 21., 22. Juli unil 4. Auj^u^t iMfd.
Corrcupondenzen »von der schlc^isc'i-lnihmischcn (iren/c« dtlo. 17., rcspectivc ii<. un<l
21. Juli.)
Im Kin/clnon i^l bekannt, du«« z. h. vnn der am l w^f v<»n Köni^jurütr |»?-
faogeDCD Mannschaft «les ungarischen Infanterie-Regiments Nr. 4/* im (ian/en Io<» Mann
vcn»'undet, I440 Mann unverwundet. 11X4 Mann m Kus-mär-^chen in der Zeit vom
I 25 K i e n a s t.
diese Angaben ziemlich zutreffend sein. Auch in Gross-Glogau
befanden sich krieg'sgefang'ene Ung^am; ihre Zahl ist vielleicht
in den vorgenannten 7 bis 8000 inbegriffen.
3. bis 9. Juli über Trautenau nach Neisse gelangten und dort im Zeltlager vor der
Festung untergebracht wurden, (Kremser Untersuchungs-Acten Nr. 118, Aussage des
Feldwebels H u t k a.) Die Gefangenen des siebenbürgischen Infanterie-Regiments Nr. 2
(verwundet 106 Mann, unverwundet 1002 Mann, zumeist vom zweiten Gefecht bei
Trautenau am 28. Juni herrührend) wurden grösstentheils nach Danzig gebracht und
dort die Ungarn abgesondert von den Rumänen bequartiert. Die etwa 600 Mann
zählenden Ungarn wurden bald nach Neisse abgeschickt, wo sie am 19. Juli anlangten
und ebenfalls im Zeltlager untergebracht wurden. (Ki r c h t h al e r, >Ge8chichte des
k, und k. Infanterie-Regiments Nr. 2, Wien 1895, ^- 494 und ff). In der Augsburger
»Allgemeinen Zeitung« vom 22. Juli 1866 wird berichtet, am 17. Juli seien 1500
gefangene Ungarn der Infanterie-Regimenter Alexander Nr. 2, Ajroldi Nr. 23 und
Este Nr. 32 aus Königsberg mit der Eisenbahn in Neisse angekommen.
Reichsdeutsche Darstellungen weisen mehrfach auf die verhältnissmässig grosse
Zahl der Kriegsgefangenen ungarischer (und italienischer) Nationalität hin. So z. B.
Bulle, »Geschichte der neuesten Zeit«, II, S. 599 (ausgegeben 1876; und O n c k e u,
»Das Zeitalter des Kaisers Wilhelm«, I, S. 530 (^ausgegeben 1890). Der preussische
officielle Bericht betont, dass unter den Gefangenen bei Königgrätz sich besonders
viele Ungarn befanden.
Friedjung, »Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland«, 3. Auflage.
II. S. 307 (ausgegeben 1899) sagt, die österreichischen Regimenter »waren gewiss
nicht weniger kampftüchtig, als ihre Gegner, denn sie hatten das Gegentheil in den
ersten Tagen des Feldzuges voll bewiesen. Dies gilt von allen Nationalituten, die
Italiener ausgenommen, die nur noch widerwillig unter den österreichischen Fahnen
dienten. Auch bei den Magyaren stellte sich die Ermattung erst nach den Niederlagen
von Nachod und Skalitz ein und bei ihnen, deren Väter und Brüder in der Heimath
gegen eine unbeliebte Regierung den Kampf um die alte Selbstrcgicrung Ungarns
führten, war die Erinnerung an die Rebellion von 1849 nicht ganz erloschen, so dass
sich, aber erst nach den ersten Niederlagen, ein Sinken der Kampflust bemerkbar
machte. Aber wohlgemerkt, auch dies war nur bei der ungarischen Infanterie der
Fall und leider gerade bei der, welche die Höhe von Chlum hätte vertheidigen sollen,
während sich die Husaren-Regimenter ausnahmslos vortreflflich schlugen. Es war also
nirgends Untreue im Spiel.c
Und an anderer Stelle, II, S. 356 : >Die ungarischen Regimenter thaten im
ersten Feuer des Krieges im Norden, wie im Süden ihre Pilicht. Dann freilich, als
die verheerende Wirkung des Zündnadelgewehres ihren Muth gebrochen hatte, kam es
vor (und dies schon in der Schlacht von Königgrätz), dass manche Abtheilungen
zögernd und matt zum Angriffe aufbrachen«.
Es ist eine missliche Sache, solche allgemeine Urtheile aufzustellen oder anzu-
fechten. Es kommt doch immer darauf an, genau zu wissen, unter welchen besonderen
Gefechtsverhältnissen ein bestimmtes Regiment einen grösseren Verlust an verwundeten
und unverwundeten Gefangenen und Vermissten erlitt. Eine obeitlächliche Berechnung
ergiebt übrigens, dass die durchschnittlichi-n Verluste, so weit solche Zahlen überhaupt
*inei ''crlh haben, bei den ungarisch*" ^ .-"m/"!*-» V'*«n<>«>«vef*' ' *'•'» «ind, dass s'^
Die Legion Klapita 18GG. 127
Die Proclamationen Vetter's und Klapka's.
(IMitte Juli.)
Immerhin war die Zahl der ungarischen Kriegsgefangenen
so gross, dass, wenn der grössere Theil derselben den von
Bismarck so thatkräftig" geförderten Absichten des ungarischen
National-Comites sich gefügig erwies, in Preussisch-vSchlesien an
der Grrenze Ungarns eine Truppenmacht entstehen konnte, welche
nicht nur ihrer Stärke wegen, sondern mehr noch desshalb nicht
zu unterschätzen war, weil sie aus kriegsgeübten Leuten bestand
und daher bei guter Führung von nicht zu verachtender Schlag-
kraft sein musste. Zudem war sich das Comito dessen wohl
sicher bewusst, dass der Eindruck dieser Truppe auf Ungarn in
dem Masse bedeutender ausfallen musste, je stärker sie selbst
von allem Anfange an auftrat. Es galt also, möglichst viele
Gefangene für dieselbe zu gewinnen, (xieng das nicht aui
gütlichem Wege, nun so halfen vielleicht Vexationen und
Terrorismus zu besseren Erfolgen. Die Probe musste nach allem
bisher Greschehenen jedenfalls gemacht werden.
Vorerst richtete Vetter folgende Proclamation an die
kriegsgefangenen Ungarn :
»Oberleitung der Organisierung der ungarischen Armee. •<
Berlin, am 16. Juli 1866.-
»Ileldenmüthige Landessöhne !^^
•Seine Majestät König Wilhelm L von Preussen, der Ver-
bündete Ungarns, hat gnädigst gestattest, dass sich auf preussischem
Boden eine ungarische Armee organisiere, deren Zweck die
Zurückgewinnung der Freiheit unseres Vaterlandes sein soll. In
Verfolg dieser königlichen Erlaubniss mache ich noch bekannt,
dass die provisorische ungarische Regierung mich mit der Bildung
wohl auch nur auf der einseitigen Aussage eines der unter den k. k. Solilaten zweifel-
los vorhandenen Malcontenten, wenn der Correspondent der Augshurger »Allgemeinen
Zeitung« (Xr. 213 vom r. August 1866^ seinem Hlatte »aus dem Lager der ungarischen
Legion bei Neisse* am 27. Juli berichtet : >Und wie diese Soldaten selbst aussagen,
Schossen sie nicht und insbesondere wegen Aufliebung des letzten ungarischen Land-
tages durch äussere Einflüsse aufgereizt, legten dieselben <las (iewehr hin und gaben
sich gefangen. Auch viele Andere, welche für die Soldatenehre fochten, thaten bei
der erfolgten Verwundung dasselbe«. Oder aber der ('ürrespon<lent selbst hat die grosse
Zahl der ungarischen Kriegsgefangenen falsch gedeutet unter dem suggestiven Minllusse
der gewiss auch ihm bekannt gewordenen Proclamation des ungarischen Comitc^s. in
der es hiess, jetzt sei es ruhmvoll und keine Schande, sich gefangen zu geben.
12g Kienast.
der hier zu formierenden Armee betraut hat; diesen Auftrags
genehmij^te der preussische Kriegs-Minister und bestätigte mich
in meinem Rang" als Feldmarschall-Lieutenant.«
'»Da sich dadurch jedem ungarischen Patrioten, der nicht ei
österreichischer Sclavenknecht zu bleiben wünscht, eine
schöne Gelegenheit bietet, bei der Aufrichtung des unterjochten
Vaterlandes mitzuwirken und Ihr, Helden, einen Theil der Bürger
des ungarischen Vaterlandes bildet, so hoflFe ich zuversichtÜchy
dass Ihr, Eurer patriotischen Begeisterung folgend, nicht einen
Augenblick schwanken werdet in der Wahl zwischen Ketten
und Schwert. Schaart Euch also mit patriotischer Bereitwillig
keit und Entschlossenheit unter jene dreifarbige heilige Fahne^
w^elche schon so vieler Schlachten und Siege Zeugin gewesen
und unter welcher wir, vereint mit den Preussen, unsere nationale
Unabhängigkeit endgiltig erkämpfen werden. Schaart Euch,
Helden, um jene kampfgestählten, ruhmreichen Führer, welche schon
1848 und 1840 die österreichischen Tyrannen aus der Heimafh
vertrieben haben und welche Euch auch jetzt durch Kampf und
Sieg in das endgiltig befreite Vaterland zu Eurem häuslichen
Herde zurückführen werden. Es lebe das unabhängige ungarische
Vaterland! Anton Vetter, Feldmarschall-Lieutenant*).«
Es ist nicht zu ersehen, ob und welchen Erfolg dieses Schrift-
stück erzielte. Ein Auj^enzeuge erzählt, dass »diese magyarische
Proclamation an die Gefangenen und auch anderweitig hin viel-
fach vertlieilt worden- sei =9. Mit ihrem erzählenden ersten
Theile mochte si(» mehr den Zweck verfolgt haben, die gefangenen
k. k. Soldaten ungarischer Nationalität, welche wohl durch die
schon im Juni und Juli verbreiteten Proclamationen der
-preussischen Brüder und vielleicht auch durch andere Ein-
wirkung •'•) zum Theile wenigstens auf ernste Versuchungen voi^
* .: Den unj^arischcn Wortlaut der Proclamation siehe Beilage Nr. 4 (K. A., F. Ai
Operierende Armee 1866, VIII, 1340
Dem (Jommanclo der operierenden Armee wurde sie am 7. August darcb eiM
von General K u p p r e c h t nus Trencsin eingesendete Anzeige des k. k. Benikt«
Amtes in Ungarisch- Brod ^Mähren) vom 4. August 1866 bekannt. In den Acta
wird sie weiter nicht mehr erwähnt.
'. Augsburger »Allgemeine Zeitung« vom I. August 1866. (Correspondeoi
»Au-* dem ungarischen Lager bei Nri«5se«, 27. Juli. ■
'') Kin Augenzeuge berichtete »aus dem ungarischen Lager bei ' KeisM«i
27. Juli: »Dass Ludwig K o s s u t h, wie schon im italienischen Krieg, lo aad
gleich bei Beginn des preussisch-osterreichischen Krieget sowohl darcl
Die Legion Klapka 1866.
129
bereitet waren, über den Umfang des Geschehenen zu unterrichten
und mit dem Hinweis auf König Wilhelm von Preussen als
den »Verbündeten Ungarns« zu captivieren oder zu verblüifen.
Man weiss ia, der preussische Name hatte in Ungarn, wenigstens
bei dem zahlreichen protestantischen Theile des Volkes, seit
jeher einen guten Klang.
Sei dem, wie ihm wolle. Forderte Vetter zum Eintritt
in die zu bildende ungarische Armee auf, welche unter den
1848 und 1849 bewährten Führern das ungarische Vaterland
*endgiltig befreien« sollte, so meldete sich bald auch der
bekannteste dieser Führer selbst zum Worte.
Georg Klapka sprach zu seinen Landsleuten also :
»Helden I Durch das Vertrauen meiner Mitbürger über-
nehme ich das Ober-Commando der gesammten ungarischen
Streitkräfte ; als Führer spreche ich also zu Euch I ■'
^ Unser armes Vaterland ist fürderhin nicht mehr ver-
einsamt.«
»Die mächtigen Könige von Preussen und Italien sind unsere
Verbündeten I "
Aus Italien eilt Garibaldi, von der Donau her Türr,
von Siebenbürgen aus B e t h 1 e n zur Erlösung des Vaterlandes
herbei; von hier aus führe ich die tapfere ungarische Schaar
ein ; Ludwig K o s s u t h wird mit uns sein ; so vereint verjagen
wir die Oesterreicher, die unseres Vaterlandes Gut und Blut
rauben. Nehmen wir wieder an uns, was unser ist, Arpad's
Boden !«
1848 und 1849 haben wir ewigen Ruhm geerntet, nun
erwartet uns der Lorbeer und der PMedenskranz, wenn wir das
Vaterland befreien. •'
Vorwärts also ! Folgt der ungarischen Fahne ! Wo die weht,
dort ist des Ungarn Platz ! •<
Aj^enten, ;als auch durch gedruckte Proclamationen auf die Mann-
schaften der ungarischen Regimenter seinen Kiniluss zur Erreichung seines vor-
gesteckten Zieles vielfach und mit unermüdlicher Energie geltend gemacht hat, ist
erwiesen und schon vor der Schlacht bei Königgrätz hatten ungarische Soldaten
Kossuth's Proclamationen in der Tasche. € (Augsburger »Allgemeine Zeitung«
vom I. August 1866.) Wie aus der Darstellung weiter oben im Texte hervorgeht,
dürften wenigstens auf dem nördlichen Kriegs-Schauplatze die Agenten und Pro-
clamationen mehr auf Rechnung des ungarischen Xational-Comites zu setzen sein,
von welchem der Augenzeuge gleich vielen Andern wenig oder nichts wusste.
Die Legion Klapka 1^60. 9
*7r> Kienast.
>*Em\i^ii Tag"emärsche weit lieg"t unseres Vaterlandes heilige
Erde ; dorthin führe ich Euch ! Brechen wir also auf nach Hause,
wo Mutter, Geschwist(*r und Braut mit offenen Armen warten. ^
"Wählet ! Wollt Ihr elende Gefangene bleiben oder glorreiche
Vat(?rlandsvertheidiger sein ? Es lebe das Vaterland ! K 1 a p k a,
ungarischer (ieneral ')."
Klapka fand da kräftige Worte, wohlgeeignet, die leicht
erregbaren Ungarherzen zu packen und mit fortzureissc^n, auch
wenn das so siegesgewiss vorgetragene, bedrohliche Actions-
Programm, dessen nähere Besprechung erst weiter unten er-
folgen soll, in ihnen minder deutlich enthalten g(;w(?sen wäre.
Die nicht datierte Proclamation dürfte* gleichzeitig mit jener
Vetter's, odcT nur wenige Tage später v(*rbr(iitet worden sein.
Ueber ihren Eindruck belehrt am besten die Thatsaclui, dass,
während Vett(?r's Appell fernerhin auch nicht mit einem Worte
mehr i^r wähnt wird, das den Xamem K 1 a p k a's tragemde Schrift-
stück noch lange nach der Rückkehr der Kriegsgefangenen nach
Ungarn sich in zahlreichen Exemplaren, geschrieben und gedruckt,
im l^esitze derselben fand*).
Die Werbungen unter den Kriegsgefangenen.
Die eigimtliche Wc^rbung unter den Kriegsgefangenen für
das erste Invasions-Corps« unter Klapka begann nach den
übereinstimmenden Aussagen der betheiligten Mannschaft in
*) Den unjjarischen Wortlaut <ler I*roclamation siehe lieilajje Xr. 5 (K. A., F. A.
Operierende Armee, 1S06, VIII, 134 b.:
-1 Kine der dem Kriej;s-Ministeriuni einjjescndeten Abschriften trägt das Datum:
»Küsel in l*reuss«Mi, am 22. Juli I8ö6« und den Namen des Abschreibers: »Johann
K o V .1 c s, A<ljutant.€ Die Troclamation ist imlessen jedenfalls schon vor dem 22. Juli
im Undaufe j^ewesen. Die Wiener >l*res>e< war schon am I. August in der Lage,
eine deutsche Tebersetzung derselben zu brin;:jon, welche am 3. August von der Augs-
burger »Allgemeinen Zeitung € übern» »mmen wurde.
Klapka leugnete übrigens in einem, weiter unten noch an/.u führenden Schreiben
mit <U'm Datum »Kakau, 12. Augu>t I8C6*. <ler Verfasser dieser l*roclamaticm zu
sein, doch hielt sich die ganze Welt : un<l K o s «« u l li wenig'ttens noch am 8. August,
>Iratai», VI, S. 474' von seiner Autorschaft überzeugt. Umso eher natürlich Jie eines
kritischen Urth«.'ils nicht fähigen Kriegsgefangenen, Dcjch ist e^ nicht n" 'i-"-»!' -b,
sondern «ogar h«ichst wahrscheinlich, du*--; auch hinter dieser Proclamation ■
Tische National-('(»mitc. be/iidiungsweise Grat Thenc'" '' ■'•V* ^* ^>"- \---
Die Legion Klapka isr>>. j ^ j
Xeisse, Kosel und wohl auch in Gloj^au am lO. Juli ^), also zwei
Taifc nach jenem zweifelsohne könijuflichen Decrete, mittelst
dessen Graf U i s m a r c k das WiderstrebcMi der i)reussischen
ixenerale beseitijjfte. Bisher hatten die? (iefanj^^enen unter Aufsicht
preussischer Soldaten täg"lich sechs Stunden Vormittags und vier
Stunden Xachmitta.i^s schwr»re Schanzarbeiten verrichten müssen.
Dabei befandtMi sie sicli in Betreff der Bekleidunj^ und B(?schuhunj^
in einem recht traurij^'on Zustande : die Meist(*n b(*sassen an Uni-
formstücken und Wäsche nur, was sie zur Zeit der (lefanj^ennahme
am Leibe hatten, bis j<*tzt, also weni^fstens zwei Woch(»n, auf
lanji^'t^n Märschen und b(»i der Schanzarbeit ohne Wechs(*l getragen.
Am lO. Juli nun wurden die in Xcässe damals anjjcesammelten
krifg'si^r^fangenrn unj^'^arischen Soldaten der Infanterie-Regimenter
Xr. 2, 33, 46, öo und 68, dann einij^er Husaren-Reg"im(»nter in
der beiläufij4"en Stärke von 2000 Köpfen, welche in acht Com-
paj^^nien zu ^50 Mann j^^i^^diedtTt worden warrn, durch den die
Oberaufsicht übtT si(» führendt^n könij4*licli j)reussischen Major
Lanj4"enau zur Ausrückuni; b(»fohlen und ihn(»n in (i«»jj["enwart
anderer j)reussischer ( )ffici(»re vier Herren in Civilkleidern als
Landslfute vorj^'estt'llt, di<* zu ihnen reden wollten. Ks waren dies,
wie d<»n (fefanj^rnen nachträ^"lich bekannt wurde, die aus Italien
j^ekommenen I lonvt''d-Ofticier«? ( )berstlieutenant S c h <» i t e r, Ritt-
meistt»r Alexandc»r K o v a c s, ( )b(»rlieutenant (lustav S z a b ö und
OberlieuttMiant Anton Serej^-dy. Sie bej^rüssten dit» Mannschaft
in ihren- Mutte*rsprache», was fre»udig«? Krwiele*runj^ fand. ()b«»rst-
lieuteMiant Sch^ite^r hi<»lt hieTaut e'int- Ansprache*, die» sie^i in
<ler I*hras<Mjloi4"ie» eh'r ausL^et.strrute^n, veTS('hi«'d<-nartiv!"<*n unj^ariscne»n
Proclamationen bt'WCLCt«» und die* ( i«*fanj4"»'n<Mi auffor(h*rte\ das unga-
rischt» Vate^rland von dtMn schw<M*fn und veThas^tf n <")>tfrreichisrhe»n
Jochei zu b«'fn'i»'n ; dazu sei jetzt die* .Lrünstij^ste' ( ifh^j^e-nheit, «Irnn
die KcHiiv^e* von I*re*usse*n und Italien br»ten dazu ihre HiHe und
Kossuth, Türr und Pereze»! käm«Mi zu i^''l<*iclu*m Zw«»cke; in
* < jucUcnbfl«*^«* hirlür un-l für «l;i** I''«»lijrn«lr sintl die Kremser I'iitrr>u».hiin^»».
Acten \ nm Jahre IS'.'», «l:inn ili«* (le^'rhii'hte «le'* k. uml k. Infantrrir-Ui-^'i'ni-nt*« Nr. 2
vi»n K i r c h t h :i 1 e r, ni«-lirere s«.h«»ii .iij;:etührte rcirrespiintlfii/en <ler An^^^ur;;«'! »AU-
j;-iT.einen /eitun;^« vini» Jahre l^^^, eine Ni»ti/. iil>er l"'elilwel>el < > u 1» u r «1 i a des
2}. lul.interie l<e^iini*iit< in «1er »Neuen Arinrc-Zt-jtun;;* v<Mn 2'>. No\e::il»er l^«»'i. das
l*>uill<tiin dfr »Vt'd«':te< v<'ri; 27. l-"c*l»ri:ar I.^'iS: »Ijnr Lelire ?« Aus den Aul-
zeichnunjjen ein«** h'>h»'ren ^t.i)»s-c >tf'uirr*t vi>n W. i« )!n-r-.t I»t. n:|']».)lvT W.tlt«r
von W a 1 t h ii 1 1 e II . «iilliili der Jiern !.t M n ;» v •• r «• d v'* «Idi. Hauerui:/.. ■*. ' '» •
t.»bcr is<<<>, an Ki'--uth. •Irain.« VlI. ^. J<4 un«l fl.i
1^2 K i e n a s t.
das Land. » Diejenigen unter Euch, - schloss wS c h e i t e r, »in
welchen ungarisches Blut fliesst und die edel und herzhaft genug
sind, für das Vaterland zu streiten, die mögen in Reih' und (xlied
stehen bleiben ; Diejenigen aber, welche etwa Bedenken tragen
oder schwachherzig und feig sind, sollen zurücktreten. -<
Diese und ähnliche Ansprachen wurden an jede der aus-
gerückten acht Compagnien abgesondert gehalten. Die » Edlen <
und »Herzhaften« zum Stehenbleiben aufzufordern, womit ebenso
auf das physische, als auf das moralische Trägheitsmoment gewirkt
wurde, während die »Bedenklichen-, »Schwachherzigen « und
vollends gar die •PVigen'« ihre abweichende Gesinnung durch
die augenfällige Thätigkent des Zurücktretons aus der Reihe der
Kameraden darthun sollten, — doppelt schwer nach dem listig
vorweg gegebenen Commentar — : darin lag ein ausgiebiges
Mass von Raffinement, welches bei den durchgehends den unteren
Volksschichten angehörigen, wenig gebildetf»n Leuten leichte
Erfolge erzielen musste, auch wenn dieselben nicht durch die
Proclamationen und andere Einflüsse zum Theile schon demora-
lisiert gewesen und es durch die bisher ausgestandenen Leiden
und Anstrengungen, sowie durch den Verlust der persönlichen
Freiheit nicht noch mehr geworden wären. Es trat denn auch
wirklich von der ersten (xefangenen-Compagnie, bestehend aus
Mannschaft des Infanterie-Regiments Xr. 4Ö, kaum der fünfte
Theil zurück; die Anderen aber gaben durch lebhafte Eljen-Rufe
auf Klapka und die Freiheit, auf das Vaterland und — König
Wilhelm von Preussen ihrer Bereitwilligkeit Ausdruck, auf die
Absichten der Honved-Officiere einzugehen. Und so thaten auch
an demselben Nachmittage in Xeisse noch etwa 700 Gefangfine.
Der Iirfolg war also für den Anfang vic-lvorheissend genug.
Die Willfährigen wurden aus den übrigen Gefangenen aus-
geschieden und ihnen mit klarer Absicht nicht nur die» volle
Bewegungsfreiheit zurückgegeben, sondern ihnen, die durch Bänder
mit den Xationiilfarben an d»*n Kappen kenntlich g(»macht waren,
auch durch Geldspenden, reichlichere Kost und Zuwendungen
von Bit»r, Wein, Branntwein und Cigarren ein Leben bereitet,
welches sie nach dem bisherigen Zustande als fast luxuriös
empfinden mussten. Dazu erhielten sie neue Montur^Mi nach den.
Muster der IIonv<'*d-Uniformen v(m 1849, d(*n»n in Berlin üO'^''^
Garnituren best(*llt worden waren ^). Ueberdies '"i't-(lMt «u-
kl
Die Legion Klapka 1866.
133
nun der Arbeit und der Entbelirungen ledig-en Leuten die !Musik-
kundiyen ausgesucht und zu einer der in Ungarn so sehr beliebten
Zigeuner-Kapellen zusammengestellt, für welche preussische Offi-
ciere in Xeisse die Instrumente gekauft haben sollen. Die "Zigeuner-
mussten ihren gleichgesinnten Kameraden die Weisen der unga-
rischen Heimath aufspielen, ebensowohl zu deren Unterhaltung,
als zur Aufstachelung des Xationalgefiihls.
Die 700 Mann, welche sich gleich am ersten Tage, beim
ersten Versuche der Ueberredung so rasch zugänglich gezeigt
hatten, sind wohl als der bereits vorher corrumpierte Theil der
kriegsgefangenen Ungarn zu betrachten. Sie vereinigten in den
folgenden Tagen ihre Bemühungen mit denen der Honved-Officiere,
die Standhaften zu erschüttern und auf ihre Seite zu ziehen. Her-
vorragend tliätig dabei zeigten sich die Gemeinen B e n c z e des
33., K o 1 o s V a r 3^ des 37., Beretvas, Kamocsay und B e n d e
des 46., dann die Führer Mayer des 32., Ujfalussy des 34.
und Bart ha des 62. Infanterie-Regiments, welche als Rädels-
führer gelten kcmnen und nach Schluss der Werbung durch die
Ernennung zu Ofticieren belohnt wurden.
Dennoch sind sie nur zum kleineren Theile die w^irklichen
Veranlasser fortgesetzter Erfolge der Werbung. Der Hauptantheil
hieran gebührt der weiteren Behandlung der Standhaften. Sie
mussten nach wie vor unter preussischer Bedeckung schwere
Schanzarbeiten verrichten und erhielten gleichwohl nur schm£de
Kost. Corporal Peter Gall des 46. Infanterie-Regiments hat
nachträglich ausgesagt, es sei den Gefangenen vor ihrem Ueber-
tritte nur alle dnu Tage ein Laib Brod, nur jeden zweiten Tag
etwas Fleisch und sonst täglich Mittags nur Suppe als Ver-
pflc'gung verabfolgt worden. Dabei litten sie andauernd Mangel
an Geld, Kleidung und Wäsche und konnten sich auch nicht frei '
bewegen. Die schwerste Versuchung lag wohl darin, dass sie zur
Arbeit an dem Werbetische vorbeigeführt wurden, auf welchem
die Thaler in Haufen lagen, um den Uebertretenden als Hand-
geld, zwei Thaler per Kopf, ausgefolgt zu W(»rden und dass
sie währemd und nach der Arbeit zusehen mussten, wie es sich
die wtjniger Gt.'wisst»nhaften in neuen Kleidern bei d(»r normalen
preussischen SoUUitenkost, bei Bier und W(Mn, bei Musik und
Tanz wohl sein Hessen und (1(mi Tag nach ihrem Belieben in
süssem Xichtsthun vi^rbrachten. I^s begreift sich, dass zwischen
den beiden l\irt(Men sich bald ein (Gegensatz entwickelte, der
sich in Verspottungen und Neckereien, aber auch in Beschimpfungen
I o * K i e n a s t.
der bei der Arbeit Ausharrenden durch die der Versuchung Er-
leg'enen äusserte; in einzelnen Fällen musste die preussische
AVache Thätlichkeiten energisch verhindern. Nicht genug mit air
diesen physischen und moralischen Leiden, man Hess die sich
Weigernden auch fürchten, sie würden unabsehbar lange die
Schanzarbeiten weiter verrichten müssen, würden vielleicht auch
ihr Vaterland gar nicht mehr sehen, sondern immerwährend ge-
fangen bleiben, was ihrer Viele leider im Ernste glaubten. Auch
sagte man ihnen, der Kaiser von 0(\sterreich sei in Xord und
Süd im Kampfe gänzlich unterlegen. AVenn im Zusammenhange
damit den Leuten sowohl von den preussischen, als den Honved-
Officieren fortgesetzt eingeredet wurde, Ungarn sei jetzt end-
giltig befreit von dem österreichischen Joche- und ein Ver-
wandter des siegreichen Preussenkönigs, Prinz Carl, werde zum
König des nunmehr unabhängigen Vaterlandes ausgerufen werden ^j
so war damit den Standhaften ein gewichtiger (irund ihrer bis-
herigen Zurückhaltung entzogen. Sehr viele sagten nachträglich
aus, diese Mähr thatsächlich für wahr g(»halten und geglaubt zu
haben, sie würden, wenn sie der Ueberredung Folge leisteten,
in vierzehn Tagen ohne ( iewehrschuss nacli Hause zurückkehren
können und dort wieder zum Waifendienste verwendet werden.
Die weitreichende Bedeutung der Proclamation K 1 a p k a's scheint
den Wenigsten klar geworden zu sein und es sind Anzeichen
datiir vorhanden, dass trotz derselben Einzelne in dem wider-
sinnigen Glaub(»n bestärkt wurden, nicht gegen die Truppen des
Kaisers geführt zu werden.
•j In den öffentlichen Blättern Berlins circulicrte schon vor der Mitte des Monats
Juli die Nachricht, »dass in einer Versammlunj^ der in Berlin anwesenden Unj;arn ein
Hoch ausjjebracht worden sei auf das Ircie Könij;reich Unj;arn mit dein l*rinzen
Friedrich Carl von Preussen als Fürsten« • Neue Freie Presse« vom 17. Juli
1866, rorre>i)t)ndenz aus Berlin vom 14. Juli.) \'er^l. dazu die »Krinnerunjjen« des
Grafen S e h e r r - T h o s s a. a. (>., S. 71.
Aelterc Ofticiere der k. und k. Armee, weich«» den F'eldzuj; ßt'^cn Dänemark
i. J. 18O4 mitj^emacht haben, wissen sich zu erinnern, dass Prinz F* r i c d r i c h
Carl damals besonders die Un;^arn de< Ciablenz'schen ("orps favorisierte und häutig
>Zi;;euner« -Musiken berief, um seine l'nterhallunjjen damit /u beleben. Der Prinz
soll damals soyar eifrig un^ari^ch }:elernt haben. Fs geht natürlich nicht an, daran-
wirkliche Aspirationen des l'riiizen auf den un;:arischen J'hron abzuleiten, aber es
wäre nicht zu wundern, wenn «liese Umstände dazu bei;;etra«j;en hätten, dass spät-
Nachrichten, wie <lie obfn.-tehende, verbreitet wenlen konnten, noch weniger, wein
diese ^ewi>s aucli manchem un;;ari*.chen Soldaten beUanntcn 'J'h;'*"='* "hen b'-nü*'
vorden wären, um «len ungarischen Krie}4sj^cfan;;enen -'• '*-i^ " *••• i-^-K*.
Die Legion Klapko 180(3. j 3-
Unterofficiere, welche die Mannschaft zur Ausdauer er-
munterten, wurden von ihren Untergebenen getrennt ; nach einiger
Zeit aber sagte man den letzteren, die Unterofficiere hätten sich
nun doch anwerben lassen. Und das mochte in einzelnen Fällen
auch wahr sein, denn man versprach namentlich den Höheren
und Aelteren derselben die Ernennung zum Ofticier und die
Auszahlung einer Equipierungsgebühr von i8o Thalern, jedem
ohne Unterschied Beförderung und für jeden überredt*ten Mann
einen Thaler überdies.
Wenn neue Gefangenen-Abthoilungen nach Xeisse kamen,
wurde ihnen mit vielfachem Erfolge gesagt, alle vorlu*r Ange-
kommenen hätten der W(irbung Geh(')r gegeben. Bei jenen Leuten,
welche erst nach der Schlacht von Königgrätz in Gefangenschaft
geriethen, wurde mit der Ueberredung schon auf dem Transporte
nach Preussen begonnen. So passierte es dem Cadet-Corporal
(nachmaligem k. k. Lieutenant) Victor Zur Helle des Husaren-
Regiments Xr. 9, dass er schon von Görlitz aus in der Eisen-
bahn durch einen Herrn in Civil mit norddeutschem Dialect
zum Uebertritt aufgefordert wurde; in Berlin konnte er, der gar
kein Ungar war, der Zudringlichkeiten ungarischer und nicht-
ungarischer Herren sich nur dadurch erwehren, dass er endlich
die Husaren- Uniform mit Civilkleidern vertauschte. Grösseren
Gefangenen -Transporten wurden eigens Honved-Officiere ent-
gegengesendet, um die Leute zu gewinnen.
Phvsische Gewalt wurde nach zahlreichen übereinstimmenden
nachmaligen Aussagen der U(*berredeten nicht angewendet ^) ;
das Raffinement, mit welchem sonst auf die zumeist wenig ge-
bildeten Leute so umfassend eingewirkt wurde, machte Zwang und
(jewalt auch ,gr(>sstentheils überflüssig. Preussische und Honved-
Officiere sollen sogar ausdrücklich und wiederholt gesagt haben.
Niemand zwingen zu wollen, denn Gezwungene hätten für den
Zweck der J^>efreiung des ungarischen \^aterlandes durch Kampf
ohncihin keinen Werth. Darin liegt nun freilich eine gute Dosis
Sophistik, denn was waren die Armtin im Geiste, in dentni erst
' J'\'Uhvebel llutka «Ics Infanlcric-Rc^iniciits Xr. 4(> sa;^tc ausdrücklich vor
dem Uiiter^-uchunj^srichtcr: Alle Aiij^aben über Zwanj; und Mi>;shandlun^ sind lüjjen-
haft." In der lan^jen Keilu- der Kinvemonuiienen ln.hauj)tete in <ler That nur Gefreiter
A n i k a de^sell>en Kei»iint;nts, er sei von ben-ils über;;elrelenen Sf.ddaten <lurch Miss-
handlun^en ^ezwunj;cij Nvorden, dessj^leiclien zu thuu.
13^
K i e n a s t.
durch Entbehrungen und Mühseligkeiten, durch Lügen und falsche
Vorspiegelungen die Lust zu dem beabsichtigten Zuge nach Hause
künstlich geweckt worden, im (xrunde Anderes als (Gezwungene,
obwohl Niemand Hand an sie gelegt? Dennoch gab es noch andere
als die bisher erzählten Ursachen, aus denen manche sich be-
wogen fanden, der Versuchung nicht zu widerstehen. Vor dem
Untersuchungsrichter wenigstens behaupteten zahlreiche Soldaten
aller Chargengrade, dem Ansinnen der Honved-Officiere nicht
nur desswegen willfahrt zu haben, um der Arbeit und Unfreiheit
und aller anderen Widrigkeiten ledig zu werden, sondern auch
aus dem Grunde, um desto leichter und früher Gelegenheit zu
finden, zu ihren alten Regimentern zurückkehren zu können.
Mögen nun auch einerseits hiemit Einzelne sich nachträglich eine
löbliche Absicht zuschreiben, die ihnen im entscheidenden Momente
vielleicht nicht beigefallen, so sind doch anderseits auch genug
Fälle bekannt geworden, in denen diese Absicht wirklich durch-
geführt wurde. Minder löblich freilich wäre ein anderer Grund
der Schwäche. P'oldwebel R e i n h a r t des Infanterie-Regiments
Xr. 46, einer derjenigen, dem die Flucht am 4. August gelang
und der sich thatsächlich darnach bei einem österreichischen Com-
mando meldete, sagt nämlich aus, selbst gehört zu haben, wie die
Leute sich beriethen; sie hätten es dabei für besser gehalten,
den Anträgen der Ilonved-Officiere zu folgen und mit ihnen nach
Hause zu ziehen, als etwa beim Austausche der Kriegsgefangenen
den Oesterreichern ausgeliefert zu werden, welclie sie wieder gegen
das Zündnadelgewehr in das P'euer schicken würden. Die Leute
seien damals sehr stark entmuthigt gewesen ; bei dem Zuge nach
Hause aber habe Xiememd an eine (jefahr gedacht, »denn man hat
den Leuten eingedroschen (sie!), dass kein einzig(*r ( )esterreicher
mehr in Ungarn sei, dass die Legion von 60.000 Preussen be-
gleitet und dass sogleich btd deren I^^rscheinen die R(*volution
ausbrechen und di(* Lt^gion ri(*sigc* Zuwächse erhalten werde« ^1.
Zur Ehre der damaligen k. k. Soldattm ungarischer Natio-
nalität sei angenommen, dass d(im von Feldwt*bel R e i n h a r t
brliorchten Rathe der Ut»bersclilau(»n nicht Viele beigewohnt
haben. Es findest sich auch weiter keinerlei Anzeichen (äner dt»r-
artigen Niedrigkeit der (iesinnung in dm Acten. Dagegen erfüllt
es mit hoher I>efriedigung, da^s einerseits die Zahl de ''vr "•^^
Die Legion Klapka IbCC.
137
scheuenswürdigen Kunstgriffen Erlc^g-enon im Verhältnisse zur
Zahl der ungarischen Kriegsgefangenen (Mgentlich doch ziemlich
gering ist und dass anderseits die Versucher bei ihrem Beginnen
auch auf ganze Männer stit»ssen. Auch dies(» Wackeren sind es
werth, dass ihrer hier ausführlich gedacht werd«/, wenngleich die
in den Acten erhaltenen und sonst bekannt gewordenen Nach-
richten über sie spärlicher sind, als man wünschen möchte. Mag
darum die nachfolgende Erzählung auch für andere Hrave gelten,
die sonst nicht näher bezeiclmet werden können, aber gleichwohl
in grosser Zahl ihrer Pflicht gemäss handeltt^n.
Es musstt^ auf die übrigen Gefangenen grossen Eindruck
machen, wenn die in grösserer Anzahl vorhandenen Angehörigen
eines und desselben Truppenkörpers sich auf einmal und thunlichst
geschlossen zum Eintritt in die Legion meldt»ten. Man hatte es
daher besonders darauf abg(*sehen, die an 600 Kr>pft» starken
Kriegsgefangenen des Infanteri(*-Regiments Kaiser Alexander Xr. 2
in Masse zu gewinnen. Als aber Kla])ka\sche Officiere diese
Leute haranguiertcn, trat Ei'ldwebel Kapocsänyi aus ihren
Reihen, sah sie bed»!Utungsvoll an und marschierte zurück in die
Zelte. Seine Regimt»nts- Kameraden folgten ihm und «luch andere
ungarische Soldaten tliat(*n dessgleichen. Ein ähnliclitfr Vorgang
spielte sich bei der Colonnt* des Cadetten Wall ab. Als diesem
Geld, Werde und Avancement vi^nsprochen wurden, sagte rr laut
vor den Mitgefangenen: -Dii^s brauclie icli nicht, icli wt»rde
meinen Eid nicht brecluMi.«; Das ß(*ispiel wirkte au('h hier auf das
beste b<*i der Mannscliaft. Xach einig<T Zt^it, in der man dieselben
auf die bereits oben geschilderte Weise moralisrhrr und physischer
Oual ausgesetzt hatte, wurden vlie Versuche erneuert: diesmal
bewirkte ('adet Tompa durch Wort und Heispiel, dass alhf
Künste der Uf'berredung und X^'rführung vergebens blittben. Es
nützte auch nicht viel, dass man die genannten Hraven von ihren
Leuten trennte und diest» d«T Berührung mit bereits übergtjtretenen
Legionänm auss<»tzte ; nur drei Mann schlössen sich den letzteren
an. Als die Treuen ein viertes Mal den i Ionved-< )fficieren vorge-
führt wurd»*n, mis>lang der Versuch gl»*iehfalls. Zug-»iülirer Wei n-
zierl, der sich diesmal besonch^rs aus/j*ichnete, wurd«* vnn «len
Legi(»ns-( )fficieren als -schwarz-gelber Hund tituli«»rt und wäre
der Wuth d<»r L»*gionäre beinahe zum ()pr«'r getälh»n, W(»nn ihn
nicht eine pr(*ussir»che Patrouille tr»rmlich gerettet hätt«*. VmX noch
ein fünftes Mal wurden <lie ( n'täng«*n»*n V(mi Alexander-Infanterie
auf die Probe gestellt: alx.T durch die v<»n ihnen al)gesondertt*n
138
K i e n a s t.
Unterofftciere insg-eheim aufg'emuntert, brachten sie einstimmig"
Hochrufe auf den Kaiser P" r a n z Joseph aus *).
Auch die Geschichte des Infanterie-Regiments Nr. 23 (damals
Ajroldi) hat eine schöne Erinnerung" aus jenen traurigen Tag"en
zu verzeichnen. Als die Kriegsgefang"enen dieses Regiments von
den Officieren Klapka's mit zündenden Worten zum Uebertritt
in die ungarische Legion aufgefordert wurden, trat Feldwebel
Csuburdia, von der an ihn und seine Kameraden gestellten
Zumuthung empört, vor und wies den Antrag mit heftigen Worten
zurück, obwohl gerade ihm versprochen worden, dass er sofort
als Officior übernommen werden solle. In seiner Erregung gab
er endlich seinem Empfinden dadurch Ausdruck, dass er den
Versuchern vor die Füsse spuckte. Hingerissen von dem so ent-
schiedenen pflichtgetreuon Auftreten ihres Feldwebels, begannen
darauf seine Mitgefangenen die Versucher nicht nur mit lärmenden
Worten, sondern auch durch Bewerfen mit Erde und Steinen abzu-
weisen, bis sie durch die preussische Wache daran verhindert
wurden.
Wachtmeister Eduard B e y w^a s s e r des 7. Husaren-Regiments
erfuhr bald nach seiner Gefangennahme, am 19. Juli, dass die
Ungarn nach Xeisse und Glogau gebracht werden sollten, um
dort zum Eintritt in die unter K 1 a p k a zu bildende ungarische
Legion aufgefordert zu werden. Er ermahnte seine Leute zur Treue.
In Xeisse aber trennte man ihn von denselben und Honved-Offi-
ciere machten die letzteren glauben, ihr Wachtmeister habe den
Legionsdienst angenomm(in, worauf auch sie es thaten. Nur Corporal
C z a b a desselben Regiments Hess sich nicht davon überzeugen
und half dem Wachtmeister vcm 54 Husaren 30 ]\Iann wieder zum
Rücktritte bew(*gen. Ein Major der Legion bedrohte hierauf B e y-
wasser mit Misshandlungen und der Wachtmeister glaubte, den-
selben nur durch d(»n Schutz preussischer Officiere, die er darum
bat, (»ntgangen zu sein.
Corporal Töth des 9. Husaren-Regiments wurde mit noch
zwanzig Mann am 19. Juli gefangen und nach Breslau gebracht.
^ Als der Kaiser am 20. Oclober IbOO das Iiit'antcrie-Kejjimcnt Xr. 2 in Olmütz
besieh tij^'te, heluhtc er es besonders, weil es in der Kriej;sjjefanj^en>chaft durch seine
brave Haltung allen Verlührunj^svcrsuchen zum Treubruch so glänzend widerstanden
habe. Se. Majestät ernannte damals <len Keldwel)el K a p o c s ä n y i, dann <lie ('•"'"*
"'•Idwebel Wall und 'P o m p a zu Officieren und verlieh dem Zuj^sfü^^-- ~'"
Die Legion Kiapka 1866.
139
Dort wurden sie schon von Honved-Officieren erwartet, die für
die Legion Kiapka warben. In Xeisse begann dasselbe Spiel
«mit aller Ausdauer und Strenge-. Die bereits angeworbenen
Legionäre verspotteten die Standhaftigkeit Totli's und seiner
Regiments-Kameraden. Diese aber »duldeten lieber Hunger, Durst,
Schimpf und Spott, als mit solchem Gesindel gemeinsame Sache
zu machen'<. Nur zwei Mann erlagen der Versuchung.
Wie in Xeisse, so wurden auch die in Kosel und Glogau
g'esammelten ungarischen Kriegsgefangenen mit allen Mitteln zum
Bruche ilires Fahneneides zu verleiten g'esucht. Ein Correspondent
*von der schlesisch-böhmischen Grenze«' wusste schon am 18. Juli
aus Glogau zu berichten, >dass dort aus Berlin vier ungarische
Officiere, Adolph M o g" y o r 6 d y, Christian F e j e r, Paul X i t s n e r
und Stephan Czetz mit einem Schreiben an den dortigen Com-
mandanten eingetroffen sind. Dieselben sollen nichts anderes beab-
sichtigten, als aus den Reilien der dort befindlichen (lefangenen
für eine ungarische Legion zu recrutieren.'^ Die Werbung hatte
also auch in (rlogau wahrscheinlich schon am 16. Juli ihren An-
fang* genommen. M o g* y o r 6 d y berichtete später an K o s s u t h,
er sei mit vier Officieren am 14. Juli von Berlin nach Glogau
abgegangen ; der P'estungs-Commandant habe ihm aber enorme
Schwierigkeiten gemacht und, als es ihm dennoch gelung'en, einige
Hundert zum Eintritt in die Legion zu bewegen, nicht erlaubt,
dass diese von den übrigen (xc^fangenen abgesondert würden.
M o g y o r 6 d y und die ihm beigegeb(Mien Honved-Üfficiere giengen
auf Bt»fehl Vetter's am 22, Juli nach Xeisse ab.
In Kosel hatte sich, wie von den nachmals heimgekehrten
Leg'ionären d(*s r)fteren erzählt wurde, besonders Honv(kl-Ritt-
meivSter K o v ä c s eifrig um die Werbung* b(»müht. Diese wurde
aber auch noch an anderen Orten, wo sich ungarische Kriegs-
gefangene melir oder minder lang"e in Verwahrung befanden,
z. B. in Danzig und in Thorn, eifrig versucht.
AUe Ungarn, welche sich für die Legion liatten gewinnen
lassen, wurdc^n in Xeisse vert^inigt. Dort hatten sicli mitth^rwcile
auch K 1 a p.k a, V e 1 1 <* r, C s ä k y, K o m u r o m y, ( iraf (.irf^gor
Bethlen und die and(»ren an dr^r beabsichtigt<'n B(nvegung
Betheiligten eingefunden.
j -Q K i e n a s t.
Die Ergebnisse der Werbung. Bewafiriung und Ausrüstung der
Legion.
Nachdem Mogyorody am 22. Juli Abends in Neisse an-
gekommen war, übernahm er am Morgen des folgenden Tages
beiläufig 1560 ungarische Kriegsgefangene als nunmehrige Ange-
hörige der ungarischen Legion. In der Zeit vom 23. bis zum
25. Juli machte er sich mit den Leuten bekannt, theilte die Infanterie
in acht Compagnien zu 170 bis 175 Köpfen ein und beachtete
dabei, dass jede Compagnie gleichmässig zwei Tambours, zwei
Hornisten, zwei Zimmerleute, aber auch Schuster- und Schneider-
Professionisten besass. In Ermanglung von Bataillons-Comman-
danten stellte er vorläufig nur vier Divisionen (ä zwei Compagnien)
zusammen.
Die Husaren wurden in eine Escadron von ungefähr 1 50 Reitern
formiert und dem Oberstlieutenant Scheiter unterstellt.
Da Vetter von den Preussen auch sechs österreichische
Kanonen erhalten hatte, so schied M o g y o r ö d y gegen achtzig
Legionäre aus, die der österreichischen Artillerie angehört hatten.
Die solchergestalt formierte Legion war im Zeltlager ausser-
halb der Festung Xeisse vor der Ziegel-Barriere untergebracht.
Am 26. Juli wurde sie bekleidet und ausgerüstet. Die Adju-
stierung bestand bei allen drei Waffen aus rotlien Mützen mit
schwarzem Schirm (nach französischem Sclmitt) welche die roth-
weiss-grüne (d. i. ungarische) Cocarde aus Blech trugen, blauen
Blousen aus Flanell mit rother Verschnürrung nach ungarischer
Art, aus den noch österreichischen blauen Hosen, deren schwarz-
gelbe Schnüre durcli rothe ersetzt waren und den bekannten
ungarischen Schuhen, an deren Stelle die Husaren die landes-
üblichen Csismen trugen. Rothe Halstücher nach ungarischer Art
und ein schwarzlederner Leibgurt, der vorne die Patrontasche
trug, ergänzten diese Uniform. Zu derselben gehörten ferner ein
von den Hannoveranern stammender schwarzer (schwarzgrauer)
^lantel. Auch die Kochgeschirre (per Mann ein blanker Kessel)
und die Bewaffnung (ein Minie-C-rewelir mit Bajonnott) waren han-
noverischer Herkunft, was aus dem 'Georg Rex« zu erkennen
war. Die Husaren trugen den schweren preussischen (oder hanno-
verischen?) Cavalleriesäbel und die hannoverischen langen '^ar^-
biner (nach anderer Angabe aber Pistolen"» : ih»*' Hf*rc\** s
om hannoverisch »^n Trai»^ ^^^^ (^hunft^^ , . ...._ ,,.v
Die Legion Klapka 1866. j . j
Österreichischen Unterofficierssäbel mit Lederscheiden. Die Offi-
ciere waren analog der MannschaA adjustiert, doch trugen sie
blaue Attilas mit rothen Schnüren und die Chargen-Distinctionen
nach österreichischem Muster. An WaiFen besassen sie einen
Korbsäbel mit blanker Scheide und silbernem Porte-ep6e, dazu
einen Revolver.
Jede Compagnie erhielt zwei Trommeln und ein Hörn (Trom-
pete), die Infanterie im Ganzen zwölf Zimmermannswerkzeug-
Garnituren, von denen jedoch die Hacken und andere Werkzeuge
gänzlich fehlten und später durch Requisition beschafft wurden.
Das Geld erhielt die Legion von dem preussischen Kriegs-
zahlmeister Drygalsky. Jeder Officier empfieng bei der Er-
nennung 55 Thaler und für den Rest der Equipierungs-Gebühr
von i8o Thalern die Uniform und Waffen, welche sämmtlich aus
Berlin gekommen waren. Jeder Mann erhielt zwei Thal er als
Handgeld. Die monatliche Gage eines Lieutenants der Legion be-
trug 32 Thaler.
Jeder Mann bekam ein ungarisches Reglement, gedruckt im
Jahre 1864 bei Nicolaus Puky in Genf, welches folgende Ab-
schnitte enthielt: i. Die Bestimmung des ungarischen Honv6ds
(Landesvertheidigers), datiert Genf, den 22, Juni 1864; 2. die
Commando-Worte für die Infanterie, Cavallerie und Artillerie;
3. den Hymnus (Szozat) ; 4. den Eid ; 5. die Subordination und
6. die (33) KriegsartikeP). Commandiert wurde in ungarischer,
der schriftliche Dienstverkehr erfolgte jedoch in deutscher Sprache.
Der Fahneneid in Neisse.
Nachdem die Leute solchergestalt und in der angegebenen
wStärke ausgerüstet und in das neue (ungarische) Commando ein-
geübt waren, meldete der mit der Oberleitung der Organisation
betraute Vetter dem Commandanten, dass die Legion kampf-
bereit sei und jeden Augenblick in Action treten könne. Klapka
richtete hierauf an Vetter folgendes Schreiben :
»Neisse, 26. Juli 1866. Ich habe die Ehre, Herrn Feldmarschall-
Lieutenant die Anzeige zu machen, dass ich um 6 Uhr Abends
') Ein Exemplar dieses Reglements befindet sich sub Xr. 136 bei den Kremser
Acten. Es hat 167 Seiten in Klein-Octavformat und fuhrt den Titel »Magyar honved
sereg« (»Ungarische Honved-Armee«).
j , 2 K i e n a s t.
mit Grafen C s d k y im Laj^er erscheinen, daselbst den Truppen
den Fahneneid abnehmen und sie von dem bevorstehenden Ab-
marsch in Kenntniss setzen werde. <•
'Indem ich Herrn Feldmarschall-Lieutenant meinen innigsten
Dank für die !Mühe satje, die Sie im Interesse der Sache bei
Organisierung" meiner kleinen Truppe an den Tag legten, bitte
ich, diesem feierlichen Act gefalligst beiwohnen und mir Ihre alte
bewährte Freundschaft und Brüderlichkeit auch in der Zukunft
wie bisher ungeschwächt erhalten zu wollen. Ihr treuergebener
G. Kl apka *).«
Ueber diese Eidesleistung erzählte ein Augenzeuge^ Folgen-
des: > Während ... die Legion aus dem Lager unter Trommel-
wirbel ausmarschierte und sich auf dem Wilhelmsplatze in einem
Carre aufst(*llte, zog eine Compagnie in die Stadt vor die Hotels,
in welchen die Tabornoks (Feldhauptleute oder Generale) K lapka
und Vetter einlogiert waren und holten die Stangen und die
verschlossenen Kisten mit den Fahnen. Nach mehrfachen Eljens
trugen drei riesige Männer die noch fahnenlosen Stangen voran
und fast im Geschwindschritt bewegte sich der originelle und
imponierende Zug zurück nach seinem Paradeplatze und eine
Menge der Einwohner und Hunderte von preussischen Soldaten
folgten dem noch nie gesehenen Schauspiel. '^
»►Mitten im Carre versammelten sich Klapka, der bereits
alte General Vetter, M o g y o r 6 d y mit sechs Orden, die (irafen
Csäky, Bethlen, die Offtciere Cz etz, Fej er, S zab <), Klapka's
Adjutant u. A. Als (ieneral V e 1 1 e r das sich eröffnende Carre
betrat und einen (.)fiicier mit der italienisclien Medaille ausserhalb
desselben stechen sah, sagte er, mit dem Finger in das Carr6
weisend : „Itt a legszebb helye V^ (hier ist Ihr schönster Ort). Nach-
d(»m dem angekommenen (it^neral drei stürmische Eljen ausge-
bracht worden waren und die Mannschaften unter eigenthümlichem
Trommelschlag präsentit*rt hatten, enthüllte Klapka\s Adjutant,
welcher sich heute überhaupt als vorzüglicher Redner zeigte, die roth-
weiss-grüne Fahne? und die L(\gion brach beim Anblicke derselben
sofort in stürmische Eljen aus. „Kennt Ihr diese Farben?'* —
,.Ja, wir kennen si(^!'' — ,, Wohlan denn, das ist die Fahne, die
') Aus dem »Fester Lloyd« vom l6. April l8'>"
* In der Auj;jsburL'er > Alljjemeiiien Zeitiinj;« ,,,... ^lu^»"«! ^^^^i »BilduL.
Die Legion Klapka 1866.
143
Ihr, tapfere Maj^^yaren, im Jahre 1848 und 1849 so tapfer ver-
theidigt und von Sieg* zu Sieg getragen habt. Der Zeitpunct ist
wieder gekommen, wo die ungarische Fahne schon in den nächsten
Tagen an der Seite jener des mächtigen Königs von Preussen
unter dem Zuströmen aller Vaterlandsfreunde sicli in Ungarn
zeigen und die Befreiung des Vaterlandes zur Folge haben wird.
Bei diesem Anblicke wird sich die schwarzgelbe J^'ahne Kurer
unfreiwilligen Waffenbrüder im Feindesheer in den Staub beugen
etc. Wollt Ihr nun aber diese Fahne mit lUut und Leben ver-
theidigen?" — „Mit Blut und Leben!'' — Nun wurden mehrere
Fragen vorgeles(*n, w^elche alle von der Legion mit „Esközünk !"
(wir schwören !) beantwortet wurd(»n, worauf der feierliche Fahnen-
eid folgte. Xun trat der Commandeur eines Bataillons vor und
sprach ungefähr: „Wohlan denn, so überreiche ich Euch diese
Fahne auf amtlichem Wege in der Ueberzeugung, dass dieselbe
keine besseren Vertheidiger haben wird, als Ihr seid. Ich werde
dieser Fahne vorangehen, Ihr werdet mir folgen und wir werden
nicht früher ruhen, als bis wir die Oesterreicher aus Ungarn werden
hinausgeworfen haben.'' Dreimaliges Kljen der Fahne und „Präs(m-
tiert". Hierauf eine Stimme aus der Legion : „Kljen Klapka Antal
tcibornok", worauf dreimaliges „Eljen" und „Präsentiert" unter
Trommelwirbel erfolgte, wtilche Ehre auch dem (xrafen C s a k y
erzeigt wurde. Bei der nun folgenden Vorlesung der Kriegs-
Artikel wurden die einzehien Puncte wiederum mit „Kskr)zünk"
beantwortet, worauf drei feierliclu? „Kljen" dem König von
Preussen ausgebracht und die (xewehre präsentiert wurden.
Kndlich hielt auch K 1 a p k a cnnr* Ansprache mit leiserer Stimme
und zuletzt Hess man auch Kossuth h?ben, aber das (iewehr
wurd(^ nicht präsentiert. ^^
Dies(^r Bericht ist gewiss in manchen Puncten nicht ganz
zuv(*rlässig, (»inmal wrnl dem Augenzeugen als offenkundigem
Xichtmilitär die B(Ki(^utung dies<»r oder jener militärischen Kinzfil-
heit nicht ganz klar war, dann auch, weil ihm wahrscheinlich die
handelnden Personen nicht aUe genau bekannt waren und weil
er vermuthlich nicht ungarisch verstand. Die Schilderung ist
ghüchwohl so leb(Mulig und voll von sonst unb(*kannten Dt»tails,
dass si(», die «»inzig existiennide, hier nicht fe^hl(*n darf. Xach
den nachträglichen l^\^stst(illung(Mi aus i\vw Aussagen dm* hcim-
gekt'hrten J-egionäre hielt, nachdem zwei ungarische Xational-
r^ihnen und eine» Standarte in das Legions-Carre gebracht word«.*n.
j 1 1 K i e n a s t.
Graf C s a k y eine Ansprache, in welcher er hervorhob, diese
Fahnen von der ungarischen Nation (?) zu dem Zwecke empfangen
zu haben, um sie als Bevollmächtigter der Nation dem Helden
K 1 a p k a zu übergeben, damit er sie zur Befreiung des Landes
führe, wie im Jahre 1848. Klapka habe sich hierauf bereit
erklärt, die schwierige Aufgabe übernehmen zu w^ollen und die
Erwartung ausgesprochen, dass die Legion ihn dabei kräftig unter-
stützen werde. Nach diesen beiden Reden habe Oberst
M o g y o r <) d y präsentieren lassen und den Legionären folgenden
Eid vorgelesen, den sie auch durch den einstimmigen Zuruf
(Esközünk !) geleistet hätten : )^Sie werden schwören, jeden Augen-
blick bereit zu sein, zur Vertheidigung Ungarns und seiner Con-
stitution Ihr Blut und Leben zu opfern. — Wir schwören I —
Sie werden schwören, Ihre Fahnen niemals zu verlassen, die Kriegs-
Gesetze pünctlich zu erfüllen, den Befehlen und Anordnungen
Ihrer Vorgesetzten unbedingten Gehorsam zu leisten und sich
den bestehenden Vorschriften und (xeboten zu unterwerfen. —
Wir schwören ! — Sie werden endlich schwören, sich in Alles
zu fügen, was zur Aufrechterhaltung der Freiheit, der Integrität
und der Ehre Ungarns nützlich und nothwendig sein wird. —
Wir schwören ! — Sie schwören zu dem allmächtigen Gotte mit
Hilfe seiner unendlichen Gnade diesen feierlichen Eid halten und
erfüllen zu wollen. — Wir schwören!*
Die Fahnen trugt^n das ungarische Wappen und die Worte :
»Eljen a haza!'< (Es lebe das Vaterland!) Feldwebel Hutka las
auf den Bändern den Namen einer Gräfin Karolyi, wahr-
scheinlich der Mutter der jungen Grafen Tibor und Stephan
K ci r o 1 y i, welche in den Reihen der Legion standen ^). Der
genannte Unterofficier sagte noch Folgendes aus : »Als präsentiert
und der Eid geleistet war, erfolgte eine feurige Ansprache des
Cxrafen C s ci k y an die Legion, welche so stark wirkte, dass die
Eljen gar kein Plnde nehmen wollten. Der Name des Prinzen
Carl von IVeussen wurde bei dieser Beeidigung nicht erwähnt.
Von seiner Proclamierung zum König hat aber die Legion be-
ständig gesprochen. Alle Officiere und besonders die preussischen
sprachen davon beständig. Auch Oberst Mogyorödy war der-
selben Ueberzeugung. Dienstlich hat man aber H-»- jv -»V^^s er-
': Vcr^^l. (las Schreiben der (irätm Kurcilyi aus S' ^'^ - - -nn^Tq-— ^
Die Legion Klapka 1866.
M5
wähnt'.. Letztere Aussagen werden auch von anderen Unter-
ofticieren, z. B. von Feldwebel R e i n h a r t und Zugsführer Gregor
Iv i s s vollinhaltlich bestätigt.
!Man scheint gehofft zu haben, die Legion auf die Stärke
von 6000 Mann mit acht Geschützen bringen zu können ; wenigstens
wurde Ernst wS i m o n y i von C s a k y unter diesem Vorgeben
gegen Ende Juli von Paris nach Ober-Schlesien berufen ^). In
auffallender Uebereinstimmung damit steht es, dass nach dem
Berichte eines Berliner Confidenten vom 24. Juli bei einem dor-
tigen Schneider 6000 Blousen mit rothen Schnüren bestellt worden
waren, wovon die erste Hälfte bis 25. Juli, die andere bis i. August
zu liefern sei. Auch Kappen seien in gleicher Zahl und mit den-
selben Lieferungsterminen für die ungarische Legion bestellt
worden - ).
Am 26. Juli gab es in der That ausser den zum Fahneneide
ausgerückten Legionären noch Andere, für welche die Unitorm-
sorten aus Berlin noch nicht eingetroffen waren und die desshalb
von dem feierlichen Acte fernbleiben mussten. Ihre Anzahl wird
verschieden angegeben ; jedenfalls war sie grösser als 200, wahr-
scheinlich erreichte oder überstieg sie um etwas 400. Von diesen
I-egionären ward noch unten die Rede sein. Waren die 1500
Beeideten als der Kern der »ersten Invasions- Armee- gedacht,
welche allerdings erst durch Zulauf aufrührerischer Elemente in
Ungarn selbst sich hätte bilden müssen, so sollten ciuch jene etwa 400
Unbe(*ideten zunächst aus den Kriegsgefangenen sich vermehren
und dann durch Vetter nach Ungarn geführt werden, um gleichfalls
durch den erhofften Zulauf zu einer Reserve-Armee anzuwachsen •*).
') »Kossuth Lajos iratai*, VI, 472. Der Hczirks-Vorsteher von Mährisch-
Ostrau meldete am 14. August 18^16 an GM. Br als ach: *Xach dem Ein-
rücken der Prcussen in Mährisch-Ostrau, also um die Zeit des 24. bis 30. Juli, ver-
lautete hier, dass sich ein Corps von 6000 ungarischen Insurgenten in Preussisch-
i )hi.*r-Schlesien sammle, welches die Absicht habe, unter K 1 a p k a*s Commando nach
Ungarn einzubrechen und das Land zu insurgieren.* K. A., F. A. Operierende Armee
i«06, VIII, 481 c.
-I »Angeordnet sind diese Bestellungen von ganz obscuren Persönlichkeiten,
aber gehörige a conto-Zahlungen darauf gemacht. In ofliciellen Kreisen will man von
ungarischen Legionären noch immer nichts reden hören; doch muss ein Zusammen-
hang zwischen dem königlichen Haupttjuartier und den hiesigen Bestellern unbedingt
existieren, umso mehr, als die Transportierung aller Kriegsgefangenen ungarischer
Nationalität nach den schlesischen Festungen doch nicht von dem ungarischen Xalional-
t.'oniitc angeordnet sein kann.«. K. A., F. A. Nord-Armee l8(.(», XIII, 13, S. 214.
'1 Vergl. »Kossuth Lajos iratai«, VI, 550.
Die Legion Klapka 180). 10
. , A K i c n a s t.
Das Offlciers-Corps der Legion Klapka.
Das Officiers-Corps der Le,L,äon Klapka bestand in seinen
wichtigeren (TÜedern vorzugsweise aus früheren Angehörigen der
ungarischen Lej^ion in Italien. Wie bereits bekannt, hatte Kossuth
schon gleich nach der Scheinverständigung mit dem ungarischen
Xational-Comite eine Anzahl derselben zum Abgehen nach Preussen
ausgewählt. Am 19. Juli fand er sich neuerdings veranlasst, den
Obersten T e 1 k e s s y (den ehemaligen Commandanten der unga-
rischen Legion in Italien) zur Aufstellung und Ausbildung der
bei der Legion in Preussen zu errichtenden Artillerie- Abtheilung,
weiters den Husaren-Major Joseph B e n e d i k t y, den Hauptmann
G o j n a r, dann die Oberlieutenants Eduard Z a h o r a y, Alexander
Mandola und Julius Vidos über Paris und Cöln nach Berlin
zu beordern, wo sie sich bei Oberst Theodor (iraf Csaky melden
sollten ^). Bald darauf, am 23. Juli, verfügt«^ aucli, wohl kaum
aus eigener Initiative, das italienische Ministerium die Absendung
von vier Officieren der ungarischen Legion in Italien zu jener in
Preussen ^\
wSoweit diese Honved-Officiere und etliche andere Glieder
der ungarischen Emigration nicht zunuchten, alle Stellen zu be-
setzen, wurden Legionäre, dit» sich bei der Agitiition zum Ein-
tritt in die Legion besonders hervorgethan hatten, oder die sonst
geeignet schienen, zu Officieren ernannt ^). Xach der Aussage des
*) »K o s s ti t h Lajos iratai<, VI, 423. iK o s s u t h an T e 1 k e s s y, 19. Juli.)
Dem Stabsofficier wurden 250, dem Ohcroft'icier 220 Francs Reisegeld angewiesen.
*) Meldung des Commandanten der ungarischen Legion in Italien, Oberst
F (") 1 d V ; i r y aus Bologna, den 24. Juli iHdO^ an K o s s u l h. (»Iratai«, VI. 427.)
Der Berliner Confident meldete am 30. Juli nach Wien : »Der Verkehr mit
der ungarischen Emigration ist ununterbrochen ein sehr lebhafter. Vorgestern erst
sind wieder vier l^ngarn mit preussischen (lesandtschaftspässen aus Florenz hier ange-
kommen und die IJnitormierung und HewalVnung einer ungarischen T-egion in Neisse
ist factisch in's Werk gesetzt. Die hiesigen l^ehörden hiugnen aber noch immer jeden
Zusammenhang. . . .« K. A., F. A. Nord-Armee IS^^, XIII. I3.
S l'ehlwebel Anton R e i n h a r t des Infanterie-Regiments Nr. ^h erzählte am
7, September iS^f»: »Am 2^. Juli) wurden sämmtliche «1er ungarischen Nationalität
angehörentlen FeMweb«-! und ("adetten zusammengertit'en und vom Insurgenten-Cieneral
Vetter und (iraf Hethlen befragt, ob wir in der «»sterreichischen Armee Fcld-
webel-('hargen bekleidet haben. Wir wurden entlassen und Nachmittags wurde für
sämmtliche das Avancement /um < >ber<»fricier publiciert. Den lag tlarauf wurden wir
in die Wohnung des ( )])er-('ienerals Klapka berufen und an uns dir bereits aus
Herlin angelangten l'nitormen verlheilt. Nach geschehener P-m-^» ;-.—.« ^, wurden wir
Die Legion Klapka ISfHj. j^m
Feldwebels Ilutka waren es ihrer siebzehn, denen am 26. Juli
nach dem Fahneneide die Lieutenants-Charg-e in der Lej^aon zu-
erkannt wurde ^1. Den aus Italien gekommenen Honved-Oflicieren
und jenen, welche in den Kämpfen der Jahre i84(S und 1849
schon als Officiere j:^edient hatten, wurde fast durchg-äng-ig und
zwar, ohne dass K o s s u t h's Zustimmung" eingeholt worden w^äre,
ja, zu seinem grossen Verdrusse, gleichzeitig* mit der Ernennung"
zum Leg'ions-Officier auch (nne Beförderung- zumeist in die nächst
höhere Charge zu Theil -). Ilienach und unter Berücksichtigung-
einiger noch nachträglich vorgenommener Ernennungen, bezie-
hungsweise Befördi^rung-en hatte das (.)fficiers-Corps der unga-
risclnm Leg-ion in Preussen folg<»nden Stand '^) :
1 . (ienerale : Georg Klapka, Armee- Ober-Commandant ;
Anton Vetter von Dog-g-enfeld, Commandant der Reserve-
Armee ; (ireg-or (iraf B e t h 1 e n , Commandant der Reiterei bei
der Armee.
2. Oberste : Emil Baron U (j c li t r i t z , Commandant der Rei-
terei b(»i der Reserve; Alexander Mednyänszky, (reneral-
stabschef der Armee; Adolph ^I o g- y o r ö d y, Brigade-Commandant
(d. h. Commandant der zw- ei Infanterie-Batailh>ne, deren jedes als
Stamm für ein Regiment gedacht war) ; Georg- K o m ä r o m y,
Präsident der provisorischen ungarischen Regierung ; Theodor
(iraf Csdky, Stellvertreter der provisorischen ungarischen Re-
gierung- ; Alexander Graf K a r a c s a y, beim (ieneralstabci *).
K<iuipicrunj;sßel<ler und Gaj^cn den uächstfolßcnden Ta;^ bei ihm abzuholen, entlassen.
Am nächsten Tage geschah die Auszahlunj^' des nach Abschlag der Uniformierungs-
kosten bemessenen Gcldrestes im Ik-tragc von 55 und die der (iage mit 32 Thalern.*
(Kremser Acten, N'r. 10.)
') Kremser Acten, Nr. irS. Audi später noch avancierten mehrere Kriegs-
gefangene zu OHicieren. M o g y <> r o d y giebt die Zahl der am 2(). Juli beförderten
k. k. irnterofficiere mit dreizehn an.
-1 'Kossuth Lajos iratai^,« VI, 446, 476 u. 0. a. i).
^} Helege liicfür : I. J)a^ im >I*ester Lloyd» vom 16. April 1S97 ven'WTentlichte
• Verzeichnis der (Veneralstabs- und Ober-Ofüciere der ungarischen Legion in f'reussen«.
nach eigenhändiger Aufzeichnung Vetter's in Xeisse, 27. Juli 1SO6. 2. Das dem
Untersuchung^irichter in Krems vorgelegte ».\ominal- Verzeichniss di'r gewesenen
Generale, Stabs- und nbcrofticiere des Khipka'scheu (-orps. vom 17. October lSof>.
I Kremser Acten, Beilage zu Xr. 118.) 3. Zwei IMiolographien-Sammlungcn aus privatem
Besitze, von denen gelegentlich d«'r Aufh'Jsung der Legion weiter unten noch die
Kede sein wird.
*) Der von Kossuth nach l'reusscMi beorderte < )berst Joseph rclkess\
dürfte nicht, oder doch er-^t sehr «pät zur Legit)n gekommen >ein. Der von Vetter als
( >berst verzeichnete Krn>t von S i m n n y i hielt sich nur wenige lüge bei demselben aui.
148
K i e n a s t.
3. Oberstlieutenant : ( ieorg Scheiter, Commandant der
Husaren-Abtheilung-.
4. Majore : Arthur (iraf S e h e r r - T h o s s , Pliij^^el- Adjutant
Klapka's ; Aug"ust (xrisza, Commandant des i. Ilonved-Ba-
taillons : (.Teorjjf R e n y i , Leiter der diplomatischen Abtheilung
beim Stellvertreter der provisorischen Regierung, später Com-
mandant des 2. lionved-Bataillons ; Anton Baron Balassa,
Leiter des Monturs- und Ausrüstungs-Depots bei der Armee ^).
5. RittmeiwSter : Eduard (Alexander?; Kovacs, Commandant
der Husaren-Escadron - ..
6. Hauptleute : Christian F e j e r (F e h e r), Compagnie-Com-
mandant ; Albert AI o n t e d e g o . Flügel-Adjutant bei (xraf Theodor
C s a k y ; ( f eza H e v e s s y, Comi)agnie - Commandant ; (xeorg
Gojnar, Compagnie-Commandant ; Emerich Kepes, Com-
pagnie-Commandant ; Gustav S z a b 6 , Comj)agnie-Commandant ;
Paul X i t s ( c h n e r , Compagnie-Commandant ; Julius Mar, Com-
mandant bei der Reserve-Honved-Abtheilung; Sigmund Kubinyi,
wahrscheinlich in der Kanzlei C'saky's in Verwendung.
7. (Jberli(*utenants : Siegmund K ö v y, Compagnie-Com-
mandant ; Alexander M a n d o 1 a, Compagnie-Commandant ; Anton
S e r e g d y, bei der Husiiren-Escadron ; Eduard Z a h o r a y, bei der
Husaren-Escadron; Tiborius (irat Karolyi, bei der Husaren-
Escadron; Stephan (xraf K ar o 1 y i, bei der Husaren-Escadron;
Andreas I^ a 1 o g h, b(M der Infanterie; Stephan Baron Balassa,
Adjutant des Obersten U e c h t r i t z : Moriz M a i e r * ), Adjutant
beim ( )ber-Commando ; Arpad Z s o 1 d o s * i, bei der Infanterie ;
Michael B e n c z (» * , bei der Infanterie : Anton IJ j f a 1 u s s y * .•,
bei der Infanterie.
S. Lieutenants; Achilles l:^arbieri, Adjutant des (xrafen
Bethlcn; Paul H o 1 1 e s c li (nach J. Hutka» Brigade-Adjutant
I bi'i ( )berst M o g y o r (> d y • ; Hugo F a b r i, Adjutant des Majors
Baron Balassa; ('onstantin X i s z a 1 o w sky * , in d(*r Kanzlei
deh Ober-C'ommandos ; Josepli (i e c z y * , in der Kanzlei des Ober-
Commandos ; R(»ne S a d o w s k y * \ Adjutant beim i . Honved-
Bataillon; J.adislaus Kiss*t, Adjutant b<'im 2. Honved-Bataillon ;
': Drr von K o s s u t li zur Lej^ion befohlene Major Jos;.*ph li c n c d i k t y
scheint iiichl zu ihr einj,'crückt zu j-cin.^
'-■ Der n;ich Vetter jjleichfall» zum Kittmei'»er ernannte Stephan Czctz
wirrl wi)hl hir'i der Werbung; der Kriej^sjjefangenen ' •' ^l»;'*' ''"'' ^*'»' der Kahueu-
'""^ihe in Xeisse. aber später nicht mehr ;:cn:inn»
Die Legion Klapka IStjö.
149
Johann II o r v ä t h *j, bei clor 1 Iiisaren-Escadron ; Alexander
Rone z, bei der Husaren-Kscadron ; Johann \. a s z 1 (> * >, bei der
IIusaren-Escadron ; Georg" K o m a r o m y jun., Rudolph C r o c e e *],
Fidelius Bittö, Andreas Baron Banffy, Ludwig B er t» t v as*),
Ludwig H o l o s s y *), I^merich M o 1 n a r *), Blasius B a r t h a *),
Pliilipp M a 1 1 z *;>, Franz P a p p * i, Johann B r o n c s *\ Franz
M ü h r w a 1 d, Julius ]^ o n c s a n y i, Franz S z a b (>, Stephan
V a r g" a *), Michael V e c s e y^ Albin J a k s a * 1, sämmtliche bei
der Infanterie.
Alle diese Officiere wurden mit je einem deutschen und
ungarischen Ernennungsdecret betheilt. Dieselben waren auf vor-
gedruckten Blanquetten ausg"estellt, die je nach Umständen hand-
schriftlich ergänzt wurden. Auf den deutschen Ausfertigungen
befindet sich die Orig'inal- Unterschrift eines Functionärs des
preussischen Kriegs-]\Iinisteriums (vcm Schütz, von Podbielski)
neben dem Stampiglien- Abdruck dieses Amtes. Die ungarischen
Exomplan^ trugen an derselben vStelle die Unterschrift: -A. Vetter
altaborna.<>'y ' (FML.) neben einem Stampiglien -Abdrucke mit
dem ungarischen AVappen und der Umschrift >A magyar sereg
sztn-vezesi parancsnoksaga«. < -Oberleitung" der Organisation der
ungarischen Armee.) AUt^ Decrete, die deutschen und unga-
rischen, sind ausg"estellt von ( iraf Theodor C s a k y, den ein
neben oder unterhalb sein(*r Unterschrift befindlicher Stampiglien-
Abdruck mit dem ungarischen AVappen als den »Repräsentanten
der ungarisclum provisorischen Xational-Regierungv« . A magyar
ideiglenes nemzeti kormany kopvis<»h")je) bezeichnete^).
Als Vertreter der prcnissischen Regierung waren der Legion
beigegebt^n Oberst von I ) ö ring" und Hauptmann D r y g a 1 s k i ^j.
*: Den Ivriegsj»cfanj;cncn entstammeinl.
Vi Die Art der Ansfortigunj^ ist aus <lcii l)oi;»ej^el)oncii Keprorluctioiien von Ori-
i:inak'n zu ersehen. Im -Fester Lloyd« vom 16. April iHjJ ist das Decret des Majors
r i s z a verlautbart. Dessen He.itäti<:junj; durch <las preussischi: Krii-^s-Ministeriiim
t'rlol^te hiernarh erst am 3. Aujjust, <las heisst e i n e n T a ;^ na <* li H e lj i n n <l e s
\V a f f e n s t i 1 1 s t a n d e s zwischen Oesterreich und I'reussen, al-; man in JJerlin
l);rr'_'ils von dem erfolj^ten Einmärsche der Le^^ion nacli L'nj^arn \v us>tc.
-. In den l*hot«>j;r:ipliien-Sanmiluny;en er*icheincn aucli der preu-?>i^chc l'ldanen-
' >trici<.-r II e y <l e 1) r a n d von der F^ a s a und der i)reussisc}ie I'rvniier-r.icutenant
(irai IM ü o h e r als bei der I.«.';^ion an\vi:send angeführt.
IV.
Die Chancen der Lemon.
Aufgabe und Aussichten in Ungarn.
^^o war also die Lejjfion Klapka org-anisit^rt und ausL^erüstet.
Ihr Commando bezeichntite sich durcli die von ihm j^^'eführte Dienst-
Stampig"Ue als -lijszaki niajjfvar serej^" j)arancsnoksai4"ci' , das ist
als »Commando der unjjj'arischen Nord-Armee- *). Wäre nicht schon
aus diesem Titel zu >.chliess(in, dass v<*rmuthlich auch di(» Bildun<»r
einer unj^'arischen Süd- Ärmere j^^^eplant war, so wüsste man jetzt
nach dem Erscheinen dt»s sechsten Bandes von Ludwig Kossuth's
Schriften, dass die Li'^fion in Preuss(»n nur ein (ili<?d war in der
Ivett(J von lCinfalls-(iruj)p(m, welche zu g'leicher Zeit von Nord(;n und
Süden, von Südost und »Südwest her nach IJni^'arn hätten vordrini^en
sollen, während in d(*mselben Auj^enblicke im Land(» st^lbst die
Revolution aus'4"ebroch(^n wäre ->. -\bt^r auch di(» Zeit<renossen
drr Kr<*iv(niss(» von isoo waren schon in der Laj^e, diesen Plan aus
der bald «"»fl'cntlich bekannt ;4"ewordenen Proclamation Klapka's
an die Krieifs^-efaniLifenen abzuhritcMi. Kos.suth ist von seinem
Standi)uncte aus i^anz im R(*clite, wt^nn er üb(»r den Satz der
^ Staiiipij^licn-AbdnK'k, rnthaltoinl das iinj^ari<clu- Wappen mit obt-n an-^'t-führtcr
l'nischiill, hui «Icr Vi«licruii;^'>-('lau.>cl vniii 2. <>ct<)ln:r II^^^ aiil <ler Kücksvitt- dc>
«Iciit.-chiii I)c'cn-ts •li*'; Lfgi(>n-.-].ii'utcnaiit> lUasiu- li a r t li a. Auch rin Schreiben
Iv 1 a p k a's V'ini 3. Au^^nst iSh() an <Un (iT.dVii Stoiber;^, wcl'hc< in österreichische
Hainl'- Im-I ijiiil ViiM «leni später i;* h ''•(. ""••vle >■■'" -'^ *" ■•" S'--i'r' "' t-
>ell -^ rin-' hritt.
I)ie Lejiion Klapka 180»"».
151
frag'lichen Proclamation : »Aus Italien eilt Garibaldi, von der
Donau her Türr, von Siebenbürgen aus Bethlen zur Erlösung"
des Vaterlandes herbei ; von hier aus führe ich die tapfere unga-
rische Schaar ein«, sehr ungehalten war^). Zu allen Zeiten ist
das Geheimniss als Vorbedingung des Erfolges angesehen worden
und man muss in der That zur Erklärung der voreiligen Red-
seligkeit der Proclamation nur annehmen, dass Klapka und seine
Freunde von der Unausbleiblichkeit ihres Erfolges so überzeugt
waren, dass sie sich jeder Vorsicht entschlagen zu dürfen glaubten.
Cxraf C s Ä k y und Georg K o m a r o m y waren jedenfalls der
Unterstützung Preussens sehr sicher, denn sonst hätte Ersterer am
22. Juli von Berlin aus nicht an K o s s u t h telegraphieren können :
^Trotz der Friedens-Präliminarien-) wird die Bewegung
zu Hause und die Expedition von hier aus dennoch gegen Finde
des ]Monats stattfinden ^!.'< Kossuth und mit ihm massgebende
Personen der italienischen Regierung waren der Meinung, es
müsse ein Missverständniss vorliegen, denn am 23. war die offi-
cielle Verständigung von der preussisch-österreichischen Waffen-
ruhe in Italien angelangt. Csäky's Aviso stand dazu im offenen
Widerspruche. Kossuth Hess daher, nachdem auch Graf
Usedom in dieser Sache nach Berlin telegraphiert hatte, am
20, Juli an Csäky die telegraphische Aufforderung ergehen,
die endgiltigen EntSchliessungen der preussischen Regierung
einzuholen^!, worauf am 28. Juli Mittags von dem Leiter der
diplomatisclu»n Kanzlei des Grafen C s a k y, denn Honved-]\Iajor
(ieorg Reiiyi, beim italienischen Ministerium des Aeussern in
Florenz folgtjudes Telegramm für Kossuth einli(*f: »l^erlin,
27. Juli 1800. Csäky ist abwesend, um die Expedition vorzu-
bereiten. Die ungarische Legion geht trotz des AVaif enstillstandes •'* •
morgen unter Klapka nach Oderberg. Ich versichere Sie, dass
ich Alles weivSs« '*;.
' j »Kossuth Lajüs iratai«, VJ, 475, < *. . . jene IVoclamaüun, welche übrigens
auch von militärischea Staudpuuctc aus voll der unverzeihlichsten ludiscretionen ist . . « 1
Verj^l. auch VI, 548.
■-) Damit kann nur die »Wafl'eiiruhe« vom 22. Juli {gemeint sein.
'•') »Kossuth Lajos iratai«, VI, 431. iKossuth an seineu Sohn I^udwijj,
Ferrara, 2\. Juli ihöo. )
*) Ebenda, VI, 437-
■'; Abgeschlossen zwischen Preussen und Oesterreich am 2(). Juli zu Xikolsburj;.
r»eginn : 27. Juli.
''1 »K o h s u t h Lajos iratai«, VI, 43.S. Das Tele^^ramm ist verrauthlich nicht
vom 27., souilern schon vom 2<i. Juli.
j-2 Kienast.
Die Männer der ungarischen Beweg'ung's-Partei konnten
solche wiederholte Versicherunf^en nach Italien nur in dem
Glauben absenden, dass ganz Ungarn hinter ihnen stehe und dass
sie auch Preussen davon überzeugt hatten. Ob Letzteres that-
sächlich ganz der Fall war, mag dahin gestellt bleiben M.
Wie es den Anschein hat, hielten sich C s d k y und K o m a-
r o m y thatsächlich überzeugt, dass ganz Ungarn oder doch dessen
massgebende Persönlichkeiten von dem Augenblicke an, als die
von ihnen angebahnte Bewegung in Fluss kam, sämmtlich hinter
ihnen stehen, oder wenigstens sich ihnen nicht entgegenstellen
würden. Hatte doch Komaromy einen bekannt grossen Ein-
fluss auf die oppositionelle Linke des Landtages und K o s s u t h
gegenüber behauptet, die ganze Linke sei in der Organisation
des projectierten Aufstandes inbegriffen *•> Und (iraf Csaky
machte am 3. Juni 1866 den preussischen Diplomaten in Florenz
»im Vertrauen« die Mittheilung, »Deak wisse um die vSache,
billige die Pläne und die Thätigkeit des Pester Comites und das
Comite thue nichts Wichtiges, ohne dass er unt<»r der Hand davon
wisse« ^), Die Häupter des Comites aber waren eben KomÄromy,
der Präsident der geheimen ungarischen National- Regierung und
C s a k y, der Vertreter dieser Regierung nach Aussen. Sie waren
die Spitzen jenes »sehr vollständig(m gouvernement occulte«,
welches die österreichfeindliclie Aristokratie in Ungarn einge-
richtet hatte. In ihren Händen lag es, durch die in d(m C'omitaten
zerstreuten Vertrauten, ehemalige Honved-Officiere, die Bewegung
zu gelegener Zeit in (jang zu bringen *). Unverk(*nnbar steckt
hinter den uns bereits bekannten Plänen eine freimaun^rische» Or-
ganisation, die seit mcihrercm Jahren auch in Ungarn mit Krfolg
sich einzunisten begonnen hatte'*). Wäre die Sach(j nicht so augen-
'1 Am 13. Juli noch wünschte Graf li i s m a r c k, allerdinj^s unter dem
Eindrucke der sich immer mehr vordrän;;enden franztisischen Intervention, dass
preussischerseits > möglichst bald etwa>s tJ^'^en l'ngarn unternommen würde, um den
dort im Zuge befindlichen Vorbereitunjjen zu rcvolutionärea Bewerbungen eine l^asi-
und neuen Anstoss zu j^'eben«. i L e 1 1 o w - V o r b e c k, »Geschichte des Krie;»es von
1S66 in Deutschland <, JI, 50O.1
-1 »Kossuth Lajos iratai«, VI, S. 448. iKossuth an Gräfin K ;i r o 1 y i,
Turin, 7. Aujjust 1 866.1 Verj^l. VI, S. 20\.
^1 >Aus <lem Leben Theodor von H e r n h a r d i 'sc, VII, S. 35. Auch au*
K r i e '1 j u n g, »Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland«, l, S. 25«» und 11,
^- 34*^' ^*^^^t hervor, dass D e ;i k zu den \Vissend"n r">^'- ' ->•*—'
*: Die DctaiU des Planes und <lcr ()r;'ani* * f i"»* 0".
'') Vergl ^V ^n *^ 18 *'"'' d»« ' "'- •->• n; .. - s ' ^-' \
^79 .\ nrr
Die Legion Klapka 1866. j - ^
fällig, so würden doch einige Aeusserungen Ludwig* Kossuth's
völlig aufklärend wirken, der nach dem jMissglücken des Planes,
am 8. August 1866, seinem Vertrauensmannc Daniel Irdnyi
schrieb, er »vermuthe-', dass Csaky und Komaromy »sich
selbst mystificiert haben in dem Glauben, dass jene gewisse frei-
maurerische Weitschweifigkeit etwas AVichtiges sei, während sie
doch nur kindischer Humbug ist< ^j und schon am 13. August an
denselben die Frage nach der Existenz des geheimen National-
Comites aufwarf, die »aber nicht in irgend einer freimaurerischen
Form< gegeben sein dürfe, weil er davon nichts halte ^).
Graf Csäky war selbst einer der Gründer und eines der
Häupter der ungarischen Freimaurerei jener Tage und musste
wohl über die Fähigkeit dieser damals in Ungarn noch verbotenen
geheimen Verbrüderung, seinen Plänen als Stütze zu dienen, ganz
im Klaren sein. Reichte aber die Freimaurerei allein als solche
nicht aus, so gab es noch einen anderen ergänzenden Factor, der
von umso grösserer Bedeutung war, als er seine Wurzeln tiet
in den breiten Massen des Volkes zu haben schien : die geheimen
Honved-Comites, auf deren innigen Zusammenhang mit der Frei-
maurerei schon oben hingewiesen wurde ^). Diese Comites hatten
schon seit Beginn des Jahres 1866 wieder eine erhöhte Thätig-
keit entfaltet, indem sie theils durch schriftliche Correspondenz,
grösserntheils durch vertraute Agenten auf (xeldsammlungen und
auf die Organisation der Jugend der Nation zum Zwecke einer
politischen Bewegung hinarbeiteten. Das Haupt der Honved-
(^rganisation war damals Graf Eduard K ä r o l y i, die Verbindung
mit der Emigration im Auslande besorgte der Landtags- Abge-
ordnete Emerich Zsarn ay aus dem Tornaer Comitate. Vorstände
der Comitats-Honved- Ausschüsse waren z. B. im Tornaer Comitat
der Abgeordnete (xeza L ü k ö, im Borsoder Comitate der Grund-
besitzer Emerich D a r v a s, im Szabolcser Comitate der Advocat
Johann Xagy in Xagy-Kallö u. s. w. Der Zusammenhang der Honved-
Organisation mit der ungarischen Legion in Preussen, der eigent-
lichen vSchöpfung Theodor Csäky's, war mindestens durch di(*
'1 »Kossuth Lajos iratai«, VI, S. 473. f» ... de azt ßvanitom, hogy maj;uk
magukat belc mystifikldltak a hitbe, hogy az a bizonyos szabadkomivesi tckctoria va-
lami fontos doloR, pedig hat pyermckeknek valo humbug. Hogy az egcsz szereplcsnek
tenckcn a francnia^onnerie rejlik* etc.)
-) Ebenda, VI, S. 487. (>IIa a comitJ Ictezese igazoltatnck, de nem valanii
-zabadkomivesi alakban, mire cn semmit sem adok«, etc.)
') Siehe oben S. 20. Das folgende nach den Acl«m C. K. Xr. 3521, vori
12. Juli lind C. K. Xr. 5300 vom 26. August 186O aus der Präs.-Keg. des K. K. M
l ZA Kienast.
als Husaren - Oberlieutenants bei der Legion stehenden Grafen
Tibor und Stephan K a r o 1 y i hergestellt. Die Mutter dieser
Beiden schrieb am 26. Juli 1866 aus Stresa am Lago maggiore
an K o s s u t h, sie habe Nachricht von zu Hause, dass dort Alles
bereit sei zum Losbruche, man brauche durch den Einfall von
Aussen nur den Anstoss dazu zu geben, der eine ihrer Söhne,
Tibor, sei mit Kundschaft nach Ungarn gegangen, nachdem der
andere, wStephan, mit Kundschaft aus dem Vaterlande gekommen
U.S.W.*) Auch wsonst müssen übrigens Csaky und Consorten in
enger Verbindung mit Ungarn gestanden sein. Feldwebel Hutka,
ein Adjutant der Legion, erzählte nachmals, er habe bei den
(irossen der Legion sehr viele Briefe aus Ungarn gesehen.
Dass Graf C s ci k y und seine Fremnde wirklich hofften, durch
ihren Einfall aus Preussen das ganze Ungarn mit sich fortzu-
reissen, ergiebt sich aus den Reden, die sie unter einander führten.
Der eben genannte Hutka hat aus dem Verkehre der Generale
der Legion mit den Grafen Csaky und Karolyi folgende
Aeusserungen nacherzählt: >»AVenn wir nur K aschau und Leutschau
erreichen, so ist Alles gewonnen. Dort erwartet man uns mit
vollen Händen. Di(* complete Rüstung und iMontur für eine ganze
Armee, sowie die ^Linnschaft st(*lien sclion bereit und zwar in
mehreren Städten-*.« Feldwebel Reinhart deutete das weitere
Ziel an mit folgenden Worten : «PIs hiess in der Legion, dass sie
nach Pest marschic^ren und dort Revolution machen soll. Der
gTÖsste Theil der L(*ute war damit einverstanden und selir gut
aufgeleg't.' Im Anschlüsse an die l^rzählung, die preussischen
Officiere hätten in Xeisse mit den Ungarn 'immt^r* davon
gesprochen, Prinz Carl von IVeusstjn würde zum König von
Ungarn proclamiert werden, sagten R e i n h a rt auch aus, -das
Land sei dazu schon vorbereitet und warte nur auf Klapka;
eine geheime (restdlschaft in P(;st halte Waffen und Monturen
für dit; ungarisclui Armee bereit« ** .
'j »Iv s s u l \\ Lajt» irat:ii*. VI, S. 443.
-') Krein>cr Acten, Nr. 118. Die Mcreit>tc*llM!ij^ der Aiisrüstuii;; für so viel Mann
sollte »ler 'riiätij^keit einer j^eheiuien (lesell.schalt in l'oi /.u danken sein. Ks ist wahr-
scheinlich, »l;i-s sich diese Th;ili;;keit nur «laiaul erstreckte, <lie Vorbereitungen zum
l 'eherlalle der in IJn^jatn Ix-fmdlulien sogenannten Anj^nient;i»''»i" Ma^a/.inc der
ic. k. Re;^inienter zu treflen. Csäky hat tlie>en IMan vd;- « a,. . u»»« iS'-ö zu
\^ e rn h a r d i ;^e.'ai>sert.
' 'vi ein- . -^ -•♦-..> V*-
Die Legion Klapka 186ti.
155
Die Matadore der Legion rechneten nach llutka auf eine
Verstärkung- derselben bis auf 50.000 Mann durch Zulauf binnen
wenigen Tagen. Nach dem Zusammentreffen von Zeit und Um-
ständ(»n zu schliessen, standen sie den Anstalten zur Verwirk-
lichung solcher Hoffnungen nicht ferne. Ein Confident des General-
Commandos in Ofen berichtete diesem, die Honved-Comites
hätten am 28. Juli alle gewesenen Honveds aufgefordert, für
Klapka zu werben und die AVaifenfähigen zum Eintritte in die
neu zu errichtende ^ungarische Armee- zu vermö<ren, da Klapka
über 60.000 (Gewehre und Munition mitbringe und auch an Geld
kein Mangc»! sei. In Folge dieses Aufrufes hätten sich in den
meisten Comitaten gewesene Honveds und kleine Edelleute bereit
erklärt, sich für den Fall, dass Klapka und Vetter weiter
nach Ungarn vordrängen, diesen anzuschliessen').
Zu den sich anscheinend vorbereitenden Erfolgen hat
zweifellos auch das (leld das Seinige beigetragen und zwar
weniger das (leld, welches die Honved- Ausschüsse im Lande
sammeln Hessen, als vielmehr jenes, wt^lches die preussische
R(*gierung dem ungarischen National - Comite zur Verfügung
gestellt hatte-). Kossuth theilte schon am 26. Juni seinem
Freunde K i s s de X e m e s k e r mit, Preussen habe anderthalb
Millionen Franken nach Hause für das Xational-Comite und in
der Richtung gegen Siebenbürgen disponiert^). Ernst S i m o n y i
gegenüber äusserten C s ä k y und K o m ä r o m y Ende Juli, sie
liätten (Mne ^Million Franken nach Ungarn geschickt*). Diese
Summ«* ist wohl identisch mit jenen 250.000 Thalern, welche
gemäss i'inem Schreiben des (irafen Bismarck an den Finanz-
Minister von der Hey dt vom 25. Juli 18OO ^behufs Ani-egung"
eine.^r Diversion von jener (ungarischen) Seite und Ausrüstung unga-
rischer Corps* (d. i. also mehrerer C()rj)s in Ungarn selbst)
verw(*ndet wurden"*) und auch identiscli mit jenen 400.000 (lulden,
welche nach einer Aufz(nchnung des (irafen S e h e r r - T h o s s *'j
schon seit dem 17. Juli in Ungarn angekommen waren.
•> C. K. Xr. 53()0 vom 26. Auj;ust iSOö, R. K. M.
* \'«T;;l. nie U s e (l o ni'sche Note* vom J 2. Juni lS(j(>, oSen S. 76 uml tf.
** >Kossuth Lajos iralai-, VI, S. 250. Verf^l. dazu VI, ^. 443,475, 4^0.
^ KKcnda, VI. S. 472.
*' .\ij<:cfiihrt nach Kohl's -IJismarck-Jalirbucli« , lh'17, bei Tri i-d j u U}^, Der
Kanii)t um die V«>rherrsc)iaft in D«.'ut>t:hlands , 1. Auna;^e, II. S. 5')0.
' ,> In ^L-iucm schon wiedorholl anj^'c-lührtcn Ndizbuche (vom 31. Juli .
l z() K i e n a s t.
Rs ist bis jetzt unbekannt, welche Motive Graf Csaky,
der doch eigentlich die Seele der in der Bildung der Legion in
Preussen sich äusse^rnden Bewegung war, ausser der Hoffnung
auf das Ausland, der Wirkung des freimaurerischen (xedankens,
dem Gewichte der Hon vtkl- Organisation und der Alacht des
Geldes etwa noch zu seinen ^Erwartungen auf Erfolg berechtigten.
Aber bei einiger Umschau lassen sich immerhin Momente er-
kennen, die seinem Unternehmen günstig schienen.
Ende Juni glaubte man zwar «nnerseits in Wien constatieren
zu k()nnen, dass sicli ein grösserer ZuHuss ungarischer Persön-
lichkeiten zur Armee bemt.'rkbar mache und man gedachte diese
Dispositionen nach Kräften zu fch-dern. wesswegen beispielsweise
der freiwillig sich meldende ungarische Abgeordnete Ludwig
Baron A m b r o z y zum Rittmeister im g. Husaren-Regiment und
als Ordonnanz-Officier im Hauptquartiere B e n e d e k's eingetheilt
wurde ^). Und auch Zeitungsstimmen behaupteten noch im Juli,
Ungarn sei die Hauptstütze Oesterreichs, weil Ungarn nur Politik
mit dem Herzen mache und daher, liingerissen von dem Unglücke
des Reiches, seines eigenen Vortheiles vergessend, nur bestrebt
sei, »das Reich vor fremder Beutelust zu retten '< -). Aber es ge-
langten anderseits auch Meldungen nach Wien, dass die seit 1861
her stets im Steigen begriffenen politischen Umtriebe fortdauerten
und dass die Advocaten, die» Geistlich(*n, viele (irundherren, ja selbst
die Schüler der höheren C lassen sicli an der Agitation obenan be-
theiligten. Unter den Advocaten CJber-Ungarns soll eine rege
Thätigkeit geherrscht haben und ein völlig organisicirter Xach-
richtendienst eing(»riclitet gewesen sein, wodurch, wie vermuthet
wurde, auch die Verbindung mit der Kl apka'schen Expedition
hergestellt gewesen sei. Speciell von der Stadt Tvrnau wurdt»
behau])tet, dass sie in ultranationaU-r (Besinnung anderen Städten
voraus sei, seit d(*m Tage von Kcmiggrätz Vorbttreitungen zum
Empfange der Preussen treffe und zu di(»sem Zw(»ck(» eine weisse
Eahne liabe anf(*rtigrn lassen-'K Dem (^ommandanttjn des Militär-
Invalidenliauses in Tyrnau, GM. Walz, war um den 20. Juli
' , Gcneral-Adjulant Graf C r e 11 n c v i 1 1 c an FZM. von IUmi e<Urk. 21. Juni l80().
iK. A., F. A. Nord- Armee iS'Wi, VI. :vl *>24.)
-■ Au;^s]>urf;cr • All^''ni'.'ino Zfitun;^- vom i8. Juli iSdf). ^Un;;.irns Slimrrjun;:
unrl ihre lirdeutun;^ für «lie ^»*;;'.*nwärti;;c La^e?.'
•*t (ienrral-Comniando n(cn, K. Aiii^'ust iS^f,, Prä--. Xr. S'»;^, an die General-
Ad'"tantnr dt"^ Ivai<crs. i Nach cin^*" i» »---•v.tr »-.i.- \f'\ ■•.- c»..»- >.,, •, «imt'^'l« ']*--^n'--
Die Legion Klapka 1866.
157
hinterbracht worden, zwei Einwohner der Stadt hätten zu einander
g^esagt: »AVenn in vier Tagen der Preusse nicht kommt, sind
wir verloren.« Der General schloss daraus auf eine Organisation
der revolutionären Partei in Ungarn, von deren Existenz er auch
andere Anzeichen zu haben glaubte. In seinen Berichten weiss
er speciell zwei Individuen namhaft zu machen : den Advocaten
Tormay aus Waag-Xeustadtl, der »mit seinen revolutionären
Consorten* . . . »förmlichen AV erbetisch aufgeschlagen habe und
Vorbereitungen zu revolutionären Placaten treffe«, dann den
Advocaten E i s e r t aus Strazsa nächst Sassin, der zur Zeit des
Einmarsches der Xord-Armee in das AVaag-Thal sich durch seine
Reisen verdächtig machte und, am 2 1 . Juli in Haft genommen,
jene Proclamation bei sich trug, welche die ungarischen Soldaten
aufforderte, in die Luft zu schiessen und zu den Preussen über-
zugehen ^), Die Proclamation soll von den Preussen im Waag-
Thale verbreitet worden sein -j.
Die Kaiserin war bei ihrem zweimaligen Erscheinen in der
Centrale Ungarns Mitte Juli zwar auf das herzlichste empfangen
worden, aber im Lande zeigte sich vielfache Widerspenstigkeit
gegen die Behörden und in den meisten Landestheilen konnte
die ausserordentliche Recrutierung, w^elche während des Krieges
angeordnet wurde, nicht durchgeführt werden^). Die Blätter aller
Parteirichtungen verlangten, das Volk Ungarns solle zu den
Waffen gerufen werden, aber sie verlangten, ohne zu bedenken,
dass politische Zugeständnisse w^ährend des Kriegszustandes für
die Krone ein Ding der Unmöglichkeit seien, gleichzeitig auch^
dass vorher die Wünsche des Landes erfüllt werden müssen^).
Franz Deäk selbst schrieb am 17. Juli im »Pesti Xaplo" :
» Ungarns Wünsche verlangen rasche Befriedigung. Die gefährliche
Lage der Monarchie gestattet kein Zögern. Ein beträchtlicher
Theil des Reiches ist von feindlichen Heeren überschwemmt, nur
^) Siehe oben S. 103.
*) K. A., F. A. Xord-Armee 1866, VII, 665, 693. Die Thätigkeit Eis,ert's
scheint mit den, auch von preussischen Emissären unternommenen Versuchen, die
ungarischen Soldaten der Nord-Armee während des Rückmarsches derselben von
Olmütr zur Desertion zu bringen (siehe »Oestcrreichs Kämpfe im Jahre l866<, IV,
S. 132, Anm. I), im Zusammenhange zu stehen. Die Versuche blieben bekanntlich
erfolglos. E i s e r t wurde nach Komorn eingeliefert und dürfte seine Freiheit erst in
Folge des Amnestie-Artikels des Prager Friedens erlangt haben.
»j F r i e d j u n g, .3. Auflage, II, S. 356.
*) Augsburger »Allgemeine Zeitung< vom 11. und 14. Juli 18O6 iCorre-
spondenzen au-; Pest vom 7. und l}. Juli, Letztere im Extrabluttej.
i=i8
K i c n a s t.
Ungarn steht noch frei da. Aber Ungarn ist todt. Mit Ungarn
kann Alles oder mnidestens Vieles gethan werden. Aber Ungarn
selber kann nichts thun, denn ihm sind die Hände gebunden.
Was seine Hände frei machten und ihm wieder Leben einhauchen
kann, das ist einzig und alleMn eine parlamentarische Regierung.
Wenn Ungarn für die ^Monarchie noch etwas thun kann, so ist
dies nur dann möglich, wenn an seine Spitze eine Regierung
gestellt wird, welclie der Ausfluss des Xationalwillens ist und
in welcher die Nation die (irarantie ihrer Rechte erblickt \\'<
Das waren die Worte* und die (xesinnung der angesehensten
Männer Ungarns, nachdem der Kais(?r am 7. Juli zum Lande ge-
sprochen voll "des starken (ilaubens, dass die kampftüchtigen
Söhne Ungarns, vom Gefühl angestammter Treue* geleitet, frei-
willig unter Meine Fahnen eilen werden, zu Hilfe ihren Ange-
hörigen und zum Schutze des durch die Kriegsereignisse auch
unmittelbar bedrohtem Vaterlandes« — und sie aufgefordert hatte:
>^Schaart Euch sohin je zahlreicher zur Vertheidigung des Über-
fallenen Reiches, seid tüchtige S<)hne Kurer tapferen Ahnen, die
durch ihre Heldenthaten zur Verherrlichung dcjs ungarischen
Namens nimmer welkende Lorbeerkränze* Üochten -).
Hatten die edlem, würdigen Worte des kaiserlichen Manifestes
bei den Führern des unurarischen Volkes kein anderes Echo er-
wecke'u können, als die* mitgetheilten IMätterstimmen darthun, so
darf es wahrlich nicht Wunder ne*hmen, wenn der kaiserliche Auf-
\i (Jitiert nach Ko}4;,'c. ^Oe^tcrreich von Vilä^os bis zur Gegenwart«, IJ, S. 353,
Vergl. die Correspondenz aus IV^i vom 17. Juli in der Au^sburger »Allgemeinen
Zeitung« vom 10. Juli l.Sf>(). Darnach verlangte auch der > Pester T-loyd« die >Er-
nennung einer parlamentarischen Kegierung, denn die Unabhängigkeit Ungarns müsse
ah das eine Gebot der pragmatischen Sanction anerkannt werden, sowie T'ngarn die
Sicherheit und den Fortbestand der Monarchie als das andere Gebot anerkennt«.
Der Wiener Uorrespondent desselben e>rgan.s fand auf diese Forderungen
Ungarns in so kritischer Zeit folgende kräftige Worte: »Dort beutet man das ötTent-
liche Unglück tiir j)articu1an.-ti<c]i(' und Parti izwerke aus und die t;efeierlcn »Patrioten«
<1»*«^ Landes teil>chen erst um den Prei> der Kettui.g des Staates. Moriaraur pro rege
no>tro! Dos ist ein Ruf au'* läug-tveiklungener Zeit. — Leben wir für unsere avi-
tischen Privilegien I Das i-^t das 1 'eldgeschni des heutigen Ungarns. All den grossen
Worten, welche dort mit < )-lentati«»n gesprochen wurden, i>t auch nicht die kleinste
That gef(dgt. Die gro'j^cn Patrioten sin<l dafür zur X'dlegiatur gegangen«. lAugsburger
>Allgemeine Zidtung- vom ro. Juli J.^^d. (. oire-pondenj^ aus Wien, iS. Juli.)
•') Den volhn \\'«)rtlaut des i;ai«e: liehen Manife>tes An die getreuen Völker
Meine>^ K<'»nigreich» •« U.igarn« <'\fhr in der Aii>burger »Allgemeinen Zeitun.-« V(tm
II. Juli li^()(i • (\)TX'<unr\{\vti. "1- !'.-:• (' ]ij'- »f '. ^' ■ i..n [•>."••'» presse«
.,.„.
Die Legion Kiapka 1866. j cq
ruf in Ungarn fast spurlos verhallte. Während die Opferwilligkeit in
den Ländern westlich der Leitha (z. B. im Alpenjäger-Corps, im
Wiener Freiwilligen -Jäger-Corps, in den Landesschützen-Com-
pagnien von Kärnthen, Krain, Tyrol u. s. w.) rasch sehr schöne
Erfolge aufzuweisen hatte, brachte es die Werbung für ein Frei-
willigen-Cavallerie-Corps in Ungarn bis zum i . September nur auf
zwei Escadronen mit 12 Officieren und 330 Mann. Und auch die Auf-
bietung des Landsturmes, welche Mitte Juli für die vom Feinde
bedrohten Provinzen angeordnet worden, hatte in dem nordwest-
lichen Ungarn gar kein Resultat, obwohl sich daselbst der ehe-
malige Hofkanzler Graf F o r g 4 c h und GM. Rupprecht um
die Sache sehr bemühten und das Husaren-Regiment Württemberg
in das obere Waag-Thal beordert wurde, damit es den erhofften
Landsturm -Formationen als Kern diene ').
Wäre es also allein auf Ungarn angekommen, so hätte die
Prophezeiung eines Zeitungs-Correspondenten beinahe Recht be-
*) >Oesterreichs Kämpfe im Jahre 1866c, IV, 62, 63, 198.
Als illustratives Detail zu diesen Thalsachen majj Folgendes dienen: Ein
Correspondent der Augsburger >Allgemeinen Zeitung< erzählt in der Xummer vom
t8. Juli 1866 (Datiert: »München, im Julie), er habe noch vor acht Wochen, also in
der zweiten Hälfte des Monates Mai, Gelegenheit gehabt, die Stimmung der ausge-
hobenen Recruten kennen zu lernen. So oft er sich erkundigte, erhielt er zur Antwort:
»Wenn uns der König unser Recht giebt, so marschieren wir für ihn gegen Hölle und
Teufel; wird uns das aber auch jetzt vorenthalten, so sind wir nach dem ersten Treffen
entweder bei B i s m a r c k oder bei Garibaldi.« Das war die einstimmige Antwort
auf die zwanzigmal gestellte Frage und es waren schlichte Bauembursche, die sie so
beantworteten. Der Emigrant Ignaz H e 1 f y schreibt am 26. Juni 1866 an K o s s u t h,
er habe sich Zutritt zu den ungarischen Kriegsgefangenen in Mailand verschafft. Ein
Veszprimer, der sieben Wochen vorher auf Urlaub zu Hause gewesen, habe gesagt, die
Herren im Landtage zu Pest seien ein Unglück, sie verdürben Alles: wäre beim Aus-
bruch des Krieges nur ein Führer dagewesen, so wären die Urlauber gerne unter sein
Commando getreten, weil das Volk so calculiere: »Jetzt ist's schon einerlei : mit den
Deutschen müssen wir früher oder später känrpfen, so ist's gleich besser früher, als
später«. Ein Anderer habe auf die Frage Helfy's, was geschähe, wenn es hiesse.
Ludwig Kossuth stehe an der Grenze, geantwortet: »Wenn Gott das nur zuliessel
Jetzt auch sprachen wir davon, bevor wir ausmarschierten; aber aufrichtig gesagt, wir
glaubten es nicht, denn auch 1850 sagte man dasselbe«. (»Kossuth Lajos iratai«,
VI, 313.) Das General-Commando Ofen berichtete am 12. Juli 1866 (Präs. Xr. 665
nach Wien, man habe am 8. Juli an der reformierten Kirche zu Debreczin Placate
gefunden des Inhaltes: »Vaterlandssöhne! Bereitet Euch, die Assentierung zu ver-
hindern; es ist ohnehin wenig Militär hier.« Nach Friedjung 13. Auflage, II, 356
wurden in Kecskemet die italienischen Kriegsgefangenen wie Iküder und Genossen
mit Enthusiasmus begrüsst und tauchte in den Vorstädten von Pest auf den Hüten
der Jugend wieder das Zeichen des Aufruhrs, die rothc Feder auf.
] 5o K i e n a s t.
halten, der seinem Blatte am 25. Juli aus Pest schrieb: »Seitdem
die Thatsache von Deak's Anwesenheit in Wien bekannt geworden,
athmet das Land wieder frei auf, der finstere, drohende Pessimis-
mus, der allenthalben schon Platz gegriffen, hat in etwas nach-
gelassen; sollte man sich aber neuerdings täuschen, sollten wür
nicht bald grosse, epochemachende Thatsachen haben, so häng*t
die Existenz Oesterreichs nur noch von der Gnade des Herrn von
Bismarck ab^).« Wie richtig dei; Mann, der so urtheilte, die
wSituation erkannt hatte, mag aus dem Folgenden ersehen
werden.
Was vor Allem Franz Deak, die wichtigste Persönlichkeit
des Landes, betrifft, so weiss heute allerdings Jedermann, dass
er durch den Ausgleich des Jahres 1867 seine Nation mit ihrem
Könige versölint hat. "Damals aber, während des Krieges von i8öö,
wusste man nur, dass er wohl der eifrigste Anwalt der Versöh-
nung w^ar, aber Niemand, auch er selbst nicht, konnte vor dem
Ende des Krieges vorhersagen, ob er das Ziel auch erreichen
werde. Wenn er es nachher wirklich erreichte, so dankte er diesen
Erfolg schliesslich doch der edlen Milde und Versöhnlichkeit seines
königlichen Herrn, welcher der schroffen Deäk'schen Adressen
vom Jahre 1861 längst nicht mehr gedachte und schon seit dem Ende
des unheilvollen Bürgerkrieges unablässig sich bemüht gezeigt
hatte, den Weg zum Herzen des ungarischen Volkes zu finden
und dessen Wünsclu» mit den Lebensbedingungen seines Reiches,
des österreichischen Gesammtstaates, in Einklang zu bringen. So
lange d<*r Krieg mit Preussen nicht beendet war, konnte Niemand
wissen, ob die Geschichte nicht auch über Franz Deak und seine
Pläne mit ehernem Tritte hinwegschreiten werde. Und es schien
eine Zeit lang wirklich so zu kommen. Denn Deak war wohl
ein cons(»quenter Denker, aber kein Mann der That und zog sich
in diesem Bewusstsein nach der Vertagung des Landtages (26. Juni)
von der ungarischen Hauptstadt auf sein Landgut zurück. Er war
allem Anscheine nach von der sich vorbereitenden Bewegung
unterrichtet und — liess ihr freien Lauf. !Man darf von einem
Deak füglich nicht verlangen, dass er seine Landsleute, deren
politische Unzufriedenheit er ja theilte, denunciere, aber die Frage
ist wohl erlaubt, ob es ausser der Anzeige für ihn gar kein Mittel
gab, unheilvollen Collisionen der nächsten Zukunft vorzubeugen ?
irt.A|)iir( "» \ ll»r^»v»/»«ri#
Die Let^ion Klapka 1860. 1^1
Hatte er doch in den berühmten Landtags -Adressen der Krone
g-egenüber genug der Worte scharfer Zurückweisung zu finden
gewusst. Doch er schwieg. Das aber nahmen die Männer der
l^ewegung gemäss eines bekannten lateinischen Sprichwortes für
Zustimmung und giengen über ihn hinweg. Es findet sich kaum
eine Andeutung, dass Kossuth oder Csdky oder irgend jemand
Anderer von D e d k eine ernstliche Störung besorgt habe. Er
erstrebte ja im Grunde dasselbe Ziel wie sie, nur dass sie
radicaler in der Form und in der Wahl der Mittel waren.
Es ist daher wohl mehr ein nachträglicher Schluss aus dem
bereits bekannten Laufe der Ereignisse, w^enn behauptet wurde,
im Jahre 1866 sei es unter dem beruhigenden Einflüsse der Partei
Deak's in Ungarn nicht zum Losbruche gekommen M. Man kann
indessen mit mehr Recht behaupten, dass es im Gegentheile trotz der
angeblich beruhigenden Thätigkeit von D e 4 k s Anhängern damals
in Ungarn unter einer der folgenden zwei Bedingungen sicher
zum Losbruch gekommen wäre, nämlich : wenn entweder der Krieg
nicht so rasch zu Ende gegangen wäre — ein Umstand, den nach-
her insbesondere Kossuth auf das Lebhafteste bedauerte -) — ,
oder aber, wenn es einer der. vier geplanten Einfalls-Gruppen
gelungen wäre, solche Theile Ungarns rechtzeitig zu eri'eichen,
die von magyarischen Bevölkerungs-Majoritäten bewohnt waren.
Damit soll nun nicht gesagt sein, dass das ungarische Volk seiner
Mehrheit nach von Hause aus revolutionär gesinnt gewesen sei,
aber (\s ist doch wohl bekannt, wie sein bewegliches Naturell es
zu alh;n Zeiten einer energischen und geschickten Agitation preis-
gab. Auf diese Umstände hauptsächlich rechneten die mitten in
*) Kricdjunß, »Der Kampf um die Vorherrschaft in Deut8chland<, 3. Auflafve,
H., S. 356.
^) »IJei beiden Gi.'lej»cnheiten fd. i. 1859 und 1866) schien es, als ob der Enjjel der
j»ötllichen Krbarmung der vielgeprüften ungarischen Nation den Freudenbecher der
Befreiung darreichen wollte. Bei der ersten Gelegenheit entrückte der blutige, nicht
leichte, aber rasche Sieg über Oestcrrcich den Freudenbecher unseren IJppcn, sowie
die Furcht des siegreichen Imperators vor jenem Zusammenstosse, welcher zwölf Jahre
später erfolgte und dem er im Jahre 185«) hätte vorbeugen können; bei dem Kriege von
1866 aber schlug ihn der leichte und rasche Sieg der Preussen uns vom Munde, . . . .«
(»Schriften aus der Kmigration«, Bd. I., S. XX. Vergl. »Kossuth Lajos iratai«, Bd. VI.,
S. LXIII.) Das österreichische (leneralslabswerk führt (IV, 182» unter den prditischen
( iriindcn, aus welchen mit eventueller Fortsetzung tles Kampfes keine Zeit zu verlieren
sei, auch die »mehr als unzufriedene Stimmung« Ungarns an.
Die I.ejjion Kl ipka IJW I »
l(^2 K i e n a s t.
der Action stehenden Führer der Legion in Preussen, wie deren
Absicht, wenigstens Leutschau und K aschau zu erreichen, beweist \).
Ein Schreiben Johann L u d v i g- h's bekundet, dass auch
dieser damals an einen Losbruch in Ungarn glaubte; er schrieb
am 3. Juli (als ihm der Ausgang der Schlacht von KöniggrUtz
also noch nicht bekannt sein konnte) aus Brüssel an K o s s u t h :
»Wenn durch ein starkes Vordringen der Preussen N., B. u. s. w.
in Freiheit gelangen, so ist der ganze Knoten in ihren Händen.
Sie können die Action beginnen, wenn sie von Aussen her, aus
Preussen auf Unterstützung rechn(Mi können- -).
Wenn ein so tief eingeweiht(»r Mann wie L u d v i g h glaubcMi
konnte, dass Stephan Xedeczky und Ludwig B (» n i t z k y,
welche seit mehr als zwei Jahren in Haft waren, nach ihrer J3e-
freiung sofort die Herren d(*r Situation sein würden, so musst(»
er die zum Zwecke des seinerzeitigen Losbruches geschaffenen
Organisationen für sehr gefestet halten und auch für so stark,
dass sie einem eventuellen Widt^nstande Deak's und seiner An-
hänger zum Trotze functionierten. Im September erklärtem er die»
Ex{)edition K 1 a p k a' s sogar für ein nicht ernst gemeintes Unter-
nehmt *n, denn es wäre nach stdner Ansicht gewiss gelungen,
wenn es von Xeu-Sandec aus oder durch den Dukla-Pass versucht
worden wäre; in l(*tzter(»m F'alle wären sofort die nöthigen l^e-
dürfnisse und auch (»ine "inteHig(»nte« (will sagen: günstig ge-
') Siehe oben S. 154 und ff. Beide Orte, besonders Kasihau, liejjen an der
Grenze des jjcscblossenen maj^'arischcn Sprachgebietes. Dahin führten, an bei<len
Städten vorbei, in ziemlich j^erader Linie vom Jabhinka-Passe lier tlie abjjelej^'cneu
oberen 'Jhälcr der Waaj» und Ilernad. Die Zips war übrij^ens durch die Agitationen
des (irafcn Koloman ('saky (lirudcr 'rhco<b>rs» auch ein j^ut vorbereiteter Hoden.
Und was oben (S. 156) vt>n 'JVrnau j^esaj^t wurde, ^jalt wohl auch mehr oder mintlcr
von anderen Stä<Ucn. Man kann es heute noch in Unj^arn erzählen hören, tlass
im Jahre iSdfi in mehreren Orten |»eworbene J^antlen auf die Ankunft Klapka's
t;ewartet haben, so z. \^. in C/cglcd an;;eblich eine solche von 500 Mann.
-i K s s u t h Lajos iratai, VI, 3uS. N. und li. sind die Initialen der Namen
Neilec/ky und Henit/ky. «Uren Tiäj^er am (>. J''cbruar 18(15 wegen IIochvcrrathe>
verurt]i'*ilt worden waren. (Siehe eben S. 20 und ff.)
Von «leri mit ihn^n Verurtheilten befanden sicli um die Mitte des Monats ].ini lS(i<'»:
Alma-isy b »i ^?in t im M •cklenburgischen Verheirathelen J'ochter, Freiin von M altzah n
Nedeczky in ( Mmütz, l'enitzky, Claspar und (Irm ent is in JoM'ph'itadl, Lczsak,
Plachy unil Szellestyey in Iheresienstadl, ernUich Zainbelly /um ("urgebranche
in (iräf'.-nb 'rg In diesen ().ten vermiithcte sie wahrscheinlich noch Ludvigh in seinem
Schreib Ml v jm 3 J'>b. S .• w.iron aber knaj)p v^r -Vu-ibruch «1er Feind-^'.'b^keiten
th 'il- n i"h (1 :\:. th "iN n »-h I.iii'. gebracht w-tr«!- ' nn w«) "<le nach dem Kri«*ilt*n
• ' -r in ihr* ■' ' S* '' i" geschafft wiir" '■• • ■ '«ssv war in >«"-'-^-'
•' 1 *ll' *-
Die Legion Klapka 1866. .a^
sinnte) Bevölkerung vorhanden gewesen, von der man nicht nur
Zulauf im Allgemeinen, sondern auch Officiere hätte hoffen
dürfen. Nur die Garnison von Krakau hätte Hindernisse bereiten
können ; Krakau wäre aber leicht zu umgehen gewesen *).
Und Ludvigh stand nicht allein mit seiner Meinung. Un-
mittelbar nach dem Bekanntwerden der Schlacht von Königgrätz,
am 4. Juli, schrieb ein Pariser Confident nach Wien : »Die
ungarischen Kreise wollen wissen, das eine Bewegung in Ungarn
bereits im Anzüge sei. Sowohl D e a k, als T i s z a sollen von
nejuen Volksmännern überflügelt worden sein, die die Leitung
der wStimmung üb(*rnommen haben -).-* Wenn es richtig war, was
da selbst von T i s z a behauptet wurde, der sammt seiner Partei
(der j^Beschluss-Partei«) stets der Entscheidung durch die Waffen
näher gestanden war, als dem Ausgleiche *) und auch mit
K o s s u t h stets eine ziemlich enge Verbindung aufrecht erhalten
hatte, dann stand der Aufrulir unmittelbar bevor*). Diese Auf-
fassung herrschte selbst in den Kreisen der Alt-Conservativen.
Von einem derselben gelangte Mitte Juli die Mittheilung nach
Morenz, ganz Ungarn sei zum Aufstande bereit ^). Auch der (S. 1 56)
bereits erwälmte Abgeordnete Baron Ambro zy, damals Rittmeister
im Stabe B e n e d e k' s, ein genauer Kenner der ungarischen
Verhältnisse, beurtheilte dieselben während des Ueberganges der
Xord-Armef» von Olmütz in das Waag-Tlial sehr ungünstig.
Nach ilim war die vStimmung Ungarns gegen die österreichische
Regierung -im liöchsten (irrade feindselig" ; er bezweifelte
»namentlich kein(m Augenblick, dass der Verlust einer Schlacht
vor Wien den Ausbrucli einer Revolution in vielen llieilen
Ungarns zur unmittelbaren Folge- lialxMi W(»rde **'). Obwohl dieses
Kroigniss nicht eintrat, sagtcMi gegen Knde des Juli doch allc^ im
') L u (1 V i ß h in Brüssel, 12. September i8f>6, an Kos^siith. (»Tratui«, VII,
M7.1 Audi an dieser Stelle kommt Ludvigh noch einmal auf die \ erurtheiltrn des
I*ri)cesses Almassy zu sprechen.
^) K. A., F. A. Nord-Armee 1866, XIII, 13.
• ■') Verj^l. Csuday, »Ticschichtc der Ungarn«, 2. Auflage, übersetzt von
I.) a r V a i. II, 471.
^1 Daniel Iran vi berichtete am 13. August 18O6 an Kossuth ('Iratai*, VI.
483^ die Stimmung in Test sei -gut-, d. h. im Kossuth'schen Sinne, drnn brim
Kmpfange der Kaiserin sei kein einziges Mitglied der Heschbiss-Tartei anwesend
gewesen.
^) R e u c h 1 i n. >Geschichte Italiens*, IV, 500.
•*) L e 1 1 o w - V o r b e c k, »Goschichte (b-s Krieges von l806<, IJ, 642, An-
merkung.
164
K i e n a s I.
italienisclicMi Il<H»n» (zu Rovi^no; stHionden ungarischen OfficitTt^
(Itm Termin dt\s Ausbruches verlier, offeubar inspiriert aus der
Umj^ebunj^- Kossuth's, \vt»lcher selbst d(»m um di(» Person
Victor J^lmanueTs b<ftindlichen (ienend Morozzo ^esaj^
hatte, ■ dass Unj^^arn sich trotz Waffenstillstand und Frieden am
I. Auv^^ust in \Vatf(»n <»rh<*b<^n \vt»rd(;" '1. Und als auch diest-s
Datum vorüberj^t'jranj^tMi war, ohne dass Kossuth's Wunsch
und lV(>j)hezeiunj^ in liriiillunj^^ j^e>fan|Ljf(jn, hielt dennoch ein Mann
von der Hedeutunj^ des (irafen l^'orj^'ach, dt\s Obtjrj^'c'spans von
X(*utra und ehemalij^-en unj^-arischen J lofkanzlers, also eine <lem
llof(» nahestehendt^ l^erscmlichkeit in oflicit^ler Stellunj^, die (ii'fahr
für noch nicht j^^eschwunden. Zum Brweisc dafür sei, etwas vor-
j^reifend, sein weiter nicht mehr wichtij^^es i'elej^ramm laus Waaj^"-
X(»ustadtl ?j vom 4. Auj^'ust an dm un.üfarischen llofkanzler in
Wit»n mitgetheilt : • Staatsminist(»r und 'i'av«Tnicus verständij^en
mich üb(»r sehr j^«'fährlich<* Bewei^^unj^^en der ungarisclnMi Lejjfion.
Kr SU che, die Sache nicht zu unterschätzen, j^t-
n ü jjf e n d e M i 1 i t ä r m a c h t an J ä j^" r r n, 1 n f a n t e r i e, w t* n n
möj4"lich <'in(» K ake 1 1* n - Ba tt er i e zu (*r wirken. l)4*r
t»r s t e S ch 1 a j^ ist m t s c h c* i d «• n d ' * . l)ie wenigen Worte
des Telegrammes lassen weitg«»henden V(»rmuthungtMi Raum und
es will fast schein^'U, dass d^r (iraf mrhr gewusst habe, als er
drm ']Vlt»graj)ht*n anvertrauen durlt»', oder dass er doch mehr
geahnt habe, al> «t dircct Ix^Wi'isrn konnte
Wt»nn man also All»\s in Alh'm b«'trachtrt, so muss man zu-
L^«'b<Mi, dass (iraf C'sakv nirht nur virlh-it^lit au.s einer irrigen
Auffassung (h*r X'erhidtni^sr <'inen lü'iolg >i-in«'r von wc»it her
vorbereit« 't»'n IMänt» hoifcn durfte, sondern dass er auch aus der
wirklichen Lage <ler 1 )inge inunerhin ein Reclit dazu hatte. I)ies
wird noch klarer, w^nn man auN>«T in Ungarn un<l Preussen auch
in Italien, Serbien un<l Runiäni»n l'm^elKiu hidt.
Die ungarische Legion in Italien.
<ien»'ral I,a M.irni<ir.i, ihr itali<-ni^elii' ^!ini•^ter-Präsitlent,
erw i«'s -^ieli bi-k,inntlieli d«'n Wiin-^elh-n d«T un-,jri-elh*n NLihN»ntenten
nni>.n al)g«'n«-igt«'r. y- nidn-r d'-r Kri«-^' In rainii« kte. Seimen Min-
' .Am- .l.tii I.lx-ri I ii- ...Imf vn:i B ;• i n Ij :i r .1 i" >-. Vll. M'. ('27. Juli 1KO6.)
»t K. K. M l'i:».- -Kr;;., (. K . Nr. ;S-?» vn:i. |. Au-ii» l>htt.
Die Legion Klapka 18^0. l(^r
flusse ist es zuzuschreiben^ dass (Taribaldi, der mit seinen
Freiwilligen gerne an der Ostküste der Adria gelandet wäre und
damit auch dem Drängen der preussischen Verbündeten entsprochen
hätte, selbst gegen den persönlichen Wunscli des Königs Victor
Emanuel in der linken Flanke der italienischen Haupt- Armee
gegen Tyrol dirigiert wurde. La M a r m o r a beliess auch die
unter Commando des Honved-Obersten Földvärv stehende
ungarische Legion in Mittel-Italien (Chieti\ wo sie schon im ab-
gelaufenen Jahre zur Bekämpfung des Brigantenthums verwendet
worden. Mit der Minister-Präsidentschaft Ricasoli' s und in
Folge des von diesem eifrig betriebenen Abkommens zwischen
Kossuth und dem ungarischen National-Comit6 ^) änderte sich
die Lage in Italien zu Gunsten der ungarischen Malcontenten.
Schon am 28. Juni verständigte Ricasoli den Ex-Gouver-
neur, dass das Kriegs- Ministerium beschlossen habe, die unga-
rische Legion auf breiterer Basis neu zu organisieren -) und am
2. Juli wurden die Grundzüge hiefür endgiltig schriftlich festge-
legt^). Darnach sollte die ^^ ungarische Hilfs- Armee« (a magyar
segelysereg) in Italien vorerst aus den bereits vorhandenen F'or-
mationen der ungarischen Legion bestehen, zunächst also aus
zwei Bataillonen Infanterie zu je vier Compagnien und zv/ei
IIusaren-Escadroncm. Diese Körper sollten auf den Stand der
gleichgearteten Abtheilungen des italienischen Heeres gebracht
werden. Es war beabsichtigt, bei der Legion auch eine st*rbisch-
croatischti Compagnie aufzustellen. LTnter günstigen Verhältnissen
sollte auch eine (lebirgs- Artillerie bei der Legion organisiert
w«»rden. X(iuaufstt Ölungen zur Vergrösserung der Legion hiengen
von der Wohlmeinuiig der italienischen Regierung ab, welche
für iiekleidung, Bewt'iifnung, Ausrüstung und Bezahlung aufzu-
kommen hatte. Die Errichtung einej: neu(Mi Compagnie sollte
i^rfolgen, wenn wenigstens 60 Mann dafür ber<»its vorhanden waren.
Auch di(^ Ofticiers-Ernennung und -Beförderung behielt sich die
R(\gi(M-ung vor, wie nicht minder das Recht zur Auflösung der
Legion zu jeder Zeit, in welchem Falle den^n Mitglieder je nach
gt*h ästeten Diensten eine halb- oder ganzjährige Bezahlung t*r-
halten solltc^n. Auf Kossuth's Betreiben wurde di(» l.egione
aussiliaria ungherese von Mittel-Italien mittelst Eisenbahn nach
'1 Siehe oben S. oi und ff.
-) -Kossutli Laj<i.s iralai-, VI, S. 323.
^\ Kl'enda, VI, S. 331 und ff.; vergl. dazu VI, S. 304 und auch VI, S. 353.
i66
K i e n a s t.
P>(>l(»]L^na v^f'bniclit, wo sir am lo. Juli eintraf und zu Gamisons-
und — SpitalsditMisten vt^rwtMidet wurde*). Das war wtMiiyf nach
dt»ni (leschniackt» Földvary's und seiner Leiicionäre, es war
aber nidit der (irund, dass sicli die Le^aon nicht vernn*hren
wollte. Die unj^arischen Kric\i^sj^^efanj^''enen fürchteten vielmehr,
sofort .i^^^js^en die Otjsterreicher wi(tder in das (iefecht geführt zu
werden, welch«; sie, wenn sie dabei in ( uifan^enschaft jferiethen,
erschiessen lassen würden ^.
Kossuth bt*mühte sich daher mit Erfolj^, dass die un^a-
ris(*hen Krietcss^a*fanj4'(»nen von d<Mi anderen abg'esondert und nach
Alessandria, Pint;rolo und I^enestrella j^ebracht wurden*). In
di(\ser Absonderung^ i»elan^f es tMullich den von der he^on dahin-
i^^'esandten VersuduTn unter H<»ihiHe d(»s S(;lbst übertretenden
Oberlieutenants Joseph Vamos y luidt» Juli, V(m den seit Monats-
frist in (iefanj4"< Ml Schaft Befmdliclu»n 104 Mann zum Eintritt in
die Le)4'icm zu bewegen. (Iross war die Freude, als diese am
28. Juli unter den Klänufen des Rakoczi-Marsches auf dem Hahn-
hoft» in Bolov^na emyfan^^en wurden und die L(\ijfion auf 601 Mann
brachten*), wovon i^twu 100 auf die zwei Husaren- Kscadronen
kamen. Da am 22, Juli durch d'w italienische Rej4"i<»runj^ auch die
von Kossuth in Vorschlai^ j^^t^lirac^hten Officiers- Krnennunj^en
yollzov^en worden wartin, so vrlaubt«; Oberst l^'öldvary, die
Lt^ijfitni stehe jetzt auf dem \Vendtij)uncte, von wo der Wevf
j^eradtNius mit dem (iewehr«* in der Hand in das Vaterland
führt. ■■•).
Aber das Schicksal halt»' andere beschlossen. Am 25. Juli
trat auch zwi.M'hen Italien und ( )est<Treich Waffenruht; ein und
.'im Ab«'n<l (lessell)«'n raui«*> er(")ftnetr K i c a s o 1 i in l*'t»rrara dem
brtrotfi'iien K(».s>.uth, da^s <ler WafTenstillstand t»benfalls zu
Stande kommt 'u werd<', wenn Or>.terr«'ich dir ihm durch Frank-
r«'icli Ix'kannt i^'ei^'ebrnt'n lirdin^un-^^fn binnen acht Taj^'en an-
nelim«'. Wa.s th'in noch folgte, ma;^ K o s s u t h doch noch einig"er-
' KIk'iuI.i. vi, S, 37<> uiul 411;.
M»i.-nil.i, VI. S, j<.u. vtT^l. S. 3^1 uinl 3^s. K t» > ^ 11 l b meinte dazu:
l).ii,ni ist rlwM«» Wahie^. al»cr «lic Kiirkkchr n.uli Ilau'«i' i-t i-]»cii keine l'araiU*.«
hei Mann ulx.i'^ali dali'-i, il.t*^^ lüi «lie < iflan;^i-nen ^cll>>t «iii- Küikkchr an sich kaum
in Ifa^r >tant|. Die Kiukkihi K n > •* u l h'> zur Mai hl in Tn^^arn mit Hilfe der Cic-
l.ui^«'n<ii. wit -»ii- iler I-.\^imvi'tnvui wiin^tlitr. \\a! alU'i«Iin;^- Allo> eher, <leDn eine
Taia'!«-. Wa* la;; aluT ilen «iflan^'cntMi an ilie>cr Kückkehr ?
IJ.riila, VI, S. \2i,.
•» l-.l..iMla, VI, ^. 4:.^.
l'^btuila, VI, N. 4:7.
Die Legion Klapka 1F66. j^-
niassen zum Tröste gereicht haben. »Wenn Oesterreich nicht
zustimmt,' fuhr der Minister fort, »dauert der Krieg weiter an,
wenn uns Preussen nicht im Stiche lässt. Ich verständige Sie
davon, damit, wenn Sie die Vorbereitung Ungarns während dieser
acht Tage für thunlich halten, dieselbe geschehe. An Garibaldi
ergeht heute der Refehl, die zur Besetzung der Pässe nöthigen
Kräfte zurückzulassen, mit den übrigen Theilen seines Heeres
aber eilig zurückzumarschieren, um mit den Ungarn in Ancona
eingeschifft zu werden und von Dalmatien aus nach Ungarn vor-
zudringen *).« Dies war ein Zurückgreifen auf den ursprünglichen
Plan, den nur LaMarmora's Dispositionen zunichte gemacht
hatten und der nicht nur in den Unterredungen K o s s u t h's mit
dem König Victor Emanuel^, mit Garibaldi und Rica-
soli^}, sondern auch in dem Kriegsrathe vom 14. Juli zu Fer-
rara wieder zur Geltung kam, in dem unter Anderem auch be-
schlossen wurde : >^Die Flotte solle auslaufen und die feindliche
zur Schlacht zwingen, indem sie eine Insel oder einen Punct der
Küste bedroht, (xewinnt sie die Schlacht, so soll sie versuchen,
Triest zu besetzen. Ein kleines Corps würde in Ancona zur Ver-
fügung des Admirals stehen ^).< Es stand aber in Widerspruch
mit dem neuen Plane Kossuth's, welcher seit dem Aufg*eben
von Venezien durch Oesterreich (5. Juli) die Ansicht vertrat,
( r a r i b a 1 d i müsse jetzt mit zwei Dritteln seiner Freiwilligen
und der ungarischen Legion vorerst den rechten Flügel des nach
Wien vordringenden Cialdini bilden, vom Drau-Thale aus aber
sich über ( iross-Kanizsa nach Ungarn wenden ^).
Wenn weder der eine, noch der andere Plan zur Ausführung
kam, so lag der (irund darin, dass Tegetthoffs Seesieg von
J.issa d(*n Italienern auf lange Zeit eine Landung von Truppen
in Dalmatien oder an einem anderen Puncte der österreichischen
Küste und damit die Insurgierung Ungarns unmöglich machte'')
') Ebenda, VI, S. 432.
'-') ^KüSsuth Lajos iratai«, VII. S. 196.
') Ebenda, VII S. 231 und IT.
*) S c u d i e r, >Der Kriet; 1866 in Italien und Süd-TyroN (Wien, 19001, S. 378.
*) »Kossuth Lajos iratai«, VII, S. 235 und ff. Cialdini soll, wie K o s-
s u t h (> iratai«, VI, S. 448) versichert, mit der neuen Aufgabe G a r i b a 1 d i's einver-
standen {gewesen sein.
*^) Darin liegt die eigentliche, von Tegetthoff wohl kaum geahnte Bedeu-
tung der Seeschlacht von Lissa. Schon Kossuth hatte dies erkannt : >Die mangeJ-
j 53 K i c n a s t.
und dass nach einer Verlängerung der Waffenruhe wirkUch auch
zwischen Italien und Oesterreich der Waffenstillstand, der zum
definitiven Frieden führte, am 1 1 . August zu Stande kam. Es
blieb Ungarn so erspart, (iaribaldi mit einer von der unga-
rischen Legion begleiteten Armee in seinen Grenzen zu sehen,
was bei dem von den Unzufriedenen mit seinem Namen seil
Langem zielbewusst getriebenen Cult von unermesslichen Folgen
hätte werden können, immer vorausgesetzt, dass die Armee des
Erzherzogs A 1 b r e c h t es nicht hätte hindern können ^).
Türr*s Sendung nach dem Osten.
Wie schon erwähnt -j, hatte Kossuth nach seiner Ver-
ständigung mit dem ungarischen Xational-Comite (18. Juni) in
Aussicht genommen, zur Anbahnung des Einverständnisstjs der
serbischen Machthaber mit der Aufstellung von Frcnwilligen-
Abtheilungen in Serbien, Stephan Türr dahin zu send(*n. Die für
hafte SchlagfertiKkcit der italienischen Flotte verspätete den ursprünglichen Plan der
Expedition über die Adriu, die Schlacht von Lissa machte ilin unausfülirbar«. (>K()s-
suth Lajas iratai«, VII, S. 130. i
M Mit dem Waffenstillstand zwischen Oesterreich und Italien hat die Geschichte
der seit 1859 in Italien bestehenden ungarischen Legion thatsüchlich ihr Ende erreicht.
Kossuth oblag die für ihn gewiss recht schmerzliche Aufgabe, sie auch formell
aufzulösen. Damit begrub der Agitator endgiltig seine letzten Hoffnungen. Die Ende
Juli zur Legion übergetretenen Kriegsgefang«?ncn kehrten übrigens gleich nach «Icm
Frieden über Görz nach Oesterreich zurück. Der Artikel XXIII des Friedcns-lnstru-
ments vom 3. October l86() sicherte ihnen und auch den anderen Angehörigen dt'r
»Legione aussiliaria ungherese« Straflosigkeit. Ein Telegramm des Kriegs-Mini^le-
riums vom 7. November 186O l*räs. Nr. 742, an das (ieneral-Commando Graz) hatte
angeordnet, dass die von der italienischen Regierung ausgelieferten lo(t Kriegsgefan-
genen, Angehörige der Legion, zu verschiedenen Truppenkörpern zu vertheilen seien.
Nach der (auch im Armee-Verordiiungsblalte Nr. 191 verlaulbaiten) (.'ircular- Verord-
nung des Kricgs-Mini'^teriunis vom (>. November ISOO, Ablh. 2, Nr. 78Ö4 und dem
Minislerial-Erlasse vom 20. December 18O6 waren alle gewesenen Angehörigen der
italienisch-ungarischen Legion, auch wenn sie, wie zumeist der Fall, Deserteure der
k. k. Regimenter waren, un"u*helligt zu lassen, eventuell zu enthaften, wenn ihnen
ausser der Desertion und der Zugehörigkeit zur Legion nicht'^ Anderes zur LaNt fiel.
iGeneral-Commando Wien, S. December I8(i0, Abth. l. Nr. 22.353 und 5. Januar
18O7, Ablh. 2, Nr. 68." Die in der >Vedette« (IL'ilage zur *Reichswehr« 1 vom
24. Juli l8<)8 \on Hauptmann C. Waibel mitgetheilten Aus--"»-"' ünes j'"«-p-.«".mi
Legionär«* ent'^prcchen vollständig dem \r'"'»bes«'«'*''
-' Siehe i)>»'»n S. 93.
Die Legion Klapka 18G6.
169
diesen in jenen Tagen ausgefertigte Instruction*) bestimmt Tu rr
zum Commandanten der in Serbien zu sammelnden vaterländischen
Streitkräfte. Die Gewehre für dieselben würde Italien bezahlen.
Türr sollte theils in Baarem, theils in Creditan Weisungen auf
Belgrad 400.000 PVancs erhalten, welche einerseits zur Aufstellung
der Streitmacht, anderseits aber hauptsächlich zur Verpflegung
derselben dienen sollten für den Fall, als er mit ihr die Grenze
Ungarns überschreite. Dies dürfe aber erst auf telegraphisches
Aviso Kossuth's geschehen, welches dann erfolgen werde,
wenn der ganze combinierte Operationsplan, besonders die Ex-
pedition Garibaldi 's über die Adria in Vollzug gesetzt werde
in Uebereinstimmung mit den anderen projectierten Expeditionen.
Türr wurde dabei zur Pflicht gemacht, sich nur um die mili-
tärische Seite seines Auftrages zu kümmern :2) vor Allem sollte
er die orientalische Frage nicht mit der ungarischen verquicken.
Trotz dieser eifersüchtigen Vorsicht Kossuth's fiel seinem
Sendboten nach dem Osten doch eine mehr politische Aufgabe
zu, nicht nur in Serbien, sondern auch in Rumänien. Denn da
derselbe damals wegen des bereits eingetretenen Kriegszustandes
nach Serbien nur auf dem Wege über Constantinopel gelangen
konnte, so lag es nahe, ihn auch mit den in den Donau-Fürsten-
ihümern im Interesse der ungarischen Erhebung zu treffenden
Vorbereitungen zu betrauen. Seine Instruction scheint dies-
bezüglich blos mündlich ergänzt worden zu sein^).
Am I.Juli bestieg also Stephan Türr mit seinem Freunde
und Wafftmgofährten Oberstlieutenant Joseph Kiss in Livorno
das nach der Levante verkehrende Schiff und kam am 10. Juli in
Constantinopel, am 14. in (lalatz an. Von da gieng es zu Wagen
nach Bukarest. Dort hatten ausser dem italienischen Ministerial-
'j >Kossutli Lajos iratai*, VI, S. 294. Das Datum dersclhcii ist wahrschein-
lich in iHc Zeit zwischen dem 23. Juni (Schreiben K o s s u t h 's an J< i c :i s o 1 i,
»Jratai«, VI, S. 33')) und den* 20. Juni zu setzen, da (nach »Iratai«, VF, S. 2501 der
nach Serbien bestimmte Geldbetrag an diesem Taj^e bereits fixiert ist, was am 2^. noch
nicht <ler Kall war.
'-') Die Kxpjdition T i'i r r *s von Serbien aus war als eine Art rechter Flanken-
deckung gedacht für jene Garibaldi'» von der A<lria aus.
'•) Das Folgende nach T ü r r 's Bericht an K u s s u t h über seine Sendung
nach dem Osten \»lv.üssuth Lajos iratai*. VI, S. 53JS und IV.), soweit nicht andeu-
Helcge angelührt bind.
I -jQ K i e n a s t.
beamten Baranti*) auch Andere, Ungarn und Serben, seine
Wege geebnet-).
Zwar schicm Fürst Carl nach der zwischen Oesterreich und
Franknnch stattgefundonen Verständigung die Ansicht gewonnen
zu haben, dass es für ihn misslich und gefahrhch sei, die Kriegs-
rüstung(m und intendierten Feindseligkeiten gegen Oesterreich
fortzus(»tzen. Wenigstens betonte er, nachdem er am 14. Juli die
neue Constitution Rumäniens beschworen, die Aufrechthaltung
der von den (irossmächten garantierten Neutralität Rumäniens
und schloss daran die Worte: ^Wir sind nicht die Alliierten
irgendeiner Macht und wir müssen daher alle Anstrengungen
machen, um den Nachbarstaaten keine Verlegenheit zu schaiftm^'.-^
Und auch der k. k. (ieneral-Consul Baron Eder meldete am
15. Juli an das si(*benbürgische (lubernium in Kkiustmburg,
gestern habe ihn d(?r rumänische Kriegs-Minister besucht und
erklärt, as liege Rumänien ferne, im Sinne der umlaufenden
Gerüclite Oesterreich an der siebenbürgischen (irenze zu be-
unruhigten ^). Die rumänischen Truppen würden baldigst reduciert
') Siehe oben S. 87.
■-) »Aus dem Leben König (' a r 1 's von Kumünien*^, I, S. 71 {in. Juni 1X66);
»Kmissäre aus Serbien und Unj^arn suchen Anknüpfunj;spuncte bei der rumänischen
Kegierunt;; ihr Plan ist, Oesterreich Schwierij^keiten zu bereiten und durch Aul-
wiej^elunj^ der Nationalitäten die Einheit der habsl)urj;ischen Monarchie zu bediohen.«
Auch die sie]>enl)ürj4ischen Ikhörden wussten von diesen liestrebun^en Nach einer
^filtheilung des siel)enbürgischen (luberniums in Klausenbur;^ vom 25. Juni an clas
(icneral-Commando in Ilermannstadt 1 Präs. Xr. 352 vom 2'). Juni l«(>6, im K, A.)
bestand die Absicht, in Kumänien eine unj^arische Lej;ion zu errichten. Die Aj^enten
erwarten das dazu nötliijje GeKl. Mit den Werbunj^en sei ein gewisser K a r k a s
betraut, welcher mit «lern Schwager des »bekannten amnestierten und zu Klagtnluit
internierten politischen Flüchtlings Herzen c/ey< in brieflichem Verkehre siehe.
Kin anderer Agent, Ingenieur Alexander Veres, sei am 6. Juni von (lalatz in
Bukarest eingetroft'en. Kin dritter heisse B o g d a n, <ler mit Schriften nach Sieben-
I)ürgen kommen solle.
•') Augsburger »Allgemeine Zeitung* vom 22. Juli iSdO. (('orrespontlen/ aus
Bukarest, 14. Juli.)
*. Das (leneral-Commando Ilermannstadt erhielt am 12. Juli 1 S(»f» i Präs. Nr. 401)
aus Jassy «las amtliche Telegramn» «les doitigen Cieneral-("on>ids: -Star<»>t in Bakau
(<las war der k. k. Kittmeister Baron d'Albon). meldet, voi» verlässlicher Seite er-
fahren zu haben, dass von den für>tlichen Truppen der lunlall nach Siebenbürgen in
den nächsten Tagen bevorstehen soll*.
An demselben 12. Juli schrieb ein Correspondent in Bukarest, von «lem man
doch annehmen sollte, dass er die wahre .Viifstrllunt' ^'.*r rumänischen Armee (in
üiurgevo, Dobreni zwischen der Donau i*»' * »««i ■.«--.- •• ' r,,, »schti eine Anzahl
Die Legion Klapka 1866.
171
werden. Dem schloss er jedoch seine eigene Meinung mit folgenden
Worten an: ^>Die Wendung, welche die Stellung Oesterreichs zu
Frankreich genommen, hat zur Folge gehabt, dass man die (also
wirklich vorhanden gewesenen) Absicliten gegen Siebenbürgen
vorzugehen, aufgegeben. Dies ist gegenwärtig der Fall, wenn
auch nicht geleugnet werden kann, dass die Sache
sich ändern könnte^).«
In der That fand Türr in Bukarest freundliche Aufnahme
und der damalige Cultus-Minister selbst, Rosetti, das treibende
Element der rumänischen liberalen Partei, das Haupt der ex-
tremsten Radicalen, von Gesinnung eigentlich Republikaner, ver-
mitt(4te ihm am 19. Juli auf einem Spaziergange des P'ürsten ein
Zusammentreffen mit demselben, welchem er von dem, seinem
Hause verwandtschaftlich nahestehenden Marchese P e p o 1 i und
vom Grafen Bismarck empfohlen war. Türr will, wie eine
Aufzeichnung aus der Umgebung des Fürsten lautet, »einen Auf-
stand in Ungarn vorbereiten und wünscht das Terrain in Bukarest
zu sondieren, um ein Einverständniss mit dem rumänischen
die Alilitärpartei dränjje zur Ausnützung der Verlegenheiten Oesterreichs durch einen
Einfall in Siebenbürgen und die Vei legung der Armee vom .unteren Ardschesch gegen
die österreichische Grenze, an den südöstlichen Hang der Karpathen, zu beiden Seiten
der Strasse nach Kronstadt mit dem Mittelpuncte nahe bei Plojeschti, sei >nun als
beinahe vollendet anzusehen«.
Auch der commandierende General von Siebenbürgen, FMI-r. "Wilhelm Fürst
Montenuovo meldete am 13. Juli 1866 (Präs. Nr. 407) dem Kriegs-Ministerium
und der General -Adjutantur des Kaisers, er halte den Einfall für wahrscheinlich, tla
zur Zeit in Siebenbürgen ausser sehr wenig Infanterie keine anderen Truppen ver-
treten seien: die Gefahr sei umso grösser, als der Gegner von zügelloser Rohheit sei
und vielleicht Sympathien im Lande finde. Ohne auf die unablässig auftauchenden
allarmierendeu Gerüchte allzuviel Gewicht zu legen, bat der General doch für den
Kall der Gefahr um die Ermächtigung zu einer Art Dictatur in Siebenbürgen und
erhielt am 17. Juli durch die Gcneral-Adjutantur telegraphisch die Erlaubniss, >die
nolhwendig erscheinenden Massregeln ohne weitere Anfrage einzuleiten und ganz nach
eigenem Ermessen ohne Rücksicht auf die Kosten zu handeln«. Truppen und Wallen
könnten jedoch nicht geschickt werden. Dem folgte jedoch am 20. Juli der Nachtrag,
mit Vorsicht vorzugehen und das Land nicht unnöthig zu allarmicren, da beruhigende
Nachrichten eingelaufen seien. (Vergl. > Oesterreichs Kämpfe im Jahre lüOO«,
IV, S. 63.)
Noch am 17. Angust wiederholte der Constantinopeler Correspondent der Augs-
burger »Allgemeinen Zeitung« (siehe Nummer vom 25. August 1866), Rumänien sei
von Vreussen und Italien die Rolle zugetheilt gewesen, durch Insurgierung des an-
grenzenden Siebenbürgen, sowie der Bukowina gegen Oesterreich in Actiou zu treten.
*) K. A., General-Commando Hermannstadt, 19. Juli i86b und 21. Juli.
J-.2 Kienast.
Nachbarvolke anzubahnen. Der Fürst hat seinem Minister die
Begeg'nung-, welche jfeheim g-e haltenwerden soll, zwar
nicht abschlajjfen können, verhält sich aber dem General gegen-
über umso reservierter. Er erklärt dem Letzteren, dass er auf
seine Vorschläge nicht eingehen könne, da seine einzige Aufgabe
sei, ein moralisch vollständig zerrüttetes Land durch gute Ver-
waltung- wieder aufzurichten ; auch widerstehe seiner Natur jedes
Doppelspiel^ \'.
Türr selbst berichtet dem gegenüber folgendermassen :
»In Bukarest empfiengen mich der junge Fürst, Joan Bratianu,
Rosetti und die übrigen Herren sehr freundlich. Dort befanden
sich einig'e Tausend uns gehöriger Gewehre, welche wir seiner-
zeit (1860) noch von Kaiser Napoleon und von den Italienern
erhalten haben. Diese hat uns Fürst C u s a treu aufbewahrt und
auch Fürst Carl äusserte sich, dass, nachdem auch Grraf Bis-
marck unsere Sache bereits unterstütze, er uns bereitwillig an
die Hand gehen und auch die Gewehre zu unserer Verfügung*
stellen, sowie unsere Organisation fördern werde.-» Dieser Bericht
steht zu jenem des fürstlichen Vertrauensmannes in geradem
(legensatze. Trotzdem erscheint er plausibler als der Letztere,
denn, mag das Verhältniss zwischen dem jungen Herrscher Ru-
mäniens und Oestemnch sich spätc^r wie immer gestaltet haben,
diimals, 1800, waren sie nicht Freunde-). Das allein würde aller-
dings noch nicht genügen, dem Abgesandten K o ss uth's indem
vorliegenden Falles melir (ilaub Würdigkeit beizumess<*n, wenn diese
nicht auch an anden^n Nachrichten eine» Stütze fände. Ms berichtete
nämlich Josepli K i s s, der Uc\gleiter T ü r r 's, üben^instimmend mit
diesem, schon am 20. Juli aus Bukarest an Kossuth, für ilin^
di])l()matisch(i Aufgabe dortselbst sei der Boden günstiger denn
') »Aus dorn Lehen K(*iuij; (.'arl's von Ruiitänien«. J, S. 8'j. (l<). Juli l8()0.»
'-\ Am 2H. Juli schrieb Fürst (J a r 1 seinem Vater: »Mou stier (der Hol-
schafter N a p o 1 e o n 's III. in (onstantinopelj berichtet an »T A vr i 1 »den lranzö>isc}nn
Consul in Hukarcst , dass (Jeslerreich bei der IMorte (hihin zu wirken suche, «lass sie
mich nur ui.ler drückenden Bedinj^unj^en aiierkennen solle. Die j^länzendcn WalVen-
erlolge <ler Treussen haben aber die J'ürUcn doch etwas ein[,'eschüchlert und >ie etwas
biegsamer s*^*"'*cht und mit jedem Ta;»e nimmt der österreichische Eintluss in IVia
al).< (»Aus »lern Leben K<"ini;^ C a r 1 's von I<umänien<. I, S. «»^^ Auch nach Jahre>-
frist war das Verhältniss Rumäniens zu Oesterreich noch nicht y;eklärt. Währeml die
fremde Diplomatie zur ungarischen Köni^skrönun;j Franz Joseph 1. sehr zahlreich
erschienen war und auch h'ürst Michael von S.'ibien einen Hevollmächti'^ten nach
Pest j;eschickt hatte, ignorierte Fiir>t C ' von i^uininien den ;janzen Act in deni««n-
Die Legion Klapka 18GC. I ^ -^
je. Der Fürst und seine Minister seien bereit, 30 bis 40.000 Mann
beizustellen zu einem Einfall in Siebenbürgen; Gewehre könnten
sie zwar nicht viel, doch immerhin 8 bis 10.000 Stück abgeben.
Alles machten sie jedoch und zwar unbedingt, davon abhängig,
dass Graf Bismarck einverstanden und die Vernichtung Oester-
reichs beschlossen sei\}.
Es würde schliesslich nicht viel bedeuten, dass Joseph K i s s
und Türr sich nicht widersprechen, aber auch ein gewesener
rumänischer Minister, Catargiu, der am 30. Juli nach Kronstadt
in Siebenbürgen kam, äusserte, wie der dortige Gendarmerie-
Flügel-Commandant am folgenden Tage berichtete, >-dass Türr
noch i mm ep* in Bukarest sei und beinahe täglich mit dem Fürsten
verkehre, der seine feindliche Gesinnung gegen Oesterreich nicht
verheimlicht, vielmehr offen zur Schau trägt« -). Und auch ein
Zeitungs-Correspondent schrieb am 8. August aus Bukarest: »Vor
etwa zwei Wochen war nämUch (xeneral Türr im allerstrengsten
Incognito in unserer Stadt eingetroffen und hatte sich sogleich
alle Mühe gegeben, sich mit den Häuptern der ungarischen
Actions-Partei im Lande in's Einvernehmen zu setzen und selbe
zu einem verzweifelten Schritte gegen die österreichische Re-
gierung aufzustacheln. Wenngleich der (xeneral in seiner Wohnung
(Hotel Fieschi Xr. 8) von mehreren in unseren Regierungskreisen
sc^hr hoch gestellten Personen, freilich nur insgeheim besucht
worden war, so stellte vsich doch die hiesige Polizei, als wäre ihr
der Aufenthalt des Generals ganz und gar nicht bekannt, ja sie
(erregte sogar im Publicum durch den theatralischen Eifer, mit
welch(?m sie ihn zu suchen schien, nicht geringes Aufsehen ^j.-^
') >Kossuth Lajos iratai«, VI. S. 439. Verj^l. oben die Ar.m. I zu S. II5.
-) K. A., Gencral-Comraando Hermannstadt, 3. Aujjust i80(), l*rüs. Nr. 403.
Der Gendameric-Flüj^el-Commandant meldete noch weiter, an der Grenze seien dtm
Vernehmen nach Depots von WalTcn, welche bei einer Invasion Siebenbürgens an die
Gcsinnungsj^enossen verlheilt werden sollten.
•*') »Neue Freie Presse« vom 15, August 1866.
T ürr soll nach einer späteren Mittheilung des k. k. Ministeriums des Aeiisscrn
unter dem Namen Klein, sein Begleiter Kiss aber unter dem Namen Maien-
bach gereist sein. Beide sollen im Besitze prcussischer Pässe gewesen sein. (K. A.,
Gcneral-Gommando Temesvar, 28. September 1866, l'räs. Xr. (>22.)
Gencral-Consul Baron p: d e r telegraphierte am 23. Juli Abends aus Bukarest
an das General-Commando Hermannstadt (Präs. Nr. 466 vom 23. Juli l806, K. A.) :
lusurgcntcnführcr Türr kam aus Braila nach Ihdcarest, hielt sich hier 24 Stunden
auf uuil ist bcrtils über Giurgcvo abgereist. Von der Regierung erhielt ich die Zu-
sichetung, dass sie weder Werbung, noch Ui.tcrnehmung gegen Siebenbürg*»n dulden
^»jA Kienast.
Es hat unter diesen Umständen immerlün einen (irad von
Wahrscheinlichkeit, wasTürr in jenen Tagen nach Florenz tele-
graphierte, nämlich, dass die Vorbereitungen in Rumänien schon
im Zuge seien und dass bereits »vier Gruppen bereit stünden zur
Action« , ein Ausdruck, über den sich der Sohn Kossuth's in
Florenz allerdings nicht leicht klar werden konnte *). Auch ist es
begreiflich, dass der Agitator den in seinem Interesse in Bukarest
anwesenden italienischen Ministerial-Beamten Baranti zu Bis-
marc k abschickte, um von demselben kräftige Unterstützung
Rumäniens und vSerbiens zu erbitten, da ja Rumäniens Beihilfe
zu seinen Plänen ausdrücklich von der Zustimmung des preussi-
schen Minister-Präsidenten abhängig gemacht worden war und
sowohl Rumänien, als Serbien damals dieses (xi^gengewichtes
gegen den prädominierenden französischen Einfluss bedurften.
Wenn Türr durch Baranti auch für Serbien preussische
Unterstützung zu erwirken suchte, so mag ihn dazu unt(»r An-
d(»rem auch ein knapp vor seiner Abreise aus Bukarest einge-
tretenes Ereigniss bestimmt haben : die Ankunft eines serbischen
Speciid-Gesandten daselbst. Fürst Carl empfieng am 21. Juli in
(iregcmwart aller Minister den von Fürst Michael zu ihm (Mit-
sendeten Senator I^hilipp Christic, der ihn im Nam<Mi vsoines
Jlerm v<^rsicherte, >dass alle orientalischen Christ<Mi d(»r Türkei
ihn» Hoffnungen auf dem Fürsten Carl setzen und dass Rumänirn
stttts auf Serbien zähhm dürfe.- Bc^zcnchnender W(üse wunh*
über diesen Staatsact im Monitinir nichts v(»röff« Mitlicht, um dw
Pforte und di<* (larantie-Mächti* d(»r X<»utralität RuniänicMis nicht
zu beunruhi'j'cn -'. l)i<* Thatsache einer serhisclnMi Abordniint:'
nach Rumäni<»n, angeblich zu dem Zwe(*k(», um dcMii neu<Mi P'ürsttMi
zu s(Mner Thronbesteigung (ilück zu wünsrlirn, wurd<' dennoch
bald öffentlich bekannt*^ und noch während der Anwes<Miheit <les
S(Miators Christic wurde von I>ukarest aus verbreitet, es sei
öifentliches ( Jeheimniss, dass dersellx» (li(^ Stadt ni(^lit früh<»r v<'r-
lassen werde, bis nicht wenigstens die Präliminarien zu ein«Mn
wcnle. In ;j;lcicheni Sinne sprach sie sich jjcjjen <U*n franziisisclien C'onsul aus.«. Difsc
oflicirlltn /n^ichcninj^cn sind jiMlrnfalN j^oniaclil wonltn ; oh sie auliichti^ waren,
wiisste (ieneral-(\)nsiil K tl c r «him.ils ehenso wenij», als ilini die Dauer »ler Anwi'st-n-
hcit r ü r r 's in IJukarcst und die Kiehlun^^ seiner Alireise hekannt wurden.
') >K<>ssnth Lajo«» iratai<, VI, S. 4V> und 4^7.
'} >Aus di'ni I.ehen Köni;^ ('arr> von Kuniänien,« I, S<».
") A -HTj,!. ••-.»• - - A l||rp»T- «in»» ■/-Ml' --^ » '»•r s \"^i 'H|»i. ( Btfd '■'«?. C*>rre'*»)ondeuz
Die Legion Klapka 1866.
175
Offensiv- und Defensiv-Bündniss zwischen Rumänien und Serbien
-vollständig fertig gestellt sein werden ^< ^). Derselben Quelle zu-
folge soll Fürst Michael der rumänischen Armee 26 Kanonen
geschenkt haben, welche demnächst in Bukarest eintreffen würden ^).
Wenn gleichzeitig eine intime Beziehung der Bukarester Ver-
treter Preussens, Italiens und Frankreichs constatiert wird, wenn
man weiter liest, Fürst Carl habe die Sabar-Linie inspiciert, die
daselbst im Lager befindlichen Truppen allarmiert, aber Unordnung
und Mangel an Disciplin vorgefunden ^) und wenn an demselben
Tage die Demission Joan Bratianu's, wenige Tage nachher
jene des ersten Ministeriums des Fürsten Carl erfolgte, so mtig
man hinter diesen Umständen immerhin eher die angedeuteten
•äuss(^ren Unannehmlichkeiten«, als die vorgeschützten Finanz-
schwierigkeiten suchen oder die letzteren derart auslegen, dass
sie speciell gegenüber einer Action nach Aussen im Sinne
B r a t i a n u's bestanden und eine solche ebenso hinderten, wie
der damalige Zustand der rumänischen Truppenmacht. Bald genug
wenigstens wurde dem Ministerwechsel der Commentar zu Theil,
er habe seinen (rrund nicht nur in dem Gegensatze der Bratianu-
R o s e 1 1 i zu den Bojaren in Bezug auf innere Fragen gehabt,
sondern auch auf dem (xfjbiete der äusserem Politik, indem die
von don (benannten geführte Partei der »Rothen« eher geneigt
g<»W(\sen sei, sich gegen die Türkei nachgiebig zu zeigen, um
mehr gegen Oesterreich (und auch gegen Russland) Front macRen
zu können ^).
In demselben (iedankonkreise befand sich auch der k. k.
(leneral-Consul in Jassy, als er am 14. August dem General-
Commando in llermannstadt schrieb und den Umstand betonte.
*) Wiener »Neue l«>eic l'resse< vom 31. Juli 1866. (Correspondenz aus Buka*
rtst, 24. Juli.) Am 14. September schreibt der Correspondent desselben Blattes
( Nummer vom 17. September 18(16) aus Bukarest : >Mit Serbien waren bekanntlich
die Punctationcn eines Schutz- un<l Trutzbündnisses in Bukarest noch während der
Anwesenheil des serbischen Aj»cnten Herrn C h r i s t i c* allhier unterzeichnet worden . . . <
-) Vrrj,d. oben S. 90.
^) >Aus dem Leben König C a r Ts von Rumänien*, I, 90. (24. Juli.)
*) »Neue hVeie Presse € vom 2. August 1866. (Correspondenz aus Bukarest vom
2S. Juli.)
Der officiolle >Romanul* arbeitete solchen Absichten vor, imUm er tendenziös
übertriel>ene Nachrichten brachte, wie z. B. «lie Preussen seien nach der siegreiclien
Sclihicht vom 3. Juli bis Wien vorgedrungen, dieses selbst sei in Gefahr, weiters, ein
ganzes österreichisches Armec-(Torps sri zum l'einde übergegangen. iConfidenl. Bericlit,
K. A., F. A. Nord-Armee 1866. XIII, 13, S. 206.)
176
K i c li :> s t.
(lass (1(T letzt(* Mini.stfTwrclisrl in Rumänien in die Zeit (lc\s Ab-
schlusses des Waffenstillstandes zwischen Oesterreich und Preusson
iallcj und dass s(*itd«'m sich auch di<» politische Stellung Rumäniens
i^anz jL,a»ändert halx» M.
In der Ihat zoi^'* dit» neut? Rej^ierunj:*" des Fürsten C'arl
schon aus finanzit»llen (rründ<'n schleunig'st und j^ründlich die
(.'ons(»(|uenzenaus(ler ifeändertt^n La^t*, indem sie sofort die ziemlich
zahlreich<^n A'ohmtärs «mtlit^ss und mit i. Auv^ust auch eine
Reduction der ArnxM^ be^^^ann, die nach dem Hudjjfet fiir das
laufende Jalir die Herabsetzung" d(M' r(*,i»'ulären Truppen von
i7.()4S auf 7O51 Mann, der Dorobanzen auf ein Viertel und der
(irenzer auf ein Sechstel ihn»s bisheriv^en H<\standes zur Folyo
hatte-).
Fs ist daher jetzt ^^'anz j^'laubwürdij^^, wenn in »Aus dem I-4*ben
Köniv^ Carl's von Ruinäni(Mi '"i am 2. Au'^'ust die Xachricht ver-
zeichnet wird: I)(t I'ürst emptanjLft den uni^arischen (ieneral
Mb er, (h»r mit dcMiselben Al)sicliten, wi«* vor einijjfer Zeit (renoral
J' ü rr, nach Rumäni«*n j^ekomnuMi ist und w a r m (» K m p f e h-
l u n i^ e n mitbrini^t. \\r ri<'htet abi-r ebenso wijni.tf aus. wie
dieser *■*.
'. K. A., (11 iicral-( '«»inin;!!!«!!) llcimannstaill. 2i. Aii^jii-it iS^fi, l'ras.-Nr. 532.
^) K. A.. (iriu'ral-( "»)imu.n)»l«» lltmn:mn>it:nlt, 1 1 . Sr]»t«':iilu-r lS(i('», I*räs.-Xr. 5<i5;
S. ()cl«)l»"t iSfi'». I'rä-.-Nr. ^21. V-'^l. «la- Icli', 'ramin aii> HuUarv'st im Ah-mlhlatt^
»liT Nriirn l-'n-icn I'n-^xo* v(>n; 2 Aw;^usl iSdii.
■• I. '>•;.
* Kcnlinan«! I-". 1) i* r war im Jaliir lyf.o ('«irrr-.p()inl<*iit (Irr •'rimcs< in Neapel.
Aul <li<' N.u'hriiht M'Ij «Ut I.anduii;^' 1 1 a i i b a 1 d i'-^ lu-i Marsala ^ienj^ er sn^rleich
!..»< 1j Sil ilii'n .il> lüi'l ii:ilim a:; i!fi l-.Mn..:limc' r.ilr:nii»>« I 1.<m1. Auf «lern weiteren Zujje
<iaribal<ir< fiinri'-it v. a'- liri^ailf-^ '»mrnau laut . X.ivh Anj^ahe ile*; »PeMer
Lli»v.l viiiii .'D. jauiMr IS<»2 A]»«M.ll>]att «ihit-lt unlt-i ;;ii«U-iou Au<j»czcirlineten der
utij^aM-.« In-:» L<V'"'' ii" l'alii-ii ►( »In r-! l-'ir«linan«l Iv h e r tüi «lic Sililachti-u l»oi Palermo
uii'l < a|u.i« «Kl- Kitt«iknu/ <lt - .-.i\ i)\ i-rlim Milit.ii-( )r<liM;<. <li>sen Statuten jenen
«II-« Maria I !.<-:i'>.iiM>nriI( i,- nail;;,* -liiltli-t vii,,1. AN im Kiiivei nehmen mit <." a v o n r
lii ila-« l'iiii.ia'jt I SM l'.iiil.lllc in riii^aiu ^t'|»lant wunK-ii (Vetter mit der ua;*a*
i.-ilu-n I,«-^i<«:: i:n«l il.ili- ::i«<. ln-n Srliaaien nach Sii-lwr-l-rrtj^arn. T ii r r mit -iOOO
M.-.i.n vnn Miintent-j^ri» au»i nath < niatien, K 1 a j» i. a mit Ii'.ckx) Mann von *len Donan-
1- iii^li-nlliümein au-. War IM» >' i «la/u In >tinimt. vnn K 1 .i p k a's in.tHK) Mann ^itOl)
la i] I- i'aii.l /u liihrrn. w.iiHtti'l K 1 a ji U a -'-l'-'t ^:e.;rn il.i« S/.i klor-Lunil v«u-
-Id-'i-n nl'ili-.
An. ;. Ini.i i>-.'. i:a^ii- 1". i : n li a : .1 i 'i«-i, .i-il .If pi.'u-i-^i'.rhen Gesandtschaft
i:i |-l>ri"i..' an\\.--i'n«i n 1 ii r r. w !'• in.in il.i/n k<»:i.m •, -l. n -n^^enannt'-ii (ii*»era] Kbcr
In ila-» < >inima-iii<> iiImi «In- Uumitn-n /u Im -tiaimi-n : t-i ki-nnc liiu als einen xiemlich
tiiili'*ilful<-ni|.'n < ii>vi-lli-n. d<-t nii bt> w«-n\^< r a1 "MtMat i-t uml vnn militärischen Dingen
Die Legion Klapka 1866. j--
Von air diesen Veränderungen wusste Türr noch nichts,
als er mit K i s s zu Wagen Bukarest verliess ^), um sich nach
Serbien zu begeben, denn seine Freunde im rumänischen Mini-
sterium befanden sich noch im Amte.
Von Tum-Severin aus übersetzten die beiden Sendlinge
K o s s u t h's auf einem Nachen die Donau und wurden in Kladovo
von einem Officier des Fürsten Michael empfangen. Am 26. Juli
passierten sie Milanovac ^ und dürften daher am folgenden Tage
in Belgrad eingetroffen sein. Dort hörten sie bereits von dem
Abschlüsse der ersten Waffenruhe zwischen Gestenreich und
Preussen, ein Umstand, der ihrem Auftrage wohl nicht gelegen
kam, wie derselbe ja auch in Bukarest hauptsächlich dazu beige-
tragen hatte, die Situation von Grund aus umzugestalten ^).
Dennoch soll Garaäanin, als Türr noch am ersten Tage
seiner Anwesenheit in Belgrad mit ihm zusammentraf, denselben
versichert haben, dass er ihn bereitwillig nach Möglichkeit unter-
stützen werde. Und auch Fürst Michael versprach dem Agi-
tator nach dessen Erzählung am folgenden Tage dasselbe für
den Fall, dass der Krieg von Neuem ausbreche. Serbien soll
auch bereit gewesen sein, 10 bis 14.000 Gewehre zu einem Ein-
fall in die Bdcska und nach Croatien beizustellen ^).
nichts versteht.« Türr habe die Unfähigkeit des Mannes zugegeben; >der habe vor
Capua nichts wie Dummheiten gemacht — aber er stehe gut mit den Rumänen«.
(»Aus dem Leben Theodor von B e r n h a r d i's.« VII, 35.)
Eber kehrte nach dem Ausgleiche nach Ungarn zurück, gehörte dem unga-
rischen Unterhause an und wurde von diesem auch in die Delegationen entsendet. Er
hatte sich der Dedk-Partei angeschlossen. Er starb am 27. Februar 1885 zu Budapest.
\) K i s s schrieb am 20. Juli aus Bukarest an Kossuth: »Wir reisen morgen
nach Belgrad ab«. (»Iratai«, VI, S. 440.) Ob dies genau eingehalten worden, ist nirgends
ersichtlich.
^) K. A.. General -Commando Temesvar, 21. August 1866, Praes. Nr. 544.
(Nach einer Meldung des Cordon-Commandos in Orsova vom 27. Juli.)
^) Es ist unsicher, ob man damals in Belgrad auch schon erkannte, dass
Tegetthoffs Sieg von Lissa eine italienische Expedition an die adriatische Ost-
küste mit der Bestimmung nach Ungarn unmöglich gemacht habe und dass damit
auch T ü r r's Aufgabe und die daran geknüpften serbischen Aspirationen vorläufig
gegenstandslos geworden seien.
*) Im Jahre 1870, als Türr schon allein wegen seiner vc: wandtschaftlichen
Beziehungen zum Hause Bonaparte mit seinen Sympathien ganz auf Seite Frankreichs
stand, gedachte er in der Form eines >olTenen Briefes« an den Grafen Bismarck
ein >Memento« zu richten und übergab das Mauuscript desselben dem >Wiener Tag-
blatt«. Die VeröfTentlichung unterblieb damals, doch das > Wiener Tagblatt« publi-
cicrte das ^Memento« am 3. Juli lHf)l. Gegen Schluss desselben schreibt Türr:
»In Belgrad traf ich bei dem Chevalier Scovasso, dem Ccmsul Italiens, den
Die Legion Klapka 1SG6. ^-
178
K i c II a s t
In der Hoffnung, ein solches Ereigtiiss endlich doch einmal
herbeiführen zu können, waren T ü r r und sein Belgrader Freund
Anton C) r e s k o V i c in steter V(?rbindung mit einander geblieben.
Nach Beider Meinung war in Croatien und Slavonien Alles vor-
bereitet und befanden sich in Serbien bereits die Elemente zum
ersten Einbrüche. Zur Ermuthigung der Betheiligten und der
Schwankenden Hess Türr bereits fertig* mitgebrachte Proclama-
tionen an die Ungarn und die österreichischen Südslaven ver-
theilen und in grosser Zahl durch die Vermittlung Vertrauter
aus Neusatz, Semlin, Pancsova und Brod über die Grenze
schmuggeln *). Darin wurde den Ungarn und den Grenzom der
Schutz der siegreichen Waffen Preussens zugesichert, den Einen
und den Anderen Befreiung von der öst(;rreichischen Herrschaft
und den (xrenzern überdi(^s versprochen, dass sie mit den unter
türkischer Botmässigkeit schmachtenden Brüdern in einem freien
Staate vereinigt werden würden, wenn Ungarn und Slaven hilf-
reiche Hand zu dem gemeinsamen Unternehmen der Vernichtung
Oesterreichs bieten wollten. Die (jrenzer wurdtm noch insbeson-
dere unterwiesen, wie sie die wenigen noch im Lande befind-
lichen Officiere unschädlich machen sollttm. At^hnliche Proclama-
tionen li(\ss O r e s k o v i e auch in Bosnitm vertheilen -).
Xach air dem glaubte sich Türr berechtigt, sowohl der
preussischen, als auch der italienischen Regierung zu mcjlden,
dass die Serbt^n die Ungarn unterstützen würden, wenn die
beiden flächte den Krit^g fortführten. Aber am 30. Juli kam von
Preussen die Antwort, dass jetzt Waffenruhe sei, doch solle er
die Streitmacht und die gesammelten Mittel für die Zukunft bei-
sammen halten. Unmittelbar vor Ablauf der Waift^nruhe tele-
graphir»rte Türr wiedtT nach Berlin und Florenz: >W(*nn dttr
Krieg neuerdings beginnt, sind wir bereit, sogleich einzufallen,«
docli schon am i. August kam die Nachricht nach Belgrad, dass
der Waff(jnstillstand auf vier Wochen abgeschlossen worden sei.
preu>?ischcn Consul, Herrn L u u l> c r n a u und den l'rä-iidcntcn <lcs scrMscIu'ii
Senal.-, Ifcrrn M :i r i n o v i c s. Mitten im politischen (ie^präl lie sa^te <ler pre ii^i'^i seile
ConsuK indem er sich an Herrn Marino vi es wandtir, da>s Serbien sich fner;^i.sch
rüsten sollte, um hei diT ersten ^^ünstijjfTn (icle;jrnheil die Donau und die Save zu
überschreiten, utn Croatien, «lie T.acska und «las IJanat /u nehmen. ♦ »Mitfjetheill bei
Hoj>f, i Die <leut<che Krimis des Jahre*^ i.S<ifi«, 2. Aulla^e. S. 17^.)
M Nach dcni I>erichte eines Kundscha' »'s ans *-" "'«ier ,K.. A., Cieneral-(.'om-
mandn A^'ram. 17. An^^ust IJn^(». ■
- (ie;:en •'•■' Al»sichl. sich auf diei-e?« ^ ■; ' '■ ,'<'^^' von Serbien
I)ie Legten Klapka 180C.
«79
Noch an demselben Taye vorschwand Türr mit seinem
Begleiter aus Belj^rad, um nach wenij;^en Taj^en daselbst wieder
aufzutauchen *). Er scheint sich in der Zwischenzeit in der Um-
g-ebung" auf j^eh alten und mit der Ürganisierunj^ der von ihm zu
fuhrenden Einfallsgruppe befasst zu haben. Türr selbst gab in
seinem späteren Berichte an Kossuth an, dass er 2000 Mann
bereit gehabt und sie auf 5000 hätte bringen können, wenn die
Fortsetzung des Krieges gewiss gewesen wäre *).
»Am sechsten Tage des Waffenstillstandes-*, das ist am
8. August, erhielt Laubernau, der preussische Consul in Bel-
grad, ein Telegramm folgenden Inhalts: »Verständigen Sie den
(leneral Türr, dass die hier (i. e. in Preussen) organisierte
Streitmacht aufrecht erhalten wird und dass auch er Sorge trage,
dass die von ihm geschaffene Organisation sich nicht schwäche.
(Gezeichnet:) Bismarck.« Der (iraf hatte dafür gesorgt, dass
das Te»legramm Türr sicher erreiche, auch wenn er etwa eben
auf dem Wege zwischen Belgrad und Bukarest gewesen wäre;
denn am 9. August (iils dem 'folgenden Tage«) erhielt er die-
selbe Weisung Bismarck's auf dem Wege über Italien mit
der Modification, seine Organisation auch in Rumänien aufrecht
zu erhalten.
Türr erkannte übrigens bald, dass die ganze Angelegenheit
Preussen nur noch als Drohmittel geg(*n Oesterreich diene und
will daht»r bestrebt gewesen sein, seine fürstlichen (lönner in
ISelgrad und Bukarest nicht zu compromittieren. Neuerdings begab
er sich daher auf einige Tage auf das Landgut eines Freundes,
um den*'n, »•welch(» in drr Umgebung wirktcMic idas heisst wohl:
s(*inrr Truppi»), näher zu sein.
Uebt»r dit* Abnu.se Türr'.s aus Belgrad telegraphierte das
k. k. Brigade-Commando in Semlin tim lO. August an das (xe-
neral-Commando in Temesvar : Türr und Kiss mit italieni-
schf'm Konsul hrute drei Uhr Früh landeinwärts Seraendria abge-
' K. A., riiMUTal-( ominuntl»» 1 emesvar, 4. und 7. Aujjust l86fi. (Letzteres
nach einem I elef^ranini des IJriija<lc-(.'<»mmantl()«« in Semlin vom 6. Auj^u^t.)
'» I'.in ;;ut unterrichteter Kmiyrant schrieb am 6. August aus lierlin: »rnserc
Sachrn stehen noch ^janz j»ut und besser, als ich Anfanjjs j^laubte. 'I »j r r hat über
3000 Mann mit sehr tüchtij^'en Oflicieren aus «len (irenzern, ist in lUlj^rad, wn die
Kej^ierun;; ihn utjterstützt. (ield hat er noch von Italien au«* mitj^cnonmien, denn dai
Geld, ur'K.he> «lie jirrii-^i^the Rej^ierun^j herj^ab, ist • in das Land il'njjarn an das
Comite ;:e^Mntj''n. um den AulVtand im Innern zu machen . . .« • K. A., (icneral-
Commaii'l» A^;r.mi. 17. Au^Mi^t ih<»^. Der undatierte lUici i«it aus inneren dründeu
auf ilen h. Au^'ust in verleben.
12*
l3o K i e n a s t.
reist. Angeblich dann weiter nach Kragujevac ^).^ Letzteres Com-
mando meldete am 21. August-) nach Wien, Türr sei jüngst
wieder nach der Walachei abgereist; seine Mission in Serbien
sei an der »correcten Gesinnung« des Fürsten gescheitert. Rich-
tiger wäre es wohl gewesen, nur von einer correcten »Haltung-«
zu reden, die nicht so sehr in der Gesinnung, sondern vielmehr
in den Ereignissen, hier speciell in dem österreichischen Siege
bei Lissa und in dem raschen Ende der Feindseligkeiten zwischen
Oesterreich und Preussen, ihre Wurzel hatte. Türr wenigstens
scheint mit der Gesinnung des Fürsten Michael nicht unzu-
frieden gewesen zu sein und auch sonst ist bekannt, dass der
Letztere den grossserbischen Träumereien eines Gara§anin und
Oreäkovic durchaus nicht ferne stand, wenn er auch kluger
Weise sich eine Etapen-Politik zurechtgelegt hatte und seinen
Zielen Schritt für Schritt nahe zu kommen suchte ^), im Gegen-
satze zu den Wünschen der Militär-Partei und zu Garasanin^
seinem ersten Älinister^).
*) K. A., General -Commando Temesvar, 16. August 1866.
^) Ebenda, 21. August 18O6.
^j Siehe die Artikel-Serie »Etwas mehr Licht« von Anton Oreskovic im
Belgrader »Dnevni List* vom September 1895, Xr. 200 und iT. Vergl. auch Hanke,
»Serbien und die Türkei im l<). Jahrhundert« (Leipzig, 1879), S. 459 und ff. Fürst
Michael hat später einem der vornehmsten preussischen Militärs, den er im Ba<le
traf, den Auftrag gegeben, »dem König vun Preussen wegen seine-« siegreichen
Kampfes gegen Oesterreich nicht allein seine Bewunderung auszusprechen, sondern
auch seinen Dank dafür.« (S. 508.)
*) Der Banus von Croatien und cummandierendc General in Agram, FML.
Baron S o k C e v i c, war über die Vorgänge und Stimmungen in Serbien stets im
Laufenden. Er hielt es der Mühe werth, nach den Mitlheilungen eines sonst gut
unterrichteten Couhdenten (vom 20. August) an das Kriegs-Ministerium nach Wien
zu melden, dass in Serbien die Unzufriedenheit gegen den Fürsten Michael
gewaltige Dimensionen, ja geradezu einen bedenklichen C'harakter annehme, weil sich
derselbe seit mehreren Jahren und beson<lers während des letzten Krieges trotz de»
Drängens «1er rumänischen Regierung und der ungarischen Emigration, wenn auch
nicht aus Liebe zu Oesterreich, ruhig verhalten liabe und nicht, wie es aucli Treusten
gewünscht und begünstigt, den gemeinsamen Kinfall in die Bukowina und das Banat
mitgemacht habe. Garasanin, »lem im Laude eine grosse Partei anhieng. die
sich aus den Beamten und »len Angehtirigen des wublhabentlen Han«lelsstandes /u-
samnlen^et/.te, stand schon seit längerer Zeit in v:em Verdaclite, auf den serl)i>clien
Fütstenstuhl zu aspirieren und soll um jen-.* Zeil in einem Augenblicke d'"i L'nmuihs
über die Zauderpolitik des Fürsten gesagt haben: »Was ei'^ 'brt >v' ein kann,
das kann auch ein Gara.sani.« K A., (ienery^ \..n.i. ;-i.. . Augu>t
Die Legion Klapka 1866. «o.
Niemand kann übrigens wissen, vor welchen Entschlüssen der
unvermuthete Waffenstillstand vonNikolsburg den Fürsten bewahrte.
Die Sendung des Senators C h ri s t i c nach Bukarest und auch der
hiefür gewählte Zeitpunct, wie nicht minder die in der rumänischen
Hauptstadt beobachtete Scheu vor der officiellen Verlautbarung
des Empfanges des Gesandten geben jedenfalls zu denken. Und
noch zu einer zweiten, gerade damals höchst auffälligen Mass-
regel fallen die ersten Anordnungen noch in die kritische Zeit
vor dem Bekanntwerden des Waffenstillstandes: wir meinen die
mehrfach gemeldete Concentrierung serbischer Truppen bei
Kragujevac. Ein viel gelesenes und meist gut unterrichtetes
Wiener Organ stand denn auch nicht an, schon am i . August von
einer Versetzung der »ganzen serbischen Armee in Kriegsbereit-
schaft« zu reden und dieselbe mit der Abordnung Christi 6'
nach Rumänien in Zusammenhang zu bringen ^^ Nachher freilich
hiess es, die serbische Nationalgarde sei nur zu Waffenübungen
zusammengezogen worden.
Als Türr wieder in Bukarest ankam, fand er dort noch
immer »den sogenannten General Eber«, der sich mit Rücksicht
auf einen möglichen Wiederausbruch des Krieges zwischen Oester-
reich und seinen Gegnern bemühte, die guten Beziehungen der
ungarischen Malcontenten zur rumänischen Regierung aufrecht
zu erhalten ^. Doch da war wenig zu hoffen. Der Fürst hatte eine
Bereisung seines Landes angetreten und selbst der Eifer eines Joan
Bratianu war mittlerw^eile durch die wiederholten Verlänge-
rungen der Waffenruhe bedeutend abgekühlt worden. Allen Hoff-
nungen machte vollends eine officielle Nachricht aus Italien ein
Ende. Am 24. August erhielt >GL. Türr« von Visconti-
V e n o s t a, dem Minister des Aeussem, folgendes Telegramm :
>► Wir halten den Frieden mit Oesterreich für sicher, weil Preussen
seinen Frieden gemacht hat. Die königliche Regierung kann Ihnen
daher weitere Hilfe nicht versprechen. Hier ist die Zeit zum
Handeln vorbei. Was aber niemals vorbei sein wird, das ist unsere
Freundschaft zu den Ungarn und zu den Regierungen von Serbien
und Rumänien.« Vier oder fünf Tage später telegraphierte aucli
Graf Bismarck an Türr: »Nachdem der Friede abgeschlossen,
ist jede Hoffnung, dass etwas geschehen könne, geschwunden.«
M »Neue Freie Presse < vom 2. August 1866. (Ausland.)
*) K. A., General-Commando Hermannstadt, 19. August 1866. (Bericht des
k. k. General-Consuis £ d e r aus Bukarest vom 16. August.)
lg2 Kienast.
Türr war daher gezwungen, die Donau-Fürstenthümer zu
verlassen und kehrte Anfangs September über Constantinopel
nach Italien zurück ^).
Schon am 24. September finden wir ihn wieder in Berlin *),
ohne Zweifel An orientalischen Angelegenheiten«, wie ein Con-
fident am 4. October aus Berlin berichtete ^), Hatte doch, wie die
wiederholten officiellen Telegramme an ilm bezeugen, seine
Thätigkeit in Rumänien und Serbien für Preussen ein hohes
Interesse gehabt. Es gab mancherlei zu berichten und zu be-
rathen, worüber die Welt bisher nichts erfahren hat. Es galt
wahrscheinlich nicht nur, das nächste Schicksal der im Interesse
der ungarischen Malcontenten gesammelten Streitkräfte in Preussen
und Italien, in Serbien und Rumänien, sondern auch darüber
wenigstens vorläufig zu entscheiden, was -im kommenden Früh-
jahr, sobald die Dinge wieder ernsthaft werden *< ^), zu geschehen
habe ^).
Während des zweistündigen Besuches Bernhardi's bei
Türr bildeten natürlich die Geschehnisse d<?r letzten Monate
das Thema der Unterredung. Was B e r n h a r d i darüber mit-
theilt, ist, obwohl weit entfernt von dem Anspruch auf Voll-
ständigkeit, gleichwohl nicht uninteressant. Türr beklagte sich
über die Ungarn, dass sie sich nach dem Tage von Königgrätz
nicht augenblicklich von Oesterreich losgesagt hätten. Darauf der
*) Nach einer Mitlhcilung des k. k. Ministeriums des Aeussem vom 15. Sep-
tember soll er am I. d. M. von Giurj;evo nach Kustscliuk gekommen s.in. K. A.,
Gencral-Commando Temesvur, 27. Septem])er 1866.)
•) >Aus dem Lehen Theodor von Ji e r n h a r d i's,« VII, 2<)7. (»Er kommt aus
Belgrad, geht nach Paris und l'allanza und ist einen Tag hier unter eigenem Namen.
Ich suchte ihn auf im Hotel de Komc und wir verabredeten eine Zusammenkunft für
heute Abend. *j
';. K. A., F. A. Nord-Armee 1860, XIII. 13 (S. 274). Der Conlident spricht
von einer mehrtägigen Anwesenheit T u r r's in der preussischen IIaui)tstadt.
*) »Bernhardi«, a. a. (.)., 20S.
•) Zur theilweisen Beantwortung dieser Krage giebt vielleicht eine kurze Notiz
der Artikel-Serie von Oreskovic in Belgrad der -Dnevni List« (Nr. Ju2 ex l8<)5)
einen Fingerzeig. Ilienach hat Künig Victor E m a u u e l nach dem Kriege dem
Fürsten Michael für seine Bereitwilligkeit gedankt und ihn versichert, tlass der
Letztere bezüglich Bosniens auch ferner auf die l'nterstützung Italiens rechnen könne.
Auch Graf B i s m a r c k habe nach dem glücklichen Erfolge «len Virrtrag in Betreff
Bosniens mit Serbien erneuert. Die daraus ni'iglicher Weise entspringe"*'^" Folgen ^eien
erst ilurch die berühmte Salzburger Zusammenkunft der **''^' »■ » ♦-.—•;/'} un«'
Frankreich im Iah • "^c- -iutgeh"*'e' " -•'-"
Die Legion Klapka 1863. ^g^
Beamte des monarchischen Preussen: »Die Ungarn mögen zu
tadeln sein; doch aber haben die Italiener gewiss kein Recht,
sich erbittert über die Ungarn zu äussern, wie sie thun. Die
Italiener haben nicht das Recht zu sagen, man habe Alles für die
Ungarn gethan und es sei vergeblich gewesen. Wer hat denn
etwas für die Ungarn gethan? Die Italiener doch wahrhaftig
nicht I — Die haben ihnen sogar in der Hauptsache geradezu nicht
Wort gehalten; sie haben Garibaldi nicht nach Dalmatien
geschickt.«
Aus der Entgegnung des damit einverstandenen T ü r r erzählt
Bernhardi unter Anderem die auf die Sendung des Ersteren
nach dem Osten bezüglichen Stellen, wie folgt: »L a M a r m o r a hat
übrigens die Sache in mehr als einer Weise verdorben; auch
dadurch, dass er ihn, Türr, ganz unnützer Weise vierzehn Tage
lang in Florenz zurückhielt, so dass er dann zu spät nach Belgrad
und nach Bukarest kam M. Die Serben und die Rumänen waren
fünf Tage nach seiner Ankunft zum Angriffe bereit, aber da trat
der Waffenstillstand ein und es war zu spät. Wäre er, Tür r, am
4. Juli an Ort und Stelle gewesen, wie er ganz gut konnte, wenn
ihn La Marmora nicht aufhielt, dann wären die Serben am lo.
mit 50.000 Mann über die ungarische Grenze gegangen und ein
zweites, ebenso starkes Corps konnte später folgen^.«
»Dem Fürsten C a r 1 von Rumänien standen 20.000 Mann in
voller Bereitschaft zur Verfügung. Die Dinge hätten dann eine ganz
andere Wendung genommen.«
^) Dieser Anschuldigung La Marmor a's steht entgegen, dass Kossuth am
23. Juni vielmehr R i c a s o 1 i dringendst bat, zu veranlassen, dass Türr seine Sache
noch an diesem Tage in Ordnung bringe. Dazu sei nur nothwendig, dass man ihm
200.000 Franken Handgeld gebe und ihm in Belgrad durch Scovasso einen Bankcredit von
300.000 Franken eröffne. R i c a 5 o 1 i möge diese Veranstaltung nicht abhängig machen
von der Regelung der ganzen Angelegenheit. Die verlorene Zeit sei uneinbringlich.
Wenn Türr nicht am folgenden Tage (von Florenz) nach Livomo abgehe, verliere
er zehn Tage bis er wieder ein Schiff nach dem Orient besteigen könne. Nach Belgrad
aber brauche er zwei Wochen. (»Kossuth Lajos iratai<, VI, 339.)
*) Ueber die Stärke der serbischen Waffenmacht im Jahre 1866, damals der
besten anf der Balkan-Halbinsel, siehe Ranke, »Serbien und die Türkei«, S. 500. Das
immer unter den Waffen stehende erste Aufgebot der National-Miliz war wirklich an
50.000 Mann stark.
jgj^ K i e n a s t.
Alle Umstände verheissen der Legion Erfolg«
Als am 26. Juli die ungarische Legion in Neisse den P'ahnen-
eid leistete, war also bereits an Garibaldi der Befehl ergangen,
sich zur Expedition nach Ungarn bereit zu machen, rüstete sich
die verstärkte ungarische Legion in Italien zum Ausmarsche mit
Garibaldi, war T ü r r in Belgrad mit freundlichen Zusicherungen
empfangen worden und war in Bukarest die Wendung zu Un-
gunsten der unzufriedenen Ungarn eben erst im Zuge. Zudem
lagen die Umstände in Ungarn selbst so, dass sie die Hoffnung
auf den Ausbruch einer Bewegung von vorneherein keineswegs
vernichteten.
Es hätte divinatorischer Gaben bedurft, aus diesen so
günstig scheinenden Umständen auf ein gänzliches Scheitern
der Pläne C säky's und seiner Freunde in Preussen zu schliessen.
Oder man hätte zumindest eine weniger optimistische Auffassung
von der Lage haben müssen, als die Männer an der Spitze der
Legion wirklich hatten, die gerne glaubten, was sie wünschten ^).
Jedenfalls wird man sich hüten müssen, aus der Kenntniss des
wirklichen Ganges der Geschichte für jene Männer etwa einen
absoluten Mangel an Voraussicht abzuleiten, zumal ihnen auch in
Preussen das Glück hold schien. Denn obwohl in jenen Tagen der
königliche Befehl zur Entwaffnung der Legion ergangen sein
soll, so hatte es sich doch gefügt, dass der bereits beeidete
Theil der Legion schon nach Ungarn aufgebrochen war, als am
29. Juli der noch in Neisse befindliche Theil derselben aufgelöst
und nach Glatz gebracht wurde -), während für die bereits mar-
schierenden Abtheilungen vorläufig eine positive Verfügung nicht
erfloss ^).
Diesen war vielmehr durch die Wiederbesetzung des seit
dem 17. Juli von den Preussen gänzlich geräumten Herzog-
thums Teschen ein grosser Dienst erwiesen worden. In Folge
^) Selbst Ernst von S i m o n y i, der am Schlüsse seines Schreibens vom i. August
an I r d n y i (»K o s s u t h Lajos iratai«, VI, 469 und ff.) der Legion alle Chancen des
Erfolges abspricht, war noch am Tage vorher, wie aus den weiter unten folgenden
Ausführungen über die Abstimmung des am 31. Juli abgehaltenen Kriegsrathcs hervor-
geht, der entgegengesetzten Meinung.
*) Nach der Aufzeichnung des Grafen Seherr-Thoss vom 31. Juli 1866 in
seinem mehrerwähnten Notizbuche.
») »K-ss-th l-jos iratai '^ '^-^ '"''' --" «^ r - .* ' m ^ ~ r ^ u y i,
Die Legion KUpka 18Ö6. ige
speciellen Wunsches des Grafen Bismarck^j hatte nämlich der
bisher in Pless gestanäene General Graf S t o 1 b e r g- die öster-
reichische Grenze am 23. Juli bei Schwarzwasser wieder über-
schritten und sich (nach der Ausdrucksweise des preussischen
Generalstabswerkes) daran gemacht, ^sich in Teschen zu etablieren
und diesen Ort zur Basis für eine später auszuführende Unter-
nehmung gegen Ungarn zu machen*. Bis zum Ablaufe der fünf-
tägigen Waffenruhe nahm Graf S t o 1 b e r g auch noch die meisten
anderen Städte des Herzogthums Teschen in Besitz und schob
seine Vortruppen bis Jablunkau vor ^. Dieser Ort wurde noch am
29. Juli von den Preussen mit 250 Mann Infanterie und 50 Reitern
besetzt; welche ihre Vorposten ausserhalb des Ortes hatten. Auch
die Passverschanzungen südlich von Mosty wurden besetzt "^).
So war also für die Legion K 1 a p k a der Weg frei bis an
die Grenze Ungarns.
*) Am 22. Juli erjjicnßen seitens des Freiherrn von M o 1 1 k e an den Gencral-
stabschef der Armee des Kronprinzen, Blumenthal, Weisungen zur eventuellen Fort-
fuhrung des Krieges nach Ablauf der ersten fünftägigen Waffenruhe. In denselben
heisst es, von dem Detachement Knobeisdorf i welches gleich jenem des Grafen
Stolberg zum Schutze Ober*Schlesiens bestimmt war) sei nur bekannt, dass es
Ocsterreichisch-Schlesien besetzt habe. »Diese Besetzung scheint aber eine nur vor-
übergehende gewesen zu sein und bemerke ich in dieser Beziehung, dass der Minister-
Präsident Graf B i 8 m a r c k grossen Werth darauf legt, dass eine solche nieder statt-
findet.« (M o 1 1 k e, »Militärische Correspondenz aus dem Jahre i866<, Nr. 202.)
•1 »Oesterreichs Kämpfe im Jahre 1866«, IV, 20O und ff.
Ein hochgestellter österreichischer Militär sagt über dieses Vorgehen: »Wir
Oesterreichcr hatten von einer „Waffenruhe" ganz andere Begriffe, als unser Feind;
während wir der festen l'eberzeugung waren, dass wahrend der Zeit der Waffenruhe
jeder Theil sich in seinen Stellungen halten müsse und nicht einen Schritt vorwärts
tbun dürfe, hatten die l'reussen hierüber ganz andere Ansichten. Sie rückten während
der „Waffenruhe" in Schlesien ein uncf poussierten ihre Vortruppen bis Skotschau und
Jablunkau vor.« (G. d. C. Carl Fischer von W e 1 1 c n b o r n, »Erinnerungen aus
den Feldzü^en 185') und l86^. Ein Beitrag zur Geschichte des k. und k. Uhlanen-Regi-
ments Nr. i,« Wien, 1804, S. 22«).)
*> Rapport des GM. Braissach aus Bielitz, den 31. Juli 1866, nach einer
Recognoscierung des Obersilieutenants Grafen Kälnoky. (K.. A., Festung Krakau
1866, VII, I2ü.»
Das preussische Generalstabswerk führt die Besetzung des Gebietes von Teschen
durch Stolbcrg auf einen schon am 17. Juli ergangenen Befehl aus <lem könig-
lichen Haupttjuartierc zurück, ohne aufzuklären, warum die Ausführung so spät und
gerade erst während der Waffenruhe erfolgte.
Die Action der Lcmon.
Der erste Abmarsch von Oderberg.
Am 20. Juli Abends hatt(t Iv 1 a p k a in Xt^isse seinen nun-
mehrii^tMi Untorj^cb^ntMi den lud auf die unj^'arische Fahne abtfe-
nommen. Am näch>t<'n Ta^»* selion führte die Kistmbahn die Leg'ion
in zwei Trans] )(>rt«'n übt»r Lt^obsehütz und Ratibor nach OderbervT.
Der erste Staffel in der Stärk(» von (|00 Mann verliess Xoisse um
7 Uhr Früh, der zweitt», dt»n R«'st der Infantc^rit* und die Husaren
umfassend, um u Uhr Mittas^^s. Dit» Batterie hatte aus Manj^t-'l
an j^^tM'it^neter HcclienunLTsmannsc^haft in der Festunj;^ zurückbleiben
müssen. In Oderbcri^^ erhielt Kla]:)ka die V(?rständij^ng, dass
er mit sriner JVuppt» dem (ien<Tal ( irafi.'n Stolberg" unterst€»llt
Sri ^ . Auch difst'r muss ihm sofort Wfisunj^en zugt^sendet haben,
wie aus f<jlLr«'nd»'m S(^lireiben hervorLi'eht, w^'lch(^s Klapka noch
am Abende de>s»*ll)rn Ta-^rs an d«'ii Adjutanten Stolber^'s,
1 Vomier- Lirutrnant von Mr»ll»'r, in I*>(Mstatlt richtete:
lüu'r I l(»ehwohl'^o-l)on*n habt* ich dir l^hre in Kenntniss zu
sftzfu, da» ieh mit zwt'i r>ataillonrn un<l einer Escadron der
unL^arisehrn Lrufion in d»'r Stärkt* von 1400 Mann heute hier in
( )d«*rbi'p^ ein^tTÜekt bin und mit dem i^'rösst.Ten Theile der
Infantrrir mich noch heut»' in das vom Herrn Lieutenant Andre'
>rhr zwtM^kmäs^ii;- '^^»wähltt* l>ivoua<* v^rfüi^en wt.»rde. Die übriyen
■' ll'.itk;i'- AiJ>>-i^cii V -in 17. < Ki-iSor li-htt Krrin-er Acteu Xr. II81, Jie,
wir :!ir «I.iN V«»iiii-r '»'li'-iMlr, s«» -.ruh inj 'l.i- N.n lito];»«-:!.!'- c-iiu* hrtli-uteiidc Ouelle sind,
• IJ»-:'«-!!»«.' wini in ciip-m -piitvriMi •^».hri'ilK'u »tlci A>ljutant des Grafen
S t o 1 1> c r ^- ^'::.aniit.
Die Legion Klapka 18C0. lg^
Theile der Legion sammt vier Geschützen und dem Train (die
morgen eintreffen) werden ihren Weitermarsch in das Bivouac
morgen antreten, so dass daselbst übermorgen, Sonntag Früh,
die ganze Legion in der Stärke von mehr als 2000 Mann ver-
einigt sein wird.^
»Die Organisation der Legion gieng etwas schneller von
Statten, sie lässt somit noch Manches zu wünschen übrig und ich
wünschte desshalb, meine Operationen womöglich erst Sonntag
Abends oder Montag*) vor Tagesanbruch zu beginnen.»
»Indem ich Euer Hoch wohlgeboren meinen verbindlichsten
Dank für die beiden mir gemachten Mittheilungen abstatte, erlaube
ich mir den Wunsch auszudrücken, mir morgen Nachmittags im
Bivouac bei Mittel-Suchau ein Rendezvous geben zu wollen, um
die bevorstehende combinierte Operation gründlich besprechen
und feststellen zu können. Oderberg, 27. Juli 1866, Nachmittags
7 Uhr. Mit Hochachtung G. Klapka-i.«
Nach dem Berichte Mogyorödy's an Kossuth^i betrat
die Legion in der Nacht zum 28. Juli die österreichische Grenze,
lagerte etwa um Mitternacht bei Ostrau und campierte am 28.
nahe diesem Orte in einem dem Erzherzog Albrecht gehörigen
Walde, von wo aus sie Wagen, Lebensmittel und Zimmermanns-
Werkzeuge requirierte, kurz sich auf den Vormarsch vorbereitete.
Nach der Erzählung H u t k a's, der den Zug mitmachte, setzte
sich die Legion am 28. Mittags in Bewegung, um das Bivouac
im Walde zu erreirlien.
Es blieb also für den in Freistadt befindlichen ( Trafen
Stolberg die Möglichkeit und auch genug Zeit, sich in der
Nacht vom 27. auf den 28. Juli bei Klapka einzufinden und ihm
darzuthun, dass die zwisclien Oesterreich und Preussen einge-
tretene Waffenruhe* eine weitere Action der preussischen Truppen
verbiete, zugleich ihn zu unterrichten, nach welchem Operations-
plane er, Stoiber g, eventuell vorgegangen wäre, wenn die
') Da«* ist am 20. oder 30. Juli.
*) »Neue Freie Presse« vom 15. Aujjust 1S66. (Corrcspondenz »Von der
schlesischen (irenzc, 1 1. Aujjust«). Obwohl der Brief K I a p k u's nur nach Abschriften
mitgcthcili wird, die Anfangs August zu beiden Seiten der schlesischen Grenze in
Umlauf waren, ist derselbe doch dem Inhalte nach für authentisch zu halten. Die
Angabe »1400 Mann« «anstatt i$oo oder 1560» dürfte auf einem Schreibe- oder
Druckfehler beruhen.
'1 »K o s s u t li Lajos iratai«, VlI, 87.
l38 Kienast.
Verlängerung der Waffenruhe die Ausführung desselben nicht
gehindert hätte. K 1 a p k a soll schon nach den ersten Eröffnungen
des preussischen Generals sich geäussert haben, dass er trotzdem
aus eigener Initiative und auf eigene Faust einen Einfall nach
Ungarn unternehmen werde, wobei er wegen des schwachen
Standes der österreichischen Truppen in Galizien und Ungarn
immerhin auf einen Erfolg rechnen könne, zumal im Vaterlande
bereits Alles zum Gelingen des Aufstandes wohl vorbereitet sei *).
Das Bivouac, welches die Legion am Abende des 28. Juli
innehatte, dürfte sich in einer der bei Mittel-Suchau vorhandenen
Waldparcellen (im Peschgower Walde?) befunden haben. Von
dort aus können Sicherungs-Patrouillen gegen Lazy, zu der nörd-
lichen Häusergruppe von Schumbarg, zum Meierhofe bei Suchau
und vielleicht auch eine solche zu Pferde gegen Zywotitz vorge-
schoben worden sein. So erklärt es sich, dass es in den Acten
von air diesen Orten heisst, die Legion habe bei ihnen gelagert,
man habe darnach sowohl in Lazy, als in Zywotitz auf die Ver-
pflegung bezügliche Zettel gefunden, welche auch Schlüsse auf
die Gliederung der Legion in Bataillone imd Compagnien ge-
statteten ^.
Das Hauptquartier der Legion befand sich in Orlau. Dort
erfuhren die Führer derselben am 28. Juli von dem Befehle des
*) Die Erzählung von der Anwesenheit S t o 1 b e r g*s im Zelte K 1 a p k a*s bei
Oderberg (Ostrau?) findet sich nicht in den österreichischen Acten. Sie wurde erst durch
ein in der »Vcdette« (Beilage zur >Reichswehr«) vom 27. Februar 1898 erschienenes
Feuilleton >Eine Lehre? (Aus den Aufzeichnungen eines höheren Stabs- Officicrs.)« von
Oberst Dr. Hippolyt Walter von Walthoffen bekannt. Derselbe war im Herbste
1866 als Rittmeister- Auditor durch mehrere Wochen in Krems in dienstlicher Be-
rührung mit den gewesenen Legionären und beruft sich auf H u t k a als seinen Ge-
währsmann, der, aus dem Schlafe erwachend, die Unterredung mitangehört haben soll.
£s ist immerhin möglich, dass dieser einem ausserhalb des Verhör-Locales ihn befra-
genden Auditor ein Detail mittheilte, welches er dem andern, seine Aussagen protokol-
lierenden Auditor aus irgend einem Grunde, wahrscheinlich ohne jede besondere Ab-
sicht verschwieg. Die Sache selbst ist an sich nicht unglaubwürdig, weil gerade vom
Grafen S t o 1 b e r g auch nach Angaben von anderer Seite erzählt werden wird, wie
er die Legionsführer insgeheim zu ihren Absichten ermuthigte. In dem vorcitierten
Feuilleton ist die Episode übrigens irrthümlich auf den »23.« Juli verlegt, was wohl
nur ein Druckfehler für >28.< ist, da an dem ersten Datum die Legion sich noch im
Stadium der Errichtung zu Keisse befand.
') K. A., Festung Krakau 1866, VIII, 2. (Telegramm des schles. Landeschefs
aus Bielitz vom i. August an FML. Baron ^ zi^owsky in Krakau); F. A. Ope-
rierende Armee 1866, VlJr 3' (FML. f^ ir- irc^y j»»» T?»-»>»-rzoe > 1 *> r « *• h t,
Ä iirtiir* ' »1 ^ I
Die Legion Klapka 1866.
189
preussischen Hauptquartiers zur Auflösung der Legion, dem am
folgenden Tage der zu Neisse verbliebene Theil wirklich verfiel *)•
Ueber diesen Punct und seine Folgen berichtete der aus Berlin
der Legiorf nachgeeilte Major Georg R 6 n y i -) später an Vetter
nach Neisse: »Am 27. Juli gieng ich in das Hauptquartier des
Generals Klapka nach Orlau (Oesterreichisch-Schlesien) mit
Herrn Komdromy, Grafen Csdky, den zwei jungen Kdrolyi
und Grafen B e t h 1 e n. Ich fand daselbst die zwei ungarischen
Bataillone unter dem Befehle des Obersten Mogyorödy und
des Oberstlieutenants Scheiter concentriert. Es hiess, die
übrigen in Neisse befindlichen Abtheilungen sollen desarmiert
werden und es wäre Aussicht, dass auch der Legion dieses Loos
vorbehalten sei. Alles war niedergeschlagen und traurig. Oberst
Döring verrieth ganz klar die Absicht, die Legion zurück auf
preussischen Boden marschieren zu lassen imd sie womöglich
zu desarmieren. Diesem auszuweichen, haben Herr von K o m i-
r o m y als Comit6-Chef und Herr General Klapka beschlossen^
noch in der Nacht vom 28. auf den 2g. Juli nach Ungarn aufzu-
brechen und lieber Alles zu wagen, als sich desarmieren zu
lassen ^).«
»Ich hätte dabei das Commando des zweiten Bataillons über-
nehmen sollen. Ein wenig vor eilf Uhr in der Nacht kam nun
ein Officier, von Döring abgeschickt, der dem General Klapka
im Auftrage des Obersten Döring die Zusicherung gab, dass
in Folge neuer Befehle die in Neisse Zurückgebliebenen sammt
Material sich uns anschliessen würden, nur müssten wir. morgen^
am 29., auf preussischen Boden zurückkommen, uns daselbst
organisieren und dann verstärkt aufbrechen. Die Herren giengen '
^) tAus Missverständniss, wie B i s m a r c k später betheuerte«, schrieb I r d n y i
am 13. August aus Berlin an Kossuth. (»Iratai«, VI, 483). Vergl. oben S. 184.
*) Siehe oben S. 148. Das Folgende aus dem >Pester Lloyd< vom 17. April
1897. (R e n y i's Schreiben ddo. Breslau, 9. August 1866 an Vetter.)
') Ernst S i m o n y i schrieb am i. August an I r a n y i : >K 1 a p k a brach
mit ihnen (den 1500 Mann) schon am 27. Juli von Oderberg auf und zog in der
Richtung gegen Ungarn zu nach Orlau, doch dort widersetzte sich Komdromy
auf das Entschiedenste dem Einfall und sie kehrten am folgenden Tage, d. i. am 28.,
zurück. ..< (»Kossuth Lajos iratai«, VI, S. 469 u. ff.). Wenn auch möglicher "Weise
ein Theil der Legion wirklich schon am 27. Juli von Oderberg aufgebrochen war, so
irrt S i m o n y i, der am 28. Juli erst von Paris abreiste, gewiss, wenn er an diesem
Tage schon die Legion nach Oderberg wieder umkehren lusst.
« QQ K i c n a s t.
darauf ein und so kamen wir am 29. nach Schillersdorf bei Anna-
berg, woselbst wir ein Lager bezogen haben ^).«
>*Xun änderte aber Herr D ö ring den Ton und sprach vom
Rückmarsche nach Kosel, um dort wahrscheinlich d^armiert zu
werden. Dem widersetzte sich Graf Csdky mit der grössten
Energie und berief sich auf den mit der preussischen Regierung
geschlossenen Vertragt). Döring wusste nicht, was zu thuni
Daher beschloss man neuerdings, in der Nacht abzumarschieren;
da kam es, dass die Oesterreicher in Troppau einrückten und
Oberst Döring, dies als einen glücklichen Zufall auslegend, die
Herren neuerdings persuadierte, ruhig zu verbleiben, bis er neue
Instructionen erhalten, welche, wie er vermuthe, günstig sein
werden.«
»Oberst Döring befand sich zwischen dem Befehle zur Auf-
lösung der Legion, die er nicht erzwingen konnte und dem
Widerstreben derselben unter Hinweis auf einen Vertrag mit
der Regierung seines Königs dem Anscheine nach in peinlicher
Lage. Er antwortete daher nach einem anderen Berichterstatter
auf die Fragen K 1 a p k a's, K o m d r o m y's und C s a k y's »dunkel
(enigmatice), indem er immer entschieden sagte, er könne ihnen
während des Waffenstillstandes auf keine Weise den Einfall er-
lauben und dass, wenn sie ihn dennoch unternähmen, sie von
*1 Hutka erzählt: »lieber erhaltenen preussischen Befehl kehrten wir aber
nach Annaberg zurück.... und bezogen bei Schillersdorf ein Freilager«. M o g y o-
r u d y berichtet, die Legion habe am 2'). Juli, als sie im Morgengrau schon zum
Vormarsche bereit gestanden, von K 1 a p k a Gegenbefehl erhalten und sei bei
Hruschau über die Oder auf preussischcs Gebiet und nach Schillersdorf gegangen.
Die meisten nach Wien gelangten Telegramme, z. B. jenes des schlesischen
Landeschefs aus Bielitz, 30. Juli an den Staatsminister Grafen B e 1 c r e d i (K. A., F. A.
Operierende Armee i866, VII, 712 g, gleichzeitige Abschrift), oder auch jenes vom gleichen
Tage an FML. R z i k o w s U y (Festung Krakau 1866, VIT, I17) geben als Grund
der Kückkehr der Legion nach Oderberg die zahlreichen Versuche der Legionäre zur
Entweichung behufs Rückkehr zu ihren alten Regimentern an. So berichtete auch der
Wiener »Wanderer« vom 31. Juli und nach ihm die Augsburger »Allgemeine Zeitung«
vom 2. (Telegramm aus Wien, i. August) und 3. August i Correspondenz aus Wien,
I. August) 1866. Das Telegramm des schlesischen Landeschefs vom 1. August an
FML. Rzikowsky redet von Massen-Desertionen aus dem Lager bei Lazy und
erzählt, es hätten Entwichene in Civilkleidern in Teschen um den nächsten Weg zum
österreichischen Militär gefragt. Am 28. Juli sei die Legion wegen starker Desertion
vom sechsten preussischen Jäger- Bataillon (nach anderen Angaben von preussischen
Reitern) umstellt gewesen und am 20. habe sie auf einen vom Lieutenant Grafen
Blücher überbrachten Befehl hin nacl ''ichil''tr?''orf zurückkehren müssen; Klapka
solle darüber gr-veint haben
Die Legion Klapka 1866. jq,
Seiten der preussischen Regierung auf keinerlei Unterstützung
rechnen mögen; diese würde ihnen weder Geld, noch Gewehre,
noch Kanonen, noch Monturen nachsenden. Er könne nicht zu-
geben, dass die Legion von hier abziehe, aber er sei nicht da-
gegen, dass sie Uebungsmärsche ausführe.« (!)
»Die Officiere des Obersten Döring ermunterten bei diesen
dunklen Reden zum Abmarsch und gaben zu verstehen, dass die
preussische Regierung nach ihrer Ansicht ihn wünsche und sie
nicht im Kothe stecken lassen werde; doch waren air diese nur
untergeordnete Officiere, die höheren hingegen äusserten sich
niemals anders, als dass sie die Expedition auf keine Weise zu-
geben könnten ^).«
Die Haltung der höheren preussischen Functionäre.
Was für Unrichtigkeiten etwa diese nur auf österreichische
und ungarische Quellen basierte Darstellung vom Ausmarsche
Klapka's aus Xeisse und der Rückkehr der Legion aus Oester-
reichisch-Schlesien nach Schillersdorf enthalten mag, könnten nur
die Acten des preussischen Archivs des Grossen Generalstabs und
vielleicht auch des Staats- Archivs bezüglich der Legion Klapka
erweisen. Die bisher hier beobachtete Reserve muss indessen
billiger Weise als eine völlig begreifliche und begründete an-
gesehen werden.
Die Haltung des Grafen Stolberg und des Obersten Döring
erscheint bis nun völlig räthselhaft, wenn man aus der neuesten
Darstellung des Krieges vom Jahre 1866 erfährt, welche Tele-
gramme für die Beiden schon am 26. Juli, 4 Uhr 55 Minuten
Nachmittags, von dem Grafen R o o n bei der Commandantur in
Xeisse eingelaufen sind. Das Telegramm für Stolberg lautete:
»Wegen Waffenstillstand finden Bewegungen der Legion nicht
vStatt, daher auch keine Cooperation^' ; jenes an D ö r i n g : »Weitere
Ausrüstung der Legion hört auf, da Waffenstillstand und Friedens-
schluss in nächster Aussicht**)."
Es ist ganz unaufgeklärt und aus österreichischen Acten nicht
möglich, festzustellen, wann die Telegramme den Adressaten von
*) Simonyi an I r a n y i, I. August, la. a. O.)
') Lettow- Vorbeck, > Geschichte des Krieges von 1866,« II, 687, Anm.
IQ2 K i e n a s t.
Neisse aus zukamen, wo Letztere sich in diesem Zeitpuncte eben
befanden und inwiefern es ihnen also möglich war, die Absichten
der preussischen Heeresleitung durchzuführen, ohne die unga-
rischen P*ührer vor den Kopf zu stossen, was gewiss nicht im
preussischen Interesse gelegen gewesen wäre. Vor Allem aber
bleibt es ohne nähere Aufklärung unverständlich, warum der
Commandant der Festung Neisse nach Erhalt der Telegramme,
wenn schon nicht die Beeidigung der Legion am Abend des-
selben Tages, so doch den Abmarsch derselben am folgenden
Tage nicht verhindert hat, wie er doch wohl gewiss hätte thun
können und sollen *).
Der Kriegsrath vom 31. Juli in Oderberg.
Die zweideutige Haltung D ö r i n g's, des Vertreters der
preussischen Regierung bei der Legion, setzte diese in nicht ge-
ringe Verlegenheit. Um derselben ein Ende zu machen, berief'-^
Klapka am 30. Juli die hervorragendsten Männer der Legion
zu einem Kriegsrathe, welcher^) am folgenden Tage Vormittags
abgehalten wurde und dem beiwohnten : Klapka, Komdromy,
C s a k y, M e d n y ä n s z k y, U e c h t r i t z, K a r a c s a y, S e h e r r-
Thoss, Renyi und der präsumtive ungarische Regierungs-
Commissär S i m o n v i. Vom Grafen Seherr-Thoss sind über
diesen Act folgende Aufzeichnungen erhalten *) :
'Gegenwärtige Situation: Die Legion besteht aus 1500 Mann,
die Infanterie mit 60 Patronen per Mann versehen. Der Theil der
Legion in Xeisse*) von 600 1?) Mann ist vorgestern aufgelöst
worden, die Leute nach der Festung Glatz abgeführt ^.<
^' Jedenfalls bleibt der Annahme, dass neben den Telegrammen noch andere,
geheime Weisungen bestanden, vorläufig wenigstens der weiteste Spielraum.
^ Nach Renyi's Schreiben vom 0. August an Vetter. (»Pester Lloyd«
vom 17. April lS')7.i
•^) Nach dem Schreiben S i m o n y i's vom I. August an Iranyi und nach
den Aufzeichnungen im Xt)tizbuche des (irafen Seherr-Thoss über den »Kriegsrath,
abgehalten am 31. Juli IN<»0, zu Schillersdorf«. ^Abschrift im K. A.)
* Siehe vorige Note.
*i Im Original unterstrichen.
* Nach 1 r :'i n y i'< lirief aus IJerlin, 26. August 18O6, an Kossuth ^ >Iratai«,
VI, 5l«M kanun nur 4(hj Mann nach Glatz. Feldwebel K e i n h a r t sagte am 18. Oc-
tober lSf*0 aus: -In N«.i>se war die Artillerie und etwa 400 Mann Infanterie als Kc-
Die Legion Klapka 18C6. Iq^
»Oberst Döring- will uns*) gewaltsam nicht abhalten, nach
Ungarn abzumarschieren, aber er giebt uns weder die versprochenen
Kanonen, noch Gewehre, noch Munition.-
>Im*) Lande ist unseres Wissens noch kein*) Aufstand
ausgebrochen, trotzdem die 400.000 Gulden Geld seit 17. d. M.
(Juli) dort angekommen sind.-
»Die zwei Fragen liegen vor: i. Sollen wir trotzdem heute
noch nach Uijgam abmarschieren, um das Land zu insurgieren,
oder sollen wir abwarten, bis wir Gewissheit darüber haben, ob
Preussen uns wenigstens geheim*) unterstützen will mit Muni-
tion, Geld u. s. w. ? 2. Soll Csaky zu diesem Zwecke in das
preussische Hauptquartier gehen ?•
>Ks stimmen für sofortigen Abmarsch: (xeneral Klapka
und Major Ren vi; es stimmen für Abwarten bis zu durch
CsAky einzuholender Nachricht: Komaromy Gyury, Med-
n y a n s z k y Sandor, Baron U e c h t r i t z, Graf Karacsay
Sandor, Ich. wS i m o n y i Ernst war unentschieden, stimmte aber
endlich mit Klapka.«
'Die Majorität macht geltend, dass, wenn wir einmarschieren
und wirklich im Lande Anklang fänden, wir nicht einmal Ge-
wehre und Munition haben, um die Aufständischen zu bewaffnen.
Ferner, dass Oesterreich definitiven Frieden mit Preussen
schliessen würde, um dann Ungarn mit den 300.000 Mann, die
bei Pressburg stehen, zu ecrasieren, das Land wiederum als er-
obertes zu behandeln. Wir hätten nur dann Aussicht auf Erfolg,
wenn Preussen die österreichische Haupt-Armee vor AVien und
Pressburg festhält ^).-
*) Jm Orifjiual unterstrichen.
M 5^'ach R e n y i's .Schreiben vom 9. August an Vetter stimmte auch Graf
C' s a k y für den Einmarsch. Hinj»egen berichtete Simonyi am i. August an
J r ä n y i, C s u k y habe sich mit Komaromy demselben >auf das Entschiedenste«
widersetzt und das Verbleiben befürwortet. Der Schluss dieses Schreibens Hesse ver-
muthen, dass Seherr-Thossim Obigen sich über die Abstimmung S i m o n y i's ge-
irrt habe. Jndess giebt der Graf in seinen »Erinnerungen aus meinem Leben«
(»Deutsche Rundschau«, 1881, lo. Heft, S. 721 ausdrücklich an, Simonyi habe
»sogar sehr warm« für den Einmarsch gesprochen und sagt dann noch: »Beim ersten
Xacht(|uartier ergab sich 7u unser Aller Heiterkeit, dass jener Nichtsoldat d. i. eben
Simonyii, der als Civil-Commissär in Ungarn fungieren sollte und so warm für den
Einmarsch plaidiert hatte, unterwegs umgedreht und dem weniger dornigen Weg nach
J*aris gefolgt war.« Die Fragestellung Klapka's lautete nach diesen »Erinnerungen«,
-ob es der Ehre Ungarns angemessen sei, dass wir uns hier, wie in Italien, nur als eine
Art Vogelscheuche sollen brauchen lassen, ohne es zum wirklichen Kampfe zu bringen.*
Die Majorität habe gegen das Votum K 1 a p k a's gestimmt, mit der Motivierung,
Die Legion Klapka isöß. 13
IQA K i e n a s t.
lieber die Intentionen, welche K 1 a p k a zu seinem Antrage
im Kriegsrathe bestimmten, berichtete Simonyi am nächsten
Tage an Irdnyi mit folgenden Worten: »Klapka war stets
desswegen für die Expedition, weil er sagte, dass wir uns schon
zu weit eingelassen und vor den Preussen so viel geredet hätten,
dass wir uns schämen müssten, zurückzutreten. Er hoflft indessen,
ja glaubt sogar, dass die Preussen ihm Geld und Gewehre nach-
schicken werden *) ; er hofft weiter, dass, wenn der Einfall im
Lande leidliche Aufnahme und Unterstützung finde, Bismarck
wünschen werde, dass die ungarische Nation in den Waffenstill-
stand und in den Friedensschluss mit einbezogen werde *) und
dass, wenn Oesterreich darauf nicht eingehe, der Krieg von
Neuem beginne •*). Was für Gründe und Ursachen er zu diesem
Glauben hat, weiss ich nicht, hoffe jedoch, dass derselbe nicht
auf leeren Einbildungen, sondern auf tieferem Wissen beruhe *).-
Seine nächste Absicht war nach demselben Gewährsmann, >'über
den Jablunka-Pass in das Trentschiner Comitat einzudringen,
Sillein zu erreichen und dann von dort je nach Umständen vor-
zurücken'').« Im schlimmsten Falle glaubte er, sich in die Zips
»dass wir Alle schon genuj; Beweise von Muth gegeben hätten, um eine Verdächtigung
nicht furchten zu müssen, dass es aber ein Verbrechen am Lande wäre, wenn wir durch
unseren Einmarsch dort Aufstände hervorriefen, ohne sie mit der nöthigen Macht
unterstützen zu können.«
*) So berichtete auch Iran vi am 12. August 1866 an Kossuth (»Iratai«
VI, S. 482), Klapka sei trotz des ofliciellen Widerstrebens der Militär-Behörden
aufgebrochen, in der Meinung, dieselben würden ihm nach dem Ende des Waffen
Stillstandes gleichwohl nicht nur lo.ooo Gewehre und zwei Geschütze nachsenden,
sondern ihn auch auf andere Weise unterstützen. Auch habe die Soldatenehre erfor-
dert, dass man aufbreche, da man einmal unter Waffen gestanden. Das habe eine«-
theils die Landsleute darüber beruhigen sollen, dass trotz Allem dennoch eine unga-
rische Armee bestehe, anderseits den Preussen zeigen sollen, dass die Ungarn nicht
lediglich Maulhelden seien. Vergl. dazu auch »Kossuth Lajos iratai«, XU^ S. 88.
*) Vergl. oben S. 1 14 die Aeusserung Jiismarck's zu Seherr-Thoss
in Pardubitz und S. 115 seine Note vom 0. Juli an Goltz in Paris,
'} Graf Seherr-Thoss sagte am 13. August i86(> vor dem Kriegsgerichte
aus: »Ich hielt auch den Marsch nach Ungarn für ein wahnsinniges Unternehmen. . .
Ich wollte nicht dafür stimmen und auch nicht mitgehen ; dass es aber unblutig aus-
fallen werde, war ich überzeugt .... Wochen vorher wurde allerdings davon ge-
sprochen, dass Bismarck den Waffenstillstand nicht wünsche und dass aus
Anlass eines Einfalles der Legion in Ungarn der Krieg fortgesetzt würde. Allein urn
die Zeit, als ... . der Kriegsrath stattfand, hatten sich die Dinge ganz geändert . . .«
*' »Kossuth Lajos iratai«, VI, S. 471.
*' Kben<la, VI, S. 46^). Vergl. oben S. 154. (" u t ^ •> %• «^-»r»^ -on der Ab-
Die Legion Klapka 1866.
195
und, wenn nöthig, weiter nach ^Siebenbürgen und nach der Moldau
durchzuschlagen ^).
Klapka beugte sich indessen vorläufig der Mehrheit des
Kriegsrathes, nach dessen weiterem Beschlüsse Graf Csdky in
das preussische Hauptquartier zu Bismarck, Major R 6 n y i
aber nach Berlin abgehen sollten, um (nach des Letzteren Aus-
druck) »nach Kräften für die endliche Aufkläruug dieser Coa-
fusion« zu arbeiten. Bis zu C s 4k y's Rückkunft sollte die Legion
in Schillersdorf ruhig stehen bleiben. C s a k y und R e n y i ver-
liessen noch am 3 1 . Juli diese Station.
Abänderung des Beschlusses des Kriegsrathes.
»Aber nach Csäky's Abreise«, schreibt Ernst Simon yi
weiters an Iranyi am i. August, >» änderte sich plötzlich die
Situation. Komaromy wollte um jeden Preis abmarschieren
und der Abmarsch wurde auch beschlossen. Was für ein Grund
Komdromy so plötzlich zum Abmärsche bewog, das weiss ich
nicht. Er sagte mir bloss, dass ein Lieutenant, der Adjutant des
preussischen Obersten Döring, ihm vertraulich gesagt habe,
dass wir blind (!) sein müssten, wenn wir nicht sähen, dass die
preussische Regierung unseren Einfall in Ungarn wünsche. Ob
es übrigens der Lieutenant war, oder nicht vielleicht der Oberst
selbst, das weiss ich nicht-).«
Komdromy hielt es aber doch für nöthig, vor der Aus-
führung des neuen Entschlusses sich zu versichern, dass der
einzige Mann, der dazu die Macht hatte, sich der Vorrückung
der Legion in der That zu widersetzen, dies nicht thun werde.
Er begab sich also noch am 3 1 . Juli zugleich mit Simonyi zu
dem General Grafen Stolberg, dem Commandanten jenes
preussischen Detachements, welches seit einer Woche etwa das
Gebiet von Teschen militärisch besetzt hielt. Nach S i m o n y i's
Bericht empfing der General die beiden Ungarn »sehr freundlich
und bedauerte lebhaft«, dass er das erneute Vorgehen der Legion
nicht zugeben könne. '> Hierauf gieng er mit seinem Adjutanten
in das Nebenzimmer, kam aber nach einigen Minuten wieder
*) So I r d n y i am 12. August an Kossuth. (»Iratai«, VF, S. 482.) Vergl.
unten S. 197.
-) »Kossuth Lajos iratai«, VI, S. 470.
13*
196
K i c n a ä l.
zurück und sagte in entschiedener Weise, beinahe im ßefehlstone,
dass er auf keinen Fall den Einbruch und die Verletzunff des
Waffenstillstandes zugeben könne und dass wir hier die Antwort
des Hauptquartiers abwarten sollten. Doch als er das Wort „ab-
warten" aussprach, gab er mit den Augen einen so deutlichen
Wink, dass er das Gegentheil davon wolle, dass es unmöglich
misszuverstehen war *).<•
»»Wir giengen hierauf von ihm fort und vor der Stadt (Oder-
berg? Freistadt?) spazieren, bis unsere Pferde gefüttert waren.
Bald nachher kam der Adjutant des Generals heraus und redete
ziemlich lange mit uns. Im Gespräche Hess er uns so deutlich
als möglich wissen, wo die preussischen Abtheilungen stünden,
so dass daraus zu ersehen war, wir könnten auf uns<*rem Wege
nirgends den Preussen begegnen, als in Jablunkau, wo eine
pr^ussische Compagnie von ihren Truppen stehe. Doch k(*)nne
auch diese, wie er hinzufügte, jeden Augenblick von dort ab-
ziehen. Mit einem Worte, er redete so, dass, obgleich auch er
entschieden gegen unseren Abmarsch war und zum Warten rieth,
wir Beide aus seinen Worten heraushörten, auf d<*m Marsche
würden wir kein Hinderniss finden und sie wünschten, dass wir
aufbrächen.«
'Aus diesen (yründen wurde der Abmarsch auf hrute
(i. August) beschlossen-; und Komaromy drang heut«? so ent-
schieden auf denselbttn, als er g<\stern bt^.'ntimmt gegen ihn war. •
Trotz dieser deutlichen indirect(»n Krmutliigung zum Ab-
märsche scheint aber auch das Misstrauen in d\v preussische
Haltung zu dem Entschlüsse gefülirt zu haben, die Eegion nacli
M<">glichkeit der nächstc^n lünwirkung preussischer Truppen zu
entziehen. Denn bei aller .»>ch<'inbaren Aufmunt(irung durch die
preussischen (Jfliciere war doch nach nitOirtägigem Warten nichts
\i »De niidön a szot moinlottu .varjäk !)e*, oly vilaj^os intest adott szcmcivd,
hogy az cllenkezöjot akarja, ho^y azt fclrccrtciii ncm lehctett.c (.Kossuth Lajt»
irataiv, VI, S. 471.
*| Auch (iraf S c li c r r - T li o & s sajjtc am 8. Aujjust Vi»r dem Kriet;s^erichle
zu Krakau aus, dür Abmarsch ^ci »auf Veranlassung preussischer Officiere* he-
schloÄScn worden. Jlierübcr war his zur I'uldicati«)n der »Krinucrunj^en« des (irafen
im Jahre 1881 nichts in die (JelTenllichkeit ^jedruntjen. Derselbe schrieb daher
schonend: »Teln-r die l'rsachen, welche K 1 a p k a bestimmten, sich über den Bc
schluss des Krie^sralhes hinwe^^zusetzen, nrnj^ eine spätere Zeit einmal Aufschlu'^s j^ebeu.*
Und auc>^ KeMwebel Jl u t k a sa;;te spater aus, Klapka sei am I. Am-nsi
Die Legion Klapka 1866. jq-
geschehen, die Auflösung des in Xeisse zurückgebliebenen Theiles
der Legion rückgängig zu machen und sie der Letzteren nachzu-
senden. Major Renyi schrieb an Vetter, man habe in jenen
Tagen bei der Legion gefürchtet, dass Oberst Döring trotz
Allem es nicht gut mit derselben meine und demselben Gedanken
gab später ein anderer »an der Expedition betheiligter ungari-
scher Officier« Ausdruck; »Nach reiflichen Berathungen beschloss
man, trotz der unzureichenden Kraft und der unzureichenden
Mittel einen Einfall in Ungarn zu versuchen, weniger um das
Land noch zu einem verspäteten Aufstande zu verleiten, als um
zu verhindern, dass die Legion, wie (1859) bei Villafranca, aber-
mals dem traurigen Lose der Entwaffnung entgegengehe, ohne
auch nur ein Zeichen ihrer Kriegsfahigkeit von sich gegeben zu
haben. Uebrigens war das Unternehmen keineswegs so tollkühn
und unberechnet, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.
Die preussischen Truppen unter Graf Stolberg hielten ganz
Schlesien besetzt und die oberen Gegenden Ungarns waren un-
bewacht. Gelang es der Legion, über die Karpathen in das obere
Waag-Thal einzudringen, so war ihre Verbindung mit dem Stoi-
ber gesehen Corps gesichert und es konnten ihr die nöthigen
Verstärkungen und Vorräthe zugesandt werden, die sie in den
Stand setzten, nicht nur ihre Positionen zu behaupten, sondern
vom Trentschiner Comitat aus in das Arvaer, Thuroczer und
Liptauer Comitat und vielleicht bis in die Zips vorzudringen^).«
Gewiss hat auch noch ein drittes Moment zu dem Beschlüsse,
den Einfall zu riskieren, beigetragen ; die mehr oder minder un-
klare Hoffnung auf den Erfolg der ^Sendung Türr's nach dem
Osten. In dem zur Informierung K o s s u t h\s bestimmten Briefe
S i m o n y i\s vom i . August an I r ä n y i drückt sich wohl ein in
dem Kriegsrathe des Vortages zum Ausdrucke gekommener
Wunsch aus, wenn es dort heisst, »dass es jetzt von der aller-
grössten Wichtigkeit ist, dass K 1 a p k a's Einfall nicht vereinzelt
und eine isolierte Thatsache bleibe, sondern dass, wenn nur
immer möglich, auch Türr und Eber, oder wenigstens Einer
von ihnen in das Land einbreche, oder endlich, dass die italienisch-
ungarische Legion irgend eine ähnliche Bewegung und Einfall
vollführe, wie Klapka. Das müsst Ihr in Italien) nun auf alle
*) >Kölnische Zeitung«, Xr. 230, IT. Blatt, vom 19. August 1866. Vergl. oben
S. i()\ mit Anm. 5.
iqS
K i e n a s t.
Weise betreiben, weil von hier (Schillersdorf-Oderberg) die
Verbindung" so unterbrochen ist, dass man ihnen unsererseits
keine Nachrichten zukommen lassen kann ^). «
Befehl Bismarck's zur Verstärkung der Legion.
Wenn General Graf S t o 1 b e r g und Oberst v. Döring
einerseits die ungarische Legion im Geheimen zu einem Schlage
ermunterten, anderseits ihr aber die von derselben nach den
gemachten Zusagen mit Rocht erwartete Hilfe versagten, so
handelten sie beide selbstverständlicli nach den Weisungen der
preussischen Regierung. Ob es in der Absicht der letzteren lag,
den weitgehenden Wünschen der mit ihr liierten ungarischen
Malcontenten zur Verwirklichung zu verhelfen oder nicht, bleibe
dahingestellt; aber sie hatte jedenfalls alles Interesse daran, sie
bei gutem Glauben und gutem Willen zu erhalten, denn sie waren
angesichts der nicht blos in Wien allein herrschenden Besorgniss
vor revolutionären Bewegungen ein allzu wirksames Drohmittel.
Graf B i s m a r c k zögerte deim aucli nicht, davon Gebrauch zu
machen. Als Ende Juli 1866 Russland den Zusammentritt ein(;s
Congresses vorschlug und auch Frankreich dafür gewonnen hatte
besorgten König Wilhelm und sein Minister IH s m a r c k von
einem solchen eine (iefiihrdung der preussischen Waffenerfolge.
B i s m a r c k vermuthete liinter dem Einverständnisse Russlands
mit Frankreich auch Oesterreicli und nahm demnach >'in energisch(?r
Weise Stellung nach allen Seiten. Am 31. Juli ergieng ein vom
Könige genehmigtes Telegramm an Schweinitz (nach Petersburg),
er möge bei dem Kaiser in vorsichtig freundlicher Weise geltend
machen, dass es .... vollständig unmöglich wäre, . . . die (xe-
staltung Deutschlands von den Beschlüssen eines Congresses ab-
hängig zu machen. Der König, fuhr die Depesche fort, ist ab-
wesend; ich kann aber Seiner Majestät nur rathen, wenn die
Einwirkung des Auslandes schärfere Umrisse annehmen sollte, die
*) >Kossuth Lajüs iratai«, VI, S. 472. Trotz des zuletzt betonten Umstandes
gienfj nach K o s s u t h's Behauptung (»Iratai«, VI, S. 446) am 31. Juli aus dem
Lajjer von Annaber^ bei Oderberg ein Telegramm ab, welches ihn von dem »zur
Rettung der Fahnenehre< beschlossenen Einbrüche verständigte. Nach der Sachlage
kann allerdings Csaky nicht der ^"fifr^^-rr «'•••" ^-^rh h?» '=''^^ ..:^ii-,;^>>» .rr>«n(i
vnd*» - "^«lines Xar^*'"»« bedie«»
Die Legion Klapka 1866. jqq
volle nationale Kraft Deutschlands und der angrenzenden Länder
zum Behufe des Widerstandes zu entfesseln. Dies waren deutliche
Worte und der Hinweis auf „die angrenzenden Länder" mochte
d^n Beherrschern Polens und Ungarns zu denken geben').«
Die Gelegenheit war zu günstig, als dass sie Bismarck
sich hätte entgehen lassen dürfen, seine ungarischen Freunde in
Schillersdorf, deren Ungeduld und Missstimmung ihm wohl nicht
ganz fremd blieb, mit neuem Vertrauen zu ei-füUen. Nach der
Behauptung des officiellen preussischen Geschichtsschreibers soll
er zwar für die Bildung einer ungarischen Legion -sich bisher
mit geringerem Eifer, als Usedom und Moltke interessiert«
haben (?), »jetzt aber befahl er, so weit wie möglich für ihre Ver-
stärkung zu sorgen -)<'•
Ob und wann Graf C s 4 k y mit Bismarck zusammen-
getroffen und von diesem selbst über seine letzte Verfügung
unterrichtet worden, ist aus dem vorliegenden Materiale nicht zu
entnehmen^. Major Renyi aber berichtete am 9. August an
Vetter: » Als ich in Berlin ankam und in das Staats-Ministerium
gieng, da kam mir Alles mit Freude entgegen und man theilte
mir mit, dass in F'olge der Depesche des Grrafen von Bismarck,
die ich zu lesen bekommen habe, die weitere Organisierung und
Vergrösserung der Legion angeordnet wurde. Diese freudige
Nachricht theilte ich sogleich brieflich dem Oberst von Döring,
dem (xeneral Klapka und Herrn von Komäromy mit. Ich
schickte nämlich noch am i. August den Hauptmann von Kubinyi
in's Lager ^j.« Der aber traf die Legion nicht mehr in Schillersdorf.
Der Einfall Klapka's in Ungarn. (Zweiter Ausmarsch.)
Klapka hatte an demselben Tage, um 4 Uhr Nachmittags,
mit der Legion unter dem Vorwande eines Uebungsmarsches den
^) S y b e 1, >Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I.«, V,
346 u. ff. Vergl. dazu Hopf, »Die deutsche Krisis des Jahres 1866c, 2. Aufl.,
S. 363 u. ff.
») S y b e 1, a. a. O., V, 348.
^) Nach I r d n y i, der am 6. August nach Berlin kam, war C s a k y vor
einem oder zwei Tagen aus Böhmen dort eingetroffen. (»Kossuth Lajos iratai<, VI,
549.) Bismarck war am 3. August in Prag und reiste von dort am 4. zugleich mit
seinem königlichen Herrn nach Berlin zurück.
*; > Pester Lloyd € vom 17. April 1897.
tQQ K i c n d s t.
Zug nach Ungarn angetreten. »An diesem Tage,* erzählt Hutka*),
»wichen wir den Ortschaften strenge aus und suchten nur auf
Nebenwegen zu marschieren, damit unsere Richtung nicht ver-
rathen werde;« und weiters: *Dabei sollte man jede Zusammen-
kunft mit der preussischen Armee sorgfaltig vermeiden, damit es
den Anschein habe, als seiKlapka ohne Vorwissen der Preussen
und auf eigene Faust nach Ungarn eingebrochen; denn damals
währte die am 22. Juli begonnene Waffenruhe und Preussen
wollte sich nicht vorwerfen lassen, dass es die Waffenruhe ge-
brochen habe durch Genehmigung der Klapka'schen Invasion
nach Ungarn. Ich bin damals der einzige Adjutant der Legion
gewesen und war natürlich in Alles eingeweiht. Jene Weisung
an die Legion (nämlich die Begegnung mit preussischen Truppen
zu vermeiden) ertheilte Klapka über preussische Information-).
Dieser gemäss marschierte die Legion .... aus Schillersdorf über
Ostrau in einen Wald ab, wo wir in einer grossen herrschaftlichen
Meierei übernachteten. «< Da nach anderen Nachrichten^) die Legion
bei Schemhof lagerte, so ist die von H u t k a erwähnte Meierei
vielleicht identisch mit dem einen Kilometer nördlich dieses Ortes,
am Südende des Obora-Waldes gelegenen >'Alleehofe''. Die Legion
hat also am i. August wahrscheinlich den von Schillersdorf durch
den Schillersdorfer Forst nach Süden führend(*n Weg verfolgt,
dann auf Plätten (vermuthlich oberhalb von Ilruschau) die Oder
übersetzt^) und, bei Polnisch-Ostrau etwas nach Norden ausbiegend,
auf der mich Teschen führenden Strasse den Alleehof bei Schönhof
erreicht. Sie dürfte zu diesem etwa 20 Kilometer langen Wege
wenigstens sechs Stunden bencithigt haben und ungefähr um
Mitternacht bei dem Meierhofe eingelangt sein, denn es blieben,
wie Hutka erzählt, kaum vier bis fünf Stunden Zeit zur Ruhe,
weil am nächsten Tage der Marsch um 6 Uhr früh schon wieder
fortgesetzt wurde.
Am 2. August führte der Weg von Schönhof in der Richtung
nach wSüden auf einer Nebenstrasse nach Sedlischt, wo (wohl um
') Kremser Acten, Nr. II 8.
-I Vergl. (»ben S. l<)3 u. ff. <lie Mitlheilunj»eii Simonyi's über seine und
K o m ä r () m y's l'nlorredun;,' mit S t o 1 b e r j» und dessen Adjutanten.
*) Z. B. nach <lem Telej^ramme des schlesischen Landeschefs aus Hielit/, 2. Aujjust,
an FML. R z i k o w s k y in Krakau. i K. A., Festunjj Krakau iiJ66, VlII. 14.-
*i Dieses Detail ist dem von Abafi-Aigncr im »Pesler TJoydc vom
17. April IS07 veniffcntlichten Auszuj»e eines von Hir ' • im >'*''M »Urlo.w ■ «
\ \}a\)' "SS? -»•-'»♦T« li^^V*«*» Vl'»*»i at***' '"*" '**' ^'"^ T mn'"' »• f^rr^'n.
Die Legion Klapka 1866. 20I
der Stadt PMedeck nicht zu nahe zu kommen) die Richtung nach
Osten über Brusowitz nach Pazdziema eingeschlagen wurde. Nach
dem etwa dreieinhalbstündigen Marsche Hess Klapka die Legion
hier rasten und abkochen ^), um dann nach weiteren drei Stunden
über Dobrau und Raschkowitz das am Xordfasse der Karpathen
gelegene Dorf Morawka zu erreichen-).
Am 3. August wurde der Weitermarsch mit grauendem Tage,
um 3 Uhr Morgens angetreten, denn es galt heute, die ungarische
Grenze zu erreichen und dahin einen beschwerlichen Weg durch
das enge, von steilen und bewaldeten Höhen eingeschlossene Thal
des Mochelnica-Baches zurückzulegen. Die horizontale Entfernung
betrug freilich nur an 15 Kilometer, aber es musste auf dieser
kurzen Strecke eine Steigung von mehr als 500 Metern über-
wunden werden. Dabei war die erste Hälfte des Weges kaum
noch eine Strasse zu nennen, die zweite Hälfte gar nur ein Saumweg,
und dennoch mussten nicht nur Mann und Pferd, sondern auch
die Wagen mit den Verpflegsvorräthen für die Mittagsrast vorwärts
kommen bis zum >• weissen Kreuz«, welches nur an 500 Schritte
von dem nächsten Puncte der ungarischen Grenze (Sulov, Trian-
gulierungspunct 943 Meter) und nur an 1000 Schritte von der
Stelle steht, wo die Grenzen von Ungarn, Mähren und Schlesien
(bei Cote 898) zusammenstossen.
War es nun so ausgedacht oder traf es sich in Folge eines
schönen Zufalles, gleichviel: iui hellen Mittagsscheine bot sich
von der Höhe des Sulov aus der Legion der Ausblick in das un-
garische Vaterland. Abergläubische Zeichendeuter mochten freilich
darüber bedenklich die Köpfe schütteln, dass sich das Ereigniss
just an einem Freitage zutrug. Mit begeisterten »Eljen« begrüsste
die Legion das Vaterland. Hutka erzählt: 5* Um 11 Uhr Vor-
mittags betrat die Legion den ungarischen Boden, und da erinnere
ich mich, dass die meisten Officiere, welche nicht Kriegsgefangene
waren, ausriefen : » Gepriesen sei der Himmel ! Nach 1 8 Jahren Ver-
bannung betreten wir abermals den heiligen Boden Ungarns!«
*} Bericht des Obersten Friedrich Fischer vom 8. August (K. A., F. A.
Operierende Armee 1866, VIII, ad 391.)
'^j Drei Telegramme des schlesischen Landeschefs, Bielitz, 3. Auj^ust. i K. A.,
F. A. Operierende Armee 1866, VII, 712 h, Abschrift und VIII, 80 b. Original,
dann Festung Krakau x866, VIII, 16, Original.) Nach M o g y o r 6 d y's Bericht vom
9. Octoher i866 an Kossuth (Iratai, VII, 88) wäre die Legion am i. August
bis Bludowitz, am 2. aber über Schöbischowitz und Dobrau in das Lniger bei
Raschkowitz gelangt. Das gäbe einen etwas längeren Marsch und ist auch sonst nicht
ganz wahrscheinlich.
^Q2 K i e n as
Beim »weissen Kreuze« wurde im Walde gelagert und ab-
gekocht; die preussischen Vorspann- Wagen, welche die offenbar
am Vortage im Morawka-Thale beschafften Vorräthe für den
Mittag des 3. August mitgeführt hatten, kehrten von hier aus in
ihre Aufbruchsstation zurück *). Die Legion aber setzte, nach
entsprechender Ruhe und durch die gehobene Stimmung des
Augenblicks doppelt gestärkt, den Weg nach Süden fort. Es
dürfte daher jetzt umso weniger ernstlich beachtet worden sein,
dass der Pfad anfanglich nicht besser war als am Vormittage,
weil es dazu auch noch bergab gieng. In den letzten anderthalb
Stunden marschierte die Legion im Predmir-Thale auf der guten
Strasse, welche aus dem Ostravica-Thale von Friedland her über
das Gebirge nach Turzovka im Kisuca-Thale fuhrt, wo sie in
später Nachmittagsstunde -) einlangte.
Noch beim > weissen Kreuz« hatten zwei Boten die Legion
eingeholt: Hauptmann Kubinyi und der preussische Lieutenant
A n d r e. Der erstere war von Oberst Döring aus Oderberg
geschickt, angeblich um K 1 a p k a zurückzuberufen. Zugleich über-
brachte er diesem und Komäromy von R e n y i in Berlin die
Nachricht, dass Bismarck trotz des bereits abgeschlossenen
und nun auch schon eingetretenen Waffenstillstandes die Legion
erhalten und sich verstärken lassen wolle ^j.
Es ist nicht leicht zu bezweifeln, dass Klapka schon vor
dem Abmärsche aus Schillersdorf von dem Abschlüsse des Waffen-
stillstandes zwischen Oesterreich und Preussen gewusst habe *).
Es ist daher unverständlich, wenn berichtet wird, Klapka habe
erst auf dem Wege nach Ungarn durch den von S t o 1 b e r g
nachgesendeten Lieutenant Andre von dem Waffenstillstände'')
oder, wie Klapka selbst in einem noch anzuführenden Briefe
*) Telegramm des schlesischen Landeschefs, Bielitz, 3. August. (K. A., F. A.
Operierende Armee 1866, Vlll. 89 b, 115 a.)
*) Nach R e i n h a r t um 4, nach H i n d y um 5, nach H u t k a um 7 Uhr
Abends. Die Angabe, dass die Legion erst am 4. August nach Turzovka gelangt *sei
(Oesterreichs Kämpfe im Jahre 1866, IV, 202), ist nach genauer Prüfung aller vor-
liegenden (Quellen nicht zutreft'end.
') R6nyi an Vetter, 9. August 1866.
*) Das geht auch aus dem Berichte eines Gliedes der Legion in der »Kölnischen
Zeitungc vom 19. August 1866 hervor. Dort heisst es unter Anderem: »Der Waffen-
stillstand traf die Ungarn wie ein Blitz aus heiterem Himmel«; aber »nach reiflichen
Berathungen beschloss man« etc. dennoch den Zug nach Ungarn.
•1 Iran vi, Berlin, 13. August 1866 an Kossuth <»lratpi«^ 'i. 48^.) So
Die Legion Klapka 1866.
203
vom 12. August sagte, »von der vierwöchentlichen Verlängerung -^
desselben erfahren^). Es ist schon höchst sonderbar, dass Andr6
am 3. August erst der Legion die nähere Kunde von der doch
gleichzeitig mit dem Waffenstillstände festgesetzten Demarcations-
linie -) überbracht haben soll. Doch muss man wohl daran glauben,
wenn man liest, dass Graf Stolberg, gewiss ebenso sonderbarer
Weise, am i. August Nachmittags noch nicht den Zug der Demar-
cationslinie gekannt habe ^). Da aber der Graf noch vor dem Ab-
märsche der Legion sich so sehr hatte angelegen sein lassen,
dieselbe über die damalige Stellung der preussischen Truppen in
Oesterreichisch-Schlesien zu unterrichten, so liess er sie jetzt, am
3. August, dem Tage seines Rückzuges aus Schlesien, durch
Lieutenant Andre wohl auch über die neue Dislocation seines
Detachements informieren, denn sonst hätte Klapka kaum wissen
können, dass er am 5. August ein Schreiben an General Stol-
berg gerade nach Mährisch-Ostrau adressieren müsse. Eine solche
Mittheilung war nothwendig, denn die Legion hatte beim Ab-
marsch aus Schillersdorf allem Anscheine nach mit der damaligen
Vertheilung des Stolberg'schen Corps gerechnet*).
Wenn Lieutenant Andre auch wirklich keine anderen Mit-
theilungen zu machen hatte, so konnte der kundige Klapka doch
schon aus ihnen allein entnehmen, dass er sich, wenn er nicht
reüssierte, nicht mehr etwa nach Oderberg, sondern an einen
näheren Punkt der Demarcationslinie gegen Westen zurück-
zuziehen hatte, wie ihm denn auch zwei Tage später durch einen.
^) Nach M o g y o r ü d y's Bericht vom 9. October 1866 brachte Andre die
Nachricht, >dass Preussen mit Oesterreich einen neuen einmonatlichen Waffenstillstand
geschlossen habe«. Klarer wird die Sache auch durch diesen Ausdruck nicht.
^) Vergl. > Oesterreichs Kämpfe im Jahre 1866«, IV, 187 u. ff.
^) GM. Braisach telegraphierte am I. August, 4 Uhr 5 Minuten Nach-
mittags aus Bielitz an FML. Rzikowsky: »General Stolberg theilt mir soeben
mit, dass er von seinem Ober-Commando bis jetzt keine Bestimmung über die Demar-
cation.slinie erhalten habe.« (K. A., Festung Krakau, 1866, VIII, 5.)
Nach Mogyorödy's Bericht meldete Andre beim »weissen Kreuz«, dass
Stolberg die Expedition nicht unterstützen könne, »weil der Waffenstillstand den
Pass von Jablunkau in die Hände der Oesterreicher gebe.« Auch dieser Wortlaut
deutet auf eine ungenaue Auffassung der Demarcationslinie.
In der nachträglichen Aussage des Feldwebels R e i n h a r t (Kremser- Acten
Nr. 123) fmdet sich die vereinzelte Angabe, ein preussischcr Officier habe die Legion
von Schillersdorf bis an die ungarische Grenze geführt und sei dann wieder zurück-
gekehrt. R e i n h a r t meint wahrscheinlich den Lieutenant Andre.
*) Vergl. oben S. 197 das Excerpt aus der »Kölnischen Zeitung«.
2QA K i e n a s t.
den O est erreichern in die Hände g"efallenen Brief in englischer
Sprache ausdrücklich nahezulegen versucht wurde ^).
War dem aber so, dann durfte K 1 a p k a vorerst ruhig bei
seiner von Simonyi überlieferten Absicht bleiben, nämlich der,
womöglich wenigstens Sillein zu erreichen, »um zu sehen, wie das
Volk sie aufnehme und welche Unterstützung sie zu Hause hoffen
könnten«, dann aber »von dort je nach Umständen vorzugehen«* ^.
Da man jedoch schon beim »weissen Kreuz« auf kaiserliche
Uhlanen gestossen war ^ • und auch auf dem Wege nach Turzovka
von dem Vormarsche einer österreichischen Uhlanen-Abtheilung
gegen Friedland erfahren hatte ^). so beschloss der Soldat K 1 a p k a
gewiss auch, sich über die offenbar gegen ihn selbst oder doch
sicher zur Wiederbesetzung des Teschener Kreises vorrückenden
Truppen Gewissheit zu verschaffen. Während daher die Officiere
M Ueber diesen Brief wir<l noch de^ Weiteren zu handeln sein.
In dem Schreiben R e n y i's vom '). Au^u^^t an Vetter findet sich die Andeutung,
Andre habe imXamen derprcussischen Regierung; Klapka aufgefoidert, zurückzukehren.
So schlankweg ohne alle Voraussetzungen und Bedingungen dürfte wohl die Aufforderung
nicht gestellt worden sein. Aber R e n y i hatte nicht mehr Ursache, auf dieselben ein-
zugehen, da die Rückkehr bereits erfolgt war, als er schrieb. Klapka hätte, wenn
er auf die Legion bauen durfte, sich wohl auch nicht aus Ungarn so ohneweiters
hinauscommandieren lassen, da er nun einmal in dessen Grenzen stand.
Graf S t o 1 b e r g un<l die preussische Regierung haben sich nachher in Sachen
des Grafen Seherr-Thoss wirklich auf tinen Rückberufungs-Befehl bezogen. War
er vielleicht nur erlassen worden, um sich seiner gegebenen Falls als Handhabe zu
bedienen ?
-') Damit stimmt auch Mogyorödy's Bericht an Kossuth (»Iratai^, VlI,
S8 I übercin. Klapka habe nach A n d r e's Meldung einem Kriegsrathe auseinander-
gesetzt, wie er für die Expedition nach Ungarn auf den Jablunka-Pass gerechnet, von
<lort her Geschütz«.. Waffen und neue Verstärkungen erwartet und im schlimmsten
Falle eine Rückendeckung erhofft habe, wenn er zu Hause keine Sympathien finde.
Klapka habe vorgeschlagen, entweder auf demselben Wege zurückzukehren, wa«< die
Mannschaft entmuthigen würde und zugleich die Gefahr brächte, dass die nacheilenden
Oesterrcicher die Passdefileen besetzten, oder aber nach Turzovka vorzugehen, dieses,
wenn es die Oesterreicher schon besetzt hätten, zu nehmen, den Sinn der Nation zu
prüfen und, wenn sie die Legion zurückweiche, auf dem Wege über die Karpathen
nach Gross-Karlowitz zu den Preussen umzukehren. Der Kriegsrath habe für die
zweite Alternative entschieden, und so sei also die Legion um vier Uhr Nachmittags
vom >weissen Kreuze* nach Turzovka aufgebrochen.
■'! » Erinnerungen « des Grafen Seherr-Thoss ui. a. (). S. 72): >. ..über-
schritten wir die ungari^^che Grenze, wo wir auf die ersten Uhlanen stiess?n.€ Vergl.
aui-h R e n y i*s Schreiben vom O.August an Vetter und Mogyorody'* Bericht
vom 0. < )ctober an K o s < u l h
^1 Es war die halbe vierte Escadron des Uhlanen-H^riir -'''♦"■ '^'- ' »«««r ^*ni
Die Legion Klapka 1866.
205
der Legion sich durch den Pfarrer von Turzovka, »bei dem einige
ungarische Honoratioren beisammen waren«, bewirthen Hessen,
gieng ein höherer Officier aus dem Stabe K 1 a p k a's ^) auf Re-
cognoscierung. In diesem Sinne lauten denn auch die Angaben
Hutka's*-), mit deren Anführung sich zugleich die Erzählung der
Thatgeschichte fortsetzt:
»Um sieben Uhr Abends erreichte man den Ort Turzovka
im Trentschiner Comitate, vor welchem wir bivouakierten. Als
das Bivouac aufgeschlagen war, begab sich Graf Karacsay in
den Ort hinein, um Erkundigungen über die Lage und die Be-
wegungen der österreichischen Truppen einzuziehen. Als er nach
einer Stunde zurückkehrte^), rapportierte er in meiner Gegen-
wart an die Generale Klapka und Bethlen, dass die Oester-
reicher fast von allen Seiten gegen die Legion heranrückten, und
zwar von Csdca ein Bataillon Rossbach-Infanterie und eine Uhlanen-
Escadron, von Trentschin her ein Bataillon Jäger, für deren
schnelle Beförderung die Vorspann-Wagen schon bestellt seien,
von Biala her ein Bataillon Erzherzog Joseph-Infanterie nebst einer
Cavallerie- Abtheilung. «
vNachdem ich über erhaltenen Befehl die Vorposten um das
Lager herum aufgestellt hatte, — dazu wurden zwei Compagnien
verwendet — , wurde ich nach meiner, um zehn Uhr Abends
erfolgten Rückkehr in das Bivouac zum Obersten Mogyorody
bestellt, der mir den Befehl ertheilte, mich zum General Klapka
zu begeben, um die Ordre de bataille für den folgenden Tag in
Empfang zu nehmen Da überbrachte ich an Mogyorödy den
schriftlichen Befehl K 1 a p k a's mit dem Inhalte : Die Legion hat
in stärksten Eilmärschen den Rückzug aus Ungarn gegen die
preussischen Truppen anzutreten. Auf zwei Uhr Xachmitternacht
war die Abmarschstunde bestimmt. Dieser Befehl wurde den
Herren Stabsofficieren mit dem weiteren Inhalte bekanntgegeben,
dass die Legion sehr stark und von allen Seiten verfolgt werde
M Nach H u t k a Graf Karacsay, nach H i n d y Graf Bethlen.
■^ Kremser- Acten Nr. II 8.
') Ungefähr zur gleichen Zeit muss der Infanterie-Zug auf Wagen unter Com-
mando des k. k. Lieutenants Mafachowsky in Turzovka angekommen sein.
Darüber, sowie auch über die anderen Bewegungen der k. k. Truppen weiter unten.
Wenn Mogyorödy an Kossuth (»Iratai«, VIT, 90) berichtete, in der Nacht
noch seien vierzig (österreichische Jäger als Quartiermacher (?) nach Turzovka ge-
kommen, hätten sich aber vor der Legion rasch zurückgezogen, so sind damit jeden-
falls die Leute des Lieutenants Matachowsky gemeint.
2o6 K i e n a St.
und dass sie nur auf der Route über Karlowitz, RoÄnau und
Pohl nach Mähren entkommen könne, wie es auch geschehen ist.*
»Woher Graf Karacsay jene Auskunft über unsere Ver-
folgung eingezogen, ist mir nicht bekannt, Thatsache ist, dass er
sie aus Turzovka gebracht hat« ^).
Ueber die Aufnahme der Legion in Turzovka sagt H i n d y :
»Die slovakische Bewohnerschaft empfieng sie mit heller Freude.
Schon seit dem Jahre 1840 erwarteten sie die Ungarn und nun
sind sie endlich dennoch angekommen.« Auch Iranyi schrieb
am 13. August aus Berlin ähnlich an Kossuth: »Das Volk
empfieng die Unsrigen sehr gut und als Alexander Med-
nyänszky ihnen unter Anderem auch sagte, dass sich bei
ihnen (d. i. den Ungarn der Legion) »pan Kossuth< befinde,
da zogen sie die Hüte. Auch traten von ihnen zwei Bursche
in die Legion ein« ^).
H u tk a dagegen deponierte : »Die Bevölkerung in Ungarn ^)
war durch unser Erscheinen augenscheinlich überrascht. Sie
wusste gar nicht, dass die Legion dem K 1 a p k a unterstehe.
Alle riefen: »Es kommen die Preussen mit rothen Mützen.-
Unsere aus Husaren bestandene Avantgarde erklärte dem Orts-
vorsteher, dass es keine Preussen sind, die kommen, sondern
Ungarn unter Klapka. Die Leute verhielten sich sehr reserviert
und kalt der Legion gegenüber. Nirgends merkte man eine
^ , Graf .Seherr-Thoss erzählt in seinen > Erinnerungen aus meinem Lehen«
(»Deutsche Rundschau«, l88i, lo. Heft, S. 721, dass dem Kriegsrathe am 31. Juli in
Schillersdorf ausser den Stabsoflicieren der Legion auch >zwei Nichtsoldaten« beige-
wohnt haben. Der eine derselben war bestimmt Ernst von S i m o n y i, der andere
wahrscheinlich Graf Karacsay. Dieser dürfte demnach die Expedition in Civil-
kleidern mitgemacht haben und es ist nicht unwahrscheinlich, dass eben desswegen
gerade er zur Einholung von Kundschaft über die Ocsterreicher ausgeschickt wurde
und dass ihm, dem anscheinend harmlosen Frager, Lieutenant M a t a c h o w s k y
selbst, oder einer seiner Soldaten Aufklärungen über die Bewegungen der k. k.
Truppen gegeben hat. Vergl. übrigens auch die Erzählung H i n d y's lim »Pester
Lloyd« vom 17. April 1897.) Nach Mogyorödy empfieng die Legion auch von
zwei in Turzovka anwesenden Comitats-Beamten Nachrichten über die Oestcrreicher.
-) »Kossuth Lajos iratai«,Vl, S. 482. Nach den »Erinnerungen« des Grafen
Seherr-Thoss (a. a. S., S. 72) sollen sich sogar »zwanzig ungarische Slovaken«
der Legion »als Freiwillige« angeschlossen haben.
'^ Das ist jene des Trentschiner Comitats, dessen 244.000 F^inwohner mit
f)4 Proccn»-» 'er slovakischen, mit beinahe fünf Procenten der deutschen "»^'^ »^u
Die Legion Klapka 1866. 20"
Bewillkommnung oder einen sonstigen Freudenausdruck. Von
Eljen- oder dergleichen Rufen war keine Spur zu hören *) . . .
. . . Man versuchte es gar nicht, die Civil-Bevölkerung zu haran-
guieren, denn man sagte es offen heraus: Hier sind lauter Slo-
vaken und keine Ungarn, darum sind sie so kalt für die Sache.«
Wer halbwegs über die auch schon vor dem Jahre 1848 sich
offenbarende Stimmung der ungarländischen Slovaken gegenüber
dem herrschenden Magyarenthume unterrichtet ist ^, wird nicht
umhin können, der schlichten Erzählung H u t k a's Glauben zu
schenken, besonders, wenn auch K o s s u t h es bald nach dem
Einfalle der Legion als eine Verrücktheit bezeichnet, dass
Klapka unter die Trentschiner Slovaken gerathen sei ^).
Der Rückzug der Legion aus Ungarn.
Unter dem Drucke der österreichischen Gegenmassregeln
und gleicherweise der wenig ermuthigenden Aufnahme in Ungarn
trat die Legion am 4. August den Rückzug aus dem Vaterlande
gegen Mähren zu, flussaufwärts im Thale der Kisuca, etwa um
drei Uhr morgens an. Es galt, die Grenze Mährens zu erreichen,
innerhalb deren man in Folge eines Missverständnisses sich auch
hinter der die Preussen und Oesterreicher trennenden Demar-
cationslinie zu befinden glaubte. Es galt auch den nächsten
grösseren Ort Mährens zu erreichen, wo die Legion genügend
Verpflegsvorräthe anzutreffen hoffen durfte. Das war voraussichtlich
in dem über dreissig Kilometer entfernten Gross-Karlowitz im
Thale der Oberen Beczwa der Fall. Der Weg dahin war nicht
viel weniger sclnvierig, als am Vortage, denn wieder mussten
die Karpathen auf der Wasserscheide zwischen der Waag und
March überschritten werden und wieder gieng die Strasse gerade im
anstrengendsten Theile des Marsches, schon bei dem von Turzovka
') H u t k a erzählte (nach Xr. 118 der Kremser Acten) unmittelbar anschliessend :
>Ob der Legion der nämliche kalte Empfang auch tiefer im Lande zu Theil geworden
wäre, das weiss ich nicht. Ich habe aber Grund, vom Gegentheilc versichert zu sein.
Denn ich hörte die Generale mit Graf C s d k y und K d r ol y i öfters sprechen ; da
sagten sie: »Wenn wir nur Kaschau und Leutschau erreichen, etc.«. (Siehe oben S. 154.)
*) Vergl. darüber z. B. K r o n e s, Gesch. d. Neuzeit Oesterreichs, S. 574
u. ff. u. a. m. a. O.
^) Kossuth (iratai, VI, 4471 an Gräfin K d r o 1 y i, Turin, 7. August 1866.
(»...Klapka elment...., hova?...a trencs^ni totok köz^ü C* est de la folie...«)
^Q^ K i e n a s t.
•
nur fünfeinhalb Kilometer entfernten Viszoka-Makö in einen
schlechten Fahrweg über, der bis zur mährischen Grenze anhielt.
Dazu waren die Communicationslinien durch einen seit dem Abend
des Vortages im ganzen Gebiete der West-Beskiden fallenden
Landregen verdorben und es musste auch sonst langsam marschiert
werden, wenn die Nachhut nicht preisgegeben werd<EÄi sollte, denn
sie musste den Weg hinter sich zur Abhaltung der etwa nach-
drängenden Oesterreicher unbrauchbar machen, insbesondere alle
Brücken zerstören, eine Aufgabe, mit welcher Major Grisza
betraut war. I3ie Legion passierte daher, aus dem Kisuca-Thale
in jenes des Trojacko-Baches nach Nordwesten abbiegend, erst
gegen Mittag den Visoka-Pass ') und stand nun auf dem ver-
meintlich schützenden Boden Mährens. Noch immer waren an
neun Kilometer zurückzuliegen und in den ersten Nachmittags-
stunden, etwa um zwei oder drei Uhr, erreichte die Legion, er-
schöpft und hungrig, (iross-Karlowitz: ausserhalb desselben wurde
ein Lager bezogen -).
Gleichzeitig mit dem Abmarsch aus Turzovka mussten die
Führer der Legion die betrübende Erfahrung machen, dass die
Desertion, wc^lche bisher einen Abgang von 13 Mann verursacht
hatte, nun auch im Ofticiers-Corp^ auftrat. Schon vor der An-
werbung in Neisse bestanden W^rabn^lungen, bei nächster (le-
legenheit von der Legion zu d(»n k. k. Truppen zu entweichen.
Die Nachricht von dem Kintn.'ffen solcher in der Nähe von
Turzovka machte die Ausführung des Planes räthlich, ja dring-
lich. Aber da mit gutem Vorb(*dacht in der Legion ausgestreut
worden, die ( )esterreicher würden keinen Legionär pardonnieren
' was in d(*r That befohlen worden war) und da somit das Leben
in Gefahr stand, ob man iur oder gegen Klapka wählte, so
wagten nur die Lieutenante li u t k a, R e i n h a r t und II o r-
vath den Versuch, der jedoch nur den b(?iden Letzteren glückte,
während Hutka zur Z(»it, als die Legion bertiits den Marsch
nach Westen antrat, zwischen drei und vier Uhr Morgens von
einer Husaren-Patrouille der Nachhut ergriffen und als Desert(»ur
vor Klapka gt^bracht wurde. Als di«* Entweichung der Offi-
(uere unter der Mannschaft ruchbar geworden, desertierten in
*' »Kölnische Zeitung* vom 10. Aiijijust iS6<*. Vcrj^l. auch H i n d y. (Siehe
Note 4 aufs. 200.) Turzovka liej^t 471 v/, tier Visoka-Sattel 804 w üher dem Mceresspiefiel.
-') Schriftliche Meldun^j des Bezirks-Vorstehers vc T^ />*"...!, ^« a...ju'"*. 5 l'^
Die Legion Klapka 1800.
209
den ersten Tagen zu 20 ^lann, so dass das Lager strengstens
mit Wachen umgeben werden musste. Dies geschah schon auf
dem Rückmarsche bei Karlowitz. Im ganzen desertierten bei
70 Mann und 3 Officiere« ^).
Am 5. August muss die Legion wieder frühzeitig von Gross-
Karlowitz aufgebrochen sein, denn schon um halb neun Uhr Vor-
mittags kam die Spitze ihrer Vorhut inRoznau an, wohin sie 18 Kilo-
meter, allerdings auf einer guten Strasse, jedoch mit Ueber-
windung einer bedeutenden Steigung von Gross-Karlowitz (circa
400 ;// hoch gelegen) bis zur nahen Solanhöhe (Triangulierungs-
punkt 860 ;//) zurückzulegen hatte. Der Bezirks -Vorsteh er von
Roznau berichtete noch am 5. August über das Eintreffen der
Legion an das Festungs-Commando in Olmütz, wie folgt:
»Heute Früh um halb neun Uhr . . . sprengten drei Mann
Husaren vor das Bezirksamtsgebäude und der Führer forderte
mit gegen meine Brust gerichtetem Revolver mich auf, ihm die
Gendarmerie-Kaserne zu zeigen. Ich wandte mich jedoch an
den, dem Vortrab commandierenden Oberlieutenant mit den
Worten, dass ich der Bezirks- Vorsteher bin und kein Gendarm
loco sei, da der Postenführer nach Gross-Karlowitz und der zweite
Gendarm gegen Walachisch-Meseritsch abgegangen sei.«
> In diesem Moment traf der Proviant-Officier ein, den ich
an den anwesenden Bürgermeister gewiesen und der 1500 Por-
tionen Brod ä iV» Pfund, 20 Centner Heu, 20 Centner Stroh,
7V2 Centner Fleisch und 2 Klafter Holz mit den Worten requi-
rierte, dass Alles baar bezahlt werden wird.«
»Kurz darauf rückte unter Trommelschlag die Infanterie
nebst 23 Vorspannwagen und dem Hauptquartier ein. Den
Schluss machten abermals Husaren . . . . «
'Die meisten Officiere und Husaren sind schlecht beritten
und haben alte, muthmasslich ausgemusterte Cavallerie-Pferde . . .
Die Infanterie campiert vor Roznau nächst der Strasse gegen
Walachisch-Meseritsch, ein Theil derselben auf dem Platze,
wo im Hotel >» Radhost« Klapka sein Hauptquartier aufge-
schlagen hat. Die Cavallerie campiert circa 500 Schritte rechts
von der Infanterie vor Roznau. <
»Da sich einige Kaufleute von Frankstadt, die auf der
Durchfahrt nach Ungarn begriffen waren und deren zwei Wagen
M Kremser Acten, Nr. 118. Die Aussagen H u l k a's werden auch von an-
deren Legionären bekräftigt.
Die Legion Klarka 1H3C. 14
2IO Kienast.
aufgehalten worden, mit der Bitte an mich gewendet haben,
ihnen freien Durchzug zu erwirken, gieng ich zum Insurgenten-
General Klapka, der ihneh auch einen Geleitschein aus-
stellen liess.*<
>Auch ersuchte ich ihn, da die Frucht auf den Feldern noch
nicht abgemäht ist, diese zu schonen, da die hiesige Bevölke-
rung sehr arm ist, was er mir auch zusagte und, wie ich mich
später im Lager selbst überzeugt, gehalten hat, da die Felder
durch Piquets bewacht werden.^
»Da ich auch noch in Erfahrung gebracht, dass der hiesige
Gendarmerie-Postenfiihrer in Gross-Karlowitz gefangen genommen
worden sein soll, begab ich mich nochmals zu Klapka mit
dem Ersuchen, denselben freizulassen, da er von mir aus Anlass
einer Wallfahrt nach Gross-Karlowitz abgesendet worden ist.
Klapka erwiderte, dass der Postenführer in Gross-Karlowitz
heute P^rüh bereits freigelassen wurde und ersuchte mich, sowohl
den Curgästen, als auch der einheimischen Bevölkerung zu
sagen, dass er die strengste Mannszucht halte und Niemand
etwas zu fürchten habe.-
"Ein Lieutenant sagte mir im Lager, dass diese Truppe
möglicherweise acht Tage bei Roznau campieren werde, da die-
selbe noch nicht concentriert sei und hier ihre .Cavallerie und
Artillerie erwarten wolle *).'<
Aehnlich berichtete die Olmützer »Neue Zeit- unter dem
7. August aus Roznau: »Am 4. d. M. verbreitete sich hier die
Nachricht, dass in Karlowitz ungarische Freischärler eingerückt
wären. Der (xendarmerie - Commandant patrouillierte sogleich
dahin, fiel jedoch der Bande in die Hände. Sonntag (d. i. am
5. August) Früh, 9 Uhr, sprengten plötzlich berittene Frei-
schärh^r in die Stadt, visitierten mit gespannten Revolvern die
Gendarmerie-Kasern(», wo sie jedoch niemand fanden und be-
setzten Mit Ausgänge. liald nachher kam das Ilauptcorps unter
dem Commando des (xenerals Klapka . . . . Das Corps lagerte
sich auf all(*n pass«*nden Plätzen, requirierte Fleisch, Brod,
Hafer, Heu, L(*inwand, Charpie, Medicamente und zahlte Alles
baar mit preussischem Silber. •<
M K. A., Festunji Ulmiitz Ih66, VIII, 7 c. Der JJe""^* ^ -»""häftijjt sich auch
111'* der Adjustierung der i-,er'"" "D'* -o»««*^»«« "«icirrioi. . r''*^ weiss»
Die Legion Klapka 1S66. 2 l i
Wie schon aus der vom Bezirks- Vorsteher berichteten
Aeusserung eines Lieutenants, die Legion werde eventuell acht
Tage in Roznau bleiben und daselbst Verstärkungen erwarten,
hervorgeht, scheint man in derselben allgemein geglaubt zu
haben, dass man sich in Roznau innerhalb der Demarcations-
linie befinde. Auch Kl a p k a selbst muss dieser Meinung ge-
wesen sein, sonst hätte er wohl kaum jetzt schon dem General
Grafen Stolberg geschrieben, wie folgt:
»Euer Hochgeboren habe ich die Ehre anzuzeigen, dass
ich, mit der ungarischen Legion von Turzovka kommend, gestern
bei Karlowitz das mährische Gebiet betreten und heute hier in
Roznau eingetroffen bin. Ich habe hier ein Bivouac bezogen
und erbitte mir von Euer Hochgeboren die weiteren Weisungen.«
»Die kleine Schaar hat sich während der anstrengenden
Märsche der letzten vier Tage bewährt und würde dieselbe
stolz darauf sein, unter die directen Befehle von Euer Hoch-
geboren bis zu ihrer eventuellen Verwendung in
Ungarn gestellt zu werden. Mit der ausgezeichnetsten Hoch-
achtung Euer Hochgeboren ergebenster Georg Klapka m.p.
Roznau, am 5. August 1866, i Uhr Nachmittags.«
Dieses Schreiben, dessen Siegel das ungarische Wappen
mit der Umschrift »Ejszaki magyar sereg parancsnoksäga«
( »Commando der ungarischen Nord- Armee«) aufwies, sollte Major
Graf Seherr-Thoss dem Grafen Stolberg nach Mährisch-
Ostrau überbringen. Klapka gab ihm auch einen Privatbrief
mit der Adresse an »Madame Inez Arbonin« in Brüssel, ver-
mutlich zur Weiterbeförderung durch die preussische Feldpost,
mit, welcher in französischer Sprache abgefasst war und in
deutscher Uebersetzung lautet:
»In aller Eile. — 5. August 1866.«
»Mein liebes Weibchen ! Ich bin hier in Roznau in Mähren,
gesund und heil, nachdem ich mit meiner in vier Tagen errichteten
Truppe zweimal die Karpathen überstiegen und den Oesterreichern
einen sehr unangenehmen Streich gespielt habe. Die letzteren hatten
gegen uns, was nur immer möglich war, zusammengezogen, und ich
mit 1500 Mann, ich gieng ihnen in Ungarn um den Bart herum
mit einem Gesammtverlust von drei Marodeurs-.
»Sie werden mich vielleicht morgen hier
aufsuchen und das wünsche ich, weil es dasein-
14*
2 12 Kienast.
zige Büttel ist, die Preussen blosszu stellen und
sie zu zwingen, uns offen zu unterstützen. Ich
umarme Dich etc. Georg m. p.<'
K 1 a p k a dürfte also angenommen haben, dass die Oester-
reicher im Eifer der Verfolgung, der er sich ausgesetzt wusste,
die Demarcationslinie überschreiten und so den Preussen zwin-
genden Anlass zur Fortsetzung des Krieges geben würden ;
dann durfte er noch hoffen, mit der Legion in Ungarn ver-
wendet zu werden, wie er dies in dem dienstlichen Schreiben
an den Grafen Stolberg zum Ausdrucke gebracht hatte. Es
mag dahingestellt bleiben, ob der Wunsch, die Preussen zu
compromittieren und zu offener Unterstützung zu zwingen,
K 1 a p k a vielleicht schon bei seinem Votum im Kriegsrathe des
31. Juli zu Schillersdorf geleitet hat. Damals Hess er nichts
darüber verlauten oder es ist w^enigstens nichts davon über-
liefert. Man wird aus dem vertraulichen Briefe eher herauslesen
dürfen, dass Klapka seine Hoffnungen auf preussische Unter-
stützung seiner Expedition für diesmal getäuscht sah; aus diesem
Gefühle entsprang ganz natürlich der Wunsch, die Preussen
durch eine Zwangslage gefügiger zu machen. Doch sei dem,
wie ihm wolle, thatsächUch hat Klapka das Herankommen der
Oesterreicher doch nicht abgewartet und es mag daher in dem
Briefe an das geUebte Weib auch ein wenig Renommisterei mit
unterlaufen sein.
Bevor Graf S e h e r r - T h o s s nach Ostrau abgieng, schrieb
auch er noch um 3 Uhr Nachmittags tnnen Brief an seine Ge-
mahlin, um ihn gleichfalls im Stabsquartier des preussischen
Generals der Eeldpost übergeben zu können. Derselbe lautete:
^Mein theures Kvchen ! In Eile nur so viel, dass Du wissest,
dass unsere Expedition beendigt *) und unblutig, aber doch ehren-
voll betmdet ist. Wir sind vorgestern in Ungarn eingebrochen,
sind 30 Stunden darin gebliebi^n — als Protest gegen Üester-
reich — und haben es gestern Nachmittag wieder verlassen -), da
* In der Vorlajje unterstrichen. Dies uml der Ausdruck selbst bestätigen gleich-
falls, dass die Legion in Roznau sich hinter der Demarcationslinie im preussischen
Machtbereiche zu befinden glaubte.
*' Dies kann kaum viel später, als etwa I Uhr Nachmitta:;s geschehen sein.
Die kurze Spanne Zeit von y» Stunden ist also noch um zehn Stunden zu lang an-
gegeben, da die Legion nach Jlutka's Zeugniss am 3. August, I ''hr '^'ormittags,
beim »\vei^sen Kreuze« ankam. n;""h M o g y o r ■ ' y's p— ---Kt .»-. .» 2 Uhr
Die Legion Klapka 1866-
213
zehnfache Uebermacht uns von allen Seiten entgegen kam. Hier
sind wir auf neutralem, von Preussen besetztem Gebiet und ich
reise soeben nach Mistek zu General Stolberg, um ihm unser
Eintreffen hier zu melden. Ich kehre dann auf paar Tage wieder
hieher und hoffe, bald bei Euch zu sein.«
»Sehr hübsch hat sich ein preussischer Officier, Andre, be-
nommen. Er ritt in einem Tage von Schillersdorf bis nach Un-
garn hinein, um uns Nachrichten zu bringen. Ihm trug ich auf.
Dir das Telegramm zu senden, das Du erhalten haben wirst.«
»Nun Gott mit Euch und auf Wiedersehen in zehn bis vier-
zehn Tagen ! Tausend Küsse für Euch Alle und eine Million für
Dich noch extra. Freue Dich, dass ich mit dabei war! Dein
A(rthur) m. p.« ^)
Nach der Abreise des Grafen Seherr-Thoss glaubte sich
die Legion in Ro^nau gütlich thun zu dürfen. »Gegen Abend
spielte eine Zigeuner-Bande auf dem Platze, während die Officiere
vor dem Hotel »Radhost«« sassen, als plötzlich ein Trompeter
angesprengt kam und Allarm blies. Alles lief zusammen und
marschierte bald darauf gegen Meseritsch ab. Die Ursache des
Abmarsches waren kaiserliche Uhlanen, welche von Frankstadt
herankamen und einen ungarischen Major (Seherr-Thoss), der
sorglos auf der Strasse nach Frankstadt gefahren war, gefangen
hatten. Zugleich hörte man, dass eine kaiserliche Brigade den
Freischaaren von Karlowitz her auf dem Fusse folge .... Von
den Ungarn waren zwei Mann freiwillig zurückgeblieben, ein
dritter stark betrunken .... -).«
Die Annäherung der Oesterreicher an die vermeintliche De-
marcationslinie hätte übrigens die Legion nicht so sehr aufge-
scheucht — Klapka hätte sich ja sogar darauf gefreut, nach
Verletzung derselben angegriffen zu werden — aber nach anderer
Quelle ') hatte sich ein RoÄnauer Badegast aus der Zips berufen
gefühlt, seine ungarischen Landsleute darauf aufmerksam zu
machen, dass Ro2nau noch gar nicht innerhalb der Demarcations-
^) Die drei mitgetheilten Schreiben sind in den Process-Acten des Grafen
Seherr-Thoss in gerichtlich beglaubigten Abschriften erhalten. (K. A.)
*) Fortsetzung der weiter oben begonnenen Correspondenz der Olmütrer »Neuen
Zeit« aus Roznau, 7. August, abgedruckt in der »Neuen Freien Presse« vom 13. August
1866 (»Kriegsmiscellen«) und in der Wiener »Militär-Zeitung« vom 18. August 1866.
*) Hindy (im »Pester Lloyd« vom 17. April 1897).
21 A Kienast.
linie liege, sondern dass dieselbe — in Luftlinie zwischen Xapa-
gedl und Oderberg — fünf Stunden weiter westlich führe, was
den Thatsachen entsprach. Die Legion befand sich sonach gegen
alle Voraussetzung noch immer in der Gefahr, durch die von
Osten her in mehreren Colonnen anrückenden Oesterreicher
mit Fug und Recht angegriffen und möglicherweise aufgerieben
zu werden. Das also ist der eigentliche Grund, warum K 1 a p k a
um 8 Uhr Abends plötzlich Allarm schlagen Hess und noch um
9 Uhr 45 Minuten Nachts von Ro^nau fluchtartig nach AValachisch-
Meseritsch abmarschierte^), wo die Legion mit 135 Vorspann-
wagen, die Husaren-Escadron in der Nachhut, nach Zurücklegung
von dreizehn Kilometern »ziemlich ermattet « um halb i Uhr
^lorgens ankam ^j.
Nach einer Rast von anderthalb Stunden wurde der Marsch
fortgesetzt und bald nach Sonnenaufgang, zwischen 5 und Uhr
am Morgen des 6. August, das über zehn Kilometer entfernte
Hustopetsch erreicht. Der Gutsbesitzer daselbst, der pensionierte
Rittmeister Josef Freiherr von B a i 1 1 o u, gab der Legion, welche
er als »nach Art der Ilonveds aus den Jahren 1848 und 1849
adjustiert, mit schlechten Gewehren versehen und die wenige
Cavallerie schlecht beritten«' schilderte, das Zeugniss, dass sie in
Hustopetsch >' nicht requiriert, sondern bloss um Lebensmittel und
Vorspann gegen Entgelt angesucht* habe. Der Bezirks- Vorsteher
von Walachisch-Meseritsch hatte die Stärke der Ungarn noch auf
»1500 Mann, worunter 80 Cavalleristen« geschätzt, Rittmeister
Baron B a i 1 1 o u gab sie nur noch mit *» 1 400 bis 1 500 Mann In-
fanterie, dann ungefähr 30 Mann Cavallerie*^ an ^;.
In Hustopetsch befand sich die Legion wohl schon knapp
hinter der Demarcationslinie, aber es mochte doch, um einen
Zusammenstoss mit den Oesterreichem zu vermeiden, für gut
befunden worden sein, an der Seite preussischer Truppen zu
stehen, damit jedem Missverständniss und etwaigem Uebereifer
ein Riegel vorgeschoben sei. Nach längerer Ruhe marschierte
daher die Legion in ungefähr zwei Stunden über den nur an
*) Meldung des Bezirks Vorstehers von Rozuau, 6. August. «K. A.. F. A.
Operierende Armee 1866, VIII, 195.»
-> Telegramm des Bezirks- Vorstehers von Walachisch-Meseritsch. 6. Au^just.
(K, A.. Festung Olmütz 1866, VIII. ad 8, Abschrift. 1
•) Meldung des Bezirksamtes Mährisch- Weisskirchen ^^. August, an d:«" Fe-
■tungS' '^'^nr»"^'^"'J'^ f^^^^" z, (K ^ i ' , Op**»"'* •"<'*» Arm«- «/ *fii ^m
iJie Legion Klapka läG6. 2 1^
hundert Meter hohen Bergrücken, welcher nordlich von Husto-
petsch die Flussgebiete der Oder und March von einander
scheidet, nach Pohl, einer Station der Kaiser Ferdinands-Nord-
bahn, welche von 40 Mann preussischer Etappen- Truppen besetzt
war. Bei der Eisenbahnstation bezog sie um die Mittagsstunde
ein Lager ^).
In Pohl verblieb die Legion zwei Tage, genug Zeit, um die
Verhandlung gegen den desertierten und wieder eingefangenen
Legions - Lieutenant Hutka aufzunehmen. Derselbe erzählte
nachher darüber: »Am 4. August marschierte ich unter Escorte
über Karlowitz und Ro2nau mit der Legion nach Pohl, welches
am 6. August erreicht wurde. Am 7. trat um 10 Uhr Morgens
ein Kriegsrecht zusammen, welches mich zum Tode durch Er-
schiessen verurtheilte. Dieses Todesurtheil wurde um halb 1 2 Uhr
unter Trommelschlag publiciert und ich vorbereitet, mich auf den
Tod gefasst zu machen. Des Nachmittags kamen eine Menge
Neugieriger in mein Gefängniss, um mich zu sehen. Auch der
Ortspfarrer Wolf besuchte mich/ Er und der Eisenbahn-Cassier
Franz Leitner sprachen mir Trost zu. Beide sagten mir, sich
um meine Pardonnierung verwendet zu haben. Am Abend wurde
mir diese durch den Herrn Obersten Mogyorödy auch bekannt
gegeben und ich aufgefordert, wieder einzutreten. Allein ich war
schon der Comödie überdrüssig und zog es vor, in die Gefangen-
schaft zu gehen, wohin man mich bis Danzig auch gebracht hat *).«
Während des Aufenthaltes bei Pohl scheinen Theile der
Legion zu Fuss und zu Pferde einzelne Bewegungen ausgeführt
zu haben; so hiess es am 7. August, dass »130 Klapka-Husaren«
in Mankendorf eingetroffen seien, und nach Petersdorf und Heinzen-
dorf, sämmtlich bei Odrau gelegen, sollte K 1 a p k a'sche Infanterie
kommen^. Welchen Zweck diese Bewegungen hatten, ist nur in
^) Meldung des Bezirksamtes Neutitschein, 6. August. (K. A., Festung Olmütz,
1866, VIII, 8; vergl. VIII, 10.) Nach der »Kölnischen Zeitungc vom 19. August 1866
traf die Legion erst am Nachmittage des 6. August hinter der Eisenbahn ein und
schloss sich dem in der Nähe (in Odrau?) stehenden königl. preussischen Infanteric-
Regimente Nr. 41 an.
*) Kremser Acten Nr. 118. Die Aussagen H u t k a's über seine Verartheilung
und Begnadigung werden auch durch die spätere gerichtliche Einvernahme des Coope-
rators Wolf und des Bahncassiers Leitner bestätigt. (Kremser Acten Nr. 24, 48,
vergl. auch Nr 100, 115 u. a. ro.)
3) K. A.. Festung Olmütz 1866, VIII, ad 10, II.
2i5 Kienast.
einem Falle ersichtlich: in Deutsch-Jassnitz beiXeutitschein wurden
unter Assistenz eines preussischen Officiers Verpflegs-Erfordernisse
requiriert und baar bezahlt*).
Dem ganzen Spuk, welcher, wie verschiedene Meldungen
beweisen, die Umgegend sehr beunruhigte, machten endlich zwei
preussische Eisenbahnzüge ein Ende, welche die Legion am
8. August um halb 2 Uhr Nachmittags von Pohl in der Richtung
gegen Oderberg fortbeförderten-). Vor der Abfahrt aus Pohl soll
der preussische General v. Hörn mit K 1 a p k a conferiert haben ^.
Mit welchen Hoffnungen der letztere nach den, gewiss mit den
EntSchliessungen B i s m a r c k's vom 3 1 . Juli zusammenhängenden
Mittheilungen des preussischen Generals nach Schlesien zurück-
kehrte, mag daraus erseli(»n werden, dass er schon am folgenden
Tage aus Rakau an K o s s u t h schrieb, er würde sich glücklich
schätzen, wenn derselbe von dort aus in Kürze zugleich mit ihm
und seinen Freunden mit einer wohl ausgerüsteten Armee in das
geliebte Vaterland zurückkehren könnte. Er werde sich übrigens
auf ein paar Wochen zu seiner Familie begeben und überlasse
auf diese Zeit die weitere Organisation der ungarischen Legion
in Preussen dem Obersten M o g y o r 6 d y *).
Vor seinem Abgange noch versendete er folgendes Schreiben
an deutsche und französische Zeitungen:
»In verschiedenen französischen und deutschen Blättern wird
eine angeblich von mir an die ungarischen Kriegsgefangenen in
Preussen gerichtete Proclamation veröffentlicht, an deren Redaction
ich keinen Antheil nahm und deren Verbreitung mir zu spät zur
Kenntniss gelangte ''), In denselben Blättern, sowie in telegraphischen,
meist aus Wien datierten Berichten wurde ferner die Nachricht
Vi Ebenda, VIII. 13.
*; Ebenda, VIII, 12. i Bezirks-Vorstehcr von Mähr.-Weisskirchen, S.August, an
Festungs-Commaudo in Olmütz: »Ich beehre mich, dem löblichen Festungs-Commando
mitzutheilen, dass das K I a p k a'sche Corps nicht, wie ich mit der Zuschrift vom
7. d. M. auf Grund einer mir zugekommenen falschen Meldung angezeigt hatte, schon
gestern Pohl verlassen hat, sondern es ist dieses Insurgenten -Corps, wie ich mich durch
den heute eigens nach Pohl abgesendeten Boten überzeugte, erst heute um iVi Uhr
Nachmittags mittelst zweier preussischer Eisenbahnzüge in der Richtung gegen Oder-
berg von Pohl wegbefördert worden.«)
• Kundschafts-Rapport des Evidenz- Bureaus des Kriegs-Ministc'ums vom
II. Au^'ust IS06. (K. A., F. A. Operierende Armee 1866, VUT p: ,
* »Kossuth Lajos iratai«, VI, 521.
Die Legion Klapka 186ö. ^ ^ -
verbreitet, dass ich mit 6 bis 7000 früheren Kriegsgefangenen in
Ungarn eingebrochen sei, wo mich, kaum angelangt, die meisten
derselben verlassen hätten und zu ihren respectiven österreichischen
Fahnen zurückgekehrt wären ^). Zur Berichtigung all' dieser irrigen
und absichtlich entstellten Behauptungen Folgendes:
»Die ungarische Legion in Preussen, bei deren Organisation
ich mich directe nicht betheiligte, deren Commando ich aber Ende
Juli auf die Aufforderung meiner Freunde und Landsleute über-
nahm, stand am i. August, zur Zeit, als die österreichischen Blätter
bereits deren Versprengung verkündigten, ruhig und unbehelligt
in ihrem Lager bei Schillersdorf nächst Oderberg in Preussisch-
Schlesien^). Dieselbe brach erst an diesem Tage (und zwar um
4 Uhr Abends) und nicht in der Stärke von 7000 Mann, sondern
blos mit 1500 Mann und 150 Pferden auf, um die von Schlesien
nach Ungarn führenden Karpathen-Päs^e zu recognoscieren und
eventuell sich in den Thälem jenseits des Gebirges festzusetzen.«
»Am 3. August überschritt die Legion die ungarische Grenze,
besetzte den Ort Turzovka, erhielt noch auf dem Wege dahin die
Nachricht von der vierwöchentlichen Verlängerung des Waffen-
stillstandes und kehrte hierauf, sich den Bedingungen des Waffen-
stillstandes fügend und die Karpathen wieder passierend, nach
der preussischen Demarcationslinie zurück, wo sie am 7. bei Pohl
in Mähren eintraf*).«
»Die Legion hatte auf ihrem Streifzuge zweimal, und zwar
auf den schlechtesten Gebirgswegen, die Karpathen überstiegen,
hatte von dort auf ihrem Rückzuge in Mitte (?) feindlicher Colonnen,
die ihr von mehreren Seiten nachgesendet wurden und auf mähri-
schem, somit feindlichem Gebiete, noch drei Märsche bis zur
preussischen Demarcationslinie zurückzulegen und kam daselbst in
der musterhaftesten Ordnung und ganz in derselben Stärke (?) an,
wie sie sechs Tage früher das Lager bei Schillersdorf verlassen
hatte. Rakau (Ober-Schlesien), 12. August 1866. G. Klapka*).«
*) Vergl. oben S. 190, Anm. I.
') Der Leser weiss bereits, dass alle die hier gerügten, allerdings vielfach un-
richtigen und übertriebenen Nachrichten sich auf den ersten Ausmarsch der Legion
von Oderberg (am 28. Juli) beziehen, was Klapka verschweigt.
•; Der berichtigende Klapka bedarf hier selbst der Berichtigung. Die Legion
traf erinnerlicher Weise schon am 6. August bei Pohl ein.
*) Mitgetheilt in der > Neuen Freien Presse € vom 20. August 1866. (Abendblatt.)
2^3 Kienast.
Mittlerweile hatten wohl Kossuth'sche Intriguen, von denen
noch die Rede sein wird, Verstimmung*en in die Officierskreise
der Legion getragen. Wahrscheinlich diese viel mehr, als etwa eine
Unzufriedenheit der preussischen Regierung über einen Legions-
Commandanten, der nicht zu gehorchen verstand'), haben Klapka
bewogen, sich wenigstens vorläufig von der Legion ganz zurück-
zuziehen. Vetter theilte er seinen Entschluss mit folgendem
Briefe aus Rakau, den 14, August, mit:
»Lieber Freund ! Da nun unser Zug vollbracht und der
f^ortbestand der Legion niclit vor, sondern nach deren Ver-
stärkung gesichert ist, so ziehe ich mich von der Schaubühne
wieder hinter die Coulisse und zwar zu meiner Familie nach Brüssel
zurück.«
>• Braucht man mich später, so möge man mich rufen. Das
Commando der Legion übertrug ich auf M o g y o r 6 d y und Dir
fällt es zu, als General-Inspector von neuem Deine Functionen
anzutreten.-
vDie Legion hat sich auf dem höchst beschwerlichen Streif-
zug über die Karpathen ganz vortrefflich benommen und würden
wir, wenn 14 Tage früher, einen Spaziergang mit ihr durch ganz
Ungarn haben machen können. Da uns am dritten Tage un-
serer Operation bereits alle Auswege und Verbindungen mit
Schlesien von den Oesterreichern verlegt waren, so blieb mir
nichts übrig, als den Rückweg durch ^lähren über Karlowitz,
Roznau, Meseritsch, Ilustopetsch nach Pohl an die preussische
Demarcationslinie zu wählen, wo wir in derselben Stärke an-
langten, wie wir 7 (?) Tage früher das Bivouac bei Schillersdorf
verlassen hatten. «
»Und nun, mein theurer Freund, bitte ich Dich, über alle
Fragen Dich mit C s a k y zu verständigen, der als Vertreter des
Comites mit Drygalski hier bei der Legion bleibt. '^
Ich reise heute über Herlin nach Brüssel zurück.-
Der Stab der Legion ist in Bauerwitz an d<»r Ratibor-
Leobschützer Kisenbahn. F^ wäre sch(")n, wenn Du die Legion
je eher inspicieren würdest.
"Von Herzen Dfin treuer (t. Klapka.
1 Wi" '^ )) ■ f • - ^A « i» »' ■ T '"» »l'eS^^r ^J*»' ' v"'** -. *"'!'' n^*»ir\t
Die Legion Klapka 1866. 2io
»P, S. Seherr-Thoss allein ist in österreichische Hände
gefallen. Bereits sind Schritte geschehen, um seine Freilassung
zu erwirken^).«
So schied also Klapka von einer Truppe der zweifel-
haftesten völkerrechtlichen Qualitäten, der er für alle Zeiten
seinen Namen gegeben, ohne doch ihr Schöpfer gewesen zu
sein. Er sah sie nicht wieder. Der nächste der Oeffentlichkeit
bekannt gewordene Brief Klapka's ist vom 23. August 1866
aus Brüssel datiert ^. Wenige Tage über einen Monat nachher
hatte die Legion zu existieren aufgehört; an ihrem Zustande-
kommen war er jedoch nicht gar so unschuldig, als er in seinem
Schreiben vom 12. August den Anschein erwecken möchte").
^) Mitgetheilt von Abafi-Aigner im > Pester Lloyd € vom 17. April 1897.
*) Kossuth Lajos iratai, VI, 533.
*) Georg Klapka kehrte im Jahre 1867 nach Ungarn zurück und wurde
noch im Jahre des österreichisch-ungarischen Ausgleiches von dem Wahlbezirke Illava,
i. J. 1869 von seiner Vaterstadt Temesvar in den ungarischen Reichstag entsendet.
Doch behagte ihm das parlamentarische Getriebe nicht lange. Vielleicht Hessen ihm
auch seine verschiedenen industriellen Bestrebungen, die sich selbst bis Genua, Con-
stantinopel und Kairo erstreckten, nicht genügende Zeit dazu übrig. Obwohl er sich
an eine Französin (Arbonin) gut verheiratet hatte, lebte er doch häufig in sehr
schwankenden Vermögensverhältnissen. Was er 1873 besass, verlor er durch den
grossen > Krache. Finanziell konnte er sich von diesem Schlage nie wieder ganz
erholen. Während des russisch-türkischen Krieges 1876 — 77 gab er der Pforte mili-
tärische Rathschläge. Er träumte dabei auch von einem türkisch-ungarischen Kriege
gegen Russland.
Klapka starb, fem von seiner in Paris lebenden Familie, am 17. Mai 1892
an Herzschlag in einem Hotelzimmer von Budapest. Bis an seinen Tod war er ein
erbitterter Feind Oesterreichs geblieben.
In dem Nachruf des > Pester Lloyd« vom 17. Mai 1892 (Abendblatt) heisst es
über ihn : >Wie weit auch er, gleich Anderen, dem grossen Irrthum unterlag, als
könnten die europäischen Machthaber die ungarische Bewegung zu etwas Anderem,
als zum Mittel für ihre eigenen Zwecke benützen wollen, als würde die Befreiung des
Landes (Ungarn) auch nur ein untergeordnetes Motiv ihrer Politik bilden, — das mag
jetzt ununtersucht bleiben. Thatsache ist, dass er sich im preussisch-österreichischen
Kriege von B i s m a r c k als Werkzeug gebrauchen oder missbrauchen Hess. Thatsache
ist aber auch, dass er alsdann aus jenen Erfahrungen die richtigen Schlüsse zog, dass
er, wieder in die Heimath zurückgekehrt, rasch alle Reminiscenzen der Emigranten-
Politik abschwor, weil er aus der unmittelbaren Anschauung die Ueberzeugung ge-
wonnen hatte, dass Ungarn eine europäische Stellung nur einnehmen und inmitten
der gewaltigen Völkerfluthungen seinen Bestand nur sichern könne, wenn es als
gleichberechtigter und mitentscheidender Factor der habsburgischen Monarchie da-
steht. Darum war er auch ein überzeugter Anhänger des staatsrechtlichen Ausgleichs
und nahm, ins Abgeordnetenhaus gewählt, seinen Platz in den Reihen der Dedk-
Partei ein. Kein glänzenderes Zeugniss für die Lauterkeit seines politischen Charakters,
<> fQ K i c n u s t.
Georg" Klapka hat nach dem jähen Abschlüsse der Feind-
selig'koiten zwischen Frankreich-Sardinien und Oesterreich im
Jahre 1859 g"anz richtig* erkannt und es auch ausgesprochen, dass
Napoleon III. der ungarischen Emigration (in der Person
Kossuth's) »nie etwas Gewisses versprochen, sondern (sie) nur
für den Fall möglicher Eventualitäten zu Vorbereitung'en er-
muntert hat. Die Rolle, die man uns spielen Hess, war wohl keine
i sehr ruhmreiche^) . . .« Liest man diese Worte, so begreift man
nicht leicht, warum sich Klapka im Jahre 1866 wieder zu einer
] ebenso wenig ruhmreichen Rolle hergegeben. Und doch muss es
•I eine Erklärung hiefür geben. Weder der Hass Klapka's gegen
i Oesterreich, noch die Aufmunterung durch die Freunde reichen
•; als solche aus. Sie liegt vielleicht in der Bewunderung, welche
* die Revolutionäre aller Länder der That G a r i b a 1 d i\s zollten,
1 der am 6. Mai 1860 mit 1067 Mann von Genua ausfuhr und nach
1 der Landung bei Marsala das Königreich Neapel über den Haufen
warf. Wie sich nun seitdem bei jedem »unterdrückten« Volke ein
1 oder der andere Mann fand, der sich in den Kopf setzte, »der
I Garibaldi«' seiner Nation zu werden, so mochte sich gleicher Weise
in Klapka der Glaube festgesetzt haben, auch er könne unter
günstigen Umständen mit ähnlich geringen Kräften einmal in
Ungarn Erfolge erzielen ; die Wendung in dem zuletzt angeführten
Briefe an \^ e 1 1 e r, er hätte mit der Legion 1 4 Tage früher
einen Spaziergang durch ganz Ungarn machen können, lässt
schliessen, dass er sich noch immer demselben Gedankengange
hingab, den er nach einer Berathung der 1861 im Vereine mit Italien
gegen Oesterreich eventuell auszuführenden Kriegsoperationen mit
Vetter in folgenden Worten zum Ausdrucke brachte: -Vetter's
Ansichten stimmen mit den meinigen zumeist überoin, nur dass
als dies ! Wie schnell hätte Klapka mit dem Ruhme seiner Verjjanßenhcit in
j den Augen der staatsrechtlichen (Opposition zum National-Heiligen emporwachsen
I können ! Aber er liebte seine Ueberzeugung und vor Allem sein Vaterland mehr,
i als persönlichen Ehrgeiz und schillernde Popularität und so hande.te er, wie er
•f, eben gehandelt«.
• Ks bleibe dahin gestellt, ob das, was in diesem PancgjTikus über den polt-
l tischen Charakter und die politischen Ansichten K 1 a p k a's gesagt wird, nicht etwa
von der Parteistellung des > Pester I-loyd« beeintlusst ist. Wenn es trotzdem hier
angeführt wird, so geschii-ht dies, weil Kl apka durch diese A"'^'"jhrung in einen
offensichtlichen Gegensalz zu dem damals noch lebenden Koss"**^ res»*»ll» wird, üb
absichtlich oder nicht, auch das bleibe dahingestellt.
*) Klapka, Turin, 14. Au; ist 185«), "" Kr--v • ^. j- ■* • A. Emigr.
I, 52K»
M
Die Legion KiupUa 1866. 22 1
der alte Herr auf die alten Formen und Systeme noch sehr viel
hält. Garibaldi hat alles Hergebrachte über Bord geworfen
und doch grosse Dinge vollbracht. Seine Hauptfactoren waren:
die Begeisterung des Volkes und seine raschen Entschlüsse, durch
welche das Volk überrumpelt wurde*).« AuchKlapka und seine
Freunde träumten von einem ähnlichen Anschwellen der schwachen
Legion zu einem grossen Heere, wie es mit den berühmten »Tausend
von Marsala« thatsächlich der Fall gewesen. Doch übersahen sie,
dass Garibaldi das Volk in Sicilien und Neapel schon im Auf-
stande vorfand und sie irrten auch in der Hoffnung, dass es dem
Grafen Cs4ky gelingen werde, Ungarn rechtzeitig in den ge-
wünschten Zustand des Aufruhrs zu versetzen. Sie haben insgesammt
die Neigung des ungarischen Volkes zu activem Widerstände zu
hoch angeschlagen und endlich, was der Hauptfehler war, die
oftbewährte zähe Consistenz des alten Habsburger-Reiches weit
unterschätzt. Das musste sich rächen. Die Expedition K 1 a p k a's
nach Ungarn ist denn auch wirklich nicht, wie Seherr-Thoss
am 5. August schrieb, »ehrenvoll beendet« worden, sondern sie
war richtiger, wie dies K o s s u t h schon zwei Tage später iij einem
Briefe an die Gräfin Kdrolyi bemerkte, »ein ungeheuer lächer-
liches Fiasco^«.
Die Berichterstattung der Tagesblätter über die Expedition.
Klapka hätte sich wahrscheinlich nicht so sehr über die
»irrigen und absichtlich entstellten Behauptungen^ der Zeitungen
moquiert, wenn er nicht durch den Hinweis auf Wien als Quelle
zugleich einen Hieb gegen das verhasste Oesterreich hätte führen
können. Denn so erfahren war wohl auch er, dass unrichtige Nach-
richten, die deswegen noch lange nicht »absichtlich entstellt« sein
müssen, durchaus keine Specialität Oesterreichs oder etwa des
Krieges von 1866 sind. Bei der Bearbeitung dieser Zeilen hat sich
oft genug die Nothwendigkeit ergeben, aus den sich sehr häufig
geradezu widersprechenden amtlichen und dienstlichen Kleidungen
den wahren Sachverhalt herauszuschälen. Es liegt nahe, dass es
mit den Privatnachrichten der Blätter eher schlechter, als besser
*) Klapka's Tagebuch, 8. November 1860. ^^K o s s u t h, Schriften a. d.
Emigr., III, 245.)
^ >. . . egy öriäsilag nevetscges üasco ...« (>Kossuth Lajos iratai«, VI, 446.)
222 Kienast.
bestellt ist. Es bleibe hier ganz unerortert, ob hiebei auch mehr
oder minder verwerfliche Ursachen mitspielen, doch wird es gewiss
auch dem Leser von Interesse sein, auf die Berichterstattung
speciell über die Legion Klapka seitens eines der damals gelesensten
und auch lesenswerthesten Journale einen flüchtigen Blick zu
werfen.
Die Augsburger »Allgemeine Zeitung« unterrichtete ihre
Leser über die Entstehung der Legion in ganz ausreichender
Weise. Noch am i. August veröffentlichte sie ausführliche und
werthvolle Daten über die Fahnenweihe und Eidesleistung der
Legion in Neisse, die weiter oben auch gewürdigt und verwerthet
wurden. Noch am 3. August berichtete sie nach Wiener Blättern
über den ersten Abmarch der Lei^ion von Oderberg und publi-
cierte im Anschlüsse hieran die unter dem Namen K 1 a p k a's an
die kriegsgefangenen Ungarn erlassene Proclamation.
In der Nummer vom 10. August nun erschien von dem
***-Correspondenten »von der schlesisch-böhmischen Grenze-', der
also von den mit der Legion im Zusammenhang stehenden Er-
eignissen wegen der Nähe des Schauplatzes leicht besser hätte
unterrichtet sein können, als die Wiener Blätter, unter dem Datum
»5. August <, als die Legion bereits auf dem Rückzuge aus Ungarn
inRoznau stand, folgende Notiz: -Das Gerücht, dass die ungarische
Legion wieder entwaffnet werden soll, hat sich nicht bf^stätigt.
Dieselbe ist zwar unter K 1 a p k a's Führung über die Oder zurück-
gegangen, hat aber bei Schillersdorf, dritthalb Meilen südlich von
Ratibor, ein Lager bezogen und soll später zur Besetzung Böhmens
oder Mährens verwendet werden (!) und zwar so lange, wie es
heisst, bis Oesterreich die Kriegskosten bezahlt haben wird. Die
Ungarn selbst sind der Ansicht, dass sie bei der unausbleiblich
nothwendigen und zahlreichen Reduction der Armee in preussischom
Solde verbleiben und hie und dort zur Verwendung kommen
werden. Uns selbst ist Nichts über die fernere Verwendung der
ungarischen Legion bekannt.«
Dazu bemerkte dir* Redaction (w()hlg(»merkt am 10. August!),
»dass unser Correspondent, der sich gewiss gut unt<?rrichtet zeigt,
nichts von dem Einfall K 1 a p k a's in Ungarn meldt»t, von w(*lchem
Wiener Blätter, bis jetzt ohne Bestätigung von ihrer Seite, wissen
wollten-'.
Es sei ferne von uns, auf jene Zeit, in welcher das Privat-
Telegramm der Zeitungen erst anfängt, ei»' * Rolle zu spii^len,
mit (ierinifS''"^'>^t7iinfr '^iC'ab^^»'^'"^*-*'^ Ala*^ «►•'»lli _ ;. :iiK*>r 1/ *}^ Irnnix
Die Legion Klapka 1866. 22 X
für möglich halten, dass derselbe ***-Correspondent »von der
schlesisch-böhmischen Grenze« unter dem »i8. August«, als die
Legion bereits seit lo Tagen in Bauerwitz beiRatibor cantonnierte,
seinem Blatte schreiben konnte:
»Alles, was Wiener Blätter über den Einfall der ungarischen
Legion unter Klapka in Ungarn gesagt haben und was von
anderen Blättern nachgedruckt w^orden ist, gehört in das Reich
der Erfindungen. . . . Die Wiener Blätter müssen wissen, dass
Klapka keineswegs selbstständig handeln kann, noch darf,
denn derselbe steht unter dem Befehle des Generals Vetter,
welcher wiederum seine Instructionen vom preussischen Ober-
Commando erhält. Denn die ungarische Legion ist keine auf
eigene Faust ausgerüstete Freischaar, sondern es ist dieselbe mit
Genehmigung des Königs von Preussen von General Vetter
aus freiwilligen {?), dem König von Preussen bisher zugehörigen (I)
ungarischen Gefangenen gebildet und mit preussischem Geld aus-
gerüstet worden. Wenn also die beiden, in preussischem Solde
stehenden Bataillone ungeachtet des erhaltenen Haltbefehles unter
Klapka einen Einfall in Ungarn gemacht hätten (sie !), sp wären
dieselben der Insubordination und der Desertion bezichtigt worden.
Natürlich aber gehorchte Klapka, gieng mit seinen Bataillonen
und der mit preussischen Pferden berittenen Husaren-Schwadron
über die Oder zurück und liegt bis heute in dem bei Schillers-
dorf (!) unweit Ratibor ihm angewiesenen Lager. Wenn nun auch
die Formierung der übrigen Bataillone sistiert worden ist — die
Legion sollte 8000 Mann stark werden — so ist doch von der
Auflösung der Klapka-Schaar bis jetzt keine Rede, ja, es können
politische Ereignisse eintreten, wo das ursprünglich beabsichtigte
Corps in seiner Totalität zur Ausrüstung kommen dürfte. Auch
die neuere Nachricht, dass an der ungarischen Grenze aus Vor-
sicht gegen Klapka viel Militär aufgestellt sei, ist aus obigen
Gründen eine ganz unsinnige.«
Wenn man auch zugibt, dass die politischen Kannegiessereien
am Schlüsse dieses Artikels, die übrigens eines gewissen that-
sächlichen Hintergrundes nicht entbehrten, für eine Zeitung viel
Bestechendes boten, so bleibt es doch einigermassen unver-
ständlich, dass die ^Allgemeine Zeitung* vom 22. August 1866
auch den Anfang der Correspondenz ohne jede Bemerkung
wiedergab, zu einer Zeit, als das Schreiben Klapka's aus
Rakau, 12. August, bereits durch die Blätter gelaufen und sicher
2 Ol K i e n a s t.
auch die »Kölnische Zeitung* vom 19. August 1866 in Augsburg
eingetroffen war.
Erst dieses Blatt scheint den ***-Correspondenten der >* All-
gemeinen Zeitung« an der ^ schlesisch-böhmischen Grenze« von
seiner, sei es nun wirklichen oder verstellten Unkenntniss der
vSachlage befreit zu haben. Seine Einsendung vom 22, August,
abgedruckt in der »Allgemeinen Zeitung« vom 25. August 1866,
ist ein verschämtes Eingeständniss, dass die Wiener Blätter mit
Unrecht noch am 18. August der Erfindung falscher Nachrichten
über die Legion bezichtigt wurden, enthält aber, wie sich aus
dem Vergleiche mit dem vorstehenden Texte leicht ersehen lässt,
noch immer einige Unrichtigkeiten. Sie lautet:
'Das Schreiben eines ungarischen Officiers, welcher den
Streifzug K 1 a p k a's mitgemacht, in der „Kölnischen Zeitung",
enthält den richtigen Sachverhalt mit dem Bemerken unsererseits,
dass der Fahneneid nicht am 29., sondern am 26. Juli und der
Ausmarsch am 27. erfolgte').«
*) Da der Bericht der > Kölnischen Zeitung« vom lo. August l866 (Nr. 230,
zweites Blatt ) über die Expedition K 1 a p k a's trotz einiger Unrichtigkeiten wohl
geeignet ist, die Darstellung oben im Texte zu bekräftigen, so wird er nachstehend
vollinhaltlich mitgctheilt :
»Zur Abwehr der abenteuerlichen Gerüchte, welche von verschiedenen öster-
reichischen Blättern über den von der ungarischen Legion unter K 1 a p k a unter-
nommenen Streifzug verbreitet worden, geben wir nachstehend eine kurze Uebersicht
des wahren Sachverhalts, die wir dem Berichte eines an der Expedition betheiligten
ungarischen Officiers entnehmen : „Die in Xcisse gebildete Legion hatte am 29. Juli
den Eid auf die ungarische Fahne geleistet, nachdem K 1 a p k a einige Tage vorher
in der genannten Festung eingetroffen war. Um dieselbe Zeit aber kam auch die
Nachricht von dem AValTenstillstandc und der Befehl zur Entwaffnung und Aufhisung
der noch in Ncissc stehenden Abtheilungen, während die bereits nach der öster-
reichischen Grenze abgerückten zwei liataillone Infanterie und eine Schwadron Husaren
wieder in das Bivouac von Schillersdorf verlegt wurden. Der Waffenstillstand traf die
Ungarn wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Nach reiflichen Berathungen beschloss
man, trotz der unzureichenden Kraft und der unzureichenden Mittel einen Einfall in
Ungarn zu versuchen, weniger um das Land noch zu einem verspäteten Aufstande zu
vermögen, als um zu verhindern, dass die Legion, wie bei Villafranca, abermals dem
traurigen Loose iler Entwaffnung entgegengehe, ohne auch nur ein Zeichen ihrer
Kriegsfähigkeit von sich gegebe 1 zu haben. Uebrigens war <las Unternehmen keines-
wegs so tollkühn und unberechnet, als es auf den ersten JJlick den Anschein hat.
Die preu^sischen Truppen unter Gral S t o 1 b e r g hielten ganz Schlesien besetzt,
und <lie oberen Gegenden Ungarns waren unbewacht. Gel .mg es der Legit>n, über die
Karpathcn in das obere Waagthal ein/.u<lringen, so war ihre Verbindung mit dem
S t 1 l> e r g'schen ("orj)s gewiehert und es konnten ihr die nöthigen Verstärkungen
\—\i\ Vorrätli" zu"esan''* '»'f'rd"*^, '' •• •''" '*i d***^ vi».,»»»? v«*-^»«»" li.-Ut r ••' 5^» » l*o*'t*''*iP*r
Die Legion Klaplca 1860. 22 \
>Aus diesem Schreiben geht hervor, dass Klapka schon
am Tage des Ausmarsches die Nachricht vom Abschlüsse des
zu behaupten, sondern vom Trentschiner Comitat aus in das Arv'aer, Thuröczlr und
Liptauer Comitat und vielleicht bis in die Zips vorzudringen. So rückte die Legion
am I. August, um 4 Uhr Nachmittags, unter dem Vorwande eines Uebungsmarsches,
von Schillersdorf aus, in einer Stärke von 1520 Mann und 150 Pferden, drang am
3. <iurch den Buhano-Pass und erreichte Turzovka, welches einige Stunden vorher
von einer Schwadron österreichischer Uhlanen geräumt worden war. Nach seinem
ursprünglichen Plane wollte Klapka noch an demselben Tage Csaca besetzen,
wodurch seine Verbindung mit der S t ol b e r g'schcn Vorhut in Jablunkau hergestellt
gewesen wäre.«
»Mittlerweile hatte sich aber die Situation wesentlich geändert. Die Stipulationen
des Waffenstillstandes brachten die Legion jetzt in eine kritische Lage, da die
Preussen vom 2. August ab ganz Schlesien und den östlich von der Prerau-Oderberger
P^isenbahn liegenden Theil von Mähren räumen sollten. An demselben Tage wurde
auch Jablunkau von den Oesterreichern besetzt und alle anderen schlesisch-ungarischcn
Pässe mussten ebenfalls voraussichtlich in einem oder zwei Tagen wieder in öster-
reichischen Händen sein. Die 1500 Ungarn waren also von der preussischen Demar-
cationslinie durch Schlesien und einen grossen Theil von Mähren getrennt. Ueberdies
konnten sie von Pressburg und Komorn her jeden Augenblick mit überlegenen
Kräften angegriffen werden. Es blieb Klapka also nichts übrig, als sich zum Rück-
zuge zu entschliessen, da ein weiteres Vordringen zwecklos und auch von einer theil-
weisen Revolutionierung der Bevölkerung nichts Gutes zu erwarten war. Klapka
hatte schon am 2. (?) durch einen Adjutanten des Grafen Stolberg Kenntniss von
der festgesetzten Demarcationslinie erhalten. Er hielt es jedoch nicht für thunlich,
sofort Kehrt zu macheu und durch dieselben, jetzt von den Oesterreichern bedrohten
Dcfilcs wieder zurückzukehren, durch die er gekommen war. Er rückte daher, wie
gesagt, am 3. noch bis Turzovka vor, jedoch war keine Zeit zu verlieren, da öster-
reichische Truppentheilc jetzt von allen Seiten in Uebermacht heranrückten, und am
4. überschritt die Legion durch den WisoUa-Pass zum zweiten Male die Karpathen.
Morgens um 10 Uhr 1 ? ) stand sie schon bei Karlowitz im Bivouac. Hier wurde den
Truppen einige Rast gegönnt und erst am nächsten Tage der Marsch bis Roznau
fortgesetzt, wo Klapka erfuhr, dass die Oesterreicher über Friedland und Frank-
stadt gegen ihn im Ausmarsch seien. Er brach jedoch erst am Abend des 5. von
Roinau auf und erreichte glücklich Meseritsch, von wo aus drei V^^'ege an die Demar-
cationslinie führen. Von nun an war das Schicksal der Legion gesichert, da sie von
einem Zusammentreffen mit den schwachen österreichischen Detachements, welche die
Etappenslrasse deckten, nichts z i fürchten hatte.«
»Klapka langte denn auch am 6. August, Nachmittags, mit derselben Stärke,
mit der er ausgerückt war, in Pohl hinter der Eisenbahn an und schloss sich dem in
der Nähe stehenden 41. Tnfanterie-Regimente an. Am zweitlolgcnden Tage wurde die
Legion Y<^^ Eisenbahn wieder nach Preussisch-Schlesien befördert, wo sie jetzt in
Cantonnements liegt.«
>Trotz der ungenügenden Ausrüstung, des schlechten Schuhwerks und des höchst
ungünstigen Wetters hat die Legion diese schwierigen Märsche in musterhafter Ordnut.g,
bestem Geiste und ohne allen Verlust ausgeführt. Alle österreichischen Berichte über
die Demoralisation und den Abfall der Soldaten sind nur Erfindungen.«
Die Le.ion Klapka 18C6. 15
2 ->5 Ki c n a s t.
Waffenstillstandes erhielt und nicht am 2. August, wo demselben
vom General Stolberg die festgesetzte Demarcationslinie an-
gezeigt wurde. D'^rselbe hat also den Marsch durch den Buhano-
Pass nicht in Unkenntniss des Waffenstillstandes, wie er durch
S z a r V a d y behauptet, sondern auf eigene Faust unternommen.
(Also doch!) Die Legion liegt heute noch in Schillersdorf (!?).•
»Die im Lager zu Xeisse treugebliebenen Ungarn haben
am 18. d. das Geburtsfest des Kaisers mit Sang und Klang ge-
feiert.*
Wegen dieser letzten herzerhebenden und befreienden Mit-
theilung sei dem ***-Correspondenten der Augsburger »Allge-
meinen Zeitung», welcher später seine Berichte aus Breslau
datierte, also wahrscheinlich preussischer Unterthan war, seine
(gelinde gesagt) recht merkwürdige Haltung in Bezug auf die
Legion Klapka während d(\s Monats August verziehen und mit
ihr die Schilderung der Expedition K 1 a p k a\s abgeschlossen.
VI.
Die österreichischen (ie^o^enmassregeln.
Die ersten Nachrichten von der Legion in Wien.
1 /a sich die Hewej^'unj^en der Lej^ion bis zum 3. August
durchaus im Bereich«* preussischer Truppen vollzogen, so ist es
orklärhcli, dass man in Wien vcm ihnen verhältnissmässig spät er-
fuhr. Der Bezirksvorsteher von Oderber^^ war der erste öster-
reichische Beamte, welcher der Legion ansichtig wurde. Da die
Preussen selbstverständHch sich des Telegraphen bemächtigt
hcitten, blieb ihm nichts übrig, als einen Vertrauensmann nach
Bielitz zu entsenden, wo jetzt der Landes-Präsident von Oester-
reichisch-Schlesi(?n, Ilofrath v. Merkl, residierte und auch der
IWgadier (i^L v. Braisach stati()ni<'rte. Die Beiden erfuhren
scmach erst am 2i). Juli gf*gen Mittag, »dass gestern Nachts
8t)(» Unv^arn Infanteriti und 600 1 lusaren in ( )derberg auswaggoniert,
nac^h ( )strau marschic»rten, dort in einem \Vald<» bivouakierten
und (hm Weg nach Jablunkau fortsetzen wollen. Kossuth soll
ihr Kühner s(Mn ; ihre Adjustierung ist zum Iheih» noch die öster-
reichische..*.. So wenigstens telegraphierte am 29. Juli, 12 VAw
5 Minut<*n Xnchmittai^'s, (i^L Braisach an das -k. k. Truppen-
Ccimmando für Wfvstgalizien- in Krakau, dessen Commandant
1*"ML. Baron Rzikowsky war un<l ähnlich, jedoch mit den
gli-ich«*n irrthümlichen Standesangaben, wohl um dieselbe Zeit
Hofrath Merkl an das Polizei -Ministerium in Wii'nM. Des
letzteren I rh^gramm kam dem Krzhe»rzog Albrecht, dem nun-
'- K. A. Fe«»tun;» Krakau I^•^'•, VII, I07, (»rij^inal: F. A. < >p(rricren«le Armee
I.s'.'», VII. 71: 1). Ab^chrifl.
228 H-^ Kienast.
mehrigen Commandanten der ganzen operierenden Armee, in
Abschrift am Morgen des 30. Juli zu, gleichzeitig auch ein Tele-
gramm des GM. V. R u p p r e c h t in Trentschin, dass nach Mit-
theilung eines aus Ostrau nach Turzovka geflüchteten k. k. Finanz-
wach-Commissärs in ersterem Orte zwei von K 1 a p k a und einem
H u n y d d y geführte, aus Kriegsgefangenen ungarischer Natio-
nalität gebildete Bataillone angekommen und zwei weitere er-
wartet würden*). Vorher noch, wahrscheinlich schon am 29. Juli
Abends, war auch ein der Meldung B r a i s a c h's entsprechendes
Telegramm des FML. Baron Rzikowsky beim Commando der
operierenden Armee in Wien eingelangt, in dem darauf hin-
gewiesen wurde, dass von Bielitz aus (dem der Marschrichtung
der Legion am nächsten gelegenen Standorte k. k. Truppen,
u. zw. der Brigade GM. Braisach) Jablunkau mit Vermeidung
des von den Preussen besetzUm Teschener Kreises in drei Tagen
erreicht werden könnte, also kaum rechtzeitig, um die Legion
aufzuhalten *).
Erzherzog Albrecht hatte erst am 26. Juli den höheren
Commanden und Truppen Verhaltungsmassregeln gegen das
Auftauchen jener hochverrätherischen Proclamation ertheilt, in
welcher die ungarischen IIusar(*n aufgefordert wurden, in das
preussische Lager zu kommen, die ungarischen Infanteristen, die
Bajonnette niclit zu gebrauchen, die ungarischen Artilleristen, in
die Luft zu schiessen u. dergl.-^'. Auch wanm ihm die ander-
weitigen Zeitungs- oder Kundschafts-Xachrichten über die Aus-
rüstung einer ungarischen Legion in Preussen wohl zweif(?llos
bekannt. Die Meldungen von dem Auftreten einer solchen hatten
daher nichts Ueberraschendes an sich und da si(» sich von
mehreren Seit(*n bestätigten, war der Kntschluss zu (iegenmass-
regeln bald gefas^t.
Am 30. Juli, noch um 10 Uhr Vormittags, ergiengen folgende
telegrapliische Weisungen, u. zw. an das zwtntf* Armee-Corps-
Commando il*\ML. (iraf Thun) in Pr(»ssburg: allsogleich eine
*'; K. Am K. A. njtL-rieren'le Armee l800, VII, 712 c.
- K. A.. I-*osliini^ Krakaii iS6f», VII. loS. Das TeUvramm ist narh dies^'m
Conccpt am -'». Juli. 5 l.'hr N.ichn\itt.ip>, in Krakau auff^e-j^fhon vrordf» "'L. K ▼, i-
k o w s k y he/weiioUv *t\'w so uiuwthr-ch-.in'icb'"" An; ■' 'iic li r a ' - - '*^er die
a^egion.
: ^1.
•
Die Legion Klapka 18G0.
229
Division des 6. Ulilanen-Reg"iments und ein verlässliches Jäger-
Bataillon, letzteres theilweise auf Wagen nach Sillein an der
oberen Waag und nach Also-Kubin im Arvaer Coniitat abzu-
senden, um die Legion an dem Eindringen in Ungarn zu ver-
hindern, sie auch, wo möglich; aufzureiben ; an das Truppen-
Commando für VVest-Galizien in Krakau ^) : nach Ermessen zur
Aufhebung der über Oderberg angekommenen Colonne, deren
Führer Kossuth sein solle, zu disponieren; an GM. Rupprecht
nach Trentschin: auch seinerseits die nach Sillein bestimmten
Truppen des zweiten Armee-Corps nach Möglichkeit zu unter-
stützen.
Dem letztgenannten General blieben dazu freilich wenig
Mittel, nachdem gleichzeitig das Husaren-Regiment Württemberg
Xr. 6, welches vom oberen Waagthale aus den kleinen Krieg
gegen den Rücken des Feindes im östlichen Mähren hatte führen
und der Organisation des Landsturmes in den nordwestlichen
Comitaten Ungarns als Kern dienen sollen-), zur zweiten leichten
Cavallerie-Division südlich der Donau (Kittsee) verlegt wurde,
oifenbar mit der Absicht, die Husaren nicht- einem Zusammen-
stosse mit den Landsleuten der Legion und damit möglicher Weise
der Gefahr des Versagens auszusetzen*).
Als Ergänzung zu den vorstehenden Weisungen wurde noch
am 30. Juli spät Abends an das zweite Armee-Corps nach Press-
burg und an das Truppen-Commando in Krakau telegraphiert:
»Nachträglich zu Telegramm 576 op. von heute wird befohlen,
bei Bekämpfung der ungarischen Freischaar grösste Energie an-
zuwenden, keine Gefangenen zu machen, sondern Aufreibung
durch schonungslosen Waffengebrauch anzustreben^).«
') Demselben standen Ende Juli für die Verwendung im Felde zur Verfügung:
10 Bataillone Infanterie, 5 Escadroncn und 2 vierpfündige Fuss Batterien, cingetheilt
in die Brigaden Trentinaglia und Braisach.
«^ Oesterreichs Kämpfe i. J. 1866, IV, 198.
^) K. A., ¥. A. Operierende Armee 1866, VII, 712. Die Aufgabsstunde
»10 Uhr Vormittags« ist aus den erhaltenen Originalen der Telegraphen-Stationen
l'ressburg und Krakau zu ersehen. iK. A., F. A. 2. Armee-Corps 1866, Vll, 189
und Festung Krakau 186C, VII, 113.)
*) Dieses Telegramm traf in Pressburg um ii Uhr 10 Minuten Nachts, in
Krakau um ii Uhr 30 Minuten Nachts ein. (K A., F. A. 2. Armee-Corps 1866,
VII, 189 d und Festung Krakau 1Ö66, VII, Ii8a.)
2 ^Q K i e n a s t.
Die Expedition des Oberstlieutenants Dorner.
Noch vor dem Eintreffen dieses zweiten Telegrammes an
seinen Bestimmungsorten liatten indessen sowohl FML. Baron
Rzikowsky, als auch F^IL. Graf Thun die zur Ausführung*
des ersten nöthigen Schritte gethan.
Zunächst ergieng von Pressburg aus um 2 Uhr 30 Minuten
Nachmittags die telegraphische Weisung an die Brigade GM.
T h o m nach Lanschütz (östlich Pressburg), das daselbst liegende
2. Jäger-Bataillon mit der Bestimmung nach Tyrnau allsogleich
in Marschbereitschaft zu setzen und die zum Transporte nöthigen
Wagen aufzutreiben. Gleichzeitig wurden die schriftlichen Befehle
an die Brigade Thom, sowie an das Uhlanen-Regiment Xr. 6
ausgefertigt und durch eigene Boten expediert, denen zufolge das
2. Jäger-Bataillon und eine Uhlanen-Division unter Commando
des Oberstlieutenants von Dorn er (des 6. Uhlanen-Regiments»,
so viel als möglich unter Benützung von Vorspann, ohne Verzug
nach vSillein und Alsö-Kubin abzusenden waren, um Klapka
den Weg nach Ungarn zu verlegen und seine Schaar aufzureiben.
Unter Einem wurde auch an das ^[ilitär-Statiüns-Commando in
Tyrnau telegraphiert, zur FortschafPung des Jäger-Bataillons am
31. Juli 200 Wagen bereitzustellen und dasselbe Ansuchen durch
den Draht hinsichtlich des i. August an die Comitats-Behörde in
Trentschin gestellt. So trug das Commando des 2. Armee-Corps
nach Thunlichkeit selbst be^i zur Ausführung seines Befehles, dass
der Marsch überall mit aller mc)glichen Beschleunigung furtzu-
setzen und nach Massgabe, als wirklich die Bewegung einer
Insurgenten- Colonne bekanntwerde, so einzurichten sei, um der-
selben zuvorzukommen oder doch derselben auf dem Fusse zu
folgen. « Von den getroffenen Veriügungen wurde dem Commando
der operierenden Armee die MeMung erstattet^).
In einem Befehle vom 31. Juli wurde Oberstlieutenant
D o r n e r von dem Inhalte des zweiten Wiener Telegrammes vom
Vortage in Kenntnis gesetzt und noch angewiest.»n, .Nich mit der
Gendarmerie in Sillein, Rosenberg, Xeusuhl und Liptö-Szt.-Miklos,
dann mit dem Ergänzungs-Bezirks-Commando des Infanterit^-
Regiments Xr. 70 zu Xeusohl und mit den im Marschb(»reiche
befindlicht»n Teh^graphen-Aemtern in Verbindung zu setzen -).
». K. A.. V. A. ? Atmcc-Cori): ^'iö *»» '^<
Di.- Legion Klapka I6öö.
-'31
Das 2. Jäg'er-Bataillon kam noch am 30. Juli in Tyrnau an
und setzte mittelst der bereit stehenden Wagen am 31. seinen
We\f nach Norden weiter fort. Oberstlieutenant D o r n e r kam
mit der 5. und 6. Kscadron seines Revriments erst nach zehn-
stündij^(*m Xachtmarschc? in Tyrnau an und meldete am Vor-
mittage des 31. Juli dem Armee-Corps-Commando in Pressburg,
die Pferde seien nocli vcm den früheren Strapazen so angegriffen,
dass er den Weitermarsch auf morgen verschieben müsse. »Ich
marschiere den i. (August) nach PistyAn, 2. nach Trentschin, 3.
nach (Waag-) Bistritz, 4. mit dem Jäger-I^ataillon vereint nach
SillfMn. Schneller zu marschieren, ist mir nicht möglich, die Pferde
blrib(*n mir liegen. Das Jäger-Bataillon trifft am 2. in Bistritz
ein, erwartet mich dort und sendet unterdes>en Detachements
nach Sillein und Kubin vor« ').
So geschah es auch. Die Uhlanen-Division blieb daher bis
Bistritz um einen Tagi^marsch hinter d(»m Jäger- Bataillcm zurück.
Letzteres rastete am 3. August in Bistritz an der Waag mit dem
(iros, schickte ab(»r eine» Division sclion an diesem Tage nach
Sillein voraus-', um sowohl während des Vormarsches, als auch
vom Bestimmungsortf» aus durch weitg(*hende Patrouillen gegen
Norden, luiuj)tsächlich gegen den Jablunka-Sattel, Nachrichten
über die L(»gion einzuholen. Als Oberstlieutenant Dorn er mit
d(*m Restex des Jäger-Bataillons und seinen zwei Uhlanen-Esca-
dronen am 4. August von Waag-Bistritz aus nach einem anstren-
gendt*n Marsrlu» von ungefähr 33 Kilometern in Silh^in eintraf,
oder vielleicht schon während d<'s Marsches dahin, vernahm er
du". Mähr, dass ausser d(»r Legion untf^r Klajika noch eine
z w e i t e Insurg« nten-Abtheih ng gegt^n l'ngarn vordringen solle.
(tM. l<uj)p recht, den er zunächst dav(m v<*rständigte, hatte
gleichz(4tig um die Mittag>.stunde) von Wien aus dieselbe Nach-
richt und den Auftrag erhalten, den ( )berstlieutenant anzuweisen,
dass rr mit sf»inem Detachenif^nt sich der Schaar Klapka's
•' K. A.. K. A. 2, ArnR'e-('«>rps iS'id. VII. iMOb.
•) K. A., K. A. Operierende Armee IHO^, VIII. So e. • rel«';:r.imm «les GM.
Kupprecht aus Trentschin, 4. Am;u5t, I l'hr 40 Min. Nm. an ( nn)«lv». «ier operic-
ren<len Armee.)
I)ie Infarterie- und Jä^^er-Hataillone hatten i. J. lS*;<i sechs Compajjnien, welche
zu taktischen Zwecken in diei I)ivi«.innen von je /M-ei ( <>nipa|*nien ah^jrthcilt wurden.
Der Krie-^s'itai.d einer ( Mn.pa^^nie «Ier ei«»ttn drei Kcld-Iiatadl<»nc war 1^H. jener einer
C\>nip.tj;r.ie ilcr vierten lia'.adlonr H)^ Mann.
2^0 Kiccast
gegenüberzustellen habe, um dieselbe ' im Sinne der ergangenen
Bestimmungen-, d. h. unter schonungslosem Waffengebrauch
anzugreifen und aufzureiben *>
Oberstlieutenant von D o r n e r, der inzwischen unter Anderen
auch durch Oberst von F i s c h e r in Csaca von der Ankunft K 1 a p k a's in
Turzovka erfahren hatte, Hess daher im Einverständnisse mit Oberst
von PM s c h e r -,i am 5. August das 2. Jäger-Bataillon von Sillein aus
wieder ein Stück Weges längs der Waag abwärts ziehen, damit
es bei Also-Hricso den Fluss überschreite und auf der steilen
Bergstrasse über Rovne nach Turzovka vordringe ^), wohin er
selbst mit den beiden Uhlanon-Kscadronen auf der besseren, ab^r
längeren Strasse über Csaca (ungefähr 45/'///) gelangen wollte.
Unterwegs jedoch t^rfuhrcn beide Colonnen *) von dem Rück-
zuge Klapka's, u. zw. mit dem unrichtigen Detail, dass dessen
Schaar sich mit etwa 600 Mann gegen (iross-Karlowitz in Mähren,
mit dem gTÖsseren R(\ste aber gegen Friedek in Schlesien ge-
wendet habe. Das Jäger-Bataillon änderte daher seine Marsch-
richtung und g"ieng in der Hoffnung, wenigstens den kleineren
Theil der Legion noch zu erreichen, üb(,»r das unwegsame
Jawomik-Gebirge (vermuthlich über die kleinen Orte Rat^toki,
KovaT-ovci, Xiznia-Dabaja und Subici, also an 300 Mt*ter bergaut
und ebensoviel bergab; nach Makov •'), wo es nach Zurücklegung
•) DLser Auftraj; an GM. Rupprccht (K. A., K. A. Opciicrende Armee
1866, VIII, Kod;, voa Wien abgesendet um 12 Uhr 20 Min. X n., war die Folj:e
eines Tclegrammes aus Krakau (einjjelangt in Wien am 3. Auyust ii Uhr 10 Min.
Nachts, ebenda, VIll, 80 c), durch welches FML. Baron R z i k o w s k y seine Ansicht
dahin mitthcilte, das von ihm unter Oberst Friedrich von Fischer des Generahiuartier-
meisterstabs ausgesendete Streifcorps werde w »hl K 1 a p k a nicht mehr, dafür aber
voraussichtlich die zweite, demselben nachfolgende Insurgenten-Truppe crieichen.
V) K. A., Festung Krakau 1866, VIII, 35.
^) Die Strecke Nazy-IJittse-Kovne-Turzovka hat allein über 27 Xv//; ihr höchster
Punct liegt etwa 400 /// htiher als der Wasserspiegel der Waa^.
♦; Wahrscheinlich durch en Schreiben Oberst von Fische r's aus Olcsna,
^. August Morgens (siehe <lie vorl.tzte Fus^note . vielleicht auch durch eine, am
Vortage von Bistritz aus, o.ler von der nach Sillein marschierenden Division nach
Makov entsendete Jäger-Patrouille.
*) Die neue Special- KLaite i : 75.000 zeigt westlich von I urzovka an der Kis ica
den Ort Vi^zoka-Mako (Cote 543) und etwa fünf Kilometer weiter westlich neuerdings
die Ortsangabc Viszoka-Mako (Cote 583. In der neuen General-Karle 1 : 2iK).ooo
trägt nur der erste Funct die Ortsbezeichnung Viszoka-Makö: der zweite ist durch
das Zeichen für eine Kirche oder Kapelle kenntlich, »• ''-r V.ten Special-Karte
1:144.000 hingegen ist der erste Fup't p.;t ^^''^^^^'^' ■ "* nn» r\f-.i..v.
ber'*'''*^n''*
Die Legion Klapka 186C.
233
des theilweise sehr übel beschaffenen, beschwerlichen Weges von
wenigstens 33 Kilometern ganz erschöpft ankam. »Meine Truppen«,
sagte Oberstlieutenant von D o r n e r in seinem Berichte ddto.
Sillein, 9. August 1866, »waren durch die forcierten Märsche von
Pressburg bis Sillein und durch die schnelle Vorrückung gegen
Turzovka und Makov derart erschöpft, dass ich nicht mehr weiter
gehen konnte und in Anbetracht dessen, dass in den Gebirgen
sehr viele Legionäre zerstreut herumstreifen, musste ich befurchten,
dass, wenn ich weiter nach Mähren oder Schlesien vorgehe ^),
diese Legionäre sich in meinem Rücken sammeln und ungehindert
in das Waagthal oder in die Thuröcz einbrechen-).« Oberstlieutenant
D o r n e r beliess daher am 6. August das Jäger-Bataillon in
Makov, einen Zug Uhlanen in Csdca und gieng selbst mit den
übrigen sieben Zügen seiner Reiter nach Sillein zurück, von wo
er noch an demselben Tage einen Zug Uhlanen zur besseren Be-
wachung der Ueberfuhr flussabwärts nach Predmer absandte. Am
7. August liess er Turzovka, Csdca, Predmer und Budatin (gegen-
über Sillein) durch je eine halbe Jäger-Compagnie besetzen und
zog den Rest des Bataillons nach Sillein. So stand er mit seinem
Detachement auch noch zur Zeit seiner Berichterstattung an das
Commando des 6. Armee-Corps zu Pressburg -^j.
Die Expeditionen des Obersten v. Fischer und des Generalmajors
Braisach.
FML. Baron Rzikowsky, der Chef des Truppen-Com-
mandos für West-Galizien in Krakau, der vermöge der Nähe des
Schauplatzes der Ereignisse die Gefahr leichter übersehen konnte,
wendete sich nach Erhalt des Auftrages, nach Ermessen zur Auf-
hebung oder Aufreibung der ungarischen Legion beizutragen,
noch am 30. Juli Mittags an den Landes-Präsidenten von Schlesien
nach Bielitz um nähere Auskunft über den Verbleib der Legion,
') Oberst von Fischer hatte ihm in seinem Schreiben vom 5. August Morgens
aus Olesna angesonnen, sich mit dem Jäger-Bataillon und der Uhlanen-Division gegen
Koznau oder Wsetin zu bewegen.
^) Der Bericht D o r n e r's au das Commando des 6. Armee-Corps erliegt im
K. A., sub F. A , 6. Armee-Corps 1866, VUI, 53.
^) Sonst beziehen sich auf die Expedition D o r n e r's noch die Feld-Acten des
2. Armee-Corps, VII, 190, VllI, 8 und jene des 6. Armee-Corps, VJII, 5, 42.
22 \ K i e n a s t.
erhielt iiber am Xachmitta^-e von Hofrath ^I e r k 1 die Auskunft,
dass darüber nichts Gewisses bekannt sei, doch würden die Re-
zirks-Aemter in Freistadt, Oderberg* und Friedek Nachforschungen
pfleg"en ^). Um 9 Uhr 40 Minuten Abends kam die teleg'raphische
Nachricht aus Bielitz nach Krakau, Klapka solle sich, um
g'rüssere Entweichun^en seiner Leute zu verhindern, wieder yeyen
Oderberj^" zurückg-ezogen haben, wo die weitere Spur der Legion
aufliöre -). Das war, nach den mitgetheilten zahlreichen Details
zu schliessen, glaubwürdig und richtig. Die Ausführung des bereits
gefassten Entschlusses zur Besetzung der Uebergänge von Schlesien
nach Ungarn durfte sonach ohne grosse Verantwortung auf den
komnuMiden Tag verschoben werden. Das änderte sich mit einem-
male, als dem (ieneral am 31. Juli um i Uhr Morgens jenes
zweite Telegramm des Commandos der operierenden Armee vom
Vortage überbracht wurde, mit w(»lchem schonungsloser WafFen-
gebrauch gegen die ungarische Freischaar angeordnet wurde.
Nun schien (iefahr im Verzuge. Auf der Stelle wurde daher die
Entsendung eines Streifcorps b< »schlössen und noch um i Uhr
1 5 Minuten Nachts ergieng folgender telegrai)hischer Befehl an GM
Braisach nach Bielitz : -Allsogleich die Bataillone Nr. 24 und
40, dann zwei Escadroncm und e*ine Batterie über Saybusch nach
Jablunkau in Marsch setzen in drei Märschen."
»Um die Aufgabe dieses Streifcorps in sicheren Händen zu
wissen , übertrug FaML. R z i k o w s k y das Commando ' über das-
selbe st;inemGeneraLstabs-Ch('f, Obersten Fri^^lrichvon Fische r'^),
von dessen Ankunft in Bielitz noch im Laufe des 31. Juli GM.
Braisach verständigt wurde. Zughnch wurde dem letzteren,
um ihn durch die Detachierung nicht allzusehr zu schwächen, ein
Infanttjrie-Bataillon aus Ktnity und eine Ivrakus(»n- (Freiwilligen-)
'1 K. A., Festung Krakau lb^6, VII, 113. 114.
-') Kbeiula. VlI, II 7.
■'■ (.>l)crst Friedrich von Fischer besass in dieser Charge den Rang vom
II. Juli l,^<»0. war von lS<»7 bis ihjl Chef dts Geiicralstabs- Hureaus für Kritys-
;;e<chichti.' und in dieser Stellung; der Leiter und ma-'^;^eben<le Mitarbeiter bei dem
Werke »De-terreichs K-äniple im Jahre IJ<^<j«, wurde dann Comniandanl der 2. Infan»
terie-Hni^ade zu Lemberg und in ilieser Stclhin}; /um General-M;ij<>r mit dem Range vom
5. Mai IJ<73 befördert. Am 22. September 1S74 wurilc er zum (.'ommantlanten der
lvrie;;-i'«chule ernannt und aU snlcher zum Fehhnar^ihall-Lieutenant mit dem Raiij»©
\o:n 4. M.ii lf<7S l»ef«irtlert. Mit I. November iSS' * • • •' ' *• '"^ "''••=»and. Im
fahre ISS,"? «v'"'' ■ ''**n ler !■' •«^■»'••■" iwt >» «' • '•■'* »l«*»!!
Die Legion Klapka 1866. 2 " ^
Escadron aus Krakau zugewiesen, d. h. nach Eielitz verlegt ^).
Zur Action gegen die Legion Klapka standen also darnach in
Bielitz und Saybusch bereit : die vierten Bataillone der Infanterie-
Regimenter Alexander I. Kaiser von Russland Xr. 2, Carl Ludwig*,
Herzog von Parma Nr. 24, Erzherzog Joseph Xr. 37, Freiherr
von Rossbach Xr. 40 und Ritter von Schmerling Xr. 67, vier-
einhalb Escadronen des Uhlanen-Regiments Graf Grünne Xr. i
und die zwei vierpfündigen Fussbatterien Xr. 6/1 V und i/XIL
Der schriftliche Auftrag an Oberst von Fischer, dem auf die
Dauer der Streifung Oberlieutenant bJaron B o x b e r g als Adjutant
zugewiesen wurde, beruft sich nur auf die ertheilten mündlichen
Instructionen ^). Xäheres darüber ist nicht bekannt geworden.
Als Oberst von Fischer am Nachmittage des 3 1 . Juli in Biala
ankam, befanden sich die ihm unterstellten Truppen bereits auf
dem Marsche nach Saybusch ^). Sein erster Weg führte ihn zum
Landes-Präsidenten von Schlesien in Bielitz ^\ Hofrath Alerkl
wusste indessen weder an diesem, noch am nächstfolgenden Tage
mehr über die Legion mitzutheilen, als dass diese sich aus der
Gegend von Orlau wieder nach Oderberg und Schillersdorf
zurückgezogen habe ^). Es war sonach nicht der Mühe werth,
einiger Flüchtlinge wegen bei dem eben herrschenden äusserst
schlechten Wetter mit einer grösseren Truppenzahl auf durchaus
schwierigen Wegen über Csdca nach Ost-Schlesien vorzudringen.
Zudem musste dieses mit dem Beginne des Waffenstillstandes
am 2. August Mittags ohnehin von den preussischen Truppen
geräumt werden, womit der weit kürzere Weg über Teschen
gegen Oderberg von selbst frti wurde. Oberst von Fischer Hess
daher seine Truppen am 31. Juli und i. August in Saybusch
stehen. Er ordnete an letzterem Tage nur an, dass von der ihm
unterstellten Division des Oberstlieutenants Alexander Grafen
K a 1 n o k y von Grünne-Uhlanen die halbe erste Escadron unter
ihrem Rittmeister Baron F r e n t z über Jablunkau nach Teschen,
die halbe vierte Escadron unter Rittmeister Grafen Althann
') K. A., Festung Krakau 1866, VII, II 8, Ii8a.
^) Ebenda, VII, iio.
^) GM. Braisach's Rapport vom 31. Juli 1866. (Ebenda, VII, 120.)
*) Dies und das Folgende, soweit nicht andere Quellenangaben gemacht
werden, nach der Meldung des Oberst von Fischer ddto. Freiberg, 8. August 186O.
y^K. A., F. A. Operierende Armee 1866, VIII, ad 391.)
*) K. A., Festung Krakau 1866, VIII, 2. Telegramm aus Bielitz. I. August,
9 Uhr 30 Min. Vm. nach Krakau.
o7() Kienast.
Über Turzovka nach Friedek vortfelu^n solle, um flüchtige Legionäre
eventu(.»ll aufzuv^reifeii. Als Oberst von ¥ i s c h e r hierüber in den
er.">ten Xachmittagsstunden nach Krakau telegraphierte ^ , deutete
<'r bereits seint^ Absicht an, am 2, August mit seinem Deta-
chement über Isiala-Rielitz und Skotschau geg"en Teschen vorzu-
rücken. AVahrscheinlich unterrichtete? er auch die beiden voraus-
gesendeten Kittmeister von diesem Vorhaben.
Doch (it,'neral Graf Stolbcrg, der sich schon die Er-
streckung der (»rstim Waffenruhe bis zum 28. Juli auszuwirken
gi'wusst hatte - , hielt nun dafür, elass auch die Verlängerung* der
AVatfenruhe um einen Tag später zu Ende gehe und gab am
2. August bekannt, dass er die Räumung des Teschener Kreises
erst am folgenden Tage beginnen werdti. AVohl oder übel mussten
demnach, um unliebsame Missverständnisse zu vermeiden, die
kais(?rlichen Truppen auch noch am 2 August um Bielitz-Biala
und Saybusch in ihren Cantonnements verharren.
Noch am Abende desselben Tages glaubte Ob(*rst von Fischer,
s(»ine Aufgabe b(\steh(.* nur in der Aufgnäfung verspreng^ter
Legionäre, Beobachtung der (irenzen und Deckung der Demar-
cationslinie'') und beab.sichtigte, sein Detachement (abzüglich der
vorausbelindliclum zwei IJalb-Kscadroneii! am folgenden Tag'e
wit^der nach Bielitz zu zielien, um in der Zeit vom 4. bis zum
0. August übe*r Skotschau und Teschen nach Mährisch -Ostrau
vorzudring-en und durch Besetzung von Lreistadt, Friedek, Neu-
titschein und AValachisch-Meseritsch di(^ I)(fmarcationslinie zu
dt'ck(Mi'). Krst etwa um 10 Uhr Abends kamen die Nachrichten der
l>(rzirks- Vorsteher von 'Jesclien, Friedtik und Oderberg nach
Bielitz*'', dass die ungarisclie Legion neuerlich über Schönhof,
Morawka und Jablunkau gegen Ungarn vorzudringen im Be-
griffe stehe.
Nun war die Zeit zum I Iand«.'ln gekomnun. Oberst von Fischer
v(»rmuthete, dass die Verzögerung der Räumung von Jablunkau
'1 I. August, 2 Uhr 15 Miii. Nin. = R. A.. rc-tun^' Krakau ibOb, VIII, 4.)
< )csterrcichs Künipfe i. J. I^0<», IV, 2ul.
■) 'J t'k-;^'ranim nncli Krakau, r.iclil/, 2. Au^'u.-t, S Uhr 25 Minuten Aliends.
Mv. A., l'\:stun«^ Krakau ISOO. VII, 3.1
*) K. A., Ki'Stun^ Kralcau i8<><j, \I1I. 12. (I i.-lc^raiiini (»hn«.- Zirilanijabcn, %-oii
I"ML. liarou 1< z i k o w > k y am 2. Au^u-t. lo Uht AhLinU jjräsentit-rt.i
'1 'rfU-j^raii.nK* »h-^ ^chli.->i«»v.h-.n Lan-l^-s-rhcl- vit:n 2. Au^u^l, 10 Uhr 10 Mi-
nuten un«l lü l/lir ;^ Minuten Al»«-n N u:uh Krak.i" iK ^. , Ff«it' •■.• Krakau 1866,
VIII • . 14.
Die Legion Klnpka 1866. 2 "" 7
und des Teschener Kreises seitens des preussischen Befehls-
habers, Grafen Stolberg, ebenso, wie die während der Waffen-
ruhe vorgenommene Besetzung- dieses Gebietes, nur im Interesse
der ungarischen Legion erfolgt sei. Er erkannte auch, dass er, um
seinem Auftrag'e nachzukommen, unter den obwaltenden Umständen
nichts Anderes thun könne, als mit grösster Beschleunigung
nach Csäca vorzurücken. In der Nacht zum 3. August noch
schickte er daher seinen Adjutanten, Oberlieutenant Boxberg,
nach Friedek, um sichere Nachrichten über die Schaar Klapka's
einzuholen, und reiste selbst nach Saybusch ab.
Am Morgen des 3. August marschierte das ganze Detache-
ment bis Milöwka, eine verhältnismässig kurze Strecke, weil
je nach den eintreffenden Meldungen hier entschieden werden
musste, ob der Weitermarsch nach Westen directe nach Jablun-
kau, oder mehr nach Süden in der Richtung nach Csdca und
Sillein fortzusetzen sei. Doch schob Oberst von Fischer das
Bataillon Rossbach-Infanterie bis Szare,' dem Gabelpuncte der
nach Jablunkau und Csäca führenden Strassen, die Hälfte seiner
Cavallerie und zwei Geschütze auf der nördlichen Linie bis Ko-
niakau und Lstebna vor — ein Fingerzeig für seine Auffassung
der Lage und seine augenblicklichen Absichten.
Einen Zug des Bataillons vom Regiment Rossbach unter
Commando des Lieutenants v. Malachowsky Hess er jedoch
auf Vorspannwagen nach Turzovka vorausfahren, um den Ritt-
meister Grafen Althann von der Marschrichtung der Ungarn
in Kenntnis zu setzen und ihn nöthigenfalls zu unterstützen.
Als Lieutenant Malachowsky in das langgestreckte Turzovka
hineinfuhr, gerieth er mitten unter die im Orte sich zerstreuenden
Legionäre und es blieb ihm nichts übrig, als sich mit seiner
Abtheilung vor der Uebermacht eiligst auf Seitenw^egen aus dem
Orte herauszuziehen und nach Csäca zurückzugehen. Er griff
dabei einen ^lann der Legion auf.
Lieutenant Malachowsky, war also noch am 3. August,
vermutlilich mit dem scheidenden Tageslichte, etwa 8 oder 9 Uhr
Abends, in Turzovka angekommen und hatte demnach, wenn er
von Milöwka aus die Vorspann benützte, über vSkalite, Cserne
und Csäca fast 50 Kilometer zurückgelegt, wenn er aber, wie
wahrscheinlich, schon in Saybusch die Wagen bestieg, noch 18
Kilometer mehr; in jedem Falle eine sehr beachtenswerte
Lcnstung.
238
K i e n a s t.
Den Rittmeister Grafen A 1 1 h a n n hatte er jedoch nicht
mehr einholen können, denn dieser war schon am i. Aug'ust
Mittags von Saybusch aufgebrochen und konnte daher am fol-
genden Tage leicht in Turzovka eingetroffen sein, war vielleicht
auch noch, im Predmirthale nach Norden einbiegend, am 2. Au-
gust über den Kamm der Beskiden in das Ostrawitza Thal ge-
langt. Rittmeister (xraf Althann muss am 3. August jeden-
falls in frühen Vormittagsstunden in Friedland (oder vielleicht in
dem 1 1 Kilometer nördlich gelegenen Friedek) eingetroffen sein;
denn auf die Kunde von dem Erscheinen der Legion und ihrem
Abmärsche von Morawka gegen Ungarn zu machte er sich so-
fort auf, ihr zu folgen und fand sie auch, noch beim »weissen
Kreuze« lagernd. Da er sie jedoch mit Rücksicht auf die Stärke-
verhältnisse und insbesondere wegen des Mangels an Infanterie
in jenem Gelände nicht angreifen konnte, so ritt er nach Friedek,
wo er mit abgematteten Pferden Abends ankam. Seine Wahr-
nehmungen telegraphierte er sogleich nach Bielitz, wo er Oberst
PM scher vermuthete, und tludlte sie auch dem Bezirksvor-
steher von Friedek mit, der seinerseits ebendahin an den Landes-
chef ein Telegramm absandte ^).
Auch der gleichzeitig mit Althann von Saybusch ab-
marschierte Rittmeister Baron F r e n t z machte eine Entdeckung,
die sich freilich als unrichtig herausstellte. Nachdem er am
') Letzterer depeschierte an FML. Rzikowsky am 3 August, 8 Uhr
i; Minuten Abends: >Laut 'J\'le;jrnmm «les liezirksvorstehers Frie<lek lagert das
ungarische Insurgentencorps lieute ])eim »weissen Kreuze« an der ungarischen ("irenze
hinter Morawka im Wahl.'. Die Vorspannwagen kehren zur.ick ...... Auch GM.
]{ r a i s a c h telegraphierte noch am 3. Augnst, 8 IThr 15 Minuten Abends nach
Krakau : >Patiouillen der 4. Uhlanen-Escadron (Graf AUhanni und Bezirksvorstand
Frietlek t'-degraphieren, dass die ungarisrhe Legion heute A])cnds hinter Murawka
lagere und die (irenze bei Turzovka überschreiten wolle. Dies durch Estafette an
Oberst Fischer nach Jab'unkau ang -zeigt«. (K. A., Kestung Krakau 1866, VIII,
18, I«) ; Originale.)
Kittmeister (iraf Althann hat aNo die Legion, nach.iem er sie getroffen,
fehlerhalierw-.ise wieder ganz aus dem Auge gelassen und daher nicht gesehen, dass
siv noch an demselben 'Jage nach Turzovka weitrrgieng. Dv^r Zustand seiner Pferde
mag das Versäumnis vielleicht tlieihvci-^,.* ent>chuldigcn.
So wird c; begreiflich, d.t*;s K e n y i, olTenbar nnch der Mittheilung eines
Prahlers der Legion, am 0. Augu-st an Vetter schreiben kannte, der preussische
Lieutenant Andre ha]»e die^.lbe in Jur/ovk^» <»,-f-irnj,.M r 1. /.- mtw' unter Laune,
Die Legion Klapka 18ö6.
239
3. August von Jablunkau her in Teschen eing-erückt war ^),
sendete er, hauptsächlich in der Richtung gegen Mährisch-Ostrau
und Oderberg, Patrouillen aus, um nach flüchtigen Legionären zu
forschen und auch sonst Nachrichten zu bringen. Diese Patrouillen
meldeten nun von dem Auftauchen einer zweiten ungarischen
Colonne
GM. Braisach telegraphierte hierüber am 4. August
9 Uhr 35 Minuten Vormittags nach Krakau: »Herr Rittmeister
F r e n t z meldet aus Teschen : Rückkehrende Patrouillen geben
an, dass die ungarische Legion in grosser Zahl, Cavallerie, In-
fanterie theils bewafl^net, zwischen Friedek und Schumbarg
stehe in den Waldungen . . .-').* Zwar meldete der General
schon eine Stunde später, dass in Friedek von einer zweiten
Insurgenten-Colonne durchaus nichts bekannt sei^), aber das Ge-
rücht von einer solchen hatte sich schon am Vortage mit un-
heimlicher Schnelligkeit im Teschener Kreise verbreitet und
schien zu bestätigen, was der schlesische Landeschef in Bielitz
schon am Mittag des 3. August nach Wien telegraphiert hatte,
nämlich, dass die Legion nach den Aussagen eines Flüchtlings
frischen Zuzug erwarte*). Und auch noch am Abende desselben
Tages meldete derselbe politische Functionär durch den Draht
nach Wien und Krakau, eine zweite ungarische Colonne solle
in der bevorstehenden Nacht bei Bartelsdorf und Schönhof ein-
treffen ^). Erst am nächsten Tage klärte sich die Sache dahin
auf, dass die angeblich zweite Colonne nichts anderes sei, als
eine Abtheilung der den Teschener Kreis räumenden Preussen ^).
Aber die irrige Nachricht hatte bereits ihren Weg zu den mass-
gebenden wStellen gefunden und Vorkehrungen gezeitigt, von
denen weiter unten noch die Rede sein wird.
M Wie er am 18. August selbst berichtete (K. A., Festung Krakau 1866
VIII, 45) und auch sonst aus den Acten bewiesen werden kann.
-) K. A., Festung Krakau l866, VIII, 24.
•\} Ebenda. VJII, 25.
*) K. A., F. A. Operierende Armee 1866, VIII, 89 b. Original. (Aufgegeben
in Bielitz, 12 Uhr 45 Minuten Vormittags, angekummen in Wien, 5 l'hr iS Minuten
Nachmittags.)
*; l-^bcnda, VIII, 115 a und Festung Krakau 1866, VIII, l<). (Aufgegeben in
Bielitz, 3. August, 8 Uhr 15 Minuten Abends.)
^1 Fischer v. W e 1 1 e n b o r n, Eiinnerungen a. d. Feldzügen 1859 und
186O, S. 237 und 230.
-> ,Q K i c n a s t.
Auch der am 3. August von P>iedok über Teschen um 6 Uhr
Abends nach Milowka einrückende Oberlieutenant Baron Box-
berg brachte dem Oberst von Fischer die nur zur Hälfte
richtige Kleidung, die Legion sei am 2. August bis Morawka vor-
gerückt, für den nächsten Tag seien Nachschübe für dieselbe in
Aussicht gestellt. Der Ob(trst konnte also immer noch bei der
beabsichtigten Vorrückung directe auf Jablunkau bleiben, bis er
um I Uhr in der Nacht zum 4. August durch den Ordonnanz-Officicr
des (tM. Braisach, Lieutenant Flanderka, einen von dem
Bezirks- Amte in Teschen übermittelten Tagesbefehl des Com-
mandanten der Legion erhielt, aus welchem zu entnehmen war,
dass dieselbe noch am 3. .Vugust ihren Marsch nach Turzovka
fortsetzen werde'). In der hiedurch allein schon bedingten Ab-
änderung der bishor geplanten Marschrichtung wurde Oberst
Fischer vollends bestärkt, als ihm gegen 4 Uhr Morgens wahr-
scheinlich von Lieutenant M a 1 a c h o w s k y die allerdings noch
ungenaue Nachricht zukam, dass feindliche Abtheilungen sich in
Turzovka gezeigt hätten. Er beschloss also, mit seinem ganzen
vStreif-Commando sogleich über (!^säca gegen Turzovka vorzudringen
und machte vorher noch dem (tM. firaisach in Bielitz Mit-
theilung -).
D(»m Rittmeister Baron F r e n t z schickte er den Befehl nach
Teschen, der Logion im Rücken zu folgen. Versprengte aufzu-
g"reifen und ihm nach Mr)glichkeit Nachrichten über die Legion
oder über don Finmarsch oiner zweiten C(>lonne derselben zu-
kommen zu lass(»n. Dem Rittmeist(ir v. Zwfihl, der mit einer
halben Fscadron in Koniakau und lst<il)na stand, gab er Befehl^
nach Südt»n durch den Jaworzinka-Pass 1 in Luftlinie 7^ ä Kilometer
östlich vom Jablunka-Sattel) in das Ci^mianka-Tlial zu marschieren
und über Csaca bis Turzovka vorzudringen, um, wenn möglich^
diesen Punct noch vor dem (rros der L^^'gion zu erreichen (welches
nach der erhaltenen Meldung noch nicht in Turzovka zu sein schiin)^
sich mit dem vorgeschobenen Infanterie-Zug«.* des Lieutenants
M a lach o w s k y zu v(»n?inigen und die X'erbindung mit der
Ilalb-Kscadron des Rittm(Msters (trafen Althann zu suchen.
*) Der 'raj^csbcrdil wiirilc in den Attcn nicht vor^^ctunden.
*) Dieser lt'lejjra])hi<*rte am 4. Aui^u-nI n;ic]i Krakau: »Obi-r^t Fischer meMct
4 l'hr Früh am 4.: I-cindliclu.- AI)theilnn;:'.-n zei;4icn sich in 'J'iirzovka; ich rückfr
nit dem ;;nf vn (!omT*^a:i'li) »''•ch ('•-.*'•'• •» ♦►-»iv.. 1 ;, w" .\ •'»• :Mnij; K~"ik' •
Die Legion Klapka 1806.
241
Mit den beiden Infanterie-Bataillonen, der Batterie und einer
halben Uhlanen-Escadron brach Oberst von Fischer am 4. Aug-ust,
4 Uhr Morgens, ebenfalls nach Turzovka auf. Nach kurzem Marsche
stand er in Ungarn. In Skalite wurde Mittagsrast gehalten und
abgekocht. Auf dem Weitermarsche nach Csdca erfuhr Oberst
Fischer bereits durch Rittmeister Z w e h 1, dass die Legion sich
von Turzovka gegen Makov zurückgezogen haben solle.
Gegen 5 Uhr Nachmittag in Csdca angekommen, fand er
daselbst eine Jäger-Patrouille von 12 Mann vor, welche dem
Streifcorps des Oberstlieutenants Dorn er angehörte^) und mehrere
Deserteure der Legion, darunter zwei Officiere derselben^), welche
sich bei dem in CsAca als Stations-Commandanten fungierenden
k. k. Hauptmann Schütz des Ruhestandes gemeldet hatten.
Die Aussagen der gewesenen Legionäre und die sonst ein-
langenden Meldungen widersprachen sich zum Theile. Die nach
allen Richtungen ausgesendeten Gendarmen und Panduren konnten
nach der Sachlage nur nach Ablauf einer grösseren Anzahl Stunden
berichtigende Nachrichten bringen. Oberst von Fischer gewann
daher den Eindruck, dass die Legion, 3000 Mann stark, sich von
Turzovka nach Makov zurückgezogen habe und dort stehen ge-
blieben sei. Er forderte daher Oberstlieutenant D o r n e r schrift-
lich auf, sich behufs eines Angriffes auf die Legion mit ihm bei
Turzovka zu vereinigen^). Letzterer traf wirklich dementsprechend
seine Anordnungen für den 5. August^).
Noch am Abende des 4. August schickte Oberst von Fischer
eine Compagnie Parma -Infanterie auf Vorspann -Wagen nach
Turzovka voraus, um daselbst Vorposten zu beziehen. Eine Patrouille
dieser Compagnie gieng in der Nacht bis Makov vor, eine zweite
fand auch in jener Gegend ein Jäger-Detachement vom Streifcorps
des Oberstlieutenants D o r n e r. Eine andere Compagnie desselben
Regiments beorderte Oberst von Fischer, mit drei Zügen sogleich
zur Besetzung des Jablunka-Passes abzurücken, mit einem Zuge
in Csaca zu verbleiben. Hier Hess er auch seine Cavallerie, zwei
Halb-Escadronen Uhlanen stehen, um sie gegebenen Falls leicht
^) Offenbar von der am 3. August von Waag-Bistritz nach Sillein vorgeschobenen
Division des zweiten Jäger-Bataillons. (Siehe oben S. 231.)
-') R e i n h a r t und H o r v d t h. Siehe oben (S. 208.)
^) Das Schreiben ist in den Acten des K. A. nicht vorhanden, doch in einem
anderen aus Olesna vom folgenden Tage an densellien Adressaten (K. A., Festung
Krakau l866, VIJI, 35) erwähnt.
*) Siehe oben S. 252.
Die Legion Klapka 186C. lö
2^2 K i e n a & t.
ebensowohl nach Schlesien, als nach Mähren dirigieren zu können.
Gleichzeitig brach er mit dem Reste seines Detachements im
Kisuca-Thale nach Westen auf. Die noch übrigen zwei Divisionen
von Parma-Infanterie und die Fuss-Batterie fährte er nach Olesna
(Podvisoka bei Turzovka), das Bataillon Rossbach-Infanterie liess
er auf dem Wege dahin in StaSkov stehen.
So war er seiner Anschauung von der momentanen Lage nach
dem Gegner möglichst nahe an den Leib gerückt. Sein Gros hatte
an diesem Tage auf der theilweise sehr steilen Gebirgsstrasse von
Milöwka aus über sechs Meilen zu Fuss zurückgelegt, die Tete
bis Makov acht Meilen.
An demselben 4. August hatten auch Theile der Brigade
Braisach von Biala aus die Vorrückung in den Teschener Kreis
begonnen. FML. Baron R z i k o w s k y, welcher den ersten Nach-
richten von dem Auftreten der Legion Klapka Zweifel ent-
gegengesetzt hatte und durch die Ereignisse eines Besseren be-
lehrt worden war, nahm daher am 3. August Abends die Nachricht
des schlesischen Landeschefs von dem Auftauchen einer zweiten
Colonne von Insurgenten bei Bartelsdorf nächst Schönhof gläubig"
auf und telegraphierte noch um 10 Uhr 15 Minuten Nachts an
(tM. Braisach nach Bielitz: >'In Eilmärschen die übrige Cavallerie
über Teschen in die Flanke des Insurgonten-Corps detachieren.
Das Bataillon Schmerling hat morgen nach Teschen zu mar-
schieren und das zweite ungarische Corps anzugreifen^).« Diese
Anordnung erhielt durch das vom Commando der operierenden
Arm(*e kaum anderthalb Stunden später in Krakau eintreffende
Telegramm: -Ein angeblich 2000 Mann starkes Insurgenten-Corps
durch Thal Mohelnitz nach Ungarn; Zuzüge verhindern oder an-
greifen und vernichten'^)*, eine nachträgliche Legitimation. Noch
vor deren Einlangen hatte FML. Baron R z i k o w s k y bereits
seine Anordnungen durch den Draht nach Wien gi^meldet"*).
Denselben zu Folgi* brachen das vif^rte I^ataillon von
Schmerling-Infanterie Nr. 67 (Commandant Major Moritz) und
*' K. A., Festung Krakau 1866, VIII, i'>, ("oncept.
-I Khcuda, VIII, 2(:. Orijjin il. Dieses durch die Meldung des schlesischen lindes-
chets vom 3. August, H Uhr 15 Min. Abends lin Wien eingetr»)tVL*n <> Thr 5 Min.
Abends I veranlasste Telegranim wunlc in Wien am 3. August, IC *'*> '5 Mio.
Nachts aufgegeben und kam in Krakau um IT l'hr 50 Min. '^''' '*' -"• ^J ist von
'«"NM Maron '^ ' i k o w s k y am 4. -^uguf* ^lor^'t-Mis) d'-i-^^t-».-.-
I ' i rr»i f.. ' '•< * T I
•#• «I f . , i-r»i I*-.
Die Legion Klapka 1866. 2A%
die fünfte und halbe zweite Escadron des Uhlanen-Regiments
Xr. I unter Major Riebesam am 4. August um Sonnenaufgang
von Biala auf, um nach einer Rast in dem 23 Kilometer entfernten
wSkotschau, welche zum Abkochen verwendet werden sollte, möglichst
rasch das noch 13V2 Kilometer weiter westlich liegende Teschen
zu erreichen. Um 4 Uhr Morgens bereits war Rittmeister Fischer
von Wellenborn mit seiner, der sechsten Uhlanen-Escadron,
als Avantgarde dahin aufgebrochen. Er sollte in Teschen abkochen
lassen und dann am Nachmittage noch 1 9 Kilometer nach Dobrau
weitermarschieren. Das Commando über dieses Detachement war
dem Oberst von Z i e g 1 e r, Commandanten des Uhlanen-Regiments
Graf Grünne Nr. i, übertragen.
Rittmeister Fischer kam nach einem Marsche von mehr
als sieben Meilen in recht bergigem Terrain um 5 Uhr Nachmittags
richtig in Dobrau an^). Da er schon in Teschen erfahren hatte,
dass die Legion Klapka bereits die ungarische Grenze passiert
und sich gegen Turzovka gewendet habe, Hess er durch einen
Zug den Eingang in das Morawka-Thal beobachten und gönnte
dem Reste seiner Escadron Ruhe. Er selbst fuhr nach kurzem
X^erzuge nach Friedek weiter, wo Rittmeister Graf A 1 1 h a n n
mit seiner halben Escadron Uhlanen stand.
Es scheint, dass dieser nach den Strapazen der vorangegangenen
Tage für seine Leute und Pferde eine Ruhepause für nöthig ge-
halten und im Einvernehmen mit dem Bezirksvorsteher haupt-
sächlich durch Boten Nachrichten über die Legion zu erhalten
getrachtet habe. Noch Abends, als bereits Rittmeister Fischer
bei ihm in Friedek angekommen war, erwartete er für die bevor-
stehende Nacht die Rückkunft dreier verlässlicher Personen mit
Berichten über Klapka. Um 7 Uhr 25 Minuten Abends hielten
die beiden Rittmeister sich für genügend informiert, um an das
Regiments-Commando in Teschen wie folgt zu telegraphieren:
•Sechste Escadron in Dobrau eingerückt. Das zweite ungarische
*) Der damalige Kittmeister und spätere G. d. C. Carl Fischer von
\V e 1 1 e n b o r n hat seinen Antheil und den seiner Escadron, sowie auch anderer
Theile seines Regiments an den Expeditionen gegen die Legion Klapka später
niedergeschrieben und nach fast drei Jahrzehnten in seinen »Erinnerungen a. d. Feld-
ziigen 1859 und 1866. Ein Beitrag zur Geschichte des k. und k. Uhlanen-Regiments
Nr. I« veröffentlicht. (Wien, 1894, bei Seidel & Sohn.) Seine Darstellung (S. 236 u. ff.)
wird hier und im Folgenden benützt. Sie deckt sich mit seiner Meldung ddo. Mistek,
<). August 1806 an sein Regiments-Commando. (K. A., Festung Krakau 1Ö66,
VIII, 44 a.)
10*
211 Kienast.
Corps existiert nicht, sondern es waren dies die abmarschierenden
Preussen. Särnmtliche Xachricht(»n stimmen darin überein, dass
die unifarisch«» L(?^don heute Xacht vom „weissen Kreuz" aus
ihren Rückzuj^" antritt und trachten will, den kürzesten AVei^f zu
den Stellun.i^t;n der Preussen anzutreten . . . .« Die Meldunvf war
an sich zwar dtMi Thatsiichen nicht entsprc^chend, doch verräth
der w*'it(*rs j^emarhte Vorschlajj^ d(*r beiden Officiere, das ^anze
Strcifcorps des ()berst(»n vcm Zii^^'ler noch in der kommenden
Xacht, die Infanterie auf \VajL^<Mi, nach Priedland zu dirigieren,
um der J^e.i^ion auf ihrer vt?nneintlichen Rückzu*^slinie über Prank-
stadt und Preiberjjf nach Xeuhübel den Wt^j^* zu verlegen, einen
richtii^^rn militärischen IMick und die ß«\stellung von 200 Vor-
spann- \Vag*(*n in Fri**dek b(»hufs sofortigt^r Weiterbeförderung" des
etwa wirklich eintreif(?nden liataillons Schmerling- Infanterie be-
zeugt eine sehr ancrktmnrnswi^rthtf Selbstständigkeit im Handeln.
Oberst Zi(?gler in Tescht'n hatte jedoch schon um etwa
I Uhr Xachmittags vcm (iM. Braisach folgende telegraphische
Weisung erhalten: Oberst Fischer meldet, dass er mit seiner
ganzen l'ruppe nach lurzovka zieht. Wenn also eine starke
z w e i t e Abtheilung zwischen Fritjdek und Schumbarg sich
zt*ig(^n sollt(^, so wäre di«* ganze beihabendi» Cavallerie und das
ganze vierte Bataillon Xr. o; rMitg(»genzuführen, in welchem
Fahr ich morgtMi mit der Battt^rit^, den Krakusen, dem vierten
Bataillon Xr. 2 und 37 in ICscheii eintntffe. Wäre keine zweite
(oUmnt» ilnsurg<mten», sc» kommt mit der Cavallerie über Dobrau,
Raschkowitz gegi'n Morawka vorzurücken, um den Obersten
l''i scher zu unterstützten. Antwort teh^^raphierenM-^. Oberst
Ziegl«'r hatte nach Frhalt des TtOegrammes seiner beiden
RittuKfister au^ l'Viedek zuerst auf deren X'orschlag eingehen
wolh'ii. Doeh ein ( iedankenaustausc'h mit (xM. Braisach
dunli den lelegraphen tührt»? zu d«'ni Kntschlusse, das vierte
Batailhai vnii Seinnerrmg-lnfant«»rie nach Dobrau zu entsenden,
damit es v«ni (l()rt aus das Morawka-Thal beobachte; mit der
verfüv:baren < avallerie aber sollte ( )ber,^t Zieglt»r nach Schum-
barg gehen und von dort au> di«.* (iegend nach Westen und
Norden beobachten-'. I )er wiedi-r nach Dobrau zurückgekehrte
1 ■li'iiTamin li r :i i •» a f h'^ .m K / i k •> \v > k y, Hiclil/, 4. August, I Uhr
I *^'i :i.uh I"" 1 " c li r r'-» » l-ri:iMrriin^'jn .1. <1. l-\*M/ü}4cii iS^*» und lS66«.
TiM. r. r .1 i - .1 « li tilivr.ipliirittr imlr-M-n .1:11 .\. Au^u-^t imcli uni ti Uhr 30 Minotcn
Nacliixiiita^^ nai ). Krak.iu : Icli ri'uki- iii-ii^fii nach l\.-«hcn uiul glaube bestimmt.
Die Legion Klapka 1866.
245
Rittmeister Fischer erhielt demnach durch eine kleine Patrouille
aus Teschen von seinem Regiments-Commando noch in später
Nachtstunde den Befehl, am folgenden Tage selbst mit einer
halben Escadron um 6 Uhr 30 Minuten Früh in Schumbarg ein-
zutreffen; die andere Halb-Escadron jedoch sollte unter Commando
des Oberlieutenants Grafen Mittrowsky über Friedland gegen
Frankstadt patrouillieren und eventuelle Wahrnehmungen über
die Legion durch verlässliche Unterofficiere sofort nach Schum-
barg, dann auch an das morgen Abends in Teschen eintreffende
Brigade-Commando melden.
Rittmeister Baron F r e n t z hatte ^) am 4. August Vormittags
seine Halb-Escadron wieder vollzählig beisammen und erhielt am
Nachmittage von seinem Regiments - Commandanten, Oberst
Z i e g 1 e r, den mündlichen Befehl, noch am Abend über Hnoynik
und (Cameral-) Ellgoth nach Morawka und im weiteren Verlaufe
nach Turzovka zu reiten, um wieder zu dem Streifcorps des
Obersten Fischer einzurücken. Noch vor Antritt seines Marsches
erhielt er von Rittmeister A 1 1 h a n n aus Friedek ein Telegramm
des Inhalts, Klapka befinde sich vom »weissen Kreuze« aus
auf dem Rückzuge.
In Morawka kam Rittmeister F r e n t z um 10 Uhr 30 Minuten
Nachts an. Hier Hess er seine Truppe, nachdem sie ungefähr
24 Kilometer zurückgelegt hatte, ruhen. In den ersten Stunden
nach Mitternacht erhielt er neuerlich von Rittmeister Grafen
Althann folgende schriftliche Mittheilung: »Nach hieher ge-
langten Nachrichten hat sich der Feind (ungarische Legion) in
der Nacht vom 4. auf den 5. 1. M. nach Karlowitz in Mähren
zurückgezogen mit der Absicht, wenn ihm der Durchbruch nach
Ungarn verwehrt wird, über Roznau, Freiberg die Demarcations-
Linie zu gewinnen^).«
mit meiner Abtheilung auf die Legion zu stossen. Man meldet, dass die Legion gegen
P>iedek — Teschen rückmarschiert. Oberst Fischer noch in Turzovka. Ich lasse
Bataillon Xr. 67 und Oberst Ziegler Dobrau besetzen €. (K. A. Festung Krakau
1866, VIII, 30.)
*) Nach seiner »Relation« aus Schonhof, den 18. August 1866. (K. A., Festung
Krakau 1866, VIU, 45.)
^) Frentz berichtet in seiner Relation vom 18. August ausdrücklich, er habe
diese Mittheilung nach seinem Eintreffen in Morawka, also in der Nacht zum 5. August,
erhalten. Da er sich in der folgenden Nacht, wie aus der Darstellung des Weiteren
noch her^•orgehen wird, sicher, Graf Althann aber möglicher Weise nicht mehr
in Friedek befand, die Mittheilung des letzteren aber an das erste Escadrons-Commando
-'46
K i e n a s t.
Rittmeister Frentz sendete diese Mittheilung sofort an
(3borst F i s c h (» r in der Richtung nach Csdca und meldete dem-
selben zugleich, dass er am ^[orgen des 5. August über Fried-
land und Frankstadt gegen Roznau zu reiten gedenke, um auf
IC 1 a p k a's Rückzugslinie zu gelangen. Xach den Raum- und Zeit-
verhältnissen ist anzunehmen, dass die Meldung des Rittmeisters
Baron Frentz den Obersten erst erreichte, als derselbe sich
bereits auf dem Marsche nach Friedland befand.
Alh^ in der Xacht vom 4. auf den 5. August bei Oberst
L^ischer in Olesna (Podvisoka östlich von Turzovka) eingetroffenen
Xachrichten lauteten dahin, -dass sich die Legion noch gestern
(d. i. am 4.) mit einer kleineren Abtheilung von beiläufig 600 Mann
Infanterie und Husaren üb(»r di(^ mährische (irenze gegen Karlowitz
zurückgezogen habe, der grcisserc? Theil — 2 bis 3000 Mann —
aber wieder nach Schlesien üb(?r Friodek zurückgegangen sei«.
Da der Oberst nun am 5. August Morgens durch eine Estafette
des (f^[. Braisach erfuhr, dass dieser heute von Biala nach
Teschen vordringen werde '; und da (')berstlieutenant von Dorner,
mit welchem am Vortage die Ven'inigung in Turzovka abgemacht
worden, nun zur Verfolgung des kleineren Theiles der Legion
zur Verfügung stand, so b*»hchloss Oberst von Fischer, mit
seinem Streifcorps' lu^ute in der Hoffnung, die Legion doch
noch einzuholen, über di*» Ueskiden nach Frie<lland gegen Friedek-«
vorzugehen. Fr verständigte hie von <lt*n, nach seiner Voraus-
setzung augenblicklich »im Marsche von Sillein nach Rovne*
iKrentzi »zwisclu-n I)«»])rau uml ('•»/uas ^'orichtt-t ist, «n ist unzweifelhaft, dass Graf
Althann sein Sthroiben ii.it »KrieiK*k am h. Aii;^ust i8ö6, I Uhr Nachts« irriger
Weise um einen Fa;^ /u spät datiert liat. l)as Schrift«»tück i>t vielmehr am 5. Augii»C.
I riir Nacht-., al»^cla>>t un«l ah-^e-enilet wortlen. Aus der Zeitform »hat *ich zurück-
^e/n^;.-:!« i^ii al)/uli'it»ii, «las-; A 1 t h a n n nicht (liesen)c Nacht, in welcher er an
K r e n t /. sdniel), >on«leTn *lic v.irhcr^^ehende im Sinne hatte. Mit dem Datum de»
Sclirift-^tückes wäre dalier aucli die in deTn'*ell)en enthaltene Zeitauj^abe um einen Tag
vorzuscliielien und (traf A 1 1 )) a n n Iiätte demnach von den zurückj^ekehrten ICund-
scliattern ^anz ricliti;; eriahnn. da^s K 1 a p k a -^ich in der Nacht vom 3. auf den
4. Au;;u-»t nach Ori><^-Karl«)witz /urücU;^e/n;;en ha]>e. I-N ist nicht ersichtlich, ob
liar<in Krentz diesen Irrtlium der Au-^lerti^un;^ ;<>ii^'inai im K. A., Festung K.rakau
r.s'i'», VIII, .^7 l) j;emeiUt hat oiler niclit. < iliicKlicher \Vei>e scheinen die Ungenau!}*-
keiten k'inen weiteren Scha«lcn ^^e-^tittet /u l» alten.
• I)a«.s olierst Z i e j; 1 e r mit zwei und eiiili.ilb rhlaner.-Kscadronen und dem
vierten HatailJiin s^ !!mcrlinj;-InMi»!erie -clioii am 4. nach lochen aufj*ebrocheD war,
stcheint d'.*ni » >l)er«it !•' i •» c h e r nuch nicht bekannt geworden /u »ein.
Die Legion Klapka 1866. 24.7
befindlichen Oberstlieutenant von Dorner und wies ihn an, sich mit
seiner Uhlanen-Division und dem 2. Jäger-Bataillon nunmehr
gegen Westen zu halten und sich etwa nach Ro^nau oder
Wsetin zu wenden, um die kleinere Abtheilung der Legion,
falls sie nochmals einen Uebergang nach Ungarn versuchen sollte,
zu treffen; eine Uhlanen-Escadron unter Führung des Oberst-
lieutenants Grafen K d 1 n o k y werde er vorerst wohl gegen Gross-
Karlowitz vorsenden, aber wieder mehr gegen Friedek ziehen,
sobald sich die Action D o r n e r's fühlbar mache* Von all' dem
unterrichtete er auch den General Braisach^).
Als Oberst von Fischer nach kurzem Marsche in Turzovka
einlangte, erhielt er ganz unzweifelhafte Nachrichten, dass
K 1 a p k a's ganzes Corps nach Gross-Karlowitz zurückgegangen
sei. Dies erforderte einen neuen Entschluss. Oberstlieutenant
D o r n e r konnte nicht leicht vor Abend im oberen Kisuca-Thale
eintreffen, um der Legion nachzueilen und sie eventuell festzu-
halten. Der Oberst theilte daher dem Grafen K 4 1 n o k y noch
das vierte Bataillon Rossbach-Infanterie und zwei Geschütze zu
mit dem Befehle, der Legion so rasch als möglich nach RoÄnau
zu folgen. Er selbst blieb bei dem schon gefassten Plane einer
strategischen Umfassung des Gegners über Friedland, Freiberg
nach Neutitschein, um denselben, wenn möglich, vor Erreichung
der Demarcations-Linie nach Süden abzudrängen und zu stellen.
Dabei durfte er hoffen, dass er von der heranziehenden Brigade
Braisach, Kälnoky aber von dem Detachement Dorner recht-
zeitig Unterstützung erhalten werde. »Was diese (seil, die Legion)
nun immer vorhabe,« hatte er am Morgen an Oberstlieutenant
von Dorn er geschrieben, »so stehen von heute an hinlänglich
viel Truppen in unserem Schlesien, um ein etwaiges wiederholtes
Vorgehen in dieser Richtung zu verhindern.« Auch hatte er den
Oberstlieutenant ausdrücklich angewiesen, Kundschaften haupt-
sächlich durch Gendarmen, durch die Behörden oder durch
Landesbewohner einzuholen, seine Truppen aber nicht zu ver-
zetteln, sondern geschlossen in der durch die Verhältnisse be-
dingten Richtung zu dirigieren.
') Abschrift des aus Olesna am 5. August Morgens au Oberstlieutenant
D o r n e r abgeschickten Schreibens mit einem Indossat an GM. Braisach in
Teschen (K. A., Festung Krakau 1866, VIII, 35), demzufolge die am Jablunka-
Sattel stehende Compagnie von Parma-Infanterie dem Obersten nach Friedek nach-
zumarschieren hatte.
248
K i e n a s t.
Oberstlieutenant Graf K a 1 n o k y hätte wohl, von K 1 a p k a
mit der ganzen Legion angegriffen, sich wahrscheinlich vor der
Uebermacht wieder zurückziehen müssen, jedoch an dem bekanntlich
in Makov stehen gebliebenen 2. Jäger-Bataillon bald einen festen
Rückhalt gefunden. Insofeme stimmte also die Rechnung des
Obersten Fischer. Die Probe darauf wurde indessen nicht ge-
macht, denn K 1 a p k a dachte gar nicht an einen Angriff, sondern
suchte rechtzeitig das Weite. So kam also Graf K a 1 n o k y nach
einem, auf sehr beschwerlichen Cxebirgswegen zurückgelegten
Marsche von beinahe fünf Meilen (ca. 38 Kilometer), nachdem
er viel Zeit mit der Herstellung der von der Legion abge-
worfenen Brücken verloren hatte, um 1 1 Uhr Nachts unbehelligt
in Gross-Karlowitz an. Seine beiden vierpfiindigen Geschütze
hatten wiederholt nur mit acht Pferden weitergebracht werden
können.
Auch Oberst von ¥ i s c h e r hatte mit dem vierten Bataillon von
Parma-Infanterie und den übrigen sechs Geschützen der ersten
Batterie des Artillerie-Regiments Xr. 12 unter Hauptmann
Wareka nach Friedland einen weiten und beschwerlichen Weg
zurückzulegen. Nachdem er, im Thale des Predmir-Baches auf-
wärts steigend, um die Mittagsstunde den Kamm der Beskiden *)
und damit die mährisch-ungarische (xrenze überschritten hatte,
Hess er seine Truppen dritthalb Kilometer davon weiter westlich,
bei demWaldwirthshause und dem Jägerhause Barani, vier Stunden
rasten und abkochen. Das Älarschziel wurde um zehn Uhr Nachts
erreicht. Das Bataillon vom Regimente Parma war durch den
41 Kilometer langen Weg so erschöpft, dass nicht mehr gehofft
werden konnte, mit demselben zu rechter Zeit noch bei Neu-
titschein einzutreffen.
An demselben 5. August waren frühzeitig Oberst von Ziegler
von Teschen und Rittmeister von Fischer von Dobrau aufge-
brochen, um sich dem erhaltenen Befehle gemäss bei Schumbarg"
zu vereinigen. Zu gleicher Zeit marschierte das vierte Bataillon
des Infanterie-Regiments Schmerling von Teschen nach Dobrau
(19 Kilometer).
Wahrscheinlich eine .Vbtheilung dieser gestern noch dem
Obersten Z i e g 1 e r unterstellt gewesenen Truppen heng an diesem
Tage einen in englischer Spracht» geschriebenen (vit»ll«»ic^U vom
Die Legion Klapka 1866. 24.0
General Stolberg herrührenden) Brief auf, der Klapka hätte
anweisen sollen, »sich im Xothfalle über Roznau und Neutitschein
zurückzuziehen« ^). Ein wichtiger und interessanter Fang, aus dem
zu entnehmen ist, wie wenig Ernst es Ende Juli dem Grafen
Stolberg und dem Oberst Döring mit ihrem Scheinwider-
stand gegen den Ausmarsch K 1 a p k a's nach Ungarn gewesen I
Er mochte sein Glück mit der Revolutionierung Ungarns immerhin
versuchen. Gelang es auch nur zum Theile, so war Oesterreich
in den bevorstehenden Friedens- Verhandlungen mit Preussen und
für das verbündete Italien ein umso weniger schwerwiegender
Gegner ; hatte die Sache keinen Erfolg — auch gut. Die preussi-
schen Erfolge wenigstens wurden darum nicht geringer. Stol-
berg und Döring hatten ja Klapka ohnehin zurückzuhalten
versucht und ihm jede positive Unterstützung verweigert. Jetzt
sollte der Führer der Legion wissen, wohin er sich zurückzuziehen
hatte, wenn sein Unternehmen fehlschlug.
Den General Braisach, welcher, gleichfalls am 5. August,
mit den vierten Bataillonen der Infanterie-Regimenter Kaiser
Alexander Nr. 2 und Erzherzog Joseph Nr. 37, der 6. Batterie
des Artillerie-Regiments Nr. 4 und der Krakusen-Escadron nach
zehnstündigem Marsche von Biala her um 5 Uhr Nachmittags in
Teschen eingerückt war, befreite der Brief von seinem Glauben
an eine zweite Colonne ungarischer Freischärler. Umso kräftiger
konnte er nun im Vereine mit Oberst Fisch er's Streifcorps
auf die Vernichtung der Legion K 1 a p k a's hinwirken, da er
seine Rückzugslinie zu kennen glaubte.
Er ordnete daher an, dass das vierte Bataillon vom Regimente
Schmerling sofort die nöthigen Vor spann- Wagen aufzutreiben und
auf denselben noch in der bevorstehenden Nacht nach Frank-
stadt abzugehen habe (von Dobrau aus 25 Kilometer), um dort
der Legion den Weg nach Freiberg zu verlegen. Diesem Bataillon
dürfte auch die bisher in Friedek gestandene Halb-Escadron des
Grafen A 1 1 h a n n, nunmehr unter Commando des wiedergenesenen
Rittmeisters Baron Bertoletti, zugetheilt worden sein. Ferner
wies Braisach den in Schumbarg stehenden Oberst von Ziegler
an, mit seinen zweieinhalb Uhlanen-Escadronen am kommenden
Tage frühzeitig in Friedek zu seiner Verfügung zu stehen. Denn
M Der Brief wurde in den Acten des Kriegs- Archivs nicht mehr aufgefunden, doch
ist er mit der oben stehenden, leider tour sehr kurzen Inhaltsangabc in dem Berichte
des Oberst von Fischer vom 8. August und auch in » Oesterreichs Kämpfe
i. J. 1866c, IV, 203, erwähnt.
2=0 K i e n a s i.
auch er selbst f^edachte nur vier Compagnien in Teschen zu be-
lassen und mit dem Reste seiner Brigade am 6. August nach
Friedek zu eilen, zu welchem Zwecke er sogleich 200 Vorspann-
Wagen ansprach und den Abmarsch auf drei Uhr Morgens
ansetzte. Von Friedek aus wollte er je nach Umständen entweder
nach Roznau oder nach Neutitschein vorgehen und hoffte dabei
noch auf einen Zusammenstoss mit der Legion. Von seinen Ver-
fügungen und Absichten setzte er sowohl Oberst von Fischer,
als auch das Truppen-Commando in Krakau in Kenntaiss ^).
Gleichzeitig mit dem Rittmeister von Fischer, welcher
nach Schumbarg reiten musste, brach am 5. August, fünf Uhr
Morgens, auch Oberlieutenant Graf Mittrowsky mit der anderen
halben 6. Escadron von Dobrau auf, um Nachrichten über die
Legion Klapka einzuholen. Er ritt über Friedek nach Friedland und
entsendete von dort seine Patrouillen sowohl auf der Strasse nach
Turzovka, als auch auf jener über Frankstadt nach Roznau. Die letz-
tere unter Führung des Wachtmeisters Franz Czesnek hatte
bis dahin einen Weg von 26 Kilometern zurückzulegen. Sie muss
dem Ziele ungefähr um zehn Uhr Vormittags nahegekommen sein
denn sie fand die Legion, welche gegen neun Uhr angekommen
war, bei der Brücke von Roznau (also w(^stlich des Ortes, wohl an
der Stelle der damals noch nicht bestehenden Eisenbahn-Station
bereits lagernd. Um die ^[ittagsstunde mcddete Wachtmeister
Czesnek seinem Oberlieutenant bei Friedland, was er gesehen.
Graf Mittrowsky beschloss, sich davon selbst zu überzeugen
und brach daher mit seiner inzwischen gesammelten Halb-Escadron
gegen Roznau auf.
Auf dem Wege nach Frankstadt wurde er, es mochte
etwa nach 3 Uhr Nachmittags gewesen sein, von dem Ritt-
meister Baron F r (i n t z eingeholt, welcher heute von Morawka
her geritten kam. Ders(*lbe hatte dort wahrscluMnlich seine Pferde
bis gegen Mittag rasten lassen und daran wohl gethan, denn es
gab heute noch harte Arbeit, wenn anders Althann's Mit-
th(»ilung der letzten Nacht richtig war. Als Mittrowsky dem
Rittmeister chm Sachverhalt gemeldet hatte, übernahm derselbe
das Commando über beid«», demselben Zieh* zustrebenden llalb-
'. rde^^ramm 15 r a i s a c li's, Teschen 5. Au^u««!, h Uhr 30 Minuten Xac^
-"Utaj^s uncl Kapporl lür den 5. Viij»"ci 3,^ 'mt '< z i k f \ '• '• ^, ■* K-^'^ing
Die Legion Klapka 1866. 2ct
Escadronen und liess dies nach Friedek melden mit dem Er-
suchen um weitere Mittheilung an General Braisach nach
Teschen ').
Als die combinierte Escadron vor Frankstadt ankam, meldete
ein Mann der Vorpatrouille, dass Klapka sich in der Stadt
befinde. Es schien, als habe sie der ungarische General mit einem
Theile der Legion besetzt, was sich indessen bald als unrichtig
herausstellte. Hingegen behaupteten die Einwohner von Frank-
stadt, Klapka sei, von einem Adjutanten begleitet, vor Kurzem
durch die Stadt und weiter in der Richtung gegen Freiberg
gefahren.
Die Nachricht wirkte so überraschend auf die Officiere,
dass sie ihrer ursprünglichen Absicht, die Rückzugslinie der
Legion zu erreichen, ganz vergassen und sofort beschlossen, dem
Wagen nach Norden zu folgen. K 1 a p k a in Person einzubringen,
das war auch eine zu verlockende Aufgabe. Es war aber nur
Graf Seherr-Thoss, welcher mit seinem Diener auf einem
von der Gemeinde Roinau beigestellten Miethwagen Frankstadt
um 4 Uhr Nachmittags passiert hatte, um Depeschen und Briefe
Klapka's in die Stabsstation des preussischen Generals Stol-
berg zu überbringen. Ihn verfolgte nun, freilich auf einen noch
wichtigeren Fang hoffend, die Escadron in scharfem Tempo auf
der Strasse nach Freiberg. Auf halbem Wege dahin, bei dem
Dorfe Weltschowitz, zweigt aus dem Lubina-Thale über einen
beiderseits ziemlich steilen Bergrücken die Strasse nach Hoch-
wald im Thale des Ondfejnica-Baches ab. Während nun Wacht-
meister Czesnek mit der Vorhut gegen Freiberg weiterritt,
machte Cadet von Haim den Rittmeister aufmerksam, dass der
Wagen sich nach Hochwald gewendet habe. Dahin folgte der
Rest der Escadron. Kurz vor dem Orte erreichten Cadet
Haim und Corporal H a y n u s beinahe den Wagen. Seherr-
Thoss, der sich verfolgt sah und gleich nach dieser Wahr-
') Es ist nicht gut zu zweifeln, dass diese Mittheilung auch erfolgt sei. Da
jedoch Fr entz seine ^Meldung erst um 4 Uhr 30 Minuten Nachmittags abschickte, so
dürfte General Braisach sie noch nicht gehabt haben, als er um eine Stunde
später an Oberst von Fischer und nach Krakau telegraphierte. Es ist wenigstens anzu-
nehmen, dass er die positive Nachricht von der Auffindung der Legion bei Roinau
genauer angedeutet hätte. Da er aber nur meldete: »Nachrichten bestimmten mich,
Bataillon Nr. 67 noch heute zu Wagen nach Frankstadt zu dirigieren etc.c, so basierte
er im Augenblicke seine Verfügungen wahrscheinlich nur auf den intercipierten eng-
lischen Brief an Klapka.
'>^'> Kienast.
*" v/ **
nehmung- sich des Kutschers entledig-t hatte, Hess nun auch
seinen Diener ausspringen, welcher sich dem Corporal H a y n u s
gefang^en gab. Es war der Legionär Gabriel Thury, ein Soldat
des k. k. Infanterie-Regiments Xr. 46. Diesen kurzen Verzug"
benutzte der (Traf, um, selbst die Zügel führend, in schärfster
Gangart in den Ort hinein davonzujagen. In demselben theilen
sich die Wege mehrfach. Der Graf wäre der Escadron beinahe
aus den Augen gekommen. Er hatte wahrscheinlich die rechte
(östliche) Dorfgasse eingeschlagen und dann links auf die Strasse
nach dem nördlich gelegenen Richaltitz einbiegen wollen. Die
im Galopp vorgeschickte Patrouille des Corj3orals Lindner
aber entdeckte ihn rechtzeitig und nahm ihn, nachdem der
Uhlane K o c o n auf einem schneidigen Rappen ihn überholt
hatte, gefangen, als eben auch herbeieilende Bauern den Pferden
in die Zügel gefallen waren. Auch Corporal H a y n u s war gleich
wieder zur Stelle, (xraf Seherr-Thoss warf, ohne zu feuern,
seinen Revolver zu Boden und giib sich gefangen, indem er dem
Uhlanen K o c o n seinen Säbel überreichte. Seine, mit den uns
bereits bekannten Briefen ^) gefüllte Brieftasche und ein rothes
Notizbuch, dessen Inhalt oben-*) gleichfalls schon mitgetheilt
wurde, warf er in den knapp neben der Strasse fliessenden Bach;
sie wurde jedoch von einem Bauern sogleich herausgeholt und
dem Wachtmeister Bialas übergeben. Von ihm übernahm sie
Oberlieutenant Graf ^littrowsky, welcher mit einem Zug'e
(wahrscheinlich durch die linke Dorfgasse reitend) dem Wagen
den Weg hatte abschneiden wollen und nun vollauf zu thun
hatte, den Cxefangenen vor dem höchst erbitt(^rten Landvolke zu
schützen, das ihn schon zu misshandeln anfieng und ihn lynchen
wollte. Der herangekommene Rittmeister Banm Frentz beauf-
tragte Oberlieutenant M i 1 1 r o w s k y, den Grafen S e h e r r-
T h o s s in seinem Wagen über Friedek nach Teschen zu be-
gleiten und dem General B r a i s a c h zu übergeben ^). Er selbst
^} Siehe oben S. 211 und tV.
-) Siehe S. 100, 112 uml 102.
■*) Von Friedek telej^raphierte ( >berlieutenant Graf M i 1 1 r o w s k y um 8 Uhr
10 Minuten Abends nach Teschen an G.\r. Braisach: »In Hochwald Aengen wir
den ungarischen Major Grafen Seherr-Thoss. Kr führte Depeschen an Grafen
S t o 1 b e r j», in welchen Klupka sich mit <lem Corps demselben zur Verfügung
stellt. Das panze Corps steht in Koznau. Ich war mit einer halben Kscadron in PVank-
stadt, welches von Klapka nicht liesetzt \<\.. Ich fahre mit tlem Gefangenen so-
;^leich nach Teichen.* Dort kam ila* nvi^^-^rn»""- •"' - ^^^^^ ^^'» »• •p"«« «n. (W A..
.•> 111. W ilr-jii T >»' . ''IIF 1 ■« 1
Die Legion Klapka 18<)C. 2 ^ ^
führte die combinierte Escadron, welche nach der äusserst er-
müdenden Verfolgung und nach einem Ritte von fast neun
Meilen an diesem Tage keinen Sicherheitsdienst mehr leisten
konnte, nach Friedek zurück, um sie vollkommen ruhen zu lassen.
Dort angekommen, erstattete er sogleich die Meldung über die
Ereignisse des Tages nach Friedland ^),
Oberst von Fischer dürfte sie dort erst um Mitternacht er-
halten haben. Noch vor seiner Ankunft in Friedland war ihm
Braisach's Telegramm über die Vorpoussierung des vierten
Bataillons von Schmerling-Infanterie nach Frankstadt und die
weiteren Anordnungen für den kommenden Tag zugekommen.
In PMedland selbst erhielt er auch »die Abschrift jenes in eng-
lischer Sprache geschriebenen und aufgefangenen Briefes, in
welchem Klapka die Weisung erhalten hatte, sich im Nothfalle
über Ro^nau und Xeutitschein zurückzuziehen«.
Oberst Fischer war »von allen diesen Nachrichten nicht
wenig überrascht.« Er hatte sich glücklich geschätzt, dass der
Kreis-Commissär von Friedek bei ihm eingetroffen war und ihm
angeboten hatte, zum Transporte des abgemüdeten Bataillons
Parma-Infanterie bis zum nächsten Morgen 4 Uhr hundert Vor-
spann-Wagen bereitzustellen und demgemäss den Abmarsch
seiner Truppen auf 5 Uhr Früh festgesetzt. Er gedachte, von
Friedland über Lhotka, Hochwald und Freiberg (eventuell von
Hochwald über Stramberg) nach Neutitschein vorzudringen, um
den Rückzugspunct der Legion noch vor ihr zu erreichen. Als
er aber am 6. August, 2 Uhr Morgens, an Rittmeister Frentz
schrieb, hatte er die Hoffnung beinahe schon verloren, die Ungarn
noch zu treffen. Dennoch blieb er bei seinem Vorsatze und wies
den Rittmeister an, wenn es der Zustand seiner Pferde nur
einigermassen erlaube, seine rechte Flanke zu sichern, oder
wenigstens ihn über Richaltitz und Freiberg in Neutitschein auf-
zusuchen-).
Am 6. August, 5 Uhr Früh, waren indessen von den ver-
sprochenen 100 Wagen nur 16 eingetroffen. Diese Hess er nun
*) Ausser den bereits angeführten Meldungen der Rittmeister Fischer von
Wellenborn (Mistek, 9. August) und ßaron Frentz (Schönhof. 18. August)
wurden hier noch benützt die protocollarische Aussage des Oberlieuteuants M i t-
trowsky vom 12, August vor dem Militär- Gerichte zu Krakau und die wiederholt
citierten >Erinnerungen« des Grafen Seherr-Thoss,
-') K. A., Festung Krakau 1866, VUl, 37.
^ f., K i e n a s t.
von der Compagtiie des Oberlieutenants Moser besteigen. Auf
Antrag des Batterie-Commandanten, Hauptmanns Wa]^eka, be-
schloss er auch, anstatt mit sechs, nur mit vier Geschützen und
zwei Karren, diese aber mit je sechs Pferden bespannt, aufzu-
brechen. Vier Compagnien Parma-Infanterie unter Major Sa eher
sollten zu Fuss folgen*). Und nun fuhren die Compagnie und alle
vier Geschütze, so oft es nur angieng, bergauf und bergab im Trab
auf der stellenweise sehr steilen Bergstrasse über Hochwald nach
Freiberg (20 Kilometer). Um g Uhr 30 Minuten Vormittags stand
Oberst Fischer mit den Geschützen und der Compagnie Moser
auf dem Stadtplatze daselbst. Kurze Zeit darnach traf auch Ritt-
meister F r e n t z mit seiner Halb-Escadron von Friedek her dort
ein, hatte also trotz seiner gestrigen Leistungen zu so früher
Stunde heute schon wieder über 18 Kilometer zurückgelegt.
Der Oberst verfügte sich sogleich auf das Telegraphenamt,
welches erst seit dem abgelaufenen Tage wieder thätig war und
citierte den Bezirks Vorsteher von Neutitschein in das dortige
Telegraphen -Bureau, um zu erfahren, ob Klapka auf dem
Marsche nach Xeutitschein sei. Nach einiger Zeit kam die Ant-
wort, dass die ungarische Legion über Roznau zurückgegangen
sei und endlich, dass sie in (remeinschaft mit einer preussischen
Compagnie hinter der Demarcations - Linie bei Pohl zwischen
der Kaiserstrasse und der Eisenbahn lagere. Oberlieutenant Baron
Boxberg, den der Oberst während des Marsches gegen Hoch-
wald nach Frankstadt-) abgesendet hatte, schrieb gleichfalls, dass
die Legion nicht dorthin den Rückzug genommen habe.
Nun erkannte Oberst Fische r, dass eine weitere Verfolgung"
zwecklos wäre. Seine Truppen hatten an drei aufeinander folgenden
Tagen sehr starke Märsche gemacht und waren sehr ermüdet. Er
musste si»^ am nächsten Tag«* ruhen lasse»n und legte sie daher
in Fnüberg in Quartiere*') . Mittags, als wohl auch die vier Com-
pagnien des Majors S ach er in Freiberg eingerückt waren, sendete
<^r die auf AVagen angekommtMit* Compagnie des Oberlieutenants
Moser nach Xtnititschein vor. Hart nebenan, in dem benachbarten
*) Die fchk'n«le sechste Ct)mpa^nie war vom J.ibhinka-ra«5se her noch nicht
nachj»eki)inim'n.
'-'. Dort "War mittlerweile <Ia^ vierte Hataillon von Schmerliü;^-Iiifanterie in den
l*'rüh<tuiulen des (». Auj»ust vmi Dt)l)rau her ein^'erückt.
■') 'I elej-'ranini aus l*>eil>erj.- '•. ^"^usl > Ulir •■'^ Mii-.-*-»f~ x*.w-^rr»J»*-iiT^ -"y . X
Die Legion Klapka 1866.
255
Orte Schönau, befand sich bereits eine preussische Truppen-Ab-
theilung.
Unterdessen war auch Oberstlieutenant Graf Kälnoky
mit dem vierten Bataillon vom Regimente Rossbach, einer com-
binierten Escadron und den zwei Vierpfündern frühzeitig von
Gross-Karlowitz wieder aufgebrochen und am 6. August ungefähr
um 7 Uhr Morgens in Roznau eingerückt. »Die kaiserlichen
Truppen, welche durch die beschwerlichen Märsche sehr erschöpft
waren, wurden bestens empfangen und bewirthet^).« Auch Oberst-
lieutenant K 4 1 n o k y sah ein, dass eine Verfolgung der um
wenigstens neun Stunden im Vorsprunge befindlichen Legion so
nahe an der Demarcations-Linie vergeblich sei; doch unternahm
er nichtsdestoweniger mit einer halben Uhlanen-Escadron eine
Streifung gegen Walachisch-Meseritsch und schickte die andere
Halb-Escadron unter einem Rittmeister zu gleichem Zwecke gegen
Frankstadt ab, indess das Infanterie-Bataillon und der Geschütz-
zug rasteten. Gegen halb 1 2 Uhr Mittags kamen die beiden Halb-
Escadronen wieder nach Roznau zurück. Sie hatten von Klapka
nichts mehr sehen können^).
Oberstlieutenant Graf K d 1 n o k y blieb daher in Roznau
stehen und Hess seine Truppen an diesem und dem folgenden
Tage ruhen. Am 8. August rückte er mit seinem ganzen De-
tachement noch nach Walachisch-Meseritsch vor^).
An demselben Tage (6.) marschierten dem Befehle gemäss die
dritthalb Uhlanen-Escadronen des Obersten von Ziegler um
4 Uhr Morgens von Schumbarg ab, um in Friedek, wo sie nach
Zurücklegung von etwa 1 6 Kilometern zwischen 6 und 7 Uhr an-
gekommen sein dürften, den Anmarsch des Generals von Braisach
mit seinen Truppen von Teschen her zu erwarten. In Friedek
stand noch die halbe sechste Escadron des Oberlieutenants Grafen
Mittrowsky, deren Pferde von der gestrigen Suche nach der
*) Correspondenz der Olmützer >Xeuen Zeit« aus Roinau, 7. August, abge-
druckt in der Wiener > Militär-Zeitung« vom 18. August 1866. Darnach befanden sich
auch Jäger, offenbar vom Detachement Dorner stammend, bei den Truppen Kulnoky*s,
dessen Anmarsch von Karlowitz her schon am Vortage fast gleichzeitig mit dem flucht-
artigen Abzüge der Legion aus Roinau daselbst bekannt geworden M-ar.
*) Bericht des Bezirksvorstehers von Roinau, 6. August. (K. A., F. A. Operie-
rende Armee 1866, VIII, 105-)
^) K. A., Festung Krakau 1866, VIII, 60.
2^5 K i e n a s t.
Legion und der Jagd nach dem Grafen Seherr-Thoss noch so
müde waren, dass die Abtheilung in ihren Quartieren belassen
wurde. Nach einigen Stunden Rast rückte GM. Braisach in
Friedek ein. An der Tote befand sich die Krakusen-Escadron.
Die Infanterie (wahrscheinlich das vierte Bataillon vom Regimente
Kaiser Alexander und zwei Compagnien vom Regimente Erzherzog-
Joseph) war auf Vorspann- Wagen verladen.
(xeneral B r a i s a c h, welcher inzwischen den gefangenen
(xrafen Seherr-Thoss von Oberlieutenant M i 1 1 r o w s k y über-
nommen und unter dem (leleite eines anderen Officiers nach
Krakau weiter instradiert, dahin auch die telegraphische Meldung"
vorausgeschickt hatte, erhielt in Friedek folgendes Telegramm des
Truppen-Commandos für West-(ializien : -Sollten die Insurgenten
nicht mehr ( erreicht werden, bh^ben bis auf Weiteres Krasna,
Neutitschein, Ereiberg und l^Viedc^k besetzt. Das Commando der
operierenden Arme«* ordnete diese J^esetzung wegen der Demar-
cations-Linie an^).'< Die Legion noch zu erreichen, war kaum mehr
eine Aussicht. Dennoch schickt«* (nmeral Braisach den Oberst
Ziegler mit seinen Uhlanen nach Ereiberg vor mit dem Auf-
trage, wenn nötliig, auch bis Xeutitscliein vorzugehen. Als die
Uhlanen um 3 Uhr Nachmittags in Ereiberg ankamen, fanden sie
auf dem Platze daselbst vi(ir (ieschütz«» aufgefahren, daneben vier
Compagnic^n von J^arma-Infanterici bivouakierend. Rittmeister
E i s c h e r von AV <* 1 1 e n b o r n -), welcher sclion von Schumbarg
her mit seiner llalb-l^scadron die Avantgarde des Obersten von
Ziegl(*r gebildet hatte, rückte noch auf der Strasse gegen
Neutitschein bis nach Libiscli vor, indess sein Regiments-Com-
mandant sich mit Oberst von E i s c h e r über die Situation be-
sprach. Das Resultat davon war d(»r Beschluss, auch die Uhlanen
in Ereiberg und Umgebung einzuquartieren.
General Braisach war in Eriedek stechen geblieben und
beabsichtigte, mit seinem Stab«? nach 'r<,»schen zurückzukehren und
di(? Trupp«.*n die angeordnt?ten Dislocationen beziehen zu lassen;
aber noch vor Eintritt (l<»s Abends erhielt er B(*fehl aus Krakau^
zur Verm<*idung unnützer Märsche in dan augenblicklichen Stel-
lungen zu verharren, bis genau«*re schriftliche Uef«*hle gekommen
') Iv. A., Kc^tun;; Krakau iSO<), Vi II, 3.;. Nacli tlie^em CV'^^cpte »vurilc dar
'roK-j^rainni in Krakau am d. Aii^us' im '» l'hr V(>rmilta;^s auü!""*. -
Die Legion Klapka 186Ö. 2^7
seien'). Nur der Antrag, von Teschen aus eine grössere Infanterie-
Abtheilung über den Jablunka-Pass entsenden zu dürfen, wurde
am Abend des 6. August noch genehmigt, weil Hauptmann
Schütz aus Csdca nach Teschen gemeldet hatte, dass sich in
den Bergen zwischen der Kisuca und AVaag flüchtige Legionäre
herumtreiben und Vieh stehlen sollten^). Da am 9. August wirklich
sechs Deserteure der Legion in Trentschin eingebracht wurden,
die behaupteten, es würden sich in Kürze noch bei 100 Flücht-
linge melden •'*), so wurde gemäss Auftrages von Wien aus von
den politischen Behörden Ungarns eine Streifung im Nordwesten
des Landes nach flüchtigen Legionären für den 12. August an-
beraumt, an welcher auch die nahe der ungarischen Grenze
stehenden Truppen des GM. Braisach sich betheiligen sollten.
Zwar telegraphierte Oberst Fischer noch am 11. August aus
Freiberg nach Krakau, die Streifung sei überflüssig, es gebe keine
Ausreisser, doch wurde der Befehl zur Theilnahme der Brigade
Braisach an derselben aufrecht erhalten^). Es hatten sich aber
bis zu diesem Tage doch acht Legionäre bei der Brigade Braisach
gemeldet, welche der General unter Bedeckung nach Krakau
abschickte und man wusste, dass sich deren eine Anzahl noch
in den Bergen herumtrieb ^). Ohne Zweifel schlichen sich letztere,
wohl nach Ablegung der Legions-Uniform, unbemerkt durch die
streifenden Gendarmen und die ihnen helfenden ungarischen Frei-
willigen durch und gelangten vielfach in ihre Heimathsorte, wo sie
*) Braisach an Rzikowsky, Friedek, 6. August, 3 Uhr Nachmittags, und
Concept der Antwort aus Krakau, 5 Uhr Nachmittags. (K. A., Festung Krakau, 1866
VIII, 39-)
*) Ebenda, VIII, 41. Die auf dem Jablunka-Sattel detachierte Compagnie Parma-
Infanterie muss also diesen und Csdca am 6. Abends schon geräumt haben, der Rück-
marsch des zweiten Jäger-Bataillons von Makov nach Sillein dem Hauptmann Schütz
noch nicht bekannt gewesen sein.
•') Telegramm GM, Rupprecht, Trentschin, 9. August Mittags, nach Wien.
iK. A., F. A. Operierende Armee 1866, VIII, 323.) Die Angabe mehrerer dieser
Deserteure, sie hätten mit einem ganzen Zuge Cavallerie die Legion verlassen, mag
wahr sein ; doch findet sich für ihre weitere Behauptung, sie hätten 42 Pferde an
Grünne-Uhlanen übergeben, in den Acten keinerlei Bestätigung. M o g y o r 6 d y er-
wähnt in seinem Berichte an K o s s u t h, dass die Legion in Ro2nau je eine Husaren-
Patrouille gegen Frankstadt und Gross-Karlowitz abgesendet habe, von denen die
zweite nicht mehr zurückgekehrt sei.
*) K. A., Festung Krakau 1866, VIII, 69. In welchem Umfange und mit
welchem Erfolge die Streifung stattgefunden hat, ist in den Acten nicht ersichtlich.
^) K. A., Festung Krakau 1866, VIII, 73, 74.
Die Legion Klapka 1866. ^7
258
K i e n a s t.
erst später ergriffen und zum Theile nach Krems gebracht
wurden.
Welche Erbitterung das Auftreten der Legion unter dem
gut kaiserlich gesinnten Landvolk jener Gegend hervorgerufen
hatte, ist aus dem Verhalten der Bewohner von Hochwald ge-
legentlich der Gefangennahme des Grafen Seherr-Thoss er-
innerlich. Von dem gleichen Gefühle waren die in der Geg'end
befindlichen Organe der kaiserlichen Regierung beherrscht, die,
soweit sie Einfluss nehmen konnten, dies durchaus eifrig und
pflichtgemäss thaten. Von dem Bezirks- Vorstand in Friedek liegt
sogar eine Gurrende vom 4. August vor, in welcher er, um einer
Vereinigung der mit den Preussen verbündeten Legion mit der
revolutionären Partei in Ungarn vorzubeugen, die ihm unter-
stehenden Gemeinde -Aemter anwies, die Orts-Inspectionen in
Wirksamkeit zu setzen und die Fremden-Ueberwachung mit rück-
sichtsloser Strenge durchzuführen*). Und dass die Empfindungen
der kaiserlichen Officiere in Anbetracht der Legion mit jenen der
Beamten und des Volkes sich in voller Uebereinstimmung be-
fanden, gibt sich in zahlreichen Actenstücken kund, unter Anderem
auch in dem folgenden Telegramme, welches Oberst von Fischer
am 8. August Vormittags, noch bevor ihm der Transport der
Legion von Pohl nach Preussisch-Schlesien bekannt geworden,
nach Krakau richtete:
^ Meine Trupi)en sind ausgeruht ; bis auf einige wunde Füsse
Alles in Ordnung. Ich denke, die Demarcations-Linie besteht
zwischen der Legion und mir jetzt ebenso wenig, als früher, und
ich werde daher gegen die letztere, wenn möglich, ebenso ver-
fahren wie früher, wenn ich sie erreicht hätte. Ich dulde, dass
mtjine I^atrouillen in der Richtung dieses Feindes, für den der
WaiTenstillstand nicht existie^rt, die Scheidelinie ve^rletzen, so weit
das ohne CoUision mit preussischen Truppen möglich ist; denn
ich muss stündlich selbst auf einen Angriff gefasst sein, wenn ich
auch nicht glaube, dass die Legion Vi<4e besitzt, welche auf uns
zu feuern flihig wären. vSie stehen noch imm(T in Pohl und sollen
erst heute nach (xross-Pt^tersdorf gehen. (xestcM-n sind 150 Mann
Ciivallerie in Mank**nd()rf cing« »rückt-), und (»s sieht beinahe aus,
als ob «'S auf mcjine Compagni««, die in XcutitsclKiin steht, abge-
selien wär(».x
*i K. A., Kcstun- Krakau iS^^., VIII. 21.
Die Legion Klapka 1866.
259
»Ich habe Befehl gegeben, die Stellung der Legion auf das
Genaueste auszuforschen, ebenso die der preussischen Truppen;
und wenn ich ohne CoUision mit diesen an die Legion heran-
kommen kann, so wird dies geschehen, ausser ich bekomme
Contre-Ordre. Bisher weiss ich, dass eine preussische Compagnie
mit ihnen im Lager steht. Ich denke, jetzt nach Neutitschein zu
fahren, um mit Bezirks- Vorsteher und Stations-Commandanten zu
sprechen, dann nach Meseritsch, wo Kdlnoky mit allen seinen
Truppen heute einrückt. Werde Nachmittags zurück sein.« Noch
an demselben Tage telegraphierte FML. Baron Rzikowsky
indessen an seinen Generalstabs-Chef nach Freiberg: *Demarca-
tions-Linie respectieren, um Conflicte zu vermeiden^).«
So blieben also vorläufig, ohne dass man vergessen hätte,
auf das Verschwinden der Legion aus Pohl und auf ihr mögliches
Wiedererscheinen ein wachsames Auge zu haben, die Truppen
der Brigade Braisach in ihren Ruhestellungen, und zwar das
Detachement des Obersten von Fischer in Freiberg, Neutit-
schein und Krasna-Walachisch-Meseritsch ; Oberst von Ziegler
mit seinen Uhlanen in Freiberg und Umgebung; der Rest der
Brigade in Friedek, Mistek, Frankstadt und Teschen. Eine Com-
pagnie vom vierten Bataillon des Regiments Erzherzog Joseph
Nr. 37 hatte der General am 7. August Morgens aus Teschen
nach Jablunkau abgeschickt mit dem Auftrage, einen Zug nach
Cs^ca zu detachieren^.
Die Expedition der Brigade GM. Hertwek.
Als am 3. August Nachmittags in Wien die Telegramme
des schlesischen Landeschefs aus Bielitz und des Festungs-
Commandos Krakau einlangten, dass die Legion Klapka frische
Zuzüge erwarte und sogar positiv gemeldet wurde, eine zweite
Insurgenten- Abtheilung solle in der kommenden Nacht bei Bar-
') K. A , Festung Krakau l866, VIIT, 60. Aufgegeben um 10 Uhr 20 Miauten
Vormittags, vom Festungs-Commandanten präsentiert um l Uhr Mittags. Antwort laut
Concept in Krakau aufgegeben um 6 Uhr Nachmittags.
- K. A., Festung Krakau 1866, VIII, 55, Oberstlieutenant Dorne r dürfte die
lU'setzung von Ungarisch-Hradisch, Mallenowitz, Freistadtl un<l Wsetin in Mähren,
wozu ihn Oberst Fischer aufgefordert, mit Rücksicht auf die Dispositionen seines
J^rigadicrs, GM. Hertwek, nicht ausgeführt haben.
17*
25o K i c n a s t.
telsdorf und vSchönhof eintreffend^ konnten die massgebenden
Stellen die Unrichtigkeit dieser Meldungen nicht leicht erkennen.
Unmittelbare Gefahr schien nicht vorhanden, denn es waren nach
den, schon am 30. Juli erlassenen Befehlen bereits mehrere
Truppenkörper in Bewegung, um der Legion entgegen zu treten.
Als aber am nächsten Tage die irrigen Meldungen nicht wider-
rufen wurden und auch über die Stärke der angekündigten Zu-
züge der Legion nichts Näheres verlautete, blieb die Möglich-
keit offen, dass diese mit ihren Verstärkungen vielleicht doch
anfangliche Erfolge erringen könnte; desshalb empfahl es sich,
den Expeditionen des Überstlieutenants von D o r n e r und des
Obersten von F i s c li e r einen festen Rückhalt zu geben.
Erzherzog A 1 b r e c h t beschloss daher am ^littag des
4. August noch eine Brigade in das obe^re Waagthal zu ent-
senden. Xocli bevor die Befehle zur Ausführung abgesendet
waren, lief ein Telegramm des (i^L Rupp recht aus Tren-
tschin ein, in welchem dieser nach einer natürlich gleichfalls
irrigen Meldung des Oberstlieutenants von Dorner nicht nur be-
stätigte, dass der Legion eine zweite Abtheilung folgen solle,
sondern ciuch der Ansicht Ausdruck gab, wegen der Längen-
ausdehnung der (irimze seien zur Vernichtung der Insurgenten
ausser dem 2. Jäger-Bataillon noch zwei weitere Bataillone nöthig^.
Daher wurde um 3 Ulir Nachmittags telegraphisch anbefohlen,
dass das 6. Arm«.*e-Corps in J^otz-Xeusiedel (welches bereits zur
Verlegung auf das linke DonauufVr ausersehen war) allsogleich
eine Brigade nach Pr<.\ssburg absenden und das 2. Armee-Corj^s
in Pressburg die Transi)ortsmittel sicherstellen solle, damit diese
Brigade spätestens am k(Mnmenden Tage, 5 Uhr Morgens, zuerst
auf der Eisenbahn, dann auf Vorspannwagen nach Waag-Bistritz
und Sillein fortgeschafft werden könne, um di«' ( iebirgsübergänge
aus Schlesien zu beobachten und die dort eindringtfnden Insur-
genten zu vernichten-. Zugleich «»rhif'lt das 2. Armee-Corps den
Befehl, auch den Rc^t des Uhlam'u-Rt^gimt^nts Xr. ö zu dem-
selben Zwock(», wie die Division Dornrr, soglrich nach Sillein
abmarschieren zu lasst*n ' .
' Sirhe (hell S. 231 mit Aiimerkun;: r .lut «ler t'<)l^'on<lfn ScitL* und S. 23»),
-■ K. A.. V. A. Opericrfmle Ariufc iS'.'i, VIII. ^'> r. FML. J •> h n versah
<lie Ki'u'k^tMti- «le*» um 2 l'hr 2») Miiiutni N;uhiiiitt:i;^«i m Wii*u »Mn}^ctr'»t^'>"#»n Tele-
j;r3iiime*4 mit ilcr Hrnii.*rkunt; : • Nt ein«.* Jiri^asli* 'l.iliin comm;in«lifrt
: K .\.. y A. OP' ■' 1''' ^nnt«: »s'' \'nF t • - ,-
Die Legion Klapka 1866. 201
Das 6. Armee-Corps-Commando (FML. Ramming) be-
traute die Brigade GM. Hertwek mit der im oberen Waag-
thale zu lösenden Aufgabe. Die Brigade bestand aus den In-
fanterie-Regimentern Nr. 41 und Nr. 56 mit je 3 Bataillons,
dem 25. Jäger-Bataillon und 8 Geschützen und zählte damals
6149 Mann und 299 Pferde, die Uhlanen-Division in Weinem (bei
Pressburg) ungerechnet. Nach der Absicht des Brigadiers sollten
seine Fusstruppen (auf 1000 Vorspann- Wagen) und die Batterie
am 5. August über Tyrnau bis Sträzsa (bei Pistyan), am 6.
über Trentschin nach Tepla, am 7. nach Waag-Bistritz und am
8. nach Sillein gelangen ; die Uhlanen-Division hätte dort am
10. August eintreffen sollen^).
Die Brigade kam am 5. August, zwei Uhr Morgens in
Pressburg an und fuhr mit der Eisenbahn bis Wartberg. Dort
waren anstatt der bestellten 1000 nur 250 Wagen zur Fort-
schaflFung der Truppen bereit. Dieselben kamen daher erst um
6 Uhr Abends nach Tyrnau, wo sie abkochen mussten, um dann
noch um 10 Uhr Nachts auf etwa 800 Wagen den Weg nach
Strdzsa fortzusetzen. GM. von Hertwek fuhr noch am Abende
des 5. August nach Trentschin voraus, um sich dort mit GM.
von Rupprecht in das Einvernehmen zu setzen*).
Am 6. August Nachmittags kam das 25. Jäger-Bataillon in
Trentschin an und setzte den Weg nach Dobra und Tepla fort,
wo es Cantonnierungen bezog. Das Infanterie-Regiment Nr. 41
rückte Abends, jenes Nr. 56 in der Nacht in Trentschin ein ;
beide wurden hier einquartiert. Am 7. August setzte das 25. Jäger-
Bataillon den Weg bis Bellus fort und entsendete noch eine
Compagnie nach Waag-Bistritz. Das Infanterie-Regiment Nr. 41
fuhr nach dem Abkochen auf bereitstehenden Wagen nach lUava
und Kossetz (Kaszsza) und entsendete eine Compagnie über die
Waag nach Pruszka, um den von Brunow über Nedaschowa-
Lhota und Vöröskö von Mähren her über die Karpathen fuhrenden
Weg zu überwachen. Vom 56. Infanterie-Regiment wurden zwei
Compagnien nach Nemsova, eine Compagnie nach Drietoma
geschickt, um die vom Vlära-Passe, beziehungsweise von Alt-
Hrosinkau herabführenden Wege zu überwachen ; der Rest des
Regiments setzte Nachmittags den Weg nach Dubnitz fort.
>) K. A., F. A. 0. Armee-Corps 1866, VIII, 21, 21 a— c.
-) Ebenda, VIII, 21 f und 41.
^^o Kienast.
Mittlerweile hatte GM. von Hertwek nicht nur erfahren,
dass die Lej^ion Unj^arn wieder geräumt, sondern auch, dass der
ihm unterstellte Oberstlieutenant D o r n e r desshalb nur mit einer
halben Compagnie Jäger Turzovka, mit einem Zuge Uhlanen
Csäca und mit dem Reste seines Detachements Sillein besetzt
habe ; er stellte dahtjr den AVeitermarsch der Brigade ein, da
alle von Mähren in das Waagthal führenden Passwege besetzt
waren (der Lisza-Pass wahrscheinlich durch eine Detachierung*
des 25. Jäger-Bataillons nach Puchov). Die am 8. August um
7 Uhr Früh in Trentschin eingerückte Brigade-Batterie und den
Stab des Uhlanen-Regiments Nr. 6 behielt er vorläufig in der
Stadt, die zwei Kscadronen vertheilte er in die jenseits des
Flusses, am rechten Waagufer geleg(»nen (Ortschaften Zlatöc,
Oreclu) und Zamarocz. Auch er selbst blieb mit dem Brigade-
stabe in Trentschin, wo als dem vStandorte des Vertheidigungs-
Commandos für West- Ungarn (GM. von Rupj)rechti und dem
augenblicklichen Amtssitze des kiWiiglichen Landes-Commissärs
(rrafen F o r g a c h alle Meldungen zusammenliefen und sonach
am raschesten zu seiner Kenntniss kommen mussten\i.
Um einerseits den Anschluss an das Streifcorj^s des Obersten
von F i s c h e r zu suchen, anderseits über die auch ihm zu-
gekommenen Gerüchte von Bewegungen der Legion nach Manken-
dorf, Petersdorf und Ileinzendorf Gewissheit zu erhalten, schickte
der General am C), August eini^n Zug Uhlanen über den Vldra-
Pass nach Walachisch-Meseritsch und Roznau und zur Unter-
stützung dieses Zuges eine halbe Compagnie der in Xemsova
stehenden Division des Infanterie-Regiments Xr. 56 auf Vorspann-
Wagen bis Ws(?tin vor-». AVeder diese noch sonst irgend ein
Tru])j)entheil der Brigade Hertwek sahen von der Legion noch
eine Spur, denn diese war, wie der (leneral seinem vorgesetzten
Armee-Corps-Commando in Pressburg »allerdings er.st am 10. August
Abends I melden konnte, schon am 8. August mitti^st Fisenbahn
aus der (iegend von Mährisch -AVeisskirchen in der Richtunjf
gegen Oderberg abgefahren^'.
'1 K. A., i'\ A. i). Armee-Corps IS<>'*, VIII. 43 und :ul 43. M'*Uluiu'«*a des
GM. Villi II er l WC k vuni 7. un«l S. Atij^u<t.
• I'beinl.j, VIII, t,}. MeMuii;: <le> (iM. Hertwek. j rentsib,. ^r'^ust,
Ibe'"'» VIII. l>2.
Die Legion Klapka 1866. 26^
Rückblick auf die österreichischen Expeditionen.
So hatte also keine der von österreichischer Seite ein-
j^-eleiteten Gegenactionen ein positives Ergebniss. Ueberschaut man
die in Betracht kommenden Verhältnisse, so konnte es auch nicht
anders sein. Die Preussen beherrschten bis zum 3. August alle
Verkehrsmittel, natürlich insbesondere auch den Telegraphen im
Teschener Kreis. Bis zu diesem Tage waren alle Meldungen auf
verlässliche Boten angewiesen und kamen zu spät. Als dann die
kaiserlichen Telegraphen-Aemter nach und nach wieder zu
functionieren anfiengen, überstürzten sich wieder die Telegramme.
Dazu kam, dass diese, wie auch die anfänglichen mündlichen und
schriftlichen Meldungen der behördlichen Organe vielfach un-
richtig waren ^), sich oft geradezu widersprachen. Und auch die
Meldungen von Militärpersonen haben es wiederholt an der
wünschenswerthen Genauigkeit fehlen lassen. Das soll nach keiner
Seite hin eine Anklage sein, denn selbst unter den günstigsten
Verhältnissen sind auch anderwärts fehlerhafte Berichte gerade
nichts Ausserordentliches. Aber alles Gesagte im Vereine mit dem
Umstände, dass die Verbindung der Truppen untereinander fast
nur durch Patrouillen, Estafetten und Ordonnanz-Soldaten auf-
recht erhalten werden konnte, lässt es begreiflich erscheinen,
dass die Gegenactionen überall zu spät oder aus zu grossen
Entfernungen einsetzten. Diese letzteren allein schon machten es
fraglich, ob die kaiserlichen Truppen in der kurz zugemessenen
Zeit die Legion würden einholen können. Denn dieselbe war von
Turzovka aus den Streifcommanden des Oberstlieutenants D o r n e r
und des Obersten Fischer um einen sehr starken Tagemarsch
voraus, was umso mehr in's Gewicht fallt, als auch die Legion
sehr gut marschierte. Man kann diess immerhin mit Befriedigung
zugeben, denn die Leistungen der Legionäre, selbst unter ihren
fremden Führern, machen den kaiserlichen Officieren, ihren
Instructoren, alle Ehre.
Wenn nun einerseits die österreichischen Expeditionen gegen
die Legion ohne Erfolg bleiben mussten, so lässt sich anderer-
seits wenigstens heute, nach mehr als drei Decennien, fest be-
haupten, dass auch Klapka nach der militärischen Lage nicht
hätte reüssieren können. Denn wäre er am 4. August weiter in
*) FML. Baron Rzikowsky constatiert diess ausdrücklich am 15. August.
(K. A., F. A. Operierende Armee 1866, VIII, 466 b.)
204
K i e n a s t.
Unvcarii vorj^edrungen, so hätte er das auf dem Wege zwischen
Bistritz und Sillein befindliche Dotachement Domer vor sich
v^ehabt, wälirend jenes des (.)bersten V i s c h e r eben geg'en seine
linke Flanke anrückte und ihn von der Seite her oder doch im
Rücktm jafefasst hätte, dabei der Unterstützunjjc der Brijjade
liraisach von Norden her sicher. Und auch die Brijifade Hertwek
wäre ihm bald von Südwesten her in den Wej^* g'etreten oder
ihm doch auf den Fersen g'efolg't.
Man kann nicht mit Sicherheit saj^en, was jjfeschehen wäre,
wenn der falschen Meldun^^ von dem Auftauchen einer zweiten
Colonn<* bei Schönhof am 3. Auyfust nicht so viel Glauben bei-
^'•emesstm worden wär<\, weil man doch nicht weiss, was ohne
diese Meldunj^^ (it^neral von J^raisach am 4. und 5. August
^etlian hätte. Fs bleibt eb(»n immer eine missliche Sache,
Geschichte im C.'onditional zu schreiben. Aber dennoch lässt
sich so \'iel erkenntm, dass Klapka, auch wenn die Bataillone
B r a i s a c h*s anfänj^lich j4"efehlt hätten, nur Misseriblg hätte haben
müssen, es wäre dtmn, dass ihm ein plötzlicher und gewaltiger
Ausbruch der Revolution in ganz Ungarn zu Statten gekommen
wäre. Dazu f(»hltfn jedoch, wtmigstens so lange er sich in den
von Slovaken bewohnten Theilen Ungarns befand, alle Vor-
bedingungen.
So bleibt also nur übrig, dass Klapka's Versuch, in
Ungarn einzudringen, um es zu revolutionieren, thatsächlich an
den öst(»rreichischen ( regen anstalten gescheit(*rt ist. Inwieweit
er von diesen in 'J'urzovka am 3. August Kenntniss hatte^ ist
nirgends deutlich zu ersehrn. Fs hat dtm Anschein, als ob er,
w(Miigstens am 3. und 4. August, die Colonnen des Oberst-
li<*ut<Mumts Dorner und (l(?s Obersten F'i scher für ihm viel
näh(»r und dcnmach gt^fährlicher gehalten habe, als sie an
diesen lagt'n wirklich schon wariMi. Fs ist aber auch mog^lich^
dass Sit' ihm nur einen willkommenen Anlass boten, unter einem
schickHchrn Vorwandt» wi<*dt»r umzukt^hnm. (iraf Seherr-
Thoss sagt<^ zwar am 13. August iSüO vor dem Kriegsgerichte
in Krakau aus: Die ungarische I-rgion hatte meines Wissens
<h'n Zwfck, im I'alle d(T Fortsetzung (lt\s Krit*gt»s als llilfstruppe
für l*rrus>fn zu käini)f(»n und hätte lo.ooo bis 12.000 Mann be-
tragen >olh-n ; abt-r bereite am Tage des Kriegsraths in Schillers*
d(»rl 31. Au'^u>t , aK die l-'ort^etzung des Krit*ges zweifelhaft
Die Legion Klapka 1866. 26 S
geworden, Hessen sich Stimmen vernehmen, man solle den Ein-
marsch nur unternehmen, um die Fahnenehre zu retten^).
So wollte auch Graf Seherr-Thoss nachher vor dem
k. k. Kriegsgerichte, allerdings im Widerspruche mit mehreren
seiner sonstigen Angaben, den Marsch der Legion nach Ungarn
nur als einen acte de pr6sence gelten lassen und als »Protest
gegen Oesterreich«, wie er am 5. August an seine Frau schrieb.
Und auch Klapka hat trotz seines Briefes vom gleichen Tage ^
die Oesterreicher schliesslich doch nicht an sich herankommen
lassen, als er aufmerksam gemacht worden, dass er die Demar-
cations-Linie noch nicht erreicht habe. Es muss wohl einer späteren
Zeit vorbehalten bleiben aufzuklären, inwieweit Klapka und
seine Freunde in jenen Tagen aus der Noth eine Tugend machten,
wenn es überhaupt noch möglich ist, über die veranlassenden
Motive der ungarischen Führer vom 28. Juli an volles Licht zu
verbreiten.
Der Process Seherr-Thoss.
Arthur Graf Seherr-Thoss ist also das einzige unmittel-
bare Opfer der Expedition Klapka's nach Ungarn*). Ober-
lieutenant Graf Mittrowsky kam mit ihm noch am 5. August
etwa um 1 1 Uhr Nachts, in Teschen an und Hess sich sogleich
^) So war auch Kossuth telegraphiert worden; dieser aber merkte zu dieser
Motivierung am 7. August an: >als ob man die Fahnenehre durch ein ungeheuer
lächerliches Fiasco retten könnte.« (>Kossuth Lajos iratai«, VI, 446.)
*) Siehe oben S. 211.
*) Seine Gefangennahme und ferneren Geschicke könnten hier füglich mit wenigen
Worten abgethan werden. Er hat jedoch in späterer Zeit sich bemüssigt gefunden,
durch die der Oeffentlichkeit übergebenen >Erinnerungen aus meinem Leben« (»Deutsche
Rundschau«, Jahrgang 1881, Hefte 9 und lO) seinen Antheil an den Ereignissen von
1848 bis 1868 nachzuweisen. Dabei ist er nicht nur manchem Irrthum verfallen, wie auch
von ungarischer Seite bereits festgestellt wurde (siehe oben S. 65, Anm. i),
sondern er bat es auch nicht der Mühe werth gefunden, seine Antipathien gegen alles
Oesterreichische zu verhüllen. Man mag dicss begreiflich finden ; denn er war der
Geburt nach Preusse und gerieth in seinem zweiten Vaterlande in verhältnissmässig
jungen Jahren, also mit vielleicht noch nicht ganz abgeklärtem Urtheil, in die radi-
calsten Strömungen des politischen Lebens, wobei er endlich nachhaltigen Schaden
erlitt. Seine Auslassungen sind daher nichts weniger als objectiv. Eben desshalb und,
weil ein möglichst gehässig auf Oesterreich losziehender Raisonneur leider auch in
Oesterreich selbst immer genug Gläubige findet, darf die Gelegenheit nicht versäumt
werden, die Irrthümer und Gehässigkeiten von Seherr-Thoss* »Erinnerungen«
zu berichtigen, um zu verhindern, dass auch sie sich zu einer der vielen Österreich-
feindlichen Legenden petrificieren, deren wir gerade genug haben I
■,(^(y K i e n a s t.
bei dem durch sein Telegramm aus Friedek vorbereiteten
GM. von Braisach melden, denn dieser hatte seinen Abmarsch
von Teschen nach Friedek für den ö. August schon auf 3 Uhr
Morgens festgesetzt. Der Graf erzählt in seinen >» Erinnerungen*,
dass M i 1 1 r o w s k y mit I lauptmann von B o r d o 1 o zum General
gegangen und dass während der langen Abwesenheit der beiden
Officiero der gesammte Inhalt« seines Notizbuches nach Wien
telegrai)hiert word(^n sei. Braisach habe di(^ Absicht gehabt,
ihn sofort aburth eilen und er schiessen zu lassen. B o r d o 1 o habe
daher nach seiner Rückkehr zu ihm gesagt, er solle sich vor-
bereiten, denn morgen Früh werde er justificiert. Der Graf will
dann gesagt haben: ^Meinetwegen! "Wenigstens habe ich die
Genugthuung, dass mein Tod Oesterreich eine Provinz kosten
wird.« Darauf Bordolo: >Sie glaub(»n wohl, Preussen wird
wegen Ihrer dem Krieg wieder anfangen ?^< Worauf der Graf
geantwortet haben will : Xein, aber herausgehen wird es nicht
von da, wo (?s ist.- Bordolo sei hiedurch frappiert gewesen
und wieder zu Braisach gegangen. Der (leneral sei vor dieser
Fventualität erschrocken, > dut ihn leicht um seine Stellung"
bringen konnte. So beschloss er in kluger Vorsicht, sich die
(ienugthuung meiner unmittelbaren Krschiessung zu versagen.* (!)
Braisach, welcher nach dieser Erzählung aus ganz unerfind-
baren Gründen nach d(?m Blute des (iraftm förmlich gelechzt
haben muss, habe si(*h dann entschlossen, ihn nach Krakau ein-
zuliefern ' I .
Den lirinnerungen ' des Grafen S e h e r r - T h o s s stellt der
von diesem genannte? damalig«? llaui)tmann von Bordolo die
seinigen entg(^gen, wie folgt :
Am 5. August Abends, gegen i i Uhr, brachte Oberlieute-
nant ( Traf M i 1 1 r o w s k y den ( i efangenen (S e h e r r - T h o s s)
zum Brigadestabe des (tM. Braisach nach Teschen. I>er
(ieneral wurde geweckt. Mittrowsky und ich traten in sein
Zimmer. M i 1 1 r o w s k y erstattete die Meldung von der (refangen-
nahme des (trafen S <»h <» rr- Th o ss und übergab das von dem-
sel])en w(»ggeworfene Notizbuch, in welch« *m sehr interessante
Aufzeichnungt^n üb<T dii^ l>ildung der Kla])ka-Legion, sowie
manch' Anderes enthalt«*n waren, (iraf S «» h t-r r- T h o ss blieb
■^ I- li c *■ r - '1' h '* s >' »MriinK-runj^cn* . a. ii. «>., Hell l*». S 77 " tV.
Die Legion Klapka 1866. 207
im Kanzlei-Zimmer, in welchem sich Brigade-Adjutant Ober-
lieutenant H e r V a y und Ordonnanz-Officier Lieutenant F 1 a n-
derka befanden.«
»Die Gefangennahme wurde gleich an das Festungs-Com-
mando Krakau telegraphisch berichtet. Die Antwort lautete :
„NachKrakau einzuliefern!'' Durch die beiden vorgenannten Herren
wurde inzwischen der kleine Koffer des Grafen Seherr-Thoss
untersucht; in welchem nur Reise-EflFecten enthalten waren.
Ausserdem wurde der Revolver desselben vom Oberlieutenant
Grafen Mittrowsky übergeben.«
»Mit Seherr-Thoss wurde dann ein Protocoll aufgenom-
men, welches den Gerichts- Acten des Festungs-Gerichtes Krakau
beiliegen muss^).«
»Während der ganzen Zeit wurde mit dem Gefangenen nur
das Allernothwendigste gesprochen, was auf dessen Gefangen-
nahme Bezug hatte.«
»Nach Beendigung des Protocolls fragte mich Seherr-
T h o s s, was mit ihm geschehen dürfte ? Ich erwiderte, dass er
in der Frühe nach Krakau abgeführt werde. „Und was dann?''
fragte er weiter, worauf ich ihm antwortete : „Als Officier muss
es Dmen bekannt sein, wie man nach den Kriegsgesetzen mit
Personen verfahrt, die im gleichen Falle, wie Sie, sich befinden.' '
Diese Antwort schien ihm nicht zu gefallen, da sein Gesicht auf-
fallend blass und er niedergeschlagen wurde.«
»Seherr-Thoss wurde nun in einem Zimmer in der Nähe
der Kanzlei unter Bewachung untergebracht und in der Frühe
durch einen Officier nach Krakau abgeführt*).«
*) Unter diesem >ProtocoU« ist wahrscheinlich die Meldung des Brigade-Com-
mandos vom 6. August l866 über die Einlieferung des Grafen und die bei ihm vor-
gefundenen Schriften verstanden. Die Meldung lag thatsächlich den Process-Acten bei
(sub Nr. II) und findet sich nun im K. A., Festung Krakau 1866. VIII, 42. Sie
scheint von B o r d o 1 o's Hand zu stammen.
-) FZM. d. R. Hermann Ritter Bordolo von Boreo (1866 Hauptmann
im Infanterie-Regimente Schmerling Nr. 67, dessen viertes Bataillon in der Brigade
Braisach eingetheilt war) wurde gebeten, die >Erinnerungen< des Grafen Seherr-
Thoss eventuell richtig zu stellen. Seine Excellenz hatte nicht nur die Güte, diesem
Ansuchen zu willfahren, sondern bemühte sich auch, seine Aufzeichnungen durch den
ausser ihm einzigen noch lebenden Zeugen der im Texte geschilderten Scene über-
prüten zu lassen. Oberst Franz Edler von Flanderka der k. k. Landwehr (1866
Lieutenant bei Grünne-Uhlanen und Ordonnanz-Officier Braisach's) bestätigte voll-
inhaltlich die Erinnerungen des Herrn Feldzeugraeisters; mittlerweile hat auch ihn der
Tod hinwe^jgerafft. (August 1899.)
25S K i e n a s t.
Aus dem Vergleiche der beiden Schilderungen dürfte sich
leicht ergeben, welcher von beiden der Vorzug zu geben ist. Es
sei daher nur darauf hin^^'ewiesen, das General Braisach
(welcher mit seinen Truppen schon um 3 Uhr Morgens von
Teschen nach Friedek aufbrechen wollte) und seine Oflficiere sich
kaum die Zeit genommen haben dürften, um Mittemacht den
doch ziemlich ausgiebigen Inhalt des gräflichen Notizbuches
nach Wien telegraphieren zu lassen; es findet sich auch in der
That nicht die leiseste Bestätigung für diese sonderbare Be-
hauptung. Weiters dürfte der (xeneral, dem als Brigadier kein
Justiz-Referent zur Vorfügung stand und bei dessen vierten
Bataillonen auch kein Regiments-Auditor eingetheilt war, sich
wohl schwerlich aus eigener Machtvollkommenheit die Fällung
eines Todesurtheils haben anmassen wollen, umso weniger, als
im Bereiche der Brigade auch das Standrecht nicht publiciert
war. Was endlich den angeblichem Hinweis des (xrafen Seherr-
T h o s s auf den m()glichen Verlust einer österreichischen Provinz
betrifft, so dürfte er, der ja von B i s m a r c k's Absichten in Be-
zug auf Böhmen Kenntniss hatte \), sich im Jahre 1881 wohl
noch erinnert haben, dass er diesbezügliche Andeutungen habe
fallen lassen, aber nicht mehr zuverlässig, ob zu Hauptmann
B o r d o 1 o in Teschen, oder etwa in einem späteren Momente,
wie sich noch zeigen wird. B o r d o 1 o weiss nun von diesen An-
deutungen wirklich nichts und damit fällt die Erzählung Sehe rr-
T h o s s' von den Folgen derselben in Nichts zusammen. Die an-
gebliche* Blutgier des Generals Braisach aber wird vollends
zur Chimäre -I.
Zur Kscortierung des (irafen wurde Lieutenant Alois
Tamele des Infanterie-Regiments Xr. 37 bestimmt und ihm
Zugsführer Michael Kngedy seines Regime»nts und Gendarm
Carl S c h ö n zugewiesen. S e h e r r - T h o s s erzählt-'*), der Lieute-
'; Verj;!. oben S. 114 mit Aiini. 2.
- S e h e r r - T h o s s glaubte dieselbe auch noch dadurch besonders hervor-
heben zu sollen, dass er schrieb. 15 r a i s a c h bitte ihn eijjentlich lieber nach Olmfitx
schicken wollen, »weil dessen Commandant J a b 1 n n s k i ein besonders energischer
Mann wäre^. Da die Bri^^ade Braisach von Krakau dependierte, so kann jetler Soldat
K'icht sa^en. <lass Braisach nur, wenn (icfahr im Ver/.u;; jjcwesen wäre, sich h&tte
nach Dlmütz wen<len dürtcn. Aber seilest unter dieser ^^>rausset7.unJ; wäre ein Ab-
weichen vom Dicnstwe;,'!' nur dann jjerechtfertij^t ;^ewcsen. wenn 'J'eschen viel näher
zu ( Mmüt/. als /u Kr.ikau ^elr^iMi wäre. wa«i <lurchau* nicht <'" ^'-»l' '"*
Die Legion Klapka 1866. 200
nant habe ihm erklärt, dass er — der Graf — ihm während des
Transportes »auf Fragen nur mit Ja und Nein antworten, mit
den Soldaten aber kein Wort sprechen dürfe, sonst — er zog
einen Revolver aus der Tasche und hielt ihn mir dicht unter die
Xase. Mich überraschte diese Brutalität so wenig, dass ich blos
den Blick verächtlich abwandte, aber kein Wort erwiderte. In
der viersitzigen Postkalesche wurde mir ein Platz im Fond an-
gewiesen; der Officier setzte sich mir gegenüber, um, wie er zu
einem der Soldaten unter abermaliger Vorzeigung des Revolvers
sagte, mich besser unter der Hand zu haben. Einige fast un-
glaublich klingende Facta ähnlicher Art, die sich während der
ersten Stunden der Fahrt zutrugen, übergehe ich mit Still-
schweigen, da ich dem Officier, der vielleicht noch in der Armee
dient und dessen Benehmen, zu seiner Ehre sei es gesagt, sich
nach einigen Stunden gänzlich änderte, nicht schaden will. < Ueber
sein eigenes Benehmen während der Fahrt erzählt der Graf
nichts; es ist daher billig, hierüber Lieutenant T a m e 1 e zu hören,
der mit dem Gefangenen am 7. August gegen 6 Uhr Abends
in Krakau eintraf und am folgenden Tage auf Befehl des Festungs-
Commandos durch den Gamisons-Auditor Hauptmann Bartholo-
mäus J u V a n z im Beisein von zwei Officieren einvernommen
wurde, wobei er erzählte:
»Vorgestern Früh übernahm ich den Grafen Seherr-
T h o s s im Civilgefangenhause zu Teschen zur Escorte nach
Krakau. Man wusste mir nichts Näheres über ihn zu sagen, als
dass er ein sehr gefahrliches Individuum und ein Jude sei^). Es
^) Seherr-Thoss wusste vielleicht nicht, dass er als »sehr gefährliches
Individuum« galt, wohl aber nach seiner eigenen Angabe, dass der Lieutenant den
Auftrag hatte, »den „Rebellen" bei dem geringsten auflehnenden Worte niederzu-
schiessen^. Schon das allein hätte ihn bei einigem Nachdenken über seine damalige
Lage bis zur Veröffentlichung seiner »Erinnerungen« im Jahre 1881 darüber aufklären
können, dass der Lieutenant bei seiner Einlieferung nach Krakau einer Aufgabe gegen-
überstand, die schlecht auszuführen ihn wenigstens seine erst erworbene Officiers-
charge kosten, ihm wahrscheinlich auch noch sonstigen Schaden bringen konnte. Wenn
Seherr-Thoss sich erinnert hätte, dass er bei seiner Festnahme nur mit knapper
Noth der Gefahr, erschlagen zu werden, entrissen wurde, so hätte er aus der Stimmung
des Landvolkes gegen die Legion leicht auf jene eines kaiserlichen Officiers schliessen
können und das Verhalten des Lieutenants T a m e 1 e vielleicht begreiflicher gefunden,
zumal da derselbe dem Anscheine nach seinen Namen und socialen Rang erst während
der Reise von ihm selbst erfahren haben dürfte. Lieutenant Tamele sagte vor (ie-
richt aus, der Graf habe die Reise nach Krakau in Civilkleidern gemacht und er
habe ihn erst vor Krakau wieder seine Uniform anlegen lassen, da er Auftrag gehabt
^-p K i e n a s t.
wurde mir auch nebst Geld und einigen anderen Effecten ein
versiegeltes Paket übergeben, welches ich gestern nach meiner
Ankunft dem Festungs-Commando zu Krakau vorgelegt habe.
Ueber den Gefangenen kann ich nur sagen, dass er sich g'anz
anständig benommen und sich während der Reise in vertrauliche
Mittheilungen eingelassen hat. So nannte er mir seinen Namen
Arthur Graf S e h e r r - T h o s s und erzählte mir, wie er mit vielen
fürstlichen Familien verwandt (?) und mit den meisten bekannt
(sei ; er) habe überall hohe Connexionen, auch mit österreichi-
schen Generalen, darunter FML. Ritter von Schmerling, habe
sich mit dem Herzog von Xeisse (?) und mit vielen Anderen
duelliert; er sei preussisch er Major und habe sich nur in der
Hoffnung zu seinen Dienstleistungen für Preussen herbeigelassen,
er werde für den Fall seiner (xefangennehmung als Officier be-
handelt werden. Er habe das Kmennungs-Decret vom könig-lich
preussischen ^linisterium erhalten, von Preussen sei das ung'ari-
scho Corps organisiert worden und in demselben dienten auch
mehrere preussische Officiere^. Er zeigte sich erbittert über die
preussische Perfidie, indem ihm die Demarcations-Linie nicht
richtig bcikannt gegebcm worden sei. Er sei zwar überzeugt, dass
er heute über acht Tage nicht mehr leben werde, allein wenn
er doch wieder frei würde, würde or nach Preussen gehen und
sich mit Bismarck und mit Allen schi<\ssen (!) ; wenn er am Leben
bliebe, würde er Mitthoilungcm machen, die Oesterreich gewiss
mehr nutzem würden -i, als wenn er erschossen würde, welches
letzt(^re demselben im (legentheile schaden dürfte^). . . . Mir w^aren
liabc, ihn adjustiert einzuliefern. Ks ist sehr wahr-^cheinlich, dass schon Oberlieutenant
Graf M i 1 1 r o w s k y in Erinnerung der Volkswuth in Hochwald den (irafcn, vielleicht
mit <icssen /ustimniung, die Uniform ablegen und Civilklei«ler anziehen lassen, ihn
auch so in Teschen übt»rj;eben hat. M(»j;licher Weise hat dann auch Lieutenant Ta m e 1 e
<lcn (irafen in (.ivilkleidern übernommen. Ks ist übrigens auch höchst wahrscheinlich,
<lass CiM. von liraisach mit <lcr Wahl des Lieutenants Tamcle zur Geteitang
«Ics Grafen nach Krakau und mit seiner Instruierunjj nichts zu thun hatte, sondern
tliese, tla er selbst bald aus Te>chen ausmarschierte, dem da>^elbst zurückbleibenden
höch-iten < )ft"icier vom Infanlerie-Kej»imente Xr. 37 überliess.
*) Diese Aeu5scrun;j ist j«*denfalls eine hintcrhältij^'e Auslcj;unj^ der Anwesenheit
tles Oberst I) ci r i n jj und «los Hauptmanns I) r y j^' a 1 s k i bei der Le;,MOn.
-I Siehe weiter unten (S. 2><i>) «k-n Bericht des KML. liaron K ziko wsky vom
14. Autju>t, ;;ele;^entlich der Vnrla-e de> rnheilc- über Seherr-Thoss an die
4lener;d- Aiijtitantur.
* I).ib».-i dachte <lcr Graf w.ihl an da<, w.i-^ er nach «i-inen -^ICrinnertiniven« in
liczn;^ auf ilrii n:twlichen Vcrlu-t liMlimen-s in Te^chrn /u Hauptm.m' ^' 'ordolo
it.....i,.t •■■1 ',-j|.-.., .-..-iin.;,^».. .<;..! . .1 . c ,,i ,, f.M T* K rt r -•
Die Legion Klapl<a 1866.
271
der Gendarm Schön und der Führer Michael E n g e d y vom
Erzherzog Joseph-Infanterie-Regimente beigegeben und haben
das von mir Erzählte ebenfalls gehört. Sie werden daher keine
weiteren Auskünfte zu geben im Stande sein, nur soll der Ge-
fangene zum Gendarmen geäussert haben, er würde gerne einem
Juden fünf bis sechs Sechser oder auch einen Ducaten geben,
der einige Zeilen dem Stolberg überbrächte ^). <' Führer
E n g e d y wusste nichts von dieser letzten Angabe, was der
gleichfalls einvernommene Gendarm damit erklärte, der Graf
habe die Aeusserung gethan, als nur er mit E n g e d y denselben
vom Festungs-Commando, wo der Lieutenant ausgestiegen sei,
zum Castell begleitet hätte; ^ der Führer hat wahrscheinlich diese
Worte wegen des Wagengerassels und weil viele Menschen auf
der Gasse w^aren, nicht gehört^)".
Das Telegramm, mit welchem GM. Braisach die Absendung
des Grafen Seherr-Thoss nach Krakau anzeigte, ist nicht
mehr erhalten; sein wesentlicher Inhalt findet sich jedoch gewiss
in dem Telegramme wieder, welches FML. Baron Rzikowsky
aus Krakau am 6. August, i Uhr Nachmittags, an das Commando der
operierenden Armee nach Wien richtete^) und das lautet: »Heute
Abends wird Neutitschein, Freiberg, Frankstadt besetzt sein.
Ein sehr gefahrlicher Insurgent, Graf Seherr-Thoss, angeblich
Major der Legion, ist aufgebracht. Er hatte wichtige Documente
bei sich und wird nach Krakau escortiert. Es melden sich Flücht-
linge der Legion bei der Brigade Braisach . . ."*)« Das Telegramm
kam 50 Minuten später in Wien an und wurde vom Operations-
Bureau des Erzherzogs Albrecht der General- Ajutantur des
dürfte übrijjens den Gegenstand, von dessen Erörterung er sich eine Verbesserung seiner
fatalen Lage versprochen haben mochte, während der zweitägigen Fahrt nach Krakau
länger behandelt haben, als der Lieutenant der Mühe werth fand, darüber Aussagen
zu machen.
') ProtocoU, aufgenommen mit Lieutenant Alois Engelbert Tamele, Krakau
S. August 1866. (St. 9 der Acten des Processes Seherr-Thoss.)
-') Ebendaselbst.
•'j Das ist in Telegrammen R z i k o w s k y's, wenn er Meldungen seiner Unter-,
gebenen weiter berichtet, ohne dass er selbst hätte Wahrnehmungen machen können,
nachweisbar häufig der Fall: es ist auch natürlich, denn jede auf eigene Faust gemachte
Aenderung geschieht auch auf eigene Gefahr und erhöht die Verantwortung.
*) K. A., F. A. Operierende Armee 1866, VIII, 179 a
272 Kienast.
Kaisers^) und dem Kundschafts-Bureau des Kriegs-Ministeriums
zur Einsichtnahme zug'estellt.
Wir wissen nicht, was für Berathunj^en in Bezug* auf den
gefangenen Grafen von den massgebenden Personen am Abend
des 6. .Vugust in Wien stattgefunden haben. Ueber ihren Inhalt
dürften schriftliche Aufzeichnungen kaum gemacht worden sein,
aber trotzdem können wir ihren Gedankengang nachempfinden.
Die Handhabe hiezu bildet die Thatsache, dass im Zusammen-
hange mit der Gefangennahme des (Trafen Seherr-Thoss in
Ungarn, besonders in Ofen und Pest, zahlreiche Verhaftungen
politisch verdächtiger Individuen angeordnet und auch durch-
geführt wurden*-^.
Aus vielen Anzeichen^), Kundschafts- ^) und Zeitungsnach-
•) Die (Tcschichte der General-Adjutanlur in den Fünfziger- und Sechziger*
Jahren ist noch nicht jjeschrieben. Vor dem Inslebentreten der December- Verfassung hatte
die Gencral-Adjutantur massgebenden Einfluss auf alle militärischen und selbst anf
politische Verhältnisse und behandelte auch Agenden, die erst später dem Kriegs-
Ministerium zutielen. Es muss ihr daher eine hervornigende Stellung im damaligen
Verwaltungs- Organismus des Staates zuerkannt werden.
-I »In Ungarn, namentlich Budapest.« heisst es in einer Wiener Correspondena
vom 0. August i Augsburger > Allgemeine Zeitung«, vom II. August i866), »haben
zahlreiche Verhaftungen stattgefunden ; die ersten Mittheilungen hierüber kamen —
aus Paris ; sie haben sich auch diesmal bestätigt. Die bekannteste Persönlichkeit unter
den Verhafteten, im Ucbrigen meist frühere Ilonvod-Officiere, ist der Pestcr Advocat
Virgil Szilagyi, von der Stadt l'est in den Landtag von i86l gewählt, im Jahre
1862 zu zehnjährigem Kerker verurtheilt und später begnadigt. Ob es sich blos um
Verbreitung aufrührerischer Proclamationen oder noch um etwas mehr handelt, muss
dahin gestellt bleiben. Die Veranlassung zum Einschreiten scheint das in Ober-Ungarn
erfolgte Aufgreifen einer — unter dem Pseudonym (!) (iraf Arthur Shertosch auf-
tretenden — Persönlichkeit aus dem Stabe K 1 a p k a*s gewesen zu sein.«
Um die Ursache der Verhaftungen auf ein gleichzeitiges Zeugniss zu stütsen
und die Angelegenheit S z i 1 a g y i's und seiner Complicen gleich hiemit abzuthun,
>ei hier auch noch die Wiener ('orre«?pondenz vom 6. September 1 Augsburger >Allgem.
Zeitung« vom 8. Sept<'mber I8r>6) angeführt : -Man erinnert sich der vor einigen
Wochen erfolgten Verhaftung einiger l'ersonen in l*est. Die bekannteste derselben
ist der bekannte Advocat Virgil Szilagyi. Die Anklage lautete auf versuchten
Hochverrath. Vorgestern nun erfolgte die Freilassung derselben auf Grund des
Artikels X des Prager Friedens- Vertrages.*
) Zu denen vielleicht auch die Stelle eines von (ieneral Steinmetz ge-
schriebenen und «li-m k. k. Obcrlieutenant (irafen 11 erberste in am II. Juli in
die n.lnde ;;('falK-nen IJrii-le-; geh«irte mu\ die lautete: »E-* i>t leicht möglich, dass
auch L'ngarn >eine Zeit wahrnimmt. \venig<lens siml Andeutungen, da^^s es geschehen
wird. v»iriianden.€ (Original im K. A. bei den Unler^uchungs-Aclen über den preussi-
>chen l-ieut«iiant a. D. Heinrich Weih. Vergl. Anm. 2 auf S. 106.)
*\ Am I. August er-t hatte <ler ( ieneral-A»ljulant FMF.. ("rraf Creuneville
Die Legion Klapka 1866.
273
richten^), sowie aus vertraulichen Berichten aus Ungarn ^j, denen
allen nun die zahlreichen Telegramme der letzten Tage über das
Auftreten und Eindringen der Legion nach Ungarn eine nicht
mehr anzutastende Glaubwürdigkeit verliehen, mussten die mass-
gebenden Kreise in Wien zur vollsten Ueberzeugung gelangen,
dass zur Verwirklichung der bekannten Unabhängigkeits-Ideen
eine grosse Conspiration in Ungarn im Zuge sei, die es galt,
mit kräftiger Hand niederzuschlagen. Daher folgte der Ergreifung
des Grafen Seherr-Thoss fast unmittelbar die Verhaftung
des schon von früher her compromittierten Advocaten Virgil
Szilagyi in Pest und einer Anzahl anderer Personen daselbst
und sonst in Ungarn, von welchen viele ehemalige Honved-
Officiere waren ^). Diesen musste indessen ihr Verschulden erst
Ouelltr« rnitthcilcn können, welche sich auf die in Bildunj^ bej^riffene Legion K 1 a p k a's
und auf die Bewegung in Ungarn bezogen. Der Gewährsmann des General-Adjutanten
behauptet, es seien ihm drei Briefe Daniel I r a n y i's, des damaligen Secretärs
K o s s u t h's, vor ihrer Abgabe an die Adressaten zur Einsicht mitgctheilt worden
(wahrscheinlich durch das >Cabinet noir« des Ungamfreundes Napoleon III.), aus
denen er Folgendes meldet: i. Iranyi aus Florenz, 23. Juli, an Nicolaus Kiss de
Nemesk6r, Stellvertreter Kossuth's in Paris, emptiehlt den nach I^eussen abgehenden
ungarischen Obersten T e 1 k e s s y und giebt trotz des Waffenstillstandes die Hoffnung
des Gelingens der ungarischen Sache gegen Oesterreich nicht auf. 2. I r a n y i an
Ernst S i m o n y i in Paris (lo rue grand Chantier), zeigt ebenfalls au, dass die Hoff-
nungen der Ungarn nicht gesunken sind und erst dann sinken werden, wenn Italien
definitiv Frieden mit Oesterreich schliessen M'ürde. Anfrage über die Ankunft Georg
K o m a r o m y's in Paris und P'lorenz. 3. I r d n y i an den ungarischen Emigranten
und Journalisten Attila Gcrando in Paris (45 rue de Vaugirard), muntert gleichfalls
zu Hoffnungen auf und sagt, »dass Alles gut gehen wird, wenn man nur zu Hause
nichts verdirbt«.
Der Confident meldete gleichzeitig, dass Bismarck um ungarische Officiere
nach Florenz telegraphiert habe und dass deren eine Anzahl (die Hervorragendsten
namentlich angeführt) auf Kosten der italienischen Regierung nach Berlin abgegangen
seien, wo ein Graf C s a k y organisatorisch thUtig sei, während in Neisse, Glatz und
Glogau AVerbe-Stationen für die Eegion errichtet würden. Zum Eintritt in dieselbe
hätten sich bereits 14.000 Kriegsgefangene ungarischer Nationalität gemeldet. Klapka
oder Vetter würden die Legion commandieren. General T ü r r und Oberstlieutenant
Joseph Kiss hingegen befanden sich in conspiratorischer Mission in Serbien. (K. A.,
F. A. Operierende Armee 1866, VIII, 22.) Wie man sieht. Alles richtige Thalsachcn
bis auf die zu hoch gegriffene Zahl der zum P^intritt in die Legion bereiten Kriegs-
gefangenen.
*) Der Bericht über die Eidesleistung und P'ahnenweihe der un^'urischen Legion
in Neisse stand in der Augsburger > Allgemeinen Zeitung« vom l. August 1866.
^) Siehe oben S. 153 und fl.
^) Man kannte wohl manchen Namen solcher (Jflicierc nicht blos aus dem erst
.m Vorjahre abgeschlosseneu Process gegen Stephan Nedeczky und Paul Almässy.
Die LcKion Klapka 1860. I^
on A Kienast.
nach)^ewievsen werden und sie wurden daher den in Ungarn damals
noch immer competenten Militär-Cierichten übergeben.
Wesentlich einfacher schien die Sache mit dem Grrafen
Seherr-Thoss zu stehen. Nach dem Wortlaute des mitgetheilten
Telegrammes des FML. R z i k o w s k y musste man in Wien, wo
erst von eben demselben 6. August Mittags an die ersten, noch
unsicheren^) Nachrichten vom Rückzuge der Legion aus Ungarn
einzutreffen an fi engen, zu dem Glauben kommen, der Graf, »ein
sehr gefahrlicher Insurgent«, dazu angeblich Major der Legion«,
welche den eben in Kraft getretenen Waffenstillstand durch den
Einfall nach Ungarn gebrochen hatte, s(n bei dieser Gelegenheit,
also auf frischt^r That, mit den Waffen in der Hand ergriffen
worden; zum Ueberflusse hatte er wichtige Documente* bei
sich geführt, die wohl auch ihn selbst belasteten. Doch selbst
abges<*hen davon, hatte er als Ofhcior der Legion mindestens
durch sein Beispiel die kaiserlichen Soldaten zum Verbleiben
in der Legion (»rmuntert, womit eine Verletzung der eidlich
tingelobten Treue verbunden war. Er hatte femer zum Xachtlieil
der kaiserlichen Armee im P-inverständniss mit den Preussen g-e-
vStanden und endlich an der Vergrösserung (dner Gefahr für die
Monarchie von Aussen unmittelbar mitgewirkt. Er war sonach
als Hochverräther zu b«?handeln und hatte nach dem Gesetze sein
Leben verwirkt. Uttberdies hattt* er sich des Verbrechens wider
die Kriegsmacht dt\s Staates schuldig gemacht und verfiel damit
(Sii-hc oben S. 12.) I)a>s man ^'cracK- auf chcmalij^c Ilonvcd-Officierc j^rifl, lässt auch
schlicsMMi, «lass man von der AlViliicrun;; der j^chcimen Ilonvcd-Comitcs mit dem ebenso
^'eluinu-n J'reimaurcrthum l.'n^arn> (*^iehc oben S. 2u) und dem darauf {gegründeten
>riouvi.'rnenu'nl ociuiltcv (siehe oben S. 30 ! in Wien vielleicht mehr wusste, als den
He'-lrebuni^'en iler Malcontenlen zutrii^lieh war. Nach einem Schreiben I). Iranyi's an
K > > u t h (Iralai, \'l, 4^3) soll die Zahl <ler Verhafteten 12 — 14 {gewesen sein.
' Am 4. Au;^u<it halte Graf F o r jj ä c h seinen bereits bekannten Kassandra-
ruf, die Sache nicht /u unterschätzen« ertcinen lassen. Am 5. August Vormittai^s kam
seine Meldung nach Wien, die Lej^ion habe am 3. in Tur/ovka übernachtet ; es sei
unentschieden, ob sie sicii nach N.-Iiittse oder (saca wenden werde. 1 Präs. -Reg. des
K. R. M.. (*. K. .\r. 4S70 vom (>. Au'4u<t iS/><i. Nach Telegrammen, welche am
U. Au^^'ust Mittag:** aus Krakau und Trentschin, jjej^en 4 l'hr Nachmittags aus
Walai hi>-i h-Meserit-^ch in Wien ankamen «K. A., F. A. ( >peiieren«le Armee 1866
\'in, 17;, 174. iS<i , snllu' nun <lie l-e;:ion i)l«">t/.lich in I<»«"^iii stehen I Das wai
weil die /wischen*^la^lien in Wien damals noch unbekai»« -:.r.-«i nicht leicV
•iklärbch und da''er --orerst kaum glaubhaft.
Die Legion Klapka 186C. 27c
ohne Rücksicht auf seinen ordentlichen Gerichtsstand dem Spruche
der Militär-Gerichte^).
vSo viel konnte man in Wien nach dem Einlangen des Tele-
gramms aus Krakau sicher erkennen. Es lag daher sehr nahe,
den Grafen vor ein prompt arbeitendes Kriegs-Gericht zu stellen,
dessen Urtheil nicht zweifelhaft sein konnte. Wurde S e h e r r-
T h o s s dann zum Tode verurtheilt und folgte dem Spruche
unaufgehalten die Ausführung, so war damit zugleich nach zwei
Seiten hin ein warnendes Beispiel statuiert: einmal für die bei
der Legion ausharrenden Emigranten und k. k. Soldaten, dann
aber auch für die bisher anscheinend noch immer etwas zurück-
haltenden Verschwörer in Ungarn-).
In diesem Sinne telegraphierte der >* Erste General- Adjutant
der Armee-, FML. Graf Crenneville, noch am 6. August,
1) Militär-Strafgesetz v. J. 1855, §§ 305, 314, 327. 328, lit. a, 334, lit. c,
335' lit. b.
^) Wenn demnach Graf Seherr-Thoss in Folge seiner Gefangennahme
am 5. August das Leben eingebüsst hätte, so wäre dies nicht so sehr um seiner
selbst willen geschehen, wie er gerne glaubte, sondern viel mehr auch noch aus an-
deren, wichtigeren Gründen.
Empfindsame Seelen seien darauf hingewiesen, dass die Berliner >Neue
Preussische (Kreuz-) Zeitung« schon einige Tage vor dem, den Krieg entscheidenden
Ministerrathe des 12. Juni diejenigen Preussen, welche etwa gesonnen waren, in
fremdherrliche Kriegsdienste zu treten oder darin zu verbleiben, an § 68 des preussi-
schen Strafgesetzbuches erinnerte. Der Paragraph lautet: >Ein Preusse, welcher wäh-
rend eines gegen den preussischen Staat ausgebrochenen Krieges im feindlichen Heere
Dienste nimmt und die Waffen gegen I^eussen oder dessen Bundesgenossen trägt,
wird als Landesverräther mit dem Tode bestraft. Ein Preusse, welcher schon früher
in fremden Kriegsdiensten stand, soll, wenn er nach Ausbruch des Krieges in dem-
selben verbleibt und die Waffen gegen Preussen und dessen Bundesgenossen trägt,
mit Zuchthaus von drei bis zehn Jahren bestraft werden. Wird festgestellt, dass
mildernde Umstände vorhanden sind, so tritt Einschliessuug von drei bis zehn
Jahren ein.*
Die Wiener Militär-Zeitschrift >Der Kamerad« machte in ihrer Nummer vom
12. Juni 1866 hiezu folgende Bemerkung; »Wir machen auf diesen Paragraph und
dessen gewiss nicht zufällige und absichtslose Anführung in einem, der Berliner Re-
]»ierung so nahestehenden Blatte aufmerksam . . . .<
Die Gründe für den so frühzeitigen Hinweis der preussischen Regierung auf
den angeführten Gesetzes-Paragraphen sind auseinandergesetzt bei II o p f, »Die deutsche
Krisis des Jahres 1866«, 2. Aufl. (189')), S. 186 u. ff. ;»Eilftcs Capitel. Das Wider-
streben der preussischen Bevölkerung gegen den Krieg« mit folgenden Abschnitten :
»Der innere (.'onlUct.« »Die Friedens- Adressen und andere Proteste gegen den Krieg.«
>Erlass des Ministers des Innern auf die Friedens-Adressen«. Notabene: Der Erlass
ist vom 8. Juni datiert ! »Zweifelhafte Stimmung der preussischen Armee.« »Stimmung
der Bevölkerung, insbesondere Berlins beim Ausbruche des Krieges.«;
I8*
276
K i e II a s t.
10 Uhr Abends, an FML. Baron Rzikowsky nach Krakau :
Graf S e h e r r - T h u s s ist krieg"srechtlich zu executieren; die
Documente hieher MMiden^.
L'!ML. R z i k o w s k y meldete schon am 7. August Vormittags,
noch vor der Ankunft des ( Trafen in Krakau, er werde den auf
diesen bezüglichen Befehl schnell vollzielien- -). Er nahm daher
in die von Lieutenant T a m e 1 e am Abend überbrachten, dem
(jrafen bei dessen (jefani^ennahme in Hochwald abgenommenen
Documente sogleich Einsicht und fand sich darnach zu folgendem
Telegramm an die (xeneral-Adjutantur veranlasst: 'Die Documente,
namentlich ein Notizbuch ^), sind von solcher Wichtigkeit, dass ich
sie per Courier nach Wien sende. Der eben eingebrachte Insurj^ent
heisst Graf Heinrich Arthur S e h e r r - T h o s s, geboren 23. ^lärz
1820 und war Major bei de^r L(?gion"*). Bevor Hauptmann Ripp
des ( renie-Stabes mit den Documenten nach Wien abreiste, liess
der Festungs-Cc>mmandant aus ihnen durch den Garnisons- Auditor
Juvanz noch jene Abschriften und Auszüge machten, welche für
das beeidete Kriegsrecht nothwendig waren.
Xoch am Abend seiner Ankunft liess der (xraf den F*eld-
marschall-Lieutenant um eine Unterredung bitten, in welcher er
ihm ditj Erag«^ stellte^, ob er als preussischer Ofticier behandelt
würde, da sein Decret als Major der ungarischen Legion von
dem königlich i)r< russischen Minist« 'rium mitunterschrieben ist. Ich
erwiderte? demselben- — so bt^richtc^t l''ML. Kzikowsky —
• das>» er von uns nur als Rebell angesehen werden kann, da
ungarische Truppen nur Seiner Majestät dem Kaiser von
Oesterreich, nicht d«.'ni König von Pn*us.sen dienen und den Eid
») K. A., Kcstunj; Krakau Ih0<i, VIIl, 42 c.
Der Gral" hat si)iiter auf zwfilVlhaltcii Wt-^cu von dem luhalle dieses und
cinij^cr andi-rer Tele;;rainnic, die wahrend der Dauer seiner krie;jsrcehtlichen L'ntti-
sucliun;^ in IJc/u;; aul" ilin nacli Krakau ab^ieii^^en. Kennthi.>s erhalten und sich ia
seinen iSSi ^'edruekten - Mrinnerunj^en* darüber verbreitet, l-lr wurste und .sprach es
deutlieh au»*. tla>.- dini mit lier Stellung vor ein Krie;;«.-(ierieiit vt)n AVien aus das
'rude-urthi'il vtrmeint war umi >eliiel)t selh-t die Schuld an dieser J.ntscheidun;; in
leicht erkennbarer Wei«.e aut «Im (iraten Muri/ 11 s t e r h ä / y. den uu^atischen
Minist. T «les Kaiseis, «ler ilamals einer der eiutlu-sreich-tcn Männer bei Hole war
bes»intler> in uiij^aii^chen An^eK ;:enliciierj und dim — iKni <.iralen — persöalich
>bes(»ndeis aldjold. j^i-we^en .-»ei.
- K. A., F. A. « >|icrierende Annee lS'>(i. Vi II. IJ'*!».
■ D<>-:fn Inlia'.l i-^t dem L« -er lcrcit<- It'.vannl.
\ K. A., F— tun- Krakau l.^'.'i. VJil..[J»' '»■- ' •' •— ■ ■t...,. .:♦ ■". - A"'»Uftt,
,"\r .Tit - ».11 ^\ I -I l^ 1 '».'t-11-- -'i P'-J'" '!•'*• ■
Die Legion Klapka 1866.
277
der Treue schwören können.« » Seine Aeusserungen über
die Perfidie der preussischen Regierung, welche die Legion
geopfert habe, kennen keine Grenzen« . . . J).
Am 8. August wurde Seherr-Thoss beim Gamisons-
Auditoriate in Gegenwart eines Gemeinen, eines Gefreiten, eines
Corporals, eines Führers, eines Lieutenants, eines Oberlieutenants
und eines Hauptmanns dem ersten Verhöre unterzogen, wobei
er die Antworten auf die Fragen des Auditors selbst dictierte.
Ausser den bereits bekannten Daten über seinen Lebenslauf^
und seine Verbindungen mit dem Prinzen Jerome Napoleon
und B i s m a r c k erzählte er, er sei nur in Folge eines Auftrages
des Prinzen Napoleon nach Preussen gekommen und habe
vom II. bis 25. Juli in Berlin die Vorbereitungen zur Errichtung
einer ungarischen Legion durcji die preussische Regierung mit
angesehen. Er selbst habe anfänglich nicht in die Legion ein-
treten wollen, da er das ganze Unternehmen als aussichtslos an-
gesehen und auch Bedenken gegen die Rechtlichkeit der Sache
gehabt habe. Dann aber sei er doch als Major der Legion bei-
getreten, weil versichert worden, dass dieselbe nicht als Rebellen-
Corps angesehen werden könne, sondern von der preussischen
Regierung als Hilfstruppe und Bundesgenosse betrachtet werde.
Deshalb hätten die Officiere der Legion auch preussische An-
stellungsdecrete erhalten und seien »mittelst eines auszustellenden
Reverses von der königlich preussischen Regierung in Eid und
Pflicht« genommen worden. Er könne sich desshalb nur als
preussischen Officier ansehen und hätte ohne die preussische
Officiers-Bestallung die Legions-Uniform nie angezogen. »Sollte
die k. k. Regierung nicht diese Ansicht gelten lassen wollen, so
kann ich nur bitten, dieses nicht dem Individuum entgelten zu
lassen, sondern jener preussischen Regierung, welche durch un-
wahre Versprechungen uns zur Betheiligung veranlasst hat,«
setzte er wirkungsvoll fort und betonte, dass er im Kriegsrathe
der Legion zu Schillersdorf am 31. Juli gegen den Einmarsch
in Ungarn gestimmt und, als dieser dann »auf Veranlassung
preu ssischer Off i eiere« dennoch stattgefunden, selbst
keinerlei Gebrauch von der Waffe gemacht habe. Eine weitere
Frage über die Zusammensetzung der Legion beantwortete der
Graf wahrheitsgetreu, die letzte über die Bestimmung derselben
') Rzikowsky, Krakau, 7. Au;jiist, an die General-A«ljutantur. Concept.
(K. A., Festung Krakau 1866, VIII, 43.)
^) Siehe oben S. 34, Anm. i.
'>-8
K I e n a s t.
dahin, dass der Einmarsch in Ungarn nur bezweckt habe, die
Führer der Legion vor den Augen Europas von dem Vorwurfe
der Feigheit zu bewahren.
Man kann nicht sagen, dass das Verhör sehr eingehend ge-
wesen sei und der Graf konnte sich daher leicht ziemlich glücklich
verantworten. Dies gelang ihm auch bei seiner zweiten Ein-
vernahme am lo. August, an dem er hauptsächlich über die Ent-
stehung und Bestimmung der bei ihm vorgefundenen Documenta
und über die näheren Umstände seiner Festnahme befragt wurde *).
Inzwischen hatte man in Preussen bereits angefangen, auf
die Befreiung Seher r-Th oss' hinzuwirken. General Graf
Stolberg hatte am 8. August folgendes Schreiben abgeschickt:
»An den k. k. Commandanten der Grafschaft Teschen und
des Prerauer Kreises.*
'»Euer Ilochwohlgeboren beehre ich mich nachstehende An-
gelegenheit ganz ergebenst mitzutheilen.-^
»Eine preussische Parteigänger- Abtheilung hat sich miss-
verständlicher (I) Weise noch vor Beginn des Waffenstillstandes
in die Karpathen begeben. Ich habe diese Abtheilung durch
einen Officier zurückholen lassen, um jedem sonst unvermeid-
lichen Kampfe vorzubeugen. Die Abtheilung ist sofort meinem
Befehle nachgekommen und hat sich hinter die Demarcations-
Linie zurückgezogen. Bei diesem Rückmarsche ist, wie mir soeben
gemeldet worden, ein Officier, Major Graf Seherr, mit einer
Patrouille in österreichische (iefangenschaft gerathen.«
-Indem ich mir gestatte. Euer Ilochwohlgeboren an die viel-
fachen Miss Verständnisse* zu erinnern, die dem Beginn des eigent-
lichen Waffenstillstandes vorangiengen und spc^ciell auf den
Ueberfall preussischer Truppen in Troppau durch österreichisches
Militär hinweise, welcher ge:*rade an d(»mselben Tage sich er-
eignete, an welchem die Parteigäng(*r- Abtheilung irrthümlicher
Weise abmarschierte, ersuche ich Euer Ilochwohlgeboren, den
Major (irraf Seherr und die Patrouille frei zu geben, gleichwie
ich alle diejenigen (refangcmen frei gegeben haVje, welche durch
meine Truppen nach Eintritt des Waffenstillstandes gefangen
genommen worden sind.«
'i iJie Zwischenzeit lialte der Amlit*jr mit tlem Verhi>re eines eingebrachte*"
^ej;it)närs und nt-h^t anderen Dienstyeschäften woh' iiit dem ^♦r'i«"^ df ^i«" ,^<
Die Legion Klapka 1866.
279
*Der Ueberbringer dieses Schreibens ist angewiesen, die
Gefangenen auf demjenigen Wege hinter die Demarcations-Linie
zurückzuführen, welchen Euer Hochwohlgeboren ihm anweisen
werden. *
»Ich ergreife diese Gelegenheit, um Euer Hochwohlgeboren
die Versicherung meiner grössten Hochachtung darzubringen.
Troppau, den 8. August 1866. Grraf Stolberg m. p., GM.«
Dieses, durch den Parlamentär Premier-Lieutenant Andre
zu P>iedeck am Q.August dem GM. Braisach eingehändigte
Schreiben beantwortete letzterer, wie folgt:
»Euer Hochgeboren ! Auf das geehrte Schreiben beeile ich
mich mitzutheilen, dass der hier in Verhaft genommene Graf
Seherr-Thoss an das hohe Militär-Commando nach Krakau
abgeliefert wurde, wohin ich unter Einem Euer Hochgeboren
Schreiben sende. Der in seiner Begleitung gewesene Mann wurde
nachträglich ebendahin abgegeben. ^<
»»Schliesslich erlaube ich mir. Euer Hochgeboren mitzu-
theilen, dass von den mir unterstehenden Truppen im Verlaufe
der Waffenstillstandszeit kein Conflict mit den königlich preussi-
schen vorgekommen, daher von der Gefangennahme einer Patrouille
nichts bekannt ist.«
>Jch zeichne mit grösster Hochachtung Braisach m. p.,
GM. — Friedek, am 9. August 1866.«
Der General sendete mit Stolberg's Original auch eine
Abschrift seiner Antwort nach Krakau, welche beide FML.
Rzikowsky am 10. August Morgens erhielt. Um 9 Uhr Vor-
mittags telegraphierte er an die General- Adjutantur nach Wien
von dem Verlangen Stolberg's und schloss mit den Worten»
•Die Auslieferung des Grafen Seherr wird selbstverständlich
verweigert, doch werde ich mich mit der Antwort nicht beeilen.«
Der (trund hiefür ist in der gleichzeitig an die General-Adjutantur
erstatteten scliriftlichen Äleldung zu ersehen, welcher Stoiber g's
und B r a i s a c li\s Schreiben beilagen und in der es heisst :
•. . . Da jedoch GM. Graf Stolb er g, wahrscheinlich auf höhere
Weisung hin, das revolutionäre* Corps eine preussische Partei-
gänger-Abtheilung zu nennen beliebt, so würde ich ganz gehor-
samst bitten, mir nähere Weisungen zu ertheihm, um der Ver-
28o K i e n as t.
antwortung" zu entj^'ehen, dass aus diesem Vorfalle politische Con-
flicte sich entwickeln könnten^).«
Noch bevor Hauptmann Ripp mit den Documenten und
der vorstehende Bericht R z i k o w s k y's in Wien an^irekommen
sein konnten, erhielt der Feldmarschall-Lieutenant aus der (xeneral-
Adjutantur die telcicraphische Weisung : >'Verwei)^erung der ver-
landeten Auslieferung^ selbstverständlich. Da derselbe (seil. Seherr-
T h o s s) mit unj^'-arischer Conspiration im Zusammenhange steht,
baldigst executieron'-).«
Hierauf erliess F]\IL. Baron Rzikowsky am ii. August
folgendes Schreiben an den (Trafen S t o 1 b e r g :
»Auf das geehrte Schreiben, welches Kuer Hochgeboren an
den G]\I. von B r a i s a c h gelangen Hessen, liabe ich zu erwidern,
dass mir von C.'onflicten mit den königlich preussischen Truppen
während der Waffenruhe und des Waffenstillstandes nichts be-
kannt ist. (T(»gen di(j Besetzung des östlichen Theiles von Schlesien,
welche während der Waffenruhe erfolgte*, habe ich protestiert,
mich jedoch aller Feinds« 'ligktnten enthalt(»n. l'ebcr die Vorgänge
in Troppau ist mir nichts b(*kanut. Von den mir unterstehenden
Truppen ist kein Mann in Troppau gewesmi und ich kann gar
nicht bi»greifein, wie dort mit einem ]Male (KsterreTichische Truppen
«erscheinen konnten. lü)enso ist, wie schon (iM. von Braisach
bemerkte, die (iefangennahme <»iner Patrouille am .5. August
nicht erfolgt.«
Was das Insurgenten-Corps betrifft, welches bewaffnet in
die kaiserlichen Staaten tMUgt^fallen und nur durch uns(»re Truppen
von dem w«nt(^ren Kindring<'n in Ungarn abg(^halt(Mi wurde, so
kann ein solches von uns nur als (?in Rebellen-Corps betrachtet
werden.*
Man hat g«*fang(jn(^ Soldaten ungaris^cher Xaticmalität zum
Treubruch verleitet, hat sie unter Anführer gestellt, die als
Hochverräther gebrandmarkt und deren Xamen an den (lalgen
geschlagen sind und verlangt nun, dass diese Bande als eine
„preussische i*arteigänger-A])theilung'' behanch^lt wird.
>lch h(»ge dir feste Ct^berzeugung, dass iuier Hochgeboren
nur mit grösstem Widerstn»ben diese Bez«»irhnung g(4iraucht
'1
( '■»nrc]it(' »k--« Kc-tnn;^'--("()inm;iii'l - un<l Ab'^cliriltrn diT lU-iln^^cn <lt»r Kein-
schrill. (Iv. A., l-c-tiiii:: I\.T;iK:m iS'.fi. VIII. j.s, ;i. b.
K. A., Fi-tiin^ Krnlv;i;i isi.d, VIII. 4M. 1)a<^ Trlr-nimni i«it :»m ID. Auj»ust,
2 riir X.uhniitt;i;,'s in Wien aiifL:«.^«'!^:». k:»ni 7 T'hr 411 ^'•' • '»' *^ ■•"*" *• m«*
>r.- 'liptti' •■> ■ %i / ' ^: ■ 1/ - -in k i,rii_» "'1.- -■-•.-»-•
Die Legion Klapka 1860. 28 I
haben, denn dem ritterlichen Sinne eines verdienten Soldaten
kann es nicht zusagen, Hochverrath und Rebellion in seinen
Schutz zu nehmen.«
)*GTaf Seherr-Thoss wird nach der ganzen Strenge unserer
Kriegsgesetze behandelt werden. Er ist mit einem bewaffneten
Insurgenten-Corps in das österreichische Gebiet eingefallen und
die bei ihm vorgefundenen vSchriften sind so compromittierender
Art, dass seine hochverrätherischen Anschläge gegen die Mon-
archie auf das Klarste erwiesen sind^).«
Ob nun dieses Document den Anforderungen, welche man
an ein diplomatisches Actenstück gemeiniglich zu stellen pflegt,
entspricht oder nicht, so viel wird man doch zugeben müssen,
dass es in ungesuchten Worten die Ansicht eines im Dienst er-
grauten kaise^rlichen Soldaten enthält und uns ein neuer Beweis
von der Erbitterung ist, welche das Auftreten der Legion in den
Reihen der kaiserlichen Armee hervorgerufen hatte. Graf Stol-
berg konnte, ob er nun mit der Handlungsweise seiner Regierung
einverstanden war oder nicht ^), sich unmöglich auf eine Polemik
mit dem österreichischen General einlassen. Er stellte sich daher
auf den Standpunct des blinden Gehorsams und richtete nach
einigen Tagen folgendes Schreiben >^an das k. k. Truppen-
Commando für West-Galizien«:
»Ich bescheinige den Empfang des vSchreibens des Herrn
(Tenerals von Rzikowsky ddo. Krakau, am 1 1. August 1866.«
*Ich halte als preussischer General es unter meiner Würde,
in gleicher Weise zu antworten, wie das obgenannte Schreiben
abgefasst ist und werde alle ferneren wSchritte meiner königlichen
Regierung überlassen, deren stets all erehrenvollste ^Vufträge ich
immer nach b(\sten Kräft(*n erfüllen werde. Troppau, den
15. August 1866. (rraf zu Stolberg, GM.'
Das letzte Telegramm der General- Adjutantur hatte jeden-
falls zur Folge, dass sich der Festungs-Commandant von Krakau
durch den Garnisons- Auditor über den Stand des Processes gegen
S e h (^ r r - T h o s s referieren Hess. Hauptmann J u v a n z war sich
indessen über die Beurtheilung des (xrafen selbst noch nicht klar
^) K. A., Festunjj Krakau 1866, VIIT, 50. Concept.
-I Daniel Tranyi bmchtete am 13. Au^^ust iS()(t an Iv o s s u t h ilratai. VI,
483), er habe irit Stolberg gesprochen und ihn als den »wärmsten Freund« der
l'ngarn gefunden.
282 K i e n j s t.
j^eworden und hatte wolil geltend gemacht, dass derselbe nicht
mitten unter dem Insurgent(*nhaufen, sondern allem in einem
Wagen angehalten worden und dass dabei kein Blut geflossen
sei^. FML. Baron Rzikowsky, dem vielleicht der Xame des
Crrafen mitsammt seiner Vergangenheit erst durch dessen eigene
Aussagen bekannt geworden .sein moclite-) und der nach dem
Schreiben Stoiber g's vom 8. August Sorge vor politischen
Verwicklungen hatte, konnte sich demnach umso weniger über
die vom Auditor gemachten Einwendungen und Vorbehalte
hinwegsetzen. Doch Hess Ju van z dievSelben, wohl nach genauem
Studium der Acten und besond(*rs der Auszüge aus dem Xotiz-
buche des Grafen, am Nachmittage des 1 1 . August endlich fallen
und meldete dem Festungs-Commando, dass g('gen den bisher
in Voruntersuchung gestandenen (irafen S eli err-Tho ss der
Thatbestand der Verbrechen wider die Kriegsmacht des Staates
(5^>:J 314 und 327 M. St. (i.) und des Hochverrathes (4^ 334, lit. c,
M. St. (t.) vorliegt und d(*rselbe daher mit dem heutigen Tage
zur gerichtlichen Untersuchung in Zuwachs zu nehmen wäre^*.
•1 Seherr-Thoss wusste davon, denn er schreibt in seinen »Erinnerungen«
(.1. a. O. S. 77): »Da bei meiner (iefanjjeunehmunjj kein Blut geflossen war, konnte
ich j^esclzlich nicht zum Totle, sondern nur zur Kerkerstrafc verurtheilt werden. Der
rechtschalTcne Juvanz weijjerte sich, die Todesstrafe zu beantragen.«
*i Wusste docli selbst K <> s s u t h von dem wiederholt zu diplomatischen
Diensten der Kmi^^ration vcrwentleten Seherr-Thoss so wenig, dass er noch in
einem Jiriefe vom 7. August i8(>0 (Iratai, VJ, 447^ nach Nennung seines Namens in
parenthesi fragte: >Ist der auch ein Ungar? (ez is magyar ?)«
■) l*rocess-Acten Nr. i(», Concept, von der Hand Juvanz*. Hauptmann von
H o r d o 1 o hatte in Teschen den Grafen nicht im Zweifel darüber gelassen, was ihm
bevorstehe und auch dieser war nach Allem, was wir wissen überzeugt, dass nach
österreichischem (iesetze sein Leben verwirkt sei. Gera<le desshalb suchte er sich
durch die wiederholte Hetonung seines anjjeblich preussischen Oificiers-Charakters der
Wirkung der österreichischen (iesetze zu entziehen. Vielleicht durch diese Art der
Selbstverlheidi^ung S e h e r r - ']" h o s s' irrej^efülirt, scheint nun damals Hauptmann*
Auditor Juvanz überllüssi^er Weise sich allzu lange mit seinrn, wohl mehr politischen,
als militärstrafgeselzlichen Hetrachtunj^rn des I-alles auf;;ehalten zu haben, obwohl
selbst Officiere ohne juridische Vorbildung, wie z. M. eben Hauptmann von B o r d o 1 o,
u<ler auch K^H« Kzikowsky beim l^mi)fan^e des Grafen am 7. August Abends,
über die straf^esctzliche (Jualificatitm tles letzteren nicht im Zweifel waren. KML. Kzi-
k «) w s k y wäre aKo im Rechte gewesen, als er. übrigens verjjeblich, schon am
16. Juni ila> ( ieneral-Conimando Leniber-^ um /utheilung eines anderen Auditors
bat. weil er schon damals vorau>!-ali, dass J u v a n / »durcliaus nicht die Hrfahrunj;
•ind Verlä>.-'lichkrit« besitze, um auch in einem schwierigen I-alle als Leiter der iv
Krie;j<zeiten noch melir al- M)n.-« zaldr-'- hi*p A;;einlei les 'ip»-'»i»«ons-Auditorial'^
Die Legion Klapka lf66. 28^
Jedenfalls erst nach diesem Antrabe des Auditors Hess FML. R z i-
kowsky sein bereits mitgetheiltes Schreiben dieses Tag*es an
den preussischen General Grafen S t o 1 b e r g ausfertig-en und es
war wohl ein Zugeständniss an die bisherige Aengstlichkeit des
Auditors, wenn auch beschlossen wurde, die Aussagen des Grafen
über die Umstände seiner Gefangennahme durch Augenzeugen
zu controlieren. Es ergieng daher am ii. August, 5 Uhr Nach-
mittags folgendes Telegramm an GM. Braisach nach Friedek:
•Sogleich Oberlieutenant Grafen Mittrowsky und zwei der
Uhlanen, welche der Ergreifung des Grafen Seherr-Thoss
beiwohnten und hierüber die beste Auskunft zu geben im Stande
sind, mit Vorspann Tag und Nacht hereinsenden ^).<
Die am 12. August, 7 Uhr Abends, erfolgte Einvernahme
des Oberlieutenants (rrafen Mittrowsky, des Cadeten von
Ha im und des Uhlanen Kocon ergab jedoch nichts wesentlich
Neues und diente eigentlich nur der Identificierung des Inquisiten
mit dem (xefangenen von Hochwald *).
Es musste daher noch angestrebt werden, den Grafen zu
Geständnissen zu bringen, aus denen sich bestätigte, was bereits
klar erschlossen war, nämlich, dass er wirklich des Hochver-
rathes und des Verbrechens wider die Kriegsmacht des Staates
schuldig sei. In dieser Richtung bewegte sich das Verhör des
Ang(»klagten am 13. August. Seherr-Thoss war natürlich
sehr zurückhaltend in seiner Verantwortung. Was nicht aus den
notorischen Ereignissen und aus Documenten bewiesen werden
konnte, leugnete er ; was ihm bewiesen werden konnte, suchtt^
er doch abzuschwächen. Auf die Frage, ob B i s m a r c k am
8. Juli ihm unmittelbar den Auftrag ertheilt habe, dahin zu
wirken, dass dw < )rganisierung der ungarischen Truppe be-
schleunigt werde, entgegnete er: -Auf diese Frage glaube ich
meiner g<»genüb<»r dem König von Preussen eingegangenen Vrr-
Im rebrij^cn war es wohl der Wille der Vorsehunjj, das» die Bedenklichkeiten
des Auciitors die Zeit schaffen «olltcn, in welcher <lie kaiserliche <inade ein-sctzen
konnte. Tnd hei aller Unbej;reinichkeit »eine» /öycrns hat demnach Hauptmann-
Auditor Juvanz das glückliche Verdienst, dass die Ciejjner t)esterreichs demselben
nicht einen > Märtyrer« mehr vorwerfen können.
') l'roce>s-Acten, Nr. I4. GM. Braisach meldete noch desselben Tags um
6 Uhr 55 Minuten Abends nach Krakau : .. . . ( )l)erlieutenant Mittrowsky mit
iwei L'hlünen ^'ehen so^jleich ab.« (K. A., l'citun^; Krakau IhU). VIII, 74.)
-) Proccvs- Acten, Nr. I«i.
284
K i e n a s t.
pflichtunj:';' (weg-en) nicht antworten zu dürfen ; das Gericht wolle
sich mit dem Xotizbüchel beßnüj^en-. Damit sind seine Ant-
worten zur Genüjjfo charakterisiert M.
Dennoch kam der Auditor auf (rrund seiner Geständnisse,
der allgemein bekannten Thatsachen und des angesammelten
Reweismaterials zu dem Schlüsse, der Graf sei des Verbrechens
wider die Krieijfsmacht des Staates srhuldij^, -indem er sich zum
Führer, zum Officier einer Schaar pflichtverjifessener Soldaten,
die — sei es auch in der Gefangenschaft — die ihrem Kaiser
und Könii4"e ani^elobte Treue jjfebrochen haben, hertfab-«, und
weiters: »Inquisit hat sich zur Kriei^fszeit mit den Feinden
Oesterreichs in's Klnverständniss ein^'^elassen und hat den Ver-
mittler zwischen denselben und einem Reb(41en (Klapka)
t^emacht, um einerseits die Waffenruhe zu brechen und den
Waffenstillstand zu hintertn^iben, and(»rseits eine österreichische
Provinz zu insur^ieren, deren t^'^ewaltsame Losreissung" vom
vStaat(% oder ijfewaltsame Aendc^runi^" der Rej^-ierung^sform herbei-
zufiihren, oder wenij4"st(*ns die österreichische» Armee durch die
Ilt^rvorrufunjLT der AuflehnuniL^'" einer Provinz j^'eg'enüber den
Feinden zu lähmf»n. Fndlich hat er kaiserlich österreichische
Soldaten, die ihren ICid i^-ebrochen, aucli noch zum Hochverrathe,
zum Kampf«» j^'e^'-en die österreichische Armee j;ifeführt'. Auch
dadurch habe sich ( iraf S e h e r r - T h o s s des \''erbrechens wider
die Kriet^'-smaclit des Staates, zuv^h^ich ab(»r des Ilochverrathes
schuldisL^ ijfemacht. Erschwerend ist die Concurrenz von mehreren
Verbn»chen, mildernd hin^T^^if^n nichts vorhanden«. So schrieb
Hauptmann- Auditr)r Juvanz in dem »Vortrai^-, mittelst dessen
<»r <h*m für dm 14. Aui^'"ust <»inbf^ruf«»n(»n b<M'idet<»n Kriej^'srecht
steinen Strafantra«^ k''^*k'"*^n S 1» h er r- Th o s s zu begründen
hatt«^ "'.
Bevor «*s dazu kam, <Thielt l''ML. Uaron Rzikowsky am
13. Aui^'ust um .s Uhr 30 Miniit«'n Xaclimittayfs foli^endes Tele-
uframm des l{rst«'n ( ieneral- Adjutanten der Armt»e : »Process
<4'i»g'«»n Graf S r h (» r r - T h o s s zu luKh» führten und das Urtheil
') Xr. 10 «Ut l*n>ft-««;-Actfn ciitliilli iV\o Vi-rliiin* .K->» <ir:ilrn Schorr-Thos»
V(»ni S., T<». uii'l I.;. Auiju-;!. In -riiK-ij .I->i;iiu-nin;^i'U« ci. :i. * )., S. 75) «*aj»t <ler
(it.if: - Iih wuril«" in t\*;\\ u;ir!i-»!i-u r.iLj'-n nithrrriMi kriru-;;rrichllii'h(*n Verhören
u]i1iT/<»i^«;n, in «Ifin-n ich m\c\\ 'l.ir ml bi-»«hr'i?r»:!i*. l:«-^'-ii Mir kri(";4<r«*i*ht1ii-!u* Behandliiiig
zu ]»rotc^tiiTi-M . D.ivmi i«^t w-pilt-r in «l'-'i <'r;Mltrii»'u W'^hurrn. •»•^••'' ••' ''•»«» «onMige**
Die Legion Klupka 1866. 28^
vor der Publication und Durchführung vorlegen. Telegraphisch
anzeigen, ob derselbe Porteepee und Cocarde mit preussischen
Farben hatte«. Der Festungs-Commandant antwortete hierauf
eine Stunde später: »Urtheil wird morgen gefallt, mit Durch-
führung gewartet. Seherr hatte Cocarde und Porteepee mit
ungarischen Farben^)«.
Das Telegramm des Grafen Crenneville war jedenfalls
das Resultat einer diplomatischen Intervention der preussischen
Regierung zu Gunsten des Gefangenen. Derselbe erzählte nach-
her, Bismarck habe, um ihn zu retten, unter Verpfändung
seines Ehrenwortes in Wien wissen lassen, dass, wenn Seh er r-
Thoss hingerichtet würde, dasselbe Schicksal auch den
Trautenauer Bürgern bevorstehe, welche bekanntlich unter der
falschen Beschuldigung, dass aus den Häusern des Städtchens
auf die Preussen geschossen worden sei, am 27. Juni nach
Preussen waren abgeführt worden ^).
Das Resultat des am 1 4. August abgehaltenen Kriegsrechtes
ist enthalten in folgendem Urtheil:
»Arthur Graf Seherr-Thoss, von Bitschin, Gleiwitzer
Kreises in Preussisch-Schlesien gebürtig, 46 Jahre alt, evan-
gelisch, verheiratet, kinderlos, soll bei gesetzlich erhobenem
Thatbestande und durch sein Geständniss hergestelltem Beweise
wiegen des Verbrechens wider die Kriegsmacht des Staates,
erschwert durch das Verbrechen des llochverrathes, nach §§45
') K. A., Festung Krakau 1866, VIII, 52. Das Telegramm der Geueral-
Adjutantur ist in Wien aufgegeben am 13. August, 3 Uhr 50 Minuten Nachmittags.
*) Inwieweit die, natürlich zur grösseren Ehre Bismarck' s aufgeputzte
Erzählung des Grafen Seherr-Thoss (> Erinnerungen«, a. a. O., S. 76) der Wahr-
heit entspricht, ist wohl nicht zu controlieren, so lange die bezüglichen diplomatischen
Actenstücke in Wien und Berlin unzugänglich bleiben. Der Graf erzählt, Bismarck
habe auf die Anzeige Klapka's hin interveniert. Seine Gemahlin fand »ich wenige
Tage nach seinem Tode veranlasst, in einem an den »Tester Lloyd« gerichteten Briele
unter Anderem zu constatieren, dass sie den preussischen Minister zum Eingreifen ver-
anlasst habe. »Dem Grafen wird kein Haar auf seinem Kopfe gekrümmt werden ; ich,
der Bismarck, stehe gut dalür«, soll dieser letztere gesagt haben. Man wird wohl
nicht irren in der Annahme, dass die eigentliche diplomatische Action erst nach dem
Briefe des FML. Rzikowsky vom II. August an den Gralcn Stolbcrg ein-
gesetzt habe, dessen wesentlichen Inhalt nach Berlin zu telegraphieren letzterer sich
wohl beeilt haben dürfte.
2i^() K i e n a s t.
lit. b, loo und 328 lit. a M. St. G. nebst Verlust des Adels für
die sämmtlichen Kronländer des kaiserlich österreichischen
Staates mit dem Tode durch den StranjL^ bestraft werden.«
»Krakau am 14. Au^^'ust 1866^).'
(Die Xamtjn der (Gerichtsbeisitzer.)
Cxemäss dt^m erhaltenen Auftrage sendete FML. Baron
R z i k o w s k y noch am 1 4. Aug-ust das Urtheil nach Wien ein.
In dem Berichte meldete er noch über den Grafen S e h e r r-
Thoss: Hei meiner letzten l"nten*odung mit dem Inquisiten
machte er mir mit «j^anz leiser Stimme die Eröffnung", dass noch von
zwei anden^n Seiten Kinbrüche inUng'am unternommen werden sollen
und er mir das mitth(»il(», um den etwaigen Folgen vorzubeug"en').
lis scheint demselben überhaupt sehr darum zu thun zu sein, sich
von j(Hl(?r Schuld rein zu waschen und den ganzen Einbruch nach
l-ngarn nur als cnnen Protest, als eini* Rettungf der Ehre der
ungarischen Legion hinzustellen. Nach Durchlesung der Acten
und gowissenhaftt^r Prüfung aller Angaben würde ich meinerseits
das Urthril bestätig<^n und nur die Milderung eintreten lassen^
den Infjuisiten mit Pulver und Blei vom Leben zum Tode be-
fördern zu lassen^/.-
Wenn (iraf S eh err-Tho ss also wohl gehofft hatte, durch
steine in berechncMidt^r Weist» spät gemachten Eröffnungen an den
l*'estuiigs-(.)ommandant<m von Krakau eim^n Fürsprecher zu ge-
winncMi, so hixtir w sich darin geirrt. S«/ino Rettung vor dem
'1 < >ri4in;il in «Im l*rl^cc■i•^-A(*lL•n. Nr. 25.
-') (iral S e li (' r r - T li o s > tiuiohlc hii-niit ciiu* Au-sa;;c von j^n>sscr Tra;;weile^
wit- IM »lii*-. >('lion wiiliri-nd «Icr Kcisc ii;n.h Kr;ik;iu «Icni Livuli-nant T am e I in Aus-
>\ch\ '^i.'r'WWl h.ittr. laiche oIk'h S. 270.1 Mr Ix'^l.'ili;^!!.' «I.iinil. \v;is ilic «"UtomMchische
Kv;^iiTUM;^ *.cln»ii :ni- «li-r -^t-it /.wci WocIk-ü lu-kannU-n. iinirr «lern NaniiMi K l a p k a*s
in ili'- W'i'lt ;jc-c'. /.im l*r«»cl;iiu:iti<»n an dii* un;;:iri»«i"liiMj Kric;,'Sj^<'r:jnyfneii und au»
:in<k"ii.'n NarliriiJui n \\ii-«>t<.'. n.'iiuliih. <l.i-^ auch von Scr])icn uiwl Kuniäniirn her £in-
iiillr ;:i'j)laMt war -ii.
< ili-irhui»!>l «li'iittr «lif AiitrifliUi^Ufit «l«- «iralrn -rinc unLiaii-i lu-n Freunde, wenn
-i'.- il ivun '^«w u--t li.'iti« M. "-fhr peinlich hcrühii h.!l»«.-n nnd er li.'illc ihnen j^e^^enüber
X iilli i« ht inr ■l.Mui! -ieh iri htti.T;i;:<n k-WiniMi. i!a-> er «l.i- < ir'>tändni-«> nur (gemacht
h:il»«.'. 11:11 il ii.in«. riiiiii Mil!!«-rii:i;.'-^^iiin«! (iir >i^ li al»/r.h i'rn nn«! ■l:.-«.'« vi i» /n einer Zc"
^fMi.uiit h;'.'.- . .»!- n u'i rill'.-. !'i.:» i-hni.iiL' K< in *^( li.i'l';: lii' '' '*'" -"■•»er Kreiinu
n)"''r h.',*i. i-Mi -te'ii--, KMnn«:i.
*\ 1 -1 »1, • II'.- I
Die Legion Klapka 1866. 28?
sicheren Tode hatte er nur der diplomatischen Intervention
Preussens zu verdanken. Seine Begnadigung- gab der >» Erste
(Jeneral- Adjutant der Armee «^ am i8. August, dem Geburtsfeste
des Kaisers, mit folgendem Telegramme nach Krakau kund :
*Auf Allerhöchsten Befehl Seiner Majestät ist das über
Arthur Grrafen Seherr-Thoss am 1 4. d. M. geschöpfte Kriegs-
rechts-Urtheil dahin zu clausulieren, dass unter Aufrechterhaltung
des übrigen Inhalts desselben, die Todesstrafe im Gnadenwege
zu zehnjährigem schweren Kerker gemildert wird. Die Acten
folgen auf gewöhnlichem Wege zurück^).«
Das Urtheil wurde demnach wie folgt clausuliert:
»Wird im Wege Rechtens bestätiget, im Wege der Gnade
aber die Todesstrafe in zehnjährigen schweren Kerker gemildert.
Krakau, den 18. August 1866. (L. S.) Leopold Freiherr von
R z i k o w s k y m. p., k. k. FML.<< Und weiters:
'»Kundgemacht und in Vollzug gesetzt und beginnt die
Strafzeit mit dem heutigen Tage. Krakau, am 20. August 1866.
J u V a n z m. p., Hauptmann- Auditor -).«
Wie in mehreren anderen Fällen von Verhaftungen Ver-
dächtiger während des Krieges, erhob die preussische Regierung
nach Abschluss des Prager Friedens (vom 23. August) auch hin-
sichtlich des bereits abgeurtheilten Grrafen Seherr-Thoss Re-
clamationen. vSie verwendete sich für dessen Freilassung mit der
Begründung, -dass derselbe, als er den k. k. Truppen in die Hände
hei, in die Kategorie der im Waffenstillstand inbegriffenen, von
demselben aber noch nicht unterrichteten königlich preussischen
Truppen gehörte und nicht in einer Action gegen Oesterreich
begriffen, sondern umgekehrt für die Verhinderung einer solchen
thätig war ^), indem er, als die von Klapka commandierte Le-
gion nach Betretung des ungarischen Bodens den Befehl zur
Rückkehr erhalten hatte, von Klapka auf einem directeren
») K. A., Festung Krakau 1866, Vllf, 54.
-) Wenn (iraf Seherr-Thoss in seinen »Krinnerunj»eu< cr\i'iihnt, dass seine
(orrespondenz behindert und ihm Ketten anj»clcjjt wurden, so sind das im Militär-
Stratj;;c»etze vom Jahre 1S55 (JJ 25) bejj^ündete Verschärfunjjen der Strafe des schweren
Kerkers. Die Kettenstrafe wurde bekanntlich erst 1868 aufj^ehol)en. (Armee- Verordnungs-
blatt, 47. Stück, Nr. 200.)
■') Man geriith in Verlegenheit, wenn man sagen soll, M'elches AVi>rt dieser
Argumentation mit einem Fragezeichen nicht versehen werden mü>ste. Für (ias Folgende
steht die Sache nur wenig besser.
2^^ K i e n a s i.
AVe^e, iils die Truppe nehmen konnte, vorausg^eschickt worden
sei, um den köni^dicb preussischen ^Militär-Behörden zu melden,
dass sich die Legion der Demarcations-Linie nähere^)*.
Das Festungs-Commando in Krakau wurde demnach vom
Kriegs-Ministerium bei gleichzeitiger Mittheilung vorstehender
Begründung des preussischen Verlangens am 31. Aug"ust 1866
beauftragt, aus den abgeführten L'ntersuchungs-Acten jene Um-
stände, welche die Competenz des Militär-Gerichtes zur Unter-
suchung des Falles begründeten, zu erheben und hierüber unter
Anschluss d(*r betreffenden .Vctenstücke mit Beschleunig'ung' Be-
richt zu erstatten-)'. In Folge dieses Berichtes-) ergieng" am
3. St»pt(*mber, 12 Uhr Mittags, folgendes Telegramm des Krieg's-
Ministeriums an das Festungs - Commando in Krakau : ^Baron
Arthur Seherr-Thoss ist der Kerk(*rhaft sogleich zu ent-
lassen und über die (irenze zu schafften *;• . FML. Rzikowsky
m(^ldet(j hierauf tehtgraphisch dem Kri(\gs-Ministerium am 4. Sep-
t(»mber um i Ciir 5 Minut(*n Nachmittags : vS e h e r r - T h o s s
aus der Haft cnitlassen und wird über die (ircinze geschafft •'*)•« .
h'in Wiener Journal brachte wenige Tage später die Xach-
richt : Der in letzter ZtMt vitdbesprochene Major der ungarischen
Legion Arthur (Traf S e h e r r - T h o s s, welcher vom Krakauer
Kriegsgericht«* wt^g<»n Hochvc^rrathes zu zehnjährigem Kerker
verurtht'ilt worden war, wurd(? in h'olge dt*s Artikels X des
Friedens-Vertrages mit Preusst^n am 4. d. d(»r Haft entlassen und
Tags darauf über ^[yslowitz nach Preusf>(*n abgc^schafft ••;.■■
') Vcr^'l. (la/.u ilic ohcn S. 211 mit^cihcillc Depesche K 1 ;i ]> k a's vom 5. August
au *'ciu'i;j1 S t »> 1 1» c r ;^'.
■■» Kc^^i-lr. 'i. K. K. M. Abth. 4. Ni. 1077, vmu 31. Ai:;^ii>t 1SO6.
I Niclit iiuln" vurliaiulL-n.
■•» Kf^i-lr. <l. K. K. M.. Al»ili. 4, :i<l Nr. 1^77, 3. September. C'onccpl.
■I Kej^i-tr. iL K. K. M.. Al»lh. 4. Xr. I7.^2, 5. September iSOO. Das Tele-
;^r;j;niii trii^^l ila- \ i>uiii ilei < iein.ral-AvljUlaimir vom o. und deh Mininteriums des
.Veii"«M*rii Vi);m <». Septeiubi-r.
'I ^Neue l-"i«ic I're^-«0' vom II. S«.pteml)er I.*^''»^. il\.riej^'>--\Ii>cellen.)
.\ai"!> i-kr im l\\l<.' ^i ;^el)eiieii i|iieileiim;i>*i;^en I)ar.'lellun;; bleibt ;ils<) von der,
an .iiii'.uii-eu Mi--iliiilun;;cu ><» reichen J-lizälihin;^ de» (jraten S e h e r r - T h o s r
la. a. « >.. >*. 72 11. Jt.) übei -eiiie C ielan.:ennalime uml Minen l'roce--« la>t nichts übrijj,
\ i'M dei. /ahluiiln. n Jrrll.iimern vler-i ibi::i -ei bb»» iler eine liervurj^i-hoben, dass er
nic'iil ei-t a;.i 10.. *i».i'lern ««eliun am 4. >« plember iler Halt eMtla>''en wurde. Man
Milb'.- d.»ili ^il.iiiiu.::, da-- >> e li i- . r- 1" Ii «i - » jüi )a!;:t- i,s,'<i n«»cli ;^e\\us-^t habe, ob er
in Kr.>k..ii -iv.il-, tu!.; vjilitiehi iiwr \ ie* Wethen im < ieJii:.;.;i.i>--e %\ar, wo er übrigens
naeh -ejn» ni vi^iuMi /eii^!.i--e >.iii^1.1::di^ beli.mdih \v wrd» ^'>' '""W das *»*ciss er
.]'.,.. ■■■•'.• .l- •■- Wj- ' iel I '"'■■ ^' ■ ' -• I' ■■■"'■liit'
Die Legion Ivlapka 1866. ^gQ
Die Trautenauer Bürger wurden erst am 13. September 1866 in Glogau ent-
lassen und langten am folgenden Tage Abends wieder in ihrer Heimathsstadt an. Bürger-
meister Dr. Roth hat im October 1866 in der Wiener >Presse« eine Artikel-Serie
> Achtzig Tage in preussischer Gefangenschaft« veröflentlicht, welche dann auch in
Buchform erschien. Im letzten Artikel heisst es : >So verliessen wir (in der Nacht zum
14. September) Glogau nach mehr als eill Wochen ohne Verhör, ja ohne dass uns
amtlich Jemand nur gesagt hätte, warum wir gefangen genommen und warum wir
schlimmer, als die ärgsten Verbrecher, im Innern von Preussen zu einer Zeit behandelt
wurden, während die Kammern in Berlin tagten und die preussische Verfassung als
lebendig gilt, die einen Paragraph enthält, dass Niemand über 24 Stunden, ohne ge-
hört zu werden, verhaftet bleiben soll«.
Die Legion Klapka 1866. ^^
VII.
Die Legion in Bauerwitz.
Verstärkung der Legion.
Alit dem Rückzujijfe der Legion aus Ungarn und Mähren ist
ihre Geschichte noch nicht zu Ende. Aus dem Briefe Klapka's
vom 1 4. Augxist an Vetter') ist bereits bekannt, dass sie am
8. Abonds nach Bauerwitz, einem Städtchen an der Kisenbahn
zwisch(»n Leobschütz und Ratibor, v(»rUigt wurde. Hier befand
sich das Brigade-Commando (Oberst M o g y o r ö d y) und das
zweite Bataillon, während das <^rste Bataillon in den benach-
barten Orten Babitz und Zülkowitz, die Husaren in Jemau unter-
gebracht wurden. Der Stab der Legion b(»fand sich bis zu seiner
mit dem Abganges K 1 a p k a's am 14. August erfolgenden Auf-
l(")sung in dem lei^rstehenden Schloss Rakau, 4 Kilometer süd-
östlich von Bau(»rwitz. Hier sollte die schon am 31. Juli von
Bismarck in Aussicht gest<?llte Verstärkung der Legion'-) vor
sich gehen.
Diesem selbst und ihre l'ühror hatten zwar schon am
3. August durch K u b i n y i von d(?r Anordnung des prcnissischen
Ministr^r-l*räsid<^nten Kenntniss erhalt(*n^i, in Berlin aber scheint
man si(*h vorläufig noch gehütet zu haben, von der Sache etwas
verlautf^n zu lassen. Auch Vetter wusste nichts Xäh(;res und
W(Muh'te sich deshalb an Csaky und einige nidrre Freunde in
'» Sicht' olicn S, 2lS.
Sieb' »bcn S. ]<*'
Die Legion Klapka 1866.
291
Berlin um orientierende Auskunft. Das Antwortschreiben des
Majors Baron B a 1 a s s a vom 7. Aug'ust an V e 1 1 e r zeigt indessen,
dass auch die in Berlin befindlichen Ungarn bis zu diesem
Tage noch durchaus im Unklaren waren. Balassa's Schreiben
lautet:
"Verehrtester Freund! Verzeihe mir vor Allem, dass ich nicht
dienstlich, sondern mit einigen freundlichen Zeilen unsere hiesige
Stellung Dir bekannt mache. Tivi (== Theodor, nämlich Csaky)
war immer abwesend sammt seinem Secretär und mich Hessen sie
da auf dem verlorenen Posten ohne Instruction, ohne Ordres; ich
musste mich mit Geduld in mein Schicksal fügen; und wenn vom
Ministerium oder andererseits Anfragen kamen, musste ich mit
Erröthen etwas vorlügen, odt»r ausweichend antworten. Du kannst
Dir denken, in welch' einer fatalen Position ich war; als redlicher
Mensch, fühle ich selir das Erdrückende meiner Lag"e. •
•Ich war öfter beim Ministerium, einen passenden Vorwand
findend, um mich in dieser Confusion etwas orientieren zu könntn.
Alles, was ich dort erfuhr, war die schwache Hoffnung", dass die
( )rganisation fortg-esetzt werde ; dies sagte mir auch der Legations-
rath B u c h e r. Dies war die Quelle, als ich Dir telegraphierte ;
heute Morgens aber betheuerte mir C s A k y, dass die Org'anisa-
tion sicher fortgesetzt wird, und die diesfallig*en Ordres bereits
auch abgeg'ang'en seien. So viel ist sicher und gewiss, dass die
hiesigen Verhältnisse sich schnell ändern werden, denn gestern
Abends kam J ran vi, von Kossuth abgeschickt, mit Voll-
machten hier an, da Kossuth mit der r'ührung der hievsigen
(ieschäft(* höchst unzufrieden i.^t. Simonyi ist noch hier, t^r
wollte schon vor ein paar Tag'en abfahren, docli der Ernst der
Dinge und meine Bitten hielten ihn zurück. In ein paar Tagen
müssen wir Entscheidendes hören und ich werde nicht ermangeln,
es sogleich zu berichten.
Von Klapka's Expedition wissen wir nur so viel, d^iss
die Regierung Alles anwendet, um ihn auf preussischen Boden
zu bringen — wo, wie und in welcher Eage er sich befindet, ist
uns unbekannt und desshalb ist unsere Sorge gross!
«Mein Sohn, der sich gehorsamst empfehlen lässt, bt»find«»t
sich auf dem Wege der Besserung und ich hoffr, (^r wird bald
(»inrücken können."
Kubinyi ist noch immer da — toujours le m^^me
sammt Frau. -
' U e c h t r i t z wird morgen von C s c^i k y erwartet etc.
^Q /> K i e n a s t.
Auch ein Eing"eweihter, wahrscheinlich ein Beamter des
pn»ussischen Kriegs-Ministeriums, konntr* an demselben Tajjfe nur
eine vertrauliche Mittheilung ziemlich unsicheren Charakters
machen. Derselbe, ein Herr von Dewitz, schrieb an Vetter:
"Mw. Ilochwohlgebonni beehre ich mich ganz ergebenst
mitzutheilen, dass, nach einer mir heute durch den Oberst von
Döring gemachten Mittheilung, der (xeneral K 1 a p k a innerhalb
der preussischen Demarcations-Linie in Ober-Schlesien zurück-
g(*kehrt sei und sichere Aussicht vorhanden ist, dass die Organi-
sation der Lc»gion fortges(»tzt werde. Ofüciell ist hierüber, so weit
mir bekannt, noch kein Befehl ergangen und bitte ich daher, diest;
Mittheilung nur als cnne ganz vertrauliclie anzustehen.
Krst eine kürzte schriftliche Nachricht Csaky's, die aber
b«»zeichn(ender Wtjise noch untter (einem Pseudonym ( Franz M e y e r;
erfolgte, brachtte Klarheit und Sicluerheit. Diese Xachricht hatte
f ulgen d en \V ort 1 aut :
(xestrige Zuschrift erhalten. J(»der bleibe wo er ist. Fort-
setzung unserer (leschältie wurde bteschlossen; hoffe, dciss in
4S Stunden Alles in gteregelten (lang kommt, werdet dann per-
sönlich oder schriftlich T)ir die nöthig<»n Aufschlüsse geben, auch
wird dann alhm Ji«»schw<*rd<'n abg<*holften werdt^i. ßitte diie Herren
in Xeisst» hievon ttelrgrai)hiseh in Ktenutniss zu sKzen'i.
Diti versprochene Vtrrstärkung der Legion sollte in der Auf-
st«'llung ein(\s dritten Bataillons und zweier Batterien, dann in
der X'ermehrung der Husaren b(»st(^hen- l Als Anfang dazu wurde
die am 29. Juli in Xeis^e aulg(*löst<* K^eserve-AbtluMlung'*) nach
Bau(»rwitz gebracht und in <lem bt.'nachbarttMi J lohiidori bequartitirt.
Das war der Stamm des neuen, dritten Bataillons, i^r zählte etwa
400 Mann. Aus <len nachträglit'hen Aussagen der Legionäre vor
dem rntersuchungsrichter in Krems geht mit (lewis^heit hervor,
dass auch nach dem Mintrittt; des \Valfenstillstand(\s zwischen
Oesterreich und Preussen -j. August 1 die Werbungen für die
l,egion unter den Krieg>gefang<'nen fortgesetzt wurden 'i. Dieselbe
'1 Die i»1m-m luil^^i-lliriltfii «Irri Sclm-ilicn ;ni? I'n-rlin. 7. Au^u>t, an Vclicr
wiir<ii*n viMi A 1» iM i - A i ;i IM- r im iV-'tir Lli)\«l Vinu 17. Aj»iil l^tj verüffentlicht
>;l-I;i' <l.i-ii s. I j;. i,S.} iiimI ImJ.
* ViT^^l. /. r.. Nt. J7, 110. jii i;?i 1 Ni. '■• '•' ^ -tcn «ml «ieren
V'ii'ijri Aj'jii'ii'lix IJ" M.UMi L'i' 1' 1"-' ' Mi " im 23. Aut»"*»
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«!■< 1* '..|1
Die Legion Klapka 1866. 2q^
erreichte so den Stand von annähernd 2000 Mann. Einer un-
verbürgten Nachricht zu Folge soll Klapka um die Mitte des
August der Legion eine neue, angeblich von der Schwester der
in der Legion dienenden Grafen K a r o 1 y i gespendete P'ahne
übergeben haben — wohl für das dritte Bataillon. Es gieng auch
das Gerücht, dass der König von Preussen hiezu ein Fahnenband
gespendet haben soll, eine kaum glaubliche Nachricht^). Im
Uebrigen soll die Legion gut verpflegt, aber minder gut bekleidet
gewesen sein und besonders Mangel an Schuhen gelitten haben.
Es muss überhaupt auch sonst bei der Legion nicht in allen
Dingen geklappt haben, denn es sind, abgesehen von Zettelungen
K o s s u t h\s, auch Anzeichen vorhanden, dass die Führer der
Legion und Häupter des ungarischen Nation al-Comites zwischen
Berlin und Bauerwitz-Rakau mehrfach hin und her reisten und
ihre liebe Notli hatten. I^rst am 20. August konnte Graf C s a k y
aus Rakau an den jetzt in Breslau weilenden V e 1 1 e r schreiben;
Hier ist endlich Ordnung« und ihm mittheilen, dass er erst an
diesem Tage >nach den Festungen-, d. h. nach Neisse und
Glogau fahre. Vetter wusste wohl, dass dies zum Zwecke der
Fortsetzung der Werbung unter den ungarischen Kriegsgefangenen
geschah. C s d k y fand es daher nicht für nöthig, dies erst aus-
drücklich zu sagen, sondern fuhr gleich fort: »Hoffe Dir bald
über grosse Erfolge berichten zu können-)«.
Aber der > Repräsentant der ungarischen provisorischen
National-Regierung« erlebte eine grosse; Enttäuschung. Iran vi
b(;richtete darüber aus Berlin, 26. August 1866, an Kossuth'^:
X^orgestern Morgens kam Csäky von der Anwerbung der
Kriegsgefangenen zurück. Wie ich von dem dabei gewesenen
K u b i n y i höre, hatte der Versuch in Neisse keinen Erfolg. * Von
den mehr als 2000 Gefangenen folgten nicht mehr als vierzig,
sagte Kubinyi und Csäky äusserte zu Karacsay, nur
achtzig Mann seien in die Legion eingetreten^). Die Leute sehnen
') >Incredil)ile dictii !« setzt der Herichterstatter, Bezirks- Vorstand X <j v a k aus
M.-Ostrau, 22. Auj'ust, seiner auf Kundschafter- Aussagen beruhenden Meldurj; hinzu.
(K. A.. F. A. Operierende Armee 1866, VI 11, ad 640.)
-*) Mitgetheilt von Abafi-Aigner im »Pester Lloyd c vom 17. .April 1807.
') »Iratai«, VJ, $!<),
*) Xach Mogyorödy's Bericht vom <i. Octobcr l866 an Kossuth dratai»
VII, <»2) wäri-n noch vor Ablauf des Waffenstillstandes (d. h. al>o wohl vor .\l)-
schlu^s drs Definitiv- Fric<U*ns vom 23. Auj:just) von Niisso K7, von (llojjjau aber
278 Mann KriejijsKefanj^ener in Bauerwitz einj^etrofTen un<l da^elbst, beziohnn^jswei-^e
2Q I K i e n a s t.
sich nach Hause und dann haben sie auch kein Vertrauen zu
den Werbern. Es kam vor, dass ein Unterofficier sie „Bettler,
lausige Grafen" schalt^). Cxraf Csdky hielt es für hinreichend,
mit seiner eigenen Autorität-) die Gefangenen aufzumuntern,
indem er sagte : „Ich, der Graf C s d k y, stehe Euch gut für Dies
und Jenes". Uebrigens schienen ihnen (den Werbern) auch die
preussischen Officiere nicht an die Hand zu gehen. Solche Er-
fahrungen ermuthigten den Grafen C s a k y nicht eben, auch nach
(ilogau werben zu gehen."
Das war auch aus dem (irunde überflüssig geworden, weil
unterdessen am 23. August zu Prag der Friede zwischen Oester-
reich und Preussen zu Stande gekommen war. Ungarns hatte
Graf Bismarck bei Abschluss desselben allerdings '• vollständig
vergessen, trotzdem er in dieser Hinsicht den Vertretern des
ungarischen National-Comites grosso Versprechungen gemacht
hatte. Versprechen und Halten sind eben zweierlei Dinge ^).«
^Xach dem Friedensschlüsse erwartete das Officiers-Corps
tagtäglich die Verordnung zur Auflösung der Legion; dieselbe
unterblieb jedoch und als man diesbezüglich Anfrage hielt, ver-
fügte das (preussische) Ministerium des Innern auf telegraphischem
Wege, die Legion solle vorläufig noch beisammen bleiben.«
Doch suspendierte das preussische Kriegs-Ministerium gegen
Ende August die fernere Organisation der Legion*). Ein
preussischer Officier sali sie auf seinem Durchmarsche durch
Bauerwitz am 18. September hinter dem Orte in der Stärke von
drei Bataillonen, zwei Escadronen und einer Batterie in Parade
ausgerückt^).
Dass die Legion so lange nach dem Prager Frieden nicht
aufgelöst wurde, hatte offenbar darin seinen (irund, dass auch
iD Hohntlorf bc(|uartiert worden. Die Nachrichten decken sich nicht und können nicht
controlierl werden. Ks scheint, dass die von M o j; y o r o <i y angeführten 87 -j- 278 Mann
und die oben erwähnte l<escr\e-Abtheilun}^ mit einander identisch sind.
*) »Volt esct, hojo' ejj)' altiszt „koldus, tetves jj;rotoknak" szidta öket.c Das
derbe Wort ihat dem <lemokratischen (iemüthe K. o s s u t h's j^ewiss besonders wohl
und wurde ihm vermuthlich <lesshalb hinterbracht.
-) Das heisst wohl »ohne Berufunj^ auf Kossuth«, was in dessen und des
Briefstellers Au^en gewiss eine Vermessenheit war!
'•') A b a f i - A i Rn e r im »Pester Lloy<l€ vom 17. Aj)»-'! ^^')'7
*) Derselbe e]»en<lasell>st.
^i »Die unfjarische '-e^iou '866 ^ '" ''■ preussischen
Die Legion Klapka 1860.
295
noch der Friedensschluss zwischen Italien und Oesterreich ab-
gewartet werden sollte, bevor Preussen das allein schon in der
Existenz der Legion gegebene Drohmittel gegen Oesterreich
aus der Hand geben wollte. Der tief eingeweihte Ernst von
S i m o n y i schrieb in diesem Sinne am 4. October aus Paris an
dem Legions-Major Grisza: »Der Friede mit Italien wurde vor-
gestern unterschrieben. Euch aber hält Bismarck blos dess-
halb noch dort, um auf Oesterreich Pression auszuüben, wie er
denn ja auch aus Böhmen noch nicht vollständig heraus ist, auch
die Kriegsgefangenen noch nicht insgesammt auslieferte. Jetzt,
nachdem der Friede mit den Italienern abgeschlossen ist, wird
diese ganze Comödie ein Ende nehmen ^).^
Was S i m o n y i hiemit deutlich aussprach, das fühlte man
auch in der Legion. Als Grisza den Brief aus Paris erhielt,
war die Auflösung der Legion auch wirklich bereits in vollem
Zuge, die Comödie hatte thatsächlich ihr Ende erreicht. Die
viele freie Zeit, welche bis dahin der gänzlich unthätigen Legion
zur Verfügung stand, benutzten ihre Mitglieder zu Ausflügen in
die Umgebung und zu manchem Trinkgelage^, aber auch zu
fleissiger Correspondenz mit den Angehörigen in der Heimath.
Das General-Commando in Ofen meldete am 13. September dem
Kriegs-Älinisterium, dass von der Legion in Preussen beinahe
täglich Briefe im Postwege einliefen, welche die baldige Ankunft
dieses Corps in Ungarn signalisierten und besonders bei dem,
ohnehin durch Umtriebe aufgehetzten niederen Volke grosse Er-
regung verursachten'). Die Vermittlung dieser Correspondenz soll
auf einem weiten Umwege vor sich gegangen sein. >'Die Bataillons-
Commandanten sandten nämlich die Briefe nach Paris, von wo
aus dieselben in kleineren Paketen an vertraute Personen nach
Wien, Budapest und Raab gesandt und hier bei der Post auf-
^) Mitgethcilt von Abafi-Aij;ner im >l*ester Uoydc vom 17. April 1897.
Dem Gedanken, dass die Aufrechterhaltung, ja soj»ar die Verstärkung der ungarischen
Legion von Preussen keineswegs im Interesse Ungarns angeordnet worden sei, sondern
nur, um dasselbe für den Fall eines österreichisch-französischen Bündnisses auszu-
nützen, gab Kossuth (iratai VI, 489) schon am 13. August in einem Schreiben
aus Florenz an Irdnvi Ausdruck. Noch bevor dieser das Schreiben erhalten hatte,
meldete er dem Kxgouverneur aus Berlin, 1 4. August, die Worte K e u d c 1 l's : >Wenu
die Forderungen Frankreichs zum Kriege liihren sollten, würden die Preussen auch
auf Ungarn rechnen, weil sehr wahrscheinlich, dass sie dann auch von Oesterreich an-
gc^rifl'en würden«. (>K o s s u t h Lajos iratai«, VI, 495.)
-I Siehe die vorletzte Fussnote.
■'•) Pracs.-Registr. des K. K. M., C. K. Xr. 5843 vom 14. September iHith.
296
K > e n a s t.
gegeben wurden. In Budapest versandte ein Kaufmann die aus
Paris anlangenden Briefe ohne Ahnung über die Adressaten und
den Inhalt der Briefe. Erst als die Polizei Hausdurchsuchung bei
ihm hielt, giengen ihm die Augen auf).
Oesterreichische Vorsichtsmassregeln.
Von den ursprünglichen Plänen zur Verstärkung der l^ogion
erhielt man in Wien bald Kimntniss, freilich in sehr übertriebener
Weise. Ein Xeutitscheincjr Handelsmann, Xamens Hein z, kehrte
am 10. August aus Hultschin (in Luftlinie 10 Kilometer westlich
von Oderberg) zurück und berichtete dem Bezirks-Amte seines
Wohnortes, dass K 1 a p k a's ( lorj^s bei Schillersdorf lagere ^, sich
auf 8000 Mann verstärken und dann sein Ziel weiter verfolgen
wolle. Das Bezirks-Amt Neutitschein meldete diese Kundschafts-
nachricht nach allen Seiton weiter, unter Ander(?m auch an den
sich zur Zeit in Walachisch-Meseritsch auflialtenden Statthalterei-
Rath Rothkugel, welcher von der Statthalterei in Brunn seit
dem 6. August beauftragt war, in Mähren die Vorkehrungen
gegen das Eindring(*n der Legion K 1 a p k a zu leiten. In Folge der
Vorkehrungen und Meldungen R o t h k u g e Ts nach Brunn und
an die nächstinteressierten politischen Landesstellen gelangte die
Nachricht des Neutitscheiner Handelsmannes am Morgen des
13. August auch an den Staatsminister (rrafen Belcredi und
an das (xeneral-Commando Wien ^). T)ies(\s letztere gab hie von
') A I) a li - A i ;j n c r (nach H i n d y) im »I'e>-tcr Lloyd* vom 17. April l8<>7.
■O Diese Nachricht \on der Anwesenheit der Legion in Schillcrsdorf, welche
»^ich auch viel später noch, z. It. in »ler Augsburj^er » Allj^emeiuen Zeitunyc vom
22. und 25. Auj;ust (>iehe oben S. 22^ und il.) findet, ol)\\'ohl die Lejjion diesen
Ort am I. Au^just schon verlas>en hatte und sich seit H. in Bauerwitz befand, ist
jedenfalls sehr auffällig und scheint auf abj^ichtliche Ausstreuung^ zurüduuführen sein.
Vielleicht ist übrij^ens auch der weitere Inhalt der Meldung» des Xeutitscheiner Handels-
mannes nicht so iiiiui. ohne Zuthun interessierter Krei>e unter die Leute j^ekommeu.
•') K. A., l-\ A. Operierende Armee l86(>, VIII, ad 30K. (Telejjramm des
Bezirks- Vorstehers in l.'n^j.-Brod an tlen Staatsminister, aufj^jejjeben am 13. August,
6 l'hr 30 Minuten Morjjen^ ; Ab*ichrift.)
Am 17. Auj^u>t wurste auch die Wiener »Neue Freie Presse« schon zu be-
richten, die Le^jion ;;laube nicht an das Zustandekommen des I-'riedens ; im Gegeu-
heile erwarte ^ie binnen zehn Ta^en eine nr'"''^'Üe Verstärkung^ und au> Nei^-^e zwei
{..»•..|-:..„ ('-.;hiit/c; da?"\ "olI'' vie abe*-'"'» ^t) \Fi"n .«iri- nuch ' 'n^jarii auf-
u..
Die Legton Klapka 1866. 2Q7
sofort dem 6. Armee - Corps und dem Festungs - Commando
in Krakau auf telegraphischem Wege Kenntniss und fertigte
folgenden schriftlichen Befehl mittelst Courier an das Commando
des 6. Armee -Corps in Pressburg ab: »Ueber Allerhöchste
Weisung erhält das Corps-Commando den Auftrag*, die unter-
stehenden Truppen längs der Grenze derart zu echelonnieren,
dass ein erneuertes Eindringen des Insurgentenfährers nach
Ungarn unmöglich gemacht werde. Das Festungs-Commando
Krakau wurde unter Einem telegraphisch verständigt, auch seiner-
seits die nöthigen Verfügungen bezüglich der galizisch-schlesi-
schen Grenze zu treffen und sich mit dem Corps-Commando
diesfalls in das Einvernehmen zu setzen. Die Brigade Rupprecht (in
Trentschin), welcher die einschlägigen Verfügungen so weit, als
n()thig, gleichfalls bekannt zu geben sind, ist anzuweisen, unter
Bekanntgabe der von ihr getroffenen Massnahmen an das Corps-
Commando auch gleichzeitig die Anzeige direct anher zu er-
statten^).«
FML. Baron R a m m i n g, der Commandant des 6. Armee-
Corps, beschloss hierauf, die Brigade GM. Rosenzweig-) in
Pressburg zu behalten und erstattete über die Verlegung seiner
übrigen Truppen am 14. August folgenden Bericht nach Wien^"*):
>^Die Brigade Hertwek concentriert sich im Waagthale mehr
gegen Norden zwischen Bistritz und Sillein, verlegt den Stab
nach Sillein, deckt durch einzelne Compagnie-Posten die über
die Beskiden führenden Pässe von Makov bis Cseme^).«*
"Die Brigade Jonak marschiert in das Waagthal in die
(regend zwischen Neustadtl und Trentschin, bezieht daselbst
Cantonnements und beobachtet den Vlära-Pass, den Pass bei
Alt-Hrosinkau und Strany. Der Brigade-Stab kommt nach Tren-
tschin'').«
') K. A., F. A. Operierende Armee 1866, VIU, 398. Festung Krakau 1866,
VIU, 78, 82.
^ Bestehend aus dem Infanterie-Regimente Nr. 55 zu drei Bataillonen, den
vierten Bataillonen der Infanterie-Regimenter Nr. 16, 79 und 80, dem 17. Jäger- Bataillon
und einer Batterie.
•) K. A., F. A. Operierende Armee 1866, VIII, 491 a und 491 b.
*) Vergl. üben S. 262. Die Brigade sollte den Marsch in die neuen Dislo-
cationen am 15. August antreten und am 17. und l8. in denselben eiutrcfl'en.
*j Die Brigade Jonak bestand aus den Infanterie-Regimentern Nr. 20 und 60
mit je drei Bataillonen, dem 14. Jäger-Bataillon und einer Batterie. Diese Truppen
sollten den Marsch am 15. August antreten und am 18. und 19- ihre neuen Bestim-
mungsorte erreichen.
2o8
K i c n a s t.
i»Die Brigade Waldstätten rückt j^leichfalls nach Norden vor,
cantonniert mit dem Gros auf dem linken Waag"-Ufer zwischen
Dubnitz und Puchov, geht mit dem Stabe nach Kossetz (Kaszsza-.
Sie beobachtet den Lisza-Pass nebst den Communicationen über
das Gebirge südlich desselben bis zum VlAra-Pass. Die Aufstellung
dieser Brigade hat den speciellen Zweck, nach Bedarf entweder
der Brigade Hertwek oder Jonak zur Unterstützung zu dienen*).«
Vom Uhlanen-Regimente Xr. 6 beliess FML. Ramming
den Regiments-Stab und eine Escadron in und nächst Trentschin^,
die sclum unt(*r Oberstlieutenant Dorner nach dem Norden ab-
gegangene Division in Sillein-Csaca**) und beorderte die vierte
Kscadron aus der Umgebung von Trentschin nach Kossetz und
Puchov, wohin sie am 15. August abzugehen hatte. Die Corps-
Geschütz-Reserve, den C'orps-Munitions-Park, sowie die sonstigen
Reserve- Anstalten des Corps hatten in ihren bisherigen Ubica-
tionen bei Pressburg zu verbleiben.
Von diesen Verfügungen verständigtem der Commandant des
6. Arme(?-Corps auf telegraphischem AVege aucli den FML. Baron
R z i k o w s k y in K rakau * ).
Diesor hatt<» am 13. August Nachmittags auch von dem
• Ersten (ieneral-Adjutantt»n d(*r Armeti- die allarmierende Nach-
richt d(*s Statthalterei-Rathes Rothkugt^l mit dem Befehle er-
haltt^n, mit grösstrr Wachsamkeit die Bewegungen des Klapka-
schen Insurgt*nten-Corps im Auge zu btihalten und die betreffenden
Commandanten zu instruieren '). R z i k o w s k y depeschierte
daher noch am 13. August, Uhr 45 Minuten Abends an
(iM. von J^raisach ncich Fri(»dek : »Von Wien telegraphiert
man, dass die I-<\gion noch in Schillersdorf bei llultschin lagert
und sich auf öooo Mann v<Tstärken soll. Ist was Wahres daran?
Im B(»jaluingsfall«' wärt» (\s angezi»igt. mit der Brigade sich so
'I Dil' I'rii^ailir Wald^tütli.-ii ht -»'aml aus (Kii InraiiliTic-Kcjjinienlem Nr. uinl
7'» mit je (Irri Jiatailloiun uihl «li-ni bereite seit 5. Au^iu»*! im Kisiica-ThaU* und hei
SilUiu '•IrhmiUii 2. jäscr-Hatailloii (sirhc oIk-ii S. 2321. daim einer liatterie. Letztere
uiitl ilii.' zwei JulantL'rii.-l<f;^inKUtiT sollt«.!! «Kn Marsch iidcIi am 14. Aujjust antreten
und ihr'.- n« ut-n Standorlr a:ii l'>. ltti iclien,
■» Siehe i>l»-.ii S. 2^^2.
') Siilji; oben S. 233.
*i K. A., l't>tiin;^ Kr.ikaii iy(,h. VJII. S;. iPre-^luir^' 14. Au;;u>t, 8 l'hr
50 MiniitiTi Vuriiitta;^'«. Krak.ui an um lo l'hr 55 MiniiK-n Vtir:nilla;^s.)
I I*!.I»i. mla. \"1IJ, 7't ' ' -i.- ■ i-..fii ;ii u'r-iL-n .n. »..!.-. -um,... -im ijj. August,
'!»• r iiiiiii«..f \.'i'>Vit>iiit
Die Legion Klapka 1866. oqq
aufzustellen, um den Einbruch zu bekämpfen und daher die neue
Dislocation längs der ganzen Demarcations-Linie ^) und Grenze
nicht zu beziehen. Es heisst in dem Wiener Telegramm, dass
gegen den Einbruch der Legion mit dem 6. Armee-Corps in
Pressburg und mit Brigade Rupprecht sich in das Einvernehmen
zu setzen wäre^). Bevor ich dies thue, muss ich die Frage, ob
was Wahres daran, bestimmt beantwortet haben ^).<<
GM. Braisach sendete nun seinen Adjutanten, Ober-
lieutenant Hervay-Kirchberg noch in der Nacht zum
14. August von Friedek nach Mährisch-Ostrau, um dort und in
dc^r Umgegend Erkundigungen über den Aufenthalt und die
Stärke der Legion Klapka einzuziehen. Der General muss
hierüber und vielleicht auch über seine augenblickliche Kenntniss
von der Legion in beruhigendem Sinne nach Krakau telegraphiert
haben; denn FML. Rzikowsky erwiderte auf das um 12 Uhr
Mittags erhaltene Telegramm des 6. Armee -Corps am Nach-
mittage nicht nur, dass von Krakau aus Krasna, Neutitschein,
Freiberg, Richaltitz, Paskau, Mährisch-Ostrau, Friedek, Dobrau,
Freistadt, Schwarzwasser, Teschen, Skotschau, Bielitz, Biala,
Jablunkau und Csäca besetzt würden, von welch' letzterem Orte
aus die Verbindung mit Cseme, d. h. mit dem rechten Flügel
der Brigade Hertwek des 6. Corps hergestellt sei, sondern er
schloss auch sein Telegramm mit den Worten: »Ich zweifle
sehr, dass Klapka einen Einfall wagen wird. Durchaus keine
Anzeichen. Werde es am sichersten und zuerst erfahren. Bald
Näheres, wo er jetzt steht und wie stark "*).«
Oberlieutenant Hervay machte sich noch am 13. August,
halb 1 1 Uhr Nachts, auf den Weg nach Mährisch-Ostrau. Aus der
Meldung, die er, am folgenden Tage zurückgekehrt, seinem Vor-
gesetzten erstattete und aus einem Schreiben des Bezirks- Vor-
stehers in Mährisch-OsÄ-au vom 14. August schöpfte GM. Brai-
sach die sichere Kenntniss, dass die Legion nicht mehr in
Schillersdorf, sondern weiter nördlich in Bauerwitz stehe und ein-
schliesslich einer Husaren-Escadron etwa 1 600 bis 1 700 Mann stark
sei; sie erwarte einen Zuzug von ungefähr 2000 Mann (darunter auch
^) Siehe oben S. 259 und Mitte dieser Seite.
*) Diese Stelle ist aus dem Telegramme des Wiener General-Commandos
herübergenommen.
^) K. A., Festung Krakau 1866, VllI, 81. Concept.
*) K. A., F. A. 6. Armee-Coqis 1866, VIII, 77. (Aufgegeben in Krakau am
14. August, 5 Uhr 45 Minuten Nachmittags.)
iQQ K i c n a s t.
Artillerie) und wolle nach Ablauf des österreichisch-preussischen
Waffenstillstandes unter K 1 a p k a wieder einen Einfall nach
Ungarn untern(*hmen; während unter T ü r r und einem anderen,
dritten Führer auch an zwei anderen Puncten derselbe Versuch
j^'emacht wt»rden solle ').
General B r a i s a c h telegraphierte demnach am 1 4. Augxist,
1 1 Uhr Nachts, an das Truppen- Commando für West-Galizion :
Adjutant rückgekehrt. In Schillersdorf Niemand. In Bauerwitz
hintf^r Ratibor 1600 bis 1700 Mann, eine Kscadron. Von Zu-
züglern wird gesprochen. Nähere Daten und Meldungen morgen
mit der Post-i. Ostrau bis jetzt 70 Cholera-Kranke, darunter
35 Todte. Die teh^graphisch anbefohlene Dislocation wird
morgen bezogen^.-
') Die Ori^inal-llLTichte des Hezirks- Vorstehers Xovak vom 14. Auj^ust und
des ( )l)erlicuteuants llervay Chevalier de K i r c h b e r j^ vom 15. Auj^ust im
K. A., F. A. Operierende Armee 1S6O, VIII, 4S1 c und d. ( Jberlieuteaant Hervay,
welcher >eine Xachlbrschunj^en mit Hilfe eines Beamten der Kothschild'schen (lüter
in Witkowitz und Schillersdorl lührte, berichtete auch, die Unj^arn sagten aus, »dass
sie I'rinz Friedrich Carl Treue j^eschworen, der ihr KLöni^ werden wird*. In
der That erhellt auch aus den nachträj^lichen Au>sa;;en zahlreicher Lejii<m;ire (ver;»L
/.. il. Kremser Acten Xr. lio), <lass man in tler Lej;ion noch in der zweiten Hälfte
Auj»u>t nicht nur von einem bevorstehenden neuen Finfall in Ungarn, sondern forl-
;;esetzt auch von der ungarischen Thron-Candidatur des Prinzen (Friedrich) Carl
von l*reu><en ;^esprochen habe. Kine Zeit lanj; hatte man so^ar j^eglaubt, es existierten
sclmn Münzen mit dem BiMe des ])reussischen l*rinzen als K-önij^s von l'ngarn; doch
stellte sich da^^ (lerücht als unrichtig heraus und man erklärte sich das (iercde später
damit, dass zu demselben wohl eine rumänische Münze mit dem Bilde des Fürsten
Carol den Anla^s ^ej^eben habe. Inders konnte auch eine solche Münze in tlen
v<»n der Le«,'ion berührten österreichischen Ortschaften nachträ;,dich nicht aufj^ebracht
werden. (K. A.. Festung Krakau lS()<.», VllI, 72 und ')0, ( >berst Fischer aus
Frei])er}:, II. und 14. Au;:ust an l'WTL. R z i k o w s k y. F. A. < )jK*rierende Armee
IS(»0. VJll, 04«» und a<l 04«), Berichte de-? Bezirks- Vorstehers Xovak vom 22. und
2(>. Au^^ust.j
< )berst von Fischer ;^laubte allen ]>n»;te< an <len bevi>rstehenden zweiten
Kinlall der Le;^ion (etwa mit rlt-r Kiseiibahn bis .\I.-\Veis>kirchen und von da aus
^e;;en Trentschin) un<l schlu«^ eine en^^'ere < "oncentrierun^ »U*r Bri;^ade Braisach und
der ihm noch unterstehend«-n 'rrup])en in der (Icj^end von l*Vie«iek und Mistck vor,
\on w«) au< der !.e;;ion auf jedem etwa m<'»;4liclien FJnlalNwef^'e leicht un<l kräftij^ cnt-
^•ej^<M)^etreten werden konnte.
Wiederholt re^'t«' olnT-^t vnr\ h' i < c h e r :iuch an, «lie KntwatVnun}» und Auf-
lii>u:i;: «ler Le^^'ion aul <l-|)lninati-vln-;n Wi-^^'e zu brtii'ibt.*n. !•"■ >' nicht ersichtlich,
t»b J-Ml.. K z i k <» w s k v .uil dit-s«' Ider ein^ien;^'.
') I)it '" vnr-tf.-iK-11'hT Null- iTw."''"'* "»' '* •'■ichli.- Nova »■ v a y.
Die Legion Klapka 186C.
301
FML. Baron Rzikowsky erhielt die Nachricht am
15. August, I Uhr Morgens und telegraphierte, ohne die ange-
kündigten schriftlichen Meldungen aus Friedek abzuwarten, des-
selben Tages, 9 Uhr 15 Minuten Vormittags, an die General-
Adjutantur, an das Wiener General-Commando und ähnlich auch
an das Commando des 6. Armee-Corps: >»In Schillersdorf lagert
nichts mehr von der Legion ; sie ist, wie ich bereits meldete,
nordwärts gezogen und war vor einigen Tagen in Bauerwitz.
Ein neuer Einfall in Ungarn höchst unwahrscheinlich. Die Nach-
richten der Bezirks- Vorsteher haben sich oft als unrichtig (und
unnöthiger Weise allarmierend) herausgestellt ^).<'
Nach Erhalt dieser Nachricht stellte FML. R a m m i n g bei
dem Umstände, als seine Truppen seit Beginn der Kriegs-
Operationen kaum sechs bis acht volLständige Rasttage gehabt
und dringend einer Erholung bedürftig waren, schon am 15. August
die Anfrage, ob die bereits eingeleitete Marschbewegung der
Brigaden Jonak und Waldstätten nicht eingestellt werden dürfe.
Das General-Commando Wien lehnte den Antrag ab und so vollzog
sich bis zum 20. August die am 13. angeordnete Echelonnierung
der Truppen des 6. Armee-Corps im Waagthale. Bald jedoch wurden
die Brigaden Jonak und Waldstätten in Folge telegraphischer
Weisung des Commandos der operierenden Armee (Erzherzog
A 1 b r e c h t) wieder in die Gegend von Pressburg zurückberufen ->.
Zerfall der Emigration.
Es ist nicht zu ersehen, ob die eben geschilderten Vorsichts-
massregeln an der ungarischen Nordwest-Grenze oder etwa öster-
reichischerseits gemachte diplomatische Vorstellungen auf das
Verhalten der preussischen Regierung der Legion gegenüber
Einfluss genommen haben. Wenn das aber auch nicht der Fall
war, so verfiel die letztere in Anbetracht der nach Aussen hin
ungestört fortschreitenden Friedensverhandlungen doch zusehends
in sich selbst und auch das persönliche Eingreifen des (xrafen
') K. A., Festunjj Krakau 1866, VJII, <)2. Concept. Die im Texte einge-
klammerte Stelle stammt aus dem Telej^amm an das 6. Armee-C'orjis. Verjjl. hiezu
oben S. 221.
^ K. A., F. A. 6. Armee-Corps 1866, VI II, 79.
■>Q'y K i e n a s t.
Theodor Csaky zum Zwecke ihrer Verstärkung^ scheiterte an
dem Misstrauen und dem Heimweh der gefangenen Ungarn.
vSowie die Legion schliesslich nur noch nach R i s m a r c k's
Wunsch eine Zeit lang fortvegetierte und wohl zweifellos auch
ohne die bald nachfolgende formelle Auflösung einer solchen aus
inneren Gründen nicht entgang(*n wäre*), so zeigten sich übrigens
auch in der Emigration immer deutlicher bald wieder die Sym-
ptome des Zerfalls. Die Ursache davon war einerseits die Herrsch-
sucht Kossuth's, der nur unter dem Drucke der italicmischen
Regierung sich hatte entschliessen können, auch dem ungarischen
National-Comite neben sich einen Einfluss einzuräumen-), anderseits
die gerade durch diesem Eigenscluift des Agitators in gewissen
ungarisch - nationalen Kreisen hervorgc^rufene Reaction, welche
trotz Kossuth, jedoch mit vorsiclitiger Schonung und Aus-
nützung seines Xtmicns, die Unabhängigkeit Ungarns erstrebte^).
*) Feldwebel K e i n h a r t, «Icr bekanntlich am 3. Aii^just in Turzovka die
Li'^ion vcrliess, (Urponiertc über «lie in dersirlben hcrrj^cheniltr Disciplin : >Was die
Aullührung der Le^i«»n anbel;in^t, so war diese eine haar>träubonde. Von einer
Oisciplin war nur insoterne eine Spur, als man sich ^^e^jenseiti;; nicht erschlaffen hat.
<ie>:t()hlen hat man aber lürcliterlich- ; ^(^;;:lr die < )lliciere seien nicht verschont ^je-
bliebeii und deren JvolFer aus;;eplün»lert worden. Dem Ober^^t M o j; y o r 6 d y sei ein
»^ilbernr«. ICs>besteek abhanden ^^ekonnnen, das er nur eine Minute aul dem Tische
liej^en ^ela>>en. <Kreni>er Aden Nr. 123.)
Kiu andvTi-r l'nternlilcier <les Inlaut erii'-J<e;^inu-n{> Xr. 4^), welcher der Le^^ion
!»is /u:u Schlüsse ini^eln'irt halte, äu-'irtc sieh vor <leni rntei->iiehunti>richter in K.rcnis :
^leii war Manipulaut dvr ilrillen (\»mi)a^uie <ler Le^^ion und nju>> >a}4en, dass sich die
Maiiu-ehalt nieli! am besten aulj^elührl hal. iie>!ohlen und j^e^oiVen ist rcj»elmä'»sijj
woidi.ii. KaubanÜille ndi-r .cidere j^<.)bv.- \" erbrechen kaiueM nicht voi. Die Disciplin war
liK-kv.r. Vor d.- 11 rMieioItieierrn hatten di«- ( Jenivinen la-l ^^ar ki.-inen, vor den Otticieren
nieiu >ilir \ i« 1 Re*pect, ii< nu es waren blos Arre-^t-trali-n mit ^\us'«ehlu>s der l*rü;;el
riM:;'-! Üiri. \\\:in |e':i.inl t iiivn l-'eiiler bi';^i''U;^. /. 1». l.>ieiistahl, '«o sa;^te man t>ft,
VII- /.um Ivii.di- : ..i>;i- d;ir'«l «In i;iehl uuh.r ihuul" \\- i.-t natiiilirh, da-> solche Slralen
^ar :iii Ir \^iIkt.■^.« 1 h". r.':n«-(.r Aetm. Nr. 122.)
!ui!/i In ■■ ;^i. ]»•;:> Titlichi' Au--:iu[en vnii andi-riu L:';jion.'i:in in Krems !>eslätjj;en
im W't'-i Tillii Im n die ;^ -child.rJ.eii /U"«lii;:i!.-. Tut-r tlen^eiln-n wäiiii der Le;;;ion in
!'reu--en b- 1 • In- in l.inuT' ri n J'^'-tand.- ji lu* * J<inr;:;ini>.iJiourn - j^i wi««s auch nicht
eixjiari ;^t bii^iiv-ii. v.'rlii- .111- .r::i'iii Iii'u iiiwl ü-m li ji^^iiiii < iiiindt-n bei der un^^arischeii
I.ej^'i«»n in Italien -n >ti\. \or^^:;oiii.'i 11 wi-rliii uiu-'^ti 11.
"i Si..lu' ob. ;j S. «ij |]-L<1 ':.
I \"ir.:l. «ibi.-'i S. 'i'- ii.il Ar;m. > 1:11 i >. ~.\. A:i:ii, Di- \'.«lbtäiiili,ki it i-rfortlert,
«la-- di-' I ir-jri'jr dir A ;!!l"- 'ii.; ii:: rSi ill» •!■-; l-.ini^; .1: ■••11 .ui ili -Tr ^telh" kurz berührt
wiT'ivu. /": dir l-"r.i:^e m:»^ 'i« :: 111 d« 11 !ii:i!'. ila •■ • mi :i l'.ji i- ;, \\ »i .- ■» ;i t i>'- und anderer
/i-t^. u-i.-i-i h- n l'ri-arn v..ri I i. .'.• li^iiri.; \i.-l M;it •■■' • '■■■» ii- «..-. ■« wird »iic
■ Mila-»-:. :nl<" r.'-.iib. ii .1:1;.: ,;t.. !i -. jl-- dl- hii V r- '■■ ■• .,.>e >j->ccit"i'-"'
Die Legion Klapka 1866. ^q^
Es steckt daher wohl auch mehr diese Rivalität, als der
angebliche und übrigens begreifliche Widerwille des Königs von
Preussen gegen den Revolutionär von 1849 dahinter, wenn
Csdky schon vor Mitte Juli diesem telegraphierte, Bismarck
wolle ihn (K o s s u t h) auffordern, der in Ungarn einfallenden
Truppe nachzufolgen. Kossuth's Sohn Ludwig, welcher den
abwesenden Vater von diesem Telegramm verständigte, machte
dazu die Bemerkung, dieses »Nachfolgen (követni)« sei ein sehr
merkwürdiges Wort und sehr verschieden von »Begleiten (kis6mi)«
u. s. wJ).
K o s s u t h senior muss auch sofort erkannt haben, woher
dieser Wind blies, denn in einem bitterbösen Briefe vom 1 6. Juli
an Csdky drohte er bereits, die vereinbarte Solidarität und* Ver-
antwortung öffentlich abzulehnen, wenn die Veranstaltungen und
die Expedition von Preussen aus ohne ihn geschähen. Er wolle
zugleich mit der Expedition die Grenze überschreiten und sofort
die Regierung Ungarns übernehmen oder überhaupt nicht mit-
thun -). Es verdross ihn auf das Aeusserste, dass er nicht nur bis
dahin, sondern auch im weiteren Verlauf nur sehr spärliche Nach-
richten über den Gang der ungarischen Angelegenheiten in
Preussen erhielt^). Er beschloss daher, Daniel Iränyi nach
Berlin zu entsenden.
Derselbe sollte nach der ihm ertheilten Instruction vom
31. Juli**), da Csäky und Komäromy in Preussen ganz ohne
alle Rücksicht auf die, mit ihm am 18. Juni getroffenen Ab-
machungen handelten, dieselben energisch fragen, ob sie die
letzteren noch für verpflichtend hielten. Im Verneinungsfalle wolle
er alle Verantwortung für das Geschehene von sich abwälzen ;
im Bejahungsfalle aber solle Iränyials Kossut h's Stellver-
treter auf alle kommenden Veranstaltungen gebührenden Ein-
fluss nehmen.
Iränyi kam am 6. August in Berlin an und fand Csäky
bereit, die Vereinbarungen vom Juni fortbestehen zu lassen
mit der Abänderung, dass Kossuth blos die italienischen An-
gelegenheiten führen solle, das Comite aber die preussischen "•).
') »Kossuth Lajos iratai«, VI, 303 u. (l. Vergl. oben S. 92 Anm. 5.
^ »Kossuth Lajos iratai«, VI, 407 u. ß.
») Ebenda, VI, 447. (Kossuth an die Gräfin K a r o l y i, 7. August), 546,
547 u. a. m. a. O. auch im Bd. VII.
*) Kbenda, VI, 545 u. Ü. (besonders 548). •
^) Irdnyi, Herlin, 7. August 1866, an Kossuth. (»Iratai«, VI, 467.)
-iQA K i e n a s t.
Dasselbe hörte Iranyi auch, als er am Morien des 9. Aug'ust
in Rakau, wo die Legion am Vorabendt* anj^ekommen war, mit
C s A k y , K o m a r o m y und K 1 a p k a conferierte '), dazu noch,
dass das Comite ausser in Preussen auch die Angelegenheiten in
Serbien und Rumänien zu führen beanspruche und für Klapka
das Ober-Commando über alle ungarisclien Streitkräfte ausser- und
innerhalb des Landes, auch in Serbien und Rumänien, fordere-).
Mittlerweile waren dem Kxgouverneur der Jirief S i m o n y i's
vom I.August**) und Wcihrscheinlich auch andere Nachrichten zu-
gegangen, die im Vereine mit dem Ausbleiben jeder revolutio-
närem Bewegung in L^ngarn in ihm d(;n (iedanken befestigten,
dass das C -omite, besonders Graf ( ' s a k y, die von der preussi-
schen Regierung beigestellten anderthalb Millionen Franken**) nicht
widmungsgtmiäss verwendet habe. In dem Briefe S i m o n y i's
war der Verdacht d(*utlich zwischen d(»n Zeih»n zu lesen. Bevor
Kossuth di(*sen Brief vi(»lleicht noch g(;s(jh(;n, beklagte er es
schon in einem Schreib(»n vom 7. August"'*), dass Csaky und
Komaromy zum Zwecke» der Revolutionit^rung Ungarns inner-
halb desselb(Mi Nichts veranlasst hätten, absolut gar nichts, ob-
wohl sie unter diesi^m Vorwandc* anderthalb Millicmen empfangen
haben •.
Das war allem Ansclu^ine na(*h (*in<' zu weitgehende Be-
schuldigung '"':. Aber die Nachrichten di^r speci(*llen Anhänger
Kossuth's, die jedt-nfalls von d(»m (ieUh^ nichts erhalten hatten
und wahrsclunnlich auch in die ( )rganisati()nen des National-Comites
nicht (Mnbezog(*n wan^n, verlirhen ihr eine Art Berechtigung
und so kehrt si<' schon in eiiit^m Schreiben Kossuth's vom
<s. August an Iranyi^ wieder mit der Forderung, di(^ Kmpfiinger
') In r.iiriTi (It'i IIiilliiii;: K n iii A r oin v'-^ ^iohc aiiih d.i.^ Schniln'ii I r a n v i's
Vdiii ,^. Si'j)lt:iilHT iSOd ,ni K - - u l h. (ilr;it;ii\. VI, 5.?7j
-■' I r .; n y i. Hciliii. 12. Aii;^'ust l.s/ifj, an Kossuth. t Iratai-, VI, 4S0.) Dil*
K't/.tc l'"i>rtltriiii;; halt«' otti-nbar aiuh iK'NoniK-n.- lii-ilculuii;^. I r ;'i u \ 1 herichtfte schon
am niirh>lrn J a;;r an Iv u > - 11 l h drat.ii, \I, 4S3) : »Klapka i-t ln*liol>t beim
(un;^ari'^chi-n» Hn-rt- nn<l auch hii-r, \v<*nn uii-rre OltiiitTf in *Ui\ SpitäUTii unter den
Ki-rnnvaK-^-tcntiMi xmiIkmi (li. rra;;t.-ii «li«- H<mvv'-iN : .,\\'i'r winl iin* antührcn .'*' L'ii»l wenn
sir h«>ri-n. K l a p k a, -n >inil >!«• c«- /iirrii-iU-n. iin«! la^MH ^\r]\ rin-(hnihcn.< Wie viele,
\\hi[ fn-ili« li ^nr-i^hti;; vrr'«rh\vi'.'L:«n.
•» K n - •- 11 t h Laj«!-» iratai , \'I. ]ti<t u. li.
') Si lii- til'i-n s. ~-.
I ir.it:ii . \ 1. 445. (All «Im- «iräiin K .. i n 1 •• ' *
•• \ t lu'. <•^•■n S. j ;;.
• " I .♦ ,i . 'I 1 ' I )
I
Die Legion Klapka 1866.
305
sollten der Regierung über die erhaltenen anderthalb Millionen
Rechnung legen und den Rest zurückstellen; denn auch er,
Kossuth, halte es für seine Ehrenpflicht, der italienischen Re-
gierung über die empfangene Summe, ob sie gleich nicht sechs
Procent der preussischen betrage ^), Rechenschaft zu geben und
den Ueberschuss abzugeben.
Als dann K o s s u t h aus I r 4 n y i's Schreiben vom 7. August
ersah; dass nach Csdky's Ansicht ihm auch die F'ührung der
äusseren Angelegenheiten nicht uneingeschränkt bleiben solle,
wie es doch am 18. Juni in Florenz in Cerutti's Zimmer aus-
gemacht worden, da brach der lange genug bezwungene Groll
des Exgouvemeurs mit Gewalt hervor und Iränyi wurde am
13. August beauftragt, in Gegenwart von einwandft-eien Lands-
leuten den Grafen aufzufordern, er solle ohne Verzug über die
zum Besten des Vaterlandes empfangenen ein und ein halb Mil-
lionen Rechnung legen, sonst werde K o s s u t h selbst gegen ihn
ofi^en auftreten und ihn dazu zwingen. Dabei sei es nicht genug
zu sagen. Diesem und Jenem habe er Geld gegeben, sondern er
müsse Personen nennen. Die Namen geheim zu halten könne
nicht zugestanden werden; »denn wer nicht Bedenken getragen,
sein Leben in die Hand eines Theodor C s ä k y zu legen, hat
auch nicht das Recht, vor Demjenigen ein Geheimniss zu haben,
welchen Ungarn einstens bei der Unabhängigkeits-Erklärung zu
seinem Gouverneur gewählt hat!« Die Rechnungslegung sei umso
nothwendiger, als durch den Einfall Klapka's offenkundig ge-
worden, dass in Ungarn keine Vorbereitungen getroffen worden
seien, wozu doch das Geld bestimmt gewesen und weil von
Preussen aus (durch Simonyi?) die Klage erhoben werde, dass
C s d k y das Geld grossentheils zu Privatzwecken verwendet habe.
K o s s u t h forderte weiter, dass C s ä k y, mit dem er fürderhin »unter
keiner Bedingung, um keinen Preis- mehr etwas gemein haben
wollte, unter einem plausiblen Vorwande von der Betheiligung
an den öffentlichen Dingen zurücktrete. Komäromy sollte ihn
im Comite, wenn dessen Existenz überhaupt sich beweisen lasse,
woran auch Oberst Kiss deXemesker schon längst gezweifelt
hatte, durch jemand Anderen ersetzen ^).
') Am 26. Juli schrieb Kossuth (iratai, VI, 250,) aus Italien: »Hier haben
sie nur eine halbe Million gegeben, die Bettler!« Immerhin etwas mehr, als sechs
Procent !
-*) »Kossuth Lajos iratai«. VI, 484 u. ff.
Die Legion Klapka 1866. 20
3o6
K ie n a s t.
Bevor Kossuth diese Zorn-Epistel schloss, muss er, ver-
muthlich durch Telegramme I r ä n y i's, erfahren haben, nicht nur,
dass die preussische Regierung- die Erhaltung und Verstärkung-
der Legion beschlossen habe, sondern auch, dass KomAromy
und Klapka in Bezug auf die Führung der ungarischen Ange-
legenheiten in Preussen mit C s A k y eines Sinnes seien. Er er-
klärte sich daher in der Fortsetzung des Schreibens vom 13. Au-
gust anlränyi^) mit dem preussischen Vorhaben einverstanden,
wenn Garantien geboten würden, dass die Legion nicht blos zu
fremden Zwecken ausgenützt werde. Er wollte ferner auch einer
Vereinbarung zustimmen, der zu Folge Klapka der Ober-Com-
mandant der ungarischen Organisation in Preussen bleiben sollte,
wenn dieser erstens nicht nur mit Csäky jede Verbindung auf-
gebe, sondern sich nun auch von Komdromy unabhängig er-
kläre, zweitens, wenn er neben sich Iränyi als Stellvertreter
K o s s u t h*s gelten lasse, ohne dessen Zustimmung keine militä-
rische Operation beginne und für die Organisation und die
Oflficiers-Ernennungen die Nothwendigkeit der Bestätigung durch
Kossuth anerkenne. Schliesslich wurde I r d n y i noch einmal
angewiesen, selbst bei B i s m a r c k Schritte zu thun, damit auch
dieser die Abrechnung Csdky's über das ihm übergebene Geld
fordere.
Wahrscheinlich, weil Klapka schon nach Brüssel abgereist
war^, wendete sich Irdnyi schriftlich an denselben, um Kos-
s u t h's Auftrag zu erfüllen. Klapka antwortete ablehnend und
unterrichtete auch C s d k y davon, so dass dieser bereits am
25. August in der Lage war, die bezügliche Correspondenz
Bernhardi zu zeigen. Der aus Florenz wieder nach Berlin
zurückgekehrte preussische Diplomat berichtet hierüber in seinen
Tagebüchern: >'Kossuth entbietet sich in seinem Schreiben
(das er durch Irdnyi an Klapka richten lassen), die ungarische
Sache in die Hand zu nehmen, wenn Klapka selbst und die
ungarischen Militärs sich ganz von dem dirigierenden ungarischen
National-Comit6 lossagen und ausschliesslich seiner, Kossuth's,
Autorität unterwerfen wollen. Klapka hat ablehend geantwortet;
er könne sich von Niemand feindlich lossagen, der iiir die Sac^e
>Iratai€, VI, 488 u. ff.
Die Legion Klapka 1866. ^q^
des Vaterlandes thätig* sei. ... C s d k y ist empört über das, was
er die ^^Niederträchtigkeit" Kossuth's nennt ^).<^<
Auch an Irdnyi schrieb K 1 a p k a aus Brüssel, 23. August,
seine Stellung in den letzten Ereignissen sei blos eine mili-
tärische gewesen und er wünsche, dass sie es auch in der Zu-
kunft bleibe. Die Einheit der politischen Führung hielt er jedoch
dabei für dringend nothwendig und appellierte daher an Iränyi,
dahin zu wirken, dass das Einvernehmen zwischen Kossuth
und dem Pester National-Comit6 wieder hergestellt werde *^).
Dazu war wenig Aussicht mehr vorhanden, denn Kossuth
nannte, bevor er noch Kenntniss hatte von Irdnyi's, in seinem
Auftrage geführter Correspondenz, in einem neuen Briefe vom
24. August an den letzteren ') C s ä k y und Komäromy »jene
zwei speculativen Abenteurer«, die »weiss Gott, wozu« die andert-
halb Millionen Franken aufgetheilt hätten, so dass sie Klapka
zu der unglückseligen Expedition nicht mehr als 28.000 Francs
hätten geben können und überdies die von ihm, Kossuth,
vorgeliehenen 20.000 Francs noch heute schuldeten.
Das blieb nicht der letzte und war auch noch nicht der
schärfste Ausfall K o s s u t h's gegen die Männer des ungarischen
Xational-Comites.
Um die leidige Sache nicht noch einmal berühren zu müssen,
sei gleich hier auch erwähnt, dass die Vorwürfe und Ver-
dächtigungen besonders gegen C s ä k y und Komäromy aus
neuen Anlässen neue Nahrung schöpften und schliesslich wieder
zu scharfer Spaltung innerhalb der Emigration führten, wobei
K o s s u t h und sein engerer Anhang sich als die Richter über
die ihnen nicht blind Folgenden ausspielten und sich förmliche
Verdammungsurtheile anmassten. Wie schon einmal nach dem
^) Aus dem Leben Theodor von Bernhardi's, VII, 267.
Bernhard! machte dazu folgende Anmerkung: »Kossuth's Absichten
sind darnach ziemlich klar : er will alle aristokratischen Elemente, die Theil nehmen
an der Sache der Ungarn, entschieden beseitigen, um sich selbst empor an die Spitze
zu bringen und dabei ausschliesslich auf die Partei der rothcn Republikaner stützen.
Er hofft aller Wahrscheinlichkeit nach, wenn er diese Wege einschlägt, von der
kosmopolitischen, internationalen Revolution unterstützt zu werden. In welcher
abenteuerlichen Weise überschätzt dieser Mensch sich selbst und seinen Einfluss !
Welch' ein seltsamer Wahn, wenn er unter den gegenwärtigen J3edingungen irgend
etwas, und namentlich das zu vermögen glaubt!«
-') >Kos';uth Lajos iratai«, VI, 533.
') Ebenda, VI, 499.
20*
3o8
K i e n a s t.
Misslingen der im Jahre 1861 gegen Oesterreich geplanten
Unternehmung, so bewährte eben auch jetzt wieder der Miss-
erfolg seine trennende Kraft an der Emigration.
Den nächsten Anstoss zu Weiterungen gab die gelegentlich
der Auflösung der Legion von Preussen den Mitgliedern der-
selben zu leistende Abfertigung in Geld. Ernst von Simonyi
schrieb hierüber am 4. October aus Paris an den Legions-Major
Grisza, er vernehme, dass die preussische Regierung die Aus-
zahlung der sechsmonatlichen Gage angeordnet habe. Zugleich
wiederholte er dieselbe Verdächtigung, die er schon am i . August
I r ä n y i gegenüber in Betreff C s ä k y*s und K o m d r o m y's
ausgesprochen hatte ^), nun auch Grisza gegenüber mit ähn-
lichen, noch deutlicheren Worten : x. Wenn Ihr nicht auf der
Hut seid,« meinte er, »so wird ein Theil des Geldes leicht kleben
bleiben an den Fingern Derjenigen, welche das Geld heimlich,
ohne jegliche Rechnungslegung, bisher manipulierten und wahr-
scheinlich auch jetzt noch manipulieren. Desshalb seid vorsichtig,
und nachdem eine solche Gratification, Lidemnität, oder wie man
es sonst nennen mag, nur vermittelst Ministerial -Verordnung an-
gewiesen werden kann, wird es gut sein, wenn Ihr die betreffende
Ministerial -Verordnung einzusehen verlangt. Sapienti pauca').«
Zu untersuchen, wie weit solche Worte führten, ist nicht
Aufgabe dieser Zeilen. Doch mag sich der Leser darüber selbst
ein Urtheil bilden aus einem Briefe Daniel Irdnyi's (ehedem
Halbschuh) an Vetter, welcher schon am 22. September 1866
wieder sich von C s d k y losgesagt und reuig K o s s u t h als
Führer und allein berufenen Stellvertreter der Nation anerkannt
hatte, nicht ohne dass er dabei der Hoffnung Ausdruck gab,
>der Herr Gouverneur« werde die Gnade haben, ihn mit der
*) ». . . Ich missbillij^c überdies auch entschieden die Geldmanipulation und ich
kann es nicht verstehen, dass zu einer so bedeutsamen Expedition nur 30.OOO Franken
geblieben, nachdem ich gestern (31. Juli) auf (' s a k y's Tisch eine viel grössere
Summe liegen gesehen, die er auf die Reise mitnahm. Die (iebahrung mit dem Geldc
war hier ausschliesslich in den Händen C s ä k y's und Komaromy's; was sie mit
demselben anfiengen, das wei<s ich nicht. Mir sagten sie, dass sie eine Million Franken
nach rngaru geschickt hätten. Meiner Ansicht nach war dies ein grosser Fehler und
die denkbar unfruchtbar-^te Ausgabe, weil ich von einer Organisation '\^h^in »..^^s
nicht das (ieringste glaube etc.« (»Kossuth T.njos iratai«, V /"'?
'1 \Iiti» Vi«.ilf V(.)'" \ !■ ■! ^ * V 1 l? *^ " '" , I-*/»^*<f»^' T \i 'i\ , .r» »'..
Die Legion Klapka 1866.
309
vStelle eines Kriegs-AIinisters in dem kommenden unabhängigen
Ungarn auszuzeichnen*). DasSchreibenlranyi'svom 10. März 1867
lautet :
V Lieber Freund ! Beigeschlossen übersende ich Dir die auf
Komaromy und Csäky bezüglichen Schriften, und zwar
meinen Bericht an K o s s u t h, sowie den Beschluss der Pariser
Emigration nebst den dazu gehörigen Anklagepuncten. Ich bitte
Dich, diesem Beschlüsse beizutreten und auch B a 1 a s s a und
Hegyessy dazu veranlassen zu wollen. Karacsay brauchst
Du nicht aufzufordern, nachdem er, wie ich höre, sich mit den
beiden Herren wieder versöhnt hat.*<
*Ich sende diese Schriften etwas spät nach Genf, weil die
Landsleute in Italien es trotz meiner Aufforderung versäumten,
das ihnen übersandte Exemplar Euch zu übermitteln, und nach-
gerade stellte es sich in P'olge meiner Reclamation heraus, dass
T e 1 k e s s y dasselbe mit sich nach Ungarn genommen habe.
Aber gerade, weil die Sache spät an Euch gelangt, darf ich Euch
bitten. Eure Zustimmung baldigst abgeben und mir die Schriften
zurücksenden zu wollen, damit dieselben endlich auch Koma-
romy und Csäky mitgetheilt werden können.«
>>Simonyi kehrt dieser Tage aus Italien zurück.«
•Deine Antwort baldigst erwartend, verbleibe ich... etc.-).«
Ob, wie und mit welchem Erfolge sich C s a k y und Koma-
romy gegen die wider sie erhobenen Anwürfe ') vertheidigt
haben, ist der weiteren OefiFentlichkeit nicht bekannt geworden.
A b a f i - A i g n e r, welchem die hinterlassen en Papiere Ve 1 1 e r's
zur Verfügung standen, hält die Beschuldigungen für gegen-
standslos und sagt zur Begründung seiner Ansicht: »Sind doch
beide Beschuldigten, der über ein ansehnliches Vermögen ver-
fügende Graf C s d k y sowohl, wie der steinreiche Komaromy
als arme Leute gestorben. Im Gegentheil, sie haben ihr ganzes
Vermögen der Sache des Vaterlandes aufgeopfert*)!«
') Vetter an K o s s u t h. f »Irataic, VI, 563.) Nach dem unj^arischen Ausj^leiche
wandte sich Vetter wieder von K. o s s u t h ab und nahm um der Xoth de> Lebcnss
willen eine Pension von der Kej^ieninj^ Seiner Majestät an.
■-') Mitgetheilt von A b a f i - A i j^ n e r im »IV^ster Lloyd« vom 17. April 1807.
) Die auch im VIl. liande »Rossulh Lajo«< iratai« an zahlreichen Orten
wiederholt werden.
*) »Pester Lloyd« vom 17. April IS<)7.
-2 IQ Kienast.
Weiteres Verhalten Preussens zur Emigration.
Diese Vorgänge spielten sich, wenigstens bis Mitte Sep-
tember, sozusagen unter den Augen der preussischen Regierung
ab. Das hinderte jedoch den Grafen Bismarck nicht, mit
beiden Parteien der Emigration gut PVeund zu bleiben. Zur
Zeit des Prager Friedensschlusses war er dann allerdings be-
dacht, der in den Augen seines königlichen Herrn compro-
mittierenden Verbindung mit dem Manne des 14. April 1849
wieder ledig zu werden. Herr von K e u d e 1 1 musste daher dem
Abgesandten Kossuth's sagen, jetzt sei es nicht thunlich, in der
F'ührung der ungarischen Angelegenheiten einen Wechsel vor-
zunehmen ; C s ä k y und Komaromy habe übrigens die
italienische Regierung der preussischen als die Vertreter des
Landes-Revolutions-Comit6s anempfohlen ^). Man sei mit ihnen
zufrieden, würde sich aber, wenn hinkünftig neuerdings eine
Cooperation mit der ungarischen Nation nothwendig würde,
wahrscheinlich an Kossuth wenden^). Dieser und sein Sendbote
verstanden gar wohl, was Herr von K e u d e 1 1 eigentlich hatte
sagen wollen. I r 4 n y i verliess daher, nachdem er vorher noch
einen Schlussbericht über seine Mission nach Berlin für Kossuth
ausgearbeitet^), die preussische Hauptstadt, von wo aus er zuletzt
am II. September schrieb. Am 16. war er bereits in Genf und
gedachte in wenigen Tagen in Turin seinem Auftraggeber per-
sönlich Rede und Antwort zu stehen.
Nachdem Kossuth und sein Vertreter also abgeschüttelt
waren, konnte die Verbindung des ungarischen National-Comites
mit den Vertrauensmännern des preussischen Minister- Präsidenten
in beiderseitigem Interesse umso ungestörter fortbestehen. Am
24. August, einen Tag nach dem Abschlüsse des Prager Friedens,
besuchten C s d k y und Komaromy, noch unter dem frischen
Eindrucke des Misserfolges des Ersteren bei den kriegsgefangenen
Ungarn in Neisse, B e r n h a r d i in Berlin. Dieser berichtet hierüber:
>»Csaky empfindet das Misslingen der schönen Hoffnungen
Ungarns viel leidenschaftlicher, wenn nicht tiefer, als Komaromy,
ist aber viel entschlossener als dieser. Für ihn versteht (\s sich
') Ver^l. hiezu oben S. 78 das von Türr nülgclheilte Tele^jramm vo»^
an Usedom.
*-'» I r a n V i, Berlin, 2(>. Au«»" ' ^( - '" ^' o s • ♦^ l-»»-!; \
•' Kl)end'"<c)'*' ^'f r « r |i 1
Die Legion Klapka lS6d.
511
von selbst, dass die ungarische Bewegung nicht stillstehen und
von einer Versöhnung mit Oesterreich nicht die Rede sein
darf»).*
Und diese Stimmung kann gleichzeitig auch in Ungarn con-
statiert werden, auffallender Weise gerade in jenen Gegenden und
(xesellschaftskr eisen, von denen von früher her bereits bekannt
ist, dass sie mit C s A k y sympathisierten, gleichviel ob als Frei-
maurer oder als Mitglieder der IIonv6d- Vereine. Ein Confident
des General-Commandos Ofen mt^ldete diesem um die Mitte des
September, die Honved-Comites hätten sich zwar aufgelöst, aber
die Agitation werde jetzt unter dem Deckmantel landwirthschaft-
licher Vereine betrieben. Leiter der Agitation im Ganzen und
speciell im Comitate Sdros sei Graf Eduard K4rolyi. Ton-
angebend seien femer, und zwar in der Zips Graf Emanuel
Andrdssy, im Zempliner Comitate der ehemalige Honvr^d-
Officier Balogh, in Aba-Ujvar Baron Luzinski, in Gömör
S z e n t m i k 1 o s y, in Toma Emerich Z s a r n a y und G6za L ü k ö,
in Borsod Jekelfalussy und Emerich Darvas, in Ileves Ab-
geordneter Csiky U.S.W. *In letzter Zeit wurden sämmtliche
jungen Leute in den Comitaten aufgefordert, in die neu zu er-
richtende ungarische Armee einzutreten und es hat sich eine
grosse Zahl bereit erklärt, dieser Aufforderung nachzukommen.
Auch wurde „liadmezei szolgalat" *; (herausgegeben von Carl
S z o m o r, gewesenem Rittmeister beim 8. Husaren-Regiment, ge-
druckt im Jahre 18O1 zu Rosenau, (lömörer Comitat) in vielen
Exemplaren an die Jugend vertheilt.*
Ende September sollten in S«irospatak oder Miskolcz Zu-
sammenkünfte landwirth schaftlicher Vereine stattfinden, -wo man
sich über die weiteren Verhaltungsmassregeln berathen wird, da,
wie ich (der Confident) aus den Ausführungen des Grafen
K a r o l y i entnommen habe, er längstens bis 20. September
wichtig«* Mittlieilungen vom Auslande erhalten wird')«. Es bleibe
dahingestellt, ob letztere damit zur Kenntniss der Behörden
kamen, wenn derselbe Confident wenige Tage später meldete,
»dass Vertrag zwischen moldau - walachischem Hospodar und
Actions- Partei geschlossen, wonach Anfangs 1867 Ungarn sich
•) »Aus dem Leben Theodor von Ü c r n h ar d i's«, VII, 200.
'; D. i. »Kclddien«t«.
^ Meldung des (icneral-Commando» Ofen, 17. September IbOO an tla» Khei^t«
Ministerium. |^(\ K. Xr. 5**<*7, I<.*. September ISOO. i
2J2 Kienast.
erheben soll, falls selbstständig-es Ministerium etc. nicht bewilligt
wird. Hospodar (d. i. Fürst C a r o 1) will sich dann zugleich von
türkischer Botmässigkeit befreien^)«.
War diese Meldung richtig — und es spricht viel dafür — so
war die ungarische F'rage damals viel enger mit der orientalischen
verknüpft, als man wohl gemeiniglich anzunehmen pflegt. Indem
also Preussen einerseits mit den ungarischen Unzufriedenen vom
Schlage C s d k y*s in enger Verbindung blieb, anderseits den
Bewegungs-Parteien in der Türkei Winke zukommen Hess, es
werde eine Einmischung zu Gunsten der Pforte nicht dulden,
handelte es genau im Sinne des von Bismarck selbst und
seiner nächsten Umgebung vielfach wiederholten Grrundsatzes :
man müsse jede Angelegenheit unterstützen, welche die aus-
wärtigen Grossmächte unter sich in Hader zu bringen vermöge
und dieselben von Eingriffen in die Gestaltung Neu-Preussens
abhalte^). Es stimmt dazu, was von gut informierter Seite am
25. October aus Berlin geschrieben wurde: »Graf Bismarck
hat ausdrücklich zu einer ihm nahestehenden Persönlichkeit kurz
vor seiner Erkrankung (nach dem Kriege) gesagt, dass die Ab-
rechnung mit Frankreich die Feuerprobe für Preussens Stellung
sein werde. Die ganze Politik Preussens wird nun dahin gehen,
sich innen und aussen für den Moment dieser Abrechnung bereit
zu halten. Nach Aussen wird man dahin streben, dass bei einem
ausbrechenden Kampfe Oesterreich durch Russland in Schach
gehalten und an der Betheiligung gegen Preussen gehindert
werde. Die ganze orientalische Politik Russlands wird dafür in
Preussen die kräftigsten Secundanten haben ^)^.
Oesterreich war aber nicht blos durch Russland und dessen
orientalische Politik in Schach zu halten, sondern auch auf dem
bereits betretenen Wege durch Aufmunterung aller unzufriedenen
Elemente des Reiches, insbesondere der Ungarn.
Ein gut unterrichteter Confident schrieb am 14. November
1866 aus Berlin, man werde dort den Versuch machen, -die
') General-Commando Ofen an das Kriegs-Ministcriuna. (C. K. Nr. 6162, 26. Sej)-
tember 1866.) lieber die damalij^e Phase der orientalischen Krage siehe Ranke,
»Serbien und die Türkei im 19. Jahrhundert«, Leipzig, 1870, S. 502 u. fl. Daraus sei
hervorgehoben, dass Serbien hauptsächlich durch das Votum Oesterreichs im Jahr
1867 in den lk*sitz der bisher von den Türken noch festgehaltenen Festungen kr*»«^
-1 K. A., K. A. Nord- Armee 186O, XIII, 13, S. 274. Correspon^^'*''* p"' '»--»h
4. October 1S66.
Die Lcjion Klapka 1866.
313
inneren Verhältnisse und Verwicklungen Oesterreichs zum Xach-
theile des Kaiserstaates auszubeuten. Alan speculiert hier \ael-
faltig darauf, sich mit den Oppositionen in den Landtagen in Ver-
bindung zu setzen und den Widerstandsgeist derselben zu schüren.
Leute, von denen man vermuthet, dass sie mit den inneren Ver-
hältnissen Oesterreichs vertraut sind, wurden im speciellen Auf-
trage des Grafen Bismarck befragt, in welcher Weise es am
besten möglich wäre, auf directem Wege und mittelst der Tages-
presse die centrifugalen Elemente in den östeiTeichischen Land-
tagen, namentlich in denen von Ungarn und Böhmen, anzuspornen
und zu ermuthigen*).« Derselbe Correspondent schrieb dann noch
am II. December 1866 aus Berlin: *Ein ganz eigenartiges Ver-
hältniss ist es, wie man sich hier zu den ungarischen Radicalen
zu setzen beabsichtigt. Ohne Personen nennen zu können und
Beweise, schriftliche Beweise in der Hand zu haben, kann doch
auf das Bestimmteste versichert werden, dass die Verbindung mit
den Grössen der ungarischen Emigration von dem hiesigen Cabinet
emsig aufrecht erhalten wird und dass man von hier aus durch die
Emigranten und direct mit der Linken des Abgeordnetenhauses
in Pest abgekartetes Spiel treibt.«
»Ob mit den Czechen eine Berührung versucht worden ist,
ist nicht bekannt, aber es scheint, dass dies, und zwar nur dess-
halb nicht geschieht, weil man die Czechen nicht zu sehr fanati-
sieren will und weil man keine Persönlichkeiten kennt, die als
Vertreter der czechischen Autonomie-Bestrebungen acceptiert
werden könnten. Herr Fric wird nur für ein ziemlich unterge-
ordnetes Subject gehalten.«
^>Zur Betreibung all' dieser lichtscheuen Alachinationen ist
im hiesigen auswärtigen Ministerium ein eigenes Bureau etabliert
worden, als dessen Chef der bekannte Polizei-Director Stieb er
fungiert -j.-<
Ueber die Art der Verbindung Preussens mit der ungari-
schen Emigration, speciell mit den Männern des ungarischen
Xational-Comites, liegen natürlich auch heute nur wenig Anzeichen
vor, deren man etwa in dem wiederholten Erscheinen CsAky's
und Komdromy's bei Bernhardi*^) und auch Türr's in Berlin^)
>) K. A., F. A. Nord- Armee 1866, XIII, 13, S. 295.
-) K. Am f. A. Xord. Armee 1866. XIII, 13, S. 317.
•) >Aus dem Leben Theodor von liernhardi'sc, VII, 275. 358, 365, 371
u. a. m. a. ().
*\ Siehe oben S. 182.
-JIA Kienast.
erkennen kann. Aber immer ist deutlich zu ersehen, dass die Ver-
bindung" nur im Interesse Preussens erhalten wurde und nicht im
Interesse Ungarns, was Kossuth so sehr gefürchtet hatte.
Csaky und seine Freunde allerdings hofften von der Fort-
dauer ihrer Verbindung mit Preussen auch für Ungarn Vortheile
Das geht aus dem Wechsel der vStimmung hervor, den die Er-
nennung des Alinisteriums Andrdssy (20. F'ebruar 1867) in ihnen
hervorrief. Derselbe Theodor Csaky, für den am 24. August 1866
von einer Versöhnung mit Oesterreich noch nicht einmal die Rede
sein durfte, glaubte, als er am 4. Mai 1867 wieder Bernhardi
in Berlin besuchte, nicht mehr an den Krieg Oesterreich-Frank-
reichs gegen Preussen und wünschte ihn auch nicht mehr. So
berichtet wenigstens Bernhardi; und auch den Grund dafür.
Csaky soll nämlich gesagt haben: >'Oesterreichs wegen könne
man (seil, in Preussen) für jetzt ruhig sein ; es könne nicht
Antheil nehmen an einem Krieg gegen Preussen, denn Beust
habe das Reich und seine Politik von den Ungarn abhängig
gemacht und die Ungarn wollen keinen Krieg, der geführt
würde, um Oesterreichs vSuprematie in Deutschland wieder her-
zustellen. Denn sie wissen, dass sie selbst wieder der alten Unter-
thänigkeit verfallen, wenn Oesterreich seine alte Macht in Deutsch-
land wieder gewinnt^).*
Ob wohl Csaky und die ihm anhängenden Kreise vor der
Ernennung des verantwortlichen ungarischen Ministeriums gehofft
haben, dass sie durch Aufrechthaltung ihrer Verbindung mit
Preussen diese Entscheidung würden herbeiführen helfen? Immer-
hin möglich! Später aber dürften sie sich wohl überzeugt haben,
dass dieselbe ohne ihr Zuthun, ja trotz ihrer sehr fragwürdigen
Haltung erfloss. Die Ungarn haben eben grossentheils die seit jeher
auf den Ausgleich hinarbeitende versöhnliche Milde des Kaisers
Franz Joseph lange nicht erkannt.
Graf Csaky erzälilte später die Geschichte einer Unter-
redung zwischen dem Prinzen Napoleon und dem Kaiser
Franz J o s e p h, - in welcher sich der letztere nach schwerem
inneren Kampfe entschliessen musste, die Lombardei abzutreten.
Der Cxraf hatte die Erzählung aus dem Munde des Prinzen. Ihre
Wiedergabe schloss er: >'Bei Anhören derselben regte sich in
dem Herzen des damals gegen den Kaiser von Oesterreich con-
spiricrenden Zuhörers unwillkürlich das Gefühl, ^''»«*- '" ^'^
\ t^ *,'*%•
> "^ US de'"»! I '»ben Xh**'""'' "i"»' P «» <■ ■ ^^ '
Die Legion Klapka m^).
315
Erzählung der auf dem Schlachtfolde Besiegte der moralische
vSieger blieb. Dieses Gefühl hat mich auch bewogen, das vor
Jahren (iehörte wieder zu erzählen, da sich in demselben das
edle Herz und die hohe Gesinnungsart des damals schwerge-
beugten Kaisers, gegenwärtig auch allgeliebten gekrönten Königs
von Ungarn so deutlich wiederspiegelt M.- So schrieb nachher Der-
jenige, welcher im Juni 1866 von einer ^decheance des Hauses
Habsburg« durch einen neuen Debrecziner Reichstag träumte^).
Auflösung der Legion.
Am 30. September 1866 freilich war Graf Csäky noch
lange nicht so versöhnlich gesinnt. An dieseiA Tage erfolgte
die Auflösung der Legion. Als Vertret<T des ungarischen
Xational-Comites hielt der Graf damals ^noch eine grosse Revue
über die Legion und gab dann dem CJfficiers-Corps und der
Mannschaft ein Mahl auf der Zülkowitzer Haide. Zu diesem
Feste g<\sellte sich auch das Volk aus der Umgebung und bei
den Klängen der Zigeuner-Musik suchte man die Grillen zu ver-
treiben •*).^
Zugsführer (xregor Kiss sagte nachher darüber aus: -Es
ist eine Lüge, dass man uns aufgehetzt hätte, in der heimathlichen
Armee, falls wir wieder daselbst eingereiht werden sollten, die
Kameraden zum Uebertrittc zu Klapka s(nnerzeit vorzubereiten.
Wohl hat aber (xraf C s a k y bei der Auflösung d«*r Legion in
Bauerwitz in eine?r Ansprache der Mannschaft zugerufen : ,,Wer
ein wahrer Ungar ist und ein Ungarherz hat, der gehe in die
Heimath, dort ist für den Ungarn der Platz."^ Kr hoffte, binnen
Kurzem die Fahnen der Legicm nach Ungarn zu bringen und
uns dort wieder versammeln zu können *i. Dies geschah am
', Schluss der Artikel-Serie »Der rothe Prinz« von Graf The<><ior Csuky im
»Penter Lloyd« vom Mai l8<»I.
•) Vrrjjl. obci) S. 64.
') A l) a t I • A i jj u c r ira »Poter Lloyd« vom 17. April iJ<«j7.
*) l)As^ zuischcn dic*.cm Satze und der zuer^t anjjeführtcn Ik-hauptunj; de«
/uj^slührcrs keine volle Harmonie herrscht, dürfte dem einfaclicn Manne ent^anj;cn
sein. Plump »aufjjehctzt« wird man die Le^^ionäre wohl nicht haben. Al)er die
Hoftnun;;, sie »wieder versammeln zu können«, war doch fiewi>!» mit «lem Wunsche
verbunden, ihre Zahl vermehrt zu sehen.
3i6
K i e n a s t.
30. September, an welchem Tage die preussischen Officiere der
Legion ein Fest- und Abschieds-Diner gaben. Die Officiere speisten
gemeinschaftlich an einer grossen Tafel, champagnisierten, brachten
Toaste aus und schieden dann ^).«
Wer nun das Diner gegeben, ob Graf C s d k y, oder die
preussischen Officiere, ist aus den Acten nicht weiter zu con-
statieren. Hutka, der damals nicht mehr bei der Legion war,
deponierte vor dem Untersuchungsrichter: »Die Leute erzählen
mir jetzt, dass sie in Bauerwitz sehr gut untergebracht und ver-
pflegt waren. Bei dem Abschiede soll ihnen Graf C s d k y in
einer Anrede gesagt haben, er hoffe uns in sehr kurzer Zeit
wieder in Ungarn zu treffen ^). « Die Auditore, welche nach-
träglich die Untersuchung in Krems führten, müssen aber doch
mehr von den Legionären gehört haben, als in den Verhörs-
Protocollen steht. Einer der Auditore erzählte später: »Dem
Officiers-Corps der ungarischen Legion wurde — notabene bereits
nach dem Friedensschlüsse I — seitens der Preussen . . . . ^) ein
Bankett veranstaltet, bei welchem mehrere loyale (?) Toaste,
namentlich auf das künftige Wohl und selbstständige Gedeihen
Ungarns und auf die, wenn auch spätere Realisierung der einst-
weilen nicht verwirklichten ungarisch-patriotischen Pläne ausge-
bracht wurden^).«
Ein Wiener Blatt wusste schon vor der erfolgten Auflösung
der Legion zu erzählen, dass in diesem Falle deren Officiere
wieder nach Italien zurückkehren würden, während es der Mann-
schaft freistehen werde, »unbehelligt und gefahrlos in ihr Vater-
land zurückzukehren, da der zwischen Preussen und Klapka
abgeschlossene Vertrag diesen Fall vorgesehen und ersteres die
straflose Rückkehr der Gefangenen garantiert habe ^).«
Wirklich fand sich dann im Artikel X des Prager Friedens-
Vertrages eine vStelle, welche geeignet schien, die Garantie ein-
') Kremser Acten Nr. 122.
^ Kremser Acteu Xr. II 8.
^) Irrijjer Weise steht hier »in Ratibor«, anstatt etwa »bei Ratibor«.
*) »Eine Lehre? (Aus den Aufzeichnun}j;en eines höheren Stabs-Officiers.)€ Von
Oberst Walter von W a 1 t h o f f e n. Feuilleton der > Vedctte«, Beilajje zur
»Reichswehr« vom 27. Februar l8<)8. Verj^l. oben Anm. I auf S. 188.
*) >Xeue Freie l'resse« vom 17. August 1866. Abendblatt. Bezüi'^'ch des »Vcr-
trajjes«, aus dem bisher sonst Niemand, als die »Neue Freie l*r'*=''' •" ^^-»nr ^u
melden wussto, dessen Existenz aber auch aus dem oft citicrten ^' ' * ^ t^yi's
vom o. Aur'ist ''^ ' ^ ♦ t « - v.«^ ^-i/eh ^ "" ' '''^» ' ^ nn.
Die Legion Klapi^A I^>>-
317
zulüsen. Man beeilte sich in Berlin, sie zu Gunsten der Legionäre
zu verwerthen. Dies geschah in Form folgender, auf einen halben
Bogen (von 352X213 Millimetern Grösse) gedruckter
»Bescheinigung.
>Dass in dem zwischen Ihren Majestäten, dem Könige von
Preussen und dem Kaiser von Oesterreich am 23. August d. J.
zu Prag abgeschlossenen Friedens- Vertrage Folgendes fest-
gesetzt ist:«
„Kein Angehöriger der Herzogthümer Holstein und
Schleswig und kein Unterthan Ihrer Majestäten des Königs
von Preussen und des Kaisers von Oesterreich wird wegen
seines politischen Verhaltens während der letzten Ereignisse
und des Krieges verfolgt, beunruhigt, oder in seiner Person
oder seinem Eigenthume beanstandet werden" —
wird hiemit bescheinigt.«
»Berlin, 4. September 1866.«
»Das Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten.
(L. S.) von Bismarck*).«
Die »Bescheinigung« war bestimmt, jedem Legionär in
einem Exemplare ausgefolgt zu werden. Sie bildete die Deckung
für ein zweites, auf den Namen jedes Einzelnen lautendes
Legitimations-Document, wovon hier ein Beispiel:
^Dass der aus Verseky Comttat Pest Ungarn gebürtige Albert
Majthenyi vom 24., Juli 1S66 bis ^o. September 1666 als Corpora!
bei der ungarischen Legion gedient und sich gut geführt hat,
wird demselben bei d«»r Auflösung der Legion hiemit der Wahr-
heit gemäss bescheinigt. Zugleich wird derselbe auf den ihm
hiemit übergebenen Auszug aus dem Friedens- Vertrag«; zwischen
Preuss(*n und Oesterreich vom 2^, August d. J. verwiesen.«
"Ratibor, den 30. September i8ö6.-
»Commando der sechsten Landwehr-Cavallerie-Brigade.«
(L. S.)
»Beglaubigt: von Drygalski m. p.«
»Könijjlichcr Commissariu!^ hei der IJn^^arischcn
Lejjion '•.«
'» Mehrere Originale in <len Kremser Acten. Das Siejjel des auswärtij;en
Amte?* \^\ nirgends hei^jedruckt. Die Kertijjunt» H i h m a r c k* s i«4t in Druck-Lettern
au «^j^M- fuhrt.
Auffallen<l an die-iem Documcntc ist <la« Datum, nach dem tw schliessen «lic
Auflü-'Un;^ der I.e^jion *>ch<»n einen Monat früher beschlossen j^ewe^en, als sie wirklich
<!urch^;rführt wurilf.
^> < >ri;;in;d in «len Kremser Acten. Xr. f>t), auf einem halben Boj»en Klein-
Kanzlci-rupicr. Die <d)en mit he^enilcn lottern gedruckten Stellen »in<l im Orit^ioal
3i8
K i e n a s t.
Mit diesen beiden Documenten glaubte Bismarck die
Legionäre für den P'all ihrer Rückkehr nach Oesterreich, be-
ziehungsweise Ungarn, vielleicht selbst nicht gefeit gegen jede
Behelligung. Denn ein Mann von seiner überragenden Einsicht
war sich wohl klar darüber, dass das durch den Friedens- Vertrag
gedeckte »politische Verhalten- nicht auch militärische Vergehen
straflos machen könne. Die Ausstellung der Documente wäre
daher als eine Farce anzusehen, wenn nicht beabsichtigt war,
dass die Legionäre gegen jede Behelligung in der Heimath sich
gefeit halten sollten, woraus, wenn sie ihren Irrthum entdeckten,
neue innere Conflicte und damit eine weitere Schwächung der
österreichischen Macht entstehen musste. Die letztere aber musste
unter allen Umständen auf die heimkehrenden Legionäre in ihrer
Eigenschaft als Soldaten reflectieren, schon allein aus Rücksicht
auf jene Wackeren, welche dem heissen Werben zum Eintritt in
die Legion widerstanden hatten, dann auch auf jene Ungarn,
welche nicht Kriegsgefangene geworden und nach dem Kriege
ihrer restlichen Dienstpflicht genügen mussten. Sie und alle Welt
hätten ja in dem Entfallen jeder weiteren Militär-Dienstpflicht der
heimgekehrten Legionäre eine Prämie für die Nichteinhaltung des
Soldatenschwures erblicken müssen.
Aus den im Verlaufe der Darstellung weiter oben be-
sprochenen Proclamationen, sowie aus manchen anderen Details
unserer Erzählung ist erinnerlich, welch' frevelhaftes Spiel nicht
nur Kossuth, sondern auch Graf Csciky und Beider Freunde
gerade in Bezug auf die eidlich gelobte Fahnentreue mit ihren
Landsleuten unter den kaiserlichen Soldaten getrieben haben. Der
geringe Erfolg d(*r Werbung unter den Kriegsgefangenen be-
zeugt erfreulicher Weise, dass selbst der Verstand der einfachen
Puszta-Sölme dit» Sophismen durchschiiute oder wenigstens in-
stinctiv fühlte und die politischen Schlagworte nach Gebühr
würdigtt?. Aus der weiteren Darstellung über das Verhalten der
Legionäre in Krems gegenüber der Frage nach dem Fahneneide
in Neisse wird auch noch zu entnehmen s<Mn, dass sogar die der
han.Ischriftlich ausj^etülU. Hin Sie^el-Ab«lruck dtvs sechsteu Landwchr-Cavallerie-Brigade-
Commantlos fiinlct sich nir^^ends, auch keine rnlerschrift des Functionärs desselben.
Das l'\>rmular die:- er Lefjitimation kam bereits durch die Aujjsburj^er »AUj^e-
meine Zeitun;::« vom 17. October l8(W> (Corresp. »*** Von der schlesisch-böhmischen
Grenze, 13. October^) zur Kenutniss der ( )eiVentliclikeit. Abafi-Ai^ner vcrlaut-
>arte es neueidinj^-s im >1V>Ut J.loyrl* vom 17. Aj.ril JJ^07 ?"i'»t"^ -""'^' -sK ' ■ 1 "«
aio' «rat-'i«, VJJ. o*-
l>ie Legion Klapka 1866. ^Iq
Versuchung- Unterlegenen, zum Theile wenigstens, der Bedeutung^
ihres Eintrittes in die Legion sich bewusst waren. Bei der
Mehrzahl dieser letzteren scheint indessen diese Erkenntniss
durch die gegenseitige Bestärkung zum Ausharren wieder ver-
dunkelt, bei vielen Andern durch die gerichtliche Untersuchung*
nach der Rückkehr vielleicht überhaupt erst geweckt worden zu
sein. Denn zur Zeit der Auflösung der Legion müssen in der
That bei den meisten Legionären über d(m Grad ihres Ver-
schuldens und über die Fortdauer beschworener Pflichten ganz
verworrene Ansichten geherrscht haben. So erklärt es sich, dass
der schon wiederholt angeführte, aufrichtige Gregor Kiss vor
dem Untersuchungsrichter sagen konnte: »Wir wollten Alle in
unsere Heimath gehen, weil wir glaubten, von der weiteren Militär-
Dienstpflicht entbunden zu sein ^). Auch hat man immer unter den
Leuten gesprochen, dass Ungarn nicht mehr zu Oesterreich,
sondern, dass es unter Prinz (F r i e d r i c h i Carl von Preussen
selbstständig sein werde. Das haben wir von den preussischen
und von unseren Officieren immer gehört und wir glaubten auch
daran-).*
^) Dass an solcher Verwirrung der Geister, aus«?er K o s s u t h und C s d k y
samint Consorten, auch Preussen nicht unbetheili^t ist, lüsst sich aus den, in Folge
einer königlichen Cabinets-Ordre durch General von Werder den churhessischen
Truppen gestellten Zumuthungen, welche von dem Commandanten dieser Truppen in
einem flammenden I*roteste zurückgewiesen werden mussten, wenigstens schliessen.
Die betreuenden Schriftstücke sind abgedruckt bei Hopf, >Dic deutsche Krisis des
Jahres 1866«, 2. Aull. (I80')), S. 261, 263 und 265. Ein Berliner Zeitungs-
Corresponilent berichtete hierüber am 8. Juli : > Grosses Aufsehen erregt hier die von
dem Militär-Gouvenieur in Churhesscn erlassene Ansprache an die churhessische Armee,
in welcher er dieselbe auffordert, den Eid der Treue zu brechen, welchen sie dem
gegen wäri ig in preussischer Gelangen^^chaft gehaltenen Churfürsten geleistet hat. Wenn
dergleichen Verlockungen von revolutionären Regierungen ausgehen, so mag das
weniger belremden. Aber wenn dies von dem Repräsentanten einer Macht ausgeht,
deren Dynastie sich so viel auf göttliches Recht und christliche Grundsätze beruft, so
kann man nur annehmen, dass der K(inig solchen Versuchungen ferne steht.« (Augs-
burger > Allgemeine Zeitung, vom 12. Juli iSOO.)
■-) ICremser Acten Xr. 122.
Die Legionäre hatten auch Ursache <laran zu glauben, denn wenigstens nach
(kr Erzählung der Augsburger > Allgemeinen Zeitung« vom 17. ()ctt)ber 18OO (Corresp.
»*** Von der schlesisch-böhmischen Grenze. 13. October«) hatte ihnen der königlich
preussische Commissär bei der Eegion »ilie Versicherung gegeben, da<> sie von ihrer
ferneren Dienstzeit in den österreichischen Regimentern entbumlen seien und unbe-
hindert in ihre Heimath reisen k«innen«. Doch erkannte bereits dieser Berichterstatter,
dass der Artikel X des Prager Friedens »zwar die Legionäre vor Bestrafung, aber
keineswegs vor der Einreihung in ihre früheren Regimenter« schütze.
^ ^Q K i e n a s t.
Zugleich mit diesen höchst fragw^ürdigen Documenten em-
pfieng jeder Alann auch eine Abfertigung, und zwar: der gemeine
Legionär 20, der Gefreite 30, der Corporal 40, der Führer 60,
und der Feldwebel 80 Thaler. Auch die Officiere erhielten ein
Ausstandsgeld, und zwar: der Lieutenant 300, der Oberlieute-
nant 400, der Hauptmann 500, der ^lajor 900, der Oberstlieute-
nant 1000 und der Oberst 1200 Thaler. »Die Generale und Leiter
wurden natürlich mit namhafteren Abfertigungen bedacht ^), be-
züglich deren Vertheilung es später zu Unannehmlichkeiten und
Reibereien kam, vielleicht gerade in Folge obgedachten Briefes
von Sim onyi...*)* an Major Grisza mit dem Datum: Paris,
4. October 1866.
Am Tage der Auflösung der Legion indessen scheint
zwischen den Officieren und ihrer Oberleitung noch kein Miss-
trauen und kein Zwiespalt bestanden zu haben, sonst hätte sich
Auch die Corporale Peter G a 1 1 und Franz G u t z i des Infanterie-Regiments
Nr. 46 und andere Lej^ionäre sagen aus (Kremser Acten Nr. 117), bei der Entlassung
in Oderberg sei ihnen bedeutet worden, dass sie »nicht als Soldaten, sondern als
Civilisten« in die Heimath zurückkehren könnten. Zugsfiihrer T a k d c s desselben Regi-
mentes erzählte : > Nachdem wir in Oderberg von dem preussischen Herrn Hauptmann
mit dem Bemerken entlassen wurden, dass wir als Civilisten in die Heimath gehen
könnten, wollte ich nach Hause reisen, weil ich von meiner Pflicht zum Weiterdienen
im früheren Regimente entbunden zu sein glaubte.« (Kremser Acten Nr. II 9.) VergU
dazu noch unten die Correspondenz vom 13. October aus der Augsburger »Allgemeinen
Zeitung« vom 17. October 1866. Bezüglich der Candidatur des Prinzen Friedrich
Carl auf den ungarischen Thron vergl. oben S. 134, Anm. i.
*) Abafi-Aigner im »Pester Lloyd« vom 17. April 1897.
Nach den Aussagen in der Kremser Untersuchung (Kremser Acten Nr. 122
und 123) sollen die Stabsofticiers-Chargen etwas niedrigere Gratificationen und über-
dies Anspruch auf Anstellung in Preussen erhalten haben.
Nach M o g y o r 6 d y's Bericht an Kossuth (»Iratai«, VU, 93) verkündete
Graf C s a k y am 2. October die Bedingungen der Auflösung, wie sie mit dem preussi-
schen Kriegs-Ministerium vereinbart worden, wie folgt : i. Jeder Mann bekommt einen
Entlassungsbrief und einen Gelcitschein, durch die er, wenn er in die Heimath gehen
will, unter Garantie der preussischen Regierung von jeder Behelligung frei ist. Die
nicht nach Hause zu gehen wünschen, bekommen Pässe, wohin sie wollen, oder da«
Recht des Aufenthaltes und der Freizügigkeit in Preussen. 2. Die Mannschaft, welche
in preussische Heeresdienste treten will, wird aufgenommen. 3. Waffen, Rüstung und
Pferde übergibt das Lcgious-Commando dem preussischen Commissür ; Fahnen und
Siegel übfmimmt Graf Csdky als der ungarische Repräsentant vom Legions-Com-
mando. 4. Der Gratification liegt eine sechsraonatliche Gebühr zu Grunde. Die
Legionäre, welche in ( )e>terreich reengagiert waren, l ^^-^-^m'-n cin^*^ c""^e» >>»r«*cp-»id
-) Siehe oben ^. l'^S.
Die Legion Klapka IHQft.
321
Major Renyi wohl nicht bewoj^'en j^^efühlt, »an das Officiers-
Cc>r])s der nördlichen ungarischen Armee c folj^endon schriftlichen
Antrag" zu stellen :
• Ich glaube den Gefühlen Aller zu begegnen, wenn ich bei
(ielegenheit der in Aussicht stehenden Auflösung der ungarischen
Legion in Preussen vor die Herren Officiere mit dem Antrage
trete, im Xamen des Officiers-Corps und der Mannschaft der Xord-
armeei!) an einige an der Spitze der Angelegenheiten unseres
Vaterlandes stehende Männer, namentlich an Ludwig K o s s u t h,
( ieneral Klapka, ( xeorg Komdromy und Graf Theodor
Csakv eine Abschiedsadresse zu richten.«
"Mit Abfassung dieser Adresse wäre ein vom Officiers-
Corps zu wählendes Comite zu betrauen, welches den Inhalt,
sowie die innere und äussere Form der Adresse festzustellen
hätte.*
»•Ich ersuche daher die Herren, wenn sie meinen Antrag
annehmen, morgen um 1 2 Uhr Mittags im hiesigen Bürgermeister-
amt il. Stock) zu erscheinen, um hierüber zu berathen und das
Comite zu wählen.«
T^ a u e r w i t z, 30. September 1 866 '1. •
Ivs ist nicht bekannt, was in Folge dieses Antrages geschah.
Die Adressen sollen zu Stimde gekomm<»n sein. Im Zusammen-
hange damit dürfte aber auch di«? Fxistenz zweier Photographien-
Sammlungen stehen, welche sich noch im Besitze der gräflichen
Familie C s a k v befinden.
Das eine Album ist betitelt: -Legio emlek i86().* ( -Er-
innerung an die Legion 1866.') Fs enthält zwölf ( Gruppenbilder
und zwar: i. Freussens Helden < König Wil h el m I., Kronprinz
F r i c» d r i c h Wi 1 h <»1 m, Frinz Friedrich Carl, Bismarck,
Roon, MoJtki^ u. s. w.». 2. Fine Hcmved-Compagnie im Hofe
des Haupt(iuarti<*rs zu Rakau. 3. Kammerdiener Fritz mit dem
F<*ldp(>st-Briefkast<*n im Hofe des Schlosses Rakau. 4. Die Wach«»
des Hauptquarti<*rs im Schlosshofe zu Rakau. 5. Der Ri»präsentant
der provis()risrh(*n ungarischen Regierung ((irafTlH^odor C sä kyi
und sein (M»f<ilge im S(*hl<>.vshofe zu Rakau. b. Die /ig«»uner-Musik-
Capelle des Ht'iupt(]uartiers vor dem Schlosse Rakau. 7. Das Schloss
'1 Mii^joihcilt vim A l> a f i - A i ^ n er im »IVitcr Lloyl« vom 17. April 18Q7.
^22 Kienast.
Rakau. 8. Der Stab des zweiten Honved-Bataillons. 9. Das
Officiers-Corps der ungarischen Legion vor dem Commandanten-
Gebäude in Bauervvitz. 10. General Klapka und sein Gefolge
(kiserlete); darunter die beiden jungen Cirafen K A r o 1 y i, der
preussische Hauptmann D r y g a 1 s k i und der preussische
Premier-Lieutenant Graf Blücher. 11. Eine Gruppe von Legions-
Officieren. 12. Wache- Ablösung vor dem Commandanten-CTcbäude
in Bauerwitz.
In diesem Album findet sich auch folgende Widmung:
*Dem von mir aufrichtig hocligeschätzten ungarischen National-
Repräsentanten, Herrn Oberst Graf C s d k y, zur freundlichen
Erinnerung an die durch denselben herbeigeführte Episode der
Verbindung der ungarischen Legion mit der, gottlob siegreich
gewesenen königlich preussischen Armee im Jahre 1866 und mit
dem innigen Wunsche verehrt, dass die dadurch besiegelte Ver-
bindung beider Nationen für die Zukunft von dem glücklichsten
Erfolge für beide begleitet, dem ergebenst Unterzeichneten aber
ein freundliches Andenken von den zur Erkämpfung der Freiheit
der ungarischen Nation und zur Unterstützung Preussens bereit
gewesenen ehrenhaften Männern bewahrt bleiben möge. Bauer-
witz, den 22. September 1866. Der königlich preussische Com-
missarius : Hauptmann D r y g a 1 s k i, Polizei-Director und Dirig(mt
der Sicherheits- Abtheilung des königlichen Polizei- J^räsidii zu
Berlin.«
Das zweite Album enthält (*ine grosse Anzahl von Photo-
graphien in Visitkarten -Format, meist von den Officierc^n der
L<»gion herstammend und mit eigenhändigen Widmungen an den
(irafen Csaky verseh(Mi oder, wenn diese fehlen, mit aufklärenden
Zusätzen M. Aus ihnen erfährt man unter Anderem, dass Anton
Vt»tter »Ober-Commandant der Res(^rve-Armee *, Oberst Emil
Ikiron U ec htri t z »Commandant der Reiterei bei der Reserve*,
Oberst Adolph M o g y o r ö d y »Brigadt^-Commandant«, Major (iraf
S e h e r r - r h o s s >» Flügel- Adjutant K 1 a p k a\s - war u. s. w.
Major (rrisza schreibt zu seinem Bilde: »Dem hochgebort»nen
Herrn (irafen Iht^odor C säky, Mitgliede der National-Regic^rung
und Obersten in inniger V(»r€»hrung ■ ; Hauptmann Nitsner:
'Dem hochgeborenen (irafen Theodor Csäky zur Erinnerung
'■ I)i<.'sc Widmung«'!) iin«l Zusätze >in<l lü*' die K»'-««-«"lli«"- c. Stainlr- <Icr
I,cjiion>-< >lt"icii'rc un«l ihri-r <fstiin:i •M/ri .«•>»"• — », VtTj^l. «>l»rn
f « "T ^ Uli'» 7 I I* ■ \\''-1r»»i r«*i 11»' «< ..... ^.-rM/*I»»» '•■ '»«-^t
Die Legion Klapka 1866.
323
an den Trentschiner Kriegszug.« Graf Tibor Kdroly i: >» Meinem
Freunde Oberst Graf Theodor C s ä k y zur Erinnerung an die
Trentschiner Expedition. Bauer witz«; sein Bruder: »Zur Er-
innerung an Stephan Käroly, Paris, 17. October 1866« u. s. w.
Unter den Bildern befinden sich auch solche des Obersten
Döring, des »königlich preussischen Bevollmächtigten bei der
ungarischen Armee« (nicht eigenhändig), des in gleicher Eigen-
schaft bei der Legion gestandenen Hauptmannes D r y g a 1 s k i
('mit der Widmung: »Bitte um Bewahrung freundlichen Gedenkens
auch in der Ferne. Bauerwitz, 9. October 1866."), Garibaldi's,
des Post-Expeditors Rudolph K o t h e in Bauerwitz, des preussischen
Uhlanon-Officiers (Rittmeisters?) Leopold von Heydebrand
und der Lasa, endlich auch mehrerer dem Namen nach nicht
bekannter Herren in Civilkleidem. Das Bild K o s s u t h's fehlt
bezeichnender Weise in dieser Photographien-vSammlung.
Die Heimkehr der Legionäre.
Am Tage nach dem Abschiedsfeste auf der Zülko witzer
ITaide (d. i. also wohl am i. October) '> begann die förmliche
Auflösung der l^egion : das erste Bataillon legte die Waffen
nieder, am nächsten Tage das zweite Bataillon und die Husaren,
und am 9. October gaben auch die Officiere ihre Pferde ab. Die
Sccmen des Abschiedes der Officiere und der Mannschaft — sagt
1 1 i n d y — waren ergreifend, und nachdem sie damals noch keine
Ahnung hatten, welch' entscheidende Wendung im (xeschicke
Ungarns der Ausgang dieses Feldzuges hervorbringen werde,
schwuren sie sich zu, dass sie bei der ersten günstigen ( ielegenheit
wieder zusammenkommen und kämpf(»n werden für die Unab-
hängigkeit des unterdrückten Vaterlandes*).«
Nacli d(*r WafFenablieferung strebten die meisten I^egionäre
der Heimath zu ; nur etwa »240 Mann sind in Preussen vprbli(»ben
und liaben sich in die schlesischen Städte, vorzüglich nach
') A b a f i - A i j;n e r im »IVstcr IJoyd« vom 17. April iSoj. An diesen
temperamentvollen Worten hat wohl das hewoj^liche Naturell der Un^^arn Uberhauj)t,
und vielleicht auch IIindy*s (»Pesti Hirlap«, 6. August 1885) insbesondere grossen
Antheil. Nach Mogyorödy's Bericht an Kossuth legten am 7. October das
/weite ]$ataillon und die Husaren, am 8. Octtiber das erste Jtataillon und die Rescr>'e-
Abtheilung die Wallen nieder. Diese Daten sind unrichtig, wie sich noch zeigen wird.
21*
724 K i e n a s t.
Breslau, zwischen Thür und Angel schwebend, vertheilt*)- . Die
Mehrzahl kam mittelst preussischer Eisenbahn- Separatzüge am
6. und 7. August, jedesmal um i Uhr Nachmittags, unter Fülirung
des Hauptmannes Drygalski in Oderberg an. Der erste Trans-
port war etwa 700 Mann stark. Nach dem Aussteigen mussten
die Leute antreten und Drygalski forderte sie in einer durch
Gregor K i s s in das Ungarische übertragenen Anrede auf, »in die
Heimath zu gehen und beisammen zu bleiben«. Der preussische
Etapen-Commandant auf dem Bahnhofe von Oderberg, Major
K r o c k e r, zeigte dem zur Uebemahme der rückkehrenden
Kriegsgefangenen dortselbst stationierten k. k. Oberlieutenant
Appeltauer an, »^dass diese Leute zu Folge Uebereinkunft beider
hoher Regierungen ohne weitere Uebergabe durch ihn selbst zu
entlassen sind, was auch geschah, sohin sämmtliche Abends
8 Uhr gegen Erlag der Civiltaxe mit Separatzug nach Pest
fuhren-)«.
Der zweite Transport war ungefähr 800 Mann stark. Btn
demselben sollen sich drei Legions-Officiere befunden haben,
darunter Oberlieutenant Ciraf Stephan K a r o 1 y i, W(4cher die auch
dem zweiten Transporte gehaltene Anrede D r y g a 1 s k i\s seinen
Landsleuten in das Ungarische übersetzte*^). Auch diesmal wieder
wurden die Leute nicht dem k. k. Oberlieutenant Appeltauer
übergeben. Dieser berichtet vielmehr, dass die Legionäre (nach
ihm waren es gegen 900) »preussischerseits nach geschehener
Auswaggonierung sogleich entlassen wurden und sich auf Anrathen
des Majors K r o c k c r partienweise in der Richtung von Teschen
und Ostrau zerstreuten und nur Wenige Abends mit dem Per-
sonen-Zuge nach Pest fuhren«. Drygalski soll gleichfalls den
Leuten gerathen haben, die Reise niclit mit der Bahn fortzusetzen,
sich auch mit Knüttelstöcken zu versehen, um sich geg(in etwaige
'» Au^jsl)urj;er »AH^emtine Zeitiin;^« vom 17. October lS6f>. Corrcsp. von der
schles.-btihm. <lrcnzc, 13. Octobcr.) Auch Zujjsführcr (Irejjor Riss bchaui>tet 1 Ivreni*»er
Actt'u Xr. 122), (lass etwa 250 Lej^'ionäre in I'rcussen zurückgeblieben seien. Min
Theil derselben soll noch vor der Autlösunj; desertiert sein. Mo;^yorndy aber
meldete (»Kossuth Lajos iralai*. Vif, <)3), dass \vt>hl 240 Mann Pässe vorlanj^t
hätten ; di>ch als >ie ihre Kameraden nach J lause ziehen ;;esehen, seien die nieisten
wieiler sch\vanken<l j^e worden und endlich kaum 80 zurück^^ebliebeti.
-) A\i< <lem JU'richte de^ (ieran^jenen-l'ebernahms-CommandoN (< )l)erlieutenant
Appeltauer'. Oilerber;^, S. ( )ctober lS(>f», an das Kri<';j:N-Ministerium. •. Au>/,uj^' in
den Kremser Acten. Nr. 15.)
*'j Schlesischer Landes-rhel, Troppau, 0. Oc»"* ■•■ >k''' •»» i?tc Minister Grafen
Die Legion Klapka 1886. ^2C
Angriffe vertheidigen zu können, endlich ihr Silbergeld nicht
gegen das schlechte österreichische Papiergeld zu vertauschen,
sondern es lieber in die Heimath mitzunehmen. Dem sei ein Eljen
auf den König von Preussen gefolgt, berichtete der Landes-
Präsident von Schlesien, Hofrath von Merkl, nach Wien*). Ein
Augenzeug"e der Ankunft (vermuthlich) des zweiten StaflFels der
Legionäre erzählt, dass diese »nach vorausgegangener Ansprache
eines Insurgenten-Officiers, welche mit Eljen -Rufen erwidert«
worden, nach allen Seiten auseinander gestoben seien. »Erwähnen
muss ich jedoch," sagt der Augenzeuge, 'dass der hiesige
preussische Etapen-Commandant der Legion mit folgenden Worten
Rath ertheilte : „Kinder, behaltet Euer schönes Geld, wechselt
es nicht für österreichisches Papier !**•<
Die Stimmung der Legion war keineswegs eine fröhliche.
So z. B. gieng ein Unterofficier der Legion zum preussischen
Transportführer, machte ihn auf die gegenwärtige traurige Situa-
tion aufmerksam, und da er kein Gehör fand, tobte er unter
Fluchen, dass die Leute auf eine schändliche Weise von der
preussischen Regierung betrogen worden, worauf er dem Trans-
portführer die in seiner Hand befindlichen Silberstücke mit den
Worten: „Da habt Ihr Euer Sündengeld!** vor die Füsse warf-).«
Ein anderer Berichterstatter schrieb »von der schlesisch-
böhmischen Grenze«' am 9. October:
'Nachdem die sämmtlichen gefangenen Oesterreicher über
Oderberg in ihre Heimath expediert worden und nur noch einzelne
Schwerv^erwundete in Preussen zurückgeblieben sind, können die
Transporte der gefangenen und verwundeten Oesterreicher als
beendet angesehen werden. Vorgestern hat auch das letzte Stünd-
lein der ungarischen Legion geschlagen, nachdem dieselbe zehn
Wochen lang im Lager zu Schill ersdorf^) gelegen. Die Mann-
schaften dieses Corps — 1900 an der Zahl — sind nämlich ent-
waffnet, umgekleidet (?) und am 7. d. M. den Oesterreichern über-
li(*fert worden, was dieselben ') vorher nicht g'eahnt haben, sie
') Siehe vorige Fussnote. Auch Mo^yorödy berichtet von einer Ansprache
Dryjjalski's an die Legionäre, die von diesen mit Kljen auf den König Wilhelm
])cant\vortct wr>rden sei. (»Kossuth, Lajos iratai«, VII, 03.)
-) >I)ie Presse«, Wien, II. October 1866. Abendblatt.
'' Siehe oben S. 2<)(), Anm. 2. Die Consecjuenz der Correspondentcn, die Legion
nach Schillers(l(.>rf zu verlegen, ist höchst merkwürdig.
*) Natürlich >die Mannschaften dieses Coq^s« !
326
K t e n a St.
aber jetzt ihre Treulosigkeit bitter ben^uen Hess. Das lilond der
(xefangenschaft, andererseits Verlockung-en, förmliche Pressungen
und andere unerlaubte Mittel haben Viele verleitet, den Fahnen-
eid zu brechen ; und da die Legion im Auftrage l^reussens er-
richtet worden ist und auch im preussischen Soldes stand, trugen
einige Cadetten und Feldwebel kein Bedenken, ()fficiers-St(*llen in
derselben anzunehmen und l(;bten der Hoffnung, unter solchen
Umständen nach dem Kriegi* in preussischen Diensten eine
Verwendung zu finden, was vielleicht ursprünglich auch der
preussische Plan wari?).-
"Allein die agitierenden Elemente* einer ungarischen Legion
im Auslande konnten Oesterreich nicht genehm sein, es bestand
auf Auslieferung seiner Krieger, und I^reussen opferte das kost-
spielige, nicht mehr benöthigte Corps.*'
»Wenn die Verführten auch nun der Artikel X des Friedens-
schlusses für straflos erklärt, so sind dieselben doch von anhaf-
tendem Makel nicht befreit und die jungen Aspiranten haben in
den österreichischen Regimentern, in welche sie wieder einge-
reiht werden, keine Berücksichtigung zu erwarten.-
•Die Ofliciere der Legion, m(»ist Emigrierte vom Jahre i84(),
welche daher nicht ausgeliefert worden sind, zerstreuten sich
mit K 1 a p k a, Vetter und dem „Repräsentanten der unga-
rischen Nation'', (irafen Csaky, wieder nach allen (legenden;
Die meisten jedoch kehren nach Italien zurück. Mehrere, meist
adelige, ungarische junge Xichtmilitärs, welch«» herbcneilten und
sich in die Legion einreihen Hessen, müssen gleichfalls ihn» Ileimath
n)(iiden und es hat sich somit die revolutionäre ungarische Pro-
paganda im Auslande wieder vermehrt.-
»»Die Art und Weise ihrer Benützung und ihres Fallenlassens
werden jedoch die Ungarn wohl nie vergessen').-
Derselbe Correspondent schrieb siünem Blatt(? unter dem
13. Octob(?r: Dass die verwickelte Angehigenluät der ungari-
schen i^egicm zwisclum Preussen und Oesterreich noch zu diplomati-
scluMi l^rörterungen führen wird, unterliegt wohl keinem Zweifel
mehr. Der königlich preussische Commissär bei der ungarischen
Legion hatte den Mannschaften dersellxm du» Versicherung
g(ig(»ben, dass sie von ihr(»r fem(»ren Dii»nstZ(Mt in den öster-
reichischiMi Regimentern entbunden seier u^^-^ ""belp^'^'jr*" in ihre
Die Legion Klapka 1866. .^^
Heimath reisen könnten, zu welchem Zwecke man dieselben mit
(ield und mit folgenden Zeugnissen versehen hatte:« (folg't das
oben S. 317 mitgetheilte Legitimations-Document mit dem
Hinweise auf Artikel X des Prager Friedens). »Da dieser Artikel
zwar die Legionäre vor Bestrafung, aber keineswegs vor der
Einreihung in ihre früheren Regimenter und der damit verknüpften
indirecten Verfolgung schützt, so war es vorauszusehen, dass eine
derartige Expedierung in die Heimath nichts Anderes, als eine
AusHefurung an Oesterreich war. Zum Ueberflusse hatten die
Legionäre, welche schon in den nächsten wStationen gefangen
genommen wurden *), das Fahrgeld der Eisenbahn bis Pest bezahlt
und sind dadurch selbst pecuniär benachtheiligt worden. Der
zweite Transport unter P^ührung des Grafen Kdrolyi Pista
(^ Stephan), welcher auf Anrathen des preussischen Commissärs
zu Fuss Ungarn erreichen wollte — was doch ebenfalls nichts
genützt hätte — ist gleichfalls umzingelt und gefangen genommen
worden \), und die Leute werden in ihre Regimenter eingestellt,
welches wSchicksal auch dem Grafen K 4 r o 1 y i, welcher der
Assentierung sich entzogen hatte-), widerfahren wird.«
•Der Telegraph zwischen Berlin und Wien arbeitet nun seit
drei Tagen fortwährend, und es herrscht hüben und drüben Ent-
rüstung."
>Die (Bataillons-) Psalmen und die schwere, reich mit Gold
beladene Standarte der Husaren sind von Klapka nach Paris
gebracht worden^).«
Oberst Mogyorody, Chef d(*r Infanterie, ist nach Ham-
burg gereist Die Officiere : Graf Karo lyi (Vater), die Barone
Bänffy, Balassa (Vater und Sohn), Szabo, Montedego,
M a h r, von C z e t z und viele Andere weilen theils noch in
Preussen, theils sind sie auf der Reise nach Paris begriffen'*).«
Bezüglich der letzteren findet sich vom 17. October folgende
Nachricht: ^l^iejenigen Officiere der aufgelösten ungarischen
Legion, welche es vorgezogen haben, vorläufig nicht in die
'1 Darüber Näheres in einem der folgenden Abschnitte. ;S. 343 und ff.)
') Vcrgl. dazu das Schreiben der Gräfin Kdrolyi vom 20. Juli l8(>6 an
K s s u t h. (»Tratai«, VI, 443«^
») Wenn sie noch existieren, so befinden sie sich wahrscheinlich im ungarischen
Xational-Muscum in Jiudapest.
*) Augs])urger »Allgemeine Zeitung* vom 17. October 1866.
328
K i e n as t.
Heimath zurückzukehren, hatten in der vorij^en Woche ') in Köln
eine Zusammenkunft mit K 1 a p k a, um sich mit ihm wegen ilirer
Zukunft zu berathen^.^
Die Auflösung der Legion und die Publicistik.
Anlässlich der bereits berührten (xefangennahme des Grafen
Stephan Kdrolyi und mit ihm einer j^rösseren Anzahl von
Legionären schrieb wenige Tage darnach (am 13. October?) die
»Breslauer Zeitung* : »Die unter Führung des Grafen Stephan
Kärolyi und anderer Officiere, die als gemeine Honveds ge-
kleidet waren, von Oderberg zu I^'uss marschierenden 800 Mann
wurden in Alt-Friedek durch aufgefahrene Kanonen gezwungen,
sich zu ergeben^). Auf die Meldung dieses Vorfalles an das
preussische Kriegs- Ministerium kam alsbald der telegraphische
Bescheid, dass alle Schritte gethan seien zur Aufrechterhaltung
der gewährleisteten unbehinderten Aufnahmt? der Legionäre in ihr
Vaterland. Sollte dieser Aufforderung kein Genüge geschehen,
könnten aus dem so flagranten Bruche des Friedens- Vertrages
leicht die ernstesten Folgen entstehen. Morgen verlassen die
ungarischen Officiere unsere Gegend, in der sie sich so heimisch
gefühlt haben. V
Zu dieser allem Anscheine nach officiösen Drohung be-
merktt» vorläulig die Wiener »Presse-*): »In der Augsburger
„Allgemeinen Zeitung'^ begegnen wir einer Correspondenz aus
Breslau, die eine Intervenierung des hiesigen (Wiener) preussi-
schen (xesandten zu (lunsten der Legionäre in Aussicht stellt.
In Wien ist nichts davon bekannt, dass die angekommenen
I-egionäre anders als dw bisher aus Preussen zurückgekehrten
österreichischen Soldaten behandelt worden wären.«« In ihrer
nächsten Nummer aber schrieb die heute nicht mehr existierende,
damals jedoch hochangesehene »Presse« an leitender Stelle:
') Das ist zwischen dem 7. und 14. October.
'-) Auj,'sburger »Allgemeine Zeitung« vom 20. October 186O. (Herlincr Corre-
spondenz.)
^) Darüber Näheres in einem der folge*^'^^ ^ ^^schnitte. (S. 348 und tf. )
*) Vom 12 (h*^^ ■^^'. M^n^jKia» h di" »^-ohung der »Brcslauer
Die Legion Kl.ipka laCjG. ^2q
»Heute eingetroffene preussische Blätter schütten dcLs Füll-
horn ihres Zornes über Oesterreich aus, das den Prager Friedens-
Vertrag wieder einigemale gebrochen haben soll. Die Ver-
öffentlichung des hannoverischen I*rotestes*) in (österreichischen
Zeitungen, die C'^andidatur B e u s t's für unser auswärtiges l^orte-
feuille, die Verfolgung des Fürsten Li chn o wsky-j in (irätz
(Oesterreichisch-Schlesien), die Kmpfangnahnie der ungarischen
Legion : aus Allem wittert die preussische Presse eine Ver-
letzung des Prager Friedens <
»Wie zu (iunsten des Fürsten Lichnowsky, wird der so
schwer strapazierte Artikel X (des Friedens- Vertrages) auch zu
(lunsten des Kl apk ansehen Corps bis zur Unkenntlichkeit v(;r-
renkt. Der Artikel gewährt denjenigen Mitgliedern der Legion,
welche in (Gefangenschaft gerathen und dann durch Organe der
preussischen R(*gierung zum Bruche ihres Fahneneides verführt
worden sind, die Straffreiheit. Vornehmlich um dieser Unglück-
lichen willen ist er wohl in den Friedens-Vertrag aufgenommen
worden. Aber er entbindet nicht von der österreichischen Militär-
Pflicht .... Soll das schwerste militärische Vergehen nicht nur
unbestraft bleiben, sondern noch extra durch diiuerndtj Beurlaubung
belohnt werden?«
»Was würden die preussischen Blätter sagen, wenn ge-
schlossene Deserteur-Colonnen von 800 Mann ohne Befehl oder
Erlaubniss irgend einer Behörde das Land durchziehen wollten?
Die über Jablunkau eingerückte Abtheilung der Legion*'') wäre
im Stande, sich ganzer Dörfer und Städte zu bemächtigen, dort
alhj (»rdenkbaren Kxcesse zu begehen — und die österreichischt^
Regierung wäre durch den Prager Frieden gezwungen, die
Fxcedenten bis an ihr seliges Ende schalten und walten zu
lassen?«
>-Wir wissen nicht, ob die Meldung schlesischer Blätter,
dass in Alt-Friedek Kanonen gegen die Legionäre aufgefahr(M\
seien, wahr ist. Wenn aber, so hätten preussische Zeitung« »n am
wenigsten Ursache zum Verwundern darüber, dass Leute, die sich
ihrer Militärpflicht entziehen, zu letzterer mit (lewalt angehalten
^) De dato Plietzing bei Wien, 23.. September iHhh. Abjjctlruckt bei llopl',
• Die deutsche Krisis des Jahres l8/)6«, 2. AuÜ., S. 4O4 u. ft".
-') Weisen Tödtunjj des Grafen X e m e s im Duell vtir acht Mon^aten.
1 Das hrisst, wenn sie wirklich in Unj^arn einjjrrückt wäre. Der Artikel-Schreiber
supjM)niert, um drastisch zu wirken, (vielleicht unabsichtlich) mehr, als wirklich j;e-
hchehcn.
-i-iQ K i e n a s t.
werden. EvS ist doch nicht ^ar so lanj^e her, dass preussisch<»
l.mien-Truppen mit blanker Waffe gegen die Landwehrmänner
einschritten, die ihrer Pflicht nachkamen, nur dabei ihrem Un-
willen durch Worte Luft machten. Die armen Landwehr mann er,
die nicht fahnenflüchtig* wurden, sondern nur etwas schneller zu
ihren Familien gelangen wollten, schmachten heute noch in den
C.asematten von ^lainz *). Gestenreich bestraft seine Soldaten, die
sich hundertfach schwerer vergcingen haben, nicht, reiht sie nur
in ihre Regimenter ein! Und da schreien preussische Zcntungen
über „Brutalität'' und den Bruch des Friedens- Vertrages öster-
reichischerseits ! •
»Die Mitglieder der Klapka'schen Legion haben allerdings
das Mitgefühl, nicht des österreichischen, doch des preussischen
V'^olkes verdient. Die Legionäre treffen in tief erbitterter Stimmung
gegen Pfeussen ein. Ein selbstständiges Königreich Ungarn war
ihnen verheissen worden und 30 Thaler Reisekosten hat man
ihnen gegeben. Dieser Dank vom Hause Hohenzollern wird vor-
aussichtlich auch einmal durch einen Schiller zum Sprichwort
gemacht werden.«
'Die heimkehrenden Legionäre möchten die 30 Silberlinge,
den Lumpenlohn für ihren Uochverrath, gerne ihren Verführern
vor die Füsse werfen. Einen passenderen Ausdruck, als es der
Vorwurf des Friedensbruches gegen Üesterreich ist, würden die»
preussischen Blätter ilirem Mitgefühle mit den Verführten geben,
wenn sie ilire Vorwürfe gegen die Verführer wenden wollten...-).
Die übrigen Ausführungen des Artikels haben nur noch
indirect mit der ungarischen Legion zu thun und steigern sich
in das Masslose. Der Artikel hat daher Veranlassung gegeben
zu einer Erwiderung eines in letzter Zeit oft genannten Officiers
der ungarischen L(?gion in Pn^ussen«, welche, gleichfalls etwas
gekürzt, hier Platz linden soll, weil sie zeigt, wie wenig Ahnung
die Emigration oder ihre Souffleure von den kommenden Er-
eignissen hatt(»n, obwohl bereits der 1865 zusammengetretene
Landtag der >» Krönungs-Landtag' zubenannt wurde. Die Emigranten
haben sich nachher am meisten selbst desavouiert ; denn nachdem
J^Vanz Deak nach dorn unglücklichen Kriege nicht mehr tlir
Ungarn verlangt hatte, als vor demselb(»n und nachdem Franz
^) In der »Presse« vom 17. October iiudct «ch no'^h eine Notiz vom 14. Hc-
Die Legion Klapka 1866.
331
Joseph I. in Erfüllung dieser Forderungen am 8. Juni 1867 unter
dem begeisterten Jubel Ungarns die Krone des heiligen Stephan
sich auf das Haupt hatte setzen lassen : da kehrten die meisten
Emigranten gerne in das Vaterland zurück und Viele von ihnen
wurden vsogar Mitglieder der Partei Deak's.
Der »oft genannte Ofticier«- reagiert auf die Auslassungen
der >• Presse , wie folgt: » . . . . Es ist gänzlich unwahr, dass
die LtJgionäre in erbitterter Stimmung gegen Pnnissen nacli
Hause zurückkehrten. Das gerade (xegentheil vielmehr hatte Statt.
Dieselben Leute, die gegen Ges(itz und LandevSgesetz ihrer Heimath
entrissen waren, um für den ihnen gesetzlich fremdstehenden
Kaiser von Oesterreich, ihren Unterdrücker* zu fechten ,
sie hatten in Preussen gelernt, wie da Königthum und Gesetz
nicht, wie in ihrer Heimath, widersprechende Begriffe sind^)
Diese Stimmung, nicht nur der Legionäre, sondern der Ungarn
überhaupt, man kennt sie in Wien, und dies ist der wahre Grund
der Erbitterung; denn damit schwindet jede Hoffnung auf die
ersehnte Revanche gegen Preussen, selbst wenn sich ein Alliierter
gegen letzteres fände. Man hatte in Wien wohl gehofft, di(j
preussische Regierung würde die Legion mit einem „Danke des
Hauses Oesterreich" abfinden. Dass dies nicht gesclKjhen, dass
die königliche Regierung die aufgestellte Hilfstruppe in ehren-
haftester und loyalster Weise entlassen und auch für die Sicher-
heit der nach Hause Zurückkehrenden in redliclister Weise Sorge
getragen hat : das ist es, was den Wiener Federhe^den und auch
AndercMi noch die Ruhe und Fassung raubt. Man ist ausser sich
darüber, dass Ungarn, sowohl einfache Bauernsöhne, wie junge
Männer aus den höchsten Familien des Landes, sich freudig unter
das Banner der Hohenzollern stellten, und wie dies noch kürzlich
in Wien geschehen, zu ihrem Schutze ihre preussischen Ofliciers-
Pat(*nte in Anspruch nahmen -). Ja, man weiss es in Wien sehr
*) Diese Wcndunji könnte nicht unj^lücklichcr j^cwählt sein ; denn nur in Foljje
«ler unj»eahuten Wallenerfoljjc war es soeben mtiglich j^eworden, den auch in Treussen
>eit Jahren heftij^st wüthenden Verfassungs-Conflict durch die berühmte Indemnität zu
])eentlijien.
'-') »Die Presse € vom 15. October 1866 meldete die Anwesenheit mehrerer
K 1 a p k a'scher Oft'jciere, meistens dem ungarischen Adel angchi'irend, unter ihnen
(iraf K ä r o 1 y i, Ciraf C s d k y, liaron B A n f f y in Wien. Dieselben seien vor
mehreren Tagen in ITuiform angekommen, hätten dieselbe dann abgelegt ; sie seien
zuer^t unter militärischer Aufsicht gestanden, könnten sich jedoch jetzt unbehindert in
Oesternich bewegen. Sie würden Wien bald wieder verlassen, zum Theile nach Paris
gehen.
^12 Kienast.
g"ut, dass eben das ehrenhafte und loyale Benehmen Preussens
j^egen die Legion der österreichischen Herrschaft in Ungarn
tiefere Wunden geschlagen hat, als selbst die Niederlage von
Sadowa^)^'.
Gegenüber dem, in dieser Erwiderung noch enthaltenen Vor-
wurfes der Lüge, welche sich >Die Presse« hinsichtlich der Stim-
mung der Legionäre gestattet habe, braucht man das Wiener
Blatt nicht eben besonders in Schutz zu nehmen. Die »Cxrillen«
der Legionäre dürfte die Zigeuner-Musik beim Feste auf der Zül-
kowitzer Haide wohl nicht alle zu vertreiben vermocht haben.
Und auch andere Uebertreibungen des -oft genannten Officiers
der Legion in Preussen-^ dürfen nicht allzu ernst genommen
werden. In Allem genügt es, auf die bereits mitgetheilten Aus-
züge aus der Augsburger «Allgemeinen Zeitung^ hinzuweisen
und denselben schliesslich nur noch einen anzufügen: »Ein Thoil
der in Preussen verbliebenen Ungarn der aufgelösten Legion,«
heisst OS in einer Correspondenz »von der schlesisch-böhmischen
(irenze^ vom 31. October, »hat sich zu den (vier) neuen (preussi-
schen) Husaren-Regimentern gemeldet und ist angeworben worden.
Das Schicksal anderer, meist dem gebildeteren Stand angehörenden
Exlegionäre ist in seiner Aussichtslosigkeit ein trauriges und
dieselben sind über das ihnen widerfahrene Loos keineswegs so
freudig gestimmt, wie die „Kölnische Zeitung" durch das Schreiben
eines angeblichen Officiers der Legion unlängst wissen wollte*)."
Die im Vorstehenden aneinander gereihten Zeitungsaus-
schnitte sind wohl geeignet, den Federstreit, welcher noch an-
dauerte, als die Waffen schon längst ruhten, zu illustrieren und
dem Leser die Erbitterung vor Augen zu führen, die insbesondere
die ]{xistenz der Legion beiderseits der österreichisch-preussi-
schen Grenzen erzeugte ; sie lassen zwar die Heftigkeit, aber
nicht auch den vollen Umfang dieses nachträglichen publicistischen
Kampfes erkennen.
Die Erörterungen der Tagesblätter, so interessant sie auch
seien, streifen übrigens wohl nur oberflächlich das Wesen der
l^>eignisse, deren Enthüllung einer späteren Zeit vorbehalten
bleibt. Heute lässt sich nur so viel erk(mnen, dass die preussische
Regierung sich thatsächlich für die Befreiung der eingezogenen
• -Külni>chf Zcituuj;*, Nr. 2<>7 ^^ »''»•• -•" ^-. <>-ok.., i«/-';
I rrul
Die Legion Klupka 18€6. ^^^
Legionäre verwendet haben dürfte. Bezüglich der nach Wien
gebrachten Legions-Officiere, insbesondere der beiden jungen
( Trafen Kärolyi, dürfte sich, es bleibe dahingestellt, ob auf
eigene Gefahr oder mit Einverständniss Bismarck's, (iraf
Csciky in Wien mit (nach Artikel X des Friedens- Vertrages
anzuhoifendem) Erfolg eingesetzt haben. In Hinsicht auf diejenigen
Legionäre jedoch, welche vordem kaiserliche Soldaten waren,
dürfte die österreichische Regierung in Berlin notificiert haben,
dass dieselben wohl von jeder Strafe frei bleiben würden, aber
von ihrer noch ausständigen weiteren Militär- Dienstpflicht niclit
für entbunden erachtet werden könnten ; die Eintheilung in ihre
alt(*n Regimenter könne jedoch nicht so ganz unbesehen und ohne
Weiteres erfolgen, wenn man den doch wohl billiger Weise anzu-
strebenden Geist einzelner Truppenkörper nicht von Vornherein
in Frage stellen und diese letzteren aus dem Rahmen der kaiser-
lichen Armee herausfallen lassen wolle.
Ob nun die österreichischen Erklärungen gerade so lauteten
oder anders, ist schliesslich gleichgiltig. J(Hlenfalls hat sich die
preussische Regierung an ihnen genügen lassen, wie das
Communique der »Norddeutschen Allgemeinen Zeitung- (vom
15. October?) beweist: Beim Rückzuge der ungarischen Legio-
näre in die Heimath ist die österreichische Regierung genöthigt,
Polizei-^Iassregeln zur Controle und eventuell zur Aufrechthaltung
der Ordnung zu treffen. Ueb(*r diese hinaus haben sich die ge-
troffenen Anordnungen nicht erstreckt. Das Wiener Cabinet hat
ausdrücklich (»rklärt, die Regierung werde die Amnestie-Bestim-
mungen des Prager Friedens stricte ausfuhren und keinerlei Ve*r-
folgung gegen die ehemaligen ungarischen Legionäre eintretcm
lassen').«
*i Keprociuciert in der »Prcssec, Wien, 15. October I.S66. (»Nachtrage.)
vin.
Die Legionäre in Krems.
Die ersten Befehle zur Untersuchung in Krems.
Di
'ie in don ersten Tagen des August 1866 in rascher Folge
einander drängenden Nachrichten über di(^ Legion Klapka hatten
sich der Hauptsache nach bewahrheitet. Die unterlaufenden Irr-
thümer derselben waren Anfangs nicht leicht als solche zu er-
kenncMi. Weil es wohl zu wünschen, so glaubte man in Wien
auch gerne die sich wiederholende Hehauptung, dass dic^ Legion
in Folge von D(?sertionen sich, wenn nicht auflösen, doch
wesentlich verringern werde ^). Man machte sich daher auf das
JCrscheinen zahlreiclu^r Flüchtlinge der I-egion g(»fasst und war
b(M Zeiten bedacht, dieselben einvernehme mi zu lassen, um einer-
seits in die Juitstehung d(ir Legion so viel als möglich Einblick
zu gewinnen, anderseits die an dc»m ganzen Mandel Schuldtra-
g(^n(l(»n, so weit man ihrer habhaft ward, zur Verantwortung
zie'hen zu könncMi. Schon am (^ August ergi(»ngen daher von Wien
aus nach allen SeittMi Weisungen, nach den(^n alle aufgefangenen
l^lüchtling(» d(»r Legion nach Krems an der Donau einzuliefern
waren. Am gleiduMi Tage wunhj da?» Landes-Cieneral-C'ommando
zu Wien hievon verständigt, b(»ziehungsw<»is(» b(»auftragt, wit^ folgt:
Das Kriegs-Minist(»rium verfügt unter Finc»m, dass die ein-
gebracht werdtMiden Ausreisser v »lel^« m^^^r K' ^ -> i> v -> in hoch-
>--
Die Legion Klapka 1866. , ^ e
verrätherischer Absicht in Ungarn eingefallen sind, unter ange-
messener Escorte nach Krems abgesendet werden. Das Landes-
(xeneral-Commando erhält nun den Auftrag, dieselben nach ihrem
Eintreffen in Krems alldort in der grossen Kaserne zu inter-
nieren, worauf das gerichtliche Verfahren über dieselben einzu-
leiten sein wird, in welcher Richtung specielle Weisungen folgen.
Nach Mass der Zahl der Eingebrachten ist eine entsprechende
Besatzung dahin zu verlegen').«
Die im vorstehenden Erlasse angekündigten Weisungen er-
giengen schon am folgenden Tage an das General-Commando in
folgender Weise :
»Im Nachhange zu dem Rescripte vom 9. d. M., Abth. 5,
Nr. 3644, wird das Landes-General-Commando ermächtigt, zur
Vornahme der gerichtlichen Untersuchung über die nach Krems
einzuliefernden Ausreisser ungarischer Regimenter von den
nächstgelegenen ungarischen Regimentern drei und nach Bedarf
auch mehrere Auditore, welche der ungarischen Sprache hin-
länglich kundig sind, nach Krems zu commandieren, wo sodann
die Vernehmungen unter einheitlicher Leitung des Hauptmann-
Auditors Carl Adamek vom Garnisons-Auditoriate St. Polten
oder, falls dieser aus Dienstesrücksichten dazu nicht Verwendet
w<»rden könnte, des Aeltesten dieser Auditore in der kürzesten
Zeit zu bewirken sind.^
^Nachdem diese Mannschaft beschuldigt erscheint, aus der
(rc^fangenschaft feindliche Dienste gegen den Kaiserstaat an-
genommen zu haben, wird wesentlich ihre ^lilitär-Eigenschafl,
die Art ihror Ausserstandbringung bei ihrem Truppenkörper und
der Umstand, dass sie feindliche Dienste genommen und einen
l^id darauf geleistet haben, gesetzlich sicherzustellen sein.«
»Alle darunter befindlichen Chargen sind ohne Unterschied
d<»r kriegsrechtlichen Untersuchung zu unterziehen und in gleicher
Art auch die etwaigen sonstigen Rädelsführer oder sonst in
liervorragender Weise an der Beredung der Mannschaft be-
tlicMÜgten Bescliuldigten zu behandeln, während hinsichtlich der
lJ(^brigen sich die V(*rfügung vorbehalten wird, daher das Landes-
h KricKS-Ministerial-Erlass, Abth. 5, Nr. 3644, vom o« Aujjust 1866.
Die auf die Legion Klapka Hezuj» habenden Actcnstücke der zweiten Ablhci-
\uu\i des (ienera]-('ommandos Wien wurden in der Registratur desselben für da.s Jahr
1806 gesammelt.
336
K i e n a b t.
(xeneral-Commando nach Verlauf von vierzehn zu vierzehn Tagen
über den Stand der Untersuchung dem Kriegs-Ministerium den
Bericht zu erstatten hat.«
Auditore, welche zu dieser Amtshandlung verwendet werden
können, sind: Rittmeister-Auditor Johann Mihailovic vom
Husaren-Regiment Fürst Franz Liechtenstein Nr. 9 . . . etc^).«
An demselben 10. August bestimmte auch das Kriegs-
Ministerium in dem Hauptmann Franz Szeiffde Aranyos-
T e 1 e k des Infanterie-Regiments Xr. 5 ein Aufsichts- Organ über
die in Krems sich ansammelnden Legionäre-). Derselbe traf am
22. August in seinem Bestimmungsorte ein, fand jedoch noch
Wochen lang Niemand zu beaufsichtigen, denn die am 15. August
zuerst nach Wien eingelieferten (xemeinen Carl Gajacs und
Josef Bikö des Infanterie-Regiments Nr. 34 wurden, wohl in der
Hoffnung, sie einem grösseren Transporte von Legionären nach
Krems anschliessen zu könnten, vorläufig noch im Wiener
(larnisons-Stockhaus festgehalten ') und wahrscheinlich erst nach
dem 10. September nach Krems abgesendet, die wenigen, sonst
noch den k. k. Truppen in die J lande gefallenen Legionäre aber
ungefähr bis zu demselben Zeitpuncte in Krakau zurückgehalten^).
Inzwischen war am 23. August zu Prag der Friede zwischen
Oesterreich und Preussen abgesclilossen worden. Artikel III des
Friedensvertrages lautete : -Die Kri<»gsgefangenen werden beider-
seits sofort freigegeben werden.- Zur Ausführung dieses und
noch eines anderen (die Räumung der kaiserlich-königlichen
Staaten betreffenden) Artikels hatten die beiderseitigen J^evoll-
mächtigten an demst^lben Tage zu Prag ein Protocoll unterfertigt,
nach welchem der Austausch der Kriegsgefangenen vom dritten
Tage nach der RatifiCcition des Wrtrages'') an in Oesterreichisch-
Oderberg (Bahnhof) in Fcht?h>ns zu ung(»fahr 1000 Mann (nicht
mehr als sechs 'l^chelons in 24 Stunden) (^rfolgen sollte. Artikel III
(Heises Protocolls laut<'tc^: Von b('id(^n Armeen wt»rden in Oester-
rcichisch-Oderberg Commissän* stati(mi(»rt, welche di(» Aus-
*i Kncj4s-Mini>tcrial-l".ila<>^ Abtli. 4, Nr. 1552 vom lo. Au^^iist 1866; Ori^iual suli
(ii'Miral-^ 'tiniiiiaiHl») Wien. Ablli. 2, Nr. 3'*^'4i II- Auj^ust lS60. Die laut dieses l\rlas>es
>-»»n^l imcli in Au>>ii}it ;^rnf»ni;iuiM-n Au<lit(>rt* >in<l sp.'itrr »Ivirch andorc erst-t/t wordtMi,
-'. I>l;j-.s Abth. I, Nr. St»«)f» vom U). Au;;u-«t, an^'i'tii*^" in (iencral-Coiiimaiulo
Wien, Ahtli. 2, Ni. 32«. 7 vom 2\. \\i^u>{ I,S6(».
■ ( ieni-ial-^ ommaiido \\*it*n. Ah«*' 2, Nr ▼ ^ ri j(,(j,
* Nii-h«- ohrn S. 2^y ""d ""•'•» • * '
Die Legion Klapka 18G0.
337
lieferung, so weit sie in Oderberg stattfindet, besorgen und den
Eisenbahn-Transport von Oderberg nach Süden gemeinsam fest-
stellen. K. k. österreichischerseits wird in Oesterreichisch-Oder-
berg ein Truppen-Commando von ungefähr 200 Mann zum Zwecke
der Uebernahme und Verpflegung stationiert werden^).«
Die täglich anlangenden Kriegsgefangenen, etwa 6000 Mann,
sogleich zu präsentieren, zu sichten und zu ihren Regimentern ab-
zusenden, war aus Rücksicht auf die Schwierigkeit der Verpflegung
und Unterbringung so vieler Leute in Oderberg unthunlich.
Das Kriegs-Ministerium ordnete daher am 27. August an,
dass die rückkehrenden ( befangenen in der (jrrenzstadt nur eine
entsprechende Rast halten, während derselben aber verpflegt,
ärztlich visitiert und in fünf Transports- Abtheilungen zu beiläufig
1200 Mann zusammengestellt werden sollten. Je eine solche Ab-
theilung war täglich nach Stockerau, Floridsdorf, Pressburg,
Raab und Brück an der Leitha weiterzubefördern. Die in diesen
Orten aufzustellenden (jefangenen-Sammel-Commanden hatten
dann die Gefangenen nach ihren Stamm-Regimentern zu sortieren
und zu denselben abzusenden. Hinsichtlich der Legionäre heisst
es in dem Erlasse: »Bei der, von den Sammlungs-Commanden
vorzunehmenden Sichtung der ranzionierten Kriegsgefangenen
ist die sorgfältigste Erhebung derjenigen Mannschaft zu bewirken,
welche zu der ungarischen Legion übergetreten war und ist
hiebei nicht nöthig, den Beweis hierüber vollständig beizubringen.
Da diese Alannschaft nicht zu ihren Truppenkörpern, sondern
an das Stations-Commando nach Krems unter sicherer Escorte
behufs d(*ren gt.'richtlicher Vernehmung abzusenden sein wird,
so ist dieselbe in den vorzulegenden summarischen Consignaticmen
separiert, jedoch gleichfalls nach Truppenkörpern aufzunehmen^».«
Wie aus di(\s(im Passus hervorgeht, war man im Kriegs-
Ministerium zu Wien d(*r Ansicht, dass mit den Kriegsgefangenen
auch die Mitglieder der L(*gion Klapka zurückk(»hren würden
und das (reneral-Commando Wien traf bereits am 31. August
Anordnungt^n, um d(;m Stations-Commando Krems die? nöthige
Anzalil von Auditon^n zur gerichtlichen Einvernahme der Legionäre
zur \'(Tfiigung zu stellen •*».
' >< )o^lfrrcir'i> Kiiiiiplc ii» Jahre iSOOc, IV, Beilaj^t- Nr. «, S. 32.
-■ Krif^^-MiiiistiriaMCrla'.^ (.*. K. Nr. 537 1, 27. Au^;u>l iSOO; al)».chrittlichf
lKila_:c /.u (iciirral-(.o'iiiii.iii<l'> Wien, A])th. 2, Nr. 3(147, 31. Auj^unI ihOf,.
X'nrciiirrtc Vf-nirtlmiii^, «hirrli die Tliat«<achen heniacl» j;ej»cnstan«Ulos
j^e\vi>r«leii.
I>i.' L-.vii-n Kl.ipKa Uyi*;. 22
338
K i e n a b t.
Man war daher sehr betreten, als aus den Meldungen der
fünf Sammel-Commanden *) nebst allerlei Detail über die Ver-
führung- der k. k. Soldaten ungarischer Nationalität zum Eintritt
in die Legion auch die Thatsache klar wurde, dass die Legionäre,
obwohl sie doch mit verschwindenden Ausnahmen Kriegs-
gefangene waren, gar nicht nach Oderberg gebracht worden
waren, sondern nach wie vor im Legions -Verbände zu Bauerwitz
standen.
Es war für Oesterreich durchaus nichts mehr Neues, dass
in kriegerischen Verwicklungen mit dem Auslande der Gegner
sich Ungarns gegen seinen angestammten Herrscher bedient
hatte. Man hatte es daher in Wien wohl wenigstens begreifen
können, dass auch Preussen diesmal so gehandelt. Aber es war
gewiss unerhört, dass trotz des Friedensschlusses eine noch dazu
aus kriegsgefangen en Ungarn gebildete Truppe auch fernerhin
nahe der österreichischen (jrenze zusammengehalten wurde. Man
hatte es in Wien höchst unangenehm empfunden, deiss Graf
Bismarck bis zum letzten Augenblicke der Friedensverhand-
lungen ein unnachgiebiger (iegner geblieben war. -W(*der bei
den Verhandlungen, noch bei den sonstigen zahlreichen Anliegen,
welche aus der augenblicklichen Lage entsprangen und zu seiner
Entscheidung gebraclit wurden, trat das Bestreben zu Tage, die
künftigen .V<-riiältnisse zu Oesterreich freundlich zu gestalten.
Manche in der directen Verhandlung izu Pragj gewonnene Con-
cession ward Tags darauf in Berlin zurückgenommen^)«-. Hatte
so auch der Abschluss des von Bismarck eingefädelten
Ivrieg(\s dii^ zwischen den beiden IIerrscherhäus(Tn entstandene
Verbitterung nicht gemildert, so scttzte das Verfahren l^reussens
mit der ungarischen Legion allcjn Rücksichtslosigk(Uten die Krone
auf. Die Antwort (h^s kai^erlicln^n Hofes lag in einer auch in die
r)ffentlich(;n Blätter übergegani^'^enen Verordnung, nach der die
lnfantrrie-Regimenti»r I'rit.Mlrii'li Wilh«*hn, Kr()nj)rinz von Preussen
Xr. jo, W'ilhehn I., Kr>nig von Preussini Xr. 34, l^-riedrich Wilhelm
Ludwi;^'-, ( iros.slirrzog von Bad<Mi Xr. 30, Friedrich 1^'ranz, (iross-
herzug von Mecklnibiiri^^-SchwiTin Xr. 57, dann die Cürassit»r-
Rtvjfinienter ( iraf Wrangcl Xr. j und Carl, Prinz von Preuss<»n
■ \'<>ii «Iciirii -i« 11 M- liiic iKt ;^i-i.;inTiti ;i ( i iniin:tn'lti>H in l'"l<>ritl«-.l»»ii <vnm
■;. Scjitt-iiilM r IUI l in l'i:;il; .i. vi. Lritli.i \i»in 14. Svj»:i-:hIkm cilia'/uii li.H. iK. A.,
['. A. X. Ait;i. c-Cnii,- IM./,. IX. 2 iin-l Ivrc!*- Av»--' ^
" ■ -■ t (_■ r I • ■ } ■ «^ ". 1 1 1 1 1 1 ,1,1- • V ' ^
Die Legion Klapka 1860. ^^q
Xr. 8, endlich das Husaren-Regiment Friedrich Carl, Prinz von
Preussen Nr. 7 bis auf Weiteres nur mit der Regimentsnummer
ohne Beisatz des betreffenden Inhabers in allen Gelegenheiten
benannt werden sollten^).
Indem ein vielgelesenes publicistisches Organ am 4. October
auf die Streichung preussischer, oder dem preussischen Hofe
nahestehender Inhaber aus der k. k. Armeeliste nochmals
zurückkam, berichtete es auch, )*dass anderscnts die Erzherzoge
Albrecht, Carl Ludwig und Leopold als Chefs preussi-
scher Regimenter resigniert haben. Die Motive dieser bedeutungs-
vollen Acte sind in den betreffenden Jiefelilen und ^Schreiben
nicht ausdrücklich angegeben ; sie sind aber, soweit wir uns zu
unterrichten im Stande waren, lediglich in dem eminent revolutio-
nären Vorgehen zu suchen, welches durch die Aufstellung einer
ungarischen Legion gegen Oesterreich gegeben war und sie sind
auch am preussischen Hofe kein Geheimniss geblieben, nachdem
sowohl dem Grafen Mensdorff Gelegenheit geboten worden,
sich dem Freiherm von Wert her (preussischem Gesandten in
Wien I gegenüber diesfalls zu äussern, als auch aller Wahrschein-
lichkeit nach schon die vertrauliche Correspondenz der Erzherzogin
Sophie mit der verwitweten Königin von Preussen, ihrer
Schwester, darüber sich auszusprechen Anlass genommen^.*
Es ist übrigens vielleicht gerade dieser Correspondenz der
fürstlichen Frauen, die schon zu den Zeiten der (1 astein er Con-
vention als PViedensstifterinnen sich bewährt hatten, zu danken,
dass die Verstimmungen, welche einen so eclatanten Ausdruck
gefund(»n, bald wieder wichen. Der im April ausgegebene
• Militär- Schematisn]us des österreichischen Kaiserstaates für
1867- verzeichnet die genanntem k. k. Regimenter bereits wieder
unter dem Namen ihrer alten Tnhab(»r und auch die Erzherzoge
erscheinen hernach wi(*der im Besitze ilirer vordem innegehabten
k(")niglich preussischen Regimenter.
Alle Differenzen, so peinlich sie* auch berühren mochten,
hinderten übrigens Oesterreich nicht an d<»r Erfüllung der im
'1 Zuerst verhuithart in dem militärischen Journal »Der KamenwU vom
II. S«'j)tem'HT isriri. Uebcrnommen unter Anderen von der ^VieMt•r »Militär-Zcitun;^«
vom IJ. September, von der Au}^'sl)ur;^er »Allj»emeinen Zeitunp« vom 14. September
((nrrcvjx.ndcnz aus Wien, 12. September'^ u. s. w.
*' Au;,'-lMir;4CT »All;:emcMne Zeitun;^«, 4. October l8^6. (Correspondenz aus
Wien, 2. < )ct«»ber. I
■2\Q K i e n a & t.
L'rieden von Prag übernommenen Verpflichtungen. Speciell das
Kriegs-Ministerium erliess am 9. September an alle General- und
Festungs-Commanden folgende Verfügung :
v^Im Grunde des Artikels X des zwischen Oesterreich und
Preussen am 23. August d. J. abgeschlossenen Friedens- Vertrages
darf kein Unterthan der beiden Regierungen wegen seines
politischen Verhaltens während der letzten Ereignisse und des
Krieges verfolgt oder in seiner Person od(?r Eigenthum beanständet
werden. Es sind demnach sämmtliche, wähnjnd des Krieges mit
Preussen internierte oder wegen eines politischen oder eines
Verbreclu^ns wider die Kriegsmacht des Staates in Untersuchung
gezogenen Individuen, wenn ihnen keine andere strafbare Hand-
lung zur Last gelegt wird, sofort der Haft zu entlassen, im Falle
ihnen gleichzeitig noch ein anderes Verbrechen, Vergehen oder
eine Uebertretung angeschuldet worden wäre, dem competenten
Civilgerichte zu übergeben. Sollte einer in Untersuchung ge-
zogenen Militär-P(irson ausser einem politischen oder Verbrechen
wider die Kriegsmacht ein anderweitiges Militär- oder gemeines
Verbrechen zur Last gelegt worden sein, so hat sich die F\>rt-
führung der Untersuchung nur auf die letzteren strafbaren Hand-
lungen zu erstrecken.'
"Die während der Kriegsgefangenschaft in die Legion
Klapka's eingetretenen Soldaten ungarischer Regimenter sind
jedoch nach Krems abzusenden, allwo über dieselben nach den
besonderen, dem Landes-General-Commando in Wien zugekom-
menen Weisungen verfahren werden wird'».-
Im Sinne der Bestimmungen dieses Erlasses waren bereits
vor seinem Erscheinen Virgil Szilagyi und (lenossen in Pest,
dann ( rraf S e h e r r - T h o s s in Krakau in den ersten September-
Tagen in Freiheit gesetzt worden-) und wurde noch Mancher,
d(»r wegen Spionage und derghiichen in Untersuchung stand,
derselben wieder tlieilhaftig-^j. Die Legionäre ab(»r wurden offenbar
als L«*ute angesehen, die sich ausser (»inem j)olitischen Ver-
brechen oder einem soh^lien wider die Kriegsmacht des Staates
noch eines anderweitigen Militär-Verbn^clwn.s schuldig gemacht
Krit';is-Mii)i>tt.iial-l.;il:i>- C. K. Nr. ;^27. •>. Scptnn: irr [^<^'l. l-"in Ori^ftnal
Iji-iin (KMicral-CoTiiniainIo Wim. A])tl). 2, Nr. V»^-i 1 2. .*^t ptrinlui iShN.
sii-ht- *A)vn S. 27 J inil Amii. 2 iiinl S. jSS
/. I». ;»ii'"^ 1 If.'ir;iiv Ii \V •• t li l.T . -ip-.. „ip.L.i,» .!.., P-.-rlifur "C nru/zeitunjj«-
Die Legion Klapka 1866.
341
hatten und desshalb sollte die Untersuchung gegen sie nach dem
Wortlaute der Erlässe vom 9. und 10. August in Krems durch-
geführt werden. Wollte man auch sie des Schutzes des Artikels X
dos Friedens- Vertrages theilhaftig werden lassen, so war dess-
hcdb eine neue Verfügung vorläufig noch nicht erforderlich ; denn
eine Untersuchung war jedenfalls nothwendig, weil man die
Monate lang unter dem Einflüsse der Emigranten gestandenen
Legionäre aus naheliegenden (Gründen doch nicht so ohne Weiteres
in ihre alten Regimenter eintheilen konnte und weil das Kriegs-
Ministerium durch die angeordnete vierzehntägige Bericht-
erstattung über den Stand der Untersuchung es jederzeit in der
Hand hatte, die sich als nothwendig erweisenden Abänderungen
zu befehlen, wie es dann auch wirklich geschah.
Das General-Commando Wien beauftragte daher am 12. wSep-
tember das Militär-Stations-Commando in Krems, die eintreffenden
Legionäre nach den bisher erflossenen Weisungen, vornehmlich
des Kriegs-Ministerial-Erlasses vom 10. August, zu behandeln *).
Damit wurde am 15. September der Anfang gemacht. An-
statt der erhofften grossen Zahl von Legionären befanden sich
ihrer jedoch am 12. September erst sechs, am 15. erst dreizehn
in Krems. Es waren dies die von Tyrnau über Pressburg und
Wien nach Krc^ms gebrachten Gemeinen Gajdcs und Biko
des Infanterie-Regiments Nr. 34, dann die von Krakau dahin
eingelieferten Soldaten : Gemeiner Johann T o t h des 4., Gefreiter
Ji^ugen Bak des 33., Führer Anton Hlazek, Gemeine Joseph
S p i s z ä k, Joliann R a b und Joseph R i m a n y i des 34., Corporal
Carl K m (^ t k o, ( remeine Demeter B a 1 o g und Josepli W o n a (recte
W o 1 n i) des 46., (xefreiter Johann F a r k a s des 60., endlich
(iemeiner Caspar F o d o r des 69. Infanterie-Regiments, sämmtlich
Entwichcme der Legion -). Zu ihnen kamen am 24. September
von einem der aufgestellten fünf Gefangenen-Sammel-Commanden
der bekannte ehemalige Legions-Li(»utenant, Feldwebel Johann
Hutka, dann aus Krakau der (yenieine Gabriel Thury, beide
des Infanterie-Regiments Xr. 46, letzterer der gewescme Diener
d<\s ( rrafen S e h e r r - T h o s s und mit demselben zugleich bei
Hochwald gefangen •% ferner vom Sammel-Conmiando in Brück
') (icneral-Commando Wien, Abth. 2, Nr. 3<)82, 12. September iKf.O.
-) General-Commando Wien, Abth. 2, Nr. 3831 vom 10., Xr. 4080 vom 13.,
Xr. 4326 vom 20., Xr. 4327 vom 2 1. und N^r. 440<) vom 24. September 1866.
'1 (leneral-Commando Wien, Abth. 2, Nr. 46O1, 28. September 1806.
712 Kienast.
an der Leitha (Temeiner Geor^ M i 1 u c z k y des i . Infanterie-Regi-
ments und Johann S t o b e 1 des 1 6. Jäger-Bataillons ^) ; am
30. wSeptember Gemeiner Ludwig Horvcith des Infanterie-Regi-
ments Xr. 46 ^, wahrscheinlich der am 4. August zugleich mit
Reinhart entwichene I-egions-Lieutenant und von seinem
Regimente nach Krems geschickt; endlich am 11. October
Corporal Alexander Boros des Infanterie- Rcjgiments Nr. 46,
dann die Gemeinen Franz C s o m e und Franz P o p e s des
Husaren-Regiments Xr. 7 ^j, vermuthlich gleichfalls von ihren
Truppenkörpern nach Krems gesendet.
Da während des Marsches der Legion etwa 70 Mann^)
und auch noch vor Auflösung derselben eine Anzahl von
Legionären aus Bauerwitz entwichen waren *), so sind sie also
ihrer ^lehrzahl nach nicht nach Krems, sondern theils zu ihren
Regimentern gelangt, wie dies z. B. mit dem am 4. August in
Turzovka desertierten Legions-Lieutenant, Feldwebel R e i n h a r t
des 46. Infanterie-Regiments der Fall war ; theils haben sie wohl
ihn* Ifeimaths-Orte • erreicht oder sonst in Ungarn sich herum-
getrieben. Die meisten derst»lben sind dann doch auch später, sei
es von ihren Truppenkörpern aus, sei es durch die Vermittlung
der Gendarmerie nach Krems, oder wenigstens nach Wien
gekommen, um militärgerichtlich einvernommen zu werden.
Di<* bis Knd(» Si^ptember nach Krems gebrachten 21 Legionäre
gaben indess dem Untersuchungsrichter nicht viel Arbeit, da sie
alle, ausser llutka, wolil nicht viel mehr anzugeben wussten,
als die von Krakau Gekommenen schon dortselbst ausgesagt
hatten, llutka aber scheint in di(\ser Zeit noch zu keinem um-
fassenden (ieständnis bereit gewesen zu sein und so blieb der
Befehl des Kriegs-Ministers l^'ML. J o h n vom 30. September vor-
läufig eintt Weisung für die Zukunft. Mit diesem Befehle wurde
durch Vermittlung des Landt\s-(7eneral-Commandos dem Militär-
stations-Commando in Krems -aufgetragen, sobald das Unter-
suchungs-l^rgebniss so weit gedii^hen sein wird, um di(* Aller-
höchste Wilh*nsm(»inung üb(*r die weitere Bi^handlung dieser
■1 ricncr;il-<'()nnnaiiiln Wien, Abtli. 2. Xr. 4530 vom 27. iiinl Nr. 4^'04 vom
28. Scpti.'Miher is<.)'».
-: (leiu'T.jl-roniTnantlo Wien, Al>th. 2, Xr. 301«». S. < )c;(>l»«.'r lSh{..
■'. ("F-*ni-i:il-(/'»ininainl«> Wi**»» A''»'' " >*- 5'*;. "" '••■»>>- ''^'•'..
■*• Sicll«.' i>l>fTl S. 20').
« » « « . ■ %
Die Legion Klapka 1866.
343
Ausreisser einholen zu können, eine actenmässige, die ganze
hochverrätherische Bewegnng der Legion umfassende Darstellung
vorzulegen, welche das Landes-General-Commando mit dem
eigenen gutachtlichen Antrage in Betreff der Behandlung jener
Mannschaft« dem Kriegs-Ministerium einzusenden hatte '}.
Die Festnahme und die Einlieferung der Legionäre nach Wien.
Dieser Befehl gewann enst Aussicht, vollzogen zu werden,
als durch die in den ersten Octobertagen erfolgte Auflösung der
Legion die Möglichkeit in Sicht trat, eine weit grössere Anzahl
von Legionären, als bisher, wo möglich Alle, in Krems zu ver-
sammeln und zu verhören. Dies zu verwirklichen war denn auch
vom 6. October an Gegenstand eifrigster Fürsorge aller in
Betracht kommenden militärischen Organe.
Bis zu diesem Zeitpuncte waren alle marsch- und transport-
fähigen Kriegsgefangenen aus Preussen meist über Oderberg
zurückgekehrt^). Das mit dem Kriegs-Ministerial-Erlasse vom
27. August für diese Grenzstadt bestimmte Gefangenen-Ueber-
nahms-Commando, bestehend aus einem Oberstlieutenant, einem
Kriegs-Commissär, einem Stabs- Arzt, einem Verpflegs-Official und
einem politischen Beamten, hatte sich daher gleich dem Eisenbahn-
Linien- und dem Etapen-Commando bereits aufgelöst und mit
der II(*bernahmo der Nachzügler war nur noch der in Oderberg
stationierte Oberlieutenant Wenzel Appeltauer^) vom Stande
des in Teschen gamisonierenden 24. Jäger-Bataillons betraut. Von
diesemjungenOfficier gelangte am 6. (Jetober folgendes Telegramm
nach Wien: -ybö Mann Ungarn vom Corps Klapka soeben
angekommen und sind vom preussisch(*n hiesigen Etapen-
\) KrieKS-Minist.-ETl. Ahth. 4, Xr. 1879» vom 30. September. Original sub
(iencral Commando Wien, Abth. 2, Xr, 4075 vom 8. (>ctol)er 1866.
-) Die Augsburger »Allgemeine Zeitungc veröffentlichte am 10. October 1866
eine AViener Correspondenz vom 8. October, die beginnt: »Bis zum gestrigen Tage
waren, blos über Oderberg, nicht weniger als 41.000 Mann aus der preussischen
Gefangenschaft zurückgekehrt, die weit überwiegende Zahl, so sagte mir mein Gewährs-
mann, ein Haluihofl)eamtcr von Oderberg, von ungarischen Regimentern.« Nach
-Oesterreichs Känj])fc i. J. 1866«, IV. Beilage Nr. r, S. ir, Anm., betrug die
Gi'sammt/.ahl der Kriegsgefangenen 43.861 Mann.
•' Anfangs 18O6 noch Cadet.
■2*1 Kienast.
Commandcinten, ohne mir selbe überj^eben zu haben, entlassen
worden. ^lorg'en soll wieder ein solcher Transport eintreffen. Bitte
gehorsamst um Verhaltungsbefehle ').'
Gleichzeitig verständigte Oberlieutenant Appeltauer auch
das längs der Xordbalm nächstgelegene Militär-Stations-Commando
in Mährisch-Ostrau und auch dieses (Hauptmann Johann T h i e n e 1
des Infanterie-Regiments Xr. 2) telegraphierte nach Wien :
»Nach Anzeige der Station Oderberg treffen circa 700 Mann
LIngam gegen 7 Uhr Abends hier ein, die mit Zug 40 mittelst
Civil-Karten nach verschiedenen Stationen Ungarns befordert
werden ^),^
Das Kriegs-Ministerium telegraphierte hierauf noch am
6. October: i. an das (Tefangenen-Uebemahms-Commando in
Oderberg : ^^ Transporte ungarischer Kriegsgefang(»ner Fahrt fort-
setzen lassen, aber Zug und Stunde der Abfahrt telegraphisch
hieher anzeigen und Etapen-Commando in Lund<-nburg avisieren« ;
2. an dieses eben gemannte Commando : Morgen Früh 5*- Uhr
dürften mit Zug 40 bei 700 Mann des ehemaligen K 1 a p k ansehen
Corps, aus Preussen rückkehrend, in Lundenburg anlangen. Die
unter ihnen befindlichen Militärs zur Angabe ihrer Namen und
Truppenkörper auffordern, sie dann nach Wien senden, wo
Weiter-Instradiorung der noch Dienstpflichtigen erfolgen wird.
Ankunft des Transportes in Wien dem hiesigen Platz-Commando
und Etapen-Commando avisieren. < Di(»ses Tel(»gramm wurde in
Abschrift dem Militär- »Stadt- und Platz-Commando in Wien mit-
getheilt und demselben aufgetragen, wegen Uebemahme der
Legionäre die Vorkehrungen zu treffen und nach Einrücken des
Transports weitere Weisung vom Kriegs-^Iinist<.^rium einzuholen^).
Oberlieutenant Appeltauer meldete am 8. October, er
habe von Wien trotz seiner Hitte um Ve*rhaltungsbefehle keine
Weisunge^n erhalten ; elas Telegramm di*s Krie?gs- Ministeriums
') R. K. M. I'raes.-Xr. 135, (>. ()c\o\u^r iSof». Das I'clc^ramm ist in ( )tlcr-
herj; aufßcitieben 3 Uhr 50 MinuttMi, in Wien angekommen 4 Uhr 45 Minuten Nach-
mittags. Wenn Obcilieutenant A p ]> e 1 t a 11 e r schon am 6. ( )ctol>er die Ankunft des
ersten Transports <ler TA'j^'ionärc in Odcrherj» mcl<len konnte, <lann niüsM-n tiie Daten
M o ^ y o r ö d y' s (in >Ivossuth Lajos iratai*, VII, 03» ü]>er ilie Niedcrlegunfj der
Warten in Mauerwitz unrichtig sein, was auniilli^ ist, da sie am '). < )ctol)er nieder-
;^esohriel>en sind. • Sielic (il)en S 323, Anni. l.j
-. Kl)endasell»>t. Aul^'egehen in Mährisch-Ostrau am (k < »itober. 4 Uhr
5 Minuten, anj^ekomnien in Wim h Uhr i; ^'inuten Nachmittaj^"-!. Das ;^leiche Tele-
fr"r»'«»T'» sen<K'tr Ilaup'"'"'"' .r.*-i ,i--.. „ ,j;i. i .m.i...- '^ •"vr.n' e "'»"'"«'iiido Wien.
Die Legion Klapka 1866.
345
vom 6. October scheint daher zu spät in Oderberg" ang'ekommen
zu sein und der Oberlieutenant musste also den um 8 Uhr
Abends mit den Legionären nach wSüden abgehenden Separatzug
der Nordbahn abfahren lassen ; doch avisierte er wenigstens noch
das Platz-Commando in Pest von den Ankömmlingen und erhielt
hierauf vom General-Commando in Ofen den Befehl, den Trans-
port entweder in Lundenburg oder in Unter- Gänserndorf, wo die
Eisenbahn nach Ung'am abzweigte, halten zu lassen ^), was übrigens
den Intentionen des Kriegs-Ministeriums entsprach.
Der Etapen-Commandant in Lundenburg, Hauptmann
Meixner, meldete am 7. (.)ctober Mittags nach Wien: Mit
Zug 40 kommen heute Nachmittags 4 Uhr daselbst 640 Mann
des ehemaligen Klapka'schen Corps, jedoch Militärs, an^.« In
den Zwischenstationen oder in Lundenburg* selbst muss daher
eine Anzahl von Legionären den Zug verlassen haben, um zu
Fuss nach Hause zu wandern.
In Unter-(.Tänserndorf erfuhren die im Zuge verbliebenen
Legionäre, dass sie nicht nach Ungarn, sondern nach Wien
weitergeführt werden sollten. Darob entstand grosse Aufregung
unter ihnen. In der Eisenbahnstaticm befand sich kein militärisches
Organ. Der Stations- Vorstand kam daher in nicht geringe Ver-
legenheit. Den Zug nach Ungarn zu expedieren, widersprach
seinen Instructionen; nach Wien wollten die Legionäre» nicht.
P> wendete sich schliesslich ein den Ober-Inspector der Hahn in
Wien unter Anderem auch mit folgendem Telegramme: Ver-
weigern unter allen Umständen die weitere Fahrt nach Wien,
verlangen (xeld retour und wollen Reise zu Fuss antreten. Er- .
suche um weiteren Auftrag^).« Das Telegramm wurde dem
Kriegs-Ministerium zur Kenntniss gebracht und dieses verfügte
augenblicklich an das ( reneral-Commando Wien :
• Laut von (xänsemdorf eingelangter t(»leg"raphischer Meldung
sind in dieser Bahnstation 560 Mann von den aus preussischer
Kriegsgefangenschaft rückkehrenden Ungarn angelangft. Dieselben
verweigern jedoch die bezüglich der unter ihnen befindlichen
Soldaten angeordnete Weiterfahrt nach Wien. Das Landes-
) Tele^'ramm des Gentral-C'ommantlos Ofen vom 7. October an General-C'om r.ando
Wien, Abth. i, Xr. 16.90H vom 7. October 18O6.
-') K. K. M. I*raes.-Xr. 135 ad, 7. October 1860. An^^elan^t in Wien 12 Uhr
47 Minuten Xachmittaj^s.
•1 Kbcn<laselbst ; angekommen in Wien, 7. October, 4 Uhr 17 Minuten
Xachmittaj;s.
346
K i e n a s t
General-Commando wolle daher mit hochstmög'licher Beschleuni-
gung drei Compagnien der hier garnisonierenden Truppen mittelst
Eisenbahn nach (xänsemdorf absenden, um erwähnte Leute (im
Xothfalle auch mit Anwendung von Waffengewalt) hieher zu
escortieren. ¥Ane dieser Compagnien hat vorläufig in Gänsem-
dorf zurückzubleiben, da möglicher Weise ein zweiter, ähnlicher
Transport nachkommen könnte. In Wien ist bis auf weiteren
Befehl für scharf bewachte Unterbringung der Leute Sorge zu
tragen * i. •
Das General-Commando meldete gelegentlich der Vorlage
eines neuen, um 5 Uhr 10 Minuten Nachmittags aus Oderberg
eingetroffenen, den zweiten Staffel der Legion betreffenden Tele-
gramms dem Kriegs-Ministerium am 7. October, ^dass in Wien
nur die beiden Infanterie-Regimenter Xr. i und 35 (nicht unga-
rischer oder italienischer Nationalität) garnisonieren und diese
noch heute nach Gänserndorf und Nordbahnhof (in Wien) be-
deutende Abtheilungen absenden^)-.
Ob diese Abtheilungen noch in Gänserndorf ankamen, bevor
die widerspenstigen Legionäre endlich doch die Fahrt nach Wien
antraten, ist nicht ersichtlich. Selbst im Bejahungsfalle muss in-
dessen den Bahnbeamten hohes Lob für die Geschicklichkeit zu-
erkannt werdtin, mit welcher sie es zu bewerkstelligen wussten,
dass nicht einmal ein Mann die Eisenbahnstation verliess, so dass
alle daselbst am Nachmittage Angekommenen noch am Abende
des 7. October mittelst Sej)aratzuges in Wien anlangten, auf dem
Nordbahnhofe »von einem Major und einer kleinen Abtheilung
Jäger in Empfang gtmommen und nach dem Transports-Sammel-
hause gebracht" wurden^). Sie trugen alle noch die Uniform der
Legion.
T)(tr Commandant des Transportshauses meldete am folgenden
Morgen: »T^ie heute Nacht in der Heumarkt-Kaserne unter-
gebrachten K. 1 a p k a'schen Freischärler wurden soeben von dem
(jefertigten abgezählt und es hat sich ihre Anzahl mit 575 heraus-
gest(*llt. ]3ies<"lben wurden Mann für Mann befragt und gaben an,
dass sie sämmtlich früher k. k. österreichische Soldaten waren.
Sie werden mit heutigem Tag(» präsentiert, mit Gemeinen-Löhnung,
Brod und Menagti verptl(\gt^;.
^ K. K. M. Uli I*raes.-Xr. 135, 7. Octolicr lSO(i. C'onccpt.
■-) (rciu-ral-C'ominanilo Wien, Abth. I. Nr. 17.02«), S. Octo^''»' tS<,o.
'> Dir ^r^.'<"^t.•♦ Wie' <). < »':tol)er iSOO. (Local-Anzci^j«
Die Legion Klapka 1806.
347
Von den anfang-lichen 766 Legionären des ersten Staffeis
waren also 1 9 1 Mann, zum Theile schon von Oderberg aus, direct
nach Ungarn gegangen. Sie schlugen ganz verschiedene Wege
ein. Der Commandant des 24. Jäger-Bataillons in Teschen, Oberst-
lieutenant K r e p 1, meldete, dass am 7. October Morgens mehrere
Gruppen von Legionären in Uniform, unbewaffnet, jedoch nach
Art der Urlauber mit umgehängtem Brotsacke, Teschen passiert
und die Strasse nach Jablunkau eingeschlagen hätten. Auch die
gegen P>iedek zu gelegenen Dörfer Xiebory und Woikowitz
hätten Legionäre passiert. Die politischen Behörden Hessen
einzelne der Ungarn anhalten und ihre Legitimations-Documente
sich vorweisen; sie bekamen den bekannten Entlassungsschein
aus der Legion und die von Bismarck gezeichnete '> Bescheini-
gung« zu seh(m. >'In der Voraussetzung-, dass eine solche Mass-
regel nur im Einverständnisse der beiden hohen Regierungen
ausgeführt werden konnte, liess man diese Leute ihres Weges
ziehen." Doch liess der Oberstlieutenant die Hauptwache ver-
stärken, die Bereitschafts- Abtheilungen auf jede Eventualität vor-
bereiten und sendete Patrouillen in die Stadt und ihre Umgebung,
endlich auch eine Halb-Compagnie mit zwei Ofticieren nach
Jablunkau, »theils zur Beruhigung der dortigen Einwohner, theils
um allenfallsigen Unordnungen und Excessen vorzubeugen ^) • .
Auch Hauptmann War eka in PViedek hörte am 7. October
Vormittags von in Dobrau und anderen ()rtschaften durchziehen-
den L(»gionären. Er sendete sogleich eine Officiers-Patrouille aus,
welche gegen Mittag 14 Mann der wSchaar Klapka's ein-
brachte. War eka liess sie in Gewahrsam bringen; da er aber
von ihnen erfuhr, dass noch weiters und auch gr(")ssere Cxruppen
von L(?gionären gegen Ungarn ziehen würden, fasste er Sorge
für seine unbedeckte Batterie und erbat für dit\selbe auf tele-
graphischem Wege Schutz beim Festungs-Commando Krakau.
Dieses ordnete sogleich die Absendung einer Jäger-Compagnie
von T(\schen nach Eriedek an, wo dieselbe» in der Stärke von
vier Officieren und 84 !Mann noch vor Mittemacht (»intraf- 1.
Hauptmann Thienel in Mährisch-Ostrau hinwieder liess an
demselben 7. October, um 2 Uhr Nachmittags, sieben Legionäre
*) (.)berstlicutenant K r e p 1 an das General-C'ommando Wien, Teschen, 8. Oc-
tober 1866, (Kremser Acten Xr. 23. Al)schrift.^
'-} K. A., P>stunjj Krakau 18O6, X, 1 und 2. Bericht des Hauptmannes War eka,
IViedek, <>. October, an Gereral-Commando Wien. (Abth. 1, Nr. 17, 374, 10. October
iSOO, Bdlage. Al>schrirt.i
348
K i e n a s t.
ruhig" die EivSenbahn nach Gänsemdorf benützen, meldete jedoch
deren Abfahrt nach Wien, von wo aus ilire Einlieferung* zu dem
ersten vStaflFel der Legion in die Ileumarkt- Kaserne veranlasst
ward *).
Inzwischen war auch die Ankunft des zweiten Staffeis der-
selben in Oderberg nach Wicm avisiert worden. Oberlieutenant
Appeltauer hatte am 7. October, 4 Uhr 20 Minuten Nach-
mittags an das Landes-Genoral-Commando in Wien telegraphiert:
''Heute I Uhr Nachmittags gegen 900 Mann vom Corps Klapka's
hier angekommen, wurden von preussischer Seite entlassen und
zerstreuten sich partienweise auf Anrathen des preussischen
Majors Krocker-i.- In seinem Berichte vom 8. October wieder-
holte der genannte Offtcic^r diese Angab(»n und meldete, er habe
am 7. Abends Patrouillen in die Umgebung von Oderberg aus-
gesendet, die jedoch Niemand mehr gefunden hätten'^.
Auch der Landes-Chef von Schh?sien, Ifofrath von Merkl,
dürfte an diesem Tage dem Staats-Minister auf (xrund einer
Meldung des Polizei-Commissärs von Oderberg telegraphischen
Bericht über die Ankunft des zweiten StaflFels der Legion in
<3derberg erstattet und die Stärke desselben mit 930 Mann
angegeben haben*).
Die erste Nachricht von d(*m Zuge einer Schaar Legionäre
kam am 8. October in den ersten Vormittagsstundtm nach Wien.
Hauptmann War eka telegraphierte früh Morgens aus P'riedek an
'1 Gcneral-C'ommando Wien, Ahth. l, Nr. 17.151, 0. (^ctohcr 1866.
''^) Gencral-Commando Wien, Ahth. i, St. 17.02«), 8. C)ctober 1K66. Ange-
kommen in Wien am 7. ()ctol>er, 3 in\r 10 Minuten Xachmiltaj^s. Nach M o p y o-
r ö <1 y's Bericht an Kossuth (Mratai«, VII, 031 bildeten das zweite Bataillon und
die Husaren «len ersten, <la«< cr>tc Bataillon un<l die Keserve-Abtheilung der Legion
den zweiten der in (><ierb(*rj:; an^^i-kommenen StatVel.
'1 Auszug; aus <liesem Berichte in den Kremser Acten Nr. 13.
*) Weni|^stens findet sich dieselbe Zahlenangabe in dem Berichte des Hofraths
von Merkl an den Staats- Minister, ddto. J'roppau 0. October l8<>6 (Abschrift in den
Kremser Acten Nr. 22} und ollenbar im Zusammenhange damit auch in einem Tele-
gramme des Kriegs-Ministerium?» vom S. October an das <fcn«"r:d-('onmiando Ofen.
In seinem Berichte bekla;:[t Ibdrath von Merkl das Vorgehen der i'reussen hinsicht-
lich der l*'reigebung der Legionäre in 0<i('rberg und c<»nst.iticrt den tiefen Unmuth
der Schlesier darüber, der sich ganz oflTen kun<l gebe, insbe^omlere, weil <lurch die
losgela>«ieneii Leute in die ganze biegend Unsicherheit gekommen sei. Auch sei es
'-^cit, endlich auf i\in Kritfernung des Majors K rock er jius < )dcrberg zu <lringcn ;
\cssen !.■''•■'' '(.* ' »•i*'-'''hiif t< '.-.'>f»f>n '* •- !»-■■ 1 «•-■■ -v- '•* ■' •» •' »•■,' 1 '>t<..|i Aiina^"'TL'
»«r»"*'»!'
Die Legion Klapka 1866.
349
das Landes-CTeneral-Commando : »Eine Stunde von Friedek, in
Brusowitz, sind über 200 Insurgenten K 1 a p k a's, unbewaffnet.
Sind sie nach Ungarn durchzulassen? Hier eine halbe bespannte
vierpfündige Batterie auf Friedensfuss, eine Compagnie Jäger,
84 Mann. Bezirks-Amt aufgefordert, im Bedarfsfalle Schutz zu
gewähren. 19 Mann Insurgenten von gestern und heute in Friedek
in Gewahrsam*).« Bevor indessen vom Armee-Obercommando, dem
dieses Telegramm vorgelegt wurde, eine Weisung nach PViedek
gelangt sein konnte, dürfte Hauptmann W a i* e k a vor die Ent-
scheidung gestellt gewesen sein, entweder rasch auf eigene Verant-
wortung zu handeln, oder die (ifelegenheit dazu überhaupt zu ver-
säumen. Der Soldat in ihm traf das Richtige. Er berichtete hernach
darüber:
»Den 8., Früh 7 Uhr, brachten die Bauern aus Brusowitz,
anderthalb Stunden (östlich) von Friedek, die Nachricht, dass da-
selbst wieder bei 200 bis 300 dieser Insurgenten über Cultur und
Wälder auf Feldwegen gegen Dobrau marschierten. Auf diese
Nachricht Hess ich die Jäger-Compagnie consignieren, vier Ge-
schütze bespannen und wollte mich mit Hilfe der Bevölkerung. . .
der Angesagten bemächtigen. Während dieses kam schon wieder
ein Bauer aus Altstadt, dreiviertel Stunden (nach Süden) ent-
fernt, (mit der Meldungi, dass daselbst soeben einige Hundert
Klapkianer den Ort passierten, an deren Spitze einer von ihnen
mit einem Säbel und einer gespannten Pistole in der Hand gehe
und drohe. Jeden, der es wagen sollte, sie anzugreifen, nieder-
schiessen zu wollen. Auf diese Meldung überliess ich das Com-
mando über die halbe Batterie dem Herrn Oberlieutenant
B i e h l e r, und ritt mit einem Unterofficier gegen Altstadt, um
mich von dem Vorgefallenen zu überzeugen. Die Bevölkerung
dort ist rathlos hin- und hergelaufen und die Freischärler waren
bereits ausser dem Orte auf dem Wege nach Friedland. 13arauf
habe ich das Tempo im Ritte verschärft und dem Unterofficier
aufgetragen, dass mir die Bevölkerung so viel als m(")glich folge,
(xleich ausser dem Orte, wo sich die Strasse biegt, holte ich den
Convoi ein, sprengtt* ihnen seitwärts auf inneni I^'elde vor, und
commandierte : »Halt!', was sie augenblicklich stutzig machte,
-und worauf sie auch sogleich stehen blieb(»n. Ich (erklärte ihnen,
dass, sobald sich Einer meinen Anordnungen widers»»tze, ich sie
^1 (icncral-Commando Wien, Abth. l, Nr. 17.070, 8. ()ct(»l)cr iKO/j. K< *»choint
/Avcililliaft, ob im Orij^iiiul des Tclcj^ramincs nicht blos von vierzehn Insurj:;enten «lic
Rede ist.
350
K i e n a s t.
ohne Gnade von einer Batterie und einer Division Jäger zu-
sammenschiessen lasse. Einige wollten auf mich zugehen; ich
befahl Stehenbleiben unter der Androhung, Jeden niederzuschiessen,
der es wagen sollte aus Reih' und Glied herauszutreten. Auf diese
meine Ansprache wurde die ganze Abtheilung von 148 Mann
ganz devot. Ja, selbst der Anführer, Graf Stephan Kdrolyi,
der einen Säbel umgespannt und mit dem Revolver in der Hand
Altstadt passiert hatte, ward nicht wenig überrascht und warf
seinen Säbel sammt Revolver weg. Ich fragte nach dem Transports-
fiihrer. Es wollte sich Niemand melden, und da mir Graf K 4r o 1 y i
auffiel, fragte ich, ob er es und wer er sei, worauf er mir die
Antwort gab, er sei ein preussischer Ofificier (!). Ich liess ihn
heraustreten und übergab ihn einem mittlerweile angekommenen
Gendarmen zur Aufsicht. Während dieser Zeit hatte sich schon
ziemlich viel Volk an dem Orte eingefunden. Ich forderte die
Freischärler auf, wer im Besitze einer verborgenen Waffe sein
sollte, mir dieselbe augenblicklich auszuliefern, worauf mir der
Säbel und Revolver des Grafen K a r o 1 y i eingehändigt wurden.
Hierauf commandierte ich die Schaar gegen Friedek zurück und
liess die Leute auf einem offenen Felde aufstellen, zwei Kanonen
nebst einer Halb-Compagnie Jäger vor den Augen der Insurgenten
laden und habe mir sonach die Weisungen vom hohen Armee-
Ober-Commando im telegraphischen Wege erbeten.«
>Ich muss noch bemerken, dass die Insurgenten beim Rück-
marsche (nach Friedek) viele Patronen der preussischen Zünd-
nadelgewehre, dann Kapseln und lediges Pulver auf der Strasse
fallen Hessen, und es sollen auch Einige von ihnen, in dem Augen-
blicke, als ich sie angehalten, (»twas in das hinter ihnen fliessende
Wasser^) geworfen haben, was mir jedoch erst nach einer Stunde
angezeigt worden, worauf ich sogleich einen Feuerwerker mit
zwei Mann dahin abgt\schickt, um nachzusehen, ob es nicht etwa
Waffen gewesen seitm. Der Feuerw(»rker fand aber nichts. Es
ist auch m(">glich, dass Lehnte, die es g(\sehen habtm, selbst früher
die Waffen aus dem gar nicht tit»fen, klaren Wasser herausgeholt
haben.'
-Nachmittags geg(»n 4 l'hr kamen zwei I*a>sagier(» in einem
Fiakur an und stit.'g(Mi im Kafft^ehause ab, w()rü])er mir sogleich
di(» Mrlduntf tifmiacht wurde und dass diusci Binden mit Revolvern
M (ictiK-int i-«t wohl »k-r Hiiscica-J^Mch, lii-r ^ *' ^M>ta(It siKÜurh Friciiek in die
().>travic"' liill* ^"- i ,.-,»-.i.!.. '...; .i,.r »< H'it,i.ti,->Mn» • ■■ L- r» ^..-..•■■:hf,»..M Mitfjjuiii» der
Die Legion Klapka 1860.
351
versehen seien. Ich nahm sogleich einen Gendarmen, verfügte
mich zu den Herren, und ersuchte sie um ihre Legitimation. Einer
von Beiden präsentierte sich als Bruder des hier eingesperrten
Grafen Kdrolyi, und da sich Letztgenannter durch sein Auf-
treten compromittiert hatte, so glaubte ich, nicht im Unrechte
zu sein, auch die beiden Herren nach Abnahme ihrer Revolver
und vier preussischer Pässe unter Aufsicht zu stellen und sie
mit dem abgehenden Transporte nach Wien zu schicken. Diese
beiden Herren, Kemenyi und Kärolyi, sind von Oderberg
mit einer Gelegenheit von dem berüchtigten Grafen H e y d e-
brand hier angekommen ^).^
Im Laufe des Tages müssen noch über 20 Legionäre in und
um Friedek festgenommen worden sein, denn Hauptmann Wareka
telegraphierte am 9. October nach Wien: »183 Klapkianer, zwei
Grafen K a r o 1 y i, dann Kemenyi unter Escorte von zwei
Officieren und einer Halb-Compagnie Jäger gestern (d. i. also
am 8.) Nachmittags 5^/2 Uhr nach Schönbrunn expediert-;.«
*) Hauf)tmann Wareka, Friedek, 0. October, an das Landes-General-('oni-
mando in AVien. (Abschrift sub Abth. i, Nr. 17.374 vom 10. October 186O.)
'-') General- Commando Wien, Abth. i, Xr. 17,236, 9. October 1866. Schönbrunn
ist eine Station der Kaiser Ferdinands-Nordbahn nächst Mährisch-Ostrau.
Hauptmann Wulle des 24. Jäger-Batailluns telegraphierte am <>. October Vor-
mittags nach Krakau: »Bisher 184 Mann Klapkianer, dann die Klapka'schen Olliciere
Gebrüder Grafen K a r o 1 y i und Baron Kemenyi eingefangen und an das Wiener
Transportshaus unter Bedeckung abgesendet. c (K. A.. Festung Krakau 1866, X, 5.)
Die ganze Episode fand auch in einer Correspondenz vom 10. October der Troppauer
»Silesia« eine Schilderung. Die Wiener »l'resse« vom 15. October 18O6 reproducierte
daraus : »Am Montag (d. i. den 8. Octol>er) Vormittags zog eine Abtheilung Insur-
genten von 147 Mann, an <ler Spitze ein Ofticier, quer über die Felder von Xeuh»)f
(zwischen Friedek und Dobrau) gegen Altstadt. Der Officier hielt dem Altstädter
Bürgermeister, der den Durchzug verwehrte, einen Revolver vor die Brust. In diesem
Momente sprengte der hiesige (d. i der Friedeker) Artillerie-Hauptmann, nur von
einem L'nterofficier begleitet, dicht heran und brachte durch sein energisches Auttreten
den Zug zum Stehen. Grat K ;i r o 1 y i, jener Jnsurgentenführer, benutzte eine günstige
Gelegenheil, um seinen Revolver dem Nächststehenden seines Corps zu übergel)en.
Dieser trat jedoch später vor und übergab den Revolver. Plbenso wurde später der Säbel
seitwärts aufgefunden und mehrere in den Fluss geworfene Revolver aus demselben
hervorgezogen. Das Corps blieb unter militärischer Bewachung (darunter zwei Kanonen 1
auf dem Fehle nächst dem Gasthause W e s s e 1 a, während (iraf K ä r o 1 y i in die Stadt
ahgelührt wurde.«
»Am Montag Nachmittags wurden von Mistck her mehrere Insurgenten ein-
gebraclil und sammt den seit Sonntag in der Stadt selbst Bewachten siehe oben
S. 347 ' zu dem Haupt-('i)rps nächst . dem Gasthause) W e s s e 1 a abgeführt. Am Nach-
niillag desselben Tages stiegen zwei in Civil gekleidete Männer vor dem Kart'eehau»ie
auf dem Ringplai/e ab, niacliten .>ich je. loch durch tlen Besitz von Revolvern ver-
^-, Kienast.
Sie kamen am q. October Xachmittag"s in Wien an, wxirden
in das Transports-Sammelhaus gebracht und vom lo. an gleich
den Leuten des ersten Staffeis verpflegt*).
(xleich dem Militär -Stations-Commando Friedek erhielten
auch das Festungs-Commando in Krakau-) und das Commando
des 24. Jäger-Bataillons in Teschen am 8. October vom Armee-
Ober-Commando den telegraphischen Befehl, die Legionäre auf-
zugreifen und unter Escorte nach Wien zu schicken.
Oberstlieutenant Krepl des 24. Jäger-Bataillons erhielt das
Telegramm um 3 Uhr 45 Minuten Nachmittags und Hess sofort
eine halbe Compagnie nach Dobrau und eine Compagnie nach
Woikowitz abrücken. Da Mittags schon eine Halb-Compagnie
nach Jablunkau, am Vortage aber eine ganze Compagnie nach
Friedek abgegangen war und drei Viertel-Compagnien in Teschen
zurückzubleiben hatten, so waren am 8. October Abends alle
Zugänge von Oderberg nach Ungarn gesperrt. Der vierte Zug
der vierten Compagnie marschierte gleichzeitig nach Jablunkau,
um zu ermöglichen, dass die dortselbst mittlerweile eingetroffene
Halb-Compagnie am 9. von Jablunkau aus eine Streifiing über
Niebory nach Dobrau machen könne. Alle diese Massregeln
kamen indessen selbst für die Legionäre des zweiten Staffeis zu
spät. Der grösste Theil derselben hatte bereits am 7. October
Abends und am 8. Morgens die zwischen Teschen und PViedek
gelegenen Orte Dobrau, Woikowitz und Toschnowitz passiert
und mit Ausnahme der in Friedek und Umgebung Festgenom-
menen den Weg nach Ungarn gefunden. Den Abtheilungen des
flüchtig» und entpupi^teii sich n;ich <lcr Untersuchung^ als Insurjjenten-Officiere, Namens
Graf K a r o 1 y i junior, Rruder des Erstj^cnannten, und Baron K e m e n y i. Die Fahr-
^elej^enheit, die sie ]>enützten, war von Herrn H e y d e b r a n d, unselijjen Angedenkens,
beigestellt.«
• Gegen 6 Uhr Aben<ls wunle das ganze Corps, ungefähr 1 80 Mann stark, sammt
den bei<len Grälen Iv a r o 1 y i und Baron Kerne n y i, unter Begleitung von Jägern
nach Schr»nbrunn abgeführt, um höherer Weisung zu Folge mittelst Eisenbahn nach
Wien befördert zu werden.« Die Angaben der »Hreslauer Zeitung« (siehe oben S. 328)
gewinnen hiedurch ihre Berichtigung. Ueber die weitere lU'handlung der Grafen
K a r o 1 y i und «les angeblichen Barons K e ni c n y i siehe oben S. 331, Anm. 2 u. S. 333.
*' -Die Presse«, Wi<'n. 9. Octobir i S()6 ■ Local-An/.figer^ und General-Com-
mando WiL-n, Abth. I. Nr. 17.8SS. 15. ( )ct(»b'^ '' '■ Meldung des Transportshaus-
( " »nnnandds v<ini 14. <>ctober. 1
K. A., l'cstung Ivrak-j W)' >' » w'ien am h. Oclob""
Die Legion Klapka 186C.
353
24. Jäger-Bataillons fielen am 8. October nur noch 20 Mann,
gTÖsstentheils in Jablunkau, in die Hände, welche am 11. nach
Friedek abgesendet wurden ^) und am 12. im Transports-Sammel-
hause zu Wien eintrafen.
Am 8. October, i Uhr 50 Minuten Nachmittags, ergieng vom
Kriegs-Ministerium auch an das Landes-Cxeneral-Commando für
Ungarn folgendes Telegramm nach Ofen: »Am 7. Nachmittags,
aus der Kriegsgefangenschaft, rCvSpective Klapka'schen Legion
zurückkehrend, 930 ^lann-) unangesagt per Eisenbahn in Oder-
berg angekommen; zerstreuten sich meist gegen die ungarische
Grenze und sollen ihnen ferner noch Trupps über Jablunkau und
Pazdzierna folgen. 9. Jäger-Bataillon zu ihrer Einfangung, über-
haupt zur Bewachung nordwestlicher (rrenzübergänge abschicken.
Zu Stande gebrachte, dem Civilstande Angehörige gleich per Schub
in kleinen Partien in die Heimath, die Militaristen im Einvernehmen
mit hiesigem (seil, dem Wiener) (ieneral-Commando zur Purifica-
tions-Commission nach Krems senden. Ueber Resultat berichten'').-*
Das General-Commando sendete noch Abends ein Telegramm
nach Trentschin mit d(jr Weisung, dasselbe durch eine StaflFette
an das 9. Jäger -Bcitaillon nach Bellus zuzustellen. Es hatte
folgenden Wortlaut: "Bataillon sofort per Wagen nach Sillein,
von dort zur Bewachung der nordw(\stlichen Grenze abrücken.
Ueber Jablunkau und Pazdzierna kommen gegen 1000 Mann von
K lapka'scher Legion, i^c^treffs d(»ren Einfangung das Xöthige ver-
anlasse ;n. Zu Stande gebrachte, dem (Mvilstande Angc^hörige gleich
per wSchub in kleinen l*arti(»n durch politiscln^ Bt*hörde in die
Heimath senden, die Militaristen nach NapagtHll escorti«»n»n, wo
sie mittelst Eisenbahn (nach Wiem weitergehen ').<
Am 9. ( )ct()ber erliess dann das Landes-General-C'ommando
für Ungarn auch noch an di«.* Landtvs-CiendarmcTitf-CommandiMi
Xr. 5 in K aschau, Nr. in Gross- Wardein, Xr. 7 in Pressburg
und Xr. 8 in J^»st analoge dringench^ Weisungen, wobei di(»s«»n
Behörden zugU^ich ein(* kurze Beschn»ibung der Legicms- Uniform
mitgeth(*ilt wurde, und vt^rsi^ndete an alle unterstt*hen(h'n Com-
manch^n und Anstalten folgen(h\s Cireulan» :
'1 Jicricht des 24. Jiij^er-Jiutaillons. Tcsdu n, 10. < »ctobtr, an il.is Armee-« )l»i'r-
Conimando und an da< (jcneral-(.'(>nimandü Wien Abth. .:. Nr. 5I^<), 14. < )ctobcr i^«.(...
-. Vcrj^l. Anmerkung; 4 aut S. 348.
•"'. (icneral-( ommando < )ren, I'riU.-Xr. I^)^^.S, S. Octub t iSm». Anj^'ckomnicn 'ii
Ofen um Z l.'hr 30 Minuton präscnlicrt 4 Ulir 15 Minutrn Xach:uitta;;<.
*) l'll)end.i>ell>st. (\»mci»t.
I)ic Legion Klarixa l*y>>. ~\
354
K 1 c ti a s t.
• Die von der Klapka'schen Legion rückkehrenden Kriegs-
gefangenen sind anzuhalten und dem nächsten ^lilitär-Stations-
Commando zu übergeben. Diese haben und zwar die dem Civil-
stände Angehörigen der poHtischen Behörde zur Absendung per
Schub in ihren Heimathsort zu übergeben, jene vom Militär jedoch
unter Escorte in kleineren Partien nach Krems .abzusenden vmd
von jedem Abgehen eines solchen Transportes hieher die Anzeige
zu erstatten.«
"Desgleichen ergeht hiemit der Auftrag, auf die etwa von
den Kriegsgefangenen mitgebrachten Proclamationen zu invigi-
lieren. Ofen, am 9. October 1866^).«
Das 9. Jäger-Bataillon trat am 9. October den Marsch von
Bellus nach dem nördlich gelegenen Sillein an. Schon während
desselben fielen ihm 60 Legionäre in die Hände. Bis zum 12.
October nahmen die Abtheilungen des Bataillons 143 Mann in
Legions- Uniform gefangen, welche unter starker Bedeckung in
zwei Transporten von 80 und 63 Mann am 11. und 12. October in
Fussmärschen von Sillein über Puchov, den Lissa-Pass und Wisowitz
nach Xapagedl aufbrachen und von dort mit der Kaiser Ferdinands-
Nordbahn am 18. und 19. October in Wien eintrafen*).
Inzwischen waren auch in der Hauptstadt und in vielen
anderen Orten Ungarns zahlreiche Legionäre ergriffen worden.
So in Pest bis zum g. October 1 7 Mann ^j, am 1 1. October einmal 67
und dann wieder 18 und noch einmal 57, zusammen 142 Mann,
welche noch desselben Tages nach Wien abgeschickt wurden*;
und dortselbst am folgenden Tage in der Stärke von nur
138 Köpfen anlangten; so femer bis zum 11, October in Alsö-
Kubin 32 Mann, in Ne^usohl 60 Mann, in Losoncz 64 Mann*\), bis
zum 12. October in Neutra 21 Mann''), bis zum 15. October in
Gran 27 Mann, in Pt\st 22 Mann, in Miskolcz 7 Mann, in Xeu-
* (iciK'ral-(*ommaiuio Olcii, Präs.-Xr. lo<)2^ <>. Ottober Ibbb, Conccpt.
') ricneral-(.\)iiiman«lo Wien, Abth. l, \r. 17.324, 10. October; Xr. 17.524,
II. Ociober; Abth. 2, Nr. 5217, l<). October, Nr. O475, 20. Deceniber 18O6. illiebci
die MehiuM^ (le> Wiener Tran^^portshau-e^ vom 23. < )ctol)er.) Kreni>er Acten Nr, 32.
^Meldiin^ «Ic** «K jii^'ei-Iiataillnns au- Silkin, \(>m 12. Oclc»l)er ih/i/). Orij^inal.)
( icneral-Coninianilo Wien, Abth. 2. Nr. 5125. 12. ( >ctober lSf>(>.
■' (iiiural-( omnumdo Wien. Abth. i. Nr. I7.4'»(», 17.53'» inui 17.53«», 12. October:
Abth. 2, Nr. 52^2. 17. Oili»ber lS(>(..
1 rn.-iH-r;.l-<n:unhir.<ln Ok-ti " 'i-..-''' "»^ '' " "»l.or INGO.
I)ie Legion Klapka 18G6.
355
sohl abermals 60 Mann\), bis zum 16. October inWaitzen 74 Mann-),
bis zum 24. October in Rima-Szombat 13 Mann*;; so femer nach
und nach einer, zwei und mehrere Legionäre in Ofen, Pest,
Monor, Mende, Gran, Sze^yedin, Erlau, Szolnok, Kaschau, Nagy-
Körös, Kaposvar, Kesmark, Eperies, Fünfkirchen, Oedenburg,
Komorn, Kecskemet, Gross-Kanizsa, vSillein, Mezö-Thur, Neusatz,
Hermannstadt u. s. w. Auch in Galizien, Mähren und Nieder-
österreich wurden einzelne Leg-ionäre zu Stande gebracht^).
Die grosse Mehrzahl der Hrgriifenen passierte auf dem Weg'e
nach Krems natürlich Wien. Im Transports- Sammelhause daselbst
waren laut einer Meldung* des Commandanten desselben vom
23. October'') bis zu diesem Tage eingetroffen, und zwar:
am 8. October 575 Mann aus Oderberg
>»
10.
185
Schönbrunn
12.
20
>' Friedek
12.
138
>■ Ofen
13.
46
Neutra
14.
3
Crran
15..
30
Komorn
16.
9
» Miskolcz
17.
80
Komorn
18.
79
•• Sillein
19.
63
>• Sillein
20.
2
^ Ofen
20.
i)
K aschau
20.
">
Miskolcz
2 I.
I
?
2 1,
'J\\schen
2 1.
6
^Miskolcz
2 2.
I >•
^liskolcz
2 2.
4
• Of<m
23. _
35
Waitzen
Zusammen . . . 1204 Mann.
') riencral- Conimando \VitMi, Aluh. 2, Nr, 5272. r8. OcIoIkt ; Xr. 5275.
I<>. October; Nr. 527^, l<). ()ct»)l);-r: Xr. 520H, 20. Octobi-r lSO(».
-) ICbL-nda. Xr. 5^>35, 2. Xovcmber l860.
') lü)cn(la, Xr. 5502, I. Xi>vembfr l80(i.
■* J)it' JU-U'j^e für .'ill' (las im J^inzclncn an/.iilührt-n i^t wohl übcrtliU'^i^.
'' Ab-ichrililicho Ikilaj^e /u (TiiRTal-('oinniainlo Wim, Abth. 2, Xr. 6473.
2'>. 1 )«.*(." «.nibt-r lS(><».
23*
356
K i e n a s t.
Am Tage nach dem Eintreffen des ersten StafFels der Legion
in Wien, d. i. am 8. October, erliess das Kriegs-Ministerium
folgendes Befehlschreiben an das ^Militär-Stations-Commando in
Krems : »Die Landes-General-Commanden zu Wien und Ofen
werden von hieraus angewiesen, die nunmehr aus der Kriegs-
gefangenschaft zurückkehrenden ehemaligen Angehörigen der
Kl apk ansehen Legion einer Classifficierung zu unterziehen und
Diejenigen, welche wirklich der k. k. Armee angehört haben, nach
Krems abzusenden. Wegen Vornahme der gerichtlichen Unter-
suchung werden die weiteren Weisungen vom hiesigen (d. i. dem
Wiener; Landes-General-Commando folgen').*'
Gleichzeitig wurde dem Wiener General-Commando folgender
Erlass zugestellt: *Die heute Nachts im hiesigen Transportshause
aufgenommenen 575 Mann Kriegsgefangener, resp. Angehöriger
der Klapka'schen Legion sind, insoferne sich nicht bei Einzelnen
derselben constatieren lässt, dass sie dem Civilstande angehören,
in Partien zu 100 Mann mittelst Dampfschiffes nach Krems zur
dortigen Untersuchungs - Commission abzusenden, welche hier-
wegen unter Einem von hier aus vorläufig die abschriftlich bei-
liegende Weisung-) erliält. Diejenigen Leute, welche nicht Militärs
sind, kommen in kleinen Partien mittelst Schubes in ihre Heimath
abspedieren zu lassen.«
•In analoger Weise ist das Landes-General-Commando zu
Ofen bezüglich des Vorgehens gegen 930 Mimn der gleichen
Provenienz angewiesen worden '), die am 7. d. M. von Oderberg
aus sich gegen die ungarische (xrenze zerstreut haben. Dasselbe
hat den Auftrag, wegen eventu<^ller Abspedierung dieser Leute
nach Krems sich mit dem Landes-General-Commando (Wien) in
das Einvernehmen zu setzen.
Nach Mittheilung mehrerer Nachrichten über das Auftauchen
von Insurgenten-Schaaren, z. B. der von Hauptmann War eka
festgenommtMien, deren Zusammenhang mit d(*m zweiten Staffel der
aufgel()st('n Legion damals in Wien noch nicht erkannt wurde,
fährt der Erlass fort: ^Das Landes-General-Commando hat diesem-
nach im eigenen .\mtsbereiche alles Erforderliche zur Habhaft-
werdung dieser sämmtlichen rückgekehrten Kriegsgefangenen
' Krio;;<-Mini>icrial-liIrla«»s PriU.-Xr. 105, cS. ()ct«»l>er IJS^'». Kremser Aden
Nr. II. * )ri;4iiial.
-'» Dill vorNtohtiid init;;fthciltcn '^V'-'s« '' •- ""*'
Die Legion Klapka 1866.
357
einzuleiten und dieselben successive in der Eingangs erwähnten
Weise zu behandeln«
»Das Landes-General-Commando wolle daher hiemach mit
Hinblick auf die hierortigen Rescripte vom 9. und 10. August d. J.,
Abth. 5, Nr. 3644 und Abth. 4, Xr. 1552*), wegen vermehrter
Zuweisung von Auditoren, der weiteren Amtshandlung und der
entsprechenden Anweisung der Untersuchungs-Commission das
Weitere sogleich veranlassen-).«
Zur Durchführung der in den vorstehenden Erlässen an-
geordneten Classificierung der Legionäre bestimmte das General-
Commando Wien die Auditore Mihailovic des Husaren-
Regiments Xr. 9 und Seiden des Infanterie -Regiments Xr. 32.
Aus der bezüglichen Verordnung an das Stadt- Und Platz-Com-
mando geht hervor, dass man an den massgebenden Stellen —
warum, dass wird nicht klar — noch immer der Meinung war,
die Legion habe viel mehr nichtmilitärische, vorher nicht in der
k. k. Armee gestandene Elemente umfasst, als es thatsächlich der
Fall war. Gegen diese Elemente durfte nach dem Prager Frieden
nicht vorgegangen werden. Darauf war man fast ängstlich be-
dacht. In der erwähnten Verordnung heisst es: >'Da jedoch unter
diesen momentan hier Internierten sich so Manche befinden dürften,
welche etwa gar nicht dem Militärstande angehören, oder doch
nicht in die Legion Klapka's eingereiht waren, so ist es von
besonderer Dringlichkeit, die sämmtlichen, in der Heumarkt-
Kaserne gegenwärtig untergebrachten Internierten gleich daselbst
vorderhand blos in der Richtung commissionell einvernehmen zu
lassen, um zu constatieren, welche von ihnen sich schon jetzt als
dem Civilstande angehörig oder ganz unzweifelhaft gar nicht in
feindliche Dienste getreten legitimieren können, in welch' einem
oder dem anderen dieser beiden Fälle die Betreffenden gleich
wieder in Freiheit zu setzen und den zuständigen Behörden mit
den gehörigen Eröffnungen über die vorsichtsweise (geschehene)
Internierung und deren Auflassung ordnungsmässig zu übergeben
sind. Das gruppenweise und ohne alle Weitläufigkeit in (xegen-
wart von Officieren vorzunehmende Verhör sollte spät(*stens am
I o. October unter Leitung des Rittmeister- Auditors Mihailovic
*i Siehe (Ut'>clben oben S. 334 und ff.
-) Krie;;s-Ministerial-Krlass Prä<.-Xr. 165, 8. October 1K66. Das von FML. John
efertij^te Original sub (leneral-Commando AVien, Abth. 2, Nr. 5062, 10. October 1866,
358
K i e n a s t.
begonnen und dann alle Internierten, bei denen sich auch nur
einiges Bedenken zeigte, dass sie der Legion einverleibt gewesen,
selbst wenn sie aus derselben zum Zwecke der Selbstmeldung
bei ihren Truppenkörpern entwichen wären, so bald als möglich
in grösseren Partien unter entsprechender Escorte nach Krems
abgesendet werden*).
Das Verhör gestaltete sich sehr einfach. Rittmeister- Auditor
Mihailovic konnte noch am lo. October berichten, »dass die
sämmtlichen, aus der preussischen Kriegsgefangenschaft hieher
eingebrachten Individuen, bisher 725 an der Zahl, ohne Ausnahme
feindliche Dienste in der K 1 a p k ansehen Legion genommen haben.
Sie tragen alle die Uniform der Legion und gestehen offen und
einstimmig, während ihrer Kriegsgefangenschaft zu jener Legion
übergetreten zu sein^).-»
Bevor daher noch das General-Commando Wien in Folge
des Präsidial-Erlasses des Kriegs-^Ministeriums vom 8. October
seine Weisungen vom 10. an das Stadt- und Platz-Commando in
Wien, an das Landes-Gendarmerie-Commando Xr. 4 zu Brunn
und an das Militär-Stations-Commando in Teschen wegen Auf-
greifung und Behandlung der sich zeigenden Legionäre abge-
sendet hatte ^), waren die ersten hundert Legionäre schon zum
Transport nach Krems bereitgestellt, womit denn am 11. October
auch wirklich begonnen ward.
An diesem Tage erliess das General-Commando auch die
Verordnung, dass ausser dem bereits in Krems befindlichen
Hauptmann- Auditor Joseph von Seidel des Genie-Regiments
Xr. 2, welcher die Untersuchung der ersten, im August und
September dort eingetroffenen Legionäre leitete, auch noch
Rittmeister- Auditor Johann Mihailovic des Husaren-Regiments
Xr. 9 und Oberlieutenant-Auditor Carl Seiden des Infanterie-
Regiments Xr. ^2 sogleich nach Krems abzugehen hätten, um
die Untersuchung der dort nun rasch und stark vermehrten Klapka-
Legionäre mit aller Kraft aufzunehmen und so bald als möglich
zu beenden. Mit der Oberleitung derselben wurde als Rangs-
^1 GeiUTal-Commandt) Wien, Ablh. 2, Xr. 5055, 8. Octt)ber 1866. Die Ver-
ordnunj^ enthält keinen iiczii^ auf einen h«")heren Krlass, ist daher noch vor Einlangen
des letzteren 1 I*räs.-Nr. I(>5 vnni 8. Octül)er) oHenh*»«- -»u*' '^-"jp'' "■'•"'«>d)'''hcr Instruc-
tionen entstanden,
- **-ric]U Mihailovic ,()rij;inali -^i- *"••' • ■in..indo Wien,
Die Legion Klapka iStVi.
359
ältester Rittmeister - Auditor M i h a i 1 o v i c betraut. ZujLi^leich
traf das General-Commando auch die Verfüifungen, dass zur
Heaufsichtijjfunj^ der Legionäre, ausser dem bereits in Krems
befindlichen Hauptmann von Szeiff, noch Hauptmann Leopold
Weber des ^2,, dann die Obt^rlieutenante Anton L e i p o 1 d e r
des öQ. und Joseph C z e d 1 i des 68. Infanterie-Rej^ments eben-
dahin commandiert wurden').
Noch während des andau€»mden Abtransportes der Legionäre
von Wien nach Krems waren dem Kriegs-Minister FML. John
anonyme Anzeigen zug'ekommen, dass .sich im Besitze der
Lej^ionäre auffallend viel (xeld und Werthg'ejjfenstände befanden,
auch dass diese verdächtitre Reden führten, wie : in einem Jahre
werde Unj^am nicht mehr zu Oesterreich j4"ehören, die Franzosen
und Preussen würden den Ungarn wieder helfen, auch die Böhmen
würden sich nicht coujonnieren lassen ; die Legionäre seien von
der Kmigration und den Preussen angestiftet, für deren Zwecke
im Lande und in der Armee Propaganda zu machten. Die einge-
leitete Untersuchung ergab (man möchte fast sagen : selbstver-
ständlich) keine Bestätigung dieser Anzeigen. Der Commandant
tles Iransports-Sammelhaustw, Afajor Hungerbüchler, meldete
schon am 23. October über den Gegenstand: »Man hat zwar hie
und da Ringe bei denselben iscil. den Legionären» wahrgenom-
ni<»n : ob di<»se aber eclit oder unecht sind, konnte nicht «»rmittelt
w<»r(len. Von sonstigtm werthvollen Schmucksachen ist aber nichts
an ihnen b<*merkt worden. Der <;rsteingerückt<* Transport war
allerdings mit Geld v<'rseh«»n, doch war dies nicht auffällig, W(?il
diese Leute kurz vorhtT ihre Abfertigung erhalten haben. Dass
M«* (h'r Iraiteurin Schmucksachen verkauft haben sollen, ist hier
unhtfkannt; dass sich aber einige d<Tsrlben neue Wäsche b«'i-
Nchatft«Mi, ist allerdings wahr, weil die rinzige, die sie am I^eibe
trugen, ganz zerrissen war und bereits Spuren von Ungeziefer an
Mch trug. •
Die (tespräche, die sie untereinander führten, sind hier
unl)«*kannt; auch lässt sich nicht erniitt(*ln, wem sonst g«*genübt»r
sie solrhe geführt haben kc'mnten, weil si<* von allen übrigen
(Transf'neu' abg«»sperrt und Tag und Nacht v<»n Schildwachen
beaufsiclitii^'t worden sind.« Im Uebrigen gab ihntm Maj(»r
H u n LT e r i> ü c h 1 er das Zr^ugniss, dass sich die bisher im
36o
K i e n a s t.
Transportshause befindlich gewesenen 1294 Mann dieser Legion
ganz ruhig verhalten haben, demnach nicht der mindeste Anstand
veranlasst wurde«.
Die trotzdem weitergeführte Untersuchung dieser Sache
ergab kein anderes positives Resultat').
Militär-gerichtliche Untersuchung in Krems und ihre Resultate,
Der Transport der Legionäre nach Krems begann, wie
bereits bemerkt, am 1 1 . October. An diesem und dem folgenden
Tage wurden je 100, am 13. üctober 345, am 14. sogar 419
Mann mittelst vSchiffen der Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft
befördert. Die Leute der ersten drei Transporte hatten noch die
Legions-Uniform am Leibe; am 13. Abends aber wurde dem
Transports-Sammelhaus-Commando befohlen, ihnen vorschrifts-
mässige ärarische Monturssorten, so weit der Vorrath reiche,
wenn auch solche minderer Oualität zu verabfolgen, die Legions-
Uniformstücke jedoch abzunehmen und im Magazin zu hinter-
legen. In Folge dessen erhielten von den letzten 419 Mann noch
in der Xacht zum 14. October 415 ärarische Mäntel, 419 Waffen-
röcke, 230 deutsche und ungarische Hosen und 29 Lagermützen.
Damit war der augenblickliche Vorrath des Transportshauses
erschöpft und es wurde daher erst die Monturs-lIaupt-Commission
in Stockerau angewiesen, für eventuell neu zuwachsende Legionäre
dem Wiener Transportshause Monturs-Vorräthe abzugeben*;. Der
am 17. October nach Krems abgehende Transport von 121 Mann
dürfte daher wieder in Legions-Uiiiform befördert worden sein,
während die folgenden, und zwar 79 Mimn am ic)., 76 Mann am
20., iS Mann am 22, und t^^ Mann am 23. October wahrschein-
lich wieder mit ärarischen Uniform-Sortc^n b(»th<Mlt gewesen sein
dürften'').
'» Oeneral-Coinniando Wien, Abth. 2, Nr. ^»475, 20. Dccemher l866. (Enthalt
den jjaiiZLMi L'nlersuchuni^'sacl iU*s Wiener Garnisons-Gcrichtcs, dahri auch den ver-
anla>S(.Mi«len Krie;,'s-Ministerial-l'-rlass !*räs.-Nr. 337 vom 17. <Jctol>?r 1S66 und den
abschriltlichcMi lU-richt des Majors H u n <j e r b ü c h 1 e r vom 23. ( >ctober 1866. 1
- ricn«Tal-Command(> Wien, Abth. I, Nr. it.T""" "'-^ "nd Nr '7.888 vom
16. Octnbor ISOO.
Die Stii»-^''* der 'rran>j)orte bis ?.^.> >.eits mehrfach
Die Legion Klapka 1866. ^5l
Hiemit hatte die Zahl der Legionäre in Krems an dem letzt-
genannten Tage die Ziffer 13 14 erreicht. In verschiedenen
grösseren und kleineren Tran^sporten kamen, zumeist auf dem
Wege über Wien, bis zum 23. November noch 191 Mann dahin,
so dass an diesem Tage, an welchem die Untersuchung in Krems
abgeschlossen wurde, im Ganzen 1505 Legionäre dort anwesend
gewesen waren M.
Da sich am 14. October bereits 987 Legionäre in Krems
befanden und an diesem Tage auch die Auditore M i h a i 1 o v i 6
und Seiden daselbst cnntrafen -), so konnte die Untersuchung
nunmehr mit der Hoffnung auf umfassende Aufklärungen über
die Entstehung und die Action der Legion begonnen werden.
Allein Rittmeister- Auditor M i h a i 1 o v i c war schon bis zum
17. October zur Erkenntniss gelangt, dass an eine rasche Beendi-
gung dieser Arbeit, wie sie ihm zur Pflicht gemacht worden, mit
den zur Verfügung stehenden Auditoriats-Personen nicht zu
denken sei. Er bat daher an diesem Tage um Zuweisung von
noch drei weiteren Auditoren. Das (xeneral-Commando verfügte
demgemäss am 21. October noch die Commandierung des Haupt-
mann-Auditors Franz von Varga des Infanterie-Regiments Xr. 68
und des Rittmeister- Auditors Dr. Hippolyt Walter des Husaren-
Regiments Nr. 10 nach Krems ^).
Inzwischen hatten aber besonders die Auditore Alihailovic
und Seiden die Verhöre der Legionäre mit grossem Aufwand
an Eleiss beg(mnen (Hauptmann- Auditor Seidel war durch
andere Dienstesobliegenheiten vielfach abgehalten) und wurden
bald von den neuzugewiesenen Kräften eifrig unterstützt.
Das Verhalten der Legionäre gegenübi^r den Untersuchungs-
richtern war ein ziemlich gleichmässig zurückhaltendes. Offenbar
haben sie sich darüber vorher besprochen, was sie aussagen
sollten, ohne sich möglicher W(?ise in eine* allzu grosse Strafe
hineinzub(;ichten. Daraus allein schon geht hervor, dass die
*i JU'richt <les Militür-Stjitions-Commandos Krems vom 23. November bei
General-(,'omm:in(lo Wien, Abth. 2, Xr. 62 13, 2(i. November l866.
-} Bericht des Militär-Stiitions-('ommandos Krems vom 14. October sub Gcneral-
('omiiiando Wien, Abth. 2, Xr. 5266, 17. October 1S66.
-') (ieueral-('()ninKind() Wien. Abth. 2, Xr. 5307, vom 21. October l86(>. (Bci-
licj^cnd der Bericht M i h a i 1 o v i c. ■ JJezüjjlich de.s Auditors Dr. Walter vergl.
oben S. iS«, Anm. I.
302
Ki e n a s t.
Meiston die Bedeutung" ihres Eintrittes in die Leg'ion wohl
erkannt hatten. vSehr viele Charg'en g'aben vor, den Schritt, ab-
gesehen von der Wirkung des moralischen und mehr oder minder
materiellen Zwanges durch Ueberredung, Beispiel, Hunger, Arbeit
u. dgl., in der stillschweigenden, auch öfter mit Kameraden
besprochenen Absicht gethan zu haben, um wieder in ihre alten
k. k. Regimenter zurückkehren zu können. Wäre diese Absicht
wirklich bei so Vielen vorhanden gewesen, als sie gehabt zu
haben vorgaben, so wäre wohl einerseits die Desertion aus der
Legion stärker ausgefallen^) und anderseits hätten Manche nicht
gar so gerne sich überzeugen lassen, dass sie ihrer ferneren
vSoldatenpflicht in der Heimath ledig seien und »als Civilisten«
nach Hause gehen könnten. Dass sie eventuell gegen die kaiser-
lichen Truppen würden kämpfen müssen, scheint Vielen nicht
klar geworden zu s(ün. Nichts deutet darauf hin, dass sie die
Bedeutung der mit der Fertigung V e 1 1 e r's und K 1 a j) k a's
unter ihnen vertheilten IVoclamationen, besonders der letzteren,
erfasst hätten, oder — die Leute schweigen kluger Weise einhellig
darüber. Die Aussagen wurden überhaupt von Tag zu Tag kürzer
und auch gleichartiger.
Charakteristisch für die Erkenntniss des begangenen Fehl-
trittes sind die Aussagen über die Cardinalfrage nach dem
Fahneneide. Die Meisten wollen denselben nicht geleistet haben,
vorwiegend aus dem Grunde, >'Weil das nicht gefordert wurde;*
blos mit ]{ljen seien die Anreden Csäky's und Klapka's und
Anderer am 26. Juni erw'idert worden. Mit ihnen gerathen aber
Diejenigen in Widerspruch, welche bei dem feierlichen Acte
nicht anwesend waren und dann vor dem Untersuchungsrichter
mit erkennbarer Befriedigung über die günstige Ausflucht die
Ursachen angaben, die sie von dem Eide fernegehalten hatten.
Der Eine war gerade als Ordonnanz in Klapka's Quartier in
Xeiss(* abwesend, ein Anderer besorgte eben zur Zeit den Ein-
kauf von Meniige-Artikeln, t'in Dritter lag krank im Lazareth,
ein Vi(*rter hatte noch keine Montur oder noch keine Waffen,
ein Fünfter will sich sogar von dem Acte wegg« »schlichen haben
u. s. w. Xur (»in Unterofficier unter mehreren Hunderten, Zugs-
führer Emerich von Prikkel d^\s Infanterie- Regiments Nr. 46,
f I • »- — ■ ..^ |r -\l-
Die Legion Klapka 1866. 252
gestand am 27. October ausdrücklich: ». . . habe dort zur National-
Fahne den Eid geleistet . . .^).« Hoffentlich ist der Mann nicht nur
desshalb so aufrichtig geworden, weil er vielleicht erfahren hatte,
dass es vor ihm schon einige Andere gewesen. Johann Hutka
hatte am 17. October deponiert, Klapka solle gesagt haben,
»ein förmlicher Eid sei nicht noth wendig, weil man voraussetze,
dass jeder Ungar wisse, was Ehre ist und dass Jedermann sein
Versprechen halten werde«. Darauf habe die ganze Legion
geantwortet: »Ja, wir versprechen, der Fahne treu zu bleiben I"
Derselbe Hutka aber erschien am nächsten Tage nochmals vor
der Untersuchungs-Commission mit der Bitte, seine Aussagen
vervoUstänäigen zu dürfen. Er that es mit folgenden Worten :
•In meinem Verhöre habe ich etwas verschwiegen und unrichtig
angegeben, worüber ich mir Vorwürfe mache. Die Kameraden
haben mich nämlich gebeten, vor Gericht nicht einzugestehen,
dass man uns auf die ungarische Fahne beeidet hat. Sie glaubten
dadurch ihre Strafbarkeit zu verringern. Mir lässt aber mein
(Gewissen über diese Lüge keine Ruhe und ich gestehe, dass
man die Legion am 24. (richtig am 26.) Juli gelegentlich der
Fahnenweihe beeidet hat, wie folgt: ,, Wir werden vor Gott, dem
Allmächtigen einen feierlichen Eid schwören, für die Befreiung
Ungarns und für dessen Selbstständigkeit als w^ürdige Söhne des
Vaterlandes zu kämpfen, unser Blut und Leben dafür zu opfern
und der Nationalfahne treu zu bleiben." Darauf riefen alle
Legionäre: „Wir schwören darauf!*' Diesen Eid hat der Oberst
M o g y o r 6 d y im Carre vorgelesen etc. -).«
Nur wenige Unterofficiere Hessen sich zu einem aus-
führlichen Geständnisse herbei. Es waren dies die Feldwebel
Johann Hutka und Anton Reinhart, die Führer (iregor
K i s s, Ignaz M d r t o n y und Joseph T a k a c s, dazu auch der
Gemeine Ludwig H o r v a t h, sämmtliche des Infanterie-Regiments
Xr. 46, welche in den Tagen vom 17. bis ig. October dem Ritt-
meister-Auditor Mihailovic, vielleicht nicht ohne Verdienst
desselben, ihre Erinnerungen und Enthüllungen zu Papier gaben.
Hutka, Reinhart und H o r v ä t h waren Officiere , K i s s,
^I a r t o n y und T a k ä c s Unterofficiert» der Legion. Die
wichtigsten Aussagen machte Hutka, der gewesene Adjutant
'1 Kremser Acten Xr. 117.
*^i Kremser Acten Xr. ir8.
364
K i e n a s t.
des Obersten Mog-yorody, der seinen Fluchtversuch von der
Legion in Turzovka beinahe mit dem Tode hätte büssen müssen.
Die Einbekenntnisse dieser Sechs im Vereine mit den
partiellen Geständnissen einzelner anderer Legionäre machten es
möglich, schon dem ersten der ang'eordneten vierzehntägigen
Berichte über den Stand der Untersuchung »eine actenmässige,
die ganze hochv-errätherische Bewegung der Legion umfassende
Darstellungof beizulegen.
Die von dem Rittmeister- Auditor Mihailovic verfasste
und am 28. October datierte »Relation über das Ergebniss der
Untersuchung gegen die zu Krems internierten Individuen
der K 1 a p k ansehen Legion^)« behandelt die Thatgeschichte in
den Abschnitten : Lage d(tr Kriegsgefangenen vor ihrer An-
werbung zur Legion ; Stimmung und militärische Gesinnung der
Kriegsgefangenen vor ihrer Anwerbung; Beginn, Verlauf und
Beendigung der Werbung; Reibung zwischen den Ueberläufem
und den Treugebliebenen ; Rädelsführer ; der vorgeschützte Zwang
zum Uebertritte; Inscription in die Legion; Organisierung,
Stärke, Montur und Rüstung; Beeidigung auf die ungarischen
Nationalfahnen; Abmarsch aus Xeisse nach Ungarn; Einfall in
Ungarn ; Rückzug aus Ungarn ; Auflösung, Abfertigung und
Heimkehr.
Da alle in Krems einvernommenen Legionäre, selbst auch
der Kronzeuge unter ihnen, H u t k a, eigentlich doch nur in
untergeordneten Verhältnissen in der Legion gedient hatten, so
ist begreiflich, dass bei dem Abgange von controlierenden amt-
lichen und IVivat-Documenten, wie sie heute zur Verfügung sind,
trotz aller Mühe der Auditore aus dem ihnen zu Gebote stehenden
einseitigen Materiale weder eine vollständige, noch eine ganz
richtige Darstellung der Legionsgeschichte vom Juli bis Anfangs
October resultieren konnte. Während die Angaben der Relation
über die Verführung der k. k. Soldaten, über das Organisatorische,
über den Fahneneid, über die Auflösung, Abfertigung und Heim-
kehr der Legion, kurz, über All<\s, was man in Wien vorzugsweise
wissen wollte, auch vor si)ät<.Ter Forschung sich im Wesentlichen
als stichhältig erweisen, sind andere, besonders die Zeitumstände
nicht zu ihrem Rechtem gekommen. Wenn man bedenkt, welche
Irrthümer gerade in Bezug auf dio Zeit selbst [NT^n»* *m unter-
laufen sind, welc^T? & Kr-»i'rni<.- ^ »m. •^^ i'.-,w:<^.» Feder
r"T>-\ üf-
Die Legion Klapka 18(>Ö.
365
in der Hand verfolgten, oder Anderen, die doch gewiss nicht
ohne alle Älittel zur Controle waren, so wird man sich nicht
wundern, wenn sich im October bei den Legionären keine sichere
Erinnerung mehr vorfand, ob die Fahnenweihe am 24. oder 26.,
ob der Ausmarsch nach Oderberg am 26. oder 27. Juli u. s. w.
stattgefunden hat oder wann sonst. Aber auch über andere
Umstände, zum Beispiel über die Umkehr der Legion am 29, Juli
nach Schillersdorf und den mehrtägigen Aufenthalt daselbst u. dgl.
waren die Legionäre im Unklaren, wie denn auch bei einer
regulären Truppe der gemeine Mann und der Unterofficier, ja
oft selbst der subalterne Officier über di(; Bedeutung und die
Motive der Vorgänge, an denen er doch betheiligt ist, zumeist
unaufgeklärt bleibt.
Die Relation kommt zu dem Schlüsse, dass die Legionäre
einerseits wegen der durch mehr als zweieinhalb Monate an-
dauernden Berührung mit der Emigration, anderseits wegen der
Wirkung dieser Berührung auf das beschränkte Urtheil des
gemeinen Mannes dermalen ^militärisch und politisch total corrum-
piert und dass sie für ihre nächste Umgebung, sei es im Civile, oder
in der Truppe in hohem Grade gefährlich« seien. »Ihre w^illige
Aufführung in der letzten Zeit und die an ihnen wahrzunehmende
Niedergeschlagenheit vermag die Riclitigkeit dieser Anschauung
nicht zu alterieren. Sie fühlen, dass sie unter der früheren
Militär-Zucht und Ordnung stehen und fürchten vorläufig die
Strafe. Von ihrer politischen und militärischen Verdorbenheit
sind sie gar nicht gelu;ilt; ihre ( refährlichkeit ist blos zeitlich
verborgen, um sich bei sich ergebender (xelegenheit wieder zu
rühren." %
lli(»ran schloss der Auditor sein (nitachten: Diese Gründe
legen mir die Pflicht auf, meine ganz unmassgebliche Meinung
dahin auszusprechen, dass die sätnmtlichen Internierten *) nach
der volh^n Strenge des (iesotzes zu bestrafen w\iren : d) weil sie
zum Uebertritte in die Legion, wi<.* actenmässig erhoben vorliegt,
zwar aufgefordert, beredest und g( »lockt, aber nicht gezwungen
worden sind ; /;) weil »sie politisch und militärisch sehr getahrlich
sind und nach d(»m gewöhnlichen Lauf der Dinge auf Jahre
iiinaus gefährlich bU»iben w^erdcn; r) weil sie nach Recht und
(besetz Straf(i verdient habcm ; //) w<*il ihre Straflosigkeit auch
An(l(M-<^ zu gl(?ichen Verbn^chen (»ncouragieren würde: e) wril
'; Damals bcrtil-s 1500 Iviiplc.
-« I I . K i c n a s t.
dir Stiituicruiv^ rinrs abschrc^ckunden Heispiels vom militärischen
Stall« lj>unctfj im Intt»r<\ss(^ <h*r AniKM» i^eboten erschoint.«
Uebcr (las vStadium drr Unt(?rsu(*hun^ bericht<*te Mihailovir-:
I)it» vr«^vC^^'i dif? C'harv^rn und Räd(»lsführor anj^'oordiK'te kri«*g's-
n»rhtlirli(^ Unt«M->iichuni4" ist bereits bis zur Abhaltunj^ des Krij^vT^-
rechts j^^edi(»h«*n, \velche> statttindeu wird, sobald die bereits ein-
^•eleitet«'!! J^rhebiinj^eii tfinlanjjcen.-
l)ie Abli<")riing- der übriis^en Mannschaft in der mittelst Ver-
ordnunvr des holion k. k. Krie^^^s- Ministeriums vom lo. August
kiut(Miden Jahres, Abtheiluni^'" 4, \r. 1552, bezeichneten Richtunj^^ ')
sclireitet bei d(»r Konntniss der un^^arisclien Sprache der Unter-
suchun>4"sricht(M-, Herren Rittineister-Auditore Dr. Walter und
Vari^^a, (kmn d«*s l leiTn ( )b(»rlieutenant-Auditors Seiden rasch
v(>r\värts und dürfte nocli vor 14 Taijfen beendigt werden.«
Das Militär-Stations-Conimando Krems schloss sich in seinem
Berichte vom 2g. Ortob^M*, w(d(*li(?m die Reflation ^lihailovic
beij4-(dei^''t wurde», d(»m (lutachten dos Auditors an und fügte
hinzu: Sollte* abt»r von der j^'esetzliehen Strafe, auf welche
v('esj)rochi?n werden wird, aus Rücksicht auf die grosse Anzahl
der Scliuldij^en, od(»r aus anderen, nicht militärischen Gründen
rmi4"ani^ ir^Miommen werden, so wäre ich-) der Meinung, die
sänmitlichen Lej^ionäre sot^lt^ich in Disciplinar-Compagnien^) ein-
theilen zu lassen. Dadurch würdig zunächst vermieden werden,
dass diivse Verbreclier mit anderen (»hrliclien Soldaten und mit
den, unter di^n härtesten I^ntbelirunLifen treujufebliebenen Kriegs-
vfefani^^enen uni^fari^rher ReLTimenter auf gleiche Weise behandelt
werden. In dieser iMntlieilung würden auch für den gemeinen
Mann eine Art ( ieiuiLi^thuunn" lür seine standhafte Treue liegen;
' Siriu- iiIm-ii ^. ^%; uiwl :.
« »luTst AlIrL'il voll li :i f i! IM «' n, • «Mnm-.in'hint dc"^ Genie-Regiments Nr. I.
.hi:;..il- .■•iL;li'i*'h Milirir-Slatii)n<-( nuiniaiiil.iMt /u K?rin-.
l'i" -eil 1^51 l)i;«*U'hcii*li Ti DiMJplm.ir-C^oinpa^nien , deren durch da»
* >r:^ ijji« .' -■ "^t.itiii t'it «lit- k. k Ai:i vnm Jahre 1S57 je eine nach IComorii.
M i:ifi: ;. <\.'NI:i:;:. ' ■ tii'«\ .n, < »liiiiit.' iiji'l riu"H"sii.-n>ta It vorlejjt wurtle, hatten »die
\\'i.'.ir,'.i;i^', ili- i-!ii^' . \\-.;'ii «•/■•hri-iili-i ^^^\x^r l)i"»-;^raitftrr Vrr]>rochen bereits wieder-
!.■•!! :'':,'>«i< ^ iiilii li '■ «t- .1! ■■ M.i-i;i*;i halt aul>ini'*him.*n, /.u ilomi ITfberwachuni* und
;•. "'■ i;:i^ <\u Anw-:' lun.; lH-.iiij.|.'!.r M i-^rr^^rlii «lutcliau^ nothwendig erscheint.
''>• ^1- .' 1; *. -i:.'! aii «In bi-i ijliiri:-« .iri:|-;.^:.i ■:» «lii-jciii^t:» I.outc al)zu;«cben. Welche,
'■'-'■:''' ■' li ::: ^i k: :>..-• -i li'li- !i !)■ -tr:i;i, ;i ilili'i.ii i:i-tälirlich siml und desshalb
!■■■:■.■■.'.■■:■ I.:':ili-- .■: i!.t.: I-upj'- ..■;- i".!-ii i».l.T lii'>or^cn lassen« Im Jahre
' " ' ::.■!'.;■: 1 ). .i.I.:!,:-« i'iij. i^:.i.-:i uihl zwar Nr. I in Thcresien-
-' •'. ■'"•' - ■■ ' I ■: i.J,;, N'- .^ '"' •''.:;..!. i;ii'l N:. \ m I i:ere<icnstadt.
iMc l.ej;i<>n Klnpka \bO\
5*n
denn die Satisfaction aus dem Selbstbewusstsein der erfüllten
PHicht kennt er bei seiner niederen Bilduntif nicht, weil ihm der
moralische Aufschwunj^ dazu f(^hlt\'.'<
Den j;"anzen Act lej^te das Landes-(Teneral-(\)mmando Wien
am I. November dem Krie^s-Ministerium vor, indem es unter
Anderem dazu bemerkte; Die von der Untersuchunjjfsbehörde
t^eltend j^emachten Gründe erachtet aucli das (ieneral-Commando
als ^anz richtig bis auf den einzij^en Umstand, dass man wohl
Kinzelne, aber nicht die )j;Tosse Masse dieser Kxlejjfionäre auf
Jahre hinaus für politisch und militärisch sehr ji'efährliche Indi-
viduen, sondern nach der obii^<»n Relation als fast durchi^ehends
vt»rfiihrt(r Leute von j^(»rinj^er Auffassung hält, die bei stn»nger
Heaufsichtigung und gleichztntig humaner Behandlung nicht
unwahrscheinlich ebenso schnell» als sit» bt^tlu'irt wurden, auf die
rechte Hahn zurückgebracht und dem Staate Meibend gerettet
wt^rden kcmnteii. Richtig dürfte ferner beurtheilt sein und als
besond(?rs massg(»bend erscheinen, dass nach d(»m von der könig-
lich j)reussischen Behörde jedem Kxlegionär zur Heimkehr mit-
g(*gebenen letzten Absatz in Artikel X des zwischen ( )esterreich und
Preussen am 23. August laufenden Jahres abgeschlossenen Fried(»ns-
Vt^rtrage.^, das vorliegende Verbrechen des I lochverrathes straflos
zu bleiben hätte, wie dies bei den offenbar weit staatsgefiihrlich(»ren
Verführern d^s Civilstandes thatsächlich der Fall ist-». Fs würde
sonach nur noch die Strafbarkeit nach den Paragraphen 100,
iS.:^, iSs lit. f., iSo und U)i d«»s Militär-Straf-< reM»tzes für di(*
mit dem Ilo(]iv«*rrathe (*c»ncurrier«*nde, w**nn nicht mit <l«*mselben
zusammenfallende Desertion, falls sir übt»rhauj)t als soh^he quali-
ficiert werden sollte, erübrigen.«
Aus der Absicht des Kriegs-Mini^teriums, üb^r di«» weiter»'
Behandlung der Legionäre die Allt»rhr>chste \Villensm<*inung ein-
zulioh*n'*, schlos^. das ( M»neral-('omman<lo, dass dieselbe -wcihl,
wrnn thunlich, ein Absehen von der ganz(*n <resetzesstP*ng«'
wid«*r die massenhaft \'t*rirrt»'n erk»Minen lass^'n dürfte , und
stt'llte demnach w»vsentlich mild«*rr Anträge, als die Kr<-m^er
rnlrrsuehungs-Commission, drr«*n \vichtigstt*r der war. nur all«'
('h.ir;^'fn, Käd»*Niühr«'r un<l sonst in hervorrag<*nd»'r W^'i^r an
A • M, 2 /u s ;;i «»rwähnt«"-; l'rr-- n-.Mi iin«l :itj <l(.-n «ir.i'fU s ,- h .- r i - I h •> - «..
- ^.- 1 '• ul- -i. s. 5 \2 \\\A :
368
K i e n a R t.
der Berodung der ^lannschafc betheiligten Beschuldigten mit der
geringsten Soldclasse in Disciplinar-Compagnien einzureihen, die
anderem Legionäre aber je nach besonderen Umständen in ihre
früheren oder in andere k. k. Regimenter einzutheilen^).'<
Einer ähnlich milden Auffassung hatte unterdessen das
Kriegs-Ministerium mit dem nachstehenden Erlasse vom 31, October
Ausdruck verliehen :
'^Mit Bezug auf den summarischen Ausweis, welchen das
Beaufsichtigungs-Commando der in Krems internierten k. k. Soldaten
unter dem 27. October dieses Jahres hieher vorgelegt hat-), findet
das Kriegs-Ministerium Folgendes zu bestimmen:
»Mit Ausnahme der internierten 878 Mann des Infanterie-
Regiments Xr. 4O, 59 Mann des Infanterie-Regiments Nr. 52 und
71 Mann des Infanterie-Regiments Xr. 60, dann mit Ausnahme
der Unterofficiere, der Rädeis fülirer und der sonstigen Leute
der übrigen Truppen, deren Rückbehaltung in dieser Unter-
suchungs-Angelegenheit nöthig erscheint, sind alle anderen Leute
sofort zu ihrem zuständigen Truppenkörper, vorausgest'tzt, dass
ders(»lbe richtig angegeben w^urde, einrücken zu machen.*
• Von der Mannschaft der Infanterie-Regimenter Xr. 46, 52
und 60 sind eb(*nfalls die Unterofficien», Rädelsführer und die
in der Untersuchungs-Angelegenheit nöthigen Leute auszuscheiden
und rückzubehalten, während die übrigen Leute, gleichmässig
vertheilt, zu folgenden Infanterie-Rogimenteni zu transferieren
und dahin sofort abzus(Mulen sind, und zwar zu Xr. i, 3, 4, 7, 11,
15, 17, iS, 20, 21, 28, 35, 36, 40, 41, 42, 47, 49, 59, 73, 75
und 77^)."
-liiernach ist das X'^()thige soghnch zu veranlassen und sind
dif» betreffenden Regimcinter mit dt^n Auftrage hie von in Kenntniss
zu setzen, dass die. auf (irund di(*ser Anordnung einrückenden
Leute, insoft »rne sie nicht in den R(\s(»rv(*stand g(*hören^), bei
den ersten drei Eeldbataillonen einzuth<»ilen, daselbst im Loco-
' (ieneral-Comn'.anvln Wien, Abth. 2. Xr. ;M'), l. November l86C.
-'. Xii'ht mehr vorhanden.
■| Durchaus Kf^^iinentor, <lic sich au-^serhalb der Länder der unj»arischen FCrone
er;^'!lM/.i«'n u:.d laut «le-^ •Militür-Schcniati>mus des «»stcrreichisclu'n Kui'^erslaates für
itSf)"« niil den l'Y'ldl».itailh'ncn au'^>erlr.dlj der unj^arischen Län<ler dish)C.icrt waren.
M I). h. im ML-unten oder /.rlintcn Jalirc ilirer jijesct/dichen Dii-nst/eit stehen.
weKdu" damaU im brioden in lichtactiver ' •rl)-.'»*«"«^^" ^ui»/-*- "-iit — • ' -.«^ Diese
Die Legion Klapka 1866. ^^q
vStcinde zu behalten und, abgesehen von der Urlaubs-Tour, erst
dann zu beurlauben sind, wenn sie sich durch eine längere Zeit
tadellos betragen haben ^).«
Die Sichtung der Legionäre in Krems nach den vom Kriegs-
Minist(»rium festgestellten Grundlagen war bis zum lo. November
vollendet. Nach der dem General-Commando und von diesem am
1 4. November dem Kriegs-Ministerium vorgelegten Nominal-Con-
signation beantragte das Militär-Stations-Commando Krems zur
Transferierung zu den in dem vorstehenden Ministerial-Erlasse
angeführten Regimentern :
740 Mann des Infanterie-Regiments Nr. 46
54 " " *' • »52
7Q » » » >> v> 5o
89 . » » ^ ,> 34,
Die mit Rücksicht auf die Absichten des letztangeführten
!Ministerial-Erlasses ganz gerechtfertigte, aber doch eigenmächtige
Entscheidung des Stations-Commandos Krems in Betreff der
89 Mann des Infanterie-Regiments Nr. 34 wurde vom Kriegs-
MinivSterium nachträglich am 17. November gutgeheissen und das
General-Commando setzte sodann am 19. November die betroffenen
Regimenter von der bereits in Ausführung befindlichen Tnms-
ferierung und den bezüglichen Weisungen des Kriegs-Ministeriums
hl Kenntniss-).
In j^'olge der bedeutenden Verminderung der Legionäre in
Krems wurde vom Genend-Commando Wien am 3. November
auch die Enthebung des Hauptmann- Auditors Seidel von der
weitertm Theilnahme an der Untersuchung und am 7. November
die Kinrückung der Auditore Dr. Walter und Varga zu ihren
Regimentern angeordnet^). Die beiden Letztgenannten verliessen
'j Kriegs-Ministerial-Erlass, Abtheiluug 2, Xr. 7^*30 vom 31. October iSOö.
Orij^iiial bei Gcner:il-( Kommando Wien, Abth. I, Nr. 19.558, I. November 1866.
*) General-Commando Wien, Al)th. i, Xr. 20.533 vom 14. und Xr. 21.052 vom
l(). November 1866. Bei letzterem <ler Kriejjs-Ministerial-Erlass Abth. 2, Nr. 8220,
vom 17. November 1866 mit den vier Nominal Consij^nationen des Militär-Stations-
('ommandos Krems vom 10. November ül)er die Mannschaft der Infanterie-Ke^menter
Nr. 34, 46, 52 und 60. Von anderen Rej»imentern, welche in der J.epion Klapka
n r <luich eine jjerinj^ere Anzahl von Leuten vertreten waren, fehlen sowohl Nominal-,
als auch summarische Consijjnationen. Gelegentlich wird erwähnt, dass vom Infanterie-
Kej;iniente Nr. 33 21 Mann Legionäre waren.
•) (reneral-Comman<i() Wien, Abth. 2, Nr. 2(j2I vom 3. und Nr. 5740 vom
7. Xovember 1866.
Die Lci-iun KlapUa 1«0«». 24
^nQ K i c n a s t.
Krems am 13. November. Auch im Stande der nach Krems
commandierten Aufsichts-Officiere trat in jenen Tagen eine
Aenderung ein, indem Hauptmann von S z e i f f in Pension ver-
setzt wurde. Seine Stelle nahm fernerhin Hauptmann Weber
des Infanterie-Regiments Nr. 32 ein^).
Das weitere Schicksal der Legionäre.
Inzwischen hatte die Relation des Rittmeister -Auditors
Mihailovid vom 28. October in Verbindung mit den Anträgen
des General-Commandos Wien vom i . November an massgebender
Stelle die endgiltige Entscheidung über das weitere Schicksal
der Legionäre im Sinne der Gnade gezeitigt. Die Mittheilung
hievon erfolgte durch einen Erlass des Kriegs-Ministeriums vom
14. November an das General-Commando Wien. Dieses traf die
nächsten Ausfiihrungsbestimmungen durch die Verordnung vom
15. November an das Militär-Stations-Commando Krems.
Hienach blieb es bei den bereits angeordneten und in Durch-
führung begriffenen Transferierungen der Legionäre ohne Chargen-
grad zu den oben benannten deutschen und slavischen Regi-
mentern, beziehungsweise bei der Einrückung der nicht von den
Infanterie-Regimentern Nr. 34, 46, 52 und 60 stammenden Leute
zu ihren alten Truppenkörpern. Der gleiche Vorgang wurde nun
auch bezüglich jener Legionäre angeordnet, welche, ohne dass sie
Chargen, Rädelsführer oder sonst Hauptschuldige waren, noch zurück-
behalten w.orden, um die Fortführung und Beendigung der Unter-
suchung zu ermöglichen. Nach derselben Norm sollten femer auch die
Chargen, welche weder Rädelsführer, noch Hauptschuldige waren,
nunmehr behandelt werden. In Ansehung der Chargen, Rädelsfühn^r
und Hauptschuldigen hat es zwar auf eine kriegsrechtliche Unter-
suchung weder wegen des durch den Uebertritt verübten Hoch-
verrathes, noch wegen des darin liegend(?n Verbrechens der
Desertion anzukommen. Doch sind alle Rädelsführ<*r und Haupt-
schuldigen, und zwar, wenn sie zu den Chargen g(»hören, auch
diese, in die Disciplinar-Compagnien einzii^^^^eilen, und die Chargen
-im'»»''-'" '' . * --»^ ^iif'ft
Die Legion Klapka 1866.
371
ohne vorläufige Degradierung einfach als Corrigenden dahin zu
übersetzend).^
Unter Einem ordnete das General-Commando den Abschluss
und die Einsendung der Untersuchungs- Acten nach Wien an, da
nach weiteren Bestimmungen des Kriegs-Ministeriums die etwa
noch später zur Einlieferung gelangenden Legionäre nicht mehr
nach Krems, sondern nach Wien gesendet, auf Veranlassung des
dortigen Platz -Commandos einem Verhöre unterzogen und im
Uebrigen nach den entscheidenden Kriegs- Ministerial-Krlässen vom
31. October-) und vom 14. November behandelt werden sollten.
Zugleich wurde Oberlieutenant -Auditor Seiden von Krems
abberufen, während Rittmeister- Auditor Mihailovic erst nach
formeller Auflösung der Kremser Untersuchungs - Commission
wieder zu seinem Husaren-Regimente werde einzurücken haben-').
Die Arbeiten der Commission in Krems waren bis zum
23. November beendet. An diesem Tage erstattete das Militär-
Stations-Commando zu Krems seinen Schlussbericht, indem es
zugleich die Untersuchungs- Acten ^) dem (xeneral-Commando in
Wien und die Nominal-Listen der Legionäre mit Chargengrad
nach den Truppenkörpem, zu welchen sie neu eingetheilt wurden
und nach denen, zu welchen sie früher gehört hatten, vorlegte. In
dem Berichte heisst es : »Die (xesammtzahl der bisher in Krems
zug(;wachsenen Legionäre erreicht die Höhe von 1505 Köpfen'');
darunter befinden sich 257 Cliargen, den Rest von 1248 Mann
bilden ( lemeine''). . . . Was die in Straf-Compagnien einzutheilenden
Rädelsführer und Hauptschuldigen anbelangt, so wurde gerichtlich
c(>nstati(*rt, dass schon am 17. Juli laufenden Jahres (dem erst<?n
Teige nach der begonnenen Werbung) von Rädelsführern und
'1 Darin la;; ausser der offen j»ehissenen Hoffnunj; auf einen weiteren (iuaden-
art eine besondere Nachsicht und Gnade für die Lejjionärc, denn nach dem ><)r^ani-
sutions-Statut für die k. k. Armee« vom Jahre 1857 sollten die (.>>rrij^enden der T)is-
ciplinar-Compajjuien ausschliesslich > Gemeine« sein.
-) Siehe S. 30«.
") Gener al-Conmiando Wien, Al>th. 2, Nr. 5')57, 15. November 1H66. Daliei <ler
Kriegs-Ministerial-Krlass, Präs. -Nr. 738 vom I4. November I8(>(i im Ori^jinale.
"*) Das sind die in der vorliejjenden Darstellung; olt citierlen »Kremser Acten«,
jetzt im Krie;;s-Archive l)etindlich.
^. Seit dem 28. October waren also nur noch fünf Mann zu;,'ewachsen.
■^1 Von diesen euttielen auf das Infanterie- Re^jimeiU Nr. 4O is-j^ Mann, auf das
liil.intt'rit'-I<ej;iment Nr. 52 50 Mann, auf das Infanterie-Ke^iment Nr. bo 71 Mann,
;iul das Infanterie-Rejjiment Nr. 34 etwa «^o Mann, demnach auf die anderen untjari-
>chcn Truppenkörper der Nord-Armee 407 Mann.
24*
■^m^ Kienast.
Hauptschuldigen keine Rede mehr war, weil die Corruption so
stark und so allgemein eingerissen, dass Einer den Anderen zu
überbieten trachtete im Eifer für die Legion und in der Kund-
gebung der bösesten (xesinnung für ihre legitimen Fahnen.*
Als Hauptschreier und Verführer sind darunter folgende
acht Individuen aufgefallen : Gemeiner B e r e t v a s des 46., Führer
Bartha des 62., Gemeiner Komocsay des 46., Gemeiner
Kolosvciry des 37., Führer Ujfalussy des 34., Gemeiner
Bende des 46., Führer Mayer des 32. und (xemeiner Bencze
des ^:^. Infanterie-Regiments. Alle diese sind für ihren Eifer zu
Ofiicieren bei der Legion befördert worden^) und bis auf den
Führer Blasius Bartha und Gemeinen Gabriel von Komocsav
in Preussen zurückgeblieben. Bartha und Komocsay befinden
sich in der hierortigen i d. i. Kremser) Kaserne und ich ^ bitte um die
Weisung, in welche Disciplinar-Compagnie dieselben eingetheilt
werden sollen. Die übrigen Legionäre qualificieren sich im Sinne
der hohen Verordnung vom 1 5. November laufenden Jahres, Abth. 2,
Xr. 5957, nicht zur Eintheilung in Straf-Compagnien.«
Das General -Commando verfügte hitirauf durch die Ver-
ordnung vom 27. November an das Militär-vStations-Commando in
Krems die Auflösung der, ausser den Auditoren noch aus Offi-
eieren und vSoldaten des Genie-Regiments Nr. i nach Art eines
Kriegsrechts zusammengesetzten Untersuchungs-Commission und
die Eintheilung des Fülirers Bartha und des Gemeinen Komo-
csay zu den in Theresienstadt stehenden Disciplinar-Compagnien
Nr. I und Nr. 4. Das aus drei Officieren bestehende Bewachungs-
Commando sollte* noch bis zur vollständig durchgeführten Ab-
transportierung d(»r Legionäre in Krems verbleiben. Gleichzeitig
übermitteltem das (ieneral-Commando die Kremser Acttmn dem
Stadt- und Platz-Commando Wien, damit dasselbe nach Anhand-
gabe dieser Acten mit ev(»ntuellen Nachzügh^rn von Legionären
v(*rfahre und «»rstiittete auch dem Kriegs-Ministerium, bei gleich-
zeitiger Vorlage der in Krems verfassten Ausweise über die noch
zu transferierend(»n Legionäre, von all(»n seinen Verfügungen die
Anzeige'').
'. Von den acht Individuen finden ^icli K o m o c s a y untl Heude nicht unter
den (d)en S. 147 ff. aufgezählten Officieren der T.vjjion, weil sie in keiner anderen
Quelle, als der eben angeliihrten, als sidche bezeichnet erscheinen.
" ( )bcTst vt)a r» a e u m e n.
"I (icniTal-Conniando Wien. Abih. "•. Nr. (»27^ 77. November 1866, dabei der
^l^.^ \iiiit:;..v^.. • ,. / •. -..n^M^d^,. ii s.r""i> * wu ;^ November im Ori;.*''^^!'*
> ...:
Die Legion Klapka 1866.
373
Mit Verordnung" vom 30. November verständigte dann das
(xeneral-Commando die von der Transferierung der restlichen
Legioncäre betroffenen Regimentor, indem jenen, welche den Zu-
wachs erhielten, neuerlich die Behandlung dieser Leute, wie sie
bereits der Ministerial-Erlass vom 31. October angeordnet hatte ^),
in Erinnerung gebracht wurde-). Xach den erhaltenen Xominal-
Listen des Stations-Commandos Krems wurden damals trans-
feriert: 2 Cadetten (Cadet-Corporal Albert Majthenyi des
34. Infanterie-Regiments und Cadet-Patrouille-Führer Franz
Kornfeld des 25. Jäger- Bataillons i, ferner :
Vou
I ' , -f
,, ,, . , T — 1 ^^ 1 /« r -. zusammen
reldwt'hcl ruhrcr (.orporulc (»cfreite ,,,
* I (harjjen i
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j Infantcric-Renimentern
Nr.
I
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13
den Infantcric-Ret^imcnttTU
, Nr. 2. 6, 20, 23, 32, 33,
37, 44, 51, 61, 62, 67, 68,
60, 72 und 78
<>
10
23
dem 25. JäRcr-Bataillou
den Husaren - Rej^inientern
Xr. 2, 5 und 7
42
Zusaninu-n . .
3
41)
>7
i43
:•-.
243 V
l)i(? Abschieb img der letzten Legif)när(^ aus Krems dürfte
bis zum 12. December durchg(»führt gewesen scün, d(»nn an diesem
Tage» meldete* das dortige Militär-Stations-Commando das Abgeh<Mi
der zur Aufsicht conmiandi(jrt gewesenen CJberlitJUtenante (' z e dl i
und T. (? i p o 1 d (» r zu ihren Regimtmtern i Xr. 68 und 69), während
') Siehe S. 36S.
-) (iencral-Coinmando Wien, Ablh. r. Xr. 21.085, 30. X«»vend)er l86<». Dabei
tue re^imenlervveise j^eordneten X<Mninal- Listen <ler zu tran-ileriercntlen Lej^ionäre vom
23. X(>vend)er.
■) Die j^e^en den Herielit <les Militär-St.iti«)n>-r(>mman«l«»s Ivrems vom 2}». Xo-
\enil)ir (>iehe oben S. 37 1) sich er;^ebende DiÜeren/. von 12 (-harten i«»t nicht
aufzuklären.
•2-1 Kien a St.
Ihiiiptniiinn W(;b er nur noch bis zur Abwicklunjf der Rochnuni^tMi
in Kn'ms zu verbleiben hatte').
Im (iarnisons-Stoekhause zu Wien trafen nach und nach von
Jülich.» Xovembt'r iHiU) bis j^^'^'j^'en die Mitte des Jahres 1867 noch
7cS Lt^v^ionärt? (mu-i, \vrh*hf^ auf Anordnunj^ des lMatz-Cüinmandi>s
vom ( iarnisons-Auditoriatti ^(*richtlich einvernommen und dann
narli den ])(ikannt<*n Xorm(*n zu den I<(^j4"imentern vertheilt wurden,
l'nter dit^si'U 78 Mann befanden sich: i Feldwebel, 5 Führer,
7 C*orj)(>ralt\, 7 (Irfreite und 58 ( remeinc». Diese Lej^ionäre ent-
.stamniten, und zwar: (h*m Infanterie-Rej^imente Xr. 34 S Mann,
d(»m liifante'rir - RrjL^inKMite X^r. 46 30 ATann, dem Infanterie-
Rej^-iment«» Xr. .sj 7 Mann, d<»m Infanterii»- Re^imente X>. 00
4 Mann und d«'n an«len'n un^^arischen Truppenkörpem 23 Mann.
Ihre Aussajjfen unt«'rsch<ü(len sich ni(!ht wesentlich von denen der
in IvnMiis verhörten Lei^nonän;*').
Von diesen 78 Lei^^ionän»n L^n^hört (»in Theil jenen etwa
230 Li'Uten an, die nach den Aussai4'(*n des I'ührers (ireg'or Kiss
in Krems*' es im ( )ctol)er i80<) vorj^'ezoj^'en haben sollen, in
IVeussen zu bh^ben, statt schon damals in die Heimath zurück-
zukehren. Rechuf't man diesi» etwa als 30 Mann, so bleiben von
d<*n 78 Legionären noc^h 4S, welche nacli Abschluss der Unter-
suchunjuf in Kn;ms im Inlaiide aufi^*(.\i4"ritfen und nach Wien ife-
schickt wurden. Ximmt man an, <lass sich von den im October
J li'imju'rkt^hrten rtwa vT^'^f«*" 80 jjfewesenc Legitmäre, begünstigt
durch weicht; l'mstände immer, der u"« 'richtlichen Einvernahme
iib«»rliau])t <'ntzo;^'"cn halx^n, so wän^ es richtij^^, was ebenfalls
l*'ührer Kiss b<'haupt<-tr, nämlich, dass die Lej4"ion in Bauer witz,
al:^ si»* am stärksten war, etwa i8.Su Mann j^«'zählt habe.
Am ji. März i8()7 «Tj^ien^" foli^cnde V«^rordnung des (reneral-
C.'ommandos Wien an die ilim unterste 'lumden Truppen-Divisions-
Comiiuindt'u in Wim, Linz, lirünn und Olmütz :
rt'biT nn'lirtachf, hinsichtlich d«»r Behandlung" der aus der
K 1 a j» ka'schm Lf<^i«»n, au> drr uiii^Mri^ch-italitMiischen Legion,
') driHT.iI-« n:i):ii.iii.l«i Wim. .\l»lh. I. Nr. Z2.*t(t'J, 1 4. Docemb« 1806.
*! I>aii)iiti r «lif 1.4-^irin<--[.i<-utcii;intr I^^ii.iz II a 11 ko w > k y, Führer im Infanteri«
K' Li:i;'].t«. N:. ;'-. un<l |nh.inri I. .1 - /, 1 «'», <"«»rpor.»l im Hu-an-ii-Kcjjimcntc Nr, lO.
i )i(- l'.mvi riii-hiiiun^— rri>ti>c<>]]c irli(;;^i-n sainnit den aii> AnlaM der Verhii
;^<-liilirti 11 < urri>]iiiii<!Mi/i 11 .il- A|»])<nili\ bii lUn Kh-ihmt AcIimi.
Die Leginn Klapka 1800.
375
odor übt^rhaupt auf Cieneral-Pardon zurückgekehrten Deserteure
;^^<'>.tc'llt(' Anfraj^en hat das hohe k. k. Kriej^s-Ministerium F*olj^endes
zu bftstimmen j^efunden:«
B<^züpflich der aus Kl apk ansehen Lej4*ion zurückj^ekt»hrttm
Dt'serteure sind auf (irund der, mit der köniwj"lich preussischen
Kei^-it^runj^" j^'epfloj^'eneu Auseinandersetzunj^cen über Allerhöchste
Anordnung besondere, von den allgemeinen Bestimmun jfen in
Betreff der auf (lent^ral- Pardon zurückkehrenden Deserteure ab-
wt'irhrndr Zujfeständnisse erlassen worden, daher eine Anwendunj^
i\r> Jj J05 dt»s Militär-Straf-(iesetzes auf dieselben, obgleich die
<h'nsi*lben AUerj^'nädij^'st gewährte Amnestie einen General-Pardon
in sich b(*greift, nur in jenen Puncten stattfinden kann, hinsichtlich
w<*lcht*r nicht die gedachten besonderen Bestimmungen mass-
g*'bcnd .sind."
• Iun<^ derartige abweichende Behandlung wurde nun in Bc»-
treff d«r, aus der Lt^gion Klapka's zurückg(?k<»hrten Chargen
und jener Individuen bestimmt, welche nach <len diesfalls ge-
pilogeiirn Krhebung(*n sich als Rädelsführer oder sonstige Haupt-
schuldige darstellten, in Ansehung welcher es zwar auf eine kriegs-
n»rhtlich«» Untersuchung, weder wegen des durch den Uebertritt
verübten Hochverratlies, noch wegen dt?s darin liegenden Ver-
brechens der Desertion nicht anzukommen hatte, b(?züglich welcher
ied()(^h bf»stimnit wurde, dass alle Rädelsführer und sonstige Haupt-
schuldige, und zwar wenn si«» zu dm Chargen gehören, auch
di«»se in die I)is(*iplin.ir-Compagnien einzutheileii und <lie Chargtm
— ohne vorläufigt* Degradierung — jedoch als Corrigenden dahin
zu i'il)ersetzen ^eien.
AH«» übrigen Chargen, welche weder zu d«Mi Räd«'lsfühn*m,
iKxh zu den Hauptschuldigen gehörten, >ind zu anchTen, <iem
(ieneral-Commando in Wien bezeichneten rruppenköq>em über-
setzt imd in di«»se l«?tzt«^ren auch die gemeine Mannschaft der
Inlanterie-Rfgimt'nter Xr. (34), 40, 52 un<l r)0 <»ingetheilt wonlen,
während dit* Mannschaft der übrigen Regimenter zu ihn*n zu-
ständivren Truppenkr>rpern einrücken gemacht wurde.-
Hiebei wurdi-n die b«*trefft?nden Rc*giment«'r angewit\sen,
dii'N,. «'inrürkenden I,t*ute, insofern«' sitt nicht in den Reservestand
g«ln»rfn. bei d«tn ersten drei Feld- Bataillonen einzutheilen, das<*Ibst
im L«H'(i>t*ind zu behalten und, abgesehen von dt»r Urlaubstour,
«r^t diiTui zu beurlauben, w<»nn sie sich durch ein«; längere Zeit
t:ul«'llf»N betragen haben.«
376
K i e n a St.
Im Sinne dieser Bestimmungen hat es daher auf eine Zurück-
versetzung der Chargen in den Stand der Gemeinen nicht an-
zukommen und es haben auch die in die Disciplinar-Compagnien
eingetheilten Chargen, da sie nicht degradiert wurden, in den
Genuss der höheren Löhnung ihrer Charge einzutreten, sobald
sie aufhören Corrigenden zu sein und zum Truppendienste ein-
rücken ; insolange sie jedoch in der Disciplinar-Compagnie ein-
getheilt verbleiben, haben sie die Löhnung der Corrigenden zu
beziehen und die diesen zukommenden Arbeiten- zu verrichten,
da es unter den Corrigenden einer Disciplinar-Compagnie keine
Unterofficiers-Chargen gibt.<
»Weitere, von den allgemeinen Gesetzes-Bestimmungen ab-
weichende Verfügungen sind in Betreff der Behandlung der
Kl apk ansehen Legionäre nach Plinstellung der gegen dieselben
beim Militär-Stations-Commando in Kr(*n:^s anhangig gewesenen
Untersuchung nicht erlassen worden und es haben daher auf
dieselben die Bestimmungen des § 205 des Militär-Strafgesetzes
und die sonstigen hinsichtlich der Behandlung der auf General-
Pardon rückgekehrten Deserteure erlassenen Verordnungen volle
Anwendung*).«
"Die vorgedachte, den aus der Legion Klapka's zurück-
gekehrten Unterofificieren zugestandene Begünstigung hat dem-
nach nicht einzutreten bei den aus der ungarisch-italienischen
Legion revertierten Chargen ; diese, die nicht so, wie die ersteren,
einer planmässigen Verführung unterlagen, sondern einzeln ent-
wichen und grösstentheils auch längere Zeit von der Truppe ab-
wesend waren, können, wie alle anderen, auf General-Pardon
zurückgekehrten Unterofticiere, nur wieder als Gemeine ein-
treten.«
»Die aus der Legion Klapka's sowohl, als aus der be-
standenen ungarisch-italienischen Legion, sowie die überhaupt auf
General- Pardon zurückgekehrten Deserteure sind daher in allen
anderen Bezi(*hungen ganz gleich zu behandeln.«
' Dieselben bleiben also der durch ihren Meineid verwirkten
Ehnmzeichen und des Militär- Dienstzeichens verlustig; diese
Zeiclien sind ihnen abzunehmen und den (leneral-Commanden
*) Diese siinl abj^cdruckt bei P i r c h a n n, >Das Militär-Strafj^esetz über V'er-
brreht'Ti un<l Verj^ehen v«nn 15. Jänner 1^55* • • . • sanimt den ergänzenden und er-
läuicnidt-n (iisetzen und \\-rnnlniinj;eu (Wien. Manz 1SS5), und zwar im Anschlüsse
•" drn i; 205, ur'-hL-r die Ik"h'"'d'"ni: V-r '".li •" '•»»•->* ' «p'" *l'-'iden Descr-
Die Le;ion Klapka lti66.
■% m mm
zur weiteren Abfuhr vorzulejj^en. Die während der Desertion in
Fol^e ihrt»r Ditmstleistunjjf bei einer fremden Macht erworbenen
ausländischer^ MtMiaillen, Dienst- und Khrenzeichen können ihnen
jedoch nicht ab^fenommen werden. Dieselben sind abf»r des
R(*chtes, solche in den k. k. Staaten trafen zu dürfen, v<»rlusti;L^
14'eworden.
»Kbenso sind die aus d<*r Klapka'schen Lej^'ion rück-
i^ek ehrten Cadettt*n der Cadetten-Bei^ünstigiin^tm, die Stell v**rtreter
der Stellvertreter Mt»netici<*n für verluslii^ zu halten, wie dies mit
(h»n hohen Kri(*j4*s-Minist(*rial-Rescripten vom 8. und 26. l'ebruar
dieses Jahres, Präs.-Xr. 32K') und Abth. 2, 1432 1 hierstelli^e
( 'ircular-Verordnunj^en vom 24. Februar und 7. März 1. J., Abth. 1,
Xr. 2258 et 3254) bereits verlautbart wurde.
Das Truppen -Divisif)ns-('ommando wird von diesen H<>-
^timmunj^en in Fol^t* hohen Krit^ijfs-Ministerial-Rescripts vom
13. März 1. J., Abth. 4, Xr. 441^, zur Wissenschaft und Darnach-
arhtunj^^ hiemit in Kenntniss j^esetzt-.
Diest» Verordnunj^ hält j^'ev^'-enüber zahlreichen Zwrnfeln über
di«' lirhandlunjuT der Levficmäre dl«» denselbt»n im Vorjahre
• Ttheilten Hej^ünstij^unj^^'en, insbes(»n<lere rien Wej^'-fall der unter
.'ind«»ren Verhältniss<Mi sicher eintrett*ndtfn Dejrradierunv^' der zahl-
rritiien ('harg"en unter ihnen, aufrecht. Xicht >^anz zwei Monat«*
sp.'iter war clie Krii*ics-Verwaltunj^ neuerlich in drr Lavi"«*, >ich
mit (lfm L(K)^«' dt»r vr**^^'<*^«'"*''^ Lev^ionäre in wohlwollendem Sinne
/u b«'f<i>»>.<'n. Am i.Mai iSo; ep.jfi« ni^" folj.^'-i'ndrr Ministeriell- Frlass
an das ( ien«*ral-(*ommando in Wien:
Xachdem laut <len, mit dem I^«Tichte vom 24. April 1S07,
Abth. I. Xr. 4<j.S<i, vor^i-h'j^'tfn Xominal - Fin^aben die eh<*-
m:ili'^^«-n unv;arisrh»»n K«'Lrionäre .sich bei den Kejjfimentem, b«n
Wfhln'n si<* si(^h dermalen im Sian«!»' bt'fnKlen, im All^^'meinen
•.^ut l)<*tr.i'^^«*n haben, m) fmd«*t das Kri«'yfs-Ministerium deren
l<{i(ktransf«*ri«*runi4f v.w ihn»n früheren Truppenkörpeni zu ver-
fVr^''»'n und das (xenfral-Commando zu ermächtij4"'*n, dies«' Irans-
■ ♦•rifruTiL,^ sofort durchzufLihnm Sowolil die ('harj.r«*n, als
• lie Mannschaft sind unmittelbar von (hm Rt'vrim^-ntern, in deren
Stan«! >i<* sich befm<len, sog"leich zu beurlauben. Jen«^ derselben,
Wflcli.' ftwa die BeurlaubunjL^ nicht wünschten, sind von der Rück-
I' i I c li a n n, a. a. i ).
•■ «11 ;n r.il-< nüimumlo Wien, Abth. 1, Nr. 1012, l\. Mär/. 1K67.
378
K i e n as t.
transferierung auszuschliessen und erst dann, wenn sie in der
Folge beurlaubt werden sollten, gleichzeitig zu ihren früheren
Regimentern rückzuübersetzen^).«
Am 28. Mai 1867 waren zwei gewesene Legionäre vom
Stande des 7. Husaren-Regiments wegen Subsistenzmangels aus
Preussen zu ihrem Regimente in Wessely eingerückt. Auf die
Anfrage des Regiments-Commandos, ob dieselben nach Wien
einzuliefern seien, antwortete das General-Commando Wien am
18. Juni, dass es laut des eben herabgelangten Kriegs-Ministerial-
Rescripts vom 15. Juni laufenden Jahres, Abtheilung 2, Xr. 4747
auf eine Transferierung der gewesenen Mitglieder der im vorigen
Jahre bestandenen K 1 a p k ansehen Legion zu Regimentern deutsch-
slavischer Nationalität nicht anzukommen habe, derlei Leute im
Stande ihrer Truppe zu bleiben haben und, wenn sie es wünschen,
zu beurlauben sind, dass aber rücksichtlich der Rädelsführer und
sonstigen Hauptschuldigen die ihre Zutheilung zu einer Disciplinar-
Compagnie vorschreibenden Bestimmungen des Rescriptes vom
14. November 1866, Präs.-Nr. 738^) in Wirksamkeit zu bleiben
habendi."
Hatte man also noch am i. Mai 1867 Bedenken gehabt, die-
jenigen ehemaligen Legionäre, welche etwa der Beurlaubung das
weitere Verbleiben im activen Dienste vorziehen sollten, zu iliren
alten Regimentern zurückzuversetzen, so war man am 14. Juni
an massgebender Stelle auch davon abgekommen.
Die ehemaligen Soldaten Klapka's galten also von jetzt
ab wieder ganz als kaiserlich-königliche Kriegsmänner, und
die vom General-Commando Wien am i. November 1866 geäusserte
Ansicht, dass die verführten Legionäre »bei strenger Beaufsichti-
gung und gleichzeitig humaner Behimdlung nicht unwahrscheinlich
eb(»nso schnell, als sie bethört wurden, auf die rechte Bahn
gebracht und dem Staate bleibend gerettet werden könnten^),-
hatte sich glänzend gerechtfertigt. Nur bezüglich der Rädelsführer
und Hauptschuldigen bli(*b die einmal angeordnete strenge Behand-
\i Kric;»s-Ministerial-Erlass Ablh. 2, Nr. 3669, vom I. Mai 1867, in Abschrift
bei General-Commando Wien, Abth. l, Xr. 6884 vom 0. >'^''i 1867.
-1 Siehe oben S. 370.
•^) (rene'''^-Connnanf''^ i":..t A^*h. "» V. . «« ^^•
Die Legion Klapka 1806.
37<)
lunj^c auch für die Zukunft aufrecht. Deren gab es aber nach dem
B(?richte des Stations-Commandos Krems vom 23. November 1866
nur acht^), von denen blos zwei aus Preussen zurückgekehrt
waren. Ob dies später auch Einer der übrigen Sechs noch gethan,
ist nicht bekannt geword(*n, obwohl man weiss, dass andere erst
in Preussen verbliebene Legionäre mehroder minderbald doch wieder
den Weg nach Hause angetreten haben, so z. B. der gewesene
Legions-Lieutenant Johann II orvath, ehedem Führer im Husaren-
R<»gimente Nr. 7, der sich im Juni 1867 mit einem preussischen
Auslandspasse ddto. Bauerwitz, 8. October 1866, beim Ileeres-
Krgänzungs-Bezirks-Commando Nr. 52 in Fünfkirchen meldete
und von diesem auf Urlaub gesetzt wurde ^, oder der Ft»ldwebel
des Infanterie-Regiments Nr. 46 Philipp M a 1 1 z, gleichfalls früherer
Legions-Officier, der sich am i. Juli 1867 bei dem Festungs-
Commando in Theresienstadt zum Wiedereintritt in die k. k. Armee
meldete •**), u. a. M.
Führer B a r t h a und Gemeiner Komocsav wurden schon
am I. Juni 18O7 aus den Disciplinar-Compagnien zu ihren Stamm-
regimentem zurückversetzt, ein Beweis, dass auch sie sich dem
\'ersuche der Besserung frühzeitig zugänglich gezeigt hatten.
'1 Siehe S. 372.
-I General-Commaodo Wien, Abth. 2, Nr. 30 2 7, 27. Juni 1867.
', General- Commando Wien, Abth. 2, Nr. 441 1. 17. Juli 1K07.
IX.
• Schluss.
Man darf die Geschichte der Legion K 1 a p k a nicht schliessen,
ohne die Rede zu berühren, welche Fürst Bismarck am
i6. Januar 1874 gehalten und mit der er seine Handlungsweise
im Jahre 1866 einem parlamentarischen Angriffe gegenüber zu
rechtfertigen versucht hat.
In der Sitzung des preussischen Abgeordnetenhauses vom
15. Januar 1874 hatte Abgeordneter von Schorlemer-Alst
dem abwesenden Fürsten vorgeworfen, dass derselbe sich 1866
»mit dem Erz-Revolutionär Italiens, dem sogenannten General
Garibaldi und dem Insurgenten-General K 1 a p k a« verbündet
und durch den Grafen Usedom, sowie den Grafen Barral
die italienische Regierung aufgefordert habe, »eine Insurrection
in Ungarn und Dalmatien zu bewirken, damit die (Ksterreichischen
Regimenter ungarischer und croatischer Nationalität mit Bruch
ihres Fahneneides gegen ihren Kriegsherrn sich auflehnten«,
auch dass er die ungarische Legion in Schlesien habe aufstellen
lassen ^).
Fürst Bismarck antwortete hierauf in der Sitzung des
folgenden Tages: PIs ist w^eltbekannt, dass sich eine ungarische
Legion aus ungarischen Kriegsgefangenen hier gebildet hat. Es
wurden uns in dieser Beziehung Anerbietungen schon bei Ausbruch
des Krieges gemacht. Ich habe sie damals zurückgewiesen . . .
und erst im Momente, als nach der Schlacht bei Sadowa der
': Horst Kohl, >Die polilischen Reden «les Kürslen B i s m " -^ ^- VI, 134.
T^cr An^rill von S c h o r 1 e m e r - A 1 s l's hänj^t, abgesehen von ■' damaligen
»{)',M)sitior ■'ii— "tellunj^ des hochanjjcsc^«»--.»' •-> -it»-. : -'-„»Uo- »: ., ^ r m o r a**
Die Legion Klapka 1860. -.gj
Kaiser Napoleon telegraphisch seine Einmischung in Aussicht
stellte, da habe ich mir gesagt: Ich habe meinem Lande gegen-
über nicht mehr das Recht, irgend ein Mittel der Vertheidigung
und Kriegführung, welches kriegsrechtlich vollständig erlaubt ist.
zu verschmähen, da ich es nicht darauf ankommen lassen wollte,
dass unsere Erfolge durch das Erscheinen Erankreichs auf der
Bühne wieder in Zweifel gestellt würden . . . Damals also habe
ich in einem Acte der Nothwehr (?) die Bildung dieser Legion
nicht gemacht, sondern ermächtigt. " Er selbst, saj^te der Eürst,
habe damit nicht als Revolutionär gehandelt. Man könne wohl
Diejenigen »Revolutionäre nennen — obwohl es noch andere
Bezeichnungen dafür gibt (!) — die von ihrem Vaterlande ab-
fallen und dem Feinde Dienste leisten •<, aber nicht den Feind,
d(^r einen Deserteur aufnimmt M.
Um vom Ganzen dieser Erwiderung zu reden, so ist sie als
Abwehr auf einen Angriff aufzufassen, nicht anders, als die ge-
schickte Parade gegen einen vehementen Hieb, die ghdchwohl
die Wiederholung des Hiebes im nächsten Augenblicke nicht
verhindern kann. Dass die Parade allen Fechterregeln entspreche,
darauf kommt es bei einem ernstlichen Angriffe nicht immer an,
wenn sie nur den Angegriffenen auch sonst in guter Stellung
und Deckung zeigt. So brauchte es auch Fürst Bismarck,
der sich immerhin mit einem Anscheine von Berc^chtigung auf
das gefährdete Wohl des preussischen Staates, auf die Sicherung
dtjr Waffen erfolge* berufen konnte, mit der vollen Wahrheit nicht
allzu genau zu nehmen. Seine* Rede verschweigt Manches, was
die unbetheiligten Zeitgenossen nicht wissen konnt(»n und (enthält
f(/nie Unterscheidungen.
Wohl hatte Bismarck schon bei Ausbruch des Krieges
gemachte Anerbietungen zurückgewiesen: die Kossuth's und
stnnes Unterhändlers, des Honvtkl-Obersten Xicolaus Kiss der
X e m e s k e r ; aber er erzählte nicht von T ü r r\s, K 1 a p k a\s
und C s ä k y's Reisen nach Berlin, wer sii^ ermöglicht hattt» und
was mit den Dreien abgekartet worden. Wohl erwirkb» er nach
drn ersten Einmengungsversuchen Napol<*on LH. erst das
königliche Decret vom 14. Juli, welches die formclh» Ermächtigung
zur Bildung der L<»gion ertheilte; ab(?r diti nöthigiMi Vorlx^reitungeu
dazu waren längst geschehen, nicht blos von Seite der Ungarn,
sondiTH, worauf es hauptsächlich ankommt, auch von Sintis
': Ilor.-^t Kohl, »Die polilischcn Kcdiii «li»* Kür>tun I* i s in a r c k*, VI, 140.
•y
82
K i c n as t.
Bismarck's. KvS soi nur an die Ausscheidung- und Sammlung
der Krit^j^sj^-f'fanj^enen unj^arisclu^r Xationalität erinnert als den
letztt'n Schritt vor Begann der Werbung", der doch ebenso weniy
ohne Zuthun von preussischer S(»ite hätte gtjschehen können, als
die h»tztere s(4bst. Wenn also Fürst Bismarck sagte, er habe
■dit* Bildung dieser Li^gion nicht gemacht , so ist dies nur in
sehr b(>schränktem Sinne richtig". Natürlich hat B i s m a r c k nicht
unmittel])ar Hand angeh^gt bei der Bihlung der Legion, aber er
hatt<» daran docli ein(»n weit grösseren Antheil, als ihm nachher
lieb war. (^b gleich nach den erst(»n li^inmischungsversuchen
des Franzosenkaisers di«? Xothlage des sitjgreichen Preussen so
gross war, dass dag(\g<'n sofort mit einten auf alle Fälle äusserst
bedenklichen Mittel gearbeit«*t werd(*n musste, ist jedenfalls nicht
auss(*r Zwtiifel und wird t*rst festgest(»llt werden müssen. Die
Redewendung, Bismarck habe nach der Kinmischung X a p o-
1 e o n's nicht mehr das Reicht gehabt, irgend ein kriegsrechtlich
erlaubtes Mittt»! (U»r Vt^rtlieidigung und Kri«'gfuhrunj^ zu ver-
schmäluni, ist äusseret geschickt, hat aber eigentlich doch nur
oratorischen Werth. Es gilt wohl im Allgemein(»n der Satz, dass
im Krieg-e alle Mitti^l (*rlaubt stüen, aber das wird niemals und
selbst nicht in einer wirklic^hen Xothlage dahin verstanden werden,
dass man sich auch wirklich aller und jeder Mittel und sonach
auch der bedenklichsten und verwerflichsten bedienen müsse.
\)vr IdeiMigang der Rede vom 10. Januar 1874 im preussi-
scluMi Abg(H)r<lnetrnhause hat auch in dit* (redanken und
Krinnerungen de.s 1^'ürstt^n Bismarck lüngang gefunden ; die
bt^trt*ift*nd(^ Stallt*' ist nur conciser g(»fasst, verräth aber nicht
das kh»inst<* Motiv niflir, als dit» j)arlanit'ntarische Abwehr geg"en
S c h <) r 1 <* m e r- A 1 s t.
\'on i\r.n \'«'n*lir('rn des Türmten wird ilit* Rede natürlich
td.s ausn'iiMiiMuh" und gt»lung<'n«» Rrchtfertigung btrtrachtet. Wir
Irsi'U darülxT in dfin n«'U<»st«'n Wrrke-j über den Krieg" von
i,S(.(): Wi«' dir X'rrliiiltnissc* lagt^n, war d<»r von IHsmarck in
(h'r Sitzung <h's AbgtM»nlnrt«.'nhaus(!s vom i(). Januar 1S74 jre-
brauchte Au>.<lruck» «t habr ilit* Bildung diivser J.egitm «in einem
' l)-.-n W'-irtlaiit ilci -tlln-ii >ii!ii* mJ.-:i ^. i:S Aimi. 2
L i* I : .. n - \' .» r !i r r k. . < i. -i hu h'«- <1i-n Kri'V- ^'»ll i S^o in Deutschland«.
Die Lef>ion Klapka iHiJd. ^^^
Actt^ clor Nothwehr'' veranlasst, durchaus zutreffend. Dass eine
TrtMinun^ Ung"anis von Oesterreich nicht beabsicliti^ war, sondern
nur eine Drohunj^, um d<*n Getaner lifefugig" zu machen, wird sich
aus dem Nachfolgenden deutlich erj^eben.-
" Wollte man in Oesterreich den Schritt R i s m a r c k's unter
diest-m Gesichtspuncte ansehen und bedenken, dass man dort
durch eine ähnliche (?) Nothlagt? zum Doppelspiele Frankreich
geg^enüber (?) gezwungen war, so dürfti? das Urthtnl weniger
ungünstig ausfallen, als es noch heute in manchen Kreisen lautet.
Wenn die drohende ungarisch«» Erhebung den Kaiser Franz
J o s e p h mit veranlasst hat, wie sich zeigen wird, auf die Ver-
handlungen in Xikolsburg einzugehen, so würde die Hildung
der L«*gion ihren Zweck erreicht haben. Jedenfalls ist es höchst
wahrscheinlich, dass die Nachricht, Preussen wolle nun ernstlich
den vorbt*reitc»t<m Aufstand durch t*inen Keni wohlbewaif neter,
krirgstüchtiger Soldaten unterstützen, di<* ungarischen T'ühn'r
zuversichtlicher und dreist«*r gemacht hat. Sollt«» dies zutr«»ffend
sein und h ä 1 1 <j uns di<»ser Schritt B i s m a r c k's dit* Frucht unserer
Siege gewahrt durch schnelle Kinigung mit ( )<\sterreich, b(?vor
dit* Fitimischung Franknüclis und des übrig«»n Kuropas wirksam
wunl«*, dann möchte ich d«»n IVeussen und I)eutschf»n sehen, der
n(Kh strine ta(h»lnde Stimm«» «'rlu^ben wollte. Kr müsste denn ein«»n
so ahs<mderlichen Standpunct «^inn«*hmen wi«* Ludwig von ( r«*rlach,
w<»lcher «hm König von d(Mn Bündniss mit d«'m r<'v<»lutionär«.*n
Itali«Mi abhtdt(;n w«.)llte.
Ks bh'ihe dahingestellt, «)b und wann .sich ( )«'st«»rn»ich in
eintT ähnlich«»n Xothlage b»*fund«Mi hat wi«» Pn?usM'n, als
nai'h d«'r Si:hl.icht b<*i Sadowa <l«'r Kais<»r Napol«»«»!! tt»l»»-
graphix'h s«*int' Kinmischung in Aussicht st«»llt<' *) ; abtT «'inJMn
( )«st«»rreicln»r, «l«*r nur mit sclimiTzlich«rr l<«*signation «h-r Macrht
un<l dfs Ans«'h«'ns seint*s Vat«'rland«»s bis zum Jalir«» iHoo gtMl«»iikt,
wird «'S st«'ts ein .schwa<*h«'r Tnist sein, imn zu wiss«»n, dass
Hi^marck «lamals mit «h^r Tn-nnung l'ngarns von ()e'^t«'r^•ich
l«*t/i«-n's «MgiMitlieh nur habt» schr«*cken woll«*n. Ob (li«r In^nnung
unt«'r günstig«*n l'mständen nicht doch dur<*hg«*setzt wortlt'U
wän*. um < )«»st«Tri^ich zu «.*iner Macht zweiten «Ml«*r drittt-n Ranges
]i«Tabzudrück«*n, ist übrigens «»in«* offen«» FVagf-) und «»rst spät«*n'
A'.:» *\vT \<:-'h' «Ic"« Fiir>tcn H i ft ni a r c k.
Vi'ijjl. ohrii AiMii. 1 iü S. 113.
3«4
K i c n a s t.
r'orsrluinj4" winl vi<'ll<Mclit klarstellen können, in wcilchom Umfanj^e
der Stuss in's IJcrz- i^^rplant war und ob er nachmals nur
abLTeleun'nf't \verd(»n nuis.ste, weil er nicht j^'elun^'tMi.
In dem J<ai.-()nn«Mnent I.ettow -Vc)rbtM:k's fallen mehn?re
(«niditinnal-C'onjum tivt^ auf -sollte — hätte ). Uoi Prüfunt^ der
denselben zu (irund(j lietfendnn r>t»din;4"un^*t»n hndet sich, dass e>
durchaus nicht so zutreffend« ist, als es -sollte-, nämlich: -das!»
die Xaclirirlit, IVeussen wolle nun ernstlich den vorbereiteten
Aufstand .... unterstützen, di(! uni^Mrischen l^'ühn^r zuversicht-
licher und dreister v;'e"iti<*ht hat . Denn di(* un^^arischen Führer
hatten iliren X'ertra;.^ mit der ]>reussisrlien Rc^ijcieruni^^) ; sie selbst
hal)«*n wohl dii* Xarliriclit verbreitet, aber sie wussten j^'enau,
was sie zu ft)rdern benM'htijjft waren ; sie braucht(*n also jLfar nicht
dreist zu sein, sondern nur zuversichtlich zu forchrrn, was ihnen
versprocluMi worden. T)a>» thattm >'n^ auc'h j^elej^'entlich. Die
Xachriclit allerdings, dass dcrr vorb<Teitett' Aufstand Unj^arns
von l*r<*ussen nun <'rnstlich . . . dur(^li einen Kern wohlbcwaffneter,
krie«^stüchtij.;er Soldaten *< unterstützt werden sollte, war leider
allzu richtiv^". In den Worten des I^xcitrptc^s liej^'t jedenfalls das
Zu.u*eständniss, da>M di«' l^v^arn die von Bismarck j.^ew<»llten
Zwec^ke unterstützt 1 laben ; wtMin si<' tliaten, wozu sie nach vorauj>-
^'•ei^ani^'^'nen \'i*reinbarunLi"en sicli bereclitii^t halt(*n konnten un<l
was ilnuMi dann als ! )nri.^ti^keit au>iLrehv^^t wird, so haben sie
w.dirlich s<:hh'i*liten Dank dalür. I^s ändert nicht viel, wenn man
unt«*r <len uni;arisclien l*'ühr<*rn etwa an die im Landtj selbst
beiindlicheii denken soll. Wie nun die Sache mit der *T)reistivjr-
kelt der ungarischen I-'ilhr»'r nur in einem beschränkten und
selir versteckten Sinne zutretfeml ist, so steht auch die zweitt?
r>edinL;un<^ nicht auf festem (Irumh'. Denn der Schritt Jiismarck's,
nun ernstücli d« n vorber«'itet.'n Auf>tan<i «lurch (»inen Kern wühl-
b«'\v.dtntter, kriej^>tücliti^'er S«)ldat»Mi zu unterstützen,- hat nur
in ht'xiot unteriL;'eordnet«'r Wei.>.e zur Wahrun^T der preussischen
Si»-i^'i- b«'i'^etr.iL4"en. Di«» ihat.^riclilich bestehende (lefahr eint^r
uuLT^irischen In.-^urrection hat den Kaiser 1*> a n z Joseph nicht
i;» hindert, zuerst nüt hohem Siime Alles an die Rettung" des
\erbünfh'ten Sach^en^ zu set/i'u, daim un-^'-ebro ebenen Muthes
»li«" unv.iässi'^t'n I-onlerun'^eii Italiens abzuwehren. Aber diesen
Din-«'n -••.^•eni'iber mus>te entscheidend er>it Stelluni^ ^enommfn
W'-ril'-n, iKiehd« in lM'r«*it> dl«* er>t<' Waifenruhe b«\j^onnen hatte.
'rill <
:■.:. '^. il'i. Miii Am.m. I. \«-r-l. aiicli S, UO mit Anm. 5.
Die Legion Klapka 1865. ^gc
Bringt man die Ueberschätzung der Widerstandskraft Oester-
reichs^) und den Sieg Tegetthoffs bei Lissa, der ja auch die
Revolutionierung Ungarns von Italien, Serbien und Rumänien
her unmöglich gemacht, in Zusammenhang mit den Gefahren
einer Coalition gegen Preussen und mit dem raschen Zustande-
kommen sowohl der Waffenruhe als des Waffenstillstandes selbst
gegen den Willen des italienischen Bundesgenossen, so kommt
man leicht zur Vermuthung, dass Bismarck die Wahrung der
preussischen Siege in ganz anderer Richtung gesucht hat, als
ihm Lettow -Vorbeck imputiert. Dessen Prämissen sind also
nicht haltbar, daher ist es auch seine Conclusion nicht. So wird
sich der Deutsche und vielleicht auch der Preusse fürderhin doch
sehen lassen dürfen, »der noch seine tadelnde Stimme erheben
wollte<'. Aber selbst wenn die Voraussetzungen des geachteten
preussischen Militär-Schriftstellers weniger anfechtbar wären, ist
sein Schluss doch höchst merkwürdig, denn er steht auf dem
Standpuncte der unbedingten Anbetung des Erfolges und unter-
bindet alle historische Kritik. Ein ernstes wissenschaftliches Werk
sollte sich nicht so weit verirren.
Die Epigonen der Sieger von Königgrätz werden sich wohl
trotzdem nicht so weit einschüchtern lassen, ihr Urtheil über die
Legion Klapka in Hinkunft ängstlich zurückzuhalten, wenn es
etwa das Gegentheil von Lob und Zustimmung wäre. Sollte dies
wider Erwarten dennoch der Fall sein, so müssten wir uns aller-
dings damit begnügen, was in dieser Beziehung aus den Tage-
büchern Theodor von Bernhard i's der Oeffentlichkeit bekannt
geworden ist.
Demselben entwickelte Türr am 31. Mai 1866 seine Idee
von der Errichtung einer ungarischen und einer italienischen
Legion bei der preussischen Armee. Beruh ardi erwiderte
darauf: »Das würde wohl nicht gehen. In der preussischen Armee
sind gewisse Ideen von redlicher, ritterlicher Kriegsführung
herrschend, mit denen die Bildung solcher Legionen in einem
entschiedenen Widerspruch stehen würde. Wie ich den Geist
unserer Armee kenne, würden diese Legionen in unmittelbarer
Berührung mit der preussischen Armee und in gemeinschaftlicher
Verwendung mit ihr eine sehr schwierige, ja eine geradezu
'j L e 1 1 o w - V o r b e c k, a. a. U., IJ, 644 u. ff.
Die Legion Klapka 18GÖ. ^5
386
K i e n a s t.
unhaltbare Stellung- haben ^).' Und als Türr einige Tage später
nochmals die Errichtung" einer italienischen (und ung-arischen ? )
Legion in preussischen l^iensten berührte und auch (xraf Usedom,
der Gesandte in Florenz, dafür eintrat, stimmte Bernhardi
nach seiner Versicherung wieder entschieden dag^egen. In sein
Tagebuch schrieb er am 3. Juni: *>Die Stellung einer solchen
Legion inmitten der preussischen Armee wäre eine geradezu
unmögliche. Natürlich sage ich in Türr\s (xegenwart nicht, dass
die Legionäre von unseren Soldaten als eidbrüchige und pflicht-
vergessene, ehrlose Cxesellen ohne Zweifel mit der äussersten
Verachtung behandelt werden würden. Aber ich komme immer
darauf zurück, dass bei den ritterlichen Ideen, die in unserer Armee
herrschen, eine Kriegführung, die solche Mittel gebrauchte, als
eine unritterliche, unredliche alle (lemüther verletzen würde*).«
Diese Ansicht hat Bernhardi zwar nidit gehindert, nachher
trotzdem den seiner Stellung ang-emessenen Antheil an dem
Zustandekommen der Legion zu nehmen, aber man darf (auch
ohne nähere Kenntniss der Berliner Act(*n) glauben, dass er
ebenso, wie jene preussischen Officiere, welche das Auftreten der
Legion förderten, dabei wohl m(*hr der auferlegten Pflicht ge-
horchte, als der eigenen Ueberzeugung und dem eigenen recht-
schaff*enen Empfinden.
': »Aus dem Lehen Theodor von B e r n h ;i r d i's«, VII, 24.
-• tlbendaselhst, VII, 36.
Druck von Josef Roller & Co., Wien.
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